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DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG.

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DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG
VON
Dr. LUDWIG BECK.

ERSTE ABTEILUNG.
VON DER ÄLTESTEN ZEIT BIS UM DAS JAHR 1500 N. CHR
.
MIT 315 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSTICHEN.

BRAUNSCHWEIG,:
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1884.
[]
[[V]]

VORWORT.


Wenn ich die vorliegende Arbeit, die mich mehr als zehn
Jahre beschäftigt hat, der Öffentlichkeit übergebe, so hätte
ich freilich gar mancherlei auf dem Herzen, das auszu-
sprechen mich drängt. Gern möchte ich das Kind meiner
Mühen dem Publikum empfehlen, seine Verdienste in das
beste Licht stellen, um ihm einen recht groſsen Leser-
kreis geneigt zu machen. Aber wozu der vielen Worte.
Ich fasse die guten Wünsche für mein Buch kurz zusam-
men in dem alten, deutschen Bergmannsgruſs: „Glück auf!“


Was man sonst in eine Vorrede zu bringen pflegt,
das habe ich in der Einleitung mitgeteilt. Es hätte des-
halb auch dieses Vorwortes nicht bedurft, wenn es mir
nicht ein Herzensbedürfnis wäre, an dieser Stelle denjenigen,
die mir die Anregung zu dieser Arbeit gegeben und mich
in der Ausführung unterstützt haben, meinen Dank aus-
zusprechen. Dieser Dank gebührt zunächst meinen ver-
ehrten Lehrern, die zu meiner Freude alle noch am Leben
sind, den Herren Professoren Robert Bunsen in Heidel-
berg, Peter Tunner in Leoben und John Percy in
London, alle hochverdient um die Eisenindustrie. Der
Letztere, bei dem ich während der Jahre 1864 und 1865
als Assistent beschäftigt war, gab mir die unmittelbare
[VI]Vorwort.
Anregung für die vorliegende Arbeit, indem er damals
gerade mit seiner „Sketch of the history of iron“ im
zweiten Bande seiner Metallurgie beschäftigt, es gelegent-
lich aussprach, eine ausführliche Geschichte des Eisens zu
schreiben, das müſste einmal eine Aufgabe für mich werden.
Diese Worte sind auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich
habe sie nie vergessen und mich der Arbeit um so lieber
unterzogen, da sie meinen Neigungen ganz entsprach.


Nicht minder gilt mein Dank den Männern, die mir
bei der Ausführung hilfreich zur Seite gestanden haben,
vor allen meinem verehrten Freunde Professor Linden-
schmit
in Mainz, der mich mit Rat und That unter-
stützt und unablässig angeregt hat, dann Herrn Oberst
von Cohausen in Wiesbaden, der mir Gelegenheit gab,
mit ihm gemeinschaftlich die interessanten Untersuchun-
gen auf der Salburg zu machen, ferner meinem Freunde
Dr. Hostmann, der für mich in der zuvorkommendsten,
uneigennützigsten Weise das schwierige Kapitel „Amerika“
bearbeitete. Auch der Direktion und den Beamten der
Darmstädter Hofbibliothek, die mich stets auf das Freund-
lichste unterstützten und durch ihre Zuvorkommenheit
mir es ermöglichten, an einem kleinen Orte ohne Bibliothek
die schwere Aufgabe zu bewältigen, sage ich wärmsten
Dank.


Mögen Alle, die sich für die Geschichte des Eisens
interessieren, mein Buch mit Wohlwollen entgegennehmen,
und möge dasſelbe sich recht viele Freunde erwerben!


Rheinhütte b. Biebrich a. Rh.,
im März 1884.


Dr. L. Beck.


[[VII]]

INHALTSVERZEICHNIS.


[[1]]

EINLEITUNG.


Die Geschichte des Eisens zu schreiben ist ein Wagnis, denn
einerseits fehlt es an Vorarbeiten, andererseits liegen die Gebiete des
Wissens, auf welchen eine solche Arbeit sich notwendig aufbauen muſs,
Kulturgeschichte und Technologie, weit auseinander. Letzteres ist wohl
der Hauptgrund, daſs es an einer umfassenden Bearbeitung des Gegen-
standes bis jetzt gefehlt hat. Der Techniker beherrscht selten das
historische Gebiet in dem Maſse, wie es für eine solche Untersuchung,
die weit über das Gebiet des rein Mechanischen hinausgreifen muſs,
erforderlich ist; ebensowenig ist aber von dem Historiker von Fach
Verständnis und Interesse für die technische Seite der Entwickelung
der Eisenindustrie zu erwarten. Der Verfasser ist von Beruf Techniker
und wenn er auch eifrig bemüht war, das unermeſsliche Feld der Ge-
schichte und der einschlägigen Litteratur nach Kräften auszubeuten,
so ist er doch selbst wohl am meisten davon durchdrungen, wie unvoll-
kommen seine Arbeit ist, wie weit das Geleistete hinter dem Erstrebten
zurücksteht. Es ist ein erster Versuch auf einem unbebauten Felde,
ein provisorischer Bau, an dem noch viele Bausteine, Verbindungen
und Dekorationsglieder fehlen, der erst allmählich im Laufe der Zeit
durch das Zusammenwirken Vieler seiner Vollendung entgegengeführt
werden kann. Möge dieses Buch hierzu die Anregung geben!


Das Eisen bedingt und beherrscht unsere moderne
Kultur
. Es lieferte die Werkzeuge, die Waffen, die Maschinen, mit
denen der Mensch sich seine Weltstellung errungen hat. Darum ist
die Geschichte der Benutzung dieses Metalles ein wichtiger Teil der
Entwickelungsgeschichte der Menschheit. Ist es auch ungebräuchlich,
Beck, Geschichte des Eisens. 1
[2]Einleitung.
einen leblosen Stoff zum Gegenstand einer historischen Untersuchung
zu machen, so ist dies doch nicht ungerechtfertigt, am wenigsten bei
dem Eisen. Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Ge-
schichtschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu
groſse Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Be-
dingungen der menschlichen Entwickelung, unter denen die Fortschritte
der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle
einnehmen, zu wenig Berücksichtung fänden. Was hat den Umschwung
der modernen Welt in solchem Maſse veranlaſst als die Erfindung
der Dampfmaschine? Nehmen wir aber ein Geschichtsbuch, beispiels-
weise eine Geschichte der französischen Revolution in die Hände, so
finden wir darin wohl ausführliche Untersuchungen über Charakter,
Herkunft, Bildungsgang der groſsen und kleinen Menschen, die in dieser
Katastrophe eine Rolle gespielt haben, und der individuellen Eigen-
tümlichkeit der leitenden Personen wird die gründlichste Beachtung
geschenkt, aber von der Einwirkung, der oben erwähnten Erfindung
des groſsen Watt, sowie des daran sich knüpfenden Umsturzes der
ganzen alten Technik durch die Herrschaft, welche die Steinkohle in-
folge derselben erlangte, lesen wir nichts. Und doch hat der mate-
rielle Druck, der infolge des Vorsprungs Englands durch Ausbeutung
obiger Erfindung auf der gesamten Industrie Frankreichs lastete,
vielleicht mehr Menschen der Revolution in die Arme getrieben, als
die Ideen der Encyklopädisten! Wer wird die historische Bedeutung
solcher Thatsachen in Abrede stellen wollen, wenn wir nur auf den Ein-
fluſs hinweisen, den in dem letzten Menschenalter die Veränderung des
Verkehrs durch die Eisenbahnen auf unsere Entwickelung, auf unsere
Geschichte geübt hat? Beide Erfindungen aber, die der Dampfmaschinen
wie die der Eisenbahnen, waren bedingt und ermöglicht durch technische
Fortschritte der Eisenbereitung, infolge deren dieses Metall billiger
und besser beschafft werden konnte.


Eine Geschichte des Eisens hat zunächst das erste Auftreten, die
früheste Verwendung, also das Alter desſelben zu untersuchen; dann
die Art der Gewinnung, der Verarbeitung und der Benutzung,
sowie die Fortschritte, die im Laufe der Zeit bei den verschiedenen
Völkern hierin gemacht worden sind. Diese Untersuchung wird sich
aber ausdehnen müssen auf den Einfluſs der Verwendung des
Eisens
und die hierin erzielten Fortschritte auf die Völker im ein-
zelnen und die Menschheit im ganzen, sowie auch der Verkehr mit diesem
Metall in rohem und verarbeiteten Zustand, der Eisenhandel, in das
Gebiet unserer Betrachtung fällt.


[3]Einleitung.

Die Einteilung der Geschichte des Eisens nach Zeit-
abschnitten läſst sich ganz gut in Uebereinstimmung bringen mit der
gebräuchlichen Einteilung der allgemeinen Weltgeschichte. Die alte
Zeit
beginnt mit den Anfängen der Geschichte und endet mit der
Völkerwanderung. In ihr war das Eisen zwar bekannt, seine Anwen-
dung aber weniger allgemein und namentlich beeinträchtigt durch die
Vorliebe für die Bronze. Mit der Völkerwanderung gelangte das Eisen
als Material für Waffen und Werkzeuge zu unbedingter Herrschaft.
Die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen geschah in dieser
Periode auf die einfachste Weise, durch Reduktion in Gruben, Herden
und Öfen mittels Blasebälgen ohne Anwendung von Maschinen. Das
erhaltene Produkt war ein schmiedbares Eisen, das je nachdem es
der Natur der Erze nach härter oder weicher war sich mehr dem
Stahl oder dem Schmiedeisen näherte. Guſseisen war in dieser
Periode gänzlich unbekannt.


Die zweite Periode, welche mit der Völkerwanderung beginnt und
in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts abschlieſst, also das ganze
Mittelalter umfaſst, ist dadurch charakterisiert, daſs in derselben
das Eisen zu allgemeinster Verwendung kommt und das fast aus-
schlieſsliche Nutzmetall wurde. Die Gewinnung geschieht auch in
dieser Periode in ähnlicher Weise wie in der alten Zeit auf dem
direkten Wege, doch wird bereits der Anfang zur Benutzung von Ma-
schinenkräften gemacht, insbesondere kommt gegen Ende der Periode
das natürliche Gefälle des Wassers als bewegende Kraft in Anwendung.
Infolgedessen tritt ein Umschwung ein. Man fängt an, das Eisen
in flüssiger Form als Roheisen darzustellen, man lernt den Eisenguſs
kennen. Aus dem Roheisen stellt man ein besseres Schweiſseisen,
einen besseren Stahl dar. Die indirekte Methode der Eisengewinnung
erlangt den Sieg. Die neue Zeit wird auf dieser Grundlage eröffnet.
Die Einführung der Hochöfen führt zu einer gänzlichen Umwälzung
in der Eisenbereitung. Von nun ab treten die direkten Darstellungs-
methoden mehr und mehr zurück. Das Eisen wird in flüssiger Form
als Roheisen aus seinen Erzen ausgeschmolzen und aus diesem Roh-
eisen durch einen zweiten Prozeſs Stabeisen und Stahl erzeugt. Die
Roheisenerzeugung wird die Grundlage der gesamten Eisenfabrikation,
wie dies noch heutzutage der Fall ist. Es geschieht dies in der dritten
Periode noch unter fast ausschlieſslicher Anwendung von Holzkohle
und Benutzung der Wasserkraft.


Mit der Einführung des Dampfes als Betriebskraft und des Sieges
der Steinkohle über die Holzkohle durch die Erfindung des Puddel-
1*
[4]Einleitung.
prozeſses findet die neue Zeit gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
ihren Abschluſs. Die vierte Periode, die neueste Zeit, beginnt. Sie ist
charakterisiert durch die Herrschaft der Steinkohle, die groſsartige
Verwendung der Dampfkraft, die Massenstahlbereitung. In die-
sem Zeitabschnitte stehen wir noch mitten inne.


Unsere geschichtliche Untersuchung wird sich vornehmlich auf die
alte Zeit, das Mittelalter und die neue Zeit erstrecken. In bezug auf
die neueste Zeit werden wir uns auf eine allgemeine Schilderung der
zahlreichen Erfindungen und Verbesserungen beschränken müssen, denn
eine gleich gründliche Behandlung der Entwickelung der Eisentechnik
der neuesten Zeit würde sich dermaſsen in technischen Einzelheiten er-
gehen müssen, daſs nur der Fachmann ihr mit Interesse folgen könnte.
Es empfiehlt sich, diesen Abschnitt, wenn er ausführlich behandelt werden
soll, zum selbständigen Vorwurf einer besonderen Arbeit zu machen.


Die Behandlung des Stoffes in den verschiedenen Abschnitten
wird keine gleichmäſsige sein können. In der alten Zeit werden es
die ersten Anfänge der Eisenindustrie, die Frage der frühesten Be-
nutzung des Eisens, der Einfluſs dieser Benutzung im allgemeinen,
wie auf die in der Geschichte des Altertumes in den Vordergrund
tretenden Völker insbesondere sein, die uns beschäftigen müssen. Die
technischen Fragen der Gewinnung und Verarbeitung werden dagegen
mehr in den Hintergrund treten, teils weil sich nur Weniges darüber
ermitteln läſst, teils weil die unvollkommenen Methoden jener Zeit,
da sie kaum in irgend welchem Zusammenhang mit unseren modernen
Darstellungsweisen stehen, von untergeordnetem Interesse sind. Darum
empfiehlt es sich, die Geschichte des Eisens der alten Zeit nicht nach
technischen Gesichtspunkten einzuteilen, sondern nach historischen
und zwar in der Weise, daſs wir die Kenntnis und Verwendung bei
den einzelnen Hauptkulturvölkern nach einander unserer Betrachtung
unterziehen; zuerst die der Ägypter, dann die der semitischen Völker
Ostasiens, darauf die der Arier, Turanier, Chinesen u. s. w., worauf
wir uns zu den europäischen Völkern, zunächst zu den Griechen und
Römern wenden.


In der Behandlung des Mittelalters wird es hier und da schon
möglich sein gewisse technische Gesichtspunkte in den Vordergrund
zu stellen und die europäischen Völkerfamilien, die für die weitere
Geschichte der Eisenindustrie bis zur neuesten Zeit allein in Betracht
kommen, in ihrer Nebeneinanderentwickelung zu behandeln. In der
neuen Zeit werden es vorzugsweise die technischen Fortschritte sein,
welche die Einteilung des Stoffes bedingen.


[5]Einleitung.

Die Quellen der Geschichte des Eisens sind spärlich und zer-
streut. Von Arbeiten, welche unser Thema in seiner Allgemeinheit
behandeln, existieren nur einige Aufsätze in den gröſseren Handbüchern
über Eisenhüttenkunde. Unter diesen sind hervorzuheben die Ein-
leitung zu Karstens Handbuch der Eisenhüttenkunde, und
John Percys Skizze der Geschichte des Eisens im zweiten
Bande seiner Metallurgie, doch beschränkt sich die letzterwähnte vor-
treffliche Arbeit auf Bemerkungen über das Alter des Eisens und auf
Mitteilungen über die Einführung der Steinkohlen und Koks bei der
Eisendarstellung in England. Eine neuere Schrift: „La ferronerie“ von
Liger enthält archäologisch Interessantes, ist aber in technischer Be-
ziehung sehr mangelhaft. Das neueste Buch „The prehistorical use of
iron and steel“ by John V. Day, London 1877 sucht nur den Nachweis
für den frühen Gebrauch des Eisens bei den Völkern des Altertums
zu führen. Bieten uns die historischen Vorarbeiten wenig für unseren
Zweck, so ist die technische Litteratur über das Eisen noch so jugend-
lichen Alters, daſs sie für die Geschichte der früheren Zeit nur geringe
Ausbeute giebt. Die ersten selbständigen Arbeiten, die das Eisen
speziell zum Gegenstand technisch wissenschaftlicher Untersuchungen
machten, sind die zwei klassischen Abhandlungen von Reaumur über
den Zementstahl und die Darstellung des schmiedbaren Gusses aus
dem Jahre 1722. Erst 1734 erschien die erste systematische Eisen-
hüttenkunde von dem berühmten Swedenborg in lateinischer Sprache
unter dem Titel „Regnum subterraneum sive minerale de ferro“. Die
älteren, hervorragenden metallurgischen Werke, wie das grundlegende
Werk des Georg Agricola „De re metallica“ (1556) oder die „Pyro-
technia“ des Italieners Vanuccio Biringuccio (1540) enthalten nur
sehr ungenügende Mitteilungen über die Darstellung des Eisens. Zu
ihrer Zeit hatte die Wissenschaft von diesem Zweig der Metallurgie
noch keine Notiz genommen und während sie und andere gelehrte
Männer eingehend die Darstellung des Goldes, des Silbers, des Kupfers,
des Bleies und des Quecksilbers studierten und zu verbessern suchten,
blieb die Eisengewinnung eine unbeachtete Kunst, den Bauern in den ein-
samen Waldschmieden überlassen. Dieselbe untergeordnete Stellung
nahm die Eisengewinnung gegenüber der Gewinnung der anderen Metalle
im klassischen Altertum ein. Deshalb sind die Mitteilungen der alten
Schriftsteller über die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens so
auſserordentlich spärlich und meist so unklar, daſs sie den Eindruck
machen, die Berichterstatter erzählten nach Hörensagen und hätten die
Prozesse, die sie beschreiben, entweder nicht gekannt oder nicht ver-
[6]Einleitung.
standen. Die einschlägigen Bemerkungen finden sich zerstreut in den
philosophischen, historischen wie poetischen Werken des Altertums;
mühevoll muſs man sie zusammensuchen aus den Schriften des Homer,
Hesiod, Herodot, Thukidides, Aristoteles
und Theophrast,
wie später aus denen des Diodor, Strabo, Plutarch, Pausanias
und anderer griechischer, wie aus denjenigen des Cäsar, Virgil, Pli-
nius, Tacitus
und anderer römischer Schriftsteller, um einigermaſsen
das Bild der alten Industrie wieder herzustellen. Über noch ältere
Zeiten geben uns die Bibel, das Zend-Avest und die Veden, sowie die
Inschriften der Ägypter, Assyrer, Inder und die Ueberlieferungen
chinesischer Chronisten vereinzelte Aufschlüsse. Es bleibt eine beschwer-
liche Mosaikarbeit, diese unbedeutenden Gedenksteinchen wieder zu
einem Gesamtbild zu vereinigen.


Andere Quellen als die litterarischen müssen es ausmalen helfen.


Die Analogie, welche uns die Anthropologie an den technischen
Kenntnissen unzivilisierter Völker nachweist, sowie das Ergebnis der
Untersuchungen von Fundstücken aus vergangener Zeit, worüber uns
die Archäologie Aufschluſs giebt, vermögen manche Lücke auszu-
füllen. Deshalb müssen die metallurgischen Kenntnisse der Natur-
völker, die Funde von alten eisernen Werkzeugen und Geräten, wie
die Reste alter Bergwerke und Schmelzvorrichtungen in das Bereich
unserer Untersuchung gezogen werden. Ferner geben Mythen und
Sagen, in welchen vorhistorische Erinnerungen in phantastischem Ge-
wand erscheinen, Fingerzeige für die Geschichte der Metallgewinnung
mancher Völker, wie z. B. der Griechen und Germanen. Von nicht zu
unterschätzender Bedeutung sind die Ergebnisse der Sprachver-
gleichung
, welche namentlich, wenn über Alter und Ursitz der Eisen-
gewinnung gehandelt wird, nicht unberührt gelassen werden dürfen,
wenn auch weittragende Schluſsfolgerungen hier um so mehr zu ver-
meiden sein werden, als diese schwierige Wissenschaft noch in ihren
ersten Anfängen steht und die Versuchung, Lücken durch Hypothesen
auszufüllen, bei jeder jungen Wissenschaft groſs ist.


Aus so heterogenen Bestandteilen muſs eine Geschichte des Eisens
zusammengefügt werden.


Ehe wir nun in die eigentliche Behandlung unseres Themas ein-
treten, wird es zweckmäſsig sein, auszuführen, woher es kommt, daſs
das Eisen eine so hervorragende Rolle unter den Metallen spielt, also
seine Eigenschaften und sein Vorkommen in der Natur zu schildern,
sowie die Art seiner Gewinnung und die verschiedenen Zustände, in
[7]Einleitung.
denen es uns bekannt ist und in die es zum Zweck seiner Verwendung
übergeführt wird.


Die Wichtigkeit des Eisens beruht auf seinen Eigenschaften
und auf der Verbreitung seiner Erze. Von allen metallischen Ele-
mentarbestandteilen nimmt das Eisen den hervorragendsten Anteil
an der Zusammensetzung unseres Erdkörpers, zugleich ist es für die
Wohlfahrt der Menschen der wichtigste.


Die Erze des Eisens finden sich nicht nur in mächtigen Lager-
stätten in allen Formationen angehäuft, sondern die Oxyde dieses
Metalls bilden einen wichtigen Gemengteil der Gesteine, welche die
feste Erdkruste bilden. Vor allem enthalten die Silikatgesteine, aus
denen das Gerippe der Erdkruste besteht, Eisen. Die nachfolgende
Zusammenstellung giebt das Mengenverhältnis an, in dem es in den
Wichtigsten derselben enthalten ist.


Durch ihre Verbreitung und Eigenschaften spielten die Sauerstoff-
verbindungen des Eisens eine wichtige Rolle in dem groſsartigen Stoff-
wechsel der unorganischen Welt, auf dem die geologischen Umbildungen
beruhen. Das Eisenoxydul der Silikatgesteine bindet einen Teil der
Kohlensäure, welche mit dem Regentropfen in die Tiefe dringt, und
wird als ein im Überschuss von Kohlensäure gelöstes Karbonat der
Oberfläche wieder zugeführt. In Berührung mit der Atmosphäre ver-
liert die Lösung wieder einen Teil der Kohlensäure, während das
Oxydul Sauerstoff aufnimmt, Wasser bindet und sich als gelber Eisen-
schlamm absetzt. Das Freiwerden der Kohlensäure ruft organisches
Leben hervor, indem es Kohlensäure atmende Sumpfpflanzen gedeihen
läſst und hierbei zeigt sich eine solche Wechselwirkung organischer
und unorganischer Thätigkeit, daſs es zweifelhaft bleibt, ob das Pflanzen-
leben die Abscheidung der Kohlensäure, oder ob die Abscheidung der
[8]Einleitung.
Kohlensäure das Pflanzenleben veranlaſst. Der oxydische Eisenschlamm
ist wiederum meist nur ein Zwischenstadium in dem unaufhörlichen
Stoffaustausch. Durch die Bildung von Kohlenwasserstoff, Kohlen-
und Schwefelsäure infolge der Verwesung abgestorbener Sumpfpflanzen
wird er in lösliche Oxydulsalze zurückgeführt, um von neuem in den
Kreislauf des Stoffwechsels einzutreten.


Eine nicht minder wichtige Rolle als in dem unorganischen spielt
das Eisen in dem organischen Leben. Es ist das einzige schwere Me-
tall, welches einen wesentlichen Bestandteil unseres Blutes ausmacht.
Wir wissen ferner, daſs über die Grenzen unserer irdischen Wohnstätten
hinaus das Eisen verbreitet ist. Gleichsam wie eine Versicherung, daſs
auch auſserhalb unseres Planeten an diesem wichtigsten Metall kein
Mangel sei, fallen aus dem unbekannten Weltraum von Zeit zu Zeit
Blöcke gediegenen Eisens auf unsere Erde herab. Der metallische
Zustand dieser Meteoriten überrascht uns, da wir das Eisen auf der
Erde nicht in gediegenem Zustand finden und das künstlich reduzierte
Metall nicht lange in unserer Sauerstoffatmosphäre bestehen kann.
Wenn schon hieraus gefolgert werden muſs, daſs die Atmosphären,
welche die Meteoriten oder die fremden Sterne, denen sie entstammen, —
denn man pflegt sie als Trümmer von Planeten, Kometen oder Fixsternen
anzusehen, — umgaben, keine Sauerstoffatmosphären gewesen sein kön-
nen, so ist dies durch die interessanten Versuche Grahams neuerdings
zur Gewiſsheit geworden. Graham bemerkte, daſs das meteorische
Eisen, welches 1814 bei Lenarto in Ungarn gefallen war, bei der Erhitzung
das dreifache Volumen von Luft ausgab, die aus 86 Proz. Wasserstoff
und 4½ Proz. Kohlenoxydgas zusammengesetzt war, während unser künst-
lich dargestelltes Eisen nur Kohlenoxydgas enthält und zwar 1 Volum.
Wasserstoff ist demnach der Hauptbestandteil dieser meteorischen
Atmosphäre. Die Resultate dieser Untersuchung werden bestätigt
durch die Ergebnisse der Spektralanalyse, welche nachweist, daſs Eisen
und Wasserstoff in hervorragender Weise an der Zusammensetzung der
Sonnenatmosphäre teilnehmen.


Die Spektralanalyse macht es wahrscheinlich, daſs das Eisen der
wichtigste mineralische Bestandteil des Zentralkörpers unseres ganzen
Planetensystems ist und steht zu vermuten, daſs auch an der Masse
unseres Erdkörpers das Eisen in viel gröſserem Verhältnis Teil nimmt,
als aus der Zusammensetzung der Oberfläche, wo die leichte Kiesel-
säure in Verbindung mit den verbrannten Metallen ausgeschieden ist,
erscheint. Denn das spezifische Durchschnittsgewicht des gesamten
Erdkörpers beträgt das 5,44 fache des Wassers, während das der äuſsern,
[9]Einleitung.
uns bekannten Erdkruste kaum halb so hoch ist. Die Wirkungsphäre
des Sauerstoffs reicht wahrscheinlicher Weise nur bis zu relativ geringer
Tiefe. Wenn die Temperatur nach dem Innern der Erde in derselben
Weise zunimmt, wie in den uns bekannten Tiefen, so liegt der Wärme-
ort, wo die Zersetzung des Wassers eintritt, also die chemischen Ver-
wandtschaftsbedingungen, die an der Oberfläche der Erde herrschen,
umgekehrt werden, verhältnismäſsig nicht fern und es ist anzunehmen,
daſs über diese Grenze hinaus die schweren Metalle in unverbundenem
Zustande angehäuft sind. Der ferndringende Blick der Spektralanalyse
hat das Eisen noch weit auſserhalb unseres Planetensystems nachzu-
weisen vermocht. In den Atmosphären des Aldebaran und des Sirius
bilden Eisen und Wasserstoff die Hauptbestandteile.


Doch kehren wir zurück auf unsere Erde, wo zum Segen der
Menschheit die Erze des Eisens sich allerwärts vorfinden.


Sie sind so verbreitet, daſs es eine höchst weitschweifige und er-
müdende Arbeit sein würde, wollte man die bekannten Eisenerzvor-
kommen aller Länder zusammentragen und so eine Geographie der
Eisenerzlagerstätten liefern. Diejenigen, welche für die Geschichte des
Eisens von besonderer Wichtigkeit sind, werden gelegentlich betreffen-
den Orts erwähnt werden. Dagegen ist es von Interesse, eine Ueber-
sicht der Erze nach ihrem chemischen Verhalten zu geben.


Die Eisenerze haben einen gemeinsamen chemischen Charakter,
alle sind Sauerstoffverbindungen. Das reichste derselben ist das
schwarze Oxyd, der Magneteisenstein, der aus drei Äquivalenten
Eisen und vier Äquivalenten Sauerstoff zusammengesetzt ist und in
chemisch reinem Zustande einen Eisengehalt von 72,4 Proz. hat. Sein
spezifisches Gewicht schwankt zwischen 4,98 bis 5,20. Er findet sich
krystallisiert im regulären System und ist hauptsächlich in Schweden,
Norwegen, im Ural, in Kanada, Neu-Jersey und Pennsylvanien verbreitet.


Die zweitreichste, häufig vorkommende Sauerstoffverbindung des
Eisens ist das rote Oxyd, das krystallinisch als Eisenglanz oder
dicht als Roheisenstein sich findet. Es besteht aus zwei Äquiva-
lenten Eisen mit drei Äquivalenten Sauerstoff und enthält im reinen
Zustande 70 Proz. Eisen. Sein spezifisches Gewicht ist 5,19 bis 5,23.
Die berühmten Eisenerze der Insel Elba bestehen aus Eisenglanz, wäh-
rend der dichte Roteisenstein das wichtigste Erz Mitteldeutschlands
bildet. Für sich erhitzt, verändert sich dieses Oxyd nicht, erst bei
sehr hoher Temperatur entweicht ein Anteil seines Sauerstoffs; durch
reduzierende Gase erleidet es dagegen schon bei verhältnismäſsig ge-
ringer Hitze eine teilweise geringe Reduktion. Wird der Roteisen-
[10]Einleitung.
stein vor dem Verschmelzen einer Röstung unterworfen, so geschieht
dies nur, um eine mechanische Auflockerung zu erreichen.


Die dritten, sehr verbreiteten Sauerstoffverbindungen des Eisens sind
die braunen, wasserhaltigen Oxyde, die Brauneisensteine, welche
als brauner Glaskopf, als Sumpferz, Seeerz, Bohnerz u. s. w. gefunden
werden. Die wasserhaltigen Oxyde sind nicht krystallisiert. Die reinste
Abänderung, der braune Glaskopf, besteht aus zwei Atomen Sesquioxyd
und drei Atomen Wasser; eine zweite wasserreichere Verbindung ent-
hält zwei Atome Wasser auf ein Atom Eisenoxyd. Diese Eisenhydrate
sind in den dichten und erdigen Brauneisenerzen mit mehr oder weniger
Thon vermischt. Wird das Erz erhitzt, so entweicht das Wasser und
es bleibt wasserfreies, rotes Oxyd zurück. Brauneisensteine finden
sich in allen Formationen. In den älteren, besonders in der silurischen
und devonischen kommen sie meist in Gängen vor und sind oft das Um-
wandlungsprodukt des Eisenspats, in welchem Falle sie sehr rein, reich
an Mangan und vorzügliche Eisenerze sind. In den jüngeren Forma-
tionen treten dagegen die Brauneisenerze häufiger als Lager auf, deren
Bildung zuweilen, wie bei den schwedischen Seeerzen, noch fortschreitet.
Organische Wesen sind oft die Veranlassungen solcher Ablagerungen.
So scheiden Charen, Converfen und Moospflanzen in flachen Wassern,
die doppeltkohlensaures Eisenoxydul gelöst enthalten, oft Eisenoxyd-
hydrat aus, indem sie durch ihre Respirationsthätigkeit der Flüssigkeit
den Überschuſs an Kohlensäure, der die Eisenverbindung gelöst hält,
entziehen. Das ausgeschiedene Eisenoxydhydrat setzt sich um das
Netzwerk der Pflanzenwurzeln ab. Daſs auch Infusorien das Eisen-
oxydhydrat durch ihre Lebensthätigkeit unmittelbar zum Absatz
bringen können, beweist die Entstehung der Seeerze Schwedens. Solche
Ablagerungen können zwar unter Umständen von groſser Reinheit sein,
in den meisten Fällen aber enthalten sie, abgesehen von den Thonein-
mengungen, einen beträchtlichen Anteil an Phosphorsäure, der sie
weniger für die Herstellung von Schmiedeisen und Stahl, als von Guſs-
waren tauglich macht.


Die vierte oxydische Verbindung endlich, welche die Natur liefert,
ist das hellgefärbte, kohlensaure Eisenoxydul, der Eisenspat. In
reinem Zustande tritt er in der Krystallform des Kalkspats in Rhom-
boëdern auf und ist eine Verbindung von einem Atom Eisenoxydul
mit einem Atom Kohlensäure, welche in reinem Zustande 48,275 Proz.
Eisen enthält. Meist jedoch ist es begleitet von den isomorphen Kar-
bonaten, kohlensaurem Manganoxydul, kohlensaurer Magnesia und
kohlensaurem Kalk. Das spezifische Gewicht dieses Erzes ist 3,7 bis
[11]Einleitung.
3,9. Eisenspat kommt in den älteren Formationen meist in Gängen vor,
selten in Lagern. Sein oft beträchtlicher Mangangehalt macht dieses
Erz besonders geeignet zur Stahlgewinnung. Vor seiner Verschmelzung
wird es gewöhnlich einer Röstung unterworfen, wodurch die Kohlen-
säure ausgetrieben und eine teilweise Oxydation herbeigeführt wird.
Das Röstprodukt ist eine schwarze, zuweilen halbmetallisch glänzende
Oxydverbindung des Eisens, die in ihrer Zusammensetzung dem Magnet-
eisenerz nahe steht. Der Eisenspat erleidet schon beim Liegen an
der Luft eine Zersetzung, wobei seine fast weiſse Farbe durch Gelb in
dunkles Braun übergeht. Dabei tauscht sich Kohlensäure gegen Was-
ser aus und das Oxydul nimmt Sauerstoff auf, bis das Endprodukt
Brauneisenerz entsteht. Die berühmtesten Fundplätze dieses Eisen-
spats sind in Steyermark und im Siegerland.


Das kohlensaure Eisenoxydul findet sich ferner in amorphem oder
kryptokrystallinischem Zustand vermengt mit Thon in den thonigen
Sphärosideriten, dem Kohleneisenstein (Blackband) u. s. w.,
Erze, die je nach ihren Beimengungen die verschiedenartigsten Farben
und das verschiedenartigste Ansehen haben. Alle gehen durch Zer-
setzung in Brauneisenstein über.


Die Darstellung des Eisens aus seinen Erzen ist ein leicht
verständlicher Vorgang. Er beruht auf einer einfachen Reduktion
der Oxyde, welche durch Kohle bei hoher Temperatur bewirkt wird.
Das Eisen, welches auf diese Weise gewonnen wird, ist nicht chemisch
rein, sondern enthält stets Kohlenstoff. Durch diese Beimengungen von
Kohlenstoff wird es erst zu technischen Zwecken verwendbar. Be-
kanntlich unterscheidet man drei Hauptmodifikationen des Eisens: Das
Roheisen, den Stahl und das Schmiedeisen. Die Verschieden-
heit dieser Modifikationen, die so groſs ist, daſs sie sprachlich durch
besondere Worte bezeichnet werden, beruht auf dem verschiedenen
Kohlenstoffgehalt. Das Roheisen enthält am meisten, 3 bis 5,93 Proz.,
das Stabeisen am wenigsten, 0,08 bis 0,6 Proz., der Stahl steht in der
Mitte mit 0,6 bis 2,3 Proz. Kohlenstoff. Es ist bis heute noch nicht mit
Bestimmtheit erwiesen, wie wir uns die chemische Bildung der Eisen-
arten zu erklären haben, ob der Kohlenstoff in den Eisensorten mit
einem Teile des Metalls in bestimmter chemischer Verbindung
oder ob er nur in Auflösung enthalten ist. Nicht nur der ver-
schiedene Gehalt an Kohlenstoff, sondern auch die Art seiner Verbin-
dung bedingen die Verschiedenheit der Eigenarten. Das kohlenstoff-
reichste Roheisen ist am leichtesten schmelzbar, das kohlenstoffärmste
Stabeisen am schwersten. Der Stahl steht, wie im Kohlenstoffgehalt,
[12]Einleitung.
so auch bezüglich der Schmelzbarbeit in der Mitte. Man kann sagen,
die Schmelzbarkeit des Eisens nimmt zu mit seinem Kohlenstoff-
gehalt, doch wird diese allgemeine Regel eingeschränkt durch die
Verschiedenheit des Verbindungszustandes des Kohlenstoffs im Eisen,
besonders im Roheisen. Es giebt Eisensorten, die sowohl in bezug auf
ihre Schmelzbarkeit, als auch ihrem sonstigen physikalischen Verhalten
groſse Verschiedenheit zeigen, während ihre quantitative chemische
Zusammensetzung ganz oder nahezu die gleiche ist. Man unterscheidet
diese Roheisensorten nach ihrer Farbe als graues und weiſses Roh-
eisen. In den grauen Roheisensorten ist nur ein Teil des Kohlen-
stoffs chemisch gebunden, während ein anderer Teil in der Form
krystallinischer Blättchen, als sogenannter Graphit, ausgeschieden ist.
Diese dunklen Blättchen erteilen dem Eisen die eigentümliche graue
Farbe. — In den weiſsen Roheisensorten ist aller oder nahezu aller
Kohlenstoff chemisch gebunden. Dadurch erklärt es sich, daſs die
physikalischen Eigenschaften beider nicht dieselben sein können, da
diese durch den gebundenen Kohlenstoff bedingt werden. Deshalb
ist auch weiſses Eisen leichter schmelzbar als graues von gleichem
Kohlenstoffgehalt. Doch wird das graue und nicht das weiſse Eisen
zum Vergieſsen gebraucht und deshalb als „Guſseisen“ bezeichnet, weil
das weiſse Eisen hart und spröde ist und da es sich beim Erkalten
stärker zusammenzieht und die Formen ungenügend ausfüllt.


In bezug auf die Schmelzbarkeit der Eisensorten hat Pouillet
folgende Tabelle mitgeteilt 1):



Eine zweite wichtige Eigenschaft des Eisens ist seine Härte,
welche ebenfalls mit dem Kohlenstoffgehalt schwankt. Das kohlenstoff-
ärmste Schmiedeisen ist die weichste Verbindung, welche sich deshalb
am leichtesten bearbeiten läſst. Das kohlenstoffreichste „Spiegeleisen“
ist die härteste Eisenverbindung. Das graue Roheisen ist viel weicher
als das weiſse. Die gröſste Eigentümlichkeit in bezug auf die Härte
zeigt der Stahl. Wird glühender Stahl langsam abgekühlt, so wird er
[13]Einleitung.
weich; kühlt man ihn dagegen rasch ab, so wird er hart und zwar so
hart, daſs man mit Leichtigkeit den langsam erkalteten, „ungelöschten“
Stahl mit dem rasch erkalteten, „abgelöschten“ Stahl feilen, bohren
und schneiden kann. Das Material läſst sich also ohne Schwierigkeit
mit sich selbst bearbeiten. Diese ausgezeichnete Eigenschaft hat der
Stahl vor den anderen Eisensorten voraus und sie ist es haupt-
sächlich, die den Stahl zu der geschätztesten Eisenkohlenstoffverbindung
macht. Während der langsam erkaltete Stahl kaum dem Schmied-
eisen an Weichheit nachsteht, besitzt der abgelöschte Stahl nahezu die
Härte des Spiegeleisens. Es gehen diese Härteunterschiede nach der
gewöhnlichen Skala von 4 bis 7.


Vergleicht man die Stahlsorten unter einander, so bleibt auch hier
die Regel richtig, daſs die Härte mit dem gebundenen Kohlenstoff-
gehalt zunimmt, vorausgesetzt, daſs die verglichenen Stahlsorten unter
denselben Umständen erkaltet sind. — Stahl von gleichem Kohlenstoff-
gehalt wird durch das Ablöschen um so härter, je gröſser die Tempe-
raturdifferenz zwischen dem erhitzten Stahl und der Flüssigkeit, in der
er abgelöscht wird, dem „Härtewasser“, und je gröſser die spezifische
Wärme der Flüssigkeit, in welcher der Stahl gelöscht wird, ist. Mit
der Härte nimmt auch die Sprödigkeit zu, so daſs glasharter Stahl
sich pulvern läſst. Solcher Stahl ist für Werkzeuge meist zu hart und
spröde. Beides aber kann man ihm wieder benehmen durch Erhitzen
bis zu einer gewissen Temperatur und darauf folgendes langsames
Abkühlen. Bei diesem langsamen Erhitzen, dem „Anlassen“, zeigt
blanker, namentlich polierter Stahl eine Reihe auf einander folgender
Farben, welche man die Anlauffarben nennt, nach denen man den
Grad der Härte und Elastizität, welche man dem Stahl durch das An-
lassen geben will, bestimmen kann. Die Anlauffarben folgen sich in
nachfolgender Ordnung:



[14]Einleitung.

Der Stahl wird um so weicher, je höher man ihn anläſst. Will
man einem weichen, elastischen Gegenstand, z. B. einer Feder, die
richtige Härte geben, so wird man sie blau anlaufen lassen, während
man eine harte Schneide nur gelb anläſst.


Das Schmiedeisen zeigt die Eigenschaft der Härtung durch Ab-
löschen nicht, man setzt deshalb die Grenze von Stahl und Schmied-
eisen da, wo die Härtung aufhört; dies tritt bei einem Kohlenstoffgehalt
von circa 0,62 Proz. ein.


Daſs Farbe und Textur der Eisensorten sehr abweichend sind,
ist schon angedeutet worden. Je mehr gebundenen Kohlenstoff ein
Eisen enthält, desto weiſser, silberfarbiger, je mehr ausgeschiedenen
Kohlenstoff (Graphit), desto schwärzer wird es. Die Extreme der Farben
zeigen groſsblättriges Gieſsereieisen, das fast schwarz ist, und Spiegel-
eisen. Farbe und Glanz werden sehr beeinfluſst durch die Textur. So
zeigen Schmiedeisen und Stahl ursprünglich krystallinischen blättrigen
Bruch und glänzende Farbe, durch Schmieden und Walzen wird das
Gefüge sehnig, der Glanz matt, die Farbe meist heller. Das Eisen
krystallisiert im regulären System meist in Oktaëdern. Die Krystallform
des Spiegeleisens, welches in groſsen, glänzenden Flächen bricht, ist
noch nicht aufgeklärt.


Die Schmiedbarkeit des Eisens steht im allgemeinen im um-
gekehrten Verhältnis zur Härte. Weiſses Eisen und abgelöschter
Stahl sind sehr spröde; weicher Stahl und Schmiedeisen sehr dehnbar.
Die Schmiedbarkeit wird beeinträchtigt durch chemische Verunreini-
gungen; so machen geringe Beimengungen von Schwefel Eisen oder
Stahl rotbrüchig, ebenso Kupfer. Phosphor erzeugt Kaltbruch, ähn-
lich wirken Arsen und Antimon. Silicium beeinträchtigt die Festigkeit
des Eisens. Ähnlich wie mit der Schmiedbarkeit verhält es sich mit
der Zähigkeit.


Die Elastizität ist in besonders ausgezeichnetem Grade dem
Stahl eigen. Es ist eine Verbindung von Härte und Zähigkeit. Beson-
ders zeigt der angelassene Stahl eine Elastizität wie kein anderer
Stoff; wir wollen hier nur an die feinen Uhrfedern erinnern.


Eine andere Eigenschaft, die unter den Nutzmetallen das Eisen
allein besitzt, ist seine Schweiſsbarkeit. Erhitzt man Schmied-
eisen und Stahl, so geht er lange, ehe er schmilzt, in einen erweichten
Zustand über, in dem sich durch Drücken und Hämmern zwei Stücke
mit einander verbinden lassen wie weiches Wachs. Die Schweiſsbar-
keit steht im umgekehrten Verhältnis zum Kohlenstoffgehalt und hört
auf mit dem harten Stahl. Roheisen ist nicht schweiſsbar. Die wich-
[15]Einleitung.
tigste Eigenschaft der Eisensorten ist seine Festigkeit, durch die sich
das Eisen ebenfalls vor allen anderen Nutzmetallen auszeichnet. Sie
variiert mit dem Kohlenstoffgehalt.


Die absolute Festigkeit, d. h. der Widerstand gegen das Zer-
reiſsen, ist am gröſsten bei weichem Stahl, etwa doppelt so groſs,
als bei Schmiedeisen. Die Versuchsziffern schwanken allerdings bedeu-
tend, je nach der Reinheit und Bearbeitung der untersten Stahl- und
Eisensorten. Bei dünnen Stäben ist die Festigkeit relativ gröſser als
bei dicken. Es trägt die Flächeneinheit von 3 cm Quadrat bei Quadrat-
stäben



Es rührt dies teils von der Bearbeitung, teils von der gröſseren
Oberfläche her. Die Festigkeit des Schmiedeisens ist mehr als dreimal
so groſs, als die des Guſseisens. Deshalb wendet man da, wo das
Material auf Zugfestigkeit in Anspruch genommen wird, wie bei
Brückenträgern, Schmiedeisen an. In bezug auf die relative Festig-
keit
, den Widerstand gegen das Zerdrücken, ist das graue Roh-
eisen dem Schmiedeisen überlegen, deshalb wendet man zum Tragen,
besonders als Unterstützungssäulen, Guſseisen an. Gute Stahlsorten,
namentlich guter Guſsstahl, übertreffen in beiden Beziehungen alle
übrigen Eisensorten. Es verhalten sich die Festigkeitskoeffizienten bei
Zug und Druck in Kilogrammen pro Quadratzentimeter folgendermaſsen:


Die Aufgabe des Hüttenmannes ist es, dasjenige Eisen aus dem
Erz darzustellen, welches dem Zweck seiner Verwendung am meisten
entspricht. Aus jedem Erz lassen sich die drei Kohlenstoffverbindungen
des Eisens erhalten, wenn auch nicht mit gleichem Vorteil, indem
manche Eisenerze sich mehr als andere zur Darstellung einer bestimmten
Eisensorte eignen. Das oxydische Eisenerz, wenn man es in Berührung
mit Kohle glüht, wird reduziert. Dabei behält das reduzierte Eisen
anfänglich die Gestalt der Erzstücke und ist frei oder nahezu frei von
Kohlenstoff. Bleibt es aber weiterhin in Berührung mit den glühenden
[16]Einleitung.
Kohlen, so nimmt es Kohlenstoff auf und durchläuft, wenn die Tempe-
ratur hoch genug ist, nach und nach alle Zustände der Kohlung von
Schmiedeisen bis zu dem Roheisen, indem, je höher die Temperatur
ist, um so mehr das Eisen das Bestreben zeigt, die gröſstmögliche
Menge Kohlenstoff aufzunehmen und die leichtschmelzbarste Verbindung
zu bilden. Soll aber Roheisen entstehen, so muſs die Hitze mindestens
der Schmelztemperatur des weiſsen Eisens entsprechen; ist dies nicht
der Fall, oder ist die Berührung mit den kohlenden Gasen unvollständig,
von zu kurzer Dauer oder wirken auf das gekohlte Eisen nachträglich
wieder oxydierende Gase ein, so entsteht kein Roheisen, sondern eine
geringer gekohlte Verbindung, die, da sie schweiſsbar ist, sich zu
einem Klumpen vereinigt, und meist dem Schmiedeisen, seltener dem
Stahl entspricht. Da die Betriebsmittel, welche die Alten bei ihrer
Eisenbereitung anwendeten, so unvollkommen waren, daſs dadurch
die vollständige Kohlung nicht erreicht werden konnte, so erhielten
sie nicht geflossenes Roheisen, sondern zusammengebackenes Schmied-
eisen. Ihre Schmelzapparate waren Herde oder niedrige Öfen 1), welche
keine genügend lange Einwirkung der kohlenden Gase gestatteten;
ihre Gebläsevorrichtungen waren so mangelhaft, daſs sie damit keine
hohe Temperatur erzeugen konnten und endlich leiteten sie den Wind
meistens in der Weise in den Ofen, daſs er das Metall traf und eine
nachträgliche Entkohlung bewirken muſste. Aus allen diesen Ursachen
blieb den Alten das geflossene Roheisen unbekannt, und wenn sie
auch einige Kenntnis davon gehabt zu haben scheinen, daſs das Eisen
schmelzbar ist und sich bei ihren Prozessen je nach den Umständen
zuweilen etwas geflossenes Eisen gebildet haben mag, so stellten sie
doch das Roheisen niemals absichtlich dar und kannten seine Ver-
wendung weder zum Zwecke des Gieſsens noch zur Stahl- und Schmied-
eisenbereitung.


Die einfache Reduktion, durch welche man direkt Schmiedeisen
erhält, die sogenannte „direkte Eisendarstellung“, ist der natürlichste
und leichteste Prozeſs der Eisenbereitung. Kein Wunder, daſs die
Alten zuerst darauf verfielen! Ja, es dauerte Jahrtausende, bis man
allmählich durch Erfahrungen und Beobachtungen die Wichtigkeit des
Roheisens erkannte; daſs man es nicht nur zu vergieſsen lernte, son-
dern auch fand, daſs sich der Stahl und das Schmiedeisen sicherer,
besser und mit gröſserem, ökonomischem Vorteil aus dem Roheisen
als unmittelbar aus dem Erz darstellen lieſsen.


[17]Einleitung.

Nach der Art, wie der Prozeſs in alter Zeit geführt wurde, war es
vom Zufall abhängig, ob ein härteres oder ein weicheres Eisen, ob
Stahl oder Schmiedeisen dargestellt wurde. Die Sprache machte anfangs
auch keinen Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen. An manchen
Orten, wo die Erze die Bildung eines harten Eisens besonders begün-
stigten, wurde von Anfang an meist Stahl erhalten, wie dies im Land
der Chalyber und in Norikum der Fall war. Die überlegenen Eigen-
schaften dieser Eisensorten führten dann auch zu seiner besonderen
Benennung, die meist dem Namen des Landes, von dem es kam, ent-
nommen war, und so wurden Ortsnamen im Laufe der Zeit zuweilen
zum Begriffsworte, wie das griechische Χάλυψ für Stahl. Die Güte des
Produktes war abhängig von dem Erz, daher lokal bedingt.


Erst durch die groſse Reform in dem Eisenhüttenwesen, durch die
Erfindung der Roheisendarstellung und die Einführung des indirekten
Verfahrens lernte man nach und nach aus demselben Erz nach Be-
lieben die eine oder die andere Eisensorte darzustellen. Die Inder
allein verstanden schon früh aus dem Schmiedeisen durch einen zweiten
Prozeſs durch ein eigentümliches Verfahren den vorzüglichen indi-
schen Stahl zu bereiten.


Die Mangelhaftigkeit der Schmelz- und Gebläsevorrichtungen
suchten die Alten auszugleichen durch die Sorgfalt, mit der sie ihre
Erze auswählten und zur Schmelzung vorbereiteten. Sie rösteten alle
Erze, zerklopften das geröstete Erz zu Haselnuſsgröſse, siebten das
Feine ab und gaben es meist innig mit Holzkohlenstückchen gemengt
auf. Dadurch unterstützten sie die Wirkung der Hitze und der reduzie-
renden Gase, so daſs sie bei kürzerer Chargendauer ein vollständiges
Ausschmelzen bewirkten. Es war diese Vorbereitung um so notwen-
diger, je flacher der Herd und je schwerschmelziger das Erz war.


Ehe wir nun aber auf die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens
bei den einzelnen Völkern des Altertums näher eingehen, wollen wir
noch zwei allgemeine Punkte in diesem einleitenden Teil der Betrach-
tung unterziehen:


Die Frage der ersten Entdeckung des Eisens und die der
Stellung des Eisens zur Bronze im Altertume.


Die Zeit der Entdeckung des Eisens feststellen zu wollen ist ein
ebenso vergebliches Bemühen, als über den Weg, die Art und Weise
dieser Entdeckung Theorieen aufzustellen. Wir finden das Eisen bereits
in mannigfachem Gebrauche beim Eintritt der ältesten Kulturvölker
in die Geschichte. Hypothesen, die über die Grenzen der ältesten
Überlieferungen hinausgehen, stehen auf sehr zweifelhaftem Boden·
Beck, Geschichte des Eisens. 2
[18]Einleitung.
Dennoch gehört es zu unserer Aufgabe, auch zu diesen mehr oder
weniger anerkannten Ansichten Stellung zu nehmen. Eine solche, die
sich auf die uranfängliche Entdeckung des Eisens bezieht, ist enthalten
in der verbreiteten Behauptung, daſs das Eisen, welches die Menschen
zuerst benutzt hätten, Meteoreisen gewesen sei. Die Hypothese hat
etwas Bestechendes. Meteoreisenblöcke haben sich in allen Gegenden
der Erde gefunden. Einzelne, kleinere Massen sind an vielen Orten
bekannt, angehäuft fanden sie sich am Maguragebirge in Ungarn, bei
Kobija in Südamerika, bei Toluka in Mexiko, am groſsen Fischfluſs
in Südafrika, auf Disko, Ost-Grönland und anderen Orten. Von gröſse-
ren Massen sind am berühmtesten der 95,5 kg schwere Block von
Elnbogen, die ursprünglich 800 kg schwere Masse von Krasnojarsk, die
1500 kg schwere Masse vom Red-River in Louisanna, die über 8500 kg
schwere, am Flusse Bemdêgo in Brasilien und die auf 15000 kg ge-
schätzte Masse von Otumba in Peru u. s. w. Auch ist die Kenntnis,
daſs Steine und Eisen zeitweise vom Himmel fallen, sehr alt.


Die wissenschaftliche Thatsache, daſs meteorisches Eisen existiert,
d. h. daſs metallische Eisenmassen zeitweise aus dem unbekannten
Weltraum durch die Atmosphäre auf die Erde gelangen, ist indes,
trotz mancherlei älteren Überlieferungen, erst seit Anfang dieses Jahr-
hunderts anerkannt. Im vorigen Jahrhundert behandelte man noch
die älteren Berichte als Märchen, was allein schon beweist, wie spär-
lich die Zahl der Meteorfälle ist und wie selten solche beobachtet wer-
den. Die Anerkennung der Meteoriten in der Wissenschaft ist für die
Geschichte unserer Erkenntnis von nicht geringem Interesse. Obgleich
die Erscheinung, daſs zuweilen mineralische Massen aus der Luft auf
die Erde fielen, bereits im Altertum bekannt war, so wurde sie doch
von den skeptischen Gelehrten des vorigen Jahrhunderts gänzlich in
Abrede gestellt. Bereits die parische Marmorchronik berichtet von
einem Meteorsteinfall, der im 13. Jahrhundert vor Christus sich ereignete.
Im Jahre 465 vor Christi wurde in Thrakien am Flusse Ägos ein sol-
cher Steinfall beobachtet, über den Plutarch und Plinius berichten.
Solche Steine wurden zuweilen als Heiligtümer verehrt, besonders im
westlichen Asien, wo sie als Opfersteine bei den Blutopfern dienten.
Ein solches Heiligtum ist auch der angeblich als Rubin vom Himmel
gefallene, aber durch die Sünden der Menschen schwarz gewordene,
jetzt in Silber gefaſste Stein Hadschar-el-Aswad in der Kaaba zu Mekka.
Es ist dies der älteste aufbewahrte Meteorit, da sich das angebliche
Meteoreisen von Pompeji durch die Untersuchung von Gustav Rose
als künstliches Eisen erwiesen hat. Der erste von Zeugen beobachtete
[19]Einleitung.
und aktenmäſsig beschriebene Meteorsteinfall war der von Ensisheim
am 7. November 1492, wobei ein 260 Pfund schwerer Stein „mit groſsem
Donnerklapf von den Lüften herabfiel“. Auf Befehl Maximilians wurde
dieser merkwürdige Stein in der Kirche aufbewahrt.


Die früheste bestimmte Nachricht über meteorisches Eisen giebt
uns Plinius, der in seiner hist. nat. II, 59 folgenden Fall erzählt: item
ferro in Lucanis (pluisse) anno antequam M. Crassus in Parthis in-
teremtus est (53 vor Christi), omnesque cum eo Lucani milites, quorum
magnus numerus in exercitu erat. Effigies quae pluit spongiarum fere
similis erat.


Avicenna, der in Bokhara geboren war und von 978 bis 1036 lebte,
schildert einen interessanten Meteoreisenfall. Bei Burgea in Persien,
sagt er in seinem Traktat de conglutinatione lapidum, sei ein Stück
Eisen 100 Mark schwer vom Himmel gefallen, das wegen seiner Härte
fast unzerbrechlich war. Doch schickte man ein Stück davon an König
Torat, welcher befahl, daſs man Degen und Schwerter aus der Masse
anfertigen solle. Aber die Schmiede waren nicht imstande, sie zu
zerbrechen noch zu verarbeiten.


Auch Georg Agrikola (1490 bis 1555), der Vater der montanisti-
schen und metallurgischen Wissenschaft, wuſste, das zuweilen Eisen
vom Himmel fiele, allerdings, wie es scheint, hauptsächlich aus arabi-
schen Mitteilungen. Er erwähnt die Nachricht des Avicenna und
fügt hinzu: „Arabes autem dicunt, enses Alemanicos, qui optimi sunt,
ex ejusmodi ferro fieri“. Dies sei indessen unwahr und würden die
Araber in diesem Punkte von den Kaufleuten belogen, denn den Ger-
manen fiele das Eisen nicht vom Himmel.


Ferner berichtet der gelehrte Skaliger von einem Meteoreisenfall
und fügt nach der damaligen Ansicht der Alchimisten über die Ent-
stehung dieser Naturerscheinung hinzu: „ferrum igitur a maximi coeli
concreari potestate“.


Trotz allen diesen Ueberlieferungen und Zeugnissen der angesehen-
sten Gelehrten wurde im 18. Jahrhundert, insbesondere von rationalisti-
scher Seite, die Existenz von Meteorsteinen, das Vorkommen von
Meteoritenfällen in Abrede gestellt und die Ansicht, daſs derartige
Körper vom Himmel fallen könnten, verpönt und verspottet. Die Auf-
findung der groſsen Eisenmasse von Krasnojarsk durch den berühmten
russischen Reisenden Pallas lenkte wieder die Aufmerksamkeit auf
diese Frage. Diese 700 bis 800 Kilo schwere Masse, die den Ein-
geborenen lange bekannt war, wurde 1749 zuerst von einem Kosaken
Medwedeff am Jenisei aufgefunden. Durch diesen erhielt der
2*
[20]Einleitung.
russische Gelehrte davon Kenntnis, der sie 1772 aufsuchte und den
ganzen Block nach Petersburg verbringen lieſs.


Der Fundort war auf einem Gebirgsrücken zwischen den Neben-
flüssen Ubei und Siaim wenige Meilen zur Rechten des Jenisei. Die
Masse bestand nicht aus derbem Metall, sondern aus einem bienen-
wabenähnlichen Netzwerk von Eisen, dessen Zellen mit einem olivin-
ähnlichen Silikat angefüllt sind. Pallas beschreibt sie sehr gut
folgendermaſsen 1): „Die ganze Wacke scheint eine rote, eisenstein-
artige Schwarte gehabt zu haben. Das innere Wesen derselben ist
ein geschmeidiges, weiſsbrüchiges, wie ein grober Seeschwamm löcherig
ausgewebtes Eisen, dessen Zwischenräume mit runden und länglichen
Tropfen des schönsten Olivins erfüllt sind, den man kennt.“ — Die
Tataren betrachteten es als ein vom Himmel gefallenes Heiligtum
und es hatte sich bei ihnen die Kunde erhalten, daſs früher viele
solcher Massen vom Himmel gefallen seien. Pallas hielt diese Über-
lieferungen im Geist der damaligen Wissenschaft für Fabeln und sah
in der Masse nur ein äuſserst merkwürdiges, unerklärliches Naturpro-
dukt. Der deutsche Privatgelehrte Chladni war der erste, der, nachdem
er sich lange mit dem Gegenstand beschäftigt hatte, im Jahre 1794 es
wagte, die Pallasmasse für meteorischen Ursprungs zu erklären. Er
erregte das Gelächter der Fachgelehrten und selbst klare Köpfe wie
Lichtenberg fielen mit Hohn und Spott über ihn her. Solcher
Verhöhnung war noch einige Zeitlang nachher ein jeder ausgesetzt,
der Miene machte, ernstlich an die Existenz von Meteoriten zu glauben,
infolgedessen sogar von den Vorstehern öffentlicher Sammlungen die
als Meteorsteine und Meteoreisen bezeichneten Exemplare heimlich
entfernt und fortgeworfen wurden; solches geschah in Dresden, Wien,
Kopenhagen, Bern und anderen Orten. Da ereignete sich am 16. Juni
1794 am Tage bei heiterem Himmel der Steinregen von Siena in Tos-
kana. Natürlich erregte er groſses Aufsehen, doch acceptierte man
gern die Hypothese Hamiltons, der die Steine für Auswürflinge des
50 Meilen entfernten Vesuvs, der allerdings 18 Stunden früher eine
Eruption gehabt hatte, erklärte. Diese Theorie hielt aber nicht Stich,
als schon im nächsten Jahre am 13. Dezember 1795 bei Woodcottage
in Yorkshire der Fall eines 56 Pfund schweren Steines beobachtet
wurde, indem hier weit und breit kein Vulkan nachzuweisen war, da
der nächste, der Hekla, 170 Meilen in der Luftlinie entfernt war. Durch
diesen Fall wurde Howard zu einer gründlicheren und unbefangenen
[21]Einleitung.
Untersuchung veranlaſst und von ihm der meteorische Ursprung be-
stätigt. 1798 fiel ein eisenreicher Meteorstein bei Benares in Bengalen,
den er chemisch untersuchte und hierdurch zum ersten Male den
charakteristischen, hohen Nickelgehalt (er gab ihn, allerdings zu hoch,
auf 35 Proz. an) des Meteoreisens nachwies. Auf Grund chemischer
Analyse erklärte er auch das Eisen von Otumba in Brasilien, sowie das
Pallaseisen Krasnojarsk für meteorischen Ursprungs. Diese Publika-
tionen ermutigten nun auch den deutschen Chemiker Klaproth, der
sich schon längere Zeit im stillen mit der Frage beschäftigt hatte, mit
seinen Analysen hervorzutreten 1). Dieselben bestätigen den Nickel-
gehalt des Meteoreisens, obgleich im Gegensatz zu Howard seine Be-
stimmungen sämtlich zu gering ausgefallen sind. In der Eisenmasse,
die am 26. Mai 1751 Abends 6 Uhr in der Nähe von Agram gefallen
war und die im Wiener naturwissenschaftlichen Kabinet zum Teil
aufbewahrt wurde, hatte er 96,5 Proz. Eisen und 3,5 Proz. Nickel er-
mittelt 2). — Nachdem die französische Akademie der Wissenschaften
noch kurze Zeit zuvor durch Abstimmung per majora beschlossen
hatte, daſs es keine Meteorsteinfälle gäbe, trat jetzt auch der berühmte
französische Gelehrte und Akademiker La Place mit der Hypothese
hervor, daſs die betreffenden Steine durch Eruptionen der Mondvulkane
auf die Erde geschleudert würden. — Hierzu wäre aber eine anfäng-
liche Wurfgeschwindigkeit von 7800 Fuſs in der Sekunde, also etwa die
fünffache Anfangsgeschwindigkeit einer abgeschossenen Kanonenkugel
erforderlich. Solche Eruptionen giebt es auf dem Monde nicht und ist
diese Vermittelungstheorie längst verlassen. Zu gröſserer Beschämung
der Akademie und wie zum Hohn auf den nicht lange zuvor gefaſsten
Majoritätsbeschluſs ereignete sich am 26. April 1803 der groſse Stein-
fall von l’Aigle in der Normandie, der in mindestens 12 Ortschaften
von hunderten von Zeugen beobachtet wurde. Nachmittags 1 Uhr er-
schien aus heiterem Himmel eine weit sichtbare Feuerkugel, gestaltete
sich zu einer kleinen Wolke, die 5 bis 6 Minuten ein schreckliches
Getöse, wie Kanonendonner und Gewehrfeuer erzeugte und aus der
2000 bis 3000 zischende Steine, von denen der gröſste, der aufgehoben
wurde, 17½ Pfund wog, auf einer elliptischen Fläche von 2½ Lieues
Länge und 1 Lieue Breite niederfielen 3).


Nach dem Fall von l’Aigle verstummten alle Zweifler und sind
[22]Einleitung.
denn auch seit jener Zeit noch viele Meteoritenfälle direkt beobachtet
worden, von denen wir nur einige, durch besondere Umstände bemerkens-
werte, hervorheben wollen. So fiel am 27. Dezember 1848 gegen
Abend bei Schie, Amt Ackershuus in Norwegen, ein Meteorstein auf
das Eis, rikoschettierte und blieb liegen. — Der Finder des Steins hieſs
Dalsplads und wird deshalb dieser Stein oft irrtümlich mit diesem
Namen bezeichnet, während es Regel ist, die Meteoriten nach dem
Fundort zu benennen. — Am 14. Juli 1860 fiel bei Dhurmsalla in Ost-
indien ein glühender Stein mit geschmolzener Rinde in mehreren
Stücken zur Erde, als man sie aber kurz darauf aufheben wollte, waren
sie so kalt, daſs man sie nicht anfassen konnte. Die oberflächliche
Erhitzung, durch Reibung beim Durchfliegen der Atmosphäre entstanden,
war rasch verschwunden, denn der Stein führte die Temperatur des
Weltraumes (— 50°) mit sich.


Von gediegenem Meteoreisen war das von Klaproth untersuchte
von Agram lange das allein bekannte. 1811 lenkte Professor Neu-
mann
in Prag die Aufmerksamkeit auf einen 191 Pfund schweren
Eisenblock, welcher der Tradition nach bei Elbogen in Böhmen vom
Himmel gefallen war, dort verwahrt wurde und unter dem Namen „der
verwunschene Burggraf“ den Mittelpunkt vieler Sagen der Umgegend
bildete. Die chemische Analyse ergab einen Gehalt von 88,2 Tln.
Eisen, 8,5 Tln. Nickel, 0,6 Tln. Kobalt und 2,2 Tln. Phosphor, es
war also ein normales Meteoreisen. Nachdem man die charakteristisch-
sten Eigenschaften des meteorischen Eisens nicht nur in chemischer,
sondern auch in physikalischer Beziehung erkannt hatte, indem v. Wid-
mannstätten
die eigentümliche, krystallinische Struktur, die nach
dem Ätzen der glatten Flächen erscheint und die unter dem Namen
der Widmannstättenschen Figuren bekannt sind, im Jahre 1808 be-
schrieben hatte, so fing man jetzt an, viele alte, längst bekannte Eisen-
blöcke auf ihren meteorischen Charakter zu untersuchen und bei dem
allgemeinen Interesse, welchen der Gegenstand bereits erregte, wurden
auf diese Weise viele neue Eisenmeteoriten aufgefunden: so 1814 der
von Lenarto im Saroser Komitat, 1829 das Eisen von Bohumiliz, be-
sonders aber die zahlreichen Eisenmassen in Amerika zum Teil von
auſserordentlicher Gröſse, wie z. B. die von Durango in Mexiko, von der
Humboldt 1811 berichtete, 40000 Pfund schwer, der von Bemdego,
den Domingo da Mota Bothelo schon 1784 entdeckt hatte, unge-
fähr 15000 Pfund, das schon erwähnte Otumbaeisen oder genauer
Tukuman, Rio de la Plata, 1783 von Indianern entdeckt, über
30000 Pfund Gewicht.


[23]Einleitung.

In Nordamerika machte sich Shepard vornehmlich um die Unter-
suchung der Meteoriten verdient. Er kannte 1846 bereits 22 Fundorte
in den Staaten, darunter den über 3000 Pfund schweren Block vom
Red River, Texas, weswegen, weil man ihn für Platina hielt, zwei kost-
spielige Expeditionen ausgerüstet worden waren. In den Vereinigten
Staaten, und zwar in Tennessee, ereignete sich im Jahre 1835 am
letzten Juli oder am ersten August nach Agram der erste Meteoreisen-
fall vor Zeugen. Auf den Feldern von Dickson fiel vor den Augen
mehrerer Arbeiter aus einem explodierenden Meteor ein Körper auf ein
Baumwollenfeld, auf welchem bald darauf beim Pflügen ein 9 Pfund
schweres Stück Meteoreisen aufgefunden wurde.


Der dritte und merkwürdigste Fall vor Zeugen ereignete sich aber
bei Hauptmannsdorf bei Braunau auf der bömisch-schlesischen Grenze am
14. Juli 1847, Morgens 3¾ Uhr. Es bildete sich am Himmel eine Wolke,
die mit einem Mal erglühte; Blitze zuckten nach allen Richtungen
und zwei Feuerstreifen fuhren zur Erde mit heftigem Doppelknall, der
alle Bewohner weckte. In einem 3 Fuſs tiefen Loche fand sich das
eine 42 Pfund und 6 Lot schwere Stück Eisen, das nach 6 Stunden
noch so heiſs war, daſs es niemand anfassen konnte; das zweite von
30 Pfund und 16 Lot fiel durch das Schindeldach eines armen Mannes
in das Schlafzimmer seiner Kinder, ohne zu zünden. Der Mann war
der Meinung, der Blitz habe eingeschlagen und ahnte nichts von der
Sache. Erst am folgenden Tage, am 15. Juli, wurde das Stück nach
eifrigem Suchen unter den Trümmern der Kammerwand aufgefunden.


Unter den sonstigen Meteoreisenfunden bietet das Eisen von Disko
in der Baffinsbay ein besonderes Interesse dar, da sich hier Eisen-
massen im Basalt eingeschlossen fanden. Sie müſsten also, wenn ihr
meteorischer Charakter fest stände, bereits in einer früheren geologi-
schen Epoche auf die Erde gelangt sein.


Nach dieser historischen Einleitung, die zur Genüge die Thatsache
feststellt, daſs zeitweilig meteorische Körper aus der Atmosphäre auf
unsere Erde gelangen, wollen wir die Eigenschaften des meteorischen
Eisens, die wir zum Teil vorübergehend schon erwähnt haben, etwas
näher betrachten.


Das Meteoreisen ist in chemischer und physikalischer Beziehung
durchaus verschieden von unserem künstlich dargestellten Eisen und
besitzt so charakteristische Eigenschaften, daſs diese ein nahezu untrüg-
liches Kriterium zwischen siderischem und tellurischem Eisen abgeben.


Das meteorische Eisen ist fast niemals eine homogene Masse,
wie dies unser Kunsteisen ist. So abweichend weiſses und graues
[24]Einleitung.
Roheisen, Stahl und Schmiedeisen unter sich sind, so erscheint doch
jede dieser Eisensorten in sich gleichartig. Das Meteoreisen dagegen
stellt sich fast stets als ein aus verschiedenen Individuen zusammen-
gesetzter Körper dar. Bemerkenswert ist bereits der allmähliche Über-
gang von Meteorstein zum Meteoreisen. Zeigen schon die meisten
Meteorsteine Einsprengungen von nickelhaltigem Eisen, so nehmen diese
bei den „Mesosideriten“ derart zu, daſs sie sich als ein körniges Ge-
menge von Meteoreisen mit Magnetkies, Olivin und Augit darstellen.
Bei weiterer Zunahme des metallischen Eisens entstehen die „Pallasite“,
bei denen das Eisen ein zelliges Gerippe bildet, das mit Krystallen von
Olivin porphyrartig erfüllt ist. Der Übergang der Pallasite zu dem
derben Meteoreisen findet ebenfalls durch Zwischenstufen statt. End-
lich stellt sich das derbe Meteoreisen selbst wieder als eine Verwachsung
selbständiger Individuen von verschiedener Zusammensetzung dar. In
chemischer Beziehung ist das Meteoreisen zunächst durch das Nicht-
vorhandensein chemisch gebundenen Kohlenstoffs, ferner durch seinen
hohen Nickelgehalt gegenüber dem fabrizierten Eisen charakterisiert.
Derselbe schwankt meist zwischen 6 und 10 Proz., während künstliches
Eisen kein Nickel oder höchstens nur bis ½ Proz. davon enthält. Das
Nickel ist aber nicht gleichmäſsig in dem Meteoreisen verteilt, sondern
es bildet verschieden zusammengesetzte Verbindungen teils nur mit
Eisen, teils mit Eisen und Phosphor. Diese verschiedenen Körper kry-
stallisieren selbständig neben einander aus, jedoch alle unter demselben
tesseralen Krystallisationsgesetz, dem der Hauptbestandteil, das Eisen,
unterworfen ist. Dadurch entstehen jene eigentümlichen Verwachsungen
von Krystallindividuen, welche dem Meteoreisen eigen sind und welche
die Veranlassung zu den Widmannstättenschen Figuren geben.


Feilt oder schleift man Meteoreisen an, so erscheint es uns, ab-
gesehen von etwas lichterer Färbung, nicht wesentlich verschieden von
gewöhnlichem Eisen; setzt man aber die glatten Flächen einer schwachen
Säure aus, oder läſst man die polierte Fläche im Feuer anlaufen, so er-
scheinen Zeichnungen, die eine gewisse Regelmäſsigkeit nach den Spal-
tungsrichtungen des Hexaëders zeigen und die nach dem Wiener Gelehr-
ten, der sie zuerst beschrieben hat, benannt werden. Diese Zeichnungen
treten so scharf und deutlich auf, daſs man solche geätzte Flächen
schwärzen und wie Buchdrucktypen abdrucken kann. Die Erscheinung
zeigt das künstliche Eisen niemals. Allerdings treten auch bei manchem
Meteoreisen diese Figuren sehr undeutlich und kaum erkennbar auf,
wie z. B. bei dem Eisen von Braunau, dessen Fall dort direkt beobachtet
wurde und das so krystallinisch und deutlich spaltbar ist, daſs das
[25]Einleitung.
ganze Stück als ein Krystallindividuum anzusehen ist. Demungeachtet,
oder vielleicht gerade deshalb sind die beschriebenen Figuren nicht
vorhanden und zeigt sich statt derselben nur eine mikroskopisch feine
Streifung nach den Spaltungsrichtungen.


Bei weitem die Mehrzahl aber zeigt die schalenförmige Zusammen-
setzung und die Figuren auf den Flächen. Man unterscheidet hierbei
das „Balkeneisen“ 1) (Kamazit), welches die Hauptlinien, die sich meist
in Winkeln von 30, 60 und 120 Grad schneiden, bildet; das „Band-
eisen“ (Tänit), welches in papierdünnen Blättchen das Balkeneisen
umschlieſst. Das „Fülleisen“ (Plessit), welches die von dem Balken-
eisen gebildeten Zwischenräume ausfüllt. Das „Glanzeisen“ (Lamprit)
bildet glänzende, helle Nadeln, die unregelmäſsig zerstreut, auch nicht
immer vorhanden sind, wie dies auch mit dem gelblichen Schwefeleisen
(Troilit) der Fall ist 2), das nur derb, häufig in cylindrischer Gestalt
vorkommt. Chemisch unterscheidet man noch das schwerlösliche
Phosphornickeleisen (Schreibersit).


Jede dieser Eisenverbindungen spielt ihre eigentümliche Rolle in
dem Gewebe der Widmannstättenschen Figuren. Doch sind die ein-
zelnen Individuen bei verschiedenen Eisenmeteoriten sehr verschieden
entwickelt; während Braunau und mit ihm Arva, Senegal, Tarapaka,
Green County und Smithland nur mikroskopische Streifung zeigen,
wechselt die Breite des Balkeneisens bei Putnam von ½ mm bis Bohu-
miliz von 4 bis 6 mm.


Näher auf die chemische und physikalische Charakteristik des
Meteoreisens einzugehen, ist hier nicht am Platze, es genügt, die wesent-
lichen Unterscheidungsmerkmale angedeutet zu haben und wird unsere
Ausführung später noch ergänzt und erläutert werden durch die Be-
schreibung des Tolukaeisens, das wir unserer speziellen Untersuchung
unterzogen haben.


Gewiſs geht aus dem Angeführten zur Genüge hervor, daſs das
Meteoreisen in seiner Zusammensetzung wesentlich von unserem Nutz-
eisen abweicht und ist schon deshalb zu erwarten, daſs es auch in
bezug auf seine technische Verwendbarkeit sich verschieden verhalten
wird.


Die Frage der Schmiedbarkeit des Meteoreisens, die uns besonders
interessiert, ist je nach dem Ergebnis einzelner Versuche, sehr ver-
schieden beantwortet worden. Gerade in neuerer Zeit wurde die
[26]Einleitung.
Schmiedbarkeit von einigen englischen Gelehrten wieder angezweifelt,
so von Professor Thorpe, der in einem Vortrag in der Glasgow Philo-
sophical Society 1872 die Schmiedbarkeit des Meteoreisens gänzlich in
Abrede stellte. Dieser Ansicht schloſs sich St. John V. Day in seinem
1877 erschienenen Buche „The preshistoric use of iron and steel“ voll-
ständig an, indem er zur Bestätigung hinzufügt, Professor Nöggerath
in Bonn habe es vergeblich versucht, Meteoreisen zu schmieden. Solche
miſslungene Versuche lieſsen sich zur Unterstützung dieser Ansicht
noch manche anführen, wie z. B. der schon von Avicenna erzählte des
persischen Königs Torat. Einen ähnlichen, miſslungenen Versuch lieſs
Mahommed Seyd anstellen, der ebenfalls einem Schmied den Auftrag
gab, aus einem vom Himmel gefallenen Klumpen Eisen ein Schwert,
ein Messer und einen Dolch zu fertigen, aber das Eisen flog dem Schmied
unter dem Hammer auseinander. Auch die vergeblichen Versuche, das
Eisen von Bitburg in der Eifel in der Hitze zu verarbeiten, und als
dies nicht gelang, es mit Zusatz von anderem Eisen zu verfrischen,
dürften hier erwähnt werden.


Da die Zweifel über die Schmiedbarkeit auch durch den chemischen
und physikalischen Zustand des Meteoreisens unterstützt werden, in-
dem namentlich ein Nickelgehalt von 6 oder gar 10 Prozent unser
Schmiedeisen zur Verarbeitung untauglich macht, so war es wohl an-
gezeigt, diese Frage einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, um sie
endgültig entscheiden zu können.


Der Verfasser hat den Versuch gemacht dies zu thun, indem er
zunächst alle auf diesen Gegenstand bezüglichen Thatsachen in dem
oben angeführten Aufsatz ausführlich zusammen stellte. Aus dieser Zu-
sammenstellung ergiebt sich, daſs unter 70 Eisenmeteoriten, mit denen
Versuche über ihr Verhalten unter dem Hammer angestellt worden
waren, 48 sich als schmiedbar erwiesen, während nur 7 als absolut
unschmiedbar aufgeführt sind.


Die amerikanischen Gelehrten, denen weitaus das gröſste Material
zur Verfügung stand, indem von den aufgeführten 153 Fällen nicht
weniger als 105 Amerika angehören, haben sich immer entschieden für
die Schmiedbarkeit des Meteoreisens ausgesprochen. Dana sagt in
seiner Mineralogie (S. 423): „Meteoric iron is perfectly malleable and
may be readily worked into cutting instruments and put to the same
uses as manufactured iron“. — Shepard hat die Schmiedbarkeit zum
Einteilungsprinzip gemacht, indem er die Eisenmeteorite in 1) hämmer-
bar, gleichartige, 2) hämmerbar, ungleichartige und 3) spröde klassi-
fiziert.


[27]Einleitung.

Indessen muſs bemerkt werden, daſs die Angaben bezüglich der
Hämmerbarkeit nicht gleichen Wert haben, indem viele nur sehr oben
hin geprüft worden zu sein scheinen. Es wird deshalb von Interesse
sein, diejenigen Fälle besonders aufzuführen, über die wir Näheres
wissen.


Nur ganz nebenbei erwähnen wir hier der sagenhaften Über-
lieferungen, welche Attila, Timur und anderen Eroberern vom Himmel
gefallene Schwerter in die siegreichen Hände geben. Immerhin deuten
sie auf einen erfahrungsmäſsigen Kern. Dagegen wissen wir, daſs
Kapitän Sowerby im Anfang des Jahrhunderts aus einem Stück Me-
teoreisen vom Kap ein 2 Fuſs langes, 1⅜ Zoll breites Schwert für den
Kaiser Alexander I. von Ruſsland schmieden lieſs. Ebenso lieſsen
Partsch und v. Brudern aus dem Eisen von Lenarto Klingen an-
fertigen, die eine mittlere Stahlhärte und auf ihrer Oberfläche die
welligen Linien des Damaszenerstahles zeigten.


Aus dem Eisen von Krasnojarsk, obgleich Pallasit, sind Nägel und
andere Gegenstände geschmiedet worden. Ferner befinden sich ver-
schiedene aus Meteoreisen geschmiedete Gegenstände in öffentlichen
Sammlungen, so ein quadratisch geschmiedetes Stäbchen von 22 g Ge-
wicht von Bemdegoeisen in Göttingen, ferner in derselben Kollektion
ein 260 g schweres, geschmiedetes Stück von Schwetz an der Weichsel.


Von dem Eisen von Grönland (Baffinsbay) brachte Kapitän Roſs
bereits 1819 ein Messer, welches er von den Eskimos eralten hatte,
mit. Es befindet sich im Britischen Museum und wurde von Wolla-
ston
, der es untersuchte, für Meteoreisen erklärt. Ähnliche Messer
befinden sich in Wien und in Göttingen (von Kapitän Sabine). Diese
Messer stammen indes wahrscheinlich alle von dem Diskoeisen, über
dessen meteorischen Charakter Zweifel herrschen. Bekannt ist, daſs
Meteoreisen von den Eingeborenen verschiedener Gegenden verarbeitet
wird, so von den mexikanischen Indianern im Tolukathal, von den
Negern am Senegal, welche Töpfe daraus gefertigt haben sollen, den
Nomaqua in Südafrika, welche sich aus dem Meteoreisen vom Löwen-
fluſs Waffen herstellten. Ähnliches wird von Madagaskar berichtet.
Das Guildfordeisen soll vor seiner wissenschaftlichen Entdeckung von
den Schmieden der Umgegend zu Nägeln, Hufeisen u. s. w. verarbeitet
worden sein. Der Reisende Wrangel berichtet, daſs sich auf den
Alaseyschen Bergrücken in Sibirien eine Menge gediegenes Eisen von
vorzüglicher Güte finde, das von den Jakuten zu Messern, Beilen u. s. w.
verarbeitet werde.


Trotz dieser groſsen Zahl glaubwürdiger Thatsachen, die für die
[28]Einleitung.
Schmiedbarkeit des Meteoreisens sprechen, schien es mir doch not-
wendig, die Frage durch direkte Versuche zur Entscheidung zu bringen,
um so mehr, als auch die Schweiſsbarkeit, Härtbarkeit u. s. w. näher
untersucht werden sollte. — Der Verfasser hat dies mit Tolukaeisen
von vorzüglicher hexaëdrischer Spaltbarkeit gethan und ist ihm dies
vollständig gelungen. Dass Tolukaeisen schmiedbar sei, war schon
früher bekannt und machte ein in dortiger Gegend begüterter Minen-
besitzer, Herr Stein, dem Verfasser hierüber folgende Mitteilung.


Figure 1. Fig. 1.
Figure 2. Fig. 2.
Figure 3. Fig. 3.

„Das fragliche Meteoreisen von Toluka oder deutlicher von Ist-
lahuaca wird hier und da von den dortigen Schmieden verarbeitet zu
Pflügen, Beilen, Hacken, je nach der Gröſse des Stückes Meteoreisen.
Doch gelingt es nicht immer, das Eisen nach Wunsch zu verarbeiten
und die Leute werfen dann die sogenannten „unnützen“ Stücke fort.
Mir — oder besser gesagt unserem Maschinisten ist es gelungen, einige
kleine Stücke zu schmieden. Ich sende Ihnen per Post einen kleinen
[29]Einleitung.
Hammer und ein kleines Täfelchen, welche aus Meteoreisen geschmiedet
sind. Der Hammer ist glatt gelassen, das Täfelchen ist mit Säure
geätzt, wodurch die Widmannstättenschen charakteristischen Figuren
zu ersehen sind. Ferner ein Stück Meteoreisen roh, d. h. nicht ver-
arbeitet, sondern blos durchgesägt und die gesägte Fläche geätzt. —
Das Eisen wurde mit Anwendung von Eichenholzkohlen geschmiedet.
Das Zersägen des Stückes war sehr schwierig und geschah unter stetem
Zuthun von Seifenwasser mit einer ganz feinen Holzsäge. — Mein
Vater lieſs in Darmstadt ein groſses Stück mit Maschinenkraft zer-
sägen, wobei circa 10 Zirkularsägen zu Grunde gingen.“


Der Maschinist, der das Ausschmieden der erwähnten Stücke aus-
geführt hatte, gab folgenden Bericht:


„Die Versuche, Meteoreisen zu schmieden, waren einfacher Natur.
Natürlich darf es nicht in Steinkohlen, sondern in Holzkohlen gewärmt
werden. Die beiden Hämmer, welche ich damals schmieden lieſs, haben
sogar Schweiſshitze vertragen, da das Meteoreisen etwas unganz war.
Reines Feuer und gute Schweiſshitze sind nötig, das Eisen darf auch
nicht rotglühend gehämmert werden, sondern im weiſswarmen Zustande,
muſs demnach öfters gewärmt werden. Ob nun gerade das Meteor-
eisen von Toluka das allein schmiedbare ist, kann ich nicht sagen.
Unser Meteoreisen ist sehr rein und enthält auſser Nickel keinen an-
deren fremden Körper. Die Bearbeitung mit der Feile hatte jedoch
ihre Schwierigkeiten, da viele sehr harte Stellen an dem Hämmerchen
vorhanden waren, die ich aber auf dem Schleifsteine glatt geschliffen
habe. 24 stündiges Ausglühen in Holzkohlenasche half nicht viel.“


Aus diesen Berichten geht hervor, daſs das meiste, jedoch nicht
alles Tolukaeisen schmiedbar ist. Wie erwähnt, versuchte ich die
Sache selbst und gelang mir das Schmieden eines möglichst ge-
sunden Stückes, das von der Hauptmasse abgesägt worden war, voll-
ständig. Als Feuerungsmaterial benutzte ich Buchenholzkohlen. Das
Eisen war nicht so weich wie unser Schmiedeisen, lieſs sich aber bei
mäſsiger Schweiſshitze leicht ausschmieden. Ebenso zeigte es sich
ganz gut schweiſsbar. Das Meteoreisenstück wurde in die Form
eines Stäbchens ausgeschmiedet und an ein ähnlich gestaltetes Stück
weichen Schmiedeisens flach angeschweiſst. Die Naht war gesund,
wenn auch wegen der Ungleichheit des Materials deutlich zu erkennen;
nach dem Ätzen trat die Schweiſsstelle, sowie der Unterschied der
beiden Eisensorten noch schärfer hervor. Das verschmiedete Meteor-
eisen ist härter wie Schmiedeisen und weniger biegsam. Dagegen
hat es nicht die Eigenschaften des Stahls. Vor allem läſst es sich
[30]Einleitung.
nicht härten. Verschiedene Versuche in dieser Richtung ergaben
höchstens eine ganz unbedeutende Oberflächenhärtung infolge der Ab-
schreckung, im Inneren blieb die Masse unverändert. So bog sich auch
die meiſselförmige Schneide des abgeschreckten, geschmiedeten Meteor-
eisens ebenso leicht um, wie die des nicht abgeschreckten. Im allge-
meinen scheint das Material für schneidende Werkzeuge wenig geeignet
zu sein, ebensowenig für Schwerter, da es sowohl der gleichmäſsigen
Schneide als auch der Elastizität ermangelt. Dies wird bestätigt durch
eine Mitteilung des Herrn Stein sen., wonach die Bewohner des
Tolukathales nur die ordinärsten Geräte aus diesem Eisen machen,
während sie sich alle schneidenden Werkzeuge von den Spaniern be-
schaffen.


Da nun die Schmiedbarkeit des meteorischen Eisens erwiesen ist,
könnte es nahe liegen, die kontroverse Frage, von der wir ausgingen,
ob nämlich die Menschen der Urzeit zuerst das Meteoreisen aufgesucht
und verarbeitet hätten, zu bejahen. Es hat auch diese Annahme bei
oberflächlicher Betrachtung etwas Verführerisches. Je mehr man aber
auf die Sache eingeht, je mehr muſs man zu der Überzeugung kommen,
daſs diese Theorie falsch ist.


Zunächst spricht dagegen die Seltenheit des Meteoreisens. Seit etwa
80 Jahren ist es wissenschaftlich festgestellt, daſs zeitweilig meteori-
sches Eisen vom Himmel auf die Erde gelangt. Seit dieser Zeit sind
nur neun hierher gehörige Fälle beobachtet worden, von denen der
Fall von Braunau mit 41 kg Gewicht der gröſste und wichtigste war.
Man hat in diesem Zeitraume die ganze Erde nach Meteoreisen abge-
sucht und doch hat man bis jetzt nicht mehr als 153 Fälle konstatiert.


Das Gesamtgewicht von 106 Fällen, deren Gewicht verzeichnet
ist, beträgt annähernd 126000 kg, dies ergäbe für den einzelnen Fall
circa 1190 kg, für alle 153 Fälle circa 182200 kg. Diese Angaben sind
indessen zu hoch gegriffen, denn während alle groſsen Meteoreisenmassen
eingerechnet sind, läſst sich annehmen, daſs die Fälle, über welche uns
die Gewichtsangaben fehlen, nur unbedeutende waren.


Ferner darf das Diskoeisen, welches die gröſste Gewichtszahl,
nämlich 40000 kg führt, kaum mehr als Meteoreisen angesehen werden.
1870 wurde dieses Eisen bei Ovifak auf der Insel Disko an der West-
küste von Grönland unter Granitblöcken, neben einem hohen Basalt-
rücken aufgefunden. Die gröſsten Blöcke von 560, 200 und 90 Zentner
Gewicht wurden von einem schwedischen Krondampfer abgeholt und
dem Stockholmer Museum einverleibt. In dem benachbarten Basalt
hat man aber ebenfalls metallische Eisenmassen aufgefunden, so daſs
[31]Einleitung.
man annehmen muſs, daſs die Blöcke am Strande aus diesem ihren
Ursprung haben. Professor Nordenskjöld, dem die Auffindung
derselben zu verdanken ist, stellte die Theorie auf, daſs dieses Eisen
in einer früheren geologischen Epoche, da der Basalt als eine brei-
artige Masse aus dem Erdinnern hervorquoll, vom Himmel gefallen
und so in das Gestein gelangt sei. Spätere Beobachtungen (von
Stenstrup, Smith
etc.) haben es aber wahrscheinlicher gemacht,
daſs dieses Eisen tellurischen Ursprungs sei, indem es als ein Aus-
scheidungsprodukt eines nickelhaltigen Magnetkieses, der jenen Basalt
in groſsen Massen erfüllt, anzusehen ist. Jedenfalls zeigt das Eisen
von Disko nicht die glänzende, weiſse Farbe des normalen Meteor-
eisens, sondern eine graue wie Guſseisen.


Die aufgefundenen Riesenblöcke von Meteoreisen kommen aber für
technische Verarbeitung der Urmenschen überhaupt nicht in betracht,
da sie weder transportabel, noch zu zerteilen sind. Von Tucuman
sind ungefähr 700 kg mit vieler Mühe abgeschlagen worden, die Haupt-
masse liegt noch an Ort und Stelle. Durango ist gänzlich verloren
gegangen, nur Stücke davon existieren in Sammlungen. Rogue-River-
Mountains, Oregon ist mit dem Tode des Entdeckers, D. J. Evans,
verloren gegangen. Das Hauptstück von Cranbourne liegt noch an Ort
und Stelle und hat, trotz den vorzüglichen Werkzeugen der Neuzeit,
allen Versuchen, Stücke davon abzuhauen, widerstanden 1).


Sehen wir aber auch von diesen Umständen gänzlich ab, so ist
das oben berechnete Gesamtgewicht aller bis jetzt aufgefundenen
Meteoreisenmassen von 182200 kg nicht so groſs, als die viertägige
Produktion eines einzigen modernen Hochofens! Für die Bedürfnisse
der Erdbewohner für einen einzigen Tag ein verschwindender Bruchteil!


Dagegen ist es sehr wohl denkbar, daſs in einem einzelnen Fall
ein Individuum oder auch selbst die Bewohner eines beschränkten Di-
striktes Meteoreisen verarbeitet haben, wofür wir Beispiele an dem
Eisen zu Grönland, Tolukathal u. s. w. bereits angeführt haben und
spricht hierfür auch der Umstand, daſs in der alten Welt, welche die
ältere Kultur besitzt, viel weniger Meteoreisen gefunden wird, als in
der neuen. Daſs aber die gesamte Menschheit das Eisen auf diesem
Wege kennen gelernt habe, läſst sich nicht annehmen, ebensowenig,
daſs diese gelegentliche Ausbeutung zu einer metallurgischen Industrie
oder zu einem geordneten Handel geführt habe. Abgesehen von der
Spärlichkeit des Vorkommens sprechen hiergegen auch technische
[32]Einleitung.
Gründe. Das Meteoreisen ist als gediegenes Metall schwer zu erkennen,
da es stets von einer harten Kruste von verschlacktem Eisenoxyduloxyd
überzogen ist, wodurch es das Ansehen eines Brauneisensteines erlangt;
es ist so hart, daſs nicht einzusehen ist, wie barbarische Völker mit
ihren unvollkommenen Steinwerkzeugen gröſsere Blöcke verarbeiten
konnten. Man könnte also höchstens annehmen, daſs die kleineren
Stücke mit Feuer verschmiedet worden seien. Weit wahrscheinlicher
ist aber, daſs auch dies erst geschah, nachdem man bereits das Eisen
und seine Gewinnung aus den Erzen kennen gelernt hatte. Nachdem
dies geschehen war und man mit den Eigenschaften des Eisens sich
völlig vertraut gemacht hatte, war es leichter möglich, in den Meteoriten
dasſelbe Metall wieder zu erkennen. Wie schwierig es trotzdem ist,
das Meteoreisen zu erkennen und zu verarbeiten, beweisen verschiedene
Fälle, daſs Blöcke von Meteoreisen viele Jahre lang in Schmieden lagen,
meist als Ambose benutzt, ohne daſs ihre Natur erkannt oder sie
technisch nutzbar gemacht worden wären; dies war der Fall bei dem
Eisen von Rasgata und dem von Tukzon.


Überhaupt konnte aber die gelegentliche Auffindung eines Stückes
Meteoreisen und seine Verarbeitung die Menschen in ihrer technischen
Kultur durchaus nicht fördern. Zwischen dem Ausschmieden eines
Meteoreisenstücks und der Auffindung und Verschmelzung der Eisen-
erze besteht gar kein Zusammenhang. Das erstere konnte das letztere
nicht bedingen, noch dazu hinführen. Die Entdeckung, aus gewissen
Steinen mittels Holzkohle Eisen auszuschmelzen, blieb derselbe wich-
tige Kulturfortschritt, gleichviel ob man Meteoreisen vorher oder nach-
her gelegentlich verarbeitet hat.


Die frühere Verwendung des Meteoreisens ist aber auch deshalb
wenig wahrscheinlich, weil sie, wie oben ausgeführt wurde, nicht leicht
ist und ein Material liefert, das namentlich für schneidende Werkzeuge,
Messer, Meiſsel u. s. w. kaum verwendbar ist.


Man hat viel Gewicht gelegt auf ein ägyptisches Wort baaenepe

[figure]


oder koptisch be-ni-pe, welches „Eisen“ in wörtlicher Übersetzung,
aber „Metall des Himmels“ bedeutet, und hat diese Bezeichnung als
einen glänzenden Beweis dafür angeführt, daſs die Menschen das Eisen
zuerst als Meteoreisen kennen gelernt haben müſsten.


Diese Deduktion hat aber um so weniger Wert, als das angeführte
Wort sehr spät gebildet und als Bezeichnung für Eisen relativ neu ist.
Allerdings hat es sich in der Form von be-ni-pe mit dem Sinne „Eisen“
[33]Einleitung.
in der koptischen Sprache und besonders in dem sahidischen Dialekt
erhalten. Die älteste Bezeichnung der Ägypter für „Nutzmetall“,
worunter bei ihnen ursprünglich sowohl Kupfer als Eisen begriffen
wurde, war „ba“, was zunächst etwas Hartes, Festes bedeutet. Wenn
hieraus später das Wort baaenepe, koptisch be-ni-pe Metall des
Himmels entstanden ist, so kann dies höchstens beweisen, daſs auch
die Ägypter schon die Erfahrung machten, daſs Eisen, welches sie
kannten, zeitweilig vom Himmel herabfiel. — Es scheint nicht unwahr-
scheinlich, daſs das griechische Wort σίδηρος ähnlich gebildet ist, denn
die in sonst allen arischen Sprachen vorkommende Wurzel für Eisen
ais, er, kann hier nur in dem zweiten Teile des Wortes ηρος stecken,
während das Präfix σιδ mit dem lateinischen sidus, Gestirn, Himmel
zusammenhängen dürfte. Diese Bezeichnung für Eisen „Metall des
Himmels“ dürfte bei den Griechen um so plausibeler erscheinen, als
es ein alter Glaube war, daſs das Himmelsgewölbe aus Eisen bestehe,
und dies kann wieder als ein Beweis dafür angesehen werden, daſs sie
von Meteoreisenfällen mehr oder weniger bestimmte Kenntnis hatten.


Wir kommen zu folgendem Schluſs:


Die Thatsache, daſs aus dem unbekannten Himmelsraume zuweilen
Massen metallischen Eisens auf die Erde herabfallen, war schon in sehr
früher Zeit bekannt; doch bildete die Auffindung solcher Massen
nicht den Ausgangspunkt der Eisenindustrie, vielmehr wurden sie erst
als Eisen erkannt, nachdem die Ausschmelzung der Eisenerze bereits
bekannt war. Dieser Prozeſs ist uralt und darf gerade die frühe
Kenntnis des Meteoreisens als ein neuer Beweis für das hohe Alter
der Eisenbereitung — die wir ja bei den barbarischsten Stämmen Afrikas
als eine seit undenklicher Zeit betriebene Operation kennen — an-
geführt werden.


Die erste Kenntnis der Verwendung des Eisens geht, wie erwähnt,
in vorgeschichtliche Zeit zurück. Die meisten alten Völker schrieben
den Ursprung oder die Entdeckung des Metalls einem Gott oder einem
göttlichen Wesen zu, die Ägypter dem Osiris, die Römer dem Vulkan,
die Germanen dem Odin, die Griechen dem Kadmos, dem Prometheus
und den Kabiren. Auch die Angaben, die bestimmter in das Gewand
der Geschichte gekleidet erscheinen, sind sagenhaft. Die heiligen
Schriften der Israeliten nennen Thubalkain zuerst als „einen Meister in
allerlei Erz und Eisenwaaren“ 1). Er lebte im achten Geschlecht nach
Adam, jüdischer Rechnung gemäſs im Jahre 1057 nach Erschaf-
Beck, Geschichte des Eisens. 3
[34]Einleitung.
fung der Welt oder um 3000 vor Christi Geburt. Aber Thubalkain
ist eine ebenso mythische Gestalt wie Prometheus. Sein Name bedeutet
Thubal der Schmied.


Nach der parischen Marmorchronik hätten die phrygischen Dac-
tylen das Eisen im Jahre 1432 v. Chr. entdeckt. Nach den chinesischen
Annalen soll das Eisen in China im Jahre 2940 v. Chr. erfunden wor-
den sein 1).


Alle diese Angaben sind sagenhaft und unsicher. Dagegen wissen
wir aus den erhaltenen Inschriften und Skulpturen der Ägypter, daſs
bei ihnen bereits zur Zeit der ersten Könige der vierten Dynastie Eisen
im Gebrauch war und diese historische Zeit geht selbst noch über
die Thubalkains und die der ersten chinesischen Kaiser hinaus. Den
Nachweis hierfür werden wir in dem Abschnitte über Ägypten erbringen.


Wenden wir uns nun zu der zweiten Frage, die wir in der Ein-
leitung behandeln wollen, zu der Frage über die Stellung des Eisens
zu den übrigen Metallen, insbesondere zu der Bronze im Altertume.


Die Erfindung und Darstellung der Metalle aus ihren Erzen war
einer der gröſsten Fortschritte in der Kulturentwickelung des Men-
schengeschlechts. Durch sie wurde er in den Stand gesetzt, seine
Werkzeuge zu verbessern. Der Mensch unterscheidet sich von dem
Tiere hauptsächlich durch die Anwendung von Werkzeugen, durch
diese herrscht er. Vor der Entdeckung der Metalle verwendet er Holz,
Knochen und Stein zu diesem Zwecke. Das sogenannte Steinzeitalter
ging dem Metallzeitalter voraus und umfaſst einen ungeheuren, bis
jetzt nur geahnten Zeitraum. Trotz ihrer langen Dauer wissen wir
über die Steinzeit, auſser daſs sie überall nachweisbar ist, wenig
Sicheres. Der Kampf um das Dasein war bei der Unvollkommenheit
der Werkzeuge noch so erschwert, daſs er alle Kräfte des Individuums
in Anspruch nahm, wodurch eine Entfaltung seiner höheren Geistes-
kräfte sehr behindert war. Durch die Anwendung von Metallwerk-
zeugen wurde die Überlegenheit der Menschen, ihre Herrschaft auf
Erden gesichert. Die gröſsere Freiheit und Unabhängigkeit erweckten
ein höheres Selbstgefühl, das sich allmählich zum politischen Bewuſstsein
steigerte, und Veranlassung gab, durch Denkmale und Aufzeichnungen
seine Erlebnisse zu verewigen, also zu den Anfängen der Geschichts-
schreibung. Eine Geschichte beginnt für uns erst nach der Entdeckung
der Metalle. Daraus folgt, daſs eine Untersuchung über das Alter der
Metalle in vorgeschichtliche Zeiten zurückgreifen und infolgedessen
[35]Einleitung.
hypothetisch bleiben muſs. Demungeachtet ist diese Frage für uns von
Wichtigkeit.


Das Metall, welches die Menschen allerwärts zuerst kennen
lernten und aufsuchten, war das Gold, das sich in gediegenem Zu-
stande auf oder nahe der Oberfläche findet und durch seine bemer-
kenswerten Eigenschaften, seine Farbe, seinen Glanz, seine Schwere
und seine Dehnbarkeit am frühesten die Aufmerksamkeit auf sich zog.
Es wurde als Schmuck und zu Zieraten verwendet, da es sich zu
selten und in zu kleinen Mengen fand, um es zu Werkzeugen verar-
beiten zu können. Putzsucht und Habgier waren aber von Anfang an
zwei mächtige Triebfedern für den gesellschaftlichen Fortschritt und
diese hefteten sich schon in einer sehr frühen Periode an das Gold.
Das Suchen nach Gold brachte die Menschen in neue Beziehungen zu
der Natur; die Gewinnung und Verarbeitung lehrte sie neue Eigen-
schaften kennen und führte sie dazu, neue Werkzeuge und Hilfsmittel
zu erfinden. Das Gold kommt aber in der Natur mit fast sämtlichen
übrigen Metallen vergesellschaftet vor. Eisen findet sich mit den Gold-
flitterchen zusammen in dem Sande der Flüsse und Seifen als Magnet-
eisenkörner, die beim Verwaschen des Goldes infolge ihrer Schwere
mit diesem zurückbleiben. Mit Kupfer, Blei und Silber findet sich das
Gold in den Haupterzen dieser Metalle, in dem Kupferkies und dem
Bleiglanz und deren Umwandlungsprodukten verbunden. Das Aus-
schmelzen des Goldes aus dem Sande oder den Erzen konnte darum
leicht auch zu der Entdeckung der übrigen Metalle führen. Wie alt
die Bekanntschaft des Goldes ist, läſst sich nicht bestimmen. Es ward
in dem Steinzeitalter verwendet, ehe man noch eins der übrigen Me-
talle kannte. Die ungeheuren Goldmassen, die schon in früher Zeit in
den Schatzkammern der Herrscher Mittelasiens aufgehäuft waren, sind
ein Beweis für das hohe Alter der Goldgewinnung. Daſs das Gold das
ältest bekannte Metall war, wird von allen Seiten zugestanden, und
in diesem Sinne lassen die Archäologen auch das „goldene Zeitalter“
der Dichter gelten.


Weit schwieriger ist die Antwort auf die Frage: Welches war das
älteste Nutzmetall? Kupfer, Bronze (Erz) oder Eisen? Alle drei wur-
den schon in sehr alter Zeit zu Waffen und Werkzeugen verarbeitet.
Eine weit verbreitete Meinung ist die, daſs die Benutzung des Kupfers
und der Bronze älter sei, als die des Eisens. Archäologen wie Anthro-
pologen halten noch vielfach an der alten Irrlehre fest, daſs auf die
Steinzeit erst eine Bronzezeit und auf diese erst die Eisenzeit gefolgt
sei. Diese Ansicht basiert zum Teil darauf, daſs bei den Ausgrabun-
3*
[36]Einleitung.
gen alter Wohn- und Grabstätten häufig Geräte und Werkzeuge von
Bronze, selten solche von Eisen gefunden werden und daſs diese Funde
zeigen, daſs in jenen Zeiten die Bronze zu vielen Zwecken verwendet
wurde, wofür wir uns heute des Eisens bedienen. Hauptsächlich stützt
sich aber diese Lehre auf Überlieferung, auf die Ansichten und Mit-
teilungen der griechischen und römischen Dichter und Schriftsteller.
Die herrschende Ansicht unserer Zeit wird noch immer getreu ausge-
drückt durch die Worte des römischen Dichters Lucretius1):


Arma antiqua manus, ungues, dentesque fuerunt

Et lapides et item silvarum fragmina rami

Et flammae atque ignis postquam sint cognitae primum:

Posterius ferri vis est aerisque reperta,

Sed prius aeris erat, quam ferri cognitus usus.

Homer kann nicht als ein Gewährsmann für das Bronzezeitalter
angeführt werden, indem in seinen Gedichten viele Stellen die Bekannt-
schaft und Verwendung des Eisens bezeugen und er darüber schweigt,
ob er Bronze oder Kupfer, die er nicht unterscheidet, für ältere Me-
talle hält als das Eisen. Dagegen geht aus seinen Schilderungen aller-
dings hervor, daſs der Dichter eine allgemeine Verwendung der Bronze
oder des Kupfers für Zwecke der Bewaffnung zur Zeit des trojanischen
Krieges annahm.


Hesiod ist es, der der Lehre von der Aufeinanderfolge der Bronze-
und Eisenzeit zuerst Ausdruck gegeben hat. Er führt fünf Zeitalter
auf, die seit Erschaffung der Erde einander gefolgt sind. Im Anfang
herrschte die goldene Zeit, auf diese folgte die silberne, dann die
eherne, hierauf folgte das Zeitalter der Heroen. Das fünfte endlich ist
das eiserne, in dem die Gegenwart lebt.


Das erste Zeitalter war das glücklichste und vollkommenste.


„Als mit den Göttern zugleich die sterblichen Menschen entstanden 2),

Schufen die Götter, der hohen olympischen Häuser Bewohner,

Erst ein goldenes Geschlecht verschieden redender Menschen.

Diese lebten, da Kronos noch den Himmel beherrschte,

Lebten wie Götter dahin mit Seelen unkundig der Sorgen,

Kummer und Mühsal kannten sie nicht, nicht dräuendes Alter,

Hand und Fuſs ergötzten sich stets bei fröhlichen Festen, —

Fern von jeglichem Übel, beglückt mit jeglichem Gute

Starben sie wie vom Schlaf besiegt.“

Nach dem Tode wurden sie gute Dämonen, welche die sterblichen
Menschen bewachen „und bemerken alle gerechte Thaten und böse“.
Jene Menschen lebten in ewiger Jugend und wurden sehr alt.


[37]Einleitung.

Das zweite silberne Geschlecht war weder an Geist noch an
Kraft dem vorhergegangenen gleich. Es erreichte nicht ein gleich hohes
Alter. „Denn sie enthielten sich nicht des Unrechtes und huldigten
nicht den Unsterblichen. — Doch war es noch von Ehre begleitet.“


„Jetzt schuf Vater Kronion ein drittes, ehernes, wildes, eichen-
starkes Geschlecht von verschieden redenden Menschen, ganz unähnlich
dem silbernen.“ —


„Sie erfreuten sich an Ares kläglichem Werke und lebten nicht
von der Feldfrucht.“


„Eherne Wohnungen fertigten sie, nebst ehernen Waffen 1), sich
aus Erz, denn sie kannten noch nicht das schwärzliche
Eisen
.“


Diese mordeten sich mit eigener Hand und stiegen

Ungeehrt in die räumige Wohnung des grausen Aides.

Neu scheint das vierte Zeitalter, das Zeitalter der Heroen, von
dem Dichter aus theologischen Gründen eingeschoben zu sein, um die
Stammhelden des Vaterlandes nicht zu dem gewaltthätigen ehernen,
noch zu dem miſsgünstigen eisernen Geschlecht zählen zu müssen. Der
Dichter läſst die Menschen dieser Periode zwar aus dem ehernen Ge-
schlecht entspringen, aber sie waren weit gerechter als dieses und man
nannte sie „Halbgötter“.


Diesem folgt endlich das Geschlecht der Gegenwart, das fünfte
Weltalter und der Dichter beginnt mit kräftigem Ausruf:


Wehe mir im fünften Geschlecht der Menschen Ersproſsnen!

Wär’ ich doch früher gestorben oder später geboren!

Dieses Geschlecht ist eisern! Nicht bei Tage, bei Nacht nicht

Ruh’n die Verworfenen aus von ihren Beschwerden und Mühen,

Denn die drückendsten Sorgen entsendeten ihnen die Götter.

Doch ein Gutes wird sich mit diesen Übeln verbinden:

Zeus vertilget, wenn ihm um die Schläfen die Locken ergraut sind,

Endlich auch dieses Geschlecht der verschieden redenden Menschen.

Zwei ganz verschiedene Elemente, ein philosophisches und ein
historisches, sind in der Sage von den Weltaltern verwebt. Das philo-
sophische wurzelt in dem der Menschennatur innewohnenden Bedürfnis,
Zukunft und Vergangenheit schöner zu sehen als die Gegenwart, ein
beglückendes Sehnen der Seele, das sie über sich selbst und die mate-
[38]Einleitung.
riellen Nichtigkeiten der Gegenwart erhebt. Diese Vorstellung, daſs
der Mensch vormals besser, daſs er im Anfang als ein reines, schuld-
loses Wesen geschaffen war, ist nicht den Griechen eigentümlich, son-
dern kehrt in der Sagengeschichte aller Religionen wieder. Aber selbst die
spezielle Fassung der Zeitalter haben nicht die Griechen allein, sondern
sie findet sich in derselben Weise bei den Indern und Persern; sogar
die alten Bewohner Mexikos nahmen vier ähnliche Weltperioden an.


Das historische Element — für uns bei weitem das wichtigere —,
ist die Erinnerung der Griechen, daſs nicht allezeit ihre Vorfahren im
Besitze der Metalle waren, sondern daſs sie erst nach und nach das
Gold, das Silber, das Erz und das Eisen kennen und verwenden
lernten.


Die Aufeinanderfolge dieser Metalle ist aber bei Hesiod eine
ebenso theoretische Annahme, wie bei den Altertumsforschern unserer
Zeit, denn er erklärt deutlich und bestimmt, daſs er in der Eisenzeit
lebe und daſs das eherne Zeitalter längst verschwunden ist; so lange
schon, daſs ihm die Zeit der sagenhaften Stammeshelden näher steht
und er diese zwischen Bronze- und Eisenzeit als Übergangsperiode
einschaltet. Hesiod lebt nach seiner eigenen Erklärung nicht in der
Eisenzeit. Die Kunst der Erzverarbeitung erreichte aber lange nach
Hesiod erst ihren Höhepunkt in Griechenland. Es war dies um die
Zeit, als Herodot seine Geschichte schrieb, aber auch dieser Schrift-
steller weiſs es nicht anders, als daſs man die gebräuchlichen Werk-
zeuge wie Beile, Meiſsel u. s. w. von Eisen macht und er kann es sich
gar nicht anders denken, als daſs auch die Ägypter beim Bau der
groſsen Pyramiden sich eiserner Werkzeuge bedient hätten. Die älte-
sten griechischen Schriftsteller legen demnach kein direktes Zeugnis
ab für das Bronzezeitalter, dagegen liefern sie den bestimmtesten Nach-
weis, daſs sie in dem Eisenzeitalter gelebt haben. Aus der poetischen
Darstellung des Hesiod kann höchstens gefolgert werden, daſs
die Theorie eines Bronzezeitalters schon vor etwa 2700 Jahren ge-
spukt hat.


Die häufigeren Erzfunde in Gräbern und Ansiedlungen sind gleich-
falls kein hinlänglicher Beweis für das höhere Alter der Bronze, da
das Eisen in feuchtem Boden sich viel rascher und vollständiger oxydiert
und auflöst als die Bronze, so daſs nur besondere Glücksumstände die
Erhaltung von Eisenstücken durch Jahrtausende hindurch überhaupt
ermöglichen. Indessen sind uns ja solche Eisenfunde aus ältester
Zeit erhalten, aus Zeiten, in welchen die Bronze noch nicht nach-
gewiesen werden kann.


[39]Einleitung.

Wenden wir uns nun zu den sachlichen Gründen, die für oder
wider das Bronzezeitalter sprechen, und zwar vor allem zu den metal-
lurgischen.


Die Bronze ist eine künstliche Legierung von Kupfer und Zinn.
Dieses Metallgemisch ist nicht zu erlangen und wenigstens technisch
verwendbar nie erlangt worden durch direktes Ausschmelzen von
Erzen, welche zufälligerweise beide Metalle enthalten. Seine Bereitung
setzt vielmehr die Darstellung von Kupfer und Zinn voraus. Um Bronze
zu erhalten, muſs dem eingeschmolzenen Kupfer metallisches Zinn zu-
gesetzt werden.


Das erste Erfordernis zur Darstellung der Bronze ist demnach die
Darstellung des Kupfers aus seinen Erzen. Diese muſste der Erfindung
der Bronze vorausgehen, und daſs dies der Fall war, ist auſser Zweifel.
Das Kupfer war lange bekannt und im Gebrauch, ehe die Darstellung
der Bronze entdeckt wurde. Die Streitfrage wäre demnach zunächst
die: Ist das Kupfer früher entdeckt worden als das Eisen. Durch rein
historische Beweismittel läſst sich dies nicht entscheiden, da die frühe-
sten geschichtlichen Überlieferungen die Bekanntschaft des Eisens wie
die des Kupfers bezeugen. Technische Gründe sprechen nicht für eine
frühere Bekanntschaft der Gewinnung des Kupfers als der des Eisens.
Allerdings wird das Kupfer häufiger in gediegenem Zustande ge-
funden als das Eisen, sehr selten aber nur in Massen, die sich direkt
zu Werkzeugen verarbeiten lassen, wie dies bei dem ganz auſser-
ordentlichen Vorkommen am Oberen-See in Nordamerika der Fall ist.
Dort, wo sich das Kupfer öfter in Begleitung von Silber in groſsen
Klumpen in einem vulkanischen Gestein findet, lernten die barbarischen
Indianerstämme freilich früh das natürliche Metall kennen und durch
einfaches Ausschmieden zu Werkzeugen zu verarbeiten. Mit diesen
trieben sie sogar Handel. Das Ausschmelzen des Kupfers, wie über-
haupt jede andere metallurgische Operation blieben ihnen trotz dieser
Verwendung unbekannt. Von der Darstellung des Kupfers aus seinen
Erzen oder der Bereitung von Kupferlegierungen hatten sie keine
Ahnung. Durch das gelegentliche Auffinden eines Stückes Kupfer und
der Verarbeitung desſelben zu einem Gegenstande wurde also weder
der Einzelne noch ein ganzes Volk zur Kunst der Darstellung des
Metalles aus seinen Erzen geführt. Die Gewinnung und Verarbeitung
von gediegenem Kupfer konnte aber immer nur eine zufällige, durch-
aus lokale sein. Für die Gewinnung im groſsen kommt nur die Dar-
stellung des Metalles aus seinen Erzen in Betracht. Kupfererze sind
aber weit seltener und schwieriger zu gewinnen als Eisenerze. Dieser
[40]Einleitung.
Umstand wird nicht ausgeglichen durch die auffallendere Färbung der
Kupfererze, die bei den oxydischen Erzen meist blau und grün ist. Die
geschwefelten Erze, die teils goldfarbig wie der Kupferkies, teils
metallglänzend wie Kupferglanz und Buntkupfererz sind, können hier
weniger in Betracht kommen, da ihre Verarbeitung auf Kupfer weit
schwieriger ist, so daſs wir annehmen dürfen, daſs die erste Darstel-
lung des Metalls aus seinen oxydischen Erzen erfolgt ist. Die Erze
des Eisens sind ebenfalls Oxyde. Die Extraktion der Metalle aus den
Erzen ist eine analoge: Es ist eine einfache Reduktion mittels Kohlen-
stoff, wozu in früheren Zeiten ausschlieſslich Holzkohlen verwendet
wurden.


Ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, daſs man das
Kupfer, um es aus seinen oxydischen Erzen zu gewinnen, bis über
seinen Schmelzpunkt, der bei ungefähr 1100° C. 1) liegt, erhitzen muſs.
Um dagegen Eisen aus seinen Erzen zu gewinnen, ist es nicht nötig,
dieselben über seinen Schmelzpunkt, der bei ungefähr 1200° C. 2) liegt,
zu erhitzen. Die Reduktion des Metalls geht nämlich schon bei weit
niedrigerer Temperatur vor sich und hat das reduzierte Eisen die
Eigenschaft, vor dem Schmelzen in einen wachsartigen Zustand über-
zugehen, in dem die einzelnen Teilchen leicht zu einem Klumpen zu-
sammenkleben oder zusammenschweiſsen. Hierdurch wird es möglich,
bei verhältnismäſsig niedriger Temperatur, etwa bei 700° C., das Eisen
aus seinen Erzen abzuscheiden, allerdings nicht als geschmolzenes
Metall, sondern als eine lose zusammenhängende, schwammartige Masse,
die sich aber schmieden und durch wiederholtes Glühen und Aus-
schmieden zu jedem Zwecke wie unser Stabeisen verarbeiten läſst. In
der Erreichung der hohen Schmelztemperaturen lag aber die gröſste
Schwierigkeit für die Metallurgie des Altertums. Die Verbrennung von
Holz in offenen Feuerstätten gab nicht die genügende Hitze zur Flüssig-
machung des Goldes oder zur Ausschmelzung der Metalle aus ihren
Erzen. Diese konnte erst erreicht werden durch Herstellung eines
konzentrierten Brennstoffes, der einen höheren pyrometrischen Wärme-
effekt ergab, durch geschlossene Feuerstätten und künstliche Zufüh-
rung gepreſster Luft mit Hülfe von Blasebälgen. Brennmaterial,
Schmelzapparat und Windzuführung sind noch heute die wichtigsten
Erfordernisse für jede metallurgische Operation. Bei der Unvoll-
kommenheit dieser Hilfsmittel im Altertume machte es einen unge-
[41]Einleitung.
heuren Unterschied, ob eine Operation bei 700° oder bei 1100° aus-
führbar war. Deshalb war die Darstellung des Eisens in der oben
geschilderten Weise weit leichter als die des Kupfers aus seinen oxy-
dischen Erzen. Die Darstellung des Kupfers aus seinen wichtigsten,
den geschwefelten Erzen war noch weit schwieriger, da diese auſser
der Schmelzung noch verschiedene Vorbereitungen und Zwischen-
prozesse verlangt, welche lange Beobachtung und Erfahrung voraus-
setzen. Auf der anderen Seite muſs jedoch wohl im Auge behalten
werden, daſs das Produkt, welches bei der einfachen Reduktion der
Eisensteine erhalten wurde, sehr unrein und unvollkommen war. Je nach
der Natur der Erze fiel ein härteres, stahlartiges oder weicheres, unserem
Schmiedeisen ähnliches Produkt. Das geschmolzene Eisen, unser Guſs-
eisen, blieb den Alten, wie oben ausgeführt wurde 1), unbekannt. Die
Schmelztemperatur des Goldes (1200°) scheint aber im allgemeinen die
höchste Temperatur gewesen zu sein, welche die Alten bei ihren
metallurgischen Operationen erreicht haben.


Nach diesen Auseinandersetzungen dürfen wir behaupten, daſs
technische Gründe nicht vorliegen, welche eine frühere Bekanntschaft
des Kupfers gegenüber dem Eisen annehmen lassen, daſs vielmehr die
Wahrscheinlichkeit für das Umgekehrte spricht. Wir begnügen uns
indeſs mit dem historischen Faktum, daſs Kupfer und Eisen den älte-
sten Kulturvölkern bei ihrem Eintritt in die Geschichte bereits bekannt
waren.


Ganz anders verhält es sich dagegen mit der Bronzefrage. Die
Darstellung der Bronze setzt die Bekanntschaft mit dem Kupfer vor-
aus. Bei den Völkern, welche selbständig zur Erfindung der Bronze
geführt wurden, muſs daher der Bronzezeit eine Kupferzeit voraus
gegangen sein. Dies bestätigt sich auch bei allen alten Kulturvölkern,
bei denen eine originelle Entwickelung der metallurgischen Kenntnisse
angenommen werden kann, so bei den Ägyptern, Indern, Chinesen etc.
Anders kann es sich freilich verhalten bei denjenigen Völkern, welche
erst nach der Entdeckung der Bronze in die Geschichte eingetreten
sind und denen die Metalle zuerst aus anderen Gegenden zugeführt
wurden.


Das Kupfer ist aber nur eins der Metalle, welche zur Darstellung
der Bronze erforderlich sind, der andere Bestandteil ist das Zinn. Die
Darsteller der Legierung muſsten im Besitze von metallischem Zinn
[42]Einleitung.
sein. Dies ist ein wichtiges Moment zur Aufklärung über die Herkunft
der Bronze.


Zinn ist ein Metall von viel geringerer Verbreitung als das Kupfer.
Es findet sich verhältnismäſsig nur an wenig Orten auf der Erde. Die
Fundstätten, welche für die Geschichte der alten Zeit in Betracht
kommen, sind im Paropamisus im Gebiet der Drangen, die Strabo
(Bd. XV. 2, 10) erwähnt, in Hinterindien und dem indischen Archipel,
ferner in Iberien 1), der spanischen Provinz Gallizien, in Cornwall
und in Devonshire. Die Zinnbergwerke Sachsens und Böhmens sind
erst im späten Mittelalter entdeckt worden. Auch der galizische Zinn-
bergbau, der unter der römischen Herrschaft in Blüte stand, scheint
vergleichungsweise jüngeren Datums zu sein. Trotzdem war das Zinn
Spaniens, „das lusitanische Zinn“, hochberühmt. Eine spätrömische
Erklärung will sogar den griechischen Namen des Zinns „Kassiteros“
von einem Berge Kassius in Südspanien herleiten. Im südlichen
Spanien ist aber Zinn heutzutage unbekannt. Dagegen waren die süd-
spanischen Häfen, vornehmlich Gades, Hauptstapelplätze des über-
seeischen phönizisch-britanischen Zinnhandels. Der Handelsweg, den die
phönizischen Schiffer mit Eifersucht, namentlich den Römern gegen-
über, geheim hielten, ging durch die Straſse von Gibraltar. Vielleicht
nur, um die römischen Kaufleute irre zu führen, verbreiteten sie neben
manchen anderen Handelsmärchen über ihren Zinnhandel die Nach-
richt, daſs sie das Metall aus Lusitanien, aus dem Gebiete des Bätis
(Guadalquivir) bezögen.


Gerade der obenerwähnte griechische Namen des Zinns „Kassi-
teros“ führt uns auf den wirklichen Ursprung des Metalls. Als Ent-
deckungsorte kommen jetzt überhaupt nur noch Indien, Britannien
und der Paropamisus in Betracht. Die Griechen nannten allerdings die
griechischen Zinninseln Kassiteriten; dieser Name ist aber von dem alten
Namen des Metalls abgeleitet. Das Wort Kassiteros ist viel älter und
stammt aus Asien und zwar aus den semitischen Sprachen. Es ist
übergegangen in die Sanskritsprache als Kastira, welches indeſs als ein
jüngeres, importiertes Wort angesehen wird. In der arabischen und
aramäischen Sprache heiſst das Metall fast wie im Sanskrit, nämlich
Kasdir und Kastir. Semitischen Stämmen war demnach, wie es scheint,
das Zinn am frühesten bekannt, obgleich wir nicht nachweisen können,
wo sie es gewonnen und woher sie es bezogen haben. Das Metall kann
[43]Einleitung.
nur da entdeckt worden sein, wo sein Erz sich findet. Es ist sehr leicht
aus seinen Erzen zu reduzieren, besitzt eine niedrige Schmelztempe-
ratur, ist leicht zu vergieſsen und zu verarbeiten und von höchst
charakteristischer Metallfarbe. Ob das Zinn zuerst im kaukasischen
Iberien, oder im Paropamisus oder in Hinterindien bereitet wurde und
von da zu den Semiten kam, ist noch nicht klar gestellt. Es scheint
sehr möglich, daſs es durch Küstenhandel aus Indien nach dem per-
sischen und arabischen Meerbusen gelangte. Die Erfindung der Bronze
scheint dagegen nicht aus Indien zu stammen. Wenigstens geben die
alten Schriftsteller bestimmt an, daſs Bronze von westlichen Län-
dern nach Indien eingeführt wurde. Dagegen sprechen viele Gründe
dafür, daſs die Bronze von semitischen Völkern Westasiens, möglicher-
weise auch von der turanischen Urbevölkerung des unteren Euphrat-
landes zuerst dargestellt wurde. Sicherlich erhielt sie ihre allgemeine
Anwendung, Verbreitung und groſse Bedeutung für die Kultur erst
durch die Phönizier.


Gerade dadurch, daſs der Zinnstein nur in wenigen Gegenden der
Erde gefunden wird, war der Zinnhandel schon im frühesten Altertum
von höchster Bedeutung. Soweit geschichtliche Nachrichten darüber
zurückgehen, war er in den Händen der Phönizier, die eine Art von
Monopol daraus machten, über das sie mit Eifersucht wachten.


Wenden wir uns nun zu der Theorie der Bronzezeit, so leuchtet deren
Unhaltbarkeit ein. Die Lehre von der Bronzezeit geht, streng genom-
men, von der Voraussetzung aus, daſs die Erfindung der Bronze und
ihre Darstellung an allen Orten eingetreten sei, nachdem die betref-
fende Bevölkerung eine gewisse Kulturstufe erreicht hätte. Von keinem
Metall oder Metallgemisch läſst sich dieses weniger annehmen wie von
der Bronze. Die Erfindung der Bronze war ein auſserordentlicher
Fortschritt in der Metallurgie, der nur von einem der hüttenmänni-
schen Technik kundigen Volke, das im Besitze der beiden Metalle, des
Kupfers und des Zinns war, gemacht werden konnte. Die Erfindung
stammt allen Anzeichen nach aus Asien und wurde von den Phöniziern
in umfassendster Weise ausgebeutet. Durch diese wurden erst die
Völker Europas mit der Bronze bekannt. Als die Phönizier ihre kühnen
Handelsfahrten zuerst längst den Küsten des Mittelmeeres, später auch
im Atlantischen Ozean der Westküste Europas entlang unternahmen,
befanden sich die meisten Völker Europas noch in einem Zustande der
Barbarei, der mit dem der jetzigen Bewohner Afrikas verglichen wer-
den kann. Werfen wir aber einen Blick auf die wilden Völkerschaften
Inner-Afrikas, so finden wir einzelne, die nur Werkzeuge aus hartem
[44]Einleitung.
Holz und Stein kennen, andere, manchmal Nachbarstämme der ersteren,
welche mit der Gewinnung des Eisens vertraut sind und sich Waffen
und Werkzeuge aus diesem Metall bereiten. So haben z. B. die Man-
dingos in Westafrika eine alte, einheimische Eisenindustrie, sie ver-
stehen es, das Eisen in niedrigen Öfen aus seinen Erzen zu schmelzen
und es zu verarbeiten, dagegen findet man bei den benachbarten
Timamis, die durch Abstammung und Sprache mit jenen verwandt sind,
von metallurgischen Kenntnissen keine Spur, so daſs sie nur Holz und
Knochen für ihre Waffen und Werkzeuge zu verarbeiten verstehen.
Selbst der Spaten, ihr einziges Ackergerät, ist nicht von Eisen, sondern
von Holz. Von den Kaffernstämmen sind die Amakosa (oder Amagonda)
seit ältester Zeit als Eisenschmiede berühmt. Sehr bedeutend ist die
uralte Eisengewinnung in Darfur und Kordofan. Die Gewinnung und
Verarbeitung des Kupfers spielt dagegen bei sämtlichen Negervölkern
nur eine äuſserst geringe Rolle und es ist nichts darüber bekannt, daſs
irgend ein Stamm sich des Kupfers statt des Eisens für seine Waffen
und Werkzeuge bediene. Die Bronze ist ihnen gänzlich unbekannt und
ist niemals von einem Negervolke erfunden und bereitet worden.


Nicht viel anders wird der Zustand der Urvölker Europas gewesen
sein, als diese mit der überlegenen Kultur Westasiens in Verbindung
traten. Einzelnen derselben war die Gewinnung und Verarbeitung der
Metalle noch gänzlich unbekannt, andere stellten sich mit sehr unvoll-
kommenen Hilfsmitteln Eisen von geringer Qualität dar. Da wurden
ihnen von fremden Händlern, die mit Eifer Handelsverbindungen anzu-
knüpfen suchten, schöne, goldglänzende Waffen angeboten, im Aus-
tausch gegen Dinge, die sie im Überfluſs hatten und gering im Werte
achteten. Diese Waffen waren nicht nur schöner von Ansehen, sondern
auch viel zweckmäſsiger und vollkommener gearbeitet als ihre eigenen.
Ferner wurden ihnen Luxusgeräte aus dem schönen Metall, in mannig-
facher Weise verziert, zum Tausch als Zahlung angeboten. Was
Wunder, daſs die neuen Gegenstände und damit das neue Metall in
allgemeine Anwendung kamen, so daſs es selbst da, wo Eisengewinnung
längst bestand, den Gebrauch des Eisens einschränkte. Denn das neue
Metall hatte den groſsen Vorzug vor dem Eisen, daſs es sich leicht
schmelzen und umgieſsen lieſs und diese Kunst lehrten die fremden
Kaufleute den Eingeborenen, indem sie ihnen Schmelzformen lieferten,
ihnen zeigten, wie die Schmelztiegel anzufertigen seien und wie man
aus zerbrochenen und unbrauchbar gewordenen Gegenständen durch
Umgieſsen wieder neue herstellen könne. Die fremden Handelsleute
fuhren fort, nicht nur neue Waffen und Geräte, sondern auch das
[45]Einleitung.
Metall, die Bronze, die zum Bedürfnis geworden war, anzuliefern. So
entstand das sogenannte Bronzezeitalter und soweit hat diese Theorie
für Europa ihre Berechtigung. Ganz unannehmbar dagegen erscheint
die Lehre, wenn sie so gedeutet wird, als ob Völker, wie z. B. die alten
Bewohner Dänemarks, die in ihrem Lande weder Kupfer noch Zinn
finden konnten, oder Binnenvölker, wie die Pfahlbaubewohner der
Schweiz, die von der Zinnküste Englands weitab wohnten, selbständig
die schwierige Darstellung der Bronze entdeckt und sofort Waffen und
Werkzeuge von groſser Vollendung und geschmackvoller Form ge-
gossen hätten. Auch die Ähnlichkeit dieser Formen in weit auseinander
liegenden Gebieten widerspricht dem. Die Übereinstimmung der Mo-
delle der Waffen, wenigstens deren Grundformen, z. B. die der soge-
nannten „Kelten“, bei den verschiedensten Völkern Europas, die unter
sich keine Verbindung hatten, beweist die Zuführung dieser Gegen-
stände von auſsen aus demselben Ursprungsgebiete auf dem Wege des
Handels. Allerdings mag sich in der Folge in einzelnen Gegenden eine
gewisse Kunstfertigkeit, die Bronzegeräte nachzuahmen und selbständig
aus ungeschmolzenem, altem Metall herzustellen, ja auch selbst neue
Formen zu erfinden, entwickelt haben. In diesem Sinne kann man von
einer selbständigen Kunst der Bronzebearbeitung in einzelnen Ländern
Europas sprechen, doch wohl auch nur in diesem, und nicht in dem,
als ob die durch ganz Europa verbreiteten Formen in verschiedenen
Gegenden selbständig nebeneinander erfunden worden wären. Es bleibt
immer noch auffallend genug, daſs die Verwendung der Bronze in
Europa so allgemeine Verbreitung erlangte und so lange herrschend
blieb, und läſst sich dies nur aus der groſsen Überlegenheit der Phö-
nizier erklären, die durch ihre jedem Bedürfnis angepaſsten Waren
von gefälligen Formen und durch ihre groſse Gewandtheit im Handel
die Völker zu gewinnen und dauernd an sich zu fesseln wuſsten. Auch
soll durchaus nicht behauptet werden, daſs das kleine Volk der Phö-
nizier aus dem Stammlande am Mittelmeere diesen Handel allein
betrieben und ausgebreitet hätte, ihre berühmten Kolonien Karthago,
Gades, Massilia, die Städte an den Pomündungen, sowie das industrielle
Volk der Etrusker waren Mitarbeiter und Teilhaber an diesem Ge-
schäfte, welches später teilweise von Griechen und Römern fortgesetzt
wurde. Alle Verführungskunst dieser gewandten Kaufleute würde in-
dessen die Verdrängung von Stahl und Eisen durch die Bronze
nicht ermöglicht haben, wenn das Eisen in der Vollkommenheit und
in den mannigfaltigen Zuständen bereits bekannt gewesen wäre, wie
wir es heutzutage kennen. Dies war aber durchaus nicht der Fall. Das
[46]Einleitung.
Eisen, welches die Alten kannten, war fast ausschlieſslich ein schlechtes
Schmiedeisen. Wir haben schon erwähnt, daſs sie die Kunst des
Eisengusses nicht verstanden, daſs dies eine verhältnismäſsig moderne
Erfindung ist, die dem fünfzehnten Jahrhundert angehört. Der Stahl
war zwar den Alten nicht unbekannt: Inder, Chalyber, Noriker und
Hispanier verstanden es, Stahl herzustellen. Guter Stahl war aber
selten und kostbar und wurde seine Darstellung als Geheimnis behan-
delt. Das gemeinhin verwendete Eisen war das in oben beschriebener
Weise reduzierte, schmiedbare Produkt, welches erst durch wiederholtes
Glühen und Umschmieden ein brauchbares Schmiedeisen wurde.


Anders dagegen verhielt es sich mit dem Kupfer und dem Erz.
Was zunächst das Kupfer anlangt, so hat es, abgesehen von seiner an
das Gold erinnernden Farbe, vor dem Eisen die Vorzüge, daſs es
weniger rasch rostet als das Eisen und daſs es weicher ist, infolge-
dessen es sich leichter bearbeiten läſst. Namentlich läſst es sich kalt
viel besser schmieden und treiben, und das war bei den unvollkommenen
Heizvorrichtungen und Maschinen ein groſser Vorzug für seine Ver-
wendung in alter Zeit. Infolgedessen lieſs es sich zu manigfaltigeren
Zwecken verwenden, und wurde zu Dingen verarbeitet, wozu wir, die
wir bei unseren vollkommenen Vorrichtungen nicht mehr danach zu
fragen brauchen, ob das Metall sich besser kalt oder heiſs verarbeiten
läſst, unbedingt Eisen nehmen. Denn darin ist man viel zu weit gegan-
gen, wenn man behauptet hat, die Alten hätten aus ihrem Kupfer ebenso
gute Werkzeuge zu machen verstanden, wie wir aus Stahl, ihre
Bronzeschwerter hätten sich mit den Stahlschwertern messen können
oder sie hätten aus Kupfer Steinmeiſsel hergestellt, mit denen sie
die härtesten Steine bearbeiten konnten. Man spricht in bezug hierauf
von „einer verloren gegangenen Kunst“, welche die Alten gehabt hätten,
das Kupfer nach Belieben zu härten, und hat sich in mancherlei Hypo-
thesen ergangen, worin diese Kunst bestanden hätte. Die Mittel, welche
die Alten zur Härtung des Kupfers anwendeten, waren schwerlich
andere als die wir auch kennen. Durch Hämmern kann man dem
Kupfer, wie allen anderen Metallen eine dichtere und härtere Ober-
fläche geben. Die Härte, die man aber durch dieses Mittel erreicht,
ist nicht groſs, durchaus nicht genügend, um z. B. Meiſsel herzustellen,
wie sie die Ägypter verwendeten, hart genug, um quarzhaltige Silikat-
gesteine damit zu bearbeiten. Man hat von chemischen Härtemitteln,
z. B. Zusatz von Arsenik gesprochen, doch sind absichtliche Zusätze
dieser Art nicht erwiesen und wenig wahrscheinlich. Wohl aber ist
es möglich, daſs man zufälliger Weise solche Legierungen erhielt, daſs
[47]Einleitung.
man aus gewissen Erzen z. B. arsen- oder phosphorhaltiges Kupfer be-
kam, das härter war und seiner Härte wegen geschätzt und verwendet
wurde. Aber auch aus einem solchen härteren Kupfer waren keine
Meiſsel herzustellen, die mit Stahlmeiſseln verglichen werden können.
In dieser Beziehung gebührte der Bronze jedenfalls der Vorzug. Die
vorteilhafte Eigenschaft, daſs sie sich leicht in Formen gieſsen lieſs,
was den Alten weder mit dem Kupfer, noch dem Eisen möglich war,
haben wir schon hervorgehoben. Durch die Menge des Zinnzusatzes
hatte man es in der Hand, ein härteres oder weicheres Metallgemisch
herzustellen. Der ursprüngliche Zweck des Zusatzes von Zinn zum
Kupfer war jedenfalls ein härteres Kupfer zu erhalten. Zugleich macht
der Zinnzusatz das Kupfer leichtflüssiger, klingender und zäher, während
freilich andererseits mit der Zunahme der Härte die Dehnbarkeit ab-
nimmt, die Legierung wird spröde und läſst sich schwer schmieden
und polieren: sie ist nur zu Guſswaren zu verwenden. Die Härte
wächst anfänglich mit dem Zinngehalt und wird bei einem Zusatz
von etwa 30 Proz. Zinn so groſs, daſs sich das Metallgemisch nur
schwierig mit der Feile verarbeiten läſst. Bei gröſserem Zinngehalt
nimmt die Härte wieder ab. Die erwähnte harte Legierung ist aber
spröde wie Glas und zu Werkzeugen nicht verwendbar. Die Alten
wählten für weichere Bronzen die Mischung von 5 Teilen Zinn mit
95 Teilen Kupfer, für die meisten Werkzeuge die Mischung von 10 Teilen
Zinn mit 90 Teilen Kupfer, für leicht schmelzbare Guſsstücke, die
weniger auszuhalten hatten, setzte man bis 25 Proz. Zinn zu. Die Bron-
zen von 5 Proz. Zinngehalt und darunter sind leicht in kaltem Zustande
zu bearbeiten, sehr geschmeidig, wenn auch etwas kantenrissig und da-
bei härter als Kupfer. Die Legierungen von 5 bis 15 Proz. Zinngehalt
sind hart, fest, zähe und politurfähig, lassen sich aber in der Kälte nur
schwierig schmieden, während sie in der Rotglut leicht streckbar sind.
Die Legierungen über 15 Proz. Zinngehalt sind spröde und hart.


Diese Abstufung in den Eigenschaften der Bronze je nach dem
Zinngehalt gestattete die Auswahl der Zusammensetzung je nach dem
Zweck. Für gewöhnliche Gefäſse, die nach dem Guſs dünn ausgetrieben
wurden, wurde nach Plinius die Ollaria, eine Mischung von 96,2 Proz.
Kupfer und 3,8 Proz. Zinn gewählt. Ebenso hatten die Bronzenägel einen
sehr geringen Zinngehalt, Klaproth fand solche, die im Rhein gefun-
den waren, aus 97,7 Teilen Kupfer und 2,3 Teilen Zinn zusammengesetzt.
Mischungen mit 5 bis 6 Proz. Zinn wurden angewendet für Werkzeuge,
die nicht spröde sein durften und nicht besonders hart zu sein brauchten,
wie für Messer, Äxte und Schwerter. Der bekannte ägyptische Meiſsel
[48]Einleitung.
von Theben war im Verhältnis von 94 : 6 zusammengesetzt; die Paal-
stäbe Böhmens entsprechen meist dem Verhältnis von 95:5.


Die wichtigste Komposition der Alten war die von 90 Teilen Kupfer
mit 10 Teilen Zinn gemischte. Dies war die Legierung, welche die Phö-
nizier hauptsächlich in den Handel brachten. Die meisten Bronzen
der Pfahlbauten entsprechen diesem Mischungsverhältnisse 1). Plinius
bezeichnet es als Kampanisches Erz. Namentlich wurden die meisten
Waffen und Werkzeuge aus diesem Metall gemacht, das hart, fest und
zähe, dabei in der Rotglut leicht zu schmieden war. Äxte, Beile, Speer-
und Lanzenspitzen, Schwerter und namentlich die durch die Phönizier
eingeführten und verbreiteten Kelten finden sich zumeist von dieser
Zusammensetzung. An Güte stehen diese Waffen und Werkzeuge, wie
erwähnt, hinter unseren heutigen Stahlgeräten weit zurück, denn die
härteren sind spröde und die weichen sind wenig elastisch. Durch
sorgfältige Behandlung und Bearbeitung können gewisse Eigenschaften
gesteigert, das Metall dadurch gewissermaſsen verbessert werden. So
wird die Bronze härter durch wiederholtes Umgieſsen. Sie wird auch
schon dadurch härter, daſs man zu dem frisch bereiteten Gemische
eine gröſsere Menge alten Materials von gleicher Zusammensetzung
beim Schmelzen hinzufügt. Hieraus erklärte sich die Stelle des Pli-
nius
2), in der er die Herstellung der Bronze beschreibt. Er sagt:
dies Erz wird mittels des Blasebalges flüssig gemacht, dann fügt man
ein Drittel des Gewichtes von alter Bronze, zerbrochene Stücken alter
Geräte hinzu. Dies giebt eine besondere Würze, „da nur das Alter
und der Gebrauch das Erz zu seiner Vollendung bringt und die Reibung
erst die natürliche Rauhigkeit des Metalls überwindet.“


Man kann die Härte der Bronzeguſsstücken fernerhin erhöhen,
wenn man sie möglichst dünn in Metallformen gieſst, wodurch die
Oberfläche rasch erstarrt, analog dem Hartguſs bei der Eisengieſserei.
Dagegen wird im Gegensatz zum Stahl die Bronze, wenn sie von neuem
glühend gemacht und dann rasch abgelöscht wird, nicht härter, sondern
weicher und man benutzt dieses Ausglühen und Ablöschen um der
Sprödigkeit entgegenzuwirken.


Durch anhaltendes Hämmern erhöhen sich Härte und Elastizität.
Alle diese Vorteile kannten und benutzten die Alten bei Herstellung
ihrer Geräte und Werkzeuge.


[49]Einleitung.

Einen höheren Zinngehalt von 15 bis 25 Proz. wählte man zur
Herstellung feiner Guſsstücke, als Ornamente, Figuren, Schalen,
Schmuckgeräte, Armringe, Spangen, gegossene Münzen, zuweilen auch
für Kelt- und Pfeilspitzen. Ein absichtlicher Bleizusatz kommt bei diesen
Mischungen häufiger vor, namentlich bei denen, die nachher gefeilt, ge-
schliffen und ziseliert werden sollten, da ein Bleizusatz die Legierung
nicht nur noch leichtflüssiger, sondern auch weicher macht. Geringe
Bleizusätze sind dagegen wohl nicht als absichtliche zu betrachten,
indem weder das Zinn noch das Kupfer der Alten bleifrei zu sein
pflegte, das Zinn überdies schon vielfach durch Zusatz von Blei ver-
fälscht wurde.


Alle Bronzen schmelzen bei niedrigerer Temperatur als reines
Kupfer, und zwar liegt der Schmelzpunkt des Kanonenmetalls, das 8 Teile
Zinn enthält, bei 900° C., die Bronze, welche 13 Teile Zinn enthält, bei
835° C., die Legierung von 25 Proz. Zinngehalt bei 786° C.


Die Kunst der Alten in der Behandlung der Bronze war bewunderns-
wert. Ihre Leistungen im Erzguſs sind staunenerregend sowohl durch
ihre Groſsartigkeit (wir erinnern nur an das eherne Meer des Hiram
und an den Koloſs von Rhodus des Lindiers Chares) als durch ihre
Feinheit. Wir finden häufig Schmuckgegenstände so zart und dünn-
wandig, daſs wir kaum begreifen, wie es möglich gewesen ist, daſs
das flüssige Metall die Formen ausgefüllt haben kann. In keinem
Zweige der Metallurgie haben die Alten so Groſses geleistet, als in der
Herstellung und Verarbeitung der Bronze.


Mit aus diesem Grunde haben wir diesen Gegenstand bereits in
der Einleitung mit einiger Ausführlichkeit behandeln zu müssen ge-
glaubt, zugleich auch um von vornherein unsere Stellung zu der Frage
des „Bronzezeitalters“ zu präzisieren und durch Zusammenstellung
der wichtigsten Thatsachen Wiederholungen in den folgenden Kapiteln,
in denen wir noch häufig diesen Gegenstand berühren, zu vermeiden.
Nach dieser allgemeinen Betrachtung wenden wir uns spezieller zu
der Geschichte des Eisens bei den wichtigsten Kulturvölkern des
Altertums.


Beck, Geschichte des Eisens. 4
[[50]][[51]]

DIE
GESCHICHTE DES EISENS
VON DER

ÄLTESTEN ZEIT BIS ZUR VÖLKERWANDERUNG.


[[52]][[53]]

Ägypten.


Wenn wir unsere Untersuchung über die Eisenindustrie im Alter-
tum mit den Ägyptern beginnen, so geschieht dies nicht deshalb, weil
wir dieselben als die ersten Erfinder der Eisengewinnung ansehen oder
weil sie besonders Hervorragendes in der Eisentechnik geleistet hätten.
Dies ist nicht der Fall, vielmehr trat dieser Zweig der Metallindustrie
bei den Ägyptern relativ zurück. Es geschieht vielmehr deshalb, weil
die beglaubigte Geschichte keines der alten Kulturvölker in so ent-
fernte Zeit zurückreicht.


Tiefgewurzelt in dem Gemüt des ägyptischen Volkes saſs der
Sinn für die Fortdauer nach dem Tode, für die Unsterblichkeit, der die
Mutter der Geschichte ist. Dieser Glaube veranlaſste sie, ihre Toten
einzubalsamieren, ihnen für die Ewigkeit begründete Felsengräber zu
erbauen und ihre Thaten in Wort und Bild aufzuzeichnen und zu ver-
künden. Treten wir in diese wiedereröffneten Grabkammern der Ur-
väter unserer Kulturgeschichte, so erfüllt uns der Anblick dieser Riesen-
bauten, die sich über den Leibern der Könige und Vornehmen des
ehrwürdigen Volkes erheben, mit Staunen und Bewunderung. Wir sind
imstande, nachdem der Schlüssel ihrer geheimnisvollen Bilderschrift,
der Hieroglyphen, gefunden ist, die Thaten und Ereignisse aus Zeiten,
die Jahrtausende zurückliegen, zu lesen. Mächtiger noch wirkt die
unmittelbare Darstellung auf unsere Sinne. Längst vergangene Zeiten
steigen vor uns auf, alles erscheint, als sei es gestern gewesen. Die
Abbildungen, ob sie Kriegsthaten, Jagd, Fischfang, häusliche Be-
schäftigung oder gewerbliche Verrichtungen darstellen, sind so frisch
[54]Ägypten.
in der Farbe, dabei so ausdrucksvoll und verständlich, daſs alles um
uns lebendig zu werden scheint und wir in den Grüften des Todes das
volle, heitere, bewegte Leben des ägyptischen Volkes empfinden. Das
„Wunderland“ nannten mit Recht deshalb auch schon die Alten das
untere Nilthal.


Es ist nicht unsere Aufgabe, die Abkunft und ethnographische
Stellung des ägyptischen Volkes zu untersuchen. Ob sie von den
Äthiopiern stammen, wie Diodor behauptet, ob sie mit den Berbern
blutsverwandt sind oder ob, was die meisten Ägyptologen annehmen,
die weiſsen, herrschenden Kasten wenigstens von Osten her einwander-
ten als ein Zweig der semitischen Bevölkerung Westasiens, hat für die
Geschichte der Industrie des Landes wenig Bedeutung. Weit wichtiger
für dieselbe sind die Kulturbedingungen, welche das Land darbietet.
Diese sind so eigenartig, daſs durch sie zumeist die Frühreife des
Volkes bedingt wurde. Das „Geschenk des Nils“ nannten die Ägypter
ihr Land mit Recht. Das ganze untere Land, in dem die Kultur
Ägyptens sich entwickelte und blühte, ist aus dem fruchtbaren schwar-
zen Schlamm des mächtigen Stromes gebildet, der aus den ausgedehnten
Seeen Hochafrikas in der Nähe des Äquators entspringend, in mannig-
fachen Windungen die Hochgebirge Afrikas in nördlicher Richtung
durchschneidet, bis er in raschem Lauf, oft sprungweise in Wasser-
fällen und Stromschnellen dem Thale zueilt, das, von den Parallel-
ketten der lybischen und arabischen Bergketten eingeschlossen, das
schmale Gebiet des eigentlichen Ägyptens bildet. Nachdem der Fluſs
das wilde Hochgebirge verlassen hat, verlangsamt er seinen Lauf und
dies giebt Veranlassung zu reichlichem Absatz des fruchtbaren Gebirgs-
schlammes, der den gesegneten Boden Ägyptens bildet. Von Syene,
wo der Strom den letzten Gebirgsriegel durchbricht, bis zu seiner
Mündung am Mittelländischen Meer beträgt sein ganzer Fall nur
300 Fuſs. Die Schlammablagerungen des Nils sind aber keine gleich-
mäſsigen, sondern periodische, die mit groſsartigen Überschwemmungen
des unteren Landes verbunden sind. Die ungeheuren Regengüsse,
welche in der äquatorialen Zone, in welcher der Ursprung der beiden
Nilarme liegt, in bestimmten Jahreszeiten eintreten, sind die Ursache
dieser Überschwemmungen. Mit dem Anfang des Sommers beginnt
der Strom zu steigen, bis er Ende Juli aus seinen Ufern tritt und bald
das ganze Thal zwischen den Bergketten erfüllt. Ende September pflegt
er 20 Fuſs über seiner normalen Höhe zu stehen. Dann kehrt er ebenso
allmählich in sein altes Bett zurück. Die fruchtbare Schlammdecke,
die zurück bleibt, bestrahlt von der glühenden Sonne, läſst rasch die
[55]Ägypten.
üppigste Vegetation hervorsprieſsen, die eine zahlreiche Bevölkerung
mühelos zu ernähren imstande ist.


Die regelmäſsigen Überschwemmungen des Nils waren die wich-
tigste Kulturbedingung für die Bewohner Ägyptens. Sie zwangen den
Hirten Vorkehrungen zu treffen zur Sicherung seiner Herde, den Land-
mann zu genauer Feststellung seiner Ackergrenze. Sie nötigten Vor-
räte anzusammeln für die wasserreiche Zeit und zum Verkehr auf
dem Wasser in Nachen und Schiffen. Sie führten, nachdem man den
Nutzen der Überschwemmungen für die Landwirtschaft erkannt hatte,
zu Kanalanlagen, die den fruchtbaren Schlamm auch solchen Landes-
teilen zuführten, die von der natürlichen Flut nicht erreicht wurden,
während man andererseits Dämme errichtete, um den Absatz des
Schlammes zu vermehren oder den Lauf des Flusses zu korrigieren.
Solche Unternehmen waren zu umfassend, um das Werk Einzelner
sein zu können, sie bedingten das Zusammenwirken einer groſsen Zahl
von Händen. Dieses führte zur Organisation der Gesellschaft, zu ge-
setzlicher Ordnung, gemeinschaftlicher Verwaltung, kurz zu einem
geordneten Staatswesen, wie wir es in Ägypten so früh ausgebildet
finden.


Die Geschichte Ägyptens beginnt, sowohl nach der übereinstimmen-
den Überlieferung der Geschichtsschreiber des Altertums, als der auf-
gefundenen Königstafeln, mit der Herrschaft des Menes, aus der Land-
schaft This. Doch war bereits lange vor Menes Ägypten von einer Be-
völkerung bewohnt, die höherer Kultur teilhaftig war. Wenn dies schon
aus der uralten Stammeseinteilung, sowie aus den groſsartigen Bau-
unternehmungen des Menes, die das Vorhandensein zahlreicher fach-
kundiger Arbeitskräfte und Intelligenzen, die Kenntnis der Gewinnung
und Bearbeitung der Baumaterialien u. s. w. voraussetzt, geschlossen
werden kann, so ist dies auch nachgewiesen durch zahlreiche Bohrungen,
die von Altertumsforschern im Nilthal gemacht worden sind. Diese
haben in groſsen Tiefen aus dem angeschwemmten Boden Krüge, Thon-
figuren, Steinmesser, in noch gröſserer Tiefe Töpferscherben und Ziegel-
stücke ans Licht gebracht. Da die Ablagerung des Nilschlammes in
groſsen Zeiträumen sehr gleichmäſsig verläuft, so hat man daraus eine
Kultur von über 10000 Jahren berechnet.


Über ein Steinzeitalter Ägyptens wissen wir wenig; daſs es existiert
hat, läſst sich schlieſsen sowohl aus den oben erwähnten Funden als
auch aus der Verwendung steinerner Werkzeuge in historischer Zeit
zu gewissen hieratischen Zwecken, z. B. aus dem Gebrauch steinerner
Messer zum Öffnen der Bauchhöhlen der Verstorbenen zum Zweck der
[56]Ägypten.
Einbalsamierung. In den ältesten Zeiten, von denen wir bestimmtere
Kenntnis haben, findet sich indessen neben der Verwendung von Stein-
werkzeugen auch schon der Gebrauch der Metalle.


Von Menes erzählen Herodot und spätere Geschichtsschreiber, er
habe den Nil oberhalb Memphis abgeleitet und die Stadt, die er ge-
gründet habe, durch künstliche Dämme geschützt. Ferner habe er in
derselben Stadt einen Tempel des Hephästos, d. h. des ägyptischen
Gottes Ptah gegründet, der von späteren Königen erweitert wurde. Er
habe den Gottesdienst organisiert, aber auch Üppigkeit und Wohlleben
in Ägypten eingeführt. Sein Sohn und Nachfolger Athotis (Tota) soll
die Königsburg erbaut haben, während Ünephes, der dritte König, die
ersten Pyramiden errichtet hätte. Diese groſsartigen Unternehmungen
setzen eine entwickelte Technik voraus.


Von Menes bis zur zweiten persischen Eroberung sollen nach
Manetho aus Sebennytos, einem Priester zu Heliopolis, der im Auftrag
der Ptolemäer unter Benutzung der alten hieratischen Schriften eine
Geschichte des Landes verfaſst hat, 30 Dynastien mit 375 Königen ge-
herrscht haben. Hätten diese hintereinander geherrscht, so müſste
nach Bökhs Berechnung der Anfang der Regierung des Menes in das
Jahr 5702 v. Chr. fallen. Es gilt aber jetzt als ausgemacht, daſs ein-
zelne der aufgezählten Dynastieen und Könige gleichzeitig, nebenein-
ander in verschiedenen Teilen des Landes regierten, und haben sich
alle Ägyptologen bemüht, die Königstafeln von diesem Gesichtspunkte
aus zu korrigieren. Auf diesem Wege findet Lepsius nach seiner Auf-
stellung das Jahr 3892 v. Chr. als das Jahr des Regierungsantrittes
des Königs Menes.


Die Nachrichten über die ersten Könige Ägyptens sind dürftig und
wenig zuverlässig; sie beruhen auf Mitteilungen Herodots, Diodors
und Anderer, die 3000 Jahre und mehr nach der Zeit des Menes ge-
schrieben haben. Von den Herrschern der ersten Dynastieen wissen
wir kaum mehr als die Namen, die allerdings schon manchen Finger-
zeig geben, wie der des sechsten Königs nach Menes Mybempes hieſs,
was mit „Eisenfreund“ übersetzt wird.


Die Morgenröte der ägyptischen Geschichte beginnt mit den
letzten Königen der dritten Dynastie und heller Tag erscheint mit dem
Eintritt der vierten Dynastie, die etwa 800 Jahre nach Menes ans
Ruder kam, denn von da ab haben wir die eigenen Aufzeichnungen
und Darstellungen in den gewaltigen Pyramiden und Gräberbauten
von Memphis und Gizeh. Die Pyramiden sind die charakteristischsten
Wunderbauten Ägyptens. Es sind die Grabstätten seiner Könige.
[57]Ägypten.
Schon in ältester Zeit suchten die Ägypter die Körper der Verstorbenen
sowohl durch Einbalsamieren als durch Beisetzung in festen, geschütz-
ten Steingräbern zu erhalten. Diodor überliefert uns (I. 51) den
schönen Ausspruch: Die Ägypter legen auf die Zeit dieses Lebens nur
ganz geringen Wert, dagegen den allerhöchsten auf die Fortdauer des
Ruhmes ihrer Tugend nach dem Tode, und darum nennen sie auch die
Wohnungen der Lebenden nur „Herbergen“, da wir in denselben nur
kurze Zeit verweilten, die Gräber der Gestorbenen aber nennen sie
„ewige Häuser“, da diese ja in der Unterwelt die ganze Ewigkeit hin-
durch wohnten. Deshalb denken sie auch weniger an die Ausschmückung
ihrer Häuser, auf die Gräber aber legen sie die übertriebenste Sorgfalt.


Westlich von Memphis in den Felsabhängen des lybischen Gebirges
waren die ältesten Grabkammern teils in festen Fels gehauen, teils
ausgemauert. Dort erhoben sich auch die Pyramiden, die gemauerten
Grabstätten der Könige, durch riesigen Unterbau vor der Zerstörung
der Wasserflut geschützt, hoch emporragend über den Gräbern der
Unterthanen. Über 30 dieser Pyramidengräber sind an dem Bergabhange,
der sich westlich von Memphis nach Süden zieht, noch deutlich zu
erkennen. Lepsius und Brugsch haben die Reste von etwa 70 nach-
gewiesen. Die umfangreichsten und schönsten stehen bei Gizeh, süd-
westlich von Kairo. Chufu (Suphis), der erste König der vierten Dy-
nastie, den Herodot Cheops nennt, erbaute die gröſste derselben, die
zweitgröſste sein Bruder Chafra (griechisch Chephren). Über die
Erbauung der groſsen Pyramide, die 500 ägyptische Ellen oder 716 Fuſs
Seitenlänge und 480 (jetzt aber nur noch 450 Fuſs) Höhe hatte, er-
zählt Herodot Folgendes:


„Alle Ägypter muſsten dem Könige Frohndienste leisten. — Die
Einen waren angewiesen aus den Steinbrüchen am arabischen Gebirge
Steine bis an den Nil zu schleppen. Waren die Steine auf Fahrzeugen
über den Fluſs gebracht, so muſsten andere sie aufnehmen und nach
dem sogenannten Lybischen Gebirge ziehen. Es waren aber an hun-
derttausend Menschen immer auf drei Monate mit dieser Arbeit
beschäftigt und war das Volk eine geraume Zeit also gedrückt. Zehn
Jahre brauchten sie zur Anlage des Weges, auf welchem sie die Steine
fortzogen, was nach meiner Ansicht kaum eine geringere Arbeit war,
als der Bau der Pyramiden selbst.“ Zwanzig Jahre brauchten sie zum
Bau der Pyramide, die terrassenförmig aufgeführt und mit groſsen,
polierten Steinen verkleidet wurde. „Es ist auch“, fährt Herodot fort,
„mit ägyptischer Schrift an der Pyramide angegeben, wieviel von den
Arbeitern an Rettigen, Zwiebeln und Knoblauch verzehrt wurde und
[58]Ägypten.
wenn ich mich recht erinnere, was der Dollmetscher, der die Schrift
las, mir sagte, so wurden darauf 1600 Talente Silber (ungefähr acht
Millionen Mark) verwendet. Wenn sich das wirklich so verhält, wieviel
muſs dann natürlich noch weiter aufgewendet worden sein für das
Eisen, mit dem man arbeitete
und für die Nahrung und Kleidung
der Arbeiter!“ Die Wahrheit der Angabe Herodots über die Erbauung
der groſsen Pyramide wird durch ihren gegenwärtigen Zustand be-
stätigt. Sie ist aus Quadern von Granit, der vom oberen Nil herbei-
geschafft wurde, aufgeführt und mit geschliffenen Platten von weiſsem
Numulitenkalk, der von der arabischen Seite herstammt, bekleidet.


Die ältesten Pyramiden, die bei Meidum und Dahschur stehen und
noch der Zeit der dritten Dynastie angehören, sind aus Ziegeln erbaut
und mit Quadern von Kalkstein bekleidet. Wahrscheinlich sind auch
die Pyramiden von Saqara und von Abusir vor König Cheops erbaut.
Der Kern derselben besteht aus rohen Steinblöcken, die durch da-
zwischen geschütteten Nilschlamm verbunden und mit Kalksteinquadern
umkleidet waren.


Schöner und regelmäſsiger als die beiden groſsen Pyramiden aus
der Zeit des Cheops ist die kleinere Pyramide auf dem Felsenplateau von
Gizeh, die König Menkera, der Sohn des Cheops, erbauen lieſs. Sie hat
einen hohen Sockel und erhebt sich in 5 bis 6 stufenförmigen Ab-
sätzen bis 218 Fuſs Höhe. Die Bekleidung ist bis zu bedeutender
Höhe geschliffener Granit.


Die Ausführung solcher Riesenbauten setzt eine zahlreiche, in Ar-
beit geübte Bevölkerung, groſse technische Vorkenntnis, sowie vorzüg-
liche Werkzeuge und Hilfsmittel voraus. Die Pyramiden, die im Inne-
ren Gänge und Kammern mit den Sarkophagen fürstlicher Personen
enthalten, sind umgeben von ausgedehnten meist in den gewachsenen
Fels eingehauenen Felsengräbern, in denen die Mumien der vornehmeren
Diener und Unterthanen der mächtigen, autokratischen Herrscher bei-
gesetzt sind. Die Wände der Grabkammern sind bedeckt mit Skulpturen
und Gemälden, zum Teil Scenen aus dem Leben der Verstorbenen dar-
stellend, aus denen wir die Sitten, den Kulturzustand besonders in Be-
ziehung auf die Gewerbe erkennen. Bevor wir aber diese interessanten
Abbildungen, die bis 3000 Jahre v. Chr. zurückgehen, näher ins Auge
fassen, wollen wir kurz einen Überblick der weiteren Geschichte Ägyp-
tens, namentlich in Hinblick auf die Bauthätigkeit seiner Könige geben.


Nach der mächtigen vierten Dynastie, die wegen ihrer Prachtbauten
berühmt, aber wegen ihrer Härte und Tyrannei verrufen war, tritt erst
vier Jahrhunderte später die zwölfte Dynastie wieder ruhmvoll in den
[59]Ägypten.
Vordergrund. Sie hatte ihren Sitz in Theben in Oberägypten, das sie
durch ihre Bauwerke verherrlichte. Die Obelisken sind die charakte-
ristischen Bauwerke dieser Periode. Der erste Obelisk ist der des
Sesorthosis (auch Sesurtasen, Osortases, Usurtasen) zu Heliopolis (auch
Amu, On). Dieser König führte auch den Bau des Ammontempels zu
Theben fort, den sein Vater Amenemah I. begonnen hatte. Er und
seine Nachfolger besiegten und unterwarfen das Land Kusch (Nubien).
Der gröſste unter diesen Nachfolgern war Amenemah III., der nach
Lepsius von 2221 bis 2179 v. Chr. regierte, derselbe den die Griechen
Möris nennen. Er lieſs den groſsen See dieses Namens ausgraben, ein
Riesenunternehmen, dem nur die Erbauung der groſsen Pyramiden
und des Labyrinthes an die Seite gestellt werden können.


Nach Herodot hatte er 3600 Stadien oder etwa 80 geographische
Meilen Umfang. Sein Zweck war die Nilüberschwemmungen zu regu-
lieren. Herodot berichtet, daſs dies vollständig erreicht wurde und
daſs nach der Herstellung dieses mächtigen Reservoirs das Land unter-
halb Memphis hinreichend überschwemmt wurde, wenn der Nil nur
8 Ellen stieg, während zu seiner Zeit, durch Vernachlässigung und Ver-
sumpfung des Sees, der Nil erst bei 15 bis 16 Ellen Höhe das untere
Land überflutete. Derselbe König erbaute das berühmte Labyrinth,
einen riesigen Reichspalast, der Gerichtshof und Sammelpunkt für alle
Stämme Ägyptens sein sollte. Herodot, der den Riesenbau selbst gesehen
hat, nennt es ein Werk über alle Beschreibung, gröſser und kostspie-
liger als alle Bauwerke der Hellenen zusammengenommen 1). „Er hat
zwölf bedeckte Höfe mit gegenüberstehenden Thoren, sechs nach Norden
und sechs nach Süden zu aneinander stoſsend: ein und dieselbe Mauer
umschlieſst sie von auſsen. Es befinden sich darin zweifache Kammern,
die einen unter der Erde, die anderen oberhalb auf diesen, in Allem
dreitausend, von jeder der beiden Arten fünfzehnhundert u. s. w.“ Die
Hauptmasse des Gebäudes war nach dem Bericht des Plinius aus
Granitblöcken hergestellt und wird dies durch die Trümmer bestätigt,
die sich bei Howara finden.


Die Gräber von Beni-Hassan, Berscheh und Ziut in Mittelägypten
gehören gleichfalls dieser Periode und dieser Dynastie an.


Die Abbildungen in denselben zeigen mancherlei technische Vor-
richtungen; so ist in einem Grab von Berscheh der Transport einer
kolossalen Steinbildsäule dargestellt. Eine Inschrift giebt die Höhe
derselben auf 6,30 Meter an. Die Fortbewegung geht auf einer Schleife,
die von vielen Menschen gezogen wird, vor sich.


[60]Ägypten.

Durch den Einfall der Hyksos erreichte die glänzende Herrschaft
der zwölften Dynastie ein jähes Ende. Dieses Hirtenvolk semitischer
Abstammung eroberte ganz Unterägypten und engte die Herrschaft der
eingeborenen Könige auf ein beschränktes Gebiet in Oberägypten ein.
Auch hier scheinen sie nur als Vasallen der Hirtenkönige regiert zu
haben. Erst nach vielen Jahrhunderten gelang es den kriegerischen
Königen der achtzehnten Dynastie nach langen Kämpfen, die barba-
rischen Hyksos wieder gänzlich aus Ägypten zu vertreiben und von
neuem eine einheitliche Herrschaft eingeborener Könige zu begründen.
Unter dieser Dynastie gelangte Ägypten um die Mitte des zweiten
Jahrtausend v. Chr. auf den Gipfel seiner Macht. Denn wenn das
ägyptische Volk zur Zeit der vierten Dynastie als ein durchaus fried-
liebendes, das Krieg und Kriegsdienst kaum kannte, erscheint, wenn
es noch unter der Herrschaft der zwölften Dynastie wenig in kriege-
rischen Kämpfen geübt und erfahren war, so daſs den hereinbrechen-
den Nomaden der Sieg leicht wurde, so hatte sich in den Jahrhunderten
der Abhängigkeit durch den Druck das ägyptische Volk zu einem
starken, geübten Kriegsvolke umgewandelt. Sieg und Eroberung hef-
teten sich an die gefürchteten Standarten der Könige der achtzehnten
Dynastie. Theben, von dem die Befreiung ausgegangen war, wurde nun
der anerkannte Mittelpunkt des Reiches und die reichste und blü-
hendste Stadt Ägyptens. Dort richteten die kräftigen Herrscher die
gewaltigen Paläste, Tempel und Steinbilder auf, die noch heute in
ihren Trümmern das Staunen der Beschauer erwecken. Nahe an dem
breiten, von Fahrzeugen belebten Strome erheben sich 1) auf einer
künstlichen, von Backsteinen eingefaſsten Terrasse, welche ein läng-
liches Viereck von etwa ¾ Meile in Umfang bildet, von Palmenbäumen
umgeben die Ruinen dieser Bauten stolz aus der grünen Niederung,
unfern dem heutigen Dorfe Karnak.


Zwei Reihen liegender Widder, die auf dem Rande der Terrasse
beginnen, führen zu kolossalen Propyläen, denen lange Säulenreihen,
Säle und Hallen folgen. Die Masse von Trümmern verwirrt den Blick,
der zunächst in diesen durcheinander geworfenen Resten von Mauern,
den zerbrochenen Säulen, den verstümmelten Kolossen, den überein-
ander gestürzten Obelisken keine Ordnung zu entdecken vermag. Aber
zugleich imponirt die Mannigfaltigkeit und Pracht des Materials von
farbigem Kalk und Sandstein, schönem Marmor, von rotem und
dunklem Granit und schwarzem Basalt. Nirgends gab es je eine kunst-
[61]Ägypten.
vollere Verwendung verschiedenfarbigen Steinmaterials in gleichem
Maſsstabe als wie hier. Es sind die Reste des groſsen Ammontempels,
der wohl schon früher begonnen, von den ersten Herrschern der acht-
zehnten Dynastie ausgebaut wurde. Nicht weit davon entfernt lagen
die Prachtbauten des siegreichen Amenophis III. zu Luxor und auf der
gegenüberliegenden Seite des Stromes zu Medinet-Habu. Bei letzterem
ragen zwei Riesenbildsäulen von 60 Fuſs Höhe, eine davon die soge-
nannte Statue des Memnon, in die Luft.


Die Höhe seiner Macht erreichte Ägypten unter Sethos und seinem
Sohne Ramses II. (dem Sesostris der Griechen). Über die Thaten des
letzteren, der eben so kriegerisch war, wie sein Vater, berichten die
griechischen Geschichtsschreiber Fabelhaftes. Jedenfalls unternahm er
siegreiche Eroberungszüge nach Süden in Afrika, wie nach Osten und
Norden in Asien. Nach Diodor zählte sein Heer 600000 Fuſstruppen,
24000 Reiter und 27000 Streitwagen, seine Flotte 400 Schiffe. Dich-
tung und Sage vergröſserten seinen Ruhm und die Überlieferung legte
ihm den Beinamen „der Groſse“ bei. Groſsartig waren seine Bauunter-
nehmungen. Er war es, der den ersten Versuch machte, den Nil mit
dem Roten Meere in Verbindung zu setzen. Die zahlreichen Denkmale,
die er an vielen Orten hinterlassen hat, übertreffen die älteren Werke
dieser Art an Schönheit und künstlerischer Ausführung. Die bedeu-
tendsten lagen ebenfalls bei Luxor nicht weit von den Bauten des
Amenophis. Dort finden sich noch die Trümmer des berühmten Ra-
messeums, eines Tempels des Ammon, der aus prachtvollen Säulen-
hallen, überragt von Kolossen aus verschiedenen Gesteinsarten, bestand.


Nach Ramses dem Groſsen begann der Glanz der ägyptischen
Macht zu erbleichen, doch dauerte die Herrschaft der reichen, pracht-
liebenden Ramessiden bis um das Jahr 1000 v. Chr. Nach dieser Zeit
sank Ägypten mehr und mehr, bis es drei Jahrhunderte später seine
Selbständigkeit verlor und die Beute assyrischer Eroberer wurde.


Die wunderbaren Denkmale aus den drei Glanzperioden Ägyptens
aus den Zeiten der vierten, der zwölften und der achtzehnten Dynastie
geben uns reiches Material zur Beurteilung des gewerblichen Lebens
und der technischen Kenntnisse des Volkes an die Hand.


Beweist die Ausführung so wunderbarer Bauwerke, wie die der
Pyramiden in der ersten, die des Labyrinthes in der zweiten und die
der prachtvollen Tempel zu Theben in der dritten dieser Perioden —
Bauwerke, die unerreicht als ewige Denkmale menschlichen Schaffens
dastehen —, eine hohe Reife technischer Fertigkeit, die eine Menge
mechanischer und mathematischer Kenntnisse sowohl als ganz vorzüg-
[62]Ägypten.
liche Werkzeuge voraussetzen, wie auch eine bedeutende Entwickelung
des gewerblichen Lebens: so geben uns die Abbildungen und Inschriften,
welche die Wände der Tempel und Gräber bedecken, die Bestätigung
hierfür im einzelnen. Schon in frühester Zeit zeigen sich die Gewerbe
in Ägypten in hoher Ausbildung und die Gewerbetreibenden bildeten
einen wichtigen Teil der Bevölkerung.


Werfen wir einen Blick auf die sozialen Verhältnisse der Ägypter
im allgemeinen, so erscheinen die verschiedenen Berufsarten in scharfer
Trennung: Priester, Krieger, Handwerker, Schiffer, Ackerbauer und
Hirten bilden gesetzlich getrennte Berufsklassen. Über alle herrscht
der König, dessen Stellung eine so erhabene ist, daſs vor ihm alle
gleich erscheinen. So scharf aber auch die verschiedenen Berufsklassen
geschieden waren, so kann von einer Kasteneinteilung im strengen
Sinne, wie sie beispielsweise in Indien bestand, nicht die Rede sein.
Dem Gesetze und den Göttern gegenüber waren die Ägypter im allge-
meinen gleich. Allerdings war das Volk in zwei Abteilungen geteilt,
von denen die eine an dem Grundbesitze Teil hatte, während die
andere daran keinen Teil hatte. Zu ersteren gehörten der König, die
Priester und die Krieger; zu letzteren alle arbeitenden Klassen. Er-
stere waren die Privilegierten, die allein die öffentlichen Angelegen-
heiten ordneten und auch durch Gesetze in namhaften Dingen Vorrecht
vor den besitzlosen Klassen genossen. Aus ihnen allein gingen die
zahlreichen Beamten des Reiches hervor.


Die Berufsart der arbeitenden Klassen war erblich, doch beruhte
dies nicht auf religiösen oder gesetzlichen Vorschriften, sondern es war
das Ergebnis einer alten, entwickelten Kultur. Heirathen von Ange-
hörigen verschiedener Berufsarten waren gestattet. Diodor betont,
wie sehr diese Erblichkeit des Berufes zum Nutzen des Landes gewesen
sei, indem z. B. die Ackerbauer schon von den Groſseltern her die
Kenntnis des Bodens, die eigentümliche Art seiner Behandlung, die
wichtigen Regeln der Bewässerung erlernt hätten, während in gleicher
Weise die Hirten, die mit den Tieren ihrer Pflege aufwuchsen, durch
die ererbten Kenntnisse viel gröſsere Erträgnisse aus der Viehzucht
erzielten, als dies anderswo der Fall sei und daſs sie durch Nachdenken
und künstliche Mittel dies zu unterstützen verständen. Als Beispiel
führt er die künstlichen Brutmaschinen für die Hühner- und Gänse-
zucht an. Von den eigentlichen Gewerbetreibenden sagt er folgende
charakteristische und beherzigenswerte Worte 1): „Auch Künste und
Handwerke kann man bei den Ägyptern fleiſsig geübt und zu hoher
[63]Ägypten.
Ausbildung gebracht sehen. In diesem Lande allein nämlich läſst man
die Gewerbetreibenden sich weder an einer anderen Beschäftigung
noch an politischen Dingen beteiligen; sie dürfen vielmehr nur die vom
Gesetz vorgeschriebene und von den Eltern ererbte Kunst betreiben,
so daſs weder der Neid eines Meisters, noch politische Parteizwiste sie
hindern können, ihren ganzen Eifer auf diese zu wenden. Anderwärts
hingegen sieht man den Sinn der Handwerker hierhin und dahin ge-
zogen, und aus Gier, reich zu werden, bleiben sie oft nicht bei ihrer
eigentlichen Beschäftigung: Die einen wenden sich dem Landbau zu,
die anderen betreiben zwei oder drei Geschäfte zugleich und in den de-
mokratischen Staaten laufen die meisten in die Volksversammlungen und
helfen den Staat zu Grunde richten, indem sie sich des Gewinns wegen
in den Dienst solcher geben, die sie bezahlen; wenn aber bei den Ägyp-
tern ein Handwerker sich an politischen Dingen beteiligen oder mehrere
Geschäfte zugleich betreiben würde, so verfiele er in schwere Strafen.“


Auſser Ackerbauer und Hirten waren die wichtigsten gewerblichen
Zünfte die der Glas-, Metall-, Holz- und Lederarbeiter, die Lein-
weber, Zeugwirker, Buntsticker, Seiler und Teppichwirker, dann die
Färber, Gerber, Gürtler und Papiermacher, die Zimmerleute, Tischler,
Maurer und Steinmetzen, die Tüncher und Maler, sofern sie nicht
Künstler waren, ferner Musikanten, Sänger, Tänzer und endlich die
Kleinkrämer. Jede gewerbliche Zunft hatte in den groſsen Städten ihr
eigenes Quartier, das darnach benannt war, wie z. B. das Quartier der
Goldschmiede, der Lederarbeiter u. s. w. Die einzelnen Handwerke
waren streng getrennt; wenn sie auch nicht geradezu erblich waren,
so blieb doch jeder für Lebzeiten bei seinem Handwerk und ein jeder
wetteiferte mit seinem Nachbar, um es ihm zuvorzuthun. Es standen
Strafen darauf, wenn einer in ein anderes Handwerk pfuschte.


Neben den zünftigen Handwerkern gab es allerdings auch noch
Sklaven, denen gewerbliche Vorrichtungen auferlegt wurden. Es waren
Kriegsgefangene, gekaufte Sklaven oder Verbrecher. Vor dem Gesetze
waren diese ebenso geschützt wie die Freien. Sie wurden zu Diensten
im Hause und zu niedrigen technischen Arbeiten verwendet. Ihre Zahl
nahm zu, als Ägypten ein kriegerischer Staat wurde, und ihre Behand-
lung, die früher sehr human gewesen war, wurde im Laufe der Zeit,
insbesondere mit dem zunehmenden Verfall der alten Ordnung und dem
Einfluſs der grausamen Denkweise der Asiaten, härter und unmensch-
licher, wie wir an dem Beispiele der Bergwerkssklaven sehen werden.


Die Ackerbauer interessieren uns bei unserer Untersuchung nur
insofern, als der Ackerbau die Grundlage des Wohlstandes Ägyptens
[64]Ägypten.
und die Ackerbauer das älteste Gewerbe waren: wir infolgedessen die
ältesten Geräte und Werkzeuge bei ihnen finden. Der Pflug und die Sichel
sind schon dargestellt in den Abbildungen der vierten Dynastie. Vom
Pfluge gab es fünf verschiedene Arten. Die gewöhnlichste war ein
krummes Holz, an dessen vorderem Ende sich die metallene (eiserne)
Pflugschar befand, während der andere nach oben gekrümmte Teil
gespalten war, um daran die Deichsel zu befestigen, an die zwei Ochsen
gespannt wurden.


Metallene Sicheln, mit denen der Landmann das Korn schneidet,
sind deutlich abgebildet in den Gräbern von Gizeh und Saqara
(Fig. 4 u. 5 1).


Figure 4. Fig. 4.
Figure 5. Fig. 5.

Das Bild der Sichel ist ein uraltes hieroglyphisches Zeichen. Ebenso
das Schöpfrad, dessen sich die Ägypter schon in frühester Zeit zur
Bewässerung ihrer Felder bedienten. Es war dieses eines der Insignien
des Hohenpriesters und findet sich charakteristischer Weise als ein
symbolisches Schmuckzeichen des Hohenpriesters von Jerusalem wieder.


Mit dem Schöpfrade, das durch Menschen oder Tiere in Bewegung
gesetzt wurde, hob man das Wasser aus den Bewässerungskanälen in
die Höhe zur Überrieselung der Äcker. Es kann das Schöpfrad wohl
als die älteste Maschine angesehen werden. Von dem Hebel machten
die Ägypter allerdings auch bereits Gebrauch und zwar nicht nur beim
Bauwesen, sondern auch beim Auspressen des Weines.


Nächst der Landwirtschaft war die Weberei das älteste und
angesehenste Gewerbe in Ägypten. Ägyptische Leinwand war in der
ganzen alten Welt hochgeschätzt und bildete den wichtigsten Ausfuhr-
artikel. Die oberste Gottheit wird in den Gebeten der Ägypter häufig
als Erfinder des Webstuhles gepriesen; als Schöpfer und Erhalter der
Welt oft „der Weber“ genannt. Im ersten Buch der heiligen Schriften
des Turiner Papyrus (des sogenannten Totenbuches) heiſst es: „Ich
[65]Ägypten.
(Gott) bin es, der die Kleider webt, sowie ich der Erfinder des Web-
stuhles bin, ich, der ich den Durchgang der Fäden erdacht“; — und
an einer anderen Stelle: „Höre mich mein Knecht! Webe Kleider,
wirke Tuche, wirke Linnen, Gürtel, Armbänder für mich in Demut des
Herzens, aus tiefster Ehrfurcht, für mich den Herrn aller Dinge.“


An die Weberei, die nicht blos Leinen, Baumwolle und Wolle ver-
arbeitete, sondern wenigstens zur Zeit der achtzehnten Dynastie auch
Goldfäden kunstvoll mit einwob, schlieſst sich die Färberei, die in
Ägypten in hoher Blüte stand, besonders war die Indigofärberei hier
zu Haus.


Uralt waren die Gewerbe der Lederarbeiter, der Gerber,
Gürtler
und Schuster. Darstellungen ihrer Hantierungen finden
sich bereits in den Wandzeichnungen der Gräber aus der vierten
Dynastie.


Ebenso ausgebildet wie die Bekleidungsgewerbe waren die Nah-
rungsgewerbe, von denen wir die Schlachter und Fleischer er-
wähnen wollen, erstere oft abgebildet, wie sie mit einem groſsen Messer
mit Metallklinge einen Ochsen zerlegen, letztere mit einem blanken
Wetzstahl an der Seite, an dem sie das Messer wetzen, um den Kunden
das Fleisch vorzuschneiden.


Alle die angeführten Gewerbe treten zurück an Interesse für unsere
Untersuchung im Vergleich mit den Baugewerben. Wie Auſser-
ordentliches die Ägypter in diesen geleistet haben, selbst im Hinblick
auf unsere heutige vorgeschrittene Technik, geht schon aus dem früher
angeführten hervor.


Die Baukunst wurde bei den Ägyptern als die hervorragendste
Kunst geachtet und betrieben. Die Baumeister gingen aus der Priester-
kaste hervor und waren vornehme und einfluſsreiche Beamte der Könige.
Viele Namen groſser Meister dieser Kunst sind uns erhalten, während
Bildhauer, Dichter oder Musiker sehr selten genannt werden. Die Bau-
kunst war „die Kunst“ bei den Ägyptern, die alle anderen Künste
weit überragte. Die Namen der Baukünstler erscheinen neben den
Namen der Könige, während andere Namen, etwa von Staatsmännern,
Heerführern, Gelehrten kaum bekannt sind. So kennen wir Heka, den
Baumeister des Königs Snephru, des letzten Königs der dritten Dyna-
stie (3124 bis 3100 v. Chr.), ferner Hapu und Una, die Baumeister der
Könige Teta (dem Othoes des Manetho) und Pepi (um 2700 v. Chr.).
Zu den höchsten Ehren, ja zu fürstlicher Auszeichnung gelangte der
Oberbaumeister des ruhmvollen Königs Amenophis III. (achtzehnte Dyna-
stie) mit Namen Amenhotep. Ihm lieſs der König eine Bildsäule auf-
Beck, Geschichte des Eisens. 5
[66]Ägypten.
richten, die uns erhalten ist und auf der geschrieben steht 1): „Es erhob
mich mein Herr zum Oberbaumeister. Ich verewigte den Namen des
Königs, indem ich ausführen lieſs zwei Ebenbilder (die Säulen des
Memnon) in diesem seinem groſsen Gebäude aus edlem, hartem Gestein.
Ich lieſs diese Kunstwerke seiner Bilder — vierzig Ellen betrug ihr
Maſs — in den Steinbergen brechen, ich lieſs bauen acht Schiffe; sie
wurden aufwärts gefahren und aufgerichtet an ihrer zukünftigen Stelle.
Dauern werden sie wie der Himmel.“ — Unter Ramses II. wird Ame-
neman als Baumeister der groſsen Thore am Tempel des Ptah in
Memphis genannt 2).


Waren die geistigen Leiter der Bauunternehmungen in solcher
Weise hervorragend, so standen auch die Baugewerbe hinter den ande-
ren Gewerben nicht zurück. Die Benutzung des mannigfaltigen Stein-
materials, welches aus allen Teilen Ägyptens herbeigeschafft wurde,
ist um so bemerkenswerter, wenn man die Schwierigkeit und Kost-
spieligkeit des Transportes erwägt.


Wir haben schon darauf hingewiesen, daſs nie und nirgend die
Mannigfaltigkeit der natürlichen Farben der Gesteine, namentlich der
schwer zu bearbeitenden Porphyre, Basalte, Granite und Syenite in so
groſsartiger und zweckmäſsiger Weise verwendet worden sind, als bei
den ägyptischen Bauwerken. Wir haben erwähnt, welche Riesen-
arbeiten die groſsen Könige der vierten Dynastie ausführen lieſsen,
um den Transport des schönen, gelblichen Kalksteins von dem arabi-
schen Gebirge nach dem linken Nilufer zu ermöglichen. Aber dieses
vorzügliche Material, welches die älteren Pharaonen benutzten, genügte
den späteren nicht mehr, sie umkleideten die ganzen Pyramiden
mit riesigen Platten von geschliffenem Granit, wozu sie das Material
aus der oberen Nilgegend herbeischaffen muſsten. Die Steinbrüche,
in denen dieses Material gewonnen und, wie kaum bezweifelt werden
kann, mit Stahlmeiſsel zugerichtet wurde, lagen im Süden des Reiches.
Wir wissen, daſs König Pepi gewaltige Steinbrüche im Thale Hama-
mat, oberhalb Abydos, betreiben lieſs. Zur selben Zeit waren die
Steinbrüche von El-Kab oberhalb Theben und die bei Syene im Be-
trieb. Mit welchen Hilfsmitteln die gewaltigen Steinblöcke, wie z. B.
die Obelisken und Kolosse gebrochen wurden, ist uns nicht bekannt;
wir können nur staunen über die Leistungen. Dagegen sind über das
Zurichten der Quader, das Zuhauen, Glätten und Polieren der Kolosse
[67]Ägypten.
zahlreiche Abbildungen erhalten, von welchen wir (Fig. 6 u. 7) einige
mitteilen.


Die Werkzeuge der Steinmetzen waren Meiſsel und Spitzhammer,
die beide aus einer schmalen Metallspitze, die mit einem Holzstiel ver-
bunden war, hergestellt wurden. Diese Spitzen können in anbetracht

Figure 6. Fig. 6.


ihrer Gestalt und der Härte des bearbeiteten Materials nur Stahl ge-
wesen sein (Fig. 8 a. f. S.). Bemerkenswert ist es aber, daſs die Bild-

Figure 7. Fig. 7.


hauer nicht nur zum Abschleifen, sondern auch zum letzten Zurichten
ihrer Statuen den Abbildungen nach Steinwerkzeuge anwendeten.


5*
[68]Ägypten.

Auſser den Natursteinen, die aus dem Gebirge zum Teil aus weiten
Entfernungen hergeschafft werden muſsten, bedienten sich die ägypti-
schen Baumeister in ausgedehntem Maſse künstlicher Lehmsteine und
Ziegel. Die fabrikmäſsige Darstellung von Backsteinen findet sich
zum öfteren in allen Einzelheiten dargestellt. Es war eine niedrige
Beschäftigung, zu der meist Gefangene verwendet wurden, und daſs

Figure 8. Fig. 8.


diese verächtliche Arbeit den eingewanderten Israeliten als
Frohndienst auferlegt war, wurde nach der Erzählung der
Bibel der Hauptgrund ihrer Empörung gegen die Herrschaft
des Pharao und ihres Auszugs.


Der Ziegelfabrikation verwandt ist die Töpferei,
die ein uraltes Gewerbe in Ägypten war. Auf den Abbil-
dungen sehen wir, wie die einen den rohen Thon herbeitragen,
Andere ihn mit runden Steinen auf einer flachen Unterlage
zerklopfen, um die eingemengten Steinteilchen zu zermalmen und ihn
durchzuarbeiten. Dann wird er aus freier Hand oder mit der Töpfer-
scheibe — die lange vor Mosis Zeiten in Ägypten bekannt war — zu
Gefäſsen geformt. Die Formen dieser Gefäſse sind sehr mannigfaltig,
wenn sie auch nicht den Reichtum der Erfindung und den Geschmack
zeigen, wie wir ihn an den Gefäſsen der Griechen bewundern.


Den Töpfern reihen sich die Tüncher und Maler an. Sie bedienten
sich zum Bemalen der Wände und Gefäſse ausschlieſslich der Erdfarben,
und zwar für Rot des Bolus, für Gelb des Oker, für Blau gemahlenen
Kupferglases, für Grün eines Gemenges von Blau und Gelb. Zu Schwarz
nahm man Knochenkohle, zu Weiſs gemahlene Kreide. Die Farben
wurden mit Wasser und Pflanzengummi angerührt.


Die zweite Hauptgruppe der Baugewerbe, die der Holzbearbei-
tung
, war ebenfalls in Ägypten hoch entwickelt. In einem Grabe

Figure 9. Fig. 9.


von Gizeh (vierte Dynastie) findet
sich bereits die Abbildung eines
Zimmermanns, der Bauholz sägt.
Beifolgende Zeichnung (Fig. 9)
ist eine ganz ähnliche, nur deut-
lichere Darstellung aus einem
Grabmal aus der Zeit der sechsten
Dynastie zu Sauriet-el-Meitin 1).
Das breite Sägeblatt, ähnlich wie
bei unserer Zimmermannssäge, ist
[69]Ägypten.
aus Metall. Der zu zersägende Stamm ist an einem im Boden be-
festigten Ständer festgebunden, der zugleich als Führung für die ein-
männische Säge diente. Unsere Säge mit dünnem Blatt und beweglichem
Rahmen ist eine viel spätere Erfindung.


Besonders häufig und mannigfaltig ist die Holzbearbeitung dar-
gestellt in Verbindung mit dem Schiffsbau. Die Ägypter bedienten
sich hölzerner Schiffe, sowohl zum Verkehr als zum Transport von
Waren, Getreide, Baumstämmen u. s. w. In den Gemälden der alten
Grabkammern sieht man, wie Arbeiter einen Baum zerspalten (Fig. 10),

Figure 10. Fig. 10.


andere auf einem im Bau begriffenen Schiff Löcher für Pflöcke
schlagen, andere das Holz behauen mit beilartigen Instrumenten von
nebenstehender eigentümlicher Form (Fig. 11). Die Schiffe führen

Figure 11. Fig. 11.


Segel und Steuerräder und sind meistens an den beiden spitz zulaufen-
den Enden blau gemalt, was möglicherweise einen Eisenbeschlag an-
deuten könnte.


Von hervorragendem Interesse ist die Glasfabrikation der alten
[70]Ägypten.
Ägypter. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daſs sie die Erfinder des
Glases waren. Das alte Märchen des Plinius, daſs phönizische Handels-
leute es zufällig entdeckt hätten, indem sie sich einen Feuerherd aus Soda-
oder Salpeterstücken auf einer Unterlage von Sand hergestellt und da-
nach die ganze Masse durch die Hitze zu hellem Glase geschmolzen sei,
trägt zu deutlich den Stempel der Unwahrheit. In den Grabkammern von
Gizeh und Saquara, also zur Zeit der vierten Dynastie, lange ehe die
Phönizier in der Geschichte erwähnt werden, findet sich bereits das
Glasblasen abgebildet1), ebenso in den Gräbern von Beni-Hassan. Es
ist sehr wahrscheinlich, daſs die Ägypter durch das Ausschmelzen des
durch Waschen angereicherten Goldsandes auf die Darstellung des
Glases verfielen. Dieses Ausschmelzen geschah unter Zusatz von natür-
licher Soda, die sich in Ägypten reichlich findet.


Dabei bildeten sich Schlacken, die mehr oder weniger gefärbte
Gläser waren. Auf diese Weise lernten sie auch zugleich schon die
Buntgläser kennen, durch die Ägypten berühmt war und mit denen ein
groſser Handel getrieben wurde. In späterer Zeit blühte die Glas-
fabrikation hauptsächlich in der Gegend von Alexandria, wo sich ein
vorzüglich geeigneter, reiner Quarzsand fand. Das weiſse Glas der
Ägypter kommt in seiner chemischen Zusammensetzung dem englischen
Kronglas am nächsten. Die Glasfabrikation, welche die Phönizier
erst später von den Erfindern erlernten, erreichte in Ägypten eine stau-
nenswerte Ausbildung. So verstanden sie z. B. bereits die Kunst des
Entfärbens des Glases mittels Braunstein. In der Darstellung künst-
licher Edelsteine (Straſs) und buntfarbiger Perlen waren sie unerreicht.
In Glasemaillen leisteten sie unübertreffliches, wie z. B. in ihren bunten
Emaillen auf Metall, während sie andrerseits das Einschmelzen feiner
Goldfäden in Glas vorzüglich ausführten. Ihre enkaustischen Arbeiten,
ihre Glasmosaiken sind höchst kunstvoll. Sie verstanden es, ein sehr ge-
schätztes Glasporzellan (Reaumursches Glas) zum Gebrauch zu machen.
Im Schneiden und Schleifen des Glases waren sie äuſserst gewandt;
kurz Winkelmann übertreibt in Beziehung auf die Ägypter kaum,
wenn er behauptet, jenes alte Kulturvolk hätte eine höhere Voll-
kommenheit in der Glasfabrikation erreicht als wir.


Der Handel mit Glaswaren nach Griechenland und Etrurien war
sehr bedeutend. In späterer Zeit bestand ein Hauptteil des Tributes,
den Ägypten an Rom zu entrichten hatte, aus Glas, Glasporzellan und
Alabasterwaren aus den Fabriken von Memphis und Alexandria.


[71]Ägypten.

Von nicht geringerer Bedeutung waren aber diejenigen Gewerbe,
die sich mit der Gewinnung und Verarbeitung der Metalle
beschäftigten.


Bei ihrem ersten Eintritt in die Geschichte finden wir die Ägypter
bereits bekannt mit den wichtigsten Metallen, mit Gold, Silber, Kupfer,
Eisen und Blei und diese in mannigfachem Gebrauch.


Das Gold war auch bei ihnen das gesuchteste und geschätzteste
Metall, wohl auch das älteste; daſs es wenigstens früher bekannt war
als das Silber, geht daraus hervor, daſs der Name für Silber eigent-
lich „weiſses Gold“ bedeutet. Die Entdeckung des Goldes, wie die
der Metalle überhaupt, schrieben die Ägypter dem Osiris zu, sowohl
wegen der Bedeutung, die man dem Golde beilegte, als weil seine wirk-
liche Entdeckung jeder historischen Erinnerung voraufging. Die Berg-
werke, aus denen die Ägypter das Gold gewannen, lagen an der Süd-
grenze des Reiches in Nubien. Der Besitz und die Sicherung des Besitzes
dieser Goldbergwerke hat die ersten und die meisten Kriegszüge gegen
die südlichen Grenzbewohner veranlaſst. Nub ist das Stammwort für
Gold, davon abgeleitet ist Nubien, das Goldland. Das hieroglyphische
Zeichen für Gold ist , welches als das Schmelzgefäſs mit dem
flammenden Feuer darunter gedeutet wird1).


Die nubischen Goldbergwerke waren wohl schon zur Zeit der vier-
ten Dynastie im Betrieb, wenigstens war die Goldgewinnung bekannt
und finden sich Darstellungen des Verwaschens und Schmelzens des
Goldes aus jener Zeit. Ebenso befinden sich ausführliche Darstel-
lungen hiervon in den Gräbern von Beni-Hassan. Rosellini giebt
ähnliche Abbildungen aus einem Grabe des Thotmes IV2).


Die Goldbergwerke wurden — wenigstens in späterer Zeit aus-
schlieſslich — von Sklaven bebaut und gaben zur Zeit ihrer Blüte fabel-
hafte Ausbeute. Diodor berichtet, daſs nach einer Inschrift die Gold-
bergwerke zur Zeit des Osymandyas (Ramses II.) einen jährlichen Ertrag
von 32 Millionen Minen, also etwa 133 Millionen Pfund Sterling ab-
warfen.


Linant und Bononi behaupten, diese reichen Goldgruben der Ägyp-
ter in der Wüste von Bischarin im Lande von Bigah (Bugaitas der In-
schrift von Axum), 17 bis 18 Tagereisen südöstlich von Derow am Nil,
etwas oberhalb Kum-Ombu (dem alten Ombos) wieder aufgefunden zu
[72]Ägypten.
haben. Obgleich Inschriften besagen, daſs die Fatmiden noch im Jahre
989 n. Chr. hier Bergbau betrieben haben, so erklären sie die Adern
für gänzlich abgebaut. Das Erz war goldführender Quarzsand. Es
wurde zerklopft, zu Pulver zerstoſsen und auf geneigten Holztafeln
verwaschen.


Es waren dieses aber jedenfalls nicht die einzigen Goldbergwerke
Ägyptens, denn man kennt Reste alter, von den Ägyptern betriebener
Goldbergwerke noch an anderen Orten, so zu Dschebel-Olbagi und in
der Gegend von Akaba nahe dem roten Meere.


Figure 12. Fig. 12.

Eine Grabinschrift zu Abydos berichtet von einem Bergwerks-
beamten des Königs Amenemhat, daſs er im oberen Land (Nubien)
Bergbau und Goldwäschereien betrieb bis zu den Fällen des Waddi-
Hualfar. —


Es ist uns ein merkwürdiger Riſs eines Bergwerks nahe der Meeres-
küste aus der Zeit des Königs Ramses II. erhalten, wohl der älteste
Situationsplan, der existiert. Er befindet sich auf einem Papyrus der
Turiner Sammlung und ist von Chabas ausführlich beschrieben1).
Nebenstehend (Fig. 12) geben wir die verkleinerte Copie des Planes. Bei
[73]Ägypten.
A, das im Original rot gemalt ist, steht erläuternd: „Die Berge, von denen
man das Gold bringt“; eine Inschrift bei B bedeutet „Goldgebirg“.
C heiſst „das Heiligtum Ammons am heiligen Berg“, es bestand aus
zwei Hallen, von Kammern umgeben, die wohl als Priesterwohnungen
dienten. Bei H sind vier Häuser angedeutet, „die Häuser des Landes
von Ti, wo man das Gold aufbewahrte“. Bei J stand eine Säule des
Königs Ramamen. Nahe hierbei, wo die Wege sich teilen, lag bei K
eine Zisterne, das umgebende Land war bebaut, wie es scheint zu einem
Garten oder Lusthaine angelegt. Mitten in dem Kreuzungspunkt der
Straſsen lag bei L ein zweiter Brunnen, zur Benutzung für die Vor-
überziehenden. Der Hauptweg M führte in der Richtung nach links,
wie aus dem Texte der Karte hervorgeht, nach dem Meere, wobei an
das Rote Meer gedacht werden muſs1). Daſs das Meer nahe war, geht
auch daraus hervor, daſs der zweite Hauptweg mit Seemuscheln über-
fahren war. Dieser Weg wird als die Straſse von Tipamat bezeichnet.
Wo diese jedenfalls bedeutenden Goldbergwerke lagen, wissen wir nicht,
da die Lage des Landes Ti nicht bekannt ist. Möglicherweise ist es
dasſelbe Goldland, das neuerdings der Afrikareisende Kapitän Burton
wieder aufgefunden hat. Dieser unternahm im Frühjahr 1877 eine
Expedition nach dem alten Bergwerksdistrikt, der südöstlich der Sinai-
halbinsel und des Golfes von Akaba am Ostufer des Roten Meeres liegt.
Er fand dort die Reste ausgedehnter Grubenanlagen, die Trümmer
alter Städte und andere Zeichen einer einstmals blühenden Bergwerks-
industrie. Gold, Silber und Kupfer wurden nachgewiesen. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daſs dies das Land Midiam2) der heiligen Schrift ge-
wesen ist. Das Kupfer wurde in Bergwerken gewonnen, die 10 engl.
Meilen vom Roten Meere abliegen, während man das Gold aus dem
Sande der Flüsse wusch. Da diese Flüsse von den höheren Gebirgen des
inneren Landes kommen, so hofft Burton, dort die goldführenden Gänge
selbst aufzufinden.


Bemerkenswert ist noch, daſs diese Bergwerke von Akaba unter
Ramses III. jedenfalls schon bekannt waren, wie aus einer Inschrift,
die sich auf der „Nadel der Kleopatra“, dem Obelisk, der seiner Zeit
nach London verbracht wurde, hervorgeht. Dasſelbe bestätigt der
Papyrus Harris im Britischen Museum durch folgende Worte: „Ich,
Ramses, habe meine Bevollmächtigten nach dem Lande Akaba gesendet
[74]Ägypten.
zu den groſsen Kupferminen, welche sich dort befinden: ihre Schiffe
wurden mit Kupfer befrachtet“ u. s. w.


Danach scheint es, als ob der Bergbau im Lande Akaba doch ganz
hauptsächlich auf Kupfer betrieben wurde, und müſste der Beweis, daſs
Akaba das goldreiche Midiam sei, noch erbracht werden.


Über die Art des Betriebes der ägyptischen Goldbergwerke ist uns
durch Diodor der charakteristische Bericht des griechischen Reisenden
Agatharchides, der um 200 v. Chr. diese Bergwerke besuchte, erhalten,
dem wir das Folgende entnehmen.


Die Arbeit in den Gruben geschah mit Hilfe des Feuers, durch
dessen Glut das feste Gestein erst mürbe gemacht und dann mit Hammer
und Meiſsel oder mit Schlägel und Eisen, wie der Bergmann sagt, her-
eingebrochen wurde. Diese Arbeit verrichteten kräftige, junge Männer
im Alter von 20 bis 30 Jahren. Das reichere Erz wurde von Jünglingen
unter 20 Jahren in Säcken, die sie auf den Rücken luden, aus der Grube
getragen. Auf der Halde wurden die groben Erze in steinernen Mörsern
mit eisernen Stöſsern zerstampft. War das Erz von Männern im Alter
von 30 bis 40 Jahren auf diese Weise zerkleinert, so wurde es in Stein-
mühlen zu dem feinsten Pulver zerrieben, wozu Weiber und Greise
verwendet wurden. Hierauf wurde es auf flachen, geneigten Holztafeln
mit einem gleichmäſsigen Strom Wasser verwaschen, indem ein ge-
schickter Arbeiter das Erz fortwährend mit den Händen aufrührte.
Zum Schluſs wurde der gewonnene Goldsand noch einmal mit zarten
Schwämmen gewaschen, an denen die leichten Teilchen hängen blieben.
Der angereicherte Sand war nun genügend gereinigt, um verschmolzen
zu werden. Dies geschah in Schmelztiegeln unter Zusatz von Blei.
Das Blei wurde wahrscheinlich verschlackt und das Gold dann nochmals
geläutert, indem man es mit Blei und Kochsalz unter Hinzufügung
von Spreu und etwas Zinn (? d. h. Blei) mengte und in einem Tiegel
fünf Tage lang einer ununterbrochenen, scharfen Glut aussetzte; am
sechsten Tage wurde der Tiegel herausgenommen und es fand sich bei
richtiger Arbeit nichts darin, als das Gold. Bleioxyd und Chlorsilber
hatten sich wohl mit der Tiegelmasse verschlackt und in die Wandung
hineingezogen. Die ägyptischen Bergwerke waren Eigentum des Königs
und die Arbeiten wurden von Sklaven, vielleicht teilweise auch von
verurteilten Verbrechern, verrichtet. Das Los dieser Bergwerkssklaven
war ein jammervolles. Nach Diodors Beschreibung muſsten sie an
Ketten geschlossen ihre Arbeit verrichten. Sie waren unbekleidet, kaum
daſs ihnen eine Binde zur Bedeckung ihrer Scham gestattet wurde. Zu
Aufsehern wurden Männer bestellt, die ihre Sprache nicht verstanden
[75]Ägypten.
und von denen die Unglücklichen unablässig mit Peitschenhieben zur
Arbeit angetrieben wurden, bis sie unter der Last und dem Elend ihren
Geist aufgaben.


Wie wir in den alten Gräbern die Verwaschung des Goldes ab-
gebildet finden, so ist dies ebenso der Fall mit der Verschmelzung und

Figure 13. Fig. 13.


Läuterung desſelben. Rossellini giebt Abbildungen aus einem theba-
nischen Grabe aus der Zeit Thotmes IV.1). In der ersten ist dargestellt,
wie das Golderz, d. h. der gewaschene Sand, in einem niedrigen
Ofen mit Hilfe von Blasebälgen, welche getreten werden, einge-
schmolzen wird. Die zweite zeigt, wie das geschmolzene Gold in einer
flachen Schale, die uns sofort an das hieroglyphische Zeichen 
erinnert, aus dem Ofen gehoben wird. In der dritten sehen wir, wie

Figure 14. Fig. 14.


der Inhalt der Schale in
kleine, becherförmige Tiegel
ausgegossen wird. Die Form
dieser Tiegel ist aus der Ab-
bildung Fig. 13 zu erkennen.
Einige Tiegel dieser Art be-
finden sich in der Sammlung
des Britischen Museums
und des Museums in Berlin.


Gold diente den Ägyp-
tern als Geld. Gold und
Geld waren ihnen synonim,
während den Hebräern sowie
den übrigen Westasiaten
[76]Ägypten.
Geld und Silber gleichbedeutend waren. Das Gold wird in der Form
von Ringen dargewogen, und daſs der Wert des Goldes ursprünglich
nach dem älteren Wertmesser des Tauschhandels nach Zahl und Art
des Rindviehs (pecunia) gemessen wurde, geht daraus hervor, daſs die
Gewichte, mit denen die Goldringe dargewogen wurden, meist die Köpfe
von Rindern und Schafen darstellen.


Hochentwickelt war bei den Ägyptern die Goldschmiedekunst.
Abbildungen, sowie zahlreiche Funde von Goldschmucksachen beweisen
dies. Beim Schmelzen des Goldes arbeitete der Goldschmied, wie
Fig. 15 zeigt, mit einem sehr einfachen, geraden Lötrohr und einer Zange,

Figure 15. Fig. 15.


ähnlich einer Zuckerzange oder Pincette. Kunstvolle Arm-, Hals- und
Ohrringe hat man bereits aus den Gräbern der zwölften Dynastie. Die
höchste Blüte der Prunksucht, der Verschwendung und in Verbin-
dung damit der Goldschmiedekunst fällt in die Zeit der achtzehnten
Dynastie. Vasen aus Gold getrieben, andere aus Silber oder Erz mit
Gold eingelegt finden sich in zahlreichen Abbildungen. Goldene Körb-
chen von höchster Eleganz sind in dem Grabe Ramses III. dargestellt.
Blumen, Laubwerk und Tiergestalten bilden die gewöhnlichen Deko-
rationsmotive. Vorzügliches leisteten die Ägypter in der Vergoldung,
namentlich der Blattvergoldung. Sie trugen die ausgeschlagenen Gold-
blättchen so dünn auf, daſs sie wie eine aufgetragene Farbe erscheinen
und zwar nicht nur auf Metall, sondern ebenso auf Holz, Papier und
Stein. Kunstwerke aus Lasurstein, dem Lieblingsedelstein der alten
Ägypter, mit Gold überzogen hat man öfter gefunden; ein Beispiel davon
ist der vergoldete Skarabäus im Berliner Museum. Das Auftragen der
Goldplättchen auf Papier u. s. w. geschah mittels eines Bindemittels,
das Plinius Leukophoron nennt. Die Zunft der Goldschmiede war die
angesehenste unter den Gewerkverbänden.


Weniger reich als an Gold war Ägypten an Silber. Das Silber
heiſst hat und führt das hieroglyphische Zeichen , was, wie
[77]Ägypten.
bereits erwähnt, eigentlich weiſses Gold heiſst. Dieser Umstand, sowie
die frühere Benutzung des Goldes als Geld deuten darauf hin, daſs das
Gold in Ägypten vor dem Silber in Gebrauch war. Es scheint, daſs
das Silber ursprünglich nicht im Lande gewonnen wurde, sondern
vom Auslande kam. Es war anfänglich sehr selten, deshalb auch der
Wertunterschied zwischen beiden Metallen in ältester Zeit gering.
In den frühesten Anfzählungen von Beute oder Geschenken wird sogar
Silber vor dem Golde genannt. Die Abbildungen der Kriegsbeute
zeigen beide Metalle in gleichen Mengen. Es wird wie das Gold in
Ringen oder ziegelförmigen Tafeln (Planschen) oder in Beuteln dar-
gewogen. Von den südlichen Ländern kam kein Silber, sondern
nur Gold und Elektron, eine Legierung von Gold und Silber. Dagegen
erhielten die Ägypter reichlich Silber durch ihren Handel, besonders von
den semitischen Nachbarvölkern vor allen von den Phöniziern. Zur Zeit
der achtzehnten Dynastie waren die Ägypter schon reich an Silber.
Sesostris soll dem Ammon in Theben ein Schiff aus Zedernholz von
280 Ellen Länge, das auſsen mit Gold, innen mit Silber überzogen war,
als Weihgeschenk dargebracht haben. Nach Pollux hätten die Perser
nach der Eroberung Ägyptens das reinste Silber aus diesem Lande be-
zogen und Diodor rühmt die ungeheure Ausbeute der Silbergruben
unter den Ptolomäern.


Elektron, die Legierung von Gold und Silber, die in früherer Zeit
als ein selbständiges Metall angesehen und hochgeschätzt wurde, wird
in den alten Inschriften oft neben dem Golde genannt. Es hieſs asem
und hatte das dem Golde verwandte Zeichen [.]


Das wichtigste Nutzmetall der Ägypter war das Kupfer. Kupfer-
bergwerke wurden in verschiedenen Teilen des Reiches betrieben. Wir
haben oben die ausgedehnten, zur Zeit der achtzehnten Dynastie be-
rühmten Kupferbergwerke von Akaba bereits erwähnt. Wilkinson
führt Kupferbergwerke in der Erythräischen Wüste an. Lepsius hat die
Reste von Kupferwerken, welche von der Zeit Thutmosis III. bis zur
neunzehnten Dynastie (etwa 1600 bis 1400 v. Chr.) blühten, bei Sarbut-
el-Chadem (Surabit-el-Khadem) am Abhange des Sinai nahe dem
Roten Meere wieder aufgefunden. Hartland hält dieselben für Reste
von Eisenwerken. Die Göttin, der dieses Land geweiht wurde, war
Hathor, „die Herrin von Mafkat“, d. h. des Kupferlandes. Östlich und
westlich von jenem Platze finden sich Halden von Kupferschlacken, die
durch ihre schwarze Farbe grell von dem lichten Boden abstechen und
durch ihre Ausdehnung auf lange fortgesetzten Betrieb schlieſsen
[78]Ägypten.
lassen. Die Bergwerke, von denen die Erze herbeigeschafft wurden, waren
entfernt. Der Platz wurde für die Schmelzstätten des fast unaufhör-
lichen Luftzugs wegen gewählt. Ebenso finden sich im Wadi Nasch
die Reste alter Schmelzarbeit auf Kupfer. Die ältesten und merk-
würdigsten Bergwerke finden sich aber auf der Sinaihalbinsel. Es sind
die alten Kupferbergwerke des Wadi-Meghara, welche schon von den
letzten Königen der dritten Dynastie betrieben wurden. Es war König
Sephuris, der achte König der dritten Dynastie nach der Liste des
Manetho, der die Stämme in der Umgebung der Sinaihalbinsel unter-
warf und den groſsartigen Bergbau im Thale Meghara anlegte.

Figure 16. Fig. 16.


An den Felsen des Thales sind
noch heute die etwa 5000 jährigen
Inschriften zu sehen, welche die
Thaten dieses Königs verherr-
lichen. Wir geben (Fig. 16) von
diesen Inschriften nur das charak-
teristische Bild des Königs, wie
er einen Gegner, die symbolische
Darstellung der semitischen
Feinde, niederwirft und mit der
Keule bedroht, darüber das
Zeichen , das sich auf den
Bergbau des Platzes zu beziehen scheint und dann wohl die älteste
Form von „Schlägel und Eisen“ ist. Die Inschrift nennt Sephuris „den
groſsen Gott, den Bezwinger und Eroberer der Länder“. Die Kupfer-
bergwerke des Thales waren ausgedehnt und wie die benachbarten
Türkisgruben und Eisenwerke durch Befestigungen geschützt.


Kupfer war in ältester Zeit in vielfältigem Gebrauch und wurden
viele Werkzeuge und Geräte aus diesem Metalle gefertigt.


Die Bronze, die Legierung von Kupfer und Zinn, die später eine
so groſse Rolle spielte, scheint zur Zeit der vierten Dynastie noch
nicht bekannt gewesen zu sein. Auch ist es nicht wahrscheinlich, daſs
die Darstellung der Bronze in Ägypten erfunden wurde, vielmehr läſst
sich annehmen, daſs dieselbe erst zur Zeit der zwölften, vielleicht erst
zur Zeit der achtzehnten Dynastie durch den Handel eingeführt wurde.
Die Gründe, welche hierfür sprechen, wollen wir in Folgendem ausein-
andersetzen.


Das Zinn war den alten Ägyptern nicht bekannt; es giebt keine
hieroglyphische Bezeichnung dafür, während Blei, that, oft erwähnt
[79]Ägypten.
wird. Auch haben sich keine Spuren der Benutzung dieses Metalls
gefunden. Es ist auch nichts darüber bekannt, daſs Zinnerze jemals
in Ägypten gefunden worden wären. Von den benachbarten Ländern,
von denen sie Tribut bezogen oder Kriegsbeute errangen, erhielten sie
kein Zinn, sonst würde es in den ausführlichen Listen, die uns hierüber
erhalten sind, neben den anderen Metallen aufgeführt sein. Auf dem
Handelswege wurde es ihnen schwerlich zugeführt. Dies lag in der
Art und Weise, wie die Ägypter ihren Handel betrieben.


Der Handel Ägyptens war zwar bedeutend, dennoch waren die
Ägypter kein hervorragendes Handelsvolk. Sie wurden mehr und zwar
schon in frühester Zeit des Reichtums ihrer Natur und Kunsterzeugnisse
wegen von anderen handeltreibenden Völkern aufgesucht, während
sie selbst nicht in gleichem Maſse fremde Länder aufsuchten. Ägypten
bildete einen groſsen Markt. Von allen Seiten brachten fremde
Händler ihre Waren, um dagegen die Bodenerzeugniſse des Landes,
die vorzügliche Leinwand, Glas, Goldwaren u. s. w. einzutauschen. In-
folgedessen hatten es die Ägypter weniger nötig selbst Handelsreisen
zu unternehmen. Reisen ins Ausland waren auch gegen die Natur
und Gewohnheit des Volkes. Die strengen, religiösen Vorschriften in
bezug auf Speisen, regelmäſsige Waschungen u. s. w. machten den Auf-
enthalt in der Fremde fast unmöglich. In dieser Hinsicht zeigen sie
eine Analogie mit den Israeliten der alten Zeit und einen Gegensatz
zu den Phöniziern. Die Nachbarvölker Ägyptens und die Seehandel
treibenden Phönizier, Griechen, Etrusker und später die Römer waren
es vornehmlich, die mit Ägypten handelten. Da ihnen von diesen
Völkern in der älteren Zeit kein Zinn zugeführt wurde, so kannten sie
es auch nicht, denn es ist durchaus unwahrscheinlich, daſs Ägypten
mit einem der entfernten Zinn produzierenden Länder, wie Spanien,
England oder Hinterindien in direktem Handelsverkehr gestanden hätte.


Ebensowenig ist etwas darüber bekannt, daſs Zinn in den südlichen
Grenzländern Ägyptens gefunden wird. War ihnen aber das Zinn als
Metall unbekannt und besaſsen sie keine Zinnerze im Lande, so konnten
sie auch nicht die Erfinder der Bronze sein. Vielmehr wurde den
Ägyptern das Erz auf dem Handelswege zugeführt und zwar von Asien
her, was durch die Inschriften bestätigt wird, in denen man häufig
bei der Bezeichnung für Bronze den Zusatz „aus Asien“ findet. Die
lange fortgesetzte Verwendung des Kupfers zu Werkzeugen spricht
umsomehr für diese Annahme, da ihre groſsen metallurgischen Kennt-
nisse sie zur Verarbeitung der Bronze wohl befähigt hätten. Die
Bronze wurde zuerst als Bronzeguſs und zwar für Schmuckgeräte und
[80]Ägypten.
Statuetten verwendet. Mit letzteren, meist Götterfiguren, die als aus
dem heiligen Nillande kommend in der alten Welt als Amulette hoch-
geschätzt waren, wurde in späterer Zeit ein ausgedehnter Handel
getrieben.


Die Resultate der chemischen Untersuchungen alter ägyptischer
Metallgeräte bestätigen unsere Ausführung. Das älteste Werkzeug,
welches analysiert wurde, ist das Bruchstück eines Messers, welches
etwa 13 Fuſs unter der Statue Ramses III., welche seit dem 14. Jahr-
hundert v. Chr. ihre Stelle einnimmt, ausgegraben wurde. Die Analyse
von Percy ergab:

97,12TeileKupfer,
2,29Arsen,
0,43Eisen,
0,24Zinn und Spuren von Gold.

Da die geringen Beimengungen fremder Metalle als zufällig an-
zusehen sind, so haben wir es mit einem Kupfermesser zu thun. Die
Beimengung von Arsenik ist wohl nur zufällig, wenn es auch nicht
unmöglich wäre, daſs der Zusatz beabsichtigt gewesen wäre, um ein
härteres Kupfer zu erzielen.


Die ägyptischen Bronzen, die analysiert worden sind, gehören alle
der späteren Zeit bis zur achtzehnten Dynastie hinaufreichend an.


Die meisten der aufgefundenen Bronzefiguren, Vasen u. s. w. stam-
men aus der Zeit der Psamnetiche. Doch sind auch ältere Bronzefunde
erhalten. Das Berliner Museum besitzt eine Statuette aus Bronze —
leider ist sie nicht näher untersucht —, die der Zeit Ramses II. an-
gehört. Das Figürchen ist sehr kunstvoll hohl gegossen1). Ein Meiſsel
aus dem alten Theben bestand aus 94 Teilen Kupfer, 5,9 Teilen Zinn
und 0,1 Teilen Eisen. Dieser Meiſsel, dessen Kopf glatt geschlagen
war, während die Schärfe sich unverletzt zeigte, war so weich, daſs er
sich auf Stein sofort umbog. Die meisten Vasen, Spiegel, Waffen u. s. w.
zeigen eine Zusammensetzung von 80 bis 85 Teilen Kupfer und 15 bis
20 Teilen Zinn. Ein Spiegel im Berliner Museum, den Vauquelin
untersuchte, ergab 85 Teile Kupfer, 14 Teile Zinn und 1 Teil Eisen.


[81]Ägypten.

In späterer Zeit wurde die Bronze zur Herstellung der mannig-
fachsten Geräte verwendet, wie Schlüssel, Nägel, chirurgische Instru-
mente, Dolche, Messer, Lanzenspitzen und andere Waffen, Spiegel,
Spangen, Gefäſse, Schöpfgeräte, Löffel, Schalen Näpfe u. s. w. Die Thür-
beschläge wurden öfter aus Erz gefertigt. Teile eines Schuppenpanzers,
auf dessen Bronzeschuppen der Name des Königs Scheschonk (Schischak)
steht, befinden sich in der Sammlung des Dr. Abbot zu Kairo.
Schwertklingen wurden nach phönizischer Art gegossen und dann über-
schmiedet; solche Klingen besitzt das Berliner Museum.


In den Wandgemälden und sonstigen kolorierten Darstellungen ist
ein Unterschied zwischen Kupfer und Erz durch die Farbe nicht an-
gedeutet. Rot ist die Farbe, welche für beide Metalle verwendet ist.
Auch wo Grün ausnahmsweise für Metallgeräte benutzt wird, um die
grüne Patina nachzuahmen, läſst sich nicht angeben, ob Kupfer oder
Bronze gemeint sei. Ebenso scheint in der Namensbezeichnung kein
bestimmter Unterschied gemacht worden zu sein. Es giebt drei Aus-
drücke, die mit Kupfer und Kupfererzen in Beziehung stehen: chesbet,
mafek
und chomt. Einige Gelehrte, wie Champollion, nehmen mafek
für Kupfer in Anspruch. Lepsius aber hat in seinem vorzüglichen
Aufsatze „über die Metalle der Ägypter1)“ nachgewiesen, das chesbet
und mafek nicht das Kupfer selbst bedeuten, daſs vielmehr chesbet,
ein blauer Stein, Kupferlasur, und mafek, das mit chesbet in steter
Verbindung genannt wird, Malachit sei. Mafek wird als grün bezeichnet
und ist ein geschätzter Edelstein. Freilich wird auch Smaragd,
Kupfergrün und Türkis unter demselben Worte verstanden. Man
unterschied die verschiedenen Sorten qualitativ. Als der Beste wird
der skythische und baktrische genannt. Brugsch hat nachgewiesen,
daſs uralte Türkisgruben in dem erwähnten Kupferlande auf der Halb-
insel Sinai wieder aufgefunden und in neuerer Zeit von einem Eng-
länder, Mayor Macdonald, wieder in Betrieb gesetzt worden sind2).


Chomt, hieroglyphisch , bezeichnet nach Lepsius Kupfer und
Bronze, analog dem griechischen χαλκός. Das Zeichen  wird ur-
sprünglich allgemein für Metall angewendet, weshalb manche es mit
Kupfer, andere mit Eisen übersetzen konnten. Die Form soll von dem
Schmelztiegel hergeleitet sein. In den ältesten Inschriften im Wadi Maga-
Beck, Geschichte des Eisens. 6
[82]Ägypten.
rah kommt das Zeichen in liegender Stellung vor und hat mehr die Form
einer Schale ; es geht später auch in nebenstehende Form über .
In einer Inschrift heiſst es, die Lanze des Sonnengottes sei von leuch-
tendem Chomt, worunter wohl eher Bronze wie Kupfer zu verstehen sein
dürfte. Das Kupfer wurde, wie Abbildungen darstellen, in Barren oder
Planschen gegossen, ähnlich wie Silber und Blei. Eine Inschrift führt
„108 Ziegel von Kupfer gleich 2040 Ten“ auf. Ten war das ägyptische
Einheitsgewicht. Eine solche Plansche, die hier mit „Ziegel“ übersetzt
ist, wog demnach 185/9 Ten = 1818 Gramm. „Löcheriges Kupfer“ in
dem Sinne von rohem Kupfer wird in Inschriften genannt, ebenso heiſst
es „das Kupfer in seinem Gestein“ im Sinne von Kupfererz und analog
dem „Golde in seinem Gestein“. Es wird dem Golde gegenübergestellt,
mit dem es die meiste Ähnlichkeit in der Farbe hat.


Neben der gewöhnlichen Bezeichnung chomt findet sich in der In-
schrift von Dendera der Ausdruck , d. h. schwarzes
Kupfer (χάλκος μέλας). Wenn Lepsius dies direkt mit Schwarzkupfer
übersetzen zu können glaubt, so ist er doch wohl im Unrecht, denn es
handelt sich hier um die Bezeichnung eines verarbeiteten Metalles.
Schwarzkupfer als hüttenmännischer terminus, bedeutet aber ein
unfertiges Zwischenprodukt bei der Kupfergewinnung, welches keiner
technischen Verwendung fähig ist. Eher dürfte hier das „schwarze
Kupfer“ in demselben Sinne gemeint sein, wie der χάλκος μέλας der
Griechen, nämlich als Bezeichnung des dunklen Kupfers im Gegensatze
zu der helleren Bronze.


So kommen wir denn, nachdem wir die Gewerbe der Ägypter im
allgemeinen und die metallurgischen Gewerbe, namentlich die Gewinnung
und Verarbeitung des Goldes, Silbers, Kupfers und Erzes insbesondere
geschildert haben, zu dem Hauptgegenstande unserer Betrachtung, zu
dem Eisen und dessen Gewinnung und Benutzung bei den Ägyptern.


Das Eisen war den Ägyptern schon in frühester Zeit bekannt.
Hierfür sprechen direkte und indirekte Gründe.


Die indirekten Gründe sind die, daſs Eisenerze im Gebiete der
Ägypter vorhanden waren, daſs die Bewohner schon in ältester Zeit so
bedeutende metallurgische Kenntnisse und Erfahrungen besaſsen, daſs
es auffallend gewesen wäre, wenn ihnen die Gewinnung des Eisens aus
seinen Erzen unbekannt geblieben wäre, daſs ihre vollendeten Stein-
hauerarbeiten aus härtestem Material, die Verarbeitung quarzhaltiger
[83]Ägypten.
Granite, sowie der festen Porphyre und Basalte des oberen Landes
ohne die Benutzung von Stahlwerkzeugen kaum gedacht werden können.


Die äuſseren Gründe, daſs sich eiserne Gegenstände aus uralter
Zeit erhalten haben, daſs uns die Abbildungen in den ältesten Gräbern
die Benutzung des Eisens zeigen, daſs die Inschriften des Eisens er-
wähnen und hieroglyphische Bezeichnungen für dieses Metall bekannt
sind.


Fassen wir die Beweise für die frühe Bekanntschaft der Ägypter
mit dem Eisen in ihrer Aufeinanderfolge, so müssen wir zunächst nach-
weisen, daſs sich Eisenerze in dem alten ägyptischen Gebiet vorfanden.
Im eigentlichen Nilthal finden sich diese Erze freilich nicht, wohl aber
in dem Bergland, das östlich vom Nil das Fluſsthal von dem Roten Meere
scheidet. Dort findet es sich in Spalten und Klüften im Kalkgebirge.
Wilkinson berichtet, daſs man die Reste alter Eisenbergwerke dort auf-
gefunden habe. Ob aber in diesem Teile des Landes bedeutende Eisen-
gewinnung statt gehabt hat, ist vorläufig nicht erwiesen. Sicher war
dies dagegen auf der Sinai-Halbinsel der Fall. Ganz in der Nähe
des Thales Maghara, nicht weit von den oben erwähnten Kupferberg-
werken des Königs Sephuris fand Hartland1) bei Surabit-el-Khadur
die Reste ausgedehnter Eisengewinnung. Bei den mächtigen Schlacken-
halden2) fanden sich die Reste eines alten Tempels, sowie einer Militär-
niederlassung. Es ist Grund anzunehmen, daſs diese Eisenbergwerke
gleichzeitig mit den benachbarten Kupfergruben betrieben wurden.
H. Bauerman berichtet3): Im ganzen Wadi Nasb oder Baba treten
Bänke von Brauneisenstein und Pyrolusit und Psilomelan auf. Zu Nasb
sind darin kleine Schächte, ebenso auf dem anstoſsenden Plateau und
alte Arbeiten auf Eisenerz finden sich auf der Westseite des Nasbthales.
Sehr reich an Eisenerzen war das südliche Bergland des alten Ägyptens,
das als Nubien, Äthiopien und Meroe genannt wird. Herodot, Diodor
und Strabo berichten dies. Herodot bemerkt, daſs Eisen in Äthiopien
viel häufiger sei, als in Ägypten; Kupfer sei dagegen so selten, daſs die
Gefangenen öfter mit Ketten von Gold gefesselt wurden. Letzteres ist
wohl eine Fabel, die sich der Vater der Geschichte aufbinden lieſs.


Daſs die Ägypter hinreichende metallurgische Kenntnisse und Hilfs-
mittel mindestens schon zur Zeit der dritten Dynastie besaſsen, um im
stande zu sein das Eisen aus seinen Erzen zu reduzieren, geht zur Ge-
6*
[84]Ägypten.
nüge aus dem hervor, was wir bereits über die Einfachheit dieses Pro-
zesses einerseits, sowie über die Gewinnung des Goldes und des Kupfers
andererseits angeführt haben.


Es ist nicht denkbar, daſs die Ägypter die riesigen Bildwerke aus
den härtesten Steinarten ohne Stahlwerkzeuge dargestellt haben könnten.
Diese Betrachtung hat sich allen Ägyptologen aufgedrängt, welche
diese Riesenwerke an Ort und Stelle untersucht haben. Der landläu-
figen Theorie des Bronzezeitalters zu Liebe hat man allerdings ver-
schiedene neue, unerweisliche Hypothesen erfunden. So hat man nament-
lich die Behauptung aufgestellt, die Ägypter hätten eine geheime Kunst
gehabt, ihr Kupfer oder Erz so hart zu machen wie Stahl. Nach
Einigen hätten sie dies durch bloſses Hämmern erreicht, nach Anderen
durch besondere Legierungen. Was die Wirkung des Hämmerns betrifft,
so ist wohl bekannt, daſs durch dasſelbe sowohl das Kupfer als die
weicheren Bronzearten geschmeidiger, zäher und elastischer werden,
auch die Härte nimmt zu, doch nur in geringem Maſse; von Erreichung
einer Stahlhärte auf diesem Wege kann nicht die Rede sein. Was
aber die Härtung des Kupfers durch Legierung mit anderen Metallen
betrifft, so sind diese Mischungen allerdings meistens härter, als das
reine Kupfer; aber mit der Härte nimmt auch die Sprödigkeit zu und
diese macht dieselben zu Steinbearbeitungswerkzeugen ungeeignet. Es
kommen hier auch nur die Legierungen von Kupfer und Zinn in Be-
tracht, denn das arsenikhaltige Kupfer, welches Percy analysiert hat,
können wir vorläufig nicht als eine mit Absicht dargestellte Legierung
ansehen. Arsenikzusatz macht das Kupfer zwar härter und weiſs —
das sogenannte Weiſskupfer wird auf diese Weise dargestellt — zu
Werkzeugen sind aber diese Verbindungen nicht geeignet. Mit Zinn
legiert sich Kupfer leicht in jedem Verhältnis und wird das Produkt
mit zunehmendem Zinngehalt bis zu einer gewissen Grenze härter, da-
gegen vermindert sich seine Zähigkeit und geht bald in ein sprödes
Produkt über, das, wenn es am härtesten ist, wie Glas zerspringt. Die
Legierungen mit geringem Zinngehalt, welche die Alten meistens zu
Werkzeugen verwendeten und denen sie durch Hämmern Geschmeidig-
keit und Elastizität gaben, konnten in bezug auf Härte und Sprödig-
keit durchaus nicht den Stahl ersetzen. Die Werkzeuge, die man
aufgefunden hat, z. B. der thebanische Meiſsel, bestätigen dies vollständig.


Daſs die Ägypter Eisen kannten und verwendeten, wird erwiesen
durch die interessanten archäologischen Funde, die gemacht worden
sind. Bei der groſsen Oxydationsfähigkeit des Eisens müssen sich
schon besonders günstige Umstände vereinigen, wenn wir Gegenstände
[85]Ägypten.
von Eisen erhalten finden sollen, die älter als tausend Jahre sind.
Gegenstände, die aber über viertausend Jahre alt sind, können wir nur
zu finden hoffen bei einem fast wunderbaren Zusammentreffen günstiger
Bedingungen. Glücklicherweise ist aber ein solcher Fund gemacht
worden, der deshalb für die Geschichte der Technik von groſser Wichtig-
keit ist. Der Engländer J. R. Hill fand im Jahre 1837 beim Los-
sprengen einiger Steinlagen von der groſsen Pyramide des Cheops in
einer inneren Steinfuge ein Stück Eisen, das Bruchstück eines gröſseren
Werkzeuges, welches wahrscheinlich während des Baues in die Fuge
gefallen und verloren gegangen war. Oberst Howard Vyse brachte

Figure 17. Fig. 17.


dieses Stück, das er in seinem Werke „die Pyramiden von Gizeh“ zu-
erst beschrieben hat, nach England, wo es in der Sammlung des britischen
Museums deponiert ist. Nebenstehende Zeichnung (Fig. 17) zeigt das
Stück in seinem gegenwärtigen Zustande. Folgende Zeugnisse1), welche
Oberst Vyse mitteilt, geben einen Aufschluſs über die Auffindung, und
sind dieselben von um so gröſserer Wichtigkeit, da man, verblendet
durch die Theorie des Bronzezeitalters, dieselben teils absichtlich über-
sehen, teils verdächtigt hat. Vyse schreibt: „Herr Hill entdeckte ein
Stück Eisen in einer inneren Steinfuge, nahe der Mündung des süd-
lichen Luftkanals, welches wahrscheinlich das älteste bekannte Stück
Schmiedeisen (wrought iron) ist. Es wurde dem britischen Museum
überschickt mit folgenden Zeugnissen:


„„Hiermit wird bezeugt, daſs das von mir nahe der Mündung des
Luftkanals der Südseite der groſsen Pyramide von Gizeh am Freitag,
den 26. Mai, aufgefundene Stück Eisen von mir selbst aus einer
[86]Ägypten.
inneren Steinfuge genommen wurde, nachdem die zwei äuſseren Stein-
lagen der jetzigen Oberfläche der Pyramide durch Sprengen mit
Pulver entfernt worden waren und daſs keine andere Fuge oder Öffnung,
durch welche das Eisen nach der ersten Erbauung der Pyramide hätte
hingebracht werden können, mit obiger in Verbindung stand. Ich
habe Herrn Perring die genaue Fundstelle Samstag, den 24. Juni,
gezeigt.


Kairo, den 25. Juni 1837.


J. R. Hill.““


„Dem obigen Zeugnis des Herrn Hill kann ich hinzufügen, daſs,
seitdem ich die Stelle vor Beginn der Sprengarbeit gesehen habe, zwei
Lagen Steine entfernt worden sind und daſs, wenn das Stück Eisen
der Fuge entnommen wurde, welche mir Herr Hill zeigte und die
durch einen groſsen Stein bedeckt war, der zum Teil noch da ist, es
unmöglich nach Erbauung der Pyramide an diese Stelle gelangt sein
kann.


Kairo, den 27. Juni 1837.


J. S. Perring, Civilingenieur.“


„Wir bescheinigen, daſs wir die Stelle, der das Eisen durch Herrn
Hill entnommen wurde, untersucht haben und sind der Ansicht, daſs
das Eisen in der Fuge während dem Bau zurückblieb und daſs es nicht
nachträglich hineingebracht worden sein kann.


Ed. S. Andrews.


James Mash, Civilingenieur.“


Vyse fügt hinzu: „Die Mündung des Luftkanals war uner-
brochen; — sie war 8⅞ Zoll hoch und 9½ Zoll weit und durch einen
darüber vorragenden Stein vom Wüstensand geschützt.“


Da die groſse Pyramide von König Chufu (Cheops) vor dem Jahre
3000 v. Chr. erbaut wurde, so hätte dieses merkwürdige Stück Eisen
ein Alter von etwa 4900 Jahren. Es wurde von Vincent Day an-
gebohrt und näher untersucht. Das Anbohren ergab, daſs es weiches
Schmiedeisen war. Da das Stück seines Wertes und seiner Selten-
heit wegen nicht im Feuer probiert werden durfte, so konnte nicht er-
wiesen werden, ob das Eisen stahlartig oder ob Stahl damit verbunden
war. Die chemische Untersuchung eines kleines Stückchens durch
Walter Flight bestätigte, daſs es weiches Eisen mit einer geringen
Beimengung von Nickel war. Doch enthielt es gebundenen Kohlenstoff,
war deshalb kein meteorisches Eisen.


[87]Ägypten.

Bei genauer Untersuchung der Oberfläche fand Day in der Rost-
hülle Abdrücke von Nummuliten, die sich dadurch erklären lassen, daſs
die Quader, welche die Fuge bildeten, aus dem Nummulitenkalk der ery-
thräischen Wüste bestanden. Auch dies beweist, daſs die Stücke Eisen
sehr lange Zeit, daher wohl seit Erbauung der Pyramide an der Stelle
eingeklemmt gewesen waren.


Es ist nicht zu verwundern, daſs dieser Fund, der nur durch ein
Zusammentreffen der auſserordentlichsten Umstände ermöglicht war,
allein steht.


Die übrigen ägyptischen Eisenfunde sind weit jüngeren Datums.
Dem ungeachtet gehört auch der folgende noch zu den ältesten
Eisenfunden, die wir kennen. Es ist eine eiserne Sichel, die von Bel-
zoni unter den Füſsen einer Sphinx zu Karnack ausgegraben wurde

Figure 18. Fig. 18.


und von der wir Fig. 18 eine Abbildung geben. Der Finder schreibt
darüber1): „Die eiserne Sichel, auf die ich aufmerksam machen wollte,
wurde unter den Füſsen einer der Sphinxe nach deren Entfernung ge-
funden. Ich war gegenwärtig; einer der Leute hob sie auf und reichte
sie mir. Sie war in drei Stücke gebrochen und so zerstört, daſs sich
der Rost bis in die Mitte der Masse eingefressen hatte. Sie war eher
dicker als die Sicheln unserer Tage, sonst von der gewöhnlichen Gestalt
und Gröſse wie die unsrigen. Jetzt ist sie im Besitze des Herrn Salt.
Es fragt sich nun, wann kamen die Statuen an ihren Platz?


Sie können keinenfalls nach der Zeit der Ptolemäer hingekommen
sein, denn es scheint, daſs nach der Zeit des Cambyses, der die Götter-
bilder der Ägypter zerstörte, kein Einfall in das Land mehr geschah, der
[88]Ägypten.
die Eingeborenen gezwungen hätte, ihre Heiligtümer zu verbergen. Aus
der unregelmäſsigen und wirren Art der Aufstellung ist es klar, daſs diese
Bildsäulen in der Hast versteckt worden sind. Da nun die Sichel
unter der erwähnten Statue gefunden wurde, so glaube ich, daſs da-
durch hinlänglich bewiesen ist, daſs Eisen lange vor der Invasion der
Perser im Lande war. Sicheln derselben Form finden sich in vielen
Abbildungen des Landbaues in den Gräbern.


Weitere Eisenfunde meist von unbestimmtem Alter sind in Ägyp-
ten gemacht worden.


Über eine Bronzestatue mit eisernem Kern berichtet Baldry1).
Er hatte dieselbe von einem Araber erhalten, der im November 1876
bei Ausgrabungen in der Nähe der Pyramiden beschäftigt war. Die
ganze Figur war 27 Zoll hoch, also relativ groſs. Dr. Birch, Kustos
der ägyptischen Altertümer des britischen Museums, berichtet darüber:
„Die Bronzefigur stellt einen hohen Staatsbeamten aus der Zeit der
neunzehnten oder zwanzigsten Dynastie vor. Die Züge des mit Locken
umrahmten Gesichts entsprechen dem ägyptischen Typus der zwanzig-
sten Dynastie. Wie alle gröſseren Bronzestatuen war sie über einen Kern
(core) von schwarzer Farbe, augenscheinlich aus Sand und Bitumen her-
gestellt, gegossen. Besonders bemerkenswert ist, daſs durch den Kern
des rechten Beines ein eiserner Stab durchgeht
, um dem Kern
beim Guſs gröſsere Stabilität zu geben; seine Gegenwart beweist die
Kenntnis und Verwendung des Eisens des ba-en-pe, „himmlischen
Metalls“, das benipe im Koptischen hieſs. Es hieſs noch Bâu-kam
oder „schwarzes Metall“ zu dieser und späterer Zeit. Aber Gegenstände
von Eisen, deren Alter sich bestimmen läſst, sind selten in Samm-
lungen, ja fast unbekannt. Die Konservierung des Eisens in diesem
Fall ist veranlaſst durch die Umhüllung der Bronze, infolge deren es
sozusagen hermetisch abgeschlossen war. Bei der Abwesenheit einer
Inschrift kann das Alter nur nach dem Styl und der Tracht insbesondere
nach der Frisur geschätzt werden. Die Art der Locken entsprächen
am meisten der neunzehnten Dynastie (Ramses II. und seinen Nach-
folgern), doch trug man ähnliche Haartouren zur Zeit der vierten und
sechsten. Die kurzen Locken über der Stirn entsprächen sogar der
vierten. Man sagt, das Stück stamme aus der Nähe der Pyramide, deren
Gräber und Reste meist, doch nicht ausschlieſslich, der vierten, fünften
und sechsten Dynastie angehören.“


Zu Heliopolis sollen eiserne Klammern zur Verbindung der Quader
[89]Ägypten.
alter Mauern (aus der Zeit der achtzehnten Dynastie?) gefunden worden
sein. Kleine Kunstgegenstände von Eisen von hohem Alter (bis 2000
v. Chr.) erwähnt Manduit1), der auch angiebt, daſs zur Zeit Ramses II.
das Eisen im allgemeinen Gebrauche für Pflugscharen gewesen sei. —
Bei einer Mumie fanden sich chirurgische Instrumente von Eisen (Stahl?)
zum Teil mit Elfenbeingriffen. Lord Prudhoe brachte ein altes eisernes
Instrument von Ägypten mit 2). Auch hat man eiserne Ringe in ägyp-
tischen Gräbern gefunden.


Im Louvre befinden sich eiserne Pfeil- und Lanzenspitzen aus
ägyptischen Gräbern, die allerdings wahrscheinlich einer jüngeren Zeit
angehören. Ebenso gehören die Funde von Rhind, der in einem
Grabe von Sebau Thürangeln und Nägel von Eisen fand und zwar so
wohl erhalten, glänzend und biegsam, als hätten sie eben die Schmiede
verlassen, dem Anfang unserer Zeitrechnung an.


Wenn uns die Entdeckung der uralten Eisenbergwerke zu Surabit-
el-Khadur, sowie der merkwürdige Fund von Howard Vyse den Be-
weis liefern, daſs Eisen schon zur Zeit der vierten Dynastie in Ägypten
im Gebrauch war, so wird dies fernerhin durch die Abbildungen in den
alten Grabkammern bestätigt, aus denen wir zugleich die Mannig-
faltigkeit der Anwendung, wie die Art der Gewinnung des Eisens
kennen lernen. Auf den Wandgemälden wird das Eisen mit blauer
Farbe dargestellt, wie wir dies noch heute zu thun pflegen. Blau war
für die Ägypter zur Bezeichnung des Eisens umsomehr die einzig mög-
liche Farbe, da sie eine graue Farbe nicht kannten und Grau, wie Blau
durch dieselbe Farbe, ein helles Kupferblau, darstellten. Ein charakte-
ristisches Beispiel hierfür giebt der Esel ab, der stets blau gemalt ist.
Mancherlei Werkzeuge, Geräte und Teile solcher sind schon in den
Gräbern der fünften Dynastie mit blauer Farbe bezeichnet. Ein be-
merkenswertes Beispiel ist der blau gemalte Wetzstahl, den der
Schlächter an der Seite trägt, um an demselben sein breites Messer
zu wetzen. Blau werden Schiffsbeschläge und das Band, das den
Schiffsschnabel zusammenhält, gemalt. Blau werden besonders ver-
schiedene Waffen und Teile von Kriegsgeräten dargestellt. Ein
kurzer Blick auf die Bewaffnung der Ägypter dürfte hier am Platze
sein. Dieselbe war sehr mannigfaltig. Diejenige Waffe, welche die
älteste gewesen zu sein scheint, auch schon deshalb, weil es die ein-
fachste und natürlichste ist, und die Kenntnis der Metalle nicht vor-
[90]Ägypten.
aussetzt, war die Holzkeule (Fig. 19 a). Sie wurde später mit Metall
und zwar vornehmlich mit Eisen beschlagen. Herodot erwähnt (Lib. VII)
die eisenbeschlagenen Keulen der Ägypter als ihre charakteristische
Waffe. Die Waffe des Königs Senphru (Fig. 16), mit der er den
Semiten schlägt, dürfte eine solche Keule gewesen sein. Die Keule
erhielt sich bei der späteren Bewaffnung in mannigfachen Formen, wie

Figure 19. Fig. 19.


aus den Abbildungen von Benihassan ersichtlich ist (Fig. 19 a, b, c).
Der Keule am nächsten steht die Axt, die sich aus derselben entwickelt
hat, und zwar scheint bei den Ägyptern die Doppelaxt die ältere Form
gewesen zu sein. Bei ihr war das runde Metallblatt einfach durch den
geschlitzten Holzstiel gesteckt (Fig. 19 d u. 20), festgekeilt und durch
Stifte befestigt. Die Doppelaxt ist die Waffe der Götter. Schon in
[91]Ägypten.
den Abbildungen im Wadi Megharah sind die Götter mit dieser Waffe
dargestellt.


Neben der Doppelaxt entwickelt sich die einfache Axt in mannig-
faltigen Formen, von denen in Fig. 21 (a. f. S.) mehrere abgebildet sind.
Die gewöhnliche Axt bildet auſser dem Speer die ordonanzmäſsige Aus-
rüstung der Schwerbewaffneten zur Zeit der achtzehnten Dynastie
(Fig. 22). Besondere Aufmerksamkeit verdient die kunstvolle Kriegs-
axt der Vornehmen (Fig. 19 e, f), umsomehr, da sie bereits in den Grab-
abbildungen von Benihassan und Karnak (zwölfte und achtzehnte Dy-
nastie) stets mit blauer Klinge dargestellt ist. Es war die nationale Waffe,
chops genannt, eine Art Sichelschwert 1), welches die Leibgarde der
Pharaonen trug, das meist mit groſsem Luxus ausgeschmückt war und

Figure 20. Fig. 20.


eine breite Klinge von Stahl oder
wenigstens mit Stahlschneide be-
saſs. Dieselbe Waffe erscheint
häufig in den Händen der Pha-
raonen. Die Form der Stahl-
klinge läſst auf eine hohe Stufe
der Schmiedekunst schlieſsen.
Die Klinge ist meist in Kupfer
gefaſst und steckt in einem Eben-
holzstiel, der oft reich vergoldet
ist. So zeigt z. B. eine solche
Waffe aus der Zeit Ramses III.
die blaue Eisenklinge mit Blut-
rinne, einen grünen Rücken von
patinierter Bronze und einem ver-
zierten, mit Gold ausgelegten Griff von Elfenbein, eine andere besteht
aus einem rund geschweiften Eisenblatt mit Kupferhülse in einem Stiel
von reich vergoldetem Ebenholz.


Weitere Waffen der Ägypter waren ein sichelförmiges Schwert
(s. Fig. 19 g), Lanze, Speer und Dolche von verschiedenen Formen.
Eine bevorzugte Waffe, die Waffe des Königs besonders seit der Zeit
der Ramessiden waren Pfeil und Bogen, mit denen die Herrscher von
ihrem herrlichen Streitwagen herab die Feinde erlegten. Der Gebrauch
der Streitwagen kam erst später auf und stammt wohl aus Asien, doch
waren die Streitwagen der Ägypter durch ihre leichte Konstruktion,
[92]Ägypten.
wobei hauptsächlich Metall in Anwendung kam, und durch ihre vor-
zügliche Bespannung, denn die ägyptische Pferdezucht stand in hoher
Blüte, im Altertum hoch berühmt und galten in späterer Zeit als die
Stärke der ägyptischen Könige. Wenn auch bei den Streitwagen wie bei

Figure 21. Fig. 21.


den Waffen meist Kupfer und Bronze verwen-
det wurden, so geschah dies doch auch hier-
bei nicht ausschlieſslich. In einer Abbildung
des Streitwagens eines äthiopischen Fürsten
aus der Zeit des Tutauchamum ist der Wagen
selbst gelb, d. h. von Gold, die Räder blau,
d. h. von Eisen. Da Eisen und Stahl nur
bei den reichsten Waffen und Geschirren
verwendet wurde, so läſst sich schlieſsen,
daſs es wohl ebenso teuer war als Kupfer
und Erz. Auch bei den Verteidigungswaffen finden wir Eisen in An-
wendung, besonders bei den Helmen. Die Kriegshelme der Könige,
deren eigentümliche Formen keinen Zweifel darüber lassen, daſs sie
aus Metall oder mit Metall überzogen waren, sind meistens blau gemalt.

Figure 22. Fig. 22.


Fig. 23 sind Abbildungen von Helmen ägyptischer Heerführer. Es
waren teils Lederkappen, auf denen Metallschuppen aufgenäht waren,
teils waren sie ganz aus Metall getrieben, wie dies auch die Erzählung
des Herodot, daſs Psammetich seinen ehernen Helm als Trinkbecher
benutzte, bestätigt.


Die Grabgemälde geben uns fernerhin ziemlich sicheren Aufschluſs
über die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens bei den Ägyptern.
[93]Ägypten.
Ehe wir jedoch hierauf näher eingehen, wollen wir zunächst eine andere
Kette von Beweisen für die frühe Bekanntschaft der Ägypter mit dem
Eisen, welche aus der Hieroglyphenschrift herzuleiten ist, ins Auge
fassen. Die Bezeichnungen für Eisen und Stahl in der alten Priester-

Figure 23. Fig. 23.


schrift waren verschiedene und herrscht infolgedessen unter den Ägyp-
tologen noch immer einige Verwirrung.  = ba, das Bild des Schmelz-
tiegels ist das allgemeine Symbol für die Nutzmetalle. Wir haben
gesehen, daſs Kupfer, Chomt, mit diesem Zeichen  geschrieben wird.
Champollion giebt nun für das Eisen dasſelbe Symbol . Rosellini
giebt folgende Formen:  und  und  = koptisch
ⲂⲈⲚⲒⲠⲈ, benipe, Eisen des Himmels. „Ba“ erscheint mit dem
Determinativ □ als Stein, mit  als Metall. Von hohem Interesse ist
eine Stelle des Plinius (hist. nat. XXXVI, c. 11), wo er von den Ge-
steinen, marmora, spricht, die sich zu Skulpturen eignen: Invenit Aegyp-
tus in Aethiopia (lapidem), quem vocant ba salton, ferrei coloris atque
duritiae, unde et nomen ei dedit. Demnach deutet schon Plinius ba als
Eisen.


Birch dagegen giebt in seinem Wörterbuch umstehende Tafel:


[94]Ägypten.

Lepsius in seiner gründlichen Abhandlung über die Metalle der
Ägypter, führt zwei ganz abweichende Formen als Bezeichnungen für
Eisen an. Die eine  und  und  mit dem phonetischen
Wert men; die andere  und  und  mit dem pho-
netischen Wert tehaset, tahseti, tehset, übersetzt mit dem koptischen
benipe.


Diese ganz abweichende, doppelte Bezeichnung des Metalls ist
von einem besonderen historischen Interesse. Die erste Gruppe, men,
ist die ältere. Sie erscheint in den früheren Inschriften, z. B. in den
Tributaufzählungen von Karnak (achtzehnten Dynastie) und zwar meist
in folgender Reihenfolge: Gold, Silber, Lasur, Smaragd, Kupfer, Eisen
(men), Blei, Farben und Smirgel. Eigentümlicherweise wird men
immer in Verbindung gebraucht, d. h. als verarbeitetes Eisen. Es heiſst
meist Geräte von men. So z. B. in einer Aufzählung der Beute Thut-
mosis III.: „100 ten Silber, 100 ten Gold, chesbet, mafek und Geräte
von men“; desgleichen an einer zweiten Stelle: „Stiere, mafek und Ge-
räte von men“. Ebenso erbeutete König Menephtes: Silber, Gold, Ge-
räte von men u. s. w.


Das Eisen kam also in den meisten Fällen nicht in rohem Zustande,
in Form von Luppen oder Stäben, in die Hände der Ägypter, sondern
[95]Ägypten.
verarbeitet zu Geräten. Wichtig ist es, welcherlei Geräte von men
genannt werden. Es sind dies besonders Bewaffnungsstücke, so Leder-
helme und Koller (Panzer), von denen letzterer auch oft in Verbindung
mit Kupfer genannt wird. Beide Metalle wurden für die Metallplättchen,
die dem Schuppenpanzer aufgenäht wurden, verwendet, wie dies auch
durch die Farben in den Abbildungen der Grabkammern bestätigt wird.
Vorzugsweise aus men, wie wir dies bereits aus den Wandgemälden er-
sehen haben, wird die Waffe chops genannt. In einem Grabe von
Qurnah werden 360 chops aus men aufgeführt. Alle Inschriften, in
denen die Gruppe men zur Bezeichnung des Eisens vorkommt, stammen,
wie erwähnt, aus früherer Zeit. Die spätesten Inschriften, in denen
sich men findet, datieren aus der Zeit des äthiopischen Königs Taharka
und des noch späteren Piancki. Men erscheint als einzige Bezeichnung
für Eisen in derjenigen Periode, während welcher der ägyptische Han-
del sich fast ausschlieſslich nach Süden zu bewegte und die Metalle,
insbesondere Gold und Eisen von Süden her nach Ägypten kamen.


In späterer Zeit verschwindet dagegen die Gruppe men, während
die Bezeichnung tehaset an dessen Stelle tritt, welche in alten Inschriften
nicht erscheint. Waffen aus tehaset werden allerdings nicht genannt,
dagegen Thürschlösser, Thoreinfassungen, Beschläge u. s. w. besonders
in den Tempeln. Tehaset kam aus Asien, besonders aus Persien und
einer Landschaft Bektot. In der Inschrift von Dendara heiſst es:
„Der König bringt Dir (Hathor) das Land Bektot versehen mit tehaset
in seiner Natur (mit natürlichem Tehaset) aus den Minen Asiens, um
anzufertigen die Schlösser der Thüren Deiner Wohnung und um einzu-
fassen die Schreine Deiner Behausung, darbringend das tehaset Deinem
Hause.“ Wir wissen auch aus anderen Umständen, daſs für allerlei
Beschläge das Eisen sich der Bronze gegenüber auch in späterer Zeit
behauptet hat, während es bei der Bewaffnung durch dieses zum Teil
verdrängt wurde.


Daſs die Gruppen men und tehaset Eisen bedeuten und zwar
ersteres das Eisen aus Äthiopien, letzteres das Eisen aus Asien, dürfte
nach der gründlichen Auseinandersetzung von Lepsius nicht mehr be-
zweifelt werden. Dagegen ist es fraglich, wie es sich mit dem Ausdrucke
ba und baenepe verhält, der von Champollion, Birch und Brugsch für
Eisen in Anspruch genommen wird und der sich in koptischen Dialekten
in demselben Sinne erhalten hat 1). Brugsch leitet das koptische Wort
(be-ni-pe) von ba-en-pe-t her = Eisen vom Himmel (Meteoreisen),
[96]Ägypten.
im Gegensatz zu ba-en-ito, Eisen der Erde. Basil Cooper erklärt das
Wort ba, koptisch bo oder be als hartes Holz, Stein; ni = von und be,
koptisch pe = Himmel. Demnach be-ni-pe = Stein vom Himmel,
Meteorstein, respektive Meteoreisen. Über die Unwahrscheinlichkeit,
daſs die erste Bekanntschaft des Eisens von Meteoreisen herzuleiten
ist, haben wir früher gehandelt. Wohl ist es aber möglich, daſs man
später die Identität des tellurischen und meteorischen Eisens erkannt
und dem Eisen deshalb die Bezeichnung Metall des Himmels beilegte.
Cooper will das Stammwort ba oder be auch in dem Namen des sechsten
Nachfolgers des Menes, der Mibampes hieſs, wiederfinden. Nach ihm
heiſst Mibampes der „Eisenfreund“. Wenn diese Hypothese begründet
ist, so wäre allerdings das Eisen nicht nur das erstgefundene, sondern
auch das erstgenannte aller Metalle, indem die Regierungszeit des
Mibampes 1) noch mehrere Jahrhunderte vor der des Snefru liegt.


Wie es sich damit aber auch verhalten mag, jedenfalls haben wir in
dem Vorgehenden eine Reihe von Thatsachen, welche die frühe Bekannt-
schaft der Ägypter mit dem Eisen erhärten, erbracht. Schon in der ältesten
Zeit der beglaubigten Geschichte Ägyptens, in der Periode der vierten
Dynastie, war das Eisen den Nilbewohnern bekannt und in Gebrauch
und blieb in Gebrauch neben Kupfer und Bronze in allen Perioden der
ägyptischen Geschichte. In der älteren Zeit, in der die Ägypter neben
dem Eisen nur das Kupfer zu Werkzeugen verarbeiteten, scheint es so-
gar in mannigfacherer Verwendung gewesen zu sein, als in späterer
Zeit, nachdem die Ägypter durch Handel und Eroberungen mit der
Bronze Asiens bekannt und förmlich überflutet wurden.


Zu allen Zeiten scheint die Eisengewinnung im eigenen Lande von
untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein, wenn auch aus den Resten
alter Bergwerke im erythräischen Gebirge und auf der Sinaihalbinsel
hervorgeht, daſs ihnen die Gewinnung nicht unbekannt war. Sie be-
zogen vielmehr das meiste Eisen aus dem Auslande, und zwar in älterer
Zeit als fertige Waren aus Äthiopien; während dieser Bezug späterhin,
als Ägypten mit Ostasien in Verkehr kam und mit den Erzgeräten der
Semiten, namentlich der Phönizier überschwemmt wurde, in den Hinter-
grund trat und zwar so sehr, daſs die alte, wahrscheinlich äthiopische
Bezeichnung für Eisen verloren ging und an dessen Stelle für das Eisen
aus Asien ein neuer Name in Aufnahme kam. Ähnliche Wortwand-
lungen begegnen wir im Altertume öfter.


Die Bezeichnung tehaset dürfte etwa dem biblischen „Eisen des
Nordens“ entsprechen.


[97]Ägypten.

Unsere Untersuchung führt uns darauf hin, daſs wir in Äthiopien
den ältesten bekannten Sitz der Eisengewinnung zu suchen hätten.
Dies wird bestätigt durch die erhaltenen Abbildungen, welche die Ge-
winnung des Eisens bei den Ägyptern darstellen, und aus denen wir er-
sehen, daſs das dargestellte Verfahren genau übereinstimmt mit der
Gewinnungsmethode, wie sie heute noch in den eisenreichen Gegenden
des oberen Äthiopiens und von Darfur betrieben wird, wo die Eisen-
bereitung seit undenklicher Zeit heimisch zu sein scheint.


Figure 24. Fig. 24.

Auf einem Steine, der sich in Florenz befindet, ist in einer Gruppe
von Darstellungen das Schmelzen und Schmieden eines Metalles ab-
gebildet. Da sich dabei das Symbol  befindet, so dürfen wir wohl
annehmen, daſs es Eisen sein soll. In dem einen der Bilder tritt
ein jugendlicher Sklave, der durch seinen runden Kopf mit ab-

Figure 25. Fig. 25.


stehenden Ohren als Neger charakterisiert ist, einen einfachen Blasebalg,
aus dem der Wind durch ein Bambusrohr einer flachen Grube zugeführt
wird, in welcher der Schmelzprozeſs, also in unserm Falle die Reduktion
des Eisenerzes vor sich geht. In dem zweiten Bilde (Fig. 25) sieht man,
Beck, Geschichte des Eisens. 7
[98]Ägypten.
wie das Eisen auf einem Ambos, der aus einem flachen, runden, auf
einem Holzklotze aufliegenden Stein besteht, ausgeschmiedet wird, und
zwar besteht der Hammer, mit dem dies geschieht, ebenfalls nur aus
einem halbkugelförmigen Steine, den der Zuschläger mit beiden Händen
bewegt. Andere Abbildungen zeigen ähnliches mit kleinen Abweichungen.
So finden wir auf einer statt der offenen Herdgrube einen Schmelz-
ofen aus Thon, die einfachste Form eines niedrigen Schachtofens, eine
andere stellt einen Ambos dar, der aus einer dicken Kupferplatte be-
steht, während der dazugehörige Hammer ein runder Kupferklumpen
ohne Stiel ist.


Vergleichen wir die erwähnten Darstellungen mit den Berichten
der Reisenden, wie z. B. Nachtigalls oder Ruſseggers, über die Art
und Weise, wie heute die Bewohner von Kordofan ihr Eisen gewinnen, so
werden wir sehen, daſs die alten Abbildungen noch genau zu dem
jetzigen Verfahren passen. Ruſsegger schreibt darüber 1):


„Im nördlichen Kordofan, westlich von Glèha bis Bara und
Chursi dehnt sich der „Eisendistrikt“ aus, so genannt wegen des reich-
lich vorkommenden Raseneisensteins und der fast in jedem Dorfe statt-
findenden Benutzung dieses Erzes.“ Dieselben dilluvialen Ablagerungen
ziehen sich nach Ruſsegger wahrscheinlich durch ganz Mittel- und
West-Sudan fort. In der Nähe von Bara, Chursin und Tendar wurden
Ruſsegger 15 Dörfer bekannt, in deren Umgebung Raseneisenstein
gewonnen wurde. Das Vorkommen ist überall das gleiche. Unter der
obersten Sanddecke in einer Tiefe von 7 bis 8 Fuſs folgt die erste
Eisensteinschicht, entweder ein reiner Thoneisenstein oder Sandlagen
mit Raseneisensteinknollen. Der Abbau wird so roh wie möglich be-
trieben. Es werden Schächte von 4 bis 5 Fuſs Weite höchstens 10 Fuſs
niedergebracht; hat man das Erz erreicht, so wird weiteres Abteufen
eingestellt und der Abbau begonnen, der darin besteht, daſs man zu-
nächst bis zum Liegenden gräbt und dann vom Schachttiefsten aus das
Erz ringsum wegnimmt, so lange dies ohne dringende Gefahr des Ein-
sturzes möglich ist. Das Loch wird nicht verbaut, sondern verlassen
und wenige Schritte davon ein neues gegraben. Ruſsegger zählte
bei el Feradschaab auf einer Fläche von 400 bis 500 Quadratklafter
350 teils offener, teils verbrochener Schächte 2). Das aus den Schächten
[99]Ägypten.
geförderte Erz wird sorgfältig geschieden. Nur das reichste wird ver-
waschen und in Bohnengröſse zerklopft. Um die Erze zu schmelzen1),
machen die Eingeborenen im Sande kleine kegelförmige Gruben, mit
der Spitze nach unten. Der gröſste Durchmesser einer solchen Grube
beträgt 12 bis 14 Zoll, ebensoviel die Tiefe. Ist nun eine solche Grube
mit einem Gemenge von Holzkohlen und zerkleinertem Erz, ohne Zu-
schlag, gefüllt, so wird noch ein Haufen Kohlen darauf geschüttet und
Feuer eingetragen. Die Düsen des Blasebalges werden am Rande der
Grube unter einem Winkel von 40 bis 45 Grad eingesetzt und mit dem
Blasen begonnen. Nach einer Stunde beginnt die Masse sich zu setzen
und zusammen zu sintern. In dem Verhältnisse, wie dies geschieht,
werden von neuem Erz und Kohlen nachgetragen. Ungefähr nach
zehn Stunden ist der gröſste Teil des leichtflüssigen Raseneisensteines
geschmolzen und die Grube ziemlich angefüllt mit verschlackter Masse.
Man nimmt nun Blasebalg und Düse weg, räumt das Feuer ab und
läſst die Masse abkühlen. Das Resultat dieser ersten Schmelzung sind
ungeflossene, zusammengebackene Erze, welche man für eine zweite
Schmelzung beiseite legt, und Schlacken. Diese sind zweierlei, die
oberen sind schwarz, schwer, von dichtem Bruch und eisenreich; sie
werden als unbrauchbar fortgeworfen. Die unteren sind ebenfalls
schwarz und schwer, aber mehr porös, stellenweise glasig und mit
Körnern von reduziertem Eisen, mitunter von bedeutender Gröſse, ver-
mengt. Letztere werden nochmals verschmolzen.


„Diese zweite Schmelzung der metallisches Eisen enthaltenden
Schlacken und der gebackenen Erze wird in derselben Grube, mit dem-
selben Gebläse und unter denselben Umständen vorgenommen, dauert
aber nur ein paar Stunden. Hierbei erhält man zu oberst eine dichte,
ebenfalls sehr eisenreiche Schlacke, welche sichtbar mit metallischem
Eisen gemengt ist und wieder zur Verschmelzung kommt, zu unterst,
als Resultat des langwierigen Prozesses, einen graupigen, von Schlacken
mehr oder weniger durchdrungenen Eisenkönig. Letzterer wird mühsam
mit eisernen Keulen zerschlagen, die Schlacke möglichst ausgeschieden
und das Eisen ohne weitere Behandlung den Schmieden als gares, weiches
Eisen verkauft. Selten gelingt es diesen nackten, schwarzen Eisen-
hüttenmännern, einen kompakten, schlackenfreien, reinen Eisenkönig
zu erhalten. Ruſsegger kaufte einen solchen von 15 Pfund an Ort und
Stelle, der sehr gutes, vollkommen weiches Eisen war.


Die Blasebälge, deren man sich bei dieser Operation bedient, sind
7*
[100]Ägypten.
dem ganzen Verfahren entsprechend, d. h. noch auf der ersten Stufe
der Erfindung. Teils sind es nur lederne, gewöhnliche Bälge, die ein
Mann auf und nieder drückt, teils sind sie von besonderer, eigentüm-
licher Form.


Aus Thon wird ein schüsselähnlicher Unterteil b mit einer ange-
setzten, langen, etwas nach unten gekrümmten Röhre, wie es beistehende
Skizze (Fig. 26) zeigt, angefertigt. Der offene Teil der Schüssel c
wird mit einer Haut b bedeckt und diese am Rande von c durch
Binden, teils durch Verschmieren soviel als möglich luftdicht befestigt.
Diese Haut hat oben ein Loch, in das ein Arbeiter mit einem Finger
fährt, und indem er nun abwechselnd die Haut spannt, und wieder bis

Figure 26. Fig. 26.


an den Boden der Schüssel niederdrückt, wobei er möglichst die obere
Öffnung mit der Hand verschlieſst, erzeugt er Wind, der, soweit er nicht
an seinem Finger vorbei entweicht, durch die Röhre d gepreſst wird, an
deren Verlängerung sich die Düse befindet.


Die Kohlen zur Schmelzung werden aus Mimosen gebrannt. Dies
geschieht in den Wäldern der Akaba auf ganz einfache Weise, indem
ein kleiner, nur 2 bis 3 Fuſs hoher Haufen Holz angezündet und mit
Sand bedeckt wird, um das Feuer in Schranken zu halten. Die Kohlen
sind, da meist nur Astholz und Reisig zur Anwendung kommen, sehr
klein, aber gut gebrannt, klingend und wenig abfärbend.


An Ort und Stelle verkaufen die Produzenten das rohe Eisen den
Schmieden oder sonstigen Abnehmern um den Preis von 1⅓ bis
1½ Piaster (23 bis 26 Pfennige) pr. Pfund und zwar entweder im Wege
des Tauschhandels oder für ägyptisches Geld 1). Ein Zentner kostet
[101]Ägypten.
also etwa 24 Mark, was sehr wenig ist in betracht der riesigen
Arbeit.


Beim Rohschmelzen wie beim Schlackenschmelzen sind stets drei
Mann beschäftigt, von denen zwei in Handhabung der Bälge sich ab-
lösen und einer, nebst dem Aufgeben der Erze und Kohlen, die Lei-
tung des Ganzen besorgt. Der höchste Luxus in Ausstattung eines
solchen Etablissements besteht darin, daſs, wenn die Sonne auf den
rötlichgelben Sand gar zu arg brennt, vier Stöcke eingerammt werden,
über die eine Strohmatte gespannt wird.


Im besten Falle giebt ein Roh- und Schlackenschmelzen in 12 bis
14 Stunden 15 bis 20 Pfund gares Eisen. Obgleich von Rasenerzen
erblasen ist es von ausnehmender Güte und zeichnet sich durch Weich-
heit und Biegsamkeit aus.


Die Erze, die zur Verschmelzung kommen, sind reichhaltig und
sollen zwischen 60 und 70 Proz. Roheisen enthalten. Von diesen bringen
die Schwarzen nach ihrer Angabe zwischen 20 und 40 Proz. aus.


Obwohl der Raseneisenstein ein leichtschmelziges Erz ist, gelingt
es ihnen doch nicht, das Eisen in einen vollkommen flüssigen Zustand
zu versetzen, sondern sie erhalten es nur als eine teigige Masse. Die
Phosphorsäure der Erze erleidet bei dieser niederen Temperatur wohl
gar keine Reduktion, deshalb ist das Eisen so weich und durchaus nicht
kaltbrüchig“.


Diese lebendigen Beschreibungen der Methoden, mittels derer die
barbarischen Bewohner des Sudan heute noch ihr Eisen gewinnen,
lehren uns, wie unendlich einfach der Prozeſs der Eisengewinnung an
und für sich ist und welch ein Irrtum in der Annahme liegt, daſs die
Gewinnung des Eisens höhere metallurgische Kenntnisse oder kompli-
zierterer Apparate bedürfe, als zur Gewinnung des Kupfers, zur Reinigung
des Goldes oder gar zur Darstellung des Silbers erforderlich sind.
Wenn wir ins Auge fassen, auf wie hoher Stufe technischer Bildung die
Ägypter bei ihrem Eintritte in die Geschichte bereits erscheinen, wie
ihre Kenntnisse der Chemie, ihre mechanischen Hilfsmittel, ihre metal-
lurgischen Erfahrungen viel bedeutender waren, als die der Bewohner
von Kordofan es heutzutage sind, so muſs zugegeben werden, daſs
technische Gründe nicht vorhanden sind, die dafür sprechen, daſs den
Ägyptern dies Eisen nicht bekannt gewesen sei. Wir glauben vielmehr in
Vorstehendem zur Genüge nachgewiesen zu haben, daſs sie es darstellten
und benutzten und zwar schon in den fernen Zeiten, aus denen ihre
1)
[102]Ägypten.
ältesten Überlieferungen stammen. Allerdings war ihr Land weder an
Eisenerz noch an Brennmaterial reich, deshalb war die Gewinnung im
eigenen Lande, wie noch heute, wenig umfangreich. Aber sie kannten
sowohl die Gewinnung als wie die Verarbeitung des Metalls, wenn sie
auch meistenteils ihre „Geräte von men“ aus Äthiopien bezogen, dessen
Eisenreichtum schon die ältesten Reisenden rühmen und dessen Be-
wohner noch heute in derselben Weise, wie vor 5000 Jahren, die Ge-
winnung des Eisens als einen Erwerbszweig betreiben.


[[103]]

Die Semiten.


1. Chaldäa.


Elam, Babylon, Assur.


Wir wenden uns zu den Völkern semitischer Abstammung,
welche als östliche Nachbaren der Ägypter das Gebiet zwischen dem
Mittelmeere und dem persischen Hochlande, sowie vom Taurus bis zum
arabischen Meere bewohnten, da ihre Geschichte sich ebenfalls in sehr
entfernte Zeiten zurückverfolgen läſst und sie neben den Ägyptern den
gröſsten Einfluſs auf die Zivilisation nicht nur Westasiens und Europas,
sondern der ganzen Erde ausgeübt haben. Den gemeinschaftlichen
Namen Semiten führen sie von ihrer durch die heiligen Schriften der
Hebräer bezeugten gemeinschaftlichen Abstammung von Sem, dem älte-
sten Sohne Noahs. Ihr erstes politisches Auftreten, sowie die gröſste
Entfaltung ihrer Macht vollzog sich in dem Stromgebiete des Euphrat
und Tigris. Die groſse Ebene, die diese beiden mächtigen Flüsse, nach-
dem sie ihr gemeinschaftliches Heimatsgebiet, das wilde Gebirgsland
Armeniens verlassen haben, in ihrem untern Laufe bilden, lockte durch
ihre groſse Fruchtbarkeit die Nachbarvölker von Süden, Osten und
Norden (nach Westen war es durch die syrische Wüste abgesperrt) zu
friedlicher Ansiedelung und zu wildem Wettkampf um den Besitz.


Wie Mesopotamien, d. h. das Zwischenstromland, in seiner geogra-
phischen Beschaffenheit manche Ähnlichkeit mit dem Nilthal zeigt,
ebenso verhält es sich mit der Kulturentwickelung hier und dort. —
Wie in Ägypten der Nil die Lebensader des Landes ist, so ist in Meso-
potamien dasſelbe mit dem Doppelstrome des Euphrat und Tigris der
Fall. Wie dort der Fluſs durch seine Überschwemmungen reichen Segen
über den sonnenwarmen Boden ausgieſst, so überfluten hier Wasser und
[104]Die Semiten.
Schlamm der beiden Ströme in regelmäſsiger Wiederkehr das inselartig
eingeschlossene Land, eine Fruchtbarkeit erzeugend, welche die Schrift-
steller des Altertums, vor allem der ehrwürdige Herodot, nicht genug
preisen können. Diese regelmäſsigen Überflutungen führten zu Beob-
achtungen der Jahreszeit, zur Einteilung des Jahres, zu astronomischen
Erfahrungen, wie zu einer ausgeprägten Ordnung des Lebens. Sie führten
ferner zu Schutzbauten, zur Anlage von Dämmen und Kanälen, um den
Segen des Frühlings gleichmäſsig über das Land zu verteilen. Hier wie
dort veranlaſsten die Überflutungen die Anlage mächtiger Steinbauten,
die dem Andrange der schlammigen Sommerflut stand zu halten vermoch-
ten. Diese gemeinschaftlichen Unternehmungen führten zur Organisation
der Gesellschaft, zur Gründung eines groſsen Gemeinwesens unter fester
monarchischer Spitze. Dieser Übereinstimmung zwischen Ägypten und
dem Euphrat- und Tigrislande stehen aber ebenso scharf ausgeprägte
Gegensätze gegenüber. Zunächst sind es hier zwei Flüsse, dort nur einer.
Diese Flüsse sind nicht gleichmäſsig in ihrem Charakter und Verhalten.
Der Tigris tritt als ein wilder Sohn der Berge aus dem geschlossenen Ge-
birge hervor und verliert diesen Charakter nicht bis zu seiner Ver-
einigung mit dem majestätischen Euphrat. In raschem, kürzeren Laufe
eilt er dem Meere zu, genährt durch Flüsse und rauschende Bergwässer,
die er von dem östlichen Hochgebirge, an das er sich immer anzu-
schmiegen sucht, aufnimmt. Der Euphrat dagegen verläſst als ein
wasserreicher Strom das Hochgebirge und eilt in einem nach Westen
ausgeschweiften Bogen in ruhigem, stolzen Lauf, der Wüste den Frucht-
boden abringend, dem Meere zu. Wenige Nebenflüsse schwellen seinen
untern Lauf. Infolge dieser Verschiedenheit ist auch die Zeit der
Überschwemmungen eine ungleiche; während der Tigris, dessen Quellen
nicht in so hohen Regionen liegen, bereits im Juni aus seinen Ufern
tritt, beginnen die Überschwemmungen des Euphrat, der in den höchsten
Höhen Armeniens am Fuſse des Arrarat seine Heimat hat, erst im Juli.
Die Überschwemmungen beider Ströme treten aber überhaupt nicht
mit der fast mathematischen Regelmäſsigkeit wie die des Nils ein, sie
sind wilder, zerstörender, besonders die des Tigris oft verheerend.
Aus diesem Grunde ladet das Thal des Euphrat mehr zur Kolonisation
und zur Anlage groſser Städte ein. Ein anderer groſser Unterschied
zwischen Ägypten und dem Lande des Euphrat und Tigris besteht darin,
daſs ersteres rings abgeschlossen gleich einer Insel, den feindlichen
Einfällen fremder Völker wenig ausgesetzt war, während dieses in einem
gewaltigen Halbkreis von Gebirgen umschlossen ist, welche von krie-
gerischen, kräftigen Volksstämmen bewohnt waren. Der Reichtum des
[105]Die Semiten.
flachen Stromlandes forderte diese armen Bergbewohner zu Raub und
Eroberung geradezu heraus. Während in Ägypten die Kultur sich
friedlich und stetig entwickelte, sehen wir in Mesopotamien sich eine
Umwälzung auf die andere folgen. Die ganze Geschichte des Landes
ist eine Aufeinderfolge von Eroberungen, Glanzzeiten groſser Gemein-
wesen, denen jäher Sturz und Zerstörung folgen. Solche Verhältnisse
muſsten den Eingeborenen einen kräftigeren, härteren, grausameren
Charakter aufprägen im Vergleich mit den friedfertigeren, heiteren,
harmloseren Ägyptern. Auf diesen allgemeinen Kulturbedingungen
baute sich die wechselnde Geschichte der Euphratländer auf. Über
seine Urgeschichte wissen wir wenig bestimmtes. Berosus, ein Priester
am Tempel des Bel zu Babylon, hat unter Antiochus Soter (von 282
bis 262 v. Chr.) eine Geschichte seines Landes, ähnlich wie Manetho in
Ägypten, verfaſst, von der uns nur wenige Bruchstücke erhalten sind.
Aus seinen Zeitangaben und Herrschertafeln würde ein ungeheures Alter
der babylonischen Geschichte folgen, ungefähr dieselbe Zahl von Jahren,
die Diodor angiebt, nämlich 473000 Jahre, während Plinius diese Zahl
sogar auf 720000 erhöht.


Diese Zahlen sind, wie die Urgeschichte des Landes, sagenhaft;
immerhin ist der Inhalt der Erzählung des Berosus bemerkenswert.
Nachdem er die Entstehung der Welt und die Erschaffung der
Menschen geschildert hat, berichtete er über die Zivilisation Mesopota-
miens Folgendes 1):


„Es war eine groſse Menge von Menschen verschiedenen Stammes,
die Chaldäa bewohnten, aber sie lebten ohne Ordnung wie die Tiere.
Da erschien ihnen aus dem Meere am Ufer Babyloniens ein weises
Wesen, des Namens „Oan“. Es war dies ein Fischmensch, mit dem
Oberleib eines Mannes und dem Schwanz eines Fisches. Am Morgen
kam dies Wesen und verkehrte am Tage mit den Menschen. Es nahm
keine Nahrung und tauchte mit Sonnenuntergang wieder in das Meer.
Dieses Wesen lehrte den Menschen ihre Sprache und Wissen, das Ein-
sammeln des Samens und der Früchte, die Regeln der Grenze, die Er-
bauung von Städten und Tempeln, die Künste und die Schrift und alles,
was zur Sittigung des menschlichen Lebens gehört.“ Auf Oans Ver-
anlassung erwählte das Volk einen König, den Gründer der ersten
Dynastie, die 432000 Jahre über das Land herrschte. Da kam die
Sintflut. Xisuthros baute eine Arche, die in dem armenischen Gebirge
wieder aufs trockne Land kam. Die Götter versöhnten sich mit Xisu-
[106]Die Semiten.
thros und nahmen ihn in den Himmel auf; seine Nachkommen zogen
wieder nach Süden und gruben die heiligen Bücher in der Stadt Syp-
para, wo Xisuthros sie auf Befehl der Götter vor der Flut vergraben
hatte, wieder auf.


Die Überlieferung dieser groſsen Flut findet sich bei allen semi-
tischen. Völkern. Die Geschichte des Oan ist in sofern für uns von
besonderem Interesse, als sie den Ausgangspunkt der Kultur in den
südlichsten Teil des Euphratgebietes, an das Gestade des Meeres, ver-
legt. Auch die Bibel schreibt die erste Blüte einer Herrschaft in Ba-
bylonien nicht den Semiten, sondern Nimrod dem Sohne des Kusch,
der ein Nachkomme Hams war, zu. Unter den Kindern Kuschs ver-
stehen aber die heiligen Schriften der Hebräer durchgehends südlich
wohnende Völkerschaften. Diese Thatsache, daſs das erste zivilisierte
Volk mit geordneter Staatseinrichtung an dem unteren Laufe des
Euphrat ansäſsig und seine Abstammung noch den Semiten fremd war,
wird auch durch die Thatsachen bestätigt, welche die zahlreichen assy-
rischen Inschriften auf Ziegeln und Steintafeln enthüllt haben. Aus
diesen geht hervor, daſs, ehe die Semiten die Herrschaft des Landes
gewannen, im untern Euphratgebiete ein Volk ansäſsig war, welches
bereits neben mancherlei technischen Kenntnissen mit der Schrift be-
kannt war. Dieses Volk war nicht semitischer Abstammung, sondern
gehörte einer andern Völkerfamilie, wie einige meinen, der turanischen
(altaischen) an. Die Zeit der Selbständigkeit dieses Volkes geht über
2500 v. Chr. hinaus und mag wohl bis zum Jahre 3000 v. Chr. hinauf-
reichen. Die Semiten wanderten wahrscheinlich von Süden her, aus
Arabien, in das Euphratland ein, sie lernten die Schrift und mancherlei
Künste von den Eingeborenen, die sie nach und nach absorbierten, doch
nicht so vollständig, daſs sich nicht nach Jahrtausenden noch Reste
der alten Sprache erhalten hätten. Besonders scheinen sich im Gebiete
von Susa auch in späterer Zeit noch Volksgemeinschaften dieser Ur-
bewohner erhalten zu haben, indem die in Susa aufgefundenen In-
schriften diesem turanischen Volke angehören. Aber auch in dem
übrigen Reiche war ihre Sprache nicht gänzlich verschwunden, was
daraus hervorgeht, daſs noch in den späteren assyrischen Inschriften
die Monatsbezeichnungen neben einander in assyrischer, babylonischer
und turanischer (akkadische) Sprache angeführt werden. Semiten
aus Arabien eroberten nach und nach das untere Stromland und
gründeten Städte und Königreiche, die sich unter einander bekämpf-
ten. Die ältesten dieser Königsstädte, welche die alten Inschriften
wie die Bibel anführen, waren Arak, Ur und Nipur. Daneben werden
[107]Die Semiten.
genannt die Gebiete oder Völker der Akkad und Sumir. Auf der
Ostseite des untern Euphrat entstand in derselben Periode das Reich
Elam. Mancherlei Namen alter Könige, über deren Gleichzeitigkeit oder
Aufeinanderfolge nichts bekannt ist, werden in den alten Keilschriften
aufgeführt. Einer der ältesten davon war wohl Bin-gasit, König von
Arak, Erbauer des Bit-Anna, d. h. der Tempel der Nana, der im Jahre
2280 v. Chr. von den Elamiten geplündert wurde. Ein mächtiger König
in Südbabylonien war Uruk, der den Tempel und die Festung Ur dem
Mondgott Sin zu Ehren erbaute. Derselbe Herrscher erbaute Tempel
zu Arak, Nipur (Niffer) und Senkereh. Uruks Sohn, Dungi, vollendete
den groſsen Tempel zu Ur. Von diesem Könige ist ein Gewichtsstein
in Form einer Ente erhalten mit der Inschrift „10 Minen Dungis“.


Inzwischen erhob sich das alte Reich der Elamiten auf dem linken
Ufer des untern Euphrat zu immer gröſserer Macht. Sie dehnten ihr
Reich auch auf das andere Euphratufer aus und brachten ganz Süd-
babylonien in Abhängigkeit. Eine Inschrift Assurbanipals berichtet,
daſs König Kudur-Nanchundi von Elam die Akkad unterdrückt, ihre
Tempel zerstört und das heilige Bild der Göttin Nana von Arak
(hebräisch Erech, griechisch Orchoe, heute Varka) entführt habe. Assur-
banipal rühmt sich, daſs er 1635 Jahre später das Reich der Elamiten
vernichtet und das alte Götterbild wieder zurückgeführt habe. Dem-
nach geschah die Eroberung Araks im Jahre 2280 v. Chr. Die gröſste
Ausdehnung erlangt das Reich Elam unter Kudur-Langamer (Kedor
Laomer der Bibel), der seine Herrschaft siegreich bis zum Jordan aus-
breitete (um 2100 v. Chr.). So wurde Elam das erste groſse Reich
unter semitischer Herrschaft in den Euphratländern, und deshalb wird
Elam in der heiligen Schrift der älteste Sohn Sems genannt, Assur der
zweite, Arpsachad aber, von dem die Hebräer ihre Abstammung ableiteten,
erst der dritte. Ein Nachfolger des Kudur-Langamer war Kudur-Mabut,
von dem wir aus Inschriften wissen, daſs er in der Stadt Ur einen
Tempel dem Mondgotte weihte, und daſs sein Sohn Rim-Aku einen
groſsen Turm in derselben Stadt erbaute. Eine Bronzestatue, die in
der Nähe von Bagdad aufgefunden wurde, enthält die Namen dieser
beiden Könige eingeschrieben. Der mächtige Turm von Ur schützte
indes Rim-Aku nicht vor schwerer Niederlage. Ein mächtiger Gegner
war ihm im Norden erstanden (1976 v. Chr.) in Hammurabi von Agane,
dem Gründer des alten babylonischen Reiches. Er schlug den Herrscher
von Elam und entriſs ihm die wahrscheinlich turanischen Völkerschaften
der Sumir und Akkad, d. h. das südliche Mesopotamien. Werden
schon in den Überlieferungen über die alten Herrscher des Südens
[108]Die Semiten.
zahlreiche und groſsartige Bauten und alte Götterbilder erwähnt, sehen
wir, daſs bereits ein geordnetes Gewichtsystem existierte, ja, daſs sogar
eine Bronzestatue aus der Zeit um 2000 v. Chr. aufgefunden worden
ist, so muſs eine entwickelte Technik in dem südlichen Euphratgebiete
im dritten Jahrtausend vor Christi bereits vorhanden gewesen sein.


Die Bauthätigkeit entfaltet sich groſsartiger unter der Herrschaft
des alten Babylon. Von Hammurabi wird namentlich berichtet, daſs
er einen groſsen Kanal, den „Nahar-Hammurabi“, erbaute, der den
Ländern der Akkad und Sumir reichliches Wasser zuführte; an der
Mündung des Kanals baute er eine starke Festung mit Türmen „so
hoch wie Berge“.


Die ältere Geschichte des babylonischen Reiches ist lückenhaft
und noch vielfach in Dunkel gehüllt. Es genügt zu erwähnen, daſs im
fünfzehnten Jahrhundert im Nord-Osten am oberen Tigris Assyrien
sich zu selbständiger Macht erhob, daſs Babylon mit diesem bald in
Kriege verwickelt wurde, die unaufhörlich mit wechselndem Glück bis
zum Jahre 850 v. Chr. fortgeführt wurden, in welchem Jahre Babylon
durch den siegreichen Salmanassar II. in Abhängigkeit gebracht wurde.


Dagegen verdient die Geschichte Assyriens, die durch die merk-
würdigen Entdeckungen von Botta, Layard und Anderen, sowie durch
die Entzifferung der Keilschriften durch Rowlinson und seine Nach-
folger in den letzten 40 Jahren erst enthüllt worden ist, eine kurze
Betrachtung. Als Sagen erkennen wir jetzt die bekannten Erzählungen
von Ninus und Semiramis, die uns Diodor aus den älteren Schriften
des Ktesias und Klytarch überliefert hat und die ihren Ursprung in
medopersischen Märchen und Gesängen haben. Die Geschichte des
Ninus und der Semiramis ist ein poetisches Gewebe aus mythologischen
und historischen Reminiszenzen. Bemerkenswert bleibt immerhin,
daſs auch in diesen Überlieferungen die Bauthätigkeit der beiden
Herrscher, von denen Ninus als Gründer von Niniveh, Semiramis, die
gewaltigere, als Gründerin Babylons gefeiert wird und der viele Bauten
zugeschrieben werden, deren Ursprung in späterer historischer Zeit
sich jetzt erweisen läſst, eine so groſse Rolle spielt. Wie Ninus durch
die spätere Sage der Bau der Stadt Niniveh zugeschrieben wird, die
nach Diodor ein längliches Viereck von 150 Stadien Länge, 90 Stadien
Breite, 480 Stadien Umfang bildete, und mit Umfassungsmauern von
100 Fuſs Höhe und einem Wallgang für drei doppelspännige Wagen,
unterbrochen von 1500 Türmen von je 200 Fuſs Höhe, umgeben war,
so wird der gewaltigen Semiramis mit der Gründung der Stadt Babylon,
der Bau der riesigen Umfassungsmauern, der zwei Königsburgen, der
[109]Die Semiten.
Brücke über den Euphrat, des Tempels des Balos, der Seeen — zur
Ableitung des Euphrat, sowie der wunderbaren Königsstraſsen zu-
geschrieben: erwiesenermaſsen Schöpfungen sehr verschiedener Jahr-
hunderte. Was wir hauptsächlich durch Entzifferung von Keilschriften
jetzt über die Geschichte Assyriens wissen, ist kurz Folgendes: Um
1800 v. Chr. bestanden schon die bescheidenen Anfänge der selbst-
ständigen Herrschaft von Assur. In den Tributlisten des ägyptischen
Königs Thutmosis III. wird erwähnt, daſs Assur Blaustein und Baum-
stämme zu liefern hatte. Unzweifelhaft war die Stadt Assur die älteste
Hauptstadt des Landes, die dem Nationalgott und dem Volke den
Namen gab. Sie wurde indes schon früh von der jüngeren Schwester-
stadt Niniveh, die später die dauernde Residenz der mächtigen assy-
rischen Herrscher wurde, überflügelt. Von Salmanassar I. wissen wir,
daſs er Kalah (Nimrud) um 1300 v. Chr. gründete, sowie den zerstörten
Tempel der Istar in Niniveh wieder aufbaute. Genaueres erfahren wir
indessen erst von der Herrschaft Tiglath Pilesar I. (1130 bis 1100 v. Chr.).
In den Ecken des Tempels des Bin zu Assur fanden sich Thonzilinder,
welche die Thaten der ersten fünf Jahre seiner Regierung erzählen.
Er war, wie alle seine Nachfolger, ein kriegerischer Fürst, der in fast
ununterbrochenem Kampfe mit den Nachbarvölkern stand. Die Lage
Assyriens am Fuſse des Hochgebirges, als Ausfallspforte nach der Ebene,
bedingte diese ewigen Kämpfe. Im Norden und Osten suchten die
zahlreichen, aber meist uneinigen kriegerischen Stämme nach der reichen
Ebene hinzudrängen. Diese muſste Assur zurückhalten, wollte er selbst
die lockende Herrschaft des Tieflandes und der gewinnverheiſsenden
Handelsstraſsen nach Westen sich erhalten. Dies ist auch der Grund-
charakter der unzähligen Kämpfe der assyrischen Herrscher: einer-
seits Abwehr der kriegerischen Bergvölker, andererseits Beute und
Eroberungskriege nach Westen und Süden, besonders gegen Syrien und
Babylonien. Es waren ihre eigenen Stammverwandten, gegen die sie
die wichtigsten Feldzüge unternahmen. Denn die Assyrier waren wie
diese Chaldäer und den Babyloniern nahe verwandt. Sie hatten
dieselbe Religion, nur ihr Nationalgott Assur stand dem Bel Baby-
loniens feindlich gegenüber. Ihre Sprache war nur dialektlich ver-
schieden. Kleidung, Bewaffnung, Sitten und Gebräuche waren durch-
aus ähnlich.


Nach dieser Überlieferung tritt wieder eine Lücke in der Geschichte
Assyriens ein. Erst von der Zeit Assurbanipals (um 880 v. Chr.) an
flieſsen die Quellen reichlicher. Er führte siegreiche Kriege gegen die
Bergvölker sowie gegen die Syrier, und erzwang selbst von den Handels-
[110]Die Semiten.
städten Phöniziens Tribut. Seine Tributlisten sind von besonderem
Interesse. 881 besiegte er die Moscher im Norden und erhob von ihnen
Tribut an Eisen, sowie an Ochsen, Schafen und Ziegen. Von den
Fürsten des Landes Narini, zwischen dem Zab und dem oberen Tigris,
empfing er Gold und Silberbarren, Eisen, Schafe und Ochsen als
Tribut. 876 erhebt er in den Gebieten Bit-Bakhian und Bit-Adin in
der Nachbarschaft des reichen Karchemis einen Tribut von 20 Talenten
Silber und 100 Talenten Eisen. Er war der erste assyrische Herrscher,
der mit seinen geübten Kriegsscharen bis zum Mittelländischen Meere
vordrang. „Die Fürsten von Tyrus (Surru), Sydon (Sjidunu), Byblos
(Gubli) und die Stadt Arados (Arvada), welche mitten im Meere liegt,
zahlten Tribut — Barren von Silber, Gold und Blei und umfaſsten
meine Knie“. Er lieſs am Libanon Cedern und Fichten für die Tempel
seiner Götter fällen. In seiner Residenz zu Niniveh führte er gewal-
tige Bauten aus. Die Inschriften in dem sogenannten Nordwestpalast
zu Nimrud erzählen, daſs Aſsurnasipal die Stadt, die heruntergekommen
war, von Grund auf neu erbaute, und daſs er einen Kanal vom oberen
Zab abgeleitet hat, den er Pati-kanik nannte. Den Göttern Adar,
Belit, Sin und Bin habe er Tempel erbaut. Ein Bild des Adar habe
er anfertigen lassen und ihn zu seiner groſsen Gottheit in der Stadt
Kalah erhoben. Er erbaute sich einen groſsen Palast von 360 Fuſs
Länge und 300 Fuſs Breite. Zwei groſse Thorwege, die von geflügelten
Löwen mit bärtigen Männerköpfen, Bildnissen des Gottes Nergal, be-
wacht waren, führten von Norden her in eine Halle, die 154 Fuſs lang
und 34 Fuſs breit war. Am Ende dieser Halle öffnete sich ein breites
Thor, an dem zwei geflügelte, menschenköpfige Stiere aus gelbem Kalk-
stein gehauen als Wächter standen. Dieses führte in einen Saal von
100 Fuſs Länge und 25 Fuſs Breite, an welchen sich zu beiden Seiten
kleinere Säle anschlossen. Die Höhe dieser Räume betrug im Innern
16 bis 18 Fuſs. Bis zu einer Höhe von 10 bis 12 Fuſs waren die Wände
mit dunkelfarbigen Alabasterplatten bekleidet, auf welchen in der
nördlichen Halle die Thaten Assurnasipals in Reliefs verzeichnet waren,
während die Wände des Saales mit kolossalen Figuren und Adlerköpfen
geschmückt sind. Die Mauern über diesen waren mit glasierten Thon-
platten oder gemalten Arabesken bekleidet. Neben den Trümmern
des Palastes fand man die Steinbildsäule des Königs auf einfachem,
viereckigem Sockel, in ernster ruhiger Haltung mit langem Gewand,
ohne Kopfbedeckung mit langen Haaren, starkem Bart, ein Sichelschwert
in der Rechten, einen kurzen Stab (Zepter) in der Linken. Auf seiner
Brust fand sich folgende Keilinschrift: „Assurbanipal, der mächtige
[111]Die Semiten.
König, der König der Völker, der König von Assur, der Sohn Tiglath
Adars, Königs von Assur, des Sohnes Binnirars, Königs von Assur, Er-
oberer vom Tigris bis zum Lande Labuana (Libanon). Bis zum groſsen
Meer unterwarf er seiner Herrschaft alle Länder vom Aufgang zum
Niedergange der Sonne 1).“ Ihm folgte sein Sohn Salmanassar II., nicht
minder siegreich in zahllosen Kriegen. Er unternahm vier Feldzüge
gegen Syrien und es gelang ihm nach langen Kämpfen, die Fürsten
Syriens, Phöniziens und Israels zinspflichtig zu machen.


Er führte den ersten siegreichen Feldzug gegen Babylon unter
dessen König Marduk-Belusati und etablierte damit die Suprematie
Assurs in Mesopotamien. Aus den Inschriften seines Palastes, des so-
genannten Centralpalastes von Nimrud (Kalah), erfahren wir unter
anderem, daſs er im Jahre 837 v. Chr. einen Feldzug gegen das nörd-
lich gelegene Land Tabal (das Land der Tibarener) unternahm, bis zu
ihren Bergwerken vordrang und 24 ihrer Fürsten Tribut auferlegte.
Die Tributlisten Salmanassars II. sind überhaupt von groſsem Interesse.
In dem genannten Palast fand sich ein Obelisk von schwarzem Basalt,
auf welchem sich fünf Reliefdarstellungen von Tributzahlungen besieg-
ter Völker befinden mit erklärenden Keilinschriften. Auf der ersten
findet sich die Unterwerfung des Landes Israel mit der darunter
stehenden Inschrift: „Tribut von Jahua (Jehu), Sohnes des Chumri
(Omri): Goldbarren, Silberbarren, goldene Schalen, goldene Ketten,
goldene Becher, goldene Schöpfgefäſse, Blei, Speere. Dieses empfing
ich 2)!“ Das zweite Bild erwähnt als Tribut des Landes Kirza „Gold,
Silber, Kupfer, Blei, Stäbe, Pferde und Kameele mit doppeltem Rücken“.
Als Tribut Marduk-Palassars, vom Lande Sukhi, d. h. Babylonien, wird
aufgezählt: Silber, Gold, goldene Eimer, Stäbe, Amsihörner (Elfenbein),
Burmigewänder und Stoffe. Das fünfte Relief zeigt die Tributleistung
des Königs Garapunda vom Lande Patinai, bestehend in Silber, Gold,
Blei, Kupfer, Gegenstände aus Kupfer, Amsihörner, hartes Holz. Sal-
manassar II. kämpfte auch zuerst siegreich gegen die Meder. Ver-
schiedene Könige folgten, unter denen wir nur Bin-nirarr (von 810 bis
781 v. Chr.) deshalb erwähnen wollen, weil uns von ihm eine interessante
Keilinschrift, die sich auf einen siegreichen Feldzug in Syrien und eine
groſsartige Brandschatzung der reichen Stadt Damaskus bezieht, er-
halten ist; sie lautet:


„Auch gegen das Land Imirisu (das Reich vor Damaskus) zog ich,
gegen Mariah, den König vom Lande Imirisu. In Damaskus, der Haupt-
[112]Die Semiten.
stadt seines Königtums, schloſs ich wahrlich ihn ein. Gewaltiger
Schrecken Assurs überfiel ihn, meine Knie umfaſste er, er unterwarf
sich. 2300 Talente Silber, 20 Talente Gold, 3000 Talente Kupfer,
5000 Talente Eisen, Gewänder, geschnitzte Bilder, seine Reichtümer,
seine Schätze ohne Zahl nahm ich in Damaskus, seiner Residenz, in-
mitten seines Palastes in Empfang 1).“ Ferner ragt Tiglath Pilesar II.,
(wahrscheinlich König Phul der Bibel), durch seine Kriege und Siege
hervor. Er unterwarf Babylonien und das südliche Euphratgebiet bis
zum Persischen Meerbusen. Ebenso Syrien und Israel bis zu den Gren-
zen von Omri (Judäa). Er hatte seine Residenz im Zentralpalast
von Nimrud. Nach dem Tode seines Sohnes Salmanassar IV. (722 v. Chr.)
folgte Sargon, einer der thatkräftigsten Könige Assyriens. Er zwang
wiederholt die Fürsten Arabiens und die Pharaonen Ägyptens zum
Tribut. Als solcher wird genannt: Gold, Kräuter (Arome), Pferde
und Kameele, und ein andermal: Kraut des Ostens (Indiens) ver-
schiedener Art, Metalle, Pferde und Kameele. Jatnan, d. h. die Insel
Cypern, huldigte ihm freiwillig und schickte Geschenke: Gold, Silber,
Gefäſse, die Produkte ihres Landes“. Der mächtige König baute sich
zu Niniveh einen neuen groſsartigen Palast, den er Dur-Sarrukin, d. h.
die Feste Sargons nannte; es ist dies der Palast zu Khorsabad. Die
Fundamente waren aus Bruchsteinen, die Umfassungsmauern 45 Fuſs
dick und von auſsen mit groſsen Bruchsteinen bekleidet. Zahlreiche
Inschriften im Innern rühmen die Thaten Sargons. In den Fundamenten
des Palastes fand sich ein Steinkasten, in welchem sieben Platten von
Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei, Alabaster und Marmor lagen, bedeckt
mit Inschriften, aus denen unter anderem hervorgeht, daſs der Palast
in den Jahren 712 bis 706 v. Chr. erbaut wurde. Auf der Goldplatte
steht: Palast Sarrukins, Statthalter Bels, Patis des Assur, des mächtigen
Königs, Königs der Völker, Königs von Assur, der vom Aufgang bis
zum Niedergang über die vier Weltgegenden herrscht und ihnen Statt-
halter setzte. Nach meinem Willen habe ich in der Nachbarschaft der
Berge eine Stadt erbaut und ihr den Namen Feste Sarrukin gegeben.
Dem Salman, dem Sim, dem Samas, dem Bin und dem Adar habe ich
inmitten der Stadt Wohnungen ihrer groſsen Gottheit erbaut. Den Ruhm
meines Namens habe ich auf Tafeln von Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zinn,
Alabaster und Marmor geschrieben und in die Fundamente des Palastes
gelegt. Wer die Werke meiner Hände beschädigt und meinen Schatz
beraubt, dessen Namen und Samen vernichte Assur, der hohe Herr.


[113]Die Semiten.

Aus einer anderen Inschrift erfahren wir, daſs die Stadt Karchemis
im Jahre 717 v. Chr. 11 Talente Gold, 2100 Talente und 24 Minen
Silber entrichten muſste, die in das Schatzhaus nach Kalah kamen.
Sargon der Siegreiche wurde im Jahre 705 ermordet, ein Schicksal,
welches viele seiner Nachfolger traf. Ihm folgte sein Sohn Sanherib
in der Herrschaft nach. Dieser, der gleichfalls zahllose Kriege führte,
und unter anderen im Jahre 694 Babylon einnahm und zerstörte, suchte
seinen Vater durch den Glanz und die Groſsartigkeit seiner Bauten
noch zu übertreffen. Er erbaute sich eine Burg, noch gröſser als die
seines Vaters, den Palast von Kujundschick, den ausgedehntesten, den
wir kennen. Die groſse Halle desſelben ist 180 Fuſs lang und 40 Fuſs
breit, die Hauptgallerie 218 Fuſs lang und 25 Fuſs breit. 70 ver-
schiedene Gemächer sind aufgedeckt worden. Von den Abbildungen
im Innern sind besonders diejenigen von Interesse, welche die Bau-
thätigkeit selbst zum Vorwurf haben. Da sehen wir, wie groſse be-
hauene Steinblöcke mittels Flöſsen, welche zum Teil durch mit Luft
gefüllte Säcke getragen sind, auf dem Tigris herbeigeschafft werden.
Mancherlei Hantierungen sind abgebildet: Die Herstellung der Ziegel,
das Landen der groſsen Steinblöcke u. s. w. Auf einem Relief erblickt
man, wie das Steinbild eines Löwen, aufrecht stehend, von hölzernen
Gerüsten umgeben, welches von einer groſsen Zahl von Arbeitern
mittels Stricken und gabelförmigen Stangen im Gleichgewicht gehalten
ist, fortgezogen wird. Der Löwe ruht auf einer Schleife, die ruckweise
bewegt wird, während das hintere Ende der Schleife durch einen auf
Keile gelegten Hebebaum gelüftet wird. Der Aufseher steht zwischen
den Vorderfüſsen des Kolosses und kommandiert durch Handbewegungen
die Arbeiter, während der König von seinem Wagen aus dem Schau-
spiel zusieht. — Inschriften erzählen, daſs er auſser dem Palast, dem
Nebo und dem Merodach Tempel in Niniveh gebaut habe, daſs er die
Stadt erneut und glänzend gemacht habe, wie die Sonne.


Dem Sanherib folgte im Jahre 668 Assarhaddar, dessen Herrschaft
nicht minder ruhmvoll war. Unter seinen vielen Feldzügen erwähnen
wir seinen Sieg über die Meder. „Seine Fürsten brachten mir nach
meiner Hauptstadt Niniveh ihre groſsen Tiere, Kupfer, das Produkt
seiner Minen und flehten um Gnade.“ 679 schlug er den König Ab-
dimilkut von Sidon, eroberte und zerstörte die Stadt. „Seine Besitz-
tümer, Gold, Silber und Edelsteine, den Schatz seines Palastes, sein
ganzes unzählbares Volk, Ochsen, Schafe und Esel führte ich fort nach
Assyrien.“ Er erweiterte den Palast des Sanherib, wozu ihm die
Könige von Cypern Material und Schmuck durch Lieferungen und als
Beck, Geschichte des Eisens. 8
[114]Die Semiten.
Tribut herbeischafften. Sein glänzendster Feldzug war der gegen
Ägypten, dessen nördliche Provinzen er eroberte. Er setzte Statthalter
ein. Dem bekannten Necho übergab er das wichtigste Gebiet von
Memphis und Sais. Unter ihm macht sich schon deutlich ägyptischer
Kunsteinfluſs bemerkbar.


668 v. Chr. folgte sein Sohn Assurbanipal, der letzte der glänzen-
den Herrscher Assyriens. Auch er führte viele ruhmvolle Kriege. Zu-
erst gegen Ägypten, wo er bis Theben vordrang, welche Stadt er ein-
nahm und brandschatzte. Gyges von Lydien huldigte ihm freiwillig.
Er eroberte Susa und vernichtete die Herrschaft Elams. 32 Bilder der
Könige Elams von Silber, Gold, Erz und Stein führte er mit sich fort
und stellte sie in seinem Palast zu Kujundschik auf. Assur stand auf
dem Gipfel seiner Macht. Da wendete sich das Glück. Dieser Um-
schwung scheint durch den Einfall eines wilden skythischen Volkes, der
Saken, herbeigeführt worden zu sein. Das ganze Reich ging aus den
Fugen. Die unterdrückten Völker erhoben sich und fielen ab, und
wenn auch Assurbanipal, der 626 v. Chr. starb, das schreckliche Ende
nicht selbst erlebte, so war es doch nur 19 Jahre nach seinem Tode,
daſs Niniveh, wie überliefert wird, von den Medern unter Kyaxares ein-
genommen und gänzlich zerstört wurde, so daſs sein Name selbst von
der Zeit an aus der Geschichte verschwunden ist. Keinen jäheren
und schrecklicheren Sturz hat je ein so mächtiges Reich erlebt.


Die Herrschaft Mesopotamiens ging an Babylon über, dessen Statt-
halter Nabopolassar schon 620 in Verbindung mit dem Meder Kyaxares
das assyrische Joch abgeschüttelt und sich zum Herrscher des Euphrat-
landes aufgeworfen hatte. Seinen Nachfolgern gelang es zum Teil
wieder, die Trümmer des assyrischen Reiches unter ihrer Herrschaft
zu vereinigen. Der glänzendste der babylonischen Könige war Nabo-
polassars Sohn Nebukadnezar, der von 605 bis 561 regierte, der beson-
ders bekannt ist durch die Zerstörung Jerusalems und die Wegführung
der Juden in die babylonische Gefangenschaft. Weit bewunderungs-
würdiger als seine Kriegsthaten erscheint Nebukadnezar durch seine
groſsartigen und nützlichen Bauten. Namentlich that er Groſses für
die Kanalisation des Euphratlandes. Er erbaute den groſsen Kanal
Nahr-Marka, d. h. der Königsgraben, von dem er ein höchst kunstvolles
System von Bewässerungsgräben ableitete. Zur Regulierung legte er
ein kolossales Becken bei Syppara an, eine Nachahmung des Seees von
Möris, das 10 Meilen im Umfang hatte und 35 Fuſs tief war. Ver-
schiedene Schiffbrücken, sowie die stehende Brücke bei Babylon waren
sein Werk. Er stellte die Handelsstraſsen wieder her und gründete
[115]Die Semiten.
Kolonieen und Häfen, so namentlich die Stadt Gerrha am persischen
Meerbusen und Teredon am Ausfluſs des Euphrat, wodurch er einen
kürzeren Handelsweg nach Indien schuf und hierdurch den Phöniziern
viel Eintrag that. In Babylon machte er herrliche Parkanlagen, das Para-
dies des Nebukadnezar, bekannt als die hängenden Gärten der Semiramis.
Am groſsartigsten aber waren die Befestigungsbauten Nebukadnezars.
Gegen Medien legte er eine lange Verteidigungslinie, die sogenannte
medische Mauer an, die nördlich von Sippara sich an den Euphrat
anschloſs. Babylon umgab er mit einer festen Mauer, die nach Hero-
dots Beschreibung 50 babylonische Ellen stark und 200 Ellen hoch
war. In dieser Mauer waren hundert Thore, sämtlich von Erz und
mit eisernen Pfosten. Nebukadnezar starb 561.


Auch diese letzte Blüte semitischer Groſsmacht war nur von
kurzer Dauer. Die schwachen Nachfolger des groſsen Nebukadnezars
konnten sein Reich gegen den Andrang der jugendlichen medo-persi-
schen Macht nicht behaupten. Das stolze Babel fiel vor dem siegreichen
Cyrus nur 25 Jahre nach Nebukadnezars Tod. Die semitische Macht
über Asien war für Jahrtausende vernichtet. Die arische Rasse trat
die reiche Erbschaft an.


Wir haben uns etwas weitläufig über die alte Geschichte Assyriens
und Babyloniens verbreitet, weil die dargestellten Thatsachen zum
groſsen Teil erst durch neuere Forschungen ans Licht gekommen sind.
Aus dem Mitgeteilten geht bereits hervor, daſs Assyrien auf keiner ge-
ringen Stufe technischer Bildung gestanden haben muſs. Vor allem
haben wir schon angedeutet, wie jeder der kräftigen Herrscher Assyriens
seine Herrschaft durch gewaltige Bauten zu schmücken und zu ver-
ewigen sucht. Schon bei den alten Völkern Mesopotamiens wird über
groſsartige Bauwerke berichtet. Um 2300 v. Chr. errichteten Fürsten
von Erech Tempel, die sie mit Bildern der Götter schmückten. Die
Trümmer von Ur sind aufgefunden, der ältesten chaldäischen Stadt,
die wir kennen. Dort liegen auch die Trümmer des berühmten Tempels
des Sonnengottes. Die Stempel auf den Ziegeln des Unterbaues be-
weisen das, sie lauten: „Uruk, König von Ur, hat dem Gotte Sin diesen
Tempel errichtet.“


Hammurabi und alle seine Nachfolger verherrlichten ihren Ruhm
durch mächtige Bauten in Babylon, während die gewaltigen Fürsten in
Assyrien nicht zurückstanden und Niniveh mit riesigen Palastbauten
erfüllten. Die Trümmer dieser Bauwerke, die lange verschüttet lagen
und von den muhamedanischen Bewohnern als Werke der bösen Geister
mit abergläubischer Furcht gemieden wurden, sind reiche Fundstätten
8*
[116]Die Semiten.
für die neuere Geschichtsforschung geworden und werden mit ihrem
Reichtum an Inschriften und beschriebenen Thoncylindern noch lange
eine ergiebige Quelle unserer Erkenntnis werden. Es ist deshalb wohl
angezeigt, die Namen der Männer nicht unerwähnt zu lassen, denen
wir die Aufschlieſsung dieser Archive einer längst vergangenen Zeit
verdanken. Von älteren Reisenden, die nur die Existenz der Trümmer-
stätte uns bezeugt haben, wie Benjamin von Tudela, Marco Polo und
Anderen, können wir absehen. Der erste, der den richtigen Weg ein-
schlug und es unternahm selbständige Ausgrabungen vorzunehmen
war Rich, der viele Jahre lang als britischer Resident in Bagdad zu-
brachte und zwei Abhandlungen über die Ruinen von Babylon schrieb,
deren erste in den von Hammer-Purgstall in Wien herausgegebenen
Fundgruben des Orients im Jahre 1811 in Wien erschien. Richs Mit-
teilungen bildeten lange fast die einzige Quelle unserer Kenntnisse
über das alte Babylon. Überhaupt trat nach Rich wieder eine Pause
in den Ausgrabungen ein, bis im Jahre 1843 Botta die Stellung eines
französischen Konsuls in Mosul übernahm. Mosul liegt am Tigris
gegenüber einer vergrabenen Trümmerstadt, die im Munde des Volkes die
Stadt von drei Tagereisen hieſs und deren höchster Punkt als das Grab
des Propheten Jonas bezeichnet wurde. Hier lag das einst so herrliche,
seit Jahrtausenden vergessene Niniveh begraben. Botta begann hier
seine Ausgrabungen, erst mit beschränkten Mitteln und geringem Erfolg.
Aber er ermüdete nicht, und wenn er zaghaft wurde, feuerte ihn sein
Freund Layard, mit dem er in brieflichem Verkehr stand und der bereits
1840 in Mosul gewesen war und da die ersten Eindrücke, die ihn
später in seinen denkwürdigen Arbeiten begeisterten, empfing, zu neuen
Unternehmungen an. Die ersten entscheidenden Erfolge hatte er bei
seinen Ausgrabungen in dem Hügel von Kuijundschik, welcher nichts
anderes war als der Trümmerhaufen des gewaltigen Palastes des Königs
Sanherib. Ebenso entdeckte er zu Khorsabad die Trümmer des einst
so stolzen Palastes des Königs Sargon und hier hatten seine Aus-
grabungen den gröſsten Erfolg. Die französische Regierung unterstützte
Botta, nachdem sein erster Brief über seine Ausbeute vom 5. April
1843 bekannt geworden war, auf das freigebigste.


Die Erfolge Bottas lieſsen Henry Layard keine Ruhe. Es war der
Hügel von Nimrud, der bei seinen wiederholten Besuchen von Mosul
immer aufs neue sein Interesse auf sich gezogen hatte. Er war über-
zeugt, und sprach es Freunden und Bekannten gegenüber oft und be-
stimmt aus, daſs dort wichtige Aufschlüsse durch Ausgrabungen zu
erwarten seien. Es gelang ihm denn auch endlich 1845, den ebenso
[117]Die Semiten.
geistvollen als reichen Sir Stratford-Canning für seine Idee dermaſsen
zu interessieren, daſs er ihm in liberalster Weise die Mittel zu seinen
ersten Ausgrabungen zur Verfügung stellte. Die Erfolge der Aus-
grabungen im Hügel von Nimrud übertrafen alle Erwartungen. Drei
groſsartige Paläste der Könige wurden nach und nach aufgedeckt, dar-
unter der älteste unter den bekannten, die Burg des Aſsurnasipal, der
sogenannte Nordwestpalast. Es würde zu weit führen, die Erfolge
Layards zu verfolgen, wir widerstehen dieser Versuchung, so lockend
sie ist. Layards Ausgrabungen waren epochemachend. Die reiche
Ausbeute, seine sachlichen Erklärungen, die glücklichen Kombinationen
erschlossen mit einemmal ein groſsartiges Geschichtsbild. Dazu kamen
die Entdeckungen auf dem Gebiete der Sprachforschung. Grotefend
hatte bereits zu Anfang des Jahrhunderts einen glücklichen Anfang
zur Entzifferung der Keilschriften gemacht. Epochemachend aber
wurde die Interpretation der Felseninschriften von Behistan durch Major
Rowlinson, durch welche mit einemmal der Schlüssel zur Erklärung
der Keilschrift gefunden war. Rowlinson, Lassen und Andere haben
seit jener Zeit viele Tafeln und Cylinder übersetzt. Doch liegt den
Assyrologen immer noch ein reiches Material zur Verarbeitung vor.


Unterziehen wir nun die Bauten der Babylonier und Assyrier einer
nähern Betrachtung, so fällt zunächst eine groſse Übereinstimmung des
Materials sowie des Styles in das Auge. Der Ziegelbau herrscht vor.
Bruchsteine konnten in der babylonischen Ebene überhaupt nicht ge-
brochen werden, aber auch nach Niniveh muſsten sie aus ziemlicher
Entfernung herbeigeschafft werden. Deshalb waren die weitläufigen
Bauten nicht entfernt imstande, den Einflüssen der Atmosphäre den
Widerstand zu bieten, wie die von ausgelesenstem Material wie für die
Ewigkeit gegründeten Bauten der Ägypter. Sie zerfielen oft schon
nach wenig Generationen, so daſs es mehrfach vorkommt, daſs spätere
Herrscher das bessere Material früherer Bauten für ihre eigenen Paläste
wieder verwendeten, trotz des feierlichen Fluches, den die Erbauer ge-
wissermaſsen in Vorahnung des Schicksals ihrer Bauten, stets über
solchen Frevel durch eine Inschrift auszusprechen pflegten. Die Ziegel
aus Lehm wurden meist nicht einmal gebrannt. Der Unterbau wurde
allerdings gewöhnlich aus gebrannten Steinen, der Oberbau aus an
der Sonne getrockneten Lehmsteinen ausgeführt. Ein treffliches Binde-
mittel anstatt Mörtel bildete der Asphalt, der in groſsen Lagern im
Thale des Euphrat gefunden ward. In den Tempeln und Palästen
wurden dann die Ziegelwände mit Alabaster oder richtiger einem grauen
Gipsstein oder mit Kalksteinplatten ausgekleidet, welche zum Teil
[118]Die Semiten.
aus weiter Ferne herbeigeführt werden muſsten. Diese Platten waren,
ähnlich den Steinwänden ägyptischer Bauten, mit Skulpturen bedeckt,
welche in kräftigen Konturen teils stereotype Götter und Königsbilder,
teils Thaten der Herrscher im Krieg und auf der Jagd wiedergaben.
Ein anderes Material der Bekleidung, welches namentlich zur Dekoration
der Auſsenwände gern verwendet wurde, waren glasierte, farbige Ziegel.
Die Verwendung der Metalle zu gleichem Zweck berühren wir später.
Das Material bedingte den Styl. Die geringe Festigkeit verlangte bei
den hohen Bauten kolossale Grundmauern, auf welche dann die oberen
Stockwerke in Absätzen aufgesetzt wurden. Eigentlicher Gewölbe
bediente man sich nicht, nur kamen bei besserem Material Überkragungen
vor, die bei schmalen Räumen einen Schluſs bilden, der an gotische
Spitzbogen erinnert. Die Decken wurden aber meist aus Holzbalken
hergestellt, die einfach auf den Stützmauern auflagen; die Grundform
der Gebäude war durchgehend rechtwinklig und erscheinen die Stock-
werke wie aufeinandergelegte Bauklötze von abnehmender Gröſse.
Die Aufgänge waren durchgängig von auſsen. So typisch der Aufbau,
so typisch erscheint auch die Zerstörung. Sobald die Holzdecke durch
Feuer zerstört wurde, zerbröckelten die dicken Mauern, fielen in sich
zusammen, die Kammern mit ihrem Schutt füllend, der ihren Inhalt be-
grub. Das so zerstörte Material war wertlos und dies sowohl, als die
dicke Schicht, die den Raum erfüllte, waren Ursache, daſs verhältnis-
mäſsig so wenig Nachgrabungen von den späteren Bewohnern des Landes
gemacht wurden und diese erst durch das wissenschaftliche Interesse
unseres Jahrhunderts veranlaſst wurden. Auſser den Gips- und Kalk-
platten, welche die Wände bekleiden, sind die Bauten mit groſsen
Steinfiguren geschmückt, meist aus demselben Material, doch finden
sich auch groſsartige viereckige Denksteine, ähnlich Obelisken, oder
Altarsteine aus sehr hartem Basalt, die dann mit besonders wichtigen
Keilinschriften bedeckt sind. — Über die Gröſse und den Umfang der
Königsbauten in Niniveh haben wir bereits bei den historischen Be-
trachtungen Zahlen mitgeteilt.


Im Festungsbau leisteten die Herrscher Babyloniens und Ninivehs
Gewaltiges. Da die Ebenen, in der die reichen Städte lagen, keinen
natürlichen Schutz gewährten, so muſste er künstlich geschaffen wer-
den. Das geschah durch Mauern und Thürme von riesiger Stärke und
Höhe. Kein Volk des Altertums hat auch nur entfernt so umfang-
reiche Befestigungsbauten aufzuweisen, wie sie Babylon und Niniveh
besaſsen. Die Schutzmauer Babylons war acht deutsche Meilen lang.
Fast noch bewundernswerter waren die Kanalbauten, von deren
[119]Die Semiten.
Wichtigkeit für den Wohlstand und die Sicherheit des Landes die
alten chaldäischen Könige so durchdrungen waren, daſs sie in Auf-
zählung ihrer Groſsthaten die Kanäle, die sie erbaut haben, immer
ganz besonders hervorhoben. Dadurch war aber auch das ganze
Euphrat- und Tigrisgebiet, welches jetzt zum gröſsten Teil Wüste ist,
ein blühender Garten, dessen Anmut und Reichtum alle Schriftsteller
des Altertums, die es kannten, überschwenglich preisen.


Schon Hammurabi rühmt sich, dem Lande Sumir und Akkad
Wasser durch Kanäle zugeführt zu haben. Er legte auch viele Re-
servoirs und Kanäle an, die sowohl dem Verkehr als der Bodenkultur
dienten. Und seine Nachfolger überboten ihn in künstlichen Kanal-
anlagen, in Quaibauten, Wassertunnels u. s. w. Es sind dies die Wasser-
bäche Babylons, an denen die Juden ihre Gefangenschaft beweinten.


Zur Verteilung des Wassers in Gärten und Feldern dienten künst-
liche Maschinen, Schöpfräder, die teils von Menschen, teils von Tieren
gedreht wurden und die Gewässer in dem flachen Terrain von einem
Niveau zum andern emporhoben.


Auch im Brückenbau leisteten bereits die Babylonier Bemerkens-
wertes. Die sogenannte Brücke der Nikotris, welche aber, wie wir
bereits erwähnt haben, ein Werk des Königs Nebukadnezars war, ver-
band die beiden Königsburgen Babylons und soll nach dem Bericht des
Ktesias eine Länge von 5 Radien (3000 Fuſs) gehabt haben. Steinpfeiler,
die 12 Fuſs von einander abstanden, trugen den hölzernen Oberbau.
Die Strompfeiler waren kunstvoll fundamentiert; um sie einbauen zu
können, war der Strom während der Bauzeit abgeleitet worden. Sie
bestanden aus groſsen Bruchsteinen, die mit eisernen Klammern, die
eingebleit waren, zusammengehalten wurden. Der Holzbelag war 30 Fuſs
breit und bestand aus Palmenstämmen und langen Balken von Zedern
und Cypressen. Am Tage waren die Balkenaufzüge der Brücke nieder-
gelassen, so daſs die Babylonier hinübergehen konnten, bei Nacht aber
wurde sie aufgezogen 1).


Es läſst sich von vornherein erwarten, daſs, wo uns eine so ent-
wickelte Bauthätigkeit entgegentritt, auch die übrigen Zweige der
Technik auf einer vorgeschrittenen Stufe gestanden haben müssen.


Dies wird uns sowohl durch die Überlieferung der alten Schrift-
steller, durch erhaltene Inschriften, als auch durch die mannigfaltigen
Reliefdarstellungen in den Palästen bestätigt. Vor allem standen die
Bekleidungsgewerbe auf einer hohen Stufe. Das rauhere Klima be-
dingte schon eine vollständigere Bekleidung als in Ägypten. Bei dem
[120]Die Semiten.
Reichtum und der Prachtliebe der Babylonier wählten sie dazu die kost-
barsten Stoffe und die prachtvollsten Farben. Die Pracht der assyrisch-
babylonischen Gewänder bestach auch die Augen fremder Völker, und
sie wurden zu einem gesuchten Handelsartikel. Infolge hiervon ent-
wickelte sich in den assyrischen Städten eine höchst kunstvolle und
groſsartige Industrie der Bekleidung, welche die wichtigsten Ausfuhr-
artikel für den babylonischen Handel lieferte. Ezechiel, der selbst im
Euphratlande gelebt hat, sagte in seiner wichtigen Schilderung des
tyrischen Handels (Ezechiel, 27, 23 etc., s. Movers, die Phönizer 2, 3,
S. 258): „Haran und Kanneh und Eden, die Händler Sabas, Assurs
und Kilmad waren deine Handelschaft; sie handelten mit dir in Pracht-

Figure 27. Fig. 27.


röcken, in Mänteln von Hyazinthpurpur
und Buntwirkerei und in den kost-
barsten Fäden (von Seide) in Schnüren
gewunden und fest auf deinem Markt.“


Aus den Skulpturen der alten
Königsstädte erkennt man gleichfalls
die Pracht der Gewandung, mit der
die assyrischen Reichen ihre Körper
überluden (Fig. 27). — Alle semitischen
Völker nahmen die assyrische Tracht
und die assyrischen Moden an, selbst
die einfachen Israeliten; deshalb sagt
Jesais (Jesaias 3, 16) im Zorn: „Darum,
daſs die Töchter Zions stolz sind und
gehen mit aufgerichtetem Halse und
geschminktem Angesicht, treten einher
und haben köstliche Schuhe an ihren
Füſsen: so wird der Herr ihre Scheitel kahl machen und an demselben
Tage entrückt er den Schmuck der Fuſsspangen und die Netze und die
kleinen Monde und die Ohrgehänge und die Schleier und die Kopf-
binden und die Fuſsketten und die Gürtel und die Riechfläschchen und
die Amulette und die Fingerringe und Nasenringe, die Mäntel und die
Feierkleider, die Taschen und die Spiegel und die Flore und die Tur-
bane und wird Stank für Wohlgeruch sein und ein loses Band für einen
Gürtel und eine Glatze für ein gekraustes Haar und für einen weiten
Mantel ein enger Sack; solches Alles für deine Schöne!“


Die Kunstgewerbe, welchen diesem Luxus dienten, hatten ihren
Hauptsitz in Babylon, welches Jahrhunderte hindurch dem Orient
seinen Stempel aufgedrückt hat. Das Meiste, was wir noch heute als
[121]Die Semiten.
„orientalisch“ bezeichnen, fand sich dort schon damals in jenen ent-
fernten Zeiten, wie aus obiger Schilderung hervorgeht. Kostbare Kleider,
Zeugstoffe und Putzsachen gingen von Babylon nach allen Ländern der
Welt. Babylonische Zeuge standen überall im höchsten Rufe, nicht
nur wegen der Feinheit des Stoffes und Gewebes, sondern mehr noch
wegen der eingewirkten und eingestickten farbigen Muster, wegen der
kunstvollen Buntwirkerei. Die Stoffe waren feine Wolle, Leinewand
und „Byssus“, wahrscheinlich ein Baumwollengewebe. Schon Semiramis
war der Sage nach mit Byssusgewändern bekleidet. Zu der Bunt-
wirkerei wurden besonders die phönizische Purpurseide und Goldfäden
verwendet. Die Zeichnungen, die auf den Stoff eingewirkt wurden,
stellten oft Wundertiere, Götterfiguren und Jagdszenen dar. Sie dien-
ten im ganzen Altertum als Prachtgewänder zum Schmuck der Götter-
bilder in den Tempeln, sowie zur Bekleidung der Fürsten und Edlen.
Sie standen allezeit in hohem Werte. Ein Mantel von Sinear, d. i.
Babylon, wird schon bei der Eroberung von Jericho als ein kostbares
Beutestück aufgeführt. Bei Aristophanes beträgt der Preis eines
babylonischen Wollkleides mit Buntwirkerei ein Talent (circa 4200 Mk.).
Zu Catos Zeit galten die feinen triclinaria Babylonica, gewirkte Decken
auf den Speisedivans, 800000 Sesterzien und Nero zahlte für eine
einzige 4 Millionen 1).


Neben der Weberei stand die Töpferei in Mesopotamien auf hoher
Stufe. Der buntglasierten Ziegel haben wir bereits Erwähnung gethan.
Die Anfertigung der Thoncylinder, in welche die Schrift eingegraben
wurde, die statt dem Papieros dienten und die sich in groſser Zahl in
den Palästen gefunden haben, sprechen auch für eine groſse Geschick-
lichkeit in der Behandlung des Thones.


Eine Kunst, in der Babylon im ganzen Altertum voranstand, war
die Anfertigung wohlriechender Salben. 25 der edelsten Arome Ara-
biens und Indiens dienten zur Bereitung der feinsten Salbe, die
„Königssalbe“ genannt wurde. Kaum minder hochgeschätzt waren
seine geschnittenen Edelsteine. Die Kunstschnitzerei blühte in Niniveh.
Die Goldschmiedekunst, sowie die künstlerische Verarbeitung der Me-
talle stand überhaupt in den Städten Mesopotamiens in hoher Blüte.


Die hochentwickelte Industrie hing aufs engste mit einem aus-
gebreiteten Handel zusammen. Babylon und Niniveh bildeten den
Knotenpunkt eines ausgedehnten Straſsennetzes, das ganz Westasien
durchschnitt, südlich von Arabien und Ägypten, östlich bis nach Indien
[122]Die Semiten.
und West-China sich fortsetzte. Die Form des Verkehrs war die des
Karawanenhandels, wie er noch heute in jenen Ländern betrieben
wird. Er bewegte sich vornehmlich auf einigen Hauptstraſsen, die
trotz aller politischen Umwälzungen dieselben blieben und heute noch
zum Teil bestehen.


Die wichtigste Handelsstraſse von Osten her war die indische, die
vom oberen Indus über den Paropamisus nach Baktria ging, von da
folgte sie dem Nordrand der persischen Wüste und zog über Susa nach
Babylon. In Baktrien vereinigte sich mit der indischen Straſse die
serische oder Sesatenstraſse, die ostwärts über Sikkim nach China ging.
Baktria und Marakanda (Samarkand) waren die ersten Stapelplätze
indischer Waren nach Europa zu.


Nach Westen führten drei verschiedene Straſsen nach Phönizien
und Ägypten. Die wichtigste dieser lief von Babylon auf der West-
seite des Euphrat nordwärts bis Thipsach (Tapsacus), dem Knotenpunkt
mehrerer der bedeutendsten Straſsen Westasiens. Hier mündete auch
die Straſse von Niniveh, die anfangs dem Tigris nordwärts folgte, dann
quer durch das nördliche Mesopotamien nach Haran ging, von wo sie
direkt nach Thipsach führte. Von Thipsach wandte sich die Straſse
westlich nach Ribla (II. Könige, 23, 33), von da über Hamath am Oron-
tes nach Damaskus, wo sie sich teilte, indem ein Arm nach Tyrus lief
und von da auf der Westseite des Jordans nach Ägypten ging, während
die direkte Straſse nach Ägypten von Damaskus auf der Ostseite des
Jordans durch das Gebiet der Ammoniter und Moabiter zog; dies war
die „Königsstraſse“ der alten Israeliten. Dieser älteste Karawanen-
weg war der weitere, aber der bequemste und sicherste. Kürzer, jedoch
beschwerlicher, waren die beiden anderen Straſsen, die durch die Wüste
führten. Die eine war die aus der Geschichte Salomons bekannte
Straſse von Tadmor. Sie ging von Babylon im Euphratthal nordwärts
bis Karchenis, von da durch die Wüste nach Palmyra (Tadmor) und
weiter nach dem oberen Syrien. Die andere ging direkt vom unteren
Euphrat durch die syrische Wüste nach Ägypten. Wenn man die ge-
wöhnlichen Stationen einhielt, dauerte die Reise von Babylon nach
Ägypten auf diesem Wege 20 Tage, bei angestrengtem Marsch aber
konnte man sie in acht Tagen zurücklegen.


Von groſser Wichtigkeit waren die arabischen Straſsen, die zum
Teil vom Roten Meer (von Elath) durch die Wüste gingen, zum Teil
aber von Ostarabien dem Persischen Meerbusen und dem Euphrat
folgten. Nach Nordwesten gingen die Straſsen von Thapsukus nach
Kleinasien und von demselben Platz nach dem Pontus.


[123]Die Semiten.

Herodot beschreibt genau die Karawanenstraſse von Ephesus und
Sardes nach Susa, wie sie zu seiner Zeit war. Die Straſse war regel-
mäſsig gebaut. Den ganzen Weg entlang waren öffentliche Karawan-
sereien angelegt in einem regelmäſsigen Abstand von 7 bis 8 Stunden
zur nächtlichen Unterkunft. Zum groſsen Teil ist diese Straſse dieselbe,
die noch heute zwischen Smyrna und Ispahan benutzt wird, wie auf
der alten Straſse über Damaskus noch heute die Pilgerkarawanen nach
Mekka ziehen. Alle diese Straſsen waren regelmäſsig gebaute, soge-
nannte „Königsstraſsen“, deren Anlage die assyrische Tradition schon
der Semiramis zuschreibt.


Die Handelswaren der Babylonier waren nicht bloſs eigene Erzeug-
nisse, sondern ihre Lage verschaffte ihnen auch einen groſsartigen
Zwischenhandel. Die Euphratstädte waren die Hauptstapelplätze aller
asiatischen Waren und so kam es, daſs mit dem Namen assyrischer
oder babylonischer Waren manches bezeichnet wurde, was bloſs über
Assyrien seinen Weg nahm. Die Waren, die von den südaramäischen
Völkern nach Babylon gingen, waren Byssus, Korallen und Rubinen
(Ezechiel 27, 16). Von Damaskus kam der Wein von Hebron, und die
Wolle von Sachar. Auſserdem wurden von den phönizischen Städten
besonders gefärbte Purpurgarne, die zur Buntstickerei verwendet wur-
den, ferner Zinn- und Erzwaren, ägyptische Glaswaren und Silber ge-
handelt. Von Arabien tauschten die Euphratstädte auſser den indischen
Waren besonders einheimische Wolle gegen Waffen und Geräte ein.


Wie einfluſsreich und ausgedehnt der babylonische Handel schon
in ältester Zeit war, geht daraus hervor, daſs nicht nur die semitischen
Nachbarvölker, sondern die Perser und Griechen das babylonische
Maſs- und Gewichtssystem, sowie selbst das Münzsystem annahmen.
Die Babylonier hatten Doppelwährung. Man zahlte mit Gold und
Silber in Form von Scheiben, Ringen und Barren, der Wert des Silbers
zu dem des Goldes stand wie 1:13⅓ 1). Die Mine war die Einheit, die-
selbe war in fünfzig Scheckel geteilt. Die Goldmine war aber etwas
leichter als die Silbermine, so daſs zehn Silberscheckel einem Gold-
scheckel des leichteren Gewichtes gleich kamen.


Nach dieser Skizze des Handels und der Industrie Mesopotamiens
bedarf es kaum mehr der Erwähnung, daſs die Bewohner des Euphrat-
und Tigrislandes schon in sehr früher Zeit die Metalle kannten und
verarbeiteten. Schon das Münzsystem beweist die Bekanntschaft des
Goldes und Silbers in sehr alter Zeit. Zur Zeit Thuthmosis III. war das
[124]Die Semiten.
babylonische Münzsystem bereits in Syrien und bei den Phöniziern
allgemein verbreitet.


Die Metalle, die wir im Gebrauch finden, sind Gold, Silber, Kupfer,
Eisen, Blei und Zinn. Das Gold war den Semiten in ältester Zeit be-
kannt. Zwar findet sich in dem eigentlichen Mesopotamien kein Gold,
aber der Handel führte ihnen das Metall schon in frühester Zeit zu.
In den ältesten chaldäischen Ruinen hat man neben Steinwerkzeugen
Schmucksachen von Gold aufgefunden. Die altassyrische Bezeichnung
für Gold ist huraz . Daneben erscheinen in den anderen chal-
däischen Dialekten die Bezeichnungen kuraza und kurassu, interessant
durch die Verwandtschaft mit dem griechischen χφῦςόζ. Das meiste
Gold des Handels kam aus dem Süden und zwar durch den arabischen
Zwischenhandel teils aus Midian, teils aus Äthiopien, später auch aus
Indien durch den Küstenhandel über Teredon und Gerrha. Der Krieg
schaffte zwar keine Werte; aber er war die Veranlassung der Anhäufung
ungeheurer Massen von Metallen und insbesonders von Gold in den
Hauptstädten der orientalischen Könige. Wir haben aus den Tribut-
tafeln der assyrischen Könige schon kennen gelernt, welche Menge von
edlen Metallen sie aus ihren Kriegen mit heimbrachten. Der Gold-
reichtum der assyrischen, babylonischen und später der persischen
Könige grenzt ans Unglaubliche. Ktesias, dessen Angaben freilich
meist übertrieben sind, behauptet, daſs bei der Eroberung Ninivehs die
verbündeten Babylonier und Meder zehn Millionen Zentner Gold und
hundert Millionen Zentner Silber erbeutet hätten. Aus einem Teil
seines Beuteanteils baute Nebukadnezar in Babylon einen Tempel, in
dem er eine Anzahl Götterbilder aus massivem Golde aufstellen lieſs.
Das Bild des Bel wog 1000 Zentner, das Bild einer weiblichen Gottheit,
der Rhea, ebenfalls 1000 Zentner, eine Statue der Beltis (Hera) 800 Zent-
ner. Ferner stiftete er ein groſses goldenes Becken, das 1200 Zentner
wog, und zwei kleinere von je 600 Zentner Gewicht. Nach Diodor betrug
der Wert des Goldes, den Xerxes bei der Eroberung Babylons aus dem
Belsistempel nahm, 7350 attische Talente, nahezu 500 Millionen Mark.
Alexander der Groſse häufte bei seinem asiatischen Kriegszug in
der Stadt Ekbatana 180000 Talente an geraubtem Gold und Silber
auf. Wie alt muſs die Metallindustrie Westasiens gewesen sein, durch
welche solche Massenansammlungen von Gold in so früher Zeit geschehen
konnten! Die Goldschmiedekunst war auch in den Städten Chaldäas
hoch entwickelt. Wir haben der Arm- und Fuſsspangen, Ohrringe, der
kunstvollen Schwertgriffe u. s. w. schon gedacht, ebenso wie der Bild-
[125]Die Semiten.
werke. Die ältesten Bilder der Götter waren von Holz und wurden
mit Goldblech überzogen, erst später fertigte man massive Bilder.
Ebenso wurden Thronsessel, die Thüren in den Palästen, das Holz-
getäfel an den Wänden, die Streitwagen der Könige mit Goldblech
überzogen.


Silber hat sich in den ältesten Trümmerstädten des südlichen
Mesopotamiens nicht gefunden, es wäre deshalb möglich, daſs ähn-
lich wie in Ägypten, das Silber erst später bekannt geworden ist.
Die ältesten Tributlisten berichten indeſs schon von Silber und scheint
dieses Metall sogar in ungeheueren Mengen in den gröſseren Städten
Westasiens angehäuft gewesen zu sein. Meist ist das Gewichtsquantum,
was bei den Brandschatzungen erhoben wird, weit gröſser, als dem
Wertverhältnis zwischen Gold und Silber entsprechen würde. So er-
hebt Bin -nirar von Damaskus nur 20 Talente Gold, dagegen 2300 Ta-
lente Silber, also mehr als das Hundertfache, während der relative
Wert von Gold zu Silber nach dem Münzsystem wie 1:13⅓ war.
Silber kam um diese Zeit schon in groſsen Mengen durch den phöni-
zischen Handel von Spanien nach Asien. Silber heiſst im Assyrischen
kaspu (kaspa) . Silber wurde auſser zu den gangbarsten Münzen,
dem Silberscheckel, zum Schmuck und Bildwerken, ähnlich wie das
Gold verarbeitet. Vier silberne Stiere lieſs Assurbanipal zu Borsippa
im Tempel Bit-sida aufstellen. In einer sehr alten akkadischen In-
schrift heiſst es schon: „Mit Platten von Silber und poliertem Kupfer
bekleidete ich das Innere (des Tempels 1). Pasalli hieſsen hölzerne
Götterfiguren, welche mit Gold, öfter noch mit Silberblech überzogen
wurden 2). Die Figuren von gediegenem Gold und Silber waren wohl nicht
gegossen, sondern getrieben und zusammengesetzt. In den Inschriften
ist ein interessanter Gegensatz sowohl zwischen den edlen Metallen, die
durch das Feuer geläutert werden, und denen, die mittels Feuer ge-
gossen werden. In einer für die Metallurgie bedeutsamen Hymne an
das Feuer heiſst es: „O Feuer, von jedem Ding, das Namen hat, schaffst
du die Herstellung. Vom Erz und Blei bist du der Schmelzer. Vom
Gold und Silber bist du der Reiniger 3)!“


Das Kupfer war in früher Anwendung teils zum Schmuck, teils
zu Waffen und Werkzeugen.


Es fand sich in den ältesten chaldäischen Trümmerstädten zusam-
[126]Die Semiten.
men mit Steinwerkzeugen und Goldschmuck. Bemerkenswert ist der
altassyrische Name des Kupfers. Er heiſst kipar 
(kiebar-Akkadisch Takabar). Dies läſst uns sofort der Insel Kypros
(Cypern) gedenken. Da aber das Wort kipar älter ist als der Name
der Insel, diese vielmehr in den alten Inschriften Jatnan heiſst, so dürfen
wir wohl annehmen, daſs sowohl der Name Kypros, als das Wort aes
Cyprium, cuprum und Kupfer aus der semitischen Sprache abzuleiten
sind. Den frühen Gebrauch des Kupfers bezeugen die alten Gräber
im südlichen Chaldäa, aus denen wir einen alten Ritus der Bestattung
kennen lernen. In den geräumigen Grabkammern, die man zu Ur und
Erek aufgefunden hat, lagen die Leichen auf einer Schilfmatte, meist
nach der linken Seite gewendet, das Haupt auf einem Ziegel: der rechte
Arm über die Brust nach links gelegt, ruht mit dem Finger auf dem
Rande einer kupfernen Schale 1). Diese Leichen trugen Amulette,
die an Draht befestigt waren. Es sind unscheinbare Steine, die einige
deshalb für Meteorsteine halten wollen 2).


Eine andere, sehr frühe Verwendung des Kupfers ist durch eine
Entdeckung von Loftus erwiesen. Er fand in den Trümmern des
Tempels von Mugheir (Ur) blau glasierte Ziegel mit Kupfernägeln. Diese
Ziegel dienten wahrscheinlich zur Auskleidung des obersten Stockwerkes
des Tempels, in dem das Bild des Gottes stand. Spangen und Ringe
von Kupfer waren in ältester Zeit in Gebrauch. Zahlreich sind die
Geräte und Waffen von Kupfer, die in den Palästen Ninivehs aufge-
funden wurden.


Im eigentlichen Heimatlande der Assyrier finden sich im Tiyari-
gebirge Kupfererze im Gebiet von Khurdistan. Ebenso in der Nähe von
Diabekr. Kupfer wird häufig in den Tributlisten aufgeführt. Assarhadon
legt den Medern einen Tribut an Kupfer auf. „Das Produkt ihrer
Bergwerke.“ Damaskus muſste, wie erwähnt, an Phul 3000 Talente
Kupfer zahlen.


Die Chaldäer kannten bereits die Bronze, d. h. die Legierung
von Kupfer und Zinn und verstanden sie zu schmelzen und zu gieſsen.
Ob sie die Herstellung der Mischung selbst erfanden, ist zweifelhaft.
Gegenstände von Zinn sind in den alten Trümmerstädten nicht auf-
gefunden worden. In späteren Keilinschriften wird das Zinn erwähnt.
Unter den sieben Kisten im Fundamente des Palastes des Sargon wird
[127]Die Semiten.
auch eine von Zinn aufgeführt. Demungeachtet ist die Verwendung
des Zinns für sich noch nicht ganz erwiesen. Blei war dagegen wohl
bekannt. Bleierze finden sich ebenfalls im Tiyarigebirge im Lande
der Assyrer. Man kann von vornherein annehmen, daſs, wo Silber be-
kannt war, auch das Blei nicht unbekannt sein konnte. Es scheint auch
in Formen gegossen worden zu sein, wie wir aus der oben angeführten
Stelle einer Hymne an das Feuer, in der es neben dem Erze genannt wird,
schlieſsen dürfen. Sein Name war anna (annak) 
Gegenstände von Blei sind selten, doch hat man bereits in den älteren
Trümmerstädten einige Sachen gefunden; so eine Schale und das Bruch-
stück einer Pfeife zu Mugheier. Die Herkunft des Zinns bleibt
immer noch unaufgeklärt und doch ist sie von gröſster Wichtigkeit
wegen der ersten Entdeckung der Bronze.


Dem Gebiete der Drangen im südlichen Paropamisus, in dem nach
Strabos Zeugnis Zinnbergwerke waren, liegt Mesopotamien näher als
Phönizien. Lenormant will ferner eine ältere Gewinnung von Zinn in das
kaukasische Iberien, d. h. in dem südlichen Georgien annehmen. Die
Angaben hierüber scheinen jedoch noch sehr unbestimmt. Gegenstände
von Bronze kommen bereits in den älteren Trümmerstädten Südbaby-
loniens vor. Es wurde für alle gewöhnlichen Gegenstände des Ge-
brauchs verarbeitet. Ringe und Spangen von Bronze hat man häufig
gefunden, ebenso Jagdwaffen, Speere und Angeln.


Wir haben oben bereits erwähnt, daſs man eine Bronzestatuette
in der Nähe von Bagdad aufgefunden hat, welche die Namen des ela-
mitischen Königs Rim-Aku und seines Vaters Kudur-Mabuk trägt.
Wenn sie wirklich aus der Zeit Rim-Akus stammt, so muſs sie etwa
um 2000 v. Chr. angefertigt worden sein und wäre das älteste gegossene
Bronzebild, das wir kennen. Lenormant ist geneigt, der turanischen
Urbevölkerung die Erfindung der Bronzedarstellung und des Bronze-
gusses zuzuschreiben und sprechen allerdings einige Umstände für diese
Annahme. Die Turanier, die in den die mesopotamische Ebene im
Halbkreis umgebenden Gebirgen vor der Einwanderung der Semiten
von Süden und der Arier von Osten her ansässig gewesen zu sein
scheinen, zeichnen sich, wo man sie näher kennen gelernt hat, durch
hohe metallurgische Kenntnisse aus. Das Gebiet der in Susiana hei-
mischen Turanier lag dem Gebiete der Drangen, die vielleicht stamm-
verwandt waren, und in deren Gebiet Zinn gefunden wurde, nicht fern.
Kupfer fand sich in den Ausläufern des Paropamisus zur Genüge. Die
Bedingungen der Erfindung der Bronze waren also gegeben. Dem-
[128]Die Semiten.
ungeachtet fehlt noch viel zur Begründung dieser Annahme. — Zur
Zeit der assyrischen Herrschaft war die Verwendung der Bronze bereits
ganz allgemein geworden. Wir finden in den Keilinschriften für die
Bronze eine eigene Bezeichnung, was in der ägyptischen Sprache nicht
nachzuweisen ist, nämlich eru 1).


Die meisten Bronzegeräte sind geschmiedet. In getriebener Arbeit
leisteten die Assyrier Bedeutendes. Die ausgetriebenen Ornamente
wurden dann mit dem Grabstichel vollendet. Getriebene Gefäſse, wie
Kannen, Teller u. s. w. hat man gefunden. Auf die Verarbeitung der
Bronze bei der Heeresausrüstung werden wir später zurückkommen.
Massive Erzfiguren sind selten, häufiger Flachreliefs. Die kleinen
massiven Tierfiguren, die man gefunden hat, scheinen als Gewichte ge-
dient zu haben. Es sind keine Anzeichen dafür vorhanden, daſs die
Bewohner Mesopotamiens imstande gewesen seien, gröſsere Guſsstücke
von Bronze herzustellen. Der Guſs wurde nur für kleinere Gegenstände,
am häufigsten zu Reliefgüssen, zur Ornamentierung von Sesseln, Wagen,
Möbeln etc. angewendet und wurden diese Guſsstücke mit Stiften auf
Holz befestigt. Eins der merkwürdigsten Bronzeguſsstücke, einen Drei-
fuſs, bei dem die Bronze um das Eisen gegossen ist, werden wir weiter
unten näher besprechen. Viele der aufgefundenen Bronzeguſsstücke
tragen den Typus der phönizischen Handelswaren, die Dekoration ist oft
in ägyptischem Styl gehalten. Auch entspricht die Mischung der assyri-
schen Bronzen ganz der der phönizischen. Zur Zeit Sargons war die
normale Mischung von 1 Teil Zinn auf 10 Teile Kupfer bereits allgemein
gebräuchlich, daneben kommt die Mischung von 1:7 vor. Es ist auſser
Zweifel, daſs in späterer Zeit, d. h. in dem ganzen Jahrtausend v. Chr.
die Assyrier und Babylonier ihr Zinn durch die Phönizier erhielten.


Das Eisen war den Chaldäern schon in frühester Zeit bekannt.
Freilich sind in den ältesten Trümmerstädten Südbabyloniens die Eisen-
funde rar. Wenn man aber die Zerstörbarkeit des Eisens durch Rost
einerseits und die lange Zeit andererseits ins Auge faſst, so kann es
uns nur noch wundern, daſs überhaupt noch eiserne Gegenstände er-
halten geblieben sind. Bis jetzt hat man dort nur eiserne Finger- und
Armringe aufgefunden. Eiserne Fingerringe waren ein charakteristischer
Schmuck der alten Kulturvölker. Sie hatten eine symbolische Bedeutung.
Die Mündigkeit oder richtiger die Wehrhaftigkeit des freien Mannes
wurde durch Anlegung des eisernen Ringes kundgegeben, — wir werden
[129]Die Semiten.
dieser Sitte, die auch den Ägyptern nicht fremd war, noch öfter be-
gegnen. Zur Zeit der assyrischen Herrschaft finden wir das Eisen bereits
im allgemeinen Gebrauch. Es kommt reichlich in den assyrischen Bergen
vor. Layard fand es in Mengen 3 bis 4 Tagereisen von Mosul im
Tiyarigebirge. Im benachbarten Churdistan gewinnen die kriegerischen
Einwohner bis heute noch ihr Eisen selbst. Sein Name war parzil
 auch . Häufig kommt es in den Inschriften
vor. „Das Schwert (ku) von Eisen“ ()
wird oft erwähnt. So heiſst es in einer alten Inschrift: Als Ursu, König
von Urarda hörte, daſs das Bild von Magdia sein Gott, weggeführt
war: „Mit einem Schwert von Eisen zerstörte er sein Leben 1)“.


Figure 28. Fig. 28.

In einer, im britischen Museum aufbewahrten Inschrift heiſst es:
„Ich tötete einen andern Löwen mit einem Schwert von Eisen 2)“.


Die Schwertformen waren bereits sehr mannigfaltige, wie sich aus
den assyrischen Skulpturen ergiebt und die Formvollendung von Klinge,
Griff und Scheide ist geradezu überraschend. Die typische Gestaltung,
die wir bei den Ägyptern eigentlich noch vermissen, tritt uns hier klar
entwickelt in bestimmten Eigenarten entgegen. Die Könige tragen das
Beck, Geschichte des Eisens. 9
[130]Die Semiten.
lange, schmale, degenförmige Schwert mit reichverziertem Griff aus
poliertem Holz oder Elfenbein mit kunstvollem Metallbeschlag und mit
schön dekorierter Scheide (Fig. 28, 1, 2, 3). Bei den Kriegern der Leib-
garde, die aus der Elite aller unterworfenen Völker in ihrer nationalen
Bewaffnung zusammengesetzt war, erkennen wir die mannigfaltigsten
Schwertformen. So das breite Schwert mit aufgebogener Parierstange
(Fig. 28, 4), eine Form, die in Europa erst spät Eingang gefunden hat;
diesem verwandt ein kräftiges Kurzschwert mit grader Parierstange
(Fig. 28, 5). Dann wieder die Formen, die den älteren europäischen am
nächsten stehen, das stumpf zugespitzte Schwert mit Knauf und Wulst
ohne eigentliche Parierstange (Fig. 28, 6). Dann finden sich säbelartige
Schwerter mit dazugehöriger breiter Scheide (Fig. 28, 7), ferner dolch-

Figure 29. Fig. 29.


artige Schwerter (Fig. 29, 9) und endlich Haumesser (Fig. 29, 10), ähnlich
dem altdeutschen Sachs. Unzweifelhaft waren alle diese Schwerter
von Eisen.


Ihre Ausrüstung, wie sie in den alten Skulpturen abgebildet ist,
zeigt manche Ähnlichkeit mit derjenigen der Ägypter. Auch hier ist
Pfeil und Bogen die Hauptwaffe der Fürsten und Vornehmen; der
Speer die Waffe des Gemeinen. Dazu kommen Dolche, Schwerter und
Streitkolben, die nach Herodots Angabe mit eisernen Spitzen versehen
waren. Die Kriegswagen, die charakteristische Ausrüstung der Semiten,
sind die Stärke des Heeres. Aber abweichend von den alten Ägyptern
bedienen sich die Assyrer der Pferde auch zum Reiten. Die Reiterei
bildet einen wichtigen Teil des Kriegsheeres. Der vornehme Reiter
[131]Die Semiten.
trägt Bogen und Pfeil und ein reich verziertes Schwert an der linken
Seite. Doch gab es bei den Assyrern auch Lanzenreiter 1), wohl die
ältesten Ulanen. Nebenstehende Abbildung (Fig. 29) giebt einige
Muster vorzüglich geschmiedeter assyrischer Lanzenspitzen. Das Pferd
der Vornehmen ist reich geschirrt und gepanzert. Während die ge-
wöhnliche Reiterei den Sattel nicht benutzt, ist auf den Abbildungen
eine Art Reiterei dargestellt, deren Pferde sonderbare Sättel tragen,
ähnlich den heutigen Damensätteln, auf denen sie auch in derselben
Weise sitzen, so daſs beide Beine auf derselben Seite herabhängen. Da
diese Reiter indes stets noch ein zweites Pferd am Zügel führen, so
mögen sie wohl die Troſsknechte der Fürsten vorstellen 2).


Auf den Kriegswagen befinden sich gewöhnlich zwei Personen, der
Kämpfer und der Wagenlenker. Die Wagen, die schon zur Zeit Sal-
manassar I. um 1300 v. Chr. erwähnt werden, hatten, abweichend von
den ägyptischen, eine doppelte Deichsel und waren mit drei Rossen
bespannt. Die Räder sind Speichenräder, aber weit plumper als die
der Ägypter, meist massiv oder mit dickem Holzkranz. In einer
wichtigen Keilinschrift des Tiglath Pileser heiſst es indes: „Ich be-
diente mich eiserner Wagen, um die steilen Berge und die schwierigen
Passagen zu überwinden 3).“


Die Fuſstruppen sind meist Lanzenträger, die mit einem kreisrunden
Schilde ausgerüstet sind. Eine vornehmere Fuſstruppe bilden die Bogen-
schützen, deren jeder seinen eigenen Schildträger hat. Die Schilde,
welche diese trugen, waren sehr groſs, fast von Manneshöhe und wurden,
da ihr Gewicht das freie Halten nicht erlaubte, auf den Boden aufgestellt.
Sie sind oben umgebogen und ihre Form erinnert fast an ein Schilderhaus.
Hinter diesem groſsen Schilde steht der Bogenschütze, der überdies
durch ein Panzerhemd, das bis an die Kniee reicht, geschützt ist und
versendet von da seine Pfeile. Wem fällt da nicht Homers Schil-
derung der beiden Ajaxe vor Troja ein? Als Schutzwaffen dienten zum
Teil Koller aus Leinenzeug, teils Panzer. Diese waren Schuppenpanzer,
wie bei den Ägyptern. Die Helme sind Spitzhauben aus Metall; erst
später scheinen die Helme mit Kämmen (Fig. 30 a. f. S.) aufgekommen
zu sein. Die Waffen waren teils von Erz, teils von Eisen. Layard stieſs
bei den Ausgrabungen von Nimrud, als er die erste Kammer aus-
räumen lieſs, am Boden unter der Erde auf einen ganzen Haufen Eisen-
9*
[132]Die Semiten.
stückchen. Es waren Schuppen von Panzern. Jedes Blättchen war 2 bis
3 Zoll lang, an einem Ende kreisförmig gerundet, am anderen eckig und
hatte eine erhabene, getriebene Linie in der Mitte. Das Eisen war gänzlich
in Rost verwandelt. Layard lieſs mehrere Körbe voll sammeln. Bei
weiterem Graben in demselben Raume fanden sich Waffen von Kupfer,
von Eisen und andere von Eisen mit Kupfer eingelegt. Zuletzt ent-
deckte er auch einen vollkommenen Helm, von der Gestalt der auf
den Reliefdarstellungen so häufig abgebildeten Sturmhauben. Der
Helm war ganz von Eisen und nur am unteren Rande mit einem
kupfernen Bande umzogen. Er war so gänzlich verrostet, daſs er unter
den Fingern in Stücke zerfiel. Es fanden sich auch kupferne Panzer-

Figure 30. Fig. 30.


blättchen, die an den Ecken Löcher hatten, wodurch sie wahrscheinlich
dem Leder aufgenäht waren.


Überhaupt spielte das Eisen bei der Ausrüstung der assyrischen
Krieger eine groſse Rolle und ist es sowohl deshalb, als wegen der
Metalltechnik im allgemeinen wohl angezeigt, einen Blick auf die Be-
waffnung des assyrischen Heeres zu werfen. Die Assyrer waren ein
kriegerisches Volk, wohlausgerüstet und stolz auf ihre Waffen. Oft
heiſst es in den Inschriften: „Ich verachte seine (des Gegners) Waffen.“
Die Assyrer hatten ein stehendes Heer. Die unterjochten Völker
muſsten eine Anzahl Krieger zur Leibgarde des Königs stellen, im Kriege
aber muſs die ganze waffenfähige Jugend Assyriens aufgeboten worden
sein. Das stehende Heer war die Stärke Assurs und die Bewunderung
seiner Feinde. Jesaias sagt: (5, 26 bis 29): „Dies Volk schläft und
[133]Die Semiten.
schlummert nicht. Nicht löst sich der Gürtel seiner Lenden und nicht
zerreiſsen die Riemen seiner Schuhe. Seine Pfeile sind geschärft und
alle seine Bogen gespannt, seiner Rosse Hufe sind Kieseln gleich und
seine Streitwagen gleichen dem Sturmwind.“


Kupfer, Bronze und Eisen dienten zur Ausrüstung der Krieger,
doch war von diesen das Eisen am meisten angewendet. Daſs das
Schwert eine so wichtige Rolle in der Ausrüstung der assyrischen Helden
spielt, beweist allein schon, daſs sie nicht nur Eisen, sondern auch den
Stahl kannten und verwendeten; denn weder aus Kupfer, Bronze oder
weichem Eisen lassen sich Schwerter herstellen, die anderen Waffen
gegenüber eine entschiedene Überlegenheit haben, dies kann man nur
aus dem elastischen Stahl. Allerdings giebt es kein besonderes Wort
für Stahl, sie machten zwischen Eisen und Stahl, die ja auch nur bei
geschärfter Beobachtung als verschieden erscheinen, keinen Unterschied.
Stahl war ihnen nur ein besseres Eisen, geeigneter für Schwerter und
schneidende Werkzeuge. Sie erhielten ihn zuerst und zumeist aus den
nördlich des Taurus gelegenen Bergländern der Moscher, Tibarener
und Chalyber. Schon in den ältesten Tributlisten aus dem Jahre
881 v. Chr. wird dem Volke der Moscher Tribut von Eisen und von Vieh
auferlegt. Eisen wird zuerst genannt und es läſst sich wohl annehmen,
daſs dies Eisen von besonderer Güte und sehr gesucht war, daſs es an
Qualität dem Eisen, welches sich die Assyrer in ihrem eignen Lande
bereiteten, überlegen war. Den Fürsten des Landes Narini im heutigen
Churdistan wird in derselben Periode ein Tribut auferlegt und bei dessen
Aufzählung von Metallen neben Gold und Silber nur Eisen genannt.
Assurnasipal erhebt in dem Nachbargebiete von Karchemis nur Eisen und
Silber. Weder Kupfer, noch Erz werden in jener Zeit erwähnt. Hieraus
ersieht man, wie die kriegerischen Assyrer den Wert des Eisens zu
schätzen wuſsten und wie reichlich sie es verwendeten. Erst, seitdem das
assyrische Reich unter Salmanassar II. sich nach Süden weiter ausdehnte,
seitdem es mit dem Reichtume von Babylon, Damaskus und den Städten
Phöniziens bekannt wurde, wird Kupfer öfter genannt. Demungeachtet
sehen wir, daſs Damaskus bei der groſsen Brandschatzung um das Jahr
800 v.Chr. neben 3000 Talenten Kupfer, 5000 Talente Eisen als Tribut
auferlegt werden. Es darf daraus wohl geschlossen werden, daſs das
Eisen in jener Zeit verbreiteter war, und in mannigfacherer Verwendung
stand, als das Kupfer oder Erz. Es dürfte von Interesse sein, von der
obenerwähnten Keilinschrift, welche sich auf die Eroberung von Da-
maskus durch König Phul um das Jahr 800 v. Chr. bezieht, noch eine
[134]Die Semiten.
zweite, ausführlichere Übersetzung von Talbot 1) zu geben. Sie lautet:
„Ich zog aus gegen das Land Tusu mit Heerscharen. Ich belagerte
Mariah, den König von Tusu in seiner Hauptstadt Damaskus. Gewal-
tige Furcht vor Assur, seinem Herrn, bewältigte sie, er beugte sich unter
mein Joch, huldigte und warf sich zu Boden vor mir. 2300 Talente
Silber, 20 Talente Gold, 3000 Talente Kupfer und 5000 Talente
Eisen
, schöne Gewänder von verschiedener Farbe, purpur und gelb,
seinen Elfenbeinthron, seinen Elfenbeinpalankin mit geschnitzten Zier-
raten und anderen Reichtum und Schätze und Überfluſs in der Stadt Da-
maskus, seiner Residenzstadt, empfing ich mitten in seinem Palaste 2).“


Eher scheint es, daſs in späterer Zeit das Eisen wenigstens in den
Schatzkammern der Könige seltener geworden oder von den Siegern
im Vergleich der Bronze nicht mehr so begehrt wurde, wie früher.
Wenigstens lassen einige Inschriften Sardanapals III. dies glaubhaft
erscheinen. So heiſst es in einer Keilinschrift, die auch dadurch be-
merkenswert ist, daſs des Zinns ausdrücklich Erwähnung geschieht:
„Um Ammibaal, den Sohn Zamans zu rächen, zog ich aus … ich
empfing Tribut von Silber, Gold, 100 Talente Zinn, 700 Talente Erz, drei-
hundert Hände von Erz, Töpfe von Erz etc.“ Bei Eroberung eines anderen
Schatzes erwirbt Sardanapal auſser dem Übrigen 100 Talente Eisen und
500 Talente Erz. Ein andermal fallen in seine Hände 20 Talente
Silber, 1 Talent Gold, 200 Talente Erz und 100 Talente Eisen 3).


Indessen können wir Schluſsfolgerungen aus diesen Ziffern nicht
viel Wert beilegen gegenüber den Aufschlüssen, welche uns die Aus-
grabungen geliefert haben, die den Reichtum an Eisen und seine mehr-
fache Verwendung aufs klarste beweisen.


Kein Fund ist in dieser Beziehung so charakteristisch als der von
Victor Place, der als Resident in Mosul unter der Herrschaft und mit
Unterstützung Napoleon III. bedeutende Ausgrabungen zu Khorsabad
vornahm, deren Ergebnisse in dem Prachtwerke: Niniveh et L’Assyrie
par Victor Place, Paris 1867, veröffentlicht worden sind.


Place stieſs in den Trümmern des Palastes in Khorsabad auf ein
groſsartiges Eisenmagazin, in welchem nach seiner Schätzung minde-
stens ein Gewicht von 160000 kg Eisen beisammen lag. Das Magazin
war 5 m lang, 2,60 m breit und 1,40 m hoch mit Eisen angefüllt.
[135]Die Semiten.
Der gröſste Teil dieser Masse bestand aus nach zwei Seiten spitz zu-
laufenden Eisenklumpen, wie sie in Fig. 31, 1, 2, 3 dargestellt sind. Sie
hatten eine wechselnde Länge von 32 bis 48 cm, eine Dicke in der

Figure 31. Fig. 31.


Mitte von 7 bis 14 cm, und dem entsprechendes Gewicht von circa
4 bis 20 kg. Letzteres Gewicht giebt auch Place an. Charakteristisch
ist, daſs alle nahe dem einen Ende ein enges Loch von 20 mm Weite
haben. Victor Place sah diese sonderbaren Eisenblöcke für Werkzeuge
[136]Die Semiten.
an, über deren Zweck er sich freilich vergeblich den Kopf zerbrach.
Das enge, unregelmäſsige Loch sollte für einen Holzstiel dienen. Hier-
zu ist es aber viel zu klein und ganz ungeeignet. Diese Eisenblöcke
sind vielmehr nichts anderes als Rohluppen, wie sie von den Eisen-
schmelzen in den Handel gebracht wurden. Sie wurden an einem
Stricke aufgereiht, wozu die enge Öffnung diente und so von Menschen
oder Tieren, Mauleseln oder Kamelen transportiert. Ähnlichen Formen
werden wir noch öfter begegnen. Es war die allgemein gebräuchliche
Handelsform der Rohluppen 1). Hierdurch erklärt es sich auch leicht,

Figure 32. Fig. 32.


daſs gerade diese Art Eisenblöcke die Hauptmasse des Schatzes bildet.
Es war ein Vorrat unverarbeiteten Materials, hauptsächlich wohl für
Kriegszwecke aufgespeichert. Die Luppen sind zum Teil nicht mehr
intakt, auch sind die Formen nicht alle von obigem Typus. Der
gröſste Teil des reichen Eisenschatzes von Khorsabad ist verloren
gegangen, indem das Segelschiff, welches den Vorrat nach Frankreich
schaffen sollte, leider an der sizilianischen Küste scheiterte. Einige die-
ser Blöcke, die Place mit anderen Dingen in einer Kiste vorausgeschickt
hatte, befinden sich im Museum des Louvre in Paris. Man hat diese
Blöcke näher geprüft und gefunden, daſs Places Ansicht, es seien
[137]Die Semiten.
Werkzeuge von Stahl, irrig ist, indem es sich als gewöhnliches, weiches
Eisen erwies, was auch unserer Erklärung entspricht. Neben diesen
Rohluppen fanden sich aber in dem Eisenmagazine zu Khorsabad noch
mancherlei andere Gegenstände von Eisen. Diese waren, wie die Lup-
pen, regelmäſsig aufgeschichtet, jede Sorte für sich. Besonders ist
eine ziemliche Menge von Ringen und Kettenstücken zu erwähnen
(Fig. 32).


In dem Boden des Hofes waren Ringe mit Klammern in Stein be-
festigt, die wahrscheinlich zum Anbinden von Pferden oder Opfertieren
dienten. Pferdegebisse und Stangen von Eisen haben sich ebenfalls
gefunden. Eiserne Spitzen von Enterhaken oder Schifferstangen finden
sich in dem Magazine, wie denn auch die oben abgebildeten schweren
Ketten Schiffsketten gewesen zu sein scheinen. Die in Fig. 31, 6, 7, 8
abgebildeten Eisen hält Place für Pflugschareisen, wahrscheinlicher
waren es Schuhe von Brückenpfählen, die eingerammt wurden. Das
Fig. 31, 5 abgebildete Werkzeug scheint ein Steinmetzhammer, vielleicht
zum Zuhauen der Alabasterplatten gewesen zu sein. Es läſst sich leicht
erkennen, daſs er mit den Rohluppen (Fig. 31, 1, 2, 3) nichts gemein
hat, obgleich Place sie zusammenstellt. Fig. 32, 5 scheint eine eiserne Rad-
nabe gewesen zu sein. Bemerkenswert ist, daſs das Eisen in diesem
Magazine sich so gut erhalten hat. Die auſsenliegenden Stücke waren
mit einer papierdicken Rostschicht bedeckt, die inneren nur mit einem
Anflug von Rost. Das Eisen hatte einen hellen Klang. Place lieſs
einiges davon zur Probe verarbeiten und erklärte der Schmied, auſser
persischem Eisen nie besseres unter dem Hammer gehabt zu haben.
Die Araber waren versessen darauf und verarbeiteten es zu Sensen und
Sicheln. Place deckte einen ähnlichen Raum auf, der ein Magazin für
Bronze und Kupfer gewesen zu sein scheint. Doch war dies fast ganz
leer. Es läſst sich annehmen, daſs bei der letzten Plünderung von
Niniveh man das wertvollere Metall fortschleppte, das wertlosere Eisen
dagegen liegen lieſs.


Das merkwürdige Magazin giebt uns zu mancherlei Schluſs-
folgerungen Veranlassung. Wir ersehen daraus zunächst, daſs die
Könige Assyriens groſse Vorräte von Eisen anhäuften, die einen Teil
ihres Schatzes bildeten, um für Bau- und Kriegszwecke verwendet zu
werden. Dies ist in Übereinstimmung mit den Tributlisten, in denen,
wie wir gesehen haben, in vielen Fällen das Eisen eine hervorragende
Rolle spielt. Wahrscheinlich stellten die in den Listen aufgeführten
Mengen von Metall den jeweiligen Inhalt solcher Schatzkammern be-
siegter Fürsten dar. Die Form, in der das Eisen aufbewahrt wurde,
[138]Die Semiten.
war in der Hauptsache diejenige, wie es vom Schmied oder Schmelzer
in den Handel gebracht wurde (der σόλον αυτοχόων Homers).


Aus dem Umstande, daſs der Feind bei der letzten Plünderung
Ninivehs diesen Eisenschatz zurücklieſs, ehe er die Stadt der Paläste
den Flammen übergab, während er die Vorräte der übrigen Metalle
mit fortschleppte, geht hervor, daſs das Eisen schon damals am ge-
ringsten im Werte stand, also das verbreitetste und gewöhnlichste Nutz-
metall war. Die Übereinstimmung der Form der Rohluppen mit denen
der Römer und des frühen Mittelalters läſst uns schlieſsen, daſs auch
der Schmelzbetrieb und die Art der Gewinnung des Eisens aus seinen
Erzen bei den Assyrern und deren Nachbarvölkern ähnlich war, wie
wir sie später bei den Römern und Germanen genauer kennen lernen
werden, im wesentlichen auch analog dem der Ägypter.


Figure 33. Fig. 33.

Über die Verarbeitung des Eisens und die Art seiner Verwendung
geben uns weitere Funde Aufschluſs. Layard war es, der bei seinen
Ausgrabungen zu Nimrud mancherlei Gegenstände von Eisen auffand.
Schon im Herbste 1846 fand er jene groſse Menge eiserner Panzer-
schuppen, deren wir oben schon Erwähnung gethan haben. Ebenso
haben wir die aufgefundenen eisernen Spitzhauben bereits beschrieben.


Es wurden auch noch Helme von anderer Gestalt, einige mit
hohem Kamm, aufgedeckt; aber alle zerfielen an der Luft, und es ge-
lang nur mit groſser Vorsicht, einzelne Fragmente, die noch zusammen-
hängen, zu sammeln 1). Leider ist nicht mitgeteilt und wird bei dem
Zustande, in dem sich die Helme befanden, schwer zu erkennen
[139]Die Semiten.
gewesen sein, in welcher Weise sie hergestellt waren. Wahrscheinlich
waren sie, wie ähnliche bekannte Helme aus späterer Zeit, aus zwei,
aus starkem Blech ausgetriebenen Hälften zusammengenietet. Bei
denjenigen mit Kämmen ist dies leicht zu erkennen, indem der Kamm
selbst die Nietnaht bildet. Jedenfalls beweist die Anfertigung der
Pickelhauben ganz aus Eisen eine groſse Geschicklichkeit in der Be-
handlung des Metalls. Die beiden Schalen, aus denen der Helm zu-
sammengesetzt war, muſsten über einen Block oder einen entsprechen-
den Ambos ausgetrieben werden. Layard hat bei seinen weiteren
Ausgrabungen viele Waffen und Werkzeuge von Eisen aufgefunden.
Man fand eiserne Schwerter, Dolche, Lanzen- und Pfeilspitzen. Von
eisernen Werkzeugen aus Niniveh befinden sich im britischen Museum
eine Art Doppelkeilhaue (Fig. 33, 1), ferner Hämmer, Messer und Äxte,
ähnlich den nach Skulpturen (Fig. 28, 9, 10, 11) dargestellten 1). Am
bemerkenswertesten ist das Bruchstück eines breiten Sägeblattes. Es
ist 3 Fuſs 8 Zoll lang, 4⅝ Zoll breit und an dem einen Ende zu einem
Griff geschmiedet (Fig. 33, 2). Wahrscheinlich war es keine zweihändige
Säge, wie Layard annimmt, sondern eine breite, einhändige Säge, wie
wir solche bei den Ägyptern kennen gelernt haben. Eine solche ein-
händige Säge, eine Art Baumsäge, findet sich auf den Skulpturen abge-
bildet (Fig. 28, 12). Die Werkzeuge und Waffen, sowie die Ketten beweisen
auf das Bestimmteste, daſs die Assyrer in jener Zeit bereits vollständig
mit dem Schweiſsen des Eisens vertraut waren.


Figure 34. Fig. 34.

Zu Bau- und Dekorationszwecken
wurde das Eisen auch vielfach verwendet.
Wir haben bei der Beschreibung der festen
Brücke über den Euphrat bereits erwähnt,
daſs die Steinquadern durch eiserne Bän-
der, die eingebleit waren, verstärkt wur-
den. Man hat vor einigen Jahren solche
Klammern von nebenstehender Gestalt
wieder aufgefunden (Fig. 34 2). Aus In-
schriften von Niniveh geht hervor, daſs
die Assyrer das Eisen häufig verwendeten,
um das Gebälk zu verstärken und um Holz damit zu bekleiden. Eine In-
schrift meldet: „Ich Sennacherib, Groſskönig u.s.w. … habe umkleidet
ein Gebälk aus Zedernholz mit einer Verstärkung aus kiris (?) und von
[140]Die Semiten.
Eisen und habe den sikot (?) mit silbernen und eisernen Platten um-
geben 1).“


Eine andere: „Ich Sardanapal (III.) habe diesen Palast gegrün-
det . . . . ich habe eine Bedeckung von Eisen daran gemacht . . . . ich
habe ein Zimmerwerk von Sandelholz gemacht und es umkleidet mit
Ringen von Eisen 2).“


In Babylon gab es sogar Götzenbilder von Eisen. Ob dies auch
Holzbilder waren, mit Eisenblech umkleidet, läſst sich nicht entscheiden.


Der Eisenguſs war den Chaldäern, wie den übrigen Völkern des
Altertums unbekannt. Dagegen haben sich interessante Kombinationen
von Bronzeguſs mit Eisen gefunden. In einer Erzvase fand Layard
eine Anzahl gegossener Bronzeglöckchen mit eisernen Klöppeln, wie sie
wahrscheinlich die gewappneten Pferde trugen 3). Unter kupfernen
Kesseln fand er zerbrochene Füſse in Gestalt von Löwentatzen in Erz
gegossen, mit Resten von eisernen Ringen und Stangen, wahrscheinlich
alles Teile eines Dreifuſses, der als Untergestell des Kessels diente.
Diese Löwenfüſse bieten das gröſste Interesse dar, denn die Bronze ist
hier um die Stangen von Eisen herumgegossen 4). Durch die Ausdehnung,
die der Eisenkern durch das Rosten erfahren hat, war bei den meisten
die Bronze auseinandergeplatzt. Der Guſs selbst war durchaus fehler-
frei und die Berührung zwischen Eisen und Erz vollkommen. Augen-
scheinlich war das Erz um das Eisen gegossen und nicht das Eisen
nachträglich in die Bronze hineingesteckt. — Wir haben bereits einen
ähnlichen Fund aus Ägypten kennen gelernt, dasſelbe Verfahren kommt
bei griechisch-römischen Kandelabern vor. Die Bronze hatte nach Percys
Analyse die Zusammensetzung von 88,37 Proz. Kupfer und 11,33 Proz.
Zinn. Der Eisenkern dient jedenfalls mehr der Festigkeit als zur Er-
sparnis an wertvollerem Material. Wenn man die auſserordentlichen
Leistungen der Assyrer auch auf diesem Gebiete der Technik ins Auge
faſst, so würde unser Staunen über diese Vielseitigkeit des kriegerischen
Volkes ganz maſslos sein, wenn wir nicht wüſsten, daſs diese Werke
doch nur zum geringen Teil ihrem eigenen Genie zu danken sind. Den
gröſsten Anteil daran haben die Künstler und Handwerker der durch
die Assyrer unterworfenen Gebiete, welche die assyrischen Herrscher
ganz systematisch in die Gefangenschaft nach ihrer Residenz schleppten,
[141]Die Semiten.
um dort ihre Kunst für sich zu verwerten. Dies berichtet die Bibel
und die Keilinschriften bestätigen es. So heiſst es von Nebukadnezar
wiederholt, daſs er alle Zimmerleute und alle Schmiede aus Jerusalem
wegführte 1). In einer Keilinschrift rühmt sich Sennacherib: „Die
Handwerker sowohl der Aramäer als der Chaldäer habe ich mit mir
fortgeführt 2)“. Durch solche gewaltsame Konzentration tüchtiger Kräfte
konnte freilich Groſses geleistet werden.


Legen wir uns zum Schluſs noch die Frage vor: haben die Assyrer
den Stahl gekannt, so müssen wir dieselbe unbedingt bejahen. Ob sie
ihn selbst dargestellt haben, ob sie ihn für etwas anderes ansahen, als
ein besonders gutes Eisen, ist eine andere Frage und dürfte dies wohl
bezweifelt werden. Eine besondere Bezeichnung für Stahl existiert, wie
bereits erwähnt, in den Keilinschriften nicht. Wenn aber das Schwert
von Eisen gerühmt wird, so können wir sicherlich annehmen, daſs dar-
unter Stahl zu verstehen ist. Es war ja kein wesentlich anderer Prozeſs,
durch den Stahl oder Eisen gewonnen wurde, weit mehr kam die Qua-
lität der Erze dabei in Betracht. Die Unterscheidung der Qualität
wurde aber im Altertume nur nach Ländern gemacht, wenn aber die
Assyrer persisches Eisen beziehen oder den Moschern und Tibarenen
(den Nachbarn der Chabyler) Tribut von Eisen auflegen, so können wir
ziemlich bestimmt annehmen, daſs dies eine besondere Qualität Eisen,
daſs es Stahl war. Dafür spricht auch der weitere Umstand, daſs, ob-
gleich sie im allgemeinen es vorzogen, den leicht zu verarbeitenden
grauen Alabaster für ihre Skulpturen und Inschriften zu benutzen, sie
doch für besonders wichtige Aufzeichnungen den festen Basalt des
Mons Masius verwendeten, der an Härte und Zähigkeit nicht hinter dem
Granite Oberägyptens zurücksteht. Zum Einmeiſseln der Inschriften
in dieses feste Gestein wendeten die Assyrer unzweifelhaft Stahlwerk-
zeuge an.


[[142]]

Syrien.


Palästina, Phönizien, Arabien, Lydien.


Westlich des Euphrat dehnt sich bis zu den Höhen des Libanon
hin die syrische Wüste, ein ödes Hochplateau. Deshalb nannten es die
Alten Aram, d. h. das Hochland. Nur wenige Oasen sind in das weite
Gebiet eingestreut, die als wichtige Rastorte für die Karawanen früh
angesiedelt wurden. Karchemis (griechisch Kirkesion) an der Mündung
des Aborrohas in den Euphrat und Damaskus am Fuſse des Antilibanon,
die östliche und westliche Grenzstadt von Niniveh aus, haben wir be-
reits durch die Brandschatzungen der Assyrer als reich an Metallen,
besonders auch an Eisen, kennen gelernt. Damaskus, die herrliche
Oase am Fuſse des wild zerklüfteten Bergkammes des Antilibanon ist
eine uralte Stadt, der Markt der Völker, und Sitz aller Industrie.
Muhamed verlegt hierher das Paradies. Dichter und Reisende preisen
die Schönheit seiner Lage, den Balsam der Luft, die Frische des Wassers,
die Pracht seiner Palmen und Reben, seiner Rosen und Früchte.


Aber nicht minder berühmt waren die Schwerter, die man auf dem
Markte von Damaskus kaufte. Wenn diese auch nicht alle in Damaskus
gefertigt wurden, wenn auch die besten Klingen aus Persien und Tiflis
kamen und noch heute kommen, so waren seine Eisenschmiede doch hoch-
berühmt. Wie Timur vor 500 Jahren nach der Eroberung von Damas-
kus vor allem anderen die Schmiede mit sich fortführte, so thaten das-
selbe die assyrischen Eroberer, und wenn Nebukadnezar sich rühmt,
die Schmiede der Aramäer habe ich mit mir fortgeführt, so sind darunter
insbesondere die Schmiede von Damaskus gemeint.


[143]Syrien.

Die Orientalen halten Damaskus für die älteste Stadt. Zur Zeit
Abrahams bestand sie schon. Der ägyptische König Thutmosis III.
eroberte um 1590 v. Chr. die Stadt Thamasku. Daſs die Waffen-
fabrikation in Damaskus altberühmt ist, geht auch daraus hervor, daſs
Kaiser Diokletian dort groſse Waffenfabriken für die römische Armee
anlegte. Hierdurch, sowie durch die Kreuzzüge sind die Damaszener-
klingen auch in Europa berühmt geworden. Man versteht darunter
bekanntlich elastische Stahlklingen, die durch eine gewisse Zeichnung,
den sogenannten Damast, charakterisiert sind. Dieser Damast, den die
polierten und schwach geätzten Klingen zeigen, hat seine Ursache darin,
daſs härterer und weicherer Stahl, oder Stahl und weiches Schmied-
eisen miteinander verbunden sind. Diese Verbindung bewirkt die
Hauptvorzüge einer guten Klinge, Härte der Schneide, Elastizität und
Zähigkeit.


Es giebt einen Damast, den ich den natürlichen nennen möchte, es
ist dies derjenige, den der indische Wootzstahl zeigt, in welchem in einer
nicht vollständig geschmolzenen Stahlmasse weichere Partieen ausge-
schieden sind. Dadurch entsteht beim Ausschmieden eine unregel-
mäſsige Damastzeichnung, die man mit dem Ausdruck Wasser bezeichnet,
weil die glänzenderen, härteren Partieen wie verschwimmende Wasser-
tropfen aus der weicheren, dunkleren Grundmasse hervorschimmern.
Der künstliche Damast entsteht dadurch, daſs man absichtlich härteren
und weicheren Stahl, resp. Stahl und Schmiedeisen zusammenschweiſst
und ausschmiedet, diese Stäbe zerschneidet oder umbiegt und von
neuem schweiſst und ausreckt und dieses öfter wiederholt, um eine
möglichst innige Verbindung der beiden Körper zu erzielen. Dadurch
werden geradlinige Zeichnungen auf der Klinge hervorgebracht. Will
man, was namentlich im Orient vorgezogen wird, wellige Linien er-
zeugen, so braucht man nur die geschweiſsten Zaine auf einem Schraub-
stock schraubenförmig zu winden, ehe man sie von neuem ausschmiedet
und schweiſst. Da wir auf diesen Gegenstand noch einigemal zurück-
kommen müssen, so mögen diese allgemeinen Bemerkungen hier genügen.


Westlich von dem felsigen Antilibanon erstreckt sich die eigen-
tümliche Einsenkung von Kölesyrien, das hohle Syrien, das in eine
nördliche und eine südliche Abdachung mit den Fluſsthälern des
Orontes und des Jordan zerfällt. Dieses ganze Gebiet bis zum Meere
hin nannten die Hebräer Kanaan, d. h. das Tiefland. Die schnee-
bedeckten Höhen des Libanon bilden den Mittelpunkt. Besonders die
südliche Abdachung ist ein fruchtbares, waldreiches Bergland bis nach
Samaria hin, während Judäa steinig und kahl ist, und mit seinen tief-
[144]Syrien.
eingerissenen Thälern ein ernstes Landschaftsbild darbietet, dessen
melancholischer Charakter sich mit der Annäherung zum toten Meere
steigert. Rasch fällt das Gebirge der parallel laufenden Meeresküste
zu. Hier wohnten die Phönizier. Kanaan war eine alte Heimat der
Semiten, doch nennt die heilige Schrift Kanaan einen jüngeren Sohn
des Cham, dessen ältester Sohn Sidon war. Demnach hielten die He-
bräer die Phönizier für die ältesten Ansiedler, der zweite Sohn hieſs
Chet, von dem die Chetiter, Hetiter oder Cheta ihren Namen herleiteten,
die in der Mitte des zweiten Jahrtausend die Obmacht in Palästina
hatten und gewaltige Gegner der Ägypter waren. Ihr Stammgebiet
war südlich von Judäa. In das Land Kanaan wanderten die Hebräer
unter der Leitung ihres Stammvaters Abraham von Osten her ein.
Abraham stammt aus der elamitischen Stadt Ur. Die Einwanderung
geschah kurz vor der Zeit, als König Kedor-Laomer (Kudur Lagomer)
von Elam die Fürsten Kanaans mit Krieg überzog 1). Es war dies vor
dem Jahre 2000 v. Chr. Aus den Schilderungen der heiligen Schriften
der Juden geht hervor, daſs damals bereits geordnete Zustände in
Kanaan bestanden. Es gab Fürsten, die in befestigten Städten wohn-
ten. Damaskus und Sidon bestanden, Sodom und Gomorrha waren
befestigte Plätze. Das Eigentum war in festen Händen, Ackerbau
wurde betrieben, Gold und namentlich Silber war reichlich in Kanaan.
Das babylonische Münzsystem war angenommen und der Silberscheckel
das anerkannte Geld. Die Chetiter, vielleicht die zurückgedrängten
Hyksos, waren ein streitbares Volk. Ihre kriegerische Ausrüstung war
denen der Ägypter überlegen, insbesondere waren sie gefürchtet wegen
ihrer Streitwagen, die bekanntlich die Ägypter von ihnen annahmen.
Auch waren sie reich an Silber und Gold, wie aus den Tributlisten
des Thutmosis hervorgeht.


Nördlich von ihnen wohnten die Retenu, wahrscheinlich bis zum
Libanon und Damaskus hin, die reich waren an Eisen. Sie muſsten
dem siegreichen ägyptischen Könige auſser Eisen als solches: Helme,
Rüstungen, Streitäxte, Streitwagen und Kunstarbeiten als Tribut ent-
richten. Hieraus ersehen wir, daſs schon vor Thutmosis und lange vor
Moses in Kanaan eine entwickelte Kultur bestand, daſs Ackerbau und
Gewerbe betrieben wurden, daſs die Metalle bekannt waren und nament-
lich Eisen vielfach und mit hohem Geschick verarbeitet wurde.


Die Hebräer, die zuerst als Wanderhirten in das Land kamen, und
schon unter Abraham feste Wohnplätze erwarben, wurden die Erben
dieser Kultur. Israel und Phönizien verbreitete sie in die ganze Welt.


[145]Syrien.

Phönizien und Israel, die beiden stammverwandten Nachbar-
völker, haben eine sehr verschiedene Entwickelung genommen, und
doch sind beide die wichtigsten Kulturvölker der Erde, die Lehrer des
Menschengeschlechtes geworden, dieses für das sittliche, jenes für das
materielle Wohl der Völker.


Phönizien und Israel sind die Blüten des semitischen Stammes, in
ihnen hat dieser seine Mission erfüllt und die reiche Erbschaft seiner
Bildung den indogermanischen Völkern vermacht. Welche Gegensätze
zwischen beiden entsprechend der Doppelnatur im Menschen: die ideale
Sehnsucht nach höherer, geistiger Befriedigung bei Israel; die that-
kräftige Sinnlichkeit bei den Phöniziern, und wenn auch beide Völker
manchmal ihre Rolle vertauscht zu haben scheinen, so verwischt sich
der Grundcharakter nicht.


Abraham, der Stammvater der Israeliten, zog auf Jehovas Befehl
aus Ur in Mesopotamien. Er ging über den Euphrat und von da süd-
wärts in der Richtung der alten Karawanenstraſse, die von Hamath
südwärts führt nach dem verheiſsenen Lande Kanaan. Sein Leben
war das eines Nomaden und er zog mit seinen Herden bis nach Ägyp-
ten. Aus unbekannten Ursachen wanderte er wieder nordwärts, bis er
sich bei Hebron im südlichen Kanaan ankaufte, indem er von dem
Fürsten des Landes die Höhle von Machpela und das umliegende Gebiet
für 400 Scheckel Silber als Begräbnisstätte für sein Weib Sarah erwarb.
Dies war der erste Grundbesitz des Stammvaters von Israel. Die alte
Geschichte des jüdischen Volkes ist so mit Sagen und Umdichtungen
ausgeschmückt, daſs der reale Kern oft schwer zu erkennen ist. Erst
von der Zeit des Auszuges aus Ägypten an stehen die Überlieferungen
auf festerem, geschichtlichem Boden. Die Israeliten waren, anscheinend
infolge wiederholten Miſswachses in Kanaan, als eine Schar nomadisieren-
der Hirten in Ägypten eingefallen, hatten sich aber dort in einem ihnen
von den ägyptischen Herrschern abgetretenen Distrikt, „dem Lande
Gosen“, vermutlich dem Waddi-Tumailat zwischen dem Nil und dem
Nordrande des Roten Meeres, angesiedelt und zum Ackerbau bequemt.
Durch irgend ein Ereignis, wahrscheinlich durch schwere Frohndienste,
die den Ansiedlern bei dem Bau des groſsen Kanals, der den Nil mit
dem Roten Meere verbinden sollte, auferlegt worden waren, wurde der
ganze Stamm veranlaſst, mit Hab und Gut auszuwandern unter Führung
ihres groſsen Gesetzgebers Moses. Es geschah dies nach Angabe des
Verfassers des jüdischen Kalenders, Hillel ha-Nasi II., im Jahre 1312
v. Chr. und zwar unter der Regierung des Königs Menephta, des
Beck, Geschichte des Eisens. 10
[146]Syrien.
schwächlichen Sohnes des groſsen Ramses II 1). Erst nach langen
Kämpfen und Mühsalen gelang es den Juden in Kanaan wieder
festen Fuſs zu fassen und die ursprüngliche Bevölkerung teils zu ver-
drängen, teils zu vernichten und so die Herrschaft Israels in Kanaan auf-
zurichten. Noch lange Zeit hindurch hatte das jüdische Volk heftige
Kämpfe zu bestehen, ehe es den Besitz des heiligen Landes gegenüber
den kriegerischen Nachbarvölkern sicher gestellt hatte. Ihr Land lag in
dem Knotenpunkte von drei Weltteilen und von drei verschiedenen
Kulturentwickelungen. Kein Volk der Erde ist so wechselvollen, mannig-
faltigen und bedeutenden Einflüssen ausgesetzt gewesen, als das jüdische,
und in keinem Lande haben sich so verschiedenartige Elemente in fried-
lichem Handel und in blutigem Kampfe begegnet, als in Israel. Schon
in der Kindheit als eine rohe, semitische Nomadenhorde zu der alten
ägyptischen Weisheit in die Schule geschickt, wurde ihnen auch im
Alter das Lernen nicht geschenkt. Die groſsen Handelsstraſsen von
Westasien nach Ägypten und Arabien zogen mitten durch ihr Land
und diese hielten das Volk in unausgesetzter Verbindung mit Ägypten,
Arabien, den Euphratländern und Kleinasien. Aber die groſsen
Handelsstraſsen waren auch die Kriegsstraſsen. Der Weg aus dem
Osten nach Ägypten führte durch Israel und Ägypten, war das Ziel
der Eroberungszüge aller asiatischen Herrscher von Kedor-Laomer bis
auf Cyrus. Für die ägyptische, wie für die asiatische Herrschaft war
Israel am Eingangstore Ägyptens gelegen, ein gleich wichtiger Besitz.
Wenn auch Alexander der Groſse das asiatische und ägyptische Reich
gleichzeitig in den Staub warf und dadurch der Rivalität auf einige Zeit
ein Ende machte, so bildete doch alsbald nach des groſsen Eroberers Tode
Israel wieder den Zankapfel zwischen den Ptolemäern und Seleukiden.
Alle diese harten Schicksale konnten jedoch die bewundernswürdige
moralische Kraft des israelitischen Volkes nicht brechen, sondern nur
läutern. Jemehr das jüdische Volk durch den Ehrgeiz fremder Despoten
mit blutiger Gewalt zur Teilnahme an den Fragen des Tages gezwungen
wurde, desto mehr zog es sich in sich selbst zurück, desto mehr pflegte
es die idealen Keime seines religiösen Lebens, desto mehr fand es
innere Tröstung und desto verstockter wurde es nach auſsen, bis zuletzt
diese berufene Verstocktheit der Juden dahin führte, daſs ihre Nationa-
lität vollständig vernichtet und zertreten wurde. Aber der edle Keim
[147]Syrien.
dieses wunderbaren Wesens konnte nicht zertreten werden, er hat die
stolze Pracht Asiens und die Habgier des Römerreiches lange über-
dauert.


In ihren heiligen Schriften haben die Kinder Israels sich selbst
gerettet. Es war ihr Schatz, den sie verwahrten, sorgsamer als alle
Reichtümer des Tempels und sie haben ihn erhalten trotz Brand und
Verwüstung. Wie die heiligen Schriften der Juden noch heute der
lebendige Born sittlicher Erfrischung sind, so sind sie auch ein reicher
Quell geschichtlicher Belehrung, reicher als irgend eine andere Hinter-
lassenschaft aus so früher Zeit.


Auch in technischen Dingen gewähren die alten Bücher mancher-
lei Aufklärung. Das Volk Israel war zwar weder ein Industrie- noch ein
Handelsvolk. Obgleich im Mittelpunkte des Handelsverkehres lebend,
verhielten sie sich doch, so lange sie als Nation bestanden, dem Welt-
handel gegenüber passiv. Während der reiche Phönizier die ganze
damals bekannte Welt bereiste, blieb der Israelit zu Haus, denn nur
zu Haus konnte er die strengen Gebote seiner Religion erfüllen, nur im
gelobten Lande wohnte Jehovah. Wie konnte er unter Fremden den
Sabbat heiligen, wie Jehovah es befohlen hatte? So stand ihre Re-
ligion ihrer Handelsthätigkeit im Wege und dies war wieder die Ver-
anlassung, daſs sich keine bedeutende Industrie in Israel entwickelte,
wenigstens hielt die Industrie der israelitischen Städte keinen Vergleich
aus mit der von Damaskus, Tyrus und Sidon.


Die Phönizier waren die Händler für Israel, sie lieferten alles, was
dies Volk bedurfte, indem sie dafür die reichen Naturprodukte Kanaans
in Tausch nahmen. Auf den Lokalverkehr mit Phönizien und Damas-
kus beschränkte sich der Handel der Juden auſser in den Zeiten, in
welchen sie durch glückliche Kriege und durch die Habgier unter-
nehmungslustiger Fürsten, wie namentlich Salomos, vorübergehend in
den groſsen Weltverkehr mit hineingezogen wurden. Der Handel mit
Phönizien fordert fast allein Beachtung 1).


Die Phönizier lieferten den Israeliten vornehmlich alle Luxus-
bedürfnisse, Prachtgewänder, geschnittene Steine, Gold und Silber,
ferner alle Arten von Metallwaren; dafür bezogen sie aus Israel die
Kornfrüchte, besonders Weizen. Hesekiel in seinem Klageliede über
Tyrus führt die israelitischen Waren auf 2): „Juda und das Land
Israel haben auch mit dir gehandelt und haben dir Weizen von Minnith
10*
[148]Syrien.
und Balsam und Honig und Öl und Mastich auf deine Märkte gebracht.“
Der Getreidehandel der Israeliten war so bedeutend, daſs der jährliche
Umschlag sich nach Movers auf 12500000 Thaler belief 1). Judäa
lieferte reichlich Olivenöl, ebenso Wollgewebe, wozu die Wolle von den
groſsen Herden jenseits des Jordans geliefert wurde, während die
galiläischen Hausfrauen den Flachs zu feinen Leinwandgespinnsten
spannen und diese verwoben, um sie an die phönizischen Krämer zu
verkaufen. „Die Hausfrau geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet
gern mit ihren Händen; sie strecket ihre Hände zum Rocken und ihre
Finger fassen die Spindel 2).“ Balsam aus Gilead, die resina der Alten,
war eines der kostbarsten Erzeugnisse Palästinas, und Styrax eine
andere Harzart war von den Ägyptern gesucht zum Einbalsamieren
ihrer Toten. Die Industrie der Israeliten beschränkte sich auſser auf
das Weben von Zeugen, auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse,
nur die Salbenbereiter arbeiteten ebenfalls für den phönizischen Handel.
Als gewerbsmäſsige Beschäftigungen werden in der heiligen Schrift
Metallarbeiter, Schlosser, Zimmerleute, Töpfer und Walker erwähnt.
Nach der Zeit des Exil stand das Handwerk in hohem Ansehen in
Israel, so daſs selbst die Wohlhabenden ihre Kinder ein Handwerk lernen
lassen muſsten.


Von der Gewinnung und Verarbeitung der Metalle in Israel
sprechen die heiligen Schriften häufig. Die Tradition nennt Thubal-
kain, den Sohn der Zillah, der um das Jahr 1057 der Welt lebte, „einen
Meister in allerlei Erz und Eisenwerk“.


Wie Adam, „der aus Erde gebildete“, und Enod, „der Mensch“
heiſst, so bedeutet Kenan der Schmied, während Abel (hebel) der
schwächere Hirte, den jener erschlägt, „der Vorzügliche“ heiſst. Auch
in dem Namen der Mutter des Thubalkain, der Zillah, d. h. „der
Schwarzen“, liegt wohl eine dichterische Anspielung auf das Schmiede-
gewerbe. Thubal soll mit einem arabischen Worte tubal, das „Eisen-
schlacke“ bedeutet, verwandt sein, so daſs Thubalkain geradezu „der
Eisenschmied“ wäre. Josephus nennt die Chalyber als die Nachkommen
des Thubalkain, und wird Thubal als ein Volk, mit dem Israel und Phöni-
zien in Handelsverbindung steht, oft genannt. Es ist gewiſs, daſs die
Juden ihre Stahlwaren zum Teil aus dem nördlichen Armenien, dem
alten Stahllande der Chalyber bezogen, aber auch ein ethnographischer
Zusammenhang, eine semitische Ansiedelung in Nordarmenien ist höchst
wahrscheinlich. Sicher ist, daſs schon in frühester Zeit den Israeliten
[149]Syrien.
Gold, Silber, Kupfer und Eisen bekannt waren. Doch war das eigene
Land nicht reich an Metallen, namentlich nicht an den edlen Metallen.
Diese wurden nicht im Lande gewonnen, sondern durch den beschränk-
ten Handel nur spärlich nach Israel gebracht. Erst durch die glück-
lichen Kriegszüge Sauls und Davids kam reichlich Gold und Silber in
das Land, welches diese aus den Schatzkammern der besiegten Fürsten
und Städte wegnahmen. Doch übertreibt wohl die Chronik, wenn sie
David sprechen läſst: „Siehe, ich habe in meiner Armut verschafft zum
Hause des Herrn 100000 Zentner Goldes und 1000000 Zentner Silber,
dazu Erz und Eisen ohne Zahl, denn es sind sein zu viel 1).“


Den gröſsten Goldreichtum häufte Salomo auf, teils durch Erb-
schaft, teils durch Tributzahlungen unterworfener Fürsten, teils endlich
durch den groſsen Handelsgewinn, den er aus seinen Ophirfahrten, die
er in Gemeinschaft mit dem Könige Hiram von Tyrus unternommen
hatte, zog. Von der ersten dieser Ophirfahrten betrug Salomos Gewinn-
teil bereits 420 Zentner Gold. Aus Ophir 2) und aus Arabien 3) kam
das meiste Gold nach Israel. Zu Münzen wurde Gold in alter Zeit
nicht verwendet, dagegen war es in Form von Ringen, die ein be-
stimmtes Gewicht hatten und öfter wohl geradezu als Geld benutzt
wurden, gebräuchlich. In der Erzählung von Isaaks Brautwerbung um
Rebekka heiſst es 4): „Da nun die Kamele alle getrunken hatten, nahm
er eine güldene Spange, einen halben Scheckel schwer und zween
Armringe an ihre Hände, 10 Scheckel Goldes schwer und zog hervor
silberne und güldene Kleinode und gab sie der Rebekka, aber ihrem
Bruder und der Mutter gab er Würze.“ Goldene Spangen trugen die
ismaelitischen (arabischen) Kaufleute in den Haaren und selbst die
Hälse ihrer Kamele schmückten sie damit. Als Schmuck der Heilig-
tümer wird das Gold bei den Israeliten schon sehr früh erwähnt, so
ordnet Moses betreffs der Stiftshütte an 5): „Ihr sollt dem Vorhange
fünf Säulen machen von Föhrenholz mit Gold überzogen, mit güldenen
Knäufen und sollt ihnen schöne Füſse geben.“ Dies war die älteste
und einfachste Art der Vergoldung, wie sie nicht nur bei den Israeliten,
sondern auch bei den Assyrern, Griechen u. s. w. angewendet wurde.
Man nagelte das ausgeschlagene Goldblech auf das Holz der Thüren,
der Säulen, der Bettstellen u. s. w. fest. Diese solide Vergoldung wird
in der heiligen Schrift oft erwähnt 6).


Mit dem Silber verhielt es sich wie mit dem Golde. Im Lande
wurde es nicht oder nur in geringer Menge gewonnen, es kam aber
[150]Syrien.
durch den Handel dahin und zwar relativ reichlicher als das Gold.
Zur Zeit, da die Israeliten nach Kanaan kamen, bestand in Syrien
bereits eine wohlgeordnete Geldwirtschaft, der sich die Einwanderer
so rasch bequemten, daſs zur Zeit der Abfassung der ältesten Teile
des Pentateuch schon alle Wertangaben nach Silberwährung gemacht
wurden und sich nur in den gesetzlichen Strafbestimmungen Spuren
der früheren Wertberechnung nach Rindern und Schafen finden. Letzte-
res wurde namentlich beim Viehdiebstahl noch aufrecht erhalten. So
soll nach einem sehr alten Gesetze 1) ein Dieb Ersatz leisten: „Vier
Schafe für ein Schaf und fünf Ochsen für einen Ochsen, kann er sie
aber nicht geben, so soll er als Sklave verkauft werden.“ Die Tradi-
tion, dergemäſs Abraham das Erbbegräbnis bei Hebron für 400 Scheckel
Silber kaufte, ist ein Zeichen, daſs schon bei dem ersten Verkehre der
Israeliten mit den Eingeborenen Silbergeld im Handel gebräuchlich
war. Silber kam ferner ebenso wie Gold reichlich in das Land durch die
Kriegszüge Davids, und zu Salomos Zeit wurde es fast gering geschätzt,
so daſs der König nur goldene Gefäſse benutzte, denn, sagt die Chronik
in ihrer übertriebenen Weise, „Silber war für nichts geachtet in
Salomos Tagen 2)“ und im Buche der Könige 3) heiſst es: „Salomo
machte, daſs des Silbers so viel war in Jerusalem als Steine.“ Dem
Propheten Ezechiel war die Art der Gewinnung des Silbers, namentlich
der Abtreibeprozeſs wohl bekannt, denn er sagt: „Das Haus Israel ist
zu Schaum geworden; alles Erz, Zinn, Eisen und Blei ist zu Silber-
schaum worden.“ Ähnliche Anspielungen auf den Abtreibeprozeſs und
die hüttenmännische Gewinnung finden sich an verschiedenen Stellen.


Das Kupfer war den Hebräern ebenfalls schon bei ihrem Ein-
tritte in die Geschichte bekannt. Ihre Sprache machte keinen Unter-
schied zwischen Kupfer und Erz. Letzteres wird nur zuweilen durch
ein Beiwort charakterisiert. Das Kupfer heiſst נְחשֶׁת n’choschet. Die
Übersetzer der Bibel, durchgehends in der traditionellen Theorie der
Aufeinanderfolge der Metalle befangen, setzen durchgehends dafür Erz,
obgleich hierzu in vielen Fällen keine Berechtigung vorliegt.


Die Tradition nennt bereits Thubalkain einen Meister in allerlei
Kupfer und Eisenwerk. Es scheint aber, daſs die Hebräer ihre metallur-
gischen Kenntnisse zum gröſsten Teil von den Kananitern empfingen.
Aus den Inschriften des ägyptischen Königs Thutmosis III. um 1500
v. Chr. und des groſsen Ramses, die siegreiche Kriege gegen das da-
mals herrschende Volk Kanaans, gegen die Cheta, Chetiter oder die
[151]Syrien.
Hetiter führten, geht hervor, daſs diese reich an Metallen waren und
sie vorzüglich zu verarbeiten verstanden. Sie zahlen reichen Tribut
an die Pharaonen von Gold, Silber, Erz, Elfenbein, Ebenholz und Lapis
Lazuli (chesbet) und Edelsteinen u. s. w., Dinge, die sie nicht nur durch
den Handel erworben haben können, und die das Alter des kananitischen
Handels und den Reichtum seiner Herrscher beweisen. Unter diesen
Tributgaben werden besonders gerühmt und abgebildet die kunst-
vollen Metallvasen, die aus getriebenem Erz gewesen zu sein scheinen.


Daſs die Kananiter Kupfer und Eisen in ihrem Lande gewannen
und reich an Metallen waren, wird uns durch die Überlieferungen der
heiligen Schrift bestätigt. Jehova führt sein Volk in ein Land, „da du
Brot genug zu essen hast, da auch nichts mangelt; ein Land, dessen
Steine Eisen sind und da du Erz (d. h. Kupfer) aus den Bergen hauest“ 1).
Aus dieser Stelle erweist sich, um dies nebenher zu erwähnen, recht
deutlich, wie verkehrt die gebräuchliche Übersetzung des n’choschet
mit Erz, statt mit Kupfer ist, denn die künstlich bereitete Kupfer-
Zinnbronze kann man nicht aus den Bergen hauen, hier ist also nur
Kupfer richtig. Der Metallreichtum der Kananiter, insbesondere auch
an kunstvollen Erzvasen, wird bestätigt durch die Mitteilungen über
die Einnahme von Jericho 2), welche die Gefäſse von Kupfer besonders
hervorheben. Sie wurden im Tempelschatz aufgestellt. Es ist wohl
anzunehmen, daſs hier Gefäſse aus Erz gemeint sind, ähnliche Arbeiten,
wie die von Homer gepriesenen sidonischen Mischkrüge. Derselben
Art waren auch die goldenen, silbernen und ehernen Gefäſse, welche
der König von Hamat David zum Geschenk machte 3).


Indessen waren auch die Hebräer zur Zeit des Mosis mit dem Erz
bereits bekannt. Dies geht bestimmt aus den Angaben über den Bau
der Stiftshütte und die Anfertigung der Bundeslade hervor. Mosis
richtete bereits in der Wüste ein ehernes Schlangenbild auf zur Heilung
der von den giftigen Schlangen gebissenen Israeliten. Das Bild der
Schlange, aus Ägypten mitgebracht, blieb auch noch später Symbol
der Heilkraft, und sogar ein Mittel zur Heilung. Ob es gegossen war,
erfahren wir nicht. Es läſst sich deshalb auch nicht entscheiden, ob
es von Erz oder Kupfer war. Daſs aber die Israeliten beim Exodus
die Kunst des Metallgusses bereits kannten, geht aus der Aufrichtung
des goldenen Kalbes (des ägyptischen Apis) hervor. Es heiſst 4) ganz
bestimmt: „Da riſs alles Volk seine goldenen Ohrringe von den Ohren
und brachte sie zu Aaron. Und er nahm sie von ihren Händen und
[152]Syrien.
entwarf (das Bild) mit einem Griffel und machte ein gegossenes
Kalb 1).“


Indessen läſst sich kaum annehmen, daſs Aaron im stande war,
ein groſses Götzenbild, welches das ganze Lager der Israeliten anbeten
sollte, aus einer Masse von Metall zu gieſsen. Ziehen wir in betracht,
daſs alle älteren Götzenbilder jener Zeit aus Holz hergestellt und nur
mit Goldblech und gegossenen Teilen verziert waren, erwägen wir
ferner die darauffolgende Stelle des Chronisten 2): „Mosis nahm das
Kalb, das sie gemacht hatten und verbrannte es mit Feuer und zer-
malmte es zu Pulver, stäubte dieses auf das Wasser und gab es den
Kindern Israel zu trinken“, so müssen wir annehmen, daſs der eigent-
liche Körper des Götzenbildes aus Holz bestand, daſs auf dieses Holz-
gerüst sich die letzterwähnte Stelle bezieht und daſs nur die Aus-
schmückung des Stierbildes aus Gold bestand. Die Hauptteile dieser
dekorativen Umkleidung waren gegossen. Gold zu vergieſsen erfordert
eine höhere Temperatur als zum Erzguſs nötig ist. War den Israeliten
jener Periode das Erz überhaupt bekannt, so läſst sich daraus wohl
folgern, daſs sie auch den Erzguſs kannten. Hierfür haben wir aber
auch das direkte Zeugnis des Verfassers des zweiten Buches Mosis in
der Beschreibung der Einrichtung der Stiftshütte.


Die Kinder Israels hatten beim Auszug aus Ägypten groſse Mengen
von Gold, Silber und Erz mitgenommen, welches sie sogar zum Teil
durch Betrug den Ägyptern weggenommen hatten. Nachdem Mosis die
Gebote Jehovas verkündet hatte, ordnete er den Bau eines Tempels,
der Stiftshütte, an und schrieb hierzu Abgaben, „die Hebeopfer“ aus,
und zwar in erster Linie Gold, Silber und Erz. Die Juden spendeten
so reichlich, daſs Mosis mehr hatte, als nötig war. Auf Gottes Befehl
lieſs er die Bundeslade, den Gnadenstuhl, den Tisch für die Schau-
brote, den Leuchter des Tempels, den Räucheraltar und die Stiftshütte
machen. Alle diese Kunstwerke waren aus Holz hergestellt, mit Gold,
Silber, Kupfer und Erz verziert und verstärkt.


An der Bundeslade waren die vier Ringe an den Ecken zum Tra-
gen mittels durchsteckter Stangen aus Gold gegossen3). Die zwei
Cherubine auf dem Gnadenstuhl waren von Gold getrieben. Das gröſste
Kunstwerk ganz aus Gold war der siebenarmige Leuchter, an dem ein
Zentner Gold war. An den Teppichen der Stiftshütte waren die Hefte
aus Erz 4). Der Brandopferaltar war von Föhrenholz mit Erz (Kupfer)
überzogen, hatte gegossene Ringe an den Ecken und war zum Tragen
[153]Syrien.
eingerichtet. Alles Opfergerät war von Erz. Um den Altar lief ein
ehernes Gitter wie ein Netz, mit vier Ringen an seinen vier Ecken 1).
Der Hof der Stiftshütte hatte einen Umhang, der an Säulen befestigt
war, die auf ehernen Füſsen ruhten 2). Selbst die Nägel in der Stifts-
hütte waren von Erz 3). Ebenso war der Vorhang an der Thür des
Tempels von fünf Säulen unterstützt, die gegossene, eherne Füſse
hatten 4).


Groſse Massen von Erz schleppte der siegreiche König David auf
seinen Kriegszügen zusammen. Durch die Besiegung des reichen Königs
Hadad-Eser von Syrien gewann er groſse Mengen von Erz aus dessen
Städten Behta und Berothai 5) (oder Tibehath und Chun), woraus
Salomo später das eherne Meer anfertigen lieſs.


Die groſsartigsten Werke in Erzguſs lieſs der reiche und mächtige
König Salomo ausführen: jedoch nicht durch jüdische Künstler, sondern
durch Männer aus Tyrus. Hieraus darf gefolgert werden, daſs die
Kunstfertigkeit der Hebräer im Metallguſs doch weit zurück stand gegen
die der Phönizier. Der Guſs des ehernen Meeres und der groſsen
Säulen ist uns umständlich überliefert worden, der Bericht ist für die
Geschichte der metallurgischen Technik von solcher Wichtigkeit, daſs,
obgleich wir ihn als bekannt voraussetzen dürfen, wir ihn doch im
Wortlaute hier wiedergeben. König Hiram von Tyrus, der schon mit
David in inniger Freundschaft gelebt hatte, schickte Salomo einen
Künstler, der denselben Namen führte, wie er selbst. Der Bericht im
ersten Buch der Könige lautet 6):


13. Und der König Salomo sandte hin, und lieſs holen Hiram von Tyrus.


14. Einer Wittwe Sohn, aus dem Stamm Naphtali und sein Vater war ein
Mann von Tyrus gewesen, der war ein Meister im Erz, voll Weisheit, Verstand
und Kunst zu arbeiten allerlei Erzwerke. Da er zum König Salomo kam, machte
er alle seine Werke.


15. Und machte zwei eherne Säulen, eine jegliche 18 Ellen hoch und ein
Faden von 12 Ellen war das Maſs um jegliche Säule her.


16. Und machte zwei Knäufe von Erz gegossen, oben auf die Säulen zu setzen
und ein jeglicher Knauf war fünf Ellen hoch.


17. Und es waren an jeglichem Knauf oben auf der Säule sieben geflochtene
Reife, wie Ketten.


18. Und machte an jeglichem Knauf zwei Reihen Granatäpfel umher an einem
Reif, damit der Knauf bedeckt ward.


19. Und die Knäufe waren wie die Rosen vor der Halle, vier Ellen groſs.


20. Und der Granatäpfel in den Reihen umher waren 200, oben und unten an
dem Reif, der um den Bauch des Knaufs herging an jeglichem Knauf auf beiden
Säulen.


[154]Syrien.

21. Und er richtete die Säulen auf vor der Halle des Tempels. Und die er
zur rechten Hand setzte, hieſs er Jachin und die er zur linken Hand setzte, hieſs
er Boas.


22. Und es stand also oben auf den Säulen wie die Rosen. Also war vollendet
das Werk der Säulen.


23. Und er machte ein Meer, gegossen zehn Ellen weit, von einem Rande
zum andern, rund umher, und fünf Ellen hoch und eine Schnur 30 Ellen lang
war das Maſs ringsum.


24. Und um dasſelbe Meer, das zehn Ellen weit war, gingen Knoten an seinem
Rande rings ums Meer her, der Knoten aber waren zwei Reihen gegossen.


25. Und es stand auf 12 Rindern, welcher drei gegen Mitternacht gewandt
waren, drei gegen Abend, drei gegen Mittag und drei gegen Morgen und das Meer
oben drauf, daſs alle ihre Hinterteile inwendig waren.


26. Seine Dicke aber war eine Hand breit und sein Rand war wie eines
Bechers Rand, wie eine aufgegangene Rose und ging darein 2000 Bath.


27. Er machte auch zehn eherne Gestühle, einen jeglichen vier Ellen lang
und breit und drei Ellen hoch.


28. Es war aber das Gestühle also gemacht, daſs es Seiten hatte zwischen den
Leisten.


29. Und an den Seiten zwischen den Leisten waren Löwen, Ochsen und
Cherubine. Und die Seiten, daran die Löwen und Ochsen waren, hatten Leisten
oben und unten und Füſslein daran.


30. Und ein jegliches Gestühle hatte vier eherne Räder mit ehernem Gestell.
Und auf den vier Ecken waren Achseln (Fuſsstützen) gegossen, eine jegliche gegen
der andern über, unten an den Kessel gelehnt.


31. Aber der Hals mitten auf dem Gestühle war eine Elle hoch und rund,
anderthalb Ellen weit und waren Pockeln an dem Halse, in Feldern die vier-
eckicht waren und nicht rund.


32. Die vier Räder aber standen unten an den Seiten und die Achsen oder
Räder waren unten am Gestühle, ein jegliches Rad war anderthalb Ellen hoch.


33. Und waren Räder wie Wagenräder. Und ihre Achsen, Staben, Speichen
und Felgen waren alles gegossen.


34. Und die vier Achseln, auf den vier Ecken eines jeglichen Gestühles, waren
auch am Gestühle.


35. Und am Halse oben auf dem Gestühle, eine halbe Elle hoch, rund umher,
waren Leisten und Seiten am Gestühle.


36. Und er lieſs auf die Fläche derselben Seiten und Leisten graben Cherubim,
Löwen und Palmenbäume, ein jegliches am andern, rings umher daran.


37. Auf die Weise machte er zehn Gestühle, gegossen, einerlei Maſs und
Raum war an allen.


38. Und er machte zehn eherne Kessel, daſs vierzig Bath in einen Kessel
gingen und war vier Ellen groſs und auf jeglichem Gestühle war ein Kessel.


39. Und setzte fünf Gestühle an die rechte Ecke des Hauses und die anderen
fünf an die linke Ecke, aber das Meer setzte er zur rechten, vorne an gegen
Mittag.


40. Und Hiram machte auch Töpfe, Schaufeln, Becken, und vollendete also
alle Werke, die der König Salomo am Hause des Herrn machen lieſs.


41. Nämlich die zwei Säulen und die keuliche Knäufe oben auf den zwei
Säulen und die zwei geflochtene Reife, zu bedecken die zwei keuliche Knäufe auf
den Säulen.


42. Und die vierhundert Granatäpfel an den zwei geflochtenen Reifen, je zwei
[155]Syrien.
Reihen Granatäpfel an einem Reife, zu bedecken die zwei keuliche Knäufe auf
den Säulen.


43. Dazu die zehn Gestühle und zehn Kessel oben darauf.


44. Und das Meer und zwölf Rinder unter dem Meer.


45. Und die Töpfe, Schaufeln und Becken. Und alle diese Gefäſse, die Hiram
dem Könige Salomo machte zum Hause des Herrn, waren von lauterm Erz.


46. In der Gegend am Jordan lieſs sie der König gieſsen, in dicker
Erde, zwischen Suchot und Zarthan
.


47. Und Salomo lieſs alle Gefäſse ungewogen, vor der sehr groſen Menge
des Erzes.


Es kann kein Zweifel herrschen, daſs hier wirklich Bronze gemeint
ist, denn aus Kupfer wären so gewaltige Guſsstücke für die Künstler
des Altertums nicht herzustellen gewesen, hier hat aber die Bezeich-
nung n’choschet meistens noch ein Adjektiv bei sich, entweder m’morat
oder maruk, d. h. glänzend oder hell. Nur weil man eben n’choschet
immer mit Erz zu übersetzen gewöhnt ist, konnten einzelne Er-
klärer, z. B. der Verfasser der Vulgata hierbei an Messing (aurichacum)
denken, was sich zu solchen Massengüssen gar nicht eignen würde.
Hier soll der Ausdruck helles, glänzendes Kupfer vielmehr gerade die
Bronze im Gegensatze zum unlegierten Kupfer bezeichnen 1).


Erst zur Zeit Ezechiels kommt eine andere Kupferlegierung vor,
die wohl unser Messing bedeutet, es ist dies das chaschmal 2), verwandt
mit dem ägyptischen kasabel. Andere Ausdrücke in der jüngeren
Litteratur wie n’choschet kalal 3) und n’choschet muts’hab 4) bedeuten
wohl korinthisches Erz.


Auſser zu gröſseren Guſsstücken zur Ausschmückung des Tempels
wurden Erz und Kupfer vielfach im täglichen Leben angewandt, so zu
Gefäſsen allerlei Art 5), zur kriegerischen Ausrüstung und zwar zu
Helmen, Harnischen, Schilden, Spieſsen und Bogen 6), zu Ketten 7) für
Heftnadeln, Stifte, zu mannigfaltigen Schmuckgeräten u. s. w.


Mit dem Zinn בְדִיּלׄ wurden die Israeliten früh bekannt, wahr-
scheinlich durch den phönizischen Handel. Es wird meist neben
den anderen Metallen als Handelsartikel aufgezählt; so heiſst es in
Ezechiel 27, 12 von Tyrus: „Du hast deinen Handel auf dem Meere
gehabt und allerlei Ware, Silber, Eisen, Zinn und Blei auf deine Märkte
gebracht.“ Hier ist also bestimmt gesagt, daſs es durch den Seehandel
nach Tyrus kam 8). Öfter wird es mit Blei verwechselt, ähnlich wie
das plumbum album der Römer. So heiſst es in Jesaias in einem
[156]Syrien.
Gleichnisse, das von einem verunglückten Silberschmelzen genommen
ist 1): „dein Silber ist Schaum geworden (v. 25)“. „Du muſst deinen
Schaum aufs lauterste fegen und alles dein Zinn wegthun.“ Hier kann
nur Blei gemeint sein. Von einer Verwendung des Zinns für sich er-
fahren wir in den Schriften der Juden nichts. Blei war den Juden
jedenfalls sehr früh bekannt. Seine Verwendung war indeſs auch nur
eine beschränkte. Es wird erwähnt als Gewicht und als Lotblei 2).
Eine Tafel von Blei, auf der eine Inschrift eingegraben war, erwähnt
Hiob (Kapitel 19, 24).


Wie das Kupfer, so war den Israeliten nicht minder das Eisen
schon in allerfrühester Zeit bekannt. Auch seine Entdeckung wird
dem Thubalkain zugeschrieben, oder vielmehr sagt die heilige Schrift
ganz einfach: „Thubalkain, der in der fünften Generation Adams lebte,
war ein Meister in allerlei Erz (Kupfer) und Eisenwerk.“ Thubalkain ist
die mythische Figur, die als Erfinder der Nutzmetalle angesehen wird,
wie sie uns bei allen Völkern des Altertums begegnet. Wie zuvor er-
wähnt, bedeutet Kenan der Schmied, Thubal soll im arabischen Eisen-
schlacke heiſsen. Näher liegt der Hinweis auf das Volk Thubal, welches
in den Schriften der Juden oft genannt wird und unter dem wir die
eisenkundigen Chaliber zu verstehen haben. Eisenerze kamen in Israel
vor und wurden gewonnen und verarbeitet. Aus der oben bereits er-
wähnten Schilderung Kanaans als ein „Land, dessen Steine Eisen sind
und da du Kupfer aus den Bergen hauest“, dürfte hervorgehen, daſs,
während das Kupfererz durch regelmäſsigen Bergbau gewonnen wurde,
Eisenerze nur an der Oberfläche gelesen zu werden brauchten. Doch
schlieſst dies nicht aus, daſs auch Eisenerze bergmännisch gewonnen
wurden. Jedenfalls waren die Juden mit dem Bergbau vertraut. Sie
trafen ihn schon in Blüte, als sie Kanaan eroberten, und wenn sie
selbst auch diese Industrie wenig betrieben zu haben scheinen, so lieſsen
sie dieselbe doch nicht zu Grunde gehen. Daſs jedem einigermaſsen
Gebildeten der Begriff eines Bergwerkes, die Idee eines Schachtes ge-
läufig war, geht aus den vielen, dem Bergbau entnommenen Bildern
und Gleichnissen der heiligen Schriften hervor. Die berühmteste
bezügliche Stelle ist Buch Hiob 28, 1, 2 und 9: „Es hat das Silber
seine Gänge und das Gold seinen Ort, da man es schmilzt. Eisen bricht
man aus der Erde und aus den Steinen schmilzt man das Kupfer.
Fern von den Wohnungen bricht man den hinabhängenden Schacht,
durch die Felsen werden Gänge gebrochen und man erforschte das
[157]Syrien.
Dunkel und die Todesnacht.“ Hier haben wir einen direkten Hinweis
auf die bergmännische Gewinnung der Eisenerze. Weitere Beweise für
Bergbau und Metallgewinnung im Gebiete von Palästina, von dem heute
freilich nichts mehr bekannt ist, und von dem uns die Schriften der
Hebräer Bestimmtes nicht mitteilen, geben uns die Namen mancher
Ortschaften an die Hand 1). Im südlichen Judäa wohnten in alter
Zeit der kananitische Stamm der Keniter mit ihrer Hauptstadt Kajin,
d. h. die Stadt der Schmiede. Scharuhen, von Scharah, gieſsen, die
Stadt der Gieſser, der Schmelzer lag im Gebiete des Stammes Simeon.
Die gleiche Bedeutung hat Ziph von zuph, gieſsen, bei Hebron in Judäa.
Nibschan (von nabasch, leuchten) könnte die Stadt der leuchtenden
Öfen heiſsen, während Schiehim die Stadt der Waffen heiſst. Beide
lagen in Juda, während Hether, die Stadt der Metalle, im Gebiete von
Simeon lag. Im übrigen Palästina nordwärts finden wir wenig bezügliche
Namen, erst an den Abhängen des Libanon begegnen wir wieder solchen.
Im Gebiete von Asser, dem verheiſsen war, „daſs an seinen Schuhen
Eisen und Erz sein sollten“, finden sich drei Städte nahe bei einander,
die auf Bergbau hinweisen. Hamhad, die Stadt der Erze, Mischeal,
die Stadt der tiefen Gruben, und Beten, die Stadt der Schachte. Nörd-
lich von Asser lag im Gebiete der Phönizier Sarepta, von dem die Tra-
dition erzählt, daſs es eine Bergwerksstadt gewesen sei. Palästina ist
in geognostischer Hinsicht noch wenig durchforscht und wissen wir
deshalb von altem Bergbau kaum etwas. Aus diesen Namen ebenso-
wohl, als wie aus andern Umständen erscheint es wahrscheinlich, daſs
im südlichen Juda und im nörddlichen Idumäa Bergbau betrieben wurde,
ebenso wie am Libanon, worüber wir Bestimmteres wissen. Eisen kam
jedoch auch im inneren Lande vor. Die Berge, die von der Grenze
Moabs nach Norden zu das untere Jordanthal begrenzten, hieſsen nach
Josephus das Eisengebirge 2). Die gegenüberliegenden Berge im Westen
Jerichos führen ebenfalls Eisen. Nahe den Jordanquellen bei Hasbeya
sind Eisengruben ausgebeutet worden 3).


Eisenstein kommt im Libanon reichlich vor. Nach Ruſseggers Be-
schreibung 4) setzen im Kalksteine der oberen Juraformation am rechten
Gehänge der Thalschlucht von Merdschibah mächtige, stockartige
Lagerstätten von Thoneisen mit Eisenocker auf. Dieselben gehören
einem mächtigen Zuge an, der sich parallel den Kalkschichten von
Nordwesten nach Südosten erstreckt und dem sich die zum Teil über-
[158]Syrien.
einanderliegenden, groſsen, linsenförmigen Erzkörper anreihen. Der
Zug kann durch die alten Halden und Pingen in der angegebenen
Richtung über eine Stunde weit dem Gebirge hinan verfolgt werden.
Schön krystallisierter Spateisenstein durchschwärmt die Masse des
Thoneisensteines in kleinen Gängen. Höher aufwärts finden Wieder-
holungen derselben Erzformation statt. Der Hauptzug wurde auch bei
Ruſseggers Besuch noch gebaut und geht dieser Abbau in hohes Alter-
tum zurück. Überall zeigen sich die Spuren des schlechten Betriebes
der Alten, die nach allen Richtungen den Boden mit niedrigen Strecken
durchwühlt haben. Es ist deutlich zu erkennen, daſs sie bloſs das leicht-
flüssige Erz aushielten, schwerflüssiges gar nicht gewannen oder fort-
warfen. Keine der Gruben hatte eine groſse Ausdehnung, doch ziehen
sich die Halden erstaunlich weit in dem Gebirge fort. Nach Ruſseggers
Schmelzprobe hält der Eisenstein von Merdschibah 50 bis 60 Proz.
Roheisen. Das daraus gewonnene Eisen ist tadellos und es stecken
hier noch Schätze im Boden. Doch ist deren Ausbeutung durch die
Holzarmut des Libanon beschränkt. Früher, als die Umgegend noch
reicher an Waldungen war, hatte auch die Eisengewinnung einen
gröſseren Umfang. Denn hier sind gewiſs die Gruben zu suchen, von
denen Edrisi 1) berichtet, daſs aus den dortigen Erzen ein trefflicher
Stahl bereitet werde, der in ganz Syrien Absatz fände. Damals lag
aber auch bei Beirut noch ein 12 engl. Meilen langer Wald, der sich
bis in das Gebirge erstreckte. Brocchi 2) glaubt nicht, daſs die kaiser-
liche Waffenfabrik zu Damaskus von diesen Bergwerken ihren Stahl
bezogen. Die wenigen Zentner Erz, welche die Eingeborenen jährlich
gewinnen, verschmelzen sie nach Art der Turkomanen in einer Art
niedriger Stucköfen mit Holz.


Über die Art der Verschmelzung der Eisenerze geben uns die
heiligen Schriften direkt keine Aufklärung. Vorstehende Schilderung
Ruſseggers dürfte indeſs doch einiges Licht auf eine wichtige Stelle
werfen. Es ist die Stelle 5. Mosis 4, 20: „Der Herr hat euch aus dem
eisernen Ofen, nämlich aus Ägypten geführt.“ Hier bedeutet der eiserne
Ofen der Ort der Qual! Wir wissen, daſs nach der barbarischen Kriegs-
sitte jener Zeit Kriegsgefangene unter anderen oft in die glühenden
Ziegelbrennöfen geworfen wurden 3). In ähnlichem Sinne steht hier
der eiserne Ofen. Nun kann ganz unmöglich hier ein eiserner Ofen
in unserem Sinne gemeint sein, solche gab es weder früher, noch giebt
[159]Syrien.
es solche heute in Syrien. Überhaupt kann nicht ein Ofen von Eisen
gemeint sein, sondern nur ein Ofen, um Eisen aus dem Erz zu schmelzen.
Konnte er aber als Ort der Qual in dem Sinne gedacht werden, so
muſste es schon ein Schachtofen sein, also etwa ein Stuckofen, wie ihn
Ruſsegger erwähnt. Dies läſst uns schlieſsen, daſs sich schon damals
die Hebräer zum Ausschmelzen der Eisenerze nicht der einfachen
Gruben bedient haben, wie wir sie bei den Ägyptern kennen gelernt
hatten, sondern daſs sie niedrige Krummöfen dafür anwendeten. Daſs
die Juden den Blasebalg kannten und bei der Eisengewinnung und
Verarbeitung benutzten, wissen wir bestimmt. Jeremias 6, 27 bis 29
heiſst es: „Ich habe dich zum Schmelzer gesetzt über mein Volk, das
so hart ist, daſs du ihr Wesen erfahren und prüfen sollst. Sie sind eitel
verdorbenes Erz und Eisen. Der Blasebalg ist verbrannt, das
Blei verschwindet, das Schmelzen ist umsonst, denn das Böse ist nicht
davon geschieden.“ Über die Arbeit des Eisenschmiedes (charasch
barzel), der mit seinen Gehilfen (chaberim) am Feuer arbeitet, haben
wir eine herrliche Stelle im Jesaias 44, 11, 12: „Es schmiedet einer das
Eisen in der Zange, arbeitet in der Glut und bereitet es mit Hämmern
und arbeitet daran mit ganzer Kraft seines Armes: leidet auch Hunger
bis er nimmer kann: trinkt auch nicht Wasser bis er matt wird.“


Die Eisenschmiede bildeten ein altes und angesehenes Gewerbe
in Israel. Sie werden häufig neben den Zimmerleuten genannt. Es
waren die angesehensten Gewerbe. Unter Schmied werden alle Metall-
arbeiter verstanden, unter Zimmermann alle die Holzarbeiter und zwar
ganz besonders solche, die das Holz in kunstvoller Weise bearbeiteten.
In der Patriarchenzeit gab es noch kein Gewerbe, ein jeder machte
sich sein notwendiges Gerät selbst, oder lieſs es von seinen Knechten
machen. Selbständige Gewerbetreibende kommen erst in der Zeit
nach dem Exodus vor. Aaron fertigt nach der Tradition das goldene
Kalb noch selbst an. Zur Herstellung der Stiftshütte braucht indes
Moses bereits einen Künstler, den Bezalel vom Stamme Juda, dem er
als Gehilfen den Ahaliab vom Stamme Dan beigab 1). Dieser Bau-
meister wird von der Schrift als eine hochansehnliche Persönlichkeit
angeführt. Sein Stammbaum wird in drei Generationen aufgeführt
und seine Kunstfertigkeit wird durch folgende Worte gepriesen 2):
„Der Herr hat ihn erfüllt mit dem Geiste Gottes, daſs er weise, ver-
ständig, geschickt sei zu allerlei Werk; künstlich zu arbeiten am Gold,
Silber und Erz; Edelsteine schneiden und einsetzen, Holz zimmern, zu
[160]Syrien.
machen allerlei künstliche Arbeit.“ Die Ausbildung eines ausübenden
Architekten muſste zu jener Zeit noch eine sehr vielseitige sein, nach
dem Wortgebrauch der alten Zeit würde man indes den Mann doch
nur einen Zimmermann genannt haben. Diese Zimmerleute waren
demnach nicht nur Bauhandwerker, sondern auch Künstler in Holz,
Bildschnitzer und Bildhauer. Im Gebiet des Stammes Juda gab es ein
Thal der Zimmerleute. Diese leiteten sich direkt von Juda ab, ihr
Stammbaum wird 1. Chron. Kap. 4, 14 ausführlich mitgeteilt. Sie
waren hoch angesehen. Dieses Thal der Zimmerleute (jetzt Lydda 1)
war zwischen Lod und Ono an der Straſse von Jerusalem nach Jaffa,
nahe der Grenze der Philister. Mit dem Zimmermann zugleich wird
oft der Metallschmied erwähnt. Sie waren es, welche gemeinschaftlich
die Götzenbilder anfertigten. So heiſst es in Jesaias (41, 7): „Der
Zimmermann nahm den Goldschmied zu sich und machte mit dem
Hammer das Blech glatt auf dem Ambos, und sprachen: Das soll fein
stehen und hefteten es mit Nägeln, daſs es nicht sollte wackeln“; fer-
ner (44, 13): „Der andere zimmert Holz und miſst es mit der Schnur
und zeichnet es mit Rötelstein und behaut es und zirkelt es ab und
macht es wie ein Mannsbild, wie einen schönen Menschen, der im Hause
wohne.“ Ebenso spricht Jeremias im Zorn über dieſe Götzenbilder
(10, 3 und 5): „Denn der Heiden Götter sind lauter Nichts. Sie hauen
im Wald einen Baum und der Werkmeister macht sie mit dem Beil:
Und schmückt sie mit Silber und Gold und heftet sie mit Nägeln und
Hämmern, daſs sie nicht umfallen. Es sind ja nichts denn Säulen
überzogen.“ Die Herstellung dieser Götzenbilder scheint ein Haupt-
industriezweig der Zimmerleute von Lod gewesen zu sein, die sie in
Gemeinschaft mit Gold- und Erzschmieden ausführten, deshalb nennen
einige es auch das Thal der Schmiede 2). Ob aber auch die Eisen-
schmiede Judas in diesem Thale ihren Sitz hatten, ist unerwiesen. Es
wäre nicht ganz unwahrscheinlich, daſs sie ebenfalls hier oder nicht
weit der Grenze der Philister zusammen gewohnt hätten, weil wir aus
dem Buche Samuel erfahren, daſs zur Zeit der Richter kein Eisen-
schmied in ganz Israel gefunden wurde, indem diese jedenfalls von den
siegreichen Philistern mit Vorbedacht alle weggeführt waren. Die
bemerkenswerte Stelle lautet 3): „Es ward aber kein Schmied im ganzen
Lande Israel erfunden, denn die Philister gedachten, die Ebräer möchten
Schwerdt und Spieſs machen. Und muſste ganz Israel hinabziehen zu
den Philistern, wenn jemand hatte eine Pflugschar, Haue, Beil oder
[161]Syrien.
Sense zu schärfen. Da nun der Streittag kam, ward kein Schwert
und Spieſs gefunden in des ganzen Volkes Hand, das mit Saul und
Jonathan war, nur Saul und sein Sohn hatten Waffen.“


Aus dem Mitgeteilten geht immerhin schon hervor, daſs die Zimmer-
leute, die Gold- und die Eisenschmiede selbständige Gewerbe waren,
die bereits in früher Zeit im Ansehen standen. Auſser diesen werden
noch besonders Salbenbereiter, Töpfer, Walker, Weber und Bäcker ge-
nannt, zu denen in den gröſseren Städten später auch noch die Barbiere
hinzukamen. Die Gewerbetreibenden pflegten in den groſsen Städten
in Straſsen und Quartieren zusammen zu wohnen. So kennen wir in
Jerusalem eine Bäckerstraſse, ein Töpferthor.


Trotzdem dürfen wir uns keine übertriebene Vorstellung weder
vom Kunstgewerbe, noch von der eigentlichen Kunst in Israel machen.
In allen diesem waren die Juden von ihren Nachbarn, den Phöniziern
abhängig. Der Entwickelung der Bildkunst stand das strenge Gebot
Moses’ entgegen, welches das erste der zehn Gebote auf den Tafeln des
Sinai war, „du sollst dir kein Bild noch ein Gleichnis machen“. Noch
bestimmter heiſst es 5. Mos. 27, 15: „Verflucht sei, wer einen Götzen
oder gegossenes Bild macht, ein Werk aus Werkmeister Hände.“ Auch
in der Baukunst waren die Israeliten abhängig. Der eigentlich natio-
nale Bau war der Holzbau. In der Beziehung ist die Stiftshütte Moses’
das Prototyp. Die gewaltigen Steinbauten, der Palast des David und
der Tempel Salomos wurden beide durch fremde Künstler aus Tyrus
und mit fremder Hilfe aufgeführt. So weit wir den Stil des Gold-
schmucks, der Säulen, der Leuchter beurteilen können, war die Kunst-
richtung eher mehr assyrisch, als ägyptisch. Die Cherubim, die schon
beim Gnadenstuhl in der Stiftshütte vorkommen, entsprechen gewiſs
den analogen Bildwerken Ninivehs, den geflügelten Löwen mit Menschen-
gesichtern u. s. w. Die Zedern des Libanon waren das beliebteste Bau-
material. Doch hatten die Juden selbst zur Zeit Davids und Salomos
über deren Fällung keine freie Verfügung, sondern sie bekamen sie durch
die Könige von Tyrus 1). Die Mitteilungen über den Bau des Palastes
Davids und des salomonischen Tempels geben uns einen ziemlich deut-
lichen Einblick über die Leistung der Hebräer in Bezug auf Kunst und
Gewerbe. Hiram von Tyrus sendet dem David zu seinem Palastbau
sowohl die gefällten Zedern als auch die Steinmetzen. David trug
sich bereits mit der Idee, auch Jehovah einen würdigeren Tempel zu
bauen, aber die vielen Kriege lieſsen sie nicht zur Ausführung kommen.
Beck, Geschichte des Eisens. 11
[162]Syrien.
Als er gestorben war, ging sein Sohn Salomo schleunigst ans Werk,
aber er muſste sich ebenfalls an Hiram, den König von Tyrus, seines
Vaters treuen und aufrichtigen Freund wenden, der ihn denn auch in
jeder Art unterstützte. Auch er muſste die Zedern von Hiram erbitten 1).
Ebenso wurden die Werksteine gemeinschaftlich von sidonischen und
hebräischen Werkleuten gebrochen und zugerichtet. Alles war wohl
vorbereitet, so daſs 2), „da das Haus gesetzt war, die Steine zuvor ganz
zugerichtet waren, daſs man keinen Hammer, noch Beil, noch irgend
ein Eisenzeug im Bau hörete“. Aus dieser Stelle geht klar hervor,
daſs es eiserne Werkzeuge waren, deren sich die Bauarbeiter bedienten,
sowohl die Hämmer als die Beile, Steinhämmer, Meiſsel u. s. w.


Der salomonische Tempelbau war die gröſste architektonische
Kunstleistung der Juden. Trotz der Hilfe fremder Künstler scheint
indes die Architektur eine sehr einfache gewesen zu sein, um so prunk-
voller war die innere Ausschmückung mit Gold und prächtigen Tep-
pichen. Auch hierbei herrschte assyrischer Stil vor. Über die ge-
waltigen Erzguſsstücke, die jedenfalls das Originellste waren, haben wir
schon oben berichtet. Eisen wurde beim Bau des Tempels wenig
verwendet. Das Eisen galt für zu gering, es war viel gemeiner als
Erz. Nur für Nägel und Klammern, und zwar wahrscheinlich für
solche, die man nicht sah, wurde es benutzt, wenigstens hatte David
vorsorglich für diesen Zweck groſse Mengen von Eisen gesammelt.
Die Stelle des Chronisten lautet 3): „Und David bereitete vieles Eisen
zu Nägeln an den Thüren, in den Thoren und was zu nageln wäre
und so viel Erz, daſs es nicht zu wiegen war.“ Wenn das Eisen bei
diesem luxuriösen Tempelbau wenig angewendet wurde, so lag dies nicht
an seiner Seltenheit, sondern umgekehrt an seiner Gemeinheit. Seine
Verwendung im praktischen Leben war eine sehr allgemeine und mannig-
faltige. In frühester Zeit werden bereits die eisernen Kriegswagen der
Kananiter gepriesen. Schon in den Kriegen der Chetiter gegen die Ägyp-
ter waren die Streitwagen die Stärke der ersteren. Die Ägypter nah-
men dieses Ausrüstungsstück von ihnen an. Ebenso waren die Kananiter
gewaltig durch ihre Kriegswagen 4). Zur Zeit Josuas konnte Juda nur
die Städte auf den Höhen einnehmen, weil im Kampfe in der Ebene die
Kananiter zu überlegen waren durch ihre Kriegswagen. „Der Herr
war mit Juda, daſs er das Gebirg einnahm; denn er konnte die Ein-
wohner im Grund nicht einnehmen, darum, daſs sie eiserne Wagen
hatten 5).“ Die Zahl der Wagen war groſs bei den Heeren der Kananiter.
[163]Syrien.
Jabin, der Kananiter König, hatte 900 eiserne Wagen 1). Das Heer
der Philister aber, welches gegen Saul zog, hatte sogar 30000 Streit-
wagen. Ob diese Wagen ganz von Eisen waren, oder, was wahrschein-
licher ist, nur eiserne Naben, Achsen, Radreife und vielleicht auch
Felgen hatten, während der obere Wagenkasten nur mit Eisenblech
beschlagen war, läſst sich mit Bestimmtheit nicht angeben. Indessen
scheint es, als ob sie hauptsächlich aus Eisen bestanden hätten; dafür
spricht auch der charakteristische Ausdruck, der sich öfter wiederholt:
„David verlähmte alle ihre Wagen 2).“ Wäre viel Holz daran gewesen,
so hätte er sie gewiſs verbrannt. David war es auch, der nach seinem
glänzenden Siege über die Syrier die eisernen Streitwagen im jüdischen
Heere einführte.


Eine merkwürdige Eisenkonstruktion, die an dieser Stelle sowohl
ihres Alters, als ihres Charakters wegen Erwähnung verdient, ist das
eiserne Bett des Königs Og von Basan. „Allein der König Og von
Basan war noch übrig von den Riesen (den Enakitern, welche die
älteren Bewohner des kananitischen Gebietes südlich von Judäa waren).
Siehe sein eisernes Bett ist allhier zu Rabbath (der Hauptstadt der
Kinder Ammons) neun Ellen lang, vier Ellen breit, nach eines Mannes
Ellenbogen.“


Selbstverständlich spielt auch das Eisen eine wichtige Rolle bei
der Bewaffnung der Kananiter und der Hebräer, sowohl für Schutz-
wie für Trutzwaffen. Als die Kinder Israel aus Ägypten in das Land
Kanaan zogen, war ihre Bewaffnung im Vergleich mit der der Kananiter
unvollkommen. Sie waren nicht beritten, hatten keine Kriegswagen,
sondern waren ausschlieſslich Fuſsvolk. Bogen und Pfeil, Schleuder
und Spieſs bildeten ihre Hauptwaffen. Doch war auch das Schwert
schon in allgemeinem Gebrauch. Das Schwert war die vornehmste
Waffe, so daſs Schwert und Waffe oft als synonym erscheinen. Merk-
würdigerweise wird, so oft das Schwert auch genannt wird, doch an
keiner Stelle gesagt, aus welchem Metall es gefertigt war. Es scheint
den Schriftstellern selbstverständlich zu sein, daſs es nur aus einem
Metall bestehen konnte, nämlich aus Eisen. Da viele aber annehmen,
die Schwerter der Israeliten seien aus Erz gewesen, so wollen wir die
einzelnen Stellen näher betrachten. Das Schwert wird bereits er-
wähnt bei der Erzählung vom Paradiese. Der Herr, nachdem er Adam
und Eva aus dem Paradies vertrieben, lagerte vor den Garten Eden
den Cherubim mit einem flammenden Schwert 3). Wörtlich heiſst die
11*
[164]Syrien.
Stelle: er lagerte zur Morgenseite des Gartens Eden die Kerubim und
die Klinge des Schwertes das sich umwälzt. Ich glaube, daſs
hier eine blinkende Damaszenerklinge beschrieben werden soll. Herr
Dr. Baer in Biebrich schreibt mir hierüber:


Was nun die Bibelstelle Genesis 3, 24 betrifft, so lautet dieselbe:
„Und er vertrieb den Adam und lagerte zur Morgenseite des Gartens
Eden die Kerubim und die Klinge des Schwertes das sich um-
wälzt
“ hebräisch וְאֵת לַהַט הַחֶדֶב הַמִּתְהַפֶּבֶת. Das Wort לַהַט heiſst eigent-
lich „Flamme“ von der Radix להט „brennen“ ebenso wie לַהַב von
Radix לחב„Flamme“ und dann übertragen „Klinge“ bedeutet vom
Blinken und Blitzen der scharfen Klinge. Z. B. Richter 3, 22; 1. Samuel
17, 7; Nahum 3, 3. Luthers Übersetzung „bloſsen hauenden Schwert“
ist ungenau.“


Die Erzväter waren mit Schwertern bewaffnet. Isaak spricht zu
Esau: „Mit deinem Schwert wirst du dich nähren 1)“ und zu Joseph
sagt Jakob: „Ich habe dir ein Stück Land gegeben, das ich mit
meinem Schwert und Bogen aus der Hand der Amoriter genommen
habe 2).“


Die Juden, die aus Ägypten zogen, waren mit Schwertern bewaff-
net. Moses sagt zu ihnen bei dem Feste des goldenen Kalbes: „Gürte
ein Jeglicher sein Schwert auf seine Lenden 3).“ In den Kämpfen Jo-
suas werden Schwert und Bogen als die Waffen der Israeliten genannt 4).
Daſs diese Schwerter Hiebwaffen waren, geht aus dem oft wieder-
kehrenden Ausdruck hervor: „Er schlägt sie mit der Schärfe des
Schwertes 5)“. Indessen bedeutete chereb, das Schwert, nicht allein
das eigentliche, lange Schwert, welches hauptsächlich als Hiebwaffe
diente, sondern auch kurze, dolchartige Waffen, sowie selbst das Stein-
messer oder Steinbeil 6) und die Messer der Beschneidung so genannt
werden. Etymologisch bedeutet chereb der Durchdringende, der
Schneidende, der Spitzige. Daſs auch dolchartige Waffen zuweilen dar-
unter begriffen sind, geht aus der merkwürdigen Schilderung des
Schwertes des Ehud hervor, die, weil sie so lebhaft und anschaulich
ist, manche Komentatoren verführt hat, diese Ausnahmswaffe zum
Typus der hebräischen Schwerter zu machen. Es wird erzählt 7):
„Ehud machte sich ein zweischneidiges Schwert, eine Elle lang, und
gürtete es unter sein Kleid auf der rechten Seite . . . . (4, 21 u. 22).
Ehud aber reckte seine linke Hand aus und nahm das Schwert von
[165]Syrien.
seiner rechten Hüfte und stieſs es ihm . . . . in den Bauch, daſs auch
das Heft der Schneide noch hinein fuhr und das Fett das Heft verschloſs.“
Hier handelt es sich um einen, mit groſser List und Vorsicht aus-
geführten Meuchelmord. Das Schwert war dolchartig und kurz, um
es besser verbergen zu können, er versteckte es in seinem Gewand auf
der rechten, verkehrten Seite, um weniger Verdacht zu erregen, auf
den furchtbaren Todesstoſs mit der linken Hand hatte er sich jeden-
falls eingeübt. Der Erzähler gibt die ungewöhnlichen Einzelheiten,
nämlich, daſs er die Waffe auf der rechten Seite in seinem Gewand
verbarg und den Stoſs mit der Linken führte, gerade deshalb an, weil
dies gegen den Gebrauch war, um darzuthun, mit welcher List Ehud
seinen Mord vollbrachte. Statt also den Schluſs zu ziehen, die Juden
hätten für gewöhnlich die Schwerter rechts getragen, muſs man gerade
das Umgekehrte folgern, sonst müſste man gerade so folgerichtig an-
nehmen, sie hätten auch alle mit der Linken gekämpft, was an und für
sich widersinnig ist und durch viele Stellen widerlegt wird.


Das Schwert wurde an einem Gehänge an der linken Seite ge-
tragen und stak in einer Scheide. Das Gehänge scheint unter dem
Obergewande um die Lenden befestigt gewesen zu sein 1). David, als
er gegen den Goliath kämpfen will, gürtete das Schwert, das ihm
Saul gegeben, über seine Kleider 2). Nachdem er den Riesen mit der
Schleuder zu Boden gestreckt, riſs er dessen eigenes Schwert aus der
Scheide und hieb ihm den Kopf ab 3). Doch lieſsen sich die Fürsten
und Heerführer ihr Schlachtschwert auch öfter von einem Waffenträger
nachtragen, wie dies Saul in seinem letzten verzweifelten Kampfe gegen
die Philister auf dem Gebirge Gilboa that. Er nahm das Schwert von
seinem Waffenträger, der sich weigert, ihn zu durchbohren, und stürzt
sich selbst hinein 4). Sauls Schwert war also gerade und spitz, wahr-
scheinlich ein zweischneidiges, gerades Schlachtschwert. Zweischneidige
Schwerter werden oft erwähnt 5). Ebenso wird der Blitz der ge-
schwungenen Klinge gerühmt.


Im Buche Hiob heiſst es (20, 25): „Ein bloſses Schwert wird durch
ihn ausgehen und des Schwertes Blitz, der ihnen bitter sein wird, wird
mit Schrecken über ihn fahren“. Das Schwert war das Symbol des
Krieges; Jehovah verheiſst: „Es soll kein Schwert durch Euer Land
gehen, d. h. ihr sollt in Frieden leben 6).“ Fragen wir uns nun, aus
welchem Material bestanden die Schwerter, so geben uns in Erman-
[166]Syrien.
gelung direkter Mitteilungen, zunächst folgende Stellen darüber Auf-
schluſs. In Jesaias heiſst es (2, 4): „Da werden sie ihre Schwerter (in-
folge des Friedens) zu Pflugscharen und ihre Spieſse zu Sicheln machen.“
Im umgekehrten Sinne ruft der Prophet Joel (3, 15): „Machet aus Euren
Pflugscharen Schwerter und aus Euren Sicheln Spieſse.“ Hier kann
nur Eisen gemeint sein. Bronze läſst sich durch einfaches Umschmieden
nicht so leicht in andere Form bringen. Auch wissen wir bereits, daſs
von den Spieſsen ausdrücklich bezeugt wird, daſs ihre Spitzen von Eisen
waren 1). Bezüglich des Metalls der Pflugschar haben wir keine direkte
Bestätigung, daſs es Eisen war, aber nicht nur technische Gründe
sprechen dafür, sondern auch die früher erwähnten Funde von Place
zu Khorsabad. Halten wir diese Stellen zusammen mit der bereits
angeführten Stelle aus Samuel 1, 13, 19: „Es ward aber kein Schmied
im ganzen Land Israel erfunden, denn die Philister gedachten, die
Ebräer möchten sich Schwert und Spieſs machen. Und muſste ganz
Israel hinabziehen zu den Philistern, wenn jemand hatte eine Pflug-
schar, Haue, Beil und Sense zu schärfen.“ Auch hier kann nur Eisen
gemeint sein. Die Beile der Hebräer waren aus Eisen, wie uns in
mehreren Stellen bestätigt wird 2). Wären, wie die Anhänger der
Bronzezeittheorie uns gern glauben machen wollen, Schwerter und
Spieſse von Bronze gewesen, so hätte man nicht zum Schmied zu gehen
brauchen, um die Waffe zu schärfen, da nach ihrer Theorie diese Waffen
ja gegossen wurden. Auſser diesen, für den Unbefangenen überzeugen-
den Gründen wird aber jeder, der Bronzeschwerter und Stahlschwerter
in der Hand gehabt hat, sich sagen müssen, daſs man ein „hauendes
Schwert“ von irgend welchem kriegerischen Wert nur aus Stahl machen
kann, daſs das Schwert als Waffe und zwar speziell als Hiebwaffe über-
haupt nur eine Bedeutung erlangen konnte, wenn es von Stahl war. Die
Bronzeschwerter konnten als Stichwaffen vielleicht einigen Wert haben,
aber zur vornehmsten und vorzüglichsten Waffe, zu der Waffe katexochen
konnte nur die aus stahlartigem Eisen hergestellte Hiebwaffe wer-
den 3). Auch das Blitzen des Schwertes, das Hiob rühmt, kann auch
nur an einer handlichen, elastischen Stahlklinge gerühmt werden.
Bedenken wir ferner, daſs die assyrischen Keilinschriften bereits das
[167]Syrien.
Schwert von Eisen rühmen, so werden wir keinen Zweifel mehr hegen,
daſs die Schwerter der Hebräer Eisenschwerter waren. Auch sonst
wurde das Eisen für die Waffen verwendet, besonders für die Angriffs-
waffen. Von dem Speer Goliaths, der in einer auserlesenen Prunk-
rüstung daher kam, heiſst es 1): „Der Schaft seines Spieſses war wie ein
Weberbaum und das Eisen seines Spieſses hatte 600 Scheckel Eisen.“
Im allgemeinen scheint allerdings bei den Prunkwaffen mehr das Erz
in Gebrauch gewesen zu sein. So heiſst es gerade von der herrlichen
Rüstung Goliaths 2). „Er hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupt
und einen schuppigen Panzer an und das Gerüst seines Panzers war
fünftausend Scheckel Erz. Und hatte eherne Beinharnische an seinen
Schenkeln und einen ehernen Schild auf seinen Schultern.“ Indes
sind diese ganzen Angaben auf Rechnung des Dichters zu setzen, haben
also nur insofern einen positiven Wert, als derartige Bewaffnung zur
Zeit desſelben denkbar war. Die erbeuteten Waffen berühmter Helden
und Heerführer wurden im Triumph im Lande umhergetragen und
dann in den Tempel aufgehängt 3). Die Waffen der gemeinen Soldaten
wurden in Haufen verbrannt 4). Daſs die Harnische, jedenfalls Schuppen-
panzer, ähnlich wie sie die Assyrer trugen, meist von Eisen waren, geht
aus der Stelle im Buche Hiob 20, 24 hervor: „Er wird fliehen vor dem
eisernen Harnisch und der eherne Bogen wird ihn verjagen.“ Ganz
allgemein wurde das Eisen für die Werkzeuge der Handwerker und den
täglichen Gebrauch angewendet. Vor allem andern scheint das Beil
stets von Eisen gewesen zu sein. In den Gesetzesbestimmungen über
den Totschlag heiſst es 5): „Wenn jemand mit seinem Nächsten in den
Wald ginge, Holz zu hauen und holt mit der Hand die Axt aus, das
Holz abzuhauen und das Eisen führe vom Stiel und träfe seinen Näch-
sten u. s. w.“ Und ähnlich heiſst es bei der Erzählung eines sehr sonder-
baren Wunders des Propheten Elisa 6): „Und da einer Holz fällte, fiel
das Eisen in das Wasser. Aber der Mann Gottes sprach: Wo ist es
entfallen? Und da er ihnen den Ort zeigte, schnitt er ein Holz ab und
stieſs daselbst hin, da schwamm das Eisen.“ Ebenso waren die Meiſsel
zur Steinbearbeitung von Eisen. Eine alte Gesetzesbestimmung muſste
es sein, die vorschreibt 7): „Du sollst dem Herrn deinem Gott einen
steinernen Altar bauen, darüber kein Eisen fährt.“ Es ist eine ganz
unrichtige Auslegung einiger Kommentatoren, daſs hier Eisen genannt
sei im Gegensatz zur Bronze, sondern die Stelle will besagen, es soll
[168]Syrien.
kein mit Kunst zugerichteter Altar, sondern, wie es in ältester Zeit
Sitte war, ein unbehauener Stein — gewöhnlich auf dem Gipfel eines
Berges — als Altar dienen. Daſs die Steinmeiſsel von Eisen, d. h. von
Stahl waren, geht unzweideutig aus der Beschreibung des salomonischen
Tempelbaues hervor. Salomo läſst nämlich die groſsen Quadern des
Unterbaues schon in den Steinbrüchen des Libanons teils durch sido-
nische, teils durch eigene Steinmetzen fertig zurichten. Der Chronist
sagt 1): „Und da das Haus gesetzt war, waren die Steine zuvor ganz
zugerichtet, daſs man keinen Hammer noch Beil, noch irgend ein Eisen-
zeug
im Bauen hörte.“ Von Eisen waren ferner die Sägen 2) und zwar
nicht bloſs die Steinsägen. Einer der barbarischen Kriegsgebräuche der
alten Hebräer bestand darin, gefangene Feinde mit eisernen Sägen zu
zersägen. Diesem scheuſslichen Gebrauche huldigte auch der fromme
Psalmist David. Im Buche Samuel 3) heiſst es: „Aber das Volk (von
Rabbath) führte er (David) hinaus und legte sie unter eiserne Sägen
und Zacken 4) und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen 5).“


Die Juden bedienten sich ferner eiserner Pfannen 6). Daſs die
Pflugscharen, Hacken, Heugabeln und Sensen von Eisen waren, geht
aus den oben bereits angeführten Stellen 7) hervor. Die Ketten, die be-
sonders nur als Fesseln dienten, scheinen in älterer Zeit von Bronze,
später aber von Eisen gewesen zu sein. Simson wird 8) von den Phi-
listern mit ehernen Ketten gebunden. Im Prophet Daniel (4, 12) heiſst
eine Stelle: „Er soll in eisernen und ehernen Ketten gehen“, und der
jüngste Psalmist sagt (149, 8): „Ihre Könige zu binden mit Ketten und
ihre Edlen mit eisernen Fesseln.“ Die Dreschflegel scheinen mit
Eisen beschlagen gewesen zu sein. Im Prophet Amos (1, 3) heiſst
es: „Damaskus hat Gilead mit eisernen Zacken gedroschen.“ Der
Hirtenstab war mit Eisen beschlagen, denn dieser ist gemeint, wenn
der Psalmist sagt (2, 9): „Du sollst sie mit eisernem Scepter (Rute)
zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeiſsen.“ Die Riegel an den
Thüren waren teils aus Erz, häufiger aus Eisen. Eherne Riegel haben
die Thore Jerichos, aber der Psalmist sagt (107, 16): „Er zerbricht
eherne Thüren und zerschlägt eiserne Riegel.“ Ebenso Jesaias 45, 2:
„Ich will die ehernen Thüren zerschlagen und die eisernen Riegel zer-
brechen.“ Die Nägel waren meist von Eisen und zwar sowohl die Nägel
die zu Bauzwecken dienten als auch die Schuhnägel 9).


[169]Syrien.

Wie uns aus der Geschichte der assyrischen Könige bekannt ist,
waren in den Schatzkammern der Tempel und Paläste der semitischen
Städte Metallvorräte angehäuft und zwar nicht nur von Gold und Silber,
sondern auch von Kupfer und Eisen. So sagt schon Josua 1): „Ihr kommt
herein mit groſsem Gut zu euren Hütten, mit sehr viel Vieh, Silber,
Gold, Erz, Eisen und Kleidern, so teilt nun den Raub der Feinde.“
Bei der Belagerung von Jericho fiel den Juden der Schatz, bestehend
aus Gold, Silber, ehernen und eisernen Gefäſsen in die Hände und sie
weihten ihn dem Tempel 2). David rühmt sich 3): „Siehe ich habe in
meiner Armut verschafft zum Hause des Herrn 100000 Zentner Gold,
und tausend mal tausend Zentner Silber, dazu Erz und Eisen ohne Zahl,
denn es ist sein zu viel.“


Zu welchem Zwecke das Eisen dienen sollte, geht aus einer anderen
Stelle hervor 4): „David bereitete viel Eisen zu Nägeln für die Thüren
und Thore.“


Der Ausdruck, David bereitete viel Eisen, ist bemerkenswert und
läſst uns annehmen, daſs zu Davids Zeit Eisen in Palästina dargestellt
wurde. Indessen kam dieses Metall und namentlich die besseren Qua-
litäten desſelben auch durch den Handel nach Israel. Tyrus war zur
Zeit der Propheten der berühmteste Markt für Eisen und Eisenwaren.
In den Klagen Hesekiels über den Fall von Tyrus heiſst es: „Du hast
deinen Handel 5) auf dem Meere gehabt und allerlei Ware, Silber, Eisen,
Zinn und Blei auf den Markt gebracht (13)… Javan, Thubal und Mesech
haben mit dir gehandelt und haben dir leibeigene Leute und Erz auf
deinen Markt gebracht (19). Dan und Javan und Mehusal haben auch
auf deinen Markt gebracht Eisenwerk, Kasia und Kalmus.“ Vom
Norden kam das beste Eisen, unter dem wir jedenfalls Stahl verstehen
müssen, es war das Eisen des Nordens immer durch seine Härte und
Festigkeit berühmt. Der Prophet sagt 6): „Meinst du nicht, daſs etwa
ein Eisen sei, welches könnte das Erz und Eisen von Mitternacht (das
Eisen des Nordens) zerschlagen?“ Daſs die Hebräer den Stahl bereits
gekannt haben, geht auch aus dem Sprüchwort hervor: „Man schärft
das Eisen mit dem Eisen 7).“ Indessen bedarf hier ein Irrtum der
Berichtigung, der von Gesenius herrührt und sich, wie es mit gewagten
Hypothesen oder Irrtümern berühmter Männer oft geht, immer fort-
erhalten hat und häufig nachgedruckt wird. Es ist die Erklärung der
Stelle Nahums Kap. 2, 4, in welcher der Ausdruck פַּלְדָה paldah, nach
[170]Syrien.
Gesenius, Stahl bedeuten soll 1). Wir erlauben uns über diesen Gegen-
stand, statt jeder eigenen Bemerkung, einen Brief des Herrn Dr. Bär
in Biebrich, eines der gründlichsten Kenner der hebräischen Sprache,
mitzuteilen.


„. . . . Nach nochmaliger genauer Prüfung ergab sich als
Resultat, daſs ein Wort פַּלְדָה gar nicht existiert. In Nahum 2, 4
heiſst es in Pluralform באש פְּלָדוׁת הדנב, von diesem Plural פְּלָדוׁת
einen nicht vorkommenden Singular פַּלְדָה zu bilden ist an sich
schon gewagt. Aber ihm die Bedeutung „Stahl“ beizulegen ist
eine von Gesenius in seinem Wörterbuche angenommene Be-
deutung, von welcher keiner von allen alten Nationalgram-
matikern etwas weis. Auch daſs im Arabischen Phalud ähnlich
פַּלְדָה Stahl heiſse ist unrichtig. Das arabische Wort dafür ist
Bûlâd mit B, nicht P. Wieder auf die Stelle in Nahum
zurückkommend ist dieselbe zu übersetzen: „mit funken-
sprühendem Gespann“, פְּלָדוׁח, vom Stamme לפד = פלד „feurig
sein, flammen“; so übersetzen auch Septuaginta und Vulgata, so
auch Luther: „seine Wagen leuchten wie Feuer“.


Die wirkliche hebräische Bezeichnung für Stahl aber findet
sich Ezechiel 27, 19: בַּדְזֶל צָשׁוׁת (Barsel aschoth) d. h. wörtlich:
gehärtetes Eisen“ = Stahl. Der Grammatiker David
Kimchi erklärt dazu unzweideutig: צשות תואד לבדזל והוא הנקדא
בלצז אצוור. „Das Wort צָשׁוׁת ist das Adjektiv zu בַּדְזֶל und ist dessen
Bedeutung gleich dem Französischen acier.“ — Auch die
syrische Übersetzung gibt dafür: [...] ebenso
die Vulgata ferrum fabrefactum. Aus jener Ezechielstelle er-
fahren wir zugleich, woher den alten Israeliten der Stahl zu-
kam, aus Arabien her mittels der Phönizier. Es hat gewiſs
für Sie Interesse, noch zu wissen, wie im Rabbinischen Stahl
heiſst. Die rabbinische Benennung ist אִסְטָמָא (Istama) Talmud
Berachoth, p. 62 b, vom Griechischen στομόω „stählen“.


Wir ersehen hieraus, daſs die Israeliten nicht nur aus dem Norden,
sondern auch aus dem Süden, nämlich aus Usal in Jemen Stahl bezogen.


Das Eisen war das verbreitetste und billigste Metall in Israel, des-
[171]Syrien.
halb wird es in allen Aufzählungen, in denen die Metalle benannt
werden, zuletzt angeführt 1).


Aus allem Angeführten geht demnach zweifellos hervor, daſs die
Juden das Eisen kannten, daſs sie es im eigenen Lande gewannen
und daſs sie es zu verarbeiten verstanden. Der Eisenguſs war noch
unbekannt, während sie mit dem Guſse von Gold und Bronze vertraut
waren. Das Ausschmieden verstanden sie dagegen vortrefflich, wie
aus der Verwendung des Eisens für Pfannen sowohl wie für Schwerter
hervorgeht. Sie bedienten sich bereits des Blasebalgs. Daſs sie das
Schweiſsen des Eisens verstanden, läſst sich daraus entnehmen, daſs sie
eiserne Ketten besaſsen. Das Blechschlagen und das Vernieten des
Bleches war ihnen bekannt. Ebenso kannten sie den Stahl, den sie
teils aus dem Norden bezogen, es war das Eisen des Nordens, der
Stahl der Chalyber: teils aus dem Süden, aus Arabien 2).


Lange vor den Hebräern wohnten in Kanaan bereits die Phöni-
zier
. Sie werden von den heiligen Schriften der Juden als Söhne
Chams bezeichnet, doch erscheinen sie in historischer Zeit völlig semiti-
siert. Waren die Israeliten ein einfaches, ernstes Ackerbauvolk, so
waren ihre verbündeten Nachbarn und Stammesgenossen, die Phönizier,
ein üppiges, unternehmungslustiges und verschlagenes Kaufmannsvolk.
Als solche erscheinen sie schon bei ihrem Eintritte in die Geschichte.
Forscht man weiter nach den ersten Anfängen des Volkes, so erkennt
man mit Bestimmtheit, daſs die Phönizier schon in sehr früher Zeit in
Kanaan ansäſsig waren, während die Einwanderung der Israeliten noch
als ein erkennbares Faktum in historische Zeit fällt. Zwar steht zu ver-
muten, daſs auch sie von Osten her eingewandert sind, doch entwickelte
sich ihre ganze Kultur auf dem Boden, auf dem wir sie in geschicht-
licher Zeit ansäſsig finden. Sie selbst hielten sich für Urbewohner, der
[172]Syrien.
Erde entsprossen und die Überlieferungen der Israeliten nennen in
Übereinstimmung hiermit Sidon „den Erstgeborenen Kanaans 1)“. In
frühester Zeit lebte das Volk wahrscheinlich vom Fischfange, denn
„Sidon“ heiſst in der phönizischen Sprache „Fischfang“. Diese Be-
schäftigung führte naturgemäſs zur Schiffahrt und der Handelsgeist,
der um so mehr bei ihnen geweckt werden muſste, weil die groſse
Handelsstraſse von Asien nach Ägypten und Arabien durch ihr Gebiet
führte, veranlaſste sie zu Wagnissen zur See von solcher Kühnheit, wie
sie vor ihnen kein anderes Volk unternommen hatte. Während die
Ackerbaubevölkerung Israels eine entschieden monarchische Gesinnung
hatte und sich, wenn auch unter verschiedenen Formen um eine Person
zu scharen suchte, herrschte bei den Phöniziern gerade das Gegenteil
dieser nationalen Einheitsbestrebung. Wie die Kananiter zu Abrahams
Zeit in unzählige kleine Diminutivkönigreiche zerteilt waren, so herrschte
auch bei den Phöniziern nie eine geschlossene Einheit, sondern jede
der groſsen Städte hatte autonome Selbständigkeit und einen eigenen
Fürsten. Ja, so gänzlich zuwider war dem phönizischen Kaufmanns-
volke die Allgewalt des Einzelnen, daſs sie selbst in einzelnen Städten
den König noch unter einen „hohen Rat“ angesehener Bürger stellten,
wodurch die monarchische Spitze so geschwächt wurde, daſs die späteren
Koloniestädte der Phönizier ganz davon abstrahierten und eine voll-
ständig republikanische Staatsform in ihren Gemeinwesen einführten.


Die phönizischen und syrischen Städte sind von hohem Alter.
Viele derselben werden bereits in Inschriften aus der Zeit Thutmosis III.
(1591 bis 1565) erwähnt. Sanchuniathon, ein Hierophant, der um die
Zeit des trojanischen Krieges lebte und aus dessen Schriften Bruchstücke
von Philon von Byblos erhalten sind, nennt Byblos die älteste Stadt
der Welt. Sidon bestand schon vor der Einwanderung Abrahams, ebenso
Damaskus, das nach Berosus von Kain selbst gegründet wurde.
Tyrus ist zwar jünger als Sidon, doch sicherlich älter als das Jahr 1209,
welches als das Jahr seiner Gründung angegeben wird, denn Zor, d. h.
Tyrus, wurde bereits von Sethos I. in Ägypten (1440 bis 1400 v. Chr.) er-
obert. Zur Zeit, als Israel zuerst mit den Phöniziern in Verbindung
trat, war Sidon die herrschende Stadt. Jakob erwähnt sterbend die
Stadt und ihren Hafen 2). Damals war sie bereits eine blühende
Handelsstadt. Als Verwandte und Nachbarn der Chetiter teilten sie
jedenfalls deren Kultur und dürfen wir sicher annehmen, daſs auch ihre
metallurgischen Kenntnisse bereits auf derselben hohen Stufe standen,
[173]Syrien.
wie die der Chetiter. Nach dem Exodus traten die phönizischen
Könige zu den Juden, nachdem diese die Obmacht in Kanaan erlangt
hatten, in ein freundschaftliches Verhältnis. Denn während die phöni-
zischen Städte zu stark waren, als daſs die Juden daran denken konn-
ten, sie ohne verzweifelten Kampf zu erobern, so lag es in der wohl-
bedachten Politik der Phönizier, alsbald mit dem kräftigen Volke, das
seine unentbehrliche Kornkammer besetzt hatte, in gute Beziehung
zu treten. Sie räumte deshalb den nördlichen schwächeren Stämmen
des israelitischen Volkes, Asser, Isaschar, Zebulon, Naphtali und
Dan gewisse Gebietsteile, über die sie vordem Hoheitsrechte ausgeübt
hatten, freiwillig ein, wofür andererseits die Israeliten sich zu gewissen
Leistungen bequemen muſsten, die für den phönizischen Handel von
Wichtigkeit waren. So besorgten Asser und Isaschar den Waren-
transport der Karawanen durch ihr Gebiet und halfen beim Auf- und
Abladen der Waren 1). Die Küstenstämme Isaschar und Zebulon da-
gegen halfen beim Be- und Entladen der Schiffe und standen den
Phöniziern beim Fischfang und beim Suchen der Purpurschnecken bei.


Es wurde bereits hervorgehoben, daſs die Kananiter in einem Lande
wohnten, welches den Zankapfel ägyptischer und chaldäischer Macht,
den Ausgleich ägyptischer und chaldäischer Kultur bilden muſste. Sie
wohnten nahe der uralten und wichtigen Handelsstraſse, die von Asien
nach Afrika führte. Nicht die Phönizier haben diese Handelswege ge-
schaffen, nicht waren sie die Veranlassung dieses Handels, aber sie
zogen die Vorteile dieser Verkehrswege und nur der groſsartige Land-
handel konnte die Bedeutung des auf wenige Städte und einen schmalen
Küstenstrich beschränkten Gebietes der Phönizier ermöglichen.


Das Sinnen und Trachten der Phönizier wurde durch ihre Handels-
tätigkeit mehr auf Äuſserliches gelenkt. Zwar hatten auch sie oder
die ihnen stammverwandten Kananiter einmal eine Stadt der heiligen
Bücher, ähnlich dem Sais der Ägypter oder dem Syppara der Baby-
lonier, es war die Stadt Kirjath Sepher (jetzt Debir nahe bei Hebron),
die Stadt der Orakel, die Josua (15, 15) erwähnt, aber wir wissen von
dieser kananitischen Stadt nichts als den Namen. Die Phönizier haben
uns keine heiligen Bücher hinterlassen wie die Hebräer, haben keine
in Stein gemeiſselte Urkunden wie die Ägypter, keine Bibliotheken von
Thoncylinder mit Keilinschriften wie die Assyrer, selbst ihre Bau-
denkmale sind so spärlich und unbedeutend, daſs sie nicht entfernt mit
den Wunderbauten Ägyptens oder den Prachtpalästen Assyriens und
[174]Syrien.
Babylons zu vergleichen sind. So würden wir von diesem merkwürdigen
Volke, wenn wir auf ihre eigenen Überlieferungen beschränkt wären, so
gut als nichts wissen, obgleich vielleicht kein Volk auf die Zivilisation so
mächtig eingewirkt hat wie dieses. Dafür aber haben wir die Zeugnisse
der Israeliten, der griechischen und römischen Schriftsteller. Aus diesen
müssen wir unsere Belehrung schöpfen, die freilich, da sie aus zweiter
Hand kommt und aus meist viel späterer Zeit, nicht die Zuverlässigkeit
der unmittelbaren Mitteilungen der oben angeführten Geschichtsquellen
hat. Einstimmig preisen alle Quellen den groſsartigen Seehandel der
Phönizier. Die Griechen leiten ganz direkt einen groſsen Teil ihrer
Kultur und selbst ihre Religion von den phönizischen Städten ab und
ebenso einstimmig sind Strabo und Plinius darin, daſs die Zivilisation
sämtlicher Küstenländer des Mittelmeeres auf die Einwirkung der
Phönizier zurückzuführen ist. Es ist unendlich zu beklagen, daſs die
Werke des Mochos, der vor dem trojanischen Kriege lebte 1) und des
Sanchuniathon der um oder nicht lange nach dieser Epoche lebte, ver-
loren gegangen sind, die anderen Bruchstücke des uns erhaltenen Aus-
zuges des Philon von Byblos aus den Schriften des letzteren bieten uns
weniges. Über die Gewerbe der Phönizier, über ihre technische Bildung,
über ihre Verwendung der Metalle fehlen uns die direkten Zeugnisse,
wir können hierüber nur Vermutungen aufstellen. Jedenfalls aber
haben wir ein Recht anzunehmen, daſs ihre Technik sehr ähnlich und
nicht geringer war, als die der Kananiter, die ihre Stammesbrüder
waren und deren Gebiet sie zum Teil beherrschten. Die Metallindustrie
der Phönizier wird demnach zur Zeit der Herrschaft der Chetiter in
der Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. und später zur Zeit der Eroberung
von Kanaan durch die Israeliten zum mindesten auf der Höhe ge-
standen haben, die wir bereits früher geschildert haben. Nördlich der
Cheta wohnten nach den Inschriften Thutmosis III. die Retenu, die
reich an gutem Eisen waren. Wir dürfen annehmen, daſs dies Volk
am Südabhange des Libanon wohnte und wenn nicht mit den Phöniziern
identisch, so doch verwandt und benachbart war. Die gröſste zivilisa-
torische Einwirkung übten die Phönizier durch ihre Schiffahrt, ihren
Handel und ihre Kolonisation aus und zwar erstreckt sich diese Wirkung
nicht allein auf das ganze Mittelmeerbecken, sondern auch auf die
Küste des Schwarzen Meeres und des Atlantischen Ozeans, bis
nach England hin. Ihre Götter zogen mit ihnen, besonders Baal-
Melkart, der Gott der männlichen Kraft, welchen wir als Herkules
[175]Syrien.
wiederfinden, und die Astarte, die wandernde Mondgöttin mit dem
Symbol der Sichel, welche das weibliche Prinzip darstellt, ebenso
finden wir die Götter der Arbeit, die Kabiren, zu denen Kadmos
gehörte, als Daktylen, Telchinen, Kureten etc. in vielen, dem phöni-
zischen Heimatlande weit entfernten Gegenden mehr oder weniger
deutlich wieder. Wenn auch die Wanderungen der Phönizier mit
unserem Gegenstande keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, so
sind sie für die Ausbreitung der metallurgischen Kenntnisse doch von so
auſserordentlicher Wichtigkeit, daſs wir gezwungen sind, bei ihnen zu
verweilen. Die Schiffahrt der Phönizier war zunächst Küstenschiffahrt.
Einer ihrer höchsten Götter hatte das erste Boot aus einem hohlen
Stamme hergestellt und so die Schiffahrt erfunden. Ihre Ver-
bindungen mit Ägypten waren sehr alt zu Wasser wie zu Lande. In
Ägypten blieben sie indes mehr Händler, obgleich sie in späterer Zeit
dort eigene Häfen hatten. Die erste Kolonie legten sie auf der ihrem
Lande nächsten, sozusagen gegenüberliegenden, reichen Insel Cypern
an. Von Sidon gingen diese ersten Ansiedelungen aus. Von den neun
Königreichen, die auf Cypern bestanden, waren fünf von Sidon ge-
gründet. Cypern lieferte den Phöniziern vor allen anderen Produkten
Kupfer in reichlichen Mengen und galt Cypern im Altertume gewisser-
maſsen als die Heimat des Kupfers, von dem Namen der Insel leitet
man den Namen des Metalls, das cyprische Erz, cuprum, Kupfer ab 1).


Daſs der Einfall der Hyksos in Ägypten und ihre Vertreibung aus
dem Nillande nicht ohne Einfluſs auf Kanaan und speziell auf die An-
siedelungen und Auswanderungen von den Hafenstädten der phönizisch-
philisträischen Küste gewesen sind, darf mit Sicherheit angenommen
werden, obgleich der unmittelbare Zusammenhang bis jetzt noch nicht
klar gestellt ist. Die Kolonisation Cyperns gab nicht nur der Industrie
und Handelsthätigkeit Sidons, sondern auch ihrer späteren Kolonial-
politik eine bestimmte Richtung. Wir wissen zwar, daſs auch im
Libanon Kupferbergwerke bestanden, daſs südlich von Judäa Kupfer-
gruben im Betriebe waren, aber diese waren weder im unmittelbaren
Besitz der Sidonier, noch gaben sie entfernt eine so reiche Ausbeute
wie die Bergwerke auf Cypern. Nur durch letztere wurde Phönizien
zum kupferreichsten Lande der Erde. Von nun an war es wesentlich
der Erwerb von Metallen, der die Phönizier zur Anlage von Kolonieen
reizte. Wann die erste Besiedelung Cyperns stattgefunden hat, ist
noch durchaus unaufgeklärt. Wenn Dunker dafür 2) die Mitte des
[176]Syrien.
13. Jahrhunderts angibt, so ist dies nur als ein Minimum der Zeit-
berechnung anzusehen. Nehmen wir diese Zahl als annähernd richtig
an, so muſs der Kupferreichtum der Chetiter über drei Jahrhunderte
früher aus anderen Quellen geflossen sein. Da wir ferner vermuten
dürfen, daſs der Bronzeguſs in Ägypten zur Zeit der Ramessiten und
in Israel zur Zeit des Exodus bekannt war, so muſsten die metallur-
gischen Kenntnisse der Phönizier, namentlich auch ihre Kunst der
Bronzebereitung älter sein, als die erste Ansiedelung von Cypern.
Waren sie aber in Asien vielleicht nur Schüler einer älteren Kultur
auch in metallurgischen Dingen, so traten sie in Europa doch überall
als Lehrer auf und die Spuren ihrer Ansiedelungen sind bezeichnet
durch die Anlage von Bergwerken. Wir wollen einen Blick auf die
wichtigsten und namentlich die für unseren Zweck bedeutsamsten
Kolonieen der Phönizier werfen, doch bemerken wir im voraus, daſs wir
hierbei den Ausdruck phönizische Kolonieen nicht so beschränkt auf-
fassen, daſs wir darunter nur Kolonieen von Sidon, Tyrus, Aradus, den
eigentlichen Städten des beschränkten Gebietes der Phönizier begreifen,
sondern daſs wir es für möglich und wahrscheinlich halten, daſs auch
die verwandten Nachbarstämme der Philister und ihre Hafenstädte
Gaza, Asdod und Joppe und andere, wenn auch in beschränkterem
Maſse, an diesen Kolonisationen Teil genommen haben. Bestimmen
zu wollen, ob die Ansiedelung eines Distriktes durch Philister (Pheresiter,
Hetiter, Luditer) oder Phönizier erfolgt sei, scheint uns indes vorläufig
eine vergebliche Mühe zu sein, wie auch die Behauptung von Rougemont
(Bronzezeit), daſs in allen Pelasgern Philister zu erkennen seien, zum
mindesten sehr gewagt ist. Nach Cypern war es die Insel Rhodos, auf
der die Phönizier festen Fuſs faſsten. Es kann dies als ihr Eintritt in
Europa bezeichnet werden. Ferner setzten sie sich auf Kreta fest, das
lange ein Mittelpunkt ihrer Macht und Kultur im Ägäischen Meere
blieb. Von ihren vielen sonstigen Kolonieen auf Melos, Thera, Samo-
thrake, Thasos, Lemnos, Kythere u. s. w. ist die Ansiedelung von Thasos
für uns die interessanteste, weil sie hier den groſsartigsten Bergbau
und zwar auf goldführenden Quarzsand anlegten. Auch Thasos wurde
als Mittelpunkt einer bedeutenden Industrie, ein Mittelpunkt der Kultur
und dehnte sich der Handel von Thasos über Tracien bis nach der
Donauebene aus. Die Archäologen, welche an dem Bronzezeitalter fest-
halten, nehmen an, daſs durch den Handel von Thasos aus die ältere
Kupferzeit in Ungarn etwa im 12. Jahrhundert v. Chr. durch eine
Bronzezeit verdrängt worden sei 1). Die Phönizier drangen weiter vor
[177]Syrien.
an der Küste Griechenlands entlang, sie siedelten sich auf Euböa an,
wo sie Kupferbergwerke eröffneten, gründeten Kadmos, drangen ans
Adriatische Meer, wo sie sich an der für den europäischen Landhandel
so wichtigen Mündung des Po anbauten. Sie sollen dort eine Stadt
Adria gegründet haben, von der dieses Meer noch heute seinen Namen
trägt. Es waren Sidonier, welche diese Kolonieen anlegten. Ebenso
fuhren diese der afrikanischen Küste entlang, gründeten Alt-Karthago,
Hyppo und Utika (Tunis), besiedelten Sizilien, Malta und Sardinien
und drangen bis nach Gibraltar zu den „Säulen des Herkules“ vor.


Die Ansiedelung in Spanien bildet einen Wendepunkt in der Ge-
schichte Phöniziens. Er fällt zusammen mit dem Niedergange von
Sidon und mit dem Aufschwunge von Tyrus. Diese Umwälzung war
zunächst eine politische. Sidon hatte schwere Kämpfe zu bestehen
und wurde um 1200 v. Chr. von einem König von Askalon zerstört.
Obgleich es aus seinen Trümmern wieder erstand, erlangte es doch nie
mehr seinen früheren Glanz. Das jüngere Tyrus verstand es die Ober-
gewalt an sich zu reiſsen und von dieser Zeit an knüpft sich denn auch
die Geschichte der phönizischen Kolonisation an die Geschichte von
Tyrus. Die Hauptquelle des groſsartigen Reichtums von Tyrus war
der Silberhandel und die Silbergewinnung Spaniens. Um das Jahr
1100 wurde Gades an dem Ufer des Atlantischen Ozeans jenseits der
Säulen des Herkules gegründet und diese Stadt war der wichtigste
Stapelplatz für den Silber- und den Zinnhandel und blieb es, nach-
dem auch Tyrus und die ganze Herrlichkeit Phöniziens längst ver-
blichen war.


Tarsis war Jahrhunderte lang der Inbegriff des Reichtums. Tarsis
war ursprünglich die Stadt und das Gebiet von Gades, doch nannte
man so das ganze silberreiche Land an den Ufern des Bätis, manchmal
verstand man ganz Spanien darunter. Tarsisschiffe hieſsen die groſsen
schweren Handelsschiffe der Phönizier. Durch ihre Gröſse, Belastungs-
fähigkeit und Schnelligkeit waren sie die Bewunderung der Propheten
Judas, wie der Schriftsteller des klassischen Altertums. Tarsis war
für die Alten das, was einmal eine Zeitlang Kalifornien war, der In-
begriff des Metallreichtums. Bezeichnend ist die Anekdote 1), daſs die
ersten phönizischen Schiffe, die in Spanien gelandet seien, so viel Silber
für wertlose Waren eingetauscht hätten, daſs, nachdem das Schiff bis
zur Grenze seiner Tragfähigkeit beladen war, sie ihre Anker und Ketten
zurückgelassen und sich solche aus purem Silber neu angefertigt hätten.


Beck, Geschichte des Eisens. 12
[178]Syrien.

Tyrus, welches den Silberhandel Spaniens beherrschte, war be-
wundert und beneidet wegen seines Reichtums. Der Prophet Jesaias
sagt von ihr: „Tyrus, die Kronen spendet, ihre Kaufleute sind Fürsten
und ihre Händler die Geehrten der Erde.“


Doch auch dieser Glanz erlosch. Die reichen Städte Syriens, der
Wohlstand Ägyptens lockten die assyrischen Könige zu häufigen
Kriegszügen. Keine Stadt hat so viele und lange Belagerungen aus-
zuhalten gehabt wie Tyrus. Dazu kam das Emporblühen ihrer eigenen
Kolonieen, sowie die politische Entfaltung von Griechenland. So be-
gann der Glanz von Tyrus schon vom achten Jahrhundert an zu ver-
bleichen. Seine Kolonie Gades und vor allem Karthago wurden die
Erben seines Reichtums. 581 eroberte und zerstörte Nebukadnezar
das Bollwerk der Phönizier. Es erhob sich zwar wieder aus den
Trümmern, als aber Alexander der Groſse es nochmals vernichtete,
sank es auf die Stufe einer wohlhabenden Provinzialstadt herab, bis es
allmählich immer mehr in Verfall kam.


Der Handel war die Stärke der Phönizier. In Bezug auf den
Landhandel nutzten sie nicht nur ihre günstige, geographische Lage
aus, sondern sie suchten sich direkt und indirekt die wichtigsten
Etappen dieses Handels zu sichern. Direkt, indem sie an den wichtig-
sten Karawanenstraſsen Städte und Faktoreien anlegten, wie die rasch
aufblühenden Städte Hamath, Edoma und Thypsach, indirekt, indem
sie mit den Fürsten der Länder, durch welche die Handelsstraſsen zogen,
Bündnisse zum Schutze des Handels abschlossen.


Auf diese Weise suchten sie sich namentlich den Zugang zum Roten
Meere zu sichern. Wie sie früher zu diesem Zwecke sich die krie-
gerischen Philister durch Geschenke geneigt erhalten hatten, so ver-
fuhren sie später ebenso gegenüber Israel, nachdem dieses durch die
siegreichen Kriegszüge Davids die Obmacht in dem Gebiete vom
Libanon bis zum Roten Meere erlangt hatte. Der weise König Hiram
von Tyrus schloſs enge Freundschaft mit David und Salomon und der
letztere vergalt die guten Dienste der Phönizier damit, daſs er ihnen
freiwillig den Hafen der Stadt Elath zu Eziongeber am Roten Meere
einräumte, wo sie sofort eine Schiffswerfte anlegten. Sie suchten die
Fürsten Israels direkt für den Handel zu interessieren und veranlaſsten
dadurch den König David, die Stadt Tadmor in der Wüste an der
kürzeren Karawanenstraſse von Syrien nach dem Euphrat anzulegen
und zu befestigen. Von Eziongeber aus unternahm Hiram in Ver-
bindung mit König Salomo die berühmten Ophirfahrten. Die aus-
gesandten Schiffe brachten Gold, Edelsteine, Sandelholz, Elfenbein,
[179]Syrien.
Affen und Pfauen mit heim. Den groſsen Gewinn dieser Unterneh-
mungen teilten sie untereinander.


Der phönizische Handel war wesentlich ein Hausierhandel, den sie
in seiner beschränkteren Form im Nachbargebiete, z. B. in Israel oder
von den Koloniestädten aus betrieben, im groſsartigeren Maſsstabe aber
zu Land als Karawanenhandel, auf dem Meere als Seehandel. Die Waren,
die sie verkauften, produzierten sie nur zum kleineren Teil selbst.
Meistens kauften sie Waren an einem Orte auf, um sie an einem andern
mit möglichst hohem Gewinn wieder zu verhandeln, so hatten ihre Ge-
schäfte manchmal den Charakter des Tauschhandels, manchmal den
des Groſsadventurgeschäftes (z. B. die Ophirfahrten). In Zahlung
nahmen sie am liebsten Gold und Silber, dann auch Kupfer und Zinn.
Diese waren die Quellen ihres Reichtums 1). Sie verarbeiteten sowohl
die rohen Metalle, als wie die sonstigen Rohstoffe zu hunderterlei fertigen
Handelsartikeln, die sie dem Geschmack und den Gewohnheiten der
Völker, mit denen sie handelten, auf das Gewandteste anzupassen ver-
standen. „Spitzbuben“ nennt sie Homer, „die tausenderlei Tand mit-
bringen im dunklen Meerschiff 2).“


Die Schiffe, deren sich die Phönizier bedienten, waren groſse, breit
gebaute Handelsschiffe mit flachem Boden, meist mit zwei übereinander-
gebauten Ruderreihen auf beiden Seiten, so daſs also vier Reihen von
Ruderern sie vorwärts bewegten. Sie waren berühmt wegen ihrer
Schnelligkeit, die gröſser war als die der Kriegs- und Piratenschiffe
und nach den uns übermittelten Angaben nicht geringer als die unserer
Seedampfer gewesen sein muſs. Sie waren schwarz, jedenfalls geteert,
daher Homers Bezeichnung „dunkeles Meerschiff“.


Der Kultureinfluſs der Phönizier auf Europa war ein ganz eminenter.
Es waren nicht nur ihre Kolonieen, nicht nur die Faktoreien, die sie
auch in fremden Städten anlegten, sondern zu allermeist war es der
unermüdliche Hausierhandel, der teils von den Städten Phöniziens direkt,
mehr aber noch von den phönizischen Kolonieen ausgehend, ganz Europa
mit einer Art von Netz umspann, dessen Hauptfäden die natürlichen
Handelsstraſsen, die den groſsen Wasserläufen folgten, bildeten. Der
phönizische Händler brachte nicht allein fremde Waren, sondern er
brachte auch fremde Bedürfnisse in die barbarischen Länder. Der
fremde Tand wurde Mode und Bedürfnis. Dazu verstanden die semi-
tischen Kaufleute das Aufschneiden wie keine anderen. „Phönizische
Lügen“ waren im ganzen Altertume etwa das was wir Münchhausiaden
12*
[180]Syrien.
nennen. Es war aber nicht alles gelogen. Der Gesichtskreis der
Barbaren erweiterte sich mit dem Kreise ihrer Bedürfnisse und die
fremden Händler leiteten die wilden Eingeborenen zur eigenen Thätig-
keit, zur Produktion an, ganz vornehmlich suchten sie sie zum Aufsuchen
und zur Gewinnung der Mineralschätze zu veranlassen. Mit den
phantastischen Amuletten, die gegen Krankheit und bösen Zauber gut
sein sollten, brachten sie auch ein Stück ihrer heimischen Religion in
das fremde Land. Wo durch ihren Handel feste Ansiedelungen ent-
standen, wurde ihr Einfluſs noch gröſser. Da lernten die Barbaren ein
neues, bequemes, genuſsreiches Leben kennen, üppig und prunkvoll,
gegen das ihnen ihre seitherige Existenz arm und jämmerlich erschien.
Dieses Gefühl erhielt sich selbst bei den Juden gegenüber den fast
königlichen Kaufleuten von Tyrus und unter dem reichen Manne, der
bei allen irdischen Genüssen doch nicht in den Himmel kommt, ist vor
allem der üppige Kaufherr, wie er in den benachbarten Küstenstädten
wohnte, gemeint. Gutes und Schlimmes brachten die fremden Händler —
das schlimmste war der Sklavenhandel. Die sinnliche Form ihrer
Religion, der Götzendienst, das Bild des starken Baal-Melkart, der
schönen, verführerischen Astarte schlichen sich leicht in die Vorstellung
der rauhen Barbaren ein. — Die fremden Händler lebten den Barbaren
zu Gefallen, sie schmeichelten sich ein und so faſsten sie bald festen
Fuſs, wo es nur etwas zu verdienen gab. Wurden sie zahlreicher an
einem Ort, so schlossen sie sich zu Gemeinden zusammen, meist in be-
sonderen Stadtvierteln. Sie bildeten Kaufmannsgilden und selbst
religiöse Gemeinden mit eigenen Tempeln, in denen sie die Götter in
ihrer eigenen, sinnlichen Weise verehrten. Hinter der üppigen Form
ihres Gottesdienstes war aber doch der tiefe Keim der ganzen chal-
däischen Kultur verborgen, und so konnten sie die Vorarbeiter für die
Ausbreitung des Christentums werden. Phönizier und Hebräer waren
so nahe verwandt, daſs von der Zeit des Exils an sie als einer Nation
angehörig betrachtet werden dürfen. Auch treten die Hebräer von der
Zeit ihrer Wegführung an in vieler Beziehung in die Fuſstapfen der
Phönizier. Sie hatten ihre Seſshaftigkeit verloren. Das Ausziehen in
die Fremde war ihnen nichts ungewohntes mehr. Der Gewinn lockte,
sie fingen selbst an ein Handelsvolk zu werden. Vielfach lieſsen sie
sich in fremden Städten in den Quartieren ihrer Brüder, der Phönizier,
den alten Ghettos, nieder. Das jüdische Element drängte nach und
nach das phönizische zurück. Hierdurch wurde es ermöglicht, als dann
die groſse religiöse Reform im Heimatlande sich vollzog, daſs das
Christentum eine so rasche und intensive Ausbreitung erfahren konnte,
[181]Syrien.
und es ist deutlich zu erkennen, wie die Ausbreitung des Christentums
den alten phönizischen Ansiedelungen folgt. Auf Cypern waren die
ersten phönizischen Kolonieen, auf Cypern entstand die erste christliche
Gemeinde, die sich dann weiter nach Kleinasien, Griechenland bis nach
Rom verbreiteten.


Die Phönizier waren ein Weltvolk, ihre Kultur war deshalb durch
viele Faktoren beeinfluſst. Die Grundlage aber bildete die semitische
Kultur der Chaldäer. Die Griechen schrieben ihnen die Erfindung der
Schrift zu und doch haben sie nur die Keilschrift der Assyrer in einer
praktischen Weise umgestaltet. Praktisch waren sie aber überhaupt, wie
dies bei ihrer materialistischen Richtung nicht anders möglich war.
Wie ihre Schrift, so war ihr Maſs-, Gewichts- und Münzsystem chal-
däisch. Dabei hatten sie für den Geldverkehr infolge ihres Reichtums
an Silber die Silberwährung angenommen. Sie führten, wie es scheint,
zuerst Geld im eigentlichen Sinne des Wortes ein. Es waren dies
allerdings keine geprägten Münzen, sondern nach Maſs zugeschnittene
Täfelchen, die nach altem Gebrauche noch zugewogen wurden. Das
höchst rationelle, chaldäische Gewichtssystem basierte auf einem ge-
wissen Kubikmaſs Wasser. Diese Kubikeinheit Wasser hatte nach
unserem Gewichte 822 kg. Dieses war das babylonische Talent. Es
wurde eingeteilt in 60 Mana (griechisch Mienen), eine Mana in 50 Scheckel
(Säckel). Dem chaldäischen Längenmaſs, welches ebenfalls von den
Phöniziern und durch diese von den Griechen angenommen wurde, lag
die „babylonische Elle“ gleich 234 Pariser Linien zu Grunde. Zwei
Drittel der Elle war der babylonische Fuſs. Nicht nur die Phönizier
und Griechen, sondern auch die Assyrer und Perser bedienten sich
dieses Maſs- und Gewichtssystems. 750 v. Chr. prägte man zuerst zu
Argos und Aegina eine Münze, die Drachme, gleich einem halben
Scheckel, von denen 6000 auf das Talent gingen, aus. In späterer Zeit
war in Syrien auch Kupfergeld gebräuchlich, wenigstens steht in
Ezechiel 16, 36, das Wort Kupfer n’choschet, für Geld.


Fragen wir nach der Gewinnung und Verwendung der Metalle bei
den Phöniziern, so haben wir auch mehr von ihrem Handel, als von
ihrer Industrie zu berichten.


Das Gold gewannen sie im eigenen Lande nicht, auch wohl kaum
in Cölesyrien. Dagegen hatten sie berühmte Bergwerke in ihren
Kolonieen, besonders zu Siphnos und Thasos, wo die Phönizier und
zwar die Sidonier schon fünf Geschlechter vor Herkules (1500 v. Chr.)
eine Stadt erbaut haben sollen. Diese Bergwerke lagen gegenüber
Samotrake, und Herodot erzählt bewundernd, die Phönizier hätten dort
[182]Syrien.
einen ganzen Berg umgewendet. Demnach scheint es ein groſsartiger
Tagebau gewesen zu sein. Die gröſsere Menge des Goldes floſs aber
aus ihrem Handel mit Arabien 1) und später aus ihren Ophirfahrten.
Es entsprang wohl in beiden Fällen denselben Quellen, denn auch die
arabischen Händler von Saba und Raema gewannen es nicht im eigenen
Lande, sondern erwarben es durch ihren Seehandel. Die Ophirfahrten
hatten denn auch wesentlich den Zweck, den Arabern den Gewinn zu
entziehen, den sie aus dem Zwischenhandel zogen. Wo die ophirischen
Goldländer lagen, ist noch immer eine Streitfrage. Seitdem neuer-
dings die Goldlager westlich von Sofala aufgefunden worden sind und
man dort die Trümmer einer alten, wohlgebauten, angeblich in ihren
Resten an ägyptische Bauart erinnernde Stadt entdeckt hat, neigt man
wieder allgemeiner zu der Ansicht, daſs das Ophir der Alten an der
Ostküste Afrikas in dem Lande der Äthiopier lag, indem man glaubt,
in jenen Goldfeldern die ophirischen Lager wieder aufgefunden zu
haben. Die entgegenstehende Ansicht ist die, daſs das ophirische Gold
von Indien kam und zwar, da das indische Tiefland arm an Gold ist,
daſs es aus dem Berglande am oberen Indus gekommen wäre. Eine dritte
Ansicht ist die, daſs es aus Ceylon gekommen sei. Da aus den Angaben
der heiligen Schrift hervorzugehen scheint, daſs das Gold von ver-
schiedenen Plätzen kam, indem es unter verschiedenen Namen aufge-
führt wird, so könnten wohl sämtliche Annahmen richtig sein. Dennoch
ist es wahrscheinlicher, daſs die gröſsere Menge des Goldes von Ost-
afrika kam, während von Indien, wohin allerdings sowohl die arabischen,
als die phönizischen Händler fuhren, besonders Edelsteine, Perlen,
Pfauen und ein Teil der „Gewürze Arabias“ geholt wurden. Gold
scheinen indes die Araber selbst in Madian, südwestlich von Sinai ge-
wonnen zu haben. Eine weit gröſsere Rolle spielte aber in dem phöni-
zischen Handel das Silber. Es ist anzunehmen, daſs auch in Kanaan
Silber gewonnen wurde, oder daſs vielleicht auch Silbererze aus fremden
Ländern da verschmolzen wurden. Das Silberland der Phönizier war
Spanien und der Silberhandel in diesem Lande bildete eine der wichtig-
sten Grundlagen ihres Handels und Reichtums. Den Silbererzen spürten
die Phönizier überall nach und eine groſse Zahl ihrer Ansiedelungen
wurde veranlaſst durch Bergbauunternehmungen auf Silber. Dies
zeugt von groſsen montanistischen und geognostischen Kenntnissen,
denn ohne diese ist das absichtliche Aufsuchen und Erschürfen solcher
Erzlagerstätten nicht möglich. Dazu kommt, daſs das Silber nicht wie
[183]Syrien.
das Gold an der Oberfläche gefunden wird, sondern daſs es in Gängen
vorkommt, die tief in dem festen Gestein niedersetzen und die an
der Oberfläche nur dem erfahrenen Bergmann den Reichtum verraten,
welchen die Tiefe birgt. Ebenso ist, wie schon mehrfach erwähnt wurde,
die Darstellung des Silbers aus dem silberhaltigen Bleiglanz, denn dies
war beinahe überall das Erz, das die Phönizier zu Gute machten, eine
schwierige, komplizierte Operation. Der Dichter des Buches Hiob
nennt darum dieses Metall sehr bezeichnend „das Silber der Mühen“.
In frühester Zeit schon gewannen die Phönizier Silber auf Cypern,
ferner in Kleinasien, wo bei Tokat im Taurus sehr alte Gruben sind.
Die Sage von dem blinden Phineus in Bithynien, der seine beiden
Söhne in der Erde vergraben lieſs, wo sie unaufhörlich mit Geiſseln
geschlagen wurden, deutet auf alten phönizischen Bergbau, sowie zu-
gleich auf die harte Behandlung der phönizischen Bergwerkssklaven,
die noch grausamer gewesen sein soll, als die der ägyptischen. Silber
gewannen die Phönizier in Thracien vielleicht in Epirus und Attika
mit Gold zugleich auf Thasos und Siphnos. Später aber, als sich den
Phöniziern die reichen Schätze Spaniens öffneten, verdunkelte der
Ruhm des Tarsissilbers aus dem Bergwalde des Tartessos und von
Turitanien alle übrigen Bezugsquellen. Daſs Silber reichlich in Phö-
nizien im Umlauf war und einen relativ geringen Wert hatte, ersieht
man aus den hohen Preisen der Arbeit und der Naturprodukte Israels.
So hatte ein Hüter der königlichen Weinberge, wahrscheinlich neben
Naturalverpflegung, ein Jahreseinkommen von 482 Mark. Ein Sklave
kostete 124 Mark 1), ein ägyptisches Pferd wurde mit 375 Mark, ein
Streitwagen sogar mit 1500 Mark bezahlt. Allerdings sind dies Preise
aus der Salomonischen Zeit, in der ungewöhnlich viel Silber in Israel
war, und infolgedessen alle Preise gestiegen waren. Zu Davids Zeit
war alles billiger und wurde Joseph von seinen Brüdern für nur 50 Mark
als Sklave verkauft.


Auch der Preis des Weizens war für ein so auſserordentlich frucht-
bares Land im Vergleich mit anderen Ländern des Altertums hoch.
Movers berechnet ihn zu Mark 6,55 pro preuſsischen Scheffel 2).


Aus dem Silber zogen die alten Phönizier wohl ihren gröſsten
[184]Syrien.
Handelsgewinn. Von kaum geringerer Bedeutung war indessen der
Kupfer- und Erzhandel der Phönizier. Das Kupfer gewannen sie
ebenfalls zum gröſsten Teile aus eigenen Gruben, von denen nur wenige,
wie Sarepta und Phiron, in Syrien lagen, die meisten dagegen auf den
Kolonieen an den Küsten des Mittelmeeres sich befanden. Vor allen
war es Cypern, das durch seinen Reichtum an Kupfererz von Alters
her berühmt war und das nach der allgemeinen Ansicht von dem Metall
den Namen hat, der als Begriffswort in die germanischen und romani-
schen Sprachen übergegangen ist. Berühmte Kupfergruben hatten ferner-
hin die Phönizier in Cilicien, zu Tartessa, zu Temesa in Unteritalien
und auf Euböa angelegt. Doch bezogen sie auch groſse Mengen von
Kupfer durch den Handel. Ezechiel sagt 1): „Javan, Thubal und
Meschesch handelten mit dir und gaben dir für deine Waren Sklaven
und Kupfergeschirr“. Thubal und Meschesch soll das Land der Tiba-
rener und Moscher zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meere
gewesen sein, welches Xenophon bei dem Rückzuge mit seinem Heere
besuchte und der dort über die allgemeine Verwendung des Kupfers
zu Hausgeräten erstaunte.


Das berühmteste Metall der Phönizier und nächst dem Silber ihr
wichtigster Handelsartikel war aber die Bronze oder das Erz. Es ist
möglich, daſs die Komposition dieser Legierung ihre eigene Erfindung
war. Wenn aber auch vielleicht die Entdeckung von einem andern
Volke ausging, so waren es doch die Phönizier, die dieser Komposition
die allgemeine Verwendung und Verbreitung in allen Ländern, mit
denen sie in Handelsverbindung standen, verschafft haben. Ihr aus-
gebreiteter Erzhandel basierte zum Teil auf dem Reichtume ihrer
Kolonieen an Kupfer, zumeist aber auch auf der vollständigen Mono-
polisierung des Zinnhandels.


Woher die Phönizier in ältester Zeit das Zinn bezogen, ist eine
wichtige Frage, die noch nicht ganz aufgeklärt ist, denn es steht fest,
daſs die Entdeckung des Erzes älter ist, als die Entdeckung des See-
weges nach der britannischen Küste. Wir können nicht umhin, diese
Frage hier nochmals eingehend zu prüfen. In Kanaan wird kein Zinn
gefunden, ebensowenig in den aramäischen und arabischen Nachbar-
ländern. Weder in Ägypten noch in Kleinasien oder Mesopotamien
ist ein Zinnvorkommen bekannt. Das Zinn muſs also aus weiter Ent-
fernung nach Phönizien gebracht worden sein, und dies ist allerdings
ein Umstand, der die Erfindung der Zinnbronze durch die Phönizier
zweifelhaft erscheinen läſst.


[185]Syrien.

Es ist bekannt, daſs in späterer Zeit die Phönizier ihr Zinn aus
Britannien bezogen und daſs die Herrschaft über diesen Handel eine
wesentliche Quelle ihres Reichtums war. Es ist aber nicht wahrschein-
lich, daſs dieser Bezug schon so alt ist, als die Erfindung der Bronze.
Demnach müssen die Phönizier in älterer Zeit, vor dem Jahre 1200 v. Chr.
anderswoher welches bezogen haben. Einige sind der Ansicht, daſs
das Zinn schon in sehr früher Zeit durch den arabischen Zwischen-
handel von Indien zu den Phöniziern kam. Die Hauptstütze für diese
Annahme ist die Identität der Bezeichnung für Zinn im Sanskrit und
in den arabisch-aramäischen Sprachen. Kastira heiſst das Zinn im
Sanskrit, kastir im Aramäischen, kasdir im Arabischen, mit welchem
ferner das griechische κασσίτερος in engster Beziehung steht. Hierbei
nehmen die Verfechter der ersten Ansicht an, daſs das Wort aus dem
Sanskrit in die semitischen Sprachen übergegangen sei, während die
Vertreter der andern Ansicht mit weit mehr Grund das Umgekehrte
annehmen, nämlich daſs das Wort und die Ware von Arabien aus nach
Indien importiert worden ist. Hierfür haben wir die direkten Zeug-
nisse der alten Schriftsteller. Sowohl in dem Arrianischen Periplus,
als auch in der Naturgeschichte des Plinius wird das Zinn neben Blei
und Erz unter den Einfuhrartikeln nach Indien aufgeführt 1). Vorder-
indien hat überdies wenig Zinn und waren die noch nicht langentdeckten
Zinnvorkommen im Mewar und nordwestlich vom Vindhyagebirge den
Alten unbekannt, dagegen ist freilich Hinterindien und die indischen
Inseln, besonders Siam, Malakka und die Insel Banka sehr reich an
diesem Metalle, das heutzutage in Menge von da nach Europa kommt.
Doch ist das Bankazinn erst seit dem Jahre 1711 in Europa bekannt.
Die phönizischen und arabischen Schiffe sind aber in alter Zeit nicht bis
zu jenen Ländern vorgedrungen und wenn — was nicht wahrscheinlich —
andererseits schon ein Handelsverkehr zwischen Hinter- und Vorder-
indien bestanden hätte, durch den das Metall in die Hände der Phöni-
zier hätte gelangen können, so bleibt es unerklärlich, wie später
phönizische und arabische Händler Zinn nach Indien fahren und dort
mit Vorteil absetzen konnten.


Die Herleitung des Zinns in der vorbritannischen Zeit von Hinter-
indien und dem indischen Archipel erscheint demnach wenig begründet.
Bei der Dürftigkeit aller Nachrichten über die Herkunft des Zinns in
ältester Zeit bekommt die Mitteilung Strabos, daſs die Drangen in ihrem
Gebiete am Südabhange des Paropamisus Zinn durch Bergbau gewonnen
[186]Syrien.
hätten, eine hervorragende Bedeutung. Neuere Reisende haben die Reste
alter Zinnbergwerke bei Bamian im Hindu-Kusch am Flusse Hindmend
(Haetumat), der die Stadt Bost oder Best (das Abeste der Alten 1) um-
flieſst, entdeckt und bringt man diese mit dem erwähnten Zinnbergbau
in Verbindung. Daſs der Paſs von Bamian und wohl auch diese ganze
Gegend einmal in handelspolitischer wie strategischer Beziehung eine
ganz auſserordentliche Bedeutung gehabt hat, geht aus den Felsen-
inschriften, alten Skulpturen u. s. w. hervor, die sich dort noch finden,
obgleich sie meist aus einer späteren Periode zu stammen scheinen.
Wir haben bereits erwähnt, daſs die Erfindung der Zinnbronze vielleicht
in jenen Gebieten von einer älteren turanischen Bevölkerung gemacht
worden sein dürfte, namentlich, wenn es sich bestätigt, daſs jenes
bei Bagdad gefundene metallene Bildnis, in dem die Namen der Könige
Kudur-Mabuk und Rim-Aku eingegraben stehen, wirklich aus Bronze
besteht 2).


Eine andere Ansicht neigt sich dahin, daſs Zinn am Südabhange
des Kaukasus, im heutigen Georgien gewonnen worden sei. Es soll
Zinnerz in diesem Lande vorkommen und früher bergmännisch gewonnen
worden sein. Was aber wohl am meisten zu dieser Idee geführt hat, ist
der Umstand, daſs die Griechen den benachbarten Chalybern auch die
Erfindung des Erzes neben der des Silbers und des Stahles zuschrieben.
Auch in der heiligen Schrift heiſst es, daſs Tyrus Erzwaren von Thubal
d. h. von den Tibarenern bezog und manche wollen daraus folgern,
daſs sie auch Zinn aus jener Gegend bekamen. Vorläufig sind alle
diese Annahmen als Hypothesen anzusehen. Keiner der Schriftsteller
des klassischen Altertums, die über die Iberer, Tibarener und Chalyber
schreiben, berichtet auch nur das geringste von Zinngewinnung oder
Zinnhandel dieser Völker. Moses von Chorene, ein geborener Armenier
(um 370 n. Chr.), der eine Spezialgeschichte Armeniens geschrieben hat,
weiſs nichts davon, ebensowenig läſst sich den wilden Thälern des
Kaukasus, in denen diese Zinngewinnung stattgehabt haben soll, eine
hohe metallurgische Kultur unterstellen. Wir bleiben deshalb vor-
läufig auf die alleinige Möglichkeit eines älteren Zinnbezuges aus
Drangiana durch die semitischen Völker angewiesen.


Eine weitere Theorie, die ebenfalls namhafte Vertreter hat 3), ist
die, daſs schon lange, ehe die Phönizier die Handelswege nach Britannien
fanden und aufsuchten, Zinn von Britannien aus nach Westasien gelangt
sei, daſs dieses Zinn durch den Tauschverkehr dorthin gebracht worden
[187]Syrien.
sei, ohne daſs die westasiatischen Händler und Erzschmelzer eine Ahnung
davon hatten, aus welchem Lande das Metall stammte. Für diese
Ansicht spricht der Umstand, daſs die Phönizier die kontinentalen
Überlandwege des Zinnhandels nicht geschaffen haben, sondern vor-
fanden, daſs sie ihnen mit Eifer nachgingen und ihre ältesten Kolonieen
zum Teil an den Ausgangspunkten dieses Überlandhandels nach dem
Mittelländischen Meere angelegt wurden. Unzweifelhaft ist, daſs ein
kontinentaler Handel mit britannischem Zinn geraume Zeit vor Auffin-
dung des Seeweges nach den Kassiteriden schon bestand. Und wenn
wir auch die Ansicht, daſs alles Zinn der Phönizier von jeher von
Britannien gekommen sei, durchaus nicht zu der unserigen machen wollen,
so ist es doch von höchstem Interesse, die Landhandelswege des Zinnes
näher ins Auge zu fassen, da sie für die Kulturentwickelung von hervor-
ragender Bedeutung sind. Die Handelsstraſsen der Kontinente folgten
zu allen Zeiten den Hauptfluſsthälern. Da waren es denn der britan-
nischen Küste gegenüber zwei Hauptflüsse, die von jeher für den
Handel dieser Insel die wichtigsten waren, die Seine und der Rhein.
Die Handelsstraſse des Seinethales führte von selbst in die des Rhone-
thales. Diese Straſse war für die Erreichung des Mittelmeeres die
kürzeste und bequemste. Der Handelsweg des Rheines hat für England
die Vorteile, daſs die Überfahrt des Kanales zur See kürzer und sicherer
ist, daſs der Rhein ein längerer und wasserreicherer, deshalb für die
Schiffahrt zuverlässigerer Strom ist, ferner, daſs er nach dem östlichen
Europa, also nach Griechenland und Westasien den kürzeren Weg bildet.
Vom oberen Rheinthale aus sind die Übergänge freilich alle beschwer-
lich und gefahrvoll, aber man kann von da ebensowohl das Rhonethal,
als das Thal des Po, wie das der Donau erreichen und diese Dreiteilung
des Handelsweges vom Oberrhein aus hat auch schon in alter Zeit be-
standen. Schon ehe Gades entstand, d. h. schon ehe die Phönizier direkt
auf dem Seewege zu den Kassiteriden gelangten, gab es eine kürzere
Überlandstraſse, die von der Mündung der Garonne über Tolosa (Toulouse)
nach Narbo (Narbonne) führte. Alle diese Handelsstraſsen haben ihre
wechselnden Schicksale gehabt. Die Überlandwege sind aber nur in
friedlichen Zeiten sicher; je länger sie sind, durch je verschiedener
Stämme Gebiet ein groſser Handelsweg geht, je unzuverlässiger sind sie.
Dies ist der Grund, weshalb, obgleich die Überlandwege durchgehends
näher waren und trotz der unvollkommenen Schiffahrtskunde dennoch
der Seeweg durch die Säulen des Herkules bis zu den Kassiteriden,
nachdem er einmal bekannt geworden war, alle anderen Handelsstraſsen
in den Hintergrund drängte und der Hauptweg für den Zinnhandel
[188]Syrien.
wurde. Dies war aber sicherlich nicht zu allen Zeiten so. Der Handels-
austausch der Bewohner der britannischen Küste wie der der gallischen
und germanischen andererseits war nur ein beschränkter. Die Britannier
waren weder in der Schiffahrt so erfahren, noch hatten sie eine Ver-
anlassung, gewagte Seereisen zu unternehmen, überhaupt scheinen sie
mehr von den fremden Händlern aufgesucht worden zu sein. Darum
waren für britannische Produkte, also jedenfalls auch für das Zinn die
zwei natürlichsten Straſsen, nämlich die der Seine und die des Rheines
die ältesten. Dies stimmt auch mit den Ergebnissen der Sprachforschung.
Der britannische Name für Zinn umfaſst ein gewisses Gebiet, das Gallien,
Germanien und Italien in sich begreift, selbst der lateinische Ausdruck
stannum rührt von dem britannischen ystaën her, während anderer-
seits der phönizische Name kasdir ein anderes Gebiet umfaſst, nämlich
das ganze semitische Gebiet, Indien, Kleinasien und Griechenland.
Hieraus dürfen wir folgern, daſs in den Grenzen des erstgenannten
Gebietes schon ein Zinnhandel von Britannien aus bestand, ehe die
Phönizier ihr Erz nach diesen Gegenden brachten, während Kleinasien,
Griechenland und Indien ihr Zinn zunächst von den Semiten bezogen.


Bestand aber schon vor den Phöniziern unabhängiger Zinnhandel
von Britannien aus, so ist es allerdings nicht nur möglich, sondern
wahrscheinlich, daſs das Zinn, schon ehe die Phönizier die Ufer des
Mittelmeeres zu kolonisieren begannen, bis zum Mittelmeere besonders
nach Südfrankreich und Italien gelangte. Die Phönizier tauschten
das britannische Zinn von den Barbaren an den Ufern des Adriatischen
und Tyrrhenischen Meeres ein. Erst nach und nach gelang es ihnen,
die Herkunft dieses Zinnes auszukundschaften, und erst durch die Auf-
findung und Sicherstellung des Seeweges nach den Kassiteriden konnten
sie den britannischen Zinnhandel monopolisieren. Sie tauschten das
Zinn mit Vorliebe ein, sie gingen seinem Ursprunge mit Eifer nach,
weil sie mit der Erzfabrikation bereits vertraut waren und weil es in
Asien ein seltenes, hochgeschätztes Metall war. Daſs die Zinngewinnung
in Spanien und Frankreich jemals eine besondere historische Bedeutung
gehabt hat, daſs die Phönizier das Zinn aus diesen Quellen früher be-
zogen haben, als das britannische, scheint uns durchaus unwahrscheinlich.
Die Zinnerzvorkommen Spaniens sind alle ziemlich unbedeutend, so
daſs sich auch heutzutage die Gewinnung nicht lohnt. Sie liegen alle
in dem nordöstlichen Spanien, also dem, dem Mittelmeere abgewendeten
Teile. Zinn kommt vor in den Pyrenäen im Thale des Cinka, an den
Quellen des Duero, in Galizien und in Beira in Portugal. Es wird
gegenwärtig an keinem dieser Punkte bergmännisch gewonnen. Das
[189]Syrien.
richtigste Urteil liefert ein englischer, offizieller Bericht von J. Smith
mitgeteilt in: „The Cassiterides, an inquiry into the commercial opera-
tions of the Phönizians etc., London 1863 (p. 46)“. Hiernach baut die
spanische Regierung keine Zinnminen, und allein die Landleute sammeln
neben ihrer gewöhnlichen Arbeit etwas weniges von diesem Metall in
den Flüssen der Granitberge Galiziens und bei Zamora (Leon), ohne je
Stollen anzulegen oder Schächte zu graben. Die Gegend, wo in Spanien
Zinn gefunden wird, würde kaum die Gröſse einer englischen Quadrat-
meile haben. Alles Zinn, das im Handel ist, kommt aus England.
Nichts spricht dafür, daſs jemals das Land mehr Zinn hervorgebracht
habe, als heute, und deshalb ist die Behauptung des Plinius falsch, der
es anzweifelt, daſs man das Zinn auf Barken aus Weiden mit Fellen
überzogen über das Meer hole, man wisse jetzt, das Lusitanien und
Galizien es hervorbringen! Das „lusitanische Zinn“ war das Zinn,
welches über Gades gehandelt wurde, der Ausdruck ist demnach ähnlich
gebildet wie englischer Thee oder holländischer Kaffee. Es ist ein
Irrtum der alten Geographen, der unbedeutenden Zinngewinnung des
westlichen Iberiens eine besondere Wichtigkeit beizulegen. Noch ge-
ringere Bedeutung können wir dem Zinnvorkommen Südfrankreichs
zuschreiben. Als mineralogische Seltenheit kommt Zinn vor in Limousin,
la Marche, zu Piriac (Loire inferieure), zu Penestin (Morbihan). Eine
bergmännische Gewinnung läſst sich darauf nicht treiben. Wenn man
aus dem Vorkommen alter Wäschereien am Thale der Aurence, nördlich
von Limoges, auf Zinngewinnung schlieſsen will, so ist dies ganz hypo-
thetisch. Daſs im Mittelalter in Armorika Zinn benutzt wurde, beweist
auch nichts für die Gewinnung im eigenen Lande. Die Zinnbergwerke
in Deutschland bei Zinnwald in Böhmen sind bekanntlich erst seit
einigen Jahrhunderten eröffnet worden. Das Ergebnis unserer Unter-
suchung besteht also darin, daſs die Semiten vielleicht eine ältere,
asiatische Bezugsquelle für Zinn hatten, die am wahrscheinlichsten die
Zinngruben der Drangen waren, daſs aber das britannische Zinn, welches
später fast allein gehandelt wurde, schon früh durch Tauschhandel über
Land an die Gestade des Mittelmeeres und so nach Westasien kam.


Die Frage über das Alter der Bronze hängt hiermit eng zusammen.
Die Statuette aus der Gegend von Bagdad, welche den Namen des
Königs Rim-Aku trägt, würde, wenn es als richtig anzunehmen ist, daſs
sie aus Bronze besteht, und aus der Regierungszeit dieses Königs
stammt, das älteste Bronzefundstück sein. Die ältesten, ägyptischen
Bronzesachen scheinen aus der Zeit des Königs Ramses II., also aus der
Zeit vor dem Exodus herzustammen. Zur Zeit Thutmosis III., also circa
[190]Syrien.
200 Jahre früher, bringen die besiegten Cheta Geschenke von Vasen,
die ihrem Charakter nach teils aus Erz, teils aus Eisen bestanden
haben können. Es ist wahrscheinlich, daſs unter den Gefäſsen, die
Josua bei der Einnahme von Jericho erbeutet und dem Tempel weiht,
eherne Gefäſse waren, wie sowohl die sidonischen Gefäſse, die Homer
preist, als die Gefäſse, die der König von Hamath dem David sendet, aus
Bronze gewesen sein mögen. Die erste sichere Überlieferung über Bronze-
guſs haben wir in dem Bericht über den Tempelbau des Königs Salomo.


Die Leistungen des Erzgieſsers Hiram sind aber so auſserordent-
licher Art, daſs man die Erfindung dieser Kunst lange zurückdatieren
muſs. Es unterliegt deshalb kaum einem Zweifel, daſs die Bronze in
der Mitte des zweiten Jahrtausends in Ägypten und Westasien bereits
bekannt war. Von dieser Zeit an begann die Wichtigkeit des phöni-
zischen Erzhandels, die von dem Jahre Eintausend bis zur Zerstörung
von Tyrus durch Nebukadnezar ihre gröſste Bedeutung erlangte. Der
Hauptstapelplatz für den phönizischen Zinnhandel war Gades. Von
da aus entdeckte der Kaufmann Midakritus 1) die Kassiteriden. Die
Phönizier, die auf der See überhaupt niemand gegen sich aufkommen
lieſsen und auch als Piraten verschrieen waren, wachten mit Ängst-
lichkeit über die Geheimhaltung dieses Seeweges nach dem Zinnlande.
Bekannt ist die Erzählung, daſs ein phönizischer Kapitän, als er wahr-
nahm, daſs ein römisches Schiff ihnen nachfuhr, um seinen Weg aus-
zukundschaften, absichtlich einen falschen Kurs nahm, so daſs er und
das verfolgende Schiff scheiterten. Er rettete sein Leben, kehrte in
seine Heimath zurück und wurde für seine patriotische That hoch-
geehrt. Daſs die Karthager 470 bis 466 v. Chr. eine Flotte unter
Himilco ausrüsteten zur Auffindung der Zinneinfuhr muſs ebenfalls
hier erwähnt werden. Der Grieche Phyteas suchte 200 Jahre später
den Weg des Zinnhandels von Massilia aus. Erst Publius Crassus ge-
lang es, den Seeweg nach Britannien aufzufinden und der Welt bekannt
zu machen 2).


Auf dem Zinnhandel beruht die Erzfabrikation und diese war
Jahrhunderte hindurch vielleicht die wichtigste Industrie der Phönizier.
Homer rühmt den sidonischen Mischkrug, reich an Erfindung. Es
scheint, als ob dies getriebene Arbeit gewesen sei, während der Erz-
guſs hauptsächlich in Tyrus betrieben wurde 3).


Wir haben schon in der Einleitung erwähnt, daſs im Altertume
ganz stereotype Mischungen von Kupfer und Zinn gebräuchlich waren,
[191]Syrien.
welche sich auf die Phönizier zurückführen lassen. Ebenso wurden
von ihnen bestimmte Formen von Waffen und Werkzeugen in den
Handel gebracht, die infolgedessen fast unverändert in allen europäi-
schen und westasiatischen Ländern wiedergefunden werden. Wir
führen als bekanntestes Beispiel das beilartige Messer, die sogenannten
Celten (Paalstäbe) an. Im Laufe der Zeit veränderten sich diese For-
men etwas nach dem Geschmack der verschiedenen Nationen. Auch
waren die Phönizier nicht engherzig, sie accomodierten sich nicht nur dem
Geschmack der Barbaren, sondern sie lehrten sie auch das Umschmelzen
und Gieſsen unbrauchbarer und zerbrochener Bronzegeräte, wenigstens
macht die Ähnlichkeit der Guſsformen und des Guſsverfahrens in
allen Ländern Europas es wahrscheinlich, daſs es die Phönizier selbst
waren, die den Wilden die Anleitung zum Umgieſsen ihrer gewöhn-
lichen Geräte — denn nur Formen von solchen findet man — gegeben
haben. Bei der Stellung der Phönizier als Vermittler zwischen ägyp-
tischer und chaldäischer Kultur ist es nicht zu verwundern, daſs ihre
künstlerischen Motive zur Dekoration besonders ihrer Gefäſse teils
ägyptischen, teils assyrischen Charakter zeigen. Man hat Erzgefäſse
mit ägyptischen Dekorationen in Niniveh gefunden, die den Phöniziern
zugeschrieben werden.


Bemerkenswert ist es, daſs auch die Phönizier kein eigenes Wort
für Bronze besaſsen, sondern daſs sie es, wie die Hebräer, mit dem
Kupfer zusammenfaſsten (hebräisch n’choscheth, aramäisch n’choscho,
chaldäisch n’chasch, arabisch nuchas).


Wir haben bereits darauf hingewiesen, daſs die Phönizier mit dem
Eisen schon in frühester Zeit bekannt waren. Dafür haben wir das
Zeugnis der ägyptischen Inschriften des Königs Thutmosis, der von
den besiegten Retenu, die an den Abhängen des Libanon wohnten,
Eisen sowohl, als Streitwagen, Rüstungen, Helme, Streitäxte und Kunst-
gegenstände erhebt 1). Wir haben dafür die Zeugnisse der heiligen
Schriften der Hebräer, über die Verwendung bei den Kananitern. Wir
haben dafür endlich die Überlieferungen der Phönizier selbst. Diese
sind zwar unvollkommen und in ein mythisches Gewand gehüllt, ver-
dienen aber jedenfalls Beachtung. Phylon von Biblos erzählt aus den
Aufzeichnungen des Sanchuniaton, daſs Uroos (Esau), einer der ersten
Nachkommen der Götter, das erste Schiff und die ersten Götzenbilder
gemacht habe. Unter seinen Nachkommen war Chrysor (Hephästos
der Griechen), dieser erfand die Bereitung des Eisens. Nur die Ent-
[192]Syrien.
deckung dieses Metalls wird als eine der gröſsten Wohlthaten den
Göttern zugeschrieben, von Kupfer und Erz schweigt die Erzählung
des Phylon. Von El, dem groſsen Gott (dem Kronos der Griechen)
berichtet Phylon, er habe sich eine Sichel und eine Lanze aus Eisen
gemacht, seinen Vater (Uranus) damit angegriffen und aus dem Lande
getrieben. Er umgab sein Haus mit einer Mauer und gründete die
erste Stadt der Phönizier, Byblos. Seinen Sohn Sadid tötete er mit
einem Schwerte. Seine Schwester „Astarte die Gröſste“ aber fand einen
vom Himmel herabgefallenen Stern (einen Meteoriten), nahm ihn auf
und weihte ihn in Tyrus auf der heiligen Insel, so wurde sie die Grün-
derin des ältesten Heiligtums zu Tyrus. Der obengenannte Chrysor,
der Erfinder des Eisens, gehörte zu den Kabirim, d. h. die Gewaltigen,
die Groſsen. Es waren zunächst die sieben oberen Götter, die unter
diesem Namen in ein System vereinigt waren. Obgleich dieses
künstliche System der sieben Götter, denen sich als achter Esmum
mit dem Schlangenstab, der Gott der Weisheit und der Schrift (Hermes
Trismegistos, Asklepios Ophiurchos) anschlieſst, für jünger gehalten
wird, so bestand es doch schon vor der Kolonisation der griechischen
Inseln, da dort der alte Glaube an die Kabiren (Daktylen, Telchinen,
Kureten etc. auf Lemnos, Samotrake, Rhodos) bestand. Die Kabiren
heiſsen Kinder des Sydik, der Gerechtigkeit, die Griechen nannten sie
Kinder des Sonnengottes. Der älteste war Chrysor, der Erfinder des
Eisens. Sein Name bedeutet „der Ordner“. Er war der Schutzgott
des Handwerkes, der Industrie, des Reichtums. Er wird auf den phö-
nizischen Münzen abgebildet mit Schurzfell, Hammer und Zange (wie
Hephästos). Ihm folgt in der Reihe der Kabiren seine Schwester
Harmonia, die Mondgöttin mit der Sichel oder den Kuhhörnern, die
wandernde Astarte, die ihr Bruder Baal Melkart, der dritte der Kabiren,
sucht. Baal Melkart ist zum Teil Herkules, zum Teil Kadmos. Er gilt
als der Erfinder des Steinbaues und des Bergbaues. Schiffahrt, Handel,
Gewerbe und Industrie, die Grundlagen der Thätigkeit und des Wohl-
standes, standen bei den Phöniziern in hohem Ansehen. Der Schützer
derselben, Chrysor, wird deshalb der älteste der Kabiren genannt.


Demungeachtet darf man sich von den Kunstleistungen der Phö-
nizier keine zu hohe Meinung machen. Im Kunstbau leisteten sie
nichts Hervorragendes. Das Holz des Libanon war ihr Hauptbau-
material, wie auch bei den Israeliten. Dadurch vernachlässigten sie
den Steinbau. Was an phönizischen Steinbauten erhalten ist, trägt
den Charakter des Massiven, Plumpen, Cyklopischen. Die charakteristi-
schen Steinbauten der Phönizier sind massive Thürme, deren Unterbau
[193]Syrien.
in der Weise der Cyklopenmauern aus groſsen Steinen, ohne Mörtel
zusammengefügt ist. Die Türme sind mehrstöckig, durch eine Treppe
von auſsen oder im Inneren zu besteigen und enthalten oben meist
einen Monolith, eine kurze massive Steinsäule, oben abgerundet oder
zugespitzt. Sie dienten vielleicht dem Kultus, hauptsächlich aber als
Warttürme und Leuchttürme, wodurch ihre Lage am steilen Meeresufer
und an wichtigen Hafeneingängen bedingt ist. Daſs die Phönizier
ausgedehnte Steinbrüche im Libanon betrieben, geht aus der Erzählung
des salomonischen Tempelbaues hervor. Ebenso haben wir ihren Berg-
bau sowohl im Libanon, als auf ihren Kolonieen schon öfter erwähnt.
In der Bildkunst waren ihre Leistungen mehr barock als schön. Zu-
nächst waren ihre Götzenbilder ursprünglich wie die der Kananiter aus
Holz geschnitzt und mit Metallen verziert. Dabei liebten sie fratzenhafte
Gestalten. Zusammensetzungen von Menschen und Tiergestalten, die
sie wohl den Ägyptern abgesehen hatten, ohne ihre Bedeutung zu be-
greifen. Ein Beispiel hierfür giebt uns das Bild des Dagon in der alten
Philisterstadt Asdod, das einen Fischleib mit menschlichem Antlitz,
Händen und Füſsen darstellte (an Oan, den alten babylonischen Fisch-
gott erinnernd). Astarte trug ein Stierhaupt. Moloch, der Gott des
Krieges, wurde meist unter einem gräulichen Stierbilde verehrt. Diesem
wurden mit Vorliebe Menschenopfer gebracht: und da dem grausamen
Sinne der Phönizier das Schlachtopfer nicht genügte, so verbrannte
man die Menschen lebendig, welches dann häufig so geschah, daſs das
Götzenbild selbst ein glühender Ofen war. Ein solches Götzenbild war
der Stier des Phalaris, ebenso die Bildsäule des Kronos (Moloch in
Karthago), welches die Arme in halberhabener Haltung vorstreckte, so
daſs die gefesselten Opfer, die in horizontaler Stellung daraufgelegt
wurden, in einen mit Feuer angefüllten Schlund rollten 1). Auch die
kleinen Götzenbilder, die als Amulette getragen wurden und mit denen
die Phönizier einen groſsen Handel trieben, indem sie dieselben auch
den Barbaren als Zauberbilder verhandelten, zeichnen sich durch
gräuliche und gesuchte Häſslichkeit aus. Unter ihnen erscheint oft
Chrysor mit Hammer und Zange.


Fehlt den Phöniziern ein höherer Schönheitssinn in der Baukunst
und Bildkunst im groſsen, so waren sie doch im Kunstgewerbe nicht
nur höchst geschickt, sondern sie entwickelten hierin auch groſsen
Geschmack. Besonders war dies in den getriebenen Arbeiten der Fall.
Sowohl die Arbeiten ihrer Goldschmiede, als die getriebenen Arbeiten
Beck, Geschichte des Eisens. 13
[194]Syrien.
aus Erz und Kupfer und namentlich die aus Erz, Silber und Gold
zusammengesetzten werden von den Schriftstellern des Alters hoch
gepriesen 1). Ihre ganzen Anstrengungen in künstlerischer Beziehung
dienten, wie es scheint, mehr dem Geschmack anderer Nationen, als daſs
sie selbst darin tonangebend gewesen wären. Besonders den Ägyptern
und Babyloniern sahen sie die beliebten Formen ab und verwendeten
sie für ihre für den Handel fabrikmäſsig hergestellten Gefäſse. Nächst
den Mischkrügen „reich an Erfindung“ waren die phönizischen Prunk-
waffen, namentlich ihre ehernen Panzer berühmt. Goliaths ehernen
Schuppenpanzer rühmt Samuel. Kinyras von Cypern schenkte dem
Agamemnon einen herrlichen mit Gold, Blaustahl und Zinn verzierten
Panzer.


Der Erzguſs stand um das Jahr 1000 v. Chr. in höchster Blüte,
wie aus der Schilderung des salomonischen Tempelbaues hervorgeht.
Kleine, gegossene Erzgegenstände bildeten einen Haupthandelsartikel
der Phönizier. Diese waren sehr mannigfaltig. Die wichtigsten waren
die gebräuchlichsten Waffen der Barbaren. Beile, Lanzenspitzen, Pfeil-
spitzen, Schwerter u. s. w.


Neben dem Erze bildete das Glas, namentlich in Form bunter
Glasperlen, einen Haupthandelsartikel. Die Phönizier rühmten sich
selbst der Erfindung des Glases. Sie erzählen, daſs phönizische Schiffer
am Ufer des Belos, eines Flusses in Phönizien aus Blöcken von Salpeter
sich einen Herd auf einer Grundlage von reinem Quarzsand bereitet
und ein Feuer gemacht hätten, da sei der Salpeter und der Sand zu
Glas zusammengeflossen und auf diese Weise sei das Glas entdeckt
worden. Diese unwahrscheinliche Erzählung gehört jedenfalls zu
den phönizischen Handelslügen. Wir haben schon bei einer früheren
Gelegenheit erwähnt, daſs die Ägypter die Erfinder des Glases waren
und daſs diese Erfindung nicht auf einem so unglaublichen Zufall, als
vielmehr auf den Erfahrungen, die man beim Ausschmelzen des gold-
haltigen Quarzsandes machen muſste, beruht. Auch war das ägyptische
Glas im Altertume stets das berühmteste, namentlich die buntigen
Glasflüsse, Glasemaillen und vielfarbigen Perlen. In späterer Zeit war
Alexandria der Hauptsitz dieser Industrie. Die Phönizier handelten
indes nicht nur mit ägyptischen Glaswaren, sondern stellten sie auch
selbst dar. Sidon und Sarepta waren dafür berühmt 2) Die Glas-
bereitung ist ein Schmelzprozeſs, der deshalb an dieser Stelle Erwähnung
verdient.


[195]Syrien.

Wir sehen aus dem angeführten, daſs die Phönizier auf einer
hohen Stufe metallurgischer Kenntnisse und Erfahrungen standen.
Wenn nun die Nachrichten über die Gewinnung und Verarbeitung
des Eisens spärlicher sind, so beweist dies nicht, daſs die Phönizier
das Eisen weniger benutzt und geschätzt hätten, sondern daſs die
Schriftsteller dies als selbstverständlich ansahen. Die Beweise über
das Alter der Bekanntschaft des Eisens bei den Phöniziern haben wir
bereits angeführt. Über die Art der Verwendung gilt zunächst alles
das, was wir bei den Hebräern erwähnt haben, auch für die Phönizier.
Sowohl im Gebirge des Libanon als in ihren Kolonieen gewannen
sie in früher Zeit Eisen. Wie Tyrus zur Zeit Salomos die Stein-
brüche im Libanon ausbeutete, so waren auch die alten Eisenberg-
werke in seinem Besitze. Uralt war die phönizische Eisengewinnung
an Ida in Phrygien. Ebenso gewannen sie auf Cypern neben dem Kupfer
auch Eisen, wie die Sagen von den zauberkundigen Telchinen, die als
Eisenschmiede berühmt waren, beweisen. Ein Irrtum ist es aber, wenn
Movers in seiner vorzüglichen Geschichte der Phönizier aus einer alten
Inschrift herauslesen will, daſs die metallkundigen Cyprier auch bereits
den Eisenguſs gekannt und eiserne Götzenbilder gegossen hätten 1).
Der Ausdruck נָסַךְ בַּרְוֶל (Nasach Barzel), den er mit Eisengieſser über-
setzt, bedeutet 2) wirklich „dem Eisen gieſsen“ (von יֶצַק Jezak), d. h. dem
eisernen Götzenbilde ein Guſsopfer bringen, ganz wie dies ähnlich
Jesaias 40, 19; 44, 10 vorkommt.


Der Handel mit Eisen und Stahl auf dem Markte zu Tyrus war
ganz bedeutend, wie wir bereits aus der Schilderung des Ezechiel wissen.
Namentlich kamen hier die feineren Eisen- oder vielmehr Stahlsorten
aus dem Lande der Chalyber, aus Westarabien, vielleicht auch sogar aus
Indien hin. Das Eisen war das gewöhnliche Nutzmetall und stand am
geringsten im Werte. Wenn ein altes Handelsmärchen der Phönizier
erzählt, die ersten Kaufleute, die nach Tartessium gekommen seien,
hätten für wertlosen Tand soviel Silber eingetauscht, daſs sie, um es
nur alles bergen zu können, ihre Anker und Ketten zurückgelassen
und sich solche von Silber angefertigt hätten, so sind hier zweifel-
los nur Ketten und Anker aus dem wertlosesten Metall, aus Eisen
gemeint.


Als Handelsartikel namentlich in dem Handel mit den barbarischen
Völkern Europas spielte das Eisen allerdings eine untergeordnete
Rolle, einesteils, weil die meisten Völker zu denen sie kamen, das
13*
[196]Syrien.
Eisen bereits besaſsen und es sich selbst darstellten, andererseits, weil sie
aus dem Handel mit Bronze und Bronzewaren einen gröſseren Handels-
gewinn zogen. Deshalb poussierten sie den Erzhandel auf jede Weise,
so sehr, daſs es ihnen gelang, bei manchen der barbarischen Völker
der Bronze ein Übergewicht über das Eisen zu verschaffen, welches
dieselbe in ihrer eigenen Heimat als Gebrauchsmetall für die gewöhn-
lichen Werkzeuge des Ackerbaues und der Industrie niemals erlangt
hatte.


Den Phöniziern gebührt der Ruhm, zur Entwickelung und Aus-
breitung der metallurgischen Kenntnisse der Semiten am meisten
beigetragen zu haben, insbesondere gilt dies in bezug auf die Her-
stellung und Verarbeitung der Bronze. Indes haben auch die Nach-
barvölker der Phönizier an diesem Ruhme Teil. Gaza und Asdod im
Lande der Philister waren berühmte Industriestädte und reich durch
ihren Handel. Damaskus haben wir gleichfalls schon erwähnt. Aber
nicht nur die Kananiter, sondern auch die Araber im Süden, wie die
stammverwandten Völker Kleinasiens nahmen Teil an diesem Berufe
der Semiten. Unsere Kenntnisse von diesen Ländern sind freilich weit
geringer als die von Chaldäa und Syrien.


Die Araber waren vordem wie heute vorwiegend ein Nomadenvolk.
Arabien ist vielleicht die älteste Heimat aller Semiten, wenigstens ist
die semitische Rasse in keinem Lande zu allen Zeiten so unvermischt
geblieben wie in Arabien. Ihre einzigen Ansiedelungen an den Küsten,
besonders die am Roten Meere sind uralt. Es waren Araber, gegen die
König Snefru mehr als 3000 Jahre v. Chr. um den Besitz der Berg-
werke am Sinai kämpfte. Es waren arabische Wanderhirten, die um
das Jahr 1950 v. Chr. siegreich in Ägypten einbrachen und die wir als
Hyksos kennen. Der Handel der arabischen Küstenländer reicht bis
in die fernste Zeit hinauf. Ismaelitische Kaufleute sind es, die den
Joseph als Sklaven von seinen Brüdern gegen 50 Mark erhandlen und
nach Ägypten verkaufen. Die Zahl ihrer Kamele, die goldene Halb-
monde und Goldringe trugen, rühmt das alte Testament. War aber ihr
Landhandel schon bedeutend, so war es ihr Seehandel noch viel mehr.


Der Reichtum der Sabäer (Scheba) in Südarabien war im Altertume
fast sprichwörtlich. Bekannt sind die reichen Geschenke, die ihre
Königin an Salomo sandte. Der Grieche Agarthachides, der um 200
v. Chr. diese Gegenden bereiste, erklärt die Sabäer für das reichste
Volk der Erde. Diese Reichtümer flossen ihnen zum Teil aus dem
eigenen Lande, hauptsächlich aber durch ihren Seehandel mit Äthiopien
und Indien zu. Die Araber waren es, die in sehr früher Zeit die
[197]Syrien.
Schätze Indiens nach dem Westen brachten. Des Bergbaues am Sinai
in arabischem Gebiet haben wir bereits bei der Geschichte der Ägypter
gedacht, ebenso der Bergwerke und Goldwäschereien im Lande Madian,
die Burton wieder aufgefunden hat. Das Eisen kannten sie unzweifel-
haft früh. Die Eisenbergwerke am Sinai scheinen bis zur Zeit der
dritten Dynastie zurückzureichen. Aus dem glücklichen Arabien, aus
Usal, dem heutigen Sanaa kam feiner Stahl auf den Markt von Tyrus 1).
Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs dieser Stahl indischen Ursprungs
war. Die Araber verarbeiteten den Stahl früh zu Schwertern. Waffen
werden als Handelsartikel der alten Araber erwähnt und haben wir
uns darunter gewiſs hauptsächlich Schwerter vorzustellen, denn das
Schwert ist die Hauptwaffe des freien Arabers von jeher gewesen. Mit
den guten Schwertklingen wurde später ein förmlicher Kultus getrieben.
Sie erhielten Namen, erbten fort und der Ruhm eines Schwertes über-
dauerte Generationen. Diese Gebräuche sind auch hauptsächlich erst
durch die Araber bei der europäischen Ritterschaft in Gebrauch ge-
kommen. Als gröſster Reichtum des Propheten Mohammed werden von
den arabischen Schriftstellern seine zehn Schwerter gepriesen. Das
berühmteste derselben war Dsulfakar, d. h. der Durchbohrer. Albufeda
erzählt, daſs er diesen von Mombas al Heyjahi, dem Sohne des Alsaha-
mitam in der Schlacht von Bedr erbeutet hätte. Drei nahm er den Söhnen
des Koinobas ab 2). Dschamabi führt die zehn Schwerter Mohammeds mit
Namen auf, es waren: 1. Mabur, der Mandelspitzige; 2. Al-Adhb, der

Figure 35. Fig. 35.


Gespitzte; 3. Dsulfakar, der Durchbohrer, den er in keinem
Treffen ablegte und den Ali von ihm erbte; 4. Al Kola aus
Kola in Assyrien, von trefflicher Klinge; 5. Al Battar, der
Scharfschneidige; 6. Al-Half, der Tod; 7. Al-Medham, der
Wohlschneidende; 8. Al Bosub, der Tiefeindringende; 9. Al-
Kadib, der Zierlichschneidende und 10. das Schwert seines
Vaters. Der Dsulfakar lief der Überlieferung nach sonder-
barer Weise in zwei Spitzen aus (Fig. 35). Er wurde oft
abgebildet und später ein gebräuchliches arabisches Schwert-
zeichen 2). Im Türkenzelt in Dresden befindet sich eine alte Klinge
mit folgender arabischer Inschrift: „Es ist kein Heiliger als Ali und
kein Schwert als der Dsulfakar, das von Mohammed geerbte, zweispitzige
Schwert. Mein Vertrauen steht auf Gott.“ Auf einem persischen Schwert
derselben Sammlung steht auf einer Seite die persische Inschrift: „So
[198]Syrien.
lange dir eine Hoffnung bleibt, setze deine Hoffnung auf mich.“ Auf
der anderen ist Dsulfakar abgebildet.


Die Kunst des Schmiedens war alt in Arabien und die hauptsäch-
lichste Kunst, deshalb heist jeder Künstler „Schmied“ 1).


Die Schmiede pflegten unter den arabischen Nomaden herumzuziehen
und waren bekannt als solche, die den Tag ihrer Weiterreise nicht
angaben, so daſs man sich auf ihre Angaben nicht verlassen konnte.
Ihre Unzuverlässigkeit ist deshalb sprichwörtlich geworden 2). Be-
rühmte Schwertschmiede lebten im Munde des Volkes fort und nach
ihnen bezeichnete man die Schwerter, ähnlich wie bei uns die alten
Geigen. Die Tradition schreibt dem König David vorzügliche Klingen
zu. Hanifitische Schwerter hatten ihren Namen von Alhanaf ben Kais,
ebenso war Soraidj ein berühmter Schwertschmied. Von guten Schwer-
tern wird gesagt, daſs die Oberfläche einen wellenförmigen Glanz zeige
oder ähnlich, wie wenn Ameisen auf ihr kröchen. Die arabischen
Schwerter hatten auch das Zeichen des Verfertigers, sie staken in
Scheiden und hingen an einem Gehenk. Nicht minder vorzüglich
waren die arabischen Ringelpanzer. Dieselben trugen auch oft Namen.
Die besten bestanden aus stählernen Ringen, von denen je zwei und
zwei ineinandergekettet waren. Die einzelnen Ringchen waren durch
Nieten verbunden. Je kleiner die Ringe, je weicher und geschmeidiger
der Panzer. Berühmt waren Davidische Panzer, die Mohammed selbst
irrtümlich dem König David zuschrieb 3).


Die Solukischen Panzer aus der Stadt Soluk in Jemen hatten ein
doppeltes Gewebe von Ringen. Läſst sich auch nicht verkennen, daſs
persischer Einfluſs auf die Vervollkommnung der Bewaffnung vor
Mohammed eingewirkt hat, so dürfen wir doch, wenn wir die Stabilität
der Kultur bei den Arabern in ihrer Heimat erwägen, wohl annehmen,
daſs sie schon in früher Zeit sich gute Waffen aus Eisen und Stahl
selbst zu bereiten verstanden haben.


Über die Semiten, die nördlich von Syrien im Süden von Klein-
asien ansäſsig waren, können wir ebenfalls nur lückenhafte Nachrichten
mitteilen.


Zwei Einwanderungsströme bewegten sich von Osten her nach
Kleinasien, im Norden Indogermanen, im Süden Semiten. Syrien zu-
nächst wohnten Kilikier, dann folgten der Küste entlang die Lykier,
Karier und Lydier. Die Kilikier, welche den Phöniziern zunächst
wohnten, zeigten denn auch gröſste Verwandtschaft in Sprache und
[199]Syrien.
Sitten mit diesen. Ihre Bewaffnung soll nach Herodots Angabe mehr
mit der ägyptischen übereingestimmt haben. Sie trieben lebhaften
Handel und waren kühne Seefahrer und Seeräuber. Dasſelbe gilt von
den Kariern, die schon vor den Phöniziern die benachbarten Inseln
im ägäischen Meere bevölkert hatten. Sie waren als Seeräuber, wie
als Krieger gefürchtet. Die eiserne Doppelaxt war ihre Nationalwaffe.
Von 731 bis 670 v. Chr. hatten sie die Seeherrschaft im Ägäischen
Meere. Ihre kriegerische Ausrüstung war besser als die der Griechen
und nahmen diese im wesentlichen ihre Bewaffnung an. Der Name
ihres Hauptgottes, den die Griechen Zeus Chrysoar nennen, erinnert
sofort an Chrysor, den ersten der phönizischen Kabiren.


Zeus Stratios wurde mit der Doppelaxt abgebildet. Die Griechen
behaupteten, sie nennten ihren Zeus Labrandes von der Doppelaxt, die
im lydischen und karischen Labrys hieſs.


Die Lykier wohnten im rauhen Berglande. Sie trugen einen
Federschmuck am Hute, sichelförmige Schwerter, Dolche, Panzer, Bein-
schienen, Bogen und Rohrpfeile, und waren wegen ihrer Tapferkeit be-
kannt. Sarpedon und Glaukus waren ihre bekannten Führer im troja-
nischen Kriege.


Die gröſste Bedeutung von den semitischen Stämmen Kleinasiens
erlangten die Lydier, namentlich durch ihren Einfluſs, den sie auf die
Griechen ausgeübt haben. Es war dasjenige semitische Volk mit dem
die Griechen in unmittelbarsten Verkehr kamen; mit denen sie als
Nachbarn sich schlagen und vertragen muſsten. Sie besaſsen längere Zeit
hindurch die höchste Macht und das gröſste Ansehen in Kleinasien. Lud
wird in den hebräischen Völkertafeln als ein Sohn Sems angeführt und
es läſst sich nicht bezweifeln, daſs unter Lud auch der Stammvater der
Lydier gemeint ist. Nach ihren eigenen Traditionen geht ihre Geschichte
in unbestimmte Zeit zurück. Zuerst herrschte eine mythische Dynastie,
welche sich direkt von den Göttern ableitete. Dann kam um das
Jahr 1200 v. Chr. ein Herrschergeschlecht, welches seinen Ursprung
ebenfalls direkt auf Sandon, den Sonnengott der Lydier, zurückführt.
Die Griechen nennen diesen Herkules und man pflegt deshalb diese erste
historische Dynastie Lydiens als die der Herakliden zu bezeichnen. Es
war Agron, der im vierten Geschlechte von Sandon entsprungen war,
der 1194 den Thron von Lydien bestieg. 22 Herakliden saſsen auf dem
Throne Lydiens, welche 505 Jahre lang über Lydien herrschten. Der
letzte wurde im Jahre 689 v. Chr. von Gyges dem Mermiaden seiner
Herrschaft beraubt. Aus der Zeit der Herrschaft der Herakliden wissen
wir nur sehr wenig, Homer rühmt die Maeonen, das sind die Lydier,
[200]Syrien.
wegen ihres Handels, ihres Reichtums und ihrer Pferde. Der Einfall
der Kimmerier in Kleinasien, welcher fast zu derselben Zeit wie der
Einfall der Skythen in Assyrien und Medien statt hatte, scheint
in die Zeit der Letzten der Herakliden zu fallen. Lydien litt schwer
durch diese Invasion, setzte ihr aber auch den energischsten Widerstand
entgegen. Allyates, dem vierten Könige der Mermiaden gelang es, die
Kimmerier gänzlich aus seinem Gebiete zu verdrängen und seine Herr-
schaft bis zum Halys auszudehnen. Es geschah dies um die Zeit, als
sich die Herrschaft der Assyrier bis nach Kleinasien hin ausgebreitet
hatte. Lydien trat nun in ein Bundesverhältnis mit Assyrien und der
Halys wurde zur gegenseitigen Grenze erklärt. Unter Allyates’ beinahe
fünfzigjähriger Regierung, 612 bis 562 v. Chr., gelangte das lydische
Reich zu hoher Blüte. Krösus, der Sohn des Allyates, wurde der Erbe
dieses Reichtums, der ja sprichwörtlich geworden ist, aber ebenso be-
kannt ist sein Fall und der Zusammenbruch der lydischen Herrschaft
durch den Perserkönig Cyrus. Wir wissen von der lydischen Technik
nicht viel. Der Reichtum und Glanz, die Üppigkeit und Pracht ihrer
Hauptstadt Sardes waren indes bei den Griechen in der Zeit ihres
Emporstrebens fast sprichwörtlich. Man nannte es „das goldene Sardes“.
Die ganze Kultur in der lydischen Hauptstadt hatte einen durchaus
orientalischen Anstrich. Der Reichtum an Gold und Silber, an Sklaven
und Buhlerinnen, die Üppigkeit des Lebens machte einen tiefen Ein-
druck auf die Griechen. Dabei waren die Könige der letzten Dynastie
keine Wüstlinge, sondern kriegerisch und hochgebildet. Sie waren
politisch klug genug, nicht durch Gewalt, sondern durch Geschenke
die Griechen sich wohlgesinnt zu machen. Aus diesen Geschenken, die
noch lange nach dem Sturze der lydischen Herrschaft die Prachtstücke
berühmter griechischer Tempel, namentlich auch des Heiligtumes zu
Delphi bildeten, wissen wir fast allein etwas von der Kunsttechnik der
Lydier. Schon Gyges widmete dem Orakel zu Delphi, durch dessen
Spruch er in seiner Herrschaft bestätigt worden war, viele und reiche
Geschenke, unter denen Herodot sechs goldene Mischgefäſse, 30 Talente
schwer, hervorhebt. Zu der Zeit Allyates blühten die Goldwäschereien
am Patoklos, die Bergwerke am Imolos und Syphos. Dabei zahlten
ihm die Nachbarvölker, wie auch die reichen griechischen Städte,
z. B. Milet, Tribut. Kein Wunder, daſs er den Reichtum des Krösus
zusammenbrachte. Im Lande wurde ihm ein gewaltiges Grabdenkmal
errichtet, das noch heute in seinen Trümmern sichtbar ist. Herodot
nennt es, abgesehen von den Bauten in Ägypten und Babylonien, das
gröſste Bauwerk der Welt. Es war ein Unterbau von Stein, 3800 Fuſs
[201]Syrien.
im Quadrat, der die eigentliche Grabkammer umschloſs, auf diesem
war von Erde ein hoher Hügel, ähnlich einer abgestumpften Pyramide
aufgeschüttet, auf deren oberer Fläche fünf Säulen mit Inschriften,
welche die Thaten des Allyates verherrlichten, aufgerichtet waren.
Dieses Denkmal ist noch heute sichthar am Gypäischen See auf dem
Felde Bin Tepe, d. h. dem Felde der tausend Hügel. Das Material des
Unterbaues waren grünliche, gut polierte Marmorquadern, die durch
Schwalbenschwänze von Blei zusammengehalten wurden 1). Derselbe
Allyates weihte unter vielen anderen Opfergaben, nachdem er von
einer Krankheit genesen war, dem Tempel zu Delphi ein silbernes
Mischgefäſs, das auf einem Untersatze von poliertem Eisen stand.
Dieses Gefäſs, insbesondere der Untersatz, galt als das gröſste Kunst-
werk, was in Delphi stand. Glaukos aus Chios hatte es im Auftrage
von Allyates gefertigt. Herodot erzählt: „Als er einer Krankheit ent-
ronnen war, hatte er nach Delphi einen groſsen silbernen Mischkrug
geweiht und ein Untergestell dazu von gelötetem Eisen, das sehens-
werteste vor allen anderen delphischen Weihgeschenken, ein Werk des
Glaukos von Chios, welcher allein unter allen Menschen die Lötung 2)
des Eisens erfunden hat.“ Wird auch der Ruhm der Ausführung dieses
Kunstwerkes einem griechischen Künstler zugeschrieben, so dürfen wir
doch sicher annehmen, daſs die Ausführung nicht ohne Einwirkung
des kunstsinnigen Königs geschah, der nach dem Gebrauche jener Zeit
das Material zu dem Werke dem Künstler lieferte. Wir wissen, daſs
die lydische Kunst die Griechen vielfach beeinfluſst hat. In der Vorliebe
und in der Geschicklichkeit der Verarbeitung der Metalle standen diese
mindestens auf der Höhe der Phönizier. Wenn der eiserne Untersatz des
silbernen Mischkruges in Delphi so bewundert werden konnte, so läſst
sich nichts Anderes annehmen, als daſs seine Grundmasse aus poliertem
Stahl bestand. Gewöhnliches Eisen hätte sich nicht Jahrhunderte durch
so erhalten, daſs es noch die Bewunderung der Nachwelt hätte hervor-
rufen können. Daſs die Lydier Meister der Stahlbereitung waren, geht
aus einem erhaltenen Bruchstücke des Daimachos, eines Schriftstellers,
der zur Zeit Alexander des Groſsen lebte, hervor, in der es heiſst: „Von
Stahlsorten (Τῶν στόμωμάτων) giebt es den Chalybischen, den von
Synope, den Lydischen und den Lacedämonischen. Der Chalybische
ist der beste für Zimmermannswerkzeuge, der Lacedämonische für Feilen,
Bohrer, Grabstichel, und Meiſsel; der Lydische ist ebenfalls geeignet
[202]Syrien.
für Feilen, ferner für Messer, Rasiermesser und Raspeln.“ Diese wenigen
Angaben über die lydische Metallverwendung geben uns nicht nur den
Beweis ihrer hohen Kenntnis des Eisens, sondern ein Zeugnis der hoch-
entwickelten Kunst der Stahlbereitung und Verarbeitung.


Alle Zweige der Semiten haben Groſses geleistet nicht nur in der
kunstvollen Verarbeitung von Gold und Silber, nicht nur in der Her-
stellung, dem Gieſsen und Schmieden der Bronze, sondern auch in der
Bearbeitung von Eisen und Stahl.


[[203]]

Die Arier in Asien.


Indien, Persien, Armenien.


Östlich von Mesopotamien beginnt das Bergland, das immer
höher ansteigend sich auftürmt bis zu den Riesengipfeln des Himalaya,
den höchsten Höhen der Erde. Dort ist die Heimat unserer Vorfahren,
der Arier. Östlich des oberen Indusgebietes an den Abhängen des
Hindukusch (Paropamisus) waren sie zuerst seſshaft. Von da ver-
breiteten sie sich nach Südosten in das Fünfstromland (das Pendschab)
und weiter nach Indien; nach Westen in das Gebiet der Perser (Era-
nier) und von da weiter nach dem Kaukasus und nach Europa. In
dem Fünfstromland, dem nordwestlichen Indien, entwickelten sich zu-
erst geordnete Verhältnisse. Hier gründeten die Arier feste Ansie-
delungen, Städte und geschlossene Gemeinwesen. Von da verbreiteten
sie sich nach Süden und Osten, nach dem Thale des Ganges und dem
südlichen Dekkhan, welches im Besitz fremder, schwarzfarbiger Völker
war. Sie errangen sich durch Kampf und geistige Überlegenheit die
Herrschaft des Wunderlandes Indien.


Die Schneeberge des Himalaya, die Felsenmauer des Paropamisus
trennte Indien von der übrigen Welt, deshalb blieb es unberührt von
den Schicksalen Westeuropas. Politisch und ethnographisch haben weder
die Ägypter noch die Semiten in älterer Zeit einen bemerkenswerten
Einfluſs auf Indien ausgeübt. Die Arier sind wesentlich verschieden
von den genannten westlichen Kulturvölkern. Eine eigentümliche
Verschiedenheit fällt bei der historischen Betrachtung sofort auf. Wäh-
rend die Ägypter schon in den Anfängen ihrer Entwickelung Steindenk-
male für die Nachwelt bauen und die Herrscher den Ruhm ihrer Thaten
in festen Stein einmeiſseln, damit sie im Gedächtnis ihrer Nachkommen
[204]Die Arier in Asien.
fortleben, während die Semiten in Mesopotamien Prachtbauten aus-
führen und durch Bild und Schrift ihre Thaten verherrlichen,
während die Hebräer die älteste Geschichte ihres Volkes aufzeichnen
und diese Aufzeichnungen als Heiligtümer verehren und bewahren,
fehlt den indischen Ariern aller Sinn für die Geschichte, sie leben so
ganz im Genuſs der Gegenwart, daſs ihnen Vergangenheit und Zukunft
fast gleichgültig ist. Ihr Leben erscheint wie der Somarausch, den
sie als höchstes Opfer betrachten. Die Phantasie überkleidet die
rauhe Wirklichkeit mit den buntschillernsten Gewändern und schwer
ist es, dahinter die wahre Gestalt zu erkennen. Die Poesie führt den
Griffel der indischen Geschichtsschreiber und Gesetzgeber, die nackte
Wirklichkeit verbirgt sich hinter blendenden Feuergarben wunderbarer
Traumbilder. Dies erschwert die Arbeit jeder historischen Forschung,
namentlich wenn sie auf so reale Ziele ausgeht, wie die unserige.
Aber des Zaubers der Schönheit, der in dieser indischen Dichtung und
Philosophie liegt, kann sich keiner entziehen, der ihnen nahetritt. Wir
fühlen, daſs es verwandte Töne sind, die zu uns klingen. Freuen wir
uns des Glanzes der olympischen Götter, so stört uns doch überall die
interessierte Herzlosigkeit ihrer semitischen Vorbilder, erhebt uns das
Walhalla der nordischen Götter, so lastet auf ihnen doch der Druck
einer strengen, unfreundlichen Natur, versenken wir uns aber in die
vedischen Gesänge, so fühlen wir neben der Blutsverwandtschaft die
reine Freude an der Natur, an einer schönen, reichen, wunderbaren
Natur, die das Dasein nicht zu einem Kampfe, sondern zu einem Ge-
nusse macht.


Aus solcher Stimmung erklärt sich das geringe Interesse an Ver-
gangenheit und Zukunft und das poetische Genie der arischen Indier.


Indessen ist die Geschichte der Arier in Indien eine wechselvolle und
ihre Entwickelung eine scharf ausgeprägte. Wir haben schon erwähnt,
daſs die Arier aus einem nordwestlichen Berglande in das weite Gefilde
des Indus, das Fünfstromland, einwanderten. Diese Erinnerung hat
sich einigermaſsen erhalten, doch betrachten sie sich in diesem Gebiete
weder als Fremde, noch als Einwanderer oder Eroberer. Sie wissen
nur, daſs ihre Väter nördlicher wohnten. Vielmehr betrachten sie sich
als Kinder des Bodens auf dem sie wohnen und wissen von keinem
anderen Volke vor ihnen.


Im Pendschab entwickelte sich das arische Wesen voll und breit.
Sie bildeten Gemeinwesen, aber viele nebeneinander, die sich ihrer
gemeinsamen Abstammung bewuſst waren, gemeinsame Sprache, Sitten
und Religion bewahrten, sich aber untereinander in häufigen Kämpfen
[205]Die Arier in Asien.
befehdeten. Gemeinsam war ihre schöne, erhabene Religion, die im
wesentlichen eine Naturverehrung war, gemeinsam ihre reiche Sprache,
wundervolle Dichtkunst, die ihren Ausdruck fand in dem Rigveda.
Veda heiſst „das Wissen“ Rigveda — „das Wissen der Lobpreisung“ —,
es sind die indischen Psalmen. So wenig wir über die wichtigen
Schicksalswendungen der indischen Arier eine thatsächliche Über-
lieferung haben, so wenig besitzen wir solche über die Zeit und Ent-
stehung dieser merkwürdigen Gesänge, die in ihrer Sammlung das
älteste und angesehenste Religionsbuch der Indier bilden. Aus dem
Inhalte läſst sich erkennen, daſs sie abgefaſst wurden zu der Zeit, als
die Arier noch im Fünfstromlande wohnten und bevor sie in das Thal
des Ganges hinabgestiegen waren, deswegen kann man die Zeit ihrer
Abfassung ziemlich bestimmt vor das Jahr 1500 v. Chr. setzen.


In den Gesängen der Veda erklingt ein frischer, kräftiger Ton.
Es ist nicht der üppige, träumerische Naturgenuſs der späteren
Dichtungen, sondern das männliche Sicheinsfühlen mit einer schönen,
aber gesunden Natur. Von den hohen Göttern, die den obersten Himmel,
das Firmament beherrschen ist Agni, der Gott des Feuers, der am
meisten angerufen wird. Weit mehr aber wenden sich die Gebete der
Vedas an einen jüngeren Gott, der den Menschen näher steht, an den
Herrscher des Luftkreises, dem Herrn von Regen und Wind, von Sturm,
Donner und Blitz, der wie Agni auch als Herr der Schlachten erscheint,
an Indra. Aus den Gesängen der Rigveda, die also etwa aus der Zeit
stammen mögen, als Thutmosis in Ägypten gegen die Cheta im Lande
Kanaan zu Felde zog, erkennen wir deutlich, daſs die Arier am Indus
schon auf einer ziemlich hohen Stufe der Kultur standen, daſs sie mit
den Metallen, Gold, Silber, Kupfer und besonders dem Eisen genau
vertraut waren. Wenn auch das Leben der alten Indier sehr einfach
war — sie lebten hauptsächlich vom Ertrage ihrer Viehherden —, so
herrschte doch bei den Vornehmen, — und Standesunterschiede ent-
wickelten sich sehr früh in Indien, — bereits ein ziemlicher Luxus. Sie
lagen auf Divanen, die mit kostbaren Polstern belegt waren, in den Ge-
mächern waren Teppiche und mit Elfenbein und Edelsteinen geschmückte
Tischchen. Die Könige lieſsen sich in reichgeschmückten Palankinen
austragen und saſsen auf einem Throne aus Feigenholz geschnitzt mit
Löwenbildern als Stützen. Die Gefäſse der Fürsten waren von Gold,
während die der geringeren Leute aus gegossenem Kupfer waren, die
alle wenig haltbar und weit geringer als die westasiatischen Erzgefäſse
waren. Das Eisen war den arischen Indiern sehr früh bekannt, es
wurde zu Waffen und Werkzeugen (und unter letzteren besonders zu
[206]Die Arier in Asien.
Äxten) verarbeitet, schon ehe die Trennung der indogermanischen
Stämme, die jedenfalls lange vor Abfassung der Veden geschah, statt
hatte. Dies geht zunächst aus der Sprache hervor. Die Wurzel für
Eisen ist in allen indogermanischen Sprachen dieselbe. Es bedarf
wohl heutzutage nicht mehr des Nachweises, daſs das Sanskritwort
„ayas“ Eisen bedeutet. Diesem Worte den Sinn von Bronze unter-
schieben zu wollen, war doch auch nur in der Theorie eines älteren
Bronzezeitalters ganz befangenen Gelehrten für eine kurze Zeit möglich.
Max Müller hat seinen anfänglichen Irrtum in dieser Hinsicht längst
zugestanden. Ayas hängt wahrscheinlich mit der Wurzel vas zusammen
und bedeutet das Helle, Leuchtende, Glänzende und könnte demnach ein
Kollektivname für alle Metalle sein. Sicherlich ist aber in den im
Sanskrit abgefaſsten Schriften unter ayas nur das eine bestimmte Metall,
nämlich das Eisen gemeint. Das Wort ayas findet sich in den meisten
indogermanischen Sprachen als Bezeichnung für Eisen wieder, freilich
unter mancherlei Umwandelungen, wie sie eben die Umprägung eines
Wurzelwortes in die Dialekte mit sich bringt. Das gothische Wurzel-
wort ais, hat wie vas und ayas zunächst den Begriff des Leuchtenden,
Glänzenden. Die Worte für Eisen lauten: Sanskrit ayas. Zend. ayanh
und dieses entspricht dem altgothischen ais.


Die nachfolgende Zusammenstellung giebt die wichtigsten Ab-
leitungen von der gothischen Wurzel ais (Sanskrit ayas), welcher der
Begriff „leuchten“, „glänzen“ zu Grunde liegt. Es zerspalten sich
diese Derivativen in zwei Gruppen, eine sehr vollständige mit der Be-
deutung Eisen, eine sehr lückenhafte mit schwankendem Begriff teils
Bronze, teils Erz, auch Glanz, Ehre u. s. w. Wir lassen diese in ihrer
Zusammenstellung hier folgen:


[207]Die Arier in Asien.

Zu der ersten Reihe der Derivative von ayas mit dem Sinn Eisen
müssen wir auch das scheinbar ganz abweichende griechische σίδηρος
rechnen 2).


Aus der groſsen Reihe von Ausdrücken für Eisen, die fast alle
indogermanischen Sprachen umfassen und alle einer Wurzel entstammen,
muſs geschlossen werden, daſs das Eisen den Ariern in ihren Ursitzen
bereits bekannt war ehe die Trennung der sämtlichen aufgeführten
Glieder der arischen Familie vor sich ging.


Das Eisen war zur Zeit der Abfassung des Rigveda bei den Ariern
im Gebrauch und war das Hauptmetall für die Bewaffnung. Indras
Donnerkeil, den Twaschtar (Hephästos) der Künstler des Himmels an-
fertigte, ist von Eisen, manchmal in der übertriebenen Ausdrucksweise
der indischen Dichter auch von Gold. Indra, der Luftgott, fährt auf
goldenem Wagen, gezogen von zwei roten Rossen. Neben dem Donner-
keil (Speer) der manchmal vier-, manchmal hunderteckig (oder mit
hundert Buckeln) genannt wird, trägt Indra die Hauptwaffe der Arier,
den Bogen. Den preiswürdigen Speer Indras hat ebenfalls Twaschtar
geschmiedet. Auſserdem werden in dem Rigveda Kriegswagen, Stan-
darten, Schwerter, Äxte und Trommeln als Kriegsgerät erwähnt 3).
[208]Die Arier in Asien.
Die Führer die auf Wagen kämpften, wie die Cheta und die trojanischen
Helden, tragen eiserne Panzer 1). An einer Stelle heiſst es 2): „Indra
ist gewappnet in Eisen“. Die Axt war im allgemeinen Gebrauch. Agni,
der Feuergott, weist auch die Gabe dessen nicht zurück, der keine Kuh
und „keine Axt“ hat und ihm nur kleine Holzstückchen zuträgt (als
Nahrung für das Opferfeuer). Die Axt dient zum Fällen der Bäume.
„Mit gewaltigem Wurfe traf Indra den finstern Wrietra, daſs ihm die
Schultern brachen, wie ein mit der Axt gefällter Baum sank Achi zur
Erde 3).“ „Indra, du nahmst in deine Hand den Donnerkeil von Eisen“,
heiſst es an einer Stelle 4): Der Speer (Wajra) Indras glänzt hell 5).
Er wird gewetzt um ihn zu schärfen 6). Er hat einen Schaft 7). Indra
schmiedet ihn selbst, wenigstens heiſst er der Schmied des Donnerkeils 8).
An anderer Stelle wird Twaschtar als sein Verfertiger oder als der-
jenige genannt, der ihn im stande hält. Twaschtar schärft den fern-
treffenden Donnerkeil 9). An einer anderen Stelle heiſst es: „Dem
kunstvoll gefertigten, goldenen, vielklingigen (vielknotigen) Donnerkeil,
den der kunstfertige Twaschtri für ihn gefertigt hat“. Auch die Spitzen
der Pfeile sind von glänzendem Metall, d. h. von Eisen, denn keine Stelle
deutet darauf hin, daſs die Arier der ältesten Zeit das Kupfer gekannt und
zu Waffen verwendet haben. Diese mannigfaltige Verwendung des Eisens
beweist bereits einen entwickelten Gewerbebetrieb. Die Gold- und Eisen-
schmiede sind nicht die einzigen Gewerbetreibenden, die in dem Rigveda
genannt werden, daneben geschieht der Weberei, der Lederbereitung und
Verarbeitung und namentlich auch des Schiffbaues Erwähnung. Die
arischen Indier scheinen in sehr früher Zeit kühne Fahrten auf dem
Indischen Ozean getrieben zu haben „auf Ruderschiffen von hundert
Rudern getrieben 10)“. Es deutet manches darauf hin, daſs früher
indische Seeschiffe nach Arabien kamen oder umgekehrt arabische
nach Indien. Kurz, das ganze Lebensbild der alten Arier ist ein
frisches, bewegtes, männliches. Agni ist gewaltig, aber er ist ein freund-
licher Gott, sein Licht erhellt die Dunkelheit. Indra ist ein starker
Gott, ein Kriegsmann, ein Speerträger. Wenn er seinen Speer schleu-
dert, entsteht der Donner, der Blitz ist sein Speer, den er in die
schwarzen Leiber der Dämonen, der Wolken, einbohrt.


Eine merkwürdige Wandlung dieser jugendfrischen Kraft der Arier
begann mit ihrer Einwanderung in das tropische Gangesthal mit seiner
[209]Die Arier in Asien.
weichen erschlaffenden Luft. Diese Einwanderung begann in der Mitte
des zweiten Jahrtausends v. Chr. Harte Kämpfe hatten die verbündeten
Stämme der Arier zu bestehen, die vom oberen Ganges aus in das Ge-
biet des heiligen Stromes eindrangen, ihnen gegenüber standen geübte
Kriegsheere unter mächtigen Fürsten. Im Rigveda sind schon die
ersten Kämpfe geschildert. Die zehn Stämme des Pendschab, an deren
Spitze die kriegerischen Söhne Bharakas, „die den Streit kennen“,
werden trotz der Gebete und Schlachtgesänge des Priesters Visvamitra
von dem Könige Sudas, des Fürsten der Tritsu, zurückgeschlagen. Aber
wohl nicht viel später finden wir schon „im fernen Osten“ im Ganges-
gebiete das arische Reich der Maghada, dessen Gründung Dunker um
1480 v. Chr. setzt. Von da ab war die Herrschaft der Arier im Ganges-
gebiete gesichert. Es bildete sich ein glänzender Sagenkreis um diese
Eroberungskriege an der Jamune (Dschumna) und am Ganges, welcher
uns in den phantastischen Erzählungen des Heldengedichtes Mahab-
harata zum Teil erhalten ist. Dunker nimmt die Zeit des elften Jahr-
hunderts v. Chr. als die Zeit des Abschlusses dieses groſsen National-
gedichtes der arischen Indier an, während die Form, in der wir es kennen,
wohl erst aus den letzten Jahrhunderten v. Chr. stammt 1). Welcher
Unterschied in Geist und Behandlung dieses Gedichtes gegenüber den
Hymnen des Rigveda. Die Geschichte der Väter ist vergessen, die
Wirklichkeit verschwindet vor einem Gewirr phantastischer Legenden,
die vor allem einen theologischen Zweck haben, Religions- und Sitten-
lehren predigen sollen. Das Heldengedicht bekommt den Charakter
eines encyklopädischen Lehrgedichtes und der Schwulst macht es fast
ungenieſsbar. Ein klares Geschichtsbild empfangen wir aus dem Maha-
bharata nicht, es hat deshalb auch keinen Zweck für uns, dem Faden
der historischen Erzählung nachzuforschen. Nur die Erzählung der
groſsen Schlacht zwischen den Pandu und den Kuru ist voll unmittel-
barer Anschaulichkeit. In ihr werden die Waffen der fünf Brüder, die
als Heerführer vor den Pandu herziehen, genau geschildert und ist
diese Schilderung für die kriegerische Ausrüstung der alten Indier von
Interesse. Sie ziehen alle auf Streitwagen, die mit Bannern geschmückt
sind, vor dem Heere her. Vor dem Banner Judhischthiras, des ersten
der Helden, tönten zwei Trommeln 2). Neben ihm fuhr der langarmige
Bhima, den eisernen, goldgezierten Streitkolben in der Hand, mit
finsterm Blick und zusammengezogenen Brauen. Der Dritte war der
Träger des groſsen Bogens, Ardschuna, mit dem Affen im Banner, „der
Beck, Geschichte des Eisens. 14
[210]Die Arier in Asien.
Standhafte“, „der Zermalmer der Kinderscharen“ u. s. w. Dann kommen
Nakula, der mit dem Schwerte kämpfte und Sahaveda. Die Helden
kämpften gegen die Helden von ihren Kriegswagen und selten lassen
sie sich herab, das Schwert in der Hand vom Wagen zu springen und
„die Köpfe des Fuſsvolkes wie Samen auszustreuen“. Auch Elefanten
kämpfen in der Schlacht. Dringen diese gegen die Wagen ein und
reicht der groſse Bogen und die eisenspitzigen Pfeile nicht aus sie
zurückzuscheuchen, so ergreift der Held „das groſse Schwert“, mit dem
er dem harnischgezierten Elefanten den Rüssel an der Wurzel neben
den Fangzähnen abhaut. Im eigentlichen Handgemenge dient der
Streitkolben. Sind auch die Schilde und Streitkolben zerbrochen, dann
ringen sie noch mit den Armen im Ring- und Faustkampf.


Die ganze Schilderung der groſsen Schlacht scheint einem älteren
Epos entnommen, oder hatte sich die Tradition dieses Ereignisses so leb-
haft in der Erinnerung der Indier erhalten daſs der priesterliche Über-
arbeiter des Mahabharata nicht wagen durfte, viel daran abzuändern.
Wenn im Mahabharata der alte kräftige Geist der Arier wenigstens noch
in einzelnen Episoden lebendig wird und Gestalt gewinnt, so erscheint in
dem anderen berühmten Heldengedichte der Inder, dem Ramajana,
welches allerdings wohl erst nach dem Jahre 500 v. Chr., als sich die
Arier bereits über Südindien, dem Deckhan bis nach Ceylon (Lanka) aus-
gebreitet hatten, abgefaſst worden ist, bereits ganz der Geist indolenter
Entsagung, stiller Unterwerfung, leidenschaftsloser Pflichterfüllung,
duldenden Gehorsams, kurz des Versenkens in Brâm schon zu Leb-
zeiten, der die ganze spätere Entwickelung der indischen Philosophie
und des indischen Wesens charakterisiert, ausgeprägt. Die Grund-
bedingungen dieser Entwickelung lagen allerdings schon in der Welt-
anschauung der Arier im Fünfstromlande. Es ist der pantheistische
Grundgedanke, der die arische Weltbetrachtung charakterisiert: von
Brahma geht alles aus, zu Brahma kehrt alles zurück. Alle Einzel-
erscheinung ist nur vorübergehend, ein hinfälliger Schatten, alles kehrt
zurück und ist in dem All dem Ôm des Sanskrit, „der Silbe von drei
Buchstaben“ enthalten. Es ist klar, daſs diese Weltanschauung leicht
zu einer Verflüchtigung des realen Seins, zu einer Auflösung praktischen
Strebens, zu Indolenz, Gleichgültigkeit und zur Weltverachtung führen
muſste, und dies war denn auch um so mehr der Fall, als sich der
Schwerpunkt indischer Herrschaft und indischen Reichtumes nach Süden
verrückte. Hand in Hand mit der Entwickelung dieser abstrakten
Philosophie ging die scharfe Ausprägung des Kastenwesens und das
zunehmende Ansehen der Priesterkaste, der Brahmanen. In dem
[211]Die Arier in Asien.
Kampfe der Kuru und Pandu erscheint noch die Kriegskaste als die
wichtigste, die Könige, aus den Kriegern hervorgegangen, bestimmen
alles, die Priester stehen als heilige Sänger im Hintergrunde. Aber
nach der Unterwerfung der schwarzen Urbewohner, „der Schwarzhäute“,
der Sutras, wird das Kastenwesen strenger entwickelt, die Priesterkaste
der Brahmanen herrschend. Der Ganges wurde der „heilige Strom“. Im
Gangesthale entwickelten sich die Zentren der Macht und des Reich-
tumes Indiens. Die pessimistische Weltanschauung siegte über die
heitere Naturverehrung der Vedas. Manus’ Gesetzbuch ist die Grund-
schrift der älteren Brahmareligion. Neben der Seelenwanderung, die
nicht als Strafe erscheint, giebt es nach Manus’ Lehre noch 21 Höllen.
Es sei bemerkt, daſs von diesen eine „spitziges Eisen“, eine andere
„der Schwert geblätterte Wald“, eine dritte „die Grube der glühenden
Kohlen“ genannt wird. Das wichtigste Mittel zur Heiligung ist die
Askese, durch die aber nur die zwei obersten Kasten zur Heiligkeit
gelangen. Die Reformation Buddhas im sechsten Jahrhundert v. Chr.
war in der Hauptsache ein Protest gegen das Kastenwesen, namentlich
gegen die weitgehenden Vorrechte der Priesterkaste. Die Lehre von
der Liebe zu der ganzen Menschheit und die Aufhebung der Kasten
waren die Fundamente seiner Lehre. Dafür aber führte er das Kloster-
wesen und einen komplizierten Formalismus in seine Religion ein, welche
letztere bald zu geistlosem Formenkram ausartete, der die Veranlassung
wurde, daſs der Buddhismus nach langen Kämpfen doch wieder durch
das moderne Brahmanentum (den Wischnu- und Çivadienst) aus
Vorderindien verdrängt wurde. Wenden wir uns, nachdem wir nur in
groben Umrissen die Staffage gezeichnet haben, in der sich die indische
Kultur entwickelt hat, speziell zu ihren metallurgischen Kenntnissen.


Gold und Eisen waren die Hauptmetalle der alten Arier. Wir haben
schon darauf hingewiesen, daſs das Gold in dem Rigveda häufig erwähnt
wird und besaſsen die Indier, als sie noch im Fünfstromlande wohnten,
dieses Metall bereits reichlich. Der Sänger Kakschwat rühmt sich 1)
von König Swamaya am Ufer des Indus 100 Gerth Goldes, 100 Rinder,
10 vierspännige Wagen und eine Herde von 1060 Kühen als Preis für
seinen Gesang erhalten zu haben. Mit Gold waren die Pferdegeschirre
geschmückt, golden heiſst der Wagen Indras. Es ist merkwürdig, daſs
Indien zu allen Zeiten als das Goldland galt, obgleich die Goldgewinnung
im eigenen Lande nie sehr bedeutend gewesen zu sein scheint. Die
arabischen Kaufleute erzählten Wunderdinge von dem Goldreichtume
14*
[212]Die Arier in Asien.
Taprobanes (Ceylons), obgleich dort gar kein Gold vorkommt. Im
Mittelalter war der Goldreichtum Indiens sprüchwörtlich und er gab
die Veranlassung zu der Entdeckung von Amerika. Daraus folgt, daſs der
Handel Indiens, der für die vielen reichen Naturprodukte gerade noch wie
heute massenhaft Gold dem Lande zuführt, sehr alt sein muſs. Schon
Herodot, welcher der erste von den Schriftstellern des Altertums ist,
der von Indien etwas weiſs 1), denn Homers Andeutung ist ganz unklar,
erzählt uns bereits das Mährchen von den goldsuchenden Ameisen 2).
Es wird vermutet, daſs diese Erzählung auf Goldwäschereien der
Daranda, die von den indischen Völkern den Persern am nächsten
wohnten, zurückzuführen ist. Die nördlichsten Indier, die Daranda,
zwischen Kaschmir und dem oberen Indus wuschen seit Alters Gold
und da dieser Teil von Indien den westlichen Kulturstaaten des Altertums
am nächsten lag, so ist wohl hierdurch zuerst der Glaube an den Gold-
reichtum Indiens verbreitet worden, wie denn auch die bekannte Sage
von den Gold bewachenden Ameisen hier ihren Ursprung hat. Es soll
nämlich der Boden jener Gegenden ganz durchwühlt sein von einer
Murmeltierart, die eine beträchtliche Gröſse erreicht. Moorcroft 3),
der das Land besucht hat, ist der Ansicht, daſs nur ein sprachliches
Miſsverständnis Herodots die Verwechselung zwischen Murmeltieren
und Ameisen veranlaſst habe. Thatsächlich erleichterten diese Murmel-
tiere den Eingeborenen das Goldsuchen, denn sie lockern den gold-
haltigen Boden auf, infolgedessen dann in der Regenzeit die herab-
strömenden Wassermassen die leichte Erde fortschwemmen, während
das schwere Gold zurückbleibt. Nach Beendigung der Regenzeit ziehen
die Bewohner aus und suchen in den Regenfurchen des umgewühlten
Bodens die ausgewaschenen Goldflitterchen. Vielleicht war dies auch
zum Teil das Gold von Ophir, welches den Indus herabgeführt und an
der Mündung den Kaufleuten aus Westen verhandelt wurde.


Auch im oberen Gangesgebiete, im Lande der Musikani, wurde
bereits im Altertume Gold gewaschen. Die Flüsse Baddakhs und von
Jockardo, sowie des Hindukusch sind goldführend. Auch die Flüsse
Nepals führen Gold. Von Hinterindien, das viel reicher an Gold ist
als das nördliche Indien, werden wir später sprechen. Im Deckhan
kommt Gold vor im östlichen Plateau von Mysore 4) und im Nalla-Malla-
gebirge zusammen mit Diamanten 5). Neuerdings sind goldführende
Quarzgänge in Südindien im Winaaddistrikt entdeckt worden, natür-
[213]Die Arier in Asien.
lich soll hier auch wieder das Ophir der Bibel entdeckt sein. Im
allgemeinen ist die Goldgewinnung des groſsen Gebietes von Vorder-
indien nicht bedeutend und scheint es auch in früherer Zeit nicht ge-
wesen zu sein, so daſs die eigene Produktion seinen Ruhm als das
Goldland nicht rechtfertigen würde, aber wie schon bemerkt, der
Handel mit seinen sonstigen Reichtümern, die enorm sind, ist sehr alt
und so war die Goldzufuhr nach Indien stets eine auſserordentliche.
Die Rigveda kennt bereits die Schiffahrt und rühmt es als männlich,
sich auf die offene See zu wagen. In den Hymnen kommt der Ausdruck
vor „Handelnd wie ein Krämer“. Das Gesetzbuch Manus’ (vor dem
Jahre 1000 verfaſst) erwähnt der Leute, die der Schiffahrt auf dem
Ozean kundig sind und sagt 1): „Wer am schnellsten Reichtum erlangen
will, muſs die Gefahren und das Elend des groſsen Ozeans nicht achten.“
Es erwähnt der reisenden Warenhändler, die „Maghada“ jedenfalls nach
der reichen Handelsstadt gleichen Namens, heiſsen 2). Es ist unzweifel-
haft, daſs zur Zeit Salomos bereits ein Seehandel zwischen Arabien und
Indien bestand. Wenn es auch nicht sicher ist, ob die Ophirschiffe das
viele Gold von Indien mitbrachten, daſs dieses vielmehr wahrscheinlicher
aus Nubien kam, so ist es doch unzweifelhaft, daſs Elfenbein, Sandelholz,
Affen und Pfauen, welche die Ophirschiffe mitbrachten, nur aus Indien
stammen konnten. Die seidenen Stoffe, welche als tyrische in den
Handel gebracht wurden, kamen gleichfalls aus Indien. Es ist sogar
wahrscheinlich, daſs die Ägypter die baumwollenen Binden, die bei der
Einbalsamierung gebraucht wurden, aus Indien erhielten, denn die An-
pflanzung der Baumwollenstaude in Ägypten ist jünger als der Gebrauch
dieser Binden. Indischer Stahl, indische Schwerter kamen als Handels-
artikel früh nach Westasien. Unter dem serischen Eisen der Römer
ist wahrscheinlich indisches zu verstehen. Es ist charakteristisch, daſs
die Sanskritnamen der spezifisch indischen Produkte sowohl bei den
Semiten als den Indogermanen Eingang fanden, z. B. Karbasa, die
Baumwolle, im Hebräischen karbas, kommt im Lateinischen als carbasa
vor. Die Namen für Pfeffer im Sanskrit, Pippali, griechisch πέπεϱι;
Zucker, im Sanskrit sarkara ist in alle westlichen Sprachen über-
gegangen. Ähnlich ist es mit dem Zimmet, den Pfauen und vielen
anderen Produkten Indiens. Es ist auch zu natürlich, daſs der auſser-
ordentliche Naturreichtum die Händler des Westens anzog, und nur
die groſsen Terrainschwierigkeiten verhinderten es, daſs auch die kühnen
Eroberer Westasiens, namentlich die Könige Assyriens, mit ihren Heeren
[214]Die Arier in Asien.
in Indien eindrangen. Versuche scheinen sie wohl gemacht zu haben.
Wenigstens dürfte die im Altertume sehr verbreitete Sage von dem
Kriegszuge der Semiramis nach Indien nicht ganz ohne eine geschicht-
liche Grundlage sein. Erschlossen wurde Indien zuerst durch einen
Kriegszug des Darius Hystaspis, der die Provinz Gedrosia dem Perser-
reiche einverleibte. Die indischen Fürsten Gedrosias muſsten 21 Mil-
lionen Mark Gold jährlichen Tribut bezahlen. Wichtiger aber war der
kühne Kriegszug Alexanders von Macedonien, eine der merkwürdigsten
Unternehmungen, welche die Geschichte kennt. Hat dieser Feldzug
für die Macht der macedonischen Herrschaft auch keinen dauernden
Erfolg gehabt, so war sie von allen Unternehmungen des genialen
Alexanders für die europäische Kultur vielleicht die bedeutsamste.
Von da an datiert der regelmäſsige und innigere Verkehr Indiens mit
Europa, von da an haben darum auch die geschichtlichen Nachrichten
der klassischen Schriftsteller eine bestimmtere und glaubwürdigere Form.
Das erste Buch über Indien stammt allerdings noch aus einer früheren
Zeit. Es war verfaſst von einem Griechen, Ktesias, der als Leibarzt in
den Diensten des persischen Königs Artaxerxes Memnon, welcher im
Jahre 404 v. Chr. die Regierung antrat, stand. Seine Erzählungen
basierten auf mündlichen Mitteilungen, die er gesammelt hatte, er
kannte Indien aus eigener Anschauung nicht, deshalb war Wahres und
Falsches bunt durcheinandergeworfen und die ganze Schilderung hatte,
wie ja auch noch so viele spätere, den Charakter des Märchenhaften.
Gerade dadurch aber trugen die Schriften des Ktesias nicht wenig dazu
bei, Alexander für seine indische Expedition zu entflammen. Auch uns
sind durch Ktesias manche dankenswerte Mitteilungen über Indien
erhalten worden. Nachdem die Römer Syrien und Ägypten besiegt
hatten, war es ihr gröſstes Interesse, einen gesicherten Seehandel vom
Roten Meere aus mit Indien zu etablieren. Der Steuermann Hypalos
soll den Südwest-Monsun zuerst benutzt haben, mit Hilfe dessen es
möglich war, in kurzer Zeit quer durch das offene Meer nach Indien
zu schiffen. Für die Römer war der Seeweg nach Indien um so wich-
tiger geworden, als der Landhandel durch die feindlichen Parther
abgeschnitten war. Der römisch-indische Seehandel nahm rasch groſs-
artige Dimensionen an. Der Hauptstapelplatz war die Insel Dioskorides
(Diu Sokotora). Die wichtigsten Häfen an der indischen Westküste,
welche sie besuchten, waren Muziris und besonders Barygaza am Aus-
fluſse des Nerbuddah, südwestlich von Guzerat. Die römischen Handels-
schiffe dehnten ihre Fahrten bis Taprobane (Ceylon), ja, bis zur Koro-
mandelküste und Hinterindien aus. Andererseits kamen aber nach
[215]Die Arier in Asien.
Arrians Bericht 1) ebenso indische Händler nach Arabien. Ihr Haupt-
hafen war Agania, heute Aden, doch auch auf Dioskorides hatten sie
ihre Geschäftslokale als „Fremdlinge aus Indien“. Die Hauptwaren
der Indier waren Zimmet, Gewürze, Seidengewebe, Wohlgerüche, Elfen-
bein, Sandelholz, Pfauen, Eisen und Stahl, Smirgel, Edelsteine und
Perlen. Dafür gingen nach Indien: Kupfer und Erz, Blei, Zinn, Silber-
und Goldwaren und gemünztes Geld. Die Ausfuhr des letzteren,
welches meist gemünztes Silber war, betrug nach Plinius jährlich
50 Millionen Sesterzen = 27900000 Mark. Dieser konstante Silber-
abfluſs war eine groſse Schwächung für Rom und der indische Handel,
der besonders dem Luxus und der Prachtliebe der Römer Vorschub
leistete, hat nicht wenig zum Ruine Roms beigetragen. Der Einfluſs
der Römer auf die Indier war dagegen nur sehr gering. Zwar zirku-
lierte das römische Geld in den Hafenstädten 2), aber bei der auſser-
ordentlich zahlreichen Bevölkerung Indiens machte sich die römische
Metalleinfuhr kaum bemerklich. Die indischen Kaufleute hatten an
dem Handel nicht geringeren Anteil wie die griechischen und römischen.
Im Landhandel waren die Indier besonders gewandt. Sie hausierten
namentlich mit Edelsteinen, den berühmtesten Erzeugnissen ihres
Landes, die sie auch vorzüglich zu fälschen verstanden, was indes mehr
ihrer Geschicklichkeit, als ihrer Ehrlichkeit zum Lobe gereichte. Die
indischen Händler, meist aus der Kaste der Brahmanen, gingen im
Altertume wie im Mittelalter in ihrem nationalen Kostüme und erregten
dadurch in hohem Maſse die Neugierde fremder Völker. Sie zogen bis
nach Kleinasien und Griechenland. Beispielsweise wurde im Jahre
60 v. Chr. ein indischer Kaufmann von einem barbarischen Volksstamme
am Kaspischen Meere ergriffen und als ein wertvolles Geschenk dem
gallischen Prokonsul Metellus Celer zugeschickt.


Doch auch am Seehandel beteiligten sich die Indier. Wir haben
ihre Niederlassungen am Roten Meere bereits erwähnt, aber auch
in Alexandria waren indische Kaufleute ansäſsig, die sich sogar an
dem Mittelmeerhandel beteiligten. Durch den Sturz des römischen
Reiches, durch die Eroberung Persiens und den Fall der Sassaniden,
sowie durch die Eroberung Ägyptens durch die Araber erlitt der
indische Handel eine Reihe von Schlägen, von denen er sich indes
ziemlich rasch wieder erholte, da die mohammedanischen Araber
fast noch eifriger als ihre heidnischen Vorfahren den indischen Handel
pflegten. Die Handelsstraſse nach Indien wurde dagegen gänzlich
[216]Die Arier in Asien.
verlegt infolge der Auffindung des Seeweges nach Indien durch die
Portugiesen.


Dieser groſsartige Handel war die Ursache des Goldreichtums
Indiens, nicht ihr Bergbau und die heimische Produktion. Waren
diese von keiner hervorragenden Bedeutung, so war die Blei- und
Silbergewinnung relativ noch viel unbedeutender, obgleich silberhaltige
Bleiglanze im Himalaya, in Nepal 1), zu Rohr Kamthie 2) im alten Mag-
hada wie im Nalla-Mallagebirge 3) und in Ajimir 4) im Mewargebirge 5)
vorkommen. An dem Silber machten die römischen Kaufleute ihren
gröſsten Geschäftsgewinn. Den Angaben der Geschichtsschreiber zu-
folge profitierten die Indienfahrer nach Deckung aller Auslagen noch
durchschnittlich 100 Prozent.


Kupfer ist verhältnismäſsig wenig in Indien verbreitet. Es
kommt vor in Kaschmir, Sirmor, Malajabhuni, Nepal 6), ferner in Ajimir 7)
und Mewar, auch im Nalla-Mallagebirge 8), aber diese Vorkommen
scheinen alle nicht bedeutend zu sein und es wurde in früherer Zeit
so wenig gewonnen, daſs die Alten der Ansicht waren, in Indien gäbe
es kein Kupfer. Nur Ptolemäus erwähnt eines Stammes der Chalkites,
die so geheiſsen haben sollen, weil sie Kupferbergbau trieben. Erz und
Kupfer waren daher Haupteinfuhrartikel, die vornehmlich gegen Perlen
und Edelsteine umgesetzt wurden. In späterer Zeit verwendeten die
Indier Kupfer und Messing zu Münzen. Nach Buddhas Zeit wurden
die Idole aus Kupfer, teilweise auch aus Erz getrieben. Eine Art von
korinthischem Erz in Indien wird schon von Pseudo-Aristoteles erwähnt.
Auch das Zinn bezogen die Indier, wie oben erwähnt wurde, von den
arabisch-phönizischen Kaufleuten. Indisches Eisen und indischer
Stahl waren dagegen schon in hohem Altertume berühmt. Das Land
ist überall reich an Eisenerzen, besonders in dem Windhjagebirge, der
Halbinsel Guzerat, den westlichen Gâhts, dem Insellande Kutsch, in
Salem auf der Coromandelküste, im Nalla-Mallagebirge, in Orissa in
Bengalen, ferner im Norden in dem westlichen Himalaya, in Kaschmir,
Nepal, in Assam und Godvana.


Die alte Eisenindustrie einerseits, die Armut an Kupfer andererseits
machen es schon an und für sich unwahrscheinlich, daſs in Indien eine
Bronzeperiode der Eisenperiode vorausgegangen ist, umsoweniger, da
es kaum zweifelhaft ist, daſs die Bronze erst durch den phönizischen
Handel in Indien bekannt geworden ist. Damals war aber die Ge-
[217]Die Arier in Asien.
winnung und Verarbeitung des Eisens in Indien schon allgemein be-
kannt. Stahl- und Eisenwaren gehörten zu den geschätztesten Aus-
fuhrartikeln Indiens. Wir haben bereits früher bemerkt, daſs der
Stahl, der zu Ezechiels Zeit auf den Markt von Tyrus gebracht wurde,
wahrscheinlich aus Indien stammte. Wir haben der eisernen Waffen
Erwähnung gethan, die bereits im Rigveda erwähnt werden. Ktesias,
der erste, der über Indien schreibt (um 400 v. Chr.), erzählt uns als ein
besonderes bemerkenswertes Faktum, daſs König Artaxerxes Memnon
ihm zwei indische Schwerter als besonders wertvolle Gaben geschenkt
habe. Wenn wir nicht wüſsten, welchen Wert die Indier auf guten
Stahl von jeher gelegt haben, würde es uns ganz unbegreiflich erscheinen,
daſs König Porus nach dem Berichte von Quintus Curtius dem gewal-
tigen Sieger Alexander dem Groſsen als Hauptgeschenk einen Stahl-
kuchen von 30 Pfund Gewicht dargebracht habe (σόλον αυτοχόων).


Arrian erwähnt des Hafens von Adula (Aden) an der arabischen
Küste als eines wichtigen Eisenmarktes, wo besonders die von Indien
importierten Beile, Äxte, Säbel u. s. w., daneben auch indischer Roh-
stahl (στόμωμα) verkauft wurde.


Welche wichtige Rolle das Eisen und der Stahl im indischen Handel
spielten, geht aus vielen sporadischen Mitteilungen hervor. So stammt
das aus „Tausend und eine Nacht“ so bekannte Mährchen von dem
Magnetberg, der Schiffe und Menschen anzieht, aus Indien. Plinius 1)
schreibt darüber: „Neben dem Indusfluſs giebt es zwei Berge, wovon
der eine alles Eisen anzieht, während der andere es abstöſst, hat man
eiserne Nägel an den Schuhen, so kann man von dem einen Berge den
Fuſs nicht mehr losreiſsen, auf dem anderen nicht feststehen.“ Dies
beweist zum mindesten eine genaue Kenntnis des Magnetismus. Auch
daſs das Eisen den Blitz anzieht, war den Indiern schon frühe bekannt.
Ktesias erzählt, daſs die indischen Schwerter in die Erde gepflanzt die
Kraft hätten Hagel und Blitzstrahl abzuwenden, er habe selbst den
König dies verrichten sehen. Nicht nur in der Bereitung des Stahls,
sondern auch in der Verarbeitung des Eisens leisteten die Indier ganz
Auſserordentliches.


Bei Dehli steht eine massive Säule von Eisen, die schon seit uralter
Zeit als ein Heiligtum verehrt wird. Es ist der Lâht von Dehli (der Pfeiler
von Dehli). Wunderbare Sagen knüpfen sich an dieses alte Denkmal. Dar-
unter ist auch diejenige zu rechnen, die berichtet, die Säule bestehe aus
einem Gemisch von sieben Metallen. In Wahrheit besteht sie nur aus einem,
nämlich einem stahlartigen Eisen. Die Zahl sieben nach den sieben
[218]Die Arier in Asien.
Planeten, denen die sieben Metalle zugehören, spielt eben bei den
Indiern dieselbe Rolle wie bei den Chaldäern und wie später bei den
Alchimisten. Demungeachtet ist diese eiserne Säule ein so merkwür-

Figure 36. Fig. 36.


diges Denkmal alt indischer Schmiede-
kunst, daſs sie — selbst ein Wunder —
der Ausgangspunkt wunderbarer Le-
genden wurde. In der Mittellinie und
nahe dem Ende der Kolonade von
Masjid-i-kutb-ud-Islam bei Dehli steht
der berühmte Lâht, von dem General
Cunningham in dem einen offiziellen
Bericht im Jahre 1862 folgende Be-
schreibung giebt 1): „Die Säule von
Dehli ist eine massive Welle (shaft)
aus verschiedenen Metallen von über
16 Zoll Durchmesser und ungefähr
50 Fuſs lang. Es ist wahr, daſs an vielen
Stellen Risse sind, die zeigen, daſs der
Guſs unvollkommen war; aber wenn wir
die auſserordentliche Schwierigkeit, eine
Säule von so gewaltigen Dimensionen
herzustellen, erwägen, so wird unser
Erstaunen nicht verringert, wenn wir
auch sehen, daſs der Guſs Mängel zeigt.
Die ganze Höhe der Säule über dem
Boden beträgt 22 Fuſs, der glatte Teil
indes nur 15 Fuſs, da das Kapital
3½ Fuſs hat und der untere rauhe Teil
ebenfalls 3½ Fuſs beträgt (Fig. 36).
Aber seine Länge unter dem Boden ist
beträchtlich gröſser, als die freistehende,
da bei der vor kurzem vorgenommenen
Nachgrabung 26 Fuſs niedergegangen
wurde, ohne das Fundament, auf dem
der Pfeiler ruht, zu erreichen. Die ganze
Länge der Säule ist deshalb höher als
48 Fuſs, wieviel ist noch unbekannt, doch
muſs dies beträchtlich sein, da die Säule
durch die Ausgrabung nicht einmal
[219]Die Arier in Asien.
gelockert wurde. Ich halte es deshalb für sehr möglich, daſs sie nicht
weniger als 60 Fuſs lang ist. Der untere Durchmesser der Säule ist 16,4
Zoll, der obere 12,05 Zoll, die Verjüngung beträgt 0,29 Zoll per Fuſs.
Die Säule enthält ungefähr 80 Kubikfuſs Metall und wiegt über 17 Tonnen
(17000 Kilo).“ Es ist ein Irrtum des Berichterstatters, den Lâht für
eine gegossene Säule zu halten, sie besteht vielmehr aus geschmiedetem
Eisen. Dies ist nachgewiesen durch die Experimente und die Analyse,
welche Dr. Percy mit einem von der Säule abgehauenen Stücke vorgenom-
men hat. Er war im stande, sie direkt zu dünnen Nägeln auszuschmieden 1).
Das Eisen hat nach Dr. Murray Thomsons Untersuchung ein spezifisches
Gewicht von 7,66 2). Die ganze Säule scheint aus lauter einzelnen
Luppen von circa 50 Pfund Gewicht zusammengeschweiſst zu sein.


Das Alter dieser merkwürdigen Säule ist unbekannt. General
Cunningham giebt das Jahr 319 n. Chr. als Jahr der Aufstellung in
seinem Berichte an. Er schreibt 3): „Diese eiserne Säule erzählt ihre
eigene Geschichte in einer tiefeingegrabenen Sanskritinschrift von sechs
Zeilen auf ihrer Westseite. Die Inschrift wurde von J. Princep über-
setzt, der bemerkt, daſs die Säule, die Waffe des Ruhmes (Kirtti bhuja)
des Fürsten (Raja) Dhawa und die eingehauenen Buchstaben die
Bilder der Hiebe, die sein Schwert seinen Feinden beibrachte, als
Inschrift seines unsterblichen Ruhmes genannt wurden. Es heiſst
ferner, daſs er die Vahlikas am Indus unterwarf, worunter jedenfalls
die Bahlikas des Fünfstromlandes gemeint sind und endlich, daſs er
durch seinen starken Arm sich die ungeteilte Herrschaft der Erde für
lange Zeit erwarb.“ Dies ist die ganze mangelhafte Auskunft, welche
uns die Inschrift giebt, auſser, daſs der Fürst ein Verehrer Wischnus
war. Princep glaubt, daſs die Inschrift aus dem dritten oder vierten
Jahrhundert n. Chr. stamme, Mr. Thomas hält diese Angabe in An-
betracht des Styles der Inschrift für zu hoch gegriffen. Ich stimme
indes mit Princep überein, da die Schriftzeichen genau mit denen der
Guptainschriften übereinstimmen. Ich habe bereits das Jahr 319 als
für den Raja Dhawa wahrscheinlich erwähnt, welches das Anfangsjahr
der Balabhi und Guptaperiode ist, da es mir wahrscheinlich scheint,
daſs er selbst zum Sturze der mächtigen Gupta-Dynastie beigetragen
hat. Ein Raja Dhawa ist indes aus dieser Zeit nicht bekannt, wohl
aber aus einer weit früheren, nämlich aus der Zeit des neunten oder
zehnten Jahrhunderts v. Chr. Nach Garein de Tassy (les monuments
[220]Die Arier in Asien.
d’architecture de Dehli, Journ. Asiatique Juli 1860) ist es gewiſs, daſs Mid-
hava (Raja Dhawa) der neunzehnte Herrscher nach Yudhistir, dem
ältesten Sohn Pandus, dessen Periode mit 1425 v. Chr. beginnt, ist.
Dies ergäbe bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer von 27 Jahren
das Jahr 912 v. Chr. Deshalb ist es möglich, daſs die Säule einer weit
älteren Zeit angehört.


Über die Inschrift bemerkt Princep: „Die Sprache ist Sanskrit, die
Schriftzeichen gehören der Form des Nagari an, die ich dem dritten
oder vierten Jahrhundert n. Chr. zuschreibe, die Buchstaben sind nur
eingekratzt (squared of), da sie wahrscheinlieh nur mit einem kurzen
Meiſsel von Stahl (cheni) eingepunzt wurden. Indische Sagen berichten,
daſs die Säule so tief in die Erde hinabreicht, daſs sie den König der
Schlangen verwundet habe. Cole berichtete (Architecture of Ancient
Dehli, p. 44): Ein gelehrter Brahmane versicherte den König Anang-
pâl 1051, daſs die Säule so tief in den Grund eingetrieben sei, daſs sie
das Haupt von Vasuki, dem Könige der Schlangen, der die Erde trägt,
erreiche und daſs, so lange sie feststehe, auch die Herrschaft seiner
Familie bestehen würde. Als Anang-pâl sie aufgrub um sie zu ent-
fernen, fand er die Erde mit dem Blute des Schlangenkönigs gefärbt.
Da erfaſste ihn Reue über seinen Unglauben an die Worte des Brah-
manen und er wollte sie wieder aufrichten, konnte sie aber nicht wieder
fest im Boden befestigen. Also verblieb sie lose (dhila) und daher
erhielt das Land und die Stadt den Namen Dhili (Dheli). Diese Sage
der Entstehung des Namens der Stadt Dheli existiert in vielen Lesarten 1).
Ihr Hauptsinn ist immer der, daſs, so lange diese eiserne Säule steht,
soll Hindostan (oder die betreffenden Herrschergeschlechter) bestehen.“


Übrigens stehen auf der Säule noch verschiedene andere Inschriften
aus späterer Zeit, die auch zu manchen der Sagen Veranlassung gegeben
haben.


Die vielen zum Teil sich widersprechenden Sagen über das Alter
und die Entstehung des Dheli Lhât beweisen, daſs die Erinnerung an
die wirkliche Herstellung dieses auſserordentlichen Schmiedestückes
verloren gegangen ist und wir sind deshalb berechtigt, auf ein sehr
hohes Alter seiner Entstehung zu schlieſsen. Betrachten wir die Her-
stellung dieser merkwürdigen Säule, so müssen wir die Kunst der alten
Schmiede bewundern. Noch heute würde trotz Dampfhammer und
Bessemerofen die Darstellung einer solchen riesigen Eisensäule von
50 Fuſs Länge und 1½ Fuſs Durchmesser eine staunenswerte Leistung
[221]Die Arier in Asien.
sein, wie war solche aber jenen indischen Schmieden der alten Zeit
möglich, die nichts hatten, als ihre Handbälge und geringe Holzkohlen?
Mallet schreibt hierüber 1):


„Es existieren keine Beweise, daſs bei dem indischen Schmiede-
verfahren jemals schwerere Rohluppen als von 90 bis 100 Pfund erzeugt
worden sind“. Solche sind zu klein, als daſs damit eine Stange von
16 Zoll Durchmesser hergestellt werden könnte. Es ist indessen denk-
bar, daſs die kleinen Luppenstücke, die aus solchen Luppen erzielt
werden konnten, zu Zainen geschweiſst, die dann wieder zu einem
Pakete gebunden wurden, aus denen ein solcher Stab, die Möglichkeit
genügender Schweiſshitze und Stärke der Hämmer vorausgesetzt, in die
cylindrische Form des eisernen Pfeilers hätte geschmiedet werden
können.


Nun ist aber die Grenze der Gröſse eines Paketes, das mit reich-
lichen Heizvorrichtungen geschweiſst werden soll, gegeben, wenn die
Masse im Verhältnis zur Hitze des Ofens so groſs ist, daſs das Äuſsere
der Pakete verbrennt und wegschmilzt infolge der langsamen Mitteilung
der Hitze, woher bei langer Heizung es nötig wird, fortwährend
durch neues Eisen das alte zu ersetzen. Diese Grenze ist schon vor-
dem in unseren besten Schweiſsöfen erreicht worden. Sie wurde that-
sächlich berührt, als man in Liverpool in den Mersey Eisenwerken die
groſse 13 Zoll- Kanone ausschmiedete. Wenn deshalb die Eisen-
schmiede Indiens zwischen dem dritten und vierten Jahrhundert (oder
viel früher nach unserer obigen Auseinandersetzung) Windöfen mit
riesigen Essen oder Gebläsemaschinen von einer Gröſse und Leistungs-
fähigkeit, die uns unbekannt ist, was in Hinblick auf die primitiven
Apparate der Eingeborenen nicht zu begreifen wäre, besaſsen, so
können wir bestimmt behaupten, daſs kein Paket für einen Stab von
16 Zoll Durchmesser zur Schweiſshitze gebracht werden konnte, auſser
mit solchem Abbrand, daſs seine Herstellung überhaupt unmöglich war.
Gehen wir aber von dem Ausheizen eines solchen Stabes zum Aus-
schmieden desſelben über, so steigert sich die Schwierigkeit. Die
Grenze aller Handschmiedearbeiten in Europa wurde erreicht mit der
Herstellung der Hauptanker der groſsen Linienschiffe. Der gröſste
Querschnitt eines Ankerflügels an der Verbindungsstelle betrug aber
8 höchstens 9 Zoll und das Schweiſsen wurde ermöglicht durch 24 Zu-
schläger, die aufeinander eingeübt waren und Hämmer von 14 bis
18 Pfund schwangen. Der Hagelschauer der Hammerschläge, die
[222]Die Arier in Asien.
mehrere Minuten auf die Eisenmasse fielen, übte doch nur eine unge-
nügende Wirkung, so daſs sowohl das Ausschmieden wie das Schweiſsen
dieser Anker oft sehr mangelhaft war und dabei muſsten die Zuschläger
enge in einem Kreise zusammenstehen und so dicht bei der glühenden
Eisenmasse, als es das Ausholen zum Zuschlagen erlaubte, wodurch sie
durch die strahlende Hitze versengt wurden, so daſs Arbeiter mit
zarter Haut gar nicht zu brauchen waren. Deshalb war denn auch
hier etwa die Grenze der Handschmiederei erreicht, sowohl bezüglich
des mechanischen Effektes, den der Hammer auf das Eisen ausübte, als
bezüglich des Widerstandes der Arbeiter gegen die strahlende Wärme,
die von dem glühenden Eisen ausströmte und die zu bemessen war
durch die Länge des Hammerstieles. Der Querschnitt der Verbindungs-
stelle eines solchen Hauptankers (best bower) zu der des Dhelipfeilers
verhält sich aber etwa wie 64:201, infolgedessen würden also die
erhitzten Enden der zu schweiſsenden Massen mehr als dreimal soviel
Hitze ausstrahlen und die zur Schweiſsung erforderliche mechanische
Kraft würde mehr wie dreimal so groſs sein müssen, wie bei dem Anker.
Wir können deshalb behaupten, daſs selbst von europäischen Arbeitern
ein Stahl von 16 Zoll Durchmesser nicht mit dem Vorschlaghammer
hätte geschweiſst werden können. Diese würden nicht den genügenden
mechanischen Effekt hervorbringen, noch weniger in den Händen der
relativ schwachen Indier, und Haut und Knochen hätten die unerträg-
liche Glühhitze einer solchen, zur Schweiſshitze erhitzten Masse in einem
Abstande von 5 bis 6 Fuſs nicht zu ertragen vermocht. Wie konnte
also der Pfeiler von Dheli in Indien, angenommen, sie hätten die nötige
Hitze hervorzubringen verstanden, geschmiedet werden? Irgend eine
mechanische Gewalt muſs in Anwendung gekommen sein, aber welche?
Menschenarbeit oder der Stiergöpel (bullock-walk), durch welche die
Wassersäcke (bheesties) aus dem Brunnen und Cisternen gezogen werden,
waren in neuerer Zeit die alleinigen Kraftmaschinen in Indien. Das
Wasserschöpfrad (noria), um Wasser mit Hilfe von tierischer Kraft in die
Höhe zu heben, ist allgemein in Anwendung, aber die Erzeugung von
Kraft durch den Niederfall des Wassers scheint niemals in Indien be-
kannt gewesen zu sein, weil auch, auſser im Berglande, derartige Gefälle
nicht existieren.


Windmühlen, die in Persien schon in sehr früher Zeit bestanden
haben sollen, sind in Indien niemals gesehen worden und daſs die An-
wendung des Dampfes nicht bekannt war, bedarf kaum der Erwähnung.


Es ist einzig denkbar, daſs irgend eine Art von Fallhammer, von
Menschen mittels Seilen gezogen, nach Art der alten Rammbären um
[223]Die Arier in Asien.
Pfeiler einzutreiben, in Anwendung gebracht wurden, oder irgend eine
Form eines Fallbäres, der durch einen Ochsengöpel in Bewegung ge-
setzt wurde, und es ist die Aufgabe der indischen Archäologen, ob kein
Bericht oder keine Tradition einer solchen Vorrichtung existiert, ohne
welche die Methode, nach der diese kolossale Säule geschmiedet wurde,
unerklärlich bleibt. In dieser Beziehung steht diese Säule noch als ein
metallurgisches Rätsel vor uns. Wenn sie allein existierte und das
einzige groſse Schmiedestück des alten Indiens wäre, so könnten wir es
vielleicht als ein zu vereinzeltes Beispiel, um darauf Schlüsse über die
Metallurgie vergangener Zeitalter zu begründen, ansehen, aber obgleich
wenig beachtet und augenscheinlich für unsere europäischen Schrift-
steller über Eisenhüttenkunde noch ganz unbekannt, so steht überdies
dieser Pfeiler nicht für sich allein da. Wir wollen hier kein Gewicht
darauf legen, daſs es sehr wahrscheinlich ist, daſs noch andere ähnliche
eiserne Säulen in Indien existieren, wie dies dem Verfasser dieses von
einem sehr gewissenhaften indischen Offizier, der das Land genau kennt,
versichert worden ist, so sind doch die folgenden Thatsachen durch
James Fergusson, in seinen Illustrationen der alten Architektur von
Hindostan 1) bezeugt:


„In dem Tempel von Kanaruk, der ‚schwarzen Pagode‘ in der
Präsidentschaft Madras, sind die Mauern der mantapa oder Thorhalle,
die im Inneren ungefähr 60 Fuſs im Quadrat hat, etwa 10 Fuſs dick,
die Tiefe des Thorweges beträgt deshalb 20 Fuſs und der Thorsturz
wird unterstützt durch groſse eiserne Tragbalken von etwa einem Fuſs
Querschnitt, die von einer Seite zur anderen durchgehen (Fig. 37, a. b).
Das Dach ist nach der gewöhnlichen Auskragungsmanier der Hindus, bei
der jede Lage etwas übersteht, so daſs sie das Bild einer umgekehrten
Treppe darbieten, überbaut. Etwa in halber Höhe, wo sich der Unterbau
bis auf 20 Fuſs verengt hatte, war ein falsches Dach darüber gelegt, dessen
eingestürzte Trümmer jetzt auf dem Boden liegen. Unter diesen er-
kennt man verschiedene Eisenträger, 21 Fuſs lang und 8 Zoll Durch-
messer und viele Steinplatten, 15 und 16 Fuſs lang (wahrscheinlich im
Falle zerbrochen), bei einer Breite von 6 Fuſs und 2 bis 3 Fuſs Dicke.
Hier finden wir also die Anwendung von schmiedeisernen Tragbalken
von 8 Zoll Quadrat und 21 Fuſs Länge als Konstruktionsmaterial.“
Nach Fergussons Ansicht wurde dieser Tempel vom Jahre 1236 bis 1241
erbaut. In einem anderen Tempel, der von Fergusson untersucht und
beschrieben wurde — dem von Mahavellipore, der allein auf einem ein-
[224]Die Arier in Asien.
samen Granitfelsen, der in die Uferbrandung bei Madras hinausragt —
dessen Erbauung er dem zehnten oder elften Jahrhundert zuschreibt —
sind leere Lager (sockets) für Tragbalken, ähnlich den angeführten.
Die Tragbalken müssen von Eisen gewesen sein, da die Auflager derart
sind, daſs sie für Zimmerung bei der zu tragenden Last durchaus nutzlos
gewesen sein würden.


Fig. 37 zeigt in einem skizzierten Querschnitt die allgemeine An-
ordnung dieser Vimanas und die Anordnung der eisernen Träger, von
denen in beiden vorerwähnten Fällen die Rede war. Es ist wahr-
scheinlich, daſs bei der Decke von Kanaruc die Träger, durch die Aus-
dehnung und Zusammenziehung aus ihren Lagern wichen und dadurch
das sogenannte „falsche Dach“ zum Einsturz brachten, indessen bietet
auch diese Baustelle schlechte Fundamentierung und ist Erdbeben aus-
gesetzt. Doch betrifft ja unsere Frage über diese eisernen Träger nur

Figure 37. Fig. 37.


das metallurgische Interesse. In dieser Beziehung ist es Thatsache,
daſs in Dheli im Norden, ebenso wie in Madras im fernen Süden von
Indien massive Schmiedestücke existieren, wie sie ganz Asien, soviel
bekannt ist, bis zum heutigen Tage nicht hervorbringen konnte und
von Dimensionen, die heute noch der Stolz Europas sein würden. Die
ältesten datieren aus dem dritten und vierten, die spätesten aus dem
elften bis zum vierzehnten Jahrhundert. In Hinblick auf solchen Zeit-
unterschied von 900 bis 1000 Jahren und eine solche Verbreitung
wie vom nördlichen bis zum südlichen Indien können wir nicht umhin
zu schlieſsen, daſs eine lange Zeit hindurch in Indien eine groſsartige
[225]Die Arier in Asien.
Eisenindustrie geblüht haben muſs, sicher fundiert und mit verhältnis-
mäſsig billigen Erzeugungskosten, da Eisen als Baumaterial für Denk-
male und Tempel in Anwendung gebracht werden konnte. Daſs
diese Industrie erloschen und sogar die Erinnerung daran verschwun-
den war lange ehe Europäer in das Land kamen; daſs die indische
Eisenindustrie, weit entfernt, so armselig gewesen zu sein wie sie uns
heute und seit Jahrhunderten erscheint, einstmals eine groſse und
blühende Kunst war, die sich über ganz Vorderindien erstreckte.


Bezüglich des Dehli-Lâht 1) ist schon gesagt worden, daſs diese merk-
würdige Säule, obgleich der freien Luft ausgesetzt, nicht rostet, und
der Glaube am Platz ist noch immer der, es sei kein Eisen, sondern
eine Verbindung der sieben Metalle. Daſs es aber Eisen ist, wissen
wir jetzt für gewiſs, aus der Untersuchung des Dr. Percy durch un-
trügliche chemische und mechanische Prüfungsmittel. Doch hat noch
vor kurzem Dr. Percy erklärt, daſs er für das Nichtrosten der
Säule keine Erklärung geben könne. „Trotz des reichlichen Taus in
Indien rostet die Säule nicht.“ Lieutenant Cole, der längere Zeit
hindurch alles beobachtet hat, was mit der Säule vorgeht, ist in
der Lage zu versichern, daſs eine Gepflogenheit der Pilger die Ver-
anlassung dieser Erscheinung ist. Lieutenant Cole bemerkt: „Die
Trockenheit der Luft von Dehli ist wahrscheinlich der Hauptgrund für
die Erhaltung der eisernen Säule. Während der heiſsen Jahreszeit
fällt nur selten Regen und während der Regenzeit, die etwa drei Monate
vom Juni ab anhält, ist die Temperatur hoch und die Hitze zerstreut
also die Feuchtigkeit, welche auf der Säule entstehen mag, namentlich
infolge des Wärmeleitungsvermögens des Eisens. Während der kalten
Jahreszeit ist die Luft meistens ganz trocken und ein gelegentlicher
Regenschauer verdunstet schnell. Einem Umstande, der manchem von
geringer Bedeutung zu sein scheint, schreibe ich die Ursache einer
Art künstlichen Schutzes zu, es ist die Gewohnheit der Besucher, die
Säule mit ihren nackten Armen zu umklammern und bis zum Knopfe
emporzuklettern. Wenn Mann oder Frau im stande sind die Säule
zu umfassen, so daſs sie ihre Handflächen flach aufeinanderlegen
können, so glauben sie dadurch ihre eheliche Geburt 2) unzweifel-
haft konstatiert zu haben. Da nun die Eingeborenen beiderlei Ge-
schlechtes ihren ganzen Körper fortwährend mit Öl einreiben, um
sich vor der Wirkung der Sonnenstrahlen zu schützen, so kommt
es daſs die Oberfläche in einer Politur erhalten wird, ähnlich
Beck, Geschichte des Eisens. 15
[226]Die Arier in Asien.
wie wir sie heutzutage bei den polierten Stahlkanonen in Anwendung
bringen. Witworth läſst meist seine Kanonen oberflächlich anrosten
und poliert sie dann mit Öl ab um eine tiefere Oxydation zu verhindern.
Die Farbe der angerosteten Oberfläche sieht aus wie Bronze, woher der
allgemeine Glaube kommt, daſs die Säule aus einer Legierung und nicht
aus reinem Eisen bestehe. — Trotz ihrer einfachen Erscheinung zieht
diese Säule doch bei weitem die gröſste Zahl der eingeborenen Besucher
an. Während meiner Vermessungen, die in unmittelbarer Nähe statt-
hatten, sah ich oft groſse Züge eingeborener Besucher kommen und gehen,
die ihre ganze Aufmerksamkeit nur einzig und allein der eisernen Säule
zuwendeten, trotz der bestechenden Schönheit der umliegenden Gebäude.
Die Tradition, daſs die Säule auf dem Haupte des Schlangengottes
ruhe, ist die Ursache ihrer Popularität.“


Überraschen uns der Dehli-Lâht und die Tragebalken der Tempel
durch die Groſsartigkeit der Schmiedeisenkonstruktion, so zeichnet sich
die indische Eisenindustrie doch noch mehr durch die unübertroffene
Qualität ihres Stahles aus. Daſs die Herstellung dieses vorzüglichen
Stahles sehr alt sein muſs, haben wir bereits erwähnt. Es wird be-
stätigt durch archäologische Funde von hohem Alter, die Oberst Pearse
gemacht hat, welcher alte Grabhügel bei Wurree Gaon, nahe Kamptee,
eröffnet hat, die aus der Zeit um 1500 v. Chr., also etwa der Zeit
von Moses stammen sollen, also um Jahrhunderte älter als die höchst
mögliche Datierung des Dehli-Lâht. Oberst Pearse hatte seine Funde
dem britischen Museum geschenkt. Es sind darunter Spatel (gouges)
und Werkzeuge von Stahl, die ebenso, wie die alte Säge und die Spitz-
axt von Assyrien die frühe Kenntnis des Stahles beweisen.


Daſs die magnetischen Eigenschaften des Eisens den Indiern bereits
bekannt waren, ebenso, wie daſs das Eisen den Blitz anzieht, haben
wir bereits oben erwähnt. Schon um das Jahr 400 v. Chr. stand der
indische Stahl in gleichem Rufe, wie im Mittelalter. Quintus Curtius
berichtet, daſs Porus, ein indischer Fürst, Alexander den Groſsen mit
einem Ingot (Kuchen) echten indischen Stahls beschenkt habe, der
30 Pfund wog. Es war dies für die damalige Zeit jedenfalls ein un-
gewöhnlich groſses Stück. Aus dieser Anekdote geht zugleich hervor,
wie hoch die Indier selbst ihren vorzüglichen Stahl schätzten. Auch
wurden gute Schwertklingen von indischen Fürsten mit den reichsten
Kostbarkeiten in den Schatzkammern aufbewahrt.


Der Umeer von Scind hatte ein groſses Schwert, für das er ein
Gebot von 900 Pfund Sterling ausschlug. Daſs indischer Stahl im Alter-
tume sehr teuer war, geht aus einer Äuſserung des Clemens von
[227]Die Arier in Asien.
Alexandria hervor, der, indem er von Luxus spricht, bemerkt: „Man
kann auch das Fleisch schneiden ohne indisches Eisen zu haben.“


Die Indier hatten groſse Fertigkeit im Schmieden des Stahles,
obgleich sie darin später von den persischen und damascenischen
Waffenschmieden erreicht wurden. Die persischen Schmiede sollen
ihren Stahl meist von Lahore, die von Damaskus den ihren direkt aus
Kutsch bezogen haben. Galen erwähnt 1), daſs sich die aus indischem
Stahl bereiteten Messer durch ihre ungemeine Härte und die Schärfe
der Schneide auszeichneten, daſs sie aber wegen der groſsen Sprödigkeit
des Metalles sehr zum Ausbrechen und Schartigwerden geneigt seien.
Deshalb bemerkt auch später Avicenna, daſs die Schneiden aus indischem
Stahle vor dem Gebrauche in schwacher Hitze angelassen werden
müſsten.


Das indische Eisen hieſs bei den Alten auch ferrum candidum
wegen der ausgezeichneten Politur, die es annahm.


Mit den Stahlschwertern trieben die Indier einen förmlichen Kultus.
Aus dem Ansehen der Klinge und der Art des Damastes wurde ge-
weissagt. In dem Bhrat Sánhitâ beschäftigt sich ein ganzes Kapitel
mit den Glück und Unglück verheiſsenden Erscheinungen der Schwert-
klingen. Wir lassen dieses sonderbare Kapitel in möglichst getreuer
Übersetzung folgen 2).


The Bhrat-Sánhitâ,
aus dem Sanskrit von Dr. Kern, Journ. of the Asiatic Soc. p. 81, cap. L.
Die Zeichen der Schwerter.


1. Ein Schwert des längsten Maſses miſst 50 Finger (digits), das kürzeste ist
25 Finger lang. Ein Flecken (flaw) an solchem Ort (des Schwertes), der auf die
ungerade Zahl der Finger trifft, muſs als unglückverheiſsend angesehen werden.


2. Jedoch Flecken gleichend der Bilva-Frucht, Vardhamâna Gestalt, dem
Regenschirm, dem Zeichen des Çiva, dem Ohrring, der Lotosblume, der Fahne,
dem Wappen oder dem Kreuz gelten als Glück verheiſsend.


3. Flecken gestaltet wie eine Eidechse, Krähe, Reiher, Aasvogel, kopfloser
Rumpf oder Skorpion und verschiedener Flecken längs der oberen Spitze sind
unglücklich.


4. Ein Schwert, welches einen Riſs zeigt, zu kurz ist, stumpf, beschädigt an
der Spitze, ungefällig dem Auge und Gemüt und ohne Klang ist unglückver-
heiſsend. Die umgekehrten Eigenschaften weissagen günstige Erfolge.


5. Das Rasseln eines Schwertes zeigt Tod an, geht es nicht aus der Scheide,
deutet es auf Niederlage. Zwist entsteht, wenn das Schwert aus der Scheide
springt ohne Veranlassung, aber Sieg, wenn man es flammen sieht.


6. Der König sollte es nicht ohne Ursache entblöſsen, noch es reiben, noch
sein Gesicht darin beschauen, noch seinen Preis verkündigen. Er sollte nicht den
15*
[228]Die Arier in Asien.
Platz nennen wo es herkommt, noch sein Maſs nehmen, noch ohne Vorsicht die
Klinge berühren.


7. Die geschätzten Schwerter sind die, welche geformt sind wie eine Kuh-
zunge, ein Lotosblumenblatt, ein Bambusblatt, ein Oleanderblatt, Rapiere und
scimitars (gerade und krumm).


8. Wenn ein gearbeitetes Schwert sich als zu lang erweist, soll es nicht ver-
kürzt werden dadurch, daſs man einen Teil davon abschlägt, sondern man soll es
abschleifen bis es die Länge bekommt, die verlangt wird. Der Besitzer stirbt,
wenn ein Stück an dem obern Ende abgeschlagen wird und seine Mutter stirbt,
wenn dasſelbe geschieht an der Spitze.


9. Von einem Flecken am Heft magst du schlieſsen auf das Vorhandensein
eines entsprechenden Fleckens an der Klinge, gerade wie du schlieſsen magst
wenn du ein Mal siehst an einem Mädchen, daſs du ein anderes siehst an den
verborgenen Teilen.


10. Und durch Beobachtung, welcher Teil des Körpers von dem Schwerte
berührt wird, wenn der Wahrsager befragt wird, kann der letztere angeben den
Platz des Fleckens an einem Schwert in der Scheide, vorausgesetzt, er kennt fol-
gende Regeln.


11 bis 15. Wenn der Mann seinen Kopf berührt, ist der Flecken an der ersten
Fingerlänge, die zweite korrespondiert mit der Stirne, die dritte mit dem Flecken
zwischen den Augenbrauen, die vierte mit den Augen, die fünfte mit der Nase,
die sechste mit den Lippen, die siebente mit den Wangen, die achte mit der
Kinnlade, die neunte mit den Ohren, die zehnte mit dem Halse, die 11. mit den
Schultern, die 12. mit der Brust, die 13. mit den Achselhöhlen, die 14. mit den
Brustwarzen, die 15. mit dem Herzen, die 16. mit dem Bauche, die 17. mit den
Lenden, die 18. mit dem Nabel, die 19. mit dem abdomen, die 20. mit der Hüfte,
die 21. mit dem pudendum, die 22. mit den Schenkeln, die 24. mit den Knieen,
die 25. mit den Beinen, die 26. mit der Stelle zwischen den Beinen, die 27. mit
den Fuſsgelenken, die 28. mit den Sohlen, die 29. mit den Füſsen, die 30. mit den
Zehen. Solches ist die Lehre von Garga.


16 bis 19. Die Folgen, welche vorausgesetzt werden können in der ersten,
zweiten, dritten Fingerlänge u. s. w. bis zur 30. sind folgende: „Tod eines Kindes,
Erlangung von Reichtum, Verlust von Schätzen, gutes Glück, Gefangenschaft, Ge-
burt eines Sohnes, Streitigkeiten, Erlangung von Elefanten, Tod eines Kindes,
Erlangung von Reichtümern, Zerstörung, Erlangung eines Weibes, Kummer, Ge-
winn, Verlust, Erlangung eines Weibes, Tod, Glück, Tod, Zufriedenheit, Verlust
von Reichtum, Erlangung von Reichtum, Tod ohne Errettung (salvation), Er-
langung von Reichtum, Tod, gutes Glück, Armut, Herrschaft, Tod, königliche Macht.


20. Über die 30. Fingerlänge hinaus sind keine Folgen genannt. Im Allge-
meinen indessen sind die Flecken an den ungeraden Fingerlängen schädlich, an
den geraden glücklich. Nach manchen Autoritäten sind die Flecken von der
30. Fingerlänge aufwärts bis zur Schwertspitze ohne alle Folgen. Ein Schwert,
welches riecht wie Oleander, blauer Lotos, Stirnschweifs des Elefanten, ghee,
Safran, Jasmin, oder Michelia champaka bringt gut Glück. Aber Schlimmes
bedeutend ist eins, welches riecht wie Kuhurin, Schmutz oder Fett.


22. Ein Geruch ähnlich wie Schildkrötenthran, Blut oder Potasche kündet
Gefahr und Schmerz. Ein Schwert, glänzend wie Beryll, Gold und Blitz bringt
Sieg, Gesundheit und Glück.


23. Die Flüssigkeit, in der man ein Schwert einbrühen soll nach der Vor-
schrift von Uçanas ist: Blut, wenn man herrliches Vermögen sich wünscht, ghee,
[229]Die Arier in Asien.
wenn man nach einem tugendhaften Sohn verlangt, Wasser, wenn man unerschöpf-
lichen Reichtum begehrt.


24. Ein erprobtes Mittel, ein Schwert darin zu brühen für den Fall den
Gegenstand durch verruchte Mittel zu erlangen sind Milch von einer Stute,
Kamel oder Elefanten. Ein Gemisch von Fischgalle, Milch der Hirschkuh, der
Stute und der Geis versetzt mit Palmwein macht das Schwert geschickt, eines
Elefanten Rumpf zu zerhauen.


25. Ein Schwert, erst eingeölt und dann eingebrüht mit einer Salbe, dar-
gestellt aus Milchsaft von Calotropis, von Ziegenhorn, Tinte, Dung von Tauben
und Mäusen und darauf gewetzt ist geschickt Steine zu zerhauen.


26. Ein eisernes Instrument, eingebrüht in einer abgestandenen Mischung von
Potasche von Plantagen, mit Buttermilch, und gehörig gewetzt wird sich nicht
mehr biegen an einem Stein, noch abstumpfen an anderen eisernen Instrumenten.


Wenn das Meiste in diesem merkwürdigen Kapitel des Bhrat Sán-
hitâ auch Aberglaube und Unsinn ist, so zeigt es uns doch, welchen
Wert die Indier auf ihre Schwertklingen legten, und welche feinen Unter-
schiede sie bezüglich der Eigenschaften und dem Ansehen des Stahls
zu machen wuſsten.


Unsere historische Betrachtung beschränkte sich seither auf die
arische Bevölkerung Indiens. Sobald wir aber aus der ältesten Zeit
heraustreten, sobald wir nach den Fabrikationsmethoden fragen, können
wir diesen Standpunkt nicht mehr festhalten, denn diese müssen wir
hauptsächlich aus den gegenwärtigen Gewinnungsarten rekonstruieren
und diese finden wir mehr bei den Ureingeborenen von Bengalen und dem
Deckhan, als bei den Stämmen und in den Distrikten, die wir als rein
arisch bezeichnen dürfen. Es ist nicht zu bezweifeln, daſs die Kunst
der Eisengewinnung auch bei der eingeborenen, dunkelfarbigen Rasse
bereits bekannt war, als die Arier erobernd nach Süden vordrangen.
Über die Fabrikation des Eisens teilen alte Schriftsteller nur wenig
mit. Ktesias bringt die unverständliche Bemerkung, der indische Stahl
sei aus einem Eisen gemacht, welches aus der Tiefe eines Brunnens
geschöpft wurde, der sich jedes Jahr mit flüssigem Golde füllt. Viel-
leicht darf man hier an eine Waschvorrichtung denken und lieſse sich
vermuten, daſs die alten Indier das Eisenerz mit dem Golde aus dem
Sande der Flüsse wuschen, wie dies noch gegenwärtig in manchen
Gegenden Indiens geschieht.


Aristoteles schildert in ähnlicher Weise die Erzgewinnung der
Chalyber bei Beschreibung ihrer Methode „indisches Eisen“ zu machen,
welche in einzelnen Zügen an die Fabrikation des indischen Wutzstahls
erinnert. Im Hinblick auf die tiefe Bildungsstufe der Aborginer einer-
seits und ihre Geschicklichkeit in der Eisenbereitung andererseits
erscheint es im höchsten Grade wahrscheinlich, daſs die Eisenfabrika-
tion ein seit Jahrtausenden in gleicher Weise vererbtes Gewerbe und
[230]Die Arier in Asien.
daſs die Routine der schwarzen Eisenschmiede eine durch viele Genera-
tionen überkommene ist. Dafür sprechen auch die ungeheuren Schlacken-
halden, die sich in vielen Gegenden Indiens finden. Eine Schilderung
der originellen und interessanten Eisendarstellungsweisen der heutigen
Indier dürfte daher auch ein ziemlich richtiges Bild von der Fabrikation
im Altertume geben.


Heutzutage sind es fast ausschlieſslich die dunkelfarbigen Ein-
geborenen mit krausem Wollhaar, welche den Negern am nächsten zu
stehen scheinen, die das Eisenhandwerk betreiben. Im Nilgerrhigebirge
(den blauen Bergen) ist es z. B. der Stamm der Kohata, der fast aus-
schlieſslich sich mit der Eisengewinnung abgiebt und daraus seinen
ganzen Unterhalt zieht 1). Die Kohata sind wandernde Leute im Gebiete
der Tudas und der Buddagur. Sie haben die Gewohnheit jede Toten-
feier der Tudas zu besuchen, wobei ihnen die Gerippe der Opfertiere
überlassen werden. Für Eisen, das ihre Schmiede gewinnen und das
viele Vorzüge vor dem Mysoreeisen hat, tauschen sie viele Bedürfnisse,
zumal Häute, von den Buddagur und Tudas ein, die sie zu kunstvollen
Lederwaren verarbeiten. Die Schmiede nehmen in diesem Stamme die
vornehmste Stellung ein. Es sind meistens Eisenschmiede, doch giebt es
auch Gold- und Silberschmiede. An gewissen Festtagen im Monate
März schmieden sie bei Vollmond in ihren Tempelhallen. Jeder muſs sich
seine eigene kleine Esse errichten und den Göttern ein beliebiges Stück
schmieden, um sie für das kommende Jahr gnädig zu stimmen. Die
Weiber, die meist Töpferei betreiben, bringen in ähnlicher Weise ein
Stück Geschirr im Tempel dar. Die Gewerbe scheinen in den Familien
erblich zu sein. Dieser eine Stamm, der nur noch aus wenigen tausend
Köpfen besteht, betreibt alle Handwerke für die Nachbarstämme. Da-
gegen tragen die Kohata keine Lasten und geben sich nicht zu Hand-
langern beim Häuserbau her. Auſser mit der Schmiedekunst beschäftigen
sie sich etwas mit Ackerbau und sind zugleich die Musikanten des
Berglandes. Horn, Pfeife und Tamtam sind ihre Instrumente und
sie begleiten ihre nicht unschönen Tänze mit Gesang. Sie sind indes
wie die meisten Eingeborenen Indiens dem Opiumgenuſs im höchsten
Grade ergeben. Die übrigen Stämme der „blauen Berge“ geben ihnen
durch Vertrag Abgaben an Cerealien, wofür die Kohata ihre Acker-
geräte im Stande halten. So zahlt jede Buddagurgemeinde für diese
Leistung den Kohata ihres Distriktes 80 Maſs Gerste.


Der Eisensteinbergbau der Indier ist durchgehends sehr primitiv.
[231]Die Arier in Asien.
Zu Ranawao im nordwestlichen Indien ist er ganz ähnlich dem der
Neger von Kordofan. Einfache runde Schächte von 5 bis 10 Fuſs Tiefe
werden auf dem Lager gegraben und dann mit der Hand oder mit
Keilhaue und Schaufel soviel Erz herausgeschlagen als man erreichen
kann. Nicht viel anders ist es in Deckhan. Das so gewonnene Erz wird
gesiebt und gewaschen und mit Eselskarren nach den Schmelzhütten
gefahren. In Kutsch wird das Erz unmittelbar aus dem Sande des
Sone-Chelaflusses gewaschen und in Magadi oder Magheri westlich von
Bangalore in Mysore sammelt man es während der Regenmonate
in den Bächen. Das Erz der Indier ist teils Magneteisenstein, teils
Rot- und Brauneisenstein, letzterer ist das hauptsächlichste Erz.
Glanzeisenstein wird bloſs von den Konds in Goomsoor verhüttet. Die
zur Verhüttung der Eisenerze erforderlichen Betriebsvorrichtungen be-
stehen aus nichts weiter, als einem Lederbalge und einem Schmelzofen.
Bälge und Öfen sind sehr mannigfaltiger Konstruktion und Gröſse. Die
einfachste Art der Öfen ist in den westlichen Ghâts angewendet, höhere
und besser konstruierte trifft man im Inneren und im Nordwesten 1).


Als Gebläse dienen meist Bälge von Ziegenfell, die in folgen-
der Weise hergerichtet werden: Man zieht das ganze Fell so voll-
ständig wie möglich ab, indem man es nur hinten öffnet. Die Löcher,
welche durch die Beine entstehen, werden wieder zugenäht. Am
Halsende wird ein Blaserohr von Bambus eingesteckt; während die
hintere Öffnung, die in Form eines länglichen Schlitzes geschnitten
wird, zum Einsaugen der Luft dient. An den äuſseren Rändern
dieses Schlitzes werden Bambusstäbe, die indes nicht die ganze
Länge der Öffnung haben, angebunden; wodurch man den Schlitz leicht
mit der Hand öffnen und schlieſsen kann. Die Haut selbst wird
durch Einreiben mit Öl und Buttermilch möglichst geschmeidig gemacht.
Zu jedem Ofen gehören zwei solcher Bälge, die von einem Manne be-
dient werden. Er sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen zwischen
beiden und bewegt sie abwechselnd, um einen möglichst konstanten
Windstrom zu erzeugen. Eine lederne Strippe geht von einer der
Klappen des Schlitzes um seine Hand. Um den Balg zu füllen, läſst
er die untere Klappe fallen und zieht die obere in die Höhe, wodurch
die Luft eintritt und die Haut zu einem kegelförmigen Sacke aufgezogen
wird. Er fängt dann mit einer raschen Handbewegung die untere
Klappe, preſst den Schlitz zusammen und drückt mit seinem Körper-
gewichte auf den gefüllten Sack, wodurch die Luft durch das Ansatz-
rohr in den Ofen austreten muſs.


[332]Die Arier in Asien.

Gröſsere Bälge derselben Art macht man von Rindshaut, mit dem
Unterschiede, daſs die Haut längs des Bauches zusammengenäht ist und
die Bambusstäbe des Schlitzverschlusses am einen Ende aneinander-
geheftet sind, so daſs sie sich bloſs am anderen Ende öffnen. Sie ragen
über den Schlitz hinaus, so daſs sie bequem mit der Hand zu bewegen
sind. Jeder solcher Balg bedarf eines Mannes zur Bedienung.


Die Konstruktion der Lederbälge ist sehr mannigfaltig und nahezu
an jedem Platz verschieden. Man hat auch kleine Cylindergebläse aus
Holz, in denen ein Kolben, der mit Federn gedichtet ist, sich auf und
ab bewegt. Die sonstigen Werkzeuge sind sich überall ähnlich. Der
Ambos ist von Schmiedeeisen, sehr klein, viereckig und ohne Horn, für
welches man ein besonderes Instrument hat. Hammer und Zange
weichen wenig von den europäischen ab.


Man nimmt am liebsten zum Schmelzen Holzkohle von harten
Hölzern, von Teakholz oder von Acacia Arabica, fehlen diese aber, so
bedient man sich irgend welches Holzes, an einigen Plätzen sogar des
Bambus. Das Holz von Schorea robusta, Sâl genannt, wird allem an-
deren vorgezogen. Die Holzkohlen werden in walnuſsgroſse Stücke
zerbrochen und der Staub abgesiebt. Das Erz, meist Brauneisenstein,
wird zerklopft bis zu Erbsengröſse, das feine Pulver gleichfalls abgesiebt
und fortgeworfen.


Die Schmelzöfen sind ebenso mannigfaltiger Konstruktion, wie die
Bälge. Percy unterscheidet drei Hauptarten.


Die erste trifft man hauptsächlich bei den Hügelstämmen des
Ghâtsgebirges an. Sie sind in ihrer einfachsten Gestalt nur 2 Fuſs
(engl.) hoch und geben bei einer Schmelzung nur 5 bis 6 Pfund Eisen,
während vollkommenere Öfen derselben Konstruktion in Deckhan 4 Fuſs
hoch sind und bis zu 30 Pfund Eisen bei einer Schmelzung ergeben.
Es sind runde Schachtöfen, deren unterer Durchmesser 10 bis 15 Zoll
beträgt, während er oben nur 6 bis 12 Zoll miſst, die Höhe wechselt
von 2 bis 4 Fuſs. Als Material wird gut durchgearbeiteter Thon an-
gewendet. Beim Betriebe nutzt sich der untere Teil rasch ab und muſs
fortwährend mit frischem Thone geflickt werden. Am Boden sind zwei
Öffnungen, durch die eine tritt der Wind ein, durch die andere werden
Schlacken und Eisen entfernt. Die meisten Öfen in Bengalen und
Karnatien sind derart konstruiert, daſs nur die Schlacke von der
Seite abflieſst, während das Eisen durch dieselbe Öffnung ausgezogen
wird, durch die der Wind eintritt. Die Schmelzung geschieht folgender-
maſsen: Ist der Ofen neu, so wird er sorgfältig ausgetrocknet, indem
ein mehrstündiges Feuer darin unterhalten wird. Zwei Thonröhren
[233]Die Arier in Asien.
oder Düsen von circa 12 Zoll Länge und 1 Zoll lichter Weite werden
nebeneinander in die Öffnung der Vorderseite des Ofens eingelegt, circa
3 bis 4 Zoll über den Boden. Mit jeder dieser Düsen ist ein Balg ver-
bunden. Die freibleibende Öffnung wird mit Thon verstopft; ebenso
ist das Schlackenloch verschlossen. Der Ofen wird dann etwa zur
Hälfte mit Kohlen gefüllt; hierauf läſst man den Wind an. Die
Schmelzer legen dem Entzünden des Feuers in der richtigen Höhe über
der Windform groſse Wichtigkeit bei. Da sich die Glut nach unten
nur sehr langsam verbreitet, so bleibt fast bis zur Beendigung des
Prozesses eine kleine Menge Kohlen unverbrannt im Herde. Sinkt
das Brennmaterial im Ofen, so giebt man abwechselnde Lagen von Erz
und Holzkohlen auf, bis die gehörige Menge Erz eingetragen ist, worauf
man den Wind soviel wie möglich verstärkt. Bald sammelt sich
Schlacke im Herde, die, wenn sie bis zur Form gestiegen ist, mit einem
dünnen Spieſse an der gegenüberliegenden Öffnung abgestochen wird.
Der gröſste Teil der Schlacke bleibt aber mit dem Eisen im Ofen. Die
Schmelzung dauert 4 bis 6 Stunden. Es wird dann die vordere
Öffnung aufgebrochen und die kleine Luppe von schmiedbarem Eisen,
die sich unten angesammelt hat, mit Schlacke und unverbrannter Holz-
kohle herausgezogen. War der Prozeſs richtig verlaufen, so ist das
Eisen heiſs genug, um sogleich zu einem ziemlich guten Kolben aus-
geschmiedet zu werden, wobei eine dicke, zähe Schlacke ausgepreſst
wird. War die Luppe aber schon zu kalt, so wird sie zuvor in einem
offenen Holzkohlenfeuer nochmals erhitzt. Da nach Beendigung einer
Schmelzung jedesmal ein groſser Teil der Vorderwand des Ofens heraus-
gebrochen werden muſs, so wird viel Zeit und Brennmaterial infolge
der starken Abkühlung verloren und nur selten kann man an einem
Tage mehr als zwei bis drei Schmelzungen vornehmen.


In allen Gegenden, wo dieser Ofenbetrieb eingeführt ist, existiert
eine eigentliche Arbeitsteilung nicht. Dieselbe Familie sammelt das
Erz, brennt die Holzkohlen, stellt das Eisen dar und verarbeitet es
gleich zu den Artikeln, die von den Dorfbewohnern verlangt werden.
Manchmal betreiben diese Eisenarbeiter ihr Gewerbe im Umherziehen,
indem sie von Ort zu Ort gehen und überall ihren Ofen aufstellen, wo
man Eisen braucht und sich Erz und Holzkohlen beschaffen lassen.


Die zweite und die dritte Art der Schmelzöfen ist besonders im
mittleren Indien und in den nordwestlichen Provinzen in Anwendung,
wo alle Arten industrieller Beschäftigungen auf einer relativ höheren
Stufe stehen.


Die Eisenschmelzer suchen hier feste Wohnsitze in Dörfern, in
[234]Die Arier in Asien.
deren Nähe Erz und Holzkohlen in genügender Menge zu haben sind,
auf. In den gröſseren dieser Ortschaften findet man auch meist schon
eine Teilung der Arbeit, indem Bergleute, Köhler, Schmelzer und
Schmiede getrennte Berufszweige bilden. Auch werden die Eisenwaren
dieser Distrikte durch den Handel oft in bedeutende Entfernung
verführt.


Die Beschreibungen der zweiten und dritten Ofenart sind von An-
lagen bei Tendukera entnommen, welches wohl die gröſste Eisen-
industriestadt Indiens ist und in deren Nachbarschaft sich 50 bis
60 Öfen befinden.


Die zweite Art der Schmelzöfen wird so hergestellt, daſs man einen
erhöhten Boden oder Damm von gehörig durchgearbeitetem Thon aufführt,
in dem eine cylindrische Vertiefung von 15 bis 18 Zoll Durchmesser und
2 Fuſs 6 Zoll Höhe eingelassen wird. Der erwähnte Damm wird oft sehr
breit angelegt, so daſs zwei bis drei solcher Vertiefungen in entsprechen-
dem Abstande angebracht werden können. Diese Vertiefungen bilden die
Schmelzräume, Füllen und Anzünden geschieht wie bei der ersten Art.
Nachdem der Schmelzofen mit Kohlen gefüllt und der Wind angelassen
ist, wird Erz und Holzkohle lagenweise aufgegeben. Hat sich die
Schlacke bis zu gewisser Höhe angesammelt, so wird sie abgestochen.
Ist die Schmelzung beendet, so zieht man die Rohluppen mit einer
Zange heraus und zwar von oben, nachdem man ihr zuvor mit Hilfe
einer Stange eine runde Gestalt gegeben hat. Sobald das Eisen aus-
gezogen und die Schlacke abgestochen ist, wird sogleich der Ofen von
neuem gefüllt. Dadurch daſs man die Luppe im Ofen schon etwas
vorformt und sie oben auszieht, hat man im Vergleich zu der früher
erwähnten Ofenart den Vorteil, daſs nichts zerstört wird und daſs ein
kontinuierlicher Betrieb ermöglicht ist. So kann man 6 Masseln, jede
à 20 Pfund, in einem Tage von 16 Arbeitsstunden erhalten, die ohne
Auswärmen zu verkäuflichen Luppenstäben ausgeschmiedet werden
können. Diese Ofenart ähnelt den alten deutschen Luppenfeuern.


Die dritte Ofenart ist in denselben Gegenden für besseres Eisen
und Rohstahl im Gebrauche. Der Ofen, der ebenfalls von Thon her-
gerichtet wird, kommt gewöhnlich an den Abhang eines Hügels zu
stehen. Seine Höhe beträgt auſsen 8 bis 10 Fuſs, innen 6 bis 7 Fuſs,
so daſs der Herdboden 2 bis 3 Fuſs über der äuſseren Sohle liegt.
Das Innere ist quadratisch, von 18 Zoll Seitenlänge und gleichweit von
oben bis unten. Der Schacht ist manchmal vertikal, manchmal geschleift,
d. h. in seiner Mittellinie geneigt, ähnlich wie dies bei den altdeutschen
[235]Die Arier in Asien.
Stücköfen der Fall war. Die Brustmauer ist meist nur 5 bis 6 Zoll
dick, so daſs sie leicht weggenommen werden kann, wonach dann der
Ofen wie ein vertikaler Einschnitt in dem Thonklumpen erscheint.
Den Bodenstein bildet eine Ziegelplatte von getrocknetem Thone, in
welcher sich eine Anzahl Löcher befinden, die nicht ganz durchgehen.
Die Platte ist in einem Winkel von 45 Grad nach auſsen geneigt.
Nachdem sie eingesetzt ist, wird eine 12 Zoll starke Lage von Kuhmist
eingetragen. Über dieser Decke und 4 bis 5 Zoll über dem oberen Rande
der Bodenplatte werden zwei 18 Zoll lange Thonröhren als Formen
eingesetzt, die fast bis zur Hinterwand in den Ofen hineinragen. Hier-
auf wird Feuer eingetragen und der ganze Ofen mit Holzkohlen gefüllt.
Der Wind wird angelassen und Erz und Kohlen lagenweise aufgegeben.
Die Schmelzung dauert 12 bis 16 Stunden. Während derselben wird
eine ziemliche Menge Schlacke abgestochen, indem man mit einem
Spieſse die Löcher in der Bodenplatte ganz durchstöſst. Es wird dabei
unten begonnen und nach oben zu fortgeschritten, entsprechend wie
sich die Eisenmasse im Herde ansammelt. Die Öffnungen, aus denen
die Schlacke abgelassen ist, werden sogleich wieder mit Thon verstopft.
Sind die Formen abgeschmolzen und hat sich Eisen bis zu deren Höhe
angesammelt, so ist das Schmelzen beendet. Die Bodenplatte wird mit
einer Eisenstange weggebrochen und die Masse von Eisen und Schlacke,
die zusammengeschweiſst ist, vor den Ofen gezogen. Die Luppe wiegt oft
150 bis 200 Pfund und ist zu groſs um ganz ausgeschmiedet zu werden.
Sie wird deshalb mit Setzeisen soweit durchgehauen, daſs sie nach dem
Erkalten leicht in vier Stücke zerbrochen werden kann. Meist besteht
sie aus einem Gemenge von Schmiedeisen und Rohstahl, deren relative
Menge mehr von der Natur des Erzes als von der Führung des Pro-
zesses abhängen soll.


Will man indes absichtlich Stahl erhalten, so setzt man bedeutend
mehr Holzkohlen und bedient sich eines schwächeren Windstromes. Die
stahligen Partieen zeigen oft denselben Bruch, wie der beste Zementstahl
aus schwedischem Eisen. Diese werden sorgfältig ausgesucht und zur
Verarbeitung vorbereitet, indem man sie in einem Holzkohlenfeuer zu
anfangender Rotglut erhitzt und dann kleine Stücke von genügender
Gröſse, um Schneidwerkzeuge daraus zu verfertigen, abhaut. Will man
dagegen weiches Eisen und keinen Stahl erzeugen, so giebt man den
Luppenstücken eine kräftige Schweiſshitze und schmiedet sie zu Stäben
aus. Dadurch verschwindet die Stahlnatur nahezu. Manchmal werden
in diesen Öfen wider Willen auch kleine Mengen von Guſseisen erzeugt
zum groſsen Miſsvergnügen der Schmelzer, die viele Mühe haben, es von
[236]Die Arier in Asien.
dem übrigen Eisen zu trennen. Sie sind der Ansicht, daſs dies Eisen
verdorben sei durch die zu groſse Hitze im Ofen.


Zu dieser dritten Art gehören die von Aikin 1) geschilderten
Öfen, die nebenstehend abgebildet sind, Fig. 38. Die Konstruktion
ist aus der Zeichnung ohne nähere Beschreibung verständlich. Die
Wände sind aus Lehmsteinen hergestellt, die innen mit Thon aus-

Figure 38. Fig. 38.


gestrichen werden. Der Bodenstein H ist
Sandstein. Die Thonplatte E hat zahlreiche
Öffnungen, die je nach dem Gange des Ofens
geöffnet oder geschlossen werden. Die Blase-
form T kann durch den Keil W mehr oder
weniger geneigt werden. Die Höhe der Öfen
beträgt 4⅓ bis 8⅓ Fuſs, die Weite 1 Fuſs
bis 3 Fuſs 10 Zoll.


Die Eingeborenen von Orissa in Unter-
bengalen schmelzen in Öfen der ersten Art 2).
Die Eisenschmelzer wohnen in Dörfern zu-
sammen, und zeichnen sich durch Schmutz,
Armut und Aberglauben aus. Sie gehören
zu der ureingeborenen Tamulrasse, die über
ganz Bengalen zerstreut lebt. In Orissa wohnen verschiedene Zweige
dieser Rasse. Die Eisenschmelzer von Talcheer gehören zu dem groſsen
Stamme der Kôls. Diese leben nomadisierend, und bleiben nur so

Figure 39. Fig. 39.

Vertikaler Durchschnitt durch die Mitte eines Balges.


Figure 40. Fig. 40.

Vorderansicht.


lange an einem Platze, als sie noch genügende Vorräte an Erz und
Kohlen finden. Die heftigen Winterregen und die Ausbreitung des
[237]Die Arier in Asien.
Dschungels lassen die verlassenen Ortschaften rasch verschwinden, deren
frühere Lage dann nur noch durch die groſsen Schlackenhaufen be-
merklich bleibt, die noch durch Jahrhunderte hindurch Zeugnis ablegen
von dem einstmaligen Eisenbetrieb. Häufig finden sich solche Schlacken-

Figure 41. Fig. 41.

Vertikaler Durchschnitt.


Figure 42. Fig. 42.

Seitenansicht.


haufen im dichtesten Dschungel, wo seit Menschengedenken keine Eisen-
schmelzerei mehr umgegangen ist. Die Öfen von Orissa haben eine
Art von Gerippe von biegsamem Holz über das der Lehm aufgetragen

Figure 43. Fig. 43.

Obere Ansicht.


ist. Sie sind 3 Fuſs hoch und haben 1 Fuſs Durchmesser im Mittel.
Durch die vordere Öffnung wird die Form eingeführt und das Eisen
ausgezogen, während die Schlacke seitlich abgestochen wird. Bei dem
Fig. 39 bis 43 dargestellten Ofen ist noch eine Rutsche angebracht, zur
Erleichterung des Aufgebens. Der Blasebalg (Fig 44 u. 45 a. f. S.) ist
einfach und zweckmäſsig. Zur Unterstützung der menschlichen Arbeit
wird dabei die Elastizität zweier Bambusstäbe benutzt. Der Balg selbst
[238]Die Arier in Asien.
gleicht sehr dem der Neger von Kordofan 1). Er besteht aus einer
Schüssel von Holz, über die eine Rindshaut gespannt ist, welche oben
eine Öffnung hat. Durch diese Öffnung geht eine starke Schnur, an
der unten ein Querholz befestigt ist, während das andere Ende an
einem umgebogenen Bambusstabe, der in der Erde steckt, festgebunden
ist. Der Bambusstab zieht den Balg von selbst auf, wenn der Arbeiter
seinen Fuſs hebt und den Stab freiläſst. Zugedrückt wird der Balg

Figure 44. Fig. 44.

Durchschnitt eines aufgeblasenen Balges.


Figure 45. Fig. 45.

Durchschnitt eines ausgepreſsten Balges.


dagegen dadurch, daſs der Arbeiter mit dem Ballen seines Fuſses die
Öffnung verschlieſst und niedertritt, während er gleichzeitig den Bambus-
stab nach sich hinzieht. Ein Arbeiter bedient zwei dieser Bälge und
ist dabei in einer fortwährend hin- und herschwankenden Bewegung.


Sehr ähnlich wie in Orissa ist das Schmelzverfahren bei Magadi
oder Magheri westlich von Bangalore in Mysore, die Buchanan be-
schrieben hat. Dort wird das Eisen gereinigt, indem es in einer
Schmiedeesse, die meist in einer besonderen Hütte steht, wiederholt
ausgeheizt und geschmiedet wird. Auch diese kleinen Essen haben
zwei Bälge, die in eine gemeinschaftliche Lehmform blasen. Der
Feuerraum ist 12 Zoll lang, 10 Zoll breit und 10 Zoll hoch aus Thon
ausgeführt und oben mit einer Thonplatte bedeckt, in welcher sich nur
eine längliche Öffnung befindet, so groſs, daſs sie eins der beiden
Luppenstücke aufnehmen kann. Der Feuerraum ist demnach ganz ge-
schlossen mit Ausnahme dieser Öffnung und der Vorwand, welche eben-
falls offen bleibt. Endlich befindet sich auch noch an der Hinterseite
ein Loch, um Asche und Schlacke herauszukratzen.


Die Arbeit selbst wird folgendermaſsen geführt: Man legt das
Luppenstück, das circa 12 Pfund wiegt, in die Mitte des Feuers, füllt
den ganzen freien Raum mit Holzkohlen von Bambus und giebt eine
starke Hitze. Sodann legt man das zweite Stück über die Öffnung in
der Deckelplatte, um es vorzuwärmen. Hat das erste Stück seine ge-
nügende Hitze, so wird es auf den Ambos gebracht und erhält von drei
Arbeitern, die mit schweren Hämmern versehen sind, einige starke
[239]Die Arier in Asien.
Schläge, um es zusammen zu wirken, und die geschmolzenen Teile,
sowie die anhängende Schlacke abzustoſsen. Der Klumpen wird dann
mit einer Art Beil in drei Stücke zerschroten. Die zweite Luppe wird
inzwischen in die Mitte des Feuers geschoben und eine dritte über die
Öffnung gelegt. Während diese angeheizt werden, ist auch die ge-
dichtete Luppe nochmals rotglühend gemacht und von den drei Arbeitern
mit ihren schweren Hämmern gehörig zusammengeschmiedet worden.
Der Abgang bei dieser Arbeit beträgt beinahe 40 Proz. In dieser
unfertigen Form wird das Eisen an die Grobschmiede verkauft, welche es
aber noch drei bis viermal ins Feuer bringen und überschmieden müssen,
ehe sie es verarbeiten können. Hierbei ist nochmals ebensoviel Ab-
brand, so daſs im ganzen aus den reichen Erzen nur 12 Proz. an Stab-
eisen ausgebracht wird. Trotz der auſserordentlichen Arbeit sind die
Preise des Eisens in Indien doch sehr niedrig, so daſs die Eingeborenen,
wenigstens in den Gebirgsgegenden und an den Orten, die nicht zu
nahe den Haupthafenplätzen liegen, immer noch mit dem englischen
Eisen, welches vielfach nach Indien importiert wird, konkurrieren
können. In Südindien werden die rohen Masseln von 11 Pfund oft nur
zu 3 Annas = 33 Pfennige verkauft. Die Kosten der Verarbeitung
der rohen Luppen zu groben Stäben unter Handhämmern stellen sich
zu 3 Pfund Sterling per Tonne, so daſs die Kosten des Stabeisens sich
auf 8 Pfund Sterling per Tonne belaufen, was weniger ist, als der ge-
ringste Preis von englischem Stabeisen in Madras.


Dabei ist das indische Stabeisen, wenn es der oben beschriebenen,
wiederholten Verarbeitung unterworfen wurde, von vorzüglicher Güte,
während die rohen Luppen freilich sehr ungleich sind. Die Menge des
inländischen Eisens, die an der Malabarküste, Präsidentschaft Madras,
erzeugt wird, soll sich auf 475 Tonnen à 1064000 englische Pfund
belaufen, die durchschnittlich nur 120 Mark per Tonne kosten. Der
Durchschnittspreis der Holzkohlen, die 1 bis 8 Meilen weit transportiert
werden, stellt sich aber nur zu 1½ Annas = 20 Pfennige für das
Normalmaſs von 33 kg, welches ungefähr die Menge ist, die ein Mann
in einem Tage brennt. Um 1 Pfund Masseleisen zu erhalten sind
6 Pfund Holzkohlen und 4 Pfund Erz nötig. Beim Ausschmieden dieses
Masseleisens geht aber wenigstens die Hälfte des Gewichtes verloren.
Es kann demnach der Gewinn der Arbeit auf höchstens 1 Pfund Sterling
per Tonne veranschlagt werden. Aus diesen Angaben kann man er-
messen, wie niedrig die Arbeitslöhne in Indien sich stellen. Ein Ofen-
macher erhält z. B. für die Herstellung eines Ofens von 4 Fuſs Höhe
und 1 Fuſs Durchmesser nur 20 Pfennige, und er muſs sehr fleiſsig
[240]Die Arier in Asien.
sein, wenn er in drei Tagen vier Öfen fertig machen will. Die Betriebs-
kosten für einen Ofen, an dem vier Mann einen Monat arbeiten, betragen
nur circa 14 bis 16 Mark.


Dr. Hooker beschreibt einfache Eisenschmelzen, die er im Non-
kreemthale der Khasiaberge fand 1). Es wird dort ein Eisensand in ein-
fachen Gruben ohne Zuschlag verschmolzen. Bemerkenswert ist nur der
groſse Balg, der von zwei Personen getreten wird. Siehe Fig. 46. Auch

Figure 46. Fig. 46.


W. Cracroft hat eine Beschreibung der Eisenschmelzen in den Khasia-
bergen gegeben 2). Darnach scheint der Betrieb, der in Herden aus-
geführt wird, ein kontinuierlicher zu sein.


Auſser dem weichen und dem oben erwähnten stahlartigen Eisen
bereiten die eingeborenen Indier einen vorzüglichen Guſsstahl. Der
höchst interessante Schmelzprozeſs, die älteste Methode der Guſsstahl-
[241]Die Arier in Asien.
bereitung, ist Indien eigentümlich und stammt aus uralter Zeit. Er
liefert den in Asien unter dem persischen Namen bekannten pulat
(russisch bulat), während das Produkt in Indien selbst und in Europa
als Wutzstahl berühmt ist. Dieses war der hochgeschätzte indische
Stahl der Alten. Es giebt wohl kein älteres Verfahren, durch welches
Schmiedeeisen in Stahl übergeführt wird und es vereinigt dasſelbe in
nuce bereits Cementation und Guſsstahlbereitung.


Wutz (Wootz-Wuz) ist der Name, den das Produkt in der Guzerat-
sprache führt, angeblich von dem Sanskritworte vájra, was den Donner-
keil Indras (Meteoreisen), und Diamant (ἄδαμας) bedeutet, wenn er nicht
vielleicht von einer Bezeichnung der Eingeborenen herzuleiten ist.


Der Hauptdistrikt, in dem der Wutzstahl gemacht wird, ist Salem,
nahe der Koromandelküste und das bergige Kutsch an der Westküste,
doch wird er auch noch in anderen Gegenden Indiens, z. B. in Mysore
und Lahore fabriziert.


Gewöhnlich sind Stahlfabrikation und Eisengewinnung aus den
Erzen getrennt, und die Stahlarbeiter kaufen die rohen Luppen von
den Eisenschmieden. Die Rohluppen werden erst ausgeheizt und dann
zu kleinen 1 Fuſs langen 1½ Zoll: ½ Zoll starken Stäben ausgeschmie-
det, die viele Kantenrisse zeigen und sehr rotbrüchig sind, so daſs man
kaum glauben sollte, daſs aus solchem Eisen so guter Stahl zu machen
sei. Die Stäbe werden in kleine Stücke von ½ bis 2 Pfund Gewicht
zerschnitten und in Schmelztiegel eingesetzt. Diese Tiegel werden in
folgender Weise hergestellt: Ein Gemenge von gleichen Teilen gutem
Thone und Kohlen aus Reishülsen gebrannt wird sorgfältig durch-
gearbeitet, indem man es von Ochsen durchtreten läſst. Das getrocknete
Gemenge wird zerrieben, angefeuchtet und mit der Hand zu kleinen
Tiegeln und Schalen 1) geformt, die erst im Schatten, dann in
der Sonne getrocknet werden. Hierauf wird der Schmelzofen, der
die Gestalt eines länglichen Viereckes bekommt, hergerichtet, indem
man zwei 12 Zoll lange, 2½ Zoll hohe Steine parallel nebeneinander
aufstellt und sie auf beiden Seiten durch Thonmauern verbindet,
so daſs man einen geschlossenen Raum erhält, der von zwei steiner-
nen und zwei thönernen Wänden umgrenzt ist. Die beiden Thon-
mauern werden bedeutend höher aufgeführt als die Steine. In
eine der Thonmauern wird die Form gelegt, in welche die Düsen der
beiden Lederbälge münden. Die Beschickung der Tiegel, sowie das
Einstellen in den Feuerraum geschieht nicht überall in derselben Weise.
In der Gegend von Bangalore in Mysore besteht die Charge einer der
Beck, Geschichte des Eisens. 16
[242]Die Arier in Asien.
kleinen Tiegel aus 9,7 bis 14 Unzen und fünf Stückchen Holz von
Cassia auriculata. Von den so besetzten Tiegelchen werden drei Reihen
übereinander in den Feuerungsraum aufgestellt, nur vor der Form
bleibt eine Lücke, um den Wind nicht zu hemmen. Die Tiegel werden
mit zwei Bushel Holzkohlen beschüttet und wenn diese niedergebrannt
sind, ein drittes Bushel nachgetragen. Die Schmelzung dauert sechs
Stunden; dann werden die Tiegel wieder herausgenommen, nach dem
Erkalten zerschlagen und die Stahlkönige zu kleinen Quadratstäben
ausgeschmiedet. Die Hitze beim Ausrecken wird ihnen mit Kohle von
Sujaluholz (Mimosa Tuggula) gegeben. In anderen Gegenden, z. B. im
Distrikte Salem und zu Madhu-giri ist ein anderes Verfahren ge-
bräuchlich. Die Tiegel werden dort nicht reihenweise eingesetzt, son-
dern auf eigentümliche Art in Gewölbform über eine Feuergrube, zu
welcher ein horizontaler Aschenfall führt, aufgebaut. In die Feuer-
grube unter dem Tiegel tritt der Wind durch eine thönerne Form ein.
Die Tiegel sind durch keine Unterlagen unterstützt, sondern schweben
frei über der Öffnung der Grube, indem sie in konzentrischen Ringen
wie ein Kugelgewölbe in die Höhe gebaut, sich selbst den erforderlichen
Halt geben. Zu jedem Schmelzen werden 15 (an anderen Orten 20 bis
24) solcher Tiegelchen eingebaut, von denen jedoch nur 14 beschickt
werden. Der 15. bleibt leer, um aufgehoben und wieder eingesteckt
werden zu können, wenn ein Nachfüllen der Kohlen in den Feuerraum
stattfinden muſs. Es pflegt dies der Tiegel zu sein, welcher sich in
der äuſsersten Reihe gerade der Form gegenüber befindet. Die kleinen
Tiegelchen haben eine konische Gestalt und bestehen nur aus ge-
trocknetem Thone. In jedes wird circa ⅔ Pfund Eisen mit circa 1/16
des Gewichtes an Holz von Cassia auriculata eingesetzt, auſserdem
aber auch noch zwei grüne Blätter von Asclepias giganeta, oder wo
diese nicht zu haben sind, von Convolutus laurifolius. Die Tiegel
werden sorgfältig mit einem Deckel von ungebranntem Thone ver-
schlossen und mit Thon gut lutiert. Die beschickten Tiegel werden
gewöhnlich vor dem Einsetzen eine Zeit lang nahe am Feuer scharf
getrocknet. Das ganze Tiegelgewölbe wird mit Kohlen bedeckt gehalten
und man läſst ungefähr vier Stunden lang die Bälge in die Feuergrube
blasen. Ist die Schmelzung beendet, so nimmt man die Tiegel heraus
und baut gleich wieder neue zu einem zweiten Schmelzen ein. So
kann man bei guter Arbeit fünf Stahlschmelzen à 14 Tiegel in einem
Tage machen. Die Tiegel werden nach dem Erkalten zerschlagen.
Der Stahl muſs zu einem Regulus geschmolzen sein, auf dessen Ober-
fläche sich eine radiale Streifung als Zeichen einer unvollkommenen
[243]Die Arier in Asien.
Krystallisation bemerken läſst, denn dies ist das Zeichen vollkommener
Schmelzung. Ein schlechtes Zeichen dagegen ist es schon, wenn der
Stahlkuchen Höhlungen und rauhe Höckern zeigt. War die Schmel-
zung ganz unvollkommen, so ist der Kuchen wabenartig und ragen
oft noch ungeschmolzene Stücke Eisen daraus hervor. Ein solches
Produkt ist kaum besser als das Eisen.


Bei gutem Verlaufe hat eine vollkommene Cementation des Eisens
stattgefunden, d. h. das Schmiedeeisen hat teils durch die direkte Be-
rührung mit der Holzkohle, namentlich aber durch die Einwirkung des
Kohlenwasserstoffes, der sich aus den harzreichen Blättern entwickelt,
Kohlenstoff aufgenommen und ist hierdurch in ein hartes, flüssiges,
stahlartiges Produkt, einen hochgekohlten Guſsstahl umgewandelt
worden 1).


Will man die Kuchen zu Stäben ausrecken, so werden mehrere
zugleich in einem Holzkohlenfeuer mäſsig ausgeheizt. Der Luftstrom
trifft dabei den Stahl, der öfter gewendet wird und dadurch eine ober-
flächliche Entkohlung erfährt. Die Hitze darf nicht bis zum Flüssig-
werden des Stahles steigen. Erst dadurch wird das harte Produkt
schmiedbar. Das Ausschmieden geschieht mit Handhämmern bei ver-
hältnismäſsig niedriger Temperatur; ohne das vorhergegangene Anlassen
würde er zerspringen.


Man war früher über die Darstellung des Wutzstahles sehr im
Unklaren; es wird deshalb zur weiteren Aufklärung über die Natur, die
Darstellung und die Eigenschaften des indischen Stahles nicht uninter-
essant sein, die umfangreichen Versuche, die Anossow in Slatoust an-
gestellt hat, mitzuteilen, da dieselben zur Erklärung des indischen
Verfahrens dienen. Die Absicht seiner Experimente war, aus sibirischem
Eisen einen Bulat (Wutz) zu machen, der das indische und persische
Produkt im asiatischen Handel ersetzen sollte 2).


Den sogenannten Bulat, Wutz- oder Damascenerstahl, welchen die
Bucharen verarbeiten, stellen sie nicht selbst dar, sondern er kommt
als fertiges Produkt zu ihnen und sie machen daraus hauptsächlich
Dolche und Messer; das Schmieden von Säbelklingen verstehen bereits
nur wenige Meister. Er wird aus Persien eingeführt, meist in runden
Scheiben, seltener in vierkantigen, kurzen Stäben. Einige Sorten
führen im Handel den Namen „indischer“ Bulat, was beweist, daſs er
nur zum Teil in Persien selbst fabriziert wird. Namentlich wird der
16*
[244]Die Arier in Asien.
indische Bulat von Kutsch, der in kleinen Königen von 1 Zoll Dicke
und 3 bis 4 Zoll Durchmesser in den Handel kommt, sehr hoch ge-
schätzt. Es werden im Handel fünf vorzügliche und vier ordinäre
Sorten unterschieden und zwar bloſs nach den Figuren, welche die
Kuchen oder die Stäbe zeigen. Im allgemeinen werden krummlinige
Zeichnungen mehr geschätzt als eckige.


Der Bulat wird von dem bucharischen Schmied in einer niedrigen,
gemauerten Esse ausgeheizt. Der Schmied sitzt während der ganzen
Arbeit mit untergeschlagenen Beinen am Boden. Der Stahl wird
stets nur bis zu angehender Rotglut erhitzt
. Auch beim
Härten darf er nur schwach erwärmt und in einem Gemische aus
Sesamöl und Öl aus Baumwollensamen abgelöscht werden. Die Bucharen
verderben ihre meisten Klingen und machen sie zu weich, dadurch,
daſs sie dieselben zu stark erwärmen, wenn sie sich beim Ablöschen
geworfen haben und gerichtet werden müssen. Um die Zeichnung auf
dem Bulat zum Vorscheine zu bringen, wird jede Seite der Klinge zwei-
mal mit einer konzentrierten Eisenvitriollösung benetzt und mit einem
Lappen abgerieben. Zuweilen wird dies auch öfter wiederholt.


Im Schweiſsen sind manche bucharische Schmiede auſserordent-
lich geschickt. Sie sind im stande, die Stücke einer zerbrochenen
Klinge so vollkommen aneinander zu schweiſsen, daſs die Schweiſs-
naht kaum zu entdecken ist. Sie gebrauchen dabei ein Schweiſspulver,
welches aus einem Gemenge von Borax und Stahlfeilspänen besteht.


Gute Stahlklingen stehen in Bokhara, wie im ganzen Orient in
auſserordentlichem Werte. Ein Säbel, den man dem Befehlshaber der
regulären Truppen, dem Emir Rabu-Abdu-Samba verehrte, wurde in
Bokhara zu 1075 Thlr. geschätzt, während dieselbe Waffe aus Solinger
Stahl bei uns höchstens 75 Thlr. kosten würde. Anossow, der, wie er-
wähnt, den persischen und indischen Bulat nachzumachen strebte,
untersuchte einen guten Stahl von Kutsch und fand ihn folgender-
maſsen zusammengesetzt:



[245]Die Arier in Asien.

Die chemische Zusammensetzung deutet auf nichts weniger als auf
einen vorzüglichen Stahl. Seine Güte kann daher nur der auſser-
ordentlich sorgfältigen Bearbeitung des Materials zugeschrieben werden.
Während der wellige und der eckige Bulat sehr verschieden in ihrer
Güte sind, weist die chemische Untersuchung keinen Unterschied nach.
Die Verschiedenartigkeit beider ist auch nicht veranlaſst durch die
Zusammensetzung, sondern durch die Art der Schmelzung. Der wellige
Bulat ist bei einer höheren Temperatur entstanden, als der eckige, bei
der Herstellung des ersteren war die Schlacke flüssiger.


Nach Anossows Angaben ist es nicht schwer den Bulat nachzu-
machen und kann man denselben auf mancherlei Weise erhalten,
nämlich:


1. Durch Schmelzung eines Gemenges von Eisenerz und Gra-
phit
, wobei Reduktion und Kohlung zugleich im Tiegel statt hat.


2. Durch Schmelzung des Schmiedeeisens in Berührung mit koh-
lenden Substanzen, wobei aber wieder eine nachfolgende partielle Ent-
kohlung durch Eisenoxydulschlacke oder durch Glühen an der Luft
nötig ist; dies würde dem oben beschriebenen indischen Verfahren
entsprechen.


3. Durch unmittelbare Verbindung des reinen Eisens mit Kohlen-
stoff durch Schmelzung mit Graphit.


Das erste Verfahren ist bloſs möglich bei den reinsten Oxydul-
erzen (Spat und Magneteisenstein), die ganz frei von Schwefel sind.
Auch ist es im groſsen deshalb nicht wohl anwendbar, weil groſse Ge-
fäſse dazu erforderlich sind und ein beträchtlicher Graphitaufwand
damit verbunden ist. Auch das zweite Verfahren erwies sich als
unvorteilhaft, da das Eisen zu viel Kohlenstoff aufnahm und sich nicht
genugsam durch nachherige Eisenoxydulzuschläge reinigte.


Die dritte Methode zeigte sich bei Beachtung gewisser Vorsichts-
maſsregeln als die am meisten geeignete.


Der Einsatz an Eisen darf nicht über 6 kg betragen, da gröſsere
Könige sich zu schwer ausschmieden lassen. Je härter man den Stahl
haben will, desto mehr muſs man den Einsatz verringern. Anossow
setzte zu obigem Eisenquantum 0,68 kg reinsten Graphit und ein Fluſs-
mittel. Er schmolz sie in einem Ofen mit künstlicher Windzuführung.
Als die Schmelzung nach 3½ Stunden beendet war, betrug der Graphit-
verlust 0,125 kg; der Rest schwamm oben auf. Das Metall besaſs einen
blanken Grund und zeigte nur schwache Streifung nach dem Ätzen.


Nach vierstündigem Schmelzen betrug der Graphitverlust 0,185 kg.
Das Metall zeigte nach dem Ätzen deutliche Streifung. Bei 4½ stün-
[246]Die Arier in Asien.
diger Schmelzung betrug der Graphitverlust 0,25 kg. Die Zeichnung
war eine kurzwellige.


Bei noch länger andauernder Schmelzung, was aber der Tiegel
meist nicht aushielt, war der Graphitverlust 0,375 kg. Die Zeichnung
war von netzförmigem Muster. Die Schlackenmenge betrug 0,25 kg.


Als man die Erhitzung noch weiter fortsetzte, stieg der Graphit-
verlust auf 0,50 kg und der geätzte Stahl zeigte ein grobes, netzförmiges,
knieförmiges und eckiges Muster.


Natürlich muſs man ein sehr reines schmied- und dehnbares Eisen
anwenden. Dabei ist das langsame Abkühlen des Tiegels sehr wichtig,
sowie eine möglichst geringe Erwärmung beim Ausschmieden. Man
läſst deshalb den Tiegel mit dem heiſsen Ofen erkalten, indem man die
Kohlen ohne zu blasen ausbrennen läſst. Nach dem Erstarren schüttelt
man den unverbrannten Graphit, der oben aufschwimmt, heraus. Der
Stahlklumpen hat die Gestalt eines Brodes, seine Oberfläche ist nicht
ganz eben, in der Mitte etwas vertieft, und man erkennt hier eine ver-
worrene Krystallisation. Diese Vertiefung ist am gröſsten bei der Art
von Bulat, die keinen farbigen Schimmer zeigt und eine ungewöhnliche
Härte besitzt, sich also dem Spiegeleisen am meisten nähert. Statt
der Vertiefung zeigen sich auch zuweilen Höhlungen im Inneren.
Obgleich dieser Bulat geätzt oft sehr auffallende Muster zeigt, gehört er
doch zu den unbrauchbaren Sorten, da er durchaus nicht schmiedbar ist.


Das Verschmieden der Stahlkuchen geschah unter Schwanzhämmern
von nur 50 kg Gewicht. Der Stahl wurde in einer Esse bei schwachem
Gebläse bis zur lichten Rotglut erwärmt, mit der breiten Seite auf den
Ambos gelegt und bei anfangs langsamem Gange in gleichbleibender
Richtung gedreht. Man wiederholt diese Operation drei bis neunmal
unter ebenso oft erneutem Anwärmen und zersetzt dann die Masse, wenn
sie ohne Risse geblieben ist, in drei Stücke. Es hat sich gezeigt, daſs der
Bulat um so besser ist, je langsamer und je reiner er sich ausschmieden
läſst. Die abgesetzten Stücke werden dann unter demselben Hammer
erst in regelmäſsige Stäbe, dann in Bänder ausgeschmiedet. Ihr Wert
ist um so gröſser, je langsamer sie unter dem Hammer erkalten. Die
besten Arten lassen sich indessen trotz ihrer Härte in zwei Hitzen zu
einem Bande ausschmieden. Erhitzt man den Stahl höher als bis zur
Rotglut, so fährt er unter dem Hammer auseinander, auch ver-
liert er dann ganz seine Zeichnung
. Eher läſst er sich kalt
ausschmieden, wobei er sich bei raschen Schlägen bis zur Rotglut er-
hitzt. Der harte Bulat bekommt durch Überhitzen ganz die Eigen-
schaften des Roheisens.


[247]Die Arier in Asien.

Die asiatischen Schmiede scheinen besser als die europäischen zu
wissen, daſs es der höchsten Aufmerksamkeit auf die richtige Tempe-
ratur bedarf, um sowohl den Bulat, als auch den gewöhnlichen, harten
Guſsstahl vor dem Verderben beim Schmieden zu schützen. Die Bulat-
schmiede sind so sorgfältig, daſs sie sogar oft Hervorragungen an dem
Stahlkuchen, gröſser ausgebildete Krystalle, zu den Schneiden der
Waffen benutzen. Auch bezeichnet der Arbeiter beim Schmieden schon
die obere und untere Seite des Kuchens; letztere zeigt stets ein regel-
mäſsigeres Muster und man verwendet sie ebenfalls hauptsächlich für
die Schneiden.


Ebenso vorsichtig sind die asiatischen Schmiede im Härten und
Anlassen, welches sie ganz verschieden je nach dem Gegenstande aus-
führen. Sie achten sehr genau auf die Farben des Stahles und lassen
die härtesten Gegenstände strohgelb, die elastischen blau anlaufen. Bei
schlechtem Stahle aber lassen sie für harte Dinge nur bis violett, für
weiche nur bis grün (tombak) anlaufen. Die mäſsig harten Gegen-
stände werden in Talg oder in Wasser gelöscht, die härtesten stets in
Talg. Bei allen Arten von Waffen erhitzt man den Talg selbst erst
bis zum Kochen, löscht dann den rotglühenden Stahl, und schleift ihn
an, um die Anlauffarbe deutlicher zu erkennen. Er wird, um ihn an-
laufen zu lassen, über einem offenen Kohlenfeuer vorsichtig erhitzt.
Eine Säbelklinge sucht man am Gefäſse grün, am Ende blau, in der
Mitte violett anlaufen zu lassen, während man darauf sieht, daſs die
Schneide gelb bleibt. Die so angelassene Klinge wird gerichtet und in
Wasser getaucht. Will man sie weniger hart, aber elastischer machen,
so läſst man sie durchweg blau anlaufen. Um die Härte der Schneide
zu vermehren ist es vorteilhaft, dieselbe schon möglichst dünn zu
schmieden, weil ein dünnerer Gegenstand beim Ablöschen eine gröſsere
Härte annimmt. Die Sensen pflegt man bloſs in der Luft abzulöschen.


Werden die Gegenstände trocken abgeschliffen, so erhitzen sie sich
dadurch leicht bis zur grünen Farbe, wodurch sie ihre Härte verlieren
und deshalb nochmals angelassen werden müssen. Gegenstände, die
bloſs strohgelb anlaufen dürfen, erfordern deshalb fortwährend reich-
liches Bewässern der Schlifffläche, was namentlich für Rasiermesser zu
bemerken ist. Aus derselben Ursache muſs man beim Polieren von
Stahlgegenständen mit der Scheibe fortwährend ihre Lage ändern,
damit kein Punkt sich zu stark erwärmt.


Die Asiaten halten durchweg den Damast für um so besser, je
gröſser die schriftähnlichen Streifen auf dem dunkelen, matten Grunde
erscheinen. Die groben Zeichnungen sind so stark wie Notenstriche,
[248]Die Arier in Asien.
die mittleren wie gewöhnliche Schriftstriche, die feineren sind noch
gerade mit dem Auge bemerkbar.


Der Grund, auf dem die Zeichnungen erscheinen, ist grau, dunkel-
braun oder schwarz, je dunkler, desto besser der Stahl. Gute Sorten
zeigen bei schräg auffallendem Lichte einen farbigen Schimmer zwischen
Rot und Goldgelb; je gelber desto erwünschter.


Geradlinige, fast parallele Streifung zeugt von geringer Qualität.
Eine solche zeigt der Scham, der in Damaskus und Syrien verfertigte
Bulat, der deshalb weniger geschätzt wird als die anderen Arten, z. B.
Taban, Karataban; Chorasan, Karachorasan; Gyndy, kum-Gyndy und
Neiris.


Geschätzter ist ein anderes Muster, das aus kürzeren, stellenweise
von krummen Linien unterbrochenen, geraden, abgesetzten Linien
zusammengesetzt ist.


In einem dritten Muster erscheinen eine groſse Zahl gebrochener
Linien und Punkte.


Die vierte Art besteht aus kürzeren und zahlreicher gebrochenen
Linien, welche in Punkte übergehen und Netze bilden, die durch ge-
krümmte Linien verbunden sind. Bei der fünften Zeichnung werden
die aus Punkten bestehenden, querlaufenden Netze so zahlreich, daſs
sie Weintrauben ähnlich werden und fast die ganze Breite des Stückes
einnehmen. Es erscheinen auſserdem auf solchen Stücken der Länge
nach verschiedene, in ihrem Muster übereinstimmende Abteilungen.


Geschickte Schmiede sind im stande, die Muster schon an dem
rohen Schmelzprodukte, ja an der Schlacke zu erkennen, denn die
Streifung zeigt sich schon auf der Oberfläche des Stückes, noch deut-
licher an der Schlacke, die diese bedeckt. Betrachtet man die untere
Seite der Schlacke mit der Lupe, so erblickt man ganz deutliche
und verschiedenartige Netzeindrücke. Auch auf die Farbe des Grun-
des läſst sich schon aus den Schlacken schlieſsen. Die dunkleren
Schlacken sind besser und deuten auch auf dunkleren Grund. Farbige
Schlacke darf nicht zugleich undurchsichtig sein, weil dann das Muster
undeutlich ist.


Die Ätzsäuren wirken alle auf Grund, wie auf Zeichnung; bei
Verdünnung jedoch nicht in gleichem Maſse. Deshalb ist die Schwefel-
säure der Salpetersäure vorzuziehen, da letztere zugleich auf den
Kohlenstoff einwirkt und den eigentümlichen Schimmer des Grundes
zerstört. Am meisten wird von den Schmieden der persische Eisen-
vitriol, in dem auch schwefelsaure Thonerde enthalten zu sein scheint,
angewendet. Die Klinge wird erst in schwacher, kochender Lauge vom
[249]Die Arier in Asien.
Fette gereinigt, und mit Wasser abgespült; hierauf wird sie in die
starke Vitriollösung, die auf 1 Teil des Salzes 3,77 Teile Wasser ent-
hält, und welche in einem Bleigefäſse zum Kochen erhitzt ist, ein-
getaucht und nochmals abgespült. Sobald der Grund und die Streifen
hervortreten, wäscht man sie wieder mit der schwachen Lauge und mit
kaltem Wasser, trocknet sie möglichst rasch, bei gelindem Wischen mit
einem leinenen Lappen. Bleiben Stellen feucht, so bilden sie Flecke.
Statt der Mineralsäuren kann man auch Citronensaft oder Bieressig
anwenden. Die geätzten Gegenstände werden mit Baumöl überstrichen
und trocken gerieben. Solcher Stahl widersteht dem Roste besser als
ungeätzter. Anossow veranschlagte die Kosten der Darstellung und
Verarbeitung auf das Vierfache des uralischen Guſsstahles. Die Klingen
aus gutem Bulat sind aber auch besser und feiner als solche aus eng-
lischem Guſsstahl, namentlich sollen die Schneiden fast doppelt so
lange halten. Die gründlichen Untersuchungen und Mitteilungen von
Anossow werfen ein helles Licht auf die Darstellung des Wutzstahles
und seine Verarbeitung. Und da diese in Indien ihre Heimat hat, so
haben wir sie um somehr hier mitgeteilt, da auch bei der Verarbeitung
des Wutz von den indischen Schmieden gerade so verfahren wird, wie
von den persischen und turkomanischen.


Aus dem Angeführten geht ferner klar hervor, daſs der echte
orientalische Damaststahl nicht das ist, wofür er bei uns meist gehalten
wird, für ein aus Stahl und Eisenstäben zusammengeschweiſstes Pro-
dukt, dessen Zeichnung durch diese Zusammensetzung künstlich hervor-
gebracht worden ist, sondern die Zeichnung des echten Damastes
entsteht durch eine innere Krystallisation, die der geschmolzene
Guſsstahl bei seiner langsamen Erstarrung im Schmelztiegel erleidet.
Deshalb ist auch die Zeichnung des indischen Damastes ein noch
sichereres Kennzeichen für die Güte des Stahls, als dies bei dem zu-
sammengeschweiſsten Damaststahl der Fall ist, da einerseits keine auf
andere Art dargestellte Stahlsorte diese Muster zeigen, andererseits
auch schon kleine Verschiedenheiten der Darstellung oder Unvor-
sichtigkeiten bei der Behandlung die Zeichnung des indischen Stahls
verändern oder zerstören. Durch das Zusammenschweiſsen von Eisen-
stücken, durch Dublieren und Ätzen kann man wie bekannt ebenfalls
regelmäſsige Muster erzeugen, die mehr oder weniger dem echten
Damast ähnlich sind und es ist wohl möglich, daſs diese Erzeugung
künstlicher Muster auf Stahl die Nachahmung resp. Verfälschung des
indischen Stahls bezweckte. Doch sind künstliche Muster von den
natürlichen des Wutzstahls leicht zu unterscheiden, da auch die kom-
[250]Die Arier in Asien.
pliziertesten Mosaikmuster eine fast geometrische Regelmäſsigkeit
zeigen im Vergleich mit den zufälligen Mustern des indischen Stahls.
Übrigens ist auch die Darstellung des künstlichen Damastes durch Zu-
sammenschweiſsen von hartem und weichem Stahl oder von Stahl und
weichem Eisen uralt und war den indischen Schmieden ebenso gut be-
kannt wie den syrischen zu Damaskus.


In Hinterindien sind die metallurgischen Künste weniger ent-
wickelt, als in Vorderindien, obgleich es mit Metallen reich gesegnet ist.
Die Kulturentwickelung Hinterindiens hat keine so alte Geschichte, wie
die von Vorderindien. Sie scheint überhaupt weniger originell, vielmehr
als ein gemischtes Produkt des Einflusses der beiden benachbarten
Kulturländer China und Indien. Die westlichen Provinzen zeigen mehr
indische, die östlichen mehr chinesische Bildung. Im allgemeinen sind
die Völker Hinterindiens indolent und der Buddhismus, der dort die
herrschende Religion geblieben ist, trägt auch wenig dazu bei, die
Energie seiner Anhänger anzuregen. Infolgedessen finden wir sowohl
den Handel, als die Industrie fast ganz in den Händen Fremder, teils
Indier, teils Chinesen. Gold wird in Hinterindien in vielen Gegenden
gewonnen. Assam, die Grenzprovinz Bengalens, das eine völlig hin-
dustanische Kultur hat, besitzt groſse und ergiebige Goldwäschereien
am unteren Lauf des Dhunsiri. Der König betreibt eine Goldgrube,
in der 1000 Arbeiter beschäftigt sind 1). Diese gewinnen für den Kron-
schatz jährlich 15000 Rupies Goldstaub. Ein Rupie dieses gewaschenen
Goldstaubes gilt 12 Rupies Silber.


Im Gebiete der Laos werden die reichen Gold-, Silber- und Kupfer-
gruben von chinesischen Bergleuten ausgebeutet. Bei Ava wird Gold
gewaschen und die Birmanen treiben mit Gold und Goldschmuck
groſsen Luxus. Gold ist sehr begehrt und es hat bei ihnen den sieben-
zehnfachen Wert als Silber. Der König von Birma, der bekanntlich
göttlich verehrt wird, ist, wenn er sich einmal öffentlich zeigt, mit Gold
so überladen, daſs er fast erdrückt wird. Alles an ihm wird in der
Hofsprache als golden bezeichnet. Seine gewöhnliche Benennung ist
„der goldene Fuſs“. Obgleich in jeder Stadt Birmas Gold- und Silber-
arbeiter ihr Gewerbe treiben, sind die einheimischen Geschmeide u. s. w.
mehr plump wie schön und stehen weit hinter den indischen zurück.


In Siam, Cochin-China und Tonkin ist Überfluſs an Gold, Silber
und Eisen; Zinn kommt ebenfalls in Cochin-China und Birma vor, am
[251]Die Arier in Asien.
reichlichsten aber in Siam und auf der Halbinsel Malakka. Auch die
Gewinnung und Verarbeitung des Eisens in Hinterindien ist vielfach in
den Händen von Fremden.


In Assam wird eine Tagereise südwestlich von Jorhat Eisen ge-
wonnen und von hieraus das ganze Land versorgt 1), aber die ein-
geborenen Schmiede arbeiten sehr roh, alle besseren Arbeiter sind
Fremde aus den vorderindischen Stämmen der Kolitas und der Kutsch.


In Siam, welches eine sehr alte Zinngewinnung hat, ist die Eisen-
verarbeitung meist in den Händen der Chinesen. Eisenerz findet sich
sehr reichlich und von guter Qualität zu Kampenypet am Menam. Die
rohen Luppen kommen nach der Hauptstadt, wo sie von chinesischen
Schmieden namentlich zu den renommierten siamesischen Schwertern
und Dolchen (cris) verarbeitet werden. Siam hat Überfluſs an Eisen
und versieht damit auch die Nachbarländer, namentlich die malayische
Halbinsel, Kambodja und Cochin-China.


Auch in Cochin-China ist die ganze Metallgewinnung und Ver-
arbeitung in den Händen der Chinesen, die jährlich von Fukian, Kiang-
nan und Hainan in groſsen Scharen dort hinziehen. Eisen ist in Siam,
Cochin-China und Tonkin sehr billig. Im Birmanenreiche, welches
gesegnet ist mit guten Eisenerzen, sind es gleichfalls meist chinesische
Arbeiter, die gegen gewisse Abgaben die Bergwerke betreiben. In Ava
ist einige Eisenindustrie, namentlich werden dort Musketen gemacht,
während aber eine birmanische Muskete auf dem Markte zu Ava mit
25 Schilling bezahlt wird, kostet eine alte, gebrauchte, englische 37 bis
50 Schilling (Crawfurd 2). In Ava wird auch Eisenerz von den Land-
leuten auf den Markt gebracht. Die Hauptgewinnung geschieht am
Berge Paopa (Puppa), im Distrikte Mredhu. 100 Vish Eisen gleich
182,50 kg kosten 8 bis 15 Tikal, gleich 17 bis 31 Mark oder pro 100 kg
circa 13 Mark. Die Erze verlieren beim Verschmelzen durch die
schlechten Methoden 30 bis 50 Proz. Aller Stahl wird aus Bengalen
importiert.


Die bestgestählten Schwerter kommen aus dem Lande der Schan,
die wie die Laos im Norden besser mit den Metallen umzugehen ver-
stehen. Die regelmäſsigen chinesischen Karawanen, die nach Ava
kommen, importieren ebenfalls Eisengeräte.


Die inländische Methode der Eisengewinnung, wie sie in Ober-
birma bei der Stadt Puppa, östlich vom Irawaddi betrieben wird, ist
so abweichend von der indischen, daſs sie eine nähere Betrachtung
[252]Die Arier in Asien.
verdient 1). Das Bemerkenswerteste ihres Schmelzprozesses ist, daſs sie
dabei gar keinen künstlichen Wind benutzen, sondern die Erze bei
natürlichem Luftzuge schmelzen, ähnlich wie dies früher in England
mit den Bleierzen geschehen sein soll. Die Brauneisenerze werden in
Haselnuſsgröſse zerklopft und der Staub abgesiebt. Die Holzkohlen
stellen sie sich in sehr rationeller Weise dar. Jeder Schmelzer bereitet
sich im Januar und Februar seinen Vorrat selbst. Das Holz nimmt er
von Schorea robusta und wählt meist Stämme von 12 bis 18 Zoll
Durchmesser. Es wird in einem regelmäſsigen Haufen von 12 Fuſs
Seitenlänge und 6 Fuſs Höhe aufgerichtet, durch den Haufen geht ein
Kanal, der aber an dem einen Ende verschlossen gehalten wird. Durch
diesen wird der Haufen angezündet und man läſst so lange brennen,
als sich an der Seite des Haufens noch Dampf entwickelt. Hört dies

Figure 47. Fig. 47.


auf, so öffnet man den andern Ausgang des Kanales und zieht einen
Teil der Kohlen heraus, wobei das übrige Holz sogleich wieder in Brand
gerät. Man schlieſst daher den Kanal wieder und wiederholt dieselbe
Operation einigemal. Ein solcher Meiler brennt 20 bis 30 Tage.


Während die Verkohlung bei den Birmanen ganz rationell betrieben
wird, kann man sich den Eisenschmelzprozeſs kaum mangelhafter vor-
stellen. Der Ofen ist nicht nur ohne Gebläse, sondern wird auch ohne
alle Rücksicht auf die herrschende Windrichtung aufgeführt. Eine
steile Wand des sandigen Lehmbodens von 10 bis 12 Fuſs Höhe wird
aufgesucht und in dieser der Ofen angelegt, der in Wahrheit nichts
weiter als ein Loch im Boden ist, 2 bis 3 Fuſs (engl.) von der Vorder-
seite der Lehmwand entfernt. Seine Höhe beträgt 10 Fuſs, seine
Breite, die oben 1 Fuſs 9 Zoll beträgt, nimmt nach unten zu, so daſs
der Ofen am Boden 5 Fuſs breit ist. In der Tiefe nimmt der Ofen von
[253]Die Arier in Asien.
1 Fuſs 9 Zoll oben bis 2 Fuſs in der Mitte etwa zu, während er von
da bis zum Boden bis auf einen Fuſs zusammengezogen ist (Fig. 47).


Die Vorderwand wird durch eine einfache Holzverkleidung fest-
gehalten. Unten befindet sich eine 1 Fuſs hohe Öffnung von der ganzen
Breite des Ofens, die durch eine Lehmwand geschlossen wird, in welche
etwa 20 kleine Thonrohre eingesteckt sind, durch die der Zug in den
Ofen tritt. Die Röhren sind einfach über ein glattes Holz geformt
und dann gebrannt. Sie haben 2 Fuſs lichte Weite. Man bringt nun
Feuer in den Ofen und stürzt darauf zwei Körbe Holzkohlen, jeden zu
87½ Pfund Gewicht. Darauf giebt man drei Körbe Erz zu je 35 Pfund.
Hiernach chargiert man einen Korb Holzkohlen mit sechs Körben Erz,
dann wieder einen Korb Holzkohlen mit drei Körben Erz und dann
zum Schluſs noch einen Korb Kohlen. Wenn die Kohle gehörig in
Brand und die Thonwand unten völlig ausgetrocknet ist, was etwa nach
8 bis 9 Stunden statt hat, macht man unten einen Schlitz von 4 Zoll
Höhe und so breit wie der ganze Ofen, um durch diesen die Schlacke
abzulassen, verschlieſst ihn sogleich wieder und wiederholt dasſelbe
Manöver bis keine Schlacke mehr flieſst. Die Schmelzung ist in 24 Stun-
den beendet. Danach wird die ganze untere Öffnung ausgebrochen und
das Eisen, das die Form des Herdes hat und ein langes, schmales Stück
bildet, herausgenommen. Eine solche Luppe ist 4 bis 5 Fuſs lang,
ganz schmal und wiegt durchschnittlich 45 kg. Das Eisen ist sehr
unrein, da es noch mit Schlacken, mit Stücken unverbrannter Holz-
kohle und mit Sand gemengt ist. Es wird zu 12 bis 15 Mark pro 175 kg
verkauft. Bei der weiteren Verarbeitung soll es indessen ein ganz
gutes Eisen zu Schwertklingen geben. An einem solchen Ofen sind
drei Arbeiter beschäftigt und da der Ofen sogleich nach dem Aus-
brechen der Luppe wieder verschlossen und gefüllt wird, so kann man
jede 24 Stunden eine Luppe fertigmachen.


Europa kam mit der Eisenindustrie der Indier nicht allein durch
den Handel in Berührung, sondern die indische Eisengewinnung ist im
Mittelalter direkt nach Europa importiert worden durch die Zigeuner.
Daſs diese aus Indien stammen, kann nicht mehr bezweifelt werden,
wenn sie sich auch selbst, um sich ein grösseres Ansehen zu geben und
um als von Jerusalem heimkehrende Pilger sich Schutzbriefe zu er-
wirken, Ägypter oder eigentlich Pharao Nephek, Volk Pharaos, ge-
nannt haben. Ihre Sprache ist mit dem Sanskrit nahe verwandt. Sie
wandern heute noch zahlreich in Indien und Persien. Einer der
Namen, die sie sich selbst beilegen ist Sinte, d. h. Indier. In Aserbid-
scham im nördlichen Persien nennt man sie Hindu Karusch, d. h. schwarze
[254]Die Arier in Asien.
Indier. In Syrien heiſsen sie Kauli, d. i. Kabuli, Leute aus dem Kabul-
thal. Diese Namen geben uns nähere Aufklärung über ihre Herkunft.
Sie stammen aus dem nördlichen Indien. Es ist sehr wahrscheinlich,
daſs sie einen Stamm bildeten, ähnlich den obenerwähnten Kohata, die
das Schmiedegewerbe, namentlich die Gewinnung und Verarbeitung
des Eisens als Hauptbeschäftigung schon in ihrer Heimat betrieben
und die durch Timurs Kriegszug nach Indien 1398 aus ihrer Heimat
verdrängt wurden. Es ist leicht möglich, daſs Timur, der in vielen
Dingen an die groſsen Kriegsfürsten Assyriens erinnert, den ganzen
Stamm mit Gewalt fortgeführt hat, ähnlich wie er alle Schmiede und
Eisenarbeiter aus Damaskus nach seiner Hauptstadt Samarkand und
nach anderen Städten geschleppt hat. Es gelang ihm aber nicht, die
Zigeuner anzusiedeln, wie sie auch in ihrer eigenen Heimat wahrschein-
lich nicht seſshaft gewesen waren und hatte diese gewaltsame Weg-
führung nur zur Folge, daſs sie sich, ähnlich wie durch gleiche Ver-
anlassung die Juden, über die ganze Welt verbreiteten. Sicher ist,
daſs sie sich zum Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst über Westasien,
dann über ganz Europa und Nordafrika ausbreiteten. Am meisten
folgten sie den Kriegs- und Siegeszügen der Türken. Noch heutzutage
sind sie in der Türkei am zahlreichsten, wo etwa 200000 leben, danach
sind sie am meisten verbreitet in den Grenzländern der Türkei, be-
sonders in Siebenbürgen und Ungarn. In Siebenbürgen betreiben sie
noch das Goldwaschen und nennt man diese Goldwäscher dort Rudari
oder Aurari. In der Türkei wie in Ungarn und Siebenbürgen beschäf-
tigen sie sich noch ganz vorzugsweise mit der Gewinnung und Ver-
arbeitung des Eisens. Diese Schmiedezigeuner heiſsen in der Türkei
Demirdschiler. Sie bekennen sich zu der mohammedanischen Religion,
durchziehen hausierend das Land und kommen nur selten nach Kon-
stantinopel, wenn dies geschieht, so kampieren sie in schwarzen Filz-
zelten auſserhalb Pera bei dem Kavillerplatz. In Siebenbürgen
und Ungarn betreiben sie neben dem Schmiedehandwerk und der
Drahtflechterei auch noch die Gewinnung des Eisens. Ihr Verfahren
ist höchst einfach und gleicht auſserordentlich dem Verfahren der
Kohata und der Schmiede von Orissa. Das Schmelzen geschieht in
einfachen Gruben, die in die Erde gegraben sind, mit Hilfe von Hand-
bälgen. Diese Schmelzvorrichtungen der Zigeuner hieſsen im Volks-
munde Heidenfeuer. Die Schmiede in Südungarn, sowie zum Teil selbst
die slowakischen Draht- und Blecharbeiter, die besonders als Maus-
fallenhändler Deutschland durchziehen und an einzelnen Orten, wie
z. B. in Schierstein bei Wiesbaden, förmlich Kolonieen gebildet haben,
[255]Die Arier in Asien.
beziehen, resp. bezogen früher in ihrer Heimat ihr Eisen vielfach von
den „Heiden“, d. h. von den Zigeunern.


Nicht geringer als wie in Indien selbst scheint die Eisengewinnung
in den nördlich von Indien gelegenen Bergländern gewesen zu sein.
Der Stahl der Serer und der Parter war im klassischen Altertume
hoch berühmt. Plinius rühmt den serischen Stahl als den besten, dem
der partische am nächsten komme. Wo die Heimat des serischen
Stahls zu suchen ist, bleibt noch eine ungelöste Frage. Möglicherweise
kam er aus dem nördlichen Indien. China kann dagegen unter Serica
hinsichtlich der Stahlbereitung nicht verstanden sein, da der chinesische
Stahl weder früher noch heutzutage von besonderer Qualität war. Da-
gegen dürfte unter den Serern eine Völkerschaft gemeint sein, die an
der westlichen Grenze des heutigen Chinas zu suchen wäre. Identisch
mit den Serern sind wahrscheinlich die Sarter, Sarty. Indessen sind
namhafte Gelehrte der Ansicht, daſs darunter kein Volksstamm zu
verstehen sei, sondern daſs dies die allgemeine Bezeichnung der Seiden-
händler gewesen sei. Andere wollen die Serer mit dem Stamme der
Usun der chinesischen Annalisten identifizieren, welche groſse Körper,
blonde Haare und blaue Augen hatten und deren Sitten und Gebräuche
namentlich bezüglich der Art, wie sie ihren Handel betrieben, den
Schilderungen von den Serern durch abendländische Schriftsteller ent-
sprechen.


Wahrscheinlich kam aber der serische Stahl aus dem Berglande
Ferghana (Khokand), wo eine sehr alte Eisenindustrie einheimisch ge-
wesen zu sein scheint. Nearchos giebt uns Nachricht von den Handels-
waren, die zur Zeit Alexanders des Groſsen aus den Ländern nördlich
von Indien, aus Ferghana, Khotan und Westchina kamen, darunter
werden besonders Eisenwaren, lange und scharfe Schwerter, Speere
und verschiedene Arten von Beilen erwähnt 1). Die alten arabischen
Geographen berichten viel von Ferghanas Eisenreichtum. Edrisi er-
wähnt, daſs ganz Korassan mit dem Eisen von Ferghana versehen werde
und daſs es bis Tasu-Irak verführt würde. Von Khotan berichten uns
chinesische Annalisten, daſs die Bewohner geschickte Eisenarbeiter ge-
wesen seien, daſs sie den Guſs des Eisens gekannt hätten und daſs
einem Könige Chinas von einem Fürsten von Khotan ein schönes
Schreibzeug aus „blauem Eisen“, — jedenfalls aus poliertem Stahl —
als Geschenk hingesandt worden sei.


Etwas genauere Mitteilungen als über diese Völker Mittelasiens haben
[256]Die Arier in Asien.
wir über die metallurgischen Kenntnisse der Perser; derjenigen Arier,
die auſser den Hindus im Pendschab, am nächsten den Ursitzen der
arischen Familie seſshaft geblieben sind. Bei ihrem Eintritte in die
politische Geschichte, sehen wir sie in die Fuſstapfen der Assyrer und
Babylonier treten, deren reiches Gebiet sie erobern und sich mit
semitischer Pracht umgeben. Auch in ihrer [Kunstrichtung] folgen sie
in der Hauptsache den Vorbildern der Babylonier. Insofern würden
wir einfach auf unsere Ausführungen über die alte Geschichte jener
semitischen Reiche verweisen müssen, wenn uns nicht eine groſse
und wichtige Quelle der arisch-persischen Kultur erhalten wäre, die
frei und unabhängig von der semitischen Einwirkung und darum auch
wohl älter als die Gründung des persisch-babylonischen Weltreiches
ist. Dieses ist das Zend-avesta, d. h. die Offenbarung des Wortes.
Wann diese Sammlung der heiligen Schriften der Perser, die man dem
Zoroaster zuschreibt, abgefaſst wurde, ist noch nicht bestimmt fest-
gestellt. Xanthus Lydius setzt seine Abfassung um 600 Jahre vor
Xerxes, während Hermippus sogar behauptet, sie sei 5000 Jahre vor
dem trojanischen Kriege geschrieben worden. Ist dies eine maſslose
Übertreibung, so ist doch andererseits die Meinung, daſs die Bücher
verhältnismäſsig spät abgefaſst sein müſsten, weil darin schon des
Glases und der Glasöfen Erwähnung geschähe, wenig stichhaltig, da
wir bereits bei unserer Ausführung über Ägypten gesehen haben, wie
hohen Alters die Glasindustrie ist. Allerdings läſst sich aus dem
Texte des Vendidad, d. h. dem Gesetze Gottes, dem ersten und wichtig-
sten Buche des Zend-avest auf einen ziemlich vorgeschrittenen Kultur-
zustand zur Zeit seiner Abfassung schlieſsen, denn es werden darin
unter anderen bereits Paläste mit Säulen, Fenstern, Thüren, Zinnen,
Matten und Teppichen erwähnt. Ferner wird goldenes Geschmeide,
irdene, eiserne, bleierne, goldene und silberne Gefäſse genannt.


Von Metallen werden am häufigsten im Vendidad Eisen und Blei
angeführt, die an einer Stelle geradezu die geringsten Metalle genannt
werden 1). Erz dagegen wird in dem ganzen Buche nur ein einzigmal
erwähnt, in der folgenden wichtigen Stelle 2):


„Wer Feuer vom Töpferofen weg, wer Feuer von einem Glasofen
weg, wer Feuer vom Erze hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Gold bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Silber bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Eisen bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
[257]Die Arier in Asien.
Stein bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einem Schmelzofen weg, von
einem Herde weg, wer Feuer von flüssigen Erdarten hinwegnimmt, …
was wird sein Lohn sein, wenn Leib und Seele sich getrennt haben?“


In dieser einzigen Stelle wird des Erzes gedacht, aber nicht in
der Weise wie der übrigen Metalle, es wird nicht von einer Werkstätte
gesprochen, in der Erz verarbeitet wird, auch geschieht des Kupfers
und des Zinnes weder hier noch an irgend einer anderen Stelle des
Vendidad Erwähnung. Alles dieses scheint entschieden darauf hinzu-
deuten, daſs Erz von dem alten Zendvolke nicht selbst dargestellt wurde,
daſs es selten war, daſs es als fertiges Produkt auf dem Handelswege
bezogen und daſs es nicht, wie das Eisen, Blei, Silber und Gold gewerbs-
mäſsig gewonnen und verarbeitet wurde; dagegen spricht obige Stelle
bestimmt von Werkstätten, wo Silber, wo Gold und wo Eisen verarbeitet
und wohl auch dargestellt wurden und sie unterscheidet bereits zwischen
Schmelzöfen und Herdöfen.


Daſs das Eisen das verbreitetste und wichtigste Metall der alten
Perser war, geht aus vielen Stellen hervor. Es werden erwähnt eiserne
Messer 1), eiserne Fesseln 2), eiserne Gefäſse 3) und eiserne Waffen 4).
Zur Bewaffnung eines wohlgerüsteten Kriegers gehörte: eine Lanze, ein
Schwert, ein Messer von Eisen, eine Keule, ein Bogen, dazu 30 Pfeile
mit eisernen Spitzen, eine Schleuder, dazu 30 Schleudersteine, ein
Panzer, eine Halsberge, Helm, Gürtel und Beinschiene.


Ein Zügel von Silber gilt an Wert gleich einem männlichen Pferde,
ein Zügel von Gold gleich einem männlichen Kamele 5). Von den bösen
Geistern sagt noch eine sehr bemerkenswerte Stelle, aus der hervor-
geht, daſs die alten Perser das Eisen selbst aus dem Erze geschmolzen
haben: „Zur Hölle gehen die Daevas, sie zerflieſsen wie glühen-
des Eisen
.“


Bis zur Gegenwart hat sich in dem ostiranischen Hochlande eine
uralte Eisenindustrie erhalten, wenn auch deren Ruf jetzt lange nicht
mehr so groſs ist als im Mittelalter. Edrisi (geboren 1099, gestorben
um 1180) rühmt die Stahlgruben zu Kabul und Marco-Polo, der von
1271 bis 1295 seine Reisen in Asien machte, fand bei Kerman Eisen-
gruben und Stahlschmiede. Auch heute noch stehen Afghanistan und
Beludschistan in dem Rufe, daſs sie gutes Eisen erzeugen. Das Vor-
züglichste kommt nach Elphinstone aus Kaschmir und Khorassan.
Morier berichtet, die besten Eisengruben in Iran, nachdem die von
Beck, Geschichte des Eisens. 17
[258]Die Arier in Asien.
Masenderan verlassen seien, wären die von Danbre, im Gebirge Seilam,
Distrikt Karadaph. Das dunkelrote Erz findet sich dort unmittelbar
unter der Oberfläche, es wird sorgfältig auf bereitet und hierauf in einem
Ofen zu einem Klumpen reduziert. Nachdem die Unreinigkeiten und
Schlacken von diesem abgeklopft sind, wird es zu allerhand Kurz-
waren für den gewöhnlichen Gebrauch, als zu Hufeisen, Schnallen,
Bügeln u. s. w. ausgeschmiedet. Aber man bereitet in Persien auch eine
Art Guſsstahl dadurch, daſs man Stabeisen mit Holzkohlen gemengt auf
einem steinernen Roste einschmelzt. Dieser Rost ist von vier Mauern
umgeben, welche zugleich den Schmelzraum über demselben mit ein-
schlieſsen und so eine Art von Tiegel bilden. Der Stahl flieſst durch
die Zwischenräume in den Raum unter dem Roste. In der Umfassungs-
mauer befinden sich die Öffnungen, durch welche der Wind aus den
Handbälgen in den Schmelzraum geführt wird. Es ist dies derselbe
Stahl, von dem Tavernier behauptet, daſs er zu den besten Damast-
klingen nicht zu gebrauchen sei, sondern daſs man dazu den (indischen)
Stahl von Goldkhonda nehmen müsse.


Der persische Stahl hat zu allen Zeiten einen berühmten Namen
gehabt, allerdings nicht allein des einheimischen Produktes wegen,
sondern mehr noch, weil die Perser viel indischen Stahl verarbeiteten
und in den Handel brachten. Der alte und natürliche Handelsweg der
Arier nach Nordwesten war das Thal des Oxus, der in alten Zeiten bis
600 v. Chr. erwiesenermaſsen nicht durch die unwirtsame Steppe nörd-
lich von Kiwah floſs und in den flachen Aralsee sich ergoſs, sondern
südlich von Kiwah direkt westlich dem Kaspischen Meere zuströmte.
Wenn auch der indische Handel aus politischen Gründen zum Teil
südlich aus dem Oxusthale abgelenkt wurde und seinen Weg quer
durch das persische Hochland nach Babylon nahm, so war die natür-
liche Straſse bis zur Oxusmündung doch nie ganz unbenutzt. Zur Zeit
der Römerherrschaft war sie von der gröſsten Wichtigkeit 1). Die
Waren gingen damals von der Mündung des Oxus quer durch das
Kaspische Meer nach der Mündung des Kyros (Kur), sie folgten dem
Thale dieses Flusses aufwärts, worauf sie allerdings noch durch einen
beschwerlichen fünftägigen Landtransport auf Walzen über das Gebirge
geschleppt werden muſsten bis zu der Stelle, wo der Phasis schiffbar
wurde, um endlich auf diesem Flusse nach der gleichnamigen Stadt in
Colchis gebracht zu werden. Auf dieser Straſse, sowie auf der über
Maracanda (Samarkand) sich östlich abzweigenden ging der persische
[259]Die Arier in Asien.
und indische Stahl schon im Altertume wie im Mittelalter nach dem
Norden. Noch heute geht „pulat“, d. h. persischer Stahl, dessen Name
sich in allen nordasiatischen Sprachen eingebürgert hat, auf diesem
Wege nach Norden.


Berühmt ist seit langer Zeit der Stahl und die Stahlarbeiten von
Khorassan. Diese haben ihren Hauptsitz in der Stadt Mesched und ist
dieser Platz besonders bekannt wegen seiner vorzüglichen Schwert-
klingen, welche meist ungeheftet, nicht als fertige Schwerter, sondern
einfach als Klingen in den Handel kommen 1). Der hier verfertigte
Stahl (Fulad-e-Khorassan) wird von alten renommierten Meistern her-
gestellt, welche Nachkommen einer alten Kolonie von Schmieden und
Schwertfegern sein sollen, die Timur aus Damaskus hierher verpflanzt
haben soll, und von denen ein Teil dem Gewerbe der Väter seit jener
Zeit treu geblieben ist. Er steht in hohem Rufe. Indes ist die Zahl
der Werkstätten nicht groſs. A. Conolly giebt uns fünf an. Wir er-
wähnen nebenher, daſs in Mesched auch die Türkise aus den nicht sehr
entfernten Gruben von Nischapur verarbeitet werden, mit denen weit-
hin gehandelt wird. Die Stadt gilt für heilig, wird von den Pilger-
karawanen besucht und versäumen die Pilger nicht, sich Türkis-
schmucksachen als Andenken mitzunehmen.


Nicht minder berühmt sind die Stahlschmiede von Kerman, die
meist indischen Stahl verarbeiten.


Auf der Straſse von Kerman nach Khorassan in der Wüste liegt
die Oase Khubis, woselbst vortrefflich polierte Stahlspiegel hergestellt
werden, die sehr gesucht sind. Auch Schiras und Ispahan sind berühmt
durch ihre Klingen, die indes nicht mit denen von Khorassan und Ker-
man wetteifern können.


Das Nationalschwert der Perser war bekanntlich der breite, kurze,
krumme Säbel, ἀκινάκης (acinaces). Dieser findet sich auf allen Ab-
bildungen aus der Zeit der Herrschaft der Achämeniden. Erst unter
den Sassaniden fand das gerade Schwert der Griechen Eingang. Auf
den Skulpturen von Nakschi-Redscheb 2) ist König Schapur I. an der
Spitze seines Gefolges mit geraden Schwertern dargestellt. Wir wissen
von alten Schriftstellern, daſs es Darius Codomanus war, der unter
groſsem Widerstande die geraden Schwerter als eine Neuerung und
Nachahmung der Griechen einführte. Aus dieser Neuerung weissagten
die Chaldäer den Sturz des Perserreiches. Q. Curtius 3) schreibt:
Darium enim principio imperii vaginam acinacis Persicam jussisse
17*
[260]Die Arier in Asien.
mutari in eam formam, qua Graeci uterentur; protinusque Chaldaeos
interpretatos, imperium Persarum ad eos transiturum, quorum arma
esset imitatus.


Die persischen Waffen, teils aus indischem, teils aus einheimischem
Stahle gefertigt, sind noch heute hoch berühmt, und in der Waffen-
schmiedekunst nehmen die Perser in Asien die erste Stelle ein, welche
hohe Stufe der Technik zum Teil vielleicht noch von der gewaltsamen
Vereinigung aller geschickten Waffenschmiede der unterworfenen Län-
der durch die assyrischen und persischen Eroberer in ihren Haupt-
städten hergeleitet werden darf. Aber, wenn den Persern auch ein
höherer Ruhm wegen der Verarbeitung des Eisens, als wegen der Ge-
winnung desſelben zusteht, so läſst sich doch nicht in Abrede stellen,
daſs in dem ganzen östlichen Gebirgslande Persiens eine angesessene
Eisenindustrie von unbestimmbarem Alter einheimisch ist. In den
Gegenden, die sich vom oberen Indus über Kaschmir, Kabul und Kho-
rassan durch das persische Hochland bis nach Armenien und dem
Schwarzen Meere hinziehen, wird seit alter Zeit Eisen erzeugt.


Die alten Schriftsteller erwähnen das Eisen von Hyrkanien, vom
mitternächtlichen Medien, das Eisen der Parther und der Baktrier.
Von diesen Ländern aus hat sich Gebrauch und Gewinnung des Eisens
nach Westen ausgebreitet und ist deshalb die persische Eisenindustrie
von besonderem Interesse.


Wie die Arier von ihren Ursitzen vom Hindukusch aus südwärts
in das Indusgebiet hinabstiegen und von da ganz Indien eroberten, so
folgten sie westwärts dem Wasserlaufe des Oxus, der durch zahlreiche
Nebenflüsse, die am Nordabhange des Paropamisus entspringen, gespeist
wird. Dieser Wasserlauf endete, wie bereits erwähnt, in jener Zeit,
nicht in dem sumpfigen Boden des Aralsees, sondern er wendete sich
südlich von diesem und nördlich von Khiwa, nachdem er bis dahin in
nordwestlicher Richtung geflossen war, annähernd in einem rechten
Winkel nach Südwesten und ergoſs sich, beinahe 5 Grad südlich seiner
jetzigen Mündung, in das Kaspische Meer. Der Völkerzug folgte dem
südlichen Rande dieses groſsen Binnenmeeres und schob zwischen diesem
und den medischen Bergen dem Schwarzen Meere zu. Das Gebiet
zwischen dem hohen Taurus, der Bergwand des Kaukasus und dem
Pontus Euxinus wurde von ihnen besetzt. Diesen Weg entlang saſsen
die Baktrier, Parther, Meder (Kurden) und Armenier. Ihre arische
Sprache, ihre Sitten und Künste brachten sie in diese Länder mit, vor
allem ihre Kunst der Eisenbereitung und Verarbeitung. Daſs dieser
wichtigste Landhandelsweg von Indien nach Europa schon in frühester
[261]Die Arier in Asien.
Zeit von arischen Völkern besetzt wurde und durch arisches Gebiet
ging, ist für die Kulturentwickelung Europas von gröſster Bedeutung.
Alte Eisenindustrieen finden wir in diesem ganzen Gebiete. Wir haben
der berühmten Schmiede von Ferghana bereits Erwähnung gethan.


In Herat, wie in Samarkand gab es im Mittelalter berühmte
Schwertschmiede, die angeblich durch den Eroberer Timur mit Gewalt
aus Damaskus in diese Städte verpflanzt worden sein sollen.


Doch muſs schon früher das Eisengewerbe hier geblüht haben,
weil nach den chinesischen Annalen der König von Khangiu, d. i. Samar-
kand, bereits im Jahre 713 Tribut von Eisenarbeiten, besonders Panzern
und eisernen Schlössern bezahlt hat. Der persischen Schwertschmiede
zu Mesched in Khorassan und zu Kerman haben wir ebenfalls bereits
Erwähnung gethan. Das Eisen der Meder wird in den Tributlisten der
assyrischen Könige aufgeführt. In der südlichsten Ausbuchtung des
Kaspischen Meeres, in der persischen Provinz Masenderan liegt die
Stadt Amol, die seit alter Zeit durch ihre Eisenarbeiten berühmt
ist 1). Oberst Trezel berichtet darüber 2): „In der Nähe von Amol
leben sehr viele Eisenarbeiter. Die meisten Schmiede finden sich im
Distrikt Nour, am Herchaufer und dessen Zuflüssen. Zwei befreundete
Familien vereinigen sich und bauen einen rohen Ofen mit Blasebalg.
Die eine brennt Kohlen, die andere sammelt in den Fluſsbetten die
lose liegenden Eisenerze. Sind an 16 Zentner derselben zusammen-
gebracht, so giebt die Schmelzung einen Zentner Eisen, das sehr hoch-
geschätzt wird. Es wird in Stücken von 6 bis 8 Pfund in den Handel
gebracht. Der Zentner kostete damals 15 Franken. Aber nur von
Oktober bis Mai wird die Arbeit der dreiſsig Schmelzöfen, die zugleieh
im Gange sind, verrichtet. Das auſserdem noch mangelnde Eisen wird
von den Russen eingeführt, das einheimische Produkt wird aber bis
Bagdad, Damaskus und Mosul ausgeführt. An letzerem Orte soll der
Zentner dieses Eisens mit 60 Franken bezahlt werden.“


Zahlreich sind die Bergwerke in Kurdistan und ein klassisches
Gebiet für die Metallurgie ist Armenien. In diesem lagen die Gebiete
der Moscher, der Tibarener und der Chalyber. Dieses ist das Land Tubal,
mit dem das Tyrus des Propheten Ezechiel handelte, es sind dieselben
Länder, aus denen die Könige Assyriens Tribut von Metallen, insbesondere
von Eisen bezogen. Nördlich von Armenien lagen Iberien und Colchis,
am Südabhange des Kaukasus, beide frühe berühmt wegen ihrer Metall-
schätze. Bei der Geschichte der Ägypter haben wir bereits des „Eisens
[262]Die Arier in Asien.
des Nordens“ Erwähnung gethan, ebenso haben wir denselben Ausdruck
in den heiligen Schriften der Juden wiedergefunden und wir haben
schon dort darauf hingewiesen, daſs dieses Eisen des Nordens wohl aus
diesen Gebieten entstammt sei. Die Chalyber galten den Griechen als
die Erfinder des Stahls, der Name dieses Volkes wurde ihnen sogar
zur Bezeichnung für den Begriff Stahl. Das Wort Χάλυψ ist von dem
Volke der Chalyber hergeleitet. Die älteste Nationalsage der Griechen,
der Argonautenzug, spielt in dieser Gegend. Der Zweck dieses Kriegs-
zuges war, das kostbare, goldene Flieſs zu holen. Dies deutet auf uralte
Handelsverbindungen Griechenlands mit dieser südöstlichen Ecke des
Schwarzen Meeres, die berühmt war durch ihren Metallreichtum. Die
Hafenstädte jener Gegend lagen an den Endpunkten der wichtigsten
Landhandelsstraſse von Indien nach Europa. Homer nennt Alybe das
Land, wo des Silbers Geburt ist. (Τηλόϑεν ἐξ Ἀλυβης, ὅϑεν ἀργύρου
ἐστὶ γενέϑλη: Fern von Alybe her, allwo des Silbers Geburt ist.) Ebenso
schreiben spätere Schriftsteller den Chalybern die Erfindung des Erzes zu.
Wir werden aus dem folgenden ersehen, daſs alle diese Überlieferungen
eine gewisse Berechtigung haben. Um die Hauptstadt Groſsarmeniens
um Erzerum, dem alten Arzen (Arzes) ist dieser Metallreichtum aus-
gebreitet. Schon Marko Polo erwähnt der Silbergruben dieser Gegend.
Vierzehn Stunden von Erzerum liegt 1) die Bergwerkstadt Gumichkhana,
d. h. Silberhaus auf dem Granitrücken Gumisch-Dagh, d. h. Silberberg.
Trotz der schlechten Bearbeitung galten diese Gruben bis vor kurzer
Zeit noch als die wichtigsten Silberbergwerke, ja für die hohe Schule
des Grubenbaues und Hüttenwesens in Kleinasien 2). Weiter südlich,
an der Vereinigung der beiden Hauptarme des Euphrat, da wo das
alte Dascusa lag, sind eine halbe Stunde vom Strome entfernt die
Silberbergwerke von Kjeban-Maaden. Dort sind eben noch 3) 400 bis
500 Familien mit Silberbergbau beschäftigt. Es sind zumeist Griechen
aus der Gegend zwischen Trebisonde und Gumischkhana, daneben Ar-
menier und Türken. Die eigentlichen erblichen Grubenhäuer sind
Griechen. Hütten und Gruben sind in elendem Zustande, hauptsächlich
infolge der schlechten Holzwirtschaft in der Türkei, denn der Wald
gehört in der Türkei Niemand, d. h. Jedermann. Bedeutend sind ferner
die Silberminen Maaden-Gomüsch bei Arghana am oberen Tigris, die
jährlich 13000 Pfund Blei, 1000 Pfund Silber und 130 Pfund Galmey
abwerfen sollen. — Im Gebiet der Tigrisquellen liegen auch die be-
[263]Die Arier in Asien.
rühmten Kupfergruben Maaden-Kapur, südlich von Palu (bei dem
Arsinia der Alten 1).


Das wichtigste und verbreitetste Metall in diesen Gegenden ist aber
das Eisen. Dessen Erze finden sich überall, sowohl in den Quellgebieten
des Euphrat und Tigris, als an dem Nordabhange des Arrarat und des
hohen Taurus. Das wichtigste Gebiet für die Geschichte ist das der
Chalyber. Schon Äschylos (um 500 v. Chr.) nennt die Heimat der
Chalyber „das Mutterland des Eisens“ 2). Die Chalyber selbst nennt
er stets „die Eisenschmiede“ und schildert sie als ein ungeschlachtes
Volk, das den Fremden unzugänglich ist 3). Xenophon berichtet, daſs
beinahe der ganze Stamm von der Eisenbereitung lebte 4). Ob die
Chalyber reine Arier waren, ist zweifelhaft. Wie dort heutzutage Türken,
Griechen und Armenier durcheinander wohnen, so scheint die Bevölke-
rung auch im Altertume bereits infolge des ausgebreiteten Handels
sehr gemischt gewesen zu sein. Auffallend ist es, daſs Strabo die Cha-
lyber Chaldäer nennt. Wahrscheinlich spielte das semitische Element
sowohl durch den Handel mit Syrien, als durch die Eroberung durch
Assyrien früh eine wichtige Rolle in diesen Gegenden. Es ist von höch-
stem Interesse, daſs wir über die Eisengewinnung der Chalyber eine
sehr alte Schilderung haben und zwar von niemand Geringerem, als
dem groſsen Stagiriten. Aristoteles erzählt 5), daſs die Chalyber das
Erz aus dem Gerölle der Flüsse wuschen und das Eisen daraus in
einfachen Herden ausschmolzen. Wollten sie aber ein reineres Eisen
(Stahl) erhalten, so wuschen sie das Erz wiederholt und verschmolzen
es dann unter Zusatz des Steines Pyrimachus, der sehr häufig bei ihnen
gefunden wurde. „Diese Art Eisen ist viel glänzender und wenn es
nicht bloſs durch ein Feuer und in einem Herd gereinigt
wird
, ähnelt es dem Silber. Nur dieses Eisen rostet nicht, wird aber
in weit geringerer Menge erhalten.“ Die Stelle ist so wichtig, daſs
wir sie wörtlich folgen lassen:


Λέγεται δὲ ἰδιωτάτην εἶναι γένεσιν σιδηρόυ τοῦ Χαλυβικοῦ καὶ
τοῦ [Μυσικοῦ]. συμφύεται γὰρ ὥς γε λέγουσιν ἐκ τῆς ἄμμου τῆς κατα-
φερομένης ἐκ τῶν ποταμῶν. Ταύτην δὲ οἱ μὲν ἁπλῶς φασι πλύ-
ναντας καμινεύειν. οἱ δέ, την ὑπόστασιν τὴν γενομένην ἐκ τῆς πλύσεως
πολλάκις πλυϑεῖσαν συγκαίειν. παρεμβάλλειν δὲ τὸν πυρίμαχον καλού-
μενον λίϑον. εἶναι δὲ ἐν τῇ χώρᾳ πολύν. οὗτος δ̕ ὀ σίδηρος πολὺ
τῶν ἂλλων γίνεται καλλίων. εἰ δὲ μὴ ἐν μιᾷ καμίνω ἐκαίετο, οὐδὲν
[264]Die Arier in Asien.
ἂν ὡς ἔοικε διέφερε [τοῦ] ἀργυρίου. μόνον δέ φασίν αὐτόν ἀνέωτον
οὐ πολὺν δὲ γίνεσϑαι.


„Es wird berichtet, daſs die Erzeugung des chalybischen, wie des
mysischen Eisens eine ganz besondere sei. Es (das Erz) bildet sich,
wie man sagt, aus dem Sand, der aus den Flüssen herabgeschwemmt
wird. Dieses, sagen die einen, wasche man einfach und schmelze es
dann. Die anderen aber sagen, daſs sie die von dem Waschen zurück-
bleibende Masse nach wiederholtem Waschen zusammenschmelzen;
dazu werfen sie den Stein, der Pyrimachus genannt wird. Dieser Stein
soll im Lande viel vorkommen. Auf diese Art wird ein Eisen erzeugt,
welches im Vergleich mit anderem viel glänzender (schöner) ist, und
wenn solches nicht durch ein Feuer allein ausgeheizt wurde, so unter-
schied es sich, wie es schien, gar nicht von dem Silber. Es allein aber
soll rostfrei, freilich in nicht groſser Menge sein.“


Diese Schilderung des Aristoteles giebt zwar keine ausreichende
Erklärung der metallurgischen Erzeugung des chalybischen Stahles,
immerhin ist sie von groſsem Interesse nicht nur ihres Alters und ihrer
Zuverlässigkeit wegen, als auch, wenn wir sie mit den Schilderungen
neuerer Reisenden, welche diese Gegend besucht haben, vergleichen.
Dagegen müssen wir uns ganz entschieden gegen die Annahme Karstens
aussprechen, der die Hypothese aufstellte, diese Stelle beziehe sich auf
einen Floſsofenbetrieb mit nachfolgendem Frischprozeſs, sowie ferner,
daſs unter dem glänzenden Eisen (καλλίων σίδηρος), Spiegeleisen ge-
meint sei. Spiegeleisen hat weder die Eigenschaft, daſs es nicht rostet,
noch hatte es, vorausgesetzt, daſs die Alten es überhaupt hätten dar-
stellen können, für diese irgend einen Wert, da es sich nicht ver-
schmieden läſst. Hier kann nur Stahl gemeint sein. Nur dieser hat
die Eigenschaft, dem Roste mehr zu widerstehen, wie auch nur dieser
als ein besseres Eisen vom Standpunkte des Eisenschmiedes aus an-
gesehen werden konnte. Auch das sorgfältige, wiederholte Ausheizen,
das Aristoteles erwähnt, läſst sich am besten auf Stahl beziehen.
Über weitere Mitteilungen des Aristoteles, die ebenfalls die Annahme,
daſs hier von der Herstellung des Stahles die Rede sein muſs, unter-
stützen, werden wir später bei der Geschichte der griechischen Eisen-
industrie zu sprechen Gelegenheit haben. Sehr bemerkenswert ist es
aber, daſs die Schilderungen neuerer Reisenden ganz in Übereinstimmung
sind mit dem schlichten Berichte des Aristoteles. W. Hamilton war
es, der 1837 das Land der Chalyber besuchte und die alte vererbte
Industrie wieder auffand. Dort, an jener denkwürdigen Küste, wo noch
das Vorgebirge Jasun Burun den Namen des Führers der Argonauten
[265]Die Arier in Asien.
trägt, wo noch in dem Namen der Stadt Kerasun, der Name des alten
Eisenmarktes Kerasia, der den späteren, aus der klassischen Zeit
stammenden Namen Pharnacia überdauert hat, dort, wo noch so
manches an die Schilderungen Xenophons, an die Mossynöken, Tiba-
renern und Chalyber erinnert, dort besuchte er von Ünieh, dem antiken
Oenoï aus die Demir Máaden, die Eisengruben der Chalyber 1). Wir
lassen die Schilderung W. Hamiltons (Researches in Asia minor Vol. I,
p. 275 bis 280) nach Ritters Übersetzung folgen:


„Zwei Stunden weit gegen Süd-Südost der Stadt, erfuhr der Reisende,
sollte es Eisengruben geben. Pferd und Führer geleiteten ihn durch
ein Felsenthal aus Kalkstein zur Berghöhe, wo viele schwarze Zelte
von Turkomanen und Kurden standen, deren Bewohner in der Nähe
hausen sollten. Ein Weib zeigte den Weg durch ein dickes Wald-
gebüsch zu einer rohen Schmiede und Hütte aus Baumzweigen. Zwei
Männer breiteten einen Teppich aus und luden zum Sitzen ein.
Auf den Wunsch, von ihnen zu erfahren, wo die Eisengruben lägen,
antworteten sie, es gäbe keine, aber Eisenerz finde man überall. Sie
kratzten auf der Stelle nur weniges die Erde auf und fanden sogleich
einen Eisenerzknollen. In dieser Art scheint alles Erz daselbst vor-
zukommen. Der Boden ist ein dunkelgelber Thon oder Lehm (clay),
der 2 bis 3 Fuſs mächtig den Kalkfelsen überlagert und tiefer auch in
seine Löcher hinabsinkt. Das Erz ist nur arm, die Schmelzer gleich
den alten Chalybern, mögen ein ziemlich hartes und mühsames Leben
führen. Sie sind alle zugleich Kohlenbrenner, für ihren eigenen Ge-
brauch. Ist eine Gegend an Holz und Erz erschöpft, so schlagen sie
ihre Hütten von Baumzweigen an einer anderen Stelle auf.“


So ist das primitive metallurgische Leben dieser heutigen Berg-
und Waldbewohner gewiſs sehr ähnlicher Art dem der frühesten Zeiten
gewesen, die Apollonius Rhodius 2) und andere so frappant beschrieben
haben. Auch Virgil (Georg. I, 58) spricht von den nackten Cha-
lybern, die ihr Eisen schicken und Strabo (XII, 549) von den dicht an
das Meer grenzenden Bergen der Chalyber (zu seiner Zeit Chaldäer
genannt), die früher an Silber, zu seiner Zeit aber an Eisen reich waren
(Dionys, Perrieg 768 bis 859 und Eustath, Comment u. a.). Dennoch
wurden längere Zeit die Chalyber für eine poetische Fiktion der Ilias
und der Argonautensänger gehalten, bis sie in ihrer, dem hohen Alter-
tume auf das merkwürdigste entsprechenden Existenz in der Gegen-
wart von dem trefflichen Beobachter nachgewiesen werden konnten.
[266]Die Arier in Asien.
Nach seiner näheren Erkundigung ist das Vorkommen des Eisens und
seine Gewinnung durch den rohesten Menschenschlag noch heute so
wie damals, ein ebenso mühsames, als einfaches Gewerbe, und das
Produkt ebenso vorzüglicher Art, wohl wert, daſs der Chalybs, der Stahl,
davon seinen Namen erhalten konnte. Das Erz wird in einer gemein-
samen Schmiede geschmolzen, darin 180 Oken des rohen Erzes 3 Bat-
man 1) (ein persisches Maſs von 36 Pfund) Metall geben, in Luppen,
deren jede 6 Oken oder 13½ Pfund wiegt, wozu 300 Oken Holzkohlen
notwendig sind und doch nur 10 Proz. Ausbringen geben. Das Gebläse
muſs 24 Stunden unterhalten, dabei das Erz immer umgerührt und von
seinen Schlacken befreit werden, worauf das ausgeschmolzene Eisen
sich auf dem Boden zusammenfindet. Nach der Probe, die Hamilton
sah, schien es von guter Qualität zu sein. Leider machte der Mangel
eines Dolmetschers genauere Erkundigung unmöglich; alles Eisen wird
nach Konstantinopel geschifft, wo es vom Gouvernement sehr gesucht ist.


Wie die Gewinnung des Eisens im Gebiete der Chalyber und in
Nordarmenien überhaupt uralt ist, so verhält es sich auch mit der
Verarbeitung. Freilich sind die alten Städte, in denen diese Industrie
blühte, teils verschwunden, teils zu armseligen Dörfern herabgesunken,
aber andere sind entstanden, in denen sich das alte Gewerbe forterhalten
hat. Unter diesen ist die gröſste, wichtigste und interessanteste Erzerum,
die Hauptstadt Groſsarmeniens. Erzerum 2) hat seinen Namen von
dem arabischen Arzen-er-Rum, d. h. die Stadt der Römer, denn es war
die östlichste Hauptstadt des römischen Reiches in Armenien und es
hieſs so im Gegensatze zu der syro-armenischen Stadt Arzen, die 1049
von den Seldschuken zerstört wurde. Im Munde der Eingeborenen
erhielt sich aber ihr älterer Name Garin, wie der ganze Distrikt, in
dem es lag, von Alters her hieſs. Noch weniger hat sich der hoch-
offizielle Name Theodosiopolis einbürgern und erhalten können, mit
dem es die byzantinischen Kaiser im Jahre 415 belegten, nachdem es
mit starken Befestigungen umgeben worden war. Die günstig gelegene
Stadt wurde früh ein Mittelpunkt des Verkehres für Hocharmenien.
Im 11. Jahrhundert war es ein wichtiges Emporium in Vorderasien.
Bei seiner Belagerung und Zerstörung sollen 140000 Bewohner den
Tod gefunden haben. Diese Seelenzahl soll es nach Tourenfort noch
um 1700 gehabt haben und zwar bestand diese hauptsächlich aus Ein-
geborenen, aus Griechen und aus armenischen und syrischen Handels-
leuten. Die griechischen Bewohner waren zahlreich, aber sehr arm,
[267]Die Arier in Asien.
sie besaſsen nur eine Kirche und einen Bischof und durften nur in der
Vorstadt wohnen, wo sie vorzüglich das Schmiedehandwerk in Eisen,
Kupfer und Erz betrieben. Von Kesselschmieden und Kesselflickern
war ein unaufhörliches Gehämmer. Ihr Kupfergeschirr ging durch die
ganze Türkei, durch Persien und selbst der Groſsmogul von Indien
bezog seinen Bedarf von da. Andererseits bildete Erzerum einen
wichtigen Stapelplatz für indische Waren. Diese Schilderung entspricht
noch den heutigen Verhältnissen, Hamilton 1) bestätigt es, daſs die
Eisen- und Kupferschmiede in Erzerum besonders zahlreich seien und
daſs ihre Arbeiten durch die ganze Türkei berühmt seien. Kupfer und
Erz verarbeiteten sie insbesondere zu Trinkbechern, Lampen und
allerlei Hausgerät, von Eisen fertigen sie vornehmlich Hufeisen, mit
denen sie ganz Persien versehen und Waffen, zumal Schwerter von
vorzüglicher Güte. Auf eine uralte Schmiedefamilie, die Yedi-Kardasch,
d. h. die sieben Brüder genannt wird, ist vor allem der gröſste Künstler-
ruhm im Waffenschmiedehandwerke vererbt. Unter dem lebendigen
Eindrucke dieser alten und bedeutenden Metallindustrie schreibt Carl
Ritter: „Man kann nicht umhin in diesem Lande Japhets und Thubal-
kains, des ersten Meisters in allerlei Erz und Eisenwerk 2), auch des
Silberreichtums von Alybe am Pontus 3), wie der kriegerischen Chalyber
neben den Chaldäern bei Xenophon 4) zu gedenken, die eben da wohnen,
wo die Eisen und Stahl bereitenden Chalyber bei Strabo an der Nord-
grenze von Armenien 5) am Pontus sitzen, von denen die Griechen dem
Stahle den Namen (Χάλυψ) gaben und deren eisenreiche Thäler am
Pontusgestade, am Kap Jasonium zwischen Kerasun und Samsun bis
zum Thermodon, wo das dort bis heute noch fortbestehende ‚Volk der
Schmiede‘ durch W. Hamilton 1837 wieder aufgefunden worden ist 6),
und von denen aus ihre alt ausgeübte Kunst sich schon sehr früh zu
den Nachbarstädten des Hochlandes verbreitet haben muſs.“


Andere Städte in Armenien und Georgien (dem alten Iberien)
nehmen an der Verarbeitung des vorzüglichen Stahles besonders zu
Waffen Teil, so z. B. Tiflis, Akhlat am Vansee. Die Waren werden auf
die Bazars nach Aleppo, Bagdad, Mosul, Basra und Damaskus gebracht,
während sie von Trebisonde aus über das Meer verschifft werden.


Die eisernen Waffen der Kurden und Tscherkessen sind berühmt.
Besonders sind es die kunstvollen Schuppenpanzer der vornehmen
[268]Die Arier in Asien.
Kurden, die als Muster der Schmiedekunst gelten können. Diese
Waffenstücke werden hoch in Ehren gehalten und vererben von dem
Vater auf den Sohn. Ker Porter besuchte zu Sauk-Bulack einen
kurdischen Fürsten des Mikristammes, dessen Bewaffnung, die einer
vollständigen Ritterrüstung des Mittelalters, sowie den Rustemskulpturen
zu Tak-i-Bostan entsprach, er schildert. Von vorzüglicher Arbeit
war der Schuppenpanzer, dessen Glieder und Schuppen trefflich ge-
nietet, glänzend poliert und ornamentiert waren, indem auf jede Schuppe
eine kleine Rose in Silber bossiert war. Die Helmkappe war aus
damasziertem Stahle hergestellt, mit Nasenmaske und vergoldetem Visier
zum Aufschieben, der Helmbusch bestand aus Reiher- und Pfauenfedern.
Zur Rüstung gehört ein Schild. Die Trutzwaffen bestehen aus Schwert,
Dolch, Bogen und Speer. Edle Kurden im Waffenschmucke pflegen
bei den Paraden des Schah von Persien zu erscheinen 1). Der gemeine
Kurde ist einfacher ausgerüstet. Die Nationalwaffe, die auch der Ärmste
trägt, ist eine mit Knoten versehene Holzkeule. Diese Knoten pflegt
man mit eisernen Nägeln zu beschlagen und bildet dann diese Keule
eine furchtbare Waffe. Eine sehr alte und höchst interessante Waffen-
sammlung mit Waffen, die zum Teil noch aus der altpersischen Zeit
gestammt haben sollen, besuchte Kaplan Moundrell im Jahre 1699 in
der Festung Bir am oberen Euphratthale 2). Leider scheint sie nicht
mehr zu existieren, wenigstens konnten spätere Reisende über ihren
Verbleib nichts mehr erfahren.


Um die Schilderung der Metallindustrie Armeniens vollständig zu
machen, fügen wir zum Schluſs auch noch einen Bericht über die
Kupfergewinnung bei.


Das Kupfer, welches die Schmiede in Erzerum verarbeiten, kommt
hauptsächlich aus den berühmten Kupferbergwerken von Maaden-Kapur
im Gebiete der Tigrisquellen 3). Von den 4000 Bewohnern der Berg-
mannsstadt sind etwa ein Drittel Griechen und Armenier und zwei
Drittel Türken. Die Zugänge zu den Gruben geschehen durch Schächte,
von denen aus Strecken auf dem Erzlager aufgefahren werden. Diese
Strecken sind so niedrig, daſs die Arbeiter mit dem Erze auf dem
Rücken hindurchkriechen müssen. Die meisten von den Berg- und
Hüttenarbeitern sind griechischer Abkunft. Sie tragen als eine Aus-
zeichnung einen roten Fez oder Turban. Ein Generaldirektor, Maaden-
Emini, der die Werke vom Sultan gepachtet hat, leitet das Ganze.
Die Ausbeute soll etwa 8000 Zentner betragen. Früher waren die
[269]Die Arier in Asien.
Gruben weit ergiebiger. Zu Otters Zeit um 1740 standen hier 400
Schmelzöfen, während Dupré nur 12 Öfen fand, die nicht einmal alle
im Betriebe waren. 4500 Batman Erz (à 10 kg) geben 1000 Batman
Rohkupfer, das in 100 Scheiben von je 10 Batman Gewicht gegossen
wird. Diese kommen in den Handel. Es wird zur Reinigung nach
Diarbekr, Erzerum, Trebisonde und Tokat gebracht. Bei dieser erleidet
es einen weiteren Schmelzverlust von 15 bis 20 Proz. Am besten soll
das gereinigte Kupfer von Trebisonde sein, das teuer bezahlt wird.
Das Kupfer von Maaden-Kapur, das von den vielen Kupferschmieden
von Erzerum und Tokat verarbeitet wird, versieht einen groſsen Teil
des Orients mit Kupferwaren. Fast alles Kupfergeschirr, was in Kon-
stantinopel, Kleinasien, Syrien, Mesopotamien bis Bagdad, Bassora und
Persien in Gebrauch ist, stammt aus dieser Quelle.


[[270]]

Turanier und Mongolen.


Skythien, Turkmenien, Sibirien, China, Japan.


Wir haben die Schilderung der Eisenindustrie Armeniens an die
Geschichte der Arier angeknüpft, weil die älteste Bevölkerung, die in
historischer Zeit in jenen Gegenden herrschend war, dieser Völker-
familie angehört hat. Aus unseren Mitteilungen geht aber bereits her-
vor, wie gemischt die Bevölkerung Armeniens ethnographisch ist und
wie zahlreich die semitische, griechische und türkische Einwanderung
war. Ähnlich sind die Verhältnisse in ganz Kleinasien und es ist
schwer, die Bewohner der einzelnen Provinzen der einen oder der
anderen Völkerfamilie ausschlieſslich zuzuschreiben. Auch die Turko-
manen bilden einen nicht unbedeutenden Prozentsatz dieser Bevölkerung
und sie sind es gerade, die im mittleren und südlichen Kleinasien
sich mit der Metallgewinnung beschäftigen. Mögen diese Bergwerke,
namentlich im Antitaurus, schon vor ihrer Einwanderung bestanden
haben, so hielten wir es doch für richtiger, die Schilderung des Betriebes
nicht hier anzureihen, was aus geographischen Gründen vielleicht hätte
erwartet werden können, sondern sie im Zusammenhange mit der Ge-
schichte der Metallindustrie der turanischen Völkerfamilie — den
Skythen der Geographen des klassischen Altertums — zu behandeln.


Die turanische Völkerfamilie hat ihre ursprüngliche Heimat
am Nordrande von Hochasien, im Altai, weswegen man sie auch als
altaische bezeichnet. Zu ihr gehören die tungusische Völkergruppe im
nordöstlichen Asien, zu denen die Dauren gehören, die mongolische
Gruppe in Hochasien, zu denen die Kalmücken und Burjäten gerechnet
werden, die türkisch-tatarische Gruppe, welche in Westasien aus-
gebreitet ist und die wieder in drei Unterabteilungen geteilt wird, zu
deren erste neben anderen Stämmen die Asbeken, Turkomanen und
[271]Turanier und Mongolen.
kasanischen Tataren gehören, zu der zweiten werden die Kirgisen,
Baschkiren, Jakuten und mehrere tatarische Völker Sibiriens gezählt,
dann kommen die eigentlichen Türken oder Osmanen. Eine vierte
Gruppe bilden die Samojeden im hohen Norden von Asien und endlich
eine fünfte, die zersplitterte finnische Gruppe, zu der insbesondere die
Finnen und die Magyaren gehören, die den europäischen Kulturvölkern
am nächsten stehen.


Die turanischen Völker sind vielfach geteilt in Stämme, Horden
und Fürstentümer, die sich untereinander befehden und höhere
gemeinschaftliche Ziele nicht kennen. Demungeachtet haben sie
wiederholt unter der Leitung thatkräftiger Herrscher sich in gröſsere
Verbände zusammengeschlossen und die Grenzen ihrer Wohnsitze
erobernd und verheerend überschritten. Solche verheerende Kriegszüge
turanischer Völkerschaften wälzten sich nach Osten in das chinesische
Reich, wie nach Westen über Persien, Syrien, Kleinasien und das öst-
liche Europa. Wir erinnern nur an den siegreichen Zug der Skythen
im siebenten Jahrhundert v. Chr., der der assyrischen Herrschaft den
Todesstoſs gab, Syrien und Kleinasien überflutete; an den Zug der
Hunnen, der die Veranlassung der Völkerwanderung wurde, an die
Kriegszüge Dschingiskhans und Timurs, und endlich an die Kriegszüge
der Osmanen.


Unzweifelhaft ist die Geschichte der turanischen Völkerfamilie
nicht minder alt als die der semitischen und arischen, aber wir haben
hier Völker vor uns, die aller historischer Aufzeichnungen, selbst aller
Denkmale zum Gedächtnis ihrer Thaten und Erlebnisse entbehren.
Deshalb ruht ihre Geschichte auf unsicherer Grundlage und bleibt
vielfach hypothetisch. Sprachforscher und Ethnologen sind geneigt,
der turanischen Völkerfamilie ein ganz besonders hohes Alter zu-
zuschreiben und ihnen eine hervorragende Rolle in prähistorischer Zeit
zu vindizieren. Besonders sind es die französischen Sprachgelehrten
D’Eckstein und Lenormand 1), welche diese Ansicht vertreten. Von
diesen rührt auch das Gleichnis her, die turanischen Völkerzüge seien
in ethnologischer Beziehung wie eine ältere, geologische Formation
anzusehen, die von den arischen und semitischen Stämmen überdeckt
sei. So geistreich und bestechend dieses Bild sein mag, so darf man
doch nicht vergessen, daſs zwischen lebenden Völkern und toten Ge-
birgsschichten stets ein wesentlicher Unterschied bestehen bleibt. Die
abgelagerte Formation ist etwas Abgeschlossenes, Vergangenes, eine
[272]Turanier und Mongolen.
Völkerfamilie ist etwas sich Fortentwickelndes, Lebendiges und wie wenig
man voraussagen kann, welche Entwickelung Zweige einer solchen
Völkerfamilie nehmen können, ersieht man an keiner Rasse deutlicher,
als an der turanischen, aus der sich so verschiedene Völkerschaften,
wie das herrschende Volk Chinas, die Türken, die Magyaren und die
Finnen zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Einflüssen
abgezweigt haben. Der Grund, weshalb namentlich die Sprachgelehrten
geneigt sind, den Turaniern diese Rolle der älteren Völkerfamilie zu-
zuschreiben, liegt besonders darin, daſs, wie wir bereits erwähnt haben,
vor der semitischen Invasion im Euphratlande dort schon eine ältere,
turanische Bevölkerung, die auf einer relativ hohen Stufe der Civili-
sation stand, vorhanden gewesen zu sein scheint. Die genannten
Sprachgelehrten nehmen an, daſs die Semiten, neben mancherlei Kennt-
nissen und Künsten, die Schrift von der turanischen Urbevölkerung
angenommen haben. Nach der Annahme Lenormands hatten die
Turanier die ältere Bevölkerung vom unteren Euphrat an östlich bis
zum Paropamisus und dem Belur-Dagh gebildet und von da nordwärts
bis nach Turkestan. Sie seien erst von den Kuschiten, später von den
Ariern aus diesen Gebieten verdrängt worden. So sei Medien im achten
Jahrhundert v. Chr. noch turanisch gewesen. Auch die Urbevölkerung
von Armenien, die Nachkommen von Mesech und Thubal, die Chalyber,
Tibarener und Mossynöken hätten dieser Familie angehört. Die
Sprachuntersuchung hat ergeben, daſs die turanischen Sprachen sehr
früh fixiert waren und daſs die Trennung der abgezweigten Stämme
vor sehr langer Zeit geschehen sein muſs. Diese Annahme des hohen
Alters der Turanier wird bestätigt durch die Angabe des Justinus, der
aussagt, daſs die Skythen in ältester Zeit 50 Jahrhunderte lang West-
asien beherrscht hätten. Daſs turanische Völker am unteren Euphrat
vor den Semiten ansäſsig waren, ist durch die Entzifferung der Keil-
inschriften als erwiesen zn betrachten. Das turanische Gebiet von
Susa hatte eine ältere Kultur als Mesopotamien und hieſs bei den
Chaldäern „das alte Land“. Es sind besonders die Susianer, Aphar-
säer und Akkadier, die zu den Turaniern gerechnet werden. Auf
die chaldäische Kultur übte das letztgenannte Volk den gröſsten Ein-
fluſs. Auch die Stämme von Atrapadene in Kleinasien und die
Anaricae (Nichtarier) am Kaspischen Meere rechnet Lenormand zu den
Turaniern.


Beachtenswert ist der Kultus der unterirdischen, metallspendenden
Götter, der den turanischen Völkern gemeinsam und für sie charakte-
ristisch ist.


[273]Turanier und Mongolen.

Ein hohes Interesse für die Gewinnung und Verarbeitung der
Metalle geht wie ein Familienzug durch alle Stämme turanischer
Abstammung. Diese metallurgischen Bestrebungen hatten ihren
Urgrund wahrscheinlich in der gemeinschaftlichen Heimat, in dem
Teile des Altaigebirges, welches das reichste Erzrevier der ganzen alten
Welt ist. So sind auch die metallurgischen Götter bei den Turaniern
die angesehensten und höchsten, während dieselben Götter nach ihrem
Übergange in die Mythologie anderer, fremder Völkerfamilien teils
eine untergeordnete, teils geradezu eine verachtete Stellung einnahmen.
D’Eckstein hat treffend nachgewiesen 1), wie einerseits die hohe Aus-
bildung der Magie, andererseits die hohe Entwickelung der Metallurgie
die charakteristischen Züge der turanischen Familie bildeten. An diese
knüpfte sich ein Cyklus mythologischer Vorstellungen. Nach ihrer eige-
nen Tradition, wie nach den Berichten stammesfremder Schriftsteller
sind sie die vorzüglichsten Metallarbeiter, die Verehrer der Götter des
Bergbaues und der Schmiedekunst. Unter diesen Bildern erschienen jene
antiken Götter der Phantasie derjenigen Völker, die als Eroberer sie
verdrängten und zurücktrieben, — jene alten Gottheiten, die als Hüter
verborgener irdischer Schätze für die späteren Völker zu bösen Geistern
und eifersüchtigen Schatzhütern werden, wie die Gnomen und Ko-
bolde, — jene zwergähnlichen Wesen, die in jeder Volksmythologie
vorkommen. Die Türken, wie die Mongolen versetzen ihre Wiege und
ihr Paradies in ein unbekanntes Thal im Altai, das rings von eisen-
reichen
, unübersteiglichen Bergen umschlossen war, aus dem sie sich
nur mit Hilfe eines Schmiedefeuers einen Ausweg bahnen konnten.
Das Fest dieses Ereignisses, d. h. das Fest der Entdeckung des Eisens,
wird jährlich bei den Mongolen gefeiert und die ältesten chinesischen
Berichte über die turanischen Stämme im Norden erzählen schon von
ihrer Geschicklichkeit in der Verarbeitung des Eisens.


Bei den Finnen, den Livländern und Esthen 2), sowie bei allen
Völkern des Urals, welche zu dieser Gruppe gehören, treffen wir als die
ersten Gewerbe die Schmiedekunst und Weberei. In den religiösen
Erinnerungen nehmen jene, welche sich um die Metallurgie drehen, den
ersten Platz ein. Bei den Finnen handelt eine der ersten Mythen von
der Entstehung des Feuers. Ihre poetischen Sagen erwähnen aus-
drücklich und wiederholt des Goldes und des Eisens, während das
Kupfer nicht genannt wird. Ihr Vulkan (Hephästos), Ilmarinen, schuf
sich aus Gold sein erstes Weib. Aus der Sprache dieser Völker haben
Beck, Geschichte des Eisens. 18
[274]Turanier und Mongolen.
die Litauer und Slaven ihren Namen für das Eisen entnommen und
vermutlich wurden sie auch von diesen mit dem Gebrauche dieses
Metalles zuerst bekannt gemacht. Zur ugro-finnischen Gruppe rechnet
Lenormand die Tschuden, jenes verschwundene Metallvolk, das vor
unbekannter Zeit die Schätze des Altai ausbeutete. Ehe wir auf diese
näher eingehen, wird es am Platze sein, das anzuführen, was die
Griechen und Römer über die Turanier berichtet haben.


Alle die zahlreichen Stämme, die teils mongolischer, teils tatarischer
Rasse, teils Mischvölker beider sind und die längs des Nordrandes des
groſsen, asiatischen Plateaus vom Amur bis zur Wolga sich ausdehnten,
faſsten die Griechen zusammen unter der generellen Bezeichnung der
Skythen. Diese Stämme waren damals schon ebenso verschiedenartig
wie heute, und lebten in derselben bunten Vermischung ohne hervor-
tretendes politisches oder nationales Streben nebeneinander. Die
Griechen behandelten Geographie und Naturgeschichte des riesigen
Landes der Skythen sehr summarisch, Herodot berichtet, der Winter
dauere bei ihnen acht Monate, Hanf wüchse wild und Eisen gäbe es
im Überfluſs
. Diese Nachrichten bezogen sich zunächst nur auf die
Skythen, mit denen die Griechen in Handelsverbindung standen, also
auf die nördlich vom Schwarzen und Kaspischen Meere Ansässigen.


Das eine geht mit Bestimmtheit aus den Nachrichten der Alten
hervor, daſs die Skythen das Eisen bereits kannten und benutzten, als
die Griechen mit ihnen in Verbindung traten und daſs sie sich das
Eisen selbst darstellten. Nach Herodots Angabe 1) beteten sie sogar
einen „alten eisernen Säbel als Gott an und brachten ihm Blutopfer
dar“. Wenn dieses Eisenschwert auch wohl nur ein Symbol war, so
spielte doch bei allen Stämmen, die aus dem tatarisch-mongolischen
Nordasien hervorbrachen, das Schwert eine wichtige, religiöse Rolle.
So ging beispielsweise bei den Hunnen die Sage, der Kriegsgott habe
ein Schwert auf die Erde geworfen, wer dies fände, würde der Mäch-
tigste auf Erden. Als nun ein Hirte ein Schwert, welches er beim
Graben auf dem Felde gefunden hatte, dem Attila brachte, erklärte
dieser die alte Prophezeiung für erfüllt und reizte durch dieses Mittel
die Hunnen zum Kriege. Der Missionär Rubruquis erzählt, der Er-
oberer Dschingiskhan sei ein Eisenschmied gewesen. Auch Timurs
Name, der das Eisen bedeutet, hatte einen bildlichen Sinn. Häufig
brachen aus diesen nordasiatischen Völkersitzen Eroberer hervor,
deren Ziel jedoch meist nur auf Raub und Bereicherung ging und deren
[275]Turanier und Mongolen.
Herrschaft selten von langer Dauer war. Nur die der Türken, die auch
von dort stammen, ist eine dauerndere geworden.


Der erste dieser groſsen Eroberungszüge, von dem wir Kunde
haben, fällt in das siebente Jahrhundert v. Chr. Die Skythen, angeblich
von den Massageten vorwärts gedrängt, warfen sich auf die Kymerier,
welche sie aus ihren Stammsitzen verjagten, schlugen hierauf die Meder
und unterwarfen einen groſsen Teil von Asien. Sie überzogen Syrien
und Palästina mit ihren Horden, was durch die jüdischen Über-
lieferungen bestätigt wird und drangen bis an die ägyptische Grenze,
wo Psammetich ihre Umkehr durch Geschenke erkaufte. Doch dauerte
ihre Herrschaft in Asien nur 28 Jahre, nach welcher Zeit sie von
Kyaxares von Medien geschlagen und zurückgetrieben wurden.


Die skythischen Völkerstämme lebten als Nomaden und wechselten
so oft ihre Wohnsitze, daſs die Klarstellung ihrer Geschichte unmöglich
scheint. Zu Herodots Zeit wohnten die Sarmaten in der astrachanischen
Steppe, weiterhin die Budinen und Gelonen, etwa von Kasan bis zum
Ural. Nördlich den Budinen saſs das Jägervolk der Thysageten,
gleichfalls noch diesseits des Urals. Die Argipäer, die mehr im Osten
wohnten, waren der Schilderung nach Kalmücken. Bis zu diesen
zogen zu Herodots Zeit die Karawanen der Griechen von den pontischen
Handelsstädten aus. Sie brauchten bis dorthin zehn verschiedene Dol-
metscher.


Nördlich den Argipäern wohnten nach Herodot Menschen mit
Ziegenfüſsen, dann kamen noch höher im Norden diejenigen, welche
sechs Monate lang schlafen. Östlich von den Argipäern wohnten die
Issedonen, vielleicht die östlichen Kirgisen, und nördlich von diesen
sollen die einäugigen Arimaspen und die goldhütenden Greifen, wahr-
scheinlich im Erzgebirge des kleinen Altai, ihre Wohnsitze gehabt
haben.


Am unteren Jaxartes hausten fernerhin nach Herodots Beschrei-
bung die Parycanier und Orthocerybanten. Erstere waren in Pelz ge-
kleidet und mit Bogen bewehrt. Östlich von beiden, in der groſsen
Bucharei, saſsen die Gandarier, die Dadiker und Sattagyden. Die
Gandarier trugen in Xerxes’ Heer „baktrische Rüstungen“. Die Per-
ser faſsten alle diese Völkerschaften nördlich vom Jaxartes, auſserhalb
der Grenzen des Reiches, unter dem Namen der Saker zusammen, eine
ebenso unbestimmte Bezeichnung wie Skythen.


Nordöstlich vom Jaxartes saſsen auſser diesen die Massageten,
„den Issedonen gegenüber“, ein kriegerisches Volk, ebenso gefürchtet
als Reiter, wie als Fuſssoldaten. Sie waren Bogenschützen und Lanzen-
18*
[276]Turanier und Mongolen.
träger zugleich und pflegten Streitäxte und Kolben zu führen. Aber
sie sollen sich nur des Erzes und des Goldes für ihre Bewaffnung be-
dient haben. Ihre langen Streitkolben waren von Erz, ihre Gürtel und
Helme reich mit Gold geschmückt. „Ihre Pferde waren mit ehernen
Brustharnischen versehen, das Gebiſs und der Schmuck waren von Gold.
Eisen (?) und Silber kannten sie nicht, denn es fand sich gar
nicht in ihrem Lande(?), Gold aber und Erz in unermeſslicher Menge.“
Einige haben in diesem ächten Bronzevolke ein indogermanisches Volk
erkennen wollen, andere halten sie für Mongolen.


Die pontischen Städte, die den Verkehr mit diesen Völkern ver-
mittelten, waren vornehmlich Olbia und Cherson, dann Ponticapäum auf
der taurischen Halbinsel 1), Phanagoria gegenüber; Tanais, im innersten
Winkel des Asowschen Meeres und Dioskurias an der Mündung des
Phasis. Sinope, Heraclea und Amisus an der Südküste nahmen gleich-
falls an diesem Handel Teil. Die meisten dieser Städte waren im
siebenten Jahrhundert von Milet aus gestiftet und beherrschten die
Schiffahrt im Schwarzen Meere. Die Hauptartikel, welche die Griechen
aus Skythien bezogen, waren Sklaven, Getreide (aus Südruſsland), Pelz-
werk und Metalle. Die Karawanenstraſse ging durch die Steppe von
Kaytschak über den Ural, nördlich um das Kaspimeer bis in die
Kalmückei.


Dies ist das Wesentlichste aus den Nachrichten der Schriftsteller
des Altertumes. Diese wie die Überlieferungen des Landes und die
aufgefundenen Altertümer geben nur ein unbestimmtes Bild der frü-
heren Kultur.


Von dem mittleren Amur bis zur Wolga und dem Ural, vom 45. bis
58. Grad nördl. Br. und vom 60. bis 140. Grad östl. L., zieht sich eine ganze
Reihe alter, verlassener Bergwerksunternehmungen, Reste alter Schmelz-
werke und namentlich zahlreiche, alte Gräber eines oder mehrerer
Völker, deren Geschichte längst dem Gedächtnisse der Nachfolger ent-
schwunden ist. Man bezeichnet alle diese alten Reste als Hinter-
lassenschaften eines früheren Volkes der Tschuden und spricht von
Tschudenschürfen, Tschudengräbern u. s. w. Unzweifelhaft hat der
Name Tschuden den gleichen Sinn wie Skythen und ist demnach nichts
als eine Kollektivbezeichnung für alle Völker an der nördlichen
Wasserscheide Asiens. Es scheint nicht, daſs diese Tschuden die Vor-
fahren der Stämme gewesen seien, die gegenwärtig in jenen Distrikten
[277]Turanier und Mongolen.
ansäſsig sind. Was sie uns hinterlassen haben, zeugt von einer ver-
schiedenen, zum Teil höheren Kultur.


Die alten Tschudenschürfe, die besonders in den Erzdistrikten
des Ural, des kleinen Altai am Jenisei und im daurischen Erzgebirge
aufgefunden worden sind, schreiben die Russen vielfach den Vorfahren
der Tataren zu.


Lenormand rechnet die Tschuden zu der ugro-finnischen Rasse.
Da sich keine Reste von Gebäuden in der Nähe dieser Bergwerks-
anlagen finden, so scheint die Annahme berechtigt, daſs dieses alte
Volk ein Nomadenleben führte. Die Keilhauen und Hämmer, die man
in den Schürfen gefunden hat, sollen nicht von Eisen, sondern von ge-
gossenem Kupfer gewesen sein 1). Statt der Fäustel bediente man
sich harter Steine, 5 bis 15 Pfund schwer, von länglich runder Gestalt.
Die Steine wurden, wie es scheint, an einem Riemen, der um die Hand
geschlungen war, gehalten. Die alten Bergleute hatten keine Kenntnis
des Feuersetzens und konnten deshalb kaum in das feste Gestein ein-
dringen. Das Maximum der Teufe, das sie erreicht haben, war circa
20 Lachter. Die Stollen und Strecken waren sehr eng und niedrig,
Zimmerung war selten, dafür lieſs man Bergfesten stehen. Aus den
zahlreichen Gerippen, die in den Schürfen gefunden wurden, zeigt es
sich, wie unsicher der Bau war und wie oft Arbeiter infolgedessen
verstürzt wurden. Die Knochen, sowie die alten Leitersprossen sind
häufig vollständig verkieselt (oder verkiest?), ein Beweis hohen Alters 2).
Ebenso fand Hermann 3) an der Buchara Eisenwaffen in getropften
Glaskopf verwandelt. Um die Dunkelheit der Grube zu vertreiben,
bedienten sich die Tschuden der Fackeln von harzigem Fichtenholze,
das Erz trugen sie in Säcken heraus. Man hat noch derartige Leder-
säcke mit reichem Inhalt an Golderzen aufgefunden. Das Erz wurde
zerstampft und gewaschen, dann in kleinen, aus rötlichen Backsteinen
gemauerten Öfen verschmolzen und das Kupfer in kleine Blöcke von
2 bis 3 Pfund Gewicht gegossen. Die Öfen waren circa 2 bis 3 Fuſs
hoch, 2 Fuſs weit und hatten an jeder Seite eine Öffnung, die eine für
die Düse, die andere zum Ablassen der Schlacke. Im daurischen Erz-
gebirge hat man schon über tausend solcher mit Erde bedeckter Öfchen
aufgefunden. Eine andere Art von Öfen war mittels groſser Steine
in den Boden gebaut, der das Gemäuer zusammenhielt. Von Bälgen
bemerkt man nichts; wahrscheinlich geschah die Schmelzung durch
[278]Turanier und Mongolen.
natürlichen Zug. Die Tschudenschürfe sind es gewesen, die überall
Veranlassung zu russischen Bergwerksunternehmungen gegeben haben.
Die massenhaften Schlackenhalden deuten auf eine starke Bevölkerung
und langdauernden Betrieb.


Bei Krasnojarsk hat man inmitten der Grabhügel Spuren alter
Goldwäschereien gefunden; ebenso in Daurien. Die Schürfe bei Ner-
tschinsk deuten auf Kupfer-, Blei- und Silbergewinnung. Die Kupfer-
schlacken der Alten sind meist so reich an Metall, daſs sie nochmals
ausgeschmolzen werden.


Die Tschudengräber finden sich am ganzen Nordrande Hoch-
asiens und erstrecken sich durch die Gebiete der Kirgisen, Kalmücken,
Tungusen und Buräten, 4 bis 500 Meilen weit. Am Jenisei heiſsen sie
Goldhügel, da in ihnen Spangen und Zierrate von Gold gefunden
werden, die den Toten mit in das Grab gegeben wurden. Diese Gold-
hügel werden schon seit undenklich langer Zeit von den Eingeborenen
umgewühlt. Im Erzgebirge des Altai finden sich die Gräber meist in
der Nähe alter Schlackenhalden.


Die Tschudengräber sind nach Konstruktion und Inhalt sehr ab-
weichend. Pallas unterschied vier Arten:


Erstens: Die Majaki oder Denksäulen. Sie sind kunstvoll
hergerichtet. Das Grab ist ringsum mit groſsen, aufgerichteten, vier-
eckigen Felsstücken umgeben; über dem Grabe selbst sind Steine auf-
gehäuft, darinnen sind die ganzen Leichen beigesetzt, manchmal mit
Pferden, die Zaum und Steigbügel tragen. Dabei finden sich mancherlei
Schmucksachen von Gold und Silber, besonders Gefäſse, Arm- und
Ohrringe mit Perlen geschmückt, Salbentöpfchen, auch irdene und
steinerne Aschenurnen; ferner Steigbügel von Eisen mit Silber ver-
ziert an Sätteln, die den deutschen Sätteln ähnlich sehen. In einem
Grabe am Jenisei wurde auch ein eisernes Messer, mit einer auf der
Klinge angelöteten Schlange gefunden. Auch Gold in Barren hat man
entdeckt. Meistenteils liegen mehrere Leichen in einem solchen
Grabe beisammen.


Die zweite Art der Tschudengräber, Slanzi genannt, sind mit
groſsen Steintafeln bedeckt. In ihnen finden sich meist verbrannte
Knochen, dabei häufig Steigbügel.


Die dritte Art sind die „Totenhügel“. Es befinden sich meist
mehrere Gräber in einem solchen Hügel. In jeder Ecke stehen höl-
zerne Pfeiler mit Querbalken verbunden, die mit Birkenrinde belegt
und mit Erde beschüttet wurden. Man will in diesen Grabkammern
Holzsärge mit eisernen Nägeln gefunden haben. Silber findet sich
[279]Turanier und Mongolen.
nicht darin, dagegen dünn ausgeschlagenes Goldblech, mit dem die
Körper, sogar die Gesichter bedeckt wurden. Man findet ferner darin
gegossene Bronzegeräte, sowie Gegenstände von Kupfer, die oft ver-
goldet sind, darunter Lanzen, Messerplatten etc. Diese Hügel sind
vielfach von den Schatzgräbern, welche das Aufsuchen und Berauben
der Tschudengräber gewerbsmäſsig betrieben, umgewühlt. Die Räuber
wissen die Gräber wohl zu unterscheiden und öffnen nur diejenigen, in
denen sie Gold erwarten. Die aufgefundenen Silber- und Goldgeräte
schmelzen sie sogleich ein, während sie die Erz- und Eisensachen fort-
werfen. In Krasnojarsk ist ein förmlicher Markt für das Gräbergold
und Gräbersilber, das mit dem Namen „Burgrowat“ bezeichnet wird.
Zur Zeit als Gmelin Krasnojarsk besuchte (1733 bis 1743), wurde ihm
von den Leuten erzählt, wie sie sich noch wohl erinnerten, daſs ein
Solotnik (= ⅓ Lot) des eingeschmolzenen Metalles für einen halben
Rubel verkauft worden war. Bei dem Wojwoden von Krasnojarsk sah
er von solchen Grabfunden einen Goldspiegel mit der getriebenen
Figur eines Vogel Greif geziert; ferner von Kupfer kleine Hämmer,
Messer, Pferdegeschirr, eine Art Glocken und gegossene Götzenbilder.


Die vierte Art der Tschudengräber, Tworitnie Kurzanie, ist
die gewöhnlichste. Die Gräber haben vier Klafter im Quadrat und
sind mit aufgerichteten Feldsteinen umstellt. Im Inneren finden sich
ganze Leichen, aber kein Gold, deshalb sind sie von den Schatzgräbern
verachtet und bleiben unberührt. Es finden sich darin Kupferspieſse
und Streithämmer, kleine irdene Töpfe und nur selten einiges Gold-
blech am Kopfende.


Die Reichen und Vornehmen hatten ihre Gräber auf dem offenen
Felde, nahe dem Ufer der Flüsse, namentlich des Jenisei. Die Armen
lagen weiter entfernt am Saume des Waldes oder in der Steppe.
Unter den aufgefundenen, sibirischen Altertümern verdient noch eine
Goldfigur zu Pferde Erwähnung, die bei der Kolywanschen Hütte aus-
gegraben wurde, zugleich mit Münzen, auf denen eine aufgeblühte Rose
aber keinerlei Schriftzeichen angebracht waren.


Am Irtisch finden sich ähnliche Gräber wie am Jenisei, doch sind
die Waffen und Gerätschaften, die man dort ausgräbt, plumper.
Bemerkenswert ist die groſse Ähnlichkeit der Tschudengräber, mit den
Gräbern Norddeutschlands. Das hohe Alter dieser Grabstätten geht
aus der vorgeschrittenen Verwitterung der Felsplatten hervor. Sie
sind bestimmt älter als die Eroberung jener Länder durch die Tataren,
welche um 150 v. Chr. statt hatte.


Eisenschlacken und Eisenwerkzeuge finden sich nur selten. Wo
[280]Turanier und Mongolen.
sie in Gräbern vorkommen schreibt man diese nicht den Tschuden,
sondern den alten Hakas zu.


Hält man die Ergebnisse der Ausgrabungen mit den Nachrichten
des Herodot zusammen, so darf man schlieſsen, daſs in den erzreichen
Gegenden zwischen dem Irtisch und Jenisei, namentlich aber am oberen
Jenisei, in alter Zeit ein bergbaukundiges Volk ansäſsig war, welches
hauptsächlich die Gewinnung des Goldes und des Kupfers betrieb und
das mit den Kulturvölkern des Westens, namentlich mit den Griechen
am Pontus in direktem oder indirektem Handelsverkehre stand. Dafür
scheinen auch die Bronzegeräte zu sprechen, die nach Angabe der
Reisenden in ihren Gräbern gefunden werden; denn es läſst sich an-
nehmen, daſs sie entweder das Erz selbst, oder das Zinn durch den
Handel bezogen 1).


Die Goldwäscher am Jenisei dürften dann wohl als die Arimaspen
des Herodot angesehen werden, deren Goldschätze, nach dem Märchen
der Alten, von Greifen bewacht wurden. Auch diese Handelsfabel
erhält insofern eine gewisse Stütze, als man die Wundergestalt des
Greifs wiederholt in Bildwerken der Tschudengräber erkannt hat.
Sicher ist der Greif keine Erfindung der Griechen gewesen.


Daſs das Volk zwischen dem oberen Irtisch und dem oberen Jenisei
die Nachkommen der Massageten, „die den Issedonen gegenüber wohnten
und die gleichfalls nur Gold und Kupfer kannten, welches in ihrem
Lande in groſser Menge gewonnen wurde“, waren, ist nicht unwahr-
scheinlich. Nur ein Volk, welches einen so ausgedehnten Kupferbergbau
im eigenen Lande betrieb, konnte an Kupferwaffen und Kupfergeräten
noch festhalten, während alle Nachbarstämme sich schon des Eisens be-
dienten, wie Herodot ausdrücklich hervorhebt. Derselbe giebt an, Silber
und Eisen fände sich nicht in ihrem Lande. Dies ist indes nicht richtig;
der Eisenreichtum des Jeniseilandes ist sogar sehr groſs. Es ist nicht
einmal anzunehmen, daſs sie mit dem Eisen völlig unbekannt gewesen
sind, da sich selbst hier und da in ihren Schürfen und Gräbern ver-
einzelte Eisenwerkzeuge gefunden haben. So kennt man bei Minussinsk,
da wo der Minjussabach von Osten her in einen Arm des Jenisei fällt,
in den dortigen Waldungen viele alte Schürfe und Reste antiker
Schmelzöfen, bei denen sich neben Kupferschlacken auch Eisenschlacken
[281]Turanier und Mongolen.
fanden. Die Mauern der Schmelzöfen waren mit Wurzeln alter Fichten-
bäume durchwachsen. An demselben Platze ward auch Gold aus der
Ochererde gewonnen. Als Pallas diese Gegend bereiste, wurde eine
sehr alte, eiserne Pflugschar ausgegraben. In den Vorbergen des Altai
fand Sievers 1) ein altes Grab aus groſsen Granitblöcken, in dem er
neben dem Skelett kalmückischer Bildung mit flach zurückfallendem
Stirnbeine und fast verwachsener Stirnnaht den verrosteten Rest eines
anderthalb Ellen langen, zweischneidigen, zollbreiten, geraden Schwertes
von Eisen fand.


Östlich oder südöstlich von dem Erzrevier des kleinen Altai saſsen
die Hakas, vielleicht die heutigen Ostkirgisen. Sie bedienten sich der
Runen, d. h. Kerbhölzer, auf welche symbolische Zeichen eingeschnitten
wurden. Auf diese Weise schickten die Häuptlinge ihre Befehle herum,
ganz wie dies bei den Samojeden und Lappen noch heute ist und
wie es bei den Finnen und den nordischen Germanen vordem Ge-
brauch war. Die alten Hakas verbrannten ihre Toten und begruben
ihre Gebeine. Sie hatten Eisen, Gold und Zinn. Schon alte, chine-
sische Annalisten erzählen von ihnen, daſs zur Regenzeit das Wasser
in ihrem Lande eine Art Eisen, daſs sie Kia-cha nennen, losspüle, aus
dem sie ein Eisen schmiedeten, welches durch die Haut des Rhinozeros
hindurchgehe 2). Mit diesem zahlten sie ihren Tribut an die Thiu-ku.


Die alten tschudischen Bewohner zwischen Jenisei und Irtisch sollen
durch die Tataren verdrängt worden sein, welche zur Zeit ihres Ein-
falls ebenfalls schon mit der Eisengewinnung bekannt waren, die sie
bis heute selbständig fortbetreiben. Die Russen nannten sie deshalb
bereits bei ihrer ersten Begegnung Kusnetzki-Tatari, d. h. Schmiede-
tataren. An Erzen fehlt es ihnen nicht. Die Gebirge des Jenisei sind
reich daran. Auch die berühmte Pallassche Meteoreisenmasse wurde
in jener Gegend, bei Krasnojarsk, westlich von Abalansk aufgefunden
und es sollen nach alten, orientalischen Berichten in jenem Gebiete,
dem Stammsitz der Turk, viele solche Eisenmassen aus der Luft gefallen
sein, die sicherlich nicht unberührt blieben, sondern zum Teil wenig-
stens zu Waffen verarbeitet worden sind.


Ein in seinen Sitten den jeniseischen Tschuden ähnliches Volk
bewohnte die daurischen Alpen, das reichste Erzland der alten Welt.
Auch diese bedienten sich des Kupfers, daneben aber auch des Eisens.
Ihre Goldgewinnung war bedeutend und es war wohl dieses das Volk,
zu dem die Karawanen der Chinesen und Indier zogen um Gold zu
[282]Turanier und Mongolen.
holen. Auch dort zeigten sich noch viele Spuren früherer Zivilisation.
Man fand die Reste kunstvoller Kulturanlagen. In der Steppe ent-
deckte man Pflugscharen, die angeblich gegossen und nicht geschmiedet
waren 1). In der Nähe fanden sich alte Gräber, aber auch Eisenschürfe
und Schlackenhalden. Georgi 2) erwähnt alte Schürfe auf Morasterz
von ½ bis 4 Klafter Durchmesser, die meist vom Regen verschlammt
sind, in der Steppe zur rechten Seite des Jekongasees, ebenso in der
Bargusinsteppe alte, verwachsene Schürfe auf Brauneisenstein. Nach
Überlieferungen sollen alle diese von einem Volke herrühren, das aus-
gewandert sei, als die Tungusen das Land eroberten. Ebenso wie die
bergbautreibenden Bewohner Dauriens beim Herannahen der Russen
auswanderten.


Die Sagen und Erinnerungen der jetzigen Bewohner Sibiriens
werfen nur wenig Licht auf die Geschichte der Tschuden. Die Tataren
erkennen in ihnen ihre Vorfahren nicht. Eine alte Überlieferung be-
richtet, zwei Brüder hätten im Altaigebirge gewohnt, der eine habe
viel Gold und Silber, der andere viel Vieh und Volk gehabt. Letzterer
habe jenen so oft beraubt und beunruhigt, daſs derselbe zuletzt zu dem
chinesischen Beherrscher geflohen sei, der ihm ein Land im Osten gab.
Diese Überlieferung dürfte wohl an ein historisches Ereignis anknüpfen.
Sie erzählt einen Vorgang, der sich oft in jenen Gegenden wieder-
holt hat.


Eine interessantere Sage ist diejenige, welche die Mongolen von
ihrer Urheimat, die wohl in den daurischen Alpen zu suchen sein dürfte,
erzählen und welche sowohl von chinesischen Berichterstattern, als
von dem alten orientalischen Geographen Abulghazi mitgeteilt wird.
Letzterer erzählt, die Mongolen seien ursprünglich im Thale Irgana-kon
zwischen unzugänglichen Eisenbergen eingeschlossen gewesen, aus den
die Kunst ihrer Schmiede ihnen den Ausgang bereitet haben, die es
verstanden durch den Erzberg einen Ausgang zu schmelzen. Und jähr-
lich feierten sie noch in späteren Jahrhunderten den Ausgang aus
dem Felsenthal Irgana-kon durch ein Fest, bei dem ein groſses Feuer
angemacht und ein glühendes Eisen von jedem Festgenossen einen
Hammerschlag erhielt. Ein Gebrauch, der vielleicht den Missionär
Rubruquis zu der irrtümlichen Annahme verleitet hat, Dschingiskhan
sei ein Schmied gewesen.


Zu dieser Sage versucht die alte chinesische Geographie Ho-an-yû-ki
unter dem Titel Tu-ku (Tschuden, Türken?) eine praktische Erklärung
[283]Turanier und Mongolen.
zu geben. Sie erzählt, die Tu-ku seien anfänglich einem anderen,
unbestimmten Volk der Tatarei, den Schen-schen dienstbar gewesen; als
aber im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung einer ihrer Häupt-
linge sich erdreistete, um die Tochter des Königs von Schen-schen zu
werben und er von diesem mit der verächtlichen Antwort: „Du bist
ja nur mein metallschmelzender Sklave“ abgewiesen worden war, ver-
sammelte er ein Heer und schlug den König von Schen-chen so voll-
ständig, daſs dieser sich das Leben nahm. Also legten die Tu-ku, die
bis dahin für das Volk der Schen-schen die Eisenbergwerke am
Kian-schan, d. h. am Goldberg (dem Altai) ausgebeutet hatten, den
Grund zu ihrer Macht.


Schwerlich hat die alte Sage der Mongolen ihren Grund in diesem
historischen Ereignis. Die Tu-ku scheinen vielmehr ein Tatarenstamm
gewesen zu sein, vielleicht die Kusnetzkie-Tatari, die, als die Russen
im zehnten Jahrhundert mit ihnen in Berührung kamen, unter der Bot-
mäſsigkeit von Altya-Chan standen, dessen Macht sich über den Telecker
See und den Altai erstreckte und der den Russen lange ein gefährlicher
Feind war.


Wenn diese Überlieferungen sich auch nur zu einem verworrenen
Bilde gestalten, so geht doch das eine mit Sicherheit hervor, daſs die
ganze Altaikette ein uralter Sitz der Metallgewinnung und darunter
auch ganz besonders der Eisengewinnung war. Dies wird bestätigt
durch eine Betrachtung der jetzigen Metallindustrie jener Völker.
Die Bauern in Daurien haben so lange man weiſs ihr Eisen selbst
geschmolzen. Pallas beschreibt 1) die Arbeit der Kaitunschen Schmiede,
als ein Beispiel dieser in ganz Ostsibirien verbreiteten Art der Eisen-
gewinnung.


Das Erz wird im Herbst vor dem Schneefall, ehe noch die Erde
festgefroren ist, gegraben und nach Hause gefahren. Ein Mann kann den
Tag 50 Pud gleich etwa 16½ Zentner und darüber gewinnen. Das Erz
ist strengflüssig und wird zuerst in Haufen stark geröstet, worauf es
auf einer Guſseisenplatte klein geklopft wird. Der Schmelzofen pflegt
in der Ecke der Schmiede aufgeführt zu sein; er besteht aus einem
56 Zoll hohen und ebenso breiten, viereckigen Gemäuer. Der cylin-
drische Schmelzraum mit 14 Zoll Durchmesser erweitert sich unten im
Herd auf drei Spannen. Vor dem Ofen befindet sich eine entsprechende
Grube. Nachdem der Herd aus Kohlenstücke gestampft ist, wird die
Thonform, die 2½ Zoll lichte Weite hat, eingelegt. Sie ragt ungefähr
[284]Turanier und Mongolen.
bis in die Mitte des Ofens hinein. Dann wird die übrige Öffnung mit
Feldsteinen zugesetzt und die Fugen mit Lehm verschmiert, während-
dem Feuer eingetragen und der Ofen mit drei Körben Holzkohlen ge-
füllt wird. Die zwei Lederbälge, die in eine Form münden, werden
angelassen und sobald das Feuer durchgegriffen hat, wird eine Mulde
Erz, circa 5 kg, aufgetragen. Sinkt das Erz, so wird lagenweise Holz-
kohle und Erz nachgefüllt, bis im ganzen acht Gichten mit Erz und
Kohlen aufgegeben sind. Zur zweiten und dritten Kohlengicht wird
je eine Mulde Erz gesetzt, zur vierten und fünften etwas mehr, zur
sechsten und siebenten je zwei, zur achten wieder nur eine; hierauf
wird niedergeblasen. Ein Arbeiter besorgt die Bälge, derselbe hält
auch die Form rein und repariert die Wand, wenn das Feuer durch-
brechen sollte. Sind die Kohlen niedergebrannt, so werden die Steine
weggebrochen, die Brände weggeräumt, die Schlacken abgelassen und
die Luppe, die bei einem Aufwande von 3½ Pud Erz circa 1 Pud
(16,4 kg) Eisen wiegt, mit der Zange herausgerissen und mit Holz-
hämmern gedichtet. Hierauf wird die Luppe auf dem Ambos mit
Kupferbeilen auseinander gehauen und ist nun zur Verarbeitung für
die Schmiede fertig. Die oberste Lage Eisen ist sehr roh, stahlartig,
aber nicht von sonderlicher Güte, das übrige Eisen ist weich und von
guter Art.


Die Schmiede der Tungusen treiben ihr Gewerbe meist hau-
sierend 1). Sie führen ihr ganzes Handwerkszeug, auſser den Bälgen,
in einem Kästchen mit sich. Die Blaseform bereiten sie sich an Ort
und Stelle aus einem Lehmkloſs. Der Schmied sitzt bei der Arbeit
platt auf der Erde. Ihre Arbeiten zeigen von groſser Geschicklichkeit.
Eine Spezialität sind kleine, rohe Götzenbildchen von Eisenblech, die
sie an die Schamanen verkaufen.


Bei den Buräten2) (Burjäten) trifft man ebenfalls sehr geschickte
Schmiede, die sich besonders in der eigentümlichen Art von Arbeit
auszeichnen, welche in Mittelasien sehr verbreitet ist und welche die
Russen unter dem Namen Bratskaya robota kennen. Es sind die
eingelegten Eisenarbeiten, sogenannte Tauschierungen. Zur Einlage
wird Silber, Gold und Zinn verwendet. Daſs diese in Mittelasien sehr
geschätzte Arbeit von hohem Alter ist, scheint eine Stelle des alten
indischen Heldengedichtes Mahabarata zu beweisen, in der es heiſst:
Der groſshändige Bhimasena trägt den eisernen, goldgezierten
Streitkolben
in der Hand.


[285]Turanier und Mongolen.

Die Burätenschmiede schlagen das Silber so dünn aus wie nur
möglich; machen dann die Stelle der Eisenware, welche sie belegen
wollen, mit einem Rauhhammer, dessen Bart einer Feile gleicht,
straubig und punktiert. Sodann schneiden sie das Silber nach
Schablonen von Birkenrinde in solche Figuren wie sie verlangt werden
und legen es auf die rauh und zuvor heiſs gemachte Stelle des Eisens,
schlagen es dann sanft auf dem Rauhhammer, wodurch sich das Silber
in die rauhe Oberfläche eindrückt. Dann lassen sie die Stücke im
Feuer blau anlaufen, machen die ganze Fläche mit dem Polierhammer
recht glatt und reiben dieselbe zum Schluſse mit einem Stückchen
Holzkohle blank. Zinn und Gold werden in derselben Weise auf-
getragen. Besonders für Pferdegeschirr, Hirschfänger, Löffel, Leib-
gürtel und zu Ornamenten ist diese eingelegte Arbeit beliebt.


Dieselbe Kunst findet man auch bei den westlicher wohnenden,
in Filzgurten (Zelten) lebenden Kalmücken 1). Ihr einfaches Haus-
gerät besteht aus einem groſsen, eisernen Dreifuſs, unter welchem be-
ständig Feuer brennt, auf dem sie ihre Speisen in groſsen, flachen,
eisernen Schalen kochen. Dergleichen Schalen werden von den russi-
schen Eisenhütten in groſser Menge gegossen und an die Steppenvölker
verkauft. Jeder wohlequipierte Kalmücke besitzt auch seinen Panzer,
der nach orientalischer Art aus einem Netzwerke von eisernen und
stählernen Ringen besteht 2). Diese Panzer machen sie sich jedoch
nicht selbst, sondern erhandeln sie von den Turkomanen. Ein Ringel-
und Schuppenpanzer aus poliertem Stahl wird auf funfzig und mehr
Pferde geschätzt. Ein schlechter gilt immerhin noch 6 bis 8 Pferde.
Die kleinen Eisenarbeiten machen sie dagegen selbst, wie sie auch
nach bratzkischer Art zu damaszieren verstehen. Weiter nördlich in
der Gegend des Angaraflusses treiben die Sibiriaken3) ebenfalls
diese Art von Arbeit. Sie hauen die Rauhigkeit mit scharfen Meiſseln
ein und überziehen nach der gleichen Methode, z. B. ihre eisernen
Löffel, vollständig mit Zinn.


Die Kirgisen sind zwar auch seit alter Zeit mit dem Eisen be-
kannt, aber ihre Schmiedekunst ist nicht sehr vorgeschritten.


Interessant ist dagegen die Schmelzarbeit der eigentlichen
Schmiedetataren4)“ (kusnetzki-tatari). Ihr Schmelzofen steht
in ihren Hütten an dem Orte, wo man sonst kocht und besteht aus
einer in die Erde gemachten Höhlung von etwa ½ Fuſs Durchmesser
[286]Turanier und Mongolen.
mit einer darauf passenden, oben spitz zugehenden Stürze von Lehm.
An der Vorderseite befindet sich ein Loch, das während des Schmelzens
zugemauert ist und an der Seitenwand ein zweites, gegen welches zwei
Blasebälge gerichtet sind. Zwei Tataren verrichten die ganze Arbeit.
Der eine trägt Kohlen und Erze lagenweise ein. Das Erz ist klein ge-
stoſsen und es wird davon auf jede Lage Kohle etwa eine Messerspitze
voll aufgetragen. Der zweite Arbeiter bedient die Bälge. Sobald
Kohlen und Erz sich gesetzt haben, wird von neuem aufgegeben und
damit fortgefahren bis etwa 3 Pfund Erz eingetragen sind. Mehr ver-
mögen sie auf einmal nicht zu schmelzen. Darauf nimmt der Schmel-
zer, nachdem noch eine kurze Zeit geblasen worden ist, den unten
eingemauerten Stein, der den Verschluſs der Öffnung bildet, heraus.
Die Luppe liegt in dem ausgehöhlten Boden; man sucht sie unter den
Kohlen hervor und reinigt sie von den anhängenden Kohlen durch Be-
klopfen mit einem Holze. Von 3 Pfund Erz bekommt man etwa
1 Pfund Eisen, welches zwar noch ziemlich unrein aussieht, aber doch
von guter Qualität ist. Diese höchst einfache Art der Eisengewinnung
erinnert lebhaft an die der Neger von Kordofan, wie wir überhaupt
fast alle die beschriebenen Darstellungsmethoden in Afrika wiederfinden
werden.


Die Skythen des Altertumes verbreiteten mit ihren Kriegszügen
auch ihre Eisenindustrie. In ganz ähnlicher Weise wie die Schmiede-
tataren stellen die weiter östlich am Lena wohnenden Jakuten ihr
Eisen dar. Namentlich sind sie berühmt durch ihren vorzüglichen
Stahl. Jeder Jakute versteht sein groſses Messer aus Stahl zu fertigen,
das zwar biegsam aber auch so hart ist, daſs man Kupfer und Messing
damit schneiden kann. Die hölzernen Griffe ihrer Messer versehen
sie nach uralter Sitte mit zinnernen Zierraten. Das Zinn dazu erhalten
sie aus den Nertschinskischen Bergen 1).


In verschiedenen Gegenden Vorderasiens, namentlich in Kleinasien
und Syrien, im Taurus und am Libanon finden sich alte turkomanische
Ansiedelungen, Überbleibsel von den Eroberungszügen, die zu ver-
schiedenen Zeiten den Westen überfluteten, deren Hauptbeschäftigung
der Bergbau und insbesondere die Eisenerzeugung ist. Wir haben
bereits der Bergwerke derselben im Antitaurus, welche der berg-
männisch erfahrene Reisende Ruſsegger besucht hat, Erwähnung gethan.
Die Mitteilungen Ruſseggers über die Eisengewinnung der Turkomanen 2)
dürften hier wohl ihre richtigste Stelle finden. Er beschreibt die Eisen-
[287]Turanier und Mongolen.
werke bei Acharsche im hohen Taurus. Das dortige Erz ist ein ocheriger
Thoneisenstein, der lagerartig auftritt und unmittelbar unter der
Dammerde liegt. Die Einwohner gewinnen die Erze im Herbst nach
der Feldarbeit durch einfaches Abräumen des Bodens. Diese Erze
werden nach Acharsche gebracht und dort im Laufe des Winters ver-
schmolzen. Sie sind gutartig, enthalten nach einer Tiegelprobe 53 Proz.
Roheisen. Bei der Art der Arbeit und bei den sehr mangelhaften Brech-
werkzeugen gewinnt ein Mann pro Tag etwa 3 Zentner. In Acharsche
stehen vier Öfen aus den gewöhnlichen Bausteinen, Serpentin und
Kalkstein aufgemauert, der Schacht im Inneren ist mit Thon ausge-
schmiert. Die Gicht ist kreisrund und der Ofen nach unten konisch
zusammengezogen, oben 3,5 Fuſs, unten 1,5 Fuſs weit. Die Schacht-
höhe beträgt 12 Fuſs. Eine rastähnliche Zusammenziehung findet sich
nur am untersten Viertel der Höhe. Unten am Boden ist auf einer
Seite eine Öffnung von einem Fuſs im Quadrat, durch welche am Ende
jeder Schmelzung die Luppe herausgenommen wird. Während der
Schmelzung wird sie erneuert und nur ganz dicht am Boden läſst man
ein kleines Stichloch. Die Form aus Thon liegt 1 Fuſs über der Ge-
stellsohle. Die Öffnung ihres Rüssels ist ein Kreis von 2½ Zoll Durch-
messer. Sie ist so eingelegt, daſs der Wind in der Mitte des Gestell-
bodens aufstöſst. Man bläst mit zwei Bälgen, die durch Menschenkraft
bewegt werden. Eine Thonform pflegt bei anhaltendem Betriebe
1½ Monate zu halten.


Der so konstruierte Ofen wird, nachdem er zuvor gehörig aus-
gewärmt worden ist, zur Schmelzung mit Kien- oder Zedernholz an-
gefüllt. Die Holzstücke erhalten, bei 2 bis 3 Zoll Dicke, eine Länge
von 3,5 Fuſs, gleich dem oberen Durchmesser des Ofens. Sie sind
zuvor gut ausgetrocknet worden und werden so eingelegt, daſs sie sich
immer im Mittelpunkte kreuzen, infolgedessen die Lagen unter sich
eine Spirale von unten nach oben bilden. Das Feuer wird unten ent-
zündet und drei Tage hindurch unter beständigem Nachfüllen des
Holzes erhalten. Am dritten Tage läſst man es 3 Fuſs unter den Gicht-
kranz des Ofens sinken und giebt dann eine schwere Gicht Erz in
faustgroſsen Stücken und ohne allen Zuschlag 1 Fuſs hoch auf; die
übrigen 2 Fuſs im Schacht werden wieder mit Holz gefüllt und dieses
selbst wieder 2 Fuſs über den Gichtkranz des Ofens aufgetürmt. Bei
gutem Gange kann das Aufgeben der Erzgichten alle zwei Stunden
wiederholt werden; bei schlechterem nur alle drei. Die Schlacke flieſst
durch das Stichloch von selbst ab, nur von Zeit zu Zeit muſs nach-
geholfen werden. Alle zwölf Stunden wird das Schürloch im Gestell
[288]Turanier und Mongolen.
geöffnet und das mit Schlacke gemengte Stück Eisen, halb roh und
halb gefrischt, beiläufig 30 Oka gleich 67 bis 68 Pfund schwer, heraus-
gerissen, ohne jedoch den Gang des Ofens zu unterbrechen. Die Schlacke
ist meist leichtflüssig und eisenreich, so daſs der Schmelzverlust sehr
groſs ist. Vorausgesetzt, daſs genügend Erze und Kohlen da sind,

Figure 48. Fig. 48.


Figure 49. Fig. 50.


kann ein solcher Ofen unausgesetzt drei Monate gehen, ohne einer
gröſseren Reparatur zu bedürfen. Die Gicht ist natürlich stets sehr
licht und die Flamme schlägt hoch auf.


Die aus dem Ofen genommene Luppe wird einer Art von
Frischarbeit oder richtiger einer gründlichen Ausheizung unter-

Figure 50. Fig. 49.


zogen in eigentümlichen Herden
(Fig. 48, 49, 50). Diese werden
aus demselben Material gemauert
wie die Schmelzöfen. Der hori-
zontale Querschnitt des Herdes
bildet eine elliptische Fläche, die
sich nach vorn rüsselartig ver-
einigt und in der nämlichen Rich-
tung stark geneigt ist. Die gröſste
Länge des Herdes n o ist 7 Fuſs
6 Zoll, die gröſste Breite 6 Fuſs.
Über der Fläche des Herdes wird
ein Gewölbe gespannt, dessen Abstand p z von der schiefen Herdfläche
4 Fuſs beträgt. Am hinteren Ende des Herdes befindet sich die 3 Fuſs
breite und 1 Fuſs 6 Zoll hohe Öffnung e f zum Eintragen der Kohlen.
Am vorderen Ende läſst man eine 2 Fuſs breite, 6 Zoll hohe Öffnung
g h, um mittels einer Krücke die glühenden Kohlen während dem Ver-
[289]Turanier und Mongolen.
frischen der Luppe von hinten nach vorn zu ziehen. Die rüsselartige
Verengerung des Schmelzraumes erstreckt sich von dieser Öffnung g h
bis zum Mittelpunkt des Schmelzraumes l, wo die Breite des Herdes
3 Fuſs beträgt. Die eigentliche Länge dieser Verengerung ist 1 Fuſs
und im Mittel derselben beträgt die Höhe von der Herdsohle zum Ge-
wölbe m n 10 Zoll. i ist die Öffnung für die Gebläseform, k hingegen
die Öffnung zum Ablassen der Schlacke und zugleich das Arbeitsloch,
durch welches das zu frischende Eisen eingetragen und die fertige
Luppe herausgenommen wird. Der Schmelzraum m, ein 3 Fuſs
tiefer Tiegel von 1 Fuſs Quadrat liegt näher an i als an k und sein
Boden steigt schief gegen letzteren Punkt, d. h. gegen die Arbeitsseite
hin an.


Die Verfrischung des aus den Schmelzöfen erhaltenen Eisens wird
stets erst nach ganz beendeter Schmelzkampagne, d. h. wenn in den
Schmelzöfen die Produktion geschlossen ist, angefangen. Man bedient
sich dazu der gleichen Gebläse, die von dem Schmelzofen zum Frisch-
herd übersetzt werden. Die Formen sind auch hier von Thon und
stechen scharf in den Herd. Dieser wird zu Beginn des Prozesses durch
die Öffnung e f mit kleinen Kohlen von Zedern- und Wacholderholz
ganz angefüllt, welche durch die Öffnung g h angezündet werden. Wenn
diese Kohlen bis zur Mitte des Herdes glühen, wird das Gebläse an-
gelassen. Man ummauert in der Öffnung i die Form so, daſs neben ihr
kein offener Raum bleibt und trägt das Stück Eisen vom Schmelzofen
bei k in der Weise ein, daſs die eine Hälfte desſelben in den Schmelz-
raum m zu liegen kommt. Die Öffnung g h vertritt am Herd zugleich
die Stelle des Fuchses, daher sie während des Prozesses offen bleibt,
e f aber wird geschlossen. Wenn das Eisen weiſsglüht, so wird es auf-
gebrochen und gewendet, ein Akt der öfters wiederholt wird und wo-
bei man das Stück Eisen immer so dreht, daſs jederzeit jenes Ende
desſelben in Grube m zu liegen kommt, welches früher auſserhalb der-
selben sich befand. Die aus dem bis zur Weiſsglut erhitzten Eisen
reichlich abflieſsende Schlacke läſst man bei k ab. Sobald dem
Frischer die Luppe hinlänglich gar erscheint, nimmt er sie heraus und
hämmert sie auf dem Ambos, um die noch eingemengte Schlacke aus-
zupressen. Die Ausschmiedung seines aus dieser Luppe erhaltenen
Kolbens nimmt er in demselben Feuer während dem nächsten Einsatz
vor. Für Verfrischung eines Wolfs von circa 68 Pfund bringt man
soviel Kohlen als der ganze Herd zur Füllung faſst, nahe 60 Kubik-
fuſs, demnach per Zentner bloſs zum Verfrischen und Schmieden
88 Kubikfuſs. Dabei wiegt der fertige Kolben nur 34 Pfund, der
Beck, Geschichte des Eisens. 19
[290]Turanier und Mongolen.
Kalo beträgt demnach circa 50 Proz., das erhaltene Eisen ist vor-
trefflich.


Die jährliche Produktion zu Acharsche bei Korumsza beläuft sich
auf 150 bis 200 Zentner Stabeisen, die meist nach Kaisarieh (Cäsarea) zu
Markt gebracht wird. Der Verkaufspreis des Eisens loco Acharsche
beträgt 80 Piaster oder 8 Gulden per Zentner, oder 32 Mark per 100 kg.
Die ganze Jahresproduktion demnach 1200 bis 1600 Gulden, woraus ein
Schluſs auf die Wohlfeilheit der Materialien und der Lebensmittel ge-
zogen werden kann. Zur Erzeugung des Eisens wählen die Eingeborenen
nur die reichsten und leichtflüssigsten Erze, die anderen werden gar
nicht gewonnen oder fortgeworfen.


Der ganze Prozeſs erinnert lebhaft an den Stuckofenbetrieb, wie
er im Mittelalter in Deutschland üblich war. Er ist sehr alt in jener
Gegend, wie alt läſst sich freilich nicht sagen.


Aus allem Angeführten geht hervor, daſs die turanischen Völker-
stämme durchgehends eine besondere metallurgische Befähigung zeigen
und daſs die Metallgewinnung und Verarbeitung bei ihnen eine uralte
Kunst ist, und sie mit der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens
schon in den ältesten prähistorischen Zeiten bekannt waren.


Wir wenden uns nun zur Eisengeschichte derjenigen Völker Asiens,
welche keinen nachweisbaren Einfluſs auf die europäische Technik aus-
geübt haben, da sie mit Europa erst in späterer Zeit in direkte Ver-
bindung traten, zunächst zu den


[[291]]

Chinesen.


Von allen Reichen der Erde hat keins einen so langen Bestand
als China, das „Reich der Mitte“. Der konservative Charakter seiner
Bevölkerung ist bedingt durch die feste Basis einer geordneten, muster-
haften Ackerwirtschaft, auf welcher die soziale Existenz der ungeheuren
chinesischen Bevölkerung begründet ist. Dem Boden so viel Nahrung
abzugewinnen wie möglich, ist das Prinzip des Einzelnen wie der
Gesamtheit der Bevölkerung des himmlischen Reiches, während im
Gegensatz hierzu das Streben der indogermanischen Rasse kaum zu
scharf dahin charakterisiert wird, als das Bestreben, so bequem wie
möglich
dem Boden die nötige Nahrung abzugewinnen. Aus diesem
Grunde sind wir Europäer noch weit davon entfernt, in dem Sinne
ein Ackerbauvolk zu sein, wie die Chinesen. Wenn wir unsere Feld-
wirtschaft Ackerbau nennen, so muſs die chinesische der sorgfältigste
Gartenbau genannt werden. Die chinesische Wertschätzung des Dün-
gers wird ja oft genug unseren Landwirten vor die Seele geführt.
Die Lehre, welche der Kaiser seinen Kindern giebt, lautet: „Haltet
euren Acker rein, düngt ihn fleiſsig und macht, daſs euer Feld
einem Garten gleicht.“ Ein Chinese geht nicht leicht aus ohne
einen Korb am Arm und einen kleinen Rechen in der Hand zu haben,
mit dem er alles nur einigermaſsen Düngerähnliche in seinen Korb
sammelt. Jedes nur denkbare Plätzchen erfährt die gründlichste Bear-
beitung; dafür trägt aber auch das Feld allenthalben zwei bis vier Ernten
im Jahr. Kein Weideland existiert, kein Rindvieh auſser dem wenigen
Zugvieh wird geduldet, denn der Chinese betrachtet dies ganz logisch als
ein totes Kapital, weil, da die vegetabilische Nahrung durch den mensch-
lichen Magen gerade so gut verdaut wird als durch den Rindermagen,
für jedes Pfund lebendiges Rindfleisch, das innerhalb einer be-
19*
[292]Chinesen.
grenzten Bodenfläche sich ernährt, bei vollkommener Bewirtschaftung
ein Pfund Menschenfleisch weniger leben könnte. Ebenso konsequent
ist es daher, wenn die Chinesen Maschinen nur insofern für gut halten,
als sie die Arbeit erleichtern, sie aber nicht für gut halten, wenn sie
durch Aufnutzung eines Kraftkapitals die Arbeit des Menschen unnötig
machen. Denn sie erkennen weder in der Unthätigkeit des Menschen,
noch in der Steigerung der Bedürfnisse, welche eine gröſsere Boden-
fläche zur Befriedigung verlangt, ein Glück.


Diese grundverschiedene Anschauung, die aus einer ganz abweichen-
den Kulturentwickelung entsprang, war die Ursache, daſs die Groſs-
industrie, zu welcher in erster Linie Bergbau und Metallgewinnung
gehören, nur sehr geringe Fortschritte bei ihnen machte. Und doch
ist China auſserordentlich reich an allen Arten von Bergwerksprodukten;
so reich, daſs der Gedanke daran dem Europäer zum Trost gereichen
kann, wenn er durch die Erinnerung an die rasche Erschöpfung seiner
eigenen mineralischen Hilfsmittel sich beunruhigt fühlen sollte.


Gold ist als Münzmetall in Gebrauch und wird in groſser Menge
aus dem Fluſsbett des Yang-tse-kiang, sowie mehrerer Flüsse der Pro-
vinzen Yun-nan und Szy-tschuan gewonnen. Einiges wird indes auch
aus Birma, Java und Borneo importiert.


Für Silber haben die Chinesen eine groſse Vorliebe. Es wird in
einer groſsen Anzahl von Bergwerken gewonnen, die verpachtet sind;
namentlich befinden sich dieselhen in den Provinzen Kuei-tscheuang
und Szy-tschuan, wo man Silber mit Kupfer und in Kuang-tuang, wo
man Silber mit Blei zusammen gewinnt. Als das schönste Silber gilt
das von Sci-tzi, welches Gold enthält.


Kupfer kommt in mehreren Provinzen vor, doch kommt auch
viel aus Japan.


Eisen ist überall verbreitet. Blei und Zinn giebt es gleichfalls
im Lande, doch reicht die Produktion für den Bedarf nicht hin. Da-
gegen befindet sich ein Überfluſs von Steinkohlen im Lande, und sind
diese auch schon seit ältester Zeit benutzt worden.


Betrachtet man die einzelnen Provinzen, so enthält die Provinz
Schan-se besonders Eisen, Salz, Marmor und Jaspis; Yun-nan Gold,
Silber, Eisen, Kupfer und Zinn; Sze-tschuan Kupfer, Eisen und Zinn;
der Bergdistrikt Kwei-Choo aber alle Arten der Metalle. Die Insel
Formosa enthält Gold, Silber, Kupfer und Steinkohlen, während in
Korea Gold, Silber, Eisen und Steinkohle gewonnen werden, dort wur-
den nachweislich schon im zehnten Jahrhundert Degen, Piken und
Musketen gemacht.


[293]Chinesen.

Eisenerz findet sich allerwärts, am meisten in den westlichen
Provinzen. Demungeachtet wird noch sehr viel Eisen importiert und
das importierte dem einheimischen, das nur in kleinen Massen und
durch mangelhafte Prozesse dargestellt wird, vorgezogen.


Die Entwickelung des gegenwärtigen Zustandes der Technik und
das Alter der Industrie verliert sich, trotz der angeblich genauen Über-
lieferungen der Chinesen, die ein Bedürfnis konkreter Darstellung und
nüchterner Zahlenangaben hatten, vollständig ins Sagenhafte. Alle
Erfindungen werden zwar gewissen Kaisern in gewissen Jahren ihrer
Regierung zugeschrieben, aber meist mit nicht mehr Grund als die
Griechen ähnliches dem Prometheus oder Dädalus zuschrieben.


Diese Tradition schreibt dem Kaiser Fo-Hi, der zur Zeit Thubal-
kains gelebt haben soll, die Erfindung des Eisens zu. Er lehrte seinem
Volke das Verschmelzen der Erze, die Bereitung des Wurfspieſses und
dessen Gebrauch zur Jagd und zum Fischfang 1). Die Zeit der hundert
Familien scheint indes noch in die Steinzeit zu fallen, indem in den
ersten 200 Hieroglyphen kein Metall vorkommt, obgleich zehn Waffen
genannt werden. Dagegen hatten die Miao-Tscheu, die uralten Be-
wohner von Thibet, um jene Zeit schon Schwerter und Beile von Eisen 2).
Von diesen erhielt der Kaiser Yu um 2000 v. Chr. Tribut von Eisen.


Als eine der ältesten Erfindungen von Schin-Nong (um 2000 v. Chr.)
wird der Pflug angesehen, der auch bei den Chinesen heilig gehalten
wird. Ist es auch unerwiesen, ob dieser Pflug bereits eine eiserne
Pflugschar gehabt hat, so verliert sich doch die Bekanntschaft mit dem
Eisen in die fernste Zeit, denn als eine gleichfalls sehr alte Erfindung
sehen die Chinesen die Benutzung der Magnetnadel an, die nicht ohne
Kenntnis des Eisens, ja nicht ohne Kenntnis des Stahls möglich war.
Es soll diese Erfindung von Tscheu-kiang und aus dem Jahre 1944 v. Chr
herrühren (du Halde), während andere sie dem Whang-ti um das Jahr
1040 v. Chr. zuschreiben. Übrigens wurde der Kompas in China zuerst
nicht für die Seefahrt, sondern für Landreisen angewendet. Wenn der
Kaiser sein Land bereiste, fuhr ein Wagen mit, auf dem eine Magnet-
nadel resp. ein Kompas sich befand, den ein Hochgelehrter beobachtete
und danach die Route angab 3). Unter der Herrschaft Tschingwangs
hieſs dieser Kompaswagen Tschinan-Tsché, d. h. „der Wagen der den
Mittag anzeigt“ (heute abgekürzt Tschi-nan). Der genannte Kaiser
lieſs fünf solcher Wagen bauen, die immer die Richtung durch das
[294]Chinesen.
niedrige Gebüsch finden konnten. Es befand sich ein Zeiger in Form
einer Hand darin aufgehängt, der immer nach Süden zeigte, wie man
den Wagen auch wendete. „Dies war ein groſser Nutzen für die Reisen
zu Land und zu Wasser.“ — Auch bauten die Chinesen sehr früh schon
eiserne Kettenbrücken.


Ein Bronzezeitalter soll angeblich unter der Dynastie Tscheu
(1123 bis 247 v. Chr.) geblüht haben, doch ist diese Annahme sehr
hypothetisch. Die Bronzemischungen der Chinesen stimmen nicht mit
den occidentalen Bronzen überein.


Die glaubhaften direkten Überlieferungen der Chinesen sind nicht
älter, wie die der Israeliten. Sie gehen nur wenig über Confucius
hinaus, der erst im Jahre 550 v. Chr. unter Wu-wangs Regierung ge-
boren ward. Dieser groſse Gesetzgeber sammelte zum erstenmal die
älteren historischen Schriften, deren zuverlässige Angaben nicht über
das Jahr 722 v. Chr. hinausreichen. Die älteren Überlieferungen des
Schu-king, der groſsen Geschichtschronik der Chinesen, sind sagenhaft
und in eine moderne Staffage hineingestellt, indem Sitten und Be-
kleidung, welche darin beschrieben sind, etwa dem Jahre 600 v. Chr.
entsprechen.


Die neueren Forschungen über die ältere chinesische Geschichte
haben indes doch manchen Aufschluſs über den frühen Gebrauch des
Eisens gegeben 1). Der Schu-king, dessen älteste Teile aus der Zeit
des Kaisers Yao (Yu), der 2357 v. Chr. den Thron bestiegen haben soll,
stammen, erwähnt bereits in der Abteilung Yu-kung im ersten Buche,
in dem der Tribut von Yu aufgeführt wird, Eisen und Stahl. Eisen
heiſst tie, in der alten Aussprache tit, Stahl low oder lowe. Folgendes
ist die bezügliche Stelle 2).


„Die Tributartikel waren klingende Edelsteine [musical gem
stones (?)], Eisen, Silber (weiſses Metall) und Stahl, Steine für Pfeil-
spitzen und tönende Steine (sounding stones), sowie Felle von Bären,
groſsen Bären, Füchsen und Schakalen, Artikel gewoben aus ihrem
Haare.“ Hierzu bemerkt Legge, unter tie haben wir „weiches Eisen“
zu verstehen, unter „low“ (lowe) hartes Eisen, d. h. Stahl. Dieser letztere
Ausdruck wird oft schlechthin gebraucht für „schneiden“, eingravieren,
hergeleitet von der Härte der Werkzeuge, die für solche Zwecke not-
wendig sind. Zur Zeit der Dynastie Han wurden Hüttenmeister (iron-
masters) für verschiedene Bezirke des alten Leang-tschu zur Be-
[295]Chinesen.
aufsichtigung der Eisenwerke bestellt. Ts’ae erwähnt zwei Personen
in seiner Geschichtschronik, eine mit dem Namen Ch’ô, die andere mit
dem Namen Ch’îng, beide von dem diesseitigen Teil des Königreiches,
die durch ihre Eisenschmelzen so reich geworden waren, daſs sie
Fürsten gleich geachtet wurden.


Auſser diesen Stellen kommen bestimmte Erwähnungen des Eisens
vor dem Jahre 1000 v. Chr. nicht weiter vor.


Die ältesten Eisenwerke Chinas waren in Schansi und Tschilili
(Chilili) in der Provinz Ho, wo sich unerschöpfliche Lager von Eisen
und Kohlen befinden, die auch heute noch ausgebeutet werden. Die
jetzigen Gruben liegen etwa 200 engl. Meilen südwestlich von Tientsin.
Leih-Tsi (Lei-Tze), ein Schriftsteller, der um 400 v. Chr. lebte, war
mit dem Stahl und der Eigenschaft seiner Härtefähigkeit wohl bekannt.
Er erwähnt, daſs eine rote Klinge, worunter nur eine gelbrot angelaufene
verstanden sein kann, selbst Nephrit durchhaut wie Schmutz („will cut
jade as it would cut mud“). In einem späteren chinesischen Werke,
Pi-tan, d. h. die Federzeichnungen, wird berichtet, der Stahl werde
folgendermaſsen hergestellt. Weiſses Eisen werde gebogen und gedreht
und rohes Eisen (unwrought iron) dazwischen geworfen. Es wird mit
Lehm bedeckt und der Wirkung der Glut ausgesetzt und dann mit dem
Hammer bearbeitet. Die Beschreibung ist zwar dunkel, doch ist sie
immerhin von Interesse. Entweder ist die Darstellung einer Art
Damaststahls gemeint durch Verbindung von hartem und weichem
Eisen, oder es ist der Prozeſs der Darstellung gemeint, nach dem
weiches Eisen in einem Bade von Roheisen behandelt wird. Ist die
Schilderung des Verfahrens nur kurz und ungenügend, so werden da-
gegen die Arten des Stahles in dem genannten Buche ausführlich be-
schrieben. Der Stahl, der bei der ersten Behandlung fällt, heiſst
Kugelstahl (Luppenstahl) twan-kang, so genannt wegen seiner ge-
rundeten Form, oder gefleckter Stahl kwan-kang, weil es ein ungleich-
mäſsiges Gemenge von weichem und hartem Eisen war. Eine Sorte
nennt man wei, d. h. falschen Stahl und ein Bericht sagt wörtlich:
„Als ich in Regierungsangelegenheiten nach Tse-Chow geschickt wurde
und die dortigen Eisenschmelzen besuchte, begriff ich dieses zum
erstenmal. Eisen hat Stahl in sich, wie ein Speisegericht die Nudeln
enthält. Setzt man es der Hitze aus, hundertmal oder öfter, so wird
es mit jedemmal leichter. Wird das Ausglühen fortgesetzt bis es an
Gewicht nicht mehr abnimmt, ist es reiner Stahl.“ Dieser Bericht ist
technisch sehr mangelhaft. In dem Pent-Sao, einem Werk aus der
Zeit der Ming-Dynastie heiſst es:


[296]Chinesen.

„Es giebt drei Arten von Stahl:


1. derjenige, der hergestellt wird durch Hinzusetzen von rohem
Eisen zu weichem, während die Masse dem Feuer ausgesetzt ist;


2. erzeugt reines Eisen Stahl, wenn es sehr oft der Hitze ausgesetzt
wird;


3. natürlicher Stahl, der im Südwesten bei Hai-schan erzeugt wird
und der im Ansehen dem Steine gleicht, der Purpursteinblüte (Tsze-
schi-ying) genannt wird.


Der Stahl wird benutzt zu Schwertern und Messern.


Der beste chinesische Stahl heutzutage kommt vom oberen Yangtse-
kiang nach Tientsin und wird weit höher geschätzt, als der englische.
Es existiert auch noch ein Bericht aus dem Beginn unserer Zeit-
rechnung, wonach damals eine Staatsabgabe (ein Zoll) auf Eisen gelegt
wurde 1).


Werfen wir einen Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im
allgemeinen, so erfahren wir aus dem Schu-king, daſs der Ackerbau
schon in alter Zeit ähnlich betrieben wurde wie heute und daſs man
Gold, Silber, Eisen, Blei und Kupfer gewann und verarbeitete. Unter
der Dynastie Han, etwa im zweiten Jahrhundert v. Chr., wurde der
Guſs der Glocken erfunden. Wuti untersagte 280 n. Chr. den Ge-
brauch von Gold- und Silberschüsseln und lieſs die Kaiserin zum Vor-
bilde der Unterthanen selbst mit der Nadel arbeiten. Er that viel zur
Hebung des Ackerbaues; auch lieſs er die Straſsen nach Indien genauer
erforschen und traf mancherlei Maſsregeln zur Förderung des Handels.


Die Aufnahme des ältesten, regelmäſsigen Handelsverkehres mit
angeblich acht barbarischen Völkerstämmen des Westens wird in das
Jahr 1000 v. Chr. zurückverlegt. Der nächste dieser Stämme soll
zehn Tagereisen, der entlegenste sechs Monatsreisen entfernt gewesen
sein. Unter den entfernteren Völkern mögen die Bewohner von Thibet,
Indien und Babylonien gemeint sein, mit welchen die Chinesen in sehr
früher Zeit in Handelsbeziehung traten. Die Chinesen zogen nach
Indien, nicht aber umgekehrt die Indier nach China. Wir wissen, daſs
die Phönizier schon zu Salomos Zeit Handel mit gefärbten Seidenstoffen
trieben, wozu sie die Rohseide durch Zwischenhandel der Serer, d. h.
der Seidenhändler, wahrscheinlich aus China über Babylon erhielten.
Das Volk der Sin (Plural Sinin), unter denen man die Chinesen zu er-
kennen glaubt, wird als ein östliches Handelsvolk, dessen Kaufleute
Babylon besuchten, von Jesaias, also im achten Jahrhundert v. Chr.,
[297]Chinesen.
erwähnt. Aus griechischen Nachrichten erfahren wir erst um 300 v. Chr.
von einem direkten Verkehr der Chinesen mit dem Abendlande.
Später machten die chinesischen Kaiser mehrere Versuche, direkte
Handelsverbindungen mit Rom anzuknüpfen.


Juden scheinen ebenfalls schon in älterer Zeit bis nach China ge-
kommen zu sein, wenigstens gab es im frühen Mittelalter alte jüdische
Gemeinden in China, welche der Rabbi Benjamin von Tudela im
zwölften Jahrhundert besuchte. Die Chinesen sind ungewöhnlich be-
gabt zum Kleinhandel und selbst bei dem chinesischen Bauer ist das
Geschäft fast der ausschlieſsliche Gegenstand der Unterhaltung im
Gespräche. Sie sind die Hausierer des ganzen östlichen Asiens und
geben den Juden in ihrem Erwerbstriebe nichts nach. Auch die
Kleinindustrie wird in ganz Ostasien von hausierenden Chinesen be-
sorgt, die weit umherziehen, aber immer eine groſse Anhänglichkeit an
ihre Heimat behalten. Unter den Industriezweigen, die bei den Chinesen
auf einer besonders hohen Stufe der Vollendung stehen, verdient die
Papierfabrikation hervorgehoben zu werden. Das Lumpenpapier ist
dort schon seit dem Jahre 150 v. Chr. bekannt, der Druck bereits seit
900 Jahren. Das Papier kostet dort nur den vierten Teil wie bei uns
und der Druck ist so billig, daſs die ganzen Werke des Confucius,
400 Blätter in 6 Bänden, einen Franken kosten. Sehr geschickt sind
ferner die Chinesen in der Glas- und Porzellanfabrikation; ebenso in
der Verarbeitung der Seide.


Arbeitsmaschinen haben sie kaum. Im inneren Gebirgslande soll
es Wassermühlen geben. In der Ebene dagegen wird alle Arbeit, auch
das Kornmahlen, nur von Menschen oder Ochsen besorgt. In einem
gröſseren Hause findet man oft fünf solcher Mahlmühlen zugleich.
Überall bedient man sich im flachen Lande der Schöpfräder oder
Paternosterwerke zur Bewässerung der Reisfelder, ähnlich wie dies bei
den alten Ägyptern und Babyloniern der Fall war; auch diese Schöpf-
räder werden entweder von Menschen oder von Ochsen bewegt. Groſs-
artige, schiffbare Kanäle giebt es in China, besonders der Kanal Yun-
Ho, an dem sich gewaltige Hebvorrichtungen befinden, mittels deren
beladene Schiffe über die Schleusen gehoben werden können. Diese
Apparate stammen aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert.


In der Töpferei und Ziegelbereitung sind die Chinesen sehr geübt;
sie haben gemauerte Brennöfen mit Essen.


Die Steinkohlen werden nach Le Comte wenigstens schon seit
2000 Jahren zum Hausbrande gebraucht. Marko Polo gedenkt ihrer
Verwendung im dreizehnten Jahrhundert. Sie sind besonders ver-
[298]Chinesen.
breitet am Hoangho. Seit über tausend Jahren machen schon die
Chinesen Briquets aus Kohlenklein und Thon für den Hausbrand der
Armen. Die Kohle, welche die Schmiede benutzen, giebt eine groſse
Flamme, da sie aber stark dekrepitiert, so muſs sie zuvor gepulvert
werden.


In den westlichen Gebirgen sind die Kohlenlager von fast unglaub-
licher Ausdehnung. Kein Land der Erde soll so reich an Steinkohlen
sein als China. Die Gewinnung ist unvollkommen aber sehr billig.
Schaufeln, Keilhauen und Treibfäustel sind die einzigen Instrumente
der Bergleute. Man hat nicht einmal Pumpen zur Wasserhaltung.
Das Wasser wird in Ledereimer gefüllt, die durch Handarbeit an die
Oberfläche gebracht werden, ganz wie dies bei den Bergwerken der
Alten der Fall war.


Der Anthracit, welcher in Peking verwendet wird, liegt nur
20 engl. Meilen westlich von der Stadt, während gewöhnliche Haus-
kohlen nur 2 Meilen von der Stadt entfernt gegraben werden. Der
Kohlenpreis in Peking betrug 1844 20 Mark per engl. Tonne loco Grube,
also 2 Mark per 100 kg. In Kanton betrug er Mark 3,25 per 100 kg.
Die Steinkohlen werden in China auch zur Schmelzung von Kupfer und
Eisen, sowie zur Glasbereitung benutzt. Auf Formosa giebt es gleich-
falls gute Kohlen, weshalb die europäischen Dampfer dort anzulegen
pflegen. Das Sumpfgas, welches den dortigen Gruben entströmt, wird
seit alter Zeit gesammelt und von den Bewohnern zu mancherlei
Zwecken, als zur Beleuchtung, zum Kochen und Ziegelbrennen etc.
verwendet.


Der Bergbau wird der Landwirtschaft wegen von der kaiserlichen
Regierung nur wenig unterstützt. Selbst um die Goldgruben kümmert
sich der Staat nicht weiter, als daſs er einen von den Unternehmern
zum Aufseher macht, der dann persönlich haftbar ist und die be-
stimmten Abgaben an Gold zu leisten hat. Alles Gold, das in den
Handel gebracht wird, muſs zuvor von kaiserlichen Beamten gestempelt
sein. In den Goldgruben von Tan-kuan sind 2000 Arbeiter beschäftigt.
In den Goldwäschereien von Yün-nan, welche vielleicht die aus-
gedehntesten der Welt sind, pachtet jeder Unternehmer ein Feld und
wäscht auf eigene Rechnung.


Das Silber soll vielfach im geheimen gewonnen werden, auch
kommt es aus den nördlichen Gebieten. Silber- und Goldmünzen sind
noch nicht lange im Gebrauche, obgleich die Geldwirtschaft und in
Verbindung damit das Wechsler- und Bankiergeschäft sehr entwickelt
in China sind. Von der alten Form des Tauschhandels ging man erst
[299]Chinesen.
im Mittelalter ab. Einen Übergang zum Metallgelde bildete ein
Papiergeld mit Zwangskurs, das im neunten Jahrhundert von den
Kaisern eingeführt wurde, mit dem aber im dreizehnten und vierzehnten
Jahrhundert unter der Mongolenherrschaft ein solches Unwesen ge-
trieben wurde, daſs es allen Wert verlor. Ein wichtiger Zweig der
chinesischen Metallindustrie, der indes auch meist nur von Hausierern
betrieben wird, ist das Treiben der Theekannen und ähnlicher Gegen-
stände aus Zinn und Kupferblech. Man bedient sich dabei eines
eisernen Amboses von 2 Fuſs Höhe, der 1½ Fuſs in den Boden ein-
gegraben wird.


Sehr geschickt sind die Chinesen in der Darstellung und Ver-
arbeitung von Kupferlegierungen. Das beliebte „weiſse Kupfer“,
peg-ting, der Chinesen ist eine Legierung von 40,4 Teilen Kupfer,
25,4 Teilen Zinn, 31,6 Teilen Nickel und 2,6 Teilen Eisen, zuweilen
auch etwas Silber. Es hat also im wesentlichen die Zusammensetzung
unseres Neusilbers oder Argentans. Die Mischung ist jedoch so
wechselnd, daſs einige vermutet haben, es werde unmittelbar aus den
Erzen dargestellt.


Bronze aus Kupfer und Zinn wird zu Glocken, Dreifüſsen u. s. w.
vergossen. Eine zinnreichere Komposition ist für polierte Metallspiegel
und für die scharftönenden Gongs, welche beide in allgemeinem Ge-
brauche sind, in Anwendung.


Das Eisen ist für den Hausgebrauch in China weitaus das wich-
tigste Metall. Jeder Chinese trägt als echter Mongole stets Feuerstahl
und Schwamm sowie sein kleines Pfeifchen, das ebenfalls häufig aus
Eisen gemacht ist, bei sich. Die meiste Verwendung findet das Eisen
zu Kochgeschirren.


Das Metall wird im Lande nicht in den ausreichenden Mengen
dargestellt und bildet deshalb einen wichtigen Einfuhrartikel. Auſser
Wollenwaren, Blei und Zinn ist es der reellste Importartikel der Eng-
länder, die allerdings an dem Opium, von dem sie für circa 50 Millionen
Thaler im Jahre einführen, mehr profitieren 1).


Das Eisen wird selten als Roheisen oder Masseleisen importiert,
sondern meist als Stabeisen 2) und zwar sind am gebräuchlichsten 1 bis
[300]Chinesen.
3 zölliges Quadrat- oder ½ zölliges Rundeisen; das Quadrateisen kostet
6,9 Mark per Zentner, das Rundeisen 10,37 bis 45,10 Mark per Zentner;
das Abfalleisen (Scrap-iron) 9,63 Mark per Zentner. Steigt der
Preis, so pflegen die Chinesen nicht mehr zu kaufen, sondern ihr
eigenes Eisen zu verwenden. Die durchschnittliche Einfuhr an Metallen
durch die Engländer betrug um 1800 : 28750 Zentner Stabeisen, neben
50000 Zentner Blei und 6250 Zentner Zinn. Das Eisen wird nament-
lich zu Nägeln, Schrauben, Angeln und anderen kleinen Artikeln ver-
arbeitet. Ferner zu Waffen, doch sind ihre Fabrikate hierin nicht
viel wert. Die Bewaffnung der chinesischen Armee ist überhaupt
mangelhaft, und legt kein rühmliches Zeugnis ab für ihre Schmiede-
kunst. Die Infanterie war bis in letzterer Zeit noch mit Luntenflinten
bewaffnet, neben denen sie noch mit Lanzen, Säbeln und Schilden
ausgerüstet waren. Die Kavallerie trägt zum Teil noch Panzer und
Helm, sowie geflochtene und gemalte Schilde. Auch erzeugen sie für
feinere Artikel einen vorzüglichen Qualitätsstahl im eigenen Lande 1).


Schwedischer und englischer Stahl war früher gleichfalls ein
wichtiger Handelsartikel, doch ist er zurückgegangen. Die Chinesen
verstanden nur schlecht ihn zu verarbeiten, und ihre Versuche Messer-
schmiedewaren darzustellen, sind noch sehr mangelhaft. Sie schätzen
den Stahl nur als ein Eisen von guter Qualität und bezahlen nur
ungern den höheren Preis dafür.


Ausgezeichnet geschickt sind dagegen die Chinesen im Vergieſsen
des Eisens und es scheint dies eine alte Kunst bei ihnen zu sein. Sie
verstehen es ganz auſserordentlich dünne Gegenstände zu gieſsen;
doch stellen sie auch groſse Guſsstücke namentlich aus Erz, wie
Glocken, Kanonen etc. her, die freilich keinen Vergleich aushalten mit
den riesigen Guſsstücken, wie sie jetzt in Europa hergestellt werden. Der
Kanonenguſs ist in China nicht alt, obgleich sowohl die Bekanntschaft
mit dem Pulver als mit dem Eisenguſs weit zurückgeht. Im Jahre
1622 wurde die Stadt Macao aufgefordert drei portugiesische Kanonen
mit Bedienungsmannschaft nach Pecking zu schicken und 1636 muſsten
die Jesuiten, darunter namentlich der Pater Ferdinand Verbiest, auf
kaiserlichen Befehl den Chinesen das Gieſsen der Kanonen lehren.


Die sehr dünnen und leichten guſseisernen Kochtöpfe werden be-
sonders zum Reiskochen verwendet. In der dünnen Wandung liegt
ihr Hauptvorzug. Doch kommt es oft vor, daſs diese Töpfe bei un-
vorsichtigem Erhitzen springen oder durchbrennen und dadurch
[301]Chinesen.
schadhaft werden 1). Sie werden indes nicht unbrauchbar, denn die
Chinesen verstehen es ausgezeichnet, diese Guſswaren zu flicken. Es
geschieht dies von hausierenden Kesselflickern, die unablässig rufend
die Straſsen auf und abziehen. Hat ein solcher einen Topf zu flicken,
so feilt er zunächst das Loch oder den Sprung aus und reibt die
Wände mit einem Ziegelsteine glatt. Dann erhitzt er ein Tiegelchen
von Fingerhutgestalt, in das etwas Roheisen eingetragen ist, in einem
kleinen runden Windofen, der einen Durchmesser von 5½ Zoll hat und
kaum höher ist. Unten befindet sich ein Rost, unter dem der gepreſste
Wind eintritt, den der Künstler mit einem Balge oder mit einem
originellen Kolbengebläse, das später beschrieben werden wird, erzeugt.
Dadurch entsteht in dem kleinen, zweckmäſsig konstruiertem Gebläse-
öfchen eine ganz bedeutende Hitze, bei der das Guſseisen vollständig
einschmilzt. Der Arbeiter faſst nun den kleinen Tiegel mit der Zange
und läſst das geschmolzene Eisen auf ein Stück Filz tropfen, das mit
etwas Holzkohlenasche und Staub bedeckt ist und das er in der linken
Hand hält. Er führt es in das Innere des Gefäſses und preſst es fest
gegen die auszubessernde Stelle, indem er gleichzeitig das geschmolzene
Metall, das durch den Spalt oder die Öffnung hindurchquillt, mit einer
kleinen Rolle von Filz, die ebenfalls mit Asche bedeckt ist, schlägt.
Diese Operation wird wiederholt bis die Öffnung im Kessel vollständig
ausgefüllt ist. Dann bricht er die scharfen Ecken ab, reibt sie mit
Ziegelbrocken glatt und nachdem er noch eine Probe angestellt hat,
ob der Topf dicht ist, indem er ihn mit Wasser anfüllt, stellt er ihn
dem Eigentümer zu. Die ganze Arbeit kostet 30 Pfennige.


Überhaupt sind die Arbeitslöhne in China sehr niedrig. Ein
Schmied steht sich im Durchschnitt nur auf 5 Dollar im Monate.
Freilich sind die Kosten des Lebensunterhaltes damit im Verhältnis,
denn es vermag ein gewöhnlicher Arbeiter mit Frau und drei Kindern
für 3 Dollar im Monat zu existieren. Für eine alte Person rechnet
man nur 1 Dollar im Monat, für einen Knaben 1½ Dollar. Ein lediger
Schmied oder Steinbrecher bedarf für seine Person nicht mehr als
3 bis 4 Dollar monatlich.


Wenn die Chinesen in verschiedenen Arten der Verarbeitung der
Metalle eine groſse Fertigkeit an den Tag legen, so scheint dagegen
die Darstellung des Eisens noch auf niederer Stufe zu stehen. Die
Eisenschmelzen liegen in den wenig besuchten, waldigen Gebirgen und
fehlen deshalb bis jetzt nähere Angaben, doch scheinen sie nach dem
[302]Chinesen.
Wenigen, was wir darüber wissen, ihre Gewinnung mit der auf Borneo,
welche später beschrieben werden wird, Ähnlichkeit zu haben.


Das Erz wird gewaschen, dann in Öfen, die 2000 chinesische Pfund
fassen, mit Holz oder roher Steinkohle geschmolzen. Der hölzerne
Blasebalg wird von 4 bis 6 Männern bedient. Man scheint in denselben
Öfen durch verschiedene Zustellung flüssiges Roheisen oder Schmiede-
eisen zu erzielen. Die Schilderung der Darstellung des Schmiede-
eisens 1) ist freilich schwer zu verstehen. Sie lautet: „Soll aber Stab-
eisen erzielt werden, so gräbt man erst einen zolltiefen, runden Raum
von mehreren Fuſs Durchmesser in den Boden vor dem Ofen und baut
daneben eine kleine fuſshohe Mauer. So wie das flüssige Metall in
diese Form rinnt, stellen sich mehrere Männer mit Holzstäben auf die
Mauer und schlagen auf das gerinnende Metall, das in Würfeln ge-
trennt, gehämmert und in runde Barren geformt wird.“ Dies wäre
eine Art Puddelprozeſs ohne Umschmelzung.


[[303]]

Japanesen.


Japan bietet ein nicht minder ausgeprägtes Kulturbild als wie
China dar. Die mongolischen Bewohner beider Länder stehen sich
ethnographisch sehr nahe. Auch in diesem Staate beruht aller Wohl-
stand und alle Ordnung auf dem sorgfältigen Landbau. Mit noch
gröſserer Gewissenhaftigkeit, ja Raffinement sammelt und vernützt
man in Japan die Düngstoffe. Noch weniger pflegt man dort Viehzucht,
da der Genuſs von Fleisch sogar durch die Religion verboten ist; die
Japanesen sind strenge Vegetarianer. Im Vergleich mit den Chinesen
sind sie begabter, beweglicher und lernbegieriger; auch ihre Technik
steht in vielen Zweigen höher. Ihre Tischler-, Flecht- und Lackarbeiten
sind bewunderungswürdig. Ebenso übertreffen sie in der Herstellung
und Verarbeitung der Metalle ihre chinesischen Verwandten. Der
groſse Metallreichtum des Landes bildet eine wichtige Quelle des
nationalen Wohlstandes. Demungeachtet ist der Bergbau verachtet und
wird nur von dem Auswurf der Gesellschaft, von verurteilten Verbrechern
oder von bedauernswerten Opfern der Gewaltherrschaft betrieben.


Japan scheint von China aus kolonisiert worden zu sein und geht
diese Kolonisation angeblich bis in das Jahr 1240 v. Chr. zurück. Zu
allen Zeiten stand es mit China im Verkehr, wenn auch erst seit
239 n. Chr. von einem diplomatischen Verkehr berichtet wird. Schon
in früheren Zeiten führte die japanesische Regierung wiederholt
Handelssperren gegen China ein, wie sich die japanesische Politik
stets miſstrauisch gegen fremden Handelsverkehr gezeigt hat. Der
Standpunkt der Regierung war eben der, daſs, da ihr Land alle Bedürf-
nisse des Unterhaltes der Bevölkerung in ausreichendem Maſse erzeugt
und der Handel deshalb nur darauf angewiesen sein kann, Luxus-
gegenstände zu liefern, welche notwendige Lebensbedürfnisse dem
[304]Japanesen.
Lande entziehen und infolgedessen die Nahrungsmittel verteuern, der
fremde Handel als gemeinschädlich anzusehen ist. Darum suchten die
Herrscher den Handel nicht nur einzuschränken, sondern auch in
bezug auf die Gegenstände der Ausfuhr einer strengen Kontrolle zu
unterwerfen, und geht der gröſste Teil des auswärtigen Handels noch
heute durch die Hand der Regierung.


Den wichtigsten Zweig des japanischen Handels bildet die Metall-
ausfuhr, namentlich die des Kupfers. Mit den edlen Metallen ist das
Land ebenfalls gesegnet, weshalb der Wert des Geldes gering und alle
Nahrungsmittel in Japan teuer sind. Gold findet sich verhältnis-
mäſsig reichlicher als Silber, weshalb letzteres einen relativ höhern
Wert hat. Das Wertverhältnis des Goldes zum Silber war früher zur
Zeit v. Siebolds (um 1826) wie 5:1; Jeddo und Osaka setzen groſse
Massen von geprägtem Gold in Umlauf.


Das japanische Kupfer ist weltberühmt. Die Kupfergruben
liegen besonders im Bezisangebirge in der Landschaft Jeso auf Nipon.


Es ergaben zu v. Siebolds Zeit die Gruben



Dies war das jährliche Ablieferungsquantum dieser Gruben an das
Staatsschmelzwerk zu Osaka, wo das für den auswärtigen Handel be-
stimmte Stabkupfer unter Aufsicht von Regierungsbeamten bereitet
wird. Im ganzen schätzt v. Siebold die Gesamtproduktion des Kupfers
auf 50000 bis 60000 Pekul (= 62500 bis 75000 Ctr.).


Eisen wird gleichfalls reichlich gewonnen, wenn auch lange nicht
in dem Verhältnis wie Kupfer. Deshalb steht der Preis des Eisens
relativ hoch; nach den Angaben einiger Reisender soll es sogar teurer
wie Kupfer sein, was indessen übertrieben zu sein scheint. Das Eisen
ist in allgemeinem Gebrauch namentlich wie in China zu Kochtöpfen,
zu Waffen, zu Geräten des Landbaues, zu Handwerkszeug, sowie zu
Nägeln und Bolzen, die bei dem Bau der hölzernen Häuser gebraucht wer-
den. Von Siebold giebt an, daſs eine jährliche einheimische Produktion
von 100000 Pekul (125000 Ctr.), abgesehen von der Einfuhr, für den
Bedarf kaum hinreichen dürfte. Das Eisen wird an drei verschiedenen
Punkten gewonnen; am meisten da, wo die drei Provinzen Mimesaka,
Bitspi und Bisen zusammenstoſsen. Der Bergbau beruht nur auf Er-
fahrungsgrundsätzen; er ist einfach und mangelhaft. Die ausstreichen-
[305]Japan.
den Gänge werden meist von Tag aus abgebaut. Man hat auch ein-
fachen Stollenbetrieb, dagegen keine Schächte, also keinen Tiefbau.


In den ersten hundert Jahren, die der Entdeckung Japans durch die
Portugiesen folgten, stand es mit Europa in unbeschränktem, lebhaftem
Handelsverkehr. Die Ausfuhr an edlen Metallen war in diesem Zeitraume
ganz enorm und Japan hieſs bei den Europäern das goldreiche Zipanjo.
Diese Ausfuhr, namentlich an Gold, soll in 80 Jahren den Wert von
9032592000 holländischen Gulden betragen haben. Dieser für die
japanesische Regierung bedenkliche Umstand hat, zugleich mit den
religiösen Streitigkeiten, zu der Vertreibung der Europäer im Jahre
1638 Veranlassung gegeben. Seit jener Zeit führte Japan ein System
strengster Handelssperre, wie es dasſelbe früher wiederholt gegen
China in Anwendung gebracht hatte, auch den Europäern gegenüber
ein. Nur den Holländern wurde nach demütigenden Zugeständnissen
und unter strenger Kontrolle gestattet, einen beschränkten Handel mit
Japan fortzubetreiben. Die ganze Ausfuhr wurde limitiert auf zwei
Dschonken mit einer Ladung, die nicht 750000 Gulden an Wert über-
steigen durfte.


Mit China hatte der offene Handelsverkehr zum Vorteil der Euro-
päer während des vorhergehenden Jahrhunderts bereits ganz aufgehört,
da die chinesische Dynastie der Ming alle Ausfuhr verboten hatte.
Schmuggelhandel war freilich immer betrieben worden. Erst 1643
wurde diese Handelssperre in China aufgehoben und es nahm infolge-
dessen der Handel von China mit Japan in dem Zeitraume von 1643 bis
1684 einen groſsen Aufschwung, während der japanesisch-europäische
Handel um so beschränkter blieb. Es liefen in jener Zeit durch-
schnittlich in jedem Jahre 200 chinesische Dschonken mit mehr als
10000 Mann in Japan ein, während der europäische Handel auf zwei
Dschonken reduziert blieb. Aber im Jahre 1685 wurde auch der Han-
del mit China wieder gesetzlich eingeschränkt und zwar auf 70 Dschonken
jährlich mit einer Fracht von höchstens 600000 Tail (= 3600000 Mark).
Zugleich wurden strenge Gesetze gegen den Schmuggelhandel erlassen.


Von seiten Chinas wurde der Handel teils von Handelskompagnieen,
teils von Privatpersonen betrieben, während von seiten Japans beinahe
die ganze Ausfuhr von der Goldkammer, d. h. von der Regierung ge-
liefert wurde. Zweidrittel der Fracht war stets Stabkupfer.


Seit jener Zeit hat sich nach und nach auch der europäische
Handel wieder gesteigert, wenn er auch immer noch nach denselben
Grundsätzen betrieben wurde. 1832 betrug der Wert der Ausfuhr auf
zehn Dschonken 1800000 holländische Gulden. Die eingeführten
Beck, Geschichte des Eisens. 20
[306]Japan.
Waren bestanden hauptsächlich aus Zeugen und europäischen Wollen-
waren, ferner in verarbeiteten Metallwaren, in Arsenik, Bleiweiſs, Queck-
silber, Silber, Goldfäden, Speckstein, Zink und Zinnober, während die
Ausfuhr hauptsächlich aus Stabkupfer, ferner getrockneten Fischen,
Industrieerzeugnissen, besonders Lackarbeiten u. s. w. bestand. Die
Goldkammer verkaufte den Chinesen das Stabkupfer um die Hälfte
theurer als den Holländern.


Seit neuerer Zeit ist die japanesische Regierung bekanntlich wieder
in freisinnige Bahnen eingelenkt, und zwar datiert dieser Umschwung von
dem Abschluſs des Vertrages mit den Vereinigten Staaten im Jahre 1855.
Die Begünstigungen dieses Vertrages wurden bald darauf auch den
europäischen Staaten eingeräumt und seit jener Zeit ist Japan eigent-
lich erst erschlossen worden. Die japanesische Regierung lernte rasch
die besseren Einrichtungen würdigen und bestrebt sich mit bewun-
derungswürdigem Eifer dieselben dem Lande nutzbar zu machen.


Die Verarbeitung der Kupfererze und das Raffinieren des Kupfers
geschieht, wie erwähnt, durch den Staat.


Die Erze, deren Gehalt von 5 bis 10 Proz. schwankt, werden zu-
nächst zehn Tage lang in gemauerten Öfen geröstet. Das Röstgut
wird in groſsen Schachtöfen eingeschmolzen und der abgestochene
Stein in Scheiben abgehoben. Diese werden nochmals geröstet und
eingeschmolzen. Es fällt nun Schwarzkupfer, das in ähnlicher Weise
in Scheiben gerissen wird. Dieses Kupfer wird nun von allen Revieren
nach den Raffinieranstalten, welche sich in Nangasaki, Matsu, Sakai
und Osaka befinden, geliefert. Das unreine Kupfer wird von Neuem
in einem Herde vor dem Winde eingeschmolzen und in Scheiben gehoben,
die dann nochmals umgeschmolzen, in Formen (Ingots) gegossen wer-
den und so das fertige Stabkupfer liefern. Von dem letzteren Teile
der Arbeit hat uns Thunberg eine Beschreibung geliefert. Gegenüber
dem Herde, in dem das Garkupfer geschmolzen ist, liegen in einer Ver-
tiefung zehn viereckige Eisenstäbe mit der Kante nach oben nebenein-
ander. Über diese wird ein Stück Segeltuch gezogen und zwischen den
Stäben eingedrückt. Darauf wird soviel Wasser gegossen, daſs dies
etwa einen Fuſs hoch das Tuch bedeckt. Nun wird das geschmolzene
Metall mit einer Kelle aus der Herdgrube geschöpft und in die be-
schriebenen Formen eingegossen; man gieſst auf diese Art zehn bis
zwölf Stangen von der Länge einer viertel Elle auf einmal, nimmt
sie heraus und fährt dann mit dem Gieſsen fort. Abwechselnd schüttet
man auch wieder kaltes Wasser auf. Auf diese Art entstehen die drei-
eckigen japanesischen Kupfereingüsse (Ingots), die sich durch ihre
[307]Japan.
schöne purpurrote Farbe auszeichnen; sie sind meist eine Spanne lang
und einen Finger dick. Sie werden in Kisten à 125 Stück verpackt
und so verkauft.


Obgleich der Eisenkonsum in Japan beträchtlich geringer ist, als
in den europäischen Staaten, so ist er doch nicht unbedeutend. Der
hohe Preis des Stabeisens läſst auf eine beschwerliche Bereitung
schlieſsen. Guſseisen stand früher zu 6 bis 8 Gulden per Pekul
(= 125 Pfund), also 16 Mark und 32 Pfennig bis 21 Mark 76 Pfennig
per 100 kg; Stabeisen auf 20 Gulden, also 63 Mark per 100 kg und
Stahl zu 30 bis 35 Gulden, also 94,50 bis 110,25 Mark per 100 kg.


Im Gieſsen dünner Töpfe haben die Japanesen dieselbe Geschick-
lichkeit wie die Chinesen. Ihre hausierenden Kesselflicker bedienen
sich einer bemerkenswerten Methode geschmolzenes Eisen dadurch
flüssig zu erhalten, daſs sie mit einem Blasebalg lebhaft darauf blasen.
Durch eine partielle Oxydation des Kohlenstoffes und wohl auch des
Eisens wird eine genügende Hitze entwickelt, um das Eisen flüssig zu
erhalten. Es ist dies Verfahren besonders deshalb interessant, als es
als ein Vorläufer der gröſsten Reform im Eisenhüttenwesen der Neu-
zeit, der Erfindung des Bessemerprozesses angesehen werden kann.


In der Bereitung des Stahls übertreffen die Japanesen die Bewohner
Chinas. Sie machen namentlich vorzügliche Schwertklingen, die von
Reisenden an Güte den echten Damastklingen zur Seite gestellt
werden; doch sind sie auch entsprechend teuer. Thunberg giebt an,
daſs eine gute Klinge mit 50, 60, ja mit 100 Thalern bezahlt werde.
Die übrige Bewaffnung der japanesischen Soldaten war bis in letzterer
Zeit kaum besser wie die der Chinesen. Die Reiter stecken in schweren
Metallrüstungen, die schwarz lackiert sind, und haben auf dem Kopfe
einen phantastischen Metallhelm mit beweglichem Visier. Die ganze
Rüstung pflegt mit einem glänzenden schwarzen Lack überzogen zu
sein. Diese Rüstungen erwecken mehr Furcht durch ihr Aussehen als
durch ihre Gefährlichkeit.


Über die Art, wie dieser gute Stahl erhalten wird, liegt nur eine
alte Nachricht in Swedenborgs altem Werk „De ferro“ vor 1). Nach
seiner Angabe sollen die Japanesen ihren Stahl in derselben eigen-
20*
[308]Japan.
tümlichen Weise erhalten, wie die alten Celtiberer. Sie schmieden,
wie er berichtet, das Eisen in Stangen aus, welche sie an sumpfigen
Plätzen in den Boden eingraben und es dort liegen lassen, bis es zum
gröſsten Teile vom Rost verzehrt ist. Dann graben sie es aus, schmie-
den es von neuem aus und vergraben es nochmals. Sie lassen es acht
bis zehn Jahre lang im Boden, bis es durch die Salze im Sumpfwasser
fast ganz verzehrt ist. Der übrigbleibende Teil ist Stahl. Aus diesem
verrosteten Eisen machen sie ihre Waffen und Geräte.


Diese Mitteilung, hat eine auffällige Ähnlichkeit mit der Erzählung
von dem Verfahren der Celtiberer 1). Immerhin kann sie auf Wahrheit
beruhen. Bei dem unvollkommenen Schmelzverfahren muſs ein sehr
ungleiches Gemenge von weichem und hartem Eisen, von Schmied-
eisen und Stahl entstehen. Nun ist es Thatsache, daſs das weiche
Eisen schneller rostet als der Stahl. Obige Operation würde demnach
wohl zu dem gewünschten Zwecke führen. Sie gäbe aber einen sehr
teuren Stahl und mag dieselbe in einzelnen Fällen, etwa für besonders
gute Klingen angewendet werden, als gebräuchliche Methode der
Stahlbereitung erscheint sie uns nicht wahrscheinlich. Leider fehlen
bis jetzt genauere Beschreibungen sowohl über das Ausschmelzen der
Erze als über die Darstellung des Stahls in Japan.


[[309]]

Die Naturvölker in Afrika, Asien und Amerika.


Afrika.


Die Bevölkerung Afrikas hat von den Bewohnern der drei Kon-
tinente, welche als die alte Welt bezeichnet werden, am wenigsten an
den Fortschritten der Kultur Teil genommen. Auch in technischer
Beziehung haben sie Hervorragendes niemals geleistet. Demungeachtet
bietet die metallurgische Technik der Negervölker, welche als die Ur-
bevölkerung Afrikas anzusehen sind, ein ganz besonderes Interesse für
uns dar, da dieses Volk, soweit unsere Kenntnis reicht, von jeher in
diesem Weltteile seſshaft und seine Kulturentwickelung eine durchaus
spontane war. Die Äthiopier saſsen schon in dem nubischen Gebiete
und in den südlicheren Ländern, ehe die Geschichte Ägyptens ihren
Anfang nimmt. Auch läſst sich nicht behaupten, daſs der zivilisa-
torische Einfluſs, den die nach gewissen Richtungen hin so hoch-
gebildeten Ägypter eine tiefere Einwirkung auf die äthiopischen Völker
geübt habe. Das Klima, die geographische Gestaltung Afrikas und
andere natürliche Ursachen haben zusammengewirkt, daſs alle fremden
Impulse zu einer höheren Zivilisation nur eine oberflächliche und vorüber-
gehende Einwirkung ausgeübt haben. Die zähe und widerstandsfähige
Natur des Negerstammes hat ebenfalls wesentlich hierzu beigetragen.
Den gröſsten Einfluſs auf die Völker Afrikas haben noch die Araber
ausgeübt, die einerseits genügsam und ausdauernd, andererseits fana-
tisch und interessiert, dabei durch ihr heimisches Klima den Beschwer-
den der afrikanischen Sonne mehr gewachsen, die mohammedanische
Religion verbreiteten und in Verbindung damit den arabischen Binnen-
handel etablierten. Die Einwirkung Ägyptens beschränkte sich auf
Nubien und das Küstengebiet des Roten Meeres und eines Teiles des
[310]Afrika.
Ozeans. Die Phönizier kolonisierten die Küsten des Mittelländischen
Meeres und eine Strecke über die Säulen des Herkules hinaus, aber
die Wüste Sahara beschränkte weitere Fortschritte.


Europa hat in älterer Zeit sehr wenig Einwirkung auf die Neger-
völker Afrikas geübt. Der Einfluſs der Römer beschränkte sich auf
die von ihnen eroberten Mittelmeerländer. Die erste, wenig ehrenvolle
Kulturmission übernahmen die Spanier, als sie im sechzehnten Jahr-
hundert anfingen die Neger als Sklaven nach Amerika zu schleppen.
Doch selbst dieser Sklavenhandel, der alsbald groſse Dimensionen an-
nahm, machte die europäischen Völker nur mit der Küste Afrikas
bekannt. Erst seit diesem Jahrhundert haben es kühne Reisende
unternommen, in das Innere des groſsen, merkwürdigen und gesegneten
Weltteiles einzudringen und wir stehen erst am Anfange einer zivilisa-
torischen Einwirkung auf die von der Natur körperlich und geistig
nicht wenig beanlagten Völkerschaften Afrikas. Der fremde Kultur-
einfluſs war so gering und ist, wo vorhanden, so leicht zu erkennen,
daſs wir berechtigt sind, die einheimische Industrie der Negerstämme
als originell und als von sehr hohem Alter anzusehen. Keinenfalls
wurde die Eisenindustrie von einem der obengenannten Völker nach
Afrika importiert. Die Ägypter und die Araber fanden dieselbe bereits
vor und daſs die Neger die Kunst der Eisenbearbeitung von den
Römern gelernt hätten, wird wohl heute niemand mehr im Ernst be-
haupten wollen. Gerade bei denjenigen Negerstämmen, die fremden
Einflüssen am wenigsten ausgesetzt waren und im tiefsten Innern des
schwarzen Weltteiles wohnten und ihren ursprünglichen Zustand am
reinsten bewahrt haben, hat man die gröſste Geschicklichkeit der
Eisenbearbeitung gefunden, wie dies namentlich durch die neuesten
Reiseberichte bestätigt wird.


Bei der Geschichte der Ägypter haben wir schon die Eisengewin-
nung in Nubien und Kordofan beschrieben und geben uns sowohl
die abgebildeten Manipulationen der Ägypter, als die dargestellten
Figuren und die überlieferten Berichte den ausreichenden Beweis, daſs
schon in der älteren Zeit der ägyptischen Geschichte die Eisengewinnung
und Verarbeitung in Nubien betrieben wurde. Wir haben den
Bericht Ruſseggers bereits mitgeteilt und begnügen uns hier darauf
zu verweisen 1). In ganz Afrika kehren aber die ähnlichen Verhältnisse
bezüglich der Kenntnis und Gewinnung der Metalle wieder. Gold und
Eisen sind die allein gesuchten Metalle. Gold als Schmuckmetall,
[311]Afrika.
Eisen als Nutzmetall. Die Verwendung aller anderen Metalle, selbst
die des Kupfers tritt zurück.


Knüpfen wir an die Eisengewinnung in Nubien an, so liegen uns
für den Sudan auſser dem bereits Angeführten die Berichte von Barth
vor, der mitteilt, daſs im Wadai Eisenerz verschmolzen und zu Waffen
und Ackergerät verarbeitet wird; in Agades (Oase nördlich) rühmt
er die Feinschmiedearbeit.


Die eigentlichen Äthiopier sollen weniger geschickte Eisenarbeiter
sein. Die Donakil machen grobe Eisenwaren, wozu sie das Material
aus Indien beziehen 1). Bei den Abessiniern sind die Eisenarbeiter
meist Fremde aus dem Stamme der Talascha. Die Schmiede gelten
bei ihnen als Zauberer und stehen in dem Rufe, sich Nachts in reiſsende
Tiere verwandeln zu können und dann selbst Menschenfleisch zu fressen.


Sehr interessante Mitteilungen über die Eisenindustrie der Völker
südlich von Darfur hat uns Schweinfurth gegeben in seiner interessanten
Schrift „Artes Africanae“ (Leipzig 1875). Er beschreibt die Stämme der
Dinka, Djur, Bongo, Mittu und Niam-Niam, sowie die, zwischen dem
dritten und vierten Grade nördlicher Breite am Uellefluſs wohnenden
Monbuttu, die noch vollständig dem Kannibalismus ergeben sind.


Der Verfasser sagt im Vorwort:


„Je gröſser die Fortschritte gewesen, welche hin und wieder in
unserer Zeit ein afrikanisches Volk auf der Bahn der äuſseren Ge-
sittung gemacht, um so geringfügiger gestaltete sich die eigene Produk-
tionskraft, um so gröſser wurde die Abhängigkeit in allen Bedürfnissen
eines verfeinerten Lebens von der europäischen Industrie, denn diese,
unaufhaltsam sich aufdrängend, schlieſst von vornherein jede inlän-
dische Konkurrenz aus und erstickt jede Regung eines angeborenen
Nachahmungstriebes . . . . . Wie könnte man einem Negerschmiede
zumuten, sich an die, für ihn so zeitraubende und mühevolle Her-
stellung eines gewöhnlichen Messers zu machen, wenn ihm ein Dutzend
derselben im Tausch gegen einen Kautschukklumpen geboten wird, den
er spielend im Walde gesammelt? Die mohammedanischen Völker,
welche einen groſsen Teil der Nordhälfte von Afrika inne haben, liefern
dafür einen noch schlagenderen Beweis, indem dieselben von Jahr zu
Jahr sich immer weniger produktiv an eigenen Erzeugnissen der Kunst
und des Gewerbfleiſses zeigen und einen gleichen Einfluſs, wie die
europäische Welt auf diese, haben sie selbst wiederum auf die dem
Äquator näher wohnenden Völker ausgeübt, was sich am deutlichsten
[312]Afrika.
in den Negerstaaten des mittleren Sudan zu erkennen giebt, wo, seit-
dem sie dem Islam verfallen, ein gradueller Rückschritt auf der Bahn
der äuſseren Kultur sich offenbart und die letzten Spuren eines ein-
heimischen Gewerbfleiſses in kurzer Zeit zu verschwinden drohen.


Figure 51. Fig. 51.

Unter solchen Umständen kann es nicht Wunder
nehmen, wenn wir bei den am meisten abgeschlossenen
Bewohnern Afrikas, unter den rohesten, zum Teil noch
kannibalischer Sitte huldigenden Stämmen im tiefsten
Innern, bis wohin noch nicht einmal der Gebrauch von
Baumwollenzeugen und noch kaum derjenige der Glas-
perlen hingedrungen, den angeborenen Kunsttrieb, die
Freude an der Herstellung von Kunstgebilden zur Ver-
schönerung und Annehmlichkeit des Lebens, die Freude
am selbsterworbenen Besitz gerade am meisten erhalten
finden … Mögen andere Reisende in dem angedeuteten
Sinne fortfahren zu sammeln. Eile thut Not! Denn die
destruktive Gewalt unserer sich allen Völkern des Erd-
balles aufdringenden Industrie droht über kurz oder lang
auch in Afrika mit dem letzten Reste autochthoner Kunst
aufzuräumen.“


Schweinfurth fand bei den obengenannten Völkern
von Innerafrika eine vorgeschrittene, selbständige Eisen-
industrie und teilweise staunenswerte Leistungen. Die
Djur 1) rühmt er als vorzügliche Stahlschmiede. „Sie fer-
tigten einfache, schlank zulaufende Lanzenspitzen, die
durch den Handel an Geldesstatt über alle Nachbarländer
verbreitet werden (Fig. 51). Vollständige eiserne Lanzen,
von 6 bis 8 Fuſs Länge, werden nicht als Wurfgeschosse
gebraucht, sondern dienen in dieser Form als wohlver-
arbeitetes Eisen, bei den Dinkastämmen, in Heiratsfällen
zur Mitgift.


Die Pfeilspitzen dieser Negervölker zeigen in der
Regel einen vierkantigen Schaft, der nicht nur auf den
Kanten scharf aufgehauen wurde, sondern noch in seiner ganzen Länge
mit spitzen Stacheln, Grannen und Zacken versehen ist und damit eine
„wahrhaft teuflische Erfindungskunst“ im Ersinnen von Mitteln bekundet,
um eine Verwundung so gefährlich als möglich zu machen. Oft sind
[313]Afrika.
diese Schäfte schlangenartig hin- und hergewunden und die Monbuttu
pflegen breit dreieckige oder spatelförmig abgerundete Pfeilspitzen den
schlanken vorzuziehen, weil sie schlimmere Wunden verursachen sollen.
Daſs die Modelle zu diesen gefährlichen Geschossen aus dem Pflanzen-
reiche, namentlich aus der Familie der Dorngesträuche genommen
wurden, erkennt man auf den ersten Blick.


Ganz wie diese zierlichen und feinen Pfeilspitzen sind auch die
Lanzen, selbstverständlich in gröſserem Maſsstabe gearbeitet und an

Figure 52. Fig. 52.


dem mit einer Tülle versehenen Schaft
entlang mit zackigen, geraden und ge-
schweiften Widerhaken besetzt, deren
Spitzen bald aufwärts, bald abwärts
geneigt sind. Der vierkantige Stiel der
Bongolanze (Makrigga) zeigt häufig in
seiner ganzen Länge eingemeiſselte,
rautenförmige Zierlinien und kein an-
deres Erzeugnis zentralafrikanischer
Eisenarbeit, versichert Schweinfurth,
könne diesen „Meisterwerken“ zur
Seite gestellt werden.


Das eiserne Wurfmesser (Pingah)
der Niam-Niam besteht bei mannig-
faltigster Form stets aus drei zwei-
schneidigen Schenkeln oder Klingen
von ungleicher Länge und seltsamer
Schweifung (Fig. 52). Die kürzeste
Klinge sitzt an dem kleinen, nur wenig
geschweiften Stiele unmittelbar über
dem Handgriffe, während die beiden
anderen Klingen das obere Ende der
Waffe bilden und die gröſste von ihnen
unter einem rechten Winkel bis zur
Länge des Stieles vorspringt. Das
Ganze ist kunstreich aus einem Stücke
geschmiedet und erinnert durch seine
drehende Bewegung beim Fortschleudern an den Bumerang der
Australier. Die Wurfeisen der Fan im äquatorialen Westafrika zeigen
mit denen der Niam-Niam die gröſste Übereinstimmung. Bei anderen
afrikanischen Völkern dagegen sind die Wurfeisen nur mit zwei Schen-
keln versehen (Schangermangor) und werden in dieser Form mit Vor-
[314]Afrika.
liebe von den Einwohnern des zentralen Sudan, von Bongo, Wadai u. s. w.
verwendet.


Die Dolche der Niam-Niam sind mit Blutrinnen versehen und oft
auf dem Mittelrücken schlitzförmig durchbrochen. Die Klingen ihrer
sichelartig gekrümmten Säbel zeigen eingemeiſselte Wellenverzierung
von gröſster Schärfe und Regelmäſsigkeit.


Nächst ihrer sonderbaren spatel- und sichelförmigen Gestalt
zeichnen sich die Hiebwaffen der Monbuttu vor den übrigen afrika-
nischen Eisenarbeiten vorteilhaft aus durch groſse Homogenität der
Stahlmasse. Auch die Waffen aus Sofala zeigen bei aller Vortrefflich-
keit des Materiales und höchst exakter Arbeit klaffende Schweiſsnähte,
ein Beweis, daſs beim Ausschmieden nicht die gehörige Ausdauer an-
gewendet wurde. Von Interesse ist übrigens noch die Bemerkung
Schweinfurths, daſs die Monbuttu für Prunkzwecke bei feierlichen
Aufzügen sich kupferner Waffen bedienen, die sie den eisernen nach-
gebildet haben.


Teils als Schmuck, im Nahekampfe aber als gefährliche Waffe,
werden von vielen Negerstämmen federnde Armringe aus Eisen ge-
tragen, die, mit mehr oder weniger langen Dornfortsätzen, mit Zacken
und Schneiden versehen, zum Schlagen und Stoſsen gebraucht werden.
Die Djur verfertigen auch Schmuckringe aus geschmiedetem Kupfer
und verstehen es, solche auch in Messing zu gieſsen, das ihnen von Nor-
den her durch die Baggara zugeführt wird. Gegenüber den vorzüglichen
Leistungen der Eisenschmiedekunst und ihrer ganz allgemeinen Ver-
breitung kommt die Kupferindustrie indessen kaum in Betracht und es
verdient wohl Beachtung, daſs kein einziges der afrikanischen Natur-
völker in der Metallurgie weit genug vorgeschritten ist, um kiesiges
Kupfererz verhütten zu können.


Zur Darstellung des Eisens wird meist Brauneisenstein verwendet,
der überall in groſsen Massen ansteht. Die Öfen selbst sind aus Thon
fabriziert, bei den Djur nur 1,3 m hoch, der Schacht verjüngt sich
nach oben und ist am Fuſse mit vier sich diametral gegenüberliegen-
den Ausschnitten versehen, um den Luftstrom durchstreichen zu lassen,
den man noch durch vier eingelegte Thondüsen zu zentralisieren
sucht (Fig. 53). Nachdem der Ofen bis zu reichlich zwei Drittel seiner
Höhe mit Holzkohlen angefülllt und auf diese dann der zerkleinerte
Eisenstein geschüttet ist, zündet man das Feuer von unten an.“


Der Verwendung von Blasebälgen geschieht keine Erwähnung. Nach
Verlauf von vierzig Stunden beginnt die Schmelzung. Schlacke und
reduziertes unvollständig gekohltes und halbgeschmolzenes Eisen sinken
[315]Afrika.
in den Herd am Boden des Ofens hinab, wo das stahlartige Eisen sich
zu einem Klumpen (einer Luppe) zusammenballt, der durch eines der
Formlöcher herausgezogen und später durch wiederholtes Hämmern
mit Steinen und wiederholtes Erhitzen am Feuer des Schmiedeofens

Figure 53. Fig. 53.


von der beigemengten Schlacke
gereinigt wird. Das Produkt ist
ein vorzügliches Eisen.


Die Djurschmiede machen
daraus auſser den beschriebenen
Lanzenspitzen besonders Fisch-
haken, Harpunen und kleine Ringe,
die auf eine Lederschnur auf-
gezogen, als Schmuck ähnlich wie
Perlenschnüre getragen werden.


Die Eisenschmelzöfen der
Bongoneger weichen nur in der
Form etwas von den beschriebenen
ab. Sie werden aus einem homo-
genen Thon angefertigt, sind 1,7 m
hoch und haben im Innern drei
birnförmige Abteilungen (Fig. 54
a. f. S.), von denen die mittlere zur
Aufnahme der Erze und Kohlen
bestimmt ist, während die untere
und obere nur mit Holzkohlen
gefüllt werden. Der Ofen hat
ebenfalls vier Düsen, durch welche
der Wind zugeführt wird und
zwar ist jede Düse mit einem
Blasebalge verbunden, auſserdem
ist eine fünfte Öffnung als
Schlacken- und Ausziehloch ausgespart. Die Blasebälge sind sehr
primitiv (Fig. 55 a. f. S.). Sie bestehen aus je zwei geschweiften Röhren
aus Thon, deren engere Mündungen (Düsen) in ein drittes weiteres
(die Form) münden. Die weiteren Öffnungen der Thonröhren, die bei
richtiger Stellung sich befinden, sind oben mit einer sackartigen Haut
überspannt, in deren Mitte eine Öffnung ist. Diese Öffnung dient als
Ventil, indem der Arbeiter es beim Zudrücken schlieſst, beim Aufziehen
öffnet. Das Blasen geschieht durch abwechselndes Auf- und Nieder-
drücken der Lederhaube mit den Händen. Diese Bälge erinnern lebhaft
[316]Afrika.
an die Bälge der Ägypter und der Neger von Kordofan. Ähnlicher Bälge
aus Ziegenfell mit schlitzartigen Klappen, bei denen die Thonrohre
durch Rohre von hartem Holze ersetzt sind, bedienen sich die Joloffs
im Westen. Ein solcher Balg befindet sich im Berliner Museum.


Figure 54. Fig. 54.

Im übrigen ist der Vorgang beim Schmelzen kein anderer als der
eben geschilderte. Das Handwerkszeug der Negerschmiede ist, wie
selbst das der halbzivilisierten Nationen, ein höchst primitives. Die

Figure 55. Fig. 55.


Bongo gebrauchen als Schmiedezange ein gespaltenes Stück grünen
Holzes, das durch einen aufgeschobenen Ring zusammengehalten wird,
damit wissen sie das rotglühende Eisen beim Schmieden geschickt zu
regieren. Ganz ähnliche Zangen, die selbstverständlich aus einer saft-
[317]Afrika.
reichen Holzart angefertigt werden, fand Speke bei den Wanyamuesi,
Livingstone bei den Batoka. Ein vierkantiger Klotz, meistens nur
ein glatter Gneis oder Kieselstein, wird zugleich als Hammer oder
Ambos gebraucht (Fig. 56) und „in jedem Falle ist die nervige Hand
des Schmiedes der einzige Stiel dieses plumpen Werkzeuges“. Ab-
gesehen von kleinen Meiſseln, die zum Zuschneiden des Randes und
zur Erzeugung der feinen Stacheln und Widerhaken an den Lanzen
benutzt wurden, fand Schweinfurth bei den Bongoschmieden keine
anderen Werkzeuge.


In Wadai ist die Industrie relativ gering, doch wird Eisenerz
verschmolzen und das Eisen zu Waffen und Ackergerät verarbeitet.

Figure 56. Fig. 56.


Barth rühmt die Arbeiten der Feinschmiede in Agades.
Überhaupt sollen die heidnischen Bewohner im Sudan, von
Darfur und Wadai treffliche Eisenarbeiten liefern.


In Kano 1), dieser berühmten Handelsstadt Zentral-
afrikas 2) bildet die Eisenverarbeitung einen bedeutenden
Industriezweig, indem es hier in groſser Menge zu Speeren,
Lanzen, Dolchen, Ackergerätschaften, Steigbügeln und
Zaumketten verarbeitet wird, obwohl es keineswegs von
solcher Güte sein soll, wie das von Wándala (Mándara)
und Buban- Djídda.


Aus dem Grenzlande der Marghi, zwischen Bornú und
Adamana, berichtet Barth von einem Schmied, welchen er
unter einem üppig aufgewachsenen Tamarindenbaume traf, unter dessen
Schatten jener seine einfache Werkstätte aufgeschlagen hatte. Der
Arbeiter waren drei. Der Meister hämmerte das im Feuer liegende
Eisen, ein Knabe fachte das Feuer mittels eines kleinen Blasebalgs —
húbutu — an und ein erwachsener Bursche befestigte das Eisen an
einen Stiel. Nahe bei ihnen lag ein vollendeter Speer am Boden. Auf
eine Anfrage nach dem Ursprunge des Eisens wurde Madégele in Buban-
djídda angegeben. Es wird dort für das beste Eisen angesehen. Auf
seiner Rückkehr von Adamana durch dasſelbe Land fand der Reisende
seinen Wirt zu Issege reich mit Eisen geschmückt. Er trug um den Hals
und bis auf die Brust herabreichend einen Schmuck von zwei Reihen
Eisen- (oder Stahl-) Perlen, am linken Oberarm vier breite Eisenringe,
am Ellbogen zwei andere schmale, sehr niedliche, wie aus Perlen zu-
sammengesetzte und am Handgelenk drei Eisenringe. Auch am rechten
Arm befanden sich vier und am Fuſsgelenk ein derartiger. Andere seiner
[318]Afrika.
Landsleute waren noch reicher mit Eisen geschmückt, sie hatten eiserne
Kettchen um ihre Hüften. Das nahe gelegene Mora ist der Haupt-
markt für derartige Gegenstände, welche ebensowohl als Proben des
vortrefflichen Eisens, welches die Eingeborenen besitzen, als auch als
Zeugnis ihrer Kunstfertigkeit dienen.


Von den Ländern Ostsudans am Tsadsee sagt derselbe Reisende,
daſs in Baghírmi zwar Bergbau auf Eisen nicht getrieben werde, daſs
aber namentlich aus Gúrgura, einem 20 bis 25 Meilen vom Flusse ent-
fernten Orte, wo der Sandstein beträchtlich viel Erz zu enthalten
scheine, Eisen eingeführt werde, während in Wadai der Kunstfleiſs nur
die rohesten Erzeugnisse, wie Waffen und Ackergeräte, aus einheimischem
Eisen liefern.


Die Negervölker im westlichen Mittelafrika sind zum Teil sehr
geschickte Schmiede. Allerdings nicht alle; so kannten z. B. die Tim-
manis weder die Weberei, noch die Verarbeitung des Eisens. Die
Eisenbereitung der benachbarten Mandingos steht dagegen auf einer
hohen Stufe. Sie bedienen sich aus Steinen aufgebauter Öfen, in denen
die Verbrennung durch natürlichen Zug erfolgen soll. Mungo-Park
giebt eine Beschreibung 1) ihres Eisenschmelzprozesses, wie er ihn in
Kamalia beobachtete und wie er fast ebenso in Kuranko und Bambarra
ausgeübt wird. Der Ofen war von turmähnlicher Gestalt, etwa 10 Fuſs
hoch und hatte 3 Fuſs Durchmesser im unteren Teile; nach oben
wurde er enger. Die Lehmmauer war verstärkt und durch eine Um-
flechtung von Baumzweigen gehalten. In gleicher Höhe mit der Hütten-
sohle, doch nicht im Niveau der vertieften Herdsohle, waren rings um den
Ofen herum sieben Öffnungen angebracht, in deren jede drei Röhren
eingesteckt wurden, während man den freibleibenden Zwischenraum
mit Thon zuschmierte, so daſs die Luft nur durch diese Röhren in den
Ofen eintreten konnte. Durch Öffnen und Schlieſsen dieser Röhren
läſst sich die Luftzufuhr leicht regulieren. Die Röhren selbst werden
aus einem Gemenge von Thon und Gras über einem runden Holzstück
geformt, welches, sobald der Thon anfängt zu erhärten, ausgezogen
wird, worauf man die Röhren in der Sonne vollständig trocknet.


Das rote Eisenerz wurde in Stücke, so groſs wie Hühnereier, zer-
klopft. In den Ofen wurde dann über ein Bündel trockenes Holz eine
abgemessene Menge frischer Holzkohlen gestürzt. Hierüber breitete
man eine Lage Eisenerz aus, darauf wieder eine Lage Holzkohle und
so fort bis der Ofen ganz gefüllt war. Das Feuer wurde nun durch
[319]Afrika.
eine der Röhren eingetragen und längere Zeit mit Ziegenbälgen ange-
blasen; es griff anfangs nur sehr langsam um sich und dauerte es
einige Stunden bis die Flamme an der Gicht erschien. Hierauf aber
brannte es mit groſser Heftigkeit die ganze erste Nacht hindurch und
die Arbeiter muſsten öfter frische Kohlen aufgeben. An dem darauf-
folgenden Tage war der Zug etwas matter und in der nächsten Nacht
wurden einige von den Röhren ausgezogen, damit die Luft noch freieren
Zutritt zum Ofen bekam. Die Hitze war groſs und eine blaue Flamme
schlug aus der Gicht. Am dritten Tage wurden alle Röhren gezogen,
von denen viele am vorderen Ende verglast waren. Aber das Eisen
wurde erst nach einigen Tagen, als das Mauerwerk bereits ziemlich
abgekühlt war, ausgebrochen. Ein Teil des Ofens wurde weggerissen
und das Eisen erschien als eine groſse, unregelmäſsige Luppe, an
der noch Holzkohlenstückchen hingen. Beim Anschlagen klang es,
und abgebrochene Stückchen hatten einen körnigen Bruch wie Stahl.
Der Eigentümer gab an, daſs viele Teile der Luppe unbrauchbar seien,
aber noch gutes Eisen genug gewonnen wäre, um seine Arbeit zu be-
zahlen. Dieses stahlartige Eisen wird zur weiteren Verarbeitung
wiederholt in einem Schmiedefeuer ausgeheizt. Die Werkzeuge, Hammer,
Ambos und Zange sind sehr einfach, aber die Verarbeitung, besonders
zu Messern und Lanzenspitzen, verdient alles Lob. Auch fertigen sie
die Glocken für die Karawanen von Jenne (Dschenne) aus Eisen 1).


Die Bambarra schmelzen Eisen, das sie gegen Salz vertauschen.
Die Negerschmiede, die das Eisen verarbeiten, hausieren vielfach, so
z. B. an der Goldküste, wo der Schmied oft in Gesellschaft des Zimmer-
mannes geht. Der Schmied pflegt meist betrunken zu sein. Er hat
einen Lehrbuben bei sich, der ihm seinen Kohlensack und die Blase-
bälge trägt und erinnert in seinem Aufzuge lebhaft an die italienischen
Zinngieſser. Die Schmiede machen hauptsächlich Nägel, Schlösser
und Beschläge für Thüren und Koffer und Schneidewaren, und repa-
rieren Feuerwaffen so gut sie können. Sie verstehen es selbst Kessel
aus ihrem Eisen zu treiben; guſseiserne Kessel sind ihnen unbekannt.


Westlich von Sierra Leone am Ufer des Ba-Djafana fand Laing
bei den Geranghis (Kurankas) einen ähnlichen Betrieb, nur weichen
die Schmelzapparate ab. Es sind dort immer zwei Öfen zusammen-
gebaut in der Weise, daſs zwischen beiden sich ein gemeinschaftlicher
Kanal befindet, in dem die Zuglöcher angebracht sind. Aus dem Kanal
tritt die Luft in die Öfen.


[320]Afrika.

Die Bälge, deren sie sich bedienen, sind von der einfachsten Art.


Bei Jenigalla sind die Öfen ähnlich, nur kleiner. Sie sind dort
meist auf den Gipfeln der Anhöhen erbaut 1).


Die Schmiede von Gamba bedienen sich statt des eisernen Hammers
eines granitähnlichen Grünsteines, der eine abgerundete Gestalt hat
und um den ein lederner Riemen geschlungen ist, welcher an einer
Schnur, die ein Arbeiter mit der Hand hält, befestigt ist. Der Schmied
hebt den Stein und wirft ihn auf das zu bearbeitende Eisen, das auf
einem sehr niedrigen, mit Sand umgebenen Ambos liegt. Auf diese
rohe Art schmieden sie das Eisen in Stäbe von 8 Zoll Länge. Mandara
ist nach Denham reich an Eisen. In Senegambien verstehen sich be-
sonders die Serrakolets auf die Gewinnung des Eisens und die Schmiede-
kunst 2). Doch steht in jenen Ländern, wo die Eisenarbeiter als Zauberer
gelten, die Kunst nicht so hoch als an der Küste von Guinea, obgleich
auch die dortigen Schmiede nur sehr geringe Werkzeuge haben.


Die Jolloffs machen eiserne Schlösser und verstehen es Flinten zu
reparieren. Sie hausieren als Eisenarbeiter. Ihrer einfachen Blase-
bälge haben wir bereits gedacht. In Widah findet man sehr tüchtige
Waffenschmiede und auch bei den Haussa werden Flinten von ein-
heimischen Schmieden gefertigt. In Benin soll, nach Landolph 3), die
Geschicklichkeit der Eisenschmiede mit der Erhebung in den Adel-
stand belohnt werden.


Die Aschantis verstehen es nicht das Eisen aus den Erzen zu ge-
winnen, dagegen sind sie nicht ungeschickt in der Verarbeitung. Sie
machen Schwerter und andere Waffen. Auch die Fulah fertigen sich
ihre Werkzeuge aus Eisen. Weiter im Westen genieſst das Dorf Baloo,
oberhalb Groſs-Bassam, einer weiten Berühmtheit wegen seiner Eisen-
arbeiten und wird von Hecquard die Heimat der Schmiede von Afrika
genannt 4). Auf noch höherer Stufe als bei den Negervölkern soll die
Eisenindustrie bei den Kongovölkern stehen.


In Angola war alte und bedeutende Eisenindustrie, diese ver-
anlaſste den berühmten portugisischen Minister Pombal im Jahre 1768
eine Hochofenanlage nach europäischem Muster mit europäischen Ar-
beitern zu errichten. Der Versuch scheiterte aber wie so mancher
ähnliche spätere hauptsächlich daran, daſs die Arbeiter im fremden
Lande verkamen 5). Auch produzieren die Eingeborenen weit billiger.
[321]Afrika.
Das Erz ist ein reicher, schwarzer Magneteisenstein, aus dem die Ein-
geborenen monatlich etwa 500 Stück Rohluppen an die Regierung ab-
liefern. Dafür erhalten sie einen Gehalt von einer Fischart, Kakusu
genannt, die dort geradezu als Geld dienen, so daſs z. B. der Kom-
mandant des Massangodistriktes eine Kompetenz von täglich 300 Stück
dieser Fische als Frühstück zu beanspruchen hat.


Die Kunst, Eisen aus den Erzen zu schmelzen, ist sehr alt bei den
Kaffern. Schon Edrisi erzählt, daſs die Einwohner von Sofala groſsen
Gewinn aus dem von ihnen dargestellten Eisen zögen.


Unter den Betschuanen sind im Süden die Bahurutsi von Kurrichane
und im Norden die Batoka und Banjeti, welche den Makololo das Eisen
liefern, die vorzüglichsten Schmiede.


Nach Campbell (R. in Südafrika; I, 216 bis 228 etc.) 1) suchen
die Marutzis, ein Zweig der Betschuanen, Eisenstein und schmelzen
denselben in Öfen, die sie aus Lehm bauen, welche oben ein rundes
Loch, unten aber zwei sich gegenüberstehende Öffnungen haben, damit
das Feuer desto mehr vom Windzuge angefacht werde. Ihr Ambos ist
ein Feuerstein, der Hammer aber gleicht dem der europäischen
Schmiede und ist von Eisen mit hölzernem Stiele von 2 bis 3 Pfund
Gewicht. Anstatt der Spitzhämmer dient ein Stein. Sie fertigen aus
Eisen Äxte, Messer, Assagayen, Rasiermesser, Ahlen, Drillbohrer,
Schmiedezangen, Hämmer, Ringe und Perlen. Ihr Eisen ist dem Stahle
gleich. Ein Messer gilt ein Schaf, eine Axt einen Ochsen.


Die geschicktesten unter den Betschuanenschmieden scheinen die
Banjeti zu sein, die auſser Hacken, Speeren und Messern, auch Nadeln
und Glocken anfertigen. Auſser in Natal wird das Eisen nur von den
Eingeborenen im Inneren des südafrikanischen Hochlandes aus den
Erzen gewonnen. So finden sich bei den Zimpy, die zu den Zulukaffern
gehören, Schmelzöfen, Schmieden und Werkstätten, in denen das Eisen
verarbeitet wird, dessen Erze massenhaft in der Nachbarschaft gefunden
werden. Die Verschmelzung geschieht in primitiver Weise. In einem
abgegrenzten Raume, der 25 Schritte lang und 12 Schritte breit ist,
befinden sich drei Gruben in einer Linie. Sie sind oval, 6 Fuſs lang,
3 Fuſs breit und 3 Fuſs tief. An dem Ende einer jeden münden unter
der Erde zwei Thonröhren in eine gemeinschaftliche Form, welche
1 Fuſs in den Herd hineinragt und so die gepreſste Luft mitten
in das Feuer führt. Die zwei sackförmigen Lederbälge werden von
einem Manne abwechselnd in Bewegung gesetzt. In die Grube wird
Beck, Geschichte des Eisens. 21
[322]Afrika.
lagenweise Erz und Holzkohle eingetragen, nachdem man erst zu unterst
eine starke Kohlenschicht ausgebreitet hat. Die Arbeit bis zur voll-
ständigen Verbrennung der Kohlen dauert von 8 Uhr Abends bis
Mitternacht. Das Ausbringen beträgt 8 kg. Acht Arbeiter lösen sich
wechselweise ab. Delagorgue berechnet, daſs bei europäischen Mate-
rialienkosten und Arbeitslöhnen der Zentner Eisen 150 Franken gekostet
haben würde. Das reduzierte Metall ist nicht einmal in eine Luppe
zusammengeflossen, sondern findet sich in Kugeln und Tropfen in der
Schlacke zerstreut. Die gröſseren werden ausgelesen und mit Hilfe
eines runden Steines auf einem zweiten Steine, der als Ambos dient,
platt geschmiedet; dabei werden die kleineren in die Mitte gepackt
und so ein rohes Paket gebildet, welches Schweiſshitze bekommt und
zu einem Ball vereinigt wird. Nachdem dieser einigemal überschmiedet
worden ist, kann er zu Äxten, Waffen u. s. w. verarbeitet werden. Auch
die Tabakspfeifen, deren sich die Kaffern bedienen, fertigen sie aus
diesem Eisen.


Nach einer anderen Schilderung 1) richten die Kaffern schmale
kleine Hügel zu, die als Schmiedeherde dienen. Sie sind 2 Fuſs breit,
1½ Fuſs hoch, rund und haben zwei Windöffnungen, die Blasebälge
sind aus Ziegenfell, wie mehrfach beschrieben. Das Eisen wird aus-
geheizt und dann mit einem runden Steine vierkantig gehämmert,
dann wiederholt ausgeheizt und ausgereckt, bis es die richtige Form
bekommt und dann vollständig ausgearbeitet. So fertigen sie auch
Beile und Nadeln.


Bei den Amazulus ist die Schmiedekunst noch bemerkenswerter.
Mit ihren sehr unvollkommenen Werkzeugen bereiten sie sich Waffen,
die sogar eine gewisse Eleganz zeigen. Ihre nationale Waffe, die Om-
kondos, versehen sie zur Verzierung zuweilen mit Windungen, zuweilen
mit Widerhaken, die zugleich eine grausame Zerfleischung bewirken.
Man sieht Waffen, die man, obgleich sie nur mit rauhen Steinen gefeilt
sind, für auf der Drehbank gearbeitet halten könnte. Auch polieren
sie ihre Eisenwaren sehr schön mit Sand und einem Lederriemen oder
Baumrinde, hierbei halten die Kaffernschmiede die zu bearbeitenden
Gegenstände in Ermangelung eines Schraubstockes mit dem Fuſse fest.
Sie sind so gewandt in ihren Arbeiten, daſs auch ein Europäer sich des
Staunens nicht enthalten kann. Die eingeborenen Waffenschmiede
ziehen ihr eigenes Eisen dem englischen, das ihnen zu weich ist, vor.


Die Bälge der Zulukaffern bestehen aus Ziegenfell und sind 14 bis
[323]Afrika.
20 Zoll lang. Am Ende eines jeden ist ein abgeschnittenes Horn be-
festigt, das als Ausblaserohr dient. Die Windklappe ist mit Stäbchen
versehen, mittels deren sie geschlossen wird, ganz wie bei den indischen
Bälgen 1).


Das Eisen wird indessen nicht ausschlieſslich bei den Kaffern in
der oben beschriebenen, rohen Weise in offenen Herden gewonnen.
Bei den Kazkulis im Inneren hat man hohe Öfen gefunden, die denen
der Maudingos ähnlich zu sein scheinen 2).


Der Eisenschmied steht bei den Zulus in hohem Ansehen. Seine
Kunst dient ganzen Stämmen zum Ruhme. So heiſst es in einem merk-
würdigen Nationalgesange der Zulus, dem „Dingaanlied“, von dem
Nationalhelden: „den Babanankos — geschickt das Eisen zu schmieden —
hast du die Herden geraubt“; und an einer anderen Stelle, „du hast
die Eisenschmiede der Besutos getötet, ohne daſs sie von deinem Nahen
Kenntnis hatten“. Die Waffen der kriegerischen Zulus haben durch
die letzten Kriege der Engländer europäische Berühmtheit erlangt und
durch die Ermordung des unglücklichen Prinzen Napoleon ist die
Lanze der Zulus, „der Assagay“ in aller Mund gekommen. Die Assa-
gayen der Zulus sind sehr mannigfaltig.


Dr. Holub berichtet darüber 3): „Die Assagayen zeigen durchwegs
gefällige Form, gute Arbeit, sind sinnig den verschiedenen Zwecken
wohlentsprechend erdacht und repräsentieren die besten Produkte
dieser Art, die ich bis jetzt in Südafrika zu beobachten die Gelegenheit
hatte. Als ich mich dem Zambesireiche näherte, waren die Assagayen das
Erste, was ich bei einem heimkehrenden Jäger von der Fertigkeit der
Marutzeleute sah und mir war es sofort klar, daſs die Stämme dieses
Reiches in ihrer industriellen Fertigkeit Erstaunliches leisten müſsten.


1. Die Häuptlingsassagayen gelten als waffenartige Abzeichen
höherer Würdenträger, gehören zu den kräftigsten Waffen, doch zu den
selteneren. Sie sind 1½ bis 2 m lang, wovon ein Drittel auf den Eisen-
teil kommt. Die Schneide ist ziemlich breit und solid, ihr Hals oft mit
1 bis 2 knopfförmigen Verdickungen versehen. Der Stiel ist der
stärkste unter allen nördlich vom Zambesi bekannten Handassagayen
und gewöhnlich an seinem oberen, noch häufiger in der Mitte und dem
unteren Ende ausgeschnitten, auch mit eingekerbten Linien, Ringen etc.
verziert. Zuweilen sind sie mit rotem oder gelbem Ocker überstrichen;
ich fand 2 bis 3 im Besitze eines Würdenträgers und rechne sie zu den
Stoſsassagayen.


21*
[324]Afrika.

2. Der Handassagay dient zur Bewaffnung der Rechten im Hand-
gemenge. Er ist eine furchtbare Waffe, namentlich in der Hand der
Matabele. Er zeichnet sich durch eine zur Hälfte ausgeschliffene
Längsleiste an der Schneidefläche, durch einen starken, mit erhabenen
Ringen versehenen Hals und einen kurzen festen Stiel aus, dessen
unteres Ende mit einem fingerdicken Eisenbande beschwert ist. Ein
ähnliches findet sich stets auch am oberen Ende, um ein Zersplittern
des Holzes zu verhindern; sehr oft ist dies auch bei den Häuptlings-
assagayen der Fall. Der Handassagay ist 1 bis 1½ m lang, der Eisen-
teil ⅓, ¼ oder 2/7 der Gesamtlänge. Verhältnismäſsig zur Gröſse
fühlt sich die Waffe schwer (gewichtig) an und gehört zu den Stoſs-
speeren.


3. Der lange Schlachtassagay ist das Gegenteil des vorher ge-
nannten; er ist leicht, mit langem Stiel und eine der Wurfwaffen. Er
wird 1¾ bis 2¼ m lang, der Eisenteil ⅙ oder ⅓ der Gesamtlänge
erreichend. Die Schneide ist einfach gearbeitet, wie der Hals von
mäſsiger Länge. Der Stiel ist einfach am oberen Ende mit einem
dünnen, spiralig geformten Eisenbande, mit Bast, Schlangenhaut,
Riemchen etc. zusammengehalten und das freie Ende nur zuweilen wie
die beiden vorhergehenden, doch mäſsiger beschwert. Obgleich diese
Art in der Form einer für gleiche Zwecke bestimmten, unter den Bet-
schuana zwischen Vaal und Zambesi ähnelt, so übertrifft sie doch
letztere durch ihre solidere Eisenart, wie eine festere Umfassung am
oberen Stielende. Dieser Assagay wird auch bei der Jagd als Wurf-
waffe gebraucht.


4. Der Schlachtassagay, zum Schlachten von Haustieren gebraucht,
oder um halberlegtem Wilde den Todesstoſs zu geben. Der Eisenteil
nimmt ⅓ oder sogar die Hälfte der gesamten Waffenlänge ein. Die
Schneide ist zwar kurz, scharf, allein der Halsteil lang und dünn.
Dieser Assagay wird als Stoſs- und Wurfwaffe gebraucht, als letztere
jedoch nur aus geringer Ferne. Das zu schlachtende Tier wird zwischen
die mittleren Rippen gespeert, um das Herz zu treffen.


5. und 6. Kurze und lange Jagdassagayen, deren Hals mit ein-
seitigen oder beiderseitigen Widerhaken versehen ist; der Hauptunter-
schied liegt darin, daſs die Schneide, d. h. das Eisenblatt (bei 5.)
nach abwärts harpunenartig ausläuft oder (bei 6.) die gewöhnliche
Speerform zeigt. In bezug auf die Gebrauchsweise werden die Assa-
gayen in solche für kleine und mittelgroſse Gazellen und kleines Raub-
getier, und solche für starkes Hochwild, wie Büffel, Zebra, Gnu, Nashorn
und groſse Raubtiere, Pardel, Löwe etc. eingeteilt. Die Schneide ist
[325]Afrika.
stark, mit einer erhabenen Längsleiste in der Mitte, die Widerhaken
sind schief nach unten gerichtet, spitz wie das Gebiſs eines Hechtes
und oft mehrfach nebeneinander (3 bis zu 10) wie die Zähne eines Haar-
kammes angebracht. Diese Assagayen sind die furchtbarsten Waffen,
sie können nicht aus der Wunde gezogen, sondern sie müssen heraus-
geschnitten werden. Die Länge der „kurzen“ beträgt 1½ bis 1¾ m,
die der „langen“ für schweres Hochwild 2 bis 2½ m.


Diese Formen sind die gewöhnlichsten Assagayen im vereinigten
Marutze-Mambundareiche und fehlen keinem streitbaren Manne. Sie
sind sehr gut gearbeitet, in ihren Schneiden mehr flach, nur an manchen
ist eine Längsleiste vorhanden. Die Stiele sind leicht, glatt, nur am
unteren Ende mit einem Spiralbande versehen. Die Jagdassagayen
sind sämtlich Wurfgeschosse. Zu derselben Waffengattung gehört:


7. Der eigentliche Krokodilspeer. Dieser Assagay gehört zu den
längsten und zeichnet sich durch die Anheftungsstellen der Widerhaken
aus, von denen er nur vier zählt. Die Schärfe gleicht jener der früher
beschriebenen, der Hals zeigt an der Übergangsstelle zur Schneide
beiderseitig je einen Widerhaken und ein gleiches da, wo er in den
Stiel einläuft, doch hier sind die Widerhaken nach aufwärts gekehrt,
was ein, bezüglich der Tiefe bestimmtes Eindringen der Waffe in das
beworfene Objekt bezwecken soll. Der Stiel ist leicht, doch wie bei
all’ den vorhergehenden aus hartem Holze verfertigt. Die Einschnürung
des oberen Stielendes wird mit Tierfell, oder dünnen, gegerbten Riem-
chen hergestellt.


8. und 9. Zwei Arten von Wurfassagayen, deren man sich zur Er-
legung der zahlreichen Ottern bedient. Die Schneide, ähnlich der des
vorigen, nur nicht so groſs, 10 bis 20 cm lang, entsprechend schmal,
doch in beiden Fällen, namentlich im letzteren, sehr scharf und ziem-
lich stark.


10. Der Leguanassagay ähnelt in Allem dem unter 4. angeführten,
nur daſs seine Schneide um die Hälfte kleiner ist, in der Mehrzahl der
Fälle jedoch bloſs ¼ so groſs, also etwa 3 bis 4 cm lang und daſs der
Halsteil um diese Verkürzung an Länge gewonnen hat. Dieser ist,
wie der folgende Fischassagay, ein Wurfgeschoſs, zeigt eine Länge von
1½ bis ¾ m und ist im allgemeinen nicht häufig.


11. Der Fischassagay entbehrt der lanzenartigen Schneide und
zeigt einen Leguanassagay mit einer vierkantigen, ungezähnten, nur
am Ende abgerundeten Spitze. Die Widerhäkchen an den Kanten
sind besonders scharf seitwärts und etwas nach aufwärts gekrümmt
und zeigen vortreffliche Arbeit. Sie entsprechen auch ihrem Zwecke
[326]Afrika.
vollkommen und gehören zu den häufigsten Assagayformen in dem
Marutze-Mambundareiche. Sie sind trotz der eisernen Spirale als
Umfassung des oberen Stielendes leicht im Gewicht und haben eine
Länge von 1½ bis 2⅓ m.


12. Der Nilpferdassagay ist der längst gestielte und neben der
Form 14. der einfachste (bezüglich des Eisenteiles); der letztere ist
flach, mit breiter Spitze. 25 bis 45 cm lang (ohne den in Holz ein-
geschlossenen Teil), der Stiel ist 2 bis 3 m lang und nur bei dieser
Waffe aus weicherem Holze verfertigt, zugleich nicht wie bei den
übrigen vor der Eintrittsstelle des Eisens (am oberen Ende) am stärksten,
sondern im oberen Drittel oder in der Hälfte seiner Länge. Die Um-
fassung besteht aus vegetabilischem Faserstoff oder aus Sehnensträngen
und der Eisenteil zeigt in seltenen Fällen einen Widerhaken. Die
Form ist häufig und zumeist königliches Eigentum. Der Nilpferdassa-
gay ist eine Stoſswaffe und wird in der Regel von kleinen Booten aus
(Nilpferdboote genannt) gehandhabt.


13. Der Wurfassagay auf den Elefanten zeichnet sich dadurch aus,
daſs wir an ihm keinen hölzernen, sondern einen eisernen Stiel be-
obachten, daſs demnach die Schneide sofort in den Stiel übergeht,
der nur gegen das Ende, der Beschwerung halber, verdickt oder
verbreitert erscheint, und in seiner Mitte einen kurzen, ledernen Über-
zug aufweist, welcher der schwingenden Hand einen geschmeidigeren,
umfangreicheren Anfassungspunkt gewährt. Der obere Teil des
eisernen Stieles ist oft mit 1 bis 3 ringförmigen Vorragungen versehen,
der Stiel selbst kleinfingerdick und der Gesamtassagay 1⅕ bis 1½ m
lang. Er wird von den Stämmen am Zambesi mit Geschick gehandhabt
und dringt meistens bis zur Stielmitte in den Körper des Dickhäuters
ein. Vergleichen wir diese Waffe mit einer entsprechenden der Zulu,
so erscheint letztere wie ein roher Knotenstock einem polierten Stöck-
chen gegenüber, ohne daſs die rohe Zuluwaffe gröſsere Wirkung ver-
sprechen könnte, daſs sie als Stoſswaffe selten am noch unverwundeten
Tiere verwendet werden kann, während sich die geschmeidige und doch
auch schwere Mambundawaffe dem fliehenden oder Widerstand leisten-
den Elefanten durch seine Bewegung noch tiefer in den Leib senkt und
so die Wunde vergröſsert. Die Schwierigkeiten, die sich früher dem
Erwerben dieser Waffe entgegensetzten, schwinden mit der Zufuhr von
Gewehren.


14. Die Fallgrubenassagayen sind die am schnellsten hergestellten.
Aus einem Pfahlstücke von 1 bis 1¼ m Länge und einem etwa 20 bis
25 cm langen, roh gefertigten, breiten, ziemlich stumpfen Eisenteile
[327]Afrika.
bestehend, sieht man sie in Bündeln zu 20 und mehr in den gröſseren
Städten mit den Schneiden nach aufwärts gestellt, um gelegentlich bei
den Letschwe- und Pukujagden 1) gebraucht zu werden. Die flachen
Uferebenen werden schwach eingezäunt und nur nach einer Seite hin
ein Ausgang gegen den Fluſs offen gelassen. Dieser Ausgang ist in
der Regel eine Regenmulde, in deren Tiefe eine Grube gegraben ist,
an deren Sohle die Assagaye mit den Holzenden tief eingetrieben werden,
so daſs die Schneiden emporstarren. Das zusammengetriebene Wild
sucht durch die Mulde und den Strom zu entkommen, wobei gar so
manches Stück schwer verwundet an den Assagayspitzen hängen bleibt.
Da die Fallgrubenassagayen königliches Eigentum sind, konnte ich
keine erwerben.“


Zu den Wurfassagayen ist noch zu bemerken, daſs die Rippe des
Eisens nicht mit der Mittellinie zusammenfällt, daſs sie vielmehr neben-
stehenden Querschnitt  zeigt, jedenfalls um eine um die Schwer-
linie rotierende Bewegung zu erzeugen, wodurch eine richtigere Wurf-
bahn — wie durch die Züge der Geschützläufe — resultiert.


Auch die Hottentotten verstehen seit undenklicher Zeit das Aus-
schmelzen des Eisens. Sie halten das Eisen für das nützlichste Metall
und können das Erz sehr wohl auffinden. Ihr Schmelzprozeſs ist,
wenn eine alte Beschreibung aus dem vorigen Jahrhundert 2) der
Wahrheit entspricht, sehr bemerkenswert, da es fast scheint, als ob
sie eine Art Roheisen gewönnen und aus diesem erst durch einen zweiten
Prozeſs das Eisen darstellten.


Das Erz findet sich reichlich in verschiedenen Teilen ihres Landes.
Sie gewinnen dasſelbe nicht durch Bergbau, sondern lesen es. Haben
sie einen Haufen davon gesammelt, so bringen sie ihn in eine Grube,
die für die Arbeit zngerichtet und vorgewärmt ist. Dann geben sie
Brennmaterial auf, bis das Eisen schmilzt; es sammelt sich in einer
tieferen Grube. Sobald das Eisen in diesem Sammelraume erkaltet
ist, zerschlagen sie es mit Steinen. Die Stücke erhitzen sie von
neuem in einem Feuer und schmieden sie dann zu Lanzenspitzen
und anderen Waffen aus. Sie bedienen sich als Ambos eines flachen,
harten Steines und ebenso schleifen und polieren sie die Werkzeuge
mit Steinen. Es ist indes wahrscheinlich, daſs der erste Prozeſs nur
ein Röstprozeſs ist und bleibt zu bedauern, daſs Salmon über die Natur
der Erze keine nähere Angaben gemacht hat. Die Schmiede arbeiten
[328]Afrika.
nur mit Steinen. Ein Stein dient als Ambos, ein anderer als Hammer
und so fertigen sie ihre Assagayen, die sie dann auf Steinen schleifen.


Bei den afrikanischen Völkerschaften im Gebiete des Zambesi und
Kongo bis zu dem Victoria-Nyanza und dem Mondgebirge fanden die
Reisenden Livingstone, Speke, Cameron und Stanley überall einheimische
Eisenindustrie. Manche Stämme handeln mit Eisenwaren, so z. B. die
Uvira, welche Thon- und Eisenwaren auf den Markt von Kawélé bringen
(Cameron). Eisenschmelzen fand Cameron bei vielen Ortschaften, so
bei Pakhûndi 1), bei Kwaséré und in den Ortschaften um Nyangwe.
Er schildert diese Dorfschmelzen folgendermaſsen 2):


„In allen Ortschaften befanden sich 2 bis 3 Eisenschmelzen, über
30 Fuſs lang und etwa 20 Fuſs weit, mit niedrigen Mauern und einem
ungeheuer hohen Dache. In der Mitte des Gebäudes war eine Grube,
6 Fuſs weit, 4 Fuſs tief und 20 Fuſs lang, an einem Ende etwas flacher
als am anderen. Quer darüber, etwa 6 Fuſs von dem flacheren Ende,
stand ein Thonofen, 4 Fuſs weit. Die kleinere Abteilung der Grube
diente als ein Schürloch (stoke hole), während die andere zum Schlacken-
abstich diente, an den Seiten befanden sich kleine Abteilungen zur
Aufbewahrung der Holzkohlen und der Erze. Man benutzt oft bis zu
einem Dutzend Paar Blasebälge zu gleicher Zeit, um den genügenden
Wind zu erzeugen. Diese Bälge bestehen aus zwei aufrecht stehenden,
flachen Holzcylindern mit Windlöchern, die in eine Düse ausmünden,
welche durch Thon vor der Einwirkung des Feuers geschützt wird.
Die Cylinder sind oben mit einer Decke von Grasmatten geschlossen,
in deren Mitte ein Stock von 3 Fuſs befestigt ist und werden gezogen,
indem einer in jeder Hand einen Stock hält und diesen so rasch wie
möglich auf- und niederzieht. Auf diese Art bringen sie einen guten
und kontinuierlichen Windstrom hervor. Nach vollendeter Schmelzung
wird das Eisen von Schmieden zerteilt in Stücke von etwa 2 Pfund
Gewicht und in Formen geschmiedet entsprechend zwei mit der Basis
aufeinandergesetzten Kegeln, an deren beiden Enden je eine Spitze von
der Gestalt einer groſsen Stricknadel vorragt. In dieser Form wird
es zum Verkaufe ausgeboten.


Kleine, offene Hütten (Sheds) dienen als Schmieden, deren Ambose
und gröſsere Hämmer aus Stein bestehen, die kleineren Hämmer da-
gegen sind aus Eisen. Die Steinhämmer sind mit zwei Seilschlingen
versehen, die statt des Stieles als Griff dienen, während die eisernen
Hämmer in die bloſse Hand genommen werden und keinen Stiel haben.“


[329]Afrika.

Zu Kafundanjo traf Cameron 1) geschickte Eisenschmiede an. Ihr
Eisen beziehen sie aus Kikokwé und verarbeiten es geschickt zu Speer-
spitzen von mannigfachen, phantastischen Formen und schön verzierten

Figure 57. Fig. 57.


Äxten (Fig. 58). Diese Äxte sind von sehr zweckmäſsiger Gestalt, die eine
Seite des Helmes ist abgerundet, so daſs eine solche Axt ebenso als

Figure 58. Fig. 58.


Dächsel (adze) wie als Axt dienen kann. In dem Gebiete von Unyamwesi
nimmt unter allen mineralischen Produkten das Eisen die erste Stelle
ein 2). Es wird gewonnen in dem nordwestlichen Teile von Unyanyembé,
[330]Afrika.
von wo es überall hin verbracht wird. Eiserne Hacken gehen von hier
bis zu den Katarakten. Sehr schönes Hämatit- und Glanzeisenerz
findet sich im Lande von Unyamwesi, sowie auch westlich vom Nyassa-
see. Die Zeichnung Camerons von einer Dorfschmiede mit einem
phantastischen Schmelzofen, sowie einer Anzahl eiserner Geräte von
Kamwaro im Lande Urua teilen wir in Fig. 57 (a. v. S.) mit. Ebenso
hat Speke Zeichnungen von Eisenschmieden im Mondlande Unyamwesi
mitgeteilt, sowie eine Anzahl Geräte und Handwerkszeuge aus Eisen,
die in Fig. 60 und 61 abgebildet sind.


Livingstone 1) schildert die Manjanja als gute Eisenarbeiter. Sie
graben das Frz aus den Hügeln und ihre Fabrikate bilden den Stapel-
handel des südlichen Hochlandes. Jedes Dorf hat seine Schmelzhütte,
seine Kohlenbrenner und Grobschmiede. Sie machen gute Äxte, Speere,

Figure 59. Fig. 59.


Nadeln, Pfeilspitzen, Arm- und Knie-
bänder, die in Anbetracht des gänz-
lichen Mangels an geeigneten Vor-
richtungen zu erstaunlich niedrigen
Preisen verkauft werden. Eine Hacke,
die über zwei Pfund wiegt, wird
gegen ein Stückchen Kaliko um-
getauscht, das etwa 4 engl. Pfennige
wert ist.


Livingstone beschreibt ferner
die Blasebälge, deren sich die Eisen-
schmiede der Makololo im Dorfe
Simarianjo bedienten. Sie sind von
den gewöhnlichen, ziegenledernen
Säcken etwas verschieden und
gleichen mehr denjenigen, die man
in Madagaskar sieht. Sie bestehen
aus zwei hölzernen, einer Damen-
putzschachtel von kleinem Umfange ähnlichen Gefäſsen, deren obere
Enden mit Leder bedeckt waren, Trommelfellen ähnlich, nur daſs sie
in der Mitte einen Sack bildeten. Das Gefäſs ist mit langen Nasen
(Düsen) versehen, durch welche die Luft getrieben wird, indem die
schlaffen Lederdeckel vermittelst eines kleinen Stückchen Holzes, das
in der Mitte desſelben befestigt ist, auf- und niedergezogen wird
(Fig. 62).


[331]Afrika.

Die Ziegensäcke, deren Livingstone bei dieser Gelegenheit Er-
wähnung thut, sind ähnlich den Blasebälgen der Joloffs. Sie bestehen
aus zwei Ziegenfellen, die an dem Halsende mit einem hölzernen Rohre,

Figure 60. Fig. 60.


dem Ausblaserohre verbunden sind, während das andere Ende einen
flachen Schlitz bildet, der durch zwei parallele Holzstäbchen eingerahmt
wird. Diese Stäbchen dirigiert der Arbeiter mit seinen Fingern, indem
er sie beim Zusammenpressen schlieſst, beim Aufziehen öffnet. Ein

Figure 61. Fig. 61.


kompleter Blasebalg besteht aus zwei solchen Säcken, die der Arbeiter
gleichzeitig zieht und zwar in der Weise, daſs er immer den einen zu-
sammenpreſst, während er den anderen aufzieht.


[332]Afrika.

Auch Stanley 1) berichtet uns Mancherlei über die Eisenarbeiten
der Eingeborenen im Innern von Südafrika. Er erwähnt den Eisen-
markt in Nyangwe 2), wo Eisendraht, eiserne Knöpfe, Hacken, Speere,
Pfeile und Beile feilgeboten wurden. Er rühmt die Stahlwaffen der
Baswa 3). Auf der Insel Tscheandoah fand er fünf Dörfer, in denen
Eisen bereitet und verarbeitet wurde und zwar zu Waffen, Messern,
Hämmern, Beilen, kleinen Zangen, eisernen Ambosen oder wenn man
will, umgekehrten Hämmern ohne Stiel, da dasſelbe Gerät als Hammer
und Ambos benutzt wird, ferner Bohrern, Pfahlbrennern, Angeln, Wurf-
spieſsen, Eisenstangen u. s. w. Die Speere haben breite, flache Spitzen.
Die Messer stecken in hölzernen Scheiden mit Ziegenfell überzogen und
mit polierten Eisenringen verziert. Diese Messer sind von der verschie-
densten Gröſse, vom groſsen Schlächtermesser bis zum zierlichen
Frauendolche. Er fand eiserne Doppelglocken (Gongs) in Urangi. In

Figure 62. Fig. 62.


Yangambi drohten die Bewohner mit einem riesigen Renomierspieſse
mit 6 Fuſs langer und 6 Zoll breiter Speerklinge. Ein schwarzer Be-
gleiter machte sich über diese Art des Lanzenmachens lustig und einer
äuſserte: „Dies sind die Speere aus ihren Götzentempeln, die sie nur
zur Schau herumtragen, denn sollte ein Mensch mit einem so gewal-
tigen Speere durchbohrt werden, so würde ja gar nichts mehr von
ihm übrig bleiben.“


In Nzabi 4) läſst sich Stanley eine unbrauchbar gewordene Axt
durch einen eingeborenen Schmied reparieren und aus der Schilderung
geht hervor, daſs sich der Schmied sehr wohl auf das Anschweiſsen
einer neuen Schärfe verstand.


Am interessantesten ist die Schilderung einer Schmelzhütte, die
Stanley in Wane-Kirumbo antraf. Er schreibt 5):


[333]Afrika.

„In Wane-Kirumbo trafen wir einen groſsen, von den Eingeborenen
eingerichteten Schmelzofen nebst Schmiede an und fanden dort ungefähr
ein Dutzend Schmiede bei der Arbeit. Das Eisenerz ist sehr rein.
Hier sah ich die Speere von Süd-Urrega mit breiter Klinge und eben-
falls breite Messer von allen Gröſsen, von kleinen, ein und einen halben
Zoll langen Taschenmessern an bis zum schweren, einem altrömischen
Schwerte ähnlichen Hackmesser. Für den Schmelzofen sind vier Blase-
bälge eingerichtet, mit doppelten Handgriffen und von vier Menschen
in Bewegung gesetzt. Durch diese auf- und niedergehende Bewegung
bringen dieselben einen gewaltigen Luftstrom hervor, dessen Brausen
man fast eine halbe Meile weit hört. Der Schmelzofen selbst besteht

Figure 63. Fig. 63.


aus festgestampftem Lehm, der einen ungefähr 4 Fuſs hohen Damm
bildet. In demselben ist eine Vertiefung von 2 Fuſs Durchmesser und
2 Fuſs Tiefe ausgehöhlt. Von der Mitte der Böschung aus sind vier,
durch den kleinen Hügel nach der Basis des Schmelzofens führende
Kanäle ausgehöhlt, in welche trichterförmige, thönerne Röhren ein-
gepaſst sind, um die Windströme direkt dem Feuer zuzuführen. An
dem Fuſse des kleinen Hügels ist eine weite Öffnung für den Herd aus-
gehöhlt, die bis unter den Schmelzofen reicht. Der Herd nimmt die
Schlacken und den Hammerschlag auf.


Dicht daneben standen aus Matten verfertigte Säcke mit Holzkohle
aufgeschichtet und dabei ein paar Knaben, welche das Feuerungs-
material herbeitrugen. Ungefähr zwei Meter weiter hin war eine kleine
[334]Afrika.
Schmiede hergerichtet, wo das Eisen zu Hämmern, Beilen, Streitäxten,
Spieſsen, Messern, Schwertern, Draht, eisernen Kugeln mit Spitzen,
Bein- und Armbändern, eisernen Knöpfchen, Perlen u. s. w. geformt
wurde. Die Kunst dieser Schmiede steht in diesen Wäldern, wenn man
die Abgeschiedenheit der Bewohner in Betracht zieht, auf einer hohen
Stufe der Ausbildung. Die Leute zeigen viel durch Überlieferung fort-
gepflanzte Fertigkeit und wegen der völligen Freiheit und Unabhängig-
keit, die sie in dieser traurigen Abgeschiedenheit und Einsamkeit ge-
nieſsen, hat sich, wie es scheint, von Generation zu Generation einiges
Wissen und Können fortgepflanzt und fortentwickelt und es wird der
Beweis geführt, daſs selbst der Urwaldmensch ein der Verbesserung und
des Fortschrittes fähiges Geschöpf ist.“


Die Eisenbereitung auf Madagaskar ist in mancher Beziehung
eigentümlich und abweichend von dem auf dem Kontinent von Afrika
gebräuchlichen Verfahren. Sie ähnelt sehr der Schmelzmethode der
Malayen, da auch der malagaskische Ausdruck für Eisen dem ent-
sprechenden malaiischen sehr ähnlich ist, so meint Crawford, daſs die
Kunst der Eisenerzeugung in Madagaskar malaiischen Ursprungs sei.
Über das Schmelzverfahren der Madagassen berichtet der Missionär
William Ellis 1) folgendes:


„Eisenerz kommt in reichlichen Mengen und von ausgezeichneter
Beschaffenheit in den Zentralprovinzen in der Nähe der Hauptstadt
vor; einer der Berge, der Ambohimiangavo, ist so eisenreich, daſs er
der Eisenberg genannt wird. Das Erz tritt schon in der Nähe der
Oberfläche in solcher Menge auf, daſs der Boden selten mehr als bis
zu einigen Fuſs Tiefe bearbeitet zu werden brauchte, obwohl die Ein-
geborenen seit Generationen an die Benutzung des Eisens gewöhnt sind.
Die dortigen Öfen werden stets in der Nähe eines Stromes gebaut und
das Erz wird, nachdem die groſsen zusammengelesenen Stücke in
kleinere zerbrochen sind, von erdigen Beimengungen durch häufiges
Waschen befreit. Die Wände der Öfen, welche gewöhnlich 2 bis 3 Fuſs
in den Erdboden reichen, werden aus Stein errichtet und von auſsen
mit Thon bekleidet. Eine kleine Menge Brennmaterial wird auf dem
Boden des Ofens angezündet, dieser dann mit Erz gefüllt, welches ent-
weder mit Holzkohle gemischt oder mit dieser in abwechselnden Schichten
aufgegeben wird, worauf schlieſslich die Gicht mit einer dicken Thon-
schicht bedeckt wird. Der Wind wird durch zwei paar Kolben erzeugt,
welche in hölzernen, gewöhnlich durch einen Teil eines ausgehöhlten
[335]Afrika.
Baumes gebildeten Cylindern arbeiten. Von dem Boden jedes Cylinders
führt ein Rohr, welches aus Bambus oder aus einem alten Flintenlaufe
hergestellt ist, durch ein in den Steinwänden angebrachtes Loch in den
Ofen. Nachdem der Inhalt des Ofens einige Zeit lang in Weiſsglut er-
halten worden, läſst man ihn abkühlen und findet dann das Eisen in
Klumpen auf dem Boden. In diesem Zustande sowohl, als auch nach
abermaligem Erhitzen und Aushämmern zu Stäben und Stangen wird
es in die Regierungsmagazine oder zum Markt für den Verkauf ge-
schafft.


Die Schmiede des eingeborenen Eisenarbeiters ist ein sehr ein-
faches Ding. Der Lehmboden seines Hauses bildet zugleich den Herd
für sein Feuer, welches durch drei oder vier Steine zusammengehalten
wird. Der Ambos, welcher etwa 6 Zoll im Quadrat und 6 Zoll hoch
ist, findet sich in ein dickes, im Boden befestigtes Holzstück eingelassen,
dabei der Wassertrog samt Zangen, Hämmern und anderem Gezähe.
Der Schmied kauert an einem Brette an der Erde und seine Gehilfen
sitzen oder stehen ihm gegenüber mit Schmiedehämmern in ihren
Händen, zum Zuschlagen bereit.“


So sehen wir überall eine ursprüngliche Kunst der Eisengewinnung
bei den zahlreichen eingeborenen Stämmen Afrikas, die ihrer ganzen
Art und Weise nach nicht importiert, sondern originell ist und nach
Maſsgabe unserer jetzigen Kenntnisse afrikanischer Verhältnisse von
hohem Alter sein muſs.


[[336]]

Die Malaien.


Die Malaien, welche Malakka und die Sundainseln bewohnen, haben
eine alte, einheimische Eisenindustrie, während sie mit dem Zinn,
welches jetzt einen Hauptausfuhrartikel bildet, erst in neuerer Zeit
bekannt geworden zu sein scheinen. Besonders auf Sumatra und
Borneo scheint die Eisenbereitung uralt zu sein 1). Alte Eisenschmelze-
reien finden sich am Qunong-Bassin in der Nähe des Merapi auf
Sumatra. Das Gestein wird zuerst auf offenem Feuer geröstet, in
Stücke von Haselnuſsgröſse zerschlagen und in einem steinernen,
4 Fuſs hohen Ofen von kubischer Form abwechselnd mit Holzkohle
geschichtet 2). In Menangkabao schmelzen sie es in 7 bis 8 Fuſs hohen,
8 bis 10 Fuſs breiten Öfen, in welchen Erz- und Kohlenschichten ab-
wechselnd über einander gebaut werden. Durch spiralförmiges Zu-
sammenrollen eines Eisenstabes und darauffolgendes Dichtschmieden
desſelben stellen sie Gewehrläufe dar, die alsdann inwendig aus-
geschliffen und auswendig abgefeilt werden 3). Nach Crawford 4) wäre
auch der Stahl, der durch ein einheimisches Wort von den Malaien
und Javanen bezeichnet wird, eine uralte, eigene Erfindung derselben.
Auf Lingga sind Waffenfabriken, man gieſst dort Geschütze und Kugeln,
schmiedet Dolche und Säbelklingen und verfertigt ein grobes Pulver 5).
Gewehre wurden ferner früher, auſser von Menangkabao und Atjin,
von Tringano und Gressek auf Java geliefert.


[337]Die Malaien.

Auf Borneo sind die Eisenarbeiten der Malaien in Sarawak besser
als ihre Goldarbeiten, doch fertigen sie keine Feuerwaffen. In Palm-
bang werden Eisen- und Stahlwaren hergestellt, am bedeutendsten ist
die Waffenfabrikation von Banjermassing. Über die Eisengewinnung
auf Borneo giebt Schwaner einen ausführlichen Bericht 1).


„Unter allen Bewohnern des südöstlichen Teiles von Borneo ver-
stehen nur diejenigen des Distriktes Döson Oeloe die Kunst, Eisen zu
schmelzen und zu Schwertklingen zu verarbeiten. Von dort wird das
Eisen in alle übrigen Teile des Landes versendet, wo man es dem
englischen Eisen vorzieht, da es erfahrungsmäſsig schärfere und dabei
elastischere Klingen liefert. Das Erz, welches dazu verwendet wird,

Figure 64. Fig. 64.


ist Thoneisenstein aus dem Braunkohlengebirge, aus welchem alle
Hügel der Gegend bestehen sollen. Die den Eisenstein enthaltenden
Schichten werden vom Baritoflusse durchschnitten und sind bei tiefem
Wasserstande in dem Bette desſelben sichtbar. Die Eingeborenen be-
nutzen diesen Umstand zur Gewinnung des durch die Einwirkung des
Wassers hier mehr oder weniger in Brauneisenstein umgewandelten
Erzes. Der Schmelzofen ist cylindrisch, etwa 3 Fuſs 2) 2 Zoll hoch,
Beck, Geschichte des Eisens. 22
[338]Die Malaien.
9 Fuſs 10 Zoll im äuſseren Durchmesser und 2 Fuſs dick. Er ist aus
gelbem, aus dem Fluſsbette gewonnenen Thon gebaut und rings von
Bambusreifen umgeben. Im Innern scheint er der Beschreibung nach
entweder gleichmäſsig in seinen Dimensionen oder pyramidal nach
unten verjüngt zu sein, während der Herd rechteckig ist, bei 1 Fuſs
7 Zoll Breite, 2 Fuſs Länge und 9 Zoll Tiefe. Jeder Ofen hat 3 Thon-
formen von 11 Zoll Länge und einer von 2½ auf 1 Zoll abnehmenden
Weite. Für die Schlacke ist eine Öffnung gemacht und eine Höhlung
zu deren Aufnahme.


Das Gebläse besteht aus einem einfach wirkenden Holzcylinder,
der oben offen, am Boden geschlossen ist. Er ist aus dem ausgehöhlten
Stamme eines Baumes angefertigt, hat 5½ Fuſs Höhe und 3 Fuſs im
Umfange. Wahrscheinlich befindet sich ein Ventil, welches sich nach
innen öffnet, auf einer Seite des Bodens, obschon seiner nicht Er-
wähnung geschieht. Derartige Ventile haben wenigstens die in China
gebräuchlichen Gebläsemaschinen, welche ganz von Holz gemacht sind
und dennoch recht dicht schlieſsen. Der Wind wird vom Boden des
Cylinders durch Bambusröhren von etwa 2 Fuſs 5 Zoll Länge zu den
Formen geführt. Der Kolben, dessen Hub 4 Fuſs beträgt, ist nach
chinesischer Weise mit Vogelfedern gelidert. Über jedem Cylinder
befindet sich ein, mit einem Ende in horizontaler Richtung befestigtes
Bambusrohr, an dessen anderem Ende ein langer Stock aufgehängt ist.
In einiger Entfernung von diesem letzteren ist die Kolbenstange mit
dem Bambusrohre verknüpft, so, daſs jenes als Feder wirkend den
Kolben in die Höhe zieht. Zieht man den aufgehängten Stock nieder,
so wird der Kolben hinabgestoſsen, kurz, das Ganze arbeitet etwa wie
eine gewöhnliche Schwengelpumpe, deren Kolben stets wieder durch
eine kräftige Feder gehoben wird. In einer anderen Beschreibung wird
mitgeteilt, daſs die Kolbenstangen mit anderen, sehr langen Stangen
verbunden werden, an welchen Gewichte befestigt sind und die auf den
Kreuzbalken des den Ofen bedeckenden Daches balancieren, gerade
wie bei unseren Ziehbrunnen 1).


Der Thon wird mit Wasser gemischt, sorgsam mit Händen und
Füſsen durchgearbeitet und von Steinen und anderen fremden Bestand-
teilen gereinigt; dann wird er in eine cylindrische Form aus Rinde von
den Dimensionen des Ofens eingestampft, während durch einen hölzernen
Kern die innere Gestalt des letzteren hergestellt zu werden scheint.
Das Ganze wird hierauf sich selbst für einen Monat oder länger über-
[339]Die Malaien.
lassen um gut auszutrocknen. Ist es hinlänglich trocken, so wird die
Rindenform entfernt und der Ofen mit Bambusbändern umgeben. Vor
dem Gebrauche erhitzt man ihn allmählich.


Das Erz wird vor seiner Benutzung zum Schmelzen mit Holz in
Haufen geschichtet und einen Tag lang geröstet, worauf es in nuſsgroſse
Stücke zerbrochen mit der zehnfachen Menge Holzkohlen dem Maſse
nach gemengt und in diesem Zustande aufgegeben wird. Sobald der
Ofen zu zwei Dritteln mit Holzkohle gefüllt ist, wird das Gemenge von
Erz und Holzkohlen in solcher Menge aufgegeben, daſs es einen kegel-
förmigen Haufen über der Ofengicht bildet. Das Gebläse wird dann
mit 40 Hüben pro Minute angelassen, die Schlacke sticht man von 20 zu
20 Minuten ab und während jedes solchen 5 Minuten dauernden Ab-
stichs wird nach den Angaben der Windstrom unterbrochen. Gegen
Ende der Operation steigert man den Wind. Es resultiert schlieſslich
ein Eisenklumpen von etwa 90 Pfund 1). Derselbe wird am Boden des
Ofens vermittelst hölzerner Zangen herausgeholt, an einen mit feiner
Schlacke bestreuten Platz gebracht und dort mit hölzernen, beinahe
parallelepipedischen Schlägeln bearbeitet. An einem solchen Deule
arbeiten vier Mann einen Tag lang. Sein Handelswert ist 2 Florins
(d. h. also 1 Thlr. 4 Sgr.). Er enthält noch viel mechanisch eingemengte
Schlacke und wird in 10 Schirbeln zerteilt, welche wiederholentlich
rotglühend gemacht und ausgehämmert werden, ehe sie hinlänglich
rein sind, um sich zum Ausschmieden in Schwertklingen zu eignen.
Der Gewichtsverlust beträgt hierbei ein Drittel.“


Das Produkt ist demnach ein weicher Stahl oder ein stahlartiges
Eisen. Burns erwähnt noch, daſs die Eingeborenen sich verschiedener
Sorten von Holzkohlen bedienten, je nachdem sie ein härteres oder
weicheres Eisen darstellen wollen.


Das geschätzteste Eisen für Gewehrläufe kommt aus Celebes und
Timor. Zur Herstellung eines Gewehrlaufes wird erst ein Flachstab
zu einem Rohre zusammengebogen, dieses wird mit eisernen Reifen fest
umwunden und alles gut geschweiſst und geschmiedet. Dann folgt
das Bohren des Laufes, was aus freier Hand geschieht. Die beste
Fabrik ist in Negara.


Die Nationalwaffe der Malaien ist der vielgestaltige Kris, ein messer-
artiger, groſser Dolch. Der freie Mann trägt ihn stets. An alle
einzelnen Eigenschaften derselben, besonders auch an die Art ihrer
Damascierung, knüpft sich der mannigfaltigste Aberglaube. Die Battas
22*
[340]Die Malaien.
auf Sumatra haben zwar Äxte, Hämmer, Meiſsel, Bohrer und ver-
schiedene Arten von Messern, aber nicht den Kris.


Die Polynesier und Australier kannten das Eisen und seine Ge-
winnung nicht. Ihre Waffen und Werkzeuge waren wie die der Völker
des Steinzeitalters aus hartem Holz, Knochen, Fischzähnen und Steinen.
Die Neuholländer bedienten sich steinerner Äxte und Beile und hölzer-
ner Hämmer. Ebenso hatten die Neuseeländer Steinwaffen und -Werk-
zeuge und benutzten dazu mit Vorliebe einen zähen Grünstein, ähnlich
wie die Steinvölker Europas den Nephrit. Diese eigentümlichen Ver-
hältnisse verschwinden freilich rasch infolge des intimen Verkehrs mit
den Europäern und des jenen Naturvölkern geradezu aufgedrungenen
Imports von Eisenwaffen.


[[341]]

Amerika.


Der Stand der metallurgischen Kenntnisse der Bewohner Amerikas
zur Zeit der Entdeckung des neuen Kontinents durch Kolumbus war
ein höchst eigentümlicher. Er war abweichend von dem der alten
Welt und höchst ungleich in sich. Während die Indianerstämme
Nordamerikas, sowie der gröſste Teil der Eingeborenen Südamerikas
viel geringere metallurgische Kenntnisse besaſsen als die Negervölker
Afrikas, fanden die Entdecker in Mexiko und Peru eine alte, hoch-
entwickelte Kunst der Metallgewinnung und -Verarbeitung. Diese
kunstvolle Technik erstreckte sich insbesondere auf die Edelmetalle,
auf Gold, Silber und Kupfer. Daſs aus diesen hochwertigen Metallen
Gegenstände des Gebrauches hergestellt wurden, welche man in
Europa aus dem geringgeschätzten Eisen anfertigte, setzte die Spanier
in Erstaunen und daſs die Mexikaner ihre wertvolleren Werkzeuge
willig gegen die zweckmäſsigeren Eisenwerkzeuge der Spanier umtausch-
ten, gab Veranlassung, daſs sich bald nach der Conquista die Ansicht
in Europa verbreitete, diese technisch sonst so hochgebildeten Völker
hätten das Eisen überhaupt nicht gekannt. Sicher war die Benutzung
des Eisens bei ihnen nur eine beschränkte. Wenn wir aber bereits in
der Einleitung mitgeteilt haben, daſs die mexikanischen Bewohner des
Tolukathales sich des Meteoreisens bedienen, während die Spanier
dies nicht thun, so läſst sich vermuten, daſs sie dies auch schon
thaten ehe die Spanier in das Land kamen.


Eine kritische Untersuchung der Eisenfrage in Amerika, insbeson-
dere des Wertes der diesbezüglichen Zeugnisse der spanischen Schrift-
steller der ersten Jahrhunderte nach der Entdeckung ist eine höchst
schwierige Aufgabe.


[342]Amerika.

Um so dankbarer bin ich meinem Freunde Dr. Hostmann, der sich
seit langer Zeit eingehend mit diesem Gegenstande beschäftigt hat,
daſs er mir mit der liebenswürdigsten Bereitwilligkeit die Resultate
seiner Untersuchungen in einer Abhandlung zur Benutzung überlassen
hat und ich kann nichts Besseres thun, als die gründliche, interessante
Arbeit in ihrem Wortlaute hier folgen zu lassen.


[[343]]
Über den
Gebrauch des Eisens in Alt-Amerika.

Eine archäologische Kulturstudie
von
Christian Hostmann.


Von jeher hat sich die Altertumsforschung gegenüber der Frage,
ob das Eisen bereits vor der europäischen Invasion in Amerika bekannt
gewesen sei, durchaus ablehnend verhalten; und als Beweis, mit welcher
Entschiedenheit sie bis auf den heutigen Tag in dieser Stellung ver-
harret, glaube ich mich am besten auf einen Ausspruch Virchows
gelegentlich des im September 1877 zu Constanz abgehaltenen Kon-
gresses der deutschen Anthropologen beziehen zu können (Protokoll
S. 155). „Ich darf wohl daran erinnern“, äuſserte sich dieser Gelehrte,
„daſs bis zu diesem Augenblicke aus ganz Amerika keine Beobachtung
bekannt ist, welche darthäte, daſs die amerikanischen Völker zur Zeit
der Entdeckung ihres Landes Eisen bearbeitet hätten. Wie mir eben
mitgeteilt wird, beschäftigt sich Herr Hostmann damit, Thatsachen auf-
zusuchen, um den Gegenbeweis zu führen. Vorläufig steht aber die
Sache so, daſs wir aus ganz Amerika bis jetzt keinen einzigen alten
Eisenfund und keine Völker kennen, welche Eisen vor der Entdeckung
Amerikas benutzten oder bearbeiteten.“


Was mich nun anbetrifft, so habe ich besonders im Hinblick auf
die groſsartige Entwickelung, welche die Baukunst und Skulptur in den
alten Kulturstaaten von Mexiko und Peru erreicht hatte, nie daran
[344]Amerika.
gezweifelt, daſs wenigstens hier das Eisen als ein notwendiges Requisit
der technischen Arbeit bekannt gewesen sein müsse. Stand mit dieser
Annahme, wie mir bewuſst war, die Aussage einiger spanischer Ge-
schichtsschreiber des 16. Jahrhunderts in Widerspruch, so muſste sich
nachweisen lassen, entweder, daſs sie selber nicht mit der nötigen Um-
sicht geurteilt, oder daſs Spätere die betreffenden Nachrichten in einem
Sinne gedeutet hatten, der ihnen ursprünglich nicht innewohnte. Auch
war bekanntlich die kühne Eroberung jener Länder gleichbedeutend
mit einer so plötzlichen und absoluten Vernichtung ihrer, ohnehin nur
künstlich gehegten, geistigen und materiellen Kultur, daſs die ver-
spätete Forschung der Europäer bereits nach wenigen Dezennien nur
eine in fast undurchdringlichen Nebel gehüllte Vergangenheit vorfand,
und leicht zu irrigen Ansichten veranlaſst werden konnte.


Unter den mir persönlich näher stehenden Gelehrten teilten die-
selbe Überzeugung mit mir sowohl der ausgezeichnete Geograph
Amerikas, Professor Wappäus, wie der eminente Technologe, Professor
Karmarsch, und namentlich suchte der erstere, meine Kräfte über-
schätzend, mich wiederholt zu einer sorgfältigen Durchforschung
besonders der älteren Schriftquellen anzuregen. Er gab die Ver-
anlassung, daſs ich dieser mühevollen und wenig dankbaren Unter-
suchung mich unterzog, deren hauptsächlichste Ergebnisse ich bereits
im September 1878 in der Generalversammlung der deutschen Ge-
schichts- und Altertumsvereine zu Marburg mitteilte, hier aber in
erweiterter Behandlung der ganzen Frage folgen lasse, in der Hoffnung
damit wenigstens so viel erreicht zu haben, daſs vorurteilsfreie Forscher,
auch wenn sie nicht in allen Ausführungen mir zuzustimmen vermögen,
doch den von mir eingenommenen Standpunkt als einen berechtigten
anerkennen und zu erneuerter Prüfung der kulturhistorisch so wichtigen
Frage angeregt werden.


Hinsichtlich des literarischen Apparates muſste ich mich, was ich
ausdrücklich hier betone, leider auf einen verhältnismäſsig nur kleinen
Teil der allgemein zugänglichen älteren und neueren Hauptwerke
beschränken, während mir die in Mexiko erschienenen gröſstenteils,
und die seither nur in einzelnen Handschriften vorhandenen Werke
der spanischen Autoren gänzlich entgingen.


Um zunächst zu beginnen mit den unzivilisierten Völkern Amerikas,
so lassen sichere Zeugnisse wohl kaum einen Zweifel übrig, daſs mehrere
derselben, sowohl in Süd- als Nordamerika, ganz wohl mit dem Eisen
und seiner Verarbeitung vertraut gewesen sein müssen, ehe sie noch
mit europäischer Kultur in Berührung gekommen waren.


[345]Amerika.

Wie José de Acosta berichtet, bediente man sich in Paraguay an
Stelle des Geldes, ähnlich wie in Mexiko der Kakaobohnen oder in Peru
der Kokablätter, stempelförmiger Eisenstückchen 1). Amerigo Vespucci
entdeckte ferner an der Mündung des La Plata einen Stamm, welcher
eiserne Pfeilspitzen verwendete 2); und weiter im Inneren des Landes
traf der Gouverneur Jaime Rasquin im Jahre 1559 auf eine Bevölkerung
von groſser und kräftiger Statur, die mit eisernen Messern, eisernen
Äxten zum Fällen des Holzes und eisernen Wurfspeeren versehen war,
auch den Griff ihrer Holzschwerter mit Eisendraht verziert hatte 3).


Obgleich Christoph Columbus in seinen Tagebüchern und Briefen
die Existenz des Eisens auf den Lucay’ischen Inseln und den Antillen
in Abrede nimmt, scheint doch mit Guadalupe eine Ausnahme gemacht
werden zu müssen. Fernando Columbus erwähnt nämlich in der
Lebensbeschreibung seines Vaters, daſs bei der ersten Landung auf
dieser Insel, am 4. November 1493, bei den Eingeborenen eine eiserne
Pfanne vorgefunden wurde. Er meint indessen, die Cariben, die ihre
Segelfahrten bis Española ausdehnten, hätten sie dort von den Christen,
oder auch aus irgend einem, an ihre Küsten angetriebenen Wrack ent-
wenden können. Aber als Columbus, auf der Rückkehr nach Spanien
begriffen, am 10. April 1496 in Guadalupe anlegt, um Lebensmittel rauben
zu lassen, fanden die Matrosen in den Wohnungen unter anderen
Dingen: groſse Papageien, Honig, Wachs und wiederum Eisen, woraus
die Eingeborenen kleine Äxte besaſsen, mit denen sie ihre Sachen zer-
schnitten 4). Hiernach erscheint die Annahme durchaus nicht ungerecht-
[346]Amerika.
fertigt, daſs die Bewohner von Guadalupe in der That mit der Ge-
winnung des Eisens bekannt waren.


Es unterliegt ferner keinem Zweifel — auch Bancroft, der die Existenz
des Eisens in Mexiko und Peru in Abrede nimmt, sieht sich genötigt
dies einzuräumen 1), — daſs in British Columbia lange vor Ankunft der
Europäer das Eisen bereits zu verschiedenen Zwecken bearbeitet wurde.
Juan Perez, der am 9. August 1774, als der erste unter allen euro-
päischen Seefahrern im King Georges Sound vor Anker ging, fand die
Indianer in Besitz von Eisen und Kupfer (Humboldt, Neu-Span. B. III,
c. VIII). Vier Jahre später erwähnt Cook bei den Einwohnern des
Nutkasundes neben dem Gebrauch von steinernen Äxten, Pfeile mit
Spitzen von Knochen oder Eisen versehen, ferner eiserne Meiſsel und
Messer; letztere waren von verschiedener Gröſse, die Klingen „krumm
wie bei unseren Gartenmessern“, aber mit der Schneide auf dem äusse-
ren Bogen; und diese ungewöhnliche Gestalt, sagt Cook, beweise hin-
länglich, daſs sie nicht von europäischer Arbeit sein konnten (Dritte
Reise, von Forster II, 51, 55).


Die Haidah, Bewohner der Königin-Charlotteinseln, besaſsen eiserne
Messer von vorzüglicher Arbeit; neben Äxten aus Knochen, Horn und
Steinen auch solche aus Eisen, und ebenfalls Speere und Pfeile mit
Eisen besetzt (Bancroft I, 164; Waitz III, 331).


Von den Thlinkiten oder Koluschen berichtet schon Juan de la
Bodega y Quadra, daſs ihre Angriffswaffen in der Regel aus Pfeilen und
4)
[347]Amerika.
aus Lanzen von 6 bis 8 Ellen Länge bestanden, die mit eisernen
Spitzen versehen waren 1), und Holmberg (Ethnogr. Skizzen I, 307;
II, 28) erwähnt auſserdem sehr breite eiserne Dolche, die in Leder-
scheiden getragen wurden; daneben benutzten sie Äxte aus Flint
oder einem harten grünen Steine, mit denen das Holz leicht zu be-
arbeiten war.


Auch die Tschugatschen und Unalaschken längs des Prinz William-
Sundes, und ebenso die Koniages auf der Insel Kadjak waren längst in
Besitz von Eisen und gediegenem Kupfer vor Ankunft der Europäer
(von Baer, Statist. u. Ethnogr. Nachr. 118; Holmberg, I, 101; Cook,
76, 88); und bei den Bewohnern der Schumagin-Inseln waren bereits
als Behring sie im Jahre 1728 entdeckte, eiserne Messer von auffallen-
der Form, sehr dick, acht Zoll lang und mit abgerundeter Spitze in
Gebrauch (Cook, a. a. O. 92).


Die am nördlichen Eismeere ansäſsigen Eskimo pflegen, wie in
früheren Zeiten die Indianer Nordamerikas, ihre spärlichen Geräte und
Waffen gern aus gediegenem Kupfer, zu dessen Herbeischaffung sie
tagelange Märsche unternehmen, zu hämmern (Hearne, Reise etc. 158).
Auch fand John Ross (Voyage of discovery 98, 103, 118) bei den An-
wohnern der Regent Bay kleine, mit groſser Mühe von einem Meteor-
eisenblock abgelöste Splitter als Messerschneide verwendet. Während
indessen einige Eskimostämme die, in europäischen Ansiedelungen ein-
getauschten kleinen Eisenbarren nur durch Anschleifen zu schärfen
suchen und dann als Axtklingen benutzen (Mackenzie, Reise etc. von
Sprengel, 52), verstehen sich doch andere bereits seit langer Zeit vor-
trefflich aufs Schmieden des Eisens und verfertigen, wie Mackenzie
(35, 47) und Simpson (Narrat. etc. 123) bezeugen, ihre „formidablen“
Messer, Speer- und Pfeilspitzen selber. Von einer selbständigen Ge-
winnung des Eisens ist, meines Wissens, bei ihnen keine Rede.


In vereinzelten Fällen scheinen dagegen die Indianer Nordamerikas,
namentlich im Gebiete des Ohio, schon vor der europäischen Kolonie-
sation neben einer ziemlich ausgedehnten Benutzung von gediegenem
Kupfer, das sie in kaltem Zustande hämmerten, auch auf die Entdeckung
des Eisens geraten zu sein, was denn auch in Anbetracht des auſser-
ordentlich einfachen Reduktionsprozesses und bei der enormen Ver-
breitung des, in jenen Distrikten überall zu Tage liegenden Eisenerzes
gar nichts Auffallendes haben könnte. Wenigstens berichtete Caleb
[348]Amerika.
Atwater (Archäol. Americ. 1820. I, 224) ausdrücklich: „Iron has been
found in very few instances, having oxydized; they made use of it in
some cases for knives and swords, the remains of which have been
discovered in many tumuli. Of cast iron I have seen no article belon-
ging to that people.“ Sonstige eiserne Geräte und Spuren von Eisen
aus Grabhügelfunden, in Felsspalten oder unter alten Baumwurzeln
in Ohio, Kentucky, Tennessee und Virginia werden von Hildreth, Squier,
Delafield, Bradford, Fisk u. s. w. erwähnt. In den meisten Fällen ist
das Alter dieser Funde, ebenso wie ihre Qualität als verarbeitetes Eisen,
allerdings hinterher bestritten worden; aber auf eine nähere Kritik der
einzelnen Funde einzugehen, liegt für uns um so weniger Veranlassung
vor, als die vorhin angeführten Thatsachen hinreichen dürften, um zu-
nächst die Behauptung zu widerlegen, in ganz Amerika sei das Eisen
bis zur Ankunft der Europäer unbekannt geblieben. Damit ist aber
der Gesichtspunkt, aus dem man nun die Frage nach der Existenz des
Eisens in den eigentlichen Kulturstaaten beurteilen wird, ein wesentlich
anderer geworden, insofern nämlich, als man Bedenken finden möchte,
einer so hoch entwickelten Metallindustrie, wie die von Mexiko und
Peru, die es verstand, alle übrigen Metalle, das Gold und die Silbererze,
die Kupfererze, das Zinn, Blei u. s. w. in riesigem Maſsstabe sich dienst-
bar zu machen, die Darstellung des Eisens absprechen zu wollen, in
dessen Besitz sogar die rohesten Völker Amerikas angetroffen wurden
und mit dessen Erzen ohnehin, wie schon die Eroberer bemerkten, der
Boden jener Länder geradezu geschwängert war.


Freilich erhob der sehr gelehrte aber wenig technisch erfahrene
Antonio de Leon y Gama den Einwand: obgleich das Eisen bei jenen
Kulturvölkern nicht unbekannt gewesen wäre, seien sie doch nicht in
der Lage gewesen, Gebrauch davon zu machen wie vom Golde, Silber
und Kupfer, weil die Kraft der Kräuter, mit denen sie diese Metalle
schmolzen, zu gering gewesen sei, um den Widerstand des Eisenerzes
in ihren Öfen ohne Anwendung von Blasebälgen zu besiegen, zu deren
Entdeckung sie es nicht gebracht hätten 1).


Nun scheint es allerdings Thatsache zu sein, daſs man weder in
[349]Amerika.
Mexiko noch in Peru den Blasebalg kannte und sich zum Nieder-
schmelzen der Silber- und Kupfererze kleiner, aus Thon angefertigter
Öfen bediente, die mit Öffnungen ringsherum versehen waren, durch
welche ein für den Reduktionsprozeſs hinreichend starker Luftstrom
ohne Mithilfe eines Gebläses erzeugt wurde. In Peru wurden diese
Öfen Guayras genannt; man pflegte sie des Nachts anzuzünden, und
die spanischen Schriftsteller schildern den entzückenden Anblick, wenn
in den Silberbergen von Potosí die Flammen aus mehr als zehn Tausend
Öfen zum dunkeln Himmel emporzüngelten 1). Aber eben so voll-
kommen, wie diese Öfen ausreichten zum Niederschmelzen der Silber-
und Kupfererze, taugten sie auch zur Gewinnung des Eisens 2); wofür
als thatsächlicher Beweis dienen mag, daſs viele afrikanische Völker
zu diesem Zwecke eben solche Schmelzöfen, in gröſserer und kleinerer
Gestalt und ohne Anwendung eines künstlichen Gebläses benutzen, das
im Grunde genommen nur dann unentbehrlich ist, wenn die Verhüttung
der Erze nicht in eigentlichen Windöfen, sondern in einer mehr oder
weniger tiefen Grube oder auf einem Herde vorgenommen wird.


Zum weiteren Ausschmieden und namentlich zum Schweiſsen des
gewonnenen Eisens oder Stahles bedurfte es freilich einer höheren, bis
[350]Amerika.
zur Weiſsglut gesteigerten Hitze. Wird diese bei den Afrikanern durch
einen primitiven und höchst schwachen Blasebalg hervorgebracht, so
konnten statt dessen mit allem Fug die alten Amerikaner ihre kleinen
aus Kupfer oder Bambus bestehenden Blaserohre (cañutos) benutzen,
welche sie mit groſser Geschicklichkeit zu handhaben wuſsten 1). De
Gama’s Bedenken, wenn wir seine geheimen Medicinkräuter bei Seite
lassen wollen, können demnach durchaus nicht stichhaltig erscheinen;
vielmehr waren, ohne Frage, alle technischen Requisite zur Darstellung
und Bearbeitung des Eisens mehr als ausreichend vorhanden. Und
wenn man nun bedenkt, daſs das Eisen sich überhaupt weit leichter
als Kupfer und Silber aus seinen Erzen ausscheiden läſst, und daſs bei
dem primitivsten Reduktionsverfahren, worauf ich schon in früheren
Schriften hingewiesen habe 2), die meisten Eisenerze nicht weiches
[351]Amerika.
Schmiedeeisen, sondern direkt Stahl, sogar in ausgezeichneter Qualität
ergeben, so müſste es doch fast wunderbar zugegangen sein, wenn den
alten Kulturvölkern Amerikas das Eisen und seine eminent praktische
Bedeutung entgangen wäre.


Und dennoch soll dies, wie einige spanische Geschichtsschreiber,
deren Aussagen wir nun näher betrachten wollen, versichern, in der
That der Fall gewesen sein. Die älteste positive Nachricht, daſs in
Mexiko Stahl und Eisen unbekannt waren, findet sich, soviel ich sehe,
bei Pietro Martire de Angleria, der am Hofe von Castilien als Staats-
mann und Gelehrter in hohem Ansehen stand und bereits im Jahre 1525
starb. Bei ihm lautet die betreffende Stelle (De Orbe Novo, Dec. V,
c. IV, p. 348 ed. Hakluyti) allerdings sehr bestimmt: Carent chalybe ac
ferro; allein es hat ganz den Anschein, als ob der Verfasser sich durch die
Berichte des Columbus, Chanca, Vasco Nuñez und Vespucio, in denen die
Nichtexistenz des Eisens bei den Bewohnern der westindischen Inseln, der
benachbarten Küstendistrikte und des Innern von Darien häufig betont
wird, verleiten lieſs, dieselbe ohne Weiteres auch für Mexiko anzunehmen.


Als zweiter Gewährsmann ist Juan de Torquemada zu nennen, der
im Jahre 1550 nach Mexiko ging; und als dritter Lopez de Gómara,
der als Hauskaplan des Cortez in Spanien füglich auf authentische Mit-
teilungen sich zu stützen vermochte. Um so mehr muſs es denn auffallen,
wenn beide lediglich dem Martyr zu folgen scheinen, denn Torquemada
(Monarq. Ind. lib. XIII, c. 34) übersetzt ihn geradezu wörtlich mit
Carecian de hierro y azero, und Gómara (Conq. de Méjico, Cap. CCXXX,
p. 451) sagt mit geringer Abweichung: Carecian del uso de hierro.
Hierzu kommt noch Antonio de Herrera, der, ohne selbst in der neuen
Welt gewesen zu sein, von Philipp II. zum Geschichtsschreiber Indiens
ernannt wurde; er erwähnt bei der Beschreibung der Provinzen Zaca-
tula und Colima, man habe dort zwei Sorten Kupfer gekannt, eine sehr
weiche, aus welcher vortreffliche Gefäſse getrieben wurden, und eine
harte, mit der man die Erde bearbeitete als Ersatz des Eisens, das man
überhaupt erst durch die Castilianer habe kennen lernen 1).


Was Peru anbetrifft, so finden sich hier nur drei Gewährsmänner,
die aber nicht das Fehlen des Eisens überhaupt, sondern eigentlich nur
den Mangel eiserner Werkzeuge bei der Bearbeitung der Bausteine be-
haupten. Die älteste Nachricht gibt der Licenciat Ondegardo in seiner
[352]Amerika.
Relacion vom 26. Juni 1571 (also 40 Jahre nach der Eroberung), worin
er sagt: No tenyan herramientas de hierro ny azero . . . . para sacar . . . .
como para labrar . . . . las piedras. Dieser Satz wird dann fast wörtlich
wiederholt, zuerst von José de Acosta 1) (Hist. nat. 1590, lib. VI, c. XIV):
Ni tenian hierro, ni azero para cortar y labrar las piedras; und danach
von Herrera (Hist. gen. Dec. V, lib. IV, c. 4): Y no tenian hierro, ni
azero . . . . para labrar las piedras.


Diese Zeugnisse, denen man auf den ersten Blick ansieht, daſs sie
weder aus einer selbständigen Prüfung der Verhältnisse, noch aus einem
tieferen Studium der Altertümer jener Länder hervorgingen, bilden
nun thatsächlich das alleinige Fundament für die, seit dem 17. Jahr-
hundert und noch von der heutigen Forschung als unerschütterliche
Wahrheit hochgehaltene These: in der altamerikanischen Kultur sei
das Eisen niemals bekannt gewesen. Es wird das manchem über-
raschend vorkommen, und doch glauben wir versichern zu können, daſs
die in Frage kommenden Nachrichten sorgfältiger von uns gesammelt
wurden, als dies bis dahin von irgend anderer Seite geschehen ist.


Man könnte indessen noch den Peruaner Garcilasso de la Vega
als Zeugen heranziehen wollen, der sein groſses Geschichtswerk gegen
Ende des 16. Jahrhunderts in Spanien ausarbeitete und darin bemerkt:
die peruanischen Goldschmiede hätten aus dem Grunde sich keines
eisernen, oder überhaupt keines metallenen Amboses bedient, weil man
das Eisen nicht zu gewinnen verstand, obgleich es einen Namen führte
und Minen davon vorhanden waren 2). Oder auch den Blas Valera,
einen älteren von Garcilasso häufig benutzten Schriftsteller, der daselbst
(l. c. lib. V, c. XIV) erwähnt: an Stelle des Eisens (en lugár de hierro)
habe man sich des Kupfers bedient und daraus Waffen und Messer, die
wenigen zur Holzarbeit benutzten Werkzeuge, groſse Nadeln womit die
[353]Amerika.
Weiber ihre Kleider heftelten, Spiegel worin sie sich bewunderten,
Sicheln mit denen sie ihre Saaten schnitten, so wie die Hämmer der
Goldschmiede angefertigt. Aber wie wenig dies alles, oder auch die
bekannte Historie, daſs die Spanier auf dem Marsche nach Xauxa
genötigt waren, ihre Pferde wegen Mangel an Eisen (á falta de hierro)
mit Silber beschlagen zu lassen, beweisend sein kann für die Nicht-
existenz des Eisens überhaupt, bedarf keiner weiteren Erörterung.


Sonstige Belege aus dem 16. Jahrhundert für die Unbekanntschaft
mit dem Eisen in den Kulturstaaten wüſste ich nicht beizubringen. Auch
in den zahlreichen amtlichen Berichten, welche in Mendoza’s Coleccion
de documentos inéditos del Archivo de Indias und in den erst neuer-
dings mit überflüssigem Aufwand publizierten Cartas de Indias auf-
genommen sind, ist mit Ausnahme der schon oben angezogenen Be-
merkung des Ondegardo nichts enthalten, was auf ein Fehlen des Eisens
hindeuten könnte. Besonders auffallen muſs es aber, daſs gerade
solche Beobachter und Berichterstatter, die unmittelbar teilnahmen an
der Eroberung oder ihr nur wenig später nachfolgten, darunter ein
Cortez, Bernal Diaz, Zurita, Las Casas, Hernandez, ein Pizarro, Cieza
de Leon, Sarmiento und Zárate völliges Schweigen in dieser Beziehung
beobachten. Und wenn sie selbst auch nirgend den Gebrauch des Eisens
ausdrücklich erwähnen, so liegen doch von anderen Zeitgenossen Nach-
richten vor, aus denen hervorgeht, daſs es zur Zeit der spanischen
Invasion keineswegs unbekannt war. Wenn Acosta allgemein von den
Indiern sagt 1): „sie pflegten Kupfer zu benutzen, weil ihre Werk-
zeuge und Waffen für gewöhnlich nicht aus Eisen waren, sondern aus
Kupfer“, so läſst dies auf eine beschränkte Anwendung des Eisens
schlieſsen. Auſserdem versichert Sahagun, der schon im Jahre 1529
nach Mexiko kam, ein tüchtiger Schmied verstehe mit der Schmiede,
dem Gebläse und den Kohlen umzugehen, auch das Eisen so schnell
zu durchschneiden als ob es Wachs wäre 2), — ohne dabei, was er
schwerlich unterlassen hätte, auch nur mit Einem Worte anzudeuten,
daſs die Eisenindustrie erst durch die Spanier eingeführt sei. Im
Beck, Geschichte des Eisens. 23
[354]Amerika.
Gegenteil, er bezeichnet nur das Silber und Blei als diejenigen Metalle,
um welche man sich vor der spanischen Eroberung nicht bekümmert
habe 1). Auch Oviedo gedenkt der groſsen Geschicklichkeit, mit welcher
die Eingeborenen das Eisen mittels der Fasern einer Gespinnstpflanze,
henequen, und etwas Sand so leicht als ob es ein weicher Gegenstand
wäre, zu zerschneiden wuſsten 2). Wenn ferner, wie Jerez, der Sekretär
des Pizarro, als Ohrenzeuge berichtet, Atabalipa sich bei letzterem
beklagt, man habe dem Kaziken Maizabilica Fesseln aus Eisen angelegt 3),
so muſs dem Inca das Metall wohl bekannt gewesen sein. In der That
erwähnt denn auch unter den Waffen der Peruaner, Levinus Apollinaris
ausdrücklich den Eisenstachel 4), und die Einwohner Chiles sollen
ebenfalls bereits vor Ankunft der Spanier eiserne Lanzenspitzen be-
sessen haben 5).


Aber in imposanterer Weise als durch diese schriftlichen Zeugnisse
ist die Existenz des Eisens in jenen alten Kulturlanden verbürgt durch
das Vorhandensein der groſsartigsten Bauten und Skulpturwerke, die
aus so hartem Gestein bestehen, daſs deren Bearbeitung ohne gehärteten
Stahl einfach unmöglich gewesen wäre. Selbst wenn nichts weiter aus
[355]Amerika.
der Hinterlassenschaft jener Völker vorläge als allein die beiden unter
Montezuma I. hergestellten, durch Humboldt als Calender- und Opfer-
stein in weiteren Kreisen bekannt gewordenen, in Basalt mit unüber-
trefflicher Sauberkeit und Schärfe ausgeführten Skulpturen; oder jene,
zuerst von La Condamine in altperuanischen Bauten entdeckten, sonder-
baren Tierköpfe, die nebst einem in ihren durchbohrten Nasenlöchern
hängenden, beweglichen Ringe aus einem einzigen Porphyrblocke ge-
meiſselt sind, würde die Technik mit aller Entschiedenheit erklären,
daſs in dem Lande, wo diese Skulpturwerke hergestellt wurden, der
Stahlmeiſsel in Gebrauch gewesen sein müsse.


Wir besitzen im ganzen Mineralreiche keinen Körper und in der
Industrie keine künstliche Legierung, womit man im stande wäre den
Stahl zu ersetzen, der dadurch ausgezeichnet ist, daſs er mit der
gröſsten Härte auch die möglichste Zähigkeit verbindet, und daneben
ohne Mühe sich in jede wünschenswerte Form bringen läſst. Und als
Beweis, daſs nicht nur der gewöhnliche, sondern der vorzüglichste
Stahl erforderlich wird, wenn es gilt, die harten Gesteinsarten zu
bewältigen, möge besonders für jene Gelehrten, denen die Arbeitsräume
unserer Handwerker eine terra incognita sind, folgende historisch gut
beglaubigte Thatsache hier Platz finden: Als Papst Julius II. die schöne,
jetzt im Museo Pio-Clementino aufgestellte, aus rotem Porphyr ge-
arbeitete antike Schale restaurieren lassen wollte und damit den Michel
Angelo beauftragte, war dieser nicht dazu im stande, weil seine Stahl-
werkzeuge den Dienst versagten. Die Arbeit gelang nachher dem
Francesco del Tadda, der sich zum Härten des Stahles eines aus Kräu-
tern destillierten Wassers bediente, welches der Groſsherzog Cosmus
erfunden hatte (Vasari, Le vite de pitt. I, 11; Bunsen, Rom I, 354).
Übrigens bemerkte hierzu schon Beckmann sehr richtig, daſs es weniger
auf das leicht angesäuerte Härtewasser, als auf die besondere Güte des
Stahls ankommen konnte.


Nun handelt es sich aber nicht nur um die oben erwähnten, ver-
hältnismäſsig unbedeutenden Steinarbeiten; auch nicht, wie Bancroft
(II, 480) sehr reserviert sich ausdrückt, um „einige Idole und Statuen“,
die aus dem härtesten Gestein skulptiert wären, sondern um Hoch-
bauten, Tempel, Befestigungen, Straſsen- und Tunnelanlagen in so
unglaublicher Menge und Ausdehnung, wie kein zweites Land der
Erde sie in seinen Altertümern nachzuweisen vermag, Bauten, die alle
aus Steinen der härtesten Gattung, aus Grünstein, rotem Porphyr,
Basalt, Syenit, Granit u. s. w., und zum Teil in solch technischer Voll-
endung, Regelmäſsigkeit und Schönheit hergestellt sind, daſs sie in
23*
[356]Amerika.
dieser Beziehung den alten Bauwerken Indiens und Ägyptens durch-
aus nicht nachstehen. Es sei hier nur in aller Kürze hingewiesen auf
die 380 Fuſs hohe abgestumpfte Pyramide von Xochilcalco, die, nach
Humboldt, auf einer Basis von Basalt, aus sehr regelmäſsig geschnittenen
Granitblöcken besteht, deren Wände mit Hieroglyphen von vollkommen
sauberem Stil bedeckt sind (Dupaix); auf die in der Mitte des 15. Jahr-
hunderts von Nezahualcoyotl in Tezcotzinco aufgeführten Prachtbauten
mit ihren weiten, aus Marmorsäulen errichteten Hallen, ihren groſs-
artigen Bildwerken, einem meilenlangen Aquadukt, und Treppen, deren
520 Stufen zum gröſsten Teil in den lebendigen Porphyr eingehauen
waren; ferner auf die weltbekannten Ruinen von Mitla, Palenque und
Ytzalane in Yucatan, die nach Antonio del Rio aus Porphyr bestehen
und mit Skulpturarbeit von bewundernswürdiger Ausführung förmlich
überladen sind; oder auf die Tempelbauten von Uxmal, in deren
Ruinen von wahrhaft kolossalem Charakter sich unter anderm ein mit
43660 Porphyrsteinen gepflasterter Hof befindet, deren sechs Zoll im
Quadrat haltende Oberfläche eine vortrefflich skulptierte Schildkröte
(exquisitely cut in demi-relief) zeigt; auf die Trümmer von Copan in
Honduras, mit ihren Kolossalstatuen, Skulpturen, Hieroglyphen, Obelis-
ken u. s. w., die, wie Stephens versichert, „die leichteste Hand verraten
in der Führung des Meiſsels und mit den besten Stahlinstrumenten
nicht vollendeter hergestellt werden konnten“. Zu allen Statuen in
Nicaragua ist stets, nach Squier’s Beobachtung (Centr. Amer. II, 68), ein
schwarzer Basalt von solcher Härte verwendet, daſs er sich nur schwer
mit den besten Stahlwerkzeugen der Neuzeit schneiden läſst.


Ich erinnere weiter an die staunenswerten, aus dem härtesten
Granit (Tschudi, Reisen V, 290) bestehenden Ruinen von Tiahuanaco,
die, wenn man den Peruanern glauben darf, aus einer Zeit stammten,
„ehe noch die Sonne den Himmel erleuchtete“; an die Festungen von
Cañar und Callo, erbaut aus schwarzen Steinblöcken, härter, wie Ulloa
versichert, als Flintstein, und doch so scharf und künstlich behauen
und gerändelt, daſs die Fugen kaum wahrnehmbar sind; an die Ruinen
der Kaiserpaläste in Cuzco und Palca, und endlich an die, erst neuer-
dings durch Charles Wiener, dem französischen Konsul in Guayaquil,
bekannt gewordenen, erstaunlichen Tempelruinen bei Colpa, mit ihren
aus Granit und Porphyr bestehenden groſsen Sälen und Galerieen,
Brunnenmonolithen und Skulpturwerken von Menschen und Tieren.


Und vielleicht wird dies Alles noch übertroffen durch die merk-
würdigste, kühnste Gebirgsstraſse der Welt, die sogen. Incastraſse,
welche von Quito über Cuzco bis Chile in einer Längenausdehnung
[357]Amerika.
von circa 250 geographischen Meilen, genau der Entfernung von Ham-
burg nach Konstantinopel entsprechend, mehr als 12000 Fuſs hoch an
den Abhängen der Cordilleren hinführte, zum gröſsten Teil in die Fels-
wände hineingearbeitet und in ihrer vollen Breite von 25 Fuſs, mit
regelmäſsig behauenem Trapp-Porphyr gepflastert war (Humboldt,
Ans. d. Nat. II, 321; Sarmiento; Gómara). Auch möge endlich noch
der immensen Wasserleitungen, sowohl in Mexiko wie in Peru gedacht
werden, die oft in langen Stollen durch die härtesten Felsen geleitet
waren, und von denen allein die durch das Gebiet von Condesuya in
Peru führende, sich über mehr als 100 geographische Meilen ausdehnte
(Garcilasso P. I, lib. V, cap. 24).


Solch gigantischen Unternehmungen gegenüber, in denen deutlich
genug der Geist eines Volkes sich ausprägt, das in der Bewältigung
der härtesten Felsmassen kein Hindernis, sondern geradezu seine ganze
Befriedigung finden muſste, mit banalen Phrasen: daſs auch der Tropfen
den Stein aushöhle, daſs die Zeit keinen Wert hatte, und was dergleichen
mehr ist; oder gar durch Andeutungen, daſs man mit Schleifmitteln
auskommen konnte 1), während doch nach Squiers aufmerksamen Unter-
suchungen der schneidende Meiſsel überall seine Spuren zurücklieſs,
sich hinwegsetzen wollen über das absolute Erfordernis von stählernen
Werkzeugen, ist wahrlich mehr als — Pedanterie!


Als Alexander von Humboldt im Jahre 1802 die Cordilleren be-
reiste und mit Erstaunen erkannte, welch enorme Massen behauener
Steine einst in den Porphyrbrüchen von Pullal für den Bau der eben
erwähnten, jetzt gänzlich verfallenen, groſsen Incastraſse gewonnen
waren, da wurde es ihm klar, wie er selbst erzählt, daſs hier mit
Frottieren und mit steinernen Arbeitsgeräten allerdings nichts aus-
zurichten gewesen wäre (Vues des Cordill. I, 313). Und so, da er als
tüchtiger Chemiker die Behauptung vieler Gelehrten, die Peruaner und
Mexikaner hätten ein geheimes Verfahren benutzt, um das Kupfer in
Stahl zu verwandeln, ohne Weiteres abweisen muſste, geriet er auf
die Idee, daſs die Härtung des Kupfers lediglich durch einen Zusatz
von Zinn bewirkt worden sei. Fand diese Annahme sich später durch
[358]Amerika.
die, von Vauquelin mit dem aus Cuzco mitgebrachten Kupfermeiſsel
angestellte Analyse vollständig bestätigt, so hatte Humboldt doch darin
fehlgegriffen, daſs er die Zinn-Kupferlegierung für geeignet hielt um
mit ihr, wie er sich ausdrückt, „die groſsen Werke aus Grünstein und
dem härtesten Basaltporphyr ebenso leicht wie mit Stahl herzurichten“
(Neu-Spanien B. IV, c. XI, S. 10). Durch den geringsten praktischen
Versuch würde das Irrtümliche dieser, für die Archäologie einiger-
maſsen verhängnisvoll gewordenen Annahme sich sofort herausgestellt
haben, und daſs in diesem Falle die Notwendigkeit der Stahlbenutzung
in den Kulturländern Amerikas schon längst allseitig anerkannt worden
wäre, dürfte nicht zu bezweifeln sein.


Seitdem ist nun das Versäumnis Humboldts nachgeholt und durch
Versuche, die schon im Jahre 1852 von Rivero und Tschudi mit Bronze-
meiſseln aus den peruanischen Huacas 1), sowie später in den Werk-
stätten des Musée de Cluny ausgeführt wurden (Matériaux etc. Paris
1868, p. 210), die völlige Unzulänglichkeit der Bronze für die Bearbeitung
harter Felsarten auſser aller Frage gestellt. Ich selbst habe noch
kürzlich mit verschiedenen Legierungen, auch mit der, eine groſse
Dichtigkeit zeigenden sogenannten Manganbronze, die Probe gemacht,
und kann versichern, daſs sich mit keinem Meiſsel auch nur in gebrann-
ten Ziegelstein oder in weichen Sandsteinplatten etwas Ähnliches wie
Hieroglyphen oder derartiges einschneiden lieſs.


Eine zweckmäſsigere Art aber, das Kupfer zu härten und für
Werkzeuge brauchbar zu machen, als durch eine etwa zehnprozentige
Legierung mit Zinn und nachheriges Hämmern, giebt es überhaupt
nicht 2); und ohnehin ist durch sämtliche mit mexikanischen und
peruanischen Kupfergeräten vorgenommene chemische Analysen faktisch
nachgewiesen, daſs dieselben entweder nur aus reinem Kupfer oder
aber aus einer Bronze bestanden, deren Zinngehalt zwischen vier bis
[359]Amerika.
zehn Prozent variiert. Wie wenig geeignet solche Werkzeuge für die
Steinmetzarbeit sein muſsten, hätte sich bei einiger Aufmerksamkeit
schon daraus entnehmen lassen, daſs sie von keinem der spanischen
Schriftsteller zu diesem Zwecke, sondern, von anderen, unwesentlichen
Bestimmungen abgesehen, höchstens bei der Bearbeitung leichter
Holzarten erwähnt werden 1).


Fragen wir nun, mit welchen Werkzeugen die Steine behauen und
zugerichtet wurden, so finden wir von denselben Schriftstellern, welche
die Kenntnis des Eisens und Stahls in Abrede nehmen, und einigen
anderen übereinstimmend bezeugt, daſs hierzu, so paradox es klingen
mag, ausschlieſslich — steinerne Werkzeuge verwendet wurden. Es kann
darüber kein Zweifel sein; auch berichten offenbar die betreffenden
Geschichtsschreiber genau was sie selbst gesehen, oder wenigstens von
Augenzeugen erfahren hatten. Danach besaſs das Volk weder Eisen
noch Stahl; es bearbeitete die, in den Steinbrüchen „mit Holz“ ge-
wonnenen Bausteine mit „Kiesel und Feuerstein“ oder überhaupt mit
„harten Geschieben der Fluſsbetten“, unter denen in Mexiko besonders
eine dunkelgrüne Art für „die bessere und stärkste“ galt, während in
Peru schwarze Steine geschätzt waren. Der Verlauf der Arbeit wird
als langwierig bezeichnet, und den Vorgang dabei schildert Garcilasso
sehr treffend, indem er betont, daſs die Steinwerkzeuge „mehr zer-
malmend durch die Kraft der Arme, als schneidend“ gewirkt hätten 2).


[360]Amerika.

Wie die in beiden Ländern gemachten Funde ergeben, bestanden
die Steinwerkzeuge vorherrschend aus zugerichteten Geröllstücken von
Porphyr, Grünstein, Diorit, Basalt, Quarz, Gabbro u. s. w., im wesent-
lichen also aus denselben Massengesteinen, aus denen auch die meisten
Kunstbauten errichtet waren. Der in unseren Altertümern eine so
bedeutende Rolle spielende Flint- oder Feuerstein scheint gänzlich
gefehlt zu haben, aber die von den Spaniern als besonders qualifiziert
erwähnten Steine lassen sich unter den Funden thatsächlich wieder-
erkennen, und zwar der grüne als Jadeit in Mexiko, und der schwarze
als Amphibol in Peru, mithin als zwei Minerale, die sich durch ihre
enorme Zähigkeit bei Quarzhärte auszeichnen. Mit einer künstlich in
einen Holzstiel befestigten Jadeitaxt von dunkel-smaragdgrüner Farbe,
welche Petrus Martyr von Christoph Columbus zum Geschenk erhalten
hatte, vermochte derselbe mit aller Kraft seines Armes derartig auf
ein Stück Stabeisen loszuschlagen, daſs dieses deutliche Kerben zeigte,
während der Stein selbst nicht im geringsten dadurch beschädigt
wurde 1).


Noch besaſs man in Mexiko ein durch Schärfe und Feinheit seines
Schnittes ausgezeichnetes Mineral in dem Obsidian (itzli), einem
dunklen, glasartigen Körper, der im Cerro de las Navajas (Messer-
gebirge) an den Abhängen des Jakal in ungeheuren Massen gebrochen
wurde. Die durch den Druck eines aufgesetzten Holzstäbchens von
2)
[361]Amerika.
den gröſseren Obsidianstücken abgesprengten, fingerlangen, schmalen
Splitter (navajas) dienten in den mexikanischen Barbierstuben als
Rasiermesser und schnitten, wie die Spanier versichern, so gut und
sanft (bien y dulcemente) wie nur die Stahlmesser von Tolosa; die
groſse zweihändige Holzwaffe der Mexikaner (macuahuitl), in deren
Kanten als Schneide kleine Stückchen Obsidian eingelassen und fest-
gekittet waren, übertraf nach dem sachkundigen Urteil der spanischen
Kriegsleute an Schärfe des Schnittes sogar ihre besten Toledo-
schwerter 1).


Der Obsidian würde also einen vortrefflichen Ersatz für das Eisen,
wie schon Gómara andeutete, gebildet haben, wenn es ihm nicht an
aller Zähigkeit fehlte; er wird sehr leicht schartig, ist spröde wie Glas
und war daher in keiner Gestalt, weder als Hammer noch als Meiſsel
für die Bearbeitung der Steine geeignet 2).


Wir suchen bei den Beobachtern selbst vergeblich nach Aufklärung
sowohl über die Beschaffenheit des mit den Steinen verarbeiteten Ma-
terials, wie über die Güte der geleisteten Arbeit. Allein es liegt doch
zu sehr in der Natur der Sache begründet, als daſs wir nur einen
Augenblick daran zweifeln könnten, daſs zunächst alle harten Felsarten
von derselben Qualität wie die Werkzeuge, also Granit, Basalt, Por-
phyr etc. gänzlich von dieser Bearbeitung ausgeschlossen waren, denn
es handelt sich hier nicht etwa, wie in den uralten Kupfergruben am
[362]Amerika.
Lake Superior, wo allerdings im Trappgebirge mit schweren Stein-
hämmern und Holzrammen unter groſser Kraftanstrengung und Aus-
dauer Erstaunliches geleistet ist, um rohe Zerstörung und Beseitigung
der Gesteinsmassen, sondern um ein regelrechtes Behauen und Zu-
richten von Bausteinen. Auch die Benutzung des Jadeits und Amphibols,
oder ähnlicher zäher und harter Findlinge vermochte nichts an jener
Thatsache zu ändern. Unter unseren Feuersteinkeilen leisten beson-
ders die von opaker, chalcedonartiger Beschaffenheit ganz dasſelbe
wie die klassische Steinaxt des Columbus, und trotzdem sind diese
Werkzeuge, wovon jeder sich leicht überzeugen kann, zur eigentlichen
Bearbeitung oder, worauf es hier wesentlich ankommt, zum Skulptieren
der harten Gesteine absolut unbrauchbar 1).


Nur Massengesteine von lockerer oder spröder Konstitution, gewisse
Sorten Sand-, Kalk- und Tufstein, Gips, oder auch solche, die erst,
wenn sie längere Zeit der freien Luft ausgesetzt waren, eine gröſsere
Härte anzunehmen pflegen, konnten unter dem Druck jener Stein-
hämmer zu Bausteinen hergerichtet werden, wobei man auſserdem auf
architektonische Gliederung der Werkstücke, auf künstliche Skulptierung
und technische Eleganz Verzicht leisten muſste. Die Behauptung des
Mendieta, daſs die alten Mexikaner mit ihren armseligen Steingeräten
ebenso vortreffliche und saubere Werke hergestellt hätten, wie nur
die besten Steinmetze Castiliens mit stählernen Meiſseln und Spitz-
hauen 2), bedarf einer Widerlegung um so weniger, als der betreffende
Autor dies bereits selbst besorgte, indem er an anderer Stelle seiner
Kirchengeschichte ausdrücklich versichert, in den Leistungen der Stein-
arbeiter sei ein ganz erheblicher Fortschritt bemerkbar geworden, seit-
dem sie die stählernen Arbeitsgeräte der Spanier benutzt hätten 3).
Auch was sonst bis in die neueste Zeit in dieser Beziehung alles vor-
[363]Amerika.
gebracht wurde, läuft stets auf gehaltlose Phrasen hinaus, die einer
wissenschaftlichen Beachtung gar nicht wert sind 1).


Wenn demnach die niedere, mit Steinen arbeitende Klasse der
Bauhandwerker nur auf einige Arten von weichen Gesteinen angewiesen
war, so darf man darum den Anteil, den sie im allgemeinen an der
Errichtung von Baulichkeiten hatte, keineswegs gering anschlagen. Es
bestand in der That, wie viele Trümmerreste bezeugen, ein groſser Teil
der Steinbauten in Peru, Mexiko und Zentral-Amerika aus einem sehr
roh bearbeiteten Material von geringer Festigkeit (K. von Scherzer,
Trop. Amer., S. 204). Benzo, der sich in der Mitte des 16. Jahrhunderts
in Cuzco aufhielt, fand dort viele Gebäude aus sehr leichtem Bimsstein
errichtet 2), und ebenso war zu den Wohnhäusern in Tenochtitlan, deren
Zahl sich auf mehr als 60000 belief, gröſstenteils ein rötlicher, leicht
zerbrechlicher Tuf (tetzontli) genommen, der sich mit geringer Mühe
[364]Amerika.
bearbeiten lieſs 1). Auſserdem bestätigen alte Überlieferungen, daſs
die Bearbeitung von Stein mit Stein nicht etwa erst nach der spanischen
Invasion, in den Zeiten des Verfalls Eingang gefunden, sondern bereits
lange vorher ausgeübt wurde. So lieſs Montezuma II. kurz vor An-
kunft der Spanier für den Tempel des Kriegsgottes einen neuen Opfer-
stein herrichten: 10000 bis 12000 Indianer schleppten den gewaltigen
Block auf die Ebene, und als er gut gelagert war, machten 30 Werk-
leute mit ihren Steinhacken sich an die Arbeit, die sie in kurzer Zeit
vollendeten. Ein ähnlicher Fall wird unter seinem Vorgänger Axayaca
geschildert: auf Befehl desſelben muſsten 50000 Indianer, versehen
mit starken Tauen und niedrigen Blockwagen, in dem Hochgebirge von
Cuyuacan einen groſsen Steinblock gewinnen, der nachher mit kräftigen
und scharfen Steinen bearbeitet wurde, indem man Darstellungen aus
der Göttergeschichte darauf anbrachte 2).


Sogar bis hinauf ins achte Jahrhundert nach der Sintflut läſst
sich dieselbe Arbeit verfolgen, denn nach der peruanischen Chronik
lieſs Sinchi-Cozque in Cuzco groſse Bauten aufführen, wobei die Steine
mit Äxten von Kiesel bearbeitet wurden (Montesinos, Memor. antig.
bei Ternaux, p. 36).


Wie dem aber auch sein mag, für uns ist es von entscheidender
Bedeutung, daſs man in den alten Kulturstaaten notwendig zwei ver-
schiedene Methoden der Steinmetzarbeit befolgt haben muſs, von denen
die Spanier, wie aus dem Inhalt ihrer Berichte hervorgeht, nur die,
welche bei der Bearbeitung weicher Steinarten gebräuchlich war,
beobachtet oder vorgefunden haben. Die Ausübung der, mit der
Bearbeitung harter Gesteine sich befassenden, höheren Baukunst
scheint demnach, als unmittelbare Folge der Alles zersetzenden In-
vasion — ähnlich wie nach Cortez’ eigener Aussage auch andere Kunst-
[365]Amerika.
gewerbe 1) — ins Stocken geraten und bald gänzlich erloschen zu sein.
So erklärt es sich, wenn die Historiadoren, angesichts der auffälligen
Methode, die Steine mit Steinäxten zu behauen, die Kenntnis des Eisens
überhaupt in Abrede nehmen und ratlos vor den kunstvollen Bau-
werken und Skulpturen dastehen konnten, ohne zu begreifen, wenn
kein Eisen und Stahl vorhanden war, „mit welchen Geräten und Werk-
zeugen“ solche Wunderbauten hergestellt wurden 2). An der Lösung
dieses Problems haben dann, wie Rivero und Tschudi (l. c. p. 231) sich
ausdrücken: „seit mehr als drei Jahrhunderten die Gelehrten aller
Nationen zu arbeiten versucht, ohne bis jetzt irgend etwas Sicheres über
diese merkwürdige Manipulation zu Tage gefördert zu haben“.


Man hat sich, wie wir jetzt wissen, Schwierigkeiten bereitet, die in
der That gar nicht vorlagen. Denn daſs in den altamerikanischen
Kulturländern, namentlich während ihrer Blütezeit, das Eisen bekannt
war und auch verwendet wurde, dagegen dürfte, nach unseren bisherigen
Erörterungen wohl kaum noch ein begründeter Einwand zu erheben
sein. So wünschenswert es in mancher Beziehung sein möchte, das
Eisen auch faktisch unter den Altertümern jener Länder nachgewiesen
[366]Amerika.
zu sehen, ein entscheidendes Gewicht darauf legen zu wollen, daſs
dieser Nachweis, so viel wir wissen, bis jetzt nicht gelungen ist, hieſse
doch wohl etwas zu weit gehen! Wenn sogar in Ägypten, wo Alles seit
Dezennien von wissenschaftlichen Expeditionen und einzelnen Gelehrten
systematisch durchforscht wurde; wo der trockene Wüstensand und
der geringe Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre entschieden günstig
auf die Konservierung des Eisens einwirken muſsten, sämtliche bisher
bekannt gewordene alte Eisenfunde kaum 150 bis 200 g betragen
dürften, während doch bereits Herodot (II, 125) zu bedenken gab,
welch enorme Masse von Stahl allein für die Werkzeuge beim Bau der
Pyramiden erforderlich gewesen sei, so wird man die bezüglichen Er-
wartungen hinsichtlich Südamerikas auf das Äuſserste herabsetzen
müssen. Hier waren nicht allein die klimatischen Verhältnisse im
höchsten Grade, wie wir noch sehen werden, verderblich für das der
freien Luft ausgesetzte Eisenwerk, sondern durch den rohen Vandalis-
mus, mit welchem die alten Gräber seit der spanischen Invasion bis
auf den heutigen Tag zerstört wurden, gingen auch der wissenschaft-
lichen Durchforschung bereits Millionen von mehr oder weniger von
der Luft abgeschlossenen Behältnissen verloren, in welchen allein dem
Eisen ein sicherer Schutz vor gänzlichem Verderben gewährt war.
Immerhin — es liegen noch fast unermeſsliche Gebiete für die Forschung
unerschlossen, und schlieſslich wird man auch das Eisen noch auffinden,
wenn man erst weiſs, daſs es gefunden werden muſs. Inzwischen mag
dahin gestellt bleiben, ob eine in der Description of Indian Antiquities,
p. 117 erwähnte und Pl. X, Fig. 13 abgebildete, roh gearbeitete Axt
aus einem sogenannten Familiengrabe bei Arica wirklich, wie Ewbank
angiebt, aus Eisenstein oder nicht vielmehr aus schlecht verarbeitetem
Schmiedeeisen besteht. In dieser Beziehung ist ein Zweifel um so
berechtigter, als den amerikanischen Altertumsforschern sich nur selten
Gelegenheit bietet, den oft eigentümlichen Reoxydationsprozeſs, dem
das Eisen, während es Jahrhunderte lang in der Erde ruht, unterworfen
ist, beobachten zu können 1).


Wenn auf den ersten Blick immerhin etwas Befremdendes in der
Thatsache zu liegen scheint, daſs von den Mexikanern und Peruanern
neben dem Eisen auch noch Steinwerkzeuge benutzt wurden, so haben
wir damit doch nur ein Verhältnis berührt, das, wie jedem Kultur-
[367]Amerika.
historiker geläufig sein wird, in der Vorgeschichte der meisten erst
halbzivilisierten Völker ganz analog wiederkehrt. Sie pflegen auf dieser
Bildungsstufe nie verschwenderisch mit ihren mechanischen Hilfsmitteln
umzugehen und behalten, selbst wenn sie bereits zu einem vollkomm-
neren technischen Apparat, oder den Mitteln einen solchen herzustellen,
gelangt sind, doch die minder qualifizierten Werkzeuge mit einer
gewissen Vorliebe bei, soweit deren Brauchbarkeit für bestimmte Zwecke
noch irgend ausreichend erscheint. Besonders möchte ich darauf hin-
weisen, daſs ein ganz ähnliches Verhältnis wie in Alt-Amerika auch in
der altägyptischen Kultur vorliegen dürfte; auch hier diente nament-
lich in ältester Zeit das Eisen vorherrschend wohl nur bei der Be-
arbeitung harter Gesteine, und Jahrtausende hindurch, wie die alten
Wandgemälde und einige bekannte Funde ergeben, wurde neben Eisen
und Stahl noch Stein und Kupfer zu Geräten für allerlei Arbeit ver-
wendet.


Ob auſserdem, wie es allerdings den Anschein hat, in Mexiko und
Peru noch besondere Verhältnisse hemmend auf die allgemeinere Ver-
breitung der Eisenindustrie eingewirkt haben, soll hier nicht näher
untersucht werden. Nur so viel sei bemerkt, daſs Alexander von Hum-
boldt, der überzeugt war, man habe das Eisen gekannt, aber nur wenig
geachtet (mal apprécié), diesen Umstand bei den Azteken dadurch
erklären wollte, daſs sie aus ihrer Heimat, die nach seiner Meinung
im nördlichen Amerika zu suchen, eine besondere Vorliebe für das,
dort bekanntlich so massenhaft in gediegenem Zustande auftretende
Kupfer mitgebracht hätten (Neu-Span. B. IV, cap. XI, 8 bis 9). Auch
mag die auffallend rasche Verwitterung, der das Schmiedeeisen, nach
glaubwürdigsten Berichten, in jenen damals stark bewaldeten, feucht-
heiſsen Ländern unterworfen war, beschränkend auf die Verwendung
desſelben eingewirkt haben. Fernandez de Oviedo und Hieron. Benzo
bezeugen beide, daſs die nach mexikanischer Sitte von dickgefüttertem
Baumwollzeuge für die spanischen Milizen angefertigten Rüstungen
weit praktischer gewesen seien als jede andere Art, weil ihre Panzer
und Kürasse, sowie alles andere Eisen und Stahl sich in kürzester Zeit
total zersetzt hätten. Auf den im Rio Janeiro ankernden Schiffen war,
wie Pedro Sarmiento erwähnt, das Eisen während Eines Winters der-
artig verdorben, daſs man es mit der Hand zerreiben konnte; eiserne,
erst angefertigte Schaufeln, Spaten und Hacken zerfielen wie Papier
unter den Händen, und bei der geringsten Berührung löste sich alles
in Staub auf. Auch berichtet Herrera, daſs die eisernen Gitter in vielen
Gegenden Perus sich mit den Fingern zusammendrücken lieſsen, weil
[368]Amerika.
die Luft sie zerstört hatte 1). Doch wie dem auch sein mag, Thatsache
ist, worauf noch Professor Wappäus mich aufmerksam machte, daſs bis
auf den heutigen Tag bei der Bevölkerung Südamerikas eine so ent-
schiedene Abneigung gegen die einheimische Produktion von Eisen sich
bemerklich macht, daſs trotz der vorzüglichsten im Lande auftretenden
Erze aller Bedarf an Eisen vom Auslande bezogen wird.


Es erübrigt endlich noch die Erwähnung einiger, der Sprache
jener Kulturvölker und ihren alten Überlieferungen entnommener Be-
lege, durch welche die frühzeitige Bekanntschaft mit dem Eisen bei
ihnen auſser aller Frage gestellt wird.


Was zunächst die altmexikanische Sprache anbetrifft, so übersetzte
Alonso de Molina in seinem bereits im Jahre 1555 in Mexiko erschienenen
Wörterbuche 2) mex. teputztli einfach mit „cobre ó hierro“, ohne
weitere Bemerkung. Beide unedlen Metalle wurden also unter einem
Gattungsnamen zusammengefaſst, und man unterschied dann näher
nach der Farbe: chichiltic (rotes) teputztli Kupfer und tliltic (dunkeles)
teputztli Eisen.


Teputztli ist nun, nach Buschmann, ein Compositum aus nom. tetl
[369]Amerika.
Stein und vb. neutr. pozahua anschwellen, sich dehnen, und bedeutet
also „der [dehnbare] Stein“, womit offenbar sehr treffend das gediegen
in der Natur vorkommende Kupfer bezeichnet ist. Da dies aber, nebst
dem Golde, früher bekannt sein muſste als das, erst aus seinen Erzen
darzustellende Eisen, so erklärt sich hieraus, wenn noch in späterer
Zeit, wie die Sprachforscher behaupten, teputztli alleinstehend vor-
herrschend Kupfer bedeuten konnte. Allein, daſs doch schon frühzeitig
auch das Eisen in den Bereich der Metallindustrie aufgenommen und
bekannt war, geht daraus hervor, daſs ebenso wie die unedlen Metalle,
auch die beiden Edelmetalle, Gold und Silber, unter einem Gattungs-
namen, Teocuitlatl, mit der drastischen Bedeutung miérda de Dios,
zusammengefaſst 1) und ebenfalls durch Bezeichnung ihrer Farbe näher
bestimmt wurden: cuztic (gelbes) teocuitlatl Gold, und yztac (weiſses)
teocuitlatl Silber.


Professor Buschmann, einer der bedeutendsten Kenner des mexika-
nischen Idioms, mit dem ich wiederholt noch in der letzten Zeit seines
Lebens über die Eisenfrage verhandelte, wollte keineswegs die Kenntnis
des Eisens in Mexiko überhaupt in Abrede nehmen; nur meinte er, es
sei seltener als Kupfer oder, wie er in seinem 1830 mit Wilhelm von
Humboldt gemeinschaftlich ausgearbeiteten, unedierten mexikanischen
Wörterbuche sich ausdrückt, „fast gar nicht“ in Gebrauch gewesen,
daher denn auch ein groſser Teil der von Molina aufgeführten Komposita
des Wortes teputztli (wo sie Eisen bezeichnen), namentlich wenn es als
primum compositi stehe, erst nach der Eroberung entstanden sei. Mag
dies auch gern eingeräumt werden, so ändert es nichts an der Thatsache,
daſs die Sprache Zeugnis ablegt für das hohe Alter des Eisens in Mexiko.


Bekanntlich gelten die im Anfange des 6. Jahrhunderts in Mexiko
eingewanderten Tolteken für die eigentlichen Kulturbringer des Landes,
auf welche alles was Kunst und Wissenschaft betraf, zurückgeführt
wurde, und die, was uns besonders angeht, namentlich als groſse Bau-
meister gerühmt werden. Nach Molina bedeutet Toltec den Baumeister,
Handwerker und Künstler, und Sahagun bezeichnet auſserdem die
Tolteken als die Entdecker des Goldes und Silbers, Kupfers, Zinnes
und anderer Metalle, die sie alle zu gewinnen und zu verarbeiten ver-
standen 2). Von ihnen berichtet nun Fernando de Alva Ixtlilxo-
Beck, Geschichte des Eisens. 24
[370]Amerika.
chitl 1) in seiner, nach alten Urkunden des Archivs von Tezcuco etwa
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausgearbeiteten Geschichte
der Chichimeken folgendes (trad. Ternaux Vol. I, p. 20): „Les Toltèques
combattaient vêtus de longues tuniques tellement épaisses que les
lances ne pouvaient les traverser. Leurs arms principales étaient de
longues lances, des javelots et des massues garnies de fer. Ils avaient
des casques en fer, en cuivre et en or. Ceux qui combattaient avec
des massues portaient aussi des boucliers 2).“


Es erinnert unwillkürlich an die eben erwähnten, eisenbewehrten
Kriegskeulen, wenn man in der von Kingsborough veranstalteten Aus-
gabe mexikanischer Bilderschriften auf mehreren Tafeln des borgiani-
schen Codex die Darstellung von sehr primitiven Streitäxten findet,
bestehend aus einer hölzernen Keule, in deren oberem Ende eine keil-
förmige, etwas geschweifte Klinge steckt, die in blauer Farbe ausgeführt
ist. Man sieht diese Streitäxte teils freistehend und dann offenbar in
symbolischer Bedeutung (Vol. III, Taf. 13), meist aber als Kriegsbeil
abgebildet, geführt von Indianern in reicher mexikanischer Tracht, mit
goldenen Armringen und schweren Ohrgehängen (Taf. 20, 36). Daſs
hier wirklich die Darstellung von metallischem Eisen beabsichtigt
wurde, dürfte um so weniger zu bezweifeln sein, als der Obsidian, an
welchen hier zu denken schon die Form der Äxte verbietet, stets
grünlich-schwarz, das Kupfer aber rot angelegt ist. Im übrigen ge-
nügt es für unsere Zwecke, das immerhin interessante Faktum hier
einfach zu konstatieren, ohne den ideellen Gehalt dieser Schildereien
näher zu berücksichtigen.


Ferner finden wir in der von Tezozomoc gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts verfaſsten Mexikanischen Chronik folgende Nachricht: als
Axayaca im Jahre 1474 gegen die Tarasker zu Felde zog und sich in
[371]Amerika.
der Nacht dem Orte Matlaltzinco näherte, stieſsen seine Truppen auf
die ganz sorglos am Wachtfeuer gelagerten Grenzwächter, die ihre
Bogen, Pfeile und Steinschleudern neben sich liegen hatten, und auf
dem Kopfe Helme trugen, deren Hauben aus Stahl verfertigt waren 1).
Und in derselben Chronik wird berichtet, daſs die Einwohner von
Aculhuacan, Tacubo und Chalco sich verpflichten, dem Kaiser Monte-
zuma II. an Tribut zu liefern: sehr starke aus feinem Bambusrohre
geflochtene Schilde, die man für stählerne Topchimalli (Schilde der
Gerichtsdiener) halten konnte, andere Arten sehr reich verzierter
Schilde, Pfeile, prächtige Schwerter aus Stein und — Eisen. „Dies ist
alles“ sagt die Chronik, „was jenes Volk anfertigt und sonst nichts 2)“.


Nach einer von Ignaz Molina gegebenen Mitteilung wird auch bei
den Chilenen die Kenntnis des Eisens in alter Zeit durch ihre Sprache
bestätigt 3). „Es ist wunderbar“, so äuſsert er sich, „daſs das Eisen,
obgleich man allgemein annimmt, es sei jenen Völkern nicht bekannt
gewesen, in der chilenischen Sprache einen besonderen Namen führt.
Und zwar heiſst es panilgue, und die daraus verfertigten Waffen ciuchel,
im Gegensatze von jenen, die aus diversen anderen Materialien an-
gefertigt, unter dem Namen nulín zusammengefaſst werden. Der
Schmied heiſst Rúthave vom Verbum rúthan, das in Eisen arbeiten
bedeutet.“ Aus allem glaubte Molina schlieſsen zu müssen, daſs die
Araucaner nicht nur Kenntnis vom Eisen hatten, sondern auch Gebrauch
davon machten, und wie wir schon oben nachwiesen, wurden sie in der
That bei ihrer Entdeckung im Besitze von eisernen Lanzenspitzen
angetroffen.


24*
[372]Amerika.

Hinsichtlich der Inca-peruanischen Sprache beschränken sich
meine Nachweise auf die, bei Garcilasso und dem späteren Velasco
enthaltene, vereinzelte Notiz, daſs man das Eisen Quillay genannt habe 1).


Fernando Montesinos aber, der sich im Anfange des 17. Jahr-
hunderts mit den Altertümern Perus und, wie er selbst versichert, „mit
viel Mühe und Sorge“ auch mit der Auslegung der alten Quippus
beschäftigte, teilt die eigentümliche Sage mit (Memor. antig. histor. del
Perú, trad. Ternaux, XVII, 75), daſs unter der Herrschaft des Ayar-
tarco Cupo, während er in Cuzco in der Mitte von Vergnügungen lebte,
ein friedliebendes Volk in Peru einwanderte, das die Steine mit Werk-
zeugen aus Eisen, welche es aus seiner Heimat mitgebracht hatte, be-
arbeitete und in Pachacama dem Schöpfer der Welt einen groſsartigen
Tempel errichtete. Dies sollen die Chimus gewesen sein, in deren
Wohnsitzen, wie Martius (Zur Ethnogr. Amerikas, 457) bemerkt, noch
heute Ruinen kolossaler Bauwerke angetroffen werden, welche von
einer Kultur zeugen, weit mehr entwickelt und viel älter als das Inca-
reich. „Gleich wie in Mexiko,“ fährt Martius fort, „die einwandernden
Azteken monumentale Werke vorfanden, verlassen und in Ruinen, deren
Erbauer ihnen unbekannt waren und die sie mit dem Namen der Tol-
teken bezeichneten, so überkam die Dynastie der Incakönige Reste
einer früheren Epoche und zogen sie in den Kreis ihres Kultursystems.“


Es ist nun gewiſs beachtenswert und sicher mehr als müſsige, schrift-
stellerische Phantasie, wenn in den alten Sagen beider Kulturstaaten
das Eisen gleichsam an den Anfang der Kultur gestellt, und in unmittel-
barer Beziehung zu der Errichtung von Monumentalbauten erwähnt
wird. So dürfte wohl auch, wenn es in derselben Chronik (l. c. 52)
heiſst, daſs Inti Capac, Herrscher von Cuzco, an den Caziken Huitara,
der einen Sonnentempel errichten wollte, geeignete Arbeiter schickte,
und auſser den nötigen Werkzeugen auch „von dem was erforderlich
war, um sie anzufertigen“, nur an Eisen oder Stahl gedacht werden
können.


Doch von gröſserer Bedeutung für die frühe Existenz des Eisens
in Peru, als diese allerdings sehr mythischen Historien ist endlich die,
in den von Montesinos verfassten, leider noch unedierten peruanischen
Annalen enthaltene Notiz (Bastian im Archiv für Anthrop. III, 18), daſs
bereits unter den Incas die Eisengruben von Ancoraimes, einem süd-
[373]Amerika.
lich von Tiaguanaco gelegenen Dorfe bearbeitet wurden. Montesinos
muſste im Auftrage der spanischen Regierung verschiedene Teile des
Landes wiederholt bereisen; er hatte daher Gelegenheit die sorgfältig-
sten Beobachtungen anzustellen, und die Richtigkeit seiner Angaben
wird durch die neueren Aussagen eines Herrn Vincent Pazos zu Bolivia
gestützt, welche der Akademie der Wissenschaften zu Brüssel am 1. Fe-
bruar 1845 (L’Institut, Sect. II, T. X, p. 75) durch Herrn von Reiffen-
berg vorgelegt wurden.


Nach einer, mir durch die Güte des Herrn J. O. Monasterios aus
Bolivia, dem Herausgeber der Revista Germanica in Leipzig, zugegangenen
Mitteilung befinden sich auſserdem in der Nähe des kleinen Ortes
Araca viele Spuren verlassener Grubenbauten, die darauf hindeuten,
daſs auch hier das Eisen schon in alter Zeit von den Indianern gewon-
nen und bearbeitet wurde.


Diese Thatsachen verdienen offenbar weit mehr Beachtung als
ihnen, meines Wissens, bisher zu Teil geworden ist, und eine fach-
männische Exploitierung jener alten Gruben und Halden dürfte dem-
nächst entscheidender werden für die endgültige Erledigung der Eisen-
frage in Alt-Amerika, als alle doktrinären Abhandlungen.


[[374]]

Griechenland.


Wenn wir uns nach dem vorausgegangenen Exkurs in fremde
Weltteile und zu mehr oder minder barbarischen Völkern jetzt Griechen-
land zuwenden, so ergreift es uns, wie wenn wir von einer langen Reise
in unsere Heimat zurückkehren. Wir haben ein Recht darauf, die
Griechen als unsere Angehörigen zu betrachten. Sie haben Europa
gegründet, sie haben diesen vorgeschobenen Anhang des asiatischen
Kontinents zu einem selbständigen Weltteil gemacht, selbständig durch
seine höhere Thatkraft, herrschend durch seine höhere Bildung.
Darum verdient die Geschichte der Industrie bei den Griechen die ein-
gehendste Betrachtung; denn wenn sie selbst auch nur Schüler anderer
Kulturvölker waren, wenn ihr Sinn mehr auf das Ideale und rein
Menschliche gerichtet war und sie in der Technik des Eisens keine
groſsen Fortschritte aufzuweisen haben, so wurzelt doch in dem reichen
Schatz ihrer Litteratur ein groſser Teil unserer eigenen Erkenntnis,
wie unserer eigenen Irrtümer, nicht nur auf dem theoretischen, sondern
auch auf technischem Gebiete. — Selbst ihre Mythologie, die sie mehr
wie ein anderes Volk verarbeitet, mit dem Zauberschein poetischer
Dichtung umgeben, mit der Wärme kindlicher Poesie durchdrungen
haben, darf als eine Quelle der Erkenntnis für unseren Zweck nicht
unberücksichtigt bleiben.


Aus Westasien und Ägypten kam die Kultur nach Griechenland.
Vor allen waren es die Phönizier, welche durch ihre Kolonieen auf den
ägäischen Inseln, sowie an den Küsten von Hellas die Zivilisation Asiens
nach Europa brachten, teilweise schon zu einer Zeit, als die ägäischen
Inseln noch nicht einmal im Besitz der Hellenen waren. Cypern und
Kreta waren die ältesten und wichtigsten Ansiedelungen der Phönizier
im Mittelmeere und gerade diese Inseln waren der Ausgangspunkt der
[375]Griechenland.
Zivilisation Griechenlands. Namentlich in technischen Künsten waren
die Phönizier die Lehrmeister der Griechen, wie denn deren Kolonisa-
tion keinen anderen Zweck hatte, als den der Ausbeutung der fremden
Länder durch Handel und Industrie.


Die meisten Überlieferungen der Griechen, die sich auf Metallurgie
beziehen, lassen sich auf phönizischen Ursprung zurückführen. Ins-
besondere gilt dies von dem alten, wichtigen Sagenkreis der Wande-
rungen des Kadmos, den wir bei der Geschichte der Phönizier als einen
der Kabiren kennen gelernt haben. Die hellenesche Sage berichtet:


Kadmos1), der Sohn des Agenor, nach anderen 2) des Phönix,
war ein Bruder der Europa, die Zeus, von Liebe entbrannt, in Gestalt
eines Stieres von der ägyptischen Küste nach Kreta entführte. Kadmos
zog mit seinem Bruder aus, die vorlorene Schwester zu suchen, wurde
aber durch Stürme in das ägäische Meer verschlagen. Sein Bruder
Thasos, den einige einen Sohn des Poseidon, andere einen Sohn oder auch
einen Bruder des Kilix nennen, blieb auf der nach ihm benannten Insel
zurück, und legte dort die alten berühmten Goldbergwerke an, während
Kadmos mit seiner Mutter Telephassa sich nach der thrakischen Küste
wandte, wo die Goldbergwerke am Pangäos von ihm abgeleitet werden.
Hier begrub er seine Mutter Telephassa, d. h. „die Weitscheinende“,
worin wohl eine symbolische Anspielung auf das Graben nach unter-
irdischen Goldschätzen gefunden werden darf, und zog von da nach
Böotien, wo er nach der bekannten Erzählung der Gründer Thebens
wurde. Von Theben wanderte er, nach Pindars Darstellung, mit seiner
Gattin Harmonia (der phönizischen Gottheit der Ordnung, des Gesetzes)
zu den Encheleern in Illyrien, wo verwandte Sagen sich finden. Im höch-
sten Alter wurde er von Zeus, in eine Schlange verwandelt, nach dem
Elysium gesendet. Von den Griechen wurde Kadmos verehrt als Er-
finder vieler technischer Künste, insbesondere der Goldgewinnung, sowie
der metallnen Waffen, mit denen er leicht das eingeborene Volk der
Hyanten bezwang. So verworren diese Erzählung auf den ersten Blick
erscheinen mag, so ist es doch nicht schwer, in jeder Einzelheit den
historischen Kern zu erkennen. Kadmos ist die personifizierte Vor-
stellung des Einflusses der Phönizier auf die Griechen. Kadmos heiſst
ein Sohn des Phönix, d. h. Phöniziens und ein Bruder des Kilix, d. h.
Kilikiens, das von semitischen, den Phöniziern stammverwandten Völkern
bewohnt war. Er und sein Bruder gründen die Bergwerke in Thasos
und in Thracien, welche nachweislich zuerst von phönizischen Unter-
[376]Griechenland.
nehmern eröffnet und betrieben worden sind. Seine Schwester Europa,
die auf dem Stier nach Westen reitet, ist das Bild der obersten phö-
nizischen Göttin Astarte, der wandernden, in die abendlichen Länder
entführten Mondgöttin, die nach phönizischem Mythus in den Kultus-
bildern auf einem Stier reitend oder mit einem Stierhaupte dargestellt
wird. Kadmos selbst aber ist — wie wir bereits wissen — eine phö-
nizische Gottheit, sogar dem Namen nach; er ist der phönizische Kad-
mon, „der Alte“, der zu den Ophionen 1), den Schlangengöttern gehört,
worauf sich die angebliche Verwandlung des Kadmos durch Zeus in
ein Schlangenbild bezieht. Wahrscheinlich stand dieser Kadmon auch
bei den Phöniziern in einer besonderen Beziehung zu dem Bergbau, da
er in Sagen an allen den Plätzen fortlebte, wo einstmals phönizische
Bergwerke im Umgang waren, so auſser in Thasos und Thracien, zu
Samothrake, Thera und Kreta, auf Sicilien, Sardinien und in Groſs-
griechenland. Wenn Kadmos von den Griechen der Erfinder des Gol-
des, der ehernen Waffen und der Buchstaben genannt wird, so beweist
dies, wie bei diesem Volke noch die Erinnerung daran fortlebte, daſs
alle diese Dinge von den Phöniziern zuerst zu ihnen gekommen waren.


Neben Kadmos nennt aber die griechische Sage noch eine ganze
Reihe anderer, göttlicher Wesen als Erfinder der Metalle. Der Par-
tikularismus der griechischen Stämme tritt fast in nichts so deutlich
hervor, als in der verschiedenartigen Behandlung und Auffassung ihrer
heiligen Sagen, in der Weise, daſs oft bei naheliegenden Gemeinden
dieselbe Sache unter ganz widersprechenden Formen verehrt und dar-
gestellt wurde und ganz abweichende Genealogieen und Rangordnungen
ihrer nationalen Götter sich ausbildeten. So sind auch die Sagen ihrer
metallurgischen Gottheiten, welche neben der Kadmossage herlaufen, in
ihrer Form sehr abweichend und in ihrem historischen Kern nur zum
Teil mit derselben verwandt.


Am nächsten stehen ihr, namentlich bezüglich ihrer unverkenn-
baren Herkunft aus Phönizien, die Sagen von den metallkundigen
Daktylen und Telchinen, die aus dem Dienst der Kabiren in den
phönizischen Kolonieen entstanden sind. Vielleicht waren es ursprüng-
lich Priestergesellschaften, ähnlich den Mönchsorden, die neben ihren
Religionsübungen technischen Verrichtungen oblagen. In gewisser
Beziehung könnten die Sagen von den Daktylen als eine Ergänzung
der Kadmosfabel angesehen werden, denn während Kadmos der Er-
finder des Bergbaues, des Goldes und des Erzes ist, wird den Daktylen
[377]Griechenland.
ganz speziell die erste Auffindung und Verarbeitung des Eisens zuge-
schrieben. Die bezüglichen Darstellungen verschiedener Dichter sind
indessen unter sich voller Widersprüche. Zweierlei Daktylen werden
als erste Erfinder des Eisens genannt, die Daktylen, welche am Idäischen
Gebirge in Kreta wohnten, und die phrygischen Daktylen, die am
Abhang des gleichnamigen Berges in Kleinasien — nicht weit von
Troja — hausten. Sophokles gedenkt der [fünf] Daktylen, welche auf
Kreta zuerst das Eisen schmiedeten. Sie waren nach Diodor die ersten
Bewohner von Kreta, die Kinder der Sonne und der Minerva, nach
anderen des Saturn und der Alkiope. Pausanias führt gleichfalls fünf
Daktylen auf, während Strabo ihre Zahl auf hundert angiebt. Nach
des Pausanias’ Erzählung habe Rhea nach der Geburt des Zeus die
Bewachung des Kindes den idäischen Daktylen, die aus Kreta gekom-
men seien, dem Herakles, Päonäos, Epimedes, Jasios und Idas
anvertraut. — Nach anderen Schriftstellern waren es die phrygischen
Daktylen, denen zuerst die Bearbeitung des Eisens bekannt war. Dies
erzählt Diodor, indem er hinzufügt, der Blitz habe einen Wald in Brand
gesteckt, welcher auf Eisenerz stand, dieses sei geschmolzen und auf
diese Weise den Daktylen das Geheimnis offenbart worden. Die
Parische Marmorchronik bestimmt sogar die Zeit dieses Ereigniſses,
nämlich 215 Jahre vor dem trojanischen Krieg, also im Jahre 1409 v. Chr.
(nach der Zeitbestimmung des Eratosthenes). Apollonius giebt die Zahl
der phrygischen Daktylen auf drei an, die er namentlich aufführt:


Illic habitabant

Montigenae Phryges Idaei, gens arte celebris,

Celmis, Damnamenusque ingens, Acmanque superbus,

Montanae ducti cultores Adrasteae,

A quibus ars Vulcania prima fuisse reperta

Dicitur et nigrum nemoroso in monte repertum

In varios usus monstravit cudere ferrum

Impositumque igni miro splendescere cultu.

Die Namen der Daktylen Kelmis, Damnameneus und Akmon sind,
wie leicht erkenntlich, symbolische. Sie bedeuten Esse, Hammer 1) und
Ambos. Akmon ist übrigens auch ein phönizischer Name des Herkules,
des Baal Melkart. Jedenfalls darf aus diesen Sagen gefolgert werden,
daſs die Kunst der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens zuerst
durch phönizische Einwanderer nach den griechischen Inseln gebracht
worden ist; denn die Daktylen sind ebenso wie die verwandten Tel-
chinen
auf Rhodos, welche nach Strabos Angabe zuerst das Eisen er-
fanden und die Sichel des Saturn schmiedeten, oder wie die Kureten
[378]Griechenland.
und Kabiren, die Grobhammer und Zange führten und Söhne des
Kadmos genannt werden, aus der phönizischen Mythologie in die
griechische übergegangen 1). Es sind in der griechischen Götterlehre
unklare Dämonen, welche von den Dichtern auch häufig verwechselt
werden. Sie galten als Zauberer, wie denn bei den meisten Völkern
des Altertums die Kunst der Metallgewinnung als mit Zauberei ver-
bunden angesehen wurde. Der Name Telchinen z. B., welcher von dem
Zeitworte ϑέλγω abgeleitet ist, bedeutet mehr Zauberer als Schmelzer.
Die fremden Künstler, die zuerst Bergwerke anlegten und Erze ver-
schmolzen, wurden von den Eingeborenen als mit übernatürlichen
Kräften ausgerüstete Wesen angesehen und nicht unwahrscheinlich
verbreiteten die Fremden diese Meinung mit Absicht. Auch erhandelten
die Eingeborenen von den Phöniziern Idole und Amulette, welche meist
aus Metall waren und es kann nicht Wunder nehmen, wenn sie den
Verfertigern dieser wunderkräftigen Bildwerke überirdische Kräfte
andichteten. Die lemnischen und samothrakischen Kabiren gelten
besonders als Metallarbeiter im Dienste des Hephästos. Sie werden
„Karkinoi“ d. h. „Zangenführer resp. Grobschmiede“ genannt. An
diese reihen sich als verwandte Gestalten der alten griechischen Götter-
sage die Kyklopen an, denen zwar nicht der Ruhm der Erfindung der
Metalle zukommt, die aber als die geschicktesten Götterschmiede ge-
feiert werden. Hesiod nennt sie Kinder der Gäa und führt drei auf:
Brontes, Steropes und Arges. Sie schufen zuerst dem Zeus Donner
und Blitz 2). Sie waren einäugig (κύκλωψ gleich kreisäugig), was
schon Agricola aus dem Umstande zu erklären versucht hat, daſs
die alten Schmiede, wie die Feuerarbeiter zu seiner Zeit, ein Leder
mit einer runden, durch ein Glas verschlossenen Öffnung vor dem
Gesicht getragen hätten, um dieses gegen die Glut zu schützen. Nach
Homer und Theokrit waren die Kyklopen die ältesten Bewohner
Siciliens. Andere versetzen sie auf die liparischen Inseln, die meisten
jedoch geben Lemnos als ihre Heimat an, wo sie in der Nähe oder im
Innern des alten Vulkans Mosychlos hausten. Ihr Meister und Herr
war Hephästos, bei den Römern Vulkan, Sohn des Zeus und der
Juno, der von Homer als der Handwerksmeister der [olympischen] Götter
dargestellt wird. Schon seine äuſsere Gestalt ist die eines alten Grob-
[379]Griechenland.
schmiedes, nervig von Hals, mit haariger Brust, aber mit schwächlichen
Beinen und humpelndem oder hinkendem Gange. Ähnlich erscheint in
der alten nordischen Sage der Götterschmied Wieland am Fuſse ge-
lähmt und auch Agni, der Feuergott der Inder, ist in der Rigveda in
gleicher Weise geschildert. Hephästos, (Vulkan) war nach Diodors
Angabe der Erste, der Eisen und Stahl, Silber und Gold verarbeitet
hat. Ein homerischer Hymnus berichtet, die Menschen hätten gleich
Tieren in den Höhlen der Gebirge gelebt, bis Hephästos sie die Werke
der Athene lehrte. Nach anderen Erzählungen erscheint er nur als
Grob- und Waffenschmied, während Athene eigentlich die Göttin der
Kunstfertigkeit und der feineren Metallarbeit ist. Die ursprüngliche
Bedeutung des Hephästos war indes mehr die des Feuergottes, des
indischen Agni, als die des Gottes der Arbeit. Darauf deutet schon
seine Wohnstätte hin, die stets in oder bei Vulkanen angegeben wird,
so im Ätna, auf den liparischen Inseln und in dem erloschenen Vulkane
Mosychlos auf Lemnos. Bei den Athenern war er besonders als der
Gott des Herdfeuers verehrt und jedes Jahr fuhr ein Schiff nach Lemnos,
um neues Feuer aus dem alten Heiligtume des Hephästos zu holen 1).


An Hephästos erinnert durch mancherlei Züge einer der Titanen,
Prometheus, der als eine spezifisch griechische Götterfigur anzusehen
ist und dem gleichfalls die Erfindung der Metalle zugeschrieben wird.
Äschylos nennt den trotzigen Dulder den Erfinder aller Künste der
Menschen und läſst ihn sagen 2):


„Denn die tief im Erdenschooſs

Verborgenen Schätze, Helfer vielem Menschenwerk.

Das Eisen, Erz, Gold, Silber, wer mag sagen, daſs

Er diese vor mir aufgefunden und benutzt?

Niemand, ich weiſs es, wenn er sich lügend nicht berühmt.“ —

Vor allem aber war er der gröſste Wohlthäter des Menschen-
geschlechtes dadurch, daſs er das Feuer aus dem Himmel stahl und
den Menschen auf die Erde brachte 3). Hesiods Angaben hierüber sind
von groſsem Interesse.


Prometheus, des Japetos und der Klymene, einer Tochter des
Okeanos, kluger Sohn versuchte Zeus zu täuschen durch betrügerisches
Opfer. Zeus überführte ihn und zur Strafe gab er den Menschen nicht
das Feuer, aber Prometheus stiehlt es und birgt es in einem Rohre
(565 Theogonie), „doch des Japetos herrlicher Spröſsling stahl weit-
schimmernden Glanz unermüdlichen Feuers und barg ihn tief in der
[380]Griechenland.
Höhle des Rohres“. Dieses Rohr erinnert an die mit leicht brennbarem
Stoffe gefüllten Zünder aus Bambusrohr, wie solche auf Java und in
Ostasien noch im Gebrauch sind.


Endlich verdient noch eine andere Figur der griechischen Sage, die
mehr Mensch als Gott ist, Erwähnung. Dädalus, der, wenn er auch
nicht als Entdecker der Metalle genannt wird, doch als Erfinder von
mancherlei Werkzeugen und Handwerkskünsten verehrt wurde. Sein
Sagenkreis umfaſst besonders Kreta, Attika, Groſs-Griechenland und
Sicilien. Als der Begründer und Vorstand aller Künstlerinnungen wurde
er in Athen verehrt. Er wird als Erfinder der Axt, sowie des Zirkels,
des Bohrers und der Setzwage genannt. Seine Schwester Perdix hatte
einen Sohn, Talos, der des Dädalus’ Schüler und Lehrling war. Dieser
Jüngling war so geschickt und erfinderisch, daſs sein Meister auf ihn
eifersüchtig wurde und als Talos, durch die gezahnte Kinnlade eines
Raubfisches veranlaſst, die Säge erfand, stürzte ihn Dädalus, von Neid
erfüllt, von einem Felsen ins Meer. Es ist dies wohl die älteste Fabel
von der Miſsgunst zwischen Meister und Gesellen.


Diese mythologischen Überlieferungen führen bei den Griechen
unmittelbar in das Zeitalter der Nationalhelden, der Heroen, und in die
geschichtliche Zeit über. Das erste gemeinschaftliche Unternehmen
der hellenischen Stämme war der Argonautenzug, der um 1350 v. Chr.
stattgehabt haben soll, zum Teil eine Handelsexpedition, zum Teil ein
Raubzug nach dem damals reichen und mächtigen, durch seine Gold-
schätze berühmten Kolchis am Schwarzen Meere. Das goldene Flieſs
(Chrysomallos) erklärt schon der ehrwürdige Agrikola als das Symbol
der Goldwäscherei, indem Schafpelze bei der Verwaschung des
Goldsandes angewendet wurden, welche angeblich damals in jenem
Gebiete des Kaukasus im Schwunge gewesen sein soll. Jedenfalls be-
zeugt die Argonautensage den uralten Verkehr Griechenlands mit
jenen metallreichen Gestaden des Schwarzen Meeres, von denen ja auch
der Stahl bei den Griechen seinen Namen hat 1) und die Homer als das
Geburtsland des Silbers bezeichnet 2). Die Nachrichten über die Argo-
nautenfahrt sind nicht so alt und nicht so ausführlich wie die über den
trojanischen Krieg, immerhin ist es für die Geschichte der Metallurgie
von Interesse, daſs diese erste Unternehmung der Griechen auf die
Gewinnung von Edelmetallen gerichtet war.


Weit wichtiger sind für uns die Überlieferungen, welche sich auf
das zweite und wichtigste gemeinschaftliche Unternehmen der griechi-
[381]Griechenland.
schen Völkerstämme beziehen, auf den trojanischen Krieg, der
am wesentlichsten dazu beigetragen hat, die zersplitterten, griechischen
Gemeinwesen zu einer Nation zu vereinigen und welcher in dem
unsterblichen Homer einen so wunderbaren Berichterstatter und Ver-
herrlicher gefunden hat. Neuerdings haben die herrlichen Schilderungen
des Vaters der Dichtkunst einen wichtigen Kommentar erhalten durch
die Ausgrabungen von Heinrich Schliemann.


Der trojanische Krieg hat in hervorragender Weise die nationale
Einigung der Griechenstämme herbeigeführt. Doch ist dieser Er-
folg nicht dem Unternehmen allein, sondern ebenso sehr der Verherr-
lichung desſelben durch Homer zuzuschreiben. Die Heldengesänge
über Trojas Fall wurden Gemeingut aller Griechenvölker, soweit die
hellenische Zunge klang, sie wurden zu einem geistigen Bande, das
alle Griechen umschlang. Ist aber die nationale Bedeutung der home-
rischen Dichtungen eine groſse gewesen, so war noch weit erhabener
ihre Bedeutung durch die geläuterte Sittlichkeit, die edle Menschlich-
keit, die aus den Gesängen des groſsen Dichters zu uns spricht, die
weit über die Grenzen Griechenlands hinaus gewirkt haben und fort
und fort wirken, so daſs wir von Homer an die Gesittung und geistige
Herrschaft nicht nur Griechenlands, sondern Europas datieren dürfen. —
So ist denn jedes Wort aus den homerischen Dichtungen von Wichtig-
keit, nicht nur des hohen Alters und der Zuverlässigkeit, sondern der
Autorität wegen, die im Altertume und bis in unsere Zeit die home-
rischen Schilderungen genossen. Auch in technischen Dingen wurde
ihnen dieses Ansehen gezollt und mit vollem Rechte. Die technischen
Mitteilungen sind klar, bestimmt, unmittelbar, meist selbst erlebt und
die merkwürdigen Ausgrabungen von Schliemann in Mykenae und
Troja bestätigen nur die Wahrheit der Angaben. Auch in technischer
Beziehung ist Homer den Griechen ein groſser Lehrer und Förderer
geworden, denn seine wunderbaren Schilderungen des Schildes des
Achill, der Paläste des Antinoos und des Menelaos u. s. w. sind ein
mächtiger Impuls zur Entwickelung der griechischen Kunst und Kunst-
technik, die erst nach Homer zu selbständiger Entwickelung sich ent-
faltete, geworden.


Die Metalle, welche Homer kannte, waren Gold und Silber und
die Legierung von beiden, Elektron; ferner Kupfer, Zinn und viel-
leicht deren Legierung die Bronze, obgleich letztere nicht besonders
benannt wird; Eisen, Stahl und Blei.


Homer spricht von diesen Metallen allerdings aus der Kenntnis
seiner Zeit, die nach dem trojanischen Kriege fällt, indes haben wir
[382]Griechenland.
allen Grund anzunehmen, daſs auch die trojanischen Helden wirklich
bereits mit eben diesen Metallen bekannt waren, wie Schliemanns
Ausgrabungen dies bestätigt haben.


Entsprechend der gewöhnlichen Annahme, nach der Berechnung
des Eratosthenes, fällt die zehnjährige Belagerung von Troja durch die
Griechen in die Jahre 1194 bis 1184 v. Chr. Herodot nimmt in seiner
Geschichte das Jahr 1270 v. Chr. als das Jahr der Zerstörung Trojas
an, während Gladstone besonders aus der Prüfung ägyptischer Quellen
die Jahre 1316 bis 1307 v. Chr. als die wahrscheinlichsten für die
zehnjährige Belagerung hält 1).


Über die Lebenszeit Homers gingen die Ansichten ebenfalls schon
im Altertume weit auseinander. Herodot giebt das Jahr 880 v. Chr. als
Zeit seiner Blüte an, andere verlegen dieselbe in die weit frühere Zeit
zwischen der Zerstörung Trojas und der Rückkehr der Herakliden, in
das 12. Jahrhundert. Ebenso zweifelhaft war sein Geburtsort, sieben
Plätze stritten sich, wie bekannt, um diese Ehre, Smyrna, Rhodos,
Kolophon, Salamis, Chios, Argos und Athen. Gladstone verwirft ent-
schieden die Meinung, daſs Homer ein asiatischer Grieche, der nach
der Einwanderung der Dorer gelebt habe, gewesen sei, vielmehr nimmt
er als erwiesen an, daſs es ein Achäer 2) aus der Zeit vor der Wan-
derung war. Sein Geburtsort würde danach am wahrscheinlichsten
Argos sein und seine Lebenszeit in das 12. Jahrhundert fallen. Er
hätte demnach nur etwa drei Generationen nach dem trojanischen
Kriege gelebt. Zweifellos hat Homer groſse Reisen gemacht und auf
diesen sich reiche Kenntnisse und einen weiten und groſsen Blick
erworben. Nur so konnte sich seine erhabene Auffassung der Wirk-
lichkeit bilden. Daſs er Asien bereist und daſs er Troja selbst be-
sucht hat, steht fest. Es ist aber auch wahrscheinlich, daſs ihm die
frühere ägyptische Kultur nicht fremd war 3).


Zur Zeit, als Homer dichtete, war Bergbau und Metallgewinnung
noch in den Händen von Fremden, insbesondere in denen der Phönizier.
Vom Bergbau berichtet er nichts; er kennt nicht nur keine griechischen
Bergwerke, sondern der Grubenbetrieb als solcher scheint ihm fremd
gewesen zu sein, da er ihn nie zu einem Bilde benutzt, wozu sich, wäre
der Bergbau den Griechen der damaligen Zeit bekannt gewesen, so
leicht Veranlassung geboten hätte. Er weiſs nur, daſs die Metalle
vielfach aus fremden Ländern kommen, so das Silber aus Alybe, im Lande
der Halizonen, „wo des Silbers Geburt ist“, Kupfer aus Temese auf
[383]Griechenland.
Cypern. Ebensowenig berichtet er von der Metallgewinnung aus den
Erzen. Wo er die Metallverarbeitung schildert, sind es immer die fer-
tigen Metalle, die dazu genommen werden. Aber auch dieses Metall-
verarbeiten, soweit es fabrikmäſsig betrieben wurde, oder, wenn es sich
um kunstvollere Arbeiten handelt, ist nicht griechisch. Die höchsten
Kunstwerke, wie z. B. den Schild des Achilles, macht der Gott der
Metallarbeiter, Hephästos, selbst. Die schönsten Schaustücke in den
Schatzkammern der Fürsten sind sidonische Arbeit, wie z. B. der groſse
Mischkrug 1), den Achill als Kampfpreis aussetzt, der Taubenbecher des
Nestor 2) oder asiatisch, wie die märchenhaften Schätze im Palaste des
Alkinous. Selbst die Bewaffnung der asiatischen Führer, namentlich
der Hilfsvölker der Trojaner, wird durchgehends reicher geschildert als
die der Achäer. Indessen gab es zu Homers Zeit auch bereits in
Griechenland Metallarbeiter, die ihr Gewerbe berufsmäſsig betrieben.
Zwar war das Handwerk, welches die Lebensbedürfnisse Anderer gegen
Entgeld beschafft, noch kaum geschieden von der Hausarbeit, welche
dieselben Bedürfnisse für den eigenen Gebrauch hervorbringt und die
Helden gaben sich zum Teil Beschäftigungen hin, die in den Städten
bereits den Demiurgen zufielen.


Δημιουργοί hieſsen die eigentlichen Gewerbetreibenden 3). Neben
den Webern, Färbern, Schuhmachern, Töpfern und Fischern werden
besonders der Τέκτων und der Χαλκεύς als selbständige Handwerker
genannt. Der Τέκτων war zunächst Zimmermann, dann aber auch Stein-
hauer, Schreiner, Schiffbauer, Wagner, Eisenarbeiter und Bildschnitzer.
Als Χαλκεύς wird jede Art von Metallarbeitern bezeichnet, einerlei,
welches Metall sie verwendeten und zu welchem Zwecke es geschah.


Die Demiurgen waren ursprünglich freie Männer. Daſs viele
Griechen unter ihnen waren, geht aus den Namen hervor, die Homer
anführt. Sie standen entweder im Dienste der Gemeinden, oder im
Dienste einzelner Fürsten. Die Rohstoffe, deren sie bedurften, lieferte
meistens der Arbeitgeber, namentlich zu den Metallarbeiten. Indessen
gab es auch früh Handwerkssklaven, die von den Phöniziern angelernt,
dadurch veredelt, zu höheren Preisen verkauft wurden 4). Dies muſste
natürlich das Ansehen des gewerbetreibenden Standes beeinträchtigen,
wie dies auch später dadurch geschah, daſs man anfing das Handwerk
[384]Griechenland.
oft nicht blos des Lebensunterhaltes, sondern des Gewinnes wegen zu
betreiben, was indes erst in nachhomerischer Zeit eintrat. Phönizischer
Einfluſs läſst sich nicht nur im Geschmack, sondern auch in der Art
der Arbeit, der Arbeitsteilung und der Entwickelung einzelner Ge-
werbszweige erkennen. Auf die Metallindustrie insbesondere haben
die phönizischen Ansiedelungen zu Cypern, Rhodos und besonders
Kreta den gröſsten Einfluſs geübt. Die gewerbliche Arbeit als solche
stand unter dem Schutz einheimischer Götter, insbesondere der Pallas
Athene und des Hephästos. Athene erscheint mehr als die Göttin der
Erfindung, des technischen Verständnisses, sie ist die Göttin aller
mechanischen Künste. Sie arbeitet nicht selbst, aber sie ist die
Lehrerin. So war Pherekles der Sohn des Armonides, der als groſser
Künstler gepriesen wird 1), von Pallas unterwiesen. Anders erscheint
Hephästos, er ist der Götterschmied, der selbst arbeitet mit Hammer
und Zange. Er ist der eigentliche metallurgische Gott der Griechen,
doch erscheint er gleichfalls als Lehrer der Künstler 2). Als berühmten
Künstler der Vorzeit nennt Homer bereits den Dädalus 3), als Künstler
aus der Zeit des trojanischen Krieges, den zuvor genannten Schiffs-
bauer Pherekles und den Goldschmied Läerkes. Τέκτων ist auch bei
ihm der allgemeinste Ausdruck für einen mit Kunstfertigkeit arbeiten-
den Mann 4). So wird Dädalus ein Tekton genannt. Handwerk und
Kunst werden noch nicht getrennt. Äskulap heiſst sogar ein Tekton
der Schmerzlosigkeit. Die Kunst des Zimmermanns, der die erste Hütte
baut, ist wohl auch als die älteste Kunst anzusehen, und war, wie das
Wort beweist, schon vor der Trennung den Ariern bekannt. Auch die
Hauptwerkzeuge, das Beil (πέλεκυς, τύκος) und das Messer, ebenso der
Bohrer (τέρετρον) stammen aus dem gemeinschaftlichen arischen Wort-
schatz. Der Metallarbeiter steht dem Tekton am nächsten. Er heiſst
bei Homer χαλκεύς von dem meist verwendeten Metall, dem Kupfer
χαλκός. Das Wort μέταλλον kommt bei Homer in seiner Bedeutung
als Metall noch nicht vor, wohl aber das Zeitwort μεταλλάω suchen,
ergründen, aus dem jedenfalls zuerst der Pluralis μέταλλα, Bergwerk,
Erz, nämlich das aus der Tiefe geholte, das ergründete, das gesuchte
und hieraus der allgemeine Begriff μέταλλον, das Metall, ent-
standen sind 5). — Hephästos bearbeitet alle Metalle. Er schmelzt
[385]Griechenland.
Gold, Silber und Kupfer, schmiedet und treibt diese, sowie das
Eisen.


Die Werkzeuge (ὅπλα) der Schmiede waren, nach den leb-
haften Schilderungen des Homer, in der Werkstätte des Hephästos
bereits sehr mannigfaltig 1). Vor allem waren da die Blasebälge
(φύσα), die immer im Plural genannt werden. Sie waren beweglich
und wohl nicht sehr groſs. Hephästos setzte sie vom Feuer weg, wie er
die Thetis empfängt 2) (φύσας μέν ῥἄπάνευϑε τίϑει πυρός). Zwanzig
können je nach Bedarf gleichzeitig das Feuer des Hephästos anblasen.
Das zweite Hauptwerkzeug der Schmiede war der Ambos (ἄκμων),
derselbe stand auf einem Gestell (ἀκμόϑετον) von Holz, auf dem er
beweglich war. Hephästos setzt 3) den groſsen Ambos auf sein Gestell.
Ferner führt der Schmied die Feuerzange, πῦράγρα von πῦρ Feuer
und ἀγρέω fassen 4), den schweren Schmiedehammer oder Vorschlag-
hammer (ῥαιστῆρ κρατερός). Dann nennt Homer noch den Schmelz-
ofen, den Schmelzherd oder Schmelztiegel χόανος 5).


Die anschaulichste Stelle über die Werkstätte des Hephästos ist
Il. XVIII (468 bis 477):


. . . . Er eilt in die Esse,

Wandt in das Feuer die Bälge und lieſs sie mit Macht arbeiten.

Zwanzig bliesen zugleich der Blasebälg in die Öfen,

Allerlei Hauch aussendend des glutanfachenden Windes,

Bald des Eilenden Werk zu beschleunigen, bald sich erholend,

Je nachdem es Hephästos befahl zur Vollendung der Arbeit.

Jener stellt auf die Glut unbändiges Erz in den Tiegeln,

Auch gepriesenes Gold und Zinn und leuchtendes Silber,

Richtete dann auf dem Block den Ambos, nahm mit der Rechten

Drauf den gewaltigen Hammer und nahm mit der linken die Zange 6).

Wenden wir uns nun zu den einzelnen Metallen. Das Gold
(ὁ χρυσός) wird bei Homer sehr oft erwähnt, ja, er treibt damit dichteri-
sche Verschwendung. Er spricht von einem goldenen Palast, den
Poseidon bewohnt. Zeus sitzt auf goldenem Thron; die olympischen
Beck, Geschichte des Eisens. 25
[386]Griechenland.
Götter trinken aus goldenen Bechern. Es ist das edelste Metall, der
Götter am würdigsten, deshalb nennt es Homer zumeist in Verbindung
mit den Unsterblichen, doch auch auffallend oft da, wo er den Reich-
tum der Könige und Helden schildern will. Ob Curtius recht hat, daſs
diese Vorliebe für Gold ein spezifisch ionischer Zug des Homer war,
indem die Ionier das Gold zuerst in den griechischen Verkehr gebracht
und in ihrer Prachtliebe die Bewunderung seines Glanzes und Zaubers,
wovon die homerischen Gedichte voll sind, gepflegt hätten 1), wollen
wir nicht entscheiden, doch scheint uns die Vorliebe der Griechen für
das Gold eher von den Phöniziern ausgegangen zu sein, die, wie wir wissen,
gerade an der griechischen Küste bedeutende Goldbergwerke betrieben,
wie die am Pangäos in Thracien, zu Thasos und in Bithynien 2).


Mykenä wird „die Goldschimmernde“ genannt und nach den Ent-
deckungen von Schliemann mit vollem Rechte. Dagegen war nach
dem Berichte späterer Schriftsteller das Festland von Hellas durchaus
nicht reich an Gold. Nach Theopompos’ Bericht enthielt das Schatz-
haus des Heiligtumes zu Delphi vor dem 6. Jahrhundert, d. h. vor der
Zeit des Königs Gyges, noch keine goldenen und silbernen, sondern nur
kupferne Weihgeschenke 3). Auch Homer führt den Besitz der Helden
an goldenen Gefäſsen meist auf Geschenke asiatischer, namentlich
sidonischer Fürsten zurück. Wir müssen bei den Schilderungen Homers
über die Goldschätze seiner Helden der poetischen Übertreibung einiges
zu gut halten.


Homer nennt das Gold τίμήεις (τιμῆς) das von den Menschen
hochgeehrte und ἐρίτιμος, das geschätzte, hochgeehrte. Das Wert-
verhältnis des Goldes zu den übrigen Metallen zur heroischen Zeit läſst
sich nicht mehr bestimmen, denn die Schätzung der goldenen Rüstung
des Glaukos, die auf 100 Rinder gegenüber der kupfernen des Diomedes,
die nur auf 9 Rinder veranschlagt wird, giebt hierfür keinen Maſsstab 4).
Gold war schon zu Homers Zeiten Wertmesser und wird namentlich
als Lösegeld öfters erwähnt, doch wurde es noch in Stücken von be-
stimmter Form, τάλαντον, zugewogen. Das homerische Goldtalent
muſs indes weit kleiner gewesen sein, als das später gebräuchliche,
babylonische, Talent (= 7500 Mark), — oder übertreibt Homer bei seinen
Wertberechnungen 5). Agamemnon bietet dem zürnenden Achill zur Ver-
söhnung 10 Talente Goldes, ebensoviel Priamos dem Achill für die Leiche
des Hektor. Der Wächter, der den Agamemnon zuerst erspäht, erhält
[387]Griechenland.
von Ägystheus 2 Talente Gold als Belohnung. Die älteste Wertberech-
nung war auch bei den Griechen nach Rindern, die ältesten Münzen der
Athenienser, wenn es überhaupt Münzen und nicht Barren waren, hatten
das Bild eines Stieres (des kretischen Minotauros) aufgeprägt und
hieſsen „Stiere“ (entsprechend der römischen pecunia). Sie sollen
schon aus der Zeit des Theseus stammen 1). Gold fand mannigfache
Verwendung zum Schmuck des Körpers, zu kunstvollen Geräten, sowie
zur Zier der Waffen. Als Weiberschmuck wird erwähnt: Spangen
und Ringe, Ohrgehänge, Haarnadeln und Kettlein, zweifellos von Gold.
Solche schmiedete Hephästos der Thetis zum Dank 2).


Euphorbos, des Panthoos’ Sohn, den Menelaos niederstreckt, trägt
sein Haar kunstvoll mit Gold- und Silberfäden durchwirkt. Der reiche
Goldschmuck der asiatischen Fürsten galt den ärmeren Griechen als
weibisch. So heiſst es von Amphimachos, dem Lykierfürsten, daſs er
„mit Gold geschmückt in die Schlacht einging, wie ein Mägdlein“.


„Thor, o nicht konnte das Gold ihn befreien vom grausen Ver-
derben.“


Zum Schmuck der Kleider dient das Gold. Odysseus hat goldene
Spangen an seinem Gewande und das Bild eines Rehes, von einem
Hunde gepackt, ist mit Goldfäden darin eingewirkt 3). Goldene Becher
waren in den Häusern der Reichen und dienten besonders zu Libationen.
Bekannt ist der Becher des Nestor, rings mit Goldbuckeln geziert, der
vier Henkel hatte, an deren jedem zwei pickende Tauben, schön aus Gold
geformt, angebracht waren 4). Es ist bemerkenswert, daſs Schliemann
einen ganz ähnlichen Goldbecher in Mykenä auffand 5). Von Gold war
die Sprengkanne, mit der man nach der Mahlzeit in den Häusern der
Fürsten die Hände der Gäste begoſs 6). Goldene Todtenurnen werden
erwähnt und der Nähkorb der Helena war von Gold mit silbernem
Rande. Goldene Spindeln werden genannt 7). Das Bett des Odysseus
ist künstlich mit Gold, Silber und Elfenbein ausgelegt. Auch sonst
diente Goldblech als Überzug von Holzbildsäulen, Getäfel u. s. w. Man
hat es für auffallend gefunden, daſs in Troja keine Metallstatuen auf-
gefunden sind. Die ältesten Bildwerke der Griechen waren aber ähnlich
wie bei den Juden und Phöniziern Holzschnitzwerke, die mit Metallen
und sonstigem Schmucke nur umkleidet waren. Natürlich muſsten sie
bei einer Zerstörung, namentlich durch Feuer, zu Grunde gehen. Diese
Bilder nannte man Daidaleen, d. i. Kunstwerke. Ob das Wort von dem
25*
[388]Griechenland.
Künstler Dädalus herzuleiten ist, oder ob sich, was wahrscheinlicher ist,
aus dem alten Worte der Name des mythischen Künstlers gebildet hat,
wollen wir nicht entscheiden. Der Ausdruck χρυσὸς πολυδαίδαλος,
Goldkunstwerk, ist Homer geläufig 1). Solche Kunstwerke waren zahl-
reich im Palaste des Alkinoos 2). Goldene und silberne Hunde befanden
sich am Eingange, Werke des Hephästos, goldene Jünglinge standen
auf schön erfundenen Postamenten, in den Händen brennende Fackeln
erhebend, rings den Gästen im Saale bei nächtlichem Schmause zu
leuchten. Die Szepter der Fürsten waren Holzstäbe, die mit goldenen
Knöpfen (Nägeln) beschlagen waren.


Reich und mannigfach war der Goldschmuck an den Waffen und
Kriegsgeräten der Helden von Troja. Mit Gold und Zinn verziert ist
der Streitwagen des Diomedes, der des Rhesos mit Gold und Silber 3).
Nestors Schild ist ganz von Gold 4). Die Goldbekleidung an Achilles’
Schild schützt ihn vor Verwundung 5). An Sarpedons Schild sind
goldene Stäbe angebracht 6). Die Rüstungen des Lykierfürsten Glaukos
und des Rhesos von Thrakien sind ganz von Gold. Das Schwert des
Agamemnon ist mit goldenen Buckeln geschmückt, das Gehenke ist
von Gold 7).


Es würde zu weit führen, alle die Verwendungen von Gold bei der
heroischen Bewaffnung im Einzelnen aufzuführen. Die Beschreibung
des Achillesschildes aber ist für die Kunstgeschichte Griechenlands wie
für die Kunstgeschichte überhaupt und für die Behandlung der Metalle
als solche von so hervorragender Wichtigkeit, daſs die ausführliche
Wiedergabe hier wohl am Platze ist:


Nachdem Hephästos Alles zur Arbeit zugerichtet, schildert der
Dichter die Darstellung des Schildes 8).


Erst nun formt er den Schild, den ungeheuren und starken,

Ganz ausschmückend mit Kunst, und zog die schimmernde Randung

Dreifach und blank ringsher; ein Gehenk dann fügt er von Silber.

Aus fünf Schichten gedrängt war der Schild selbst; oben darauf dann

Bildet er viel Kunstreiches mit kundigem Geist der Erfindung.

Drauf nun schuf er die Erd’, und das wogende Meer, und den Himmel,

Helios auch, unermüdet im Lauf und die Scheibe Selene’s;

Drauf auch alle Gestirne, so viel sind Zeichen des Himmels,

Auch Plejad’ und Hyad’ und die groſse Kraft des Orion,

Auch die Bärin, die sonst der Himmelswagen genannt wird,

Welche sich dort umdreht, und stets den Orion bemerket,

Und sie allein niemals in Okeanos Bad sich hinabtaucht.

[389]
Griechenland.
Drauf erschuf er sodann zwo Städte der redenden Menschen,

Blühende: voll war die ein’ hochzeitlicher Fest und Gelage.

Junge Bräut’ aus der Kammer, geführt im Scheine der Fackeln,

Zogen umher durch die Stadt; und des Chors Hymenäos erscholl laut:

Jüngling’ im Tanz auch drehten behende sich, unter dem Klange

Der von Flöten und Harfen ertönete; aber die Weiber

Standen bewunderungsvoll vor den Wohnungen jede betrachtend.

Auch war Volksversammlung gedrängt auf dem Markte, denn heftig

Zankten sich dort zween Männer, und haderten wegen der Sühnung,

Um den erschlagenen Mann. Es beteuerte dieser dem Volke,

Alles hab’ er bezahlt; ihm leugnete jener die Zahlung.

Beide sie wollten so gern vor dem Kundigen kommen zum Ausgang.

Diesem schrieen und jenem begünstigend eifrige Helfer;

Doch Herolde bezähmten die Schreienden. Aber die Obern

Saſsen im heiligen Kreis’ auf schöngehauenen Steinen;

Und in die Hände den Stab dumpfrufender Herolde nehmend,

Standen sie auf nach einander, und redeten wechselnd ihr Urteil.

Mitten lagen im Kreis’ auch zwei Talente des Goldes,

Dem bestimmt, der von ihnen das Recht am gradesten spräche.

Jene Stadt umfaſsten mit Krieg zwei Heere der Völker,

Hell von Waffen umblinkt. Die Belagerer droheten zwiefach:

Auszutilgen die Stadt der Verteidiger, oder zu teilen,

Was die liebliche Stadt an Besitz inwendig verschlösse.

Jene verwarfen es noch, insgeheim zum Halte sich rüstend.

Ihre Mauer indes bewahreten liebende Weiber,

Und unmündige Kinder, gesellt zu wankenden Greisen.

Jen’ enteilten, von Ares geführt und Pallas Athene:

Beide sie waren von Gold und in goldene Kleider gehüllet.

Beide schön in den Waffen und groſs, wie unsterbliche Götter,

Weit umher vorstrahlend; denn minder an Wuchs war die Heerschar.

Als sie den Ort nun erreicht, der zum Hinterhalte bequem schien,

Nahe dem Bach, wo zur Tränke das Vieh von der Weide geführt ward;

Siehe, da setzten sich jene, geschirmt mit blendendem Erze.

Abwärts indes saſsen zween spähende Wächter des Volkes,

Harrend, wann sie erblickten die Schaf und gehörneten Rinder.

Bald erschienen die Herden, von zween Feldhirten begleitet,

Die, nichts ahnend von Trug, mit Syringengetön sich ergötzten.

Schnell auf die Kommenden stürtzt’ aus dem Hinterhalte die Heerschar,

Raubt’ und trieb die Herden hinweg der gehörneten Rinder

Und weiſswolligen Schaf’, und erschlug die begleitenden Hirten.

Jene, sobald sie vernahmen das laute Getös’ um die Rinder,

Welche die heiligen Thore belagerten, schnell auf die Wagen

Sprangen sie, eilten im Sturm der Gespann’, und erreichten sie plötzlich.

Alle gestellt nun, schlugen sie Schlacht um die Ufer des Baches,

Und hin flogen und her die ehernen Kriegeslanzen.

Zwietracht tobt und Tumult ringsum und des Jammergeschicks Ker,

Die dort lebend erhielt den Verwundeten, jenen vor Wunden

Sicherte, jenen entseelt durch die Schlachten fortzog an den Füſsen;

Und ihr Gewand um die Schulter war rot vom Blute der Männer

Gleich wie lebende Menschen durchschalteten diese die Feldschlacht

Und sie entzogen einander die hingesunkenen Toten.

[390]Griechenland.
Weiter schuf er darauf ein Brachfeld, locker und fruchtbar,

Breit, zum dritten gepflügt; und viel der ackernden Männer

Trieben die Joch’ umher, und lenketen hierhin und dorthin.

Aber so oft sie wendend gelangt an das Ende des Ackers,

Jeglichen dann in die Händ’ ein Gefäſs herzlabenden Weines

Reicht antretend ein Mann; drauf wandten sie sich zu den Furchreihen,

Voller Begier, an das Ende der tiefen Flur zu gelangen.

Aber es dunkelte hinten das Land, und geackertem ähnlich

Schien es, obgleich aus Gold: so wundersam war es bereitet.

Drauf auch schuf er ein Feld tiefwallender Saat, wo die Schnitter

Mäheten, jeder die Hand mit schneidender Sichel bewaffnet,

Häufig in Schwade gereiht sank Handvoll Ähren an Handvoll;

Andere banden in Garben bereits mit Seilen die Binder;

Denn drei Garbenbinder verfolgeten. Hinter den Mähern

Sammelten Knaben die Griff’, und trugen sie unter den Armen

Rastlos jenen hinzu; auch der Herr bei den Seinigen schweigend

Stand, den Stab in den Händen, am Schwad’, und freute sich herzlich.

Abwärts unter der Eiche bereiteten Schaffner die Mahlzeit

Rasch nun den mächtigen Stier, den sie opferten; Weiber indessen

Streueten weiſses Mehl zu labendem Mus für die Ernter.

Drauf auch ein Rebengefilde, von schwellendem Weine belastet,

Bildet er schön aus Gold; doch glänzeten schwärzlich die Trauben;

Und lang standen die Pfähle gereiht aus lauterem Silber.

Rings dann zog er den Graben von dunkeler Bläue des Stahls,

Samt dem Gehege von Zinn; und ein einziger Pfad zu dem Rebhain

War für die Träger zu gehen, in der Zeit der fröhlichen Lese.

Jünglinge nun, aufjauchzend vor Lust, und rosige Jungfrauen

Trugen die süſse Frucht in schöngeflochtenen Körben.

Mitten auch ging ein Knab’ in der Schar; aus klingender Leier,

Lockt er gefällige Tön’ und sang anmutig von Linos

Mit hellgellender Stimm’; und ringsum tanzten die andern,

Froh! mit Gesang und Jauchzen und hüpfendem Sprung ihn begleitend.

Eine Herd’ auch schuf er darauf hochhäuptiger Rinder;

Einige waren aus Gold geformt, aus Zinne die andern.

Froh mit Gebrüll von dem Dung’ enteileten sie zu der Weide,

Längs dem rauschenden Fluſs, um das langaufsprossende Röhricht.

Goldene Hirten zugleich umwandelten emsig die Rinder,

Vier an der Zahl, von neun schnellfüſsigen Hunden begleitet.

Zween entsetzliche Löwen jedoch bei den vordersten Rindern

Hatten den brummenden Farren gefaſst; und mit lautem Gebrüll nun

Ward er geschleift; doch Hund und Jünglinge folgten ihm schleunig.

Jene, nachdem sie zerrissen die Haut des gewaltigen Stieres,

Schlürften die Eingeweid und das schwarze Blut, und umsonst nun

Scheuchten die Hirten daher, die hurtigen Hund’ anhetzend.

Sie dort duckten zurück, mit Gebiſs zu fassen die Löwen,

Standen genaht, und bellten sie an, doch immer vermeidend.

Eine Trift auch erschuf der hinkende Feuerbeherrscher,

Im anmutigen Thal, durchschwärmt von silbernen Schafen,

Hirtengeheg’ und Hütten zugleich, und Ställe mit Obdach.

[391]Griechenland.
Einen Reigen auch schlang der hinkende Feuerbeherrscher,

Jenem gleich, wie vordem in der weitbewohneten Knossos

Dädalos künstlich ersann der lockigen Ariadne.

Blühende Jünglinge dort und vielgefeierte Jungfraun

Tanzeten, all’ einander die Händ’ an dem Knöchel sich haltend.

Schöne Gewand’ umschlossen die Jünglinge, hell wie des Öles

Sanfter Glanz, und die Mädchen verhüllete zarte Leinwand.

Jegliche Tänzerin schmückt’ ein lieblicher Kranz, und den Tänzern

Hingen goldene Dolch’ an silbernen Riemen herunter.

Bald nun hüpfeten jene mit wohlgemessenen Tritten

Leicht herum, sowie oft die befestigte Scheibe der Töpfer

Sitzend mit prüfenden Händen herumdreht, ob sie auch laufe;

Bald dann hüpfeten sie wieder in Ordnungen gegen einander.

Zahlreich stand das Gedräng’ um den lieblichen Reigen versammelt,

Innig erfreut; vor ihnen auch sang ein göttlicher Sänger

Rührend die Harf’; und zween Haupttummeler tanzten im Kreise,

Wie den Gesang er begann, und dreheten sich in der Mitte.

Auch die groſse Gewalt des Stromes Okeanos schuf er

Rings am äuſsersten Rande des schönvollendeten Schildes.

Als er den Schild vollendet, den ungeheuren und starken;

Schuf er jetzt ihm den Harnisch, von hellerem Glanz wie des Feuers;

Schuf ihm dann auch den Helm lastvoll, der den Schläfen sich anschloſs,

Schön und prangend an Kunst und zog aus Golde den Haarbusch;

Schuf ihm zuletzt auch Schienen, aus feinem Zinn gegossen.

Diese Beschreibung eines Metallkunstwerkes giebt ein überraschen-
des Bild über die Leistungsfähigkeit der Kunsttechnik zu Homers Zeit.
Denn wenn auch sicherlich die griechische Kunst noch nicht auf der
Höhe war, ein solches Werk hervorzubringen, so ist doch nicht an-
zunehmen, wenn wir auch der dichterischen Phantasie einen noch so
groſsen Vorsprung einräumen, daſs der Dichter ein derartiges Werk ge-
schildert haben würde, wenn er nicht Ähnliches oder wenigstens die
Versuche zu Ähnlichem gesehen hätte.


Über die Art und Weise, wie die Goldarbeiter zu Homers Zeiten
gearbeitet haben, giebt uns der Dichter nur andeutende Winke.


Er nennt neben dem χαλκεύς, der ja im allgemeinen auch der
Goldarbeiter ist, den χρυσοχόος, den Goldarbeiter, Goldgieſser. Es
geschieht dies an der wichtigen Stelle, wo die Arbeit des Läerkes ge-
schildert wird, wie er die Hörner der Rinder mit ausgeschlagenem
Goldblech überzieht. Nestor läſst den „Goldarbeiter“ Läerkes zu sich
rufen, damit er die Hörner der Opfertiere 1) mit Gold überziehe.


[392]Griechenland.
„Es kam auch der Meister,

Alle Vollender der Kunst, sein Schmiedegerät in den Händen,

Ambos, Hammer zugleich und schöngebildete Zangen,

Daſs er wohl ausschüfe das Gold, — es kam auch Athene,

Nahend dem heiligen Mahl. Der graue, reisige Nestor

Gab das Gold, und der Meister umzog die Hörner der Rinder

Kunstreich, daſs anschauend den Schmuck sich freute die Göttin.“

Wenn die Griechen zu Homers Zeit das Gold aus der Fremde be-
zogen, so war dies bei dem Silber noch viel mehr der Fall. Alybe,
die Stadt der Halyzonen, wohl identisch mit Chalybä, Chalybien am
Pontus nennt Homer die Heimat des Silbers 1). Die laurischen Berg-
werke, die später der Reichtum der Athener wurden, waren damals
noch nicht eröffnet, oder in den Händen von Fremden. Das meiste
Silber kam, und zwar schon verarbeitet, durch den phönizischen
Handel nach Griechenland. Es stand im Werte dem Golde bei Weitem
nach. Nur dieses wird von dem Dichter ἐρίτιμος „das hochgeehrte“
genannt. Das Wertverhältnis zwischen Silber und Gold wird nicht
viel anders gewesen sein, als in späterer Zeit (zur Zeit Pheidon’s von
Argos 13⅓:1). Jedenfalls waren die besitzenden Griechen nicht arm
daran. Massiv von getriebenem Silber ist der groſse Mischkrug, den
Achill zum Preise für den Wettlauf bei den Leichenspielen zu Ehren
des Patroklos aussetzt 2).


„Einen silbernen Krug voll Kunstwerk; dieser umfaſste

Sechs der Maſs, und besiegt’ an Schönheit all’ auf der Erde

Weit, denn kunsterfahrene Sidonier schufen ihn sinnreich“.

Menelaos schenkt dem Telemachos einen silbernen Mischkrug mit
goldenem Rande, der ein Werk des Hephästos genannt wird, den er
aber ebenfalls von einem Sidonier, dem Fürsten Phaidimos als Gast-
geschenk erhalten hatte 3).


„Siehe von allem Schatze, der hier im Palaste verwahrt ist,

Schenke ich dir das schönste, dies ehrenwerteste Kleinod.

Einen Mischkrug schenke ich von unvergleichlicher Arbeit,

Ganz aus Silber geformt und mit goldenem Rande geziert.

Selbst ein Werk des Hephästos! Ihn gab der Sidonierkönig

Phädimos mir . . . . .“

Von Silber sind die Untersätze der goldenen Sprengkannen 4), die
als Waschbecken bei der Mahlzeit benutzt werden. Einen silbernen
1)
[393]Griechenland.
Arbeitskorb besaſs Helena und zwei silberne Badewannen Menelaos,
alles Geschenke des Polybos aus Theben in Ägypten 1). Mannigfach
ist die Verwendung des Silbers zur Dekoration von Hausgeräten und
namentlich von Waffen. Der Wagen des thrakischen Heerführers
Rhesos ist mit Gold und Silber geschmückt 2). Am Wagen der Here
sind Nabe und Deichsel von Silber 3)! Der Lehnsessel der Penelope ist
von Elfenbein mit Silber ausgelegt, ein Werk des Ikmalios 4). Das
Ehebett des Odysseus, das er selbst gefertigt hatte, ist mit Gold, Silber
und Elfenbein ausgelegt 5) (oder durchwirkt). Von Silber ist der Bogen
Apollos, der deshalb ἀργυρότοξος heiſst 6). Das Schwert des Achill hat
ein silbernes Heft 7), ebenso das des Agamemnon, das überdies in
silberner Scheide steckt 8). Silbern sind die Schnallen an den Bein-
schienen des Alexandros 9). Wie Gold und Kupfer, so wurde auch Silber-
blech zur Umkleidung von Holz verwendet. Im Palaste des Alkinoos
sind die Thürpfosten silbern, ebenso das Obergebälk über der Thür.
Die schon erwähnten Hunde am Eingange sind von Silber und Gold 10).
Ähnlich war die Silberbekleidung am Palaste des Menelaos. Silberne
Tische waren im Palaste der Kirke 11) und silbern heiſst der Kasten, in
dem Hephästos seine Schmiedewerkzeuge verwahrt 12). Daſs die Künstler
der Heroenzeit das Silber wie das Gold zu treiben und zu nieten ver-
standen, geht aus der oben angeführten Schilderung des Schildes des
Achilles hervor, auf dem alles, was weiſs und hellschimmernd sein soll,
die Weinbergpfähle, die wandernden Schafe, das Wasser, von Silber
angefertigt sind. Von der metallurgischen Darstellung des Silbers ist —
sehr im Gegensatz zu den althebräischen Büchern — nirgends eine
Andeutung. Ob der goldene Rand an dem Mischkruge des Menelaos,
der als darangesetzt bezeichnet wird, angelötet oder angenietet war,
läſst sich aus der betreffenden Stelle nicht erkennen. (ἀργύρεος δέ —
ἔστιν ἁπάς, χρυσῷ δ̕ἒπὶ χέιλεα κεκράανται).


Dasjenige Metall, welches von Homer am häufigsten genannt wird,
ist ὁ χαλκός, welches zwar von Voss und anderen, namentlich deutschen
Übersetzern durchweg mit Erz übersetzt wird, das aber nach der
Meinung aller, welche die Sache von dem technischen Standpunkte aus
geprüft haben, für Kupfer erklärt wird 13). Erz wurde von den poeti-
schen Übersetzern hauptsächlich deshalb gewählt, weil es ihnen edler
[394]Griechenland.
erschien, wie Kupfer, vielleicht aber auch infolge der Irrlehre von dem
Bronzezeitalter. Im Gegensatze zu dieser Übersetzung von χαλκός mit
Erz haben andere und zwar schon in sehr früher Zeit die Behauptung
aufgestellt, χαλκός bedeute weder Kupfer noch Erz, sondern Eisen 1).
Diese Ansicht ist daraus entstanden, daſs einesteils allerdings Homer
das Wort sehr oft in dem allgemeinen Sinne von Metall gebraucht ohne
gerade speziell dabei an Kupfer zu denken, wie ja auch χαλκεὺς durch-
aus nicht bloſs der Kupferschmied, sondern ebenso auch der Gold- und
Eisenschmied bedeutet; andererseits bezeichnet Homer viele Waffen,
Werkzeuge und Geräte als von χαλκός gemacht, bei denen es sich nicht
wohl denken läſst, daſs sie von Kupfer oder Erz gefertigt waren, die
wenigstens nicht nur heutzutage, sondern auch schon wenige Jahrhun-
derte nach Homer [auch] in Griechenland aus Eisen hergestellt wurden.


Obgleich wir diese Gründe als sehr gewichtige anerkennen müssen,
so sind sie doch nicht hinreichend gegenüber den zahlreichen That-
sachen, die dafür sprechen, daſs Homer unter χαλκός in der Regel
Kupfer versteht, sobald er mit diesem Worte ein bestimmtes Metall
bezeichnen will. Eisen (σίδηρος) nennt er häufig neben oder im
Gegensatze zu Kupfer, welches keinen Sinn hätte, wenn er mit beiden
Ausdrücken Eisen bezeichnen wollte. Auch das wichtige Beiwort
ἐρυϑρός 2), das rötliche, rotschimmernde, paſst nur für Kupfer. Vor allem
wird die Annahme, daſs χαλκός Kupfer heiſsen muſs, durch die Aus-
grabungen von Troja, Mykenä und Cypern bestätigt. Diese Aus-
grabungen geben uns auch den richtigen Aufschluſs über die Stellung
des Kupfers zur Bronze. Sowohl die älteren Funde, die Cesnola auf
Cypern gemacht hat, als die Entdeckungen Schliemanns bestätigen,
daſs das verbreitetere und gebräuchlichere Metall jener entfernten
Zeitperiode das Kupfer war, welches verschmiedet wurde, daſs dagegen
die Bronze noch selten und teurer war und der Bronzeguſs bei den
Griechen jener Zeit noch in seinen ersten Anfängen sich befand.
Ebensowenig wie die Ägypter, Babylonier, Phönizier, Juden u. s. w.
hatten die Griechen einen besonderen Ausdruck für Bronze im Gegen-
satze zum Kupfer. Man sah im Altertume die Bronze immer nur als
eine Art des Kupfers an, die, wie wir gesehen haben, höchstens nach
ihrer Farbe durch ein Beiwort als „helles“ Kupfer von dem unlegierten
Metalle, dem reinen Kupfer unterschieden wurde. Es ist dies auch
ganz natürlich, da beides aus denselben Quellen stammte, und von
[395]Griechenland.
denselben Händlern vertrieben wurde. Ganz unbegreiflich erscheint es
deshalb, wenn Gladstone das Bedürfnis fühlt, einen selbständigen Aus-
druck für Bronze ausfindig zu machen und die Ansicht ausspricht, daſs
κύανος, das, wie wir später mehr ausführen werden, ganz bestimmt
Stahl heiſst und auch zu allen Zeiten so übersetzt worden ist, Bronze
bedeutet habe. Es wurde bereits erwähnt, daſs χαλκός das Beiwort
ἐρυϑρός, rötlich, führt. Dieses Beiwort spricht für Kupfer und gegen
die Übersetzung: Erz oder Bronze 1). Die übrigen Beiwörter bei Homer
sind weniger charakteristisch für das spezielle Metall, wie ἀτειρής
unverwüstlich, unbändig, kalt, starrend 2); ebenso ψυχρός kalt,
grausam 3), αἴϑοψ funkelnd 4), glänzend 5), φαεινός blendend. Noch
weniger charakteristisch sind folgende Beiwörter: spitzig, hartdurch-
schneidend, mit langer Spitze, furchtbar, göttlich, herrlich, mannhaft.
Wichtiger schon ist der Ausdruck, daſs die zur Schlacht eilenden Troer
„von Kupfer schimmernd“ (χαλκῷ μαρμαίροντες 6) heiſsen. Ebenso die
Wendung, daſs Hektor in seiner Rüstung leuchtet wie der Blitz des
Zeus 7), sowie der Dichter zahlreiche andere Bilder über den Glanz des
Erzes mitteilt.


Das Kupfer ist früher benutzt worden, als das Erz, ebenso ist die
Metallschmiedekunst weit älter, als die des Metallgusses. Beides
ist aus metallurgischen Gründen schon a priori klar, wird aber bestätigt
durch die interessanten Entdeckungen von Cesnola auf Cypern, sowie
von Schliemann zu Mykenä und Hissarlik (Troja).


Die erste Frage ist die, zu was verwendeten die Griechen das
Kupfer? Daſs es sehr vielfache Anwendung fand, ja, daſs es das ver-
breitetste Nutzmetall war, haben wir schon erwähnt. Daſs χαλκεύς, der
Kupferschmied, der Schmied im allgemeinen heiſst, bestätigt dies.
Ebenso heiſst χαλκεύειν schmieden und χαλκήιος δόμος die Schmiede 8).


Dieser χαλκήιος δόμος, der vorm Orte zu liegen pflegte, war zu-
gleich die öffentliche Kneipe (λέσχη), und als ein Aufenthalt für Land-
streicher und Lumpen verrufen. Dieser Makel haftete auch noch den
Schmieden des Mittelalters an.


Die Verwendung des Kupfers war nach Homers Schilderung eine
sehr mannigfaltige und wurde das Kupfer zu vielen Zwecken benutzt,
wofür man später unbedingt das Eisen vorzog.


So sind mancherlei Geräte und Werkzeuge von Kupfer, die später
von Eisen waren. Die ganzen Schmiedewerkzeuge des Hephästos nennt
[396]Griechenland.
der Dichter ὅπλα χαλκήια 1), obgleich darunter noch nicht unbedingt
an kupferne Werkzeuge gedacht werden muſs, denn auch der Eisen-
schmied heiſst ja stets χαλκεύς und χάλκεος ist ein Epitheton, welches
durchaus nicht ausschlieſslich mit kupfern zu übersetzen ist. Wichtig
war die Verwendung des Kupfers zur Bewaffnung. Ares, der Gott des
Krieges selbst heiſst χάλκεος 2). Wir haben von dem Kupferleuchten
der trojanischen Krieger schon gehört. Der kunstvolle Harnisch des
Agamemnon, das Geschenk des Cypriers Kyniras, von dem später die
Sage ging, er habe die cyprischen Kupferbergwerke entdeckt und zuerst
ausgebeutet, war in seiner Hauptmasse aus Kupfer, obgleich mit
mancherlei anderen Metallzierraten bekleidet. Die Panzer waren wohl
meist von Kupfer, deshalb gedenkt der Dichter der ἀνδρῶν χαλκεο-
ϑωρήκων 3) und χαλκός steht auch schlechthin für Panzer 4). Weniger
Arbeit, als der ϑώραξ, der Metallpanzer, erforderte der χιτών, der
Waffenrock, ein mit Kupfer beschlagenes Lederkoller. Die Beinschienen
wurden nicht nur aus Zinn 5), sondern öfter auch aus Kupfer angefertigt,
wofür der Ausdruck „erzumschiente Achaier χαλκοκνήμιδες Ἀχαιοί 6)
spricht. Aus Kupfer bestand auch meist der Helm 7), deshalb heiſst er
kupfern (χάλκειος 8), mit Kupfer versehen (χαλκήρης) oder mit kupfernen
Wangenstücken (χαλκοπάρηος 9). Auch steht Kupfer geradezu für
Helm 10). An den Helmen wird besonders unterschieden der Helmkranz,
der Bügel, die Wangenstücke und die Helmzier.


Die Schilde bestanden aus Rindshäuten mit Kupferblech überzogen,
deshalb heiſst das Beiwort kupfern (χάλκεος 11). Doch gab es auch
Schilde, die nur am Rande Kupfer hatten, während andere wieder
ganz massiv von Metall waren, wie die des Achill 12) und des Nestor 13).
Die Angriffswaffen werden meistens als von Kupfer bezeichnet. Die
Spitze des Speeres heiſst χαλκείη 14), daher der Speer selbst χάλκειος 15)
oder es steht wiederum χαλκός geradezu für Lanze 16).


Die Schwerter werden öfter als kupfern bezeichnet 17), so heiſst
es 18) ξίφος ἀργυρόηλον χάλκεον: das Schwert voll silberner Buckeln
und eherner Klinge. Diese Schwerter zerbrechen leicht, besonders
wenn sie den Helm des Gegners treffen 19). Die Pfeilspitzen sind eben-
sowohl von Kupfer 20) als von Eisen 21). Die Streitaxt des Troers
[397]Griechenland.
Peisandros heiſst ἀξινη εὔχαλκος 1) und dürfte hier nach Schliemanns
Entdeckung unter dem „schönen Kupfer“ vielleicht Bronze zu verstehen
sein.


Bei den Streitwagen sehen wir das Kupfer verwendet. An Heeres-
wagen sind die Speichen von Kupfer an eiserner Achse, der Kranz ist
von Gold, an dem Wagen des Poseidon sind die Achsen von Kupfer,
der des Achill heiſst kupferschimmernd.


Beim Hausbau und zur Dekoration findet das Kupfer häufiger
Anwendung. Auch in dieser Beziehung giebt uns die Schilderung des
Feenpalastes des Alkinoos, die, obgleich eine Schöpfung der Phantasie,
doch auf realer Grundlage beruht, die charakteristischsten Beispiele.
Odysseus naht der „ehernen Schwelle“, worunter wohl eine, mit Kupfer-
blech überzogene Holzschwelle zu verstehen ist. Der Palast des Alki-
noos strahlt in die Ferne wie der Glanz der Sonne oder des Mondes,
also waren jedenfalls auch die äuſseren Wände mit Metallplatten ver-
ziert. Im Innern erstreckten sich „Wände aus gediegenem Erz hierhin
und dorthin, tief hinein von der Schwelle, gesimst mit der Bläue des
Stahles“. Eine goldene Pforte verschloſs inwendig die Wohnung,
silbern waren die Pfosten, gepflanzt auf eherner Schwelle. Silbern war
auch oben der Kranz und golden der Thürring u. s. w. 2) Dies ist die
Schilderung einer der in assyrisch-babylonischem Styl gehaltenen
Prachtbauten, von Holz ausgeführt und möglichst reich und bunt mit
Platten von gediegenem Kupfer, Silber und Gold bekleidet. Mag der
Metallreichtum übertrieben sein, die Art der Verwendung beruht auf
Wahrheit und selbst die Verschwendung an edlen Metallen erscheint
uns nicht mehr so unwahrscheinlich seit den Ausgrabungen von
Niniveh, Babylon und Mykenae. Mancherlei Kunstwerke und Aus-
schmückung der Säle u. s. w. waren aus Kupfer, so die kunstvollen
Dreifüſse, deren Hephästos gerade 20 Stück in Arbeit hat, wie Thetis
ihn besucht 3). Ebenso war vielerlei Hausgerät aus Kupfer. Hekamede
reibt Ziegenkäse mit kupferner Raspel 4), ein kupferner Korb mit
Zwiebeln prangt auf Nestors Tafel 5). Das Kochgeschirr ist aus dem-
selben Metall 6). Ebenso werden Waschbecken 7) und Aschenkrüge von
Kupfer erwähnt. Auch mancherlei Schneidewerkzeuge wurden aus
Kupfer hergestellt, so Messer 8), das Beil und die groſse Doppelaxt 9),
Sicheln 10), ferner Angeln 11) und Schlüssel 12).


[398]Griechenland.

Trotz der von dem Dichter geschilderten mannigfachen Verwendung
des Kupfers stand dieses Metall doch in hohem Werte und wurde
gewissermaſsen als Edelmetall angesehen. Thersites wirft dem Aga-
memnon seine Pracht und seinen Reichtum vor, indem er sagt, seine
Zelte seien über sein Verdienst voll Kupfer 1). Überhaupt wird
Kupfer neben Gold, Sklavinnen, Vieh, Pferden und Kleidern wiederholt
als der Reichtum der Groſsen genannt 2). Die Phäaken beschenken
Odysseus mit Gold, Kupfer und Gewändern. Das Kupfer war neben
dem Golde der Wertmesser im Handel und Verkehr. Kupfer wird öfter
neben dem Golde als Lösegeld genannt 3). Für Kupfer, Eisen, Stier-
häute, lebende Tiere und Kriegsgefangene tauschen die Achäer sich
Wein ein 4). Kupfern, ehern, als fest, unvergänglich, wird oft bildlich
gebraucht, so sagt Homer der eherne Schlaf 5), die eherne Stimme 6),
eherne Herzen 7), der eherne (unvergängliche) Himmel, eherne Hufe
(feste Hufe) u. s. w.


Fragen wir nach der Herkunft des Kupfers, das nach Homers
Schilderung im heroischen Zeitalter so reichlich vorhanden war und
zu so mannigfachen Zwecken verwendet wurde, so deuten alle An-
gaben, die der Dichter macht, meist auf Import aus dem Auslande
und zwar zumeist aus dem Osten. Vom Kupferbergbau weiſs Homer
nichts, aber auch von einer einheimischen Kupferindustrie erzählt er
uns nichts. Die Gegenden, aus denen seine Metallkunstwerke kommen,
sind Phönizien, Ägypten, Lybien, Cypern und Thrazien. Von diesen
werden die Phönizier, oder was damit identisch ist, die Sidonier am
häufigsten genannt und am höchsten gepriesen. Euböa, welches
uralten Kupferbergbau und Kupferindustrie besaſs, der aller Wahr-
scheinlichkeit in vorhomerische Zeit zurückreicht, wie wir später sehen
werden, wird von Homer nicht erwähnt. Die bemerkenswerteste Stelle
über den Bezug von Kupfer ist die Erzählung der Athene 8), die in die
Gestalt des Taphierkönigs Mentes verkleidet, dem Telemachos verkündet,
sie fahre auf dunkler Flut zu anders redenden Männern, daſs sie in
Temesa Erz (Kupfer) eintausch’ um blinkendes Eisen. Dieses Temesa
war keinenfalls, wie einige behauptet haben, die von den Ausonern ge-
gründete Stadt Temesa in Bruttium in Unteritalien, sondern es war
das spätere Tamassos auf Cypern, das noch zu Strabos Zeit durch
seinen Kupferhandel 9) berühmt war. Temesa war ein phönizischer Name
und eine phönizische Ansiedelung, wie Movers ausdrücklich bestätigt.


[399]Griechenland.

Cypern und Sidon waren deshalb für Homer, also wohl auch für
die griechischen Städte, in denen er zu Hause war, vor allem für Argos
die Bezugsquellen des Kupfers.


Über das Schmelzen und Gieſsen des Kupfers giebt Homer keine
bestimmten Andeutungen. Die bereits erwähnte Stelle 1), in welcher der
Dichter die Arbeit des Hephästos schildert, wie er den Schild des Achill
anfertigt 2), dürfte kaum hierfür angeführt werden, denn es wird darin
nur die Arbeit eines Metallschmiedes, nicht die eines Metallgieſsers ge-
schildert. Hephästos legt die zu schmiedenden Metalle auf das Feuer,
der Zusatz zu „jener stellt auf die Glut unbändiges Erz“ der Zusatz „in
den Tiegeln
“ steht nicht im Text und ist eine unrichtige Hinzufügung
des Übersetzers aus der irrtümlichen Voraussetzung hervorgegangen, daſs
die sämtlichen Metalle, die angeführt sind, erst geschmolzen worden
wären. Dies ist damit nicht gemeint. Der Umstand, daſs der Schmied
die Bälge schwächer und stärker ziehen läſst, je nach Bedürfnis, deutet
nicht auf eine Schmelzoperation, sondern auf das Erhitzen der Metalle zum
Zwecke des Ausschmiedens. Nachdem die Metalle auf das Feuer gelegt
sind, ergreift Hephästos Hammer und Zange und schreitet direkt zu
ihrer Verarbeitung. Dächte hier der Dichter an ein Schmelzen und
Gieſsen der Metalle vor dem Schmieden und Treiben, so würde er es
gewiſs erwähnt haben. Die ganze Art der beschriebenen kunstvollen
Arbeit an dem Schild des Achill ist kein Guſs, sondern getriebene
Arbeit.


Noch weniger finden wir bei Homer irgend welche Mitteilung über
die Herstellung der Bronze, oder über Erzguſs, was geradezu unbegreif-
lich wäre, wenn alle Geräte, Waffen u. s. w., wie die Übersetzer anneh-
men, aus Bronze gegossen worden seien. Die Griechen kannten wahr-
scheinlich die Darstellung der Bronze noch gar nicht, was sie an
Bronzeguſs besaſsen, war fremde, importierte Waare.


Es ist eine der technischen Verkehrtheiten der Theorie eines
Bronzezeitalters, daſs diese voraussetzt, die Kunst des Metallgieſsens
sei so alt oder gar älter als die der Schmiede- und Treibarbeit.
Es bedarf auch selbst für den Laien in der Metallurgie keiner aus-
führlichen Erörterung zum Nachweis, daſs dies unmöglich ist. Man hat
das Gold, welches wir als das älteste Metall ansehen müssen, in gedie-
genem Zustande gefunden und einfach durch Klopfen, Ausschmieden,
Drücken und Treiben u. s. w. verarbeitet und es hat lange gedauert,
ehe man nur im stande war, die Goldkörner zusammen zu schmelzen
[400]Griechenland.
und das Gold durch Ausschmelzen aus dem angereicherten Sand oder
aus den reichen Erzen zu extrahieren. Von da bis zur Herstellung einer
Guſsform ist aber immer noch ein weiter Schritt, und welches Nach-
denken, welche Erfahrung dazu gehört hat, bis man den wunderbaren
Hohlguſs herstellen lernte, der gerade in Bronze so vollendet ausgeführt
wurde und als charakteristisch für die Bronzezeit angesehen wird, muſs
einem jeden einleuchten. Die Schmiedekunst ist das ältere Verfahren
und diese stand zu Homers Zeit bereits auf hoher Stufe, wie aus der
Schilderung der wunderbaren Arbeiten des Hephästos hervorgeht. Es
ist deshalb auch eine nutzlose Mühe, wenn Gelehrte sich darüber den
Kopf zerbrochen haben, wie die Schmiede der heroischen Zeit so kunst-
volle Bildwerke wie die Hunde und die leuchtertragenden Jünglinge
gieſsen konnten. Noch verkehrter ist es, wenn ältere Gelehrte wie Millin
annehmen, auch der kunstvolle Schild des Achill sei gegossen, und es
sei auch eine jener „verloren gegangenen Künste“ der Alten gewesen,
es möglich zu machen, alle diese reichen Dekorationen und Figuren
aus verschiedenen Metallen so neben- und übereinander zu gieſsen.


Daſs der Schild des Achill getrieben und empästische Arbeit war,
ist klar. Aber auch die Figuren im Palaste des Alkinoos waren weder
gegossen, noch sind sie, wie alle ähnlichen Bildwerke bei Homer als
massive Metallbildwerke anzusehen, vielmehr waren es Holzschnitz-
werke, die mit dünnem Metallblech umkleidet waren. Aus dieser Art
der Darstellung hat sich die Metallbildnerei in Griechenland überhaupt
entwickelt, wie wir später noch sehen werden. Die ersten Figuren,
die man durch Guſs herstellte, waren Idole, kleine massive Metall-
figuren.


Da wir nun einmal bei einer der „verloren gegangenen Künste“ des
Altertums sind, so können wir nicht umhin, hier noch die unrichtigen
Angaben des Grafen Caylus 1) zurückzuweisen, die, so veraltet sie sind,
doch immer noch in archäologischen Schriften angeführt werden. Er
behauptet, die Alten hätten eine verloren gegangene Kunst gehabt, das
Kupfer zu härten, ihm die Qualität von Stahl zu geben und er habe
diese Kunst wieder aufgefunden. Er giebt zwei Methoden an; nach der
einen wird Kupfer mit Eisen zusammen versetzt resp. geschmolzen.
Die zweite ist eine Zementierung mit anderen Stoffen, ähnlich, wie man
aus Eisen Stahl macht. In Wahrheit ist beides — sit venia verbo — Hum-
bug. Durch beide Methoden kann man reines Kupfer nur verschlechtern.


Ehe wir zu der wichtigen Frage übergehen, welche Stellung das
[401]Griechenland.
Kupfer zum Eisen zu Homers Zeit eingenommen hat, wollen wir kurz
die Verwendung der übrigen Metalle, des Zinnes und Bleis, betrachten.


Das Blei (ὁ μόλυβδος) war Homer bekannt, doch wird es nur zweimal
von ihm erwähnt. Das erste Mal Ilias 11, 36, wo der Dichter erzählt,
wie sich die Lanzenspitze des Iphidamas auf dem silbernen Leibgurte
des Agamemnon umgebogen habe „wie Blei“. Das zweite Mal geschieht
des Bleis ebenfalls nur bildlich Erwähnung 1). „Iris springt hinab
ins Meer und wie gerundetes Blei fährt sie in die Tiefe hinunter.“
Weder zur Bewaffnung, noch zur Dekoration scheint das Blei in An-
wendung gewesen zu sein, dagegen wegen seiner Schwere als Senkblei,
Lot- und Beschwerkugeln für die Fischernetze.


Das Zinn (ὁ κασσίτερος) war Homer bekannt, was bei dem intimen
Verkehr mit Phönizien nicht auffallend ist. Sie gewannen es nicht im
Lande, sondern ebenfalls durch ihren Handel mit den Phöniziern aus
den Gegenden, woher jene es bezogen. Man hat ohne Grund bezweifelt,
ob κασσίτερος, wirklich Zinn bedeute. Abgesehen von der schon früher
erörterten Herleitung des Wortes aus dem Phönizischen genügt es, daſs
Plinius es ganz ausdrücklich für das plumbum candidum der Römer
erklärt. Es diente als Schmuck, zur Imitation von Silber, wozu es
durch seine leichte Farbe und seine übrigen Eigenschaften besonders
geeignet ist und in gleicher Weise noch heute verwendet wird. Es ist
sehr leichtflüssig, weich, läſst sich hämmern, pressen, biegen, kurzum,
in jeder Art leicht bearbeiten, freilich ist es auf der anderen Seite
wenig haltbar. Von Zinn sind die Beinschienen des Achill 2). Ebenso
besteht sein Schild aus fünf Metalllagen, zwei von Kupfer, zwei von
Zinn, und eine von Gold 3). Sonst dient es meist nur zur Ausschmückung.
Der Harnisch des Agamemnon ist mit 20 Streifen von Zinn verziert 4).
Zinn ist bei den künstlichen Bildnereien auf dem Schilde des Achill
verwendet. Der Wagen des Diomedes ist mit Gold und Zinn ge-
schmückt 5). Der Harnisch, den Achill dem Antilochos schenkt, ist von
blinkendem Erz mit zinnerner Umrandung 6).


Von einem Zusammenschmelzen von Kupfer und Zinn ist nirgends
die Rede.


Das Eisen wird bei Homer lange nicht so häufig genannt als
das Kupfer. Indessen ist Homer nicht nur mit dem Schmiedeeisen,
sondern auch mit dem Stahle wohlbekannt und er erwähnt des Eisens
weder als etwas Seltenes noch als etwas Ungewöhnliches, vielmehr steht
es im Werte hinter dem Kupfer zurück, ist das gemeinste und ver-
Beck, Geschichte des Eisens. 26
[402]Griechenland.
breitetste Metall, dessen jeder Landmann für sein Ackergerät bedarf.
Wir wollen zunächst die Stellen prüfen, aus welchen wir diese Be-
hauptung erweisen zu können glauben, obgleich wir darin von den
Ansichten vieler Philologen und Archäologen abweichen.


Am wichtigsten ist wohl die Stelle im dreiundzwanzigsten Ge-
sange 1) der Ilias, in der Achill eine eiserne Scheibe den Diskuswerfern
(Steinwerfern) zum Kampfpreis setzt:


„Jetzo trug der Peleid die rohgeformte Kugel (Scheibe) (σόλον αὐτοχόωνον),

Welche vordem oft warf des Eëtion mächtige Stärke;

Aber jenen erschlug der mächtige Renner Achilleus

Und er entführte in Schiffen mit anderer Habe die Kugel.

Aufrecht stand der Peleid und redete vor den Argeiern:

Hebt euch, welchem gefällt auch diesen Kampf zu versuchen!

Wenn ihm fern auch reicht das Gebiet fruchtragender Äcker,

Hieran hat er zu fünf umrollender Jahre Vollendung

Was er gebraucht: Denn es darf niemals aus Mangel des Eisens

Weder Hirt noch Pflüger zur Stadt gehen, sondern er beut ihm 2).“

Diese Stelle ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Wenn Voss
σόλον αὐτόχοωνον mit roh geformter Kugel übersetzt, so ist dies nicht
ganz richtig. σόλος heiſst mehr die Scheibe, ähnlich wie δίσκος und
αὐτοχόωνος selbstgeschmolzen, oder roh im Guſs, unverarbeitet. Es war
die Wurfscheibe des Wettkämpfers Eëtios, des Vaters der Andromache
aus Theben in Kilikien, den Achill erschlagen hatte. Bei den Wurf-
spielen wurden ursprünglich rundliche Steine geschleudert, die späteren
Disken waren flache Scheiben, der σόλος ist etwas diesen Formen ent-
sprechend. Die Scholiasten sagen, der Diskus sei konkav gewesen,
eine eingedrückte Scheibe, der Solos konvex, also eine linsenförmige
Scheibe. Seinem Beiworte nach war er das Produkt einer Schmelzung,
aber von ungewöhnlicher Gröſse, also technisch: Ein „König“ oder
eine Rohluppe. Achill setzt sie als Kampfpreis, nicht nur, weil sie ein
historisches Interesse darbietet, als den Wurfblock eines berühmten
Heroen, sondern wegen ihrer Gröſse und wegen ihres Wertes, denn sie
genügt dem Manne, der sie gewinnt, für seinen Eisenbedarf für Hirten-
und Ackergerät für fünf Jahre. Dies soll eine ungewöhnliche Gröſse
der Rohluppe ausdrücken. Da das gebräuchlichste Handelsgewicht der
Rohluppen in späterer Zeit etwa 5 bis 6 kg betrug, so dürfte dieser
Block vielleicht das Doppelte oder Dreifache gewogen haben, höchstens
also circa 36 Pfund schwer gewesen sein. Dies wäre auch für einen
[403]Griechenland.
starken Mann schon eine schwere Wurfscheibe. Ferner geht aus dieser
Stelle hervor, daſs der Hirt, wie der Ackersmann des Eisens bedurfte,
daſs es also, da ja auch jeder Held und Länderfürst als Grundbesitzer
gedacht ist, für Arm und Reich ein unentbehrliches, ja das unentbehr-
lichste Metall war. Der Hirt oder der Ackersmann muſs von Zeit zu
Zeit in die Stadt gehen, um sich dort auf dem Markte sein Eisen, oder
wahrscheinlicher, sein Eisengerät einzukaufen. Die Eisenwaren, wie
das Roheisen wurden demnach auf offenen Märkten verhandelt, ganz
wie dies im Orient noch heutzutage der Fall ist, und wie wir es bereits
bei verschiedenen Gelegenheiten kennen gelernt haben. Wenn er aber
diesen σόλον besitzt, braucht er nicht in die Stadt, kann sich vielmehr
seine Werkzeuge selbst herstellen. Dazu muſste er also auch auf dem
Lande, in seiner Gemeinde Gelegenheit gehabt haben und dürfen wir
annehmen, daſs dies der Fall war, indem jeder Ort und jedes gröſsere
Gut seine Schmiede hatte, wie es denn gewiſs auch hausierende
Schmiede gab. Daſs auf den Stammsitzen der Fürsten und Vornehmen
sich Schmiede befanden, bestätigt Homer ausdrücklich, indem er des
χαλκήιος δόμος 1), der Schmiede, bei dem Palaste des Odysseus auf
Ithaka Erwähnung thut. Hier wurden die nötigen Schmiedearbeiten
für den Hof, sowie für die Hirten und Pflüger besorgt, ganz ähnlich
wie dies noch zu der Zeit Karls des Groſsen auf den kaiserlichen Hof-
gütern der Fall war. Derjenige, der diese Arbeit verrichtet, ist der
χαλκεύς, der Schmied, der alle Metallarbeiten besorgt. Den Eisen-
schmied, speziell den σιδηρεύς, der später so oft genannt wird, der nur
Eisen verarbeitete und der bei uns seit dem Mittelalter schlechthin
der Schmied heiſst, kennt Homer nicht.


Gleich die darauffolgende Stelle im dreiundzwanzigsten Gesange
der Ilias belehrt uns, daſs das Eisen auch zu Waffen und Werkzeugen
verarbeitet wurde, denn nachdem der Wurfkampf geschildert und Poli-
pötes den Sieg errungen hat, fährt der Dichter fort 2):


„Hierauf stellte den Schützen der Held blauschimmerndes Eisen (ἰόεντα

σίδηρον),

Zehn zweischneidige Äxte und zehn der Beile zum Kampfpreis 3).

Darauf erhub er den Mast des schwarzgeschnäbelten Meerschiffes

Fern am kiesigen Strand und eine schüchterne Taube

Band er daran mit dem Fuſs an dünnem Faden zum Ziele

Ihrer Geschoſs. Wer nun die schüchterne Taube getroffen,

Nehme die doppelten Äxte gesamt, zum Gezelte sie tragend,

Wer jedoch den Faden nur trifft und den Vogel verfehlet,

Solcher mag, wie besiegt, mit den kleineren Beilen hinweggehen.“

26*
[404]Griechenland.

Unter πέλεκύς versteht Homer meist die Holzaxt, doch auch die
Streitaxt 1), wo es neben ἀξίνη genannt ist, während, ἡμιπέλεκυς „Halb-
axt“, wohl das Handbeil ist. Also auch diese wichtigen Geräte, die
Axt und das Handbeil, die wohl fast ein Jedermann besaſs — es ist
gerade das niedrige Volk, was in der oben angeführten Stelle an den
Schiffen mit Äxten und Beilen handgemein wird, — sind von Eisen 2).
Ja Eisen wird geradezu für Beil gebraucht. Bei der Bewaffnung der
Heroen wird das Eisen von Homer dagegen selten erwähnt. Am
häufigsten werden noch Pfeilspitzen von Eisen angeführt 3) und Eisen
steht oft geradezu für die Pfeilspitze 4). Der kurze Dolch und das
Messer waren von Eisen. Antiloches fürchtet, daſs der über des
Patrokles Tod verzweifelte Achill sich die Kehle mit dem Eisen durch-
schneide 5). Dagegen geschieht eines eisernen Schwertes nirgend Er-
wähnung und doch heiſst es an einer Stelle, daſs bei dem heftigen
Kampfgewühle dumpfes Eisengeprassel zum ehernen Himmel empor-
steigt 6) und zweimal kommt in der Odyssee die sprichwörtliche
Redensart vor: „Das Eisen zieht den Mann an“ 7). Mit der magnetischen
Kraft von Eisen, wie Eusthat will, hat dies sicherlich nichts zu thun,
sondern es bedeutet: die blanke Waffe reizt zum Streit, zur Unthat.
Unter dieser Waffe kann das Schwert, eher noch der Dolch oder das
Messer gemeint sein, das der Grieche wohl meistens bei sich trug.
Das Schlachtmesser, mit dem Opfertiere getötet werden, ist von
Eisen 8).


Areïthoos, ein Held der Vorzeit, verachtet den Bogen und die Lanze,
d. h. den Fernkampf, zerbricht die Reihen der Kämpfenden mit eiserner
Keule 9) (ἀλλὰ σιδηρείῃ κορύνῃ ῥήγνυσκε φάλαγγας). Das Eisen wird
zu mancherlei anderen Zwecken verwendet, namentlich zu solchen, bei
denen es auf Festigkeit ankommt. Die Achsen der Wagen der Hera
sind von Eisen 10), während die Achsbäume des gewöhnlichen Fuhrwerkes
von Eichenholz waren.


Von Eisen sind die Thore des Tartaros, während die Schwelle von
Kupfer ist 11). Ebenso erwähnt Homer eiserne Fesseln 12). Eisen dient
auch als Tauschmittel. Die Achaier tauschen gegen Eisen Wein ein 13).


Bemerkenswert sind die Beiworte, die Homer dem Eisen giebt. Das
[405]Griechenland.
Charakteristischste ist, πολύκμητος, „das mit groſser Mühe zubereitete“,
ähnlich wie im Buch Hiob das Silber bezeichnet wird, als „das Silber
der Mühe“; die Übersetzung von Voss „das Schöngeschmiedete“ ist
nicht dem Sinne entsprechend.


Das Eisen heiſst seiner Farbe nach πολιός 1), grau, womit die
natürliche Farbe des unpolierten Eisens bezeichnet wird, ferner ἰόεις 2)
veilchenfarbig, blau wie das Meer, welches dasſelbe Beiwort führt; das
ist die Farbe des polierten Eisens, wenn nicht gar damit schon Stahl
gemeint ist. Ebenso bezeichnet αἴϑων, glänzend 3) das polierte, blanke
Eisen. Vielfach wird „Eisen“ und „eisern“ bildlich von dem Dichter
gebraucht, meist mit dem Sinne von fest, unvergänglich. So heiſst der
Himmel „eisern“ 4). Ein eisernes Herz σιδήρεον ἦτορ wird Priamos 5)
und dem Achill 6) zugeschrieben. Ein „eisernes Gemüt“ (σιδήρεος ϑυ-
μός 7) hat die Kalypso nicht. Die groſse Seelenstärke des Odysseus
heiſst eisern 8).


Ferner wird die starre Unbeugsamkeit und Grausamkeit so be-
zeichnet 9).


„Grausam bist du Odysseus, du besitzest Kraft und deine Glieder erstarren

nicht.

Wahrlich, du bist ganz und gar aus Eisen erschaffen, daſs du deinen Ge-

nossen verbietest das Land zu betreten.“

Das Feuer hat „eisernen Grimm“ (μένος σιδήρεον 10). Um die
gröſste Härte auszudrücken, wird Stein und Eisen genannt 11) und zwar
in einem sehr bemerkenswerten Zusammenhange. Apollo ruft zürnend
den Troern zu:


„Auf ihr reisigen Troer, wohlauf und räumet das Feld nicht

Argos Söhnen; ihr Leib ist weder von Stein noch von Eisen,

Daſs abpralle der Wurf des leichtdurchbohrenden Kupfers.“

Hier ist also geradezu das Eisen dem Kupfer als das härtere Metall
gegenübergestellt. Auch diese mannigfache und häufige Benutzung
des Eisens im bildlichen Sinne beweist, wie allgemein bekannt das
Metall zur Zeit des Dichters war. Die Eigenschaft des Eisens, oder
richtiger gesagt des Stahles, Härtung durch Ablöschen in einer kalten
Flüssigkeit anzunehmen, war dem Homer sehr wohl bekannt. Er
schildert den Vorgang lebhaft bei der Erzählung von der Blendung des
Polyphem 12).


[406]Griechenland.
„Wie wenn der Schmied die Holzaxt oder ein Schlichtbeil

Taucht in kühlendes Wasser, das laut mit Gesprudel emporbraust,

Härtend durch Kunst, denn solches ersetzt die Kräfte des Eisens

(verleiht die Stärke dem Eisen).

Also zischt ihm das Aug’ um die feurige Spitze des Ölbrands 1).“

Φαρμάσσειν heiſst also härten und da das weiche Schmiedeeisen
keine Härtung annimmt, sondern nur der Stahl, so geht daraus klar
hervor, daſs Homer diesen gekannt hat. Es wird dies auch durch viele
Stellen bestätigt. Er kennt die Eigenschaft des Stahles beim Anlassen
in bunten Farben anzulaufen und von der blauen Anlauffarbe, die am
deutlichsten hervortritt, benennt er den Stahl κύανος. Jedenfalls be-
deutet κύανος ein Metall und nicht, wie Lepsius annimmt, die Lasur-
farbe. Daſs nicht Bronze darunter zu verstehen ist, wie Gladstone
behauptet, haben wir schon oben ausgeführt. Alle Stellen passen allein
auf Stahl, und daſs Homer den Stahl gekannt hat, ist aus seiner Kennt-
nis der Härtung durch Ablöschen hinreichend bewiesen.


Der prachtvolle Panzer des Agamemnon, das Geschenk des Kinyras
von Cypern, war von Kupfer mit wechselnden Streifen von Stahl, Gold
und Zinn geschmückt 2).


„Ringsum wechselten zehn blauschimmernde Streifen des Stahles

Zwölf aus funkelndem Gold und zwanzig andre des Zinnes;

Auch drei bläuliche Drachen erhuben sich gegen den Hals ihm

Beiderseits voll Glanz wie Regenbogen . . . . .“

Weiter heiſst es von des Helden Schild 3):


„Darauf den umwölbenden Schild, den gewaltigen, hub er, den schönen,

Reich an Kunst: ihm liefen umher zehn kupferne Kreise;

Auch umblinkten ihn 20 von Zinn aufschwellende Nabel,

Weiſs, und das mittlere war von dunkeler Bläue des Stahls.“

Den Schildbuckel konnte man aus keinem geeigneteren Metall
machen, als aus Stahl, wie dies auch zu allen Zeiten bei guten Schilden
Gebrauch war. In beiden Stellen heiſst der Stahl μέλας κύανος, der
„dunkele“ Blaustahl, eine Bezeichnung, die für Bronze doch gewiſs
nicht paſst, welche im Gegensatze zum Kupfer geradezu umgekehrt
„leuchtend“ genannt werden müſste. Sehr schön ist die Dekoration
mit den Stahldrachen, κυάνεοι δράκοντες ἴρισσιν ἐοικότες, schillernd
wie Regenbogen, was nur auf verschiedenfarbig angelassenen, polierten
Stahl paſst. In ähnlicher Weise wird farbiger Stahl zur Verzierung
[407]Griechenland.
gebraucht. Auf dem Schilde des Achill bildet Hephästos ein Reben-
gefild. Der Graben, der dieses umgiebt, ist von Stahl angefertigt. Die
erzbekleideten Wände im Palaste des Alkinoos haben ein Gesims von
blauem Stahl 1). Nestors Tisch hat Stahlfüſse (τράπεξαν, καλὴν
κυανόπεξαν 2). Häufig wird κύανος adjektivisch gebraucht, wobei es
meistens die Bedeutung stahlblau, dunkel, finster hat; z. B. das dunkele
Gewölk, die finsteren Brauen Kronions, das dunkele Haupthaar des
Hektor, die dunkelblaue Farbe des Meeres. Poseidon heiſst κυανο-
χαίτης stahlblauhaarig 3).


Fragen wir, woher bezogen die Griechen ihr Eisen? so giebt uns
Homer direkt wenig Aufschluſs. Den einzigen Ort, den er namhaft
macht, ist die Insel Taphos. Athene, als Fürst Mentes von Taphos
verkleidet, will Kupfer von Temesa eintauschen gegen blinkendes Eisen 4).


Taphos war eine kleine Insel der akarnanischen Küste gegenüber,
über deren eigenen Eisenreichtum nichts bekannt ist, wohl aber wurde
in Akarnanien selbst von älterer Zeit her Eisen bereitet. Jedenfalls
ist hier ausgedrückt: Die Griechen verkaufen ihr heimisches Produkt
Eisen gegen das fremdländische, cyprische Kupfer.


Homer legt dem Eisen niemals ein Beiwort bei wie geschätzt,
wertvoll u. s. w. und wir haben schon bemerkt, daſs das Eisen weit
geringer geachtet war als Kupfer. Dennoch wird es in den Schatz-
kammern der Heroen aufbewahrt, ganz wie wir dies bei den Assyrern
und anderen westasiatischen Herrschern kennen gelernt haben. Adrast,
von Menelaos mit dem Tode bedroht 5), fleht um Schonung und bietet
Lösegeld.


„Viel Kleinode verwahrt der begüterte Vater im Hause.

Erz und Goldes genug und schöngeschmiedetes Eisen (πολύκμητος

σίδηρος).“

Ganz in derselben Weise bietet Dolon, der Trojaner, dem Diomedes
die Schätze seines Vaters, wenn er seines Lebens schone, an 6); doch
wird auch bei diesen Aufzählungen das Eisen immer nach Gold und
Kupfer, als das letzte und geringwertigste genannt. Aus allem geht
hervor, daſs das Eisen zu Homers Zeit bereits in allgemeiner Anwen-
dung stand, das verbreitetste und das billigste Metall war.


Wir haben uns über die homerische Metallurgie etwas ausführ-
licher verbreitet, einesteils, weil viele falsche Erklärungen über diesen
Gegenstand noch in Gewohnheit sind, andererseits, weil uns die unbe-
fangene, wahrheitsgemäſse Schilderung Homers den richtigsten Maſs-
[408]Griechenland.
stab für die Metallurgie der Griechen im heroischen Zeitalter und den
darauf folgenden Jahrhunderten giebt.


Wenn wir Homers Schilderungen wahrheitsgemäſse genannt haben,
so meinen wir dies von seinem dichterischen Standpunkt aus. Er er-
faſst und schildert alles unmittelbar mit voller Wahrhaftigkeit. Aber
als Dichter wählt er die Dinge nach seinem Schönheitsbegriff aus, und
sucht ins Schöne zu malen. So wahrheitsgemäſs seine metallurgischen
Schilderungen sind, so ist Homer doch kein Techniker, er schreibt
nicht aus der Absicht, die Gewerbe seiner Zeit zu schildern: Im Gegen-
teil, er ist ein Aristokrat, welcher der Prachtliebe seiner Zuhörer
schmeichelt, alles mit reichen, kostbaren Farben schmückt, des Ge-
wöhnlichen nur erwähnt, wenn er muſs. Die Prachtliebe ist ein
orientalischer Zug, insbesondere die Vorliebe für die glänzenden Metalle.
Wenn wir auch jetzt wissen, daſs man Mykenä mit Recht das „Gold-
reiche“ nannte, so ist doch die häufige Erwähnung des Goldes bei
Homer kein Maſsstab für den Goldreichtum der Griechen im allge-
meinen; ebenso wenn er alle Waffen und Geräte mit Vorliebe kupfern
oder ehern nennt und nur gelegentlich es sich entschlüpfen läſst, daſs
dieselben Geräte auch von Eisen in Anwendung waren, so dürfen wir
auch hierin der erlaubten dichterischen Übertreibung einiges zu gut
halten. Wir lassen uns in dieser Ansicht nicht dadurch irre machen,
daſs bei den wunderbaren Funden von Schliemann, die ein so reiches
und neues Licht auf die homerische Dichtung werfen, Eisen gar nicht
oder nur ganz spärlich gefunden wurde. Einerseits ist das Eisen unter
normalen Bedingungen das rasch zersetzbarste der Metalle, anderer-
seits kann man daraus, daſs in mykenäischen Gräbern kein Eisen
gefunden worden ist, eben so gut den Schluſs ziehen, daſs das Eisen
zu gering geschätzt wurde, um als Totengabe, als Kleinodien, den Ver-
storbenen mitgegeben zu werden, denn daſs das Eisen in allgemeiner
Anwendung war, wenigstens zu Homers Zeiten, glauben wir genügend
nachgewiesen zu haben. Übrigens sind in Mykenä doch auch einige
kleine Gegenstände von Eisen gefunden worden. Ehe wir diese be-
trachten, wollen wir auf Schliemanns Entdeckungen einen generellen
Blick werfen.


Es wurde bereits erwähnt, daſs die Ausgrabungen Schliemanns
den alten Ruhm Mykenäs als der goldreichen Stadt glänzend bestätigt
haben. Die merkwürdigen Funde, die dort gemacht wurden, werfen
ein helles Licht auf die heroische Zeit und bestätigen die Angaben
Homers fast durchgehends. Wie Homer, wenn er von metallischen
Kunstwerken spricht, sie dem Auslande, Phönizien, Cypern oder Ägypten
[409]Griechenland.
zuschreibt, so sehen wir auch sofort an den, von hoher technischer
Kunst zeugenden Arbeiten der Gold- und Silberschmiede, daſs sie nicht
griechisch, sondern fremdländisch sind. Man nennt den Stil jetzt
zuweilen assyrisch, weil die Ausgrabungen zu Niniveh am meisten Licht
über den westasiatischen Kunststil verbreitet haben und weil wir über
die berühmte Kunstbildnerei von Sidon, die jedenfalls in direkter Be-
ziehung zu den Kunstwerken Mykenäs stand, nur sehr wenig wissen.
Mag man nun die Gegenstände den Phöniziern direkt zuschreiben oder
sie lydisch-phrygisch nennen, beide Annahmen stimmen darin über-
ein, daſs es fremdländische und zwar westasiatische Arbeiten waren.
Es würde zu weit führen, wollten wir die reichen Schätze von Gold-
und Silberarbeiten, die zu Mykenä ausgegraben sind, hier aufzählen
und beschreiben. Wir verweisen alle diejenigen, die sich hierfür
interessieren, auf das interessante Buch Schliemanns „Mykenä“. Für
die Technik ist das Ergebnis der technischen Untersuchungen Percys
von Interesse, aus denen hervorgeht, daſs die Alten das Gold, welches
sie trieben, mit Silber versetzten und zwar bis über 23 Proz., so daſs
es schon dem sogenannten Elektrum der späteren Zeit nahe kam. Der
Zweck dieses Zusatzes war wohl hauptsächlich die Erhöhung der
Festigkeit. Aus ganz ähnlichen Legierungen bestanden die in Hissarlik,
dem alten Troja, ausgegrabenen, getriebenen Goldvasen.


Silber war ebenso allgemein im Gebrauch wie Gold. Unter den
Grabmitgaben wurden 24 goldene und 41 silberne Gefäſse gefunden.


Getriebene Kupferarbeiten sind reichlich gefunden worden. Die
chemische Analyse eines Kessels, der 0,5 mm Wandstärke hatte, ergab
auſser Kupfer nur 0,83 Arsenik, 0,48 Teile von Zinn, Blei, Wismut,
Eisen und Nickel. Der hohe Arsengehalt deutet auf eine, nach unserem
heutigen Maſsstabe mangelhafte Reinigung. Zinn tritt nicht, wie in den
homerischen Gedichten, als selbständiges Metall auf, wohl aber in Ver-
bindung mit Kupfer als Bronze. Diese Kupfer-Zinnlegierungen zeigen in
ihrer chemischen Mischung bereits ganz den Charakter der normalen
Bronzen der späteren Zeit oder richtiger ausgedrückt die gebräuchliche
Mischung der phönizischen Handelsbronze. Der Henkel eines Bronze-
gefäſses enthielt 89,69 Proz. Kupfer und 10,08 Proz. Zinn; in einem Bronze-
schwerte wurden 13,06 Proz. Zinn aufgefunden. Die Kunstarbeiten
aus Gold, Silber und Kupfer, sind fast alle durch Schmieden und
Treiben dargestellt und zeigen von einer sehr vorgeschrittenen, zum
Teil bewundernswerten Technik 1). Es ist hier nicht der Platz, auf
[410]Griechenland.
die Art der Bearbeitung der edlen Metalle näher einzugehen, wir
wollen nur eines der merkwürdigsten Kunstwerke von Mykenä erwähnen,
weil es das beste Beispiel giebt für die Kunst, wie für die Manier der
Goldschmiede jener fernen Zeit. Es ist dies ein aus Silber getrie-
benes Stierhaupt mit groſsen, goldenen Hörnern, von 28 cm Höhe.
Sicher wurde der Kopf über ein geschnitztes Holzmodell vorgetrieben,
dann im Detail nachgearbeitet, während die goldenen Hörner wahr-
scheinlich über ein wirkliches Kuhhorn geformt, an den silbernen Kopf
angenietet wurden. Die in Mykenä sowohl als in Hissarlik aufgefun-
denen Gefäſse sind sämtlich genietet, die Lötung scheint damals noch
unbekannt gewesen zu sein. Feuervergoldung war nicht in Gebrauch,
dagegen plattierte man Kupferblech mit Gold und Silber und trieb es
aus. Getriebene Kupferarbeiten wurden viele in Mykenä gefunden,
nämlich nicht weniger als 44 geschmiedete Haus- und Küchengeräte,
darunter 23 Waschkessel und eine, auf drei hohen Beinen stehende
Kasserole. Doch sind dieselben meist nicht aus einem Stücke, sondern
aus mehreren Teilen mit Stiften zusammengesetzt. Geschmiedete
Bronzen sind dagegen sehr wenige, im ganzen nur zwei aufgefunden
worden; häufiger dagegen Guſsstücke aus Bronze, nämlich 156 Schwert-
klingen, ferner einige Lanzenspitzen und kleine Messer. Der Guſs
dieser Bronzestücke ist indes ein sehr mangelhafter und zeigt sich an
den Schwertern meist eine auffallende Guſsnaht auf der oberen Seite. Es
ist kaum zu begreifen, wie man diese rohen Spieſse als Hiebwaffen be-
nutzen konnte und Hostmann geht soweit anzunehmen, daſs es nur
Zierwaffen als Beigaben für die Toten gewesen seien und daſs man
sie im wirklichen Kampfe nie verwendet hätte, wie er denn auch die
papierdünnen Wehrgehenke und die armseligen Schwertscheiden nur
für Prunkgerät als Beigaben für die Toten hält. Ein ganz eigentüm-
liches Guſsstück aus Mykenä ist ein hohlgegossener Hirsch aus Blei.
Eine männliche Figur mit phrygischer Mütze 1) aus Tiryns trägt ganz
den Charakter der früher erwähnten phönizischen Idole und ist höchstens
10 cm hoch. So zeigen uns diese Funde, daſs die Bronze zu homeri-
scher Zeit noch selten war und daſs die Kunst des Metallgusses noch
in ihren Anfängen sich befand. Dies wird bestätigt durch Schliemanns
Funde in Hissarlik (Troja). Der sogenannte Schatz des Priamos be-
stand aus 20 zum Teil kunstvoll aus Silber, Gold und Kupfer getrie-
benen Gefäſsen, dann Tausenden von kleinen goldenen Schmucksachen,
einem geschmiedeten Kupferschilde und daneben, als Beweis ihres
[411]Griechenland.
verhältnismäſsig erst kurzen Bestehens, die primitiven Erzeugnisse der
Bronzeschmiedekunst, bestehend in einigen schlichten Keilen und
einigen höchst einfachen Lanzenspitzen. Schliemann fand in Mykenä
mehrere steinerne Formen aus Basalt und Granit.


Eine derselben, die er abbildet 1), zeigt vertiefte Zeichnungen für
Goldschmucksachen auf beiden Seiten des Steines. Schliemann hielt
diese irrigerweise für Guſsformen. Es waren vielmehr die Matrizen
zum Einpressen der Goldblechzierden. Wären es Guſsformen gewesen,
so konnten es nur offene Formen und keine zweiteiligen gewesen sein,
indem alle Einguſsrinnen u. s. w. fehlen, überhaupt nicht abzusehen
wäre, warum man harten Stein benutzt, statt eine weiche Formmasse,
noch warum man so vielerlei und ganz heterogene Dinge in ein und
dieselbe Form einmeiſselte. Offene Formen können es aber auch nicht
gewesen sein, denn dann würde der hergestellte Zierrat massiv und
immer auf einer Seite flach sein müssen, was nicht der Fall ist.


Eisen ist in den Heroengräbern von Mykenä nur sehr wenig ge-
funden worden. Dies ist kaum zu verwundern. Die ganze Art des
Begräbnisses in der Heroenzeit, wie wir es aus den Funden von Mykenä
kennen lernen, war auf groſsen äuſseren Prunk und Glanz gerichtet.
Daſs dem auch noch in späterer Zeit und selbst bei Privatleuten so war,
beweisen die gesetzlichen Verbote Solons und Lykurgs, Bestattungen
in so verschwenderischer Weise auszustatten. Eiserne Geräte hatten
bei diesen Prunkbegräbnissen keinen Platz. Man könnte höchstens
Schwerter von Eisen erwarten und es scheint, daſs solche damals noch
selten im Gebrauch waren, obgleich Hostmann der Ansicht ist, daſs die
Bronzeschwerter eben nur an Stelle der Stahlschwerter als Prunkwaffen
mit in das Grab gegeben worden seien.


Übrigens hat Schliemann sowohl in Mykenä als in Troja Gegen-
stände von Eisen ausgegraben. Er schreibt 2): „Eisen war in Mykenä
schon bekannt, denn ich fand einige eiserne Messer, sowie einige
Schlüssel von sonderbarer Form, von denen der eine sehr dünn, 5,6 Zoll
lang ist und 4 Zähne hat; jeder Zahn hat eine Länge von 1,6 Zoll,
am anderen Ende des Schlüssels ist ein Ring zum Aufhängen.“ Schlie-
mann vermutet, daſs diese Eisensachen aus jüngerer Zeit, nämlich aus
dem fünften Jahrhundert v. Chr. herstammen, ohne diese Vermutung
weiter zu begründen.


Auch bei den Ausgrabungen zu Troja haben sich Eisensachen ge-
funden, wenn auch nur wenige. Zwar hat sich der Fund eines Stahl-
[412]Griechenland.
dolches in der Trümmerschicht von Troja, von dessen Auffindung
Schliemann in einem Briefe an Virchow am 27. November 1878 1) Mit-
teilung machte, nicht bestätigt, indem die chemische Untersuchung
erwiesen hat, daſs die fragliche Klinge von Silber und nicht von Stahl
oder gar von Meteoreisen war 2).


Dagegen fand Schliemann ein eisernes Messer, welches der Fund-
stelle nach der sogenannten vierten Stadt, d. h. derjenigen, welche dem
zerstörten Troja folgte, angehört. Er schreibt 3): „Nro. 1421 ist ein
eisernes Messer mit einem Ringe zum Aufhängen (Fig. 65). Ein Nagel,
dessen Kopf auf dem Holzschnitte deutlich zu sehen ist, macht es
unzweifelhaft, daſs der Griff in Holz eingefaſst war. Dieses Messer
wurde in einer Tiefe von 13 Fuſs unter der Oberfläche gefunden und
müſste, bloſs nach der Tiefe zu urteilen, zur vierten oder fünften
vorgeschichtlichen Stadt gehören.“ Trotz der Fundstelle will aber

Figure 65. Fig. 65.


Schliemann es der sechsten (lydischen) Stadt zuschreiben, indem er
sagt: „Das Gewicht des Eisens würde es leicht erklären, daſs das Stück
bis zur Tiefe, in der man es fand, gefallen ist.“ Diese willkürliche
Annahme scheint uns aber ganz unbegründet zu sein, dasſelbe lieſs
sich weit eher von den Gegenständen aus Gold und Bronze annehmen,
die ja spezifisch noch schwerer sind. Der Hinweis auf spätere ähnliche
Formen beweist auch nichts, da man umgekehrt auf ähnliche, weit ältere
Messer der Ägypter verweisen kann.


Haben wir uns eingehend mit Homer beschäftigt und aus dem
reichen Schatze seiner herzerfreuenden Dichtung auch für unsere
Zwecke reiche Belehrung gesammelt, so ist es Pflicht, uns auch mit dem
Nachfolger des Homer, dem zweiten alten und zweitberühmten, aus
ganz anderen Verhältnissen hervorgegangenen Epiker der Griechen,
mit Hesiod, gründlich bekannt zu machen. Wenn auch seine Gedichte
nicht entfernt auf der Höhe der homerischen stehen, so verdienen sie
doch durch ihr Alter, ihre historische Bedeutung und ihren Inhalt
[413]Griechenland.
unsere Beachtung. Dazu kommt noch, daſs Hesiod der erste ist, der
die verhängnisvolle Idee eines Bronzezeitalters ausgesprochen hat, und
ist er als erster Prophet dieser falschen Lehre anzusehen. Ehe wir
speziell auf diesen Punkt eingehen, wollen wir kurz einiges über das
Leben Hesiods sowie den Inhalt seiner Werke mitteilen und dann ein-
gehender seinen metallurgischen Standpunkt schildern.


Hesiod wurde in Böotien geboren und zwar in Askra, wohin sein
Vater Dios von Kumae in Kleinasien übergesiedelt war. Die Familie
trieb Viehzucht. Nach des Vaters Tode geriet er mit seinem hab-
süchtigen Bruder Perses in einen unangenehmen Erbschaftsstreit, den
er verlor, infolgedessen er Askra verlieſs und nach Orchommos aus-
wanderte. Hier wurde nachmals sein Grab gezeigt. Das Weitere, was
über den Dichter mitgeteilt wird, ist Sage. Ebenso fehlen genaue
Zeitangaben über seine Erlebnisse. Daſs er nach Homer dichtete, ist
unzweifelhaft. Nach den meisten Angaben soll er mindestens 100 Jahre
jünger als Homer gewesen sein und pflegt man seine Lebenszeit um
das Jahr 800 v. Chr. zu setzen, was freilich mit unserer Annahme, daſs
Homer bereits vor der dorischen Einwanderung in Argos gelebt habe,
also um 1100 v. Chr., nicht stimmt. Hiernach würde auch das Alter
Hesiods höher hinaufgerückt werden müssen. Im Vergleich mit der
vielseitigen, vornehmeren Bildung Homers ist der Gesichtskreis Hesiods
ein beschränkter, er blieb der schlichte, biedere Landmann und auch
seine Dichtungen wenden sich an diesen Stand. Er begeistert nicht
durch schwungvolle Schilderungen von Helden und Heldenwerken,
sondern er bietet uns praktische Lebensregeln in metrischer Form,
Ethisches, Theologisches und Materielles, Regeln der Sittlichkeit und
der Klugheit bunt durcheinander, wobei ihm immer das Bild eines
tüchtigen, fleiſsigen, ehrlichen und frommen Bauern vorschwebt. Dem
entsprechend sind auch die technischen Kenntnisse Hesiods geringer
und die Ausbeute für unseren Zweck verhältnismäſsig dürftigere. Das
originellste Werk Hesiods sind seine „Werke und Tage“ (Ἔργα καὶ
ἡμέραι),
eine nur lose zusammengefügte Spruchsammlung in dichteri-
schem Gewand; praktische Lebensregeln für den Landmann und Haus-
vater, über die Wahl der Gattin, die Erziehung der Kinder, den Acker-
bau und die Schiffahrt, die Bedeutung einzelner Tage u. s. w., wobei
neben viel Treffendem auch viel bäuerischer Aberglaube mit unterläuft.
Dazwischen sind ziemlich unmotiviert die Sagen von Prometheus, von
Pandora und vor allem von den Weltzeitaltern eingefügt.


Das zweite Hauptwerk Hesiods ist seine Theogonie, ein Ge-
schlechtsregister der Götter, das mehr als Quelle für die Mythologie
[414]Griechenland.
des griechischen Altertums als durch die Art der Behandlung von
Interesse ist. Ein drittes Gedicht, „der Schild des Herkules“ scheint
nur ein Bruchstück einer gröſseren Dichtung zu sein. Bei der Schilde-
rung des Schildes schwebt dem Dichter unverkennbar die analoge
Beschreibung des Schildes des Achill von Homer vor, wobei indes die
Darstellung Hesiods in Bezug auf Anschaulichkeit und Schönheit der
Erfindung weit zurückbleibt.


In metallurgischer Beziehung ist in der Periode zwischen Homer
bis Hesiod unverkennbar ein Umschwung in der Verwendung der
Metalle zu bemerken. Das Eisen ist nach Hesiods Angaben in allge-
meinstem Gebrauch, er nennt ausdrücklich das Zeitalter, in dem er
lebt, „das eiserne“. Erz ist nur noch das Metall der Heroen in dich-
terischen Schilderungen. Mit Silber und Gold geht Hesiod sparsam
um, letzteres ist nur den Göttern beigegeben. Die Zahl der Stellen,
die sich auf die Metalle beziehen, ist so gering, daſs wir sie alle
anführen können. Hera, die Argivische, tritt auf goldenen Sohlen
einher 1), Hebe ist mit goldenem Kranze geziert 2). Hephästos bildete
die ersten Menschen, dem Weibe giebt Pallas Athene ein Gold-
diadem als Hauptschmuck 3). Aphrodite wird die goldene 4) genannt,
sie hat goldene Hände (Theog. 822). Apollo trägt ein Goldschwert 5)
und Ariadne hat goldene Haare (947). Über die Verwendung des
Goldes bei der Bewaffnung des Herakles und seinem kunstvollen
Schilde folgen die Stellen weiter unten. Ein goldener Krug wird
genannt (822). Silber wird äuſserst selten bei Hesiod erwähnt. Der
gräuliche Palast des Styx ist von silbernen Säulen gestützt 6).


Kupfer, Erz (χαλκός) dient namentlich Göttern und Heroen zur
Bewaffnung. Herkules erlegt die lernäische Schlange mit schrecklichem
Erz 7). Eos gebiert dem Tithonos den erzgepanzerten Memnon, König
der Äthiopier 8). Kyknos hofft den Herakles mit Erz zu bezwingen 9).
Schild und Lanzen der Heroen sind von Kupfer 10). Herakles legt
zunächst die Schienen von glänzendem Kupfer des Gebirges um die
Beine 11), des Hephästos köstliche Gabe. Um die Brust den Panzer von
Gold, ein Geschenk der Athene. Doch um die Schulter legt er das
fluchabwehrende Eisen (129), ferner den gewaltigen Speer mit schim-
merndem Erze gespitzet (135). Um den Tartaros zieht sich ein eherner
Zaun. Poseidon setzt eherne Pforten daran (732). Am Eingange zum
[415]Griechenland.
Tartaros liegt eine Schwelle von Kupfer. Ehern heiſst der Ambos des
Hephästos (721) 1).


In der Beschreibung des Schildes des Herakles wird Elektron und
leuchtendes Gold erwähnt. Die Körper der Helden, die auf dem Schilde
dargestellt sind, bestehen aus Silber, ihre Bewaffnung aus Gold 2). Ein
buchtiger Hafen ist auf dem Schilde aus Zinn gebildet (207), darin
schwimmen silberne und eherne Fische (211 und 213). Die Figur des
Perseus ist aus Gold getrieben (220), um die Schulter hängt ihm ein
ehernes Schwert. Ebenso ist das Bild der Gorgo von Gold mit silbernen
Quasten (Schlangen) umgeben. Die Gorgonen sind gewaffnet, sie
schreien in Erz laut auf (243). Ferner sind goldene Pforten, goldenes
Rebland mit silbernen Weinbergspfählen dargestellt (295).


Eisen und Stahl werden öfter bei Hesiod erwähnt. Das Schmelzen
des Eisens aus den Erzen ist ihm bekannt. Er erwähnt es als Gleichnis
bei der kraftvollen Schilderung des Sturzes des Titanen Thyphoeus:


Zeus zerschmetterte ihn mit seinen Blitzen 3)

„Weit brannte die mächtige Erde

Von dem unendlichen Dampf und schmolz wie glänzendes Zinn schmilzt,

Das von der Jünglinge Kunst in weitaufklaffendem Tiegel

Heiſs wird, oder wie Eisen das härteste aller Metalle,

In des Gebirges Waldthal von schimmerndem Feuer gebändigt

Schmilzt in göttlicher Erde von kräftiger Hand des Hephästos;

So schmolz jetzo die Erde vom Glanze der leuchtenden Flammen

Und Zeus warf ihn grimmig hinab in des Tartaros Abgrund.“

Bei dem Ackerbau war die Verwendung des Eisens allgemein, ja
wahrscheinlich ausschlieſslich. Man schärft das Eisen zur Ernte 4).
Also war die Sichel von Eisen. Die Sense war von Stahl 5). Von Eisen
war das Beil, denn bei den Regeln über die Zeit des Holzfällens
spricht Hesiod von der eisengehauenen Waldung 6). Auch das Messer,
mit dem man die Speisen zerlegte, war von Eisen, denn Hesiod sagt:
„Schneide bei dem Opfer nicht mit dem blinkenden Eisen das Trockne
von dem Grünen 7).


[416]Griechenland.

Die Schmiede lag in oder vor dem Orte und war zugleich Schenke,
in der sich, namentlich Winters, wenn die Feldarbeit ruhte, die Männer
versammelten.


Hesiod nennt sie ἀλέα λέσχη, „warme Herberge“ und warnt vor
ihrem Besuch 1).


Geh’ an der Esse des Schmiedes vorbei, dem gefüllten Gemeinsaal

(der warmen Herberge)

Winterszeit, wenn grimmige Kälte die Menschen von Arbeit

Abhält, weil ein thätiger Mensch jetzt mehret die Wirtschaft,

Daſs dich im traurigen Winter die Trägheit nimmer ergreife

Samt Armut und mit magerer Hand du den schwülstigen Fuſs drückst!

Oft hat der Arbeitslose, erwartend nichtige Hoffnung,

Weil er des Brodes bedurfte zum Bösen die Seele gekehret.

Freundliche Hoffnung kann nicht dürftige Männer getrösten,

Die in dem Wirthshaus sitzen, dieweil nicht reichte die Nahrung.

Das Schwert war von Eisen, denn nur dieses ist gemeint, wenn es
heiſst, Herakles hing sich um die Schultern das fluchabwehrende
Eisen 2). Natürlich muſste hierfür Stahl, nicht weiches Eisen verwendet
werden. Stahl war dem Hesiod wohl bekannt, doch bezeichnet er ihn
nicht wie Homer, mit dem Ausdrucke κύανος, sondern mit ἄδαμας, das
Unbezwingliche, mit welchem Worte auch die Tragiker und Pindar
den Stahl bezeichneten. Später benannte man bekanntlich den Diamant
mit demselben Worte und unsere Bezeichnung Diamant kommt daher.
Der Stahl hat, wie das Eisen, bei Homer das Beiwort grau, πολιος 3).
Von solchem gräulichen Stahl fertigt Gäa die Sense oder die zahnige
Hippe, mit der Kronos seinen Vater Uranos entmannt 4). Er mähte
mit der Stahlhippe die Scham des Uranos 5). Dieses Werkzeug heiſst
zuerst V. 162 μέγα δρέπανον (Sense, Hippe, krummes Schwert), dann
175 ἅρπη καρχαρόδους, die vielzahnige Sense. ἄρπη heiſst bekanntlich
auch das mit dem Widerhaken versehene Krummschwert des Perseus,
sowie der mit einem Widerhaken versehene Lenkstachel des Elefanten.
An der dritten Stelle heiſst es bloſs: „Er warf den Stahl, mit dem er
den Uranos entmannt, in die brandende Meerflut 6). Sowohl die Sichel,
wie das Sichelschwert waren von Stahl. Ferner erwähnt Hesiod des
Stahles bei der Beschreibung der herakleischen Rüstung. Der Heros
setzt sich, nachdem er das fluchabwehrende Eisen um die Schultern
gehängt, den kunstvollen, stählernen (ἀδάμαντος) und wohl um die
Schläfe gefügten Helm auf 7). In gleicher Weise, wie Homer bei der
Schilderung des Schildes des Achill, bedient sich Hesiod der Worte
[417]Griechenland.
κύανος für blauen Stahl bei dem herakleischen Schilde. Der herrliche
Schild, von Elektron und Gold (143), „schimmernd, zwischenhinein
durchstreift von bläulichem Stahl“ und wie bei dem Panzer des Aga-
memnon erwähnt Hesiod eines stahlblauen Drachenbildes 1). In der
Beschreibung des Kampfes des Perseus mit den Gorgonen heiſst das
Schlachtfeld „das bleiche Stahlfeld“. Bildlich heiſst es „Pontus
erzeugte auch Eurybia mit dem Stahlherzen 2)“, ähnlich wie es an einer
anderen Stelle heiſst: „Die Seele des Todes ist von Erz und sein Herz
von Eisen“, d. h. ganz mitleidslos 3). Bei weitem die wichtigste und
ausführlichste Stelle über die Metalle in der Schrift des Hesiod ist die
Episode von den Weltzeitaltern in seinen „Werken und Tagen“, welche
wir in der Einleitung bereits mitgeteilt haben 4).


Die ganze Erzählung von den Weltzeitaltern ist eine spekulativ-
theologische; sie beruht weder auf historischer, noch auf archäologischer
Grundlage. Dennoch ist die Darstellung des Hesiod von gröſster Wichtig-
keit für uns, weil hier zum erstenmal bestimmt ausgesprochen ist, daſs
das Erz älter sei als das Eisen. Der Grund liegt, wenn man die Stelle ruhig
erwägt, nur in der höheren Schätzung des Kupfers gegenüber dem Eisen.


Daſs Hesiod das Gold in gleicher Weise älter als das Silber, daſs
er das Silber für älter als Kupfer und Eisen erklärt, darauf hat man
niemals besonderen Nachdruck gelegt, es vielmehr mit Stillschweigen
übergangen, wogegen die ganz unbegründete Angabe, daſs die Bronze
älter sei als das Eisen, seit dieser Zeit ein Theorem geworden ist,
das trotz seiner Widersinnigkeit bis zum heutigen Tage seine Herr-
schaft behauptet.


Ein Ergebnis von höchster Bedeutung hat sich uns aus der ein-
gehenden Betrachtung der auf die Verwendung der Metalle bezüglichen
Stellen in den Dichtungen Homers und Hesiods ergeben, nämlich das-
jenige, daſs sie das Eisen und den Stahl nicht allein kannten, sondern
ihn auch als ein Produkt einheimischer Industrie ansahen, im Gegen-
satze zu den Edelmetallen, dem Kupfer und dem Erze, welches zu ihrer
Zeit noch aus dem Auslande bezogen wurde. Die Überlieferungen aus
alter Zeit, welche uns in den späteren Schriften erhalten sind, bestätigen
diese Thatsache und vervollkommnen das Bild der metallurgischen
Verhältnisse Griechenlands aus jenen Jahrhunderten, in denen die
Hellenen noch von fremden Völkern abhängig waren, indem einerseits
der Bergbau und die Gewinnung der Edelmetalle im eigenen Lande in
den Händen fremder Kolonisten sich befand, andererseits sie ihren
Beck, Geschichte des Eisens. 27
[418]Griechenland.
Bedarf an Gold, Silber, Kupfer und Erz meist in Form fertiger Geräte
aus dem Auslande bezogen. Diese Periode endete etwa mit dem
siebenten Jahrhundert, in welchem die glänzende Tyrannis sich zu
achtunggebietender Macht aufschwang.


Der Beziehungen zu Phönizien und Ägypten haben wir schon
wiederholt gedacht. Homer hat gewiſs die Höhe seiner Bildung
nicht ohne ägyptischen Einfluſs erreicht. Demungeachtet ist ihm
Ägypten ein weit entlegenes Land und auch die anderen griechischen
Schriftsteller wissen wenig über einen direkten Verkehr zwischen
Griechenland und Ägypten zu berichten. Die Argonautenfahrt, wie die
Belagerung von Troja spielen sich in ganz anderen Gegenden ab. Um
so interessanter ist es daher, daſs wir aus hieroglyphischen Mitteilungen
der Ägypter selbst belehrt werden, daſs die Griechen lange vor der
Argonautenfahrt an einem groſsen kriegerischen Unternehmen gegen
Ägypten beteiligt waren. Dieser Kriegszug scheint nicht unähnlich
dem Argonautenzuge eine groſsartige Piratenfahrt gewesen zu sein, ein
Raubzug ohne höheren politischen Zweck. Er geschah unter König
Menephta, also um 1500 v. Chr. 1), und war ein gemeinsames Unter-
nehmen von Lybiern, Kleinasiaten, Griechen und Etruskern. Die
Nachricht darüber ist aufgezeichnet in einer merkwürdigen Inschrift
von Karnak. Es ist dies der Kriegszug der Tamochu (Nordvölker),
d. h. vom Mittelmeere mit weiſser Haut, meist blauen Augen, blonden,
braunen, manchmal roten Haaren. Sie werden abgeteilt:


I. In Tahenu (Nebelvölker), d. h. von der Nordwestküste Ägyptens.


II. In Völker von den Meeresregionen, oder Inseln des Meeres,
unter diesen finden sich Sardaina (Sarder), Sakalesa (Sikilier) und
Tursa, Tuirscha (Thyrrhener), welche den Oberbefehl hatten.


III. Akaios, Againasch (Achaier), als Gebirgsvölker bezeichnet,
sowohl von den Ländern des Meeres (dem Peloponnes) mit Harnisch
und Beinschienen, als auch Lekar (Lykier) aus Kleinasien.


Die Achaier werden hier also bereits als mit Harnisch und Bein-
schienen ausgerüstet erwähnt und ihre nautische Befähigung und
Ausrüstung gestattete es ihnen schon damals an einem so bedeutenden
Unternehmen thätigen Anteil zu nehmen.


Cypern, Kreta und Rhodos sind die ersten und wichtigsten Etappen
asiatischer Kultur in ihrem Marsche nach Europa. Alle drei sind in
metallurgischer Beziehung von besonderem Interesse.


[419]Griechenland.

Kypros (Cypern) wurde bereits in den Abschnitten, die über die
Assyrier und Phönizier handeln, erwähnt. Auch die späteren Schrift-
steller bezeugen das Alter der cyprischen Metallindustrie. Plinius 1)
schreibt: tegulas invenit Cinyra Agriopae filius et metalla aeris, utrum-
que in insula Cypro, item forcipem, martulum, vectem, incudem.


Telchinen, welche zuerst Eisen und Kupfer bearbeiteten, und auch
die Sichel des Kronos verfertigten, wohnten einst auf Cypern. Sie
kamen von Kreta und zogen von Cypern nach Rhodos 2). Cypern
war nicht nur durch seinen Reichtum an Eisen und Kupfererzen,
die man angeblich in denselben Bergwerken gewann, sondern auch
durch seinen Überfluſs an vorzüglichem Holz (Zedern) zu metallurgischem
Betrieb besonders geeignet. Sein Ruhm in dieser Beziehung stammt
aus frühester Zeit. Die Phönizier beuteten bereits die Erzlagerstätten
aus und bis zum Ende des Mittelalters war sein Metallreichtum
berühmt.


Kinyras war der sagenhafte Waffenschmied, der den kunstreichen
Harnisch des Agamemnon verfertigte und ähnlich dem Dädalus auf
Kreta die wichtigsten Werkzeuge erfand. Daſs der Taphierfürst Mentes,
wie Homer erzählt, nach Cypern (Temesa) fährt um Kupfer zu holen,
wurde bereits erwähnt. Es ist wahrscheinlich, daſs das Kupfer, lateinisch
cuprum, seinen Namen von cyprischem Erz (aes cyprium) hat. Daſs
aber neben Kupfer- und Erzwaren auch ganz vorzüglicher Stahl auf
Cypern dargestellt wurde, geht daraus hervor, daſs Alexander der Groſse
ein hochgeschätztes Stahlschwert trug, ein Geschenk des Königs von
Kittion, welches sich durch seine Härte und Leichtigkeit auszeichnete 3).
Ebenso wurden dem Demetrios Poliorketes aus Cypern zwei eiserne
Panzer überbracht von solcher Festigkeit, daſs ein auf zwanzig Schritt
Entfernung von einer Wurfmaschine geschleudertes Geschoſs ohne
Wirkung auf denselben blieb 4).


Kreta, dem griechischen Festlande viel näher gelegen und auch
früh von Hellenen kolonisiert, galt den Griechen eigentlich als die
Urheimat der Metallindustrie, insbesondere der Eisengewinnung. Es
war einer der ältesten Wohnsitze der Daktylen und Kureten, jener
dunkelen Genossenschaften von Metallarbeitern, die aus Phönizien
eingewandert, ihre religiösen Gebräuche mitgebracht hatten. Die
Daktylen auf Kreta heiſsen wie die phrygischen aus dem Gebiete von
Troja „idäische“, nach den gleichnamigen Bergen „Ida“ in Kleinasien
27*
[420]Griechenland.
und auf Kreta. Diese gelten als die Erfinder des Eisens. Es muſs
wohl in sehr alter Zeit eine direkte Beziehung zwischen Nordphrygien
und Kreta bestanden haben, da sich nicht nur der Name des wichtigsten
Berges, des Volkes, sondern auch die vieler Städte wörtlich wiederholten.
Da die alten Schriftsteller die Daktylen und Kureten für phrygische
Einwanderer erklären, so ist es nicht unwahrscheinlich, daſs Kreta von
dem Gebiete der asiatischen Ida aus colonisiert wurde und zwar von
einem metallkundigen Volke, einer jener Metallgenossenschaften, welche
ihre Kenntnisse, wie ihren Kultus, wie die Hauptnamen ihrer Heimat
nach Kreta übertrugen. Strabo erklärt den Namen der Daktylen für
„am Bergabhange wohnende“, weil die Ausläufer der Gebirge „Finger“
(δάκτυλοι) genannt wurden 1). Sophokles dagegen glaubt, die ersten
Daktylen seien fünf Männer (Brüder) gewesen, welche das Eisen ent-
deckten und zuerst verarbeiteten, sowie auch viele andere für das
Leben nützliche Gegenstände erfanden. Diese hätten auch fünf
Schwestern gehabt und von dieser doppelten Fünfzahl, entsprechend
je den fünf Fingern der beiden Hände, seien sie Daktylen genannt
worden. Über die Namen der Daktylen, die in direkter Beziehung
zum Schmiedehandwerke stehen, haben wir bereits oben gesprochen.
Die Kureten, welche zuweilen mit den Daktylen und Telchinen indenti-
fiziert werden, gelten manchmal als ein Volksstamm, im allgemeinen
aber als Nachkommen der Daktylen, vielleicht als eine Jünglings-
genossenschaft, wie sie in Kreta herkömmlich waren 2), die das Waffen-
handwerk betrieben, bei den Orgien der Rhea Waffentänze aufführten,
mimisch die Rettung des Zeus darstellend, indem sie dabei mit Schwert
und Schild, Trommeln, Flöten und Cymbeln einen tollen Lärm vor-
führten 3). Eine alte Überlieferung berichtet, die ersten hundert in
Kreta geborenen Männer hätten idäische Daktylen geheiſsen und Ab-
kömmlinge dieser wären neun Kureten gewesen, von denen jeder zehn
Söhne gezeugt habe, die wiederum idäische Daktylen genannt wurden.
Daktylen und Kureten gelten teils als identisch, teils als nahe verwandt
mit den Kabiren, Korybanten und Telchinen. Die verschiedene Be-
zeichnung, wie die verschiedene Auffassung dürfte sich durch diese
verschiedene Herkunft dieser Genossenschaften erklären, indem die-
selben teils phönizischen, teils thrakischen Ursprungs sind, und zwar Dak-
tylen und Kureten thrakischer, Kabiren und Telchinen mehr semitischer
Herleitung. Wie dem auch sei, die alten Sagen von den Daktylen und
Kureten auf Kreta sind ein Zeugnis der alten Metallindustrie dieser Insel.


[421]Griechenland.

Da Kreta an Erzen nicht reich ist, so blühte wohl mehr die Ver-
arbeitung als die Gewinnung der Metalle. Ein Zeugnis, daſs die Ge-
werbe in Kreta in alter Zeit auf hoher Stufe standen, sind die Sagen
von Minos und Dädalos, deren Heimat Kreta war. Auch die Telchinen
waren in Kreta ansäſsig, ja nach Strabos Mitteilung war hier ihr Ursitz.
Sie wären zuerst von Kreta nach Cypern gekommen und von da nach
Rhodos ausgewandert, wo sie feste Wohnsitze aufschlugen und der
Insel den Namen Telchinis gaben 1). Rhodos hieſs vordem Ophiussa
und Stasia, dann Telchinis, nach den, die Inseln bewohnenden Telchinen,
welche einige für Behexer und Zauberer erklären, die Tiere und Ge-
wächse, um sie zu verderben, mit Wasser des Styx besprengten (klingt
hier nicht ein alter Haſs der Landwirtschaft gegen die Industrie
durch?). Andere im Gegenteil sagen, sie wären als ausgezeichnete
Künstler von den Kunstfeinden beneidet worden und so in üble Nach-
rede geraten; sie wären aber zuerst aus Kreta nach Cyprus, dann nach
Rhodos gekommen und hätten zuerst Eisen und Kupfer verarbeitet und
so auch dem Kronos seine Sichel verfertigt. Rhodos war besonders
berühmt durch seine Waffenfabrikation, welche fakrikmäſsig betrieben
wurde. Es befanden sich groſsartige Werkstätten auf der Insel, in
denen allerlei Kriegsmaterial, besonders Kriegsmaschinen und Waffen
angefertigt wurden. Rhodos und Kreta waren durch ihre Lage Haupt-
stationen für den Seeverkehr, der von Phönizien, Cypern und der Süd-
küste von Kleinasien nach Westen ging. Auf den nördlich gelegenen
Inseln der asiatischen Küste entlang ist der asiatische Einfluſs auch
noch erkennbar, doch tritt er im allgemeinen zurück gegen den der
gegenüberliegenden Bewohner, namentlich der Jonier, Lydier und
Phrygier. Auf Samos, Chios und Lesbos blühte, wie in den genannten
asiatischen Gebieten das Metallkunstgewerbe, besonders der Erzguſs
und die Kunstschmiederei in Kupfer und Erz, wir werden später hierauf
eingehender zurückkommen. Der Norden von Kleinasien ist dagegen
eine alte Heimat der Eisenindustrie, welche weit über die historische
Zeit hinausgeht. Die Eisengewinnung der Chalyber haben wir bereits
beschrieben. Die Verbindung der Griechen mit jenem Metallgebiete
reicht über die homerische Zeit hinaus. Als ältester Sitz der Eisen-
gewinnung im Gebiete der Griechen galt, wie oben erwähnt, die nord-
westliche Ecke von Kleinasien, speziell das idaische Gebirg nördlich
von Troja. Die ältesten Daktylen, die Erfinder des Eisens, hatten hier
ihren Sitz. Diejenigen Schriftsteller, welche einen Altersunterschied
[422]Griechenland.
zwischen den idaischen Daktylen machen, erklären die phrygischen
in Kleinasien für die älteren, indem sie von diesen die auf Kreta
ableiten. Die Erfindung des Eisens geschah durch die Daktylen, die
selbst wieder thrakischer Herkunft waren, am Gebirge Ida, und die
parische Marmorchronik giebt sogar bestimmt die Zeit dieses Er-
eignisses an, welches sich je nach Annahme des Jahres der Zer-
störung Trojas auf 1432 v. Chr. oder nach anderen auf 1537 v. Chr. 1)
berechnet. Diese Zeitbestimmung hat nur insofern eine Bedeutung, als
keinem Metalle in so positiver Weise ein so hohes Alter zugeschrieben
wird. Von der Eisengewinnung am Ida wissen wir nichts Weiteres.
Homer schweigt darüber.


Troas gegenüber lag die äolische Insel Lemnos, deren alter Name
Ἀιδάλεια 2), die Russige, auf ausgebreitete Metallverarbeitung hindeutet.
Lemnos war ein uralter Sitz des Hephästoskultus. Hier stürzte der
Sage nach der Götterschmied, den Zeus im Grimme vom Olympos her-
untergeschleudert hatte, nach neuntägigem Fall zur Erde, wovon
derselbe seinen lahmen Fuſs hatte. Wie Lemnos die alte Kultusstätte
des Feuergottes hauptsächlich wegen des auf dieser Insel befindlichen,
in historischer Zeit noch thätigen Vulkans Mosychlos war, so war sie
auch zugleich ein Sitz metallurgischer Kunst und die Urbewohner
der Insel, die alten Sintier, waren als Schmiede hochberühmt 3).
Sidon und Cypern nicht allein, sondern ebenso Kreta, Rhodos und
Kleinasien übten einen mächtigen Einfluſs auf die technische Kultur
des eigentlichen Griechenlandes aus. Den Zustand zu Homers Zeit
haben wir bereits geschildert. Zu diesem Bilde haben wir nur Ein-
zelnes teils ergänzend, teils bestätigend hinzuzufügen.


Der Bergbau auf Gold, Silber und Kupfer auf den griechischen
Inseln und an der Küste war ursprünglich von Fremden angelegt
und scheint zu Homers Zeit noch in deren Händen gewesen zu sein.
Die Phönizier waren es, welche diese Bergwerkskolonieen angelegt
hatten 4).


Die ältesten Goldbergwerke auf Siphnos, Thasos 5), Thasos gegen-
über zu Skapte-Hyle 6) und an der thrakischen Küste besonders am
Pangäos 7):


In demselben Gebirgszuge befanden sich auch Silberbergwerke.
Die berühmtesten Silbergruben Griechenlands aber waren die von Lau-
[423]Griechenland.
rion in Attika. Sie waren von hohem Alter und man wuſste nichts mehr
über ihre Entstehung und Gründung, deshalb ist wohl anzuneh-
men, daſs auch diese zuerst von den Phöniziern eröffnet wurden, die
auf dem benachbarten Euböa sich angesiedelt hatten. Auſserdem
wurde Silber neben Gold auf Siphnos 1) gewonnen, ferner in Make-
donien 2), bei Damastion in Epirus 3) und bei Pharnakia oberhalb
Trapezunt 4).


Die ältesten und bedeutendsten Kupferbergwerke waren auf Euböa,
die indes schon im 7. Jahrhundert n. Chr. erschöpft waren 5). In den
Bergen zwischen Argos und Korinth sind Kupfererze nachgewiesen
worden, daſs dieselben aber in klassischer Zeit bergmännisch aus-
gebeutet worden seien, ist höchst unwahrscheinlich, da nicht die
geringste Notiz darüber vorliegt, was von einer so bekannten, viel be-
suchten und beschriebenen Gegend sicher zu erwarten stünde.


Die Grubenanlagen auf Euböa dürfen als der älteste, regelmäſsige
Bergbau der Griechen angesehen werden. Es wurde dort Kupfer und
Eisen gewonnen, und zwar, wie es scheint, aus denselben Bergwerken.
Dies gab der Insel ihren alten Namen Chalkis. Homer berichtet zwar
von diesen Anlagen nichts, doch ist es wahrscheinlich, daſs sie schon
zu seiner Zeit bestanden haben. Sicher ist, daſs die alte Stadt Chalkis,
auf welche der Name der Insel übertragen wurde, bald nach Homer
entstanden sein muſs. Verschiedene Anzeichen deuten aber darauf
hin, daſs schon vor Homers Zeit Metallindustrie auf Euböa bestand.
Einer der Söhne des Mynierkönigs Athamas, des Vaters der Helle und
des Phryxos, welche von ihrer Mutter auf dem goldenen Widder ent-
führt worden waren, hieſs Chalkos, und ihnen wird die Erfindung der
Schildbewaffnung zugeschrieben. Auf Euböa saſsen Kureten, wie der
euböische Geschichtsschreiber Archemachos 6) berichtet, von hier seien
diese nach Ätolien ausgewandert. Auch dieses deutet auf Metall-
industrie und alte Ansiedelungen von Kreta oder Westasien aus. Chalkis
muſs nach Homers Zeit rasch zu hoher Blüte gelangt sein. Zu Hesiods
Zeit war es eine angesehene Stadt, in der groſse Festspiele abgehalten
wurden, ähnlich den isthmischen und olympischen. Zu einem solchen
Festspiele war der Dichter selbst gezogen und hatte einen Siegespreis
durch sein Lied errungen. Es war, wie er selbst erzählt, seine einzige
Meerfahrt 7).


[424]Griechenland.
„Ich bin kein der Seefahrt Kundiger wie ein Schiffer,

Denn niemals befuhr ich im Schiff die weiten Gewässer,

Auſser einmal nach Euböa von Aulis 1)

Dorthin bin ich einmal zu des weisen Amphidamas Festspiel

Über nach Chalkis gefahren; denn viele verkündete Preise

Hatten die Söhne gesetzt, groſsherzige; dorten — vernimm es, —

Trug ich als Sieger im Lied davon den gehenkelten Dreifuſs,

Den ich den Musen sodann auf dem Helikon habe geweihet,

Wo mich jene zuerst zum klingenden Sange begeistert.“

Diese alten Festspiele waren es, welche die Veranlassung zu den
athenischen Chalkidien gaben, die in ihrer späteren Form recht eigent-
liche Handwerkerfeste waren.


Eisen und Kupfer wurden besonders auf der lebantischen Ebene
in ein und denselben Bergwerken gewonnen, wie Strabo 2) berichtet, zu
dessen Zeit sie indessen schon erschöpft waren. Auch wurde Kupfer
und Eisen auf Euböa aus seinen Erzen ausgeschmolzen und teils roh,
teils verarbeitet in den Handel gebracht. Besonders blühte die Erz-
schmiedekunst in Chalkis und die Eisenarbeiten von dort waren hoch
berühmt. Auch andere Metalle wurden verarbeitet. Die chalkidischen
Becher χαλκιδικὰ ποτήρια von Silber waren hochberühmt 3). Am
meisten aber waren euböische oder chalkidische Schwerter gesucht 4),
zweifellos Stahlschwerter, denn sie wurden, wie Äschylos erwähnt, im
Wasser gehärtet. Die chalkidischen Eisenschmiede waren weit berühmt.
Stephan von Byzanz bemerkt, daſs die euböischen Erz- und Eisen-
schwerter für die besten in Griechenland gegolten hätten 5). Natürlich
stand Euböa durch seinen Reichtum an Metallwaren im lebhaftesten
Verkehre mit allen Handelsplätzen Griechenlands, besonders mit Athen
und Korinth. Welches Ansehen Euböa als Handelsplatz genoſs, geht
daraus hervor, daſs eins der ältesten Münzsysteme euböischen Ursprungs
ist und das euböische Talent im 8. Jahrhundert v. Chr. allgemeine
Gültigkeit in Griechenland hatte.


Chalkis war im 8. Jahrhundert so reich und mächtig, daſs es im
stande war, auf Sicilien selbständige Kolonieen anzulegen (738 v. Chr).


Euböa unmittelbar gegenüber lag Böotien. Auch dieses hatte eine
sehr alte Eisenindustrie, wie dies schon aus der Einleitung der hesiod-
schen Gedichte hervorgeht. Die Sage des Kadmos, der die Hauptstadt
Theben gründete, und die Überlieferungen von den Telchinen beweisen,
daſs Böotien sehr früh mit Phönizien in direkter Verbindung gestanden
[425]Griechenland.
hat, daſs wahrscheinlich die Phönizier Theben gegründet und von da
aus eine Zeitlang Hellas in Abhängigkeit zu halten gesucht haben.
Ganz besonders blühte die Eisenindustrie und die Waffenfabrikation.
Das Eisen der mythischen Aoner entstammte Böotien 1). Schon das
alte Volk der Minyer war durch seine Waffenschmiede berühmt. Die
Schilde und die Waffen Böotiens und böotische Helme waren bekannt 2).


Auſser der autochthonen Eisenindustrie scheint sich eine hervor-
ragende Metallindustrie in Böotien nicht entwickelt zu haben. Für
das Alter der Eisenindustrie Böotiens zeugt auch Hesiod, der sein
ganzes Leben in Böotien verbracht hat und der anschaulich die Eisen-
schmelze im entlegenen Waldthale schildert.


Die euböischen Kureten sollen nach Ätolien ausgewandert sein.
Dort und in dem benachbarten Akarnanien bestand eine sehr alte
Eisengewinnung. Ätolische Speere waren in frühester Zeit berühmt 3).
Lanceas Aetolos, jaculum cum ammento Aetolum Martis filium in
venisse dicunt 4).


Die ätolischen Speere, ein, an einem Riemen befestigtes Wurf-
geschoſs, soll Ätolus, der Sohn des Mars, erfunden haben.


Daſs in Akarnanien schon zu Homers Zeit einheimische Eisen-
industrie bestand, geht aus der oben erwähnten Stelle der Ilias hervor,
nach der der Taphierfürst Mentes mit einer Schiffsladung heimischen
Eisens auszog, um dieses in Cypern gegen Kupfer einzutauschen. Von
der kleinen Insel Taphos, die der akarnanischen Küste gegenüber lag,
konnte das Eisen nicht kommen, da sich auf dieser kein Eisenerz
findet, wohl aber in dem gebirgigen Akarnanien.


Athen bezog früh Eisen von Chalkis, auch bestanden in der
späteren, klassischen Zeit Eisenfabriken in Athen. Die ältesten Über-
lieferungen Attikas melden dagegen nichts von eigener Eisengewinnung.
Die Kupfer- und Erzindustrie scheint in Athen, wie in den meisten
gröſseren Städten des Altertums, eine hervorragende Rolle gespielt zu
haben. Die Tradition meldet, daſs, als die Athener auf Befehl des
Orakels die Gebeine des Theseus ausgegraben hätten, sie kupferne
(eherne) Waffen in dem Grabe gefunden hätten. Ebenso soll der Spieſs
des Achilles, der zu Phaselis in dem Tempel der Minerva aufbewahrt
wurde, wie das Schwert des Memnon, eine Reliquie des Tempels des
Äskulap in Nicomedien von Kupfer (Erz), gewesen sein. Indes haben
diese sagenhaften Reliquien für die Kritik wenig Wert. Theseus soll
[426]Griechenland.
von Ariadne ein kupfernes oder ehernes Bild der Aphrodite, wahr-
scheinlich ein phönizisches Idol, erhalten haben, welches er in Delos
dem Apollo weihte. Es ist dies die älteste Erzfigur, die von griechischen
Schriftstellern erwähnt wird.


Uralt und einheimisch war die Eisengewinnung in Arkadien und
Lakonien.


Sowohl das Bergland von Arkadien als der Taygetos führten
Eisenerze. Für das hohe Alter der Eisengewinnung und Verarbeitung
in Arkadien spricht eine sehr alte Tradition. Es ist dies die Erzählung,
wie durch glückliche Deutung eines dunkeln, delphischen Orakel-
spruches die Spartaner unter der Herrschaft der Könige Anaxandrides
und Ariston die Tegeaten besiegten, mit denen sie zuvor durch Jahr-
hunderte unglückliche Fehde geführt hatten 1). Der Spruch der Pythia
war folgender:


„Ihr werdet siegreich sein, wenn ihr euch die Gebeine

Orests, des Sohnes Agamemnons verschafft.“

Niemand konnte aber die Grabstätte des Orestes finden, deshalb
fragten sie wieder in Delphi an und die Antwort lautete diesmal:


„Wo die arkadische Tegea liegt auf räumigem Blachfeld,

Allda brausen der Winde zwei in gewaltigem Notbann;

Schlag und erwidernder Schlag ist da, und Übel auf Übel,

Allda birgt Agamemnons Sohn die Beleberin Erde.

Holst du ihn wieder, so wird dein Arm in Tegea stark sein.“

Die Auskunft war dunkel, und lange suchten die Lakedämonier
vergeblich nach dem verlorenen Grabe, bis einer der Edlen Lichas
durch Zufall auf die rechte Spur kam. Herodot 2) berichtet ausführlich
folgendermaſsen:


„Einer von ihnen war Lichas, welcher in Tegea den Fund that,
sowohl durch Glück als durch Verstand. Es hatte nämlich in dieser
Zeit Verkehr mit den Tegeaten statt; da kam er in eine Schmiede und
schaute zu, wie das Eisen getrieben (ausgereckt) wurde und ver-
wunderte sich dessen. Als nun der Schmied seine Verwunderung
bemerkt, hörte er von seiner Arbeit auf und redete ihn an: „Höre
Freund Lakonier, hättest du gesehen was ich, du würdest dich wohl
stark verwundert haben, wenn du dir hier schon ein solches Wunder
aus der Schmiedearbeit machst. Ich wollte nämlich da in dem Hof
einen Brunnen graben und stieſs unterm Graben auf einen Sarg von
[427]Griechenland.
sieben Ellen Länge. Und wegen des Unglaubens, den ich hatte, daſs
die Menschen keiner Zeit gröſser gewesen als die jetzigen, öffnete ich
denselben und sah den Todten, daſs er an Länge dem Sarge gleich
kam. So hab ich’s gemessen und dann zugeschüttet.


Der sagte also, was er gesehen hatte; der andere aber faſste zu
Sinn’ was er hörte und schloſs, das sei Orestes nach dem Götterspruch.
Und er schloſs es daraus, weil er bei dem Schmied zwei Bälge sah,
worin er die zwei brausenden Windströme erkannte, im Ambos und
Hammer aber den Schlag und den erwidernden Schlag und am Eisen, wie
es getrieben ward, das Übel auf Übel, insofern er erwog, wie das Eisen
zum Unglück der Menschen aufgefunden sei. Das war sein Schluſs
und nach Sparta zurückgekehrt, erzählte er den Lakedämoniern die
ganze Sache. …“


Nicht minder alt und einheimisch war die Eisengewinnung in
Lakonien. Dafür haben wir mancherlei Zeugnisse. Die Sitte der
Lakedämonier, eiserne Ringe zu tragen, war uralt. Bekannt ist ferner
die Maſsregel des Lykurg, der bereits im neunten Jahrhundert Eisen-
geld als gesetzliches Zahlungsmittel in Sparta einführte. Die Absicht
bei dieser Verordnung scheint darin bestanden zu haben, einen starken
Staatsschatz in Sparta zu schaffen, denn gleichzeitig mit der Einführung
des Eisengeldes wurde es den spartanischen Bürgern verboten, Gold
und Silber zu besitzen. Sie muſsten sich Eisengeld gegen ihr Gold
und Silber eintauschen, welches in dem Thesaurion deponiert wurde.
Auch sollte dies Verbot den Handel der spartanischen Bürgerschaft
beschränken, der nach der Absicht des Gesetzgebers sich auf den Um-
tausch ihrer überflüssigen Landesprodukte beschränken sollte, denn er
fürchtete, wohl nicht mit Unrecht, daſs ein ausgedehnter Handel nicht
nur die Bürgerschaft Spartas verweichlichen möchte, sondern auch rasch
das baare Geld aus dem armen Lande ziehen würde, welche Schwächung
es dem spartanischen Staate möglich machen konnte, seine maſsgebende
politische Rolle in Griechenland zu behaupten. Im Auslande wurde
das spartanische Eisengeld nicht genommen, und schon daraus darf
geschlossen werden, daſs es einen Zwangscours hatte, wenn derselbe
auch nicht viel über dem Marktwerte gewesen sein kann. Daſs Lykurg
darauf verfiel Eisengeld einzuführen, läſst mit Sicherheit vermuten,
daſs das Metall im eigenen Lande gewonnen wurde. Sowohl das ältere
Stabgeld, als die späteren geprägten Eisenmünzen, wurden rotglühend
in Essig getaucht, angeblich, um es dadurch zu sonstigem Gebrauche
untauglich zu machen. Doch kann diese Absicht hierdurch allein nicht
erreicht worden sein, da Eisen rotglühend in Essig getaucht sich nicht
[428]Griechenland.
anders verändert, als daſs es sich mit einer schwachen Haut eines
Oxyds überzieht. Der Zweck der Maſsregel lag wohl mehr darin, das
Eisen kenntlich zu machen und auch vielleicht es eben durch diese
Haut vor allzu rascher Verrostung zu schützen. Ursprünglich gab man
dem Eisengelde die Form von Stäben (ὀβελοί), später, als der argi-
vische König Pheidon in der achten Olympiade (748 bis 744 v. Chr.)
geprägtes Silbergeld einführte, schlug man auch aus dem Eisen rohe
Münzen, die glühend ausgeprägt wurden. Die Hauptmünze hieſs von
ihrer Gestalt und vielleicht auch von ihrer Gröſse πέλανος, „Opfer-
kuchen 1)“, sie galt 4 Chalkos = ½ Obolos = 1/12 Drachme, offenbar
nach äginetischem Fuſs, und wog eine äginetische Mine, da nun eine
Silbermine 1200 halbe Obolen wert war, so muſs der Preis des Silbers
zu dem Preise des Eisens wenigstens wie 1200:1 gestanden haben,
eine erstaunliche Wohlfeilheit des letzteren, die sich nur aus der groſsen
Menge des in Peloponnes vorhandenen Eisens und dem hohen Preise
des Silbers in damaliger Zeit erklärt.


Xenophon erzählt, daſs sich in Sparta ein besonderer Markt für
Eisenwaren befand, der stets auf das Beste versehen war. Man kaufte
dort lakonischen Stahl, lakonische Schlösser, Schwerter, Helme, Äxte
und andere Gerätschaften.


Der lakonische Stahl stand zwar dem chalybischen nach, doch war
er der beste und geschätzteste Griechenlands.


Wenn durch das Vorhergehende erwiesen ist, daſs die einheimische
Eisenindustrie Griechenlands von hohem Alter ist, so alt wie die
ältesten historischen Traditionen, so bezogen trotzdem die griechischen
Städte schon in allerfrühester Zeit auch Eisen aus dem Auslande. Es
war dies teils besonderes Qualitätseisen, wie das chalybische, teils fertige
Waren, wie besonders die milesischen. Es läſst sich annehmen, daſs
die Handelsverbindung Griechenlands mit den erzreichen Gestaden im
Südosten des Schwarzen Meeres so alt ist wie die Argonautensage,
d. h. daſs sie seit dem Zuge der Argonauten immer fortbestanden
hat. Der vorzügliche Stahl der Chalyber hat ja den Griechen den
unterscheidenden Namen für Stahl gegeben, und wenn das Wort χάλυψ
auch bei Homer und Hesiod noch nicht vorkommt, sondern erst bei
späteren Schriftstellern erscheint, so verbürgt doch die bloſse That-
sache, daſs der Name eines Volkes zur Bezeichnung eines Metalles
werden konnte, die Intensität und das Alter des Bezuges.


Die kleinasiatischen Städte vermittelten vielfach diesen Handel,
[429]Griechenland.
besonders Milet, welches im 7. Jahrhundert v. Chr. den Handel der
Seeküste des Pontus Euxinus beherrschte. In Milet scheinen Fabriken für
Schmiedewaren gewesen zu sein, wenigstens verhandelten sie den chaly-
bischen Stahl meist in verarbeitetem Zustande, als Werkzeuge u. s. w.


Zu voller Selbständigkeit, zu Blüte und Reichtum gelangten die
griechischen Städte im 7. Jahrhundert v. Chr. und mit diesem Auf-
schwunge endete auch die Abhängigkeit vom Auslande. Von dieser
Zeit an datiert die griechische Kunst auf allen Gebieten, nicht zum
geringsten auf dem Gebiete der Metallurgie und der metallurgischen
Kunstgewerbe. Doch machte sich der Einfluſs des Auslandes noch
überall bemerkbar.


Die Zeit zwischen dem trojanischen Kriege und der Rückkehr der
Herakliden bis zu den Perserkriegen ist durch wenige groſse Ereignisse
ausgezeichnet, dagegen vollzog sich gerade in dieser Periode die innere
Entwickelung der stammverwandten Völker zu einer griechischen
Nation. Dieser innere Umbildungs- und Reifungsprozeſs vollzog sich
aber nicht nur in der Politik, sondern auch in Kunst und Technik.
Im 8. bis 6. Jahrhundert gewann Griechenland seine Selbständig-
keit politisch, wie künstlerisch. Die Steigerung der Macht von
Sparta im Peloponnes und von Athen im mittleren Griechenland gehen
Hand in Hand mit den groſsartigen, politischen und staatsmännischen
Schöpfungen eines Lykurg und eines Solon. Wie Sparta und Athen
sich zu festgegliedertem Gemeinwesen zusammenschlossen, so geschah
dasſelbe in den wohlhabenderen Gebieten des Festlandes von Hellas,
wie auf den Inseln. Einerseits wurde die ältere, zurückgebliebene
Urbevölkerung vollständig unterdrückt, andererseits das fremdartige
Element der semitischen Kolonisten der Phönizier, Lydier, Karier u. s. w.
verdrängt oder wenigstens der Herrschaft und des Grundbesitzes be-
raubt. Die Hellenen machten sich zu Herren im eigenen Hause. Ihr
Wohlstand wuchs erstaunlich. Wo nicht eine republikanische Staats-
form durch Gesetz eingeführt war, entwickelte sich eine reiche Tyrannis.
War, wie früher bereits erwähnt, die homerische Dichtung ein Band
der Einigung, eine ideale Nahrung für Vaterlandsliebe, Sittlichkeit und
Kunstsinn, so wirkten in ähnlicher Weise Delphi und Olympia. Ersteres
mehr für den religiösen Sinn, letzteres mehr für den Schönheitssinn
und körperliche Entwickelung. Beide haben einen mächtigen Einfluſs
auf die Entfaltung der Kunst, der Kunsttechnik und damit der Industrie
ausgeübt; Delphi insbesondere.


Orakel und der Glaube an die direkte Kommunikation der Gott-
heit mit den Menschen durch den Mund eines geweiheten Wesens waren
[430]Griechenland.
ja durchaus nicht auf Griechenland beschränkt. Bei den Semiten, wie
besonders bei den Ägyptern finden wir dasſelbe. Keine Orakel haben
aber solches Ansehen, solche Bedeutung über die Grenze des eigenen
Landes und des eigenen Religionsgebietes hinaus gewonnen, als wie
die griechischen, insbesondere das Orakel zu Delphi. Zu Dodona
bestand ein älteres Heiligtum dieser Art. Dort wurde aus dem
Rauschen der alten Eichen, später aus dem Tone aus aufgehängten,
ehernen Becken geweissagt. Dieses Orakel, obgleich von den Griechen
stets mit Ehrfurcht erwähnt, vermochte lange nicht den Zauber auf
das Ausland zu üben, als die Spruchorakel der Pythia. So hat auch
Dodona kaum einen Einfluſs auf die Kunst ausgeübt, denn die Weih-
geschenke, die in Dodona dargebracht wurden, bestanden aus Gaben,
die den Händen der Natur entnommen waren, aus Blumenspenden,
Kränzen, höchstens einem Haustiere. Der Ruhm Delphis dagegen ging
früh über die Grenzen Griechenlands hinaus und da es Sitte war, daſs
die Priester von Delphi Geschenke nahmen, so strömten in Delphi die
reichsten Opfergaben zusammen. Das politische Ansehen des delphi-
schen Heiligtumes trug hierzu ebenfalls bei, denn Delphi war der
Ausgangs- und Vereinigungspunkt des Amphiktyonenbundes, aus dem
sich der griechische Staatenbund entwickelte.


Die Gaben, die in Delphi geopfert wurden, nahmen schon früh
eine künstlerische Form an. Waren es anfangs, ähnlich wie in den
wunderkräftigen katholischen Wallfahrtsstätten, vielleicht nur Glieder
des Körpers, die man erst in Wachs oder Thon, später in edlen
Metallen stiftete, so wurde es später Sitte, ganze Figuren, kunstvolle
Geräte u. s. w. zu weihen. Hierdurch wurde das Heiligtum in Delphi
nicht nur ein nationaler Schatz für Griechenland, sondern auch ein
Nationalmuseum, welches auf die Entwickelung der Kunst einen her-
vorragenden Einfluſs ausübte. Der Umstand, daſs vom Auslande reiche
Geschenke, herrliche Kunstwerke nach Delphi kamen, trug viel zur
Entwickelung und Erziehung des Kunstgeschmackes bei. Der Zu-
sammenhang der Entwickelung der griechischen Kunst mit den Weih-
geschenken in Delphi läſst sich vielfach nachweisen. Von ganz beson-
derer Wichtigkeit in dieser Beziehung waren die Geschenke der reichen
Fürsten von Lydien. Herodot berichtet, daſs vor den goldenen Weih-
geschenken des Königs Gyges das delphische Heiligtum keine Weih-
geschenke aus Gold und Silber, sondern nur aus Erz und geringerem
Metalle besessen hätte.


Midas II. von Phrygien hatte bereits um 700 seinen kunstvoll
gearbeiteten Thronsessel dem delphischen Heiligtume als Weihgeschenk
[431]Griechenland.
dargebracht. Gyges der Mermenade war 689 v. Chr. durch einen
delphischen Orakelspruch als König von Lydien bestätigt worden. Zum
Danke sandte er reiche Gaben von Gold und Silber nach Delphi
(circa 1½ Zentner), darunter 6 goldene Mischgefäſse, 30 Talente schwer 1).
Das wichtigste Weihgeschenk des lydischen Fürstengeschlechtes für uns
ist aber der berühmte silberne Mischkrug des Allyates (um 600 v. Chr.),
welcher auf einem Untergestelle von gelötetem Eisen stand, das
„sehenswert war vor allen anderen delphischen Weihgeschenken, ein
Werk des Glaukos aus Chios, welcher allein unter allen Menschen die
Lötung des Eisens erfunden hat.“


. . . . κρητῆρά τε ἀργύρεον μέγαν καὶ ὑποκρητηρίδιον σιδήρεον
κολλητόν, ϑέης ἄξιον διὰ πάντων τῶν ἐν Δελφοῖσι ἀναϑημάτων, Γλαύ-
κου τοῦ Χίου ποίημα ὃς μοῦνος δὴ πάντων ἀνϑρώπων σιδήρου
κόλλησιν
ἐξεῦρε 2).


Hierzu giebt uns Pausanias in seiner Beschreibung des delphischen
Heiligtums (Phokika) eine Parallelstelle, welche folgendermaſsen
lautet 3):


1) Von den Weihgeschenken, welche die Könige der Lydier ge-
stiftet hatten, war nichts mehr vorhanden (zur Zeit seines Besuches),
als allein der eiserne Untersatz zum Krater des Allyates. Jeder ein-
zelne, getriebene Teil des Untersatzes ist mit dem anderen nicht durch
Spangen, noch durch Stifte verbunden, sondern einzig die Lötung hält
sie zusammen, und sie dient dem Eisen als Bindemittel.


2) Die Gestalt des Untersatzes ist ungefähr die eines Thurmes, der
von einer breiten Grundfläche nach oben in eine abgestumpfte Spitze
ausläuft. Die einzelnen Seiten des Untersatzes sind nicht undurch-
brochen geschlossen, vielmehr sind die eisernen Querbänder, wie die
Stufen einer Leiter, die aufwärts stehenden Stäbe sind nach dem
Gipfel hin auswärts gebogen und hierauf ruht der Krater.


Was hier unter der κόλλησις σιδῄρου gemeint ist, bleibt eine
schwierige Frage. Das Wort κόλλησις von κολλάω heiſst „die Zu-
sammenleimung“. Man könnte bei diesem Ausdruck zunächst an
Schweiſsung denken, doch ist diese hier schwerlich gemeint. Nach
einer anderen Meinung soll unter κόλλησις an dieser Stelle „eingelegte
Arbeit“, „Tauschierung“, gemeint sein. Diese Ansicht hat dadurch
einen Schein von Berechtigung, weil die tauschierten Arbeiten im Orient
seit alter Zeit hochgeschätzt sind und es schwer zu begreifen ist, wie
ein, durch Schweiſsung oder Lötung hergestelltes Stück so sehr die
[432]Griechenland.
Bewunderung der Besucher des delphischen Heiligtums erwecken konnte,
da doch nur das geübte Auge eines Sachkundigen den Unterschied
zwischen Lötung, Schweiſsung und Vernietung, wenn letztere sorgfältig
gemacht und die Köpfe der Nieten versenkt oder abgefeilt sind, er-
kennen kann. Wir würden daher der Ansicht, daſs hier Tauschierung
gemeint sei, beistimmen können, wenn wir nur die einzige Stelle des
Herodot hätten. Da wir aber daneben die Stelle des Pausanias haben,
der eine anschauliche Beschreibung vom Aufbau des Untersatzes giebt
und dieser nichts von eingelegter Arbeit, auch kein anderes Metall als
Eisen erwähnt, während die Tauschierung doch mit Gold, Silber,
Kupfer oder Zinn hätte ausgeführt sein müssen — vielmehr hebt er
gerade die Art der Verbindung der Eisenteile als charakteristisch her-
vor, nämlich, daſs sie nicht durch Spangen, noch durch Stifte, sondern
nur durch Lötung hervorgebracht wäre — so kann von eingelegter Arbeit
an dieser Stelle nicht die Rede sein. An Schweiſsung dürfen wir eben-
sowenig denken, da die Kenntnis der Schweiſsbarkeit des Eisens viel
älter ist und sich nicht auf eine Erfindung im siebenten Jahrhundert
zurückführen läſst. So lange, als man eiserne Waffen herzustellen ver-
stand, so lange kannte man auch die Schweiſsung des Eisens. Wir
müssen also der allgemeinen und ältesten Ansicht beipflichten, welche
κόλλησις σιδήρου an dieser Stelle mit Lötung des Eisens übersetzt.
Auch hegen wir kein Bedenken, daſs diese Kunst wirklich erst von
Glaukos aus Chios im siebenten Jahrhundert v. Chr. erfunden wurde.
Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich, daſs die Lötung von Kupfer und
Bronze, wozu man ein viel leichtschmelzigeres Lot verwenden kann, älter
ist und daſs diese den Glaukos zu der Lötung des Eisens geführt habe.
Die Ausgrabungen Schliemanns bestätigen es übrigens, daſs in älterer Zeit
die Verbindung der Metalle nur durch Vernietung mittels Stiften ge-
schah, wie wir uns auch an dem berühmten Schild des Achilles alle die
verschiedenen Bilder und Metalle aufgenietet denken müssen. Keiner
der alten Schriftsteller zieht die so bestimmt ausgesprochene Angabe
des Herodot über die Erfindung des Glaukos in Zweifel und bei allem
Miſstrauen gegen derartige Überlieferungen haben wir in diesem Falle
keinen Grund hierfür. Die Erfindung der Lötung des Eisens durch
Glaukos von Chios (um 600 v. Chr.) dürfen wir demnach als einen
wirklichen technischen Fortschritt der Griechen auf dem Gebiete der
Eisenindustrie acceptieren. Diese Zeit kann überhaupt als die Zeit
der gröſsten technischen Fortschritte auf dem Gebiete der metallurgi-
schen Technik in Griechenland bezeichnet werden. Namentlich ent-
wickelte sich im siebenten und sechsten Jahrhundert der Erzguſs da-
[433]Griechenland.
selbst zu einer solchen Höhe, daſs die Schüler ihre Lehrer überflügelten.
Die Griechen haben im Erzguſs in technischer und künstlerischer Be-
ziehung gröſseres geleistet, als die Phönizier. Auch diese Fortschritte
knüpfen sich zum Teil an dieselben Namen, zum Teil an Glieder der-
selben Familie, an Glaukos von Chios, an Rhökos und Theodoros von
Samos.


Die Kunst, das Erz zu schmieden und zu treiben, hatten die
Griechen von den Phöniziern, besonders auf Lemnos, Kreta und Rhodos
erlernt. Man begann dort schon sehr früh Bildwerke aus Erz und
Gold darzustellen, die nicht gegossen, sondern getrieben waren. Die-
selben bestanden aus einer groſsen Anzahl Stücke, die mit Nägeln von
Gold oder Erz zusammengefügt oder zusammengenietet waren. Das
erste groſse, griechische Bildwerk dieser Art 1), von dem wir Nachricht
haben, war die goldene Statue des Zeus, die Kypselos im Heratempel
zu Olympia aufstellen lieſs um 650 v. Chr. Es war getriebene Arbeit.
Die Dimensionen gingen weit über menschliche Gröſse hinaus 2). Gleich-
falls sehr alt, möglicherweise noch älter war das getriebene Erzbild des
Zeus Hypator, das auf der Burg zu Sparta neben dem Tempel der Athene
stand. Es war ein Werk des Klearch von Rhegium. Um 630 v. Chr.
weihte Koläos von Samos dem Tempel der Hera ein gewaltiges, mit
Greifenköpfen verziertes Becken von Erz, das von acht knieenden Erz-
figuren getragen wurde und gegen 11 Fuſs hoch war.


Um diese Zeit erfand, wie oben erwähnt, Glaukos von Chios statt
des Zusammennietens der getriebenen Stücke die Lötung des Erzes,
wie auch des Eisens (σιδήρου κόλλησις 3)).


Demselben Künstler wurde später auch die Härtung des Eisens
als Erfindung zugeschrieben 4), doch war diese, wie wir gesehen haben,
schon dem Homer bekannt. Aus der Nachricht läſst sich jedoch
schlieſsen, wie dies auch durch die Beschreibung des Untersatzes des
groſsen Beckens des Alyattes bestätigt wird, daſs Glaukos nicht nur
in Erz, sondern auch in Eisen zu treiben verstand. Etwas später
um 600 v. Chr. soll Rhökos, des Phileas Sohn, das Formen und Gieſsen
von Kunstwerken in Erz erfunden haben. Das Gieſsen des Erzes an
und für sich war indes bei den Phöniziern schon viel früher bekannt.
Es kann also hier nur von irgend einem Fortschritte im Kunstguſs die
Rede sein.


Beck, Geschichte des Eisens. 28
[434]Griechenland.

Rhökos wird wohl nur das Verdienst gebühren, die alte sidonische
Kunst in Griechenland eingeführt zu haben. Durch die Anwendung
des Gusses wurden die vielen störenden Nieten und Verbindungen der
Teilstücke überflüssig. Demungeachtet pflegte man auch später noch
vielfach die gröſseren Bildwerke in Teilen herzustellen, die durch
schwalbenschwanzförmige Hefte verbunden waren 1). Die Verbindung
aus verschiedenen Metallen blieb dabei vielfach beliebt. Ein Beispiel
derart bildet ein weibliches Brustbild im herkulanischen Museum mit
angelöteten Locken. Die Lötung geschah mit Blei und Zinn.


Ein gröſserer Künstler noch als Rhökos scheint sein Sohn Theo-
doros von Samos gewesen zu sein. Ihm werden mancherlei Erfindungen
zugeschrieben, so z. B. die des Drehstahles (der Drehbank?), der Thür-
schlösser, des Winkelmaſses und der Wasserwage. Es ist aber unwahr-
scheinlich, daſs ihm der Ruhm dieser Erfindungen gebührt, denn, wie
z. B. das Winkelmaſs schon den alten Ägyptern bekannt war und beim
Baue des salomonischen Tempels wiederholt erwähnt wird, so schreibt
man die Erfindung des Schlosses sonst den Lacedämoniern zu. Eine
andere angebliche Erfindung des Theodoros, die hier von gröſserem
Interesse ist, war die der eisernen Statuen. Durchaus unwahrscheinlich
ist es, daſs diese Statuen, wie häufig angenommen wird, gegossen
waren, obgleich freilich die Stelle des Pausanias (III, 12) ὅς πρῶτος
διαχέαι σίδηρον εὗρε καὶ ἀγάλματα ἀπ̕ αὐτοῦ πλάσαι“, leicht
so gedeutet werden kann. Wir wissen aber nicht anders, als daſs die
Alten mit dem Guſseisen unbekannt waren und schwerlich hätte eine
solche Entdeckung des Theodoros später wieder spurlos verschwinden
können. Es ist anzunehmen, daſs Theodoros, wie schon sein Vater
Rhökos und wie andere Künstler nach ihm Bildwerke aus Eisen trieben.
Gewiſs ist, daſs er einer der gröſsten Künstler in der Verarbeitung der
Metalle gewesen ist. Er stellte sich selber in einem höchst kunstvollen
Erzbilde dar, wie er in der rechten Hand eine Feile hält, während er
auf der linken ein kleines Viergespann von groſser Feinheit und Zier-
lichkeit trägt.


Die griechischen Erzkünstler übertrafen bereits früh die klein-
asiatischen. Schon 615 v. Chr. lieſs der König Alyattes von Lydien
den kunstvollen eisernen Untersatz zu dem silbernen Mischgefäſse, das
er nach Delphi schenkte, durch Glaukos von Chios verfertigen, ebenso
gossen Diponeus und Skylles von Kreta zwischen 600 und 560 eine
eherne Statue für Krösus, die nachher übergoldet wurde. Auf dem
[435]Griechenland.
Festlande blühte die künstlerische Metallverarbeitung besonders zu
Korinth. Berühmt waren die Korinther wegen der Mischung ihrer
Bronze, der sie mannigfaltige Farbennüancen, wahrscheinlich durch
Zusatz von Zinkoxyd (Cadmia) zu geben wuſsten. Das Modellieren der
Kunstgegenstände geschah wie auch heute zum Teil durch Bossieren
des Modelles auf einem getrockneten Lehmkerne in Wachs, worüber
dann die äuſsere Form mit zartem Thone aufgestrichen wurde. In
dieser blieben auch die Einguſsöffnungen ausgespart. Das Wachs
wurde, nachdem die äuſsere Form vollständig trocken war, bei gelinder
Wärme ausgeschmolzen.


Sowohl in der Dünnheit, wie in der Reinheit des Gusses leisteten
die griechischen Erzgieſser das Höchste. Das Vergolden der Erz-
statuen geschah bei den Alten auf zweierlei Art: entweder, indem sie
dünn ausgeschlagene Goldblättchen auf der einen Seite mit Quecksilber
bestrichen und so auftrugen, oder, indem sie ein Goldamalgam von
salbenförmiger Konsistenz aufstrichen und bis zur Verflüchtigung des
Quecksilbers das Bildwerk erhitzten.


Die erstere Art war die gebräuchlichere und da die Blättchen
hierbei nicht zu dünn sein durften, so war die Vergoldung der Alten
meist dicker, als die unserige.


Theodoros von Samos war nicht der einzige, der Statuen aus Eisen
machte. Pausanias erwähnt noch einen Schlangenkampf des Tisagoras
aus Eisen. Pausanias schreibt 1):


„Es befindet sich daselbst (in Delphi) auch von den Arbeiten des
Herakles diejenige gegen die Hydra, ein Weihgeschenk und ein Werk
des Tisagoras, von Eisen die Hydra und der Herakles. Die Bearbeitung
des Eisens zu Bildsäulen ist die schwierigste und erfordert die meiste
Mühe. Bewunderung verdient die Arbeit des Tisagoras — wer immer
dieser Tisagoras sein mag —, ganz vorzügliche Bewunderung aber in
Pergamos die Köpfe eines Löwen und eines wilden Schweines, ebenfalls
von Eisen.“


Berühmt war ferner Alcons eiserner Herkules. Das letztere Bild-
werk beschreibt Plinius mit folgenden Worten 2): Est in eadem urbe et
ferreus Hercules, quem fecit Alcon, laborum dei patientia inductus.
Also eine eiserne Statue des Herkules, die Alcon machte, gereizt
durch die Geduld, mit welcher dieser Gott seine Arbeiten
verrichtet hatte
. Dies kann sich nur auf die mühselige Arbeit
des Treibens und des Zusammensetzens der Teile aus Eisen beziehen,
28*
[436]Griechenland.
da das Gieſsen des Eisens für einen Künstler, dem die Schmelz-
vorrichtungen zu Gebote stehen, und der den Eisenguſs kennt, kaum
beschwerlicher ist, als das Vergieſsen des Erzes. Es scheint hieraus
unzweifelhaft hervorzugehen, daſs Plinius keine andere Kenntnis und
Vorstellung von der Verarbeitung des Eisens hatte, als daſs es ge-
triebene Arbeit sei. Demselben Gedanken giebt auch Pausanias Worte,
wenn er bei der Erwähnung des eisernen Kunstwerkes des Tisagoras
hinzufügt: „Bildnisse aus Eisen zu verfertigen ist aber gewiſs die
schwerste und mühevollste Arbeit 1)“. Strabo erwähnt ausdrücklich,
daſs die Kunst des Cälierens des Eisens in Kleinasien in hoher Blüte
stand, während er von dem Eisengusse nichts weiſs 2). Plinius be-
schreibt ferner eine Statue des Künstlers Aristonides auf Rhodos mit
folgenden Worten: „Aes ferrumque miscuit ut robigine ejus per nitorem
aeris reluctante exprimeretur verecundiae rubor.“ Diese Statue stellte
den Athamas dar, der Reue und Scham empfindet wegen seiner Frevel-
that. Hier kann gewiſs nicht an ein Mischen von Erz und Eisen im
Schmelzofen gedacht werden, denn Eisen ist durchaus kein vorteilhafter
Zusatz zu einem Erze, das vergossen werden soll. Es macht dieses
schwer schmelzbar, spröde und unschön. Die Absicht des Künstlers
würde dadurch nicht erreicht worden sein, man müſste denn annehmen,
seine Absicht sei gewesen, die unschöne That des Athanas durch eine
unschöne Metallkomposition darzustellen, was durchaus unkünstlerisch
wäre. Hier ist vielmehr von einem Kontraste die Rede, von dem Kon-
traste, in den das angerostete Eisen zu dem Glanze des Erzes tritt.
Der Rost des Eisens sollte die Schamröte ausdrücken, also war der
Rost doch auch nur an den Teilen anzubringen, wo die Schamröte sich
äuſsert, wahrscheinlich bloſs im Gesichte. Es war also eine aus ver-
schiedenen Metallen zusammengesetzte Statue, wie sie bei den Alten
beliebt war, das Gesicht und vielleicht auch die übrigen unbedeckten
Fleischteile waren aus Eisen getrieben und das übrige bestand aus
Erz. Die Röte der Scham war vielleicht noch wirkungsvoller aus-
gedrückt, indem der Künstler dadurch, daſs er das Eisen mit Essig
ätzte und schwach glühte, dieses mit einer Haut von rotem Eisenoxyd
zu bedecken verstand, ein Verfahren, das die Alten mit Vorliebe an-
wandten. Es ist also in allen diesen Fällen nicht, wie dies in archäo-
logischen Handbüchern manchmal noch angegeben wird, von gegossenen
Statuen die Rede und liefern daher diese Stellen durchaus keinen
Beweis, daſs die Alten schon das Guſseisen kannten. Altertumsforscher
[437]Griechenland.
fragen bei eisernen Geräten nur selten näher nach der Verschiedenheit
des Materials. Wenn deshalb Graf Caylus ein kleines etrurisches Bild-
werk aus Eisen, das er gelegentlich einmal sah, ohne weiteres eine
guſseiserne Statuette nennt, so beweist dies nichts, um so weniger,
da das einzige antike Bildwerk ganz aus Eisen, ein Kopf, den man in
der Nähe des St. Bernhard Hospizes auffand, getriebene Arbeit ist.


Die Zunahme des Wohlstandes, die Verteilung des Vermögens,
die Ansammlung von Reichtum in Geschlechtern und Familien übte
einen bedeutenden Einfluſs auf die speziellen Verhältnisse Griechen-
lands aus. Die patriarchalischen Zustände, wie sie Homer schildert,
verschwanden, es trat eine schärfere Scheidung zwischen arm und
reich, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Es entstand eine
selbständige Industrie und die Arbeiter waren vielfach Sklaven.
Kapitalisten leiteten Erwerbszweige als Unternehmer, mieteten und
kauften Sklaven. War die Behandlung der letzteren auch nicht so
hart und rücksichtslos wie im Orient, so war sie doch schlimm genug.
Das deutlichste Bild von dem sozialen Verhältnisse der gekauften Ar-
beiter erhalten wir aus den Berichten über den Bergbau, speziell über
den laurischen Silberbergbau in Attika, von welchem wir die genauesten
Überlieferungen haben, und wenn auch die Geschichte des griechischen
Bergwesens nicht unmittelbar zu unserer Untersuchung gehört, so liegt
uns die Erzgewinnung doch zu nahe, als daſs wir sie auſser Acht lassen
dürften. Waren früher die Griechen nur Schüler der Phönizier, so
wurden sie später ihre gefährlichsten Konkurrenten. Die gröſste Ent-
wickelung der metallurgischen Technik in Griechenland fällt, wie er-
wähnt, in das 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. Nicht nur in der Koloni-
sation wurden die Griechen aus Nacheiferern Rivalen der Phönizier,
sondern auch im Bergbau und in der Verarbeitung des Erzes. Seit
dem siebenten Jahrhundert that die griechische Schiffahrt der phöni-
zischen vielen Abbruch. Milet gründete wichtige Kolonieen am Pontus,
wie Albia und Panticapäum, von wo aus er einen erfolgreichen Kara-
wanenhandel bis nach dem Herzen Asiens organisierte und einträglichen
Sklavenhandel betrieb. Die euböischen Städte, an ihrer Spitze Chalkis,
gründeten Unternehmungen in Süditalien und zwar in Sybaris, Kroton
und Tarent. Die Phokäer drangen noch weiter, kolonisierten Korsika,
wo sie 565 v. Chr. die Stadt Alalia erbauten, und gründeten Massalia
an der gallischen Küste. Die Phönizier traten der Kolonisation der
Griechen nicht gewaltsam entgegen, sondern waren nur besorgt, ihre
eigenen Handelsbeziehungen zu erhalten.


Die Bergbauanlagen der Phönizier auf den griechischen Inseln
[438]Griechenland.
gingen mit dem Erblühen der Selbständigkeit der Griechen nach und
nach in deren Hände über und auch hier schickten sich die phönizi-
schen Kaufleute umsomehr in den Zwang der Verhältnisse, als sie von
ihrem Vaterlande in jener Periode nur geringen Beistand erwarten
konnten. Die Griechen führten den Betrieb der Bergwerke ganz in der
Weise der Phönizier fort und haben in technischer Beziehung nur
wenig Verbesserungen eingeführt. Dagegen befleiſsigten sie sich eines
geordneteren Grubenhaushaltes, während die phönizischen Unternehmer
vielfach Raubbau getrieben hatten. Am vorzüglichsten wurden in
dieser Beziehung die laurischen Silberbergwerke in Attika verwaltet.
Die Geschichte dieser Gruben, die dem athenischen Staate als Eigentum
gehörten, ist eng verflochten mit der politischen Geschichte Athens 1).
Obgleich von hohem Alter und nicht unwahrscheinlich anfangs von
Phöniziern erschürft, wurden die laurischen Silberbergwerke doch erst
seit Themistokles Zeit von hervorragender Bedeutung. Der Grubenbau,
der nach Xenophons Angaben seit undenklicher Zeit im Umgange war,
wurde fast ausschlieſslich auf Gängen silberhaltigen Bleiglanzes geführt,
während das reichlich mit vorkommende Eisenerz gar nicht oder nur
ganz wenig ausgenutzt wurde. Die Formation ist talkiger Glimmer-
und Thonschiefer, bedeckt von schieferigem und krystallinischem
Kalke. Beide Gesteinsarten führen auf Lagern und kontemporären
Gangspalten, sowie in Nestern und Putzen Brauneisenstein, Eisenspat,
mit etwas Roteisenstein und silberhaltigem Bleiglanz, welcher teils die
Eisenerzlager an ihren Grenzen begleitet, teils auf untergeordneten
Klüften dieselben durchsetzt oder in Nestern für sich ausgeschieden ist.
Nur auf das silberhaltige Erz war der Bergbau der Alten gerichtet.
Die Eisenerze dagegen lieſsen sie teils anstehen, teils verstürzten sie
dieselben in die Halden und wenn sie solche überhaupt je zur Eisen-
gewinnung benutzt haben, so geschah dies doch sicherlich nicht an
Ort und Stelle, wo der Mangel an Brennmaterial dem Verschmelzen
im Wege stand. Der laurische Grubenbesitz war Staatseigentum und
wurde in Loosen in Erbpacht gegeben. Die Einkünfte, welche hieraus
dem Staate zuflossen, wurden bis zur Zeit der Perserkriege unter die
freien Bürger der Stadt verteilt. Gegen diesen Gebrauch trat zuerst
Themistokles auf, der es denn auch durchsetzte, daſs die Einkünfte
aus den Bergwerken in die Staatskasse flossen und zu Staatszwecken
verwendet wurden. Die Staatseinnahme aus den laurischen Bergwerken
belief sich zu Themistokles Zeit schon auf 138000 Mark, was einer
[439]Griechenland.
Gesamtausbeute von circa 3300000 Mark entsprechen würde. Aus
diesen Einnahmen bestritt Themistokles vornehmlich die Kosten der
athenischen Kriegsflotte. Ein groſser. Teil der Kosten des Perser-
krieges wurde aus den Einkünften der blühenden laurischen Bergwerke
gedeckt. Die höchste Ausbeute warfen dieselben indessen unter
Perikles ab, während sie im peloponnesischen Kriege sehr zurückgingen.
Zur Zeit Philipps von Macedonien brachten sie nur noch wenig ein
und mit den Bergwerken war auch die athenische Bürgerschaft verarmt.
Zu Strabos Zeit, im ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung, war der
Bergbau zu Laurion ganz erlegen und es wurden nur die alten
Schlacken dort nochmals verhüttet.


Die Organisation der Grubenverwaltung war fast ebenso wie sie
sich später in Deutschland entwickelt hat. Das laurische Gebiet war
in Grubenfelder geteilt, die ausgemutet wurden. Der Kaufpreis oder
eigentlich die Kosten der Mutung für ein Feld betrugen ein Talent,
während die laufende Abgabe an den Staat zu 1/24 der Ausbeute be-
ziffert war. Der Staat unterstützte die Aufnahme neuer Gruben soviel
wie möglich.


Auch in den athenischen Bergwerken wurde, wie überall im Alter-
tume, die Arbeit von Sklaven betrieben, deren Loos indes nicht ganz
so hart war, wie das der phönizischen und ägyptischen Bergwerks-
sklaven. Immerhin gehörte auch in Athen die Bergwerksarbeit zu der
niedrigsten Art von Sklavenarbeit. Die Unternehmer besaſsen die
Sklaven teils als Eigentum, teils mieteten sie solche von Sklaven-
verleihern, einer Klasse von Leuten, die in Athen zahlreich war. Athe-
nische Bürger betrieben dieses Mietgeschäft gewerbsmäſsig und so
flossen auch auf diesem Wege der athenischen Bürgerschaft aus den
Gruben bedeutende Einkünfte zu. Hieraus wird es verständlich, wie
Demagogen, die in Athen nach der Volksgunst strebten, dies dadurch
zu erreichen suchten, daſs sie Bergwerksfelder muteten und neue
Gruben eröffneten. Für einen gemieteten Sklaven wurde an den Be-
sitzer für den Tag ein Obolus bezahlt, also monatlich drei Mark. Da
nun ein Bergwerkssklave nur 72 bis 108 Mark galt, so war er, wenn
er nur drei Jahre lang arbeitsfähig blieb, amortisiert und meist auch
schon verzinst. Kost und Kleidung hatte der Pächter zu stellen, auch
war dieser für die Flucht des Sklaven haftbar. Die Sklavenwirtschaft
war aber so vollständig organisiert, daſs es sogar Sklavenversicherungs-
anstalten gab, die ein gewisser Antimes aus Rhodos aufgebracht
hatte. In dem Bergwerksreviere von Laurion waren nicht weniger als
60000 Sklaven eingestellt, eine Bande, die leicht gefährlich werden
[440]Griechenland.
konnte, wie sie denn auch einmal aufstanden, sich des Vorgebirges
Sunion bemächtigten und Athen längere Zeit in Schrecken hielten.
Die Sklaven der einzelnen Gruben waren in Rotten eingeteilt, über die
besser unterrichtete Sklaven als Aufseher gesetzt wurden. Auſserdem
war von dem Staate ein Kontrolbeamter ernannt, der die Pächter in
ihr Feld einweisen und die Feldesvermessung (Διάφραγμα) vornehmen
muſste. Ferner kontrolierte er die Ausbeute und übte auch in manchen
Punkten eine technische Aufsicht. So war es z. B. Vorschrift, in den
Gruben Bergfesten zur Sicherung stehen zu lassen. Ein reicher athe-
nischer Bürger, Diphilos, der trotzdem die erzreichen Pfeiler nachholen
lieſs, wurde deshalb von dem athenischen Volke zum Tode verurteilt.


Man hatte bei den laurischen Bergwerken Schächte und Stollen,
die nicht unbeträchtliche Teufe brachten. Die Wetterführung dagegen
war sehr schlecht, wie Xenophon klagt.


Ausnahmsweise scheint es auch vorgekommen zu sein, daſs athe-
nische Bürger von den Tyrannen gezwungen wurden, in den Gruben
zu arbeiten 1).


Nicht allein die Bergwerksarbeit war Sklavenarbeit, sondern auch
die übrigen Gewerbe, die nicht gerade Kunstgewerbe waren, wurden
gering geachtet; besonders war dies bei den Stämmen der Fall, die als
Eroberer eingedrungen waren und die Eingeborenen unterjocht hatten,
wie z. B. bei den Dorern im Peloponnes. In Lacedämon galt das Hand-
werk für beschimpfend, kein Spartiate durfte bis zur Einführung der
achäischen Verfassung einem Gewerbe obliegen 2). Diese Auffassung
scheint bei den alten Hellenen ziemlich allgemein gewesen zu sein,
doch milderte sie sich in den gewerbreichen Städten wie in Athen und
besonders in Korinth sehr. Ebenso trat bei den Inselgriechen, die
mehr mit den Phöniziern in unmittelbarem Verkehre standen, diese
Auffassung nie in derselben Schroffheit auf. Bei Homer werden die
Gewerbtreibenden mit Achtung genannt, vor allen die Waffenschmiede.
Allerdings wurden die Sklaven in dem heroischen Zeitalter überhaupt
milder behandelt. Der Bildungs- und Rangunterschied war damals
nicht so bedeutend und wir sehen Fürsten dort mit Hirten ihr Mahl
teilen. In Athen waren in alter Zeit die Gewerbe wenig angesehen.
Sie wurden meist von Sklaven betrieben. Von Xenophon erfahren wir,
daſs die Eisenarbeiter und Schwertfeger in Athen Sklaven waren, die
5 bis 6 Minen kosteten, aber auch im geringsten Falle immer noch den
[441]Griechenland.
dreifachen Preis von Mühlen- und Bergwerkssklaven hatten. Die
Eisenarbeiter verzinsten sich gut, sie warfen 30 Proz. ab und lieferten
auch gute Ware, denn atheniensische Waffen, namentlich athenien-
sische Schwertklingen waren renommiert. Vermutlich waren es vielfach
skythische Sklaven, die diese Kunst aus der Heimat mitbrachten und
betrieben, wie denn überhaupt der Sklavenhandel ein wichtiges Moment
war zur Ausbreitung technischer Kenntnisse, die ursprünglich gewissen
Ländern eigentümlich angehörten.


Während in Athen kein Mitglied einer aristokratischen Familie
sich dazu herabgewürdigt hätte, ein Gewerbe zu betreiben, so konnten
auf der anderen Seite doch Handwerker wie Kleon und Hyperbolos
die ersten Staatsämter erlangen und dies erhöhte doch wieder das
Ansehen des Standes. Perikles that viel zur Hebung des Gewerbe-
standes; er erteilte den Schutzbefohlenen vollständige Gewerbefreiheit
und suchte möglichst viele derselben nach Athen zu ziehen, da ein
besserer Handwerkerstand für die groſse Stadt Bedürfnis war. Pholeas
von Chalkedon, ein phantastischer Mensch, wirkte sogar für die sehr
moderne Idee der Sozialisten, daſs alle Gewerbe in groſsen Werkstätten
auf Staatskosten betrieben werden sollten.


Die gröſste Achtung wuſste sich schon in frühester Zeit der Ge-
werbestand in der industriellsten Stadt Griechenlands, in Korinth zu
erwerben. Besonders unter Perianders Herrschaft (um 600 v. Chr.)
blühten Handel und Gewerbe hoch und dieser Fürst schrieb sogar den
Eltern vor, jedem Knaben ein Handwerk lehren zu lassen. Selbst in
Sparta waren später die Gewerbe zu gröſserer Geltung gekommen; sie
hatten sich zunftartig ausgebildet und waren in Familien erblich.
Auſser den Schmieden werden besonders die Fleischköche, Bäcker,
Weinmischer, Flötenspieler und Herolde erwähnt.


Eine ganz andere Stellung nahm das Kunstgewerbe ein. Während
das eigentliche Handwerk im alten Griechenland die Beschäftigung der
Sklaven war, wurden dagegen die Kunstgewerbe früh eine angesehene
Beschäftigung freier Bürger. Da die Verarbeitung des Eisens zu Werk-
zeugen und Waffen den Sklaven überlassen blieb, so machten sie hierin
verhältnismäſsig wenig Fortschritte. Dagegen leisteten in der Ver-
arbeitung des Erzes, die als eine Kunst angesehen wurde, besonders
die Inselgriechen ganz Auſserordentliches, wie wir bereits bei der
Schilderung der Metallbildnerei nachgewiesen haben.


Schon in der heroischen Zeit war das Eisen das wichtigste Metall
für Werkzeuge, für die notwendigsten Geräte des Landbaues und für
die Bewaffnung. Daſs in der nachfolgenden Zeit das Eisen, besonders
[442]Griechenland.
für die Bewaffnung das wichtigste und gebräuchlichste Metall war,
bedarf kaum der Erwähnung. Die Schriftsteller der späteren Zeit
führen es nur als Ausnahme an, wenn die gebräuchlichsten Waffen
nicht von Eisen oder Stahl sind.


Figure 66. Fig. 66.

Hoplit mit karischem Helm (a), Schuppen-
panzer (b χιτὼν φολιδωτός), Schild (c ἀσπίς,
σάκος), Schwert (d ξίφος).


Auf die Bewaffnung der
Griechen scheinen unter den
fremden Völkern, die ihre
Lehrer waren, die Karier
am meisten Einfluſs geübt zu
haben. Von diesen nahmen
die Griechen die Helmform und
den Helmschmuck an. Die
Karier sollen zuerst die Bein-
schienen erfunden haben, so-
wie auch die festen Hand-
haben der Schilde.


Die Schutzwaffen (ὅπλα)
der heroischen Zeit bestanden
aus dem groſsen Erzschilde
von Rindshaut mit Metall-
blech überzogen, der sehr ver-
schieden war von dem vier-
eckigen Schilde der Römer.
Ferner hatten die Griechen
Ringel- und Schuppenpanzer 1) sowie auch feste Harnische, kunstvoll
geformte Helme (κυνέη) und Beinschienen, die aus Zinn geschlagen

Figure 67. Fig. 67.

Panzer, gefunden bei Neapel.


waren und durch einen Knöchelring ge-
halten wurden 2). Der gewöhnliche Pan-
zer war ein Eisenküraſs, der aus zwei
Schalen bestand, die durch Ketten und
Riemen zusammengehalten wurden (Fig.
67). Diese Schutzwaffe war den Griechen
eigentümlich. Auch in der Periode nach
dem trojanischen Kriege trugen die
Schwerbewaffneten den metallenen Panzer
(ϑῶραξ) mit dem Gurt (ζωστήρ), die Beinschienen (κνημῖδες) und den
groſsen Setzschild (ὅπλον), daher der Name Hopliten, die schweren
Schildträger d. h. „Schwerbewaffnete“. Der gewöhnliche Schild
[443]Griechenland.
(ἀσπίς, σάκος) war ursprünglich rund, später oval. Er war stark ge-
wölbt, deckte den ganzen Mittelkörper und hatte in der Mitte einen
Schildbuckel (ὀμφαλός), mit dem der Handgriff verbunden war (Fig. 66).
Die Beinschienen, die von Erz oder Zinn waren, wurden nicht angezogen,
sondern aus zwei Hälften umgelegt. Die Haupttrutzwaffe (βέλος) war
das Schwert (ξίφος) für Hieb und Stich, entweder schilfblattförmig
(Fig. 66) mit nur 15 Zoll langer und 2 bis 2½ Zoll breiter, gerader,
zweischneidiger Klinge, später mit 6 bis 7 Zoll breitem Kreuzgriff

Figure 68. Fig. 68.


(Fig. 68). Er wog etwa 1 kg. In der alten Zeit durfte
jeder freie Mann ein Schwert tragen, während dieses Recht
später beschränkt wurde. Es hing an einem Gurt über der
Schulter. An demselben Gurte hing oft noch ein Messer
(φάσγανον) und ein kurzer Streitkolben (κορύνη, φάλαγξ).
Die übrigen Waffen für den Nahkampf waren ein langer
Spieſs (δόρυ), bei Homer (ἔγχος), und die Axt 1), die Waffen
für den Fernkampf der Bogen, der Wurfspieſs und die
Schleuder. Während die Angriffswaffen schon zu Hesiods
Zeit meist aus Eisen geschmiedet wurden, hielten sich der eherne
Panzer und der Erzhelm bis zu den Perserkriegen. Stahlhelme scheinen
sehr kostbar gewesen zu sein. Ein alter Schriftsteller rühmt den

Figure 69. Fig. 69.

Helm nach einem Vasenbild
im Louvre.


Figure 70. Fig. 70.

Visierhelm. Museum Carlsruhe.


Stahlhelm Alexanders des Groſsen, der wie Silber strahlte. Die getrie-
benen Metallhelme (Fig. 69, 70) waren sehr kunstvoll gearbeitet, oft von
phantastischer Form. Sie bestanden aus Kappe, Stirnschiene, Nacken-
[444]Griechenland.
schiene und Wangenschienen. Neben dem Metallhelm bedienten sich die
Helden namentlich bei nächtlichen Unternehmungen einer Fellkappe

Figure 71. Fig. 71.

Schwer- und Leichtbewaffneter (nach Wagners Hellas). Schwerbewaffneter: a Helm,
κυνέη; b Gurt, ζωστήρ; c c Beinschienen, κνημῖδες; d Schild, ἀσπίς; e Wurfspeer.
Leichtbewaffneter (Peltaste): a' Lederhut (καυσία); b' Lederhosen (Iphikratiden);
c' Waffenrock (χιτών); d' Spieſs, Lanze.


Die griechische Reiterei der alten Zeit war mit Erzpanzern und Bein-
schienen bekleidet und hatte Stangenlanzen und Schwerter. Der

Figure 72. Fig. 72.


Metallpanzer bestand aus Brust- und Rückenstück. Zu Homers Zeit
gab es noch keine Reiterei, sondern nur Streitwagen. Auch nach der
[445]Griechenland.
heroischen Zeit fand die Verwendung der Reiterei nur langsam Ein-
gang. In Böotien hatte man Pferdezucht, die Pferde waren nicht
beschlagen, standen aber in gepflasterten Ställen.


Iphykrates ging bei seiner Reform der griechischen Bewaffnung
vor allem darauf hinaus, den Mann beweglicher zu machen. Deshalb
schaffte er die Erzpanzer ab und ersetzte sie durch Lederkoller, statt
der mächtigen „Stierschilde“ führte er runde, leichte Schilde ein. Die
kurzen, plumpen Hauschwerter wurden durch eine Art von Degen
ersetzt, die man besonders gut in Athen anfertigte. Sie hatten eine
Klingenlänge von 30 Zoll (Fig. 72, 1). Der Koller (στόλος) der Schwer-
bewaffneten war, wie erwähnt, von Leder, doch hatte er meist eine
Brustplatte und Schulterstücke von Erz. Statt des langen Spieſses
wurde die kurze dorische Lanze eingeführt.


Die Spartaner trugen statt der Degen kurze, krumme Säbel (μά-
χαιρα) (s. Fig. 72, 2). Das mittlere Fuſsvolk trug kleine, runde Schilde
von zwei Fuſs Durchmesser von Holz mit Lederüberzug, einen leinen
gesteppten Wams, Schwert, Speer und Bogen.


Das leichte Fuſsvolk war mit Wurfspieſs (ὑσσός), Bogen (τόξον)
und Schleuder, zuweilen mit der Streitaxt (ἀξίνη) oder Keule (κορύνη)
bewaffnet. Der Helm (κυνέη) war eine Lederkappe. Für die Angriffs-
waffen bediente man sich bei weitem zumeist des Eisens. Für die
gewöhnlichen Verteidigungswaffen, sofern es nicht Prunkwaffen der
Reicheren waren, ebenfalls.


Ebenso wurde das Eisen bei dem Bau der Kriegsmaschinen, worin
die Griechen schon früh Bedeutendes leisteten, angewendet. Das tro-
janische Pferd ist bereits als eine solche Kriegsmaschine anzusehen.
Bedeutende Verbesserungen der Belagerungswerkzeuge und des Ar-
tilleriewesens führte Artemon unter der Herrschaft des Perikles (um
440 v. Chr.) ein. Ihm wird die Erfindung des Mauerbrechers, Sturm-
bocks, Widders (κριός), sowie des Schilddaches, der „Schildkröte“
zugeschrieben.


Was den Widder oder Sturmbock als die ältesten Belagerungs-
maschinen anlangt, so schreibt ein anderer Bericht die Erfindung des-
ſelben dem tyrischen Schiffsbaumeister Pephasmenos zu, gelegentlich
der Belagerung von Gades durch die Karthager. Der Karthager Geres
habe ihn dann auf einem Untergestell, welches mit Rädern versehen
war, befestigt und mit einem Dach versehen. Der Hauptteil des Wid-
ders bestand in einem starken Balken mit eisenbeschlagenem Kopf.
Schwere Widder muſsten oft von 100 Mann gezogen werden.


Da diese sämtlichen Belagerungswerkzeuge aber bereits auf den
[446]Griechenland.
alten, assyrischen Wandtafeln dargestellt sind, so hat Artemon die-
selben entweder nur verbessert oder sie erst in das atheniensische
Heer eingeführt. Weitere Verbesserungen führte Dionysios von
Syrakus ein, der unter Beihilfe fremder Künstler die Erfindung des
Mauerbohrers τρέπανον, der von Eisen oder mit Eisen beschlagen war,
und des Gegenwidders (ἀντικριός) machte.


Die Helepole (ἑλέπολις) oder der Wandelturm war von Diades
erfunden und wurde verbessert von Demetrius Poliorketes und
seinem Maschinenbaumeister Epimachos. Ebenso benutzten die Grie-
chen bereits Wurfmaschinen, schweres Geschütz, die Katapulten und
Ballisten.


Alle diese Kriegsmaschinen waren von Holz erbaut und nur ein-
zelne Teile aus Kupfer oder Eisen hergestellt. Heron und Philon haben
uns über Zweck und Konstruktion dieser Maschinen genauere Be-
schreibungen hinterlassen 1). Bei dem schweren Geschütz unterschied
man Bogen- und Torsionsgeschütz. Die Bogengeschütze waren den
Handbogen nachgeahmt und bestand der Bogen selbst entweder aus
elastischem Holz oder aus Eisen. Bei den Torsionsgeschützen wurde
die Spannung durch die Drehung starker Seile aus Leder oder Pflanzen-
fasern bewirkt. Als Dionysios von Syrakus um 400 v. Chr. seinen
Kriegszug gegen Karthago unternahm, lieſs er erfahrene Maschinen-
meister aus allen Gegenden der Welt kommen. Einer derselben soll
nach Diodor die Torsionsgeschütze erfunden haben, welche erst 30 Jahre
später in Griechenland Eingang fanden. Jedenfalls spielten von
da ab die Katapulten eine hervorragende Rolle in der Kriegs-
geschichte, bis dieselben erst im späteren Mittelalter durch die Pulver-
geschütze verdrängt wurden. Philipp von Macedonien und Alexander
der Groſse vervollkommneten das Artilleriewesen und wendeten die
Kriegsgeschütze zuerst in ausgedehntem Maſsstabe an. Die höchste
Ausbildung erlangte dieser wichtige Zweig der Kriegskunst aber unter
den Diadochen. Die Römer entlehnten ihre Geschützkonstruktion von
den Griechen, während diese dieselben selbst vielfach von den Orientalen
entnommen hatten.


Die Katapulten waren ursprünglich zweiarmig. Diese ältere Form
der Katapulte blieb bis in das zweite Jahrhundert v. Chr. allgemein.
Die zweiarmigen Katapulten (ὀξυβελεῖς, lateinisch catapultae), schossen
Pfeile, während die Ballisten (λιϑοβόλοι, lateinisch ballistae) Steine
schleuderten. Ferner unterschied man Katapulte mit grader Spannung
[447]Griechenland.
εὐϑύτονα (unseren Kanonen entsprechend) und Katapulte mit Winkel-
spannung (παλίντονα, ähnlich unseren Mörsern). Den ersten Gebrauch
von schwerem Geschütz in offener Feldschlacht machte Machanides,
207 v. Chr. in der Schlacht von Mantineia. Er stellte sie in Abständen
vor der Front beim Angriff gegen die Phalanx auf. Dies wurde von da
ab stehender Gebrauch. Zur Zeit des Vegetius war jede römische Legion
mit 55 Curoballistae (leichteren Horizontalgeschützen) und 10 Onagri
(schweren Bogengeschützen) ausgerüstet. Die Zahl der Geschütze in
den reichen Städten war sehr groſs. Die Karthager sollen den Römern
bei ihrer Entwaffnung 3000 schwere Geschütze ausgeliefert haben, da-
von bildeten Pfeilgeschütze die Mehrzahl. Philon beschreibt auch eine
Art Katapulte, die mit Hilfe von komprimierter Luft abgefeuert wurden,
ein Luftspanner oder Windgeschütz. Heron und seine Lehre vom Ge-
schützbau berichtet darüber eingehend und scheint es, als ob es seine
Erfindung gewesen sei. Heron war wahrscheinlich der Sohn, jedenfalls
ein Schüler des berühmten Ktesibios und scheint ein Zeitgenosse
Philons gewesen zu sein, von dem wir wissen, daſs er zur Zeit der
ersten Ptolemäer in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunders gelebt
und zu Rhodos in Alexandrien studiert hat. Die Beschreibung des
Windgeschützes, welche Heron hinterlassen hat, ist für uns auch des-
halb von besonderem Interesse, weil er sämmtliche Eisenteile der
Maschine gewissenhaft aufzählt. Er nennt eiserne Zapfen und Lager,
eiserne Drücker, eiserne Riegel, eine Zahnstange und Sperrklinke von
Eisen.


Ebenso waren die Bolzen zum Anziehen der Sehnen der Torsions-
geschosse von Eisen. Heron sagt ganz ausdrücklich (§. 21): „Der
Spannbolzen wird aus reinem Eisen gemacht und in der Schmiede
sorgfältig bearbeitet, damit er die ganze Gewalt des Geschützes aus-
halten könne.“ Und allgemein empfiehlt Heron (§. 25): „Man muſs
die Stellen wo es nötig, d. h. diejenigen, welche etwas auszuhalten
haben, mit eisernen Beschlägen versehen und diese mit Nägeln ver-
sichern und sich harter Hölzer bedienen, um auf jede mögliche Art die
erwähnten Stellen zu versichern.“ Natürlich war auch die Herstellung
der Spannsehnen selbst von groſser Wichtigkeit. Er empfiehlt als
bestes Material die Schulter- und Rückensehnen der Tiere und ge-
flochtene Seile aus Weiberhaaren.


Von Interesse ist ferner, daſs bei diesen Kriegsmaschinen schon
mancherlei maschinelle Vorrichtungen in Anwendung kamen, so zum
Drehen schwerer Torsionsgeschütze ein Haspel mit Handspeichen. Die
eigentliche Büchse bei kleineren Windspannern war aus Erz geschmiedet,
[448]Griechenland.
während bei gröſseren sie von Holz, welches mit eisernen Schienen um-
klammert war, also ganz, wie bei den Pulvergeschützen des Mittelalters
angefertigt war. Noch eingehendere Beschreibungen des Geschützwesens
der Griechen hat uns Philon hinterlassen, der im Dienste der Ptolemäer,
welche auf die Verbesserung der Kriegsmaschinen hohen Wert legten
und groſsartige, technische Experimente anstellen lieſsen, gestanden
zu haben scheint. Seine Bemerkungen werfen so viel Licht auf das
sonst so dunkele Gebiet sowohl der Maschinentechnik, als der tech-
nischen Verwendung von Eisen und Stahl, daſs wir uns nicht versagen
können, ausführliche Auszüge aus Philons Schrift über den Geschütz-
bau zu geben. Philon aus Byzanz war wie Heron ein Schüler des
Ktesibios. Dieser Ktesibios war eines der gröſsten, mechanischen Genies
aller Zeiten. Von Haus aus ein armer Barbier aus Alexandria, trieb
ihn sein Interesse an der Mechanik zum Studium der Mathematik, die
ihn bald zu einer Reihe glänzender Erfindungen, namentlich auf dem
Gebiete der Hydraulik führten. Ihm wird die Erfindung der Wasserorgel,
der Wasseruhr, des Hebers, des Heronsballes, der Feuerspritze, sowie
verschiedener hydraulischer Druckapparate zugeschrieben. Philon, sein
begabter Schüler, schrieb ein Buch über Mechanik, wovon leider nur
noch das vierte Buch und Fragmente des siebenten und achten Buches
erhalten sind. Die Verbesserung der Kriegsmaschinen war eine seiner
wichtigsten Bestrebungen und sein Erfolg hierin beruht hauptsächlich
auf einer ausgedehnten Anwendung von Eisen und Stahl als Konstruk-
tionsmittel. Das erhaltene vierte Buch seiner Mechanik handelt vom
Geschützbau. Unser Auszug kann nur einen fragmentarischen Cha-
rakter haben, da wir nur die Stellen ausziehen, die sich auf die
Anwendung von Eisen und Stahl beziehen. Philon hebt wiederholt die
Wichtigkeit dieses Metalls als Material für die Konstruktion der Kriegs-
maschinen hervor. Er giebt an (Buch IV, §. 12), daſs eine gehörig zu-
gerichtete Balliste, eingerechnet Spannbolzen und Unterlage, das 25 fache
Gewicht des Wurfgeschosses von bearbeitetem Eisen enthalten müsse.
Er ersetzt die von Ktesibios angegebenen Erzspanner durch solche von
Eisen oder Stahl. Er verlangt für stärkere Geschütze im Gegensatz
der alten Konstruktion eiserne Schienen und eiserne Beschläge. Am
meisten Wert legt er aber auf seine starken, gerundeten Spannbolzen
von Eisen, im Gegensatz zu den alten des Ktesibios aus Erz oder
schwachem, kantigem Eisen, die leicht brachen und die Spannnerven
rasch durchrieben. Er erwähnt „eiserner oder kupferner Bolzen mit
Rundköpfen“; „Leiteisen“ u. s. w. Wichtig sind auch seine Angaben
über die Konstruktion der Doppelfedern von Erz für die mehrarmigen
[449]Griechenland.
Katapulte zur Erhöhung der Federkraft und der Gewalt des Schusses.
Er sagt (§. 43): „Man nehme für den mehrarmigen Katapult eherne
Schienen. Diese werden aus möglichst gutem Kupfer, welches wohl
gereinigt und wiederholt im Ofen gewesen ist und dem man auf die
Mine drei Drachmen (gleich 3 Proz.) Zinn, welches ebenfalls gehörig
gereinigt und umgegossen ist, zufügt, gegossen. Wenn nun die Schie-
nen gegossen und geschmiedet sind und die oben angegebenen Maſse
erhalten haben, so giebt man ihnen sanfte Biegung nach einem höl-
zernen Modell, schlägt sie sodann kalt vielfach und lange Zeit, indem
man darauf sieht, daſs sie von gleicher Dicke, senkrecht zur Stirnseite,
durchgehends gleich breit und überall am Modell anliegen. Hierauf
verbindet man sie paarweise miteinander, indem man ihre hohlen
Seiten gegeneinander kehrt und ihre Ecken genau passend abfeilt
und sie mittels Zapfen (Nieten) miteinander verbindet. (§. 44.) Es
erhalten die Schienen ihre Kraft durch die Legierung der Metalle;

Figure 73. Fig. 73.


denn diese, so rein und lauter wie möglich gegossen; ohne
irgend eine fremde Beimengung ist stark, dehnbar und elastisch;
man schlägt sie aber kalt vielfach und lange Zeit, damit sie
an der Oberfläche verdichtet, Kraft geben. Gegen diese Doppel-
schienen (Federn) lehnt sich nun der Griff des Bogenarmes an.
Bei dem Spannen werden die Federn zusammengepreſst, die
Schienen aufgerichtet, bis sie sich gegeneinander stützen; bei
dem Abdrücken kehren sie in ihre ursprüngliche Lage zurück.
Indem sie hierbei mit vieler Kraft auseinander springen, schnellen
sie den Griff des Bogenarmes fort.


(§. 46.) Es wird nun das Gesagte auch dir, wie mehreren Anderen
unglaublich erscheinen, denn sie meinen, es sei unmöglich, daſs die Schie-
nen, wenn sie gebogen und dann von der Kraft des Bogenarmes auf-
gerichtet sind, nicht in dieser gestreckten Lage verbleiben, sondern
wiederum in ihre anfängliche Krümmung zurückkehrten. Bei dem Horn
findet man allerdings diese physikalische Eigenschaft, ebenso bei man-
chen Holzarten und die Handbogen wurden aus solchen gemacht. Das
Erz aber sei seiner Natur nach hart, spröde und kräftig, wie auch das
Eisen; wird es jedoch von irgend einer Gewalt gebogen, so bleibe es
fernerhin in derselben Krümmung und könne sich nicht wieder von selbst
aufrichten. Man muſs diesen Leuten verzeihen, daſs sie sich zu solcher
Meinung verleiten lassen, weil sie im einzelnen keine Erfahrung ge-
macht haben. Man kann aber die Fabrikation der oben erwähnten
Schienen an den keltischen und spanischen (Stahl-) Schwertern er-
sehen. Will man nämlich diese prüfen, ob sie brauchbar sind, so faſst
Beck, Geschichte des Eisens. 29
[450]Griechenland.
man mit der rechten Hand das Schwert, legt es horizontal über den
Kopf und zieht es auf beiden Seiten herunter bis man die Schultern
berührt. Hierauf läſst man rasch beide Hände seitwärts los, das
Schwert aber, losgelassen, wird wieder gerade und kehrt so in seine
frühere Gestalt zurück, so daſs es keinen Gedanken einer Krümmung
hat und so oft man dies auch thun mag, die Schwerter bleiben
gerade.


(§. 47.) Man hat nun untersucht, was die Ursache ist, weshalb
diese Schwerter so elastisch sind und hat durch die Untersuchung
gefunden 1) daſs das Eisen auſserordentlich rein, ferner im Feuer so
bearbeitet ist, daſs weder eine Schlacke, noch irgend ein anderer Fehler
an ihm bleibt; 2) daſs das Eisen auch seiner Natur nach weder zu
spröde noch zu weich ist, sondern eine Art Mittelgattung; 3) daſs die
Schwerter kalt kräftig geschlagen sind, denn das gebe die Elastizität.
Sie würden jedoch nicht mit groſsen Hämmern, noch mit starken
Schlägen geschmiedet, denn ein starker Schlag gerade zerstöre auch das
richtige Verhältnis, dringe in die Tiefe und härte zu sehr, so daſs die
so geschlagenen Schwerter, wenn jemand sie zu biegen versucht, ent-
weder ihm ganz und gar nachgäben oder mit Gewalt gezwungen zer-
brächen, weil sie durch und durch von dem Schlag verdichtet, durch
und durch dicht sind.


Die Behandlung im Feuer nämlich macht das Erz [und] das Eisen
weich, indem die Atome, wie man zu sagen pflegt, gelockert werden;
die Erkältung aber1) und das Schmieden macht sie hart, denn beides
ist Ursache, daſs die Atome sich verdichten, indem die Teile näher
aneinander treten und die leeren Zwischenräume aufgehoben werden.
Wir schlagen nun die Schienen auf beiden Seiten kalt und so werden
ihre Oberflächen hart, die Mitte aber bleibt weich, weil der Schlag, da
er leicht ist, nicht ins Innere dringt, weil sie nur aus drei Lagen be-
stehen, zwei harten und einer weichen, der mittleren, darum besitzen
sie auch Elastizität, wie ich eben gezeigt habe. Soweit also von den
Erzspannern und ihrer Konstruktion, damit ich mich nicht noch weiter
gehen lasse und unversehens noch mehr in physische Untersuchungen
mich verliere!“


Der Schluſssatz kann uns nur betrüben, da die Stelle eine der
klarsten und besten Auseinandersetzungen der Natur, Behandlung und
Verarbeitung von Bronze und Eisen ist, die uns aus den Schriften der
Alten erhalten sind.


[451]Griechenland.

Philon teilt indessen noch viele wichtige, mechanische Vorkeh-
rungen mit. So z. B. beschreibt er eine Schnellkatapulte1), die sich
von selbst wieder spannte und eine groſse Zahl Pfeile nacheinander
abschieſsen konnte. Es wurde dies vermittelt durch einen Haspel, der
mit einer Kette ohne Ende in Verbindung war, an welcher Daumen in
regelmäſsigen Abständen angebracht waren, welche die Sehne aufzogen,
spannten und losschnellten, indem gleichzeitig durch die Drehung
immer wieder ein neuer Pfeil in die richtige Lage kam. Dieser höchst
kunstvolle und komplizierte Apparat hatte indes denselben Fehler wie
die älteren Mitrailleusen, nämlich daſs alle Pfeile in derselben Rich-
tung flogen.


Philon beschreibt ebenfalls einen Luftspanner, den er als eine
Erfindung des Ktesibios bezeichnet. Diese Beschreibung ist für die
Geschichte der Technik von groſsem Interesse. Philon weiſs, daſs der
Effekt auf der Elastizität der Luft beruht. Der wichtigste Teil des
Apparates sind Gefäſse, ähnlich Arzneibüchsen (cylindrische Gefäſse),
aus getriebenem Erz, die über wächserne Modelle gegossen werden um
ihre Dicke zu erhalten. Ihre inneren Flächen wurden vermittelst einer
Maschine ausgedrechselt, während sie an der Oberfläche gleich und
gerade, nach dem Lineal bearbeitet und geglättet wurden. Hierauf
wurde eine eherne Trommel (ein Kolben) eingesetzt, welche in dem
Gefäſs auf und nieder laufen konnte, indem sie sich mit ihrem gleich-
falls gleich und glatt bearbeiteten Umfang anschmiegte, so daſs beide
Stücke so genau ineinander paſsten, daſs keine Flüssigkeit mit ihrer
gröſsten Gewalt hineindringen konnte.


(§. 61.) „Wundre dich aber oder zweifle nicht, ob es möglich ist,
es so zu machen, denn auch bei der mit Händen gespielten Pfeife,
welche man Wasserorgel nennt, ist der Luftbehälter, welcher die Luft
in den im Wasser befindlichen Kasten gehen läſst, aus Erz. Auf gleiche
Weise, wie die angeführten Gefäſse, konstruierte Ktesibios solche und
preſste darin Luft bis zum Zerspringen zusammen, welches ein Beweis
ist für die Grenze der Elastizität der Luft. Bei der Explosion sah
man Feuer herausfahren.“


Auch zwei solcher luftgefüllten Cylinder, die durch einen Kolben
gepreſst wurden, stützten sich die Bogenarme, die ähnlich losgeschossen
wurden wie bei den Erzspannern.


„Indem nun die Bogensehne aufgezogen wurde, stemmten die Bogen-
arme ihre Griffe auf die Trommeln und drückten sie hinein, die in den
29*
[452]Griechenland.
Gefäſsen eingeschlossene Luft aber verdichtete und verdickte sich, wie
gesagt und arbeitete ihrer natürlichen Beschaffenheit gemäſs mit groſser
Gewalt dagegen; wenn nun der Stein aufgelegt worden war und die
Drücker losgelassen wurden, so schlugen die Bogenarme mit groſser
Kraft auseinander und trieben den Stein fort und brachten eine recht
ansehnliche Schuſsweite zu Wege.“


Die Angaben Philons über Maſse und Gewichte der Katapulten-
pfeile ist ebenfalls von Wichtigkeit: eisenbeschlagene Katapultenpfeile
von 36 — 48 — 60 — 72 Daktylen (= 27 — 36 — 45 — 54 Zoll
Länge) oder ¾ — 1 — 1¼ — 1½ Zoll Durchmesser hatten ein Ge-
wicht von ½ — 1⅕ — 2⅕ — 4 Pfund.


Man unterschied die Katapulten mit gerader Spannung (Eurythona,
ein Pfeilgeschütz) nach dem Kaliber, die einspithamige wog 40 kg, die
zweispithamige 90 kg, die dreispithamige 175 kg, die dreiellige 300 kg.
Das Eisengewicht betrug etwa ⅙ des Holzgewichtes. Die normale
Tragweite einer dreispithamigen Katapulte betrug 400 m, doch schoſs
Agesistratos bei einer Spannung von 5 kg 3½ Stadien = 700 m, was
als eine auſserordentliche Leistung aufgeführt wird. Der Preis eines
solchen Feldgeschützes betrug zu Philons Zeit 480 Drachmen, also etwa
480 Franken, ein solches Geschütz lieſse sich heute für etwa 120 Franken
herstellen. Da weder das Holz noch die Zimmermannsarbeit teurer
waren wie heutzutage, so liegt der hohe Preis hauptsächlich an den
Metallteilen. Das Eisen sowohl, wie die Schmiedearbeit waren viel
teurer wie jetzt.


Die Katapulten mit Winkelspannung (Palintona, ein Steingeschütz)
warfen Steingeschosse von 9, 13½, 18, 27, 45, 54, 135 und 162 Pfund.
Eine dieser letzteren, die Steine von 10 Minen Gewicht schleuderte,
kostete 4000 Drachmen.


Daſs Eisen und Stahl in Griechenland zu Ackergeräten, Werk-
zeugen und Handwerksgeschirr verwendet wurde, bedarf kaum der
Erwähnung. Wir haben ja bereits gesehen, daſs dies schon in der
heroischen Zeit in sehr ausgedehntem Maſse der Fall war. Herodot
kommt es gar nicht in den Sinn, daſs die Meiſsel zur Bearbeitung der
Steine aus einem anderen Material als aus Eisen sein könne, deshalb
sagt er, nachdem er den Riesenbau der Pyramide des Cheops beschrie-
ben und erzählt hat, daſs bei dem Bau derselben allein für Rettig,
Zwiebeln und Knoblauch 1600 Talent Silber verausgabt worden seien,
„wieviel muſs dann natürlich noch weiter aufgewendet worden sein
für das Eisen mit dem man arbeitete.“


Über die Gewinnungs- und Erzeugungsplätze des Eisens in
[453]Griechenland.
Griechenland haben wir nur spärliche Nachrichten. Sie lagen, wie
schon Hesiod mitteilt, „im einsamen Waldthal“, fern von den gröſse-
ren Städten, deshalb zogen sie kaum die Aufmerksamkeit der Stadt-
bewohner oder der Schriftsteller auf sich. Der arme Waldschmied
trieb sein beschwerliches Gewerbe in der Einsamkeit und las sich die
Erze an der Oberfläche zusammen, kaum, daſs er die Eisenerzlager-
stätte hier und da durch Gräben und Schürfen verritzte, oder einen
oberflächlichen Tagebau anlegte. Die Holzkohlen brannte er selbst,
wie er auch das Ausschmelzen besorgte. Die Plätze, wo dies betrieben
wurde, waren auch in späterer Zeit die gebirgigen Gegenden Böotiens,
Akarnaniens und besonders Lakoniens. Der Waldschmied brachte
seinen Vorrat an Eisen selbst auf den nächstgelegenen Markt oder
verkaufte ihn dem Waffen- und Zeugschmied in der Umgegend, der
ihn zu Werkzeugen, Geräten und Waffen verarbeitete.


Feineres Qualitätseisen und Stahl wurde auch aus dem Auslande
bezogen. Stahl insbesondere schon in früher Zeit aus dem Lande der
Chalyber, wie dies schon Äschylus bestätigt.


Doch war Chalybien nicht die einzige Bezugsquelle für Eisen und
Stahl. Lydischer Stahl war den Griechen bekannt und aus Kappa-
dozien und Bythinien bezogen sie Eisen. Das albanische Eisen kannte
Aristoteles genau und Schwerter bezogen die Griechen aus Thrakien,
später auch, wie wir oben gesehen haben, aus Spanien.


Die Verarbeitung des Eisens zu Werkzeugen und Waffen konzen-
trierte sich mehr und mehr in den groſsen, gewerbreichen Städten und
wurde handwerks- und fabrikmäſsig betrieben. Wir wissen, daſs
der Vater des Demosthenes eine Kunstschlosserei in Athen betrieb, in
der er 30 Skalven beschäftigte. Überhaupt wurde die Verarbeitung
der Metalle in späterer Zeit in den Hauptstädten, besonders in Athen,
Sparta und Korinth mehr fabrikmäſsig von groſsen Unternehmern durch
Sklaven ausgeführt.


Wir können wohl annehmen, daſs überall, wo die Römer nach der
Eroberung Griechenlands kaiserliche Waffenfabriken einrichteten,
schon früher Waffenschmieden bestanden haben.


Sehen wir uns nach den Plätzen um, von denen die Griechen ihre
Metalle bezogen, so muſs auch hier in erster Linie das Land der
Chalyber genannt werden. Dort hatten sich schon früh Griechen
angesiedelt, die Metallhandel und Metallgewerbe betrieben. Die Ver-
hältnisse scheinen dort schon in früher Zeit ähnlich gewesen zu sein
wie heute. Äschylos nennt bereits die Chalyber „die Eisenschmiede“,
[454]Griechenland.
die ungeschlachtet und den Fremden ungastlich sind1). Den Kaukasus
nennt er das Mutterland des Eisens2). Xenophon, der bei seinem berühm-
ten Rückzuge auch durch das Land der Chalyber zog, erzählt ebenfalls,
daſs sie meistens von der Gewinnung des Eisens lebten3) (καὶ ὁ βίος
ἦν τοῖς πλείστοις αὐτῶν ἀπὸ σιϑηρείας) und Strabo bestätigt dies4).
Der Handel mit chalybischem Stahl ging hauptsächlich über Sinope,
wo geschickte Stahlschmiede wohnten5). Zur Zeit der Römerherr-
schaft hatte sich aber bereits ein groſser Teil des chalybischen Stahl-
handels nach Trapezunt gezogen.


Von hohem Alter und groſser Bedeutung war auch die Eisen-
gewinnung im Inneren von Kleinasien in den Schluchten des Taurus.
Nicht nur das beste Holz zum Schiffbau lieferte der Taurus, sondern
auch Kupfer und Eisen in Menge6). In Cäsaräa war eine bedeutende
Waffenfabrik zur römischen Kaiserzeit7).


In Phönizien beschäftigten sich die Bewohner der Stadt Kibyra in
hervorragender Weise mit der Eisenfabrikation und ihr Handel mit
Eisenwaren war berühmt8).


In Lykien wurden metallene Gefäſse gemacht. Eines besonderen
Rufes erfreute sich der lydische Stahl. Daimachos rühmt ihn besonders
für Waffen und Werkzeuge9).


τὸ δὲ Λύδιον (στόμωμα) … εἰς ῥῖνας καὶ μαχαίρας καὶ ξιφία
καὶ ξυστῆρας10).


In Sardes blühte in römischer Zeit eine kaiserliche Waffenfabrik11).
Daſs die Schmiedekunst in Lydien in hoher Blüte stand, ist aus der
Geschichte des Gyges, Allyates und Krösus bekannt. Die Karer waren
bekannt als gute Waffenschmiede. Sie galten als Erfinder der
festen Handhaben an den Schilden, wie der Helmzier. Ihre National-
waffe war die Doppelaxt. Die jonischen Städte waren von groſser Be-
deutung für die Gewerbe, besonders aber für den Handel. In Perga-
[455]Griechenland.
mum, der Hauptstadt Mysiens, befand sich eine Schule berühmter
Erzgieſser.


Cyzikus war berühmt durch seine Werkzeug- und Waffenfabriken,
die Strabo mit denen von Massilia vergleicht1).


Auf den griechischen Inseln blühte früh die Metallverarbeitung,
namentlich die Toreutik und das Metallkunstgewerbe. Auf Chios
lebte der berühmte Glaukos. Samos war die Heimat des Rhoekos und
des Theodoros. Bekannt ist der groſse aeolische Krater, den die
Samier wegen einer gewinnbringenden Fahrt nach Tartessos in das
Heraion zu Samos weihten2). Die lesbischen Becher rühmt bereits
Herodot3). Rhodos war mit am frühesten berühmt durch seine Metall-
arbeiten. Dort war einer der frühesten Sitze der Telchinen. Die
Fabriken für Waffen, Kriegsmaterial und Kriegsmaschinen waren die
bedeutendsten des Altertums. Auf die Wichtigkeit Kretas und Cyperns
für die Entwickelung der Metallurgie haben wir schon wiederholt hin-
gewiesen.


Wenden wir uns zu dem Festlande, so war im Norden Thrazien
durch seine Waffenschmiede bekannt. Thrazische Schwerter und thra-
zische Beile (πέλεκυς Θρᾴκιος) werden früh genannt.


Später waren groſse kaiserliche Waffenfabriken daselbst, nämlich
zu Hadrianopolis und zu Marianopolis in Mösien. Erstere war in den
ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung sehr bedeutend, wie
Ammianus Marcellinus bestätigt4).


In Mittelgriechenland haben wir die uralte Eisenindustrie von
Euböa, Böotien und Akarnanien schon erwähnt. Auch der Kureten in
Ätolien haben wir gedacht und Plinius lobt die ätolischen Waffen5).
Aonisches Eisen, aonische Waffen sind die alten Bezeichnungen des
Eisens von Böotien, deren Waffenfabrikation schon in die Zeit vor den
Myniern verlegt wird. Der Schild war das alte Wappenzeichen der
Böotier und man schrieb ihnen die Erfindung der metallenen Schilde
zu, wie auch böotische Helme allbekannt waren6). Theben war berühmt
durch seine Wagen, deren Erfindung es sich zuschrieb.


Später scheint die böotische Schmiedekunst zurückgegangen zu
sein und galt böotische Arbeit fast identisch mit schlechter, plumper,
geschmackloser Arbeit. Dagegen trat Athen mit seiner steigenden
Entwickelung bezüglich seiner Eisen- und Metallwaren an die Stelle
[456]Griechenland.
von Chalkis. Seine günstige Lage, seine hervorragende politische Be-
deutung wirkten günstig auf die Entwickelung von Handel und Industrie.
Doch verachteten die freien Athener die Handwerksarbeit und traten
höchstens als Groſsunternehmer auf, während Metöken und Sklaven
die eigentliche Arbeit verrichten muſsten. Von den Bewohnern des
Fleckens Acharnä bei Athen wissen wir, daſs sie als Kohlenbrenner
berühmt waren. Die Eisenschmiedekunst blühte früh in Athen und
der Eisenmarkt Athens war berühmt. Hephästos und besonders Athene
Ergane waren die Schutzgötter der Schmiede. Das Fest der Ἀϑηναῖα,
welches auch Χαλκεῖα hieſs, war ein altes Volksfest der Handwerker,
insbesondere der Schmiede1). Den gröſsten Ruf genossen die atti-
schen Brustharnische, Messer und Schwerter.


Ähnlich wie der Vater des Demosthenes soll auch der Vater des
Sophokles eine Messerfabrik besessen haben (μαχαιροποιεῖον). Es ist
selbstverständlich, daſs in einer so kunstliebenden Stadt auch der
Erzguſs in hoher Blüte stand.


Von allen Städten Griechenlands war Korinth die gewerbreichste.
Sie läſst sich mit Nürnberg und Augsburg im 15. und 16. Jahrhundert
vergleichen. Wir wissen aus Schliemanns Ausgrabungen, ebenso aus
den Überlieferungen Homers, wie alt die Beziehungen der isthmyschen
Städte Tiryns und Mykenäs mit dem Orient waren und welche Reich-
tümer dort schon im hohen Altertume aufgehäuft waren. Sikyon
und Argolis, vor allen aber Korinth, wurden die Erben des Wohlstandes
und der Kunstfertigkeit dieser alten Herrschersitze. Alle drei Städte
waren berühmt durch ihre groſsen Leistungen auf dem Gebiete der
Erzgieſserei. In Sikyon blühte besonders der Kunstguſs im groſsen
Styl. Es war die Heimat der groſsen Statuengieſser, eines Butades,
eines Dipöneus und Skyllos, später des Brüderpaares Kanachus und
Aristokles und in jüngerer Zeit des bekanntesten Erzgieſsers, des Lysipp,
und seiner Schüler. Argolis war mehr berühmt durch seine getriebenen
Kupferarbeiten, besonders seiner Schilde und Kessel, während Korinth
vor allen Städten bekannt war durch seine kleinen Kunstwerke für
den Hausgebrauch, besonders seiner Leuchter, Lampen, Gefäſse,
Statuetten (signa corinthia) u. s. w. und hatte das korinthische Erz eine
besondere Farbe und besondere Zusammensetzung. Es stand in höherem
Preise als alle anderen Erzwaren. Man unterschied nach der leichteren
und dunkleren Farbe drei Sorten von korinthischem Erz. Lakonien
war von Alters her berühmt durch seine Eisen- und Stahlwaren. Doch
[457]Griechenland.
wurden diese nicht von den Achäern, sondern von den Periöken dar-
gestellt. Die Eisenwaren bildeten einen Exportartikel. Auſser dem
eisernen Gelde werden lakonische Schlüssel, eiserne Ringe und die
Waffen und Werkzeuge aus Stahl, als Schwerter, Lanzen, Hacken1),
Feilen, Bohrer, Äxte am häufigsten genannt. Auch im Gieſsen und
Treiben von Erz leisteten die Spartaner Bedeutendes.


Der Metallindustrie der Inselgriechen haben wir teilweise schon
gedacht, so der uralten Metallarbeiten von Euböa, Lemnos, Aegina und
Delos.


Fragen wir uns nun nach den Methoden der Darstellung, nach der
Art der Gewinnung des Eisens, kurz nach den metallurgischen Kennt-
nissen der Griechen, so sind leider die Mitteilungen griechischer
Schriftsteller über diese Dinge sehr mangelhaft. Es ist dies zunächst
darin begründet, daſs, wie überall im Altertume, die Eisengewinnung
fern von den gröſseren Städten geschah und ein wenig geachtetes Ge-
werbe war. Das meiste teilen Theophrast und Aristoteles mit. Es ist
im höchsten Grade zu bedauern, daſs die wenigen metallurgischen
Schriften, von welchen wir Kenntnis haben, verloren gegangen sind,
wie z. B. das Buch „μεταλλικόν“, welches einige dem Aristoteles, andere
dem Theophrast zuschreiben; ferner ein Buch eines Strato über das
Maschinenwesen und die Scheidungsmittel, und ein Werk des Polybios
über den spanischen Bergbau und anderes mehr. Auch von den natur-
wissenschaftlichen Schriften des Theophrast, der 370 zu Eresos auf
Lesbos geboren wurde, erst ein Schüler Platos, später der innigste
Freund des Aristoteles wurde, sind uns nur Bruchstücke erhalten.


In seiner Schrift über die Sinne und das sinnlich Wahrnehmbare2)
kommt folgende Stelle, die freilich nur ein theoretisches Interesse ver-
dient, vor (XIII): „Das Schwere und das Leichte unterscheidet sich
nach Demokrit nur durch die Gröſse. Wenn dann ein jedes sich unter-
scheidet und wenn es sich nach der Gestalt unterscheidet, so hätte
die Natur in der Gröſse ein Maſs. Aber bei den zusammengesetzten
(Körpern) sei das leichtere das, welches mehr, das schwerere das,
welches weniger Leere enthalte. Bei einigen nun hat er so gesagt.
Bei anderen aber sagt er, das Leichte sei einfach das Feine. Ähn-
lich handelt er über das Harte und das Weiche. Das Harte nämlich
sei das Dichte, das Weichere das Lockere und das mehr oder weniger
immer nach Verhältnis. Es unterscheide sich aber die Anordnung
und das Darinbleiben der leeren Räume bei dem Harten und Weichen,
[458]Griechenland.
bei dem Schweren und Leichten. Deswegen sei das Eisen härter, das
Blei dagegen schwerer. Das Eisen sei nämlich nicht gleichmäſsig zu-
sammengesetzt, sondern enthalte Hohlräume in seinen meisten Teilen
und sei in groſsen Teilen verdichtet, im ganzen aber habe es mehr
Leere. Das Blei aber, welches weniger Leere habe, sei gleichmäſsig
zusammengesetzt in seiner ganzen Masse, deshalb ist es schwerer, aber
doch weicher als Eisen.“


Ferner schreibt Theophrast in seinem Buche über die Steine (II, 9):
„Einige Steinarten lassen sich in der Glut schmelzen und flieſsen wie die
Erze, denn es flieſst mit dem Silber, dem Kupfer (χαλκῷ) und dem Eisen
der Stein, welcher bei ihnen ist (die Gangart), entweder wegen dem in
ihnen enthaltenen feuchten Prinzip oder wegen ihrer eigenen Natur. So
flieſsen die Steinarten Pyrimachus und die Mühlsteine (πυρίμαχοι
καὶ οἱ μυλίαι), auf welche die Schmelzer jene legen (Zuschlag). Diese
aber sagen, daſs alle schmelzen, nur der Marmor nicht. Letzterer
aber verbrenne leicht und es entstände Ätzkalk.“


Von groſsem Interesse sind die Ausführungen des Theophrast in
derselben Schrift1), über die brennbaren Steine, indem aus ihnen her-
vorgeht, daſs die Griechen die Steinkohlen (Braunkohlen) nicht nur
kannten und benutzten, sondern sie sogar bereits zu verkoken verstanden
(§. 12 über gebrannte Kohlen): „Einzelne von den zerbrechlichen (brenn-
baren) Steinen werden durch das Brennen zu Kohlen und halten
dadurch längere Zeit, wie die in dem Bergwerke von Binä, welche der
Fluſs herabführt. Diese brennen, wenn Holzkohlen darauf gelegt sind,
und zwar so lange als man bläst. Sie nehmen ab, brennen aber wieder,
weshalb sie lange zu gebrauchen sind. Der Geruch ist sehr schwer
und unangenehm.“ In einer folgenden Stelle vergleicht Theophrast
diese Kohlen von Binä mit dem Asphalt oder brennbaren bituminösen
Schiefer von Lippara und hebt als Unterschied hervor, daſs bei letz-
terem ein gebrannter Stein zurückbleibt, erstere also doch wohl zu
Asche verbrannten, was auch beweist, daſs hier wirklich von Mineral-
kohlen und Koks die Rede ist. „Die man gewöhnlich Steinkohlen
(ἄνϑρακες) nennt, und die des Gebrauches wegen aus dem Boden
gegraben werden, sind ihrer Natur nach erdig, sie lassen sich entzünden
und verbrennen wie Holzkohlen. Man findet sie in Ligurien, wo sie
gesammelt werden und in Elis an dem Wege, der durch das Gebirge
nach Olympia führt. Diese werden von den Eisenschmieden
benutzt
.“


[459]Griechenland.

„In Skaptehyle hat man in einer Grube (Bergwerk) einen Stein
entdeckt, der morschem Holze ähnlich ist und der, mit Öl übergossen,
brannte, sobald dies aber verzehrt war, erlosch wie unempfindlich.“
Über die Erzeugung der Hitze in den Schmieden spricht Theophrast
in seiner Abhandlung über das Feuer1): „Bei denen aber die Arbeit
schwieriger ist, wird bei den Eisenschmieden die gröſste Hitze angewen-
det. Sie suchen sich zuerst die dichtesten, erdigen Kohlen (d. h. Steine)
aus, manche verdichten sie sogar (jedenfalls durch Verkohlen), wodurch
sie gröſsere Kraft bekommen und wenden Blasebälge an, so wird eine
schärfere und wirksamere Hitze erzeugt, indem sie gleichzeitig durch
den Wind die Verbrennung unterstützen.“


Eine dunkele, aber höchst wichtige Stelle des Theophrast scheint
sich auf das Verzinnen des Eisens zu beziehen. Er sagt in seinem
Buche über den Geschmack2): „Von den Athenern erzählt man, daſs sie
rotglühendes und blankes Eisen in ein Erzgefäſs tauchen, andere wollen
auch wissen, daſs sie hierbei Zinn zusetzen. Dieses Eintauchen ge-
schieht nicht des Gewichtes, sondern des Geschmackes (welchen die
Gefäſse sonst hätten) wegen. (Verzinntes Geschirr.)“


Aus diesen Stellen, so knapp und dunkel sie sind, geht doch auſser
manchem Bekannten hervor, daſs die Griechen bereits die Steinkohlen
kannten und sie in den Eisenschmieden verwendeten, ferner, daſs sie
Zuschläge beim Schmelzen in Anwendung brachten und endlich, daſs
die Athenienser sogar schon verzinntes Eisen, Weiſsblech, darstellten.


Von nicht minderem Interesse sind die freilich auch zerstreuten
und zum Teil dunkelen Stellen aus den Schriften des Aristoteles, die
sich auf die Eisendarstellung beziehen. Die wichtigste derselben ist
von uns bereits im Wortlaute mitgeteilt über die Eisengewinnung der
Chalyber3). Es ist hier unzweifelhaft von einem Stahlerzeugungs-
prozeſs die Rede. Das Eisen wird mit Zuschlag des Steines Pyromachus
wiederholt niedergeschmolzen, dadurch wird es viel schöner, glänzender
(καλλίων) als wie wenn es nur in einer Hitze und in einem Herde ge-
reinigt wird. Nur dieses Eisen rostet nicht. Der Prozeſs, der hier
geschildert ist, stimmt am meisten überein mit den alten Brescian-
schmieden, weniger mit dem der Wootzstahlbereitung, vielmehr
scheinen die Erze in Herden oder niedrigen Öfen zu einer Luppe von
hartem, stahlartigem Eisen ausgeschmolzen und diese dann durch
mehrmaliges Ausheizen und Frischen gereinigt worden zu sein.


Auch die Beschreibung, die Aristoteles in seiner Meteorologie giebt,
[460]Griechenland.
scheint dies nur zu bestätigen. Es heiſst dort1): „Es schmilzt aber
selbst auch das bearbeitete Eisen, so daſs es flüssig und wieder fest
wird und so entsteht der Stahl, während die Schlacken sich
abscheiden und zu Boden ziehen
. Je öfter man dies wieder-
holt, je reiner wird der Stahl. Das Eisen aber ist um so besser, je
weniger Unreinigkeit es enthält. Jedoch hat diese Reinigung ihre
Grenze, da es bei öfterer Wiederholung zu viel von seinem Gewichte
verliert.“


Der Anfang dieser Stelle lieſse sich wohl auf die indische Stahl-
bereitungsmethode beziehen, wenn dem nicht die Bemerkung folgte,
daſs die Schlacke sich unter dem Stahl an den Boden ziehe. Dies
kann nur bei der Bildung einer Luppe, beim Aufbrechen oder Aus-
heizen in einem Herdofen geschehen, wie es denn auch deutlich heiſst,
daſs die Schlacke sich unter das wieder fest gewordene Eisen zu Boden
zieht. Auch diese Stelle läſst sich daher nur [auf] eine feste Luppe
beziehen, unter der die Schlacke abgestochen werden kann. Das
„bearbeitete Eisen“ ist wohl die vorgeschmiedete Rohluppe, welche
allerdings durch das weitere Ausheizen einer fortgesetzten Reinigung
unterworfen wurde. Selbst das Hinzufügen des Steines Pyromachus
unterstützt diese Auffassung.


Nach der Darstellung des Aristoteles geschah dieses nur, wenn
Stahl erhalten werden sollte und durchaus mit Recht, da zur Stahl-
erzeugung eine gröſsere Schlackenmenge notwendig ist, die das Eisen
vor dem Winde und vor weitergehender Entkohlung schützt. Der
Stein Pyromachus (der mit dem Feuer kämpft) hinter dem ältere
Kommentatoren sehr geheimnisvolle Stoffe zu finden glaubten, war
deshalb gewiſs weiter nichts als ein Schlacke bildendes Fluſsmittel,
wenn es nicht gar, was dem modernen Standpunkte am nächsten läge,
eine eisenreiche Frisch- oder Schweiſsschlacke gewesen ist. Die An-
sicht, daſs Pyromachus Pyrit, Eisenkies, sei, ist absurd und nur die
Ähnlichkeit der Worte kann dazu verleitet haben. Auch daſs er
Braunstein gewesen sei, ist eine ganz willkürliche und unbegründete
Annahme. Aristoteles stellt ihn vielmehr auf eine Linie mit den Mühl-
steinen (οἱ μυλίαι2) und begreift unter beiden Bezeichnungen Steinarten,
die für sich schmelzen, gerade wie oben Theophrast sagt. Er bemerkt, der
Pyromachus erstarre nach der Schmelzung wieder zu einem festen
Steine; der „Mühlstein“ schmelze auch, bekomme aber durch das
Schmelzen eine schwarze Farbe und werde zerreiblich wie gebrannter
[461]Griechenland.
Kalk. Auch Plinius erwähnt von dem „molaris“, daſs er sich ähnlich
wie gebrannter Kalk verhalte1). Aristoteles fügt noch ausdrücklich
hinzu, es gäbe auch Steine, namentlich Thonarten, die unschmelzbar
seien.


Die lückenhaften Überlieferungen der griechischen Schriftsteller
werden teilweise ergänzt durch den reichen Schatz bildlicher Dar-
stellungen, welche uns in den Skulpturen und Vasengemälden griechi-
scher Künstler überkommen sind. Wir lernen aus diesen Abbildungen,
die in ihrer naturalistischen Unmittelbarkeit nur von den ägyptischen
Darstellungen erreicht werden, während sie in Bezug auf künstlerische

Figure 74. Fig. 74.


Formvollendung diese weit übertreffen, mancherlei technische Ver-
richtungen, mancherlei Einrichtungen, mancherlei Werkzeuge kennen.
Das belebte Bild, Fig. 74, welches Müller in seinen Altertümern als
griechischen Ursprungs mitgeteilt hat, stellt Hephästos dar, wie er die
Waffen des Ares schmiedet. Rechts auf breitem Postament steht
schon der fertige Panzer, bemerkenswert dadurch, daſs er auch die
Weichteile bedeckt. Im Vordergrunde am Boden unter dem Podest
sitzt ein Knabe, der eine Beinschiene abreibt (putzt). Die Mittelgruppe,
der Hauptteil des Bildwerkes, stellt Hephästos als Meister dar, der
den Schildgriff an den gewaltigen Rundschild, den der starke, musku-
löse Geselle nur mit Mühe schwebend in die Höhe hält, anpaſst.
Reizend und für uns am interessantesten ist die Szene zur Linken.
Hier sehen wir den neckischen Jüngling, welcher den Blasebalg tritt,
sich um den Schmelzofen, aus dessen Schlackenloch die hoch auf-
[462]Griechenland.
lodernde Flamme emporschlägt, herumbiegend, dem alten, erfahrenen
sidonischen Künstler, der emsig vorgebeugt an dem riesigen karischen
Prunkhelme nacharbeitet (ziseliert oder poliert) die Spitzkappe, die
charakteristische Kopfbedeckung der Juden und Phönizier, vom Kopfe
zieht. Besonders bemerkenswert für uns ist der Schmelzofen. Seine
Dimensionen können wir annähernd aus den Maſsen der umstehenden
Figuren ermessen. Freilich sind diese in den Maſsen sehr ungleich
behandelt, Meister und Geselle erscheinen wie Riesen, während der
alte, asiatische Knecht zwerghaft dargestellt ist. Die Dimensionen der
beiden Jünglinge stellen natürliche Gröſsenverhältnisse dar. Danach
wäre der Schmelzofen auſsen ungefähr 150 cm hoch und 75 cm breit

Figure 75. Fig. 75.


Die reihenweise angebrachten Öffnungen dürften den Zweck haben
beim Anwärmen des Ofens Luft zuzulassen, um die Entzündung des
mit Brennmaterial angefüllten Ofens zu regulieren. Bevor mit dem
Blasen begonnen wird, werden dieselben geschlossen. Der Balg wurde
augenscheinlich getreten, da der Gehilfe, der dies besorgt, die Hände
frei hat.


Eine zweite noch interessantere Abbildung (Fig. 75) befindet
sich auf einer griechischen Vase im Museum zu Berlin. Sie stellt die
Werkstätte eines Metallschmelzers dar. Ob Erz oder Eisen in dem
Ofen niedergeschmolzen wird, läſst sich nicht bestimmen. Denn während
die aufgehängten Bildwerke, sowie Fuſs und Hand zur Rechten auf
[463]Griechenland.
die Arbeit eines Erzgieſsers hindeuten, lassen die abgebildeten schweren
Schmiedehämmer, sowie die Stellung des kräftigen Vorschlägers rechts
vom Meister eher eine Eisenschmiede vermuten. Der Blasebalg wird

Figure 76. Fig. 76.


hier augenscheinlich mit
den Händen bewegt und
zwar von dem in kauern-
der Stellung auf dem
Boden sitzenden Knecht.
Der Windform gegenüber
befindet sich das Schürloch,
durch das der Meister mit
einem gekrümmten Eisen
gerade sondiert. Der Ofen
hat ähnliche Dimensionen,
wie der oben beschriebene,
etwa 150 cm Höhe bei 60 cm
Breite, doch ist er nach oben etwas zusammengezogen und hat an der
Gichtöffnung einen eigentümlichen Verschluſs.


Vasenbilder und Skulpturen geben uns auch mancherlei Aufschluſs
über die Handwerksgeräte der griechischen Eisenarbeiter.


Figure 77. Fig. 77.

Das älteste und wichtigste Handwerkszeug (τὰ σκεύη, τὸ ἐργαλεῖον,
ὄργανον) des Metallarbeiters sind Hammer und Amboſs. Der Amboſs
(ἄκμων) war von Eisen1). Er saſs in der Regel auf einem Holzunter-
satz, dem Stock (ἀκμόϑετον, Ilias 410, 476).


Die Form der Ambosse war je nach dem Zwecke sehr abweichend.
Die Figuren 76 a bis e zeigen eine Reihe verschiedener Ambosse nach
[464]Griechenland.
griechischen Abbildungen1). a auf einer Gemme dargestellt2), ist ein
Amboſs mit Horn, ganz ähnlich den heutigen, zum Ausschmieden runder
Gegenstände. b scheint den Amboſs eines Luppenschmiedes darzu-
stellen, Eroten schwingen die Grobhämmer3). d ist einem pompejani-
schen Wandgemälde entnommen und e stellt einen Amboſs ohne Stock
dar. Diese Abbildung ist einer Ara aus Veji im Lateran entnommen4).


Für den Hammer hat die griechische Sprache eine groſse Mannig-
faltigkeit von Ausdrücken, deren bestimmte Bedeutung sich nur ver-
muten läſst. Die allgemeine Bezeichnung für Hammer ist σφῦρα.
Der groſse Schmiedehammer, Grobhammer oder Vorschlaghammer heiſst
ῥαιστήρ, z. B. der Schmiedehammer des Hephästos (Ilias XVIII, 477).

Figure 78. Fig. 78.


Der schwere Hammer, der
auf der einen Seite zu-
läuft, heiſst κέστρα und
κροταφίς.


Fig. 77 a. v. S. giebt
Abbildungen schwerer
Schmiedehämmer nach
Darstellungen auf Vasen-
bildern5).


Das dritte unent-
behrliche Schmiedewerk-
zeug ist die Zange.
Auch von diesen geben
uns griechische Bildwerke
eine groſse Auswahl6).
Wir erwähnen zunächst
der Zange Fig. 78 e, dar-
gestellt auf einem Vasen-
bilde, als ein Werkzeug des Hephästos7), weil dasſelbe lebhaft an
die primitive Form der gewundenen Baumzweige, wie wir sie bei den
Naturvölkern Afrikas kennen gelernt haben, erinnert.


a und b (Fig. 78 a, b) sind Luppenzangen, die mit zwei Händen ge-
führt werden muſsten, da ihre Arme in geschlossenem Zustande ausein-
anderstehen, während c, d konvergierende Arme hatten, deshalb mit
[465]Griechenland.
einer Hand gepackt werden konnten. Die Zange f, nach einem Original
im Züricher Antiquarium ergänzt, entspricht mehr einer Beiſszange1).


Das Hauptwerkzeug zur Holzbearbeitung war die Axt und das Beil

Figure 79. Fig. 79.


(πέλεκυς), beide ebenfalls meist von Eisen. Man unterschied die ein-
fache Axt (πέλεκυς ἑτερόστομος oder ἡμιπέλεκκον) und die Doppelaxt
(πέλεκυς ἀμφίστομος oder δίστομος, auch ἀξίνη).


Figure 80. Fig. 80.

Fig. 79 zeigt verschiedene Formen der einfachen Axt nach grie-
chischen Abbildungen, Fig. 80 ebensolche der Doppelaxt2).


Beck, Geschichte des Eisens. 30
[466]Griechenland.

Auch Meiſsel, Bohrer, Sägen finden sich vielfach auf griechischen
Vasenbildern dargestellt1).


Daſs bei allen diesen Werkzeugen die Schneiden aus Stahl waren,
bedarf kaum der Wiederholung.


Blicken wir zurück auf die mannigfachen Thatsachen, die wir auf-
geführt haben, so erkennen wir deutlich, daſs die Griechen in der
Metallurgie des Eisens nicht hinter den Orientalen zurückgeblieben
sind. Das Eisen war das Metall des gemeinen Mannes, des allgemeinen
Gebrauches. Aber auch guten Stahl kannten und fabrizierten die
Griechen schon in ältester Zeit2).


Muſsten sie die feinsten Stahlsorten, den chalybischen und indischen
auch aus dem Auslande beziehen, so lag der Grund nur darin, daſs
ihnen die vorzüglichen Erze, aus denen diese bereitet wurden, im
eigenen Lande fehlten. Die Eisendarstellung selbst aber war in
Griechenland autochthon und national.


[[467]]

Italien und die Römer.


Die Zentren der Weltherrschaft verschoben sich in der vorchrist-
lichen Zeit von Osten nach Westen. Den asiatischen Reichen von
Assur, Babylon und Persien folgte die griechisch-makedonische Herr-
schaft; dieser die römisch-italische, welche ihre Grenzen noch weiter
ausdehnte und fast die ganze damals bekannte Welt umschlang. Spät
erst greift Rom in die Geschicke der Welt ein, seine Macht, von
einem kleinen Anfangspunkt ausgehend, wuchs so rasch, daſs seine
Vorgeschichte sagenhaft ist und die römischen Geschichtschreiber der
klassischen Zeit über den Zustand Italiens vor seiner Unterwerfung
durch Rom nur weniges und unbestimmtes zu berichten wissen.


Die Urbevölkerung Italiens pflegt man teils pelasgisch, teils
keltisch zu nennen, womit freilich wenig gesagt ist. Jedenfalls ge-
hörten sowohl die Sikuler, welche Süditalien bewohnten und durch die
Osker oder Ausoner über das Meer nach der reichen Insel, „der Korn-
kammer des Mittelmeeres“, der sie ihren heutigen Namen gegeben
haben, verdrängt wurden, ebenso wie die Latiner und Sabiner als die
im Norden wohnenden Ligurer und Gallier der indogermanischen
Völkerfamilie an und standen zu den einwandernden Griechen in ganz
ähnlichem Verhältnis, wie die Pelasger zu den Dorern, Ionern und
Achäern. Die südlichen Stämme waren mehr mit den Iberern, die
nördlichen mehr mit den Galliern verwandt.


An der italischen Küste waren schon in früher Zeit von Osten aus
Kolonieen gegründet worden, welche bedeutende Einwanderung zur
Folge hatten. So stellt sich uns auch bereits dasjenige Volk, welches
zuerst in Italien eine hervorragende politische Rolle spielte, das aber
30*
[468]Italien und die Römer.
noch mehr durch seine Kunst- und Gewerbethätigkeit, durch Handel
und Industrie hervorragte und dadurch seinen Ruhm lange nach dem
Verluste seiner politischen Selbständigkeit bewahrte, die Etrusker,
als ein Mischlingsvolk dar. Die ethnische Grundlage bildet ein Stamm,
der in seiner eigenen Sprache Rasin-na (Rasena1) genannt wurde,
den wir zuerst im unteren Pothal ansässig finden und der von Nor-
den her eingewandert sein soll. Die Etrusker breiteten sich süd-
wärts über einen groſsen Teil Italiens aus, sie unterwarfen und ver-
nichteten die früher in dem toskanischen Gebiete ansässigen Ligurer
(Ligyer) und behaupteten viele Jahrhunderte hindurch die Suprematie
in Italien. Dies geht aus den vielen etruskischen Namen von Städten,
Flüssen und Bergen hervor. Das Meer, welches die Westküste Italiens
bespült, wurde nach ihnen das Tyrrhenische genannt, und ebenso ist
der Name des Adriatischen Meeres von der alten etruskischen Kolonie
„Hatria“2) herzuleiten. Den Namen der Etrusker, die auch Tyrrhener,
Tursenen und Tusker genannt wurden, haben wir als „Tursi“ (Turischa)
bereits um 1300 v. Chr. in der ägyptischen Inschrift, welche über den
Kriegszug der Mittelmeervölker gegen Menephta berichtet, kennen
gelernt. Also schon damals müssen die Etrusker das herrschende
Volk in Italien und der Schiffahrt wohl kundig gewesen sein3); wenn
nicht, wie manche annehmen, Tursi (Tyrsener, Tyrrhener) der
Name der Pelasger Mittelgriechenlands gewesen ist. Dunker verwirft
überhaupt die Übersetzung Turischa mit Tursi, Tusker, hält die
Turischa vielmehr für ein libysches Volk4). Jedenfalls stand schon
damals das Volk in Verbindung mit Griechenland und Westasien. Die
Phönizier legten in ältester Zeit Kolonieen in Italien an, besonders
auf Sizilien und an den Mündungen des Po. Durch letztere wur-
den sie Nachbarn der Etrusker und traten in innigen Handelsver-
kehr mit ihnen, denn es ist kaum zu bezweifeln, daſs in jener
fernen Zeit, ehe Massilia am Ausflusse der Rhone blühte und den
Überlandhandel an sich gezogen hatte, ehe die Phönizier den Wasser-
weg durch die Säulen des Herkules nach Norden entdeckt hatten, der
nordische Handel und zwar besonders der Handel mit Bernstein und
Zinn dem Pothal (dem Eridanos) folgte und an den Kolonieen an
seinen verzweigten Mündungen in das Adriatische Meer seinen End-
und Übergangspunkt für den Seehandel fand. Ein reger Verkehr
herrschte damals am unteren Po, dessen Hauptmündung sich beträcht-
lich südlicher wie heute befand. Unter den sieben alten Mündungen
[469]Italien und die Römer.
heiſst die eine Carbonaria, der Arm der Kohlenschiffer, ein anderer
Fossiones Philistinae, wie auch der künstliche nördliche Kanal Fossa
Philistina genannt wurde, Namen, die deutlich auf Phönizien resp.
Philister hindeuten. Der Handel am unteren Po stand zu jener Zeit
in hoher Blüte und erinnert an eine weit spätere Periode, als das
stolze Venedig das Mittelmeer beherrschte. Durch die Auffindung
kürzerer und bequemerer Handelswege gingen die Kolonieen am Aus-
flusse des Po zurück, um später in völlige Vergessenheit zu geraten.
Der Verkehr zog sich nach anderen Plätzen, doch nicht ohne eine tiefe
Einwirkung auf die Bevölkerung, die so reichen Anteil daran gehabt
hatte, zu hinterlassen. Dieser Verkehr hat zumeist den Etruskern den
Stempel aufgedrückt, ihnen die charakteristische Ausbildung gegeben,
daſs sie, rings umgeben von einfachen, wenig entwickelten, nur Vieh-
zucht, Jagd und Landbau treibenden Stämmen, als ein Industrievolk
ersten Ranges erscheinen, dessen kunstvolle Leistungen besonders in
bezug auf Keramik, Malerei und Verarbeitung der Metalle wir noch
heute bewundern. Nicht minder waren sie eins der hervorragendsten
Handelsvölker des Altertumes zur See und auf dem Lande, und ihre
Waren gingen bis zu den Barbaren im fernsten Norden. Ihre Kunst-
entwickelung ist beeinfluſst, ja bedingt durch die asiatisch-griechische
Kunst. Es waren nicht Phönizier allein, welche mit den Etruskern in
enger Beziehung standen, ebenso wichtig war die Einwirkung der
Lydier auf sie, von denen ältere Schriftsteller geradezu ihren Ursprung
herleiten 1). Wahrscheinlich hat eine starke Einwanderung aus Lydien,
vielleicht von lydischen Pelasgern, in etruskisches Gebiet stattgefunden.
Einige wollen auch die Tyrrhener im Gegensatze zu den Tuskern mit
Pelasgern aus Attika und Böotiern identifizieren. Um das 11. Jahrhundert
v. Chr., vielleicht noch früher, entstanden bereits die griechischen
Kolonieen Pisai, Alsion und Pyrgoi im etruskischen Gebiete. Von
ihnen aus verbreitete sich hellenische Bildung in dem Lande. Die
Rassena vermischten sich auſserdem mit Umbrern und Ligurern, die
an der Westküste von Mittel- und Oberitalien ansässig waren. Aus
allen diesen Elementen entstand das Volk der Etrusker, das zur Zeit
der ersten Jugend Roms, zur Zeit der Könige im 7. und 6. Jahrhundert
v. Chr., noch die unangefochtene Suprematie in Italien besaſs, auf einer
[470]Italien und die Römer.
hohen Stufe der Kultur stand und in reichen, blühenden Städten lebte.
Von dieser Zeit an begann ihre Bedrängnis. Gallier kamen über die
Alpen, bekriegten sie im Norden und vertrieben sie aus ihren alten
Sitzen am Po. Im Süden erhoben sich die Samniter, machten ihnen
die Herrschaft streitig und verdrängten sie aus Kampanien. So
wurden sie auf das Gebiet zwischen Arnus und Tiber eingeschränkt,
das noch heute nach ihnen den Namen Toskana führt, bis auch dieses
nach langen erbitterten Kämpfen, die sich über ein Säkulum bis ins
3. Jahrhundert v. Chr. fortzogen, dem Schwerte der Römer erlagen.
Aber gingen auch die Etrusker ihrer politischen Selbständigkeit ver-
lustig, sie lebten selbständig fort in ihrer Kunst und Industrie und
übten gerade in dieser Richtung auf ihre Besieger den gröſsten Einfluſs.


Die politische Organisation Etruriens war eigentümlich. Die
Etrusker hatten von den Phöniziern den Widerwillen gegen die Tyrannis
und gegen eine feste Zentralisation geerbt. Jede der vielen reichen
Städte bildete ein Gemeinwesen für sich, diese waren untereinander
verbündet. So stellt sich Etrurien als ein Städtebund, ähnlich wie
Phönizien und sehr abweichend von dem nachmaligen römischen Ein-
heitsstaat dar.


Bergbau und Metallgewinnung waren früh bei den Etruskern in
Schwung. Kupfer und Eisen gewannen sie im eigenen Lande, beson-
ders auf Elba und in den toskanischen Bergen.


Schon ehe die Etrusker die Oberherrschaft in Mittelitalien erlang-
ten, kannte die einheimische Bevölkerung, insbesondere die Ligurer
und Umbrer, die Metalle und deren Verwendung. Zahlreiche Funde,
welche durch die eifrigen Bemühungen italienischer Archäologen zu
Tage gefördert worden sind, beweisen dies. Wir wollen nur einige
der wichtigeren dieser altitalischen Funde hier erwähnen.


Bei Bologna, da wo einst das alte Felsina lag, fanden sich reiche
Schätze aus uralten Zeiten. Am bedeutendsten sind die Funde von
Villanova, von Marzobotto und von la Certosa. Graf Gozzadini hat
diese Ausgrabungen teils selbst bewerkstelligt, teils veranlaſst. Bei
Villanova deckte er im Jahre 1853 zweihundert Gräber auf, in welchen
sich auſser anderen Gegenständen viele metallene Beigaben von Bronze
und Eisen befanden. Die Schmucksachen sind vorwiegend von Bronze;
so fand man nicht weniger als 675 Stück Bronzefibeln, von denen viele
mit Bernstein und Glasperlen verziert waren. Die Arm- und Finger-
ringe waren meist aus Bronze, doch fanden sich auch solche von Eisen.
Bei den Angriffswaffen überwogen die von Eisen. So waren beispiels-
weise unter 29 Schaftkelten 8 von Bronze und 21 von Eisen. Speer-
[471]Italien und die Römer.
spitzen fanden sich überhaupt nur zwei, beide waren von Eisen. Die
Messer, charakteristisch durch ihre geschweiften Klingen, waren teils
von Bronze, teils von Eisen. Daneben fanden sich Klumpen von Bronze
von ziemlich regelmäſsiger Gestalt, die man für „aes rude“ hält. Die
Bronze bestand aus der normalen Mischung von Kupfer und Zinn.
Die Gräber von Villanova gelten als die ältesten der bei Bologna
eröffneten, und Contestabile nimmt an, daſs sie aus der Zeit des 9. bis
10. Jahrhunderts v. Chr. stammen.


Jünger, der Zeit der etruskischen Herrschaft angehörig, sind die
Ausgrabungen von Marzobotto und des ausgedehnten Grabfeldes von
la Certosa, welches man für den Friedhof der alten Stadt Felsina hält.
Alle diese Funde sind jedenfalls älter als das Jahr 400 v. Chr., in
welchem Felsina von den keltischen Boyern erobert wurde. Auch hier
haben sich Schwerter, Dolche, Lanzenspitzen und Werkzeuge von Eisen
gefunden 1).


Nördlich vom Po haben sich bei Golasecca Gräber gefunden, die
denen von Villanova entsprechen, obgleich Eisen sich nur spärlich
darin gefunden hat.


Die italienischen Archäologen bezeichnen diese ganze Periode als
„die älteste Eisenzeit“ und halten sie für voretruskisch. Sie ist, abgesehen
von den Fundobjekten, charakterisiert durch die Begräbnisweise. Die
verbrannten Gebeine der Verstorbenen finden sich in einer geräumigen
Urne, welche mit einer groſsen Schale zugedeckt ist, beigesetzt. Bei
den altetruskischen Städten Veji und Präneste hat Pater Garucci
interessante Gegenstände ausgegraben, die man ebenfalls für voretrus-
kisch 2) hält. Mancherlei eiserne Gegenstände, namentlich Waffen, be-
finden sich darunter. Bemerkenswert ist die Ähnlichkeit der Dekora-
tion der Eisenwaffen, namentlich der Verzierung von Griff und Scheide
mit Elfenbein und Bernstein, mit den Waffen von Hallstadt. Nach-
stehende Abbildung (Fig. 81 a. f. S.) giebt die Zeichnung eines Dolches
mit Stahlklinge. Griff und Scheide sind von Elfenbein mit viereckigen
Stückchen Bernstein kunstvoll ausgelegt. Im Museum Barberini be-
finden sich Dolche und Schwerter von Eisen (Fig. 82 a. f. S.). Letztere
haben krumme Klingen, innen geschärft, ähnlich Yataganen; auch diese
Waffen sollen von Veji stammen. Eisen fand sich auch vielfach in Ver-
[472]Italien und die Römer.
bindung mit Bronze; so fand man in einem Grabe von Veji die Reste
eines Wagens, dessen eiserne Radschienen mit kupfernen Nägeln befestigt
waren; bei Präneste fand sich ein Kupfergefäſs mit eisernen Henkeln,
ferner eine Bronzeschale mit eisernem Untergestell, dessen Füſse
Ziegenfüſse von Bronze waren.


Die angeführten Funde liefern den ausreichenden Beweis, daſs
schon in voretruskischer Zeit eine Metallindustrie in Mittelitalien be-
stand und das Eisen zu vielerlei Zwecken verwendet wurde.


Die Etrusker selbst waren Meister in der Metallverarbeitung. Sie

Figure 81. Fig. 81.


verstanden die Bronze zu bereiten und leisteten Staunenerregendes
im Erzguſs und in der Erzschmiedekunst. Sie hatten eine groſse
Vorliebe für Statuen und waren die ersten, die in Italien Bildsäulen
errichteten 1).


Welche unglaubliche Zahl von ehernen Standbildern in den reichen
etruskischen Städten sich befanden, geht daraus hervor, daſs, als die
Römer kurz vor Ausbruch des ersten punischen Krieges Volsinii er-

Figure 82. Fig. 82.


oberten, sich daselbst 2000 Erzstatuen vorfanden, welche die Römer
zum gröſsten Teil nach Rom schleppten. Ja Metrodor von Skepsis
warf den ihm verhaſsten Römern vor, sie hätten nur aus Habgier der
2000 Erzbilder wegen die blühende Stadt zerstört 2). Etruskische
Bildwerke waren „über alle Länder zerstreut“, wie Plinius sich aus-
drückt, bildeten also jedenfalls auch einen Gegenstand der Ausfuhr. Es
waren zumeist Götterbilder von sehr verschiedener Gröſse. Horaz
erwähnt kostbarer tyrrhenischer Statuetten als Luxusartikel, während
der etruskische Apollo in der Bibliothek des Augustus 50 Fuſs hoch
und gleich berühmt durch Stoff und Ausführung war 3).


[473]Italien und die Römer.

Auch in Etrurien ging die Kunst des Treibens der des Gieſsens
voran. Wohl die älteste Bronzearbeit der Etrurier, die wir kennen, ist
der getriebene Erzuntersatz von Polledrara im brittischen Museum,
dessen Figuren und Verzierungen noch ganz den phönizisch-ägyptischen
Typus zeigen, ähnlich den Erzgefäſsen von Niniveh 1). Die etrurische
Kunst war so entwickelt, daſs sie vielfach mit der griechischen in
Konkurrenz trat, ja daſs etrurische Erzgefäſse nach Griechenland
exportiert wurden. Etrurien stand in direktem Handelsverkehre mit
Athen und man hat in Attika tyrrhenische Erzleuchter und Goldschalen
gefunden, während man in Etrurien attische Thongefäſse entdeckt hat.


In der Kunst der Toreutik waren die Etrusker hochberühmt,
besonders waren ihre getriebenen Kandelaber und Schalen in der
ganzen klassischen Welt geschätzt. Etruskisch waren die goldenen
Kränze der Triumphatoren, goldene Fingerringe, goldene Bullen
und mancherlei anderer getriebener Schmuck. Aber auch im Erzguſs
leisteten sie Vorzügliches. Kupfer und Bronze gaben das Material für
die Münzen der Etrurier, wenigstens in älterer Zeit. Jede Stadt
scheint ihre Münzen geschlagen zu haben. Ursprünglich waren es
Stabmünzen aus Kupfer von parallelepipedischer Form 2). Im Gebiete
der Etrusker wurde Kupfer an verschiedenen Orten bergmännisch ge-
wonnen. Es ist kein Grund, die bestimmten Angaben der alten
Schriftsteller zu bezweifeln, daſs die elbanischen Bergwerke ursprüng-
lich auf Kupfer betrieben worden seien. Kupferadern ging man im
Altertume mit Eifer nach, während selbst auf so vorzügliche Eisenerz-
lager wie die elbanischen in jener Periode nicht leicht regelmäſsiger
Bergbau getrieben wurde. Auch die reichen Kupferbergwerke von
Volaterrae gehen bis in die Zeit der etruskischen Herrschaft zurück,
wie auch die Silbergruben bei Montieri schon aus jener Zeit stammen
dürften. Zinn bekamen die Etrusker auf dem Handelswege und zwar
auf dem Landwege, wie schon oben erwähnt wird. Etrurische Waren
aus Thon und Metall wanderten zum Eintausch für Zinn und Bernstein
bis zur Ultima Thule.


Am berühmtesten von allen Bergwerken der Etrusker waren
jedenfalls die Eisengruben auf der Insel Elba, welche den Aus-
gangs- und Mittelpunkt einer ebenso alten wie bedeutenden Industrie
bildeten.


Wie an wenigen Plätzen Europas hatte die Natur auf Elba die
reichsten Schätze des besten Eisenerzes aufgehäuft, und wir dürfen an-
[474]Italien und die Römer.
nehmen, daſs kein Eisenerzlager in Europa so früh durch unterirdischen
Bergbau abgebaut wurde. Trotzdem wurde man dazu erst geführt
durch die Aufsuchung von Kupfererzadern, die in dem oberen Teile
des Erzstockes vorkamen, die jetzt aber nur noch in Spuren gefunden
werden. Denn den Alten schien es nicht sich der Mühe und Arbeit zu
verlohnen, Eisenstein, der sich ja überall an der Oberfläche der
Erde fand, durch ein so beschwerliches Verfahren wie das eines
regelrechten Bergbaues zu gewinnen. Das hohe Alter der elbanischen
Eisensteingruben wird vielfach bezeugt. Diodor sagt, der Bergbau auf
Elba sei so alt, daſs sein Anfang sich nicht mehr bestimmen lasse. Die
Insel Elba war auch den Griechen der klassischen Zeit bereits wohl
bekannt. Sie hieſs Αἰϑαλία, von αἴϑαλος Ofenruſs, schwarze Asche,
denn sie hatte, wie Diodor erwähnt und ähnlich wie Lemnos, ihren
Namen von dem schwarzen Rauch und der Menge des Ruſses 1). Ari-
stoteles berichtet 2) aus der Zeit, als die etruskische Herrschaft noch
bestand (circa 340 v. Chr.): „In Etrurien soll eine Insel Namens
Äthalia sein, auf der Kupfergruben sind, woraus das Erz gegraben
wird, nämlich alles das, aus dem dort die ehernen Waffen gegossen
werden. Allein es wird selten und es kehrt nach Verlauf eines gewissen
Zeitraumes nicht Erz wie zuvor, sondern Eisen an seine Stelle. Dies
gewinnen sie bereits und die Eingeborenen nennen es das „populoni-
sche“ von dem Hafen Populonia an der gegenüberliegenden italischen
Küste.“ Diese Nachricht des Aristoteles bestätigt ebenfalls, daſs dem
Eisensteinbergbau ein Bergbau auf Kupfererze vorausgegangen war.
Aristoteles bestätigt hier den alten Aberglauben vom Wachsen der
Erze, indem er behauptet, an Stelle der ausgebrochenen Kupfererze
wüchse Eisenerz nach. Das Wiederwachsen der Erze war eine, bei den
Alten allgemein verbreitete Ansicht, die sich bei ungebildeten Berg-
leuten bis heute erhalten hat. Sie hat ihren Ursprung in dem Absatz
von Sinterbildungen im Bergversatz, dem sogenannten „alten Mann“
und in verlassenen Strecken. Wenn daher Aristoteles solches von
Elba berichten konnte, so ist dies ebenfalls ein Beweis für das hohe
Alter des dortigen Betriebes.


Einen weiteren Beweis geben uns die populonischen Münzen, deren
Stempel Schmiedezange und Hammer, als das alte Wappen dieses
wichtigen Eisenhafens, zeigen. Ihr tuskischer Name war Poplun,
d. h. Stadt der Metalle. Populonia, das an einem erhöhten Punkte
in den Maremnen gelegen war und durch seine weithin sichtbare
[475]Italien und die Römer.
Lage ein Richtpunkt für die Schiffer im tyrrhenischen Meer bildete,
stand auch mit Volaterrae in enger Verbindung und wird sogar eine
Kolonie dieser wichtigen Erzstadt genannt 1).


Die Eisenerze auf Elba, welche Virgil die Erzeugerin unerschöpf-
lichen Chalybermetalles nennt 2), bestanden aus Glanzeisenstein und
wurden in ältester Zeit auf Elba selbst verschmolzen, wie auch aus
den groſsen Schlackenhalden geschlossen werden muſs, die Plinius
noch bei Portoferrajo, dem alten Hafen der Insel fand 3). Da aber
das Brennmaterial auf der kleinen Insel bald erschöpft war, so unter-
warf man später die Erze an Ort und Stelle nur einer starken Röstung
und verführte sie dann nach der gegenüberliegenden italienischen
Küste und nach Korsika, wo sie verschmolzen wurden 4). Bei Populonia
befindet sich ein wahrer Berg alter Eisenschlacken von mehr als 600 m
Länge und etwa 2 m Höhe, der nur in einem sehr langen Zeitraume
entstanden sein kann 5). Dies nahm durch Jahrtausende seinen Fort-
gang und noch heute werden die Erze der unerschöpflichen Insel längs
der italienischen Küste und auf Korsika verhüttet. Die gegenwärtige
Jahresförderung beläuft sich auf circa 3 Millionen Zentner, die fast
ausschlieſslich durch Tagebau gewonnen werden.


Diodor erzählt 6): „Die Insel Äthalia enthält viel Eisenerz (σιδη-
ρῖτες), das sie benutzen, um Eisen daraus zu schmelzen, an welchem
Metall sie einen groſsen Überfluſs haben. Diejenigen, welche sich mit
der Arbeit beschäftigen, brechen den Stein und brennen die klein-
gemachten Stücke in künstlichen Öfen, in welchen sie durch die heftige
Glut des Feuers die Steine schmelzen und solche in mittelgroſse Stücke
teilen, welche ungefähr wie groſse Schwämme aussehen. Diese erhan-
deln die Kaufleute oder tauschen sie ein und bringen sie nach Dikä-
archia (Puteoli) und anderen Handelsstädten. Dergleichen Schiffs-
ladungen kaufen einige (Unternehmer), die eine groſse Zahl von
Eisenfabrikanten halten, welche es verarbeiten und allerlei Eisenwerk
daraus machen, einiges davon schmieden sie in Vogelfigur, anderes
davon verarbeiten sie künstlich zu Hacken, Sicheln und anderem
[476]Italien und die Römer.
Arbeitsgerät. Dies wird von den Kaufleuten überall hin verführt, und
so verbreitet sich der Nutzen über viele Länder der Welt.“ Man er-
kennt hieraus, wie lebhaft der Eisenhandel Elbas und der beteiligten
Seestädte war.


Dikäarchia, welches hier als Hauptbezugsort für das elbanische
Eisen genannt wird, bezeichnet Pausanias, obgleich in kumanischem
Gebiet gelegen, ausdrücklich als eine etruskische Stadt. Auch Korsika,
das von den Phokaeern 565 v. Chr. kolonisiert worden war, partizipierte
an dem Eisenhandel Elbas. Alalia scheint hierdurch entstanden zu sein.
Die Konkurrenz Korsikas wurde den Tyrrhenern so lästig, daſs sie
Krieg mit den Kolonisten anfingen und die holzreiche Insel annektierten.
Was das hier beschriebene technische Verfahren anlangt, so geht aus
der Schilderung Diodors bestimmt hervor, daſs man die Erze auf der
Insel selbst nur als Rohluppen erster Schmelzung ausschmolz und
diese schwammartigen Eisenmassen mit Schiffen nach anderen Punkten
überführte, wo Brennmaterial leichter und billiger zu beschaffen war.
Hier wurden sie dicht geschmiedet, in die besondere Form von beider-
seits spitz zulaufenden Masseln, einem Halbfabrikat, gebracht, in wel-
cher Form sie entweder verhandelt oder direkt weiter verarbeitet
wurden. Auf diese Handelsform der Eisenluppen werden wir später
zurückkommen.


Es ist ein groſser Irrtum Karstens, der leider oft nachgeschrieben
worden ist, wenn er in seiner Skizze über die Geschichte des Eisens an-
nimmt, die oben erwähnten schwammähnlichen Stücke des zusammen-
geflossenen Eisens seien das, was man besonders in Österreich „luckiger
Floſs“ nennt, gewesen, also ein geschmolzenes Roheisen; vielmehr geht
aus allem klar hervor, daſs es mehr oder weniger vollständig reduzierte
Rohluppen, wie sie bei der direkten Eisenbereitung fallen, gewesen sind.


Das Ausschmelzen geschah 1) in Rennherden, ähnlich wie es noch
heute bei Neapel und auf Korsika betrieben wird. Simonin hat einen
solchen alten Schmelzherd, der mit Sandsteinstücken umsetzt war, bei
Populonia aufgefunden, dabei einen Haufen besten elbanischen Erzes
von 60 bis 65 Proz. Eisengehalt. Die Schlacken sind gutgeflossen,
blasig, schwarz und krystallinisch. Sie enthielten 40 Proz. Eisenoxydul.
Die Kohle war Holzkohle aus Eichen- und Kastanienholz. Bei Popu-
lonia selbst fand Bergbau auf Roteisenstein am Monte Valerio statt
Die Reste eines anderen etruskischen Eisenwerkes hat man bei Ghera-
dessa auf dem Berge Buche al ferro (d. h. Eisenbergwerk) aufgedeckt.
[477]Italien und die Römer.
Das Eisen wurde bei den Etruskern in derselben Weise wie bei den
Griechen verwendet, zu den gebräuchlichsten Werkzeugen, zur Be-
waffnung u. s. w.


Im nachfolgenden wollen wir nur eine kurze Zusammenstellung
der zahlreichen etruskischen Eisenfunde geben.


In dem berühmten etruskischen Grabe zu Cervetri, genannt Grotta
Regulini-Palassi, fand sich ein kleiner eiserner Altar auf einem Gestell,
ferner ein Paar Bronzekessel auf eisernen Dreifüſsen 1); zu Perusia ein
Paar eiserne Brenneisen zum Kräuseln der Locken 2); zu Vulci ein
eiserner Schürhaken. In der Grotta Segardi bei Cortona fanden sich
eine Hacke, ein Schlüssel und Teile eines Schlosses von Eisen 3).
Ferner befinden sich im Museo Etrusco im Vatikan ein kleines
Herdgestell von Eisen (branchettino in ferro) aus dem groſsen Grabe
von Caere 4); ferner der 1,05 m hohe eiserne Untersatz einer reich-
verzierten Bronzelampe 5); ein Kessel mit Dreifuſs von Eisen (Fig. 83)

Figure 83. Fig. 83.


Figure 84. Fig. 84.


und zwei eiserne Blechscheiben, wohl Beschläge (duo segnati in ferro 6).
Die Hämmer der Etrusker waren von Eisen. Das sämtliche Gezähe
der Bergleute, welches in den alten Bergwerken und Halden auf Elba
gefunden wurde, war von Eisen. Freilich läſst sich das Alter dieser
Werkzeuge mit Sicherheit nicht bestimmen. Eine Abbildung im
Gregorianischen Museum 7) stellt zwei Steinmetzen bei der Arbeit, oder
wie die Erklärung des Kataloges angiebt, zwei Cyklopen, die mit
Hämmern auf einem Ambos arbeiten, dar (Fig. 84) (Framento con
ciclopi che damano il ferro all’ incudine — dell’ antico Lazio). Die
Bewaffnung der Etrusker war hervorragend durch Güte und Glanz.
Es ist nicht zu verwundern, daſs bei der hohen Entwickelung der Erz-
[478]Italien und die Römer.
technik vielfach Bronze namentlich zu den Schutzwaffen verwendet
wurde. Die etruskischen Krieger trugen Brust- und Rückenharnische

Figure 85. Fig. 85 1).


(Fig. 85), Metallhelme von verschiedener Form (Fig. 86, 87, 88), zum
Teil mit reicher Helmzier, namentlich hohen, wallenden Federbüschen,
runde, reichverzierte Rundschilde (Fig. 89). Die meisten derselben, die

Figure 86. Fig. 86.


Figure 87. Fig. 87.


Figure 88. Fig. 88.


in den Museen aufbewahrt werden, sind von Bronze, die eisernen hat
der Rost meist längst verzehrt. Avvolta stieſs durch Zufall im Jahre 1823
[479]Italien und die Römer.
auf ein Grab bei Corneto, und dieser Fund gab die Veranlassung zur
Entdeckung des ausgedehnten Totenfeldes am Montarrozi, des groſs-
artigen Friedhofes des alten Tarquinii. Avvolta machte eine Öffnung in
die Platte, welche das Grab verschloſs, und schaute hinein. „Ich sah“,
so erzählt er1), „einen Krieger auf einem Felsenlager ausgestreckt liegen
und wenige Minuten darauf sah ich ihn gleichsam unter meinen Augen
verschwinden; denn sowie die Luft eindrang, zerfiel die ganz und gar

Figure 89. Fig. 89.


oxydierte Rüstung in ganz kleine Stücke 2).“
Dieses gänzliche Zerfallen der Rüstung an
der Luft läſst mit Bestimmtheit darauf
schlieſsen, daſs dieselbe von Eisen war,
und dies um so mehr, als Avvolta weiter
berichtet, daſs eine Lanze und 8 Wurf-
spieſse auf dem Lager bei dem bewaffneten
Manne gelegen hätten, alle zu einer Masse
verrostet, welche, als man sie wegzunehmen
versuchte, in mehrere Stücke gingen 3).
Daſs diese Waffen, die nahezu ebenso
oxydiert waren, wie die Rüstung selbst, aus Eisen waren, geht schon
daraus hervor, daſs Avvolta bei allen Bronzegegenständen, die er dem
Grabe entnahm, die Art des Metalles stets bezeichnet. Verschiedene
bronzene Vasen und Schalen schienen an den Wänden aufgehängt und
herabgefallen zu sein, wegen des Verrostens der Nägel, denn Stumpfe
von eisernen Nägeln wurden in der Wand darüber eingebettet ge-
funden.


Eine ganz ähnliche Ausgrabung wurde bei Vulci gemacht 4). Am
rechten Ufer der Fiora wurde im Jahre 1835 eine Grabkammer von
Campanari geöffnet. In der Mitte des Zimmers auf dem Boden hin-
gestreckt lag das Skelett eines Kriegers, mit dem Helm auf dem
Kopfe, einen Ring am Finger und einer verworrenen Masse von zer-
brochenen und verrosteten Waffen zu seinen Füſsen. An der Mauer
des Grabes von einem Nagel herabhängend, der wegen des Rostes es
kaum tragen konnte, hing ein groſser, bronzener Schild mit Holz ge-
füttert. Dennis fügt hinzu: „Diese Kriegergräber sind nicht ungewöhn-
lich zwischen jenen der Leute des Friedens zerstreut. In einigen
wurden Waffen mancherlei Art gefunden, die eisernen gemeinig-
lich sehr oxydiert
, die Helme oft die Spuren von Schlachtver-
[480]Italien und die Römer.
letzungen, von „tüchtigen alten Hieben“, von Schwert oder Lanze
zeigend.“


Die Angriffswaffen der Etrusker waren vorwiegend von Eisen. In-
folge ihrer raschen Zerstörung durch den Rost sind freilich nur wenig

Figure 90. Fig. 90.


auf uns gekommen und finden sich die Bronzewaffen in den
Museen in gröſserer Zahl. Die Haupttrutzwaffen der Etrus-
ker waren Schwerter, Dolche, Lanzen und Wurfspieſse. Die
Schwerter hatten meist gekrümmte, geschweifte Klingen,
einschneidig, mit der Schärfe nach innen und spitzig aus-
laufend (Fig. 90).


Wir haben oben bereits ein solches altes Eisenschwert
von Veji abgebildet. Ein weiteres krummes Stahlschwert
mit der scharfen Schneide nach der inneren Seite, wie bei
einer Sense, das in einem etruskischen Grabe gefunden
wurde, ist im Besitze des Cavaliere Campana zu Rom 1). Schwerter
und Bogen von Stahl sind in der Grotta Depinta bei Bormazo gefunden
worden 2). Krumme Sichelschwerter finden sich auch auf Vasenbildern
und Wandgemälden dargestellt, so z. B. in der Grotta Querciola bei
Tarquinii; doch kommen auch gerade Schwerter auf diesen vor. Ein

Figure 91. Fig. 91.


eiserner Dolch von Cervetri befindet sich
im Gregorianischen Museum. Fig. (91)
zeigt einen Stahldolch aus einem Grabe
von Caere, sowie zwei eiserne Lanzen-
spitzen von dort, ferner zeigt (Fig. 92) eine
Anzahl Lanzen- und Speerspitzen von
Vulci, darunter ein richtiges Pilum. Alle
diese Sachen befinden sich in dem Etrus-
kischen Museum im Vatican. Obgleich
die Erfindung des Pilums von einigen
Schriftstellern den Samnitern zugeschrie-
ben wird, so beweist doch dieser Fund,
daſs die Etrusker diese Waffe schon früher
als die Römer benutzten, und es ist sehr
wahrscheinlich, daſs das Pilum eine Er-
findung der Etrusker war. Auch der
leichte Velitenspeer mit eiserner Spitze (hasta velitaris) wird als eine
etruskische Waffe bei den Römern angeführt. Eiserne Lanzen und
Speerspitzen fanden sich noch in der Grotta Campana bei Veji 3), in
der Grotta Avvolta bei Tarquinii und in der Grotta Sergardi bei Cortona.


[481]Italien und die Römer.

Die wichtigsten Waffenfabriken waren in Arretium, das überhaupt
der bedeutendste Platz für die Verarbeitung der Metalle in Etrurien
war. Die wunderbar rasche Ausrüstung von Heer und Flotte durch
P. Cornelius Scipio im zweiten punischen Kriege war nur möglich durch
die Thätigkeit der gewerbreichen Städte Etruriens. Populonia lieferte
das nötige Eisen, Arretium Schilde, Helme, schwere und leichte Wurf-
spieſse, Lanzen, Beile u. s. w. sowie allerlei Handwerkszeug 1).


Wie überlegen die tyrrhenische Bewaffnung war, gegenüber der
altrömischen, geht daraus hervor, daſs der Etrusker Mastarna, der als

Figure 92. Fig. 92.


Servius Tullius römischer
König wurde, die heimische
Kriegsausrüstung in Rom
einführte; und wie ab-
hängig Rom in bezug auf
den Eisenimport von Etru-
rien war, erweist sich dar-
aus, daſs Porsenna den
Römern in den Friedens-
bedingungen vorschreiben
konnte, daſs sie nicht mehr
Eisen beziehen dürften, als
sie zu den notwendigsten
Geräten des Ackerbaues
und des Handwerkes nötig
gebrauchten.


Nächst Etrurien übten
die griechischen Kolo-
nieen
den gröſsten Ein-
fluſs auf die Entwickelung
Italiens aus. Diese Kolo-
nieen waren sehr zahlreich
und wurden namentlich in
Süditalien nach und nach so mächtig, daſs man den ganzen südlichen
Teil, nahezu das ganze frühere Königreich Neapel als einen Teil
Griechenlands ansah und es als Groſs-Griechenland bezeichnete. Die
Kultur in diesen süditalischen Städten war durchaus die griechische.


Unter dem doppelten Einflusse der Etrusker und der Griechen
entwickelt sich das römische Gemeinwesen auf altitalischer
Beck, Geschichte des Eisens. 31
[482]Italien und die Römer.
Grundlage. Unbedeutend und unscheinbar waren seine Anfänge.
Früh war es gezwungen, seine Existenz mit aller Kraft zu verteidigen.
Die Herrschaft an der unteren Tiber wurde ihm durch die kriegerischen
Samniter in blutigen Fehden streitig gemacht. Aber das kleine, auf
freiester Grundlage gegründete Rom ging siegreich aus diesen Kämpfen
hervor und erwarb sich Ansehen, Macht und Reichtum in immer
gröſserem Umfange.


Die erste Periode seiner Entwickelung, die Zeit der Könige ist in
mythisches Dunkel gehüllt. Klar ist, daſs es damals noch in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu Etrurien stand. Erst mit dem Sturze der
Tarquinier und der Gründung der Republik errang es sich vollständige
Unabhängigkeit.


Rom, ein geschlossenes Gemeinwesen in metallarmem Gebiete,
Jahrhunderte lang nur mit Krieg und Fehde beschäftigt, konnte direkt
keinen besonderen Einfluſs auf die Entwickelung der Metallurgie üben.
Es hat auch in der Folge einen solchen nur als Eroberer und Erbe
der Reichtümer und technischen Errungenschaften anderer Stämme und
Völker bethätigt. Blicken wir auf die älteste Zeit der römischen Ge-
schichte, auf die Zeit der Könige, so ist in dieser Periode von selbst-
ständiger metallurgischer Thätigkeit der Römer nicht die Rede, sie
bezogen die Metalle, die sie gebrauchten, von den Nachbarvölkern,
vielleicht von den Griechen und Samniten, zumeist aber von den
Etruskern. Es ist eine oft wiederholte Behauptung, daſs die Römer
sich früher der Bronze oder wenigstens des Kupfers als des Eisens
bedient hätten. Die Beweise dafür sind freilich äuſserst schwach. Als
einer dafür wird angeführt, daſs man sich bei gewissen, feierlichen
Handlungen in späterer Zeit des Kupfers, statt des gebräuchlicheren
Eisens bediente und dies als ein altes Herkommen angesehen wurde.
Bei gewissen, rituellen Feierlichkeiten lieſs man sich das Haar von
dem Priester mit dem ehernen Schermesser schneiden. Ebenso wurden
die Grenzen neuer Ansiedelungen mit einer ehernen Pflugschar gezogen.
Die erstere Sitte soll von den Sabinern, die letztere von den Etruskern
stammen, beide aber finden wir bereits bei den Phöniziern 1). Es
scheint uns doch viel natürlicher, aus diesen Überlieferungen zu folgern,
daſs dies eine ausnahmsweise Verwendung des Kupfers oder der Bronze
war, die man, infolge des höheren Wertes dieses Metalles gegenüber
dem Eisen wählte, um der Handlung eine höhere Würde zu verleihen,
als daſs daraus das höhere Alter des Kupfers hergeleitet werden könnte.


[483]Italien und die Römer.

Auch wenn unter den Zünften zur Zeit des Königs Numa die
Schmiede als Erzschmiede aufgeführt werden, so kann uns dies nur
auf die griechische Bezeichnung χαλκεύς zurückführen, worunter, wie
wir erwiesen haben, ebensowohl Kupfer- wie Eisenschmiede gemeint
waren. Es ist ja richtig, Kupfer und Eisen muſsten in der Periode der
Könige und der Anfänge der Republik importiert werden, und gerade
diese Zeit fällt in die Epoche des Aufschwunges der Bronzeindustrie
Westasiens und Griechenlands. Dennoch haben wir für die frühere
Verwendung des Eisens bei den Römern gewichtigere Beweise als für
die der Bronze. Eine der ältesten nationalen Gewohnheiten der Römer
war es, eiserne Ringe zu tragen. Schon die Statuen der Könige
Numa Pompilius und Servius Tullius trugen solche Ringe. Plinius
läſst sich über diese Gewohnheit weitläufig aus 1).


Nach seinen Angaben trugen die zum Manne herangereiften Römer
eiserne Ringe als Zeichen der Tapferkeit. Der alte Name dafür war
unjulus (später annulus). Goldene Ringe zu tragen galt als eine
fremde Sitte, als groſser Luxus und war ursprünglich nur besonderen
Personen gestattet. Selbst die Senatoren trugen in alter Zeit keine
Goldringe, nur diejenigen, welche als Gesandte zu fremden Völkern
geschickt wurden, wegen des höheren Ansehens, das die Goldringe
verliehen 2). „Auch war es Sitte, daſs keine anderen sich derselben
bedienten als solche, welche sie aus dem genannten Grunde vom Staate
erhalten hatten, selbst nicht die Triumphatoren, so daſs, während ein
etruskischer Kranz von Gold über den Triumphirenden gehalten wurde,
dieser doch an den Fingern eben so gut einen eisernen Ring trug als
der Sklave, der den Kranz hielt. In dieser Weise triumphierte Marius
über Jugurtha, und er soll vor seinem dritten Konsulat keinen goldenen
Ring angenommen haben. Diejenigen sogar, welche wegen einer Ge-
sandtschaft goldene Ringe erhalten hatten, bedienten sich derselben nur
im öffentlichen Leben, zu Hause aber eiserner. Ebenso wurde der
Braut als Geschenk ein eiserner Ring (der Ehering, annulus pronubus)
und zwar ohne Edelstein überschickt.“ Die eisernen Ringe waren ge-
schmiedet, man trug sie nicht an der linken Hand, wie die Goldringe,
sondern an der rechten. Sie dienten als Siegelringe zu vielen Rechts-
handlungen, vor allem zum Besiegeln, d. h. Verschlieſsen von Truhen,
Thüren u. s. w.


Die eisernen Ringe waren ursprünglich das Zeichen des freien
Römers. Als Cnejus Flavius, der Sohn eines Freigelassenen und selbst
31*
[484]Italien und die Römer.
Schreiber des Appius Cäcus durch Intriguen zum curulischen Ädil
und gleichzeitig zum Volkstribun erwählt wurde, warf der Adel und
die Ritterschaft die Ringe zu Boden. Der Ring war also ein Adels-
zeichen. Deshalb schickt Hannibal im zweiten punischen Kriege drei
Scheffel Ringe als Zeichen seines Triumphes nach Karthago. Goldringe
waren selbst zur Zeit des Plinius noch ein Luxus der Reichen und die
Sklaven, die früher überhaupt keine Ringe trugen, durften zu keiner Zeit
goldene, sondern nur eiserne tragen, ein Gesetz, welches sie aber durch
Vergoldung der Eisenringe teilweise umgingen. Aus der Wichtigkeit,
die man den eisernen Ringen beilegte, die sogar in verschiedenen
Fällen ein juristisches Instrument waren, geht das hohe Alter der
Eisenringe hervor. Prometheus wurde traditionell mit einem Eisen-
ringe dargestellt.


Einen andern Beweis für den frühen Gebrauch des Eisens bei
den Römern und zwar speziell die Verwendung für Waffen und Geräte
des Ackerbaues geht aus dem bereits angeführten merkwürdigen
Friedensvertrage mit dem Etruskerfürsten Porsenna hervor, der noch
eines der ältesten glaubwürdigsten Dokumente der römischen Ge-
schichte ist. Unter den harten Friedensbedingungen, die Porsenna
507 v. Chr. den Römern auferlegte, war die bemerkenswerteste, daſs
sie sich für die Zukunft des Eisens nur zu Geräten des Ackerbaues
bedienen durften 1). Es ist dies gleichbedeutend mit einem allgemeinen
Waffenverbote und geht daraus mit Bestimmtheit hervor, daſs sich die
Römer in dem Kriege gegen Porsenna bereits eiserner Waffen bedient
hatten. Dieses Verbot hat vielleicht in Verbindung mit der blühenden
Erzindustrie der benachbarten Etrusker und Griechen dazu beigetragen,
daſs man sich in Rom vielfach des Erzes auch zur Bewaffnung bediente,
obgleich die schönen goldglänzenden Bronzeschwerter gewiſs nur Waffen
der Reichen und Vornehmen waren.


Aus obiger Klausel in Porsenna’s Friedensvertrag läſst sich mit
Sicherheit folgern, daſs um das fünfte Jahrhundert das Eisen bereits
das allgemein gebräuchliche Material der Angriffswaffen bei den
Römern war.


Von einer selbständigen Metallurgie kann bei den Römern der
ältesten Zeit, der Zeit der Könige und des Anfangs der Republik nicht
wohl die Rede sein. Roms Umgebung bietet keine Gelegenheit zur
Metallgewinnung. Es ist nicht bekannt, daſs in Latium, dessen Boden
vulkanisch ist, Bergbau betrieben wurde. Die einzigen Orte in Latium,
[485]Italien und die Römer.
welche später wegen Eisenfabriken genannt wurden, waren Sulmo und
Minturnä. Plinius berichtet, daſs die Vorzüglichkeit der Eisenfabrikate
von Sulmo nicht durch die Güte der Erze, sondern durch die Wunder-
kraft des Wassers, d. h. die gute Verarbeitung bedingt sei. Es ist
anzunehmen, daſs die Eisenfabriken Sulmos nicht erst nach der römi-
schen Eroberung errichtet worden sind, sondern daſs sie schon zuvor
bestanden, ferner, daſs das Eisen in den benachbarten, östlich gelegenen
Gebirgen gewonnen und verschmolzen wurde, da die Lage des Ortes
eine Zufuhr von gröſserer Entfernung nicht wahrscheinlich erscheinen
läſst.


Auch in den folgenden Jahrhunderten blieb Rom durchaus von
der Metallzufuhr aus den Nachbarländern, insbesondere aus Etrurien
abhängig. Sie waren so arm an Metallen, daſs sie über den Metall-
reichtum der senonischen Gallier, die 390 v. Chr. Rom belagerten,
über deren goldene Ketten und Gehänge und lange Eisenschwerter
staunten.


Mit dem zweiten Jahrhundert nach der Besiegung Karthagos und
der Eroberung Griechenlands änderten sich diese Verhältnisse gänzlich,
und unglaubliche Schätze wurden von den siegreichen Heerführern
nach Rom geschleppt.


Ähnlich wie mit der Industrie, verhielt es sich mit dem Handel
Roms. Das römische Gemeinwesen war ursprünglich auf dem Acker-
bau begründet, einen eigentlichen Handelsstand gab es nicht. Die
Grundbesitzer waren zugleich Händler, die den Überfluſs ihrer Produkte
gegen andere Waren umsetzten. Die ältesten Strafen (Multen) sind
noch in Rindern und Schafen festgesetzt [und] von pecus, das Vieh,
kommt das Wort pecunia, das Geld. Später fand das etrurische Stab-
geld Eingang, welches zugewogen wurde. Von stipes pendere, Geld
zuwägen, stammt das Wort stipendium, die Löhnung. Es dauerte
lange, bis Metallgeld allgemeines Bedürfnis wurde und Rom eigene
Münzen prägte oder richtiger goſs, denn die ältesten Münzen wurden
aus einem bleihaltigen Erze gegossen. Servius Tullius soll das Stab-
geld in Rom eingeführt haben. Erz wurde in Barrenform gegossen
und je nach dem Werte mit Marken versehen, welche Bilder von
Rindern, Schafen, Schweinen u. s. w. darstellten; eherne Münzen
kamen erst unter den Decemvirn 450 v. Chr. auf. Erz wurde gleich-
bedeutend mit Geld, daher die Ausdrücke: militum aera (Soldatensold),
tribuni aerarii (Schatzmeister), aerarium (die Schatzkammer), obaeratus
(verschuldet), aere dirutus (Soldabzug).


Das Münzsystem basierte auf der alten Gewichtseinteilung. Die
[486]Italien und die Römer.
Hauptmünze, das eherne Aſs wog ursprünglich ein römisches Pfund.
Später wurden die Asses leichter geprägt. Veranlaſst wurde die Ein-
führung geprägten Geldes durch den Handel, besonders zur See. Denn
seitdem Rom durch glückliche Kriege sein Übergewicht in Latium fest
begründet hatte, wurde sein Hafen häufiger von fremden Händlern,
namentlich von griechischen Kaufleuten aus Unteritalien besucht.
Hierauf deutet auch das Schiff, welches auf der einen Seite der alten
Asses abgebildet war. Die gegossenen Asses geben uns die frühesten
Beläge für die Kunst des Erzgusses in Rom. Der höhere Kunstguſs
blieb dagegen den Römern fremd und die ältesten Bronzefiguren, wie
die Wölfe auf dem Kapitol, waren etruskische Arbeit.


Wie der Handel, so war auch der Gewerbebetrieb in dem alten
Rom von geringer Bedeutung. Allerdings sollen zur Zeit des Königs
Numa bereits folgende Zünfte bestanden haben: die der Zimmerleute,
Walker, Färber, Töpfer, Schuster, Flötenbläser und Erzschmiede, unter
welchen, wie oben erwähnt, auch die Eisenschmiede einbegriffen waren.


Zur Zeit der oben erwähnten Münzreform herrschte in Rom noch
Dürftigkeit und groſse Einfachheit. 479 v. Chr. wurde Publius Corne-
lius Rufinus von den Censoren aus der Liste der Senatoren gestrichen,
weil er ein silbernes Tafelgerät im Werte von 240 Thlrn. besaſs, und in
den Luxusgesetzen der zwölf Tafeln wurde die Proskription ausgesprochen
gegen diejenigen, welche den Toten Goldschmuck mitgäben, und die
Verbannung verhängt über diejenigen, welche silberne Geräte, auſser
der Opferschale und dem Salzfaſs im Haushalt gebrauchten.


Mit dem zunehmenden Ansehen Roms zogen sich indes die Klein-
gewerbetreibenden aus Latium mehr und mehr in die Stadt. Zugleich
stieg der Wert des Grundbesitzes mit dem zunehmenden Handel. Der
groſse Handelsgewinn reizte die Patrizier zu kaufmännischen Speku-
lationen, während sie anfingen sich von dem Landbau zurückzuziehen,
und denselben durch Sklaven besorgen zu lassen. Dadurch wurde die
Kluft zwischen dem reichen Grundbesitzer und dem Kleinbauern ver-
gröſsert und bald nahm die Zahl der Sklaven dermaſsen überhand, daſs
bereits im Jahre 335 v. Chr. eine Sklavenverschwörung ausbrechen
konnte.


Mit dem immer mehr zunehmenden Verkehr in Rom wurde die
Kupferwährung sehr unbequem. Bei nur einigermaſsen beträchtlicheren
Zahlungen muſste das Geld in schweren Frachtwagen gefahren wer-
den 1). Hierdurch sah man sich denn endlich im Jahre 268 v. Chr.,
[487]Italien und die Römer.
nachdem die Unbequemlichkeit zur Kalamität geworden war, veranlaſst,
in Rom Silberwährung einzuführen, die in Süditalien schon lange
bestand. Die Eroberung Groſsgriechenlands gab dazu wohl den
unmittelbaren Anstoſs. Die Einheitsmünze wurde der Denar, der im
Werte gleich 10 Asses (zu 85 Pfennigen) war, und 1/72 Pfund wog.
Das Wertverhältnis des Kupfers zum Silber war damals 1/242, während
es später in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung
= 1/280 war 1).


Die römische Goldmünze, der Aureus = 25 Denare, = 100 Se-
sterzen, = 21 Mk. 75 Pfg., wurde erst viel später geprägt und stand
als dies geschah der Wert des Silbers zum Golde wie 1:11,91, während
es zur Zeit der Silberwährung bei uns wie 1:15,5 stand 2).


Die Einführung der Silberwährung fällt in den Wendepunkt der
römischen Geschichte, vier Jahre nach der Kapitulation von Tarent,
durch welche die Römer Herren von ganz Italien geworden waren.
Durch diese Erfolge wurde Rom auch zum Mittelpunkt des Handels von
Italien. Das römische Münzsystem verbreitete sich nicht nur auf der
Halbinsel, sondern über Sardinien, Sicilien, ja bis nach Spanien und
eilte den Römern selbst voraus. Nach Rom flossen immer gröſsere
Reichtümer. Mit diesen zugleich aber zog ein Handelsgeist in die
Stadt ein, der ihr ganzes Wesen umkehrte. Geldgier und Spekulations-
geist fingen an die Patrizier zu erfüllen, welche früher durch einfache
Mäſsigkeit sich ausgezeichnet hatten. Die Spekulation wendete sich
zunächst den Bodenfrüchten Italiens, dem Getreidehandel zu. Die
Gewerbe blieben zurück. Die bergbaulichen Anlagen, welche durch
die italienischen Eroberungen an Rom gefallen waren, wurden vernach-
lässigt, obgleich sich der Staat natürlich alsbald in deren Besitz gesetzt
hatte. Keinerlei neue industrielle Unternehmungen wurden anfäng-
lich durch die römischen Kapitalisten ins Leben gerufen. Dagegen
fingen die römischen Patrizier, für welche der Grunderwerb in Italien
sehr erleichtert worden war, eine verderbliche Groſsgüterwirtschaft an.
Das Land wurde von Sklaven bebaut und bald begann man auch die Ge-
werbe durch eigene Industriesklaven betreiben zu lassen. Letztere waren
etwas besser gestellt als erstere, doch wurden die Sklaven in Rom durch-
gehends härter und unmenschlicher behandelt als in Griechenland.


Die immer mehr sich ausbreitenden Handelsunternehmungen der
Römer brachte sie in Konflikt mit dem ersten Handelsstaat der da-
[488]Italien und die Römer.
maligen Zeit, der das westliche Mittelmeer beherrschte, mit Karthago.
Die punischen Kriege begannen, die den Kulminationspunkt in der
inneren Entwickelung Roms bilden. Durch die Besiegung Karthagos
begründete Rom seine Weltherrschaft, mit ihr begann die Ansammlung
von Schätzen, welche es auch in bezug auf Reichtum zur ersten Stadt
der Welt machten.


Während im Zwölftafelgesetz der Besitz von silbernem Tafelgerät
mit dem Exil bedroht wurde, galt nach dem zweiten punischen Kriege
die Mitgift von 85000 Thlrn., welche Scipio Africanus jeder seiner
Töchter gab, für eine angemessene Aussteuer eines reichen, römischen
Mädchens. Während zu Anfang der punischen Kriege sich die Kar-
thagischen Gesandten zu Haus darüber lustig machten, daſs sie
in allen Häusern, in denen sie in Rom eingeladen gewesen seien, von
demselben silbernen Tafelgerät hätten speisen müssen; so zählte man
zu Sullas Zeit allein über 150 Stück schwere, silberne Prachtschüsseln,
jede über 100 Pfund Gewicht, in Rom, und als der junge Cäsar Fest-
spiele zu Ehren seines verstorbenen Vaters veranstaltete, lieſs er alle
Geräte im Zirkus von Silber machen. Der üppige Antonius aber über-
bot ihn noch, indem er sogar die Bühne, auf der die Schauspieler
agierten, mit Silber bekleiden lieſs.


An Stelle des alten Kriegergeistes trat ein Kaufmannsgeist, der
auch die Einfachsten ansteckte. „Einer Witwe Habe mag sich min-
dern, der Mann muſs sein Vermögen mehren. Nur derjenige ist ruhm-
würdig und göttlichen Geistes voll, dessen Rechnungsbücher bei seinem
Tode nachweisen, daſs er mehr hinzuerworben als ererbt hat“, dies
waren die Lebensregeln, die der alte Cato als eine der wichtigsten
seinem Sohne mitgab. Selbst ihr Privatleben richteten die Römer in
ganz kaufmännischem Stil ein. Jeder Bürger in Rom führte seine
Rechnungsbücher, denen gerichtliche Beweiskraft zustand; jedes
wohleingerichtete Haus hatte sein Kontor (tablium) und selbst der
Meinungsstreit und das Duell nahm die Form der Wette an und wurde
durch Geld erledigt. Das Recht des Erwerbes und des Besitzes wurde
bis zur Spitzfindigkeit ausgebildet und die Dauer des römischen Ver-
mögens durch ein ausgebildetes Erbrecht geschützt. Im Handel bildete
sich namentlich das Groſsadventurgeschäft aus. Cato riet den Kapita-
listen, nicht ein einziges Schiff mit ihrem Gelde auszurüsten, sondern
der Sicherheit wegen mit 49 anderen Unternehmern vereint 50 Schiffe
auszusenden, auf gleichen Gewinnanteil hin. Eine Geldgier entwickelte
sich in Rom, wie kaum je in einem andern Lande. Der Gegensatz
zwischen arm und reich wurde immer schroffer. Bei der vornehmen
[489]Italien und die Römer.
Geldaristokratie kam die unwürdige Moral auf, daſs es schimpflich
sei für eine Arbeit Geld zu nehmen
. Die Industrie blieb liegen
und alle industriellen Anlagen, welche in die Hände der Römer fielen,
gingen zurück. An die Stelle der Vaterlandsliebe aber trat der unge-
zügelte Egoismus. In Cato, der als Führer der Reformpartei dasteht,
begegnen sich am meisten unvermittelt die Gegensätze der alten und
der neuen Zeit. Im Grunde vertrat er die Politik des groſsen Grund-
besitzes in ihrer schroffsten Form. Er rühmt sich, was er als echter
Römer überhaupt sehr oft that, daſs er sein Vermögen nur zwei Quellen
verdanke, dem Ackerbau und der Sparsamkeit. Aber es war bekannt,
daſs er ein so eifriger Getreidespekulant war, wie einer in Rom. Dennoch
sagte er: „Geld auf Zinsen zu leihen hat manches für sich, aber es ist
nicht ehrenhaft. Unsere Väter haben also geordnet und in dem Ge-
setz geschrieben, daſs der Dieb zwiefachen, der Zinsennehmer vier-
fachen Ersatz zu leisten schuldig sei: woraus man ersehen kann, ein
wieviel schlechterer Bürger der Zinsennehmer als der Dieb von ihnen
gehalten wird.“ An einer anderen Stelle setzt er den Geldverleiher
mit dem Mörder auf gleiche Stufe. Als Statthalter von Sardinien trieb
er die römischen Bankiers aus dem Lande. Und doch ging der ganze
Bauernstand Italiens nur daran zu Grunde, daſs es ihm erschwert war
in solider Weise Kapitalanleihen zu machen. Die römischen Kapita-
listen, d. h. die römischen Groſsgrundbesitzer liehen den hartbedrängten
Bauern allerdings nicht auf Zinsen, sondern nur auf kurze Frist, allein
wenn sie am Verfalltage nicht zahlten, so lieſsen sie den Schuldner
rücksichtslos ins Gefängnis werfen und kauften sein Hofgut zu einem
Spottpreise auf. Diese kleinen Höfe wurden dann zu groſsen Meiereien
zusammengelegt, die wohl nach einem gemeinschaftlichen Wirtschafts-
plan bebaut wurden, wobei man aber an eine Schonung des Bodens
nicht dachte. Wo früher 50 Bauern mit ihren Angehörigen bequem
hatten leben können, da stand jetzt eine Villa drei Viertel des Jahres
leer und auſserdem arbeiteten 50 Sklaven unter der Peitsche. Durch
die fortwährenden Ernten, bei Unterlassung aller rationellen Düngung,
verschlechterte sich der Boden und immer mehr wurde das ausgesogene
Land entvölkert. Gleichzeitig hiermit gingen auch die kleinen Pro-
vinzialstädte zurück. Gesetze unterstützten diese Kapitalwirtschaft
und so wurde die italienische Landbevölkerung für Jahrtausende ruiniert.


Die alte Gemeinschaft der Bürger löste sich in den Gegensatz von
Herren und Sklaven auf. Die Zahl der Sklaven nahm im Verhältnis
zu den Freien immer gefährlichere Dimensionen an. Die Aristokratie
legte einen verblendeten Indifferentismus dem Bürger- und Bauern-
[490]Italien und die Römer.
stand gegenüber zu Tage, so daſs es zur Zeit unmittelbar nach dem
punischen Kriege als ein Glück betrachtet wurde, wenn „dem Bürger-
und Bauernpack zur Ader gelassen wurde“. Die Sklaven wurden selbst
vor dem Gesetze nicht als Menschen angesehen und Juvenal läſst in
einer Satire eine junge Römerin alles Ernstes fragen: „Ist denn ein
Sklave ein Mensch?“


Nachdem Italien nach Verlauf von kaum 150 Jahren ruiniert war,
wurde die Grundsteuer aufgehoben; eine Maſsregel, die Niemandem
mehr wohl that, als den Groſsgrundbesitzern, die das ganze Land
bereits verschlungen hatten. Dafür wurden von da ab alle Staats-
einkünfte aus den Provinzen gezogen und zwar durch gewinnsüchtige
Steuerpächter. Wie war es möglich, daſs ein solch unsittliches Ver-
hältnis sich lange halten konnte?


Gegen die Gewerbe hielt sich der Staat nach wie vor indifferent.
Die Industrie des Auslandes wurde ruiniert. Etablissements wurden
entweder vom Staat zu Schwindelpreisen veräuſsert, oder ihre Ein-
künfte wurden, wie die Grundsteuern, an Unternehmer verpachtet, die,
indem sie sich möglichst rasch zu bereichern suchten, die Anlagen zu
Grunde richteten. Glänzend blieb nur der Geldverkehr und der Han-
del, der immer gröſsere Ausdehnung annahm und sich noch weit über
die Grenzen des Reiches hinaus ausdehnte.


Bei der unumschränkten Geldherrschaft verschwand der Rechts-
sinn vor der Habgier. Aus Handelsneid wurden herrliche Städte wie
Karthago und Korinth in Schutthaufen verwandelt. Kein Wunder,
wenn bei solcher öffentlichen Moral ruinierte reiche Leute sich an die
Spitzen aufrührerischer Sklavenhorden stellten.


Deutlich zeigt sich der schlimme Einfluſs der römischen Herr-
schaft bei dem Bergbau. Alle Bergwerke Europas fielen nach und
nach in die Hände der Römer, die sie sofort für Staatseigentum er-
klärten. Die reichsten Gruben waren die Silberbergwerke Spaniens,
die vordem von den Karthagern betrieben worden waren; aus ihnen
zogen die Römer längere Zeit ungeheure Einnahmen. In ihrem tech-
nischen Betriebe aber gingen die Gruben zurück. Es scheint nicht,
daſs die Römer irgend welche Verbesserungen in den spanischen Gruben
eingeführt haben. Bau und Betrieb scheinen nach der Weise der
alten Phönizier geführt worden zu sein; selbst die archimedische
Schraube, die auf mehreren dieser Gruben zur Wasserhaltung ver-
wendet wurde, war schon eine alte Erfindung der Ägypter, und bereits
von den Karthagern eingeführt. Durch das Pachtsystem muſsten die
Gruben zu Grunde gerichtet werden. Die Zensoren überlieſsen sie den
[491]Italien und die Römer.
Höchstbietenden. Da der Pacht nur eine beschränkte Reihe von Jahren
lief, so hatte der Pächter kein anderes Interesse, als innerhalb dieser
Frist möglichst viel herauszuschlagen. Er begann deshalb einen
Raubbau ohne alle Rücksicht auf die Zukunft. Die Arbeit wurde mit
Sklaven betrieben.


In welch groſsartiger Weise der Grubenbau forciert wurde, kann
man daraus erkennen, daſs in den Silberbergwerken von Neukarthago
in einem Umkreise von 300 Stadien 40000 Sklaven beschäftigt waren
und daſs das römische Volk damals täglich 25000 Drachmen Silber
aus diesen Gruben zog. Die Sklaven wurden auf das roheste behandelt,
sie muſsten Tag und Nacht in den Gruben bleiben und wurden grausam
gepeitscht, so daſs Diodor entsetzt ausruft: „Die Schwachen sterben und
die Starken werden nur zu längerem Elend erhalten!“


Da der Staat in den von ihm selbst betriebenen Gruben stets
in Sklavennot war, so wendete er ein System an, welches angeblich
schon bei Ägyptern und Assyrern in Ausübung gewesen sein soll, er
verurteilte Verbrecher zu den Bergwerksarbeiten. Dies waren die dam-
nati ad metalla. In anderen Gegenden begingen sie, um der Sklaven-
not abzuhelfen, einen weit schnöderen Frevel, indem sie die ein-
gesessenen Bewohner, die ihren Besitz in der Nähe der Gruben hatten,
zur Frohnarbeit zwangen. Diese Frohnbauern nannte man glebae et
metallis adscripti. Ihr Loos war kaum besser als das der Sklaven.
Anfangs war gesetzlich nur die Hälfte der Kinder gleicher Knecht-
schaft unterworfen, die anderen waren frei; nach und nach wurden
infolge des immer steigenden Arbeitermangels, alle herangezogen.
Diese Unglücklichen entzogen sich oft durch die Flucht solchem
Druck, indem sie die Armut der Knechtschaft vorzogen. Dem suchten
erfindungsreiche Gesetzgeber dadurch abzuhelfen, daſs sie bestimmten,
der Frohndienst hafte nicht an der Familie, sondern an dem Grund-
besitze, so daſs jeder, der das verlassene Eigentum erwarb, in Person
oder durch Sklaven den Frohn abzuleisten hatte. Wurden die Gruben
verpachtet, so wurden die Frohnbauern mit verpachtet; so war es z. B.
in England und später auch in Spanien.


Dies alles konnte indessen der Sklavennot auf die Dauer nicht
steuern, um so weniger, da nach der Republik die Kaiser mehr und
mehr strebten, alle Gruben selbst zu betreiben. Sie waren nicht mehr
im stande, die Gruben im vollen Betriebe zu erhalten, geschweige denn
neue zu eröffnen, und so sah sich denn die Regierung nach langem
Sträuben dazu genötigt, den Betrieb neuer Gruben gegen eine Abgabe
von 10 Proz. der Ausbeute der Privatspekulation zu überlassen. Es
[492]Italien und die Römer.
war dies das einzige Mittel, wodurch möglicherweise dem Bergbau
noch aufzuhelfen war. Eines der ersten Beispiele dieser Art ist die
Konzession, welche der Kaiser Trajan einer bergbaulustigen Gesell-
schaft in Dacien, dem collegium aurariorum, gewährte. Valentinian I.
gab sogar gegen einen gewissen Anteil der Ausbeute jedem das Recht
zu schürfen 1). Aber diese Reformbestrebungen kamen zu spät; der
römische Bergbau war bankerott. Der finanzielle Ruin des Bergbaues
trug zum Untergange des römischen Staates nicht wenig bei und
welche Folgen die harte Behandlung der Bergwerkssklaven hatte, ist
daraus zu erkennen, daſs die thrakischen Grubenarbeiter die ersten
waren, welche sich auf die Seite der Ostgothen schlugen und mit Er-
bitterung auf ihre Peiniger einhieben.


Das römische Bergrecht war durchaus kein einheitliches.
Es war nicht auf einem Grundgedanken aufgebaut. Der Begriff der
Regalität der Erze und unterirdischen Metallschätze war den Römern
fremd und bei ihnen noch nicht zur Definition gekommen. Allerdings
nahm der Staat alle bestehenden Bergwerke in den eroberten Ländern
als Eigentum für sich in Anspruch, namentlich diejenigen Bergwerke,
welche, wie die spanischen, schon vorher von staatswegen betrieben
worden waren. Im übrigen aber galt der naturgemäſse Grundsatz,
dass der Eigentümer des Grund und Bodens auch Eigentümer der in
seinen Grenzen befindlichen Mineralschätze sei. Erst später entwickelte
sich das Schürfrecht, daſs einer auf fremdem Boden nach Erzen suchen
durfte und wurde den Findern ein Recht zuerkannt auch auf fremdem
Gebiete Erze zu gewinnen. Wenn deshalb unter Friedrich Barbarossa
die bolognesischen Rechtsgelehrten die Regalität aller Bergwerks-
schätze aus dem römischen Recht herleiteten, so war dies eine Fäl-
schung.


Allgemeine gesetzliche Bestimmungen über den Erzbergbau giebt
es in den römischen Gesetzsammlungen überhaupt nur wenige. Die
Verhältnisse in den einzelnen Ländern wurden meist auf dem Ver-
waltungswege durch die Prokonsuln oder Präfekten geregelt.


Die meisten Gesetzbestimmungen über Mineralien beziehen sich
auf Steinbrüche. Bei diesen war es ein ja auch bei uns anerkannter
Grundsatz, daſs diese zum Grund und Boden gehörten 2).


„Das Recht, eine Minerallagerstätte auszubeuten, hängt von der
Einteilung der Oberfläche ab, auf die Einheit der Lagerstätte unter
den Grundstücken verschiedener Lagerstätten kommt es nicht an.“
[493]Italien und die Römer.
(l. 8, §. 1 D. de adquir. rer. dom. 41, 1). Sedet sic in confinio lapis1)
nascatur et sunt pro indiviso communia praedia, tunc erit lapis pro
indiviso communis, si terra exemptus est.


Steinlager (Marmorlager) bilden kein besonderes Eigentumsobjekt,
sondern sind Substanzteile des Grundstückes 2). Ein Vorbehalt der-
selben beim Verkaufe ist deshalb unzulässig, auſser, wenn er sich auf
vor dem Verkaufe bereits eröffnete und im Betriebe befindliche Stein-
brüche bezieht 3). Dies gilt selbst für die Salzbergwerke trotz ihrer
besonderen Besteuerung 4).


„Der Nieſsbraucher des Grundstückes hat auch den Nieſsbrauch
an den Fossilien“ und zwar bezieht sich dies, wie ausdrücklich be-
stimmt wird, selbst auf Gold und Silber 5). (Sed si credifodinae, argenti
fodinae, vel auri vel cujus alterius materiae sint vel harenae utique in
fructu habebantur 6).


„Derselbe kann nicht nur die alten Bergwerke fortbetreiben,
sondern auch neue auf dem benieſsbrauchten Grundstücke eröffnen,
wenn der Ackerbau dadurch keinen Nachteil erleidet. (Proinde venas
quoque lapidicinarum et hujusmodi metallorum inquirere poterit
ergo et auri et argenti et sulphuris et aeris et ferri et ceterorum
fodinas vel quas paterfamilias instituit, exercere poterit vel ipse insti-
tuere, si nihil agri culturae nocebit etc.).“


Aus dieser, wie aus anderen Gesetzesstellen 7) geht ferner hervor,
daſs die Römer zwischen den eigentlichen Metallen und den anderen
nutzbaren Fossilien keinen Unterschied machten und daſs sie nicht
wie bei uns die eigentlichen Metalle dem Dispositionsbereiche des
Grundeigentümers entzogen, andere dagegen dem letzteren zuwiesen.
Allerdings erhob der Staat eine Steuer (vectigal metallorum 8) von den
Bergwerken, diese ist aber als eine Art Gewerbesteuer anzusehen, die
teils fixiert war, teils in einer Abgabe von der Ausbeute bestand. Daſs
das Eisen besteuert war, wird in dem Gesetze l. 16, §. 7 D. de public.
et vectigal. (39, 4) ausdrücklich erwähnt.


Bei Eroberung der Provinzen nahm der Staat die wichtigsten
Bergwerke in direkten Besitz. Tacitus nennt Gold, Silber und andere
Metalle „die Beute des Sieges“ 9).


[494]Italien und die Römer.

So nahm der Staat die Goldbergwerke in Spanien, sowie die Gold-
und Silberbergwerke in Macedonien in direkten Besitz, die Eisen- und
Kupferbergwerke in letzterem Lande überlieſs er dagegen den Ein-
geborenen gegen Zahlung der Hälfte der bisher von den Königen
erhobenen Abgaben. Livius sagt von Cato, er habe groſse Zölle aus
den Eisen- und Silberbergwerken erhoben.


Im allgemeinen regelten sich die Bergwerksverhältnisse aus den
Gewohnheiten des Landes und den betreffenden Provinzialverfassungen.
Dritten Personen wurde ein Recht, auf fremdem Grund und Boden
Steinbrüche oder Bergwerke zu eröffnen nur dann gestattet, wenn ein
Servitut vorlag, oder wenn derselbe sich mit dem Besitzer geeinigt
hatte. Letzteres geschah meist durch Stipulierung einer jährlichen
Abgabe an denselben. Diese Abgabe an den Grundeigentümer wurde
später (für den Orient) durch Gesetz auf den Bruttozehnten festgesetzt,
in der Art, daſs derjenige, welcher Steinbrüche auf fremdem Grund
und Boden betrieb, auſser dem Zehnten, welchen er an den Staat zu
entrichten hatte, den gleichen Zehnten an den Grundbesitzer zahlen
muſste.


Impp. Gratianus, Valentinianus et Theodosius etc. Floro Pf. P:
Cuncti qui per privatorum loca saxorum venam laboriosis effossionibus
persequuntur, decimas fisco, decimas etiam domino repraesentent:
caetero modo propriis suis desideriis vindicando (An. 382).


Für Afrika gab allerdings Kaiser Konstantin das Brechen von
Marmor allgemein frei 1). Diese Vorschrift dehnte Kaiser Julian auf
den ganzen Orient aus.


Umgekehrt untersagten im Jahre 393 die Kaiser Theodosius,
Honorius und Arcadius den Privaten den Betrieb von Marmorgruben
überhaupt, damit die fiskalischen Gruben um so schwunghafter be-
trieben werden möchten. Wahrscheinlich bezieht sich dieses Verbot
nur auf die Staatsländereien. Die Prätension der Regalität der Metalle
bei den Römern läſst sich aus keiner dieser Verordnungen erweisen
und ist in ihrer theoretischen, starren Definition eine mittelalterliche
Erfindung welscher Juristen.


Die Mitteilungen der römischen Schriftsteller über die Technik
der Metallgewinnung sind ebenso spärlich wie die der Griechen. Das
meiste darüber teilt uns Plinius in seiner Naturgeschichte mit.


Von der Gewinnung des Goldes berichtet er 2), daſs dasſelbe teils
aus dem Sande der Flüsse verwaschen, teils durch Bergbau gewonnen
[495]Italien und die Römer.
werde. Als goldsandführende Flüsse nennt er den Tagus (Tajo) in
Hispanien, den Padus (Po) in Italien, den Hebrus (Maritza) in Thrakien,
den Pactolus (Sarabat) in Asien, den Ganges in Indien und kein
anderes Gold, sagt er, sei so vollkommen wie das Fluſsgold. „Nach
anderer Weise wird es mittels Schächten gegraben (Bergwerksbetrieb)
oder in Bergeinstürzen (Tagebau) gesucht.“ Manchmal findet es sich
auch in goldhaltigem Sande an der Oberfläche, wie z. B. in Dalmatien.
Die unfruchtbaren Berge Hispaniens werden gezwungen ihre Schätze
herzugeben. Das Gold, das man aus den Schächten herausfördert,
heiſst kanalizisches oder kanaliensisches, d. h. Grubengold. „Von den
Schächten aus gehen die Strecken (canales) auf den Gängen hierhin
und dorthin, von wo dieser Name kommt und die Erde wird mit höl-
zernen Säulen gestützt.“ Was ausgegraben ist, wird zerstoſsen, ge-
waschen, geröstet und geschmolzen (tunditur, lavatur, uritur, mollitur).
Die Schlacke wird gepocht und nochmals verschmolzen. Die Tiegel
(Schmelzherde, catini) macht man aus taskonium, einer thonähnlichen
weiſsen Erde, denn keine andere hält den Wind, das Feuer und die
glühende Schlacke aus (neque enim alia flatum ignemque et ardentem
materiam tolerat).


Andere Berge werden durch Stollen erschlossen. Diese Art über-
trifft fast, wie Plinius sagt, das Werk von Giganten. Man treibt sie
auf lange Strecken in den Berg, indem man das Innere bei Lampen-
schein aushöhlt. Da man die Sonne nicht sieht, muſs der Schwund
des Öls der Lampen das Maſs der Zeit angeben und in vielen Monaten
sieht man den Tag nicht. „Man nennt diese Stollen Arrugien (arrugia),
wie noch heute in Spanien 1). Oft setzen sich plötzlich die Spalten und
erdrücken die Arbeiter, so daſs es bereits weniger tollkühn erscheint,
die Perlen und Purpurschnecken aus der Tiefe des Meeres zu holen;
so viel gefährlicher haben wir die Erde gemacht. Man läſst deshalb
an vielen Stellen Pfeiler (Bogen) stehen um die Berge zu stützen. Bei
beiden Bauarten stöſst man auf festes Gestein, dieses sprengt man mit
Feuer und Essig (durch Feuersetzen). Da aber das Verfahren durch
den Dunst und den Rauch in den Strecken beschwerlich fällt, so zer-
schlägt man es (das feste Gestein) noch öfter mit Brechhämmern, woran
sich 150 Pfund Eisen befinden (fractariis C. L. libras ferri habentibus)
und schafft sie Tag und Nacht auf den Schultern heraus, indem man
sie in der Finsternis immer dem Nächststehenden übergiebt; nur die
letzten sehen das Tageslicht. Scheint das feste Gestein zu mächtig, so
[496]Italien und die Römer.
wendet sich der Bergmann nach der Seite und umgeht es, und doch
wird die Arbeit an festem Gestein noch für leichter gehalten, als in
einem gewissen kieseligen Lehm, gangadia genannt, welcher fast nicht
zu bewältigen ist. Man greift ihn mit eisernen Keilen und mit den-
selben Hämmern an und hält nichts für stärker, wenn es nicht die
Gier nach Gold selbst ist. Ist das Werk vollendet, so schlägt man die
Pfeiler der Bogen (die Bergvesten) weg. Der nahende Einsturz giebt
sich kund, doch bemerkt ihn allein der Wächter auf dem Gipfel des
Berges. Er mahnt, durch Rufen und Winken die Arbeiter heraus-
zurufen und eilt zugleich selbst davon. Der geborstene Berg fällt weit
von der Stelle weg mit einem Gekrache, welches der menschliche Sinn
nicht fassen kann und die Sieger schauen mitten aus der unglaub-
lichen Windsbraut den Einsturz der Natur. Und doch hat man jetzt
noch kein Gold, auch konnte man, als man grub, nicht wissen, ob
solches vorhanden ist. Die Hoffnung auf das was man wünschte war
Beweggrund genug zu so groſsen Wagnissen und Ausgaben.


Nun kommt eine andere, gleich groſse und sogar mit noch gröſseren
Kosten verbundene Arbeit. Es werden nämlich zum Auswaschen dieser
Trümmer an den Berggipfeln auf einem Lauf von hundert und mehr
Stadien (a centesimo plerumque lapide) Flüsse hergeleitet, man nennt
diese Korrugen, von Zusammenleiten, wie ich glaube. Auch hier giebt
es tausend Arbeiten. Das Gefälle muſs jäh sein, damit es mehr stürze
als flieſse, deshalb wird es über die höchsten Stellen geführt, Thäler
und Zwischenräume werden durch unterbaute Röhren verbunden,
anderwärts unwegsame Felsen durchhauen und gezwungen, als Lager
für die ausgehöhlten Baumstämme zu dienen. Die Durchhauenden
hängen an Stricken, so, daſs sie aus der Ferne betrachtet nicht einmal
wie wilde Tiere, sondern wie Vögel aussehen; gröſstenteils schwebend
wägen sie das Gefälle ab und ziehen Striche für die Richtung vor und
wo der Mensch keine Stelle findet, um seinen Fuſs aufzusetzen, werden
von dem Menschen Flüsse fortgeführt. Es ist ein Nachteil beim
Waschen, wenn der Fluſs auf seinem Laufe Schlamm mit sich bringt
und man nennt diese Erdart Urium; man leitet deshalb über Felsen
und Steine und vermeidet das Urium. Beim Anfang des Absturzes am
Rande des Berges werden Wasserbehälter ausgegraben, welche nach
jeder Seite 200 Fuſs groſs und 10 Fuſs tief sind. An ihnen werden
fünf Schleusen von etwa drei Geviertfuſs gelassen, so daſs, wenn der
Teich sich gefüllt hat und die Schützen herausgeschlagen worden, der
Strom mit solcher Gewalt hervorbricht, daſs er Felsstücke mit fort-
wälzt. In der Ebene giebt es noch eine andere Arbeit; Gräben, durch
[497]Italien und die Römer.
welche es fortflieſsen soll und welche man Agogen nennt, werden
ausgehoben und absatzweise mit Stechginster (ulex), einem dem Ros-
marin ähnlichen Strauch, welcher rauh ist und das Gold zurückhält,
belegt. Bretter fassen die Seiten des Stromes ein und führen ihn
schwebend über Abgründe; so fällt die durch die Rinne flieſsende
Erde ins Meer, der zerborstene Berg wird aufgelöst und Hispanien hat
aus dieser Ursache seine Küste schon weit in das Meer hineingeschoben.
So wird die Erde, welche bei dem ersten Teile der Arbeit mit unge-
heurer Mühe herausgeschafft wurde, damit sie die Schachte nicht an-
fülle, bei dieser (letzteren Arbeit) fortgeschwemmt. Das in einer Arrugia
gewonnene Gold wird nicht ausgeschmolzen, sondern ist sogleich ge-
diegen. Nach diesem Verfahren, sowie auch in den Schachten, werden
Klumpen gefunden, welche mehr als 10 Pfund schwer sind, man nennt
sie Palagen (oder auch Palacurnen), alles aber was klein ist Balux. Der
Ginster wird getrocknet und verbrannt und die Asche davon auf
einer Unterlage von dichtem Rasen gewaschen, damit das Gold nieder-
sinke. Auf diese Weise liefern, wie manche berichten, Asturien, Gallä-
zien und Lusitanien jedes Jahr 20000 Pfund, wovon jedoch Asturien
das meiste hervorbringt, auch dauert in keinem anderen Teile der
Erde eine solche Ergiebigkeit so viele Jahrhunderte durch fort.“


Diese, wenn auch vielleicht an einzelnen Stellen etwas zu schwung-
volle Schilderung giebt ein anschauliches Bild von dem groſsartigen
Goldbergbau Spaniens, besonders von dem riesigen Tagebau, der viel-
leicht am meisten mit den Gewinnungsarbeiten in der australischen
Goldregion von Victoria verglichen werden kann, und den groſsartigen
Aufbereitungsvorrichtungen. Auch in Italien muſs im vercellensischen
Gebiete eine Zeitlang ein bedeutender Bergbau auf Gold betrieben
worden sein, da ein Gesetz verbietet, mehr als 5000 Arbeiter zu
gleicher Zeit zu beschäftigen. Hispanien war auch für die Silber-
gewinnung
die wichtigste Provinz des römischen Reiches. Es war
ja schon die Silberkammer der Phönizier gewesen und die Römer er-
warben die Blei- und Silberbergwerke Spaniens direkt von den Kar-
thagern. Von Polydor erfahren wir, daſs die silberhaltigen Bleiglanze
siebenmal verwaschen wurden, daſs also eine sehr sorgfältige Auf-
bereitung statt hatte. Das Setzgut, sagt er ferner, würde geschmolzen
und indem man das Blei abgieſse, d. h. die Bleiglätte abziehe, werde
das Silber rein dargestellt. Dies ist die Treibarbeit. Wo man reiche
Silbererze zu verschmelzen hatte, schlug man Blei zu. Plinius nennt die
Ausbeutung des Silbers die zweite Thorheit 1) (insania) der Menschen,
Beck, Geschichte des Eisens. 32
[498]Italien und die Römer.
indem er sich auf den kindischen Standpunkt stellt, als ob Habgier
und Eigennutz erst durch die Metalle in die Welt gekommen seien.
Nach ihm findet man es nur in unterirdischen Gruben und ist seine
Auffindung weit eher eine zufällige, da das Ausgehende der Gänge
keine charakteristischen Merkmale zeige und es sich nicht metallisch
im Sande finde wie das Gold. „Es läſst sich nur mit metallischem
Blei (cum plumbo nigro) oder mit Bleierz (vena plumbi) ausschmelzen,
man nennt dieses Bleiglanz (galena) und es findet sich meistens neben
Silberadern. Durch die Wirkung des Feuers scheidet sich ein Teil
als Blei (d. h. als Bleiglätte) aus, das Silber aber schwimmt oben wie
das Öl auf dem Wasser. Es wird fast in allen Provinzen (des römi-
schen Reiches) gefunden, am schönsten aber in Hispanien und hier
ebenfalls in unfruchtbarem Boden und in Gebirgen. . . .“


„Bemerkenswert ist, daſs die von Hannibal in Hispanien eröffneten
Gruben jetzt noch nicht erschöpft sind, sie tragen die Namen ihrer
Auffinder. Eine derselben, welche Hannibal täglich 300 Pfund lieferte,
heiſst jetzt noch Bäbilo; der Berg ist bereits 1500 Schritt weit aus-
gehöhlt und die auf diesem Raume aufgestellten Wasserschöpfer
schaffen Tag und Nacht nach der Zeitbestimmung der Lampen das
Wasser heraus und bilden einen Fluſs.“


Der Kupferhüttenprozeſs war zu Plinius’ Zeit schon sehr aus-
gebildet, jedenfalls auch nach dem Vorgange der orientalischen Kultur-
völker. Das Kupfererz wurde mit oxydischen Erzen (cadmia), die
seltener sind und nur durch unterirdischen Bergbau gewonnen werden,
neben den Schwefelerzen gewonnen. Das geschwefelte Erz, welches
das wichtigste Kupfererz war (chalcides), wurde in Haufen und Stadeln
geröstet, das Rostgut alsdann in einem Krummofen mit einer Blaseform
umgeschmolzen. Den Wind brachte man durch Bälge hervor, die in
einem besonderen Hause standen, also jedenfalls schon gröſser waren
als die kleinen Handbälge; sie wurden von einem besonderen Arbeiter
bedient. Die Produkte der Schmelzung waren Schlacken, zinkische
Ofenbrüche (cadmia), Kupferstein und Schwarzkupfer. Letzteres wurde
wiederholt umgeschmolzen, gespleiſst, und mit einem Zuschlag von Blei
gar gemacht.


Auch die Ausfällung des Kupfers aus Cementwasser mit Hilfe von
Eisen war den Römern bekannt.


Man unterschied die verschiedenen Bronzen im Handel weniger
nach ihrer Zusammensetzung, als nach ihrem Ursprungsorte; die
Hauptarten waren cyprisches, delisches, äginetisches und korinthisches
Erz, von denen letzteres höher geschätzt wurde als Silber.


[499]Italien und die Römer.

Die Verschiedenheiten des Erzes nach seinem Gebrauche und nach
seiner Mischung charakterisiert Plinius 1) folgendermaſsen: „Das cypri-
sche Erz giebt das Kranzerz (coronarium) und Staberz (regulare,
Schmiedeerz). Das Kranzerz (vielleicht eine Art Messing) wird zu
dünnen Blättchen ausgeschlagen und gewährt, in Stiergalle getaucht,
an den Kränzen der Schauspieler das Ansehen von Gold; mit einem
Zusatze von sechs Skrupel Gold auf eine Unze glüht das dünne Glanz-
flitter wie Feuer (Flittergold). Staberz wird auch aus anderen Gruben
gewonnen, desgleichen das Guſserz (caldarium). Der Unterschied be-
steht darin, daſs das Guſserz nur geschmolzen wird und unter dem
Hammer bricht, das Staberz aber, wozu alles cyprische gehört, unter
demselben nachgiebt und deshalb von anderen auch Schmiedeerz (ge-
schmeidiges Erz, aes ductile) genannt wird. Aber auch in den übrigen
Bergwerken unterscheidet sich dieses vom Guſserz durch die Behand-
lung, denn alles Erz wird, wenn man durch das Feuer sorgfältiger
alle Unreinigkeiten ausschmiedet, dehnbares Erz. Unter den übrigen
Erzarten giebt man dem kampanischen, welches zu Geräten und Ge-
fäſsen am tauglichsten ist, den Vorzug. Es wird auf mehrere Arten
bereitet. Zu Capua zerläſst man es nicht auf Kohlen-, sondern auf
Holzfeuer, reinigt es durch ein eichenes Sieb, begieſst es mit kaltem
Wasser und schmilzt es öfter auf dieselbe Weise, zuletzt mit einem
Zusatze von 10 Proz. spanischem Zinn (novissime additis plumbi argen-
tarii Hispaniensis denis libris in centenas aeris); so wird es zähe und
bekommt eine angenehme Farbe, welche man bei anderen Erzarten
durch Öl und durch die Sonne zu erkünsteln sucht.


Ein dem kampanischen ähnliches wird in vielen Teilen Italiens
und in den Provinzen gemacht, man setzt aber nur acht Pfund Zinn 2)
zu und schmilzt es wegen Holzmangels mit Kohlen um. Welchen
Unterschied dieser Umstand macht, spürt man am meisten in Gallien,
wo es zwischen glühend gemachten Steinen geschmolzen wird, denn
durch die Schmelzung bei direkter Verbrennung erhält man ein
schwarzes und brüchiges Erz. Auſserdem wiederholt man das Schmel-
zen nur einmal, während dieses, wenn es öfter geschieht, am meisten
zur Güte beiträgt.“ Bemerkenswert ist auch, daſs alles Erz bei gröſserer
Kälte sich besser schmelzen läſst (eine bekannte Thatsache, die sich
aus der gröſseren Dichtigkeit der Verbrennungsluft erklärt).


„Zu den Standbildern, wie zu Tafeln wird die Mischung in folgen-
der Weise gemacht. Zuerst wird die Masse vor dem Gebläse ein-
32*
[500]Italien und die Römer.
geschmolzen, sodann dem Schmelzgut ein Drittel Sammelerz (aes
collectaneum, Brucherz) d. h. gebrauchtes, aufgekauftes Erz zugesetzt.
Dies giebt dem Gemisch eine eigentümliche Würze, indem es durch
den Gebrauch geschmeidigt und durch den gewöhnten Glanz gewisser-
maſsen gezähmt ist. Dann mischt man in einen Zentner geschmolzenes
Erz 12½ Pfund Zinn (Silberblei). Auch wird noch das Formblei (aes
formale) unterschieden, die weichste Mischung des Erzes, weil ihm ein
Zehntel Werkblei und ein Zwanzigstel Zinn zugesetzt worden ist, wo-
durch es am meisten die Farbe, welche die griechische genannt wird,
annimmt (einsaugt, bibit). Die letzte Mischung ist das Topferz (ollaria),
welches seinen Namen vom Geschirr hat und welchem drei bis vier
Pfund Silberblei auf den Zentner zugesetzt werden. Wenn dem cypri-
schen Erz Blei zugesetzt wird, so entsteht die Purpurfarbe für die
verbrämten Gewänder an den Standbildern.“


Die Römer hatten die Liebhaberei der Etrusker an Erzstandbildern
geerbt, und der Bronzekunstguſs stand während der ganzen Zeit ihrer
Herrschaft in hoher Blüte, indessen waren die Künstler, deren Namen
uns überliefert sind, fast ausschlieſslich Griechen. Namen etruskischer
Künstler sind uns nicht überliefert, obgleich dort der Bronzeguſs
fabrikmäſsig betrieben wurde.


Das Zink als selbständiges Metall kannten die Römer nicht, aber
sie gewannen das Zinkoxyd (cadmia), indem sie die Flocken des ver-
brannten Zinkes in einem Flechtwerk von Eisendraht auffingen.


Den Zinnober lernten die Römer erst durch Scipios Feldzug nach
Spanien kennen und sie gewannen daraus das Quecksilber durch ein-
fache Destillation in eisernen Schalen.


Eisen bezogen die Römer von überall her, zum Teil aus groſser
Entfernung, wie z. B. den vorzüglichen Stahl Indiens. Unter den itali-
schen Importartikeln, die Cäsar von neuem besteuerte, wird indischer
Stahl ausdrücklich aufgeführt. Das meiste Eisen erhielten sie indessen
aus den eigenen Provinzen; in älterer Zeit ausschlieſslich von Elba,
später auch aus Illyrien, Noricum, Pannonien, Mösien, Gallien und
Spanien.


Daſs die Römer in früherer Zeit ihr Eisen von Elba bekamen,
dafür zeugt unter anderem eine Stelle des Livius. Als nämlich im
afrikanischen Kriege die unterworfenen Städte aufgefordert wurden,
zu der Bestreitung der Kriegskosten beizutragen, und je nach ihrem
Vermögen solche Gegenstände zu liefern, die sie am leichtesten be-
schaffen konnten, versprachen die Populonier, die den nächsten Fest-
landshafen Elba gegenüber inne hatten, Eisen zu liefern. Nachdem
[501]Italien und die Römer.
die Römer im zweiten punischen Kriege die Vorzüge des leichten
spanischen Stahlschwertes vor ihren alten, kurzen Eisenschwertern
kennen gelernt hatten, führten sie diese auch bei den Legionen ein.
Da aber ihr eigenes Eisen keine so guten Klingen lieferte, so bezogen
sie teils die fertigen Waffen, teils das Eisen für diese und ähnliche
Zwecke aus Spanien. Plinius, der an einer Stelle 1) das Eisen das
Metall der Tollkühnheit (ferrum temeritatis) nennt, das für Krieg und
Mord noch angenehmer sei als das Gold, während er es an einer
anderen 2) das beste und zugleich das schlimmste Hilfsmittel nennt,
macht über die Darstellung des Eisens mancherlei Mitteilungen.


Wir wollen die sämtlichen wichtigeren Stellen des Plinius in
wörtlicher Übersetzung hier folgen lassen 3):


XXXIV. 1. „Das Eisen ist das beste und zugleich das schlimmste
Werkzeug im Leben; mit ihm durchfurchen wir die Erde, pflanzen wir
Bäume, scheeren wir Baumgärten, schneiden wir den Schmutz von den
Reben und zwingen sie, sich jedes Jahr zu verjüngen, mit ihm bauen
wir Wohnungen, hauen wir Steine und brauchen es zu vielerlei anderem
Nutzen, aber auch zum Kriege, zum Morde und zum Raube und zwar
nicht nur in der Nähe, sondern auch im Wurfe und im Fluge, indem
es bald mit Wurfmaschinen, bald mit den Armen geschleudert und
bald mit Schwingen versehen wird, nach meiner Ansicht die abscheu-
lichste Hinterlist des menschlichen Geistes, denn wir haben dem Tode,
damit er schneller zu dem Menschen gelange, Flügel gemacht und dem
Eisen Schwingen gegeben, weshalb die Schuld nicht auf Rechnung der
Natur gesetzt werden darf. 2. Durch etliche Erfahrungen hat es sich
allerdings bewährt, daſs das Eisen unschuldig sein könne; so finden
wir in dem Bündnisse, welches Porsenna nach Vertreibung der Könige
mit dem römischen Volke machte, die ausdrückliche Bestimmung, daſs
man das Eisen nur zum Ackerbaue brauchen solle
, und die älte-
sten Schriftsteller berichten, daſs es damals verboten gewesen sei, mit
einem eisernen Griffel zu schreiben. Auch erschien während des dritten
Konsulates des groſsen Pompejus (im Jahre 52 v. Chr.), bei dem Auf-
ruhre über die Ermordung des Clodius eine Verordnung, welche ver-
bietet, daſs sich in der Stadt irgend ein Geschoſs (von Eisen) befinde.


XXXIV. (Proxume indicari debent metalla ferri), optumo pessu-
moque vitae instrumento, Siquidem hoc tellurem scindimus, arbores
serimus, arbusta tondemus, vitis squalore deciso annis omnibus cogimus
[502]Italien und die Römer.
iuvenescere, hoc exstruimus tecta, caedimus saxa omnisque ad alios
usus ferro utimur, sed eodem ad bella, caedis, latrocinia, non comminus
solum sed etiam missili volucrique, nunc tormentis excusso, nunc
lacertis, nunc vero pinnato, quam sceleratissimam humani ingeni
fraudem arbitror, siquidem, ut ocius mors perveniret ad hominem, ali-
tam illam fecimus pinnasque ferro dedimus; quamobrem culpa eius
non naturae fiat accepta. Aliquot experimentis probatum est posse
innocens esse ferrum: in foedere, quod expulsis regibus populo Romano
dedit Porsina, nominatim comprehensum invenimus ne ferro nisi
in agri cultu uteretur
; et tum stilo scribere vetitum vetustissimi
auctores prodiderunt. Magni Pompei in tertio consulatu exstat edic-
tum in tumultu necis Clodianae, prohibentis ullum telum esse in urbe.


XL. Und doch verfehlte die Menschheit selbst nicht, auch dem
Eisen eine mildere Ehre zu erweisen. Als der Künstler Aristonidas
die Wut des Athamas, wie sie sich, nachdem er seinen Sohn Learchus
hinabgestürzt hatte, durch die Reue legte, ausdrücken wollte, mischte
er Erz und Eisen, damit der durch den Glanz des Erzes leuchtende
Rost des letzteren die Schamröte ausdrücke. Dieses Bildwerk ist noch
jetzt zu Rhodus vorhanden. In derselben Stadt befindet sich auch ein
eiserner Herkules, welchen Alcon gemacht hat, bewogen durch die
Geduld des Gottes bei seinen Arbeiten. Auch zu Rom sehen wir in
dem Tempel des rächenden Mars geweihte Becher aus Eisen. Auch
hier trat die Gütigkeit der Natur in den Weg und in ihrer Vorsicht
hat sie nichts so sehr der Vergänglichkeit unterworfen, als was der
Sterblichkeit am gefährlichsten war (durch das rasche Verrosten).


XL. Et tamen vita ipsa non defuit honorem mitiorem habere
ferro quoque. Aristonidas artifex cum exprimere vellet Athamantis
furorem Learcho filio praecipitato residentem paenitentia, aes ferrum-
que miscuit ut robigine ejus per nitorem aeris relucente exprimeretur
verecundiae rubor; hoc signum exstat hodie Rhodi. Est in eadem
urbe et ferreus Hercules quem fecit Alcon laborum dei patientia induc-
tus. Videmus et Romae scyphos e ferro dicatos in templo Martis
Ultoris. Obstitit eadem naturae benignitas exigentis ab ferro ipso
poenas robigine eademque providentia nihil in rebus mortalius facientis,
quam quod esset infestissimum mortalitati.


XLI. Eisenerze werden fast überall gefunden, wie
denn besonders die Insel Ilva bei Italien solche erzeugt; auch ist die
Erkennung derselben mit der geringsten Schwierigkeit verbunden, da
[503]Italien und die Römer.
sie sich schon durch die Farbe der Erde verraten; das Verfahren beim
Ausschmelzen der Erze ist dasſelbe. In Cappadocien ist nur die Frage,
ob man das Eisen dem Wasser oder der Erde zuschreiben soll, weil
die Erde nur, wenn sie mit einem gewissen Fluſswasser begossen wird
und auf keine andere Weise in den Öfen Eisen giebt. Die Ver-
schiedenheit des Eisens ist mannigfach
, die erste beruht auf
der Beschaffenheit der Erdart oder des Himmelsstriches; einige liefern
nur weiches und dem Bleie nahekommendes, andere brüchiges und
erziges, von welchem man zu Rädern und Nägeln, wozu die erste
Art taugt, keinen Gebrauch machen darf, anderes ist durch seine
Kürze nur zu Schuhnägeln angenehm und wieder anderes zieht
schneller Rost
. Alle diese Arten heiſsen Reckeisen (Streckeisen),
was bei den anderen Metallen nicht der Fall ist, und haben diese Be-
nennung vom Strecken des Stahles erhalten. Auch in den Öfen
ergiebt sich groſse Mannigfaltigkeit
; in einigen wird ein ge-
wisser Kern des Eisens zur Härtung der Schneiden, sowie in anderer
Weise zur Verdichtung der Amboſse und der Hammerbahnen aus-
geschmolzen; der Hauptunterschied aber besteht in dem Wasser, in
welches es, sobald es glühend ist, getaucht wird. Da dieses bald hier
und bald dort brauchbarer ist, so hat das Ansehen des Eisens solche
Orte berühmt gemacht, so Bilbilis und Turiasso in Hispanien und
Comum in Italien, obgleich an diesen Orten keine Eisengruben sind.
Unter allen Arten hat aber das serische den Vorzug; die Serer
schicken dieses mit ihren Gewändern und Pelzen, ihm zunächst steht
das parthische. Auch werden keine anderen Eisenarten aus reinem
Metall bereitet, sondern zu den übrigen mischt man eine weichere
Verbindung. In unserem Weltteile giebt an einigen Orten das
Erz diese Güte
, wie im Norischen, und an anderen die Zuberei-
tung
, wie zu Sulmo und zwar, wie wir gesagt haben, durch das Wasser,
wie denn auch beim Schärfen die Ölschleifsteine und die Wasserschleif-
steine verschieden sind und durch das Öl die Schneide feiner wird.


Merkwürdig ist auch, daſs beim Ausschmelzen des
Erzes das Eisen flüssig wird, wie Wasser und dann in
der Form von Schwämmen zerbricht
. Feinere Eisenwaren pflegt
man mit Öl abzulöschen, damit sie durch das Wasser nicht bis zur
Sprödigkeit gehärtet werden. Am Eisen rächt sich das menschliche
Blut, denn jenes zieht, sobald es davon berührt wird, schneller Rost.


XLI. Ferri metalla ubique propemodum reperiuntur,
quippe etiam insula Italiae Ilva gignente, minumaque difficultate
[504]Italien und die Römer.
agnoscuntur colore ipso terrae manifesta; ratio eadem excoquendis
venis. In Cappadocia tantum quaestio est, aquae an terrae fiat accep-
tum, quoniam perfusa certo fluvio terra neque aliter ferrum e fornacibus
reddit. Differentia ferri numerosa: prima in genere terrae
caelive; aliae molle tantum plumboque vicinum subministrant, aliae
fragile et aerosum rotarumque usibus et clavis maxume fugiendum,
cui prior ratio convenit; aliud brevitate sola placet clavisque cali-
gariis, aliud robiginem celerius sentit. Stricturae vocantur
hae omnes, quod non in aliis metallis, a stringenda acie vocabulo
inposito. Et fornacium magna differentia est, nucleusque
quidam ferri excoquitur
in iis ad indurandam aciem alioque
modo ad densandas incudes malleorumque rostra; summa autem diffe-
rentia in aqua cum subinde candeus immergitur. Haec alibi atque alibi
utilior nobilit avit loca gloria ferri, sicuti Bilbilim in Hispania et
Turiassonem, Comum in Italia, cum ferraria metalla in iis locis non
sint. Ex omnibus autem generibus palma Serico ferro est; Seres
hoc cum vestibus suis pellibusque mittunt; secunda Parthico. Neque
alia genera ferri ex mera acie temperantur; ceteris enim admiscetur
mollior conplexus. In nostro orbe aliubi vena bonitatem hanc praestat,
ut in Noricis, aliubi factura ut Sulmone, aqua ubi dicimius, quippe cum
exacuendo oleariae cotes aquariaeque differant et oleo delicatior
fiat acies
.


Mirumque cum excoquatur vena aquae modo liquari
ferrum, postea in spongeas frangi
. Tenuiora ferramenta oleo
restingui mos est, ne aqua in fragilitatem durentur. A ferro sanguis
humanus se ulciscitur; contactum namque eo celerius robiginem trahit.


XLII. Vom Magnetsteine und der Hinneigung, welche er zum
Eisen hat, werden wir an der betreffenden Stelle sprechen. Dieser
Stoff allein empfängt von dem genannten Steine Kraft und behält sie
lange Zeit, wobei er anderes Eisen anzieht, so daſs man zuweilen eine
Kette von Ringen sieht, was das unkundige Volk lebendiges Eisen
nennt; es macht schmerzhaftere Wunden. Dieser Stein wird auch in
Cantabrien erzeugt, aber nicht, wie jener wahre Magnet, in zusammen-
hängendem Gesteine, sondern, wie man sich ausdrückt, „in Nieren“
zerstreut; ob er ebenfalls beim Schmelzen des Glases brauchbar ist,
weiſs ich nicht, denn es hat noch niemand den Versuch gemacht, das
Eisen wenigstens schwängert er mit derselben Kraft. Der Baumeister
Timochares hatte zu Alexandrien angefangen, den Tempel der Arsinoe
aus Magnetstein zu wölben, um darin das eiserne Bildnis derselben
[505]Italien und die Römer.
in der Luft schweben zu lassen, dazwischen kam aber sein eigener Tod
und der des Königs Ptolemäus, welcher diesen Tempel seiner Schwester
zu errichten befohlen hatte.


XLII. De magnete lapide suo loco dicemus concordiaque quam
cum ferro habet. Sola haec materia virus ab eo lapide accipit retinet-
que longo tempore, aliud apprehendens ferrum, ut annulorum catenum
spectetur interdum, quod volgus imperitum appellat ferrum vivum;
volneraque talia asperiora fiunt. Hic lapis et in Cantabria nascitur;
non ut ille magnes verus caute continua sed sparsa bullatione, — ita
appellant — nescio an vitro fundendo perinde utilis; nondum enim exper-
tus est quisquam; ferrum utique inficit eadem vi. Magnete lapide
architectus Timochares Alexandriae Arsinoes templum concamerare
inchoaverat, ut in eo simulacrum e ferro pendere aëre videretur; inter-
cessit ipsius mors et Ptolemaei regis qui id sorori suae jusserat fieri.


XLIII. Unter allen Metallen findet sich das Eisenerz
am reichlichsten
. In dem Küstenteile Cantabriens, welchen der
Ozean bespült, besteht, was unglaublich klingt, ein sehr hoher Berg
ganz aus diesem Stoffe, wie wir bei dem Umgange um den Ozean ge-
sagt haben. Das im Feuer glühend gemachte Eisen verdirbt, wenn es
nicht durch Hammerschläge gehärtet wird; rotglühend ist es nicht
leicht zu schmieden und auch nicht eher, als bis es anfängt weiſs zu
werden; mit Essig oder Alaun bestrichen wird es dem Erze ähnlich.
Gegen den Rost schützt man es durch Bleiweiſs, Gips und flüssiges
Pech; dieses nennen die Griechen deshalb die Antipathie gegen das
Eisen. Manche geben an, dies könne auch durch einen frommen Ge-
brauch bewirkt werden und am Flusse Euphrates in der Stadt, welche
Zeugma heiſse, sei noch eine eiserne Kette vorhanden, durch welche
Alexander der Groſse daselbst eine Brücke verbunden habe und an
welcher die Ringe, welche später eingesetzt seien, vom Roste angegriffen
wurden, während die früheren von demselben verschont blieben.


XLIII. Metallorum omnium vena ferri largissima est.
Cantabriae maritimae parte qua oceanus adluit mons praealtus,
incredibile dictu, totus ex ea materia est, ut in ambitu oceani diximus.
Ferrum accensum igni nisi duretur ictibus, conrumpitur; rubens non
est habile tundendo, neque antequam albescere incipit; aceto aut alumine
inlitum fit aeris simile. A robigine vindicatur cerussa et gypse et
liquida pice; haec est ferro a Graecis antipathia dicta. Ferunt
[506]Italien und die Römer.
quidam et religione quondam id fieri et exstare ferream catenam apud
Euphratem amnem in urbe quae Zeugma appellatur, qua Alexander
magnus ibi iunxerit pontem cuius anulos qui refecti sint robigine
infestari, carentibus ea prioribus.


XLIV. Das Eisen dient auch noch zu anderen Heilmitteln, als
zum Schneiden; so nützt es gegen schädliche Zauberkünste bei Er-
wachsenen sowohl, als auch bei Kindern, wenn man damit um sie
einen Kreis beschreibt oder dreimal ein Schwert um sie trägt, ferner
gegen nächtliche Gespensterfurcht, wenn man aus Grabmälern gerissene
Nägel an der Thürschwelle einschlägt, und leichte Stiche mit einem
Schwerte, wovon ein Mensch getroffen worden ist, sind gut gegen
plötzliche Schmerzen der Seite und der Brust, welche ein Stechen
verursachen. Manche Übel werden durch das Brennen geheilt, ins-
besondere aber die Bisse eines wütenden Hundes, wie denn sogar noch
solche, bei denen die Krankheit schon weit vorgerückt und bereits
Wasserscheu eingetreten ist, durch Brennung der Wunde sogleich
auſser Gefahr kommen. Auch wird bei vielen Krankheiten, insbeson-
dere aber bei der Ruhr, der Trank durch ein glühendes Eisen gewärmt.


XLIV. Medicina e ferro est et alia quam secandi; namque et
circumscribi circulo terne circumlato mucrone et adultis et infantibus
prodest contra noxia medicamenta, et praefixisse in limine avolsos
sepulchris clavos adversus nocturnas lymphationes, pungique leviter
mucrone quo percussus homo sit contra dolores laterum pectorumque
subitos qui punctionem adferant. Quaedam ustione sanantur, privatim
vero canis rabidi morsus; quippe etiam praevalente morbo expaventes-
que potum usta plaga illico liberantur. Calfit etiam ferro candente
potus in multis vitiis, privatim vero dysentericis.


XLV. Sogar der Rost selbst gehört zu den Heilmitteln und damit
heilte nach der Sage Achilles den Telephus, mag er es nun mit einer
ehernen oder eisernen Pfeilspitze gethan haben; wenigstens wird er
gemalt, wie er mit dem Schwerte daran Rost abklopft, der Eisenrost
aber wird mit einem feuchten Eisen von alten Nägeln abgeschabt. Er
besitzt die Kraft zu binden, zu trocknen und zu stillen.


XLV. Est et robigo ipsa in remediis, et sic proditur Telephum
sanasse Achilles, sive id aerea sive ferrea cuspide fecit. Ita certe
pingitur ex ea decutiens gladio; sed robigo ferri deraditur umido ferro
clavis veteribus. Potentia ejus ligare, sicare, sistere.“


[507]Italien und die Römer.

Aus den angeführten Stellen des Plinius geht hervor, daſs zu seiner
Zeit die Gewinnung, die Verarbeitung und Verwendung des Eisens
eine sehr mannigfaltige und ganz allgemeine war. Sie wurde in eisen-
reichen Waldgegenden betrieben, die meist abseits der Städte lagen, wes-
halb Gelehrte, wie Plinius, durch eigene Anschauung keine Kenntnis des
Prozesses erlangen konnten. Er weiſs indessen bereits, daſs der Schmelz-
prozeſs nicht überall in derselben Weise geführt wurde, daſs Form
und Gröſse der Schmelzöfen in verschiedenen Gegenden verschieden
sind, indem an einem Platze das Erz noch in flachen Herden, an
anderen in gemauerten Schachtöfen erblasen wurde. Der eigentliche
Grund des Unterschiedes zwischen dem weichen und harten Eisen,
zwischen Schmiedeisen und Stahl ist dem römischen Gelehrten durch-
aus unbekannt, er begnügt sich, diesen teils der Verschiedenheit des Erzes,
teils der Verschiedenheit der Behandlung zuzuschreiben, wobei er dem
Wasser eine ganz besondere Rolle zuteilt, indem er von der irrigen
Hypothese ausgeht, daſs die Härtbarkeit nicht von der Qualität des
Eisens, sondern von der Qualität des Wassers, in welches das Eisen
getaucht wird, bedingt sei. Er kennt den Stahl, den er mit nucleus
ferri, Kerneisen, bezeichnet, und ist mit seiner Verwendung vertraut.


Das Eisen war für die Bewaffnung der kriegerischen Römer von
solcher Wichtigkeit, daſs sie überall, wo sich Gelegenheit bot, in den
eroberten Provinzen in der Nähe ihrer militärischen Standquartiere
Eisengewinnung betrieben oder durch die Eingeborenen betreiben
lieſsen und wo solche Eisenwerke besonders exponiert lagen, schützten
sie dieselben durch besondere Befestigungen. Es sind in letzter Zeit
mehrere solcher Eisenwerke aus römischer Zeit aufgedeckt worden und
verbreiten diese Ausgrabungen neues Licht über diese wichtige Tech-
nik zur Römerzeit.


Befestigte Eisenwerke der Römer sind in der Wochein in Krain
aufgedeckt und von Morlot beschrieben worden 1). Die Wochein er-
scheint als ein groſser Riſs in dem circa 4000 Fuſs hohen Kalkhoch-
plateau von Oberkrain und hat ihren Ausgang bei dem malerischen
Städtchen Veldes. In ihr liegt der Wocheiner See und sechs Ort-
schaften. Bei Vitnach finden sich auf einem isolierten Hügel, der das
Thal beherrscht, die Spuren einer römischen befestigten Militärstation,
die zum Schutz von Eisenwerken angelegt war. Der Ort, der jetzt
teilweise zum Pfarrgarten gehört, heiſst von alters her im Munde der
[508]Italien und die Römer.
slovenischen Eingeborenen gadez, Schloſs, und adovski gadez, Heiden-
schloſs, obgleich ein eigentliches Schloſs hier nie stand, überhaupt
mittelalterliche Bauten nicht nachzuweisen sind. Alle Anzeichen
sprechen für den römischen Ursprung der Baureste. Freilich ist vieles
verwischt, gröſsere Steine wurden weggeschleppt und anderweit ver-
mauert, so sind in der Mauer der nahgelegenen Kirche von Bitnje,
welche die Jahreszahl 1692 trägt, zwei römische Leichensteine ganz
oben nahe dem Dach eingemauert. Auſser zahlreichen Gegenständen
von Eisen hat man Schmucksachen von Glas, Bronze und Silber römi-
schen Charakters gefunden, namentlich aber zwei römische Münzen,
eine wahrscheinlich von Titus (72 bis 81 n. Chr.), die andere von Con-
stanz (333 bis 350). Wahrscheinlich wurde das Lager und die Eisen-
werke in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts nach gewaltsamer
Zerstörung, wofür die Auffindung der Schmucksachen spricht, von den
Römern verlassen. Daſs die Eisenindustrie nach Krain von Süden her
durch die Römer eingeführt sein muſste, wird bestätigt durch einige, bei
den dortigen Slovenen erhaltenen Ausdrücke, die sich weiter nördlich in
Kärnten und Steyermark nicht finden, so heiſst tarol, die Schlacken-
platte, wie in Südfrankreich laiterol. Die Luppe heiſst măsél, wie
auf Corsica masello. Der Platz bot für Eisenschmelzen nach Art der
Alten alle Vorteile. Auf dem ganzen Kalkplateau findet man Bohnerze in
Kugeln, Knauern, Körnern von derbem, reinem Eisenoxydhydrat. Das
Erz kann leicht aus dem Lehm und Kalkschutte losgelöst und ge-
sammelt werden. An verschiedenen Punkten innerhalb des Schutz-
walles, wie auch an einem Punkte auſserhalb desſelben hat man Hal-
den von Eisenschlacken gefunden, welche teils zu Schmelzöfen, teils zu
Schmiedefeuern gehört haben. Über die Konstruktion der Schmelz-
öfen läſst sich nichts mehr ermitteln, dagegen beweisen die Reste, daſs
man zur Herstellung des eigentlichen Schmelzraumes Steine aus dem
Lepinathale, welche aus einem feuerfesten Quarzconglomerat bestanden,
herbeischaffte. Zur weiteren Herstellung des Ofens bediente man sich
teils des Bohnerzlehmes, teils des feuerfesten Thons von Jaurenberg.
Das Bohnerz ist reich und leicht schmelzbar. Es hat einen Gehalt von
62 bis 64 Proz. Eisen, aus dem gegenwärtig 50 Proz. Stabeisen resul-
tieren, während das Ausbringen der Römer höchstens 40 Proz. gewesen
sein kann. Die Schlackenstücke sind meist ungleichmäſsige Klumpen
über Faustgröſse, nicht geflossen sondern getropft, wurm- und tropfen-
förmige Verästelungen zeigend, was auf sehr zähen Fluſs deutet. An
den Schlackenklumpen erkennt man noch zuweilen Eindrücke der
Werkzeuge, mit denen sie herausgezogen wurden. Herr Professor
[509]Italien und die Römer.
Sprung von Leoben hat ein Schlackenstück untersucht, welches allem
Anschein nach noch den Eindruck der Blaseform zeigt, an dessen oberer
und innerer Wand sich die Schlacke angesetzt hatte. Die Form be-
stand aus Blech von einer Linie Dicke und 1½ Zoll Durchmesser. In
ihrer Zusammensetzung sind die Schlacken sehr ungleich, einige sind
sehr reich, andere garer wie Frischschlacken. Dies kommt wohl daher,
daſs in denselben Schmelzherden Eisen und Stahl erzeugt wurde. Oft
scheinen die Schmelzoperationen auch gänzlich verunglückt zu sein. Zwei
Analysen der Wocheinschlacken geben folgende Zusammensetzung:

Von Eisengerät fanden sich Nägel, ein Blech mit vier Löchern,
Bolzen und Wurfspieſsspitzen. Das Eisen war sehr weich und gut und
lieſs sich leicht ausschmieden. Die Wurfspieſsspitzen waren stahlartig.
Gerade diese Bolzen und Speerspitzen scheinen an Ort und Stelle an-
gefertigt worden zu sein. Im übrigen dagegen wurden die Eisenluppen
meistens in unverarbeitetem Zustande verführt.


Zahlreiche Eisenwerke bestanden in dem übrigen Noricum, deren
Alter über die Zeit der Römerherrschaft hinausgehen dürfte. Norisches
Eisen war längst berühmt ehe die Römer die Provinz in Besitz nahmen.
Solche alte Werke bestanden in Krain bei Radmannsdorf, in Kärnthen
am Hüttenberg, in Steyermark bei Vordernberg.


Über die Hüttenberger Eisenschmelzen in Kärnten aus römischer
Zeit haben sich noch am meisten Sagen und Überlieferungen erhalten 1).
Die Sage erzählt, daſs ein römischer Militärbeamter, nach anderen ein
Sklave, nach Noricum in die Verbannung geschickt in die Gegend des
Hüttenberger Erzberges gekommen sei. Im Walde verirrt, ohne Unter-
kommen zu finden, habe er sich in der Wildnis ein Lager bereiten
wollen und hierbei, indem er das Moos ausraufte, das Ausgehende des
berühmten, reichen und mächtigen Eisensteinlagers entdeckt. Sofort
habe er den Wert seiner Entdeckung erkannt und mit Hilfe der halb-
wilden Eingeborenen das Eisenerz gegraben und verschmolzen. Die
Sage bestätigt, daſs schon Römer in dieser Gegend Eisengewinnung
betrieben. Daſs der Römer sogleich die Hilfe der Eingeborenen in
Anspruch nehmen konnte, würde beweisen, daſs diesen die Ausbeutung
[510]Italien und die Römer.
der Eisenerze nicht fremd war. Über das höhere Alter der tauriski-
schen Eisengewinnung werden wir später zu sprechen Gelegenheit
haben. Die Annahme, daſs die Römer die Kenntnis des Eisens und
der Eisengewinnung erst nach Noricum verpflanzt hätten, entbehrt
aller Begründung. Erst im Jahre 16 n. Chr. wurde Noricum von
Drusus, dem Stiefsohn des Augustus, erobert und dem römischen Reiche
einverleibt. Um diese Zeit war aber norischer Stahl schon hoch be-
rühmt, wie die Stelle des Ovid 1) beweist: Durior et ferro, quod Noricus
excoquit ignis: „Härter als Eisen, von norischem Feuer geschmolzen.“
Unmöglich könnte der norische Stahl in den paar Jahren, die zwischen
die Eroberung des Landes der Taurisker und der Abfassung der Dich-
tung des Ovid liegen, solchen Ruhm erlangt haben, daſs es für ein
allgemein verständliches Gleichnis verwendet wurde, wenn die Römer
erst die Kunst der Eisenbereitung nach jenen Gegenden gebracht
hätten. Die norischen Schwerter waren schon vor der Annexion des
eisenreichen Landes hochberühmt, wie unter andern aus verschiedenen
Stellen des Horaz hervorgeht, z. B. quas neque Noricus deterret ensis,
„welche selbst das norische Schwert nicht schreckt“ und weiter: ense
pectus Norico recludere „mit norischem Schwert die Brust öffnen“ 2).


Wir haben aus dem Text des Plinius bereits ersehen, daſs dieser
die Vortrefflichkeit des norischen Eisens den Erzen zuschreibt: In
nostro orbe aliuibi vena bonitatem hanc praestat ut in Noricis. Messer
aus norischem Eisen rühmt der römische Konsul Petronius 3) († 66 v.Chr.)
cultros ex ferro Norico. Nach Elba waren die norischen Berge die
Hauptbezugsorte für das Eisen der Römer, dies bestätigt Rutilius von
Numantia:


Occurit Chalibum memorabilis Ilva metallis

Qua nihil uberius Norica gleba tulit 4).

„Stahl kommt vor auf dem metallberühmten Elba

An dem es auſser dem norischen Boden keinen ergiebigeren giebt 5).“

Norisches Eisen und norischer Stahl wanderten auf den römischen
Heerstraſsen über Aquileja in die Werkstätten der Waffen- und Zeug-
schmiede nach Verona, Mantua, Cremona, Concordia und Ticinum.
An allen diesen Orten befanden sich Niederlagen von Eisen und Stahl,
[511]Italien und die Römer.
sowie zahlreiche Kollegien von Waffenschmieden und Verarbeitern
norischen Eisens, daneben Zünfte und Innungen von Holzlieferanten
und Kohlenbrennern 1). Doch befanden sich auch in dem eisenreichen
Berglande selbst berühmte Waffenfabriken; genannt werden die Schil-
derer von Acincum, Carnutum und Lauriacum, sowie die berühmte
Fabrik von Kriegsmaschinen zu Sirmium in Pannonien (fabrica scu-
torum ballistorum et armorum Sirmiensis). An allen diesen Plätzen
wurde das vorzügliche norische Eisen verarbeitet, wie denn auch die
Werkzeugschmiede zu Aquileja sich ausschlieſslich desſelben bedienten.


1200 Stadien nördlich von Aquileja lag im Gebirge das metall-
berühmte Noreja, die Hauptstadt von Noricum. Strabo schreibt: „Sita
est Aquilea extra Venetorum fines, pro limite est fluvius ab alpibus
delapsus qui adversus navigare potest et M. C. C. stadiis ad Noreiam
urbem apud quam Cnejus Carbo inani conatu cum Cimbris conflixit.
Habet is locus auri lavacra et secturas ferri praeclaras.“


„Aquileja ist auſser der Venetergrenze an einem, von den Alpen
entsprungenen Grenzfluſs gelegen, der stromaufwärts beschifft werden
kann und die Entfernung bis zur Stadt Noreia, bei welcher Cnejus
Carbo mit groſser Anstrengung die Cimbern schlug, beträgt 1200 Sta-
dien. Dieser Ort hat Goldwäschereien und vorzügliche Eisenbergwerke.“
Dieses Noreia, von dem Strabo weiter angiebt, daſs es 40000 Schritte
von Virunum entfernt liege, befand sich in der Gegend zwischen Frie-
sach und Neumarkt, wo noch jetzt vorzügliche Eisenwerke sich finden,
am Westabhange der Gebirge von St. Leonhard, Lölling, Hüttenberg
und Friesach. Die Eisenstraſse, die schon von Julius Cäsar begonnen,
von Augustus vollendet worden war, ging durch Kärnten und Steyer-
mark bis zur Donau. Sie berührte Hüttenberg, das Candalicae der
Alten, 30000 Schritt von Virunum, von dem das Antoninische Reise-
buch bemerkt, daſs sich hier Eisengruben der Taurisker und Noriker
befänden. Dies wird bestätigt durch zahlreiche Funde römischer
Grabsteine, Münzen und Antiken in der Nähe des Hüttenberger Erz-
berges. Von besonderem Interesse ist ein römischer Altarstein, der
bei dem Schloſs Hohenstein im obern Glanthal aufgefunden wurde 2)
mit folgender Inschrift:


„Isidi Noreia votum solvit libens merito pro salute Quinti Septuci
Clementis, Conductoris ferri, numini propitio dedicavit et (pro salute)
Titi Claudii Heraclae et Cnei Occii ac Secundi, procuratorum ferri,
Quintus Septucius Valens, procurator ferri“, d. h.: „Der Isis von Noreia
[512]Italien und die Römer.
hat der Eisenfrohneinnehmer Quintus Septucius Valens das Gelübde
freudig gelöst, für das Heil des Quintus Septucius Clemens, Pächters
der Erzeugnisse der Staatseisengruben und für das Heil der Eisen-
frohneinnehmer Titus Claudius Heracleas, Cneius Occius und Secundus.“
Dieser Stein giebt sowohl einen Beleg für den lebhaften Betrieb der
Eisenbergwerke Mittelkärntens zur Römerzeit, als auch für das Ver-
hältnis des römischen Staates zu dem einheimischen Betrieb.


Von dem Betrieb der Eisenwerke im Hüttenberger Erzberg giebt
Münichsdörfer 1) folgende Schilderung:


„Die erste Gewinnung der Eisenerze hat sich wahrscheinlich auf
die Ausbisse des Haupterzberges bei den heutigen Lehen Watsch,
Schratzer, Jangen, Scharfenstein, Ungerschaft erstreckt. An diesen
Orten trifft man die Spuren der ersten Baue, Schrämfahrten, Tagbingen,
alte verfallene thonlägige und saigere Schächte, mächtige Berg- und
Erzhalden von Braunerzen, welche die Alten als unbrauchbar auf
Halden stürzten, während sie nur den milden Blauerzen nachgingen.


Die vielen senkrechten und thonlägigen Schachtbaue sind ähn-
lich noch vorhandenen und nachgewiesenen Römerbauten, wie z. B. in
Siebenbürgen. Alle Halden sind, sowie die Gegend des ursprünglichen
Betriebes, mit Dammerde und Wald bedeckt und kein Zweifel, daſs
seiner Zeit noch manche Antiken ausfindig gemacht werden können.


Man verfolgte vorerst nur die Ausbisse, suchte neue auf, erreichte mit
diesem Suchen alle Abdachungen der Eisenwurze, verschaffte sich bald
die Überzeugung, daſs an jeder derselben Eisenerze lagern; und es
entstand die Bearbeitung des Erzberges an drei Seiten und infolge-
dessen die Bezeichnung ‚Eisenwurze von Mosing, Hüttenberg und
Lölling‘. Diese Erzausbisse wurden nach dem Verflächen in die Teufe
verfolgt, mit Schlegel, Eisen und eisernen Keilen enge kaum schlief-
bare Fährten im tauben Gestein, im Erze aber gröſsere Räume, Zechen
(mit dem Lokalausdrucke Boden bezeichnet) planlos und nach Willkür
ohne an Grenzen gebunden zu sein ausgearbeitet, das gewonnene
Eisenerz sodann in Körben auf dem Rücken zur Schmelzstätte getragen.


Nicht allein bei den unmittelbar um den Erzberg gelegenen, sondern
auch bei entfernteren Bauerngehöften an den Bergen in den jetzigen
Gemeinden Lölling, Hüttenberg, St. Johann, St. Martin u. s. w., sogar
in den Waldungen meist bei Kohlstätten werden Eisenschlackenhügel,
in groſser Zahl zerstreut, und in mächtiger Ausdehnung mit einer
2 bis 5 Fuſs hohen Dammerdeschicht bedeckt, gefunden. Sie sind be-
redte Zeugen des Schmelzbetriebes der Vorzeit und ein erneuter Beweis
2)
[513]Italien und die Römer.
des hohen Alters der Eisengewinnung um die Hüttenberger Eisenwurze.
Es stammen viele darin gefundene Antiken von römischem, wahr-
scheinlich sogar von keltisch-norischem Betriebe her und geben auch
einigen Aufschluſs über Art, Gröſse, Ausdehnung des einstigen Betriebes
und des Kulturzustandes um die Eisenwurze. Während andere industrie-
arme Gebirgsgegenden kulturlos mit unwirtlichen Wäldern getroffen
werden, waren im Altertume die Abhänge um die Eisenwurze mit An-
siedelungen und Gehöften besäet, deren Bewohner des Bergbaues Segen
genossen, teils selbst, teils mit ihren unterstehenden Arbeitskräften die
Ausbisse und Erzanbrüche der Eisenwurze zu Gute brachten, das
Eisenschmelzen entweder als Nebenbeschäftigung bei Bewirtschaftung
des Grundes und Bodens, sowie zur Holzverwertung, wahrscheinlich
aber schon als Hauptbeschäftigung betrieben.


In der Nähe der Schlackenhalden waren die Schmelzstätten, zu
denen man die Erze zusammentrug. Anfangs waren diese Schmelz-
stätten an steilen Abhängen tief aufgeworfene Gruben, an der Sohle
mit einem horizontalen, von Steinen ausgesetzten Windkanale für den
natürlichen Luftstrom versehen (solche Gruben wurden viele z. B. am
Praglriegl, Pfanegg angetroffen). Später baute man 3 bis 4 Fuſs hohe
und weite rechteckige und cylindrische Schächte, an der Sohle mit
Kanälen für den Luftzutritt versehen, an hervorragenden dem Luftzuge
stark ausgesetzten Stellen, wie es noch alte Überreste zeigen, und ver-
sah diese sogenannten Windöfen zur Erzeugung des notwendigen Luft-
stromes im Laufe der Zeit mit Hand- und Tretblasebälgen, deren
spitzes Ende in die mit Thonformen versehenen Luftkanäle ragte.
Solche Thonröhrchen (Formen) werden häufig in alten Schlackenhalden
gefunden.


Bei Anlage des groſsen Bremsberges zu Heft im Jahre 1860 fan-
den wir unter einer durch einen überhängenden Urkalkfels vor Ab-
rutschungen vollkommen geschützten 5 Fuſs hohen Lehmschichte teils
rohe, teils gebrannte Thonröhrchen. Heutigen Tages noch sind in
dieser Tiefe alte Holzstücke, einer lignitartigen Braunkohle ähnlich,
gut erhalten zu beobachten. Offenbar befand sich in der Nähe des
Ortes eine Schmelzstätte. Im Jahre 1867 entdeckten wir bei Aus-
gleichung eines Winkels in der schiefen Ebene dieses Bremsberges
erneuert zwei solche Thonröhrchen. Herr Direktor Seeland zu Lölling
hat in der Nähe der Ziegelei am Berge 6 Fuſs tief unter der Lehm-
schichte eine alte Schmelzstätte und Thonröhrchen entdeckt 1).


Beck, Geschichte des Eisens. 33
[514]Italien und die Römer.

Solche Röhrchen messen 4 Zoll Länge, im lichten Durchmesser
11 Linien, 6 Linien Fleischdicke, sind teilweise gut gebrannt, das vor-
dere Ende (Auge) zeigt sich angeschmolzen, das rückwärtige scheint
ausgedreht.


In die Gruben und Öfen wurde Holz und Kohle gegichtet, ent-
zündet, Erz darauf geworfen, abermals Brennstoff und Erze aufgegeben
und nachdem das gefrittete Produkt unter erneuerter Brennstoffgichtung
mehrmals auf die Oberfläche gebracht war, die Schlacken abgelassen
und dies so lange fortgesetzt, bis das aus dem Erze ausgeschmolzene
Eisen sich in einen Klumpen oder Fladen (flatum ferri, wie sich alte
Urkunden ausdrücken) ansammelte, den man aus den Gruben und
Öfen aushob, von den anhaftenden Schlacken reinigte und nach Ab-
gabe der Frohne und Schmelzgebühr in den Handel, der sich aus-
schlieſslich nach Süden und wie erwähnt, in die römischen Eisenfabriken
bewegte, brachte.“


In Deutschland sind Reste römischer Eisenwerke selten, obgleich
unzweifelhaft die Römer an vielen Punkten innerhalb des Pfahlgrabens
Eisen gewannen, wie z. B. im Thale der Eisenbach bei Eisenberg in
der Rheinpfalz.


Eine alte Schmelzstätte aus römischer Zeit ist vor einigen Jahren
in nächster Nähe des berühmten römischen Kastrums, der Salburg bei
Homburg vor der Höhe, vom Oberst v. Cohausen und dem Verfasser
aufgedeckt und beschrieben worden 1). Das mächtige Römerkastel, die
Salburg, auf dem Gebirgssattel des Taunus, bildete eines der wichtigsten
Verteidigungswerke des Pfahlgrabens, eines der stärksten Bollwerke
gegen die Chatten. Wiederholt wurde es von dem wütenden Feinde
erstürmt und zerstört und von den Römern wieder aufgebaut, bis es
im Jahre 280 n. Chr. zum letztenmal von den siegreichen Germanen
den Flammen übergeben und der Erde gleich gemacht wurde. Niemals
wurde nach dieser letzten Zerstörung dieser blutdurchtränkte Boden
wieder angebaut. Wald wuchs darüber, selbst Schatzgräber wagten
kaum die Trümmer der einst so stolzen Feste zu durchwühlen. Die
Erinnerung an die Römerburg war fast gänzlich vergessen: Erst vor
einigen Jahrzehnten, im Jahre 1856, als eine Rodung des Waldes
dazu Gelegenheit gab, kam man dazu die Fundamente der ausgedehnten
Festung bloſs zu legen und die archäologischen Schätze, die jetzt im
Salburg-Museum in Homburg zusammengestellt sind, zu heben. Was
bei den zahlreichen Funden zunächst ins Auge springt, ist der Reichtum
[515]Italien und die Römer.
an eisernen Gegenständen. Nicht nur eiserne Waffen, sondern eiserne
Geräte, und Werkzeuge jeder Art hat man ausgegraben, denn an das
groſse, befestigte Kriegslager schloſs sich eine ausgedehnte bürgerliche
Ansiedelung an und die Eisenschmiede auf der Salburg hatten nicht
nur die Waffen der zahlreichen Besatzung in Stand zu halten und zu
ergänzen und Kriegsmaschinen zur Verteidigung zu bauen, für das
zahlreiche Fuhrwerk das Eisenzeug zu besorgen, sondern auch die
Werkzeuge des Friedens für die Gewerbetreibenden und Feldarbeiter
anzufertigen. Unter den vielen Eisensachen, die aufgefunden wurden,

Figure 93. Fig. 93.


Figure 94. Fig. 94.


fallen sonderbare Blöcke von unge-
wöhnlicher Gröſse am meisten auf.
Der gröſste, der in zwei Stücke zer-
brochen ist, war 140 cm lang und wiegt
in seinem jetzigen Zustande noch
242 kg. Gestalt und Gröſse sind aus
nebenstehender Zeichnung zu ersehen (Fig. 93). Besonders charakte-
ristisch ist der groſse, trotz teilweiser Zerstörung durch Feuer jetzt
noch etwa 150 kg schwere Block (Fig. 94) mit einer merkwürdigen
Einsenkung in dem erbreiterten Kopf. Aus den Untersuchungen des
Verfassers 1) geht hervor, daſs diese Blöcke aus Schmiedeeisen bestehen
und als Amboſse gedient haben, daſs sie also weder gegossen, noch
Katapultengeschosse (500-Pfünder) waren, wie einige vordem vermutet
hatten. Mehrere dieser abgängig gewordenen Blöcke fanden Verwen-
dung statt der sonst benutzten Basalte zum Einbauen des Feuerraumes
33*
[516]Italien und die Römer.
gröſserer Hypokausten. Dies geschah aber jedenfalls erst nachträglich,
nachdem die Blöcke schadhaft oder durch das Feuer bei einem der
groſsen Brände teilweise verschlackt und verbrannt waren. Immerhin
ist die Verwendung so wertvollen Materiales zu einem solchen Zwecke
höchst auffallend und läſst sich nur daraus erklären, daſs auf der
Salburg ein Überfluſs an Eisen vorhanden und solches leicht zu be-
schaffen war. Die ungewöhnliche Gröſse der Amboſse, die schwerlich
aus gröſserer Entfernung herbeigeführt worden waren, läſst dies gleich-
falls erraten, wie auch die mannigfache und reichliche Verwendung des
Eisens an diesem Platze. Eisen muſs also in der Nachbarschaft der
Salburg gewonnen worden sein. In der That fanden sich denn auch
in nächster Nähe ausgedehnte Eisenschmelzen. 700 m von der Porta
principalis dextra des castrum der Salburg in südwestlicher Richtung
liegt mitten im Walde der „Dreimühlenborn“, wo unter mächtigen
Eisenschlackenhalden, die von riesigen, hundertjährigen Buchen be-
wachsen sind, drei starke Quellen entspringen, die sich unmittelbar
nach ihrem Ausfluſse zu einem ganz ansehnlichen Bächlein vereinigen.
Hier ist in alten Tagen lange Zeit hindurch Eisen geschmolzen worden.
Wenn es bedenklich erscheinen mag, daſs diese Eisenschmelze etwa
300 m vor dem Pfahlgraben lag, so muſs man auf der anderen Seite
berücksichtigen, daſs das Vorhandensein der Quellen für die Wahl des
Platzes vor allem bestimmend sein muſste. Dabei war die Entfernung
von der Schutzwehr des Pfahlgrabens eine so geringe, daſs bei drohen-
der Gefahr die Arbeiter sich und ihre Werkzeuge leicht in Sicherheit
bringen konnten. Die Schmelzer waren auſserdem schwerlich Römer,
sondern Kolonen, die ihre Ansiedelung nicht auf der Salburg, sondern
800 m unterhalb der Quelle auf dem Drusen- oder Kalosenkippel hatten.
Wenigstens liegt es nahe diese abgeschnittene Erdzunge, die rings
durch einen Wassergraben und eine Pallisadenwand geschützt war und
die mit den Befestigungsanlagen auf der Salburg nichts zu thun hat,
so zu deuten. Die Anlage am Dreimühlenborn war eine groſse Wald-
schmiede, wie wir sie oben geschildert haben, die lange an derselben
Stelle betrieben wurde. Brauneisenstein wird an verschiedenen Punkten
der Nachbarschaft gefunden. Vielleicht war auch am Platze selbst
Bergbau, der durch einen Stollen zugänglich gemacht war, wenigstens
läſst der Wasserreichtum der Quelle dies vermuten; auch finden sich
in dem Geröll der Quelle Roteisensteinstückchen, ein Erz, das sonst in
der Gegend unbekannt ist. Deutet die Mächtigkeit der Schlackenhalden
auf lang fortgesetzten Betrieb, so beweisen die Dicke und Gröſse ein-
zelner Schlackenstücke gröſsere Schmelzungen.


[517]Italien und die Römer.

Auf der Salburg selbst befanden sich jedenfalls bedeutende
Schmiedewerkstätten, in denen das Material verarbeitet wurde. Schon
zur Unterhaltung der Verteidigungswerkzeuge und der Waffen der
starken Besatzung, sowie der Geschirre und Werkzeuge der Kolonen
waren groſse Werkstätten erforderlich. Hoffentlich geben die ferneren
Ausgrabungen hierüber noch Aufschluſs.


Fragen wir nun endlich, zu was haben diese schweren Blöcke ge-
dient? so scheint die Antwort sehr nahe zu liegen: Es waren Amboſse,
schwere Amboſse für Grobschmiede, die wohl nicht in Holzstöcken
saſsen, sondern in die Erde eingerammt waren.


Der Amboſs ist eins der ältesten Werkzeuge der Menschen. Mögen
die ältesten Amboſse von Stein gewesen sein, mögen zur Zeit Homers

Figure 95. Fig. 95.


Figure 96. Fig. 96.


und Hesiods die Amboſse der Griechen von
Kupfer gewesen sein, jedenfalls wurden schon
in sehr früher Zeit die Amboſse aus Eisen an-
gefertigt. Die einfachste Form des Amboſses
ist die, welche unser groſser Eisenblock, Fig. 93,
zeigt. Dieselbe Form zeigen die eisernen
Amboſse der wilden Völker Inner-Afrikas,
wie die der Congo und der Niam-Niam; frei-
lich sind dieselben viel kleiner, denn sie
haben nur eine Höhe von 12 bis 20 cm. Ähn-
liche Formen römischen Ursprungs finden
sich im Museum St. Germain. Unser Amboſs
war ein Riese hiergegen, es war ein Grob-
schmiedeamboſs der allergröſsten Sorte. Mit dem zulaufenden Ende
wurde er in den Boden eingestampft, ähnlich wie dies zu Anfang dieses
Jahrhunderts noch in Schweden vorkam. Da die Bahn eines schweren
Amboſses 80 cm über dem Boden zu liegen pflegt, so war unser Amboſs
60 cm in den Boden eingegraben, was ihm vollständig genügenden
Halt gab. Daſs diese Art der Befestigung des Amboſses oft vorkam,
ist gewiſs. Die Sage, daſs Siegfried den Amboſs in den Grund schlug,
deutet darauf hin. Im Museum zu St. Germain befindet sich ein
Amboſs von eigentümlicher Form mit langer Spitze (Fig. 95), die auch
zum Eintreiben in den Boden gedient haben muſs. Im Museum zu
Sens befindet sich der Grabstein eines römischen Regimentsschmiedes,
auf dem ein Amboſs abgebildet ist (Fig. 96), der ebenfalls zum Ein-
treiben bestimmt gewesen zu sein scheint. Allerdings kannte man im
Altertume sowohl die Befestigung in einem Holzstock, als auch die
Art kubischer oder parallelepipedischer Amboſse, die wir „Stöcke“
[518]Italien und die Römer.
nennen, und von denen ein Exemplar in Pompeji gefunden wor-
den ist.


Auch der sonderbar geformte Eisenblock Fig. 94 hat ohne Zweifel
ähnlichen Zwecken gedient. Vielleicht war er nur das Unterteil, die
Chabotte eines Amboſses, vielleicht war es ein groſses Gesenk, in dem
die anderen parallelepipedischen Blöcke ausgeschmiedet wurden. Für
beides könnten die analogen Maſse sprechen.


Figure 97. Fig. 97.

Zum Schluſs muſs noch dreier Eisenblöcke Erwähnung geschehen,
die sich gleichfalls auf der Salburg und zwar in dem groſsen Hypo-
kaustum der sogenannten Bäder vor der Porta Decumana zur Linken
befinden. Sie bilden die Einfassung der eigentlichen Feuerstätte und
sind in der in Fig. 97 skizzierten Weise zusammengestellt.


Figure 98. Fig. 98.

Figure 99. Fig. 99.

Figure 100. Fig. 100.

Figure 101. Fig. 101.

In Gestalt und Massen zeigen diese Blöcke groſse Ähnlichkeit
mit den bereits beschriebenen (Fig. 98 und 99, 100 u. 101). Diejenigen
Seiten, welche dem Feuer zugekehrt waren, sind auſserordentlich zer-
stört, sowohl durch die Hitze, als durch nachträgliches Rosten. Sie
erscheinen wie aufgefressen, ganz ähnlich, wie wir es bei der Chabotte,
Fig. 94, gesehen haben 1).


[519]Italien und die Römer.

Das genannte Hypokaustum ist das einzige, welches eine solche Um-
kleidung des Feuerraumes hat. Bei den zahlreichen übrigen Heizungen
der Salburg ist der Feuerraum sowohl, als auch die Zungen der Kanäle,
die aus Ziegeln hergestellt sind, aus Basaltblöcken gebildet. Es läſst
sich deshalb kaum annehmen, daſs die Römer diese Eisenstücke für
den Zweck, für den wir sie hier verwendet sehen, anfertigen lieſsen.
Das Material war hierfür zu kostbar und die Anfertigung zu schwierig,
während die Steinblöcke ganz denselben Dienst leisteten. Wohl aber
lag es nahe, daſs sie abgängige, unbrauchbar gewordene Amboſsblöcke
oder solche, die sie vielleicht aus dem Brandschutt einer früheren
Zerstörung ausgruben, einmal zu diesem Zwecke verwendet haben.


Figure 102. Fig. 102.

Die Auffindung der vielen Eisengeräte, insbesondere der groſsen
Blöcke einerseits, wie der nahen Schlackenhalden andererseits, lieſsen
es wünschenswert erscheinen, die Frage der Eisengewinnung am Drei-
mühlenborn näher zu untersuchen und wurden im Jahre 1877 zur
Klarstellung des Sachverhaltes Ausgrabungen an diesem Platze vor-
genommen. Wir lassen die bezüglichen Stellen des damals von uns
erstatteten Berichts wörtlich folgen:


„Figur 102 giebt ein Bild der Lage der Quellen, der mächtigen
Buchen, der Schlackenhalden, sowie der Röschen und Gräben, welche
zur Untersuchung der alten Schmelzstätten angelegt worden sind. Das
Hauptergebnis der Ausgrabung war die Aufdeckung von vier deutlich
erkennbaren Schmelzöfen A, B, C, D, sowie eines fünften zweifelhaften
[520]Italien und die Römer.
E, einer Meilerstätte F zur Bereitung der Holzkohlen und einer
Schmelzhütte G für die Arbeiter.


Die Schmelzöfen lagen annähernd in einer von West nach Ost
streichenden Linie in gleicher Richtung mit den beiden Quellen, der
westlichste Ofen, A, 13 bis 14 m von der westlichen, H, der östliche
Ofen, D, 23 m von der östlichen Quelle I entfernt. Entsprechend
drei Schmelzstätten fanden sich vier, oder wohl richtiger fünf Schlacken-
halden, indem die westliche, ausgedehnte Schlackenanhäufung wohl
aus zwei verschiedenen Halden gebildet ist. An der unteren, westlichen
Halde lag eine Schutzhütte, G, in deren Nähe dann auch wahrschein-
lich ein fünfter Ofen, E, gestanden haben wird.


Die Ofenreste fanden sich etwa 30 bis 50 cm von dem Waldboden
bedeckt. Sie sind zu erkennen durch eine Anhäufung gröſserer Quarzit-

Figure 103. Fig. 103.


Figure 104. Fig. 104.


blöcke, die nicht dem Untergrunde angehören, indem die Quellen im
Thonschiefer entspringen, sondern der sandsteinartigen Varietät, auf
welche noch heute ein groſser Steinbruch am Südabhange des Fröhlichen-
mannskopfs, 500 Schritt von der Salburg, betrieben wird. Die Stein-
blöcke liegen in einem Zirkel von etwa 1,6 bis 2 m Durchmesser. Sie
scheinen einen elliptischen oder viereckigen Raum umschlossen zu
haben, der durch Brandlehm, Schlacken und Holzkohlenreste sich als
den inneren Ofenboden darstellt. Dieser von Quarzitstücken um-
schlossene Boden besteht aus zusammengesinterten Schlacken. Die
Steine bildeten keine regelmäſsige Mauer, sondern waren lose neben-
und übereinander gelegt als Stützpunkt, so zu sagen als Gerippe des
Ofens, dessen Inneres aus einer durchgearbeiteten Thonmasse hergestellt
wurde. In der unteren Lage von Steinen, die nicht unverrückt er-
scheinen, lassen sich mehrere, gewöhnlich drei, in einem Fall vier
[521]Italien und die Römer.
Lücken erkennen, welche sich an entgegengesetzten Ofenseiten befinden
und einerseits das Schlacken- und Ziehloch („Brust“), andererseits die
Windöffnungen („Formlöcher“) darstellen.


In Fig. 103 u. 104 sind die aufgedeckten Überreste zweier dieser
Schmelzöfen dargestellt. Die Rückwand des Ofens lehnte sich an den
Hügel an, der an dieser Seite etwas eingeschnitten war, während sich
vorne nach der Thalseite die Ofenbrust befand, aus der Schlacken und
Eisen ausflossen und ausgezogen wurden.


Die Zeichnung (Fig. 105, 106 u. 107) giebt ein Bild, wie man sich einen
solchen Ofen in seiner ursprünglichen Gestalt vorzustellen haben wird.
Der ungefähre Durchmesser desſelben betrug 0,50 m, die Höhe vielleicht
über einen Meter. Der Querschnitt des Schachtes scheint der Lage der
Steine nach ein rundlicher gewesen zu sein, und erweiterte derselbe
sich nach oben. Die Windöffnungen befanden sich an der Hinterwand
der Bergseite zu und waren nach der Mittellinie des Ofens, doch mehr

Figure 105. Fig. 105.


Figure 106. Fig. 106.


Figure 107. Fig. 107.


nach der Stichöffnung gerichtet. Diese Lage der Windöffnungen wider-
spricht durchaus der Annahme, daſs die Öfen durch natürlichen Luft-
zug betrieben wurden, also Windöfen nach heutigem Sprachgebrauch
gewesen seien. Dem steht auch die windgeschützte Lage im Dickicht
des Waldes entgegen; vielmehr wurde der Wind mittels Blasebälge
den Öfen zugeführt. Nach der Auſsenseite waren die Öfen durch eine
Böschung von festgestampfter Erde und Rasen gestützt und gehalten.
Der innere Boden wurde aus einer starken Lage ausgeschmolzener
Schlacken hergestellt, der Wind aber durch Thonröhren („Formen“)
in den Ofen eingeführt mit einfachen Blasebälgen, wie wir sie heutzutage
noch bei den Eisen schmelzenden Negerstämmen in Afrika, den Ein-
geborenen Ostindiens, den Malaien auf Borneo, Sumatra u. s. w., sowie
auch bei den wandernden Zigeunern im Osten Europas antreffen.
Während je nach der Gröſse des Ofens ein oder zwei Arbeiter die
Bälge bedienten, leitete ein Anderer die Schmelzarbeit. Diese begann
damit, daſs, nachdem Feuer in den Herd gebracht war, der Ofen mit
Holzkohlen gefüllt wurde. Dann muſsten die ausgelesenen, zu Nuſs-
[522]Italien und die Römer.
gröſse zerschlagenen Erzstücke in Lagen mit Holzkohle wechselnd auf-
getragen und der Wind angelassen werden. Durch die erzeugte Glut
wurde allmählich das Eisen reduziert und es bildete sich eine zäh-
flüssige, eisenreiche Schlacke, die man von Zeit zu Zeit durch den
Schlackenstisch abflieſsen lieſs. Der Schmelzer half hierbei mit der
Brechstange nach, reinigte die Sohle und prüfte den zusammenbacken-
den Eisenklumpen, der sich auf dem Boden ansetzte und allmählich
vergröſserte. Er lüftete diesen gegen Ende des Prozesses, hob ihn vor
die Formen, um eine vollkommenere Schweiſsung und ein gleich-
mäſsigeres „gareres“ Produkt zu erzielen. Wenn das eingesetzte Erz-
quantum nach Möglichkeit reduziert war und der Eisenklumpen die
genügende Gröſse und Beschaffenheit zeigte, war der Schmelzprozeſs
beendet. Der Wind wurde abgestellt, Kohlen und Schlacken aus dem
Ofen gekratzt und die auf der Sohle liegende Eisenmasse, die „Luppe“
oder der „Wolf“ genannt, mit Brecheisen und Zangen herausgehoben.
Durch Klopfen mit groſsen Holzhämmern wurde sie von der Schlacke
gereinigt und dicht gemacht. Dann erhielt sie eine zweite Hitze und
zwar entweder in demselben Feuer, wobei ein Teil der Wärme wieder
verwertet werden konnte, oder in einem niedrigen Herdfeuer. Die
weiſsglühende Luppe wurde dann auf einem Amboſs mit Handhämmern
in die gebräuchlichen Formen (Schirbel, Gänse, Luppenstäbe u. s. w.)
ausgeschmiedet. Der Ofen, auf dessen Sohle die zähflüssigste, eisen-
reichste Schlacke zurückblieb, wurde durch Ausflicken der Wände mit
feuerfestem Thon und Wiederherstellung der Ofenbrust zu einer neuen
Schmelzung zugerichtet, und dies so oft wiederholt, als es das rohe
Mauerwerk erlaubte. Aber selbst, wenn man gezwungen war, von
Grund aus einen neuen Ofen aufzuführen, wählte man gern die alten
Plätze, schon der vorhandenen Eisenschlackensohle wegen. Letztere
wuchs nach und nach zur beträchtlichen Dicke an. Bei unseren Öfen
zeigten diese festen Schlackenböden bei einem Durchmesser von 1,50 m
noch eine Dicke von 0,60 bis 0,80 m.


Über die Eisenerze, welche am Dreimühlenborn verschmolzen
wurden, haben die Ausgrabungen ebenfalls Aufschluſs gegeben. Es
fanden sich sowohl in den Schlackenhalden als in dem Bachbett Rot-
eisensteinstücke in Menge, allerdings meist rauhes, quarzhaltiges Erz,
das weggeworfen worden war, während der reiche, zarte, bis 60 Proz.
haltige Stein, der verschmolzen wurde, sich nur selten fand. Da Rot-
eisenstein in der Nachbarschaft der Salburg nicht bekannt ist, so
unterliegt es kaum einem Zweifel, daſs dieses Erz aus dem benach-
barten Gebiete der oberen Weil stammt, dessen uralter Bergbau be-
[523]Italien und die Römer.
zeugt ist. Brauneisenstein, der in der Nähe und zwar bei Obernhain
und am Landgrafenberg 5700 Schritte SW der Salburg vorkommt
und auch einmal ausgebeutet wurde, wurde dagegen unter den Erzen
der Halden nicht aufgefunden. Demnach scheint, wenigstens in der
letzten Periode des Betriebes, der bessere Roteisenstein von der Weil
verschmolzen worden zu sein. Die Vermutung, daſs an Ort und Stelle
Eisenerz gewonnen worden sein könnte, und daſs die zwei kräftigen
Quellen vielleicht einem verlassenen Stollen entspringen möchten, hat
sich nicht bestätigt, vielmehr haben die Ausgrabungen dieselbe als
irrtümlich erwiesen. Die Quellen des Dreimühlenborn verdanken ihre
Entstehung und ihren Wasserreichtum den geognostischen Verhält-
nissen, indem sie an einem günstigen Punkt am Nordabhange des
Taunuskammes nahe dem Schichtenwechsel von Quarzit und Thon-
schiefer in letzterem entspringen.


Figure 108. Fig. 108.

Die kleine Skizze (Fig. 108) giebt ein annäherndes Bild der strati-
graphischen Verhältnisse. In der Streichungslinie des erwähnten Ge-
birgswechsels nach der Lochmühle zu treten noch zahlreiche Quellen
zu Tage.


Über die Eisengewinnung und den Bergbau im oberen Weilthal
bei Weilnau (oder Weilmünster?) sind uns in dem Lorscher Codex
Traditionum Mannhemii 1768 bis 1776, Bd. III, pag. 226 Nachrichten
aus dem Jahre 780 erhalten. Es heiſst darin: „in villa Wilene sunt
hubae tres quae solvunt ferri frusta XXXII et unciam unam“. Weil-
nau liegt etwa drei Stunden nördlich vom Dreimühlenborn entfernt.


Das Brennmaterial, welches bei der Eisendarstellung am Drei-
mühlenborn verwendet wurde, war Holzkohle. Die Holzverkohlung
wurde auch an Ort und Stelle ausgeführt, wie die alte Meilerstätte,
Übersichtsplan, Fig. 102 F, welche bloſsgelegt wurde, beweist. Es ist
bemerkenswert, daſs diese Meilerstätte eine deutliche Zündgasse zeigt,
was sonst in unserer Gegend, in Westdeutschland, nicht mehr gebräuch-
lich ist. Unsere Meiler haben in der Mitte einen Schacht, den soge-
[524]Italien und die Römer.
nannten Quandelschacht, der durch aufrechtstehende Scheiter gebildet
wird, durch den das Anzünden erfolgt. Man bezeichnet diese als
„welsche“ Meiler. Die Anlage am Dreimühlenborn hatte dagegen eine
in den Boden eingegrabene, horizontale Zündgasse, durch welche das
Feuer eingetragen wurde. Solche Meiler, die gegenwärtig mehr im
Osten von Europa, namentlich noch in einigen Gegenden Österreichs
gebräuchlich sind, pflegt man „slavische“ zu nennen. Doch glauben
wir dieser ethnographischen Bezeichnung der Meiler eine groſse histo-
rische Bedeutung nicht beimessen zu können. Die Konstruktion des
„welschen“ Meilers mit offenem Quandelschacht ist dann vorzuziehen,
wenn man hauptsächlich Stammholz verkohlt; die „slavische“ dagegen
ist mehr zur Verkohlung von Astholz geeignet. Aus den Holzkohlen-
resten ergiebt sich aber, daſs die Alten kein Stamm- und Scheitholz,
sondern Astholz und zwar mehr Les- und Unterholz verwendeten. Des-
halb verkohlten sie auch nicht eine bestimmte Holzsorte, sondern ein
Gemisch von Holzarten, wie man sie gerade fand, und da die Wälder
selbst nicht auf bestimmte Holzarten angelegt waren, so bieten die
Holzkohlenreste eine Musterkarte mannigfaltigen Holzbestandes. Be-
merkenswert ist, daſs die weichen Holzarten überwiegen. Es finden
sich vorzugsweise Linden, Erlen, Rüstern u. s. w., Eichen nur selten,
Buchen fehlen ganz. Indessen finden sich nach der Untersuchung von
Professor Dr. Kirschbaum auch Nadelholz- und zwar Kiefernkohlen
darunter. Das Holz wurde horizontal und radial geschichtet, nicht,
wie bei der Scheiterverkohlung, aufrecht gestellt.


Ein Zuschlag von Kalk oder dergleichen fand beim Schmelzen
nicht statt.


Das dritte Material, welches die Waldschmiede für ihre Arbeit
nötig hatten, war der Thon, mit dem die Öfen immer ausgekleidet
waren. Es haben sich groſse, bis 10 cm dicke Stücke, teils rot gebrannt,
teils auf einer Seite verschlackt, gefunden. Der Thon entstammt der
Nachbarschaft und steht als rotgelbliche, von weiſsen Adern durch-
zogene, ziemlich magere Ziegelerde an allen Wegerändern als der
herrschende Waldboden an. Zur Verwendung als Auskleidungsmaterial
wurde er, um dem Reiſsen in der Schmelzhitze entgegen zu wirken,
mit kleinen, eckigen Quarzitstückchen durchgearbeitet.


Herr Dr. Bischof, der die Güte hatte den Schmelzthon näher zu
untersuchen, charakterisiert denselben als einen dunkelgelben, manch-
mal rötlich gefärbten Lehm, dem 6,7 Proz. meist abgerundete Quarzit-
stückchen von Erbsen- bis Nuſsgröſse beigemengt sind. Er glaubt
nicht, daſs diese Beimengung eine künstliche sei. Pyrometrisch verhält
[525]Italien und die Römer.
sich das Material wie ein guter, natürlicher Lehm von mittlerer
Schmelzbarkeit. Bei der Schmelzhitze des Silbers, circa 1000° C., blieb
er unverändert, während er bei circa 1200° C. tropfenförmig zusammen-
schmolz. Demnach haben wir es mit einem gewöhnlichen, unversetzten
Ziegellehm zu thun, wie ihn heute jeder Ziegelbrenner, der nur darauf
sieht, daſs das Material nicht allzu leicht schmelzbar ist, benutzen würde,
und der jedenfalls der Nachbarschaft des Dreimühlenborns entstammt.


Aus demselben Material, Lehm, Quarzstückchen und Häcksel aus
Stroh, Ginster und sonstigen Reisern, fanden sich in den Feuerungs-
anlagen der Salburg Backsteine von 0,23 m Länge, 0,21 m Breite,
0,12 m Dicke.


Fassen wir nun die Produkte der Schmelzung, welche am Drei-
mühlenborn gefunden wurden, ins Auge. Vor allem sind es Schlacken,
die in groſsen Massen ausgegraben worden sind. Es lassen sich davon
deutlich zweierlei Arten unterscheiden. Die eine ist mehr blasig, zellig,
getropft oder in dünnen Fladen geflossen, von dunkel, eisenschwarzer
Farbe, die andere findet sich in dicken Stücken, sehr fest, mehr steinig
im Bruch, von lichterer, schwärzlicher Farbe. Man könnte die zweierlei
Schlacken für Produkte verschiedenen Betriebes halten, letztere für
Rohschlacken erster Schmelzung, erstere für Schweiſsschlacken von
einer zweiten Behandlung der Rohluppe. Doch ist es auch möglich,
daſs die verschiedenen Schlacken verschiedenen Zeiten und Betriebs-
perioden angehören. Die ältere Schlacke deutet auf einen unvoll-
kommeneren Schmelzprozeſs mit ungenügenderen Blasevorrichtungen
und infolgedessen einer niedrigeren Schmelztemperatur; denn, wie
schon erwähnt, ist die Schlacke unvollständig und zähe in dünnen
Kuchen geflossen. Auch der Umstand, daſs sie mehr oxydiert ist, als
die steinigere Schlacke, läſst ein höheres Alter vermuten. Ihr Eisen-
gehalt beträgt nach der chemischen Analyse 46,84 Proz., was 60,26 Proz.
Eisenoxydul entsprechen würde. Die dicken Stücke der steinigen
Schlacke weisen auf vollkommenere Schmelzung und besseren Betrieb
mit stärkeren Gebläsevorrichtungen, wobei gröſsere Eisenmassen dar-
gestellt worden, hin. Diese Schlacke enthält nur 43,36 Proz. Eisen,
entsprechend 55,75 Proz. Eisenoxydul. Vergleicht man diese Schlacken
mit solchen, die bei ähnlichen Ausgrabungen gefunden wurden, nament-
lich mit denjenigen, welche in Holland zwischen Waal, Rhein, Yssel
und Zuydersee massenhaft aufgedeckt und von Professor Bleekrode
mit groſser Sorgfalt untersucht worden sind 1), so finden wir, daſs
[526]Italien und die Römer.
unsere Schlacken weit ärmer an Eisen sind, als jene. Nach der Zu-
sammenstellung, die von ihm — a. a. O. pag. 253 — gegeben worden ist,
beträgt der durchschnittliche Eisengehalt jener Schlacken 53,97 Proz.,
entsprechend 69,51 Proz. Eisenoxydul. Dem Unterschied der Erze
läſst sich diese Abweichung wohl nicht zuschreiben, da die reichen Rot-
eisensteine des Weilthals eher weniger fremde Beimengungen enthalten,
als die Sumpferze Hollands; sie läſst sich also nur auf eine bessere
Verhüttung zurückführen, und wir müssen annehmen, daſs selbst der
ältere Schmelzprozeſs, von dem die erste Schlackensorte herrührt, voll-
kommener war, als die in den Niederlanden in prähistorischer Zeit ge-
bräuchliche Methode.


Ein Klumpen Eisen, das Bruchstück einer Rohluppe, ist ebenfalls
durch die Ausgrabungen am Dreimühlenborn an das Tageslicht geför-
dert worden. Dasſelbe erwies sich als ein weiches Schmiedeeisen von
vorzüglicher Qualität. Obgleich zum groſsen Teil in Rost verwandelt,
läſst es sich doch in der Schweiſshitze leicht dicht machen, schweiſsen
und ausschmieden. Ein Stück des Eisenklumpens mit frischer Bruch-
fläche, sowie die ausgeschmiedeten Probestücke werden im Altertums-
museum aufbewahrt. Der Bruch war groſsblätterig und hellglänzend.
In allen Erscheinungen zeigt es mit den auf der Salburg gefundenen
Blöcken die gröſste Übereinstimmung.


Auſser den Schmelzöfen und der Meilerstätte ist noch an der mit A
bezeichneten Stelle des Situationsplanes der Rest einer Anlage (Fig. 109)
aufgedeckt worden, welche wohl eine Schutzhütte gewesen sein dürfte,
wie sie ähnlich die Holzhauer und die Köhler bei ihren Meilern
noch hier und da errichten, und wie solche oder ähnliche auch der
ältesten Landbevölkerung eigen gewesen sein dürften; vergl. Annalen,
Bd. XII, S. 263, Taf. VI. Die Stelle ist durch einen Kreis von Quarzit-
blöcken umgrenzt, deren Anordnung ähnlich ist wie bei den früher be-
schriebenen Schmelzöfen; da aber der Durchmesser weit gröſser, nämlich
2,5 m ist und sich keine Schlacken im Innern finden, so dürfte die An-
nahme, daſs hier eine Schutzhütte stand, um so berechtigter sein, als sich
über derselben ein zugeschlämmter Graben von 20 cm Breite und 45 cm
Tiefe befand, der als Schutzrinne zum Ablauf des Regens diente und
der sich bis 6 m westlich der Hütte verfolgen läſst. Die Hütte war
vermutlich in Kegelform aus Stangen so zusammengefügt, daſs sie oben
einen Rauchabzug offen lieſsen, der durch Reiser und Rasen geschützt
war. An den Wänden wird wohl ein erhöhter Sitz aus Steinen und
Rasen hergerichtet gewesen sein, der die aus Laubstreu hergestellten
Schlafstätten trug.


[527]Italien und die Römer.

Fragen wir nun nach dem Alter der Eisenschmelzöfen am Drei-
mühlenborn, so haben die Ausgrabungen leider Nichts ergeben, was
zu einem unmittelbaren Schluſs führt. Weder Münzen noch Schmuck-
sachen sind aufgefunden worden, und die zu Tage geförderten Thon-
scherben sind auch nicht der Art, daſs sie eine genügende Aufklärung
verschaffen. Es finden sich unter denselben solche, welche in der
Masse, roter Ziegelthon, in der geringen Härte und in den Formresten
den Gefäſsen und Krüglein gleichen, welche in groſser Menge in der
Salburg und in den dortigen Römergräbern gefunden worden sind,
doch fehlen die Terrasigillatagefäſse der besser situierten Römer. Es
finden sich aber auch solche Bruchstücke, welche entschieden nicht
mehr der römischen, sondern der fränkischen oder einer noch späteren
Technik angehören: grauschwarze Masse, hart wie Kruggeschirr, beim

Figure 109. Fig. 109.


Aufdrehen gereifelte und an der Mündung
scharf profilierte Topfreste. Wir sind daher
durch die Töpfereien nicht entschieden auf
die Gleichzeitigkeit und den Aufenthalt der
Römer, sondern auf einen Fortbetrieb selbst
nach der Römerzeit und auf Kombinationen
und Schlüsse angewiesen.


Daſs der Betrieb einer sehr entfernten
Zeit angehörte, geht nicht nur aus der Art
desſelben hervor, sondern auch aus dem
Alter der riesigen Buchen, welche auf den
alten Schlackenhalden gewachsen sind. Sach-
verständige schätzen dieselben auf mindestens 400 Jahre, und es
wird lange gedauert haben, ehe Buchenkeime auf den kahlen Schlacken-
halden genügende Nahrung für ihre erste Entwickelung finden konnten.
Wenn auch aus verschiedenen Anzeigen hervorgeht, daſs der Betrieb
der Eisenschmelze am Dreimühlenborn ein vollkommenerer und relativ
umfangreicherer war, wie wir ihn bei den wenigsten alten Wald-
schmieden und Rennfeuern, die beschrieben sind, wahrnehmen, so ist
doch nicht das geringste Anzeichen vorhanden, daſs ein komplizierterer
Apparat, sei es zur Wiedererzeugung, sei es zum Verschmieden, vor-
handen gewesen ist. Es war hier keine der sogenannten Trethütten,
bei denen feststehende, verbesserte Bälge mit starkem Holzgerüst durch
Treträder oder Zugstangen bewegt, verwendet wurden, wie sie im 14.
und 15. Jahrhundert vor der allgemeinen Benutzung der Wasserkraft
vielfach in Gebrauch waren. Ebensowenig scheint an Ort und Stelle
eine gröſsere Wohnung oder Werkstätte sich befunden zu haben, ob-
[528]Italien und die Römer.
gleich doch die Menge wie die Dicke der Schlackenstücke den Umfang
des Betriebes und auch das beweist, daſs verhältnismäſsig groſse Eisen-
massen hier verschmolzen worden sein müssen. Zieht man nun die
unmittelbare Nähe des Römerkastells, die Notwendigkeit für die Be-
satzung desſelben, sich mit Eisen zu versorgen, die Gunst des Platzes
und die Art der Öfen, vor allem aber die Gleichartigkeit der an beiden
Stellen gefundenen Eisensorten und die auf der Salburg gefundenen
groſsen Eisenblöcke in Betracht, so unterliegt es kaum mehr einem
Zweifel, daſs in römischer Zeit schon ein Hüttenbetrieb am Drei-
mühlenborn stattgefunden und von den Römern benutzt worden ist.


Die Art der Öfen ist sehr ähnlich derjenigen, die, aus der Römer-
zeit stammend, sich in Steiermark und besonders zahlreich im Berner
Jura gefunden hat, welch letztere Quiquerez untersucht und beschrieben
hat 1).


Das Mauerwerk bestand dort wie hier aus losen Steinblöcken. Bei
den Öfen im Jura scheint mehr davon erhalten zu sein, als bei uns,
doch müssen auch wir annehmen, daſs die Öfen am Dreimühlenborn
höher, und daſs mehrere Lagen Steine übereinander geschichtet waren.
Diese plattenartigen Steine sind später weggeschleppt worden. Der
gegenwärtige Müller in der Klingenmühle sagte aus, sein Vater habe
noch am Dreimühlenborn Platten geholt. Da die von Quiquerez aus-
gegrabenen Öfen nachweislich zum groſsen Teil aus der Zeit der
Römerherrschaft stammen, so unterstützt die Ähnlichkeit der Formen
die Annahme über das Alter unserer Ausgrabungen. Ja es läſst selbst
weiter vermuten, daſs die alten Schmiede vom Dreimühlenborn bei
einem der vielen um die Salburg wütenden Kämpfe erschlagen und
vertrieben worden und niemand mehr da war, der jene schweren Blöcke
zu Nutzeisen auszuschmieden verstand, so daſs man sie also in der Not
der Zeit zu jenen untergeordneten Bauzwecken verwendet hat. Von
anderen römischen Städten aber sind diese Eisenblöcke gewiſs nicht
auf die Salburg geschleppt worden, sonst würde man auch an anderen
Orten ähnliche gefunden haben. Daſs die erste Anlage der Schmelz-
werke am Dreimühlenborn von römischen Soldaten errichtet worden
sei, ist sehr unwahrscheinlich. Zwar waren den Legionen viele und
verschiedenartige Handwerker zugeteilt, doch nur solche, die dem
unmittelbaren Bedürfnisse der Armee dienten. Eisenschmiede waren
selbstverständlich dabei, sie werden schon bei den alten centuriae
[529]Italien und die Römer.
fabrorum genannt. Aber die Kunst dieser Schmiede stand so wenig
wie heute in einer Verbindung mit der Kunst der Schmelzer, die einsam
im Walde lebten, während erstere in Städten und Garnisonen ihre
Lehre durchmachten. Vegetius führt die verschiedenen Handwerker
auf, die in späterer Zeit die Legion begleiteten; es waren Zimmerleute,
Schreiner, Wagner, Eisenschmiede und Anstreicher zum Bau von Ge-
bäuden, Kriegsmaschinen, Belagerungstürmen und zur Instandhaltung
des Fuhrwerkes. Ferner gab es Schilderer, Harnisch- und Bogen-
macher, welche die Pfeile und Wurfgeschosse im Stand zu halten hatten.
Diese muſsten für alle Bedürfnisse des Heeres Sorge tragen. Die An-
nahme, daſs sich unter den rhätischen und vindelizischen Kohorten, die,
wie aus den Ziegelstempeln ersichtlich, zeitweise die Besatzung der
Salburg bildeten, zufällig Waldschmiede befanden, welche diese Anlage
gemacht hätten, ist unwahrscheinlich. Die Waldschmiede wurden
schwerlich zum Militärdienst ausgehoben. Wäre aber die Anlage von
römischen Soldaten gemacht worden, so hätte man gewiſs einen Platz
innerhalb des Pfahlgrabens gesucht, und die Erze anders woher, als
aus dem in Feindesland belegenen Weilthal, geholt. Dagegen spricht
alles dafür, daſs es eingeborene Schmiede waren, die wohl schon vor
der Anlage des Kastells im Jahre 11 v. Chr. hier ihrem Gewerbe nach-
gingen und durch den gewinnbringenden Absatz ihres Produktes an
die Besatzung des Kastells während der friedlichen Jahre ihre Öfen
am Dreimühlenborn fortbetrieben. Sie werden zu den Römern in ein
Schutzverhältnis getreten sein, ohne ihre Selbständigkeit ganz auf-
gegeben zu haben. Ihre Waldschmiede lag auſserhalb des Pfahlgrabens,
ebenso ihre Wohnung; denn diese vermuten wir mit ziemlicher Sicher-
heit auf dem eigentümlich gestalteten Hügel, der Kalosenkippel (präten-
tiös Drusenkippel) genannt wird, und der sich am unteren Laufe des
Baches am Waldsaume erhebt. Er bildet ein 2 m über dem umlaufen-
den Graben erhabenes Plateau von 13 m Durchmesser mit einer kleinen
wallartigen Erhöhung auf der Landseite, während der äuſsere Graben-
rand einen Kreis von 41 m Durchmesser beschreibt. Er ist bereits von
Oberstlieutenant W. Schmidt (Nass. Annalen, Bd. VI, 1, S. 156) erwähnt,
welcher dort einen Mauerturm vermutet. Bei unseren Nachgrabungen
fanden wir, daſs nie Mauerwerk hier gestanden; kein Stein, sondern ein
paar Nägel, gebrannte Lehmstücke mit eingedrückten Strohspuren, dem
Anscheine nach die Überreste einer mit Strohlehm bekleideten Holz-
hütte, jedoch keine Kohlen, so daſs wir auf ein nicht durch Brand,
sondern durch Fäulnis allmählich zerstörtes Gebäude schlossen, den
gebrannten Strohlehm aber der Herdstelle zuschrieben. Wenige auf-
Beck, Geschichte des Eisens. 34
[530]Italien und die Römer.
gefundene Nägel und ein kleines Hufeisen, das sich ein weidendes Pferd
hier ausgetreten haben mag, fanden sich, hingegen keinerlei Gefäſs-
scherben, sondern nur ein fingerlanger, aus Thon vor dem Brennen
geschnitzter, ungebrochener, aber unbekannter Gegenstand.


Als römisch ist diese Anlage trotz der Nähe des Pfahlgrabens und
des Kastells nicht anzusehen, wohl aber als die geschützte Wohnstätte
der Waldschmiede mit ihren Angehörigen unter römischem Schutz. Ein
solcher Schutz mochte bei der Nähe des Kastells, das in kriegerischen
Zeiten vom Feinde umschwärmt und beunruhigt wurde, und auch später
noch nach Brechung der Römermacht nützlich gewesen sein. Bei dauern-
der Gefahr werden die Schmiede, die es aus Geschäftsinteresse mit den
Römern hielten, sich mit ihrer Habe wohl in den Schutz des Pfahlgrabens
begeben haben. Gerade der Umstand, daſs die Schmiede ihre Erze aus
dem Weilthal holten, spricht dafür, daſs es Deutsche waren, die in fried-
lichen Zeiten nach ihrer Weise ihrem Gewerbe nachgingen. Auch der
Umstand, daſs keinerlei Wertgegenstände durch die Ausgrabungen zu
Tag gefördert worden sind, unterstützt die Annahme, daſs die Wald-
schmiede zuletzt nicht überrumpelt wurden, sondern mit Hab und
Gut abgezogen sind.


Die Eisenblöcke von der Salburg sind in Form und Gröſse einzig
in ihrer Art und beweisen einen umfangreichen Betrieb. Um Stücke
von solcher Gröſse herzustellen, müssen mehrere Öfen gleichzeitig im
Gang und eine gröſsere Anzahl von Arbeitern zur Hand gewesen sein,
um immer Stück um Stück an den groſsen Block anzuschweiſsen. Es
ist anzunehmen, daſs diese Blöcke, die zunächst als Amboſse dienen
sollten, schon ihrer 242 kg betragenden Schwere wegen an Ort und
Stelle blieben, während die zweispitzigen, 50 cm langen und 5 cm
dicken Rohluppen fortgebracht oder verarbeitet worden sind.


So werfen die Ausgrabungen am Dreimühlenborn, wenn sie auch
in ihrem unmittelbaren Ergebnis nicht reichhaltig sind, doch ein Licht
auf eine sehr entfernte Periode unserer einheimischen Eisenindustrie,
auf das Verhältnis deutscher Waldschmiede zu den Römern, und geben
uns, wenn auch keine bestimmte Jahreszahl, doch etwa das zweite Jahr-
hundert an, als die Zeit in der diese Industrie hier schon blühte.


Wir haben bei der Untersuchung der Schmelzstätte an der Salburg
den Versuch gemacht, einen Eisenschmelzofen jener Zeit zu rekon-
struieren. Einen Anhalt hierfür geben nicht allein die spärlichen, am
Dreimühlenborn ausgegrabenen Reste, sondern die Aufdeckung ähn-
licher Öfen in verschiedenen Gegenden des römischen Gebietes.


In den wallonischen Alpen hat man eine Anzahl solcher Eisen-
[531]Italien und die Römer.
schmelzöfen aufgedeckt, die wahrscheinlich noch aus Römerzeiten her-
stammen 1). Fig. 110 zeigt einen solchen von Quiquerez rekonstruierten
Ofen von Faverjeatre.


Ähnliche Öfen in den Berner Alpen werden wir später beschreiben.
Bei Lustin in der Nähe von Namur hat man uralte Schmelzöfen ent-
deckt. Der Schmelzraum zeigt die Gestalt eines umgekehrten Kegels
von 1 m Höhe. Er war ellyptisch. Der gröſsere obere Durchmesser
betrug 4,30 m auſsen, 3,20 m innen. Am Boden befand sich gegen die
Windseite, d. h. nach S W ein rechtwinkeliges Loch von 0,20 m Durch-
messer. Der Boden unter der Schmelzsohle bestand aus Eisenschlacken
oder richtiger aus einem Gemenge von unvollständig reduziertem Erz,
Eisenschlacken und Holzkohlenstückchen.


Figure 110. Fig. 110.

Anders gestaltet waren die Öfen von Libourt bei Chenonceaux.
Sie waren cylindrisch, oben in einen Kegel auslaufend und hatten sechs
enge Windöffnungen senkrecht zur Cylinderachse. Ebenso fand man
bei den Öfen von Dordogne deutlich enge Windöffnungen zum Ein-
legen enger Windröhren. Reste alter Schmelzöfen hat man noch an
verschiedenen Orten in Frankreich aufgefunden. Erwähnung verdient
hier auch der Schmelzofen von Wansdford in Northhamptonshire in
England, den Rich beschrieben hat. Es war dies zwar unzweifelhaft
ein Bleischmelzofen, wie dies aus den deutlich erhaltenen Planschen-
formen unmittelbar vor dem Stichloch erhellt, er ist aber so wohl
34*
[532]Italien und die Römer.
erhalten und seine Gestalt ist so ähnlich manchen Eisenschmelzöfen,
daſs wir ihn dennoch abbilden wollen (Fig. 111 und 112 1).


Alle diese Öfen stammen zwar aus der Zeit der Römerherrschaft,
dagegen läſst sich nicht behaupten, daſs sie von den Römern selbst
erst angelegt worden seien, vielmehr ist anzunehmen, daſs sie von den

Figure 111. Fig. 111.


eingeborenen Bewohnern betrie-
ben wurden und auch ursprünglich
errichtet worden waren. Indessen
ist wohl nicht zu bezweifeln, daſs
die gallischen Bewohner Italiens
sich ähnlicher Öfen, wie die in
der Schweiz und in Frankreich
gefundenen, bedient haben. Neben
diesen Schmelzöfen werden aber
auch Herdöfen, ähnlich den Katalanschmieden, wie sich solche in
Corsica lange erhalten haben, zum direkten Ausschmelzen der Erze

Figure 112. Fig. 112.


benutzt worden sein. Die corsicanische Eisengewinnung war, wie wir
gesehen haben, auf die Verwendung der elbanischen Erze gegründet,
das angewendete Schmelzverfahren war wahrscheinlich dasſelbe, wie
es in frühester Zeit auf Elba selbst im Gange war und scheint sich
[533]Italien und die Römer.
bis zu unserem Jahrhundert fast unverändert erhalten zu haben. Wir
werden später eine Beschreibung des corsicanischen Schmelzverfahrens
geben. Aus alle dem bestätigt sich der Ausspruch des Plinius: „For-
nacium magna differentia est“. Das aus den Erzen reduzierte Eisen
wurde von den Schmelzern nicht weiter verarbeitet, sondern in eine
gewisse Handelsform gebracht und so an die Schmiede verhandelt. In
der Schweiz, im ganzen Rheinthale, sowie in vielen Gegenden Deutsch-
lands und Frankreichs hat man öfters Eisenblöcke von eigentümlicher
Gestalt gefunden, über deren Zweck und Verwendung man im Unklaren
war. Sie fanden sich oft in groſsen Mengen beisammen. Ein solcher
Fund wurde z. B. im Jahre 1866 bei Monzenheim in Rheinhessen
gemacht und vom Verfasser beschrieben 1).


Sechsundzwanzig dieser Eisenblöcke (Fig. 113) lagen in Monzenheim
beisammen, die sich jetzt gröſstenteils im römisch-germanischen Museum

Figure 113. Fig. 113.


zu Mainz finden. Durch die Güte des Herrn Professor Lindenschmit
wurde der Verfasser in den Stand gesetzt, einen derselben einer genauen
chemischen und technischen Prüfung zu unterziehen.


Die Blöcke haben ein mittleres Gewicht von 5 kg und eine Länge
von 48 bis 55 cm. Acht derselben, unter denen sich die leichtesten
und die schwersten befanden, ergaben folgende Gewichte: 4000, 4050,
5000, 5000, 5110, 5120, 5470 und 5700 g. Die gröſste Differenz beträgt
demnach 1700 g = 34 Proz. des Mittelgewichts. Die Monzenheimer
Stücke sind sehr gut erhalten. Häufig ist eine der Spitzen abgeschlagen.
Sie zeigen keinerlei Bearbeitung als die des Hammers. Zu was mögen
diese Blöcke gedient haben?


Einige haben sie für Gewichte gehalten; dem widersprechen die
oben angeführten Abweichungen der Schwere. Andere haben darin
Steinbearbeitungswerkzeuge erkennen wollen. Diese Annahme wurde,
abgesehen von der ungeschickten Form, durch die technische Unter-
suchung widerlegt, welche ergab, daſs die Blöcke aus einem ganz
[534]Italien und die Römer.
weichen, kaltbrüchigen Schmiedeeisen bestehen, so weich und brüchig
an den zulaufenden Enden, daſs von einer Verwendung als Werkzeug
zur Steinbearbeitung oder zu irgend einem anderen Zwecke gar nicht
die Rede sein kann. Diese Blöcke sind vielmehr nichts anderes als
überschmiedete Rohluppen, wie sie von den Waldschmieden in alter
Zeit in den Handel gebracht wurden.


Die sonderbare Form erklärt sich leicht und ist durch verschiedene
Umstände bedingt. Zur Herstellung war die Form bequem, denn der
Schmied faſste die Luppe am einen Ende und schmiedete die eine
Hälfte aus, dann packte er das geschmiedete Teil und formte die
andere Hälfte. Dabei ergab sich diese Gestalt von selbst. Zum
Hausieren war die Form geeignet, indem der Schmied, ähnlich wie
heute die Bergleute noch oft ihre Bohrer tragen, die beiden Enden mit
Stricken umschlang, die über die beiden Schultern gingen, oder sie in
Lederriemen einsteckten, so daſs sie horizontal schwebend auf Brust
und Rücken hingen, wobei ihm die Arme frei blieben und er im Gehen
nicht gehindert war. Er konnte leicht ein einzelnes Stück dem Schmied
zur Probe herausnehmen.


Für den Schmied war die Form bequem, da er die Ware vor dem
Kaufe prüfen wollte, was er leicht konnte, wenn er eines der zu-
gespitzten Enden in sein Feuer steckte, es heiſs ausschmiedete, bog
und brach. Daraus erklärt es sich auch, warum bei einer Anzahl von
Stücken ein oder das andere Ende abgehauen erscheint, was gewiſs
nicht durch Zufall geschah.


Die technische Untersuchung der Monzenheimer Blöcke hat diese
Annahme vollständig bestätigt. Es zeigte sich, daſs dieselben in ihrer
ganzen Masse aus weichem, wenig verarbeitetem, kaltbrüchigem Eisen
bestehen von der Qualität einer überschmiedeten Luppe aus gutem
Schmiedeeisen. Ein Block wurde am dicksten Teile kalt mit dem
Schrotmeiſsel durchgesetzt. Dabei war der Kaltbruch deutlich bemerk-
bar, indem an den beiden zulaufenden Enden je zwei Stücke von selbst
abflogen und zwar durchaus nicht an durchgerosteten Stellen, sondern
mit reinen glänzenden Bruchflächen. Der Bruch an der dicksten Stelle
war glänzend und groſsblätterig. Die ausgebildeten Blättchen hatten
etwa 2 mm im Durchmesser. Einzelne mattgraue Partieen deuteten
auf unvollständige Reduktion und Schweiſsung. Gegen die Enden zu
war der Bruch feinkörniger, entsprechend der stärkeren Kompression
beim Ausschmieden im Verhältnis zum Querschnitt. Der ganze Block
erwies sich als ein homogenes, weiches Eisen, welches weder in der
Mitte noch am Ende die geringste Spur von Stahlbeschaffenheit zeigte.
[535]Italien und die Römer.
Es lieſs sich gut schweiſsen und schmieden mit Spuren von Rotbruch
und verhielt sich im ganzen, wie ein aus guten Erzen erzeugtes Eisen,
welches eine weitere Verarbeitung als die eines einmaligen Über-
schmiedens nicht erfahren hat.


Die chemische Analyse stimmt hiermit ebenfalls überein. Sie
ergab folgende Zusammensetzung:



Der Kohlenstoff entspricht, wie auch das Verhalten im Feuer,
einem weichen Eisen. Die nicht unbeträchtlichen Beimengungen von
Phosphor, Schwefel und Silicium sind nicht verwunderlich bei einem
so unverarbeiteten, rohen Material.


Daſs die Rohluppen im Altertume ganz allgemein in der Form
unserer Monzenheimer Blöcke in den Handel gebracht wurden, dafür
haben wir verschiedene Beweise. Schon in den Schatzkammern von
Ninive haben sich Eisenblöcke von ganz ähnlicher Gestalt gefunden.
Bei den Ausgrabungen in der Königsburg von Korsabad, die unter der
Leitung des französischen Konsuls Place von Mosul in den Jahren
1850 bis 1856 ausgeführt wurden, stieſs man auf einen Metallschatz,
der 60000 kg Eisen enthielt, meist in unverarbeitetem Zustande und in
der rohen Gestalt, wie sie Fig. 31, 1. 2. 3. (S. 135) skizziert ist. Charakte-
ristisch bei diesen assyrischen Luppen ist es, daſs sie alle ein durch-
gehendes Loch zeigen, welches nicht in der Mitte, sondern näher einem
Ende sich befindet. Diese Durchbohrung ist nicht groſs genug, um die
Annahme zu gestatten, daſs sie bei der Schwere des Eisenklumpens
zur Aufnahme eines Stieles gedient haben könnte, vielmehr ist anzu-
nehmen, daſs sie angebracht war, um einen Riemen oder einen Strick
durchzuziehen, zum Zwecke des Transportes. Jedenfalls wurde dies
Loch durch die Luppe getrieben, so lange sie noch heiſs und weich
war. Place bemühte sich allerdings, auch diese Blöcke für Werkzeuge
zu erklären, er ging sogar so weit, sie für Stahlwerkzeuge anzusprechen.
Eine nähere Untersuchung der im Louvre befindlichen Stücke hat
jedoch ergeben, daſs sie durchaus aus weichem Schmiedeeisen bestanden.


[536]Italien und die Römer.

Diodor berichtet über die Eisengewinnung auf Elba 1):


„Die Insel Äthalia enthält viel Eisenerz, das sie benutzen, um
Eisen daraus zu schmelzen, an welchem Metall sie einen groſsen Über-
fluſs haben. Diejenigen, welche sich mit der Arbeit beschäftigen,
brechen den Stein und brennen die kleingemachten Stücke in künst-
lichen Öfen, in welchen sie durch die heftige Glut des Feuers das Erz
schmelzen und in mittelgroſse Stücke teilen, welche ungefähr wie
groſse Schwämme aussehen. Diese erhandeln die Kaufleute oder
tauschen sie ein und bringen sie nach Dikaearchia (dem heutigen
Puteoli) und anderen Handelsstädten. Dergleichen Schiffsladungen
kaufen einige (Kaufleute), die eine groſse Zahl von Eisenschmieden
halten, welche es verarbeiten und allerlei Eisenwerk daraus machen:
einiges davon schmieden sie in Vogelfiguren, anderes verarbeiten
sie künstlich zu Hacken, Sicheln und anderem Arbeitsgerät.“


Der sonderbare Ausdruck ὀρνέων τύπους ist hier gewiſs nicht
wörtlich zu nehmen, vielmehr ist damit die Handelsform der Rohluppen
ausgedrückt. Entweder hat Diodor den Vergleich des zugespitzten
Eisens mit einem nach beiden Enden spitz zulaufenden sitzenden Vogel
selbst erfunden oder er hat, was wahrscheinlicher ist, einen terminus
technicus übersetzt oder umschrieben. Der Gebrauch, die Luppen mit
Tiernamen zu bezeichnen, ist uralt und hat sich auf uns vererbt. Das
Wort „Luppe“ selbst kommt von lupus, Wolf, und ist in der Bezeich-
nung Wolfsofen im Deutschen erhalten. Dieselbe Bezeichnung findet
sich in der französischen, italienischen und englischen Sprache. Eine
ähnliche Bezeichnung für die Luppe ist das Wort „renard“ Fuchs
bei den Franzosen. Im Deutschen haben wir die Bezeichnung „Gans“,
„Eisengans“, einen Vogelnamen und im Französischen saumon, Salm,
einen Fischnamen, für gewisse Handelsformen des Roheisens. Analog
ist wohl die Bezeichnung ὀρνέων τύποι Diodors aufzufassen.


Über die Einrichtung der römischen Eisenschmieden giebt uns die
Litteratur wenig Aufschluſs, weit mehr die erhaltenen bildlichen Dar-
stellungen auf Skulpturen, Vasen, Grabsteinen u. s. w. Als Vorwurf
zur Darstellung der Schmiede und der Schmiedearbeit diente meist die
Werkstatt des Hephästos. Ein solches Bild auf einem Relief im Louvre,
welches den Schmiedegott in seiner Werkstatt darstellt, wie er die
Waffen des Achill anfertigt, haben wir bereits oben (s. S. 461) be-
schrieben. Homers herrliche Schilderung der Bereitung der Waffen
[537]Italien und die Römer.
des Achill bildete den Vorwurf für die Künstler, ebenso die bekannte
Stelle aus der Aeneis des Virgil 1):


„Neben Sikanias Bord und von Äolus’ Lipare seitwärts,

Hebet ein Eiland sich aufragend mit rauchenden Klippen:

Über ihm donnert die Höhl’ und ätnäische Kluft der Cyklopen,

Ganz durchbrannt von den Essen, und kräftige Schläg’ auf den Amboſs

Führen dem Ohr das Getös zurück im Gewinde der Gänge,

Zischen die Massen des Stahls, wild atmet die Glut in den Öfen:

Dort nun stieg vom Himmel herab der Gebieter des Feuers.

Allda schmiedeten Eisen in räumiger Kluft die Cyklopen,

Brontes, Steropes auch und mit nackenden Gliedern Pyrakmon.“

Die Arbeit eines Grobschmiedes ist lebendig dargestellt auf dem
Flachrelief eines Sarkophags zu Rom (Fig. 114). Der Meister, der
typisch als bärtig dargestellt ist, während die Gesellen glatte Gesichter

Figure 114. Fig. 114.


Figure 115. Fig. 115.


haben, hält das Eisen in der Zange und schwingt den Handhammer,
während die zwei starken Gesellen zu wuchtigen Streichen mit den
Zuschlaghämmern ausfahren. Im Hintergrunde zieht der Lehrbub den
Balg mit einem Handhebel und facht die Glut des Schmiedefeuers an.
Auch dieses Bild ist in seiner Behandlung unverkennbar griechisch.


Eine einfachere Schmiede stellt ein Grabstein im Museum des
Lateran dar (Fig. 115). Liger 2) will hier ein transportables Schmiedefeuer,
eine Feldschmiede erkennen, doch scheint mir auch hier der Hebel,
den der Geselle hinter dem Feuer in der Hand hält, nach Analogie
anderer Darstellungen den Hebel des Balges und nicht eine Tragstange
vorzustellen.


Eine andere Darstellung, die sich öfter wiederholt, ist, wie Vulkan
dem Zeus den Blitz schmiedet.


Fig. 116 (a. f. S.) stellt dies in den Abbildungen zu Virgil im
Vatikan dar und zwar in dem Moment, wie der Gott sich ruht und
den Zuschlaghammer (marcus) zur Seite gesetzt hat.


[538]Italien und die Römer.

Fig. 117 ist die Darstellung eines Schmiedes, der mit dem Hand-
hammer (marculus) arbeitet, die öfter auf Vasen wiederkehrt. Von
besonderem Interesse ist die Darstellung einer Gruppe geflügelter

Figure 116. Fig. 116.


Figure 117. Fig. 117.


Eroten auf einem römischen Sarkophag. Die drei Eroten in charakte-
ristischer Stellung schmieden einen Metallklumpen in Gestalt eines
Fisches. Dies erscheint auf den ersten Blick sonderbar. Gelehrte haben
deshalb ein Versehen des Zeichners annehmen wollen und den Fisch
durch eine Beinschiene ersetzen zu müssen geglaubt 1). Dies ist aber

Figure 118. Fig. 118.


unmöglich, denn erstens
ist die Abbildung zu deut-
lich und zweitens gehört
die Darstellung zu einem
Cyklus, in dem die Bilder
des Tierkreises dargestellt
werden. Es kann also nur
wirlkich der Fisch gemeint
sein. Wie man aber dem
rohen Block, den der Grobschmied ausschmiedet, die Gestalt eines
Fisches geben konnte, erklärt sich jetzt ganz ungezwungen aus unserer
obigen Erörterung über die Namen der Luppe. Die französische Be-
zeichnung saumon „Salm“ für Luppe würde vollständig der vor-
stehenden Fischfigur entsprechen und jedenfalls ist diese Bezeichnung
ebenfalls uralt.


Hammer, Zange und Amboſs waren die charakteristischen Werk-
zeuge der Schmiede, die als Symbol bei den Darstellungen des Hand-
werks benutzt wurden. Fig. 119 zeigt den Grabstein eines römischen
Regimentsschmiedes aus dem Museum zu Sens 2). Eine ähnliche Dar-
[539]Italien und die Römer.
stellung teilt Smith (Collectanea antiqua t. V, p. 187) mit. In Pompeji
hat man an der Straſse vor dem herkulanischen Thore die Werk-
stätte eines Grobschmiedes und Wagners mit sämtlichen Werkzeugen
aufgefunden.


Figure 119. Fig. 119.

Figure 120. Fig. 120.

Figure 121. Fig. 121.

Der Amboſs (incus), dessen Erfindung nebst der von Hammer,
Zange und Hebel, Plinius dem Kinyras von Cypern zuschreibt 1), war
[540]Italien und die Römer.
von sehr verschiedener Gestalt, je nach dem Zwecke, dem er diente.
Wir haben bereits die schweren Amboſse von der Salburg kennen gelernt.
Sie wurden in den Boden eingegraben. Auch der Amboſs (Fig. 120
a. v. S.) scheint zum Eintreiben in den Boden eingerichtet gewesen

Figure 122. Fig. 122.


zu sein, ebenso wie die mit pfahlförmiger
Spitze (Fig. 121, a. v. S.). Andere waren
derart wie unsere „Stöckchen“, viereckige
und cylindrische Klötze von Eisen, welche
nur auf eine feste Unterlage aufgelegt
wurden (Fig. 121 b, a. v. S.). Andere dienten
als Gesenke (Fig. 121 c, d, e, a. v. S.), andere
waren transportabel. Zwei kleine Amboſse
(Fig. 122), die für feinere Arbeit dienten,
von denen der eine mit langem Horn, einem
sogenannten Rohreisen zur Herstellung von
Blechrohren gleich, fanden sich auf der Sal-
burg. Die Bahnen der Amboſse pflegte man
zu härten und zwar meistens zu verstählen 1).
Dasſelbe geschah bei den Hämmern. Hämmer (lat. malleus) ver-
schiedener Gestalt und Gröſse waren in Gebrauch, wie aus zahlreichen

Figure 123. Fig. 123.


Funden und Abbildungen hervorgeht. Der gewöhnliche Zuschlag-
hammer (marcus) war den Abbildungen nach ganz ähnlich unserem

Figure 124. Fig. 124.


heutigen (Fig. 123). Fig. 123 a zeigt einen Zu-
schlaghammer, der in Aliso gefunden wurde,
während die Hämmer (Fig. 123 b und c) bei
Joublains ausgegraben wurden und sich im
Museum von Laval befinden. Kleinere
Schmiedehämmer hieſsen marculus und mar-
cellus). Ein solcher (Fig. 125 c) stammt von
der Salburg. Ein sogenannter Setzhammer
zum Nieten (B. 281) wurde in Pompeji auf-
gefunden, ebenso der Hammer zum Blechausschlagen (Fig. 124 b).


[541]Italien und die Römer.

Fig. 125 a und b sind zwei Hämmer des Züricher Antiquariums.
Der eine (b) mit der Klaue zum Ausziehen von Nägeln war der Hammer
eines Schreiners oder Zimmermannes.


Das dritte Hauptwerkzeug des Eisenschmiedes, die Feuerzange
(forceps), ist in vielen Abbildungen dargestellt (siehe oben S. 538, 539),
Fig. 126, 127, 128 geben eine Zusammenstellung altrömischer Zangen-
formen von der Salburg und dem „Dimeser Ort“ bei Mainz.


Figure 125. Fig. 125.

Figure 126. Fig. 126.

Die Feile (lima) spielt im Altertume nicht die Rolle im Metall-
gewerbe, wie bei uns, doch war sie schon in frühester Zeit bekannt.
Ein wohlerhaltenes Exemplar wurde bei Aliso ausgegraben (Fig. 129).


Die Blasebälge bestanden aus Tierhäuten, die in Form von
Säcken (folles) zusammengenäht waren und mit Hand oder Fuſs bewegt
wurden, meist waren sie aus Ziegenfell (hircini folles bei Horaz 1).
Gröſsere aus Ochsenhäuten (taurini folles). At tu conclusas hircini folli-
bus auras Usque laborantes, dum ferrum molliat ignis, Ut mavis, imitare.


Das Auf- und Niederziehen scheint bei gröſseren Bälgen indes
bereits mittels eines Hebels bewerkstelligt worden zu sein, wie aus den
Abbildungen hervorgeht. Auch gab es bereits, wenigstens für den
Hausgebrauch und für das Kleingewerbe Handblasebälge mit zwei
[542]Italien und die Römer.
Holzböden, welche mit gegerbtem Rindsleder verbunden und mit einer
Luftklappe (parma) versehen waren 1) (s. Fig. 130 nach Rich).


Es würde zu weit führen, wollten wir hier die mannigfaltigen römi-
schen Eisenwerkzeuge, wie wir sie aus alten Darstellungen kennen lernen,
oder wie sie in den Museen aufbewahrt werden, genauer schildern.
Die Sammlung des römisch-germanischen Museums in Mainz und das
Salburgmuseum in Homburg bieten hierfür allein eine solche Fülle von
Material, daſs auch nur die Aufführung der hochinteressanten römischen
Eisenwerkzeuge dieser beiden Sammlungen allzuviel Raum erfordern

Figure 127. Fig. 127.


Figure 128. Fig. 128.


Figure 129. Fig. 129.


Figure 130. Fig. 130.


würde. Wir verzichten deshalb auf eine weitere Ausführung, erwähnen
nur und verweisen bezüglich der auf der Salburg gefundenen Geräte
auf das hochinteressante Werk „Die Salburg von v. Cohausen und
Jacobi“.


Die Verwendung des Eisens bei den Römern war eine höchst
mannigfaltige. Zwar bestand bei den reich gewordenen Römern eine
Vorliebe für die Anwendung von Bronze auch für solche Gegenstände,
die man ebensowohl von dem billigeren Eisen machen konnte. Man
kann diese ein etruskisches Erbstück nennen. Diese Vorliebe hatte in
den meisten Fällen ihren Grund in dem schöneren, glänzenderen An-
sehen der Erzgeräte im Vergleich mit solchen aus Eisen und nur in
wenigen Fällen in anderen Eigenschaften des Materials.


[543]Italien und die Römer.

Für Kunstgegenstände war die Vorliebe für das Erz selbstver-
ständlich, für Hausgeräte wurde es gleichfalls sowohl des schöneren
Ansehens wegen vorgezogen, als weil es für getriebene Sachen, Koch-
geschirr u. s. w. mehr geeignet war. Auch für diejenigen Dinge, die
sich leichter und billiger aus gegossenem Metall als durch Treiben und
Schmieden herstellen lieſsen, verwendete man die Bronze allgemein.
Wenn wir aber Waffen und Geräte von Bronze relativ häufig finden,
so kommt dies doch mehr daher, daſs die Bronze sich im Boden erhält,
während das Eisen zerstört wird, nicht aber daher, daſs man allgemein
das teuere Metall zu solchen Zwecken verwendet hätte. Vielmehr
waren die Bronzeschwerter in den meisten Fällen Prunkwaffen der
Vornehmen oder für Schaustellungen, im Theater sowie bei Gladiatoren-
spielen im Gebrauch. Eisen war soviel billiger als die Bronze, daſs
deshalb allein schon ersteres Metall allgemeinere Verwendung finden
muſste. Papinius Statius rühmt in seiner Achilleis (I, 439 etc.) den
mannigfachen Gebrauch des Eisens:


Ferrum laxatur ad usus

Innumeros, quod rostra liget, quod muniat arma,

Belligeros quod fraenet equos, quod mille catenis

Squalentes nectat tunicas, quod sanguine fumet,

Vulneraque alta libet, quod conspirante veneno,

Inpellat montes, temnantque humentia saxa

Atrita et nigras addunt mucronibus vias.

Wegen seiner Verwendung zu Werkzeugen nennt es Plinius das
nützlichste, wegen seiner Verwendung zu Waffen das verderblichste
aller Metalle. Einen gewissen abergläubischen Widerwillen hatten die
alten Römer stets gegen das Eisen, jedenfalls weil alle gefährlichen
Waffen daraus gemacht wurden, oft wird ihm geradezu geflucht.
Plinius erzählt, die Alten hätten es für gefährlich gehalten mit eisernen
Griffeln zu schreiben und Catull singt:


„O Jupiter, möge doch das ganze Geschlecht der Chalyber zu
Grunde gehen, die zuerst begannen, die Adern der Erde zu durch-
wühlen und die Härte des Eisens zu gebrauchen.“


Der allgemeinen Verwendung der eisernen Ringe bei den alten
Römern haben wir gedacht, ebenso waren die Griffel, mit denen sie
alle ihre Aufzeichnungen machten, in der Regel von Eisen. Bei den
Fundamentierungsarbeiten für das neue Postgebäude in Mainz hat
man eine Unzahl solcher eiserner Griffel gefunden und der Gedanke
liegt nicht fern, daſs an derselben Stelle auch das kaiserlich römische
Verkehrsamt gestanden haben mag. Die wichtigsten Ackergeräte
waren von Eisen, wie die Hacke, die Sense, das Beil u. s. w. Die
[544]Italien und die Römer.
Werkzeuge der Handwerker waren meistens aus Eisen und Stahl ge-
fertigt, wie oben ausgeführt wurde. Die römischen Schmiede verstan-
den sich vorzüglich auf das Verstählen der Schneiden durch An-
schweiſsen einer Stahlschärfe und hat das Wort acies (die Schärfe),

Figure 131. Fig. 131.


Figure 132. Fig. 132.


Figure 133. Fig. 133.


das später schlechthin Stahl
bedeutet, ganz wie das deutsche
Wort Stahl (Stachel) seinen
Ursprung von der Herstellung
der Schneiden aus Stahl.


Die Schweiſsung der Stahl-
schärfen erfolgte in verschie-
dener Weise, zum Teil abweichend von dem jetzigen Gebrauche. Der
Verfasser hat einen bei Mainz ausgegrabenen Meiſsel aus der römischen
Ansiedelung am „Dimeser Ort“ näher untersucht und gefunden, daſs
nicht wie gewöhnlich (Fig. 131 a) das Eisen gespalten und die Stahl-
schneide eingesetzt, sondern daſs umgekehrt der Stahl gespalten und
um das zugeschärfte Eisen geschweiſst war (Fig. 131 b). Die Messer
waren fast ausschlieſslich von Eisen. In der Form herrschte groſse
Mannigfaltigkeit (Fig. 132). Es gab sogar bereits Einschlagmesser 1).
Ein von uns untersuchtes Messer war 1876 auf dem Schillerplatze in
Mainz in einer Torfschicht zusammen mit einer groſsen Anzahl römischer
Sandalen ausgegraben worden. In der Rostschicht der Klinge waren
[545]Italien und die Römer.
die Reste von Linsenstroh eingedrückt und diese schwarze Rostschicht
war wieder überzogen mit einer ungleich dicken Schicht von phosphor-
saurem Eisenoxyd, blauem Vivianit. Heft und Klinge bestanden aus
einem Stück von 205 mm Länge, wovon das Heft 70 mm, die Klinge
135 mm ausmachte (Fig. 132 a). Die Klinge war einschneidig, mit
kräftigem Rücken, im Heft waren Öffnungen angebracht um den Stiel
von Holz oder Knochen zu befestigen. Hellrotglühend abgelöscht nahm
das Eisen Federhärte an. Das Material erwies sich als ein weicher,
geringer Frischstahl 1). Fig. 133 ist ein Rasiermesser von Stahl
(Mainzer-Museum).


Von mannigfachen Formen sind die Äxte und Beile (Fig. 134 bis 137),
wozu auch die Ascia (Fig. 138, 139), die in wenig abweichenden Dimen-

Figure 134. Fig. 134.


sionen sowohl zum Behauen von Holz und Stein, als zum Umrühren
des Mörtels und bei der Bearbeitung des Ackers benutzt wurden, zu
rechnen sind. Hieran schlieſsen sich die vielgestalteten Hacken und
Schaufeln, ferner die Sichel (falx stramentaria et messoria), die fast aus-
schlieſslich zum Schneiden der Frucht diente und welche sich auch in
Beck, Geschichte des Eisens. 35
[546]Italien und die Römer.
eigentümlich gezahnten Formen (falx denticula) findet. In Rom gab es
eine Sichelmacherstraſse 1). Diese gezahnten Sicheln gehen über in die

Figure 135. Fig. 135.


Figure 136. Fig. 136.


Figure 137. Fig. 137.


Figure 138. Fig. 138.


Figure 139. Fig. 139.


Figure 140. Fig. 140.


Figure 141. Fig. 141.


[547]Italien und die Römer.
Baumsägen (pecten vallus) und Baummesser (arboria). Die Heu- und
Mistgabeln, Fig. 140 b (furca) waren von Eisen, ebenso die Handsägen
(serra), die Schippen, Spaten, Pflugeisen, Speiſskellen, Fig. 140 c, d.
Nicht minder waren die Wagenachsen und Beschläge von Eisen, wie
auch zum Teil das Geschirr der Pferde. Ketten jeder Art, Fig. 141 a, b,
machte man von diesem Metall, ebenso Feuergestelle, Bratspieſse, ferner
Heizröste, Kuhglocken, Fig. 142, Schlüssel, Schlösser, Fig. 143, Sporen,
Fig. 141c, u. s. w. 1). Kurz, in Gewerben wie in der Landwirtschaft fand
das Eisen die unbeschränkteste Verwendung. Den Wetzstahl trug, wie
bei den Ägyptern, jeder Schlächter an der Seite. Im Salburg-Museum
befinden sich einige vorzügliche Exemplare (Fig. 142 c).


Figure 142. Fig. 142.

Figure 143. Fig. 143.

In Pompeji hat man die voll-
ständige Werkstatt eines Wagners
gefunden, dessen Werkzeuge wie
Hämmer, Zirkel u. s. w. von Eisen
waren, ebenso fand man darin eine geschmiedete, eiserne Wagenachse.
Eisenwaren wurden in Buden zu Rom auf offener Straſse dargestellt
und verhandelt. Die Abbildung der Werkstätte und der Verkaufsbude
eines Messerschmiedes ist uns auf einem Cippus in der Galeria lapidaria
des Vatikans erhalten (Fig. 144); ähnlich, obgleich leider nicht so gut
erhalten, das Bild eines Klingenschmiedes (Fig. 145).


Nicht minder fand das Eisen die ausgedehnteste Verwendung bei
35*
[548]Italien und die Römer.
der Bewaffnung1). Es ist ein groſser Irrtum zu glauben, die Bronze
habe bei der kriegerischen Ausrüstung der Römer eine allgemeinere
Anwendung gefunden, als das Eisen, selbst für die Angriffswaffen.
Diese falsche Anschauung ist ebenfalls nur daraus entstanden, daſs
man infolge der raschen Zerstörung des Eisens relativ viele Waffen
und Geräte aus Bronze aufgefunden hat; auch zogen diese Funde
ihrer Fremdartigkeit und ihres Wertes wegen stets die Aufmerk-
samkeit in viel höherem Maſse auf sich, als die verrosteten Eisen-
reste. Erst in neuerer Zeit fängt man langsam an, den Eisenfunden
das gleiche Interesse zuzuwenden. Daſs die Kriegswaffen nur aus-

Figure 144. Fig. 144.


Figure 145. Fig. 145.


nahmsweise von Bronze gefertigt wurden und dann mehr als Parade-
waffen dienten, geht schon klar daraus hervor, daſs die römischen
Geschichtsschreiber stets nur von eisernen Schwertern sprechen. Nur
die Dichter rüsten ihre Helden nach dem Vorbilde Homers und nach
der traditionellen, poetischen Ausdrucksweise mit ehernen Waffen aus.


Livius aber, als Geschichtsschreiber, sagt ausdrücklich, daſs der
Kampf der Horatier und Curiatier mit dem Eisen entschieden worden
sei 2). Ferner, daſs die Römer Krieg in der Weise erklärten, daſs sie
einen Herold ausschickten, der eine eisenbeschlagene Lanze oder eine
hölzerne mit angebrannter, blutiger Spitze über die Grenze warf 3).


Plinius, der Naturforscher, nennt ausdrücklich nur das Eisen
das verderbliche Metall, weil es zu den Mordwerkzeugen verarbeitet
werde, während er bei der Aufzählung der Verwendung der Bronze
der Waffen nicht erwähnt, was er sicher nicht unterlassen haben würde,
[549]Italien und die Römer.
wenn die Anwendung derselben eine allgemein gebräuchliche gewesen
wäre. Auch sind fast alle römischen Bronzeklingen glatt, ohne
Scharten und zeigen keine Spuren ernster Verwendung im Kampfe,
während dies bei den Eisenschwertern meist umgekehrt ist. Schon in
der frühesten Zeit der römischen Geschichte war das Eisen das Metall
für das Kampfschwert. Porsenna verbietet den Römern die Einfuhr
und die Herstellung eiserner Schwerter. In dem Kampfe gegen Brennus
sind die Römer im Nachteile durch ihre kurzen Schwerter gegenüber
den riesigen Hauschwertern der Gallier. Die einen wie die anderen
waren aber von Eisen, wie aus der Schilderung des Polybios hervorgeht.
Aus der Schilderung der Bewaffnung der römischen Bürger von Livius
und Fabius Pictor geht ebenfalls klar hervor, daſs die Trutzwaffen,
Schwert und Lanze, von Eisen waren, denn bei der Schilderung der
Bewaffnung der ersten Klasse der Centurien wird ausdrücklich hervor-
gehoben, daſs die Schutzwaffen, Helm, Schild, Panzer und Beinschienen,
von Erz sein sollten, während bei den Trutzwaffen nichts gesagt ist,
weshalb anzunehmen ist, daſs diese Waffen selbstverständlich von Eisen
waren. Allerdings bedienten sich die Römer des Erzes immer mit
Vorliebe, wo es sich um Prunk und Schaustellungen handelte.


Die erste Entwickelung Roms, die Zeit der Könige, fällt aber auch
gerade in die Periode, in welcher sowohl im Orient, in Kleinasien, in
Griechenland und in Etrurien der Erzguſs und die Verarbeitung des
Erzes in besonderer Blüte und besonderem Ansehen stand. Dadurch
erklärt sich zum gröſsten Teil die Vorliebe der Römer für die Bronze.


Prunkwaffen waren häufig von Erz, so bestand z. B. die ganze
Bewaffnung der Gladiatoren, wie man sie in Pompeji aufgefunden hat,
aus Erz, selbst die Schwerter. Im Theater waren eherne Waffen ge-
bräuchlich, die Offiziere mögen im Frieden, beim Garnisondienst, Erz-
schwerter als Schmuckwaffe getragen haben. Die Waffen für den ernsten
Kampf aber waren aus Eisen.


Die Hauptwaffe der alten Römer, welche fast ausschlieſslich Fuſs-
soldaten waren, bildete der Spieſs (quiris und hasta). Es war die
Nationalwaffe, auch die der Vornehmen, und noch später war die Ver-
leihung der Hasta eine kriegerische Auszeichnung. Die Hastati
kämpften in der vordersten Reihe der Legion.


Die Hasta ist die vornehmere Waffe, sie diente den Königen als
Szepter, ferner bei öffentlichen Verhandlungen als Zeichen der Staats-
gewalt und endlich wurden bei Vermählungen die Haare der Bräute
mit der Hasta gescheitelt 1).


[550]Italien und die Römer.

Quiris ist gleichbedeutend mit unserem deutschen Worte Spieſs,
es war kein militärischer Terminus, vielmehr war es die Waffe, die
jeder römische Bürger tragen durfte. Dies war also eine Auszeichnung
gegenüber den Plebejern, in dem Sinne war Quirites ursprünglich ein
Ehrentitel, mit dem die freien Römer angesprochen wurden; später
aber bekam es, ganz wie bei uns, im Gegensatze zum Militär die ge-
ringschätzende Bedeutung „Spieſsbürger“. Eine ordonnanzmäſsige
Speerform scheint selbst in der Kaiserzeit nicht bestanden zu haben,
die gefundenen Speerspitzen sind von gröſster Mannigfaltigkeit. Eher
wurde bei den verschiedenen Lanzenarten ein Unterschied in der Länge
des Schaftes und im Gewichte der Waffe gemacht.


Die Hasta der Leichtbewaffneten hatte einen 1 Zoll dicken, 4 Fuſs
langen Holzschaft und eine eherne oder eiserne Spitze, sowie einen
Schuh von dem entsprechenden Metall am Fuſsende. Die Lanzen der
Schwerbewaffneten (triarii und hastati) waren gröſser.


Die Reiter trugen eine kurze Wurflanze, die an einem Riemen
(amentum) befestigt war (hasta amentata 1). Die lange Stangenlanze
(lancea contus) wurde erst später von den numidischen Reitern an-
genommen. Neben diesen Speerformen gab es noch das gaesum, der
schwere Wurfspieſs, ferner einen kleinen Speer, die hasta velitaris (veri-
culum, verutum), und die leichte Wurflanze, jaculum. Ferner der
sonderbare Wurfpfeil (martiobarbulus), eine eiserne Spitze mit Wider-
haken, der mit Blei beschwert war und einen kurzen Holzschaft hatte
(Fig. 146 Nr. 22). Er wurde aus der Hand geworfen 2). Vor allem
aber gehört hierher das Pilum, von dem wir nachher ausführlicher
handeln werden.


Die mannigfaltigen Formen der aufgefundenen eisernen Lanzen-
spitzen zu klassifizieren, ist vorläufig noch nicht möglich, es scheint
nicht, daſs es ordonnanzmäſsige Formen für die einzelnen Waffen gab,
vielmehr hatte jeder dafür zu sorgen, daſs seine Waffe seiner Körper-
gröſse und Kraft entsprach und ihrem Zwecke diente. Nur im all-
gemeinen lassen sich vorläufig Unterscheidungen treffen.


Die Hasta hatte meist eine blattförmige Gestalt, mit schärferer
oder breiterer Mittelrippe und runder, hohler Tülle (Fig. 146 Nr. 17,
18, 19, 21, und Fig. 153 Nr. 1, 2, 3).


Die leichte Wurflanze, das Verutum des Vegetius, hatte eine drei-
eckige oder viereckige Spitze gleich vielen Pfeilspitzen und ähnlich der
[551]Italien und die Römer.
des Pilums (Fig. 146 Nr. 23, 24, 25, 26 1). Ein Wurfpfeil mit Blei-
gewicht (plumbatus, martiobarbulus) befindet sich im Museum von

Figure 146. Fig. 146.


[552]Italien und die Römer.
Wiesbaden (Fig. 148 und Fig. 146 Nr. 22 in seiner Rekonstruktion
nach Habel).


Sehr mannigfaltig sind die auf der Salburg gefundenen Lanzen-
spitzen 1), von denen wir nur einige nachstehend (Fig. 147) abbilden.


Eine eigentümliche Waffe der Römer war das Pilum, der Wurf-
spieſs, der ursprünglich etruskischen Ursprungs erst nach der Hasta in

Figure 147. Fig. 147.


Aufnahme gekommen zu sein scheint,
später aber zur charakteristischsten
und wirksamsten Waffe für die rö-
mische Kampfweise in der Schlacht
wurde 2). Die vorderste Reihe der
Legion, die Hastati, führte in der spä-
teren Zeit zwei solcher Wurfspieſse
und jeder Kampf in der Schlachtreihe,
der doch meist bald zu einem Hand-
gemenge überging, wurde damit eröff-
net, daſs die Hastati den einen oder
beide Wurfspieſse dem anstürmenden
Feinde entgegen warfen. Sie hielten
dabei weniger auf die ungeschützten
Körperteile der Gegner, als auf deren
Schilde, die ja z. B. bei allen nörd-
lichen Barbaren nur aus einem mit
Rindshaut überkleideten Holzgestell
oder Geflecht bestanden. Das Pilum
hatte einen starken Holzschaft von
wildem Kirschbaum- oder Eschenholz,
der am Heft verstärkt rund oder vierkantig war, in letzterem Falle von
2¾ Zoll Seitenlänge; der Schaft war 4 Fuſs 3 Zoll lang. An diesem

Figure 148. Fig. 148.


saſs ein, nach Polybios
3 Ellen langes Eisen,
welches oben meist in
eine vierkantige Pfeil-
spitze, seltener in eine
angelförmige Spitze endete. Die vordere Spitze war von Stahl oder
verstählt, während der lange, dünne Stiel von möglichst weichem
Eisen war. Durchdrang der wohlgeschleuderte Spieſs den Schild
[553]Italien und die Römer.
des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus-
ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, daſs sich die
dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines
starken Federkiels hatte, umbog 1), in beiden Fällen zog die schwere
Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch
mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht
vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fuſsende in den
Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die
Waffe aus dem Schilde zu reiſsen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da
die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte
der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum
war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle
Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach

Figure 149. Fig. 149.


glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er-
langt werden. Anders war dies bei den leichten
Wurfspieſsen der Leichtbewaffneten und Reiter,
die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden.


Die Konstruktion des Pilums giebt einen
Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen
Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der
Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch
etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel
und das breite Heft, welches mit dem Holze ver-
bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über
diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt,
in der Weise übergestrippt, daſs die Stahlspitze
erst angeschweiſst werden konnte, nachdem die
Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab-
bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146
Nr. 14, 15).


Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie
Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, daſs eher das
Eisen brach, als diese Verbindung sich löste 2).


Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei a den eisernen Fortsatz des
Pilums, die Zunge, angiebt, bei b die Art wie diese mit dem Holze verbun-
[554]Italien und die Römer.
den war, und die übergestrippte Tülle. Diese Waffe, im Rhein bei Mainz
gefunden, befindet sich im dortigen römisch-germanischen Museum.


Fig. 146 Nr. 12, 13 1) zeigt ein im Kastell bei Hofheim gefundenes,
im Museum zu Wiesbaden aufbewahrtes Pilum von abweichender Kon-
struktion. Hier ist die Tülle hohl, vierkantig, 200 mm lang über den
Holzschaft gestülpt und mit diesem verstiftet. Die Klinge selbst ist
1060 mm lang. Ein drittes Pilum vom Nydamer Moor, jetzt zu Kiel
(Fig. 146 Nr. 16), hat eine 640 mm lange Klinge mit Widerhaken und
runder Tülle. Die Formen waren demnach verschieden und entsprechen
durchaus nicht alle der Beschreibung des Polybios. Charakteristisch
gegenüber dem späteren Angon ist abgesehen von der Schäftung noch
der Umstand, daſs der Schaft mit seinem Fuſsende stets in eine eiserne
Spitze ausläuft.


Nächst dem Spieſs war das Schwert die älteste und wichtigste
Waffe der römischen Soldaten. Welches seine älteste Gestalt war
ist noch nicht ganz aufgeklärt. Auf Abbildungen werden die Helden
der Vorzeit mit dem kurzen, breiten, zweischneidigen Heroenschwert
dargestellt. Diese Gestalt ist indes wohl mehr als konventionelle
Kunstform aufzufassen. Dagegen sprechen andere Gründe dafür, daſs
die einschneidige Hiebwaffe, der ensis, die älteste Schwertform ist. Es
war ein langer, einschneidiger Haudegen, der auch öfter als „gallisches
Schwert“ bezeichnet wird. Das Wort ensis wird mit der alten Be-
zeichnung as, ansi-Schwert in der indogermanischen Grundsprache in
direkte Beziehung gebracht 2).


Nach der Schlacht von Cannä änderten die Römer ihre Schwert-
form um, sie nahmen das spanische, zweischneidige Stoſsschwert, gladius
hispanus, an. Ursprünglich war die Waffe kurz, später machte man
die Klinge länger, namentlich zeichneten sich die Reiterschwerter durch
gröſsere Länge aus. Der Gladius war zu Hieb und Stoſs gleich taug-
lich. Er wurde rechts getragen, was bei der relativ kurzen Klinge
zweckmäſsig war, da das Ausziehen auf der rechten Seite die schild-
gedeckte Linke im Moment des Nahkampfes nicht bloſsstellte.


Die Spatha, das breite, groſse zweischneidige Hauschwert, nahmen
die Römer in späterer Zeit von den Galliern an. Zur Kaiserzeit war
diese Form sehr allgemein. Die Klinge war von verschiedener Länge,
manchmal wurde die Spatha sogar mit zwei Händen geführt.


Die schönen Eisenklingen aus dem Pfahlbau von la Têne und dem
[555]Italien und die Römer.
Grabfeld von Hallstadt, über welche wir an anderer Stelle ausführ-
licher berichten werden, dürften dem Gladius zugerechnet werden,
ebenso die Klingen von Nydam. Charakteristisch ist die Verstärkung
der Spitze durch ein aufgeschweiſstes Stahlstück. Die Zahl der eiser-
nen, oder richtiger stählernen Klingen römischer Provenienz ist bereits
eine sehr groſse geworden. Wir können deshalb nur einige der wich-
tigsten hier erwähnen.


Fig. 146 Nr. 1 stellt das berühmte „Schwert des Tiberius“ dar,
welches 1848 bei Mainz gefunden wurde und jetzt im britischen Museum
in London ist. Das Schwert steckt noch in der Scheide eingerostet
und lässt sich deshalb über die Klinge wenig mehr sagen als daſs sie
von Eisen ist. Die Scheide ist 580 mm lang, die Klinge war deshalb
kürzer als der schöne Gladius, der bei Bonn im Rhein gefunden wurde 1)
und dessen Klinge 765 mm lang ist. Diese trefflich erhaltene Waffe
ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert, sie zeigt die eigentümliche
Verstärkung der Spitze, die wir oben erwähnt haben, mit aufge-
schweiſster Stahlschneide, sowie auf dem 18 cm langen Heft deutlich
der Name des Verfertigers durch den eingeschlagenen Stempel
„Sabini“ angezeigt ist, Fig. 146 Nr. 2. Die punktierte Schäftung ent-
spricht den bei Mainz und zu Nydam gefundenen Griffen ähnlicher
Schwerter 2). Der Gladius von Alesia im Musée St. Germain, Fig. 146
Nr. 3, ist interessant durch die schmalere Klinge, sowie dadurch, daſs
seine Spitze noch in einem eisernen Beschlag steckt.


Die in der Lahn gefundene Klinge (Museum Wiesbaden) ist eine
Spatha, wahrscheinlich aus der Zeit der römischen Herrschaft. Die
Maſse sind folgende: Länge der Klinge 770 mm, mittlere Breite 55 mm,
Länge der Griffe 120 mm.


Die Klinge zeigt deutliche Damaszierung.


Eine gröſsere Anzahl römischer Schwerter, welche auf die Art
ihrer Fabrikation ein helles Licht werfen, hat man in Schleswig aus-
gegraben. Der interessanteste und bedeutendste Fund dieser Art ist
bei Nydam nahe der Küste des Alsensundes gemacht worden. Man
fand dort in einer Torfschicht drei vollständige mit Waffen beladene
Schiffe. Die höchst interessanten Ausgrabungen sind in den Jahren
1859, 1862 und 1863 auf Kosten der dänischen Regierung gemacht
und im Jahre 1866 von Herrn Engelhardt, dem Leiter der Ausgrabungen,
in englischer Sprache beschrieben worden. Durch die Annexion von
Schleswig und Holstein gelangte der ganze merkwürdige Fund nach
[556]Italien und die Römer.
Kiel. Es scheint, daſs diese mit unbrauchbar gewordenen Waffen
befrachteten Schiffe nach Italien oder einem römischen Hafenplatze
bestimmt waren und unterwegs von feindlichen Schiffen verfolgt
wurden. Um der Gefangennahme zu entgehen, und die Beute dem
verfolgenden Feinde zu entziehen, wurden zwei der Boote durch
Anbohren unter den Wasserspiegel versenkt, während das dritte an
dem flachen Strande auffuhr und die Mannschaften sich ans Ufer
retteten. Es waren römische Schiffe, wie die Befrachtung mit
römischen Waffen, mit eingeschlagenen römischen Fabrikzeichen, so-
wie die zahlreichen römischen Geräte und Münzen beweisen. Über
100 Schwerter fanden sich in den ausgegrabenen Booten. Der ganze
Schatz mit vielen anderen eisernen Waffen und Geräten befindet sich
jetzt, wie erwähnt, im Museum in Kiel. Die meisten der Schwerter
zeigen kunstvoll gearbeitete Damastklingen. Auf 100 Schwerter
kommen 90 mit Damastzeichnung. Wie erwähnt, fand sich in den
Booten eine ziemliche Quantität von römischem Kleingeld, meistens
Denaren, von Vitellius bis Commodus und Macrinus. Die jüngste
Münze ist aus dem Jahre 217 n. Chr., und darf man den Untergang
der Boote deshalb in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts
setzen. Durch die Güte des Herrn Professors Lindenschmit und der
Direktion des Kieler Museums wurde ich in den Stand gesetzt, Bruch-
stücke dieser kunstvollen Schwerter einer eingehenden Untersuchung
zu unterziehen.


Die Nydamer Klingen (Fig. 150) sind eigentliche Damaszener-
klingen, hergestellt durch Zusammenschweiſsung abwechselnder Lagen
von Stahl und Eisen. Diese Verbindung von Eisen und Stahl liefert
ein Material, welches imstande ist, allen Anforderungen zu genügen,
die man an ein gutes Schwert stellen kann. Ein Schwert soll fest
sein, daſs man alles damit durchhauen kann, und soll zäh sein, daſs
es auch bei dem stärksten Hiebe nicht springt. Erstere Eigenschaft
gewährt der Stahl, letztere das weiche Schmiedeeisen. Dazu kommt noch
die Elastizität des Stahls, die durch das Zusammenschweiſsen mit dem
Eisen nicht verloren geht, sondern bewirkt, daſs auch nach dem stärk-
sten Hiebe die Klinge wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückspringt.
Die Zeichnung der Damaszenerklingen wird bedingt durch die Art der
Bearbeitung. Schweiſse ich einfach aufeinander folgende Lagen von
Stahl und Eisen zusammen, so erhalte ich ein parallel gestreiftes
Muster, drehe ich einen solchen Stab um seine lange Achse, schmiede
ich ihn aus und schweiſse ihn mit einem ebenso dargestellten aber
entgegengesetzt gedrehten Stab zusammen, so bekomme ich einen
[557]Italien und die Römer.
Winkeldamast mit mittlerer Hauptlinie. Spalte ich den gedrehten und
flach ausgeschmiedeten Stab in der Mitte und setze ihn in entgegen-
gesetztem Sinne zusammen, wiederhole dies einigemale, dann bekomme
ich einen blumigen Damast, von dem sich je nach der Mannigfaltigkeit

Figure 150. Fig. 150.


der Behandlung die reichsten Muster herstellen lassen. In Wachs
kann man die Herstellung dieser Muster nachahmen.


Unter den Nydamer Schwertern finden wir alle drei eben cha-
rakterisierte Arten vertreten. Der blumige Damast ist durchaus nicht,
wie Herr Engelhardt meint, durch Tauschierung, d. h. durch Ein-
grabung mit dem Grabstichel und nachherige Ausfüllung mit weichem
[558]Italien und die Römer.
Eisen entstanden, sondern das Flechtwerk von Stahl und Eisen geht
durch die ganze Masse durch. Ich habe Bruchstücke dieser Schwerter
mit dem Schrotmeiſsel auseinander gehauen und mich überzeugt, daſs
dieses Flechtwerk von Eisen durch die ganze Masse durchgeht. Ich
habe den Stahl chemisch untersuchen lassen und ermittelt, daſs er
0,6 Proz. Kohlenstoff enthält und als ein guter Schweiſsstahl anzu-
sprechen ist; ich habe die Stahlpartieen anlaufen lassen und gefunden,

Figure 151. Fig. 151.


Figure 152. Fig. 152.


daſs er sich här-
ten läſst und
noch heute seine
Stahlnatur zeigt
wie vor 1600
Jahren.


Ein höchst
eigentümliches
Schwert, mit kur-
zer breiter Klin-
ge und dem Dorn
an der Schneide,
der uns von dem
Schwerte des
Perseus in Ab-
bildungen über-
liefert ist, wurde
auf der Salburg
gefunden und ist
Fig. 151 abgebildet. Es ist dies das einzige bis jetzt dort aufgefundene
Schwert.


In Fig. 152 a1) lassen wir einige charakteristische Dolche (pugiones)
folgen, die, obgleich ebenfalls von Stahl, mehr die eigentümliche
Blattform der Bronzedolche zeigen, ähnlich dem römischen Gurt-
schwert (parazonium) Fig. 152 b. Eine andere Dolchform zeigt Fig. 153
Nr. 11 2).


Bogen und Pfeile (Fig. 146 Nr. 23 bis 26) trugen die Rorarier, die
keine feste Aufstellung in der Schlachtordnung hatten. Die Lanzen-
spitzen waren fast durchgehends von Eisen, meist von drei- oder vier-
kantigem Querschnitt, letztere manchmal trapezartig verzogen, ähnlich
den Spitzen der Wurfassagayen der Südafrikaner.


[559]Italien und die Römer.

Die Verteidigungswaffen der Römer waren der Panzer, der Schild,
der Helm und die Beinschienen. Der Panzer scheint in frühester
Zeit nur ein Lederkoller gewesen zu sein. Später trug man Schuppen-
panzer, Ringelpanzer und Blechharnische. In den Panzern wurde ein

Figure 153. Fig. 153.


Rangunterschied gemacht. Der gewöhnliche römische Panzer (lorica)
war ein aus übereinander befestigten Riemen hergestellter Waffenrock,
der aus dem Leibstück und zwei Schulterstücken (humeralia) gebildet
wurde. Dieser Panzer wurde später durch aufgenähte Metallschuppen
[560]Italien und die Römer.
oder Metallringe verstärkt und danach unterschied man Schuppen-
panzer (lorica squamata) und Kettenpanzer (lorica hamata).


Diese beiden Panzerarten unterschieden sich wesentlich. Die
hamata (ϑῶϱαξ λισιδωτός des Polybios) wurde meist unter dem Wams
getragen. Auf vielen Grabsteinen ragt es, ähnlich den Panzerhemden
des Mittelalters, unter dem darüber gezogenen Lederwams als ein Saum
hervor. Doch wurde es auch oft, meist von Soldaten in der Schlacht
übergezogen 1). Das Geflecht bestand aus eisernen, seltener aus eher-
nen, öfter schon aus eisernen und ehernen zu regelmäſsigem Gewebe
geflochtenen Ringen, von denen ein jeder durch ein Stiftchen vernietet
war. Die Ringe waren von verschiedener Gröſse, die Maschen also
sehr verschieden weit. Fig. 155 Nr. 5 zeigt den Teil eines eisernen
römischen Panzerhemdes von Nydam aus der Sammlung in Kiel. Fig. 153
Nr. 7 giebt die wirkliche Maschenweite eines in Mainz gefundenen, vor-
züglich gearbeiteten eisernen Ringelpanzers (Fig. 156 Nr. 6) 2). Die
lorica squamata (ϑώϱαξ λεπιδωτός) bestand aus fischschuppenähnlichen
Metallplättchen, die dicht aneinandergereiht auf dem Lederwams auf-
genäht waren. Fig. 153 Nr. 8, 9 giebt die Zeichnung einer lorica
squamata, die bei Mainz gefunden wurde; Fig. 153 Nr. 10 einer
solchen aus dem Amphitheater von Avenches, beide aus Bronze ge-
fertigt. Indes wurden die Schuppen unzweifelhaft auch aus Eisen
gefertigt. Die Bezeichnung tunica ferrea 3) beweist dies, die wohl
eher auf die lorica squamata bezogen werden dürfte, als auf den etrus-
kischen Schalenpanzer 4), den allerdings in ältester Zeit die Hopliten
der servianischen Klassenlegion getragen haben. Jedenfalls wurden die
Schuppen und Ringelpanzer erst nach den punischen Kriegen einge-
führt, es waren kostbare Waffenstücke, die nur von den Vornehmen
getragen wurden.


Des Hannibal Kettenpanzer, aus Erz- und Stahlringen gefertigt,
wird von Silius gepriesen (Silius, lib. II). Über die lorica segmentata,
den Schienenpanzer, der aus durch Charniere verbundenen Bändern zu-
sammengefügt war, wissen wir Näheres nicht, namentlich nicht aus
welchem Metall er gefertigt war, doch sind namhafte Gelehrte der
Ansicht, daſs das Schienenwerk aus Eisen bestand 5).


Der Hauptmetallteil des römischen Schildes (scutum) war der
[561]Italien und die Römer.
umbo, der Schildbuckel mit der Handhabe. Auſserdem hatte derselbe
einen Metallrand. Der umbo dürfte wohl ebenfalls in den meisten
Fällen aus Eisen getrieben gewesen sein.


Die eisernen Helme (cassis), deren man jetzt bereits eine groſse
Anzahl kennt, legen glänzende Beweise für die Kunst der römischen
Schmiede ab. In ältester Zeit sollen die römischen Helme von Erz
gewesen sein. Den Eisenhelm führte Camillus ein 1). Ihrer Form nach
schlossen sie sich ursprünglich den hohen etruskischen Hauben an.

Figure 154. Fig. 154.


Die Helme späterer Zeit zeigen
mehr die edlere griechische
Form, doch sind sie in ihrer
ganzen Konstruktion originell
und sehr praktisch 2). „Die
charakteristische Form des
römischen Helmes, wie der-
selbe in Fundstücken diesseits
der Alpen vorliegt, besteht in
einer mäſsig gewölbten Kopf-
form mit steil, fast geradlinig
abfallendem Hinterhaupt, wor-
an sich im stumpfen Winkel
ein breiter Nackenschirm an-
schlieſst. Die Wangenbänder
(bucculae) bedecken das Ohr
und werden durch einen am
Ende des einen aufgenieteten
Stift verbunden, welcher
durch eine Öffnung eines drit-
ten, an dem anderen Wangen-
bande in Charnieren hängen-
den, der Form des Kinnes
entsprechenden Metallstückes gesteckt wird. Der Gebrauch des Gehör-
ganges wird ermöglicht durch einen bogenförmigen Ausschnitt des
Stirnrandes über dem Ohr, welcher durch einen stark vortretenden
Beschlag gedeckt ist. Über die Wölbung der Haube und bis an den
Ansatz des Nackenschirmes herab läuft kreuzförmig ein Kamm aus
starkem Metall. Wenn geschlossen, zeigt der Helm von dem Gesichte
wenig mehr als Augen, Nase und Mund. Zum Schutze gegen Schwert-
Beck, Geschichte des Eisens. 36
[562]Italien und die Römer.
hiebe von oben herab dient der etwas nach oben gerichtete Stirn-
schild, welcher in der Schläfengegend an die Haube genietet ist. Bei
den eisernen sowohl wie ehernen Helmen sind die Beschläge aus Erz
gefertigt.


Fig. 154 Nr. 1 a und 1 b stellt einen römischen Helm, gefunden
zu Niederbiber, der sich in der Sammlung zu Neuwied befindet, dar.
Die Helmhaube, sowie die Wangenbänder und der Kamm sind von Eisen.


Figure 155. Fig. 155.

Fig. 154 Nr. 2 ist ein römischer Helm, gefunden in dem römischen
Kastell zu Osterburken, aufbewahrt im Museum von Karlsruhe. Der-
selbe ist ganz aus Eisen. Die Wangenbänder fehlen. Fig. 154 Nr. 3
ist ein Helm von Nydam (Museum Kiel). Fig. 154 Nr. 4 die eiserne
Maske eines Visirhelms, gefunden bei Mainz 1).


Die Widerstandsfähigkeit der Helme wurde oft wesentlich dadurch
[563]Italien und die Römer.
erhöht, daſs die Helmhaube gerippt oder mit Locken verziert war.
Ein solcher Helm (Fig. 155 Nr. 7) wurde bei Stuttgart gefunden und
befindet sich im dortigen Museum. Die Haube ist aus einem Stück
Eisen (Stahl) getrieben, die aufgenieteten Reife, sowie die Leisten-
beschläge an beiden Ohren sind von Erz.


Das Ganze ist ein wahres Kunststück der Treibarbeit. Es ist kalt
getrieben mit einem staunenswerten Aufwande von Zeit und Geduld.


Fig. 155, 1 bis 6 zeigt ferner sechs römische Krieger in voller
Rüstung, welche die Verschiedenheit der Panzer und Helme illustrieren 1).


Die Kriegsmaschinen, Katapulten und Ballisten, die Belage-
rungs- und Verteidigungsapparate waren bei den Römern dieselben wie
bei den Griechen und gehörten in der Kaiserzeit zur Ausrüstung der
Legionen. Ein neues von den Römern erfundenes Geschütz war der
Onager (Waldesel), auch tormentum oder scorpio genannt. Er war
der Stockschleuder nachgebildet. Der Wurfarm war zwischen den
Spannnerven eingezwängt und stand in ruhendem Zustande vertikal
in die Höhe. Er wurde mittels Winden (daher der Name tormentum)
bis zur horizontalen Lage niedergezogen. Am Ende war eine Art Sack
oder ein löffelähnliches Gefäſs von Eisen. In diese wurden die schwe-
ren Steine eingelegt. Wenn nun die Klammer, welche das Wurfholz
in seiner Stellung hielt, losgeschlagen wurde, flog der Stein im Bogen
seinem Ziele zu. Zur Instandhaltung der Maschinen wie der Bewaff-
nung überhaupt war jeder Legion ein Troſs von Handwerkern zugeteilt,
namentlich Zimmerleute (tignarii) und Schmiede (fabri ferrarii oder
aerarii). Diese Handwerker standen in einem Zunftverbande, welcher
Collegium hieſs und ursprünglich militärisch eingerichtet war. Servius
Tullius hatte nach Livius (siehe I, Kap. 43) zwei centuriae fabrorum,
Handwerkerkompagnieen, der ersten Klasse beigegeben 2), deren Be-
stimmung die Verfertigung und Ausbesserung der Waffen und anderer
Kriegsgeräte war (datum munus ut machinas in bello ferrent, Livius).
Zur Zeit des Vegetius waren noch mehr Handwerker der Legion zuge-
teilt 3). Er schreibt:


„Bei der Legion befinden sich Zimmerleute, Schreiner, Wagner,
Eisenschmiede, Anstreicher u. s. w. zum Bau von Gebäuden, Kriegs-
maschinen, Belagerungstürmen u. s. w., ferner zur Instandhaltung des
Fuhrwerkes. Sodann Schilderer, Harnisch- und Bogenmacher, welche
die Pfeile und Wurfgeschosse u. s. w. herstellen und für alle Bedürf-
36*
[564]Italien und die Römer.
nisse des Heeres Sorge tragen. Ihr Rechtsvorstand (judex) ist ein
eigener praefectus fabrorum.“


Diese Kurschmiede sowohl, als die Schmiede in den kaiserlichen
Waffenfabriken standen unter besonderen Gesetzen und hatten gewisse
Privilegien, die wir besonders aus dem Codex Theodosianus kennen
lernen. Im allgemeinen genossen Handwerker und Künstler, die
einer Zunft angehörten, gewisse Erleichterungen. Über den Titel:
„Von den Befreiungen der Künstler 1)“ verordnete das Gesetz: „Die
auf unten folgender Beilage verzeichneten, in den Städten seſshaften
Künstler, verordnen wir, sollen von allen und jeden Amtslasten frei
sein, dafern bei der Erlernung der Kunst Muſse vonnöten ist, wo-
durch sie selbst sowohl ihre Geschicklichkeit zu vervollkommnen, als
auch ihre Söhne zu unterrichten begehren (den 2. August 337
n. Chr.).“ Die Beilage zählt auf: „Baukünstler, Ärzte (medici),
Maler, Bildgieſser, Bildhauer, Bettmacher (lecticarii, Sänftenträger?),
Brunnengräber, Schlosser, Vierräder-Wagenbauer (quadrigarii), oder
Steinmetzen, welche die Griechen πηκτός nennen, Grundleger, d. h.
auch Baukünstler, Holzschneider, Mussivarbeiter, Vergolder, Maurer-
meister, von den Griechen κονιαταί (Anstreicher) genannt. Silber-
arbeiter, Waffenverzierer (barbaricarii), Perlenbohrer (diatrectarii),
Kupferschmiede, Metallgieſser, Metall- und Steinstecher, Zimmerleute,
Purpurfärber, Pelzhändler (particarii), Wasserwäger, Töpfer, griechisch
κεϱαμ̃εις genannt, Goldschmiede, Glaser, Bleigieſser (plumbarii), Spiegel-
macher, Elfenbeinarbeiter, Kürschner, Kleiderwäscher, Stellmacher,
Bildner (sculptores), Gipsgieſser, Präger, Dreiräderwagen- und Zweiräder-
wagenmacher, Geldschläger d. h. πετάλουϱνοι (Plattschläger).“ Ein Zu-
satz vom 6. Juli 344 bestimmt (const. 2) „Mechaniker, Geometer und Archi-
tekten, welche die Einteilungen und Abschnitte aller Teile zu besorgen,
bei Ausführung der Arbeit Maſs und Plan wahrzunehmen haben, und
diejenigen, welche den aufgefundenen Lauf des Wassers und dessen
Verhältnisse durch künstliche Abwägung darlegen, veranlassen wir
durch unsere Aufmunterung zu gleichem Eifer des Lehrens und Ler-
nens. Sie sollen daher auch sich der Befreiung von Amtslasten erfreuen
und hinreichend Muſse haben, um Lehrlinge aufzunehmen.“


Diese Befreiungen, die excusatio und immunitas von Munizipal-
lasten, galten indes nicht allgemein, sondern wurden ausdrücklich ver-
liehen, besonders an Zunftmeister (artificibus). Für andere Zunftgenossen
galten diese Befreiungen nicht. Die Eisen- und Metallarbeiter fallen,
[565]Italien und die Römer.
wie wir gesehen haben, unter dieses allgemeine Gesetz. Für die
Waffenschmiede (fabricenses) bestanden aber noch eine ganze Reihe
gesetzlicher Verordnungen, die unter dem Titel: De fabricensibus (Cod.
Theod. 11, 9) zusammengefaſst sind. Diese fabricenses, welche in
öffentlichen Staatswerkstätten die Waffen und das Kriegsgerät für die
Armeeen verfertigten, waren ganz militärisch organisiert. Das Eisen
dazu muſste ihnen von den Provinzialen geliefert werden. Sie durften
ihre Fabrikate nicht verkaufen, sondern muſsten sie an das öffentliche
Zeughaus abliefern. Sie wurden als Soldaten behandelt und ihre
Dienstzeit hieſs militia und wurde als Militärdienst angesehen. Sie
waren in Zünften, „Konsortien“, vereinigt, deren Vorsteher primicerius
fabricae hieſs. Die Konsortien standen unter der Aufsicht und Juris-
diktion der magistri officiorum. Die fabricenses durften ebensowenig
wie die Soldaten ihren Dienst verlassen und bekamen nach Ablauf
ihrer Dienstzeit einen Ehrenabschied, die primicii fabricae, schon nach
zwei Jahren. Sie waren ebenso wie die eingestellten Rekruten (tirones)
durch ein Stigma auf den Arm gezeichnet. Als Veteranen genossen
sie Befreiungen und Ehrenrechte. Die näheren Einzelheiten gehen
aus den Gesetzesbestimmungen in Form einer Instruktion hervor, welche
wir hier folgen lassen.


Cod. II, 9. De fabricensibus. (Von den Waffenschmieden.)


Const. I. An alle Waffenschmiede, befehlen wir hiermit, soll
nicht für Geld Ware, sondern diese selbst ohne Aufschub eingeliefert
werden, damit sie Eisen aus guten Eisenlagern erhalten, was leicht im
Feuer dehnbar ist, oder schmilzt (seu liquescat), wodurch, da alle
Möglichkeit zum Betruge entzogen worden, das allgemeine Wohl um
so besser beraten werden soll. 18. Oktober 388.


Const. II. Der Vorsteher der Waffenschmiede, verordnen wir, soll
nach zwei Jahren nicht bloſs mit Enthebung von seinem Amte, sondern
auch mit einer Ehrenstelle begnadigt werden; es soll nämlich, jedweder
zu seiner Zeit, wer unsere Majestät darum anflehet, unter unsere Leib-
wächter aufgenommen werden. 8. März 390.


Const. III. Es soll den Waffenschmieden auf den Armen ein
Brandmal, d. h. ein öffentliches Zeichen nach Art der Rekruten auf-
gebrannt werden, damit daran diejenigen, welche sich verborgen haben,
erkannt werden können und sollen diejenigen, welche sie aufgenommen
haben, oder deren Kinder, zweifelsohne für die Waffenschmiede in An-
[566]Italien und die Römer.
spruch genommen, auch diejenigen, welche durch Erschleichung, um
der Waffenschmiedearbeit zu entgehen, in irgend eine andere öffent-
liche Anstellung getreten sind, zurückgestellt werden. 15. Dezbr. 398.


Const. IV. Wenn jemand sich entschlossen, in die Genossenschaft
der Waffenschmiede in seiner Geburtsstadt zu treten, oder in der Stadt,
wo er seinen Wohnsitz aufgeschlagen, so soll er, nach vorheriger Zu-
sammenberufung derer, die dabei beteiligt sind, eine Verhandlung auf-
nehmen lassen und darthun, daſs er einen Dekurionen weder zum
Vater noch zum Groſsvater gehabt habe, daſs er dem städtischen Senat
zu nichts verpflichtet, daſs er zu keinem städtischen Amte verhaftet sei
und nach dergestalt geschehener Aufnahme einer Verhandlung, ent-
weder vor dem Provinzialstatthalter, oder dem Defensor der Stadt, soll
er in die gewünschte Dienstanstellung aufgenommen werden. Dafern
sich jemand ohne sothane Sicherheitsmaſsregeln in die Genossenschaft
der Waffenschmiede eingeschlichen hat, so möge er wissen, daſs er zu
den ihm obliegenden Amtsverpflichtungen des städtischen Senats, wohin
er gehört, und seiner Vaterstadt zurückgeführt werden werde, ohne
daſs ihn weder eine Verjährung, noch ein Vorrecht seines Dienstes
schützt. 18. Mai 412.


Const. V. Es ist in den Rechten vorgeschrieben worden, daſs die
Waffenschmiede stets ihrer erlernten Kunst dienen und wenn durch
die Arbeit ihre Kräfte verzehrt sind, mit ihren Kindern in dem Ge-
werbe verbleiben sollen, worin sie geboren worden. Was ferner von
einem verbrochen wird, das wird auf Gefahr der ganzen Zahl be-
gangen, damit sie nämlich, durch ihre Ernennungen gebunden, über
die Handlungen ihrer Genossen gewissermaſsen eine Aufsicht führen
und der Schaden des Einen auf Rechnung Aller gehe. Es sollen daher
Alle, wie in einer, eine Person vorstellenden Körperschaft, wenn der
Fall eingetreten, den Unterschleif eines zu vertreten genötigt werden.
4. November 438.


Const. VI. Diejenigen, welche unter der Zahl der Waffenschmiede
in die kaiserliche Waffenschmiede aufgenommen sind, oder deren
Weiber oder Kinder, die ebenfalls in diesem Dienstverhältnisse stehen,
verordnen wir, sollen denen, die sie verklagen wollen, nirgend anders
Rede zu stehen brauchen, als vor deinem (des Oberhofkanzlers, magister
officiorum) Gerichtstribunal, unter dessen Gerichtsbarkeit und Bot-
mäſsigkeit sie stehen und sollen dieselben nach Endigung ihres Dienstes
und ihrer Anstellung in Betreff städtischer oder kurialischer Amts-
lasten, denen sie erweislich durchaus nicht verpflichtet sind, von den
[567]Italien und die Römer.
hochachtbaren Männern, den Provinzialstatthaltern oder deren Unter-
beamten wider die Gebühr nicht beunruhigt werden (465 bis 472).


Const. VII. Es soll kein Waffenschmied versuchen, sich mit einem
Dienstmietkontrakt, einer Verwaltung, oder einer Ackerwirtschaft in
fremden Angelegenheiten zu befassen, und sollen diejenigen Eigentümer,
welche diesem Befehle meiner Majestät entgegenzuhandeln sich unter-
standen haben, der Sachen oder Grundstücke, welche sie wissentlich,
daſs jene Waffenschmiede sind, denselben zur Verwaltung überlassen
haben, verlustig gehen, die Waffenschmiede aber nach schwerer Züchti-
gung und dem Verluste ihres Vermögens mit der Strafe ewiger Ver-
bannung belegt werden. So oft aber zu Waffensendungen Frohnfuhren
notwendig sind, sollst du (Oberhofkanzler) Befehl erteilen an die hohe
Präfektur Anschreiben zu erlassen und ihr die Anzahl der Waffen und
woher sie zu transportieren seien, anzuzeigen, damit sofort dieselbe
nach Maſsgabe der Anzahl der zu transportierenden, die hochachtbaren
Provinzialstatthalter durch ihren Befehl zur Stellung der Frohnfuhren
veranlasse, so daſs in Gemäſsheit der von deiner hohen Stelle erlassenen
Anzeige alsbald Schiffe oder Frohnfuhren von Staatswegen gestellt
werden. Dafern nun nach Erlaſs deines Anschreibens an die hohe
Präfektur in Ansehung der zu erlassenden Befehle dieser hohen Stelle
eine Zögerung oder Nachlässigkeit eingetreten und dadurch die Herbei-
schaffung der Waffen verzögert worden, so verordnen wir, soll sowohl
der zeitige Numerarius des Unterbeamtenpersonals der hohen Amts-
stelle, als Alle anderen, an denen es gelegen, in 50 Pfund Gold ver-
urteilt und diese Quantität Gold sofort eingezogen und an den Fiskus
abgeliefert werden, auſserdem soll aber eine Buſse von 30 Pfund Gold
sowohl für die hochachtbaren Provinzialstatthalter, als deren Gerichts-
diener hiermit festgesetzt sein, dafern durch deren Schuld eine Waffen-
sendung infolge einer Nachlässigkeit verhindert worden ist (491 bis 518).


Kaiserliche Waffenfabriken waren über das ganze Reich zerstreut,
in fast allen Provinzen befanden sich solche. Am liebsten legten die
Römer diese Reichswerkstätten an solchen Plätzen an, wo sie schon
einen Stock von Metallarbeitern, namentlich von Eisenschmieden vor-
fanden. Die Rom zunächst gelegenen waren in Sulmo und zu Salernum
in Luca, dann in dem etruskischen Arretium, das allein die Ausrüstung
der ganzen römischen Flotte im Jahre 205 n. Chr. übernehmen konnte.
Die bedeutendsten Waffenfabriken Italiens, deren wir auch bereits Er-
wähnung gethan haben, befanden sich im Norden, im Pogebiet zu
Mantua, Verona, Cremona, Tizinum, und zu Concordia im Gebiete der
Veneter. Jede dieser Städte hatte ihre Spezialität, in der es vor den
[568]Italien und die Römer.
anderen hervorragte 1), so Concordia durch ihre Pfeilschmiede (sagi-
tarii), Verona durch Schilderer und Waffenschmiede (scutarii et
armorii), Mantua durch ihre Panzerschmiede (loricarii), Cremona
durch ihre Schilderer (scutarii), Ticinum durch ihre Bogenmacher
(arcuarii) und Luca durch ihre Schwertfeger (spatharii).


Der norischen und panonischen Waffenfabriken haben wir ebenfalls
bereits Erwähnung gethan. Auſser in Noreja befanden sich solche in
Lauriacum, Aquincum und Salona in Noricum, in Sirmium am Savus,
in Nieder-Panonnien und in Carnutum in Ober-Panonnien. Diese sowohl,
wie die norditalischen Werkstätten verarbeiteten den norischen Stahl.


Gallien, das ein besonders wichtiges Standquartier der römischen
Legionen in der Kaiserzeit bildete, hatte ebenfalls eine Anzahl be-
deutender, kaiserlicher Waffenfabriken. In Massilia blühte die Metall-
verarbeitung von Alters her. Ferner werden genannt die kaiserlichen
Werkstätten zu Ambianum, Argentomagus und Alesia, beide im Gebiete
der Bituriger, sodann Augusta Suessionum (Soisson), Augustodunum,
Matisco. Ferner waren kaiserliche Werkstätten zu Arles, Rheims und
Trier, wahrscheinlich auch zu Straſsburg 2).


Spanien lieferte die berühmten elastischen Stahlklingen aus drei
Werkstätten von Bilbilis, Turiasso und Toledum, dem im Mittelalter
durch seine Klingen so berühmten Toledo 3).


In den östlichen Provinzen befanden sich zunächst kaiserliche
Waffenfabriken in den Donauprovinzen zu Naisus und Ratiaria (in
Ober-Mösien 4), in Marcianopolis in Unter-Mösien, zu Horrea-Margi,
Hadrianopolis, Irenopolis, Thessalonike und Byzanz. Der bedeutenden
Eisenindustrie und der kaiserlichen Werkstätten zu Cäsarea in Klein-
asien haben wir früher gedacht, ebensolche befanden sich in Nikomedia
in Bithynien. Von hervorragendster Bedeutung waren die Werkstätten
von Edessa, Damaskus und Antiochia in Syrien, die als kaiserliche
Fabriken alle drei von Diokletian in diesen altberühmten Stätten der
Metallindustrie angelegt wurden. Wieviel bedeutender die Waffen-
fabriken zu Antiochia als die von Byzanz selbst in der Zeit der höch-
sten Blüte des oströmischen Reiches waren, geht aus einer Bemerkung
zu einer Verwendung im Codex Theodosianus hervor, wo die gesetz-
lichen Lieferungen beider Plätze an Waffen und Ausrüstungsstücken
aufgeführt werden.


Wie zur Bewaffnung, so fand zu allen Zwecken des Lebens das
[569]Italien und die Römer.
Eisen bei den Römern die mannigfaltigste Verwendung. Die Haupt-
plätze für die Herstellung eiserner Geräte und Werkzeuge in der Nach-
barschaft von Rom waren auſser dem schon erwähnten Sulmo für
Stahlwaren, für Ackergerätschaften zur Zeit Katos des Älteren beson-
ders Minturnae in Latium und Cales in Campanien 1), während die
berühmtesten Schlosser in Nola wohnten. Ferner waren noch die
Spaten (Schippen) von Venafrum berühmt.


Zur Zeit, als Pompeji verschüttet wurde (79 n. Chr.), war das
Eisen in Italien unzweifelhaft billiger als das Erz und deshalb zu allen
Zwecken, bei denen der Kostenpunkt in Betracht kam, in Anwendung.
Die Fahrstraſsen Pompejis sind alle sanft gewölbt und mit groſsen Lava-
platten auf das Sorgfältigste gepflastert. Die Platten sind mit Genauig-
keit ineinander gefügt und nur hier und da durch dazwischen getrie-
bene Eisenkeile und kleine Steine an schadhaft gewordenen Stellen
ausgebessert. Wäre Erz billiger gewesen, so würde man zu dieser Flick-
arbeit jedenfalls dieses, das sich auch weit mehr dazu geeignet haben
würde, da es den Atmosphärilien besser widersteht, vorgezogen haben.


Die Ausgrabungen in Pompeji geben gewiſs ein richtiges Bild des
Verhältnisses der Verwendung von Eisen und Erz zum Hausgebrauch
bei den Bewohnern Süditaliens, denn hier haben sich durch die Gunst
der Verhältnisse beide Metalle ziemlich gleichmäſsig erhalten, während
man bei fast allen sonstigen Ausgrabungen immer vermuten muſs, daſs
viele Eisengeräte gänzlich durch den Rost zerstört sein mögen. In
Pompeji sieht man, daſs die wohlhabenden Einwohner in der Haus-
haltung sich mehr des Erzes als des Eisens bedienten. Betrachten wir
die Geräte der Küche, so sehen wir, daſs Kessel und Kochtöpfe aus
Kupfer waren. Die Dreifüſse und Böcke, unter denen das Feuer
brannte, die Siebe, Löffel, die nie fehlende Schnellwage, deren Gewichte
von Stein, Blei oder Eisen waren, die Leuchter, alles war von Kupfer
oder Erz und nur selten begegnet man einem anderen Metall.


Das Mobiliar in den Wohnzimmern bestand zumeist aus Holz.
Von Metallgeräten fanden sich darin Dreifüſse und Kandelaber von
Bronze, oft von kunstvoller Arbeit. Das Bett im Schlafgemach war
von Holz, bei Reichen von Zedern- oder Terebinthenholz, die Füſse
dagegen meist von Erz, manchmal sogar von Gold und reich verziert.
In dem Boudoir fand man die Handspiegel, welche die Sklavinnen der
Dame des Hauses vorhalten muſsten. Sie waren in älterer Zeit von
Bronze und einfach poliert, später dagegen von Silber und zwar ent-
[570]Italien und die Römer.
weder massiv, oder aus Silberblech, welches auf einer Erzplatte auf-
gezogen war, gefertigt. Indes kamen bei den Hausgeräten der Vor-
nehmen auch solche von Eisen in Anwendung. Die runden Brenn-
eisen, mit denen die Locken der Schönen gebrannt wurden, pflegten
von Eisen zu sein 1). Auch das Schneiden der Haare geschah gemeinig-
lich mit scharfen Stahlmessern, meist jedoch nicht zu Haus, sondern
in der Barbierstube des griechischen Haarkünstlers. Die jetzt ge-
bräuchlichen Scheren kannte man im Altertume noch nicht. Die
einfache Anwendung des Hebels für diesen Zweck, die uns, wie vieles
Ähnliche, so natürlich erscheint, wurde erst viel später erfunden. Die
Scheren der Alten entsprachen unseren Schafscheren. Indes bedienten
sich die Barbiere schon damals oft zweier Messer, deren Klingen sie
wahrscheinlich in einer Weise übereinander legten, daſs sie eine Art
von Schere bildeten. Der „Schnitt mit einem Messer“ galt jedoch bei
den römischen Dandys für feiner als der mit zweien.


Eiserne Öfen hatte man in den römischen Häusern noch nicht.
Bei dem milden Klima waren Öfen überhaupt kein Bedürfnis und
überdies gewährte das Hypokaustum eine sehr vorzügliche Luftheizung.
Eine Art offenes Kamin wendete man hie und da an, bei dem aber ein
Loch in der Decke die Esse ersetzen muſste. Natürlich drang der
Rauch infolgedessen in das Zimmer und schwärzte die gemalten Wände.
Indes hatte man allerdings in den Zimmern öfter eherne Kohlenbecken,
die zierlichen Öfchen ähnlich waren. Sie scheinen dazu gedient zu
haben, Speisen und Wasser warm zu halten. Das Becken hatte das
Aussehen eines kleinen Cylinderofens, der auf drei zierlichen Erzfüſsen
stand. Vorn war ein Thürchen, durch das die glühenden Kohlen ein-
gefüllt wurden, oben war ein Einsatz wie ein Topf, in welchem man
das Wasser oder die Speisen eintragen konnte. Sowohl der äuſsere
Mantel, als der Einsatz waren von Kupferblech. Auch entlieſsen
diese tragbaren Öfchen den Rauch in das Zimmer. Ebenso unbe-
haglich wie die Feuerung war die Beleuchtung der Römer. Sie
bedienten sich offener Öllämpchen, in deren äuſserer Form sie zwar
den erfinderischsten Kunstsinn verschwendeten, die aber in ihrer Kon-
struktion alle gleich unvollkommen waren und stark ruſsten. Sie
fanden sich von den einfachsten Thonlampen an bis zu den kom-
pliziertesten Bronzeguſslampen. Beleuchtung und Heizung müssen
nach unserem Geschmack die römischen Häuser zu sehr ungemütlichen
Aufenthaltsorten gemacht haben.


[571]Italien und die Römer.

Beim Essen brauchten die Römer auſser den Fingern und den
Eſslöffelchen nur noch ein Werkzeug, das Vorlegemesser mit breiter
Stahlklinge. Gabeln sind ja bekanntlich eine ganz moderne Erfindung.
Bei den Bekleidungsstücken spielte das Eisen ebenfalls nur eine unter-
geordnete Rolle. Nur die Fingerringe und die Schuhnägel waren in
der Regel von Eisen. Dagegen wurde das Eisen für Bauzwecke fast

Figure 156. Fig. 156.


ausschlieſslich angewendet, überhaupt überall da, wo es in erster Linie
auf die Festigkeit ankam. So waren die Beschläge sowohl an den
Thüren und Thoren, als an dem in keinem Hause fehlenden Geldkasten
(arca) meist von Eisen, ebenso die Riegel und die Schlösser und
Schlüssel, in deren Konstruktion die römischen Schlosser bereits das
gröſste Geschick und die wunderbarste Mannigfaltigkeit an den Tag
legten 1). Fig. 156 zeigt römische Ketten, Beschläge und Ringe von
[572]Italien und die Römer.
Eisen von der Salburg. Besonders der Geldkasten, der das wichtigste
Hausmöbel der Römer bildete, war stets von Eisen und war entweder
ganz aus Eisenblech gefertigt 1) oder ein stark mit Eisen beschlagener
Holzkasten (arca ferrata 2). Barzahlung leisten hieſs bekanntlich ex

Figure 157. Fig. 157.


Figure 158. Fig. 158.


Figure 159. Fig. 159.


arca solvere. War die Geld-
kiste meist schwer und
einfach, so fertigte man
Schmuckkästchen aus ge-
triebenem und ziseliertem
Eisen von hoher Kunst.
Ein solches von vorzüg-
licher Arbeit (Fig. 157) hat
man in Pompeji gefunden 3).
Metallgegenstände, die
man nicht sah, machte
man auch im Hause öfters
von Eisen, so waren die
Stangen, an denen die
schweren Vorhänge be-
festigt waren, die inner-
halb des Hauses als Thüren
dienten, von Eisen. In
ähnlicher Weise sind die
Kandelaber öfter in der
Weise angefertigt, daſs um
eine Eisenstange als Kern
die Bronze herumgegossen
ist, dies geschah sowohl der
Ersparnis, als der Festig-
keit wegen.


Daſs die Nägel, Klam-
mern u. s. w. von Eisen
waren, bedarf kaum der
Erwähnung.


Die Pfahlschuhe der groſsartigen Holzbrücken, welche die Römer
mit staunenswerter Energie in den unterworfenen und bedrohten Ge-
bieten anlegten, waren von Eisen. Fig. 158 u. 159 zeigen zwei Arten
[573]Italien und die Römer.
solcher Eisenschuhe, wie dieselben in groſser Zahl im Jahre 1882 bei
Mainz aus dem Rhein gezogen wurden. Es ist kaum zu bezweifeln,
daſs dieselben von der Römerbrücke, welche gegen Ende des 3. Jahr-
hunderts n. Chr., zur Zeit der Herrschaft der Kaiser Maximian und
Domitian zwischen Mainz und Castel über den Rhein geschlagen wurde,
herrühren 1).


Beim Schiffsbau spielte das Eisen eine groſse Rolle. Abgesehen
von Beschlägen, Ketten u. s. w. waren die Anker in späterer Zeit von
Eisen geschmiedet. Fig. 160 giebt eine Zusammenstellung von eisernen
Ankern aus der Zeit der römischen Herrschaft von verschiedenen
Fundorten. Bei dem Bau von Wagen und Fuhrwerken wurde Eisen
verwendet. Über seine Anwendung zum Hufbeschlag werden wir
später ausführlich unsere Ansicht mitteilen.


Ebenso waren von Eisen solche Teile von Apparaten und Maschinen,
deren Festigkeit in Anspruch genommen wurde, wie z. B. die Zapfen
der Getreidemühlen, die sich in jedem römischen Hause fanden.


Figure 160. Fig. 160.

Zum Schluſs dürfte es von
Interesse sein, einen Blick auf
die mechanischen Kenntnisse
der Römer, insbesondere auf die-
jenigen Apparate und Maschinen,
deren sie sich zum Bergbau und
Schmelzbetrieb bedienten, zu werfen.


Nach keiner Richtung hin erscheint uns der Fortschritt der Gegen-
wart, wenn wir sie mit dem Altertume vergleichen, so groſs, als in dem
Maschinenwesen. Es überrascht immer, wenn wir an der Geschichte
eines einzelnen uns durch den Gebrauch geläufigen Gegenstandes
wahrnehmen, wie erstaunlich langsam auch die einfachsten mechanischen
Vorrichtungen sich entwickelt haben. Ein Taschenmesser, eine Hand-
säge sind uns fast zu unbedeutend, als daſs wir daran denken, daſs
ihre Erfindung eine besondere Schwierigkeit darbot und dement-
sprechend das Verdienst des Erfinders ein groſses war.


Es kann nicht unsere Aufgabe sein, auf die Geschichte der Ent-
wickelung der mechanischen Kenntnisse und deren Anwendung tiefer
einzugehen. Dieser Gegenstand verdient eine ebenso selbständige Be-
handlung als die Geschichte des Eisenhüttenwesens. Die mechani-
schen Kenntnisse der alten Kulturvölker waren sehr gering. Der
hauptsächlichen Werkzeuge als Hammer, Axt, Säge, Feile u. s. w.
[574]Italien und die Römer.
wurde schon mehrfach gedacht. Den einfachen Hebel wendete man
schon in frühester Zeit zum Heben von Lasten 1) an, zum Ziehen von
Wasser, zum Zerbrechen feindlicher Mauern mit langen Stangen, wie
dies in ägyptischen und assyrischen Skulpturen oft abgebildet ist.
Die komplizierte Form des Hebels, die Umwandlung einer drehenden
Bewegung in eine geradlinige ist ebenfalls von unbestimmbarem Alter.
Die einfache Rolle am Kloben war Ägyptern und Assyrern bekannt
und verwendeten sie dieselbe in mannigfacher Form zum Heben von
Lasten.


Jede künstliche Hebevorrichtung galt den Alten als eine Maschine.
Vitruv 2) sagt: „Eine Maschine ist eine zusammenhängende Verbindung
von Holz, welche zur Hebung von Lasten die gröſsten Vorteile gewährt.
Sie wird auf künstliche Weise in Thätigkeit gesetzt, nämlich durch
Kreisumdrehung.“ Er unterscheidet Gerüste, pneumatische Hebezeuge
und Hebemaschinen, zu letzteren gehört der Haspel, aber auch schon
das Zahnradgetriebe, griechisch Anisokyklen. Winden, Pressen und
Hebel, die er bei dieser Gelegenheit gleichfalls erwähnt, rechnet er
nicht zu den Maschinen, sondern zu den Instrumenten.


Als erste und wichtigste Hebemaschine beschreibt Vitruv 3) den
Flaschenzug 4): „Man bindet dann oben (an das Balkenwerk) einen
Flaschenzugskloben (Schere), welchen einige Rechamus nennen, an,
und fügt in denselben zwei sich um ihre besonderen Achsen drehenden
Rollen ein und schlägt das Zugseil um die obere Rolle, dann zieht
man das Seil herab und schlägt es um die Rolle einer unteren Schere,
in deren Ring es festgebunden wird, das andere Ende des Seiles wird
zwischen die beiden Balken und zwar an deren unteres Ende geführt.
Der Flaschenzug wird, um groſse Lasten zu heben, mit einem Haspel
in Verbindung gebracht. An der Rückseite der rechtwinkelig be-
hauenen Balken heftet man da, wo sie sich schon weit genug ausein-
anderspreizen, Zapfenlager an, in welche man die Zapfen eines Haspels
einsteckt, so daſs deren Achsen sich leicht drehen. Dieser Haspel hat
zunächst an den Zapfen je zwei Löcher, die so eingeschnitten sind, daſs
Hebel in dieselben hineingesteckt werden können. An der unteren
[575]Italien und die Römer.
Flasche aber wird ein eiserner Doppelhaken angebunden, dessen Zähne
an die Bohrlöcher der Bausteine anbeiſsen. Ist aber das Ende des
Seiles an dem Haspel befestigt, und dreht man den letzteren mittels
Handhabung der Hebel um, so wird das Seil, indem es sich um den
Haspel herumschlingt, straff gespannt und hebt so die Lasten in die
Höhe und an den gehörigen Platz.“ Diese Haspel hatten also keine
Haspelhörner, sondern wurden mittels Hebelstangen, die in Löcher
paſsten, herumbewegt.


5. „Wenn aber Riesenlasten von Gröſse und Gewicht zu versetzen
sind, so ist die Anwendung des Haspels nicht zulässig, sondern wie
sonst ein Haspel in die Zapfenlagen eingefügt ist, so schlieſse man da
einen Wellbaum ein, der in der Mitte eine Seiltrommel (einen Cylinder
von groſsem Durchmesser) hat, welchen einige „Rad“, die Griechen
aber „Amphieryon“ oder Peritrochicon (Kreisläufer) nennen.“ Diese
Seiltrommeln werden mittels eines Göpels bewegt.


Ein beweglicher Krahn ist besonders beim Be- und Entladen der
Schiffe gebräuchlich. Die Wagenwinde mit Zahngetriebe war schon
von Heron, dem Schüler des Ktesibios, erfunden. Die Benutzung der
schiefen Ebene finden wir bei der Schraube, welche in Verbindung
mit Hebeln beim Keltern und Pressen in Anwendung kam. In Pompeji
hat man eine Zeugpresse mit einem Holzrahmen und zwei Holz-
schrauben gefunden, und zwar mit Rechts- und Linksgewinde (Fig. 161).

Figure 161. Fig. 161.


Von Metallschrauben sind bis jetzt
nur kleine Schräubchen von Gold an
Fibulen bekannt geworden, während
eiserne Schrauben nicht nachgewiesen
sind.


Es wurde schon erwähnt, daſs sich
die Ägypter und Babylonier der
Schöpfräder zur Bewässerung be-
dienten.


Diese Schöpfräder zur Hebung
des Wassers dürfen durchaus nicht
mit den Wasserrädern verwechselt
werden. Die Wasserräder sollen die
lebendige Kraft des Wassers übertragen, die Schöpfräder sind bloſs
komplizierte Gefäſse zum Heben des Wassers, eine auſserhalb befind-
liche, bewegende Kraft muſs sie erst in Bewegung setzen. Vitruv be-
schreibt die Konstruktion der Wasserschöpfräder folgendermaſsen 1):
[576]Italien und die Römer.
„Das Wasserschöpfrad nun hebt zwar das Wasser nicht hoch auf, aber
schöpft dafür sehr rasch und leicht eine groſse Wassermenge. Es wird
dazu ein Wellbaum entweder auf der Drehbank bearbeitet, oder nach
dem Zirkel behauen, an den beiden Enden Eisenbeschläge angebracht
und um die Mitte ein Trommelrad herumgelegt, welches aus zusammen-
gefügten Dielen gemacht wird; der Wellbaum aber wird auf Pfähle
gelegt, welche da, wo die Enden des Wellbaumes ihr Lager haben,
ebenfalls mit Eisenblech bekleidet sind. In den inneren hohlen Raum des
Trommelrades werden acht Bohlen radial eingefügt, welche von der
Welle bis an den Cylindermantel der Trommel reichen und das Innere
des Trommelrades in gleiche Räume abteilen. Der Cylindermantel
ringsum wird durch zusammengefugte Dielen gebildet, die halbfuſsbreite
Öffnungen frei lassen, durch welche das Wasser im Inneren aufgefangen
wird. Dann werden zunächst am Wellbaume auf einer Seite des
Trommelrades rundliche Löcher eingeschnitten, jedem einzelnen der
(acht) Räume entsprechend. Das nach Art der Schiffe geteerte
Trommelrad aber wird durch Treten von Menschen umgedreht, und
indem es durch die Öffnungen an dem Cylindermantel des Trommel-
rades das Wasser schöpft, giebt es dasſelbe durch die rundlichen
Löcher zunächst an dem Wellbaume wieder in ein darunter gesetztes
hölzernes Becken ab, mit welchem eine ableitende Rinne in Verbindung
steht. So wird zur Bewässerung von Gärten und für Salinen zum
Auslaugen eine Menge Wasser geliefert.


Wenn aber das Wasser höher gehoben werden soll, so hat das-
ſelbe Verfahren folgende Abänderungen zu erleiden: Man zimmert
rings um die Welle ein Schöpfrad von einer der erforderlichen Hebe-
höhe entsprechenden Gröſse; rings um den äuſseren Rand desſelben
herum befestigt man seitwärts kubische Kästchen, die mit Teer und
Wachs wasserdicht verstrichen sind. Wenn daher das Rad von den
Tretern umgedreht wird, so werden die (unten) gefüllten Kästchen
nach oben gebracht und gieſsen, sich wieder nach unten drehend, ihren
Inhalt in den Sammelkasten.


Wenn aber das Wasser an noch höhere Punkte geliefert werden
soll, so schlingt man um die Welle eines solchen (Tret-) Rades ein
Paar eiserne Ketten, welches so eingerichtet ist, daſs es bis unter den
Wasserspiegel hinabreicht und hängende Bronzeeimer, die etwa einen
Congius fassen, trägt. So wird die Drehung des Rades dadurch, daſs
die Doppelkette sich um die Welle herumwindet, die Eimer nach oben
bringen; diese aber werden, sobald sie über die Welle gehoben sind,
notwendig gestürzt und müssen ihren Wasserinhalt in den Sammel-
[577]Italien und die Römer.
kasten entleeren. Es entspricht diese Vorrichtung also vollständig
unserem Paternosterwerk.


Die bewegende Kraft erzeugte zunächst der Mensch, später die
Haustiere, Hunde, Esel, Pferde oder Rindvieh. Bei diesen Schöpfrädern
ergab sich zuerst und am einfachsten die Benutzung der Hebelkraft
an einer festen Welle in der Form des Tretrades. Während man an der
Auſsenfläche des Schöpfrades die Gefäſse anbrachte, welche das Wasser
in die Höhe zogen, lag es noch ob, im Innern Speichen anzubringen,
mittels welchen Menschen oder Tiere durch ihr Gewicht das Rad in
Bewegung setzten. Bei diesen Schöpfrädern einerseits, wie bei den
Mahlmühlen anderseits hat man zuerst die Arbeit der Menschen durch
die der Tiere ersetzt, bei ersteren durch Anwendung des Tretrades,
bei letzteren durch Anwendung des Göpels. Das Tretrad wurde auſser
zur Wasserhaltung auch zum Ziehen von Lasten und zu anderen Kraft-

Figure 162. Fig. 162.


übertragungen ver-
wendet. Fig. 162 zeigt
die Anwendung eines
Tretrades zur Aufrich-
tung einer Marmor-
säule, wobei zwei
nackte Jünglinge im
Rade laufen, während
Minerva als Schützerin
des Kunsthandwerkes
die Arbeit überwacht.
Dieses Relief wurde 1656 im Amphitheater von Capua aufgefunden
und befindet sich noch jetzt unter dem Bogen des heiligen Elizius da-
selbst 1).


Das Heben des Wassers war im ganzen Altertum eines derjenigen
Probleme, welches die Erfindungskraft der Mechaniker am meisten
herausforderte und wurde auf diesem Gebiete manches Bemerkenswerte
erreicht.


Die berühmteste Wasserhaltungsmaschine, welche die Alten kann-
ten, war die „Archimedische Schraube“ oder „die Schnecke“ (cochlea)
genannt, die zum Heben des Wassers in den Bergwerken Spaniens
angewendet wurde. Dieselbe bestand aus einer festen Achse von Holz,
um welche ein spiralförmiger Gang von Brettern lief, die dicht, wie
ein Schneckengewinde, an die äuſsere Windung befestigt waren. Die
Beck, Geschichte des Eisens. 37
[578]Italien und die Römer.
Auſsenwand war von Holzdauben ähnlich wie ein langes Faſs zusammen-
gefügt und mit eisernen Reifen zusammengehalten 1). Der untere Teil
dieser Wasserhaltungsmaschine stand in einem Sumpfe, d. h. in einem
Wasserreservoir, während seine obere Ausmündung mit einem Ausguſs
in Verbindung gebracht war. Der ganze Apparat stand geneigt und
wurde von Menschen und Tieren wahrscheinlich mit Hilfe eines Tret-
rades in Bewegung gesetzt 2). Das Wasser, welches unten eintrat,
wurde durch die Bewegung in die Höhe gedrückt und oben ausgegossen.


Diese ingeniöse Erfindung, zu welcher die Alten gewiſs empirisch
gekommen sind, soll von Archimedes gemacht worden sein, als er nach
Ägypten kam. Doch ist es wahrscheinlicher, daſs er sie in jenem Lande
kennen lernte und sie später in Groſsgriechenland bekannt machte.


Vitruv bemerkt, daſs mit dieser überaus kunstreichen Maschine

Figure 163. Fig. 163.


eine überraschende Menge Wasser
ausgeschöpft und der ganze unter-
irdische Fluſs aus der Tiefe in die
Höhe geleitet wurde.


In den tieferen Bergwerken stand
eine Reihe dieser Apparate über-
einander.


Höher aber, als durch das Schöpf-
rad oder durch die Archimedische
Schraube konnte Wasser mittels des
ktesibischen Druckwerks gehoben
werden, welches nichts anderes war,
als eine regelrechte Hub- und Druck-
pumpe. Vitruv beschreibt diese fol-
gendermaſsen 3):


1. Diese Maschine, Fig. 163, wird aus Bronze hergestellt. Sie besteht
aus zwei gleichen bis unten reichenden Pumpencylindern (Stiefeln), die
nicht weit von einander abstehen (aa), und gabelförmig abzweigende
Verbindungsröhren (bb) haben, welche, in ähnlicher Weise sich ver-
einigend (c), in den mitten liegenden Windkessel (d) münden; in die-
sem Windkessel bringt man Ventilklappen (e) (Druckventile) an der
oberen Mündung der Verbindungsröhren an, welche exakt sitzen und,
[579]Italien und die Römer.
die Mündungslöcher schlieſsend, das, was durch den Luftdruck in den
Windkessel gepreſst ist, nicht mehr zurücktreten lassen.


2. Auf den Windkessel ist eine Kappe, einem umgestürzten Trich-
ter ähnlich, aufgepaſst und durch eine Verröhrung mit durchgetriebenem
Keil mit demselben zusammengeschlossen, damit nicht die Gewalt des
hier eingepumpten Wassers sie aufzuheben vermöge. Darüber wird
eine Röhre (f), welche Steigröhre genannt wird, senkrecht in die Höhe
führend angenietet. Die Pumpencylinder aber haben unterhalb der
unteren Mündung der Verbindungsröhren (g) Ventilklappen über die
am unteren Ende befindlichen Einmündungen gesetzt (h).


3. Von oben herab werden massive, angedrehte, geschliffene und
mit Öl geschmierte Kolben (i), welche in die Pumpencylinder einge-
schlossen sind, vermittelst Kolbenstangen (k) und Hebeln in Bewegung
gesetzt und diese drücken in rascher Bewegung in beiden Pumpen-
cylindern abwechselnd auf die mit Wasser dort eingeschlossene Luft,
schlieſsen die Ventilklappen an den unteren Öffnungen (g) und drängen
durch die Luftpressung das Wasser durch die Mündungen der Ver-
bindungsröhren in den Windkessel, von welchem es in die Kappe
steigt und durch den Luftdruck durch das Steigrohr in die Höhe ge-
trieben wird. So wird von einer tiefliegenden Stelle aus, nachdem
man einen Sammelraum angelegt hat, das Wasser zu einem Brunnen-
strahl geliefert.


Eine Pumpe dieser Art hat man in den Ruinen von Castrum no-
vum aufgefunden. Hier ist also der Atmosphärendruck und die Elasti-
zität der Luft schon zur Hebung des Wassers herangezogen. Wir
haben bereits bei der Beschreibung des Luftspanners gesehen, in welch
ingeniöser Weise schon die griechischen Mechaniker, vor allen Ktesibios,
die Elastizität der Luft zu Kriegszwecken zu verwerten wuſsten. Vitruv
sagt, jener habe auſser dieser Pumpe eine ganze Reihe von Apparaten
auf gleichem Prinzip beruhend zu ganz verschiedenen Zwecken er-
funden. Die Wasserorgel war davon einer der berühmtesten, es be-
ruhte dieses Instrument im wesentlichen auf einer Luftdruckpumpe,
mittels welcher die komprimierte Luft durch Pfeifen gepreſst wurde,
die harmonisch gestimmt waren.


Das uralte Schöpfrad durch Menschenhände bewegt, ist jedenfalls
die Veranlassung gewesen zur Benutzung der lebendigen Kraft des
Wassers als Motor. Die ersten Wassertriebräder waren von dem strö-
menden Fluſs bewegt (unterschlächtig), und wie nah es lag, den Schöpf-
apparat auf einem Flusse mit Treibschaufeln zu verbinden, um den
37*
[580]Italien und die Römer.
Rest des flieſsenden Wassers als Triebkraft zu benutzen, geht aus der
Schilderung des Vitruv von den Wassermühlen hervor. Er sagt 1):


1. Man macht auch in Flüssen Schöpfräder auf dieselbe Weise, wie
dies oben beschrieben worden ist. Nur befestigt man auſsen an den
Schöpfrädern Schaufeln, welche, von dem Andrang des Wassers gefaſst,
durch ihr Vorwärtsgehen die Räder zwingen, sich zu drehen, und so
in dem Kästchen das Wasser schöpfend und nach oben bringend,
leisten sie ohne die Arbeit des Tretens, durch die Strömung des Fluſses
selbst umgedreht, die nötigen Dienste.


2. Auf dieselbe Weise werden auch die Wassermühlen getrieben,
bei welchen sonst alles dasſelbe ist, mit Ausnahme des Umstandes,
daſs an einem Ende der Welle ein Zahnrad läuft. Dieses aber ist
senkrecht gestellt und dreht sich gleichmäſsig mit dem Schaufelrade
in derselben Richtung; in dieses eingreifend ist ein zweites, kleineres
Zahnrad wagerecht angebracht, welches in einer Welle läuft, die
am oberen Ende einen eisernen Doppelschwalbenschwanz hat, welcher
in den Mühlstein eingekeilt ist. So zwingen die Zähne jenes an die
Welle (des Schaufelrades) angefügten Zahnrades, dadurch, daſs sie in
die Zähne des wagerechten Zahnrades eingreifend, dieses treiben, die
Mühlsteine zur Umdrehung; die über dieser Maschine hängende
Gosse giebt den Mühlsteinen immer das Getreide zu und durch die-
selbe Umdrehung wird das Mehl gemahlen.


Von den Kariern wird berichtet, daſs sie zuerst das Zersägen des
Marmors mit Stahlsägen angewendet hätten, ob dies aber mit Hilfe der
Wasserkraft geschah ist zweifelhaft 2). Dagegen hat Mithridates
bereits Wassermühlen gehabt und sollen nach Julius Cäsars Feldzug
gegen ihn dieselben in Italien bekannt geworden sein. Strabo erzählt,
daſs neben der Residenz des Mithridates in Cappadocien sich eine
Wassermühle befunden habe (lib. XII). Gewiſs ist, daſs sie zur Zeit
des Augustus schon bei den Römern Eingang gefunden hatten 3), denn
Antipater aus Thessalonich, ein Zeitgenosse dieses Kaisers, redet die
Mühlensklavinnen also an 4): „Höret auf, euch zu bemühen, ihr Mädchen,
die ihr an den Mühlen arbeitet; jetzt schafft und laſst die Vögel der
Morgenröte entgegensingen, denn Ceres hat den Najaden be-
fohlen, eure Arbeit zu verrichten. Diese gehorchen,

[581]Italien und die Römer.
werfen sich auf die Räder, treiben mächtig die Wellen
und durch diese die schwere Mühle
.“


Die Mühlen in Rom waren unterschlächtig und standen in den
Kanälen 1). Sie verdrängten indessen die Hand- und Eselsmühlen in
den Häusern noch nicht, sondern wurden mehr für öffentliche Zwecke,
namentlich für die Bedürfnisse der Legionen betrieben. Öffentliche
Wassermühlen, die für das Publikum Korn mahlten, wurden erst unter
Honorius und Arcadius angelegt. Als Vitiges, König der Gothen, 536
den Belisarius belagerte und die 14 groſsen Wasserleitungen verstopfte,
sollen diese die ersten öffentlichen Schiffsmühlen auf der Tiber an-
gelegt haben. In Deutschland wurden die Mühlen durch die Römer
eingeführt. Die frühesten erwähnt Ausonius in seinem Gedichte
„Mosella“. Sie wurden im vierten Jahrhundert von der Roer betrieben

Figure 164. Fig. 164.


und scheinen Sägemühlen
gewesen zu sein, die nicht
minder alt als Wasser-
mühlen sind.


Waren auch die ersten
Mühlen, welche in Rom
erlaubt wurden, unter-
schlächtige, so scheinen
doch die oberschlächtigen
Räder kaum minder alt
zu sein. Die angeführte
Stelle des Antipater deu-
tet mehr auf oberschläch-
tige Räder, denn der Ausdruck „die Najaden werfen sich auf die
Räder“ paſst besser zu dem Bilde eines oberschlächtigen als eines
unterschlächtigen Rades. Es ist uns eine eigentümliche Zeichnung in
den römischen Abbildungen zum Virgil im Vatikan erhalten. Das
Ganze stellt die Werkstatt eines Steinmetzen dar (Fig. 164). Ein Rad
mit gebogenen Schaufeln ist an einem massiven Gebäude befestigt.
Die beiden eigentümlichen, gestreiften Bänder lassen sich am besten
als Wasserläufe erklären, so daſs (a) der Bach und (b) der Obergraben
wäre, der das Wasser über das oberschlächtige Rad herführt. Der
Knabe (c) zieht die Schütze.


Die Maschinen sind sämtlich nicht als Erfindungen der Römer an-
zusehen, die meisten waren griechischen Ursprungs, wie schon die Namen
besagen, namentlich die der Pumpe, der ktesibischen Druckwerke u. s. w.


[582]Italien und die Römer.

Auch die erste Verwendung des Dampfes ist eine griechische Er-
findung. Hero der Alexandriner war der erste, der eine klare Vor-
stellung wie vom Luftdruck, so auch vom Dampfdruck hatte. Er sagt,
daſs Wasser, wenn es der Wirkung von Feuer ausgesetzt werde, sich
in Luft umwandle. Die Anwendung des Dampfes beschränkte sich
indes mehr auf mechanische Spielereien, wie z. B. Herons Drehkugel,
der „Heronsball“. Die bekannteste Vorrichtung waren die Äolipylen,
über welche wir durch Vitruv die früheste Kenntnis haben. Es war
dies eine Art Dampfgebläse, das aber mehr eine physikalische Kurio-
sität gewesen zu sein scheint. Vitruv, der, wie die Alten überhaupt,
noch Wasserdampf und Luft identifiziert, schreibt etwas dunkel 1):
„Der Wind ist eine strömende Luftwelle mit unbestimmter, über-
flutender Bewegung … Daſs dies wahr sei, kann man aus den Äoli-
pylen (Luftgebläsen) ersehen und hinsichtlich der verborgenen Dinge
des Himmels durch künstlich erfundene Dinge die göttliche Wahr-
heit erzwingen. Man macht nämlich eherne, hohle Äolipylen, diese
haben eine möglichst enge Öffnung, durch welche sie mit Wasser
gefüllt werden, dann stellt man sie ans Feuer und bevor sie warm
werden, zeigt sich keinerlei Hauch, sobald sie aber zu erhitzen sich
anfangen, bewirken sie am Feuer ein heftiges Gebläse. So kann man
aus dem kleinen und sehr kurzen Schauspiel Kenntnis und Urteil über
die groſsen und unermeſslichen Naturgesetze des Himmels und der
Winde schöpfen.“ Es war eine Spielerei, an die sich diese prophetischen
Worte des alten, vielverkannten Architekten anknüpften. Beinahe
1800 Jahre muſsten vergehen, ehe man wirklich die unermeſsliche
Naturkraft des Dampfes kennen und sie als die wichtigste Hilfskraft
des Menschen dienstbar zu machen lernte. Welche reichen und
mannigfaltigen Keime lagen in der Technik der Griechen und Römer
vorgebildet, wie gewaltig hätte sich auf dieser Grundlage schon die
unmittelbare Zukunft der Industrie entwickeln können, wenn nicht
unersättliche Eroberungssucht auf der einen Seite, Rache und Habgier
auf der anderen Seite Europa in eine wilde Flut von Kämpfen gestürzt
hätte, die alles Bestehende teils vernichtete, teils für lange Zeit in
Frage stellte, so daſs Jahrhunderte darüber hingingen, sogar beinahe
ein halbes Jahrtausend verschwand, ehe die friedliche Industrie an die
alten Erfahrungen wieder anknüpfte, zu neuen Entdeckungen, zu neuen
Fortschritten sich emporringen konnte. Der Zusammensturz Roms
wurde herbeigeführt durch die Völkerwanderung.


[[583]]

DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IM
MITTELALTER
.


[[584]][[585]]

EINLEITUNG.


Die prähistorische Zeit in Europa.


Wie mit der Gewalt der entfesselten Elemente brach im 4. Jahr-
hundert die feindliche Völkerflut von Osten her in das römische Reich
ein und zertrümmerte den kunstvoll gegründeten, in den vorher-
gegangenen Jahrhunderten so mühevoll aufrecht erhaltenen, stolzen
Bau des römischen Weltreiches. Wie ein Chaos fluteten die Völker
durcheinander. Den Anstoſs hatte das asiatische Volk der Hunnen,
ein mongolisch-tatarisches Mischvolk, durch seinen Übergang über die
Wolga im Jahre 374 n. Chr. gegeben, doch im Vordertreffen des blutigen
Völkerkampfes standen überall germanische Stämme, zum Teil vor-
geschoben durch den Stoſs von Osten her, meist aber aus eigener
Kampfbegier über die bis zum Hochmut selbstbewuſsten Römer, die
den Reichtum und das Mark aller Länder der bekannten Welt zu-
sammengeschleppt hatten, hereinbrechend.


Welcher Reichtum, welche Schätze, welche Kunstwerke gingen
damals zu Grunde unter den erbarmungslosen Schwertern der unge-
bildeten, auf ihre Einfachheit stolzen Barbaren. Aber nicht nur Kunst-
werke wurden vernichtet, auch die Sitze alter Industrieen wurden zer-
stört, Erzeugungsstätten herrlicher Arbeiten wurden ausgetilgt. In
Kunst und Gesittung trat ein Rückschlag für Jahrhunderte ein. Auch
die Eisenindustrie hatte unter dieser furchtbaren Umwälzung zu leiden.
Vieles Bestehende verschwand, die kaiserlichen Fabriken wurden zer-
trümmert, nur langsam entstanden weit bescheidenere Anlagen auf
[586]Einleitung zum Mittelalter.
den alten Trümmern. Aber das Eisen war unentbehrlich für den Männer-
mord. Gerade in der bluttriefenden Zeit, die man mit dem harmlosen
Namen der Völkerwanderung bezeichnet, bewährte es seine Überlegen-
heit gegenüber allen anderen Metallen. Die goldschimmernden Re-
nomierschwerter der vornehmen Römer wurden zur Lächerlichkeit
gegenüber dem Stahlschwert und der eisernen Streitaxt der Germanen,
dem Skramasax und der Franziska. So hat denn auch die Eisen-
industrie im groſsen und ganzen durch die Völkerwanderung doch bei
weitem weniger gelitten als alle anderen Metallindustrieen, ja sie hat
den Sieg davon getragen. Namentlich blieben die eigentlichen Er-
zeugungsplätze „im einsamen Waldthal“ meist unberührt von dem
Kriegsgetümmel und es verdoppelte sich daselbst infolge des gröſseren
Bedarfs die Thätigkeit.


In den Gewinnungsmethoden, in dem technischen Verfahren, trat
zunächst keine Änderung ein und wir könnten in unserer Darstellung der
Entwickelung der Eisenindustrie ohne weiteres, an die römische Zeit an-
knüpfend, fortfahren, wenn wir durch diese für Europa grundlegende,
bestimmende, formgebende Umwälzung der Völkerwanderung nicht
veranlaſst würden, auch auf die Vorgeschichte der europäischen
Völkerfamilien
, die von da ab bestimmend für die Geschichte des
Erdteils und danach auch für die Geschichte der ganzen Erde wurde,
an welche sich auch die ganze weitere Fortbildung der Eisenindustrie
knüpft, einen Blick zu werfen.


Direkte Überlieferungen haben uns diese alten Bewohner Europas
nicht hinterlassen. Sie verstanden noch nicht die Kunst der Schrift
und waren in ihrer Bildung nicht bis zur Aufzeichnung ihrer Erleb-
nisse vorgeschritten. Was wir über sie wissen, müssen wir kombinieren
aus den spärlichen Überlieferungen der Schriftsteller des klassischen
Altertums und aus archäologischen Funden. So tritt für diese sogenannte
prähistorische Zeit“ die Archäologie in den Vordergrund, die
bekanntlich noch eine sehr junge Wissenschaft ist. Sie führt uns in ein
nebelhaftes Land, wo feste Anhaltspunkte fehlen, wo infolgedessen der
Phantasie, der Hypothese Thür und Thor geöffnet sind. Da wir auf
praktischem Boden stehen und Thatsachen suchen, wollen wir auf die-
sem Gebiete nicht allzuweit vordringen.


Daſs es eine Zeit gegeben hat, wo die Menschen den Gebrauch der
Metalle noch nicht kannten, sondern sich zu ihren Waffen und Werk-
zeugen der von der Natur direkt gebotenen Hilfsmittel, der Steine, des
Holzes, der Knochen bedienen muſsten, ist a priori klar und konnte
nur von verschrobenen Theologen, welche daraus, daſs Adam nach
[587]Einleitung zum Mittelalter.
der Vertreibung aus dem Paradies den Acker graben muſste, schlossen,
daſs Gott ihm einen eisernen Spaten gegeben haben müsse, Adam also
schon das Eisen benutzt habe, verkannt werden 1). Diese Thatsache, der
Nachweis einer metalllosen Zeit, der Periode, welche man die „Steinzeit“
nennt, ist durch die Archäologie genügend festgestellt. Ebenso erwiesen
ist es aber, daſs dieses Steinzeitalter nicht an einen bestimmten Zeit-
abschnitt gebunden ist, daſs diese Kindheit der Völker bei verschiedenen
Stämmen in ganz verschiedenen Zeiten ihren Abschluſs fand. Denn
während bei den Ägyptern und den Kulturvölkern Westasiens der Ge-
brauch der Metalle, die Anwendung von Steinwerkzeugen schon Jahr-
tausende v. Chr. verdrängte, so erhielt sich die Steinperiode im Norden
von Europa in einzelnen Gegenden bis zum Jahre 1000 unserer Zeit-
rechnung und bei den Völkern der Südsee finden wir diesen Zustand,
wenn auch rasch im Verschwinden begriffen, noch heutzutage. Für
uns hat es keine Bedeutung, daſs man die Steinperiode, die unzweifel-
haft einen viel gröſseren Zeitraum umfaſste, als seit der Entdeckung
der Nutzmetalle verstrichen ist, einteilt in tertiäre und quarternäre,
oder in die Zeit des Mastodons, des Rentiers u. s. w., oder in die Zeit
gespaltener oder geglätteter Steinwerkzeuge. Weit wichtiger ist es
für uns, daſs das Steinzeitalter im Süden von Europa früher geendet
hat, als im Norden. Nach der beliebten Theorie soll auf das Stein-
zeitalter das Bronzezeitalter gefolgt sein. Wir haben schon in der
Einleitung die theoretischen Gründe über die Unhaltbarkeit, ja Un-
möglichkeit einer solchen Annahme aufgeführt. Wir haben in dem
Verlauf unserer vorausgegangenen Erörterungen überall den Nachweis
liefern können, daſs sie für die älteren Kulturvölker, für die Ägypter,
Assyrer, Perser, Indier, Chinesen, Israeliten, Westasiaten, Griechen auch
aller thatsächlichen Begründung entbehrt. Wir haben auch schon
darauf hingewiesen, daſs eine so paradoxe Theorie nur durch eine ganz
einseitige Beobachtung archäologischer Funde ohne Berücksichtigung
der metallurgischen Wissenschaft entstehen konnte. Auf der anderen
Seite muſs eingeräumt werden, daſs für Europa, oder wenigstens für
einen Teil von Europa, die Priorität der Bronzezeit vielleicht eine ge-
wisse Berechtigung hat, insofern es möglich ist, daſs einzelnen Völkern,
welche diese Gegenden bewohnten, als sie noch im Steinzeitalter lebten,
die Bronze als erstes Metall durch den Handel zugeführt wurde. Wie
und woher dies geschah, geschehen konnte und geschehen muſste, ist
durch die früher aufgeführten Thatsachen genugsam erläutert. Wir
[588]Einleitung zum Mittelalter.
würden kein Wort über diesen Gegenstand weiter zu verlieren haben,
wenn nicht diese Anschauung von einer Schule von Gelehrten auf das
heftigste bekämpft würde. Früher waren es hauptsächlich französische
Gelehrte, welche eine originelle, keltische Bronzeindustrie, die älter
sei als der südöstliche Einfluſs auf die Bewohner Europas, lehrten.
Von dieser Seite ist, nachdem durch zahlreiche Funde und kritische
Untersuchungen ein reicheres Material zur Beurteilung geboten worden,
der Kampf eingestellt, oder wenigstens ein Waffenstillstand geschlossen
worden. Um so lebhafter wurde dieser Streit von den „nordischen Ge-
lehrten“, das heiſst von den skandinavischen Archäologen aufgenommen
und haben diese durch ihre groſse Rührigkeit einen nicht unbeträcht-
lichen Anhang auch in Deutschland sich erworben. Allerdings geben
die Verhältnisse Skandinaviens für die Verteidiger des Bronzezeitalters
in Europa die beste Grundlage. Die nordischen Gelehrten gingen
aber weiter und behaupteten auſser der Priorität der Bronze auch, daſs
die Metallindustrie des Nordens sich selbständig entwickelt habe, indem
die Gegenstände, die man im Norden fände und zwar gerade die her-
vorragendsten Sachen auch im Norden gefertigt seien. Ja, die Heiſs-
sporne dieser Richtung gingen sogar so weit zu behaupten, daſs die
Bronze überhaupt eine Erfindung der Nordeuropäer gewesen und von
diesen erst nach Südeuropa und Asien gebracht worden sei.


Zur Klarstellung unseres Standpunktes müssen wir auf den Gegen-
stand näher eingehen.


Wir wenden uns zunächst gegen die letzterwähnte, weitestgehende
Ansicht, weil sie gerade vom chemisch-metallurgischen Standpunkte
vorgetragen und verteidigt worden ist 1). Herr Dr. Wibel behauptet
und will beweisen, „daſs die Kultur der Bronzezeit eine durchaus
einheimische ist, ihrem ersten Ursprunge nach auf Groſsbritannien
zurückführt“. Er behauptet, daſs man in Britannien die Bronze
erfunden und zuerst dargestellt hat und zwar durch direktes Aus-
schmelzen eines Gemisches von Kupfer und Zinnerzen, daſs man in
Britannien auch die ersten Waffen aus Bronze gegossen habe und daſs
die Bronze und die Bronzegeräte von England aus verbreitet worden
seien.


„Unbekümmert um diese lokalen Wandlungen ursprünglicher Ge-
schlechter ging die Ausdehnung der Bronzekultur allmählich weiter und
weiter. In Frankreich war das Vordringen nicht schwer, bis endlich
[589]Einleitung zum Mittelalter.
das Meer einerseits und der Pyrenäenzug anderseits eine Schranke
zogen; in der Schweiz eröffnete das Rhonethal die Straſse nach dem
Süden an das Meer, der Ticino zu den groſsen Seeen Italiens; und zu
dem Lande führten die Stromgebiete der Elbe, Oder, Weichsel und
Donau. Immer begleitet von den auf den Norden zurückweisenden
Stoffen (Zinnerz und Bernstein) und auf dem Wege mündlicher Beleh-
rung über die Darstellung und Verarbeitung der Bronze unterrichtet,
muſsten die südwärts wandernden Völker, sei es, daſs sie zu einem
Stamme, sei es, daſs sie zu verschiedenen gehörten, mehr und mehr
eine künstlerisch fortgeschrittene und selbständige Haltung gewinnen.
Wenn auch der Norden, mit welchem sie ja in lebhaftem Handels-
verkehre blieben, ebenfalls nicht stille stand, so muſsten doch mit
der Zeit, beeinfluſst durch die Berührung mit neuen Völkerschaften
und durch die natürlichen Ortsverhältnisse, divergierende Geschmacks-
richtungen in den Artefakten hervortreten.


So hat sich die Bronzekultur von ihrer natürlichen Quelle, Britan-
nien, über ganz Europa bis an die Nordküste Spaniens, an die Nord-
ufer des Mittelländischen Meeres und bis in die apenninische Halbinsel,
Italien, ausgebreitet. Die Beweise hierfür geben die Funde, die man
an allen diesen Stätten gemacht und deren Ähnlichkeit mit den nordi-
schen so groſses Erstaunen und so mannigfaltig abweichende Deutung
erfahren hat. Besonders betone ich die in neuester Zeit enthüllten
Pfahlbauten Oberitaliens mit ihrem ergiebigen Inhalt, deren nördlicher
Ursprung ebenso wahrscheinlich ist, als es zweifelhaft bleibt, ob wir
sie den Etruskern zuschreiben dürfen. Ihr durchaus vorgeschichtlicher
Charakter läſst jeden Versuch einer Namengebung als erfolglos be-
zeichnen.“


Herr Dr. Wibel stellt also die bekannte Thatsache direkt auf den
Kopf und macht das barbarische Britannien zum Ausgangspunkt der
Weltkultur. Es genügt wohl, hiergegen anzuführen, daſs Cäsar in
seiner Schilderung von Britannien ausdrücklich erwähnt, daſs das
Kupfer zu seiner Zeit von auswärts eingeführt wurde 1). Eine bereits
zu Cäsars Zeit seit Jahrhunderten verschwundene und untergegangene
höhere Kultur anzunehmen ist allzu gewagt, um so mehr, da auch die
archäologischen Funde nicht den geringsten Anhalt für eine solche
Annahme bieten. Die chemischen und metallurgischen Gründe, welche
aber Herr Wibel für seine Behauptung anführt, sind gänzlich unhalt-
bar. Er behauptet, daſs seine Urbriten Bronze erhalten hätten durch
[590]Einleitung zum Mittelalter.
direktes Einschmelzen von zinnhaltigen Kupfererzen. In Cornwall
kommen allerdings Zinnerze und Kupfererze in demselben Gebiete in
unmittelbarer Nachbarschaft vor, selten auf denselben Gängen oder
Lagerstätten. Niemals hat man aber in diesen Gegenden weder heut-
zutage noch in historischen Zeiten Bronze auf diese Art durch direktes
Ausschmelzen eines Gemenges beider Erze dargestellt oder darzustellen
vermocht. Wäre dies so leicht möglich, so wäre nicht einzusehen,
warum man diese bequeme Methode der Bronzebereitung nicht bei-
behalten und weiter entwickelt hätte. Eine solche Bronzegewinnung
direkt aus den Erzen ist aber überhaupt gar nicht möglich. Die
Schmelztemperaturen der Kupfer- und Zinnerze liegen viel zu weit aus-
einander. Wollte man versuchen Zinn- und Kupfererze gleichzeitig
auszuschmelzen, so würde das Zinn längst reduziert, ausgeschmolzen
und wieder verschlackt sein, ehe das Kupfer nur anfinge zu schmelzen.
Überdies ist das Kupfer in den Erzen von Cornwall in Form von Kupfer-
kies, also von geschwefeltem Kupfer enthalten und diese Erze bedürfen
vor dem Einschmelzen zum mindesten einer vorausgehenden Röstung.
Wenn sich Herr Wibel auf das „hardmetal“ oder die „bottoms“ bei dem
englischen Kupferhüttenprozeſs beruft, weil diese mehr oder weniger
zinnhaltig sind, so kann er dies nur thun, weil er von dem Kupfer-
hüttenprozeſs und von der Bronzebereitung praktisch keinerlei Kenntnis
hat. Diese Zwischenprodukte haben mit der zähen, schmiedbaren, in
Formen gieſsbaren Bronze, wie sie die Alten in so vorzüglicher Qua-
lität darzustellen verstanden, weniger Ähnlichkeit als eine Kupfer-
speise mit Garkupfer. Die „bottoms“ sind ein Produkt, das nur bei
der Reinigung des Kupfers, bei der Herstellung der sogenannten „best
selected copper“ fällt, es ist deshalb geradezu monströs für einen
Hüttenmann, wenn jemand zu sagen wagt, diese alten Britannier
hätten Bronze wie die bottoms im englischen Raffinierverfahren gemacht
und Kupfer wäre dabei höchstens als Nebenprodukt gefallen, wie es
nicht minder verkehrt ist, zu behaupten, diese Britannier hätten die
Bronze wohl gekannt und dargestellt, das Zinn aber, welches doch aus
dem Zinnstein so ohne alle Mühe bei ganz niedriger Temperatur aus-
schmilzt, nicht; dieses hätten sie erst später kennen und benutzen ge-
lernt. Von demselben Wert ist denn auch die weitere Beweisführung,
daſs man aus den fremden Beimischungen mancher unreiner Bronzen,
welche die Ausnahme bilden, während die reinen und gleichmäſsig zu-
sammengesetzten bei weitem die Regel sind, ersehe, daſs die Bronze
von den Britanniern auf direktem Wege aus Erzgemengen dargestellt
worden wäre. Welche Produkte würden bei einem solchen Verfahren
[591]Einleitung zum Mittelalter.
fallen? Wie wäre alles dem Zufall anheim gestellt gewesen, während
wir doch sehen, wie auffallend gleichmäſsig die Bronzen der Alten zu-
sammengesetzt waren und wie sie für jeden Zweck mit Bewuſstsein
eine bestimmte Mischung wählten.


Die ganzen Behauptungen und Schluſsfolgerungen des Herrn
Wibel müssen wir deshalb mit Entschiedenheit zurückweisen.


Auf eine ganz andere Basis stellen sich denn auch die skandinavi-
schen Gelehrten 1). Diese halten ebenfalls bestimmt daran fest, daſs
die Bronze das älteste Metall war, welches die Völker der Steinzeit
des Nordens kennen lernten. Die meisten geben aber zu, daſs dieselbe
keine eigene Erfindung der Skandinavier gewesen sein kann, weil weder
in Dänemark noch in Schweden und Norwegen Zinnerze vorkommen
und an eine Kupfergewinnung in Skandinavien in der Steinzeit nicht
gedacht werden kann, daſs die Bronze vielmehr vom Auslande zuerst
eingeführt wurde. Einige nehmen an, daſs ein fremdes Bronzevolk
das Steinvolk unterjocht und ihre Metallindustrie in dem neuen Lande
fortgesetzt habe. Andere räumen ein, daſs die ersten Geräte aus
Bronze durch den Handel vom Auslande importiert wurden. Nach
dieser ersten Anregung hätte sich im Norden und zwar speziell in
Skandinavien aber alsbald eine selbständige Bronzetechnik entwickelt
von solcher Bedeutung, daſs dieselbe ganz Nordeuropa beherrschte.
Sowohl in Beziehung auf technische Fertigkeit, als auf Erfindungsgeist,
Geschmack stände die nordische Bronzezeit der etruskischen und
griechischen Kunst selbständig und ebenbürtig zur Seite. Die Zeit
dieser Blüte der nordischen Metallindustrie fiele in das erste Jahr-
tausend v. Chr. und wird von den skandinavischen Gelehrten meist
etwa von 800 bis 600 v. Chr. bis etwa zum 2. Jahrhundert n. Chr. geschätzt.
Wir können auch dieser Darstellung der Kulturentwickelung Nord-
europas nicht beistimmen. Der erste Einwand, der sich gegen diese
Theorie sofort aufdrängt, ist der: Wie konnte eine so entwickelte Tech-
nik so spurlos verschwinden? Denn wenn es wahr wäre, daſs es nor-
dische Künstler waren, welche alle diese zum Teil hervorragenden
Kunstarbeiten in Bronze ausgeführt hätten, so müſsten wir für die Zeit
der sechs Jahrhunderte v. Chr. einen Kulturzustand im Norden an-
nehmen, der etwa mit dem Westasiens in derselben Zeit zu vergleichen
wäre. Wo sind aber die Spuren einer solchen Kultur hingekommen?
Unmöglich kann man doch annehmen, daſs die Kultur des Nordens
[592]Einleitung zum Mittelalter.
sich nur auf diesen einzigen Zweig der Technik und auf diese einzige
Metalllegierung der Bronze beschränkt hätte; daſs diese Nordländer
in allen übrigen Dingen in dem primitiven Zustand des Steinzeit-
alters verharrt wären und einzig in bezug auf die Verarbeitung der
Bronze die höchste Kunstfertigkeit, die höchste Erfindungsgabe und
reifen Geschmack entwickelt hätten. Läge es nicht näher zu erwarten,
daſs diese hochbegabten Nordländer statt kunstvolle Prunkgeräte an-
zufertigen, sich solide Häuser gebaut hätten, um sich gegen die Härte
des rauhen Klimas zu schützen, daſs sie von den Fremden, welche
ihnen die Bronze zuführten, auch den Gebrauch des Eisens gelernt
hätten, dessen Erze sich so reichlich bei ihnen fanden, daſs sie end-
lich sich auſser vielen anderen Dingen auch die Kunst der Schrift
von jenen südlichen Händlern angeeignet haben würden? Von all
dem finden wir aber keine Spur. Wir finden nicht den Trieb, Städte
zu gründen zu einer Zeit, in der das stolze Niniveh schon zu einem
Schutthaufen geworden war, wir finden keine schriftliche Überlieferung
zu einer Zeit, als die Veden, der hebräische Kanon, die unsterblichen
Gesänge Homers längst niedergeschrieben waren. Auch erwähnt
kein Werk der reichen Litteratur des Südens dieser nordischen Glanz-
zeit, dieses nordischen Reichtums, dieser nordischen Kultur, wäh-
rend wir doch wissen, daſs bereits Verkehr zu Wasser und zu Lande
zwischen den Ländern des Mittelmeeres und Nordeuropa bestand.
Treten wir aber der Frage in technischer Beziehung näher, so wird
sich erst recht die Unhaltbarkeit der ganzen Theorie erweisen. Die
nordischen Gelehrten behaupten, und zwar gerade die neuere Schule
mit besonderem Nachdruck, eine strikte Folge einer Bronzekultur
auf die Steinzeit, mit Ausschluſs des Eisens. Daſs sie diese Bronze-
periode, die etwa ein Jahrtausend bestanden haben soll, in eine
ältere und in eine jüngere teilen, ebenso wie sie dies bei der nach-
folgenden Eisenzeit thun, hat für uns hier wenig Bedeutung. Dieser
Schematismus ist in den Museen von Stockholm und Kopenhagen er-
funden worden. Diese bedeutenden Sammlungen, die ganz nach der
Theorie der nordischen Gelehrten geordnet sind, bilden überhaupt die
Grundlage und das Beweismaterial der skandinavischen Gelehrten,
nicht die Funde, wie sie wirklich gemacht worden sind, sondern die
Weise, in der sie in den nordischen Museen erhalten, aufgestellt und
gruppiert sind. Danach freilich müſste es wahr sein, daſs es in der
nordischen Bronzezeit kein Eisen gegeben habe, ebensowie daſs die
schönen Bronzekunstwerke nur das Erzeugnis nordischer Schmiede
gewesen wären.


[593]Einleitung zum Mittelalter.

Die Sache verhält sich aber in Wirklichkeit ganz anders. Es sind
gar nicht selten eiserne Gegenstände neben den allerdings weit besser
erhaltenen und kunstvoller gearbeiteten Gegenständen von Bronze ge-
funden worden. Ja, solche Eisenfunde sind bekannt aus Zeiten, die
der „Bronzeperiode“ vorausgehen, die nach dem Schema der nordischen
Gelehrten dem „Steinzeitalter“ zuzurechnen wären.


In einer 16 Fuſs langen Steinkiste bei Banzelwitz auf Rügen,
welche 1793 aufgedeckt wurde, fand man 1) mit Feuersteinäxten und
einer Bernsteinperle ein altes, stark verrostetes Stück Eisen, das, wie
der Augenschein lehrte, vormals geschliffen gewesen war. Die ganze
Einrichtung des Grabes und der Fundbestand lassen keinen Zweifel
darüber, daſs wir es hier mit einem uralten und völlig unberührten
Steingrabe zu thun haben 2).


Ferner fand sich im sogenannten Pfennigkasten, einem groſsen
Steingrabe bei der Stubnitz auf Rügen, Eisenschlacke.


In Norddeutschland sind ähnliche Funde mehrfach beschrieben.
Schaaffhausen fand in einem mit Skeletteilen vollgepackten Gangbau
neben Feuersteinsachen, durchbohrten Wolfszähnen und Bernstein-
korallen auch zwei unförmlich gewordene Stückchen Eisen und einen
Streifen Kupfer 3). In den groſsen Totenkammern bei Beckum, welche
der Steinzeit angehören, fand man neben zahlreichen Stein- und
Knochengeräten eine wirtelförmige eiserne Kugel, ein eisernes Messer,
einen eisernen Nagel und einen schmalen Streifen Kupferblech, aber
keine Bronzen 4). Ebenso fand man Eisen in einem Steingrabe bei
Achim in Ostfriesland. Ein völlig unberührtes, 20 bis 30 Fuſs langes
Steingrab bei Wersabe im Hannöverschen enthielt neben Feuerstein-
äxten und fünf Urnen mit verbrannten Knochen auch zwei kleine
Eisenstücke, die sich bei der Untersuchung als wirklich metallisches
Eisen herausstellten 5).


In den Hünengräbern der Altmark wurden mehrfach Eisengeräte
aufgefunden 6).


Lisch berichtete über die Steingräber Mecklenburgs 7): „Das vor-
herrschende Material in diesen Gräbern ist allerdings Feuerstein und
man hat sie daher einer uralten Zeit zugeschrieben, in welcher der
Beck, Geschichte des Eisens. 38
[594]Einleitung zum Mittelalter.
Gebrauch der Metalle noch nicht bekannt war. Aber es ist unleugbar,
daſs in Mecklenburg in denselben auch Spuren von Eisen vorkommen;
gewöhnlich ist dieses Metall vergangen, aber man hat auch einzelne
noch ziemlich gut erhaltene Gegenstände aus ihnen herausgeholt. Die
nordischen und holländischen Forscher leugnen zwar das Vorkommen
von Eisen in diesen Gräbern, aber es lassen sich sichere Ausgrabungen
in Mecklenburg nicht wegleugnen. Dieses Vorkommen von Eisen setzt
die Bestimmung der Hünengräber einen Augenblick in Zweifel, aber
ein Hinblick auf die geographische Verbreitung derselben giebt Mut
zu weiterer Forschung. Die Hünengräber finden sich nämlich in allen
den Gegenden, in welchen die germanischen Kegelgräber vorkommen
und sind daher altgermanisch. Die spätere Zurückdrängung des Eisens
durch das römische Erz bleibt allerdings auffallend, aber der Mangel
an Technik zur vollkommeneren Bearbeitung des Eisens mag wohl
Veranlassung zur allgemeineren Aufnahme der schönen Kupferkompo-
sition durch die Bekanntschaft mit den Römern geworden sein, auch
kommen allerdings Beispiele vor von dem fortgesetzten Gebrauche des
Eisens in den Kegelgräbern.“


Diese Ausführung Lisch’s an dieser Stelle ist sehr objektiv und
bemerkenswert.


In Dänemark ist eine ganze Reihe ähnlicher Funde zu verzeichnen.
Prinz Friedrich, der nachmalige König, lieſs 1834 einen Grabhügel bei
Jägerspriis auf Seeland öffnen, der neben Feuersteinwaffen einen groſsen
zusammengerosteten Eisenklumpen von 15 Zoll Länge enthielt, der an
der dicksten Stelle 5 Zoll Durchmesser hatte. Ebenso fand er auf der
Insel Möen im Jahre 1827 bei Eröffnung einer groſsen Steinkammer in
einem Hügel bei Elmelunde als Totenbeigabe neben den Stein- und
Knochengeräten ein kleines 1½ Zoll langes, oben vierkantiges, unten
spitziges Stück Eisen nebst einem kleinen Stückchen Kupfer 1). Ebenso
versichert Paludan, daſs er in den Dolmen von Möen sowohl verarbeitetes
Eisen, wie Erzstücke gefunden habe 2).


Worsaae, der jetzt der hervorragendste Führer der strengen Drei-
teilung der Kulturperioden geworden ist, fand selbst im Jahre 1838
im Kirchspiele Veibye, Amt Frederiksborg, in einer groſsen Stein-
kammer auſser vielen Keilen, Messern, Hämmern, Pfeilspitzen von
Flintstein auch „ein Stück krumm gebogenes Eisen, 2½ Zoll lang und
2 Zoll breit, das in der Mitte durchbohrt, dessen Bestimmung aber
nicht mehr zu erkennen war“. Ein zweiter Fund desſelben Gelehrten
[595]Einleitung zum Mittelalter.
an demselben Orte ergab auſser den Knochenfunden und einem ge-
wöhnlichen Flintmesser ein Eisenstück in Form eines Messers, 2½ Zoll
lang und ¾ Zoll breit. Mittels eines seitlichen Nagels war dasſelbe
befestigt an einem Holzstückchen, das vermutlich als Griff gedient
hatte, aber beim Berühren sofort in Staub zerfiel 1). Worsaae fügt
hinzu: „Es ist höchst merkwürdig, daſs man gerade in diesen gröſsten
Steingräbern des Kirchspieles Eisensachen finden muſste, von denen,
ihrer Lage nach zu urteilen, nicht angenommen werden kann,
daſs sie in späterer Zeit hineingekommen sind
.“ Und trotz-
dem ist es gerade Worsaae, der dem starren Schematismus zu lieb im
Jahre 1854 behauptete, das Steinzeitalter hätte jeder Kenntnis der
Metalle ermangelt 2).


Was nun Schweden anlangt, so sind auch dort Fälle genug
bekannt geworden, wo man in charakteristischen Steingräbern Eisen,
aber keine Bronze fand.


Nilsson fand in einem Gangbau Steinkisten, die nur mit Erde
und Rasen überdeckt sind. Man hält sie mehr für Wohnungen, als
für Grabkammern. Sie enthielten neben Steingeräten, Topfscherben,
Asche und Kohlen, Eisenstücke, in jedem meist ein, selten zwei Stücke.
Nilsson, der, obgleich er in der Erklärung der Bronzeperiode nicht
den beschränkt patriotischen Standpunkt der jüngeren Gelehrten ein-
nimmt, doch ein eifriger Verfechter eines reinen Bronzezeitalters ist,
sucht dies in sehr geschraubter Weise dadurch zu erklären, daſs man
diese Eisenstücke erst später, um die Gespenster zu vertreiben, hinein-
gethan habe 3). Diese wunderbare Theorie, daſs alle diese Eisenbeigaben
in die zum Teil sorgfältig verschlossenen Gräber erst nachträglich
durch Zufall hineingelegt seien, ist der Rettungsanker der strengen
Schematisten des Nordens geworden. Zunächst war es Danneil, der
zuerst die Behauptung aufstellte, die alten Hünengräber wären später
von Slaven zum zweitenmal als Begräbnisstätten benutzt worden und
auf diese Art wäre das Eisen in die Grabkammern gekommen. Selbst
der ehrliche Lisch atmete auf, als diese Erklärung ans Licht kam
und nennt es „eine interessante Beleuchtung über die Eisenfrage“.
Wir sind geneigt, diese Absurdität mit einem weniger lobenden Worte
zu kennzeichnen. Denn die meisten der oben erwähnten Eisenfunde
entstammen Gegenden, die nie von Slaven bewohnt waren 4).


Worsaae fand den Ausweg. Obgleich er beim Auffinden der
38*
[596]Einleitung zum Mittelalter.
Eisensachen von Veibye es für unmöglich erklärt hatte, daſs dieselben
später hineingeraten seien, meinte er doch bald darauf 1), es sei sehr
wahrscheinlich und wohl zu beachten, daſs das Eisen in jüngerer Zeit
niedergelegt und zufällig hineingefallen sei. Dieses „zufällige Hinein-
fallen“ wurde von da an ein Schlagwort der nordischen Schematisten
und ist es noch heute. Ein solches Verleugnen klarer, nackter That-
sachen ist für uns aber unannehmbar und es verlohnt sich gar nicht
der Mühe, die Unhaltbarkeit dieser Behauptung im einzelnen nachzu-
weisen, denn wer zu solchen Ausflüchten greift, der will der Wahrheit
nicht ins Gesicht sehen.


Wie weit eine solche Methode, welche die „nordischen Forscher“
mit Stolz eine „wissenschaftliche“ nennen, führt, erhellt zur Genüge
daraus, daſs Cartailhac auf dem Londoner archäologischen Kongreſs
1868 ganz freimütig eingestand „es seien ihm Eisenfunde in gallischen
Gräbern mehrfach vorgekommen, doch habe er dieselben auf Anraten
Mortillets unerwähnt gelassen“ 2).


In gleicher Weise haben Worsaae und Nilsson in späteren Auf-
lagen und Berichten die früher von ihnen bekannt gemachten bezüg-
lichen Thatsachen unterdrückt.


Diese Verhüllung und Verdrehung von Thatsachen der Theorie zu
Liebe sticht grell ab gegen die ruhige Unbefangenheit der früheren
nordischen Gelehrten. Die Commission der dänischen Gelehrten des
Jahres 1842 erklärte ausdrücklich: „Man darf durchaus nicht annehmen,
daſs das Eisen während der Bronzezeit unbekannt war, sondern nur,
daſs man es in geringerer Menge kannte und verwendete 3).“ Und
Thomsen, der als der Erfinder der nordischen drei Kulturperioden zu
betrachten ist, setzte die Erbauung der Steinkammern in eine Zeit, als
die ersten Metalle nach und nach im Norden in Gebrauch kamen.


Wir glauben aus den angeführten Thatsachen folgern zu dürfen, daſs
das Eisen das erste Nutzmetall war, welches die Bewohner Nordeuropas
kannten. Aus der Einfachheit und Spärlichkeit der Eisenfunde dürfen
wir allerdings schlieſsen, daſs seine Anwendung ursprünglich beschränkt
war, daſs es aber in den betreffenden Ländern selbst bereitet und nicht
durch den Handel eingeführt wurde, denn in diesem Falle würde man
analog den Bronzefunden kunstvollere Produkte erwarten müssen. Das
Eisen war in jener fernen Zeit selten und kostbar, wie dies ja nach
Tacitus’ Bericht noch der Fall war, als die Römer mit den Germanen
zuerst in Berührung traten. Nun erscheint plötzlich im Norden die
[597]Einleitung zum Mittelalter.
Bronzezeit und diese tritt uns von Anfang an in künstlerischer Aus-
bildung entgegen. Wäre die Bronze eine Erfindung der Nordländer,
so müſste man erwarten, daſs sie von den rohesten Produkten ganz
allmählich zu kunstvolleren sich fortentwickelt haben müſste. Dies ist
aber durchaus nicht der Fall. Eher das Gegenteil, wenigstens sind die
nordischen Gelehrten darin einig, daſs die „ältere Bronzeperiode“
kunstvollere und exaktere Arbeiten aufzuweisen hat, als die jüngere.


Die Erfindung und unabhängige Entwickelung dieser Metallindu-
strie im Norden ist deshalb unmöglich. Wie ist die Erscheinung zu
erklären? Hierfür giebt es zwei Möglichkeiten. Entweder hat ein
bronzekundiges Volk das Steinvolk besiegt und unterdrückt, oder die
kunstvollen Bronzegeräte kamen von auſsen durch Handel und Raub
in das Land. Erstere Erklärung ist recht bequem, aber ganz unhalt-
bar. Zunächst ist so ziemlich erwiesen, daſs der Übergang aus der
Steinzeit in die Bronzezeit kein gewaltsamer war. Sitten und Gebräuche
der Völker der späteren Steinzeit und der älteren Bronzezeit sind
nicht wesentlich verschieden. Wo sollte ein solches nur mit Bronze-
geräten ausgerüstetes Volk herkommen um Skandinavien zu erobern?
Wo sollte es in der Folge seinen ausgedehnten Bedarf an Bronze her-
beziehen, welche es für seine nationale Industrie in dem Jahrtausend
seiner Herrschaft bedurfte? Diese Fragen sind nicht zu beantworten
und wenn man es versuchen will ihnen nahe zu treten, erweist sich
die Unmöglichkeit der ganzen Hypothese. Wir können deshalb keine
andere Ansicht gelten lassen, als daſs die Bronzeperiode des Nordens
durch den Handel veranlaſst und eingeleitet wurde. Auf welchem
Wege sich solche Handelsbeziehungen entwickeln konnten, ist für uns
nach allem Vorausgegangenen nicht schwer zu begreifen. Wir kennen
die Bedeutung des phönizischen Handels vom Jahre 1200 bis über
700 v. Chr., wir kennen die Bedeutung des griechischen Handels von
700 bis 300 v. Chr., wir kennen die Bedeutung des etruskischen Han-
dels vom 8. bis 3. Jahrhundert für Italien und die Nachbarländer, wir
kennen die Bedeutung des römischen Handels, welcher die Erbschaft
aller übrigen Völker antrat. Für alle diese genannten Völker gehör-
ten Bronzewaren zu den wichtigsten Handelsartikeln. Nilsson, welcher
einer der objektivsten schwedischen Archäologen ist, hat zuerst die
Theorie aufgestellt, daſs die nordischen Bronzen durch den phönizischen
Handel an Skandinavien gelangt seien. Im Prinzip hat er gewiſs insofern
Recht, als die Phönizier die Gründer und Anreger des ganzen inter-
nationalen Handelsverkehrs in Europa waren. Da aber der phönizische
Handel bereits im Verfall war und seine Selbständigkeit verloren hatte,
[598]Einleitung zum Mittelalter.
als die ältere Bronzezeit des Nordens blühte und da gerade diese Pe-
riode mit der glänzendsten Zeit des etruskischen Handels zusammenfällt,
indem die ältesten skandinavischen Bronzefunde nicht älter als um
400 v. Chr. zu veranschlagen sind, so müssen wir mehr Lindenschmit
beipflichten, der den Standpunkt Nilssons noch schärfer vertritt, aber
Italien, insbesondere Etrurien, zum Ausgangspunkt und Ursprungsort
der skandinavischen Bronzen der älteren nordischen Bronzezeit macht.
Dies wird auch unterstützt durch die Vergleichung der Formen der
Bronzegegenstände, die in vielen Fällen direkt auf etruskischen Ur-
sprung hinweisen. Daſs auch Griechenland an dem nordischen Handel
teilnahm, geht daraus hervor, daſs man zahlreiche griechische Münzen
in Skandinavien, besonders im südlichen Schweden bis nach Finnland
hin aufgefunden hat. Unzweifelhaft ging schon sehr früh eine Land-
handelsstraſse vom Schwarzen Meer, Donau aufwärts durch Ungarn,
Polen und Westdeutschland nach dem Norden. Daſs es später die
Römer waren, welche sich dieses nordischen Handels bemächtigten,
liegt in der Entwickelung der Verhältnisse bedingt, obgleich bei diesem
politischen Wechsel die Bezugsquellen und Handelswege nicht wesent-
lich alteriert wurden. Es ist anzunehmen, daſs der Landhandel in der
früheren Zeit die Kommunikation hauptsächlich vermittelte und weit
wichtiger war als der Seehandel. Erst in der nachchristlichen Zeit
und noch mehr, als die Skandinavier selbst ein seefahrendes Volk wur-
den, fiel dem Seehandel ein wesentlicher Anteil an dem Handels-
verkehr zwischen Nord- und Südeuropa zu, natürlich immer zuerst
durch Vermittelung von Zwischenstationen, von wichtigen Stapel- und
Hafenplätzen.


Diese Entwickelung des europäischen Handels entspricht auch
ganz der Entwickelung der nordischen Bronzekultur. Es war nicht zu
verwundern, daſs die barbarischen Bewohner des Nordens die gold-
schimmernden, schönfarbigen Gefäſse, Geräte, Schmucksachen und
Waffen gern eintauschten gegen ihre Tierfelle und ihre Kriegsgefange-
nen, die als Sklaven nach dem Süden geführt wurden. Im Gegensatz
zu dieser Auffassung wollen nun die modernen „nordischen Forscher“
behaupten, daſs der fremde Einfluſs auf die Entwickelung der skandi-
navischen Bronzetechnik nur ein unbedeutender, vorübergehender ge-
wesen sei, daſs allerdings die ersten Bronzegeräte den Skandinaviern
durch den Handel zugeführt worden seien, daſs sich aber alsbald eine
selbständige, umfangreiche Bronzetechnik daselbst etabliert habe,
daſs sich ein selbständiges Kunstgewerbe und eine selbständige Ge-
schmacksrichtung entwickelt habe, und daſs alle die kunstvoll ge-
[599]Einleitung zum Mittelalter.
arbeiteten Bronzen des Nordens dieser originellen, nordischen Bronze-
industrie ihren Ursprung verdanken. Die Skandinavier hatten in
der Folge nur das Rohmaterial, wie Montelius meint, in der Form
fertiger Bronzebarren aus dem Auslande bezogen. Es ist wohl über-
flüssig, diesen Standpunkt im einzelnen zu bekämpfen. Er beruht
zunächst auf der Unterstellung, daſs die in Skandinavien gefundenen
Formen originelle, nordische Formen, sogenannte nordische Typen
seien. Wo dieselben Formen im Süden gefunden werden, müssen sie
aus dem Norden eingeführt sein. Es wird also selbst ein bedeutender
Exporthandel unterstellt. Wo in aller Welt sind aber — ganz abge-
sehen von der Unmöglichkeit, daſs sich ein metallurgisches Kunst-
gewerbe bei einem barbarischen Steinvolk, welches im übrigen in
seiner ganzen Rohheit versunken blieb, so rasch entwickeln konnte —
wo sind die Spuren einer so bedeutenden, selbständigen Industrie ge-
blieben? Für eine solche Technik müſsten doch entsprechende Werk-
zeuge, Anlagen, Arbeitsstätten, Warenlager vorausgesetzt werden. Von
alle dem findet sich bei den, nach germanischer Sitte zerstreut woh-
nenden Nordländern keine Spur und bei ihrem ersten Auftreten in der
Geschichte erscheinen die nordischen Germanen noch unkultivierter
und wilder, wie die Germanen des Kontinents. Wohl hat sich allmäh-
lich, wie dies überall da der Fall war, wo Bronzegeräte in Verwendung
standen, eine gewisse metallurgische Technik der Form- und Schmelz-
kunst entwickelt, soweit, daſs man im stande war, abgängige Bronze-
geräte, den Bruch, zu den landläufigsten, einfachsten Gegenständen
umzugieſsen. Engelhardt konstatiert, daſs wohl einige Bronzegegen-
stände im eigenen Lande gefertigt wurden 1), und Lisch ist der Ansicht,
daſs einige jüngere Bronzen im Lande selbst gegossen sind, während
die in den Kegelgräbern vorkommenden, mit schönem edlen Rost über-
zogenen, immerhin eingeführte Arbeit sein mögen 2). Dies steht weit
ab von der Behauptung der jetzigen Schule, die Alles und gerade die
besten Arbeiten als Produkte nordischer Industrie erklärt.


Unsere Ansicht geht dahin, daſs die durch den Handel und Ver-
kehr angeregte Bronzetechnik des Nordens nur eine beschränkte war,
daſs sie sich, wie auch in anderen Gegenden Europas nur mit dem
Umschmelzen von Bronzebruch und dem Gieſsen der gewöhnlichsten
Geräte befaſste, während die kunstvollen Bronzen importierte Waren
sind. Es geht dies schon daraus hervor, daſs diese letzteren weit mehr
Tand und Schaugeräte, als Gegenstände notwendigen oder unentbehr-
lichsten Gebrauches waren.


[600]Einleitung zum Mittelalter.

Ist auch die Zahl der in den nordischen Museen gesammelten
Bronzen eine beträchtliche, so fällt doch der Mangel an Mannigfaltig-
keit der Verwendung auf, namentlich wenn man einen vergleichenden
Blick auf die Funde von Süd- und Mitteleuropa, z. B. auf den Fund
von Hallstadt, wirft. Handwerksgeräte fehlen fast gänzlich, Acker-
geräte sind kaum nachweisbar. Dagegen finden sich sonderbare Hänge-
gefäſse in groſser Zahl, die wahrscheinlich als Räucherbecken gedient
haben und entschieden etrurischen Charakter zeigen. Dann werden
die Bronzeschwerter des Nordens als besonders charakteristisch ange-
führt. Dieselben Schwertformen, deren gröſste Eigentümlichkeit in
einem auffallend kurzen Griff besteht, finden sich auch im übrigen
Europa und können durchaus nicht als spezifisch „nordisch“ bezeichnet
werden. Die überlegene Kunst, welche sich an diesen schöngearbeiteten,
kunstvoll verzierten Klingen zeigt, deutet allerdings auf eine hohe
Technik, die aber nicht in Skandinavien, sondern in etrurischen Fabriken
ihre Heimat hatte. Im ganzen erscheinen diese reichdekorierten,
schönen Schilfblattschwerter als Prunkwaffen, wenigstens waren sie
gewiſs nur Waffen der Vornehmsten. Von den Dolchen, Messern und
Schildbuckeln, von den schönen Spangen, den Ringen und Diademen
läſst sich dasſelbe sagen. Wir haben keinen Grund, näher auf diese
Technik einzugehen. Für uns ist das Wichtigste, daſs der Gebrauch
des Eisens, der den Nordländern schon vor der Einführung der glänzen-
den Bronzewaren bekannt war, auch während dieser Bronzeperiode im
Gebrauche blieb, wie durch mancherlei Funde bestätigt wird. Die Be-
arbeitung der Bronzen setzt ebenfalls bereits die Anwendung von
Stahlwerkzeugen voraus; daſs die Punzierung und Gravierung der
kunstvollen Bronzegeräte mit Bronzewerkzeugen ausgeführt sein könne,
ist ebenso unmöglich, wie die Bearbeitung der groſsen Granitfiguren
der Ägypter mit Bronzemeiſseln, wir verweisen in dieser Beziehung
auf die gediegene Untersuchung Hostmanns 1). Auch würden die
Nordländer, wenn sie das Eisen noch nicht gekannt hätten, von den
Händlern, die ihnen die Bronze brachten, sicher auch das Eisen
kennen gelernt haben, da wir bestimmt wissen, daſs alle in Frage
kommenden Handelsvölker in der Zeit des Beginnes der nordischen
Bronzezeit das Eisen verwendeten, und mit Eisenwaffen ausgerüstet
waren. Gerade daraus, daſs die Skandinavier das Eisen schon kannten,
läſst sich erklären, daſs die Fremden ihnen mit Vorliebe oder aus-
schlieſslich die Bronze, die sie nicht kannten und hoch bezahlten, ver-
[601]Einleitung zum Mittelalter.
handelten. Allerdings tritt das Eisen bei den Grabfunden zurück, die
Gegenstände aus diesem Metall sind einfach und unscheinbar, auf ihre
Herstellung war wenig Kunst verwandt worden. Gerade dadurch aber
erweist sich die Eisendarstellung als national. Das Eisen war zu gering,
zu gewöhnlich, um als Totenbeigabe für die Helden zu dienen. Daſs
man es aber zur Zeit der Bronzeperiode kannte, ist erwiesen und daſs
es in viel ausgedehnterem Gebrauch stand als aus den Grabfunden zu
folgern wäre, ist nicht zu bezweifeln, denn aus was bestanden wohl die
notwendigsten Geräte und Werkzeuge zu jener Zeit? Hätten dieselben
aus Bronze bestanden, so würden sie erhalten geblieben sein, dann
müſsten wir sie finden. Werkzeuge aus Bronze sind aber im Norden
sehr selten gefunden worden. Aus was bestand die gewöhnliche Holz-
axt, das Beil des Zimmermannes, die Hacke und Schippe des Land-
mannes? Diese notwendigen Geräte müssen die Nordländer gehabt
haben, wenn sie auch nicht im stande waren, die ihnen zugeschriebenen
Kunstarbeiten aus Bronze herzustellen. Da sie das Eisen kannten, so
werden diese Geräte, wie überall, aus diesem geeignetesten und billigsten
Metall hergestellt worden sein. Daſs wir keine Überbleibsel davon
finden, ist nicht zu verwundern, denn wie selten finden sich dieselben
Geräte aus den Jahrhunderten vor Christi Geburt in den südlichen
Ländern, woselbst deren Verwendung ausdrücklich bezeugt ist. Im
Norden aber, in dem feuchten Klima, wo Sommerhitze und der Frost
des Winters schärfer kontrastieren, ist das metallische Eisen noch weit
rascher der gänzlichen Zerstörung unterworfen.


Nach dem Schema der nordischen Gelehrten wäre das Eisenzeit-
alter erst nach Christi Geburt dem Nordlande erschienen. Nach einigen
soll dies wiederum durch eine politische Umwälzung, durch den Ein-
bruch eines eisenkundigen Volkes geschehen sein, Hildebrandt bezeich-
nete dieselben als den Stamm der „Götar“, der aus dem inneren
Russland kam, nach anderen war es der eisenführende römische Kultur-
strom 1), der diesen Ursprung bewirkte. Für uns haben diese ganzen
Erörterungen nordischer Gelehrten über das Eisenalter und zwar
sowohl die über das erste, was bis zum 5. Jahrhundert in Schweden
gedauert haben soll, als die über das zweite, was bis etwa zum Jahre
Eintausend hinaufreichen soll, nur sehr geringes Interesse, denn die Be-
hauptung, daſs erst nach Abschluſs der Bronzezeit etwa im 2. Jahrhundert
n. Chr. der Gebrauch des Eisens im Norden bekannt geworden sei, ist
unrichtig und das Material, was zur Illustration der sogenannten beiden
[602]Einleitung zum Mittelalter.
Eisenalter in den nordischen Museen erhalten ist, bietet für unsere
metallurgische Untersuchung wenig Veranlassung zu Erörterungen.
In den Erklärungen der nordischen Gelehrten macht sich auch hier
wieder die Sucht bemerklich, Alles und namentlich das Beste einer
einheimischen Industrie zuzuschreiben. Wir haben dies bereits bei den
zu Nidam gefundenen römischen Schwertern oben erwähnt, die, ob-
gleich sie römische Namen der Verfertiger und Fabrikzeichen trugen,
doch nordischen Künstlern zugeschrieben worden sind.


Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die in Nordeuropa ge-
fundenen eisernen Geräte, so finden wir, daſs die Eisenverarbeitung im
Norden schon in sehr früher Zeit bekannt war. Dies wird durch die
Originalität gewisser häufig vorkommender Formen bestätigt. Es gilt
dies ganz besonders von einer oft wiederkehrenden halbmond- oder
halbringförmigen Form eiserner Messer (Wiegemesser) (Fig. 165 bis 170),
die einerseits in die Form eines Hackmessers (Fig. 171 u. 172), andererseits
in die Säbelform übergehen (Fig. 173 bis 175), von denen einige aller-
dings wieder an bekannte altetruskische (Fig. 173) und ägyptische
(Fig. 174 u. 175) erinnern 1). Der Schaftkelt (Fig. 176) ähnelt den Formen
von Hallstadt; ebenso die eisernen Messer mit Bronzegriff (Fig. 177).
Charakteristisch sind ferner die eisernen Pincetten (Fig. 178), der eiserne
Halbring (Fig. 179) und die eisernen Armringe (Fig. 180). Die Lanzen-
spitzen (Fig. 181) gleichen bekannten Formen. Geradezu als importiert
sind die Schwerter von dem berühmten Moorfund von Vimose (Fig. 182)
zu betrachten, von denen die (Fig. 182) abgebildeten mit denen von
Hallstadt übereinstimmen, während die in Jütland ausgegrabenen voll-
ständig die Form der Schwerter von la Têne (Marin) zeigen.


Der Übergang aus der Bronzezeit in die Eisenzeit war durch-
aus kein plötzlicher, wie dies besonders auf der Insel Bornholm nach-
zuweisen ist, von der Einwanderung eines Eisenvolkes, das die Bronze-
kultur plötzlich vernichtete, kann also gar nicht die Rede sein. Vom
zweiten Jahrhundert ab wurden die Skandinavier in Krieg mit Rom
verwickelt, da hörte die eigentliche Handelsverbindung, der Bezug der
Bronzewaren auf, andererseits drückte die Kriegsnot den Nordländern das
eiserne Schwert in die Hände und zwang sie zu vermehrter Beschaffung
dieses Metalls aus eigenen Quellen und zu erhöhten Leistungen auf dem
Gebiete der Eisenverarbeitung und damit war die Bronzezeit begraben.


[603]Einleitung zum Mittelalter.
Figure 165. Fig. 165.

Figure 166. Fig. 166.

Figure 167. Fig. 167.

Figure 168. Fig. 168.

Figure 169. Fig. 169.

Figure 170. Fig. 170.

Figure 171. Fig. 171.

Figure 172. Fig. 172.

Figure 173. Fig. 173.

Figure 174. Fig. 174.

Figure 175. Fig. 175.

Eiserne Messer: 165 von Bornholm; 166 von Schweden; 167 Westpreuſsen; Dom-
browo, Sammlung (Thorn), Ostpreuſsen; 168 Pommern (Persanzig) und Mecklen-
burg; 169 Hannover (Heyhausen, Amt Fallersleben) und Holstein; 170 Brandenburg
(Wustrau); 171 Sachsen und Lausitz; 172 Mecklenburg; 173 u. 174 Schlesien und
Posen (häufig z. B. im Urnenfeld von Beichau); 175 Mecklenburg, Kothendorf 1).


[604]Einleitung zum Mittelalter.
Figure 176. Fig. 176.

Figure 177. Fig. 177.

Figure 178. Fig. 178.

Figure 179. Fig. 179.

Figure 180. Fig. 180.

Figure 181. Fig. 181.

Figure 182. Fig. 182.

[605]Einleitung zum Mittelalter.

Ist die älteste Geschichte Skandinaviens auch noch in vielfaches
Dunkel gehüllt, so hat doch der Eifer der Archäologen bereits manches
Licht über diese prähistorische Zeit verbreitet und wir haben uns des-
halb um so lieber bei diesen archäologischen Kontroversen aufgehalten,
weil die nordischen Gelehrten im Vordertreffen des Meinungskampfes
über die metallurgische Entwickelung stehen und weil die mitgeteilten
Ergebnisse auf den gröſsten Teil des übrigen Europas anwendbar sind.


Es ist deshalb nur ein scheinbarer Sprung, wenn wir uns von
Skandinavien der Schweiz zuwenden und die interessanten Ergebnisse
der Untersuchung der Pfahlbauten vom metallurgischen Standpunkte
aus beleuchten. Hier wie dort verdanken wir die Bereicherung unserer
Kenntnisse fast ausschlieſslich der archäologischen Forschung.


Selten wohl hat eine archäologische Entdeckung solche Sensation
hervorgerufen, als diejenige des Pfahlbaues bei Meilen im Zürichersee
und die geniale Interpretation derselben durch Ferdinand Keller1).
Lange schon waren den Fischern die zahlreichen alten Pfahlstumpfen
in der Nähe der Seeufer bekannt, aber über ihren Ursprung wuſste
man nichts und niemand gab sich die Mühe, danach zu forschen. Erst
als im Winter 1853/54 der Wasserspiegel des Zürichersees ungewöhn-
lich tief sank, so daſs die Pfähle des Pfahlbaudorfes von Meilen bloſs-
gelegt wurden, lenkte der Lehrer von Ober-Meilen, Herr Äppli, die
Aufmerksamkeit der antiquarischen Gesellschaft von Zürich und speziell
Ferdinand Kellers auf die mannigfachen Funde, die er innerhalb des
Pfahlgebietes gemacht hatte. Nach genauer Prüfung erkannte Keller,
daſs die unscheinbaren Pfahlreste die Fundamente eines einstmals be-
wohnten Seedorfes gewesen sein muſsten, und seine klare verständige
Erklärung wurde die Veranlassung zu rasch aufeinanderfolgenden Ent-
deckungen, die seine Theorie bestätigten und erweiterten. In fast allen
Seeen der Schweiz fanden sich die Reste ähnlicher Ansiedelungen,
welche eine so reiche Ausbeute von Fundobjekten gewährten, daſs aus
ihnen in kurzer Zeit die Lebensweise einer vergessenen, unbekannten
Bewohnerschaft, der längst verschollenen Vorfahren eines groſsen Teils
des Schweizervolkes bis zur Evidenz nachgewiesen werden konnte.
Weit in das Steinzeitalter, d. h. in die Zeit vor der Bekanntschaft mit
den Metallen, reichten diese Ansiedelungen zurück, die aber zum Teil
bis in die historische Zeit, bis in die Zeit der römischen Herrschaft
fortgedauert haben müssen.


[606]Einleitung zum Mittelalter.

So auffallend es auf den ersten Blick erscheinen mochte, daſs
ganze Dörfer von den Urbewohnern der Schweiz in das Wasser gebaut
gewesen sein sollen, so plausibel erschien dieses Vorgehen bei näherer
Betrachtung. Gerade der Mangel an Verteidigungsmitteln gegen alle
Arten von Feinden, gegen feindliche Menschen und feindliche Tiere,
muſsten die Bewohner veranlassen, möglichst schwer zugängliche
Wohnungen zu bauen und da lag der Gedanke solcher Wasserbauten,
die durch das einfache Aufziehen der Verbindungsbrücke unzugänglich
gemacht werden konnten, nahe. Auch sind derartige Anlagen durch
die Geschichte bezeugt und bei Völkern ähnlichen Kulturzustandes
heute noch in Gebrauch, so z. B. auf Neuseeland, in Venezuela, wo die
Indianer solche Wasserhütten bauen, um sich vor den wilden Tieren
und dem massenhaften Ungeziefer zu schützen. Herodot beschreibt
solche Wasserdörfer, die zu seiner Zeit noch in Thrazien bestanden.
Er meldet: „Die Päonier vom See Prasias (in Thrazien) waren durch-
aus nicht zu unterwerfen. Nichts destoweniger versuchte es Megalazos.
Ihre Häuser waren in folgender Weise gebaut:


Mitten im See stehen zusammengesetzte Gerüste auf hohen
Pfählen und dahin führt vom Lande nur eine einzige Brücke. Und die
Pfähle, auf denen die Gerüste ruhen, richteten in alten Zeiten die
Bürger gemeinsam auf; nachher aber machten sie ein Gesetz und nun
machen sie es also:


Für jede Frau, die ein Mann heiratet, holt er drei Pfähle aus dem
Gebirge, das der Orbelos heiſst und stellt sie unter; es nimmt sich aber
ein jeder viele Weiber. Sie wohnen aber daselbst auf folgende Art:
Es hat ein jeder auf dem Gerüst eine Hütte darin er lebt, und eine
Fallthür durch das Gerüst, die da hinuntergeht in den See. Die kleinen
Kinder binden sie mit einem Fuſs an mit einem Seil, aus Furcht, daſs
sie hinunterfallen. Ihren Pferden und ihrem Lastvieh reichen sie
Fische zum Futter. Davon ist eine so groſse Menge, daſs, wenn einer
die Fallthür aufmacht und einen leeren Korb an einem Strick hinunter-
läſst in den See und zieht ihn nach kurzer Zeit wieder hinauf, so ist
er ganz voll Fische.“


Ebenso giebt uns der Text zu Albufedas Karte von Syrien die
Beschreibung von Pfahlbaudörfern 1). In Irland bestanden solche See-
Ansiedelungen, die Crannoges, Holzinseln, bis in das Mittelalter hinein.
Überhaupt überzeugte man sich bald, daſs diese Pfahlbauanlagen nicht
auf die Schweiz beschränkt waren; man entdeckte solche in den Seeen
[607]Einleitung zum Mittelalter.
Ober- und Mittel-Italiens, im Starenberger See und in den Seeen
Norddeutschlands. Daraus ging klar hervor, daſs diese Anlagen nicht
einem Stamme eigentümlich, sondern daſs die dortigen Anlagen im
Steinzeitalter allgemein gebräuchlich waren. Es ist durchaus ver-
kehrt zu glauben, daſs alle Bewohner jener Gegenden, wo sich
Pfahlbauten finden, damals ausschlieſslich in diesen Wasserdörfern
gewohnt hätten, vielmehr waren diese Anlagen zunächst nur Fischer-
dörfer, die aber allerdings im Kriege auch als Zufluchtsort benutzt
wurden. In diesem Sinne erhielten sie sich denn auch bis in historische
Zeiten hinein, als die Bewohner bereits mit den Metallen und Metall-
waffen bekannt geworden waren. Bemerkenswert ist, daſs bei den
Pfahlbauten des Alpengebietes die Bronzefunde derart vorherrschen,
daſs, wenn man die erhaltenen Objekte als alleiniges Beweismittel
nimmt, die unmittelbare Folge einer Bronzezeit auf die Steinzeit und
vor der Eisenzeit für jenes Gebiet sehr wahrscheinlich erscheinen
würde. Auch ist gerade in der Schweiz eine solche Aufeinanderfolge
im gewissen Sinne noch eher denkbar als im Norden. Zunächst ist es
klar, daſs den Pfahlbauern die Kenntnis der Metalle und die Metall-
geräte selbst zuerst von auswärts zugeführt wurde. Der Übergang aus
der Stein- in die Metallzeit ist ein so allmählicher, daſs nicht angenommen
werden kann, daſs ein Bronzevolk oder ein Eisenvolk das Steinvolk
überwältigt und verdrängt hätte. Metalle und Metallgeräte kamen
also durch den Handel nach der Schweiz. Daſs dem so war, geht
schon daraus hervor, daſs die Pfahlbaudörfer der Bronze- und Eisen-
zeit sich ausschlieſslich in der Westschweiz finden, in dem Gebiete, wo
der Handel mit Italien und Frankreich nach Deutschland und dem
Norden sich bewegte, während die Pfahlbauansiedelungen der östlichen
und nordöstlichen Schweiz alle schon in der Steinperiode untergingen,
oder um dies wohl richtiger auszudrücken, daſs die Pfahlbaubewohner
der Ostschweiz bis zum Untergange ihrer Ansiedelungen so arm blieben,
daſs sie nie in den Besitz von Metallgeräten gelangten. Die zahlreich-
sten Pfahlbauansiedelungen gehören der Steinperiode an. Da es nicht
unsere Aufgabe ist, diese näher zu schildern, so verweisen wir auf die
gediegenen Berichte über die Pfahlbauten von Ferdinand Keller.


Die Stationen der Bronzezeit finden sich, wie bereits bemerkt,
hauptsächlich in der westlichen Schweiz, dann aber auch in den italieni-
schen Seeen besonders bei Peschiera am Gardasee und im Würmsee
in Bayern. Betrachtet man das reiche Material der Sammlungen, so
bekommt man allerdings den Eindruck, als ob die Bewohner der West-
schweiz in jener Zeit sich fast ausschlieſslich der Bronze zu allen
[608]Einleitung zum Mittelalter.
möglichen Geräten und Werkzeugen bedient hätten. Eisenfunde
neben Stein und Bronze sind verhältnismäſsig selten.


Werfen wir einen Blick auf die Bronzefunde aus den Pfahlbau-
dörfern, so erstaunen wir zunächst über die Mannigfaltigkeit der Ver-
wendung und die Kunst der Ausführung. Aus beiden ergiebt sich,
daſs die Herstellung der Bronzegegenstände keine Erfindung der
barbarischen Bewohner war, sondern daſs sie als fertige Produkte eines
industriellen Volkes durch den Handel eingeführt wurden. Wo der
Ausgangspunkt für diese Erzeugnisse zu suchen sein mag, ist hier noch
viel weniger zweifelhaft als bei den entsprechenden Produkten des
Nordens. Wir haben die uralten phönizischen Ansiedelungen am Po
kennen gelernt, durch welche die dort ansässigen Etrusker zuerst mit
der Metallverarbeitung bekannt wurden. Die Etrusker waren stamm-
verwandt mit den Bewohnern des Alpengebietes, sie scheinen von Norden
her in die Pogegenden eingewandert zu sein. Die Etrusker waren in
der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. immer noch das wichtigste Metall-
volk, das mit seinen Erzeugnissen, wie Plinius sagt, die ganze Welt

Figure 183. Fig. 183.


überschwemmte. Mag schon zur Zeit der Phönizier ein Handels-
verkehr von Italien durch die Westschweiz nach dem Rheinthal be-
standen haben, sicher bestand eine solche Verbindung schon lange ehe
die Römer die Helvetier unterjochten. Aus dieser Periode stammen
die Metallgeräte der Pfahlbaudörfer, namentlich die Bronzefunde, die
in Form und Charakter ihre vorwiegend etruskische Abstammung
nicht verkennen lassen. Durch den regen Handelsverkehr muſs sich in
jener Zeit in der westlichen Schweiz groſser Wohlstand und eine dichte
Bevölkerung entwickelt haben. Auch blieb den Eingeborenen die
Verarbeitung der Metalle nicht fremd. Sie lernten von den Fremden
die Kunst die Bronze in Formen zu gieſsen und stellten die gewöhn-
lichen Gebrauchsgegenstände selbst dar. Besonders zu Morges am
Neuenburgersee wie zu Möhringen am Bielersee hat man zahlreiche
Guſsformen gefunden. Die Guſsformen waren zweiteilig aus Stein
(Molasse) hergestellt, in der Weise, daſs die Form des Gegenstandes
[609]Einleitung zum Mittelalter.
in den Stein eingegraben wurde 1). Fig. 183, 184, 185 zeigen einige
charakteristische Formen von Möringen, aus der Sammlung von Dr. Groſs.


Ein Thongefäſs, in der Form ähnlich einem Pantoffel, welches bei
Robenhausen gefunden wurde, hält man für einen Bronzeschmelztiegel.
Es scheint, daſs der Guſs hauptsächlich aus altem Material, aus

Figure 184. Fig. 184.


Bronzebruch hergestellt wurde, dafür spricht der Umstand, daſs
die Zusammensetzung der Bronze gerade der gewöhnlichen Gegen-
stände sehr schwankend ist. Beim Umschmelzen von Bruch fehlte den
Alten fast jedes Mittel eine bestimmte Mischung zu erzeugen. Dies

Figure 185. Fig. 185.


scheint der einzige Grund,
warum gerade die gewöhn-
lichen Bronzen der Pfahl-
bauten, welche Fellenberg
analysiert hat, so sehr
schwanken. Übrigens kann-
ten diese Urbewohner der
Schweiz Zinn und Kupfer.
Man hat ziemlich viele
Gegenstände aus reinem
Kupfer gefunden. Ebenso
hat man eine Stange Zinn
zu Estavayer (Neuenburgersee) und ein verziertes Rädchen von Zinn
zu Auvernier gefunden, wie auch die Verzierung von Thongefäſsen
mit Zinnstreifen vorkommt. Da die Bronzen der Pfahlbauten meist
nickelhaltig sind, während die römischen kein Nickel, dagegen häufig
Blei enthalten, so hat man daraus den Schluſs gezogen, daſs das
Kupfer im Lande selbst gewonnen wurde, und zwar aus nickelhaltigen
Kupfererzen der Südschweiz oder Tirols. Wie dem auch sei, jeden-
falls ist ein groſser Teil der gefundenen Gegenstände, wie die schönen
Hängebecken, die vollständig mit den nordischen übereinstimmen, und
Beck, Geschichte des Eisens. 39
[610]Einleitung zum Mittelalter.
die Schwerter mit den kleinen Handgriffen importierte Ware. Eiserne
Gegenstände finden sich in den Pfahlbauanlagen mit Ausnahme der

Figure 186. Fig. 186.


Figure 187. Fig. 187.


berühmten Niederlassung von la Têne, verhältnismäſsig selten. Indessen
fehlen sie durchaus nicht gänzlich. Am Bieler- und am Neuenburger-

Figure 188. Fig. 188.


see giebt es eine Anzahl von Stationen,
in welchen alle Perioden vertreten,
d. h. in denen Gegenstände von Stein,
Bronze und Eisen nebeneinander vor-
kommen. Eine der bemerkenswer-
testen ist die von Nidau-Steinberg,
hier fanden sich neben Stein- und
Bronzewerkzeugen mancherlei Gegen-
stände von Eisen, besonders Steine,
die mit einem Ring von Eisen umgeben
waren, und die entweder als Gewichte
für groſse Fischernetze, oder wahr-
scheinlicher statt Anker dienten (Fig.
186). Ebenso fanden sich dort eiserne
Spitzen (Fig. 187), wahrscheinlich die
Schuhe von Schifferstangen 1). Gegen-
stände von Eisen fand man ferner am
Bielersee zu Sutz, Latringen, Hagen-
eck, Neustadt und Wingels. Ein
schönes eisernes Schwert wurde bei
Möhringen aufgefunden. Am Neuen-
burgersee fanden sich neben Stein-
und Bronzegeräten Eisengegenstände
zu Gletterens, Bevaix, Cortaillod und Font.


Die berühmteste Eisenstation ist aber La Têne bei Marin, wo sich
[611]Einleitung zum Mittelalter.
eine groſse Menge schöngearbeiteter und wohlerhaltener, eiserner
Waffen, Werkzeuge (Fig. 190) und Schmucksachen gefunden hat. Zu La

Figure 189. Fig. 189.


Figure 190. Fig. 190.

Eiserne Werkzeuge von la Têne.


Têne herrscht das Eisen vor, Bronze fand sich nur wenig. Am bemerkens-
wertesten sind die wohlerhaltenen Waffen, unter diesen namentlich
eigentümlich geschweifte Lanzenspitzen (Fig. 188) und prachtvolle
39*
[612]Einleitung zum Mittelalter.
Schwerter (Fig. 189) in schönverzierten Blechscheiden. Die Klingen
sind 80 bis 90 cm lang, flachgeschmiedet, ohne Bügel. Von dem Griff
ist nur die Angel übrig, welche 13 bis 15 cm lang ist, einer gewöhnlichen
Menschenhand entsprechend. Die Klingen zeigen in der Mitte eine
streifige Zeichnung, während die Schneiden scharf und glatt sind. Auf
den Klingen sind meist Fabrikzeichen eingeschlagen (Fig. 189 d). Herr
Keller hat 10 solcher Fabrikmarken mitgeteilt, die meistens an den
Halbmond erinnern, das aus dem Orient stammende Symbol der wan-
dernden Astarte, welches aber auch häufig auf gallischen Münzen vor-
kommt. Die Scheiden sind öfter mit Figuren verziert (Fig. 191 b). Die

Figure 191. Fig. 191.


Bronzehefte mit Stahl tauschiert (Fig. 191 a, c). Desor 1) hat die Waffen
von La Têne mit denen zu Alise (Alisia) im Departement Côte d’or
ausgegrabenen verglichen und findet groſse Übereinstimmung. Zu
Alesia ergab sich Vercingetorix dem Cäsar. Desor schlieſst des-
halb auf gallischen Ursprung der Waffen von La Têne. Übrigens
konstatiert Desor doch auch sehr bemerkenswerte Abweichungen
zwischen den Waffen von La Têne und denen von Alise. Während
die Schwertklingen von La Têne alle da, wo die Klingen in den Dorn
übergehen, zierlich ausgeschweift sind, waren die Klingen von Alise
quer abgestutzt.


Von den übrigen Waffen, die zu La Têne gefunden wurden,
erwähnen wir nur noch einer eigentümlichen Lanzenspitze mit ge-
welltem Rand 2). Die Wellung, welche ohne Zweifel den Zweck hatte,
[613]Einleitung zum Mittelalter.
die Wunde gefährlicher zu machen, entspricht einigermaſsen der
Beschreibung, welche Diodor (lib. V, cap. 30) von dem einen Typus des
gallischen Sauniums mit zickzackförmigem Rand hinterlassen hat. Von
den zu La Têne aufgefundenen Geräten erwähnen wir eiserne Sensen
und Sicheln, eiserne Beile, Pferdegebisse, von den Schmucksachen
Fibeln und Ringe. Auch Münzen wurden aufgefunden und zwar solche,
die den alten gallischen Münzen entsprechen, doch auch zwei römische
Asses, eins von Tiberius, das andere von Claudius. Es folgt daraus,
daſs die Ansiedelung von La Têne bis in die römische Kaiserzeit hinein
bestanden hat. Desor vermutet, daſs sie die ganze Periode von der Zeit,
da Massilia griechisch-phönizische Kolonie war, bis in die Mitte des
ersten Jahrhunderts bestand.


Über das Alter der Pfahlbauten lassen sich nur ganz ungefähre
Vermutungen und Berechnungen aufstellen. Morlot hat es versucht,
auf Grund der geologischen Schichten, resp. auf Grund der Dicke der
abgelagerten Schicht seit der römischen Zeit, die er bei dem Durch-
schnitt der Eisenbahn durch den Schuttkegel von Tinière bei Villeneuve
am Genfer See beobachtete, eine Zeitberechnung für die verschiedenen
Perioden anzustellen. Er kommt zu dem Ergebnis, daſs die Steinzeit
47 bis 70 Jahrhunderte, die Bronzezeit 29 bis 42 Jahrhunderte zurück-
liege. Diese Zahlen mögen recht interessant sein, können aber keinen
Anspruch auf Authentizität machen. Die Trennung der Schichten,
welche der Bronze- und der Steinzeit angehört haben sollen, ist so
willkürlich und unsicher, die Basis der Berechnung, nämlich die Dicke
der angeschwemmten Schicht seit der römischen Herrschaft als Maſs
für die Ablagerungen der tieferen Schichten so problematisch, daſs das
Resultat keinen positiven Wert hat. Wir werden kaum annehmen
können, daſs phönizische Bronze vor der Zeit des trojanischen Krieges
bereits in die Schweiz eingeführt worden sei. Diese Zeit würde aber
nach Morlot ungefähr mit dem Ende seiner berechneten Bronzeperiode
zusammenfallen. Vor dem Jahre 1000 v. Chr. hätte bereits die Eisen-
zeit in der Schweiz begonnen, eine Annahme, die wir für nicht unmöglich
halten, die aber mit den sonstigen Berechnungen der Dreiteilungs-
anhänger wenig in Einklang steht. Es ist durchaus nicht erwiesen,
daſs es eine zeitlich getrennte Bronze- und Eisenzeit zur Zeit der
Pfahlbauten gegeben hat. Man hat bereits so viele Gegenstände von
Eisen neben Stein- und Bronzegeräten gefunden, daſs die Entdeckung
des Eisens nach einer 1300jährigen reinen Bronzezeit kaum auf-
recht zu erhalten sein dürfte. Allerdings ist die Verwendung des
Eisens in dieser Periode keine sehr ausgedehnte, der Handel bot
[614]Einleitung zum Mittelalter.
den Bewohnern der Pfahlbauten Bronzewaffen und Geräte so leicht
und bequem, daſs das Eisen in den Hintergrund gedrängt wurde. Da
wir aber trotzdem das Eisen in Anwendung finden und zwar für Gegen-
stände von geringem Werte, wie die Schuhe der Schifferstangen, die
Ringe um die Steinanker der Fischernachen, die man, wenn Bronze
billiger gewesen wäre, gewiſs aus Bronze gemacht haben würde, so
dürfen wir schlieſsen, daſs den Leuten das Eisen bekannt war, daſs es
billiger war als Bronze und daſs sie es deshalb auch wohl im eigenen
Lande gewannen. Es liegt genügendes Material vor, um diese Auf-
fassung zu begründen. In verschiedenen Gegenden der Schweiz sind
uralte Eisenschmelzplätze aufgefunden worden, die, so paradox dies
lauten mag, aus dem Bronze- und selbst aus dem Steinzeitalter
stammen, d. h. bei und in denen man Steinwerkzeuge und Bronze-
geräte gefunden hat. Eine uralte Eisengewinnung bestand am Gonzen
bei Sargans im Kanton St. Gallen, die später auch von den Römern
noch fortbetrieben wurde. Auf dem Burgberge in Vilters fanden sich
uralte Eisenschlacken und Schmelzstätten mit keltischen und römischen
Altertümern 1). Auſser den prähistorischen Schmelzen in der südlichen
Hochschweiz ist besonders auch der Berner Jura reich an solchen alten
Eisenschmelzstätten. Quiquerez, ein Bergbeamter, also technisch ge-
bildet, hat diese untersucht und beschrieben 2). Die Zahl dieser Schmelz-
stätten ist so groſs, daſs angenommen werden muſs, die Eisengewinnung
auf den Höhen des Jura müsse viele Jahrhunderte lang betrieben wor-
den sein. Der Verfasser führt nicht weniger als 61 auf, die er bestimmt
für vorrömisch erklärt. Bei nicht weniger als 12 Schmelzplätzen fand
man Steinwerkzeuge und ganz alte Topfscherben (poterie gouloise), bei
zwei fanden sich gallische Bronzemünzen. Der Betrieb ging in römi-
scher Zeit fort, doch fanden sich nur fünf mit Funden, die als römisch
anzusprechen sind. Sieben gehören dem Mittelalter an. Von 73 unter-
suchten waren 61 vorrömisch. Daraus läſst sich ein Schluſs auf die
lange Dauer des Betriebes in jener Gegend machen. 157 sind auſser-
dem bekannt, haben aber keine charakteristischen Fundstücke ergeben.
Gewiſs gehören diese fast alle der prähistorischen Zeit an. Es ist von
Interesse, einen Auszug aus Quiquerez’s Schrift mitzuteilen.


Der Verfasser war durch eine Untersuchung über die Bergwerke,
Waldungen und Schmieden des alten Bistums Basel, die er 1855
[615]Einleitung zum Mittelalter.
publizierte 1), auf die Reste viel älterer Eisenschmelzstätten im Jura
aufmerksam geworden. Er verfolgte die Spuren von 1855 bis 1864 und
hatte besonders in dem letzten Jahre Gelegenheit, den ganzen Berner
Jura nach allen Richtungen zu durchstreifen, wobei er zahlreiche alte
Schmelzstätten, einige mit noch erhaltenen Öfen auffand. Er publizierte
die Resultate seiner Untersuchung 1866 in einem Aufsatz: „De l’age du
fer. Recherches sur les anciennes forges du Jura Bernois.“ Weitere
Entdeckungen und eine eingehende Diskussion über die von ihm ver-
öffentlichten Ansichten veranlaſsten die von uns bereits angezogene
Schrift.


Die Lage der alten Schmelzstätten war, wie Hesiod es beschreibt,
„im entlegenen Waldthal“. In den unbewohntesten Thälern, wo noch
heute nicht Feld noch Wiese, sondern Wald anzutreffen, sind sie am
häufigsten. Wo sie sich im Gebiete des Ackerlandes finden, sind sie
älter als die Rodung. Uralte Bergpfade und Reitwege lassen sich noch
erkennen, die der vorrömischen Zeit angehören, denn bei Pierre-Pertuis
bezeugt eine Inschrift, daſs die Römer den alten Weg verbessert haben.


Die Wahl der Schmelzstätten war auch hier überall bedingt durch
die leichte Beschaffung des Holzes, deshalb findet man sie zumeist
mitten im Walde. Die Nähe eines Baches war bei weitem weniger
maſsgebend für eine solche Anlage. Es fanden sich nur 20 an einem
Wasserlauf, 200 dagegen abseits von solchen, davon manche an ein-
fachen Quellen.


In späterer Zeit entstanden nicht selten an den Stellen dieser
Schmelzstätten Ortschaften, Weiler oder Meiereien. Auffallend häufig
kommen derartige Ansiedelungen vor, die ihre Namen von den alten
römischen Bezeichnungen faberca, ferraria, faber, fornax u. s. w. her-
leiten, z. B. Faverge, Ferriere, Fornet, Fornax, Montfavergier, Courfaivre
(curtis fabrum); an all diesen Plätzen lassen sich alte Eisenschmelzen
nachweisen. Oft finden sich alte Schmelzstätten an den Plätzen, die bei
den Bewohnern im Verruf sind und nicht selten finden sie sich in der
Nähe solcher Höhlen, die einstmals bewohnt gewesen sein mögen. In
einer Grenzbeschreibung der Abtei Bellelay im Jura aus dem 14. Jahr-
hundert, kommt der Ausdruck vor: carenna antiquarum fabricarum.
Die Nähe von Eisenerzen war nur in zweiter Linie bestimmend für
die Wahl des Schmelzplatzes, da der Transport des Eisenerzes, wohl
in Säcken auf dem Rücken, keine Schwierigkeiten bot. Immerhin durf-
[616]Einleitung zum Mittelalter.
ten die Stellen, wo das Erz gefunden wurde, nicht weit entfernt sein,
weshalb man auch in den Teilen des Jura, wo Eisenerze selten sind,
sehr wenig Reste von Schmelzstätten antrifft. Dasſelbe kann von dem
feuerfesten Thon, dessen man sich zur Errichtung der Öfen bediente,
gesagt werden. Spuren von eigentlichem Bergbau sind selten, das
feste Gestein bot den unvollkommenen Werkzeugen unverhältnis-
mäſsigen Widerstand. In vielen Gegenden des Jura ist das Gestein
so eisenreich, daſs sich das Erz leicht auf der Oberfläche sammeln
läſst. Doch finden sich Reste alter Eisenbergwerke von sehr hohem
Alter, und in diesen eiserne Werkzeuge von fremdartigen Formen.
Aber auch Steinwerkzeuge fanden sich in diesen alten Gruben und
zwar von Feuerstein und von Jaspis. Ebenso haben sich in einigen
Eisenschmelzstätten Steinäxte und stumpfe Meiſsel gefunden. So be-
nutzten also die Bergleute, die den Eisenstein gewannen, wie die
Schmelzer, die das Metall ausschmolzen, die jedenfalls noch allgemein
gebräuchlichen und billigeren Steinwerkzeuge, während sie selbst das
Metall herstellten, das für dieselben Gegenstände so weit geeigneter
war und jedenfalls von den Schmieden in den wohlhabenderen An-
siedelungen auch schon dazu verarbeitet wurde. Der Höhlen, die sich
in der Nähe der Eisenschmelzen finden, haben wir schon Erwähnung
gethan. Als Eisengewinnungsplätze sind sie wohl nicht anzusehen, da
sich nur Spuren von Erz in ihnen finden. Sie dienten als Wohnstätten
und an viele haben sich Sagen geknüpft, die noch fortleben, von
Gnomen und schwarzen Zwergen, die dort ihre Schätze verborgen
hätten. Viele Schatzgräber haben schon früher diese Höhlen durch-
wühlt und selbst Bischöfe von Basel und Äbte der Umgegend haben
sich durch diese Überlieferungen zu kostspieligen Nachgrabungen ver-
führen lassen. Manche Familie ist darüber verarmt, denn man fand
nur wertlose Gegenstände. Aber das Alter und die Zähigkeit der
Tradition weisen bestimmt auf eine uralte Metallindustrie eines ver-
schollenen Volkes hin, das in den Höhlen wohnte, wahrscheinlich in
der Weise mancher Tatarenvölker, mit vorgebautem Dach und Vor-
raum von Holz. Überall läſst sich erkennen, daſs Holzkohle das Brenn-
material war. Meilerstätten finden sich fast bei allen Schmelzen. Bei
Bellelay fand sich eine solche unter einer Torfablagerung von 20 Fuſs
Dicke. 12 Fuſs darüber fanden sich Pferdereste mit Hufeisen und
2 Fuſs unter der Oberfläche zwei Rollen von Münzen, von denen die
jüngste von 1477 stammte. Hieraus berechnet sich unter der Voraus-
setzung, daſs die Bildung der oberen 2 Fuſs Torf 400 Jahre gedauert
hätte, für die Hufeisen 2000 bis 2400 Jahre und für den Kohlenmeiler
[617]Einleitung zum Mittelalter.
mehr als 4000 Jahre. Eine Berechnung, die wir freilich für ebenso
unsicher halten, wie die oben angeführte von Morlot.


Figure 192. Fig. 192.

Die Konstruktion der Schmelzöfen (Fig. 192 u. 194 bis 196), die alle
ähnlich sind und nur in der Gröſse verschieden gewesen sein mögen:
war folgende: Auf dem natürlichen Boden, ohne weitere Fundamen-
[618]Einleitung zum Mittelalter.

Figure 193. Fig. 193.


[619]Einleitung zum Mittelalter.
tierung, führte man den Herdboden aus feuerfestem Thon 15 bis 20 cm dick
auf. Nun bildete man von demselben Thon stückweise die Wände, indem
man diese von auſsen durch unbearbeitete Steine stützte, und diese mit
gewöhnlicher Erde fest ausfüllte. Der Umfang des Erdkegels wurde
öfter noch mit einem zweiten Steinkranz umkleidet. 4 bis 5 cm über
der Sohle des Schmelzherdes wurde ein Schmelzkanal offen gelassen,
der die ganze Breite des Herdes hatte, flach gewölbt war und sich

Figure 194. Fig. 194.


Figure 195. Fig. 195.


nach auſsen erweiterte. Er wurde aus feuerfestem Thon, vielleicht über
eine Schablone hergestellt, den Ausgang bildeten einige groſse Steine,
die mit einer Steinplatte bedeckt waren, ähnlich etwa, wie bei den oben
beschriebenen Feuerstätten der römischen Hypokausten.


Die Wände des Schmelzraumes, des Gestelles, waren 30 bis 45 cm
dick. Der Schacht war cylinderisch und etwa um den halben Durch-

Figure 196. Fig. 196.


messer nach der Gicht zu-
geneigt, so daſs Kohle und
Erz auf der Brustseite, wie
wir sagen würden, nieder-
gehen muſsten und der
Wind freier durchströmte.
Die Schachthöhe betrug
2,50 bis 2,70 m, die Gicht
war noch mit einem Kranze
von rauhen Steinen um-
kleidet. Der Ofen wurde von oben beschickt, wie gewöhnlich. Der
Wind trat, nach der Ansicht von Quiquerez, allein durch die Brust-
öffnung zu und war nicht durch Bälge hervorgebracht, sondern natür-
licher Luftzug. Die einzige Brustöffnung diente demnach als Form, als
Schlackenloch und als Ausziehloch für die Luppe. Daſs man darin mit
eisernen Stangen oder Krücken arbeitete, um die Schlacke herauszu-
ziehen, die Luppe zu lüften u. s. w., läſst sich nach der Angabe des Ver-
[620]Einleitung zum Mittelalter.
fassers noch an den Ritzen am Boden und den Seitenwänden erkennen.
Diese Krücken hatten einen hölzernen Stiel. Man hat noch die Eisen
mit Dülle gefunden. Die Haupthitze war gerade vor dem Stichloch.
Hier zeigen sich die Wände stets verschlackt, während der Thon der
Rückwand nur gebrannt erscheint. Der Verfasser nimmt auch an,
daſs die Arbeit eine kontinuierliche gewesen sei. Die Schlackenhaufen
um jeden Ofen sind sehr beträchtlich und bezeugen einen lange fort-
gesetzten Betrieb. Fig. 193 (S. 618) giebt ein Phantasiebild des Ver-
fassers einer solchen Eisenschmelze.


Es erscheint zweifelhaft, ob es möglich war, ohne künstlichen
Wind die Reduktion des Eisenerzes in diesen Öfen zu bewerkstelligen,
ebenso müssen wir die Kontinuität der Arbeit für problematisch halten.
Indessen ist es immerhin auffallend, daſs der Verfasser, der so viele
zum Teil noch ziemlich erhaltene Trümmer von Schmelzöfen unter-
sucht hat, nirgends Anzeichen von künstlicher Windführung, nament-
lich keine der gebräuchlichen Thonformen gefunden hat. Die Luppen
können der Brustöffnung nach nicht mehr als 15 bis 25 kg gewogen
haben.


Der Verfasser erwähnt, daſs ihm bereits über 400 Eisengruben
und Schmelzstätten im Jura bekannt seien, von denen er mehr als 230
selbst besucht habe. Er teilt diese folgendermaſsen ein:



Nach dieser Tabelle sind die prähistorischen Eisenschmelzhütten
am zahlreichsten vertreten.


[621]Einleitung zum Mittelalter.

In drei Eisenschmelzen fand man Steinbeile, teils geschliffene,
teils zugehauene. In mehreren aber sogenannte Reibsteine von Kiesel.
Wieder in einzelnen Topfscherben, ähnlich denen der Neuzeit. Ferner
fanden sich bearbeitete Hirschgeweihe, Eber- und Bärenzähne und in
den alten Gruben neben anderem Eisengerät, die (Fig. 197) abge-

Figure 197. Fig. 197.


bildeten Eisenwerkzeuge. Auch die früher beschriebenen, zugespitzten
Luppen haben sich dort gefunden, wie in manchen anderen Gegenden
der Schweiz.


Einzelne unverarbeitete, meist blasige Brocken von Eisen fanden
sich von sehr verschiedener Qualität, die auf den ungleichen Ausfall
des Prozesses schlieſsen lassen.


Eigentümliche Werkzeuge von Eisen fand Quiquerez, so einen
40 kg schweren Hammer, der nicht wohl mit der Hand bewegt werden
[622]Einleitung zum Mittelalter.
konnte, dann die Geräte und Werkzeuge eines hausierenden Eisen-
schmiedes; erwähnenswert ist auch ein Zuschlaghammer und ein
Nageleisen.


Aus diesen interessanten Mitteilungen ergeben sich die unzweifel-
haftesten Thatsachen, daſs es bereits in uralter Zeit einheimische Eisen-
gewinnung in der Schweiz gab, deren Alter bis in die Steinzeit hinauf-
reicht; daſs diese Eisenwerke schon vor der Zeit der römischen
Herrschaft, zur Zeit der Pfahlbauansiedelungen, in schwunghaftem
Betriebe standen. Hieraus folgt weiter, daſs das Eisen den Bewohnern
der Schweiz schon weit früher bekannt war, als von den Anhängern
der Dreiteilungsperiode angenommen wird, daſs das Eisen gleichzeitig
mit der Bronze bekannt war und benutzt wurde und wahrscheinlich
schon vor der Einführung der Bronze durch fremde Händler von den
Eingeborenen gewonnen wurde. Allerdings scheint auch hier die
Bronze die Verwendung des Eisens während einer längeren Periode
beschränkt und zurückgedrängt zu haben.


Wir haben schon oben erwähnt, daſs die Pfahlbauten sich durch-
aus nicht auf die Schweiz beschränken, daſs sie sich bis Mittelitalien
einerseits, bis an die Ostsee und nach Irland andererseits erstrecken.
Wir können unmöglich hier diese Fundstätten im Einzelnen beschreiben
und es genügt zu konstatieren, daſs im allgemeinen die Verhältnisse
denen in der Schweiz analog waren.


Die Pfahlbauten sind durchaus nicht die einzigen Fundstätten von
Eisen aus prähistorischer Zeit in der Schweiz und in Mitteleuropa.
Es sind groſsartige Funde von Eisengeräten durch Ausgrabungen im
festen Boden gemacht worden, die der prähistorischen Zeit angehören,
bis zur Periode der Pfahlbauten zurückreichen und Licht verbreiten über
die Technik sowohl, als über die Herkunft der schönen Eisenwaffen in
den Pfahlbauansiedelungen.


Die interessanteste Fundstelle dieser Art ist das Grabfeld von
Hallstadt
in Oberösterreich 1). Dieses ausgedehnte Totenfeld wurde
von der österreichischen Regierung von 1847 bis 1864 unter der um-
sichtigen Leitung des Bergmeisters Georg Ramsauer systematisch auf-
gedeckt und bildet einen der groſsartigsten Funde, die im nördlichen
Europa gemacht worden sind. Die Zahl der Gräber, die aufgedeckt
wurden, beträgt 993 und die Zahl der Fundstücke 6084. Nirgends hat
man eine solche Mischung von Bronze- und Eisengeräten gefunden.
Die Kunst der Verarbeitung beider Metalle muſs auf hoher Stufe ge-
[623]Einleitung zum Mittelalter.
standen haben und doch reicht das Alter dieser Gräber über die Zeit
der römischen Invasion hinaus.


Das herrlich gelegene Hallstadt, geschützt auf der einen Seite
durch den tiefgrünen See, andererseits durch den gewaltig aufsteigenden
Bergstock des Dachstein, bildet nicht nur eine der reizendsten, son-
dern auch der geschütztesten Lagen Österreichs. Diese geschützte Lage
einerseits, das Vorkommen reicher Salzlager andererseits führte zur
Gründung des Städtchens. Dem Salz verdankt Hallstadt, d. h. Salz-
stadt, seinen Namen, das Salz war die Quelle seines Wohlstandes, der
in jener fernen Zeit, aus der das Totenfeld herrührt, weit gröſser ge-
wesen sein muſs, als in den letzten Jahrhunderten. Die geschicht-
lichen Überlieferungen über den Hallstädter Salzbergbau gehen nur
bis zum Jahre 1311 zurück, es unterliegt aber keinem Zweifel, daſs lange
vor dieser Zeit schon die heidnischen Bewohner Salz durch regelrechten
Bergbau gewannen. Am Wege von Hallstadt nach den Salzbergwerken,
nahe da, wo 16 Stollen übereinander in die Bergwand des Plassen ge-
trieben sind, um die Salzsohle zu lösen, liegt eine freundliche Wiese
von einem Buchwald umsäumt. Dies ist das Totenfeld des Volkes,
welches hier vor etwa zwei Jahrtausenden im Frieden und Wohlstand
lebte. Die Arten der Bestattung waren mannigfach, wir verweisen in
dieser Beziehung auf die oben angeführte interessante Schrift. Die
Totenbeigaben waren reichlich und abwechslungsvoll. Von Waffen
fanden sich Schwerter, Dolche, Lanzen, Pfeile, Äxte, Helme und
Schildbuckel; von Geräten: Messer, Feilen, Amboſse, Zangen, Fisch-
angeln, Nähnadeln, Pfriemen, Nägel und Wetzsteine, selbstverständlich
waren Schmuckgegenstände entsprechend vertreten.


Von den Schwertern waren die meisten Langschwerter mit Klingen
von 2 bis 3 Fuſs Länge. Hiervon fand man 28. Von diesen waren 19
ganz aus Eisen, 6 aus Bronze 1), während die übrigen Eisenklingen und
Bronzegriffe hatten. Die Form der Klingen ist im allgemeinen die
schilfblattförmige, dabei laufen die meisten Klingen nicht allmählich zu
einer Spitze zu, sondern winkelig, ähnlich den römischen Schwertern
(Fig. 198 b). Alle Klingen sind zweischneidig und haben einen Grad
in der Mitte. Der Griff ist länger wie bei den Bronzeschwertern, 3 bis
3½ Zoll, oben mit einem Knauf. Fig. 198 a zeigt eins der schönsten
Eisenschwerter dieser Art mit verziertem, mit Bernstein eingelegtem
Elfenbeinknauf. Die Klinge ist 3 Fuſs lang, 1 Zoll 9 Linien durch-
schnittlich breit und ist der ganzen Länge nach mit drei feinen Rippen
[624]Einleitung zum Mittelalter.
versehen, oben am Heft hat sie zwei Widerhaken, der eigentliche Griff
zwischen Knauf und Bügel ist 3½ Zoll lang. Die ganze Arbeit zeigt von
hoher Kunstfertigkeit. Ebenso charakteristisch ist das Kurzschwert,
Fig. 198 c, mit 11½ Zoll langer Klinge mit wohlerhaltener, gestreifter
Mittelrippe von höchst vollendeter Schmiedearbeit.


Wie die eisernen Schwertklingen im allgemeinen den Bronzeklingen
ähnlich sind, so lehnt sich auch die Form der Eisenbeile (Fig. 200) an

Figure 198. Fig. 198.


die der Bronzebeile (Palstäbe — Kel-
ten) an. Fig. 199 a zeigt ein eigen-
tümlich geformtes, eisernes Beil mit
Dülle, in dem noch das Holz steckt. —
Die eisernen Palstäbe überwiegen die
aus Bronze.


„Keine Waffe ist in den vorchrist-
lichen Gräbern allgemeiner als der
Speer, besonders in der Zeit, als das
Eisen schon allgemein verwendet
wurde. Auch im Hallstädter Grab-
feld fand sich selten ein Grab, welches
durch sonstige Beigaben oder die Form
des Skeletts als das eines Mannes ge-
kennzeichnet war, ohne eine oder
mehrere Lanzenspitzen; bei ärmer
ausgestatteten waren sie häufig die
einzige Waffe. Das Eisen erscheint
hier bedeutend vorwiegend, denn wäh-
rend nur zwei aus Bronze gefertigte
zum Vorschein kamen, fanden sich
eiserne in groſser Zahl, sowohl bei
begrabenen, als bei verbrannten
Leichen und zwar an allen Stellen des
Leichenfeldes, am häufigsten aber
gegen den südlichen Rand desſelben,
wo überhaupt das Eisen gegen die Bronze zunimmt, aber auch in
Partieen, welche in den ersten Jahren der Entdeckung aufgegraben
wurden, waren sie, wie überhaupt eiserne Waffen, sehr zahlreich.“


Unter den vielen Lanzenspitzen führen wir nur die Fig. 199 b ab-
gebildete ihrer Qualität wegen an. Sie war von seltenster Erhaltung 1);
[625]Einleitung zum Mittelalter.
die gröſstenteils ganz rostfreie Oberfläche zeigt noch die alte Polierung
und man erkennt sogar deutlich an regelmäſsigen, wellenförmigen
Linien der Struktur eine Art Damast. Die Oberfläche hat eine solche
Härte, daſs sie sich von dem besten englischen Stahl kaum ritzen

Figure 199. Fig. 199.


Figure 200. Fig. 200.


läſst, an den Schneiden sogar
demselben widersteht; Scheide-
wasser bringt keine Wirkung her-
vor und läſst bloſs die graue Farbe
des trefflichen Materials noch
deutlicher hervortreten. Wir
haben es hier also mit einem ganz
vorzüglichen Stahl zu thun.


„Das Messer, dieses vielfach
verwendete, unentbehrliche Werk-
zeug, das auch noch heutzutage
jeder Gebirgsbewohner bei sich
trägt, findet sich in den meisten
Gräbern, namentlich fast aus-
nahmslos bei den Männern; bei
brandlos Bestatteten lag es ge-
wöhnlich zur Linken des Skeletts,
Viele waren durch Rost zerstört,
doch liegt an wohlerhaltenen eine
nicht geringe Anzahl vor. Die Klingen bestehen in der Regel aus
Eisen, bronzene gehören zu den Seltenheiten; sie sind mit wenigen
Ausnahmen gekrümmt, so daſs die Schneide oben ausgebogen, unten
eingezogen erscheint. Am häufigsten kommen kleine 2½ bis 5 Zoll
lange Messer vor von starker, fast sichelförmiger Krümmung (Fig. 201),

Figure 201. Fig. 201.


die sich auch in der Heftangel fortsetzt, so daſs der Griff mit der Klinge
einen stumpfen Winkel bildet.“


Von eigentlichen Handwerkszeugen fanden sich Meiſsel, ein Amboſs
eine Feile, Zangen, Pfriemen u. s. w. von Eisen.


Von Interesse sind zwei Gräber, die den Beigaben nach als Gräber
von Hüttenleuten, Schmelzern anzusehen sind. Dem einen ist ein
Beck, Geschichte des Eisens. 40
[626]Einleitung zum Mittelalter.
flacher Kuchen von Bronze von 2½ Zoll Durchmesser, 5 Lot Gewicht,
sowie eine ringförmige Komposition von Kupfer und Wismut, beigelegt.
Fernere Beigaben sind blasige Schlacken, die dem Kupferhüttenprozeſs
entstammen. Dies war also das Grab eines Kupferschmelzers.


In dem zweiten Grabe lag auf den verbrannten Überresten ein
Stück Roteisenstein, stark abfärbend, eine beim Eisenschmelzprozeſs
gewonnene Schlacke und eine aufgeblähte, blasige Schlackenmasse,
ebenfalls das Resultat eines hüttenmännischen Prozesses, dabei eine
Nadel mit kugeligem Kopf von Bronze. Diese beiden Gräber sind von
der gröſsten Bedeutung für die Entscheidung der Provenienz der
Hallstädter Altertümer 1). Eisenschlacken finden sich nicht selten als
Totenbeigaben, zu oft, um als zufällig zu erscheinen. Vielmehr ver-
dienen gerade diese Beigaben die allerhöchste Beachtung. Sie gehören
zu den Gaben, die die Beschäftigung der Abgeschiedenen bezeichnen
sollen. Daſs diese scheinbar so wertlose Gabe den Toten mitgegeben
wurde, beweist das Alter und das hohe Ansehen des Gewerbes der
Eisenschmelzer und der Eisenschmiede. Wir werden noch öfter auf
ähnliche Totenbeigaben zurückkommen.


Nach der Übersicht der gesamten Fundergebnisse waren in
538 Gräbern mit beerdigten Leichen an Waffen und Geräten nur
91 von Bronze, dagegen 207 von Eisen; in den 455 Brandgräbern
146 Waffen und Geräte von Bronze, dagegen 291 von Eisen. Die
Schmucksachen in beiden Arten von Gräbern waren dagegen vor-
wiegend aus Bronze.


Wirft man einen Blick auf Material und Technik der Funde zu
Hallstadt, so fällt zunächst auch der oft sehr bedeutende Nickelgehalt
bei der Komposition der Bronzen auf. Nickel scheint manchmal das
Zinn in der Mischung vertreten zu sollen. Im allgemeinen nähert
sich die Mischung des gebräuchlichen von 1:10.


Die Kunst der Behandlung der Bronze durch Hämmern und
Treiben erscheint auch bei den Hallstädter Fundstücken als eine ganz
hervorragende. Über das Eisen äuſsert sich der Verfasser folgender-
maſsen 2):


„Das Eisen treffen wir in sehr ausgedehnter Verwendung; fast alle
Klingen der Schwerter, Dolche und Messer, deren Griffe gewöhnlich
von Bronze sind, eine Anzahl von Beilen oder Äxten, sowie weitaus
die meisten Spieſse bestehen aus diesem Metall; auch zu Nägeln nahm
man es gerne, als Schmuck erscheint es dagegen seltener in einem
[627]Einleitung zum Mittelalter.
einzigen Exemplar einer Spiralfibel und in verschiedenen Ringen,
Knöpfen, Kleiderschlieſsen und Gürtelhaken. Die technische Behand-
lung erweist sich auch hier als eine vorzügliche und tritt an den
äuſserst präzis gearbeiteten, oft ungemein zierlich und fein gerippten
Klingen der Schwerter und Dolche besonders hervor. Das Material
ist vortrefflich und sehr rein; dies bezeugen sowohl die nur so ermög-
lichte reine Ausführung, als auch viele, noch ganz wohl erhaltene
und schleifbare Stücke.


Es scheint nicht, daſs man es verstand, die Klingen völlig in Stahl
zu verwandeln (?), wenigstens ist das Innere der noch erhaltenen
weich, und leicht zu schneiden, auch müssen sie sehr biegsam gewesen
sein ohne groſse Elastizität, dies zeigt sich an einer ganz zusammen-
gebogenen Dolchklinge und einer anderen, die beim Biegen nur einen
Riſs am Rücken erhielt ohne zu brechen. Klingen aus bloſsem Eisen
wären aber wenig brauchbar gewesen, auch ist die Oberfläche der
erhaltenen auſserordentlich hart und spröde, es ist daher nicht zu be-
zweifeln, daſs man das Eisen zu härten und durch Glühen unter
Kohlen und Ablöschen wenigstens an der Oberfläche zu stählen
wuſste, ja die oben erwähnte Klinge zeigt sogar eine Art Damast
Die noch zum Teil ganz scharfen Schneiden geben einen weiteren
Beweis dafür. Die Speerspitzen und Keile mit ihren langen Schaft-
röhren bezeugen die groſse Wissenschaft im Schmiedehandwerk. Auch
die Mannigfaltigkeit der Formen, das Raffinement des Geschmackes,
ebenso wie die Vorzüglichkeit des Materials beweisen eine Technik, die
weit über das barbarische Genügen am Tand und Flitter hinaus ist.“


Trotz des Reichtums der Todtenbeigaben hat sich in den Gräbern
weder eine Münze, noch eine Inschrift gefunden, welche eine Zeit-
bestimmung erlaubte. Aber gerade diese Abwesenheit von Münzen
einerseits, wie die Art der Bestattung andererseits beweisen ihr hohes
Alter. v. Sacken hält sie für keltisch und setzt sie in die zweite
Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr., in die Zeit, die der römischen
Herrschaft vorausging. Jedenfalls standen die durch ihren Salzhandel
wohlhabenden Bewohner Hallstadts schon in lebhaftem Handelsverkehr
mit Italien, vor allem mit den Etruskern, wie viele charakteristische
Fundstücke beweisen. Bemerkenswert ist, daſs viele der eisernen
Gegenstände sich ganz ähnlich in den Pfahlbauten von La Têne und
in dem Schlachtfelde bei Alesia wiedergefunden haben.


Fragen wir nach der Nationalität der Bestatteten, so ist es am
wahrscheinlichsten, daſs es Taurisker waren, welche in der reichen
Salzstadt ansässig gewesen sind. Wir wissen, daſs diese in der römi-
40*
[628]Einleitung zum Mittelalter.
schen Provinz Noricum wohnten und durch ihren Bergbau und ihre
Geschicklichkeit in Verarbeitung der Metalle, namentlich des Eisens,
berühmt waren. Strabo 1) und andere römische Geschichtsschreiber
nannten die Taurisker ein keltisches Volk. Demnach wären sie mit
den Bewohnern Norditaliens, den Etruskern, Galliern und den Pfahl-
bauern stammverwandt gewesen. Die Taurisker waren auch wegen
ihres Goldreichtums berühmt, welches sie in den hohen Tauren, im
Rauris- und Gasteinerthal gewannen. Die Römer standen schon ehe
sie das Land annektierten, wenigstens vom 2. Jahrhundert v. Chr. ab,
mit den Tauriskern in freundschaftlichem Verkehr 2). Als sie das
Land im Jahre 13 v. Chr. ihrem Reiche einverleibten, bemächtigten sie
sich auch der Goldbergwerke, der Salzbergwerke von Hallein, und
der berühmten Eisengruben und Schmelzen 3).


Noricum wurde als kaiserliches Krongut von einem Prokurator
verwaltet. Während die Goldbergwerke, wie überall in ärarischem
Besitz blieben, verpachtete man die groſsen Eisenbergwerke und wahr-
scheinlich auch die Salinen. Sicher ist, daſs im 3. Jahrhundert zu
Hallstadt eine römische Ansiedelung bestand. Bei dem alten Ruhme
der norischen Schwerter ist wohl anzunehmen, daſs die schönen Waffen
der Grabfunde zu Hallstadt von den Tauriskern selbst angefertigt
wurden.


Auch die Funde von Hallstadt beweisen, daſs das Eisen den Be-
wohnern von Noricum schon in prähistorischer Zeit bekannt war und
daſs sich die Aufeinanderfolge einer Bronze- und Eisenzeit nicht
erweisen läſst.


Mancherlei Spuren uralter Eisenindustrie finden sich in Tyrol,
Steyermark, Kärnten und Krain. Auch in den slavischen Provinzen
Österreichs, namentlich in Böhmen und Mähren, sind prähistorische
Eisenschmelzen aufgefunden worden.


Das Grenzgebirge zwischen Mähren und Böhmen, welches un-
bestimmt als Mährische Höhe, Mährisches Hügelland, Mährisches Ge-
birge bezeichnet wird und welches den Römern als Luna silva bekannt
war, ist reich an Eisenerz 4). Die Erze dieser Berge, sowie die der
Sudeten werden noch heute ausgebeutet und sind wichtige Quellen
[629]Einleitung zum Mittelalter.
des Wohlstandes für das nordwestliche Mähren. Hier war wohl das
Land der Quaden, von denen Ptolemäus erzählt, daſs sie bekannt seien
durch ihre Eisenerzeugung. Zahlreiche Schlackenhaufen bedecken die
Abhänge der Berge. Aber auch Reste uralten Tiefbaues finden sich. In
dem alten Mann der Eisensteingrube von Kiritein fand man eiserne
Spitzhacken von absonderlicher Gestalt, aber auch einen zerbrochenen
Steinhammer. Dr. Wankel beschreibt eine uralte Eisenschmelzstätte
bei den, drei Stunden nördlich von Brünn gelegenen Ortschaften
Rudic und Habruvka. Das Erz ist ein thoniger Brauneisenstein, der
in der dortigen oberen Juraformation vielfach zu Tage austritt. Rudic
hat seinen Namen von dem slavischen ruda, Erz, Eisen, und war nach
schriftlichen Überlieferungen schon vor dem 10. Jahrhundert wegen
seiner Eisengewinnung berühmt 1). „Die Spuren der prähistorischen
Eisenschmelzen lassen sich über ein mehr als 1 qkm weites Wald-
gebiet von Rudic bis nach Hobruvka verfolgen. Vorzugsweise sind es
aber drei groſse, über mehr als 100 qm sich ausbreitende Schmelz-
plätze, die sich durch die vielen, isoliert stehenden Schlackenhaufen
kennzeichnen. Sie liegen gröſstenteils an solchen Stellen, wo Erz-
lager nahe an die Oberfläche treten und daher leicht gefunden
werden konnten.“ In dem Gebiete dieser Schlackenhalden fand
Dr. Wankel viele Tiegel und Töpfe. Er nimmt deshalb an, das Erz
sei in Tiegeln ausgeschmolzen worden, was aus technischen Gründen
kaum glaublich erscheint. Indes wollen wir im Auszug mitteilen, was
er darüber anführt:


Er unterscheidet zwei Arten der Schmelzung. Bei der älteren
soll eine Gruppe kleinerer, mit Schmelzgut gefüllter Tiegel auf dem
flachen Boden gestanden haben. Um diese sei Brennmaterial gehäuft
worden, das man vielleicht durch einen Blasebalg anfachte und so soll
das Eisen in den Tiegeln geschmolzen sein. Wie auf eine solche Weise
eine genügende Temperatur entstehen konnte um Eisen zum Schmelzen
zu bringen, ist schwer zu verstehen. Auch wäre auf diese Art, ge-
nügende Temperatur vorausgesetzt, kein schmiedbares Eisen, sondern
Guſseisen entstanden, mit dem die Alten für ihren Zweck nichts an-
fangen konnten. Wankel sagt 2):


„Ich fand in dem kaum eine Viertelstunde von dem Dorfe Rudic
entfernten Walde in einer Tiefe von einem drittel Meter, ganze Gruppen
topfartiger Tiegel von 20 bis 25 cm Höhe, 18 bis 20 cm Breite, die
mitunter an ihrer äuſseren Oberfläche verschlackt waren. Sie standen
[630]Einleitung zum Mittelalter.
in einer schwarzen mit Kohlen und Asche geschwängerten Erde. Einige
dieser Tiegel waren mit Erde gefüllt, in anderen aber befand sich
noch das Schmelzgut, das den Topf oft nur bis zur Hälfte ausfüllte.
Dieses Schmelzgut bestand aus einer porösen, eisenhaltigen, schwarzen
Schlacke, die gegen den Boden des Gefäſses zu metallischer, krystalli-
nischer und brüchiger wurde, zugleich aber an Dichtigkeit zunahm;
ein Tiegel enthielt noch die vollständige Luppe, wie sie sich aus dem
Schmelzsatz ausgeschmolzen hatte; sie hatte die Gestalt des Tiegel-
raumes angenommen und bestand aus einem schwarzen, metallisch
glänzenden schlackigen Eisen. Die Tiegel waren gröſstenteils so
mürbe, daſs es nicht gelang, auch nur den kleinsten Scherben heraus-
zubekommen, was erklärlich ist, da sie so nahe der Oberfläche gelegen
den Einflüssen der Atmosphärilien zu sehr ausgesetzt waren. Sie sind
aus einer grauschwarzen, sehr zerreiblichen sandigen Masse gearbeitet
worden, deren Hauptbestandteil wohl der feuerfeste, Rudicer Thon ist.“


Ist dieses erste Verfahren mit der metallurgischen Erfahrung schon
schwer in Einklang zu bringen, so ist dies bei dem zweiten noch weit
schwieriger.


„Das zweite Verfahren, das ich als wahrscheinlich jünger annehme,
da es komplizierter gewesen ist, war nachstehendes: Es wurde eine
2 m lange, 1 m breite und ebenso tiefe Grube gegraben, in dieselbe auf
einen in der Grube etwas erhöhten Boden ein 35 bis 36 cm hoher,
nach unten etwas wenig ausgebauchter Tiegel gestellt, der 30 bis
32 cm Durchmesser und eine 4 bis 4½ cm dicke Wandung hatte.
Nahe am Boden dieses Tiegels waren ringsherum vier bis sechs Stück
12 bis 13 cm lange, 5 cm dicke thönerne Röhren angebracht, die sich
etwas nach abwärts neigten und mit ihrem 2 cm weiten Kanale in den
Tiegelraum, mit dem freien abgerundeten Ende aber in eine kleine, in
den Boden der Grube gemachte schalenförmige Vertiefung mündeten.
Nachdem das Schmelzgut samt Kohle in den Tiegel gethan ward,
wurde rings um den Tiegel die Grube mit Brennstoff angefüllt, der-
selbe angezündet und von beiden Seiten mit einer Blasevorrichtung in
das Feuer geblasen und so die Glut angefacht, bis das geschmolzene
Eisen durch die Röhren in die schalenartige Vertiefung abfloſs, dem
dann die flüssige Schlacke folgte und so war der Prozeſs vollendet.
Ob irgend ein Fluſsmittel dem Erze beigemengt wurde, wird die
Schlackenanalyse ergeben; die vielen halbgebrannten, in den Abfalls-
haufen liegenden Kalkbrocken machen dies wahrscheinlich. Um für
die Blasevorrichtung Raum zu bekommen, wurden die Gruben länger
als breiter gemacht.


[631]Einleitung zum Mittelalter.

Das Eisen, welches durch eine solche Schmelzweise erzeugt wurde,
war ein körniges, weiſses und sprödes Eisen, mehr weniger von kalk-
brüchiger Beschaffenheit.


Ich fand mehrere solcher Gruben. Eine davon lag in dem, dem
Dorfe Rudic nahen Walde; ihre Wände waren festgebrannt, jedoch sie
selbst, auſser wenigen Tiegelresten und zerbrochenen Röhren, bereits
ausgeräumt. Glücklicher war ich beim Auffinden jener, die auf einem
mäſsigen Abhange in der Nähe des Dorfes Habruvka im Walde lagen,
der mit dem Namen u Kalu (beim Sumpfe) bezeichnet wird, worin
hunderte von Schlackenhaufen liegen, die meist so situiert sind, daſs
gröſstenteils die Schmelzgrube oberhalb derselben sich befindet. In
einer dieser Gruben stand noch der Tiegel halb mit Schlacke, halb
mit Erde gefüllt. Er war so mürbe, daſs es nur mit gröſster Vor-
sicht möglich war, gröſsere Bruchstücke herauszunehmen, die sechs
Röhren waren alle von demselben abgebrochen, jedoch in ihrer
ursprünglichen Lage mit dem freien Ende gegen die Grübchen ge-
richtet; einige waren noch mit der im Flusse erstarrten Schlacke
entweder ganz oder zur Hälfte ausgefüllt, andere waren an ihrem
freien Ende mit Schlacken umhüllt. In den schalenartigen Vertiefungen
befanden sich noch mitunter Reste von Eisen oder sie waren mit
Schlacke erfüllt, die die Form der Schale angenommen und mit einem
kurzen Halse sich in den Kanal der Röhre fortsetzte. Die Tiegel selbst
bestehen aus feuerfestem mit vielen Quarzkörnern durchmengtem
Thone, der nicht weit von den Schmelzplätzen ansteht. Sie wurden
an Ort und Stelle geformt, wofür die hergerichteten und ungebrannten
Thonklumpen, die hie und da in den Schlackenhaufen vorkommen,
sprechen. Das Erz war der, an Ort und Stelle vorkommende Braun-
eisenstein, der, um ihn mürbe zu machen und vom Schwefel zu befreien,
früher, bevor er zur Verwendung kam, geröstet wurde, wie es die
geringen Vorräte desſelben in den Schlackenhaufen beweisen. Mit-
unter befanden sich neben den Schmelzgruben kleine Haufen, die meist
zerbrochene Röhren, Tiegelreste, und einzelne Stücke Roheisen ent-
hielten und durch das Ausräumen einer solchen Schmelzgrube nach
vollendeter Schmelzreife entstanden sind.


Die Schlackenhaufen, von welchen ich einige untersuchte, hatten
6 bis 12 m im Umfange und ½ bis ¾ m Höhe; sie waren aus einer
schwarzen, mit Holzkohle und nicht glasigen schwarzen Schlacken
gemengter Erde zusammengesetzt, in welcher sich übermäſsig viel
durch Verspritzen der flüssigen Masse entstandene Schlacke und
Eisenschrot befand. Auſserdem lagen noch darinnen geröstetes Eisen-
[632]Einleitung zum Mittelalter.
erz, Stückchen gebrannten Kalks, feuerfester Thon, angebrannte und
nicht angebrannte Knochen von Schwein, Schaf und Rind und eine
groſse Menge zerstreut liegender Topfscherben nebst zerbrochenen
Röhren- und Tiegelresten.“


Für den Techniker ist es wohl kaum nötig zu bemerken, daſs
dieser hypothetische Schmelzprozeſs in der beschriebenen Weise nicht
stattgehabt haben konnte. Die hohlen Füſse eines Topfes, denn so
sind die Tiegel abgebildet, können unmöglich gleichzeitig Düsen und
Abfluſsröhren gewesen sein, ganz abgesehen davon, daſs sich auf diese
Weise überhaupt Eisenerze nicht schmelzen lassen. Dabei soll das
Product immer noch Schmiedeeisen gewesen sein.


Herr Dr. Wankel bringt nun diese Eisenschlackenhalden im
Rudicer Wald in Verbindung mit einem merkwürdigen Höhlenfund in
nächster Nachbarschaft, der Byčiskálahöhle. Wir wollen auch die
Schilderung des Höhleninhalts wörtlich folgen lassen:


„Treten wir in die Höhle ein, so überrascht ein groſser imposanter
Dom, der durch von oben spärlich einfallendes Tageslicht dämmerig
erleuchtet wird. Es ist dieses die imposante Vorhalle zu der langen,
durch die Funde aus der Renntier- und Mammutzeit interessanten
Grotte, in welcher Vorhalle ich vor einigen Jahren das groſse Grab
eines Häuptlings aufgeschlossen habe, der auf einem hölzernen, mit
Eisen beschlagenen und durch ornamentierte Bronzebleche gezierten
Wagen auf einem hier errichteten Scheiterhaufen verbrannt wurde
und dem seine Weiber, Knechte und Pferde mit ins Grab folgen
muſsten. Rings um diesen groſsen Brandschatz, die Reste dieses
Scheiterhaufens, lagen über dreiſsig Skelette jugendlicher Frauen und
einiger kräftiger Männer in allen möglichen Lagen, teils ganz, teils
zerstückt mit abgehauenen Händen und zerspaltenem Kopfe, vermischt
mit zerstückten Pferden, einzeln liegenden oder zu Haufen zusammen-
getragenen Gold- und Bronzeschmucksachen, Armbändern, Glasperlen,
Bernsteinperlen und Bronzegehängen, mit Haufen von Gefäſsscherben,
ganzen Gefäſsen, Bronzekessel und gerippte Cysten, mit Bein- und
Eisengeräten u. s. w. Alles dieses lag bunt durch- und übereinander-
geworfen, teilweise umhüllt mit groſsen Mengen verkohlten Getreides,
unmittelbar auf dem geschwärzten, festgestampften lehmigen Boden
der Höhle, 2 bis 3 m hoch, bedeckt mit riesigen Kalkblöcken und auf
diesen geschüttetem Sand und Schotter.


Als ich die Blöcke hinwegräumen lieſs, fand ich unter denselben
nicht nur den Brandplatz, die Skelette und prachtvolle Objekte, sondern
auch im fernsten Hintergrunde der Vorhalle einen über 20 Quadrat-
[633]Einleitung zum Mittelalter.
meter groſsen Platz, der mit Gegenständen anderer Gattung bedeckt
war. Unter groſsen Mengen Asche und Kohle lagen solche Gegen-
stände, die nur in dieser Menge in einer Werkstätte für Metallwaren
angetroffen werden können. Hier lag aufeinandergehäuftes, vielfach
zerschnittenes, zerknittertes und zerbrochenes Bronzeblech, zusammen-
genietete groſse Bronzeplatten, bronzene Kesselhandhaben, Haufen von
unförmigen Stücken halbgeschmiedeten Eisens, riesige Hämmer, Eisen-
barren, Werkzeuge, schwere eiserne Stemmeisen und Keile, Feuerzange,
Amboſs, eiserne Sicheln, Schlüssel, Hacken, Nägel und Messer, ferner
geschmiedete Bronzestäbe und Guſsformen. Alles dieses war über-
schüttet, wie der ganze Opferplatz, mit verkohltem Getreide, bestehend
aus Weizen, Gerste, Korn und Hirse.


Aus dem Charakter dieser Fundobjekte, den Lagerungsverhält-
nissen derselben und aus dem zur weiteren Bearbeitung angehäuften,
vorrätigen Rohmateriale läſst sich mit Gewiſsheit auf eine Schmiede-
stätte schlieſsen, wodurch längere Zeit nicht nur Eisen, sondern auch
Bronze geschmiedet und verarbeitet wurde.


Die Schmiede muſsten schon lange, bevor das Begräbnis in der
Höhle stattfand, von ihr Besitz genommen haben, denn aus dem Um-
stande, daſs auch die Schmiedestätte wie der übrige Platz der Vorhalle
mit einer zusammenhängenden Lage groſser Kalkblöcke bedeckt war,
kann mit Sicherheit entnommen werden, daſs sie schon vor dem Be-
gräbnisse da war. Daſs die Bedeckung des Opferplatzes und der
Schmiedewerkstätte mit Blöcken gleichzeitig vor sich gegangen ist,
erhellt aus der zusammenhängenden Lagerung der Blöcke; daſs
ferner diese Kalktrümmer gleich nach der Begräbnisfeierlichkeit, als
noch die Glut des groſsen Feuers nicht erloschen war, dorthin gebracht
und niedergelegt wurden, ergiebt sich aus dem Umstande, daſs dort,
wo die Glut gewesen ist, die untere Lage der Kalkblöcke, welche
unmittelbar auf der ⅔ m mächtigen zusammengepreſsten Kohle
lagerten, zu Ätzkalk gebrannt war, der eine groſse Menge Bronze-
gegenstände und Eisenbestandteile des Wagens in sich schloſs.


Die Werkzeuge, insbesondere die 6 bis 7 kg schweren, wuchti-
gen Eisenhämmer — von den Bergleuten Schlägel, Fäustel, palice
genannt — von welchen ich 8 Stück gefunden, zeigen alle Spuren
eines langen Gebrauches und mehr weniger starker Abnutzung. So
ist ein Hammer infolge des Gebrauches mitten entzwei gebrochen; die
kleinen Handhämmer haben breit geschlagene Enden mit eingebogenem,
zackigem, ausgefranstem Rande und die Feuerzange einen durch Ge-
brauch abgebrochenen Arm. Und nicht nur an den Spuren eines
[634]Einleitung zum Mittelalter.
langen Gebrauches der Handwerkzeuge, sondern auch an den unfertigen
Gegenständen, deren Bearbeitung mitten in der Arbeit unterbrochen
wurde, läſst sich erkennen, daſs hier durch eine längere Zeit gearbeitet
wurde. So verrät ein 8 kg wiegender, groſser eiserner Keil seine
Unfertigkeit dadurch, daſs das eine Ende zwar schon in eine Spitze
ausgehämmert, das andere aber erst im Beginne der Bearbeitung
sich befindet; bei einem anderen 6 kg schweren Hammer fehlt noch
das Stielloch, das nur erst angedeutet ist; ein dritter hat wohl das
Stielloch, aber so klein, daſs man annehmen muſs, die Arbeit des
Durchbohrens sei noch nicht vollendet. Die roh gearbeiteten Nägel
sind oft nicht vollendet, gebogen und zerbrochen; die Bronzebleche in
Streifen und unregelmäſsige Stücke geschnitten, zusammengebogen,
zerknittert und waren vermischt mit Abfällen, zerbrochenen Ringen
u. s. w. auf einen Haufen geworfen und offenbar zum Zusammen-
schmieden oder Verschmelzen vorbereitet, für letzteres sprechen zwei
Guſsformen; die eine, aus Bronze, besteht aus drei Teilen und diente
zum Gusse für flache Scheiben mit zwei Öhren und einem Tutulus in
der Mitte, die andere bestand aus einem grauen Thonschiefer und
diente für ein Zierstück und zwar eines kleinen vierspeichigen Rades
mit am Rande besetzten Knöpfchen. Ein 35 cm langer Bronzestab
läſst auf seinen Flächen die Spuren der Schläge des Hammers er-
kennen, ohne vollendet worden zu sein. Ein über ½ qm groſses
Kesselblech, der Seitenteil eines ⅔ m hohen, konischen Bronze-
kessels, ist in der Mitte vernietet und gerade gebogen; eine groſse
bronzene Kesselhandhabe, bestehend aus einem groſsen schweren
massiven Ringe an einer bandartigen Schleife, ist stark verbogen und
zeigt dadurch, daſs er mit groſser Gewalt vom Kessel gerissen wurde.
Noch mehr als alles dieses sprechen für eine Benutzung dieser Stelle
als Schmiedestätte viele kleine Stückchen Schlacke, ferner kleine
Eisenstäbe, an deren Ende Eisenklumpen angefrischt waren, wie es
noch heute die Hammerschmiede thun und zuletzt das zur Bearbei-
tung angehäufte und verarbeitete Rohmaterial in Form von 6 bis
8 kg schweren, unregelmäſsigen Bruchstücken, sehr harten und
zähen, an den Bruchflächen schwarz metallisch glänzenden Luppen-
eisens, das sich als solches durch ungleiches Gefüge und einzelne
Schlackenpartikelchen herausstellt und die Hämmerung durchgemacht
hat. Diese Stücke besitzen eine so groſse Härte und Zähigkeit, daſs
sie nur mit dem gröſsten Kraftaufwande, schweren Hämmern und
groſser Ausdauer zerschlagen werden konnten. Ich wollte einen
solchen Eisenklumpen zerschlagen lassen, aber zwei Arbeiter, welche
[635]Einleitung zum Mittelalter.
mit schweren Eisenschlägeln und Stahlmeiſseln beinahe ½ Stunde
arbeiteten, konnten kaum den sechsten Teil davon abtrennen. Es
muſste demnach dieses harte und zähe Rohmaterial ein vorzügliches
Schmiedeeisen geben, das, wie die gefundenen Eisenbarren, in die Welt
geschickt wurde. Solche schwere, vierkantige, zu beiden Seiten in lange,
dünne Spitzen hinausgeschmiedete Eisenstücke, die man für Eisenbarren
hält, sah ich in den Museen zu Mainz, Hamburg, Kiel und Christiania.


Wenn wir nun nach der Ursache forschen, warum die Schmiede
diese schauerliche, in einer damals gewiſs schwer zugänglichen Wildnis
auſser allem Verkehr gelegene Höhle zu ihrer Werkstätte erwählten,
insbesondere da dem Transporte so groſser, schwerer Gegenstände, wie
das Rohmaterial, die Barren, die schweren Eisenhämmer, die Werk-
zeuge aus weiter Ferne groſse Hindernisse entgegenstanden, so kommen
wir zur Überzeugung, daſs der Grund hiervon die Nähe der oberhalb
der Byčiskálahöhle gelegenen Luppenschmelzereien bei Rudic und
Habruvka gewesen ist, um das da erzeugte Produkt an Ort und Stelle
zu verarbeiten.“


Wenn wir bei dieser Beschreibung auch der lebhaften Phantasie
des Verfassers entschieden Rechnung tragen müssen, so läſst sich doch
nicht verkennen, daſs der Inhalt der Byčiskálahöhle von höchstem
Interesse ist. Auch hier ist das Zusammenvorkommen von Eisen und
Bronze charakteristisch. Der Verfasser konstatiert auch, daſs sein
Höhlenfund viel Ähnliches mit den Hallstädter Funden darbietet und
daſs er den Eisenschatz mit den Schmelzstätten im Rudicer Walde in
Verbindung bringt, scheint nicht ungerechtfertigt. Er schreibt dem
ganzen Funde ein sehr hohes Alter zu, das wahrscheinlich über das
3. Jahrhundert hinausgeht. Die Zeitbestimmung solcher Funde ist unend-
lich schwer. Österreich und Deutschland sind erfüllt mit den Resten
alter Eisenschmelzen. Aber nur selten findet sich irgend ein Anhalt für
ihre Altersbestimmung. Man findet sie im dicksten Hochwalde, an
hohen Bergen. Das Alter der darüber gewachsenen Bäume giebt wohl
den Beweis, daſs diese Schmelzstätten vor sehr langer Zeit betrieben
worden sein müssen, in welcher Zeit, bleibt aber meist unaufgeklärt.


So verhält es sich auch mit der zerstörten Stadt auf dem Berge
Hradiste bei Stradonic in der Nähe von Pilsen in Böhmen, wo über
20000 Gegenstände von Gold, Silber, Kupfer und Eisen aufgefunden
wurden, ohne römische Münzen, die also der vorrömischen Zeit zu-
gerechnet werden müssen. „Sehr reich sind die Bronzefunde; auch
fanden sich steinerne Gieſsformen, sowie Schmelztiegel mit anhaftenden
Bronzeschlacken. Überwiegend aber waren die Eisenfunde und es
[636]Einleitung zum Mittelalter.
ist zweifellos, daſs das Eisen hier verarbeitet wurde, wie die gefun-
denen Eisenschlacken, Amboſse, Hämmer, Zangen und halbfertig ge-
schmiedete Gegenstände, wie Fibeln, Messer, Pfeilspitzen, Sicheln,
Sporen u. s. w. beweisen. Man schreibt die Stadt den alten Bojern
(Boihaemi, Tacit. Germ. c. 28) zu 1).


Bis jetzt hat man diesen Resten alten Eisenschmelzbetriebes, die
sich auch in Mitteldeutschland überall finden, viel zu wenig Auf-
merksamkeit geschenkt. Systematische Aufnahmen und Untersuchun-
gen würden gewiſs mancherlei Aufschlüsse gewähren. Es ist schon
ein groſser Fortschritt, daſs auf Anregung des Verfassers die preuſsi-
schen Bergbeamten von der oberen Behörde angewiesen worden sind,
alle die ihnen bekannten Funde dieser Art in die Revierkarten wenig-
stens bei Neuaufnahmen einzuzeichnen. Die geographische Verteilung
dieser alten Waldschmieden bietet schon für sich ein groſses Interesse
dar und wird zu manchen Schluſsfolgerungen führen.


In der norddeutschen Ebene und in Holland hat man diesen alten
Schlackenhalden verhältnismäſsig gröſsere Aufmerksamkeit zugewendet.
Es liegt dies wohl am meisten daran, daſs diese Reste alter Eisen-
schmelzen den Einwohnern mehr auffielen, weil jetzt in diesen
Gegenden gar keine Eisengewinnung aus den einheimischen Erzen
mehr betrieben wird.


Über prähistorische Eisenschlacken in der Provinz Hannover hat
Hostmann kürzlich eine Arbeit veröffentlicht 2). Er hebt hervor, daſs
in der ganzen Provinz Hannover keine anderen prähistorischen
Schlacken nachzuweisen seien, als Eisenschlacken. Kupfer- und Silber-
schlacken fehlen gänzlich, also läſst sich auch nicht annehmen, daſs
diese Metalle im Lande verschmolzen wurden, was auch mit dem Zeug-
nisse des Tacitus über die technischen Kenntnisse der alten Germanen
übereinstimmt. Eisenschlacken finden sich dagegen an vielen Orten,
Hostmann schreibt:


„Ich will hier nicht von den zahllosen Schlackenhalden reden, mit
denen noch bis vor kürzester Zeit die weite Niederung des sogenannten
Witzenbruchs fast ganz überdeckt war, oder von ähnlichen Halden in
der Gegend von Osterode, in der Eilenriede, bei Hänigsen und anderen
Orten; denn diese „Waldschmieden“ gehören der historischen Zeit an
und dürften, wenn auch vereinzelt ein Steinhammer oder schlecht
gebrannte Thonware zwischen den Halden gefunden wurde, schwerlich
[637]Einleitung zum Mittelalter.
über das 5. Jahrhundert n. Chr. zurückgehen. Auch handelt es sich
nicht um einzelne aus Schlacken aufgebaute Grabhügel, die, wie unter
anderem im benachbarten Sachsenwalde, mit Urnen aus dem 1. Jahr-
hundert n. Chr. besetzt waren, noch um ähnliche Funde wie das durch
Estorff beschriebene und sicher der vorchristlichen Zeit angehörende
Urnenlager bei Veerssen, mit Urnen, denen Eisenschlacken zur Unter-
lage oder als Deckel dienten. Vielmehr sind es andere, erst in den
letzteren Jahren angestellte, zu den wichtigsten Folgerungen führende
Beobachtungen, die ich in diesen Blättern zur Sprache bringen möchte.


Wenn man die Abhänge der dünenartigen, älteren Alluvialbildungen
an den Ufern der unteren Leine, insbesondere auch der von kleineren
Zuflüssen halbinselartig eingeschlossenen Anhöhen mit Aufmerksamkeit
untersucht, so wird man bald in einer Tiefe von 0,3 bis 1 m unter
der Oberfläche eine Art Kulturschicht, eine durch das ganze, oft
mehrere Hektare groſse Terrain sich hinziehende Ablagerung von
Artefakten wahrnehmen, die vorherrschend aus einer fast unglaublichen
Menge kleiner Topfscherben untermischt mit Eisenschlacken besteht,
nebst einzelnen eisernen Gegenständen, Steingeräten und Feuerstein-
splittern, sowie mit Kohlenresten, Tierknochen und vegetabilischen
Abfällen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daſs wir es hier nicht
etwa mit den Trümmern durch den Pflug aufgewühlter und zerstörter
Urnenlager, sondern mit den Rückständen uralter Niederlassungen zu
thun haben, die, wie ihre Lage ergiebt, aus einer Zeit stammen, als der
Leinefluſs noch nicht in sein jetziges Bett zurückgetreten war. Dies
bestätigt sich noch weiter durch die Resultate der Nachgrabungen,
welche vor etwa zwei Jahren im Amte Neustadt a. R. von mir in Ge-
meinschaft mit Herrn v. Stolzenberg vorgenommen wurden, bei denen
nicht nur jene vorhin erwähnten Abfälle und Bruchstücke, sondern
auch Fundamentierungen aus Feldsteinen, Herdstellen aus Granit-
blöcken und die Überreste kleiner Schmelzgruben entdeckt wurden.


Als speziell von uns untersuchte Lokalitäten nenne ich den hohen
Berg am linken Leineufer, in der Nähe von Amedorf belegen, den so-
genannten Winkelhagen, eine schmale Düne zwischen dem Gürsebach
und dem Ufer des alten Leinebettes in der Feldmark Luttmersen; den
Hohen Hof, eine inselförmige Düne am linken Leineufer, südwestlich
von Basse und besonders ein nordöstlich von diesem Dorfe am rechten
Leineufer belegenes Grundstück. Hier fanden sich beim Abkarren
des Bodens zwischen den Topfscherben nicht nur eine Menge kleiner
Schlackenstücke, sondern auch auffallend viel groſse Schlacken, dar-
unter zehn kugelsegmentförmige, von denen jede mindestens 50 kg
[638]Einleitung zum Mittelalter.
wiegt. Die Ablagerung selbst setzt sich unterhalb des alten Kirch-
dorfes fort, wo man beim Auswerfen von Fundamenten oder anderer
Grabenarbeit häufig auf ähnliche Kulturreste stöſst.


Die Topfscherben in diesen Ablagerungen sind durchgängig von
sehr primitiver Beschaffenheit. Nur mäſsig stark gebrannt und dick-
wandig, zeigen sie ganz gewöhnliche Formen, und auſser einigen will-
kürlich eingeritzten Linien oder mittels der Fingerkuppe auf dem
oberen Rande hervorgebrachten Eindrücken auch nicht die geringste
Spur von Verzierung. Offenbar sind es Bruchstücke von Gebrauchs-
gefäſsen verschiedener Art, unter denen, wie die Schweifung einzelner
Stücke erkennen läſst, flache Schalen mit einem Durchmesser von
mindestens 1 m vorkamen. Auffallend und anderweitig kaum be-
obachtet, sind die Scherben von sehr dicken, mutmaſslich als Koch-
geschirr verwendeten Gefäſsen aus einem so stark mit Asche versetzten
Thon, daſs die Masse ein ganz bimssteinartiges Ansehen erhielt. Die
aufgefundenen Steingeräte bestanden aus einem durchbohrten Hammer,
einigen geschliffenen Keilen und mehreren sogenannten Feuerstein-
messern; die eisernen Gegenstände in einigen geraden Messern von
verschiedener Gröſse und dem Bruchstück einer Schafschere.“


Die hier gefundenen Schlacken lassen sich von denen des Witzen-
bruchs auf den ersten Blick unterscheiden. Anstatt nämlich, wie diese,
eine kompakte Masse mit schlichter, ebener Oberfläche — das Er-
starrungsprodukt aus einem dünnflüssigen Zustande — zu bilden, zeigen
die Leineschlacken durchweg höchst eigentümliche, wurm- oder trauben-
förmige Bildungen, die nur dadurch entstehen konnten, daſs die
glühende Schlackenmasse als zäher, dickflüssiger Brei langsam aus
dem Stichloch abtropfte und erstarrte. Ohne Zweifel sind daher die
Schlacken des Witzenbruchs von jüngerem Datum als die unserigen;
dort wurde, so schlieſsen wir, bereits die Stückofenwirtschaft mit ver-
hältnismäſsig kräftiger Ventilation betrieben, während an der Leine
das Eisen nur erst in flachen Gruben und mit schwachem Blasebalg
verhüttet wurde.


Die auf Hostmann’s Veranlassung im Laboratorium der tech-
tischen Hochschule zu Hannover durch Herrn W. Haberland mit den
Leineschlacken angestellte Analyse ergab folgende Zusammensetzung:


[639]Einleitung zum Mittelalter.

Als Verhüttungsmaterial kann kein anderes als das ohne Bergbau
zu gewinnende, auſserordentlich weit verbreitete, sogenannte Wiesen-
oder Morasterz verwendet worden sein. Dies war, wie schon Prof. Bleek-
rode äuſserte, dasjenige Erz, welches nicht nur zu allererst zur Eisen-
bereitung gedient hat, sondern das auch so lange ausschlieſslich
verwendet wurde, als es sich noch nicht um Billigkeit des Fabrikates,
sondern nur darum handelte, in den Besitz eines brauchbaren und
unentbehrlichen Metalles zu gelangen. Es ist ein sehr schmelzbares,
leicht reduzierbares Erz, ein Eisenoxydhydrat, das nach einem Durch-
schnitt von fünf verschiedenen mit vorliegenden Analysen folgender-
maſsen zusammengesetzt ist:



Vergleicht man nun die Bestandteile beider Analysen mitein-
ander, so muſs sofort auffallen, daſs die Schlacken, im Gegensatz zu
den modernen fast ganz eisenfreien Hochofenschlacken, beinahe eben-
soviel Eisen enthalten wie das verwendete Erz. Dies enthält etwa
50 Proz. metallisches Eisen und hiervon wurde ungefähr die Hälfte
absorbiert für die Bildung der Schlacke. In der That ein groſser, aber
ganz unerläſslicher Verlust, der indessen zu einer Zeit, welcher fast
unerschöpfliche Vorräte von Erzen und Brennmaterial zur Verfügung
standen, gar nicht in Betracht kommen konnte. Weiter ergiebt sich,
[640]Einleitung zum Mittelalter.
daſs neben dem Mangan auch der ganze Phosphorgehalt der Erze durch
die Schlacken abgeführt und damit unschädlich gemacht wurde; ein
Vorzug, den die damalige Rennarbeit vor dem jetzigen Hochofenbetriebe
voraus hatte.


Die vielen kleinen, weit durch den Boden zerstreuten Schlacken-
stücke scheinen auf einen nur nach Bedarf, in sehr beschränkter Weise
vorgenommenen Betrieb hinzudeuten.


Waren zur Zeit des Tacitus auch die Deutschen noch arm an
Eisen, so stieg das Ansehen der Eisenschmiede zur Zeit der Völker-
wanderung bedeutend. Das Grab eines Eisenschmiedes, welches nahe
dem Hofe Luttmersen aufgedeckt wurde, aus einem Hügel von 15 m
Durchmesser und 4 m Höhe bestehend, mag wohl dem 5. Jahr-
hundert n. Chr. angehören. Beim Abfahren des Sandes wurden im
Hügelaufwurf mehrere Totenurnen gefunden, von denen die eine etwa
20 dunkle Mosaikperlen, eine andere ein kleines Idol aus Terracotta
enthielt. Mitten im Hügel aber befand sich das Hauptgrab. Zwischen
einer ovalen Steinsetzung lag das Skelett frei im Sande ausgestreckt,
ihm zur Seite ein groſses eisernes Kampfschwert und zu Häupten
eine, jetzt im Provinzialmuseum befindliche, 50 kg schwere cylin-
drische Eisenschlacke
. Ablagerungen mit Eisenschlacken be-
schränken sich aber keineswegs auf die untere Leine.


„Erst kürzlich habe ich“, schreibt Hostmann, „am rechten Ufer der
Hunte, nicht weit vom Einfluſs des Katenbachs, eine hohe Dünenbil-
dung untersucht und konnte hier genau dieselbe Erscheinung kon-
statieren wie an der Leine. Kaum einen Fuſs über der Oberfläche
war der Boden förmlich durchsetzt mit Eisenschlacken, groben Topf-
scherben und Kohlen. Auch fand sich eine, etwa 30 cm weite Schmelz-
grube, deren Wandung mit kleinen Feldsteinen ausgesetzt und dann
mit einer Lehmschicht, die völlig rotgebrannt und zum Teil verglast
erschien, bekleidet war.“


Diese Überreste von zäh geflossenen Eisenschlacken untermischt
mit altgermanischen Topfscherben setzen sich jenseits der Ems fort
bis an den Zuidersee und südlich bis zum Rhein. Andererseits wurde
jenseits der Elbe dasſelbe Vorkommen beobachtet in Holstein, Mecklen-
burg, Pommern, Brandenburg und Schlesien. An den Ufern der Oder
in der Nähe von Breslau fand Dücker Kohlen und Aschenreste in
gröſserer Menge im Boden abgelagert.


Ausgedehnte Ablagerungen von prähistorischen Eisenschlacken
finden sich in Holland, besonders zwischen Waal, Rhein, Yssel und
der Zuidersee. Professor Bleekrode hat dieselben eingehender unter-
[641]Einleitung zum Mittelalter.
sucht und die Ergebnisse seiner Untersuchung in einer interessanten
Monographie 1) in der Zeitschrift für Volksfleiſs, Amsterdam (1857)
veröffentlicht. Die Schlacken sind schwer, mit wurmförmiger Ober-
fläche und finden sich an vielen Plätzen durch ganz Holland zer-
streut. Am Onzanige Bosch fand man eine solche Halde von
3 Ellen Höhe und 15 bis 20 m im Quadrat. Auf der Scheuldermark
sind Kunstgegenstände aus der merovingischen Zeit zwischen den
Schlackenhalden gefunden worden. Auch in Luxemburg hat man aus-
gedehnte Schlackenhalden dieser Art gefunden, besonders bei dem
Hofe Bafor, Gemeinde Bartingen, auf dem Wege nach Longwy. Dort
stand nach alten Überlieferungen ein Heidenofen und wenige Stunden
nordwestlich von Bafor bei Wichten sah man noch im vorigen Jahr-
hundert die Reste einer uralten Eisenschmelze, die den Römern Waffen,
Schilde, Schwerter, Dolche, Panzer, Ballisten und anderes Kriegsgerät
lieferte, wie aufgefundene Inschriften bezeugen.


Die holländischen Schlacken finden sich vielfach mit Topfscherben
zusammen. Bleekrode hat nicht weniger als vierzehn vollständige
Analysen von Schlacken und vierzehn von den Sumpferzen (Zandoer
und Turfoer, Sanderz und Torferz), die sich dort ebenso, wie in der
norddeutschen Ebene wenige Fuſs unter der Oberfläche finden, ver-
öffentlicht. Es ergab sich daraus für die Schlacken folgende Durch-
schnittszusammensetzung:


Als Brennmaterial diente Holzkohle, die man noch an mehreren
Plätzen in den Schlackenhalden gefunden hat. In derselben Eisen-
kügelchen, die sich mit dem Magnet ausziehen lieſsen. Hier und da
fand man Stückchen von rotgebranntem Thon. Von festen Gebäuden
fand sich keine Spur. Die Öfen waren demnach nicht gemauert, son-
dern bestanden aus einfachen Gruben im Boden, der meist aus einem
wenig thonartigen Quarzsand besteht, im Inneren wurden sie mit Thon
ausgeschlagen. Es läſst sich über das Alter dieses Schmelzbetriebes
nichts Bestimmtes angeben. Er hat an einzelnen Plätzen bis in die
merovingische Zeit hineingereicht. Bei der Zahl und Ausdehnung der
Beck, Geschichte des Eisens. 41
[642]Einleitung zum Mittelalter.
Halden darf man aber wohl annehmen, daſs die Eisengewinnung durch
eine lange Periode hindurch vor dieser Zeit in Gang war.


Im ganzen mittleren Europa lassen sich die Spuren prähistorischer
Eisengewinnung nachweisen und sicherlich werden noch weit mehr
alte Schmelzstätten aufgefunden werden, sobald diesem Gegenstande
gröſsere Aufmerksamkeit zugewendet werden wird. Wir haben die
obigen Beispiele ausführlicher behandelt, weil sie solchen Gegenden
angehören, in denen der moderne Betrieb, selbst Schmelzhütten mit
Wasserkraft nie bestanden.


[[643]]

Das frühe Mittelalter.


Die prähistorische Zeit hat keine bestimmte Grenze und greift oft
in die historische Zeit über. Wenn wir deshalb jetzt dazu übergehen,
einen Überblick der Gewinnung und Verwendung des Eisens bei den
wichtigsten barbarischen Völkern des alten Europas zu geben, müssen
wir noch häufig in die prähistorische Zeit zurückgreifen und manches
erwähnen, was ebensowohl in das vorhergehende Kapitel gehört.


Wir wollen zusammenstellen, was über die Geschichte des Eisens
in dem alten Hispanien, Gallien, Britannien und Germanien bekannt ist.


Hispanien.


Spanien war in ältester Zeit von den Iberern bewohnt, ein Volk,
welches wahrscheinlich der turanischen (finnisch-tatarischen) Völker-
familie angehörte, von denen sich noch ein kleiner Rest in den Basken
erhalten hat. In Nordspanien aber drangen schon früh Kelten (Gal-
lier) von Norden her ein, verschmolzen sich mit den Iberern zu dem
Mischvolk der Keltiberer. Diese hatten den Norden und Osten des
heutigen Spaniens inne, während im Westen, im heutigen Portugal,
der, den Iberern verwandte Stamm der Lusitanier saſs. Der angesehenste
und gebildetste Stamm der Iberer waren die Turdetanier, welche
an dem herrlichen Bätis (dem Guadalquivier) wohnten. Dieser Strom
war von je die Lebensader Spaniens. In seinem Gebiete wuchs und
gedieh alles, was Spanien reich und anmutig machte, in seinem Gebiete
befanden sich auch die reichen Silberbergwerke, die zuerst den Ver-
41*
[644]Das frühe Mittelalter.
kehr mit anderen Völkern, namentlich mit den Phöniziern veranlaſsten
und zur Gründung des reichen Gades durch die Tyrer führten. Der
Reichtum Spaniens war bei den Alten sprichwörtlich. In das Gebiet
der Turditanier verlegte man die Goldfrüchte tragenden Gärten der
Hesperiden. Dort waren die Säulen des Herkules, die Grenzzeichen
der Welt, jenseits welcher das Elysium lag. Deshalb hieſs auch das
südwestliche Vorgebirge von Hispanien Kap Finisterre, bei den Römern,
„das heilige“ (Promontorium Sanctum). Als die Karthaginienser zu-
erst zu den Turdetaniern kamen, fanden sie bei denselben silberne
Krippen und Weinkrüge im Gebrauch. Und Anakreon singt als von
den höchsten irdischen Gütern: „Weder möcht ich Amalthias Füllhorn
mir wünschen, noch hundertundfünfzig Jahre nacheinander die Herr-
schaft über Tartessos.“ Letzteres war der alte griechische Name für
das Land der Turditanier und den Guadalquivir, gleichbedeutend mit
dem phönizischen Namen Tharsis. Tharsisschiffe hieſsen bekanntlich
die groſsen Handelsschiffe der Phönizier, die das Silber aus Spanien
holten.


Strabo nennt die Phönizier die Unterweiser der Iberer, denn diese
hätten vor Homers Zeit den besten Teil Iberiens und Lybiens besessen
und blieben Herren der Gegend, bis die Römer ihre Herrschaft ver-
nichteten, doch waren auch noch zu seiner Zeit die Städte Turditaniens
zumeist von Phöniziern bewohnt. Indessen waren die Turditanier
schon vor ihrer Verbindung mit den Phöniziern ein vorgeschrittenes
Volk mit eigener, nationaler Bildung. Sie bedienten sich der Schrift
und hatten nationale Geschichte und Gedichte, sowie in Versen gefaſste
Gesetze, von denen sie behaupteten, daſs sie schon 6000 Jahre alt seien.
Auch verstanden sie das Ausschmelzen des Silbers ehe die Phönizier
in das Land kamen. Diodor freilich erklärt dies für einen Zufall 1),
indem durch die Unvorsichtigkeit von Hirten das ganze damals dicht
bewaldete Gebirge in Brand geraten sei, woher es seinen Namen Pyre-
näen (von πῦρ, Feuer) erhalten habe. Zugleich sei damals an der
Oberfläche des verbrannten Landes viel Silber geflossen und indem das
natürliche Erz, aus welchem das Silber gewonnen wird, schmolz, seien
viele Bäche reinen Silbers entstanden. Weil aber der Nutzen desſelben
den Einwohnern unbekannt war, so kauften die Phönizier, welche des Han-
dels wegen dort hinkamen und von dem Ereignis erfuhren, das Silber
im Austausch gegen irgend eine andere Ware von geringem Werte;
und so konnten sich denn diese Phönizier, welche es weiter nach Hellas
[645]Hispanien.
und Asien und zu allen übrigen Völkern verführten, groſse Reichtümer
erwerben. So weit trieben die Kaufleute ihre Habgier, daſs sie, wenn
trotz völliger Überladung ihrer Fahrzeuge immer noch Silber im
Vorrat war, das Blei an den Ankern wegschlugen und das Silber den
Dienst des Bleies thun lieſsen, deshalb schickten auch die Phönizer,
als sie durch solchen, lange Zeit betriebenen Handel an Reichtum und
Macht ungemein gewonnen hatten, viele Kolonieen aus, teils nach
Sizilien und den in dessen Nähe liegenden Inseln, teils nach Lybien,
Sardinien und Iberien.


Vorstehende Erzählung ist nur ein phönizisch-griechisches Han-
delsmärchen und sowohl die technische, wie die sprachliche Erklärung
ist unrichtig. Die durch einen Waldbrand entstandenen Silberbäche
sind zu naiv und die Angabe, daſs der einheimische Name der Pyre-
näen mit dem griechischen πῦρ zusammenhänge, ist falsch, vielmehr
kommt es von dem keltischen Wort Byrin, Byren, Berg, Gebirg. Diodor
fährt fort:


„In bei weitem späterer Zeit, als die Iberer die Eigenschaften und
den Gebrauch des Silbers kennen gelernt hatten, legten sie bedeutende
Bergwerke an, und da sie das schönste und wohl auch das meiste
Silber gewannen, so verschafften sie sich damit reiche Einkünfte. Die
Art und Weise des Bergbaues und der einschläglichen Arbeiten ist bei
den Iberern ungefähr die folgende. Sie haben Werke auf Kupfer, auf
Gold und auf Silber, alle von erstaunlicher Ergiebigkeit. Diejenigen,
welche auf Kupfer bauen, gewinnen den vierten Teil des zu Tage ge-
förderten Erzes als reines Kupfer; unter den Privatleuten aber, die
auf Silber bauen, giebt es sogar solche, welche in drei Tagen ein euböi-
sches Talent gewinnen; denn jede Erdscholle ist voll gediegenen und
durch den Glanz bemerkbaren Metallsandes. Man kann deshalb nicht
weniger die wunderbare Bodenbeschaffenheit anstaunen, als den Fleiſs
der Menschen, welche ihn bebauen. Anfangs legte sich der erste beste
Privatmann auf den Bergbau und erwarb groſsen Reichtum aus dem
Boden, welcher das Silber in solcher Fülle gediegen darbietet; später
aber, als die Römer das Land erobert hatten, wendete sich eine groſse
Zahl Italiker dem Bergbau zu, und ihre Habgier nahm groſse Reich-
tümer aus dem Lande mit. Sie kaufen nämlich eine Menge von Skla-
ven zusammen und übergeben diese den Vorstehern der Bergwerke.
Diese lassen dann an mehreren Stellen Öffnungen graben und schürfen
in die Tiefe, um die silber- und goldhaltigsten Erdschichten zu finden.
In eine gewisse Tiefe gekommen, graben sie nicht bloſs Schachte in die
Länge, sondern treiben sie auch weiter hinab bis zu einer Tiefe von
[646]Einleitung zum Mittelalter.
mehreren Stadien und legen auch Querstollen an und vielfach gewun-
dene Gänge, um das Metall zu gewinnen und fördern so die Stufen aus
der Tiefe an das Tageslicht, welche ihren Gewinn einschlieſsen.


Sehr groſs ist also der Unterschied, wenn man diese Bergwerke
mit denen in Attika vergleicht. Diejenigen nämlich, welche in Attika
den Grubenbau betreiben und groſse Summen darauf verwenden, ge-
winnen nicht nur das nicht, was sie zu gewinnen hofften, sondern
verloren auch oft noch das, was sie hatten, so daſs es ihnen ging, wie
es in jenem Rätsel heiſst 1). Die aber in Spanien den Bergbau betreiben,
gewinnen aus dieser Arbeit groſse Schätze, denn schon ihre ersten Ver-
suche werfen bei der so überaus glücklichen Beschaffenheit des Bodens
Gewinn ab und je tiefer sie in die Erde eindringen, um so glänzendere,
von Silber und Gold strotzende Adern finden sie; denn der Boden ist
nach allen Seiten hin von vielfach verschlungenen Metallgängen durch-
zogen. Manchmal stoſsen sie auch in der Tiefe auf unterirdische,
flieſsende Gewässer, aber sie wissen ihrer Herr zu werden, indem sie
ihren Lauf ableiten, wenn er auf ihre Querstollen trifft; denn da die
Hoffnung auf Gewinn sie nicht täuscht, so fühlen sie sich gedrängt,
das begonnene Unternehmen bis zu Ende durchzuführen. Und was
das Wunderbarste ist, sie schöpfen die Wasserströme mit den so-
genannten ägyptischen Schrauben aus, welche der Syrakusaner Archi-
medes erfand, als er sich in Ägypten aufhielt. Vermittelst dieser
Maschinen heben sie das Wasser in einem Zuge immer höher und
höher bis zur Mündung des Schachtes, wodurch die Grube, wo eben
gebaut wird, trocken gelegt und zur Fortsetzung der Arbeit geschickt
gemacht wird. So überaus künstlich ist diese Maschine, daſs eine
unendliche Menge Wassers durch sehr unbedeutende Arbeit wunder-
barerweise in die Höhe gehoben und der ganze Wasserstrom mit
leichter Mühe aus der Tiefe an die Oberfläche hinausgepumpt wird.
Mit Recht bewundert man den Scharfsinn des Künstlers und zwar
nicht nur bei dieser, sondern auch bei vielen anderen und noch wichti-
geren Erfindungen, die über die ganze Erde berühmt sind.


Die Arbeiter in diesen Bergwerken gewinnen ihren Herren ganz
unglaubliche Reichtümer, sie selbst aber müssen Tag und Nacht in
den Gruben unter der Erde ihren Körper aufreiben, und viele von
[647]Hispanien.
ihnen sterben vor übermäſsiger Anstrengung, denn Ruhe oder Erholung
von der Arbeit giebt es für sie nicht, sondern immerfort trifft sie der
Schlag der Aufseher und zwingt sie, die Mühsal wieder aufzunehmen,
und so verzehrt sich ihr Leben in Jammer und Elend; und doch giebt
es solche, die an Leib und Seele so stark sind, daſs sie dies Elend
lange Zeit ertragen; denn wünschenswerter wäre ja für sie der Tod,
als zu leben und solche Leiden zu tragen. Unter den vielen Dingen,
welche bei den genannten Bergwerken auffallen, ist wohl nicht das am
wenigsten auffällige, daſs keiner dieser Schachte neu angelegt ist; viel-
mehr sind alle schon durch die Habgier der Karthager eröffnet worden,
zur Zeit als sie über Iberien herrschten. Denn diese Bergwerke waren
die Quellen ihrer rasch aufsteigenden Macht; aus ihrem Ertrag nämlich
besoldeten sie die tüchtigsten Mietstruppen und mit diesen fochten sie
viele und groſse Kriege durch. Denn zu keiner Zeit haben die Kar-
thager ihre Kriege durch Streitkräfte aus ihrer eigenen Bürgerschaft
geführt, noch auch auf die Truppen ihrer Bundesgenossen vertraut,
sondern Römer wie Sicilianer und Lybier haben sie aufs Gefährlichste
bedrängt, indem sie das Geld gegen sie in den Kampf führten, welches
ihnen aus den Bergwerken so reichlich zufloſs. Von Anbeginn an,
scheint es, waren die Punier darauf aus, Quellen des Gewinnes zu
finden, die Italiker aber, sie keinem Anderen zu lassen.“


Es ist ganz richtig, was hier Strabo bemerkt, daſs es der Besitz
der reichen Silberbergwerke Spaniens war, welche Karthago so mächtig
und gefürchtet machten, gerade wie dieselben Schätze vordem die
wichtigste Grundlage des Glanzes von Tyrus gewesen waren und ebenso
datiert die Weltherrschaft Roms von der Erwerbung der spanischen
Silberbergwerke. Welche Schätze an Gold und Silber aus denselben
gewonnen wurden, haben wir schon oben bei dem Bergbau der Römer
angeführt. Die Gründung der Stadt Gades geschah von Tyrus aus
schon vor der Erbauung Utikas, also vor 1100 v. Chr. Die ersten Be-
ziehungen der Phönizier und Turditanier sind aber wohl noch älter.
Gades war noch zur Römerzeit so blühend, daſs Strabo es nach Rom
für die volkreichste Stadt erklärt. Es schickte damals die meisten
und gröſsten Handelsschiffe aus sowohl nach den Häfen des Mittel-
meeres, als an die Küsten des Atlantischen Ozeans. Dikäarchia (Pu-
teoli) und Ostia, die Hafenstadt Roms, waren die Seeplätze Italiens, die
zu Strabos Zeit hauptsächlich mit Gades im Verkehr standen.


Das meiste Silber fand sich am Baetis bei dem Orte Ilixo. Ferner
waren groſse Silbergruben bei Sisapo, dem heutigen Almaden, und
Neu-Karthago (Carthagena) wurde der Silberbergwerke wegen ge-
[648]Das frühe Mittelalter.
gründet. Bei Kotynä wurde Gold und Kupfer gewonnen. Gold wurde
auch viel an den Flüssen, namentlich an den Nebenflüssen des Bätis
gewaschen. Strabo schreibt 1) über die Gewinnung und Verhüttung
der Metalle:


„Denn weder Gold noch Silber, weder Kupfer noch Eisen ist bis
jetzt an irgend einem Orte der Erde weder in solcher Menge noch in
solcher Güte erzeugt gefunden worden. Das Gold aber wird nicht
bloſs gegraben, sondern auch geschlämmt, denn die Flüsse und Wald-
bäche führen den Goldsand herab, welcher sich auch oft an wasser-
losen Orten findet. Dort ist er freilich unsichtbar, an von Wasser be-
spülten Stellen aber glänzt der Goldstaub hervor. Deshalb bespült
man die wasserlosen Stellen mit hingeleitetem Wasser und macht den
Goldstaub glänzend. Auch indem man Brunnen gräbt und andere
künstliche Mittel ersinnt, gewinnt man durch Abschlämmen des Sandes
Gold, und es giebt jetzt mehr sogenannte Goldwäschen als Goldgruben.
Zwar behaupten die Gallier, die Metalle bei ihnen, sowohl die im
Kemmenischen Gebirge als die in den Pyrenäen selbst versteckt liegen-
den, wären die besten, aber dennoch werden die von dorther mehr ge-
schätzt. In dem Goldstaube sollen sich bisweilen halbpfündige Klumpen
finden, die man Palä nennt und die nur geringer Läuterung bedürfen.
Auch in zerschlagenen Steinen, sagt man, fänden sich den Brustwarzen
ähnliche Klümpchen. Die Schlacken des geschmolzenen und durch
eine gewisse vitriolhaltige Erde gereinigten Goldes wären das Elektron.
Würde dieses, welches eine Mischung von Silber und Gold enthält,
abermals geschmolzen, so verbrenne das Silber, das Gold aber bleibe
zurück, denn dieses ist leichtflüssig und geschmeidig. Daher wird auch
das Gold lieber mit Strohfeuer geschmolzen, weil die sanftere Flamme
dem nachgiebigen und leicht flüssig werdenden Golde angemessen ist,
die Kohle aber, indem sie es durch ihre Gewalt übermäſsig schmelzt
und aufreibt, viel (davon) verzehrt. In den Bächen wird es geschöpft
und (dann) nahe dabei in Wannen gewaschen, oder man gräbt einen
Brunnen und wäscht die ausgeschaufelte Erde. Die Schmelzöfen des
Silbers aber macht man hoch, damit der Dampf aus den Erzmassen in
die Höhe aufsteige; denn er ist schädlich und (selbst) tödlich. Einige
der Kupfergruben nennt man Goldgruben, woraus man den Schluſs
zieht, daſs früher Gold aus ihnen gegraben sei.


Posidonius aber enthält sich, indem er die Menge und Vortrefflich-
keit der Metalle (Iberiens) rühmt, seines gewöhnlichen Rednerschmuckes
[649]Hispanien.
nicht, sondern schwärmt in Übertreibungen. Denn er sagt, er setze
keinen Zweifel in jene Sage, daſs, als einst die Wälder in Brand ge-
raten, die geschmolzene teils silber- teils goldhaltige Erde auf die
Oberfläche hervorgequollen wäre, da jeder Berg und jeder Hügel eine
von irgend einer freigebigen Glücksgöttin aufgehäufte Masse von Mate-
rial zu Geldstücken sei. Überhaupt, sagt er, würde wohl jeder, der
diese Orte gesehen, eingestehen, daſs sie ewig flieſsende Schätze der
Natur oder die unerschöpfliche Schatzkammer eines Königreiches seien.
Denn nicht nur reich (überhaupt) ist das Land, sagt er, sondern auch
unterwärts reich und in der That bewohnt bei jenen Menschen nicht
Hades sondern Pluto die unterirdische Welt. Solches also spricht er
über diesen Gegenstand in seiner blumenreichen Weise und viele Worte
machend, als wäre er selbst einer der Grubenleute. Indem er die
Thätigkeit der Bergleute schildert, fügt er jene Äuſserung des Phale-
reers hinzu, welcher in bezug auf die attischen Silbergruben sagt, hier
gruben die Leute so eifrig, als hofften sie den Pluto selbst heraus-
zuholen. Den Eifer und die Arbeitslust jener nun stellt er als ähnlich
dar, indem sie schräge und tiefe Schachten gruben und rücksichtlich
der ihnen darin entgegenkommenden Grubenbäche, das schlammige
Wasser oft mit ägyptischen Schneckenpumpen ausschöpften. Das
Resultat aber sei sehr verschieden, bei diesen und bei den Attikern.
Bei letzteren nämlich gleiche der Bergbau jenem Rätsel: Was sie
wollten, erhielten sie nicht, was sie aber hatten, verloren sie; bei
ersteren aber sei er überaus einträglich, indem sie aus den Kupfer-
gruben den vierten Teil des Erzes als Kupfer ausbrächten und einige von
den Besitzern der Silbergruben in je drei Tagen ein euböisches Talent
herausholten. Das Zinn aber, sagt er, werde nicht auf der Oberfläche
gefunden, wie die Geschichtsschreiber schwatzten, sondern ausgegraben.
Erzeugt werde es bei den Barbaren oberhalb Lusitaniens und auf den
kassiterischen Inseln und werde auch aus den britannischen (Inseln)
nach Massilia gebracht. Bei den Artabrern aber, welche die Äuſser-
sten in Lusitanien gegen Norden und Westen sind, blinke die Erde
von Silber, Zinn und weiſsem Golde (denn es ist mit Silber gemischt);
solche Erde aber führten die Flüsse (mit sich); die Frauen scharrten
sie mit Schaufeln auf und schlämmten sie in geflochtenen Sieben über
einen Kasten. Solches berichtete er über die Bergwerke.


Polybios aber sagt, indem er der Silbergruben bei Neu-Karthago
gedenkt, daſs sie die gröſsten und von der Stadt etwa 20 Stadien ent-
fernt sind und einen Umkreis von 400 Stadien umfassen, worauf be-
ständig 40000 Arbeiter beschäftigt sind, welche damals dem römischen
[650]Das frühe Mittelalter.
Volke an jedem Tage 25000 Drachmen einbrachten. Die übrige Be-
arbeitung übergehe ich; denn sie ist zu weitläufig. „Der heran-
geschlämmte Silberkies aber“, sagt er, „werde zerstoſsen und in Sieben
über Wasser durchgesiebt; der Bodensatz werde wieder gestoſsen,
wieder durchgeseiet und nachdem das Wasser abgegossen, nochmals
gestoſsen; (erst) der fünfte Bodensatz aber werde geschmolzen und
liefere, nachdem das Blei abgegossen, das reine Silber. Diese Silber-
gruben bestehen zwar noch jetzt, sind aber nicht mehr Staatseigentum,
weder hier noch an anderen Orten, sondern in den Besitz von Privat-
leuten übergegangen, die Goldgruben dagegen gehören meistens dem
Staate. Bei Kastulo aber und an anderen Orten findet sich ein eigenes
Metall von gegrabenem Blei, dem zwar auch etwas Silber beigemischt
ist, jedoch so wenig, daſs es nicht der Mühe lohnt, es auszuscheiden.“


Aber nicht nur das spanische Silber war vor allem berühmt, auch
das spanische Eisen und die spanischen Eisenwaffen waren von Alters
her hochgeschätzt. Wir haben bei der Herrschsucht Roms gesehen,
wie die Besitzergreifung Spaniens und der spanischen Waffenfabriken
die Veranlassung zu einer wichtigen Reform der römischen Bewaffnung
wurde, indem an Stelle des plumpen, kurzen Hauschwertes, der hand-
liche hispanische Degen in der römischen Armee eingeführt wurde.
Die spanische Bewaffnung zeichnet sich durchgehends durch Leichtig-
keit aus, entsprechend ihrer Art, Krieg zu führen, der schon in ältester
Zeit wesentlich ein Guerillakrieg gewesen zu sein scheint. Die be-
kanntesten Waffenfabriken lagen im nördlichen Spanien, im Lande der
Keltiberer. Dort wurden Bilbilis, jetzt Baubola am Salo und Turiasso,
ebenfalls an einem Nebenflusse des Ebro gelegen, wegen der Güte des
Stahls gepriesen. Jedenfalls waren daselbst, ähnlich wie später in
Toletum, bedeutende Waffenfabriken. Nahe der Mittelmeerküste,
zwischen dem Sukro und Karthago lagen drei Städte der Massalioten,
davon war die bekannteste Dianium oder Hemeroskopium, berühmt
durch groſse Eisengruben in der Nähe.


Das dort gewonnene Eisen wurde wahrscheinlich zum Teil wenig-
stens in Massalia selbst verarbeitet. Die Keltiberer, welche den rauheren
Teil Spaniens bewohnten, waren kriegerischer, als die übrigen Be-
wohner Hispaniens und auch in ihrer Bewaffnung diesen überlegen.
Die Römer konnten sie nur nach langdauernden Kriegen unterwerfen 1).
Sie hatten den Ruf, in den Kriegen nicht nur treffliche Reiter, sondern
auch ausgezeichnetes Fuſsvolk von groſsem Mute und Ausdauer zu
[651]Hispanien.
stellen. Sie trugen grobe Mäntel von schwarzer Farbe und von einer
Wolle, die dem Ziegenhaar ähnelte. Bewaffnet waren sie teils mit den
groſsen, leichten, gallischen Schilden, teils mit geflochtenen, runden,
welche die Gröſse einer Aspis hatten; um die Schienbeine wickelten
sie härene Gamaschen und den Kopf bedeckten sie mit ehernen
Helmen, die mit purpurroten Büschen geschmückt waren. Ihre
Schwerter waren zweischneidig
und von ganz vortrefflichem
Eisen geschmiedet, und neben diesen führten sie noch spannenlange
Dolche, deren sie sich in der Schlacht im Handgemenge bedienten.
Unter den Iberern waren die Lusitanier die tapfersten 1). Sie trugen
kleine, aber sehr feste, aus Tiersehnen geflochtene Schilde. Diese
schwangen sie im Gefecht mit groſser Schnelligkeit nach allen Rich-
tungen und wuſsten damit sehr geschickt jedes Geschoſs aufzufangen,
das ihnen bestimmt war. Ihre Wurfspeere waren ganz von Eisen und
hatten vorn angelartige Widerhaken; die Helme waren dieselben wie
bei den Keltiberern. Sie warfen ihre Speere geschickt aus weiter Ent-
fernung und waren treffliche Schützen. Beweglich und behende, waren
sie auf der Flucht wie in der Verfolgung sehr schnell; dagegen be-
saſsen sie im Kampfe selbst gegen Gefahr und Beschwerde bei weitem
nicht die Ausdauer der Keltiberer.


Von letzteren berichtet uns Diodor 2) ferner eine höchst eigen-
tümliche Art gute Waffen zu machen: „Sie vergraben nämlich ge-
schmiedete Eisenplatten in die Erde und lassen sie da so lange liegen,
bis der Rost die schwächeren Teile mit der Zeit ausgefressen hat und
nur noch die allerfestesten Teile übrig sind und daraus schmieden sie
dann ihre vortrefflichen Schwerter und sonstiges Kriegszeug. Eine auf
diese Weise verfertigte Waffe zerschneidet Alles, was ihr in den Weg
kommt, denn weder Schild, noch Helm, noch Bein vermag dem Hiebe
zu widerstehen, so vorzüglich ist das Eisen.“


Vom Standpunkte unserer heutigen Eisenindustrie aus lautet dieser
merkwürdige Bericht das Eisen zu verbessern fast wie ein Märchen.
Betrachten wir aber die damaligen Verhältnisse, so erscheint uns ein
solches Verfahren ganz plausibel. Wir wissen, daſs in Japan noch
heutzutage vorzügliche Schwertklingen auf solche Weise bereitet
werden. Ferner ist es eine Thatsache, daſs den Schmieden und selbst
den Bauern wenigstens am Rhein und in der Pfalz wohlbekannt ist,
daſs man aus alten, ausgegrabenen, teilweise verrosteten Waffen sehr
gutschneidende Werkzeuge machen kann. Wenn früher ein pfälzischer
oder rheinhessischer Bauer eine Franziska fand, so trug er sie gern
[652]Das frühe Mittelalter.
zur Schmiede, um sich ein Handbeil oder ein anderes Gerät daraus
schmieden zu lassen, weil ein, aus solchem Material gefertigtes weit
besser stand, und schärfer schnitt, als wenn er es aus der Stadt kaufte.
Die Erklärung dieser Thatsache ist einfach. Stahl rostet weit weniger
als Schmiedeeisen und je unreiner letzteres ist, je rascher tritt Verrostung
ein. Bei dem unvollkommenen Schmelzverfahren der Alten fiel aber
niemals ein gleichmäſsiges Produkt, sondern die mit groſser Mühe, bei
relativ niederer Temperatur mit schwachen Gebläsen erzeugten Luppen
waren stets ein Gemenge von mehr oder weniger gekohltem Eisen, von
Stahl und Schmiedeeisen. Beim Ausschmieden blieb der Charakter des
Gemenges bestehen, es entwickelten sich Sehnen von weichem Schmiede-
eisen, neben Partieen härteren, stahlartigen Eisens. Durch die Ver-
rostung im Schoſse der Erde wurde das weiche, sowie das unreine
Produkt früher zerstört und es resultiert ein reineres, stahlreicheres
Eisen, vorzüglich geeignet für schneidende Werkzeuge, besonders für
Schwerter. So sonderbar und unökonomisch es uns erscheinen mag,
daſs man darauf hin das beschriebene Verfahren gründete, so haben
wir doch keinen Grund, die Sache selbst zu bezweifeln. Es war dies
freilich eine recht kostspielige Methode der Stahlbereitung.


Eine andere Eisenwaffe, welche die Römer in Spanien kennen
lernten und welche Schrecken unter ihnen verbreitete, war die Phala-
rica. Titus Livius schreibt hierüber 1):


„Die Phalarica (Falarica) war bei den Saguntinern ein Wurf-
geschoſs mit tannenem, glattrundem Schaft, aus dessen Ende das Eisen
hervorragte. Dieses war wie beim Pilum im Quadrat ringsum mit
Werg, das mit Pech getränkt war, umwickelt; das Eisen aber war drei
Fuſs lang, so daſs es mit den Schutzwaffen auch den Körper durch-
bohren konnte. Das aber erzeugte schon, auch wenn es nur haften
blieb und nicht in den Körper eindrang, Entsetzen, indem es, auch
wenn es nur mit mittelmäſsigem Feuer entsand wurde und ebenso
auftraf, doch ein weit gröſseres Feuer erzeugte, wodurch es die Waffen
(den Schild) im Stich zu lassen zwang und die nackten Soldaten den
folgenden Stöſsen (Hieben) preisgab 2).


[653]Gallien.

Auſser zur Bewaffnung wurde das Eisen bei den Keltiberern unter
anderem auch als Schmuck gebraucht. Artemidorus erzählt 1), daſs
die keltiberischen Frauen eiserne Halsbänder trugen mit einem weit
über den Scheitel gebogenen und weit über die Stirn vorragenden
Reifen und von den daran befindlichen Haken zogen sie, wenn es ihnen
gefiel, den Schleier herab, so daſs er ausgebreitet, dem Gesicht als
Schattendach diente.


Die archäologischen Aufschlüsse über die Vergangenheit Spaniens
sind noch sehr dürftig. Viel ist noch hierin zu thun. Der Reichtum
der karthageniensischen, römischen und maurischen Zeit ist verschwun-
den und doch haben gewiſs jene Völker nicht alle mineralischen
Schätze dem Boden entzogen. Es wäre also gerade in Spanien doppelt
geboten, den Resten vergangener Zeit nachzuspüren, da diese die Weg-
weiser sind für noch viele zu hebende Schätze, die im Boden ver-
steckt sind.


Gallien.


Wenn der Bätis die belebende Ader Hispaniens war, durch welche
vom Mittelmeere aus, oder, wie die klassischen Schriftsteller zu sagen
pflegen, von „unserem Meere“ aus Handel, Industrie und Gesittung in
das Innere der iberischen Halbinsel getragen wurde, so war dasſelbe
in noch höherem Maſse der Fall bei dem Rhodanus, der Lebensader des
alten Galliens. Die Rhone vermittelte den riesigen Binnenhandel
zwischen dem Mittelmeere und der Nordsee, zwischen Nord- und Süd-
europa. Früher spielte der Po diese wichtige Rolle, der den Phöniziern,
als sie noch auf Küstenschiffahrt sich beschränkten, weit näher lag.
Damals ging der wichtige Landhandel von Südfrankreich den Küsten-
saum entlang nach Italien. Massilia wurde verhältnismäſsig spät ge-
gründet. Allen Überlieferungen nach war es eine Ansiedelung der
Phokäer, welche von den Persern gedrängt, 560 v. Chr. unter der
Führung von Simos und Protis auswanderten und die Stadt, die rasch
emporblühte, gründeten. Es läſst sich wohl annehmen, daſs schon vor
dieser Zeit Handelsbeziehungen zwischen dem Orient und Gallien be-
standen, daſs phönizische Kaufleute schon ihre Handelsverbindung
namentlich mit den uralten Städten Narbo und Arelate pflegten. Die
Gründung Massilias aber war von der weittragendsten Bedeutung. Nicht
[654]Das frühe Mittelalter.
nur fiel dieser neuen Kolonie allmählich der ganze Überlandhandel nach
der Nord- und der Ostsee, der früher durch das Pothal gegangen war,
zu, sondern Massilia wurde ein Mittelpunkt der Gesittung in jeder
Hinsicht, ein Mittelpunkt politischer, geistiger und industrieller Thätig-
keit. Strabo, selbst ein Grieche, erzählt, daſs die vornehmen Römer
ihre Söhne, wie sie dieselben in früheren Jahrhunderten nach Athen
geschickt hätten, jetzt nach Massilia schickten, als dem Platze, an dem
am meisten in jeder Beziehung zu lernen sei. Die im phönizischen
Geiste angelegte Stadtverwaltung war so vorzüglich und hatte sich
durch den Gemeinsinn der wohlhabenden Bürgerschaft so bewährt,
daſs sie selbst der römische Büreaukratismus nicht anzutasten wagte
und Cäsar ihre Vorzüglichkeit offen anerkannte. Es ist nicht unsere
Aufgabe, auf die groſse politische Bedeutung Massilias näher einzugehen,
aber diese Stadt war auch ein Ausgangspunkt groſser industrieeller
Thätigkeit. Wohl war sie in erster Linie ein Handelsplatz. Aber
auch als Industriestadt hat sie für Gallien die gröſste Bedeutung.


Massiliotische Münzen, massiliotisches Geld findet man in ganz
Gallien und nicht nur da, sondern ebenso in Helvetien, Südgermanien,
in Tyrol und Steyermark. Die Bildung, die von Massilia ausging, war
wesentlich griechisch. Daraus erklärt es sich, daſs gallische Fürsten,
wie Divitiakus, sich der griechischen Sprache als Schriftsprache be-
dienten, die vornehmen Gallier wurden, wie später die römischen Patri-
ziersöhne, nach Massilia zur Universität geschickt. Rom war stolz dar-
auf, eine solche Stadt und ein solches Gebiet zu beherrschen und legte
ihm deshalb den besonderen Ehrennamen Provinzia Rhomana bei.


Der Einfluſs, den Massilia in technischer Beziehung auf ganz
Gallien, zunächst auf das Gebiet der Rhone und Saone, des Rhodanus
und des Arar ausgeübt hat, ist ein groſsartiger, zum Teil noch nicht
genügend gewürdigter. Es wäre eine verlockende Aufgabe, diesen Ein-
fluſs näher zu verfolgen, da es uns aber von unserem eigentlichen
Zweck zu weit abführen würde, so beschränken wir uns darauf, zu kon-
statieren, daſs die technische Bildung der Gallier wesentlich von Mas-
silia und den übrigen Mittelmeerstädten seinen Ausgang genommen
hat. Massilia stand in engster Beziehung zu Griechenland. Mit dem
Verfalle Griechenlands tritt auch der Einfluſs des Mutterlandes und
der Handelsverkehr mit diesem zurück, während der Verkehr mit Italien
wuchs, daher erklärt es sich, daſs die archäologischen Funde aus der
ältesten gallischen Zeit vorwiegend den etrurischen Charakter zeigen.


Überhaupt war es der Zusammenhang, den Massilia als phokäische
Gründung mit Griechenland hatte, nicht allein, der bestimmend auf die
[655]Gallien.
Gallier einwirkte, bedeutender noch dürfte die Einwirkung der Etrus-
ker gewesen sein. Gallische Stämme hatten Norditalien in Besitz,
als Rom anfing seine Macht über ganz Italien auszubreiten. Schon
zur Zeit des Tarquinius Priscus um 600 v. Chr. kämpften gallische
Senonen, Sequaner und Bojer in Italien, bedrängten die Etrusker, und
setzten sich in Oberitalien fest 1). Im Jahre 390 v. Chr. kamen die
Senonen in Streit mit Rom und wurden bei dieser Gelegenheit ihre
überlegenen Eisenschwerter besonders gerühmt. Es ist anzunehmen,
daſs sie durch ihre guten Klingen schon um das Jahr 600 v. Chr. den
Etruskern überlegen waren. Die berühmten Heimstätten uralter Eisen-
industrie wie Comum, Bergamum, Brixia, Mediolanum waren damals
gallische Städte.


Was nun die metallurgischen Kenntnisse der Gallier anlangt, so
zeigt sich zunächst eine Konformität mit den Bewohnern der übrigen
Mittelmeerländer, speziell Italiens und Hispaniens. Die Bronze, das Lieb-
lingsmetall der Phönizier, Griechen und Etrusker, spielte relativ eine
groſse Rolle. Bronzefunde sind zahlreich in Frankreich. Der Charakter
derselben ist wesentlich ein etruskischer. Sie sind zum groſsen Teil
durch Handel in das Land gekommen. Die Eisenindustrie Galliens ist
aber uralt. Dies erkennen die französischen Archäologen jetzt selbst
an, während sie früher, ähnlich den skandinavischen Gelehrten, die
Hypothese eines reinen Bronzezeitalters eifrig verfochten. Auch für
Frankreich ist hierfür kein nachweisbarer Grund vorhanden, wie dies jetzt
von den französischen Altertumsforschern auch rückhaltslos zugegeben
wird. Es läſst sich nachweisen, daſs die Eisenindustrie in Gallien
schon in frühester Zeit sehr bedeutend war. Zunächst war Massilia
schon im hohen Altertume berühmt wegen seiner Kriegsmaschinen, zu
denen Eisen in ausgedehnter Weise verwendet wurde. Wir haben
bereits zuvor 2) mitgeteilt, daſs die Massilioten, in deren Gebiet Eisen-
erze spärlich vorkamen, in Spanien Eisengruben besaſsen und Kolo-
nieen deshalb angelegt hatten. Die Eisentechnik der alten Gallier ist,
wie dies ja bei allen europäischen Staaten der Fall ist, noch nicht ge-
nügend aufgeklärt. Immerhin ist auf diesem Gebiete mehr geschehen,
als in manchen Nachbarländern und das verdanken wir ganz besonders
dem Kaiser Napoleon III. Dieser hochbegabte Mann hatte ein hervor-
ragendes Verständnis für technische Dinge, wie er dies in seiner Ge-
schichte des Artilleriewesens dokumentiert hat. Später, als er sich
mit der Lebensbeschreibung Cäsars beschäftigte, gab er die Anregung
[656]Das frühe Mittelalter.
zu vielen technisch-archäologischen Untersuchungen. Wenn auch die-
selben zum Teil nur als Anfänge zu betrachten sind, so werfen sie
doch schon manchen Lichtschein auf dieses dunkele und wenig ge-
würdigte Gebiet. Daſs die Gallier in hervorragender Weise sich des
Eisens bedienten, selbst zu einer Zeit, als die Römer noch arm daran
waren, geht unter anderem aus der überlieferten Schilderung von dem
Feldzuge des Brennus hervor. Polybios und Livius berichten hierüber
in gleichem Sinne 1). Danach soll der übermütige Brennus, als er
390 v. Chr. Rom eingenommen hatte, sein gewaltiges Eisenschwert
auf die Wagschale geworfen haben, um den Tribut, den die Römer
in Gold zahlen muſsten, zu vergröſsern. Das gallische Schwert (spatha)
war ein langes Hauschwert. Livius berichtet 2), daſs sie sehr lang und
von Eisen wären. Ihre Speere seien wie die der Keltiberer, aber ihre
Schwerter verschieden, die der Gallier wären sehr lang und ohne
Spitze (sine mucrone), das spanische Schwert aber, das mehr zum
Stoſs als zum Hieb verwendet werde, sei kürzer und spitz. Die
gallischen Schwerter hingen an eisernen oder metallenen Ketten an
der rechten Hüfte, sie gaben wuchtige Hiebe, aber die Waffe war
unbeholfen, denn um einen wirksamen Hieb zu führen, muſste der
Kämpfende weit ausfahren. Die Wucht der Schwerthiebe erfüllte
die römischen Soldaten mit Schrecken. „Nach Barbarenart ohne
alle Fechtkunst zuschlagend, hieben sie ganze Arme und zumeist die
Köpfe herunter 3)“. Cäsar erzählt, daſs seine Soldaten anfangs nicht
geringe Furcht vor den gewaltigen Schwertern der Gallier hatten, bis
sie erkannten, daſs sie bei raschem Aufdringen zum dichten Hand-
gemenge mit ihren kurzen Stoſsschwertern entschieden im Vorteil
waren. Denn einesteils waren die Gallier im Gedränge nicht im stande
genügend auszuholen, anderenteils waren die Schwerter von so weichem
Eisen, daſs sie sich nach zwei bis drei Hieben krumm gebogen hatten
und nutzlos in ihren Händen standen. Der Kämpfende muſste sie
dann erst mit dem Fuſse wieder gerade richten, während welcher
Operation er jedem Angriff wehrlos ausgesetzt war. Cäsar berichtet
ferner, daſs die Schwerter nur mangelhaft im Heft befestigt gewesen
wären, so daſs sie bei wuchtigen Hieben oft herausflogen.


Das Eisen spielte nach den Berichten der alten Geschichtsschreiber
auch bei der übrigen Bewaffnung der Gallier eine hervorragende Rolle.
So galten die Ringelpanzer bei den Römern als eine gallische Erfin-
dung. Diodor erwähnt 4), daſs manche Eisenpanzer trügen, die mit
[657]Gallien.
Haken versehen seien, auch daſs sie Wurfspieſse (lankiai) schleuderten,
deren Eisen eine Elle maſs, während das Blatt oder die Spitze zwei
Hände breit war. Auch trugen sie Hellebarden, deren Eisenspitzen
ihre Schwerter an Länge noch übertrafen. Einige davon waren gerade
geschmiedet, andere hatten gekrümmte Widerhaken, um beim Hieb das
Fleisch nicht allein zu durchschneiden, sondern auch zu zerfetzen und
beim Zurückziehen der Waffe die Wunde auseinander zu reiſsen.


Cäsar berichtet mancherlei über den Eisenreichtum der Gallier.
So erzählt er, daſs die Arverner bei der Belagerung von Alesia rings
um ihre Befestigung fuſslange eiserne Pfähle dicht bei einander ein-
gegraben und mit eisernen Haken befestigt hätten. Die Seeschiffe der
Veneter in Südbretagne waren mit starken Eisennägeln zusammen-
gefügt und hatten eiserne Ankerketten, was Cäsar als etwas Besonderes
hervorhebt 1). Im Lande der Äduer befand sich ein Tempel des Sonnen-
gottes mit einer eisernen Säule, vor der die Weihgeschenke niedergelegt
wurden 2), und in einem anderen Tempel zu Marvilly bei Beaune in
Burgund war der Feuergott abgebildet mit Zange und flammendem
Eisen 3). Von den Biturigern (Berry) sagt Cäsar 4): apud eos magnae
sunt ferrariae atque omne genus cuniculorum notum atque usitatum
est. Diesen waren im Ruhm der Eisenbereitung nur die Petrocorier 5)
(in Perigord) ebenbürtig. Ihre bergmännische Geschicklichkeit be-
thätigten die Bituriger bei der Belagerung von Avaricum glänzend
durch das Unterminieren der aufgeworfenen Schanzen. Im Berry 6), dem
Indre und Chèr-Departement findet man fern der Wasserläufe, an vielen
Stellen im Walde groſse Eisenschlackenhalden, so zu Graçay, Ge-
nouilly, Dampièrre, Menetou-Salon und Saint-Palais, ferner bei Duadic,
Ruffec und stundenweit längs der Straſse von Ciron bei Sennevant.
Im Chèr-Departement bei dem Dorfe Thé’bauts etc. Nach diesen
Schlackenhalden heiſsen dort viele Orte „Laitiers“, und im Berry
finden sich viele Löcher, die mardelles genannt werden, wo ebenfalls ent-
weder Schmelz- oder Schmiedestätten bestanden.


Bezeugt die ausgedehnte Verwendung des Eisens bei den Galliern
schon eine einheimische Eisenindustrie, so wird dies bestätigt durch
die archäologischen Funde. Uralt war die Eisenindustrie in den
Thälern der Pyrenäen, die allerdings ursprünglich nicht von Galliern,
Beck, Geschichte des Eisens. 42
[658]Das frühe Mittelalter.
sondern von einem, den Iberern verwandten Volksstamm, den Aquita-
niern bewohnt wurden. Aber auch im eigentlichen Gallien finden sich
noch Reste uralter Eisenwerke. Genssane hat die Trümmer alter
Schmelzöfen in der Franche-comté aufgedeckt, die er für römisch hält,
die aber wahrscheinlicher den alten Galliern zugeschrieben werden
müssen. Diese Öfen hatten 4 bis 5 Fuſs dicke Wände, die aus einem
Gemisch von Ziegelmehl und Lehm, also einer Art Chamotte her-
gestellt waren. Ihre Höhe betrug 8 bis 10 Fuſs, die Weite oben
7½ Fuſs, unten 3½ Fuſs. Seitlich befand sich ein einziges Loch von
1 Fuſs im Quadrat. Genssane nimmt an, die Verbrennung sei nur
durch natürlichen Luftzug geschehen. Es scheint, daſs auch hier,
ähnlich wie bei den Öfen im Jura die Ausziehöffnung gleichzeitig das
Windzuführungsloch war.


Übrigens bedienten sich auch die Gallier verschiedener Arten von
Schmelzöfen und zwar werden hauptsächlich drei Ofenformen unter-
schieden 1).


Die einfachste (Fig. 202 a) bestand aus einer Grube im Boden, meist
an einem Abhange, die nur innerlich mit feuerfestem Thon aus-

Figure 202. Fig. 202.


gekleidet und durch einen Kranz von Steinen geschützt war. Diese
Öfen entsprachen etwa den „Heidenfeuern“ der Zigeuner in Süd-
ungarn und muſsten fast jedesmal erneuert werden.


Die zweite Art (Fig. 202 b) entsprach den Öfen, wie wir sie am
Berner Jura kennen gelernt haben. Der Schmelzraum war ein niedriger
Schacht am Abhange eines Hügels angelegt oder vielmehr eingegraben.


Die dritte Art ist von der vorhergehend beschriebenen nur da-
durch verschieden, daſs ein förmlicher Wallstein (la dame) angebracht
ist. Man nahm, wie schon erwähnt, früher an, daſs die Öfen durch
natürlichen Luftzug betrieben worden seien, doch machen es die Aus-
grabungen von Bibrakte wahrscheinlich, daſs sie mit der Erzeugung
künstlichen Windes wohl vertraut waren.


Zu den hervorragendsten Untersuchungen, welche Napoleon ver-
[659]Gallien.
anlaſste, gehören die Ausgrabungen bei Bibrakte, der Hauptstadt der
Äduer, welche von Bulliot geleitet und beschrieben wurden 1). Es
wurden dort umfassende Werkstätten freigelegt, welche den Beweis
liefern, daſs Bibrakte ein hervorragender Industrie- und Waffen-
platz war.


Die Schmiedewerkstätte von 5,50 m Front und 6,50 m Tiefe be-
stand, wie die meisten anderen Werkstätten aus einem Gebäude aus
Holz und Fachwerk mit Strohdach ohne Fundamentierung. Groſse
behauene Sandsteine, die in den Lehmboden eingelassen waren, bildeten
eine feste Tenne von 60 cm Dicke, angemessen den Bedürfnissen des
Geschäftes. Der Amboſsstock des gallischen Schmiedes war in einer
Vertiefung eingesenkt, in welcher nach einer eigentümlichen Sitte die
Aschenreste des Schmiedes nach seinem Tode beigesetzt wurden und
so seine eigenen Überreste die Stelle des wichtigsten Werkzeugs seiner
Arbeit einnahmen. In den Trümmern dieser Schmiede, die jedenfalls
zufällig oder unerwartet abbrannte, fanden sich 11 gallische Münzen
und eine Anzahl Werkzeuge. Die wichtigsten darunter waren das
Bruchstück eines Amboſses, Poliersteine, 4 Wetzsteine, ein Kaltmeiſsel,
eine groſse Lanze mit hohler Dülle, das Fragment eines Schwertes,
ferner zahlreiche Eisenschlacken mit Holzkohlen geschmolzen, dann
ein Nachschlüssel (Dietrich), Nägel von allen Dimensionen, 22 Bruch-
stücke von Tiegeln, Zangen um das glühende Eisen zu fassen, ähnlich
den Luppenzangen, deren Schenkel durch Ringe zusammengehalten
wurden, entsprechend dem Bilde von Sens (Fig. 119). Aus den galli-
schen Münzen läſst sich auf die Zeit schlieſsen. Eine Kohlendecke
von 30 cm Dicke war von einer zweiten Erdschicht überdeckt, die
auſser den erwähnten Geräten Bruchstücke von Kiesel enthielt, ferner
einen Ring, 3 Fibeln und die Kugel eines Halsbandes von Bronze, einen
Griffel oder Grabstichel von Eisen, eine Mühle mit drei Füſsen von
Stein und Knochen, die durch den Kontakt mit Kupfer grün und
glänzend wie Smaragd geworden waren. Die mannigfaltigsten Glas-
bruchstücke erhöhten das Interesse dieser merkwürdigen Wohnstätte.
Die barbarischsten Stücke waren dicke Deckel aus gelbem Thon,
schlecht gebrannt und modelliert in Gestalt einer Scheibe mit koni-
schem Knopf in der Mitte, von dem unregelmäſsige Strahlen nach dem
Rande zu liefen. Die zahlreichen Bruchstücke von Thongefäſsen lassen
vermuten, daſs der Schmied gleichzeitig ein Topfflicker war (durch
42*
[660]Das frühe Mittelalter.
Binden mit Draht). Die 60 cm dicke Tenne, auf der der Schmied die
Eisenluppe abklopfte, bedeckte zwei runde Grabstätten, die 3 m tief in
den Boden eingegraben waren. In der Mitte von Kohlenasche
(Cinder), mit dem die Gruben ausgefüllt waren, fand man zwei Vasen
von einem ganz eigenartigen Typus, welche verbrannte Knochenreste
umschlossen. Die eine war eine längliche Urne von schöner, schwarzer
Farbe mit eleganten Verzierungen, aus einer sehr feinen Masse mit
Tropfen von Thon bestreut. Die andere war wie eine halbkugelförmige
Suppenschüssel, 30 cm Durchmesser, von höchst origineller Form, aus
einem schwammigen Thon, mit einem schwarzgrünen Überzug bedeckt.


Bemerkenswert ist noch, daſs die Schmiede auſserhalb der Um-
wallung der Stadt lag, doch lehnte sie sich beinahe an die Stadtmauer
an, war niedrig und fast in den Boden eingegraben.


Die aufgefundenen Münzen lassen auf die zweite Hälfte des ersten
Jahrhunderts v. Chr. schlieſsen 1).


In den nahen Befestigungsgräben und den Bastionen von St. Cham-
plain sind ebenfalls mancherlei Eisenfunde ausgegraben worden, z. B. eine
eiserne Stange von 0,6 m Länge, 0,03 m Dicke, eiserne Fibeln und
eiserne Griffel neben Geräten von Bronze-, Stein-, Glas- und Töpfer-
geschirr. Viele Graburnen mit Knochenasche, eine Fibel von Silber,
ein Bronzearmband, ein Ring von Eisen, Nägel, Wetzsteine und
22 gallische und konsularische Münzen. In der Bastion am Come-
Chaudron fand man neben einem groſsen Gefäſs, das mit Blei geflickt
war, ein eisernes Hackmesser, in dessen Handgriff noch die Stiften
steckten; eine Mühle von grauem Granit und gallische Münzen, dar-
unter eine von Germanus, dem Sohne des Indutill. Von hervorragen-
dem Interesse war die Aufdeckung eines ausgedehnten, technischen
Etablissements einer förmlichen Fabrik, welche Bulliot „das Arsenal“
nennt. Er berichtet darüber folgendermaſsen 2):


Während sich zu St. Champlain überall nur einzelne Werkstätten
von Metallarbeiten vorfanden, ohne Verbindung untereinander, indem
nur einzelne Meister ihr Gewerbe darin betrieben, zeigte sich innerhalb
des Waldes von Come-Chaudron links des Weges ein ganz anderes
Bild. Man erblickte hier eine ausgedehnte Fläche, bedeckt mit
Schuppen, Häusern, Öfen, Schmelzstätten, Schmieden, die alle zusammen-
gehören, zu einem verbunden erscheinen und den Anblick des gröſsten,
gallischen Industrieplatzes darbieten. Dieses Arsenal ist 100 m lang
in nordwestlicher Richtung aufgedeckt worden. Der Boden besteht
[661]Gallien.
aus einer, 1 m dicken Schicht Beton von Lehm und Kieselsteinen.
Einzelne Werkstätten waren ganz von Holz und sind gänzlich zerstört
bis auf die Fuſsenden der Pfosten, die in dem Beton staken. Die
Lehmschicht ist überall von einer Schicht Kohlenlösche 20 bis 40 cm
dick bedeckt, untermischt mit Eisenschlacken, verglasten Scherben,
Nägeln und Geräten, die alle auf die Verarbeitung des Eisens und die
Konstruktion des Gebäudes hinweisen. Hier schmolz man die Erze,
verarbeitete Eisen und Bronze, fabrizierte die Tiegel und schlug wahr-
scheinlich Geld. Die Arbeitsabteilungen sind noch leicht zu erkennen.
Die Schmelzhütte bildet ein isolierter Raum mit vier Schmelzöfen und
einem fünften, der wahrscheinlich zum Trocknen des feuerfesten
Thons diente. Eine Gallerie von 47 m Länge verband diesen Raum
mit den Schmieden. Überall fand man Grabhöhlen im Boden.


Das Arsenal lehnte sich an den Wall der Bastion von Come-
Chaudron an. Deutlich erscheinen noch in dem Bauschutt die Umrisse
der Anlage. Die Schuppen standen in Verbindung mit der Schmelz-
halle. Der Beton 0,8 bis 2 m dick, von Schlacke ganz zusammen-
gebacken, erstreckt sich 37,50 m von Osten nach Westen und 25 m
von Süden nach Norden. Drei Wasserkanäle sind deutlich zu erkennen.
Das Wasser wurde in Holzgerinnen, die mit Eisenbändern zusammen-
gehalten waren, von 0,06 bis 0,15 m Durchmesser geleitet. Die Haupt-
kanäle lagen in gemauerten Rinnen.


Die Fundstücke gehören alle der gleichen Periode an. Es waren
gallische Münzen, ein eiserner Meiſsel, ein Nagel und Schlüssel von
Bronze, Aschenurnen, ein Bruchstück eines Metallspiegels, Bronzeringe,
eiserne Zapfen. Alle Gegenstände gehören einer Zeit an, die nahe
dem Anfange unserer Zeitrechnung liegt. Die Gieſshalle selbst ist im
ganzen rektangulär in mehrere Abteilungen geteilt, die Grundmauern
sind 2,50 m hoch, die Fassade läuft 9 m lang von Ost nach West,
16 m in der Tiefe nach Norden. Es war ein sehr starker befestigter
Bau. Die Hauptbalken waren von 0,5 bis 0,7 m Dicke. Das Holzwerk
war mit eisernen Kloben und Schlieſskeilen befestigt. Der ganze
Oberbau war von Holz. Die Grundmauern stehen zum Teil auf den
Resten einer älteren Schmelzstätte.


Die dritte Abteilung ist 3,37 m breit und enthält Eisenschlacken,
Reste von feuerfestem Thon und Schmelzgefäſse. Die Hauptwerkstätte
hatte zwei Stein- und zwei Holzwände. Dieser Raum, der ein Quadrat
von 10 m Seitenlänge umschloſs, war speziell der Schmelzarbeit ge-
widmet. Er enthielt drei Erzschmelzöfen, vielleicht fünf, wenn man
zwei unvollständig erhaltene mitrechnet. Ein sechster, dem wir zur
[662]Das frühe Mittelalter.
Unterscheidung den Ofen mit dem dicken Steine (four de la grosse
pierre) nennen, stand auſserhalb fast an der westlichen Seitenwand.
Er ist durch seine Erhaltung der interessanteste. Wir nennen ihn so
wegen eines Granitsteines von 1 m Quadrat und 0,2 m Dicke, der mit
der unteren Fläche direkt über einem Aquädukt lag. Der Block war
behauen, aber durch das Feuer angegriffen und sieht aus wie eine
groſse Feuerplatte. Die Gallier konstruierten ihre Öfen, wie ihre
Wälle aus Feldsteinen, aber ihr Material, obgleich aus guten Granit-
und Porphyrbrüchen stammend, hat schlecht gehalten. Die Hitze hat
sie trotz ihrer Härte mürbe gemacht und nahezu geschmolzen. Es ist
zu verwundern, daſs sie nicht den Stein von Roche-Mouron verwendeten,
der feuerfest ist und den sie als Baustein brachen. Um den Mängeln
des Materials abzuhelfen, kleideten sie die Öfen inwendig mit einer
20 cm dicken Schicht von feuerfester Erde von gelblicher Farbe,
welche in der Hitze rot wurde, aus. Dieser mit Sorgfalt hergestellte
Überzug ist sehr fein im Korn, ganz ähnlich den Auskleidungen
unserer Öfen. Die Seitenwände, roh zubehauen, sind von wechselnder
Dicke, die rechte 43 cm, die linke 30 cm. Das Mauerwerk ist durch-
aus verschieden von dem gewöhnlichen Mauerwerk, bei dem die Steine
nur mit Lehm verbunden sind. In den Öfen sind die Steine dagegen,
die dem Feuer ausgesetzt sind, kunstvoll verbunden. Die Stoſsfugen,
mit feuerfestem Thon ausgeschmiert, sind nur wenige Millimeter weit.
Doch öffnen sich die Fugen nach auſsen, mit dem Abstande vom Feuer.
Die Rückwand (rustine), die 40 cm hoch, 20 cm dick und 90 cm lang
ist, wird aus sechs Granitblöcken gebildet, grob zugehauen aber kunst-
voll gefugt. Die Herdsohle, die sich 15 bis 20 cm auf die Länge von
90 cm neigt, ist rechtwinkelig oder eigentlich polygonal infolge einer
leichten Verschwächung der Rückwand. Sie hat rechtwinkelig hinter
der Brust- oder Vorderwand des Ofens eine Vertiefung von 15 cm auf
42 cm Länge, um die Schlacke beim Schmelzen aufzunehmen. Die
Brust, die am meisten zerstört ist, war aus Bruchsteinen und 30 cm
hoch aufgeführt. Das Abstichloch ist noch mit einem Thonpfropf ge-
schlossen. An dasſelbe schlieſst sich ein kleiner Kanal (Schlacken-
rinne), der in den Vorherd (plateforme de la base) geschlagen ist, der
sich von der Brust verlängert bis zu dem ersten Abzuge nach dem
Granitblock, von dem wir gesprochen haben. Die Länge der beiden
Abteilungen verbunden nähert sich 2 m.


Bei der Auffindung war der Ofen vollgepfropft mit einer 50 cm
dicken Schicht zu Mehl geriebener Holzkohlen, gemengt mit Teilen der
Auskleidung, mit Schlacken, Erzstücken, Eisen, formlos und oxydiert,
[663]Gallien.
sowie mit krumm gebogenen Nägeln. Sei es, daſs diese unbrauchbaren
Gegenstände wieder absichtlich aufgegeben, sei es, daſs sie in dem
alten Holz staken, das als Brennmaterial benutzt worden war.


Die Prüfung der Schlacken und Eisenbrocken bezeugte, wie
schon aus den Öfen geschlossen werden konnte, einen sehr unvoll-
kommenen Prozeſs. Die Öfen waren wahrscheinlich mit einer Decke
von feuerfestem Thon umkleidet, von der noch Bruchteile umherlagen,
durch die vielleicht die Windröhren gingen. Indessen bemerkt man
bei dem Ofen „mit dem dicken Steine“ zwei symmetrische Öffnungen
in der Rückwand, durch die wahrscheinlich der Wind eingeführt wurde.
Wenn auch hier keine Formen einliegend gefunden wurden, so hat
man doch Bruchstücke solcher aus feuerfestem Thon in der Nähe der
Feuerstätten entdeckt. Es waren Thonklumpen von 16 auf 11 cm
Dicke mit einem runden Loch von 2 cm Öffnung, zum Teil an der
Mündung verschlackt.


Von den Öfen in der östlichen Abteilung des Schmelzhauses steht
der erste isoliert. Seine Rückwand besteht aus vier sehr harten
Blöcken, die riegelförmig schlieſsen. Trotz der Auskleidung mit feuer-
festem Thon waren dieselben verglast. Die Seitenwände waren 60 cm
hoch. Die rektanguläre Sohle (aire) war 1,1 m lang und 1 m breit,
und gepflastert, während der Vorherd vor der Brust nur aus feuerfestem
Thon gestampft war. In diesem war eine Vertiefung für die Schlacken.
Hierbei wurden die feuerfesten Sandsteine von Courlandon verwendet,
die später für die Hochöfen dienten. Der zweite Ofen ist 90 cm lang
und 4 m von dem ersten entfernt. Seine Brust bestand ausnahmsweise
aus einem einzigen Sandsteine von Roch-Mauron, 80 cm lang, in dem
eine Vertiefung für die Schlacke ausgearbeitet war. Die Berührung
mit der geschmolzenen Masse hatte den Granit verändert.


Der dritte Ofen südwestlich war etwas kleiner und enthielt noch
ziemlich viel Schlacken und Kügelchen von blasigem Eisen, wie es
durch die Berührung des geschmolzenen Metalles mit dem kalten
Boden erzeugt wird. Diese Öfen sollen ähnlich denjenigen sein, in
welchen die hausierenden Juden in Algier in den Bergen das Erz
schmelzen.


Nur Freie betrieben bei den Kelten das Schmiedegewerbe.
Griechische und römische Handelsbeziehungen sind bereits nachweis-
bar. Man hat Thonscherben mit griechischen Buchstaben gefunden.
Ebenso ein schöne strigilis von Bronze mit dem römischen Stempel
Viccius.


Die Asche der verstorbenen Schmiede wurde in der Grube ihres
[664]Das frühe Mittelalter.
Amboſses, die der Schmelzer an der Stelle ihres Schmelzofens beigesetzt.
Man hat hier ganz ähnliche Höhlungen gefunden, wie wir sie oben bei
der Schmiede von St. Champlain erwähnt haben. Auſser anderen
Aschenfunden entdeckte man eine groſse Vertiefung von 1 m Durch-
messer und 0,85 m Tiefe in den Beton, angefüllt mit Asche, Knochen-
resten, Topfscherben und drei gallischen Münzen. 40 cm unter der
Mauer des mittleren Raumes fand man den Boden einer Amphora mit
einer Bronzefibel, Knochen und gallischen Münzen, seitlich davon war
ein anderer Aschenkrug stehend eingegraben. Das interessanteste
Grab war das des groſsen Eisenschmelzofens selbst in der östlichen
Abteilung. Hier, inmitten von Kohlen und Schlacken, auf Stücken der
Bekleidung von feuerfestem Thon, lagen zwei Amphoren, von denen
nur der Hals zerbrochen war, übereinander, beschwert mit Steinen und
einem Tiegel aus Sandstein. Sie enthielten noch ihren Ascheninhalt.
Die Gegenwart derselben in solcher Lage konnte unmöglich dem Zufall
zugeschrieben werden. Mit der Schmelzhütte war, wie erwähnt, eine
Werkstätte zur Verarbeitung von feuerfestem Thon verbunden. Hier
stand ein Ofen zum Trocknen oder Brennen des Thones. Es fanden
sich brotförmige Kuchen von feuerfestem Thon, die in der Mitte ein
Loch von 10 cm Durchmesser hatten. Hier fand sich eine Art Schür-
haken aus Eisen, ferner sechs kleine Eisenkönige (culots de fer), viel-
leicht Proben. In der Nähe des Hauptgebäudes stand ein kleines
Schmelzhaus, in dem man ein kleines Eisengewicht auffand. In einer
anderen Werkstätte fanden sich eine Grabstätte mit Aschenkrug, fünf
Münzen und ein eisernes Fischband, ein Setzeisen und ein Radzapfen
von Eisen. Ferner Thon- und Glasgegenstände, eine gallische Silber-
münze, eine eiserne Lanzendülle, eine Eisenfibula und Bruchstücke von
Bronze.


Ein anderes Gebäude nannte Bulliot die Schmiedewerkstätte. Sie
bestand aus einer langen, schmalen Halle (gallerie), 30 m lang, 4 m
breit, von 30 Holzpfosten in doppelter, unregelmäſsig angeordneter
Säulenreihe getragen. Der Boden bestand aus „gallischem“ Beton
1 m dick, in dem die Vertiefungen für die Amboſsstöcke waren, die
später als Begräbnisstätten dienten. Hier fanden sich mehrere Bruch-
stücke von Mühlsteinen, eins davon von rotem Granit, vier Poliersteine,
ein Klumpen Ocker, eine kleine Kugel Zinnober, ein Henkel von Bronze,
Fibulen von Bronze und Eisen, zahlreiche Nägel, zwei Fragmente eines
Glasbracelets, mehrere zerbrochene Kiesel, rote Krystalle, ein flacher
(Baikal-) Stein, ein Bronzeröhrchen, das mit Silber überzogen schien.
Die vielen Bruchstücke von Glas- und Töpferwaren sind sehr mannig-
[665]Gallien.
faltig. Grabstätten in dieser Werkstätte waren allem Anscheine nach
an Stelle früherer Amboſse.


Die auffallende Übereinstimmung der zahlreichen Münzen, die alle
einer Zeit entspringen, lassen schlieſsen, daſs der ganze Ort gleich-
zeitig zerstört wurde. In der Schmelzwerkstätte wurden aufgefunden:
40 gallische Münzen, sechs von Vienne und Nismes, ferner in dem Boden
der Wasserleitung 10 gallische, drei von den Kolonieen und eine
konsularische. Ebenso viele Münzen etwa fanden sich in der Schmiede-
werkstätte u. s. w. Danach fiel die Zerstörung des Arsenals wahr-
scheinlich zwischen die Jahre 27 bis 10 v. Chr. in die Zeit der Regie-
rung des Augustus.


An diese merkwürdigen Ausgrabungen knüpft Bulliot folgende
technische Bemerkungen:


Die Öfen konnten nicht zum Gieſsen von Eisen oder zur Erzeugung
des Roheisens dienen. Die Öfen unterscheiden sich nicht von den auf-
gefundenen römischen, als daſs sie roher in der Ausführung sind. Die
beschriebenen Öfen dienten nicht zum Bronzeschmelzen, denn alle
Rückstände in und um die Öfen beweisen dies. Die Schlacken sind
ähnlich denen der Katalanschmieden. Auch bei diesen dient gewöhn-
lich ein groſser Granitstein als Sohle. Ebenso sind die Dimensionen
der Seitenwände, des Schlackenloches u. s. w. entsprechend. Vielleicht
kannten diese alten gallischen Schmelzer bereits das Wassertrommel-
gebläse, wie es sich bei den Katalanschmieden erhalten hat, da Wasser-
kanäle 3 bis 4 m über den Öfen, dicht an denselben vorbeiführten,
gerade wie dies bei den mit solchen Gebläsen betriebenen Katalan-
schmieden gebräuchlich ist. Es fanden sich auch Reste von Holz-
leitungen von 6 bis 10 bis 15 cm Durchmesser, die Bulliot ebenfalls
mit diesen Gebläsen in Verbindung bringt. Auch die Spuren eines
Sammelteiches will er nachgewiesen haben.


Die Erze kamen aus der Nachbarschaft, von Champ-Robert u. s. w.
„Von besonderem Interesse sind die Schmelzprodukte. Zusammen mit
mannigfachen Eisenwerkzeugen als Zangen, Feilen, Äxten, Meiſseln,
deren gallischer Ursprung durch die dabei gefundenen Münzen erwiesen
ist, fanden sich Schmelzprodukte, wie Schlacken u. s. w.; unter diesen
ein Block von hartem Metall, viereckig zugerichtet, rechtwinkelig auf
den Seitenflächen, ähnlich einem Amboſsstocke. Im Bruche zeigte der-
selbe eine silberne Farbe und strahlige Krystallisation, ähnlich wie
gewisse preuſsische Eisensorten (weiſsstrahliges Eisen). Einige Partieen
sind blasig und aufgerollt, einige zeigen glänzende Geoden mit glänzen-
den, gelblichen Krystallen ausgekleidet. Der Anblick, die Textur, das
[666]Das frühe Mittelalter.
schwammige Ansehen des Stückes, in Verbindung mit anderen Anzeigen,
lassen es als ein Stück Guſs erscheinen, eine merkwürdige Thatsache,
wenn sie sich bestätigt hätte, da sie mit dem allgemeinen System
im Widerspruch steht, aber die weiteren Erfahrungen, welche mit
diesem merkwürdigen gallischen Fundstück gemacht wurden, haben
diese Annahme widerlegt. Es wurde ein Stück von der Masse abgelöst,
rotglühend gemacht und ausgeschmiedet. Man schmiedete daraus
einen kleinen Stahlmeiſsel, der ganz homogen war und nachdem er
im Wasser abgelöscht und auf einem Schleifstein geschärft wurde, eine
solche Härte zeigte, daſs man damit einen groſsen Eisenspan abhauen
konnte, ohne daſs er stumpf wurde.“


„Dies führte zu einer anderen wichtigen Entdeckung. 1866 hatte
man in dem Einschnitte der Eisenbahn bei Autun einen unförmigen
Eisenklumpen gefunden, der in der Mauer eines römischen Hauses von
Augustodunum mit vermauert war. Derselben Prüfung unterzogen,
zeigte er denselben Bruch und lieferte einen eben solchen Meiſsel, von
derselben Härte und Homogenität. Eine dritte Untersuchung, an-
gestellt mit den gallischen Werkzeugen, entschied die Frage. Zwei
Kaltmeiſsel, die allem Anscheine nach zum Zerteilen des Eisens ge-
dient hatten, wurden in ein Schmiedefeuer gesteckt. Der erste, welcher
der Schmiedewerkstätte von Rebours entstammte, erwies sich als
weiches Eisen und zeigte keine Härtung nach dem Ablöschen im
Wasser. Er hatte also überhaupt nicht zum Schneiden von Metall
gedient oder war die Stahlschneide verschwunden.


Der zweite aber aus der Werkstätte von Come-Chaudron härtete
sich vorzüglich und schnitt Eisen. Es war Stahl. Dieselbe Operation
mit dem anderen Ende des Werkzeuges ausgeführt, ergab das um-
gekehrte Resultat. Dieser Teil bestand aus weichem Eisen. Auch
lieſs sich mit der Feile der Anfangspunkt des Stahles erkennen.“


Es ergiebt sich aus diesen Beobachtungen, daſs die Gallier wie die
Römer die Kunst der Stahlbereitung wohl kannten, daſs sie ihn schweiſsen
und härten konnten, wie dies die gallischen Werkzeuge beweisen.


Der oben erwähnte Stahlblock scheint das direkte Produkt einer
Schmelzoperation gewesen zu sein, er war ein, absichtlich oder unab-
sichtlich, höher gekohltes Eisen. Auch die Schlacken sind der Art,
daſs sie auf die Herstellung von Schmiedeeisen und nicht von Guſs-
eisen hinweisen. Es scheint jedoch bei dem Schmelzprozeſs Kalkstein
als Zuschlag verwendet worden zu sein, da sich zugerichtete Stücke
dieses Materials bei den Öfen fanden und zwar in ziemlich regel-
mäſsigen Würfeln von 15 bis 20 cm Seitenfläche.


[667]Gallien.

In den ausgegrabenen Gebäuden, die meist entweder Schmiede-
oder Erzschmelzhütten gewesen zu sein scheinen, finden sich zahlreiche
Bruchstücke von Schmelztiegeln, die vermutlich zum Schmelzen der
Bronze gedient hatten. Wie hier, so scheint auch sonst in Gallien
die Industrie ihre Sitze an den befestigten, geschützten Plätzen ge-
habt zu haben.


In der Nähe von Bibrakte fanden sich auch die Spuren alter
Eisenerzgewinnung. Zur Zeit der Römerherrschaft wurden sogar an
dieser Stelle, in die Nähe der Erzgruben, die Öfen angelegt. Diese
römischen Schmelzöfen, von denen sich noch viele Spuren — einer ziem-
lich vollständig erhalten — gefunden haben, waren vollkommener als die
Öfen der alten Gallier. Der besterhaltene Ofen dieser Art fand sich
an einem Abhange im Boden eingegraben, fast senkrecht unter einem
Marmorbruch am Ende des Thales.


Die Breite des Ofens betrug 1 m, die Länge etwas mehr, er hatte
abgerundete Ecken im Inneren halbkugelförmig (demi-sphérique) nach
unten verengt, wie bei den Katalanschmieden. Der Herd von 30 cm
Dicke war mit feuerfestem Thon überzogen, darüber fand sich eine
Schlackendecke, wie sie nach dem Abstich der Rohschlacke verbleibt.
Die Seitenwände zeigten eine doppelte Auskleidung, erst eine von
feuerfesten Ziegeln von gelblicher Farbe, den Seitenwänden angepaſst,
darüber eine Auskleidung ähnlich wie die der Sohle, aus verschlackten
Quarzstückchen bestehend, die wahrscheinlich aufgestampft gewesen
waren. 25 cm unter der Sohle war eine viereckige Öffnung von 30 cm
in dem Stein. Am bemerkenswertesten aber waren die Reste eines
Kamins von 60 cm Höhe, ähnlich einem Trichter, dessen untere Öffnung
10 cm nicht überstieg, während er oben 30 cm weit war. Die anderen
Öfen in der Nachbarschaft waren ähnlich von ziemlich gleicher Gröſse
und Konstruktion.


In den alten Eisengruben fanden sich neben einem Bronzeschlüssel
allerhand Werkzeuge der Bergleute, die sich jetzt in dem Museum
St. Germain befinden.


Die Ausgrabungen von Bibrakte beweisen, daſs um den Anfang
unserer Zeitrechnung in Gallien bereits eine ausgedehnte Eisenindustrie
existierte. Wie weit dieselbe durch fremden Einfluſs bedingt war, wie
weit die Phönizier, die Phokäer, die Massilioten, die Etrusker, die
Römer darauf Einfluſs gehabt hatten, läſst sich nicht mehr bestimmen.
Anerkannt muſs aber werden, daſs die gallischen und die iberischen
Bewohner des heutigen Frankreichs mit der Verarbeitung der Metalle
bekannt waren und Bedeutendes darin leisteten. Alte Druidensagen
[668]Das frühe Mittelalter.
führen die Geschichte der Gallier (Kelten) in uralte Zeit zurück.
Danach sollen sie um 1500 v. Chr. aus Phrygien nach Gallien ein-
gewandert sein. Aus dieser Zeit sollen angeblich schon die Gräber von
St. Jean de Belville in Savoyen stammen 1).


Die Sensen der Gallier waren von Eisen. Diese waren zur Zeit
des Plinius ein Exportartikel, denn er schreibt 2): Von Sensen giebt es
zwei Arten: die italische, die kurz und leicht und selbst im Gebüsch
verwendbar ist, und die gallische, mit denen man die Arbeit in den
groſsen Steppen dieses Landes schafft, denn man schneidet dort nur auf
den halben Halm und läſst das Übrige stehen.


Das verzinnte Geschirr (incoctilia) nennt Plinius eine Erfindung

Figure 203. Fig. 203.


der Gallier und Cäsar berich-
tet, daſs eiserne Ringe als
Geld verwendet wurden 3).


Die hochentwickelte Eisen-
technik der Gallier wird auch
bezeugt durch die bei Alise
ausgegrabenen schön gearbei-
teten Eisenwaffen4). Die
mannigfach gestalteten Lan-
zenspitzen beweisen eine
hochentwickelte Schmiede-
kunst. Ebenso bemerkens-
wert sind die Schwerter.
Reffye bemerkt hierzu:


„Diese erinnern an die
langen Klingen mit scharfer
Schneide, welche die Gallier
schon seit der Zeit des Camillus trugen. Man bemerkt deutlich, daſs
die Schneide und die Klinge nicht aus dem gleichen Material bestehen.
Der Arbeiter schweiſste, nachdem er den Körper der Klinge aus
sehnigem Eisen hergestellt hatte, ein stahlartiges Eisen auf beiden
Seiten an, um die Schneiden herzustellen. Diese Schneiden wurden
dann kalt abgehämmert. Der Soldat konnte dann leicht nach dem
Gefecht seine Klinge wieder aufdängeln, ähnlich, wie dies jetzt noch
mit den Sicheln geschieht.“


Das gallische Schwert war, wie erwähnt, die Spatha, wie dies auch
[669]Gallien.
aus der nebenstehenden Abbildung eines Reliefs im Louvre hervor-
geht (Fig. 203). Als charakteristische Form des Messers dürfte die

Figure 204. Fig. 204.


Figure 205. Fig. 205.


Figure 206. Fig. 206.


Figure 207. Fig. 207.


Fig. 204 dargestellte anzusehen sein, mit dem gallischen Schmiede-
stempel SVADVBIX in römischer Schrift, welches bei Besançon
gefunden worden ist.


[670]Das frühe Mittelalter.

Bezüglich der Schwerter ist noch zu bemerken, daſs die älteren
flach geschmiedete Angeln, die in die Klinge allmählich übergingen,
hatten.


Fig. 205 a u. b stellt zwei altgallische Schwerter dar von Vie de Bag-

Figure 208. Fig. 208.


neux (a) (Côte-d’Or)
und von Monceau-
Laurent (b) 1). Wie
übereinstimmend die
Formen der Schwer-
ter und Lanzen der
gallischen und etrus-
kischen Bewaffnung
waren, geht aus vor-
stehender Zeichnung
(Fig. 208) hervor 2).


Auch der Kriegs-
wagen mit eisernen
Radreifen bediente sich
der gallische Adel und
wurden die Fürsten
auf einem zweiräderi-
gen Kriegswagen in
vollem Schmucke und
mit allen Beigaben zu
Grabe gebracht 3), Fi-
gur 207.


Die Schwerter sind
ähnlich denen von
La Têne und von
Hallstadt. Als galli-
scher Helm gilt in
Frankreich vorstehen-
de Form (Fig. 206) 4).
Diese Helme sind meist aus dünnem Bronzeblech, doch sind auch Bruch-
stücke derselben von Eisen gefunden worden. Einen gleichen Helm
besitzt das bayerische National-Museum in München und wird er dort
als hunnischer (avarischer) Helm bezeichnet.


[671]Britannien.

Tacitus berichtet (III, 46): Paullum morae attulere ferrati, restant
tibus laminis adversum pilos et gladios. Von Eisen war meist der Kelt
oder Paalstab (Solabra), die Lanze und das Schwert.


Der gallische Adel trug eiserne Panzerhemden und Varro be-
richtet ausdrücklich, daſs die Römer diese Panzer von den Galliern
angenommen hätten.


Die eisernen Ringelpanzer mit Haken und die langen eisernen
Wurfspieſse haben wir bereits oben angeführt 1).


Aus alle dem ergiebt sich, daſs die Gallier schon in sehr früher
Zeit mit der Bearbeitung des Eisens vertraut waren, ja, daſs sie darin
in vieler Beziehung den Römern überlegen waren.


Britannien.


Britannien, eine Insel, durch das Meer vom europäischen Festlande
getrennt, war in seiner Entwickelung mehr auf sich selbst angewiesen,
äuſsere Einwirkungen wechselten nicht so rasch, wie auf dem Konti-
nent, es muſste, nachdem es einmal konsolidiert war, einen stabileren
Charakter annehmen. Dieser konservative Zug kennzeichnet noch
heute die Engländer. So scheint es auch, daſs die Briten länger als
die Bewohner des Kontinents an ihren Steinwaffen und Steinwerk-
zeugen, in deren Verfertigung sie ein groſses Geschick erlangt hatten,
festhielten, und hat sich in dem noch abgetrennteren Irland der Ge-
brauch dieser Steingeräte noch bis in historische Zeiten erhalten.


Dennoch wissen wir, daſs die Britannier das eine Metall, durch
das ihr Land vor allen Ländern der alten Welt besonders gesegnet
war, schon in sehr früher Zeit gewannen, ausschmolzen und verhandelten,
dies war das Zinn.


Herodot berichtet bereits, daſs es den Griechen wohl bekannt war,
daſs die Phönizier ihr Zinn aus Britannien holten. Aber schon lange
vorher blühte dieser Handel zur See, und noch länger auf dem Wege
durch Gallien zu Lande. Der Verkehr zwischen der Südküste Eng-
lands und der gegenüberliegenden Küste des Kontinents war uralt.
In frühester Zeit tauschten die Britannier ihr Zinn gegen Waren der
Gallier um, die Gallier verbreiteten das Zinn durch ihr Gebiet und so
gelangte es an die Mündung des Eridanus (Po) und an die Mündung
des Rhodanus (Rhone). Dort lernten es die Phönizier kennen und
[672]Das frühe Mittelalter.
lieſsen nicht ab, bis sie die Wege zu Wasser und zu Lande nach den
Kassiteriden, dem Zinnland, gefunden hatten. Es gelang ihnen, für
Jahrhunderte den wichtigen Zinnhandel mit Britannien zu monopoli-
sieren. Bis zum Jahre 300 v. Chr. hatten sie ihn fast allein in Händen.
Dann kam er infolge des Verfalles Phöniziens und der phönizischen
Kolonieen in die Hände der Griechen, in erster Linie in die der pho-
käischen Massilioten. Pytheas von Massilia war wohl der erste
Grieche, der Britannien besuchte, der es für die Griechen um 330 v. Chr.
entdeckte. Er war dem Wege des Zinnhandels gefolgt, und veröffent-
lichte seine Entdeckungen in einer Reisebeschreibung. Von dieser
Zeit an partizipierte Griechenland an dem britannischen Zinnhandel.
Hatte vorher schon die fremdländische phönizische Kultur auf die
Britannier eingewirkt, so machte sich jetzt die höhere und verwandt-
schaftlichere Bildung Griechenlands bei den Inselbewohnern geltend.
Diese Kultureinflüsse waren nicht gering, so daſs, als 250 Jahre später
um 50 v. Chr. Cäsar mit seinen römischen Legionen seine Kriegszüge
nach Britannien unternahm, die Bewohner des Landes nicht mehr auf
dem Zustande niedriger Barbarei standen, sondern, namentlich an
dem südlichen Küstenlande, schon eine hervorragende Bildung besaſsen.
Daſs der Verkehr mit Griechenland kein unbedeutender war, daſs die
Griechen Kenntnis von Britannien besaſsen, beweist das bereits um
190 v. Chr. von Polybios verfaſste Buch über Britannien und die Zinn-
gewinnung daselbst. Neben den Massilioten waren es die Syrakusaner,
die an dem britannischen Handel am lebhaftesten Teil nahmen, denn
es wird berichtet, daſs diese im Jahre 214 v. Chr. einen gewaltigen
Mastbaum für das Riesenschiff des Archimedes in Britannien erwarben
und von da holten 1).


Am intensivsten war aber wohl stets der gallische Verkehr, der
zwischen den beiden Ufern des Kanals von Alters her unterhalten
wurde. Auch hierbei spielte der Zinnhandel die wichtigste Rolle.
Strabo schreibt hierüber 2): „Die Bewohner Britanniens, welche um das
Vorgebirge Belarion (jetzt Landsend, die Westspitze von Cornwall)
wohnen, sind überaus gastfrei und haben im Verkehr mit den fremden
Kaufleuten ihre Sitten gemildert. Diese sind es, welche das Zinn zu
Tage fördern, indem sie den Boden, in welchem dasſelbe vorkommt,
auf künstliche Weise bebauen. Derselbe ist nämlich felsig, hat aber
auch erdige Schichten und aus diesen gewinnen sie die Ware und
reinigen sie durch Schmelzen. Sie formen es in Stücke von würflicher
[673]Britannien.
Gestalt und bringen es auf eine Insel, die vor Britannika liegt und
Iktis (die Insel Wight) heiſst. Zur Zeit der Ebbe nämlich wird der
Raum zwischen der Insel und dem Lande trocken und so bringen sie
das Zinn in groſser Menge auf Wagen herüber. Überhaupt ist es ein
ganz eigener Umstand mit diesen Inseln, welche zwischen Europa und
Britannika nahe bei letzterem liegen. Zur Zeit der Flut nämlich wird
der Zwischenraum mit Wasser bedeckt und sie erscheinen dann als
Inseln, wenn aber in der Ebbe das Meer zurückströmt und ein groſser
Raum trocken gelegt wird, so erscheinen sie wie Halbinseln. Hier nun
kaufen die Händler das Zinn und bringen es nach Gallien hinüber, um
es schlieſslich auf dem Landwege durch Gallien und zwar auf Pferden
nach der Mündung der Rhone zu bringen, wozu sie gegen 30 Tage ge-
brauchen.“


Cäsar, der übrigens die Westküste Englands nicht besucht hatte,
sagt, daſs zu seiner Zeit der Handel hauptsächlich mit Gallien be-
trieben wurde und daſs die meisten Schiffe vom Kontinent in die
kentischen Häfen einliefen, deren Einwohner infolgedessen die ge-
bildetsten und umgänglichsten seien.


Neben der Zinngewinnung war den Britanniern die Eisengewinnung
schon in sehr früher Zeit bekannt. Cäsar, der erste Feldherr, der
Britannien zu erobern suchte und der sehr genaue Erkundigungen
über alle Verhältnisse Britanniens eingezogen hatte, schreibt 1): „Die
Bevölkerung ist auſserordentlich dicht, die Zahl der Öfen, welche den
gallischen ungefähr ähnlich sind, sehr groſs. Vieh ist in Menge vor-
handen. Als Geld braucht man entweder Kupfer oder Eisenstücke
(Luppen) in bestimmtem Gewicht 2). Im Binnenlande findet man Zinn und
an der Küste Eisen, letzteres jedoch spärlich. Kupfer wird eingeführt.“


Genau betrachtet sagt Cäsar hier nur, daſs das Eisen an der
Südküste
spärlich sei.


Strabo aber erwähnt das Eisen als einen Ausfuhrartikel der Britan-
nier, neben Korn, Rindvieh, Gold und Silber. Er sagt 3):


„Der gröſste Teil der Insel ist eben und waldig, viele Gegenden
aber sind auch Hügelland. Sie liefern Getreide, Vieh, Gold, Silber
und Eisen. Diese Produkte werden von ihnen ausgeführt, ebenso auch
Häute, Sklaven und treffliche Jagdhunde.“ Statt dessen wurden
hauptsächlich Luxusartikel eingeführt als goldene Ketten, Trinkgefäſse
und Salbentöpfe.


Die Bewaffnung der Britannier muſs nach Cäsars Angaben vor-
Beck, Geschichte des Eisens. 43
[674]Das frühe Mittelalter.
züglich gewesen sein, obgleich er sie nicht im einzelnen beschreibt.
Am meisten imponierten ihm die Kriegswagen, die mit eisernen Sicheln
und Haken versehen waren. Das Heer des Kassibelanus zählte nach
seiner Niederlage noch 4000 solcher Kriegswagen. Diese Wagen hieſsen
covini 1). Nicht minder vorzüglich war die Reiterei ausgerüstet, sie
war bewaffnet mit langen Schildern, breiten Schwertern und mächtigen
Speeren.


Der römische Einfluſs auf Britannien war ein bedeutender und
nachhaltiger. Indessen war die Unterwerfung durch Cäsar nur eine
unvollständige. Er erhielt nie den vollen Tribut, den er ausgeschrieben
hatte. Ebenso erging es dem Augustus, der es bei Drohungen be-
wenden lieſs. Auch Tiberius war milde gegen Britannien und be-
gnügte sich mit dem, was ihm die britischen Fürsten aus freien Stücken
gaben. Caligulas zweckloser und unsinniger Einfall im Jahre 40 n. Chr.
hinterlieſs keinen groſsen Eindruck. Indessen wirkte die römische
Bildung durch den Kontakt im stillen. Aus der Beschreibung von
dem Kriegszuge des Vespasian 43 n. Chr. geht hervor, daſs Kunst und
Industrie seit Cäsar groſse Fortschritte gemacht hatten. London wird
damals bereits als eine groſse Handelsstadt geschildert. Erst der Sieg
des Suetonius über die Königin Boadicea und ihr gewaltiges Heer be-
gründete die römische Herrschaft über Britannien, die dann durch die
sieben Feldzüge Agrikolas bis zum Jahre 84 befestigt wurde. Auch
Agrikola war eifrig bemüht, Kunst und Industrie in Britannien zu fördern.


Als Kaiser Hadrian im Jahre 120 mit der 6. Legion nach Britan-
nien kam, machte er die Stadt Bath (Aquae Solis) zu einem wichtigen
Garnisonplatze und legte eine groſse kaiserliche Waffenfabrik (fabrica)
daselbst an. Die Lage von Bath war hierfür in jeder Art geeignet,
namentlich auch deshalb, weil die benachbarten Berge von Monmouth-
shire und Gloucestershire Eisenerz in Menge lieferten. Die Schmiede
bildeten bei den römischen Legionen regelmäſsige Kompagnieen, die
unter der Führung eines Obersten (primicerius) standen. Sie folgten
teils der Legion, teils waren sie den kaiserlichen Werkstätten zugeteilt.
Die der Legion zugeteilten hatten mehr die Aufgabe die Waffen der
Soldaten in Stand zu halten, die in den Werkstätten beschäftigten ver-
fertigten die neuen Waffen, die sie an einen, dazu ernannten Offizier
abliefern muſsten, von dem sie in den Zeughäusern niedergelegt wurden.
Um jeden Miſsbrauch bei diesem wichtigen Zweige der Militärverwal-
tung auszuschlieſsen, und die richtigste und methodischste Durchführung
[675]Britannien.
sicher zu stellen, war es gesetzlich verboten, daſs irgend jemand Waffen
für den kaiserlichen Dienst herstellen durfte, auſser solchen, die zu der
Innung der Schmiede gehörten. Es gab zwei Arten solcher Innungen,
kleinere, mehr lokale, und gröſsere. Die letzteren, welche die an-
geseheneren waren, hieſsen fabricae sacrae 1). Diese, welche nicht einer
besonderen Legion angehörten, versahen ganze Provinzen oder ganze
Länder mit Kriegswaffen. Einer solchen Innung gehörten die Kriegs-
werkstätten von Bath an, und sie lieferten nicht bloſs die Waffen für
die Garnison, sondern auch für die Truppen in Caerleon (Isca Silurum,
dem Standquartier der zweiten Legion), Chester und Ilchester, sowie
überhaupt für die sämtlichen in Britannien stationierten Truppen, ja
selbst für einige Truppenabteilungen auf dem Kontinent. Bath muſste
natürlich durch die Gründung eines so groſsartigen Etablissements
sehr an Bedeutung gewinnen und wurde eine Stadt voll Leben und
Thätigkeit. Die Straſse, die es mit der anderen Seite der Severn ver-
band, wurde verbreitert und neu hergestellt, da auf ihr das Eisen,
welches in den Waffenfabriken gebraucht wurde, herbeigeschafft werden
muſste. Dieses kam von Forest of Dean aus den Bergen von Mon-
mouthshire, wurde bei Lydney über den Fluſs gebracht, bei Aust aus-
geladen und auf der Kriegsstraſse, welche nahezu der oberen Bristoler
Chaussee parallel lief, nach Bath gefahren. Der fortwährende Bedarf
an Kriegswaffen der zahlreichen Militärstationen Britanniens schaffte
reges Leben in der Stadt, der Verkehr ging nach allen Richtungen, die
Straſsen, welche nach allen Seiten sich verzweigten, waren bedeckt mit
Fuhrwerk, das die Kriegswerkzeuge, welche in dem Arsenal angefertigt
wurden, an die verschiedensten Plätze verführte. Der kluge, wachsame
und begabte Hadrian war, so lange er in Britannien verweilte, eifrig
bemüht, das Volk zu heben. Von seiner Zeit an betrieben die Römer
bis zu ihrer Vertreibung aus Britannien im Jahre 409 ununterbrochen
die oben genannten Eisenbergwerke. Ungeheure Schlackenhalden,
welche die Römer hier aufgehäuft hatten, sind bei Forest of Dean in
Monmouthshire aufgefunden worden. Vier Meilen nordwestlich von
Bolston Gaer bei Miskin fand man unter einer groſsen Schlackenschicht
im Jahre 1792 eine Münze des Antoninus Pius mit Bruchstücken einer
kunstvollen Vase, auf welcher eine Jagdszene dargestellt war.


Über die uralte Eisengewinnung von Forest of Dean hat Nicholls
interessante Mitteilungen geliefert 2). Er schreibt: „Man kann dies
Terrain, in welchem die Eisenwerke dort vorkommen, so beschreiben,
43*
[676]Das frühe Mittelalter.
daſs es 12 bis 16 Meilen westlich von Gloucester gelegen ist, in einer
Hügelkette, die sich südlich von May Hill bis nach dem Severn zieht.
In diesen Höhen findet sich das Eisenerz (Roteisenstein) ausschlieſslich,
weshalb alle Gruben, alte wie neue, auf sie beschränkt sind, während
die weitere Verarbeitung, das Ausschmelzen des Eisens aus den Erzen,
in verschiedenen Lokalitäten der Umgegend betrieben wurde. Es
wird meine Aufgabe sein, zunächst von den Aushöhlungen (Gruben)
in dem Eisenstein führenden Kalkgebirge, welche von den Arbeiten
der prähistorischen Bergleute Zeugnis ablegen, eine Beschreibung zu
geben, sodann die Art und die Ablagerung der Eisenschlacken, welche
sich in diesem Bergwerksreviere finden, zu schildern und zuletzt eine
möglichst vollständige Schilderung der Geschichte der Eisenwerke des
Forest of Dean mitzuteilen.


Was den Charakter der Gruben anlangt, so gleichen sie entweder
tiefen und winkeligen Steinbrüchen, wie bei Beam, oder geräumigen
Höhlen, die meist weit fortlaufen, in der unberechenbarsten und über-
raschendsten Richtung und Gestalt. So laufen sie oft eine lange
Strecke fort, vielleicht kaum mehr als eine Elle hoch und breit, dann
öffnen sie sich plötzlich zu geräumigen Gewölben bis zu 15 Fuſs weit,
wahrscheinlich deshalb, weil hier ein reiches Mittel oder ein Erzstock
anstand, um darauf wieder da, wo der Reichtum aufgehört hatte, sich
so zu verengen, daſs kaum ein Mensch durchkriechen konnte. Manch-
mal teilt sich die Strecke und vereinigt sich wieder, hört plötzlich
ganz auf oder wendet sich in scharfem Winkel nach einer anderen
Seite, manchmal stürzt oder fällt sie, mittels roher Stufen, die in den
Felsen eingehauen sind, auf denen die Bergleute auf und ab klettern
muſsten, während sich an anderen Plätzen noch Bruchstücke halb ver-
sinterter Holzleitern finden. Diese unterirdischen Aushöhlungen finden
sich zahlreich nach allen Seiten des Forest of Dean hin. So ist der
jetzige Anblick dieser Gruben, und daſs sie vor 100 Jahren gerade so
aussahen, bestätigt Wyrrall (1780). Er schreibt:


„Hier sind, tief in der Erde, ausgedehnte Höhlen von Menschen-
händen gegraben, so geräumig, wie das Schiff einer Kirche, und an der
Oberfläche finden sich labyrinthische Gänge zwischen dem Gestein, jetzt
längst von Wald überwachsen. Wer sie verfolgt, muſs erstaunt sie
mehr für die Arbeit von Armeeen als die einzelner Menschen halten.
Gewiſs waren sie die Arbeit vieler Jahrhunderte, und vielleicht längst,
ehe man daran dachte, das Erz im Eingeweide der Erde zu suchen,
wohin sie indessen bald dringen muſsten, sobald es sich herausstellte,
daſs die Adern an der Oberfläche erschöpft waren.“


[677]Britannien.

Die Thatsache, daſs diese Bergwerksanlagen keine Spur von der
Benutzung von Maschinen, sei es zum Ziehen der Erze oder zur
Hebung des Wassers, zeigen, ebensowenig von künstlicher Ventilation
oder der Anwendung des Pulvers, kurzum jeder Art mechanischen Ge-
schickes, kann als weiterer Beweis für ihr hohes Alter gelten. Übrigens
haben wir auch noch andere Anhaltspunkte für das Alter der Gruben
des Forest of Dean. Wenn auch keine Jahreszahl in deren Wände
eingegraben ist, so finden sich doch Zeugen der Zeit in ihrem Schutt,
denn Wyrrall berichtet: „daſs Münzen, Fibeln und andere Gegenstände,
wie sie bei den Römern im Gebrauch waren, sich häufig in den
Schlackenhaufen und an anderen Plätzen gefunden haben. Dies ge-
schah besonders bei dem Dorfe Witchurch zwischen Ross und Mon-
mouth, wo sich groſse Schlackenhalden fanden, einige davon tief in der
Erde 8 bis 10 Fuſs unter der Oberfläche, so als ob sie schon durch
ihre Lage beweisen wollten, wie lange Jahre sie an Ort und Stelle ge-
legen haben müssen. Ich selbst hatte Gelegenheit, viele von diesen
Münzen, Fibeln u. s. w. zu sehen, die von den Arbeitern, welche die
eisenreichen Schlacken damals aufgruben, aufgelesen wurden, ganz
besonders eine von Trajan, die, wie ich mich erinnere, vollständig er-
halten war, wenn man die Länge der Zeit bedenkt, die sie im Boden
gelegen hat. Ebenso erinnere ich mich einer kleinen, bronzenen
Statuette, etwa 5 Zoll hoch, welche an demselben Platze in den
Schlacken gefunden wurde. Es war eine elegante, weibliche Figur in
liegender Stellung und nach der Gewandung unzweifelhaft antik.“


„Diesem alten Bericht kann ich hinzufügen, daſs nach allen Seiten
des Forstes römische Reste aufgefunden wurden. In geringer Ent-
fernung von Witchurch lag das alte Ariconium. Bei Lydney und
Alvington wurden römische Antiken aufgefunden. Bei Lydbrook, auf
dem Coppet Wood Hill, bei Perry Grove und Crabtree Hill fanden sich
zahlreiche Münzen von Philippus, Gallienus, Victorinus und von
Claudius Gothicus.


Die Untersuchung der Schlackenhaufen, die sich namentlich am
Rande der Eisengruben des Forstes finden, bezeugen zweifellos die
hüttenmännische Verarbeitung der Eisenerze. In Übereinstimmung
mit der Ausdehnung der unterirdischen Höhlen sind sie auſserordent-
lich zahlreich. Vor etwa 200 Jahren waren sie so massenhaft zu
finden, daſs sie lange Zeit hindurch das Hauptmaterial der Verhüttung
für die benachbarten Eisenwerke bildeten, aber auch heutzutage trifft
man sie noch überall an. Wir finden sie auf den Höhen, tief im
Thal, auf Feldern, in Obst- und Blumengärten und in der Nachbar-
[678]Das frühe Mittelalter.
schaft der Dörfer. Ihr Charakter ist ein besonderer, indem sie keine
vollkommene Schmelzung, sondern eine Art Sinterung wie durch
Röstung zeigen, indem das Erz noch ein gut Teil seines Metallgehaltes,
oft auch selbst seine Form zurücklieſs. Man kann sie nicht ver-
wechseln mit gewöhnlichen Schlacken, noch gleichen sie irgend den
Hochofenschlacken, und ist mir nicht bekannt, daſs man irgend ähn-
liches anderswo findet. Holzkohle war das ausschlieſsliche Brenn-
material, und der hohe Eisengehalt, der in den Schlacken zurück-
geblieben ist, liefert den Beweis für die Unvollkommenheit der Schmel-
zung. Welche Schmelzmethode in Anwendung war, läſst sich jetzt nur
schwer bestimmen. Irgend eine Windzufuhr mit Hand oder Fuſs muſs
wohl stattgehabt haben oder es müſste ein Ofen in Anwendung ge-
wesen sein, etwa wie unsere Windöfen. Wasserkraft konnte nicht ver-
wendet worden sein, da viele der Schmelzen an Orten liegen, wo kein
Wasserlauf in der Nähe ist.


Dies ist alles, was man bestimmt weiſs über die älteste geschicht-
liche Zeit des Forest of Dean.“


Groſse Schlackenhalden aus römischer Zeit finden sich in Sussex
zu Maresfield, Sedlescombe, Westfield und Oaklands, wo ein Schlacken-
haufen von 20 Fuſs Höhe aufgedeckt wurde. Die Thoneisensteine von
Oxfordshire wurden gleichfalls schon in jener Zeit verschmolzen.


Ebenso hat man in Yorkshire und in anderen Grafschaften römische
Münzen in Verbindung mit Schlackenhalden gefunden, die hinlänglich
beweisen, wie ausgedehnt und bedeutend die Eisengewinnung während
der Zeit der römischen Herrschaft in Britannien war. Die Römer
gründeten Eisenschmelzen in Siluria (Süd-Wales), bei Monmouth, Had-
nock, Keven-Pwlldu und anderen Plätzen. Dem Zustande der Un-
ordnung und Unsicherheit, welcher dem Abzuge der Römer in Britan-
nien folgte, ist es zuzuschreiben, daſs diese Werke teilweise eingingen.
Die Eroberung Britanniens durch die Sachsen, eine lange, blutige
Periode, scheint nahezu vernichtend für Kunst und Industrie gewesen
zu sein, ganz besonders auch in bezug auf den Bergbau und die Eisen-
bereitung. Zwar standen die Schmiede, welche Schilder, Waffen und
Panzer verfertigten, in hohem Ansehen 1), da ein jeder Waffen tragen
muſste. In der Zeit der fünf Könige, welche nach der Vereinigung der
Heptarchie durch Eckberth über England herrschten, fehlen alle Nach-
richten über Eisenbereitung. Nachdem König Alfred endlich die Dänen
unterworfen hatte, that er in den darauf folgenden zwölf Jahren des
[679]Britannien.
Friedens alles, um Handel, Schiffahrt und Künste in seinem Lande zu
heben. Doch fehlen auch während seiner Regierung, sowie während
der seines Sohnes Edward oder seines Enkels Athelstan († 941) irgend
welche Nachrichten über die Eisenindustrie Englands. Dasſelbe gilt
so ziemlich bis zur Zeit des Einfalles der Normannen und der Herr-
schaft Wilhelms des Eroberers. Camden berichtet, daſs vor und wäh-
rend dieser Zeit die Hauptgewerbe der Stadt Gloucester die Herstellung
von Eisenschmiedewaren gewesen sei. Und das Dooms-Day-Book
erwähnt, daſs der König kaum eine andere Abgabe von der Stadt
verlangte, als gewisse „Dicars“ (Gebunde) Eisen und Eisenstangen
für die königliche Marine. Die verlangte Quantität betrug 36 „Dicar“
Eisen, ein „Dicar“ enthielt 10 geschmiedete Stangen und 100 Stäbe
für Nägel und Bolzen.


Giraldus Cambrensis, der im 12. Jahrhundert lebte, schreibt: „Der
Forest of Dean versieht Gloucester reichlich mit Eisen.“


Betrachten wir nach dieser historischen Übersicht die Ergebnisse
der archäologischen Forschung, so finden wir die geschichtlichen Über-
lieferungen bestätigt. Lange vor der römischen Invasion kannten die
Briten bereits das Eisen, und wenn sie auch nicht reich daran waren,
wie Cäsar schreibt und die Seltenheit der Funde dies bestätigt, so ver-
standen sie es doch zu gewinnen und zu verarbeiten. Zweifellos war
dies im Südwesten, in Kent und Sussex der Fall, welches von Belgiern
besiedelt war 1). Die Bronze dagegen war ein ausländisches Produkt,
welches ihnen durch den Handel zugeführt wurde, obgleich an keinem
Platze der Erde die Natur die Erze des Zinnes und des Kupfers so
nahe zusammengelegt hat, wie in Cornwall, wo die Gewinnung und Aus-
schmelzung der Zinnerze eine uralte, einheimische Kunst war. War
das Zinn der Artikel, wegen dessen zunächst Britannien von fremden
Händlern besucht wurde, war dieses seltene und bequeme Metall die
Veranlassung, daſs die Phönizier selbst die Schrecken des Okeanos
nicht scheuten, um mit ihren schwachen Schiffen bis nach Britannien
durchzudringen, so war dieser Zinnhandel auch die Veranlassung, daſs
gerade nach Britannien als Gegenwert im Tauschhandel besonders
von den zur See handelnden Phöniziern und Griechen eine groſse
Menge Bronzewaren und Bronzegeräte eingeführt wurden. Daher
kommt es, daſs die archäologische Ausbeute an Bronzesachen sehr
reich ist, während die Ausbeute an Eisen gering ist. Die Bronze hat
gerade in Britannien und zwar ganz besonders in Südengland das
[680]Das frühe Mittelalter.

Figure 209. Fig. 209.


Eisen zurückgedrängt, dessen Gebrauch aber ein sehr
alter und einheimischer gewesen ist. Die Benutzung des
Eisens scheint auch in Britannien älter gewesen zu sein
als die Einführung der Bronze. In einem Grabe von
Rudstone 1) fand sich in einer Grabkammer neben Stein-
geräten und den Knochenresten eines Greises, der auf
der Seite lag, den Kopf nach Süden gewendet, die bei-
den Hände vor dem Gesicht, ein längliches Stück Eisen-
erz, das dem Feuer ausgesetzt gewesen war. Eben solche
Stücke gebrannten Eisensteines fanden sich unterhalb
des Fuſsendes der Kammer, sowie zwischen den benach-
barten Grabkammern. In Schottland hat man Eisen-
schlacken zusammen mit Steinpfeilen gefunden 2). Eiserne
Gegenstände fanden sich in den Hügelgräbern (round
barrows 3) in Wiltshire. Bei Roundway nahe bei Devizes
fand man einen eisernen Ring, den man für ein Stück
des von Cäsar erwähnten Ringgeldes (talei ferrei ad cer-
tum pondus examinati) der alten Britannier hält. Be-
merkenswert ist, daſs eiserne Gegenstände aus vor-
römischer Zeit in den Gräbern Nordenglands häufiger
vorkommen, als in denen Südenglands, was sich zum
Teil wohl daraus erklärt, daſs die Bewohner des Nordens
auſserhalb der Sphäre des Handelsverkehres lagen, ihnen
die fremdländischen Bronzegeräte weniger zugänglich
waren und sie deshalb mehr an dem Gebrauche des
einheimischen Eisens festhielten. Besonders hervor-
zuheben ist hierbei, daſs gerade das charakteristische
nationale Kriegsgerät der alten Briten, der Streitwagen
(essedum) 4), gröſstenteils aus Eisen konstruiert war. Man
hat die Teile solcher Kriegswagen in den zahlreichen
Hügelgräbern von Arras und Hessleskew im östlichen
Yorkshire gefunden. Räder und Achsen waren von Eisen,
während das Pferdegeschirr teilweise von Bronze war.
Dabei fanden sich vier eiserne Gebisse, von denen zwei
mit Bronze plattiert waren. Ferner ein Schild mit
eisernem Rande und bronzenem Buckel. Die Leichen
waren unverbrannt beigesetzt in der für die alten Briten
[681]Britannien.
charakteristischen, kauernden Stellung. Auch goldene Ringe und Arm-
bänder aus Bronze mit reichem Email verziert fand man in diesen
Gräbern. Im Jahre 1872 entdeckte man bei Grimthorpe, etwa 12 Meilen
von Arras entfernt, in einem Grabhügel ein kauerndes Skelett mit
Speerspitze und Schwert aus Eisen. Das schöne eiserne Schwert stak
in einer Bronzescheide, die mit roten Korallen geziert war. Ein ähn-
liches Schwert hatte man früher in dem nahegelegenen Bugthorpe
gefunden. In dem Horae Ferales von Kemble ist (Pl. XVIII, 10)
ein Eisenschwert mit teilweise erhaltener Bronzescheide abgebildet
(Fig. 209). Es miſst 2 Fuſs 1 Zoll engl., läuft spitz zu und hat einen
Grad in der Mitte. Es wurde 1826 im Flusse Witham unterhalb Lin-
coln gefunden und befindet sich jetzt im Museum des Herzogs von
Northumberland in Alnwich. Die Schwerter sind ähnlich denen von
Hallstadt und La Têne, weshalb Thurnham, der sich die gröſste Mühe
giebt, die Eisenfunde in Südengland für jünger, nämlich für angel-
sächsisch zu erklären, hier, wo dies nicht gut möglich ist, zu einer
gallischen Invasion in Yorkshire seine Zuflucht nimmt. Wir glauben
auf dem richtigeren Wege zu sein, wenn wir die Dinge nehmen wie
sie sind und anerkennen, daſs das Eisen neben der Bronze den Briten
bekannt war und verwendet wurde, ja daſs hinreichende Gründe vor-
handen sind, anzunehmen, daſs die Briten die Herstellung und Bear-
beitung des Eisens kannten, ehe die Bronze von fremden Handels-
leuten bei ihnen eingeführt wurde. Daſs während der Römerherrschaft
eiserne Waffen allgemein Verbreitung fanden, ja daſs diese ein Aus-
fuhrartikel Britanniens wurden, wenigstens für das kaiserliche Heer,
haben wir oben bereits erörtert. Wir wollen hier noch das nachtragen,
was Percy hierüber sagt 1):


„Es ist genügend erwiesen, daſs die Römer bei uns in ausgedehn-
tem Maſsstabe Eisen gewannen, besonders im Forest of Dean und in
dem Weald of Sussex 2), wo groſse Anhäufungen von Schlacken vor-
handen sind, in denen sich römische Münzen und andere Altertümer
gefunden haben. In den Schlackenhalden von Sussex entdeckte man
Münzen aus der Zeit von Nero, Vespasian und Deocletian, zusammen
mit zahlreichen römischen Topfscherben, unter denen des Forest of
Dean fanden sich Münzen Trajans. Die Ausschmelzung der Erze ge-
schah mit Holzkohlen durch direktes Verfahren, ähnlich wie bei den
Katalanschmieden.“ Lower bemerkt über die frühe Bekanntschaft der
[682]Die Germanen.
Briten mit dem Eisen 1): Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs das Eisen
von Sussex schon vor der Eroberung der Insel durch die Römer ge-
wonnen und verarbeitet wurde. Daſs sie das Pferd als Haustier be-
saſsen und daſs sie in vielen Details der Kriegskunde sehr vor-
geschritten waren, wie Cäsar dies erfuhr, als er die Küste Britanniens
zuerst betrat, spricht wohl dafür, daſs die Einwohner schon einen
groſsen Bildungsstand erlangt hatten und daſs sie nicht, wie gewöhn-
lich angenommen wird, Barbaren waren. Wenn man die Benutzung
des Eisens als den Endpunkt der Barbarei und den Anfangspunkt der
Zivilisation betrachtet, so hatten die alten Briten diesen Punkt sicher-
lich zur Zeit Cäsars überschritten.


Die Germanen.


Die Germanen, die mit ihren Eisenwaffen das römische Weltreich
in Trümmer schlugen, traten erst spät in die Geschichte ein. Die
älteste Mitteilung über sie stammt von dem Massilioten Pytheas, der
im vierten Jahrhundert das Bernsteinland besuchte. Er schildert sie
als ein seſshaftes, ackerbautreibendes Volk. Nach allgemeiner An-
nahme sind die Germanen, die einen Zweig der indogermanischen
Völkerfamilie bilden, von ihrer östlichen Urheimat, dem oberen Oxus-
gebiet, später als die Kelten und Finnen in Mitteleuropa eingewandert, in-
dem sie erstere nach Westen, letztere nach Norden zurückdrängten. Die
geschichtliche Erinnerung an diese Einwanderung war aber schon bei
den alten Germanen verschwunden. Sie läſst sich nur begründen
durch die Sprachvergleichung und durch die alten Stammessagen.


Mythische Zeit.


Die Spearch und die Sagen der Germanen sprechen für ihre frühe
Bekanntschaft mit dem Eisen. Wir haben schon in dem Kapitel „Die
Arier in Asien“ 2) die Übereinstimmung des Ausdruckes für Eisen in den
indogermanischen Stämmen überhaupt, als auch die Ähnlichkeit des
Wortes Eisen in den germanischen Sprachen speziell nachgewiesen.
Eisen erscheint danach dem Kupfer, wie insbesondere der Bronze gegen-
über, als das früherbekannte Metall, das den Germanen neben dem Golde
und dem Silber schon bekannt war, als sie ihre Urheimat verlieſsen.
[683]Mythische Zeit.
Ebenso ist die sprachliche Unterscheidung zwischen Eisen und Stahl
sehr alt und kommt das Wort Stahl und stählern schon sehr früh vor.


Die nationalen Sagen der Germanen, ihre Mythologie, ist ganz be-
sonders reich an Erzählungen, die auf Eisen und Eisenwaffen Bezug
haben. Die Schmiedekunst und zwar ganz besonders die Kunst des
Waffenschmiedes war bei den alten Germanen hoch angesehen. So
alt wie Thor, der Donnergott, ist Mjölnir (der Zermalmer), sein eiserner
Hammer. Er ist kurzschaftig, unbezwinglich. Wenn Thor (Donar)
durch die Wolken fährt, wirft er ihn auf die Erde (der Blitz). Mit
ihm hat er die Riesen zerschmettert. Hamarsheimt, des Hammers
Heimkunft, heiſst eins der bekanntesten Götterlieder aus der alten
Edda. Der Riese Drum (Thryma) hat, als Thor seinen Winterschlaf
hielt, den Hammer gestohlen:


„Wohl berg ich die Waffe des Blitzwerfers,

Acht Rasten (Meilen) unter die Erde,

Da wird sie keiner wieder holen;

Er brächte denn Freia als Braut mit her.“

Thor erwacht und ihm schwoll der Zorn, doch er ist machtlos ohne
den Hammer und so kann er ihn nur durch List wieder erlangen.
Loge, der verschlagene, hilft ihm. Freia, welche der Riese zum Weibe
begehrt, leiht dem Gotte ihr Schwanenhemd. So verkleidet fährt er
nach Jotenheim ins Riesenland. Er ist bekleidet mit reichem Schmuck
von „Breisacher Gold“ (Brisinga-men) und hüllt sich dicht in Freias
Federkleid. So bethört er den plumpen Riesen, der lüstern des Weibes
begehrt. Einmal


„Lupft er das Linnen lüstern nach Küssen;

Da flog er schier zum Festsaal hinaus:

Welch ein furchtbares Leben in Freias Augen!

Brennende Blicke blitzten mich an.“

Thor verspricht den Brautring.


„Da sagte Drum, der Dursenbeherrscher:

„Bringt mir den Hammer die Braut zu weihen

Und legt den Malmer der Braut in den Schoſs!

So weihe zusammen uns Waras Hand!“

Wie lachte dem Starken im Leibe das Herz,

Alsbald er den blitzenden Hammer erblickt!

Auf den Drum traf er erst, auf den Dursenbeherrscher,

Und schlug zu Grunde sein ganzes Geschlecht.“

In ihrer symbolischen Bedeutung stellt des Hammers Heimholung
die Wiederkunft des Frühlings dar. Die ersten Frühlingsgewitter ver-
nichten den Winterriesen. Auch liegt es nicht fern, in dem Verbergen
[684]Die Germanen.
des Hammers acht Meilen tief in der Erde eine Anspielung auf Meteor-
steinfälle zu finden. Ähnliche Sagen finden sich bei den Skythen.


Nach einem angelsächsischen Volksglauben fährt der Donnerkeil
tief in die Erde und braucht sieben Jahre, um wieder an die Oberfläche
zurückzukehren, indem er jedes Jahr eine Meile aufwärts steigt.


Wie in obiger Erzählung der Hammer als ein geheiligtes Rechts-
instrument gilt, um den Ehevertrag zu weihen, gültig zu machen, so
finden wir diese Anwendung des Hammers ganz allgemein bei den
alten Germanen. Mit einem eisernen Hammer wurden der Trinkbecher,
der Scheiterhaufen, die Braut und die Verstorbenen geweiht. Das
Hammerzeichen ist das Zeichen des Segens. Der Hammerwurf heiligt
und bekräftigt nach altem Recht den Erwerb. Soweit ein Freier mit dem
Hubhammer werfen konnte, soweit ging sein geheiligtes, unbestreit-
bares Eigentum. Noch heutzutage spielt der Hammer eine Rolle bei
Auktionen, bei denen der Zuschlag mit dem Hammer erfolgt, und in
Obersachsen wurde bis in die neuere Zeit durch Herumtragen eines
Hammers Gericht angesagt. Manche Wirkungen des alten Hammer-
zeichens wurden später auf das christliche Zeichen des Kreuzes über-
tragen, und in ähnlicher Weise spielte später das Schwert, namentlich
im Norden, eine ähnliche symbolische Rolle, wie früher der Hammer.
So war es eine nordische Sitte, daſs in der Brautnacht ein blankes
Schwert in das Ehebett gelegt wurde, während bei den Friesen die
Braut unter einem aufgehängten Schwert die Schwelle der Wohnung
ihres Gatten betreten muſste.


Als das Christentum sich unter den Germanen verbreitete, wurde
der alte Glaube und die alten Götter verfolgt und verlästert, am meisten
Donar, der volkstümlichste unter den hohen Göttern. Von ihm wurden
die meisten Züge auf den Erbfeind der Menschen übertragen und der
Teufel der Volkssage hat viel Verwandtes mit dem alten Heidengott.
Thor fuhr auf einem mit Ziegenböcken bespannten Wagen und ihm
wurden besonders Ziegenopfer gebracht, deshalb sieht auch der mittel-
alterliche Teufel einem Ziegenbocke ähnlich, hat Hörner, einen Bocks-
bart und ein haariges Fell, ja sogar den Bocksgeruch. Sowohl der
alte Name „Meister Hämmerlein“, als die altsächsische Verwünschung,
„dat die der Hammer“! statt „daſs dich der Teufel hole“, sind Thors
Hammer entsprungen. Ein anderer, nicht minder alter Sagenkreis,
liegt unserer Betrachtung noch weit näher. Es sind dies die Er-
zählungen von Wieland 1), dem Schmied, die sich bei allen germani-
[685]Mythische Zeit.
schen Stämmen finden und selbst bei den keltischen Bewohnern
Frankreichs Eingang gefunden hatten. Wieland erinnert durch viele
Züge an Agni, den Feuergott der Inder. Wie dieser und wie Hephä-
stos ist er gelähmt. Er macht sich Flügel und schwingt sich durch
die Luft, ähnlich wie Dädalus. Nach der Edda war Wieland der
Sohn des Finnenkönigs. Er und seine zwei Brüder entführten drei
Walküren dadurch, daſs es ihnen gelang, während jene badeten, ihre
Schwanenhemden zu rauben. Jeder wählte eine zur Gemahlin. Wie-
land Herware die „Altweise“. Nach acht Jahren treuer Ehe gelang
es den Walküren, ihre Schwanenhemden wieder zu erlangen, sie schwan-
gen sich fort zu himmlischen Kämpfen auf Nimmerwiedersehen. Die
Brüder Eigel und Schlagfeder zogen aus, ihre Frauen zu suchen, Wieland
aber blieb im Wolfsthale der kunstfertigste Mann, der berühmteste
Waffenschmied.


„Einsam verweilte im Wolfsthal Wieland,

Schmiedete Feingold, faſste Stein

Und reiht Ringe geruhig am Bast.

So harrt er allein seiner lichten Holden

Ob sie sich wenden wollte zu ihm.“

Nidung, der Niarenkönig, hörte von der Verlassenschaft Wielands,
des kunstvollen, reichen Schmieds. Er überfällt seine Wohnung in
seiner Abwesenheit, raubt von den vielen aufgereihten Ringen den
kostbarsten, den Brautring seiner entflohenen Geliebten. Wieland
kehrte zurück, merkt den Diebstahl, aber vor Übermüdung schläft
er ein. Da überfallen ihn die Räuber, legen ihn in feste Bande und
führen ihn mit sich über das Meer. König Nidung schenkt den Gold-
ring seiner Tochter Bathilde, er selbst aber nimmt sich Wielands
Schwert.


Wieland: „Es schimmert dem Nidung mein Schwert am Gürtel,

Das hatt’ ich geschärft, so geschickt ich’s verstand,

Das hatt’ ich gehärtet, so herdlich mir’s glückte,

Die glänzende Waffe ward mir entwandt:

Man schafft’ mir’s nie wieder zu Villand’s Schmiede!

Bathilde zwar trägt meiner Trauten Ring;

Sobald für das Rotgold nicht rech’n ich auf Buſse.“

Aber bald sinnt er auf Rache:


„Schlaflos saſs er und schwang den Hammer,

Gar bald schon traf den Gebieter sein Trug.“

Furchtbar ist seine Vergeltung.


Er lockt Nidungs beide Knaben, welche die Neugier nach der
Schmiede treibt, an sich heran, mordet beide, faſst ihre Schädel zu
[686]Die Germanen.
kunstvollen Trinkgeräten in Silber, mit Augen von Edelsteinen und
schenkt sie Nidungs schlauem Weibe. Aus den Zähnen macht er ein
kunstvolles Halsgehänge für Bathilde. Bathildens gröſster Stolz ist
ihr herrlicher Ring, aber er zerbricht und nun bringt sie ihn heimlich
zu dem rachedürstenden Wieland. Dieser benutzt die Gelegenheit,
betäubt sie mit starkem Tranke und entehrt sie. Dann schwingt er
sich empor auf seinem Zauberroſs und erzählt höhnend aus den Lüften
dem verzweifelnden Nidung seine Rachethaten. Dies ist die Erzählung
des Edda.


Weit ausgeschmückter und farbenprächtiger ist die Sage von
Wieland dem Schmied im Amelungenlied 1). Auch hier spielt der
Hauptteil der Handlung im Norden. Doch umfaſst sie den Rhein,
Frankenland und den Berg Glockensachsen, d. h. den Kaukasus, wo
Elbrich, der König der Zwerge wohnt. Die Sage geht viel weiter
zurück als die kurze Erzählung der Edda, indem Wieland, der un-
bekannt in einem selbstgezimmerten Boote in das Land des Königs
Neiding, eines norwegischen Fürsten, der sich gegen die Wickinger-
könige aufgelehnt hatte, gelangt war, diesem, der ihn infolge seiner
wunderbaren Schmiedearbeiten zum Hofmundschenk ernannt hatte,
nicht nur die Geschichte seiner eigenen Jugend, sondern auch viele
Erlebnisse erzählt. Neiding aber war der Anstifter der Räuber, die
Wieland überfallen und beraubt, sein Weib und Kind geschlachtet
hatten. Noch ahnt dies Wieland nicht, als er rückhaltslos die Ge-
schichte seiner Jugend erzählt. Die Veranlassung zu dieser Erzählung
gab Neidings Frage, warum er das wunderbare Schwert, mit dem er
den Hofschmied Amilius getötet, Mimur genannt habe? Da erzählt
Wieland, daſs er, der älteste Sohn des Riesen Wate, der Enkel König
Wikings, in das Land der Franken geschickt worden sei, wo der beste der
Schmiede lebte, Mime genannt. Wate, der ungeschlachte, aber biedere,
gutmütige Recke folgte darin dem Beispiele seines Bruders Nordian,
Nordlands König, der seinen Sohn, den „getreuen Eckart“, ebenfalls zu
Mime in die Lehre geschickt hatte. So erscheint hier Mime in der
späten Fassung als kunstvoller Schmied, während er in der Edda eine
viel höhere Stellung einnimmt, denn da ist er der Wächter des Brunnens
der Wahrheit und des klugen Sinnes; wer aus Mimirs Quelle trinkt,
weiſs alle Dinge. Mimir war eine Naturgottheit, weit älter als das
Asengeschlecht. Auch in den Amelungen erscheint er noch als ein
Abkömmling der bösen Riesen, denn er ist ein Bruder des verderb-
[687]Mythische Zeit.
lichen Lindwurmes, den Siegfried tötet (Thors Kampf gegen die Mid-
gardschlange).


Der Ton unserer Lieder ist aber nicht so hoch gehalten wie der
der Edda, vielmehr erklingt er in gemütlicher, epischer Breite. So
werden Eckart der Treue und Wieland beide Gesellen und Schwur-
brüder bei Mime, dem berühmten Schmied im Frankenland. Jung-
Siegfried, des Frankenkönigs Sohn, kommt oft in die Schmiede und
treibt allerlei Allotria. Wieland erzählt:


„Wir wurden Schwurbrüder, Eckart und ich,

Wie wir schon. Vettern waren, von meiner Seite wich

Der treue Knabe nimmer, er war mein fester Schild;

Viel muſste meine Jugend von den Gesellen wild

Und Siegfrieden dulden. Denn oft zu Mimen kam

Der junge Frankenkönig, und Niemand war ihm gram,

Obwohl er alle neckte und die Gesellen schlug.

Mich lieſs er lang in Frieden, weil es Eckart nicht ertrug

Wenn seinem Notgestalten das kleinste Leid geschah:

Wie oft an den Gesellen er ihn das rächen sah!

Doch konnt er’s einst nicht lassen in seinem Übermut

Mich Elfensohn zu schelten: da geriet Eckart in Wut

Und warf seine Zange Siegfrieden hinter’s Ohr,

Daſs der Knabe blutete und schier den Sinn verlor;

Doch kam er bald zu Kräften: mit seiner linken Hand

Griff er Eckarten in’s Haar und warf ihn in den Sand.

Da lief ich ihm zu Hilfe und die Gesellen all;

Wir sparten nicht der Schläge: das war ihm eitel Schall

Er zog doch bei den Haaren Eckarten vor die Thür.

Da trat aus seinem Hause der alte Mime herfür.

Mit strafenden Worten sprach der zu Siegfried:

„Was schlägst du meine Burschen, unnützer Störenfried?

Wenn sie was Nützes schaffen, läſst du sie nie in Ruh;

Nichts schaffen kannst du selber, nur Unfug sinnst und schaffest du.

„Dein Sinn ist unbändig, hier kann sich Niemand mehr

Vor deiner Wildheit fristen. Was läufst du stets hierher?

Wir mögen wohl entraten so ungestümen Gast;

Fürwahr, du lägest besser den Hundingen zur Last,

„Die deinen Vater schlugen, und rächtest seinen Tod,

Als daſs du meine Leute schindest ohne Not.

Er ist doch nun gewachsen über Manneslänge schier,

Zu Felde sollt er liegen, nicht in der Schmiede bei mir.“

Da sprach mit lautem Lachen König Siegmunds Kind:

„Da seht ihr einmal wieder wie thöricht Greise sind;

Ich weiſs es auswendig, das ewge, alte Lied,

So oft hab ichs vernommen von dem verloffnen Fahnenschmied:

[688]
Die Germanen.
„So schmiede mir die Fahne, so schmiede mir das Schwert!

Du hast es längst verheiſsen, wann wird mir das gewährt?

Kann ich Hundings Söhne zerkloben mit der Faust?

Du aber sollst erproben wie stark sie hämmert und saust,

„Wird nicht das Schwert geschmiedet in dreier Tage Frist,

Die meine Rache fühlen, du dann der Erste bist.

Du fährst zu Hels Reiche, zu Siegmund kommst du nicht,

So könntest du ihm sagen, ob ihm Siegfried Rache verspricht.“

Da lieſs nicht mit sich scherzen, Siegfried, Siegmunds Sohn:

Er war im hohen Zorne, im Zorn ging er davon.

Dem Meister ward, dem Alten, doch vor dem Knaben bang,

Er mocht es nicht gestehen, er trällerte, pfiff und sang.

Doch hub er an zu schmieden und schlug ein gutes Schwert

In den dreien Tagen, wohl eines Helden wert.

Das gab er Siegfrieden und sprach: „Da nimm es hin

Und strafe Hundings Söhne, daſs ich dein nur ledig bin.“

„Erst will ich es versuchen“, sprach der junge Held,

An diesem Amboſse, ob es die Probe hält.“

Da that er auf das Eisen einen ungefügen Schlag,

Daſs das Schwert zerbrochen ihm halb zu Füſsen lag.

„Das ist nun dein Geschmiede“, sprach da Siegfried,

„Mime, greiser Prahlhans, du unnützer Schmied;

Kannst du nichts Bessres wirken als solch ein gläsern Ding,

So bist du zum Erschlagen, zum Hängen selbst zu gering.“

Da schritt aus der Schmiede, der junge Recke stark.

Das wurmte doch dem Alten und zehrt’ ihm an dem Mark,

Daſs er ihn so gescholten vor der Gesellen Schar,

Er hatte doch gegolten für den besten Meister immerdar.

Da setzt’ er sich zu schmieden und wirkte Tag und Nacht

An einem Schwert, so schneidig wie er noch keins erdacht;

Auch war es ungefüge, von mächtigem Gewicht.

Er sprach zu Siegfrieden: „Dies Schwert zerklobst du mir nicht.“

„Es wird schon Mühe kosten, wenn es dein Arm erschwingt.“

„So will ich nur versuchen, wie der Amboſs klingt“

Sprach der junge Degen und schwang es, daſs es pfiff;

Da zerbrach auf dem Eisen die Klinge dicht an dem Griff.

„Das geht schon besser“, sprach er, schrecklich war sein Ernst,

„Schmiedst du noch tausend Jahre, vielleicht daſs du es lernst.

Ich hätte Lust und würfe dir ins Gesicht das Heft.“

„Dir schmieden“, sprach da Mime, „das ist ein übles Geschäft.

„Es lebt kein Schmied auf Erden, dem es gelingen mag,

Schmiede du dir selber, ich thue keinen Schlag

Für dich mehr auf den Amboſs.“ Er sprach: „So ist es recht“,

Ich selber will mir schmieden, ihr Thoren könnt es gar zu schlecht.

[689]
Mythische Zeit.
„Nun will ich euch das Handwerk lehren aus dem Grund,

Schaut mir zu, Bönhasen, ich weiſs manch seltnen Fund.

Da glüht schon eine Stange in der Esse Glut,

Die reicht mir her, ich fange nun an, mein Schmieden wird gut.“

Aller Hämmer schwersten nahm er in die Hand.

„Achtung, daſs ihr was lernet“, rief er zornentbrannt.

Da schlug er auf die Stange einen Schlag, der war nicht krank,

Der Stein zerbarst, der Amboſs in der Erde Grund versank;

In Funken war zerstoben der glühenden Stange Last,

Zerbrochen lag die Zange, mit der er sie gefaſst;

Der Schlegel brach in Stücken nieder von dem Schaft,

Das Haus begann zu zücken von des Schmiedes kindischer Kraft.

„So sollt ihr mir schmieden“, sprach Siegfried, „fortan;

Morgen komm ich wieder und wer es da nicht kann,

Den schweiſs ich auf den Amboſs.“ So ging er aus dem Haus.

Da erfaſst den alten Mimen Angst und Schrecken und er sinnt
auf des Jünglings Verderben. Siegfried aber geht zu seiner Mutter
und fragt sie, ob sie nicht noch Siegmunds, seines Vaters Schwert habe,
das von Odin selbst abstamme. Es war das Schwert, das Odin bei
Signes Hochzeit in die Erde stieſs und das keiner herauszuziehen ver-
mochte als Siegmund. Aber später wurde Odin dem Helden gram und
das göttliche Schwert zerschellte an Odins Lanze. So waren nur die
Splitter übrig geblieben. Sie erbat sich Siegfried und brachte sie in
die Schmiede, daſs Mime ihm daraus ein Schwert schmiede. Mime ver-
spricht ihm nicht nur dies, sondern auch einen Harnisch, Helm, Eisen-
hosen und Schild. Der frohe, gutherzige Siegfried läſst sich darauf
leicht von dem arglistigen Schmied bethören, in den Wald zu gehen,
um ihm Kohlen zu brennen, an denen es ihm gebräche. Heimlich
aber hat er seinen Bruder Fafner, den grimmen Drachen, um Siegfried
zu verderben, in den Wald bestellt. Siegfried erschlägt Fafner, kehrt
zu Mimen zurück, der ihm die inzwischen gefertigten Waffen giebt:


Da bot ihm der Meister des Helmes lautern Glanz:

Den schwang er sich zu Häupten und stand gerüstet ganz.

Nun gab ihm auch der Alte den stahlharten Schild;

Doch immer schwieg Siegfried und blickte fürchterlich wild.

Jetzt blieb ihm noch zu geben Siegmunds gutes Schwert:

„Erst will ich es versuchen“, sprach der Degen wert.

Er schwang es in den Lüften und bot so starken Gruſs

Dem guten Amboſs, daſs er zerspellte bis zum Fuſs.

Nicht zerbrach die Klinge, die ungeschartet blieb.

„Das Schwert ist wohl geraten, das zeigte dieser Hieb“,

Sprach der junge Degen: „Darum so weih ichs ein,

Schächern und Verrätern ein furchtbarer Feind zu sein.“

Beck, Geschichte des Eisens. 44
[690]
Die Germanen.
„Schwer sollen Siegmunds Mörder empfinden seine Wut

Und schwer, wen je gelüstet nach seines Sohnes Blut;

Du Mime, Fafners Bruder, bist hier der Erste gleich.“

Da schwang auf den Meister seine Hand den tödlichen Streich.

Bei diesem Mime im fränkischen Lande lernt Wieland die Waffen-
schmiedekunst. Dem eifrigen Jüngling genügte aber dies nicht und so
zog er, um die fremde Kunst des Erzschmelzens und die Goldschmiede-
kunst zu lernen zu den Zwergen 1).


Ein Berg hieſs Glockensachsen 2) und zwei Zwerge wohnten drin

In Künsten aufgewachsen zu meisterlichem Sinn.

Sie trugen auch die Krone, ein weites Königreich

Tief im Erdenschooſse, das diente den Brüdern gleich.

Elberich der kleine und König Goldemar,

Die hielten in Gehorsam der winzigen Zwerge Schar.

Elberich hatte im Schmieden die kunstreichste Hand;

So war der König Goldemar das Erz zu schürfen gewandt.“

Bei diesen erlernt Wieland so hohe Kunst, daſs sie ihn nicht mehr
fortlassen wollen und als der alte Wate ihn holen will, suchen sie aus
Neid den geschickten Gesellen zu töten. Wieland aber entkommt
und tritt das väterliche Erbe an. Hier knüpft nun erst die oben-
erwähnte Erzählung an mit der das Buch beginnt. Wieland gewinnt
hohe Gunst bei König Neiding durch das wunderbare Schwert Mimung,
das er nach seinem Lehrmeister so benannte. Die Veranlassung war
folgende:


„Wieland, der unbekannt an die fremde Küste getrieben wurde,
trat als geringer Diener unter dem Namen „Goldbrand“ bei Neiding
in Dienst. Seine Aufgabe war, drei scharfe Messer, die der König
täglich an der Tafel benutzte, am Strande zu waschen. Eines Tages
fiel eins in das Wasser und ging verloren. Um seinen Dienst nicht zu
verlieren, schlich er sich während der Frühstücksstunde in die Schmiede
des hochangesehenen Hofschmiedes Amilias, schmiedete ein Messer und
einen kunstvollen Nagel ehe noch die Gesellen wieder zur Arbeit
gingen. Das Messer sah genau aus wie das verlorene, aber als der
König damit schneiden wollte, durchschnitt es das Brot, den Silber-
teller, das Tischtuch und die Tafel. Der König merkte sogleich, daſs
dies ein anderes, weit besseres Messer war, wie es Amilias nicht
machen konnte. Daraus entsprang eine Wette zwischen Wieland und
Amilias. Letzterer, der sie anbot, sagte:


„Mache du ein Schwert,

Du weiſst den Stahl zu schärfen, das hat dein Messer gelehrt;

So schmied ich eine Rüstung, Harnisch und Helm,

Dazu die Panzerhosen und heiſs mich einen Schelm

[691]
Mythische Zeit.
Und haue mir vom Rumpfe das Haupt mit deinem Schwert,

Wenn deine scharfe Klinge meine gute Rüstung versehrt,

Wenn aber seine Schärfe meine Waffen nicht durchdringt,

So steht in meinen Händen dein Haupt auch unbedingt,

Und nimmer darfst du zweifeln, dein Hochmut ist es wert,

Ob ich es niederschlage dir mit dem eignen Schwert.“

Amilias arbeitete an der Rüstung mit Fleiſs und Eifer das ganze
Jahr hindurch. Wieland läſst sorglos die Zeit verstreichen bis zum
letzten Monat der bedungenen Zeit. Erst auf die dringenden Vor-
stellungen Neidings macht er sich an die Arbeit:


Zur Schmiede ging da Wieland von Sorgen unbeschwert

Und schuf in sieben Tagen ein treffliches Schwert:

Das war so scharf und schneidig, dazu so fest und hart,

Daſs auf Erden selten ein besseres noch gesehen ward.

Als der König Neiding das scharfe Schwert ersah,

Wie sprach er verwundert zu Goldbranden da:

„Und hast du das geschaffen in einer Woche Frist,

So wähn ich, daſs auf Erden kein Schmied so kunstfertig ist.“

„Lobt es nicht zu frühe“, sprach Wieland der Held,

„Laſst uns erst versuchen, ob es auch Probe hält.“

Da gingen sie selbander an eines Stromes Flut,

Der reiſsend dahinfloſs denn sein Gefälle war gut.

Nun höret wie da Wieland eine Flocke Wolle nahm,

Das einen Fuſs dick eben aus der Presse kam:

Er warf es in die Welle, wo sie am stärksten floſs,

Dann hielt das Schwert dagegen der weise Elfengenoſs.

Daſs der Strom die Wolle gegen die Schärfe trieb,

Und sie das Schwert zertrennte, wie mit geschwungenem Hieb,

Das Flock in zwei Stücke. Der König war erstaunt,

Man sah in langen Tagen ihn nicht so fröhlich gelaunt:

„Dies Schwert muſs ich besitzen, ich wäg es auf mit Gold,

Und bleibe dir gewogen immerdar und hold.

Wie wird nun doch bemeistert der Schmied Amilias!

Was hilft ihm nun sein Schmieden und Härten ohn’ Unterlaſs?

„Es schneidet durch den Panzer und wär er noch so fest.“

Er schwang es in den Händen als wollt er gar den Rest

Einem Feinde geben: da war es ihm zu schwer,

Müde sank darnieder der Arm dem Könige hehr.

Wieland besah die Wolle, wo sie das Schwert durchfuhr:

Ihm schien an beiden Stücken nicht scharf genug die Spur.

Er sprach: „Es hat sich eben nicht sonderlich erprobt,

Viel besser muſs es werden, bevor es seinen Meister lobt.“

Da ging zu seinem Saale Neiding der König reich.

Wieland in der Schmiede nahm eine Feile gleich;

Das schöne Schwert zerfeilt’ er damit zu eitel Staub:

Wer es vernommen hätte, die Ohren wären ihm taub

44*
[692]
Die Germanen.
Geworden von der Feile Geschrill auf hartem Stahl;

Auch hätt ihn wohl gedauert des guten Schwertes Qual.

Da lagen nun die Späne: die schlug der weise Schmied

Mit Mehl und Milch zusammen: der Teig ihm trefflich geriet.

Da nahm er Mastvögel, die schon den dritten Tag

Auf Kost umsonst gelauert im engen Gitterhag

Und warf die schwere Speise den Hungerleidern vor:

Da fraſsen sie gewaltig, nicht hat begieriger Thor

Noch tapfrer eingehauen, als er für Freyja galt

Und Thrymur der Riese die Braut gefräſsig schalt:

Man sah in kurzer Stunde den ganzen Trog geleert,

Und einen andern rückseits am Morgen doppelt beschwert.

Des letztern Inhalt brachte der Meister in die Glut;

Das Erz heraus zu schmelzen, schürt er das Feuer gut;

Schöpfte dann aus dem Kessel, was da von Unrat war,

Und gewann ein Eisen endlich von Schlacken lauter und klar.

Als sich das erkühlte, da schuf der Degen wert

Vor dem siebenten Tage ein meisterliches Schwert:

Das war erst scharf und schneidig, das war erst fest und hart,

Wie auf Erden schwerlich, ein besseres je gesehen ward.

Als nun König Neiding das schneidge Schwert ersah,

Wieder hochverwundert zu dem Schmiede sprach er da:

„O welch ein Schwert, das schufest du in so kurzer Frist?

So schwör ich, daſs Wieland wohl nicht so kunstfertig ist.“

„Ihr lobt es mir zu frühe wieder“, sprach der Held:

„Gehn wir erst versuchen, ob es die Probe hält.“

Sie gingen selbander aber an die Flut,

Wo sie gelinde strömte, wie sie in Seeen wohl thut.

Wieland da wieder eine Flocke Wolle nahm,

Wohl zwei Fuſs dick, das eben aus der Presse kam,

Und warf es in die Welle, die tief und eben floſs;

Dann hielt das Schwert dagegen der weise Elfengenoſs,

Daſs die Wolle mählich gegen die Schärfe schwamm.

Und sieh die Klinge teilte, so teilt ein Frauenkamm

Das Haar auf schönem Scheitel, das Wollenflock entzwei.

König Neiding staunte, daſs ein Schwert so schneidig sei:

„Wenn es noch schärfer würde, so wär’ es allzu scharf,

Ich kann es nicht erwarten, bis ich es tragen darf.“

Er schwang es in den Händen, es schien ihm nicht zu schwer,

Bis endlich doch ermüdete der Arm dem Könige hehr.

Doch Wieland nahm die Wolle, durch die das Eisen fuhr;

Noch schien ihm an den Stücken nicht glatt genug die Schur.

Er sprach: „Es hat sich diesmal schon ziemlich scharf erprobt;

Doch muſs es schärfer werden, bevor sein Meister es lobt.“

[693]
Mythische Zeit.
Der König ungeduldig, ging in seinen Saal,

Wieland nahm die Feile zu Händen noch einmal,

Damit zerfeilt’ er wieder zu eitel Staub das Schwert;

Sähe das der König, er hätt’ es sicher gewehrt.

Die Feilspäne mischte der Meister wohlgemut

Mit Milch und Mehl zusammen, der Teig geriet ihm gut;

Den gab er Mastvögeln, die schon den fünften Tag

Auf Kost umsonst gelauert im engvergitterten Hag.

Die fraſsen unmäſsig, der Trog war bald geleert,

Und jener andre morgens mit Unrat hoch beschwert.

Den warf er in den Kessel und schürte seine Glut;

Das Erz herauszuschmelzen verstand kein Meister so gut.

Als sich das erkühlte, da schuf der Degen wert

Am siebenten Tage das wunderbare Schwert,

Daſs Mimung ist geheiſsen und aller Welt bekannt;

König aller Schwerter wurde Mimung genannt.

Wir singen noch und sagen vom guten Nagelring,

Den von Bern Herr Dietrich von einem Zwerg empfing;

Auch sollt ihr künftig hören von Eckesachs genug,

Den Dietrich hat getragen, als er die Nibelungen schlug.

Was auch von Balmungen im Lied uns überkam,

Den der grimme Hagen Siegfrieden nahm,

Was von den Schwertern allen das Abenteuer weiſs,

Das muſs doch überschallen des edlen Mimung Ehrenpreis.

Als Neiding der König das Wunderschwert ersah,

Er schwieg, zu seinem Ruhme kein Wörtchen sprach er da.

Doch Wieland lobt es selber: „Mich dünkts ein gutes Schwert,

Und wetten will ich Alles, daſs es die Probe bewährt.“

Sie gingen es zu prüfen noch einmal an die Flut,

Die unmerklich strömte, wie sie vor Wehren thut;

Wieland ein Flock Wolle in die Welle schwang,

Das hatte drei Fuſs Dicke und drei Fuſs war es auch lang.

Es kam erst aus der Presse, ein dichtgedrungener Flaum;

Die Welle trieb es langsam, man gewahrt’ es kaum.

Wie das nun leise, leise gegen die Schärfe glitt,

Da stockt’ es keiner Weise, indem das Schwert es durchschnitt.

Und mählich schwamm es weiter, es war kein Unterschied

Zu seh’n an seinem Gleiten. Da nahm der weise Schmied

Die Stücken aus dem Wasser, durch die das Eisen fuhr:

Er fand an beiden Teilen eine glatt geschorene Spur.

Da war er wohl zufrieden, als ers geraten sah;

In König Neidings Reichen ihm lieber nie geschah.

Er sprach: „Es hat sich heute scharf genug erprobt,

Es ist so gut geraten, daſs es der Meister selber lobt.“

[694]
Die Germanen.
Er reicht’ es Neidingen, der schwang es in der Hand

Als ein geübter Fechter mit Hieben allerhand,

Daſs hell die Lüfte pfiffen; er fand es nicht zu schwer

Und nicht ermüden wollte der Arm dem Könige hehr.

Da sprach er hoch in Freuden: „Dem Schwert ist keines gleich,

Ich könnnt es nicht vergelten mit einem Königreich.

Doch möcht ich es besitzen, es ist ein handlich Schwert

Und nicht zu schwer geraten, das hat die Probe gelehrt.

„Es blitzt wie Wetterleuchten, wenn es die Lüfte fegt:

Du hast die blanke Klinge mit Golde ausgelegt

Und golden strahlts am Griffe von der Glocke bis zum Knopf:

Ein König muſs es tragen und nicht ein knechtischer Tropf.

„Hast du’s für mich geschmiedet, ich bin dir ewig hold

Und will es dir bedecken mit einem Haufen Gold,

Die Hülle und die Fülle, bis du es nicht mehr schaust:

Das soll sogleich geschehen, wenn du Königsworten nicht traust.“

„Ich gönn’ es so gerne“, versetzte der Held,

„Als euch, mein Herr und König, wohl Niemand auf der Welt;

Doch mach ich noch die Scheide dazu und das Gehenk,

Dann laſst es euch gefallen als eures Dieners Geschenk.“

Der Tag der Wette kommt:


Sich auf dem Markte zeigte Amilias der Schmied,

Sich brüstend in dem Harnisch, der ihm so wohl geriet.

Da war bald versammelt eine breite Schar um ihn;

Auch kamen seine Bürgen und die ihm anhingen hin.

Wer des Geschmeides Kenner auf Waffen sich verstand,

Der rühmte seine Arbeit und pries des Künstlers Hand.

Man sah den Panzer doppelt gedrätet, fest und hart,

Wie auf Erden selten ein besserer noch gesehen ward.

Da hub er an zu prahlen und sprach im Übermut:

„Kein Schwert mag ihn versehren und wär es noch so gut;

Ja schlüg ein Blitz hernieder, aus Thors des Donnerers Hand,

Er könnte nicht zerkeilen so manch gehärtetes Band.“

Als Alle das bejahten, das freut’ ihn überaus.

Da ging hohes Mutes Amilias nach Haus,

Und legte zu dem Harnisch die Eisenhosen an;

Die waren zweidrätig geschmiedet und so wohlgethan,

Daſs man bessere selten einen Ritter tragen sah,

Und Jedem, der sie schaute, von Herzen wohl geschah.

Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal:

Dergleichen sei nimmer geschmiedet worden in Stahl.

Da prahlt’ er mit den Hosen und sprach im Übermut:

„Kein Schwert kann sie versehren und wär’ es noch so gut.

Wie hart sind diese Schienen, wie sind die Schuppen dicht:

Ich wähne, fester trägt sie die Erdgurtschlange selber nicht.“

[695]
Mythische Zeit.
Als Alle das bejahten, das freut ihn überaus.

Da ging hohes Mutes Amilias nach Haus;

Zu den anderen Waffen schwang er den Helm aufs Haupt:

Der war so wohl geraten, man hätt es nimmer geglaubt,

Daſs ein Helm so herrlich geschmiedet möge sein.

Dem hohen Hut entstrahlte ein silberheller Schein:

Man konnt’ es nicht ertragen bei vollem Sonnenblick;

Auch war er wohl gehärtet und aus der Maſsen stark und dick.

Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal.

Das macht’ ihn übermütig, da erhub er ein Geprahl:

„Und fielen alle Sterne herab vom Himmelszelt,

Er ist so hart geschmiedet, sie würden sicher zerschellt.“

Als Alle das bejahten, da war der Degen froh.

Zu des Königs Tische stolzierend ging er so.

Da rühmten alle Leute das herrliche Geschmeid;

Der König selber staunte, es war ihm inniglich leid,

Daſs er je gescholten den kunstreichen Schmied.

Er dacht in seinem Sinne: „Nun das so wohl geriet,

So brauch ich nicht zu fragen, wer da siegt oder fällt:

Ich behalte doch am Hofe den besten Schmied in der Welt.“

Nun höret von der Probe, wie die ergangen sei.

Sie gingen nach dem Hofe als das Mahl vorbei:

Da setzte sich Amilias auf eine Steinbank,

Siegprangend saſs der Degen in seinen Waffen spiegelblank.

Da war auch der König und mit den Jungfrauen

Bathilde, diese Wette zu hören und zu schaun.

Hin zu seiner Schmiede ging da Goldbrand;

Er kam zurück und führte den Mimung bloſs an der Hand.

Noch saſs auf dem Steine der Schmied Amilias

Wie auf dem Königsstuhle und brüstete sich baſs.

Den Kreis umher bestrahlten die Waffen spiegelblank.

Da stellte mit dem Schwerte sich Goldbrand hinter die Bank,

Legte Mimungs Schneide auf des Helmes Hut

Und drückte leise, leise: „Nun sage wie es thut,

Wenn du etwas spürest.“ Da sprach Amilias:

„Hau zu aus allen Kräften, laſs Zorn dir helfen und Haſs,

„Du wirst, sie wohl bedürfen eh es den Helm versehrt.“

Da drückte Goldbrand stärker und stärker auf das Schwert:

Helm und Haupt durchfuhr es, den Panzer und den Bauch

Und fuhr bis auf den Gürtel und durch die Eisenhosen auch.

Da fragte Goldbrand wieder: „Nun sprich wie es thut“.

Amilias versetzte: „Mir ist wie dem zu Mut,

Dem kalt ein Tropfen Wasser niederrinnt am Leib;

Ich wähne gar, du machst dir hier unnützen Zeitvertreib.“

[696]
Die Germanen.
Goldbrand entgegnete: „So schüttle dich einmal,

Du hast den letzten Becher heut getrunken im Saal.“

Nun schüttelte sich mächtig der Schmied Amilias;

Da fiel zu beiden Seiten ein halber Ritter ins Gras.

In den spiegelblanken Waffen mitten durchgeteilt:

Wie hat ihn da die Strafe der Hochfahrt ereilt.“

In dieser merkwürdigen Erzählung sind gewiſs, was die Details
anlangt, schon manche spätere Erfahrungen und Märchen eingeflochten.
Aber schon in ältester Zeit legten die deutschen Helden hohen Wert
auf gute Schwerter, die von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, die
ihre überlieferte Geschichte hatten und die oft bis auf Wieland oder
Odin zurückgeführt wurden. Ein geschickter Schmied hieſs im Mittel-
alter geradezu ein Wieland 1).


Ein dritter Sagenkreis, der eng mit der Gewinnung und Ver-
arbeitung zusammenhängt, ist der der Zwerge und Alfen. Die Wielands-
sage hat uns schon darauf hingewiesen. Die feinere Schmiedekunst
erlernt Wieland ja bei den Zwergen. Siegfried nennt verächtlich den
Wieland einen „Albensohn 2)“. Denn die Zwerge sind den Germanen
stammesfremd, ein kleines unansehnliches Geschlecht, das alles nur
durch List und Verschlagenheit erreicht. Germanische Helden, wie
Siegfried, sehen sie nicht als ebenbürtig an. So deuten viele Züge der
Zwergsagen darauf hin, daſs die Zwerge Reste einer älteren, schwäch-
licheren Urbevölkerung waren, die in technischen Fertigkeiten bereits
einen gewissen Kulturgrad erlangt hatte, so daſs sie in manchen Dingen
den siegreichen Germanen an Geschicklichkeit und Kenntnissen über-
legen war. Ob man aber die den Zwergen eigentümlichen Züge gerade
auf eine ältere keltische Bevölkerung beziehen soll, wie manche an-
nehmen, erscheint zweifelhaft, da ähnliche Sagen sich fast bei allen
indogermanischen Völkern finden. Es unterliegt kaum einem Zweifel,
daſs die Germanen die Vorstellungen von den kunstfertigen Zwergen
ebenso wie die der übermenschlich starken Riesen schon aus ihrer
Urheimat mitbrachten.


Die Zwerge sind in erster Linie kunstfertige Kobolde, die den
Schätzen im Inneren der Erde nachspüren. Zu den Zwergen (Elben,
Alben, altfr. altför) oder den Wichtel- und Heinzelmännchen, steht
Vôlundr in enger Beziehung. Er heiſst êlfa liodhi (alforum socius).
Nach der späteren Sage erscheint Wieland sogar nur als ein Geselle
Elberichs, des Königs der Zwerge, mit dem er im Berge Glocken-
sachsen wohnt.


[697]Mythische Zeit.

Die Zwerge haben nach der allgemeinen Vorstellung eine graue
Kleidung und sind im Besitze von Nebelkappen. Die Einteilung in
Schwarzelfen und Lichtelfen ist eine mehr theologische, doch jedenfalls
eine sehr alte. Aus svart âlfar entstand „dvergar“, Zwerge. In der
Edda erscheinen die Zwerge alle als kunstfertige Schmiede, woher auch
ihr schwarzes, ruſsiges Äuſsere kommt. Ihre Werkstätten liegen in
Höhlen und Bergen. Eine sehr alte Überlieferung, die jedenfalls eine
historische Grundlage hat, ist die Vorstellung, daſs jeder Hof seinen Haus-
zwerg oder Hausschmied habe, dem man deshalb an einem bestimmten
Platze auſserhalb des Hauses einen Tisch bereitete und einen Topf mit
Speisen hinsetzte. Ebenso die fromme Sitte, daſs derjenige, welcher
an einer Zwerghöhle vorüberging, Geld und Brot an den Ausgang legte.


Die Zwerge sind älter als die Menschen. Sie wurden zuerst ge-
schaffen, um das wüste Land und die Gebirge anzubauen. Nach ihnen
entstanden die Riesen, die in allen Überlieferungen der asiatischen
Völker vorkommen, aber bei den Germanen durchaus nicht in so be-
stimmter Gestalt erscheinen, wie die Zwerge. Die Aufgabe der Riesen
war, das ungeheuere Gewürm zu erschlagen. Nach den Riesen wurden
die Helden (die Vorfahren der Germanen) geboren, um die übermütigen
Riesen zu bekämpfen und den Zwergen gegen die Riesen beizustehen.
So stellen Riesen und Zwerge nach dieser Auffassung zwei Gegen-
sätze der Menschennatur dar.


Ihrer äuſseren Erscheinung nach sind die Zwerge klein und winzig.
Zu der häſslichen Farbe kommt noch ein übelgebauter Leib, grobe
Tracht und Plattfüſse (Gänsefüſse). Sie bilden eine organisierte Ge-
meinschaft, ein Volk, das seine Könige hat. Diese Könige der Zwerge
erscheinen in der germanischen Sage oft wieder als Vasallen eines
Heldenkönigs; so ist z. B. der Zwergkönig Alberich nur ein Dienst-
mann des Königs Nibelung.


Die Höhlen der Zwerge kennt die volkstümliche Überlieferung
noch heute. Dies sind die Erdmanns- und Heinzelmannshöhlen, die
man an vielen Plätzen zeigt und die unverkennbar meist alte Bergbaue
waren, wie z. B. die Heinzelmannshöhlen bei Bad Ems. Die Zwerge
schlüpfen in Ritzen und Spalten des Gebirges, in die ihnen die Ver-
folger nicht nachsetzen können. Dort sammeln sie ihre Schätze und
schmieden künstliche Waffen. Ihre Könige bauen sich prächtige Ge-
mächer unter der Erde. Aber obgleich die Zwerge die Menschen
scheuen und fliehen, so bedürfen sie ihrer doch in manchen Nöten und
suchen sie auf. Das hat besonders in drei Fällen statt: Erstens be-
dürfen sie erfahrener Menschenfrauen als Hebammen, um kreisenden
[698]Die Germanen.
Zwergen Hilfe zu gewähren. Dies deutet darauf hin, daſs die Zwerg-
familien, d. h. die übrig gebliebenen Familien der Urbevölkerung meist
vereinzelt wohnten. Zweitens rufen sie verständige Männer an zur
Teilung eines Schatzes oder zur Schlichtung eines Streites, weil sie den
Rechtsschutz bei den Machthabern suchen. Drittens, und dies ist be-
sonders charakteristisch, pflegen sie einen Saal zu leihen zum Hoch-
zeitsfest. Für solche Dinge belohnen sie die Menschen mit kunst-
reichen Kleinodien. Ihre groſse Freude an Tanz und Musik wird oft
erwähnt. Sie halten häufig des Nachts im Walde heimliche Tanzereien
ab; das gröſste Freudenfest scheint aber eine Hochzeit gewesen zu
sein, die mit groſser Pracht, mit Gesang und Tanz gefeiert wurde.
Diese Art fröhlicher Hochzeitsfeier und Polterabende mit lautem Jubel
und Tanz sind auf uns gekommen, es ist ein Erbstück der Zwerge,
denn die Germanen behandelten den Ehebund als ein ernstes Rechts-
geschäft und knüpfte sich an die hergebrachten Rechtsgebräuche
höchstens ein Trinkgelage. Aus dvergmâl, Zwergfest, ist nach Grimm
unser heutiges Wort „Vermählung“ entstanden; dvergmâl war der
alte Ausdruck für Ehebündnis.


In allen diesen Zügen ist nicht mehr von Geistern, von Gebilden
der Phantasie die Rede, sondern von wirklichen Menschen, und es er-
scheint wohl begründet, daſs diese Unterdrückten die früheren Bewohner
des Landes waren, die nicht gänzlich vertrieben und vertilgt, an ihren
alten Wohnsitzen blieben und da der Grundbesitz ihnen genommen
war, durch den Fleiſs und die Geschicklichkeit ihrer Hände kümmer-
lich ihr Dasein fristeten. Insbesondere trieben sie die Gewinnung und
Verarbeitung der Metalle, in der sie gewiſs schon vor Ankunft der
Germanen geschickt waren. Ein ausgedehnter uralter Bergbau, der
vielleicht noch dieser Zeit angehört, ist der im Lüderich bei Bensberg,
wo man sehr alte Geräte, Steinlampen, hölzerne Brechwerkzeuge mit
kupfernen und eisernen Spitzen, sowie hölzerne Schaufeln aufgefunden
hat. Die Zwerge werden als ein scheues, zurückweichendes Volk ge-
schildert, das, wie alle bedrängten Völker, mit Zähigkeit an seinen
nationalen Göttern festhielt, deshalb sind sie verschrieen als heidnisch
gesinnt und dem Christentume feind. Sie grollen der menschlichen
Treulosigkeit, welche die alten Götter den neuen verriet. Das Geläute
der Kirchenglocken ist ihnen zuwider und sie wandern aus, wo sie
solche hören müssen. Ebenso stört das Ausroden des Waldes ihre
Heimlichkeit. Eine spätere Erfindung ist wohl, daſs sie Hammer- und
Pochwerke vertreiben, da diese ihre mühselige Handarbeit unnötig
machen. Wenn sie sich auch oft dankbar erweisen, so suchen sie doch
[699]Römische Überlieferung.
gern den Menschen zu schaden und sie zu necken. Ein uralter Glaube
ist es, daſs von ihnen Pfeile aus der Luft herabgeschossen würden und
selbst die Donnerkeile heiſsen Albschoſs (im Schottischen alfarrow, eng-
lisch elfflint, elfbolt). Thors Hammer ist von den Zwergen geschmiedet.
Auch als wehende, blasende Wesen, vindalfr, erscheinen die Zwerge.
Daſs diese Bezeichnung einerseits mit den Meteoriten zusammenhängt,
andererseits von der Benutzung von Blasebälgen bei ihren metallur-
gischen Operationen hergeleitet ist, liegt nahe. Ihr Tarnhut war nicht
bloſs eine Nebelkappe, sondern es war darunter ihr ganzes, eigentüm-
liches Obergewand verstanden, in dem sie sich ganz verbergen konnten.
Vielleicht war es dieselbe Art von Kapuzenmänteln, wie sie die Berg-
leute im Mittelalter trugen und wie sie auch als die traditionelle
Koboldkleidung erscheint. Mag diesen altgermanischen Sagen in der
uns überlieferten Fassung manches aus späterer Zeit hinzugedichtet
worden sein, so läſst uns doch ihr Inhalt deutlich erkennen, daſs die
Germanen mit metallurgischen Künsten schon in den frühesten Zeiten
ihrer eigenen Erinnerung vertraut waren und daſs sie namentlich das
Eisen für das älteste Metall für Wehr und Waffe hielten.


Römische Überlieferung.


Die geschichtliche Überlieferung, ebenso wie die archäologischen
Funde bestätigen die frühe und mannigfache Verwendung des Eisens
bei den Germanen. Schon die Cimbern und Teutonen führten riesige
Eisenschwerter 1), ebenso die Sueven des Ariovist 2). Allerdings
bedienten sich dieser Waffen nur die Fürsten und Heerführer, wäh-
rend der gemeine Krieger mit der Lanze, dem Ger, bewaffnet war.
Cäsar, welcher der erste römische Feldherr war, der die Germanen in
ihrer eigenen Heimat aufsuchte, erwähnt nicht ausdrücklich, welchen
Metalles sich die Germanen bei ihrer Bewaffnung bedienten, da er aber
ihre Kriegstüchtigkeit rühmt, sie später mit Vorliebe als Werbetruppen
in Sold nimmt, so kann auch ihre Bewaffnung weder sehr abweichend,
noch sehr mangelhaft gewesen sein und würde er, wenn sie sich zu
seiner Zeit noch Steinwaffen, oder eines anderen Metalles als des
Eisens bedient hätten, dies zweifellos erwähnt haben. Allerdings war
ihre Bewaffnung geringer als die der Römer, worauf Cäsar ausdrücklich
[700]Die Germanen.
in seiner Rede an die Soldaten bei dem Feldzuge gegen den Ariovist
hinweist, indem er sagt, die Römer hätten im Sklavenkriege die Ger-
manen doch besiegt, als diese bereits römische Waffen und römische
Ordnung gelernt gehabt hätten, während sie sich jetzt grundlos vor
ihnen fürchteten, da ihnen jetzt doch keine (römischen) Waffen zu
Gebote stünden 1). Anderseits aber rühmt Cäsar wieder die germa-
nische Kampfweise und ihre Geschicklichkeit in Führung der Waffen.
Bei der Charakteristik der Germanen sagt er: „Ihr ganzes Leben dreht
sich um Jagd und Krieg“. Die Chatten trugen eiserne Schwurringe,
gewissermaſsen als ein Zeichen der Unfreiheit, also gerade im umge-
kehrten Sinn wie die Römer und Südländer und sie durften diese erst
ablegen, wenn sie einen Feind getötet hatten. Die Longobarden, Teu-
tonen, Chatten, Rugier, Sennonen, Cherusker und Sigambrer trugen
eiserne Waffen. Tacitus nennt den Speer die Hauptwaffe der Deut-
schen. Nach seiner Angabe wären die Deutschen arm an Eisen ge-
wesen, doch ist dies jedenfalls nur relativ richtig, insofern er die
Ausrüstung des germanischen Volksheeres mit der reichen Ausstattung
der römischen Legionen vergleicht. Er sagt 2): Nicht einmal an Eisen
ist Deutschland reich, das beweist schon die Art ihrer Geschosse. Denn
während nur wenige sich der Schwerter oder gröſserer Lanzen bedie-
nen, führen die meisten Speere, oder wie sie es nennen „Framen“, eine
Waffe, die mit einem schmalen und kurzen, aber sehr spitzen und zum
Gebrauch so dienlichen Eisen versehen ist, daſs sie mit derselben Waffe
wie es die Lanze heischt, ebenso aus der Nähe, als aus der Ferne
streiten. Auch die Reiter sind mit Schild und Speer bewaffnet. Wenige
tragen Panzer, kaum einer oder der andere Helm oder Sturmhaube.


Auch an Gold und Silber waren die Germanen arm und Kupfer
oder Erz erwähnt Tacitus gar nicht. Daſs die Germanen die edelen
Metalle gering schätzten, rechnet ihnen der römische Schriftsteller als
Tugend an. Er schreibt 3): „Ich weiſs nicht, ob ihnen die Götter aus
besonderem Wohlgefallen oder im Zorn Silber und Gold versagt haben.
Man sieht bei ihnen silberne Gefäſse, die ihnen von Abgesandten und
Fürsten zum Geschenk gemacht worden sind 4) nicht mehr geachtet
als irdene; nur diejenigen, welche uns zunächst sind, schätzen des
[701]Römische Überlieferung.
Handels wegen Gold und Silber, kennen die Geldsorten und lesen
einige davon aus.“ Er kennt nur ein einziges Silberbergwerk in Ger-
manien, welches der römische Feldherr Curtius Rufus im agro Mat-
thiaco erschürfte, das aber bald wieder verlassen wurde, weil es
zu wenig abwarf. Da man annimmt, daſs die fontes Matthiacae,
welche die Römer als Heilbad benutzten, die wahren Quellen Wies-
badens gewesen seien, so glaubt man das erwähnte Silberbergwerk in
Naurod aufgefunden zu haben. Indessen scheint es wahrscheinlicher,
daſs dieses Bergwerk bei Ems gesucht werden muſs, dessen uralter
Silberbergbau der Überlieferung nach bis in die römische Zeit zurück-
reicht. Des Silbers bedienten sich die Germanen, wie schon Cäsar
berichtet, zum Beschlagen ihrer groſsen Trinkhörner. Daſs sich die
Germanen auch der Bronze bedienten, beweisen die Grabfunde. Doch
scheint diese Metalllegierung ausschlieſslich durch den Handel zu
ihnen gelangt zu sein. Plinius erwähnt zwar gerüchtweise, daſs Kupfer
in der germanischen Provinz gefunden wurde, doch kann die Gewinnung
desſelben nur unbedeutend gewesen sein. Daſs die Bronze durch den
Handel zu den Germanen gebracht wurde, wird auch dadurch bestätigt,
daſs sich Bronzegegenstände, insbesondere Schmuckgeräte und Gefäſse,
namentlich entlang den Handelsstraſsen und im Küstengebiete häufiger
finden. Dies gilt namentlich vom Rheinthale, sowie den Thälern der
Donau und der Weichsel, ebenso längs der Küste der Nord- und Ost-
see, wohin diese Dinge hauptsächlich durch den Bernsteinhandel ge-
langten. Bei der Bewaffnung hat in Deutschland die Bronze das Eisen
zu keiner Zeit ersetzt oder verdrängt. Hieraus läſst sich schlieſsen,
daſs, wofür ja auch alle anderen Umstände sprechen, die Germanen
mit der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens schon ganz vertraut
waren, als die Bronze zuerst zu ihnen gelangte. Bei der Lust an Jagd
und Krieg war es denn nicht zu verwundern, daſs, nachdem die Ger-
manen mit den vorgeschritteneren Nachbarvölkern, namentlich mit den
Römern in Beziehungen traten, ihre Bewaffnung sich rasch vervoll-
kommnete, daſs ihre gewaltigen Eisenwaffen, von starken Fäusten ge-
führt, der Schrecken ihrer Feinde wurde und daſs durch die blutigen
Kämpfe während der Zeit der Völkerwanderung die Frage der Über-
legenheit des Eisens zur Bewaffnung, wenn sie nicht schon entschieden
war, zur endgültigen Entscheidung gebracht wurde. Nach der Völker-
wanderung verschwindet die Bronze als Metall zur Bewaffnung gänzlich.


Zweifellos gewannen die Germanen das Eisen im eigenen Lande,
doch bezogen sie besser gearbeitete Waffen, namentlich Schwerter auch
aus der Fremde, worauf die Sagen von König Alberich und den
[702]Die Germanen.
Schmiedezwergen hinweisen. Von gröſseren Betrieben zum Zweck der
Eisengewinnung wird von Tacitus nur einer erwähnt, es sind dies die
Eisenbergwerke am östlichen Grenzgebiete der Germanen im Lande
der Gothinen, welche den Quaden zinspflichtig waren. Wir haben oben
bereits erwähnt, daſs diese Gruben im mährischen Gebirge zu suchen
sein dürften 1). Dagegen finden sich die Reste uralter, prähistorischer
Eisengewinnung, die bis in die Steinzeit hinaufreichen, in der nord-
deutschen Ebene, in Holland u. s. w. 2).


Archäologische Funde.


Die Grabfunde, namentlich die in den fränkischen und alemanni-
schen Gräbern, gewähren ein reiches, mannigfaltiges Bild der Bewaff-
nung der alten Germanen und ihrer Schmiedekunst. Daſs auch in
Deutschland eine Steinzeit der Metallzeit vorausging, ist durch die
prähistorischen Funde hinreichend erwiesen. Basalt und Kieselschiefer
waren die Gesteine, die mit Vorliebe zu Gebrauchsgegenständen ver-
arbeitet wurden, während die Messer und Pfeilspitzen meist von Feuer-
stein waren. Diese Steingeräte erhielten sich in den, von den Verkehrs-
plätzen abliegenden Gegenden länger als in den nahegelegenen.


In den Hügelgräbern bei Massel in Schlesien fand man Steinwaften,
Kupfer und Eisengeräte nebeneinander 3). Die Armen bedienten sich
noch der Steinwerkzeuge, während die Reicheren bereits Bronze- und
Eisengeräte besaſsen. Wie alle prähistorischen Völker Europas ver-
standen es auch die Germanen die Bronze umzuschmelzen und einfache
Gegenstände zu gieſsen. Guſsformen und Schmelzgeräte für Bronze
hat man in Thüringen, Brandenburg und in Franken aufgefunden. Bei
Groſsen-Jena hat man einen Schmelztiegel in einer Thonurne gefunden,
in dem sich noch ein Rest geschmolzenen Kupfers fand. Einen eben
solchen fand man mitten unter Knochen am Limberg bei Tiede. Bei
Massel fand sich eine Guſsform von Thon für Pfeilspitzen. Die Erz-
form eines Celt wurde 1855 zu Lindenstruth bei Grünberg in Hessen
gefunden 4). In Gambach im Solms-Braunfelsischen hat man Frag-
mente von Tiegeln, Schlacke und einen Kuchen von Kupfer gefunden.
Einen Erzkuchen mit 30 noch unbenutzten Frameen fand man bei
Demmin in Vorpommern.


[703]Archäologische Funde.

Viele in Deutschland gefundene Bronzen sind dagegen unverkenn-
bar fremdländischen, meist italienischen Ursprungs, so sind z. B. die
ehernen Helme mit angenieteten Hörnern wahrscheinlich etruskische
Arbeit 1), nicht minder die vielen Schmuckgeräte aus Bronze, als Hals-
ringe, Armbänder, Fibulen, Haarnadeln, Arm- und Fuſsspangen, Hohl-
ringe u. s. w. Eine rein etruskische Vase fand sich im Rhein. In den
Ostseeländern überwiegen die Bronzefunde entschieden, besonders in
Jütland, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern und Kurland, kurz
an der ganzen Küste, welche bei dem Bernsteinhandel beteiligt war.
Für Norddeutschland kann man diesen Küstenstrich als den Ausgangs-
punkt der Verbreitung der Bronzen ansehen, während die Vertriebs-
plätze für das Eisen vornehmlich an der Südgrenze Germaniens lagen.
Der römische Verkehr am Rhein war ebenfalls sehr bedeutend. Gegen
ihre Schmucksachen, Waffen, Gläser u. s. w. tauschten die Römer Vieh
und Naturalien ein, darunter die in Rom sehr beliebten Schinken der
Marsen (westfälische Schinken), die zur Zeit Diocletians M. 3,60 per
Stück galten und die langen, blonden Zöpfe germanischer Mädchen,
die von den vornehmen Römerinnen gesucht und teuer bezahlt wurden.


Immerhin blieb die Bronze bei den Germanen ein Luxusmetall.
Die Gegenstände ständigen Gebrauches, vornehmlich die Waffen waren
aus Eisen.


Bewaffnung im frühen Mittelalter.


Die Eisenwaffen der Germanen verdienen deshalb eine eingehen-
dere Betrachtung 2).


Die Grabfunde bestätigen, wie Tacitus berichtet, daſs der Speer
die älteste und allgemeinste Waffe der Germanen war. Die Lanze war
das Zeichen der Herrschermacht. Bei Franken und Longobarden wird
die Königsgewalt durch Überreichung des Speeres erteilt; so geben
z. B. die Longobarden dem Neffen Luitprands, als sie ihn zum Könige
erwählt hatten, „wie es gebräuchlich war“, den Speer in die Hand 3).
Auf dem Siegelring, der im Grabe Childerichs gefunden wurde, ist der
König mit dem Speer in der Hand abgebildet. Den Speer zu tragen
[704]Die Germanen.
war ein Vorrecht der Freien und Karl der Groſse noch sah sich ver-
anlaſst, das alte Verbot, welches den Hörigen untersagt den Speer zu
tragen, durch besondere Verordnung einzuschärfen. Speer und Schild
galten zur Zeit der merowingischen Könige, wie noch zur Zeit Pipins
schlechthin als die Bewaffnung des Volksheeres. „scaftlegi“, das
Niederlegen des Speeres, war bei den Longobarden gleichbedeutend
mit Waffenruhe 1). So fehlt denn auch in Deutschland der Speer in
kaum einem Männergrab und wird nur ausnahmsweise durch andere
Waffen, die Axt oder das Messer, ersetzt.


Natürlich bildete sich bei so vielfacher Anwendung dieser Waffen
eine groſse Mannigfaltigkeit der Formen aus, von der leichten, pfeil-

Figure 210. Fig. 210.


Figure 211. Fig. 211.


förmigen Spitze bis zu der fuſslangen, breiten Speerklinge, und den
4 Fuſs langen, dem Pilum nachgebildeten Ango.


Die Lanze diente zum Nah- und zum Fernkampfe, wie schon
Tacitus angiebt, und auch die schwersten Lanzen wurden von starken
Helden als Geere gebraucht, wie der contus ferratus des Athleten
Randolph und die mächtige hasta des Walthari. Im Beowulflied (v. 401)
heiſsen diese schweren Wurflanzen die „wuchtigen Walschaften“.


Die ältesten Speerformen entsprechen der Beschreibung, welche
Tacitus von der framea giebt, sie sind schmal und nicht lang, besonders
im Vergleich mit dem römischen Pilum oder dem gallischen Saunium.
Fig. 210 giebt Muster von Speereisen, wie sie in den fränkischen,
[705]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
alemannischen und bayrischen Gräbern oft gefunden werden. Weniger
häufig sind die blattförmigen Speerspitzen mit scharf gezogener, her-
vortretender Rippe (Fig. 211), ähnlich den römischen Lanzenspitzen
und den alten Erzlanzen.


Das schönste Speereisen dieser Art fand man in einem alemanni-
schen Grabe bei Ulm und ist dasſelbe (Fig. 212) jetzt im Museum in

Figure 212. Fig. 212.


Berlin. Die 18 cm lange Spitze ist vom
oberen Teile der Tülle an auf beiden Seiten
mit schöner Tauschierung versehen, die
Zickzacklinien sind mit Gold, die übrigen
Ornamente mit Silber eingelegt. Hier zeigt
sich wohl asiatischer Kunsteinfluſs.


Die Lanzen der Reiter gehörten zu den
leichteren Speerformen, da sie meist ge-
worfen wurden. Die longobardischen Reiter
waren berühmt als sichere Lanzenwerfer.
Ebenso diente die Lanze bei den Franken
im fünften und sechsten Jahrhundert haupt-
sächlich als Wurfwaffe 1). Nicht minder
waren die Vandalen und Goten geübt in
der Handhabung der Wurflanze.


Procop giebt folgende schöne Schilde-
rung von der Geschicklichkeit in der Hand-
habung der Wurflanze 2): „Ihr König To-
tilas, in der Absicht, die Schlacht bei busta
Gallorum gegen Narses zu verzögern, ge-
währt den gegenüberstehenden Heeren den
Anblick eines vollendeten Kriegers. In
prachtvoller Goldrüstung auf einem treff-
lichen Pferde zeigt er sich vor den Reihen,
die schwierigsten Reitübungen ausführend,
schleudert seinen Speer, der mit Bändern
aus brennendem, leuchtendem Purpur ver-
ziert ist, in die Luft, fängt ihn wieder auf, wirft ihn auf die zier-
lichste Weise von einer Hand in die andere, wendet und schwingt sich
hin und her auf dem Pferde, wie es nur eine von Jugend auf
erlangte Geschicklichkeit vermag. Durch dieses auffallende und an-
ziehende Schauspiel, welches er vom Morgen bis Mittag fortsetzt, fesselt
Beck, Geschichte des Eisens. 45
[706]Die Germanen.
er die feindlichen Zuschauer, bis seine erwarteten Hilfstruppen ange-
langt sind.“


Doch suchten die Germanen in der Schlacht gern den Nahkampf.
In den letzten Entscheidungsschlachten gegen Narses und Belisar ver-
achten die Deutschen alle Fernwaffen, die Longobarden kämpfen nur
mit dem Schwerte, die Goten mit dem Speere. Die Reiter, nament-
lich die Heerführer, bedienten sich auch der Stoſslanzen. Ebenso
muſsten nach Einführung der Panzerhemden die Speerspitzen des Fuſs-

Figure 213. Fig. 213.


Figure 214. Fig. 214.


Figure 215. Fig. 215.


Figure 216. Fig. 216.


Figure 217. Fig. 217.


Figure 218. Fig. 218.


Figure 219. Fig. 219.


volkes schwerer und stärker werden. Nachstehende Abbildungen,
Fig. 213 bis 224, zeigen Beispiele dieser Speereisen, die sich in
allen Gräbern jener Zeit finden. Die rautenförmige Gestalt ist die
vorherrschende. Die Speerklinge mit Tülle ist in Fig. 220 bis 63 cm
lang. Die Befestigung des Speereisens mit geschlossener Tülle geschah
durch den Speernagel (clavus), bei offenen Tüllen wendete man auch
starke Ringbänder an. Am unteren Ende des Schaftes hatten
die deutschen Speere meist keinen Beschlag.


Der Ango (Fig. 225 bis 228) war ganz wie das römische Pilum
[707]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
gestaltet, nur scheint er stets angelförmige Widerhaken gehabt zu
haben. Auch ist die Verbindung des Speereisens mit dem Schaft

Figure 220. Fig. 220.


Figure 221. Fig. 221.


Figure 222. Fig. 222.


Figure 223. Fig. 223.


Figure 224. Fig. 224.


Figure 225. Fig. 225.


Figure 226. Fig. 226.


Figure 227. Fig. 227.


Figure 228. Fig. 228.


abweichend, sie ist durch Drahtwickelung
mit übergeschweiſsten Ringen bewirkt.
Ferner fehlt dem Ango das spitze Fuſs-
eisen am unteren Ende des Schaftes.
Seine Länge schwankt von 80 bis 124 cm.
Der Ango hat groſse Verwandtschaft mit
der Harpune. Solche Harpunenspeere
blieben namentlich bei den seefahrenden
Nordländern das ganze Mittelalter durch
im Gebrauch.


Wie der Speer Wurf- und Stoſs-
waffe war, so diente das eiserne Beil
45*
[708]Die Germanen.
als Wurf- und Hiebwaffe. Das Beil war ebenfalls eine allgemeine
Waffe der deutschen Völker. Am bekanntesten ist die Franziska, die
Axt der Franken, welche sich häufig in fränkischen Gräbern findet
und deren Gebrauch durch bestimmte Nachrichten festgestellt ist.
Schon im Grabe Childerichs I. († 481) fand sich diese Nationalwaffe.
Die Franziska hat fast stets nebenstehende Form (Fig. 229), seltener die
Fig. 230 dargestellte. Die Waffe ist dadurch charakterisiert, daſs die

Figure 229. Fig. 229.


Figure 230. Fig. 230.


Mitte der Schneide nicht mit der Mitte des Axthelms zusammenfällt,
sondern durch die Schweifung der Klinge nach oben höher liegt, so
daſs selbst die untere Spitze der Schneide nicht bis zum unteren Rand
des Axthelms herabreicht. Ebenso ist die Schneide nach oben aus-
geschweift, so daſs die obere Spitze über der unteren hervorragt. Die
Tangente der Krümmung der Schneide fällt in die Verlängerung des

Figure 231. Fig. 231.


Figure 232. Fig. 232.


Schaftes, wahrscheinlich in den Drehpunkt der Waffe beim Werfen,
also in den Abstand zwischen Handgelenk und Ellbogen. Die aus-
geschweifte Form und die Stellung der Schneide dienten den Schwung
des Hiebes oder Wurfes zu verstärken. Die leichte Axt wurde wahr-
scheinlich im Kriege wie im Frieden an der Seite getragen. Wie lang der
hölzerne Schaft war, ist noch unaufgeklärt, doch scheint er nach Procops 1)
[709]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
Angaben kurz gewesen zu sein. Lindenschmit nimmt ihn höch-
stens zu 44 cm an mit einer leichten Krümmung nach rückwärts.
Mancherlei Zwischenformen führen durch die Form der gewöhnlichen
Holzaxt zu der Gestalt der eigentlichen Streitaxt, dem Kampfbeil oder
der Hiltbarte, bei der umgekehrt, wie bei der Franziska, die Schneide
nach unten verlängert ist, derart, daſs die Schneide oft die Gesamt-
länge der Axt erreicht, oft noch überschreitet (Fig. 231, Grab von
Virnheim). Die zierliche Form dieser Waffe mit kurzem Hammer-
ansatz am Rücken, wie sie im Grabe von Nordendorf (Fig. 232)
vorliegt, hat sich erhalten als die Ehrenwaffe der Bergleute, die
auch noch den alten Namen Barte trägt. Bemerkenswert ist, daſs
die Barten, welche die Bergleute im Erzgebirge und im Harz bei feier-
lichen Gelegenheiten tragen, bei groſser Schneide kurze Schäfte
haben. Eine eigentliche Doppelaxt (bipennis), wie sie z. B. National-
waffe der Karer war, hat sich in den germanischen Gräbern bis jetzt
nicht gefunden, obgleich die germanische Kriegsaxt meist mit diesem
Namen bezeichnet wurde. Es scheint, daſs der Ausdruck bipennis 1)
seine etymologische Bedeutung später verloren hatte und schlechthin
die Streitaxt darunter zu verstehen ist. Die Erklärung Grimms, daſs
francisca, franca und framea des Tacitus zusammenfielen 2), scheint
sehr gewagt, da Tacitus die framea doch ausdrücklich eine hasta
nennt und sie auch als einzige Waffe der Reiter anführt, als welche
ein Wurfbeil doch sehr unpraktisch gewesen wäre. Eher scheint
das deutsche Wort framea in dem Worte Pfriemen, ebenfalls ein langes,
spitziges Eisen, sich erhalten zu haben. Gilt die Wurfaxt auch als
die Nationalwaffe der Franken 3), so war doch ohne Zweifel das Beil
eine allen Deutschen gemeinsame Waffe. Für die Hochdeutschen
wird es durch das Hildebrandlied verbürgt und die Barte der Nord-
germanen ist im Beowulf häufig genannt. Auch die Goten führten
die Wurfaxt, welche sie nach dem Berichte des Agathias auf die
Angreifer schleudern. Bei den Longobarden erscheint die Axt in
der schönen Sage von der Brautfahrt Antharis. Beim Abschiede von
seinen bajuvarischen Geleitmannen giebt sich der König durch einen
gewaltigen Schlag seiner Axt in einen nahestehenden Baum zu
erkennen, mit dem Ausrufe: „Solche Hiebe führt Anthari 4)“. Die
Alemannen und Burgunden bedienten sich weniger der Axt. Wäh-
[710]Die Germanen.
rend die vielen hundert burgundischen Gräber bei Charnay nur
20 Beile lieferten und das durchschnittliche Vorkommen der Axt
im westlichen Frankreich nur das Verhältnis von 1 auf 36 Gräber
erreicht, steigt es bei den Frankengräbern in Belgien auf 1 zu 6, in
den Rheinlanden oft auf 1 zu 5 oder selbst 1 zu 4. Bei Gregor von
Tours gilt gerade die Axt als das Hauptinstrument des Mordes, was
sich wohl zunächst daraus erklärt, daſs es jeder Franke ständig bei
sich trug. „Als Waffe muſs aber die Axt schon gegen das Ende der
merovingischen Periode allmählich durch das Schwert verdrängt worden
sein. Schon Karl der Groſse führte sie in seiner Verordnung über die
vollständige Ausrüstung des Heerbannes nicht mehr auf und im zehnten
Jahrhundert war die Wurfaxt nur noch aus den Überlieferungen der
Vorzeit bekannt 1).“ Dagegen kam die Wurfaxt bei den Angelsachsen
erst später in allgemeinen Gebrauch und spielt im Kampfe gegen die
Normannen eine wichtige Rolle. Der Beilwurf mit der englischen
taper-axe erscheint auch in einer Verordnung des Königs Kanut als
das Ausmaſs für die Bestimmung des Raumes, ähnlich dem Hammer-
wurf in Deutschland. Später hieſs das Wurfbeil geradezu das eng-
lische Beil 2).


Das Messer ist das einfachste und älteste Schneidwerkzeug. Es
war auch das erste eiserne Instrument. Ursprünglich für die täg-
lichen Bedürfnisse bestimmt, entwickelte es sich bald zur Waffe. Das
deutsche Messer, aus dem sich das volkstümliche Kurzschwert ent-
wickelte, heiſst sax (altd. sahs, angels. seax). Die Messer der älteren
Gräber sind etwas nach rückwärts gebogen (Fig. 233), während die
Messer der merovingischen Zeit gerade sind, so daſs die Spitze ent-
weder in der Mitte der Klinge, oder am Ende der Schneide sich
befindet (Fig. 234). Die gebogene Form erinnert an die Bronzemesser
und dürfte deshalb eine fremdländische Form sein. Das Messer zum
Hausgebrauch bildet nur den Übergang zu der starken Hiebwaffe, dem
Scramasax.


Lindenschmit unterscheidet drei Hauptgattungen des Sax 3). Die
erste ist eine kleinere Art (Fig. 235), durchschnittlich 22 bis 33 cm
lang, diente als Dolch und wird oft neben dem groſsen Hiebmesser und
dem Schwerte gefunden. Sie hat ein langes Heft und diente gewiſs auch
als Wurfwaffe. Das Messerwerfen, das sich in Tirol und Italien noch
erhalten hat, ist ein alter Sport der Germanen. Der alte Hildebrandt
schildert, wie Wolfdietrich darin seinen Lehrmeister Bechtung übertraf.
[711]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
Es erinnert an das Tomahawkwerfen der Indianer. Wiederholt wird er-
wähnt, daſs dem Helden durch die Schärfe des feindlichen Messers
eine Haarlocke abgeschnitten wurde. Der Wurf wurde durch keine

Figure 233. Fig. 233.


Figure 234. Fig. 234.


Figure 235. Fig. 235.


Schutzwaffe, sondern nur durch den Sprung
gemieden. Tacitus schildert den Schwert-
tanz der germanischen Jünglinge, bei dem
sie zwischen den in die Luft geworfenen
Messern und Schwertern sich hin und her
bewegten 1).


Die zweite Art der Saxen bildete den
Übergang zu dem schweren Hauschwert mit
breitem Rücken, es ist der Langsax, der
länger als die erste Art, aber schmaler als
die zweite Art ist, bei einer Breite von
3½ bis 4 cm gewöhnlich 40 bis 60 cm lang
ist (Fig. 236). Franken und Friesen machen
bei ihren Rechtsbestimmungen einen Unter-
schied zwischen dem Scramasax und dem
Langsax, auch muſs er von den nord-
deutschen Stämmen geführt worden sein, da er noch in den zur Zeit
Karls des Groſsen abgefaſsten friesischen Gesetzen vorkommt. Das
Tragen dieses Messers war in Friedenszeiten verboten, es galt als
Kriegs-Mordwaffe, und eine Tötung mit dem Langsax hatte doppelte
Buſse und den Verlust der rechten Hand zur Folge. Diese Form des
Sax hat sich erhalten in den Waidmessern und Hirschfängern.


Die dritte, gröſste und interessanteste Form des Sax ist der Scra-
masax
, das einschneidige, schwere Kurzschwert (Fig. 237). Es hat bei
4 bis 6½ cm Breite eine Länge von 44 bis 76 cm. Der Rücken der
Klinge ist 6 bis 10, ja bis 12 cm breit, was der Waffe eine groſse Wucht
geben muſste. Der Scramasax findet sich sehr häufig in den Gräbern
der Burgunden, Alamannen und Franken, dagegen auffallenderweise
nur selten in den Gräbern der Angelsachsen, die doch von der
Waffe ihren Namen haben sollten.


„Scramasaxus“ ist das fränkische Wort, welches Gregor von
Tours und die Chronik der Frankenkönige zwar nur an wenigen, aber
sprechenden Stellen als die Benennung des „culter validus ferreus“
aufbewahrt haben. In dem Gesetz der Westgoten heiſst sie einfach
scrama, in dem der Burgundionen semispatha, in der Lex salica wird
sie cultellus genannt.


[712]Die Germanen.

Der Scramasax zeigt einen hochaltertümlichen Charakter, es ist
die Hiebwaffe, die jeder Schmied ohne groſse Geschicklichkeit dar-
stellen kann, da sie nicht aus einer Verbindung von Stahl und Eisen
wie das gladius besteht, sondern aus jedem schmiedbaren Eisen her-
gestellt werden kann, und die mehr durch ihre Wucht, als durch ihre
geschickte Führung, oder ihre harte Schneide wirkt. Wahrscheinlich sind

Figure 236. Fig. 236.


Figure 237. Fig. 237.


die breves gladii (die Kurzschwerter), welche
Tacitus den Nordgermanen zuschreibt,
ebenso wie die mucrones, die Spitzschwerter
der Quaden, welche Ammianus Mar-
cellinus beschreibt 1), Scramasaxen ge-
wesen.


Der Scramasax war schon wegen
seiner gröſseren Billigkeit im Vergleich
mit dem zweischneidigen Stahlschwert die
verbreitetere Waffe. Er konnte nur beim
Kampfe in nächster Nähe benutzt werden.
Wenn Hengist deshalb seinen Sachsen bei
dem Kampfe gegen die Briten nach der
Erzählung des Nennius 2): „Eu Saxonis
nimitt eure saxas“ zuruft, so ist dies
gleichbedeutend mit der Aufforderung,
sofort zum Handgemenge überzugehen, den
Kampf Mann gegen Mann zu führen. Auch
die Helden führten bei ihrer vollständigen
Ausrüstung das Hiebmesser neben dem
Schwerte. Wenn das Schwert zerbricht
und alle Fechtkunst vergeblich ist, dann
hilft oft noch der plumpe, aber zuverlässige
Scramasax, der mit zwei Händen geführt,
durch seine Wucht in den Armen des
Helden alles zerbricht. Dies bezeugt die
schöne Stelle im Beowulflied, als sein be-
rühmtes Langschwert an dem felsenfesten Haupt des Drachen zerbarst,
da ergreift er sein einschneidiges Kurzschwert:


„Doch ‚Negelin‛ zerbarst

Und versagt im Kampf, die Klinge Beowulfs,

Die gute Grauhelle. Nicht gegeben war es ihm,

Daſs des Schwertes Schneiden durften im Handgemenge

helfen u. s. w.“

[713]Bewaffnung im frühen Mittelalter.

Da ergreift er das andere:


„Den Walsax er schwang,

Den bittern, balscharfen, den er an der Brünne trug,

Da spielt (spaltete) der Wedern Schirm den Wurm in Mitten.“

Und weiter erzählt Wiglaf von dem Tode des Helden:


„Ihm zur Seite liegt der Seelberaubte (Lindwurm).

Von Sachsenwunden siech; Mit dem Schwerte mocht er —

auf keine Weise — Wunden wirken.“

Figure 238. Fig. 238.

Das Kurzschwert Beowulfs heiſst „Breitsax“ mit brau-
nem (wohl rostbraunem) „Knief“ und breiter Klinge.


Die meisten Scramasaxen zeigen nahe und parallel dem
Rücken eine tiefe Blutrinne (Fig. 238). Die Griffe sind noch
gröſser als die der zweischneidigen Schwerter, zwischen 18
bis 29½ cm, so daſs sie dazu gemacht waren, sie mit bei-
den Händen zu führen.


„Dies einschneidige Schwert mit zweihändigem Griff
begegnet uns noch im 13. Jahrhundert und wir sehen es in
der Schlacht bei Bouvines in der Hand eines Helden, des
Kaisers Otto, welcher mit dem mächtigen Hiebe seines nach
Messerart einschneidigen Schwertes, das er mit beiden Hän-
den führte, die Feinde nach allen Seiten traf, und wen er
erreichte, betäubte oder die Reiter mit den Rossen zu
Boden schlug 1).“


Auch im Norden erhielten sich die einschneidigen
Schwerter mit langem Griffe im Gebrauch und die Wikinger-
gesetze empfehlen sie als besonders geeignet zur Verstärkung
des Hiebes 2).


„Die sogenannte Parierstange fehlt an allen Schwert-
formen dieser Zeit. Bei dem Sax wird die Klinge vom Griff
meist durch eine Eisenplatte getrennt, welche nur um Weniges über
die erstere hervorragt.“ Die Griffe waren von Holz, manchmal mit
Leder überzogen, öfter waren sie durch zwischengeschaltete Eisen- oder
Messingscheiben gegliedert. Selten fanden sich bei dieser Waffe reich-
verzierte Griffe, wie sie bei den Schwertern häufig vorkommen. Die
Scheide war von Holz mit Leder überzogen, gewöhnlich ohne besondere
Dekoration.


[714]Die Germanen.

War das einschneidige Hauschwert wohl die nationale Form
der Hiebwaffe der Germanen, so fand doch das doppelschneidige,
gestählte Langschwert, die Spatha, schon in sehr früher Zeit Eingang
in Deutschland. Wohl klingt es noch im Beowulflied wie ein Ton der
Befriedigung, daſs des Schwertes Schneide dem kühnen Recken in
dem verzweifelten Kampfe nichts nützte und daſs er mit der vater-
ländischen plumpen Hiebwaffe den Drachen erlegen muſste. Der Dich-
ter erklärt dies dadurch, daſs des Helden Hand zu mächtig war für
jedes Schwert, wie kunstvoll es auch gearbeitet war.


„Die Hand war zu stark, die jedes Kampfschwert, wie es

kund ist männiglich,

Im Streiche übernahm, wenn er zum Streit auch trug

Eine wunderharte Waffe, ihm ward nicht wohler drum!“

Aber dies Lob des alten plumpen Hauschwertes lautet doch nur
wie eine Erinnerung an eine langverschwundene Zeit. Viel herz
licher weiſs der Dichter des Beowulf den „Nägilin“ zu preisen. Die
Poesie des Schwertes, wo blüht sie schöner als in unserm deutschen
Mittelalter? Wohl wissen die Indier Wunderbares von der Schärfe und
Wirkung ihrer Schwerter zu erzählen 1), wohl rühmen die Araber die
Schwerter 2) ihrer Helden und belegen sie mit ruhmvollen Namen. Wo
aber erscheint das Schwert in solchem Glanz der Poesie, wo tritt es
so als eine Persönlichkeit in die Handlung ein als in unseren Helden-
sagen? Das Schwert ist das vererbte Kleinod des Helden, es verbindet
ihn durch dessen Abstammung mit den überirdischen Wesen. Das
Schwert ist der treue Freund des Helden. Die Wunder seiner Thaten
wirkt nicht sein ruhmvoller Arm allein, sondern ebensoviel sein
ruhmvolles Schwert. Schon in der alten Göttersage erscheint es so.
Sigmunds Schwert, das Regin schuf, hatte den bezeichnenden Namen
„Gram“. Mit ihm schlug Sigurd Regins Amboſs entzwei 3).


Welche Wunder Wielands herrliche Waffe „Mimung“ wirkte, haben
wir bereits vernommen 4).


Welch ein dichterischer Zauber umgiebt Beowulfs „Nägilin“,
Siegfrieds „Balmung“ und Rolands „Durnhardt“. Alle diese Waffen
sind Stahlschwerter von vorzüglichster Güte.


Haben die Deutschen diese herrlichen Waffen selbst verfertigt?
Geht die Herstellung dieser vorzüglichen Stahlschwerter bei den
Deutschen in so ferne Zeit zurück, wie es die Sage vermuten läſst?
Hierauf müssen wir mit Nein antworten. Wohl war das gewaltige
[715]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
Langschwert, die Spatha „sine mucrone“ den Germanen schon bekannt,
als die Römer zuerst mit ihnen in Berührung kamen. Waren es zu-
erst die Gallier unter Brennus gewesen, welche die Römer mit dieser
ungeschlachten Waffe in Schrecken versetzt hatten, so führten auch die
Führer der Cimbern und Teutonen diese mächtigen Schwerter. Aber sie
kann nach des Tacitus Schilderung doch keine allgemeine, sondern
nur eine seltene Waffe gewesen sein. Mit den doppelschneidigen
Stahlschwertern scheinen die Germanen erst kurz vor der Zeit ihrer
Kämpfe mit den Römern bekannt geworden zu sein.


Die Noriker waren es, welche den germanischen Heerführern diese
Schwerter zuerst lieferten. Wohl hatten die Römer infolge der Kämpfe
mit den wilden, nördlichen Nachbarn die Spatha ebenfalls als Be-
waffnung angenommen, obgleich sie meist nur die Hilfstruppen damit
ausrüsteten 1), während die Legionssoldaten mit dem leichteren gladius
bewaffnet waren.


Der Name Spatha ist schon ein nordischer und die Waffe findet
sich bei älteren Völkern diesseits der Alpen von dem Zeitpunkt an,
in dem sie hinreichende Fertigkeit erlangt hatten, solche Waffen her-
zustellen 2).


Aber diese Spatha, das ungeschlachte Hauschwert, welches schon
die gallischen Horden unter Brennus führten, war nicht die Waffe,
welche die Dichter besungen haben. Dies war die herrliche Stahlwaffe,
welche die Germanen wahrscheinlich zuerst von benachbarten Völkern
kennen lernten, die sie aber der Sage nach schon frühe selbst zu ver-
fertigen verstanden und auf welche sie schon im frühen Mittelalter
einen Wert legten, wie kein anderes Volk.


Die ersten zweischneidigen Stahlschwerter der Germanen waren
aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Fremde eingeführt. Wie wir
schon bei den Waffen der Pfahlbaustation la Têne, den Schwertern von
Hallstadt, des Schlachtfeldes von Aliso, des Moorfundes von Nydam
eine groſse Ähnlichkeit gefunden haben, so ist dies auch mit den alten
germanischen Schwertern der Fall. Wesentlich unterscheiden sich die
germanischen Schwerter nur durch ihre gröſsere Länge und durch ihr
gröſseres Gewicht, entsprechend der überlieferten Länge und gröſseren
Kraft der germanischen Kämpfer. Diese Schwerter pflegen eine Länge
der Klingen von 1 m bis 1,10 m zu haben. Überhaupt ist es als ein
charakteristischer Zug der germanischen Völker zu bezeichnen, daſs sie
die südländischen Formen der Waffen adoptierten, sie nur gröſser,
[716]Die Germanen.
schwerer, massiger gestalteten. In diesem Sinne ist das zweischneidige
Langschwert das eigentliche Schwert, eine in Deutschland importierte
Waffe, die aber schon frühzeitig im Mittelalter als die vornehmste,
die wichtigste Waffe zur Geltung gelangte. Wie erst der Hammer, dann
der Sax, so war später das Schwert das Symbol des Kriegsgottes, bei
dem man betete, bei dem man schwur 1). Sie wurde später die Waffe,
die in den starken Händen „der Goten, Franken und Longobarden, wie
auch in den späteren Kämpfen mit unseren Feinden ringsum einen
vernichtenden Schrecken vor dem deutschen Namen verbreitete und
die Schilderung, welche italische und griechische Schriften von dieser
Waffe und ihren Streichen in deutschen Fäusten aufbewahrt haben,
bestätigen alles, was Plutarch 2) und Livius von der Wirkung des
keltischen Schwertes erzählten, wie zugleich den Ursprung und Ge-
brauch jener Waffe überhaupt bei Völkern, deren Körperkraft und
kriegerischem Ungestüm dieselbe vollkommen entsprach“.


Doch war auch während der merovingischen Zeit das Schwert nur
eine Waffe der Vornehmen und erscheint durchaus nicht gleichmäſsig
verbreitet bei den verschiedenen Völkern. Am zahlreichsten sind
Schwerter im Rheinthale aufgefunden worden und die relative Häufig-
keit ihres Vorkommens nimmt nach Osten und nach Westen hin ab.
Es läſst sich dies bei dem Wechsel der Bewohner wohl nur dadurch
erklären, daſs im Rheinthal, der uralten Verkehrsstraſse, eine vor-
geschrittenere Industrie von alters her ansäſsig war, vielleicht schon
vor römischer Zeit, die sich aber jedenfalls von den Römern auf die
Germanen vererbte.


Der Ruhm der Schwertschmiede ging Hand in Hand mit dem
Ruhm der Schwerter selbst. Odin war ihr Beschützer. Mimir und
Wieland, die Götterschmiede, haben wir bereits genannt. Ferner nennt
die alte Sage Hertrich und im Parzival erscheint Trebuschet als
berühmter Schwertschmied, dessen Name gleichfalls auf die Rhein-
gegend hinweist.


Wie bereits erwähnt, wuchs das Bedürfnis nach guten Stahlklingen
in dem Verhältnis, als das Tragen von eisernen Panzerhemden allge-
meiner wurde. Des Schwertes Schneide muſste Ringe und Helme zer-
spalten können. So heiſst es von dem Schwert Balmung in den
Nibelungen 3):


Ouch fuort er Balmungen eine ziere wãfen breit,

daz was also scherpfe, daz ez nie vermeit

swâ manz sluoc ũf helme, sĩn ecke wãren guot.

[717]Bewaffnung im frühen Mittelalter.

Die guten Klingen der Helden waren damasziert in der Weise, wie
wir es bei den Klingen von Nydam kennen gelernt haben. Dies be-
weist die Schilderung Cassiodors von dem Schwerte des Königs Thra-
samund. Theodorich, der groſse Ostgotenkönig, bedankt sich in einem
Schreiben an Thrasamund, dem König der Vandalen, für die Über-
sendung eines Geschenks schöner Schwerter, deren Klingen er noch
höher preist als ihre reiche Verzierung. Der Brief lautet 1):


„An Thrasamund, den König der Vandalen, Theodorich rex.


Eure brüderliche Liebe hat mir Schwerter und Hiebwaffen
als Geschenk übermacht, deren Eisen köstlicher ist wie
Gold. Ihre polierte Klinge glänzt so helle, daſs es im An-
schauen das treue Spiegelbild des Gesichtes zurückwirft und
ihre Spiegel sind von oben bis unten so gleichmäſsig, daſs sie
nicht aus Streifen zusammengesetzt, sondern wie aus einem
Schmelzofen geflossen zu sein scheinen. In dem mittleren
Teil erscheinen schöne Vertiefungen wie kräuselndes Gewürm
und es zeigen sich so mannigfache Schattierungen, daſs man
glauben möchte, es sei das glänzende Metall mit verschiedenerlei
Farben durchwebt.“


Eine nicht minder interessante Stelle findet sich in der Chronik
von St. Gallen über die Elastizität der Schwertklingen 2), welche die
normannischen Könige Ludwig dem Deutschen als Zeichen ihrer Huldi-
gung gesendet haben. Der König probt sie mit seiner Hand stärker
als Eisen auf ihre Spannkraft, indem er sie zusammenbiegt. Die eine
zerbricht ihm in der Hand, eine andere aber biegt er bis zum Griff
wie eine Weidengerte zusammen und sie springt, wie er sie losläſst,
in ihre ursprüngliche Gestalt zurück.


Die „wurmbunten“ Klingen, wie sie mehrfach gepriesen wer-
den und wie sie in der angeführten Beschreibung Theodorichs des
Groſsen geschildert werden, verdanken diese Bezeichnung nicht künst-
licher Einlagen oder Tauschierung, sondern ihrem Damast. Fig. 239
[718]Die Germanen.
ist ein altes deutsches oder römisches Schwert aus dem Museum zu
Wiesbaden, welches dies deutlich illustriert, ebenso Fig. 240 eine Klinge

Figure 239. Fig. 239.


Figure 240. Fig. 240.


im Museum zu Mainz.


Longobarden und Vandalen wer-
den als treffliche Waffenschmiede ge-
priesen 1), wohl deshalb, weil sie die
Sitze der alten Kunst in Norditalien
und Spanien in Besitz genommen und
die dortige Industrie weitergepflegt
hatten. Ebenso werden in späterer
Zeit die Bayern als vorzügliche Waffen-
schmiede gerühmt, indem auf diese
teilweise der Ruhm der alten Noriker
überging.


So singt das Annolied (im 11. Jahrhundert):


Dü sich Beireland wider in vermaz.

Die merin Reginsburch her se besaz

Da vant er inne

Helm unti brunigen

Manigin helit güdin

Die dere burg huhdin

Wiliche Knechti die werin

Deist in heidnischin büchin meri

Da lisit man Noricus ensis

Daz diutit ein svert Beierisch

Wanti si woldin wizzen

Daz nigeini baz ni bizzen

Die man dikke durch den Helm slug 2).

Als die Städte eine gröſsere Bedeutung erlangten, zogen sich auch
die Gewerbe dahin und so war es im Bayernland Regensburg zuerst,
welches durch seine Waffenschmiede berühmt wurde. Wie es schon
das Annolied in der oben angeführten Stelle nennt, so heiſst es im
Rolandsliede, daſs Ganelon der Held „das beste Sahs“ führte, das Werk
Madelgers, eines Schmiedes von Regensburg.


Gute Schwerter standen natürlich auch in hohem Preise, denn
welche Zahl glücklicher Umstände war erforderlich, um gute Schwert-
klingen zu fabrizieren. Guter Stahl war keine Marktware wie heute,
der erfahrene Schmied muſste ihn ausfindig machen aus vielen Luppen,
[719]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
die ihm zum Kaufe angeboten wurden. Das Zusammenschweiſsen mit
weichem Eisen war eine hohe Kunst, die jedenfalls der Schwertschmied
möglichst geheim hielt, die ihm aber selbst nicht immer gelang, denn
wie leicht verbrennt bei solchen Operationen ein Stahl. Dazu kommt
die Geduld, welche nötig war, solche Waffen zusammenzusetzen, die
Schneiden anzuschweiſsen, das Ganze auszurecken, und alles das mit
der Faust und dem Handhammer. Diese mühevolle Arbeit, dieses
Zusammenwirken von Geschick und Fleiſs machten aber die Waffen
nicht allein wertvoll, sie machten sie auch vorzüglich. Schwerter von
solcher Zuverlässigkeit und Härte werden heutzutage nicht mehr dar-
gestellt. Freilich ist auch dafür kaum mehr das Bedürfnis vorhanden.
Kein Wunder deshalb, daſs gute Schwertklingen sich durch Gene-
rationen vererbten, daſs sie das wertvollste Vermächtnis bildeten,
welches Väter ihren Söhnen hinterlieſsen, daſs sie in den Schatz-
kammern der Fürsten neben dem reichsten Schmucke an Gold und
Edelsteinen ihre Stelle fanden.


Solche Schwerter waren weit seltener Gegenstand des Handels
als des Raubes oder des Kampfes.


„Raub der Kühnen“ wird es deshalb im Beowulflied genannt, und
Hagen freut sich über den Erwerb des „Balmung“ ebenso sehr wie
über die Vernichtung des starken Siegfried.


Auch bei der Teilung des Nibelungenhortes empfängt Siegfried
den Balmung als einen hervorragenden Teil des Schatzes. In dem
gleichen Sinne lautet es im Beowulflied, wo der Dichter sagt, daſs
neben den Schalen und Bechern, „dem Golde der Altmänner“, teure
Schwerter, „Olm-durchfressen, als ob sie in der Erde Schoſs tausend
Winter träge gerastet“, liegen.


Nur ein Freier durfte das Schwert tragen, und meistenteils waren
es nur hervorragende Freie, die ein Schwert besaſsen. Von den im
Bitterolf 1) aufgezählten Schwertern der berühmtesten Waffenschmiede
heiſst es: „Das buch hören wir sagen, die svert dorft niemand tragen,
er enwär fürst oder fürstenkind.“


Der Regel nach waren die Schwerter 81 bis 97 cm lang. An die
mächtigen Schwerter Karls des Groſsen und Lothars II. knüpft sich
die grausige Sage, daſs sie nach ihnen die besiegten Feinde, die
Sachsen und die Slaven maſsen und niemand am Leben lieſsen, der
höher war als ihr Schwert. Die Breite der Klinge betrug meist 4½
bis 6 cm 2).


[720]Die Germanen.

Die Grifflänge entspricht der Gröſse einer starken Hand und be-
trägt mit Knopf und Bügel im Durchschnitt 12 bis 14½ cm. Was die
Form anlangt, so herrscht die rechtwinkelige Absetzung des Heftes
gegen die Klinge vor, ohne eigentliche Parierstange, indem der Ab-
schluſs zwischen Griff und Klinge durch ein ovales Plättchen gebildet
wird, das wenig übersteht, so daſs das Schwertkreuz nur wenig her-

Figure 241. Fig. 241.


Figure 242. Fig. 242.


vortritt. Fig. 241 und 242 1) sind typische
Formen alter deutscher Schwerter, das erste
befindet sich im Museum zu Regensburg und
hat einen Griff von Knochen, das zweite ist
im Museum zu Mainz mit Bügelbeschlägen von
Bronze.


Oft waren die Namen derjenigen, für welche
das Schwert gefertigt war, auf dem verzierten
Hefte angebracht. So heiſst es im Beowulflied:


„Auch war auf der Leiste von lichtem Golde

Mit Runstaben recht verzeichnet

Gesetzt und gesaget, wem der sachs war gewirkt.“

Ebenso waren die Schwerter der britanni-
schen Häuptlinge, welche Graf Wido an König
Karl als Zeichen ihrer Unterwerfung über-
brachte, mit ihren Namen bezeichnet 2). Reich
geschmückt mit Gold und Edelsteinen war oft
der Griff, „die Hilze“. So war der Griff von
Karls des Groſsen Schwert, das er gewöhnlich
trug, von Silber und Gold, bei Festlichkeiten
aber trug er eine reich mit Edelsteinen besetzte
Waffe 3). Die Scheide war meist von Holz
und Leder. Die beste Beschreibung hiervon
giebt der Chronist von St. Gallen. „Das
Schwert“, sagt er 4), „wurde erstlich durch die
Scheide (Holz), dann durch Leder, drittens
durch sehr weiſses, mit hellem Wachs gestärk-
tes Leinen so umgeben, daſs es mit seinem, in
der Mitte glänzenden Kreuzchen (als Dekora-
tion der Scheide) zum Verderben der Heiden dauerhaft erhalten
wurde.“


[721]Bewaffnung im frühen Mittelalter.

Über weitere Details des Beschlags u. s. w. verweisen wir auf das
vortreffliche Buch von Lindenschmit.


War das Schwert der Triumph der Schmiedekunst im Mittelalter,
namentlich bezüglich der kunstvollen Verbindung von Eisen und Stahl,
so boten die Verteidigungswaffen, Schild, Helm und Panzer, dem
Schmied in anderer Richtung ebenfalls schwere Aufgaben zur Be-
thätigung seiner Geschicklichkeit.


Der Schild der Germanen war rund, meist länglich rund und
pflegte aus Lindenholz mit einem Lederüberzug zu bestehen. Der
metallene Schildrand und Schildbuckel kamen erst allmählich in Ge-
brauch, insbesondere durch die Einwirkung der römischen Bewaffnung.
Durch die Überreichung des Schildes wurde der deutsche Jüngling
wehrhaft gemacht. Der Schild war der stete Begleiter des Kriegers.
Den Schild verlieren war die gröſste Schmach. Durch Erheben auf
den Schild wurden die Fürsten gekürt, durch Zusammenschlagen der
Schilde der Beifall ausgedrückt, auf seinem Schilde hauchte der Held
seinen Geist aus, auf ihm wurde er begraben.


Diese Sitten erhielten sich bis zur Zeit der Karolinger.


Agathias erzählt von den Vorbereitungen des fränkisch-aleman-
nischen Heeres in der Schlacht gegen Narses, daſs sie Axt und Ango
schärfen, ihre zerbrochenen Schilde wieder instandsetzen, „welche
leicht wieder von ihnen selbst hergestellt werden können, denn einfach
und gering ist dieses Volkes Waffenrüstung, sie bedarf nicht ver-

Figure 243. Fig. 243.


schiedener Werkmeister und kann leicht
von denen, welche sie gebrauchen, wie-
der ausgebessert werden. Panzer und
Beinschienen kennen sie nicht; die meisten
schützen ihr Haupt gar nicht und wenige
kämpfen mit dem Helme bedeckt. Der
Körper an Brust und Rücken ist nackt,
umgürtet von da ab mit leinenen oder ledernen Hosen, welche die
Beine bedecken 1).“


Den ersten Eisenbeschlag des Schildes bildete der Griff, der mit
vier glänzenden Nägeln befestigt war. Diese vier Nägel der Schilder
pflegten das Wurfziel des Speerschützen zu sein. Später kam bei den
Wohlhabenderen der römische Umbo, der Schildbuckel, auf. Dieser
hatte erst die Gestalt eines runden Hutes und war kunstvoll getrieben
(Fig. 243), meist in Form eines Kugelsegments. Der Buckel war von
Beck, Geschichte des Eisens. 46
[722]Die Germanen.
auſsen her mit starken Nägeln und der Griff im Inneren öfters noch
mit Spangen an die Schildwand befestigt (Fig. 244, Schildbuckel aus
den Gräbern bei Darmstadt). Auch der Rand des Schildes wurde
später oft mit Metall beschlagen. In dem Sinne heiſst der Schild im

Figure 244. Fig. 244.


Beowulfliede „Goldrand“ und „Stahlrand“. Gegen den flammen-
schnaubenden Drachen aber führt Beowulf einen ganz mit Eisen be-
deckten Schild.


„Hieſs ihm rüsten der Recken Schirm

Der Eorle Gebieter — von Eisen ganz

Kampfschildes Zierde, kund ihm war es,

Daſs Holz ihm nimmer helfen mochte

Linde gen der Lohe (gegen die Flamme).“

Mit seinem Schilde wurde in alter Zeit der Held verbrannt. Als
christliche Sitten herrschend wurden, hing man die Schilder der ver-
storbenen Helden an den Gräbern oder in der Kirche auf.


Der Helm war, wie schon aus der angeführten Stelle des Agathias
hervorgeht, bei den Germanen eine seltene Wehr 1), die selbst in mero-
vingischer Zeit nur von Fürsten und Helden getragen wurde. Bis ins
zehnte Jahrhundert pflegte das lange, oft in einen Knoten zusammen-
gebundene Haar der einzige Kopfschmuck der Deutschen zu sein. Die
wenigen in Deutschland gefundenen alten Helme zeigen etruskische
oder asiatische Formen. Sie erinnern an die phrygischen Mützen
(Fig. 245 bis 248) und diese Form des Kegelhelmes mit vorgeneigter
Spitze erhielt sich bis gegen Ende des 12. Jahrhunderts. Die Formen
deuten schon auf ein hohes Geschick in der Kunst, Eisen zu treiben und
zu schweiſsen. Die Heruler und Longobarden waren die ersten deut-
schen Stämme, bei welchen eiserne Helme Eingang fanden. Dies
mag wohl seinen Grund zunächst darin gehabt haben, daſs diese sich
desjenigen Gebietes bemächtigt hatten, in dem die höhere Waffen-
[723]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
schmiedekunst schon in ältester Zeit ihre höchste Ausbildung in Mittel-
Europa erlangt hatte, nämlich des Pogebietes. Eine andere Art von
Helm lief kegelförmig oben in einen runden Knopf aus. An den
Helmen waren breite Wangenbänder oder auch larvenartige Visiere
befestigt 1), welche indes nicht zum Aufschlagen eingerichtet waren.


König Walthari muſs, um von den Slaven erkannt zu werden,
den ganzen Helm vom Haupte nehmen 2). Ebenso giebt sich König
Lothar II. durch Abheben des Helmes seinem Sohne Dagobert zu er-
kennen 3). Der Helm stand natürlich in weit höherem Preise als
wie Schild und Speer, wie aus den alten Wehrgeldbestimmungen her-
vorgeht.


Die vorspringende Form der Helmspitze gab später Veranlassung,
diese Spitze in einen Schweinskopf umzuwandeln, so daſs das Eber-

Figure 245. Fig. 245.


Figure 246. Fig. 246.


Figure 247. Fig. 247.


Figure 248. Fig. 248.


bild, das Zeichen der Frô, geradezu das Helmzierbild dieser Periode
wurde 4). Der Eberhelm spielt eine besondere Rolle in der heidnisch-
christlichen Übergangszeit bei den Deutschen. Das Eberbild war im
Abendlande dasſelbe wie im Orient das Löwenbild.


Das doppelschneidige, hammergehärtete Schwert macht die
Schweinebilder der Helme schartig, heiſst es im Beowulfliede.


Ein solcher Eberhelm ist in einem Grabhügel bei Monyjash in
Derbyshire gefunden worden (Fig. 249). Bateman, welcher das Grab
öffnete, sagt darüber 5):


„Er war aus strahlenförmig, vom Kopfwirbel auslaufenden Eisen-
rippen gebildet und mit schmalen Hornplatten bekleidet, welche in
diagonaler Richtung von den Rippen abliefen, so daſs sie ein Fisch-
grätenmuster bildeten. Die Enden waren mit Hornstreifen befestigt,
46*
[724]Die Germanen.
in strahlenförmiger Richtung wie die Eisenrippen, an welche sie in
Zwischenräumen von 1½ Zoll genietet waren.


Alle die Nieten hatten an der Auſsenseite verzierte silberne
Knöpfe und auf der Stirnrippe ein kleines Kreuz aus demselben Metall.
Auf der Spitze des Helmes ist eine länglich ovale Erzplatte befestigt
und auf derselben die in Eisen geschnittene, jetzt sehr verrostete, aber

Figure 249. Fig. 249.


immer noch erkenntliche Darstellung
eines Schweines. Seine Augen sind
aus Bronze gebildet.“


Dieser Spangenhelm ist jedenfalls
die ältere Form der Wehrhaube, doch
war auch der eigentliche Eisenhelm
vom fünften Jahrhundert ab bereits
im Gebrauch.


In Rotharis Gesetzbuch ist die
Rede von „cassides que elmos dicimus“
und im Waltharilied heiſst es, daſs
Waltharis Klinge an der Stahlhärte
seines Helmes zersplitterte 1). Im
Beowulflied heiſst der Helm „der
braunschöne“, „helle“, „silberziere“, „fürstreifumfangene“ (v. 1461)
und an anderer Stelle: „Schön, den Eberhelm auf dem Haupte sie
trugen hell von Golde, fest und feuerhart (305 etc.).“


Ebenso wie der Helm war „die Brünne“ (der Panzer) ein
Werk hoher Schmiedekunst. Der Panzer ist keine germanische Er-
findung, fand auch nur langsam Eingang bei den Deutschen. Es ist
dies kaum zu verwundern. Ein an Körperkraft starkes Volk denkt weit
weniger an die Schutz- als an die Angriffswaffen. Demungeachtet hat
der Panzer und später speziell der Ringelpanzer im Mittelalter allge-
meine Verbreitung erfahren. Die alten Deutschen kämpften ohne
diesen Schutz, der immerhin der Beweglichkeit im Felde groſsen Eintrag
that. Noch im späten Mittelalter fochten die Landsknechte als „nackte
Knaben“. Erst infolge des Verkehrs mit den Römern kamen Panzer bei
Fürsten und reichen Edlen in Aufnahme. Doch waren metallene
Schutzwaffen dieser Art im fünften und im Anfange des sechsten Jahr-
hunderts noch sehr selten und wurden solche ausschlieſslich von den
Königen und den vornehmsten Edlen getragen, von denen diese erst
[725]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
allmählich auf ihr Kriegsgefolge überging. Das Salische Recht (lex
salica) nennt weder den Helm noch die Brünne, während das spätere
Gesetzbuch der ripuarischen Franken und das der Westgoten die
brunia und die zaba, zava sive lorica 1) erwähnt. Ihr Wert wird bei
der Wehrgeldschätzung auf 12 Solidi festgesetzt.


Die Wertschätzung der Waffen bei den Franken ist von hohem
Interesse sowohl hinsichtlich der Häufigkeit des Gebrauchs als im Hin-
blick auf den Preis der Arbeit. Schild und Lanze werden mit 2 So-
lidi 2) geschätzt oder nach damaligem Wertbegriff gleich einem Ochsen,
oder gleich zwei Kühen. Der Helm wurde mit 6 Solidi, das Schwert
mit Scheide auf 7 Solidi, die Brünne mit 12 Solidi bezahlt. Später
wurde der beschlagene Schild im Gesetzbuch der Alemannen zu 12 So-
lidi geschätzt, wenigstens wird der Verlust des Schildfingers, des
Mittelfingers, der linken Hand so geahndet 3).


Das Schwert steht in höherer Schätzung. Nach dem salischen
Gesetz wird die Entwendung des Saxes mit 15 Solidi bestraft 4). Für
die Brünne muſste nach der Wehrgeldordnung der Franken 12 Solidi
erlegt werden 5). Dieser Preisansatz kann sich indes kaum auf den
mühevoll gearbeiteten, eisernen Ringelpanzer der späteren Zeit beziehen.
Der Panzer war ursprünglich ein aus Lederriemen geflochtenes Schutz-
kleid.


Lindenschmit sagt: „Das einfachste und sicher auch das älteste
Panzerhemd bestand aus starkem oder stellenweise verdoppeltem Leder,
das durch gitterförmig aufgeheftete Bänder noch widerstandsfähiger
gemacht wurde, oder es war aus Lederstreifen kunstvoll geflochten
und durch Futter verschiedener Art verstärkt“.


Die Lederpanzer wurden schon bei den Assyrern mit eisernen
Schuppen verstärkt, diese Art Panzer, die lorica squamata, trugen auch
die römischen Führer, während das eigentliche Panzerhemd, die aus
Ringen geflochtene Brünne aus dem Orient, vielleicht durch die parthi-
schen Reiter bei den Römern Eingang fand. Der Ringelpanzer scheint
in der späteren römischen Kaiserzeit nicht selten getragen worden zu
[726]Die Germanen.
sein. Wir haben oben bereits das kunstvolle Geflecht eines bei Mainz
gefundenen römischen Panzerhemdes beschrieben.


Durch den Verkehr mit den Römern scheinen die Germanen dieses
Schutzkleid kennen gelernt zu haben, zunächst wohl als Beutestück.
Wie dem auch sei, jedenfalls kam der Ringelpanzer, das aus Ringen
geflochtene Panzerhemd, erst in der Zeit der Völkerwanderung oder in
dem frühen Mittelalter zu allgemeiner Aufnahme. Doch blieb es schon
seiner Kostbarkeit wegen nur ein Waffenkleid der Edlen. Die gewöhn-
lichen Ringelpanzer waren aus flachen runden Ringen, die durch
Nieten verbunden wurden, zusammengefügt, so daſs der Regel nach
je vier in einander griffen, doch gab es auch compliziertere Gewebe
(tunica trilex). Daneben erhielt sich aber bis in spätere Zeit der
Schuppenpanzer. Dies war die tunica ferrata 1). Der Plattenpanzer,
der Küraſs, kam erst im späteren Mittelalter auf und werden wir von
diesem an anderer Stelle sprechen.


In den Gräbern haben sich weder Reste der Schuppen- noch der
Ringelpanzer gefunden; diese nicht nationale Schutzwaffe gehörte nicht
zu den Totenbeigaben. Dies verhinderte schon der hohe Wert dieses
Wehrstückes. In den Verordnungen Karls des Groſsen über die Be-
waffnung zur Heeresfolge wird die Verpflichtung zur Ausrüstung mit
der Brünne nur bis auf die reichen Grundherren, auf die Besitzer von
zwölf Manses ausgedehnt 2). Eine andere Verordnung bestimmt, daſs
die eiserne Brünne an die nächsten Erben übergehen solle, ein Zeichen,
wie hoch geschätzt dieses Waffenkleid war.


Daſs die Brünne den Germanen aus fremden Landen bekannt wurde,
beweist wohl auch der Umstand, daſs gerade die Brünne als eine Arbeit
der Zwerge und der Götter genannt wird. Im Beowulflied spielt die
Brünne eine groſse Rolle, aber Hraelders Panzer heiſst Wẽlandes
(Wielands) Werk 3) und ebenso ist Attilas Panzerhemd, das Walthari
raubt, Vilandia fabricata 4).


Im Waltharilied wird ausdrücklich der Panzer aus gestählten
Ringen
(duratis giris v. 956) erwähnt.


Daſs die Ringelpanzer im 6. Jahrhundert indes schon ziemlich
allgemein zur Ausrüstung der Edlen gehörte, beweist die Erzählung
Gregors von Tours, daſs bei der Ermordung Gundavalds der erste An-
[727]Bewaffnung im frühen Mittelalter.
griff miſslang, weil ihn die Panzerringe vor dem mörderischen Speer-
wurf schützten und Sidonius Apollinaris erwähnt, daſs die fränkisch-
römischen Krieger nach dem Kampfe mit den Gothen ihre von Stichen
und Hieben zerrissenen Panzerhemden untersuchten 1).


In dem Loblied auf Majorran werden „mit eisengeflochtenen Brün-
nen gerüstete Krieger“ erwähnt (pars ferrea texta concolor induitur)
(panegyr. Maj. v. 4. 5).


Bei den Longobarden werden die kunstvoll gearbeiteten Brünnen
am häufigsten genannt. So fordert ein mit Helm und Harnisch ge-
rüsteter Longobarde die Franken am Luganer See zum Zweikampf
heraus. Das Panzerhemd läſst sich unter den Kleidern verbergen und
wurde dadurch eine Waffe der Mörder. Dies galt namentlich von den
longobardischen Panzern 2). Die Ermordung des Königs Luitbrand
wurde durch die Entdeckung des Panzers, den der Verräther unter
den Kleidern trug, vereitelt und König Grimoald erkennt die feind-
liche Gesinnung Godperts an dem Panzerhemd, welchem seine Hand
bei der Begrüſsung unter dem Gewand des Königs begegnet.


Die fränkischen Panzer scheinen schwerer und plumper gewesen
zu sein. Ein Krieger aus dem Gefolge König Guntrams, welcher mit
diesem verrätherischerweise zum Beschreiten einer Furt in der Rhone
veranlaſst wird, versinkt im Wasser, durch die Schwere seines Panzers
in die Tiefe gezogen 3).


Bei den nordischen Helden scheint das Panzerhemd, wenigstens im
8. Jahrhundert, häufig in Gebrauch gewesen zu sein. Das Beowulflied
erwähnt es oft. So heiſst es 4):


„Die Kampfbrünne glänzte, die harte, Hand geflochtene,

der helle Stahlring der sarwat klang,

Da sie zum Saale hin in den Schreckgewanden geschritten kamen.“

Im Beowulflied hat das Panzerhemd vielerlei Namen, es heiſst der
„Serk“ (326), das Grauhemd, das Schlachtnetz verschlungen durch
Schmiedes Künste (409), die Eisenbrünne (679), das gestrickte Streit-
hemd (1518), der Heerschurz (2170), die Ringbrünne (2265), das Heer-
netz, das gekettete Kampfhemd (2760).


Zur karolingischen Zeit bildeten die eisernen Panzerhemden einen
Ausfuhr- und Handelsartikel der Franken, so daſs Karl der Groſse ein
Ausfuhrverbot erlassen muſste, um den Verkauf von Waffen und Brün-
[728]Die Germanen.
nen nach den Ländern der Slaven und Avaren bei Strafe der Konfis-
kation der sämtlichen Warenladungen zu verbieten.


Auſser den genannten Waffen verdienen noch die Pfeilspitzen, die
Schlagkolben, die Beinschienen und das Pferdegeschirr Erwähnung.


Verwendung des Eisens zu Werken des Friedens
im frühen Mittelalter
.


Aber nicht nur zur Bewaffnung, sondern auch zu den Werken des
Friedens fand das Eisen schon im frühen Mittelalter die verschieden-
artigste Verwendung. So diente es als Verstärkungsmaterial beim
Hausbau. Dies erfahren wir aus dem Beowulflied. Da heiſst es z. B.:


„Der fürstliche Bau stand fest,

Innen und auſsen mit Eisenklammern sorglich umschmiedet.“

und an einer anderen Stelle:


„Der blinkende Bau war brüchig geworden,

Obgleich mit Eisenbanden innen gefestigt —

Die Angeln zerrissen.“

Natürlich wurde das Eisen auch zu den Geräten und Werkzeugen
des Ackerbaues bei den alten Germanen verwendet.


Die Bedürfnisse jener Zeit waren noch sehr einfacher Art. Der
Pflug war das angesehenste Geräte des freien Grundbesitzers und es
waren auf die Entwendung des Pfluges so schwere Strafen in den alten
Gesetzen gelegt, daſs durch dieselben augenscheinlich nicht bloſs die
Schädigung des Eigentums, sondern auch ein Sakrileg, der Raub eines
heiligen Gutes geahndet werden sollte. Im burgundischen Gesetz
muſste ein Freier für einen entwendeten Pflug zwei Ochsen mit Ge-
schirr, nebst einem vollständigen Pflug als Ersatz geben, ein Knecht
aber erhielt 150 Streiche. Nach longobardischem Gesetz muſste der
achtfache Wert des Pfluges ersetzt werden 1). In späterer Zeit be-
stimmte der Sachsenspiegel sogar, daſs derjenige, der einen Pflug stiehlt,
gerädert werden soll 2). Auch das Mühleisen, auf dem der Läufer der
Handmühlen lief, war ein wichtiger Gegenstand in der Haushaltung des
germanischen Gutsherrn, und wer ein Mühleisen stahl, muſste solches
ersetzen und überdies 6 Solidus bezahlen.


Ein alter angelsächsischer Kalender aus dem 6. Jahrhundert zeigt
bei den bildlichen Darstellungen zu den verschiedenen Monaten auch
[729]Friedliche Verwendung des Eisens.
die Abbildung der verschiedenen damals gebräuchlichen Ackergeräte,
die wohl alle von Eisen waren; so beim Februar die Feldarbeit mit
Spaten und Spitzhacke; beim April das Pflügen; der dargestellte Pflug
mit umgebogenem Sech und Pflugmesser hat auch schon die eiserne
Pflugschar; im Juni die Holzarbeit mit Äxten und Schnitzmesser, das
ähnlich wie eine Gartenhippe geformt ist; im Juli die Kornernte mit
der Sichel; beim Oktober endlich die Schmiedearbeit mit Zange und
Hammer.


Das Schmieden blieb eine regelmäſsige Beschäftigung auf jedem
Hofgute und in manchen Gegenden ist sie dies bis heute geblieben. Es
haben sich in Distrikten, wo die alte Güterwirtschaft noch besteht, wie
z. B. im Sauerland, auch die kleinen Eisenhämmer erhalten, die der
Gutsherr selbst betreibt, wenn die Ernte gethan und das Korn gemalen
ist. Viel mannigfaltiger als im 6. Jahrhundert waren auch die Acker-
baugeräte zu Karls des Groſsen Zeiten nicht. Der Kaiser kümmerte
sich viel um die Hebung der Gewerbe, noch mehr aber um die der
Landwirtschaft. Dafür zeugt auch sein Verfahren, daſs er gewissen-
hafte Vertrauenspersonen als Missi dominici auf die Kammergüter
sendete, die überall Visitationen halten, das Inventar aufnehmen und
Meliorationsvorschläge machen muſsten. Vornehmlich war die Ein-
führung des Weinbaues, der Obst- und Bienenzucht eine Lieblings-
bestrebung des Kaisers. In dem Breviarium Caroli Magni ist ein solches
Inventar mitgeteilt. Auf einem Gute, auf dem ein kleineres könig-
liches Wohnhaus, drei andere Häuser, mit 11 Arbeitsstuben, 17 hölzerne
Wohnhäuser, ein Backhaus, zwei Kornhäuser, drei Schuppen etc. sich
befanden, auf dem ferner 51 Stuten, 3 Beschälhengste, 16 Zugochsen,
50 Kühe, 260 Schweine und 150 Schafe etc. gehalten wurden, befanden
sich an Ackerwerkzeugen in allem nur 2 Äxte, 2 breite Hacken, 2 Boh-
rer, 1 Beil, 1 Schnitzmesser, 1 Spindelhobel, 1 Ziehklinge, 2 groſse und
2 kleine Sicheln, 2 mit Eisen beschlagene Holzschaufeln 1). Weder ein
Wagen noch ein Pflug befand sich auf dem Gute.


So gering war der Besitz an eisernen Werkzeugen selbst auf den
gröſsten Fürstengütern. Auf Karls des Groſsen Kammergut Stephans-
wörth, das 740 Morgen Ackerland und einen enormen Viehstand hatte,
fanden sich nur 27 groſse und kleine Sicheln und 7 breite Hacken als
Werkzeuge zur Feldarbeit.


[730]Die Germanen.

Der Eisensteinbergbau im frühen Mittelalter.


Die Eisenerze, aus welchen das Eisen ausgeschmolzen wurde, fanden
sich im eigenen Lande und wurden teils an der Oberfläche gesucht
und aufgelesen, teils gegraben.


Über den Bergbau der vorkarolingischen und der karolingischen
Zeit haben wir nur spärliche Nachrichten. Manche der alten Berg-
werke, die schon zur Römerzeit bestanden hatten, wurden von den
Germanen fortbetrieben, so scheinen z. B. die norischen Bergwerke nie
ganz erlegen zu sein, trotzdem ein germanischer Stamm nach dem
anderen in das Land brach. Rugier, Heruler und Alemannen über-
fielen im 5. Jahrhundert das Land, bis die Gothen 495 das Land er-
oberten. Der ruhige Besitz dauerte aber nur bis zum Jahre 526. Als
nach vorübergehenden Einfällen der Hunnen und Avaren dann im
6. und 7. Jahrhundert die Slaven den Ostgothen den Besitz wieder
entwunden hatten, lernten auch diese bald das norische Eisen zu ver-
arbeiten. Doch wurden sie schon vor dem Beginn des 8. Jahrhunderts
von austrasischen Bojuvaren besiegt.


Vom Jahre 712 datiert erst wieder die erste urkundliche Nach-
richt des steyrischen Bergbaues und von da ab besteht eine Kontinuität
der Überlieferung. Daſs aber in der Zeit der gothischen Herrschaft
der norische Bergbau nicht ruhte, geht aus den Verordnungen König
Theodorichs für seine Waffenschmiede, armorium factores, hervor 1).
Ebenso ist es keinem Zweifel unterworfen, daſs die norditalienischen
Waffenfabriken, welche das Material für ihren Stahl aus Noricum be-
zogen, während der Völkerwanderung erhalten blieben, denn nur durch
den Besitz dieser alten Industriestädte erlangten die Longobarden ihre
vorzügliche, überlegene Bewaffnung, von der Paulus Diaconus sagt 2):
„Arma quaeque praecipua sub rege Alboino fabricata fuisse a multis
narratur“. Daſs aber auch die Slaven die reichen Eisenbergwerke im
Revier von Vordernberg in Steyermark und von Hüttenberg in Kärnten
ausbeuteten, geht nicht nur aus vielen noch heute bestehenden Namen
von benachbarten Orten und Bächen hervor, sondern es haben sich
sogar bis heute einzelne slavische Namen für technische Verrichtungen
und Werkzeuge erhalten 3). Der Überlieferung nach soll früher zu
[731]Eisensteinbergbau.
beiden Seiten des Hochaltars der Pfarrkirche zu Eisenerz in Steyermark
eine Inschrift sich befunden haben folgenden Inhalts:


„Dies löbliche, edle und weitberühmte Eisenbergwerk des inner-
bergischen Eisensteins ist erfunden worden nach Christi Geburt im
712. Jahre, und diesem zu stetem Gedächtnis wurde diese Renovation
im Jahre 1632 als seiner Erfindung im 920. Jahre gestellt! Gott sei
für seine reiche Gnade und Gabe ewig Lob, Ehre, Preis und Dank
gesagt. Amen!“


Ferner soll sich im Archiv der Stadt Steyer an der Enns eine
uralte deutsche Schrift befunden haben, welche im Jahre 1491 bei der
Ausbesserung des Pfarrthurmes im Knopf gefunden wurde, in der es
heiſst: „Es ist sonderbar notabel, daſs das Eisenbergwerk am Erzberge
im Jahre 712 ist erfunden und seither ohne Abgang und Mangel be-
arbeitet worden und noch bearbeitet wird.“ Diese Mitteilungen sind
zwar nur traditionell, doch liegt kein Grund vor, ihre Richtigkeit in
Zweifel zu ziehen. Wahrscheinlich datiert von dem Jahre 712 an der
regelmäſsige Besitz und Betrieb der bojuvarischen Deutschen, die von
da ab ohne Unterbrechung Herren dieser Gegend blieben.


Die urkundliche Geschichte des Erzberges bei Eisenerz beginnt
erst später als die des Hüttenberger Erzberges in Kärnten und zwar
in aktenmäſsiger Form erst im 12. Jahrhundert. Wir werden deshalb
von dieser später handeln.


Der Überlieferung nach sollen die Eisengruben am Hüttenberg
zwei Meilen von Friesach schon im 6. Jahrhundert bestanden haben.
Auch die Goldbergwerke bei Friesach, die urkundlich bereits 1073
bestanden haben, sollen angeblich schon im Jahre 550 eröffnet wor-
den sein.


Karl der Groſse teilte das frühere Noricum in Grafschaften ein
und Carantanium oder Kärnten kam unter die unmittelbare Verwal-
tung der Franken. Sein Sohn König Ludwig der Fromme machte die
ersten Schenkungen in der Hüttenberger Gegend an das Erzstift Salz-
burg durch Schenkungsurkunde an Erzbischof Adalram vom Jahre 831.
Obgleich der Hüttenberger Erzberg nicht ausdrücklich genannt ist, so
scheint er doch mit inbegriffen zu sein. Jedenfalls war der Hütten-
berg mit allen daranhängenden Rechten bei der Schenkung des Königs
Otto an Erzbischof Herold im Jahre 953 mit einbegriffen. Die ältesten
Eisensteinbergwerke, welche als Besitztum des Erzstiftes Salzburg
urkundlich erwähnt werden, befanden sich am Gammeringberg im
oberen Ennsthal und werden 890 zuerst genannt. Kaiser Arnulph giebt
dem Hochstift Salzburg das Recht die fiskalischen Gruben am Gam-
[732]Die Germanen.
meringberg zu betreiben, ohne daſs ein Zins dabei erwähnt wird.
Münnichsdorfer hält die Angabe, daſs der Mons gamanana in der Ur-
kunde König Arnulphs der Gammeringberg im Ennsthale sei, allerdings
für irrig und behauptet, daſs darunter die Gegend bei St. Leonhard im
Lavantthal gemeint sei 1). Die deutschen Kaiser betrachteten sich in
Noricum als Rechtsnachfolger der römischen Imperatoren und erhoben
dieselben Zehnten (in Dominicum). Obersteier war zum gröſsten Teil
kaiserliches Fiskalgut. Daher die vielen Schenkungen an Klöster vom
9. Jahrhundert an. Gaugraf Alberich (Abberich) trat 931 an die Erz-
kirche des Klosters Admont eine Hube am Gammeringberg mit Eisen-
minen ab, so daſs jeder Dienstmann des Erzstiftes ohne Zins und Frohn
dort Erz gewinnen und schmelzen konnte (flatum ferri fodere sinc censu).
Die ersten urkundlichen Verleihungen kommen erst im Anfang des
11. Jahrhunderts in jenen Gegenden vor. In dieser Zeit wird bereits
der Eisenbergbau zwischen Afflenz und Mariazell genannt und ebenso
alt ist der Grubenbetrieb in Admont und Johnsbachthal, den Heinrich II.
dem Grafen Wilhelm und seiner Mutter als Regale verlieh.


Für uralt hält man den Bergbau in Tirol, der sich mit Sicherheit
bis ins 9. Jahrhundert zurückführen läſst. Im Stadtgerichtsbezirk von
Trient liegt ein Dorf Fornaſs (Fornace), das schon 845 aufgeführt
wird, indem in einer Urkunde aus diesem Jahre ein Ontari de For-
naces als Zeuge erwähnt ist. Sicherlich hat der Ort seinen Namen
von Eisenöfen, die dort standen.


Wie in den Norischen Alpen die Eisengewinnung sich aus der
Römerzeit her ohne wesentliche Unterbrechungen erhalten hat, so war
dies ebenso in Böhmen und Mähren der Fall, wo Markomannen, Gothinen
und Quaden das Eisen des Landes verwendet hatten. Über den böh-
mischen Bergbau liegen sogar alte, historische Notizen vor. Die
Chronik des Wenzel Hazek berichtet: „Im Jahre 677 entdeckte Botack,
ein Mann aus den Kroken des anderen böhmischen Herzogs Geschlecht,
Eisenstein, sammelte den Stein und verschmolz ihn auf Eisen.“


Derselbe berichtet auch, daſs die Goldwäschen in Böhmen im Jahre
685 im Gang gewesen sind und daſs im Jahre 685 die armen Leute
Gold aus den Wasserflüssen gewaschen hätten. Im 8. Jahrhundert war
auch bereits regelmäſsiger Bergbau auf Golderze dort im Schwung,
z. B. zu Kascha 716, und zu Kolan waren Bergwerke von 734 an 14 Jahre
in Ausbeute. Über den böhmischen Eisensteinbergbau berichtet weiter-
hin die Chronik: „Im Jahre 777 wurde einem Mann Namens Hessen ein
[733]Eisensteinbergbau.
trefflicher, reicher Eisenstein gebracht. Er lieſs ihn graben, über
einen Haufen legen und brennen; es konnte aber niemand etwas dar-
aus machen. Der Eisenstein war gar reich befunden und diese Arbeit
war dermaſsen gemein, daſs man konnte auf einem Eisen das andere
schmieden. Die Berauner suchten daher den Eisenstein mit Fleiſs,
wie denn dessen im selben Jahr viel funden worden.“


Der uralten Eisengruben in den Sudeten haben wir erwähnt.
Ebenso soll die Eisengewinnung bei Horzowitz sehr alt sein.


Wie im südöstlichen Deutschland, so erhielt sich römische Eisen-
gewinnung kontinuierlich von den Römerzeiten her in Westdeutschland,
insbesondere am Rhein. Die Kontinuität der Eisengewinnung im Berner
Jura von vorrömischer, römischer und mittelalterlicher Zeit ist durch
die früher angeführten Ausgrabungen von Quiquerez nachgewiesen. Ein
ähnliches Verhältnis zeigte sich im Eisthal in der Nähe von Eisenberg in
der bayerischen Rheinpfalz. Dort findet sich ein ausgedehntes Hügel-
gräberfeld. Zwischen den westlichen und älteren Grabhügeln 1), —
von denen die ersteren Bronzen mit Leichenbeisetzung, die letzteren
Bronze, Eisen und Leichenbrand zeigen — liegen mächtige Hügelhaufen
von stark eisenhaltigen Schlacken. Sie haben einen Umfang von 70
bis 80 m und eine Höhe von 3 bis 4 m und sind die Reste alter Eisen-
schmelzen, wahrscheinlich gleichzeitig mit dem östlichen Grabfeld, in
dem sich bereits Eisen findet. Diese Schlackenhügel entsprechen denen
der Schweiz und des Jura. Ein in der Nähe an der Straſse von Ramsen
nach Alsenborn oberhalb des Kleehofes befindlicher Erdaufwurf, 6 bis
7 m hoch und von 30 m Durchmesser erinnert an den oben beschrie-
benen Kalosenkippel bei den Eisenschmelzen der Salburg. Eisenberg
selbst, wo sich heute die Eisenwerke der Herren von Gienanth befinden,
ist überreich an Erinnerungen an die Römerzeit, davon zeugen In-
schriften und Votivaltäre, vor allem aber die Massen von Bronzen,
Gefäſsen und Münzen, die dort gefunden werden. Die Münzen bilden
eine ununterbrochene Reihe von den ersten Kaisern und vorher bis zu
den sogenannten Arkadienmünzen. Am stärksten ist das 6. Jahr-
hundert vertreten. Als Schluſs ergiebt sich für die Gegend vom Ur-
sprung der Eis bis nach Eisenberg eine ununterbrochene starke
Ansiedelung einer industrieellen mit Töpferei und Eisenfabrikation
beschäftigten Bevölkerung.


[734]Die Germanen.

Eisenschmelzen.


Ob die Eisenschmelzen am Dreibuchenborn bei der Salburg noch
nach der Vernichtung des Römerkastells fortbestanden haben, ist
ungewiſs. Sicher aber ist, daſs im achten Jahrhundert und wohl weit
früher Eisenschmelzen in dem benachbarten Weilthal, von wo ja
die Schmiede von Dreibuchenborn schon in römischer Zeit ihr Erz be-
zogen hatten, im Betriebe waren. Denn das berühmte Urkundenbuch
des Klosters Lorsch berichtet aus dem Jahre 780 1):


„In villa Wilene sunt hubae tres, quae solvunt ferri frusta XXXII
et unciam unam.“ Drei Hübner zu Weilmünster (oder Weilnau? 2) im
Amt Weilburg muſsten damals eine jährliche Abgabe von 32 Schirbel
1 Pfund an das Kloster entrichten. Die zu den Höfen gehörigen Eisen-
schmelzen bestanden schon damals und wohl schon lange Zeit zuvor.
Ebenso wird frusta, Schirbel, Massel, das landesübliche Gewicht der
Luppen, wie sie in den Handel gebracht wurden, als etwas Bekanntes
angegeben. Auch dies deutet auf alte Übung. Ebenso blühte um
dieselbe Zeit bereits der Eisenbergbau in dem benachbarten Kreise
Wetzlar. Denn die Lorscher Chronik meldet, unter König Karl und
Abt Helmerich (regierte von 780 bis 785) schenkte ein gewisser Adelolt
dem Kloster Lorsch den dritten Teil seiner Eisensteingrube in der
Gemarkung Wannendorf: „Sub rege Carolo et abbate Helmerico dedit
in pago Longenehe in marca Wannendorf Adelolt tertiam partem de
sua mina ad faciendum ferrum.“ Der Ort Wannendorf lag zwischen
Wetzlar und Ober- und Niederwetz in dem vormaligen Solmsschen
Amte Braunfels, kam durch die Rheinbundakte 1806 an Nassau, wurde
aber 1815 an Preuſsen abgetreten.


Rinmann nimmt an, daſs die erwähnte Grube im Grubenfelde Juno
bei Nauborn gelegen habe, in welchem Reste von altem Bergbau be-
kannt sind. Derselbe schreibt ferner 3): „Es liegen unzweifelhafte
Zeugnisse dafür, daſs in jenen alten Zeiten in der Gegend von Wetzlar
die Rennarbeit schon in ausgedehntem Maſs betrieben worden ist, in
den noch vorhandenen Resten der Schmelzhütten vor. Man kennt
nämlich im dortigen Revier bereits gegen 60 Lokalitäten, und manche
[735]Eisenschmelzen.
werden wahrscheinlich noch aufgefunden werden, an welchen sich mit
Dammerde, verwestem Laube und Graswuchs bedeckte Anhäufungen
von scharfkantigen eigroſsen Roteisensteinbrocken und von sehr eisen-
reichen Schlacken dicht bei einander finden. Die Eisensteinbrocken
tragen die Spuren einer sorgfältigen Scheidung und sind immer von
vorzüglicher Qualität. Diese Anhäufungen befinden sich nicht selten in
beträchtlicher Entfernung von den Roteisensteinlagerzügen, z. B. bei
Dreisbach, bei Greifenstein, am Fürstkopf bei Oberwetz, bei Ebersgöns,
bei Schwalbach am Dünstberge, bei Frankenbach, an dem Mittelhardt
zwischen Biedenkopf und Breidenbach u. s. w. Am Roſsberge bei
Braunfels, im Grubenfelde Ottilie. befindet sich auf einer solchen An-
häufung der fast verweste Stumpf einer kolossalen Eiche, deren Wurzeln
dieselbe durchdringen. Es müssen also nicht wenige Jahrhunderte,
vielleicht mehr als ein Jahrtausend vergangen sein, seitdem der Betrieb
der hier vorhanden gewesenen Schmelzstätte eingestellt worden ist.“


Weitere urkundliche Nachrichten aus dieser Gegend liegen vor
über den Bergbau von Möttau im Amte Weilburg, das der Abtei Fulda
zinspflichtig war. In einer Nachricht vom Jahre 912 wird aufgeführt,
welchen Zins an Eisengerät Liti und Hüfner von Möttau entrichten
müsssen: „Pagi Loganagewe, seu Loqanacinse mentio fit in vita Sturmi
abbatis diciturque jacere probe Coenobium Fuldense: in eo praefec-
turam gessit Otto comes anno DCCCCXII quo frater ejus Conradus I.
Rex obtinuit, ut communi illorum genitrici Glismuodae, concederentur
de rebus S. Bonifacii ibidem in usum fructum, loci sequentes Altin-
chiricha (Altenkirchen), Mestineshusa (d. Magdalenenhäuser Hof), Liuna
(Leun), Niunkiricha (Neunkirchen bei Bonbaden), Mittin (Möttau), de hoc
postremo, sic habet vetus Polyptichon: In Mitti territoria II lidi XXIII
singuli L frusta ferri debent et II gallinas cum X ovis. Hubae IV sin-
gulae X frusta ferri, I galinam cum X ovis, insuper III hubae, quae XC
frusta ferri debent etc.“


Es muſsten also 30 Liti und Hüfner 1310 Schirbel Eisen liefern,
worauf man auf den bedeutenden Umfang des Möttauer Eisenbetriebs
in jener frühen Zeit schlieſsen kann.


Auch im Odenwalde erwähnt das lorscher Urkundenbuch bereits
im Jahre 773 einer „Arezgrefte“, einer Erzgrube.


Die Fuldische Chronik berichtet fernerhin über uralte Eisen-
gewinnung zu Kirchbracht (Amt Birstein 1).


[736]Die Germanen.

Ebenso erfahren wir vom Eisensteinbergbau am Main in der ersten
Hälfte des 9. Jahrhunderts durch Ottfried von Weiſsenburg aus der
Vorrede zu seinem Evangelienbuch:


„Zu Nuzze grebit man auch thar (am Rhein)

Er inti Kupfer,

Io bi thia Meina

Isine steina.

Auch thara zua fuagi

Silabar grinuagi,

Joch lasent thar im Lande

Gold in ihre Sante.

Und wenn Graf Warin als Vogt des Maingaues in Biberau 330
Leibeigene verschenkt, so dürften dies vielleicht Berg- und Eisenarbeiter
gewesen sein. Am Niederrhein sollen der Sage nach Eisenwerke die
Veranlassung zur Erbauung der Stadt Stollberg bei Aachen im Jahre 530
gegeben haben.


Auch in gröſserer Entfernung von dem römischen Gebiete sind
uralte Eisenbetriebe bekannt. Der Stahlberg bei Schmalkalden soll
der Tradition nach seit dem Jahre 385 im Betriebe sein. In Thüringen
gehörten ferner die Eisenwerke bei der alten Waffenstadt Suhl zu den
ältesten in Deutschland.


Zur Zeit Karls des Groſsen bestand bereits der Bergbau in Meiſsen.


Ebenso muſs im Erzgebirge der Eisensteinbergbau uralt sein. Die
Sarepta des Johannis Matthesii giebt davon Zeugnis. In der Predigt
„von Eisen und Stahl“, die dieser originelle Bergprediger im Jahre 1558
zu Joachimsthal hielt, nämlich in dem Jahre, in dem die Kaiserkrone
an Ferdinand gefallen sei, heiſst es: „Es beweisen auch die alten
Eisenschlackenhaufen, darauf kleffterige Bäume stehen
,
daſs man vor Zeiten den Sachen so genau noch nicht nachkommen,
weil man jetzt sehr gut Eisen daraus machet, wenn man die alten
Schlacken und Sinter pochet und gar zu Mehl machet und wieder
wäschet und arbeit, wie man aus den Hallen zu Ebersdorf viel Zihn
(Zinn) gemacht, seit das Puchwerk aufkommen sein.“


Ähnlich hat man zu Anfang dieses Jahrhunderts auf der Kreutz-
burger Hütte in Oberschlesien gleichfalls eine mächtige, ungebrochene
Eiche gefunden, die auf einer Halde von Eisenschlacken gewachsen
war und über 600 Jahresringe trug.



[737]Arbeiterverhältnisse.

Der Erzberg bei Amberg wird schon 931 urkundlich erwähnt und
war die Gründung der Stadt Amberg wahrscheinlich durch die reichen
Eisengruben veranlaſst, die im Mittelalter zu hoher Bedeutung ge-
langten.


Indem wir die Zusammenstellung der ältesten Eisenbergwerke
in Deutschland hiermit beschlieſsen, müssen wir es der Spezialforschung
überlassen, diese Aufzählung, die jedenfalls nur lückenhaft ist, zu ver-
vollständigen. Unser Zweck war nur, nachzuweisen, daſs bereits im
frühen Mittelalter kein unbedeutender Eisensteinbergbau und eine an-
sehnliche Eisengewinnung in Deutschland bestand, die ganz im Ver-
hältnis zu dem wachsenden Gebrauch dieses Metalles, besonders zu der
immer vollkommener werdenden Eisenbewaffnung, sich entwickelte.


Arbeiterverhältnisse.


Ehe wir zu der späteren Geschichte des deutschen Eisenbergbaues
und des Bergrechtes übergehen, wollen wir die Arbeiterverhältnisse,
soweit sie sich auf den Bergbau und die Schmiedearbeit beziehen, einer
näheren Betrachtung unterziehen.


Der Sieg der Germanen über die Römer stellte erstere an die
Spitze auch der industriellen Entwickelung Europas. Vornehmlich
geschah dies, seitdem die Franken sich die Hegemonie unter den Ger-
manen errungen und die starke Hand Karls des Groſsen die meisten
deutschen Stämme zum erstenmal freilich gewaltsam vereinigt hatte.


Aber nicht nur die äuſsere Geschichte war von Wichtigkeit für
die Entwickelung der Eisenindustrie, wichtiger noch war der innere
Gestaltungsprozeſs, die Ausbildung der freien Arbeit an Stelle der
alten Sklavenarbeit. Auch bei den alten Germanen bestand die
Sklaverei. Da jedoch die Ordnung der Familien und Gemeinden noch
streng patriarchalisch gehandhabt wurde, so war die Stellung des
Sklaven in Wirklichkeit nicht so drückend. Die leibeigenen Knechte
standen dem Herrn des Hofguts kaum in gröſserer Abhängigkeit und
härterer Zucht wie die jüngeren Familienmitglieder selber gegenüber.
Als Ware wurde bei den Germanen ein „Schalk“ niemals betrachtet,
wenn er auch gegen seinen Herrn recht- und schutzlos war. In Bezug
auf Bildung und Lebensbedürfnisse war der Unterschied zwischen
Herrn und Sklaven auch noch nicht groſs. Darum betrachtete der
deutsche Freie seinen Knecht als zu seinem Hause und zu seiner
Beck, Geschichte des Eisens. 47
[738]Das frühe Mittelalter.
Person gehörig und schützte ihn gegen jeden Fremden. Es herrschte
bei den Germanen jenes natürliche Verhältnis der Leibeigenschaft, wie
es sich bei allen ackerbautreibenden Völkern entwickelt hat und wie
es in der ältesten Zeit auch bei Griechen und Römern bestand. Erst
dadurch, daſs die Phönizier den Menschen zu einer Ware erniedrigten,
mit der sie Handel trieben, gewöhnten sich auch die Mittelmeervölker
daran, die Sklaven als Sachen anzusehen, denselben nicht einmal in
den menschlichsten Dingen eine Gleichberechtigung zuzuerkennen
und in ihnen die eigene Menschenwürde verachten zu lernen. Dies
geschah um so rascher da, wo das ursprüngliche Abhängigkeitsverhält-
nis von der Scholle, die Zugehörigkeit zu einem gewissen Grundbesitz,
kurz die Seſshaftigkeit der Leibeigenen aufhörte, wie das namentlich
mit der Bildung der Städte und der Lostrennung selbständiger Ge-
werbe eintreten muſste. Dadurch erst verlor die alte Leibeigenschaft
ihren ursprünglichen Charakter und wurde zur unwürdigen Sklaverei.


In Deutschland hat aber die Sklaverei in dieser Form nie existiert.
Weder konnte ein System der Arbeitssklaven in der Form, wie wir es
bei den Bergwerkssklaven der Alten kennen gelernt haben, jemals
Wurzel fassen, noch gab es Haussklaven, denen solche schamlose Ver-
richtungen zugemutet wurden, wie dies bei den frivolen Römern der
Kaiserzeit der Fall war.


Die Bergwerksarbeiter in Deutschland haben überhaupt niemals
in dem Verhältnis der strengen Leibeigenschaft gestanden, sondern
höchstens in dem der Hörigkeit. In dem Umstande, daſs sich schon
frühe bei den Germanen die Verhältnisse der Leibeigenschaft und der
Hörigkeit als zwei verschiedene Grade der Unfreiheit entwickelten,
liegt mit eine wesentliche Ursache, daſs die Sklaverei in ihrer
schroffen Form sich nie hat entwickeln können. In dem Verhältnis
der Hörigkeit standen ursprünglich Alle, die auf dem Grundbesitz eines
Anderen ansäſsig waren, vornehmlich alle bei der Eroberung eines
Landes Unterworfene. So lange der Grundbesitz die einzige Form
des Vermögens und die Bearbeitung des Bodens die einzige Erwerbs-
quelle war, blieb dieses Verhältnis bestehen; als sich aber ein gröſserer
Handel entwickelte, als Städte entstanden und ein selbständiger
Handels- und Gewerbsbetrieb in Aufnahme kamen, da hörte, wenn
auch erst nach blutigen Kämpfen, diese Art der Hörigkeit auf und ge-
rade aus diesen selbständig gewordenen Hörigen entwickelte sich der
Kern des deutschen Bürgerstandes. Dieser Übergang wird bei dem
deutschen Gewerbewesen noch ausführlicher dargestellt werden. Hier
ist er nur insofern von Wichtigkeit, als er auch die Stellung der Berg-
[739]Arbeiterverhältnisse.
leute beeinfluſst hat. Indessen waren von Anfang an die Bergarbeiter
in einem loseren persönlichen Abhängigkeitsverhältnis als die Acker-
bauer oder die Hofleute. Die alten Bergwerke wurden zwar stets von
fremden Eroberern sogleich als Eigentum angesprochen, meist jedoch
von den ansäſsigen und eingeborenen Arbeitern weiter betrieben. Sie
traten allerdings in ein gewisses Hörigkeitsverhältnis, doch war dieses
um so leichter, als der Eroberer zunächst auf die Geschicklichkeit der
Bergleute angewiesen war, da dieselben bei den gesellschaftlichen Zu-
ständen der Germanen meist nicht ersetzt werden konnten. Bei diesen
Bergarbeitern, die in der Nachbarschaft dieser Bergwerke ansäſsig
waren, bildete sich schon früh eine Art von Korporationsgeist aus, be-
dingt sowohl durch den gemeinschaftlichen Beruf, als durch die soziale
Stellung und oft auch durch den Umstand, daſs sie den Siegern
stammesfremd waren. Dieser Korporationsgeist dokumentierte sich
zunächst in der eigenen Kleidung, die sie nicht nur bei der Arbeit,
sondern auch auſser der Arbeit trugen. Vermutlich war diese Kleidung
nichts anderes, als die gebräuchliche Tracht ihrer Vorfahren, der vor-
germanischen, bergbautreibenden Urbevölkerung. Dieser Korporations-
geist führte ferner zu einer Organisation der Arbeit und zu einer Art
Selbstverwaltung. Da aber die Bergwerke zu einem immer wichtigeren
Teil des fürstlichen und des nationalen Vermögens wurden, da ferner
die Technik des Bergbaues in Deutschland rasche Fortschritte machte,
die als eine Kunst des Standes gepflegt wurde, so daſs zu der Berg-
arbeit ein gewisses Maſs von Kenntnissen erforderlich war, die nur ein
gelernter Häuer besitzen konnte, so kam es, daſs sich der Stand der
Bergleute früher von dem Verhältnis der Hörigkeit losmachen konnte,
als irgend ein anderer Arbeiterstand; daſs er zu einem freien Stande
wurde, der sich sogar mannigfaltige Sonderrechte erwarb, der von
Fürsten gepflegt und von der Bevölkerung geachtet wurde. Auf diese
Weise wurde in Deutschland bald sehr im Gegensatze zu dem Verhält-
nis im Altertume die beschwerliche Arbeit des Bergmannes nicht mehr
als die schimpflichste, sondern als die ehrenvollste Beschäftigung an-
gesehen, zum Teil gerade darum, weil sie die gefahr- und mühevollste war.


Über die Stellung, welche die Hüttenleute, die Eisenschmelzer in
ältester Zeit einnahmen, läſst sich kaum etwas Bestimmtes sagen.
Nach den Angaben der Lorscher und Fuldaer Chroniken scheinen sie
meist Hörige (liti) gewesen zu sein, die indes ihr Gewerbe selbständig
betrieben. Auch sie verrichteten ihre beschwerliche Arbeit „im ein-
samen Waldthale“ oder vielmehr mitten im Walde, abseits gröſserer
Verkehrsplätze und es war selbstverständlich, daſs sie auch zugleich
47*
[740]Das frühe Mittelalter.
ihre eigenen Kohlen brannten, so daſs sie wohl nicht anders gelebt
haben mögen, wie unsere Waldköhler. Ein ganz anderes Bild gewährt
die soziale Stellung der Eisenschmiede.


Während bei dem einfachsten Zustande der menschlichen Gesell-
schaft jeder seine Bedürfnisse selbst zu befriedigen suchte, so sehen
wir doch schon in sehr frühen Zeiten gewisse technische Geschäfte
gewerbsmäſsig betrieben. Bei den Israeliten gab es bereits Gold-
und Silberarbeiter, Salbenbereiter, Töpfer, Walker, Zimmerleute und
Schmiede. Bei den Phöniziern auſser diesen noch Purpurfärber, Köche,
Bäcker und Bordellwirte, die singende und musizierende Frauen und
Mädchen hielten, welche sich für Rechnung ihres Herrn zur Prostitu-
tion hergaben. In Rom wurden Grobschmiede, Gold- und Silber-
schmiede, Zimmerleute, Bauleute, Barbiere, Bäcker, Schiffsrheder, Ge-
treidemesser, Sackträger, Maultiertreiber, Mietkutscher (cisarii) und
Obsthändler als stehende Gewerbe genannt. Die Entstehung von
Städten wäre ohne einen gewerbsmäſsigen Geschäftsbetrieb fast undenk-
bar gewesen.


In jenen Ländern, wo Sklavenarbeit in groſsem Maſse verwendet
wurde, hielten sich zwar die Reichen Handwerkssklaven, doch konnte
dies die Entwickelung selbständiger Handwerkerstände nicht hindern.
So sehen wir z. B. in Rom die Handwerker, die allerdings eine ver-
achtete Klasse der Einwohnerschaft bildeten, in alter Zeit zu Korpo-
rationen mit eigentümlichen Institutionen und Rechtsinstituten ver-
einigt. Doch diente diese Form der Korporationen im alten Rom mehr
zur Einschränkung als zur Befreiung des Handwerkerstandes.


Ganz abweichend, aber von hoher Wichtigkeit für den ganzen
Fortschritt Europas war die Entwickelung des freien Gewerbe-
standes bei den Germanen
insbesondere in Deutschland. Die-
selbe übte auch auf die Entwickelung der Eisenfabrikation einen groſsen
Einfluſs aus.


Bei den alten Germanen gab es noch kein freies Gewerbe, sondern
die technischen Arbeiten wurden von leibeigenen Sklaven ausgeführt.
Indessen geht schon aus den ältesten, gesetzlichen Bestimmungen her-
vor, daſs der leibeigene Handwerker höher galt, als der Knecht, der
den Boden bebaute. Wer einen Schmied, der öffentlich bestätigt war,
erschlug, muſste nach den alemannischen Gesetzen, die 613 bis 628
gesammelt wurden, dies mit 40 Solidus büſsen 1). Dies war zwar nur
circa 50 Thaler nach unserem Gelde, aber es war der vierte Teil des
[741]Arbeiterverhältnisse.
Sühngeldes, das für den Todschlag eines Freien gezahlt werden
muſste. Neben dem Grobschmied wurde nur noch der Bäcker und
der Goldschmied zu gleichem Preise geschätzt. Aus dem Zusatze „qui
publice probati sunt“ geht hervor, daſs schon damals sich die Schmiede
einer öffentlichen Prüfung nach Art der Meisterprüfung unterziehen
muſsten.


Ähnliches findet sich in anderen alten Gesetzen; so wird im sali-
schen Gesetze, welches wahrscheinlich schon aus dem sechsten Jahr-
hundert stammt, der Hausmeier, der Marschall, der Eisen- und Gold-
schmied, der Zimmermann, der Winzer und der Schweinehirt, ein jeder
zu 25 Solidus geschätzt 1). Im burgundischen Gesetze, dessen Ab-
fassung wahrscheinlich ebenfalls noch ins sechste Jahrhundert fällt, ist
der Eisenschmied zu 50, der Silberschmied zu 100, der Goldschmied
zu 150 Solidus taxiert. Einem leibeigenen Handwerker konnte auch
gestattet werden, für andere öffentlich zu arbeiten; beging aber ein
solcher leibeigener Schmied eine Unterschlagung an dem anvertrauten
Eisen, so hatte der Herr für den Ersatz zu stehen oder der Knecht
muſste an den Kläger ausgeliefert werden. Mitunter war es festgesetzt,
daſs ein Knecht drei Tage in der Woche für seinen Herrn arbeiten
muſste, während er die drei anderen Tage für sich arbeiten durfte 2).
Hierin lag schon eine groſse Lockerung des Abhängigkeitsverhältnisses.
Indessen waren die Bedürfnisse jener Zeit überhaupt noch sehr ein-
facher Art und wie gering der Bedarf an Eisengerät im friedlichen
Haushalt war, haben wir oben schon erwähnt. Aber wie sich von der
Regierungszeit Karls des Groſsen an in allen Gewerken ein Aufschwung
bemerklich macht, so namentlich in der Eisenschmiederei infolge der
Einführung allgemeinerer und besserer Bewaffnung. Noch waren die
meisten Gewerbtreibenden auf den Hofgütern ansäſsige Leibeigene. In
der berühmten Verordnung Karls, welche die Bewirtschaftung seiner
Güter reguliert (capitulare de villis), wird aber bereits neben den
Grobschmieden (fabri ferrarrii) ein neues Handwerk, das sich mit der
Verarbeitung des Eisens beschäftigte, erwähnt, nämlich die Schild-
macher oder Schilderer (scutatores), aus denen sich später das be-
deutende Gewerbe der Plattner und Panzerer entwickelt hat. Es ist
die erste Trennung des Eisengewerbes in verschiedene Zünfte in
Deutschland.


Im Jahre 812 werden an Karls Höfen bereits dreierlei Schmiede,
die Grobschmiede, die Schilderer und die Silberschmiede erwähnt, die
[742]Das frühe Mittelalter.
sich durch ihre Geschicklichkeit einen gröſseren Grad von Unabhängig-
keit erworben hatten.


Nachdem Karl das Frankenreich zum Kultur-Mittelpunkte der
germanischen Stämme gemacht hatte, regte sich überall neues Leben.
So trat denn auch damals zuerst in Deutschland das Bestreben der
Gewerbetreibenden hervor, sich zu gegenseitigem Schutz in Korpora-
tionen zusammenzuschlieſsen. Am frühesten hatten dies die Kauf-
leute
gethan, die in den deutschen Städten vielfach Ausländer,
namentlich Römer waren.


Daraus ergab sich selbstverständlich das Bedürfnis zu engerem
Anschluſs, dem man um so weniger entgegentreten konnte, da die
fremden Kaufleute nicht in derselben persönlichen Abhängigkeit stan-
den, wie die einheimischen Gewerbetreibenden. So schlossen sich die
Kaufleute in der Weise der alten Phönizier in den Städten, in welchen
der Handel blühte, zu Gilden zusammen. In Regensburg existierte
bereits im 8. Jahrhundert ein Kaufmannsviertel und eine Lateiner-
straſse. Ähnlich war es in Mastricht und den flandrischen Städten, wo
schon Gewerbe und Handel blühten, als im Inneren Deutschlands
noch kein anderes Recht geübt wurde, als das Hofrecht.


Wie sich die Kaufleute in Gilden zusammenschlossen, wie die
Geistlichen zu Mönchsorden sich vereinigten, so erstrebten auch die
Gewerbetreibenden ähnliche Verbindungen. Am frühesten griff dieses
Bestreben in Italien um sich. Bereits 779 erlieſs Karl der Groſse eine
Verordnung in den Gesetzen der Longobarden gegen die „eidlichen
Verschwörungen“ der gewerblichen Vereine und der Verbrüderung der
Gilden (gildonae) und Genossenschaften. In dem Kapitulare von
Frankfurt werden diese „Verschwörungen“ mit schweren Strafen belegt.
Durch diese strengen Verordnungen der Kaiser verschwanden aller-
dings diese Korporationen mehrere Jahrhunderte hindurch vor der
Öffentlichkeit um dann im 12. Jahrhundert um so kräftiger zu erstehen.
Das Genossenschaftswesen war ein wichtiger Hebel der Kulturentwicke-
lung im Mittelalter. Ein Hauptanstoſs ging von der Geistlichkeit aus,
die auch in anderen Beziehungen in Betreff der technischen Entwicke-
lung anregend wirkte.


In der christlichen Lehre lag das Prinzip der Gleichberechtigung
des Individuums. Praktisch brachte die Kirche dies dadurch zur Gel-
tung, daſs jeder, ob ein Freier oder ein Unfreier, Geistlicher werden
konnte. Nach dieser Richtung hin war das Christentum demokratisch
und revolutionär und führte nach und nach die vollständige Auflösung
des erblichen Abhängigkeits- und Kastenverhältnisses herbei.


[743]Arbeiterverhältnisse.

Die Korporationen der Ordensgeistlichen waren ein anregendes
Beispiel zur Bildung ähnlicher Genossenschaften auf anderen Gebieten.
Unmittelbar aber führte die Kirche zu der sozialen Umwälzung noch
dadurch, daſs die Klöster, die aller Orten entstanden, Grundbesitzer
wurden und als solche auf dieselbe Stufe und in dieselben Rechte wie
die adeligen Grundbesitzer traten. Sie übten indes ihre Herrenrechte
gegen die ansäſsigen Hörigen mit viel gröſserer Milde als die ange-
sessenen Grundbesitzer aus. Dies geschah schon aus Klugheit, um
Arbeiter auf ihre Besitzungen zu locken und sie verfuhren gegen diese
mit solcher Schonung, daſs sogar viele ärmere Freie sich ihrer Frei-
heit begaben und aus eigenem Entschluſs in den Dienst der Klöster
und Kirchen traten. Denn durch die Centralisation der Gewalt, durch
die strenge Regierung kaiserlicher Beamter und durch die vermehrte
Besteuerung waren für die weniger begüterten Freien ihre Privilegien
mehr eine Last als ein Vorzug geworden. Der Heerbann, welchen der
Freie zu leisten hatte, wurde durch die erhöhte Anforderung der Be-
waffnung eine kostspielige und beschwerliche Verpflichtung, die dem
kleinen Grundbesitzer zu einer groſsen Bürde wurde. So kam es, daſs
der freie Bauernstand sich minderte und ihr Besitz teils dem Adel,
teils der Kirche anheimfiel. Der Bauer trat aber lieber in ein Hörig-
keitsverhältnis zu der Geistlichkeit als zu dem Adel, wie dies schon
die alte Redensart bezeugt: „Unter dem Krummstab ist gut wohnen.“
Die Kirche schützte den abhängigen Teil der Gesellschaft gegen die
Vergewaltigung des Adels und sorgte für ihn in mannigfacher Art.
Wie aber die kleinen Freien sich gern um Kirchen und Klöster an-
siedelten und so Gemeinden und Kirchdörfer gründen halfen, so wurden
andererseits die Kirchen an den Feiertagen die Veranlassung des Zu-
sammenströmens der ganzen Nachbarschaft, auch der entlegeneren Hof-
bauern. Daſs diese dabei zugleich ihre notwendigen Einkäufe machten,
war natürlich und es fanden sich deshalb an solchen Tagen hausierende
Händler, die ihre Waren feilboten, in gröſserer Zahl ein. So entstanden
die Märkte, die man wegen der kirchlichen Feier, durch die sie ver-
anlaſst waren, selbst „Messen“ nannte. Diese „Messen“, die anfangs
von den Geistlichen nur geduldet, später aber sogar ausgebeutet wur-
den, waren ein wichtiges Erziehungsmittel für das Volk. Karl der
Groſse suchte vergeblich dagegen anzukämpfen, daſs die Märkte Sams-
tags abgehalten wurden.


Auch waren es schon um jene Zeit bereits die Juden, die haupt-
sächlich den Hausierhandel in Deutschland betrieben; selbst bei den
freien Sachsen trieben sie den Kleinhandel und noch mehr das Wechsel-
[744]Das frühe Mittelalter.
und Leihgeschäft. In den Städten am Rhein waren sie zu Karls des
Groſsen Zeit bereits so angesehen, daſs ihnen dieser Kaiser, obgleich
sie rechtlich auſser aller Gesellschaft standen, die Anlagen von Syna-
gogen zu Worms, Mainz und Trier gewährte. Für die Erlaubnis zu
Hausieren, muſsten sie das „Judengefäll“ bezahlen. Erst Heinrich IV.
bewilligte ihnen 1090 Zoll- und Abgabenfreiheit, sicheres Geleit und
das Recht, Handel zu treiben.


Auf der anderen Seite überlieſsen aber schon früh reiche Freie,
die ihr ganzes Gut nicht selbst bewirtschaften wollten, Leibeigenen
gröſsere Grundstücke gegen einen Erbzins. Diese bildeten wiederum
einen neuen Stand, die Erbzinsbauern oder Kolonen.


So wurden nach allen Seiten hin die Grenzen der alten Gesell-
schaftsklassen mehr und mehr verwischt. Gerade dadurch wurden indes
auch manche Gegensätze um so mehr geschärft, denn während die
unteren Klassen immer neue Rechte sich zu erwerben strebten, suchten
die Adeligen, deren Besitz sich vergröſserte und an Wert gewann, ihre
Rechte möglichst zu behaupten.


Wie sehr in den ersten Jahrhunderten des deutschen Kaisertums
die Klöster zugleich auch Pflanzstätten des Kunstfleiſses und der tech-
nischen Geschicklichkeit wurden, dafür giebt das berühmte Kloster
St. Gallen ein Beispiel, welches 954 in seinen weitläufigen, mit Türmen
geschützten Mauern die Werkstätten von Schmieden, Schustern,
Müllern, Bäckern, Walkern, Degenschmieden, Schildmachern,
Bierbrauern und Glasbrennern einschloſs. Diese Handwerker waren
Leibeigene des Klosters, aber ihre Arbeit war leicht, während ihnen
andererseits mancherlei geistliche Verpflichtungen auferlegt waren,
durch die indes ihr weltlicher Stand nicht alteriert wurde. Mehr und
mehr entwickelte sich die Selbständigkeit der Gewerbe mit dem Auf-
blühen der Städte. Noch unter den Karolingern wurden die alten
Industriestädte Soest, Herford, Mühlhausen im Elsaſs und Limburg an
der Lahn gegründet. Die Wichtigkeit fester Städte wurde aber in
Deutschland am meisten erkannt, als die Hunnen die Ostmark über-
schwemmten und die sächsischen Kaiser lieſsen es sich mit Eifer ange-
legen sein, befestigte Städte zu gründen, die sie mit mannigfaltigen
Privilegien versahen. Vor allem gebührt Heinrich I., dem „Städte-
gründer“, dieser Ruhm. Er hob die Städte besonders auch dadurch,
daſs er die Verwaltungen mit ihrem ganzen Beamtenpersonal in den-
selben vereinigte; er hielt ferner die gröſseren Versammlungen in den
Städten ab, feierte daselbst Feste und Gelage und versetzte die könig-
lichen Zoll- und Münzbehörden dorthin. Heinrich I. war es auch, der
[745]Arbeiterverhältnisse.
in den Städten geschickte Handwerker als „magistri“ einsetzte, die den
anderen „Knechten“ Unterricht erteilen sollten. Dafür erhielten sie
persönliche Freiheit, wenigstens war dies bei den Sachsen der Fall.
Ein groſses Verdienst der Sachsenkönige war endlich die Anlegung der
„Königswege“, groſser Landstraſsen, die aus dem Inneren Sachsens
nach den reichen Rheinstädten führten.


Rechtlich blieb die Hörigkeit der Handwerker in den ersten Jahr-
hunderten der Kaiserherrschaft bestehen. So kommt noch im Jahre
860 der Fall vor, daſs ein halber Schmied vertauscht wird, d. h. daſs
die Hälfte seiner Dienstleistungen von seinem Herrn leihweise abge-
geben wird. Dagegen konnten geschickte Arbeiter magistri werden,
die auſser gewissen nicht bedeutenden Abgaben und Dienstleistungen
für ihre Person frei waren. Auch das Kunststreben der Geistlichkeit
trug zur Hebung des Gewerbestandes bei. Bischof Bernward von Hil-
desheim lieſs zur Zeit Otto III. „Künstler“ in Schmelz- und Gieſs-
arbeiten ausbilden. In den Städten entwickelten sich wieder in der
Stille die Verbindungen der Gewerbetreibenden. Des bedeutsamen
Anstoſses hierzu durch die Kaufmannsgilden, welche infolge des Er-
blühens des Handels nach Besiegung der Slaven, Ungarn und Nor-
männern, in hohe Blüte kamen, ist bereits gedacht worden. Nament-
lich hatte Otto I. durch Bezwingung der slavischen Hauptfeste
Brandenburg, durch die Eroberung von Schleswig, durch die Einnahme
von Böhmen und die Gründung der Steiermark, die deutsche Kultur
einen groſsen Schritt nach Osten vorgeschoben. Damals handelte
Bremen bereits mit Dänemark und Schweden. Dortmund wird schon
983 als eine wohlbefestigte Stadt erwähnt und auch Duisburg erwarb
schon im zehnten Jahrhundert Stadtgerechtigkeit. Der Handel nach
Osten mit den Slaven war nicht unbedeutend. Den Handel nach
dem Orient bis nach Indien hin vermittelten die betriebsamen Avaren.
Der Hauptstapelplatz dieses Handels war die alte Römerstadt Lauria-
cum Lorch an der Donau. Deutsche Waffen wurden dort ausgetauscht
gegen Seidenzeuge, Purpurstoffe etc., die von Süden und von Osten her
der Donau entlang nach Westen gingen. Der nordische Seehandel,
der bei den Slaven besonders in der Hafenstadt Vineta geblüht hatte,
fiel in die Hände der Deutschen, wie es ähnlich mit dem Handel der
norditalienischen Städte gewesen war. Sachsen, Friesen und Niederländer
vermittelten sehr früh den Handel mit Dänemark und Schweden nach
Deutschland und Frankreich bis nach England hin. Für den deutschen
Handel mit England war Köln der Hauptstapelplatz. Schon im Jahre
1000 hatte Köln in London seine eigene Gildhalle, an diese bauten
[746]Das frühe Mittelalter.
sich später andere deutsche Städte, besonders Regensburg und Bremen
an und es entstand daraus die bereits angeführte Gildhalle der Deut-
schen, das sogenannte stillhouse, stillyard, der Stahlhof, der in Upper
Thames street nahe bei Londonbridge lag.


Dem Vorbilde Heinrichs I. in Bezug auf die Hebung der Gewerbe
eiferten namentlich die geistlichen Fürsten nach. Bischof Gerhard
von Konstanz setzte nicht nur die geschicktesten seiner leibeigenen
Handwerker den übrigen als Meister vor, sondern er verlieh auch schon
einzelnen Handwerksständen Vorrechte und Freiheiten. Das Verhält-
nis, in dem die Handwerker in dieser Übergangszeit standen, zeigt sich
deutlich an einem Beispiele von Straſsburg. Die Schmiede des dortigen
Bischofs waren nur verbunden bei Hof- und Heerfahrten Hufeisen und
Nägel zu schmieden, das Eisenwerk in der Pfalz an Thüren und
Fenstern, sowie das Gitterwerk am Bärenzwinger im Stande zu halten.
Bei Belagerungen waren sie verpflichtet, 300 Pfeile zu liefern, den
Mehrbedarf aber brauchten sie nur gegen Gewährung des Eisens und
der Beköstigung anzufertigen. Die Schlosser muſsten die Sperrketten
der Thore auf ihre Unkosten unterhalten. Die Schwertfeger hatten
die Waffen, Helme und das Jagdzeug des ganzen Hofes im Stande zu
halten. „Die Unfreiheit solcher Hörigen war so vollkommen wie ihre
Freiheit.“


Im 12. Jahrhundert endlich vollzog sich auch gesetzlich die Be-
freiung des Gewerbestandes. Vor allem geschah dies durch das
berühmte Privileg Kaiser Heinrichs V., das mit Gesetzeskraft im Jahre
1114 zu Worms das Recht auswärtiger Hofherren aufhob,
hörige Leute, welche sich hier in der Stadt als Einwohner
niedergelassen und in die Ehe getreten waren, eidlich als
ihr Eigentum anzusprechen
. Die Worte dieses wichtigen
Privilegs lieſs die ehrwürdige Stadt Worms in Messing gieſsen und
die vergoldeten Lettern über den Haupteingang der Kirche befestigen.


Natürlich gab dieses Privileg den Anstoſs zu zahlreichen ähnlichen,
denn jede groſse Stadt war eifersüchtig darauf, die gleiche Konzession
zu erwerben.


Dadurch war die persönliche Freiheit sämtlicher Klassen der
städtischen Bevölkerung geschaffen. Rasch schlossen sich nun die
Gewerbetreibenden zusammen und die Verbände eiferten sich wechsel-
weise zur Thätigkeit an.


In demselben Jahrhundert sprach Papst Alexander III. die ewig
denkwürdigen Worte zu der ganzen Christenheit: „Da die Natur
alle Menschen frei geschaffen, so ist Niemand von Natur

[747]Das deutsche Bergrecht.
der Sklaverei unterworfen.“ Und wie muſste sich auch der
Niedrigste angespornt fühlen, als in einem und demselben Jahrhundert
erst 1124 ein Mann von gemeiner Herkunft als Lorenz II. den päpst-
lichen Stuhl bestieg, als 1154 der groſse Hadrian IV., zuvor ein Bettel-
knabe und ein leibeigener Knecht, seine päpstliche Herrschaft begann;
als der vorzügliche Erzbischof Ludolph von Magdeburg den Fürsten
Deutschlands als ein Muster vorleuchtete, obgleich er der Sohn eines
hörigen Bauern war.


In demselben Jahrhundert errangen sich die mit neuer Kraft
und neuem Geist belebten „Verschwörungen“ der Gewerbetreibenden
als „Zünfte“ gesetzliche Anerkennung. Bereits 1152 bestätigte
Heinrich der Löwe die Zünfte der Tuchscherer und Krämer in Hamburg;
1153 Erzbischof Wichmann die der Gewandschneider und Schuster in
Magdeburg und 1194 gründete Erzbischof Ludolph die Schilderinnung
in derselben Stadt.


Auch von der alten Stahlgewerkschaft zu Schmalkalden erfahren
wir, daſs sie schon in jener Zeit Zunftrechte erwarb.


Mit der Anerkennung der Zünfte hing aufs Engste das Aufblühen
der Industrie in den groſsen Städten Deutschlands zusammen.


Das deutsche Bergrecht.


Wie sich in den drei Jahrhunderten nach Karl dem Groſsen ein
Umschwung in der Auffassung der Arbeit vollzog, so vollzog sich ein
ähnlicher Umschwung bezüglich des Besitzrechtes des Bergwerkseigen-
tums, speziell in bezug auf die Eisenerze.


Hiermit kehren wir zu unserer Schilderung der Entwickelung des
Eisensteinbergbaues in Deutschland zurück.


Es ist unzweifelhaft, daſs die ursprüngliche Auffassung der Ger-
manen über das Besitzrecht des Bergwerkeigentums dahin ging, daſs
der Besitzer des Grund und Bodens auch der Besitzer der Erze, die in
seinem Boden vorkamen, war. Als aber die Karolinger ihre Macht
über ganz Deutschland ausdehnten, nahmen sie in der Weise der
römischen Kaiser, als deren Rechtsnachfolger sie sich betrachteten, das
Eigentumsrecht der Bergwerke in Anspruch. Aus diesem prätendirten
Hoheitsrechte entwickelte sich im Mittelalter der Begriff des Berg-
regals
. Die Römer hatten das Bergwerkseigentum als Staatseigen-
tum erklärt durch das Recht des Siegers. Die spanischen Gold- und
Silberbergwerke waren es vornehmlich, welche der römische Staat als
[748]Das frühe Mittelalter.
solche in Eigenbesitz nahm. Dies geschah einerseits wegen der hohen
Einkünfte, welche diese Bergwerke damals abwarfen, andererseits
waren die spanischen Gruben nicht Privatbesitz, sondern Eigentum
des karthageniensischen Staates. Der Eroberer trat also ganz folge-
richtig durch das jus gladii in diesen Besitz ein. Ähnlich verhielt es
sich mit allen groſsen Bergwerksanlagen, welche durch die Eroberungen
der Römer in ihre Hände fielen.


Der strenge Begriff des Bergregals, d. h. die Theorie, daſs aller
Bergwerksbesitz, unabhängig von dem Besitze des Grund und Bodens
dem Staate, resp. dem Fürsten gehört, hat sich bei den Römern in
seiner vollen Schärfe noch nicht entwickelt gehabt, deshalb war auch
die Praxis namentlich gegenüber Unternehmern, welche neue Berg-
werksbetriebe anlegten, eine schwankende. Auch war der Rechts-
anspruch des Staates ein ungleicher in bezug auf die verschiedenen
Metalle. Ursprünglich war es nur Gold und Silber, welches der
römische Staat von vornherein als Staatseigentum betrachtete und
sich deren Ausbeutung vorbehielt, doch entwickelte sich auch bezüglich
dieser Metalle die Praxis in der späteren Kaiserzeit derart, daſs jedem
Privaten erlaubt war, Gold- und Silberbergwerke zu eröffnen, wenn er
nur die Anzeige machte und die vorschriftsmäſsigen Abgaben ent-
richtete. Ebenso wurden in der Folge Blei und Kupfer behandelt.
Die Eisenerze nahmen bezüglich des Besitzrechtes immer eine eigen-
tümliche Stellung ein. Als Regal im strengen Sinne wurden sie von
den Römern nicht betrachtet. Soweit das Eisenerz gelesen, oder in
flachen Schürfen oder Tagebauten vom Grundbesitzer gewissermaſsen
für den lokalen Bedarf gegraben wurde, bekümmerte sich der Staat
nicht darum, wo aber ausgedehnte Betriebe stattfanden, hatte der
Staat an diesen ein ganz besonderes Interesse, weil es ihm das Material
zur Bewaffnung seiner Legionen lieferte. Deshalb wendete der römische
Staat der Eisengewinnung in solchen Ländern, wie z. B. in Noricum,
ganz besonderes Interesse zu und wenn er auch den Bergwerksbesitz
nicht geradezu als Staatseigentum erklärte, so muſsten doch die Be-
sitzer für ihren Betrieb und ihre Produktion einerseits bestimmte Ab-
gaben bezahlen, andererseits stand die Gewinnung, die Verhüttung, die
Verarbeitung und der Handel unter Staatsaufsicht und war ein ganzer
Apparat von Beamten nur zu dem Zwecke angestellt, diese Verhältnisse
zu leiten und zu bewachen.


Wie die römischen Imperatoren, so beanspruchte Karl der Groſse
den Bergwerksbesitz in den von ihm eroberten Ländern als Eigen-
[749]Das deutsche Bergrecht.
tum 1). Wenn er auch noch nicht die Regalität aller mineralischen
Schätze beanspruchte, so erlieſs er doch bereits eine sehr bemerkens-
werte Verordnung, worin er die Anzeigepflicht aller Bergwerke, auch
selbst der Eisenbergwerke, den Richtern überträgt 2):


„Ut unusquisque judex, qui de tornatoribus et sellariis, de ferra-
riis et scrobis i. c. fossis ferrariis et aliis fossis plumbaciis adha-
buerint nobis notam faciant. Es soll jedweder Richter, der mit Drehe-
reien und Stuhlmachereien, oder mit Eisenwerken und Gruben,
d. h. mit Eisen- oder Bleibergwerken zu thun bekommt, uns hiervon
Anzeige machen.“


Hier stellt also der Kaiser die Eisenbergwerke ganz auf dieselbe
Stufe wie die Bleiwerke. Indessen verlangt er nur die Anzeigepflicht.


In der That hat kaum ein anderer Kaiser sich gerade so besonders
um die Hebung der Eisenfabrikation und damit auch des Eisenstein-
bergbaues bekümmert wie Karl der Groſse. Er hatte es in seinen vielen
Kriegen, namentlich auch in seinen Kämpfen mit den Slaven erfahren,
wieviel die Überlegenheit der Bewaffnung ausmacht. Deshalb suchte
er die Ausrüstung mit Eisenwaffen nach jeder Richtung hin zu ver-
vollständigen. Meist ging er selbst gewappnet und er soll die erste,
ganz geschlossene Eisenrüstung getragen haben, weshalb er schon zu
Lebzeiten den Beinamen „der eiserne Karl“ bekam. Welche Wichtig-
keit er dem Eisen für die Bewaffnung beilegte, geht auch daraus hervor,
daſs er die Ausfuhr von Eisen in seinem ganzen Reiche
verbot
.


Auch Karls Sohn und Nachfolger Ludwig der Fromme lieſs sich
die Entwickelung des Bergbaues angelegen sein, wie z. B. die Beleihung
der Abtei Corvey mit dem Salzregal im Jahre 833 beweist und 817
verlieh er seinem Sohne, dem nachmaligen Könige Ludwig dem Deut-
schen das Herzogtum Bayern mit allen Bergwerken 3). Indessen ent-
wickelten sich in den folgenden Jahrhunderten Industrie und Bergbau
nur langsam.


Die Ausbildung des Feudalismus übte auch ihre Einwirkung auf
das Bergwesen. Wie sich in diesen Jahrhunderten die Theorie ent-
wickelte und Geltung errang, daſs aller Grund und Boden ursprünglich
Besitz des Königs sei und aller Einzelbesitz von diesem direkt oder
indirekt nur übertragen sei in Form eines Lehens, so bildete sich auch
der Begriff des Bergregals schärfer aus, wonach der König der ur-
[750]Das frühe Mittelalter.
sprüngliche Besitzer aller Mineralschätze auf und über der Erde sei
und deren Nutzung und Ausbeute nur durch Schenkung oder Beleihung
von ihm übertragen werden könne. Infolgedessen beliehen die deut-
schen Könige ihre Vasallen, weltliche und geistliche Fürsten einzeln
mit dem Rechte der Nutzung von Salz und Erzen in ihrem Gebiete.
Die Belehnung des Grund und Bodens involvierte also noch nicht die
Übertragung des Bergregals. Letzteres wurde vielmehr in der Regel
für sich verliehen.


Im Jahre 1015 verleiht Kaiser Heinrich II. an einen Grafen von
Kärnten nebst einem Salzwerk im Admonthal das Recht des Baues
aller Metalllager auf seinem allodialen Boden. Zu Ende des 11. Jahr-
hunderts finden wir das regale imperii bereits zum System ausgebildet.
Doch fielen die Eisenerze nur da unter das Regal, wo kunstgerechter
Bergbau geführt wurde, oder wo die Eisengewinnung von hervorragen-
der Bedeutung war, wie z. B. in Steyermark und Kärnten. Wo aber
das Erz gelesen oder in offenen Gräbereien gewonnen wurde, behielt
noch vielfach der Grundbesitzer das Recht der Ausbeutung. Die Ent-
wickelung des Bergrechtes namentlich in bezug auf den Eisenstein-
bergbau war demnach keine gleichmäſsige und auch keine stetige.
Schon in den ersten Jahrhunderten des Deutschen Reiches versuchten
die deutschen Kaiser sich das regale imperii anzueignen. Alle Be-
leihungen geschahen durch den Kaiser oder dessen Stellvertreter. Dem
setzten die mächtigeren Lehensfürsten Widerstand entgegen und mit
der wachsenden Macht der Einzelfürsten, mit der Entwickelung des
Feudalstaates maſsten sich die Lehensfürsten den Besitz des Bergwerks-
eigentums in ihrem Gebiete an und verliehen dies von sich aus. Man
versuchte die Rechtsanschauungen durchzuführen, daſs dies Recht,
wenn auch ursprünglich ein kaiserliches, durch die Belehnung über-
tragen sei. Die praktische Folge war, daſs den Kaisern die Disposi-
tion über die Mineralschätze des Landes entzogen wurde und die
Lehensfürsten sich derselben bemächtigten und dieses Verhältnis wurde
um so mehr öffentliches Recht, als das Lehen in den Fürstenfamilien
erblich wurde.


Eisengewinnung in Steiermark und Kärnten.


In Steiermark und Kärnten1) sehen wir am frühesten auch
die Eisenerze als Regal behandelt. Ober-Steiermark und Kärnten
[751]Eisengewinnung in Steiermark und Kärnten.
waren kaiserliche Krongüter und der Bergbau wesentlich fiskalisch.
Der Erzberg bei Eisenerz wird oft Ausgangs des 12. Jahrhunderts
urkundlich genannt. Es scheint, daſs einzelne Familien dort den
Bergbau betrieben und daſs sich diese auch noch forterhielten, nachdem
die Markgrafen und Herzöge das Regal für sich in Anspruch nahmen.
Man gewann den „reifen“ Eisenstein am Erzberge durch Tagebauten
und Bergseifen und schmolz ihn in ausgehöhlten Gruben oder später
in niedrigen, leicht versetzbaren Öfen mit einem Blasebalge, weshalb
im Jahre 1205 ein solcher Ofen schlechthin follis heiſst, zu mittel-
mäſsigen Klumpen oder Brocken. Diese hieſsen, wie aus einer Urkunde
aus dem Jahre 1182 hervorgeht, „Maſs“ oder „Massel“ („massa ferri“)
und unterschied man groſse und kleine Masseln. Das Ausschmelzen
des Eisenerzes geschah teils auf dem Erzberge selbst, teils auf dem
Prähbüchel, dem Berge, über den der Paſs von Eisenerz nach Leoben
in das Murchthal führt. Also auf der Höhe und nicht wie später im
Thale von Eisenerz und von Vordernberg. Diese Orte erhielten
erst ihre Bedeutung, als man anfing, die Wasserkraft zur Eisen-
bearbeitung zu verwenden. Daher kommt es, daſs Trofajach, welches
zwischen dem Prähbüchel und Leoben liegt, früher genannt wird, als
Vordernberg. Schon im 12. Jahrhundert erscheint Trofajach als
geschlossener Ort und der Erzberg und Eisenerz gehörten zum Pfarr-
sprengel von Trofajach. Auf der Höhe des Prähbüchel sind noch viele
Spuren alter Waldschmieden vorhanden, so z. B. am Steinhaus und
Grabenbauer. Damals standen Häuser auf dem jetzt verlassenen
Prähbüchel, deren Reste noch vorhanden sind und das Mauthaus auf
der Höhe soll ursprünglich das alte Vordernberger Rathaus gewesen
sein. In einem Diplom von Herzog Leopold dem Glorreichen aus dem
Jahre 1205 geschieht des Erzberges Erwähnung unter der Bezeichnung
„Eisengrube“, „Eisenschacht“.


Zu Ende des 13. Jahrhunderts war der Erzberg in Ungarn be-
kannt unter der Bezeichnung „Eisenwurzel“ und Admonter Urkunden
aus derselben Zeit nennen ihn bereits „Erzberg“. („Aerzberich“ =
„mons cathmiae, minera ferri, cathmia ferri“.)


Das Eisen wurde über Trofajach nach Leoben gefahren, dem
Haupteisenmarkt in Steiermark, in dessen Nähe sich gleichfalls uralte
Eisenwerke befanden. Nach einer Urkunde der Markgräfin Kunigunde
aus der Zeit zwischen 1164 bis 1170 schenkte dieselbe dem Stifte zu
Vorau (Forowe) „Mansum unum apud Leuben, ubi foditur ferrum“.


Das Eisen des Erzberges wurde deshalb oft schlechthin Leobener oder
Trofajacher Eisen genannt. So heiſst es in einer Urkunde Ottokars VIII.
[752]Das frühe Mittelalter.
von 1182, daſs den Karthäusern zu Seitz Leobener Eisen gegeben
wurde 1):


„Patumens dederat XX massas ferri in Leuben“, und in dem
Judenburger Marktdiplom heiſst es: „Item ferrum de Trofajach debet
duci tantum ad civitatem Judenburck ibique venalitati exponi.“


Judenburg war im Mittelalter die Hauptzollstätte für Steiermark,
von da ging das steirische Eisen südwärts nach Italien, vornehmlich
nach Aquileja und Venedig. Judenburg hatte im 13. Jahrhundert das
Stapelrecht für das Eisen des Erzberges. König Rudolph I. bestätigte
dies urkundlich am 19. Januar 1277. „Wie von alten Zeiten her Ge-
wohnheit war, so darf auch künftig hin das Roheisen von Trofajach
her nur bis Judenburg gebracht und dort allein zum Verkaufe gestellt
werden. Die aus Italien kommenden Kaufleute (die „Walchen“ oder
Venetianer) sind verbunden, ihre Waren nur den Bürgern von Juden-
burg und keinen anderen, fremden Kaufleuten zu verkaufen, bei Strafe
für beide Teile 2).“ Der Handel mit Aquileja und Venedig war damals
sehr lebhaft. Die Benutzung der Wasserkraft veranlaſste die Eisen-
schmelzer, sich von Prähbüchel nach dem Thale zu ziehen und so er-
blühte Vordernberg, der Ort „vor dem Berge“, nämlich der Ort vor
dem Erzberge von Prähbüchel oder von Trofajach aus gedacht, während
das Revier jenseits des Erzberges „Innerberg“ hieſs. Hier erblühte
die Bergstadt Eisenerz, deren Bewohner in den Urkunden (1317)
manuarii und cathmiariae d. i. Hüttenleute, genannt werden. Dies
vollzog sich im 13. Jahrhundert. Damals wird bereits Eisen von
Eisenerz „inner dem Berg“ erwähnt. 1313 wird der vordere und
der innere Erzberg genannt (mons anterior und interior, mons cath-
miae). Die Urkunden zu Ende des 13. Jahrhunderts fügen schon zu
Eisenerz die nähere Bestimmung bei, inneres und vorderes Eisenerz
(interior Eisenerz 3). Mansum in interiori Eisenerzt apud villam situm
(1297) 4).


In der ganzen Gegend, nämlich von Eisenerz bis nach Admont
hin, siedelten sich Kohlen- und Eisenarbeiter an. Die ersten Hämmer
in dieser Gegend werden 1250 genannt. Nordwärts wurde das Eisen
vom Erzberge auf der Enns nach dem St. Gallerwalde verführt. Reiff-
ling und Weiſsenbach waren die wichtigsten Ladeplätze und Fähr-
stellen. Die Kirche zu St. Gallen im Walde entstand bereits 1154.
Im Iahre 1277 lieſs Heinrich III. von Admont zu Weiſsenbach eine
[753]Eisengewinnung in Steiermark und Kärnten.
Brücke schlagen und in demselben Jahre bestätigte Rudolph von
Habsburg dem Stifte Admont das Recht, das frühere Fährgeld als
Mautgebühr an der Brücke von einem jeden zu erheben.


Wie Judenburg der Stapelplatz für den Eisenhandel nach dem
Süden war, so ist es die uralte Stadt Steyer an der Enns für den
Norden gewesen. Hier war der Vereinigungspunkt des ganzen Eisen-
und Holzhandels. Im Jahre 1287 lieſs sich die Stadt vom Herzog
Albrecht I. das Recht bestätigen, daſs jeder, der Eisen oder Holz auf
der Enns brachte, drei Tage in Steyer verweilen und seine Waren
zum Kaufe anbieten muſste, da die Stadtbürger ein Vorkaufsrecht
hatten. Erst nach Ablauf dieser Frist durfte der Händler weiter
ziehen.


Die Verarbeitung des „Rauheisens“ von Erzberg fand in hervor-
ragendster Weise in Leoben statt. Schon in sehr alter Zeit werden
18 Hammerstätten bei Leoben genannt und die Bezeichnung „Leoben-
sches Eisen“ dürfte wohl daher kommen, daſs das verarbeitete Eisen
hauptsächlich von Leoben in den Handel gebracht wurde. Wahr-
scheinlich besaſs Leoben von Alters her Anteil an dem Erzberge.
Bezüglich einer Schenkung des Herzogs Leopold an das Kloster Seckau
in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts heiſst es:


„Ex dono Leopoldi ducis — silvam Mullwald et partem in fodine
ferri Leuben.“


Und in einer anderen Urkunde des Stiftes zu Rein vom 7. Novem-
ber 1209 wird gesagt:


„Quod fratribus de Runa dedimus in fodina ferri nostra, quantum
ejus utilitate provenire potest ex quatuor follibus“ und an einer an-
deren Stelle: „in officio de Liuba in perpetuum decem massas ferri.“


Alles Eisen von Trofajach muſste nach Leoben gebracht werden
und durfte nicht über den Berg gehen. Dies schärft Herzog Friedrich
der Schöne den Eisenschmelzern im Jahre 1313 ein: „Universis in foro
Trofajach in Minera ferri residentibus, quatenus ferrum sive mineram
ferri ultra montem Prebühel vel Rottmann traducere, et aliis locis
quibuscunque vendere — non in oppido nostro Leuben nullatenus
debeatis.“ Leoben und Trofajach hatten die ältesten Kirchen, sie
sollen aus dem Jahre 890 stammen, die Kirche zu Judenburg wurde
922, die von Göss im Jahre 1000 erbaut.


Sehr alt waren die Eisenwerke am Johnsbache bei Admont, be-
sonders das Schmelzhaus am Plahberge. Letzteres wird urkundlich
1130 genannt, indem darin der Eisenzehnte zu Gunsten der Beleuch-
tung des Altars des St. Blasius auferlegt wird:


Beck, Geschichte des Eisens. 48
[754]Das frühe Mittelalter.

„Decimam autem ferri de Plaaberg sacrista ad continuam illu-
minationem altaris St. Blasii dari decrevimus 1).


In der Admonter Chronik wird erzählt, daſs Abt Wolsolt im
Jahre 1130 seine durch den häufigen Besuch des Nonnenklosters zu
Admont verdächtigte Unschuld im Schmelzhause am Plahberge durch
die Ordalie mit glühender Eisenscholle bewährte.


Steierische Eisenarbeiter waren im Mittelalter hochgeschätzt und
wurden von fremden Fürsten gesucht und ins Land gezogen. Dies ge-
schah namentlich von den ungarischen Königen. Im Jahre 1291
erneuerte König Andreas den in der Stadt Tnutzko angesiedelten
österreichischen Eisenarbeitern, deren Öfen durch die Einfälle der
Tataren zerstört worden waren, ihre Rechte und Privilegien. Es werden
aufgezählt: „Hospites, magistri, ferri fussores et cultores.“ Sie werden
ausdrücklich als Eisenarbeiter von der „Eisenwurzel“ d. h. vom Erz-
berg beschrieben 2): Proinde iisdem hospitibus austriacis pro ferri
fabricis e loco Eisenwurézel cum affidatione in has terras Tran-
sylvanas vocatis.“


Im 13. Jahrhundert zogen sich die Eisenwerke in Steiermark
bereits in die Thäler, indem man in diesem Jahrhundert schon anfing,
die Wasserkraft zur Bewegung von Stampfwerken, Hämmern, vielleicht
auch von Blasebälgen zu benutzen. Dadurch bereitete sich der groſse
Umschwung in der Eisenindustrie vor, der mit dem Ausgange des
Mittelalters seinen Abschluſs fand. Ehe wir dieser Periode näher
treten, wollen wir versuchen, das Bild der Eisengewinnung in der vor-
hergehenden Zeit zu vervollständigen.


Wie in Steiermark, so war auch die Eisengewinnung in Kärnten
und Krain sehr alt. In Kärnten ist es der Hüttenberger Erzberg,
über den die meisten beglaubigten Nachrichten vorliegen.


831 schenkte Ludwig der Fromme dem Erzbischof Adalram von
Salzburg Besitzungen in der Nähe des Hüttenberges. Eine weit
gröſsere Schenkung machte Kaiser Otto im Jahre 953 an Erzbischof
Herold. Dadurch kam der ganze Erzberg an das Hochstift Salzburg.
Zwar werden in beiden Urkunden Erze oder Bergwerke nicht ausdrück-
lich genannt, doch ergiebt sich aus einem Streite, den das Erzstift
Salzburg später mit dem Kloster Admont über das Bergregal führte,
daſs Salzburg seine Rechte aus sehr alter Zeit herleitete. Aus dieser
Schenkung aus dem Jahre 953 leitete das Hochstift Salzburg sein
Eigentumsrecht auf die Eisenwerke von Hüttenberg, Lölling und
[755]Eisengewinnung in Steiermark und Kärnten.
Mosing her. Erzbischof Konrad rühmt sich in einer Urkunde vom
Jahre 1123, daſs das Stift die Frohne (utilitas) von Gold, Salz, und den
Bergwerken (metalli fodinae) als ein von dem Reiche herrührendes
Regal ruhig besessen habe. Und im Jahre 1199 erklärt König Philipp
von Schwaben 1) ddo. Moguntia 3. Kal. Oktob. an. 1199: Et quaecumque
utilitatis in hujusmodi catinis seu fodinis salis vel metallorum in qui-
buslibet fundis ecclesiae meantibus perpetuis temporibus a Salzburgensi
deinceps ecclesia et ejus archiepiscopo quiete possideantur. (Und was
immer für Nutznieſsungen in diesen Thälern an Salz- und Erzgruben
zu was immer für Kirchengütern gehören, soll auf ewige Zeit von der
salzburgischen Kirche und seinem Erzbischofe in ruhigen Besitz ge-
nommen werden.)


Daſs das Erzstift im vollen Besitz und Nieſsbrauch des Bergregals
war, geht aus den im Admonter Kodex angeführten Urkunden vom
Erzbischof Adalbert von 1190 hervor, nämlich daſs das Erzstift das voll-
kommene Bergregal mit berggerichtlicher Jurisdiktion, Frohne und
Wechsel etc. in der Gegend von Hüttenberg und am Erzberge ausgeübt
habe.


Ecclesiae S. Blasii Admontensi de nostra authoritate perpetua-
liter conferentes, ut in fundo praedicti montis Zezen, Cosin et Retin
sicut in aliis omnibus praedictae ecclesiae praediis infra termino paro-
chiae Guttarich sitis in argenti seu cujuslibet metalli venis mediam
portionem, decimae et cumuli publicati et bonorum aquisitionum pro
qualibet litis compositione et montani juris et in hoc, quod vulgo dicitur
Spitzrecht et Hutschicht et Garenrecht cum catineorum pertinentiis
quiete et proprie ad suos usus percipiat.


(Daſs sie die Kirche des heiligen Blasius zu Admont vermöge
unserer Machtvollkommenheit beständig verleihend, das auf dem Grunde
des genannten Berges Zosen, Gosen, Ratein, sowie auf allen anderen
Kirchengründen innerhalb der Pfarrgrenzen Guttaring gelegen, an
Silber- und an anderen Metalladern den halben Zehent, Wehrrecht,
von Erwerb, von Gütern die Hälfte, von Beilegung jeder Streitigkeit
und Frohngebühr, und unter diesen, was gewöhnlich Spitz, Hutschicht,
Garren- und Schmelzrecht genannt wird, in ruhigen, eigentümlichen
Besitz übernehme.)


In einer anderen Urkunde vom Erzbischof Eberhard II. vom Jahre
1207 heiſst es: Quidpuid vobis in jure catinearia in praedio ecclesiae
vestrae super Zezin privilegio suo antecessor noster Albertus archiepis-
48*
[756]Das frühe Mittelalter.
copus confirmat dimideatem videlicet eorum, quae provenire solent de
eo quod vocatur Garnrecht et Spitzrecht et Hutrecht, et de omni jure
montano, id est Berchrecht et totius decimae et Vachpfennige et Sumpf-
pfennige et Schozpfennige.


(Was nur immer euch an Schmelzrecht auf dem Grunde eurer
Kirche bei Zosen unser Vorfahrer Erzbischof Albert in seinem Privi-
legium bestätiget hat, nämlich die Hälfte von dem, was euch das
Garren-, Spitz-, Hutrecht und von allen Bergrechten, d. i. Zehent-,
Vach-, Sumpf- und Schozpfennig einträgt.)


Im Jahre 1193 hatte sich zwischen Admont und dem Hochstifte
Salzburg ein Streit über Rechte bei den Bauten auf Silber und andere
Erze sowie über das Bergrecht, dessen Erträgnisse an Wehrgeldern,
über die Rechte auf Frohngebühr von den genommenen Erzen, über
das Schmelzrecht und Plahrecht (jus cathmiarium) auf dem Berge
Zozen, Zezen (Zosen), Kosen (Gosen), Retin (Rateingraben) innerhalb
der Pfarrgrenze Guttaring, insbesondere über das Spitz-, Garren-, Hut-
schicht und Schmelzrecht entsponnen.


Die Ansprüche der Admontschen Leute auf diese Rechte lieſs
Erzbischof Adalbert III. auf einer groſsen Versammlung in Friesach
untersuchen vor den Pröpsten: Dompropst Berthold zu Salzburg,
Wernher von Berchtesgaden, Konrad von St. Leno und vielen anderen
(in der diesbezüglichen Urkunde sind alle namentlich angeführt).


Über die bergrechtlichen Verhältnisse jener Zeit berichtet Münichs-
dorfer 1):


„In der frühesten Zeit wurde das Bergwerksgut als ein Gemeingut
betrachtet. Jedermann konnte nach Erzen suchen und sie gewinnen,
nur muſste er zur Sicherung des Eigentumsrechtes und Verwahrung
gegen fremde Eingriffe den Raum, wo er Bergbau treiben wollte, be-
zeichnen, sich denselben zuteilen, belehnen lassen und diese Zuteilung
erfolgte von dem Gutsherrn, der über den Ort die Vogtei ausübte.


Das Bergregal selbst wurde als Attribut der Staatsgewalt, als Aus-
fluſs der Landeshoheit betrachtet; wie dies bei den Römern der Fall
war, so übten die Karolingischen Kaiser und Könige das Bergregal
als Ausfluſs ihrer Landeshoheit aus. Dies beweisen Stellen in Urkunden
für Kärnten aus dem neunten und zehnten Jahrhunderte, z. B. fossam
ruderis per tot annum habendam. (Eine Erzgrube das ganze Jahr
hindurch bebauen.) Flatum ferri fordere sine censu. (Eine Erzgrube
ohne Abgabe bebauen.) Man entnimmt daraus, daſs vom Bergbaue
[757]Eisengewinnung in Steiermark und Kärnten.
Abgaben entrichtet werden muſsten, daſs Einige von dieser Entrichtung
befreit waren, daſs die Bebauung dieser oder jener Grube bald auf
ein Jahr, bald auf längere, vielleicht auch kürzere Zeit, bald diesem,
bald jenem gestattet war.


Entsprechend den Gesetzen dieser Zeit haben die Karolinger als
Regenten von Kärnten und auch die Erzbischöfe von Salzburg, als sie
über die kärntnerschen Besitzungen das Hoheitsrecht erlangten, diese
Art der Verleihung und Befreiung von Bergwerksabgaben gewiſs auch
bei dem Hüttenberger Eisensteinbergbau gehandhabt.


Das Stift St. Peter zu Salzburg erhielt im Jahre 1159 vom Erz-
bischof Eberhard das Recht, im Bereiche seiner Propsteiherrschaft
Wieting in Kärnten, die berggerechtliche Jurisdiktion auszuüben, und
als er diesem Stifte sechs Huben als Schenkung des Gottfried von
Wieting übergiebt, heiſst es unter anderem: ea videlicet conditione, ut
siquidem Kathmia inveniretur in eis, media pars episcopo altera vero
pars ipsi Abbati perveniret. (Unter dieser Bedingung, daſs wenn das
Stift daselbst Erze (Eisengruben) finden würde, die Hälfte ihm, dem
Erzbischofe, die andere Hälfte dem Abte gehören sollte.) Einige Huben
in der Nähe des Erzberges waren zur Herrschaft Wieting dienstbar.


Lange vor den Schenkungen der Karolingischen Regenten muſs
am und um dem Erzberge sehr reger Berg- und Schmelzbetrieb statt-
gefunden haben; Zeuge dessen die angeführten Stellen über Berg- und
Schmelzrecht in den Schenkungsurkunden.


Durch die verschiedenen gesetzlichen Einrichtungen im Laufe der
Zeit muſste sich offenbar der Hüttenberger Eisensteinbau nach regel-
rechter Weise zu einzelnen daran hangenden Gerechtsamen ausgebildet
haben.


Bei allmählicher Ausdehnung im Bergbetriebe, bei vermehrtem
Bedarfe an Eisen, bei der durch verschiedene Gesetze an bestimmte
Normen und Grenzen gebundenen Betriebsführung muſsten Ver-
besserungen und Änderungen eintreten.


Statt der Bebauung der Gruben bald von diesem, bald von jenem, bald
auf längere, bald auf kürzere Zeit, wurden jedem Bergbautreibenden
bestimmte Grenzen für immer angewiesen, es entstanden Belehnungen,
Berggesetze und zur Erhaltung der Ordnung stellten die Erzbischöfe
eigene Bergrichter auf, denen die gesammte Aufsicht über den Bergbau,
die Verleihung der Bergteile, die Judikatur in Streitfällen u. s. w. oblag.


Die Berggerichte waren selbständige Gerichte, führten eigenen
Stab, wie die Urkunden vom Erzbischof Konrad (1291 bis 1313) darthun.


Zur obersten Verwaltung der salzburgischen Länder war schon im
[758]Das frühe Mittelalter.
Jahre 1077 ein Vicedomat mit dem Sitze in Friesach gegründet. Der
Vicedom versah zugleich die Geschäfte des Bergrichters, bis endlich
ein Berggericht mit eigenem Bergrichter in Hüttenberg zu Stande kam.
Der Bergrichter war erste, der Vicedom zweite Instanz. Es ist un-
bekannt, zu welcher Zeit in Hüttenberg der erste Bergrichter angestellt
wurde; da aber mit Ende des dreizehnten Jahrhunderts die Erzbischöfe
für alle gröſseren Bergorte ihrer Länder eigene Bergrichter bestellt
hatten, so hatten sie ohne Zweifel auch für die wichtige Hüttenberger
Eisenwurze, bald nachdem sie in den Besitz der Eisenwurzen kamen,
ein eigenes Berggericht errichtet und Kaiser Maximilian spricht in
einer Bestätigungsurkunde von 1494 ausdrücklich von dem Bergrichter
zu Hüttenberg. Aus dieser Urkunde ist ersichtlich, daſs die Bergrichter
schon durch lange Zeiten („von Alters her“) für Hüttenberg bestellt
waren.“


Der Umschwung im Betriebe, das Verlassen der Höhen und das
Hinabgehen in die Thäler seitens der Eisenhüttenleute vollzog sich in
Kärnten um dieselbe Zeit wie in Steiermark.


Plahhütten, d. h. Blasehütten werden bereits im 12. Jahrhundert
bekannt und Radmeister werden im 14. Jahrhundert bereits genannt.
Hierauf werden wir später zurückkommen.


Über die Geschichte des Bergbaues in den übrigen Gegen-
den Deutschlands im Mittelalter
besitzen wir bis jetzt leider
keine so ausführlichen Nachrichten als über den von Steiermark und
Kärnten. In Iglau in Böhmen blühte der Silberbergbau im 13. Jahr-
hundert und das aus dem Jahre 1250 stammende Bergrecht von Iglau
ist das älteste niedergeschriebene Bergrecht.


Von gröſster Bedeutung für die gesammte Montanindustrie Deutsch-
lands waren die Bemühungen der Sachsenkaiser, namentlich Heinrichs
des Finklers und Ottos I. für die Hebung des Silberbergbaues im
Harz. Die sächsischen Kaiser zogen die Goslarer Bergwerke an sich
(968 unter Otto I.).


Der berühmte Rammelsberg wurde im 10. Jahrhundert vielleicht
unter Heinrich I., wahrscheinlich aber erst in den ersten Regierungs-
jahren Ottos I. eröffnet. Schon im Jahre 1005 kam der Betrieb infolge
der Pest ins Stocken und wurde erst 1016 von fränkischen Bergleuten
wieder aufgenommen. Goslar, eine der ältesten freien Reichsstädte
in Deutschland, wurde durch das Silber des Rammelsberges der
wichtigste Platz in Sachsen. Es scheint, daſs die Goslarer Bürgerschaft
hauptsächlich das Ausschmelzen der Erze besorgte, während die
Gruben Eigenthum des Herzogs waren. Dies benutzte Heinrich der
[759]Bergbau in Deutschland.
Löwe im Jahre 1180, da die Goslarer zum Kaiser standen, als Vorwand,
die sämtlichen Hüttenwerke zu zerstören 1), wofür im Jahre 1181 der
Bergmeister Hermann von der Gosewitsch, um sich an dem Sachsen-
herzog zu rächen, alle Künste und Schächte des Rammels-
berges zusammenhauen lieſs
.


Trotzdem scheint der sächsische Bergbau im Harze dadurch nicht
völlig zum Darniederliegen gekommen zu sein, denn im Jahre 1186
bereits giebt die Stadt Goslar auf den Bergbau bezügliche Verordnungen
heraus (jura et libertates silvanorum 2), die als die ältesten bergrecht-
lichen Bestimmungen zu betrachten sind.


Der Freiberger Bergbau scheint erst infolge der Harzer Fehden
in Aufschwung gekommen zu sein. Führt die Sage ihn auch bis in
das 10. Jahrhundert zurück, so scheint es doch zweifellos festzustehen,
daſs die Freiberger Gruben erst im Jahre 1162 von Otto von Meissen
unter der Herrschaft des Kaisers Friedrich I. eröffnet worden sind.


Nach der Zerstörung des Rammelsberges durch Hermann von der
Gosewitsch wanderte eine groſse Zahl sächsischer Bergleute nach
Freiberg aus, wo damals ganz neue Silberfunde gemacht worden waren,
und legten bei der alten Bergstadt die sogenannte „Sachsenstadt“ an.
Der sächsische Bergbau übte groſsen Einfluſs auf die Nachbarländer
aus. In Böhmen und Mähren finden wir vielfach sächsische Bergleute.
Schemnitz und Kremnitz in Ungarn sind von sächsischen Bergleuten
gegründet, was schon aus den Namen hervorgeht. Überhaupt stand
der deutsche Bergbau bereits im 12. Jahrhundert in hoher Blüte, so
sollen damals in den Silber- und Kupferbergwerken von Tyrol etwa
30000 Bergleute beschäftigt gewesen sein. Die Verleihung des Berg-
regals bildete eine wichtige Einnahmequelle für die Kaiser. Deshalb
waren sie nicht spröde damit. Insbesondere gilt dies von den hohen-
staufischen Kaisern, deren Einnahmen immer hinter ihren Ausgaben
zurückblieben.


Friedrich Barbarossa war es insbesondere, der um seine Ein-
[760]Das frühe Mittelalter.
künfte zu vermehren in strengerer Weise als die früheren deutschen
Kaiser die Regalität alles Bergbaues für das Reich beanspruchte.
Unter ihm wurde die juristische Difinition der Regalität erst „durch
welsche Juristen festgestellt“ 1) und er prätendirte das kaiserliche
Recht auch solchen Fürsten gegenüber, die bis dahin das Bergrecht
selbständig ausgeübt hatten. Dies war insbesondere das Herzogtum
Bayern, wo schon vor der Zeit der fränkischen Herrschaft unter den
Agilolfingern Berggewohnheiten bestanden hatten, welche von den
Kaisern um so weniger abteriert wurden, nachdem die Karolinger selbst
in den Besitz Bayerns gelangt waren. Jetzt aber, da Heinrich der
Löwe zugleich Herzog in Sachsen und Bayern war, suchte der Kaiser
seine höheren Rechte durchzusetzen und dies führte zu blutigem Zwist,
aus dem allerdings der Kaiser nach schweren Kämpfen siegreich her-
vorging.


Schon Kaiser Konrad belieh 1150 die Abtei Corvey mit dem ganzen
Bergregal2). Von Friedrich Barbarossa existieren viele Verleihungen
besonders an geistliche Stifte. Das Erzstift Trier erhielt bereits 1158
unter dem Erzbischofe Hillin das Recht, die Silberbergwerke bei Ems
zu betreiben. Von jetzt ab wird auch stets das Eisen als Regal auf-
geführt. 1169 verlieh Barbarossa der Abtei Tegernsee das Bergregal:
Praeterea, quaecunque generantur in humo, vel quae latent sub terrae,
sive sint venae salis, vel ferri vel argenti, vel cujuslibet metalli, cum
carundem rerum decimis, eidem loco concedimus et corobamus 3).
1184 verlieh der Kaiser dem Kloster Seitenstetten das Bergregal „cum
omni modo utilitate, quae in salis ferrive venis sive fodinis in eo repe-
riri poterit“. Um diese Zeit betrieb die Abtei Corvey bereits Bergbau
im Ehresberg und das Bistum Münster grub im Jahre 1189 im Kruken-
berg auf Silber. Von besonderem Interesse ist der Wortlaut der Be-
leihung des Klosters Steingaden in Bayern durch Heinrich VI.: Prae-
dium in Horne, cum piscaturis et molendinis, alpibus et venis ferri
quod vulgo „Bergrecht“ dicitur ac aliis ad item pertinentibus 4).


Ähnliche Verleihungen erwarben 1206 die Abtei Rott, 1218 der
Bischof von Brixen; 1216 erteilte Kaiser Friedrich II. dem Grafen von
Henneberg, in dessen Gebiet besonders Eisenwerke waren, das Regal.
1218 erhielt der Erzbischof von Magdeburg die „Bergfreiheit“. Im
Jahre 1219 erteilte Friedrich II. dem Herzog Ludwig von Bayern eine
[761]Bergregal.
Beleihung unter folgenden Ausdrücken: „Concessimus omne genus
metalli tam in auro et argento tam in aliis quod in Terris patrimoniis
et fundis suis repertum.“


Im 13. Jahrhundert entstanden vielerlei Konflikte über das Recht
der Verleihung des Regals zwischen den Kaisern und den mächtigen
Lehnfürsten, namentlich den Herzögen in Bayern, und gewannen die
Lehnfürsten die Oberhand. Namentlich fingen seit der Zeit des Inter-
regnums die Reichsfürsten an, das Recht des Regals für sich in An-
spruch zu nehmen. So belieh Herzog Heinrich IV. von Schlesien 1273
die Cisterzienserabtei Camens mit den Mineralien und Metallen in
ihrem Gebiete.


Bereits im 12. Jahrhundert bildeten sich aus den alten Berg-
gesetzen geschriebene Bergordnungen, Berggesetze aus.


Die älteste, berggerichtliche Urkunde 1), die wir kennen, ist der
Bergwerksvertrag zwischen dem Bischof Albrecht von
Trient und den Gewerken
daselbst vom 25. März 1185. Dieselbe
lautet wörtlich in dem corrupten Latein 2):


Certa Ficti et racionis Episcopi ab illis qui utuntur Argentarium.


In nomine Domini. Breve recordacionis pro futuris temporibus
ad memoriam retinendum. Henricus Ersingar, et Riprandus de Telue
et Trentinus Caualat et … (unleserlich) ab Argentariis, qui solent
appellari Silbrarii, electi nomine et uice ipsorum silbrariorum, et una
cum tota universitate vel maiori parte sa silbrariorum promiserunt
Domino venerabili Alberto Tridentine sedis episcopo, omni anno per
duos terminos in electione episcopi, quod quilibet hominum dabit sibi
duo talenta der Werhe, duo talenta der Xaffar, duo talenta der Wassar,
qui sibimet ipsi lavat; der Wassar quit suo magistro lavat, unum
talentum, quilibet Smelzer dua talenta; quilibet … talenta; quilibet
Kener tam carbonariorum quam aliorum, qui in monte laboraverint,
decem solidos dare debeat, quibus solutis omnibus, mons ipsis omnibus,
tam pauperi quam diviti, communis esse debeat, excepto eo, quod si
eorum aliquis foveam foderit, et ad lucrum devenerit, ipse secum Epis-
copo aut cum gastaldione ejus pacisci debeat melius quam potuerit:
et hoc modo ipsi silbrarii libere et sine controversia debeant morari,
laborare, ire, venire, in monte et in civitate et ubiqunque voluerint:
et debeant esse immunis ab omnibus placidis, honeribus, sive muneri-
[762]Das frühe Mittelalter.
bus, eo tantum excepto, quod si aliquis illorum aliquem offendit, et
aliquis conqueritur, puod ante Dominum episcopum, aut ante suum
gastaldionem, sine ante eum, cui … racioni stare, et racionem facere,
et satisfacere, et bannum secundum offensam, quam intulerunt, debeant
persolvere. Si vero Dominus Episcopus necessitate imminente, ab
ipsis subsidium aliquod exigeret, ipsi eii subvenire et adminiculari
debeant, et sis ipsi Silbrarii nulli subjacere debeant nisi episcopo:
sed Dominus Episcopus silbrarios manutenere, protegere, denfensare,
et tueri debeat ab omni homine, et in omnibus suis negotiis, et in sua
tutela, defensione et protectione … salvo tamen honore Imperii, et
Episcopi, et totius episcopii Tridentine Ecclesia. Actum hoc existenti-
bus et residentibus ipsis silbrariis in curia x … sedente autem supra-
scripto Domino Episcopo in fenestra, quae est proximor muro sancti
Blasii in summitate scale, per quam ascenditur de coro sancti Virgilii
ad eandem capellam sancti Blasii. Feliciter. Laudamentum hoc ab
ipsis dicendo sea sea sea est confirmatum. An. dominice novitatis
MCLXXXV dic dominico VIII exeunte Marcio, Indictione Tertia in
presencia Domini Conradi Vicedomini, Gerardi Judicis et assescoris
suprascripti Episcopi. Odolicri de Arcu, Warimberti et Gucionis de
Cagnans, Arponis de Cles, presbiteri Artingeri et … Trentini de Ram-
baldo, Muscardi Viviani et aliorum plurium..“


Folgen die Unterschriften der kaiserlichen Notare.


„Diese Urkunde ist in einem alten, von Fr. Bartolomäus von Trient
aus dem Predigerorden um das Jahr 1250 geschriebenen Buche „Liber
St. Virgilii,“ worin die alten Freiheiten und Rechte des Hochstiftes
Trient verzeichnet sind, enthalten und befindet sich in dem dortigen
Archiv 1). Die Urkunde besagt, daſs der Bergbau frei sei, so daſs
Jedermann, reich oder arm, sich mit Arbeit anlegen konnte, wogegen
jedoch dem Bischof in zwei Fristen eine bestimmte Abgabe erlegt
werden muſste, nämlich von einem Gewerken 2 Talente (20 Schock
alte Silbergroschen); von einem Schaffner (Bergbeamten) 2 Talente; von
einem Wascher, wenn er für sich arbeitete, 2 Talente; von einem
Kiener (Kener), er sei Kohlenbrenner oder Holzknecht, 10 Schillinge.
Dafür hatte ihnen der Bischof Schutz versprochen und sie sowohl von
dem gemeinen Gerichtsstabe als von allen Auflagen befreit, er behielt
sich aber jene Straffälle vor, in welchen jemand an seiner Person von
[763]Berggesetze.
einem Bergmann beschädigt wurde und deshalb klagbar auftrat.
Überdies versprachen die Gewerken für den Fall, daſs der Bergsegen
zunahm, nach Maſsgabe der Ausbeute sich zu einer höheren Abgabe
zu verpflichten, und sobald der Bischof einer Geldhilfe bedürfe, ihn
durch Vorschüsse zu unterstützen.“


Die Nachfolger des Bischofs Albrecht kamen wegen des Regals
mit dem Kaiser in Konflikt, doch wurde die Sache in Güte beigelegt.
Der Tridentinische Bergbau wurde zuerst von eingewanderten Deut-
schen betrieben, was sowohl durch die vielen deutschen Namen als
auch die deutschen Bergwerksausdrücke in den Urteilen des 12. und
13. Jahrhunderts bewiesen wird. In der Bergwerksordnung des Bischofs
Friedrich von Trient vom Jahre 1208 kommen wiederholt in dem
lateinischen Text deutsche Termini Technici wie Werchi (Gewerke),
Xenkelochus (Gesenkloch), Dorslagum (Durchschlag) vor.


Im übrigen entwickelte sich das Tridentiner Bergrecht aus sich
selbst weiter und bestanden bereits im Anfange des 13. Jahrhunderts
in Trient besondere Bergrichter, gastaldiones genannt. Die Berg-
ordnung des Bischofs Friedrich von Trient vom Jahre 1208 enthielt
schon viele technische Anordnungen von allgemeinem Interesse 1):


„Item omnes Werchi, qui habent rotas, et qui ad rotas Argentine
laborant, debeant habitare in civitate et admodo civis Tridenti esse,
et qui contrafuerint, quinquaginta libras nomine pene solvere tene-
antur Domino Episcopo et plus ad ejus voluntatem.


Item jubemus, quod de cetero omnis Werchi; qui per fictum volunt
laborare ad rotas aliorum Werchorum, liberam habeant potestatem
laborandum.“


(So sollen alle Gewerke, die Räder haben und mit Rädern ihr
Erzbergwerk betreiben 2), in der Stadt wohnen und Bürger von Trient
sein, widrigenfalls sie 50 Pfund als Strafe dem Herrn Erzbischof
zahlen müssen oder noch mehr nach dessen Ermessen.


Ebenso befehlen wir, daſs im übrigen alle Gewerke, welche gegen
Ersatz mit den Rädern anderer arbeiten wollen, dazu freie Gewalt
haben sollen.)


In den Anfang des 13. Jahrhunderts fällt die Kodificierung des
Iglauer und Kuttenberger Bergrechtes. Die jura montium et
montanorum civitatis Iglavensis
waren Aufzeichnungen der
bereits bestehenden Gewohnheitsrechte, wohl veranlaſst dadurch, daſs
bereits ein Berggericht zu jener Zeit in Iglau in Thätigkeit war. Graf
[764]Das frühe Mittelalter.
Caspar Sternberg hat das Original, welches sich im Archiv der Stadt
Iglau befindet, veröffentlicht 1). Die Abfassung fällt in die Jahre 1249
bis 1253. Es ist nur ein Lokalstatut, welches erst durch die könig-
liche Bestätigung seine weittragendere Bedeutung erlangte. Von einem
königlichen Bergregal ist darin nichts zu finden. Dadurch daſs aber
König Wenzel das Iglauer Statut zum Gesetz für ganz Böhmen machte,
erlangte der Iglauer Schöppenstuhl in Bergsachen ein hohes Ansehen.
Dieses erhielt sich bis in das 16. Jahrhundert. Die böhmischen Könige
waren eifrige Pfleger des Bergbaues und um das Jahr 1360 erlieſs
König Wenzel II. eine Bergbauordnung, ein jus regale monta-
norum oder wie es später hieſs: constitutiones juris metallici Wenzes-
lai II. Regis Bohemiae, welche von akademisch gelehrten Juristen ab-
gefaſst war. Sie sollte eine böhmische Landesbergordnung sein, doch
fand sie ihre praktische Anwendung hauptsächlich in den Kuttenberger
Silberbergwerken, weshalb sie auch geradezu „das Kuttenberger
Bergrecht
“ genannt wurde. Sind die Berggesetze von Trient, Iglau
und Kuttenberg für den Süden Deutschlands von hervorragendster
Wichtigkeit gewesen, so waren es für den Norden die jura silva-
norum der Stadt Goslar
, die ältesten Berggesetze des Harzes.
In dem Kampfe zwischen Kaiser Friedrich Barbarossa und Heinrich
dem Löwen stand die Berg- und freie Reichsstadt treu zu Kaiser und
Reich. Als Ende April 1180 der Waffenstillstand abgelaufen war, brach
Heinrich in das Gebiet der Reichsstadt Goslar ein, verwüstete es nach
allen Richtungen hin, schnitt den Bürgern alle Zufuhr ab und zerstörte
die zahlreichen Hüttenwerke, welche sich dort im Thale der Oker be-
fanden und die metallischen Produkte des Rammelsberges verarbeite-
ten. In einer alten Nachricht aus dem Jahre 1182 wird angeführt:
„Nachdem Herzog Heinrich der Stadt alle ihre Hütten verbrannt und
das Werk verstreuet hatte, habe dieses den Kaiser Friedrich bewegt,
daſs er der Stadt viel Trost thäte. Er habe der Stadt alle übrigen
Bergwerke, ihr auch sechs Ritter zum Schutz und um unter des
Kaisers Bann zu richten, ingleichem mehr weise Leute bestellt und Hof-
leute, zu Hilfe der sechse, wenn der Entschied wichtig wäre 2).“


In dem Archiv der Stadt Goslar liegt ein auf Pergament in
Schriftzügen des 11. oder 12. Jahrhunderts zierlich geschriebenes
Bergrecht mit der einfachen Überschrift: „Dyt syn des Barghes Rechte“.
Ganz am Ende findet sich die Jahreszahl „1186“.


[765]Berggesetze.

Es bestehen Zweifel, ob dieses Berggesetz in der vorliegenden
Fassung, die mit dem späteren jura silvanorum übereinstimmt, aus dem
angeführten Jahre stammt 1), wohl aber läſst sich annehmen, daſs in
diesem Jahre der Hauptinhalt, das alte Goslarer Gewohnheitsrecht
niedergeschrieben und vom Kaiser bestätigt wurde.


Kaiser Friedrich II. erteilte im Jahre 1219 der Stadt Goslar ein
Privileg, welches die Grundlage des Goslarer Stadtrechtes wurde. In
diesem sind ebenfalls bergrechtliche Bestimmungen. „Die Gewerken,
Waldleute (silvani) sollen geschützt sein in ihrem Eigentum. Auch
soll den Waldleuten an ihrem Gute nichts gekümmert werden, auſser
wegen der Reichsabgaben, welche sie für ihre Schmelzöfen zu zahlen
verpflichtet sind. (Idem etiam silvani in bonis suis non debent pan-
dari pro aliqua causa nisi tantum pro reditibus Imperii quos de folli-
bus solvere tenentur 2).


Diejenigen Waldleute, welche Hütten in der Freiflur haben, sollen
von zwei Feuern wöchentlich einen Silberling (Lotpfennig) an das
Reich entrichten, dafür, daſs ihnen gestattet wird, ihr Holz herbei zu
fahren von einem jeden Orte, der ihnen genehm ist. Silvani, qui casas
habent in locis campestribus, de duobus follibus qualibet hebdomata
lot argenti solvere tenentur Imperii, hac de causa, ut liceat eis car-
bones ad ducere, de quocunque loco eis est opportunum etc.“


Die eigentlichen Jura et Libertates Silvanorum, welche
sich im Archiv der Stadt Goslar befinden, sind in deutscher Sprache
abgefaſst und datieren vom St. Markus-Tage (25. April) 1271. Es ist
ein merkwürdiges Gesetz, welches besonders viel Licht auf die Rechte
und Lohnverhältnisse der Arbeiter jener Zeit wirft. Von technischem
Interesse sind folgende Stellen.


„Die Hütten auf dem Harze, die daselbst Lotpfennige bezahlen für
das Wasser, das auf die Hütten geht, diese Pfennige soll man Sonn-
abends auf dem Wassersteg bezahlen…“


„Die Waldleute, die daselbst sind und Schlageschatzung und
Kupferzoll an das Reich geben, besitzen dagegen ihre Hütten recht-
mäſsig.“


Wenn die angeführten alten Berggesetze besonderen Ruhm da-
durch erlangten, daſs sie sich auf den Bergbau der edlen Metalle,
insbesondere auf den Silberbergbau bezogen, so sind die frühesten
bergrechtlichen Bestimmungen über den Eisenbergbau nicht minder
alt und für uns von um so gröſserem Interesse. In der Urkunde, in
[766]Das frühe Mittelalter.
welcher der Abt Gottfried von Admont im Jahre 1216 den Bergbau
zu Eisenerz verleiht, sind bereits ganz bestimmte bergrechtliche Grund-
sätze enthalten und diese werden ganz ausdrücklich am Schluſs auf
noch ältere Bergwerksstatuten von Zezzin bezogen, ein Ort, der auch
in anderen Urkunden erwähnt wird, ohne daſs man seine Lage oder
die bezüglichen Gesetze kennt 1).


Von ganz besonderer Bedeutung für die Entwickelung des Berg-
rechtes war der Bergbrief des Leonhard von Ecklshaim, Bergvorstandes
zu Schladming.


„Lienhard de Egklshaim, die Zeit Richter zu Sleming, dieser ver-
sammelte am Montag nach St. Margarethentag im Jahre 1308, zur
Zeit als Kaiser Albrechts I. Wittib Elisabeth, gebohrene Gräfinn von
Tirol, Pfandinhaberin der Grafschaft Steier war, die Bürger und
Knappschaft zu Schlödming, und verfaſste, mit deren Einstimmung und
mit Genehmhaltung seiner Landesfrau den berühmten Bergbrief,
welcher die Grundlage aller Bergordnungen worden ist, die in folgen-
den Zeiten in Bayern, Österreich, Salzburg und Tirol erlassen wurden.“


Der Brief ist in Loris Sammlung 2) abgedruckt, doch beziehen sich
seine Bestimmungen fast ausschlieſslich auf den Bergbau. Auf den
Eisensteinbergbau insbesondere bezieht sich ferner die vom Vallvassor
(Ehre des Herzogtums Krain, Tl. I, S. 393) angeführte „Bergfreiheit
der Grafen von Ortenberg für den Bergbau zu Sawa. Am Bartholo-
mäustag 1381“.


Von besonderem Interesse ist die Sulzbacher Hammer-Eini-
gung
im bayerischen Nordgau 3). Wir haben schon oben erwähnt,
daſs der Sulzbacher Eisensteinbergbau einer der ältesten in Deutsch-
land war. Im Jahre 1326 verlieh König Ludwig von Bayern den
Bürgern das Zollrecht „auf dem Ärzberg“ 4).


Die Nachkommen des Herzogs Rudolf, welchem 1329 durch den
Vertrag von Pavia diese Herrschaft zugefallen war, bestätigten 1350
den Bürgern von Amberg, innerhalb der Grenzen des Fürstentums aller
Orten und auf allerlei Erz einzuschlagen, in gleicher Weise, wie sie
das Recht von Alters haben für das Eisenerz 5): „Ondt geben auch mit
[767]Berggesetze.
diesem gegenwärtigen Briefe, daſs sie Eisenarzt suchen mögen, allent-
halben in allen onsern Lande ondt in allen onser Herrschaft ondt Ge-
biet, wo sie wöllen, oder wo es ihnen fuegsamb ist, ondt dieselbe Freyheit
geben wir ihne, in aller der Maſs ondt Weis, als ander ihre Freyheit
stet, die ihne geben ist ober das Eisenarzt…“


Die angezogene, alte Belehnungsurkunde ist leider verloren, doch
läſst sich annehmen, daſs die „Hammereinigung“ der Städte Sulzbach
und Amberg aus dem Jahre 1387 auf den alten Freiheiten und Ge-
setzesbestimmungen basiert. 47 Hammerherren verbanden sich über
alles, was Bergrecht anging, im bayerischen Nordgau gemeinsam zu
erkennen. Diese Ordnung war zuerst nur für vier Jahre beschlossen.
Da sie sich aber bewährte, erhielt sie sich und wurde von 10 zu
10 Jahren durch landesfürstliche Macht bestätigt. Aus dieser Hammer-
einigung entwickelte sich das bayerische Bergrecht auf diesem Gebiete,
als dessen Wiege Amberg-Sulzbach anzusehen ist. Amberg war im
14. Jahrhundert der Mittelpunkt des Eisenhandels in Bayern, was dar-
aus erhellt, daſs die Eisenpreise in den Landen der Herzöge von
Niederbayern nach dem Preise in Amberg bestimmt wurden.


Wir können nur einzelne Punkte aus dieser Hammereinigung,
welche ausführlich in Loris Sammlung bayerischen Bergrechtes (S. 65 etc.)
abgedruckt ist, mitteilen. Diese Hammerordnung wurde erlassen von
genannten beiden Städten mit Zustimmung der Bürger von Nürnberg
„unserer guten Freunde, die Schmidtwerkh haben“.


Die Hammereinigung regelt zunächst den Verkauf und bestimmt,
daſs nur an Mitglieder des Bundes Erz abgegeben werden soll. Es
scheint eine äuſsere Veranlassung, vielleicht eine schwindelhafte Grün-
dung die direkte Veranlassung zu solcher Einigung gegeben zu haben,
denn im §. VI verpflichten sich die Genossen ausdrücklich, dem Dietrich
Wintterstein, der die Hammerwerke in Castel und Rellhofen besitzt,
kein Erz abzugeben, „bis eh er uns die Bueſs giebt, die er verwürkt
hat, oder gerecht dafür wird, daſs er die Bueſs nitt verwürkt hatte“.


§. XI: „Wäre auch daſs ein Hammermeister, der jetzund Hammer-
meister ist, fürbaſs ein Schmiedmensch würde, so soll, wenn er in der
Genossenschaft Schulden hat, der Hammermeister, der ihn in Dienst
nimmt, für ihn aufkommen, oder ihn binnen 14 Tagen entlassen,
widrigenfalls ihm die Genossenschaft kein Erz mehr verabfolgt.“


Daſs eine Anzahl schwindelhafter Gründungen vor dieser Zeit
entstanden sein muſsten, durch welche die Grubenbesitzer resp. die
Sulzbacher Bürger ihr Geld verloren, geht auch daraus hervor, daſs sie
im §. 10 sich verpflichten, „daſs in den nächsten vier Jahren kein
[768]Bergbau im Mittelalter.
neuer Schinhammer gebaut werden soll, oder wenn ihn ein Fremder
baue, diesem vor acht Jahren kein Erz verkauft werden solle.“


Die Hammerordnung hat hauptsächlich den Zweck, den Verkauf
des Erzes an die Gewerke, denn als solche sind die 64 Hammerherren
wohl anzusehen, zu regeln. Ferner Produktion und Verkauf, sowie den
Erzpreis und die Löhne festzusetzen.


Diese, aus eigenem Antriebe und aus eigener Kraft der Hammer-
meister von Sulzbach, Amberg und Nürnberg geschaffene Ordnung
wurde im Jahre 1464 als eine, mit dem Landesfürsten Sigmund, Pfalz-
grafen zu Rhein abgeschlossene oder von ihm ausgehende Verordnung
von neuem veröffentlicht und bestätigt 1).


Die Sulzbacher Hammerordnung ist für die Beurteilung der mittel-
alterlichen Industrieverhältnisse, namentlich auch in bezug auf die
Arbeiterfrage von groſser Wichtigkeit und werden wir später noch auf
einzelne Bestimmungen zurückkommen.


Ähnliche Hammerordnungen wurden im 15. Jahrhundert in Lüttich
und im Siegerland erlassen, auf welche wir dann ebenfalls zurück-
kommen werden.


Fortsetzung der Nachrichten über den
Eisenbergbau im Mittelalter
.


Es ist nicht unsere Aufgabe, die fernere Entwickelung des deut-
schen Bergbaues vom 13. Jahrhundert an in ihrem ganzen Umfange
darzustellen und begnügen wir uns hier, nur einige notwendige That-
sachen mitzuteilen.


Im Jahre 1282 wurden nachweislich bereits in Mecklenburg die
Sumpferze gewonnen und auf Eisen verschmolzen. Damals als die
Germanisierung jenes Landes kaum begonnen hatte und slavische
Sprache und Sitte noch vorherrschten, wurde der Stadt Stavenhagen
bei der Bestätigung ihrer Privilegien auch das Eigentumsrecht der
Salinen und Eisengruben zuerkannt.


Adolph VII. von Berg gewann 1256 bis 1296 Eisen im Aggerthal,
während in demselben Jahrhundert der Graf von der Mark sich ein
Dritteil des Eisensteins der Siegener Mark vorbehielt. In Westfalen
hatte sich zu jener Zeit schon eine beträchtliche Eisenindustrie ent-
[769]Steinkohlenbergbau.
wickelt, die ihre Waren weithin verschickten. In den Zollrollen von
Damm bei Brügge werden schon im Jahr 1252 Sensen aus Westfalen
angeführt.


Der berühmte Stahlberg bei Müsen im Siegerland, der bereits
vor dem Jahre 1313 bebaut wurde, hat seit dem Jahre 1380 in ununter-
brochenem Betriebe gestanden. Auf den Stahlberg bei Müsen oder
auf den Bautenberg bei Wilmsdorf bezieht sich auch die Urkunde aus
dem Jahre 1298, durch die Adolph von Nassau seinen Vettern Heinrich
und Erich das „Stahlbergwerk“ zu bauen gestattete; darin wird auch
das Silberbergwerk „zu Ratzenscheid“ erwähnt, bei dem schon 1224
eine Münze gestanden haben soll. Ebenso ist im Sauerland eine alte
Eisenindustrie, die zu Agricolas Zeit bedeutend war. Nach dem Lager-
buch der Grafschaft Arnsberg betrug der Zehnte der dortigen Eisen-
hütten im Jahre 1348 500 Gulden.


1365 gedenkt Karl IV. in einer Urkunde der Eisengruben des
Klosters zu Königsbronn. Eine andere Urkunde Karls IV. enthält die
Bestätigung des Berglehens des Fichtelgebirges an den Burggrafen von
Nürnberg in folgenden Worten: „Alle Goltwerk, Silberwerk, Kupfer-
werk, Eisenwerk, Bleiwerk und Zinnwerk und alles daz da Erz heiſset,
daz in ihren Landen und Herrschaften funden ist oder noch funden
wirdt, zu einem ächten, ewigen Lehn überläſst, daz sie dazſelbe in
ihren eigenen nuz und frommen keren.“


Seit dem 14. Jahrhundert fingen die Fürsten an, die sich mehr
und mehr verwickelnden Besitz- und Rechtsverhältnisse bei den Gruben
durch besondere Bergwerksordnungen zu regeln. Der sehr alten,
Ambergischen Hüttenordnung ist bereits gedacht worden. 1345 er-
teilte Graf Wilhelm von Namur den Eisenhämmern der sogenannten
„Reide- und Meisterzunft“ verschiedene Rechte und Freiheiten.


Steinkohlenbergbau im Mittelalter.


Interessant ist, daſs auch der Steinkohlenbergbau in Deutschland
schon sehr alt ist. Hat doch die Verwendung der Steinkohle zur
Eisengewinnung viele Jahrhunderte später der ganzen Industrie die-
jenige Signatur gegeben, die sie heute noch trägt. Deshalb ist es wohl
am Platze, die Anfänge des Steinkohlenbergbaues nicht auſser Acht zu
lassen. Der Steinkohlenbergbau im Hochstift Lüttich soll bis in das
Jahr 1198 zurückgehen, dies erzählt eine alte Legende, welche die alte
Lütticher Chronik mitteilt. Ein Schmied, Namens Hullos, sei es ge-
wesen, der im Jahre 1198 traurig vor seiner kalten Schmiede bei
Beck, Geschichte des Eisens. 49
[770]Steinkohlenbergbau.
Lüttich gestanden habe, weil ihm das Geld zur Anschaffung von Holz
fehlte. Da sei ein Engel zu ihm getreten, habe ihn zu einem Berg
geführt und ihm geheiſsen, dort schwarze Steine zu brechen und
damit zu feuern. So sei Hullos der Erfinder der Steinkohlen, welche
auch von ihm ihren Namen führen (houille).


Der älteste Steinkohlenbergbau im Deutschen Reiche dürfte um
Aachen und Zwickau bestanden haben. Die ältesten urkundlichen Nach-
richten über Steinkohlenbergbau in der Mark stammen aus dem Jahre
1302. Es heiſst nämlich in einem zu Dortmund erhaltenen Kaufbrief
aus diesem Jahre: „Die Gebrüder Heinrich und Dietrich von Aplerbecke
haben verkauft ihr Huuſs binnen Schüren gelegen, mit aller seiner umb-
liggenden Gerechtigkeit, Steinbrechen und Kohlenkrafften Boymundo
dem Priester St. Peters und Pauls Altar binnen St. Reinholdshirchen 1).“


Nach einer Mitteilung der Dortmunder Chronik zogen während
der Belagerung der Stadt im Jahre 1389 die Schmiede über die Em-
scher und holten „100 Malter Steinkohlen“, jedenfalls, weil sie der-
selben für ihren Betrieb nicht entbehren konnten. Der Aachener
Steinkohlenbergbau ist von hohem Alter 2) und geht, wie aus den
Stadtrechnungen hervorgeht, bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts
zurück. Die betreffenden Rechnungen beginnen mit dem Jahre 1333
und gehen bis 1394. Sie sind für die Bergwerksgeschichte der Stein-
kohlen von hohem Werte. Zunächst beweisen die Rechnungen, daſs
schon in jener Zeit die Steinkohle das gewöhnlichste Brennmaterial für
den Hausbrand in dortiger Gegend war. Für die öffentlichen Gebäude,
wie das Rathaus (domus consilii), das Amtslokal des Bürgermeisters
(lobium magistrorum civium) und die „Saal“ werden nach Ausweis der
Rechnungen Steinkohlen angeschafft. Die Stadt kaufte die Steinkohlen
von Privaten, welche auf ihrem Grund und Boden dieselben gruben.


Die Stadt selbst scheint wenigstens im 14. Jahrhundert keinen
eigenen Bergbau betrieben zu haben. Die Steinkohle ging accisfrei in
die Stadt ein, während alle sonstigen Erze, namentlich Eisen- und
Zinkerze, eine Abgabe entrichten muſsten. Aus städtischen Rechnungen,
die der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts entstammen, geht indes hervor,
daſs die Stadt in irgend einer Weise an dem Kohlenbergbau der
Nachbarschaft, „des Wurmreviers“, beteiligt war. Im Jahre 1353/54
schickte die Stadt einen gewissen Feyler nach Lüttich, damit er kaufe
„unum panneil correctum ad lapideas carbonas“, „ein geaichtes Normal-
[771]Soziale Stellung der Arbeiter.
maſs für Steinkohlen“ 1). Jedenfalls hatte die Stadtbehörde bei
Streitigkeiten über richtige Lieferung zu entscheiden und war deshalb
ein solches geaichtes Maſs notwendig. Aus diesem Umstande geht
aber ferner hervor, daſs der Lütticher Steinkohlenbergbau noch älter
und wichtiger war, als der im Wurmgebiete und daſs die Aachener
sich des Lütticher Kohlenmaſses bedienten. Unter den Bediensteten
der Stadt werden von 1373 an auch stets Kohlengräber angeführt, so
1373 fossores carbonum, 1384 kölere, 1385 kölgrevere, 1391 gesworen
van den kölberge, 1394 meistern up den coilberg. Demnach hatte die
Stadt in dieser Periode eigene Steinkohlengruben im Betrieb und übte
auſserdem wahrscheinlich die bergpolizeiliche Aufsicht über die Berg-
werke der übrigen Grundbesitzer. Von einer Verleihung solcher
Gruben ist nirgends die Rede. Die Steinkohle gehörte nicht zu den
Regalien.


Im Jahre 1487 gab bereits der Fürstbischof von Lüttich den
Kohlenbergwerken eine eigene Bergordnung unter dem Titel „Paix de
St. Jaques vom 5. April 1487“ 2). Dieselbe will hauptsächlich die
Rechte der Kohlenbergwerksunternehmer gegenüber den Grund-
besitzern regeln. Auch nach diesem Berggesetz geschehen alle Ent-
scheidungen durch Geschworene.


Die rechtliche und soziale Stellung der
Bergleute
.


Wir haben schon früher Veranlassung gehabt, auf die Verschieden-
heit der Stellung der Arbeiter im Berg- und Hüttenfach bei den Ger-
manen gegenüber dem analogen Verhältnis bei anderen Völkern des
Altertums hinzuweisen.


Die Freiheit der Arbeit im Bergfach hat sich in der Zeit des
Mittelalters in Deutschland noch viel schärfer ausgeprägt 3) und es
verdient diese Entwickelung um so mehr Beachtung, weil sie durchaus
originell ist und bereits schon damals alle Grenzstreitigkeiten zwischen
Kapital und Arbeit, die in unseren Tagen, in denen die Ernährung
durch die freie Arbeit ein so viel wichtigerer Faktor geworden ist, auf
der Tagesordnung stehen, behandelt worden sind.


49*
[772]Soziale Stellung der Arbeiter.

Der Grundunterschied der Stellung des deutschen Bergmannes
gegenüber dem orientalischen und römischen Bergarbeiter lag darin,
daſs der deutsche als freier Mann angesehen wurde. So wenig in
Deutschland die Häuerarbeit eine Sklavenarbeit war, so wenig wurde
geduldet, ja war es denkbar, daſs Verbrecher, wie bei den Römern,
zur Bergwerksarbeit verurteilt werden konnten. Dies kam im Mittel-
alter als eine Nachäfferei römischer Sitten nur ausnahmsweise vor,
und zwar bei den Germanen wohl noch seltener als bei den Slaven.
Der Polenkönig Miecislaus, der zugleich Herzog von Schlesien war,
soll allerdings in den Jahren 1175 und 1176 „ad metalla damnati“ in
die Bergwerke geschickt haben.


Der deutsche Berg- und Hüttenmann wurde nicht nur als ein
freier Mann geachtet, er hatte auch das volle Recht der Freizügigkeit.
Überhaupt hatte sich der Bergwerksstand im Mittelalter bereits einen
groſsen Teil derjenigen Rechte erworben, um welche heutzutage die
Arbeiter der Groſsindustrie kämpfen. Sie hatten sich diese Rechte
erwerben können dadurch, daſs sie auch für alle technischen und morali-
schen Anforderungen aufkamen, welche die Gesellschaft an sie stellte
und zu stellen berechtigt war.


Der Bergmann galt als ein nützliches Glied der Gesellschaft, den
die Gesamtheit zu schützen und zu erhalten verpflichtet war. So
heiſst es z. B. in der alten salzburgischen Bergordnung vom Jahre 1477
(§. 58): „Die Gewerken, Berggesellen und Arbeiter sollen in allen
fürstlichen Landen beherbergt und mit Notdurft versehen werden“ 1)
und in derselben Bergordnung von 1533 heiſst es:


„Auch sollen die Gewerkhen, Perkhgesellen und Arbaiter für
ander in unserm Landt und zur Fürdrung unser Perkhwerch behauſst,
beherbergt und mit Notdurft versehen werden.“


Der Bergmann hatte das Recht des freien Geleites, und das Recht
der Freizügigkeit des Berg- und Hüttenmannes war in Deutschland
so allgemein anerkannt, daſs es einen Teil des gemeinen oder des
Landrechtes bildete. Deutschland war auch darin allen übrigen
Ländern das Vorbild und die deutsche Rechtsanschauung übertrug sich
auf alle civilisirten Länder. Der Bergbau bildete im Mittelalter die
einzige Groſsindustrie und wenn an einem Orte ein reiches Bergwerk
entdeckt und eröffnet wurde, so war der Zustrom von Arbeitern nach
solchem Platze ganz ähnlich, wie in unserem Jahrhundert der Zug nach
Kalifornien oder Australien. So entstanden in unwirtbaren Gegenden
[773]Soziale Stellung der Arbeiter.
binnen Jahresfrist 1471 die Stadt Schneeberg in Sachsen und 1516
Joachimsthal. Am letzteren Platze strömten nach Entdeckung der
Silbergruben 8000 Bergarbeiter aus allerlei Ländern zusammen und
Matthesius, der Prediger von Joachimsthal, sagt aus eigener Erinnerung:


„Bevor ist um dies Thal groſse Wildnis gewesen. An dem Platze,
wo jetzt der Predigtstuhl steht, war ein Wiesenfleck, wo mancher Bär
erschossen worden, am Brotmarkt eine Mühle“ u. s. w.


Bewundernswert war, daſs solche Gründungen so rasch geordnet
und rechtlich geregelt wurden. Es ist dies ein hohes Zeugnis des ge-
reiften männlichen Sinnes der deutschen Bergleute, welcher sich fort
erhalten hat, so daſs noch heutzutage deutsche Bergarbeiter die Pio-
niere bergbaulicher Gründungen im Auslande sind und konnten die
Schätze von Kalifornien, Texas, Nevada u. s. w. nur durch die Solidität
germanischer, insbesondere deutscher Bergleute so rasch in so groſs-
artiger Weise ausgebeutet werden. Der Korporationsgeist der Berg-
leute geht bis in die älteste Zeit germanischer Verfassung zurück und
lehnt sich unmittelbar an die Markenverfassung der alten Deutschen
an. In der altgermanischen Gemeinde besaſs der Einzelne nur das von
ihm bebaute und beackerte Feld: „Der Wald“ und „der Berg“ waren
frei. Wie die Gemeinschaft an dem Walde partizipierte, so hatte sie
auch an dem Berge und dem Bergwerksbesitz Teil. Deshalb war die
Rechtsprechung in Bergsachen ursprünglich Sache der Gemeinde, „der
Geschworenen“ und diese Form der Rechtsprechung, welche als die
urdeutsche anzusehen ist, hatte sich bis zu ihrer Verallgemeinerung in
diesem Jahrhundert nirgends so erhalten als in den Berggerichten.
Zwar waren die Berggerichte Spezialgerichte, die nur über Bergsachen
erkennen sollten, indes standen sie schon in ältester Zeit in solcher
Achtung, daſs sie auch über diese Grenze hinaus Urteile fällten und
Strafen verhängten, auſser in „Malefizsachen“. Der Umfang der Juris-
diktion ist schon in der alten Kuttenberger Bergordnung vom Jahre
1300 deutlich ausgedrückt 1):


„Sane Urburiariorum jurisdictio est judicare solum eaque ad mon-
tanam
dignoscuntur judicium pertinere.“


Auch in der Form der Rechtsprechung hat sich die uralte deutsche
Gewohnheit zum Teil erhalten 2). Ehe das Gericht beginnt wird die
Frage an die Geschworenen gestellt ob Gericht „gehegt“ werden soll,
an welchem Tage, in welcher Stunde, an welchem Platze. Dann erst
wird es durch den Richter ausgerufen. So erscheint der Richter nur
[774]Soziale Stellung der Arbeiter.
als der öffentliche Beamte, die Geschworenen aber als diejenigen,
welche nicht nur über die Schuldfrage, sondern auch über den Sinn
und die Auslegung des Gesetzes zu erkennen haben. Es ist deshalb
nicht verwunderlich, daſs das Iglauer und das Kuttenberger Recht be-
stimmen, daſs in schwierigen Fällen auſser den Berggeschworenen auch
die Gemeindeältesten zur Entscheidung zugezogen werden sollen.


Überhaupt wird die Bergordnung in alter Zeit als eine Sache der
Gemeinde behandelt. So ist der berühmte Schladminger Bergbrief
vom Jahre 1308 das wichtigste Bergweistum für Süddeutschland, er-
lassen vom Bergmeister, dem Rat, den Bürgern, den Knappen „ge-
mainiglich und der ganzen Gemain arm und reich“.


Im Goslarer Recht aus dem 14. Jahrhundert heiſst es: „Die Wald-
leute mit den 6 Männern beschlieſsen über neue Ordnung bezüglich
des Bergbaues. Bei neuen Auflagen und wichtigen Angelegenheiten
soll aber nicht die Kopfzahl der Knappen an Hütern und Häuern und
anderen Arbeitern, sondern die Stimmen derjenigen entscheiden,
welche am meisten die Lasten zu tragen haben, Meistbegüterte und
die Weisesten sind.“


Hier ist der enge Zusammenhang zwischen dem Bergrecht und
dem alten Marken- und Waldrecht noch deutlich erkennbar. Die
Rechtsprechung in Bergsachen war stets öffentlich und kollegialisch.
Diese deutschen Gebräuche haben deutsche Bergleute über die ganze
Erde getragen. Im Tyroler Bergrecht heiſst es „zur gemeinen Sino-
dumb“, im alten Tridentiner Bergrecht heiſst es: „cum consilio wer-
korum“ und ferner: „nomine et vice silbrariorum et una cum tota
universitate vell majori parte silbrariorum“ und im steyerischen
Bergrecht von 1336: „mit vollkommenem Rat unser getrewen Bürger
und Perkleuten.“


Selbstredend war mit dieser bevorzugten Stellung der Bergleute
auch ein erhöhtes Standesbewuſstsein verknüpft. Damit ging aber
Hand in Hand ein edler Gemeinsinn. Die „Knappen“ traten zu
Brüderschaften zusammen.


Schon der Name „Bergknappe“ beweist das Standesbewuſstsein.
In dem Namen ist das Recht des freien, wehrhaften Mannes ausgedrückt.
Noch heute darf der Bergknappe sein „Berghäklein“ tragen, wenn dies
auch zum Symbol geworden ist und die „Brüderschaft“ hatte ihre
eigene Fahne, was im Mittelalter eine ganz andere Bedeutung hatte
als heutzutage. Selbst ihre eigenen Heiligen hatten die Bergleute im
Mittelalter. In Freiberg war es St. Eulogius, dem die Bergleute einen
besonderen Altar im Dom errichtet hatten und wo sie ihre Gebete ver-
[775]Soziale Stellung der Arbeiter.
richteten. In Schneeberg war es die Mutter Gottes, St. Wolfgang und
Andreas, in Annaberg die heilige Anna, in Mansfeld St. Georg, in
Salzburg St. Rupert, in Leoben St. Barbara, die überhaupt als die
Heilige des Berg- und Hüttenwesens gilt. In Siegen hatten die
Hüttenleute und Schmiede einen besonderen Altar des „hiligen Kruzes“.
Auch galt dort St. Nicolaus als ein Schützer des Bergbaues ebenso wie
in Goldberg, Freiberg und in anderen böhmischen Städten.


Schon in frühester Zeit arbeiteten Bergleute im Geding, welches
sich in solcher Art entwickelte, daſs sie nicht selten an dem Unter-
nehmegewinne Teil nahmen. Diese Arbeit nannte man opus locatum.
Dies waren die „Eigenlöhner“. Sie bildeten bereits hie und da wirk-
liche Produktivgenossenschaften.


Tritt die Selbständigkeit der Bergarbeiter dem Territorialherrn
gegenüber oft scharf hervor, so sehen wir aber auf der anderen Seite
einen opferwilligen Gemeinsinn, wie ihn kein Stand in solchem Maſse
aufweist. Der edele Sozialismus, der ja stets für die arbeitende Be-
völkerung das ideale Ziel der Wünsche sein wird, zeigt sich deutlich
in den alten Bergbrüderschaften. Die Bruderlade, eine gemein-
schaftliche Kasse für Krankheits- und Unglücksfälle, ist eine sehr alte
Einrichtung der Bergleute. Dazu wurde von jeglichem am Samstag
der „Büchsenpfennig“ gespendet. Aus diesen Spenden entstand ein
Kapital, was nicht bloſs für die Krankheit, sondern auch bereits für
die Invalidität sorgen konnte. So ist die „Knappschaft“, trotzdem
sie gegenwärtig in ihrer Verwaltung einen etwas allzu büreaukratischen
Charakter angenommen hat, noch heute das Vorbild aller der Be-
strebungen, die eine Sicherstellung der Arbeiter für den Fall von Not,
Krankheit, Verunglückung und Arbeitsunfähigkeit bezwecken.


Die alte trierische Bergordnung (aus dem 15. Jahrhundert) geht
so weit, daſs sie dafür Sorge trägt, daſs „armen Bergleuten entweder
zur Bekräftigung eines Häusleins oder sonsten gewissen Stückes etwas
um jährliche Verzinsung vorgesetzt werde“. Dagegen bestimmt die-
selbe Ordnung, daſs keinem Bergarbeiter mehr als 15 Thaler als Dar-
lehen von der Brüderschaft gegeben werden soll.


Die „Knappschaft“ war aber etwas viel Höheres, viel Umfassen-
deres als eine Verbindung zur Unterstützung in der Not, wofür sie
heutzutage angesehen wird, sie umfaſste alle Ehrenrechte des Standes
und dazu gehörte ganz besonders das Waffenrecht und die Verpflich-
tungen, welche dieses Ehrenrecht auferlegten.


Der Bergmann war wirklich im Sinne des Mittelalters ein
„Knappe“ durchaus nicht bloſs dem Namen nach. Er war seinem
[776]Soziale Stellung der Arbeiter.
Bergherrn und dies war meistens der Landesfürst, „in Treue gebunden“.
Neben diesem Ehrenstande genossen aber Bergleute besondere Achtung
und Berücksichtigung wegen ihrer technischen Kenntnisse, die bei Be-
lagerungen in groſsen Kriegsunternehmungen geradezu unentbehrlich
waren. Thaten höchster Tapferkeit werden von Berg- und Hütten-
leuten berichtet. Ist ja doch die Erhabenheit über die Furcht vor
dem Tode ein Erfordernis des Berufes.


So erzählt die Sage, daſs, als die Tataren im Jahre 1115 in
Schlesien einbrachen, die deutschen Berg- und Hüttenleute gegen sie
auszogen. Es war die Schlacht an der Wahlstatt. Die alte grimmige
Mähr sagt: „Keiner floh, keiner wurde gefangen, keiner blieb übrig.“
Und dieser entschlossene Widerstand, der an die Verteidigung des
Termopylenpasses erinnert, war von solcher Wirkung auf den über-
legenen Feind, daſs die Tatarenhorden ihren Weg nicht fortsetzten,
sondern sich südlich nach Ungarn wandten.


Die Freiberger Bergleute verteidigten ihre Stadt siegreich im
Jahre 1296/97 gegen den kriegerischen Kaiser Adolph von Nassau. In
den Kämpfen gegen die Slaven standen die deutschen Bergleute stets
zum Reiche. So kämpften sie für Kaiser Albrecht gegen Wenzel II.
von Böhmen im Jahre 1304 und thaten wichtige Dienste. Ebenso
stritten sie gegen die Hussiten. Von diesen blutigen Kämpfen leben
im Erzgebirge noch viele Erinnerungen fort. Tyroler Bergleute
bildeten eine besondere Abteilung im Kampfe gegen die Schweiz. Im
Jahre 1530 empfingen 5600 wohlgerüstete Bergleute von Schwatz in
Tyrol Kaiser Karl V. und führten vor ihm ein wohlgeordnetes Schein-
treffen auf 1).


Der Bergleute Kriegsdienst war aber kein gezwungener, sondern
ein freiwilliger. In der Hüttenberger Bergordnung vom Jahre 1424
heiſst es 2): „Item, so ein Landesfürst wider seine Freunde gläubig
oder ungläubig inner- und ausserhalb des Landes zeugt, sind sie
pflichtig, drei Tage vor dem Berge demselben Landesfürsten
zu Hilfe zu ziehen
und nicht weiter; wollt Er sie aber ferner
brauchen, soll er ihnen Sold wie anderen Dienstleuten geben, sonst
sind sie niemand Anderem verpflichtet, dermaſsen von dem Berge zu
ziehen.“


In der Bergordnung von Call vom Jahre 1494 heiſst es, daſs die
Bergleute wohl verpflichtet sein sollen zur Verteidigung des Schlosses
[777]Soziale Stellung der Arbeiter.
Heimbach, dagegen sollten sie gehalten sein gleich „Rittern und
Knechten“.


Die Heeresfolge war aber eine so ausgesprochene Pflicht der Berg-
leute, daſs deren Versäumnis den Verlust des Berggutes nach sich zog.
Die Bewaffnung der Bergleute geht wohl in die älteste Zeit zurück, wie
wir ja auch schon wiederholt Gelegenheit gehabt haben, auf die
Befestigung alter Bergwerke hinzuweisen. Erst seit dem 16. Jahr-
hundert wird den Bergleuten das Waffentragen verboten, doch erhielt
es sich bei feierlichen Aufzügen. Die traditionellen Waffen sind die
Bergparthe (die Axt) und das Häkchen (eine Art Spitzhammer).


Auch in anderer Art war der Bergmann durch das Gesetz be-
sonders geschützt. Bei der Arbeit, und sobald er „im Dienste ging
und stand, hatte er besonderen Frieden“.


Die Bergordnung Kaiser Maximilians I. vom Jahre 1517 sagt 1):


„Wan ein Pergmann zu der Arbeit get an Perg, deſsgleichen
Koler, Schmelzer, Holzknecht zu der arbeit gen, Und hat der knapp
sein Pergsakh am Rüyken Und sein Pergstab in der Hant, Auch
Schmeltzer, Kohler, Pergschmid und Holzknecht, Und sein auf dem
Weg an die Arbeit oder gehen von dem Perg, Und von ihr Arbeit, die
halen Fürsten Freyung.“


Auf dem Berge war Friede, deshalb galt das Bergwerk sogar als
Asyl 2). Wer das Recht der Wald- und Bergleute bricht, soll weder
in Kirchen noch auf Kirchhöfen Schutz haben. Niemand soll mit ge-
waffneter Hand und aufgebundenem Eisenhelm über unser Bergwerk
reiten: „dene heft nene hehge weder in kerken, noch uppo kerchoewen
. . . . Iden scal nen man riden mit wapender Hant noch mit bundenem
ysern Hode over jennich berchwerk dat scal he his onnen laten dat
dar nen vrowe af upschrecket en werde.“


Wir können Achenbach nicht beistimmen, wenn er diesen cha-
rakteristischen Schluſssatz als einen Scherz aufgefaſst wissen will.
Vielmehr scheint uns bei dem isolierten Wohnen der Bergmanns- und
Köhlerfrauen dieser besondere Schutz „diese fürstliche Freyung“ gegen-
über dem Übermut adliger Jäger recht notwendig gewesen zu sein.
Vielleicht stammt diese Bestimmung noch aus der Zeit, da die Berg-
leute noch in Gruben und die Schmelzer noch auf der Waldschmiede
wohnten.


Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. So finden wir bei
[778]Soziale Stellung der Arbeiter.
den Bergleuten des Mittelalters bereits alle die extravaganten Be-
strebungen der heutigen, sogenannten Sozialisten. Arbeitseinstellungen,
Auswanderungen, sogar Zerstörungen von Betriebsstätten kennen wir
bereits aus dem frühen Mittelalter. Die gewaltsame Zerstörung der
merkwürdigen, maschinellen Einrichtungen des Rammelsberges geschah
zwar zum Teil durch den bösen Willen eines Oberbeamten und aus
politischen Motiven, aber doch augenscheinlich im vollkommensten
Einverständnis mit der ganzen Bergmannschaft. Zu Freiberg ent-
standen Meutereien infolge von Lohnabzügen, in Tyrol wegen Ein-
schränkungen der Feiertage, zu Kuttenberg rückte 1496 die ganze
Arbeiterbevölkerung wegen Lohnverkürzung aus, schlug ein Lager und
pflanzte Fahnen auf, bis sie ihren Willen durchgesetzt hatten. Ebenso
rebellierten 1525 die Joachimsthaler, doch endigte der groſse Streit in
einem Vergleich, indem man sich über ein Schiedsgericht verständigte.


Die Freiheit der Bergleute artete manchmal in Zügellosigkeit aus.
So heiſst es in den thüringischen Berggewohnheiten aus dem 16. Jahr-
hundert: „Item bergleuth bedörffen viel Freyheit und wenigk recht,
als die Studenten, denn lust macht wagen, darum sollen bergleuthe
schön und lustigk gehalten werden in Ansehung, daſs alle Wege zehn
arm werden, ehe dann einer reich.“


Schon in sehr früher Zeit stak sogar in den Bergleuten eine Lust
zu konspirieren.


Die Kuttenberger Ordnung vom Jahre 1300 wendet sich bereits
gegen die conventicula conspirationes et machinationes der Berg-
schmiede. In späteren Ordnungen heiſst es: gegen die „unziemliche
Murmelung, Meuterei, Empörung und anderen bösen Thaten“.


Lohn und Arbeitszeit werden schon in den alten deutschen Berg-
ordnungen genau geregelt. Der deutsche Bergmann verlangte zur be-
stimmten Zeit und mit gangbarer Münze bezahlt zu werden und wehrte
sich von jeher gegen das Trucksystem, d. h. gegen Auszahlung in
Naturalien oder Waren. Dementsprechend bestimmen die alten Ord-
nungen. Das Kuttenberger Berggesetz ordnet die Lohnzahlung in
barem Gelde an und verbietet ausdrücklich, dass man den Lohn in
Erz erteile, auſser bei den Bulgenmachern (refectoribus bulgarum),
Erzteilern und Stundenausrufern, die nicht als Bergleute geachtet
wurden. Ebenso bestimmen die Kuttenberger Bergordnung und an-
dere alte Berggesetze die achtstündige Schicht, dagegen war der Berg-
mann gehalten, eine gewisse Anzahl Schichten in der Woche zu ver-
fahren. Die Betriebsbeamten wurden nach der Kuttenberger Ordnung
durch die Gewerken gewählt.


[779]Eisenbereitung im Mittelalter.

Es ist nicht zu verwundern, daſs ein solcher Stand, der so viel
auf Ordnung und Standesehre hielt, eine geistige Überlegenheit den
unfreieren Arbeitsklassen, sowie dem Landvolk gegenüber erlangte.
Dazu kam ein tief religiöser Sinn, welchen der ernste Beruf mit sich
brachte, und wenn dieser sich oft bis zum Aberglauben verstieg, so
prägte er doch dem ganzen Stande eine eigene Würde auf. Aus dem
Bergmannsstande sind durch das Zusammenwirken aller dieser Mo-
mente viele hervorragende Persönlichkeiten hervorgegangen, und es
ist charakteristisch, daſs aus einer einfachen Bergmannshütte der
groſse Reformator hervorging, der in geistiger Beziehung das Mittel-
alter zum Abschluſs brachte und der neuen Zeit voran leuchtete, der
Mönch von Wittenberg, der arme Bergmannssohn aus Eisleben, — der
gewaltige Doktor Martinus Luther.


Die Eisenbereitung im Mittelalter.


Nachdem wir es versucht haben, ein Bild der Verwendung des
Eisens im Mittelalter, der Gewinnung der Erze, der damit in Verbin-
dung stehenden Rechtsverhältnisse zu geben, wird es jetzt vor allem
unsere Aufgabe sein, die Schmelzmethoden selbst, die metallurgische
Darstellung des Eisens aus seinen Erzen, wie sie im Mittelalter ge-
gräuchlich war, zu schildern.


Die Eisendarstellung in Herdgruben (Luppenfeuer, Renn-
feuer, Windöfen u. s. w.).


Über die Eisenschmelzerei der alten Germanen wissen wir nichts
Bestimmtes. Es läſst sich nur das eine mit Sicherheit feststellen, daſs
sie sich des sogenannten direkten Verfahrens bedienten, d. h. daſs sie
aus den Erzen unmittelbar schmiedbares Eisen gewannen. Dies ge-
schah in sehr unvollkommener Weise mit schwachen Gebläsen und
einfachen Schmelzvorrichtungen. Letztere waren entweder offene Herd-
feuer oder niedrige Schachtöfen. Von letzteren hat man auf Hügeln
und Bergen Trümmer gefunden. Es scheint, daſs sie etwa 1,50 m hoch
und 0,50 m weit waren. Daſs in solchen Öfen zuweilen auch ohne
Gebläse durch natürlichen Luftzug geschmolzen wurde, erscheint wahr-
scheinlich, ist indessen noch nicht hinreichend erwiesen. Die Herd-
öfen nannte man später Rennfeuer und Luppenfeuer, die Schachtöfen
dagegen Stucköfen und Wolfsöfen.


[780]Eisenbereitung im Mittelalter.

Die Darstellung des Eisens in Herd- oder Luppenfeuern scheint
das verbreitetere und ältere Verfahren in Deutschland gewesen zu
sein. Jedoch läſst sich nicht nachweisen, daſs die Stucköfen aus den
alten Rennherden entstanden sind. Beide Ofenarten bestanden wohl
auch bei den Germanen wie bei den Römern nebeneinander. Es
scheint, daſs in Deutschland die Stucköfen besonders da in Anwen-
dung kamen, wo ein geordneter und ausgedehnterer Eisenerzbergbau
auch die Anlage gröſserer, gemauerter Öfen veranlaſste, während die
Luppenfeuer, die leicht aufzuführen und noch leichter wieder abzu-
brechen waren, besonders an solchen Orten in Anwendung kamen, wo
das Erz nur gelegentlich im Tagebau gewonnen wurde, oder wo viel-
leicht ein besonderer Holzreichtum ihre Anlage veranlaſste, weshalb
die Luppenfeuer häufig mitten im Walde angelegt wurden. Dies ge-
schah teils von den Waldbesitzern, teils von zünftigen Arbeitern, Eisen-
schmelzern, Waldschmieden, die in älterer Zeit öfter von einem Platze
zum anderen zogen. Auf den Gütern der Adligen, auch wenn
sie nicht das Bergregal in ihrem Dominium erworben hatten, befanden
sich in holz- und eisenreichen Gegenden meist solche Rennwerke; die
Zigeuner 1), welche sich seit ihrem ersten Auftreten in Europa, besonders
in der unteren Wallachei, im Banat und Siebenbürgen mit der Eisen-
gewinnung beschäftigten, betrieben nomadisierend an den Plätzen, wo
sie Erz fanden, ähnliche Schmelzöfen. Deshalb wurden auch die Lup-
penschmieden öfter Zigeuner- und Heidenfeuer genannt. Solche
Zigeunerfeuer haben sich in der Wallachei bis heute erhalten. Die
Anlagen und die Arbeit der nomadisierenden Schmelzer erinnern leb-
haft an die Eisengewinnung der Indier. Fast alle Zigeuner der Wal-
lachei beschäftigten sich noch im vorigen Jahrhundert mit der Anfer-
tigung von Eisenwaren 2). Sie hatten kleine, niedrige Öfen und unter-
hielten das Feuer mit Handblasebälgen, die sie aus Ziegenfellen
zusammennähten. Oben an der Stelle des Halses befestigten sie eine
kleine, eiserne Röhre, während sie die beiden an der Bockshaut befind-
lichen Füſse als Handhaben gebrauchten. Karl von Born sah einen
solchen Betrieb bei Waida Hunnyad im Banat.


Das Alter von Eisenschmieden in jener Gegend bezeugt ein bei
Ostrow gefundenes Denkmal, auf welchem eines Collegii fabrorum
[781]Rennherde.
gedacht wird. Vielleicht hängt auch der Name des „eisernen Thors“,
des Hauptpasses zwischen Siebenbürgen und der Türkei, mit den alten
Eisenschmieden jener Gegend zusammen.


Wahrscheinlich waren Luppenfeuer schon vor der römischen In-
vasion in Deutschland bekannt 1). Urkundliche Nachrichten sind sel-
ten, und aus viel späterer Zeit. In der Chronik von Walkenried heiſst
es im Jahre 1209 von dem Kloster zu Goslar: quae possideat mona-
sterium praedictum in Goslaria, cum universo emolumento, quod ibi-
dem habet in monte, et casas conflatorias, quas habet in nemore.


In Böhmen waren die Luppenfeuer sehr alt; sie werden dort schon
im achten Jahrhundert angeführt. Auch verdient erwähnt zu werden,
daſs die Kohlenbrenner in Böhmen bereits 1340, zur Zeit Karls IV,
eine anerkannte Zunft bildeten, an deren Spitze ein „Oberstaigmeister“
stand. Von Böhmen sollen die Luppenfeuer nach Schlesien gekom-
men sein. Die älteste Luppenschmiede, die in Oberschlesien angelegt
wurde, befand sich zu Kutschau bei Tarnowitz; sie wurde 1365 von
einem Böhmen erbaut. Bis 1721 kannte man in Schlesien keine an-
dere Art des Eisenschmelzens. Erst in diesem Jahre wurde in Schlesien
der erste Holzkohlenofen erbaut. Doch erhielten sich auch neben den
Hohöfen die Rennherde noch lange. Namentlich machte man in ihnen
den Tarnowitzer Brauneisenstein zu gut. Man erhielt dabei Luppen
von 150 Pfd., und verbrauchte auf 1 Ztr. Eisen 43 Kubikfuſs, nach
Karsten sogar 60 Kubikfuſs Holzkohlen. 1817 waren dort noch vier
Luppenfeuer im Gange, die Wiesenerze verarbeiteten. Es war dies zu
Greuth, Alt Öls, Modlau und Nieder-Teschen. Die in alten Urkunden
oft genannten „Casas in nemore“, sind die späteren „Waldschmitten“.
Dieselben hatten mit den Corsican- und Katalanschmieden die gröſste
Ähnlichkeit. Sie wurden mit Handbälgen bedient und brauchten des-
halb nicht am Wasser zu stehen. Vielmehr wurden sie meist mitten
im Walde, in holzreicher Gegend, an Bergabhängen angelegt. Diese
alten Schmelzfeuer hatten noch manche andere Bezeichnungen, so
nannte man sie Handschmieden, weil die Bälge mit der Hand bewegt
wurden, und im Siegerland „Iserschmitten“.


Erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts fing man an die Wasserkraft
zur Bewegung der Bälge zu benutzen, aber noch bis in die Mitte des
16. Jahrhunderts erhielten ziemlich allgemein die Iserschmitten, die
mit Hand- oder Tretbälgen betrieben wurden, den Vorzug. Im Dillen-
burgischen werden im Jahre 1444 fünf Hüttenwerke angeführt, zu
[782]Eisenbereitung im Mittelalter.
Haiger, Wissenbach, auf der Scheld und Eisen, doch waren diese ver-
mutlich alle keine sogenannten Hohöfen, sondern Rennwerke. Erst
gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstanden die ersten Hohöfen in
jener Gegend. Doch noch im Jahre 1611 waren zu Haiger, Ebersbach
und Steinbrücken Rennwerke im Gange.


Die letzten Luppenfeuer am Harz wurden zu Elbingerode noch
1750 betrieben. Es wurden darin nicht Erze, sondern alte Frisch-
schlacken auf Eisen verschmolzen. Der Betrieb war indes ganz wie
beim Erzschmelzen.


Zu Anfang dieses Jahrhunderts waren auſser in Niederschlesien,
noch Rennwerksschmieden zu Steinbach in Sachsen, im Meiningischen
und in der Oberpfalz im Betrieb. Die Rennherde waren nicht, wie die
späteren Frischherde, mit Eisenzacken hergestellt, sondern sie waren
von Steinen gemauert, und der Herd aus Gestübbe geschlagen.


Der Herd zu Steinbach z. B. war 2 Fuſs lang, 2½ Fuss breit und
3 Fuss tief. Das Erz, welches verschmolzen wurde, war gelber Spat-
eisenstein von der Mommel bei Schmalkalden. Die Erze wurden gepocht
und schaufelweise in den abgewärmten Herd eingetragen. Die Ent-
kohlung wurde durch Aufgabe von zerkleinertem Erz oder durch
Stocklech und Hammerschlacke befördert. Es bildete sich eine basische
Kochschlacke. Alle acht Stunden erfolgte eine Luppe, ein sogenannter
„Guſs“, der ausgebrochen, zerschroten und ausgeheizt wurde. Die
Eisenmasse war meist ein Gemenge von weicheren und roheren Par-
tieen. Das Ausbringen betrug oft nur die Hälfte des Erzgehaltes. Der
Kohlenverbrauch betrug bis 80 Kubikfuss pro Zentner Metall. Man gab
auch zuweilen Zuschläge zu dem Erz. Swedenborg beschrieb in seinem
berühmten Werk de ferro einen Rennherd von Sangerhausen in
Sachsen 1).


Während in Schlesien das Verschmelzen des Erzes und das Aus-
heizen der Masseln in einem und demselben Herd vorgenommen wurde,
hatte man in Sachsen für jede dieser Operationen damals einen beson-
deren Herd. Der gemauerte Schmelzboden war 8 Fuſs lang und 4 Fuſs
breit. Der Herd selbst war aus Lösche hergestellt und 1½ Fuſs tief.
An der Seite war eine Öffnung, aus der die Schlacke floſs. Die Düsen
waren aus Eisenblech, die Bälge von Holz. Die Erze wurden klein-
geklopft und gesiebt. Das Pulver wurde, nachdem der Herd abgewärmt
und mit Kohlen gefüllt war, zu beiden Seiten der Form eingetragen und
Kohlen darüber geworfen. Das Erz, von Nuſsgröſse, sank allmählich
[783]Rennherde.
zwischen den Kohlen und kam in Fluſs. Nachdem dies geschehen war,
wurde nachgesetzt. Das Erz wurde stets mit Wasser angefeuchtet. Der
Arbeiter hob von Zeit zu Zeit das niedergeschmolzene Eisen wieder vor
die Form, bis im ganzen zwei Tonnen Erz eingesetzt waren. Wenn es
nicht an Aufschlagwasser mangelte, so konnte man täglich fünf Lup-
pen machen oder fünf Schiffspfund 1) in der Woche. Jede Luppe
wurde in zwei Teile zerschroten, die in den anderen Herd, den Löschherd,
eingesetzt wurden, um sie dann in noch kleinere Stücke zu zerhauen.
Diese wurden hierauf unter einem Dreizentnerhammer in Stäbe von
3 Ellen Länge, 2½ Finger breit ausgeschmiedet. In vier bis fünf Stun-
den konnte eine Luppe fertig und die der vorhergehenden Operation aus-
geschmiedet werden. Hierbei wurden etwa vier Körbe Kohlen verbrannt.


Über den Oberpfälzischen Zerennherd, der schon seit alter Zeit
im Gebiet von Amberg betrieben wurde, hat Lampadius einige Mit-
teilungen gemacht 2).


Bei gutem Gang der Schmelzung pflegte man auch gutes Eisen zu
erhalten, miſslang die Operation, so fiel das schlechteste Produkt. Nicht
alle Erze eignen sich zu der Behandlung in diesen Herden; kalk- und
manganreiche, sowie sehr leichtflüssige am wenigsten, die thonartigen,
besonders die kaltblasigen, strengflüssigen am besten. Das gewöhn-
liche Erz war der zu Amberg gewonnene Brauneisenstein, der reich an
Kieselsäure ist und sonst ein kaltbrüchiges Eisen liefert. Das Seidel
à 5½ Kubikfuſs des rohen Erzes wog 420 Pfund und kostete 40 Kreuzer,
während ein Seidel gewaschenes und getrocknetes Erz 450 Pfund wog
und 50 Kreuzer kostete. Der Waschabgang betrug 3/10 und mehr. Das
gewaschene Erz enthält etwa 37 Proz. Roheisen. Eine Charge bestand
aus 3 Seidel Erz, wozu man 18 Kübel Reisigkohle, 4 Kübel Schiefer-
kohle, oder in deren Ermangelung noch vier Kübel guter Reisigkohle
verbrauchte. Ein Kübel von circa 14 Kubikfuſs kostete im Mittel
11 Kreuzer. Der Kalkzuschlag betrug ¼ Seidel (à 7½ Kubikfuſs) auf
1 Zentner Rohzerenneisen.


Auch hier geschah das Ausheizen in einem besonderen Löschherd,
der seinen Namen daher hat, daſs er nicht aus Eisenzacken, sondern nur
aus Lösche hergestellt war. Bei diesem sogenannten „Verlöschen“ wur-
den 6 Kübel Kohle auf 1 Zentner Schmiedeeisen verbraucht. Der Abgang
bei dieser Arbeit betrug circa ⅓. Der Gesamtkalo stellte sich höher
als bei der indirekten Methode, dagegen war das Eisen besser. Es war
weicher, zäher und zeigte wenig Kalkbruch trotz den geringen Erzen.
[784]Eisenbereitung im Mittelalter.
Doch war es mürbe, verschlackte leicht im Feuer, schweiſste ungern,
lieſs sich nicht scharf schmieden und spitzte sich bei aller Vorsicht
nicht. Bei starkem Betrieb waren sechs Arbeiter zur Bedienung eines
Feuers erforderlich. Der Zerennmeister, welcher das Feuer regierte,
erhielt vom Zentner Schmiedeeisen 13½ Kreuzer. Der Mann, der das
Erz vorläuft und die Schlacken wegschafft, 7 Kreuzer per Zentner. Der
Kohlenzieher, welcher die Kohlen reinigt und aufträgt, 4¾ Kreuzer
per Zentner.


Beim Löschfeuer hat der Meister und der Schlackenläufer, die das
Feuer bauen und das Eisen ausrecken, vom Zentner 24 Kreuzer. Der
Löschschmelzer, der die Zerennstücke vorlöscht und einschmelzt, vom
Zentner 8 Kreuzer. Mit dem Zerennstück zugleich wurde gewöhnlich
noch altes Schmiedeeisen verlöscht. Der Zentner Rohzerenneisen
kostete der Hütte selbst 3 Gulden 35 Kreuzer, das fertige Schmiedeeisen
8 Gulden 33 Kreuzer 1 Pf. per Zentner.


Dies sind die bemerkenswertesten Nachrichten über unsere alten
deutschen Luppenschmieden. Dieselben sind spärlich genug. Indessen
hat sich diese Methode der Eisengewinnung in anderen Ländern
Europas bis in dieses Jahrhundert, an einzelnen Stellen wahrscheinlich
bis auf den heutigen Tag erhalten. Und wenn dort jetzt auch schon teil-
weise bessere, mechanische Hilfsmaschinen zu Gebote stehen, als es im
Mittelalter der Fall war, so beruht der Betrieb doch auf uralter Tra-
dition, so daſs sie uns die beste Illustration für den Betrieb der Renn-
und Luppenfeuer geben. Ein Beispiel hierfür geben uns die Eisen-
schmelzen auf Corsica
.


Corsicanschmiede.

Corsica wurde von der Völkerwanderung kaum berührt. Schon
in sehr früher Zeit war dort ein hervorragender Sitz der Eisen-
industrie. Die Phokaischen Ansiedler rivalisierten mit den etruskischen
Eisenschmieden 1). Die blutigen Völkerkämpfe des frühen Mittelalters
übten keinerlei Einflüsse auf diese Waldinsel aus, im Gegenteil scheinen
dadurch, daſs die Eisenindustrie an der italienischen Küste litt, die
elbanischen Erze noch mehr wie früher zur Verschmelzung nach Cor-
sica gebracht worden zu sein. Diese Eisenindustrie hat sich in ihrer
primitiven Weise bis in unsere Tage erhalten. Wir haben zwar kein
direktes Zeugnis dafür, daſs die kleinen Rennherde, wie sie noch zu
[785]Corsicanschmiede.
Anfang dieses Jahrhunderts dort betrieben worden sind, genau so
waren, wie zur Römerzeit. Doch geht aus den Beschreibungen der
alten Schriftsteller, besonders der des Diodor 1), die Ähnlichkeit klar
hervor, auch kann sie wohl kaum einfacher und unvollkommener
gewesen sein. Wenn wir deshalb eine Beschreibung der corsica-
nischen Rennwerksschmieden
, wie sie zu Anfang dieses Jahr-
hunderts bestanden, mitteilen, so wird dies, bei dem Mangel eingehen-
der Beschreibungen aus älterer Zeit, nicht ungerechtfertigt erscheinen,
weil die corsicanischen Rennwerksschmieden bezüglich der Entwicke-
lung der Eisenindustrie nicht der neueren, sondern der allerältesten
Zeit angehören und sicherlich schon im Mittelalter, abgesehen viel-
leicht von der Benutzung der Wasserkraft, bereits in gleicher Weise
betrieben worden sind 2).


Das Erz, welches auf Corsica verschmolzen wurde, war schon
zur Zeit der Etrusker und Phokäer der Glanzeisenstein von Elba.
Dieses Erz wurde erst schwach gebrannt, um es besser zerschlagen
zu können, darauf einer starken Röstung unterworfen, die so weit
getrieben wurde, daſs das Erz eine teilweise Reduktion erlitt und zu
schwamm- oder schlackenartigen Massen zusammensinterte. Dies
scheint der Zustand gewesen zu sein, in welchem es von den Dikäarchi-
schen Kaufleuten verschifft wurde, und es wäre nach Diodors Angabe
zu seiner Zeit dieser Prozeſs noch auf Elba selbst ausgeführt worden,
wie er wahrscheinlich jetzt noch in Corsica ausgeführt wird. Man
wendete zu Anfang dieses Jahrhunderts Wassertrommelgebläse und
Wasserhämmer bei den Corsicanschmieden an. In älterer Zeit wird
das Blasen wohl mit Handbälgen, das Ausschmieden mit Handhämmern
geschehen sein.


Der Prozeſs, wie er noch in neuerer Zeit betrieben wurde 3), zerfiel
in zwei ganz getrennte Operationen, in die Röstung und Schmelzung.
Beim Rösten wurde eine groſse Masse Erz auf einmal in Behandlung
genommen, so daſs man damit 4 bis 5 getrennte Schmelzungen aus-
zuführen im stande war.


Der Herd ist in beifolgender Skizze dargestellt (Fig. 250 a. f. S.).
Arbeitsseite (a) und Formseite (b) sind aus Mauerwerk aufgeführt.
Die beiden anderen Wände des Herdes werden von Erzbrocken her-
gerichtet; der Herd bekommt dadurch eine nahezu hufeisenförmige
Beck, Geschichte des Eisens. 50
[786]Eisenbereitung im Mittelalter.
Gestalt. Der Herdboden wird aus Gestübbe geschlagen; er liegt 0,11 m
unter der Form, die 20° Neigung hat und 0,28 m in den Herd
hineinragt; sie ist von Kupfer und hat 0,031 m Öffnung. In der Mauer
der Arbeitsseite ist eine schmale Eisenplatte eingesetzt, in welcher der
Schlackenabstich sich befindet, der 0,5 m von der linken und 0,56 m
von der rechten Wand absteht. Die Achse der Form liegt 0,15 m
unter dieser Öffnung.


Bei dem ersten Teile der Arbeit des Röst- und Reduktions-
prozesses wird zuerst die kreisförmige Mauer, die sich an Arbeitsseite

Figure 250. Fig. 250.


und Formseite anlegt und
den Herd schlieſst, von
groſsen Erzstücken auf-
geführt. In diesem ein-
geschlossenen Raume wird
der Gestübbeherd geschla-
gen. Innerhalb dieser Ver-
tiefung stellt man von
groſsen Stücken Holzkohlen
der eſsbaren Kastanie, die
circa 0,05 m Durchmesser
und 0,16 m Länge haben,
eine elliptische Wand her,
die mit der äuſseren
Herdmauer ziemlich paral-
lel läuft und eine tiegel-
ähnliche Vertiefung um-
schlieſst. Zwischen diesem
Holzkohlentiegel und der
äuſseren Mauer bleibt ein
freier Raum, der nur von
zwei Holzkohlenmäuerchen,
welche zugleich mit dem
Tiegel aufgeführt werden,
in drei Teilen geschnitten wird. Diese äuſseren Abteilungen werden
angefüllt mit einem Gemenge von zerkleinertem Erz in Stück- und
Pulverform und etwa in Formhöhe wird eine horizontale Decke von
Stübbe dazwischen geschaltet. Dann wird diese Füllung mit der
äuſseren Erzmauer noch höher aufgeführt und das Ganze zuletzt mit
Lösche bedeckt. Diese Löschdecke befindet sich 0,74 m über dem
Herdboden. Bei jeder Röstung werden 526 kg Erz in Behandlung ge-
[787]Corsicanschmiede.
nommen. Der Prozeſs wird nun dadurch eingeleitet, daſs man einige
glühende Kohlen in den inneren Tiegel wirft, diese mit Holzkohlen
bedeckt und den Wind schwach anläſst. Wenn die Flamme, welche
sogleich erscheint, nach etwa 40 Minuten wieder verschwindet, so ist
das Erz nach der Bezeichnung der Arbeiter halbgar (à moitié cuit).
Jetzt wird der Wind voll angelassen und der mittlere Tiegel immer
mit Holzkohlen gefüllt gehalten. Ist die Operation nahezu beendet,
so breitet man eine Lage zerkleinerter, garer Schlacken (scories
douces) in einer 0,02 m dicken Schicht am Rande des Herdes aus.
Einige Minuten, nachdem die letzte Kohlengicht aufgegeben wurde,
bricht man die unterste Lage der groſsen Erzbrocken, welche die
äuſsere Mauer bilden, auf, und wirft sie bei Seite, um sie klein zu
schlagen. Hierauf wird reichlich Wasser auf den Herd gegossen und
die Masse, welche die Füllung des Löschherdes bildet und zum Teil
aus nicht zusammengebackenen Erzstückchen besteht, ausgezogen und
über das vorgerichtete Schlackenbett ausgebreitet. Das zusammen-
gebackene Erz bildet eine feste Wand rund um den Kohlentiegel. Die
Teile, die über der mittleren horizontalen Löschdecke sich befinden,
werden mit der Brechstange (dem Rengel) stückweise losgebrochen, die
groſsen Holzkohlenstücke, die noch unverbrannt sind, nach der Mitte
gezogen, zu einem Haufen aufgerichtet und gelöscht. So wird der
ganze Bau des Herdes zerstört.


Das Erz ist gröſstenteils zusammengebacken. Das Gemenge von
Schlacken und Lösche, das in einem langen Haufen aufgeworfen ist,
wird nun in fünf gleiche Teile geteilt. Zu jedem wird ein Fünftel des
gebackenen Erzes gesetzt und jeder dieser Haufen giebt bei der weite-
ren Verarbeitung eine Luppe.


Bei dem Röstprozeſs ist Sorge zu tragen, daſs zu Anfang die
Temperatur nicht bis zum Schmelzpunkte des Erzes steigt. Es ge-
schieht dies selten. Wenn es aber geschieht, so muſs man die zu-
sammengebackenen Erze aufbrechen und den ganzen Prozeſs noch
einmal beginnen. Aus diesem Grunde sind schwer reduzierbare und
schwer schmelzbare Erze zu dem Corsicanprozeſs mehr geeignet als
leicht schmelzbare. Der Holzkohlenverbrauch bei der Röstung ist an-
geblich ungefähr gleich dem doppelten Gewichte des Eisens. Eigen-
tümlicherweise bleiben die Holzkohlenstücke, welche den inneren
Tiegel bilden, ganz wohl erhalten. Bei der Röstung bildet sich auch
eine flüssige Schlacke, die gut geflossen, glasig und durchsichtig ist.
Sie hat eine klare, olivengrüne Farbe und enthält in ihrer Masse
Kügelchen von Guſseisen und eine ziemliche Menge eingemengter
50*
[788]Eisenbereitung im Mittelalter.
Holzkohlen, die bei näherer Untersuchung mit einer dünnen Eisenhaut
überzogen erscheinen. Das gebackene Erz wird unter dem Hammer
zerklopft. Das meiste jedoch kann bereits bei gehöriger Vorsicht
kalt zu rohen Platten ausgeschmiedet werden. Hiernach wird zu der
zweiten Operation, dem Luppenschmelzen und Ausschmieden geschritten.
Dies geschieht, wie schon erwähnt, in demselben Apparat. Ein neuer
Herd wird mit Kohlenlösche hergerichtet. Man giebt demselben eine
solche Gestalt, daſs er zwei geneigte Flächen darstellt, die eine Gasse
in der Richtung des Windes bilden. Diese Gasse hat etwas Ansteigen
bis zum Schlackenstichloch. Dann trägt man glühende Kohlen ein,
die man mit frischen Kohlen bedeckt und läſst den Wind an. Darauf
steckt man die Massel, d. h. den halbreduzierten Erzklumpen der vor-
hergegangenen Schmelzung, der an eine Stange geschweiſst ist, in die
Glut. Nach 20 bis 25 Minuten hat er die erforderliche Hitze zum
Ausschmieden. Während des Ausheizens giebt man bereits zur Ein-
leitung der folgenden Operation eine Charge auf, bestehend aus einem
Gemenge von Gestübbe, gebackenem Erze und gepulverter Schlacke.
Diese überläſst man sich selbst und fährt unbekümmert mit dem Aus-
heizen fort. Das Ausschmieden dauert etwa zwei Stunden. Die Ar-
beit am Herde besteht nur im Aufgeben von Brennmaterial, zeit-
weiligem Ablöschen mit Wasser und Reinigen der Form. Die aus-
zuheizende Luppe wird über der Form eingesetzt, so daſs der Wind sie
nicht direkt trifft und unnötigen Abbrand verursacht. 1½ Stunde
nach dem Anfange des Prozesses wird das Schlackenloch zum ersten-
male geöffnet, aus dem dann eine sehr dünne Schlacke in eine Ver-
tiefung neben dem Herde flieſst. Die Hälfte des gebackenen Erzes
wird nun der Formseite gegenüber auf dem Stübbebett eingesetzt und
nach circa 5 bis 6 Minuten allmählich der Mitte zugeschoben, worauf man
die zweite Hälfte an derselben Stelle nachsetzt. Das Eisen erweicht
und schmilzt zum Teil. Indem es gleichzeitig mit dem Abbrande der
Kohlen unter die Form sinkt, vereinigt es sich mit dem nicht gebackenen,
aber reduzierten Erz. Von Zeit zu Zeit wirft man zur Beschleunigung
der Operation basische Schlacken (scories douces) in den Herd. Hat
sich die Luppe angesammelt, so wirft man noch einmal ungefähr
1½ kg Hammerschlag mit etwas Erzpulver gemengt auf, um die
äuſsere, obere Seite der Luppe weich zu machen.


Von den Schlacken, welche in die vorerwähnte Vertiefung ab-
gestochen worden sind, wird die obere Scheibe abgehoben und fort-
geworfen. Angeblich ist sie unrein, wahrscheinlich ist sie nur reicher
an Kieselsäure. Die übrige Schlacke wird von neuem mit verarbeitet.


[789]Die Katalanschmieden.

Die ganze Operation, die Röstung und das Aufarbeiten der fünf
Luppen, dauert 24 Stunden, 4 Stunden für jede einzelne. Es sind
dazu 4 Arbeiter erforderlich, die 7 Tage in der Woche arbeiten. Da
man aber nur 7 Monate im Betriebe bleibt, so macht ein Hammer
nur 520 Ztr. Stabeisen jährlich.


Das Eisen ist von sehr guter Qualität; dehnbar, sehr sehnig, ohne
indes so schmiedbar zu sein, wie das schwedische; jedoch läſst es sich
gut warm und kalt ausschmieden, ohne Kantenrisse zu bekommen.


Der Kohlenverbrauch bei dieser Arbeit ist ganz enorm. Er be-
läuft sich auf das 8,8 fache Gewicht des Eisens. Das Ausbringen ist
dagegen gut und beträgt 38,66 Proz. Schmiedeeisen aus dem Erz. Die
Selbstkosten stellen sich auf circa 6 Thlr. 20 Sgr. (20 M.) per Zentner
Stabeisen. Im Jahre 1812 waren noch acht solcher Rennwerke auf
der Insel Corsica im Gange, deren Zahl 1828 dagegen auf vier ge-
sunken war.


Die Katalanschmieden.

Wie Corsica als Insel von den Umwälzungen der Völkerwanderung
verschont geblieben ist, so behaupteten in ähnlicher Weise die uralten
Bewohner der Pyrenäen in den schwer zugänglichen Thälern und
Schluchten ihre Selbständigkeit und ihre Sitten. Noch heute haben
die Basken ihre uralte Sprache rein erhalten, das klarste Zeugnis, daſs
sie auch niemals vollständig unterjocht waren.


Die Basken sind die Nachkommen der alten iberischen Vaskonen,
die ihre Wohnsitze schon vor unbekannter Zeit gegen die ein-
gedrungenen Kelten, welche Spanien unterwarfen, behauptet haben.
Ebensowenig vermochte Rom die Basken zu unterdrücken, obgleich
sie dem Namen nach der römischen Herrschaft unterworfen waren.
Während die aus der Vermischung der Kelten und Iberer hervor-
gegangenen Keltiberer vollständig latinisiert wurden, erhielten sich
die Basken unvermischt.


Infolge der Völkerwanderung drangen die germanischen Stämme
der Alanen, Sueven und Vandalen über die Pyrenäen, entrissen den
Römern die spanische Herrschaft und teilten sich in das Land. Gegen
diese riefen die Römer die Westgoten zu Hilfe, die nach langem
Kampfe Spanien eroberten. Ein neuer Umwandlungsprozeſs in Sprache
und Sitten ging durch das Hinzutreten des deutschen Elementes in
Spanien vor sich. Von allen diesen Wandlungen blieben die Basken
[790]Eisenbereitung im Mittelalter.
unberührt. Als endlich die Araber in Spanien einfielen und die West-
goten nach Norden zurückdrängten, wurden zwar die Basken von den
germanischen Stämmen in ihren Sitzen eingeschränkt, aber nicht dar-
aus vertrieben. Sie hatten inzwischen das Christentum angenommen
und beteiligten sich mit Begeisterung an den fortgesetzten Streifzügen
gegen die Ungläubigen. Im Jahre 778 schlossen die Basken sich den
Franken an, indem sie von Karl dem Groſsen der spanischen Mark
zugeteilt wurden. Doch auch diese Unterwerfung geschah nicht infolge
einer Eroberung, sondern wurde veranlaſst durch die Unterwerfung
sämtlicher Nachbarprovinzen, an die ihr Geschick geknüpft war.


In den baskischen Provinzen ist der Sitz einer uralten und be-
rühmten Eisenindustrie. Schon die Phönizier trieben mit dem spani-
schen Eisen Handel und seit den punischen Kriegen führten die Römer
die als überlegen anerkannten hispanischen Schwerter ein. Ebenso
war durch das ganze Mittelalter hindurch Spanien eines der wichtigsten
Eisenländer. Die Form der Eisengewinnung hat sich in den Thälern
der Pyrenäen seit alter Zeit bis heute im wesentlichen unverändert
erhalten. Zwar sind auch dort durch Einführung von kräftigen
Wasserhämmern und Wassertrommelgebläsen, die in den Pyrenäen
wie in Corsica die gebräuchlichsten Windvorrichtungen waren, die
ursprünglichen Betriebsbedingungen verändert worden, aber wenn
auch dadurch die Dimensionen des Herdes vergröſsert werden konnten,
so ist doch das Fundament des Betriebes bis in dieses Jahrhundert
unverändert dasſelbe geblieben. Die Methode beruht auf der direkten
Darstellung des Schmiedeeisens aus dem Erz und die Herdöfen, in
denen dies ausgeführt wird, bezeichnet man mit dem allgemeinen
Namen der „Katalanschmieden“, obgleich sie noch zu Anfang dieses
Jahrhunderts nicht bloſs in Katalanien, sondern namentlich auch in
den eigentlichen baskischen Provinzen, in Biskaya, Navarra und Gui-
puzcoa, sowie in der französischen Grafschaft Foix, Departement d’Ariège
in Languedoc im Betriebe waren. Auch war diese Methode noch im
vorigen Jahrhundert in dem Departement du Lot im Gange, sowie sie
auch in Spanien in dem Kantabrischen Gebirge betrieben wurde.


Aus einem Dokument vom Jahre 1273 erhellt, daſs die Rennarbeit
schon vor dieser Zeit in Foix im Gange war. Roger Bernhard Graf
von Foix bestätigte den Einwohnern von Vicdessos 1273 gewisse Ge-
rechtigkeiten, namentlich die Zusicherung, dieselben Erze, „wie schon
seit undenklicher Zeit geschehen ist
“, zu Tage zu fördern.
Die betreffende Urkunde befand sich früher im Archiv von Vicdessos.
Sie ist angezogen in dem zweiten, alten Aktenstücke, von dem Grafen
[791]Die Katalanschmieden.
Gasson de Foix aus dem Jahre 1293. 1355 verzichteten die Grafen
von Foix zu Gunsten der dortigen Bewohner ausdrücklich auf ihr
eigenes Recht, die Eisenerze zu verschmelzen. Doch ist erst im
Jahre 1355 von einer Ausfuhr des Eisens von Vicdessos die Rede 1).
Die Herde, deren man sich damals bediente, waren klein. Dies geht
aus den alten Resten solcher Anlagen, die man aufgefunden hat, her-
vor. So entdeckten 1823 bei Bielsa in Aragonien einige Köhler einen
kleinen, kreisrunden Eisenschmelzherd, 0,36 m hoch. Bis zu der Höhe
von 0,3 m war der Ofen cylindrisch, von da erweiterte er sich von
0,36 m bis zu 0,48 m Durchmesser am oberen Ende. Ein doppeltes
Formloch befand sich 0,3 m vom Boden. Zugleich fand man in der
Nähe zwei Eisenklumpen, zweifellos rohe Luppen, die 14 bis 16 kg
wogen. Alten Überlieferungen zufolge wurden diese Herdöfen durch
lederne Handbälge mit Wind versorgt. Alte Schlackenhaufen findet
man, wie an vielen anderen Orten, so auch in den Pyrenäen hoch an
den Abhängen der Berge, fern vom Wasser.


Die Herdöfen, wie sie zu Anfang des 17. Jahrhunderts in dem
spanischen Navarra und Guipuzcoa, sowie an der französischen Grenze
am Ufer der Bidassoa im Betriebe waren, bestanden aus einem niedrigen,
ovalen Herde, der oben weiter als unten war und die Gestalt eines
umgekehrten, abgestutzten Kegels hatte. Diese Öfen waren gemauert,
mit Eisenreifen gebunden und in ein schüsselförmiges Kupferblech ein-
gesetzt, zum Schutze vor Feuchtigkeit. In jeden Ofen wurde nur mit
einer Form geblasen, die auf der langen Seite überlag und stark ge-
neigt war. Von diesen runden Herdöfen ging man zu den viereckigen
über, bei denen man die Dimensionen genauer einhielt und die Mauern
sorgfältiger aufführte. In der Grafschaft Foix wendete man zu An-
fang des 17. Jahrhunderts bereits Öfen an, die auf der Sohle eine
elliptische Form, oben aber die Gestalt einer vierkantigen, umgekehrten
Pyramide hatten.


Durch die Auffindung eines alten Ofens in einem hochgelegenen
Thale der französischen Pyrenäen ist erwiesen, daſs man zu Anfang
des 18. Jahrhunderts diese Schmelzöfen vierkantig mit abgestumpften
Ecken herstellte. Sie waren 0,43 m weit, 0,49 m und 0,53 m hoch.
Jede Schmelzung dauerte an 5 Stunden und ergab 60 bis 80 kg Stab-
eisen. Die Höhe der Form über dem Boden blieb lange Zeit zwischen
0,22 bis 0,32 m mit einem Neigungswinkel von 35° bis 40°. Erst
gegen das Ende des 18. Jahrhunderts legte man die Form höher bis zu
[792]Eisenbereitung im Mittelalter.
0,52 m mit einer Neigung von 35°. Dadurch wurde das Ausbringen
erhöht.


Die kleinsten Herde waren in den östlichen und mittleren Pyrenäen
im Gebrauche. Sie hatten nur 20 Zoll im Quadrat und waren 10 Zoll
tief. Die Form lag 9 Zoll über dem Boden. Der Einsatz betrug nur
3 bis 4 Ztr.


Die Feuer in Navarra waren etwas gröſser. Ihre Dimensionen
betrugen 30:24 Zoll und 24 Zoll Tiefe. Die Formhöhe betrug 14 bis
15 Zoll; der Einsatz 5 bis 6 Ztr. Die gröſsten Herde waren die bis-
cayischen, die 40 Zoll lang, 30 bis 32 Zoll breit und 24 bis 27 Zoll tief
waren. Die Form lag 18 Zoll hoch; der Einsatz betrug 7 bis 8 Ztr.


Der Wind zu den Katalanschmieden wurde mittels Lederbälgen
erzeugt, erst seit Ende des 17. Jahrhunderts fanden die Wasser-
trommeln Eingang.


Die alten Wasserhämmer waren ganz von Eisen und wogen 1200
bis 1600 kg. In der Grafschaft Foix bediente man sich lange Zeit
groſser Granitblöcke von mehreren tausend Pfunden Gewicht als Am-
bosse. Durch Verbesserung der Betriebsmittel und der Arbeit sind
indessen bis zu Anfang dieses Jahrhunderts die Katalanschmieden so
vervollkommnet worden, daſs sie wohl als die vollendetste Ausführung
der direkten Methode anzusehen sind.


Die Eisengewinnung, wie sie in der Grafschaft Foix nach
dieser Methode in Ausführung war, ist am häufigsten und am genauesten
beschrieben worden. Sie giebt auch, wenn man von der Vervollkomm-
nung der Betriebsmittel absieht, eine Vorstellung von dem Betriebe
in früherer Zeit.


Die Erze, die in der Grafschaft Foix verhüttet wurden, waren
namentlich Brauneisensteine, die aus den sehr alten Bergwerken im
Gebirge Rancié, nicht weit von Vicdessos gewonnen wurden. Diese
Erze hatten nach drei Analysen von Richard François folgende Durch-
schnittszusammensetzung:


  • Eisenoxyd   63,99; demnach metallisches Eisen 44,61 Proz.
  • Manganoxyd   5,13
  • Kalk   3,76
  • Magnesia   0,59
  • Thonerde   1,17
  • Kieselsäure   12,20
  • Wasser  13,31
  • 100,15.

[793]Die Katalanschmieden.

Auſser den leichten, porösen Brauneisensteinen, welche direkt
aufgegeben wurden, kommen auch Spate, dichte Brauneisensteine und
Roteisensteine zur Verschmelzung. Der Spat und der dichte Braun-
eisenstein wurden geröstet, der Roteisenstein gebrannt, mit Wasser
übergossen und längere Zeit an der Luft liegen gelassen. Er zerfällt
und nimmt hierbei angeblich einiges Wasser in chemischer Verbindung
auf. Das Rösten geschah in runden oder viereckigen Öfen, die 1,7 bis
2,3 m hoch und 2 bis 2,5 m weit waren. 600 bis 700 Ztr. Erz wurden

Figure 251. Fig. 251.


auf einmal geröstet, indem
man es lagenweise mit Holz
aufschichtete und zwar
wurden zu obiger Menge
6 cbm getrocknetes und
7½ cbm frisches Holz ver-
braucht.


Den Schmelzraum (Fig.
251) bildete ein viereckiger
Herd, der immer an die
Hauptmauer der Schmiede
sich anlehnte und davon nur
durch eine schmale Ziegel-
mauer getrennt war. Die
Arbeitsseite (la main, le
laiterol) war senkrecht;
meist wurde sie aus zwei
starken Eisenstücken ge-
bildet, welche im Boden
befestigt waren und etwa
0,52 m darüber hervor-
ragten. Zwischen beiden
blieb ein Raum von etwa 0,06 m. Dieser war zum Teil durch ein
kürzeres Eisenstück ausgefüllt, welches als Auflage für die Brechstange
beim Ausbrechen der Luppen diente, teils durch eingestampften Thon,
der den Herd verschloſs und durch den das Schlackenloch gestoſsen
wurde. Über den zwei starken Eisenplatten lag ein horizontaler Quer-
balken von Eisen, der sogenannte „Bügel“ (la plie), der in die Mauer
zur Linken hineinragte, während er auf der anderen Seite durch schwere
Steine oder Eisenbrocken gehalten wurde. Die Formseite (côté des
forges) bestand unter der Form aus einem Eisenzacken, der etwa 0,5 m
über den Boden ragte, während darüber eine Mauer aufgeführt war,
[794]Eisenbereitung im Mittelalter.
die zum Teil auf den Zacken aufstand. Die Hinterwand (la cave) war
ganz gemauert, während die Gichtseite (l’ore de contrevent) durch
einen Eisenzacken gebildet wurde, der nicht vertikal stand, sondern
dem Herde zu geneigt war. Der Abstand an der Basis zwischen Form-
und Gichtseite betrug 0,61 m, zwischen Arbeits- und Hinterseite 0,60 m.
Der Herdboden wurde von feuerbeständigen Steinen gebildet, wozu man
am liebsten Natursteine wie Granit, Gneis, Sandsteine oder selbst
Kalksteine wählte. Der Boden muſste auf möglichst trockenem Grunde
stehen und vor Wasser geschützt sein. Der Bodenstein selbst ruhte
auf einem 0,4 bis 0,58 m dicken Bette, das aus zerstoſsenen Schlacken
und Lehm hergestellt war. Darunter lag meist ein groſser Stein, etwa
ein alter Mühlstein. Der Herd war nicht überbaut, wie es bei den
alten deutschen Frischfeuern der Fall war, sondern Rauch und Gase
hatten keinen anderen Ausweg als ein Loch im Dache der Schmiede.


Die Form war von Kupfer und bestand aus einem flachen, koni-
schen Rohre, das 0,48 m lang war und meist aus einem zusammen-
gebogenen Bleche hergestellt wurde. An der Mündung waren die
Durchmesser der elliptischen Öffnung 0,1 : 0,08 m. Häufig hatte
die Form ein sogenanntes „Obermaul“, so daſs der obere Rand 0,01
bis 0,02 m über den untern vorragte. Die Form hatte eine Neigung
von 40° und lag 0,225 in dem Herde über. Bei dichten Kohlen lieſs
man sie noch etwas weiter hineinragen; immer war sie etwas mehr
nach der Hinterwand zu gerichtet, der sie auch zuweilen näher lag.


In einer Katalanschmiede mit einem Herde waren acht Arbeiter
beschäftigt: ein Meister, der den Ofen baute und in Reparatur hielt,
der das Gebläse beaufsichtigte u. s. w., mit einem Gehilfen; ein Schmied,
der den Hammer im Stande hielt und das Ausschmieden besorgte,
mit einem Gehilfen; zwei Schmelzer, die abwechselnd die Arbeiten im
Herd verrichteten, das Ausschweiſsen besorgten und beim Ausschmieden
zur Hand gingen, jeder mit einem Gehilfen. Ein jeder der vier Meister
erhielt 0,45 Franken per 40 kg fertiges Eisen. Die Gehilfen der beiden
ersten Meister bekamen 0,225 Franken per 40 kg, auſserdem erhielten sie
die Kost mit Ausnahme des Brotes von ihren Meistern. Die zwei Ge-
hilfen der Schmelzer bekamen einen Wochenlohn von 6 Franken, nebst
ihrem Unterhalt von den Meistern.


Der Schmelzprozeſs wurde dadurch eingeleitet, daſs man 487 kg
Erz abwog und sie unter einem Wasserhammer zerklopfte, so daſs die
groſsen Stücke nicht über 5 bis 6 cm dick waren. Die Masse wurde
durchgesiebt und die Stücke von dem Pulver getrennt. Das Pulver
(greillarde) wurde mit Wasser angefeuchtet in einen Haufen auf-
[795]Die Katalanschmieden.
geschichtet. Bei gutem Brauneisenstein machte die greillarde etwa
die Hälfte aus. Nachdem der glühende Herd gereinigt war, wurden
frische Holzkohlen aufgeworfen und mit einer flachen Schaufel fest-
geschlagen und zusammengedrückt. Hatte die Holzkohle etwa die
Höhe des unteren Formrandes erreicht, so wurde der Herd senkrecht
zur Windrichtung durch eine eingestellte, eiserne Platte in zwei Teile
geteilt. Die Platte stand etwa in zwei drittel der Entfernung von der
Form- bis zur Gichtseite. In der Abteilung nach der Form zu wurden
weiter Holzkohlen aufgetragen und festgeschlagen, auf der anderen
Seite der Platte dagegen nur noch einige Handvoll Kohlen geworfen,
dann wurde die ganze Füllung auf dieser Seite mit einem Stöſsel fest
zusammengestampft. Auf dieses dichte Bett von Holzkohlen wurde
ein Kasten mit Eisenerz ausgestürzt, welches an dem geneigten Gicht-
zacken hinabglitt, worauf es festgedrückt wurde. Hiernach wurden bis
zu der entsprechenden Höhe auf der Formseite Holzkohlen aufgegeben
und festgeschlagen. Darnach stürzte man einen zweiten Kasten mit
Erz auf den Gichtzacken und so baute man auf beiden Seiten der
Platte in die Höhe, auf der einen bloſs mit Holzkohlen, auf der anderen
bloſs mit Erz. Hatte die Erzwand die genügende Höhe erreicht, so zog
der Meister mit Geschicklichkeit die Blechplatte, welche Erz und
Kohlen trennte, heraus, indem er dabei zugleich den Erzwall noch etwas
an den Gichtzacken andrückte. Auf diese Weise war also eine Erz-
mauer mit doppelter Böschung entstanden; die eine Fläche stützte sich
auf den Gichtzacken, die andere auf die Kohlenunterlage. Diese
Böschung nach der Form zu wurde vollständig mit feuchter Kohlen-
lösche, die sorgfältig festgeschlagen wurde, bedeckt. Darüber wurden
kleine Holzkohlen gestürzt und diese wieder mit einer Decke von
Lösche bedeckt, die mit einem Spaten festgeschlagen wurden. Diese
ganze Arbeit war in wenigen Minuten beendet und nun wurde der
Wind kräftig angelassen. Alsbald brachen auf der freiliegenden Gicht-
seite der Erzmauer zahlreiche blaue Flämmchen hervor, die der
Schmelzer durch Aufschlagen von Kohlenlösche zu dämpfen suchte.
Erschienen die Flämmchen nicht, so war die Mauer zu fest oder der
Herd zu kalt. Man schritt nun zum Ausheizen der drei Masseln, in
welche die Luppe von der vorhergehenden Schmelzung zerhauen
worden war. Der Wind wurde hierbei schwächer blasen gelassen, so
daſs die Pressung, welche vorher 3,19 Zoll Quecksilber betrug, nur
noch gleich 1,42 Zoll Quecksilber war. Die Füllung des Ofens hielt
man immer auf gleicher Höhe, indem man fortwährend Holzkohlen und
greillarde aufgab und jedesmal den Herd mit Wasser löschte; dies so-
[796]Eisenbereitung im Mittelalter.
wohl als das pulverförmige Erz sollte die Verbrennungsgase zurück-
halten und sie zwingen durch die Erzmauer hindurchzustreichen. Nach
1¾ Stunden lieſs man den Wind bis 1,78 Zoll Quecksilber steigen und
gab nun statt des Erzes eine Quantität zerkleinerter Schlacken von
der vorigen Schmelzung auf. Nach zwei Stunden wurde zum ersten-
mal Schlacke laufen gelassen. Man begoſs sie sogleich mit Wasser und
gab sie von neuem auf.


Nach 2 Stunden und 20 Minuten wurde der Wind verstärkt bis
2,48 Zoll Quecksilber. Statt des Erzpulvers wurde nun ein Teil der
abgesiebten Erzstücke aufgegeben.


Nach 2 Stunden 56 Minuten stach man wiederum Schlacke ab.
Man lieſs das Stichloch geöffnet. Erschien die Flamme sprühend wie
von verbrennendem Eisen, so wurde das Stichloch rasch wieder ge-
schlossen.


Nach 3 Stunden 25 Minuten war der Ausschweiſsprozeſs beendet.
Der Wind wurde immer noch von Zeit zu Zeit verstärkt, bis er nach
3 Stunden 50 Minuten wieder auf 3,19 Zoll Quecksilber stand. Ebenso
wurden immer von Zeit zu Zeit Holzkohlen und Erzstücke auf-
gegeben. Jetzt war die ganze Masse der Kohlen in Glut und die
Erzmauer ganz unter den Kohlen versunken.


Nach 3 Stunden 59 Minuten wurde Schlacke abgestochen. Die
Flamme pflegte dabei mit dröhnendem Geräusch aus dem Stichloche
zu fahren.


Nach 4 Stunden 19 Minuten hatte sich schon eine beträchtliche
Menge weiches Eisen unter den Kohlen angesammelt. Man gab reich-
lich Holzkohlen nach. Die Schlacke, die jetzt verhältnismäſsig arm
an Eisenoxydul war, wurde öfter abgestochen und Erz nachgegeben.


Nach 5 Stunden 29 Minuten brach der Arbeiter die reduzierten
Massen unten an der Gichtseite los. Er arbeitete im Herde und
suchte die losen Eisenbrocken zu vereinigen. Nachdem man noch
etwa 15 Minuten mit Blasen fortgefahren hatte, wurde die Flamme
plötzlich glänzend weiſs von verbrennendem Eisen.


Nach 6 Stunden 3 Minuten wurde der Wind abgestellt und die
Düse zurückgezogen. Die Schlacke wurde nach dem Gichtzacken ge-
schoben und mit Wasser gelöscht. Eine sehr starke, schwere, eiserne
Brechstange von 3 Zoll Durchmesser wurde durch das Schlackenloch
unter die Luppe geführt. Zwei Arbeiter wuchteten die Luppe, die dann
mit Hilfe von Brechstangen und Haken von allen Arbeitern zusammen
über den Gichtzacken gezogen und auf den Boden gerollt wurde.


Der ganze Prozeſs dauerte also 6 Stunden und 3 Minuten. Wäh-
[797]Die Katalanschmieden.
rend dieser Zeit verdampften etwa 106,5 kg Wasser, welches auf die
Löschdecke geschüttet worden war. 2800 kg Wind, also per Minute
durchschnittlich 7,71 kg, waren eingeblasen und 544,7 kg = 2,412 cbm
Holzkohlen verbrannt worden. Die ausgeschmiedeten Stangen wogen
151,6 kg, während 487 kg Erz verbraucht worden waren.


Nach den durchschnittlichen Ergebnissen kann man die Schmelz-
dauer auf 6 Stunden setzen; den Abbrand an Kohle per 100 kg Eisen
auf 340 kg, den Verbrauch an Erzen auf 312 kg. Bei gutem Betrieb
sollen 100 kg Erz 31 Proz. Schmiedeeisen und 41 Proz. einer Schlacke
ergeben haben, die durchschnittlich 30 Proz. Eisen enthielt.


In den 40 Schmieden im Departement d’Ariège wurden zu François’
Zeit 2400000 kg Eisen in den Schlacken fortgeworfen.


Eine gut geratene Luppe sollte ein möglichst runder Ball sein,
mit glatter Oberfläche, frei von unregelmäſsigen Ansätzen und etwas
eingedrückt vor dem Wind. Beim Ausziehen muſste sie fast weiſs-
glühend sein. Die Schlacke hatte eine bläulichschwarze Farbe; sie
muſste leicht flieſsen und kein Funkensprühen zeigen beim Flieſsen,
was ein Zeichen von eingemengten Schlacken gewesen wäre. Sie sollte
ferner beim Begieſsen mit Wasser porös und zerreiblich werden. Die
erste Schlacke, die noch sehr roh und reich an Eisenoxydul war, wurde,
wie erwähnt, wieder zurückgegeben. Die Form sollte klar und weiſs
sein. François hat in seiner Arbeit über die Katalanschmieden im
Departement d’Ariège sehr gründliche Untersuchungen über den
chemischen Vorgang bei diesem Schmelzprozeſs mitgeteilt.


Der Wassergehalt des pulverförmigen Erzes, aus dem die Erz-
mauer gebildet ist, entweicht bei niederer Temperatur. Dadurch wird
die Masse porös und für die Verbrennungsgase durchdringbar, wodurch
die Reduktion des Eisens, welche von unten nach oben hin fortschreitet,
herbeigeführt wird. Die Temperatur im Herd steigt fortwährend, bis
die Schlackenbildung beginnt. Anfangs geht viel Eisenoxydul in die
Schlacke über, wodurch eine leicht schmelzbare Schlacke entsteht, die
oxydierend wirkt und die Kohlung des Eisens verhindert. Das redu-
zierte Eisen schweiſst deshalb zusammen.


Die reduzierte Eisenmasse muſs gehörig unter dem Hammer ver-
arbeitet werden, damit die Schlacke ausgepreſst wird. Das pulver-
förmige Erz wird rascher reduziert und gefrischt und setzt sich zuerst
als eine Eisenhaut auf den Herdboden an (principe du massé). An
diese wächst alsbald das andere Eisen an. Man muſs dafür sorgen,
daſs diese erste Luppenbildung möglichst in der Mitte des Herdes vor
sich geht. François hat zum leichteren Verständnis der Vorgänge im
[798]Eisenbereitung im Mittelalter.
Herde, diesen in verschiedene Zonen eingeteilt (Fig. 252). Die erste (1)
ist die Röstzone, in der zweiten (2) findet die Reduktion statt, Tröpf-
chen (pellicles) von metallischem Eisen erscheinen. In der dritten (3)
Zone tritt eine lebhaftere Reduktion ein, zugleich schon beginnende

Figure 252. Fig. 252.


Kohlung, Verschlackung und
Schmelzung. In der vierten (4)
hat Reduktion, Schlackenbildung
und Schmelzung mit groſser Energie
statt. A, B, C, D sind die Zonen
des inneren Raumes, in denen die
entsprechenden Vorgänge mit der
greillarde eintreten.


In der ersten Zone behält das
braune Erz seine Gestalt, verliert
aber seine Farbe. Es wird erst
rot und hierauf blauschwarz mit
metallischem Glanz und hiermit
zugleich magnetisch. Verweilt das
Erz lange genug in dieser obersten
Zone, so wird es vollständig in das magnetische Oxyd übergeführt, ehe
eine metallische Reduktion beginnt. François hat eine Probe des
Erzes von der unteren Grenze dieser Zone analysiert. Während das
spezifische Gewicht des rohen Erzes = 3,65 war, zeigte es, nachdem
es die erste Zone passiert hatte, ein Gewicht von 4,545. Seine Zu-
sammensetzung war:


  • Eisenoxyd   49,21
  • Eisenoxyduloxyd   26,95
  • Braunes Manganoxyduloxyd   4,12
  • Kalk und Magnesia   6,00
  • Thon und Quarz   12,55
  • Verlust beim Erhitzen  1,05
  • 99,88.

In der zweiten Region überziehen sich die Erzstücke mit Tropfen
und einer Haut von Eisen, die nach dem Zerschlagen an den Haupt-
rissen und Sprüngen sichtbar wird. François hat zwei Erzstücke
analysiert, das eine aus der Mitte der zweiten Zone (Nr. I), das andere
von der unteren Grenze (Nr. II).


[799]Die Katalanschmieden.

François untersuchte auch die Gase der zweiten Zone und fand,
daſs sie weniger Kohlensäure enthielten, als die der oberen Zone.


In der dritten Abteilung beginnt eine lebhafte Reduktion. Die
Erzstücke schweiſsen, wo sie sich berühren, zusammen, ohne indes
wesentlich ihre Form zu verändern. Die Eisenpünktchen an der
Oberfläche flieſsen zusammen und bilden eine vollständige Decke von
circa 0,002 m Dicke. Der innere Kern bildet eine erweichte Masse,
die in der Nähe der Eisenhaut vollständig verschlackt ist. In dem
unteren Teil der dritten Zone soll die Temperatur 1000° C. sein.
Zwischen der stahligen Eisenhaut quellen an einzelnen Punkten flüssige
Schlackentropfen heraus. Der innere Kern zeigt eine metallisch-
schwarze Farbe. Kleine Höhlungen in der Masse weisen auf eine Gas-
entwickelung hin. Diese innere halbgeflossene Masse zeigte das spezi-
fische Gewicht von 4,699 und folgende Zusammensetzung:


  • Kieselsäure   27,50
  • Eisenoxydul   41,20
  • Manganoxydul   11,07
  • Kalk   9,60
  • Magnesia und Thonerde   2,50
  • Eisentropfen  7,55
  • 99,42.

Die äuſsere Haut bestand aus stahlartigem Eisen mit circa 30 Proz.
Schlacke. Diese Eisenschlacke, die oft krystallinisch ist, stellt in ihrer
Zusammensetzung ein dreibasisches Silikat dar von der Formel

In der vierten Zone herrschte eine Temperatur von 1200 bis 1300° C.
Die Schlacke saigerte reichlich aus den Stücken aus und diese verloren
[800]Eisenbereitung im Mittelalter.
ihre Gestalt. Die separierten Eisenpartikelchen schweiſsen und
flieſsen zusammen. Reduktion und Aussaigerung schreitet um so
rascher und gleichmäſsiger fort, je vollkommener die Erzstücke der
oberen Region zersprungen und porös geworden sind.


Die äuſsere Eisenhülle nimmt rasch an Dicke zu, umsomehr,
wenn leicht schmelzbare Basen, wie Manganoxydul, gegenwärtig sind,
welche das Aussaigern der Schlacke beschleunigen. Das spezifische
Gewicht des verunreinigten Eisens steigt auf 7,063. Sind die Basen
weniger leicht schmelzbar, so bleibt die Schlacke zäh und die Decke,
die mit kleberigem Silikat beladen ist, hat nur ein spezifisches Gewicht
von 4,210 bis 5,567.


Gelangen Stücke von unvollständig reduziertem Erz in das
Schlackenbad, so wird das unreduzierte Eisenoxydul aufgelöst und
bildet eine sehr basische, schwer reduzierbare Schlacke. Bei gutem
Gang soll die Schlacke dreibasisch sein, meist ist sie jedoch basischer.


Folgende Resultate gab eine Untersuchung der metallischen Ober-
fläche verschiedener Erzbrocken aus der vierten Zone:


Nr. I ist einem Ofen entnommen, der auf weiches Eisen arbeitete;
Nr. II und III dagegen aus zwei Herden, die ein höher gekohltes, stahl-
artiges Eisen lieferten. Das Gas, welches in dieser Zone aufgefangen
wurde, bestand fast nur aus Stickstoff und Kohlenoxydgas, während es
nur Spuren von Kohlensäure enthielt.


Bei der Reduktion des Erzkleins im Formraum hat dieselbe Auf-
einanderfolge der Vorgänge statt, wie bei der Reduktion der Erzmauer,
nur ist sie rascher und verläuft mehr ineinander. Auch
ist, da die greillarde so rasch niedersinkt, die Reduktion weniger voll-
ständig und infolgedessen verschlackt immer ein bedeutender Teil des
Erzes. Dadurch wird aber das ausgeschiedene Eisen vor Kohlung und
Reduktion geschützt und man hat es in der Hand, durch Vermehrung
oder Verminderung des Zusatzes von Erzpulver ein mehr weiches oder
mehr stahlartiges Eisen zu erzeugen.


Das Eisen von der oberen Seite der Luppe hatte nach François
folgende Zusammensetzung:


[801]Katalanschmieden.

Die Schlacken, die abgestochen wurden, waren nach acht Analysen
von François folgendermaſsen zusammengesetzt:


  • Kieselsäure   33,00
  • Eisenoxydul   39,87
  • Manganoxydul   13,00
  • Kalk   7,20
  • Magnesia   2,35
  • Thonerde   3,65
  • Eingemengtes Eisen  1,20
  • 100,27.

Diese Schlacke entspricht in ihrem Sauerstoffverhältnis einer
Olivinschlacke, deren Typus 3 RO.SO3 ist. Die Schlacke war chokolad-
braun bis harzgelb und zeigte die Krystallgestalt des Olivins.


Man stellt in den Katalanschmieden hauptsächlich zwei Sorten
von Eisen dar: weiches Schmiedeeisen (fer doux) und hartes Feinkorn-
eisen (fer fort). Um letzteres zu erhalten, giebt man erstens weniger
greillarde, dagegen mehr Holzkohlen, zweitens führt man den
ganzen Prozeſs langsamer
, drittens wird die Schlacke öfter
abgestochen, viertens giebt man der Form etwas weniger Neigung,
fünftens giebt man weniger Wind, sechstens wählt man dichtere Holz-
kohlen, besonders Eichenkohlen, siebentens wählt man Erze, die
möglichst viel Mangan enthalten
. Durch diese Mittel wird
die Kohlenstoffaufnahme unterstützt und die darauf folgende Ent-
kohlung verringert. Die Luppen sind übrigens nie durch die ganze
Masse gleichförmig entkohlt, sondern es ist meist das Eisen der Ober-
fläche und namentlich das an dem Abstichloch höher gekohlt und
stahlartig, indem hier das flüssige Eisen sich ansammelt.


Um anderseits weiches Eisen zu erhalten, wählt man leicht
reduzierbare Erze, leichte Kohlen und giebt der Form eine gröſsere
Neigung, wodurch die oxydierende und entkohlende Wirkung des
Windstromes auf das reduzierte Eisen verstärkt wird. Das Eisen der
Beck, Geschichte des Eisens. 51
[802]Eisenbereitung im Mittelalter.
Katalanschmieden ist sehnig, hart, sehr schmiedbar und sehr zäh, aber
es ist ungleichförmig und häufig durch eingemengte Schlacken brüchig
(faulbrüchig) und schlecht zu schmieden. In den Jahren 1839 und
1840 waren im Dep. d’Ariège noch 49 solcher Katalanschmieden im
Gange, die 120960 Ztr. Eisen produzierten.


  • Die Produktionskosten per Zentner
    betrugen   5 Thlr. 3 Sgr. 8 Pf. = 15,38 Mk.
  • Der Verkaufspreis  5 „ 12 „ 6 „ = 16,26 „
  • Demnach der Nettogewinn   — Thlr. 8 Sgr. 10 Pf. = 0,88 Mk.

In den biscayischen Schmieden ist der Betrieb genau derselbe.
Man braucht dort auf 1 Ztr. Eisen 5 Kubikfuſs Kohlen und hat ein
Ausbringen von circa 33 Proz. Die Wochenproduktion einer Schmiede
beträgt 70 bis 80 Ztr.


Im Depart. du Lot verbrauchte man früher auf ein Teil fertiges
Stabeisen das 10- bis 14 fache des Gewichtes an Holzkohlen.


Monardus teilt in seinem Dialogus de ferro einiges von den kan-
tabrischen Schmieden zu seiner Zeit mit. Er sagt: Es werde dort nur
das reichste Erz gewonnen, das weniger reiche werde vernachlässigt.
Die Steine, die aus dem obersten Teile des Erzganges kommen, wahr-
scheinlich ein manganreicher Brauneisenstein, gäben ein festeres und
härteres Eisen, das sie Stahl nennen. „Das Erz gewann man durch
Feuersetzen; nach seiner Förderung wurde es in einen glühenden Ofen
geworfen, wo es sich erweichte, so daſs es in kleine Stückchen zersprang,
welche dann in den hierzu geeigneten Öfen verschmolzen wurden.
Das Eisen tropfte herab und sammelte sich in dem untersten Teile des
Ofens zu einer groſsen Luppe (massa). Nachdem diese in Stücke zer-
teilt worden war, wurde sie unter gewaltigen eisernen Hämmern, die
vom Wasser aufgehoben wurden, zu Blechen ausgeschmiedet. Man
findet auch solche Erze, die härter sind und schwierig Eisen geben.
Das, welches man in Deutschland findet, ist weicher. Das belgische
ist rauh und schwer zu verarbeiten, deshalb ist auch das Eisen, welches
man daraus gewinnt, brüchig. Italien hat Erze jeder Gattung. Das
kantabrische Eisen übertrifft aber die übrigen an Güte, ist leichter zu
bearbeiten und fester; deshalb wird es auch nach allen Ländern aus-
geführt. Es kommt aber kein Stahl aus Kantabrien. Doch ist das
kantabrische Eisen sehr hart und fest, so daſs es verarbeitet sich fast
wie Stahl verhält. Besonders läſst es sich, wenn man es in der Hitze
behandeln will, nur schwer verarbeiten.


Der Stahl aus Italien, besonders der mailändische (der übrigens
[803]Die Bauernöfen im Norden.
aus Steiermark stammte), ist sehr verschieden. Er ist weicher und
leichter zu verarbeiten, dabei doch haltbarer (praestantius), deshalb
ziehen ihn die Schmiede vor.“


Diese Schilderungen teils älterer, teils noch bestehender Betriebe
der direkten Darstellungen schmiedbaren Eisens aus den Erzen geben
uns einen Begriff von den Verhältnissen des frühen Mittelalters. Wir
werden kaum fehlgehen, wenn wir annehmen, daſs die altgermanischen
Rennfeuer den Corsican- und Katalanschmieden sehr ähnlich waren.


Schachtöfen.


Wir wissen aber bereits, daſs die Eisenerze nicht bloſs in Herdöfen,
sondern auch in niedrigen Schachtöfen schon in alter Zeit verschmolzen
wurden. Von den letzteren, welche gemauerte Wände hatten und
meist bei stationärem und umfangreichem Betriebe in Anwendung
waren, haben sich mehr Reste erhalten als von den leicht zerstörbaren
Herdfeuern. Wie aber der Betrieb in diesen Schachtöfen war, wissen
wir nicht. Kein Schriftsteller hat darüber bestimmte Mitteilungen
hinterlassen. Um uns Klarheit hierüber zu verschaffen, müssen wir
deshalb dieselbe Methode anwenden, welche wir zur Illustration der
alten Luppenfeuer angewendet haben, indem wir die ältesten bekannten
Arten der Schachtofenschmelzerei, die sich erhalten haben, näher
untersuchen. Während wir die Herdöfen zur direkten Eisendarstellung
im Süden erhalten finden, begegnen wir den entsprechenden Schacht-
öfen mehr im Norden.


Die Eisendarstellung in Norwegen und
Schweden, — die „Bauernöfen“
.

Niedrige Schachtöfen zur direkten Darstellung von schmied-
barem Eisen aus den Erzen finden wir noch zu Anfang dieses Jahr-
hunderts in ihrer uralten Form in Schweden unter dem Namen
„Bauernöfen“.


Die Bauern- oder Osmundöfen (schwedisch Åſsmund, auch Åſs-
mundtz) waren in Finnland, in Schweden und Norwegen in der frühe-
sten Zeit im Gebrauch, so daſs sie als eine eigentümliche Erfindung
oder Einrichtung der Bewohner jener Länder angesehen werden dürfen.
Ihre Anwendung hat sich bis in dieses Jahrhundert hinein erhalten. Im
51*
[804]Eisenbereitung im Mittelalter.
ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wurden solche Bauernöfen noch
betrieben zu Lima, Serna, Orsa und an anderen Orten in Westerdalen in
Schweden, sowie in Aamods und anderen Kirchspielen in Osterdalen
in Norwegen 1). Im Jahre 1828 waren noch Bauernöfen in Nordbotten
im Gange und noch heute betreibt man diese Art Öfen in Finnland,
wo sie merkwürdigerweise öfter in friedlicher Eintracht neben Hoch-
öfen stehen.


Die Eisengewinnung ist in den angeführten nordischen Ländern
uralt. Man findet die Reste alter Schmelzstätten und Schlackenhalden,
auf denen mächtige Bäume gewachsen sind. Solche alte Reste nennen
die Bauern Heidenschmieden („Hedninge Bläster“), während sie bei
den Finnen „Lappen“ oder auch „Harko raudan raviot“ heiſsen,
woraus hervorgeht, daſs die Erinnerung des Volkes diese alten Schmelz-
stätten den früheren Ureingeborenen, die von den germanischen und
finnischen Eroberern in den äuſsersten Norden Europas gedrängt
wurden, zuschreibt.


Alte isländische Runen 2) beschreiben schon deutlich die Ver-
wendung der Morasterze und die Ursachen der ungleichen Eigenschaften
des Eisens. Ebenso erwähnen bereits die ältesten heidnischen Runen
Finnlands der Sumpf- und Morasterze, ja es wird dort bereits an-
geführt, daſs man aus dem Sumpfeisen auch Stahl machen kann 3).
Die alten finnischen Öfen waren höchst primitiv und bestanden aus
nicht viel mehr als einem Loch im Boden. Statt der Bälge kamen da-
bei groſse Fächer als Gebläse in Anwendung. Im grauesten Altertum
hatten die Schweden schon Eisenwaffen und im frühen Mittelalter
waren die Goten durch ihre Waffen berühmt. Bis in die fernste
Sagenzeit verliert sich die Kunde der Eisenbereitung. So erzählt die
Sage von Smidur, dem Sohne des Bauern Tuar, der durch seine
Schmiedekunst so berühmt war, daſs der Herse von Noatum, der
Bruder des Königs Bose und der Freund des Ostgotenkönigs Herauder,
nicht anstand, ihm seine Tochter zum Weibe zu geben.


Schon im 7. Jahrhundert heiſst Schweden „Järnbäraland“
d. h. Mutterland des Eisens
.


In jenen alten Zeiten wurde das Eisen nur aus den Sumpf- und
Morasterzen dargestellt, die nicht durch Bergbau gewonnen zu werden
brauchten. Der Bergbau auf das berühmte schwedische Magneteisen-
[805]Die Bauernöfen im Norden.
erz ist erst später eröffnet worden. Die Gruben zu Norberg sind wohl
die ältesten dieser Bergwerksanlagen; doch scheinen sie nicht viel
älter zu sein als das Kloster, welches 1288 vom König Magnus dort
errichtet wurde. Jeder Bauer gewann ehedem ohne Einschränkung
seinen Eisenstein, und da sich erst im Jahre 1282 die Krone allen
Bergwerksbesitz anmaſste, so wird auch die Eröffnung der ersten regel-
mäſsigen Gruben nicht viel früher fallen.


In alten Urkunden heiſst das schwedische Eisen Åſsmundz, eine
schwedische Bezeichnung, die eine ähnliche Bedeutung wie Sumpfeisen
(Myrjern) hat 1). Dies Wort bürgerte sich nachmals als Osmund oder
Osemund auch in Deutschland, namentlich in der Mark ein.


Die alten Osmundluppen wurden in 24 bis 29 Stücke zerhauen,
deren jedes ungefähr ein damaliges Pfund wog. Diese Streifen wurden
roh ausgeschmiedet und in Fässern (Fat) verpackt, deren jedes später
20 schwedische Kubikpfund = 3,02 Ztr. wog. Die einzelnen Osmund-
stücke, sowie das Fat galten als Geld sowohl in der Berechnung als
auch in Zahlungen. Es kam dies anfänglich wohl daher, daſs die Ab-
gaben der Bauern aus den Eisenrevieren an die Krone, unter zu Grunde-
legung einer Durchschnittsproduktion in Eisen ausgezahlt wurden (das
sogenannte „Hunderteisen“). Später wurde das Eisengeld allgemein
und waren

  • 24 Stück Osmund = 1 Ör,
  • 192 „ „ = 1 Mark,


so daſs also ein Fat (circa 3 Ztr.) = 6⅝ schwedische Thaler galt.


Noch im Jahre 1402 bezahlte die Königin Margaretha an das
Domkapitel in Rothschield 2000 lötige Mark Silber mit 200 Lasten
Osmund, jede Last zu 12 Fat.


Zu Anfang des 13. Jahrhunderts wird bereits das Osmundeisen
als ein Handelsartikel genannt, der in das Ausland ging.


Unter den älteren Königen Schwedens that König Magnus am
meisten zur Hebung des Bergbaues und der Eisenindustrie in Schweden.
Es existieren noch verschiedene Verordnungen aus seiner Zeit, die auf
den Bergbau Bezug haben. So wurden z. B. 1340 die Bergwerke den
leichteren Verbrechern als eine Freistatt angewiesen und durften die-
selben, wenn sie in den Gruben arbeiteten, auch Eigentum erwerben.
Es war dies die liberale Auflösung der damnatio ad metalla. Aus-
genommen von dieser Maſsregel waren Mörder, Diebe und Verräter.


Damals bestand schon die Sitte und Gewohnheit, daſs die Be-
[806]Eisenbereitung im Mittelalter.
wohner gewisser um die gröſseren Gruben gelegener Landstriche, die
man „Bergslag“ nannte, die Verpflichtung hatten, Eisen zu erzeugen,
dafür aber im Besitz gewisser Freiheiten und Vorrechte waren.


Lag heiſst Verband, Bergslag ist also etwa so viel als Grubengewerk-
schaft; doch erinnert das Institut gleichzeitig auch an unsere Knapp-
schaften. 1354 befreite König Magnus diese „Bergslager“ von der
Verpflichtung, Reisenden Vorspann zu geben, auſser dem König und
seinem Stellvertreter, wofür ihnen freilich eine Abgabe auferlegt wurde.
Die Bauern, die den rohen Osmund darstellten, verarbeiteten ihn nur
zum eigenen Gebrauch, indem sie Äxte, Sensen, Sicheln, Spieſse,
Schnitzmesser, Pflugeisen, Schaufeln, Spaten, Hespen, Hufeisen und
mehrere Sorten Nägel darstellten. Eine selbständige Industrie war
aber auf die Verarbeitung des Eisens nicht gegründet, so daſs sogar
das abnorme Verhältnis eintrat, daſs der meiste rohe Osmund nach
Lübeck, Danzig und nach der Mark ging, wo er erst weiter verarbeitet
wurde, um dann zum Teil von den Schweden selbst wieder in Form
von Draht und Blechen über Lübeck bezogen zu werden. Selbst in
die Form von Schmiedestäben, in der doch das schwedische Eisen jetzt
meist in den Handel kommt, wurde es in alter Zeit nicht von den
Schweden selbst gebracht, sondern es geschah dies meistens von deut-
schen Schmieden zu Danzig, weshalb die englischen Schmiede das
schwedische Eisen noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts „Danzic
iron“ zu nennen pflegten.


Durch die Reformen Gustav Wasas wurde diesem Miſsverhältnis
einigermaſsen gesteuert.


Bergwerke und Eisenwerke fielen im 14. und 15. Jahrhundert viel-
fach in die Hände der habgierigen, schwedischen Geistlichkeit, welche
dieselben aber durchaus vernachlässigte. So erwarb das Bistum
Upsala im Jahre 1470 den vierten Teil der Gruben von Dannemora.
In der betreffenden Urkunde heiſst es, daſs St. Erick von nun ab die
übrigen drei Viertel um so mehr segnen würde.


Die durchschnittliche Eisenproduktion Schwedens von der Mitte
des 14. bis Ende des 15. Jahrhunderts belief sich auf 80000 Ztr. im
Jahre. Dieses Eisen wurde ausschlieſslich in Bauernöfen dargestellt.
Die Erze, aus denen dasſelbe gewonnen wurde, waren meist Sumpf-
und Seeerze, die in eigentümlicher Weise von den Bauern selbst ge-
sammelt wurden. Die Sumpf- oder Morasterze (Myrmalm) werden in
verschiedenen Gegenden Schwedens und Norwegens gefunden. Wenn
in jenen Distrikten ein Sumpf nur einen Zufluſs hat, nach einer Seite
schwach abhängt, wenn er mit Gras, Heide und Gesträuch bewachsen
[807]Die Bauernöfen im Norden.
ist und einige kahle Erhöhungen, wie Sandbänke, hat, dann kann man
ziemlich sicher sein, daſs er Eisenerz enthält.


Zum Auffinden des Erzes bedienen sich die Bauern eines eisernen
Erzspieſses, der 1½ Ellen lang ist, 3 bis 4 Linien im Durchmesser hat
und achtkantig ist. Unten ist er zugespitzt, oben mit einem Bügel
versehen, um ihn in der Hand zu halten. Will man einen Morast
untersuchen, so stöſst man am Rande, sowie da wo Gras und Heide
wachsen, oder wo flache Erhöhungen sind, den Spieſs in den Boden.
Geht der Spieſs sehr leicht hinein und wieder heraus, so ist kein Erz
da, geht er schwer, so ist Hoffnung dazu vorhanden. Man stöſst ihn
dann fest und tief ein und dreht ihn einigemal herum, ehe man ihn
auszieht. Das Erz setzt sich wie ein Staub an den Spieſs an, auch
kann man schon aus dem Ansatz beurteilen, ob das Erz grob oder
fein ist. Über dem Erz liegt gewöhnlich eine Decke Torf, Holzwurzeln,
Heide, Rasen, Erde oder dergleichen, aber selten ist diese Bedeckung
stärker als 5 bis 6 Zoll. Diese Decke hackt man weg. Das Erz unter-
scheidet sich leicht durch die Farbe von dem Torfboden; oben ist es
wie feiner Ocker, unten wie Thon oder Sand, in dem einzelne gröſsere
Konkretionen sich befinden. Haben diese scharfe Ecken, so ist dies ein
schlechtes Zeichen; sind sie flach und rund, so ist das Erz gut. Die
schwarzgefärbten Erzsorten sind schwerschmelzig und geben kalt-
brüchiges Eisen; die gelben und roten Erze, in denen sich groſse, runde,
flache Knollen finden, sind gut und können für sich verschmolzen wer-
den. Das grobe dunkel- und hellbraune Erz ist für sich schlecht zu
verschmelzen und giebt rotbrüchiges Eisen, dagegen mit anderen Sorten
gattiert, liefert es ein ganz gutes Produkt. Grobes, graues Erz ist
weich aber schwerflüssig; mit anderen verschmolzen ist es gut. Bläu-
liches Erz soll gut sein, während grünes untauglich ist. Alle guten
Sumpferzablagerungen werden angeblich von Stein oder Thon unter-
lagert, während dasjenige, welches in weichem, schwarzem Boden liegt,
nichts taugt. Auch das beste Erz ist öfter mit weiſsem und grauem
Sand durchzogen, der möglichst sorgfältig ausgehalten werden muſs,
da er viel Verschlackung von Eisen bewirkt. Dies geschah früher in
sehr primitiver Weise, indem man das trockene Erz mit einer Schaufel
auf eine ebene Fläche warf, so daſs, ähnlich wie wenn das Getreide ge-
worfelt wird, das schwere weiter flog, während der leichtere Sand mehr
in der Nähe niederfiel.


Das Sumpferz regeneriert sich ziemlich rasch, so daſs nach Sweden-
borgs Angabe man nach 34 Jahren von neuem Erz an derselben Stelle
gewinnen kann.


[808]Eisenbereitung im Mittelalter.

Noch origineller als die Gewinnung des Sumpf- oder Rasenerzes
ist die des Seeerzes.


Das Seeerz (Sjömalm) findet sich besonders in den flachen Seeen
von Småland und Kronobergs Län. Man unterscheidet nach dem
Aggregatzustand folgende Sorten:


Skaggermalm heiſsen die groſsen, schlackenähnlichen, von röhren-
förmigen Hohlräumen durchzogenen Stücke.


Purlemalm heiſst eine Anhäufung kleiner, runder Knollen von der
Gröſse von Nüssen und Bohnen.


Haggelmalm ist das Erz, dessen Körner die Gröſse von Hagel und
Schrot haben.


Pennigmalm sind kleine, scheibenförmige Erzstückchen, die
Pfennigen oder Krähenaugen gleichen.


Die Farbe des Seeerzes ist rostrot und braun. Der Eisengehalt
im rohen Zustand beträgt circa 25 Proz., stark geröstet 50 Proz. Sie
sind bis zu 40 Proz. mit Sand verunreinigt.


Beifolgende Analysen Swanbergs geben ein Bild von der Durch-
schnittszusammensetzung dieser Erze:


Diese Erze finden sich meist in der Nähe von Schilfbänken und
an den Abhängen von Untiefen in wechselnden Ablagerungen von
10 bis 200 Ellen Länge. Man findet sie nie da, wo stärkere Strö-
mungen sind.


Gegen Ausgang des Herbstes, wenn die Seeen anfangen sich mit
einer Eiskruste zu überziehen, rückt der Erzsucher aus. Mit einer
langen Stange, die er durch die Eisdecke hindurchstöſst, untersucht er
den Boden und infolge langer Erfahrung vermag er durch das Gefühl
beim Aufstoſsen und durch den Ton wahrzunehmen, ob Erz am Boden
abgelagert ist oder nicht. Der Erzsucher bezeichnet die Grenze der
Seeerzablagerung mit kleinen Zweigen, die er in das Eis steckt, wo-
durch er zugleich seine Besitzergreifung konstatiert. Auf diese Weise
sucht und bezeichnet er so viele Stellen, als er im Laufe des Winters
[809]Die Bauernöfen im Norden.
zu bearbeiten gedenkt. Ist die Eisdecke stark genug geworden, so
zieht er mit seinem Gehilfen oder seiner Familie aus. An der betreffen-
den Stelle haut er ein Loch in das Eis von etwa 3 Fuſs Durchmesser.
Durch dieses fährt er mit einem eisernen Sieb, welches an einer Stange
befestigt ist, ein. Mit Hilfe eines eisernen Rechens, mit ebensolanger
Stange sucht er das Erz zusammenzukratzen, während er es mit einer
leichteren Harke in das Sieb hineinbringt. Das Erz wird heraus-
gezogen. Da es mit Thon und Schlamm gemengt ist, so wird es mittels
eines Handsiebes im Wasser gewaschen. Wenn genug Erz da ist, so
kann man 10 bis 20 Zentner an einem Tage sammeln.


Die Gesamtausbeute von Seeerzen in Schweden betrug 1860 noch
440000 Zentner.


Sowohl die Sumpferze als die Seeerze müssen geröstet werden.
Es geschieht dies nach Ole Evenstads Beschreibung in der Weise, daſs
auf einen trockenen, ebenen Platz zwei Bäume, circa 10 Ellen lang
und 12 bis 13 Zoll dick, derart gelegt werden, daſs zwischen beiden
ein Abstand von 8 Ellen bleibt. Quer über diese legt man eine Lage
Bäume von etwa gleicher Länge, und darüber eine zweite Lage in der
ersten Richtung, so daſs diese beiden Lagen eine Art von Sieb bilden.
Auf dieses werden 10 bis 12 Fuder Erz in einer ¾ Ellen dicken Schicht
ausgebreitet, wobei man in der Mitte eine freie Öffnung von ¾ Ellen
läſst, um der Luft ungehemmten Durchzug zu gestatten. Unter diesem
Holzrost wird nun ein Feuer mit kleinem Holz angefacht und wenn
dies in vollständiger Glut ist, schlägt man mit einem Hammer wider
die Balken, wodurch ein Teil des Erzes durchfällt in die Kohlen. Nach
einiger Zeit, wenn die Erze ge[nü]gend durchgebrannt sind, rührt man
die Masse auf, wodurch das Erz untersinkt, und die glühenden Kohlen
wieder obenauf kommen. Man wiederholt das Klopfen und läſst eine
neue Portion des Röstgutes auf die Kohlen fallen. In dieser Weise
fährt man fort, bis das ganze Quantum durchgeröstet ist. Es ver-
brennen dabei nach und nach auch die Balken zum Teil.


Die Bauernöfen (Fig. 253 a. f. S.) waren in früherer Zeit noch kleiner
als die später gebräuchlichen. Da man noch keine hydraulischen Ge-
bläse kannte, so bediente man sich eines Feuerfächers, mittels dem Luft
durch eine Öffnung der Hinterwand des Ofens geblasen wurde. Die
Ziehöffnung, die während des Blasens geschlossen blieb, befand sich an
der Vorderwand. Die Öfen, die Swedenborg beschreibt (Fig. 254 u. 255),
waren mit einem starken Holzmantel umkleidet 1). Man stellte den
[810]Eisenbereitung im Mittelalter.
Ofen auf einen trockenen Platz, am liebsten grub man einen solchen an
einem Abhang aus, so daſs die eine Ofenseite ganz an den Hügel gebaut
wurde, während man nur die drei anderen Seiten mit Holz umkleidete.
Die äuſsere Gestalt des Ofens war rechteckig. Die Holzbekleidung be-
stand aus Balken von 9 bis 10 Zoll Dicke, die Seitenlänge der gezimmer-

Figure 253. Fig. 253.


ten Wände betrug unten 2 Ellen, die der Bergwand 2½ Ellen; nach
oben wurde das ganze Gebäude breiter. Innerhalb des Zimmerwerkes
wurde der Boden etwa ¾ Ellen hoch mit Steinen ausgefüllt. Mitten auf
dieses Steinpflaster legte man den Bodenstein und zwar ganz horizontal.

Figure 254. Fig. 254.


Derselbe war ¾ Ellen dick und quadratisch mit 1½ Ellen Seitenlänge.
Der Raum um den Bodenstein wurde ausgestampft; hierauf die kreisrunde
Ofenwand aus flachen Steinen und wohl zubereitetem Lehm aufgeführt.
Die Wandung war 10 bis 12 Zoll stark. Der Durchmesser unten am
Boden betrug 22 bis 23 Zoll. Ist die Wand 4 Zoll hoch aufgeführt, so
[811]Die Bauernöfen im Norden.
wird die Formöffnung auf der Vorderseite, der Bergwand gegenüber,
gleichfalls von flachen Steinen hergestellt. Auf Swedenborgs Skizze
(Fig. 255) erscheint sie dagegen von starkem Eisenblech gebildet.


Die Form der Bauernöfen lag in ihrem Mittel, wie bei
den Hochöfen, horizontal
.


Die innere Wand wurde bis zu 18 Zoll Höhe ziemlich senkrecht
aufgemauert, so daſs sie sich nach oben nur ganz wenig erweiterte.
Gleichzeitig führte man eine äuſsere Mauer, die sich unmittelbar an
die Holzverkleidung anlehnte, aus Steinen ohne Lehm in der Weise
auf, daſs die innere Wand kreisförmig war. Zwischen beiden Wänden
blieb ein freier Raum, der mit trockenem Sande ausgefüllt wurde, wobei
natürlich die Formöffnung durch Ummauerung mit flachen Steinen
freigehalten werden muſste. Man führte nun die innere Ofenwand
höher, so daſs sie sich fortwährend erweiterte, bis sie an der Gicht eine

Figure 255. Fig. 255.


lichte Weite von 2½ Ellen hatte. Die innere Wand machte man etwas
höher als die äuſsere, so daſs, wenn man hiernach die ganze Decke
mit flachen Steinen zulegte, diese ein Dach bildeten, das von der Mitte
nach den Wänden abfiel. Über dem Bodenstein auf der Seite nach
der Form zu schlug man einen Herdboden aus einem Gemenge von
Lehm und geröstetem Eisenstein. Dieser erhöhte Boden war 12 Zoll
lang, 10 Zoll breit und 1 Zoll hoch, bedeckte also nur einen Teil des
Ofenbodens. Auf dieser erhöhten Fläche wurde das Eisen angesammelt,
während die Schlacke auf den Seiten herum niederfloſs.


Die Bauernöfen 1), die Swedenborg beschrieb, hatten etwas ab-
weichende Dimensionen. Das untere rektanguläre Gestell war 2½ Fuſs
lang, 15 bis 18 Zoll breit und 2 Fuſs hoch mit senkrechten Wänden,
von da erweiterte sich der Schacht in kreisförmige Gestalt über-
gehend. Er war 3½ Fuſs hoch und oben 2½ Fuſs weit.


[812]Eisenbereitung im Mittelalter.

Die Gebläsevorrichtungen bestanden im vorigen Jahrhundert aus
2 Bälgen, die meist getreten, hier und da wohl auch von Wasserrädern
bewegt wurden.


Das Schmelzen geschah nicht mit Holzkohlen, sondern mit rohem
Holz und wurde hierzu meistens Tannen- und Fichtenholz genommen.
Zu drei Schmelzungen brauchte man ein Klafter Holz. Ein Viertel der
Holzscheiter war 1¾ Ellen lang, das übrige 1¼. Die Scheiter wurden
in Stücke von circa 2 Zoll Durchmesser zerspalten. Das Holz vorher
in Meilern zu kohlen hielt man für zu kostspielig und zu umständlich.


Das zerspaltene Holz wurde an den Wänden herum eingelegt, und
zwar zuerst die langen Scheiter in der Art, daſs sich ihre unteren
Enden kreuzten. In der Mitte lieſs man ein schachtförmiges Loch,
eine Art Quandelschacht, durch das der Zug strich und durch welches
das Holz entzündet wurde. Man trug dann rasch das ganze übrige
Holz ein, so daſs es noch 1½ Ellen über der Gichtöffnung gehäuft
war. Die Zwischenräume füllte man mit Spänen und kleinen Holz-
abfällen aus.


Der Zweck der ganzen ersten Operation war nur die Verkohlung
des Holzes im Ofen selbst, wobei durch einen Teil der verlorengehen-
den Wärme die Schachtwände angeheizt wurden. War das Holz so
weit zu Kohlen verbrannt, daſs sich nur oben noch einige Brände
fanden, so drückte man die glühenden Kohlen in der Mitte und an den
Seiten mit der Schaufel zusammen und legte die halbverkohlten
Brände oben auf.


Von dem Erze, welches vorher bis zu der Gröſse eines mittelfeinen
Sandes zerstampft worden war, trug man jetzt 10 „Pott“ mit einer
hölzernen Schaufel ein, wobei man die Mitte von Erz frei lieſs. War
das Erz rotgebrannt, so schob man den Satz mit einem Spaten in die
Mitte, so daſs hier ein Haufen entstand und setzte hierauf in gleicher
Weise 8 „Pott“ Stein um den Wind herum. Nachdem auch diese rot
geworden waren, begann der Arbeiter die Bälge zu treten und langsam
zu blasen. In der Mitte sank alsbald die Füllung ein, man schob des-
halb fortwährend von allen vier Wänden Erz und Kohlen nach. Das
Blasen wurde nach und nach verstärkt und so oft sich die Masse in
der Mitte einsenkte, wurden von den Seiten in einer gewissen Reihen-
folge Kohlen und Erz nachgeschoben. War etwa die Hälfte der Kohlen
verzehrt, so gab man zum dritten- und letztenmale Stein auf, doch
nur ungefähr 4 Pott. Unmittelbar nach dem Einsetzen blies man
wieder langsam, bis man die vorgewärmten Erze wieder in die Mitte
eingeschoben hatte. Sobald es sich nun in der Mitte wieder zu sacken
[813]Die Bauernöfen im Norden.
anfing, blies man langsam, nahm die Kohlen von der Form weg, stieſs
die Nase ab und schob alles auf den geschmolzenen Eisenklumpen, den
man von oben mit dem Spieſse bearbeitete. Ebenso brachte man noch
die Kohlen und Erze, die sich an den Wänden angehängt hatten, auf
diesen einen Haufen und blies langsam fort. Hierauf wurde er mit
einem Haken umgewendet, so daſs man ihn packen konnte. Man nahm
ihn mit einer Zange aus dem Ofen heraus.


Die Luppe wurde auf einen groſsen Stein geschoben, mit Holz-
schlägeln zusammengehauen und dann von dem zweiten Arbeiter mit
einer Axt in zwei Teile geteilt. Gleichzeitig reinigten die übrigen den
Ofen und begannen sogleich ein zweites Schmelzen. 3 Arbeiter konnten
an einem Tage 5 bis 6 solcher Luppen, jede etwa 30 bis 40 Pfund
schwer, machen.


Setzte man zu viel Stein auf einmal, so ging viel davon unreduziert
in die Schlacken. War das Eisen geschmeidig und gut, so erschien der
Klumpen dünn und flach; war es grell und roh, so erschien er hoch,
dick und voller Höhlungen. Die Grelle war ein Fehler der Be-
schickung, die Löcherigkeit ein Fehler der Schmelzung. Das erzeugte
Eisen ist ein ungleiches, rohes, mit gekohltem Eisen gemengtes, hartes
Schmiedeeisen. Es konnte zwar zu gröberen Sachen ausgeschmiedet
werden; brach es aber unter dem Hammer, so lieſs es sich auch kaum
wieder schweiſsen. Um es deshalb zu brauchbaren Eisenwaren zu ver-
arbeiten, wurde es in einem kleinen Schmiedeherde nochmals ein-
geschmolzen. Der Herd, in dem dies geschah, war 11 bis 12 Zoll lang,
10 Zoll breit und 1 Zoll tief. Der Wind wurde mit zwei Bälgen er-
zeugt. Waren die Kohlen gehörig in Glut, so legte man eine halbe
oder auch eine ganze Luppe auf. Sobald sie Schweiſshitze hatte und
Funken sprühte, faſste man sie mit der Zange und hielt sie dicht über
den Wind, wodurch sie auf den Boden niederschmolz. Gleichzeitig
warf man etwas trockenen Sand und zerstoſsene Hammerschlacke auf.
Es bildete sich auf dem Boden des Herdes eine flache Luppe, die so-
gleich ausgebrochen und zerhauen wurde.


Man schmolz aber die See- und Morasterze in den Bauernöfen
nicht bloſs zu Schmiedeeisen, sondern auch zu Stahl. Wollte man
dies thun, so betrieb man den Ofen erst 4 bis 5 Tage ununterbrochen
auf Eisen, damit er gehörig durchgeheizt war. Nachdem die letzte
Eisenluppe ausgezogen war, wurde er rasch gereinigt und auf die
Lehmsohle unter der Form trockener Sand gestreut, um dadurch diesen
Boden bei der Schmelzung in Schlacke zu verwandeln.


Das Einsetzen und Verkohlen des Holzes geschah wie beim Eisen-
[814]Eisenbereitung im Mittelalter.
schmelzen, nur achtete man darauf, daſs die Verkohlung vollständig
beendet war. Unverkohlte Brände nahm man heraus. Man drückte
die Kohlen zusammen wie beim Eisenschmelzen, gab aber zum ersten-
male nur 8 Pott, zum zweitenmale nur 4 Pott Erz auf. Hierauf
nahm man einen Formlöffel, ein Instrument, das vorne einen dicken
Knopf hatte, schob es durch die Form, so daſs der Wind sich daran
stieſs und nach allen Seiten hin sich gleichmäſsig verteilte. Man blies
stark aber langsam, und erzeugte durch diese Mittel eine hohe, gleich-
mäſsige Temperatur. Danach nahm man den Formlöffel wieder heraus
und blies nun so stark wie möglich, um die Temperatur noch mehr zu
steigern. Man drückte Kohlen und Erz wiederholt fest zusammen, bis
die Hälfte der Kohlen verbrannt war. Jetzt setzte man noch ein-
mal zwei Pott Erz nach. Man schob ebenfalls fortwährend Erz und
Kohlen nach der Mitte zu, wo die Verbrennung am raschesten vor sich
ging. Dabei warf man öfter eine Handvoll Sand nach. Auch darauf
wurde gesehen, daſs der Eisenklumpen sich nicht zu hoch vor der Form
aufbaute, weil da, wo der Wind unmittelbar auf die Luppe stieſs, stets
nur weiches Eisen entstand, das nachher von der Luppe abgehauen
werden muſste. Man nahm, sobald alle Kohlen verbrannt waren, den
Stahlklumpen, der ganz in der Schlacke lag, mit der Zange vorsichtig
heraus, warf trockenen Sand darauf und hämmerte ihn auf allen Seiten
mit einem Schlägel, bis er keine Funken mehr warf, worauf er in
kleine Stücke zerhauen wurde. Um diese weiter verarbeiten zu können,
muſste man sie nochmals in einer Schmiedeesse ausheizen. Dies ge-
schah so, daſs man sie erst bis zum Weichwerden erwärmte, sie dann
herausnahm, abkühlte und dann ein zweites Mal bis zur Weiſsglut er-
hitzte. Man stellte den Wind ab und lieſs sie noch 6 bis 8 Minuten
in den Kohlen liegen. Angeblich trat bei dem Ausheizen ein Aus-
saigern der Unreinigkeiten (des Roheisens) ein, so daſs Löcher und
Poren in der Masse entstanden. War die Hitze so stark, daſs der
Stahl anfing zu flieſsen, so nahm man ihn heraus, bestreute ihn mit
Sand und überschmiedete ihn einigemal bis er dicht ward. Was
natürlich am Ende des Ausheizens ebenso geschah. Da der Stahl
keine lange Hitze verträgt, so konnte man nicht die ganze Luppe auf
einmal ausheizen, weshalb man Stück für Stück vornahm. Wollte
man die ganze Masse in einer Stange haben, so muſste man sie einzeln
wieder zusammenschweiſsen. Bei einer solchen Schmelzung, zu der
15 Pott Erz eingesetzt waren, fielen 18 Pfund guter, starker Stahl, der
zu Beilen und groben Geräten ganz dienlich war.


Wollte man nach dem Stahlmachen wieder Eisen schmelzen, so
[815]Die Bauernöfen im Norden.
muſste man zuvor die zerstörte Lehmsohle wieder herrichten, deren
Hauptzweck es war, die Eisenluppe näher dem Winde zu bringen.


Die Baukosten des Ofens, wenn man von den Materialien absieht,
die noch zu Anfang dieses Jahrhunderts in Norwegen für nichts ge-
rechnet wurden 1), betrugen inkl. Bälge und Gezäh 34 Thlr. 4 Sgr.
(102,40 Mk.). Die Selbstkosten berechnet Evenstad, indem er den Wert
des Eisenerzes gar nicht in Anschlag bringt, bei vierwöchentlichem,
regelmäſsigem Betriebe zu 52 Thlr. 14 Sgr. (157,40 Mk.), wobei er die
tägliche Produktion von 150 Pfund (75 kg) rohem Osmund annimmt.
Da der Verkaufspreis der 42 Ztr. zu 134 Thlr. 24 Sgr. (404,40 Mk.) sich
berechnet, so beträgt der Gewinn 82 Thlr. 10 Sgr. (247 Mk.). Beim
Umschmelzen der Rohluppen soll der Verlust nur 18 Pfund (9 kg) pro
Schiffspfund betragen. Der Preis des raffinierten Eisens ist gleich 20
bis 24 Thlr. pro Schiffspfund.


Es ist bereits erwähnt worden, daſs diese Öfen in Finnland noch
heute neben den Hochöfen betrieben werden. Dies geschieht weniger
des ökonomischen Vorteils als der Qualität wegen. Die phosphor-
haltigen Morasterze geben auf die gewöhnliche Methode dargestellt ein
schlechtes, rotbrüchiges Eisen, während in den Bauernöfen aus den-
selben Erzen sich nicht nur ein gutes Schmiedeeisen, sondern auch ein
brauchbarer Stahl herstellen läſst. Die Ursache hiervon kann nur
darin liegen, daſs bei der letzteren Methode der Phosphor überhaupt
nicht in das Eisen übergeht, sondern in der Schlacke verbleibt und
dies hat seinen Grund wohl nur darin, daſs die phosphorsauren Ver-
bindungen in jenen Erzen sich erst bei höherer Temperatur reduzieren.
Deshalb geht bei allen Reduktionsprozessen bei den gleichen Erzen um
so mehr Phosphor in das Eisen über, je höher die Temperatur ist. Es
scheint sogar, daſs bei einem oxydierenden Schmelzen phosphorhaltigen
Eisens umsomehr Phosphor sich oxydiert und verschlackt, je niedriger
die Schmelztemperatur ist, weshalb bei den Frischprozessen der Phos-
phor vollkommener aus dem Roheisen abgeschieden wird als bei dem
Puddelprozeſs, während bei dem Bessemerprozeſs, wenn nicht besondere
Vorkehrungen getroffen werden, sogar aller Phosphor in den Stahl
übergeht. Aus diesem Grunde war es auch möglich, daſs in den alten
Rennwerksschmieden die Morasterze ein gutes Produkt ergaben und in
vielen Gegenden besonders beliebt waren, während man bis vor kurzem
dieselben Erze bei den modernen Eisendarstellungsmethoden nur für
geringes Gieſsereieisen verwenden konnte.


[816]Eisenbereitung im Mittelalter.
Die Eisengewinnung in „Stucköfen“.

Die Löschfeuer und die märkische Osmundschmiede.


An die schwedischen Bauernöfen schlieſsen sich in Konstruktion
und Betrieb die sogenannten Stucköfen an. Diese sind für eine ge-
schichtliche Betrachtung der Entwickelung der Eisenindustrie von
hohem Interesse, da sie das natürliche Übergangsglied zwischen unseren
Hochöfen und den alten Luppenfeuern, zwischen der indirekten und
der direkten Methode der Eisenerzeugung bilden. Darum aber behaup-
ten zu wollen, die Stucköfen hätten sich aus den Luppenfeuern durch
eine allmähliche Erhöhung der Wände gebildet, wäre ebenso voreilig,
wie wenn man sagt, die Luppenfeuer mit künstlicher Windzuführung
hätten sich aus Öfen mit natürlichem Zug entwickelt. Solche An-
nahmen sind mehr synthetisch als empirisch. Es ist bei der Ent-
wickelung der Technik nicht überall und unter allen Umständen das
Einfachere dem Komplizierteren vorausgegangen. Überdies war zu der
Zeit, da zum erstenmal der norische Stahl erwähnt wird, die Industrie
in den zivilisierten Ländern bereits auf einer ziemlich hohen Stufe der
Entwickelung.


Es läſst sich historisch nicht mehr nachweisen, ob die Stucköfen
in Steiermark, demjenigen deutschen Land, in welchem sie zuerst
angetroffen werden, sich aus Luppenfeuern oder aus Öfen mit natür-
lichem Zug herausgebildet haben. Der Umstand, daſs man auch in
Steiermark die Spuren alter Schmelzstätten auf Anhöhen findet, ist
nicht absolut beweisend für das Vorausgehen von Luppenfeuern, da
ebenso ja auch die Bauernöfen und die Stucköfen, ehe ihr Betrieb von
der Wasserkraft abhängig war, auf den Höhen lagen.


Auch der Name „Blauofen“, mit dem diese Stucköfen oft be-
zeichnet wurden, giebt keine Aufklärung. Mit der blauen Farbe hat
er absolut nichts zu thun, vielmehr kommt das „Blau“ in Blauofen
von plaa (engl. to blow), blasen, wie denn auch die Arbeiter bei diesen
Öfen in den österreichischen Alpen „Plaaer“ und Plaameister und die
Öfen selbst Plaaöfen zu heiſsen pflegten. Der Name „Blauöfen“ war
auch niemals auf die Stucköfen allein beschränkt, sondern man nannte
alle Gebläseöfen, in welchen Eisenerze mit künstlichem Wind geschmol-
zen wurden, mit diesem Namen. So wurden z. B. die Luppenfeuer öfter
[817]Die Stucköfen.
Blaufeuer genannt und im vorigen Jahrhundert wurden die steirischen
Eisenschmelzöfen, die „Floſsöfen“, ebenso oft Blauöfen genannt, als
die Stucköfen. Der Name Stuck- oder Wolfsofen rührt von dem Eisen-
klumpen, der Luppe, her, die man darin erhielt, und die man das
„Stück“ oder den „Wolf“ (loupe, Luppe) nannte.


Über die Geschichte der Stucköfen ist wenig überliefert. In alter
Zeit waren sie niedriger und wurden erst, nachdem man angefangen
hatte, die Gebläse durch Wasserräder zu betreiben, erhöht. Angeblich
sollen sie schon im 8. Jahrhundert in Steiermark bestanden und sich
von da nach Böhmen verbreitet haben. Sicher verbürgt ist, daſs sie
im 13. Jahrhundert in Steiermark in Anwendung waren.


Die Angabe, daſs der Stahlberg bei Schmalkalden im Jahre 385
von einem steirischen Eisenarbeiter entdeckt worden sei und daſs
dieser auch den steirischen Betrieb dort einführte, mag wahr sein,
daſs dies aber Stucköfen gewesen seien, folgt daraus noch nicht, wenn
auch solche im vorigen Jahrhundert im Hennebergischen im Betrieb
waren und sich dort sogar länger als in Steiermark selbst erhielten.


Mancherlei Angaben bestätigen es, daſs die Stucköfen in Steier-
mark
sich schon sehr früh entwickelt haben. Es wurde des Rufes,
den das norische Eisen bei den Römern genoſs, schon gedacht. Auch
wissen wir, daſs bei den Römern bereits niedrige Schachtöfen im Ge-
brauch waren. In den Zeiten der Völkerwanderung war Noricum und
besonders Steiermark erschütternden Stürmen ausgesetzt. Gegen
Ende des 4. Jahrhunderts wurden die Römer aus der norischen Pro-
vinz verdrängt. 405 eroberten es die Westgoten, die 451 von den
Hunnen verdrängt wurden, denen schon 454 die Rugier folgten. 487
überschwemmten die Heruler, 488 die Longobarden das Land, bis
495 die Ostgoten Noricum mit dem gotischen Reich vereinigten.
Erst um diese Zeit scheint die steirische Eisenindustrie vollständig
erlegen zu sein, denn im 5. Jahrhundert wird des steirischen Eisens
noch von verschiedenen Schriftstellern gedacht, wie namentlich von
Sidonius Apollinaris, der von 430 bis 487 lebte. Nach dem Sturz der
Ostgotenherrschaft drängten die slavischen Völkerstämme immer
mehr nach Westen und am Ende des 6. bis gegen Mitte des 7. Jahr-
hunderts wanderten sie in Steiermark ein und setzten sich nament-
lich auch in den obersteirischen Eisendistrikten fest.


Im Jahre 712 sollen die Bergwerke des Erzberges bei Eisenerz
eröffnet, d. h. wahrscheinlich wieder eröffnet worden sein. Eine alte
Inschrift in der St. Oswaldkapelle in Eisenerz sagt: „Haec celebris et
nominata ferri fodina reperta est anno Christi DCCXII. Cui in per-
Beck, Geschichte des Eisens. 52
[818]Eisenbereitung im Mittelalter.
petuam memoriam anno MDCXXXII haec renovatio facta est anno
invention. DCCCCXX.“ In einer alten Instruktion vom Jahre 1495
heiſst es gleichfalls, das leobinische Eisen sei mit Lob und Preis nun
bei 700 Jahr gearbeitet und in allen Ländern vor anderem Stahl und
Eisen berühmt gewesen 1).


Erst im 10. Jahrhundert bekamen die Deutschen durch Ottos I.
Kämpfe in Steiermark wieder die Oberhand und 963 wurde die Mark-
grafschaft Steier gegründet. Der Einfluſs aber, den die Slaven auf
den Eisenbergbau und die Eisenschmelzerei in jenen Gegenden aus-
geübt haben, geht aus den vielen slavischen Wörtern hervor, die sich
beim steirischen Hüttenwesen erhalten haben. Dahin gehören nament-
lich die mit der Endung izhe, als Kotlizhe und andere.


Im Jahre 1164 wird der Leobener Eisenindustrie zum erstenmal
aktenmäſsig gedacht in einer Urkunde des Markgrafen Ottokar VII, in
der der Karthause von Seitz jährlich 20 Masseln (maſsas) Eisen be-
willigt werden, „in Leoben zu erheben“.


Der steirische Stahl übertraf an Güte jeden Stahl, wenigstens jeden
europäischen, der vor der Einführung der Guſsstahlfabrikation dar-
gestellt wurde. Dieser Stahl wurde seit dem Mittelalter ausschlieſs-
lich in Stucköfen dargestellt. Erst im Jahre 1750 wurde der erste
Hochofen zum Schmelzen von Roheisen errichtet. Da aber die ganze
Eisenerzer Industrie nur in einigen Händen war, so wurden im
Jahre 1762 die Stucköfen völlig eingehen gelassen, nicht ohne groſse
Opposition seitens der Arbeiter. Dagegen erhielten sich bei Eisern in
Krain Stucköfen bis nach dem Jahre 1847.


Auch in der Gegend von Schmalkalden waren noch nach dem
Jahre 1841 Stucköfen zum Zugutemachen von Frischschlacken im Betrieb,
wie dies ähnlich auch zu Windisch in Kärnten geschah, während sie
sich an einigen Orten in Ungarn und Siebenbürgen bis auf die Gegen-
wart erhalten haben.


Beschreibungen von Stucköfen aus älteren Zeiten als dem vorigen
Jahrhundert liegen nicht vor. Denn Agricolas Beschreibung gewisser
höherer Öfen, die an seine Beschreibung der Luppenfeuer angehängt
ist, erscheint so ungenau, daſs daraus nicht zu ersehen ist, ob er einen
Stuckofen oder einen Hochofen beschreiben will. Da jedoch das End-
produkt weiches Eisen ist, so wird wohl ein Stuckofen gemeint sein.


Er sagt in jener Stelle: „Aber für solches Eisenerz, das kupfer-
haltig ist oder nur schwer, wenn es geschmolzen wird, flieſst, muſs man
mehr Arbeit und stärkeres Feuer anwenden, denn man muſs nicht nur,
[819]Die Stucköfen.
um die metallischen Teile zu trennen, sie unter einem trockenen Poch-
werk zerkleinern, sondern sie auch rösten, wie die Erze anderer Metalle,
damit die schädlichen Säfte sich verflüchtigen, und sie waschen, daſs
alles, was leicht ist, davon geschieden wird. Sie sollen aber in einem
Ofen, wie der zum Rohschmelzen, nur viel weiter und höher, damit
er viel Erz und Kohlen halten kann, geschmolzen werden. Denn er
wird ganz mit Erz, das nicht über nuſsgroſs sein darf, und mit Kohlen
angefüllt, welche der Schmelzer auf Stufen, die auf der einen Seite
angebracht sind, hinaufträgt. Aus solchen Erzen, wenn sie ein- oder
zweimal geschmolzen sind, wird dann das Eisen erhalten, welches
tauglich ist, daſs es im Schmiedefeuer wieder geheizt und ausgeschmie-
det und mit scharfen Setzeisen in Stücke gehauen wird.“


Matthesius sagt in seiner Sarepta: „In Steier rennt man aus dem
Erz Stahleisen, welche im Feuer geschieden werden. Denn das beste
aus diesem gesinterten Eisen ist Kernstahl, welches die Latiner auch
nucleum ferri nennen. Diesen wellt und zerbelliert man mit allem
Fleiſs; aus dem anderen macht man köstliches steirisches Eisen.“


Um das Jahr 1714 waren nach Swedenborgs Beschreibung 1) in
Vordernberg 16 Stucköfen im Betrieb, die ihr Erz, den vorzüglichen
Spateisenstein, vom Erzberg bezogen. Den frischen Eisenspat lieſsen
sie vor dem Verschmelzen erst einige Jahre in Haufen an der freien
Luft liegen, „damit er reif werde“. Bei jedem Schmelzofen befindet sich
auch ein Röstofen. Der Schmelzofen ist 14 Fuſs hoch, 4 Fuſs oberhalb
der Form und 2 Fuſs in der Gicht weit. Das Erz wurde lagenweise
aufgegeben. Die Schmelzung dauerte 15 Stunden und ergab eine
Masse von 20 Zentnern.


Swedenborg bemerkt, daſs diese Art der Schmelzung nach den
Angaben der Eingeborenen schon seit 800 Jahren in derselben Weise
im Gang sei, und obgleich sie selbst schon damals der Überzeugung
waren, daſs man die in Kärnten bereits gebräuchlichen Floſsöfen ein-
führen werde, so behaupteten sie doch, ihre Erze würden eine so
ununterbrochene gleichmäſsige Hitze nicht ertragen (!), vielmehr sei
ein unterbrochener Wechselbetrieb für ihre Erze durchaus notwendig,
denn auf keine andere Art könnten sie das gute Eisen der Oberfläche
erhalten. Wir werden später sehen, wie dieser Aberglaube der Steier-
märker selbst ihren Hochofenbetrieb in späterer Zeit beeinfluſst hat.


Die Stucköfen, die Swedenborg an anderen Plätzen in Steiermark
sah, waren noch gröſser. Nach seiner Angabe hatten sie 18 Fuſs Höhe
52*
[820]Eisenbereitung im Mittelalter.
und waren rechtwinkelig zugestellt. Die Formhöhe betrug 1½ Ellen;
3 Ellen über der Form war der Kohlensack, der einen Durchmesser
von 3 Ellen hatte. Von da ab war der Schacht rund und verengte
sich nach oben bis zu einer Elle. Im übrigen stimmt Swedenborgs
Beschreibung der Stucköfen ganz mit der späteren von Jars (aus dem
Jahre 1758 1) überein.


Bei den Stucköfen verläuft der Prozeſs fast genau, wie bei den
Herdöfen, in denen Eisen direkt aus den Erzen gewonnen wird. Da-
durch aber, daſs der Ofen höher ist, geht die Vorbereitung der Erze
langsamer und darum gleichmäſsiger und vollständiger von statten;
während dadurch, daſs er ganz geschlossen ist, die Hitze mehr zu-
sammengehalten wird, indem ein geringerer Wärmeverlust statt hat,
als bei den offenen Herden. Diesem Vorteil steht aber der Nachteil
gegenüber, daſs, da man den Prozeſs nicht vor Augen, man ihn auch
weniger in der Hand hat, daſs man deshalb, wenn man guten und
gleichmäſsigen Erfolg erstrebt, auch bei gleicher Konstruktion mög-
lichst die gleichen Erze und die gleiche Beschickung wählen muſs.
Die innere Gestalt des Ofens stellt zwei abgestumpfte Kegel dar,
die mit ihrer breiten Basis aufeinander gestellt sind. Doch war dies
nicht immer die Form, manche Öfen erweiterten sich von der Gicht
bis zum Boden gleichförmig. Die älteren Öfen sollen unter 10 Fuſs
hoch gewesen sein, während man später in Schmalkalden Öfen von
19 bis 24 Fuſs Höhe anwendete.


In Steiermark war die normale Höhe im vorigen Jahrhundert 10
bis 16 Fuſs. Die Zustellung im unteren Teile war meist rechtwinkelig,
selten rund, und beträchtlich weiter als bei den Floſsöfen, die später
dort in Anwendung kamen. Die Länge betrug 4 Fuſs. Die Breite von
der Formseite bis an die gegenüberliegende Wand 2½ Fuſs. Der
Ofen war aus einem graulichen Sandstein aufgeführt und hatte an der
Basis 4 bis 6 Ellen Seitenlänge. Der Herdstein hatte 2 bis 3 Zoll
Abfall nach dem Abstich. Der Herd wurde aus Gestübbe gestampft.


Charakteristisch war es für die alten steirischen Öfen, daſs an dem
unteren Teile des Ofens nur eine Öffnung war, indem man durch das-
ſelbe Loch, durch das man die fertige Luppe auszog, auch blies, erst
später stellte man zuweilen mit zwei getrennten Öffnungen zu. Dieses
eine Loch nahm die ganze Ofenbreite ein. Es war 4 Fuſs breit,
2½ Fuſs hoch und meist mit einem eisernen Rahmen umkleidet.
Durch dasſelbe gelangte man auch in das Innere des Ofens, um den
[821]Die Stucköfen.
Herd zu schlagen. Man setzte die Öffnung mit feuerfesten Thon-
steinen zu. Etwa 1 Fuſs über dem Boden brachte man die Form an,
die einfach aus einem Thonziegel bestand, in den ein Loch gebohrt war.


Zur Vorbereitung wurden die Erze in Steiermark „reifen“ lassen,
d. h. man setzt den Spateisenstein einer langsamen Oxydation durch
die Atmosphärilien aus, wodurch namentlich auch die Schwefel-
verbindungen, die stets dem Spat eingemengt sind, entfernt und un-
schädlich gemacht wurden, indem ihre löslichen oxydischen Verbin-
dungen vom Regen aufgelöst und fortgeführt werden. Dasſelbe Ver-
fahren wendete man auch in anderen Gegenden an, wo Spateisenstein
verhüttet wurde, und es ist nur deshalb auſser Gebrauch gekommen,
weil die Erze heutzutage ein viel gröſseres Kapital repräsentieren,
dessen Zinsverlust bei dem jahrelangen Ablagern zu bedeutend sein
würde.


Die reifen Erze wurden geröstet und zwar in alten Zeiten mit
Holz in groſsen Haufen, die man „Gramatteln“ nannte. Man breitete
eine Lage von Holz und Kohlen aus, darüber eine Lage Erz, dann
wieder Brennmaterial und schichtete so drei Erzlagen übereinander.
Dann wurde der Haufen rings herum mit Steinen zugesetzt und be-
deckt und die Masse in Brand gesetzt. Die Röstung dauerte drei
Wochen.


Ist der Stuckofen für den Betrieb vorbereitet, so wird er mit
Kohlen gefüllt, Feuer durch die Form eingetragen, die Bälge auf-
gehängt und langsam angeblasen. Hat das Feuer etwas um sich ge-
griffen, so wird das Blasen wieder unterbrochen, bis die Glut allein
durch den natürlichen Luftzug durch die Form die ganze Kohlenmasse
durchdrungen hat.


Das zerkleinerte, geröstete Erz wird nun lagenweise mit Kohlen
aufgegeben. Bei niedrigen Öfen mengte man es oft vorher gleich-
mäſsig mit Kohlen. Das Aufgeben des Erzes geschah dem Maſse nach.
Während die Kohlengicht konstant blieb, wechselte man mit der Gröſse
des Erzsatzes. Anfangs gab man nur wenig Erz und stieg damit nach
und nach. Gleichzeitig mit dem Aufgeben des Erzes wurde angeblasen.
Schon nach wenigen Minuten trat das Erz vor die Form und es wurde
nun zum erstenmal Schlacke abgestochen. Dies geschah auch auf der
Seite, wo die Bälge standen, circa 1½ Fuſs von der Formöffnung. An-
fangs suchte man die Schlacke am tiefsten Punkte abzuziehen, indem
man nach und nach, entsprechend der Ansammlung des Eisens im
Herde, mit dem Stichloch in die Höhe ging. Sobald die Schlacke auf-
hörte zu laufen, wurde der Stich immer wieder mit Lehm geschlossen.


[822]Eisenbereitung im Mittelalter.

Man fuhr fort Erz und Kohlen aufzugeben, bis im ganzen 13 Kübel
à 3½ Ztr. Erz aufgegeben waren. Wenigstens war dies in Eisenerz
das festgesetzte Quantum für eine Luppe. Der Erzsatz wurde hoch
geführt, damit ein Teil des Eisenoxyduls aus dem unvollständig redu-
zierten Erz sich verschlacke und entkohlend auf die Eisenmasse wirke.
Man untersuchte durch die Form, ob die genügende Masse Eisen im
Herd sich angesammelt hatte und lieſs hierauf niedergehen. Um nun
die Luppe ausbrechen zu können, muſsten zunächst die Bälge entfernt
werden; deshalb durften diese nicht zu groſs und schwer sein. Hierauf
setzte man unten an die dünne Brustwand eine eiserne Platte, die
fortwährend mit Wasser bespritzt wurde, um die Abkühlung zu be-
schleunigen, brach dann die Thonsteine über der Formhöhe aus und
zog die noch nicht verbrannten Kohlen durch diese Öffnung hervor,
begoſs sie mit Wasser und benutzte sie wieder beim Rösten. Bei dem
weiteren Ausbrechen der Brustwand, die nur einen Ziegel stark war,
lief Schlacke und auſserdem stets auch eine Partie Roheisen mit ab,
welches man mit Wasser übergoſs. Diese Roheisenmenge betrug zu
der Zeit, da Jars Steiermark bereiste, 6 bis 7 Ztr. Man sah damals
bereits diese Roheisenbildung nicht ungern und verfrischte das Produkt.
Die Luppe selbst wurde nun ganz entblöſst, auſser in der Mitte, wo
man sie mit Kohlen bedeckt hielt, weil hier besonders die stahligen
Partieen sich befanden, deren Entkohlung man vermied. Hat man die
Luppe rund um von Schlacken und Kohlen freigelegt, so hebt man sie
mit starken Brechstangen in die Höhe, um eine groſse Zange mit Sperr-
ringen darunter zu bringen, an deren Stiel eine Kette befestigt ist, die
um einen am anderen Ende der Hütte stehenden Pfosten herumgeht
und direkt an der Radwelle angebracht ist, so daſs das Wasser das Aus-
ziehen der Luppe besorgt. In alten Zeiten machte man keine so
groſse Luppen. Auch im vorigen Jahrhundert wogen die Luppen an
anderen Plätzen als in Eisenerz meist nur 6 bis 7 Ztr. und zog man
solche mittels Haken und Zangen mit den Händen heraus, legte sie
direkt unter den Wasserhammer, um sie mit einem Setzeisen in so-
genannte Kotlizhe zu zerhauen.


In Eisenerz streute man auf die Luppe erst trockene, dann nasse
Stübbe, während man die Kohlen in der Mitte noch unberührt lieſs,
damit die Luppe heiſs blieb und sich leichter zerteilen lieſs. Erst
nachdem alles vorbereitet war, entfernte man sie und nun machten
sich zwei Arbeiter daran, mit Beilen die groſsen Luppen in zwei Hälften
zu teilen und bis zur Mitte einzuhauen, worauf man sie mit Keilen
auseinander trieb. Diese Arbeit war sehr beschwerlich und dauerte
[823]Die Stucköfen.
zwei Stunden. Die ganze Masse, die man in den Eisenerzer Stucköfen
erhielt, wog 14 Ztr., dazu kamen noch 6 bis 7 Ztr. Roheisen, so daſs
also circa 20 Ztr. Eisen, in allen drei Modifikationen, bei einer
Schmelzung erhalten wurden. Während zwei Arbeiter die Luppe zer-
hieben, besserten zwei andere den Ofen aus, indem sie erst Stübbe
aufwarfen, dann Wasser darauf gossen und den Herdboden ebneten
und glatt schlugen. Hierauf nahmen sie einen vorgeformten Thon-
ziegel von 10 Zoll Länge und 4 Zoll Dicke und bohrten in diesen mit
einem spitzen Eisen der Länge nach das Formloch, so daſs es vorn
1½ Zoll, hinten 3 Zoll im Durchmesser bekam. Da die anderen Ziegel
nur 8 Zoll stark waren, so ragte die Form 2 Zoll in den Herd hinein.
Anderer Formen bediente man sich bei den Stucköfen nicht.


Die ganze Zeit einer Schmelzung dauerte 18 Stunden, nämlich
15 Stunden zur Schmelzung und 3 Stunden zum Ausbrechen und
Teilen der Luppe und zur Vorbereitung des Ofens.


Die Arbeiter waren verpflichtet, jede Woche sieben Stücke zu
machen, was einer Produktion von circa 320 Ztr. Erz entsprach. Der
Aufwand an Kohlen war beträchtlicher als bei den Floſsöfen. Die
Schlacken enthielten circa 30 Proz. verschlacktes Eisen. Die Öfen
gingen gewöhnlich von Montag früh bis Samstag Abend.


Im Jahre 1745 betrug die Jahresproduktion in Vordernberg, Halb-
masseln und Roheisen zusammengenommen, 127,087 Ztr., davon waren
80,092 Ztr. Halbmasseln, die 1 Gulden 45 Kreuzer = 3 Mk. per Zentner
kosteten. Der Kohlenaufwand betrug 680700 Faſs Holzkohlen, also
pro Zentner 5,05 Faſs = 36½ Kubikfuſs. Dies ist nahezu so viel wie
man jetzt verbraucht, den Aufwand beim Schmelzen und Verfrischen
zusammengerechnet.


Von gröſstem Interesse ist die gleichzeitige Entstehung von ge-
schmolzenem Roheisen neben festem Stahl und Stabeisen bei diesem
Prozeſs. Seine Entstehung ist bedingt durch eine partielle höhere
Kohlung infolge der Höhe der Öfen, die eine längere Vorbereitung der
Erze bewirkt. Früher, als die Öfen noch niedriger waren, wird auch
der Ausfall an geschmolzenem Eisen geringer gewesen sein. Doch
wurde er nie ganz vermieden, namentlich ging immer Roheisen als
sogenanntes Wascheisen in die Schlacke, welches durch Pochen und
Verwaschen wieder gewonnen wurde.


Das Roheisen nannte man mit einem alten Namen „Graglach“.
Es ist dies eine deutsche Bezeichnung, die so viel bedeutet als „Dünn-
lech“, „Dünnstein“. Die alten Eisenschmelzer sahen das flüssige
Roheisen gerade so an, wie die Kupferschmelzer den Dünnlech, der
[824]Eisenbereitung im Mittelalter.
bei dem Schwarzkupferschmelzen fällt, nämlich als ein durch Schwefel
verunreinigtes Eisen, mit dem sie wahrscheinlich ursprünglich nichts
anderes zu thun wuſsten, als es wieder mit dem Erz oben aufzugeben.
Aber schon sehr früh setzte man das Wascheisen und den Graglach
mit den zerhauenen Luppenstücken in den Löschherd mit ein, in denen
die Masseln ausgeheizt und der Kernstahl gereinigt wurde. Wie also
in den Stucköfen die Hochöfen schon vorbereitet waren,
so führte das Einsetzen des Graglach in den Löschherd
zu dem Frischprozeſs
.


Ehe wir zu der Behandlung der Luppen in den Löschfeuern, wie
sie in Steiermark üblich war, übergehen, wollen wir zuvor noch die
Stuckofenwirtschaft in anderen Ländern betrachten.


Die Stucköfen haben besonders da Eingang gefunden, wo man
reiche Erze, namentlich gute Spateisensteine zu verschmelzen hatte.
Es wurde bereits erwähnt, daſs schon in alter Zeit die Spate des
Stahlberges bei Schmalkalden in dieser Weise zu gute gemacht wur-
den. Noch in diesem Jahrhundert waren dort drei Stucköfen im
Betriebe, zwei von 12 Fuſs und einer von 16 Fuſs Höhe. Die Öfen
von 12 Fuſs Höhe waren 2½ Fuſs am Boden weit; sie waren demnach
enger zugestellt als die Eisenerzer. Der Kohlensack, der 6 Fuſs über
dem Boden lag, war 3 Fuſs weit, die Gicht 1 Fuſs 8 Zoll.


Der Ofen von 16 Fuſs Höhe war 4 Fuſs 2 Zoll weit im Kohlensack.
Die Form war von Kupfer; sie lag horizontal, 14 Zoll über dem Boden
und ragte 3 Fuſs in den Ofen hinein. Die Düsen lagen 3 bis 4 Zoll
in der Form zurück; ihr vorderer Durchmesser betrug 1½ Zoll. Das
Rauchgemäuer war von Sandstein aufgeführt und von 6 Ankern ge-
halten. Die Öfen hatten auſserdem noch einen trichterförmigen Auf-
satz zum Aufgeben der Beschickung. Im Hennebergischen machte
man in denselben Öfen je nach Bedürfnis und Nachfrage abwechselnd
geschmolzenes Roheisen oder Stuckeisen. Man legte im ersteren Falle
die Form nur so weit zurück, daſs sie gar nicht mehr in den Ofen hin-
einragte. So unmittelbar ging der Stuckofenbetrieb in den Hochofen-
betrieb über!


Man verschmolz in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts
beim Stuckofenbetriebe zu Schmalkalden nicht das rohe Erz, sondern
hauptsächlich Frischschlacken, zu denen man noch Schmiede- und
Hammerschlacken zusetzte. Höchstens ein Viertel der Beschickung
bestand aus Roteisenstein.


Die ersten Gichten waren etwa doppelt so schwer als bei dem
dortigen Hochofen- (Blauofen-) betrieb, wodurch man unvollständigere
[825]Die Stucköfen.
Reduktion und Kohlung erreichte. Nach diesen ersten Sätzen
wechselte man regelmäſsig mit leichten und schweren Erzgichten. Der
Herd war zuvor sorgfältig gereinigt worden. Die Schlacken lieſs man
ununterbrochen laufen, so daſs sie nicht über dem Eisen standen.
Auch an der Form muſste man fortwährend arbeiten; sie nasste sehr
stark und blieb während der ganzen Operation schmierig und dunkel.
Die aufgegebenen Schlacken wurden nur sehr teilweise reduziert
Folgende Analysen Karstens erläutern den Vorgang. Es enthält:


Es ergiebt sich daraus, daſs das Subsilikat kaum mehr als zu
einem Singulosilikat reduziert worden ist.


Eine Schmelzung dauerte 5 bis 6 Stunden. Die Luppe wog 6 bis
7 Zentner; gewöhnlich wurden 16 bis 20 Gichten auf eine Luppe ge-
setzt. Die Luppe wurde mit Zangen und Haken herausgerissen und
unter einem schweren Wasserhammer zu einem 3 bis 4 Zoll dicken
Kuchen ausgebreitet, der mit einem Setzeisen in zwei Masseln zer-
hauen wurde.


In Ungarn und Siebenbürgen sind noch gegenwärtig Stuck-
öfen im Betrieb. Die Öfen dort (zu Maraninyhö?) sind etwas abweichend
konstruiert und erinnern mehr an die früher schon geschilderten
Stucköfen der Turkomanen. Ihr Querschnitt ist kreisrund; das Innere
verjüngt sich vom Boden an gleichmäſsig bis zur Gicht; Formöffnung
und Ziehöffnung sind getrennt. Die Form liegt an der Hinterwand,
die Ziehöffnung befindet sich gegenüber. Endlich steht der Schacht
nicht senkrecht, sondern er liegt nach der Hinterwand geneigt. Am
Boden ist der Herd 2 Fuſs weit, an der Gicht 1 Fuſs. Der untere Teil
vom Boden ist 20 Zoll hoch cylindrisch aufgeführt, dann läuft er bis zur
Gicht gleichmäſsig zu. Die Formen sind von Thon, sogenannte „Feren“,
ähnlich, wie sie früher in Eisenerz gebräuchlich waren; ihre vordere
Weite beträgt 1½ Zoll. Sie ragt 12 Zoll in den Ofen hinein, ist
[826]Eisenbereitung im Mittelalter.
6 Zoll eingemauert und mit 15° geneigt. Bei jeder Charge wird sie
erneuert.


Die Brust des Ofens wird mit Schlacken, Ziegelbrocken und mit
Lösche verlegt; auch der Boden wird aus Lösche hergestellt. Zum
Schmelzen wendet man Eichenkohlen und einen sehr reichen Braun-
eisenstein, der zuvor geröstet und zerklopft wird, an. Die Pressung
während dem Blasen beträgt 15 bis 20 Zoll Wassersäule. Die ganze
Schmelzung dauert 7 bis 8 Stunden. Ehe der Wolf, der etwas über
4 Zentner wiegt, gezogen wird, hat man einige leere Gichten gesetzt,
die gerade vor die Form treten, wenn die Schmelzung beendet ist. Die
Brust wird weggeräumt, der Wolf aufgebrochen und eine neue „Fere“
eingesetzt. Die Schlacken, die während der Schmelzung ablaufen,
sind reine Eisenoxydulschlacken, die nie weniger Eisen enthalten, als
einem einfachen Silikat entspricht. Ist dies nicht der Fall, so ist auch das
Eisen roh und nicht hämmerbar. Darum ist dieser Prozeſs nur für
sehr reine, reiche Erze anwendbar. In diesen Schlacken ist auch
immer viel Wascheisen enthalten.


Die Luppen werden in vier Stücke zerhauen, die in ähnlicher
Weise, wie früher in Steiermark, in einem Ausheizfeuer weiter behan-
delt werden.


Die Luppen der Stucköfen sind zwar schmiedbares Eisen, aber
sehr ungleich gemengtes. Deshalb ist eine weitere Behandlung in
einem Herdfeuer notwendig. Es war dies kein eigentlicher Frisch-
prozeſs, aber doch mehr als ein bloſses Ausheizen und geschah in den
sogenannten Löschherden, die als die Vorläufer der Frischherde anzu-
sehen sind. Der Löschherd hatte nicht, wie der spätere Frischherd,
in dem Roheisen eingeschmolzen wurde, eine feste Sohlplatte, noch
hatte er eiserne Zacken, sondern er war eine einfache, gemauerte
Schmiedeesse, deren Herd aus Lösche gestampft war. Es genügte dies,
da das wenige Eisen, welches überhaupt beim Ausschweiſsen der Stuck-
ofenluppen im Löschherd niederschmolz, bereits so entkohlt war, daſs
es nicht den Boden zerstörte, sondern vielmehr sich als schützende
Decke darauf festlegte.


Die Behandlung der Eisenerzer Stuckofenluppen geschah in
älterer Zeit nicht am Platze selbst, sondern in St. Gallen, welches etwa
acht Meilen davon entfernt liegt. Das Feuer glich einer einfachen
Schmiedeesse; es hatte eine Unterlage von gepochter Schlacke, auf der
nur der eigentliche Herd selbst mit feuchter Lösche aufgetragen war.
Nachdem man einige glühende Kohlen auf den Herd gelegt, wurden
die Luppen oder Halbmasseln, die 7 bis 8 Zentner wogen, darauf ge-
[827]Die Stucköfen.
bracht und mit Kohlen vollständig bedeckt. Mit zwei Bälgen, die in
eine Form bliesen, wurde der Wind eingeführt. Da die Luppen noch
ziemlich unrein waren, so schmolz viel Schlacke ab, die man von Zeit
zu Zeit abstach. Während bei der rohen Luppe das stahlartige Eisen
sich hauptsächlich an der Oberfläche befand, nämlich da, wo das Eisen
in Berührung mit Graglach war, so wurden jetzt durch den Wind und
die gare Schlacke zuerst die äuſseren Partieen entkohlt, so daſs sich
nach dem Herausheben des Eisens, was mittels eines Krahnes geschah,
das weiche Eisen sich besonders am Rande zeigte. Dieses Randeisen
lieſs sich leicht loshauen. Die ganze Luppe wurde erst in zwei Hälften
geteilt, die dann unter wiederholtem Erhitzen in eine Anzahl kleiner
Schirbeln von je 25 bis 40 Pfund Gewicht zersetzt wurden. Bei jeder
neuen Hitze tropfte etwas Eisen ab, das man sammelte und frischte.
Das zurückbleibende Eisen — der nucleus ferri des Plinius — ist fast
durchaus Stahl, den man in Stäbe von 2 Zoll Breite und 2 bis 3 Zoll
Länge ausreckte, die man darauf in Fluſswasser tauchte und dann auf
einen Amboſs aufwarf. Den zerbrochenen Stahl sortierte man nach
dem Bruchansehen. Der beste zeigte feines Korn ohne Flecken und
Risse und kam als Rohstahl (Rauchstahl) in den Handel. Wenn man
ihn mehrmals überschmiedete, so lieſs er sich direkt zu Sensen, groben
Klingen und Werkzeugen verschmieden.


Der Schmiedhammer, den man bei den Löschherden anwendete,
wog circa 9 Zentner; sein Kopf war 2 Fuſs 10½ Zoll hoch, die Bahn
2 Fuſs 2 Zoll breit. Er wurde durch ein Wasserrad von 8 Fuſs, mit
einer Welle von 2½ Fuſs Durchmesser, bewegt.


Das Abfalleisen wurde wie Roheisen verfrischt und gab ein weiches
Produkt, das zu Flintenläufen und Blech verwendet wurde.


Der Rohstahl wurde in besonderen Streckhämmern weiter ver-
arbeitet und sortiert, indem er gegärbt, d. h. in kurzen Platinen zu-
sammengeschweiſst und von neuem ausgeschmiedet wurde.


Bei diesem Gärben packte man die harten Stahlstäbe zwischen
zwei weiche Platten, gab ihnen in einem Herdfeuer Schweiſshitze und
schmiedete sie mit einem 4-Zentner-Hammer aus. Man muſste sie
dabei, um sie gehörig ganz zu machen, 5 bis 6 mal wieder in das Feuer
bringen. Dieser Stahl wurde meist ungehärtet als „Scharrenstahl“
verkauft. Wollte man eine bessere Qualität erzielen, so zerhieb man
die Stäbe nochmals, packetierte und gärbte sie von neuem, was man
je nach der erstrebten Feine noch mehrmals wiederholte; so erhielt
man den „Münzstahl“.


[828]Eisenbereitung im Mittelalter.

Eine schlechtere Sorte als Scharrenstahl war der „Kernstahl“,
den man dadurch erzielte, daſs man mehr von dem weichen Stahl
mit packetierte, während endlich „Pfriemenstahl“ die allergeringste
Sorte war.


Gesetzlich war es vorgeschrieben in früherer Zeit, daſs jeder
Hammermeister sein Zeichen auf den Stahl schlagen muſste.


Das Verfahren, welches in Schmalkalden beim Ausheizen der
Luppen gebräuchlich war, ähnelt dem steirischen so sehr, daſs es ge-
wiſs mit den Stucköfen zugleich von dort eingeführt worden ist. Von
den schlechteren Stahlsorten konnte man 50 Ztr. in einer Woche dar-
stellen. Guten Stahl muſste man noch öfter ausschmieden, umschlagen
und packetieren als steirischen. Der Herd war ebenfalls aus Stübbe
gestampft und die Seitenmauern aus Sandstein aufgeführt. Die
kupferne Form ragte 6 bis 7 Zoll in den Herd hinein. Sie war 1½ Zoll
breit und ¾ Zoll hoch an der Mündung und hatte 4 bis 5° Neigung.
Hier wurden die „Guſsstücke“, d. h. die abgehauenen Teile des Wolfs
zugleich mit dem Scheibeneisen wie grelles Roheisen behandelt. Zuerst
wurde das „Guſsstück“ in einer Zange ausgeheizt. Durch das Ab-
schweiſsen des halbgaren Eisens bildete sich ein Boden, der notwendig
war, um hernach das Scheibeneisen auffrischen zu können. Während
dem Einschmelzen des Gusses vor der Form legte der Arbeiter ein
Stück Scheibeneisen in der Zange der Form gegenüber ein, die er
nach und nach vorschob, bis sie ganz eingeschmolzen war. Das Garen
des Scheibeneisens wurde unterstützt durch Zusatz von Stocklech und
Hammerschlag. Bis das Guſsstück zerteilt und geschmiedet war, hatte
auch das Scheibeneisen gegart. Der schmalkaldische Stahl war auch
in seiner Qualität dem steirischen ähnlich und zeichnete sich wie dieser
dadurch aus, daſs er oft wiederholtes Ausheizen vertragen konnte. Man
durfte ihm 10 bis 13 Hitzen geben, ehe er „seine Natur verlor“.


Wenn auch die Stuckofenwirtschaft, wie sie hier beschrieben
wurde, nicht ganz so war, wie sie wohl in ältester Zeit ausgeführt
worden ist, so steht doch fest, daſs sie schon im Mittelalter im wesent-
lichen in gleicher Weise betrieben wurde und daſs die Behandlung der
Stuckofenluppen in Löschfeuern älter ist, als der eigentliche Frisch-
prozeſs. Ebenso ist aber auch kaum daran zu zweifeln, daſs man schon
in alter Zeit, wie später von dem Graglach und dem Wascheisen (ähn-
lich wie in Schmalkalden von dem Scheibeneisen) kleine Partieen im
Löschfeuer mit aufgab, die einschmolzen und nach und nach am
Boden eine gefrischte Luppe bildeten.


Ein anderer Prozeſs, der sich hier eng anschlieſst, und der gleich-
[829]Die Stucköfen.
falls älter ist, als der eigentliche Frischprozeſs, zu dem er unmittelbar
hinführen muſste, war die Behandlung der rohen, schwedischen Os-
mundluppen in den sogenannten Osmundschmieden in der Mark.
Man bezog hier den rohen, schwedischen Osmund schon in sehr früher
Zeit. In schwedischen Nachrichten wird der Ausfuhr des rohen Os-
munds bereits zu Anfang des 13. Jahrhunderts gedacht. Dieser rohe
Osmund wurde in kleinen Schmiedefeuern, ähnlich wie es auch in
Schweden selbst geschah, stark ausgeheizt, so daſs die roheren Partieen
ausschmolzen und die übrige Masse eine teilweise Entkohlung erfuhr.
Man behandelte nur kleine Stücke von 20 bis 30 Pfund Gewicht in
dieser Weise und erhielt, wenn auch mit groſsem Kalo, zuletzt ein
gutes, zähes Eisen, welches zu Werkzeugen, namentlich aber zu Draht
verarbeitet wurde. Unter den aus diesem Eisen angefertigten Geräten
werden die westfälischen Sensen bereits 1252 angeführt.


Von hohem Alter ist die Drahtfabrikation Westfalens aus Osmund-
eisen, die sich besonders in den Städten Iserlohn, Altena und Lüden-
scheid ansiedelte. In einer Urkunde von 1443 wird bereits der ur-
alten, ehrwürdigen Panzergilde gedacht, die namentlich Ringelpanzer
und Panzerhemde aus Draht verfertigte. Auch Stahl wurde in der
Mark dargestellt, ob aus Osmund oder vielleicht aus dem Eisen, welches
im saynischen und siegenschen Lande in den Iserschmitten aus dem
„Stahlerz“, dem Eisenspat, gewonnen wurde, bleibt ungewiſs. Der
märkische Stahl bildete schon in früher Zeit einen Ausfuhrartikel.
Im Jahre 1320 beschwerte sich der Magistrat von Soest bei dem Stadt-
rat von Southampton, daſs englische Schiffe ein kleines Fahrzeug „mit
34 Gefäſsen Stahl und Eisen“ weggenommen hatten. Der märkische
Stahl bildete einen wichtigen Ausfuhrartikel der Hansa bei ihrem
englischen Handel.


1326 wird des Osmund unter den Waren gedacht, welche die
Hansa in Brügge feil hielt. Es war dies schwerlich roher Osmund,
sondern wahrscheinlich war schon damals der schwedische Name auch
auf das verarbeitete Material übertragen worden und hatte Osmund
damals etwa denselben Klang wie heute „schwedisches Eisen“, während
die ursprüngliche Bedeutung des Wortes in Schweden eine ganz andere
war und später durchaus nicht das bessere Eisen dort mit diesem
Namen belegt wurde. Nachmals bekam der Name Osmund in Deutsch-
land noch eine abweichendere Bedeutung, denn als Gustav Wasa in
Schweden die Ausfuhr des rohen Osmund verbot, sahen sich die seit-
herigen Osmundschmiede in Westfalen gezwungen, ein anderes Rohmate-
rial zu verarbeiten, und zwar verwendeten sie von da ab das aus Spat-
[830]Stahlfabrikation im Mittelalter.
eisenstein in Hochöfen erblasene Roheisen aus dem Sayn-Alten-
kirchenschen Amte Freudenberg. Da aber der Name Osmund im
Handel einen sehr guten Klang hatte, so behielten sie diesen Namen
für ihr Eisen bei und so kam es, daſs man von der Mitte des 15. Jahr-
hunderts an unter Osmundeisen etwas ganz anderes verstand, als ur-
sprünglich das Wort bedeutet hatte. Osmundschmieden waren von da
ab die Frischherde, in denen das gute westfälische Draht- und
Blecheisen gefrischt wurde.


Von dem älteren Verfahren und den alten Herden wissen wir
nichts weiter, als daſs es kleine Handfeuer waren. Es ist zwar wahr-
scheinlich, daſs bei der eigentümlichen Entwickelung der Osmund-
frischerei die späteren kleinen Herde und deren Betrieb groſse Ähn-
lichkeit mit denen der alten Zeit hatten, insofern könnte dieser spätere
Prozeſs einiges Licht auf den früheren Vorgang werfen; da dies aber
nur Vermutung ist und da der spätere Prozeſs nichts anderes als eine
Roheisenfrischerei war, so scheint es doch passender, erst an späterer
Stelle dieser Osmundschmieden ausführlicher zu gedenken.


Die Stahlfabrikation im Mittelalter.


Daſs die Germanen schon in frühester Zeit den Stahl kannten und
ihn bestimmt von dem Eisen unterschieden, ist bereits früher erwähnt
worden. Durch den deutschen Stahlhandel hat sich der deutsche
Name für Stahl sogar in den slavischen Sprachen eingebürgert. Des
deutschen Stahls gedenkt rühmend Avicenna. Jener arabische Ge-
lehrte teilt eine eigentümliche Einteilung der Eisen- und Stahlsorten
mit, die von späteren Alchymisten, wie alles was von Avicenna herrührt,
häufig wiederholt worden sind, obgleich ihnen die Namen selbst ebenso
unverständlich gewesen zu sein scheinen, wie uns heutzutage, was dar-
aus hervorgeht, daſs sie dieselben meistens unrichtig abgeschrieben
haben. Avicenna unterschied:


1. Ferrum deandelum (was Vicentius „delandelum“ schreibt), ein
festes aber zugleich weiches Eisen (ferrum forte sed molle).


2. Ferrum aldenum (bei Anderen aldeunum, bei Vicentius alide-
num), rauh und zur Verarbeitung zu Werkzeugen nicht geschickt,
sondern nur zu Rostbalken und Roststäben zu gebrauchen.


3. Andena (auch andela, arderia), brauchbares Eisen oder Stahl.
Hierfür setzten Spätere ferrum acerium (aciare oder aciarium), mit
[831]Stahlfabrikation im Mittelalter.
dem das vorhergehende gehärtet (verstählt) und zerschnitten wer-
den kann.


4. Ferrum Indium (bei Anderen indianicum, endanicum, entanicum
und andanicum), worunter ursprünglich indischer Stahl verstanden
war, der beste Stahl.


Der steirische, kärntnische und krainer Stahl wurde meist als Roh-
stahl in Kisten verpackt ausgeführt und an den Fabrikplätzen, nament-
lich in den norditalienischen Städten, weiter raffiniert und verarbeitet.
Schon als die Römer das cisalpinische Gallien eroberten, existierte
diese Stahlindustrie in Comum und Mediolanum. Dasſelbe Mailand
war es, das im Mittelalter hauptsächlich diese Eisen- und Stahlwaren
vertrieb, weshalb im südlichen Europa dieser Stahl auch vielfach als
Mailänderstahl in den Handel kam. Durch den Handel der nord-
italienischen Seestädte gelangte er früh nach dem Orient. Matthesius
erwähnt, die Türken machten aus steirischem Stahl die Schneiden ihrer
Klingen, indem sie ihn an ein anderes, weicheres Metall anschweiſsten.
Unter diesem weichen Metalle scheint Matthesius hier nicht weiches
Eisen zu verstehen, denn an einem anderen Orte sagt er: „Darum
schweiſst man vorn an die Schneiden oder Spitzen einen guten Kern-
stahel und dahinter ein zähes Eisen, oder wie die türkischen Säbel
ein eigen geschmeidig Metall haben, daſs die Örter und Klingen
nicht so leicht abspringen.“


Ebenso ging der deutsche Stahl auch nach dem Westen, nach
Frankreich und England. Zum Teil war dies steirischer Stahl, zum
Teil westfälischer. Wie oben erwähnt, hatte sich in Westfalen eine
eigenartige Stahlindustrie entwickelt, die besonders für den nordischen
Handel der Hansa von Wichtigkeit war. Es waren namentlich die
Städte Köln, Soest, Attendorn, Minden und Münster, die mit England,
den Niederlanden, Skandinavien, Polen und Ruſsland in frühem Ver-
kehre standen und mit Stahl handelten.


Zu den ältesten Zunftverbänden gehörte die schon erwähnte
Panzergilde in Iserlohn, sowie die Schwertfegergilde in Köln. Kölner
Schwerter werden in einem alten Troubadourliede gefeiert. In Aachen
waren viele Feinschmiede ansässig und angeblich soll erst der Stadt-
brand von Aachen die Büchsenmacher von hier nach Lüttich ver-
trieben haben.


Noch höher waren die kunstvollen Stahlarbeiten der flandrischen
Städte geschätzt.


Englands eigene Eisenindustrie war im ganzen Mittelalter nicht
bedeutend, so daſs sie nicht einmal für den eigenen Bedarf genügte;
[832]Stahlfabrikation im Mittelalter.
deshalb war der Eisen- und Stahlhandel der Hansa von der gröſsten
Wichtigkeit. Das Warenlager der Hansa in London, die Guildhalla
Teutonicorum, nannten die Engländer den „Stahlhof“ (steel-yard),
jedenfalls weil der Stahl der Haupthandelsartikel der Deutschen war,
wenn auch Lambecius vermutet, daſs die Bezeichnung Stahlhof eigent-
lich eine Korruption von Stapelhof sei. „In der That“, sagt Anderson
in seiner History of commerce, „scheint auch die Ableitung des Lambe-
cius wahrscheinlicher als jede andere zu sein, da der Stahl, dazu
auch das Eisen gehört, nur eine von den vielen Waren war, die hierher
geführt wurden, obgleich sie gewiſs die Vornehmste war 1).“


Dieser Stahlhof war bereits 1266 unter Eduard II. erbaut worden.


Daſs die Engländer eher Mangel als Überfluſs an Eisen litten,
geht aus einer Verordnung vom Jahre 1354 hervor, darin verboten
wird, „daſs kein Eisen, so in England verarbeitet oder eingeführt worden,
aus dem Reiche ausgeführt werden solle bei Strafe des Verlustes des
doppelten Wertes der Ausfuhr“.


Dies ist die älteste englische Gesetzesbestimmung, die des Eisen-
handels gedenkt.


Erst im 15. Jahrhundert hob sich zum Teil durch die Fürsorge
der Fürsten, welche die Einfuhr fremder Arbeiter begünstigte, die
Eisenindustrie Englands. So erlieſs z. B. Heinrich VI. einen Freibrief
zur Einführung von Bergleuten aus Böhmen, Ungarn, Österreich und
Meiſsen. Es waren deutsche Arbeiter, welche die englische Industrie
in Aufschwung brachten. Dafür erlieſs bereits König Richard III. im
Jahre 1483 auf eine Petition der inländischen Gewerbtreibenden hin ein
Verbot, welches die Einfuhr vieler fertigen Waren, darunter auch
vieler Eisenwaren untersagte. Unter den betreffenden Petenten werden
Nadler und Drahtzieher aufgeführt; unter den Waren: Nadeln, Messer,
Hirschfänger, Scheren, Feuerböcke, Ofengabeln, Nägel, Schlösser,
Thürangeln, Sporen, Harnische, Steigbügel, verzinnte Nägel, Blech,
Eisendraht, eiserne Leuchter und Roste.


Im Jahre 1597 wurde die Hansa, die so viel zur Gründung des
englischen Handels und der englischen Industrie beigetragen hatte, aus
dem Lande vertrieben und der Stahlhof zerstört.


Deutschland mit Flandern und der Lombardei hat während des
ganzen Mittelalters den Stahlhandel beherrscht.


Der meiste Stahl wurde im Mittelalter direkt aus Erzen, die
dazu besonders geeignet waren, dargestellt, wie dies sowohl bei dem
[833]Stahlfabrikation im Mittelalter.
steirischen, wie bei dem Siegerländer Stahl der Fall war; während
bei dem schwedischen Osmundstahl schon ein modifiziertes Verfahren
in Anwendung kam 1). Doch scheint es, als ob man auch schon vor
Beginn des 16. Jahrhunderts es verstanden hätte, aus dem Roheisen,
welches als Nebenprodukt bei dem Stuckofenbetriebe fiel, dem Grag-
lach, durch Zusammenschmelzen mit weichem Eisen einen Stahl zu
bereiten. Die alte Brescianschmiederei, die gewiſs schon im Mittel-
alter betrieben wurde, beruht hierauf. Monardus erwähnt ein
solches Verfahren, welches sehr alt zu sein scheint. Er sagt: „Bei dem
italienischen Stahl (der meist aus Kärnten kam) unterscheidet
man verschiedene Sorten, weichen und harten. Sie machen Stahl auf
folgende Weise. Von dem weichen Eisen nehmen sie eine geeignete
Menge und schmieden sie zu dünnen Platten aus. Darauf zerreiben
sie Marmor und Eisenschlacken zu dem zartesten Pulver. Dieses
mischen sie sodann mit Holzkohlen, die eigens zu diesem Zwecke in
einem Ofen hergestellt worden sind und zünden diese an (ista simul
commixta cum prunis ardentibus in fornacem ejus rei causam paratam
injiciunt). Oben auf legen sie das harte Eisen, welches sich nicht ver-
arbeiten läſst. Durch die Hitze schmilzt alles zusammen und es wird
eine Luppe erhalten, aus welcher sie jene dicke Stahlstangen machen,
welche bei uns in solcher Menge eingeführt werden.“


Eines andern sehr eigentümlichen Verfahrens bedienten sich die
Norweger, um das Schmiedeeisen, welches sie durch Reinigung
im Herd aus rohem Osmund erhalten hatten, in Stahl überzuführen.
Diese Arbeit geschah nach Ole Evenstad in denselben Herden, in
denen auch das Eisen gereinigt wurde. Nachdem diese schon den
ganzen Tag zu dieser Arbeit gedient haben, so daſs sie wohl durch-
gewärmt sind, reinigt und repariert man sie wie zuvor, nur daſs man
sie unter der Form 2 Zoll tiefer macht, so daſs der Wind den Stahl,
wenn er geschmolzen ist, nicht berührt. Darauf füllt man den Herd
bis hoch über den Rand mit Fichtenkohlen. Das Eisen, welches zu
einer viereckigen Stange ausgereckt ist, wird auf die brennenden Kohlen
gelegt und wenn diese an dem einen Ende gehörig heiſs geworden ist,
faſst man sie mit der Zange und hält sie dicht über den Wind vor die
Form, aber doch so hoch, daſs sie der Wind nicht unmittelbar trifft.
Es ist eine starke und anhaltende Hitze nötig, deshalb muſs das Ge-
bläse immer scharf gehen. Dadurch schmilzt das Eisen, tropft nach
Beck, Geschichte des Eisens. 53
[834]Stahlfabrikation im Mittelalter.
und nach auf den Boden der Esse und wird zu Stahl. Man wirft dabei
fortwährend Sand auf das Feuer, um die Schlacke zu vermehren und
sie saurer zu machen, bis sich der Stahl gesetzt hat, so daſs man ihn
mit einer Zange herausnehmen kann. Dieses muſs, wenn er nicht in
Stücke gehen soll, sehr vorsichtig geschehen. Sobald er aus dem Feuer
ist, muſs er wenig und langsam geschmiedet werden, bis er eine platte
Gestalt annimmt. Alsdann zerhaut man ihn mit dem Beil in kleine
Stücke und schmiedet diese, wo sie undicht sind, aus. Er ist nun zu
weiterer Verarbeitung fertig.


Man erhielt aus dem so eingeschmolzenen Schmiedeeisen etwa das
halbe Gewicht an Stahl. Bei dieser Arbeit bedienten sich die Bauern
oft der stärkeren Bälge der Blaseöfen, statt derjenigen der Schmiede-
feuer.


Dieser Prozeſs ist höchst originell und gewiſs auf rein empirischem
Wege gefunden worden. Es ist überraschend, daſs entkohltes Eisen,
über dem Fokus eines Essenfeuers eingeschmolzen, so viel höher kohlt,
daſs es Stahl giebt. Jedenfalls muſs dies in einem durchaus reduzieren-
den Feuer geschehen. Wie alt dieses Verfahren ist, bleibt ungewiſs.


Auch Agricola hat ein Verfahren der Stahlbereitung mitgeteilt,
von welchem sich nicht mit Sicherheit sagen läſst, ob es älter ist als die
Darstellung des Roheisens im Hochofen oder nicht. Da indes Agricola
in seiner Beschreibung nichts davon erwähnt, daſs das „harte Eisen“,
welches bei dem Prozeſs in Anwendung kam, aus dem Hochofen stamme,
was er wohl kaum unterlassen hätte, wenn es der Fall gewesen wäre,
so scheint dieses harte Eisen eher „Graglach“ von den Blauöfen oder
ein stahlartiges, hartes, rohes Eisen gewesen zu sein, wie es bei den
meisten alten direkten Methoden zugleich mit dem Schmiedeeisen er-
halten wurde. Ich nehme darum keinen Anstand, dieses Verfahren
der Stahldarstellung schon an dieser Stelle mitzuteilen.


Agricola berichtet: „Also macht die Kunst mit Hilfe von Feuer
und Zuschlägen das Eisen und aus diesem macht sie den Stahl, welchen
die Griechen στόμωμα nennen. Man wählt dazu solches Eisen, welches
leicht in Fluſs gerät, auſserdem hart ist, dabei aber sich leicht aus-
breiten läſst 1). Denn obgleich es aus den Erzen, was ihm mit anderen
Metallen gemeinschaftlich ist (— quae ipsi cum aliis metallis com-
munes sunt), dargestellt, so ist es doch entweder weich oder zerbrech-
lich (molle est aut fragile).


Ein solches Eisen aber soll zuerst glühend in kleine Stückchen
[835]Stahlfabrikation im Mittelalter.
zerhauen werden (suatur), hierauf mit gepochten, leichtschmelzbaren
Zuschlägen (lapidibus liquescentibus) vermischt werden. Danach mache
man in die Schmiedeesse einen Herd (Tiegel) aus demselben angefeuch-
teten Pulver, aus dem man die Tiegel macht, die vor den Schmelzöfen
sind, in denen Gold und Silbererze geschmolzen werden, und gebe ihm
einen Durchmesser von 1½ Fuſs und eine Tiefe von 1 Fuſs. Die
Bälge sollen so gestellt werden, daſs sie in die Mitte des Tiegels
blasen. Hierauf wird der ganze Tiegel mit den besten Kohlen gefüllt
und ringsum werden Stücke von Felssteinen gesetzt, welche die Eisen-
stückchen und die Kohlen zusammen halten.“ —


„Aber sobald nun alle Kohlen in Brand sind und der Tiegel glüht,
läſst man die Bälge an und nun giebt der Schmelzer so viel von dem
Gemenge von Eisen und Zuschlägen auf, als ihm geeignet erscheint. —
Ist dieses eingeschmolzen, so legt er vier Eisenmasseln (Luppen) von
je 30 Pfund Gewicht ein und frischt sie (coquat) bei starkem Feuer
5 bis 6 Stunden, indem er mit einem Stab das geflossene Eisen öfter
umrührt, damit die kleinen Poren der Masseln auch die zartesten Teile
dieses geschmolzenen Eisens in sich aufsaugen, welche Teilchen durch
ihre Kraft die groben Anteile (crassas particulas) der Masseln ver-
zehren und ausdehnen, so daſs sie weich und einem Sauerteig ähnlich
werden. Hierauf soll der Meister mit Beihilfe seines Vorläufers eine
von den Masseln mit der Zange herausnehmen und auf den Amboſs
bringen, um sie mit Hilfe eines Hammers, den ein Wasserrad aufhebt,
auszurecken. Dann müssen die Stäbe noch heiſs im Wasser abgelöscht
werden. Nach dem Ablöschen bringt er sie wieder unter den Hammer
und zerbricht sie. Er beschaut die Bruchstücke, um sie zu besehen,
ob noch einzelne Eisenteilchen bemerkbar sind oder ob das Ganze dicht
und in Stahl verwandelt worden ist.


So nimmt er eine Massel nach der anderen mit der Zange heraus
und haut sie in Stücke, während er „das Werk“ (d. h. die Mischung)
wieder heiſs macht und einen Teil neu hinzusetzt, zum Ersatz dessen,
was die Masseln aufgesaugt haben. Dadurch werden die Kräfte der
übriggebliebenen Teile wieder aufgefrischt und dadurch ist man im
stande, die Masseln, die von neuem in den Herd eingesetzt werden, zu
reinigen. Auch diese nimmt er, nachdem sie ausgeheizt (excalfacta)
sind, mit der Zange heraus und reckt sie unter dem Hammer zu Stäben
aus. Diese wirft er dann noch glühend in ganz kaltes, flieſsendes
Wasser, wodurch sie sogleich dicht werden.“


Dieser alte Umwandlungsprozeſs des Stabeisens in Stahl beruht
darauf, daſs Stabeisen in Berührung mit flüssigem Roheisen bei hoher
53*
[836]Stahlfabrikation im Mittelalter.
Temperatur eine Kohlenstoffaufnahme, eine Zementation erleidet, wo-
durch es in Stahl übergeführt werden kann. Auf diesem Verfahren
beruht die Brescianschmiederei, die paaler und die kärntner Roh-
stahlarbeit, welche sich bis heute in Italien, Kärnten und Steiermark
erhalten haben 1). Es ist dies die einfachste Art der Zementation, die
aber hauptsächlich den Nachteil hat, daſs dabei ein sehr bedeutender
Anteil des Schmiedeeisens abschmilzt.


Auch Biringuccio erwähnt bereits 1540 dieses Verfahren in seiner
Pyrotechnia und es war auch nach der Einführung des Hochofen-
prozesses und der Frischschmieden noch lange eine der wichtigsten
Stahldarstellungsmethoden.


Ob man im Mittelalter oder in noch früherer Zeit auch bereits
die Einsatzhärtung
oder Zementation, das eigentliche Ver-
stählen, durch Glühen fertig geschmiedeter Gegenstände aus weichem
Eisen in einem sogenannten Härtemittel, einem kohlenstoffgebenden
Pulver bei Luftabschluſs kannte, läſst sich mit Bestimmtheit nicht
nachweisen. Indessen läſst sich wohl annehmen, daſs Messerschmiede,
Waffenschmiede, Nadler u. s. w. diese Kunst bereits verstanden, aber
als ein Geheimnis verwahrten, wie ja gerade bezüglich dieser Einsatz-
härtung noch heutzutage viel Geheimniskrämerei getrieben wird und
die meist empirischen Härtepulver sich durch mündliche Überlieferung
vom Vater auf den Sohn oder von Meister auf Gesellen vererben. Im
allgemeinen sind es die Stickstoffkohlenstoffverbindungen, welche die
besten Härtepulver geben, insbesondere Cyanverbindungen, da diese
den Kohlenstoff am leichtesten an das Eisen übertragen, weshalb heut-
zutage das Blutlaugensalz der geeigneteste Zusatz zu dem Härtepulver
ist. Bei den alten, empirischen Härtepulvern sind es aus demselben
Grunde alle Arten von tierischen Abfällen, Hornfeilspäne, Tierklauen,
Leder, Exkremente, besonders von Vögeln u. s. w.


Die bereits oben angeführte merkwürdige Stelle aus dem Ame-
lungenlied, in der geschildert wird, wie Wieland das Schwert Mimung
schmiedet, scheint uns ein klarer Beweis zu sein, daſs zur Zeit des
Dichters und wohl noch früher, denn die sonderbare Stelle trägt den
Charakter altertümlicher Überlieferung an sich, die Zementation des
Stahles durch Einsatzhärtung mittels eines Härtepulvers schon bekannt
war. Das erste Schwert, welches Wieland geschmiedet hatte, genügte
trotz der wunderbaren Probe dem Meister nicht. Er zerfeilt es in
Stücke und zu eitel Staub, mischt das Eisen mit Mehl und Milch zu
[837]Schmiedekunst im Mittelalter.
einem Teig, füttert damit hungerige Mastvögel, diese verdauen die
schwere Speise und Wieland sammelt ihren Kot. Aus diesem schmelzt
er das reine Eisen aus, „von Schlacken lauter und klar“, aus dem er
dann das zweite und nachdem er dieselbe Prozedur noch einmal wieder-
holt hatte, das dritte, herrliche Schwert schuf.


Diese Stelle dürfte beweisen, daſs die Anwendung von Mehl und
Vogelkot als Mittel zur Stahlhärtung bereits im frühen Mittelalter be-
kannt und gebräuchlich war.


Die Schmiedekunst.


Die Schmiedekunst hat im Mittelalter eine solche Höhe der
Entwickelung erreicht, daſs sie in vielen Beziehungen noch heute als
mustergiltig, zum Teil als unerreicht dasteht. Wir erinnern nur an
die Kunst der Schwertschmiede und der Harnischmacher, aber auch
die Kunst der Schlosser und der Feinschmiede war eine solche, daſs
die Arbeiten jener Zeit heute wieder als Vorbilder zur Nachahmung
dienen und neuerdings vollständig in Mode gekommen sind.


Durch die Erfindung des Eisengusses und durch die Benutzung zahl-
reicher mechanischer Hilfsmittel, der Dampfhämmer, Bohrmaschinen,
Pressen u. s. w. war die Handschmiedekunst seit der Zeit des Mittel-
alters zurückgegangen. Die maschinellen Hilfsmittel beeinträchtigen
die Handfertigkeit. Violet le duc sagt sehr treffend: „En perfection-
nant les procédés mécaniques, l’homme néglige peu à peu cet outil
supérieur à tout autre qu’on appelle la main 1).“


Wir müssen an den mittelalterlichen Schmiedearbeiten nicht nur
die Schönheit der Form und der Ausführung bewundern, sondern auch
die Arbeit selbst, die ohne alle die mechanischen Hilfsmittel der Neu-
zeit nur mittels Hammer und Amboſs mit der Hand dargestellt
wurden.


Die Römer waren in der Schmiedekunst bereits auf eine achtungs-
werte Höhe gelangt. Wir kennen eiserne Agraffen, Gewandnadeln,
Nägel, Pferdegeschirre, ferner Waffen, Helme u. s. w., die von Ge-
schmack und Kunst zeugen. An dem oben erwähnten eisernen
Schmuckkästchen 2) konnten wir bereits die Geschicklichkeit im Zise-
[838]Schmiedekunst im Mittelalter.
lieren des Eisens bewundern. Doch wurde das Eisen bei den Römern
lange nicht in dem Maſsstabe im Kunstgewerbe verwendet, als dies im
deutschen Mittelalter der Fall war. Zur Zeit der Völkerwanderung
erhielt sich nur die Waffenschmiedekunst, die in dieser kriegerischen
Periode zu besonderer Bedeutung gelangte, auf der früheren Höhe.
Erst nachdem wieder einigermaſsen Ruhe und Ordnung in Europa
zurückgekehrt war, entwickelte sich die Kunstschmiederei und zwar
soweit sie mit der Baukunst zusammenhing, vornehmlich im Dienste
der Kirche. Die Klöster wurden Heimstätten der friedlichen Kunst-
schmiederei und Mönche waren es zum Teil, welche die kunstvollen

Figure 256. Fig. 256.


Figure 257. Fig. 257.


Gitter und Beschläge, die wir heute noch bewundern, für ihre Klöster
und Kirchen entwarfen.


Der Hammer war fast das einzige Werkzeug der alten Schmiede
im frühen Mittelalter. Die Feile, die in der späteren Zeit das wich-
tigste Handwerkszeug zur Formgebung der Metalle wurde, spielte nur
eine untergeordnete Rolle. Die Form wurde fast ausschlieſslich mit
dem Hammer gegeben. Mechanische Hilfsmittel gab es keine. Der
Drahtzug und der Wasserhammer waren noch nicht bekannt. Draht
und Blech muſsten daher mit der Hand geschmiedet werden. Im
Schmieden mit dem Hammer, wie in der Kunst des Schweiſsens leiste-
ten die Schmiede des Mittelalters Erstaunliches. Durch das wieder-
holte Durcharbeiten kleiner Eisenstücke mit dem Hammer bei ver-
hältnismäſsig geringen Hitzen wurde das Eisen weit zäher und weicher,
als unsere in groſsen Blöcken durch die Walzen gejagten Stäbe, weshalb
uns die Qualität des Schmiedeeisens jener Zeit häufig in Erstaunen
setzt. Dagegen waren freilich die damaligen Schmiede nicht im stande,
solche riesigen Schmiedestücke anzufertigen, wie dies heutzutage mit
[839]Schmiedekunst im Mittelalter.
Hilfe der Dampfhämmer mit Leichtigkeit geschieht. Schmiedestücke
von mehr als 200 kg Gewicht sind bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
groſse Seltenheiten.


Schon vor dem 11. Jahrhundert wurde das Eisen konstruktiv zur
Verstärkung der Holzverbindungen benutzt, wie dies aus dem Beowulf-
lied hervorgeht. Vom 11. Jahrhundert an können wir eine Entwickelung
eines Stils in der Schmiedekunst verfolgen. Vom 13. Jahrhundert an
spielte das Eisen schon eine wichtige Rolle in der Baukunst, selbst
bei den kühnen Steinbauten zur Verklammerung und Verankerung.
Die Entwickelung des Stils läſst sich am besten bei den Thor-
beschlägen, auf welche oft groſse Kunst verwendet wurde, beobachten.
Im 11. Jahrhundert herrschte die Form des lateinischen C vor (Fig. 256 1).

Figure 258. Fig. 258.


Bei diesem einfachen
Beschläg entwickelt
sich alles aus einem
Eisenstab. Mehr zur
Dekoration als zur
Verstärkung verband
man damit oft einen
zweiten Stab zu einem
„falschen Beschläg“
(fausse penture), wie
der Thorbeschlag der
Kathedrale von Puy
en Velay zu Ebreuil
(Allier), Fig. 257, zeigt.
Bei den ältesten und einfachsten Beschlägen ist es ein einziger Stab,
aus dem das ganze Band mit allen seinen Krümmungen, Verbreitungen
mittels des Hammers hergestellt wird. Alles ist einfach flach gehalten.
Durch Spalten des Stabes mittels des Setzeisens wird die Verzierung
durch spiralförmige Windungen bereichert (Fig. 258 Kirche von Blazin-
court, Gironde 12. Jahrhundert).


Eine gröſsere Mannigfaltigkeit der Zeichnung wird dadurch er-
reicht, daſs man das Beschläg aus zwei Stäben entwickelt, die man
durch Zusammenschweiſsen verbindet und wieder trennt, wobei noch
an der Verbindungsstelle Dekorationsglieder zum Abschluſs mit angefügt
werden können. Ein Beispiel hierfür giebt der Beschlag der Kirche zum
heiligen Grabe zu Neuvy aus dem 12. Jahrhundert (Fig. 259 a. f. S.).
[840]Schmiedekunst im Mittelalter.
Auch hier ist alles noch glatt geschmiedet, die Rippen des Blattwerkes
sind einzig durch vertiefte Striche angedeutet.


In demselben Jahrhundert erstrebte man indes schon eine reichere
Profilierung durch Aufschweiſsen von Verstärkungsrippen und Aufsetzen

Figure 259. Fig. 259.


verzierter Knöpfe statt
der alten, viereckigen
oder runden Nagel-
köpfe. Ein Beispiel
dieser Art aus dem
12. Jahrhundert zeigt
der Thürbeschlag der
alten Kirche zu
Schlettstadt im Elsaſs
(Fig. 260).


Die gröſste Mannigfaltigkeit der Zeichnung wurde aber im 13. Jahr-
hundert von den Schmieden dadurch erreicht, daſs man einen ganzen
Bündel Stäbe gewissermaſsen wie die Stiele einer Pflanze oder die Äste
eines Baumes verband, sich entwickeln lieſs, wieder verband und zwar
nicht durch Nieten und Stiften, sondern durch vollkommene Schweiſsung.


Figure 260. Fig. 260.

Das berühmteste
Beispiel dieser Art von
Thorbeschlägen zeigen
die beiden Seiten-
thüren der Westfas-
sade der Notre-Dame-
kirche in Paris aus dem
13. Jahrhundert. Über
diese merkwürdigen
Beschläge hat sich ein
vollständiger Sagen-
kreis gebildet. Die
Arbeit daran erschien
so auſserordentlich,
daſs schon in sehr
früher Zeit die Sage
ging, es sei ein Werk
des Teufels. Aber auch viele Kunstkritiker haben diese schönen
Beschläge vollständig falsch beurteilt, indem man sie im vorigen
und noch in diesem Jahrhundert für Kunstguſs erklären wollte. So
sehr war bereits die hohe Schmiedekunst des Mittelalters mit dem
[841]Schmiedekunst im Mittelalter.
einfachen Handhammer in Vergessenheit geraten. Allerdings waren
es nur Gelehrte und Kunstkritiker, die so falsch urteilen konnten,
praktische Leute, die mit dem Eisengewerbe vertraut waren, haben
sich nie getäuscht, unter diesen rechnen wir auch den sehr gelehrten
Herrn von Reaumur, der vor mehr als 150 Jahren bereits sich klar
und bestimmt über die Herstellung der merkwürdigen Beschläge aus-
gesprochen hat. In seiner Encyklopädie schreibt er: „Was man auch
immer sagen mag, der Körper dieser Beschläge und Verzierungen be-

Figure 261. Fig. 261.


steht aus Schmiede-
eisen und ist nicht
anders gemacht, als
wie man es auch heut-
zutage machen würde,
aus verschiedenen Stä-
ben, die manchmal mit
den Flächen, manch-
mal mit den Kanten
zusammengeschweiſst
sind: nicht einmal die
Form ist es, die sie
berühmt gemacht hat,
sondern der Platz, wo
sie sich befinden, der
sie jedem in die Augen
springen läſst.“ ..
„Wie dem aber auch
sei, die Anfertigung
hat jedenfalls viel Zeit
und Mühe gekostet.
Es ist schwer zu be-
greifen, wie man alle
die Stücke hat zusam-
menschweiſsen können. Jedenfalls geschah dies ehe man die Thüre
befestigt hatte. Doch konnte man sie auch nicht in einer gewöhnlichen
Schmiedewerkstätte fertig machen, sondern man hatte jedenfalls eine An-
zahl Feldschmieden an Ort und Stelle. Man gab sich Mühe überall die
Bänder, Schleifen, Blumen u. s. w. anzubringen, wo Schweiſsstellen waren.“


Die Hauptbänder sind 16 bis 18 cm breit und 2 cm dick. Sie
sind aus einzelnen Flachstäben zusammengeschweiſst, die hie und da
noch durch Bänder verstärkt werden, welche gänzlich die wichtigsten
[842]Schmiedekunst im Mittelalter.
Schweiſsnäte verdecken (Fig. 261 a.v.S.). Jedenfalls sind diese berühmten
Thürbeschläge Meisterwerke der Schmiedekunst, insbesondere der
Kunst zu schweiſsen. Die meisten Dekorationen sind flach gehalten
und die Flächen nur durch Linien und Löcher gegliedert. Einzelne
Dekorationen scheinen indes bereits im Gesenken geschmiedet zu sein.


Aus derselben Zeit stammen die berühmten Gitter der Abteien
von St. Denis, Braise (Braisne) und Westminster, die Thürbeschläge
der Kirche von Gens, Noyon und Rouen. Diese Arbeiten sind als die
höchsten Leistungen der Flachschmiederei zu betrachten, bei der sich
noch alles aus einem Stabe entwickelt, nichts aufgesetzt oder auf-
genietet wird, alles durch Treiben und Schweiſsen erreicht wird. In
diesem Sinne sind diese Arbeiten unerreichte Meisterwerke und können

Figure 262. Fig. 262.


Figure 263. Fig. 263.


wohl den weit reicher getriebenen und geschlagenen Arbeiten des 15.
und 16. Jahrhunderts zur Seite gesetzt werden.


Zu Ende des 13. Jahrhunderts machte sich eine neue Richtung
in der Kunstschmiederei geltend. Man fing an, die einzelnen Teile
nicht mehr durch Schweiſsung in der Hitze, sondern durch Nieten im
kalten Zustande zu verbinden. Ferner ging man dazu über, die deko-
rativen Stücke, statt sie aus dem Stabe mit der Hand zu treiben,
in Gesenken für sich herzustellen oder sie aus Blech auszuschneiden
und diese ebenfalls aufzunieten. Dadurch gewannen die Formen an
plastischer Schönheit und Mannigfaltigkeit. Die Solidität aber erlitt
Einbuſse. Das Gesenke und der Grabstichel wurden die unentbehr-
lichen Werkzeuge des Feinschmiedes, wie es heutzutage die Feile ist.
Die Treibkunst machte im 14. und 15. Jahrhundert groſse Fortschritte
durch die allgemeinere Verbreitung der Plattenharnische und damit
der Plattnerarbeit überhaupt. So fing man an, das Blattwerk der
[843]Schmiedekunst im Mittelalter.
Thorbeschläge, statt es zu schmieden, aus Blech auszuschneiden.
Fig. 262 zeigt die Art, wie solche Arbeit hergestellt wurde, an einem
Beschlage von der Abtei von Poissy aus dem 14. Jahrhundert. Fig. 263
zeigt ein hübsches Muster dieser Art an einem Hause von Gallardon
aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts. Diese Art der Kunstschmie-
derei, die Verwendung des genieteten Bleches, entwickelte sich ganz
besonders in Süddeutschland, in Augsburg, Nürnberg, München u. s. w.
Ebenso fingen im 15. Jahrhundert die Arbeiten mit Grabstichel und
Meiſsel an, die Arbeit mit dem Hammer zu verdrängen. Auch hier
geschah es wie stets. Mit der Verbesserung und Vervielfältigung der

Figure 264. Fig. 264.


Werkzeuge wurden zwar reichere Arbeiten ge-
liefert, doch die Handfertigkeit des Arbeiters
trat zurück. In wie hohem Ansehen die Schmiede-
kunst aber im Anfange des 17. Jahrhunderts
stand, geht aus einem französischen Werke über
die Schlosserei aus dem Jahre 1627 hervor.
(Jousse: De la fidelle ouverture de l’art du ser-
rurier par Mathurin Jousse 1627.) Auch verweisen
wir auf den oben angezogenen Aufsatz aus dem
Diktionnär von Violet le duc.


Eine hohe Entwickelung erreichte die eigent-
liche Kunstschlosserei. Es würde zu weit führen,
die Entwickelung der Schlösser im Mittelalter
im einzelnen zu verfolgen. Es genügt zu be-
merken, daſs das Mittelalter bereits eine solche
Mannigfaltigkeit von Schlössern, namentlich von
Kunst- und Geheimschlössern, hervorgebracht hat,
daſs es darin von unserer Zeit nicht übertroffen
wird. Dabei ist die Ausführung, die nicht mit
Maschinen, sondern auch nur mit der Hand
geschah, oft von überraschender Schönheit und
Sorgfalt. Eine prächtige Sammlung mittelalterlicher Schlösser befindet
sich im Nationalmuseum in München.


Ein anderer Gegenstand der Kunstschlosserei, der im Mittelalter
besonders gepflegt wurde, war die Herstellung kunstvoller Thürklopfer.
Dieselben waren teils geschmiedet, teils geschnitten und zeigen einen
überraschenden Reichtum an Formen.


Die Anwendung der eisernen Schraube zur Befestigung datiert
erst, soviel bis jetzt bekannt ist, aus dem 15. Jahrhundert.


In Eisenkurzwaren stand Süddeutschland, besonders Steiermark
[844]Schmiedekunst im Mittelalter.
und Westfalen, oben an. Diese Industrie blühte in Deutschland und
teilweise auch in Frankreich bereits im 14. Jahrhundert, während sie
sich in Italien erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelte.


In den süddeutschen Städten entfaltete sich seit dem 14. Jahr-
hundert die höchste Blüte der Kunstschlosserei in jeder Richtung. Die-
selbe vervollkommnete sich immer wunderbarer bis in das 16. Jahr-
hundert. Es giebt für diese Zeit und für diese Kunstrichtung wohl
kaum ein herrlicheres Denkmal als das Grabmal des Kaisers Maximilian
in Insbruck. Bei diesem ist alte und neue Kunst in ihrer Vollkom-
menheit vereinigt, auf der einen Seite die überraschendsten Leistungen
in bezug auf Schweiſsung, auf der anderen Seite eine Mannigfaltigkeit
an aufgesetzter Arbeit, ein Reichtum an Blattwerk und Blumen, die
überraschend, fast überladen erscheint. Wir führen als Beispiel kunst-
voll aufgelegter Arbeit nur die neben skizzierten Säulenschafte von dem
Gitter des Grabdenkmals Kaiser Maximilians in Insbruck an, die aus
Schmiedeeisen geschmiedet, mit einem zarten Blattwerk von nur 1 bis
2 mm Dicke derart überzogen sind, als ob sie mit dem Körper des
Schaftes eins seien (Fig. 264 a. v. S.).


Entwickelte sich die Technik der Schmiede im Mittelalter zur
vollendeten Kunst in den Werken des Friedens, so geschah dies nicht
minder in den Arbeiten, die dem Kriege dienten.


Waffenschmiedekunst (Schwertschmiede).


Das Schwert wurde durch die Vervollkommnung des Materials
immer mehr die Hauptwaffe der freien Germanen. Auf gute Schwert-
klingen wurde hoher Wert gelegt. War auch die Klingenschmiederei
in den norditalienischen Städten, sowie in Noricum uralt und erhielt
sich ihr Ruhm durch das ganze Mittelalter, so übte doch die orienta-
lische Schmiedekunst seit der weltbewegenden Gründung des Moham-
medanismus und des Siegeszuges der Araber seit der Unterwerfung
Spaniens durch dieselben einen eminenten Einfluſs auf die Entwicke-
lung dieser Industrie. Unter arabischer Herrschaft blühte die Klingen-
schmiederei in Toledo empor. Aus dieser Zeit stammt der Ruhm des
Rolandschwertes.


Wie die deutschen Heldensagen, so priesen zum Teil schon früher
arabische Dichter den Wert der Schwerter ihrer Helden. Am be-
sungensten waren die Schwerter des Propheten selbst 1). Die Kreuz-
[845]Schwertschmiede.
züge brachten das Abendland von neuem mit dem Morgenlande in
unmittelbare Berührung. Die Kämpfe mit den Ungläubigen um den
Besitz des heiligen Grabes waren von gröſstem Einfluſs auf die Ent-
wickelung des Rittertums im allgemeinen, sowie im besondern auf die
Ausbildung der Kampfweise und der Bewaffnung. Die ritterlichen
Araber liebten den Einzelkampf nicht minder wie die Germanen, und
ihre groſse Gewandtheit als Reiter sowie ihre vorzügliche Bewaffnung
machten sie zu gefährlichen Gegnern. Die deutschen Reiter übten
sich infolgedessen gleichfalls mehr im Einzelkampfe, namentlich zu
Roſs, und suchten ihre Bewaffnung zu verbessern. Infolge der Kreuz-
züge entwickelte sich das Turnier, sowie seit jener Zeit erst allmäh-
lich die geschlossenen Eisenrüstungen zu allgemeiner Einführung bei
der Ritterschaft gelangten. Die ganze Romantik des Rittertums ent-
sprang jener Zeit.


Auch das Schwert wurde mit der Poesie der Romantik umkleidet.
Waren schon früher die Schwerter der Helden der Volkssage verherr-
licht und mit Namen belegt worden 1), so geschah dies in dem mittel-
alterlichen Ritterepos um so mehr und zwar häufig in einer Weise, der
man den orientalischen Einfluſs anmerkte. So empfing Roland sein
berühmtes Schwert Durandel (Duranda, Durnadal, Durendarte, Durin-
dana) von der Fee Oziris. Er zerschlug mit dem herrlichen Schwerte,
dessen breite, schöne, überaus scharfe Klinge das Rolandslied preist,
einen Felsblock, ohne daſs es schartig wurde, ja er schlug damit die
Rolandsbresche durch die Pyrenäen. In seiner groſsen Todesnot wollte
der kühne Held das Schwert mit seinen starken Händen zerbrechen,
damit es dem Feinde nicht in die Hände fiele, aber er vermochte es
nicht. Übrigens galt auch dieses herrliche Schwert als deutsche
Arbeit: „Der smit hiez Madelger — Dasselbe swert worchte er in der
stat zu Regensburch.“


Ein jeder der Helden aus dem Karolinger Sagenkreis trug ein
berühmtes Schwert, das seinen eigenen, ruhmvollen Namen führte.
Kaiser Karls Schwert hieſs „Joyuse“, das Turpins „Almance“ (Almace),
das Held Olivers „Alteclere“ (Altecler), das Ganelons „Mulagir“ oder
„Murgalle“, das Engeliers „Charmiel“ (Chlaritel). Das Schwert des
Mohrenkönigs Paligans heiſst „Preciose“, das des Willehalm von Oranse
ebenfalls „Shoyuse“. Im König Rother führt Arnolt „ein swert daz hiess
‚Mal‘ — iz war nechein stal — so harte noch so fast — iz ne mozte
bersten.“


[846]Schwertschmiede.

Ebenso führen die Helden der Artussage namenberühmte Schwerter.
„Caliburn“, das Schwert des Königs Artus, war lang und schön. Es
war gefertigt auf der Insel Avalon, wo die Fee Morgana hauste, der
Sage nach kam es als Erbe an Richard Löwenherz.


Wie die Namen der Heldenschwerter berühmt waren, so waren es
auch die Namen der Schmiede, die sie fertigten. Oben nannten wir
bereits den Madelger von Regensburg aus dem Rolandsliede. In
Bitterolfs Dietlieb 1) wird ein Schwert „Schirt“ von dem berühmten
Schmied „Azzaria 20 Meilen von Toled“ genannt. Auſser Regensburg,
das auch im Annoliede erwähnt wird, werden in Süddeutschland
Nördlingen 2) und Nürnberg als Sitze berühmter Schmiede genannt.
Daſs die Klingen aus gutem Stahl gefertigt waren, bedarf kaum der
Erwähnung, ihr heller Klang und Funkensprühen wird oft besungen,
so im Trojaliede (8757): Der brune stahel schnit den rinc so, daz daz
für daruz ging als ganstern (Funken) uz derzglut.


Andere berühmte Schmiede aus den mittelalterlichen Helden-
gedichten waren Trebuchet, der im Parcival genannt wird und sein
Sohn Schoyt, der im Wilahalm vorkommt, sowie Kiun von Munleun.


Auſser den Namen dieser Schmiede, welche der romantischen
Poesie des Mittelalters angehören, kennen wir viele Namen von
Schwertschmieden, welche auf erhaltenen Schwertern, die allerdings
meist bereits dem 15. und 16. Jahrhundert angehören, eingegraben
sind. Klemm giebt folgende Liste der Namen, welche sich auf Schwer-
tern der Dresdener Waffensammlung finden: Hans Prum von Mesene,
Heinrich und Peter Pather, C. Pols (sehr häufig), Clemens Meigen,
Johann Moum, Johann Kirschbaum, Johann Allich, Peter Wersburg,
Clemens Horn in Solingen, Meves Berns in Solingen, Johann Wunds in
Solingen, Andr. u. Pet. Munsten, Clemens Koller, Pet. Tesche, Pet. Brock.


Von auſserdeutschen, namentlich spanischen Klingenschmieden
finden sich in der Dresdener Sammlung folgende Namen: Joannes de
l’Orta, Sebastian Hernandez 1599, Joannes Muer, Bastian Armado de
Toledo, Hispango de Toledo, C. A. Morel el Toledeno 1586, Andrea
Ferar, Joannes Bazoca, Martinus Deivan, De Pedro de Velmonte en
Toledo del Rei Espaine, Tomas de Ajala, Danielo me fecit in castello
milano 1475, Schwan la garde de franze, Francisco de Toledo, Anton
et Friderico Picino in Toledo, Rodriguez em Domingo.


Auſserdem giebt Achille Jubenal in la Armoria Real de Madrid
(II, 34) eine Liste berühmter Waffenschmiede Toledos von der Mitte
des 16. Jahrhunderts an.


[847]Schwertschmiede.

Indessen war es durchaus nicht allgemeiner Gebrauch, den vollen
Namen des Verfertigers einer Schwertklinge auf dieser anzubringen,
weit häufiger fanden sich, wie im Orient und bei den Römern nur
Fabrikzeichen. Das älteste und verbreitetste Fabrikzeichen im Orient
war die Sonne und der Mond, d. h. ein Kreis und eine Sichel. —
Hieraus entstand der alte und verbreitete türkische Stempel: der 
(kufisch) Allah bedeutet. Diese Zeichen wurden auch im Abend-
lande nachgeahmt. Da man sie aber für heidnisch ansah und der
Schmied an und für sich nach dem mittelalterlichen Aberglauben, eine
Verwünschung oder einen bösen Zauber eingeschmiedet haben konnte,
so versah man diese Zeichen gern mit dem Kreuz und so entstanden
die häufig vorkommenden Zeichen eines Kreuzes im Kreis, das Rad,
oder des Kreuzes über dem Kreis, der Reichsapfel. Das Stempelzeichen
der Kreuzritter, mit dem sie in Jerusalem ihre Klingen stempeln lieſsen,
soll so gewesen sein:  Daneben gab es aber ganz willkürliche
Fabrikmarken, wie namentlich der bekannte Wolf auf den Solinger
Klingen, welche daher den Namen Wolfsklingen führen, ein Zeichen,
das meistens auch von dem Familiennamen des ersten Verfertigers her-
geleitet wird. Der Aberglaube, daſs der Klingenschmied einen Zauber
in das Schwert schmieden konnte, war im Mittelalter allgemein ver-
breitet. Ganz verschwunden ist er heute noch nicht. Folgende Sage,
die heute noch im Schwang ist, beweist dies:


Drei Stunden von Münster soll im Ditterberge der „Grinker-
schmied“ gehaust haben. Wenn ein Bauer der Umgegend Hochzeit
hielt, so ging er an ein Loch im Berg und rief: „Glinkerschmied giff
mi en Spitt.“ Der Schmied kam aus seinem Loch, gab den Spieſs,
wofür ihm der Bauer einen tüchtigen Braten gab. That er dies nicht,
so fiel ihm ein Pferd im Stall.


Um die Gefahr des bösen Zaubers zu bannen, lieſs der gläubige
Ritter deshalb erst noch seine Klinge durch den Priester weihen. So
heiſst es im Parcival: „Das Schwert bedarf ein Segenswort.“ Und
ebenso findet sich im Parcival der Aberglaube, eine zersprungene
Schwertklinge könnte durch die Kraft geweihten Wassers wieder ganz
werden.


Von den Klingenschmieden galt es als sicher, daſs sie mit Hilfe
des Bösen Klingen machen konnten, die alles überwanden. Aber
auch Huf- und Grobschmiede konnten Zaubersprüche in das Eisen
schmieden. Deshalb muſste der Schmiedegeselle, der Meister werden
wollte, noch einen besonderen Eid leisten, keine Zauberei zu treiben
[848]Schwertschmiede.
und noch lange nach dem Mittelalter blieb der Glaube herrschend,
daſs die Schmiede hexen könnten und sich auf geheime Künste ver-
stünden.


Über die Art der Fabrikation der Klingen im Mittelalter wissen
wir nicht viel. Da sich aber die Klingenfabrikation in Solingen seit
dem Mittelalter ununterbrochen erhalten hat, so wird eine kurze Be-
trachtung der dortigen Verhältnisse das richtigste Bild geben.


Die Solinger Klingen sind seit dem 14. Jahrhundert berühmt. Die
gewerbsmäſsige Darstellung von Schwertklingen entwickelt sich in einer
Gegend, wo schon Jahrhunderte vorher Eisenschmiede ansäſsig waren,
namentlich Sensenschmiede. Die Kronenberger weiſsen Sensen und
Futterklingen bildeten bereits 1240 einen berühmten Exportartikel
der Hansa.


Die Entstehung der Klingenschmiederei in Solingen1) ver-
liert sich in das Dunkel der Sage. Nach einigen soll Adolph IV.
vom Berge Waffenschmiede von Damaskus aus dem Kreuzzuge unter
Friedrich Barbarossa mitgebracht haben. Nach anderen sollen die
Leute des Grafen Adolph VII. (1256 bis 1296), als sie mit König
Eduard III. von England gegen Philipp von Frankreich kämpften,
diese Kunst der Stahlbearbeitung von den Engländern gelernt
haben. Dies kann sich aber kaum auf die Kunst des Klingenschmie-
dens beziehen, in der die Deutschen den Engländern überlegen
waren und in dieser Periode ja nach England Waffen ausführten.
Eher dürfte an die Kunst des Schleifens, namentlich von Werk-
zeugen, gedacht werden, in welcher allerdings die Sheffielder einen
alten Ruf hatten.


Eine dritte Überlieferung, die am meisten innere Wahrscheinlich-
keit hat, meldet, daſs während der italienischen Kriege 1153 bis 1174
unter Friedrich Barbarossa Waffenschmiede aus Armata (Brescia), Ber-
gamo und Steiermark eingewandert seien und die Schwertfabrik ge-
gründet hätten; 1290 sei dann dieselbe durch eine zweite Einwanderung
aus Steiermark vergröſsert worden. Mehrere Jahrhunderte später, als
Solingen durch die Spanier von den Niederlanden aus überfallen
wurde, sollen dann auch noch spanische Waffenschmiede aus Toledo
und Saragossa zurückgeblieben sein. Urkundlich steht nur fest, daſs
bereits im 14. Jahrhundert Graf Adolph vom Berge den Schwertfegern
und Reidern in Solingen ein Privilegium erteilte, dessen Text aber
nicht mehr vorhanden ist.


[849]Schwertschmiede.

Meister Wolf, dessen Fabrikzeichen ein Wolf war, und von dem
die guten Solinger Klingen bis in dieses Jahrhundert den Namen
Wolfsklingen tragen, soll um das Jahr 1414 gelebt haben. Ein ge-
wisser Peter Gimpelpus oder Semmelmus von Solingen soll im 17. Jahr-
hundert den unechten Damast erfunden haben.


Zur Herstellung der Schwert- und Säbelklingen sind Stäbe von
Eisen und Stahl erforderlich. Das Eisen kam wohl teils aus der Nach-
barschaft, teils aus der Mark, namentlich aber aus dem Sauerland, wo
das gute Osemundeisen hergestellt wurde. Der Stahl kam dagegen schon
in alter Zeit, wie noch heute aus dem Siegerland. Die komplizierte
Arbeit des Klingenschmiedens geschah vor Einführung der Wasser-
hämmer, der „Reckhämmer“ im 16. Jahrhundert ausschlieſslich mit
der Hand. Um die für die Klinge erforderliche Härte, Elastizität und
Zähigkeit zu erreichen, schmiedete man das zähe Schmiedeeisen mit
dem harten elastischen Stahl lagenweise zusammen. Zunächst wurden
die Stahl- und Eisenstangen in flache Schienen ausgeschmiedet. Dann
pflegte man eine Eisenschiene zwischen zwei Stahlschienen zu packen
und diese zusammenzuschweiſsen. Diese Stange reckte man unter dem
Hammer auf die doppelte Länge aus, hieb sie mit dem Schrotmeiſsel
mitten auseinander, legte die zwei gleichen Hälften wieder aufeinander
und schweiſste sie von neuem zusammen (doublierte sie). Auf diese
Weise kam jetzt in der Mitte eine doppelte Lage Stahl aufeinander zu
liegen. Diese Doppellage giebt später die Schneide. Das aus den
beiden abgesetzten Hälften gebildete Packet schmiedete man nach
der Schweiſsung zu zwei Drittel der Länge der fertigen Klinge aus.
Nun wird die Angel angesetzt. Diese pflegt man aus einem Schmiede-
eisenstab in der Weise zu machen, daſs man den Stab in der Mitte
zusammenbiegt, die oben beschriebene Schiene, welche die Klinge bilden
soll, dazwischen packt und dann den umgebogenen Schmiedeeisenstab
sowohl für sich als mit der Klingenschiene zusammenschweiſst. Nun
wird die Schiene in die rohe Form der zu bildenden Klinge geschmiedet,
was mit groſser Vorsicht und in wiederholten Hitzen geschehen muſs.
Es geschieht dies durch den Schwertschmied mit Hilfe seines Vor-
schlagers. Soll die Klinge nicht glatt sein, sondern rinnenförmige Ver-
tiefungen, Blutrinnen haben oder der Lage nach bikonkav eingebogen
sein, so geschieht dies jetzt durch Schmieden mit Ober- und Unter-
stempel, oder Gesenk- und Setzeisen. Nun werden durch Ausschmieden
der langen Seiten die Schneiden hergestellt, wobei man bei geraden
Klingen darauf achten muſs, daſs dies nur langsam fortschreitend auf
beiden Seiten geschieht, indem andernfalls, wenn man eine Seite für
Beck, Geschichte des Eisens. 54
[850]Schwertschmiede.
sich schmieden würde, die Klinge durch die ungleiche Streckung sich
nach der entgegengesetzten Seite krümmen würde. Bei krummen
Säbelklingen hat dies weniger auf sich. Das Fertigmachen der Klinge
geschieht nunmehr auf dem Schleifstein. Dann folgt das Härten und
Anlassen, wozu groſse Sorgfalt und Erfahrung gehört, um der Klinge
den gewünschten Grad von Härte und Elastizität zu geben. Dies wird
seit langer Zeit durch einen besonderen Schmied, den Härteschmied,
ausgeführt und zwar erhält sie die erste Härtung in der Weise, daſs
er die rotwarme Klinge erst durch angefeuchteten Hammerschlag zieht
und danach in kaltes Wasser eintaucht. Hierauf wird sie nochmals
behutsam auf dem Hohlstein abgeschliffen, kommt dann, weil sie bei
dem Schleifen einiges von ihrer Härte eingebüſst hat, nochmals an den
Härter, der sie jetzt auf den richtigen Härtegrad anläſst, ihr die „blau
Härtung“ giebt. Nun folgt das Blankmachen und Polieren. Ersteres
geschieht auf einer Holzscheibe mittels Smirgel und Öl. Somit wäre
die Klinge fertig, wenn nicht Figuren eingraviert, eingeätzt und
tauschiert werden sollen (damasquiner) oder ein Teil der Klinge ver-
goldet werden soll. Alle diese Arbeiten werden jetzt und bereits seit
300 Jahren von besonderen Arbeitern ausgeführt. Ebenso bildeten die
Griffmacher, die Kreuz- oder Knaufschmiede, die Gefäſsarbeiter, welche
die Gefäſse und Körbe herstellen und die Schwertfeger, welche die
Scheiden fertig machen, besondere Zünfte. Dann wird alles zusammen-
gesetzt, fertig gemacht (gereidet) von den Reidern. Diese auſser-
ordentliche Arbeitsteilung war im Mittelalter, vor Benutzung der
Wasserkraft in diesem Maſse noch nicht durchgeführt, doch finden
wir fabrikationsmäſsigen Betrieb mit planmäſsiger Arbeitsteilung sehr
früh in Solingen. Dagegen sind aus dem 15. Jahrhundert eine Anzahl
Solinger Privilegien erhalten, aus denen sich ein Bild des damaligen
Betriebes machen läſst. Der Betrieb war ein handwerksmäſsiger, die
Kleinmeister waren in drei Bruderschaften vereinigt, in die der Schwert-
schmiede 1), der Härter und Schleifer 2) und der der Schwertfeger und
Reider 3).


„An der Spitze jeder Zunft standen vier Ratsleute und ein Voigt.
Für die gemeinsamen Angelegenheiten der Industrie war 1487 ein
Ausschuſs der Sechsmänner gebildet worden; diesen lag die Verwaltung
und Rechtspflege ob, von ihnen ging die Berufung an den herzoglichen
Obervoigt.“


[851]Schwertschmiede.

Die Kunst der Klingenschmiede, der Härter und Schleifer war
hoch angesehen und galt als Geheimnis. Noch heute rühmen sich die
Solinger, im Besitze gewisser Geheimnisse zu sein, namentlich bezüglich
der Härtung des Stahls. Deshalb muſsten, um das Geheimnis der
Bruderschaften zu wahren, die Zunftgenossen des Schmiede-, Härter-
und Schleiferhandwerks den Verbleibungseid leisten, sie durften das
Land nicht verlassen, nicht das Geheimnis verführen und keinem an-
deren die Kunst lehren, als ihren eigenen Söhnen, und die Schleifer
ihren nächsten Verwandten, falls keine Söhne das Geschäft des
Vaters fortsetzen konnten. Da die Technik der Schwertfeger und
Reider eine einfachere war, so hielten sie sich weniger abgeschlossen
und brauchten den Verbleibungseid nicht zu leisten. Die drei Bruder-
schaften hatten das Recht, den Klingenhandel zu betreiben. Ursprüng-
lich lag derselbe wohl hauptsächlich in der Hand der Schmiede, welche
ihre Klingen von den Härtern und Schleifern fertig machen lieſsen und
sie direkt verkauften. Da aber der Verbleibungseid die Schmiede an
die Scholle band, so änderte sich dies Verhältnis, als der Handel
gröſsere Dimensionen annahm und eine Ausfuhr nach fremden Ländern
statt fand. Die Reider hatten die Berechtigung auſser Land zu gehen,
und da bei ihnen die Schwerter zum Fertigmachen sich sammelten, so
war es natürlich, daſs diese später den Handel besorgten und den Ver-
trieb auf den fremden Märkten übernahmen. Früh schon bildete sich aber
auch neben den Bruderschaften ein selbständiger Handelsstand „die
Krämer“ aus, dieser ging aus der Bruderschaft der Reider hervor.


Zwar stand das Recht, Handel zu treiben, auch den übrigen
Bruderschaften zu, da dieselben aber nicht reisen durften, so ver-
mochten sie auch nur an heranziehende Kaufleute zu verhandeln.
Damit waren sie mehr oder weniger der Willkür der Reider- und
Schwertfegerzunft preisgegeben, und um Miſsbräuche zu vermeiden, war
bestimmt, daſs die Schmiede, falls die Kaufleute ihnen nicht in der
nämlichen Woche bezahlt hätten, am nächsten Sonntag die Klingen
nach Solingen in ein bestimmtes Haus bringen und dort den Kaufleuten
feilbieten sollten. Würden sie des Kaufes nicht einig, so sollten die
Klingen dort bleiben bis zum nächsten Sonntag und kam selbst dann
der Kauf nicht zu Stande, so sollten die Schmiede zwei Brüder wählen,
welche einen Preis schätzten. Konnten die Kaufleute sich zu diesem
nicht verstehen, dann sollten die Schmiede die Klingen wieder an sich
nehmen, sie härten und schleifen, fegen und bereit machen lassen und
die Kaufleute sollten sie inner- oder auſserhalb Landes verkaufen
(vielleicht auf Rechnung der Schmiede). Da also die Schmiede der
54*
[852]Schwertschmiede.
Gefahr ausgesetzt waren, für ihr Halbfabrikat keinen angemessenen
Preis zu erhalten, so lag es ihnen nah, dieselben als „schwarze Klingen“
zu verkaufen; dadurch hätten aber die folgenden Arbeiter ihr Ver-
dienst eingebüſst und es wurde ihnen verboten, ein Schwert unbereitet
auſser Landes gehen zu lassen. Um eine Gleichmäſsigkeit in dem
Einkommen der Schmiede herzustellen, wurde das Maximum der täg-
lichen Produktion festgesetzt: ein Schwertschmied durfte nicht mehr
als vier Schwerter, ein Messerschmied zehn Stechmesser, ein Baseler-
schmied acht und ein Kordinschmied zehn Stück und zwar richtig und
gut schmieden.


Der Hauptvertriebsplatz für die Solinger Klingen war Köln. Diese
wichtigste Hansestadt am Rhein hatte den Eisenexporthandel nach
dem Westen, besonders nach den Niederlanden und England in der
Hand.


Die gesteigerte Nachfrage nach Schwertern und der Aufschwung
der Fabrikation entwickelten auch den Handel. Die wichtigsten Reisen
waren im 16. Jahrhundert die zu den vier Hauptmärkten nach Ant-
werpen. Nun kamen aber auch in der Zwischenzeit Boten dortiger
Kaufleute mit unsoliden Aufträgen. Die Annahme derselben wurde
durch den Sechsmannsbrief vom 26. April 1570 verboten; bei 14 Gold-
gulden Strafe durften ferner auſser zu jenen Märkten keine Schwerter
mehr nach Antwerpen geschickt werden, nur wenn die Kaufleute selbst
kämen, sollte ihnen verkauft werden dürfen, aber auch dann muſste es
vorher den Sechsmännern angezeigt werden. Wenn die Solinger Kaufleute
von den Brabanter Märkten heimkehrten, so beriefen die Sechsmänner
jedesmal eine Versammlung, auf welcher jedes Handwerk durch seinen
Voigt seine Notdurft vortragen lassen durfte. Um die äuſsere Ord-
nung aufrecht zu erhalten, sollte niemand ohne Erlaubnis reden,
anderseits durfte kein Handwerksvoigt irgend einen Bruder übersehen
oder verschweigen, er sei wer er wolle. Um den Brüdern einen ent-
sprechenden Preis für ihre Fabrikate zu sichern, wurde weitergehend
bestimmt, daſs wenn der Voigt ihres Handwerkes nicht im stande wäre,
ihnen einen solchen zu vermitteln, dieser die Schwerter dem Voigt
der anderen bezw. der dritten Zunft präsentieren sollte; gelänge es
auch diesen nicht, so durften die Brüder verkaufen wohin sie wollten.
Bisher waren die Kaufleute zugleich auch Handwerksmeister gewesen,
die, wenn sie von den Märkten heimkehrten, die gewohnte Arbeit des
Reidens und Schwertfegens wieder aufnahmen; sie waren Mitglieder
der Zünfte, wie alle übrigen, wenn auch wohlhabendere und ange-
sehenere und unterlagen den gleichen Bestimmungen. In dem Maſse
[853]Schwertschmiede.
nun, als die Verbindungen Solingens sich ausdehnten und einzelne der
Kaufleute mit mehr Energie, gröſserem Glücke und gröſserer Sparsam-
keit sich ausschlieſslicher dem Handel widmeten, bildete sich nach
und nach ein selbständiger Kaufmannsstand. Zu gleicher Zeit ging
allmählich der handwerksmäſsige Betrieb in den hausindustriellen über.
Immer seltener wurde es, daſs die Schmiede selbst ihre Schwerter ver-
handelten; immer allgemeiner arbeiteten sie wie die übrigen Hand-
werker nach den Angaben der Kaufleute, diese übernahmen die Lie-
ferungen von Eisen, Stahl und anderen Rohstoffen und wenn dieselben bis
auf den heutigen Tag formell auch noch als ge- und verkauft gelten, so
war thatsächlich der früher selbständige Handwerksmeister, der kleine
Fabrikant zu nichts anderem, als zu einem hausindustriellen Lohn-
arbeiter geworden.


Der Fortschritt der Schwertschmiedekunst im späteren Mittelalter
zeigt sich weit mehr in der Mannigfaltigkeit der Form als in der Qua-
lität der Klingen. Wenn wir uns erinnern, daſs der griechische Kriegs-
schriftsteller Philon die auſserordentliche Elastizität der spanischen
Klingen als etwas ganz Bekanntes erwähnt 1), wenn wir der fast begeister-
ten Schilderung vorzüglicher Damastklingen König Trasamunds ge-
denken 2), wenn wir die Traditionen und Lobpreisungen der berühmten
Schwerter der Nationalhelden ins Auge fassen, deren aller Lob und
Ruhm sich nur auf die Güte der Klingen bezieht, so können wir nicht
behaupten, daſs die Schwerttechnik der späteren Zeit, trotz Mannig-
faltigkeit und Umfang in dieser Richtung Gröſseres geleistet hat. In
dieser Beziehung dürften nur die dreikantigen, hohlgeschmiedeten, ganz
aus bestem Gärbstahl gefertigten Toledoklingen, deren Ruhm aber erst
im 16. Jahrhundert seine Höhe erreichte, genannt werden. Es soll hier
indes nicht gesagt sein, daſs die Klingenschmiederei dieser Periode hinter
der früherer Zeit zurückgestanden hätte. In Umfang und Form sind
sogar bedeutende Fortschritte zu konstatieren. Dagegen läſst sich
hinsichtlich der Qualität der Klingen keine Neuerung nachweisen, die
eine Umwälzung in der Herstellung sowohl bezüglich des Materials als
der Technik herbeigeführt hätte. Gravierung, Ätzung, Tauschierung,
Vergoldung u. s. w. finden sich in dieser Periode zwar häufiger, doch
begegnen wir allen diesen Arten der Dekoration schon früher. Da-
gegen zeigen Form und Gröſse der Schwerter dieser Zeit eine reichere
Mannigfaltigkeit, bedingt durch die Vervollkommnung der Trutzwaffen
und die Art der Kampfweise. Das Schwert kam in dieser Periode in
[854]Schwertschmiede.
allgemeinen Gebrauch. Infolgedessen entwickelte sich erst die eigent-
liche Fechtkunst. Diese bedingte einen besseren Schutz der Schwert-

Figure 265. Fig. 265.


Figure 266. Fig. 266


Figure 267. Fig. 267.


[855]Schwertschmiede.
hand, die beim Fechten mit Schwert gegen Schwert besonders gefähr-
det war. Es entstanden die vielgestaltigen Parierstangen und -Gefäſse.
Die alten Schwerter hatten nur ein eisernes Blättchen, mehr zum
Schutze der Hilze als zum Schutze der Hand 1). An die Stelle dieses
Blättchens trat eine Parierstange, ein Bügel. Dieser war zunächst
gerad, saſs rechtwinkelig auf und bildete mit Angel und Klinge die
Form eines Kreuzes. Diese Schwertform fand seit der karolingischen
Zeit allgemeine Verbreitung in Europa, umsomehr da man dieser Form

Figure 268. Fig. 268.


Figure 269. Fig. 269.


Figure 270. Fig. 270.


als einem christlichen
Symbol eine religiöse Be-
deutung beilegte. Das
Schwertkreuz war nicht
nur ein mechanischer,
sondern auch ein gött-
licher Schutz. Das
Schwert Karls des Groſsen
(Fig. 265 a), das sich
im Louvre befindet, ist
wohl das älteste Beispiel
dieser Schwertform 2). Die
Klinge entspricht noch
genau der Form der alten
Spatha. Ähnliche Schwer-
ter aus dem 11. Jahrhun-
dert zeigen etwas schmä-
lere, mehr zulaufende
Klingen. Fig. 265 b zeigt
ein solches Schwert von
San Agato de Goti im
Neapolitanischen, das
sich nebst zwei ähnlichen
im Museum zu Erbach befindet. Die Klinge eines ähnlichen Schwertes
(Fig. 265 c) im Museum zu München läuft ganz spitz zu, ähnlich dem
Gladius. Die Form der Klingen entwickelte sich allgemein in dieser
doppelten Richtung, die Spatha zu den riesigen Zweihändern des
späteren Mittelalters, der Gladius zu dem Stoſsdegen und zum Panzer-
stecher.


Im 15. Jahrhundert, in dem die geschlossene Eisenrüstung bereits
allgemein geworden war, findet man eine groſse Mannigfaltigkeit von
[856]Schwertschmiede.
Klingen (Fig. 267), sowohl in bezug auf Gröſse als auf Form. Da
findet sich neben den erwähnten Klingenformen, solche die dem Para-
zonium der Alten gleichen, sogenannte Ochsenzungen (Fig. 266 a), ferner
gewundene Klingen, die Flammberge, dann säbelartige Klingen, das
Säbelhackmesser (Fig. 266 b) u. s. w. In gröſserer Mannigfaltigkeit ent-
wickelten sich die Schwertgefäſse. Im 13. Jahrhundert gab man der
Parierstange häufig eine gebogene Form, wie sie (Fig. 268) ein Deutsch-
Ordensschwert aus jener Zeit (im britischen Museum) und das Schwert
(Fig. 269 1) zeigen.


Zu der Parierstange trat dann im 15. Jahrhundert noch der so-
genannte Eselshuf, der angeschweiſste, nach der Spitze zu gebogene
Bügel (Fig. 270), woraus sich allmählich die mannigfach verschlunge-
nen Körbe und Gefäſse der späteren Zeit entwickelten.


Messerer und Klingenschmiede.


In den gröſseren Städten Deutschlands bildeten die „Messerer
und „Klingenschmiede2) alte selbständige Zünfte, an die sich
viele Sagen und Überlieferungen knüpfen. Die Messerer waren nicht
Messerschmiede in unserem Sinn, sondern sie schmiedeten vorzugs-
weise die Dolche und die einschneidigen Haumesser, die Sachse, wäh-
rend die Klingenschmiede die kunstvolleren, zweischneidigen Schwert-
klingen verfertigten. Daſs unter dem Ausdruck „Messer“ (von
Messisachs?), in früherer Zeit mehr das einschneidige Schwert mit
breitem Rücken gemeint war, geht aus vielen Stellen hervor; so heiſst
es beispielsweise in Thalhofers Fechtbuch: Das „Messer“ sei länger
als der „Tegen“ (der Dolch) und kürzer als das „Swert“. Messerer
und Schwertschmiede gehörten nicht derselben Zunft an und die Messer-
schmiede trugen schon im 14. Jahrhundert drei Schwerter in ihrem
Innungswappen. Zu Regensburg durfte im 14. Jahrhundert niemand
verborgen und längere Messer tragen, als das am Marktturm ein-
gemauerte Maſs erlaubte 2). Im Jahre 1285 wurde zuerst in den alten
Registern von Nürnberg ein „Mezzerer“ Heinricus Merndorfer erwähnt.
Daſs um 1290 die Messer- und Klingenschmiede ebendaselbst schon
ein namhaftes Handwerk, aber, wie es scheint, getrennt ausmachten,
[857]Messerer und Klingenschmiede.
geht aus dem geschriebenen Polizeibuche, Seite 32 und 33 hervor,
worin folgende Verordnung steht:


„Man hat ovch gesetzet vnd genommen vz den mezzerern zween
maister Merchlen den Hefner vnd Otten den Movrolfsteiner vnd vz den
chlingensmiden zween. Friederich den ufneschil vnd Heinrich den
Schilcher. (Chunrat Spitz vnd Seidelin Spigel.) die sulen daz bewaren
vf iren eit. daz niemen fürbaz dehein chlingen slahe. er entsehele si
danne als si durch reht Stahel haben sol. Swer si darvber sleht
vngestehelt der gibt ze pvz sehzic pfennig.“ „Ez schol ouch niemen
keyn Klingen koufen die man vm vz her inbringet. e daz sie der meister
zween beschowet haben vnd schol ovch niemen kein Klingen vz der
stat füren. e dan si die meister beschowet haben daz sie gerecht sint.
swer daz bricht der gibt sechzig pfennich.“


In einem andern Gesetzbuch von eben dem Jahr 1290 steht:


„Von mezzern vnd von clingen.“


„Man hat auch gesetzet vnde genommen avs den mezzeren Maistere
die sueln daz bewaren vf iren ait daz nieman furbas dehaine clingen
slahe er enstehele sei danne. als si durch reht stahel haben sol. Swer
sin darvber sleht vongestehelet. der gibt ze buoze sehtzig pfennige.“


„Ez verbieten auch vnsere herren. daz niemen mit mezzeren sten
schol ze verkaufen, dan niederhalb des brothaus geyn der brucke.
ez sei Grempeler oder ander. dan er enhab eyn Cram hie oben. da er
inne ste. oder in sinem haus dahayme. Swer daz bricht. der muz
geben ie von dem tage. lx haller.“


Von solchen Messerern, die in den lateinischen Urkunden cultella-
tores oder cultellarii genannt werden, findet man aufgeführt um


  • 1295: Heinrich Merndorfer.
  • 1318: Heinrich, genannt Pair.
  • 1324: Hainricus de Babenberg.
  • 1330: Ulricus de Eysten (exclusus a ciuitate).
  • 1373: B. Libel. — Prügel.
  • 1388: H. Schuster.
  • 1420: Tuldner.

Dagegen werden die Schwertfeger in den lateinischen Urkunden
unter der eigentümlichen Bezeichnung gladiatores aufgeführt. Ein
solcher war:
1285: Cunrad, genannt Putersahl;
um 1323 werden zwei gladiatores: Andreas und Heinricus (in longa
platea) aufgeführt; um 1360 wird genannt: Herkel, swertunger, und
1373: Würfel, swertunger.


[858]Messerer und Klingenschmiede.

Die vorstehend aufgeführten Nürnberger Verordnungen machen
es den Messer- und Klingenschmieden zur Pflicht, nur gut gestählte
Ware zu fertigen und zu verkaufen. Ähnliche Bedingungen finden
wir auch in anderen alten Stadtrechten und Statuten (z. B. im Schlesi-
schen Landrecht bei Böhme, diplomatische Beiträge, 2. Bd. 1. Tl., S. 34).
Damit aber ein jeder Käufer versichert war, gutgestählte Messer und
Klingen zu kaufen, so wurde den Messerschmieden zur Bedingung ge-
macht, ein ihnen eigentümliches Zeichen auf die Klinge einzuschlagen,
damit, wenn sich beim Gebrauche der gekauften Arbeit erweise, daſs
sie nicht gut gestählt sei, der Käufer seine Rechte geltend machen
könne. Um indes allen Streitigkeiten vorzubeugen, hatten die mei-
sten Städte Schaumeister ernannt, welche die Arbeit prüfen und nach
Gutfinden mit einem besonderen Stempel zeichnen muſsten. Dieses
Verfahren kommt schon im 14. Jahrhundert vor und hat sich bis auf
unsere Tage teilweise erhalten.


Das Handwerk besaſs ehedem mancherlei Privilegien, welche
aber mit der Auflösung des römischen Reiches wie die aller anderen
Zünfte völlig erloschen. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts bestanden
im Reiche vier Bruderschaften, von welchen alle gröſseren Streitig-
keiten, die von den verschiedenen Innungen oder deren Vorgesetzten
nicht zu Ende geführt werden konnten, rechtsgültig entschieden
wurden. Diese Bruderschaften waren zu Augsburg, München, Heidel-
berg und Basel. Von den ältesten Satzungen hat sich nur noch sehr
wenig erhalten; was man noch findet, sind einzelne Bruchstücke. Aus
dem 15. und 16. Jahrhundert sind die Messerschmiede-Ordnungen
mancher Städte noch bekannt. So z. B. die von Freiberg in Sachsen.
Dort durfte niemand messerschmieden, wer es nicht zünftig gelernt
hatte. Starb ein Meister, so vererbte sich das Meisterrecht auf den
jüngsten Sohn. Niemand durften sie in die Innung nehmen, der nicht
ehlich geboren war. Die geschworenen Meister des Handwerkes
hatten darauf zu achten, daſs niemand „ysenschuwige messer mache
oder ysenschuwige messer uff blye „slyeffe“. Niemand durfte zwei
Zeichen auf eine Klinge schlagen, „sie sye denne von dryen stucken“.
Welcher Meister dem anderen „synen knecht (Gesellen) oder gesynde ent-
fremdet weder synen willen und wissen“, der sollte dem Handwerk 2 Pfd.
Wachs zur Buſse geben. Morgensprache durften sie halten „ader mit
keynen orteilen (Urteilen) sullen sy dorynne teydingen (entscheiden)“.


Niemand durfte fremde Messer feilhalten als am Jahrmarkte und
Ablaſs. Ebenso war’s auch in Passau; dort durfte „khein frömbder
messerer khein messer wurchen noch verchaufen“. Eine sonderbare
[859]Messerer und Klingenschmiede.
Bedingung in Freiberg war es, daſs weder Meister noch Geselle einem
ihnen unbekannten Manne irgend ein Stück arbeiten durften. Und
sogar den ansäſsigen Bürgern durften sie jährlich nur ein groſses und
zwei kleine Messer machen, mehr nicht. Ledigen Gesellen durfte bei
Strafe weder eine groſse noch kleine Klinge geliefert werden. Dolch-
artige Messer trug im Mittelalter jedermann, sogar die Geistlichen.
Im Jahre 1279 wurde der ungarischen Klerisei von der Provinzialsynode
zu Ofen verboten, Messer an der Seite zu tragen. Aus dem Jahre 1286
ist eine Verordnung der Stadt Nürnberg bekannt, welche das Tragen
aller spitzigen Messer ob unter dem Rock oder in den Stiefeln, verbot.
Der Übertreter soll 2 Pfund Hellers Buſse zahlen, kann er das nicht,
so soll ihm die Hand abgehauen werden.


Auf welche Weise die Messerschmiede ihr Schild: im
blauen Felde eine Krone, durch welche drei Schwerter
gehen, erhalten haben
.

Dies erzählt Lersners Chronik, S. 480, folgendermaſsen:


„Als der allerdurchlauchtigste Fürst, Herr Sigismundus, erwählter römischer
Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches in Germanien etc., von den Tataren
heftiglich bedränget und derowegen eine offene Feldschlacht mit denselben zu
thun genötigt wurde, weilen aber der Feind gar zu mächtig, also war durch
Gottes sonderbare Providenz und Fürsicht das römische kayserliche Heer von
den Feinden in die Flucht geschlagen, der meiste Teil erleget, die anderen
gefangen genommen, also daſs geschienen, die ganze Schlacht verloren zu sein.
Sintemalen aber nach Gottes sonderbarer Schickung ein mannlicher Kriegsknecht,
mit Namen Georgius Springenklech, seines Zeichens ein Messerschmied, gesehen,
daſs sein Leben in der Feinde Hände gewesen, also hat er sich freimütig herfür-
gemacht, sein Hembd in der Entleibten Blut gedunkt, solches auf eine lange
Pique gesteckt und mit hellem Ruf und Gebärden sich so gestellet, als ob noch
gar viele Fähnlein von denen Kaiserlichen im Hinterhalt verborgen lägen und
herbeikommen sollten. Maſsen solches nun die Feinde ersahen, indem noch
etliche wenige Überbliebene, so sich aus Furcht der Feinde verborgen gehabt,
sich zu diesem obgemelten Messerschmied gemacht, seind die Tartaren zurück-
gewichen, als worauf dieser streitbare Held gar manniglich mit ernstem Mute
nachgedrungen und die Feinde zurückgetrieben. Als solches nun etzliche
wenige Kriegsknecht von ihro kayserlichen Majestät Armada wahrgenommen,
seind sie umgekehrt den Feinden nachgejaget und haben also durch Gottes
Hilf der Tataren Macht ganz totaliter ruiniert und erlegt, und ist also nächst
Gott durch diesen Helden die Schlacht erhalten worden. Nach erlangtem Siege
wurde ein Gottestrumpffest gehalten und begehrete der durchlauchtigste groſs-
mächtigste römische Kayser diesen tapfern Helden zu sehen, welcher ihm also-
bald vorgestellt worden. Darauf hat ihn der Kaiser mit einer Kron verehrt zu
einem Siegeszeichen, hat ihn auch vor allen Fürsten und Herrn, so zugegen
gewesen, zu einem Ritter geschlagen und mit Schild und Helm begabet und
nach diesem begehret der Kaiser eine Bitt’ von ihm zu begehren, was er wollte
oder in seinem Herzen suchen möchte; wofern es möglich wäre zu thun solle
es ihm gewährt werden. Auf solche allergnädigste Anerbietung hat sich der
[860]Messerer und Klingenschmiede.
Ritter bald bedacht und dieweil er keine Leibeserben nicht gehabt, hat er
nichts mehr begehret, als daſs ihm ihro kayserliche Majestät möchte zulassen,
daſs er und nach seinem Tod alle Messerschmied und deren Kinder ein adeliges
Wappen: nämlichen die kayserliche Kron’, durch welche drei Schwerter gehen,
benebens offenen Schild und Helm, wie auch zu Seiten zween Greifen führen
möchten, welches ihme der römische Kayser nicht allein vergünstiget, sondern
ihm mit allem seinem Willen seinen Nachkommen kräftige Prief und Sigill
gegeben hat, welches noch vorhanden; wird auch solches noch in der Pett-
schaft dieses löblichen Handwerks der Messerschmied geführet. Solliche hoch-
löbliche Glory und waidliche That ist arrivieret im Jahr nach Christi Geburt
ein Tausend, vierhundert, sieben und dreiſsig. Dieser fest und ehrbare Ritter
ist gewesen ein Messerschmiedsgesell, woneben er hat die Fechterkunst gelernet,
ist auch darinnen also wohlgeübt gewesen, daſs er bald zu einem Meister des
langen Schwertes ist gemacht worden. Weilen er aber ein mutiger Mensch
gewesen, hat er baſs Lust bekommen, sich in den Krieg zu begeben, indem er
auch sein Schwert in die 17 Jahre geführet und manchen Scharmützel, Strauſs
und Schlacht ausgestanden, auch ohne leiblichen Schaden davonkommen, bis
nach obgemelter Viktoria er vom Kayser zum Ritter geschlagen worden, in
welchem Orden er auch sein Leben an des Kaysers Hof, sintemalen er Alters
halber des Krieges müde gewesen, endlich beschlossen hat. Und liegt zu Prag
auf der kleinen Seiten in der St. Thomaskirchen im Kreuzgang begraben, an
welchem Ort denn auch heutiges Tages die Messerschmied ihr Begrabniſs haben,
welches das Epitaphium ausweist, oben an der Wand in einer Kapell, da der
Messerschmied Wappen stehet.“


So erzählen’s die alten Chroniken. Nach anderen Mitteilungen soll jedoch
der Held dieser romantischen Geschichte nicht Springenklech, sondern Springen-
klee geheiſsen haben und eines Bergmanns Sohn aus Kuttenberg in Böhmen
gewesen sein. Darauf, als er im Jahre 1395 an das Messerschmiedehandwerk
zu Passau genügend erlernt, sei er aus Veranlassung seiner groſsen und statt-
lichen Person und seines kräftigen Körperbaues, in kaiserliche Kriegsdienste
getreten und habe sich sowohl durch auſsergewöhnliche Geschicklichkeit auf
dem Fechtboden, als durch seine Tapferkeit im Kriege die Gnade des Kaisers
in dem Maſse erworben, daſs er ihn in den Adelsstand erhoben und mit der
Würde der Stadthauptmannschaft zu Prag betraut habe. In dankbarer Er-
innerung an sein erlerntes Handwerk soll darauf Springenklee, als er bereits
seine Würde eingenommen, den Kaiser um obbeschriebenes Wappen für seine
Gewerksgenossen gebeten haben.


Es sind beide Nachrichten eben nur Sagen, die nirgends durch glaubhafte
kritische Autoren bestätigt werden. Hätte sich der Messerschmied Springin-
klech wirklich in offener Feldschlacht durch einen so kühnen Angriff aus-
gezeichnet, so müſste dies 1437 in der Schlacht bei Belgrad gewesen sein, wo
das vereinte ungarisch-böhmisch-polnische Heer unter Herzog Albrecht von
Österreich den Sultan Amurat II. besiegte.


Die Standeserhöhung und der Ritterschlag, sowie manche Nebenumstände
sehen der bunten Regierungswirtschaft des verschwenderischen, systemlosen
Kaisers Sigismund sehr ähnlich. Die Wappenverleihung, welche dem ganzen
Handwerke zu gut kam, scheint uns jedoch auf einem andern Vorfall zu beruhen,
der glaubhaft in der Stadtgeschichte von Nürnberg konstatiert ist. Weigel in
seinen Abbildungen der gemeinnützigsten Hauptstände etc. erzählt S. 366, daſs
das Handwerk bereits im Jahre 1350 sein Wappen von Kaiser Karl IV. erhalten
und dieses damals in einem roten Schilde bestanden habe, in welchem die drei
durch eine Krone verbundenen Schwerter zu sehen. Die Messerer hätten dies
Wappen wegen „geleisteter Treue“ erhalten, und Springinklee, dessen er auch
erwähnt, habe nur vom Kaiser sich die Gnade für sein Handwerk erbeten, das
[861]Messerer und Klingenschmiede.
Schild, gleich wie ein adliges, mit offenem Helm und Wappenhaltern versehen
zu dürfen. Mit der dem Kaiser geleisteten Treue hatte es aber folgende Be-
wandtnis 1):


Als Günther von Schwarzburg im Jahre 1349 als Gegenkaiser gegen Karl IV.
aufgestellt wurde, brach in Nürnberg ein groſser Aufstand des Volkes, welches
zu Günther hielt, gegen den Rat und die Patrizier, welche zu Karl hielten, aus.
Der Pöbel gewann die Oberhand und hauste ganz entsetzlich nicht nur gegen
alles Eigentum des Rates und der Geschlechter — deren Mitglieder sich nicht
verpflichtet hatten — als auch gegen deren wehrlosen Frauen und Töchter. Als
sie nun einen der Ratsherren in seinem Versteck aufspürten und verfolgten,
rettete sich dieser nach den Fleischbänken und rief einen Metzger zu Hilfe,
der sein Verwandter war. Dieser rief seinen Gesellen. Den Metzgern schlossen
sich die Messerer an und diese führten den geretteten Ratsherrn sicher aus der
Stadt; die Aufrührer erwählten einen Rat und hielten tolle Wirtschaft. Indes
rückte Kaiser Karl heran. Die Stadt wurde eingenommen, die Rädelsführer hin-
gerichtet, den Metzgern und den Messerern aber zum Dank ein „Schönbartspiel“,
eine Fastnachtsbelustigung, die den übrigen Bürgern nicht erlaubt war, gestattet.
Das Schönbartspiel der Messerer bestand hauptsächlich in einem Schwerttanz 2).


Panzer- und Helmschmiede.


Fertigten die Messerer und Klingenschmiede die wichtigsten Trutz-
waffen, so waren es die Panzerer und Helmschmiede, welche die
vornehmsten Schutzwaffen des Mittelalters herstellten und ihre Kunst
ebenfalls zu hoher Vollendung brachten. Vom 5. bis 9. Jahrhundert
waren, abgesehen von den mit aufgenähten eisernen Ringen und
Plättchen verstärkten Wämsen und Lederkollern, meist nur Ringel-
panzer im Gebrauch, obgleich Plattenharnisch und Visierhelm schon
im Altertum nicht unbekannt gewesen waren. Das Panzerhemd (Hau-
bert) wurde nach und nach an den bedrohtesten Stellen durch Schutz-
platten verstärkt, und dies führte allmählich zu der geschlossenen
Panzerrüstung. Schon Karl der Groſse trug eine Rüstung, welche aus
Schuppen und Platten zusammengesetzt war. Der Mönch von St. Gallen
(II, 17) schildert dieselbe gelegentlich des Zuges Karls des Groſsen
gegen Desiderius folgendermaſsen:


„Da sah man ihn selbst, den eisernen Karl, bedeckt mit einem
eisernen Helm. Die Arme mit eisernen Schienen bewehrt, die
eiserne Brust und die breiten Schultern durch einen eisernen Har-
nisch geschützt. Die Linke faſste die eiserne Lanze, hoch, auf-
gerichtet, denn die Rechte war stets für das siegreiche Schwert bereit.
Die Schenkel, welche von Anderen, um leichter zu Pferde steigen zu
können, freigelassen zu werden pflegen, waren bei ihm auſserhalb
[862]Panzer- und Helmschmiede.
durchweg mit eisernen Schuppen besetzt. Die eisernen Schienen
der Unterschenkel brauch ich wohl nicht zu erwähnen, denn die waren
bei dem ganzen Heere üblich. An seinem Schild sah man nichts als
Eisen. Auch sein Roſs erschien eisern von Farbe und von Mut.
Und solche Rüstung hatten alle, sowohl die, welche ihm vorauszogen,
als auch die, welche ihm zur Seite gingen, und die, welche ihm nach-
folgten, wie überhaupt von der gesamten Heeresmacht, soweit es
die Kräfte des einzelnen erlaubten, nachgeahmt. Eisen erfüllte
Felde und Wege. In seinem Glanze spiegelten sich die Strahlen der
Sonne und wurden zurückgeworfen. Das von Schrecken erstarrte Volk
huldigte dem kalten Eisen und das Entsetzen vor seinem Glanze
drang tief unter die Erde hinab.“


In den Kapitularien von 801 und 805 werden Armschienen (ar-
millae), Helme, Schilder, Beinschienen und Harnische (lorica brunniae)
genannt, welche diejenigen tragen sollten, welche über 12 „Mansen“
Land besaſsen.


Gegen Ende des 9. Jahrhunderts trat bei den Schuppenpanzern
und Helmen eine Änderung insofern ein, als man anfing, den Blechen
die Form von breiten Schindeln und Rauten zu geben und die kappen-
artigen Helme höher zuzuspitzen 1). Nach dem Walthariliede, welches
wohl aus dem Ende des 10. Jahrhunderts stammt, trug Walthari auſser
dem Panzer (lorica) einen edelsteingeschmückten Rundschild, einen
Helm mit rotem Kamm und goldene Beinschienen. Im 11. Jahrhundert
wurde das feinere Geflecht bei den Ringelpanzern eingeführt, statt der
älteren groſsen Ringe und zwar wurden diese entweder wie ein Ge-
flecht dargestellt oder auf einem nicht zu dickem Zeug, gewöhnlich
Leinwand, dicht neben einander aufgenäht, ähnlich den „geschobenen“
Ringharnischen. Das Scheibenhemd (cotte à rondages) wurde im
Gegensatze zu dem Schuppenpanzer besonders in Frankreich und Eng-
land eingeführt. Bei den Helmen wurde die Schutzspange für das
Gesicht, das „Nazal“ oder Naseneisen angebracht und wurde dieses
oft bis zum Kinn verlängert. Die Helme selbst waren meist aus
starkem Eisenblech kegelförmig oder haubenförmig mit starkem Helm-
rad hergestellt. Das „Nazal“ wurde öfter nach rückwärts bis über das
Genick verlängert. Diese verstärkten Plattenhelme pflegte man über
die mit dem Ringelpanzer verbundene Ringelkappe zu setzen. Im
12. Jahrhundert änderte sich die Panzerung wenig, nur strebte man
sie reicher in Dekoration und Ausstattung zu machen. Im Rolands-
liede, das aus dieser Periode stammt, heiſst es:


[863]Panzer- und Helmschmiede.
„Der helme hiez venerant

Den der held ufband,

Mit golde beworchten

Den di haiden harte vorchten,

Mit güldenen Buchstaben

Was an dem listin ergraben.“

Die Ringelpanzer, die in den früheren Jahrhunderten nur eine
Wehr der Reichen und Vornehmen gewesen waren, wurden allgemeiner.


Im 13. Jahrhundert1) wurde die Ausrüstung der Streitrosse
mit Panzerhemden, resp. eisengeflochtenen Überhängedecken und
Brustschürzen allgemein.


Der Helm veränderte sich in der Art, daſs man den bis zur
Nase ringsum geschlossenen Helm durch Anfügen eines ebenfalls
ringsum geschlossenen Kinnschutzes (Bart, Barbet, Barbior, Barbiere)
bis zu den Schultern verlängerte. Dieser Unterteil wurde mit Luft-
löchern versehen. Der Panzer blieb das geflochtene Kettenhemd
(Iserkolze auch Halsberge genannt).


Die Ausstattung wurde immer reicher, namentlich bei den Helmen,
worauf bereits Schwäne, Engel u. s. w. abgebildet und die Kreuzbügel
vergoldet wurden.


Was die Technik anlangt, so wurden die leicht erreichbaren
Stellen des Körpers, besonders die Schultern mit Blechen, d. h. mit
übereinandergreifenden, langen Blechschuppen verstärkt. In der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verbreitete sich der geschlossene
Brustharnisch, der Korazin (woraus unser jetziges Wort Küraſs).
Ebenso wurden die Handschuhe „verblecht“ und statt der Kettenkapuze
ein im ganzen getriebener Helm, ein Spitzhelm allgemein. Daneben
entwickelte sich der vaz-helm (Faſshelm), den man schon vor dem
Gesichte zu vergittern anfing. Es entstand das erste wahre Visier.
Dies bildete den Übergang zu den Plattenharnischen. Ein Ritter jener
Zeit rühmt sich in Horneks Reimchronik:


Ihrer besten Schützen viere

Lieſs ich mit Willen zu mir

Ihn Schussen statten,

Wenn ich in meiner Platten

Und meinem helmvaſs bin;

Mir mugen von ihr Traſs

Schieſsend als wahl genesen.

Bei den Turnieren ritt stets der Hofschmied (marschal ferrant)
mit, um den Rittern zu helfen.


[864]Panzer- und Helmschmiede.

Über die Fortschritte der Panzerrüstung im 14. Jahrhundert läſst
sich nicht viel sagen. Da die Handfeuerwaffen noch selten in An-
wendung waren, so war die Verstärkung der Rüstungen noch mehr
durch die Bedürfnisse des Turniers bedingt. Man fuhr fort, die
Ringelpanzer durch Platten zu verstärken 1). Solche Panzer nannte
man Hauber (Hauberge-cotte de mail), analog den Beinschienen, welche
Bainbergs — Beinbergen — hieſsen. Bei französischen Schriftstellern
kommt in diesem Jahrhundert zuerst der romanische Ausdruck broigne
vor, was später die geschlossene Panzerrüstung heiſst. Im 15. Jahr-
hundert wurde der Gebrauch der Feuerwaffen im Kampfe allgemeiner
und zum Schutze gegen diese gelangten die geschlossenen Platten-
harnische in Anwendung. Die geschlossene Schutzrüstung (broigne) mit
möglichster Beseitigung des Ringelflechtwerkes wurde allgemein. Ber-
lepsch bemerkt hierüber 2):


Die Plattenpanzer, auch Krebse genannt, von der Ähnlichkeit des
Brustharnisches mit einer Krebsbrust 3), entstanden zum Schutze gegen
stärkere Geschosse, besonders nach Erfindung des Schieſspulvers. Sie
waren viel fester und stärker, freilich auch schwerer als die Ringel-
und Schuppenpanzer. Sie sind neben den Hauben wahre Triumphe
der Treibarbeit und der Hohlschmiedekunst. Man unterschied ver-
schiedene Teile, das gewölbte Stück, welches die Brust bedeckte, wurde
vorzüglich Harnisch oder Harnasch genannt, obgleich auch der Helm
und die Beinschienen als Haupt- und Beinharnische erwähnt werden.
Da der Harnisch das Hauptziel der Stoſs- und Wurfwaffen war, so
muſste er besonders stark und sorgfältig gearbeitet sein. Der Brust-
platte entsprach eine Rückenplatte, beide waren durch Riemen ver-
bunden. An den Harnisch schlossen sich die mit verdeckten Schnallen
befestigten Armberge oder Armschienen an. Die Röhren des Ober-
armes waren entweder durch Riemen oder Kettchen verbunden und
waren so ausgeschnitten, daſs sie sich bei der Krümmung des Armes
ineinanderschoben. Die durch die Armberge unbedeckten Teile des
Armes wurden durch besondere Schutzstücke, meist Ringel- oder
Panzerstücke geschützt. Die vollkommensten Rüstungen hatten aber
an den Beugestellen des Armes und des Beines ein System von inein-
andergreifender Ringcharniere.


Der Leib unter der Brust war geschützt durch die „Glogge“, meist
[865]Panzer- und Helmschmiede.
aus sich ineinanderschiebenden Ringen gefertigt. Die Beine waren
zunächst durch die ledernen „Gurthosen“ bedeckt, auf welche die den
Armbergen analogen Beinbergen aufgeschnallt waren. Das Knie war
besonders geschützt durch eine starke, oft in eine Spitze zulaufende,
aufgeschnallte Platte von Eisen. Unter dem Harnisch pflegte man
einen gesteppten oder gefütterten Lederwams (gambesson, vambasium)
zu tragen, um den Druck zu mindern.


In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erhielt die Kon-
struktion der geschlossenen Panzerrüstung ihre Vollendung, so daſs
sie von da ab keine wesentliche Veränderung mehr erfuhr, dagegen
wendete man später immer gröſsere Mühe und Kunst auf die De-
koration der Rüstungen, die ja im 16. Jahrhundert durch die fort-
schreitende Verbesserung der Schuſswaffen eigentlich nur noch als
Prunkwaffen getragen wurden. Es ist bewundernswert, welche Kunst-
fertigkeit und Fleiſs im Gravieren, Ätzen, Vergolden, Tauschieren an
Panzern und Helmen verwendet worden sind. Die gröſsten Künstler
verschmähten es nicht, Entwürfe und Zeichnungen zu diesen Arbeiten
zu liefern oder sie selbst auszuführen. Zunächst schlug man die über-
einandergreifenden Platten bortenartig aus und verzierte sie durch
Gravierung und Vergoldung. Dann aber schmiedete man die Haupt-
teile selbst mit Kehlungen aus, sowohl zur Verzierung als zur Ver-
stärkung. Der prachtliebende Hof von Burgund war es, der hierin
am meisten tonangebend war. Bei den Helmen werden wir Gelegen-
heit haben, hierauf zurückzukommen.


Was die gewerblichen Verhältnisse der Panzerschmiede anlangt,
so läſst sich auch hier eine weitgehende Arbeitsteilung, ähnlich wie bei
den Solinger Schwertschmieden nachweisen. Eine sehr alte, aber
bereits mit dem Ausgange des Mittelalters verschwundene Zunft
bildeten die Sarworchten1) (Sarwurche, Sarwetter, Salwurchte, Sal-
bürche, Salwirthe); dieses waren die Ringelpanzerschmiede,
ein längst verschollenes Gewerk, von dem sich nur nachweisen läſst,
daſs sie Eisen verarbeiteten und daſs es Kaltschmiede waren. Im
alten Freiberger Stadtrecht werden um 1307 die „Zarworchten“ genannt,
als mit den Schmieden und Plattnern eine Zunft bildend. Im Jahre 1348
wird ein „Sarworchter“ namens Herl als einer der verwegensten Kämpfer
im Nürnberger Aufstand genannt und wir erfahren, daſs im Jahre 1477
die „Sarwurchen“ aufhörten dort eine besondere Zunft zu sein.


Beck, Geschichte des Eisens. 55
[866]Panzer- und Helmschmiede.

Die Plattner und Harnischmacher, d. h. diejenigen Schmiede,
welche das Recht hatten, die Plattenharnische zu machen, waren meist
zunftmäſsig mit den Hauben- und Helmschmieden verbunden, von denen
sie aber sonst geschieden waren, d. h. die Plattner durften keine
Helme und die Haubenschmiede keine Panzer machen. In Nürnberg
bildeten die Plattner und die Haubenschmiede eine der ältesten und
angesehensten Zünfte 1). Von Plattnern zu Nürnberg werden ge-
nannt um:


  • 1334: Heinrich de Wiene. Roschlaup.
  • 1420: Bernhard. Albrecht Sporer.
  • 1422: Heintz Spieſs.
  • 1533: Conz Flock.

Im 15. und 16. Jahrhundert findet man die Plattner noch häufig,
nachher aber immer seltener. Wie es scheint, waren von ihnen ge-
trennt die Harnischpolierer, sie polierten auf einer Bank mit Zapfen
und faſsten mit beiden Händen ein langes Holz, auf welchem der
Polierriemen aufgespannt war.


Als Harnischpolierer Nürnbergs werden genannt um:


  • 1397: Hans von Plech.
  • 1420: Gorg, ein Polierer.
  • 1496: Hanns Derrer, ein Harnischpolierer und
  • 1483: Hanns Pernecker, ein Harnischpolierer.

Ums Jahr 1500 und später wird oft eines Wilhelm von Worms
als eines Plattners zu Nürnberg gedacht, der wegen seiner trefflichen
Arbeit und Kunst, die er in Stahl und Eisen verfertigte, bei Fürsten
und groſsen Herren in besonderem Ansehen stand. Er starb 1535 und
hinterlieſs einige Söhne, die eben so geschickt als der Vater waren.


Müssen wir die Kunst der Treibarbeit, sowie der Dekoration an
den Harnischen bewundern, so ist dies in noch höherem Maſse bei den
Helmen jener Zeit der Fall.


Der Helm muſste gleich dem Brustharnisch mit Mühe und
Sorgfalt aus zähem Eisen oder Stahl getrieben werden. Das Helm-
haupt bestand aus zwei Teilen, die meist in einer Naht vom Nacken
über den Scheitel zur Stirne verbunden waren. Beide Hälften muſsten
hohl mit Rundhämmern aus freier Hand ausgetrieben werden. Dieses
Hohltreiben unterschied den Helmschmied von dem Plattner, die im
Handwerk getrennt, doch zu einer Innung gehörten. Die einfachen
Hauben waren aus zwei Blechhälften vernietet, die Pickelhauben mit
[867]Panzer- und Helmschmiede.
Stirnschild öfter aus vier Teilen, beide waren mehr die Helme der ge-
meinen Krieger. Der eigentliche Helm mit Visier und Zimier (Helm-
zeichen) war ein Vorrecht des wirklichen Ritters. Beim Turnier
unterschied man den offenen Helm oder Schimpfhelm, bei dem das
Gesicht entweder unbedeckt oder nur durch Stangen, ähnlich einer
Fechtmaske bedeckt war (diese diente beim Kampfe mit Schwert
und Kolben), und den geschlossenen Helm, Stechhelm, den man
beim Turnier im hohen Zeug, wobei mit Lanzen gekämpft wurde

Figure 271. Fig. 271.


oder im Kriege trug. Letztere hatten nur kleine Löcher zum Sehen
und Atemholen und entsprachen den früher erwähnten Topfhelmen.


Die Treibarbeit an den Helmen ist oft erstaunlich. Häufig sind
Tierköpfe oder sonstige Figuren in hohem Relief ausgetrieben. Die
Helmschmiede von Nürnberg waren besonders berühmt, wie oben
bereits erwähnt wurde.


Die technischen Leistungen der Helm- und Panzerschmiede dieser
Periode waren höchst bedeutend und wenn sie auch noch von den

Figure 272. Fig. 272.


Arbeiten des 16. Jahrhunderts in bezug auf Reichtum der Formen und
der Ausschmückung übertroffen werden, so zeigt sich die Kunst zu
Ende des 15. Jahrhunderts in bezug auf Geschmack und Gediegenheit
bereits auf ihrer Höhe.


Es würde zu weit führen, die Entwickelung der Eisenrüstungen
im Mittelalter genauer zu schildern, wir beschränken uns auf die Vor-
55*
[868]Panzer- und Helmschmiede.
führung einzelner Teile, um am Schluſs die Zusammenstellung derselben
an einer vollständigen Rüstung zu erläutern.


Die Eisenrüstung bestand aus zwei Hauptteilen, aus der Rüstung
des Kopfes und der des Körpers. Der Helm schützte den Kopf, der
Panzer den Leib. In den Kämpfen gegen die Römer trugen die Ger-

Figure 273. Fig. 273.


manen noch keine Eisenhelme, der gemeine Mann wenigstens kämpfte
ohne allen Kopfschutz, auſser dem, den ihm sein starker Haarwuchs
gewährte. Im Mittelalter aber trifft man schon in früher Zeit den
Eisenhut und den Eisenhelm 1). Fig. 271 zeigt Helme der karolingi-

Figure 274. Fig. 274.


schen Zeit, a den einfachen Hut, b und c Helme mit Kämmen, bereits
verziert 2).


Im 10. Jahrhundert begegnen wir mehr den haubenartigen Helmen,
teils an die phrygische Kappe erinnernd, teils mehr der Pickelhaube
ähnlich und öfter mit einem Gesichtsschutz versehen, der Nasenberge
(Schienenbart, nasal, Fig. 272 und 273). Dieser runde oder konische
Helm wurde meist über die Kappe oder Kapuze des Maschenhemdes
gestülpt.


[869]Panzer- und Helmschmiede.

Oft trug man auch unter dem Glockenhelm eine besondere Ring-
haube (französ. camail, engl. mail-capuchin), die mit dem Panzerhemd
verbunden war.


Als infolge der Entwickelung der Angriffswaffen die Schutzwaffen
im allgemeinen schwerer und stärker wurden, bildete sich der Kopf-

Figure 275. Fig. 275.


schirm nach diesen beiden Richtungen hin aus. Aus der Ringhaube,
dem camail, entwickelte sich die kleine Kesselhaube, bacinet. Über
dieser und der Hirnkappe (cervelière) wurde der schwere Topfhelm
(franz. heaume, engl. pot-helm), Fig. 274, gestülpt, allerdings nur beim
Kampf und beim Turnier, während er sonst an einem Riemen am Sattel

Figure 276. Fig. 276.


hing. Der unförmige Topfhelm erhielt sich besonders als sogenannter
Stechhelm (Fig. 276 b) bei Turnieren.


In der Schlacht trug man häufiger die groſse Kesselhaube (Fig. 275).
Auch diese war plump und schwer und wurde durch leichtere Helm-
formen, namentlich im 15. Jahrhundert durch die Schale (salade)
(Fig. 277 a) verdrängt. Die Schale hatte einen breiten Nackenschutz
[870]Panzer- und Helmschmiede.
und wurde meist mit einem Kinnstück (Fig. 277 b) getragen, das mit der
Halsberge verbunden war.


Mit dem Topfhelm sowohl, als mit der Haube und der Schale
verband man nach und nach bewegliche Visiere zum Schutz des Ge-
sichtes. So entstand der Visierhelm (Fig. 277 c), der im 15. Jahrhun-
dert in Aufnahme kam. Ihre Vollkommenheit erreichte diese Helm-
form im 16. Jahrhundert in dem sogenannten Burgunderhelm (franz.
bourgignote, engl. burgonet), besonders bezüglich des Reichtums der
Dekoration.


Die erwähnten Helme, wie die daneben gebräuchlichen, einfachen
Hüte und Kappen (Fig. 277 d, e, f) liefern den deutlichen Beweis für die

Figure 277. Fig. 277.


hohe Schmiedekunst, namentlich die erstaunliche Geschicklichkeit im
Treiben des Eisens in jener Zeit.


Noch mannigfaltiger wurde die Arbeit der Panzerer, als sich aus
dem einfachen Panzerhemd nach und nach die komplizierte Platten-
rüstung entwickelte, die den ganzen Körper umhüllte, zugleich aber
durch Charniere und ineinandergreifende Schienen vollkommen beweg-
lich war. Wir haben bereits oben ausgeführt, wie aus dem Wams mit
aufgenähten Schuppen oder Ringen, sowie aus dem geflochtenen Eisen-
hemd, der Kutte, franz. cotte, deren Ringe durch Stiftchen vernietet
waren (die sogenannte Gerstenkornvernietung, franz. à grains d’orge),
[871]Panzer- und Helmschmiede.
sich der Plattenpanzer dadurch entwickelte, daſs man die gefährdetsten
Teile durch eiserne Platten, die über dem Panzerhemd getragen wurden,
schützte. Aus der Brustplatte entstand dann der Küraſs, dessen alter,
fremdartiger Name Korazin vielleicht von Khorassan, der durch ihre
Waffenschmiede berühmten Stadt in Persien, abstammt. Der Korazin
war der groſse, geschuppte Haubert 1), während man den Schalenküraſs
„Krebse“ nannte, wegen der Ähnlichkeit des Brust- oder Rücken-
schutzes dieser Tiere 2).


Wir können nicht die Entwickelung der Plattenrüstung in
allen ihren Teilen bis zu den Handschuhen mit gefingerter Tatze
(à doigts separés) und den langen Schnabelschuhen (à la poulaine)
verfolgen und begnügen uns, die Zeichnung und Beschreibung einer
gotischen Plattenrüstung bester Arbeit vom Ende des 15. Jahrhunderts
mitzuteilen. Dieselbe wurde getragen von dem Ritter Wilhelm von
Bibra, der als ein General Kaiser Maximilians im Jahre 1490 zu Verona
starb, wo er auch beigesetzt wurde. Ich verdanke die Zeichnung
(Fig. 278, a. f. S.) der Güte eines seiner Nachkommen, des Freiherrn
W. S. von Bibra zu Wiesbaden.


a. Der Vorhelm (franz. haute pièce, engl. volant piece) ist eine Kriegsschale
(salade).


b. Kinnhelm (franz. mentonière mobile, engl. great mentonniere) mit Kehl-
stück, verbunden mit


c. der Halsberge (franz. colletin, hausse-col, engl. neck-collar).


d. Küraſs und zwar ein gotischer Grätenküraſs, die schönste Panzerform, mit
Brustplatte (franz. plastron, engl. breast-plate) und Rückenplatte (franz. dossière,
engl. backplate).


e. Die Achselstücke (franz. épaulière, engl. shoulder-plates) mit f den Achsel-
höhlscheiben (franz. rondelles de plastron, engl. arms-rondels).


An diese schlieſst sich das Armzeug, bestehend aus g den Armschienen (bras-
sards) und h den Meuseln oder Ellbogenkacheln (franz. culitières, engl. ellbow-
pieces).


An den Küraſs schlieſst sich i der Vorderschurz (franz. braconnière, engl. great
brayette), an diesen sind k die Krebse (tassettes), welche die Oberschenkel schützen,
mit Riemen befestigt. Darunter ragt das Panzerhemd l, das den Unterleib deckt, vor.


Die Schenkel sind durch die Schienen m (cuissards), auch Dielingen genannt,
geschützt. An diese schlieſsen sich n die Kniestücke (franz. genoullières, boucles, engl.
knucaps). Das untere Bein ist geschützt durch die Beinschienen o (franz. greves oder
jambières doubles, engl. greaves). Die Füſse sind bekleidet mit p den Rüst- oder
Eisenschuhen (franz. sollerets oder pédieux, engl. sollerets oder goads) mit Schnabel
(à la poulaine), die Hände mit Kampfhandschuhen q (franz. gantelets, engl.
gauntlets) mit gefingerter Tatze (franz. à doigts séparés, engl. articulated gaunt-
lets). Das mächtige Schlachtschwert (r) hängt zur Linken, die Rechte stützt den
Streithammer (s), dessen Schaft mit Goldnägeln beschlagen ist.


[872]Panzer- und Helmschmiede.

Das reiche Bild giebt uns einen Begriff von der Kunstfertigkeit
der Panzerschmiede jener Zeit.


Figure 278. Fig. 278.

Älter noch als die Zunft der Plattner und Haubenschmiede war
die der Schildmacher oder Schilderer. Bereits unter Karl dem
[873]Hufschmiede.
Groſsen werden diese als ein selbständiges Gewerbe genannt und als
Zunft als soliditas clypeariorum wurden sie bereits vom Erzbischof
Ludolph von Magdeburg 1194 bestätigt und mit besonderen Freiheiten
begabt 1).


Zur Ausrüstung des Pferdes gehörten die Steigbügel und Hufeisen.
Römer und Griechen ritten ohne Sättel und Steigbügel. Letztere
werden zuerst in einem Buche des Mauricius von der Kriegskunst im
6. Jahrhundert erwähnt, sodann im 7. Jahrhundert von den Schriften
des Isidor. Sporen dagegen kennt man aus älterer Zeit und sind
z. B. auf der Salburg eine groſse Anzahl eiserner Sporen ausgegraben
worden.


Bemerkenswerter ist die Geschichte der Hufeisen und der Huf-
schmiede. Die griechischen und römischen Schriftsteller erwähnen die
eigentlichen Hufeisen nicht. Polybius, Xenophon und Pollux haben
ausführlich die ganze Ausrüstung der Pferde beschrieben, ohne auch
nur ein einziges Mal der Hufeisen zu gedenken. Ebensowenig finden
sie sich auf irgend einem Skulpturwerke der Alten abgebildet. Das
einzige Beispiel, der beschlagene Huf eines Reiterbildes der Hadria,
wird für eine Fälschung oder vielmehr für ein unkritisches, späteres
Flickwerk des verloren gegangenen Pferdefuſses betrachtet. Auch
heute bedient man sich weder in Äthiopien, in der Tatarei, noch in
Japan des Beschlages.


Appian berichtet 2), daſs als Mithridates Cycicus belagerte, er die
Reiterei zurückschicken muſste, weil die Hufe der Pferde ganz ab-
genutzt und wund waren. Ähnlich ging es mit der Reiterei des
Alexander. Dagegen suchten die Alten Pferde mit harten Hufen aus
und wendeten allerlei Mittel an die Hufe zu festigen. Solcher Mittel
erwähnt bereits Xenophon. Das gebräuchlichste war, die Pferde von
Jugend an auf hartem Pflaster gehen und stehen zu lassen. Eherner
Hufe erwähnen die Dichter öfter. Der Dichter der Argonautica
schildert den feuerschnaubenden Stier, der mit ehernem Huf den Boden
aufwühlt. Doch ist hier keinenfalls ein Beschlag gemeint, sondern
ehern steht hier nur dichterisch für fest, hart. Mancherlei andere
Vorrichtungen zum Schutze des Hufes, die aber mit dem eigentlichen
Beschlage nichts zu thun hatten, kannten die Alten. So waren die
Kamele, welche die Lasten durch die Wüste schleppten, zum Schutze
gegen den heiſsen Sand mit einer Art von Schuhen bekleidet. Dies
[874]Hufschmiede.
berichten Aristoteles und Plinius 1). Xenophon erwähnt einer Art
von Socken, welche asiatische Völker ihren Pferden anzogen, wenn
sie durch den Schnee laufen muſsten. Auch die Römer bedienten
sich ähnlicher Mittel, teils zum Schutz, teils zum Schmuck der Hufe
der Pferde und öfter noch der Maultiere. Den Ausdrücken der klassi-
schen Schriftsteller nach war die solea, mit denen Pferde zeit-
weise bekleidet wurden, ein Schuh, der den ganzen Fuſs umschloſs,
an den Köthen durch Riemen befestigt und dessen Sohle mit einer
eisernen Platte verstärkt war (solea ferrea). Diese Schuhe trugen die
Tiere nicht beständig, sondern sie wurden unterwegs angezogen, wenn
die Beschaffenheit des Weges dies erheischte. Dafür sprechen die
Ausdrücke, welche sich auf die Art des Anlegens dieser Schuhe be-
ziehen, wie mulas calceare 2) und mulis soleas induere 3). Bei der zu-
nehmenden Üppigkeit und Prunksucht begnügte man sich aber nicht
mit der solea ferrea. Abgesehen daſs zuweilen die Hufe der Pferde
vergoldet wurden, wie dies von Commodus berichtet wird, so ersetzte
man die eiserne Sohle oft durch eine Platte von Silber (solea argentea),
wie dies von Nero erwähnt wird 4) oder gar von Gold (solea ex auro),
womit Poppäa, die Gemahlin Neros, ihre zarteren Zugtiere bekleiden
lieſs 5). Die eiserne Platte ging zuweilen verloren oder blieb im Kot
stecken, wie dies aus einer Stelle des Catull hervorgeht 6).


Auch die eisernen Schuhe, die zum Schutz kranker Hufe den
Pferden von den Römern angelegt wurden, die sich mehrfach in römi-
schen Ansiedelungen gefunden haben und von denen der nebenstehend
abgebildete vom Dimeser Ort bei Mainz ein charakteristisches Bei-
spiel giebt (Fig. 279 a), waren keine Hufeisen in unserm Sinn, sondern
wurden mittels Riemen am Bein des Pferdes befestigt. Der erwähnte
Schuh hat drei stollenartige Ansätze. Auch römische Hufschneide-
messer von Eisen sind gefunden worden (Fig. 279 b).


Wann und wo sind aber die eigentlichen Hufeisen entdeckt oder
zuerst angewendet worden? Diese Frage ist noch immer eine contro-
verse. Die meisten Altertumsforscher hielten seither an der Ansicht
fest, daſs die Anwendung der Hufeisen eine Erfindung des Mittelalters
sei und den Römern gänzlich unbekannt gewesen. Zwar waren auch
früher schon manche Hufeisenfunde bekannt, die man der Fundstelle
nach für römisch hätte halten müssen, wenn man sich nicht mit der
[875]Hufschmiede.
Erklärung geholfen hätte, das Eisen sei zufällig an dieser Stelle
in weit späterer Zeit einem Pferde verloren gegangen. Gegen diese
Annahme war es schwer, den Gegenbeweis zu erbringen, indessen
muſste die Häufigkeit der Funde die Sicherheit dieser Annahme bereits
zweifelhaft erscheinen lassen. Bei den Ausgrabungen auf der Salburg
sind nun neuerdings Hufeisen in solcher Anzahl und unter solchen
Verhältnissen gefunden worden, daſs wohl kein Zweifel mehr darüber
bestehen kann, daſs die Pferde und Maulesel, deren sich die Römer auf
der Salburg als Zugtiere bedienten, mit wirklichen Hufeisen beschlagen
waren. Herr Stadtbaumeister Jacobi, der mit Herrn Oberst von

Figure 279. Fig. 279.


Cohausen die Ausgrabungen auf der Salburg leitet, schreibt mir unter
anderem Folgendes:


„Bis zum Jahre 1882 haben wir bereits 51 Stücke respektive Bruch-
stücke von Hufeisen gefunden, darunter befinden sich 28 Stück fast
vollständig erhaltene, denen man ansieht, daſs sie im Gebrauch waren.
Voriges Jahr fanden wir in der Ecke eines alten Baues, den man, da
er gepflastert ist, als Stall annehmen kann, 7 Stück Hufeisen zusammen
liegend. Durch diesen Fund läſst sich nachweisen, daſs die Hufeisen
nicht im Mittelalter beim Holzabfahren einzeln verloren gingen, auſser-
dem lagen dieselben so tief, daſs eine solche Annahme ausgeschlossen
ist. In den letzten Tagen (September 1883) haben wir ganz in der
Nähe der obigen Fundstelle drei Stück ganze Hufeisen und zwei Bruch-
stücke solcher gefunden. Dieselben lagen in der Stückung einer alten,
römischen Straſse, die von den Römern bereits aufgegeben war und
worüber römische Baureste einer späteren Periode stehen. Es geht
daraus hervor, daſs die Römer nicht nur die Hufeisen in der letzten Zeit
ihres hiesigen Aufenthalts kannten, sondern auch schon viel früher.
[876]Hufschmiede.
Diese aufgefundene Straſse datiert sicher aus dem Anfang des zweiten,
wenn nicht schon aus dem Ende des ersten Jahrhunderts.“


„Es kamen Hufeisen mit römischen Legionsziegeln zusammen-
gerostet vor, auch schon öfters mit römischen Waffen.“


Die Hufeisen der Salburg sind sehr verschieden in Form und
Gröſse und scheinen nicht nur für Maultiere, sondern auch für Zug-
pferde gedient zu haben. Sie sind meist am vorderen Rande, manch-
mal bis zur Messerschärfe abgearbeitet, was auch beweist, daſs die
Tiere zum Heraufziehen und Schleppen der Lasten die steile Straſse
hinan verwendet wurden. Die häufigste Form ist die Fig. 280 a dar-

Figure 280. Fig. 280.


gestellte, es scheint dies auch die ältere Konstruktion zu sein, nach
dieser kommen die Fig. 280 b abgebildeten am zahlreichsten vor.


Auch Quiquerez hat bei seinen Ausgrabungen eine so groſse
Anzahl sehr alter Hufeisen, die nach seiner Angabe der vorrömischen
Zeit angehören, gefunden, daſs von zufällig verlorenen Eisen füglich
nicht mehr die Rede sein kann. Er schreibt diese Hufeisen der ersten
Eisenzeit zu. Bei Bellelay fand sich ein solches unter einer Torfschicht
von 12 Fuſs Dicke, dem er ein Alter von zwei Jahrtausenden zu-
schreibt. Eine groſse Anzahl fand sich auf einer alten gallischen
Straſse, über welche eine Römerstraſse, die dem Anfang unserer Zeit-
rechnung angehört, hinführt. Andere fanden sich an solchen Orten,
wo nur vorrömische Gegenstände ausgegraben wurden. Von den von
[877]Hufschmiede.
Quiquerez abgebildeten Hufeisen teilen wir nebenstehend nur das von
Bellelay in ⅓ natürlicher Gröſse mit (Fig. 281).


Aus dem Angeführten müssen wir schliessen, daſs zur Zeit als die
Römer in Deutschland vordrangen, der Hufbeschlag nördlich der Alpen
bereits bekannt und in Anwendung war.


Erwägt man, wie das rauhe Klima, Schnee und Eis im Winter
einerseits, die mangelhaften Wege in den Gebirgen Mitteleuropas den
Hufbeschlag der Lasttiere, sobald man anfing dieselben zum Ziehen
von Lasten zu verwenden, notwendig machten, so erscheint es uns
nicht erstaunlich, daſs die Bewohner der nördlichen Gegenden, die
mit dem Eisen wohl vertraut waren, früher zu der Anwendung des Huf-
beschlages geführt wurden, als die Römer in Italien, die den Huf-
beschlag auch wohl nie bei sich einführten, wohl aber in den fremden

Figure 281. Fig. 281.


Figure 282. Fig. 282.


Figure 283. Fig. 283.


Provinzen die eisenbeschlagenen Pferde der Germanen und Gallier
benutzten.


Hufeisenfunde aus dem frühen Mittelalter sind selten und Nach-
richten über Hufbeschlag kaum vorhanden.


Das Bruchstück eines Hufeisens soll im Grabe Childerichs († 481)
bei Tournai gefunden worden sein. Es ist das Bruchstück einer runden
Eisenscheibe mit vier Löchern, ohne Stollen, Griff oder Kappe (Fig 282).
War es überhaupt ein Hufeisen — Lindenschmit hält es eher für
das Bruchstück eines Schildbuckels 1) — so ähnelte es weniger den
unserigen, als den alten scheibenförmigen Eisen der Orientalen,
namentlich denen der Perser und Türken. Verfasser besitzt ein solches
altpersisches Hufeisen, welches aus einer fast kreisrunden, etwas ellip-
tischen Scheibe besteht mit einem fingerweiten Loch in der Mitte, ohne
[878]Hufschmiede.
Stollen und Kappe (Fig. 283 1)). Das Wort σεληναία hat im Spät-
griechischen die Bedeutung Hufeisen. Doch kommt es mit dieser Be-
deutung erst im 9. Jahrhundert zur Zeit Kaiser Leos vor, wobei be-
sonders bemerkt wird, daſs man es mit Nägeln befestigte 2). Die früheste
Erwähnung in einem deutschen Schriftsteller findet sich im Waltha-
rius 3), dessen Abfassung dem 10. Jahrhundert angehört. Es muſs
hervorgehoben werden, daſs, wenn wir von dem Eisen im Grabe Childe-
richs absehen, vor dieser Zeit keine Pferdehufeisen in Gräbern mit
Sicherheit nachgewiesen sind. Man hat nicht selten Pferdeskelette
mit voller Ausrüstung in altdeutschen Gräbern gefunden, so zu Beckum
in Westfalen 17 vollständige Skelette, aber stets ohne Hufeisen 4).
Ältere Maultiereisen sind dagegen nachgewiesen. Es scheint danach,
daſs man die Reitpferde im frühen Mittelalter ebensowenig wie früher
beschlug und damit erst anfing, als durch die Einführung der ge-
schlossenen Eisenrüstungen die ganze Equipierung des Pferdes schwerer
wurde. Zahlreicher sind die Nachrichten aus dem 11. Jahrhundert
und erscheinen Hufeisen von dieser Zeit an in allgemeinem Gebrauch
auch bei der kriegerischen Ausrüstung.


Als Markgraf Bonifaz von Toskana im Jahre 1038 seine Braut
heimholte, trieb er solche Verschwendung, daſs er, wie berichtet
wird, sogar die Hufe der Pferde seines Gefolges mit Silber beschlagen
lieſs und wenn ein silberner Nagel losging, so durfte der Finder ihn
behalten.


In Brunos Sachsenkrieg heiſst es zum Jahre 1079: Als Godebald
(ein tapferer Ritter und Anhänger Heinrichs IV.) seinem neu beschla-
genen Pferde den Hinterfuſs aufhob, um nachzusehen, ob das Eisen
richtig sitze
, da schlug ihm das Pferd mit selbigem Fuſs an die
Stirn, und so schied er aus dem Leben.


Zu Wilhelm des Eroberers Zeit wird des Beschlagens der Pferde
bei den Normannen gedacht und Henry des Ferres, der mit Wilhelm
nach England kam, soll seinen Namen davon haben. Seine Nach-
kommen führten sechs Hufeisen im Wappen.


Im 12. Jahrhundert gab es in Mailand bereits eine öffentliche
Taxe für den Hufbeschlag 5).


Alter Aberglaube knüpft sich bei den Germanen an das Hufeisen
[879]Hufschmiede.
und dieser darf wohl als Beweis für die frühe Anwendung des Huf-
beschlages angeführt werden. Das Pferd war bei den Germanen dem
Wodan geheiligt. Wodan allein reitet, während Thor fährt oder geht.
Deshalb war das Pferd auch das Opfertier des Wodan und daher
hat der mittelalterliche Teufel seinen Pferdefuſs. Das Pferd war das
vornehmste Opfertier der Germanen und dieser Gebrauch war ihnen
gemeinsam mit Slaven, Finnen, Persern und Indern. Die Germanen
brachten keine Rauchopfer, sondern nur Blutopfer über Opfersteinen
dar. Das Pferd des Freien wurde bei seinem Tode geopfert und mit
den Gebeinen des Herrn verbrannt oder begraben. Hiermit in Ver-
bindung stand mancherlei Aberglaube der Germanen, der sich an das
Hufeisen knüpfte, z. B. daſs, wer ein Hufeisen findet oder nur ein Stück
davon, Glück hat.


Eine alte Regel sagt: „Ist einem etwas gestohlen, so schlage er
einen ungefähr gefundenen Hufnagel auf die Feuerstätte, dann be-
kommt er es wieder.“


Wenn man ein gefundenes Hufeisen an die Hausthür nagelte, so
war dies ein Schutz gegen Zauberei und alles Böse. Diese Sitte hat
sich bis heute bei uns in Deutschland und mehr noch in England er-
halten und ist auf dem Lande noch sehr verbreitet. Selbst die Sitte,
kleine Hufeisen von Gold als Schmuck zu tragen, hat ihre Wurzel mehr
in diesem Aberglauben, als in dem Sport. Darum waren auch die
Hufschmiede, die diese wunderkräftigen Eisen machten, mehr noch als
andere Schmiede für Zauberer angesehen, umsomehr da auch ihre
Werkstätten meist vor dem Ort, oft an den alten Königswegen, auf
denen die Reisenden und Fuhrleute passierten, mitten im Walde lagen,
und noch in unseren Zeiten gehörten die Huf- und Kurschmiede zu
den Leuten, die wenigstens als Wunderdoktoren sich selbst für halbe
Zauberer hielten.


Aus der oft abgelegenen Lage der Hufschmieden an den Straſsen
erklärt sich eine andere mittelalterliche Redensart. Beim Hufschmied
kehrte der Reisende und der Fuhrmann ein, um sein Pferd frisch be-
schlagen zu lassen, und sich, wenn seinem Roſs etwas fehlte, Rats zu
erholen. Natürlich nahm bei diesem Aufenthalt der Reisende gern
einen Schluck und da der Hufschmied im Walde sich vor dem wach-
samen Auge des Büttels nicht zu scheuen brauchte, so schenkte er
auch gern einen, natürlich gegen gute Zahlung. Dadurch kam es
aber, daſs nach und nach die Hufschmieden an den Landstraſsen zu
verrufenen Schenken wurden, in denen sich besonders solche lieder-
liche Gesellen gern aufhielten, die sich den Augen ihrer ehrsamen
[880]Hufschmiede.
Mitbürger entziehen wollten. Der Hufschmied, als Wunderdoktor ein
schlauer Patron, war aber auch ein Gelegenheitsmacher, und da die
Schmiede ein günstiger Platz für geheime Begegnungen war, so hatte
die Hufschmiede meist auch den Ruf eines liederlichen Hauses. Daraus
entwickelte sich denn wohl auch der geläufige Euphemismus, „sie hat ein
Eisen verloren oder abgerennt“ (infolgedessen sie bei der Schmiede
einkehren muſste) in der Bedeutung, sie hat ihre Unschuld verloren.
Zu den „abgeritten Eysen“ heiſst die Hufschmiede im Sinne eines
Bordells 1). In den Fastnachtsspielen heiſst es:


„Da sprach einer, der mir Arges gunt,

Ich hett ein Eisen abgerennt“

und an einer anderen Stelle:


„Da kam einer, der mir viel guts gonnt

Und sprach, sie hat ein Eisen abgerannt.“

Die Hufschmiede bildeten mit den Grobschmieden eine Zunft und
hatten deshalb dieselben Handwerksgebräuche, dieselben Vorschriften
für die Lehrlinge und Gesellen. Hatte der Geselle nach beendeter
Wanderschaft keine Schmiede von seinem Vater ererbt und wollte
selbständiger Meister werden, so muſste er erst in der Stadt, in der er
sich niederlassen wollte, sein „Mutjahr“ abdienen. Dann muſste er eine
ehrbare Jungfer freien, auf der kein Makel ruhte, und diese der Zunft
als seine Zukünftige bezeichnen, sodann muſste er sein ziemlich
schwieriges Meisterstück machen. Dies bestand bei den Hufschmieden
darin, einen vollständigen Hufbeschlag für ein Pferd zu machen, ohne
das Maſs zu nehmen und den Huf näher besehen zu dürfen. Das
Pferd wurde nur zwei- bis dreimal an ihm vorbeigeritten.


In Koblenz z. B. 2) war das Meisterstück „ein Pferd zu beschlagen,
ohne das Maſs des Hufes genommen zu haben. Das Eisen muſste in
zwei Hitzen verfertigt werden. Ferner hatte er ein breites Zimmer-
mannsbeil von einem Werkschuh in seinen drei Angeln zu machen,
wovon das Ohr 5 Zoll hoch sein soll und endlich einen zwei Fuder
Wein tragenden Wagen zu beschlagen, bei jedem Rade nur von einer
Schiene das Maſs zu nehmen und die Rädernägel dazu selbst mit ge-
stämpftem Kopfe zu schmieden.“ Hatte der Schmied sein Meisterstück
bestanden, so muſste er ein Haus erwerben, auf dem die Schmiede-
gerechtsame ruhte 3). Man nannte deshalb solche Häuser „Eheschmie-
den“, weil sie meist durch die Ehe erworben wurden. Dann erst durfte
[881]Zunftwesen.
der junge Schmied das Recht der Innung erwerben, was nicht billig war.
Nach dem alten Freiberger Stadtrecht vom Jahre 1308 kostete die
Innung: „sechz grosen phenninge, die geburn den burgern und czwei
phfund wachzig (Wachs) dy geburn dem Handwerke.“


Ehe wir eine Schilderung der allgemeinen Sitten und Gebräuche
bei dem Handwerk, sowie der Stellung von Lehrling, Geselle und
Meister, insbesondere bei der Schmiede- und Schlosserzunft jener Zeit
geben, wollen wir einige allgemeine Bemerkungen über die Zünfte
nachtragen.


Je mehr sich Handel und Gewerbe in die Städte zog, je gröſser
wurde die politische Bedeutung der Zünfte.


Die Zünfte nahmen auch die Verteidigung ihrer Städte gegen
Feinde und ihres Handels gegen Raubritter in die Hand. Glückliche
Erfolge im Kampfe machten sie bald übermütig und gefürchtet, so daſs
schon 1219 Friedrich II. zu Goslar alle Zünfte aufhob. 1231 und 1232
wurde auf dem Reichstage zu Worms und 1232 zu Ravenna ganz all-
gemein ihre Aufhebung beschlossen. Doch kam diese Maſsregel
schon zu spät und konnte kaum die Bewegung etwas eindämmen.
Besonders in Italien schlossen sich bei den fortwährenden Wirren die
Zünfte eng aneinander. In Pisa werden in jener Zeit sieben Zünfte
genannt, die vielfach noch an die alten römischen Korporationen
erinnern. Es waren die Gastwirte, die Weinschenke, Stahlarbeiter,
Eisenschmiede
, Kürschner, Schuhmacher und Bäcker. In Florenz
bildeten damals auch die Schlosser schon eine besondere Zunft. Von
den selbständigen Bestrebungen der Zünfte giebt ein Statut aus Ferrara
vom Jahre 1287 Zeugnis, worin erwähnt wird, daſs die Schmiedezunft
sich jemanden wählen dürfe, der alle Holzkohlen ankaufen dürfe.
Dies war also, wie es scheint, bereits ein Konsumverein der Klein-
schmiede in ganz modernem Sinne.


Die kriegerische Bedeutung der Zunftgenossenschaften einzelner
Städte wurde so groſs, daſs förmliche Schutz- und Trutzbündnisse
zwischen Fürsten und Handwerksgenossenschaften geschlossen wurden.


Von den zunftmäſsigen Handwerkern, die das Eisen verarbeiteten,
bildeten 1248 die Schmiede bereits in Frankfurt eine Zunft. 1285
wurden die Nürnberger Schwertfeger zünftig. Die Solinger Schwert-
fabriken existierten bereits im 14. Jahrhundert. 1290 wurden in
Nürnberg die cultellatores, die Messerschmiede, zu einer besonderen
Zunft, während neben diesen auch noch Klingenschmiede genannt werden;
1298 werden endlich auch die Sensenschmiede daselbst als Zunft auf-
geführt. Ebenso erscheint 1301 in Augsburg ein „Christian Messer-
Beck, Geschichte des Eisens. 56
[882]Zunftwesen.
schmiedt“, und 1325 ein Heinrich Venediger „cultellator“. 1360
werden in Augsburg Ringeler, Sägeschmieden, Kesselschmieden, Plattner
und Harnischmacher aufgeführt. 1370 erscheinen Nadler und 1380
Fingerhutmacher als selbständige Gewerbe in Nürnberg; 1455 die
Windenmacher und 1460 werden zu Augsburg Nagelschmiede, Sporer
und Amboſsmacher erwähnt.


Wie die Handwerker ihre Rechte gegen den Adel mit dem Schwert
verteidigten, so erkämpften sie sich im 14. Jahrhundert in langen,
blutigen Fehden einen politischen Einfluſs in den Städten selbst. In
Flandern gewannen sie solche Macht, daſs der Genter Bierbrauer
Philipp von Artevelde 80000 Mann gegen den Grafen von Flandern
und den König von Frankreich ins Feld führte. Während aber die
städtischen Gewerbe sich Ansehen und zum Teil groſsen politischen
Einfluſs errangen, blieben die eigentlichen ländlichen Gewerbe selbst
in den Augen der städtischen Handwerker anrüchig und unehrbar.
Es waren dies in älterer Zeit namentlich die Müller, Gerber und
Leineweber. Kein Kind eines Gerbers konnte ein Schmied werden,
denn dazu gehörte vor allem „ehrliche Geburt“ und „ehrliche Eltern“.
Keines Nachtwächters, Musikanten, Turm- und Thorwächters, Barbiers,
Müllers, Gerbers, Leinewebers, Schäfers und Zöllners Kind konnte ein
Schmied werden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Ein Schmiede-
junge muſste darüber ein Zeugnis beibringen, ehe er in die Lehre trat.
Dies war ebenso bei den Stahlschmieden in Schmalkalden der Fall, die
zünftig waren. Dort muſste der Lehrjunge, nachdem er die nötige
Qualifikation nachgewiesen, zehn meiſsnische Gulden Aufdinggeld
geben. Auſserdem muſste er einen Eid der Verschwiegenheit ablegen
und 50 bis 150 Gulden Kaution stellen. Es dauerte 3 bis 5 Jahre, bis
er Unterknecht wurde. Wollte ein Geselle Meister werden, so muſste
er vor allem ein Meisterstück ablegen. Ein Schlosser z. B. muſste im
Mittelalter „ein schlieſsend Schloſs mit Klinke und Riegel und mit
neuen Reifen; ferner ein Schloſs zum Kontorspind mit zwei Klinken
und acht Reifen herstellen“. In Danzig bestand das Meisterstück eines
Sporers in der Anfertigung von einem Paar „Plattensporen mit
einer Decke über den Rädern“, ferner einem Paar „Sporen mit hohen
Borsten“, endlich einem Paar „Wagensporen“.


Für die Panzerschmiede war vorgeschrieben „die Herstellung
eines wälschen Gebisses mit zwei Blumen“, ein Paar guten „Stegreifen“
und „aynen Kropen, der soll offgeschroten sein“.


Dem Grobschmiede in der Jungstadt war als Meisterstück
aufgegeben ein Beil, eine Axt und ein Hufeisen; den Kleinschmieden
[883]Handwerksgebräuche.
ebendaselbst ein Kistenschloſs, ein Klinkschloſs und ein beliebiges
Schloſs; den Messerschmieden ein Kastenmesser, ein Frauenmesser
und ein „Wittink“; den Plattnern ein Paar Handschuh, ein Paar
Vorstellen und eine Brust.


Aber auſser der Anfertigung des Meisterstückes und der Be-
zahlung eines splendiden Mittagsmahles muſste der Schmied noch einen
besonderen Eid leisten, keine Zauberei zu treiben.


In einer alten städtischen Verordnung der Stadt Köln aus dem
Jahre 1427 wurde den Schmiedemeistern von Magistratswegen zur
Pflicht gemacht, „kein Zauberwerk und Beschwörungswesen zu treiben,
noch ihren Jungen derartige teuflische und Satanskünste zu lehren, bei
Lebensstrafe“.


Handwerkssitten und Gebräuche.


Lehrling, Gesell und Meister waren schon im frühen Mittel-
alter die drei Stufen im Handwerk; aus der einen stieg man zur anderen
empor mit feierlichen Gelöbnissen unter allerhand Scherz, Schmauserei
und Unfug. Die Gesellen wurden in den groſsen reichen Städten im
14. und 15. Jahrhundert so mächtig, daſs sie sich eigene Gerichtsbar-
keit anmaſsten und oft reguläre Strikes gegen die Meister und die
Bürgerschaft in Szene setzten, man nannte dies „das Auftreiben“ und
bestand es in nichts anderem, als in Einstellung der Arbeit bei ein-
zelnen oder mehreren Meistern, oder Ausziehen aus der Stadt. Dabei
wurden alle Gesellen für unehrlich erklärt, welche Arbeit bei einem
der in Verruf gethanen Meister annahmen. Ja, die „Brüderschaften“
gingen im Gefühl ihrer Gewalt so weit, daſs sie auch Personen, die nichts
mit einem Gewerbe zu thun hatten, wenn sie sich nach ihrer Meinung
an einem Handwerksgenossen vergangen hatten, vor ihre Gerichtsbarkeit
citierten. So geschah es beispielsweise zu Magdeburg 1).


Der Gewerbsbann der Schmiede in der Stadt Magdeburg umfaſste
nach einer Urkunde des Erzbischofs Günther vom Jahre 1404 die Alt-
stadt, die beiden Vorstädte Neustadt und Sudenburg, die früher
unmittelbar an die Altstadt gebaut waren, und zog sich bis nach dem
ehemaligen Klosterberge nach der Elbe bis an den Ort hin, wo man,
wie die Urkunde spricht, „das Höfft (das Haupt) siehet in de Mure
stecken“. Nach ihren Gewohnheitsrechten dehnten sie aber ihre
56*
[884]Handwerksgebräuche.
Polizeigerichtsbarkeit auf alle in einem Umkreise von vier Meilen und
weiter wohnenden Genossen aus, weil diese keine Lade halten und
keine Innung bilden konnten, mithin zu ihnen halten muſsten. Was
aber in dem vorliegenden Falle besonders auffällt, ist, daſs nicht die
Innung in Magdeburg, sondern ihre Gesellen die richterliche Behörde
bildeten; es wird daher wahrscheinlich, daſs man diesen die Gerichts-
barkeit über die Meister und Gesellen in den umliegenden kleinen
Städten und Dörfern überlassen hatte. Nun geriet im Jahre 1600 ein
Schmiedemeister in Staſsfurth, Namens Kunz, mit dem dortigen Ein-
wohner Wunschwitz in Wortstreit und wurde von diesem mit entehren-
den Schimpfnamen belegt. Der Schmied Kunz verklagte darauf den
Bürger Wunschwitz nicht beim Gericht, sondern bei den Schmiede-
gesellen (Companen) in Magdeburg, und diese citierten den Verklagten,
sich vor ihnen zu stellen. Da er aber nicht erschien, vielmehr bei der
Ortsobrigkeit zu Staſsfurth Schutz suchte, wandten sich die Schmiede-
gesellen an die erzstiftische Regierung in Halle mit der Bitte, dem
Verklagten aufzugeben, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Die
Regierung forderte auch den Wunschwitz wirklich auf, der Vorladung
ungesäumt zu genügen. Endlich fügte er sich. Aber die Companen
forderten von ihm allein an Gerichtskosten 60 Thaler, und da er sich
dazu nicht verstehen wollte, zerschlug sich die Sache wieder. Darauf
wandten sich die Gesellen abermals an die Regierung mit dem Antrage,
beiden Parteien aufzugeben, vor ihnen zu erscheinen, sich zu vergleichen
und die verursachten Kosten zu erstatten; zugleich forderten sie ihre
Innung auf, sie möge zur Erhaltung der Handwerksgewohnheit die
Sache helfen zu Ende bringen; wo nicht, würden sie nicht nur ihre
Werkstätten verlassen, sondern auch den Meistern „den Hammer legen“.
Die Regierung berichtete deshalb an das Domkapitel (als Landesherrn
während der Minderjährigkeit des Erzbischofs Christian Wilhelm) und
schlug vor, aus der Mitte der Domherren eine Deputation zu ernennen,
welche die Sache auf dem Wege des Vergleichs beilegen möge. Die
unvollständigen Akten ergeben nicht, ob die Schmiedegesellen sich vor
dieser Kommission gestellt haben; es ist aber nach dem weiteren Ver-
laufe der Sache unwahrscheinlich, denn sie verboten unmittelbar darauf
in einem Mandate den Schmiedemeistern, Gesellen und Jungen in der
Neustadt Magdeburg, Sudenburg und allen umliegenden Dörfern, für
die Herren des Domkapitels zu arbeiten, bis Wunschwitz sich vor ihnen
stellen werde; auch der Schmied Kunz in Staſsfurth arbeitete nicht
mehr für das dortige domstiftische Amt. Die erzstiftische Regierung
war inzwischen darauf bedacht, die übermütigen Compane durch Re-
[885]Handwerksgebräuche.
pressalien zu zwingen, und wir lernen dabei einen Unterschied kennen,
den sie unter sich machten. Sie teilten sich nämlich in Companen und
Rabatzken (oder Rabazen). Die ersten sollten in allen Gattungen der
Schmiedearbeit erfahren und geübt sein und arbeiteten daher vorzugs-
weise in groſsen Städten; die Rabatzken dagegen machten den Huf-
beschlag zu ihrem Hauptgeschäfte, waren weniger geübt in den übrigen
Schmiedearbeiten und konnten daher nur in kleinen Orten und Dörfern
arbeiten.


Die Regierung lieſs nun unter der Hand die Schmiedemeister in
den kleinen Städten vernehmen, ob die Rabatzken in bedeutender
Anzahl herbeigeschafft werden könnten; zugleich forderte sie den
Magistrat in Magdeburg auf, durch sein Ansehen die Companen zur
Zurücknahme ihres Verbots zu bewegen und lieſs die Drohung mit
einflieſsen, daſs sie, bei fortgesetztem Unfuge, Rabatzken berufen und
in den Amtsschmieden werde arbeiten lassen. Abgesehen davon, daſs
die Regierung hierin eine vollkommene Unkenntnis der gesellschaft-
lichen Verfassung der Meister und Gesellen verriet, indem die minder
geschickten Rabatzken in steter Abhängigkeit von diesen gehalten
wurden, konnte auch das Interesse des Magistrats bei diesem Handel
unter den beständigen Streitigkeiten desſelben mit dem Domkapitel
nicht lebhaft sein, besonders, da der Schmiede-Innungsmeister eines
der ersten Mitglieder des Stadtrates war. Genug, die Gesellen blieben
auf ihrem Willen stehen, und da sie den Plan der Regierung mit den
Rabatzken erfuhren, suchten sie auch auf diese durch öffentliche
Drohung zu wirken, die gewiſs den gewünschten Erfolg hatte. Die
Regierung, immer noch darauf bedacht, die Angelegenheit durch Ver-
mittelung beizulegen, gab der Ortsobrigkeit zu Staſsfurth auf, die
Parteien zu vergleichen, hatte dies aber ohne Vorwissen des Kapitels
gethan und verwickelte dasſelbe dadurch in einen höchst unangenehmen
Konflikt. Die Companen erhielten kaum davon Kenntnis, als sie durch
ihre Meister vor versammeltem Kapitel dagegen protestierten und
die Zurücknahme jener Verfügung forderten. Hier wird nun die
Sache besonders interessant. Das Domkapitel zu Magdeburg stellte
jene Verfügung gänzlich in Abrede, ja der Dechant erbot sich zu
einer Strafe von 100 Thalern, wenn eine solche von ihm oder
dem Kapitel ausgegangen sei. Auf diese Erklärung hin lieſsen die
Companen den Herrn Stadtschreiber in Staſsfurth vor Notar und
Zeugen bekennen, daſs eine solche Verordnung allerdings eingegangen
sei. Mit dieser Urkunde versehen, forderten sie das Kapitel und den
Dechanten auf, die verheiſsene Strafsumme zu zahlen und waren so
[886]Die Schmiedezunft.
höflich, zu gestehen, daſs sie dies bisher nicht hätten thun mögen, weil
sie geglaubt, Se. Hochwürden würden solche ohne ihre Erinnerung
erlegen. Welch ein weites Feld zu Betrachtungen über die hin und
wieder so hochgepriesene alte Zeit öffnen solche Züge gegenseitiger
Verirrungen! Hier schrankenlose Übertreibung von Gewohnheits-
rechten, für die Gesellenbrüderschaften nirgends begründet, von ihnen
usurpiert oder von den Meistern heimlich verliehen, wodurch diese sich
selbst dem Übermute ihrer Untergebenen hingegeben hatten, dort
wenig Übereinstimmung zwischen den gesetzgebenden und ausführen-
den Gewalten. Die Domherren, besorgt für ihre und ihrer Domänen
Pferde, mochten die aufgeregten Gesellen gern beschwichtigen, ohne
ihrer landesherrlichen Würde etwas zu vergeben. Ihre Regierung,
eingeengt zwischen alten, einer vielseitigen Ausdehnung fähigen Privi-
legien und Handwerkssätzen, in welchen die nach Unabhängigkeit
strebende Hauptstadt ihre stärksten Stützen besaſs, hatte nicht den
Mut, den klaren Reichsgesetzen und ihrer eigenen Polizeiordnung ge-
mäſs zu verfahren, weil sie ihren Handlungen nicht den erforderlichen
Nachdruck zu geben vermochte.


Da der Magistrat zu Staſsfurth die Injurianten nicht vergleichen
konnte, so lieſs endlich die Regierung sie vor sich kommen und stiftete
einen Vergleich unter ihnen, den sie annahmen und sich bei 100 Gulden
Strafe verpflichteten, den Streit auf keine Weise wieder aufzunehmen.
Die Akten ergeben nicht, ob die Schmiedecompanen diesen Vertrag
genehmigt, ihre Verbote aufgehoben haben; wohl aber enthalten sie
mehrere Dokumente von fortwährenden Unruhen in dieser Innung und
den Versuch der Regierung, durch Stiftung neuer Schmiedegilden in
den benachbarten Städten, die Hauptinnung in Magdeburg zu isolieren.


Die Schmiede waren im allgemeinen hochangesehene Gewerbe-
treibende. Wenn sie einerseits als Zauberer und kluge Männer galten,
die mit dem Tode und dem Teufel fertig wurden 1), so galten die
rechtschaffenen doch als getreue und patriotische Leute, wie die be-
kannte, schöne Erzählung von dem Schmied von Ruhla und Landgraf
Ludwig dem Eisernen (im 12. Jahrhundert) beweist. An den Höfen
genossen sie oft besondere Gerechtsame, so an dem reichen Hofe Karls
des Kühnen von Burgund; von der täglichen Hoftafel gehörten zwar,
wie gebräuchlich, die abgetragenen Speisen in der Regel dem Hof-
[887]Die Schmiedezunft.
küchenmeister, aber an den hohen Festtagen, Weihnachten, Ostern,
Pfingsten und Allerheiligen erhielt diese der Hofprediger und am
Festtage des heiligen Eligius (1. Dezbr.) bekamen sie samt Wein die
Schmiede, die des Fürsten Pferde beschlugen, am St. Georgstag der
Waffenschmied, der Karls des Kühnen Harnisch putzte. „Da sollen sie
dann ärger eingehauen haben, als sie sonst beim Amboſs pflegten,
wenn der Possekel (Fallhammer von circa 40 Pfund Gewicht) seine
Schuldigkeit thun muſste“.


Die zünftigen Schmiede wehrten sich mit Eifer und Erfolg gegen
die Übergriffe der Händler, wenn dieselben fremde Waren ihres Ge-
werkes in der Stadt verkauften; so geschah dies 1425 in Ulm, wo der
Rat in dem Streite zwischen der Schmiede- und der Krämerzunft zu
Gunsten der ersteren entschied 1). Nicht minder häufig waren Streitig-
keiten zwischen Grob- und Kleinschmieden über die Grenzen ihrer
Befugnisse.


Vervollkommnung der Hilfsmittel.


Die Drahtzieher, Nadler und Blechner.


Die groſse Geschicklichkeit der Eisenschmiede des Mittelalters
auf allen Gebieten ihrer Kunst haben wir wiederholt hervorgehoben.
Betrachten wir aber die Werkzeuge, mit denen sie ihre Arbeiten aus-
führten, so ist nur ein sehr allmählicher Fortschritt bei diesen zu kon-
statieren.


Eine bessere und allgemeinere Behandlung und Verwendung des
Stahles ist nachweisbar. Die hellpolierten Stahlwaffen (armes blanches)
finden sich schon im 10. Jahrhundert. Stahlhärtemittel, d. h. Mittel,
um weiches Eisen durch Aufnahme von Kohlenstoff (Karbonisieren)
äuſserlich zu stählen, werden schon sehr frühe erwähnt 2), doch
werden sie, wie dies ja vielfach noch in unserer Zeit geschieht, als
Geheimmittel behandelt. Ein solches Härtemittel für Stahl empfiehlt
beispielsweise schon Albertus Magnus, nämlich den Saft von Rettigen
und Regenwürmern, was etwas lebhaft an „Türkennas und Tartarlipp“
aus der Hexenküche in Shakespeares Macbeth erinnert.


Unter den mechanischen Hilfsmitteln, die man zur Verarbeitung
des Eisens erfand, verdienen vor allem die Drahtzüge Erwähnung.
[888]Drahtzieher.
In alten Zeiten hatte man den Draht, dessen sich schon die ältesten
bekannten Völker bedienten, einfach auf den Amboſs mit Handhämmern
geschmiedet. Sehr dünner Draht, wie namentlich auch der feine Gold-
draht, wurde in der frühesten Zeit aus Blechen geschnitten und ge-
ründet. So heiſst es z. B. II. Mosis 39, 2: „Er schlug das Gold und
schnitt es in Fäden, daſs man es künstlich wirken konnte unter Seide“.
Als Vulkan das künstliche Netz um Ares und Aphrodite zu schlingen
gedachte, ging er zu seiner Esse, nahm Amboſs und Hammer und
schmiedete das Netz fein wie Spinnweb 1). Ebenso wendete man im
9. und 10. Jahrhundert das Schmieden des Drahtes an und man nannte
die betreffenden Arbeiter stets Drahtschmiede, während man sie später
nach der Erfindung der Ziehscheibe Drahtzieher oder Drahtmüller
nannte.


Die künstlichen Drahtzüge, die mit Hilfe eines Wasserrades be-
trieben wurden, kamen erst im 14. Jahrhundert auf. Die Erfindung
der Ziehscheibe war diesen komplizierten Drahtmühlen längst voraus-
gegangen. Noch im vorigen Jahrhundert wurde in einigen Gegenden
Deutschlands, Frankreichs und Schwedens Eisendraht ohne Maschinen
und Wasserkraft bloſs mit der Hand gezogen, und da man hierzu stets
das weiche Osmundeisen suchte, so ist es nicht unwahrscheinlich, daſs
diese Art Drahtzieherei ihre Heimat und Ursprung in den Gegenden
hat, wo das Osmundeisen am frühesten zur Drahtfabrikation verwendet
wurde, nämlich in Westfalen, wo ja in Iserlohn „die uralte und ehr-
würdige Panzerzunft“ zu Hause war.


Die Bauern, denn diese betrieben dies Handwerk nebenher, hatten
keine anderen Werkzeuge als eine Ziehscheibe mit konischen Zieh-
öffnungen von gemeinem Stahl, eine Zange, einen kleinen Hammer
und eine ordinäre Feile. Um die Mitte des Körpers war ein Gürtel
von starkem Leder geschlungen, an dem die gezahnte Zange befestigt
war, deren Schenkel in einem an den Gürtel festgehakten Ring ein-
geschlossen sind. Der Arbeiter saſs auf einer Art von Schaukel oder
auf einem Brett, dessen eines Ende an einer in der Wand befestigten
Öse beweglich war und in der Mitte an einer, unter dem Dache be-
festigten Kette hing.


Wenn der Drahtzain mit Hammer und Feile gehörig zugespitzt
und durch ein Loch der auf einer festen Bank stehenden Ziehscheibe
durchgesteckt ist, faſst der Zieher das durchgesteckte, spitzige Ende
mit der Zange, stemmt die Füſse gegen die Bank und wirft den Körper
[889]Drahtzieher.
auf der Schaukel zurück und zieht auf diese Art durch das Gewicht
seines Körpers den Drahtzain mit der Zange, welche durch den Ring
gespannt ist, auf jeden Ruck 10 bis 12 Zoll vor, indem er bei jedem
Vorfahren wieder mit der Zange nachgreift. Obgleich diese Art des
Drahtziehens mühsam und langwierig war, so verkauften doch noch im
vorigen Jahrhundert die Elfdaler Bauern diesen Draht wohlfeiler, als
die Wasserwerke. Die feinsten Zieheisen kamen aus Lyon. Das
Eisen, aus dem sie gemacht waren, scheint ein Mittelstoff zwischen
hartem Stahl und weiſsem Roheisen gewesen zu sein.


Figure 284. Fig. 284.

Für unsere heutige Anschauungsweise scheint es zwar nur ein
kleiner Schritt, die menschliche Arbeit bei einer so einfachen Vor-
richtung durch eine andere Kraft, wie die des Wassers, zu ersetzen:
im Mittelalter aber war dies eine groſse Erfindung. Auſser zu Säge-
mühlen und Mahlmühlen verwendete man die Wasserkraft vor dem
13. Jahrhundert zu keiner anderen mechanischen Verrichtung. Ihre
Verwendung zum Ziehen des Drahtes fällt in die erste Hälfte des
14. Jahrhunderts und wird einem Nürnberger mit Namen Rudolph
zugeschrieben. Schon 1351 kommt sowohl der Name Drahtzieher als
Drahtmüller in Augsburg vor 1). Im Augsburger Lagerbuch wird
in diesem Jahre der Name Chunrad Tratmüller de Tratmül aufgeführt.
In Nürnberg geschieht eines Drahtmüllers im Jahre 1360 Erwähnung.
In Betreff der Erfindung wird erzählt, daſs Rudolph seine Erfindung,
durch die er viel Geld verdiente, sehr geheim hielt, daſs aber sein
Sohn bestochen wurde und ein Modell der Maschinerie anfertigte.
Als sein Vater dies erfuhr, wurde er so aufgebracht, daſs er seinem
Sohn nach dem Leben trachtete, der deshalb von Nürnberg fliehen
muſste.


[890]Drahtzieher. — Nadler.

Wie einfach die Erfindung der Drahtmühlen war, nachdem zuvor
das Ziehen mit der Hand erfunden war, geht aus beifolgender Skizze
einer italienischen Drahtmühle aus der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts hervor, die Vanuccio Biringoccio in seiner Pyrotechnica (S. 292)
mitgeteilt hat (Fig. 284). Denn in allen Stücken ist es dasſelbe, wie
der oben beschriebene Handzug, nur daſs die Wasserkraft die Zange
zurückzieht und daſs dadurch dem Arbeiter eine Erleichterung ver-
schafft wird. Seine Mitwirkung ist aber durchaus nicht unnötig ge-
macht, wie man sieht, indem er bei jedem Umgang selbst die Zange
fassen, öffnen und den Draht richtig fassen muſs. Er geht auch bei
der Bewegung der Zange mit hin und her, indem er in derselben Weise
wie der Handdrahtzieher auf einer Schaukel sitzt, nur mit dem Unter-
schied, daſs er seine Beine nicht niederstemmen muſs, sondern ganz
frei schwebt. Später erst erfand man den Drahtzug, bei dem Daumen
einer Welle die Zange packten, während dieselben auf einem Tische,
nachdem die Däumlinge ausgelassen haben, durch eine elastische Feder
wieder zurückgeschnellt wird. Die Zange faſst beim Rückgange von
selbst den Draht. Daſs das Drahtziehergewerbe sich schon sehr früh
in den berühmten Drahtplätzen Westfalens, in Iserlohn, Altena und
Lüdenscheid festsetzte, geht aus einer alten Urkunde hervor, durch
die Johann von Cleve im Jahre 1456 das Drahtzieherprivilegium für
Altena bestätigt. Die künstlichen Drahtzüge sind zweifellos eine
deutsche Erfindung, wenn auch die Franzosen sie ihrem Landsmann
Richard Archal zuschreiben, der wahrscheinlich die ersten Drahtzüge
in Frankreich eingeführt. 1447 wird auch bereits einer Drahtmühle in
Breslau erwähnt, 1506 einer in Zwickau, während in England 1565
noch aller Draht, der nicht aus dem Auslande bezogen wurde, ge-
schmiedet worden sein soll. Die erste Drahtmühle in London legte
ein Deutscher, Gottfried Bex, im Jahre 1590 an.


Mit der Drahtfabrikation in enger Verbindung steht das Nadler-
gewerbe
. In älterer Zeit bediente man sich statt unserer Näh- und
Stecknadeln aus Stahl, Stifte von hartem Holz, Fischgräten und
Nadeln aus Knochen. Später waren die Nadeln von Erz, namentlich
die Gewandnadeln (fibulae). Die ersten eigentlichen Stecknadeln
wurden, und zwar von Messing, in Nürnberg gemacht, wo das Gewerbe
der Nadler im Jahre 1370 bereits zünftig war. Dagegen soll es zuerst
ein Engländer, Namens Harris zu Waltham Abbey in Essex, gewesen
sein, der Stecknadeln aus Eisendraht mit angegossenen Kupferköpfen
machte. Die Nadlerei blühte in alten Zeiten besonders in Nürnberg
und Fürth. Später auch in Franken, zu Iserlohn in Westfalen,
[891]Verzinnen des Eisens.
zu Schwabbach in Bayern, in Wiener-Neustadt, in Mannheim und
Durlach, in Minden und Potsdam. In England besonders in Warwick-
shire; in Frankreich zu Troyes, Francheville, Bourg u. s. w.


Das Verzinnen des Eisens gilt als eine deutsche Erfindung,
doch haben wir nachgewiesen, daſs es schon Theophrast 1) bekannt
war. Angeblich soll es zuerst in Böhmen eingeführt worden sein. In
dem englischen Einfuhrverbot von 1483 werden bereits verzinnte Nägel
aus Deutschland genannt. Agricola giebt schon 1546 eine genaue Be-
schreibung des Verzinnens von Eisenwaren 2): „Die Eisenschmiede
tauchen in ein Bad von geschmolzenem Zinn, zu dem sie Talg zusetzen,
die Eisenwaren, nachdem diese zuvor mit Essig, in dem Salmiak auf-
gelöst war, gebeizt worden sind. Diese verzinnten Kochgeschirre rosten
nicht, indem durch das Metall, in das sie getaucht worden sind, die
Kraft des Rostes überwunden wird.“


Agricola spricht von dieser Arbeit als von einer so bekannten
Sache, daſs die Angabe, wonach das Verzinnen erst 1620 durch einen
lutherischen Geistlichen nach Sachsen gebracht worden wäre, wenig
glaublich erscheint wenn nicht die Darstellung von Weiſsblech im
modernen Sinne gemeint ist, nämlich die Verzinnung von Schwarz-
blechtafeln durch Eintauchen in ein Zinnbad und nachheriger Ver-
arbeitung, statt des älteren Verzinnens fertig geschmiedeter Geschirre.
Aus dem Jahre 1660 ist eine kursächsische Verordnung wegen dem
Weiſsblech erhalten. In England wurde erst im Jahre 1670 der erste
Versuch zur Weiſsblechfabrikation von einer Gesellschaft, die den
Andrew Yarranta zu seiner Instruktion nach Deutschland geschickt
hatte, gemacht. Ehe diese aber ihre Fabrik eröffnen konnte, nahm
eine vornehme, einfluſsreiche Persönlichkeit ein Patent auf das Ver-
fahren als eine eigene Erfindung, wodurch die Gesellschaft verhindert
wurde ihre Unternehmung weiter fortzusetzen, obgleich der Patent-
nehmer sein Patent nicht einmal ausnutzte. Erst im Jahre 1720 kam
die erste groſse Weiſsblechfabrik in Monmouthshire in Betrieb. Auch
in Frankreich wurden erst im vorigen Jahrhundert Weiſsbleche dar-
gestellt.


[[892]]

Die Schuſswaffen
und der
Einfluſs der Erfindung des Schieſspulvers
auf die Eisenindustrie.


Der Krieg zerstört und regt Neues an. Krieg und Eisen sind
unzertrennlich verbunden. Jeder Fortschritt der Eisentechnik bietet
neue Mittel zum Kriege, jeder neue Krieg bedingt neue Anstrengungen,
neue Fortschritte der Eisentechnik.


Von noch weit gröſserem Einfluſs als die Vervollkommnung der
Handwaffen war die Ausbildung der Schuſswaffen auf die Entwickelung
der Eisenindustrie wie der Eisentechnik. Auſser der rationellen Ver-
wertung des Wasserdampfes als bewegende Kraft — der Erfindung
einer zweckmäſsigen Dampfmaschine durch James Watt — hat die
Erfindung des Schieſspulvers den gröſsten Fortschritt in der
Eisenbereitung herbeigeführt, indem dieselbe eine vollständige Um-
wälzung der Bewaffnung, ja der ganzen Kriegführung bedingte. Der
Krieg hat aber zu allen Zeiten die Menschen zu den auſserordentlichsten
technischen Leistungen veranlaſst. Hierfür legen die Erzählung von
dem trojanischen Pferd, die assyrischen Skulpturen, die Überlieferungen
von den Wunderwerken des Archimedes, sowie tausend andere Tradi-
tionen Zeugnis ab. So geschah es auch, nachdem die explosive Gewalt
des Schieſspulvers als Mord- und Zerstörungsmittel entdeckt war.
Als Spielzeug war die Mischung von Schwefel, Salpeter und Kohle
schon lange vorher bekannt. Wenn man deshalb von einer Erfindung
des Schieſspulvers im 14. Jahrhundert überhaupt sprechen kann, so
ist dies nur in dem Sinne möglich, daſs in diesem Jahrhundert das
Pulver als Mordmittel entdeckt wurde und allgemeine Verwendung
[893]Feuerwaffen.
fand. Daſs der Mönch Berthold Schwarz das Pulver erfunden habe,
ist eine unbegründete Sage. Aber seine Untersuchungen über das
Pulver und dessen Zusammensetzung waren für das europäische
Kriegswesen des 14. Jahrhunderts von so groſser Wichtigkeit, daſs die
Sage ihn, der nur die Zusammensetzung des Pulvers und seine Wirkung
als treibende Kraft für Geschosse untersucht hat, nicht ohne eine
gewisse Berechtigung zum Erfinder des Pulvers gemacht hat.


Viele Jahrhunderte zuvor war das Pulver bereits den Chinesen
bekannt. Vassius schreibt (1660) die Erfindung von Feldgeschützen
(canon d’artillerie) dem chinesischen Kaiser „Vitey“ zu, der lange
vor Christi gelebt habe. Wahrscheinlich ist damit der Kaiser Wu-ti
gemeint, der 574 bis 613 nach der Erbauung Roms (178 bis 140 v. Chr.)
lebte. Es scheint nach verschiedenen Überlieferungen, daſs die Chine-
sen bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. sich der Kanonen bedienten.
Bestimmt wissen wir, daſs dieselben im 10. Jahrhundert den Salpeter
zur Herstellung explosiver Stoffe benutzten. Die Tataren lernten im
11. Jahrhundert infolge ihrer Kriege das Pulver von den Chinesen
kennen. Von den Tataren soll die Kunst zu den Arabern gelangt sein,
und diese brachten dieselbe zuerst nach Europa. Im Jahre 1232 be-
dienten sich die Tataren der Feuerröhren gegen die Chinesen. Aber
schon 1147 sollen die Araber vor Lissabon Kanonen gehabt haben.
In einem arabischen Buche ist eine Beschreibung einer Art Feld-
schlangen (scorpiones, coulevrines) gegeben mit folgenden Worten:
„Serpunt, susurrantque scorpiones circum ligatum, ac pulvere intrato
incensi, unde explosi fulgurantae incendunt.“


Viel früher schon war ein explosives Salpetergemisch unter dem
Namen „griechisches Feuer“ bekannt und in Anwendung. Es diente
teils zur Belustigung, zu Feuerwerkszwecken, teils als Zündstoff, be-
sonders bei Belagerungen, um Häuser, Zelte, die Schutzdächer der Be-
lagerer u. s. w. in Brand zu schieſsen.


Das griechische Feuer wurde im Jahre 668 n. Chr. von dem
Griechen Kallinikos von Heliopolis erfunden. Es bestand hauptsäch-
lich aus Schwefel, Pech (d. h. Erdpech) und Salpeter, entwickelte beim
Anzünden einen dicken Qualm und explodierte dann mit heftigem
Knall zu einem unlöschbaren Feuer. Übrigens wurde es auch von den
Griechen bereits zum Schleudern von bleiernen Kugeln aus metallenen
Röhren benutzt. In dieser Weise wurde es bei der Belagerung von
Konstantinopel durch die Perser und Araber im Jahre 717 gegen die
feindlichen Schiffe verwendet. Die griechischen Kaiser bewahrten die
Bereitung des griechischen Feuers als ein Geheimnis und soll dasſelbe
[894]Feuerwaffen.
erst 400 Jahre nach seiner Erfindung durch Verrat zu den Sarazenen
gelangt sein, die es in den Kreuzzügen mit Erfolg gegen die Christen
verwendeten. Wahrscheinlicher ist, daſs die Araber ihre Kenntnis des
Pulvers, wie oben erwähnt, schon früher von den Tataren erlangt hatten.
Obgleich die Bereitung des Pulvers nicht allgemein bekannt war, so
waren einzelne Alchymisten damit schon früh vertraut. Anne Komena
beschreibt 1106 das griechische Feuer als ein Gemisch von Pech,
Pflanzensäften und Schwefel, das in ein Schilfrohr geblasen werde;
diese gefüllten Zündrohre wurden, nachdem sie angebrannt waren,
mittelst Schuſswerkzeugen als Brandfackeln geschossen.


In dem Liber ignium ad comburenda hostes beschreibt Marcus
Graecus (1204 bis 1261) die Herstellung des „fliegenden Feuers“ aus
Schwefel, Kohle und Salpeter 1). Solle es zum Fliegen sein, d. h. als
Brandfackel dienen, so fülle man es in eine Lanze, d. h. dünne Hülse,
zum Donnern aber in ein kurzes, dickes Rohr, das man mit starkem
Eisendraht gut umwickelt. Die Zusammensetzung wird folgender-
maſsen angegeben: es sollen 2 Pfund Kohlen, 1 Pfund Schwefel und
6 Pfund Salpeter miteinander gemischt werden.


In einem arabischen Gedicht aus dem 13. Jahrhundert wird das
Pulver bereits unter dem noch jetzt gebräuchlichen Worte „el barat“
beschrieben und auch bereits seine treibende Kraft erwähnt. Roger
Bacon spricht um 1270 in zwei Schriften von dem Pulver als vorzüg-
lichem Mittel für Feuerwerkszwecke, er beschreibt „ein springendes
Feuerzeug“, wie es scheint, eine Art von Schwärmer, „um Kinder da-
mit zu belustigen.“ Seine Bereitung aber behandelt er als ein Ge-
[895]Feuerwaffen.
heimnis. Wahrscheinlich war dieselbe in jener Zeit nur einzelnen
Adepten bekannt.


Das griechische Feuer wurde teils in der oben beschriebenen Form
als gefüllte Hülsen aus Katapulten oder ähnlichen Geschossen ge-
schleudert oder es wurde in hohlen Feuerlanzen geworfen. Aus diesen
letzteren entwickelte sich bei den Arabern das älteste Handgeschütz,
die Madfaa, ein Rohr aus Holz und Eisen, mittels dem man Kugeln
und Pfeile schieſsen konnte. Dieses findet sich zuerst beschrieben von
Nedjin-Eddin-Hassan-Alrahma zwischen 1285 bis 1295 nach der An-
leitung, die er von seinem Vater und seinem Groſsvater erhalten hatte.
Also war sie gewiſs schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts bei den
Arabern in Gebrauch, während es in dem übrigen Europa erst in dem
14. Jahrhundert Eingang fand.


Auch wird die Anwendung von Pulver bei der Belagerung von
Nieba in Spanien bereits 1247 von einem arabischen Schriftsteller
erwähnt.


Indessen wurde auch bei den Arabern erst mit dem Anfange des
14. Jahrhunderts die Verwendung des Pulvers als Mittel zum Werfen von
Steinen und anderen Geschossen und die Anwendung von Geschützen
im Kriege allgemeiner. Insofern bleibt auch immerhin an der Sage
von der Erfindung des Franziskanermönchs Bertholdus niger ein Rest
von Wahrheit, seine Erfindung bestand nicht darin, daſs er das Pulver
überhaupt erfunden, sondern daſs er seine explosive Wirkung unter-
sucht, seine Zusammensetzung veröffentlicht und auf seine Verwendung
für Schuſswaffen aufmerksam gemacht hat. Eigentlich hieſs dieser
berühmte Erfinder Constantin Anklitz und war um das Jahr 1300
in Freiburg im Breisgau geboren. Er trat mit dem angenommenen
Mönchsnamen Berthold in den Franziskanerorden und erhielt den An-
namen „der schwarze Bartel“, woher sein bekannter Name Bertholdus
niger oder Berthold Schwarz herzuleiten ist. Früh fing er an, sich
mit alchymistischen Untersuchungen zu beschäftigen, insbesondere mit
den explosiven Salpetermischungen. Sein Streben ging wahrscheinlich,
wie bei den meisten Alchymisten, nur auf die Goldmacherei hinaus,
wenigstens wurde er als Schwarzkünstler angeklagt und ins Gefängnis
geworfen; bei diesen Untersuchungen wurde er auf die Zusammensetzung
und Wirkung des Pulvers geführt. Zweimal hatte ihm die aus Salpeter,
Schwefel und Öl dargestellte Mischung seine Gefäſse zertrümmert. Des-
halb lieſs er sich eine starke Büchse aus Messing gieſsen. Mittels dieser
gelang es ihm Steine mit entzündetem Pulver weit fortzuschleudern
Die Angaben, wann diese Erfindung von dem „schwarzen Bartel“ gemacht
[896]Feuerwaffen.
wurde, sind abweichend. Das Genter Stadtbuch sagt, im Jahre 1313
habe ein Mönch in Deutschland den Gebrauch der Büchsen erfunden.
Der Annalist Gasser setzt die Erfindung auf das Jahr 1330 und fügt
hinzu, „die Erfindung sei zweifelsohne durch Eingebung des bösen
Feindes gemacht worden“. — Andere, wie Polydor Virgilius von Urbino,
legen die Erfindung fälschlich erst in das Jahr 1386. Die Zahl 1330
hat am meisten für sich und ist auch die allgemein angenommene.


Die praktische Verwertung der Erfindung erfolgte auſserordent-
lich rasch. Ein französisches Klosterreglement aus dem Jahre 1354
besagt: König Johann habe in diesem Jahre verbürgte Nachricht
erhalten, daſs in Deutschland von einem Mönch Namens Berthold
Schwarz die Erfindung Artillerie zu machen ausgegangen sei und der
König befehle daher den Vorgesetzten der Mönche sich fleiſsig zu
erkundigen, welche Qualitäten Kupfer in Frankreich vorhanden seien,
sowohl um die Mittel Artillerie zu machen kennen zu lernen, als auch
um den Verkauf und die Ausfuhr jenes Metalles in das Ausland zu
verhindern 1).


Indessen war nicht bloſs bei den Arabern der Gebrauch des
Schieſspulvers bereits vor dem Jahre 1330 in Anwendung.


Feuergeschütze wurden schon 1311 bei der Belagerung von
Brescia, sowie 1326 bei der von Forli angewendet. Möglich indes, daſs
dies nur Geschütze mit griechischem Feuer waren. Dagegen wurden
im Jahre 1323 Kanonen bei der Belagerung von Baza in Spanien ver-
wendet und die Chronik von Metz erwähnt Schieſspulver daselbst im
Jahre 1324. Das Verdienst des Berthold Schwarz wird sich also wohl
darauf reduzieren, daſs er die Zusammensetzung des Schieſspulvers
bekannt machte und auf seine Wichtigkeit zum Fortschleudern von
Projektilen hinwies. Rasch entwickelte sich vom Jahre 1330 an das
Artilleriewesen. 1338 werden die ersten Kanonen in Frankreich er-
wähnt. Den gröſsten Eindruck machte die Anwendung von Feuer-
waffen bei der Belagerung von Algesiras in Spanien im Jahre 1342.
Die Chroniken berichten, daſs die Mauren mit eisernen Kugeln schossen
so groſs wie Äpfel, und daſs die Geschosse solche Kraft hatten, daſs
sie durch den geharnischten Mann drangen und ganze Glieder weg-
rissen. Von da ab beeiferten sich Fürsten und Städte in der An-
schaffung von Feuergeschützen. Bereits im Jahre 1346 bedienten sich
die Engländer der Kanonen in offener Feldschlacht bei Creçy.


Allgemein galt die schreckliche Erfindung, die alle alte Tapferkeit
zu Nichte zu machen drohte, als ein Werk des Teufels.


[897]Feuerwaffen.

Franz Petrarka schreibt 1) um 1360:


„Es ist ein grausam rasend Ding zu groſsem Verderben der Land
und Leute, Instrument erfinden und aufrichten, damit man Feuer, Stein,
bleierne und eiserne Kugeln in die Leut, Mauern, Stätt und Türme
mit erschröcklichem Hall und Donner wirft bis man sie fället.


… O, du elender Mensch, bedünkt dich nicht schrecklich genug
der Zorn Gottes, da er vom Himmel herab mit Donner und Feuer auf
Städte, Türme und Menschen schieſset?


Also gar sind die Menschen verderbet, daſs sie von Art, was böse
ist verdenken, lehren und aufbringen. Der Teufel hat solche Erfindung
aufgebracht und ist deren Urheber wahrlich ein schädlicher Mensch
gewest, männiglich Schaden zuzufügen geneigt.“


Die Erfindung des Schieſspulvers und die Einführung der Schuſs-
waffen muſste eine vollständige Umwälzung des Kriegswesens herbei-
führen, welche zugleich eine Revolution in allen beteiligten Gewerben
zur Folge hatte. Die Entwickelung der Schuſswaffen ist deshalb für
die Geschichte der Eisentechnik von gröſster Bedeutung.


Die älteste Schuſswaffe war die Schleuder und der Bogen. Die
Benutzung des Bogens beruht auf der Elastizität eines festen Körpers,
der durch die Kraft des Armes beim Spannen aus seiner natürlichen
Lage gebracht und in diese zurückzukehren strebt. Auf dem gleichen
Prinzip beruhten auch die sonstigen Schieſswerkzeuge der Alten, wie
die Katapulten, Ballisten u. s. w. Allerdings hatte Ktesibios auch
bereits einen Luftspanner erfunden, eine Wurfmaschine, bei der die weit
gröſsere Elastizität der gepreſsten Luft in Anwendung gebracht war.
Im allgemeinen aber war seit der Ausbildung der Wurfwaffen durch
die Griechen bis zur Einführung der Feuerwaffen das Geschützwesen
so ziemlich auf der gleichen Stufe stehen geblieben.


Die älteste Handschieſswaffe, bei welcher die Elastizität in An-
wendung kam, war der Bogen. Diese Waffe ist namentlich im Orient
uralt. Es war die Waffe der ägyptischen Pharaonen in der Schlacht,
wie die der assyrischen und persischen Heerführer. Mit dem Pfeil-
schuſs bestimmte nach altpersischer Sage Arasch die Grenze des
Reiches bis zum Oxus. Der Vater Seldschukis, des Gründers des
türkischen Reiches, hieſs Irak, d. i. der „starke Bogen“. Bei den
Arabern spielt der Bogen eine groſse Rolle, in Schrift und Dichtung.
Hammer Purgstall teilt nicht weniger als 134 verschiedene Bezeich-
nungen des Bogens mit. Man unterschied zehn verschiedene Arten
Beck, Geschichte des Eisens. 57
[898]Feuerwaffen.
von Bogen, wie zehn verschiedene Arten von Pfeilen. Unter den von
ihm gesammelten arabischen Sprichwörtern beziehen sich dreiſsig auf
den Bogen. Zu den Römern kam der Gebrauch des Bogens aus dem
Orient. Das Material des Bogens war zuerst elastisches Holz, dann
Horn, besonders das Horn des Steinbocks und endlich Metall. Unter
den Deutschen hat sich der Gebrauch des Bogens am längsten bei den
Engländern erhalten, während die Niederländer die berühmtesten
Armbrustschützen waren. Die Armbrust, die ihren Namen von arba-
lista hat, war namentlich als Jagdwaffe schon den Römern bekannt
und war in Deutschland schon im frühen Mittelalter im Gebrauch.
Auch Siegfried trägt nach dem Nibelungenliede auf der Jagd die
Armbrust. Die Bolzen, welche die Armbrust schoſs, waren von Eisen
oder mit Eisen beschlagen, sie heiſsen kurzweg „Stahel“. Der Bügel
der Armbrust war von Fischbein oder Holz, gegen Ende des Mittel-
alters von Stahl. Die Armbrust wurde mit einer Winde aufgezogen.
Sie bildet in ihrer Konstruktion den Übergang zu den Handfeuer-
waffen.


Auf demselben Prinzip wie die Handschuſswaffen beruhten die
Kriegsmaschinen, die Feld- und Belagerungsgeschütze der Alten, als
Skorpionen, Ballisten, Katapulten u. s. w. Das Artilleriewesen war
schon zu spätrömischer Zeit zu hoher Entwickelung und zu hohem
Ansehen gelangt. Wir wissen, daſs in dem letzten Jahrhundert der
römischen Herrschaft die Legionen etatsmäſsig 55 Feldgeschütze und
10 Onager führten. Das Mittelalter hat in bezug auf die Kriegs-
maschinen nur die Traditionen des klassischen Altertums erhalten und
fortentwickelt. Bis zu der Zeit der Karolinger waren Kriegsmaschinen
bei den Deutschen nicht gebräuchlich. Erst im Jahre 873 werden
derartige Maschinen bei der Belagerung von Angers erwähnt und
St. Bartin ist der Ansicht, daſs Karl der Kahle die betreffenden
Künstler aus Byzanz habe kommen lassen. Durch die Kämpfe mit
den Mauren, wie in den Kreuzzügen machte das Artilleriewesen groſse
Fortschritte. Bei der Belagerung von Caesarea wurden groſsartige Be-
lagerungswerkzeuge von den Christen in Anwendung gebracht. In-
dessen waren noch im 11. Jahrhundert die Orientalen den Europäern
in ihren Kriegsmaschinen überlegen. Vom Ende des 13. Jahrhunderts
an wurden die Kriegsmaschinen in Frankreich sehr vervollkommnet.
Es werden aufgeführt: machines nevro ballistiques, aqueraux, bom-
bardes, mangonneaux, perrières, pierrières, ribaudequines, sarres,
spiroles. Die Arbeiter, welche diese Maschinen bedienten, hieſsen im
15. Jahrhundert artilièrs und hierher leitet sich der Name Artillerie;
[899]Feuerwaffen.
diejenigen, welche die Steinkugeln zurichteten, hieſsen maçon cononièrs
und Talleurs de Bolleto. Zur Bedienung einer Kriegsmaschine bei
der Belagerung von Cherbourg 1) gehörten als Bedienungsmannschaft
1 Zimmermeister, 5 Zimmerleute, 10 Maurer, 40 Spanner und 21
bespannte Karren. Die groſse mangonneau hatte zwei Räder
zum Spannen des Hebels und wurde die Kraft durch ein Getriebe,
sogenannten Drilling, übertragen.


Um diese Zeit wich man von der alten Form der Katapulten ab,
indem man die Wurfgeschütze mehr der Armbrust ähnlich machte und
auch wie bei dieser Zahnrad und Zahnstange anbrachte. Diese Turm-
armbrüste hieſsen „arbaletes à tour“. Manche schossen Pfeile ähnlich
der Armbrust, andere wirkten mehr wie Schleudern (trebuchet). Die
Projektile der trebuchets waren mehr oder weniger runde Steine oder
auch unregelmäſsige, mit Brandmasse, griechischem Feuer oder faulen-
den Stoffen gefüllte Tonnen, auch Ätzkalk schoſs man auf diese Weise,
sogar glühend gemachte Eisenstücke. Für Brandgeschosse muſste das
ganze Unterlager von Eisen sein.


Die Turmarmbrüste schossen runde Steine, öfter zugespitzte
Eisenbolzen, ähnlich groſsen Pfeilen. Dies war die einzige der alten
Maschinen, die bis in das 16. Jahrhundert neben den Kanonen im
Gebrauch blieb.


Sobald man die explosive Gewalt des Pulvers, die Wirkung der
Pulvergase im Moment der Entzündung kennen gelernt und als moto-
rische Kraft bei den Geschützen angewendet hatte, verschwanden
rasch die alten, schwerfälligen Kriegsmaschinen. Von Anfang an ent-
wickelten sich die Feuerwaffen nach zwei Richtungen hin, als Hand-
feuerwaffen und als grobes Geschütz.


Wir haben schon oben erwähnt, daſs sich das erste Handfeuer-
geschoſs aus der Feuerlanze entwickelte, die ein ausgehöhlter, mit
Zündmasse gefüllter, brennender Holzschaft war, der mit der Hand
geworfen wurde. An dessen Stelle trat, nachdem man gelernt hatte
die treibenden Pulvergase zu benutzen, ein ähnlich geformtes Geschütz,
eine kleine Büchse auf langem Stiele, dessen Ladung mittels einem
Lunden entzündet wurde. Es schleuderte natürlich auf nicht sehr
groſse Entfernungen Steine, Bleikugeln, geschmiedete Eisenbolzen oder
Brandkugeln. Die älteste Waffe dieser Art ist die madfaa der Araber,
aus ihr entwickelten sich die Handfeuerwaffen, unser heutiges Gewehr.
Ganz andere Instrumente waren die alten Belagerungsgeschütze. Diese
57*
[900]Feuerwaffen.
entwickelten sich aus den alten Kriegsmaschinen, die ja ebenfalls sehr
plump und schwerfällig waren. Der Übergang bestand darin, daſs
man die schweren Steine, welche die alten groſsen Onager und ähn-
liche Maschinen mittels der Spannkraft oder Torsion von Seilen
warfen, mittels der Expansion der Pulvergase fortschleuderte.


Die ältesten Kanonen bestanden aus zwei Teilen, aus der aus
Kupfer und Bronze gegossenen metallenen Büchse, wie Berthold
Schwarz dieselbe angegeben hatte, und in der die Entzündung vor sich
ging, und aus einem Rohr, welches dem Stein, der die Kugel bildete,
die Richtung gab; dieses Rohr war ursprünglich wie ein Faſs kon-
struiert. Es bestand aus starken Holzdauben, die durch eiserne Ringe
zusammengehalten waren. Diese plumpen und dabei doch wenig
widerstandsfähigen Geschütze nannte man, nach einem alten Namen,
des Knalles wegen Bombarden, ein Name, der später auf ganz andere
Geschosse angewendet wurde. Der Name bombardes kommt von
bombus ardens, dem feurigen Knall, wie schon Suidas in seinem Wörter-
buche erläutert 1). Der Name war längst vor der Erfindung des
Pulvers in Anwendung, doch waren die Bombarden des Suidas kleinere
Geschütze, wohl Katapulten oder Pfeilgeschütze, die griechisches Feuer
warfen. Die Venetianer führten im Jahre 1380 2 „Bombarden“, die
„Trevisane“ und „la Victoire“ (die Trevisanerin und die Siegerin),
welche Steinkugeln von 160 bis 200 Pfund warfen und nur einen
Schuſs am Tage abgaben. Bekanntlich wurde der Name Bombarden
später nicht auf diese plumpen Belagerungsgeschütze, sondern auf viel
leichtere Feldgeschütze angewendet. Im 14. Jahrhundert aber wurde
unter Bombarde (bombardes à feu) ein schweres Belagerungsgeschütz
verstanden. Solche werden bereits 1311 bei der Belagerung von Bres-
cia in Italien erwähnt, während man die leichteren Geschütze, wie
sie z. B. bei der Belagerung von Algesiras im Jahre 1342 in Anwendung
kamen, bombardellen nannte. Der alte deutsche Name dieser Ge-
schütze war Büchse (byhse, buste) gerade nach der als charakteristisch
hervortretenden Erfindung des Berthold Schwarz, daſs die Explosion
in einer metallenen Büchse geschah. Die alten Bombarden ent-
sprachen in der Form mehr den Mörsern. Die von Orleans bei der
Belagerung 1428 angewendeten waren aus Holz gefertigt, mit Eisen-
stäben verstärkt und an den Enden mit Eisenringen gebunden, sie
waren dreimal so lang als dick. Die alte Konstruktion mit Metall-
büchse und mit einem Rohr aus Holzdauben und Metallringen war
[901]Feuerwaffen.
sehr mangelhaft. Man suchte ihre Mängel zu verbessern und zwar in
zwei Richtungen, einerseits, daſs man die Büchse verlängerte, sie zum
selbständigen Geschütz machte und so zu den gegossenen Metall-
geschützen überging, anderseits, daſs man das aus Holzdauben
zusammengefügte Rohr, durch ein, aus eisernen Stäben zusammen-
geschweiſstes, durch Bänder verstärktes Rohr von viel gröſserer Wider-
standsfähigkeit ersetzte. Es entwickelte sich eine Konkurrenz dieser
beiden Richtungen. Anfangs blieben die gefügten, schmiedeeisernen
Geschütze siegreich, hauptsächlich deshalb, weil man sich in dem

Figure 285. Fig. 285.


Kaliber, in dem Gewicht und Umfang der Ge-
schosse zu überbieten suchte, bald aber siegten
die Bronzegeschütze durch ihre gröſsere Wirk-
samkeit, Sicherheit, Tragkraft u. s. w. Guſs-
eiserne Geschütze erscheinen erst später. Die
schmiedeeisernen Geschütze waren aus
einem Bündel Stäbe heiſs zusammengefügt. Bei
kleineren Geschützen der Art waren die Stäbe
wirklich vollkommen zusammengeschweiſst, wäh-
rend bei den groſsen Geschützen die Schweiſsung
öfter unvollkommen blieb und die Stäbe nur
heiſs zusammengetrieben waren. Dabei war die
Büchse, in die die Pulverladung und das Geschoſs
eingelegt wurde, von dem Laufe getrennt, so
daſs diese Kanonen gewissermaſsen Hinterlader
waren. Die Büchse war mittels eines Bügels mit
dem Rohr verbunden.


In Frankreich erhielten sich die schweren
schmiedeeisernen Kanonen bis in die Mitte des
15. Jahrhunderts, von dieser Zeit ab wurden
sie gänzlich durch die gegossenen Bronzekanonen
verdrängt. Groſse schmiedeeiserne Geschütze der
oben beschriebenen Art finden sich in verschiedenen Waffensamm-
lungen, so z. B. die kolossale „faule Magd“ im Zeughaus zu Dresden.
Ein anderes (Fig. 285) befindet sich im Arsenal in Basel. Das Boden-
stück A ist aus einem Stück geschmiedet. Die daubenartig gefügten
Eisenstäbe des Rohres sind 3 auf 6 cm und werden durch ge-
schweiſste Ringe von verschiedener Stärke zusammengehalten. Der
stärkere Ring bei B ist noch mit einem dicken kupfernen Bande
umzogen. Die Windung hat 33 cm Durchmesser. Das Zündloch ist
auffallend eng. Zur Zeit des italienischen Feldzuges Karls VIII. waren
[902]Feuerwaffen.
die Franzosen bereits mit Bronzegeschützen ausgerüstet, während die
Italiener noch schmiedeeiserne Kanonen hatten, die auf Wagen durch
Ochsen gezogen wurden.


1375 wurde in Caen ein solches Geschütz gefertigt, zu welchem
2110 Pfund Eisen und 200 Pfund Stahl verwendet wurden. Es war
aus Eisenstäben geschweiſst und befanden sich Ringe daran, durch
welche die Seile gezogen waren, durch die es mit Hilfe von Winden
bewegt wurde. Ein Überzug von Kupferblech schützte es gegen den
Rost. Redusius in seiner Chronik von Treviso (1368 bis 1418) schreibt
1376: „Die Bombarde ist ein eisernes Instrument mit weitem becher-
förmigem Vorderteil, in welches die hineinpassende Steinkugel zu
liegen kommt und mit hinten daran befestigtem, zweimal so langem
aber dünnem Rohr, in welches durch die dem Vorderteile zugekehrte
Öffnung das schwarze, aus Salniter, Schwefel und Weidenkohle künst-
lich bereitete Pulver gethan wird. Nachdem sodann jene Öffnung
durch einen hineingeschlagenen Holzpfropf fest verschlossen und die
Steinkugel in das Vorderteil gesetzt und darin verkeilt ist, wird durch
das Zündloch Feuer gegeben und durch die Kraft des entzündeten
Pulvers der Stein mit groſser Gewalt fortgeschleudert.“


Eine sehr alte, in der Konstruktion abweichende Bombarde be-
findet sich in dem Arsenal von Venedig. Das Rohr ist aus Eisenblech
mit geteerten Tauen und Leder überzogen. Sie wird dem Victor
Pisani zugeschrieben und soll 1385 bei der Belagerung von Chioggia
verwendet worden sein.


Die gegossenen Bronzegeschütze entwickelten sich aus der
Büchse, wie sie Berthold Schwarz angewendet hatte. Sie erscheinen
schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und waren es ursprüng-
lich die Glockengieſser, welche die Stücke gossen. Die ersten wurden
in Deutschland gefertigt, wie denn der Guſs der Bronzekanonen ein
wichtiger Industriezweig vieler deutschen Städte wurde, besonders von
Augsburg, dann von Straſsburg, Nürnberg, Danzig und Lübeck.


In Amberg stand im Jahre 1370 eine Metallkanone, die angeblich
schon 1301 gegossen war. Die ersten Kanonen kamen zwischen 1330
und 1340 von Deutschland nach Frankreich unter Philipp von Valois.
In Paris wurden die ersten 1350 gesehen. Ob dies Bronzekanonen
waren, ist ungewiſs, aber wahrscheinlich. Aus dem Jahre 1356 wird
erwähnt, daſs Nürnberg Handel mit Kanonen trieb.


Gewiſs ist, daſs in Augsburg im Jahre 1370 die Geschützgieſserei
bereits in hoher Blüte stand. In diesem Jahre wurden daselbst
20 Stück gegossen. Ebenso werden 1372 gegossene Kanonen von
[903]Feuerwaffen.
Augsburg erwähnt. Diese Kanonen wurden für den Verkauf ange-
fertigt. Auch Nürnberg übernahm zu Ende des 14. Jahrhunderts die
Lieferung von Bronzegeschützen an fremde Fürsten.


Seit Anfang des 15. Jahrhunderts wetteiferte man Geschütze von
kolossalen Dimensionen anzufertigen. Eins der ältesten dieser Riesen-
stücke ist die Braunschweiger „Mette“ oder auch „faule Grete“. Dieser
Name, der sehr häufig vorkommt und sich auch ins Ausland verpflanzte
(Griète im Französischen), rührt von dem Landsknechtshumor jener
Zeit her und entsprang dem Umstande, daſs diese Art von Kanonen
sehr schwer und langsam zu transportieren und in Position zu bringen
war, da sie nicht auf einem Rädergestell lag, sondern auf starken Balken
und mittels schwerer Fuhrwerke fortgeschafft werden muſste. Die groſse
„Braunschweiger Mette“ war in einem Stück gegossen und wog 160 Ztr.1).
In den Hussitenkriegen lieferte Nürnberg schwere Stücke, so 1421 eine
gegossene „Büchse“, die 2 Ztr. schoſs. 1445 wurde daselbst eine
Büchse von 519 Ztr. Gewicht gegossen. Im alten Zeughaus zu München
befindet sich eine Kanone von 43 Ztr. 33 Pfund Gewicht, 1425 von
Hans dem Orgelmeister gegossen. Eine andere, die „Stachlerin“, schoſs
Kugeln von 3½ Ztr.; eine andere, der „Böcker“, solche von 2 Ztr.
1480 führte Graf Eberhard von Württemberg ein groſses Stück, der
„Murfel“ genannt. Es wog 63 Ztr. 36 Pfund, war 11 Fuſs lang und
schoſs Steinkugeln von 160 Pfund Gewicht. 14 Pferde zogen den
Büchsenwagen, 100 Mann, 8 Zimmerleute und 4 Steinhauer bildeten
die Bedienung. Venedig folgte am frühesten den Deutschen in der
Anfertigung von Bronzekanonen. Einer unwahrscheinlichen Tradition
nach soll Berthold Schwarz selbst die Geschützfabrikation im Jahre
1376 bei den Venetianern eingeführt haben.


Bei der Belagerung von Clodia Fosse im Kriege zwischen Genua
und Venedig führten die Deutschen zwei Feldkanonen, die Bleikugeln
schossen, die Venetianer protestierten gegen diese Art von Waffen als
unritterlich und gegen das Völkerrecht.


In den Hussitenkriegen spielte die Artillerie eine groſse Rolle und
bildete sich in diesem Kriege namentlich die Feldartillerie aus.


In Frankreich fanden Bronzegeschütze in der ersten Hälfte des
[904]Feuerwaffen.
15. Jahrhunderts allgemein Eingang. Epochemachend für das Ge-
schützwesen war die Belagerung von Orleans 1428 — 29 durch die Eng-
länder. Der ganze Kampf wurde durch die Artillerie entschieden und
zwar durch die gröſsere Tragweite der gegossenen französischen Ge-
schütze gegenüber den plumpen, alten Bombarden der Engländer.
Die Engländer führten zahlreiches Belagerungsgeschütz und warfen
Steine von 116 Pfund und mehr gegen die Stadt. Damit zerstörten
sie wohl die vor der Stadt gelegenen Mühlen, der Stadt selbst aber
konnten sie damit nur geringen Schaden thun, um so weniger, als die
weittragenden und höher treffenden Geschütze der Franzosen ihre An-
näherung verhinderten. Je mehr die Engländer sich anstrengten, durch
noch schwereres Geschütz der Stadt Schaden zu thun, je mehr steigerten
die Franzosen ihre Bemühungen, ihre Feldschlangen noch weittragen-
der zu machen. Am 1. Dezember 1428 sollen die Engländer aus ihren
Verschanzungen (batilles anglaises) Steinkugeln im Gewicht von
192 Pfund geworfen haben. Daſs dies nicht übertrieben ist, geht daraus
hervor, daſs man noch 1830 in Orleans in der Rue du pat de fer
4 Steinkugeln von jener Zeit herrührend sah, die 4 Fuſs 4 Zoll im
Umfang hatten und an 2 Ztr. wogen. Aber um dieselbe Zeit tötete
der geschickte und berühmte Büchsenmeister der Franzosen, Meister
Jean, den Obergeneral der feindlichen Armee, den Grafen von Salisbury,
mit einem wohlgezielten Schuſs in seinem Lager. Meister Jean be-
diente sich einer, aus Bronze gegossenen Feldschlange (coulevrine), die
auf einem Karren stand und verhältnismäſsig leicht zu transportieren
war. Er bediente das Geschütz selbst. Übrigens hatten auch die
Belagerten schweres Geschütz. Die Stadt verfügte bei Beginn der
Belagerung über 61 Feuerschlünde, die meist von Bronze gegossen
waren, darunter war eine, von der Stadt Montargis geliehen, die
„rifflard“ (Zerreiſser) hieſs und von einem sehr geschickten Meister
Wilhelm Duivy gearbeitet war. Diese warf Steine von 120 Pfund
Gewicht und brauchte 22 Pferde zur Bespannung. Während der
Belagerung goſs ein gewisser Naudin-Bouchart eine sehr lange Feld-
schlange, die alle anderen an Tragweite übertraf und ihre Geschosse
bis auf die Insel Charlemagne warf, welche infolgedessen die Engländer
aufgeben muſsten. Die Erfahrungen während der Belagerung von
Orleans gaben den Impuls zur methodischen Entwickelung des Artillerie-
wesens in Frankreich.


Die Bronzekanonen von leichterem Kaliber, die weit rascher zu
transportieren waren und dabei doch gröſsere Wirkung hervorbrachten
als die alten Ungeheuer, trugen am meisten zu den glänzenden Er-
[905]Feuerwaffen.
folgen der Jungfrau von Orleans und zu der raschen Eroberung von
Nordfrankreich bei. Im Jahre 1418 hatte die Belagerung von Rouen
noch 8 Monate, die von Cherbourg sogar 10 Monate in Anspruch
genommen, 1440 lagen die Franzosen noch 4 Monate vor Harfleur,
während im Jahre 1450 die ganze Normandie von Karl VII. in 6 Tagen
erobert wurde, wobei nicht weniger als 60 Städte kapitulierten. Die
Furcht vor den französischen Kanonen war so groſs, daſs sich manche
Plätze ohne Schuſs ergaben. Die groſsen Fortschritte verdankte
Frankreich besonders den Gebrüdern Bureau. Um diese Zeit wohl
schon kam der Gebrauch eiserner Kugeln in Frankreich auf, obgleich
dieselben erst unter Ludwig XI. um 1470 zu allgemeiner Anwendung
kamen.


Ludwig XI. und Karl VIII. erwarben sich die gröſsten Verdienste
um die Ausbildung des französischen Artilleriewesens. Ersterer be-
sonders in seinen Kämpfen gegen Burgund, letzterer in seinem glänzen-
den italienischen Feldzug.


Bei der Belagerung von Konstantinopel 1452 spielte die Artillerie
eine groſse Rolle. Es kam hauptsächlich schwereres Geschütz in An-
wendung. So warfen die Griechen Kugeln von 150 Pfund Gewicht.
Doch sollen diese plumpen Kanonen durch ihre Erschütterung den
Belagerten selbst mehr Schaden gethan haben, als den Belagerern.
Die gröſste Kanone war von einem ungarischen Stückgieſsermeister
Orban gegossen, es waren 2000 Menschen und 70 Ochsen zum Trans-
port nötig. Sie hatte 34 Zoll Öffnung und sollte Steinkugeln von
850 Pfund werfen und wog 88 Ztr., aber schon beim ersten Schuſs
zerplatzte sie und tötete den Künstler.


Deutschland blieb in der Ausbildung des Artilleriewesens nicht
zurück und erwarb sich namentlich Kaiser Maximilian die gröſsten
Verdienste. Künstler wie Albrecht Dürer arbeiteten an diesem Zweige
der Kriegstechnik. Napoleon giebt folgende Beschreibung des schweren
Geschützes aus dem 16. Jahrhundert: „Der Kaiser (Maximilian) hatte
6 groſse Bombarden von Guſseisen, die nicht auf Lafetten, sondern
auf starken Karren lagen. Wollte man eine Batterie errichten, so hob
man sie ab und legte sie auf einen schweren Holzrahmen. Hinter
diesem war eine Vorrichtung angebracht, um das Rücklaufen des Ge-
schützes zu verhindern. Man schoſs groſse Steinkugeln und konnte
aus einem Geschütz höchstens viermal feuern. Über jede Bombarde
war ein Holzdach gebaut, das das Geschütz umgab wie ein Haus, auf
der Vorderseite war eine bewegliche Schartenlade, die beim Abgeben
des Schusses in die Höhe gezogen wurde.“


[906]Feuerwaffen.

Unter Kaiser Maximilian bildete sich zuerst eine artilleristische
Wissenschaft aus und haben sich seine bezüglichen Einrichtungen
lange Zeit erhalten. Aus dieser Zeit stammen die ersten, gröſseren
Kanonen aus Guſseisen, während man kleine Büchsen, oder richtiger
Böller, schon früher aus Eisen gegossen hatte.


Von höchster Wichtigkeit für die Geschichte der Artillerie war die
Benutzung des Guſseisens zur Herstellung der Geschosse. Es ist be-
kannt, daſs Ludwig XI. dieselben um das Jahr 1470 bei der französi-
schen Artillerie einführte. Indessen geht die Verwendung gegossener
Eisenkugeln viel weiter zurück. Gegossene Eisenkugeln gehören zu
den frühesten Zeugen für die Erfindung des Eisengusses.


Als Geschosse dienten ursprünglich Steine, wie es schon bei den
Ballisten und Katapulten gebräuchlich gewesen war. Wir haben
bereits erwähnt, daſs man auch Brandfackeln und eiserne Bolzen schoſs.
Letztere waren nicht von Guſseisen, sondern geschmiedet, meist vier-
kantig. So scheinen auch die eisernen Kugeln, welche man bei dem
leichteren Geschütz, namentlich den Handfeuerwaffen vor dem Anfange
des 15. Jahrhunderts benutzte, geschmiedet gewesen zu sein.


Steinkugeln erhielten sich bis in das 16. Jahrhundert. Christine
de Pisane, der wir in dem merkwürdigen Buch: Livre des faits d’armes

Figure 286. Fig. 286.


et de chevalerie die frühesten Nachrichten über
das Artilleriewesen verdanken — dies Buch ist
gegen das Jahr 1400 geschrieben — weiſs noch
nichts von eisernen Kugeln. Sie schildert eine
Belagerung jener Zeit folgendermaſsen: Als die
Verteidiger geschlagen waren, begannen sie mit
ihren Kanonen zu schieſsen und Feuer und groſse
Steine zu schleudern. Das Feuer, welches griechisches war, entzündete
alsbald den Belagerungsturm. Sie spricht ferner von dem groſsen
Lärm der Bombarden und von dem schrecklichen Tone der geschossenen
Steine.


Aber schon aus den alten Belagerungsmaschinen hatte man
glühend gemachte Eisenstücke zum Zweck der Brandstiftung geschleu-
dert. Diese waren Schmiedeeisen. Ebenso fing man schon früh an die
Steinkugeln dadurch widerstandsfähiger und wirkungsvoller zu machen,
daſs man sie mit zwei eisernen Ringen in Kreuzform band (Fig. 286).
Die unförmigen Steinkugeln wurden in schweren Karren den Kanonen
nachgefahren. Christine von Pisa zählt die für 248 Geschütze erforder-
liche Munition auf: „Erstens 150 ganz vollkommen runde Steine für
die Kanone von Montfort (groſse Bombarde). Item 120 fertige Steine
[907]Feuerwaffen.
(wovon jeder wohl 1 Ztr. wog) für die anderen groſsen Kanonen. Item
300 fertige Steine für die kleinen Kanonen. Item 600 andere Steine
für die 10 Kanonen, nur zur Hälfte gerundet. Item für die Kriegs-
maschine 460 fertige Steine zum Werfen. Ferner 500 bis 600, die nur
roh gehauen sind. Alles beläuft sich auf die Summe von ungefähr
2200 Steinen. Item 6000 Pfund Blei um Bleigeschosse zu fertigen.“
Bei der Belagerung von Karlstein schossen die Hussiten in 5 Monaten
11000 Steinkugeln gegen die Feste ohne allen Erfolg.


Im Jahre 1372 soll Johann von Arau, der erste Stückgieſser in
Augsburg, auch bereits eiserne Kugeln angewendet haben. Dieselben
waren wahrscheinlich geschmiedet.


Wir werden weiter unten hierauf zurückkommen.


Was uns bei der Geschichte, der Entwickelung des Geschützwesens
insbesondere interessiert, ist der Anteil, den die Eisenindustrie daran

Figure 287. Fig. 287.


nahm und die technischen Fortschritte, die durch die wachsenden An-
forderungen veranlaſst worden sind. Waren auch die ersten Büchsen
des Berthold Schwarz aus Bronze gegossen, so lernte man doch sehr
bald weit haltbarere Büchsen aus Eisen schmieden. Namentlich waren
die ältesten kleineren Geschütze — die arabische Madfa — die deutsche
Donnerbüchse (dunder-busse, busta, pixis) aus Eisen geschmiedet.
Sind dies schon vorzügliche Leistungen der Schmiedekunst, indem es
scheint, daſs die Büchsen aus einem Stück geschmiedet waren, da man
nicht erkennen kann, daſs sie aus Teilen zusammengesetzt waren, so
sind die groſsen Riesenkanonen, wie die groſse Kanone in Basel, die
„Mons Meg“ (1455) von Edinburg und vor allen die tolle Grethe (la
dulle Griète) von Gent wahre Triumphe der Schmiedekunst.


Die Seele der Mons Meg von Edinburg war wie die Genter
[908]Feuerwaffen.
„tolle Grete“ aus einem System zusammengeschweiſster Eisenstäbe
gebildet, diese waren von dicht aneinander gefügten Ringen zusammen
gehalten. Die Büchse (Pulverkammer) hatte einen geringeren Durch-
messer als das Rohr (die Seele) und (Fig. 287 a. v. S.) giebt ein Bild
der Konstruktion und der Dimensionen der Mons Meg 1).


Die tolle Grethe von Gent war das riesigste der bekannten Eisen-
geschütze. Henrad giebt in seiner Geschichte der belgischen Artillerie
folgende Beschreibung der tollen Grethe von Gent.


La Dulle Griète de Gand2).


Das Geschütz ist durchaus Schmiedeeisen, von einer Gesamtlänge
von 5,025 m. Es besteht aus zwei Teilen, der Pulverkammer und dem
Lauf, die beide durch Schrauben verbunden sind. Die Seele des
Laufes ist 3,315 m lang und hat 0,64 im Lichten, die der Kammer
1,375 m und 0,26 im Lichten. Der Lauf ist zusammengesetzt aus

Figure 288. Fig. 288.


32 geschmiedeten Stäben von 55 × 30 mm Dicke, die wie Faſsdauben
zusammengefügt und am unteren Ende umgebogen sind, um den Boden
der Kammer zu bilden. 41 Ringe (Muffen) von gleicher Breite, ge-
bunden und geschweiſst, welche die Längsstäbe vollständig einhüllen,
bilden, durch ihre verschiedene Dicke, vier Abteilungen, deren letzte
bei der Mündung endet in der Weise, daſs noch drei Ringe von gröſserer
Dicke vorgeschweiſst sind. Der äuſsere Durchmesser dieser Muffen-
ringe beträgt 1,00, 0,938, 0,880, 0,820 m.


[909]Feuerwaffen.

Das Zündloch ist verhältnismäſsig eng und gegen die Achse der
Seele geneigt. Das Gewicht des Laufes beträgt 16400 kg und das
Gewicht der Steinkugeln wird ungefähr 340 kg betragen haben.


Die Länge der Seele, die gleich dem Fünffachen des Durchmessers
ist, und der Inhalt der Kammer, von der ⅗ ziemlich genau dem
Gewicht von 38 kg Pulver von 0,9 Dichtigkeit entsprechen, was 1/9 des
Kugelgewichts entsprechen würde, beweisen, daſs die Konstruktion in
dem Maſse dem in der Mitte des 15. Jahrhunderts üblichen Gebrauch
entsprach, man kann schon deshalb kaum das Geschütz auf die von
Froissart bei der Belagerung von Audenarde im Jahre 1382 erwähnte
„Dulle Griète“ zurückführen.


Wichtiger aber als die Steigerung der Leistung der Schmiede-
kunst durch die wachsenden Ansprüche der Artillerie war für die Ge-
schichte der Eisenindustrie die Benutzung des Eisengusses für Ge-
schosse und Geschütze.


Es ist deshalb von gröſstem Interesse, die ersten Anfänge dieser
neuen Technik zu verfolgen. Wahrscheinlich wurde der Eisenguſs
zuerst für Kugeln verwendet. Den technischen Beweis für diese Be-
hauptung werden wir später erbringen, wenn wir von der Erfindung
des Eisengusses speziell handeln werden. Hier ist es zunächst nur unser
Zweck, den Zeitpunkt ausfindig zu machen, in dem der Eisenguſs zuerst
auftritt. Mit Eisenbolzen schoſs man schon vor Einführung der Pulver-
geschütze, aber diese waren geschmiedet. Im Jahre 1342 schossen die
Mauren bei der Belagerung von Algesiras mit eisernen Kugeln so groſs
wie Äpfel, auch diese waren aus Schmiedeeisen gefertigt. Von Johann
von Aarau, dem berühmten Büchsenmeister von Augsburg, wird um das
Jahr 1372 berichtet, daſs er Eisenkugeln einführte. Johann von Aarau
war ein geschickter Gieſser, trotzdem ist es zum mindesten zweifel-
haft, daſs die erwähnten Eisenkugeln gegossen waren, indem man
noch lange Zeit nachher die Eisenmunition für die Donnerbüchsen etc.
aus Schmiedeeisen herstellte.


Die Mitteilung, daſs Johann von Aarau zuerst eiserne Kugeln an-
gewendet hat, gewinnt allerdings ein höheres Interesse, wenn die
Nachricht glaubhaft ist, daſs Ulrich Beham in Memmingen im Jahre
1388 Kugeln von Blei und Eisen goſs 1).


Von groſser Wichtigkeit sind die Untersuchungen aus jener
Periode, von den bis jetzt veröffentlichten besonders die der Stadt
Lille. Die alten Steinkugeln, die carreaux (garos) hieſsen, wurden bei
[910]Feuerwaffen.
gewissen Geschützen schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts durch
eiserne Klötze, daher wohl der Name „Klotzbüchsen“, Eisenbolzen er-
setzt, die jedenfalls auch geschmiedet waren. In einer Liller Rechnung
vom Jahre 1358 heiſst es: à Mikiel le Febvre, pour jc. de grans fiers de
quarriaus de canons (item an Michel den Schmied für jc. groſse Eisen
zu Geschossen für Kanonen).


Bleikugeln in Kupfer-, Bronze-, oder Steinformen gegossen, dienten
seit Mitte des 14. Jahrhunderts für Geschütze von kleinerem Kaliber
(Not- und Feldschlangen, Halbschlangen, Falkonetten, Serpentinen,
Coulevrinen etc. etc., s. weiter unten, und der Handfeuerwaffen).


Mit den groſsen Geschützen: bombardes, veuglaires, courtauds,
mortiers, bombardelles etc., deutsch: Bombarden, Schirm-, Bock-,
Karren-, Kammer-Büchsen, Haufnitzen, Tarasbüchsen u. s. w., schoſs
man bis ins 16. Jahrhundert mit Steinkugeln. Es ist schon zweifel-
haft, ob die leichten Eisenkugeln, welche in den Stadtrechnungen
von Gent erwähnt werden, von denen 1000 Stück nur 10½ Schilling
kosteten, geschmiedet oder gegossen waren. Ersteres ist wohl wahr-
scheinlicher. Wir wissen bestimmt, daſs in der Mitte des 15. Jahr-
hunderts in den flandrischen Städten bereits gegossene eiserne Kugeln
in allgemeinem Gebrauch waren. Ferner liegen urkundliche Beweise
vor, daſs auch Karl der Kühne schon in den ersten Jahren seiner Re-
gierung sich guſseiserner Kanonen bediente 1).


Der hohe Preis der guſseisernen Kugeln beschränkte ihre Anwen-
dung. Wegen der Kostspieligkeit suchte man die Wirkung der Stein-
kugeln auf andere Weise zu erhöhen; abgesehen von dem schon früher
erwähnten Einbinden mit geschmiedeten Eisenbändern, höhlte man die
Kugeln aus und goſs in die Höhlungen Blei. Diese mit Blei gefüllten
Steinkugeln werden in dieser Periode (1470 bis 1490) öfter erwähnt.
Die französischen Schriftsteller geben übereinstimmend das Jahr 1470
als das Jahr der ersten Anwendung guſseiserner Kanonenkugeln an.


Man goſs die eisernen Kugeln ursprünglich in Koquillen. In
allgemeinere Anwendung bei dem stehenden Heere kamen sie zuerst
in Frankreich unter Ludwig XI. und Karl VIII. Von Ludwig XI. wird
berichtet, daſs er das Geheimnis der neuen Kugeln einem deutschen
Juden abgekauft habe. Karl VIII. wendete bei der Belagerung von
Neapel 1495 guſseiserne Kugeln an, und Biringuccio, der vorzügliche
[911]Feuerwaffen.
Fachschriftsteller giebt an 1), daſs dies die erste Anwendung guſs-
eiserner Kanonenkugeln in Italien gewesen sei. Die Erfindung galt
als eine deutsche.


Der Guſs eiserner Kugeln florierte im 16. Jahrhundert besonders
in der Grafschaft Namur und in Lüttich. Die berühmtesten Gieſsereien
befanden sich in Dinant, Bouvignes und Ciney. Indessen erhielten
sich die geschmiedeten Kugeln oder Bleikugeln mit eisernem Kern noch
das ganze 16. Jahrhundert 2).


Wenn es aus technischen Gründen auch wahrscheinlich erscheint,
daſs guſseiserne Kugeln früher gegossen wurden als Kanonen, so ist es

Figure 289. Fig. 289.


doch nicht zu bezweifeln, daſs die Herstellung gegossener Büchsen
sehr alt ist und ist es deshalb nicht minder wichtig für die Geschichte
der Erfindung des Eisengusses, diese Frage eingehend zu prüfen.
Reiches Material hierfür findet sich in Essenweins Quellen zur Ge-
schichte der Feuerwaffen 3).


Gegossene Eisengeschütze werden in Deutschland zuerst im Jahre
1422 im Hussitenkriege bei der Belagerung von Karlstein erwähnt 3).
„Die Röhren von Eisen waren teils geschmiedet, teils gegossen, die
Kugeln von Stein“. Ob diese Mitteilung zuverlässig ist, müssen wir
vorläufig dahin gestellt sein lassen. Sie wird indessen unterstützt
durch verschiedene Thatsachen.


Die eigentliche Büchse (die Pulverkammer), die Berthold Schwarz
zuerst aus Bronze goſs, scheint derjenige Teil der Kanone gewesen zu
sein, der zuerst aus Eisen gegossen wurde. Dies geschah besonders
[912]Feuerwaffen.
bei Kanonen mittlerer Gröſse. In Fig. 289 u. 290 sind zwei Kanonen
(veuglaires) abgebildet, die sich im Artilleriemuseum (des Hafens) von
Hal befinden und die von dem Schloſs Bouvignes bei Dinant (zerstört
1470?) stammen, deren Büchsen von Eisen gegossen sind.


Ebenso wurden bereits im 15. Jahrhundert Feldschlangen (serpen-
tines ou coulevrines) aus Eisen gegossen, meist waren es Stücke von

Figure 290. Fig. 290.


kleinem Kaliber. Während man seither annahm, daſs guſseiserne
Kanonen nicht vor der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Anwen-
dung kamen, liefern die Liller Stadtrechnungen den Beweis, daſs die

Figure 291. Fig. 291.


Kunst, Kanonen zu gieſsen, bis zum Anfange des 15. Jahrhunderts
hinaufreicht.


Im Jahre 1412 bezahlt die Stadt Lille 1) dem Uhrmacher und
[913]Feuerwaffen.
Büchsenmeister (Cannonier) Jacques Yolent für 2 kleine, tragbare
Kanonen von 43 Pfund Gewicht, die er aus Guſs herstellte, in An-
betracht, daſs noch keine ähnlichen existierten, da sie ganz von Eisen
waren … 4 Lire 16 Schillinge. Ferner findet sich in den Rechnungen
derselben Stadt von 1414 1) für den Guſs einer kleinen Kanone aus

Figure 292. Fig. 292.


Eisen, um Bleikugeln (plommées) zu werfen, eine Rechnung über
36 Schillinge.


Auch in Deutschland sind einige kleine Kanonen von Guſseisen
bekannt, die wahrscheinlich aus dieser Zeit herrühren. Zwei Geschütze
dieser Art befinden sich im Germanischen Museum zu Nürnberg. Sie
stammen aus dem Städtchen Pössneck in Thüringen, von wo sie als
Geschenke an das Museum gelangt sind. Wir geben die Abbildung in
Fig. 291 und 292 2).


Figure 293. Fig. 293.

„Sie sind aus Eisen gegossen und das eine Rohr derselben noch
auf dem alten Holzblock aufgeschmiedet, während das andere noch die
Steinkugel trägt, welche es entsenden sollte, ohne Zweifel auch die
Ladung.“


Beck, Geschichte des Eisens. 58
[914]Feuerwaffen.

Essenwein nimmt auf Grund der Konstruktion und ähnlicher Ab-
bildungen aus jener Zeit an, daſs sie aus den ersten Jahrzehnten des
15. Jahrhunderts (1400 bis 1420) stammen. Sie dürften wohl aus der
Zeit der Hussitenkriege herrühren.


Violet le duc 1) beschreibt zwei ähnliche guſseiserne Kanonen, die
wohl derselben Zeit angehören. Er ist sogar der Ansicht, sie könnten
aus dem 14. Jahrhundert stammen. Dieselben sind Fig. 293 und 294

Figure 294. Fig. 294.


abgebildet. Man fand sie aufgehängt in der Kirche von Ruffec in
der Charente. Es sind Rohre von Guſseisen ohne Büchsen, mit ge-
schlossenem Bodenstück. Fig. 295 stellt eine bei Boulogne sur mer
ausgegrabene Kanone dar, die derselben Periode angehören dürfte.


Ein anderes, sehr altes guſseisernes Geschütz (nach Essenwein
der Zeit von 1420 bis 1430 angehörig) befindet sich im Besitz des

Figure 295. Fig. 295.


Herrn von Quast auf Radensleben. Es wurde in der Nähe von Aachen
ausgegraben und weicht in der Konstruktion ab, indem es eine bewegliche,
jedoch mit der Röhre gleich weite Pulverkammer hat (Fig. 296). Daſs
man die bewegliche Büchse auch bei gröſseren Geschützen ebenfalls
nach jener Zeit öfter von Eisen goſs, wurde zuvor erwähnt. In dem
Inventar des Artilleriematerials der Bastille St. Antoine zu Paris aus
dem Jahre 1463 heiſst es: „Unter dem, was von den Engländern
[915]Feuerwaffen.
zurückgelassen war, befindet sich eine groſse Feldschlange von Eisen
mit Holz umkleidet nebst zwei Büchsen aus Guſs 1).“


Ferner befindet sich im Zeughause von Murten eine guſseiserne
Kanone, die aus der Schlacht gegen Karl den Kühnen herrührt, also
vor das Jahr 1476 fällt.


Aus allen angeführten Thatsachen geht hervor, daſs die Erfindung
des Eisengusses bis zum Anfange des 15. Jahrhunderts zurück zu
datieren ist. Die ersten bestimmten Angaben rühren aus Flandern
her, und da die flandrischen Städte im 15. und 16. Jahrhundert durch
ihr Artilleriewesen berühmt waren, Geschütze aller Art anfertigten
und Handel damit trieben, so dürfen wir vorläufig, bis zur Sichtung
des noch unbekannten Materials, worunter in erster Linie die Stadt-
rechnungen jener Periode gehören, Flandern als das Land bezeichnen,
von dem die Kunst des Eisengusses ausging und der Name jenes Uhr-
machers und Büchsenmeisters Jaques Yolens, der das erste Geschütz

Figure 296. Fig. 296.


aus Guſseisen in Lille anfertigte, verdient wohl der Vergessenheit ent-
rissen zu werden.


Besonders im 15. Jahrhundert blühte die Geschützfabrikation in
den flandrischen Städten, sie versorgten Burgund und Frankreich mit
Artilleriematerial. Die flandrischen Geschützgieſser waren weit berühmt.
1440 lieſs Karl VII. in Tournay und auf den Märkten von Flandern
eine groſse Zahl Geschütze kaufen (bouches à feu) und Ludwig XI.
bestellte die Bronzestatue für sein Grab bei einem flämischen Gieſser.


1451 wird zu Mons ein Geschützhändler (marchand d’artillerie)
genannt 2), der für den Preis von 426 Lire 10 Schilling eine Bombarde
aus rotpoliertem Eisen (de fer vernie rouge) von einer Länge von
17 Fuſs, Kammer und Lauf einbegriffen, lieferte.


58*
[916]Feuerwaffen.

Ludwig XII. lieſs durch die Vermittelung Philipps von Cleve
52 Feuerschlünde in Mecheln gieſsen, von dem Kaliber, wie es von da ab
in Frankreich adoptiert wurde. Bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts
bezog auch England seinen Artilleriebedarf meist aus Flandern.
Mecheln wurde der wichtigste Platz für Geschützgieſserei.


Nach der Chronik von Azevedo 1) hatte man dort erst 1420 mit
dem Guſs von Glocken und Geschütz begonnen und zwar war ein ge-
wisser Jacques Dehornes dort der erste Gieſser. Aber rasch veran-
laſste die günstige Lage der Stadt inmitten der zahlreichen Provinzen,
welche das Erbteil der letzten Herzöge aus dem Hause Burgund
wurden, und die Nähe des Hafens von Antwerpen, mit dem es durch
einen Kanal verbunden war, einen mächtigen Aufschwung dieser neuen
Industrie, die noch gesteigert wurde durch die Vervollkommnung der
Fabrikation selbst. In jener Zeit war der Geschützgieſser Jean de
Malines weit berühmt. Als dann Mecheln an Frankreich fiel, wurden
die Gieſsereien königliche, wenigstens führten mehrere Gieſser unter
Philipp dem Schönen den Titel „Fondeur du roi“ und am 12. Januar
1520 kaufte der Staat die älteste und bedeutendste Gieſserei von
dem berühmten Meister Hans van Neurwerk, genannt Poppen Ruyter,
für 1800 Livres und verwandelte sie in eine Staatsanstalt.


In Flandern scheinen auch zuerst Kanonen mit Schildzapfen auf-
gekommen zu sein, die in den Kriegen Karls des Kühnen gelegentlich
der Schlacht von Granson erwähnt werden, denn in den Liller Rech-
nungen von 1465 werden dieselben bereits aufgeführt. Es wird der
Preis genannt de deux torillons chacun à trois bandes et six crampons
destinés à deux petites serpentines pour le mettre sur leurs travaux
et d’un grand torillon à trois bandes, pour une grande serpentine 2)
(von 2 Schildzapfen, jeder aus 3 Ringen und 6 Klammern für 2 kleine
Feldschlangen u. s. w. auf ihre Gestelle zu legen, und einen groſsen
Schildzapfen aus 3 Ringen für eine groſse Feldschlange).


Wir wissen nicht, in welcher Weise das Eisen zuerst geschmolzen
wurde. Es lassen sich hierüber nur Vermutungen aufstellen. Jeden-
falls war man nicht im stande, so groſse Massen flüssigen Metalls auf
einmal zu erzeugen, wie dies bei dem Bronzeguſs möglich war. Aus
diesem Grunde muſste man sich damit begnügen, nur kleine Geschütze
aus Guſseisen herzustellen. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daſs
das Eisen zum Zweck des Gieſsens umgeschmolzen wurde. Die Her-
[917]Belagerung von Tannenberg.
stellung der Guſsform geschah nicht anders als bei dem Bronzeguſs.
Wir besitzen eine Schilderung des Kanonengusses von Vannuccio Birin-
guccio in seiner Pyrotechnia.


Bevor wir diese mitteilen, lassen wir einige Beilagen zur Artillerie
folgen.


Schloſs Tannenberg im Jahre 1399.


Über die Belagerung und den Anteil der Artillerie daran liegen
uns urkundliche Mitteilungen vor, die ein ziemlich klares Bild geben.
Der Pfalzgraf hatte nur eine Büchse, die Steine, etwas gröſser als ein
Haupt, warf, demnach etwa 1 Fuſs im Durchmesser und etwa 70 bis
80 Pfund Gewicht hatten. Sein Büchsenmeister war Henne von
Wachenheim. Der Erzbischof von Mainz hatte gleichfalls Büchsen
gebracht, die nicht näher erwähnt werden, also jedenfalls von kleinerem
Umfange waren. Die Stadt Mainz hatte ihre groſse Büchse gesendet,
nachdem sie in Frankfurt durch Vermittelung des Rates Steinkugeln
dazu gekauft. Auch hatte man gehört, daſs die Frankfurter die Ab-
fuhr ihrer groſsen Büchse in das Lager verdingt hätten und bat des-
halb die Frankfurter, auch die Zufuhr der Mainzer Büchse zu ver-
dingen. Von Frankfurt war schon vorher eine Fustbusse (Faustbüchse)
geschickt. Die Entscheidung des ganzen Unternehmens erwartete man
jedoch von der groſsen Frankfurter Büchse. Zum Transport der
Steine hatten die Bundesgenossen den Frankfurtern 14 Wagen zuge-
sendet. Diese schickten zur groſsen Büchse 16 Steine, nebst 12 kleineren
und dem nötigen Pulver. Für Verbringung der groſsen Büchse auf
die Höhe vor der Burg hatte Henne von Wachenheim eine Aufzug-
maschine konstruiert, da er fürchtete, die Kräfte des Zugviehes würden
nicht ausreichen. Man schrieb deshalb den Frankfurtern, daſs sie
lange Seile mitbringen möchten. 20 Pferde schafften sie nun in die
Höhe; für das Gerüste, worauf sie lag, waren 32 Pferde erforderlich.
Während die Bundesgenossen bald ihr Pulver und ihre Steine ver-
schossen hatten, waren die Kugeln der Frankfurter Büchse zu groſs;
es muſsten daher erst kleinere beschafft, ebenso zuvor ein Schirm für
dieselbe erbaut werden. Die Belagerten suchten die Arbeiten zu
hindern und schossen Steine so groſs wie ein Hellerbrot und kleine
Bleikugeln, ohne indessen jemand zu treffen. Welch besonderen Wert
man aber auf jede Büchse legte und wie wenige deren überhaupt vor-
handen waren, geht daraus hervor, daſs die Frankfurter noch vor
[918]Belagerung von Tannenberg.
dem Falle der Veste ihre Fustbusse zurück verlangten, um sich zu
Hause ihrer Feinde erwehren zu können.


Die Arbeit mit der kolossalen Büchse war eine sehr bedeutende.
Es scheint, daſs dieselbe in sehr groſse Nähe der zu beschieſsenden
Gebäude gebracht wurde; so that sie denn auch ihre Wirkung. Schon
die erste Kugel blieb im Mauerwerk des Bergfrieds stecken; die zweite
durchschlug das Mauerwerk desſelben und bald war die Veste trotz
tapferer Gegenwehr der Belagerten genommen. Sie wurde gänzlich
zerstört und nie wieder aufgebaut.


Bei Ausgrabungen, die im Jahre 1849 von Sachverständigen gemacht
wurden, fanden sich Steinkugeln von verschiedener Gröſse, die damals
in die Burg geworfen worden waren; von 3 Zoll an gingen sie bis zu
2 Fuſs 7½ Zoll. Letztere, mit einem Gewicht von 8¼ Zentner, waren
jedenfalls aus der groſsen Frankfurter Büchse geworfen.


[[919]]

Chronologische Zusammenstellung
der

wichtigsten Nachrichten über die früheste Verwendung der
Feuerwaffen bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts.


Um 150 v. Chr. bediente sich der chinesische Kaiser Wu-ti
der Feuergeschütze (nach Vassius).


668 n. Chr. erfindet Kallinikos von Heliopolis das griechische Feuer.


1078 soll der ungarische König Salomo bei der Belagerung von
Belgrad mit Kanonen geschossen haben [griechisches Feuer (?)].


1147 sollen die Araber vor Lissabon Kanonen gehabt haben.
Sprengpulver wurde in den Bergwerken des Rammelsberges bereits im
12. Jahrhundert angewendet.


1232 bedienten sich die Tataren der Feuerröhren gegen die Chi-
nesen.


1247 wurde nach arabischen Schriftstellern Pulver bei der Belage-
rung von Nieba in Spanien angewendet.


1249 wurden Feuergeschütze (coulevrines) von arabischen Schrift-
stellern beschrieben.


Um 1290 beschreibt Nedjin-Eddin Hassan-Alrahma eine seit
längerer Zeit bei den Arabern gebräuchliche Handfeuerwaffe, die
Madfaa.


1301 soll zu Amberg bereits eine Bronze-Kanone gegossen worden
sein. Im Zeughaus daselbst befand sich eine alte Donnerbüchse mit
der Jahreszahl 1301 (nach anderen 1303. — Beide Zahlen zweifelhaft).


1305 sollen sich die Mauren der Feuergeschosse bei Rhodos be-
dient haben.


1311 werden Feuergeschütze bei der Belagerung von Brescia
erwähnt.


[920]Artilleriechronik.

1314 werden in flandrischen Stadtrechnungen „Bussun met kruyit“
(Büchsen mit Kraut), wahrscheinlich die ersten Donnerbüchsen, erwähnt.


1322 werden in Augsburg Balistarii und ein Magister ballistarum
genannt, der einen „Tummler“ verfertigt, um feuerspeiende Kugeln zu
werfen.


1323 werden Kanonen bei der Belagerung von Baza in Spanien
benutzt.


1324 beauftragt die Regierung der Republik Venedig den Gonfa-
lioner und die 12 Vertrauensmänner, eiserne Kugeln und Kanonen
anzufertigen zur Verteidigung der Stadt 1).


1326 werden Feuergeschütze bei der Belagerung von Forli an-
gewendet. Die Engländer sollen schon im Jahre 1327 Feuerwaffen,
genannt „crackys of war“ gehabt haben (nach der Reimchronik von
Barbour).


1330 macht Berthold Schwarz seine Versuche, die ihn zu der
praktischen Verwendung der explosiven Kraft des Pulvers führen.


1330 bis 1335 im Inventar des kurfürstlich-bayrischen Zeughauses
zu Ingolstadt finden sich 4 Geschütze verzeichnet, von denen das eine
die Jahreszahl 1330, drei kleinere die Jahreszahl 1335 tragen 2).


1338 in einer Rechnung des Kriegszahlmeisters von Frankreich
heiſst es: „Poudre et autres choses necessaires aux canons.“


1338 werden die ersten Kanonen in Frankreich und Flandern
erwähnt (garros), die mit Pulver groſse Pfeile warfen.


1339 werden in einer Quittung 5 eiserne und 5 Metallkanonen für
die Verteidigung von Cambray erwähnt.


1340 bedient sich die Stadt Le Ausnoy in Flandern der Kanonen
zur Verteidigung (Froissart).


1340 findet sich in einer Rechnung der Stadt Lille der Ausdruck
Tuiau de Tannoire (Donnerbüchse).


1342 schossen die Mauren bei Algesiras in Spanien mit eisernen
Kugeln.


1342 werden bei der Belagerung des Schlosses Türmelin in Schott-
land und bei der Verteidigung von Hainebon in Frankreich Kanonen
angewendet (Froissart).


1344. Im Gefolge des Erzbischofs von Mainz wird ein Feuerschütze
aufgeführt (Schunk).


1346 bedienten sich die Engländer der Kanonen in offener Feld-
schlacht bei Creçy.


[921]Artilleriechronik.

1346 fertigt der Zinngieſsermeister Peter von Brügge zu Tournay
ein Geschütz „tonnoille“, das zweipfündige Bleikugeln schieſst und


1347 werden in Lille solche „tonoilles“ in den Stadtrechnungen
genannt; ebenso um diese Zeit (1339 bis 1347) in den Stadtrechnungen
von Cambrai und St. Omer.


1350 kommt die erste Kanone nach Paris.


1356 treibt Nürnberg Handel mit Kanonen. Kanonen werden in
den Stadtrechnungen erwähnt. Meister Sänger erhält Lohn für Ge-
schütz und Pulver. Auch der Markgraf von Mecheln bediente sich in
diesem Jahre der Kanonen. Mecheln hatte einen Geschützmeister
(meester van den dond-bussen).


1356. In Flandern werden zum erstenmal bei Scheut Kanonen
in offener Feldschlacht angewendet.


1357 wird von den Plattnern in Prag erwähnt, daſs sie Pulver-
flaschen machen.


1358 hatte man vor Forli Bombarden, die Steinkugeln von 33 Pfund
warfen.


1360 macht Franz Petrarka nähere Angaben über Feuerwaffen.


1362 verteidigte sich das Schloſs Pietrabuona mit einer Bombarde,
welche 2000 Pfund wog, gegen die Pisaner.


1364. Herzog Stephan von Bayern bedient sich vor Mühldorf der
Büchsen.


1365 hatte Lille bereits 7 Kanonen und kauft 1368 noch 23 Stück
zu Tournay.


1366 führten die Deutschen bei der Verteidigung von Clodia Fosse
im Kriege zwischen Genua und Venedig Feldkanonen, die Bleikugeln
schossen.


1367 werden in Nürnberg zwei Büchsen, woraus man Feuer schieſst,
erwähnt.


1368 schafft Frankfurt zwei Donnerbüchsen für 36 Pfund Pfennige
und 14 Schillinge = 36½ Gulden an.


1369 hat Arras in seinem Zeughaus 38 Kanonen, zu jeder gehörten
12 Wagen für Munition etc.


1370 (1372?) werden in Augsburg 20 Bronzegeschütze gegossen, aus
denen 1372 mit Steinkugeln, 50 Pfund schwer, geschossen wurde.


Johann von Aarau goſs (1372) im Hof von St. Ulrich drei Donner-
büchsen, deren eine 127 Pfund, eine 70 Pfund und eine 50 Pfund wog,
und die auf 1000 Schritt werfen konnten. Die Augsburger erhalten
20 metallene Donnerbüchsen, die steinerne Kugeln schossen. Ebenso
erhält Meister Walther 1372 vom Rat zu Augsburg 160 Gulden und
[922]Artilleriechronik.
eine Ehrung an Tuch, als er in eines Chorherrn Hof die Büchse voll-
endet und die Pulverbereitung überwacht hatte.


1372 erhält ebenso in Augsburg der neue Meister, der mit Büchsen
schieſsen konnte, 2 Pfund und 6 Schilling Ehrung und


1375 erhält der Kandelgieſser Heinrich Schützen Zahlung für
5 Büchsen, aus denen man schieſst.


1375 wird zu Caen ein groſses Geschütz von Schmiedeeisen an-
gefertigt, zu dem 2110 Pfund Eisen und 200 Pfund Stahl verwendet
wurden. Dies Geschütz war aus Eisenstangen geschweiſst, hatte eiserne
Ringe, durch welche die Seile gingen, und war zum Schutz vor Rost
mit Kupferblech überzogen.


1376 giebt Redusius in seiner Chronik von Treviso die Beschreibung
der Konstruktion einer Bombarde folgendermaſsen:


„Die Bombarde ist ein eisernes Instrument, mit weitem becher-
förmigem Vorderteil, in welches die hineinpassende Steinkugel zu
liegen kommt und mit hinten daran befestigtem, zweimal so langem
aber dünnem Rohr, in welches durch die dem Vorderteil zugekehrte
Öffnung das schwarze, aus Salniter, Schwefel und Weidenkohle künst-
lich bereitete Pulver gethan wird. Nachdem sodann jene Öffnung
durch einen hineingeschlagenen Holzpfropf fest verschlossen und die
Steinkugel in den Vorderteil gesetzt und dann verkeilt ist, wird durch
das Zündloch Feuer gegeben und durch die Kraft des entzündeten
Pulvers der Stein mit groſser Gewalt herausgeschleudert.“


1376 wurden vor Jadra Bombarden gegen die Ungarn angewendet.


1376 soll die erste Geschützfabrikation in Venedig durch einen
Deutschen, Schwartz, eingeführt worden sein. Dies soll lange die ein-
zige Geschützfabrik in Italien gewesen sein.


1377 zahlt Augsburg „um die groſse Buchs, die man kauft vom
Maister Ulrich von Eystetten 38 Pfund Pfennig weniger 3 Schilling“.


1377 wurde in Erfurt ein groſses Geschütz gegossen, „die faule
Grete“ genannt.


1378 hatten die Engländer bei der Belagerung von St. Malo
400 Geschütze.


1378 erscheinen in den Stadtrechnungen von Nürnberg Ausgaben
für Steine, die man schieſst aus zwei kupfernen und zwei eisernen
Büchsen.


1378. In demselben Jahre verfertigt Johann von Aarau in Augsburg
drei Büchsen (schwere Kanonen), die 127-, 70- und 50 pfündige Kugeln
auf 1000 Schritt schieſsen und lehrt die drei Patrizier Johann Vend,
Johann Ilsung und Johann Fliesbach das Büchsenschieſsen (s. oben 1372).


[923]Artilleriechronik.

1379. Der Büchsenmeister Walther von Arle hat zu Passau drei
eiserne Büchsen mit gutem „Gewicht“ verfertigt, daraus geschossen
und etliche Bürger „Stupp“ (Pulver) bereiten und schieſsen gelehrt.


Aus dem 14. Jahrhundert, wahrscheinlich um 1380, ist die merk-
würdige Handschrift „Anleitung Schieſspulver zu bereiten, Büchsen zu
laden und zu beschieſsen“ mit Abbildungen (22 Blätter 1). Die Bilder
sind koloriert und beweisen die Farben, daſs alle Geschütze von Eisen
waren.


1380 belagert Herzog Albrecht III. das Raubnest Leonstein mit
Geschütz. Nürnberg übernimmt Lieferungen von gegossenen Bronze-
geschützen.


1380 führen die Venetianer zwei schwere Bombarden, die Trevisane
und La Victoire, die Kugeln von 160 bis 200 Pfund Steingewicht
warfen; jede konnte nur einmal am Tag losgeschossen werden.


1381 hatte die Stadt Augsburg 30 mit Feuerröhren bewaffnete
Männer.


1382 am 3. Mai besiegt Philipp von Artevelde mit 5000 Gentern
ein Heer von 40000 Milizen von Brügge und 800 Ritter unter Louis
de Maele durch die Anwendung zahlreicher Artillerie. In demselben
Jahre verwendeten die Genter bei der Belagerung von Audenarde eine
riesige Bombarde, die 53 Zoll in der Mündung hatte.


1382 hatten die Franzosen Bombardes des gros carreaux (quar-
reaux), sowie flèches ou javelotes de metal de fer au de là jusqu’à la ville.


1383. Anwendung von Artillerie seitens der Stadt Ypern bei der
Belagerung durch die Genter.


1385 bedienen sich die Venetianer einer Art von Mörser bei der
Belagerung von Chioggia.


1386 kosten nach den Stadtrechnungen von Nürnberg drei kupferne
Büchsen, die 2½ Ztr. wiegen, 27 Gulden; 10 kleine eiserne, 30 Pfund
Heller. Der Karren, sie darauf zu schmieden, 10 Pfund 6 Schillinge.


1387 erbaut Skaliger drei groſse „Fahrzeuge“, von denen ein
jedes 144 Kanonen in drei Reihen führte, von denen ein Mann je 12,
also 36 zu gleicher Zeit losschoſs. Es war dies eine Art Mitrailleuse.


1388 sollen bereits Sprenggeschosse (Granaten) in Deutschland in
Anwendung gewesen sein (Moritz Meyer).


Nürnberg zieht (1388) aus mit viel Wagenbüchsen und Fuſsvolk.
Zwei groſse eiserne kosteten 208 Pfund Heller 6 Schillinge.


[924]Artilleriechronik.

1388 hatte der Erzbischof von Köln vor Dortmund Geschütze, die
50 pfündige Steinkugeln warfen.


1388 hatte Zürich eine groſse Büchse von 8 Ztr. 50 Pfund Gewicht
und eine kleine von 4½ Ztr. und 21 Pfund. In demselben Jahre wird
Kaufbeuern mit Büchsen beschossen und 1390 Blaubeuern mit Büchsen
bezwungen.


1397 hatte Jean Galleazzo 30 Kanonen.


1398 wenden die Lütticher Bombarden bei der Belagerung von
Ruremonde an.


1399 wird das Schloſs Tannenberg mit schwerem Geschütz zerstört.


Im Journal des Sciences militaires steht, daſs man um das Jahr
1400 Steinkugeln durch eiserne Kugeln ersetzt habe.


Vor 1400 schrieb Christine de Pisane ihr „Livre des faitz d’armes
et de chevalerie“, welches bereits genaue Angaben über das Artillerie-
wesen enthält.


1401 waren die Städte der Lausitz bereits mit Kanonen bewehrt.


1406 wird in Speier eine groſse Steinbüchse gegossen, zu der
52 Zentner 65 Pfund Kupfer und 3 Zentner 41 Pfund Zinn verwendet
wurden.


1407 führte der Herzog von Burgund 1200 Feuerwaffen.


1408 schickten die Augsburger 80 Fuſsschützen, 2 Karren und
90 Pfund Pulver gegen Rothenburg an der Tauber (octuaginta bom-
bardarii pedites, et duo currulia tormenta, cum nongentis Pyrii pulveris
libris, ex foedere missi sunt, Gassarius a. a. O. 1547).


1411 wird die „faule Mette“ in Braunschweig gegossen, von über
160 Zentner Gewicht.


1412 bediente man sich unter Karl VI. einer riesigen Bombarde,
Griète oder Griote genannt, bei der Belagerung von Bourges.


1419 lassen die Schweinfurter zu Bamberg Geschütze gieſsen.


1420 erweist sich die Überlegenheit der Artillerie der Hussiten
gegen Kaiser Sigismund bei Prag.


1421. München besitzt eine groſse Büchse, die „Stachlerin“, die
3½ Zentner schwere Kugeln schieſst.


1426. Ein Heer von 70000 Mann und 180 Geschützen wird bei
Aussig durch die Hussiten vernichtet.


1427 nahmen die Venetianer den Mailändern bei Brescello 6 Bom-
barden ab, die Steine von 600 Pfund warfen.


1428 spielte die Artillerie bei der Belagerung von Orleans eine
wichtige Rolle.


1429. Das Feuerwerksbuch von Conrad Kauder aus Schwarzau
[925]Artilleriechronik.
lehrt unter anderm die Anwendung des Quadranten zur Richtung der
Geschütze, die Anwendung von Steinkugeln mit kreuzweisen Eisen-
ringen etc.


1434 bedienten sich die Hussiten einer Geschützart, „Kusnieze“
benannt, aus der die Haubitzen entstanden sind.


1444. Eine groſse Bronzekanone, 2 m lang mit dem Wappen von
Burgund und der Jahreszahl befindet sich in Basel.


1447 wird die Schmelzhütte in Nürnberg, in der Geschütze gegossen
wurden, urkundlich erwähnt.


1449 führt Karl VII. bei der Belagerung von Harfleur 16 groſse
Bombarden. — Aus diesem Jahre stammt die wichtige Schrift „De
machinis libri decem“ in der St. Marcus-Bibliothek.


1449 hatte Nürnberg in dem Krieg gegen den Markgrafen Albrecht
Achilles auf den Türmen der Stadt 100 Geschütze. Unter den Tür-
men zum Auszug bereit 6 vierspännige Wagenbüchsen, deren jede
36 Pfund schoſs, 30 dreispännige Karrenbüchsen, 6 Schirmbüchsen,
148 Hakenbüchsen, dazu noch die Hauptbüchsen in den Vorwerken.


1452 wurde bei der Belagerung von Konstantinopel die Riesen-
kanone gegossen, die 8800 Pfund schwer war und Steinkugeln von
850 Pfund warf.


1471 gab es in Frankreich königliche Geschützgieſsereien zu Paris,
Tours, Amiens und Orleans.


1475 sind in der Geschichte des Mönchs Borardus drei Kanonen
abgebildet.


1477 läſst Ludwig XI. eiserne Kugeln gieſsen.


1478 wenden Franzosen und Burgunder noch Steinkugeln an.


1494 waren nach Daru eiserne Geschosse noch so neu, daſs die
Venetianer gegen die Benutzung solcher Kugeln gegen Ferrara Be-
schwerde führten.


1495 hatte Karl VIII. bei dem Zuge nach Italien 140 Bronzekanonen
mit Räderlafetten und Pferdebespannung, während die Italiener ihre
geschmiedeten Eisenkanonen noch mit Ochsen zogen. Er bediente sich
gegossener eiserner Kugeln.


Die Stellung der Büchsenmeister.


Die Büchsenmeister waren Gewerbetreibende oder Künstler, also
durchaus nicht den Kriegsknechten gleich gestellt. Sie traten in den
Dienst der Fürsten und Städte durch freien Vertrag und dienten oft
[926]Büchsenmeister.
den verschiedensten Parteien. Sie waren zünftig und muſsten gewisse
zunftmäſsige Prüfungen bestanden haben. Ihr Ansehen war groſs, da
sie meist eine verhältnismäſsig höhere Bildung besaſsen, neben Kennt-
nissen der Naturwissenschaften, ihre eigentliche technische Kunst als
Feuerwerker und Kanoniere ausbildeten, aber geheim hielten. Ihre
Kenntnisse gingen oft über das Mechanische ihres Berufes weit hinaus
und umfaſste ihr Studium meist das ganze Befestigungswesen, welches
bekanntlich im Mittelalter der plastischen Kunst und der Mathematik
gleich nahe stand. Die Städte waren es, welche zuerst auf ihre Ver-
teidigung bedacht sein muſsten, und so werden in den Städten zuerst
Büchsenmeister genannt, so in Brüssel, Speier, Mainz, Augsburg,
Nürnberg, München, Amberg etc. bereits im 14. Jahrhundert. Die
Befugnisse der Büchsenmeister gingen aber auch weit über die
Anfertigung und Behandlung der Büchsen hinaus, sie waren die tech-
nischen Leiter des ganzen Angriffs- und Verteidigungskrieges. Deshalb
nahmen sie eine sehr exzeptionelle Stellung ein. Die heilige Barbara,
deren Mörder nach der Legende der Blitz getötet haben soll, gilt in
Deutschland und Frankreich als ihre Schutzheilige, wie bei den Slaven
Johann von Nepomuk.


Die Büchsenmeister führten ein ganzes Personal mit sich. Zunächst
einen Ober- und einen Untergesellen. Bei dem Frankfurter Kontingent
vom Jahre 1404 bezog der Meister 8 Schillinge, der Obergesell 6 Schil-
linge, der Untergesell 4 Schillinge, auſserdem waren ihm 12 Ober- und
6 Untersteinbrecher zugeteilt. Er hatte 55 Feldgeschütze und 10 Onager
unter sich. Fast alle berühmten Büchsenmeister waren Deutsche und
in allen Hauptstädten fanden sich deutsche Büchsenmeister. Der be-
rühmtesten haben wir schon Erwähnung gethan. Martin Merz von Am-
berg, der auch ein vorzüglicher Schriftsteller in seinem Fach war,
schreibt 1):


„Zum Auf- und Abladen der Rohre, zur Herrichtung des Gestelles
und der Ansätze waren ihm aus dem Fuſsvolke Leute zugewiesen, zu
seiner Unterstützung im Feuer, zwei oder drei Schieſsgesellen, es seien
Schreiner, Grobschmied oder andere, die damit wissen umzugehen.
Im Felde soll er, wenn er zu einem Wagen oder Karren gesetzt ist,
dieselben zurichten mit Pulver, Stein und Ladzeug, er soll sich verwah-
ren, daſs ihm kein Zündloch verschlagen wird und soll zwei oder drei
bei sich haben, daſs, wenn ihm eins verrennt wird, er ein anderes hab.“


Hinsichtlich der besonderen Eigenschaften eines Büchsenmeisters
[927]Büchsenmeister.
verlangt Abraham von Memmingen: „des ersten soll er Gott ehren, und
vor allen Dingen vor Augen haben, und in Furcht gegen Gott stehen,
denn wenn er mit den Büchsen und dem Pulver umgeht, hat er seinen
gröſsten Feind unter der Hand. Des anderen soll der Meister auch
können schreiben und lesen, denn anders kann er die Stück nicht be-
halten in seinem Sinn, die zu der Kunst gehören, es sei mit destillieren,
separieren, mit sublimieren und mit konfortieren. Er soll auch alle
Stücke vom wilden Feuer und zahmen Werken bereiten können, er soll
wissen von den Tragweiten und Mensuren, von Festigung der Mauern,
Füttern der Gräben, vom Angriff mit Türmen, Katzen und Schirmen.
Er soll auch freundlich sein mit Worten und Werken, dann allzeit bei
Sinnen und sonderlich sich hüten vor Trunkenheit“.


Über der Meister verschiedene Funktionen geben die Dienstbriefe
Aufschluſs. 1405 muſs Meister Martin, dem, nachdem er Leib und Leben
für das Gelingen des Gusses eingesetzt hatte, die Fertigung der Büch-
sen gänzlich miſsglückt war, versprechen: „Niemand eine Büchse zu
gieſsen, die schwerer als 50 Pfund sei, das Land Herzog Ludwigs
nicht zu verlassen, mit dem Büchsenmeister, der jetzt angenommen wor-
den, Friede zu halten, auf des Herzogs und dessen Bundesgenossen
Schlössern alles, was nötig sei, zu besorgen“.


1428 verspricht Hans Trost dem Pfalzgrafen Johann, der ihn zum
Büchsenmeister angenommen: „So lange er lebe seine Schlösser zu rich-
ten zu der Wehre, und sie zu bewahren mit Leib und Kunst, Rat und
Hilfe, ihm auch gieſsen alles Zeug, was er bedürfe und haben wolle und
ihm dienen und gewärtig sein wider jedermann. Er wolle niemand
Geschütze gieſsen, noch geben, noch auch seine Kunst lehren. Für die
Geschütze, die er in Städten, Märkten und der Landschaft gieſse, will
er nur nehmen, was recht und billig ist“.


Dagegen verspricht der Herzog im Bestallungsbriefe: „Dem Meister
für seine Dienste jährlich 100 Gulden Landwährung zu geben, auſser-
dem jährlich ein Hofgewand, und wenn er Büchsen gieſset, oder andere
Arbeit thut, so sollen ihm die nötigen Gesellen gehalten und ausgerich-
tet werden. Erleidet er Schaden bei Belagerungen oder anderswo, so
sollen wir ihm für den Schaden stehen, Kost und Futter geben, wie den
anderen, auch wenn er bei Hof ist, soll er haben Kost und Futter, wie
das andere Hofgesind. Wir sollen auch keinem anderen Meister ver-
gönnen, in unserem Lande weder Büchsen noch Glocken zu gieſsen,
und was die Städte, Märkte und Landschaft davon gebrauchen, das
sollen sie ihn gieſsen lassen und darum ihm geben was recht und
billig ist“.


[928]Büchsenmeister.

Das umfassendste Dokument aber ist die Bestallung des Augs-
burgers Heinrich Roggenburger (1436); in ihr heiſst es:


„Er kann das Gieſsen der Büchsen groſs und klein, das Schieſsen
so behend, als man je gesehen hat, und das Pulver dazu machen. Er
kann Feuerpfeile schieſsen und werfen, gegossene, werfende Werke
groſs und klein und auf einen solchen Sinn fertigen, wie es in deutschen
Landen noch nie gesehen worden, denn sie stehen nach dem Wurfe still,
daſs sie sich nicht rühren noch verrücken, ohne daſs man sie zu binden
oder zu fassen nötig hat und werfen Steine von 5 bis 6 Zentner; ferner
macht er Züge, mit denen man 100 Zentner heben kann, dann Schirm
zu Büchsen und Streitwägen, Brücken, die man über Land führen kann,
zum Anlegen auf Gräben und flieſsende Wasser. Überdas versteht er
Türme, Häuser, Wasser-, Wind- und Roſsmühlen zu bauen, gegossene,
irdene und hölzerne Deicheln zu fertigen, Brunnen auf Berg und Thal
zu leiten und Bildwerk zu formen. Er erhielt jährlich 110 Gulden Lohn.“


Die Vielseitigkeit dieser Meister beweist auch, daſs Hans von Zabern,
des Bischofs von Salzburg Büchsenmeister, im Jahre 1438 den Salz-
brunnen zu Reichenhall richtete.


Ist aus den obigen Angaben die Höhe des Soldes der einzelnen
Meister zu entnehmen, so möge hier noch einiger anderer Löhnungen
erwähnt werden, die sie für ihre Leistungen erhielten. So bekam 1404
einer die Erlaubnis, eine Schmiede zu bauen, ein anderer das Gericht
über die Kaltschmiede, und am Rhein (1404) erhielt Meister Martin bei
Eroberung einer Burg, zu der er viel beigetragen hatte, fünfzig Gulden,
den besten Harnisch und das beste Pferd, die erbeutet wurden.


Von einer zunftmäſsigen Verfassung, wie sie den Meistern der
Fechtkunst vom Kaiser Friedrich III. erteilt wurde, ist in den benutzten
Werken keine Erwähnung vorhanden, wohl aber, daſs der zum Meister
sich ausbilden wollende Geselle bei den Koriphäen seiner Kunst herum-
reist, um dort zu lernen, wie Meister Hans aus München (1502) erzählt,
bei welchen Meistern er das Feuerwerk, das Pulvermachen, den Schuſs
aus den Büchsen, das Werfen aus den Mörsern und endlich das Spreng-
werk erlernt habe.


Die Anzahl der Büchsenmeister in einem Heere entsprach dem Reich-
tume an Geschützen, so hatte Nürnberg im Jahre 1449 zur Bedienung
der Büchsen auf den Türmen der Stadtmauer 144 Büchsenmeister, die,
den Namen nach zu schlieſsen, gröſstenteils dem eingeborenen Bürger-
stande angehörten. Den Gewerben nach finden sich Rotschmiede,
Kandelgieſser und andere Feuerarbeiter. Im Heere vor Neuſs befanden
sich 200 Büchsenmeister.


[929]Büchsenmeister.

Ein solch viel begehrter und benutzter Stand wurde von Kaisern
und Fürsten ausgezeichnet und mit Selbstgefühl erwähnen die Verfasser
der Feuerwerksbücher der Privilegien, die sie vom Kaiser Friedrich III.
im Jahre 1446 erhielten. Als charakteristisch für die Zeit und Kriegs-
führung folgen hier die Hauptpunkte:


„Erstlich. Wenn eine Stadt mit stürmender Hand erobert wird,
soll der Büchsenmeister Sold aus- und angehen. Nach jedem ab-
geschlagenen Sturm gebührt ihm in der Veste das Nämliche.


Zum andern. Jeder Büchsenmeister soll je nach der Gröſse des
Stückes 1 bis 4 Handlanger haben und dafür Sold erhalten.


Zum dritten. Kommt er in Gefahr, wegen eines Vergehens vom
Fuſsvolke oder Reisigen gefangen zu werden, so soll nicht der Profoſs,
sondern nur der Zeugmeister ihn darum strafen.


Zum vierten. Wenn einer, sei’s Reisiger oder Fuſsknecht, wegen
einer Balgerei in Gefahr käme, vom Profossen gefangen zu werden, und
er legt die freie Hand auf eine Büchse, und ruft den Büchsenmeister
seiner Freiheit willen an, soll er drei Tag Freiheit haben.


Zum fünften. Drei Schuss aus einer Büchsen, aus der der Meister
nie geschossen, sind für ihn frei, der vierte gehört dem Herrn und so
lange er die nicht gethan, soll die Obrigkeit wegen Miſslingens nicht
die Hand an ihn legen.


Zum sechsten. Wenn Proviant empfangen wird, soll der Büchsen-
meister, der seine Zündrute in der Hand hat, nicht warten müssen, son-
dern sogleich abgefertigt werden, daſs er wieder zu seinem Stück kommt.


Zum siebenten. In Feindesland gehören ihm die Glocken in Städten,
Märkten und Dörfern.


Zum achten. In einer erstürmten Stadt sind sein: die Kriegs-
rüstung der Zeughäuser, das gröſste Hauptstück, die Ladung in allen
Stücken und das aufgeschlagene Pulver. Nach gewonnener Schlacht
soll der Marschall und Zeugmeister übereinkommen, was man den
Büchsenmeistern geben soll.


Zum neunten. So ein Eingriff in diese Artikel gemacht wird, so
sind alle Artilleriepersonen von ihrer Pflicht ledig, und haben gute
Macht, aus dem Feld zu ziehen zu Freunden oder Feinden, unbeschadet
ihrer Ehren.“


Zur Artillerie zählten noch die Zeug- und Werkmeister, erstere
beaufsichtigten die zum Geschütze, letztere die zum Wurfzeuge gehörigen
Gegenstände, welche im Zeugstadel oder Werkhause aufbewahrt waren,
in Burgen besorgten die Büchsenmeister dieses Geschäft.


Die Büchsenmeister waren nur ausnahmsweise zugleich Büchsen-
Beck, Geschichte des Eisens. 59
[930]Büchsenmeister.
schmiede. Letztere werden häufig als eine besondere Zunft genannt.
Diese Büchsenschmiede besorgten die kleinen Geschütze und Handfeuer-
waffen. 1475 nahm Herzog Albrecht von Sachsen den Büchsenschmied
Conrad in Dienst. Es wurden diesem Eisen und Kohlen geliefert, er
erhielt Wohnung im Schloſs und 12 Schock Groschen jährlich und
auſserdem eine Vergütung für jeden verarbeiteten Zentner Eisen.


Verzeichnis berühmter Büchsenmeister und
Geschützgieſser bis um das Jahr 1500
.


  • 1344 befindet sich im Gefolge des Erzbischofs von Mainz „ein Feuer-
    schütze“.
  • 1356. Meister Sänger in Nürnberg erhält Löhnung für Geschütz
    und Pulver.
  • 1372. Johann von Aarau gieſst in Augsburg drei Geschütze (Gassarius).
  • 1373. Meister Walther in Augsburg.
  • 1374 wird ein neuer Meister in Speier genannt (Lehmann, Chronik
    von Speier).
  • 1375. Heinrich Schütz in Augsburg.
  • 1379. Walther von Arle in Passau 1).
  • 1380. Meister Ulrich in Regensburg.
  • 1382. Büchsenmeister Tannegger und sein Tochtermann in
    Konstanz 2).
  • 1388. Ulrich Grünewald in Nürnberg 3).
    • Ulrich Beham in Memmingen.
  • 1403. Johann von Oppenheim in Hagenau.
  • 1405. Meister Martin bei Herzog Ludwig von Bayern.
  • 1414. Abraham von Memmingen, zugleich als Schriftsteller be-
    rühmt.
  • 1421. Meister Danz in München.
  • 1421. Paul Vorschtel zu Nürnberg.
  • 1423. Peter Haudnaber, im Dienste der Stadt Nürnberg.
  • 1424. Meister Conrad von Ulm zu Nürnberg.
  • 1425 (bis 1436). Meister Nicolaus in Nürnberg wird des Studiums
    halber nach Regensburg und Landshut geschickt.

[931]Geschützgieſser.
  • 1427. Hans Vlöschel von München (Hussitenkrieg).
  • 1428. Hans Trost, Büchsenmeister des Pfalzgrafen Johann.
  • 1428 — 29. Maitre Jean zu Orleans.
  • 1429. Meister Oswald zu Nördlingen.
  • 1432. Paul von Posnaw in Breslau.
  • 1435. Meister Harscher in Nürnberg.
    • Paul der Mönch ebendaselbst.
    • Otto von Esslingen.
    • Konrad von Amberg.
  • 1436. Heinrich Roggenburger in Augsburg.
  • 1438. Hans von Zabern in Salzburg.
  • 1446. Heinrich von Wasserburg, im Dienste des Bischofs von
    Würzburg.
  • 1449. Peter Brun von Obern-Ehenheim, lebenslänglich angestellter
    Büchsenmeister des Bischofs Reinhard II. von Speier.
    • Die Gebrüder Wiederstein in Nürnberg.
  • 1452. Jean Bureau1) und Gaspard Bureau.
  • 1462. Johann Tormschneider, Büchsenmeister „v̅n gutter aben-
    teurer“ 2).
  • 1471. Martin Merz in Amberg, berühmtester Büchsenmeister seiner
    Zeit, erfand die Lafette mit Protze, schrieb 1472 sein „Kriegs-
    buch“ 3).
  • 1475 schickte Herzog Ludwig von Landshut seinen Zeugmeister
    Stephan Westholzer
    nach Amberg, um von Merz „die Kunst
    mit dem groſsen Feuer zu werfen“ zu erlernen 4).
  • 1513 bewilligte Kaiser Max dem Büchsenmeister Hans Sarles bei
    seinem Hause im Kerschenthal in Tirol eine Mühle samt Hammer-
    werk zu erbauen, um seine Büchse darin zu schmieden.

Der Guſs der Geschütze wurde zuerst durch die Zinn- und
Glockengieſser ausgeführt, doch beschäftigten sich auch die Büchsen-
59*
[932]Geschützgieſser.
meister selbst vielfach mit dieser Kunst. Wir geben in folgendem ein
Verzeichnis der berühmtesten Geschützgieſser aus dieser Periode (bis
um 1500).


  • 1346. Peter von Brügge, Zinngieſser zu Tournay, fertigt ein Geschütz
    „tonoille“ (oder canaillos), das zweipfündige Bleikugeln schoſs.
  • 1356 erhält Meister Sänger in Nürnberg Löhnung für Anfertigung
    von Geschützen, ob diese aber gegossen waren, ist ungewiſs.
  • 1372 gieſst der Glockengieſser Wenzel Kundschafter in Prag
    Geschütze.
  • 1372. Johann von Aarau gieſst im Hofe von St. Ulrich in Augsburg
    drei Donnerbüchsen von 127, 70 und 50 Pfund Gewicht, die
    Kugeln auf 1000 Schritt schossen und lehrt die Patrizier Johann
    Vend, Johann Ilsung und Johann Flinsbach das Büchsen-
    schieſsen 1).
  • 1373. Meister Walther in Augsburg erhält vom Rat 160 Gulden
    und eine Ehrung von Tuch für Vollendung einer Büchse.
    • Heinrich Schütz, dem Kandelgieſser in Nürnberg, wird eine
      Rechnung über 5 Büchsen bezahlt.
  • 1377. Meister Ulrich von Eystetten.
  • 1379. Meister Arles gieſst zwei Büchsen für Passau.
  • 1383 wird in Nürnberg eine groſse Büchse für Herzog Stephan von
    Bayern gegossen.
  • 1388. Ulrich Grünwald zu Nürnberg.
    • Ulrich Beham gieſst zu Memmingen Kugeln von Blei und
      Eisen.
  • 1405 tritt Meister Martin als Geschützgieſser in Dienst des Herzogs
    Ludwig von Bayern 2).
  • 1406 wurden in Speier, 1408 in München und 1411 in Braunschweig 3)
    groſse Büchsen gegossen.
  • 1414. Abraham von Memmingen.
  • 1425 goſs Hans der Orgelmeister eine groſse Büchse von 4333 Pfund
    Gewicht, die sich im alten Zeughaus zu Nürnberg befindet.
  • 1428. Wilhelm Duivy goſs ein groſses Stück, „Rifflard“ (Zerreiſser)
    genannt, für Orleans.

[933]Geschützgieſser.
  • 1428. Naudin-Bouchart gieſst während der Belagerung lange, weit-
    tragende Geschütze.
    • Meister Oswald von Nördlingen.
  • 1430. Ulrich der Glockengieſser gieſst in Nürnberg Geschütze.
  • 1435. Meister Paul der Mönch gieſst in Nürnberg „nach neuer Art“
    ein Geschütz, 57 Ztr. schwer, das Steine von 5½ Ztr. warf.
  • 1438. Albrecht Erlenschmied, Stückgieſser zu Würzburg.
  • 1445. Meister Hans von der Rosen zu Nürnberg gieſst eine
    Büchse von 519 Ztr. Gewicht mit dem Bilde des heiligen Sebald.
  • 1449. Die beiden Brüder Widerstein in Nürnberg.
  • 1453 gieſst Orban, ein Ungar, die Riesenkanone vor Konstantinopel.
  • 1471. Martin Merz in Amberg.
  • 1472 wird die Gieſsstätte im Laufer Graben zu Nürnberg urkundlich
    erwähnt.
  • 1477 läſst Ludwig XI. von Johann von Reilhac eiserne Kugeln
    gieſsen.
  • 1478. Heinrich Quinque, ein Gieſser, machte mit Herzog Albrecht
    von Sachsen einen Kontrakt, wonach ihm der Zentner Kupfer
    mit 10 Gulden berechnet wurde, dagegen machte er sich an-
    heischig, drei Notschüsse aus jedem Geschütz zu feuern. Bis
    1479 hatte Meister Quinque geliefert 5 Schlangenbüchsen zu
    47 Zentner 20 Pfund, für 465 Gulden 10 Gr. und 6 Stück von
    59 Zentner für 585 Gulden.
  • 1478 läſst Ludwig XI. groſse Geschütze gieſsen.
  • 1480 wurde der deutsche Büchsenmeister Jorg, „ein geborener Sachs“,
    der zu den Türken übergegangen war, bei der Belagerung von
    Rhodos gefangen und in Dienst gestellt 1).
  • 1482. Stephan Endl von Passau.
  • 1487. Georg Endorfer gieſst das groſse Geschütz für Siegmund von
    Tirol, das sich jetzt im Artilleriemuseum befindet. Es finden
    sich darauf folgende Inschriften:
    di kateri hais ich, vor meinem gehalt hüt dich,
    das unrecht straf ich, jörg endorfer gos mich
    2).
  • 1499. Hans Staudt und Cunrad Zainer, Büchsengieſser zu
    Nürnberg.

[934]Geschützgieſser.
  • 1500. Hans Apotzeller wird vom Kaiser Max als Büchsengieſser
    angestellt.
  • 1502. Nicolaus Oberacker in Augsburg goſs in wenigen Jahren
    in dem neuen Gieſshaus 100 schwere Stücke und
    Georg Löffler, sein Nachfolger, goſs groſse Stücke, die zentner-
    schwere Kugeln warfen.
  • 1504. Auringer goſs Haubitzen, die in die Hände der Venetianer
    fielen.
  • 1505. Sebald Behaim in Nürnberg, Andreas Pognitzer der
    Ältere und Jüngere.
  • 1506. Conrad von Lothringen.
  • 1509. Hans Schnell, lebenslänglich als Büchsenmeister und Gieſser
    von Kaiser Max angestellt.
  • 1512. Georg und Friedrich Naw von Ulm.

Charakteristisch sind auch die Namen der alten Geschütze.
Wie man heutzutage die Schiffe tauft, so geschah es in alter Zeit mit
den Kanonen. Diese Namen sind sehr verschieden gebildet. Häufig
findet darin der derbe Humor der Zeit seinen Ausdruck. Manche Namen
sind der Mythologie oder Geschichte entnommen, manche sind Tier-
namen, viele sind von dem Verfertiger oder von deren Ursprungswort
abgeleitet.


Den Namen „tolle Gret“ (dulle Griéte) führt bereits im Jahre 1382
eine groſse Bombarde bei der Belagerung von Audenarde. Der Name
wiederholt sich öfter und ist namentlich bekannt durch die Riesen-
kanone von Gent. Statt „tolle Grete“ finden wir in Deutschland öfter
„faule Gret“, weil diese unbehilflichen Geschütze nur sehr schwer zu
bewegen waren. So hieſs die groſse Hauptbüchse des Markgrafen
Friedrich I. von Brandenburg um 1411, die Kugeln von 238 Pfund schoſs
und von vielen Ochsen gezogen werden muſste. „Faule Mette“ hieſs
das gewaltige Bronzegeschütz von Braunschweig von 180 Ztr. Gewicht.
„Faule Magd“ eine groſse schmiedeeiserne Kanone im Zeughause zu
Dresden. Die Hauptbüchse der Nürnberger im Jahre 1386 hieſs
„Kriemhild“. Mehr scherzhaft waren folgende Namen: die Buelerin,
die Kundl von Köln, die groſs türkisch Kaiserin, der Lapp, Frau
Humbserin, die Wildgrett, das Frewlein, scharfe Gret, Mach Friede,
Schön Hans, die weiſse Ros, Baloff, Martha, Abraham, Paterzarge
(Patriarch).


Die Namen, welche Christine von Pisa von den Kanonen der Fran-
zosen in der Schlacht von Tongres 1408 mitteilt, sind folgende: die vier
[935]Geschütze.
Hauptbüchsen hieſsen: Garitte, Rosa, Seneca und Marge, ferner eine
groſse Schlange Montfort und ein Kupfergeschütz Arigne 1).


Wir lassen eine Zusammenstellung weiterer Namen folgen, indem
wir dieselbe mehr nach dem Charakter der Bezeichnung gruppieren und
Ort und Jahreszahl beifügen:


Die Kanonen der Hussiten hatten meist Namen, welche die Furcht-
barkeit der Kanonen ausdrücken sollten. Unter den 41 Kanonen vor
Karlstein (1422) finden sich: Chlemelik, der Furchenmacher, Trubacka,
die Schmetternde. Ähnlich sind die Namen der beiden groſsen Mün-
chener Hauptbüchsen von 1421, die Stachlerin, der Böcker. Die Pawer-
pfeiff (groſse Steinbüchse aus der Zeit Sigismunds), Rifflard, der Zer-
reiſser vor Orleans 1428. — „Horrible suis“ und „Suis furieux“.


La victoire heiſst eins der ältesten Geschütze in Venedig (von 1380).
Die Gewinnerin in Passau, eine Virtlbuchs auf 4 Rädern, gegossen
von Stephan Endl 1482. „Le doyen des pais“ und „le chien d’Or-
leans“ hieſsen zwei der groſsen Bronzekanonen, die Ludwig XI. 1478
gieſsen lieſs.


Bussona (die groſse Kanone von Rhodos im Nürnberger Museum).


Hieran schliessen sich Tiernamen, die namentlich später für Feld-
schlangen Mode werden:


Die Wulpin (Wölfin) und Wölfel und Voglerin 1480 in Passau.


Die Eule (1505) von Seb. Bahaim in Nürnberg gegossen.


Der Löwe, so hieſs die Hauptbüchse von Kaiser Max. Eine andere
der Drache von Hall (1505). Die Lerche (mit der Inschrift „Lerich
heiſsen ich, meister Conrad von Lothring goſs mich anno dom. XV c.
V. iar“).


Der Distelfinke („heiſs ich, meister Conrad von Lothringen goſs
mich, anno dom. XV c. VI“).


Ferner der Falk, der Narr, das Elflein, die Kacz, Kateri, Greiff,
Venx (Phönix), Basilisk, Wurm, Schlange, Drache, Strauſs, Kuckuck,
Nachtigall, der Helfant etc.


Sehr viele Geschütze wurden nach den Städte- und Ländernamen
benannt, wie z. B. die Trevisane (1380 in Venedig), die Burgun-
derin mit der Inschrift: Die Burgunderin heiſs ich, Herzog Karl verlor
mich 1470.


Die Vungerin, die Hennebergerin. Die Quedlinburgerin, die 1477
in Dresden gegossen wurde.


Die Casslerin (z. Z. Sigismunds).


Die Landshueterin.


[936]Geschütze.

Die meisten Geschütze aber, namentlich die in Nürnberg und Augs-
burg gegossenen, waren nach dem Gieſsmeister benannt, so die aus
Rhodos stammende, bereits erwähnte Endorferin; 1444 in Nürnberg die
Kaltenburgerin, dann aus der Nürnberger Fehde von 1449 bis 1451 die
Grünwaldin, die Wiedersteinin, die Steudin, die Windspacherin.


In dem Zeuginventar von 1462 werden als Steinbüchsen aufgeführt:
Kün, Wiedersteinin (mehrmals), Kaltenburgerin, Vehlin, Sozerin, Ulri-
chin, Fischerin, Markgräfin, Grunwaldin. Diese Namen wiederholen sich
zum Teil bei den kleineren Büchsen. Unter den Bleibüchsen erscheint
noch die „Steudin“.


Ferner kommen vor die groſse und kleine Gurtlerin, die Muk-
kundin.


Diese Zusammenstellung lieſse sich noch leicht vermehren, doch
dürfte es für unsere Zwecke von gröſserem Interesse sein, eine Klassi-
fikation der Geschützarten mitzuteilen. Es ist hierbei nötig, die Ge-
schützbezeichnungen verschiedener Zeiten nicht zusammenzuwerfen, in-
dem der Sinn der Bezeichnung in verschiedenen Perioden Wandelungen
erfahren hat. So bezeichnen wir mit Büchse, womit man im Mittelalter
in Deutschland ausschlieſslich die schweren Geschütze bezeichnete, jetzt
eine Handfeuerwaffe.


Die Büchse war in der ersten Periode des Artilleriewesens das
schwere, unbehilfliche Geschütz, bei dem Pulverkammer und Lauf ge-
trennt waren, das hauptsächlich bei Belagerungen und bei der Ver-
teidigung fester Plätze verwendet wurde. In den romanischen Sprachen
bezeichnete man damals diese Geschütze mit Bombarden. Man unter-
schied nach Gröſse und Verwendung bald verschiedene Arten von Büch-
sen. Die gröſsten hieſsen Hauptbüchsen oder groſse Büchsen, auch groſse
Hauptbüchsen. Die anderen hieſsen im allgemeinen kleine Büchsen. Nach
der Gröſse unterschied man Viertelbüchsen, kleine und groſse, auch
Quartern. Nach der Art ihrer Befestigung unterschied man Bockbüchsen,
die auf einem Bockgestell lagen und Wagen- oder Karrenbüchsen, die
auf Wagen gefahren wurden, mit einer Bespannung von 8 Pferden und
mehr. Das Geschützrohr war mit feststehendem Fuſs auf einer Dreh-
scheibe im Innern eines Wagens angebracht, dessen Wände beim Ab-
feuern aufgehoben wurden, oder mit Schieſsscharten versehen waren 1).
Dann Schlangenbüchsen. Dies waren Feldgeschütze mit langem Lauf;
und Notbüchsen, eine Art Wallbüchsen. Dann die eigentlichen Hand-
feuerwaffen: Hakenbüchsen und Handbüchsen, diese letzteren waren
in frühester Zeit vielfach aus Kupfer oder Messing hergestellt.


[937]Geschütze.

Nach der Art des Geschosses unterschied man Steinbüchsen und
Klotzbüchsen, aus ersteren wurden Steine, aus letzteren Klötze geschos-
sen. Klötze waren ursprünglich zugehauene Metallstücke, oder mit
Metall umzogene oder ausgegossene Kugeln, wobei wohl hauptsächlich
die gebundenen Steinkugeln, geschmiedete Kugeln und Bleikugeln in
Betracht kamen. Das „Klotzloch“ hieſs die Mündung der Kanone, das
„Weidloch“ die Zündöffnung. Der Ausdruck „begossene Klotzkugel“
kommt öfter vor. Die Klotzkugeln wurden verdrängt durch die runden
guſseisernen Kugeln.


Ferner unterschied man Schirmbussen, schwere Geschütze, hinter
denen eine Wand von Dielen, der Schirm, stand, um dem Büchsenmeister
vor dem, aus dem groſsen Zündloche ausströmenden Feuer zu schützen.
Die Positionsgeschütze waren überdies oft mit einem vollständigen
Bretterhaus überbaut, in dessen Innerem die Artilleristen standen; beim
Abfeuern wurde eine Zugthür vor der Mündung der Kanone aufgezogen,
so daſs das Geschütz und die Mannschaft nur kurze Zeit exponiert
waren.


Schlangenbüchsen nannte man die Feldgeschütze mit langem Lauf,
welche keine so riesigen Kugeln warfen, aber weiter trugen und weit
sicherer gerichtet werden konnten. Nachdem man gelernt hatte, Büchse
und Lauf in einem Stücke herzustellen, nachdem man die Kanonen in
einem goſs, verschwindet der Name Büchse für die Feldgeschütze mehr
und tritt dafür der Name Schlange, wegen des langen, wurmähnlichen
Laufes auf. Neben den Schlangen bildeten sich kurze Geschütze zum
Bogenschuſs aus, die Mörser (Mörslein) und Haufnitzen (unsere Hau-
bitzen), dazu kamen noch die Böller (Poller, Pumphart).


Die Tarrasbüchsen scheinen Schlangen gewesen zu sein. Man unter-
schied nach der Gröſse Vest- und Notschlangen, Feldschlangen, Halb-
schlangen und Falkonet.


Zur Zeit Kaiser Maximilians war die Einteilung der Geschütze etwa
folgende: Die schweren Belagerungsgeschütze. Die früheren Büchsen
wurden eingeteilt nach der Gröſse:


  • 1. in Hauptbüchsen,
  • 2. in Scharfmetzen, Nachtigallen 1) und Quartern. Von diesen
    brauchen die Scharfmetzen 16 Pferde und auſserdem ihr Gefäſs 6 Pferde
    zur Bespannung. Die Quartern 12 und 6 Pferde.

Die Feldgeschütze wurden eingeteilt in Notschlangen 2), welche
[938]Geschützguſs.
Kugeln von 20 Pfund schossen und mit 8 Pferden bespannt waren.
Feldschlangen mit 11 Pfund Kugeln und 8 Pferden, Halbschlangen mit
8 Pfund Kugeln und 6 Pferden, Falkonet mit 6 Pfund Kugeln und
5 Pferden. Zu Dillichs Zeit (1689) waren die Feldgeschütze leichter.
Die Feldschlange schoſs 8 Pfund, die Falkone oder halbe Schlange 4 bis
5 Pfund, das Falkonet 2 Pfund. Philipp von Cleve beschreibt die fran-
zösischen Geschütze am Anfange des 16. Jahrhunderts.


Die Doppelkartaune wog 7200 Pfund, schoſs Kugeln von 80 Pfund
mit einer Pulverladung von 8 Pfund.


  • Die Kartaune   5000 Pfd., Kugelgewicht 50 Pfd., Pulver 50 Pfd.
  • Die Doppelschlange   5000 „ „ 33 „ „ 33 „
  • Die mittlere Schlange   2500 „ „ 12 „ „ 12 „
  • Die Falkone   1000 „ „ 6 (Blei) „ 6 „

Zum Preise der Fortschritte im Artilleriewesen fügt er hinzu: Es
giebt keine Kanone in diesen Tagen, die nicht 40 Schuſs thun könnte.


Die Franzosen unterschieden bombardes, veuglaires, double-cour-
tauds, courtauds, canons, coulevrines, falconets, bombardelles, mor-
tiers etc. Eine ältere Unterscheidung zwischen grobem und Feldgeschütz
ist bronzières und carabotanes (Fernblaseröhren). Die Bezeichnung
canons, welche ja auch bei uns allgemein gebräuchlich geworden ist,
kommt in Frankreich bereits 1338 vor in einer Rechnung des königl.
Kriegszahlmeisters und zwar in dem Sinne groſser Metallkanonen. Der
Name, von der Form hergeleitet, bedeutet „Rohrgeschütz“, von dem
lateinischen canna, Röhre. 1346 kommt in einer Urkunde der Stadt
Tournay der Ausdruck canoilles vor. Der Büchsenmeister Peter von
Brügge erhielt den Auftrag, eine solche für die Stadt anzufertigen.


Erfindung des Eisengusses.


(Guſs der Kanonen.)


Der berühmteste Schriftsteller über das Artilleriewesen im 17. Jahr-
hundert, Dillich 1), sagt:


„Es sind aber die ersten Stücke nicht gegossen, sondern von dicken
eisinen Stangen, wie die Faſs-Tauben zusammengesetzet, und aus
starken eisinen Reifen aneinander getrieben worden, biſs man die
[939]Geschützguſs.
Sache in etwas besser nachgedacht und das Eisen zu schmelzen und
gegossene Stücke zu verfertigen angefangen.“


Wir besitzen keine Beschreibung der Technik des Eisengusses aus
dem 15. Jahrhundert. Es ist uns aber auf eigentümliche Weise eine
Schilderung des Gusses von Bronzekanonen aus diesem Jahrhundert
erhalten, die hier umsomehr wiedergegeben werden darf, als der Guſs
der Eisenkanonen durchaus auf den älteren Erfahrungen des Bronze-
gusses sich stützte.


Guſs der Kanonen Mahomeds II.

Geschütze 1) von gewaltiger Gröſse, die zum Teil erst an Ort und
Stelle gefertigt wurden, bildeten einen wesentlichen Teil der türkischen
Kriegskunst und es wurden deren bis ins 16. Jahrhundert hinein ge-
gossen. Insbesondere knüpft sich an eine Anzahl derselben der Name
Mahomeds II., des Eroberers von Konstantinopel. Das Interesse, welches
sich damals schon an diese Geschütze knüpfte, hat ältere Aufzeich-
nungen hervorgerufen, und wir sind in der Lage, über einige, während
der Belagerung von Konstantinopel gegossene, eingehendere Mitteilun-
gen zu machen, die von einem Zeitgenossen, einem Griechen Namens
Kritobulos, herrühren 2).


„Nachdem Mahomed II. seine Truppen rings um Konstantinopel
aufgestellt hatte (1452), berief er die Befehlshaber seiner Artillerie zu
sich und besprach mit ihnen die Geschütze, die Belagerung, sowie die
Notwendigkeit derart zu verfahren, daſs man möglichst rasch die Stadt-
mauern niederlege. Die Artilleristen antworteten, daſs es nicht
schwierig sei, eine Bresche herzustellen, wenn sie nur andere, ihren
Abmessungen nach zur Niederwerfung und Zertrümmerung der Mauern
geeignetere Geschütze hätten. Indessen sei der Guſs solcher Geschütze
[940]Geschützguſs.
sehr teuer und erfordere auſserdem eine bedeutende Menge Bronze.
Darauf befahl Mahomed sogleich, daſs ihnen alles Nötige verabreicht
werde, und sie ihrerseits stellten eine Maschine (Kanone) her, welche
so schrecklich anzuschauen war, daſs, wer sie nicht gesehen, nicht
daran glauben wollte. Ich werde nun die Art der Anfertigung, die
Abmessungen und den Gebrauch beschreiben. Die Kanone wurde
folgendermaſsen gegossen.“


„Man nahm eine groſse Menge sehr fetten und dabei möglichst
reinen Thones; derselbe wurde einige Tage lang geknetet und zur
Erzielung gröſserer Zähigkeit mit Fett, Haaren u. s. w. versetzt. Alles
dies arbeitete man gut durcheinander und stellte so eine feste und
zähe Masse her, aus welcher ein Cylinder von der Form einer Flöte
(en forme de flûte) und von groſser Länge gebildet ward. Dies war
der Kern für die zum Geschützguſs bestimmte Form. Derselbe hatte
eine Länge von 40 Palmen (32 Fuſs), sein vorderer Teil maſs ungefähr
12 Palmen (9½ Fuſs) im Umkreise, während der Umfang des Kerns
hinten, für die zur Aufnahme des Krautes (l’herbe) bestimmte Kammer
circa 4 Palmen (3⅕ Fuſs) oder etwas weniger betrug; d. h. derselbe
machte ein Drittel des Umfanges der Seele aus, was genau mit den
Regeln für das Verhältnis der übrigen Rohrteile übereinstimmte.“


„Gleichzeitig wurde auch die äuſsere Form angefertigt (in welcher
das Geschütz gegossen werden sollte) und innerlich mit einer, zur
Aufstellung des Kerns bestimmten Höhlung versehen. Auch ist zu
erwähnen, daſs dieselbe so weit war, daſs zwischen ihren Wänden und
dem Kern ein freier Zwischenraum bestand. Der Durchmesser des
letztern war in der ganzen Länge der Form derselbe, und die Dicke
der Geschützwände betrug beim Ausfüllen dieses freien Raumes mit
Metall über 1 Palme (9½ Zoll), der innere Teil der Form war aus
demselben Thone wie der Kern angefertigt; die ganze Form wurde
äuſserlich durch Eisen, Holz, Erde und Steine verstärkt, um dieselbe
zum Aushalten zu befähigen und nicht unter der ungeheuren Menge
des eingegossenen Metalls brechen zu lassen.“


„Hierauf erbaute man zu beiden Seiten der Form zwei Öfen, aus
welchen der Guſs erfolgen sollte. Die Öfen wurden sehr dauerhaft
hergestellt, innerlich mit Ziegelsteinen ausgelegt und mit sehr fettem
und gut durchgearbeitetem Thon verschmiert; äuſserlich führte man
sie aus groſsen, behauenen Steinen auf und verband dieselben, zur
Erzielung eines festen Zusammenhanges, durch Zement und ähnliche
Stoffe. In diese Öfen wurden 1500 Talente (ungefähr 650 Ztr.) Kupfer
und Zinn eingebracht, auf allen Seiten mit Brennholz und Kohlen
[941]Geschützguſs.
umgeben und dann alle Öffnungen der Öfen (ausgenommen die Ab-
stichöffnungen) hermetisch verschlossen. Nunmehr ward das Brenn-
material angezündet und die Verbrennung desſelben, mit Hilfe rings
um die Öfen angebrachter Blasebälge, durch Zufuhr von Luft unter-
stützt. Das Blasen wurde während dreier Tage und dreier Nächte
nicht eingestellt, d. h. bis zu dem Augenblicke, wo die ganze Bronze
geschmolzen und dünn wie Wasser war. Alsdann stieſs man die
Stichöffnungen auf und lieſs die Bronze in thönerne Rinnen in die
Form flieſsen. Dabei wurde nicht nur die ganze innere Höhlung aus-
gefüllt, sondern es bildete sich noch über derselben ein 1 Pik (unge-
fähr 27 Zoll) dickes Metallstück. In dieser Weise ward der Guſs des
Geschützes bewerkstelligt.“


„Nach dem Erkalten der Bronze wurde die Form auseinander
genommen und der Kern entfernt. Demnächst wurde das Metall an
allen Stellen gereinigt, abgeschabt und poliert. Mehr ist über die
Anfertigung der Kanone nicht zu sagen.“


„Jetzt werde ich erörtern, in welcher Weise das Geschütz verwandt
wurde. Zuerst brachte man in dasſelbe das, was man Pulver nennt.
Dieses Pulver füllte den ganzen Raum der Kammer bis zum Anfang
des weitern Rohrteils aus, welcher letztere zur Aufnahme der steinernen
Kugel bestimmt war. Hierauf verschloſs man die Kammer mit einem
hölzernen Spiegel und hämmerte denselben mit eisernen Ansatzkolben
stark an, damit er völlig dicht das Pulver bedecke und erst infolge
des Schusses sich von seiner Stelle bewege. In diesem Spiegel befand
sich eine Aushöhlung, in welche die mit dem eisernen Kolben ein-
geschobene Kugel gleichfalls eingehämmert wurde.“


„Nunmehr gab man dem, auf das zu beschieſsende Ziel gerichteten
Geschütz nach den Regeln der Kunst und auf Grund der Versuche den
erforderlichen Erhöhungswinkel. Dabei schob man einen Balken unter
das Geschütz und legte eben solches Gebälk auf und neben das Rohr,
damit dieses nicht, infolge der durch den Schuſs erzeugten Erschütte-
rung, seinen Platz verlasse und am Ziele vorbeitreffe. Schlieſslich
wurde die Ladung durch eine kleine, hinten am Rohre befindliche
Öffnung entzündet, welche hierzu mit einer Pulverspur bestreut war.
Bei der Mitteilung des Feuers verpuffte das Feuer schneller, als der
Gedanke. Zuerst vernahm man ein schreckliches Geräusch, die Erde
bebte unter den Füſsen und ringsumher und dann folgte ein betäuben-
der Donner. Zugleich mit einem alles versengenden und mit Rauch
belegenden Feuerstrome flog, infolge der Wirkung des verbrannten
Pulvers auf den Spiegel, die Kugel mit schrecklichem Sausen aus der
[942]Geschützguſs.
Geschützmündung. Die mit so unwiderstehlicher Kraft geschleuderte
Kugel flog in die Mauer, und tausende von Trümmerstücken derselben
flogen in die Höhe. Wohin diese Geschütze aufgerichtet wurden, da
verbreiteten sie Tod und Verderben. Zuweilen wurde durch den An-
schlag der Kugel ein Teil oder die Hälfte der Mauer zerstört, zuweilen
in gröſserem oder geringerem Maſse ein Turm, oder die kleine Mauer
zwischen zwei Türmen beschädigt, oder die Zinnen abgebrochen. Nichts
konnte diesen Kugeln widerstehen, selbst nicht die stärksten Mauern;
es gab keine noch so feste und massive Deckung, welche vor der Wir-
kung dieser Kanone hätte schützen können.“


„Eine in gleichem Maſse wirkende ähnliche Maschine ist unwahr-
scheinlich und undenkbar. Die Fürsten und Heerführer der Vorzeit
besaſsen nichts Ähnliches und kannten auch darüber nichts. Wären
solche Kanonen in ihrem Besitze gewesen, so hätte ihnen weder eine
Festung noch eine Stadt widerstehen können, weil es mit diesen Ge-
schützen möglich ist, viel stärkere Mauern als die damals vorhandenen
niederzulegen. Dann würde es zur Bewältigung der Festung nicht
nötig gewesen sein, Trancheen und Circumvallationslinien auszuführen,
unterirdische Galerieen zu graben und Minen zu legen, weil statt
alle dessen das einfache Niederschieſsen und Zertrümmern der Mauern
zum Ziele geführt haben würde. Aber dies war nicht ausführbar, weil
man damals keine Kanonen besaſs. Dieselben traten erst als Folge
der neuen deutschen oder keltischen Erfindung auf, welche erst
150 Jahre vordem oder zu derselben Zeit bekannt wurde. Es bestand
diese geistreiche und glückliche Erfindung in der Entdeckung eines
eigentümlichen, aus den brennbaren und leicht entzündlichen Elementen:
Salpeter, Schwefel, Kohle und Kraut bestehenden Pülverchens. Bei
ihrer Verbrennung bildet diese Mischung trockene, glühende Gase,
welche, in einen engen und festen Bronzekörper eingeschlossen, sich
aus diesem einen Ausweg suchen, dabei die Kugel auf ihrem Wege
vorfinden und deshalb, durch die Wirkung ihrer inneren Spannung,
diese zuweilen so heftig fortschleudern, daſs selbst das Geschütz zu
Bruch geht. Alle jenen die Kanonen betreffenden Mitteilungen haben
wir aus den uns von Artilleristen zu Teil gewordenen Belehrungen
geschöpft, d. h. von Leuten erhalten, welche sich mit diesem Handwerk
beschäftigen.“


[943]Geschützguſs.

Noch ausführlicher handelt Vanuccio Biringuccio in seiner
Pyrotechnia über den Guſs der Kanonen. Stammt dieses Werk
auch erst aus dem Jahre 1540 und gehört dasſelbe also eigentlich in
unsere zweite Abteilung, so glauben wir doch das wichtigste, was sich
auf die Kunst des Gusses bezieht, hier umsomehr anführen zu dürfen,
weil einerseits andere technische Berichte nicht vorhanden sind, ander-
seits wir annehmen dürfen, daſs die Kunst im 15. Jahrhundert, wenn
auch geheim gehalten, nicht anders geübt wurde, als in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts. Man kannte damals, wie es scheint, nur Lehm-
formerei. Der sandhaltige Thon, den man verwendete, war ziemlich fett,
zart anzufühlen, von feinem Korn, sehr gleichmäſsig und das Trocknen
vertragend ohne zu reiſsen und feuerbeständig. Man stellte dieses Mate-
rial durch Mischen von reinem Sand und Thon künstlich her. Nach-
dem man es mit Wasser genetzt und mit einem eisernen Spieſs

Figure 297. Fig. 297.


gehörig durcheinander gearbeitet hatte, vermischte man diesen Form-
sand mit dem ⅔ fachen seines Volumens mit Tuchscheerabschnitzeln,
getrocknetem Kuhmist, Werg, mit Haaren oder dem Mist von Pferden
oder Eseln oder mit kurzgehacktem Stroh (Spreu). Das Modell be-
stand aus Tannenholz (sapin) mit angefügten Guſszapfen von einem
Fuſs Höhe. Groſse Kernnägel, die durch Modell und Überzug gingen,
hielten die Ausladungen und Verzierungen. Man hob diese für sich
ab, ehe man das Modell herausnahm. Diese Einsatzstücke wurden in
zartestem Sand (Masse) hergestellt.


Man bediente sich auch eines in Lehm hergestellten Modells, Fig. 297,
das auf ein Rundholz, welches mit Stroh umwickelt war, in verschiedenen
Lagen mit Hilfe einer Schablone aufgedreht wurde. Dieses Modell, in
Holz oder Lehm, das an seinen beiden Enden schwebend gestützt war,
wurde mit gewaschener Holzkohlenasche und Talg bestrichen, darauf
wurden wiederholt Lagen von geschlemmtem Thon aufgetragen, die
[944]Geschützguſs.
jedesmal getrocknet wurden. Die vorletzte Lage wurde mit Draht
umwickelt im Abstande von je 2 Zoll, und die letzte Umlegung wurde
nach dem Trockenen mit Längsschienen, die durch eiserne Ringe ge-
halten waren, umgeben. Das ganze Modell wurde mit Holzkohlenfeuer
getrocknet und dann das Modell ausgehoben, so daſs die Form verblieb.

Figure 298. Fig. 298.


Die Umkleidung des Hohlraumes bezeichnete man als „Mantel“. In
derselben Weise wurde die Form des Bodenstückes der Büchse her-
gestellt.


Der Kern (Fig. 298) bestand aus einer eisernen Spindel, länger als
die Seele, in der sich eine Öffnung befand, um einen eisernen Bolzen zu
tragen, der den Kern in seiner Lage hielt, so daſs er von dem flüssigen

Figure 299. Fig. 299.


Metall nicht in die Höhe gehoben werden konnte. Die betreffende
Spindel umgab man mit einem Gemisch von Thon, Pferdemist und
Holzkohlenstaub. Der Kern wurde schwebend gehalten durch einen
aus mehreren Teilen bestehenden Ring mit Zapfen, „Rosenkranz“
(Fig. 299). Man erhitzte die Form 24 Stunden bei Rotglühhitze und
senkte sie dann in die Dammgrube, eine Grube in der Schmelze, die
[945]Eisenguſs.
man in Lagen von 3 zu 3 Zoll aufstampfte. Das Einschmelzen geschah
in einem Flammofen. Sobald die Bronze Ölkonsistenz angenommen
hatte, schritt man zum Guſs — also bei möglichst niedriger Tempe-
ratur — um die eiserne Kernspindel leichter herausziehen zu können.
Die Bronzemischung war sehr verschieden, indem jeder Gieſsmeister
sein eigenes Rezept hatte und seine Mischung für die beste erklärte.
Erst kurz vor dem Guſs wurde dem Metallbade Zinn zugesetzt, um die
richtige „reiche“ Legierung zu erhalten. Die Geschütze wurden nach-

Figure 300. Fig. 300.


gebohrt, die kleineren mit der Hand, gröſsere mit Hilfe von Wasser-
rädern (Fig. 300).


An den Guſs der Geschütze schlieſsen wir den Guſs der Ge-
schosse an.


Art und Weise, wie durch Guſs eiserne Kugeln zum
Schieſsen für groſse und kleine Artillerie hergestellt
werden: nach Biringuccio’s Pyrotechnia
1).


„Um nicht von der angefangenen Ordnung bezüglich des Gusses
und der zur Artillerie nötigen Sachen abzuweichen, will ich Euch jetzt
einiges mitteilen über die jetzige Art, wie eiserne Kugeln gemacht
werden, eine Erfindung gewiſs ebenso schön wie schrecklich durch ihre
mächtige Wirkung — etwas Neues bei dem Kriegswesen, da niemals
Beck, Geschichte des Eisens. 60
[946]Eisenguſs.
vordem — wenigstens soviel ich weiſs — Kugeln von Eisen zum Ge-
brauch der Artillerie in Italien gesehen worden sind, bis zur Zeit, da
König Karl von Frankreich sie hierher brachte zur Eroberung des
Königreichs Neapel im Kriege gegen König Ferdinand im Jahre 1495.
Obgleich ich von dieser Art der Verwendung des Eisens Ihnen schon
früher in der Kürze gesprochen habe, so scheint es mir doch ange-
messen, ausführlicher zu berichten, was nötig ist, um Kern und Form
herzustellen, sowie was sonst erforderlich ist, um Eisen zu schmelzen,
wie die Blasebälge, Kohlen und die Modelle, ohne welche man nichts
machen kann, welche man in Italien von Anfang an, um sie nicht
immer neu aus Lehm herstellen zu müssen, von Bronze machte. Die-
selben macht man heutzutage, um Kohlen zu sparen, aus Eisen. Da
nun eine jede Praxis wieder ihre Besonderheiten hat, so will ich Euch
in der richtigen Reihenfolge berichten, wie es gemacht wird.


Demgemäſs macht man zunächst eine Kugel von Holz oder von
Lehm (Terra) oder, wenn man das Material hat, von Blei oder Eisen
und zwar nach dem Maſs, wie man sie haben will. Je nachdem Ihr
nur eine machen wollt und nicht beliebig viele, so setzt ihr diese eine
oder andernfalls mehrere in eine Tafel (Kasten). Die Form macht man
von Gips und beschmiert sie mit Öl oder Schweinefett, oder wenn man
solchen nicht hat, auch von Lehm, gerade so wie sie von Eisen oder
Bronze gemacht sind. Korrespondierend macht man die andere Hälfte
und bringt hieran die Eingüsse und Luftöffnungen an, ferner vier
Öffnungen zum Schlieſsen, um richtig das Gegenstück zu machen, und
weiter eine kleine Öffnung oder einen Vorsprung, um die Zangen daran
anlegen zu können. Habt Ihr das genau so gemacht, so streut es mit
Asche aus oder schmiert es mit Öl ein, füllt jede Hälfte, die genau in
der Mitte geteilt sein muſs, mit Erde (Lehm) aus und stellt so den
Gieſskasten fertig, den Ihr dann nach Belieben mit Bronze oder Guſs-
eisen ausfüllen könnt, und zwar könnt ihr auf diese Art, je nachdem,
eine, drei, fünf, sechs und mehr Kugeln einformen, die Ihr dann
eine nach der andern ausgieſsen könnt. Zu bemerken ist, daſs die
Form gut mit Asche ausgestäubt wird, ferner bedürft Ihr ein Paar
groſser Zangen, mit denen ihr den Zapfen, den Ihr mit eingeformt habt,
faſst, wodurch Ihr sie beliebig handhaben könnt. Ferner müſst Ihr
das Eisen zum Guſs zurecht machen, welches von erdigen und ver-
brannten Teilen zuvor zu reinigen ist, ehe es in den Ofen aufgegeben
wird, damit es so gereinigt durch die Kraft eines mächtigen Kohlen-
feuers, mittels Blasebälge durch Wasserräder getrieben, eingeschmolzen
wird. Leichter und mit weniger Kohlen geschieht das Gieſsen mit
[947]Eisenguſs.
den oben erwähnten Formen (Modellen), mittels deren Ihr so viel machen
könnt, wie Ihr wollt. Sehet auch darauf, daſs Ihr in der Werkstatt
einen oder zwei gute Blasebälge habt oder auf andere Art einen
kräftigen, anhaltenden Wind erzeugt. Den Schmelztiegel macht aus
Kieselerde oder einem andern Steine, der nicht schmilzt, von runder
Form, 1½ Elle tief, ¾ breit, je nachdem, mit mehreren Öffnungen
ungleich tief, damit der Wind leicht einströmen kann, und eine niedrigere
am Boden zum Ausflieſsen der Masse in die Formen. Ist der Tiegel
gut zugerichtet, mit Gestübbe ausgeschlagen, wie es schon früher (beim
Bronzeguſs) beschrieben wurde, so füllt ihn, wenn Ihr ihn brauchen
wollt, mit Kohlen von Kastanien oder Hainbuchen und zwar möglichst
hoch, bis über den Rand; um ihn zu erhöhen, setzt man einige Steine
darum, um die Kohlen zusammenzuhalten, dann giebt man, nachdem
man angezündet hat, Wind. Sind die Kohlen in Glut, so setzt man
nach und nach mittels einer Schaufel das Eisen, welches eingeschmolzen
werden soll, darauf. Auf diese Weise wird es Euch gelingen, es flüssig
zu machen. Auch ist zu beachten, daſs man die Masse mit einer Stange
lüftet und von der Form hebt, bis sie flüssig und von erdigen Bestand-
teilen gereinigt sei. Auch muſs ein Ablauf von Eisen angebracht
werden, so daſs, wenn das Stichloch am Tiegel geöffnet ist, das ge-
schmolzene Eisen zu den Kugelformen geleitet wird. Die Formen sind
paarweise herbeizutragen, oder so zurecht zu stellen, daſs das flüssige
Eisen hinein läuft. Auf diese Weise macht man die Kugeln, die bei
der Artillerie gebraucht werden.


Es ist wahr, daſs manche die Tiegel in anderer Weise machen,
auch daſs einige, um das Eisen flüssiger zu machen, Spieſsglanz zusetzen,
andere Kupfer, Arsenik oder Risa gallo; aber nach meiner Meinung
werdet Ihr es dadurch, da dies von seiner Natur abweicht, nur viel
zerbrechlicher machen.


Man kann die Kugeln auch mit dem Hammer machen, namentlich
für Arkebusen und Musketen, indem man sie aus einem vierkantigen
Stab in einer gewöhnlichen Schmiede ausschmiedet. Man macht in
einem kleinen Amboſs eine halbe Rundung (Gesenk) und einen ent-
sprechenden Setzhammer, dann heizt man das Eisen gut aus, hämmert
es zwischen Amboſs und Setzhammer, indem man es oft dreht, wodurch
man es ganz rund bringt, dann faſst man es mit der Zange und ent-
fernt die Naht mit dem Meiſsel.


Auf diese Art habe ich sehr schöne Kugeln machen sehen, und
waren diese glänzender und schöner glatt als diejenigen, die in der
Guſsform gemacht waren, überdies sind sie nicht zerbrechlich, indem
60*
[948]Eisenguſs.
sie von weichem, gutem Eisen gemacht sind, ohne nachteilige Ver-
unreinigungen oder ihrer Natur schädliche Beimengung.“


Waren wir im stande, eine Reihe von Thatsachen aufzuführen,
die beweisen, daſs der Eisenguſs bereits im Anfang des 15. Jahr-
hunderts zu Kriegszwecken in Anwendung war, so können wir für eine
Verwendung desſelben zu friedlichem Gebrauch aus so früher Zeit nur
wenig Positives beibringen. Die älteste Verwendung des Gusses in
dieser Richtung war für Ofenplatten groſser Kachelöfen. Solcher
Platten bediente man sich nachweisbar schon in den letzten Dezennien
des 15. Jahrhunderts.


Sehr alte Ofenplatten dieser Art stammen aus dem Schloſs Traus-
nitz, sie befinden sich im bayrischen Nationalmuseum, und von Hefner
nimmt auf Grund der Ornamente an, daſs dieselben der Zeit zwischen
1470 bis 1480 entstammen. Aus dieser Zeit dürften auch die Eisen-
platten des groſsen Kachelofens im Rüstungssaal der Feste Koburg
entstammen, von denen Puttrich 1) angiebt, daſs sie aus dem 15. Jahr-
hundert herrühren. Daſs derartige Ofenplatten im Jahre 1490 im
Elsaſs gegossen wurden, geben französische Schriftsteller mit Bestimmt-
heit an, und aus derselben Zeit stammt die Notiz aus Lersners Chronik
von Frankfurt (II, 723) „anno 1490 quinta post michaelis“: „Dem
Meister uff der Mossel, der die eisernen Öfen machen kann, soll man
schreiben die Meſs herzukommen“.


Im Rathaus zu Wolfach steht ein alter derartiger Ofen, auf dessen
Platten „Usingen“ (in Nassau) und die Jahreszahl 1500 zu lesen ist.
Auch in Nassau-Siegen stand der Guſs von Plattenöfen um diese Zeit
bereits in Blüte. Graf Johann I. schenkte 1508 dem Grafen Philipp
dem Älteren von Waldeck als Haussteuer zwei dieser Öfen. Diese
Nachricht beweist, daſs diese Art Öfen damals noch selten und hoch-
geschätzt waren. Ferner bestätigt sie, wie auch aus den vorhandenen
Funden sich ergiebt, daſs sie um diese Zeit nur in fürstlichen Schlössern,
in Rathaussälen und ähnlichen besonderen Lokalitäten zur Aufstellung
kamen. Wenige Jahrzehnte später fanden diese Öfen den allgemeinsten
Eingang in alle besser situierten Familien, selbst auf dem Lande. Es
bildete sich ein förmlicher Stil in der Dekoration dieser Ofenplatten
aus. Da diese Entwickelung aber erst in das 16. Jahrhundert fällt,
so werden wir erst in dem folgenden Teil unserer Arbeit uns eingehen-
der damit befassen. Hier sei nur erwähnt, daſs die ältesten Platten
[949]Eisenguſs.
in ihrer Ornamentierung gotisch sind, daſs die dargestellten Gegen-
stände entweder fürstliche Wappen, oder wenn sie sich auf kirchliche
Dinge beziehen, mehr einen spezifisch katholischen Charakter zeigen,
während in der späteren Zeit ganz abweichend sich ein eigentümlich
romanischer (Renaissance) Stil in der Dekoration herausbildet und die
Gegenstände meist die bekanntesten Erzählungen der heiligen Schrift,
namentlich auch des alten Testaments, zum Vorwurf haben.


Über den Guſs der Kanonenkugeln sowie der Geschütze haben
wir bereits gehandelt. Der Guſs dieser Ofenplatten war wesentlich
abweichend. Die älteren Ofenplatten wurden stets in Herdguſs herge-
stellt, d. h. nur die eine dekorierte Seite des Modells wurde in einem
horizontalen Bett von Formensand (Lehm) eingestampft, während die
obere Seite der Form nach dem Ausheben des Modells offen blieb.
Das Modell bestand demnach nur aus einem einseitig ausgestochenen
Bild und zwar war dies in jener Zeit, in der die Holzschneidekunst in
so hoher Blüte stand, stets in Holz hergestellt. Dadurch ist auch der
Charakter dieser Zeichnungen bedingt, die durchaus den Charakter
der damaligen Holzschnitte und Holzreliefs an sich tragen.


Ehe wir uns zu der metallurgischen Seite des Vergieſsens des
Eisens in jener Zeit wenden, müssen wir noch einiger guſseiserner
Gegenstände Erwähnung thun; denen — nach unserer Meinung mit
Unrecht — ein auffallend hohes Alter zugeschrieben wird. In der
Sammlung des Nationalmuseums in München befindet sich ein runder
Kessel mit drei Füſsen aus Guſseisen als „aus dem 14. Jahrhundert“
bezeichnet. Diese Töpfe, die noch zu Anfang dieses Jahrhunderts in
allgemeinem Gebrauch waren, und die man auch heutzutage hier und
da noch trifft, nannte man am Rhein „Marmitten“, sie waren ihrer
Form nach eine Nachahmung der alten Kupferkessel mit Füſsen, wie
sie schon den Römern bekannt waren. Sie hatten annähernd die Form
unserer Leimpfannen und wurden auf ein offenes Feuer gestellt. Daſs
Gefäſse dieser Art aus Guſseisen bereits im 14. Jahrhundert hergestellt
worden seien, ist nicht anzunehmen, denn das Einformen dieser Ge-
fäſse, sowie der Guſs setzen bereits groſse Erfahrungen in der Formerei
voraus.


Sprechen die technischen Gründe gegen die Richtigkeit der Zeit-
angabe, so beweisen die historischen Umstände so viel wie gar nichts,
denn in dem Erwerbungsprotokoll des Museums heiſst es bei der be-
treffenden Nummer: „Gekauft von einem Juden aus Inspruck, angeblich
aus dem 14. Jahrhundert, von einem Schloſs in Tirol stammend.“ Diese
Angabe ist zu unbestimmt, um den angeführten technischen Gründen
[950]Eisenguſs.
gegenüber eine Bedeutung zu haben. Der Guſs solcher Dreifuſskessel
dürfte kaum über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinausgehen. Die
erste Abbildung ähnlicher Gefäſse aus Eisen verdanken wir Georg Agri-
cola. In dem zwölften Buch seines Werkes De re metallica, das von
der Gewinnung des Salzes handelt, sagt er 1):


„Die anderen sieden das gsaltzen wasser, sonderlich das mehrwasser
in groſsen eisern töpffen, welche dieweil sie d’ mehrer teil strow zu
brennen pflegendt, so machendt sie das saltz schwärtzer, etliche sieden
eben in diesen töpffen das saltzwasser; dieselbigen machendt salz, das
nach fischen reucht und schmeckt.“ Auf der zugehörigen Abbildung
sind zwei groſse Kessel der Art von nachstehender Form (Fig. 301) dar-
gestellt (s. 461). Es ist möglich, daſs diese Kessel aus Guſseisen her-

Figure 301. Fig. 301.


gestellt waren, und würde dies den Beweis geben, welche raschen Fort-
schritte die Eisengieſserei in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
gemacht hat, wahrscheinlicher aber ist es, daſs diese Kessel aus weichem
Eisen getrieben waren.


Ein anderes altes Guſsstück, welches sich wiederholt gefunden hat,
ist eine allerdings sehr plumpe Tiergestalt, ein heraldisches Ungeheuer,
wahrscheinlich einen Löwen vorstellend. Das erste Exemplar sah ich
vor mehreren Jahren in der Altertumssammlung des inzwischen ver-
storbenen Freiherrn Ernst von Bibra zu Nürnberg. Der Besitzer hielt
die Figur, über deren Zweck und Bedeutung er keine Erklärung wuſste,
für sehr alt, wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert stammend. Der
Guſs war sehr unvollkommen. Das Modell war ohne Kunst, hand-
[951]Eisenguſs.
werksmäſsig, wahrscheinlich aus Thon angefertigt gewesen, die Form
war zweiteilig, also mit abhebbarem Kasten eingestampft, aber die
Guſsnaht ganz versetzt. Herr Baurat Mothes, der ebenfalls bei der
Besichtigung anwesend war, erwähnte, daſs sich in Leipzig ein oder
zwei dieser eigentümlichen Löwen aus Eisen gefunden haben. Er hielt
sie für eine heraldische Dekoration etwa an einem Thor, und wenn
ich mich nicht irre, bemerkte er, daſs man ein Exemplar der Art auf
einen Thorpfeiler gesetzt habe. Durch meinen Freund Dr. Hermann
aus Hanau habe ich untenstehende Abbildung (Fig. 302) eines Tieres
der Art erhalten, welches in der unmittelbaren Nähe von Hanau aus-
gegraben worden ist. Ich kann der oben angeführten Ansicht von
Mothes nicht beistimmen, schon der rohen, unkünstlerischen Ausfüh-
rung wegen, vielmehr bin ich durch Vergleichung von Abbildungen u. s. w.
zu der Überzeugung gelangt, daſs diese rätselhaften Tiere nichts
anderes waren, als die Füſse groſser Kachelöfen mit eiserner Platten-

Figure 302. Fig. 302.


bekleidung. Es wäre deshalb
wohl möglich, daſs die angeführ-
ten guſseisernen Löwen — wie die
ältesten Plattenöfen selbst —
dem Ende des 15. Jahrhunderts
entstammten.


Haben wir in dem Vorher-
gehenden die Grenzen der Zeit
zu bestimmen gesucht, bis zu
der die Anwendung des Guſs-
eisens hinaufreicht, so wenden
wir uns jetzt zu der Frage, wie
ist diese Erfindung gemacht, wo-
durch ist dieser groſse Umschwung herbeigeführt worden und wie kam
es, daſs eine scheinbar so naheliegende, einfache Erfindung erst so
spät in die Welt trat?


Wie alle wichtigen Erfindungen im Gebiete der Technik nicht mit
einem Male als fertige That eines genialen Kopfes zur Erscheinung traten,
sondern aus kleinen Anfängen beginnend, Schritt vor Schritt, oft
unbeachtet sich entwickelten, bis sie dann zu einer gewissen Reife
gelangt als glänzender Fortschritt vor aller Welt erschienen, so war
dies auch mit der Erfindung des Eisengusses der Fall. Keine Über-
lieferung nennt uns den Mann, der hier als Erfinder zu bezeichnen
wäre. Mit Recht, denn einen solchen hat es nicht gegeben. So all-
mählich, schrittweise und von selbst entwickelte sich die Kunst des
[952]Wasserkraft.
Eisengusses, die Herstellung und die Verwendung des flüssigen Eisens,
daſs auch nicht ein Name derjenigen, die an einzelnen Fortschritten
auf diesem Gebiete in dem ersten Jahrhundert nach seiner Einführung
ein hervorragendes Verdienst hatten, auf uns gekommen ist. Dies hat
seinen Grund zunächst darin, daſs die ganzen Vervollkommnungen
sich in den Kreisen der beteiligten Gewerbe vollzogen, die das Inter-
esse der Schriftsteller jener Zeit nur in geringem Maſse auf sich
lenkten, ferner daſs die beteiligten Gewerbe aus ihren etwaigen Ver-
besserungen und Erfahrungen ein Geheimnis machten, vor allem aber,
daſs die erste Darstellung geschmolzenen Eisens, wie dessen Ver-
wendung keine freie Erfindung war, sondern durch veränderte Be-
triebsmittel sich von selbst ergab. Daraus erklärt es sich, daſs
dieser wichtigste Fortschritt der Eisenindustrie als etwas so Selbst-
verständliches hingenommen wurde, daſs man kaum ein Jahrhundert
später schon gar nicht mehr der Zeit der Erfindung gedachte, daſs
man glaubte, Eisenguſs habe von jeher bestanden, und sich der Jahr-
tausende nicht mehr erinnerte, während deren den Menschen diese
Form des Eisens unbekannt geblieben war. Die Erfindung des flüssigen
Eisens und seine Verwendung als Guſseisen wurden herbeigeführt
durch die Anwendung der Wasserkraft zur Erzeugung des Gebläse-
windes und die dadurch bedingte höhere Schmelztemperatur. Die
Verwendung der motorischen Kraft des Wassers an Stelle
der tierischen Kraft spielt in der Entwickelung der Technik eine
ebenso groſse Rolle als die Benutzung der Dampfkraft, und sie hat sich
weit langsamer Eingang und eine allgemeinere Verwendung verschafft.


Wir haben die Anfänge der Geschichte der Wassermühlen bereits
früher mitgeteilt 1).


Wir haben gesehen, daſs Wassermühlen schon zu Beginn der
Kaiserzeit den Römern bekannt waren. Sie verdrängten indessen die
Hand- und Eselsmühlen in den Häusern noch nicht, sondern wurden
mehr für öffentliche Zwecke, namentlich für die Bedürfnisse der Legio-
nen betrieben. Öffentliche Wassermühlen, die für das Publikum
Korn mahlten, wurden erst unter Honorius und Arcadius angelegt, und
die ältesten Gesetze zum Schutz der Mühlen (mola aquaria) lassen
erkennen, daſs diese Anstalten noch neu waren. Es gab auch Mühlen
auf den Landgütern an wasserreichen Bächen, wie Palladius berichtet 2).


Die Mühlen des Belisarius (s. S. 581) standen auf Fahrzeugen,
[953]Wasserkraft.
welche im Strom verankert waren. Nach Deutschland kamen die
Mühlen durch die Römer. Die von Ausonius bereits im 4. Jahrhundert
besungenen Mühlen an der Roer waren Steinschneidemühlen, die dem-
nach kaum minder alt als Mahlmühlen sind.


.. Ille (Erubrus)
Praecipiti torquens cerealia saxa rotatu,
Stridentesque trahens por levia marmora ferras
Audit perpetuos ripa ex utraque tumultus.
(Ausonius, Mosella v. 361 etc.).


Die salischen und andere altdeutsche Gesetze geben Schutzvor-
schriften für die Wassermühlen. Gregor von Tours (Ende des 6. Jahr-
hunderts) erwähnt unter anderen eine solche Mühle vor Dijon, dann
eine andere, die sich ein Abt Ursus zum Vorteil seines Klosters er-
bauen lieſs.


„Dum Ursus abbas haec ageret, ac fratres molam manu vertentes
triticum ad victus, necessarium communierent, pro labore fratrum
visum est ei molendinum in ipso Angeris fluvii alveo stabilire, defixis-
que per flumen palis, aggregatis lapidum magnorum acervis exlusas
fecit, atque agnam canale collegit, cuius impetu fabricae rotam in
magna volubilitate vertere fecit; hoc opere laborem monachorum rele-
vans, atque uni fratrum delegans, opus necessarium implebatur.“


Unter den Schenkungen des Klosters Lorsch — nach dem Codex
Laureshamensis — werden schon in frühester Zeit wiederholt Mühlen
erwähnt. So 766 im Lobdengau in Schrieſsheim von Rudolph „unum
mansum cum casa et molino“ (Nro. 418). 785 im Rheingau in Pfung-
stadt von Werinher „tria molina et duo loca ad molina facienda“
(Nro. 214). 790 im Lobdengau in Wibelingen, Gernsheim, Nuſsloch,
Bergheim (nun Heidelberg) und Eppelheim von Erbebald „locum ad
molinum faciendum“ (Nro. 715). 836 im Rheingau, in Pfungstadt von
Franco „molinum simul cum loco in quo constructum est ipsum moli-
num“ (Nro. 218).


Ebenso enthält eine der ältesten Schenkungsurkunden an das
Kloster Bleidenstadt die Erwähnung einer Mühle. Im Jahre 881,
August 9. 1), heiſst es: „Ego in dei nomine Salucho pro remedio animae
mei dono ad sanctum Ferrucium in monasterio Bleidinstadt quidquid
haberi videor in pago Nithagowe in villa Selbahe cum loco ad molen-
[954]Wasserkraft.
dinum faciendum in littore Nithaha cum agris, pratis et pomerio nuper
plantato et circumsepto stipulatione subnixa.“


In Augsburg gab es im Jahre 1012 Wassermühlen. Auf dem
ersten Kreuzzuge zu Ende des 11. Jahrhunderts verbrannten die
Deutschen in Bulgarien 7 Mühlen, die auf einem Strome unter einer
Brücke lagen, also Schiffsmühlen waren. Überhaupt kamen die Wasser-
mühlen (aquae molae) im 11. Jahrhundert in allgemeine Aufnahme.


Wir haben bereits auf das hohe Alter des Marmorschneidens
mittels Sägewerken, die durch Wasserkraft betrieben wurden, hin-
gewiesen. Die Holzsägemühlen stammen jedenfalls aus späterer Zeit.
Beckmann hat durchaus Unrecht, wenn er ganz willkürlich annimmt,
die Mühle an der Röhr, welche Ausonius in seiner Mosella beschreibt,
sei eine Holzsägemühle gewesen und keine Marmorschneidemühle.
Seine Bemerkung lautet: „Denn, obgleich Ausonius eigentlich von Wasser-
mühlen, welche Steine, nicht Holz schnitten, redet, so ist doch wohl kein
Zweifel, daſs diese später als Brettmühlen erfunden wurden.“ Und das
kann der gelehrte Mann sagen, trotz des klaren Wortlautes: „Striden-
tesque trahens per levia marmora ferras (Audit perpetuos ripa ex utraque
tumultus).“ Also obgleich der Dichter auf das ausdrucksvollste schildert,
wie die knirschenden Sägen durch den weichen Marmor gezogen
werden und von dem Lärmen unaufhörlich beide Ufer erschallen.
Wir wissen, daſs die Alten mit dem Marmorschneiden sehr vertraut
waren. Diese Arbeit, mittels Wasserkraft ausgeführt, ist doch weit
einfacher als das Holzschneiden. Die Marmorsäge war ein langes,
sägeblattförmiges Eisen ohne Zähne, das Schneiden geschah meist
unter fortwährendem Zufügen von Schmirgel oder Quarzpulver. Plinius
sagt 1): „Es ist weniger die Säge, welche den Stein zerschneidet, als
der Sand, der fortwährend hin- und hergerieben wird.“ Der Mechanis-
mus war ebenfalls einfach: durch einen Hebel wurde die an einem
Ende verbundene Säge, die auf der entgegengesetzten Seite wohl durch
ein Gewicht niedergedrückt wurde, hin- und hergeschoben.


Einen viel komplizierteren Apparat erforderten Holzsägemühlen.
Bei diesen muſs ein System guter, gezahnter Sägeblätter in einen
Rahmen eingespannt sein, welcher sich vertikal auf- und abbewegt,
während der zu schneidende Stamm auf einem beweglichen Support
[955]Windmühlen.
sich stetig der Säge zu bewegen muſs. Schon diese technische Er-
wägung hätte Beckmann von obiger Äuſserung abhalten sollen. Die
Holzsägemühlen sind wahrscheinlich erst im Anfange des 14. Jahr-
hunderts in Deutschland erfunden worden. Die ältesten Nachrichten
stammen von Augsburg 1). In dem dortigen Bürgerbuche wird bei dem
Jahre 1338 der Name eines Bürgers „dictus Giss Sägemüller“ aufgeführt,
und in dortigen Bauamtsrechnungen kommt bereits 1322 ein Ausgabe-
posten, der sich hernach öfter wiederholt, unter folgender Rubrik vor:


„Molitori dicto Hanrey pro asseribus et swaertlingis.“ Schwärt-
linge, bei uns Schwarten genannt, sind die äuſsersten Bretter des ge-
schnittenen Baumes. Diese Hanreymühle, die noch besteht, wurde
also schon 1322 auch als Holzschneidemühle betrieben.


Der Gebrauch der Sägemühlen verbreitete sich rasch und war im
15. Jahrhundert bereits ziemlich allgemein. So lieſs z. B. der Infant
Heinrich im Jahre 1420 auf der neuentdeckten Insel Madeira Säge-
mühlen, die von Wasser getrieben wurden, anlegen, um die herrlichen
Holzarten zu Brettern sägen und solche nach Portugal bringen zu lassen.


Später als die lebendige Kraft des flieſsenden Wassers lernte
man diejenige des Windes benutzen. Es ist nicht wahrscheinlich, daſs
die Griechen oder die Römer bereits Windmühlen kannten, da ihre
Schriftsteller davon nichts erwähnen. Vitruvs Schweigen über diese
Art Mühlen beweist, daſs sie ihm unbekannt waren. Auch die Nach-
richten, daſs die Windmühlen aus dem Orient nach Europa gekommen
wären, und zwar in den Kreuzzügen, ist wenig glaubhaft, da sie weder
in Palästina, Arabien oder Persien bekannt sind. Es scheint vielmehr,
daſs Windmühlen in Mitteleuropa und zwar speziell im mittlern
Deutschland zuerst erfunden wurden.


Wenzel Hazek, der alte böhmische Annalist, behauptet, daſs vor
dem Jahre 718 alle Mühlen in Böhmen Windmühlen gewesen seien.
Er schreibt: In der selbigen Zeit (718) baute einer, mit Namen Halek,
des Madi Sohn, dem Schwach, daselbst unter der Stadt eine meister-
liche Mühl, die von Wasser getrieben wurde. Daselbst kamen viele
Böhmen hin und verwunderten sich darüber, nahmen auch allda das
Muster und baueten ihnen an den Wasserflüssen hin und her der-
gleichen Mühlen; denn vor diesen sind alle böhmischen Mühlen auf
den Bergen und an Winden gewesen.


Diese Nachricht klingt zwar unwahrscheinlich, doch ist sie nicht
so ganz zu verwerfen. Der Bergbau blühte damals bereits in Böhmen
und gerade der Bergbau scheint zuerst Windmühlen zur Förderung und
[956]Blasebälge.
Wasserhaltung verwendet zu haben, weil auf den hohen Bergen und
an steilen Abhängen diese Kraft allein zur Verfügung stand. Es ist
eine Urkunde erhalten, wonach im Jahre 1105 einem Benediktiner-
kloster in Frankreich gestattet wurde, Wasser- und Windmühlen (mo-
lendina ad ventum) anzulegen 1).


Im Jahre 1143 2) ward in Northamtonshire eine Abtei in einem
Walde angelegt, welcher in einer Zeit von 180 Jahren ganz aufgerieben
wurde. Unter den Ursachen dieser Ausrottung wird angegeben, daſs
in der ganzen Nachbarschaft kein Haus, keine Wind- oder Wasser-
mühle erbaut worden, wozu nicht das Holz aus jenem Walde geholt
wurde. Als im 12. Jahrhundert diese Mühlen allgemeiner zu werden
anfingen, entstand ein Streit darüber, ob von solchen den Geistlichen
der Zehnte gebühre, und Pabst Coelestin III. entschied ihn zum Vor-
teil seiner Leute. Im Jahre 1332 schlug einer Namens Bartolomeo
Verde den Venetianern vor, eine Windmühle anzulegen; nach Unter-
suchung des Vorschlags ward ihm dazu eine Stelle angewiesen, die er
behalten sollte, wenn ihm sein Unternehmen innerhalb einer bestimmten
Zeit glücken würde. Im Jahre 1393 lieſs die Stadt Speier eine Wind-
mühle bauen und einen Mann, welcher mit der Windmühle mahlen
konnte, aus den Niederlanden kommen. Im Jahre 1442 ist eine in
Frankfurt angelegt worden.


Hatte man bis zum Ende des 13. Jahrhunderts die Wasserkraft
fast ausschlieſslich zum Mahlen des Getreides verwendet, so fing man
im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts damit an, die Kraft auf andere
Maschinen und Werkzeuge zu übertragen. Wir haben vorhin gesehen,
wie man um diese Zeit anfing, mittels Wasserkraft Stämme zu Brettern
zu sägen. Man begann die Kraft des Wassers im Bergbau zur Förde-
rung und Wasserhaltung zu verwenden. In der Metallurgie verband
man Hämmer und Pochwerke 3) damit und erfand den Drahtzug, die
Schleifmühlen, man fing an auch die Blasebälge durch Wasser zu
bewegen. Dieser groſse Aufschwung der Mechanik fällt zusammen mit
der Zeit der Erfindung des Pulvers und der Reorganisation des Heer-
wesens, und man darf wohl sagen, daſs auf diesem Gebiete die ge-
steigerten Bedürfnisse des Krieges zumeist den Impuls zu den groſsen
Fortschritten der Technik gaben.


Über die Blasebälge früherer Zeit haben wir wiederholt gehandelt.
[957]Blasebälge.
Wir hatten bereits Veranlassung, eine Reihe primitiver Bälge, wie sie
seit der Zeit des alten Ägyptens bis in unseren Tagen in Anwendung
waren, zu beschreiben. Nur zur Ergänzung tragen wir hier noch
einiges nach.


An die alten sackförmigen Lederbälge schlieſsen sich am engsten
eine Art von Handbälgen, die Agricola in untenstehender Weise abge-
bildet hat 1) und deren sich die Lusitanier beim Zinnschmelzen be-
dienten. Der Ledersack wird durch eiserne Reifen in cylindrischer
Gestalt gehalten. An beiden Enden wird er durch Scheiben geschlossen.
Die vordere ist von Eisenblech und in ihrer Mitte ist gleich die Düse
befestigt, die hintere besteht aus einem Holzbrett, an dem eine Hand-

Figure 303. Fig. 303.


habe und eine Klappe, die sich an einem Scharnier nach innen öffnet,
angebracht ist. Die beiden Bälge liegen horizontal auf einem gemein-
schaftlichen Tische und wurden von einem Arbeiter bewegt. Bei den-
selben war keinerlei Anwendung von dem Hebel gemacht, sie waren
beschwerlich zu handhaben und gaben nur schwachen Wind.


Eine abweichende, unvorteilhaftere Art der Windzuführung war
die mittels groſser Fächer, die hin- und hergeschwungen wurden. Solche
Vorrichtungen waren in alter Zeit bei den finnländischen Bauernöfen
gebräuchlich 2). Man findet sie noch jetzt in der Gegend von Bokhara
bei den Turkomanen. Das Gebläse besteht aus zwei thürähnlichen
[958]Blasebälge.
Brettern, die in einer kastenartigen Wandung sich bewegen, welche auf
der vom Ofen abgewendeten Seite offen ist. An dem vordern Ende
des Kastens befindet sich eine Klappe, die sich öffnet, sobald der Wind
sich dem Ofen zu bewegt, während sie beim Rückgange sich schlieſst.
Zwei solcher Fächer arbeiten gegeneinander. Diese Maschinen sind
originell, aber unpraktisch und kostbar, denn es sind nicht weniger als
16 Mann erforderlich, um den Wind für einen Eisenofen (Bauernofen)
zu liefern.


Unter den früher angeführten Formen erscheint auch bereits bei
den Römern der Handblasebalg 1) mit zwei festen Deckeln, durch Leder
verbunden, wie er auch bei uns gebräuchlich ist. Dieser Konstruktion
scheinen die ersten gröſseren Blasebälge gewesen zu sein, die durch
Wasser bewegt wurden. Da dieselben aber nicht kontinuierlich bliesen,
indem sie beim Auseinanderziehen nur Luft einlieſsen, was durch eine
einfache Klappe in dem Holzdeckel geschah, und erst beim Zusam-
menziehen aus der einzigen Öffnung an der Spitze beim Niederdruck
den Wind ausströmen lieſsen, so muſsten sie einen unterbrochenen
Windstrom liefern. Diesem suchte man abzuhelfen, indem man zwei
Bälge so verband, daſs der Aufzug des einen den andern niederzog, so
daſs immer einer blies.


Georg Agricola giebt eine sehr ausführliche Beschreibung dieser
Hüttenbälge, ebenso Maſsangaben u. s. w. 2). Danach bestanden die Bälge
aus zwei Hauptteilen, dem Balghaupt und dem Balgleib. Der Balgleib,
der eigentliche Windraum, war gebildet aus zwei groſsen Holztafeln, der
Bodenplatte und der Deckelplatte. Diese Platten, die aus mehreren Bret-
tern zusammengefügt waren, liefen nach dem Balghaupt zusammen.
Die Bodenplatte war fest mit dem Haupt verbunden, indem der Boden
des Leibes und des Hauptes eine Platte bildeten, weshalb er also nicht
beweglich war. Der Deckel dagegen war durch Scharniere beweglich
mit dem Balghaupt verbunden. Die Windklappe befand sich im Boden.
Sie bestand aus einem mit Fell überzogenen Holztäfelchen und drückte
sich auf die Liderung auf, welche die Öffnung am Boden umgab. Im
Deckel war ebenfalls ein rechteckiges Loch mit einem Schieber an-
gebracht, mittels dessen man den Wind regulieren konnte. Er wurde
gezogen bei raschem Gange, damit das Leder nicht zerplatzte. Deckel
und Boden waren durch das Balgleder verbunden. Um diesem mehr
Halt und Führung zu geben, waren aber noch ein, gewöhnlich zwei, der
äuſseren Form der Platten entsprechende Rahmen aus Holzleisten
[959]Waldschmiede.
zwischen geschaltet, an welchen das Leder — gewöhnlich Ochsenleder —
ebenfalls angenagelt war. In die vordere Fläche des Balghauptes war
die Düse eingelassen.


Die ganz aus Holz konstruierten groſsen Bälge, wie sie später auf
den Hütten gebräuchlich waren, wurden erst in der Mitte des 16. Jahr-
hunderts erfunden.


Wie man im 14. Jahrhundert die Wasserkraft zu mancherlei neuen
Arbeiten zu gebrauchen, wie zum Sägen von Brettern, zum Draht-
ziehen u. s. w., angefangen hatte, so war es wohl auch in diesem Jahr-
hundert, daſs man mittels Wasserräder Pochwerke, Hämmer und
Blasebälge in Bewegung setzte.


Es ist vorläufig noch nicht möglich, hierfür auch nur einigermaſsen
bestimmte Zeitangaben zu machen. Unsere Annahme stützt sich haupt-
sächlich darauf, daſs wir von Anfang des 15. Jahrhunderts an viele
Waldschmiede ihre Schmelzhütten und Schmieden an Flüsse verlegen
sehen, unzweifelhaft nur wegen der Wasserkraft.


Über die Waldschmiede, ihre Beschäftigung und ihre Stellung
haben wir wiederholt gelegentlich Mitteilungen gemacht.


Wurde das Gewerbe ursprünglich in nur kleinem Maſsstabe be-
trieben, so galt es doch als ein freies. Das Erz wurde gelesen, das
Kohlholz durfte sich der Schmied im Gemeindewald schlagen. Nach-
dem aber die Eisenerze ebenfalls Regal wurden und die Wälder
mehr und mehr in die Hände des Adels kamen, wurden auch die Wald-
schmieden von den Grundherren abhängig und waren gezwungen, sich
von diesen Konzessionen oder Beleihungen zu erwerben. Die natürliche
Folge war, daſs der Waldschmied mehr wie früher seſshaft wurde. Er
suchte seine Konzession nach Kräften auszunutzen und dies führte zur
Erbauung umfassenderer und massiverer Anlagen als dies früher der
Fall gewesen war. Den Namen „Waldschmiede“ behielten sie bei, ob-
gleich sie vielfach aus dem Wald ins Thal, ja in die unmittelbare Nähe
von Städtchen und Dörfern verzogen waren. Die Benutzung der Wasser-
kraft führte dann zur weiteren Arbeitsteilung.


Über die Stellung der Waldschmiede im Anfange des 15. Jahrhun-
derts liegen eine Reihe interessanter Aktenstücke aus dem nassauischen
Archiv zu Idstein, jetzt zu Wiesbaden, vor 1).


Das erste ist die Verleihungsurkunde einer Waldschmiede zu Weil-
[960]Waldschmiede.
münster. 1421, Februar 9., wird dem Waldschmied Otto von Weilmün-
ster von dem Grafen Philipp I. von Nassau-Weilburg die zu Weil-
münster belegene Waldschmiede unter folgenden Bedingungen ver-
liehen:


1. Otto liefert dem Grafen alljährlich am 11. November 8 Wagen
Eisen und 4 Paar Pflugeisen, nämlich 4 Pflugmesser und 4 Pflugschare,
auſserdem am 13. Januar jedes Jahres an Zins für die zur Waldschmiede
gehörige Hofstätte 3 Gulden auf das Schloſs Weilburg;


2. will oder muſs Otto das, was er an der Waldschmiede verbessert
oder gewonnen hat, versetzen oder verkaufen, so steht dem Grafen das
Vorrecht des Kaufes zu; in keinem Falle aber darf Otto seine Errun-
genschaft an einen Edelmann verkaufen;


3. der Graf darf den Waldschmied, solange dieser seinen Verpflich-
tungen nachkommt, in dem Pachtzins nicht steigern;


4. der Graf hat das Recht, in jedem Jahre 6 Wochen lang die
Waldschmiede für sich zu gebrauchen; den Zeitpunkt dieser 6 Wochen
zu bestimmen, steht dem Grafen zu, doch soll er ihn dem Waldschmied
14 Tage vorher ansagen; der Waldschmied stellt für die 6 Wochen dem
Grafen auf dessen Kosten die Knechte; der Waldschmied selbst hat in
den 6 Wochen 1 Woche lang unentgeltlich, die 5 anderen Wochen hin-
durch gegen einen Lohn von wöchentlich 10 Turnos nebst Kost mit-
zuarbeiten, in Krankheitsfällen auf seine Kosten für einen Vertreter
zu sorgen; der Waldschmied stellt für die 6 Wochen dem Grafen alle
Werkzeuge u. s. w. unentgeltlich zur Verfügung; die erforderlichen Erze
und Kohlen beschafft der Graf selbst, das fehlende Erz hat der Wald-
schmied zu liefern; hat der Graf in einem Jahre von der ihm zustehen-
den Gerechtsamkeit keinen Gebrauch gemacht, so hat er sich derselben
für dieses Jahr begeben und kann sie im folgenden Jahre nicht doppelt
verlangen.


Die nächstfolgende Urkunde des Staatsarchivs bezeugt die Anlage
eines zweiten Rennwerkes im Amte Weilmünster. Unter dem 2. August
1434 beurkunden Nicolaus Udo, Waldschmied, und seine Ehefrau Mech-
tilde, daſs Graf Philipp II. von Nassau-Weilburg ihnen ein zwischen
Weilmünster und Winden an der Weil belegenes Feld, „vor dem Beil-
stein“ genannt, behufs Anlage einer Waldschmiede unter den Bedin-
gungen verliehen habe:


1. Nikolaus liefert dem Grafen alljährlich am 11. November
8 Wagen Eisen auf Schloſs Weilburg;


2. will oder muſs Nikolaus die von ihm zu erbauende Waldschmiede
und seine Errungenschaft versetzen oder veräuſsern, so steht dem
[961]Waldschmieden.
Grafen das Vorkaufsrecht zu; Edelleute bleiben unter allen Umständen
als Käufer ausgeschlossen.


3. Der Graf hat die Befugnis, alljährlich 6 Wochen lang die Wald-
schmiede für sich zu benutzen; der Graf hat den Termin dieser 6 Wochen
zu bestimmen, soll denselben aber dem Waldschmied 14 Tage vorher
ansagen lassen; der Waldschmied stellt dem Grafen auf dessen Kosten
die Knechte für die 6 Wochen; der Waldschmied muſs von den 6 Wochen
1 Woche lang unentgeltlich, die 5 anderen Wochen hindurch gegen
einen Wochenlohn von 10 Turnos und freie Beköstigung selbst mit-
arbeiten, in Krankheitsfällen einen Knecht für sich stellen; für die
6 Wochen überläſst der Waldschmied dem Grafen alle Werkzeuge u. s. w.
zu unentgeltlicher Benutzung; die erforderlichen Erze und Kohlen be-
schafft sich der Graf selbst, das etwa fehlende Erz aber muſs ihm der
Waldschmied liefern; läſst der Graf in einem Jahre jene ausbedungenen
6 Wochen hindurch nicht arbeiten, so hat er keinen Anspruch darauf,
solche in dem folgenden Jahre doppelt zu fordern.


An diese Urkunde schlieſst sich unmittelbar der Revers von 1434,
August 2., an, in welchem Waldschmied Nikolaus Udo und seine Ehefrau
Mechtilde dem Grafen Philipp II. von Nassau-Weilburg, welcher ihnen
inhaltlich ihres Reverses ein, zwischen Weilmünster und Winden an der
Weil „vor dem Beilstein“ belegenes Feld behufs Anlage einer Wald-
schmiede verliehen hat, versprechen, sobald diese Waldschmiede auf-
gebaut und in Betrieb gesetzt sein werde,


1. alle zur Beschaffung von Erzen und Kohlen nötigen Fuhren von
Unterthanen des Grafen besorgen lassen zu wollen, ausgenommen, wenn
sie Kohlen aus eines andern Herrn Gebiet beziehen würden, in wel-
chem Falle die Unterthanen dieses Herrn das erste Anrecht auf die
Leistung der erforderlichen Fuhren haben sollen,


2. binnen Jahresfrist nach Eröffnung des Betriebs der Wald-
schmiede zu Weilmünster ein Haus zu bauen und dort mit ihren Kin-
dern sich dauernd niederzulassen.


Dieser zweite Revers ist schon insofern von bergrechtlichem Inter-
esse, als aus dem Umstande, daſs der Landesherr den Waldschmied
durch die Verpflichtung, binnen Jahresfrist sich anzubauen, dauernd in
seinem Lande zu halten Bedacht nimmt, indirekt hervorgeht, daſs auch
in dem vormaligen Amte Weilmünster schon in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts der Grundsatz der Freizügigkeit des Bergmanns gel-
tend war, welche die Bergrechtsgelehrten mit Recht als eine der vor-
nehmsten Grundlagen für den raschen Aufschwung des Bergbaues er-
achtet haben. Nicht minder beachtenswert wird der Revers durch die
Beck, Geschichte des Eisens. 61
[962]Waldschmieden.
erste der beiden Satzungen, in welcher die Beliehenen eine Verpflich-
tung eingehen, die ihnen der Graf nur als Regalinhaber auferlegen
konnte.


In der That erscheint der Graf in der dem ersten Revers der
Eheleute Nikolaus Udo zu Grunde liegenden (uns nicht erhaltenen) Ver-
leihungsurkunde nicht anders, als sein Vater in der durch den Revers
des Waldschmieds Otto vom Jahre 1421 bedingten (gleichfalls nicht
mehr vorhandenen) Verleihungsurkunde als Regalherr. Die Bedin-
gungen, unter welchen die Grafen Philipp Vater und Sohn die beiden
Rennwerke verleihen, sind nahezu wörtlich dieselben. Wenn nun im
§. 2 dieser Bedingungen in beiden Verleihungsurkunden bei etwa ein-
tretender Notwendigkeit einer Veräuſserung der gewonnenen Bergbau-
und Hüttengerechtigkeit nicht nur dem Landesherrn das Vorrecht des
Kaufs ausbedungen wird, sondern auch als Käufer in zweiter Linie unter
allen Umständen Edelleute ausgeschlossen werden, so erhellt hieraus,
daſs die Verhüttung des Erzes auch von den Nassau-Weilburger Grafen
zu den Objekten des Bergregals gezählt wurde, deren Verleihung sie
als eine ihrer landesherrlichen Befugnisse betrachteten und, wie die
Urkunden überzeugend beweisen, als eine solche auch faktisch ausübten.
Hiermit hängt es dann weiter zusammen, wenn die Errichtung einer
Hütte seitens der Berggewerke zur Verschmelzung ihrer eigenen Erze
von einer Verleihung abhängig gemacht wurde, wie dieses für das vor-
malige Amt Weilmünster aus §. 3 der nachher zu besprechenden Ver-
leihungsurkunde vom Jahre 1495 zu erweisen ist. Noch evidenter
tritt das kraft der Hoheit über den Bergbau von den Grafen von Nassau-
Weilburg ausgeübte Verfügungsrecht über die Hüttenwerke in den
späteren, weiter unten zu erläuternden Urkunden hervor, in welchen
dieselben bei Verleihung von Bergwerken das Vorkaufsrecht an allen
Erzen sich ausbedingen und durch das Verbot des Verschmelzens der
Erze auſserhalb des Territoriums ein Hüttenmonopol in dem Sinne zu
schaffen bestrebt sind, daſs nur auf landesherrlichen Hütten die Erze
verschmolzen werden durften. Gegen dieses landesherrliche Monopol
ist die Forderung der klagenden Gewerke der Hessen-Zeche bei Weil-
münster vom Jahre 1536 gerichtet, der Landesherr wolle die das Auf-
kommen des Bergwerks schädigenden Rennwerke bis auf weiteres auſser
Betrieb setzen 1).


[963]Roheisengewinnung.

Es wird ferner bestimmt, daſs sie entweder in Münster wohnen
und die Freiheiten der Eingesessenen genieſsen sollen, oder auf der
Waldschmiede mit der Verpflichtung Gespanndienst zu leisten. Der
Graf behält sich ferner das Vorkaufsrecht vor, wenn er darauf ver-
zichtet, darf es nur an einen verkauft werden, der in gleicher Weise
„zinset“.


Eine weitere Eigentümlichkeit des alten Hüttenwesens ist das Ver-
hältnis der Eisensteinbergwerke zu den Hütten, welches ich oben schon
kurz berührte. Nicht selten nämlich nahmen die Eisensteinbergwerke
die Eigenschaft von Zubehörungen der Eisenhütten, nicht aber um-
gekehrt, wie man erwarten könnte, die Eisenhütten die Eigenschaft von
Zubehörungen der Bergwerke an. Für die Rennwerke in dem alten
Amte Weilmünster ist diese Eigentümlichkeit aus den übereinstimmen-
den Satzungen der beiden Verleihungsurkunden von 1421 und 1434
und einer später zu besprechenden dritten vom Jahre 1543 zu folgern,
daſs nämlich der Beliehene dem Landesherrn während der 6 Wochen,
welche dieser zur eigenen Benutzung der Waldschmiede in jedem Jahre
sich vorbehält, nach Bedürfnis das fehlende Erz aus der zum Rennwerke
gehörigen Eisensteingrube zu liefern habe, während der Verleihung einer
solchen Grube gar keine Erwähnung geschieht.


Es werden also zwei Waldschmieden im Gebiete von Weilmünster
genannt, eine ältere, in der Verleihung von 1421, und eine neu erbaute.
Letztere ist die noch bestehende Audenschmiede (Udenschmiede), die
ihren Namen von der Familie des Erbauers und ersten Besitzers Udo
erhalten hat 1).


Als man dazu überging, die Wasserkraft auch zur Bewegung
der Blasebälge der Schmelzöfen zu benutzen, muſsten eigentümliche
Erscheinungen eintreten. Da man kein Maſs und keine Erfah-
rung über die Leistungen der Wasserräder zu diesem
Zwecke hatte, so konnte es geschehen und geschah gewiſs
recht oft, daſs man zu viel und zu stark gepreſsten Wind
in die alten Öfen einblies. Die Folge davon war eine so
gesteigerte Temperatur, daſs Roheisenbildung eintrat
und man statt der Luppe flüssiges Eisen erhielt, welches

1)
61*
[964]Roheisengewinnung.
wie die Schlacke abfloſs. Dies war dem Schmelzer jener Zeit nicht
erwünscht. Sie betrachteten dies flüssige Eisen als ein verdorbenes
Produkt, als verbranntes Eisen, oder als eine Verbindung von Schwefel
mit Eisen. Von letzterer Auffassung ist die kärntnerische Bezeichnung
grig-lach (Graglach, etwa Dreckstein für das beim Frischen fallende
Roheisen) herzuleiten, während andere Namen, wie z. B. das englische
pig Iron (Schweineeisen), aus der allgemeinen Verachtung des unlieb-
samen Produktes entstanden sind. Das so gefallene Eisen wird meist
weiſses Eisen gewesen sein und wurde ursprünglich bei der nächsten
Schmelzung wieder mit aufgegeben. Man fand aber allmählich, daſs,
wenn man dieses geflossene Eisen für sich vor dem Winde einschmolz,
ein viel gleichmäſsigeres Produkt, sei es Eisen oder Stahl, fiel und
so wurde man dazu geführt, absichtlich das flüssige Eisen darzustellen
und dieses in einem zweiten Prozeſs, durch Einschmelzen vor dem Wind
in einem Herde in weiches Eisen umzuwandeln. Dieses nannte man
„zwiegeschmolzenes Eisen“ und es wurde dem Luppeneisen vorgezogen.
So war man ganz allmählich, ohne es zu wollen, zu der indirekten
Methode der Eisengewinnung gekommen, die Roheisendarstellung
und der Frischprozeſs waren erfunden
. Je mehr man auf
diesem Wege weitere Erfahrungen sammelte, je mehr stellte es sich
heraus, welche groſsen Vorteile mit dieser indirekten Methode ver-
bunden waren und zwar fand man, daſs man um so günstigere Er-
gebnisse erzielte, je stärker man die Bälge und je höher man die
Öfen machte. Eigentliche Hochöfen hatte es bis dahin noch nicht
gegeben. Die höchsten Öfen waren die Stuck- und Wolfsöfen oder
Blauöfen (eigentlich Plaaöfen, d. h. Blaseöfen). Diese muſsten, wie
bekannt, nach jeder Operation aufgebrochen und das Stuck oder der
Wolf, d. h. die Luppe, mit Stangen und Haken ausgebrochen werden.
Bei diesen Schachtöfen kam es nun am ersten vor, daſs bei stärkerm
Blasen das Eisen in Roheisen sich verwandelte und ausfloſs. Aus
diesen Öfen entwickelten sich dann auch die Hochöfen und blieben
viele Eigentümlichkeiten der Konstruktion der alten Stucköfen noch
lange den Hochöfen anhaften.


Die ältesten Hochöfen, von denen wir urkundliche Kenntnis haben,
wurden im Siegerland errichtet. Bereits aus dem Jahre 1443 giebt es
gesetzliche Bestimmungen über den Eisenhütten- und Hammerbetrieb
mit Wasserrädern. Die Verordnung heiſst: „ein Weistum, wie es mit
dem Schmelzen und Mahlen zu halten, wenn zwei Hütten und Mühlen
in einem Graben gehen“, und bestimmt, daſs, wenn einem Rade das
Wasser gebreche, so, daſs Hütte und Mühle nicht zugleich gehen kön-
[965]Roheisengewinnung.
nen, die Inhaber beider Werke darum losen sollen 1). Im Jahre 1444
werden im Siegerland bereits 29 Eisenhütten aufgeführt und dabei
Blas- und Hammerhütten unterschieden. Da von da ab mancherlei Nach-
richten über diese Blas- und Hammerhütten vorliegen und nie einer
wichtigen Änderung des Betriebes Erwähnung geschieht, so muſs man
annehmen, daſs diese Blasehütten Hochöfen waren, welche schon damals,
wie später, das Eisen, das in den Hammerhütten verfrischt wurde, dar-
stellten.


Die oben erwähnten 29 Hütten aus dem Jahre 1449 finden sich in
der Dillenburgischen und Siegerschen Renteirechnung aus diesem Jahre
aufgeführt und sind bei den meisten Ort und Besitzer angegeben. Da-
nach lagen damals auf der Eisern vier Hütten, wovon eine Heinrich
Tyldei gehörte, auf der Gosenbach zwei, Henne Ficke hatte einen Ham-
mer, Tidmann Fick eine Hütte und der alte Fick einen Hammer 2). Bei
Caan und unterm Hain stand an jedem Orte eine Hütte. Der Besitzer
der erstern nannte sich Konrad Rabensberger, und der von der letztern
Hans Leffelmant, sowie die Besitzer des Ferndorfer Hammers sich Henne
und Heydenrich von den Irlen nannten. Dann kommen in dieser Rech-
nung, auſser anderen, noch folgende Eisenhütten und Hämmer vor, jene
heiſsen darin Blashütten, diese aber Hammerhütten: die Hütte unter
Dreisbach, der Hammer zu Schneppenkauten, die Hütten zu Osthelden,
Niederndorf, zu Freudenberg und auf der Ubach, die neue Hütte auf
der Allenbach, die Hütte und der Hammer zu Weidenau. 1463 sieht
man auch in diesen Rechnungen zwei Hütten mit einem Hammer vor
der Haard, einen Hammer bei Clafeld, noch eine Hütte daselbst, einen
Hammer unterm Hain, und Hütte und Hammer zu Allenbach erwähnt.
Im Jahre 1504 erschienen auch der Hammer zu Tiefenbach, die Hütte
zu Birlenbach, die Hütte auf dem Dahlbruch, die auf der Geisweid,
eine neue Hütte auf der Weiſs, die vermutlich die zu Marienborn ist,
Buschgotthardshammer, die Hütte zu Müsen, die Hütte zu Blittershagen
und Hütte und Hammer zu Müsenershütten.


Von den übrigen Hütten und Hämmern, die sich in den Registern
befinden, sind nur die Namen der Eigentümer angegeben, ohne den Ort
oder das Wasser, worauf sie liegen.


Siebel Hammerschmied entrichtete von seiner Hütte 10 Gulden,
während die übrigen nur 2, 3, 4, 6 und 7 Gulden gaben. Blieb die Hütte
liegen, so gab sie der Graf einem andern. Dies läſst sich aus einer Be-
merkung in der Rechnung von 1463 schlieſsen, welche enthält, die Hütte
[966]Roheisengewinnung.
zu Isernfelde (Eiserfeld) habe Schuderich aufgegeben, da habe solche der
gnädige Jonker (Junker) Johann dem Tillentey für das nämliche zum
Lehen gegeben; welches 3 Gulden das Jahr ausgemacht, das er dem
gnädigen Junker zu stellen versprochen habe.


So hatten mehrere eigene Hütten und Hämmer. Es wurden aber
auch sowohl Hütten wie Hammerteile verlehnt und verkauft.


Denn den 1. Januar 1447 verlehnte Peter von Heynbach ein Anteil
an der Hütte und dem Hammer über Weidenau an Peter von Mossen,
wahrscheinlich Müsen, für 7 Gulden jährlicher Zinse. Den 2. November
1489 kaufte einer das vierte Teil der Müsener Hütte für 9 Wagen
geschmiedetes Eisen.


Den 14. April 1503 kaufte Graf Johann zu Nassau eine halbe Hütte
und einen halben Hammer bei Siegen, mit Gezäh und aller Gerätschaft,
samt der dazu gehörigen Wohnung, nebst Scheuer, Schuppen, Garten,
Wiese, Feld und Hauberge von Agness Fryss Wittib für 280 Gulden
leichter Münze, und den 2. Februar desſelben Jahres hatte er die Hälfte
der Hütte und des Hammers an der Hammerhütte für 40 Räder-Gulden
käuflich an sich gebracht. Der Hüttenbetrieb war damals noch in der
Kindheit einfach, kunstlos und gröſstenteils dem Zufall überlassen.


Die Hüttenreisen dauerten 3 und 4 Wochen und der Verbrauch
des Eisensteins mit den Kohlen war gegen jetzige Zeit unverhältnis-
mäſsig groſs gegen das Roheisen-Ausbringen.


So bestand der Betrieb bis um 1500, wo Hütten und Hammer, deren
mehrere auf einem Wasser lagen, ihren Betrieb ausdehnten, und sich
dadurch zu hindern anfingen. Diesem Miſsstande, sowie der Gefahr, die
der Forstwirtschaft durch den gesteigerten Bedarf an Holzkohlen er-
wuchs, wurde durch die „Kurbriefe“ oder die Gesetze der Massenbläser
und Hammerschmiede im 16. Jahrhundert entgegengearbeitet. Der
Hauptgrundsatz derselben war, daſs bestimmte Hütten- und Hammer-
zeiten festgesetzt wurden. Wir werden dies im 2. Band ausführlich dar-
stellen.


In dem ersten Kurbriefe des Grafen Johann aus dem Jahre 1516
werden die Schmelzer und Schmiede: die „uralte Massenbläser- und
Hammerschmiedezunft“ benannt.


Eine Eisenschmelze bei Manderscheid, wahrscheinlich ein Hohofen
mit Gieſserei, wird urkundlich zuerst 1465 erwähnt 1). Am 15. Dezem-
ber dieses Jahres verschreibt Kurfürst Johann II. von Trier dem Diethe-
rich von Lontzen, genannt Robin, welchem er das Schloſs Manderscheid
[967]Wissenschaftliche Kenntnis.
mit Zubehör amts- und pfandweise übergeben hatte, als Ersatz für das
von Dietherich, Herrn von Manderscheid, eingelöste Teil des hierzu ge-
hörigen Waldes Hoenscheid und „der eisenschmeltz“ 28 Malter
Korn jährlich aus dem Zehnten von Wittlich.


Auch in Steiermark wurden die ersten Hohöfen (Blauöfen) mit
Wasserbetrieb gegen Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet. Man nannte
diese Hütten Radwerke und die Besitzer Radgewerken. Der Name Rad-
meister kommt 1439 zum erstenmale urkundlich vor und in den Ord-
nungen Kaiser Friedrichs III. 1448 bis 1449 werden Eisenhütten als
Pleehäuser, Plahäuser und deren Erzeugnis als „Rauheisen“ (Roheisen)
erwähnt. Das diesſeits des Erzberges erzeugte kam als Rauheisen von
Leoben oder als Trofayacher Eisen in den Handel.


Die wissenschaftliche Kenntnis des Eisen-
prozesses bei den Alten
.


Die Spekulationen der ältesten Philosophen waren meist auf die
moralischen Eigenschaften und Bedürfnisse der menschlichen Natur
gerichtet; nur selten zogen sie auch das Reale in den Kreis ihrer Be-
trachtungen und wenn sie dies thaten, so geschah es in der allge-
meinsten Form. Naturbeobachtung und Naturwissenschaft im modernen
Sinne kannten sie nicht. Ihr Vorrat beobachteter Thatsachen war
beschränkt. Wie aber zu einer Wissenschaft der Natur die gesammelten
Erfahrungen von Tausenden gehören, so setzt auch die Naturbeob-
achtung neben groſser Unbefangenheit des Urteils einen Schatz erwor-
bener oder überlieferter, verwandter Erfahrungen voraus. Da diese
noch fehlten, so gingen die Spekulationen der ältesten griechischen
Philosophen kaum über mythologische Kosmogenieen hinaus. Thales
leitete alles Bestehende aus dem Wasser ab, während mit demselben
Recht und derselben philosophischen Überhebung Anaximenes die Ent-
stehung aller Dinge aus der Luft und Heraklit sie aus dem Urfeuer
herleitete.


Erst Sokrates regte ein realistisches Streben an, das in seinem
gröſsten Schüler Aristoteles die bestimmte Richtung auf die Beob-
achtung der Natur im einzelnen, auf die Naturbeschreibung nahm.


Die Ansichten des Aristoteles übten fast 1800 Jahre lang eine solche
Herrschaft über die Geister aus, daſs selbst die christliche Theologie
nicht wagen durfte, ihr gegenüber zu treten, sondern sich gezwungen
[968]Wissenschaftliche Kenntnis.
sah, in der scholastischen Philosophie ein unnatürliches Bündnis mit
ihr zu schlieſsen.


Aristoteles lehrte, daſs alles Bestehende aus vier Elementen ge-
mischt sei. Diese vier Elemente, Feuer, Wasser, Luft und Erde, faſste
er aber so subjectiv auf, daſs er in ihnen mehr die qualitative, als die
materielle Grundlage dachte. Das Feuer ist nach seiner Auffassung
„trocken und warm“, die Luft „warm und feucht“, das Wasser „feucht
und kalt“, die Erde „kalt und trocken“. In der Kombination dieser
Eigenschaften war das Schema gegeben, aus dem man die Mischung
und Entstehung aller Dinge erkennen konnte.


Diese Lehre von den vier Elementen war so befriedigend für eine
beschränkte Naturbetrachtung, daſs sie nicht nur bei den Griechen
und Römern herrschend blieb, sondern im 6. Jahrhundert auch von den
Arabern angenommen wurde, durch die sie sich in Nordeuropa ver-
breitete, wo sie, wenn auch modifiziert, sich bis in das vorige Jahr-
hundert erhalten hat.


Was die Entstehung der Metalle anlangt, so erklärte diese
Aristoteles aus der „Verdichtung der Luft in den Eingeweiden der
Erde“. Zu dieser Ansicht wurde er hauptsächlich geleitet durch den
allgemein verbreiteten Glauben der Bergleute, daſs das Erz in den
abgebauten Gruben wieder nachwüchse, wie er dies ausdrücklich von
den Bergwerken der Insel Äthalia erzählt. Beide Ansichten teilten
auch die römischen Gelehrten, namentlich Plinius. Dieser erzählt von
den Bleigruben in Spanien und Britannien, daſs, wenn man die er-
schöpften Gruben stehen lieſse, das Erz wieder nachwachse, wegen
des freien Zutritts der Luft zu den Eingeweiden der Erde
.
Darin liegt eine Wahrheit, denn allerdings ist das Zuwachsen des „alten
Mannes“ durch Bildung von schwefel- und kohlensauren Salzen, sowie
von Oxydhydraten, aus welchem dieser ganze Glaube von dem Wachsen
der Erze entsprungen ist, durch den Zutritt von Luft und Feuchtigkeit
bedingt. Die irrige Auffassung der Alten lag aber darin, daſs sie in
dem Zuwachsen des alten Mannes keine Umbildung, sondern eine Neu-
bildung erkannten und zwar, wie sie glaubten, einfach durch Verdich-
tung der Luft.


Servius, ein Grammatiker des 5. Jahrhunderts, fügt zu der Stelle
des Virgil: „(Ilva) insula inexhaustis Chalybum generosa metallis“, eine
angebliche Stelle des Plinius hinzu: „Dicit Plinius secundus: quum in
aliis regionibus effossis metallis terrae sint vacuae, apud Ilvam, hoc
esse mirum, sublata renascuntur et rursus de iisdem locis effo-
diuntur.“


[969]Wissenschaftliche Kenntnis.

Dasſelbe erwähnt auch Strabo. Plinius war auch der Meinung,
daſs Klima und himmlische Einflüsse auf die Entstehung der Metalle
von Einfluſs seien.


Eine andere Ansicht über die Metalle hegte Demokrit, der angiebt,
die Metalle entständen aus gewissen Kalken und Laugen. Kalli-
sthenes dagegen sagte mehr gelehrt als verständlich: „Omnium
metallorum formam unam eandemque esse.“


Die Metalloxyde hielten die Alten für die Unreinigkeiten der
Metalle. So sagt Plato, der Rost bilde sich dadurch, daſs sich das
Erdige aus dem Metall ausscheide, während Plinius die Metalloxyde
mehr als Aschen ansah; z. B. nannte er das Oxyd, welches bei Oxyda-
tion des Eisens in der Hitze sich bildete, geradezu Cineres.


Die Philosophen zu Aristoteles’ Zeit unterschieden bereits zwischen
Stahl und Eisen und sie waren der Ansicht, der Stahl entstehe
durch fortgesetzte Reinigung des Eisens, daſs jener also ein sehr ge-
läutertes Eisen sei. Es war dabei eine alte, verbreitete Ansicht, daſs
man das Eisen umsomehr reinige, je mehr Hitze man ihm gäbe. Das
Roheisen kannte Aristoteles nicht, denn wenn er auch erwähnt, daſs
das Eisen beim Ausschmelzen tropft und in Fluſs gerät, so stellt er
doch in der Meteorologie (lib. VI, cap. VI, 8 und 9) das Eisen aus-
drücklich, in Gegensatz zu den schmelzbaren Substanzen, als einen
Körper, der durch die Hitze bloſs weich werde.


Plinius kennt nicht nur den Unterschied zwischen Eisen und Stahl,
sondern es waren ihm auch die Unterschiede, die verschiedene Eisen-
sorten unter sich zeigten, wohlbekannt. Er schrieb auch diese Unter-
schiede hauptsächlich dem Klima zu (in genere coeli et terrae). Doch
sagt er an einer andern Stelle auch, die Güte des Stahls rühre teils
von den Erzen, teils von der Bearbeitung her; vornehmlich aber schrieb
er die Güte des Stahles dem Wasser zu, in welchem dieser abgelöscht
wurde.


Wie alle metallurgischen Operationen der Alten durchaus empi-
risch waren, so hatte dies bei der Eisendarstellung namentlich statt.
Von einem wissenschaftlichen Probieren der Erze wuſste man nichts.
Farbe und Schwere waren die einzigen Eigenschaften, nach denen man
die Güte des Eisenerzes beurteilte. Ein Reagens auf Eisen erwähnt
indes Plinius bereits. Es ist dies der Galläpfelsaft, mit dem die Ver-
fälschung des Grünspans durch Eisenvitriol erkannt wurde.


Der Begriff der Metallverwandlung, der nach der Völkerwanderung
aufkam und auf welcher die ganzen chemischen Bestrebungen der
mittelalterlichen Gelehrten basiert waren, finden sich in den Schriften
[970]Alchemie.
des klassischen Altertums noch nicht. Wahrscheinlich bildete sich
diese Idee zuerst bei den Alexandrinern aus, von denen sie den Erben
ihrer Gelehrsamkeit, den Arabern, übermittelt wurden, welche dieselbe
weiter verfolgter.


Die ganze Lehre der Metallverwandlung, auf welcher die
tollen Träumereien der Alchemisten begründet waren, beruht auf
einer Täuschung. Sie entsprang zumeist aus der Beobachtung, daſs
wenn man Eisen in Kupfervitriollösung taucht, dieses sich gegen einen
Teil des Kupfers der Lösung austauscht. Die Alten sahen darin nichts
anderes, als eine Verwandlung des Eisens in Kupfer, des unedlern
Metalles in ein edleres. Zu einer weitern Täuschung in dieser Richtung
führte die Beobachtung, daſs wenn man Kupfer mit Cadmia, dem Zink-
oxyd, welches die Alten nur für eine Erde ansahen, schmolz, dieses in
Messing überging, in dem die Alten einen geläuterten Zustand des
Kupfers betrachteten. Ebenso sahen sie in dem Abtreiben des Silbers
aus silberhaltigem Bleiglanz eine Metallveredelung. Am meisten aber
betrog sie das Verhalten des Amalgams, aus dem durch bloſse unsicht-
bare Verflüchtigung des Quecksilbers Gold oder Silber zurückblieben.


Mehr noch als von diesen Thatsachen wurden die Alchemisten von
falschen Theorieen in der Irre umhergeführt. In ihrem Bestreben,
Gold zu machen, und den Stein der Weisen, das groſse Magisterium
zu finden, wurden sie immer weiter von praktischen Zielen abgelenkt
und so haben die mühevollen Bestrebungen und Arbeiten der Alche-
misten des Mittelalters auf die Eisenhüttenkunde gar keinen Einfluſs
ausgeübt.


Des Aristoteles’ Lehre von den vier Elementen bildete auch die
Grundlage der alchemistischen Anschauung, aber man unterschied
neben den von Aristoteles angegebenen Grundeigenschaften der
Elemente, den qualitates primae, noch andere Eigenschaften, wie
z. B. Dichtigkeit, Härte u. s. w., die man als qualitates secundae be-
zeichnete.


Geber (Abu Musa Dschaffar al Sofi, im 8. Jahrhundert), „der
König der Philosophen“, war der erste, welcher selbständige, metalli-
sche Elemente annahm. Er lehrte, alle Metalle beständen in
ihrem wesentlichen Teile aus Schwefel und Quecksilber. Die
Verschiedenheit der Metalle beruhe auf der Verschiedenheit der
Mischung und der Reinheit dieser beiden „Prinzipien“.


Geber gab folgende allgemeine Definition für den Begriff eines
Metalles: „Metallum est corpus mixibile, fussibile et sub malleo ex
omni dimensione extensibile.“ Zu seiner Zeit unterschied man nur
[971]Alchemie.
sieben Metalle, Gold, Silber, Kupfer, Elektron (eine Legierung von
Gold und Silber), Zinn, Blei und das Eisen, „welches sie alle bezwingt“.
Geber war es, der zuerst die Unterscheidung in edle und unedle
Metalle nach ihrem Verhalten zum Feuer aufstellte. Man lernte
später Metalle kennen, denen eine der Grundeigenschaften nach der
Geberschen Definition abging, wie z. B. das Antimon, welches nicht
dehnbar ist; solche nannte man deshalb „Bastarde der Metalle“.


Über die Zusammensetzung der Metalle lehrte der Vater der
Alchemie folgendes 1): „Das Quecksilber bildet die Materie aller
Metalle zugleich mit dem Schwefel. Der Schwefel bildet die Festig-
keit in den irdischen Mineralien; er ist durch eine allmähliche Verdun-
stung eingedickt, bis er zuletzt hart und trocken wird. Das Queck-
silber aber ist eine zähe Flüssigkeit in den Eingeweiden der Erde von
einem flüchtigen, weiſsen und erdigen Wesen, das sich durch die ge-
ringste Erhitzung vollständig verbindet, bis das Feuchte durch die
Trockenheit, und die Trockenheit durch die Feuchtigkeit gebändigt
wird.“


Schwefel und Quecksilber waren aber für die Alchemisten nicht
Elemente in unserm Sinne, sondern es waren Qualitäten. Sie galten
als Ursachen des Glanzes, der Dehnbarkeit, der Härte u. s. w. Gold
z. B. wurde definiert als Quecksilber in Verbindung mit Schwefel im
Zustande gröſster Läuterung und sehr fixiert. Geber nennt sich nicht
den Erfinder dieser Theorie, sondern er spricht von ihr als überliefert.


Aricenna (980 bis 1036), der alle mineralischen Körper in vier
Klassen teilt, nämlich in Steine, in flüssigmachende, in schweflige und
in salzige Körper, führte Gebers Ansicht weiter aus. Er nannte den
Schwefel den männlichen Samen, den Mercurius aber die Mutter der
Metalle. Durch die Wärme des Schwefels werde das Quecksilber zum
Erstarren gebracht und vereinige sich in den Eingeweiden der Erde
zu den Metallen.


Dies war des Aristoteles’ Lehre in einer andern Fassung.


Fünferlei aber waren im Mittelalter nach Monardus die Ansichten
über die Entstehung der Metalle:


Ägidius Mauritanius lehrte, die Metalle entstünden aus den Aschen
[972]Alchemie.
d. h. den Metalloxyden. Andere lehrten, sie bildeten sich aus den
Elementen. Einige erklären ihre Entstehung aus einer Erstarrung
durch Kälte; andere als eine Verdichtung durch Wärme. Die Astro-
logen aber erklären ihre Bildung durch die Einwirkung der Planeten.
So legt man dem Hermes Trismegistos den Satz in den Mund: „Terram
metallorum matrem esse, coelum vero patrem.“


Albertus Magnus lehrte, daſs auſser dem Quecksilber und
dem Schwefel auch das Wasser oder die Feuchtigkeit ein Elementar-
bestandteil der Metalle sei. Und Basilius Valentinus sagt: „Der
Geist steckt im Merkur, die Farbe such’ im Schwefel, aber die Koagu-
lation (den Aggregatzustand) im Salz.“ Endlich wurde auch das
Feuer bald direkt als ein Bestandteil angegeben, bald wurde der
Schwefel als das verbrennliche Feuerelement aufgefaſst.


Gebers Ansicht behielt indes im ganzen die Oberhand. Am
meisten wurde sie von dem berühmten Raymundus Lullus weiter
ausgeführt. Er lehrte, das Verhältnis dieser beiden Prinzipien, des
Schwefels und des Quecksilbers, bedinge die Eigenschaften der Metalle.
Auſserdem seien aber diese principia selbst mehr oder weniger rein
und in ihrer reinsten Mischung seien sie in dem Golde enthalten.
Deshalb nannte er das Goldmachen „die Läuterung der Prinzipien“.


Es gab indes doch auch in jener Zeit, als die alchemistischen An-
sichten eine fast tyrannische Herrschaft ausübten, abweichende An-
sichten, die namentlich der Behauptung, daſs Gold aus Schwefel und
Quecksilber gemengt sei, und daſs alle Metalle aus diesen beiden Ele-
menten entstanden seien, widersprachen. Im allgemeinen stellte sich
auch die orthodox-theologische Ansicht auf die Seite dieser letztern;
so behauptet der heilige Augustinus ausdrücklich, daſs die Metalle von
Gott zugleich mit der Erde selbst erschaffen seien.


Von dem Eisen, dessen alchemistisches Zeichen ♂ (= Mars)
war, lehrte Geber, daſs dasſelbe von allen Metallen am schwersten in
Gold zu verwandeln sei. Schmelze man es mit Gold und Silber zu-
sammen, so lieſse es sich ohne groſse Mühe wieder abscheiden. Die
Entstehung des Eisens aber erklärte er so:


„Wenn ein beständiger, irdischer Schwefel mit beständigem, irdi-
schem Quecksilber vermischt wird und sich beide nicht rein weiſs,
sondern mit einer Bläue verbinden, so daſs der Anteil des Schwefels
die Oberhand behält, so wird Eisen daraus, denn das Übermaſs
des beständigen Schwefels verhindert den Fluſs.“ Albertus Magnus
sagt einfacher: Ferrum ex mixtione argenti vivi impuri pariter ex sul-
phure immundo et terrestri resultare prodidit.


[973]Übergang zur modernen Industrie.

Über die Natur des Eisens teilt Michael Savanorola, der Vater des
berühmten Reformators, in seinem Werke „de balneis totius mundi“
im Jahre 1490 einiges mit. Nach ihm wird die Gegenwart der erdigen
Materie im Eisen durch die vielen Schlacken bewiesen, die bei seiner
Erhitzung abtropfen. Den Stahl hält er nicht für verschieden ge-
mischt, sondern für ein Eisen, dessen wässerige Teile durch Destillation
ausgetrieben worden sind 1). Die weiſse Farbe des Stahls rühre von
der Abscheidung der erdigen Teile her. Vom Schmelzen des Eisens
weiſs er indes noch gar nichts, sondern er bemerkt ausdrücklich, daſs
das Eisen nicht wie die übrigen Metalle flieſst, sondern in der Hitze
sich nur erweicht.


Wenn aber die Alchemie auch nur wenig zu dem Fortschritt des
Eisenhüttenwesens beitrug, so hat dagegen die Verbreitung der Kennt-
nisse durch die im 15. Jahrhundert erfundene Buchdruckerkunst
sehr bedeutend dazu beigetragen, ein richtigeres Verständnis der
technischen und metallurgischen Operationen anzubahnen.


So vereinigte sich denn im 15. Jahrhundert eine ganze Reihe
günstiger Bedingungen dazu, den Umschwung im Eisenhüttenwesen
herbeizuführen.


Der geistige Impuls und die Verbreitung empirischer Kenntnisse,
welche durch die Buchdruckerkunst nach allen Richtungen des Wissens
hingetragen wurden, das Bedürfnis nach einem billigen Guſsmetall
für Geschosse, das durch die Verbesserung der Kanonen erzeugt worden
war, die stärkeren Gebläse, über welche man infolge der Benutzung
der Wasserkraft gebot, und endlich die Erfahrungen, welche man bei
den Stucköfen bereits erlangt hatte: alles trug dazu bei zu der Er-
zeugung des flüssigen Roheisens und zu der Verdrängung der direkten
durch die indirekte Fabrikationsmethode, kurz zu der modernen
Eisenindustrie
hinzudrängen. Und die Verhältnisse lagen der-
maſsen günstig, daſs dieser Übergang sich allmählich genug vollzog,
um ihn ganz unbemerkt an den Zeitgenossen vorübergehen zu lassen,
so daſs wir nicht einmal sagen können, wann und wo zuerst diese Neue-
rung zur Erscheinung gekommen ist.


Die Alchemie, in ihren theoretischen Zauberkreis gebannt, konnte
nur wenig für die Fortschritte der Eisenindustrie leisten. Es gab aber
auch neben den Alchemisten noch andere Gelehrte, die nicht auf die
Zauberformeln eines Hermes Trismegistos schwuren, sondern die Dinge
[974]Theophilus Presbyter.
auffaſsten und wiedergaben, wie sie ihnen erschienen. Genossen diese
zu Lebzeiten auch nicht den Ruhm der alchemistischen Geheimnis-
krämer, so ist ihnen die Nachwelt um so mehr zum Dank verpflichtet.
Unter diesen Gelehrten wollen wir zwei hervorheben, Theophilus Pres-
byter und Leonardo da Vinci.


Theophilus Presbyter.

Das Kunstgewerbe hatte vornehmlich durch die Bemühungen der
Geistlichkeit, durch Klöster und kunstsinnige Kirchenfürsten im
10. Jahrhundert festen Boden in Deutschland gewonnen und sich im
11. Jahrhundert rasch zur Blüte entwickelt. Piligrin von Köln, Willigis
von Mainz, Bernward und Godehard von Hildesheim, Gebhard und
Thiemar von Salzburg, Altmann von Passau, Adalberto von Würzburg,
Anno von Köln, Friedrich von Münster unterstützten die Kunst und
und wirkten mit Macht, Reichtum und Verständnis anregend nach den
verschiedensten Richtungen hin. So wurde Hildesheim durch ihre
oben genannten kunstsinnigen Fürsten die Hochschule des Kunstgusses,
die klassische Stätte für Bronzeguſs in dieser Periode des Mittelalters.
Nicht minder wurde das Kunstgewerbe in den Klöstern gepflegt. Wir
hatten schon früher Veranlassung, das Kloster zu St. Gallen zu erwäh-
nen, in dem alle Gewerbe, auch die Kunstgewerbe, im ausgedehnten
Maſsstab betrieben wurden. Einem Kloster, welches unter der Auf-
sicht eines kunstsinnigen Bischofs stand, entstammte auch der Ge-
lehrte 1), der in seinem berühmten Werk: Schedula Diversarum Artium
uns einen reichen Schatz von Mitteilungen über das Kunstgewerbe
seiner Zeit hinterlassen hat. Der Mann, der als Schriftsteller den
Namen Theophilus Presbyter führt, war ein Deutscher und zwar
wahrscheinlich ein Westfale. Er hieſs Rogker — latinisiert Rugerus —
und war Mönch in dem Benediktinerkloster Helmershausen (vordem
Helmwardeshuson) an der Dieml, welches damals zu Paderborn gehörte,
dessen kunstsinniger Bischof Meinwerk die Anregung zu hoher Kunst-
thätigkeit in seinem Bistum gegeben hatte. Er lebte in der ersten
Hälfte des 11. Jahrhunderts, während das Leben und Wirken des
Theophilus in die zweite Hälfte des 11. und in den Anfang des 12. Jahr-
hunderts fällt. Der Benediktinermönch wirkte nicht nur als Schrift-
[975]Theophilus Presbyter.
steller, sondern auch als ausübender Künstler. Namentlich sind Gold-
schmiedearbeiten von ihm erhalten von hohem Kunstwert. Aber auch
auf anderen technischen Gebieten war er wohl bewandert. Sein Werk
zerfällt in drei Bücher. Das erste behandelt die Malerei vom tech-
nischen Standpunkt aus, die Herstellung der Malerfarben, die Mischung
der Farben, Farbenreiben, Auftragen der Farben, Vergolden u. s. w.
Das zweite Buch beschäftigt sich mit der Glasfabrikation und er
beschreibt darin eingehend die Art der Öfen, der Schmelzöfen, Kühl-
öfen und Glätt- oder Ausbreitöfen, die Werkzeuge, die Mischung der
Materialien, das Glasblasen und Gieſsen, die Buntglasfabrikation u. s. w.
Das dritte, umfangreichste Buch handelt von der künstlerischen Ver-
arbeitung der Metalle. Auch hier geht eine ausführliche Beschreibung
der Öfen und Werkzeuge voraus, dann wird die Reinigung, das Gieſsen
und Verarbeiten des Silbers behandelt, das Niello, dann folgt eine aus-
führliche Schilderung dessen, was sich auf die Goldschmiedekunst
bezieht, wobei auch die Herstellung des Elektrons gelehrt wird, hieran
schlieſst sich die Darstellung und Verarbeitung des Kupfers und des
Eisens, wobei die Darstellung von Messing, der Bronzeguſs und die
Tauschierung behandelt sind. Es folgen sodann einige Kapitel über
Elfenbeinschnitzerei, Edelsteine und Gemmen.


Das Kapitel über das Eisen ist verhältnismäſsig kurz. Da es aber
die einzige Abhandlung über diesen Gegenstand aus jener Periode ist,
so lassen wir sie hier im Wortlaut 1) folgen:


Kapitel XC.
Von dem Eisen.

Das Eisen wächst in der Erde, nach der Art der Steine, es wird
ausgegraben auf eben die Weise, wie oben vom Kupfer gesagt worden,
gebrochen und in Klumpen zusammen geschmolzen, dann im Ofen des
Schmiedes flüssig gemacht und gehämmert, um zu einem jeden Werke
zu taugen. Calybs (Chalybs) heiſst jenes vom Berge Calybs, woselbst
sein Gebrauch ein sehr groſser ist; es wird auf ähnliche Weise bearbeitet,
um zu dem Werke brauchbar zu sein. Wenn du also das Eisen bear-
beitet und daraus Sporen oder andere Gerätschaften für Reiter gemacht
hast, und sie mit Gold und Silber schmücken willst (durch Tauschierung),
so nimm reinstes Silber und mache es durch Hämmern sehr dünn.
[976]Theophilus Presbyter.
Dann 1) habe eine Scheibe aus Eichenholz, eine Fuſslänge breit und
gedreht, die am Umkreise dünn, in der Mitte aber auf jeder Seite dicker
sei, woselbst ihr ein gekrümmtes Holz, daran sie sich drehen läſst,
durchgesteckt wird; auch an dem Ende dieses sei ein krummes Holz
angefügt, wodurch dieses herumbewegt wird. Hast du dieses Rad nun
zwischen zwei Säulen gestellt, so mache an dem Umfang desſelben
Einschnitte gleich Stufen, die nach rückwärts gekehrt sind. Die Säulen,
zwischen denen das Rad liegt, seien fest, der Breite nach am Gestelle
befestigt, so daſs das gekrümmte Holz zur Rechten stehe. Noch befinde
sich zur Linken vorne neben dem Rad eine Säule, an derselben sei ein
dünnes Holz angebracht, so daſs es auf das Rad zu liegen komme und
habe an der Spitze ein dünnes Stück Stahl, so lang und breit, als der
Nagel des Daumens in einem Loche fest eingefügt und sehr scharf, so
daſs beim Rollen des Rades das Holz immer von Stufe zu Stufe fällt,
und der so in zuckende Bewegung gebrachte Stahl, was in die Nähe
gebracht wird, schneidet. Wenn du nun einen Sporn gleichmäſsig
gefeilt hast, so stelle ihn auf brennende Kohlen bis er schwarz wird;
wenn er kalt wurde, halte ihn in der Linken und drehe das Rad mit
der Rechten, nähere ihn dem Stahle, schneide mit Sorgfalt überall
auſsen in der Längsrichtung und dann wieder doppelt in der Breite.
Ist dies gethan, so reibe mit einer kleinen Zange Stückchen Silber nach
Belieben und lege sie darauf und reibe die Enden des Silbers mit der-
selben Zange, damit sie anhaften. Sobald du all dieses bewerkstelligt
hast, setze ihn wieder auf brennende Kohlen, abermals bis er sich
schwärzt, hebe ihn mit der Zange heraus, poliere mit einem langen
Eisenstab, der sehr flach und in einen Stiel eingepaſst ist, mit Sorgfalt,
setze abermals auf Kohlen und erhitze und poliere abermals mittels
dieses Eisens kräftig. Wenn du ihn teilweise oder ganz vergolden
willst, so steht das in deiner Macht. Auf diese Weise schneide die
Zügel und übrigen Gerätschaften für Reiter oder was sonst aus Eisen
du willst, aber schneide sie tiefer ein, habe dazu auch ganz feine
Silber- und Golddrähte. Daraus formest du dir ganz kleine Schnörkel
und Kreise oder was dir sonst beliebt, setze sie mit einer zarten Zange,
wie du willst, auf das Eisen und schlage sie leicht mit einem kurzen
Hammer ein, daſs es halten möge. Immer sei da eine Verzierung gol-
den, die andere silbern. Wenn aber so der ganze Raum des Eisens
angefüllt ist, so stelle es auf Kohlen bis es schwarz ist, schlage es
fleiſsig mit einem mittelgroſsen Hammer, bis an allen Stellen, wo das
Eisen sichtbar blieb, alle jene Schnitte des Rades glatt seien und so
[977]Theophilus Presbyter.
die Arbeit aussieht, als ob es Niello wäre. Wenn du aber auf Messern
oder anderen Eisengegenständen Buchstaben willst, so grabe sie vor-
erst mit dem Grabeisen ein, hast du dann einen dicken Silberdraht
gemacht, so bilde die Buchstaben mit der zarten Zange und lege damit
die Vertiefungen aus; dann mit dem Hammer darauf schlagend, fülle
sie. Auf diese Weise kannst du auch Schnörkel und Kreise in dem
Eisen machen und fülle sie mit Drähten von Kupfer und Messing.
Wenn etwas von solcher Arbeit aber durch das Alter oder Nachlässigkeit
gebrochen wäre und du beabsichtigst Silber anzuwenden, so setze es
ins Feuer, bis es glüht, halte es in der Linken mit der Zange, mit der
Rechten reibe ein langes Stück Blei an allen Stellen, wo das Silber
erscheint; beginnt dann das Blei zu schmelzen, so schmilzt auch das
Silber und vermengt sich damit. So wird das Blei verbrannt und man
erhält Silber.


Kapitel XCI.
Von der Lötung des Eisens.

Man macht auch dünne Ringe aus Eisen, welche in Handhaben von
Eisenwerkzeugen gesteckt werden, die nicht selbst gelötet werden können;
an der Verbindungsstelle wickelt man ein dünnes Kupferstück herum
und legt etwas Thon an. Sobald dieser trocken ist und vor dem Herde
auf Kohlen durch Zublasen glüht, flieſst das geschmolzene Kupfer als-
bald herum und lötet. Auf diese Weise werden auch verzinnte Nägel,
wenn sie gebrochen sind, und sonst Beliebiges von Eisen gelötet. Wenn
du Schlösser fertigen willst, mit denen Laden verschlossen werden,
so schlage ein Eisen dünn und biege es um ein anderes rundes
Eisen, mit dem du oben und unten den Boden verbindest. Dann
bringe ringsum Riemchen aus demselben Eisen und dazwischen
Schnörkel und Kreise, wie dir beliebt, an, doch so, daſs ein Stück
immer auf das andere geschlagen werde und zusammenhängt, daſs
es nicht fallen kann. Mische auch zwei Teile Kupfer und ein
Drittel Zinn, verkleinere es sorgfältig mit dem Hammer in einem Ge-
fäſse von Eisen, verbrenne Weinstein, füge ein wenig Salz hinzu und
vermische es mit Wasser, streiche es ringsherum und streue dieses
Pulver darauf. Wenn es trocken ist, streiche jene Mischung von
neuem dichter auf, lege es auf Kohlen, decke rings mit Sorgfalt zu,
wie oben beim Silber, und löte auf dieselbe Weise. Ist es an der Luft
abgekühlt, so wasche es. Auf solche Art kannst du, was du willst
Beck, Geschichte des Eisens. 62
[978]Theophilus Presbyter.
löten, das von Eisen ist, nur vergoldet man dabei niemals. Was auf
dem Eisen du verzinnen wolltest, feile zuerst, und bevor du es mit
der Hand berührst, lege es neuerdings gefeilt in die Schale mit dem
geschmolzenen Zinn samt Fett, rühre es mit der Zange bis es weiſs ist;
wenn es herausgenommen ist, schüttle kräftig und säubere es mit Kleie
und Linnen. Eisenschlösser und die Bänder an Kästen und Thüren
mache schlieſslich warm und beschmiere mit Pech, die Nägel aber seien
verzinnt. Wenn du Sporen, Zügel und Sitzgeräte für die niederen
Kleriker und Mönche fertigst und dieselben eben gefeilt hast, erwärme
sie etwas und reibe darauf Ochsenhorn oder Gansfedern; diese ver-
leihen, wenn sie, von der Hitze etwas flüssig geworden, ans Eisen
anhaften, eine schwarze Färbung und gewährt, was ihnen einigermaſsen
passend erscheint.


Diese beiden Kapitel über das Eisen geben fast nur Anleitungen
über die Tauschierung und Lötung des Eisens. Aus den vielen tech-
nischen Notizen des Theophilus läſst sich aber noch manches über die
Kenntnis und Behandlung des Eisens zusammenstellen. So giebt er
im ersten Buch die Beschreibung einer Mühle, in der man das Gold
mahlen soll, das bei der Malerei verwendet wird. Es ist in der Haupt-
sache ein Mörser und eine Reibkeule aus Bronze. Bei der Reibkeule
ist aber die Bronze um einen Kern von Eisen gegossen, in der Weise,
wie wir es schon im hohen Altertum kennen gelernt haben. Die Reib-
keule wird in der Mühle bewegt, wie ein Drillbohrer. Der Text des
Theophilus lautet:


Habe dann ein Mahlwerk samt einer Reibkeule zur Hand, beide
gegossen aus Kupfer und Zinn, so daſs es zu einem Metall vereinigt ist,
nämlich daſs drei Teile reines Kupfer und der vierte bleifreies Zinn seien.
Aus dieser Zusammensetzung werde die Mahlmühle, ähnlich wie ein
Mörserstöſsel, gegossen, die Reibkeule wie ein Knoten um das Eisen
herum, so daſs das Eisen in der Dicke von einem Finger hervorrage
und in der Länge von mäſsig einem Fuſs. Das Drittel dieses Eisens
werde in ein wohlgedrechseltes Holz von der Länge einer Elle beiläufig
und richtig gebohrt, eingefügt, in dessen unterm Teil, vom Ende an
in der Länge von vier Fingern, sich eine Scheibe befinde, aus Holz
oder Blei drehbar, und in der Mitte des obern Teiles sei eine Schnur
angebracht, womit es gezogen und rückbewegt werden könne. Dann
werde dieses Mahlwerkzeug in eine Öffnung auf einen hierzu taug-
lichen Schemel zwischen zwei Holzsäulen gestellt, welche auf diesem
[979]Theophilus Presbyter.
Schemel festgemacht sind; auf welchen ein anderes Holz eingefügt sei,
das herausgenommen und wieder eingesetzt werden kann; in dessen
Mitte sei unten ein Loch, worin die Keule der Mühle sich bewege.
Wenn dieses so hergerichtet ist, möge das sorgfältig gereinigte Gold
in die Mühle gebracht, etwas Wasser dazu gegeben, und nachdem die
Keule eingesetzt und das obere Holz eingepaſst ist, die Schnur gezogen
und wieder zurückgelassen werden; abermals gezogen und wieder rück-
bewegt, und so durch zwei oder drei Stunden.


Bei der Glasfabrikation beschreibt Theophilus eiserne Guſs-
formen 1) folgendermaſsen:


Mache dir zwei Eisen, welche die Breite von zwei Fingern und
die Dicke eines Fingers haben, die Länge aber einer Elle. Verbinde
dieselben an einer Seite in der Weise wie Thürangeln, so daſs sie an-
einanderhängen, mit einem Nagel geschlossen und so also auf- und
zugethan werden können. Am andern Ende mache sie etwas breiter
und dünner, so daſs, wenn sie geschlossen werden, innen wie der Anfang
einer Öffnung sei, die äuſseren Seiten gleichmäſsig vorstehen. Und
passe sie so mit Hobel und Feile zusammen, daſs kein Lichtstrahl da-
zwischen einfallen könne. Nach diesem trenne sie voneinander, nimm
das Lineal und mache auf einem Stück in der Mitte zwei Linien und
auf dem andern in der Mitte zwei gegenüber, von oben bis unten schmal
und grabe darauf mit dem Grabeisen, womit Leuchter und anderes
Guſswerk gegraben wird, so tief du willst, und schabe innerhalb jener
beiden Linien etwas auf jedem der Eisen, daſs es, wenn du das Blei
eingegossen, wie ein Stück ist. Die Öffnung aber, durch welche gegossen
wird, ordne so an, daſs das eine Eisenstück mit dem andern, ohne beim
Gieſsen verrückt zu werden, vereinigt sei.


Von besonderm Interesse sind die Beschreibungen der Werkzeuge,
die für die Werkstatt eines Gold- und Silberarbeiters nötig sind. Wir
lassen dieselben in der Reihenfolge des Originals folgen:


Kapitel IV.
Von den Bälgen.

Dann mache dir aus Widderfellen Bälge auf diese Weise: Beim
Schlachten der Widder soll das Fell nicht unten am Bauche aufge-
62*
[980]Theophilus Presbyter.
schnitten, sondern an den Hinterteilen geöffnet, umgekehrt völlig
abgezogen und mit Stroh gefüllt ziemlich getrocknet werden. Hierauf
mögen sie in einer Verbindung von Hefe und Salz einen Tag und zwei
Nächte liegen, am dritten Tage jedoch gewendet in die Länge, noch
mehr in die Breite gezogen werden, dann eingesalbt und wieder aus-
gezogen. Darauf soll der hölzerne Kopf des Balges gemacht werden,
welcher durch den Hals durchgehe und hier angeheftet sei, im Kopf
befinde sich ein Loch, durch welches ein eisernes Rohr geht. Rück-
wärts aber, an der Breitseite des Blasebalges, seien vier Hölzer an-
gebracht, von denen je zwei verbunden und von der Mitte zusammen-
gezogen werden können, zwei dann an den Balg genäht werden, so
daſs die Verbindungen in der Mitte sich darüber und darunter befinden,
woselbst auch zwei Handhaben an demselben Felle angenäht seien, die
obere kleiner, in welchen der Daumen gesteckt wird, die untere gröſser,
wo die übrigen vier Finger Platz finden. Ist dies besorgt, so stecke
das eiserne Rohr in das Loch des Ofens, gieb vorne und rückwärts in
den Ofen Kohlen und Feuer, und blase, damit der Ofen trockne 1).


Der Einrichtungen und Eisenwerkzeuge Namen bei diesem Hand-
werk sind folgende:


Kapitel V.
Von den Ambossen.

Die Ambosse sind breit, eben und viereckig. Desgleichen eben
und mit Hörnern. Desgleichen eben rund in Gestalt eines halben
Apfels, einer gröſser, ein anderer kleiner, der dritte kurz, welche Knoten
genannt werden. Desgleichen Ambosse, die oben lang und enge sind,
gleichsam wie zwei vom Schafte ausgehende Hörner, deren einer rund
und so im Verlaufe sei, daſs er oben dünn wird, der andere breiter und
an der Spitze etwas umgebogen, rund und eben, einem Daumen gleich.
Es giebt gröſsere und kleinere.


Kapitel VI.
Von den Hämmern.

Es giebt viele Gattungen Hämmer, gröſsere, kleinere und kleine,
breit auf der einen Seite, schmal auf der andern. Desgleichen lange
und dünne Hämmer, oben gerundet, gröſser und kleiner. (Desgleichen
oben hornförmige, unten breite Hämmer.)


[981]Theophilus Presbyter.
Kapitel VII.
Von den Zangen.

Die Zangen sind handlich, stark, mit Knöpfen an den Spitzen,
gröſser und kleiner. (Andere lang und dünner. Desgleichen die
Zangen der Gieſser lang, an der vordern Seite ein bischen gekrümmt.)
Desgleichen mittlere Zangen, womit die abzutrennenden Gegenstände
gehalten werden. Sie seien am Ende des einen Schweifes dünn, an
dem andern stecke ein dünnes, breites Eisen, welches durchbohrt ist;
hast du vor, eine kleine Sache abzutrennen, so drücke hiermit kräftig
zusammen. Den dünnen Schweif bringe bis zu welchem Loche du
willst. Desgleichen kleine Zangen, an einem Ende zusammenhängend,
am andern dünn, womit Körner und mehrere andere feine Arbeiten
zusammengesetzt werden. Desgleichen Zangen, welche man carponarii
nennt, gröſsere und kleinere, welche an dem einen Ende geschlossen
und faltig, auf dem andern offen und etwas gekrümmt seien. Des-
gleichen Schneidzangen, gröſsere und kleinere, aus zwei Teilen zu-
sammengesetzt und mit einem Nagel durchschlagen.


Kapitel VIII.
Von den Eisen, durch welche Drähte gezogen
werden (Zieheisen)
.

Man hat zwei Eisen, drei Finger breit, oben und unten enge,
durchaus dünn, in drei oder vier Reihen durchlöchert. Durch diese
Löcher wird der Draht gezogen.


Kapitel IX.
Von dem Werkzeuge, welches Organarium1)
genannt wird.

Es giebt ferner ein eisernes Werkzeug, welches Organarium heiſst
und aus zwei Eisen besteht, einem untern, einem obern. Der untere
Teil hat die Dicke und Länge des Mittelfingers, ist ziemlich dünn und
hat zwei Schäfte, in welchen unten ein Holz steckt und über welche
[982]Theophilus Presbyter.
oben sich zwei dicke Nägel erheben, bestimmt zur Aufnahme des
obern Stück Eisens, dessen Dicke und Länge jener des untern
gleichkommt. Es hat zwei Löcher, an jedem Ende eins, durch welche
von oben die zwei Nägel gehen, um beide miteinander zu verbinden.
Sie müssen nämlich mit Hilfe der Feile sehr gut verbunden werden,
auf beiden seien Gruben eingegraben und zwar so, daſs sie in der
Mitte stehen; giebt man auf das gröſsere das lang- und gleichmäſsig
rund geschlagene Silber oder Gold, so wird der obere Teil des Eisens
mit einem gehörnten Hammer stark geschlagen, mit der andern Hand
aber das Gold oder Silber gedreht und so bilden sich runde Körner
gleich Bohnen; in dem zweiten Loche werden solche wie Erbsen, im
dritten wie Linsen und so immer kleinere.


Kapitel X.
Von Feilen, an dem untern Teile ausgegraben.

Auch macht man Eisen so zart wie Strohhalme, fingerlang und
viereckig, aber an einer Seite breiter. Die Enden, daran die Hand-
haben kommen, sind emporgekrümmt, unten aber ist der Länge nach
ein Einschnitt gegraben, rund gefeilt wie eine Furche, zu deren beiden
Seiten scharf gefeilte Rippen laufen. Mit diesem Eisen feilt man
Gold- und Silberdrähte, dicke und feine, wenn auf denselben Körner
erscheinen sollen.


Kapitel XI.
Von den Grabeisen.

Ferner werden Grabeisen zum Vertiefen also gemacht. Man macht
das Eisen (scil. das Instrument) aus reinem Stahl, von der Länge des
Mittelfingers, dünn wie ein Strohhalm, aber in der Mitte dicker und es
sei viereckig. Das eine Ende stecke in einem Griffe, an dem untern
Ende feile man eine Rippe oben zu der untern hinlaufend, die untere
aber länger, welche fein gefeilt in eine Spitze ausgehe. Heiſs wird es
in Wasser gehärtet. Dergestalt macht man mehrerlei, gröſsere und
kleinere. Auch macht man eine andere ebenfalls viereckig, doch
breiter und dünn, deren Spitze auf der Breitseite ist, so daſs zwei
Rippen oben sind und zwei unten, länger und eben. Auch auf diese
Art werden mehrere kleinere und gröſsere gemacht. Endlich fertigt
man ein rundes, strohhalmdickes Eisen, dessen Spitze so gefeilt ist, daſs
die Furche, welches es zieht, rund wird.


[983]Theophilus Presbyter.
Kapitel XII.
Von den Schabeisen.

Es werden auch feine Schabeisen erzeugt, am Ende ein wenig
breiter, auf einer Seite scharf, kleine und groſse. Einige von denselben
werden gekrümmt gemacht, nach Belieben, der Beschaffenheit der Ar-
beit angemessen. Man macht auch ebenso geformte Eisen, aber stumpf,
um das Werk polieren zu können.


Kapitel XIII.
Von Eisen, welche zu Getriebenem taugen.

Man bereitet auch Eisen, um Bildnisse, Vögel, Tiere oder Blumen
getrieben in Gold, Silber und Kupfer auszudrücken. Sie sind spannen-
lang, oben breit und mit Köpfen versehen, unten aber fein, rund, dünn,
dreieckig oder viereckig, gebogen, wie es die Gestalt der verschiedenen
Arbeiten fordert, welche man mit dem Hammer schlagen muſs. Auf
dieselbe Weise macht man auch ein so geformtes Eisen, doch fein an
dem Ende, woselbst ein, mit einem feinern Eisen gebohrtes und rings
ausgefeiltes Loch ist. Wird dieses auf Gold, Silber oder vergoldetes
Kupfer geschlagen, es zeigt sich ein sehr feiner Kreis darauf.


Kapitel XIV.
Von Schneideeisen.

Man macht auch Schneideeisen von solcher Gröſse, daſs sie mit
ganzer Hand gefaſst werden können und über dieselbe vorragen, breit
und gleichförmig, unter den Händen aber breit, dünn und scharf her-
austreten. Davon macht man viele, klein und groſs, mit denen Gold
und Silber oder dichtes Kupfer geschnitten wird.


Kapitel XV.
Von Eisen zum Fertigen von Nägeln.

Es giebt auch dünne und enggebohrte Eisen, in welchen die Nägel
mit Köpfen versehen werden, groſse, mittlere und kleine.


[984]Theophilus Presbyter.
Kapitel XVI.
Von Eisen zum Gieſsen.

Es giebt auch Gieſseisen, lang, rund und viereckig, in welchen das
flüssige Gold, Silber oder Kupfer gegossen wird. Auch hat man
Zirkel aus Eisen, aus zwei Teilen zusammengesetzt, gröſsere und
kleinere, mit geraden und gekrümmten Schenkeln.


Kapitel XVII.
Von den Feilen.

Feilen jedoch werden aus reinem Stahl, groſse und mittlere, vier-
eckige mit drei Rippen und runde gemacht. Man fertigt auch andere,
damit sie in der Mitte stärker sind, innen aus weichem Eisen, auſsen
aber werden sie mit Stahl bedeckt. Wenn sie nach Maſsgabe der
Gröſse geschlagen sind, welche ihnen der Arbeiter geben will, werden
sie auf dem Hobel abgeglichen, und mit einem Hammer, der an beiden
Seiten scharf ist, mit Einschnitten versehen. Andere werden mit dem
Schneideeisen eingekerbt, wovon oben gesprochen wurde. Mit diesen
soll das Werk geglättet werden, nachdem es mit gröberen vorher
schon gefeilt wurde. Sind sie auf allen Seiten mit den Einschnitten
versehen, so härte sie auf diese Weise.


Kapitel XVIII.
Von der Härtung der Feilen.

Verbrenne das Horn eines Ochsen im Feuer und schabe es, mische
dazu ein Dritteil Salz und mahle das kräftig. Dann lege die Feile ins
Feuer, und wenn sie weiſsglühend geworden, streue jene Mischung
allerseits darüber. Auf hierzu geeigneten Kohlen, welche tüchtig
brennen, blase hastig auf allen Orten, damit die Mischung nicht abfalle,
wirf es schnell heraus, lösche gleichmäſsig in Wasser ab, nimm es wieder
heraus und trockne es mäſsig über dem Feuer. Auf diese Weise
wirst du alles, was aus Stahl ist, härten.


[985]Theophilus Presbyter.
Kapitel XIX.
Dasſelbe, wovon oben die Rede war.

Mache auch kleinere auf ähnliche Weise, die viereckigen, halb-
runden, dreieckigen, dünnen, nämlich aus weichem Eisen, welche du
auf diese Weise härtest. Wenn sie mit dem Hammer mit Einschnitten
versehen sind, oder mit dem Schneideeisen oder Messer, so bestreiche
sie mit altem Schweinefett und umgieb sie mit geschnittenen Riemchen
von Bockleder und binde diese mit einem flächsernen Faden an.
Darauf bedeckst du sie einzeln mit gemahlenem Thon, läſst ihre
Enden aber frei. Sobald sie trocken sind, setze sie über das Feuer,
blase heftig, das Leder wird verbrennen, du ziehst sie rasch aus dem
Thone, löschest sie gleichmäſsig im Wasser und trocknest die heraus-
gezogenen am Feuer.


Kapitel XX.
Vom Härten des Eisens.

Auch die Grabeisen werden auf diese Weise gehärtet. Sobald
sie gefeilt und ihren Handhaben angepaſst sind, wird ihr Ende ins
Feuer gegeben und schnell, wenn es zu glühen anfängt, herausgezogen
und im Wasser gelöscht.


Kapitel XXI.
Von demselben.

Es ist noch eine andere Härtung von Eisenwerkzeugen im Ge-
brauch, mit denen man das Glas und weichere Steine schneidet, näm-
lich folgenderweise. Nimm einen drei Jahre alten Bock, binde ihn
drei Tage an, ohne ihm Nahrung zu geben, am vierten reiche ihm
Farnkraut zu fressen und nichts anderes. Wenn er dieses seit zwei
Tagen gefressen, stecke ihn die folgende Nacht unter ein am Boden
durchlöchertes Faſs, unter dessen Löcher du ein unversehrtes Gefäſs
gestellt hast, um darin seinen Harn zu sammeln. Nachdem du zwei,
drei Nächte ihn auf diese Art zur Genüge gesammelt hast, lasse den
Bock frei, in dem Harne aber härte deine Eisen. Auch im Harne
[986]Leonardo da Vinci.
eines rothaarigen Knaben werden Eisenwerkzeuge mehr gehärtet als
im bloſsen Wasser.


Neben manchem traditionellen Aberglauben finden wir doch in
den Schriften des Theophilus einen reichen Schatz praktischer Beob-
achtungen und die anschaulichen Schilderungen lassen uns einen Blick
werfen in die Werkstätten der mittelalterlichen Kunsthandwerker.


Leonardo da Vinci.

Auf anderer Grundlage sind die Schriften des genialen Leonardo
da Vinci
1) aufgebaut, die etwa gerade 300 Jahre jünger sind als die
des Theophilus und bezüglich der Zeit ihrer Abfassung auf der Grenz-
scheide der alten und der neuen Zeit stehen. Diese Grundlage ist
nicht mehr einzig und allein die Empire, sondern die Erfahrung ist
durchgeistigt durch mathematische und physikalische Behandlung.
Leonardo da Vinci ist eine jener hochbegabten, objektiven Naturen,
der ohne Vorurteil, ohne Pedanterie die Erscheinungen der Auſsenwelt
in sich aufnahm, wie sie waren und der damit die wunderbare Gabe
verband, alles, wie er es aufnahm, klar und wahr wieder zu geben.
Dadurch ist Leonardo einer der gröſsten Lehrer in Kunst und Wissen-
schaft, weit über die Grenzen der Malerei und Skulptur hinaus, ge-
worden. Er war groſs als ausübender Künstler, aber er war gröſser
als Lehrer, ja, man sagt nicht zuviel, wenn man ihn einen Propheten
der Kunst nennt. In naiver Bescheidenheit erfaſste er alle Höhen und
Tiefen der Bestrebungen seiner Zeit und reflektierte sie wie ein reiner
Spiegel, aber mehr wie das, er faſste alles in so klarer Unmittelbarkeit
auf, daſs es in der Wiedergabe, zu der er in so auſserordentlichem
Maſse befähigt war, mit voller Sicherheit Gedanken Worte verlieh, die
in den folgenden Jahrhunderten die Welt bewegten und als groſse
Erfindungen und Entdeckungen anderer, die nach ihm lebten, be-
kannt sind.


Es ist hier nicht unsere Aufgabe, von dem groſsen Maler zu
sprechen, dessen Abendmahl allein hingereicht haben würde, ihn
unsterblich zu machen, es ist nicht unsere Aufgabe von dem Bildhauer
zu sprechen, dessen Reiterstatue Franz Sforzas, die leider durch
den Vandalismus französischer Soldaten gänzlich zerstört wurde, von
[987]Leonardo da Vinci.
seinen Zeitgenossen einstimmig für das groſsartigste und bewunde-
rungswürdigste Bildwerk seiner Zeit erklärt wurde, wir wollen nicht
von dem Kunsttheoretiker sprechen, dessen Schriften über Per-
spektive, über Licht und Schatten noch heute als Quellen der Beleh-
rung dienen; uns interessiert Leonardo als der groſse Mechaniker,
welcher groſsartige Bauten ausgeführt und veranlaſst hat und als
Theoretiker der erste seiner Zeit war. Es würde zu weit führen, den
reichen Schatz seiner physikalischen Kenntnisse und Betrachtungen,
die er in zahlreichen Handschriften illustriert hat, in ihrem ganzen
Umfange zu verfolgen. Seine Erläuterungen über Schwere, Bewegung,
Kraft, über den Hebel, die schiefe Ebene, den freien Fall, die Reibung

Figure 304. Fig. 304.


Figure 305. Fig. 305.


und Festigkeit zeigen uns seine klare Auffassung der mechanischen
Grundgesetze. Noch bedeutender war er als Hydrotechniker, nicht
bloſs in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Er war der be-
rühmteste Wasserbaumeister seiner Zeit. Der groſse Kanal der Marti-
sana in der Lombardei wurde nicht nur von ihm erdacht und ent-
worfen, sondern er leitete zum groſsen Teil selbst die technische Aus-
führung. Daſs er hierbei durch seine erstaunliche Beobachtungsgabe
und seinem Geschick im Experimentieren zu zahlreichen hydrostatischen
Erfahrungen und Gesetzen geführt wurde, ist natürlich. Eine vor-
treffliche Schrift unter anderen ist seine „Theorie der Wellenbewegung
des Meeres“, welche über die Grenzen des Gegenstandes hinaus die
Undulationstheorie — längst vor Newton — behandelt. Aber auch
die Praxis auf diesem Gebiete bereicherte Leonardo nach allen
Seiten hin. Er entwickelte die Idee der arthesischen Brunnen und
[988]Leonardo da Vinci.
konstruierte dazu einen Erdbohrer. Zahlreich sind seine Entwürfe
und Konstruktionen von hydraulischen Maschinen, Pumpen, Wasser-
rädern, Wasserpressen, Schnecken u. s. w., sowie von Kanälen und
Schleusen 1).


Wir bringen in folgenden Abbildungen, Fig. 304 bis 308, Ideeen des
Leonardo zur Anschauung, die Beachtung verdienen und die Konstruk-
tionen seiner und der darauf folgenden Zeit übertreffen. In Fig. 304,
a. v. S., finden wir zunächst das oberschlächtige Rad c mit einer Schaufel-
stellung, die bereits rationeller gedacht ist und bei welcher der wasser-

Figure 306. Fig. 306.


Figure 307. Fig. 307.


Figure 308. Fig. 308.


haltende Bogen sehr vergröſsert ist.
Die Anordnung bei a aber läſst darauf
schlieſsen, daſs Leonardo eine Art
Spannschützen im Auge hatte. a ist
deutlich skizziert als ein verschiebbarer,
ausziehbarer Boden. Ob nun das Rad
in den Armen hing, die von a ausgingen,
ist zweifelhaft; vielmehr scheint es, als
ob dieser Arm eine Art Regulierung
des Zuflusses mittels eines, am Rade vorhandenen Mechanismus voll-
führen sollte. Fig. 305 ist ein mittelschlächtiges Rad bemerkenswerter
Konstruktion. In Fig. 306 ist eine Umänderung eines Löffelrades, aber
in wesentlich verbesserter Gestalt, gegeben. Hier schlieſst eine volle
Scheibe zunächst das ganze horizontale Rad. Um einen Radkern auf der
stehenden Welle sind dann die stehenden Schaufeln radial aufgesetzt,
so daſs dieselben förmliche Kasten mit Kernmantel und Scheiben bilden.
Das Wasser wird in einem stehenden Rohre zugeleitet und strömt
durch eine rechtwinkelige Umbiegung desſelben direkt in die Zellen
ein. Der Gedanke der Aufsammlung des Wassers in stehenden Röhren
[989]Leonardo da Vinci.
und Zuleitung durch Wassersäulen in freier Ausströmung auf diese
Räder ist höchst bemerkenswert. In Fig. 308 finden wir eine andere
Lösung derselben Idee; hierbei ist das horizontale Rad mit Kurven-
schaufeln versehen. Leider ist die Skizze desſelben undeutlich; viel-
leicht drückte sie viel mehr aus, als jetzt ersichtlich ist. In Fig. 308
aber führen wir eine Skizze vor, welche dem unbefangenen Beobachter
selbst als eine Idee zu einer Turbine (à la Fourneyron) erscheinen
möchte. Dieselbe steht auf einem Blatt des Codex Atlanticus, welches
fast nur Skizzen hydraulischen Charakters enthält, unter anderm
mehrere Skizzen von Wasserrädern (fol. 283). Wir enthalten uns, wie
gesagt, jeder positiven Behauptung hierüber, da ein Aufschluſs geben-
der Text in dem Manuskript fehlt.


Seine Theorie der Flamme und der Luft gehören auch zu den
Prophetenblicken des groſsen Physikers, die unbeachtet in den folgen-
den Jahrhunderten durch falsche Theorieen verdunkelt, erst durch
Lavoisier wieder entdeckt und zu Ehren gebracht wurde. Er kon-
struierte Schwimmgürtel, einen Helm für Perlentaucher und eine
Lieblingsidee von ihm — er liebte kaum irgend etwas so sehr wie den
Flug der Vögel zu beobachten — war, eine Flugmaschine zu kon-
struieren. Er ging hierbei von der Konstruktion der Vogelflügel aus
und brachte es so weit, daſs er fliegende Wachsfiguren anfertigte. Auch
die Erfindung des Fallschirmes gebührt Leonardo. Für uns ist von
gröſserm Interesse, daſs er sich eifrig mit der Anwendung künstlicher
Gebläse für Schmiedefeuer und Schmelzöfen beschäftigte. In Rom 1)
konstruierte er ein solches in einer Schmiede, welches so gewaltig blies
und stöhnte, daſs die Anwesenden sich angsterfüllt in eine Ecke zurück-
zogen und teils entflohen. Daſs Leonardo sich eingehend mit den Gesetzen
der Akustik beschäftigte, kann nicht Wunder nehmen, da er ein Meister
auf der Violine war. Noch näher lagen ihm als Maler Untersuchungen
über die Gesetze der Optik. Über Brechung und Reflexion des Lichtes,
wie über die Farben, giebt er einen Schatz von Mitteilungen. Auch
muſs er als Erfinder der Camera obscura angesehen werden, wie er
auch die erste Idee zur Konstruktion von Fernröhren gab, beides Ent-
deckungen, die man in eine viel spätere Zeit zu setzen pflegt.


Leonardos Untersuchungen über die Wärme sind von hohem
Interesse. Er konstruierte eine Dampfkanone (architronito), mittels
der er schwere Kugeln fortschleuderte. Er bezeichnet dieselbe als eine
Erfindung des Archimedes, ohne daſs in den Schriften des letztern
[990]Leonardo da Vinci.
eine Spur davon aufzufinden wäre. Wir kennen aus dem Altertum
nur das Dampfgebläse, die Äolopyle, und den Luftspanner des Ktesi-
bios. Letzterer dürfte die Maschine sein, die Leonardo im Sinne hat
und die er irrtümlich dem Archimedes zuschreibt. Bei dem Luftspanner
ist aber komprimierte Luft der Motor, während es hier Dampf ist, der
in dem Apparat aus Wasser mit einem Flammfeuer erzeugt wird. Wir
geben hier Figur und Beschreibung der Kanone 1):


Figure 309. Fig. 309.

„Der Architronito, Fig. 309 u. 310, ist eine Maschine von feinem
Kupfer, welche eiserne Kugeln mit groſsem Geräusch und vieler Gewalt
fortschleudert. Man macht Gebrauch von dieser Maschine; das Dritteil
dieses Instruments besteht aus einer groſsen Quantität Feuer und
Kohlen. Wenn das Wasser recht erhitzt ist, so wird die Schraube des
mit Wasser gefüllten Gefäſses (a, b, c) geschlossen, und in demselben
Augenblick, wo dies geschieht, entweicht das ganze Wasser unterhalb,
steigt in den erhitzten Teil des Instruments und verwandelt sich sofort
in Dampf, der so bedeutend und stark ist, daſs es wunderbar ist, die

Figure 310. Fig. 310.


Wut dieses Rauches zu sehen und das hervorgebrachte Geräusch zu
hören. Diese Maschine warf eine Kugel von 1 Talent und 6 Zoll.“


Wir bemerken, daſs Leonardo im Cod. Atl., fol. 253 auch eine dunkle
Idee zur Bewegung einer Barke mit Dampf gegeben hat, ferner fol. 300
einen Bratspieſs, welcher durch Wärme getrieben wird, und zwar wer-
den die Rauchgase, Dämpfe etc. in einen Rauchfang gesammelt und
ziehen darin nach oben. Die Öffnung aber zum Eintritt in den Schorn-
[991]Leonardo da Vinci.
stein verschlieſst ein mit Schaufeln versehenes horizontales Rad. Die
warme Luft tritt durch die schräg gestellten Schaufeln hindurch nach
oben und bewegt dabei das Rad und die Achse desſelben, welche nach
unten hin mit einem Trieb in die Zahnräder des Bratspieſses ein-
greift.“


Die metallurgischen Kenntnisse Leonardos waren sicherlich be-
deutend. Doch hat er darüber nicht viele Aufzeichnungen hinterlassen.
Mit dem Erzguſs beschäftigte er sich praktisch. In dem Codex Trivol-
gianus teilt er Rezepte von Guſsmischungen mit, die wohl von Verrochio,
seinem Lehrer, der ein sehr tüchtiger Erzgieſser war, herrührten.
Seine Bemühungen, die Windgebläse zu verbessern, haben wir schon
erwähnt. Da er sich theoretisch und praktisch mit der Kriegswissen-
schaft beschäftigte und Kriegsingenieur des Ludovico Sforza und des
Valentino Borgia war, so beschäftigte er sich eingehend mit der Be-
reitung des Pulvers und teilt darüber eine Reihe von Illustrationen mit.
Mit der Konstruktion von Schmelzöfen, Flamm- und Glühöfen beschäf-
tigte er sich eingehend. Leonardo war kein Anhänger der Alchimie.
Sein klarer Verstand durchschaute das trügerische Gewand, in welches
die chemische Wissenschaft jener Zeit sich gehüllt hatte. Er wider-
spricht der alchimistischen Lehre, daſs das Quecksilber der Same aller
Metalle sei. Daſs Leonardo sich auch mit dem Guſs von Bombarden
beschäftigte, geht aus einem Brief an Ludovico Sforza hervor, in dem
er dem Herzog seine Qualifikation als Kriegsingenieur auseinandersetzt.
Der Brief ist so charakteristisch, daſs wir ihn in seinem vollen Wort-
laut in der Übersetzung folgen lassen:


„Monseigneur, überzeugt, daſs durch die Vorspiegelungen von allen
denen, welche sich Meister in der Kunst des Erfindens von Kriegsgerät
nennen, in Wirklichkeit nichts Nützliches oder Neues geleistet wird, was
nicht schon gewöhnlich ist, beeile ich mich gegenwärtig, ohne jemanden
schaden zu wollen, Eurer Herrlichkeit meine Geheimnisse zu entschleiern
und sie, wenn es Ihnen gefällt, zur Ausführung zu bringen; denn ich
wage zu hoffen, daſs alle Dinge, welche ich in diesem kurzen Brief ein-
reiche, das verlangte Resultat erreichen.


1. Ich weiſs zu konstruieren sehr leichte Brücken, welche man leicht
von einem zum andern Ort transportieren kann, und mit Hilfe welcher
es oft möglich wird, den Feind zu verfolgen und ihn in die Flucht zu
jagen. Dieselben sind sehr sicher und gegen Feuer geschützt, und
widerstandsfähig im Wasser. Sie lassen sich leicht aufschlagen und
abbrechen. Ich habe auch ein Mittel, die Brücken des Feindes zu
zerstören und anzuzünden.


[992]Leonardo da Vinci.

2. Ich habe ein Mittel gefunden, die Wasser bei einer Belagerung
abzuleiten, Fallbrücken zu machen und eine Reihe Instrumente für
solche Gelegenheit.


3. Wenn die Höhe der Mauern oder die Stärke der Position eines
Platzes nicht erlaubt, in einer Belagerung mit den Kanonen zu nahen,
habe ich ein Mittel erfunden, jeden Turm oder andere Befestigung,
sobald sie nicht auf Felsen gebaut ist, zu ruinieren.


4. Ich verstehe auch eine Art Kanonen (bombarde) zu fabrizieren,
sehr leicht und bequem zu transportieren, welche entflammte Stoffe
schieſst, um Schrecken unter die Feinde zu verbreiten mit Hilfe eines
groſsen Rauches, ihnen Schaden zuzufügen und sie in Unordnung zu
bringen.


5. Ferner eine Methode, ohne Lärm die unterirdischen Gänge zu
graben, um in einen Graben oder ein Fluſsufer zu gelangen.


6. Kräftige Wagen, offen, defensiv und offensiv, mit Artillerie ver-
sehen, dringen in die Mitte der Feinde ein; keine Waffenmasse giebt
es, sie zu brechen und dicht dahinter kann Fuſsvolk folgen ohne Scha-
den und Hindernis.


7. Ich kann auch Bombarden gieſsen, wenn es nötig ist, Mörser
und Feldgeschütze in schöner und nützlicher Form und für den gewöhn-
lichen Gebrauch.


8. Dort, wo die Bombarden nicht angewendet werden können,
fertige ich andere Geschütze (briccolè manghani, Arabucchi ed altri
instrumenti) von wunderbarem Effekt und starkem Gebrauch. Je nach
Erfordernis werde ich die Offensivwaffe bis ins Unendliche varieren.


9. Wenn das Geschick einer Seeschlacht droht, so habe ich eine
Reihe Waffen und Instrumente für Angriff und Verteidigung in Bereit-
schaft; ebenso Schiffe, welche dem Feuer der gröſsten Artillerie wieder-
stehen (Panzerschiffe?) und Pulver und Feuerarten.


10. In Friedenszeiten wird es nützlich sein, zu allgemeinem Nutzen
(benissimo a paragone di omni) Architektur zu pflegen, Gebäude für
Private und die Öffentlichkeit, und die Wasser von Ort zu Ort führen.


Ich beschäftige mich auch mit Skulpturen in Marmor, in Bronze
und in Erden; ebenso fertige ich Gemälde, alles was man will. Ich
würde auch an der Reiterstatue in Bronze arbeiten können, welche
zum unsterblichen Ruhme und ewiger Ehre, also auch zur glücklichen
Erinnerung Eurer Herrlichkeit Vaters und des fürstlichen Hauses
Sforza errichtet werden soll.


Wenn einige dieser Sachen, von denen ich geredet habe, unmög-
lich und unausführbar erscheinen sollten, so biete ich mich an, sie aus-
[993]Leonardo da Vinci.
zuführen in Eurem Park oder an einem Ort, wo Ew. Exzellenz will, —
womit ich ergebenst mich so viel als möglich empfehle.“


Leonardo hat viele Zeichnungen über den Festungsbau hinterlassen.
Ferner handelt er von den Minen und deren Anlagen. In zahlreichen
Zeichnungen erläutert er die Konstruktion von Sturmmaschinen, Ar-
tillerie u. s. w. Der Dampfkanone, des Architronito haben wir bereits
Erwähnung gethan. Diese Maschine beweist, daſs die Benutzung des
Wasserdampfes zu Leonardos Zeit nicht unbekannt war, was bestätigt
wird durch eine Vorrichtung, Wasser zu heben, und eine gegen den
Strom gehende Barke, beide durch Dampf bewegt. Unter der Zahl
der Kanonenkonstruktionen finden wir mannigfache, sinnreiche Stücke,
rotierende, drehbare Mitrailleusen, ferner viele andere Geschütze
unter Anwendung von Schleuderkraft und Schwungkraft, mächtige, auf
Räder gestellte Armbrüste, ferner ganze groſse Batterieen von Büchsen-
läufen, die auf dem Mantel groſser Treträder tangential in vier bis
acht Reihen aufgebracht sind und nacheinander abgeschossen werden.


Die Herstellung von Kanonen scheint ihn besonders beschäftigt
zu haben. Wir finden im Codex Atlanticus eine Zeichnung, die uns
lehrt, mit was für einem Instrument Leonardo bohrte, d. h. offenbar
nachbohrte und Züge einschnitt. Dasſelbe erscheint als ein Cylinder,
welcher der Längsachse nach mit Leisten von rechteckigem Quer-
schnitt und scharfen Kanten besetzt ist, welche in gleichen Zwischen-
räumen gleich der Hälfte ihrer Kopfbreite aufgestellt sind. In diese
Leisten ist eine Spirale eingeschnitten, die allerdings erhabene Züge
hervorbringen müſste. Das Rohr ist vorne und hinten offen — also
wie bei unseren Hinterladern — und am vordern Ende erblicken wir
die Bohrstange hervorragen und mit Hebeln zum Drehen versehen.
Einige der Kanonen zeigen Ornamentik und stellen wohl Festkanonen
vor, wie solche dazumal viel gefertigt wurden.


Über die Geschosse, ihre Gewichte, ihre Flugbahn, sowie über
Tragweite der Geschütze finden sich oft Bemerkungen. An einer
solchen Stelle sagt Leonardo da Vinci:


„Die Kugeln der Bombarde machen eine Meile in fünf Zeit-
abschnitten, von welchen Zeiten eine Stunde zusammengesetzt ist, von
1080 u. s. w.“, wobei er auf das Resultat kommt, daſs eine solche
Kugel per Sekunde 110 m durchläuft.


Also auch auf diesem Gebiete leistete Leonardo da Vinci Bedeuten-
des. Die Anerkennung, welche er bei seinen Zeitgenossen fand, war groſs;
wir haben bereits oben gesehen, daſs Magenta bei seinen Befestigungs-
arbeiten für Florenz den Leonardo fleiſsig studierte. Ebenso befahl
Beck, Geschichte des Eisens. 63
[994]Leonardo da Vinci.
Valentin Borgia allen seinen Platzingenieuren, sich nach den Anord-
nungen des Leonardo zu richten. Unser höchstes Interesse erregt
Leonardo als Maschinenkonstrukteur. Er geht bei der Konstruktion
seiner Maschinen meist synthetisch zu Werke, indem er zuerst die ein-
zelnen Teile skizzierte. Grothe schreibt hierüber 1):


Ist dem Leonardo eine Aufgabe gestellt gewesen, so hat er sich
eine allgemeine Idee der Lösung gebildet und meistens diese flüchtig
skizziert, und dann beginnt er die Details zu durchdenken und alle
Momente ins Auge zu fassen. Dies zeigen die zahlreichen Details und
Variationen derselben, von denen die meisten seiner Hauptblätter
entouriert sind, ferner mathematische Figuren und Rechnungen und
eingeschriebene Bemerkungen, zuweilen speziellere Erklärungen der
Figuren. War er dann mit seiner Konstruktion zu Ende gelangt, war
sie in allen Teilen fertig, so nahm Leonardo ein frisches Blatt, und in
sicheren Strichen steht dann die Zeichnung da. Hat ihm die Lösung
nicht gefallen oder ist ihm die ganze Sache langweilig geworden,
so zeichnet er mitten zwischen diese Details wohl eine Fratze oder eine
Arabeske. Für die Reinzeichnungen muſs man rühmend erwähnen,
daſs sie sich gegen die späteren Zeichnungen, wie sie Vegetius Renatus,
Salomon de Caus, Besson, Ramelli, Reimondus Montus, Zeising, Veran-
tius, Branca, Nicolai Zucchio, Paulo Casato, Jungenickel, Kircher,
Furttenbach, Böckler, Leupold, Gallon u. s. w. geben, vorteilhaft aus-
zeichnen durch Richtigkeit der Perspektive und Wirksamkeit der
Schattenprojektion, sowie durch proportionierte Formen der Gestelle,
Getriebsteile u. s. w. Als Beispiel hierfür führe ich die in dem Codex
Atlanticus in Mailand auf Blatt 195 (Nr. II) dargestellte Maschine
zum Zersägen der Steine resp. des Marmors an. Leonardo giebt hier-
von auf der Mitte des Blattes eine kleine, flüchtige Skizze, nebenher
und darunter noch mehrere, dann beschäftigt ihn die Befestigung der
beiden Sägeblätter in einem Rahmen speziell, sodann die Bewegung dieses
Rahmens. In einigen Sätzen, die er zwischen diese Details schrieb,
setzt er seine Ideeen über die Balance der Säge auseinander und über
die gleichmäſsige Einführung der Schmirgelmaterieen in die Schnitt-
löcher. Er kommt zu der Überzeugung, daſs die Sägeblätter doppelt
so lang sein müſsten als der Stein selbst, wenn der Zug der Säge die
Steineslänge betragen solle und daſs die Zugstangen auf festen, aber
je nach der vorgerückten Tiefe des Schnittes versetzbaren Unterlagen
sich bewegen müſsten, die auch nach der Seite hin die Bewegung
[995]Leonardo da Vinci.
normalisieren. Durch solche eingehende Betrachtungen, von circa
32 Detailszeichnungen und Skizzen begleitet, gelangte dann Leonardo
zu der Schluſskonstruktion, die er uns in einer perspektivischen An-
sichtszeichnung, mit Sepia schattiert, so vorführt, daſs sie einmal zeigt,
wie Leonardos Konstruktion mit der heutigen in Carrara u. s. w. ge-
brauchten Marmorsäge identisch ist, sodann aber, daſs sie sicherlich
für die Praxis bestimmt war. Ganz ähnlich könnte ich 100 Beispiele
aus Leonardos Manuskripten beibringen.


Der Reichtum der hinterlassenen Skizzen ist so groſs, daſs wir
nur einzelnes, was mit der metallurgischen Technik in näherer Be-
ziehung steht, herausgreifen können. Wir verweisen zunächst auf die
oben schon angeführten Wasserräder, von denen Leonardo zahlreiche
Abbildungen und Entwürfe mitteilt. So giebt er die alten Löffelräder
in verschiedenen Variationen, sowie mittel- und oberschlächtige und
unterschlächtige Räder (s. oben S. 987 und 988), die nur wenig von
den Konstruktionen derjenigen abweichen, die erst nach Leonardo
zuerst durch Druck und Illustration bekannt wurden. Dagegen finden
wir auch eine Zahl anderer Ideeen und Skizzen bei Leonardo, welche
uns lehren, daſs der groſse Ingenieur bestrebt war, eine bessere Aus-
nutzung der Wasserkraft zu erzielen. Er wurde hierauf wohl durch
seine Beobachtungen über die Bewegung des Wassers in Flüssen und
Kanälen hingeführt. Wir haben bereits erwähnt, daſs es Leonardos
Art war, die Maschinen in ihre einzelnen Teile zu zerlegen, sie aus
ihren Teilen zusammenzusetzen. Reuleaux ist also sehr im Unrecht,
wenn er in seiner Einleitung zur Kinematik Leupold, dessen Theatrum
machinarum aus dem vorigen Jahrhundert stammt, als denjenigen
nennt, der zuerst diese Methode aufgebracht habe. Gerade in der
Darstellung der Maschinenteile Leonardos ist ein Schatz origineller,
konstruktiver Ideeen enthalten. So finden wir einen Reichtum von
Bewegungsübertragungen skizziert, die uns in Erstaunen setzen 1). Wir
sehen nicht nur Drehlinge, Zahnräder, sondern auch Friktionsräder,
Kegelräder u. s. w. Bei einer Maschine zur Streckung des Eisens
benutzte Leonardo Schraubenräder zur Übertragung, bei welchen
die Schraube ohne Ende dreimal eingeschaltet ist. Bei derselben ist
auch ein getriebenes Zahnrad mit Schraubenmutter am Zentrum ver-
sehen, welche die mit Schrauben ganz versehene Zugstange voranzieht.
Bei dieser Gelegenheit giebt Leonardo zugleich eine Berechnung der
Bewegungsübersetzung bis auf die Walzscheibe vom Wasserrade her.


63*
[996]Leonardo da Vinci.

Sehr interessant ist auch Leonardos Bekanntschaft mit dem Uni-
versalgelenk (Fig. 311), für das bisher Cardanus als früheste Quelle
angegeben wurde.


Eine Maschine zum Ausziehen (Profilieren) von Eisenstäben zum
Bau schmiedeeiserner Kanonen erweckt unser besonderes Interesse.
Sie basiert auf dem Prinzip der Drahtzüge.


Leonardo hatte die Aufgabe, die nach damaliger Fabrikationsart der
Kanonenläufe aus Eisenstäben notwendigen Eisenstäbe in einem Profil
herzustellen, so daſs die aneinander gefügten Stäbe den runden Lauf
zusammensetzten und nun geeignet verbunden (zusammengeschweiſst)
werden konnten. Um die Stäbe in dieser Weise auszuziehen, benutzt
er einen Mechanismus, der von einer Turbine (retrecine, Reaktionsrad,
der damaligen Mode) getrieben wird. Die Turbine enthält am obern

Figure 311. Fig. 311.


Teile ihrer Welle ein Schneckenrad, welches
rechts in ein festgestelltes vertikales Zahnrad
eingreift, links aber ein mit seiner Welle fest
verbundenes Zahnrad treibt, welches weiter-
hin durch eine stehende Zwischenwelle mit
Schnecke die Bewegung und Kraft auf eine
schwere, starke Achse überträgt, die am andern
Ende eine Scheibe enthält, welche die Profi-
lierungsscheibe der Eisenstange sein soll. Diese
Profilscheibe ist mit einer Art Spiralkurve um-
zogen, deren Gestalt, Höhe, Bogensteigung etc.
genau berechnet ist. Das oben besagte, rechts
von der Turbinenwelle getriebene Rad ent-
hält im Mittelpunkte eine Schraubenmutter,
durch welche eine der Länge der auszuziehenden Eisenstange ent-
sprechende Schraubenspindel hindurchläuft. Bei Drehung des übrigens
festgestellten Rades wird also die sich nicht drehende Schrauben-
spindel bewegt. Diese Spindel enthält am andern Ende eine Klaue,
in welcher die Eisenstange befestigt wird. Die Eisenstange ist von
Rollen unterstützt und bewegt sich unter der Profilscheibe durch,
indem sie gegenüber dieser ein festes, eingesenktes Formlager mit
Profilseite erhält. Die Profilscheibe ist schwer, preſst das Eisen
mächtig an. Leonardo berechnet sowohl die Last, als auch die Kraft,
welche notwendig an der Mutter der Ziehscheibe thätig sein muſs, um
das Eisen unter der Fassonwalze durchzuziehen und kommt zu ge-
nauen Resultaten. Er beschäftigt sich sodann mit anderen Profilen
und teilt mit, in wie vielen Operationen das Ausziehen derselben zu
[997]Leonardo da Vinci.
machen sei, und auf einer Reihe von Tafeln sehen wir ihn immer
wieder mit der Lösung dieses Problems beschäftigt. Man achte aber
darauf, daſs er uns auf der betreffenden Tafel nicht bloſs die Profil-
scheibe nebst Auffindung der Kurve für deren Mantelfläche, sowie
das unbewegliche Matrizengegenlager giebt, sondern er lehrt auch
zugleich einen Apparat kennen, mit welchem er das Werkzeug und die
Matrize herstellt, nämlich eine Maschine mit konischer Schmirgelwalze
und mit Lager zur Aufnahme der Scheibe vielleicht (die durchgehende
Welle nicht als Schraubenwelle bestimmt ausgelegt, obgleich bei der
zahlreichen Anwendung, die Leonardo davon macht, dies fast gestattet
sein dürfte) an einer Schraubenspindel bewegt und an der Schmirgel-
walze hingeführt.


Bei dieser Beschreibung führt Leonardo seine Elementi macchinali
an und verweist bei Berechnung der Kraft eines Maschinenteiles auf
den 22. Fall derselben. Es läſst sich also wohl voraussetzen, daſs
Leonardo, wie für die Hydrostatik, so auch für die Maschinenlehre
Gesetze präzisiert und aufgestellt hatte. Er sagt: Le quali potenza
sono vere come é provato nella 13 a del ventiducsimo delli elementi
macchinali da me composti. Ferner bei der Erklärung der Rad-
berechnung: „Wenn du nicht die Zahl (Zähnezahl) der Räder multi-
plizieren willst, so multipliziere ihre Gröſse, das macht dasſelbe.“
Ferner steht folgender Ratschlag für die Maschinenkonstruktion da:
„Sei eingedenk, alle Glieder der Instrumente gleich oder gröſser
(d. h. stärker) zu machen als die Kraft des Motors.“ Ferner: „Weil
ohne Erfahrung eine richtige Kenntnis der Kraft sich nicht ergeben
kann, mit welcher das auszuziehende Eisen seinem Trafilator widersteht,
habe ich in dem fraglichen Teile vier Räder durch Schrauben ohne Ende
gemacht, von denen jedermann den Beweis hat durch Anzeichnung
ihres Grades, welche Kraft diese Kombination hat.“


Auch die Abbildung einer Bohrmaschine hat Leonardo da Vinci,
welche die irrige Auffassung, daſs Bohrmaschinen im 15. Jahrhundert
unbekannt gewesen seien, widerlegt. Wurden doch um jene Zeit
bereits Bronzegeschütze ausgebohrt, so namentlich zu Nürnberg, und
findet sich in dem dortigen Codex 719 die Abbildung einer Kanonen-
bohrmaschine aus dem Jahre 1450 (s. Fig. 312). Weit künstlicher war
die Bohrmaschine des Leonardo (s. Fig. 313). Grothe schreibt:


„Die Maschine zum Bohren, welche Leonardo auf fol. 78 uns dar-
gestellt und die ich in Faksimileskizze wiedergebe mit von mir ein-
geschriebenen Buchstaben, entspricht nicht nur Poppe’s Beschreibung
der frühern Bohrmühlen („der Bohrer wird durch eine Welle in
[998]Leonardo da Vinci.
Umlauf gesetzt und der zu bohrende Baum rückt ihm auf einem
sogenannten Wagen oder Schlitten immer mehr entgegen“), sondern
die Details zeigen, daſs Leonardos Maschine ziemlich vollkommen
eingerichtet war. Auf einem kräftigen Gestelle ist im Gerüst d die
Bohrwelle g mit Bohrer b eingelegt, der am Ende durch einen Führer
unterstützt geleitet wird. a ist der zu durchbohrende Baum, der in
eine Art Klemmfutter genau eingespannt ist. Dasſelbe besteht aus
zwei Ringen c, durch welche 2 × 4 Schraubenbolzen hindurchgehen
und mit ihren Enden n gegen a drücken. Diese Schraubenbolzen

Figure 312. Fig. 312.


sind mit Muttern c versehen und durch Bügel festgestellt. Wie es
scheint, sind die vier Schraubenmuttern, die am Mantel gezahnte
Cylinder sind, mittels des eingreifenden, an einer Kante verzahnten
Ringes p zugleich zu drehen. Diese Einspannvorrichtung ist auf einen
Schlitten o o gesetzt, der unterhalb durch eine Schraubenwelle e
bewegt wird. Diese von Leonardo vorgeführte Maschine sticht
gegen Skizzen derjenigen Bohrvorrichtungen, die noch heute in kleinen
Orten zum Brunnenrohrbohren Anwendung finden, sehr vorteilhaft
ab. Die Einstellvorrichtung erweist sich in der That sinnreich und
wohl durchdacht.“


[999]Leonardo da Vinci.

Unter den vielerlei Abbildungen von Maschinen heben wir noch
eine Maschine zum Aufhauen von Feilen und einen Federhammer her-
vor. Ursprünglich war die Feilenhauerei deutsche Kunst, und Nürn-

Figure 313. Fig. 313.


berg stand dafür im 15. Jahrhundert in Ansehen, seit 1618 begann
England in Sheffield dieses Handwerk und zwar mit so hohem Erfolg,

Figure 314. Fig. 314.


daſs die englische Feilenfabrikation bis zum Anfang dieses Jahrhunderts
dominierte. Karmarsch sagt, daſs seit mehr als einem Jahrhundert
zahlreiche Versuche zur Konstruktion einer Feilenhaumaschine gemacht
[1000]Leonardo da Vinci.
seien und führt nach anderen Quellen an, daſs Duverger schon vor
1735 die erste Feilenhaumaschine entworfen habe. Diese Angabe ist
insofern ungenau, als Duverger bereits 1699 diese Maschine entwarf
und der Akademie präsentierte und als die Beschreibung derselben
bereits 1702 im Journal des savants zu finden ist. Allein, wie nun
Leonardo da Vincis Manuskripte lehren, so ist Duverger nicht der erste,
sondern wir sehen, daſs Leonardo eine Feilenhaumaschine entworfen
hat, und zwar bereits vor dem Jahre 1505. Die Zeichnung (Fig 314)
ist in allen Teilen sorgsam und alle Details sind vorhanden; in den
verschiedenen Entwürfen von Hammerköpfen finden wir den grübeln-
den Techniker wieder. Leonardo beabsichtigte die Maschine von der
Kurbel und Menschenkraft unabhängig zu machen. Es soll ein Ge-

Figure 315. Fig. 315.


wicht mittels Taues die Hauptwelle in Bewegung setzen, letzteres so
lang, ersteres so hoch herabkommend, als im Verhältnis zu der Länge
der zu hauenden Feile nötig.


In der That haben wir bis heute die Feilenhaumaschine noch
nicht viel über den in Leonardos Skizze sichtbaren Standpunkt hin-
ausgebracht.


Der Federhammer. „Die Zeichnung dieses Instruments“ —
schreibt Dr. Grothe — „würde unserer Zeit Ehre machen. Sie läuft
dem Leonardo da Vinci so mit unter bei Gelegenheit der Konstruktion
eines Getriebes für einen Fallhammer (Fig. 315). Die Feder scheint
hierbei von besonderer Konstruktion. Hierbei wollen wir gleich an-
führen, daſs Leonardo sich bemühte, die Schmiedehämmer selbstthätig
herzurichten.“


Einer Maschine zum Ziehen von Metallfedern, die auch auf dem
Prinzip der Drahtzüge basiert ist, wollen wir nur Erwähnung thun,
wie wir auch die Konstruktion von Hebezeugen, Kranen und Winden,
[1001]Leonardo da Vinci.
die Mühlwerke und die hydraulischen Pressen, die mannigfaltigen
Pumpenkonstruktionen, darunter Saug- und Druckpumpen, nur auf-
zählen können. Auf allen damals erschlossenen Gebieten der Natur-
wissenschaft und der Technik wirkte das Genie des groſsen Florentiners
befruchtend und anregend. Leider blieben die zahlreichen Manuskripte
und Zeichnungen Leonardos nach seinem Tode in Verborgenheit. Sie
wurden später von seinen Erben partieenweise verkauft, auf diese Art
zersplittert und zerstreut. So blieben sie, obgleich man ihren Wert
kannte, unbenutzt und unerschlossen. Nur wenige haben den Nachlaſs
studiert. So sind bis heute diese Schätze noch nicht gehoben und es
bleibt eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Zukunft, daſs dies
geschehe im Interesse der Geschichte der Wissenschaft, wie zur Ehre
des erhabenen Geistes 1). Ist aber der reiche Same, der in den hinter-
lassenen Manuskripten des Leonardo aufgespeichert war, durch die
Ungunst der Verhältnisse nicht auf fruchtbares Erdreich gefallen, son-
dern in den Schränken von Bibliotheken und Privatsammlungen ver-
staubt und vermufft, so sind seine Ideeen deshalb doch nicht mit ihm
ins Grab gesunken. Das lebendige Wort des groſsen Lehrers hatte
den Reichtum seiner Gedanken in die Ohren und Herzen vieler Schüler
gesenkt. Dort wirkten sie weiter und wenn die groſse Bescheidenheit
des wunderbaren Mannes Veranlassung war, daſs seine Erfindungen
und Lehrsätze nicht auf seinen Namen geprägt, nicht unter seiner
Adresse in Cours gesetzt wurden, so war er doch der Mann, der in der
geistig angeregten Periode den gröſsten Impuls gab für physikalische,
künstlerische und technische Studien der folgenden Epoche. In Italien
pulsierte das geistige Leben am Ende des 15. Jahrhunderts am leb-
haftesten und Leonardo da Vinci ist ein Hauptnerv in diesem mannig-
fachen Treiben. Auf wie viele Zeitgenossen hat er anregend gewirkt!
Er war ein Freund des Christoph Kolumbus. Er erkannte sofort das
Richtige in den Spekulationen dieses eigenartigen Mannes, stärkte ihn
durch seinen Zuspruch, unterstützte und kräftigte ihn durch seinen Rat.


Fürsten buhlten um die Freundschaft des hohen Geistes und wenn
es auch nur eine Sage ist, daſs Leonardo in den Armen des ritter-
lichen Königs Franz I. von Frankreich seine Seele ausgehaucht habe,
so ist es doch eine Sage, die der Instinkt des Volkes gedichtet hat, und
die allgemeinen Glauben fand.


Wir stehen am Ende der Periode, die wir in diesem ersten Band
[1002]Schluſs.
abzuhandeln hatten. Ist die Ausbeute in bezug auf die technische
Entwickelung so vieler Jahrtausende auch nicht groſs, so schlieſst
doch dieser Abschnitt mit einem schönen Tableau, das uns eine viel-
versprechende Aussicht in die neue Zeit eröffnet. Wie auf allen Ge-
bieten menschlichen Strebens der Ausgang des 15. und der Anfang des
16. Jahrhunderts einen gewaltigen Fortschritt zeigt, ein erfolgreiches
Ringen gegen die Herrschaft alter Vorurteile und alter Methoden, wo der
Geist der Humanität mächtig Wurzel schlägt und kraftvoll die Fesseln
der verknöcherten Scholastik zerbricht, wo neue Entdeckungen, wie die
des Seeweges nach Ostindien und die Auffindung von Amerika, den
geistigen Horizont erweitern, neuen Bestrebungen, neuem Ringen den
hoffnungsvollen Weg zeigen, da weht auch auf dem Gebiete der Technik
ein neuer, hoffnungsvoller Wind, alten Staub wegfegend, neuen Zeiten
zutreibend. Und wenn dies von der Technik im allgemeinen gesagt
werden darf, so gilt es ganz besonders für die Eisenindustrie. Neue
Kräfte stehen den Menschen zu Gebot, die tierische Kraft wird überall
verdrängt durch die Wasserkraft, die man jetzt erst anfängt für alle
Kraftleistungen dienstbar zu machen. Eine Massenproduktion des
Eisens ist angebahnt. Der Eisenguſs ist erfunden. Man hat die Vor-
teile der indirekten Methode erkennen gelernt. Man stellt in hohen
Öfen mit mächtigen Blasebälgen flüssiges Roheisen dar, um daraus das
„zwiegeschmolzene Eisen“ zu bereiten, das besser und gleichmäſsiger
in seiner Güte rasch das alte Luppeneisen der Rennherde und Tretöfen
zurückdrängt. Der durch die Umwälzung der Bewaffnung gesteigerte
Bedarf an Eisen erzwingt eine Steigerung der Produktion, führt zur
Massenbereitung, zur Groſsindustrie.


Mit den praktischen Verbesserungen geht Hand in Hand die Ent-
wickelung der theoretischen Erkenntnis, gefördert und angebahnt durch
eine der folgenreichsten Erfindungen aller Zeiten, durch die Buch-
druckerkunst, und getragen von schöpferischen Geistern wie der Leonar-
dos und anderer.


So tritt die Eisentechnik in die neue Zeit ein. Die Kinderjahre
sind überwunden, das Kind ist zum Jüngling gereift, der hoffnungsfroh
in die neue Welt eintritt. Die Basis ist gegeben, auf der die weitere
Entwickelung der Eisenindustrie sich vollzieht. Wie sich diese voll-
zieht, werden wir in der Folge zu zeigen haben.


Freilich, das Bild hat auch eine andere Seite, denn vergleichen
wir den Stand der Industrie zu Anfang des 16. Jahrhunderts mit dem
Stand unserer heutigen Eisentechnik, so kommt uns alles zwerg- und
bettelhaft vor. Ein Riesenbau steht die heutige Eisenindustrie vor
[1003]Schluſs.
uns, wie eine arme Hütte erscheint uns die jener Zeit. Aber aus dieser
armen Hütte ist der Riesenbau emporgewachsen, es ist der Ausgangs-
punkt, es ist die Basis, auf der der heutige Palast der modernen Tech-
nik sich erhoben hat. Dies nachzuweisen, die Fortschritte zu verfolgen,
die auf dieser Grundlage in immer rascherer Aufeinanderfolge uns auf
die Höhe unserer Zeit führten, ist die Aufgabe des nächsten Bandes.
Möge es dem Verfasser vergönnt sein, auch diesen zu Ende zu führen.

[[1005]]

Appendix A REGISTER.


A.
B.
C.
D.
E.
F.
G.
H.
I.
J.
K.
L.
M.
N.
O.
P.
Q.
R.
S.
T.
U.
V.
W.
X.
Y.
Z.
[[1048]][[1049]]

Appendix B Druckfehlerverzeichnis.



[1050]Druckfehlerverzeichnis.

[][][][][][][]
Notes
1).
S. Comptes rendues 1836, III. p. 793.
1).
Dieselben Farben wiederholen sich wieder bei steigender Temperatur in
rascherer Aufeinanderfolge.
1).
V. Mos. 4. 20.
1).
Pallas, Reisen etc. III, 411.
1).
Abhandl. der Berliner Akad. d. Wissenschaften, 3. Januar 1863.
2).
Neuere Analysen von Werle und Kolger geben 8,18 und 11,84 Proz.
Nickelgehalt.
3).
Siehe Gilberts Annalen 15,74 und 16,44 und 70.
1).
Siehe Reichenbach, Pogg. Ann. 1861, Bd. 114, S. 99, 250, 264, 477.
2).
Siehe Gustav Rose, Beschreibung und Einteilung der Meteoriten. Ber-
lin, 1864, S. 39.
1).
Siehe Buchner a. a. O., Seite 198.
1).
I. Mos. 4, 22.
1).
Annales de la Chine traduits par le P. de Meilla, p. 226.
1).
Lucretius, Cursus de rer. nat. Lib. V. 1282 etc.
2).
Hesiod, Tagewerke v. 108 etc.
1).
Τοῖς δἦν χάλκεα μὲν τευχεα, χάλκεοι δε τε ὄικοι
Χαλκῷ δ̕ἐργαζοντο, μελας δὀυκ ἔσκε σίδηρος.
1).
Bei 1090° C. nach Daniell oder bei 1173° nach Plattner.
2).
Genauer 1224° C.
1).
Weil sich derselbe erst bei viel höherer Temperatur, bei mindestens 1225°
bildet.
1).
Der Zinnbergbau im kaukasischen Iberien scheint eine poetische Fiktion
gewesen zu sein.
1).
Siehe Fellenberg, Analysen antiker Bronzen in den Mitteilungen der
naturforschenden Gesellschaft zu Bonn. 1860 und 1861.
2).
Plinius, historia nat. XXXIV, 9.
1).
Herodot II, 148.
1).
Dunker, Geschichte des Altertums I, 25.
1).
Diodor, I. 74.
1).
Lepsius, die Denkmale Ägyptens und Äthiopiens Vol. III, Blatt 43 und
47 (Grab 95 von Gizeh und Grab 15 von Saqara).
1).
Dunker, Geschichte des Altertums. I, 133.
2).
Brugsch, Geschichte Ägyptens, S. 541.
1).
Lepsius, Denkmäler. Vol. IV., Tab. 108.
1).
Lepsius a. a. O., Abt. II., Blatt 13.
1).
Von Anderen auch als ein Tuch, in welchem der Goldsand gewaschen wird.
2).
Rosellini, a. a. O., Tab. II., c. 11 Li., Fig. a. b. c.
1).
Chabas, les inscriptions des mines d’or.
1).
Chabas nimmt deshalb an, Süd und Nord seien vertauscht, doch ist es sehr
wohl möglich, daſs sich der Plan auf Goldbergwerke bezieht, die an der Ostküste
des Roten Meeres lagen.
2).
Arabisch Madian.
1).
Rosselini, il monumenti dell Egitto II. Tab. II. c. n. Li. Fig. 2 a. b. c.
1).
In Paris soll in der Sammlung eines Herrn Posno eine Statuette des Mentu-
hotep (XI. Dynastie) sich befinden, ob dieselbe aber aus der Zeit jenes Königs
stammt, ist höchst zweifelhaft. Wie auch die beliebte Darstellung des groſsen
Ramses in Bronze noch kein hinreichender Beweis ist, daſs zur Zeit dieses Königs
der Bronzeguſs in Ägypten bereits bekannt war. Ramses-Statuetten wurden
später massenhaft gemacht.
1).
Siehe E. R. Lepsius, „Die Metalle in den ägyptischen Inschriften“. Abhandl.
der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1871.
2).
Siehe H. Brugsch, Wanderungen nach den Türkisminen und der Sinaihalb-
insel. Leipzig 1868, S. 66 ff.
1).
S. Bericht von F. D. Hartland F. S. A. Proceedings of S. of Antiquaries
of London. Vol. V. 2. series. p. 330 (13 Juni 1877).
2).
Die Schlacken enthalten durchschnittlich 52 Proz. Eisen.
3).
Quaterly Journ. Geol. Soc. London, Febr. 1869.
1).
The prehistoric use of iron and steel by St. John V. Day. London 1877.
p. 32 ff.
1).
Narrative of the operations and recent discoveries within the Pyramido,
Tombs and Excavations in Egypt and Nubia etc. by G. Belzoni, London 1871,
p. 163 ff.
1).
J. D. Baldry Esq. in der Sitzung vom 23. März 1878 s. Proceedings of the
soc. of antiq. of London sec. series vol. VII. p. 416.
1).
Manduit, Emploie d’aisain 1844, und Troade 1848.
2).
Vincent Day a. a. O. p. 32.
1).
Chops = , das chops selbst erscheint als hieroglyphisches
Zeichen 
1).
S. Seite 32.
1).
Mir-ba-pen, nach Lauth: Freund des Eisens.
1).
Ruſsegger, Reise in Ägypten, Nubien und Ostsudan. Stuttgart 1844.
II, 2. S. 286 ff.
2).
Mehemed Ali’s Versuche, einen besseren Betrieb durch Fremde einzuführen,
scheiterten.
1).
Ruſsegger II, 2. Theil, S. 290 ff.
1).
In Kordofan kursiert ägyptisches Geld, da aber Mangel an Scheidemünze
ist, so hat man einen alten, auch in Darfur üblichen Gebrauch beibehalten. Man
hat nämlich eine Art Scheidemünze aus dünngeschlagenem Eisen von sonder-
barer, unbequemer Form  Diese Stücke heissen Haschasch und sind von
1).
verschiedener Gröſse. Die kleinsten wiegen 1 bis 2 Lot und gelten einen Para
(= 3/20 Pfennig).
1).
Berosi fragm. 1. ed. Müller. — Dunker, Geschichte des Altertums I, 231.
1).
Siehe Menant, S. 67.
2).
Siehe Schraders Keilinschriften und altes Testament, S. 105.
1).
Schrader, Keilinschriften etc. S. 111, 112.
1).
Herodot I., 186 und Diodor 2, 8.
1).
Plinius, Hist. nat. 8, 74.
1).
Brandis, Münzwesen Vorderasiens S. 158 u. s. w.
1).
Siehe Talbot, Wörterverzeichnis Asiatick Journal VI. XLVII.
2).
Siehe Talbot.
3).
Siehe Talbot.
1).
Siehe Dunker, Geschichte des Altertums I, 265.
2).
Siehe Rowlinson, The five great monarchies of the anciant eastern
world 1873. p. 88.
1).
Siehe Smith, History of Assurbanipal p. 313.
1).
Siehe Oppert, Khorsabad 9, 77.
2).
Journ. of the Asiatic Soc. Vol. III, p. 46.
1).
Layard, Monuments of Niniveh, Tab. 81.
2).
Layard a. a. O., Tab. 11 u. 32.
3).
Übersetzt von Rawlinson, Asiatic Journal XVIII, p. 172.
1).
Asiatic Journal vol. XIX, p. 181.
2).
Ähnliche Inschriften, aus denen der geringe Wert und die gröſsere Ver-
breitung des Eisens hervorgeht, kennen wir aus der Zeit Tiglat Pilesar II., s. Über-
setzung der Keilinschriften von Talbot, Asiatic Journal XVIII, p. 172 u. 180.
3).
Siehe Oppert, expedition en Mesopotamie C. III, cap. 4.
1).
Siehe meinen Aufsatz Nassausche Annalen. Bd. XIV, S. 317 ff.
1).
Siehe Layard, Niniveh and its Remains, Paris 1856, p. 114.
1).
Siehe Layard, Niniveh and Babylon, p. 177.
2).
Liger, la ferronerie I., 113.
1).
Siehe Oppert, expedition en Mesopotamie 1. III, p. 3.
2).
Siehe Oppert, a. a. O, 1. V.
3).
Siehe Layard, Niniveh und Babylon, p. 177.
4).
Siehe Dr. Percys Beschreibung in dem Anhang zu Layards Niniveh und
Babylon, p. 670.
1).
Siehe 2. Könige 24, 14 und 16, ebenso Jeremias 24, 1 und 29, 2.
2).
Asiatic Journal XIX, p. 137.
1).
Siehe oben S. 107.
1).
Die jüdische Einwanderung in Ägypten darf nicht verwechselt werden mit
dem Einbruch der semitischen Hyksos, die von 2200 bis 1600 v. Chr. Ägypten in
Unterwürfigkeit hielten. Dunker giebt den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten
von 1560 bis 1320 v. Chr. an.
1).
Über den phönizisch-israelitischen Handel vergleiche Movers, die Phöni-
zier II, 3. Abteilung, S. 200 ff.
2).
Ezechiel 27, 17.
1).
Movers a. a. O. II, 3, S. 212.
2).
Sprüche Salomonis 31, 13 und 19.
1).
I. Chronik 23, 14.
2).
Hiob 28, 16.
3).
Psalm 72, 15.
4).
1. Moses 24, 22.
5).
2. Moses 26, 37.
6).
Z. B. 2. Moses 24, 14, 15; Jesaias 41, 7.
1).
2. Mosis 22, 1 bis 4.
2).
2. Chronik 9, 20.
3).
1. Könige 10, 27; ebenso
aber auch 1. Könige 10, 21.
1).
5. Mosis 8, 9.
2).
S. Josua 6, 9 und 24.
3).
I. Chronik 18, 10.
4).
2. Mosis
32, 3 und 4.
1).
Ebenso 5. Mosis 9, 16.
2).
2. Mosis 32, 20.
3).
2. Mosis 24, 12.
4).
2 Mosis 26, 11.
1).
2. Mosis 27, 1 bis 5.
2).
2. Mosis 29, 9 ff.
3).
2. Mosis 27, 19.
4).
2. Mosis 26, 37.
5).
2. Samuel 8, 8.
6).
1. Könige 7, 13 bis 47 (M. Luther).
1).
Siehe Ägypten S. 82.
2).
Ezechiel 1, 4. 17 und 82.
3).
Ezechiel 1, 7.
4).
Esra 8, 27.
5).
3. Mosis 6, 28; 4. Mosis 16, 39; 2. Chronik 4, 16; Esra 8, 27.
6).
Z. B. 1. Samuel 17, 5, 6, 38; 2. Samuel 21, 16.
7).
Richter 16, 21.
8).
Ähn-
liche Stellen 4. Mosis 31, 22; Ezechiel 22, 18, 20.
1).
Jesaias 1, 22.
2).
Siehe Amos 7, 7; Zacharias 5, 8.
1).
Siehe Rougemonts Bronzezeit S. 185 u. s. w.
2).
Joseph, Bell. jud. 4, 8, 2.
3).
Siehe Rougemont, Bronzezeit 87.
4).
Siehe Ruſsegger a. a. O. I., 2 S. 788 u. s. w.
1).
Edrisi by Jaubert I., p. 355.
2).
Brocchi, Giornale vol. III., 284.
3).
Siehe 2 Samuel 12, 31.
1).
Siehe 2. Moses 35, 30 und 34.
2).
2. Moses 31, 32 und 33.
1).
Siehe auch Nehemia 11, 35.
2).
Siehe Rougemont a. a. O. 190.
3).
1. Samuel 17, 19 bis 22.
1).
Siehe 2. Samuel 5, 11.
1).
1. Könige 5, 6.
2).
1. Könige 6, 7.
3).
Siehe Chron. 23, 3.
4).
Siehe
Josua 17, 16 und 18.
5).
Richter 1, 19.
1).
Richter 4, 3.
2).
Siehe 2. Samuel 8, 4.
3).
1. Mos. 3, 24.
1).
1. Mos. 27, 40.
2).
1. Mos. 48, 22.
3).
2. Mos. 32. 27.
4).
Josua 24,
12.
5).
Josua 10, 39, 11, 10, 11, 12; Richter 1, 8 etc.
6).
2. Mos. 20, 22.
7).
Richter 3, 16.
1).
Siehe Mos. 32, 27.
2).
1. Samuel 17, 39.
3).
1. Samuel 17, 51.
4).
1. Samuel 31, 4; vergleiche auch 4. Mos. 26, 7.
5).
Siehe Sprüche Sal. 5, 4.
6).
3. Mos. 26, 6.
1).
Siehe 1. Samuel 17, 7.
2).
Siehe 5. Mos. 19, 5; 2. Könige 6, 5.
3).
Daſs
die Hiebwaffen von Eisen waren, geht auch aus der alten Gesetzesstelle über
den Totschlag (4. Mos. 35, 16) hervor. „Wer jemand mit einem Eisen erschlägt,
daſs er stirbt, der ist ein Totschläger und soll des Todes sterben.“ Dasſelbe
heiſst es von einem, der mit einem Steine schlägt, dagegen werden Kupfer oder
Erz hierbei nicht genannt.
1).
1. Samuel 1, 6.
2).
1. Samuel 17, 5 und 6.
3).
Siehe 1. Samuel 31, 9
und 10.
4).
Siehe Ezechiel 39, 9.
5).
5. Mos. 19, 5.
6).
2. Könige 6, 5, 6.
7).
5. Mos. 27, 5.
1).
1. Könige 6, 7.
2).
Eggen.
3).
2. Samuel 12, 31.
4).
Richtiger „eiserne
Walzen“. Es waren Bodenwalzen, wahrscheinlich ein Rundholz mit Eisenzacken,
die als Eggen dienten.
5).
1. Chronik 21, 3.
6).
Hesekiel 4, 3.
7).
1. Samuel
13, 19 und 20; Jesaias 2, 4; Joel 2, 15.
8).
Richter 16, 21.
9).
Chronik 23, 3;
5. Mos. 33, 25.
1).
Josua 22, 8.
2).
Josua 6, 19 und 6, 24.
3).
1. Chronik 23, 14.
4).
1. Chronik 22, 3.
5).
1. Chronik 27, 12.
6).
Jeremias 15, 12.
7).
Sprüche
Salomonis 27, 17.
1).
Siehe auch Wiener, Bibl. Realwörterbuch II, S. 595; Rougemont, Bronze-
zeit, S. 195.
1).
1. Mos. 4, 22; 2. Mos. 31, 22; Josua 22, 8; 1. Chron. 23, 14; Ezechiel 22, 20.
2).
Wir haben die meisten Stellen des alten Testamentes, die sich auf das
Eisen beziehen, im Texte gegeben. Wir stellen diese Stellen, sowie diejenigen, die
wir noch nicht mitgeteilt haben, hier nochmals zusammen. 1. Mos. 4, 22; 3. Mos.
26, 19; 4. Mos. 31, 22, 25; 4. Mos. 35, 16; 5. Mos. 3, 11; 4, 20; 8, 9; 19, 5; 27, 5;
28, 48; 33, 25; Josua 6, 19; 6, 24; 22, 8; 17, 16; Richter 1, 19; 4, 3; 2. Samuel
12, 31; 1. Könige 6, 7; 4. 13; 2. Könige 6, 5, 6; 1. Chron. 20, 3; 21, 3; 23, 14;
Hiob 20, 24; 41, 18: Er achtet Eisen wie Stroh und Erz wie faules Holz; 19,
24; 28, 12; 40, 13; Psalm 2, 9; 14, 9, 8; Sprüche Salomonis 27, 17; Prediger Salo-
monis 10, 10: Wenn ein Eisen stumpf wird und an der Schmiede ungeschliffen
bleibt, muſs man es mit Macht wieder schärfen; Jesaias 1, 18: Ich will dich heute
zur festen Stadt, zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer machen; 6, 27; 28, 29;
11, 4; 15, 12; 44, 12; 45, 2; Jeremias; Hesekiel 4, 3; 22, 18; 22, 20; 27, 12, 13;
27, 19; Amos 1, 3; Daniel 4, 12.
1).
1. Mos. 10, 15.
2).
1. Mos. 49, 13.
1).
Richter 18, 1.
1).
Siehe Strabo, S. 756.
1).
Der indes, wie zuvor bemerkt, aus der assyrischen Sprache stammt, S. 126.
2).
Dunker, Geschichte des Altertums 2, 43.
1).
Siehe Rougemont.
1).
Aristoteles, de mirabl. auscult. cap. 147.
1).
Siehe Diodor 5, 35.
2).
Odyssee 15, 416.
1).
Ezechiel 27, 22.
1).
Mädchen unter 5 Jahren kosteten 2 Thlr. 12 Sgr., Knaben unter 5 Jahren
4 Thlr. 4 Sgr., Mädchen von 5 bis 20 Jahren 8 Thlr. 8 Sgr., Knaben dieses Alters
das Doppelte, Frauen von 20 bis 60 Jahren 25 Thlr., Männer desselben Alters
41 Thlr. 16 Sgr. Für Greise und Greisinnen über 60 Jahren standen die Preise zu
12 Thlr. 15 Sgr. und 8 Thlr. 8 Sgr.
2).
Siehe Movers, die Phönizier II, 3. Abtheilung, S. 213.
1).
Ezechiel, 27, 13.
1).
Plinius hist. nat. 34, 48 sagt: India neque aes, neque plumbum (album)
habet, gemisque suis ac margaritis haec permutat.
1).
Siehe Rougemont 82.
2).
Siehe Dunker, Geschichte des Altertums I, 241.
3).
Siehe Movers.
1).
Plinius, hist. nat. 7, 57.
2).
Diodor III, Kap. 5, 11.
3).
Siehe Strabo.
1).
Dunker a. a. O., I, 124.
1).
Siehe Diodor 20, 14.
1).
Odyssee 15, 416, 424, 460; Ilias 23, 746.
2).
Diodor XVI, 2, 25.
1).
Movers, d. Phönizier III, 3, S. 68.
2).
Nach der Erklärung des Herrn Dr. Bähr.
1).
Ezechiel 27, 29.
2).
Klemm a. a. O. 2, 47.
2).
Klemm a. a. O. 2, 47.
1).
Einleitung in das Studium der arabischen Sprache von Freytag, Bonn 1861.
2).
Meid 8, 18.
3).
Sur. 21, 80 u. 34, 10.
1).
Hamilton Asia minor 144, 145.
2).
Griech. κόλλησις.
2).
Siehe Einleitung S. 33.
3).
Rigv. 1, 28; 5, 6; 27, 29.
1).
Rigv. 6, 75.
2).
Rigv. I, N. Vagra 21, 3.
3).
Rigv. I, 32.
4).
Rigv.
Trad. Wilson Vagra XIII, 8.
5).
Rigv. I, 4; 16, 8.
6).
Rigv. I, 4; 17, 4.
7).
Rigv. I, III, 26, 5.
8).
Wilson Rigv., S. 19.
9).
I, III, 36, 2. Wilson, S. 85.
10).
Muir. Sanskrit tents 5, 457, 461, 465.
1).
Dunker, a. a. O. III, 61.
2).
Dunker 69.
1).
Rigv. I, 126, 23.
1).
Herodot III, 98 bis 106.
2).
Herodot II, 655, 660.
3).
Asiatic researches
vol. VII, p. 435.
4).
Ritter VI, 316.
5).
Ritter VI, 342.
1).
IX, 332.
2).
7, 47 Ritter V, 436 etc.
1).
Arrian, Periplus ed. Hudson S. 27.
2).
Die älteste römische Münze, die in
Indien gefunden wurde, stammt aus dem Jahre 177 v. Chr.
1).
Ritter IV, 53.
2).
Ritter IV, 396.
3).
Ritter VI, 342.
4).
Ritter VI,
907.
5).
Ritter VI, 882.
6).
Ritter IV, 53, 64.
7).
Ritter VI, 907.
8).
Ritter
VI, 342.
1).
Hist. nat. II, 98.
1).
Archaeological Survey Report to the Government of India for 1861/62.
1).
Architecture of Ancient Dehli by H. Hardy, London, Arundel Society 1872,
p. 41.
2).
Journal of Iron and Steel Instit. vol. II, 1872, p. 156.
3).
l. c. Report,
Art 66.
1).
Day, The prehistoric use of iron, p. 155 etc.
1).
Day a. a. O., 164.
1).
London 1848, S. 28, Tafel 3.
1).
V. Day a. a. O., S. 174.
2).
Legitimate.
1).
Galen, de usu partium I, II.
2).
The Bhrat Sánhitâ aus dem Sanskrit
von Dr. Kern.
1).
Ritter a. a. O. V, 1021 etc.
1).
Percy, Iron and Steel, p. 254 bis 270.
1).
Illustrations of Arts and Manufactures by Arthur Aikin, London 1841,
p. 289.
2).
Percy a. a. O. 261.
1).
Siehe Seite 100.
1).
Percy, Eisenhüttenkunde, übersetzt von Wedding, S. 500 u. s. w.
2).
Percy, a. a. O. S. 502.
1).
Sogenannten Kapellen, Kuppeln.
1).
Ein ganz ähnliches Verfahren der Stahlbereitung lieſsen sich Mushet 1800
und Macintosh 1825 patentieren.
2).
Erman, Archiv für die wissenschaftliche
Kunde von Ruſsland Vol. IX, p. 510 etc.
1).
Ritter a. a. O. IV. 324 etc.
1).
Ritter IV. 324.
2).
Ritter V, 161 etc.
1).
Im Auszuge von Percys Beschreibung in Percy, Iron and Steel 270 etc.
1).
Ritter, Erdkunde V, S. 648, 743.
1).
Avesta übersetzt von Spiegel, I. Tl. Vendidad, Leipzig 1852, Fargand XVI.
2).
Vendidad Fargand VIII.
1).
Vendidad IV, Fargand 144.
2).
Vendidad III, Fargand 147.
3).
Vendidad
IX, Fargand 40.
4).
Vendidad XIV.
5).
Vendidad XIV, Fargand 49, 51, 53.
1).
Strabo, S. 507, 801; Plinius hist. nat. IV, 19.
1).
Ritter VIII, 304 etc.
2).
Ritter VIII, 886.
3).
Ritter lib. III, C. 3. 6.
1).
Ritter VIII, 540.
2).
Col. Trezel, Notice ed. A. Jaubert voy. p. 449.
1).
Ritter X, 272 etc.
2).
W. Hamilton, Asia minor Vol. I, 169.
3).
Ritter
X, 800.
1).
Ritter XI, 16 u. 17.
2).
Äschylos Prometheus 302.
3).
l. c. v. 713.
4).
Xenophon Cyr. anab. V, 5.
5).
Aristoteles, de mirab. auscult., cap. 49.
1).
Ritter XVIII, 847 etc.
2).
Argon. II, 1002 bis 1010.
1).
Ritter, Erdk. X, 353; XI, 17, 820 u. a.
2).
Ritter X, 757.
1).
Asia minor. I, p. 181.
2).
1. Mos. 4, 22 und 10, 2.
3).
Ilias II, 856.
4).
Anab. VII, 8. 14.
5).
Strabo XI, 528; XII, 549.
6).
W. Hamilton, Asia
minor. I, 271 bis 282.
1).
Vergl. auch Ritter IX, 620, 689.
2).
Ritter X, 947.
3).
Ritter XI, 16, 17.
1).
Lenormand, Die Anfänge der Kultur, Jena 1875.
1).
Lenormand a. a. O. 75.
2).
Lenormand 76.
1).
Herodot, Historia IV, 62.
1).
In einem aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. stammenden Grabe eines
Skythenkönigs bei Ponticapäum wurde ein eisernes Schwert gefunden.
1).
Nach Pallas, Russische Reisen, Tl. II, S. 608.
2).
Ritter III, 334.
3).
Hermann, Mineralog. Reisen, Tl. III, S. 101.
1).
Es ist indessen nicht ausgeschlossen, daſs die Tschuden die Erfinder der
Bronze waren. In den Gebirgen bei Nertschink kommt Zinn vor, das seit un-
denklicher Zeit von den tatarischen Völkerschaften benutzt wird. Dasſelbe kann
ebensowohl wie es dem Lena folgend zu den Jakuten kam, westlich zu dem
Jenisei verbracht und auf diesem weiter verführt worden sein.
1).
Sibirische Briefe 196 bis 199.
2).
Also lebte damals das Rhinozeros noch
in jenen Gegenden.
1).
Georgi, Reise nach Ruſsland, I, 127.
2).
Georgi a. a. O. I, 115.
1).
Pallas, Reise nach Sibirien, vol. III, p. 151.
1).
Georgi, Reise nach Ruſsland, I, 260.
2).
Georgi, a. a. O. I, 308.
1).
Pallas, Reise nach Sibirien, I, 240.
2).
Die baktrische Rüstung Herodots.
3).
Gmelin, Reise durch Sibirien, I, 407.
4).
Gmelin, Reise durch Sibirien, I, 280.
1).
Ermann, Reisen II, 279.
2).
Ruſsegger, Reisen I, 2, S. 546 etc.
1).
P. Morya Marillac, Tradution des Annales de l’empire Chinois.
2).
Lenor-
mand, Anfänge der Kultur, S. 62 etc.
3).
Mailla, Histor. génerale de la Chine;
Vol. XIII, p. 296 etc.
1).
Day, a. a. O. p. 179 etc.
2).
Legges, Chinese classics, vol. III, pt. I, p. 121.
Trübner London 1865.
1).
Day, a. a. O. 186.
1).
Der Wert der gesamten englischen Einfuhr bleibt indes beträchtlich hinter
der Ausfuhr von China nach Groſsbritannien zurück, so wurden z. B. 1856/57 allein
87741000 Pfund Thee und 74215 Ballen Seide von den Engländern eingeführt.
Die Folge hiervon ist, daſs auſser den Waren auch immer noch eine beträchtliche
Menge edler Metalle, namentlich Silber, nach China flieſst.
2).
Martin, China,
political commercial and social; II, p. 130 etc.
1).
Siehe oben S. 295.
1).
Percy, Metallurgie II, 747.
1).
Journal asiatique, 2. Ser. T. XVI, S. 137.
1).
Swedenborgius, De ferro (1734), p. 194: In itinerariis referunt aliqui de
Japanensibus, quod ferrum suum in contos excusum locis palustribus immergant,
et ibi tam diu relinquant, dum ad multam partem ferruqine sit consumtum,
exemtum dein e novo excudant et iterum in palude per spatium 8 vel 10 annorum
recondant, usque dum iterum in aqua paludinosa salsa admotum exesum sit: pars
ferri, quae restat, speciem chalybis referre perhibetur, exinde dein romeres fabri-
cant; exque ferro sic rubiqinoso instrumenta sua et utensilia conficiunt.
1).
Diodor V, 33.
1).
Siehe S. 98.
1).
Waitz, Anthropologie der Naturvölker II, 520.
1).
Entnommen aus Dr. Hostmanns Referat im Archiv für Anthropologie Bd. X,
S. 431 u. flgd.
1).
Percy, Eisenhüttenkunde, I, 576.
2).
In Hausa, westlich vom Tsadsee.
1).
Mungo-Park, Travels in the interior districts of Africa, p. 283.
1).
Caillié, Journ. d’un voy. à Temboctu et à Jenné II, S. 443.
1).
Mungo Park, voyage dans l’interieur de l’Afrique, p. 35.
2).
Mollien, Reise
in das Innere von Afrika an die Quellen des Senegal und Gambia (1818), S. 225.
3).
Landolphe, Mémoires cont. l’hist. de ses voy. 1823.
4).
Waitz, Anthropologie, II,
99.
5).
Livingstone, Missionary Travels, p. 402.
1).
Klemm, Kulturgeschichte der Menschheit III, 272.
1).
Klemm a. a. O. III, S. 271.
1).
Diese Bälge sind ähnlich denen der Joloffs.
2).
Ausland 1858, S. 280.
3).
Dr. Emil Holub, eine Kulturskizze des Marutze-Mambundareiches in Südafrika.
1).
Wasserböcke (Kobus) das häufigste Wild in den hochbegrasten Zambesi-
thalebenen.
2).
Salmon, vol. 27, 1735.
1).
Cameron, Across Africa. I, 338.
2).
Cameron a. a. O. I, 371.
1).
Cameron, a. a. O. II, 165.
2).
Cameron II, 328.
1).
Neue Missionsreise Vol. I, S. 123.
1).
H. Stanley, durch den dunkeln Weltteil, Leipzig 1878.
2).
II, 133.
3).
II, 251.
4).
A. a. O. p. 411.
5).
II, 155.
1).
Three visits to Madagaskar 1854 — 56, by William Ellis. London 1856,
p. 264. — Percy, Eisenhüttenkunde I, 517.
1).
Waitz, a. a. O. V, 133.
2).
Horner, a Tydschr. for indische Volkenkunde,
Batavia. X, 371.
3).
Burger, Verhandelingen von het Bataviasch genootschap
der konsten en weetenschapen.
4).
A. descriptive dictionary of the Indian
islands Lond. 1856, p. 409.
5).
Angelbeck in Verhandl. XI, 42.
1).
Schwaner, beschr. v. het stroomgebied van den Barito en reizen 1843 bis
1847 Amster 1853; s. ferner Bleckrode, de Yjzerslakken in Nederland etc. und Percy,
Eisenhüttenkunde, deutsch Wedding I, 511 etc.
2).
Es sind hier jedenfalls
niederländische Fuſse gemeint, deren jeder gleich den alten französischen Fuſsen
= 1,0350 Fuſs preuſsisch war und in 12 Zolle geteilt wurde.
1).
The Kayans of the Northwest of Borneo. By Robert Burns. Journal of
the Indian Archipelago and Eastern Asia; Singapore 3, 1849, p. 151.
1).
100 Ibs avoird. englisch.
1).
Acosta, Hist. nat. y moral, lib. IV, cap. III, p. 108 (Sevilla 1590): Como en
las provincias de Mexico usan de el Cacao, que es una frutilla en lugar de dinero,
y con ella rescatan lo que quieren. En el Piru sirve de lo mismo la Coca. Como
en el Paraguay usan cuños de hierro por moneda.
2).
Squier, Oborig. Mon. of N. York p. 178: „It is true, Vespucius mentions a
tribe of natives near the mouth of the La Plata, who possessed iron points to
their arrows.“ Ich selbst habe die betreffende Stelle weder bei Bandini, vita i
lettere di Amer. Vespucci, noch bei Navarrete, Coléccion Tomo III. aufgefunden.
3).
Verdadera Relacion de lo que sucedió al Gobernador Jaime Rasquin en el
viaje que intentó para el Rio de la Plata en el año de 1559 anos, hecha por
Alonso Gomez de Santoya. Colecc. de docum. inédit. del Arch. de Indias Tome IV,
p. 188: Son hombres muy apersonades y de grande disposicion y espaldudos, de
muchas carnes; andan desnudos y venian almagrados todos. Tomáron les un
cochillo y una cuña de yerro con que cortaban leña, y un dardo con yerro. Son
muy flecheros, que á cient pasos tiran á un hombre, y si le dan, aunque traya
cota de malla, le hieren, si no es muy cerrada. Yo vi una rodela de casi dos
dedos pasada con una flecha más de una pulgada á la otra banda, y vi un puño
de una espada de hilo de yerro pasado á la otra parte, y con punta de palo negro.
4).
Fern. Colón bei Barcia, Histor. primit. Vol. I, cap. XLVI, p. 43: pero lo
que mas les maravillo, fué haver hallado una Tortera de Hierro; aunque Yo ima-
1).
Bancroft, Native Races Vol. I, p. 164: Iron was certainly used in British
Columbia for various purposes before the coming of the whites.
4).
gino, que por ser los cantos, i piedras de aquella Tierra cocidas de color de luci-
dissimo Hierro, alguno que la vio de repente, creio ligeramente, con poco juicio,
que era de Hierro, no siendolo; pues desde entonces hasta oí, jamás se ha
hallado cosa de Hierro entre aquella gente, ni Yo se lo oí dicir al Almirante; i
tengo para mi, que notando lo que sucedia, i lo que le decian, alguno lo escrivió,
como se lo contaban, los que havian ido á Tierra; pero aun quando fuese de
Hierro, no havria de que maravillarse; porque siendo los Indios de aquella Isla
de Guadalupe, Caribes, i corriendo, robando hasta la Española, pudieron tener
aquella Tortera de los Christianos, ó de otros Indios de la Española; i tambien
pudo ser, que se huviesen llevado el cuerpo de la Nave, que perdió el Almirante
á sus mesmas casas, para valerse de el Hierro, ó el costado de ella, ú otro Navio
roto, que los Vientos, i corrientes huviesen llevado á aquellos lugares, desde nues-
tras Costas; pero sea lo que fuere, aquel dia no tocaron á la Tortera, ni á otra
cosa, i se volvieron á los Navios; ibid. Cap. LXII, p. 72: los Caribes . . . . ában-
donando sus casas, i haciendas, en las quales entraron los Christianos, robando,
i destruiendo lo que hallaban . . . . . Entre otras cosas, que hallaron en las casas,
havia Papagaios grandes, Miel, Cera, i Hierro, de que tenian hachuelas, con que
partian las cosas.
1).
Bodega y Quadra (a. 1775) bei Bancroft I, p. 105: Las armas ofensivas que
generalmente usan son las flechas, lanzas de seis y ocho varas de largo con len-
guetas de fierro.
1).
De Gama, Descripcion histor. de las dos piedras etc. Edit. seg. Mexico 1832,
P. II, p. 25: . . . . sin que les hubiesen encontrado instrumento alguno de fierro,
porque aunque lo conocian, nunca lo supieron beneficiar de modo, que pudieran
ponerlo en disposicion de servirse de él, como del oro, de la plata, y del cobre,
por no alcanzar la virtud de las yerbas con que fundian estos metales, á vencer
la resistencia del fierro en los hornos que usaban, sin el aucsilio de los fuelles
que no llegaron á conocer.
1).
Cieza de Leon, Cronica del Perú cap. CIX: para aprovecharsi del metal
hacian unas formas de barro, del talle y manera que es un albahaquero en España,
teniendo por muchas partes algunos agujeros ó respiradores. En estos tales ponian
carbon y el metal encima, y puestos por los cerros ó laderas donde el viento tenia
mas fuerza, sacaban dél plata, la cual apuraban y afinaban después con sus fuelles
pequeños ó cañones de cobre con que soplan . . . . Llaman á estas formas Guai-
ras, y de noche hay tantas dellas por todos los campos y collados, que parescen
luminarias; Garcilasso, Coment. Real. P. I, lib. VIII, c. XXV: Templado asi el
metal, lo fundian en unos hornillos portatiles, á manera de alnafes de barro. No
fundian con fuelles, ni á soplos con cañutos de cobre . . . . Era cosa hermosa
ver en aquellos tiempos ocho, diez, doce, quince mil hornillos arder por aquellos
Cerros y Alturas; Herrera, Hist. gen. etc. Dec. V, lib. III, c. 15: Los Indios se
aprovechavan de la plata por fundicion en hornillos adonde el viento soplasse
rezio y con leña y carbon; Levini Apollonii de Peruviae invent. lib. I, p. 27:
Fornacibus enim patulo ad meridiem ore apertis materiem condunt, et ovium
stercora imponunt, quae vento sufflante calefactae tantum aestum emittunt, ut
nullo graviore omne metalli, auri, atque argenti genus liquescat, quod subditum
fuerit; Acosta, Hist. nat. lib. IV, c. 5; Molina, Saggio sulla storia etc. Bologna
1787, p. 25 erwähnt den Gebrauch derselben Öfen zum Schmelzen von Gold, Silber,
Zinn und Kupfer bei den Araucanern.
2).
Obgleich es ein Versehen war, wenn Alex. Hartmann, Lehrb. d. Eisen-
hüttenkunde Abtl. I, S. 11 (Berlin 1833) sagt: „Als die Spanier nach Peru kamen,
schmolzen die Indianer die Eisenerze in Öfen, Guairas, die auf Anhöhen standen,
um Windzug zu haben, und welche an allen Seiten mit Öffnungen versehen waren,
durch welche der Wind blies“, so beweist es doch, daſs auf Seiten der Technik
keine Bedenken gegen die Verwendung dieser Öfen zur Eisendarstellung vorliegen.
1).
Garcilasso lib. II, c. XXVIII, p. 69: No alcanzaron á hacer Fuelles para
fundir. Fundian á poder de soplos con unos cañutos de cobre, largos de media
braza, mas ó menos, como era la fundicion, grande ó chica. Los cañutos cerravan
por el un cabo, dejavanle un agujero pequeño, por do el ayre saliese mas recogido,
y mas recio. Juntavanse ocho, diez, y doce, como eran menester para la fundi-
cion: andavan al derredor del fuego, soplando con los cañutos, y oy se están en
lo mismo, que no han querido mudar costumbre; Cieza de Leon cap. CXIV: Con
unos cañutos soplan en lugar de fuelles; Hieron. Benzo, Histor. Indiae occid
(Vignon 1586), lib. III, c. XX, p. 399: Porro in hunc modum operantur aurifabri
Primum aurum vel argentum fusuri catino longo aut rotundo injiciunt: eum ex
panno terra incrustato, et carbone contuso factum, moxque exsiccatum igni impo-
nunt cum ea metalli copia quantam capere potest: mox quinque aut sex siphun-
culis arundineis tandiu circumstando incendunt, quoad liquefactum metallum omni
excocta scoria, nitescat; Oviedo, Hist. gen. y natur. lib. XXV, c. 2 erwähnt von
den Pacabuyes in Thamara: Los fuelles son unos cañutos tan gruessos como tres
dedos ó mas, y tan luengos como dos palmos. Im Codex Mendoza bei Kings
borough Vol. I, Pl. 71, fig. 24 ist ein Goldschmied abgebildet, der beschäftigt ist
mit Hilfe des Blaserohres Gold einzuschmelzen; und in der mex. Sprache bedeutet
Tlapitzqui Metallschmelzer und Flötenspieler. — Humboldt, Versuch über den polit.
Zustand Neuspaniens B. IV, Kap. XI, S. 9 bemerkt: „Nach den Traditionen, die
ich bei Riobamba unter den Indianern des Dorfs Lican gesammelt habe,
schmolzen die alten Bewohner von Quito das Silbererz, indem sie Lagen desſelben
zwischen Kohlen legten, und mit langen Bambusrohren Wind machten. Eine
Menge Indianer stellten sich um das Loch herum, in welchem das Mineral war,
so daſs aus verschiedenen Rohren zugleich Luft gemacht wurde.“ Unter den
heutigen Naturvölkern sind es, meines Wissens, allein die Aboriginerstämme der
Lépchas in British Sikkim, die sich des Blaserohres bedienen. Nach Herm.
Schlagintweit (Reise in Indien Bd. I, S. 199) besteht dasſelbe aus einem Bambus-
rohre von 1½ Fuſs Länge und von 1½ bis 2 Zoll Durchmesser; es wird nicht
unmittelbar an den Mund angesetzt, sondern man bläst aus ½ Fuſs Entfernung
hinein. Die Wirkung ist in der That überraschend groſs.
2).
Vgl. meine Abhandlungen: Zur Gesch. und Kritik des Systems d. Kultur-
perioden, Arch f. Anthrop. Bd. VIII, S. 298; Eisen, Kupfer u. Bronze, ebendas.
Bd. IX, S. 197; die Metallarbeiten von Mykenä, ebendas. Bd. XII, S. 431.
1).
Herrera, Descripcion de las Ind. Occid. (Madrid 1601, fol.) p. 27: ay muy
buenas minas de cobre en este distrito, del qual hazen los Indios maravillosos
vasos, porque es dulce, y otro tan duro que con ello labran la tierra en lugar de
yerro, que nunca supieron hacer, hasta que lo enseñaron los Castellanos.
1).
Pater Joseph Acosta, der sich im Jahre 1570 nach Panama einschiffte und
von dort nach Peru ging, benutzte die Berichte des Ondegardo sehr häufig.
2).
Garcilasso, Coment. Real. P. I, lib. II, c. XXVIII: los Plateros … no
supieron hacer yunque de hierro, ni de otro metal; debió de ser porque no supie-
ron sacar el hierro, aunque tuvieron Minas de él. In ähnlicher Weise äuſserte
sich schon im Jahre 1542 Hieron. Benzo, l. c. lib. III, c. XX über die peruanischen
Goldschmiede: Ac aurifabri quidem Indi, nullo ferreo instrumento utentes mira-
bilia opera, quamquam paulo rudius, non inscite tamen fabricantur . . . . . . humi
sedentes, nigris quibusdam silicibus apte ad id factis tamquam malleis, opus pariter
inter se sortiti elaborantur et ex eo faciunt, aut (ut magis propie loquar) facie-
bant prosperis suis rebus, quidquid jubebantur. Übrigens nimmt Benzo auch die
Kenntnis des Eisens in Centralamerika in Abrede (l. c. lib. II, c. XVII): Ferrum
praeterea ad ipsos inlatum carum habuerunt: quum nihil fere olim fabricarentur
praeter aeneas secures et cultellos e silice.
1).
Acosta Hist. nat. y moral. lib. IV, c. 3, p. 198: Cobre usaron labrar los
Indios porque sus herramientas y armas no eran communmente de hierro, sino
de cobre. Die englische Übersetzung v. J. 1604 giebt: As for copper, the Indians
have drawne of it, and used it for their arms, the which were not usually of iron,
but of copper.
2).
Sahagun, Hist. univers. etc. lib. X, c. VII (Kingsborough, Vol. VII, p. 265):
El buen herrero usar de fragua, y de fuelles y de carbon y cortar el hierro de
presto como si fuese alguna cera. Daſs fuelles statt cañutos gesetzt wird, ergeben
die schon oben angeführten Stellen.
1).
Sahagun, l. c. lib. XI, c. IX: Antes que viniesen los Españoles á esta tierra,
nadie se curaba de la plata ni del plomo.
2).
Oviedo, Sumario de la Natur. Hist. c. X (Historiad. prim. T. I, p. 486):
Con el henequen, que es lo mas delgado de este hilo, cortan unos grillos ó una
barra de hierro, en esta manera: como quien siega ó asierra, mueven sobre el
hierro que ha de ser cortado el hilo del henequen, tirando y aflojando, yendo y
viniendo de una mano hácia otro, y echando arena muy menuda sobre el hilo en
el lugar ó parte que lo mueven, ludiendo en el hierro, y como se va rozando el
hilo, asi lo van mejorando y poniendo del hilo que está sano, lo que está por
rozar; y de esta forma siegan un hierro, por grueso que sea, y lo cortan como si
fuese una cosa tierna ó muy apta para cortarse.
3).
Francisco de Jerez, Conquista del Perú (Hist. prim. T. II, p. 331): Maiza-
bilica me envió una collera de hierro! Dieselbe Geschichte berichtet Oviedo, Hist.
gen. Lib. XLVI, cap. VI.
4).
Levini Apoll. de Peruviae invent. (Antverpiae 1567) lib. I, p. 28: Arma
illis sunt, ensis, hastile praepilatum, clavus ferreus, securis, argentea aut aurea
acie, fundi, et alia telorum genera. Unter den Geschichtsschreibern des 16. Jahr-
hunderts gebührt dem Levinus ohne Frage eine der ersten Stellen. Seine bis zum
Jahre 1550 fortgeführte Schilderung der Eroberung Perus ist so vortrefflich ge-
schrieben, daſs man ihn geradezu als den Livius der Eroberungsgeschichte be-
zeichnen möchte. Um so auffallender ist es, daſs er den meisten neueren Gelehrten,
auch einem Prescott, gänzlich entgehen konnte. Leider berührt er die Kultur-
verhältnisse der Peruaner nur mit wenig Worten.
5).
John Miers, Travels in Chile and La Plata. Lond. 1826, Vol. II, p. 464:
It appears the Indians of Chile had in some very rare instances, before the
arrival of the Spaniards, iron blades to their lances. Über die eigentliche Quelle
dieser Nachricht wüſste ich nichts Näheres anzugeben.
1).
Lafitau, Moeurs des Sauvages ameriq. Paris 1724, T. II, p. 110 berichtet,
oft reiche das ganze Leben eines Wilden nicht aus, um durch Schleifen auf dem
Sandsteine eine steinerne Streitaxt in die richtige Form zu bringen, und die
unfertige Axt werde dann erst in der zweiten Generation vollendet. Die Anhänger
der Schleifhypothese — und deren gibt es auch heute noch — finden vielleicht
Vergnügen, auf Grund dieser Angabe den Aufwand an Zeit und Menschenleben
genauer zu berechnen, den die Herstellung der oben aufgezählten, gemeiſselten
Schildkröten im Tempelhofe zu Uxmal durch Schleifen erfordert haben würde.
1).
Antigüedades Peruanas p. 231: Ello es cierto que las herramientas ya cita-
das de una mezcla de cobre y estaño, ó de cobre y silicium no eran suficientes
para labrar los minerales mas duros. Ensayos hechos en nuestros dias con cin-
celes de estas composiciones, hallados en las Huacas peruanas, han demonstrado
que herramientas de tal liga tienen mucho ménos dureza que las de azero, y que
labrando con ellas piedras duras, como mármol, ó granito, en breve se embotan
y se vuelven inútiles. Von einer künstlichen Legierung des Kupfers mit Silicium
kann übrigens, beiläufig bemerkt, keine Rede sein; vermutlich liegt hier ein ana-
lytischer Fehler zu Grunde, denn auch beim Niederschmelzen von Kieselkupfer-
mineral würde kein Silicium in das reduzierte Metall übergehen.
2).
Eingehender habe ich über die Härtung des Kupfers bereits im Archiv f.
Anthrop. Bd. IX, S. 202 ff. gehandelt, weswegen ich hier darauf hinzuweisen mir
erlaube.
1).
Mendieta, Hist. eclesiast. p. 403: Los carpinteros y entalladores labraban
la madera con instrumentos de cobre; Torquemada, Monarq. Indian. lib. XIII,
cap. 34 (Sevilla 1615) copiert den Mendieta wörtlich; Sahagun, Hist. univ. lib. VIII,
c. XIX (Kingsb. Vol. VII, p. 223): Tambien con estos se ordenaban los que venden
hachas de kobre para cortar maderos, y punzones y escoplos y otras herramien-
tas (de cobre) para labrar madera; Petrus Martyr, Dec. V, c. X, p. 424: Cum ori-
calcheis suis securibus et dolabris, argute temperatis, arbores sternunt; Garcilasso,
Com. Real. P. I, lib. II, c. XXVIII: No tuvieron mas habilidad los Carpinteros,
antes parece que anduvieron mas cortos, porque de quantas herramientas usan
los de por acá para sus oficios, no alcanzaron los del Perú, mas de la Hacha y
Azuela, y essas de Cobre; Clavigero, Storia ant. del Messico, P. II: I Falegnami
lavoravano bene parecchie specie di legni co’ loro strumenti di rame. Schon
Rivero y Tschudi, Ant. Per. p. 211, bemerken sehr richtig, daſs man die harten
Holzarten unmöglich mit Bronze bearbeiten konnte. Nach Petr. Martyr, Dec. I,
c. V, p. 55, wurde das von Natur sehr harte, fettigglänzende schwarze Holz erst
am Feuer, wohl richtiger in heiſsen Dämpfen, gehörig erweicht und dann mit
Steinen bearbeitet.
2).
Cieza de Leon, Cron. del Perú, cap. CXIV, p. 452: tambien hacen bultos
y otras cosas mayores, y en muchas partes se han visto que los han hecho y
hacen sin tener otras herramientas mas que piedras y sus grandes ingenios;
Ondegardo, Relacion etc. (Colecc. de docum. T. XVII, p. 75): porque como todas
las obras eran de canteria e no tenyan herramientas de hierro ny azero ansi
1).
Petri Martyris Dec. V, cap. IV, p. 349: In initio hujus tantae inventionis
ab ipso Christophero Colono praefecto maritimo, Hispanice Almiranto appellato,
lapidem ex illis unum ab eo ipso Almiranto condonatum mihi fui assequutus.
Is erat smaragdini obscuri coloris in ligno circumligatus et manubriatus tena-
cissimo. Totis viribus innixus concussi ego ipse vectes ferreas, vectem vibicibus
infeci, lapide incorrupto aut laeso nulla ex parte.
2).
para sacar las piedras de las canterias como para labrar sino con otras piedras
era obra muy larga; Garcilasso P. I, lib. II, c. 28: Los canteros no tuvieron mas
instrumentos para labrar las piedras que unos guijarros negros, que llamavan
Hihuana, con que las labran, machucando mas, que no cortando; ibid. P. I, lib. V,
c. 24: Las peñas grandissimas que rompian sin instrumentos de azero ni hierro,
sino que con unas piedras quebrantavan otras á pura fuerza de brazos; Herrera,
Dec. V, lib. IV, c. 4: Los edificios eran grandissimos, en los quales assentavan
con grandissimo primor piedras de admirable grandeza, y no tenian hierro, ni
azero, sino cobre, y piedras duras des los rios, para labrarlas; P. Martyr, Dec. V,
cap. IV, p. 349: His ergo lapidibus (smaragdini obscuri coloris) sua conficiunt
instrumenta et ad lapidicinam et ad lignariam, argentariamque aut aurariam
artes exercendas; Gómara, Conq. de Méjico (Madrid 1852) Cap. CCX, p. 440: Pican,
alisan y amoldan la piedra con piedra; la mejor y mas fuerte piedra con que
labran y cortan es pedernal verdinegro. Con palo sacan piedra de las canteras;
Gómara, Hist. gener. Cap. LIV, p. 186 von Yucatan handelnd: labran de cantería
los templos y muchas casas, una piedra con otra.
1).
Relatione fatta per un gentil’huomo del Sign. Fern. Cortese (Ramusio
Vol. III, p. 305): Un rasojo di pietra viva, che taglia come un rasojo di Tolosa;
Bernal Diaz, Conquista etc. cap. XCI, p. 87: Y otro á manera de espadas de á
dos manos, engastadas en ellas unas navajas de pedernal, que cortaban muy
mejor que nuestras espadas; Oviedo, lib. XX, c. XII: las espadas no son de hierro
ni otro metal, sino de palo, y en los filos ó cortes dellas unos dientes engastados
de pedernales agudos, que son bastantes á cortar de un golpe un cuello de un
toro, ó tanto como cortaria en él una espada de finos azeros.
2).
Francisco Hernandez, Rerum medic. Thesaurus etc. (Romae 1651) cap. XIV,
p. 339: Cultri e lapide patria lingua Yztli (Obsidian) vocato . . . . adeo penetra-
bilis aciei, ut nihil acutius excogitari possit, sed fragiles, et quae vel facile hebetes-
cant, desiliantque ictu ac minutim conterantur. Ex his efformant enses adeo
immanes et atroces, ut vel uno ictu homo integer in duas partes secari contingat
etc; Gómara, Conq. de Méjico, cap. CCXV, p. 443: Cortan las navajas por entram-
bas partes, y cortan bien y dulcemente, y si aquella piedra no fuese tan vidriosa,
es como hierro, pero luego salta y se mella; Mendieta, Hist. ecles. lib. IV, cap. XII,
p. 407: Cortarán y raparán la barba y cabello con ellas navajas, y de la primera
vez y primero tajo, poco menos que con una navaja acerada, mas al segundo
corte pierden los filos, y luego es menester otra y otra para acabar de raparse
et cabello ó barba, aunque á la verdad son baratos, que por un real darán veinte
de ellas. Nach Las Casas, Hist. Apolog. c. 92, sollen 10 bis 12 Obsidianklingen
erforderlich gewesen sein, um den Bart eines spanischen Kriegers zu rasieren.
1).
Mit einem solchen Instrumente, dessen Schneide haarscharf war — man
konnte einen Papierbogen damit so leicht durchschneiden wie mit einem Feder-
messer — habe ich einen 5 mm dicken Draht aus weichem Stahl mit kräftigen
Schlägen zerhackt, ohne daſs nachher an der Schneide auch nur die kleinste
Fehlstelle zu bemerken gewesen wäre.
2).
Mendieta, Hist. ecles. lib. IV, cap. XII, p. 403: Habia entre ellos grandes
escultores de cantería, que labraban cuanto querian en piedra, con guijarros ó
pedernales tan prima y curiosamente como en nuestra Castilla los muy buenos
oficiales con escodas y picos de acero; Torquemada, Monarq. Ind. lib. XIII, c. XXXIV,
p. 524, wiederholt den Satz wörtlich.
3).
Mendieta, l. c. lib. IV, cap. XIII, p. 409: Los canteros labraban sin hierro
con solas piedras cosas muy de ver, despues que tuvieron picos y escodas y los
demas instrumentos de hierro, y vieron obras que los nuestros hacian, se aventa-
jaron en gran manera.
1).
De Gama (l. c. P. I, p. 4) versichert höchst unbefangen, die harten Ge-
steine der altmexikanischen Bildwerke und Bauten seien „mit noch dichteren und
härteren Steinen“ bearbeitet, vergaſs aber leider uns diese letzteren näher zu
bezeichnen. Norman (Rambles in Yucatan, p. 184) entscheidet sich kurzweg für
die Verwendung des Flintsteines als Werkzeug bei der Bearbeitung harter Stein-
arten, ohne weiter zu untersuchen, ob derselbe in jenen Ländern vorkommt, und
ob er überhaupt brauchbar gewesen wäre. Wenn neuerdings Emile Soldi (Bulle-
tins de la Soc. d’Anthrop. de Paris, T. IV, Série III, Année 1881, p. 34 und 37) mit
der Behauptung hervortrat, der ägyptische Diorit lasse sich mit Jaspis, der Granit
aber schon mit Silex bearbeiten, so hätte, wenn überhaupt Verständnis von solchen
Dingen bei ihm vorhanden wäre, Herr Soldi sich selber sagen müssen, daſs ein
Silex, mit dem er den Granit, und zwar „mit gröſster Mühe“, etwas zu ritzen
vermochte, indem er mit einem anderen Steine darauf los schlug, niemals ein ge-
eignetes Werkzeug zum Skulptieren des Granits sein konnte. Und was den Jas-
pis anbetrifft, mit dem sogar der Diorit, seiner Meinung nach, sich bearbeiten
lassen sollte, so liegt ein handliches Stück von der besten ägyptischen Sorte vor
mir. Er zeigt allerdings eine gröſsere Härte als Chalcedon; auch seine Kanten
schneiden scharf wie Stahl, aber an Zähigkeit fehlt es in solchem Grade, daſs die
Schneiden sehr leicht zu zerbröckeln sind und der ganze Stein beim geringsten
Schlage auseinander fliegen würde. Mithin ist der Jaspis ein für jede Art Stein-
arbeit völlig unbrauchbares Mineral, das nur als Schabmesser von den Eskimo
beim Reinigen der Tierhäute mit Nutzen verwendet wird.
Wie ein Sachverständiger über die Bearbeitung des Diorit urteilt, erfahren
wir durch G. Ebers (Ägypten in Bild und Wort Bd. I, S. 172), wenn er von der
bekannten, durch Mariette aufgefundenen Chefren-Statue sagt: „Sie ist aus so
hartem Diorit gearbeitet, daſs Meister Drake, mit dem wir sie vor Jahren ge-
meinsam bewunderten, versicherte, er würde nur mit Zagen seinen Meiſsel an
solchem Material versuchen.“
2).
Benzoni histor. Indiae occid. lib. III, c. XX, p. 398: Cusco, Inguarum caput
a Magocapa condita est. Cujus mox successores . . . . multa passim aedificia,
tum cultui deorum tum Regis usibus destinata exstruxerint. Eorum parietes
levissimo lapide, pumice aedificati sunt.
1).
Prescott, Mexico Bd. I, S. 468 (Leipzig 1845); Brasseur de Bourbourg,
Histoire des Nations civilisées etc. Paris 1857, Vol. IV, p. 5.
2).
Tezozomoc, Cronica mexicana cap. 102 (Kingsb. Vol. IX, p. 181): Mientras
que labraron, los de Chalco les daban de comer á los canteros, y en breve se
acabó por andar en la labor y obra treinta oficiales con picos de pedernal; ibid.
cap. 47, p. 76: y asi luego mandó llamar á los naturales comarcanos . . . . que
se juntaron como cincuenta mil indios con sogas gruesas y carretoncillos, y fueron
á sacar una peña de la falta de la sierra grande de Cuyuacan: traida, la comen-
zaron á labrar con pedernales recios y agudos, historiando en la labor á los dioses.
Die Stelle scheint in Widerspruch zu stehen mit dem, was wir vorhin über die
Leistung der Steinwerkzeuge gesagt haben und auch unbedingt für richtig halten
müssen; allein man mag sie auslegen, wie man will — zurückhalten wollte ich
sie nicht.
1).
Fernando Cortés, Carta quarta bei Barcia Vol. I, p. 149: Verdad es, que
joias de oro, ni plata, ni plumajes, ni cosa rica, no ai nada como solia, aunque
algunas pececillas de oro, i plata salen; pero no como antes.
2).
Cieza de Leon, Cronica etc. (Hist. prim. T. II, cap. XV, p. 446), von den
Bauten bei Tiaguanaco redend: Lo que yo mas noté cuando anduve mirando y
escribiendo estas cosas fué, que destas portadas tan grandes salian otras mayores
piedras, sobre que estaban formadas, de las cuales tenian algunes treinta piés en
ancho, y de largo quince y mas, y de frente seis, y esto y la portada y sus qui-
cios y umbrales era una sola piedra, que es cosa de mucha grandeza, bien consi-
derada esta obra; la cual yo no alcanzo ni entiendo con qué instrumentos y
herramientas se labró; Garcilasso, Com. Real. P. I, lib. III, c. III, p. 74: y estas
piedras tan grandes, y las Portadas son de una pieza, las quales obras no se
alcanza, ni se entiende, con qué instrumentos ó herramientas se pudieron labrar;
Juan de Sarmiento, Relacion MS. bei Prescott, Peru, Bd. II, S. 362: Una de las
cosas de que yo mas me admiré, contemplando y notando las cosas de estos rey-
nos, fue pensar como y de que manera se pudieron hacer caminos tan grandes y
sovervios como por el vemos, y que fuerzas de hombres bastaran á lo hacer, y
con que herramientas y instrumentos pudieron allanar los montes y quebrantar
los peñas para hacerlos tan anchos y buenos como estan. — Wenn Thom. Ewbank
(A description of the Indian Antiq. brought from Chile and Peru by the U. St.
Naval Astronom. Exped. p. 149) die älteren Bauten von Peru und Centralamerika
in eine Zeit setzt, die der Incaperiode vorausging, eine Zeit „in which iron was
known“; und als Beleg dafür die obige Stelle des Garcilasso citiert, indem er den
Ausdruck herramientas als „eisernes Werkzeug“ auffaſst, so verstöſst er damit
gegen die Tendenz des ganzen Satzes. Er scheint offenbar statt des Originals
nur eine sehr mangelhafte Übersetzung in Händen gehabt zu haben.
1).
Bereits von John V. Day (Prehist. use of iron, p. 217) wurde ein ent-
schiedener Irrtum bei einigen in Nordamerika gefundenen alten Eisenäxten nach-
gewiesen, die man für Hämatit ausgeben wollte, obgleich sogar die Spuren des
Schmiedehammers noch deutlich zu erkennen waren!
1).
Oviedo, Hist. gen. y nat. lib. XXVII, cap. V: Las quales son, segund el
exercicio y manera de la guerra las requiere, de corázas ó sayos ó celadas de
mantas de algodon bastadas, é colchadas de dos ó tres dedos en gruesso, é de lo
mismo las cubiertas de los caballos, armas á la verdad pessadas é muy enojosas,
é anden los hombres en ellas como en albardados é feos y de mala vista; pero
son útiles é mejores que otras algunas, porque los arneses y corázas y todo hierro
y acero se pierde presto é se passa en estas partes, por la mucha humedad de la
tierra; Benzoni histor. Indiae occid. lib. I, c. III, p. 11, von der spanischen Be-
satzung in Cumana redend: Tormentulis vero, loricis, aut thoracibus ferreis non
utuntur, non tantum propter humidos vapores, qui e pulustri et uliginoso solo
gignuntur, sed quia quum saepius in campis milites cubare necesse sit, partim
sua sponte abundantius humescente terra, partim roscidis admodum noctibus, id
genus armorum brevi corrumperetur; Relacion de Pedro Sarmiento de Gamboa,
gobernador del estrecho de la Madre de Dios (Colecc. de docum. inédit. Tom. V,
p. 308): En esta invernada (a. 1580) del Rio Janeyro todos los navíos se pasaron
de gusano y broma . . . . y así al tiempo de la partida estaba la más parte
hecha ceniza, y aun hasta el hierro se habia de tal manera corrompido, cosa
inaudita, que con las manos se podia moler, y así lo que iba labrado de palas y
azadas y hachas con las manos se deshacia como papel, y al menor golpecito, se
deshacia en tierra; Herrera, Hist. gen. Dec. V, lib. X, c. V: . . . . . no es mucho
que esten sugestos a tales operaciones del viento, pueslo está el hierro, que es el
mas duro de todos los metales, porque en muchas partes de las Indias, ay rejas
que apretando el hierro entre los dedos, se desmenuza, porque el viento lo corrompe.
2).
Von diesem auſserordentlich seltenen Werke ist neuerdings bei B. G. Teubner,
Leipzig, eine vortreffliche Edicion facsimilaria der zweiten Auflage vom Jahre 1571
durch den gelehrten Kenner amerikanischer Sprachen Dr. Julius Platzmann her-
ausgegeben worden.
1).
Poetischer als die Mexikaner, benannten, um dies beiläufig zu bemerken,
die feineren Peruaner das Gold als „lagrimas qué el Sol llorava“.
2).
Sahagun, l. c. lib. X, cap. XXIX (Kingsb. Vol. VII, p. 306): Los Tultecas
descubrieron lo mismo las minas de plata y oro y de metales de cobre y oropel
natural y estaño y otros metales, que todo lo sacaron y labraron.
1).
Der wegen seiner gewissenhaften Forschung hochgeachtete Schriftsteller
stammte in direkter Linie von den Königen von Acolhuacan ab. Von ihm sagt
Clavigero: El autor fue tan cauto en escribir, que para alejar la menor sospecha
de ficcion, hizo constar legalmente la conformidad de sus narraciones con las pin-
turas historicas que habia heredado de sus ilustres antepasados (traduc. De Mora
T. I, p. XX).
2).
Bancroft (l. c. II, 409) suchte diese Nachricht zu beanstanden, aus dem
einzigen Grunde, weil die Mexikaner das Geheimnis besessen hätten, das Kupfer wie
Stahl zu härten! Übrigens lautet der bei Kingsborough Vol. IX, p. 332 enthaltene
Text etwas abweichend: Cuando los Tultecas peleaban se ponian unas á manera
de túnicas largas hasta los carcañales, de mil colores labradas, y muy tupidas
y gruesas, que por recio que se daban con las lanzas no las podian pasar, que
esto era lo que mas usaban, lanzas largas y otras arrojadizas y porras clavetea-
das de hierro, cobre y oro, y algunos usaban las rodelas, principalmente los que
traian las porras.
1).
Tezozomoc, Cron. Mexic. cap. LI (Kingsb. Vol. IX, p. 83): … y se entra-
ron alli hasta ya bien noche, y á horas de dormir fueron á ver el pueblo que se
llama Matlaltzinco, y yendo subtilmente llegaron á las velas y guardas de la
frontera, que estavan en gran contento junto á la lumbre, puestos sus arcos y
flechas muy cerca de sí, y sus hondas de tirar piedras, puestos en las cabezas
unos morriones con cascos de acero.
2).
Tezozomoc, ibid. cap. CI (Kingsb. p. 180): … y darémos rodelas como si
digeron aceradas topchimalli, de fino otate, muy fuertes, y de otros géneros de
rodelas muy ricas, y espadartes como hierro, y esto es lo que aqui en este pueblo
se hace, y no otra cosa . . . . Y digeron: desde luego hoy comenzarémos á dar y
llebar vuestro tributo de rodelas, flechas y galanos espadartes de pedernales y de
yerro. Ich lese tributo de yerro, wenn auch, der Wortstellung nach, es näher
liegen könnte, espadartes de yerro zu verbinden.
3).
Giov. Ignaz. Molina, Saggio sulla storia civile del Chili. Bologna 1787,
p. 25: Reca maraviglia, che il ferro, universalmente creduto incognita a quei
popoli, abbia un nome peculiare nel linguaggio Chilese. Questo chiamasi panilgue,
e le armi, che se ne fabbricano ciuchel a differenza delle altre fabbricate con
diverse materie, che vengono comprese sotto il nome generale di nulín. Il fabro
si chiama Rúthave dal verbo rúthan che significa lavorar in ferro.
1).
Garcilasso, Com. Real. P. I, lib. II, c. XXVIII: En el Lenguage llaman al
Hierro Quillay; Velasco, Descript. du Royaume de Quito (trad. Ternaux, Vol. XVIII,
p. 177): Sie wendeten das Eisen nicht an, obgleich sie es kannten unter dem
Namen Quillay, weil sie verstanden, das Kupfer wie Stahl zu härten.
1).
Diodor V, 56.
2).
Homer, Ilias 14, 321.
1).
Movers, Die Phönizier I, 513, 516.
1).
Δαμναμενεύς, der Bezwinger.
1).
Telchinen werden erwähnt in Lykien, auf Cypern, Kos, Kreta und zu
Likyon. Während Daktylen von Kreta aus nach Elis und Böotien, speziell nach
Thespiä und Mykalessos gewandert sein sollen (s. Diod. V, 64; Pausan. VIII,
19, 5; IX, 27, 6; Diod. V, 55; Strabo X, 472; Pausan. IX, 19, 1.)
2).
Hesiod,
Theogonie 139 etc.
1).
Vergleiche auch die Schilderung wie Hephästos mit seiner Flammengluht
die Flut des Skamandros bändigt in Ilias XXI.
2).
Aeschylos, Prometheus
v. 491 etc.
3).
Hesiod, Theogonie 565 u. s. w.
1).
Χάλυψ von den Chalybern.
2).
Ilias II, 857.
1).
Gladstone, Homer u. s. Zeitalter, deutsche Übersetzung, p. 223.
2).
Glad-
stone a. a. O. p. 78 etc.
3).
Gladstone a. a. O. 298.
1).
Ilias 23, 741.
2).
Odyssee IV, 614. Siehe auch Ilias VI, 290.
3).
Riedenauer,
Handwerk und Handwerker in Homers Zeit, Erlangen 1873.
4).
Daſs die phöni-
zische Pest des Sklavenhandels und in Verbindung damit des Kinderraubes zu
Homers Zeiten schon in Blüte stand, geht aus der Stelle Odyssee 15, 449 u. 469
hervor.
1).
Hes. 5, 59.
2).
Odyss. VI, 232; XXIII, 159.
3).
Ilias XVIII, 590.
4).
Riedenauer a. a. O, 86 etc.
5).
Die Herleitungen des Plinius von μετά und ἄλλα,
das was bei anderen gefunden wird (Plinius H. Nat. Lb. 33, cap. I), sowie die des
Eustath (p. 143, L. 58), das nach Anderem gefundene, das später Entdeckte sind
sehr gesucht.
1).
Ilias 18, 369 ff.
2).
Ilias 18, 412.
3).
Ilias 18, 476.
4).
Ilias 18, 477.
5).
Nach Suidas, das Gefäſs, aus dem man Metalle gieſst, der Schmelztiegel. Ebenso
Dydymos u. Hesychios.
6).
βῆ δ̛ ἐπὶ φύσας,

τὰς δ̛ ἒς πῦρ ἔτρεψε, κέλευσέ τε ἐργάζεσϑαι

φῦσαι δ̛ ἐν χοάνοισιν ἐείκοσι πᾶσαι ἐφύσων

παντοίην εὔπρηστον ἀύτμὴν ἐξανιεῖσαι,

ἄλλοτε μὲν σπεύδοντι παρέμμεναι, ἄλλοτε δ̛ αὖτε,

ὅππως Ηφαιστός τ̕ ἐϑέλοι καὶ ἔργον ἄνοιτο.

χαλκὸν δ̛ ἐν πυρὶ βάλλεν ἀτειρέα κασσίτερόν τε

καὶ χρυσὸν τιμῆντα και ἄργυρον· αὐτὰρ ἔπειτα

ϑῆκεν ἐν ἀκμοϑέτῳ μέγαν ἄκμονα, γέντο δὲ χειρὶ

ῥαιστῆρα κρατερήν, ἑτἑρηφι δὲ γέντο πυράγρην.
1).
Curtius, Griech. Geschichte I, 126.
2).
Phönizien p. 181.
3).
Herodot I, 69;
Theopomp. 6; Athen. VI, 231.
4).
Ilias 6, 235; das Wertverhältnis der genann-
ten Metalle ist etwa 1000/1.
5).
Homer 18, 507; 23, 269.
1).
Plutarch Pollux Cap. XXV.
2).
Ilias 18, 401.
3).
Odyss. 19, 226 ff.
4).
Ilias 11, 632.
5).
Schliemann, Mykenae S. 273.
6).
Odyss. 1, 136; 7, 172.
7).
Odyss. 4, 131; 5, 61; 23, 199.
1).
Odyss. 13, 11.
2).
Odyss. 7, 91 u. 100.
3).
Ilias 23, 303 bis 310, 438.
4).
Ilias 8, 192.
5).
Ilias 20, 272.
6).
Ilias 12, 296.
7).
Il. 11, 23, 30 ff.
8).
Ilias 18, 478 etc.
1).
Odyssee III, 432 etc.
ἦλϑε δὲ χαλκεὺς

ὅπλ̛ ἐν χερσὶν ἔχων χαλκήϊα, πείρατα τέχνης,

ἄκμονά τε σφὕράν τ̛ εὐποίητόν τε πυράγρην,
1).
Ilias II, 857.
2).
Ilias 23, 740 etc.
3).
Odyssee 4, 615, vergl. auch 10,
356.
4).
Odyssee 1, 136; 7, 172.
1).
οἶσιντε χρυσὸν εἰργάζετοη ἦλϑε δ̛Ἀϑήνη

ἱρῶν ἀντιόωσα. γέρων δ̛ ἱππηλάτα Νέστωρ

χρυσὸν ἔδωχ̛· ὁ δ̛ ἔπειτα βοὸς κέρασιν περίχευεν

ἀσκήσας ἵν̛ ἄγαλμα ϑεὰ κεχάροιτο ἰδοὕσα.
1).
Odyssee IV, 128 etc.
2).
Ilias 10, 438.
3).
Ilias 5, 726, 729.
4).
Odyssee
19, 55.
5).
Odyssee 23, 199.
6).
Ilias 2, 799.
7).
Ilias 1, 219.
8).
Ilias
11, 30.
9).
Ilias 3, 330.
10).
Odyssee 7, 89, 90; 4, 71.
11).
Odyssee 10, 343.
12).
Ilias 18, 412.
13).
Millin, Mineralogie des Homer, Buchholz, homerische Realien,
Gladstone a. a. O. u. s. w.
1).
Eustath zu Il. I, p. 93; de Marée Versuch über die Kultur der Griechen,
S. 34.
2).
Il. 9, 365.
1).
Vergl. Hoeck, Kreta ad 1, 261, 262.
2).
Ilias 5, 292; 7, 247; 14, 25;
18, 444.
3).
Ilias 5, 75.
4).
Ilias 4, 495.
5).
Ilias 12, 151; 2, 587.
6).
Ilias
13, 807.
7).
Ilias 11, 65.
8).
Odyssee 18, 328.
1).
Odyssee 3, 342.
2).
Ilias 5, 859, 866; 7, 146; 16, 543.
3).
Ilias 4, 447.
4).
Ilias 4, 420.
5).
Ilias 18, 613.
6).
Ilias 7, 41.
7).
Buchholz, Homer,
Realien 329.
8).
Ilias 12, 184; 15, 535.
9).
Odyssee 24, 523.
10).
Ilias 11, 312.
11).
Ilias 7, 219.
12).
Ilias 20, 270.
13).
Ilias 28, 192.
14).
Ilias 4, 461; 6, 12.
15).
Ilias 3, 217.
16).
Ilias 2, 417.
17).
Ilias 16, 135; 19, 372; Odyssee 10, 261;
19, 241.
18).
Ilias 3, 334.
19).
Ilias 3, 363 u. 365.
20).
Ilias 15, 465. Odyssee
1, 262.
21).
Ilias 4, 123.
1).
Ilias 13, 612.
2).
Odyssee VII, 86 etc.
3).
Ilias 18, 373.
4).
Ilias
XI, 639.
5).
Ilias XI, 628.
6).
Ilias 18, 349.
7).
Ilias 19, 426.
8).
Odyssee
12, 173.
9).
Odyssee 5, 234.
10).
Ilias 19, 221.
11).
Odyssee 16, 410.
12).
Odyssee 21, 6.
1).
Ilias 2, 226.
2).
Ilias 23, 549; Odyssee 2, 339.
3).
Ilias 22, 339; 6, 46.
4).
Ilias 7, 472.
5).
Ilias 11, 241.
6).
Ilias 2, 481.
7).
Ilias 2, 481.
8).
Odyssee
I, 182.
9).
Strabo XIV, 6 etc.
1).
Ilias 18, 468 u. s. w.
2).
S. oben.
1).
Recueil d’antiquités T. I, p. 251.
1).
Ilias 24, 80.
2).
Ilias 18, 613.
3).
Ilias 11, 24.
4).
Ilias 18, 564, 573.
5).
Ilias 23, 503.
6).
Ilias 23, 561.
1).
Ilias 23, 833.
2).
οὐ μὲν γάρ οἱ ἀτεμβόμενός γε σιδήρου
ποιμὴν οὐδ̛ ἀροτὴρ εἶς̛ ἐξ πόλιν, ἀλλὰ παρέξει.
Nicht ermangelt ihm des Eisens, nicht der Hirt, nicht der Pflüger, und wird
(danach) in die Stadt gehen, sondern sie (die Scheibe) wird es ihm gewähren.
1).
Odyssee 18, 328.
2).
Ilias 23, 850.
3).
δέκαμὲν πελέκεας, δέκα δ̛ἡμιπέ-
λεκκα.
1).
Ilias 15, 711.
2).
Auch Ilias 7, 485.
3).
Ilias 4, 113 τόξω δὲ σιδήρου;
Odyssee 21, 61; 19, 587.
4).
Ilias 4, 123; 21, 3; Odyssee 21, 96.
5).
Ilias
18, 34.
6).
Ilias 17, 424.
7).
Odyssee 16, 294: ἐφέλκεται ἄνδρα σίδηρος — wie
auch bei Valerius Flaccus Argon. v. 541 namque virum trahit ipse chalybs.
8).
Ilias 23, 30 (doch auch zuweilen von Erz, s. Ilias 3, 292).
9).
Ilias 7, 141.
10).
Ilias 5, 722.
11).
Ilias 8, 15.
12).
Odyssee 1, 105.
13).
Ilias 7, 472.
1).
Ilias 1, 366; 23, 262; Odyssee 21, 3.
2).
Ilias 23, 850.
3).
Ilias 4, 485;
Odyssee 1, 184; Ibid. 15, 328.
4).
Siehe hierüber auch Meteoreisen.
5).
Ilias 24, 203.
6).
Ilias 22, 357.
7).
Odyssee 5, 190.
8).
Odyssee 19, 211 und
493.
9).
Odyssee 12, 279.
10).
Ilias 23, 177.
11).
Ilias 4, 509.
12).
Odyssee 9, 931.
1).
ὡς δ̛ ὁτ̛ ἀνὴρ χαλκεὺς πέλεκυν μέγαν ἠὲ σκέπαρνον
εἰν ὔδατι ψυχρῷ βάπτῃ μεγάλα ἰάχοντα
φαρμάσσων· τό γὰρ αὖτε σιδήρου γε κράτος ἐστίν
ὣς τοὕ σῖζ̛ ὀφϑαλμος ἐλαϊνέῳ περὶ μοχλῷ.
2).
Ilias 11, 24.
3).
Ilias 11, 32.
1).
Odyssee 7, 86.
2).
Ilias 11, 629.
3).
Ilias 13, 563.
4).
Odyssee 1, 182.
5).
Ilias 6, 48.
6).
Ilias 10, 379.
1).
Hostmann, Die Metallarbeiten. Mykenä im Korrespondenzblatt des Gesamt-
vereines der deutschen Altertumsvereine. Nro. 3 und 4, 1879.
1).
Schliemann, Mykenä 16.
1).
Mykenä 121.
2).
Mykenä 83.
1).
Korrespondenzblatt der Gesellschaft für Anthropologie etc. Nro. 2, Februar
1879, S. 9.
2).
Diese Thatsache ist dem Verfasser erst bekannt geworden, nach-
dem die Einleitung bereits fertig gedruckt war.
3).
Schliemann, Ilias 674.
1).
Hesiod, Theog. 11 und 952.
2).
Ibid. 18.
3).
Ibid. 578.
4).
Ibid. 962.
5).
Ibid. 771.
6).
Ibid. 779.
7).
Ibid. 316.
8).
Ibid. 984.
9).
Hesiod, Schild
des Herakles 6, 7.
10).
Ibid. 335, 415, 422.
11).
Ibid. 122 u. s. w.
1).
Theog. 726.
2).
Hesiod, Schild des Herakles 188, 199.
3).
Theog. 861.
. . Πολλὴ δὲ πελώρη καίετο γαῖα

Ατμῇ ϑεσπεσίῃ, καὶ ἐτήκετο κασσίτερος ὥς

Τέχνῃ ὑπ̕ αἰζηῶν, ὐπότ̕ εὐτρήτον χοάνοιν

Θαλφϑεὶς, ἠδὲ σίδηρος ὅπερ κρατερώτατός ἐστιν

Οὔρεος ἐνβήσσῃσι, δαμαζόμενος πυρὶ κηλέῳ

Τήκετο ἐν χϑονὶ δίῃ, ὑφ̕ Ἡφαίστου παλάμησι·

Ὥς ἄρα τήκετο γαῖα σέλᾳ πυρὸς αἰϑομένοιο

Ῥῖψε δέμιν ϑυμῷ ἀκάχων ἐς Τάρταρον ἐυρύν.
4).
Hesiod, Werke u. Tage 387.
5).
Ibid. 573 u. Theog. 160.
6).
Hesiod,
Werke u. Tage 420.
7).
Hesiod 742.
1).
Hesiod 493 bis 502.
2).
Hesiod, Schild des Herakles 128.
3).
Theog. 161.
4).
Theog. 175.
5).
Theog. 188.
6).
Theog. 188.
7).
Hesiod, Schild des
Herakles 136.
1).
Hesiod, Schild des Herakles 167.
2).
Hesiod 239.
3).
Theog. 764 und
765.
4).
S. 36 ff.
1).
Lauth. Die Argiver in Ägypten, Sitzungsbericht der königl. Akad. der
Wissenschaften in München 1868. — De Rougé, Memoire sur les attaques dirigées
contre l’Egypte par les peuples de la méditerranée. Revue archeologique VII,
1867. — Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde I, 6.
1).
Plinius Hist. nat. VII, 195; ferner Clem. Alex. Strom. I, 16, p. 362; Isid.
Orig. XVI, 19.
2).
Strabo XIV, 654 (cap. II, 7), vergl. auch Diodor V, 55.
3).
Plutarch, Alexander 32.
4).
Demetrios 21.
1).
Strabo X, III, 22.
2).
Strabo X, 483.
3).
Strabo X, a. a. O.
1).
Strabo XIV, 653.
1).
Larcher, Chronologie d’Herodote Canon p. 542.
2).
Schol. Apoll Th. I,
608.
3).
Ilias 1, 592 und Anmerk. 10; Büchsenschütz S. 40.
4).
Siphnos, Herodot
III, 57; Pausan. X, II, 2; Suidas Σίφνοι.
5).
Herodot VI, 46.
6).
Herodot
IX, 75; Strabo VII, 33, 34.
7).
Herodot VI, 46; VII, 112; Tukyd IV, 105.
1).
Herodot III, 163.
2).
Herodot V, 17.
3).
Strabo VII, 326.
4).
Strabo
XII, 549.
5).
Strabo X, S. 147; Plinius IV, 21 u. 64; Plutarch de def. orak 43;
Eustath zu Dion. Per. 764.
6).
Strabo X, cap. III, 6.
7).
Hesiod, Werke u.
Tage 649.
1).
654.
2).
Strabo X, 447.
3).
Alcaeus b. Ath. XIV, 617 B; Äschylos
b. Plut. I, 1.
4).
Stephan v. Byzanz v. χαλκἰς; Eusthath z. Deon 1, I.
5).
Stephan v. Byzanz v. Ἄιδηψος.
1).
Dion. Perieg. 476.
2).
Xen. d. re. equ. 12, 3.
3).
Plinius VII, 201.
4).
Auch Poll I, 149 und Eurip. Phöniz. 139.
1).
Herodot I, 67; Pausanias Lakonier p. 210.
2).
Herodot I, 61.
1).
Otto Müller, Dorer 201 etc.
1).
Herodot I, 14.
2).
Herodot I, 25.
3).
Pausanias Buch 10, Phokika
c. 16 1.
1).
Vergl. hier die Beschreibung des aus Gold, Silber, Erz und Eisen zusammen-
genieteten, groſsen assyrischen Bildwerkes. Daniel II, 32 u. 33.
2).
Pausa-
nias III, 17, 6.
3).
Suidae Lexicon graece et latine II, p. 743.
4).
Plutarch de
orac. 47.
1).
Winkelmanns Werke. Bd. V, S. 126 etc.
1).
X, 18, 5.
2).
Plinius hist. natural. XXXIV, 14, 40.
1).
Pausanias IV, 184.
2).
Strabo XIII, 631.
1).
Boekh, Die Staatshaushaltung der Athener.
1).
Plutarch, de virtut. mulier. I, VII, p. 67 ed. Reiske.
2).
O. Müller, Dorer
II, p. 201.
1).
Ilias XIII, 38.
2).
Ilias XVIII, 613.
1).
Die Doppelaxt war die Nationalwaffe der Karier.
1).
Griechische Kriegsschriftsteller von Köchly und Rüstow, Leipzig 1853.
1).
Bezüglich der Bronze ein Irrtum.
1).
Schnellgeschütze dieser Art fertigte auch ein gewisser Dionysos von Alexan-
drien für die Rhodier.
1).
Prometheus 712.
2).
Prometheus 302.
3).
Xenophon Annab. V, 5, 1.
4).
Strabo XII, 3, 19.
5).
Stephan. v. Byzanz:
Αακεδαίμων στομωμάτων

Τὸ μὲν χαλυβικόν, τὸ δὲ

Σινωπικόν . . . . καὶ ὅτι Σινωπικὸν

Καὶ χαλυβικὸν ἐις τὰ τεκτονικὰ

. . . . ὥς φησι Δαίμαχος

Vergl. Eustath. ad Hom. Il. II, 501, p. 294.
6).
Theoph. h. pl. IV, 55; Strabo
XIV, 669.
7).
Not. l. b. Clibanaria Caesareae Cappadociae.
8).
Strabo XVI,
131; ἴδιον δ̕ ἐστὶν ἐν κιβύρᾳ τὸ τὸν σίδηρον τορεύεσϑαι ῥᾳδίως; wie Horat. Epist.
I, 6, 32 „… Cave ne portus occupet alter Ne Cibyratica, ne Bithyna negotia
perdas“.
9).
Stephan v. Byzanz, λακεδαίμων.
10).
Nach Eustath a. a. O.
11).
Not. dign. Or. c. X, p. 39; scutaria et arm. Sardis Lydiae.
1).
Strabo XIV, 653.
2).
Herodot IV, 152.
3).
Herodot IV, 61.
4).
Amm.
Marcell. XXXI, 6 etc. istam plebem omnem cum fabricensibus, quorum illis
ampla est multitudo, productam in eorum armavit exercitum.
5).
Plin. hist.
nat. VII, 201.
6).
Xenophon de re. equ. 12, 3.
1).
Χαλκεῖα Poll. VII, 404.
1).
Xen. Hell. III, 3, 7 und Plinius VII, 200.
2).
περὶ αἰσϑήσεως καὶ περὶ
αἰσϑητῶν.
1).
Περί λίϑων 12 bis 17.
1).
De igne 37.
2).
71.
3).
Siehe oben und Aristoteles de mirabil. auscult.
c. 49.
1).
Aristoteles, Meteorologie, lib. IV, c. 6, 9.
2).
Aristoteles, Meteorol. lib. IV,
c. 6, 11 u. 12.
1).
Plinius hist. nat. XXXVI, 23.
1).
Hes. v. ἄκμων· σίδηρος ἐφ̕ ᾧ ὁ χαλκὲυς χαλκέυει.
1).
Blümner, Technologie und Terminologie, der Gewerbe und Künste bei
Griechen und Römern. Bd. II, S. 189 etc.
2).
Rich. Wörterbuch S. 323.
3).
Jahn, B. d. 5; G. d. W. f. 1861, Taf. III, 3.
4).
Jahn a. a. O. Taf. VIII, 4.
5).
Blümner a. a. O. II, 197; auch oben Fig. 75.
6).
Blümner a. a. O. II,
193.
7).
Lenormant u. de Witte, Elite ceramogr. I, 46 A.
1).
Blümner II, S. 193.
2).
Blümner a. a. O. II, 203.
1).
Blümner II, 215, 220, 226, auch oben Fig. 75.
2).
Beispiele: das Schwert
Alexanders, die Rüstung des Ptol. Polierket.
1).
Ῥασέναι, Dionys. v. Hal. I, 30, vielleicht Räthier s. Livius V, 32, 11.
2).
Livius V, 33.
3).
Müller, Etrusker I, 73.
4).
Dunker a. a. O. I, S. 152, Anmerk. 1.
1).
Tacitus, annal. IV, 55: Sardiani decretum Etruriae recitavere, ut consan-
guinei, nam Tyrrhenum Lydumque, Atye rege genitos, ob multitudinem divisisse
gentem: Lydum patriis in terris resedisse, Tyrrheno datum, novas ut conderet sedes
et ducum e nominibus indita vocabula illis per Asiam, his in Italia, auctamque
adhuc Lydorum opulentiam, missis in Graeciam populis cui mox a Pelope nomen.
1).
In der Nähe bei St. Francesco fanden sich in einem groſsen Thongefäſse
mehr als 14000 Stück Bronzen, meist von bekannten Formen, wie sie durch den
etruskischen Handel über ganz Europa verbreitet wurden.
2).
Für pelasgisch
oder tyrrhenisch-pelasgisch s. Wylie, die Grabfunde von Veji und Präneste in
Archäologie Vol. XLI.
1).
Cassiodor Var VII, 15: Statuas primum Tusci in Italia invenisse referun-
tur.
2).
Plinius XXXIV, 16.
3).
Plinius XXXIV, 16.
1).
Layard, Niniveh und Babylon p. 190.
2).
Müller, Etrusker I, 380.
1).
Diodor Sicul V, 15.
2).
Aristoteles de mirab. auscult. c. 95.
1).
Nach einer anderen Sage soll Populonia von den Korsikanern (Phokäern?)
gegründet worden sein.
2).
Insula inexhaustis Chalybum generosa metallis,
Virg. Aen. X, 174.
3).
Noch heute finden sich die Reste dieser mächtigen
Schlackenhalden besonders bei Porte Lagone, s. L. Simonin, De l’exploitation des
mines et de la métallurgie en Toscana etc. S. Annales des mines 1859, 5. série,
T. XIV, p. 557.
4).
Strabo V, 342.
5).
Simonin a. a. O. 562 und Gurlt,
die Eisen- und Stahlgewinnung bei den Römern, S. 9.
6).
Diodor Sicul Bibl.
Hist. V, 13.
1).
Nach Simonin a. a. O. S. 565.
1).
Dennis, die Städte und Begräbnisplätze Etruriens, deutsch von Meiſsner,
S. 390.
2).
Dennis S. 684.
3).
Dennis S. 661.
4).
Museo Etrusco al Vaticano
Tav. XII, 13.
5).
Tav. XIV, 3.
6).
Tav. XVIII.
7).
Tav. XXXVIII, Fig. 3.
1).
Fig. 85, 86, 87, 88 Museum Carlsruhe.
1).
Dennis S. 238.
2).
Dieselbe merkwürdige Wirkung der Luft wird von der
Grotta Torlonia bei Cervetri erzählt — Visconti, Antichi Monumenti Sepolcrali
di Ceri, p. 21.
3).
Dennis S. 249.
4).
Dennis S. 282.
1).
Dennis S. 170.
2).
Dennis S. 151.
3).
Dennis S. 37.
1).
Livius XXXIII, 45.
1).
Movers, Phönizier I, 361.
1).
Plinius XXXIII, IV u. V, VI.
2).
Plinius XXXIII, 4, 4.
1).
Plinius XXXIV, 39, 1.
1).
Livius IV, 6
1).
Als das Äginetische Münzsystem in Griechenland eingeführt wurde, war
das Wertverhältnis von Kupfer zu Silber = 1/263.
2).
Die jetzigen Bimetallisten
erstreben gegenwärtig einen Wertsatz von 1/15.
1).
Paratit. cod. Theod. de metal. Ammian 316 L. 5, 6, 7.
2).
Achenbach,
das französische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 1860, S. 163 etc.
1).
Worunter zumeist Marmor zu verstehen sein dürfte.
2).
L. 77 D. de con-
tract. empt. (18, 1).
3).
L. 9, §. 3 D. de usufr. et quemad. (7, 1).
4).
L. 4, §. 7 D.
de censibus (50, 15).
5).
L. 7, §. 14 D. soluto matrimonio (24, 3).
6).
L. 13,
§§. 5 u. 6 de usufr. et quemadmod (7, 11).
7).
Bes. l. 3, §. 6 D. de rebus eor.
qui sub tut. (27, 9).
8).
L. 17, §. 1 D. de verb. signif. (50, 16).
9).
Tac. Agri-
col. c. 12, fert Britannia aurum et argentum et alia metalla pretium victoriae.
1).
Cod. Theod. lib. X, Tit. 19 de metallis et metallariis.
2).
Plinius hist.
nat. 33, 21.
1).
Diese und die folgenden technischen Ausdrücke sind nicht römisch, son-
dern hispanisch.
1).
Plinius 33, 31.
1).
Plinius XXXIV, 20.
2).
Hier nur plumbum.
1).
Plinius XXXIII, 1.
2).
Plinius XXXIV, 39.
3).
Plinius XXXIV, 39 bis 45
(Ed. Jul. Sillig 1881 Lib. XXXIV, Cap. XIV, p. 182).
1).
A. Morlot, über die Spuren eines befestigten römischen Eisenwerkes in der
Wochein in Oberkrain im Jahrbuche der k. k. Geolog. Reichsanstalt, I. Jahrgang
1856, Wien S. 199 etc.
1).
F. Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges.
1).
Ovid, Metamorph. 64 fol. 17.
2).
Horat. Od. LI; Od. XVI, Od. XVII;
Horaz lebte von 65 v. Chr. bis 7 n. Chr.
3).
Petronius fragmenta.
4).
Rutilius
Numant. Itin. L. I, V. 351, 352.
5).
Strabo, der ein Jahrzehnt nach der
Unterjochung von Noricum lebte, sagt darauf bezüglich: nunc omnia ista
auri metalla Romani possident — „jetzt gehört dieser ganze Metallreichtum den
Römern“.
1).
Linhard, Geschichte von Krain I, 287; 9, 289; Münichsdörfer l. c. p. 4.
2).
Jetzt zu Klagenfurth im Besitze des Kärnt. Geschichtsvereins.
1).
L. c. p. 10 etc.
2).
Münichsdörfer. Der Hüttenberger Erzberg. S. 10 etc.
1).
Carinthia 1868, 7. Heft, S. 278.
1).
Annalen des Vereins für nassauische Altertumskunde und Geschichtsfor-
schung. Bd. XIV, 1877, 324 etc. und Bd. XV, 1879, 124 etc.
1).
L. c. Nass. Annal. XIV, 324 etc.
1).
In dem bis jetzt noch unedierten Werk „Die Saalburg“ von v. Cohausen und
Jacobi sind die Blöcke, sowie die Einmauerung einzelner desſelben in den Hypo-
kausten noch sorgfältiger abgebildet.
1).
De Ijzerslaggen in Nederland en de Ijzerbereiding in vroegeren Tijd door
Prof. S. Bleekrode, in der Zeitschrift „Volksflijt, Amsterdam 1857“.
1).
Notice sur les forges primitives dans le Jura Bernois, par A. Quiquerez.
Zurich 1871.
1).
Liger, la ferronerie II, 98 etc.
1).
Abbildung von Rich, im Wörterbuch der römischen Altertümer. Art.
Caminus, S. 96. Abbildung von Leger, Les travaux publics des Romains, Pl.
VIII, Fig. 22.
1).
Nassauische Annalen, Bd. XIV.
1).
Diodor. Sicul., Bibl. Hist. V, 13.
1).
Aeneis VIII, 416 etc.
2).
Liger a. a. O. II, 148.
1).
Jahn, über die Vorstellung antiker Reliefs, welche sich auf Handwerk und
Handelsverkehr beziehen, in den Berichten der phil.-hist. Klasse der königl.
sächs. Gesellschaft der Wissenschaften 1861, S. 318.
2).
Liger II, 45.
1).
Plinius, H. n, VII, 195.
1).
Siehe die oben angeführte Stelle S. 504: Plinius 34, 41; ad densandas
incudes malleorumque rostra.
1).
Horaz Sat. I, 4, 19.
1).
Cicero Celsius V, 11; Horaz. Sat. I, 4, 19; Virgil Georg. IV, 171.
1).
L. Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. II, Heft IV,
Taf. IV, Fig. 7 u. 8.
1).
S. Bezügl. des Formenreichtums römischer Messer, Taf. V. Salburg-Museum
von Cohausen und Jacobi a. a. O.
1).
Inter falcarios, Cicero in Catilinam I, 4. Sull. 18.
1).
Alle diese Gegenstände sind auf der Salburg gefunden worden.
1).
Vegetius de reb. militar. lib. II, c. 11.
2).
Livius I, c. 25: ut pro sua
[quisque] patria dimicent ferro.
3).
Livius I, c. 32: fieri solitum, ut fetialis hastam
ferratam aut sanguineam praeustam ad fines ferret.
1).
Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens, S. 199.
1).
Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung des römischen Heeres während der
Kaiserzeit, S. 14 und Tab. V, Nro. 1, die Abbildung des Legionars Flavoleus.
2).
Vegetius, de re milit., lib. I, c. 17 u. lib. III, c. 14.
1).
Lindenschmit a. a. O. Taf. XI, 21, und Lindenschmit, Altertümer unserer
heidnischen Vorzeit. I, Heft XI, Taf. IV.
1).
v. Cohausen und Jacobi, die Salburg, Taf. 6 u. 7.
2).
Lindenschmit, das
Pilum der Römer; ferner Tracht u. Bewaffnung etc. S. 12 und Altertümer I,
Taf. XI, Fig. 5.
1).
Caes. bel. Gal. I, 25.
2).
Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau
unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine
Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich
Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.)
waren.
1).
Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung etc. Taf. XI, Fig. 12 u. 13.
2).
Fick,
Wörterbuch der indogermanischen Grundsprache. Göttingen 1868 u. Jähns a. a. O.
S. 197.
1).
Im Besitze des Herrn Professor Freudenberg.
2).
Lindenschmit, Alter-
tümer I, Heft VIII, Taf. VI und Tracht u. Bewaffnung etc. S. 26 u. Taf. XI.
1).
Museum Wiesbaden.
2).
Vom Dimeser Ort bei Mainz.
1).
Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung etc. 7.
2).
Lindenschmit, Alter-
tümer I, Heft XII, S. IV.
3).
So bezeichnet Tacitus die Rüstung Kaiser Otho’s
im Gegensatze zu der seiner Truppen; Historia II, 11.
4).
Siehe oben und Jähns
S. 193.
5).
A. Müller, Philolog. XL, Hübner, Hermes Bd. I, Heft II, S. 302.
1).
Plutarch, Camillus 40.
2).
Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung etc. S. 9.
1).
S. Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung. Taf. IX und X.
1).
Fröhner, Trajantsäule, Lindenschmit a. a. O. Taf. XII.
2).
Nach Dionys
von Halicarnaſs der zweiten.
3).
Vegetius, de re milit. lib. II, cap. 11.
1).
Cod. Theod. 10, 64 de excusationibus artificium.
1).
Notitia dignitatum occid., cap. VIII.
2).
Not. dign. ed. Böck S. 50. Prae-
positus Barbaricanorum sive Argentariorum Arelatensium, Remensium, Tribero-
rum.
3).
Gratius Cyneg 341.
4).
Not. dign. orient. Böck X, S. 39.
1).
Cato de re. rust. 135, „ferramenta, falces, palae, ligones, secures, ornamenta,
murices, catellaeus“.
1).
Böttiger, Sabina p. 148.
1).
Hierüber ausführlich Liger la ferronerie II, 259 etc.
1).
Ἀπό σιδήρου s. Appian IV, 44.
2).
Juvenal XI, 26.
3).
Rich hält es für
das Modell einer groſsen Geldkiste eines Quästors (s. arca a. a. O. S. 47). Ausführlich
ist dies merkwürdige Kästchen beschrieben in Gells Pompejana II, S. 30 u. 31.
1).
Julius Grimm, der römische Brückenkopf in Castel bei Mainz via Mainz
1882.
1).
Vitruv lib. 10, cap. 3, 2. „Ein Beispiel bietet auch die eiserne Hebestange
dar. Bringt man diese an eine Last, welche eine Masse von Händen nicht be-
wegen kann, legt dann als Drehungspunkt eine Druckunterlage, welche die Griechen
Hypomachlium nennen, unter, und bringt die gebogene Spitze der Hebestange
unter die Last, so lüpft die Stange, wenn ein einziger Mensch das obere Ende
niederdrückt, die Last.“
2).
Vitruv, lib. X, cap. I.
3).
Vitruv de architectura,
lib. X, cap. V.
4).
Dieser (Polyspastes, μηχάνημα πολύσπαστον) galt als eine Er-
findung des Archimedes.
1).
Über die Konstruktion der Wasserschöpfräder siehe Vitruv X, cap. IV.
1).
Jahn a. a. O. 302, Anmerk. 42.
1).
„Die Enden der Walze werden mit festgenagelten Eisenbeschlägen gebunden
und erhalten eingeschlagene eiserne Zapfen“; Vitruv a. a. O. 10, 6, 3.
2).
Vitruv
a. a. O. „in die Querbalken sind eiserne Zapfenlager eingelassen, in welche die
Zapfen gesteckt werden und so war die Wasserschraube durch tretende Menschen
gedreht“.
3).
Vitruv, Lib. X, Cap. 7.
1).
Lib. X, Cap. 5.
2).
Vergl. auch Vitruv, lib. II, cap. 7; „der weiſse Tuff
von Venetien wird mit einer gezahnten Säge wie Holz zerschnitten“.
3).
Julius
Pomponius Lätus berichtet: Usus molinarum ad manum in Cappadocia inventus,
inde inventus usus earum ad ventum et ad equos. Paulo ante Augustum molae
aquis actae, Romae in Tiberi primum factae, tempore Graecorum cum fornices
diruissent.
4).
Bruhns, anal. 2, S. 119, 2, S. 39.
1).
Vitruv, Beschreibung, lib. X, cap. 10.
1).
Lib. I, cap. 6, 2.
1).
Lazarus Ercker, Einleitung zur Probierkunde.
1).
Die Kultur der Bronzezeit Nord- und Mitteleuropas. Chemisch- antiqua-
rische Studien über unsere vorgeschichtliche Vergangenheit und deren Bergbau,
Hüttenkunde, Technik und Handel von Dr. F. Wibel, Kiel 1865.
1).
Cäs. de bell. Gal., lib. V, 12.
1).
Insbesondere Worsaae und Sophus Müller in Kopenhagen, Dr. Hildebrandt
und Montelius (Stockholm), Ingvald Undset (Christiania).
1).
Grümbke, Statistik II, S. 240.
2).
Hostmann, zur Geschichte und Kritik
des nordischen Systems der drei Kulturperioden; Archiv für Anthropologie,
Bd. VIII, Heft 3.
3).
Correspondenzblatt d. Anthrop. Ges. 1871, S. 57.
4).
Zeitschrift für vaterl. Geschichte und Altertumskunde Westf. 1875, S. 89.
5).
Stader Archiv 1875, S. 430.
6).
Altm. Jahrbericht I, S. 44; VI, S. 91.
7).
Lisch, Andeutungen über die altgermanischen und slavischen Grabaltertümer,
Schwerin 1837, S. 25.
1).
Ant. Ann. VI, S. 489.
2).
Ebend. II, 1824, S. 265.
1).
Ann. f. n. O. 1839, S. 174, 176.
2).
Afbildn. 6, 8.
3).
Hostmann, zur
Krit. der Kulturperioden, a. a. O. 194.
4).
Hostmann a. a. O. Arch. f. Anthropo-
logie VIII, Heft 3.
1).
Ann. f. n. O; 1844, S. 307.
2).
Lond. Congr. 1868, S. 353.
3).
Antiq.
Tidskr. 1843, S. 231.
1).
Wegweiser 1872, S. 18.
2).
Mecklb. Jahrb. XXXIX, S. 127.
1).
Hostmann, Zur Technik der antiken Bronzeindustrie, und Die Metallarbeiten
von Mykenä (Archiv f. Anthropologie Bd. XII, S. 431 etc.).
1).
Sorterup, Kurze Übersicht 1846, S. 49.
1).
Die betreffenden Abbildungen sind dem neuen Werke von Dr. Ingvald
Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa. Deutsch von J. Mestorf,
Hamburg 1882, entnommen.
1).
Ingvald Undset a. a. O. 165 (Fig. 102); 166 (Fig. 168); 167 (Tab. XIV, 11);
168 (Tab. XXV, 5); 169 (Tab. XXVI, 4); 170 (Tab. XXI, 10); 171 (Tab. XXII, 7);
172 (Tab. XXVI, 1); 173 u. 174 (Tab. X, 7 u. 8); 175 (Tab. XXV, 4). Siehe Ägypten
S. 90, Fig. 19 g.
1).
Dr. Ferd. Keller, Die keltischen Pfahlbauten in den Schweizerseeen. Mit-
teilungen der antiq. Gesellschaft. Zürich 1854.
1).
Suplementa tabulae Syriae (Albufedae).
1).
Les habitations lacustres du lac de Bienne par Groſs, 1875, Zeichnungen
1, 3, 11; und Ferd. Keller, Pfahlbauten, VII. Bericht, Tab. XVII.
1).
Ferd. Keller a. a. O., Tab. IV. 12.
1).
Desor, Die Pfahlbauten des Neuenburgersees, S. 97 etc.
2).
Desor a. a. O. 106.
1).
P. Plattner, Geschichte des Bergbaues der östlichen Schweiz, Chur 1878.
2).
Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft von Zürich 1871. Notice sur les
forges primitives dans le Jura par A. Quiquerez.
1).
Notice historique statistique sur les mines, les forêts et les forges de l’ancien
Evêché de Bale par N. Quiquerez.
1).
Dr. von Sacken, Das Grabfeld von Hallstadt. Wien 1868.
1).
Die Bronzeschwerter zeigen auch hier die charakteristischen kleinen
Handgriffe.
1).
Sacken a. a. O. 36.
1).
v. Sacken a. a. O. 112.
2).
A. a. O. 118.
1).
Strabo IV, 208 und VII, 393 etc.
2).
A. a. O. 147.
3).
Auch Kupfer
scheint bereits in prähistorischer Zeit im Salzkammergut gewonnen worden zu
sein und zwar auf dem Mitterberg bei Bischofshoven, wovon die Reste noch er-
halten sind (s. das vorgeschichtliche Kupferbergwerk auf dem Mitterberge von
Dr. M. Much, Wien 1879), doch erwähnen die römischen Schriftsteller nichts
über diesen Kupferbergbau.
4).
Dr. H. Wankel, prähistorische Eisenschmelz-
und Schmiedestätten. Wien 1879.
1).
Wankel a. a. O. 29.
2).
A. a. O. 30.
1).
Korrespondenzblatt d. deutsch. Ges. f. Anthropologie 1878, Nr. 4 u. Gurlt,
Eisen- u. Stahlbereitung bei den Römern S. 20.
2).
Die ältesten Eisenschlacken
in der Provinz Hannover, von Christian Hostmann in Celle, 1880.
1).
S. Bleekrode, De Jizzerslakken in Nederand en de Jizerbereding in vror-
geren Tijd.
1).
Diodor a. a. O., V, 35.
1).
Gemeint ist das Rätsel von den Fischerknaben (Herodot cap. 35), welche
ausrufen: „Was wir gefangen haben, haben wir zurückgelassen, was wir nicht
gefangen, bringen wir mit.“
Übrigens ist diese ganze Stelle aus dem Posidonius ausgeschrieben und
wiederholt sich in der Schilderung Strabos, der seine Quelle angiebt, weiter unten.
1).
Strabo III, 146.
1).
Diodor V, 33.
1).
Diodor V, 34.
2).
Diodor V, 33.
1).
Tite Live ab urbe cond. lib. XXI, cap. VIII, 10 bis 12.
2).
Phalarica erat
Saguntinis missile telum hastili abiegno et cetera tereti praeterquam ad extre-
mum unde ferrum extabat: id, sicut in pilo, quadratum stuppa circum ligabant,
linebantque pice; ferrum autem tres longum habebat pedes, ut cum armis trans-
figere corpus posset. Sed id maxime, etiam si haesisset ne penetrasset in corpus,
pavorem faciebat, quod, cum medium accensum mitteretur conceptumque ispo
motu multo maiorem ignem ferret, arma omitti cogebat nudumque militem ad
insequentes ictus praebebat.
1).
Strabo 164.
1).
Livius V, cap. 34.
2).
S. 651.
1).
Polyb. III, 114. Liv. XXII, 46.
2).
Livius XXII, 46.
3).
Plutarch
Camillus.
4).
Diodor V, 30.
1).
Caes. bell. gall. III, 13.
2).
Dies erinnert lebhaft an den Dehli Lhat,
s. Indien S. 217 etc.
3).
v. Görres, Die drei Grundwurzeln des keltischen Stammes in
Gallien, S. 13, 26. Abh. d. Bayer. Akad. d. Wiss. 1842 u. 1846.
4).
Caes. bell.
gall. VII, 22.
5).
Strabo 191.
6).
Le Martinet, Le Berry préhistorique und
Dr. Gurlt, Eisen- u. Stahlgewinnung bei den Römern, S. 12.
1).
Liger la ferronerie I, 307.
1).
Fouilles de Bibrakte de Bulliot, Revue Archeologique 1869, p. 315 etc.,
bes. Fouilles du mont Beuvray.
1).
Rev. archäol. vol. 21, p. 44.
2).
A. a. O. p. 51.
1).
Liger, la ferronerie I, S. 99 etc.
2).
Plin. hist. nat. XVIII, cap. 28.
3).
Caes. de bell. gal. V, 4 utuntur aut aere aut annulis ferreis ad certum pon-
dus examinatis pro nummo.
4).
Les armes d’Alise par M. de Reffye Paris 1864.
1).
Bertrand, Archeologie Celtique et Gauloise, S. 285.
2).
Bertrand a. a. O.
Fig. 74 bis 78.
3).
Bertrand a. a. O.
4).
Les Casques de Falaise etc. p. Charles
de Linas, Paris 1869.
1).
Diodor lib. V, 30 und S. 657.
1).
Athen. Deipnos lib. V, cap. 10.
2).
Strabo V, 22.
1).
Caes. bell. gall. V, 12.
2).
Utuntur aut aero aut taleis ferreis ad certum
pondus examinatis pro nummo (Caes. bell. gall. V, cap. 12).
3).
Strabo IV, p. 300.
1).
Pompon. Mela III, c. 6 … covinos vocant, quorum falcatis axibus utuntur.
1).
Scrivenor, History of the iron trade p. 29 u. s. w.
2).
Archaeological
Journal vol. XVII, S. 225 etc.
1).
Wilkin, leges Sax. p. 25.
1).
Caes. bell. gall. V, 12.
1).
British Barrows by Granwell and Rollestone, Oxford 1877.
2).
Times
10. Sept. 1862.
3).
On ancient British Barrows by John Thurnham, London
1873.
4).
Caes. bell. gall. IV, 33.
1).
Percy, Iron and Steal p. 876.
2).
Contribution to litterature historical,
antiquarian and metrical by Mark Autony Lower, 1854.
1).
A. a. O. p. 93.
2).
S. 206.
1).
Altniederdeutsch Velint, altsächsisch Wielant, angelsächsich Vêlant, altnordisch
Vôlundr.
1).
Übersetzt von Karl Simrock, Stuttgart 1863.
1).
a. a. O. S. 109.
2).
Der Kaukasus.
1).
a. a. O. S. 73.
2).
Siehe oben.
1).
Plutarch, Marius.
2).
Cassius Dio 38, 49.
1).
Caes. bell. gall. I, 40.
2).
Tacitus Germani, cap. VI. Ne ferrum quidem
superest, sicut ex genere telorum colligitur. Rari gladiis aut majoribus lanceis
utuntur: hastas, vel ipsorum vocabulo „frameas“ gerunt angusto et brevi ferro, sed
ita acri et ad usum hebili ut eodem telo, pront ratio poscit, vel comminus vel
emminus pugnent. Et eques quidem, sonto frameaque contentus est … Paucis
loricae, vix uni altervi cassis aut galena.
3).
Tacitus, Germ. V.
4).
Hildes-
heimer Fund.
1).
S. 628.
2).
S. 636.
3).
Herrmann, Masslographia.
4).
Dieselbe befindet
sich im Groſsherzogl. Museum zu Darmstadt.
1).
Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit, Heft III, Tab. II
u. Tab. V, 1, 2.
2).
In dem Folgenden halten wir uns an die gediegene Be-
schreibung der deutschen Waffen, namentlich aus der merowingischen Zeit von
L. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde I. Teil, Braunschweig
1880.
3).
Paul Diacon VI, 55.
1).
Leges Longobardicae XLII.
1).
Gregor v. Tours III, 10, V, 26; VII, 29 etc.
2).
Procop. bell. goth. IV, 31
u. Lindenschmit a. a. O. S. 171.
1).
Procop. bell. gall. II.
1).
Bei Gregor v. Tours und bei Sidonius Apollinaris.
2).
J. Grimm, Ge-
schichte der deutschen Sprache, S. 514 etc.
3).
Lindenschmit a. a. O. 201.
4).
Paul Diacon. III, 30.
1).
Lindenschmit.
2).
Fischart, Gargantua.
3).
Lindenschmit a. a. O. 206 etc.
1).
Tac. Germ. XXIV inter gladios se atque infestas frameas saltu jaciunt.
1).
Amm. Marc. XVII, 12.
2).
Nennius hist. Brit. cap. 46.
1).
Matthäus Paris, hist. Angl. (Otho Imp.) u. Lindenschmit a. a. O. 215.
2).
Leges Piraticae Halfi Regis Thormod. Thorfaens, Norweg. I, 186.
1).
S. 227.
2).
S. 197.
3).
Edda, Sigurd harkvidha II.
4).
S. 694.
1).
Tacitus Annal. XII, 35.
2).
Lindenschmit a. a. O. 217.
1).
Lindenschmit a. a. O. 219.
2).
Plutarch, Camillus.
3).
Nibel. 983.
1).
Cassiodor. Var. lib. V, epist. I, Regi Vandalorum Thrasamund, Theodo-
ricus rex. Spathas nobis etiam arma desecantes vestra fraternitas destinavit,
ferro quam auri pretio ditiores. Splendet illic claritas expolita, ut intuentium
facies fideli puritate restituant: quarum margines in acutum tali aequalitate des-
cendunt ut non limis compositae sed ingneis fornacibus credantur effusae. Harum
media pulchris alveis excavata quibusdam videntur crispari posse vermiculis:
ubi tanta varietatis umbra concludit ut intextum magis credas variis coloribus
lucidum metallum.
2).
Monach. St. Gallen II, 18.
1).
Paul Diaconus I, 27.
2).
Annolied XX, v. 293 bis 305.
1).
Siehe auch Clemm, Kulturgeschichte. Waffen und Werkzeuge 216.
2).
Lindenschmit a. a. O. 225.
1).
Lindenschmit a. a. O., Fig. 126 u. 127.
2).
Einhard, Ann. 799.
3).
Ein-
hard, vita Caroli 23.
4).
Monach. St. Gall. I, 34.
1).
Lindenschmit a. a. O. S. 241.
1).
Tacitus: „vix uni alterive cassis aut galea“.
1).
Lindenschmit 254.
2).
Paul Diacon. V, 40.
3).
Chronik der Franken-
könige 41.
4).
Beowulf v. 1464:
Den Helm doch hütete, das Haupt zu schirmen,

Ein Eber mit feinen Fäden bewunden …

Daſs nimmer ihn Beil noch Barte mehr beiſsen konnte.
5).
Lindenschmit a. a. O. 256.
1).
Sed cassis fabricata diu meliusque peracta Excipit assultum, mox et scin-
tillat in altum, Cujus duritia stupefactus dissilit ensis Walth. v. 1372 u. f.
1).
Lindenschmit 264.
2).
Lex Ripuar. tit. XXXVI. Siquis weregeldum solvere
debet scutum et lanceam pro duobus solidis tribuat.
3).
Lex Alamanorum tit.
LXV, 28. „Si quis autem longissimum digitum ita plagaverit ut inde mancus
est, ita ut complicari non possit aut scutum prendere, aut arma in terra per illum
recipere XII solidis componat.
4).
Lex salica tit. 29 art. 12 de cultello sexxaudro (?).
Siquis cultello alienum furaverit sexcentis denariis qui faciunt sol. XV culpabilis
judicetur.
5).
Lex Ripuariorum tit. 34, c. XI. Siquis weregeldum solvere debet
bruniam bonam pro XII solidis tribuat.
1).
Der Bischof Fortunatus schreibt an den Herzog Lupus:
Ferratae tunicae sudasti pondere victor

Et sub pulverea nube coruscus eras.
2).
C. M. capitulare ad a 805, et insuper omnis homo de duodecim mansus bru-
neam
habeat.
3).
Beowulf V, 456.
4).
Walth. 965.
1).
Alii caesim atque punctim foraminatos circulos loricarum digitis livescentibus
metiuntur sid. Apoll. lib. III, epist. III.
2).
Lindenschmit a. a. O. 269.
3).
Gregor
von Tours VI, 26; ut erat loricae pondere adgravatus.
4).
Beowulf 325 etc.
1).
Rotharis leges cap. 293.
2).
Sachsenspiegel II. Bch., Art. 15.
1).
Bruns, Beiträge zum deutschen Recht, S. 69.
1).
Cassiod. Variar. III, 25, 26; VII, 18, 29.
2).
Paul Diacon. hist. O.:
Longob. I, 27.
3).
Münichsdorfer a. a. O. 9.
1).
Münnichsdorfer a. a. O. S. 19.
1).
Mehlis, Prähistor. Funde der Pfalz in den Mitteilungen des histor. Vereins
der Pfalz.
1).
Traditiones Laureshamenses in Cod. Lauresham. abbat. diplom. Manhemii 1768
bis 1770 III, S. 226 und Dr. Becker, Geschichte des Bergbaues in Nassau in der
Zeitschrift für Bergrecht, Bd. XVIII, S. 417.
2).
Nach Becker.
3).
W. Rinmann,
Beschreibung des Bergreviers Wetzlar, Bonn 1878, S. 71.
1).
Bricho trad. sto. Bon. bona sua in Brahtaha in loco ubi ferrum in terra in-
venitur, 30 uirgas in longum et totidem et latitudine et in allit. quantum uis
(Dronke, traditiones Fuldenses S. 113, 287). Ferner: Biricho de Brahtaha trad. sto.
1).
Bon. bona sua in Brahtaha terram 10 uirgarum et in alio loco 30 uirgarum
(Dronke trad. Fuld. S. 113 N. 291). In Dronke codex diplomaticus Fuldensis,
Register S. 8, findet sich ein Biricho als Zeuge von 779 bis 823. Brahtaha soll
das heutige Kirchbracht sein, nach Landaus Wettereiba S. 117.
1).
Georgisch, corp. jur. German. ant. p. 230.
1).
Berlepsch, Chronik der Gewerke.
2).
Grimm, deutsche Rechtsprechung
S. 352.
1).
Alle Bergwerke und Bergwerksabgaben gehörten der kaiserlichen Kammer.
Capitularia apud Heinecce Corp. J. Germ.
2).
Capitularia Carol. M. art. 62,
fol. 340.
3).
Lori, Bayer. Bergrecht IV.
1).
Muchar, Geschichte Steyermarks.
1).
Dipl. Styr. II, p. 68.
2).
Item ferrum de Trofajach debet duci tantum ad
civitatem Judenburck, ibique venalitate exponi ut ab antiquis temporibus est con-
suetum.
3).
Dipl. Styr. I, 606.
4).
Muchar a. a. O.
1).
Admonter Urkunden 1130.
2).
Fejér Cod. Dipl. Hung. IV, I, 119 bis 121.
1).
Münichsdorfer a. a. O. S. 15 und unparteiische Abhandlungen vom Zustand
des hohen Erzstiftes Salzburg §. 215.
1).
Münichsdorfer a. a. O. S. 19 etc.
1).
Überhaupt spielte der Besitz von Goslar eine hervorragende Rolle in dem
historisch so wichtigen Streite zwischen Heinrich dem Löwen und Friedrich Bar-
barossa. Heinrich verlangte als Preis für seine Unterstützung Goslar zum Lehen,
was der Kaiser verweigerte, denn er würde dadurch nicht nur ohne Verschulden
Goslars diese Stadt ihrer Reichsfreiheit beraubt, sondern auch mit der festen,
reichen, dem Kaiser alle Zeit treuen Stadt die letzte Stütze, welche die kaiserliche
Macht im Lande Sachsen besaſs, aufgegeben haben; ferner wären die reichen
Berg- und Hüttenwerke um Goslar dem schon allzustarken Herzog in die
Hände gefallen. Philippson, Geschichte Heinrichs des Löwen, Leipzig 1867, Bd. 2,
S. 208.
2).
Wagner corpus jur. metallici XXX und weiter unten S. 764.
1).
Lori a. a. O. X u. II Feud. 56.
2).
In einem Lehnbriefe Konrads III.
werden Gold, Silber, Kupfer, Blei und Zinn unter die Regalien gerechnet (Schaten
Annal. Paderborn, S. 786).
3).
Dipl. apud. Hund. I, III, p. 282 und Lori X.
4).
Dipl. aqud Hundium, p. 247.
1).
Vergl. Beiträge zur Geschichte der ältesten bergrechtlichen Urkunden von
J. Tuscani, Zeitschrift für Bergschrift 1877, S. 336.
2).
Joseph von Sperges,
Tyrolische Bergwerksgeschichte 1761, S. 263.
1).
In der Bergwerksordnung des Bischofs Friedrich von Trient im Jahre 1208
wird unter anderen Zeugen ein Waltherins ferrarius genannt. Bergwerksgeschichte
von Sperges, S. 268.
1).
Sperges a. a. O. S. 268.
2).
Ob hier Tret-, Wind- oder Wasserräder ge-
meint sind, bleibt unbestimmt, wahrscheinlich erstere.
1).
Geschichte d. böhmischen Bergwerke, Bd. II, S. 14 u. 15.
2).
D. M. Philipp-
son, Geschichte Heinrichs des Löwen, Herzogs von Bayern und Sachsen, Leipzig
Bd. 2, 239.
1).
Wagner, Corpus. jur. met. XXX.
2).
Wagner a. a. O. 1022.
1).
Istud etiam adjubimus, quod ipsius Custodes fodinae jus custodiae fodinae
mullatenus debeant in ipsa fodina concipere, sed aute fodinam secundum jus
constitutum ipsius montis in Zezzen
. Wagner, Corp. jur. met. S. 34.
2).
Lori, Sammlung d. bayerischen Bergrechtes 1764, S. XVIII (§. XI); a. a. O.
Beilagen S. 4.
3).
Lori a. a. O. XIX.
4).
Item Dominus. Rex delit civibus
in Ambergh thelonium suum auf dem „Ärtzberge“ etc. Registr. Ludovic. Bav.
in öfelii Script. R. Boic. T. I, p. 753.
5).
Lori S. 13, XIV.
1).
Lori, S. 74.
1).
Dr. N. Hocker, Die Groſsindustrie Rheinlands und Westfalens.
2).
Lörsch,
Recht des Aachener Kohlenbergbaues. Zeitschrift für Bergrecht 1872, S. 481 etc.
1).
Lörsch will unter „unum panneil correctum“ ein Nivellierinstrument ver-
stehen, was wenig wahrscheinlich ist.
2).
Abgedruckt in Wagner corp. jur. met.
p. 1007 etc.
3).
Achenbach, die deutschen Bergleute der Vergangenheit. Zeit-
schrift für Bergrecht 1871, S. 80.
1).
Lori 109.
1).
Lib. 1, cap. 5.
2).
Achenbach a. a. O. S. 84, Anmerkung.
1).
Sperges, Tyroler Bergwerksgeschichte, S. 252.
2).
Schmidt, Sammlung
I, 43, 72.
1).
N. 206.
2).
Jura de libertates silvanorum 1271. Wagner corp. jur met.
1024, 1025.
1).
1421 erschienen zum erstenmal im Rheingau die Zigeuner (zinganorum
faex). Sie gaben vor, weil ihre Voreltern Jesus und Maria auf ihrer Flucht nach
Ägypten keine Herberge gaben, müſsten sie zur Buſse 7 Jahre in der Welt umher-
irren. Doch waren sie nur Landstreicher und Diebe, die das einfältige Volk betrogen.
(Roth’s Geschichtsquellen des Niederrheingaues Tl. I, S. 21.)
2).
Born, Reisen S. 128.
1).
Siehe oben S. 615, 636 etc.
1).
Swedenborgius, de ferro 1734, p. 171.
1).
Gleich 2½ bis 3 Zentner.
2).
Lampadius, Hüttenkunde II, 4. Bd., p. 281 etc.
1).
Siehe oben 476.
1).
Diodor Sicul. V. 15.
2).
Siehe oben S. 575.
3).
Vergl. Notice sur la
ſabric. du fer en Corse par M. Sagey, 1828, Annales des Mines 2. ser. 4, p. 121
bis 144. Auszug daraus in Percy, On Iron and Steel, p. 315; ferner Courdray,
Memoire sur la manière dont on extrait en Corse le fer. Paris 1775.
1).
La Peyrouse, Abhandl. über die Eisenwerke der Grafschaft Foix, übers.
v. Karsten 1789, p. 13.
1).
Blumhofs Einleitung zu Ole Evenstads Abhandl. über die Sumpf- und
Morasterze in Norwegen. Göttingen 1801, p. V.
2).
Ganaders, Mythologia
fennica.
3).
Indicia mineralogica in Fennia subgentilismo §. III, Praes. Gadd.
Abö 1767.
1).
Phantasiereiche Philologen wollen die erste Sylbe Åſs auch von den Asen
ableiten.
1).
Swedenborg, de ferro, p. 119.
1).
Bauernöfen zu Swedenborgs Zeit (Anfang des 18. Jahrhunderts).
1).
Ole Evenstad a. a. O. p. 70.
1).
Siehe oben S. 730.
1).
Swedenborgius, de ferro 1734, p. 177.
1).
Siehe Gabriel Jars, Metallurgische Reisen, übersetzt von Gerhard, Berlin
1777, Bd. I, S. 51 etc.
1).
Gallois, der Hansabund S. 121, will den Namen von dem Tuchstempel her-
leiten, der aus Stahl gewesen sei.
1).
Ole Evenstad, Gekrönte Preisschrift über die Morasterze in Norwegen etc.
p. 68 etc.
1).
Ferrum, quod ad liquescendum est aptum et praeterea durum, atque quod
acile duci potest.
1).
Siehe Tunner, der wohlunterrichtete Hammermeister.
1).
Violet le duc, — Dictionnaire de l’architecture, Bd. VIII, S. 288 etc. Artikel:
Serrurerie.
2).
S. 572.
1.
Violet le duc, a. a. O. VIII, 293.
1).
S. 197.
1).
Klemm, Kulturgeschichte der Menschheit, Bd. 9, S. 430 etc.
1).
Hagens Heldenbuch 115 etc.
2).
Im Wilahalm.
1).
Alphons Thun, Die Industrie am Niederrhein S. 8, Staats- und socialwissen-
schaftl. Forschungen von G. Schmoller II, Heft 3, 1879.
1).
Privileg. vom 24. Nov. 1472.
2).
Privileg. von 1401, Pauli Bekehrung.
3).
Privileg. vom 9. März 1412.
1).
Siehe oben S. 449.
2).
Siehe S. 718.
1).
Siehe Fig. 146.
2).
Demmin, die Kriegswaffen, S. 394.
1.
Im Artilleriemuseum zu Paris, trägt in gotischen Buchstaben die Inschrift
„Maria“.
2).
Berlepsch, Chronik der Gewerbe, Bd. VII, S. 120 etc.
2).
Berlepsch, Chronik der Gewerbe, Bd. VII, S. 120 etc.
1).
Berlepsch a. a. O. S. 131.
2).
Näheres hierüber: Siebenkes, Materialien
zur Nürnberger Geschichte III, S. 197 bis 200 und Berlepsch a. a. O. 138 etc.
1).
Weiſs, Kostümkunde Bd. IV, S. 607, 610, 617, 625, 631, 637, 647.
1).
Weiſs, Kostümkunde, S. 637.
1).
Siehe Weiſs, Kostümkunde V, S. 152 etc.
2).
Berlepsch a. a. O. S. 99.
3).
Über eine anderweitige Bedeutung des Ausdruckes Krebse bei der Bewaffnung
siehe weiter unten.
1).
Wahrscheinlich von altdeutsch Sar (o) Panzer und worchen oder worchten,
arbeiten.
1).
Berlepsch a. a. O. 109.
1).
Die folgenden Skizzen sind Demmins Waffenkunde entnommen.
2).
Dem-
min a. a. O. S. 263.
1).
Von Halsberg entstanden.
2).
Mit Krebse bezeichnete man später auch
die geschiente Schenkelbekleidung.
1).
Bruns, Beiträge zu den deutschen Rechten des Mittelalters, S. 393.
2).
Appian, de bello Mithridat. p. 371.
1).
Aristoteles, hist. animal. II, 6 und Plinius, hist. nat. VI, p. 43.
2).
Sueton
Vesp. p. 23.
3).
Plinius, hist. nat. XXXIII, p. 49.
4).
Sueton, Nero p. 30.
5).
Plinius,
hist. nat. XXXIII, p. 49.
6).
Catull p. 17, 26.
1).
Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde, S. 295.
1).
Dasſelbe wurde als ein Stück von hohem Altertume in der Hofschmiede
des Herzogs von Nassau in Biebrich a. Rh. verwahrt.
2).
Beckmann, Beiträge
zur Geschichte der Erfindungen, Bd. III, S. 146 u. s. w.
3).
Seu saltem ferrata
sonum dare ungula equorum, Walth. p. 1203.
4).
Lindenschmit a. a. O. 295.
5).
Raumer, Geschichte der Hohenstaufen V, S. 292.
1).
Fastnachtsspiele 793, 14.
2).
W. A. Günther, topograph. Geschichte der
Stadt Koblenz, S. 244.
3).
Nürnberger Gesetz von 1399 in Siebenkees, Mate-
rialien zur Nürnberger Geschichte Bd. IV, S. 687.
1).
Berlepsch, Chronik der Gewerke VII, S. 72 u. s. w.
1).
Berlepsch a. a. O. S. 79 u. s. w., ferner Bechstein, Märchenbuch, S. 29, der
Schmied von Jüterbogk.
1).
Berlepsch a. a. O. 86.
2).
Siehe oben Wielandslied S. 592.
1).
Homer, Odyss. VIII, 273 bis 278.
1).
v. Stetten, Kunstgeschichte der Stadt Augsburg V, 223.
1).
Siehe S. 459.
2).
Agricola, de natura fossilium, lib. IX.
1).
Liber ignium ad comburenda hostes ed. Par. p. 5: Secundus modus ignis
volatilis hoc modo conficitur. Re. Acc. li. I sulfuris vivi, li. II carbonum tilliae,
vel salicis; VI li. salis petrosi, quae tria subtilissime terantur in lapide marmoreo.
Postea pulverem ad libitum in tunica reponatis volatili, vel tonitruum facientem.
Nota, tunica ad volandam debet esse gracilis et longa, et cum praedicto
pulvere optime conculcato repleta. Tunica vero tonitruum faciens debet esse
brevis et gressa, et praedicto pulvere semiplena et ab utraque parte fortissime
filo ferreo bene ligata.
Nota, quod in qualibet tunica parvum foramen faciendum est ut tenta impo-
sita accendatur, quae tenta in extremitatibus fit gracilis, in medio vero lata et
praedicto pulvere repleta.
Nota, quod ad volandum tunica plicaturas ad libitum habere potest: tonitruum
vero faciens, quam plurimas plicaturas.
Nota, quod duplex poteris facere tonitruum atque duplex volatile instrumen-
tum; videlicet tunicam includendo.
Nota, quod sal petrosum est minera terrae et reperitur in scorphulis contra
lapides. Haec terra dissolvitur in aqua buliente, postea depurata et destillata per
filtrum, et permittatur per diem et noctem integram decoqui et invenies in fundo
laminas salis congelates cristallinas.
1).
Favé, Études III, p. 89.
1).
Übersetzung aus Armamentarium principale. Frankfurt a. M. 1625.
1).
Violet le duc, a. a. O. Art. Engin. (vol. V).
1).
Durchaus nicht von Lombardes, wie einzelne ältere Interpretatoren erklären.
1).
Die „faule Mette“ in Braunschweig angebl. am 8. Febr. 1411 gegossen.
Martini dieses Jahres bezeugte der Rat: dat we uns verdragen hadden mit meister
Henninge Bussenschutten, dat he uns maken scholde eyne donrebussen, des heft
he uns eyne donrebussen geghoten und gemaket, dode hefft an wichte by hundert
unde sestich syntenere (Chronik der Stadt Braunschweig. — Abbildung in Sack,
Altertümer der Stadt Braunschweig, Tab. XI).
1).
Nach Robert Mallet, On the physical conditions involved in the construc-
tion of artillery etc. London 1856.
2).
s. Henrard a. a. O. S. 150.
1).
Gassarius, Annalen 1519, vergl. auch Würdinger I, S. 104.
1).
Comptes de l’artillerie 1473: Payé à Beauduin d’Alvain, bombardier de
Monseigneur pr. 9099 livres de fer fondu à 36 sols les cent livres et d’estinées à
la confection de 1313 boulets de grosses serpentines (Arch. du royaume V. Guil-
laume, p. 145).
1).
V. Biringuccio, Pyrotechnia. Libro VII delle palle di ferro, S. 247.
2).
1566 schlieſst die Stadt Mecheln mit dem Schmiedemeister Henry Jamotte von
Soulienne in der Grafschaft Namur einen Vertrag ab, 5000 Stück Kugeln von
5, 3½ und 1½ Pfund Gewicht zu liefern: le tout a telle rondeur et grosseur dont
audit Jamotte sont délivrés les patrons ou calibres, et au cas que les ditz bolletz
ne fussent faits et forgés rontz et de bonne facon, comme il appartient, sera
ledict Jamotte tenu en delivrer autres bolletz duysables et propres (Minute aux
archives de Malines).
3).
Herausgegeben vom germanischen Museum, Leipzig
1877.
3).
Burians Geschützwesen in Böhmen. Würdinger, Kriegsgeschichte von
Bayern, Franken von 1347 bis 1506, Bd. I, S. 157.
1).
La Fons Melicocq p. 15 et 16; Henrard, Histoire d’artillerie en Belgique
p. 169, 1412 à Jacques Yolens orlogeur et cannonier, pour 2 petits canons portatis
pesant XLIII liv. qu’il venait de fondre, considéré qu’il n’en y avait aucun de
tel fachon et qu’il sont tout de fier … IV, lib. XVI s. faibles.
1).
Pour avoir fait fondre un petit canon de fer à jetter plommées …
XXXVI s. faibles.
2).
Essenwein, Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen S. 18,
in Tab. XXIII b.
1).
Violet le duc, Dictionnaire raisonné de l’architecture française de XI. et
XVI. siècle, Vol. V, Artikel Engin, S. 248.
1).
Y a de ce qui fut laissé par les Anglais: un gros veuglaire de fer fusté
de bois ayant deux chambres de fonte (Etudes sur le passé et l’avenir d’artillerie
I, 375).
2).
Etudes sur le passé etc. a. a. O. III, p. 128 und 130.
1).
Azevedo, Cronyke van Mechelen.
2).
Le Fons Melicocq, D. l’artillerie de
la ville de Lille etc., p. 17.
1).
Etudes sur le passé etc. I, III, p. 72.
2).
Meynert, Geschichte des Kriegs-
wesens in Europa I, 351.
1).
Hieraus die Zeichnungen in Essenwein, Beiträge zur Geschichte der Feuer-
waffen etc.
1).
Würdinger, a. a. O. II, S. 399.
1).
Würdinger.
2).
Mone VI, 176.
3).
Würdinger I, 105.
1).
Schieſst bei der Belagerung von Bordeaux mit eisernen Kugeln.
2).
Nach
dem Verzeichnis des Anschieker, s. Essenwein a. a. O. 39.
3).
Er erzählt von
sich, er habe in den Jahren 1470 und 1471 aus den Hauptstücken 372 Tonnen
Pulver verschossen und damit Boxberg, Schüpf, Strolnheim, Armsheim, Ruprechts-
eck, Wachenheim, Bockenheim und Lamsheim bezwungen. Er sagt ferner: Wer
ein Scharfmetz, Basilisken, Nachtigall, Singerin oder Chartaun schieſst, der ist ein
Büchsenmeister, der aber Drachen, Schlangen und andere kleine Büchsen schieſst,
der ist ein Schütz.
4).
Würdinger II, 398.
1).
Gassarius Annales ad an. 1373.
2).
Nachdem er Leib und Leben für das
Gelingen des Gusses einer Büchse eingesetzt hatte, welche dennoch verunglückt
war, muſste er geloben, keine Büchsen zu gieſsen, die schwerer als 50 Pfund
waren, das Land des Herzogs nicht zu verlassen und mit dem neuangenommenen
Meister Frieden zu halten.
3).
Die faule Mette.
1).
Essenwein a. a. O. 46.
2).
Maximilians Zeugbuch giebt dagegen zur
Hauptpuchs Endarferrin folgenden Vers:
„Georg Endorffer goſs mich,
welcher nit frid hab der nütz mich.“
1).
Von aranea, die Spinne.
1).
Würdinger I, 195.
1).
Weitere Bezeichnungen waren lang korthonen, kurtz korthonen, Notpüchsen,
Viertelpüchsen.
2).
Besonders groſse hieſsen Basilisk und Wurm, später Drachen.
1).
Kriegsschule 1698, I, 439.
1).
Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen, herausgegeben vom germanischen
Museum, Leipzig, F. A. Brockhaus 1877, S. 34 etc.
2).
Wir müssen dabei freilich
bemerken, daſs dieselbe groſse Umwege zu uns gemacht hat. Nachdem sie ver-
schiedene Male von einer Sprache in die andere nachübersetzt worden ist, liegt
uns die letzte deutsche Übersetzung vor in der Broschüre: Pfister, R., Monstre-
Geschütze der Vorzeit. Aus dem Russischen übersetzt. Kassel und Leipzig 1870,
Luckhardtsche Verlagshdl., S. 10 ff. Die modernen technischen Ausdrücke sind
natürlich auf dem Umwege der verschiedenen Übersetzungen in den Text ge-
kommen. Ohne Vergleich des griechischen Originals lassen sie sich nicht beseiti-
gen. Immerhin hat aber der Bericht auch in dieser Form so viel technisches
Interesse, daſs wir auf dessen Wiedergabe nicht verzichten können.
1).
Biringuccio, Pyrotechnia, lib. VII, cap. 9, p. 247 etc.
1).
Sächs. Denkmäler II, 69.
1).
Nach der deutschen Übersetzung des Siegmund Feyerabend, Frankfurt 1580.
1).
S. oben S. 579 etc.
2).
Si aquae copia est, fusuras balnearum debent
pistrina suscipere; ut ibi formatis aquariis molis, sine animalium vel hominum
labore frumenta frangantur.
1).
Will, monumenta Bleidenstatensia, S. 5. Im 10. Jahrhundert schenkte
Otto I. den Nidinhof mit Zubehör dem Hochstift Salzburg mit samt den Mühl-
plätzen (molendinarumque locis. — Iuvavia p. 187). Ebenso schenkte Kaiser
Otto II. am 15. Oktober 985 die Fiskalgüter Ratzwein und Zitilensfeld an den
Grafen Rachwein „mit allen Mühlen“.
1).
Plinius lib. 36, cap. 6, p. 732: Secandi marmor in crustas nescio in Cariae
fuerit inventum antiquissima quod equidem inventum, Halicarnassi Mausoli domus
Proconnesio marmore exculta est, lateritiis parietibus. Is obiit Olimpiadis CVI
anno secundo, urbis Romae anno CCCCIV — —. Sed quisquis primum invenit
secare, luxuriamque divitere, importuni ingenii fuit. Arena hoc fit, et ferro videtur
fleri, ferro in praetenni linea premente arenas, versandoque tractu ipso secante.
1).
Beckmann a. a. O. 2, 268 etc.
1).
Mabillon, annales ordinis S. Benedicti tom. V, Lut. Par. 1713, p. 474.
2).
Beckmann 1, 35.
3).
Eine Stampfmühle, wahrscheinlich zum Ölschlagen, wird
bereits im Jahre 1170 in Admonts Urkundenbuch erwähnt (Muchar a. a. O. IV,
91): molendinum quoque unum et „Stampf“ unum.
1).
G. Agricola a. a. O. lib. IX.
2).
Benzelstjerna, Schedisma de re metal-
lica cap. 4, §. 1.
1).
Siehe oben Fig. 130.
2).
G. Agricola, de re met. lib. IX.
1).
Veröffentlicht von Dr. Becker in einem Aufsatze: Geschichte des Bergbaues
und des Bergrechtes im vormaligen nassauischen Amte Weilmünster in der Zeit-
schrift für Bergbau Bd. XVIII, 4, 428.
1).
Eine Solmssche Belehnung mit einer Waldschmiede findet sich in Baur,
Hess. Urkundenbuch, Bd. III, Darmstadt 1863: 1448 (29. Septbr.). Wir Johann
Grave zu Solmſs bekennen, daſs wir Rudiger Waltsmyd, Elsen seiner elichen huſs-
frauwen unde Yren erben geluhen han ein flecken zoschen Ittingishusen unde
1).
Dieses Werk ist jetzt im Besitz der Herren Gebrüder Buderus.
1).
abern Bessingen gelegen oben an dem Steiniss, darof sie ein waltsmytten buwen
und machen sollen und uns und unsern Erben davon jerlichs of. s. Martinstag jn
unser Kelnery gein Liche zu Erbezinss geben VI gulden geldes frankenfurter weronge,
zwo wagen Isens unde zweye par Artysen.
1).
Becher, Mineralog. Beschreibung der Nassau-Oranischen Lande. Marburg
1789, S. 510 etc.
2).
Woraus der heutige Ort Fickenhütten entstanden ist.
1).
Siehe Goertz, Regesten der Erzbischöfe von Trier (1456 bis 1503).
1).
Mercurius est materia metallorum cum sulphure. Sulphur est pinguetudo
in minera terrae, per temperatam decoctionem inspissata, quousque induretur et
sicca fit. —
Mercurius est aqua viscosa in visceribus terrae substantiae subtilis, albae
terreae per calorem temporatissimum, unita totali unione per minima, quousque
humidum temperetur a sicco et siccum a humido aequaliter.
1).
Chalybs autem ferri species alia non est, sed ejus subtilior pars et aquasior
per destilationem ex ferro extincta.
1).
Albert Ilg. Ed. Theophil. Presb. im VII. Bd. d. Quellengeschichte v.
Eitelberger von Edelberg. Einleitung XLIII.
1).
Nach der Übersetzung von Ilg.
1).
Beschreibung einer Vorrichtung, die Flächen rauh zu machen.
1).
Siehe a. a. O. lib. II, cap. XXIV.
1).
Vergl. Afrika, S. 316, 322, 331.
1).
Dieses scheint der erste Anfang eines Walzwerkes gewesen zu sein.
1).
Leonardo da Vinci als Ingenieur und Philosoph v. H. Grothe, Berlin 1874.
1).
Nach Grothe a. a. O., S. 70 etc.
1).
Grothe a. a. O. 51.
1).
Grothe a. a. O. 57.
1).
Grothe a. a. O. S. 68.
1).
Grothe a. a. O. S. 72, wo eine Anzahl interessanter Skizzen mitgeteilt ist.
1).
Soviel wir wissen, hat die bayrische Regierung für die Bearbeitung der
Manuskripte Leonardos, die sich auf Mechanik beziehen, einen Preis ausgesetzt.