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DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG
FÜNFTE ABTEILUNG
DAS XIX. JAHRHUNDERT
VON 1860 AN BIS ZUM SCHLUSS

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DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG
VON

Dr. LUDWIG BECK

FÜNFTE ABTEILUNG
DAS XIX. JAHRHUNDERT
VON 1860 AN BIS ZUM SCHLUSS

MIT 344 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN ABBILDUNGEN

BRAUNSCHWEIG
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN
1903

[]
[]

INHALTSVERZEICHNIS.


Die Geschichte des Eisens von 1861 bis 1870.


[VI]Inhaltsverzeichnis.

Die Geschichte des Eisens von 1870 bis Ende
des Jahrhunderts.



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Die Geschichte des Eisens von 1861 bis 1870.


Einleitung.


Die Eisenindustrie nahm in dem Jahrzehnt von 1861 bis 1870
einen mächtigen Aufschwung. Die wichtigen Erfindungen, welche in
dem vorhergegangenen Jahrzehnt gemacht worden waren, kamen in
diesem Zeitabschnitte zur Geltung, Anwendung und vollen Entfaltung.
Es waren dies namentlich der Bessemerprozeſs und Siemens
Regenerativfeuerung
. Hierzu traten zahlreiche neue Erfindungen,
welche in dieser Zeit gemacht wurden. Waren dieselben auch nicht
so originell und grundlegend, wie die genannten, so hat doch eine
derselben, der Martinprozeſs, obgleich eigentlich nur eine glück-
liche Anwendung von Siemens’ Regenerativfeuerung, in ihrer weiteren
Ausgestaltung eine groſse praktische Bedeutung erlangt.


Alle diese wichtigen Erfindungen dienten in erster Linie der
Stahlbereitung. Um die Darstellung, Verarbeitung und Verwendung
des Stahls drehte sich in dieser Zeit das Hauptinteresse. Die Ver-
billigung des Stahls vermehrte seine Anwendung von Jahr zu Jahr.


Die technischen Fortschritte waren es aber nicht allein, die den
Aufschwung der Eisenindustrie in diesem Jahrzehnt bewirkten. Äuſsere
Umstände wirkten dazu mit und zwar nicht nur Werke des Friedens,
sondern in hervorragender Weise auch Werke des Krieges, die des
Eisens bedurften und die Eisenindustrie in ausgedehntem Maſse
beschäftigten. Die uralte Doppelnatur des Eisens, die zerstörende
und die schaffende, trat in diesem kriegerischen Jahrzehnt wieder
einmal in neue grelle Beleuchtung. In ihm vollzog sich die Umwälzung
der Waffentechnik, welche hauptsächlich durch die Fortschritte der
Eisenindustrie und durch die Verbilligung des Stahls veranlaſst war.
Der Umschwung in der Bewaffnung und die Massenerzeugung übten
wieder ihre Rückwirkung auf die Entwickelung dieser Industrie aus.


Beck, Geschichte des Eisens. 1
[2]Einleitung.

Betrachten wir in Kürze die kriegerischen Ereignisse, welche
hierzu beitrugen. In Europa hatte Napoleon III. die Erbschaft seines
groſsen Oheims angetreten und wurde unter der heuchlerischen Maske
eines Vorkämpfers der Civilisation der Störenfried Europas. Seine
hervorragenden Kenntnisse des Artillerie- und Bewaffnungswesens ver-
wendete er zur Neuorganisation der Ausrüstung der französischen
Armee. Er erkannte insbesondere die hohe Wichtigkeit der gezogenen
Feuerwaffen und dehnte dieses Prinzip auch auf die Geschütze aus.
In dem Feldzuge gegen Österreich im Jahre 1859, dem „Italienischen
Kriege“, traten Napoleons gezogene Vierpfünder zum erstenmal in
Aktion und bewiesen ihre Überlegenheit über die glatten Geschütze
der Österreicher. Diese Überlegenheit der Feldartillerie trug wesentlich
zu den Siegen der Franzosen bei. Es waren dies aber noch Bronze-
geschütze und die Erfolge, welche Napoleon mit denselben errungen,
waren die Veranlassung, daſs er den Versuchen, die Bronze durch
Guſsstahl zu ersetzen, welche Preuſsen auf Alfred Krupps unermüd-
liches Betreiben hin aufgenommen hatte, nicht die Aufmerksamkeit
schenkte, die sie verdienten. Dagegen würdigte er eine andere neue
Verwendung des Eisens für die Kriegsausrüstung in vollem Maſse,
die der Eisenpanzerung der Schiffe.


Die ersten Versuche auf diesem Gebiete waren in Amerika gemacht
worden. Der berühmte schwedische Ingenieur Ericsſon hatte seine
groſse Erfindungsgabe dieser Aufgabe gewidmet. Auf Napoleon hatte
aber besonders die Vernichtung der türkischen Flotte bei Sinope am
30. November 1853, welche die Wehrlosigkeit der Holzschiffe gegen
moderne Artillerie deutlich bewiesen hatte, tiefen Eindruck gemacht
und er lieſs deshalb schon 1854 schwimmende Batterien mit starker
Eisenpanzerung bauen. Von diesen Verteidigungsschiffen ging man zu
gepanzerten Schlachtschiffen über und nun begann jener für die Ent-
wickelung der Eisenindustrie so wichtige Wettkampf zwischen Panzer
und Geschütz, welcher von da an ununterbrochen fortgeführt wurde.
Die Panzerplatten übertrafen bei weitem an Dicke die stärksten Blech-
platten, die man bis dahin hergestellt hatte. Zu ihrer Anfertigung
waren deshalb viel schwerere Hämmer und stärkere Walzwerke not-
wendig, als man vordem gebaut hatte. Die eisernen Platten von 5 und
6 engl. Zoll Dicke vermochten indes nicht lange den immer stärker
konstruierten Geschützen und den immer härteren Geschossen, die
man aus Stahl und Hartguſs anfertigte, zu widerstehen. Man war des-
halb gezwungen, auch die Panzerplatten aus Stahl herzustellen, wozu
aber wieder viel stärkere Bearbeitungsmaschinen erforderlich wurden.


[3]Einleitung.

Ihre Feuertaufe empfingen die Panzerschiffe da, wo sie zuerst
entstanden waren, in Amerika, in dem groſsen Bürgerkriege bei dem
berühmten Kampfe des Monitor gegen den Merrimac an der Mündung
des St. Jamesflusses am 9. März 1862. Ersterer, ein von John
Ericsſon
erbautes, stark gepanzertes Turmschiff von unscheinbarer
Gestalt und Gröſse, vernichtete durch sein riesiges Geschütz das viel
gröſsere, aber schwächer gepanzerte Schlachtschiff der Südstaaten, das
mit einem kräftigen Eisensporn zum Angriff ausgerüstet war. Dadurch
war der Werth einer starken Panzerung und die Überlegenheit der
Turmschiffe gegenüber den Batterieschiffen erwiesen. England beeilte
sich deshalb, dieses System einzuführen, und lieſs noch in demselben
Jahre das groſse gepanzerte Linienschiff „Royal Sovereign“ umbauen
und mit vier Panzertürmen versehen.


In der weiteren Entwickelung kam man zu zwei Türmen oder gar
nur zu einem drehbaren, mit Stahlplatten gepanzerten Turm, den man
mit immer mächtigeren Geschützen ausrüstete. In England war es
Oberst Coles, der sich hervorragende Verdienste um die Konstruktion
dieser gepanzerten Drehtürme erwarb. Der Umbau der sämtlichen
Kriegsschiffe in Panzerschiffe eröffnete der Eisenindustrie ein neues,
groſsartiges Arbeitsfeld, dessen technische Bedeutung wir später noch
kennen lernen werden.


In dem deutsch-dänischen Kriege, der 1864 ausbrach, kamen die
Kruppschen Guſsstahlgeschütze zum erstenmal in Aktion und
bewährten sich glänzend, namentlich bei Düppel. Dies veranlaſste
Preuſsen, auf dem eingeschlagenen Wege fortzufahren. Dagegen
schienen die Erfolge nicht augenfällig genug, oder wurden nicht
genügend gewürdigt, um auch die anderen Staaten, namentlich
Österreich und Frankreich zu bewegen, von ihrem Bronzegeschütz, für
welches eine ausgesprochene Vorliebe bestand, abzugehen. In dem
Kriege zwischen Preuſsen und Österreich im Jahre 1866 hatte die
preuſsische Artillerie wenig Gelegenheit, ihre Überlegenheit zu
beweisen. Der heldenmütige Kampf der österreichischen Artillerie bei
Königgrätz mit gezogenen Bronzegeschützen und der Umstand, daſs
mehrere der neuen 8 cm Guſsstahlröhren mit Keilverschluſs ohne vor-
herige Anzeichen und ohne nachweisbare Fehler des Materials zer-
sprangen, schien zu Gunsten der Anhänger der Bronzegeschütze zu
sprechen.


Dagegen bewährte sich das preuſsische Zündnadelgewehr gegenüber
den österreichischen Vorderladern so glänzend, daſs man der Überlegen-
heit der preuſsischen Infanteriewaffe einen groſsen Teil der glänzenden
1*
[4]Einleitung.
Erfolge in diesem Feldzuge zuschrieb. Die Wirkung davon war, daſs
alle Staaten sich beeilten, ihre Infanteriegewehre in Hinterlader um-
zuwandeln, und daſs ein neuer Wettkampf in Bezug auf die besten
Hinterladegewehre entstand. Die Umwandlung der Bewaffnung der
ganzen Infanterie setzte die Waffenfabriken in fieberhafte Thätigkeit
und förderte nicht wenig die Eisenindustrie.


Preuſsens groſse Erfolge schienen die Hegemonie Frankreichs,
welche sich dieses unter dem napoleonischen Kaisertume angemaſst
hatte, zu gefährden und es war nur eine Frage der Zeit, wann dieser
Wettstreit zum Austrag kommen würde. Beide Teile rüsteten sich zu
diesem Kampfe. Die Waffenfabriken und Geschützgieſsereien kamen
nicht zur Ruhe.


Im Juli 1870 brach denn auch der groſse deutsch-französische
Krieg aus, und jetzt erwies sich die Überlegenheit der Kruppschen
Guſsstahlkanonen in glänzender Weise. Die französischen Bronze-
kanonen waren denselben in keiner Weise gewachsen und die Thätig-
keit der weittragenden Kruppschen Geschütze war um so wichtiger,
weil sich bald zeigte, daſs das französische Chassepotgewehr dem
preuſsischen Zündnadelgewehr bedeutend überlegen war, namentlich
weil es eine viel längere Flugbahn hatte. Die deutsche Artillerie mit
ihren Kruppschen Guſsstahlkanonen kam besonders bei der ent-
scheidenden Schlacht von Sedan zur Geltung, die hauptsächlich durch
diese so glänzend gewonnen wurde, und es ist eine eigene Ironie des
Schicksals, daſs Napoleon gerade durch die Waffe geschlagen, gefangen
und vom Throne gestürzt wurde, die seine Specialwaffe war und deren
Geschichte er so eifrig studiert und so vortrefflich geschrieben hatte 1).


Übte der Krieg in diesem Jahrzehnt einen groſsen Einfluſs auf die
Eisenindustrie aus und war diese eifrig mit der Herstellung immer voll-
kommenerer und furchtbarerer Vernichtungswerkzeuge beschäftigt, so
bildete diese Thätigkeit doch nur den kleineren Teil ihres Schaffens,
das in viel höherem Maſse von den Werken des Friedens in Anspruch
genommen wurde. Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen und nament-
lich auch Maschinen, die mit der wachsenden Industrie fortwährend
an Kraft und Gröſse wuchsen, gaben mit der zunehmenden Eisen-
verwendung im Bauwesen einen immer umfangreicheren Absatz. Wie
mannigfaltig und umfassend diese Verwendung war, das zeigte sich
besonders auf den beiden groſsen Weltausstellungen, der zu London
1862 und der zu Paris 1867, welche in diesen Zeitraum fielen.


[5]Einleitung.

Mit Recht nannte ein Schriftsteller jener Zeit (Kohn) die Welt-
ausstellungen die Marksteine für die Entwickelung der Eisenindustrie.
Dies kann besonders von der Londoner Ausstellung von 1862 gelten.
Auf ihr zeigte sich der Triumph des Stahls; auf ihr bewies der
Bessemerprozeſs zuerst seine Lebensfähigkeit. Die mannigfaltigen
Gegenstände aus Bessemerstahl gefertigt, welche der Erfinder selbst,
John Brown von Sheffield, und die schwedischen Stahlfabrikanten
ausstellten, bezeugten seine Verwendbarkeit und daſs das neue Ver-
fahren aus dem Versuchsstadium herausgetreten war.


Groſsartig erschien die Entfaltung des Guſsstahls. Der oben-
erwähnte Schriftsteller bezeichnet deshalb die zweite Weltausstellung
und das Jahr 1862 als den Beginn des „stählernen Zeitalters“. Der-
jenige, der aber dieser Vorführung des Guſsstahls in London ihren
Glanz verlieh, dessen Leistungen alle anderen weit übertrafen, war nicht
ein Engländer, sondern der Deutsche Alfred Krupp, dessen Aus-
stellung die englischen Eisenindustriellen geradezu verblüffte. Welche
Fortschritte in den elf Jahren seit der ersten Londoner Ausstellung
zeigten sich da! Hatte im Jahre 1851 Krupps Guſsstahlblock von
2,25 Tonnen Gewicht die allgemeine Bewunderung erregt, so war
diesmal ein Block von 20 Tonnen oder 40000 Pfund Gewicht aus-
gestellt. Derselbe war aus 600 Tiegeln gegossen und mit dem gröſsten
Dampfhammer der Welt, Krupps 1000 Ctr.-Hammer, in der Mitte zer-
brochen worden. Der Bruch war fehlerlos und von gleichem, feinem
Korn. Nach solcher Leistung erklärten Sachverständige: Krupp sei
nichts mehr unmöglich. Wenn aber auch die Stahlindustrie die
Palme des Sieges davontrug, so bethätigten doch auch die übrigen
Zweige der Eisenindustrie bemerkenswerte Fortschritte. Wir wollen
dieselben hier nicht aufzählen, um Wiederholungen zu vermeiden, da
wir bei den Einzelschilderungen ihrer doch gedenken müssen. Erwähnt
muſs nur werden, daſs auſser dem Fortschritt in der Stahlbereitung
ganz besonders die Fortschritte in der Bearbeitung von Stahl und
Eisen hervorragend in die Augen fielen. Das Gewicht, die Gröſse und
Vollendung der Schmiede- und Walzstücke erregten gerechtes Erstaunen.


Die Fortschritte in der Formgebung seit der ersten Londoner
Ausstellung waren überraschend. Auch hier traten wieder vor allen
anderen die Leistungen Krupps hervor, besonders durch seine Stahl-
kanonen. Krupp konnte mit seinem 1000 Ctr.-Hammer die gröſsten
Stahlblöcke verschmieden. Ein geschmiedeter Guſsstahlblock 30 × 17 Zoll
im Querschnitt, von 15 Tonnen Gewicht war in vier Stücke zerbrochen
und zeigte überall dieselben gleichmäſsigen, fehlerlosen Bruchflächen.
[6]Einleitung.
Eine gewaltige Schiffsachse mit zwei Kurbeln für einen Dampfer des
Norddeutschen Lloyd in einem Stück geschmiedet wog 22000 Pfund
(11 Tonnen). Zu seinen tadellosen Eisenbahn-Radreifen, ohne
Schweiſsung aus Guſsstahl gewalzt, konnte er bemerken, daſs davon
über 40000 Stück von ihm geliefert worden seien, von denen viele
schon seit Jahren liefen. Von den Kanonenrohren wog eins mit
spiegelreiner Seele von 9 engl. Zoll Durchmesser 18000 Pfund und
eine gehärtete, polierte Walze von 10 Zoll Durchmesser und 16 Zoll
Länge glänzte heller als ein Spiegel.


Neben diesen Leistungen Krupps waren es zunächst die Panzer-
platten der Engländer, welche besonderes Interesse erregten. Davon
hatten die Mersey-Eisen- und Stahlwerke bei Liverpool geschmiedete
von 30 Fuſs Länge, 6 Fuſs Breite und 5½ Zoll Dicke ausgestellt,
während die von John Brown in Sheffield ausgestellten gewalzt
waren. Die vorgenannten Mersey-Stahlwerke zeichneten sich überhaupt
durch riesige Schmiedestücke aus; eine von ihnen ausgestellte Kurbel-
welle wog 24½ Tonnen.


Butterley \& Comp.-Eisenwerke zu Alfreton, welche gleichfalls
Panzerplatten ausgestellt hatten, leisteten Bewunderungswürdiges in
gewalztem Formeisen. I-(= Doppel-T-Schiene) Schienen von 3 Fuſs
Steghöhe, 12 Zoll breitem Fuſs und ½ Zoll Stärke waren in Längen
von 30 bis 60 Fuſs ausgestellt und eine Eisenbahnschiene von 5¼ Zoll
Höhe war auf 117 Fuſs Länge ausgewalzt.


Einen merkwürdigen Kontrast gegen die mächtigen Panzerplatten
bildeten die papierdünn ausgewalzten belgischen und englischen
Schwarzbleche, wovon das Copper-mine-Werk Muster ausgestellt hatte,
von denen der Quadratfuſs noch keine Unze wog.


Die groſse internationale Industrieausstellung vom Jahre 1867 in
Paris übertraf aber noch bei weitem alle vorhergegangenen an Umfang
und Pracht. Sie war bewunderungswürdig durch Mannigfaltigkeit und
Schönheit des Ausgestellten, wie durch Einheitlichkeit und Geschmack
der Anordnung. In ihr feierte der französische Geschmack einen
Triumph und sie diente dazu, die Herrschaft Napoleons noch einmal
in vollem Glanze erstrahlen zu lassen. Diese Nebenzwecke beein-
trächtigten aber den eigentlichen Grundgedanken, die sachliche Dar-
stellung des ernsten Wettkampfes der Industrieen der Kulturstaaten.
Es war zu viel Ausstattung und Schaugepränge, zu viel Unterhaltung
und Bewirtung, wodurch diese Ausstellung zum erstenmal mehr das
Bild eines groſsen Völkerjahrmarktes darbot, ein Fehler, der von da
[7]Litteratur 1861 bis 1870.
ab mit noch gröſserem Aufwand und geringerem Geschmack allen
folgenden Weltausstellungen anhaftete.


Die Eisenindustrie war groſsartig und mit groſsem Effekt vor-
geführt, besonders die französische, die ihr Bestes zur Schau stellte
und sich nur etwas zu sehr im Vordergrunde breit machte. Trotz-
dem bildete wieder die Kruppsche Ausstellung den eigentlichen
Mittelpunkt der Eisenabteilung und erregte die gröſste Bewunderung.
Sie hatte aber auch diesmal, im Gegensatz zu der Londoner Aus-
stellung, einen sehr günstigen, bevorzugten Platz und sie verdiente ihn
in der That, denn sie übertraf wieder alle Erwartungen. Der vor-
geführte Guſsstahlblock wog diesmal 80000 Pfund (40 Tonnen),
also doppelt so viel als der in London ausgestellte und zeigte denselben
schönen, tadellosen Bruch. Das gröſste Staunen rief aber die guſs-
stählerne Riesenkanone hervor, die 14 Zoll (35,5 cm) Seele hatte und
ca. 100000 Pfund (50 Tonnen) wog. Sie war als Ringkanone konstruiert,
und es wogen das innere Guſsstahlrohr ca. 40000 Pfund, die auf-
gezogenen Ringlagen ca. 60000 Pfund.


Wie die Kruppsche Ausstellung dasselbe Programm wie 1862,
nur in noch gröſserer, reicherer Ausführung bot, so kann man dasselbe
von der ganzen übrigen Eisenausstellung von 1867 sagen. Es waren
noch gröſsere Schmiedestücke, noch schwerere Panzerplatten, noch
höhere I-Eisen, noch längere Walzstücke, noch dünnere Schwarzbleche
ausgestellt. An neuen Ideen und neuen Erfindungen war die Aus-
stellung aber nicht reicher. Nur eine Neuheit von gröſserer Bedeutung
kam zur Darstellung, der Siemens-Martinprozeſs. Die Bessemer-
stahlfabrikation dagegen zeigte, daſs sie bereits ein wichtiger Teil der
Eisenindustrie geworden war.


Litteratur 1861 bis 1870.


Die Litteratur über das Eisen, seine Bereitung und Verwendung
ist in diesem Decennium eine sehr reichhaltige. Abgesehen von den
zahllosen Aufsätzen in den technischen und naturwissenschaftlichen
Zeitschriften, ist die Menge der in Buchform erschienenen Schriften auf
diesem Gebiet eine so groſse, daſs wir nur einen Überblick der
wichtigeren geben können.


Von Hauptwerken, welche die ganze Eisenindustrie behandeln, erschienen
zuerst im Jahre 1861 von dem berühmten englischen Ingenieur William
Fairbairn: Iron, its History, Properties and Processes of Manufacture
.
Edinburgh 1861. In diesem Buche ist zum erstenmal der Bessemerprozeſs in
seiner Bedeutung gewürdigt und geschildert. Sehr gut ist auch der Abschnitt
[8]Litteratur 1861 bis 1870.
über die Festigkeit des Eisens. Dagegen vertritt der Verfasser nur den einseitigen
Standpunkt des praktischen Ingenieurs, ein Lehrbuch der Eisenhüttenkunde im
eigentlichen Sinne ist es deshalb nicht.


Ebenso wenig kann das Werk von W. Truran, The iron manufacture
of Great Britain
, theoretically and practically considered etc., welches 1862,
nach dem Tode des Verfassers, in einer zweiten verbesserten und vermehrten
Auflage von Arthur Philipps und William H. Dormann herausgegeben
wurde, darauf Anspruch machen. Es zeigt sich als das Werk eines einseitigen
englischen Hochofeningenieurs, welches da sehr vortrefflich ist, wo die dem Ver-
fasser genau bekannten Hochofenprozesse von Südwales beschrieben werden,
welches aber recht schwach ist, wo der Verfasser sich auf das theoretische Gebiet
begiebt. Dieses Werk erschien 1864 in deutscher Übersetzung und „Bearbeitung“
von C. Hartmann unter dem Titel: Das britische Eisenhüttengewerbe
in theoretischer und praktischer Beziehung oder Darstellung der Roh- und Stab-
eisenfabrikation in England, Wales und Schottland von W. Truran etc. etc.


Ein wissenschaftliches Handbuch der Eisenhüttenkunde im vollen Sinne ist
dagegen John Percys Iron and Steel, welches als zweiter Band seiner
Metallurgie im Jahre 1864 erschien. Der Verfasser war in der groſsen Metall-
industriestadt Birmingham geboren, wo sein Vater Rechtsanwalt war. John
Percy
wählte den ärztlichen Beruf, studierte aber mit Vorliebe und besonderem
Fleiſs Chemie, hauptsächlich bei Gay-Lussac in Paris. Da ihn die praktische
Thätigkeit als Arzt nicht befriedigte, so folgte er seiner Neigung und widmete
sich ganz dem Studium der Metallurgie. Nachdem er sich durch chemisch-
metallurgische Arbeiten bekannt gemacht hatte, wurde er nach Playfairs Abgang
als dessen Nachfolger zum Lehrer der Metallurgie an die Royal School of Mines
(Bergakademie) in London berufen. In dieser Stellung wirkte er den gröſsten
Teil seines Lebens. Ein hervorragend praktischer Sinn in Verbindung mit seinem
umfassenden chemischen Wissen befähigte ihn in hohem Maſse, das Wesen der
metallurgischen Prozesse zu erfassen und zu ergründen. Dabei hatte er ein
durchaus selbständiges Urteil wie er denn überhaupt durchaus originell in seinem
ganzen Wesen war. Diesen Eigenschaften verdanken wir sein Werk über Metal-
lurgie, dessen vier starke Bände eine groſse Bereicherung der metallurgischen
Litteratur geworden sind. Die Chemie bildet, wie bei den übrigen Metallen, so
auch bei dem Eisen und Stahl die sichere Grundlage seiner Betrachtungen. Daſs
die praktischen Schilderungen sich auf englische Verhältnisse beziehen, ist natür-
lich und diese Einseitigkeit war ein um so geringerer Nachteil, als die englischen
Verhältnisse, soweit es die Eisenverhüttung mit Steinkohlen anlangte, damals doch
maſsgebend waren. Schlimmer war schon, daſs das Werk in einer Übergangs-
zeit entstand, in der die Fortschritte in der Eisenindustrie so rasch aufeinander
folgten, daſs die praktischen Beispiele groſsenteils nach wenig Jahren veraltet
erschienen. Der chemisch-metallurgische Teil von Percys Stahl und Eisen, der
auf viele originelle Untersuchungen und Analysen aufgebaut ist, wird indessen
bleibenden Wert behalten.


Es ist eigentümlich, daſs diese drei in ziemlich kurzer Zeit aufeinander
folgenden Werke in England erschienen sind, dessen Mangel an metallurgischer
Litteratur bis dahin um so auffallender war, als es doch die Wiege der
wichtigsten Erfindungen für die Eisen- und Stahlindustrie gewesen ist.


In dem gleichen Jahre mit Percys Iron and Steel erschien in Deutschland
die Eisenhüttenkunde von Bruno Kerl. Sie bildete den dritten Band des in
zweiter Auflage umgearbeiteten und vervollständigten Handbuchs der metallurgi-
schen Hüttenkunde und bietet eine umfassende, gründliche Zusammenstellung und
Bearbeitung der über dieses Gebiet erschienenen Litteratur in wohlgeordneter,
übersichtlicher Form.


[9]Litteratur 1861 bis 1870.

In demselben Jahre, 1864, erschien noch die erste Abteilung der deutschen
Übersetzung von Percys Iron and Steel von Dr. Hermann Wedding unter dem
Titel: „Ausführliches Handbuch der Eisenhüttenkunde, Gewinnung des
Roheisens und Darstellung des Schmiedeeisens und Stahls in praktischer und
theoretischer Beziehung unter besonderer Berücksichtigung der englischen Ver-
hältnisse von John Percy“. Wedding hatte Percy bei seinem Werke schon
unterstützt, indem er ihm für das Kapitel über „Maſse, Beschickung und Aus-
bringen der preuſsischen Hochöfen“ den Bericht geliefert hatte. Seine Übersetzung
und Bearbeitung des englischen Werkes erweiterte sich unter seinen Händen all-
mählich zu einer neuen, selbständigen Schöpfung, dem umfangreichsten und
bedeutendsten Handbuch der Eisenhüttenkunde seit demjenigen von Karsten.
In der ersten wissenschaftlichen Abteilung hielt sich Wedding ziemlich enge an
den Text Percys, den darauffolgenden praktischen Teil bearbeitete und erweiterte
er dagegen in umfassender Weise. Aus dem einen Bande Percys wurden deren
drei. Der erste, der die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Eisens,
die Eisenerze und die Rennarbeit behandelte, erschien 1864, der zweite, der den
Hochofenprozeſs umfaſste, 1868 und der dritte, der die Darstellung des schmied-
baren Eisens enthielt, 1874. Hierin waren alle neuen Erfindungen, die in den
zehn Jahren bekannt geworden waren, berücksichtigt, so daſs es schon dadurch
eine wesentliche Erweiterung des Percyschen Werkes war. Es zeichnet sich
durch Gediegenheit und Reichhaltigkeit aus. Eine hier und da bemerkbare
Ungleichheit in der Behandlung der einzelnen Teile erklärt sich aus der Art
seiner Entstehung und wird in der neuen Auflage, welche jetzt im Erscheinen
begriffen ist, beseitigt werden.


Ein gutes Tafelwerk gab S. Jordan heraus als Album du Cours de
Métallurgie
. Paris 1865.


1868 erschien noch ein kleines allgemeines Werk: H. Bauermann, A
Treatise on the Metallurgy of Iron
etc., und 1869


Ferdinand Kohn, C. E. Iron- and Steel-Manufacture, a series of
papers on the manufacture and properties of Iron and Steel, with reports on Iron
and Steel in the Paris exhibition of 1867; reviews on the State and Progress of
the Manufacture during the years 1867 and 1868; and description of many of the
principal Iron and Steel Works in Great Britain and on the continent. London
1869. Dieses Buch entstand aus einer Reihe von Aufsätzen in der Zeitschrift
Engineering, die Behandlung ist deshalb eine sehr ungleichmäſsige. Es enthielt
aber wertvolle Mitteilungen über die damals neuen Prozesse.


In demselben Jahre erschien auch: H. S. Osborn, The metallurgy of
iron and steel (Philadelphia and London).


Die Eisenstatistik behandelten A. S. Hewitt, The production of iron
and steel
in its economic and social relations. Philadelphia 1868, und Dr.
Ad. Frantz, Übersicht der Eisenindustrie und des Eisenwerks in den
Jahren
1860 bis 1869 (1870).


Neben diesen Handbüchern und statistischen Werken, welche das ganze Gebiet
der Eisenindustrie umfaſsten, erschienen zahlreiche Monographieen über einzelne
Teile derselben.


Über den Hochofenprozeſs:


1863. C. Aubel. Das Raschettesche System der Patent-Normal-
und Universal-Schachtöfen
.


1864. J. H. Stahlschmidt, Darstellungen des Eisenhochofen-
prozesses in Zahl und Bild
, verwendet zur Begründung besserer Ofenprofile.


1866. A. de Vathaire, Études sur les hauts-fourneaux et la métal-
lurgie de la fonte
. Paris 1866.


1867. R. Troska, Die Hochofendimensionen auf Grundlage des
Hochofenprozesses
.


[10]Litteratur 1861 bis 1870.

1868. C. Schinz, Dokumente, betreffend den Hochofen zur Dar-
stellung von Roheisen
; ein Buch, in dem der Hochofenprozeſs vom Gesichts-
punkte der Wärmeerzeugung und Wärmeverwendung aus kritisch beleuchtet wird.
Diesem folgte


1870. J. Lowthian Bell, Über die Entwickelung und Verwendung
der Wärme in Eisenhochöfen von verschiedenen Dimensionen
, über-
setzt von Tunner.


Über Gieſserei:


A. Guettier, De l’emploi pratique et raisonné de la fonte de fer
dans les constructions
etc. 1861.


C. Hartmann, Handbuch der Eisengieſserei. Neue Auflage 1862.


E. F. Dürre, Über die Konstitution des Roheisens und den Wert
seiner physikalischen Eigenschaften
.


E. F. Dürre, Handbuch des gesamten Eisengieſsereibetriebes.


Dieses gründliche und umfassende Werk war entstanden aus einer fort-
laufenden Reihe von Aufsätzen, welche der Verfasser in der Berg- und Hütten-
männischen Zeitung unter dem Titel „Aphorismen über Gieſsereibetrieb“ ver-
öffentlicht hatte. Der erste Band des Werkes erschien 1870, der zweite erst 1875.


Über Schmiedeeisenbereitung, Puddel- und Walzwerksbetrieb:


Lucien Ansiaux et Lambert Masion, Traité pratique de la Fabri-
cation du Fer et de l’Acier puddlé
(1861).


Dasselbe erschien in demselben Jahre 1861 in deutscher Übersetzung von
Hartmann unter dem Titel: A. und M. Praktisches Handbuch über die
Fabrikation des Puddeleisens und Puddelstahls
.


C. Hartmann, Praktisches Handbuch der Blechfabrikation.
Weimar 1861.


E. Mäurer, Die Maſs- und Gewichtsverhältnisse der Roh- und
Zwischenprodukte bei der Darstellung des Schmiedeeisens
etc. Stutt-
gart 1861.


E. Mäurer, Die Formen der Walzkunst und das Façoneisen. 1865.


P. Tunner, Über die Walzenkalibrierung für die Eisenfabrikation.
1867.


C. W. Siemens, On puddling iron. London 1868.


R. Daelen, Die Kalibrierung der Eisenwalzen. Berlin 1870.


Über Stahlbereitung:


Fusion de l’acier au four de réverbère etc. de Beaulieu, Deville
et Caron, 1862.


1863. Dr. Wedding, Die Resultate des Bessemerprozesses.


1864. L. E. Boman, Das Bessemern in Schweden mit einem Vorwort
von P. Tunner.


1865. Otto Frh. v. Hingenau, Das Bessemern in Österreich.


Eine vortreffliche Abhandlung über die ganze Stahlfabrikation veröffentlichte
L. Gruner in den Annales des Mines und in Buchform unter dem Titel: De
l’acier et de sa fabrication
. Paris 1867.


Von geschichtlicher Bedeutung ist:


C. W. Siemens, On the regenerative gas-furnace as applied to the
manufacture of cast steel
. London 1868.


Eine wichtige Schrift von dem Erfinder des Martinprozesses erschien 1869
unter dem Titel: L’industrie du fer. Nouveaux procédés de fabrication de
l’acier par E. Martin. Paris 1869.


In Nordamerika erschien 1869 eine Übersetzung und Bearbeitung von
Landrin, A Treatise on Steel transl. by Frequet. Philadelphia 1869.


[11]Litteratur 1861 bis 1870.

Über einzelne Länder, Fabriken etc. erschienen verschiedene Monographieen.
Eine in ihrer Art klassische ist: État présent de la Métallurgie du Fer en
Angleterre
par M. Gruner, Professeur de la métallurgie à l’École impériale des
mines et M. Lan, Professeur de métallurgie à l’École des mineurs de St. Étienne.
Sie ist begründet auf den Beobachtungen, welche beide Gelehrte bei ihrer
Informationsreise im Auftrage der französischen Regierung im Jahre 1860 gemacht
hatten.


Ferner Schönfelder: Die baulichen Anlagen auf den Berg-, Hütten-
und Salinenwerken in Preuſsen
. Drei Textbände und vier Atlanten. Berlin
1861 bis 1863.


S. Jordan, Note sur la fabrication des fontes d’Hématite dans le
North Lancashire et le Cumberland
. 1862.


1864. S. Jordan, État actuel de la métallurgie du fer dans le
Pays de Siegen
.


1868. Pascal, Fabrication de l’acier fondu chez M. Krupp à Essen


P. Tunner, Die Zukunft des österreichischen Eisenwesens.


1869. A. Serlo, Beitrag zur Geschichte des schlesischen Berg-
baues in den letzten
100 Jahren.


Mulvany, Deutschlands Fortschritte der Kohlen- und Eisen-
industrie und ihre Abhängigkeit von den Eisenbahnen
.


F. Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges.
Klagenfurt 1870.


P. Tunner, Über die Eisenindustrie Ruſslands. 1870.


Von Ausstellungsberichten heben wir hervor:


P. Tunner, Bericht über die metallurgischen Produkte in der
Londoner Ausstellung von
1862. Wien 1863.


Knut Styffe, Ausstellungsbericht 1867: Über die neuesten Fort-
schritte des Eisenhüttenwesens
. Frei übersetzt von P. Tunner. 1868.


P. v. Rittinger, Kurze Mitteilungen über Berg- und Hüttenwesens-
maschinen und Baugegenstände auf der allgemeinen Industrieaus-
stellung zu Paris
1867.


S. Jordan, Revue de l’industrie du fer de 1867. — Revue de l’ex-
position de
1867. Paris 1868.


Von einschlägigen Schriften erwähnen wir weiter:


D. Kirkaldy, Results of an experimental inquiry into the com-
parative Tensile Strength and other properties of various kinds of
wrought Iron and Steel
. London 1862.


L. E. Rivot, Docimasie. Traité d’analyse des substances minérales.
Tome I—V. Paris 1861 bis 1866.


Carl C. M. Balling, Die Probierkunde des Eisens und der Brenn-
materialien
. 1868.


Vicaire, Sur l’emploi des combustibles inférieurs dans la
métallurgie du fer
. 1868.


F. Steinmann, Compendium der Gasfeuerung in ihrer Anwendung
auf die Hüttenindustrie
. 1868 und 1869.


J. v. Hauer, Die Hüttenwesensmaschinen. Wien 1867


Knut Styffe, Die Festigkeitseigenschaften von Eisen und Stahl,
deutsch von C. M. v. Weber. 1870.


A. Wöhler, Über die Festigkeitsversuche mit Eisen und Stahl.
1870.


Die reichste Litteratur findet sich aber in den zahlreichen Fachzeitschriften und
zwar auſser in den früher genannten in dem seit 1859 in Köln erschienenen „Berg-
geist
“, in der Zeitschrift des österreichischen Ingenieurvereins, in Wieks
[12]Litteratur 1861 bis 1870.
Gewerbezeitung, in der Zeitschrift für Bergrecht von H. Brassert und
Dr. Achenbach seit 1860, in der Zeitschrift des Oberschlesischen
berg- und hüttenmännischen Vereins, in Engineering, Practical
Mechanic’s Journal, American Journal of Mining, Annales des Mines,
Annales du Génie civil. — Revue universelle des mines, de la
métallurgie
etc. par C. de Cuyper (seit 1857).


Gute Jahresberichte finden sich in C. Hartmann, Die Fortschritte
des Eisenhüttengewerbes in der neueren Zeit
1858 bis 1863 und hieran
anschlieſsend A. Kerpely, Bericht über die Fortschritte der Eisen-
hüttentechnik in den Jahren
1864 bis 1870. Ferner in Rudolf Wagner,
Jahresbericht über die Fortschritte der chemischen Technologie
.


Übersichten über die einschlägige Litteratur findet man in: Bibliotheca
rerum metallicarum
. Verzeichnis der in Deutschland über Bergbau-, Hütten-
und Salinenkunde und verwandte Zweige erschienenen Bücher, Karten und An-
sichten. Nachtrag, den Zeitraum von 1856 bis Januar 1864 umfassend. Eisleben 1865.


Einen ausführlichen Litteraturnachweis über die Stahlfabrikation enthält die
Berg- und Hüttenmännische Zeitung von 1869 und von 1871; desgleichen
über Roheisenerzeugung.


Zu den wichtigsten Quellen der Belehrung und der Geschichte
gehören ferner die Patentbeschreibungen, deren Studium aber
erschwert wird durch ihre immer zunehmende Menge, die in England
und Amerika zu einer wahren Hochflut wurde. Folgende Zahlen,
welche die Commissioners of Patent-Journal in England veröffentlicht
haben, geben hiervon eine Vorstellung.


Bei weitem am meisten Patente wurden in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika
genommen.



Ferner wurden Patente erteilt in:



Von neuen Fachvereinen im Gebiete der Eisenindustrie ist
besonders das 1869 in England gegründete Iron and Steel Institute
hervorzuheben.


In Deutschland wurde 1869 der Verein deutscher Eisen-
gieſsereien
gegründet.


[13]Chemie 1861 bis 1870.

Chemie 1861 bis 1870.


Über das chemische und physikalische Verhalten der verschiedenen
Eisenarten wurden die eingehendsten Untersuchungen in dieser Periode
angestellt. Die Chemie des Eisens befand sich bei dem Beginn des
Jahrzehnts mitten in dem Kampf der Meinungen über die Bedeutung
des Stickstoffes im Eisen. Drei Ansichten standen sich gegenüber.
Fremy behauptete, der Stickstoff sei ein wesentlicher Bestandteil des
Stahls und bestimme dessen Eigenart. Caron bestritt diese Ansicht,
behauptete dagegen, die Kohlung des Eisens bei der Cementation
erfolge nur durch Stickstoff-Kohlenstoffverbindungen, der Stickstoff
gehe zwar nicht als wesentlicher Bestandteil in das Eisen über, über-
trage aber den Kohlenstoff auf dasselbe, sei deshalb für die Cemen-
tation unentbehrlich. Die Ansicht der übrigen metallurgischen
Chemiker widersprach den Behauptungen beider und erkannte nur
an, daſs die Stickstoff-Kohlenstoffverbindungen die Cementation be-
förderten, was längst bekannt war und bei der Einsatzhärtung von
alters her benutzt wurde. Der Streit gab Veranlassung zu sehr
genauen Untersuchungen, welche aufklärend wirkten.


Fremy hielt Schmiedeeisen für reines Eisen, Roheisen für Eisen
mit Kohlenstoff und Stahl für Eisen mit Stickstoff und Kohlenstoff
(fer azoto-carburé).


Zunächst wurde nachgewiesen, daſs alles fein verteilte Eisen, und
besonders das frischreducierte, Ammoniak aus der Luft aufnimmt.
Fremy hatte dies nicht beachtet und war dadurch zu unrichtigen Resul-
taten geführt worden, seine Stickstoffbestimmungen waren dadurch viel
zu hoch ausgefallen und seine Annahme, daſs der kohlige Rückstand des
aufgelösten Eisens eine Kohlenstickstoffverbindung sei, wurde dadurch
hinfällig. Dagegen wurde nachgewiesen, daſs nicht nur im Stahl, sondern
auch im Roheisen und im Schmiedeeisen geringe Mengen Stickstoff ent-
halten seien. Boussingault stellte sehr genaue Untersuchungen hier-
über an. Er fand, daſs beim Ausfällen des Eisens aus sauren Lösungen
durch Alkalien immer Ammoniak mit in Lösung komme. Am wenigsten
that dies frisch gebrannter Kalk. Boussingault verbrannte das Eisen
in Zinnoberdampf und bestimmte den Stickstoff in gasförmigem Zu-
stande 1) (1861). Caron widerlegte 1861 Fremys Behauptung, daſs
Wasserstoff dem glühenden Stahl durch Entziehung des Stickstoffs die
[14]Chemie 1861 bis 1870.
Stahlnatur nähme, und wies nach, daſs Fremy mit unreinem Wasser-
stoff, der Wasserdampf enthielt, operiert hatte und daſs durch
letzteren eine teilweise Entkohlung eingetreten war. Die chemische
Analyse bewies, daſs ein geringer Stickstoffgehalt dem Stahl nicht
eigentümlich sei, sondern daſs sich ein solcher auch in Roheisen und
Schmiedeeisen finde. Gruner, der Carons Ansicht gegenüber anführte,
daſs weiches Eisen durch reines, ammoniakfreies Leuchtgas in Stahl
cementiert werde, behauptete, daſs der Stickstoffgehalt im Stahl nur
aus dem Roheisen stammen könne. Dies griff Fremy auf. Gruner
widerlegte aber dessen Behauptung, daſs die für die Stahlerzeugung
besonders geeigneten Roheisensorten mehr Stickstoff enthielten als
der daraus bereitete Stahl. Caron nahm dann an, daſs der Stickstoff
im Eisen nicht direkt mit diesem, sondern mit Silicium oder Titan
verbunden sei.


Der Streit zwischen Fremy und Caron spann sich auch 1862 in
zahlreichen Aufsätzen in den Comptes rendus (Bd. 52 und 53) und
dem Répertoire de chimie appliquée fort. Eine ausführliche Zusammen-
stellung des Inhalts dieser Veröffentlichungen von Professor Werther
in Königsberg findet man im Journal für praktische Chemie von 1862.
Zum Austrag kam der Streit erst, als genaue und zuverlässige Analysen
mit genauen Angaben des Stickstoffgehaltes veröffentlicht wurden.
Solche lieferte namentlich Bouis1), Boussingault2) und Rammels-
berg
3).


Bouis untersuchte auf Veranlassung des Generals Morin Stahl,
Roheisen und Schmiedeeisen auf Stickstoff, indem er trockenes Wasser-
stoffgas über das rotglühende Metallpulver leitete. Er fand in allen
Eisensorten geringe Mengen von Stickstoff. Boussingault bediente
sich sowohl der oben erwähnten Methode der Verbrennung mit
Zinnober als des nassen Weges und fand auf beiden Wegen geringe
Mengen Stickstoff: in einem Stahl von Krupp 0,022, in Guſsstahl
0,012 und 0,057, in Eisendraht 0,0075 Prozent. Bouis hatte in Stahl
von Krupp 0,085 und 0,011, in Draht 0,14, in weiſsem Roheisen
0,14 Prozent gefunden. Rammelsberg fand in einem Spiegeleisen
nur 0,002 Prozent.


Aus allen diesen Analysen geht hervor, daſs der geringe Stick-
stoffgehalt in den verschiedenen Eisenarten keine Gesetzmäſsigkeit
zeigt und durchaus schwankt und daſs er zu gering ist, um einen
[15]Chemie 1861 bis 1870.
erkennbaren Einfluſs auf die Eigenschaften des Eisens auszuüben.
Daſs die Gegenwart von Stickstoff zur Kohlung des Eisens nicht not-
wendig ist, hat Marguerite 1864 dadurch bewiesen, daſs es ihm
gelang, reines Schmiedeeisen durch Glühen mit reinem Kohlenoxydgas,
welches er aus Oxalsäure mittelst Schwefelsäure bereitet hatte, in
Stahl zu verwandeln. Ebenso gelang es Marguerite, Eisendraht in
Diamantpulver zu cementieren.


Graham Stuart und W. Baker machten 1865 sehr sorgfältige
Untersuchungen über den Stickstoffgehalt des Stahls, konnten aber in
den meisten Fällen keinen nachweisen.


Auch über die Rolle, welche der Kohlenstoff in den Eisenarten
spielt, gingen die Ansichten in den ersten Jahren dieses Zeit-
abschnittes weit auseinander. Gurlt und seine Anhänger hielten an
der Existenz des Achtelcarburetes (Fe8C) fest und nahmen sogar noch
niedrigere bestimmte Carburete an. P. Tunner1) verwarf die Existenz
des Achtelcarburets als eine theoretische Fiction, hielt aber an der
Existenz des Viertelcarburets (Fe4C) als Spiegeleisen fest. Rammelsberg
bestritt, daſs die chemischen Analysen zu dieser Annahme berechtigten.
Die zuverlässigsten ergäben einen geringeren Kohlenstoffgehalt, als Fe4C
entspräche. Er glaubte aber überhaupt nicht an das Bestehen fester
Carburete im Eisen, wies vielmehr auf den Isomorphismus von Eisen,
Kohlenstoff, Silicium und Phosphor hin als die wahrscheinliche
Ursache der Zusammensetzung und des Verhaltens. Jullien hielt die
Eisensorten für Auflösungen verschiedener Mengen von Kohlenstoff,
Silicium, Phosphor, Schwefel u. s. w. in reinem Eisen (1865). Dürre
neigte sich Rammelsbergs Auffassung zu und sah in den Roheisen-
sorten Gemenge von Legierungen, deren Haupttypen das rheinische
Spiegeleisen, das schwedische Kanoneneisen und das schottische
Gieſsereiroheisen seien. Caron gelangte (1863) zu denselben Resul-
taten wie vordem Karsten. De Cigancourt führte 1865 die früher
einmal von Berzelius aufgestellte Ansicht, daſs es zwei verschiedene
allotropische Zustände des Eisens gebe, die er als Ferricum und
Ferrosum bezeichnete, weiter aus. Das Ferrosum, das Metall der
Oxydule, ist nach Cigancourt weiſs und hart und geht leicht in
Ferricum über; das Ferricum, das Metall der wasserfreien Oxyde, ist
grau und weich. Im grauen Roheisen herrscht das Ferricum vor, im
halbierten sind beide in ihrer Eigenart enthalten; Schmiedeeisen ist
aus variabelen Gemengen beider Eisensorten, die in Ferricum über-
[16]Chemie 1861 bis 1870.
gegangen sind, gebildet. — Diese sogenannte Theorie ist nichts als
eine phrasenhafte Umschreibung.


Von viel gröſserer Tragweite ist die von L. Rinman 1865 ein-
geführte Unterscheidung der Kohlenstoffarten im Eisen. Nach seiner
Ansicht scheidet sich der Kohlenstoff beim Auflösen von Roheisen
und Stahl in drei verschiedene Formen ab, als Graphit aus dem
grauen Roheisen, als Kohleneisen aus dem ungehärteten Stahl und als
Kohlenwasserstoff aus weiſsem Roheisen und gehärtetem Stahl. Rinman
nennt den aus ungehärtetem Stahl bei langsamer Lösung sich ab-
scheidenden Kohlenstoff Cementkohle, den aus gehärtetem Stahl
entweichenden Kohlenstoff Härtungskohle1).


Fr. G. Calvert fand bei seinen Untersuchungen über den Kohlen-
stoff im Eisen, daſs der Stahl beim Härten nicht nur eine mechanische
(molekulare), sondern auch eine chemische Veränderung erleidet, daſs
der Kohlenstoff im gehärteten Stahl in einer anderen Verbindung sich
befindet als im ungehärteten.


Nach Caron (1863) soll Ablöschen und Hämmern die gleichen
Veränderungen, nur in verschiedenem Grade bewirken.


Percy2) widerspricht der Ansicht, daſs Spiegeleisen Fe4C
sei. Dasselbe sei keine einfache Verbindung von Eisen und
Kohlenstoff, Mangan sei vielmehr zu seiner Bildung wie zu seiner
Konstitution nötig, er stellt deshalb für Spiegeleisen die Formel
(Fe1Mn)4C auf.


Buchner hält nach seinen Analysen von Spiegeleisensorten die
Formel Fe5C für mehr der Wahrheit entsprechend als Fe4C.


Tunner stellt 1867 für Roheisen die allgemeine Formel auf:
wobei m, n, q variabel sind.


Eine interessante Untersuchung über die beim Auflösen des Roh-
eisens in Säuren entstehenden Kohlenwasserstoffe hat Dr. Hahn in
Clausthal 1864 veröffentlicht 3). Schafhäutl hatte bereits früher die
[17]Chemie 1861 bis 1870.
Anwesenheit von Kohlenwasserstoffen von der Zusammensetzung
C2H4 und C2H5 in den gasförmigen Produkten, die bei der Auflösung
des Eisens in Mineralsäuren entstehen, nachgewiesen. Es entstehen
aber auch flüssige Kohlenwasserstoffe und Hahn ermittelte folgende
Zusammensetzungen und Siedepunkte derselben: C2H4, Siedepunkt
132° C.; C3H6, Siedepunkt 144° C.; C4H8, Siedepunkt 160° C. Auſser
diesen fand er noch schwerere Öle von der Zusammensetzung CnH2n
deren höchster Siedepunkt 300° C. betrug. Hahn schlieſst aus dem
Auftreten dieser verschiedenen Kohlenwasserstoffe auf das Vorhanden-
sein verschiedener Eisen-Kohlenstoffverbindungen in den Roheisen.


Daſs Minary und Résal 1862 1) die alte längst widerlegte Irr-
lehre eines Sauerstoffgehaltes im Roheisen noch einmal vorbrachten
und darauf eine neue Theorie des Puddelprozesses gründeten und
daſs die Unrichtigkeit ihrer Annahme von Cailletet nachgewiesen
wurde, verdient kaum der Erwähnung.


Über die Wirkungen von Silicium auf Eisen stellte Caron 1861
Versuche an, wobei er fand, daſs dasselbe dem Eisen keine so schäd-
lichen Eigenschaften erteile wie Schwefel und Phosphor und unter
Umständen sogar das Eisen verbessere.


Rob. Richter hatte 1862 in Vordernberger Roheisen angeblich
eine Ausscheidung von krystallisiertem Silicium entdeckt. Dr. Hahn
fand 1865 auskrystallisiertes Doppelt-Siliciumeisen von der Zu-
sammensetzung FeSi2 und vermutete, daſs Richters Silicium-
krystalle dieselbe Verbindung gewesen seien. Phipson behauptete,
daſs Silicium in zwei allotropischen Zuständen, chemisch gebunden
und frei, im Roheisen vorhanden sei. Diese Ansicht wurde von Tosh
widerlegt und Phipson widerrief später selbst das Vorhandensein
von freiem Silicium im Eisen. Percy hat in seiner Metallurgie die
groſse Wichtigkeit des Siliciums für die Konstitution und die Eigen-
schaften des Roheisens nachdrücklich hervorgehoben.


Daſs ein gewisser Siliciumgehalt, bis zu 2 Prozent, in dem Roh-
eisen für den Bessemerprozeſs vorhanden sein muſste, war damals
bereits eine anerkannte Thatsache.


Freie Kieselsäure reduziert sich mit Eisenoxyd hei hoher Tempe-
ratur. G. Hochstätter erhielt in Percys Laboratorium aus Rot-
eisenstein, Sand und Holzkohle Eisenkönige mit 8,96 und 12,26 Prozent
und Smith einen solchen von 13,78 Prozent Silicium 2). Dr. Hahn in
Clausthal gelang es 1864, Siliciumeisen von 30 Prozent Siliciumgehalt
Beck, Geschichte des Eisens. 2
[18]Chemie 1861 bis 1870.
im kleinen darzustellen. Aber auch das Roheisen des Handels zeigte
zum Teil sehr hohen Siliciumgehalt; so enthielt 1864 Roheisen von
Dowlais aus Blackband erblasen 7,46 Prozent und ein hellgraues
Roheisen aus dem Arsenal von Woolwich 8,2 Prozent.


Schwefel und Phosphor erschienen als die groſsen Feinde des
Roheisens namentlich für alle Frischprozesse, die bei hoher Temperatur
vor sich gingen, wie der Bessemer- und Martinprozeſs. Die Entfernung
dieser schädlichen Substanzen galt deshalb als eine der wichtigsten
Aufgaben für die Eisenhütten-Chemie. Viele Erfindungen wurden
gemacht, deren Zweck nichts anderes war als die Abscheidung dieser
Substanzen. Eine praktische Lösung dieser Frage wurde aber in
diesem Jahrzehnt noch nicht erreicht. Dagegen kamen wichtige Vor-
arbeiten dafür zustande, besonders durch Carons Untersuchungen.
Caron stellte durch Schmelzversuche die Wirkung von Mangan auf
Phosphor-, Schwefel- und Siliciumeisen fest. Er fand, daſs Phosphor
durch Mangan aus dem Eisen nicht entfernt wird, wohl aber der
Schwefel und zwar ohne Frischen. Silicium wird dagegen dem Eisen
durch Mangan gröſstenteils bei dem Frischen entzogen 1).


In der Praxis hatte man bereits vor Caron die reinigende Kraft
des Mangans gegenüber dem Schwefel beobachtet und davon Gebrauch
gemacht. So erwähnen Gruner und Lan in ihrem Bericht über den
Zustand der Eisenindustrie in England um 1860 bereits, daſs das
Mangan eines Eisenerzes bei Gegenwart von Schwefel ein wahres
Korrektiv für letzteres sei, und Parry zu Ebbw-Vale fand, daſs mangan-
reiche Hochofenschlacken stets eine beträchtliche Menge Schwefel
enthielten.


Auf der Saint-Louis-Hütte bei Marseille begann man 1860 mit
der Fabrikation von schwefelfreiem Koksroheisen, welches aus einer
Möllerung von Elbaer Eisenglanz und einer dem Schwefelgehalt der
Erze und der Kohle entsprechenden Menge von Braunstein erblasen
war. Die Hütteningenieure von St. Louis Jordan und Gaulliard
nahmen auf die Entschwefelung des Koksroheisens vermittelst Mangans
ein Erfindungspatent. Sie lieſsen ihr Patent aber fallen, als sie sich
überzeugten, daſs ihr Verfahren nicht neu war und namentlich in
Deutschland schon seit längerer Zeit angewendet wurde 2).


Daſs die Abscheidung des Schwefels durch Manganzuschlag im
Hochofen aber nicht so ohne weiteres erfolgt, hat 1866 Lowthian
[19]Chemie 1861 bis 1870.
Bell erfahren, als er diesen Zweck durch Zuschlag von Braunstein
in den Hochöfen von Clarence nicht erreichte.


Die groſse Wichtigkeit des Mangans für die Eigenschaften und
den Wert des Roheisens wurde in dieser Periode voll anerkannt.
Dr. List in Hagen und Rob. Richter in Leoben beschäftigten sich
1861 mit dem Mangangehalt des Eisens. Ersterer gab 3,80 Prozent
als Maximum des Mangangehaltes im Roheisen an, Richter fand aber
in einem Spiegeleisen von Jauerburg in Krain 7,578 Prozent und in
einem von Theresienthal in Böhmen sogar 22,183 Prozent Mangan.
Daſs eine sehr basische Beschickung namentlich bei der Spiegeleisen-
erzeugung mit Koks den Mangangehalt beträchtlich erhöht, hatte man
im Siegerland schon seit längerer Zeit erfahren und man erzielte dort
durch sehr hohen Kalkzuschlag Spiegeleisen von bis zu 22 Prozent
Mangangehalt.


Neben dem Mangan legte man dem Wolfram und dem Titan
zu jener Zeit eine hervorragende Wichtigkeit, namentlich als Bestand-
teile des Stahls, bei. Riley, der erst nach vielen vergeblichen Ver-
suchen in einigen Guſseisensorten Titan auffand und zwar in Mengen
von 0,5 bis 1,1 Prozent, schreibt demselben eine ähnliche Rolle wie
dem Mangan zu und glaubt, daſs es als Cyanbilder wirke. Mushet
nimmt an, daſs es einen wichtigen Bestandteil des Stahls bilde.
Infolge der groſsen Reklame, welche letzterer für seinen Titanstahl
machte, hat man die Bedeutung des Titans für die Guſsstahlbereitung
damals zuweilen überschätzt.


Über die Eigenschaften, welche Zusätze von Wolfram dem Eisen
erteilen, hat Caron Untersuchungen veröffentlicht. Wolfram erhöht
die Härte und Festigkeit des Stahls. Ebenso erhöht ein Wolfram-
gehalt die Zähigkeit und Härte des Roheisens; dies geschieht nach
Tresca schon durch einen Zusatz von 0,125 bis 1 Prozent, nach
Le Guen durch einen Zusatz von 2,5 Prozent Wolfram zu grauem
Roheisen. General Sobrero zu Turin stellte die Theorie auf, die
Stahlnatur des Eisens sei bedingt durch die Lösung eines schwer
reduzierbaren Metalloxydes, namentlich von Mangan, Titan und
Wolfram im Eisen.


Die härtende Wirkung, welche Chrom auf Stahl ausübt, hat
Julius Baur in New York zuerst praktisch ausgenutzt durch seine
Darstellung von Chromstahl, worauf er 1865 ein Patent nahm.


Zahlreiche Eisenanalysen wurden in diesem Zeitraum gemacht,
wovon wir die von J. Percy, R. Richter, List, H. Hahn, R. Peters,
2*
[20]Chemie 1861 bis 1870.
Max Buchner1), R. Fresenius, Finkener, dem K. K. General-
Probieramt in Wien 2), Abel, Tookey, Henry, Riley, Willis,
Svanberg, Rivot, Gruner
und Lan anführen.


Von diesen Analysen wollen wir die eines Spiegeleisens von Lohe
von R. Fresenius (1862) hier mitteilen, weil in derselben mit be-
sonderer Sorgfalt auf alle Bestandteile Rücksicht genommen ist. Sie
ergab:



Den Kohlenstoffgehalt verschiedener Stahl(Fluſseisen-)sorten er-
mittelte A. Willis in Siemens’ Laboratorium zu London. Er fand in



[21]Chemie 1861 bis 1870.

L. Cailletet untersuchte 1866 auch die Gase, welche im ge-
schmolzenen Roheisen absorbiert sind. Es enthielten:



Eine groſse Zahl von Eisenerzanalysen wurden in diesem Jahr-
zehnt veröffentlicht. Von Interesse sind besonders diejenigen, welche
in Verbindung mit dem Hochofenprozeſs in der Weise vorgenommen
wurden, daſs Beschickung, Schlacken und Roheisen desselben Schmelz-
prozesses analysiert wurden. Untersuchungen dieser Art veröffentlichte
Hahn 1862 1), v. Fellenberg und Köhler2) 1865.


Eine Zusammenstellung von Hochofenschlackenanalysen findet
man bei De Vataire, Études sur les hauts fourneaux (p. 41).


Die Fortschritte der analytischen Methoden für die Metallurgie
des Eisens bewegten sich nach zwei Richtungen, einerseits suchte man
nach genaueren, andererseits nach einfacheren Verfahren. Erstere
dienten für die theoretischen, letztere für die praktischen Unter-
suchungen.


[22]Chemie 1861 bis 1870.

Wir betrachten zunächst die Verfahren zur Bestimmung des Eisens.


Die Margueritesche Probe zeigte verschiedene Fehlerquellen.
Löwenthal-Lenssen wiesen 1862 nach, daſs in salzsauren Lösungen
durch Chlorentwickelung der regelmäſsige Fortgang der Reaktion
gestört wird. Die Probe ist nur dann zuverlässig, wenn das Eisen als
Sulfat gelöst und nur wenig freie Schwefelsäure vorhanden ist. Für
den Fall, daſs man genötigt ist, mit salzsaurer Lösung zu arbeiten,
hat R. Fresenius gewisse Vorsichtsmaſsregeln vorgeschlagen 1).


Eine andere Titriermethode zur Eisenbestimmung hat Friedrich
Mohr
angegeben 2). Sie besteht darin, die Eisenlösung, welche das
Eisen als Oxyd (Chlorid) enthalten muſs, mit einem Überschuſs von
Jodkalium zu versetzen. Wird alsdann eine Stärkelösung zugesetzt,
so tritt die blaue Farbe der Jodstärke ein. Hierauf wird eine titrierte
Lösung von unterschwefligsaurem Natron zugefügt, bis die Ent-
färbung der Jodstärke das Ende der Reaktion anzeigt, und aus der
verbrauchten Menge der Eisengehalt berechnet.


R. Fresenius empfahl, das Eisen in seiner oxydischen Lösung
direkt mit einer titrierten Zinnchlorürlösung zu bestimmen 3).


Winkler4) schlug 1865 vor, das Eisen in Chlorwasserstoffsäure
unter Zusatz von chlorsaurem Kali zu lösen, die verdünnte saure Lösung
mit einigen Tropfen Schwefelcyankaliumlösung rot zu färben und
dann mit Kupferchlorürlösung zu titrieren.


Zur Bestimmung des Kohlenstoffs im Eisen schlug W. Weyl 1861
ein neues Verfahren vor 5), welches den groſsen Vorteil gewährt, daſs
das Eisen nicht zerkleinert werden muſs. Die Lösung des Eisens
erfolgt mit Hülfe eines schwachen galvanischen Stromes, wobei man
das Eisenstück als positive Elektrode in verdünnte Säure eintauchen
läſst. Das Eisen löst sich ohne Gasentwickelung als Chlorür. Der
gesamte Kohlenstoff bleibt im Rückstande, den man auf einem Asbest-
filter sammelt und dann im Sauerstoffstrom verbrennt. — Rinman
fand aber (1865) dieses Verfahren nicht als zuverlässig, indem infolge
von Kohlenwasserstoffbildung der Kohlenstoffgehalt immer etwas zu
niedrig ausfällt.


E. Mulder führte 1861 die Kohlenstoffbestimmung im Roheisen
[23]Chemie 1861 bis 1870.
durch Verbrennen desselben in nachfolgender verbesserter Weise aus:
er füllte das mit einem Asbestpfropfen verschlossene Rohr zu zwei
Drittel mit Sand, hierauf mit dem Gemenge von Eisenfeile und Bims-
stein; dann folgte hinter einem Asbestpfropfen Kupferoxyd bis zur
Mündung, die wieder durch einen Asbestpfropfen verschlossen wurde.
Dann wurde das Rohr erhitzt, Sauerstoff durchgeleitet und die ent-
weichenden Gase erst durch einen Chlorcalciumapparat, dann durch
Schwefelsäure mit Bimsstein und hierauf durch zwei Röhren mit
Natronkalk geleitet.


R. Richter hat das Verfahren von Berzelius 1865 dahin
abgeändert, daſs er zur Lösung des Eisens die Doppelsalze von Kupfer-
chlorid mit Chlorkalium oder Chlornatrium statt des reinen Kupfer-
chlorides verwendet, weil jene leichter neutral zu erhalten sind als
letzteres.


Die von Wöhler vorgeschlagene Verbrennung des Eisens in einem
Strome von Chlorgas ist im Laboratorium in Clausthal mit Erfolg
angewendet worden.


Boussingault brachte das Eisen ohne Gasentwickelung zur
Lösung, indem er es mit einem Überschuſs von Quecksilberchlorid
(15 bis 20 Teile : 1 Teil Eisen) zusammenrieb. Das Eisen löst sich
als Chlorür, während unlösliches Quecksilberchlorür mit der Kohle
zurückbleibt. Ersteres wird im Platinschiffchen im Wasserstoffgasstrom
sublimiert und die Kohle dann im Luftstrom verbrannt.


Alle diese Bestimmungen waren aber für die Praxis, namentlich
seitdem der Bessemerprozeſs eine rasche Bestimmung des chemisch
gebundenen Kohlenstoffs notwendig gemacht hatte, zu zeitraubend.
Deshalb schlug Professor Eggerts in Falun eine einfach kolori-
metrische Probe
vor, die, obgleich wenig wissenschaftlich, sich
wegen ihrer leichten Ausführbarkeit rasch in der hüttenmännischen
Praxis einbürgerte. Sie gründet sich darauf, daſs die Lösung eines
kohlenstoffhaltigen Eisens in Salpetersäure um so dunkler ist, je mehr
gebundenen Kohlenstoff dasselbe enthält. Man bereitet sich eine
Normallösung durch Auflösen einer abgewogenen Menge (0,1 gr) Stahl
von bekanntem Kohlenstoffgehalt und verdünnt dieselbe so, daſs die
Maſseinheit der Lösung 0,1 Prozent Kohlenstoff entspricht. Nun wiegt
man die gleiche Menge Probematerial ein und verdünnt sie in einer
vollkommen gleichen Meſsröhre so weit, daſs sie mit der Normallösung
den gleichen Farbenton zeigt. Aus der Menge der Lösung berechnet
man den Gehalt an Eisen.


Diese Probe erfährt aber verschiedene Einschränkungen. Die
[24]Chemie 1861 bis 1870.
Farbentöne sind nur deutlich bei einem Kohlenstoffgehalt von 0,15 bis
1,5 Prozent, also nur für Stahl und hartes Schmiedeeisen. Für das
Bessemermetall, für das sie hauptsächlich angewendet wurde, ist sie
also geeignet. Die Probelösung behält aber nicht ihre Farbe, sondern
wird blässer. Eggerts hat deshalb vorgeschlagen, eine Lösung von ge-
branntem Zucker von demselben Farbenton der Normallösung zu
bereiten, doch verändert auch diese mit der Zeit ihre Farbe. Britton
hat eine aus Alkohol, Wasser und gebranntem Kaffee bereitete Flüssigkeit
zu dem Zwecke empfohlen. Am meisten hat es sich aber bewährt,
die Normallösungen immer mit der Probe frisch zu bereiten, wie dies
namentlich im Laboratorium der Bergakademie zu Leoben geschah,
und zwar ist es ratsam, gleich drei Normallösungen, mit 0,4, 0,8
und 1,25 Prozent Kohlenstoff, herzustellen, weil ungleich harter Stahl
verschiedene Farbennuancen hervorbringt. In dieser Weise ausgeführt,
erfüllte diese Probe ihren Zweck.


Eggerts, der bekanntlich schon früher eine kolorimetrische Probe
zur Bestimmung des Schwefelgehaltes im Eisen angegeben hatte
(Bd. IV, S. 792), hat auch möglichst einfache Verfahren zur Bestim-
mung von Silicium 1), Phosphor 2) und Mangan 3) angegeben, die sich
auf bekannte ältere Verfahren gründen. Phosphor bestimmt er
z. B. aus der salpetersauren Lösung als Phosphorsäure durch Molyb-
dänsäure, wiegt den bei 120° C. getrockneten Niederschlag und
berechnet daraus den Phosphor unter der Annahme, daſs der Nieder-
schlag 1,63 Prozent davon enthält.


Die Bedeutung der analytischen Chemie für den Eisenhütten-
betrieb war in dieser Zeit so sehr zur Anerkennung gelangt, daſs in
Deutschland fast jede Hütte ihr Hüttenlaboratorium und ihren
Hüttenchemiker hatte. Da genaue Analysen von Eisensorten aber
schwierig waren und geschickte Analytiker verlangten, da ferner für
den Bessemerprozeſs und andere neue Verfahren eingehende Unter-
suchungen notwendig wurden, die oft über die Kräfte des einzelnen Werkes
hinausgingen, so regte Dr. List 1865 die Gründung einer chemischen
Versuchsstation für die Eisenhüttenkunde entweder für ganz Deutsch-
land oder zunächst für Rheinland und Westfalen an 4). Obgleich
dieses Institut damals nicht zustande kam, so ist doch auch dieser
Versuch von historischer Bedeutung.


[25]Physik 1861 bis 1870.

Physik 1861 bis 1870.


Die Fortschritte der Physik förderten ebenfalls die Eisenindustrie.
Auf dem Grenzgebiete von Chemie und Physik entstand (1860) die
überraschende, hochwichtige Entdeckung von Bunsen und Kirchhoff,
die Spektralanalyse. Sie wurde ein Mittel zur Beobachtung des Verlaufs
des Bessemerprozesses, wie wir später noch näher kennen lernen werden.


Von den Wirkungen der Wärme bot die Dissociation der Gase
bei hoher Temperatur, welche von Deville, Cailletet und Debray
durch Versuche nachgewiesen wurde, ein hohes Interesse dar. Daſs
in groſser Hitze der Wasserdampf wieder in seine Elemente Sauerstoff
und Wasserstoff zerfällt, war schon früher beobachtet worden.
Cailletet wies 1869 nach, daſs unter dieser Bedingung Wasserstoff
und Sauerstoff neben Kohlenoxyd und Kohlensäure bestehen können 1).


In welchem Maſse das Silicium im Roheisen bei den Frisch-
prozessen die Rolle eines Wärmeerzeugers spielt, wurde erst in
diesem Zeitraum genauer bekannt.


C. Schinz beschäftigte sich eingehend mit der Ökonomie der
Wärme, wobei er namentlich den Wärmeverlust durch Strahlung fest-
zustellen suchte. Gestützt auf Dulongs Gesetz: daſs die Transmission
dem Quadrat der Temperatur der transmittierenden Fläche proportional
ist, fand er die Ausstrahlung einer Fläche von 1 qm und 540° C. in
einer Stunde gleich 36046 Wärmeeinheiten. Auf die Untersuchungen
von Bell und Tunner über den theoretischen Wärmeverbrauch im
Hochofen kommen wir später zurück.


Von praktischer Bedeutung war die Konstruktion verschiedener
neuer Pyrometer. Bussius erfand ein Thermometer für erhitzten
Gebläsewind 2). Schinz konstruierte 1865 ein thermoelektrisches
Pyrometer für Temperaturen bis 1000° C. C. Bock fertigte 1870 ein
verbessertes Metallpyrometer, aber auch nur für Messungen bis 600° C.
Siemens’ Pyrometer war dagegen für hohe Temperaturen bestimmt.
Es gründete sich auf die Eigenschaft reiner Metalle, mit zunehmender
Wärme dem elektrischen Strom gröſseren Widerstand zu bieten.


Die Optik erlangte durch das Mikroskop Bedeutung für die
Eisenhüttenkunde, besonders seitdem es Sorby3) 1864 gelungen war,
die mikroskopischen Bilder der Bruchflächen von Eisenarten durch
die Photographie zu fixieren. Nach seinen Angaben stellte sich die
[26]Physik 1861 bis 1870.
Struktur des grauen Roheisens als losgelöste Graphitkrystalle auf einer
buntscheckigen Fläche dar. Im Feineisen zeigten sich lange Linien heller
Krystalle in Zonen geordnet. Das Walzeisen erschien im Gegensatz
zum Luppeneisen frei von Schlacke. Beim Cementstahl lieſs sich der
chemische Vorgang im Bilde erkennen. Der Guſsstahl war ausgezeichnet
durch die gleichförmige Anordnung der Krystalle. Tresca gab (1867)
an, daſs sich die durch Walzen und Schmieden bewirkten Änderungen
des Eisens im Inneren deutlich sichtbar machen lassen durch Schleifen
und Polieren des Querschnitts, Abwaschen mit Äther und Alkohol,
Eintauchen in sehr verdünnte Quecksilberchloridlösung und Abwaschen
mit Wasser, wobei sich an den nicht homogenen Stellen keine Oxy-
dation zeigt. — Vivian unterschied im Eisen zelliges und eckiges Gefüge.


Saxby schlug 1868 vor, die Homogenität der Eisenstäbe mit
Hülfe der Magnetnadel zu prüfen. A. v. Waltenhofen wollte 1863 aus
dem elektromagnetischen Induktionskoeffizienten und der Koercitivkraft
den Härtegrad des Stahls herleiten. Er schlug elektromagnetische
Stahlproben vor, wobei glasharter Wolframstahl mit der Härte 1
(bezw. 100) an der Spitze der Skala stehen sollte. Diese Stahlprobe
beruhte auf der Annahme, daſs der Härtegrad im umgekehrten
Verhältnis zum Induktionskoeffizienten stehe.


Nach Guettier (1866) zeigt das Roheisen durch den Einfluſs des
elektromagnetischen Stromes eine Volumvermehrung ohne Zunahme
der Porosität, sowie eine Vermehrung der Festigkeit und Annäherungen
der Eigenschaften an Stahl. Schon Rumkorff hatte beobachtet, daſs
durch magnetische Induktion eine Zunahme der Härte des Schmiede-
eisens eintritt. Man hatte auch schon vordem geglaubt und vor-
geschlagen, durch den elektrischen Strom eine Reinigung des flüssigen
Eisens bewirken zu können.


A. C. Fleury in Philadelphia nahm 1860 ein Patent auf das
Weiſsen und Reinigen des Eisens durch den elektrischen Strom. Das
aus geringem Roheisen elektrisch gefeinte Eisen wurde angeblich
zu einem vorzüglichen Schmiedeeisen verpuddelt 1).


Winkler empfahl 1861 2) die Reinigung des flüssigen Roheisens
im Herde des Hochofens durch einen elektrischen Strom, wodurch
Schwefel, Phosphor und Silicium abgeschieden werden sollen. Später
schlug er vor, die im Hochofengestell auf dem Eisen schwimmende
Schlacke mit dem positiven und das Eisen durch das Stichloch mit
dem negativen Pol zu verbinden.


[27]Physik 1861 bis 1870.

Vor Fleury hatten schon Wall und Black ein Patent zur
Reinigung des Stahls durch den galvanischen Strom genommen; das
Verfahren war aber sehr kompliziert. 1865 nahm S. C. Kreeft in
London ein Patent, wonach er mittels Durchleitens eines elektrischen
Stromes durch flüssigen Stahl einen sehr gleichartigen, dichten Stahl
bekommen will. Erfolg hatte keiner dieser Vorschläge.


Daſs festes Eisen auf flüssigem schwimmt, war eine schon lang
beobachtete Erscheinung. Schott in Ilsenburg suchte sie dadurch zu
erklären, daſs flüssiges Eisen im Moment der Erstarrung durch
Krystallisation eine Ausdehnung erfahre. Erhard will dagegen das
Schwimmen des Eisens nur durch die sofort eintretende Ausdehnung
durch Hitze erklären (1868).


H. Deville und L. Troost hatten gefunden, daſs Schmiedeeisen
bei hohen Temperaturen für Wasserstoff durchdringlich ist, ferner
daſs die Feuergase die Wände eines guſseisernen Ofens bei dunkler
und heller Rotglut durchdringen. Odling fand, daſs schon rot-
glühendes Eisen für Wasserstoff durchgängig ist, und Cailletet wies
die Durchdringlichkeit des Eisens für Gase schon bei gewöhnlicher
Temperatur nach.


Odling entdeckte ferner, daſs Eisen bis 46 Prozent Wasserstoff
und bis 415 Prozent Kohlenoxydgas absorbiert. Letzteres hielt er für
wichtig zur Erklärung der Stahlbildung, indem Kohlenoxydgas
bei sehr hoher Temperatur in Kohlenstoff und Kohlensäure zerfallen
könne.


Für die Praxis waren die Festigkeitsbestimmungen die
wichtigsten physikalischen Versuche, die man mit dem Eisen vornahm.
Wir können nur die hervorragenden Ergebnisse der zahlreichen Ver-
suche hier zusammenstellen.


Eine Streitfrage bildete damals die Verminderung der Festigkeit
des Eisens durch Strukturveränderung infolge lange Zeit fortgesetzter
Erschütterungen. Wilh. Armstrong1) nahm 1860 an, daſs die
Festigkeitsverminderung die Folge einer eintretenden Krystallisation
sei, und schlug einen Zusatz von Nickel beim Puddeln als bestes Mittel
dagegen vor. Gurlt bezweifelt diese Wirkung, weil sich das Nickel
unter diesen Umständen nicht mit dem Eisen legiere.


W. Liebe stellte im Oktober 1860 in der Fabrik von Joh. Casp.
Harkort
auf Harkorten ausgedehnte Festigkeitsversuche mit deut-
schen Eisensorten, besonders mit Holzkohlen- und Koksnieteisen an 2).


[28]Physik 1861 bis 1870.

Nach Versuchen, welche T. E. Vickers1) 1861 veröffentlichte,
nimmt die Festigkeit von Stahl gegen das Zerreiſsen mit dem Kohlen-
stoffgehalt von ⅓ bis 1¼ Prozent ab, die gegen das Zerdrücken zu.


Barlow2) machte 1862 die Resultate seiner Festigkeitsversuche
von Puddelstahl, Homogeneisen und Stabeisen, welche er im Arsenal
zu Woolwich angestellt hatte, bekannt. Weitere Angaben über die
Festigkeit englischer Eisensorten veröffentlichte Bell3).


Versuche, die 1864 zu Hörde gemacht wurden, ergaben für Hörder
Bessemerstahl ein Zerreiſsungsgewicht von 87 kg auf den Quadrat-
millimeter. Für andere Stahlsorten schwankte dieses Gewicht von
75 bis 100 kg. Für Schmiedeeisen betrug es nur etwa die Hälfte,
für Roheisen 9 bis 10 kg. — In demselben Jahre wurden die Ergebnisse
von Festigkeitsversuchen von Neuberg und Reschitza veröffentlicht 4).


Zahlreiche und wichtige Zerreiſsungsversuche mit Eisen hat
David Kirkaldy (1862) in Glasgow angestellt 5). Er fand dabei, daſs
eine krystallinische Textur der Bruchfläche stets nur bei plötzlich
erfolgtem Bruche eintritt, dagegen eine faserige (sehnige) bei allmäh-
lichem Bruch. Deshalb giebt ein krystallinischer Bruch für sich allein
keinen Anhalt für schlechte Qualität des Eisens. Wedding giebt
dies zwar im allgemeinen zu, ist aber der Ansicht, daſs eine merklich
krystallinische Bruchfläche so nicht entstehen könne, sondern nur bei
Eisen, das schon krystallinisch war, zum Vorschein komme.


Kirkaldy machte sich auch dadurch besonders verdient, daſs er
die erste öffentliche physikalische Prüfungsstation für Eisen, ein
Festigkeits-Atelier“, zu Southwark errichtete und seine Erfahrun-
gen in einem grundlegenden Werke 6) zusammenfaſste.


Wöhler wies 1866 auf den groſsen Einfluſs der Form auf die
Festigkeit und die nachteilige Wirkung plötzlicher Übergänge der-
selben hin. Für den Bruch sei nicht das Maximum der Faserspan-
nungen, sondern die Differenz dieser Spannungen maſsgebend. Bei
Eisen darf die Summe der konstanten und zufälligen Spannungen
nicht über 1300 kg für den Quadratcentimeter betragen 7). Wöhlers
Festigkeitsversuche wurden für Deutschland ebenso maſsgebend wie
die von Kirkaldy in England.


[29]Physik 1861 bis 1870.

Kirschweger machte 1867 Versuche über den Zusammenhang
zwischen Festigkeit und Kohlenstoffgehalt, deren Ergebnisse in nach-
stehender Tabelle zusammengestellt sind:



Knut Styffe berücksichtigte bei seinen Festigkeitsversuchen des
Eisens 1867 auch die Temperatur 1). Es ergab sich, daſs die absolute
Festigkeit in der Kälte ebenso groſs ist wie bei 15° C., daſs sie aber
bei 100 bis 200° C. gröſser ist und zwar bis zu 20 Prozent. Die
Dehnbarkeit ist dagegen bei 130 bis 160° C. geringer als bei gewöhn-
licher Temperatur.


W. Fairbairn fand 1867 den Festigkeitsmodul gegen das Zer-
drücken des Stahls durchschnittlich 2½mal so groſs als gegen das
Zerreiſsen 2). 1868 veröffentlichte er die Ergebnisse zahlreicher Festig-
keitsversuche mit Bessemermetall und zwar von sämtlichen englischen
Bessemersorten 3).


Nach den auf der Hütte zu Terre-noire in Frankreich gemachten
Erfahrungen riſs der gewöhnliche Bessemerstahl (Nr. 5 nach Tunner)
bei einer Belastung von 70 kg pro Quadratmillimeter, der weichste
Stahl bei 55 bis 60 kg, während das gewöhnliche Blech aus Holz-
kohlenroheisen schon bei 35 kg reiſst.


1867 erfand Barlow eine sehr hübsche hydraulische Maschine
zum Probieren der Festigkeit des Stahls. Sie wurde von Greenwood
\& Batley
in London erbaut und kostete zuerst 1700 £.


1870 konstruierten King \& Son in Glasgow einen Festigkeits-
apparat mit Laufgewichten für Zug und Druck. Die Bewegung des
Laufgewichts war bis zum Moment des Bruches eine selbstthätige, im
Augenblick des Bruches stellte es sich fest.


In den in demselben Jahre von dem preuſsischen Obermaschinen-
meister A. Wöhler veröffentlichten, auf Veranlassung des Handels-
ministeriums ausgeführten vortrefflichen Festigkeitsversuchen mit Eisen
[30]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
und Stahl sind die dabei angewendeten Apparate in schönen Zeich-
nungen beigefügt 1).


Eisenbereitung.


Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.


Die Nützlichkeit des Röstens mancher Eisenerzarten wurde in
den sechziger Jahren gewürdigt, was zur Konstruktion verschiedener
neuer Röstöfen führte. Das 1861 von Ihne in Vorschlag gebrachte
Schachtofen-Röstverfahren mit Anwendung von Wasserdampf 2) war
nur eine Abänderung des Nordenskjöldschen. In Steiermark wendete

Figure 1. Fig. 1.


man der Röstung der Spaterze besondere Aufmerksamkeit zu. Zu
Mariazell errichtete Direktor Wagner für schwefelkiesreiche Erze
einen verbesserten Zugröstofen mit innerem Luftschacht und sehr
vollkommener Luftverteilung (Fig. 1). Dasselbe Prinzip in verein-
fachter Form kam bei den Röstöfen zu Gollrath in Anwendung (Fig. 2).
[31]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Die Heizung der Röstöfen geschah vielfach mit Gas. Zu Vordernberg
erbaute Fillafer neue Gichtgasröstöfen mit Rost. 1866 wurden auf
dem Seſslerschen Radwerk Nr. III 14 solcher Öfen zusammengebaut.
Fig. 3 (a. f. S.) zeigt den vertikalen Schnitt durch zwei mit dem
Rücken zusammengebaute Öfen dieser Art. F F sind die Aufgabe-
öffnungen, a a sind die Gasschlitze, c c die Rostträger, K K die Kühl-

Figure 2. Fig. 2.


räume. Dieselben Röstöfen in etwas gröſseren Verhältnissen wurden
auf dem v. Friedauschen Radwerke Nr. 7 errichtet. — Zu Eisenerz
erbaute K. Moser Gichtgas-Flammröstöfen mit geneigter Sohle.


In Schweden, wo man für die Röstung der zum Teil schwefel-
haltigen Magneteisensteine ein stärkeres Feuer und deshalb höhere
Öfen brauchte als bei den leicht schmelzbaren Spaten der österreichi-
schen Alpenländer, verbesserte Westman die Gasröstöfen mit künst-
[32]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Figure 3. Fig. 3.


licher Windzuführung. Zeich-
nung und Beschreibung der-
selben findet man in Wed-
dings
Eisenhüttenkunde
(Bd. II, S. 485).


Mehr vom Gesichtspunkt
groſser Leistungsfähigkeit
aus, entsprechend der ge-
steigerten Produktion der
Hochöfen, waren die Röst-
öfen auf der Rolandshütte
bei Siegen und die Röst-
öfen auf den Eisenhütten
bei Middlesborough kon-
struiert. Erstere zeichneten
sich durch ihre Einfachheit
aus, wie Fig. 4 zeigt. Es waren
trichterförmige Schachtöfen
ohne Boden. Der Blech-
mantel des Ofens hing in
eisernen Trägern. Die Öfen
standen ganz frei, das Aus-

Figure 4. Fig. 4.


[33]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
ziehen ging leicht von statten, das Durchsatzquantum war für Sieger-
länder Spate ein bedeutendes.


Groſse Bauwerke sind dagegen die ebenfalls mit festem Brenn-
material betriebenen Röstöfen von Gjers und die von Borrie auf
den Cleveland-Eisenwerken (Fig. 5), welche die Dimensionen groſser
Hochöfen hatten. Sie waren an 50 Fuſs hoch und der kreisrunde
Schacht hatte 21
Fuſs Durchmesser.
Oben hatten sie
Gichtverschlüsse
nach dem Prinzip
der Parryschen
Trichter; unten be-
fanden sich drei Aus-
ziehöffnungen. Die
Gjersschen Röst-
öfen hatten Blech-
mäntel, die auf
eisernen Säulen ruh-
ten; das geröstete
Erz glitt über einen
Verteilungskegel.
Die Borrieöfen wa-
ren bis zum Boden
gemauert und hatten
sechs Ausziehöff-
nungen. Ein solcher
Ofen faſste 550 Ton-
nen und produzierte
150 bis 200 Tonnen
Röstgut pro Tag, so
daſs er für einen
Hochofen genügte.


Eine eigentüm-
liche Konstruktion

Figure 5. Fig. 5.


zeigte der Generatorgas-Röstofen von Welckner in Wietmarschen
zum Rösten sandiger Raseneisensteine. Er bestand aus einem
für Torf und Holzkohlenklein konstruierten Gasgenerator mit
Treppenrost und Gaswaschvorrichtung und aus einem von Säulen
Beck, Geschichte des Eisens. 3
[34]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
getragenen guſseisernen Röstcylinder mit getrennter Verbrennungs-
kammer 1).


William Siemens baute rotierende Röstöfen. Geneigte Eisen-
blechcylinder waren mit einem Futter von feuerfesten Steinen, mit
spiralförmig angeordneten Vorsprüngen ausgekleidet. Durch diese
wurden die am oberen Ende eingeschütteten Erze gleichsam fort-
geschraubt und fielen am anderen Ende heraus. Die Erhitzung
geschah durch Gas und vorgewärmte Verbrennungsluft 2).


Aitken schlug die Röstung englischer Kohleneisensteine in ge-
schlossenen Retorten vor 3). Diese Öfen kamen auf der Almondhütte
bei Falkirk in Schottland in Anwendung.


Die hüttenmännische Praxis der sechziger Jahre ist charakterisiert
durch die Anwendung weit stärkerer Maschinenkräfte und infolge-
dessen durch gröſsere Produktion. Massenerzeugung wurde in allen
Zweigen der Eisenindustrie erstrebt. Bei dem Hochofenbetriebe
wurde sie befördert durch die Erschlieſsung ausgedehnter fast un-
erschöpflicher Lager von Eisenerzen, in deren Nachbarschaft zahlreiche
und riesige Hochöfen entstanden. In erster Linie gilt dies von dem
Clevelanddistrikt in Nordengland, sodann auf dem Kontinent von den
ausgedehnten Minetteablagerungen in Luxemburg, Lothringen und
Nordfrankreich, in Nordamerika für die Lake-Superior-Erze. Auſser-
dem gewann die Einfuhr überseeischer Eisenerze in dieser Periode
immer gröſsere Bedeutung. Es waren dies für Frankreich die Erze
von Mokta-el-Hadid bei Bona in Algier, kurzweg Moktaerze genannt,
ferner die Erze von Elba und von St. Leon auf Sardinien; für Eng-
land besonders die Erze von Sommorostro bei Bilbao in Nordspanien.


Bei der Aufbereitung der Erze zeigt sich eine vermehrte
Anwendung von Maschinen gegen früher. Das Zerkleinern geschah
in ausgedehnter Weise durch Brechmaschinen, die eine sehr rasche
Verbreitung fanden. Die Steinbrecher wurden von dem Amerikaner
Black in Newhaven im Jahre 1858 erfunden. In Europa wurden
sie durch die Londoner Ausstellung 1862 bekannt. Mit ihrer zu-
nehmenden Verbreitung erfuhren sie zahllose Änderungen und Ver-
besserungen, so zuerst von Whitney, von Smith \& Roberts, von
Avery, von Dyckhoff, von der Georgs-Marienhütte bei Osnabrück
1864, von Schwartzkopff in Berlin 1865, von Thomas 1866.


Um diese Zeit wurde von Gardiner in den Vereinigten Staaten
[35]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
der sogenannte Thunderbolt Crusher erfunden. Eine besondere Art
von Erzbrechern konstruierten Corbitt und Archer1). Ein anderes
Patent war von Marsden.


Für die Zerkleinerung der Steinkohlen hatte Carr eine Schleuder-
mühle (Desintegrator) konstruiert, die 1870 von Haurez verbessert
wurde. Letzterer hatte schon 1867 die Centrifuge zum Trocknen
gewaschener Steinkohlen verwendet.


Eine groſse Eisenerzwäsche wurde 1866 auf der Grube Cornelia
zu Stolberg bei Aachen eingerichtet 2). Dr. Bernouilli hat die Auf-
bereitung der kupfer- und schwefelkieshaltigen Magneteisensteine von
Traversella in Oberitalien beschrieben 3). Dufournel erfand eine
transportable Eisensteinwaschmaschine 4). Es war dies im wesentlichen
nichts anderes als die in Deutschland längst bekannte Waschtrommel.


Für die Aufbereitung der Steinkohlen bewährten sich besonders
die von Sievers \& Comp. zu Kalk nach dem System Neuerburg
gebauten Anlagen, ferner die Steinkohlenwäsche von Binkbeck5).


Auch chemische Aufbereitung kam namentlich zur Entfernung
der Phosphorsäure aus den Erzen in Anwendung. Zu Kladno wurden
die gerösteten schwefelhaltigen Erze in groſsen Bassins ausgelaugt und
man fügte, um die Phosphorsäure völlig in Lösung zu bringen, noch
schwefligsaures Wasser zu.


Strohmeyer versuchte 1865 die phosphorreichen Erze von Ilsede
dadurch zu entphosphorn, daſs er sie brannte und dann mit ver-
dünnter Salzsäure auslaugte. Nach seinem Vorschlage sollte man die
Salzsäure aus der Lösung wiedergewinnen und den phosphorsäure-
haltigen Rückstand als Dünger verwenden. Für einen Massenbetrieb
war dieses Verfahren aber viel zu teuer.


Auf dem Gebiete der Koksfabrikation sind viele, wenn auch
keine hervorragenden Neuerungen in diesem Zeitraum zu verzeichnen.
Die Fortschritte erfolgten auf dem in dem vorhergehenden Jahrzehnt
eingeschlagenen Wege. Für verschiedene Arten von Steinkohlen
wendete man verschiedene Systeme der Verkokung an. In Ober-
schlesien hielt man an der Verkokung in Meilern und Schaumburger
Öfen fest und bediente sich nur für backendere Kohlen der Öfen. In Saar-
brücken, Westfalen, Rheinland, Belgien und Nordfrankreich wendete
3*
[36]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
man allgemein die retortenartigen Öfen mit Seiten- und Sohlenfeuerung
und Doppelthüren an. In Saarbrücken waren die Konstruktionen von
François und Rexroth am meisten verbreitet, daneben benutzte
man auch Appoltsche Öfen. Überall standen hier die Koksanstalten
in Verbindung mit Kohlenwäschen, teils nach Rexroths, teils nach
Neuerburgs System. Um 1867 erlangten die Ofenkonstruktionen
von Haldy, Smet und Gobiet gröſsere Verbreitung, weil sie bessere
Koks lieferten. Dieselben Systeme waren in Westfalen und in Belgien,
von wo sie ausgegangen waren, verbreitet. Die Öfen von Gobiet
fanden besonders auch in Österreich Aufnahme.


Die Koksfabrikation Belgiens war hervorragend, von ihr gingen
die meisten Verbesserungen aus. Die genannten Ofenarten haben ihre
Namen groſsenteils von belgischen Erfindern. Smet war Direktor in
Couillet, François Hüttenbesitzer in Marcinelle, Dulais Koksfabrikant
zu Charleroi u. s. w.


Das System Smet wurde angewendet zu Ougrée, Seraing und
Grevignée. Die Öfen waren in der Regel 7 m lang, 0,65 m breit und
1,60 m hoch; Charge 40 bis 50 hl, Betriebsdauer 24 bis 36 Stunden.
Die Flamme trat durch Öffnungen am Anfang des Gewölbes in zwei
Seitenkanäle, von da in die Züge unter der Sohle, dann in die Esse.
Als neue Konstruktionen tauchten Anfang der sechziger Jahre die
von Gandebien zu Montigny-sur-Sambre und von Evence Coppée,
der eine Koksanstalt bei La Louvrière betrieb, auf. Die Coppée-
öfen hatten ursprünglich nur eine Thüre, lieferten aber ein
besonders gutes Produkt. Später versah man sie mit zwei Thüren
und preſste sie mit Maschinen aus (Fig. 6, 7, 8), wie die übrigen
belgischen Öfen.


Die Benutzung der Koksöfen zur Dampfkesselfeuerung, die nament-
lich in Belgien so beliebt war, schränkte man vielfach ein. Man legte
die Kessel entweder so an, daſs sie nur einen Teil der Öfen bedeckten,
so daſs die Beschickung der Koksöfen von oben erfolgen konnte, oder
man errichtete vertikale Dampfkessel an den Enden der Batterieen.
Mitte der sechziger Jahre erlangte ein anderes System von Laumonier
Verbreitung. Bei diesem waren 24 Öfen radial um eine hohe Esse
gruppiert. Diese Öfen zeichneten sich durch hohes Ausbringen aus;
die am Bahnhofe zu La Louvière ergaben 88,4 Prozent.


In Frankreich hielt man noch vielfach (z. B. zu Anzin) an den ein-
thürigen Öfen fest. Talabots Öfen standen zu l’Agrappe, Denain und
Anzin im Betrieb. Besonderen Wert legte man in Frankreich auf die
Gewinnung der flüssigen Destillationsprodukte. De Vathaire verbesserte
[37]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
die Knabschen Öfen 1) und Pernolet konstruierte Koksöfen mit
geneigter Sohle und Kondensationsapparat.


Figure 6. Fig. 8.

Figure 7. Fig. 7.

Figure 8. Fig. 6.

In England erwarb sich Cochrane
Verdienste um die Koksfabrikation 2).
Seine Öfen waren ringförmig um eine
Esse gebaut.


[38]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Der Wind ist die Lebensluft des Hochofens und seine Zuführung,
Menge, Pressung und Erhitzung von gröſster Wichtigkeit.


Für die Bestimmung der Windmenge wurden zahlreiche
Tabellen nicht nur in Zahlen, sondern auch graphische, wie z. B. von
Bornemann 1860 veröffentlicht. In Rittingers Erfahrungen für
1860 ist eine Kritik der verschiedenen Windtabellen und eine An-
leitung zur Anfertigung graphischer Tabellen von Schmidt enthalten.
P. Tunner, Rittinger und v. Hauer haben zuerst den Widerstand
des Druckes im Ofengestell berücksichtigt, während man bis dahin
den Wind berechnete, als wie wenn er frei ausströmte. Tunner maſs
diesen Gegendruck, indem er eine schmiedeeiserne Röhre in dem Ofen
niedergehen lieſs und diese mit einem Manometer verband. Schmid-
hammer
bestimmte den Druck im Hochofengestell auf Rittingers
Veranlassung dadurch, daſs er die Arbeit der Dampfmaschine
ermittelte, welche nötig war, um dieselbe Windmenge bei geschlossener
und bei zurückgezogener Düse auszupressen, wobei er etwas andere Werte
ermittelte als Tunner. Er fand bei einem Hochofen zu Neuberg die
Pressung bei vorgeschobenen Düsen 22,5 Linien, bei zurückgeschobenen
14,5 Linien, die Differenz von 8 Linien drückt also die Pressung im
Gestell aus. Das Manometer zeigte dagegen bei direkter Messung
11 Linien Pressung.


Hauer legte Schmidhammers Beobachtungen seinen Wind-
berechnungen zu Grunde, die ergaben, daſs ohne Berücksichtigung
dieses Widerstandes die Zahlen etwa 40 Prozent zu hoch ausfielen.


Cages rechnet (1860) auf 1 cbm festen Kohlenstoff eine Maximal-
menge von 4440 cbm Wind.


H. Buschbeck in Lauchhammer hat 1861 Zahlen für den Wind-
bedarf im Hochofen bei verschiedenen Brennstoffen und Eisensorten
mitgeteilt 1).


In England ermittelte man folgende Werte des Windverbrauchs
für die Produktion von einer Tonne Roheisen:


v. Mayrhofer lieferte 1866 neue Tabellen über die Geschwindig-
keit und Menge des Windes und den entsprechenden Kraftbedarf 2).


[39]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Hinsichtlich der Gebläsemaschinen kam man von den Balan-
ciermaschinen auf dem Kontinent und auch in England mehr und
mehr ab. Soweit dieselben damals noch in England gebaut wurden,

Figure 9. Fig. 9.


versah man sie mit Schwungrad und schiefer Kurbelstange, wie die
Fig 9 abgebildete Zwillingsmaschine der Schelton Coal and Iron
Company bei Stoke upon Trent mit Windcylinder von 2537 mm.
Dampfcylinder von 1137 mm Durchmesser und 2746 mm Hub zeigt,
[40]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Die meist nach aufwärts gebogene Verlängerung des Balanciers nannte
man horse-head. Dagegen fanden stehende Maschinen, bei denen sich
der Dampfcylinder unten, der Gebläsecylinder oben befand, groſse
Anerkennung. Solche Maschinen baute auf dem Kontinent namentlich
die Gesellschaft Cockerill zu Seraing in groſser Zahl. Ähnliche lieferte
auch Borsig in Berlin. Von letzteren kam das erste Paar Mitte
der sechziger Jahre auf der Borsigschen Hochofenanlage bei Biskuspitz
in Schlesien zur Aufstellung 1).


In Oberschlesien wendete man um 1861 neben den sogenannten
Woolfschen Maschinen die Schmidtschen an, bei denen der Dampf-
cylinder unmittelbar über dem Gebläsecylinder stand. In Westfalen
zog man dagegen die liegenden Maschinen vor und der fortdauernde
Kampf zwischen beiden Systemen kam zu keiner Entscheidung. In
vielen Fällen war die Platzfrage ausschlaggebend. Man baute die
Gebläsemaschinen in dieser Periode aber durchgehends viel stärker
wie früher. Der englische Grundsatz, mehrere Hochöfen mit
einem sehr starken Gebläse zu betreiben, fand auch auf den
groſsen Hüttenwerken des Kontinents Anwendung. So stellte man
beispielsweise um 1868 in Oberschlesien sehr starke Gebläsemaschinen
auf; eine liegende zu Laurahütte, von Wöhlert in Berlin gebaut,
hatte 8 Fuſs Kolbendurchmesser und 8 Fuſs Hub und 600 Pferde-
kräfte. Eine andere stehende Zwillingsmaschine mit Balancier nach
englischem Muster von 750 Pferdekräften für die Königshütte wurde
in Gleiwitz ausgeführt.


Noch viel gröſsere Maschinen gab es in England, wo z. B. zu
Ebbw-Vale 1867 eine von 12 Fuſs Kolbendurchmesser und 12 Fuſs
Hub in Betrieb stand. Zu Ormesby, Newport, Thornaby und Grosmont
hatte man schnelllaufende Gebläse nach Slade (1867).


Von neuen Konstruktionen erwähnen wir noch die Gebläse-
maschine von Kirk. Dieselbe hatte eine hohle Kolbenstange, durch
welche nahe an den Cylinderböden Wind ein- und austreten konnte.
Hierdurch wurde der schädliche Raum sehr vermindert. Die Maschine
lief sehr schnell und machte bis 120 Touren in der Minute 2).


Eine sehr gründliche Berechnung der Gebläsemaschinen veröffent-
lichte der um den Maschinenbau hochverdiente Professor Gustav
Schmidt
3).


[41]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Testud de Beauregard konstruierte 1861 ein Dampfstrahl-
gebläse.


Von den groſsen Windregulatoren kam man namentlich in Eng-
land mehr und mehr ab. Sie wurden durch sehr weite Hauptwind-
leitungsröhren ersetzt. Man zog es vor, die Gebläsemaschinen nicht
wie früher möglichst nahe bei den Hochöfen anzulegen, sondern die
groſsen Maschinen, die eine ganze Reihe von Öfen zu bedienen be-
stimmt waren, an deren Ende, nicht zu nahe dabei zu erbauen und
sie durch eine sehr weite Leitung aus Eisenblech mit den Öfen zu
verbinden.


In Frankreich konstruierte Chauffriat zu St. Etienne 1865 einen
verbesserten Wasserregulator mit federndem Oberkasten für die Wind-
ausströmung 1).


v. Hoff in Hörde brachte 1864 in den Windleitungsröhren
patentierte Sicherheitsklappen an, welche beim Stillstand des Gebläses
ein Zurücktreten der Hochofengase in die Windleitung und damit
Explosionen verhinderten. Die Klappe wurde beim Ausströmen des
Windes durch diese gehoben und fiel beim Abstellen durch ihr eigenes
Gewicht herunter.


Die Winderhitzung erlangte eine immer gröſsere Wichtigkeit
für die Massenproduktion, und man suchte die Temperatur des Windes
in dieser Periode erheblich zu steigern. Dies geschah besonders bei
den Hochöfen des Clevelanddistriktes, der in dieser Beziehung allen
anderen vorauseilte. Cochrane zu Ormesby erwarb sich namentlich
in dieser Richtung Verdienste.


Was die Winderhitzungsapparate selbst betrifft, so entwickelten
sich dieselben, indem man ihre Leistungsfähigkeit zu steigern und
möglichst hohe Windtemperaturen zu erzielen strebte, nach zwei Rich-
tungen. Einerseits waren es die Apparate mit guſseisernen Heizröhren,
andererseits steinerne Winderhitzer mit Siemensscher Regenerativ-
feuerung, die man zu den gröſsten Wirkungen zu steigern strebte. Von
den Röhrenapparaten waren es ganz besonders die Pistolenapparate,
welche erst in England, dann auf dem Kontinent wegen ihres Effektes
immer gröſsere Verbreitung gewannen. Diese wurden Ende der fünfziger
Jahre auf den Gartscherrie-Werken in Schottland zuerst eingeführt.
Sie verbanden die Vorteile der Hosenröhrenapparate mit den in
England gebräuchlichen Fuſskastenapparaten 2), die 1851 von Martin
Baldwin
zu Bilston in Südstaffordshire erfunden waren.


[42]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Fig. 10 zeigt die Einrichtung der Pistolenröhren, die in zwei
Reihen auf zwei geteilte Fuſskastenröhren (Fig. 11) so aufsaſsen, daſs
ihre gekrümmten Enden sich ganz nahe gegenüberstanden und
Bogen bildeten, ähnlich wie die Hosenröhren. Durch das geteilte

Figure 10. Fig. 10.


Figure 11. Fig. 11.


Fuſsrohr trat die kalte Luft bei A in der Richtung
des Pfeiles ein, stieg durch die bis nahe der
Spitze geteilten ersten 8 Pistolenröhren in der inneren Abteilung t
aufwärts und in der äuſseren t' abwärts, dann trat der Wind in die
zweite Abteilung und ging in den folgenden 8 Pistolenröhren durch
t'' aufwärts und durch t''' abwärts und verlieſs als heiſser Wind bei B
[43]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
den Apparat. Die erhitzten Flächen, welche der Wind bestrich, waren
bei diesem Apparat sehr groſs und doch auf einen engen Raum
zusammengedrängt. Die Herstellung der Pistolenrühren war keine
leichte Aufgabe für die Gieſserei
und bereitete anfangs auf
manchen Werken Schwierig-
keiten. Man rechnete in Eng-
land bei den Pistolenapparaten
auf 1 cbm Wind in der Minute
1 qm Heizfläche.


Einen guten Winderhitzer
mit vertikalen Schlangenröhren
und Gasheizung erbaute Levick

Figure 12. Fig. 12.


auf den Blaina-Eisenwerken, Südwales, Anfang der sechziger Jahre 1).


Die Anwendung des Siemensschen Prinzips der Regeneration
der Wärme für die Winderhitzung hatte Edward A. Cowper zuerst
durchgeführt. Cochrane erzielte 1860 und 1861 auf der Eisenhütte

Figure 13. Fig. 13.


zu Ormesby mit den mit Gas geheizten Cowperapparaten groſse
Erfolge. Fig. 12, 13 und 14 (a. f. S.) zeigen den Schnitt durch einen
dieser Öfen, von denen immer zwei zu einem Apparat verbunden waren.
[44]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Sie waren mit Steinkohlenfeuerung versehen. Während der Regenerator
B durch die Feuerung A erhitzt wurde, war der Schieber E und das

Figure 14. Fig. 14.


Ventil F geschlossen. War die Heizkammer mit dem durchbrochenen
Mauerwerk genügend in Glut, so schloſs man das Ventil C und die

Figure 15. Fig. 15.


Thüre D und öffnete den
Schieber E und das Ventil
F. Der Wind trat dann
durch F in den Gene-
rator B, wurde hier erhitzt
und entwich durch F in
die Windleitung.


Cochrane steigerte
die Windtemperatur bis
zu der bis dahin uner-
reichten Höhe von 620° C.,
wobei er eine um ca.
20 Prozent höhere Pro-
duktion und groſse Koks-
ersparnis hatte.


Die Cowperapparate
mit Gichtgasheizung (Fig.
15) fanden auf den
Hütten des Cleveland-
distriktes, namentlich
auf den Clarencewerken,
Eingang. 1862 wurden
dieselben auf der Fried-
rich-Wilhelmshütte bei
Siegburg zuerst auf dem
Kontinent eingeführt. Die Cowperöfen mit Hochofengasheizung hatten
aber einen groſsen Nachteil dadurch, daſs sich die engen Züge des
[45]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Gittermauerwerks rasch mit Staub versetzten und verstopften. Cochrane
suchte diesem Übelstand durch Reinigung der Gase abzuhelfen, was

Figure 16. Fig. 16.


Figure 17. Fig. 17.


ihm auch bis zu einem gewissen Grade gelang, trotzdem blieb dieser
Mangel den Apparaten anhaften und stand ihrer Verbreitung im
Wege. Diesen Fehler suchte Whitwell dadurch zu vermeiden, daſs er
[46]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
seine ebenfalls gemauerten Heizzüge weiter machte und vereinfachte.
Hieraus entstanden die Whitwellapparate, wie sie 1867 auf der
Thornaby-Eisenhütte bei Stockton on Tees zur Verwendung kamen.
Die Feuerung derselben beruht auch auf Siemens’ Regenerativprinzip,
der Heizofen selbst aber erscheint als Flugstaubkammern mit Zwischen-
wänden, die durch viele Füchse unterbrochen sind, wie es die
Fig. 16 und 17 (a. v. S.) zeigen. Mit den Apparaten von Cowper,
Cochrane
und Whitwell konnte man schon 1860 Windtemperaturen
bis zu 800° C. erzielen.


Auſser den genannten Systemen der Winderhitzungsapparate
erwähnen wir noch die hängenden Röhrenapparate, wie solche auf
der Georg-Marienhütte bei Osnabrück von Wintzer und namentlich auf
der Königshütte in Oberschlesien um 1869 nach Weddings Idee
ausgeführt worden sind 1), sowie die Apparate von Gjers zu Linhorpe-
hütte, die 1870 im Clevelanddistrikte Eingang fanden. Diese hatten
horizontale guſseiserne Hauptröhren mit 60 Siphonröhren.


Schäffer und Budenberg in Buckau bei Magdeburg kon-
struierten verschiedene brauchbare Hülfsapparate, wie Tourenzähler,
Manometer und Federpyrometer für heiſsen Wind.


Die bronzenen Wasserformen, welche in Deutschland längst
bekannt waren, kamen erst 1865 in England, wo man nur guſseiserne

Figure 18. Fig. 18.


und schmiedeeiserne Formen kannte, als eine
angeblich neue Erfindung von Neal Solly aut
(Fig. 18). In Deutschland hatte W. Renner in
Barmen, der sie auf der Saynerhütte (s. Bd. IV,
S. 495) kennen gelernt hatte, sich schon 1851
auf deren Fabrikation verlegt und solche der
Gesellschaft Eintracht in Hochdahl geliefert.
1862 waren sie in Deutschland, Frankreich und
Belgien schon sehr verbreitet. Fr. Schulten in
Duisburg hatte in diesem Jahre solche Formen in London ausgestellt.


Bei dem Hochofenprozeſs ging das Streben hauptsächlich auf
Vermehrung der Produktion. Der Betrieb mit Koks über-
flügelte den mit Holzkohlen immer mehr und verdrängte ihn. 1867
gab es in Groſsbritannien nur noch vier Holzkohlenhochöfen.


Das Streben nach Steigerung der Leistung übte seinen Ein-
fluſs auf den Bau der Hochöfen hauptsächlich in der Rich-
tung aus, daſs man ihnen durch Erweiterung einen gröſseren Fassungs-
[47]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
raum gab. Während die älteren Hochöfen in Groſsbritannien nur
selten 5000 Kubikfuss (141,5 cbm) Inhalt erreichten, vergröſserte
man jetzt die Hochöfen in Nordwales bis 660 Kubikfuſs (186,8 cbm),
in Lancashire bis 9300 Kubikfuſs (263,2 cbm), in Südwales bis
20000 Kubikfuſs (566 cbm) und in Cleveland bis 26000 Kubik-
fuſs (735,8 cbm). Die Erhöhung der Öfen fand nicht in demselben
Verhältnis statt; eine Ausnahme machte der Clevelanddistrikt, wo die
Erze und die vorzüglichen Koks eine sehr hohe Schmelzsäule
gestatteten. Die Entwickelung der Hochofenindustrie in diesem Gebiete
stand in dieser Periode durch ihre Neuheit und Groſsartigkeit im
Mittelpunkt des hüttenmännischen Interesses.


Die Hochöfen, die in den fünfziger Jahren im Clevelandbezirk
erbaut worden waren, hatten meist 15 bis 16 m Höhe und 150 bis
170, ausnahmsweise bis 200 cbm Inhalt. Seit 1861 aber begann man die
Öfen von Jahr zu Jahr gröſser zu bauen 1). 1862 errichtete Whitwell
zwei Öfen von 19 m Höhe und in demselben Jahr Bolkow und
Vaughan einen Ofen von 23,7 m Höhe und 400 cbm Inhalt. Dieser
Ofen von Vaughan ergab eine bedeutende Brennstoffersparnis, wie
Lowthian Bell nachwies, infolge besserer Verbrennung und Wärme-
ausnutzung, die sich durch höheren Kohlensäuregehalt und niedrigere
Temperatur der Gichtgase erwies. Bell baute deshalb auf den
Clarence-Eisenwerken einen Ofen von 25 m Höhe und 425 cbm Inhalt.
Seitdem steigerte sich das Streben nach Erhöhung und Erweiterung
der Hochöfen in dem Gebiete um Middlesborough immer mehr, bis
man zuletzt Hochöfen von über 1000 cbm errichtete. Lowthian
Bell
wies aber nach, daſs diese Vergröſserung übertrieben war und
nicht den entsprechenden Nutzen gewährte.


Aus der nachfolgenden Zusammenstellung 2) ersieht man die
auſserordentliche Vergröſserung der Hochöfen im Clevelanddistrikte.


[48]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Die Erzeugung wuchs im allgemeinen mit dem Fassungsraum des
Ofens, dem ja auch eine gröſsere Windmenge entsprach, keineswegs aber
proportional; eine gröſsere Ökonomie des Betriebes in Bezug auf den
Brennstoffverbrauch ergab sich überhaupt nicht, wie sich aus nach-
stehender Zusammenstellung nach Fr. Dürre1) ersehen läſst.


Die Gestalt der Ofenprofile war nach wie vor höchst mannigfaltig.
Wie zu Anfang der vierziger Jahre John Gibbons, so brachte im
Anfang dieser Periode der verdienstvolle Hüttenmann John Parry zu
Ebbw-Vale einen Normalhochofen in Vorschlag. Die Vergleichung
beider Profile (Fig. 19, 20) zeigt deutlich, in welcher Weise sich die
Anschauungen über Gestalt und Maſse der Hochöfen in England
geändert hatten.


W. Trurans Ansicht über die Erweiterung der Hochofengicht
war zwar übertrieben, aber nicht unbegründet und seine Mahnung,
die Gichtöffnung zu vergröſsern, war für viele englische und schottische
Hochöfen gerechtfertigt und hatte auch Erfolg. In Deutschland war
P. Tunner für die Erweiterung der Gichten eingetreten, und so fand
auch auf dem Kontinent dieser Grundsatz Anerkennung. Das Streben
nach Vermehrung der Erzeugung muſste ebenso zu einer Erweiterung
des Schmelzraumes, des Ofengestells führen und diese zwang wieder
zur Vermehrung der Windformen zum Zweck besserer Windverteilung.


[49]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Figure 19. Fig. 19.

Figure 20. Fig. 20.

Nachfolgende Zusammenstellung von
Ofenprofilen, zumeist aus Groſsbritannien,
zeigt die groſse Verschiedenheit der inneren Gestalt der Hochöfen in
diesem Jahrzehnt.


Beck, Geschichte des Eisens. 4
[50]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
[]

Zu Seite 49 u. 50.


Figure 21. Fig. 21.

Figure 22. Fig. 22.

Figure 23. Fig. 23.

Figure 24. Fig. 24.

Figure 25. Fig. 25.

Figure 26. Fig. 26.

Figure 27. Fig. 27.

Figure 28. Fig. 28.

Figure 29. Fig. 29.

Figure 30. Fig. 30.

Figure 31. Fig. 31.

Figure 32. Fig. 32.

Figure 33. Fig. 33.

Figure 34. Fig. 34.

Figure 35. Fig. 35.

Figure 36. Fig. 36.

Figure 37. Fig. 37.

Figure 38. Fig. 38.

Figure 39. Fig. 39.

[][51]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Die Erweiterung der runden Hochofengestelle hatte trotz höherer
Windpressung und Vermehrung der Formen enge Grenzen, da der
Schmelzpunkt (Focus), welcher sich vor jeder einzelnen Form bildete,
wie Tunner nachgewiesen hatte, sich nicht weit in das Innere des
Ofens erstreckte. Tunner hatte einen Abstand von 1½ Fuſs als
Maximum angegeben. Es lag deshalb nahe, durch Abänderung des
kreisförmigen Querschnitts des Hochofengestells und Verwandlung
desselben in eine längliche Gestalt bessere Verteilung und Ausnutzung
der Wärme zu erzielen. Dieses Streben einerseits und das von
Truran angeregte Streben nach Erweiterung der Hochofengichten
führte den russischen General Wladimir Raschette Anfang der
sechziger Jahre zu der eigentümlichen Konstruktion, welche unter
dem Namen Raschetteofen eine Zeit lang das allgemeine Interesse der
Hochofentechniker auf sich lenkte. Diese Öfen hatten einen länglich
rechtwinkligen Querschnitt und erweiterten sich bis zur Gicht, sahen
also mehr den Röstöfen als den Hochöfen gleich.


Raschette war Direktor der groſsen Kupfer- und Eisenhütten-
werke des Fürsten Demidoff zu Nischne-Tagilsk. Er hatte seinen
neuen Ofen ursprünglich für den Kupferschmelzprozeſs konstruiert.
Nachdem derselbe sich hierfür sehr gut bewährt hatte, wendete er ihn
auch zum Eisenschmelzen an, angeblich ebenfalls mit bestem Erfolg.
Er erwarb Patente für seine Konstruktion in Ruſsland, Frankreich,
England, Belgien, Österreich, Schweden u. s. w. und stellte ein Modell
seines Ofens 1862 in der Weltausstellung in London aus. Dasselbe
wurde von der Jury mit der Preismedaille ausgezeichnet und erregte
die Neugier der Fachmänner. P. Tunner sprach sich günstig über
die Konstruktion aus, insofern sie auf richtigen theoretischen Prinzipien
beruhe, namentlich eine bessere Windverteilung als die seitherigen
Hochöfen zeige. Schinz war von der Vorzüglichkeit des neuen Ofens
überzeugt, schrieb (ebenfalls 1862) seine groſse Wirkung auſser der
Windverteilung der geringen Wärmeabgabe der Ofenwände nach auſsen
infolge der vielen Kanäle im Rauhmauerwerk zu. Er erklärte ihn
für einen Universalofen. W. Köhler sprach sich in demselben
Jahre sehr überzeugt über die Vorzüge des Raschetteofens aus.


Raschette und sein Assistent und Vertreter für Deutschland,
Carl Aubel, bezeichneten den neuen Ofen als „Patent-Normal- und
Universal-Schachtofen“ und lieſsen es an Reklame für denselben nicht
fehlen.


Die Konstruktion des Raschetteofens ist aus den Fig. 40 bis 43
(a. f. S.) leicht zu verstehen. Der hier gezeichnete Ofen hat 16 Formen,
4*
[52]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
8 auf jeder Seite, welche in Wechselstellung stehen, wodurch eine mög-
lichst gleichmäſsige Verteilung des Windes und der Temperatur erzielt
werden soll. Da der Ofen zu lang ist, um von einer Seite aus
gereinigt werden zu können, hat er zwei Arbeitsseiten am Ende der

Figure 40. Fig. 40.


beiden Schmalseiten.
Der Ofenschacht er-
weitert sich vom Boden
bis zur Gicht, hat also
weder Gestell noch
Rast. Eigentümlich
sind die Züge von
dem verhältnismäſsig
schwachen Rauhge-
mäuer, welche mit den
Abwärmkanälen und
einer Feuerung ver-
bunden sind. Alle diese
Dinge waren nicht neu.
Das längliche Gestell
hatten Alger und Abt

Figure 41. Fig. 41.


Figure 42. Fig. 42.


schon 1857 vorgeschlagen und Algers Öfen mit elliptischem Gestell
waren zu Richmond in Massachusetts in Nordamerika und zu Dundyvan
in Schottland im Betriebe. Schon viel früher, im Jahre 1802, hatte
[53]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
James Birch einen Hochofen mit zwei Arbeitsseiten konstruiert (s. Bd. IV,
Fig. 20). Die Erweiterung des Ofens bis zur Gicht war von William
Truran
vorgeschlagen und die Abwärmung mit Kanälen und einer
vor dem Ofen angebrachten Feuerung
war ebenfalls bekannt und nament-
lich bei den belgischen Öfen in
Anwendung. Raschettes Erfindung
bestand also nur in der Vereinigung
dieser vorgeschlagenen Verbesse-
rungen.


Aubel veröffentlichte 1892 eine
Broschüre über den Raschette-
schen Universalofen, in welcher er
die Vorzüge desselben in das
glänzendste Licht zu setzen suchte.
Er gab für Eisenschmelzöfen ein
Maximum der Breite des Ofens vor
den Formen von 3 Fuſs, der Länge

Figure 43. Fig. 43.


von 20 Fuſs, der Höhe von 30 Fuſs an. Der von Raschette zuletzt
erbaute Ofen zum Eisenschmelzen sei nur 22 Fuſs hoch gewesen,
so daſs die Gichten schon in sieben Stunden vor die Formen träten.
Die darin verschmolzenen Erze waren reiche Magneteisensteine.
Aubel behauptet, daſs für leichtflüssigere und ärmere Erze diese
„normale Zeitdauer“ noch abgekürzt werden könne. Das war aller-
dings neu, denn bei den Hochöfen galt es als ein Erfahrungssatz,
daſs die Beschickung auch unter den günstigsten Bedingungen
wenigstens 16 Stunden zu ihrer richtigen Vorbereitung im Ofen ver-
weilen müsse. Aubels widersprechende Angaben haben sich denn
auch in der Praxis als unwahr erwiesen.


Folgende Vorteile wurden dem Raschetteofen zugeschrieben:
1. gleichmäſsiger Niedergang der Gichten, 2. gleichmäſsigeres Auf-
gichten, 3. vorteilhafte Verteilung der Wärme in der Schmelzzone durch
die Stellung der Formen, 4. rasches und billiges Abwärmen des Ofens
durch die Feuerungskanäle, 5. geringere Pressung des Windes,
6. billigere Anlage und 7. leichtere Führung des Ofens. Die Produk-
tion sollte im Verhältnis zu dem Inhalt von ca. 2000 Kubikfuſs gegen
sonst 5000 Kubikfuſs mehr als das 3½fache und in 24 Stunden bei
Holzkohlenbetrieb 30000 kg betragen. Ein Ofen, der in 2½ bis
3 Monaten fertig gebaut werden konnte, kostete 30000 Mark gegen
ca. 150000 Mark für einen entsprechenden Hochofen.


[54]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Auf diese Anpreisungen hin bildete sich in Deutschland 1863 die
Gesellschaft H. Elfers \& Comp. und übertrug Aubel den Bau eines
Raschetteofens bei Mühlheim am Rhein. Ende April 1864 wurde der
Ofen angeblasen und mit Spannung sah man in Fachkreisen dem
weiteren Verlauf entgegen. Der Ofen, der mit Koks betrieben wurde,
stieg rasch in seiner Produktion und lieferte in den ersten vier Wochen
schon 8000 Centner. Am 25. Tage nach dem Anblasen betrug die
Produktion bereits 45600 Pfund Roheisen. Der glänzende Erfolg
schien gesichert und man preis bereits die Verdienste des Ingenieurs
Aubel und des Chemikers Lampe. Da kam aber ein Rückschlag.
Störungen traten ein, aus denen man erkannte, daſs durch das rasche
Anblasen und den forcierten Betrieb die Wände des Ofens bereits
stark gelitten hatten; die Produktion sank und konnte auch trotz
aller Bemühungen nicht mehr auf eine befriedigende Höhe gebracht
werden. Dazu kam, daſs die Gesellschaft finanziell auf sehr schwachen
Füſsen stand, so daſs sie bereits am 5. Mai 1865 in Konkurs geriet.
Die groſsen Hoffnungen, die man an das Unternehmen geknüpft hatte,
waren damit gescheitert. Die Gläubiger lieſsen den 33 Fuſs hohen
Ofen im Jahre 1866 um 10 Fuſs erhöhen. Gleichzeitig baute man
ihn im Inneren so um, daſs er nach oben zusammengezogen wurde.
Den Formen gab man eine konvergierende Stellung und lieſs sie nach
dem Mittelpunkt blasen. Ferner schloſs man die eine Arbeitsseite,
weil die Benutzung der beiden sich als kostspielig erwiesen hatte und
den Ofen zu sehr abkühlte. Kurzum, man gab alles Neue an der
Raschetteschen Konstruktion auf und machte daraus einen ver-
krüppelten Hochofen, der entsprechend ungünstige Resultate gab.
Die Begeisterung für die Raschetteöfen zum Eisenschmelzen war damit
in Deutschland erloschen.


In England und Frankreich war sie nie erwacht. In Ruſsland
fanden die Raschetteöfen auf den uralischen Hütten dagegen ziemliche
Verbreitung.


In England führte das Bestreben, das Gestell des Hochofens zu
erweitern und die Gebläseluft besser zu verteilen, noch zu einer viel
unpraktischeren Konstruktion. Es war dies der Hochofen von
M. Morgans, welcher am 10. Mai 1864 patentiert wurde. Diese
Öfen sollten ein ringförmiges Gestell erhalten dadurch, daſs in der
Mitte des Ofens vom Boden aus ein hohler Konus beliebig weit auf-
gemauert wurde, durch dessen Wand man von innen her Formen
einlegte, durch welche geblasen wurde, so daſs der Wind von der
äuſseren und der inneren Seite des Ringes in den Ofen strömte. Auch
[55]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
konnten Einrichtungen getroffen werden, daſs der Wind nur von
auſsen oder nur von innen eintrat. Morgans Ofen sollte 9½ m
Durchmesser und 12 Formen bekommen und die sechsfache Produktion
eines gewöhnlichen Hochofens liefern 1). Einen Erfolg hatte diese
Konstruktion nicht. Dasselbe gilt von Goguels Vorschlag (1862), das
Hochofengestell auf Räder zu stellen und fahrbar zu machen, um es
leichter auswechseln zu können 2).


In England machte sich inzwischen sowohl gegen die übermäſsige
Erweiterung der Gichten, als auch gegen die zu groſse Anzahl der
Formen eine Reaktion geltend. Die zu weiten Gichten hatten den
Nachteil, daſs sie einen guten Verschluſs, die Abführung der Gase
und ein richtiges Aufgeben der Beschickung erschwerten. Auch in
Steiermark und Kärnten hatte die Erweiterung der Gicht nicht die
erwarteten Vorteile gebracht. Zahlreiche kleine Formen hatten den
Nachteil, daſs durch sie die Ofenwände in der Formhöhe zu sehr
verschwächt wurden und daſs die Hitze zu sehr in die Nähe der Ofen-
wandung gezogen wurde, wodurch der sogenannte „Gestellbrand“
entstand. Deshalb ging man namentlich in Südwales von der
groſsen Anzahl kleinerer Formen wieder ab, indem man sie durch eine
kleinere Zahl weiterer Formen ersetzte. Bei den Anthrazitöfen zu
Ystalifera hatte man 9 Formen, noch mehr hatten manche amerika-
nische; zu Dowlais hatte man 8 Formen, zu Aberdare 6, die übrigen
Öfen in Wales hatten 3 bis 5 Formen. In Schottland hatten die
Hochöfen zu Coltneſs 12 in 4 Gruppen geordnete Formen, zu Govan 9,
zu Gartsherrie 7, zu Longloan 6. Dagegen hatten die groſsen Öfen bei
Middlesborough nur 5 Formen. Bagnalls Hochöfen bei Wednesbury
hatten 6 Formen und auſserdem noch eine Brustform.


Die Höhe der Öfen war hauptsächlich durch die Natur des Brenn-
materials bedingt. Kleinstückiges oder zerreibliches Brennmaterial
konnte keine groſse Ofenhöhe vertragen, während man bei sehr festem
Koks die Öfen viel höher aufführen konnte. Da nun im Cleveland-
distrikt die vorzüglich festen Kokse von Newcastle zur Verfügung
standen, so überschritt man das erfahrungsmäſsige Maximum der Höhe
von etwa 50 Fuſs und baute die Hochöfen im Laufe der sechziger
Jahre immer höher, bis man mehr als die doppelte Höhe erreichte,
wie folgende Zusammenstellung zeigt:


[56]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Seitdem man das Innere der Hochöfen ganz aus künstlichen feuer-
festen Steinen herstellte, kam der eigentliche Bodenstein in Wegfall
und wurde durch aufrecht gestellte Keilziegel (Fig. 44), welche in
sich ein Gewölbe bildeten, ersetzt.


Figure 44. Fig. 44.

Die Wasserkühlung von Gestell und Rast, die schon längere Zeit
in England und Deutschland in Aufnahme gekommen war und bereits
1853 zu Mühlheim an der Ruhr angewendet wurde, erlangte in den
sechziger Jahren gröſsere Wichtigkeit und allgemeinere Verbreitung.
Die Kühlung der Formen und des Tümpeleisens war längst eine Not-
wendigkeit geworden, hatte aber nur zur Erhaltung dieser besonderen
Teile gedient. Man war aber weiter gegangen und hatte besondere
Wasserkühlungen eingerichtet, um die steinernen Ofenwände zu kühlen
und zu erhalten. Diese Kühlung erstreckte sich nicht nur auf das
Gestell, sondern auch auf die Rast.


Bussius1), der sich 1862 bemühte, einen Normalofen zu kon-
struieren, stellte als wichtigste Forderungen das freistehende Gestell,
die Rastkühlung und eine rationelle Gasabführung voran.


Als Wassertümpel empfahl er einen hohen Kasten aus Eisen-
blech, der bis 2 cm über den Tümpelstein reichte. Diese Vorrichtung
war bereits in Westfalen vielfach angewendet und durchaus bewährt
gefunden worden. In England hatte man Tümpelplatten mit Schlangen-
[57]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
rohrkühlung. Fig. 45, 46, 47 zeigen eine solche von dem Hochofen zu
Russels Hall bei Dudley in Staffordshire.


Figure 45. Fig. 45.

Figure 46. Fig. 46.

Die Rastkühlung sollte aus vier hohlen, oben offenen
Kränzen aus Guſseisen, die an den Stöſsen zusammen-
geschraubt und mit Kitt gedichtet waren, und welche auf
acht gegossenen Stützen ruhten, bestehen. Ein Zuleitungs-
rohr mit Hahn versorgte sie mit Wasser, welches in
den vier Kasten kommunizierte und kontinuierlich durch-
floſs, doch sollten sie immer nur halb gefüllt sein (Fig. 48).


Figure 47. Fig. 47.

Die Gestellkühlung sollte zweckmäſsiger durch Blechkasten
bewerkstelligt werden.


Da sich die Wasserkühlung besser bei künstlichen als bei Natur-
steinen bewährte, so gab sie mit Veranlassung, mehr und mehr zur
ausschlieſslichen Verwen-
dung von künstlichen Ge-
stellsteinen überzugehen.
Die englischen Gestellsteine
waren meist 3 bis 3½ Fuſs
lang. Viele englische Hoch-
öfen verdankten ihre langen
Hüttenreisen nur der Was-
serkühlung. Dennoch hielt
noch Truran die Nachteile
derselben für gröſser als
die Vorteile, namentlich

Figure 48. Fig. 48.


wies er nach, daſs der Wärmeverbrauch der Wasserkühlung ein
sehr hoher sei. Trotzdem fand dieselbe in der Praxis immer mehr
Anwendung.


Bei dem groſsen Hochofen zu Barrow war das Gestell 1866 ringsum
durch guſseiserne Tröge gekühlt, auſserdem durch freihängende Röhren
mit feinen Öffnungen, die gegen die Gestellwand spritzten. Zu
Eston- und Rhymney-Works war unten ringsum ein aus drei
Segmenten bestehender Ring von guſseisernen Kasten (water-blocks),
[58]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
in welche das Kühlwasser der Formen floſs (Fig. 49 u. 50). Zur
Kühlung der Gestellwände um die Form waren flache, eiserne Kasten
terrassenförmig übereinander mehrere Zoll in das Gestell eingelassen.
Neben der Tümpelkühlung hatte man auch eine Wallsteinkühlung 1)
durch Platten oder Kasten.


Figure 49. Fig. 49.

Figure 50. Fig. 50.

In Deutschland bildeten sich ebenfalls die beiden Systeme der
Wasserkühlung, die durch Cirkulation in Kasten und die durch
Berieselung, aus. Für die Cirkulationskühlung nahm man sowohl guſs-
eiserne Platten mit eingegossenen schmiedeeisernen Röhren, als Guſs-
eisen- oder Blechkasten. Anfangs wendete man die Wasserkühlung
der Steinwände erst an, wenn dieselben so weit durchgebrannt waren,
daſs es zu ihrer Erhaltung notwendig erschien, später aber baute man
gleich die Wasserkühlung mit ein, um das Wegschmelzen der Gestell-
steine überhaupt möglichst zu verhindern. Langen bediente sich auf
der Friedrich Wilhelmshütte bei Siegburg offener Kasten, die frei aus-
liefen, doch so, daſs das Wasser nicht mit dem Mauerwerk in Berührung
kam. Auf der Charlottenhütte bei Niederschelden im Siegenischen
hatte man geschlossene Ringkasten aus Segmenten von Kesselblech
Dieses System wurde dann in noch ausgedehnterem Maſse auf der
Rolandshütte bei Siegen in Anwendung gebracht, deren Hochofen
auch eine freistehende Rast hatte (1868).


Auf der Georgsmarienhütte bei Osnabrück umgab man 1867 die
Rast mit wassergekühlten Gasröhren und einem Blechmantel.


Die direkte Berieselung griff das Mauerwerk an, weshalb man
Bleche oder offene Blechkasten davorssetzte. So verfuhr man auf der
Köln-Müsener Hütte bei Kreuzthal.


[59]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

In den Vereinigten Staaten kühlte man die Gestelle durch Kühl-
kasten vom Boden bis zu den Formen.


Den oberen Teil des Hochofens, den Schacht, machte man in
England in der Regel tonnenförmig, wie aus den oben mitgeteilten
Profilen zu ersehen ist; auf dem Kontinent blieb dagegen die konische
Form vorherrschend.


Über Rastwinkel und Gichtweite hat Ledebur 1868 Mitteilungen
gemacht, auf die wir verweisen 1). Im allgemeinen lieſs man Rast und
Schacht allmählich ineinander übergehen.


Stahlschmidt2), der ebenfalls eine Normalschachtform erfinden
wollte, glaubte eine wesentliche Verbesserung der Eisenhochöfen
dadurch zu erzielen, daſs er den Schachtwänden nur eine geringe
Neigung gegen die Vertikalachse gab, dagegen den Ofen in der
Gegend des Kohlensacks plötzlich erweiterte, so daſs der Schacht eine
Gestalt erhielt, wie sie sich bei den alten schmalkaldischen Blauöfen
(s. Bd. II, Fig. 58, 59) fand. Dadurch sollte ein gleichmäſsigerer
Niedergang der Gichten bewirkt und der sogenannte träge Mantel
beseitigt werden. Zur Ausführung ist der Vorschlag nicht gekommen.


A. Slate erhielt am 14. August 1858 Patent auf einen Hochofen,
bei dem der Brennstoff getrennt von dem Erz durch einen Cylinder
aufgegeben wurde, der ziemlich tief unter der Gicht mündete, damit
derselbe erst zur Verbrennung kommen kann, wann er auch wirk-
sam wird.


Dilla baute 1860 auf der Königshütte in Oberschlesien den Kern-
schacht treppenförmig, mit der Absicht, an den Wänden die auf-
steigenden Gase zurückzuhalten und nach dem Inneren zu lenken.


Unter den vielen sonstigen angeblichen Verbesserungen der Hoch-
öfen erwähnen wir noch den Separatorofen von de Bergue mit um-
gekehrter Flamme, bei dem Brennmaterial und Erz in getrennten
Räumen aufgegeben werden, und das Brennmaterial nur in vergastem
Zustande wirken sollte. Ähnliche Vorschläge wurden mehrfach in
England patentiert, jedoch ohne allen Erfolg. Auch Lürmann brachte
1870 einen Gashochofen in Vorschlag 3).


Von gröſserem Wert war Büttchenbachs Hochofenkonstruktion,
deren wichtigste Eigentümlichkeit darin bestand, daſs das Mauerwerk
des Schachtes nur aus dem feuerfesten Kernschacht bestand, indem
[60]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
sogar der Blechmantel weggelassen war. Die Dicke der Schachtwand
betrug 0,80 m. Rast und Gestell waren mit Wasserkühlung versehen. Eine

Figure 51. Fig. 51.


Figure 52. Fig. 52.


weitere Eigentümlichkeit
bestand darin, daſs die
Gasableitungsrohre
gleichzeitig die Träger
für die Gichtbrücke
bildeten. Fig. 51 und 52
stellen den Hochofen
Büttchenbachs, von
dem Zeichnungen und ein
Modell 1867 in Paris
ausgestellt waren, dar.
Die beiden ersten Öfen
wurden 1865 und 1866
bei Neuſs von dem
Erfinder erbaut. 1865
bereits baute Lohmann
auf der Ilseder Hütte
einen Ofen nach dieser
Konstruktion, dessen ganz
schwaches Rauhmauer-
werk durch eiserne Bän-
der zusammengehalten
war 1). 1869 waren Öfen
nach Büttchenbachs
Konstruktion in Anzin
und Givors in Frankreich,
in Gleiwitz und Königs-
hütte in Oberschlesien
und an anderen Plätzen
erbaut worden. Ihre Her-
stellung war verhältnis-
mäſsig nicht teuer, indem
ein groſser Hochofen
dieser Art mit Röhren-
leitung und Gichtbrücke
150000 Mark kostete.


[61]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Die wichtigste und erfolgreichste Verbesserung, welche in dieser
Periode aber an den Hochöfen angebracht wurde, war Lürmanns
Schlackenform
, welche eine tiefeingreifende Umänderung der Ofen-
zustellung zur Folge hatte. Sie führte zur Beseitigung des Vorherds
und zur geschlossenen Brust.


Die Vorteile der geschlossenen Brust waren in Fachkreisen längst
anerkannt. P. Tunner hatte seit vielen Jahren wiederholt auf die
groſsen Vorzüge dieser Konstruktion hingewiesen. Ob die ältesten
Hochöfen eine solche Zustellung hatten, läſst sich mit Bestimmtheit
nicht nachweisen, es ist aber in hohem Grade wahrscheinlich, weil die
Hochöfen aus den Stücköfen hervorgegangen sind, welche die ge-
schlossene Brust hatten. Es scheint fast, als ob nur die Bequemlich-
keit, flüssiges Eisen aus dem Ofen zum Zweck des Vorgieſsens
schöpfen zu können, zu der Anbringung des Vorherdes geführt hätte.
Allerdings geschah dies im Rheingebiet schon so früh, daſs die ältesten
Hochöfen, von denen wir Kenntnis haben, schon in dieser Weise
zugestellt waren. Die Abkühlung des Hochofens durch den Vorherd,
das häufige Aufbrechen und Reinigen desselben und die fortwährenden
Reparaturen, die daraus entsprangen, waren Nachteile, die man wohl
empfand. Man nahm sie aber als etwas Notwendiges, Unabänderliches
hin und hielt eine andere Ofenzustellung unter den gegebenen Ver-
hältnissen für ganz unmöglich. Namentlich hielt man da, wo man
mit Koks geringere Erze verschmolz, das häufige Reinigen des Gestells
für die wichtigste, notwendigste Arbeit, obgleich sich gerade hier die
groſsen Nachteile der starken Abkühlung beim Aufbrechen und Reinigen
des Herdes mit Brechstangen und Haken am meisten fühlbar machten.
Aus der Gewohnheit war, wie so oft, der Aberglaube entstanden, daſs
es so sein müsse. Diesen Aberglauben zerstört und eine rationellere
Ofenzustellung herbeigeführt zu haben, ist das groſse Verdienst
Lürmanns. Die Mittel, welche er dazu anwendete, waren sehr
einfach. Er brachte auf der Brustseite unmittelbar unter dem Tümpel
eine Wasserform an, die er etwas tiefer legte als die übrigen Formen
und die er zugleich zum Abzapfen der Schlacken benutzte, weshalb er
sie als Schlackenform bezeichnete. Anfangs hatte er nur eine durch
eingegossene Röhren gekühlte guſseiserne Platte, die mit einer Öffnung
versehen war, benutzt. Aber die Wasserkühlung war hierbei ungenügend
gewesen und das Abstichloch hatte sich rasch ausgefressen und
erweitert. Die Benutzung einer Wasserform war die glückliche Lösung
des Problems.


Fritz W. Lürmann war damals Betriebsleiter der Hochöfen der
[62]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Georg-Marienhütte bei Osnabrück. Er begann seine Versuche im Jahre
1866. Am 20. Februar 1867 wendete er zum erstenmal die Schlacken-
form an, die er in dem alten Vorherde anbrachte, indem er diesen
mit Lehm zustampfte. Der Hochofen IV ging mit der neuen Zu-
stellung und der Schlackenform mit gutem Erfolg vom 20. Februar
bis zum 20. April 1867. Trotz des Widerstandes der Schmelzmeister,
welche fürchteten, daſs sie durch die neue Erfindung an Wichtigkeit

Figure 53. Fig. 53.


einbüſsen würden, weil ihre Hauptarbeit, das Aufbrechen des Vor-
herds und Reinigen des Gestelles, die sie als die wichtigste Arbeit
beim Hochofen anzusehen gewohnt waren, dadurch in Wegfall kam,
wurde auf Lürmanns Veranlassung im Sommer 1867 der Hochofen
Nr. II in vollkommenster Weise mit geschlossener Brust, mit vier
gleichmäſsig verteilten Windformen und einer Schlackenform (Fig. 53)
zugestellt und am 1. Oktober 1867 angeblasen, was natürlich ohne
das seither gebräuchliche Rostschlagen geschehen muſste. Die neue
Erfindung bewährte sich glänzend; der Ofen hatte im Jahr 1868 eine
[63]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Produktion von 70000 bis 100000 Pfund Roheisen in 24 Stunden
und machte eine Hüttenreise von 12 Jahren. Ein Patent, um das
Lürmann im März 1867 nachgesucht hatte, wurde ihm nach den damals
in Preuſsen herrschenden Grundsätzen nicht erteilt, weil an der an-
gegebenen Vorrichtung etwas Patentfähiges nicht zu finden sei, indem
niemand behindert werden könne, das bekannte Prinzip der Wasser-
kühlung auf irgend einen Teil des Ofens anzuwenden. Dies war der
damalige Standpunkt der preuſsischen Regierung gegenüber den
Erfindern! Hatte diese doch aus ähnlichen Gründen dem Bessemer-
prozeſs, einer der gröſsten Erfindungen dieses Jahrhunderts, die Patent-
fähigkeit verweigert. In allen übrigen Kulturstaaten wurde dagegen
Lürmanns Erfindung patentiert. In Amerika fand dieselbe rasch
Eingang, so daſs bereits 1867 mehrere Hochöfen der Vereinigten
Staaten mit Lürmanns Schlackenform versehen wurden; so beispiels-
weise an dem Lehigh Crane Eisenwerk zu Catasaqua in Pennsyl-
vanien, wo sie sich sehr gut bewährte. Auch der preuſsische Staat
sah sich in seiner Eigenschaft als Eisenindustrieller veranlaſst,
der Lürmannschen Erfindung besondere Beachtung zuzuwenden.
Es wurde eine königliche Kommission ernannt, welche die Vorteile
der Lürmannschen Schlackenform auf der Königshütte in Ober-
schlesien prüfte und in ihrem Gutachten vom 19. Dezember 1868
dieselben anerkannte. Infolgedessen wurde sie alsbald auf ver-
schiedenen königlichen und privaten Eisenhüttenwerken eingeführt
und überall traten Kohlenersparung, gleichmäſsigerer Ofengang
und erhöhte Produktion ein. Sie gestattete eine stärkere Wind-
pressung, da man nicht mehr befürchten muſste, daſs durch dieselbe
der Vorherd durchbrach, wie dies früher oft geschehen war. Weitere
Vorteile bestanden darin, daſs die Schlacke nur bis zu einem gewissen
Punkt stieg, daſs die Betriebsunterbrechungen durch das Aufbrechen
vermieden wurden, daſs keine Abkühlung durch Abstellen des Windes
stattfand. Durch das Wegfallen des Wallsteins war der Abstich
leichter, da das Stichloch viel näher der Ofenmitte lag, die Arbeit
wurde vermindert, der Ofen weniger angegriffen, infolgedessen längere
Kampagnen möglich waren.


Die Einrichtung der Lürmannschen Schlackenform und der
damit verbundenen abgeänderten Ofenzustellung ist in Fig. 53 dar-
gestellt. Das Bild zeigt die Umwandlung des Vorherdes. Der Wall-
stein ist beseitigt, statt dessen ist unter dem Tümpeleisen A eine
starke, mit Wasser gekühlte Verschluſsplatte C, an welcher sich das
Eisenabstichloch G befindet, aufgestellt.


[64]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Diese Platte, welche nach der Innenseite des Ofens durch feuer-
feste Steine, F, geschützt ist, hat einen Ausschnitt E, in welche die
Schlackenform B eingesetzt wird. D ist der ebenfalls mit Wasser
gekühlte Schlackenlauf.


Fig. 54 stellt die Einrichtung der Lürmannschen Schlackenform
bei einem neu zugestellten Ofen dar. Die Form muſs nahe der

Figure 54. Fig. 54.


inneren Kante des Gestells und hoch genug liegen, um vor der Be-
rührung des geschmolzenen Eisens geschützt zu sein. Die Windformen
sollen mindestens 26 cm über der Schlackenöffnung liegen, damit
das flüssige Eisen im Ofen durch eine genügend dicke Schlackendecke
geschützt ist 1).


Die Windzuführung bei den Hochöfen fand meist noch in der
Weise statt, daſs die Formen um das Gestell gleichmäſsig verteilt
wurden, wobei aber die Brustseite frei blieb. In Südwales hatte man
aber auch bereits eine Tümpelform eingeführt. Diese wurde anfangs
nur im Notfalle benutzt, wenn sich Versetzungen auf der Vorderseite
des Ofens bildeten. Später lieſs man diese Tümpelform, die etwas
höher lag als die übrigen Windformen, ständig mitblasen. Das hatte
aber den Nachteil, daſs der Tümpel rascher zerstört wurde, weil sich
[65]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
die Hitze zu sehr nach vorn zog, man warf sie deshalb im Laufe der
sechziger Jahre vielfach wieder ab oder verwendete sie, wie früher,
nur im Notfall. Die Lürmannsche Schlackenform lag unter dem
Tümpel, etwas tiefer als die übrigen Windformen.


Von immer gröſserer Bedeutung wurde die Gasabführung bei
den Hochöfen, welche auf deren Konstruktion, namentlich auf die des
oberen Teiles des Schachtes nicht ohne Einfluſs blieb. Der Gasfang
wurde ganz allgemein ein wichtiger Zubehör des Hochofens, der auch
in England bei allen
neuerbauten Öfen zur
Anwendung kam. Eine
Ausnahme machten
noch die schottischen
Hochöfen und die-
jenigen in Cumberland,
die auf Bessemer-
Hämatitroheisen gin-
gen. Am verbreitetsten
war die einfache und
zweckmäſsige Kon-
struktion Parrys (cup
and cone), besonders
in Südwales und bei
den neuen Hochöfen
im Clevelanddistrikt.
Neben dieser wurden
aber eine groſse Anzahl
neuerfundener Gicht-
gasfänge patentiert
und versucht. Parrys

Figure 55. Fig. 55.


Trichter hatte allerdings den Nachteil, daſs er die Gicht gänzlich dem
Blick entzog, so daſs man das Aufgeben der Beschickung nicht kontrol-
lieren konnte; die Aufgabe erfolgte auſserdem wie auch die Gasableitung
nur am Rande des Ofens. Die meisten Konstruktionen erstrebten, ein
besseres Aufgeben mit vollständigerer Gasableitung zu verbinden. In
sehr einfacher Weise erreichte dies Turley 1860 mit seinem Gichthut
(Fig. 55). Der gewölbte Deckel G hatte in der Mitte das Gas-
ableitungsrohr B, welches sich teleskopisch in dem feststehenden Gas-
rohr F bewegte. Dieser Gichtfang hatte den Nachteil, daſs während
des Aufgichtens viel Gas entwich. Besser war in dieser Hinsicht schon
Beck, Geschichte des Eisens. 5
[66]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
die Konstruktion von v. Hoff in Hörde vom Jahre 1861, Fig. 56, bei
welcher die Ableitung der Gase in ganz ähnlicher Weise durch ein
Centralrohr, das Aufgeben der Beschickung aber durch vier Klappen,
J J, erfolgte.


Figure 56. Fig. 56.

Besser noch bewährte sich der von E. Langen auf der Friedrich-
Wilhelmshütte bei Siegburg 1861 eingeführte und in demselben Jahre
patentierte Glockenapparat, der in Fig. 57 abgebildet ist. Hierbei sind die

Figure 57. Fig. 57.


Aufgabenklappen durch eine bewegliche Glocke G G, deren oberer Rand
in einen ringförmigen Wasserverschluſs, der an dem Gasableitungs-
rohr C angenietet ist, eintaucht, luftdicht verschlossen. Die Beschickung
des Ofens erfolgt in der Weise, daſs die ganze Charge bei geschlossenem
[67]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Ofen in den ringförmigen Trichter P P gefüllt wird. Ist dies geschehen,
so wird die Glocke G G mittels des Haspels N und des doppelarmigen
Hebels J J in die Höhe gezogen, wodurch die ganze Füllung in den
Ofen rutscht. Hierdurch nimmt das Chargieren, beziehungsweise das
Öffnen des Gasfangs nur sehr wenig Zeit in Anspruch und der Gas-
verlust ist unbedeutend. Eugen Langens Gichtgasfang hat rasch groſse
Verbreitung gefunden, wobei er nach den örtlichen Verhältnissen
mancherlei Abänderungen erfuhr 1). Er erfüllte die von Langen ge-
stellten Bedingungen, daſs er 1. das Beschicken nicht behinderte, 2. die
Gase nicht innerhalb des Ofenraumes von den Ofenwänden mehr abzog,
3. sie vollkommen abfing und 4. daſs der Apparat einfach und leicht
zu behandeln war 2). Langens Gasfang bewirkte sowohl im Rheinland
(Hochdahl) wie in Oberschlesien regelmäſsigeren Gichtengang und
Kohlenersparnis.


Auſserdem erfanden in diesem Zeitraum noch neue Gichtgasfänge:
Th. Ebeling zu Zorge am Harz (1861) 3), v. Hoff zu Hörde (1863),
der sich als eine Kombination des Trichter- und Glockenapparates
darstellt 4), und Wintzer auf der Georg-Marienhütte bei Osnabrück.


In Frankreich sind die Gasfänge von Pion5), eine Modifikation
des Apparates von Coingt und die von Escalle, von Minary, von
Chaddefaud und von Neuville zu
nennen.


In England verbesserte Ch.
Cochrane
1860 den Parryschen
Trichter 6) auf dem Ormesby-Eisenwerk
bei Middlesborough, F. Loyd in
Wednesbury den Apparat von Darby,
während J. T. Smiths Gasfang zu
Barrow (patentiert 21. Oktober 1861)
mit dem von Coingt verwandt ist.


Mancherlei Verbesserungen wurden

Figure 58. Fig. 58.


für die Reinigung der Gase, die besonders da, wo man dieselben zur
Heizung von Regeneratoren verwendete, von gröſster Wichtigkeit war,
erfunden. Eine solche war der sogenannte S-Apparat (Fig. 58), wegen
5*
[68]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
seiner Ähnlichkeit mit dem Buchstaben 𝔖 (groſsem deutschen 𝔖 oder
dem griechischen σ) so genannt, der in Lothringen aufgekommen war,
weshalb er auch als lothringischer Waschkasten bezeichnet wurde.
Fig. 59 stellt eine von Langen konstruierte Waschvorrichtung dar,

Figure 59. Fig. 59.


Figure 60. Fig. 60.


welche unter anderen für die groſsen Koks-
hochöfen der Laurahütte in Anwendung
kam. Die Gase, die durch das Zuleitungs-
rohr A eintreten, müssen durch das in der
Schale B befindliche Wasser streichen, ehe
sie durch C C entweichen können.


In Frankreich hatte Gillot den Vor-
schlag gemacht, die Hochofengase mittels
eines Exhaustors in einen Gasometer zu
schaffen und sie aus diesem nach Bedarf zu
entnehmen.


Die hohe Temperatur machte in den
Windleitungen wie in den Gasleitungen, die
groſser Ausdehnung und Zusammenziehung
unterworfen waren, Ausweichstücke, so-
genannte Kompensationen nötig, die zuerst
in England aufkamen. Fig. 60 zeigt eine
Scheibenkompensation, wobei die teller-
förmigen Blechdeckel c c und d d nachgeben
können.


Von den Gichtaufzügen bewährten sich
in England am meisten die pneumatischen
und die hydraulischen in Verbindung mit
Armstrongs Regulator. In Frankreich
konstruierte Le Boeuf 1868 einen solchen.


Die Gichttürme baute man in England
nur aus schmiedeeisernem Gitterwerk, so
daſs sie aus der Ferne wie Spinnwebe aus-
sahen.


Wenden wir uns zu dem Betriebe der Hochöfen, so finden
wir, daſs die Holzkohlenöfen nicht nur relativ, sondern auch absolut
mehr und mehr verdrängt wurden. In Groſsbritannien gab es 1865
nur noch vier Holzkohlenhochöfen. Der Steinkohlenbetrieb hatte längst
die Herrschaft erlangt. Hierbei gewann in England und Amerika der
Betrieb mit roher Steinkohle gegenüber dem Koksbetrieb immer mehr
[69]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
an Umfang. In Schottland wendete man nur rohe Kohle an, in Süd-
wales wurden die Hochöfen des östlichen Teiles (Pontypool) mit Koks,
die des mittleren Teiles (Cwm-Celyn, Ebbw-Vale, Rhymney) mit einem
Gemisch von roher Kohle und Koks, im westlichen Teile (Dowlais) aus-
schlieſslich mit roher Kohle betrieben. Der westliche Teil war das
Anthrazitgebiet.


In Südstaffordshire nahm die Verwendung der rohen Kohle in den
sechziger Jahren ebenfalls mehr und mehr zu, so daſs gegen Ende
derselben die Mehrzahl der Hochöfen mit roher Kohle schmolzen.


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika herrschte der
Anthrazitbetrieb vor.


Auf dem europäischen Kontinent trat der Hochofenbetrieb mit
roher Steinkohle dagegen sehr zurück. In Deutschland hatte man in
Oberschlesien im Anfang der sechziger Jahre 1) und 1868 und 1870
von neuem auf mehreren Hütten die Verwendung roher Steinkohle
versucht, gelangte aber nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Nur bis zu
einem Sechstel konnte man rohe Kohlen ohne merklichen Nachteil zusetzen.


Auf einer kleinen Hütte im Sallathal betrieb man 1866 einen
Hochofen mit Lignitkohle. Auch in Steiermark hatte man damit
Versuche gemacht, die nicht ungünstig ausgefallen waren.


Zu Achthal in Bayern fand 1862 ein gemischter Betrieb mit
Holzkohle und lufttrockenem Torf statt 2). Zu Alexishütte bei Lingen
in Hannover schmolz man 1862 mit 47 Proz. Holzkohlen und 55 Proz.
Torf. Der Dörrofen daselbst war aus Guſseisen und hatte eine
eiförmige Gestalt; oben war er offen. Das Dörren geschah durch
heiſsen Wind, der mittelst eines Ventilators durchgeblasen wurde.


Trockenes Holz verwendete man zu Rhonitz mit Erfolg. 1866
gingen dort die beiden Hochöfen nur mit gedörrtem Holz. Bergrat
Moschitz, der den Betrieb leitete und viele Verbesserungen ein-
geführt hatte, war der Ansicht, daſs man in einem Hochofen von
mindestens 1200 Kubikfuſs Inhalt, in dem die Schichten mehr wie
10 Stunden verweilen, bis sie vor die Formen kommen, immer mit
Vorteil rohes Brennmaterial verwenden könne.


Zu Underwiller in der Schweiz setzte man den Betrieb mit Torf-
kohle fort 3). In Norddeutschland verwendete man Torfkohlen in den
Hochöfen zu Gravenhorst, Alexishütte und Meppen.


[70]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Zur Aufbereitung des Torfes, namentlich zum Zerreiſsen, wendete
man vielfach Maschinen an. Das Pressen geschah in den Torfpressen
von Schlickeysen1) oder nach der Methode von Exter in München.
In England war eine groſsartige Torfaufbereitung zu Derrylea bei
Portarlington 2). In Staffordshire wurden 1863 zwei Hochöfen mit
komprimiertem Torf betrieben, der nach einem besonderen Verfahren
von Versmann präpariert war. 1869 wandte man auf dem ärarischen
Werke zu Reichenau in Österreich Torfkoks mit Holzkohle gemischt
an. Die Torfverkokung fand zu Staltach in Bayern und zu Josephs-
thal in Böhmen in geschlossenen Öfen statt. Zu Lingen geschah das
Verkoken in den kegelförmigen Öfen von Jüngst. Ferner hatten
Gräser, Walland und Libert verbesserte Torfverkokungsmethoden
angegeben, von denen aber Kindinger in seiner Kritik des Torf-
betriebes (1867) nicht viel hält, wie er überhaupt zu dem Schluſs
kommt, daſs ein vorteilhafter Hochofenbetrieb mit Torf nicht erreicht
und nicht wahrscheinlich sei.


Einen teilweise mit Gas betriebenen Hochofen brachte Schinz
in Vorschlag. Er bezeichnete denselben als Hochofen mit partieller
Elimination des Stickstoffs. Er glühte in Muffeln Kalkstein mit Kohlen-
klein. Die Kohlensäure des Kalkes wurde in Berührung mit der
glühenden Kohle zu Kohlenoxydgas reduziert. Dieses nicht mit Stick-
stoff vermischte Kohlenoxydgas sammelte er in einem Gasometer.
Aus diesem wurde es von der Gebläsemaschine angesaugt und mit
atmosphärischer Luft vermischt in den Ofen geblasen, der die Kon-
struktion eines Raschetteofens hatte 3).


L. Rinman und B. Fernqvist in Schweden lieferten eine vor-
treffliche Arbeit über die Zusammensetzung, Pressung und Temperatur
der Hochofengase von Hammarby, Fassjö und Haſselfors 4).


Das Anblasen der Hochöfen 5) geschah Anfang der sechziger Jahre
noch in der umständlichen, zeitraubenden und kostspieligen Weise,
wie es sich bei den Kokshochöfen in Belgien und Frankreich ausgebildet
hatte und von Deutschland als feststehende Überlieferung übernommen
worden war. Das ganze Verfahren mit dem häufigen Rostschlagen u. s. w.
[71]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
wurde als etwas Feststehendes, Unabänderliches angesehen und als
Zunftgeheimnis mit ehrfurchtsvoller Scheu betrachtet. Im Laufe dieser
Periode brach man aber mit der Tradition. 1862 erzielte Dufournet
eine groſse Beschleunigung des Anwärmens dadurch, daſs er Wind-
öffnungen am Boden des Ofens anbrachte. Hierdurch erreichte er
schon in 10 Stunden eine solche Hitze, daſs die Formen eingelegt
werden konnten. Von dem 31. Abstich an war der Ofen in normalem
Gange, was sonst erst nach dem 100. Abstich erfolgt war. Daſs ein
so beschleunigtes Anwärmen eine beträchtliche Kohlen- und Zeit-
ersparnis zur Folge hatte, liegt auf der Hand.


In England begann Parry zu Ebbw-Vale 1863 die Zeit des An-
blasens bedeutend abzukürzen, indem er den Ofen erst mit Holz, dann
mit Koks bis zur halben Höhe füllte, Erze aufgab und anzündete.
Es wurde dann regelmäſsig weiter aufgegichtet und der Wind ange-
lassen, sobald die Erze in das Gestell einrückten.


1867 wärmte Direktor Blauel einen Hochofen im Harz mit
5 Ctr. Holzkohlen und 98 Ctr. Koks in 12 Stunden bis zum An-
blasen ab.


Wo die Lürmannsche Schlackenform und die Zustellung mit
geschlossener Brust eingeführt wurde, muſste das Rostschlagen in
Wegfall kommen. Im Herbst 1867 wurde ein so zugestellter Hoch-
ofen der Georg-Marienhütte zum erstenmal ohne Rostschlagen abge-
wärmt. Dieses geschah zunächst durch einen vorgebauten Flammofen,
dann wurde Holzfeuer in das Gestell gebracht und hierauf Koks mit
dem notwendigen Kalkzuschlag gefüllt. Vom 26. bis 28. September
wurden 429 Ctr. Koks aufgegeben. Am 28. September füllte man weiter
mit Koks und Möller und zwar begann man mit 100 Pfund Möller auf
100 Pfund Koks und stieg von 5 zu 5 Sätzen mit dem Erzsatz bis auf
173 Pfund. Am 1. Oktober, abends 7 Uhr, war der Ofen voll und wurde mit
dem Blasen begonnen. Am 2. Oktober erfolgte der erste Abstich und
am 4. Oktober gab man schon den vollen Erzsatz. Die Zeit vom
Anzünden des Feuers bis zum vollen Betrieb hatte also nur 9 Tage
in Anspruch genommen. — Anfang September 1868 wurde auf der
Main-Weserhütte bei Lollar ein Ofen mit geschlossener Brust von
G. Buderus in derselben Weise in 3½ Tagen in Betrieb gesetzt.
Ähnliches geschah zu Hörde, zu Aplerbeck u. s. w. Es kann dies als
ein weiterer Vorteil der Erfindung Lürmanns angesehen werden.


Das raschere Anwärmen der Hochöfen war zum Teil auch durch die
allgemein gewordene Zustellung mit künstlichen Steinen, welche nicht
so leicht zersprangen als die natürlichen, möglich geworden.


[72]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Den Kohlenverbrauch im Hochofen suchte J. Lowthian Bell
theoretisch festzustellen, indem er die Summe der Wärmeeinheiten,
welche die einzelnen Vorgänge im Hochofen erfordern, ermittelte und
diese durch die Wärmeeinheiten, welche das Einheitsgewicht des
Brennstoffes entwickelte, dividierte. P. Tunner, der L. Bells Schrift
übersetzt hat, giebt in seinem Bericht über die Eisenindustrie Ruſs-
lands folgendes Beispiel: Es wird eine Gattierung von 30 Prozent
Eisengehalt und 60 Prozent Kalkzuschlag angenommen. Der Wind-
bedarf pro Tonne Roheisen beträgt:



Da nach englischen Erfahrungen 1 Ctr. Koks im Hochofen 3135
bis 3713 Kaloriencentner entwickelt, so würden 100 Ctr. Roheisen
obiger Gattierung 410 Ctr. Koks erfordern.


Betrachten wir den Hochofenbetrieb in Bezug auf seine Produkte,
so ging in England jeder Hochofen ausschlieſslich auf eine bestimmte
Eisensorte, ja ganze Distrikte lieferten nur eine bestimmte Roheisen-
sorte. Auf dem Kontinent war dies weit weniger der Fall und nament-
lich in Deutschland verlangte man von einem Ofen wo möglich jede
beliebige Roheisensorte, die von den Abnehmern bestellt wurde. Dies
lag daran, daſs in Deutschland die Hütten ihre Eisenerze meistens
kiefen und ihnen eine groſse Auswahl verschiedener Erze zur Ver-
fügung stand. In England waren ausgedehnte Eisenerzlager mit
den Kohlenflözen verbunden oder in nächster Nähe vorhanden. In
Deutschland war das nicht der Fall. Infolgedessen arbeiteten die
englischen Hochöfen ökonomischer, aber auch einseitiger, schablonen-
mäſsiger. Die schwierigeren Verhältnisse in Deutschland stellten viel
gröſsere Anforderungen an die Intelligenz der Betriebsleiter. Während
dies in England meist nur Werkführer (managers) von empirischem
Wissen waren, hatten die deutschen Betriebsbeamten eine wissen-
[73]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
schaftliche akademische Bildung, die sie befähigte, auf theoretischem
Wege alle gestellten Aufgaben zu lösen. Diese bessere wissenschaft-
liche Vorbildung der deutschen Eisenhüttenmänner hat einen sehr
segensreichen Einfluſs auf die Entwickelung der Eisenindustrie in
Deutschland geübt und am meisten dazu beigetragen, daſs Deutsch-
land in dem scharfen Wettbewerbe der Industrievölker die hervor-
ragende Stufe erklomm, die es jetzt einnimmt.


Die Beschickung der Hochöfen war in Deutschland sehr ver-
schiedenartig und wechselnd. Sie erfolgte aber in den sechziger
Jahren schon auf fast allen Eisenhütten nach stöchiometrischen
Principien auf Grund chemischer Analysen der Erze und Zuschläge.
Diese stöchiometrischen Grundsätze, welche auf der richtigen Zu-
sammensetzung der Beschickung zur Erzeugung der für das ge-
wünschte Roheisen geeignetsten Schlacke begründet waren, wurden
damals von Balling, v. Mayrhofer, Lindauer und besonders von
Professor W. Mrázek zu Přibram gründlich bearbeitet. Wir können
auf diese Arbeiten nur verweisen. Nach Lindauer suchte man im
allgemeinen Hochofenschlacken zu erzeugen, die in den Grenzen von
und
blieben. Mrázek stellte 1869 umfangreiche Hülfstabellen für stöchio-
metrische Beschickungen auf, die er 1870 noch verbesserte und ver-
einfachte 1).


Die groſsartige Entwickelung der Stahlindustrie, namentlich des
Bessemerprozesses stellte auch an den Hochofenbetreib ganz neue An-
forderungen. Das Roheisen für den Bessemerprozeſs muſste
grau bis schwach halbiert sein, 1,5 bis 2 Proz. Silicium und nur sehr
wenig Schwefel und Phosphor enthalten. Nur wenige Erze entsprechen
diesen Anforderungen, darunter am meisten die reinen Magneteisen-
erze Schwedens und in England die reichen Roteisensteine oder
Hämatite von Cumberland.


Durch richtige Gattierung gelang es aber auch in anderen Gegen-
den, namentlich in Deutschland, brauchbare Roheisensorten für den
Bessemerprozeſs zu erzeugen. Durch manganhaltige Zuschlagerze,
stark basische Beschickung und garen Ofengang war man imstande,
sowohl in Rheinland und Westfalen als in Oberschlesien aus den zur
Verfügung stehenden Erzen ein geeignetes Produkt darzustellen.
Braunsteinhaltige Brauneisensteine, wie sie in verschiedenen Gegenden
[74]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Deutschlands, in Cornwall, Irland u. s. w. sich fanden, wurden gesuchte
Erze für diesen Zweck. In Cumberland und Lancashire blies man die
besten Sorten von Bessemerroheisen mit kaltem Wind.


Eine groſse Bedeutung erlangte das Spiegeleisen, das nament-
lich im Siegerland seit Jahrhunderten dargestellt wurde, nachdem es
allgemein als nachträglicher Zusatz beim Bessemerprozeſs in An-
wendung kam. Auch hierbei spielte das Mangan die wichtigste Rolle,
so daſs der Wert des Spiegeleisens proportional seinem Mangan-
gehalt wuchs. Durch starken Kalkzuschlag gelang es, mit Koks sehr
manganreiches Spiegeleisen zu erzeugen. Über die Art, wie dies ge-
schah, hat der französische Ingenieur S. Jordan 1864 eine gründ-
liche Studie veröffentlicht 1).


Das weiſse Puddlingsroheisen wurde dagegen am vorteilhaftesten bei
einem übersetzten Gange, der sich an der Grenze des Rohganges hielt,
dargestellt. So geschah es namentlich in Südwales. Zu Dowlais
brauchte man hierbei für 100 kg Roheisen 54 kg Koks und 108 kg
Steinkohlen. Auch in Oberschlesien gelang es Fitzner 1865, dieses
Verfahren einzuführen.


Die Entfernung des Schwefels geschah zum Teil durch mangan-
haltige Zuschläge und eine sehr basische Schlacke. Auſserdem wurde,
wie schon früher, die Anwendung des Wasserdampfes im Hochofen
empfohlen. Kerpely schlug 1863 vor, das Wasser in die Rast einzu-
leiten.


Die Entfernung des Phosphors, für das Bessemerroheisen die
allerwichtigste Aufgabe, gelang trotz aller Versuche im Hochofen
nicht. Bei der hohen Temperatur, die in den mit heiſsem Wind be-
triebenen Kokshochöfen herrschte, reduzierte sich die Phosphorsäure
der Erze und ging der Phosphor fast ganz in das Roheisen über.
Strohmeyer wies nach, daſs das Roheisen, welches beim Schmelzen der
1,7 Proz. phosphorhaltigen Erze der Ilsederhütte fiel, 3 Proz., die dabei
fallenden Schlacken nur 0,1 Proz. Phosphor enthielten. Groſse Hoffnungen
setzte man eine Zeit lang auf die reinigende Wirkung des Fluſsspats
(Wernecke 1862) und Caron empfahl ihn 1868 als ein Mittel zur
Entphosphorung, weil nach seiner Ansicht die phosphorsauren Salze
in Fluſsspat löslich seien 2). Doch bewährte sich das Mittel, ganz
abgesehen von seiner Kostspieligkeit, nicht. Ebensowenig wirken die
Chlorverbindungen, die man gewöhnlich als Kochsalz der Beschickung
zusetzte (Weniger, v. Mayrhofer) oder in das Hochofengestell ein-
[75]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
blies 1) (Kerpelys Versuche zu Reschitza, 1865). Nicklés hatte
Eisenchlorid vorgeschlagen und Wintzer nahm 1866 ein englisches
Patent zur Entphosphorung durch Einblasen von Chlorgas. Durch die
Verwendung von gebranntem Kalk an Stelle von rohem wurden auch
keine besonderen Vorteile erzielt.


Die Vermeidung oder die sorgfältige Aufbereitung phosphorhaltiger
Erze blieb das einzige Mittel beim Hochofenprozeſs, den Phosphor-
gehalt des Roheisens zu verringern.


Die Erzeugung von titanhaltigem Roheisen erregte eine Zeit
lang, namentlich in England 2), wo Mushets Titanstahl Aufsehen hervor-
gerufen hatte, das Interesse der Hochofentechniker. Zuerst waren es die
titanhaltigen Magneteisensande von Neuseeland, die nach G. Hoch-
stätter
aus 88,45 Proz. Eisenoxyduloxyd und 11,43 Proc. Titansäure
bestanden, auf die man groſse Hoffnungen setzte und auf deren Aus-
beutung eine Aktiengesellschaft gegründet wurde. Dann fand man
billigere Erze in Norwegen (Kragerö). G. Crawshay und John Thomas
nahmen 1868 ein Patent zur Bereitung von Titanroheisen im Hochofen.
Aber auch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Die titanhaltigen
Erze erwiesen sich als sehr schwer schmelzbar und im Hochofen ging
der Titan fast ganz in die Schlacke.


Die Puddel- und Schweiſsschlacken bildeten trotz ihres
Phosphorgehaltes in den wichtigeren Eisendistrikten bereits ein be-
achtenswertes Material für den Hochofenbetrieb, das z. B. in Süd-
wales und Oberschlesien bis zu 40 Proz. Verwendung fand, auf
anderen Werken wie Witkowitz, Storé, Misling und Kreutzen in Öster-
reich zeitweilig sogar für sich allein verschmolzen wurde. In einigen
Gegenden, wie namentlich in Südstaffordshire, wurden dieselben erst
in Stadeln geröstet.


Das Verfahren von Lang und Frey3), die zu Hirsenkorn-
gröſse zerkleinerten Frischschlacken mit Kohle und Kalkmilch ein-
zubinden und die getrocknete, in Stücke zerschlagene Masse im
Hochofen zu verschmelzen, bewährte sich und fand nicht nur in Öster-
reich, sondern auch in anderen Ländern Eingang. In Nordamerika
gab es 1863 Professor Fleury in Philadelphia als ein von ihm ent-
decktes Verfahren aus. Neu war nur sein Vorschlag, das in Ziegel
geformte Gemenge direkt im Puddelofen zu verarbeiten.


In Frankreich hatten Minary und Soudry ein anderes Verfahren
[76]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
angegeben. Sie mengten die zerkleinerten Frisch- und Schweiſs-
schlacken mit Steinkohlenklein und verkokten die Masse. Zu Givors
nahm man hierbei 40 Proz. Frischschlacke auf 60 Proz. Steinkohle.
Das Eisen in den Schlacken sollte angeblich reduziert und ein von
Schwefel und Phosphor gereinigtes Eisen erzielt werden. Dies be-
stätigte sich aber nicht.


Escalle in Frankreich wollte nur durch die besondere Art des
Chargierens, indem er die kleinen Schlacken am Rande und die dicken
Brocken in der Mitte aufgab, ein gutes Ausschmelzen erzielen.


In Frankreich und Deutschland hatte man immer auf ein sorg-
fältiges Aufgeben der Gichten groſsen Wert gelegt 1), während man
in England dies weniger that. Je weiter die Gichtöffnungen der Hochöfen
wurden, je schwieriger wurde das gleichmäſsige Ausbreiten der Be-
schickung. Die geschlossenen Gichten und die Gasfänge erschwerten
dasselbe noch mehr. Man erkannte in den sechziger Jahren den
Wert des regelmäſsigen Aufgichtens an und suchte die entgegen-
stehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Dies geschah teils durch
geeignete Gichtwagen, teils durch die Verteilungstrichter bei den Gas-
fängen. Da bei weiten Gichtöffnungen aber die Verteilung durch den
Trichter ungenügend war, indem die Erze nur am Rande vorfielen,
so verbesserte Langen 1866 seinen Gasfang für groſse Gichtdurch-
messer in der Weise, daſs er noch bewegliche Verteilungsschieber
anbrachte 2).


Über das Niedergehen der Gichten haben Stahlschmidt und
namentlich G. Wepfer beachtenswerte Versuche angestellt 3).


Die Zeit des Niederganges der Gichten war sehr verschieden.
Sie war in erster Linie von der Höhe des Ofens, auſserdem aber auch
von der Art des Roheisens abhängig. In Cleveland brauchte (nach
W. Grossley) die Erzgicht in den alten Öfen 24 Stunden, in den
neuen, viel höheren Öfen 44 bis 50 Stunden, bis sie vor die Form
gelangte. In kleineren Öfen war eine viel geringere Zeit erforderlich.
Wir haben bei den Raschetteöfen erwähnt, daſs Aubel behauptet
hatte, die Beschickung bedürfte einer geringeren Zeit als 7 Stunden,
um genügend vorbereitet vor die Formen zu kommen, daſs sich diese
Angabe aber nicht bestätigt hat. Für leicht reduzierbare und leicht-
schmelzige Erze kann dies aber unter günstigen Umständen doch der
[77]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Fall sein. Man hat beobachtet, daſs reine Braunerze nur eine Vor-
bereitungszeit von 5 bis 6 Stunden für weiſses und von 7 bis 9 Stunden
für graues Roheisen brauchen. Alle anderen Erze bedürfen aber einer
längeren Vorbereitungszeit und zwar für weiſses Roheisen mindestens
8 Stunden. Sphärosiderite bedürfen keiner hohen Vorbereitungs-
temperatur, aber langer Zeit, durchschnittlich 16 Stunden für weiſses
und 24 Stunden für graues Roheisen (v. Mayrhofer).


Von dem gröſsten Einfluſs auf den Betrieb der Hochöfen und die
Produktion waren Windpressung und Windtemperatur. Beide
hatte man in den sechziger Jahren beträchtlich erhöht. Namentlich
wendete man im Clevelanddistrikte vorher nicht gekannte Wind-
temperaturen an. Cochrane war es schon 1860 gelungen, mit Cowper-
apparaten einen Wind von 620° C. zu erzeugen und damit auf der Hütte
zu Ormesby 250 kg Koks auf 1 Tonne Roheisen zu ersparen. Auch die
anderen Hütten des Clevelanddistriktes steigerten infolge dieses Erfolges
die Temperatur ihres Gebläsewindes. Dieselbe hatte zu Anfang der
sechziger Jahre 300 bis 375° C. betragen, 1864 wurde sie auf 425 bis
500° C. gesteigert, 1867 betrug sie 560° C., auf einigen Werken aber
600° C. und darüber.


Trotz dieser groſsen Hitze des eingeblasenen Windes verlieſsen die
Verbrennungsgase die Gicht der Clevelandhochöfen mit verhältnis-
mäſsig niedriger Temperatur und zwar war dieselbe um so niedriger,
je höher die Öfen waren. Lowthian Bell fand sie 1865 bei einem
Hochofen von 48 Fuſs Höhe zu 700 bis 800° F. (357 bis 412° C.),
bei einem Ofen von 75 Fuſs Höhe aber nur zu 517° F. (241° C.) 1).


Cochrane stellte 1864 nach seinen Erfahrungen folgende Grund-
sätze auf: 1. Erhöhung der Öfen; 2. Erhöhung der Windtemperatur;
3. das Temperaturmaximum muſs sich in nächster Nähe der Formen
befinden; 4. die Gase müssen mit möglichst niedriger Temperatur die
Gicht verlassen.


Um diese Zeit hatte C. Schinz seine pyrometrischen Unter-
suchungen über den Hochofen begonnen. Indem er heftig gegen die
seitherige, allerdings einseitig chemische Betrachtungsweise des Hoch-
ofenprozesses polemisierte und diesen im wesentlichen nur als
thermischen Vorgang auffaſste, lenkte er die Aufmerksamkeit der
Metallurgen auf die Wichtigkeit der Wärmeerzeugung und des Wärme-
verbrauchs im Hochofen und deren ökonomische Bedeutung 2).


[78]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.

Am 10. November 1865 nahm Thomas Whitwell ein Patent
auf seinen steinernen Winderhitzer (Engl. P. 1865, N. 2897).


Die Erweiterung der Hochofengestelle und die Steigerung der
Windmenge, Pressung und Temperatur in diesem Zeitraume hatte
eine groſse Steigerung der Produktion zur Folge. In den fünfziger
Jahren kamen Tagesproduktionen über 25000 kg sowohl in England
als auf dem Kontinent nur ausnahmsweise vor (Barrow in Cumber-
land und Heinrichshütte in Westfalen). In den sechziger Jahren
wurde diese Tagesproduktion bereits vielfach überschritten. In
Deutschland führen wir die Ilseder Hütte bei Peine an, die 1864 im
Jahresdurchschnitte bereits 71000 Pfund Tagesproduktion aufwies,
die sich in den folgenden Jahren auf 50000 kg und 1867 schon
bis auf 80000 bis 90000 kg erhöhte.


Die Tagesproduktion eines Hochofens zu Barrow-in-Furneſs be-
trug 1861 41550 kg, stieg aber in den folgenden Jahren über 50000 kg.
Der Hochofen von Norton im Clevelanddistrikte hatte 1867 eine
Tagesproduktion von 64500 kg, 400 Tonnen Wochenproduktion hatten
1869 Hochöfen zu Consett und Middlesborough (Gjers) und zu Kirkleſs
Hall in Lancashire.


Ein neues, verbessertes Verfahren des Ausblasens der Hoch-
öfen wurde 1865 auf der Heinrichshütte bei Au an der Sieg zuerst
angewendet. Nach der letzten Erzgicht gab man während einiger
Stunden nur Koks nach, dann zerklopften Kalkstein, mit dem man
den Ofen anfüllte. Sobald das letzte Eisen abgestochen und der
Kalk vor die Form gerückt war, blies man noch 1½ Stunden, stellte
dann den Wind ab, brach die Brust auf und zog den gebrannten
Kalk aus. Hierauf zeigte sich der Ofen glatt ausgeblasen. Dieses
Verfahren hat man auf anderen Werken, z. B. zu Rhonitz 1869, mit
Erfolg nachgemacht.


Die längsten Hüttenreisen erzielte man bei den Hochöfen in
Südwales, die aus vorzüglichem Material erbaut waren und in denen
ein immer gleicher Betrieb stattfand. Zu Dowlais waren 1866 ein
Hochofen 18, der andere 23 Jahre im Betriebe. Dagegen dauerten
die Hüttenreisen der Hochöfen im Küstengebiet, wo man Hämatiteisen
aus den leichtschmelzigen, basischen Erzen aus Spanien u. s. w. schmolz,
nur kurz. Meist waren Gestell und Rast in 6 Monaten durchgefressen.


Die Hochofenschlacken suchte man auf verschiedene Arten zu
verwerten 1). Das Verfahren, sie in Formen laufen zu lassen und auf
[79]Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
diese Art Steine daraus zu machen, war schon alt. Eine andere Art,
Schlackensteine zu fabrizieren, bestand darin, daſs man die Schlacken
flüssig mit Koks, Kies oder kalter Schlacke durcharbeitete und diese
Masse, solange sie noch zähe war, in Formen drückte. Die erstarrten
Schlackensteine temperte man in Temperieröfen oder Röststadeln.
Der Ingenieur Sepulchre stellte in Belgien aus Schlacken von
38 bis 44 Proz. Kieselsäuregehalt sehr feste Steine dadurch her, daſs
er die Schlacke über eine stark geneigte Schlackentrift in eine groſse
Höhlung flieſsen und die Masse unter Asche und Sand langsam in
5 bis 10 Tagen erkalten lieſs.


Der Sand von basischer Schlacke eignete sich sehr gut zur Mörtel-
bereitung. Diesen Sand erhielt man im Siegerland dadurch, daſs man
die flüssige Schlacke in ein Bassin mit flieſsendem Wasser laufen lieſs.
Durch die rasche Abkühlung in dünnem Strahl zerfiel die Schlacke
zu einem porösen leichten Sand. Dieses Verfahren hatte E. Langen
schon 1861 auf der Friedrich-Wilhelmshütte bei Siegburg eingeführt.
Irrtümlich schreibt man daher die Erfindung Minary zu, der dasselbe
später in der Franche-Comté anwendete. Lürmann rührte auf der
Georg-Marienhütte diesen Sand mit gelöschtem Kalk an und preſste
die Masse zu Steinen, die an der Luft erhärteten. Gjers lieſs
den Schlackensand noch durch Walzen gehen und verwendete ihn
zur Herstellung der Masselformen. Parry schlug vor, die phosphor-
haltigen Schlacken zur Düngung zu verwenden.


Die Herstellung von Schlackenwolle durch Durchblasen von Wind-
oder Dampfstrahlen durch die flüssige Masse führte G. Parry um 1864
ein, indem er einen Dampfstrahl durch die abflieſsende Schlacke leitete.


Figure 61. Fig. 61.

Über die Anlage von Verbesserungen in der Hochofenhütte
verweisen wir noch auf einen Aufsatz von Kerpely in der Berg- und
Hüttenmännischen Zeitung von 1870 (Nr. 14, 97, 107).


Obenstehende Skizze (Fig. 61) soll den Grundriſs einer neuen
Hochofenanlage aus dieser Zeit, des Lindorp-Eisenwerkes bei Middles-
borough, darstellen. Es bedeuten: a, 4 Hochöfen, deren Gichtböden
[80]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
durch Gichtbrücken miteinander verbunden sind; b, 2 pneumatische
Gichtaufzüge; c, Maschinen dazu; d, 4 Winderhitzungsapparate;
e, Kesselanlage mit 11 Kesseln zur Überdrehung; f, Maschinengebäude;
g, Materialienplätze; h, schwebende Schienenbahn zur Anfuhr der
Materialien; i, Windleitung; k, Sandherde zum Einformen der Roh-
eisenbarren; l, Eisenbahn zur Abfuhr der Produkte.


Über den Betrieb der bedeutendsten Hüttenwerke findet man
eine gute Zusammenstellung in Percy-Weddings Handbuch der
Eisenhüttenkunde 1).


Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.


Für die Eisengieſserei fanden die Irelandöfen (siehe Bd. IV,
Fig. 290, S. 842) immer gröſsere Verbreitung. R. Gerhardi änderte 1869
in Deutschland ihre innere Gestalt etwas ab, indem er dieselbe vor den
Formen zusammenzog. Dieses war aber, wie er selbst mitteilt 2), schon
1863 bei Borsig durch einen Engländer eingeführt worden. Die
von Georg Hinton 1860 patentierten Kupolöfen wichen von den
Irelandöfen so wenig ab, daſs R. Mallet keinen Unterschied zwischen
beiden Ofenarten finden konnte 3). Hinton legte besonderen Wert
auf die bessere Windverteilung durch zwei übereinander liegende
Formreihen. Dieselbe Anordnung hatte aber auch Ireland schon in
seinem Patent von 1858 beschrieben, ebenso wie die Benutzung von
den Ofen umgebenden Vorwärmern zur Winderhitzung. Diesen letzteren
Gedanken führten Hinton und J. Gittoes in einem Patent von 1861
weiter aus. Danach sollte der äuſsere Ofenmantel bis auf etwa
12 Fuſs Höhe doppelt und geteilt sein. Der Wind sollte abwechselnd
durch die eine und die andere Hälfte strömen und dadurch vorge-
wärmt werden. Die Erhitzung der Kammern sollte noch verstärkt
werden durch die Durchleitung der heiſsen Gichtgase. Hinton kon-
struierte auch einen sehr weiten, aber niedrigen Kupolofen mit einer
groſsen Anzahl Windformen in zwei Reihen übereinander zum Um-
schmelzen groſser Guſsstücke, z. B. unbrauchbarer Schiffskanonen,
welche am Boden auf einem Block aus Sandstein ruhten, während sie
oben mittelst einer Kette aufgehängt waren.


In Nordamerika fanden um diese Zeit die Kupolöfen von
[81]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
Makenzie Verbreitung 1). Dieselben zeichneten sich durch geringen
Koksverbrauch, veranlaſst durch eine gute Windverteilung mittels eines
gleichförmig um den ganzen Ofen gehenden Schlitzes, Fig. 62, cc, aus. Die
eigentümliche Rastzu-
stellung, welche hier-
durch bedingt wird,
ist aus der Abbildung
zu ersehen. Der Ofen,
der im übrigen dem
Irelandofen glich, stand
frei auf Säulen und
hatte eine bewegliche
Bodenplatte.


Eine wichtige neue
Kupolofenform war die
von Krigar und

Figure 62. Fig. 62.


Eichhorn (1867) in England
patentierte. Sie war von
Heinrich Krigar, Mitbesitzer
der Eisengieſserei Krigar und
Ihsen bei Hannover, Mitte der
sechziger Jahre erfunden und
zeichnete sich durch eigen-
artige Windführung und groſse
Koksersparnis aus. Fig. 63
stellt die ältere Konstruktion
(zu Hope foundry, Lambeth),
die später abgeändert und ver-
bessert wurde, dar. Der Wind
trat in den den Ofen um-
gebenden Kasten B; aus diesem
gelangte er durch die Schlitze
am Boden in der Richtung der
Pfeile in den Ofen und in den
Schacht, welcher in den lang-
gestreckten Eisenkasten hinein-
ragt. Die Gebläseluft wird auf

Figure 63. Fig. 63.


diesem Wege vorgewärmt. Der Vorherd des Eisenkastens ist in seiner
ganzen Breite durch eine eiserne Thür, in welcher sich die Abstich-
Beck, Geschichte des Eisens. 6
[82]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
öffnungen F für das Eisen, S für die Schlacke und das Schauloch D
befinden, geschlossen. Auſser bei Krigar selbst war dieser Ofen in
Deutschland in dem vormals Egestorffschen Werke bei Linden-

Figure 64. Fig. 64.


Hannover in Betrieb. Bei
Krigar betrug der Koksver-
brauch 50 Pfund auf 800 Pfund
Roheisen.


Price konstruierte einen
Kupolofen (Patent vom 2. April
1863), dessen Schacht auf
Säulen ruht, während der ganze
untere Ofen von Eisenkasten
umgeben ist, durch welche
Wasser oder Luft cirkuliert.


Ein interessanter Kupol-
ofen, der in England Auf-
sehen erregte und Verbreitung
fand, war der ohne Gebläse-
maschine arbeitende der
Gebrüder Woodward, welcher
am 24. Januar 1865 patentiert
wurde 1). Der Wind wurde
durch einen Dampfstrahl, wel-
cher, ähnlich wie bei den
Lokomotiven, in den engen,
eisernen Blechschornstein ge-
leitet wurde, durch Ansaugen
erzeugt. Die Gicht war ge-
schlossen, das Aufgeben erfolgte
durch Fülltrichter und Lade-
thüre. Fig. 64 giebt die Ab-
bildung des Dampfzugkupol-
ofens von Woodward2). 1868
waren schon über 60 dieser Öfen in England errichtet. Sie sollten
an Koksersparnis alle anderen Öfen übertreffen und nur 5 Proz. Schmelz-
koks brauchen. Daſs bei dem Ansaugen der Luft die Wärmeverteilung im
[83]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
Schmelzraum eine gleichmäſsigere ist, liegt auf der Hand. Mallet in
seiner vortrefflichen Abhandlung über die Fortschritte der Eisen-
gieſserei stellte den Dampfstrahlöfen aber kein günstiges Prognostikon,
weil nach seiner Ansicht von allen Mitteln, Luft zu bewegen, keins
kostspieliger sei als der Dampfstrahl.


Das Streben, Steinkohle direkt beim Schmelzen des Gieſsereieisens
zu verwenden, führte zu der Konstruktion des Steinkohlenkupolofens
von Daelen und Freudenthal1), der aber zu kostspielig war, um
Verbreitung zu finden.


Einen Zugkupolofen, wie ein solcher schon früher von Zintgraff
angegeben worden war, konstruierte Richard Canham 1866. Der-
selbe hatte in der Herdgegend ein aus feuerfesten Ziegeln herge-
stelltes Gitterwerk, durch welches die Luft mittels hoher Esse ange-
saugt wurde 2).


Die Anforderungen an die Leistung der Kupolöfen hatten sich
in den sechziger Jahren sehr gesteigert. Hierzu trug insbesondere der
Bessemerprozeſs bei, welcher das Einschmelzen groſser Massen von Roh-
eisen in kurzer Zeit nötig machte. Aber auch für Gieſsereizwecke steigerten
sich die Anforderungen immer mehr. Als ein Beispiel hervorragender
Leistung eines Kupolofens erwähnen wir den Guſs eines Ambosses für
einen Dampfhammer der Port Richmond-Eisenwerke (1863). Es
wurden dabei 37½ Tonnen Eisen in 4 Stunden unter Zuführung von
4000 Kubikfuſs Luft pro Minute in einem Kupolofen geschmolzen.
Gruson goſs in einen Kupolofen auf dem Artillerieschieſsplatz bei
Berlin 240 Ctr. flüssiges Eisen in einer Stunde. Wernecke schrieb
1862 über den Nutzen des Fluſsspats beim Kupolofenschmelzen.


Die Guſsflammöfen traten nicht nur beim Einschmelzen des
Bessemerroheisens, sondern auch bei der Gieſserei selbst mehr und
mehr gegen die Kupolöfen zurück.


Das sogenannte Schweiſsen des Guſseisens war ein den praktischen
Gieſsern bekannter Kunstgriff; angeblich soll es ein belgischer Arbeiter
1860 erfunden haben. 1861 wurde dasselbe als ein neues auf der
Hütte zu Tamaris bei Alais angewandtes Verfahren in den Annales
des Mines beschrieben. Es handelte sich dabei um das Anschweiſsen
zerbrochener Walzen oder Wellen. Das zerbrochene Stück wurde an
den Bruchstellen erhitzt in eine vorbereitete Guſsform eingelegt, durch
welche man flüssiges Roheisen über die Bruchflächen so lange durch-
flieſsen lieſs, bis sie sich erweichten. Alsdann wurde der Abfluſs ver-
6*
[84]Die Eisengieſserei 1861 bis 1870.
stopft und die Form mit Eisen gefüllt. Die Bruchflächen waren
dann zusammengegossen. Die Guſsstücke wurden abgedreht.


Im Zusammenschweiſsen von Guſseisen mit Stahl machte man eben-
falls Fortschritte. Das Hüttenwerk Königsbronn stellte 1867 zu Paris
schöne Hartwalzen mit eingegossenen Bessemerstahlachsen aus. Guſs-
eiserne Ambosse mit aufgegossenen Stahlplatten goſs man nach Broman
in der Weise, daſs man die Stahlplatte in eine Form mit Ablauf ein-
legte, sie mit Borax bestreute und dann flüssiges Roheisen so lange
darüber laufen lieſs, bis die Oberfläche zum Schmelzen kam. Alsdann
schloſs man den Ablauf und goſs die Form voll. — Häufig empfiehlt
es sich, die schmiedeeisernen Teile, die man eingieſsen will, vorher
zu verzinnen.


Das Bestreben, die Qualität des Guſseisens zu verbessern, führte
zu vielen Vorschlägen und Versuchen. Der amerikanische Bürgerkrieg
veranlaſste ein neues Verfahren zur Herstellung festen und dichten
Eisengusses für Geschütze. Diese „Rodmansche Gieſsmethode“ bestand
in der Herstellung von Hohlgüssen mittels hohler Kerne und Wasser-
kühlung unter gleichzeitiger Erwärmung der Form von auſsen zur
Erzielung eines gleichmäſsigen Erstarrens und Beseitigung jeder
Spannung. Auf diese Weise wurden Riesengeschütze hergestellt,
welche sich gegen Eisenpanzer gut bewährten 1).


Bessemer stellte durch Vermischen von flüssigem weichen
Bessemerstahl mit flüssigem Roheisen ein verbessertes Gieſsereieisen
(improved foundry iron) her. Er empfahl, das Gemisch erst in Gänze
laufen zu lassen und es dann im Kupolofen umzuschmelzen. Ein
ganz ähnliches Gemisch aus Martinstahl und Roheisen erzeugte Martin
als Métal mixte. Verbreiteter war aber in Frankreich Stirlings
Verfahren (s. Bd. IV, S. 540). In England machte man zähen Guſs
(toughened cast iron) durch Zusatz von 20 bis 40 Proz. Fluſseisen oder
Fluſsstahl, auch wendete man ein reinigendes Umschmelzen im Flamm-
ofen, wie es lange vorher in Schlesien zur Erzeugung von Feineisen
üblich war, an. Gaudin erhielt ein Gieſsereieisen von groſser Festig-
keit durch Umschmelzen des Roheisens mit oxydierenden Zuschlägen.


R. Mallet stellte durch Versuche fest, daſs Eisen, unter Druck
gegossen, viel dichter wird. Eisen von Calder hatte, ohne Druck ge-
gossen, ein spezifisches Gewicht von 6,9551, unter Druck einer 14 Fuſs
hohen Eisensäule gegossen, ein spezifisches Gewicht von 7,1035. Das
spezifische Gewicht des Guſseisens wächst mit der Höhe der drücken-
[85]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
den Eisensäule, aber in langsam abnehmendem Verhältnis. Dieser
Umstand erklärt die Vorzüge des stehenden Gusses mit verlorenem
Kopf und hohen Einguſstrichtern. Blasenfreien Guſs erzielte Jos.
Harrison
zu Philadelphia durch Auspumpen der Luft aus den Formen
bei der Röhrengieſserei 1).


In Deutschland zeichnete sich besonders Gruson durch seinen
vortrefflichen Hartguſs aus. Hierzu verwendete er (1863) 400 Teile
zähes, graues Holzkohlenroheisen und 100 Teile Spiegeleisen. An-
fang der sechziger Jahre schmolz er mit Vorliebe das Roheisen der
Teichhütte bei Gittelde. 1864 goſs Gruson Hartguſsgeschosse gegen
Panzer. Mitte der sechziger Jahre beschäftigte er sich bereits mit
der Herstellung von Hartguſspanzertürmen und stellte 1867 ein Modell
davon in Paris aus.


In Österreich war Ganz in Ofen (Budapest) durch seinen Hartguſs
berühmt. Er stellte denselben zum Teil dadurch her, daſs er die
Guſsformen mit gepulvertem, mit Weingeist angerührtem Antimon
ausstrich. Es bildete sich dadurch an der Oberfläche eine harte
Legierung von Eisen und Antimon.


Zu Creusot stellte man Hartguſswalzen in der Weise dar, daſs
man erst eine dünne cylindrische Schicht von weiſsem Eisen goſs,
diese dann nach dem Erkalten mit grauem Roheisen vollgoſs.


Guſseisen erhält durch einen Zusatz von 2 Proz. Wolfram groſse
Härte und Festigkeit. Le Quen stellte hierüber im Kriegshafen zu
Brest (1863) Versuche an. Er setzte dem flüssigen Roheisen pulveri-
siertes Wolframerz zu. Die Reduktion des Wolframerzes erfolgte auf
Kosten des Kohlenstoffgehaltes des Roheisens, das dadurch stahlartig
wurde.


Eine verbesserte Gieſspfanne erfand Mandley 1863. Bei dieser
taucht eine am Ausguſs angebrachte Eisenplatte, sobald die Pfanne
geneigt wird, in das flüssige Eisen und hält dadurch die aufschwim-
menden Unreinigkeiten zurück. Dasselbe bezweckt die Gieſspfanne
von Vanboſs (1870), bei welcher, ähnlich wie bei einer Theekanne,
nur das Untere ausflieſsen kann.


In England ersetzte man die schweren guſseisernen Formkasten,
namentlich für kleinere Guſsstücke, durch Formkasten aus Eisenblech.
Derartige leichte Formkasten aus Walzeisen fertigte Anfang der
sechziger Jahre Stotz in Stuttgart an.


Karmarsch untersuchte die bekanntesten Formsande chemisch,
[86]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
mikroskopisch, durch Schlämmen und auf ihre Bindekraft und ver-
öffentlichte die Resultate seiner Untersuchung 1862 in den Mit-
teilungen des Hannoverschen Gewerbevereins.


Schott in Ilsenburg machte Mitteilung über die Herstellung
künstlicher Formsande 1). Es gelang ihm, die berühmten Pariser
Formsande genau nachzumachen, doch waren sie nicht so gut wie die
natürlichen. Eduard Schott in Ilsenburg und Karl Nicolaus2) zu
Lauchhammer erwarben sich groſse Verdienste um den Kunstguſs in Eisen.


Die wichtigsten Fortschritte der Eisengieſserei in diesem Zeitraum
waren die Verbesserungen der Formmaschinen und die immer aus-
gedehntere Anwendung derselben. Hüttendirektor Stenz hat über
die Formmaschinen, die er 1863 auf einer Reise in England kennen
lernte, eine ausführliche Abhandlung veröffentlicht 3). Er teilt die
Formmaschinen für gewöhnlichen Kastenguſs in zwei Klassen, in solche
zum Ausziehen des Modells ohne Umkehrung und in solche zum Um-
kehren des Kastens. Typisch für die erste Klasse war die Form-
maschine von J. Howard in Bradford. Sie beruhte auf dem einfachen
Ausziehen des Modells aus dem Sande durch ein Modellbrett, welches
sich an die Seitenflächen des Modells genau anschloſs. Das senk-
rechte Niederziehen des Modells erfolgte bei flachen Gegenständen
durch einen Hebel mit Geradeführung, bei höheren Modellen durch
Schrauben mit Muttern. Zahnstangenbewegung fand nur beim Ein-
formen der Munition in Woolwich statt 4). Für kompliziertere Guſs-
körper muſste man zusammengesetzte Bewegung anwenden.


Für die zweite Klasse der Formmaschinen zum Umkehren der
Kasten kann die schon früher erwähnte Maschine von Jobson als
Muster gelten. Sie hat verschiedene Abänderungen erfahren, bei
allen besteht aber das Princip darin, den eingeformten Kasten
mit dem Modell und der eigentlichen Formvorrichtung umzudrehen,
so daſs der Formkasten in seiner zum Abgusse geeigneten Stellung
nach unten hängt, um ihn dann durch langsame Senkung vom
Modell zu lösen und auf die Eisenbahn zu stellen, auf welcher
[87]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
er mit dem Oberkasten bedeckt und abgegossen wird. Die hierzu
nötige Formvorrichtung besteht aus einer glatt gehobelten Modell-
platte, auf welcher das Modell befestigt wird.


Diese Modellplatte wird in einen flachen Kasten von entsprechen-
der Gröſse eingelegt und darin so festgestellt, daſs ihre Oberfläche
mit den Randflächen des Kastens übereinstimmt. Der Kasten ist um
zwei Zapfen drehbar, die Drehung wird durch einen Hebel bewirkt.
Der zweite Hauptteil der Maschine besteht in einem zwischen den
Ständern in senkrechter Richtung beweglichen, horizontalen Tisch, mit
dessen Hülfe der Formkasten, nachdem das Modell eingestampft ist,
abgenommen wird. Die Bewegung des Tisches erfolgt auf verschiedene
Weise 1). Diese Maschinen eigneten sich besonders für gröſsere Stücke.


Eine dritte Art der Formmaschinen war eine Kombination der
beiden Systeme Howard und Jobson2). Sie wurde damals für
Schienenstühle häufig angewendet. Ein Former machte mit fünf
Knaben und zwei Gieſsern 1000 Stück in 12 Stunden. — Eine Zahn-
radformmaschine lieſs sich G. L. Scott 1865 in England patentieren.


Für den Guſs stärkerer guſseiserner Röhren erlangte die Maschinen-
formerei eine immer gröſsere Bedeutung. Besonders waren es die
groſsen Röhrengieſsereien in Glasgow und in Middlesborough, die die-
selbe verbesserten. Die Röhrenformmaschine von Stewart drückte
durch spirale Windungen einer in ihren Gängen durchbrochenen flachen
Schraube den Sand fest. Ähnlich war die Röhrenformmaschine von
Sheriff, bei welcher das an einer senkrechten Stange befestigte
Modellstück gedreht wurde. Mit ihm zugleich drehten sich sechs
schrägliegende kleine Scheiben, welche innen das Modell, auſsen die
Kastenwände berührten. Diese Scheiben drückten den Sand bei ihrer
Drehung um das Modell, das sich gleichzeitig langsam hob, fest.
Die ganze Vorrichtung hing an einem beweglichen Schlitten, der auf
dem Dachgebälk verschiebbar war. Trotz der Vervollkommnung dieser
Maschinen machte die Handformerei denselben doch erfolgreiche Kon-
kurrenz, so daſs z. B. in den groſsen deutschen Röhrengieſsereien zu
Mühlheim a. d. Ruhr und zu Bayenthal die Maschinen zum Stampfen
der Röhren wieder abgeschafft wurden.


Die Handarbeit bei der Röhrenformerei wurde verbessert von
Haldy in Pont-à-Mousson, von Böcking auf dem Halberg bei Saar-
brücken und an anderen Orten.


In den groſsen Röhrengieſsereien von Cochrane, Grove \& Co.
[88]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
zu Ornsley bei Middlesborough und zu Woodside (Dudley), damals
wohl die gröſsten der Welt, von denen Ornsley allein wöchentlich
12000 Ctr. Röhrenguſs lieferte, hatte Cochrane von ihm erfundene
verstellbare Kernspindeln für verschiedene Röhrenweiten eingeführt.


Tangyes Röhrenpresse 1) mit hydraulischem Druck kam 1867
zur Einführung. Die Röhrenformkasten wurden reihenweise auf Platt-
wagen, die auf Schienen liefen, aufgestellt. Die Gieſshütten für Röhren-
guſs waren zweistöckig und hatten groſse Dammgruben und Dampf-
kräne. Die Röhren wurden in Gruppen stehend gegossen.


Groſse Verbreitung erlangten in den sechziger Jahren auch in
Deutschland die Räderformmaschinen. Auf eine sehr gute Maschine
dieser Art erhielt George Lamb Scott am 25. Oktober 1865 ein
Patent 2). Diese Scottsche Räderformmaschine fand rasch Verbreitung.


Für den Kugelguſs wendete man zu Woolwich verschiedene Arten
von Form- und Kernmaschinen an. Von ersteren bewährten sich die
von M. Eyth und die älteren von Downie in Glasgow. In England
goſs man Pflugscharen in Formen, die an den Stellen, wo dieselben hart
werden sollten, von Eisen hergestellt waren.


Zum Trocknen der Gieſsformen mit heiſser Luft hatten Brunnon
und Söhne
zu Rive de Gier ein zweckmäſsiges Verfahren eingeführt 3).


Um eine gröſsere Anzahl gleichartiger Gegenstände rasch abgieſsen
zu können, konstruierte Barett 1861 einen Drehtisch für Guſsformen,
welcher die Formen der Gieſspfanne oder dem Kupolofen zuführte.
Denselben Zweck erfüllten in englischen Gieſsereien geschlossene
Schienenbahnen, welche die Formen auf Plattwagen an dem Kupol-
ofen vorbeiführten.


Schieles Ventilatoren erfreuten sich in England und Deutsch-
land in den sechziger Jahren groſser Beliebtheit. Durch die Pariser
Weltausstellung von 1867 wurde man in Europa mit dem verbesserten
Kapselgebläse der Amerikaner F. M. und P. H. Root zu Connersville
(Indiana) bekannt 4) (Fig. 65), welches rasch in Aufnahme kam. Das-
selbe besteht aus zwei in entgegengesetzter Richtung umlaufenden
Flügeln von dem (Fig. 66) gezeichneten Querschnitt, welche sich in
einem länglichen Gehäuse bewegen. Sie liefern Wind von geringer
Pressung und haben hohen Nutzeffekt.


[89]Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.

In der Weltausstellung zu London von 1862 zeichnete sich die
altberühmte Eisengieſserei von Coalbrookdale durch die Schönheit
und Mannigfaltigkeit ihrer Produkte aus. Den schönsten Kunstguſs
hatten aber die deutschen Gieſsereien ausgestellt, namentlich die

Figure 65. Fig. 65.


königliche Gieſserei zu Berlin,
Lauchhammer, und die gräflich
Stolbergische Hütte zu Ilsen-
burg. Letztere erregte Sensation
mit ihren gegossenen Schwertern,
Schilden und Plattenharnischen
und es wollte den an so dünn-
wandigen Guſs nicht gewöhnten
Engländern unglaublich scheinen,
daſs die Gegenstände wirklich aus
dem Hochofen gegossen waren.


Wir erwähnen noch des blei-
freien emaillierten Kochgeschirrs
aus Guſseisen von der Nieverner

Figure 66. Fig. 66.


Hütte, das um 1862 bekannt wurde, sowie einer ausführlichen
Beschreibung der kaiserlichen Kanonengieſserei la Ruelle im Mechanic’s
Magazine von 1867.


Zum Schluſs sei noch der Gründung des Vereins deutscher Eisen-
gieſsereien, welche im November 1868 beschlossen wurde und am
12. Juli 1869 in Hannover zur Ausführung kam, gedacht.


Die Fabrikation des schmiedbaren Gusses gewann in den
sechziger Jahren an Umfang und Bedeutung. Die gröſsten Fabriken
[90]Direkte Schmiedeeisenbereitung.
waren zu Sheffield, Manchester und Birmingham in England und zu
Glasgow in Schottland, zu Solingen und Elpe in Westfalen, in Stutt-
gart, eine der bedeutendsten war zu Neunkirchen in Österreich, ferner zu
Lüttich in Belgien, besonders für Gewehrteile. In Frankreich gab es
1864 ca. 15 Eisengieſsereien, die täglich 160 bis 200 Ctr. schmied-
baren Guſs aus Ulverston-Hämatiteisen machten. General Morin-
Tresca
fand die Bruchbelastung zu 35 kg pro Quadratmillimeter; je
gröſser aber die Dicke des Stückes war, je geringer der Elasticitäts-
koefficient. A. Brüll, der eine ausführliche Studie über den schmied-
baren Guſs veröffentlichte 1), fand ihn zu 25,6 bis 36,4 kg, im Durch-
schnitt zu 32,5 kg pro Quadratmillimeter, während diese bei dem
Roheisen nur 14 kg betrug. Eaton schlug 1861 Zinkoxyd als
Entkohlungsmittel beim Adduzieren vor.


Dalifol in Frankreich verbesserte den Schmelzofen, um gröſsere
Massen mit weniger Brennmaterial zu schmelzen 2). A. L. Fleury
goſs Hämmer, Spaten, Spitzhauen u. s. w. und gab ihnen stahlartige
Oberfläche, indem er sie in kohlensaure Alkalien und Kalk verpackt
zwei Tage glühte. Mallet behauptete, daſs beim Adduzieren ein
chemischer Vorgang und eine Entkohlung nicht stattfinde, sondern daſs
durch das Glühen nur eine molekulare Umsetzung eintrete, weshalb
es gleichgültig sei, ob man die Guſsstücke in indifferente oder oxy-
dierend wirkende Stoffe einpacke 3). John Tenwick in Grantham
erfand 1870 einen verbesserten Glühofen für kontinuierlichen Betrieb4).


Schmiedbares Eisen 1861 bis 1870.


Direkte Schmiedeeisenbereitung.


Die direkte Darstellung von Schmiedeeisen und Stahl aus
den Erzen
gewann durch das Siemenssche Princip der Regenerativ-
feuerung und durch C. W. Siemens selbst eine neue wichtige An-
regung. Ehe wir hierauf näher eingehen, müssen wir einige der vor-
hergegangenen neuen Vorschläge zur direkten Eisen- und Stahlbereitung
kurz betrachten.


Isaak Rogers beschrieb 1862 einen von ihm zu Newark (N. Y.),
[91]Direkte Schmiedeeisenbereitung.
Vereinigte Staaten, eingeführten neuen Prozeſs. Derselbe bestand
darin, daſs die zerkleinerten Erze mit 25 Proz. Steinkohlen vermengt,
in einem horizontal über einem Puddelofen rotierenden Cylinder von
ca. 20 Fuſs Länge, durch die abgehenden Gase des Puddelofens redu-
ziert wurden. Die Vorwärtsbewegung der Masse geschah durch eine
Schnecke; das Einfüllen und Entladen erfolgte kontinuierlich bei jeder
Umdrehung. Das reduzierte Erz gelangte direkt auf den Herd des
Puddelofens, wo es zu einer Luppe zusammengeschweiſst wurde.
Jeder Austrag lieferte Erz für eine Luppe von 110 bis 120 Pfund.
In 22½ Minuten gelangten 200 Pfund des reinen Magneteisenerzes
in den Ofen, in derselben Zeit war die vorhergehende Charge
geschweiſst 1).


Von Erfolgen dieses Prozesses ist indessen nichts bekannt ge-
worden. Dasselbe gilt von einer Reihe englischer Patente, die wie
das beschriebene Verfahren von Rogers mehr oder weniger Ähnlich-
keit mit Chenots Prozeſs haben. Eins derselben von Ed. Brown
Wilson
vom 16. Mai 1863 will Reduktion und Schweiſsung in einem
Ofen mit zwei Kammern ausführen. In der höher gelegenen Reduktions-
kammer (reducing chamber) wird das zerkleinerte und mit den Reduk-
tionsmitteln vermischte Erz eingesetzt, durch eine Gasflamme reduziert
und bis zum Schmelzen erhitzt. Das reduzierte und gekohlte Eisen
soll zugleich mit der Gasflamme durch Öffnungen in der Scheide-
wand (diaphragm) in die Raffinierkammer (refining chamber) gelangen,
in welche auſserdem noch mehr oder weniger oxydierende Gasflammen
durch seitliche Öffnungen eintreten und das Eisen reinigen.


W. Henderson nahm am 10. Juli 1863 ein Patent darauf, reiche
Eisenerze, namentlich aber die Rückstände der bei der Schwefelsäure-
fabrikation fallenden gerösteten Schwefelkiese direkt auf Schmiede-
eisen und Stahl zu verarbeiten. Er mischte das gepulverte Erz mit
Kohle und Fluſsmitteln — Kalk, Kochsalz oder anderen Chloriden —,
formte Klumpen daraus und reduzierte diese in Retorten. Die redu-
zierten Massen wurden in Gasflammöfen zu Schmiedeeisen, Guſseisen
oder Stahl eingeschmolzen. Für Schmiedeeisen sollte der Kohlenzusatz
ca. 5 Proz., für Guſseisen 10 Proz. betragen; wollte man Stahl erhalten,
so muſsten 5 bis 8 Proz. Manganoxyd oder Mangankarbonat zugesetzt
werden. Das Reduktionsgefäſs war eine ca. 20 Fuſs lange, senkrecht
stehende Retorte, die unten in Wasser eintaucht wurde. Aus diesem
wurde das reduzierte Eisenpulver geschöpft.


[92]Direkte Schmiedeeisenbereitung.

Ein ähnliches Patent nahm William Brooks nach einer Mit-
teilung von Jean Baptiste Helson am 30. März 1865.


Alle diese angeblichen Erfindungen waren im Grunde nur Ab-
änderungen von Chenots Verfahren und blieben ohne Erfolg.
Chenots Prozeſs selbst war noch in Südfrankreich und Nordspanien
in beschränkter Anwendung, doch hatte man ihn abgeändert und
vereinfacht. Namentlich geschah dies durch Fouragin, dessen
Verfahren nach Svanbergs Bericht (1862) an drei Orten bei Bilbao
und an einem Ort in Frankreich ausgeübt wurde 1).


Die Reduktion geschah mit Kohlenoxydgas in einem etwa 20 Fuſs
hohen Ofen, das Produkt wurde in Frischherden mit Holzkohle geschweiſst.
In Baracaldo, wo man noch indirekte Heizung hatte, war Chenoteisen
für Hufnägel beliebt. Hier machte man 1862 40000 Ctr. 1865 wurde
Chenots Prozeſs in den Werken von Bageney bei Paris eingeführt.
Der dafür erbaute Ofen war 50 Fuſs hoch und an der weitesten Stelle
18 Fuſs im Quadrat weit.


Der Chenotprozeſs mit innerer oder direkter Heizung wurde zu
Lamarde bei Vic-Dessos in Ariège (1867) noch mit Erfolg fortgesetzt.
Indessen war er nur bei manganreichen Erzen mit mindestens 44 Proz.
Eisengehalt anwendbar. Das im Herd erhaltene Schweiſseisen fiel,
wie das Renneisen der Catalanschmieden, sehr ungleich aus; es lieferte
aber ein vorzügliches Material für die Cementstahlfabrikation.


Chenot jun. kam schlieſslich mit seinem Verfahren auf den
einfachen uralten Stückofen zurück. 1866 schlug nämlich E. C. A. Chenot
vor, die Reduktion und Schweiſsung in einem Schachtofen vorzunehmen,
den Betrieb aber dadurch kontinuierlich zu machen, daſs man das
Gestell des Ofens auf Räder stellte und dasselbe mit der Luppe nach
jeder Charge fortfuhr, beziehungsweise umwechselte.


Auch Gurlts Gasprozeſs lieſs sich mit den reichen Erzen von
Sommorostro ausführen, dies bewies Justino Delpon, der ihn zu
Santa Ana de Bolueta bei Bilbao einführte und mit Erzen von San
Juan de Sommorostro, die 65 Proz. Eisen und 7 Proz. Wasser ent-
hielten, mit Erfolg betrieb. Die Reduktion geschah in Schachtöfen
mit Gasfeuerung. Das Gas wurde aus Eichen- und Buchenkohlen er-
zeugt. Der Eisenschwamm (espónja), welcher noch die Form der Erz-
stücke hatte, wurde in untergestellte Wagen entleert und sogleich
mit Kohlenstaub bedeckt. Der abgekühlte Schwamm wurde dann in
Chargen von 85 kg geschweiſst, wobei 42 kg Eisen übrig blieb 2).


[93]Direkte Schmiedeeisenbereitung.

Andere Verfahren der Zugutemachung der Erze kamen mehr auf
Uchatius’ Erzstahlprozeſs hinaus. W. H. Buckland wollte nach seinem
Patent vom 9. März 1861 reiche Eisenerze, wie Hämatit, in einem
gewöhnlichen Kupolofen mit Roheisen zusammen einschmelzen.


In ähnlicher Weise wollte G. Davies (Patent vom 28. August 1863
nach Mitteilung von A. L. Fleury) eisenreiche Schlacken oder Erze,
indem er sie mit Kalk einband, im Kupol- oder Flammofen direkt
auf Stahl oder Eisen verschmelzen, wobei er (nach seinem Patent
vom 3. Mai 1864) vorher Roheisen einschmolz.


Uchatius’ Prozeſs selbst wurde in den sechziger Jahren noch zu
Wikmanshyttan in Schweden mit Magneteisenstein ausgeführt.


Am 20. September 1866 nahm Charles William Siemens in
England ein Patent auf seinen Erzstahlprozeſs. Derselbe beruhte
auf derselben Grundlage wie die seither beschriebenen Methoden, neu
war nur die Verbindung mit dem Siemensschen Regenerativofen.
Diese Neuerung war allerdings ausschlaggebend.


Die Einführung des Regenerativprincips bei den Eisenschmelz-
prozessen war ein Fortschritt von der gröſsten Tragweite für die
ganze Eisenindustrie, ganz besonders für die Fluſsstahlbereitung. Als
die beiden Brüder Carl Wilhelm und Friedrich Siemens am
22. Januar 1861 das englische Patent für ihre Öfen mit Regeneratoren
nahmen, sahen sie darin bereits das Schmelzen von Eisen, die Stahl-
bereitung und das Puddeln vor. Nur diese Verwendungen für die
Eisenfabrikation sind in der Patentbeschreibung ausdrücklich ange-
führt, erschienen also den Erfindern, namentlich C. W. Siemens, von
Anfang an als die wichtigsten. Indessen hatten die Versuche, die sie
damals in Sheffield anstellten, keinen günstigen Erfolg 1). 1862 nahm
Charles Attwood eine Licenz, Stahl mit Hülfe von Regenerativöfen
zu schmelzen, wofür ihm Siemens den Entwurf lieferte. Obgleich
der Ofen sich bewährte, fiel aus anderen Gründen der Stahl schlecht
aus, weshalb Attwood zum Schmelzen in Tiegeln zurückkehrte.


1863 hatte Le Chatelier in Frankreich ein Verfahren ausge-
arbeitet, um Stahl zu puddeln und die erzeugten Luppen in einem
Regenerativgasofen in einem Bad von Guſseisen auf einem Bette von
Bauxit einzuschmelzen. Um dieses Verfahren auszubeuten, erbauten
die Herren Boigne, Rambour \& Co. auf ihren Werken zu Mont-
luçon
unter Siemens’ Anleitung einen Regenerativofen von groſser
[94]Direkte Schmiedeeisenbereitung.
Heizkraft. Als aber der Bauxitherd sich hob und das Gewölbe Schaden
litt, gaben die Unternehmer, obgleich sie dem Ziel so nahe waren,
die Sache auf.


Inzwischen hatten die Gebrüder Emile und Pierre Martin zu
Sireuil von Siemens die Licenz erworben, den Regenerativofen
zum Schmelzen von Stahl in Tiegeln oder auf offenem Herd anzu-
wenden. 1864 wurde ein Ofen erbaut, der zunächst nur als Glüh-
ofen dienen sollte, der aber aus so feuerfestem Material (Dinassteinen)
hergestellt war, daſs man ihn auch zum Stahlschmelzen benutzen
konnte. Obgleich dieser Ofen hierfür weniger geeignet war als die
früher erbauten, so gelang es den Gebrüdern Martin trotzdem, mit
demselben Stahl von verschiedenen Härtegraden auf dem offenen Herd
zu schmelzen, wofür sie bei der Weltausstellung in Paris die goldene
Medaille erhielten. Die Enttäuschungen durch den Mangel an Energie
der früheren Unternehmer einerseits und die Erfolge der Gebrüder
Martin in Frankreich andererseits hatte C. W. Siemens veranlaſst,
1865 in Birmingham selbst einen Musterofen zum Stahlschmelzen zu
erbauen, und zwar war dieser als Tiegelschmelzofen eingerichtet,
während er 1867 einen zweiten aufführte, um Chargen von 24 Ctr. in
6 Stunden im offenen Herd zu schmelzen und darin seinen Erz-
stahlprozeſs auszuführen. Für diesen und einen dafür dienlichen
Schmelzofen hatte C. W. Siemens am 20. September 1866 sein
wichtiges Patent (Nr. 2413) genommen. Den Ofen beschreibt er als
eine überwölbte Kammer mit geneigter Sohle, an deren Ende sich
der eigentliche Schmelzherd mit dem Abstich befindet. Unter der
Kammer befinden sich zwei Regeneratoren für Gasfeuerung. Ge-
mahlene Eisenerze, wie Hämatit und Magneteisenstein oder geröstete
Spaterze, sollten mit einem geringen Zusatz von Fluſsmitteln, wie
Manganoxyd oder Mangankarbonat mit Fett, Teer oder ähnlichen
kohlenstoffreichen Stoffen getränkt, und Kalk oder sonstige alkalische
Substanzen, zuweilen mit einem Zusatz fester Kohle gemischt, durch
Fülltrichter aufgegeben werden, so daſs sie auf die geneigte Sohle
gelangen, wo sie von groſser Hitze und einem reduzierenden Gasstrom
umspült werden. Das Eisen wird reduziert, schmilzt aus, und da die
Charge auf den geneigten Boden allmählich herabgleitet, kann neue
Beschickung eingefüllt werden, so daſs ein kontinuierlicher Betrieb
stattfindet. Das geschmolzene Produkt war verschieden je nach Menge
und Art der angewandten Reduktionsmittel, auch konnte man es durch
Zusatz von Ferromangan, Spiegeleisen, Roheisen oder Schrott, oder
auch durch Abstellen der reduzierenden Gase und Umrühren nach-
[95]Direkte Schmiedeeisenbereitung.
träglich ändern. Auf diese Weise sollte man nach Belieben ge-
schmolzenes Guſseisen, Stahl oder Schmiedeeisen erhalten können.


Die Konstruktion des Ofens wurde in den nächsten Jahren etwas
abgeändert, wie dies C. W. Siemens in seinem oben erwähnten Vor-
trag über den Erzstahlprozeſs, den er am 7. Mai 1868 vor der British
Association in London hielt, beschrieben hat.


Der Regenerativofen von Siemens besteht aus dem Gaserzeuger
(Fig. 67) für Steinkohlen und den aus 4 Kammern bestehenden

Figure 67. Fig. 67.


Regeneratoren, die wir schon früher (Bd. IV, S. 818) erwähnt haben.
Siemens stellt dabei folgende Regeln auf:


  • 1. 6 Quadratfuſs Regeneratorfläche entsprechen einem Pfund
    Steinkohle;
  • 2. die Regeneratoren stehen am besten aufrecht, so daſs die Er-
    hitzung von oben nach unten stattfindet;
  • 3. sie sollen ferner tiefer stehen als die zu heizenden Öfen.

Fig. 68, 69 (a. f. S.) stellt den von Siemens verbesserten Erzstahl-
schmelzofen dar. Der Hauptunterschied gegen den oben beschriebenen
Ofen besteht in der Anordnung der Fülltrichter und Reduktionskammern,
die hier in senkrechte Cylinder verwandelt sind. A A sind die Aufgabe-
cylinder für die Erze, B B die Aufgabecylinder für das Roheisen und
C C Röhren, welche die reduzierenden Gase in die Erzmasse führen.
Die Aufgabecylinder für die Erze bestehen aus einem weiteren Rohr
[96]Direkte Schmiedeeisenbereitung.
von Guſseisen, in welches ein engeres Rohr von feuerfestem Thon ein-
gehängt ist und von den glühenden Gasen umspült wird. Jeder
Cylinder wird erst mit einem viertel Centner Holzkohle gefüllt, welche
die Unterlage für die Erzchargen bilden. Gleichzeitig werden 10 Ctr.

Figure 68. Fig. 68.


Figure 69. Fig. 69.


Roheisen durch die Thüren
vorn und hinten aufge-
geben, die, wenn sie
geschmolzen sind, ein
flüssiges Bad unter den
Erzfüllcylindern bilden. Das
reduzierte Erz löst sich,
sobald es mit dem ge-
schmolzenen Roheisen in
Berührung kommt, in diesem
auf. Diese Auflösung geht
sehr rasch von statten,
schneller als die Reduktion.
Unreduziertes Erz dient zur
Entkohlung des Roheisens.
Siemens empfiehlt ein
Gemisch von Hämatit und
geröstetem Spat, da dieses
die beste Schlacke bilde.
Die Erze sollen etwa
Erbsen- bis Walnuſsgröſse
haben. Nach 3 bis 4 Stunden
ist der Herd genügend
gefüllt. Man hört dann
mit Aufgeben auf und
schlieſst die Füllcylinder
mit einem Deckel von Guſs-
eisen, der mit Lehm ein-
gefugt wird. Ist alles Erz
verschwunden, so nimmt
man Probe und setzt dann nach Bedarf 5 bis 8 Ctr. Spiegeleisen durch
das Rohr C nach. Siemens schätzte nach seinen Messungen die durch
die Regeneratoren erzeugte Hitze im Schmelzraum auf 4000° F. = 2200° C.


Wenn auch in der Praxis bei dem Erzstahlprozeſs durchaus noch
nicht alles so glatt ging, wie es Siemens in seinem Vortrag ge-
schildert hatte, so bildeten doch das Patent von 1866 und der Vor-
[97]Reinigen und Verfrischen des Roheisens.
trag von 1868 die Grundlagen des wichtigen Erzstahlprozesses von
Siemens.


In Frankreich brachten 1868 Ponsard und Boyneval in Paris,
angeregt durch die Erfolge Martins, ein direktes Verfahren in Vor-
schlag, das mit dem Siemensschen groſse Ähnlichkeit hatte. Auch
hierbei geschah die Feuerung mit Regeneratoren; der Schmelzraum
war eine Kammer, in der, statt der Füllcylinder, eine Anzahl Tiegel
ohne Böden standen, welche beschickt wurden. Je nach der Be-
schickung sollte man Roheisen, Stahl oder weiches Eisen erzeugen
können. Die ausgeschmolzene Masse sammelte sich auf einem Herd.
Die Versuche wurden mit elbanischen Erzen gemacht. Fast dasselbe
Verfahren wurde von Johnson in den Vereinigten Staaten am
22. Januar 1868 patentiert 1).


Alle angeführten direkten Prozesse verlangen sehr reine, reiche
Eisenerze und haben dadurch nur eine beschränkte Anwendbarkeit.


Reinigen und Verfrischen des Roheisens.


Ein neues, ähnliches Verfahren, welches aber kein fertiges Produkt,
sondern nur eine Vorbereitung oder Feinen des Roheisens bezweckte,
war der in Amerika von Ellershausen um 1868 erfundene Misch-
prozeſs
2). Zu seiner Ausführung diente ein groſser eiserner Ring-
kasten von ca. 6 m Durchmesser, der in viele Abteilungen geteilt war
und sich durch ein Triebwerk um seine vertikale Achse drehte.


Von dem Schmelzofen aus gelangt das flüssige Roheisen durch
eine Rinne zu dem Apparat und flieſst in einem flachen Strahl in die
sich darunter fortbewegenden Abteilungen. Gleichzeitig rieselt aus
einem Troge ein Strahl von gepulvertem Erz derart zu, daſs er von
dem flüssigen Eisen getroffen wird und sich mit diesem mischt. Bei
dieser Mischung soll das Eisenoxyd eine reinigende Wirkung auf das
Roheisen ausüben. Die chemische Einwirkung kann aber, da das
Eisen in Berührung mit dem kalten Erz sofort erstarrt, nur gering
sein und sich höchstens auf eine teilweise Abscheidung des in dem
Roheisen enthaltenen Siliciums beschränken. Daſs das erstarrte Roh-
eisen im Bruche weiſs erscheint, dürfte mehr von der Abschreckung
als von der chemischen Veränderung herrühren.


Beck, Geschichte des Eisens. 7
[98]Reinigen und Verfrischen des Roheisens.

Jede Abteilung des Ringes soll ca. 125 kg fassen. Bei Schön-
berger \& Co.
zu Pittsburg, wo der Prozeſs zuerst unter des Er-
finders Leitung ausgeführt wurde, mischte man 30 Proz. Magneteisen-
erz zu 70 Proz. Roheisen, welches mit Koks aus Erzen vom Lake
Superior erblasen war. Die Umdrehung des Apparates erfolgte nur
langsam, dennoch füllte sich jedes Fach erst nach 7 bis 8 Umgängen.
Die Kuchen aus Erz und Roheisen wurden ausgehoben und zu je 4
in einen Puddelofen eingesetzt. Der Frischprozeſs verlief viel schneller,
als dies sonst der Fall war, auch zerflossen die Kuchen nicht, sondern
behielten ihre Form ziemlich unverändert bei. Nach einer halben
Stunde schweiſste die ganze Charge zu einer Masse zusammen, die in
8 Luppen zerteilt wurde. Diese wurden gezängt und gewalzt und
gaben unmittelbar ein brauchbares Schmiedeeisen von guter Qualität
und schönem Bruch.


In einem Bericht der Herren Schönberger \& Co. vom März
1869 wird mitgeteilt, daſs sie über 3000 Tonnen Roheisen nach
Ellershausens Verfahren zu Hufstahl, Blech und Nageleisen von
vortrefflicher Qualität verarbeitet hätten. Dieser Erfolg veranlaſste
die Einführung des Prozesses auf Burdens Eisenwerken zu Troy
(N. Y.) in groſsartigem Maſsstab und in direkter Verbindung mit dem
Hochofen. Der Drehring (turn table) hatte 26 Fuſs (8,8 m) Durch-
messer und 1,36 m Breite, die in drei Abteilungen in dieser Richtung,
also in drei konzentrische Ringe geteilt war. Der Ring faſste einen
ganzen Abstich von 7500 kg. Man schlug 25 Proz. Magneteisenstein
zu. Auf Veranlassung von J. P. Speer in Pittsburg untersuchte
Dr. Wurth die chemischen und technischen Vorgänge genauer 1).
Er konstatierte ein Mehrausbringen von 5 Proz. und eine Produktions-
vermehrung von 11 : 6.


Ferner wurde der Prozeſs eingeführt bei Lyon, Short \& Co. in
Pittsburg und bei der Westerman Iron Comp., in Scharon. Über-
all erhielt man nach den Berichten sehr befriedigende Resultate. An
allen diesen Plätzen wendete man aber auch nur hervorragend gute
Materialien, namentlich ausgezeichnet reine Erze an. Ganz anders
waren die Ergebnisse in Dowlais, als man das Verfahren mit dem
dortigen Roheisen und den dortigen Erzen ausführen wollte. Nach
wiederholten Miſserfolgen muſste man die Versuche wieder aufgeben.


Nach Weddings Ansicht kann eine Beschleunigung des Frisch-
prozesses nur bei reinem Roheisen und eine Verbesserung des Produktes
[99]Reinigen und Verfrischen des Roheisens.
nur durch den Zusatz reiner, reicher Erze eintreten. Mit denselben
Materialien und bei gleicher Sorgfalt würde man aber auch bei dem
gewöhnlichen Puddelprozeſs gleich gute Resultate erzielen.


Ganz denselben Zweck verfolgte ein von J. Palmer Budd in
Ystalifera (1869) vorgeschlagenes Verfahren, wonach die guſseisernen
Masselformen mit einem Brei von Hämatit und etwas Natronsalpeter
ausgestrichen und dann das flüssige Roheisen hineingeleitet wurde.
Hieran schlieſst sich der Vorschlag, das Puddelroheisen statt in Sand
in Hochofenschlackenpulver abzustechen.


J. H. Johnson in London und Adrien Müller zu Paris nahmen
1863 ein Patent, die Reinigung des Roheisens oder direkte Darstellung
von Eisen und Stahl durch Einblasen von gepulvertem Eisenoxyd in
den Hochofen zu bewirken, was also auf das alte Verfahren des
„Fütterns“ hinauskommt.


Die Reinigung des Roheisens, besonders von Schwefel und Phos-
phor, durch andere Zusätze bezweckte 1865 J. Nicklés Feinprozeſs
durch Einblasen von Chlorkalium, Chlornatrium oder Salmiak und
C. Wintzer durch Zusatz von Chlorcalcium oder Einblasen von Chlor-
gas. Vordem hatten bereits Augustin Eisenchlorid, Tessié du
Motay
1857 ein Gemisch von Eisenoxyden mit Chloriden, Couaillac
1861 ein Gemisch von Kochsalz, Walzschlacke und kohlensaurem Kalk
als Reinigungsmittel vorgeschlagen.


Die Reinigung durch Bleioxyd nach Richters Vorschlag wurde
1864 auf der gräfl. Henckel-Donnersmarkschen Hütte in Öster-
reich versucht. P. Budd wollte Natronsalpeter als Reinigungsmittel
anwenden.


Henderson schlug 1870 ein Gemenge von gemahlenem Fluſs-
spat und Eisenoxyd, mit dem er ebenfalls die Masselformen vor dem
Abstich ausstreichen wollte, vor. Schon früher hatte Caron 1868
Fluſsspat und Kryolith empfohlen und Bowron und G. Lunge
hatten darauf in England ein Patent genommen.


Die Reinigung durch Wasserdampf wurde wieder von verschiedenen
in mancherlei Weise vorgeschlagen. J. Rossiwal und A. Weniger
verbanden sie 1864 mit dem Puddelprozeſs, worauf wir noch zurück-
kommen werden. Das Feinen durch gewöhnlichen Wind suchten Bacon,
Thomas \& Grove
(1870) dadurch zu verbessern, daſs sie das flüssige
Eisen in dünnen Strahlen, Ch. Peters (Trenton) sogar in Tropfen
dem Wind aussetzten. Auch diese Vorschläge waren, wie wir wissen,
nicht neu (vergl. Martiens Patente von 1856, Bd. IV, S. 909).


7*
[100]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.

Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.


Die Verwandlung des Roheisens in Schweiſseisen und Stahl im
Frischherd mit Holzkohlen wurde mehr und mehr verdrängt durch
den billigeren Puddelprozeſs mit Steinkohlen und durch das Bessemern.

Figure 70. Fig. 70.


Nur in dem holzreichen
Schweden behauptete sie
sich als das bevorzugte
Verfahren der Schmiede-
eisenbereitung, doch
suchte man auch hier
sie durch Verbesserungen
ökonomischer zu machen.
Diese bestanden in erster
Linie darin, daſs man
die offenen Ausheizfeuer
durch Gasflammöfen er-
setzte, wodurch man eine
bedeutende Brennmate-
rialersparung erzielte.
Sodann verbesserte man
die Frischfeuer. In allen
gröſseren Hütten führte
man geschlossene Lanca-
shirefeuer ein, während

Figure 71. Fig. 71.


auf den kleineren Hammerwerken die vorteilhaftere Franchecomté-
schmiede die alte deutsche Aufbrechschmiede verdrängte. Auch führte
man vielfach Walzwerke statt der Hämmer ein.


[101]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.

In welcher Weise die schwedischen Lancashirefeuer verbessert
wurden, ersieht man aus der Abbildung von Grill aus Percys
Iron and Steel (Fig. 70, 71, 72, 73, S. 102).


Auch der Puddelprozeſs wurde durch den ungeheuren Auf-
schwung des Bessemerprozesses bereits in den Schatten gestellt, ja es
verbreitete sich mehr und mehr die Ansicht, daſs seine Tage gezählt
seien, daſs er sich gegenüber dem einfacheren Bessemer- und Martin-
prozeſs nicht mehr lange würde behaupten können. Doch war diese
Besorgnis noch sehr verfrüht. Einstweilen hatte der Puddelprozeſs, abge-

Figure 72. Fig. 72.


sehen davon, daſs ihm die historische Erfahrung, sowie die gröſsere Billig-
keit der Anlagekosten zur Seite standen, noch den groſsen Vorzug vor
den genannten neuen Prozessen, daſs man bei ihm alle Roheisensorten,
auch die geringeren, verarbeiten konnte, während die neuen Prozesse
nur reine, namentlich phosphorfreie Roheisensorten verlangten. Und
wenn auch auf der einen Seite die Verwendung des Puddeleisens,
namentlich für die Schienenfabrikation, durch den Bessemerstahl be-
schränkt wurde, so fand auf der anderen Seite ein vermehrter Ver-
brauch von Puddeleisen für die Herstellung von Façoneisen, dessen
Verwendung in dieser Periode auſserordentlich zunahm, statt.


Welche Bedeutung und welchen riesigen Umfang der Puddel-
betrieb in England hatte, geht daraus hervor, daſs 1867 die jährliche
[102]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Produktion 1½ Millionen Tonnen, die einen Wert von ca. 9 Millionen
Pfund Sterling repräsentierten, betrug.


Die Puddeleisenfabrikation nahm gegenüber der neuen Fluſseisen-
und Fluſsstahlfabrikation eine starke Verteidigungsstellung ein, die sie

Figure 73. Fig. 73.


durch eine Reihe von Verbesserungen sowohl der Herstellung als der
Verbreitung des Puddeleisens verstärkte.


Hierzu trug das immer mehr zunehmende Verständnis der
chemischen Vorgänge bei dem Puddelprozeſs wesentlich bei.
[103]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Johnson und Calvert hatten durch ihre wichtige Untersuchung
hierfür die Grundlage gelegt. Das Ergebnis derselben, welches fest-
stellte, daſs beim Puddeln zunächst das Silicium oxydiert wird, daſs
dann in der Kochperiode die Abscheidung des Kohlenstoffes beginnt,
aber erst am Ende derselben rascher verläuft, wurde durch die Unter-
suchungen von Price und Nicholson und namentlich von Lan1),
Professor der Metallurgie in St. Etienne, bestätigt. Lan und nach
ihm Gruner hoben besonders hervor, daſs nicht der Sauerstoff der
Luft oder der Flamme die Oxydation direkt bewirkt, sondern daſs
dies durch Vermittelung der Schlacke, also nicht nur an der Ober-
fläche, sondern durch die ganze Masse geschieht, wenn Eisen und
Schlacken gehörig durcheinander gerührt werden. Während Calvert
und Johnson das Roheisen in den verschiedenen Stadien des Puddel-
prozesses analysiert hatten, untersuchte Lan in gleicher Weise die
Schlacken. Denselben Weg schlug in Deutschland List in Hagen
1860 ein 2). Lists Analysen haben vor denen Lans den Vorzug, daſs
jener genau die Menge des Eisenoxyds neben dem Eisenoxydul be-
stimmte. Daraus ergab sich, dass die basische Schlacke, welche vor
dem Einsetzen des Roheisens in dem Puddelofen geschmolzen war,
bei dem Schmelzen des Roheisens einen groſsen Teil ihres Oxyd-
gehaltes durch die reduzierende Wirkung des metallischen Eisens
verliert, während dieser Oxydgehalt nach dem Eintritt des Kochens
bis zum Herausnehmen der letzten Luppe fortwährend wieder zu-
nimmt. Die Schlacke wird bei dem Einschmelzen des Roheisens nicht
basischer, sondern saurer, weil das Silicium zuerst oxydiert wird
und als Kieselsäure in die Schlacke eintritt.


Schilling untersuchte 1863 die chemischen Vorgänge in einem
Holzgaspuddelofen zu Zorge, wo Holzkohlenroheisen auf Stahl ver-
puddelt wurde. Er analysierte sowohl das Roheisen als die Schlacke
in bestimmten Zeitabschnitten. Die Analysen der Schlacken zeigten
einen sehr gleichbleibenden Silizierungsgrad und ein durchschnittliches
Sauerstoffverhältnis zwischen Basen und Säure, wie 18,212 : 11,687.
Die Ergebnisse wichen in verschiedenen Punkten von den beim Puddeln
des Eisens mit Steinkohlen erhaltenen Resultaten ab.


Von groſsem Interesse sind die Analysen, welche Drassdo um
dieselbe Zeit auf der Königshütte in Oberschlesien von Eisen und
Schlacken einer Puddelcharge von grauem Eisen, die mit Steinkohlen
[104]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
auf Feinkorneisen verfrischt wurde, machte 1). Er stellte es sich zur
Aufgabe, möglichst alle Verhältnisse zu berücksichtigen und seine
Untersuchung ebensowohl auf die Veränderungen des Eisens als der
Schlacke zu erstrecken. Der ganze Vorgang verlief in 2 Stunden und
8 Minuten. In der Einschmelzperiode schieden sich Silicium, Mangan
und Phosphor groſsenteils ab, das Eisenoxyd wurde reduziert. Nach
1 Stunde und 3 Minuten war das Einschmelzen vollendet und begann
die Verdickungsperiode. In dieser nahm der Eisenoxydgehalt der
Schlacken etwas zu, der Kohlenstoffgehalt langsam ab; sie dauerte
etwa 20 Minuten. Dann folgte die Koch- und Garperiode, während
der die Schlacke basischer wurde und der Kohlenstoff abnahm. Das
Kochen dauerte etwa 15 Minuten, das Garen und Luppenmachen
30 Minuten.


Eine wichtige Frage, welche durch die vorstehenden Untersuchungen
nicht genügend aufgeklärt wurde, war die der Abscheidung des
Phosphors in den verschiedenen Stadien des Puddelprozesses.


Im Allgemeinen wurde im Verlauf desselben ein beträchtlicher
Teil des Phosphors abgeschieden und dies war besonders gegen das
Ende der Fall. Es erregte dies jetzt die Aufmerksamkeit der Metal-
lurgen um so mehr, weil im Gegensatz dazu bei dem Bessemerprozeſs
gar keine Abnahme des Phosphors stattfand. Seither hatte man
sich damit begnügt, anzunehmen, daſs die Abscheidung des Phosphors
bei dem Puddelprozeſs die Folge der Einwirkung des Sauerstoffs der
Luft, der Oxydation sei. Da aber bei dem Bessemerprozeſs die Ein-
wirkung der Luft ebenfalls und zwar noch viel energischer zur Wir-
kung kam, ohne den Phosphor aus dem Eisen auszutreiben, so konnte
diese Erklärung nicht mehr genügen. John Percy hat das Verdienst,
die richtige Lösung der Frage gefunden zu haben 2). Er hatte zuerst
schon im Jahre 1856, als Bessemer ihm seinen Prozeſs in Baxter-
house zeigte, durch Analysen des Eisens und der Schlacke die wichtige
Thatsache nachgewiesen, daſs der Phosphor bei diesem pneumatischen
Prozeſs nicht abgeschieden werde. Indem er darüber nachdachte und
die Vorgänge beim Bessemern und beim Puddeln miteinander verglich,
kam er zu der Ansicht, daſs bei letzterem Phosphoreisen aus dem
garenden weichen Eisen aussaigert, was bei dem Bessemern, wo alles
Metall flüssig bleibt, nicht der Fall sein kann. Percy schreibt: „Im
Puddelofen scheidet sich das Eisen, sobald es frischt oder gart (comes
[105]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
to nature) in einem halbfesten oder etwas pastosen Zustand aus und ist
nicht flüssig geschmolzen wie beim Bessemerprozeſs, indem die Tem-
peratur in ersterem Falle auch viel niedriger ist als in letzterem, wo
durch Verbrennen von Eisen eine ungeheuere Hitze entwickelt wird. Die
Bildung und Haltbarkeit dieser wachsartigen Luppen im Puddelofen, die,
nachdem sie zusammengestellt sind, beträchtlich aus dem Schlackenbad
hervorragen, giebt Gelegenheit zum Ausschmelzen oder Ausschwitzen
(Aussaigern) der flüssigeren Verbindungen, wie es das Phosphoreisen ist,
und auf diese Weise findet nach meiner Meinung die Entfernung des
Phosphors groſsenteils statt.“ Diese einfache Erklärung hat viel zum
Verständnis der verschiedenen Frischprozesse beigetragen.


Wedding veranlaſste 1865 besondere Versuche auf der Königs-
hütte in Schlesien 1), um festzustellen, wie die Abscheidung des Phos-
phors in den verschiedenen Perioden des Puddelprozesses von statten
gehe. Das Roheisen, wie es vom Hochofen kam, hatte 0,497 Proz.
Phosphor; nach dreistündigem Feinen im Flammofen enthielt es
0,514 Proz., nach vierstündigem 0,570 Proz. Dasselbe Roheisen mit
0,497 Proz. Phosphor in den Feinkornpuddelofen eingesetzt, zeigte
nach dem Einschmelzen 0,450 Proz., beim Beginn des Aufkochens
0,298 Proz., während die erzeugten Feinkornrohschienen 0,100 Proz.
und daraus dargestellte Sehnenrohschienen nur 0,070 Proz. Phosphor
enthielten. Es war also im Anfang eine sehr geringe Entphosphorung
und erst am Ende des Prozesses eine starke Befreiung von Phosphor
eingetreten.


Aus diesen und anderen Versuchen geht hervor, daſs eine hin-
reichend vollständige Abscheidung des Phosphors nur bei der Er-
zeugung von Schmiedeeisen, weniger bei Feinkorneisen und noch
weniger bei Stahl stattfindet, was sich aus der Theorie des Aus-
saigerns des Phosphoreisens leicht erklärt.


1865 machte Oscar Schrader2) in Düren chemische Unter-
suchungen der Schlacken und des Eisens in den verschiedenen Stadien
des Stahlpuddelns. Er wies dabei nach, daſs der Kohlenstoff des
Roheisens Eisen aus der Schlacke reduziert, wodurch ein günstigeres
Ausbringen erzielt wird. Daraus erhellt, warum bei gleichem Mangan-
und Kieselgehalt ein kohlenstoffreicheres Eisen mehr Gewicht liefert
als kohlenstoffarmes. C. W. Siemens veröffentlichte 1868 Versuche,
die beweisen sollen, daſs die Oxydation beim Puddeln nur durch die
[106]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Schlacken bewirkt wird. Wedding läſst dies aber für die Oxydation
des Siliciums nicht gelten und weist darauf hin, daſs die Oxydation
der Schlacken doch wieder durch die Flamme erfolge und ein Zutritt
von Sauerstoff aus dieser immer stattfinden müsse.


Deshalb sind auch die Feuerung und die Luftzuführung für die
Ausführung des Puddelprozesses am wichtigsten und auch in den
sechziger Jahren waren die bemerkenswertesten Bestrebungen zur
Verbesserung des Puddelns auf die Verbesserung der Heizung gerichtet.


Für die Rostfeuerungen wurden viele Vorschläge gemacht. Zahl-
reiche Roststabformen wurden patentiert, z. B. von Warren J. Hill,
J. H. Johnson, James Robertson, Harrison
und anderen. In
Amerika wendete man gezogene, schmiedeeiserne Röhren vielfach für
Roststäbe an.


Bewegliche Roste, die den unteren Teil von geneigten Rosten
bildeten, wurden Anfang der sechziger Jahre in Belgien eingeführt.
Drehbare Roste wurden 1868 in Frankreich patentiert. Schon früher
war in Deutschland der Schüttelrost von Hofmann aufgekommen.
Eugen Langens Etagenrost wurde schon 1860 in westfälischen und
rheinischen Hüttenwerken mit Erfolg verwendet. Bei Daelens
Doppelrostfeuerung wurde das Brennmaterial auf dem ersten Rost
vergast und verkokt, auf dem zweiten mit Unterwind verbrannt.
Wintzer konstruierte eine ähnliche Feuerung mit drei hintereinander
liegenden Rosten für verschiedene Kohlen. E. B. Wilsons Rost-
feuerung, die auf der Miltonhütte bei Barnsley zuerst angewendet
wurde, war eine Kombination von geneigtem und geradem Rost. Die
Feuerung zu E. B. Wilsons Schweiſsofen 1) (Fig. 74) ist schon als ein
Gasgenerator anzusehen, der allerdings unmittelbar mit dem Ver-
brennungsraum verbunden ist. Die Thüre A war zugleich der Rost.


Die Anwendung des Unterwindes, die zuerst zu Ebbw Vale in
Südwales, dann in den fünfziger Jahren in Deutschland eingeführt
worden war, fand gröſsere Verbreitung. Der Wind wurde durch
Ventilatoren erzeugt. Ein Ventilator von 2,5 m Durchmesser und
600 Umdrehungen in der Minute bediente auf der Herminenhütte in
Oberschlesien zehn Puddel- und fünf Schweiſsöfen. Der Aschenfall
der Öfen war hierbei geschlossen. Versuche auf der Britonferryhütte
bei Neath, den Unterwind bei offenem Aschenfall zuzuleiten, hatten
wie leicht einzusehen, keinen Erfolg. Gab man das Brennmaterial in
dickeren Lagen auf, so daſs sich kohlenoxydreiche Verbrennungs-
[107]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
produkte bildeten, und wendete man zu deren Verbrennung Oberwind
an, so hatte man den Übergang zu den Gasgeneratoren.


Nur Oberwind wendete man 1866 zu Ebenau in Österreich bei
Torfpuddelöfen an.


Immer gröſsere Wichtigkeit erlangte die Gasfeuerung. Als eine
wichtige Verbesserung hierbei ist die von Lundin in Schweden bei
seinem Holzgasofen angewendete Kondensation mit Wasserkühlung
hervorzuheben. Ihr Zweck war, den reichlichen Wasserdampf in dem

Figure 74. Fig. 74.


Holzgas zu kondensiren und diesem dadurch eine höhere Heizkraft zu
verleihen. Die Idee war nicht neu, indem Paduschka dieselbe bereits
1854 bei Glasschmelzöfen ausgeführt hatte, aber die Ausführung und
die Anwendung beim Puddelofen waren neu. Lundins Brennmaterial
waren nasse Sägespäne, die bei den schwedischen Hüttenwerken, die
fast immer mit groſsen Holzschneidereien verbunden waren, leicht und
billig beschafft werden konnten. Fig. 75 (a. f. S.) stellt den Lundinschen
Gasgenerator mit dem Kondensationsapparat dar. Der Verbrennungs-
wind tritt von unten durch das Windrohr A in den Generator, die
Kondensation erfolgt durch die Brausen d d und durch das Wasser,
welches aus dem Rohr O über die kreuzweise gelegten Eisenstangen
in der Kammer R tröpfelt. Durch die Abkühlung wird der groſse
[108]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Gehalt an Wasserdampf in den Generatorgasen niedergeschlagen und
dadurch der Effekt der Gase trotz der Abkühlung bedeutend erhöht.


Von viel gröſserer Wichtigkeit und allgemeinerer Anwendbarkeit
war die Verwendung der Gasgeneratoren und Regeneratoren von
Siemens bei den Puddelöfen, wodurch die Verwendung der Stein-
kohlen für den Gasbetrieb eingeführt wurde. C. W. Siemens hat den
Wert und die Bedeutung seiner Verbesserung hierfür zuerst in einem

Figure 75. Fig. 75.


Vortrage bei der Versammlung der British Association zu Norwich
1868 öffentlich dargelegt 1). Er weist darin auf die Mängel des seit-
herigen Verfahrens und der gebräuchlichen Öfen hin, insbesondere auf
den groſsen Verlust, der am Schlusse des Puddelprozesses durch den
unvermeidlichen Überschuſs von Sauerstoff bei scharfer Rostfeuerung
und die Verbrennung des Eisens in den der Flamme ausgesetzten Luppen
entsteht. Indem er von der Annahme ausgeht, daſs die Oxydation des
Siliciums und des Kohlenstoffs durch das Eisenoxyd in der Schlacke
[109]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
allein bewirkt werde, berechnet er, daſs, wenn bei dem Puddelprozeſs
2 Prozent Silicium und 3 Prozent Kohlenstoff und kein Eisen oxydiert
würde, ein Mehrgewicht an Eisen von 11,1 Prozent durch Reduktion
aus der Schlacke erzielt werden müſste, während in Wirklichkeit sich
ein Mindergewicht von 12 Prozent ergiebt. Siemens hat durch seine

Figure 76. Fig. 76.


Figure 77. Fig. 77.


Figure 78. Fig. 78.


Gasheizung mit Regeneratoren (Fig. 76, 77, 78) nicht nur ein Mittel
an die Hand gegeben, die Temperatur beim Puddelprozeſs sehr zu
steigern und den Verlauf des Prozesses zu beschleunigen, sondern auch
nach Belieben die Flamme oxydierend oder reduzierend zu machen.
Durch Vorwärmen des Roheisens wird die Chargenzeit noch weiter
[110]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
abgekürzt. Die hohe Temperatur am Ende des Prozesses soll ein
vollkommneres Aussaigern von Phosphoreisen und Schwefeleisen,
infolgedessen ein reineres Produkt bewirken.


Siemens erzielte nach seinen Angaben bei seinem Verfahren
aus Chargen von 424 Pfund Roheisen ein Ausbringen von 413 Pfund
gepuddeltem Eisen, also nur 2,6 Proz. Abgang, während dasselbe Eisen
in dem gewöhnlichen Puddelofen aus 484 Pfund Roheisen 426 Pfund
weiches Eisen, also 12 Prozent Abbrand ergab.


Im Juni 1868 erhielt Siemens, nach Einführung einer besseren
Kühlung des Ofens, sogar einen Überschuſs an Puddeleisen über den
Einsatz, indem mehr Eisen aus der zugesetzten Garschlacke reduziert
wurde, als durch die Flamme verbrannte.


Figure 79. Fig. 79.

Figure 80. Fig. 80.

Der Gaspuddelofen (Fig. 79, 80) verarbeitete 18 Chargen in
24 Stunden, während der frühere Puddelofen nur 12 Chargen zulieſs.
Der Verbrauch an garen Zuschlägen (Fettlings) war anfangs bei dem
Siemensofen gröſser, wurde aber durch Wasserkühlung der Feuer-
brücke und des Bodens auf die gleiche Höhe gebracht. Die Ersparung
an Brennstoff schätzte Siemens auf 40 bis 50 Prozent, wobei auſser-
dem geringeres Brennmaterial angewendet werden konnte. Siemens
empfahl ferner die Benutzung mechanischer Puddler.


Die erste Anwendung von Siemens’ Puddelverfahren geschah auf
den Werken der Bolton-Stahl- und Eisen-Gesellschaft in Lancashire.
Diesem folgte in England die Monkbridge E. G. bei Leeds, während
um dieselbe Zeit schon eine beträchtliche Zahl solcher Öfen auf dem
Kontinent erbaut wurden, so in Österreich ein 1868 erbauter, mit
[111]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Torfgasen betriebener Regenerativpuddelofen zu Buchscheiden und zwei
von v. Panz 1869 errichtete Stahlpuddelöfen zu Sava.


Auf der Weltausstellung in Paris 1867 war sehr guter Werkzeug-
stahl von J. A. Gregorini von Lovere (Lombardei) ausgestellt, der
im Puddelofen mit Siemens’ Regenerator dargestellt war. Aus diesem
Stahl wurden die Bohrer für den Mont-Cenis-Tunnel gemacht.


Übrigens fielen die Resultate durchaus nicht überall so günstig
aus, wie sie Siemens in seinem Vortrage geschildert hatte. Wie
alle neuen Erfindungen, muſste auch diese erst ihre Probe- und Lehr-
zeit durchmachen.


In Deutschland führten die Gebr. Servais zu Weilersbach bei
Trier die ersten Siemens-Generatorpuddelöfen 1869 ein. In Frankreich
waren es die Herren de Wendel, die namentlich auf ihren Eisen-
werken zu Stiring in Lothringen die Siemens-Puddelöfen mit dem
mechanischen Puddler von Dumény und Lemut verbanden.


Ehe wir auf die letzterwähnte Verbesserung näher eingehen,
müssen wir noch einiges über Brennmaterialien und Feuerung
zusammenstellen.


Auf der Maximilianshütte bei Bergen in Bayern betrieb man 1862
Puddel- und Schweiſsöfen mit direkter Torffeuerung.


W. Parson verwendete 1861 Anthrazit als Brennmaterial, indem
er über dem Rost Dampf von 7 Pfd. Überdruck und Gebläseluft von
2 Pfd. Überdruck pro Quadratzoll einleitete.


Frederic Levick zu Coalbrookdale verwendete um dieselbe Zeit
auſser dem gewöhnlichen Brennmaterial Wasserstoff und Kohlenoxyd-
gas, aus Wasserdampf, der über glühende Kohlen strich, erzeugt. Zu
diesem Zweck befand sich neben dem Puddelofen ein Gasgenerator.
Das Gasgemenge lieſs er in der Nähe der Feuerbrücke einströmen.


Zu Mandelholz auf dem Oberharz wurde 1864 mit Torfgas
gepuddelt 1).


Ende der sechziger Jahre tauchte die Halbgasfeuerung von
Boetius auf. Sie sollte die kostspieligen Generatoren durch eine
einfachere Anlage ersetzen, welche sich an jedem Puddelofen ohne
groſse Kosten anbringen lieſs. Der geneigte Rost lag sehr tief, so daſs
über demselben ein schachtförmiger Raum sich befand, der als Gas-
generator diente. Die Verbrennungsluft wurde in einem System von
Kanälen, welche den Feuerschacht umgaben, erhitzt und trafen in
Strahlen die Gase über der Feuerbrücke. Diese billige Gasfeuerung,
[112]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
die aber lebhaft an die ersten Generatoröfen erinnert, fand groſsen
Beifall.


Der Ersatz der beschwerlichen Rührarbeit mit der Hand beim
Puddeln durch Maschinenkraft wurde in den sechziger Jahren viel-
fach versucht, ohne zu einer befriedigenden Lösung der Aufgabe zu
führen. Des früheren Versuches von Schafhäutl (1836) haben wir
im IV. Band gedacht, ebenso der Rührer von Newton (1857) und
Jeremiah Brown (1858).


Figure 81. Fig. 81.

1862 führten Dumeny und Lemut ihren mechanischen Puddler
zu Closmortier bei St. Dizier ein 1). Der Hauptteil derselben war wie
bei dem Apparat von Schafhäutl die Rührkrücke, welche durch
ein Hebelwerk mittels Kurbelscheiben u. s. w. bewegt wurde. Das
Ausheben der Krücke geschah durch eine Daumenscheibe. Die Thätig-
[113]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
keit des Apparates beschränkte sich auf die Arbeit des Rührens. Es
wurde empfohlen, gröſsere Puddelöfen mit mehreren Rührkrücken
(Kratzen) anzuwenden. In England führte R. A. Brooman diesen
Apparat, wofür er am 29. Januar 1862 ein Patent nahm, ein.


Die mechanischen Puddler fanden besonders auf den lothrin-
gischen Eisenwerken an der Mosel Eingang, wo sie sowohl mit gewöhn-
lichen, als mit Regeneratorpuddelöfen verbunden wurden. Häufig
wendete man sie zu zwei oder vier bei Doppelpuddelöfen an. Über
die damit erzielten Resultate verweisen wir auf einen Bericht von
Kosmann1).


Der Puddelapparat
von Ponsard (1870)
war nur eine Nach-
ahmung des Richard-
sons
chen, der weiter
unten beschrieben
wird. Die hohe Krücke,
durch welche Luft oder
Gas geleitet wurde,
war mit einem Wasser-
rohr spiralförmig um-
wunden.


Es folgten sich in
den sechziger Jahren
eine ganze Reihe ähn-

Figure 82. Fig. 82.


licher Apparate, so von Bennett, Griffith, Harrison, Eastwood,
Alleyne, Dormoy
(1866), Whitham, Morgan u. a. Unter diesen
nennen wir den von Eastwood seiner Einfachheit wegen 2). Der leicht-
verständliche Mechanismus ist in Fig. 81 abgebildet. Er wurde in
Nordengland und auf der Königshütte in Schlesien angewendet. Noch
einfacher war Withams Puddelmaschine 3) für Doppelöfen (Fig. 82),
wie sie auf der Perseverancehütte bei Leeds in Anwendung stand.


Harrisons Maschine war direkt mit einer kleinen Dampfmaschine
verbunden.


1866 gab Ulrich sein Urteil über die mechanischen Puddler
dahin ab, daſs sich dieselben durchaus nicht bewährt hätten. Sie
Beck, Geschichte des Eisens. 8
[114]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
ergäben ungenügendes Durcharbeiten, Aufwachsen des Herdes, schlechtes
Ausbringen und schlechtes Produkt.


Gegenüber den mechanischen Puddlern traten die rotierenden
Puddelöfen
in dieser Periode noch in den Hintergrund. Doch wurde
am 11. Dezember 1861 W. H. Tooth und W. Yates ein rotierender
Puddelofen patentiert 1). Einen Ofen mit drehbarem Boden (Tellerofen)
lieſsen sich J. Williams und G. Bedson am 5. Januar 1864 patentieren.
1865 wurde in Dowlais bei Guest \& Comp. der rotierende Puddler
von Warren und Walker eingeführt, der von Direktor Menelaus
verbessert war (Fig. 83), indem es diesem gelungen war, aus dem
Ganister, den die Stahlschmelzer gebrauchten, eine haltbare Masse
für das Ofenfutter herzustellen. Guest sprach sich sehr günstig

Figure 83. Fig. 83.


über die Erfolge aus, namentlich daſs die rotierenden Öfen keine
gelernten Arbeiter erforderten und gröſsere Chargen (von 300 bis
350 kg) verarbeiteten 2).


Bessemer lieſs sich 1865 einen schwingenden Gaspuddelofen
patentieren 3).


Zu dem mechanischen Puddeln gehört in gewissem Sinne auch
das Frischen durch Einblasen von Luft oder Dampf durch Röhren
oder durch hohle Krücken in das flüssige Metall, obgleich dieses
Verfahren meist gleichzeitig eine chemische Einwirkung bezweckte.
Hierzu wäre zunächst das Bessemerverfahren zu rechnen; da dasselbe
aber hauptsächlich für die Darstellung von Stahl benutzt wurde,
wollen wir nicht hier, sondern bei der Stahlbereitung näher darauf
eingehen.


In Österreich lieſsen sich 1864 Weniger und Rossiwall ein
[115]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Puddelverfahren patentieren 1), bei welchem Wasserdampf durch ein
Mundstück in das flüssige Eisen eingeleitet werden sollte. Der Sauer-
stoff des Wassers sollte Silicium und Kohle oxydieren, der Wasserstoff
Schwefel, Phosphor und Arsenik entfernen. Die Idee war keineswegs
neu; zehn Jahre vorher hatte Nasmyth fast denselben Vorschlag
gemacht. In Frankreich wendete Galy-Calazat ein ähnliches Ver-
fahren zur Stahlfabrikation an.


Das gröſste Aufsehen erregte aber Ende der sechziger Jahre
das Puddeln mit hohler Rührkrücke, welches Richardson in
England wieder aufbrachte. Obgleich sein Patent vom 4. Dezember
1866 im Wesentlichen nur eine Wiederholung des Patentes von
Nasmyth vom Jahre 1864 war, so wurde es doch als etwas Neues
angestaunt und erregte viel gröſseres Interesse als seiner Zeit die
Erfindung von Nasmyth. Richardson soll überdies die Idee und
die Anregung von Reuben Plant, mit dem er früher associiert
gewesen war, erhalten haben. In dem Patent war vorgesehen, daſs
auſser Luft und Dampf auch Gase oder chemische Substanzen durch
die hohlen Rührkrücken mit eingeblasen werden könnten.


Richardsons Puddelprozeſs fand einen eifrigen Fürsprecher
an St. Vincent Day, der viel dazu beigetragen hat, daſs das
Verfahren so groſse Beachtung fand. Es war 1867 auf dem Eisen-
werk der Glasgow-Iron-Company eingeführt worden. Man leitete
dort in das eingeschmolzene Eisen durch einen hohlen Rührer
einen Luftstrom von 5 bis 6 Pfund Pressung pro Quadratzoll. Das
Rühren geschah wie sonst. Die Verbindung des Rührers mit dem
Windstock geschah ebenfalls wie bei Nasmyth durch einen beweg-
lichen Schlauch. Den Wind lieſs man so lange einströmen, bis die
Masse hoch aufkochte, alsdann rührte man mit gewöhnlichen Krücken
weiter. Zur Reinigung wurde zuweilen auch Dampf eingeblasen. Durch
das Einblasen von gepreſster Luft wurde ein Drittel an Zeit gegen
sonst erspart. In Glasgow verlief eine Charge, die früher 1 Stunde
30 Minuten bis 1 Stunde 45 Minuten gedauert hatte, in 1 Stunde
8 Minuten. Bei dem letzten Teil des Prozesses sollte der Phosphor
groſsenteils abgeschieden werden. Deshalb sollten nach diesem Ver-
fahren alle phosphorhaltigen Eisensorten, die für den Bessemerprozeſs
untauglich waren, mit Erfolg verarbeitet werden können. Nach den
Analysen von Day war das erhaltene Eisen sehr rein, viel reiner
wie Bessemereisen. Auſser auf dem oben genannten Werke wurde
8*
[116]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Richardsons Prozeſs zu Parkhead und bei Palmer \& Comp.
zu Jarrow eingeführt. Auf letzterem Werk verlieſs man die hohle
Rührkrücke, führte Dampf durch ein feststehendes Rohr ein und
rührte gleichzeitig mit der gewöhnlichen Krücke. Man versuchte
abwechselnd Luft und Wasserdampf durch ein centrales Rohr von
oben, welches durch die Gewölbe ging, einzublasen. Trotz St. Vincent
Days
Anpreisung des Verfahrens fand dasselbe keine Verbreitung
und erregte nur vorübergehend das Interesse der Metallurgen.


Auſser diesen wichtigeren Verbesserungsvorschlägen für den Puddel-
prozeſs wurden noch viele andere veröffentlicht, die wir jetzt kurz in
chronologischer Ordnung besprechen wollen.


In Hörde schmolz man 1860 auf Rob. Daelens Anregung 1) das
Roheisen in einem Kupolofen ein und stach es in den Puddelofen ab.
Man sparte dadurch angeblich 15,2 Prozent an Brennmaterial und
Arbeitslöhnen, zugleich wurde das Roheisen durch das Umschmelzen
so gereinigt, daſs es ohne Zusatz von Holzkohleneisen verpuddelt werden
konnte, was früher nicht möglich war. 2 Kupolöfen bedienten 12 Puddel-
öfen. Bei diesem Verfahren verlief aber das Frischen im Flammofen
beträchtlich langsamer.


Das Bestreben, die unreinen Roheisensorten, welche für den
Bessemerprozeſs unbrauchbar waren, im Puddelofen zu gutem Eisen
zu verfrischen, führte George Parry in Südwales zu dem Verfahren 2),
wofür er am 18. November 1861 ein Patent nahm, dieses Roheisen
erst zu puddeln, das gepuddelte unreine Luppeneisen mit reinen Koks-
und Fluſsmitteln in einem Schachtofen (Kupolofen) wieder zu kohlen
und einzuschmelzen und das so erhaltene gefeinte Eisen nochmals zu
puddeln. Man erhielt dadurch ein reines Schmiedeeisen. Auch konnte
man durch ein drittes Puddeln diese Reinigung noch weiter treiben.


Von Wichtigkeit war die Herstellung oder Auskleidung des
Puddelherdes mit eisenoxydreichen Stoffen, wozu man in England mit
Vorliebe geröstete Puddelschlacke, die als bull’s head bezeichnet
wurde, verwendete. Das Rösten geschah, wie z. B. 1860 auf der
Tudhoe-Eisenhütte in der Grafschaft Durham, in besonderen Röst-
stadeln, wobei höher silizierte Schlacke aussaigerte.


Couilhac schlug 1861 vor, den Schmelzherd mit altem Eisen-
werk auszukleiden und während des Puddelns reinigende Zuschläge von
Eisenerz, Walzschlacke und Hammerschlag, Kochsalz, Kalk oder Thon,
je nach der Art des Roheisens aufzugeben. Neu waren diese Mittel nicht.


[117]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.

Mushet empfahl 1863, die Puddelherde mit Titaneisenerz
(Ilmenit) auszusetzen. Gibbons hat sich für das Auskleiden des
Herdes mit Kalkstein ausgesprochen, während Arkinstall dies ver-
warf, weil dadurch brüchiges Eisen entstehe 1). 1870 schlug Ponsard
für phosphorhaltiges Roheisen eine Sohle von Magnesia oder Kalk vor.
Zur Beschleunigung des Puddelprozesses setzte man in England häufig
Hämatit von Cumberland zu.


Cailletet fand 1862, daſs, wenn man Roheisen ohne Schlacken-
zuschläge puddelt, ein Teil des Eisens verbrennt und daſs das hierbei
entstandene Eisenoxyd erst die Entkohlung bewirke.


Bleiglätte hatte Professor Rob. Richter als Entschweflungsmittel
vorgeschlagen und sollen damit günstige Resultate auf der gräflich
v. Donnersmarkschen Hütte zu Frantschach erzielt worden sein.
C. Wagner in Mariazell empfahl (1865) dieses Verfahren beim Puddeln
von weiſsem Eisen 2). Dagegen hält Kerpely (1864) nichts von
diesen und ähnlichen Vorschlägen.


Cochrane setzte 1863 dem Roheisen beim Puddeln Kali- oder
Natronaluminat zu. Crawshay wendete 1864 Zuschläge von Eisen-
vitriol und Bleioxyd an, wodurch neben dem Kohlenstoff Schwefel und
Phosphor oxydiert werden sollten 3). Caron wies in demselben Jahre
auf die Nützlichkeit eines Mangangehaltes im Roheisen hin, der die
Abscheidung des Schwefels und Phosphors beim Puddeln und die
Überführung des Graphits in gebundenen Kohlenstoff befördert.


List hob 1865 den Nutzen des Mangans zur Abscheidung des
Siliciums hervor und sprach die Vermutung aus, daſs beide Stoffe
chemisch verbunden als Siliciummangan im Roheisen vorhanden seien.


Lohage behauptete in demselben Jahr, daſs ein mäſsiger Silicium-
gehalt bis zu 2 Prozent für das Gelingen des Puddelprozesses not-
wendig sei; ein Gehalt über 3 Prozent sei dagegen für die Qualität
des Eisens von Nachteil. In Oberschlesien war um 1864 die Puddel-
stahlbereitung wegen des hohen Siliciumgehaltes des Roheisens auf
Schwierigkeiten gestoſsen.


Wintzer zu Georgs-Marienhütte schlug 1866 das Chlorkalium
als das in der Hitze am wenigsten flüchtige Chlorid zur Reinigung des
Eisens von Schwefel und Phosphor, oder Chlorgas zu demselben
Zwecke vor.


Fluſsspat und Kryolith wurden als Entphosphorungsmittel von Ver-
[118]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
schiedenen, so von Bowron und Lunge und namentlich von
Henderson 1869 vorgeschlagen.


Heatons Frischverfahren mit Natronsalpeter (1868) werden wir
bei der Stahlbereitung kennen lernen.


Es muſs hier erwähnt werden, daſs man bei dem Betriebe der
Puddelöfen mit besserem Verständnis und gröſserer Sorgfalt auf Er-
zeugung bestimmter Qualitäten hinarbeitete als früher. Das Stahl-
puddeln hatte in dieser Hinsicht eine günstige Einwirkung auf das
Eisenpuddeln ausgeübt. Man hatte dadurch gelernt, nach Belieben
härteres oder weicheres Eisen zu erzeugen, und unterschied scharf das
Puddeln auf Sehne von dem Puddeln auf Korn 1).


Etwa seit der Mitte der sechziger Jahre legte man groſsen Wert
auf heiſsen Gang beim Puddelprozeſs und suchte diesen zu befördern.
Schneider \& Comp. zu Creuzot erreichten dies durch gepreſsten
Wind, den sie unter den Rost einführten. Dem Nachteil der dabei
entstehenden groſsen Hitze für die Ofenwände wurde durch Wasser-
kühlung des Herdbodens und Kühlung der Wände durch Druckluft
entgegengearbeitet. Mit diesen Mitteln sollte man den Prozeſs leicht
regulieren und nach Belieben Stahl oder Schmiedeeisen erzeugen
können. — Auf anderen Hüttenwerken haben aber die Versuche mit
gepreſstem Wind keine günstigen Resultate ergeben.


Bei heiſsem Ofengang war die „Kornfrischschlacke“, welche das
Roheisen bei der Arbeit gab, eisenoxydulreich und basisch, bei
kaltem Ofengang war sie sauer. Trocken nannte man die eisenoxyd-
haltige Schlacke, die gewöhnlich teigig war. Nur der heiſse Gang
gab gut gereinigtes und gekohltes Eisen. Die chemische Zusammen-
setzung der Kornfrischschlacke war deshalb wesentlich. Eisenoxyd
kann durch Kohlenstoff und durch Eisen zu Oxydul reduziert werden,
wodurch das Mittel zur Bildung der Kornfrischschlacke gegeben ist.


Beim Stahlpuddeln bewährten sich zu Dowlais (1865) Graphit-
herde.


Ein eigentümliches Verfahren und einen eigenen Apparat zum
Stahlpuddeln schlug M. Morgan 1865 vor 2). „Das cylindrische Um-
wandlungsgefäſs“ ruhte auf Rädern und wurde während der Rühr-
periode in wiegende Bewegung gesetzt. Beim Einsetzen gab man
Spiegeleisen zu und blies Wasserdampf oder gepreſste Luft in die
Esse, um den Zug zu vermehren.


[119]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.

Ein ganz mit Wasser gekühlter Puddelofen wurde von Roſs 1868
vorgeschlagen 1). Ringsumgehende Wasserkühlung hatte man in Rhein-
land und Westfalen, wo man langsam- und gargehendes Roheisen ver-
arbeitete. Dabei wendete man keine Vorwärmherde an, weil der Zug
nicht genügend stark war. Im Saargebiet, wo man viel Minette ver-
puddelte, waren nur die Feuerbrücken mit Luft und Wasserkühlung
versehen. In Frankreich bediente man sich, namentlich da, wo man
Minetteroheisen verarbeitete, nur der mit Luft gekühlten Puddel-
öfen 2).


Borsig in Moabit puddelte sehr groſse Luppen für schwere
Kesselbleche ohne Schweiſsnaht in groſsen Puddelöfen mit drei Arbeits-
thüren.


Griffith wendete ein eigentümliches Verfahren an, die Schlacken
aus den Luppen zu pressen. Es geschah dies in einem Cylinder mit
seitlichen Öffnungen, in den ein hydraulischer Kolben die heiſsen
Luppen preſste.


Um Homogeneisen zu machen, wendete John Gjers in Middles-
borough 1868 folgendes Verfahren an. Er puddelte wie gewöhnlich
unter Zusatz von Schlacke und stach dann die noch flüssige Masse
in einen Siemens-Flammofen ab, wo sie fertig entkohlt und dann als
flüssiges Produkt abgelassen wurde.


Die Dimensionen der Puddelöfen waren nach der Art des Brenn-
materials und des Roheisens sehr verschieden. Wedding giebt in
seinem Handbuch der Eisenhüttenkunde (III, 191) eine ausführliche
Zusammenstellung von Beispielen.


Wir wollen noch zum Schluſs auf einen verbesserten Puddelofen
hinweisen, wie er nach den Angaben von John, Hawson und Gjers
1868 auf dem Eisenwerk von Fox, Head \& Son bei Middlesborough
zuerst erbaut wurde. Die Verbesserungen beruhten auf der Ausnutzung
der Feuergase, die vollständig verbrannt wurden, auf der künstlichen
Zuführung von erhitztem Wind, sowohl über dem Feuer im Gewölb-
scheitel als unterhalb des Rostes. Infolge der günstigen Betriebs-
ergebnisse dieser Öfen wurden sie Ende der sechziger Jahre auf ver-
schiedenen groſsen Eisenwerken in England eingeführt.


Von groſser ökonomischer Bedeutung war die Verwendung der
abgehenden Hitze
der Puddel- und Schweiſsöfen für die Dampf-
erzeugung. Folgende Erfahrungsgrundsätze waren hierfür maſsgebend.
[120]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Bei Annahme einer Dampfspannung von 3 bis 4 Atmosphären Über-
druck wird durch die Überhitze eines einfachen Puddelofens Dampf

Figure 84. Fig. 84.


für 6 bis 10, im Durchschnitt für
8 Pferdekräfte erzeugt, durch die
Überhitze eines Schweiſsofens 10 bis
14, im Durchschnitt 12 Pferde-
kräfte. Während man bei gewöhn-
lichen Kesseln 12 bis 14 Quadrat-
fuſs Heizfläche für eine Pferdekraft
rechnete, ging man bei Überhitz-
kesseln bis auf 16 Quadratfuſs.
Für jeden Quadratfuſs Rostfläche
rechnete man 14 Quadratfuſs Heiz-
fläche des Kessels; endlich für je
eine Pferdekraft 1 Quadratfuſs Rost-
fläche.


Kuppelwieser wies in einer
ausführlichen Untersuchung that-
sächlicher Verhältnisse nach 1), daſs
diese allgemeinen Sätze bedeutende
Abänderungen erlitten, je nach den
Umständen und der Konstruktion.
Er wies namentlich auf die gröſseren
Vorteile der stehenden Kessel hin.
Diese kamen denn auch immer
mehr in Aufnahme. Fig. 84 und
85 geben ein Beispiel eines Puddel-
ofens mit Vorwärmofen und stehen-
dem Cylinderkessel für Braun-
kohlenfeuerung und Treppenrost
[121]Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
zu Donawitz bei Leoben. Fig. 86 zeigt einen stehenden Kessel mit
Heizröhren, der von zwei Flammöfen, rechts einem Schweiſs-, links
einem Puddelofen geheizt wurde, wie solche zu Blaina und Cwm-Celyn
in Südwales ausgeführt waren. Zu Oberhausen hatte man je vier Öfen
mit einem stehenden Kessel verbunden.


Figure 85. Fig. 85.

Bei den Schweiſsöfen bewährte sich der Betrieb mit Unterwind
noch mehr als bei den Puddelöfen, was Leopold Hösch in einem
Vortrage vom 24. Februar 1861 auseinandersetzte. Man hatte auf
den Werken von Eberhard Hösch zu Eschweiler und Lendersdorf

Figure 86. Fig. 86.


44 Schweiſsöfen für Schienenfabrikation mit einem Kanal verbunden,
dem ein groſser Ventilator Wind zuführte. Die Produktion stieg um
20 bis 25 Prozent, der Kohlenverbrauch betrug nur 73 Prozent des
früheren Quantums. Dabei brauchte man keine Stückkohlen mehr
und die Schweiſsung war eine bessere. Auch in Frankreich bediente
man sich mit groſsem Erfolg des Unterwindes.


Lundins obenerwähnte Gasfeuerung mit Kondensation diente für
[122]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Gasschweiſsöfen zu Monkfors in Wermland 1). Der Erfinder hatte
dafür von der schwedischen Gewerbekammer eine Belohnung von
20000 Rthlr. erhalten.


Chatelain hatte Doppelschweiſsöfen eingeführt, die auch die
doppelte Produktion ergeben sollten 2).


Pütsch hat (1867) einen Holzgasschweiſsofen ohne künstlichen
Wind konstruiert, der angeblich noch bessere Resultate gab als der
Lundinsche.


Auch bei den Schweiſsöfen wendete man Ende der sechziger Jahre
Siemens’ Regeneratorfeuerung bereits auf einzelnen Werken an. Mit
einem solchen wurden bei de Wendel pro Tag 25000 kg fertige
Schienen gemacht. Die Anlage war zwar teuer, aber der Abbrand
betrug nur ein Drittel des früheren und die Kohlenersparnis war
beträchtlich.


Mushet schlug auch zur Auskleidung der Schweiſsofenherde
Titaneisenerz vor.


Die Stahl- und Fluſseisenbereitung 1861 bis 1870.


Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.


Der Stahlbereitung war zu Beginn der sechziger Jahre die
hoffnungsvolle Erwartung aller Metallurgen zugewendet. Bessemers
glänzende Erfindung stellte die Herstellung eines billigen Stahls, der
für die meisten Zwecke mit Vorteil das Schmiedeeisen ersetzen konnte,
in sichere Aussicht. Freilich befand sich das neue Verfahren noch
in seiner Kindheit und die Mehrzahl der praktischen Hüttenleute ver-
hielten sich noch zweifelnd gegen die merkwürdige Neuerung. Aber
die Erfolge Bessemers in England und Göranssons in Schweden,
die Kundgebungen darüber, das überzeugte Eintreten erfahrener Eisen-
hüttenleute wie Grills in Schweden und besonders Peter Tunners
in Österreich, die günstigen Nachrichten auch von anderen Orten
bekehrten eine immer gröſsere Zahl von Technikern zu dem Glauben
an den neuen Prozeſs. Die angesehensten Metallurgen traten öffent-
lich für Bessemers Verfahren auf. In England war dies besonders
W. Fairbairn, der in seinem Werk über das Eisen, welches 1861
[123]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
erschien 1), zum erstenmal in einem wissenschaftlichen Lehrbuche das
Bessemern als einen gleichberechtigten Prozeſs neben dem Puddeln,
der Cement- und Guſsstahlfabrikation behandelte und auf seine
Leistungen, seine Wichtigkeit und seine Bedeutung für die Zukunft
hinwies. In Frankreich war es Gruner, der, obgleich früher aus
theoretischen Gründen ein Gegner des Bessemerverfahrens, seitdem er
dasselbe auf seiner Reise in England im Juni 1860 zu Weardale in
Durham kennen gelernt und in praktischer Ausführung gesehen hatte,
mit voller Überzeugung in einer ausführlichen Abhandlung 1861 für
dasselbe eintrat 2).


Neben Gruner war es A. la Salle, der schon 1860 eine aus-
führliche Abhandlung über das Bessemerverfahren veröffentlichte 3), in
der er bereits bestimmt aussprach, als beste Methode werde es sich
erweisen, das Roheisen in Konvertern vollständig zu entkohlen und
dann die erforderliche Kohlenmenge in einem reinen Stoffe wieder
zuzusetzen.


In Deutschland veröffentlichte Professor Alexander Müller
einen beachtenswerten Aufsatz im Journal für praktische Chemie
(Bd. LXXXII, S. 496). Er trat darin entschieden für das englische
Verfahren ein.


Von noch gröſserer Bedeutung war Tunners öffentlicher Bericht
über den Bessemerprozeſs, welchen er bei der zweiten allgemeinen
Versammlung der Berg- und Hüttenmänner im September 1861
in Wien erstattete, indem er mit Nachdruck darauf hinwies, wie
wichtig die Einführung des Verfahrens für Österreich sei, und bei
welcher Gelegenheit er auch den glücklichen Ausdruck „Bessemern“
als Zeitwort und Substantiv erfand und in Kurs setzte. Er wies
darauf hin, daſs 1. das Bessemern in England und in Schweden über
das Versuchsstadium hinaus sei und daſs dort und in Frankreich
groſse Anlagen im Bau begriffen seien; 2. daſs in England und in
Schweden bereits Tausende von Centnern Bessemerstahl erzeugt und
zu verschiedenen Zwecken verwendet würden; 3. daſs Bessemerstahl
aus gutem Roheisen dem Guſsstahl und das entsprechende Bessemer-
eisen dem Herdfrischeisen gleichkomme; 4. daſs der Eisenabbrand bei
der Erzeugung von Stahl nach diesem Verfahren 12 bis 15 Prozent,
[124]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
von Stabeisen 18 bis 22 Prozent, also weniger als im Frisch- und
Schweiſsherd betrage; 5. daſs in 5 bis 10 Minuten 15 bis 20 Centner
flüssiges Roheisen ohne irgend welches Brennmaterial als das zum
Anwärmen des Ofens und der Guſspfannen erforderliche in Stahl ver-
wandelt werde. Die Windpressung betrage ½ bis 1½ Atmosphären
Überdruck, die Windmenge 800 bis 1200 Kubikfuſs; bis jetzt sei nur
kalter Wind mit Erfolg verwendet worden.


Nicht minder groſsen Eindruck machte es, daſs bedeutende Eisen-
industrielle wie namentlich John Brown in Sheffield und W. Jackson
zu St. Seurin sur l’Isle schon 1860 groſse Anlagen für die Bessemer-
stahlfabrikation errichteten.


1861 wurde sogar bereits in Ostindien von der Beypore-Eisen-
Gesellschaft zu Madras nach dem schwedischen Verfahren Bessemer-
stahl dargestellt und 1862 in der Weltausstellung zu London vor-
geführt.


Im Jahre 1861 begann auch Alfred Krupp in Essen, der sich
mit Bessemer, dem unbegreiflicherweise ein Patent für Preuſsen

Figure 87. Fig. 87.


verweigert worden war, verständigt hatte, in
aller Stille ein für damalige Verhältnisse
groſses Bessemerwerk mit vier Konvertern zu
2½ Tonnen zu erbauen, in dem am 16. Mai
1862 die erste Charge erblasen wurde. 1)


Sowohl Bessemer als die schwedischen
Ingenieure waren eifrig bemüht, ihre Methoden
zu vervollkommnen. Ersterer hat in seinem
wichtigen Patent vom 1. März 1860 den
Konverter (die Birne) bereits in der Form
beschrieben, wie er später allgemeine Ver-
breitung fand und sich bis heute erhalten
hat. Die Gefäſse sind birnförmig mit schief-
stehendem Mundstück (Fig. 87), von Eisen oder
Stahlplatten, im Innern mit „Ganister“ ausgekleidet. Der Windkasten
(twyer box) aus Eisen oder Stahl ist an dem Boden so befestigt,
daſs er abgenommen werden kann. Sieben besondere Formen (Ferne
oder Feren), jede mit fünf Windöffnungen, sind im Boden des Gefäſses
eingelassen und mit Ganistermasse unter sich und mit den Wänden
verbunden. Die Herstellung dieser Ferne wird eingehend beschrieben.
Die Art der Aufhängung des Gefäſses und der Windzuführung wird
[125]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
bereits genau so dargestellt, wie es John Brown auf dem Atlaswerk
in Sheffield ausführte und wie es in Fig. 88 abgebildet ist, wobei

Figure 88. Fig. 88.


die geniale Kippbewegung durch einen horizontalen, hydraulischen
Preſskolben ebenfalls bereits angeführt wird; desgleichen die Art der
Windzuführung durch die hohle Achse, die mit einem beweglichen
[126]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Rohrstück verbunden ist, wie es Fig. 89 rechts im Durchschnitt zeigt,
wodurch die Birne ohne Unterbrechung des Windstromes gekippt
werden kann.


Das flüssige Roheisen, welches man nach Bessemers Angabe
am besten in Flammöfen schmolz, wurde direkt in die geneigte
Birne abgestochen. Dann lieſs man den Wind an und richtete das
Gefäſs auf. Indem nun die Luft durch das flüssige Eisen gepreſst
wurde, begann der Frischprozeſs. Funken und Flamme strömten in

Figure 89. Fig. 89.


eine Esse. Sobald der Prozeſs beendet war, wurde die Birne gekippt
und zwar noch weiter als beim Einfüllen, so daſs der flüssige Inhalt
in die untergestellte Guſspfanne ausgegossen werden konnte. Die
Pfanne ist an dem Ende eines Balanciers befestigt (Fig. 90), der durch
einen hydraulischen Kolben schwebend getragen wird, und auf dessen
anderes Ende ein Gegengewicht läuft. Dadurch kann die Guſspfanne
gehoben und gesenkt und im Kreise herumgeschwenkt werden. Die
Pfanne selbst kann entweder durch Hydraulik gekippt, oder durch eine
Öffnung im Boden, die durch eine geführte Stange mit Thonpfropf am
Ende verschlossen wird, entleert werden. Das flüssige Bessemermetall
flieſst dann in die untergestellten Guſsformen. Die Güsse (ingots)
werden dadurch rein und frei von Schlacken. Noch gesünder werden
sie, wenn man das flüssige Metall in eine Form gieſst, die am Boden
[127]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Öffnungen hat, durch welche sie in mehrere kleinere untergestellte
Formen flieſst. Durch das verlangsamte Einflieſsen in diese Formen
werden die Blöcke dichter.


In demselben Patent giebt Bessemer an, daſs man den Fort-
schritt der Entkohlung bestimmen könne durch die Menge des durch-
geblasenen Windes. Er wendete deshalb einen Zählapparat an, der
die Zahl der Entleerungen der beiden Gebläsecylinder angab, und
dies sollte das Mittel an die Hand geben, den Prozeſs im richtigen

Figure 90. Fig. 90.


Augenblick zu unterbrechen. Dieser schöne Vorschlag hat sich in
der Praxis leider nicht bewährt, aber er beweist, wie Bessemer
unablässig darauf sann, sein Verfahren zu vervollkommnen.


Die Anwendung der Hydraulik zur Bewegung des Konverters und
der Guſspfanne war ein genialer Gedanke, wie denn überhaupt der
ganze Apparat durch seine Zweckmäſsigkeit, Beweglichkeit und
Solidität überrascht. Wir wissen aber aus dem früher Mitgeteilten,
daſs derselbe nicht als etwas Fertiges dem Geiste des Erfinders ent-
sprang, sondern daſs er das Produkt jahrelangen Nachdenkens und
Experimentierens war. Anfangs kippte Bessemer seine Retorten
durch ein Vorgelege mit der Hand, dann kam, wie es scheint zuerst
in St. Seurin 1), die Bewegung durch ein Dampfgetriebe auf. Die Be-
wegung durch hydraulischen Druck kann also erst als drittes Stadium
[128]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
in der Bewegung der Konverter bezeichnet werden. Die groſse
momentane Arbeitsleistung der hydraulischen Motoren war ermöglicht
durch die wichtige Erfindung des Akkumulators von William
Armstrong
im Jahre 1851, die aber erst in dieser Periode zu aus-
gedehnterer Verwendung kam. Der einfache Apparat, dessen Wesen
darin besteht, daſs eine Drucksäule Wasser ein schweres Gewicht in

Figure 91. Fig. 91.


der Schwebe hält, bis im
Moment der Wirkung das
Gewicht das Wasser auspresst,
ist in Fig. 91 abgebildet.


Am 1. Februar 1861 bereits
faſste Bessemer eine Reihe
weiterer Verbesserungen in ein
neues Patent zusammen. Die-
selben beziehen sich auf ein
vollkommeneres Verfahren, die
Böden der Konverter mit den
Winddüsen herzustellen und
einzupassen, auf die Herstellung
besonderer Ingots für Panzer-
platten aus abwechselnden
Lagen von Eisen und Stahl
und auf die Herstellung blasen-
freier Eingüsse durch Zusatz
eines Gemisches von Silicium,
Mangan und Eisen. Letzteres
erhielt er durch Reduktion
eines innigen Gemenges von
Hämatit, Magneteisenstein oder
manganhaltigem Eisenerz mit Manganoxyd und Anthrazit oder einer
anderen reinen Kohlensubstanz und mit Feuerstein oder kieseligem
Erz, in Retorten oder im Cementierofen. Die reduzierte metallische
Masse wurde mit Teer oder einem anderen Kohlenwasserstoff gemischt
und im Tiegel geschmolzen, oder die Reduktion bis zum Schmelzen
fortgesetzt. 30 bis 50 Pfund der Legierung wurden zu einer Tonne
geschmolzenem Stahl vor dem Ausgieſsen eingetragen. Wollte man
Schmiedeeisen oder sehr weichen Stahl darstellen, so entkohlte man
zuvor das Gemisch durch Glühen mit Eisen- oder Zinkoxyd. Bei
diesem Zusatz legte Bessemer mehr Wert auf den Gehalt an
Silicium und Mangan als auf den Kohlenstoff. Namentlich schrieb er
[129]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
ersterem die Wirkung zu, die Gasentwickelung und Blasenbildung
der Güsse zu verhindern. Die Annahme eines hohen Siliciumgehaltes
in der Mischung beruhte nicht auf chemischer Analyse und war
irrig. Dennoch hat auch dieser Vorschlag wichtige Folgen für die
weitere Entwickelung des Bessemerprozesses gehabt.


Das folgende Patent Bessemers vom 8. Januar 1862 bezieht sich
auf verschiedene Verbesserungen des Konverters, von denen diejenigen,
die sich auf den Boden und die Einrichtung einzelner Windkästen,
oder eines geteilten Windkastens, so daſs jede schadhafte Form für
sich ausgewechselt werden kann, und diejenigen, die sich auf die
Disposition von zwei gegenüberstehenden Birnen, die von einer gemein-
schaftlichen hydraulischen Kranenpfanne bedient werden, beziehen,
die bemerkenswertesten sind.


Eine der wichtigsten Erfahrungen, welche Bessemer und andere
gemacht hatten, bestand darin, daſs schwefel- und phosphorhaltige
Roheisensorten für den Prozeſs nicht verwendbar waren, und daſs der
Erfolg in erster Linie von der Auswahl des Roheisens bedingt war.
Am besten hatte sich schwedisches, aus reinem Magneteisenerz
erblasenes, lichtgraues Roheisen erwiesen. Dieses verwendete Bessemer
nach Weddings Reisebericht neben grauem Cumberland-Roheisen
noch 1860 in Sheffield. Ferner erzielte man gute Resultate mit Holz-
kohlenroheisen aus Indien und Neuschottland. Aber auch gewisse
englische graue Roheisensorten, namentlich die aus dem Cumberland-
Hämatit erblasenen, bewährten sich vortrefflich. Dies gab der Hoch-
ofenindustrie in Cumberland und Lancashire einen neuen groſsen
Impuls. Auch Forrest of Dean- und Tawlow-Roheisen hatte sich
brauchbar erwiesen, während das von Pontypool und Bleanavon
unbefriedigende Resultate gab.


Jackson hatte zu St. Seurin in Frankreich zuerst weiſses, aus
manganhaltigem, braunem Glaskopf von Vicdeſsos erblasenes Roheisen
verwendet. Man arbeitete dort 1860 mit zwei Konvertern für 500 bis
1000 kg Einsatz. Sie hatten 0,60 bis 0,65 m Durchmesser und 1 bis
1,2 m Höhe im Lichten. Der Wind wurde mit 2½ Atmosphären Druck
durch 25 Formen, in 25 Strahlen durch die 0,50 m hohe flüssige
Eisenmasse gepreſst.


Über die Wärmeerzeugung beim Windfrischen stellte Gruner
Berechnungen an 1).


Der damalige Einsatz in den Konverter von 500 bis 1000 kg war
Beck, Geschichte des Eisens. 9
[130]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
nicht gröſser als derjenige der schwedischen Bessemeröfen. Hiergegen
waren Bessemers neue Konverter für 1500 kg-Chargen schon sehr
groſse Apparate und John Browns Birnen für 2500 bis 3000 kg
Einsatz erregten das gröſste Aufsehen. Es bestätigte sich aber, was
Bessemer schon früher angegeben hatte, daſs der Prozeſs um so
sicherer und vorteilhafter verlief, je gröſser die Chargen waren. Auch
brauchten die groſsen Chargen nicht mehr Zeit zum Garen als die
kleinen.


Bessemer hielt im August 1861 im Institut der Maschinen-
ingenieure einen wichtigen Vortrag über die Bereitung des Stahls und
seine Verwendung zu konstruktiven Zwecken, worin er eine Beschreibung
der Bessemeranlage und des Betriebes in den Atlaswerken von John
Brown
in Sheffield gab.


Nach Bessemers Mitteilungen erforderte das Frischen einer
Füllung 16 bis 25 Minuten. Der Abgang betrug bei Stahl 12 bis
15 Prozent, bei Schmiedeeisen 20 bis 22 Prozent. Die Güsse wurden
unter einem Dampfhammer vorgeschmiedet und dann direkt ausgewalzt;
das Paketieren und Schweiſsen fiel fort. Der Guſsstahl von rohen
Güssen zeigte eine Festigkeit von 50000 Pfd. auf den Quadratzoll,
während gewalzte Stäbe 150000 Pfd. Belastung bis zum Bruch trugen.
Die zu Woolwich angestellten Festigkeitsversuche ergaben ebenfalls
günstige Ergebnisse.


Der chemische Vorgang verlief nach Tunners und anderer
Beobachtungen ganz ähnlich wie beim Puddeln: zuerst oxydierte
Silicium und bildete mit verbranntem Eisen und aus den Wänden
aufgelöstem Thon ein basisches Thonerdeeisensilikat.


Mangan oxydiert ebenfalls rasch und beschleunigt die Abscheidung
des Siliciums, mit dem es sich statt des Eisens verschlackt. Silicium-
reiche Roheisensorten sind leichter zu verfrischen, wenn sie Mangan
enthalten, doch ist dessen Anwesenheit kein unbedingtes Erfordernis.
Ein Mangangehalt befördert auch die teilweise Abscheidung des
Schwefels. Im allgemeinen werden aber Schwefel und Phosphor beim
Bessemern so gut wie gar nicht abgeschieden. Der Kohlenstoff ver-
brennt nicht unmittelbar durch die Luft, sondern wie beim Puddeln
durch die Schlacke, wie Tunner 1860 nachwies.


Während man zum Einschmelzen des Roheisens sich noch allge-
mein der Flammöfen bediente, schlug Fairbairn 1861 bereits Kupol-
öfen dafür vor.


In Schweden hielt man an den feststehenden Bessemerschacht-
öfen mit etwa 15 Centner Einsatz fest. Aus Grills Bericht vom
[131]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Jahre 1861 erfahren wir, daſs Versuche, reines Eisenoxyd und Braun-
stein einzublasen oder vor dem Einfüllen aufzugeben, ebenso wenig wie
das Einblasen von Wasserdampf günstige Erfolge gehabt hatten. Das-
selbe war bei der Verwendung erhitzter Gebläseluft der Fall. Diese hatte
eine Verlängerung der Frischzeit zur Folge gehabt, weil bei gleicher
Arbeit der Gebläsemaschinen viel weniger von der durch die Erwär-
mung expandierten Luft in den Ofen gelangte. Übrigens waren in
Schweden die Gebläse auch immer noch zu schwach, obgleich man sie
verstärkt und dadurch wenigstens erreicht hatte, daſs das Produkt glatt
und rein aus dem Ofen floſs. Das Metall, welches in Schweden erzeugt
wurde, war aber besser und gutem Stahl ähnlicher als das englische,
welches Fairbairn mit Halbstahl (semi-steel), der 40 Prozent gröſsere
Festigkeit als Schmiedeeisen habe, und Bessemer mit Homogeneisen
bezeichnete, das er für die Verwendung im Maschinenbau statt
Schweiſseisen besonders empfahl.


Aus dem oben erwähnten Bericht Tunners zu Wien im Jahre
1861 entnehmen wir noch, daſs er das Roheisen der österreichischen
Alpenländer für sehr geeignet für den Bessemerprozeſs erklärt, daſs
er gröſsere Öfen, die 30 bis 100 Centner auf einmal fassen, als in
jeder Beziehung vorteilhafter empfiehlt. Die Hauptsache sei die Unter-
brechung des Prozesses im richtigen Augenblick; dafür habe sich
Bessemers Winduhr nicht bewährt, man sei vorläufig nur auf die
Beobachtung der Flamme der ausströmenden Gase und Funken
angewiesen. Tunner ist der Ansicht, daſs erhitzter Wind vorteilhaft
sein werde. Die vielen Ofenreparaturen, die früher das Verfahren ver-
teuerten, hätten sich in England bereits sehr vermindert. Gegen-
wärtig sei noch der Hauptfehler die groſse Menge Ausschuſs, haupt-
sächlich infolge blasiger Güsse, die 20 bis 30 Prozent betrüge.


So standen die Dinge, als die Weltausstellung in London im
Jahre 1862 eröffnet wurde. Bis dahin hatten nur wenige Hütten-
leute Gelegenheit gehabt, den Bessemerprozeſs und seine Produkte
aus eigener Anschauung kennen zu lernen und sich ein Urteil über seine
Leistungen zu bilden. Hierzu bot die groſse Industrieausstellung in
London die beste Gelegenheit. Die Ausstellungen von Bessemer in
Sheffield selbst, von Bessemer und Langsdon in London und von
John Brown in Sheffield waren geradezu überraschend. Tunner
schreibt darüber in seinem Bericht 1): „Durch die sehr schöne Aus-
stellung der Produkte seines Prozesses hat Herr H. Bessemer gewiſs
9*
[132]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
viel dazu beigetragen, seiner Sache mehr Freunde zu gewinnen, denn
es waren da fast alle vorzüglichen Artikel, welche bisher von Stahl
und Eisen gearbeitet worden sind, von Saiten- und Klavierdraht, der
Fischangel und der Schreibfeder, der feinen Nadel und der Uhr-
macherfeile, von den feinsten Eisenblechen angefangen, durch Kürasse,
Kesselbleche und Nieteisen, gezogene Röhren, gewöhnlichen Stangen-
stahl, Klingen und gröſsere Feilen u. s. w. bis hindurch zu Rails,
Tyres, Achsen, verschiedene schwere Maschinenteile und geschmiedete
Kanonen zur Ansicht gebracht und durch viele, mannigfaltige Quali-
tätsproben an Politur und Bruchflächen der rohen Guſsblöcke wie
der fertigen Artikel, durch alle möglichen Biegungs- und Lochproben,
durch getriebene Arbeit u. s. w. illustriert.“


Zeigte Bessemers Ausstellung die mannigfaltige Verwendbarkeit,
so führte John Browns Ausstellung in vortrefflicher Weise die wich-
tigste Verwendung des Bessemermetalls als Massenstahl vor Augen.
Sie begann mit einem rohen Guſsblock von 4 Fuſs Höhe und 15 Zoll
im Quadrat, dem Produkt einer Charge. Dann war eine Schiene aus
Bessemerstahl von 34 Fuſs Länge vorhanden; die Enden waren
gebogen und umgeschlagen, gelocht und kalt und warm um die
Längsachse gedreht. Aus demselben Material waren auſserdem aus-
gestellt: Lokomotivachsen, Siederöhren, Federn, Sägeblätter, Rad-
bandagen und Kanonen. Von der Ostindischen Eisenkompagnie wurden
gleichfalls Eingüsse von Bessemermetall und Railsproben vorgeführt,
von denen Tunner mit Unrecht bezweifelte, daſs sie in Indien her-
gestellt seien. Nach englischen Nachrichten hatte die Gesellschaft
bereits 1860 ein Bessemerwerk zu Porto Novo bei Beypur (Madras)
erbaut.


In der französischen Abteilung hatten James Jackson Son \&
Co
. zu St. Seurin-sur-l’Isle ihre Bessemererzeugnisse vorgeführt.
Die schwedische Bessemerindustrie war ebenfalls sehr gut vertreten.
F. Göransson zu Högbo bei Gefle, der die Bahn gebrochen und am
meisten in dieser Sache gethan, hatte die vollständigste Ausstellung.
Auſser ihm waren vertreten das Klostereisenwerk (Långshyttan) in
Dalekarlien, Carlsdahleisenwerk in Nerike und Siljanforseisenwerk in
Dalekarlien. Es hatten aber bereits noch fünf weitere Hütten in
Schweden das Bessemern eingeführt.


Die Eisenhüttenleute konnten sich bei der Londoner Ausstellung
nicht nur von den Fortschritten und den Leistungen der Bessemer-
werke überzeugen, sie fanden auch Gelegenheit, den Prozeſs selbst
näher kennen zu lernen und zu studieren, indem sowohl Bessemer als
[133]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
John Brown fremden Ingenieuren in entgegenkommendster Weise
den Zutritt zu ihren Werken gestatteten. Dadurch gelangten erst
genauere und zuverlässigere Nachrichten in die hüttenmännischen
Kreise, aus denen wir das Wichtigste in Folgendem kurz zusammen-
stellen.


Bessemer schmolz das Roheisen in Flammöfen und goſs es mit
einer Guſspfanne in den Konverter. Der Einsatz betrug nur 20 bis
30 Centner. Der Wind gelangte durch 9 × 4 = 36 Düsen von ⅜ Zoll
lichter Weite von unten in den Ofen; er hatte 15 Pfund Pressung
pro Quadratzoll. Die Blasezeit betrug 23 Minuten.


John Browns Konverter faſsten dagegen Chargen von 60 Centner,
hatten 7 × 7 = 49 Düsen von 2/8 Zoll Durchmesser bei einem Wind-
druck von 17 bis 18 Pfund. Der Frischprozeſs verlief in 17 bis
18 Minuten, also trotz der gröſseren Chargen in kürzerer Zeit. Dies
lag zum Teil in der besseren Disposition der Anlage. Während bei
Bessemer Schmelzofen und Konverter sich auf einer Sohle befanden,
so daſs das Roheisen mit der Guſspfanne zum Einfüllen gehoben
werden muſste, stand in dem Atlaswerk von Brown der Flammofen
so hoch, daſs das geschmolzene Eisen direkt in die Birne abgestochen
werden konnte. Ersteres erforderte fünf Minuten, während letzteres
in drei Minuten beendet war.


Nach Bessemers Angaben muſsten für jede Tonne Eisen
20 Kubikmeter Luft eingeleitet werden.


Die Auskleidung des eisernen Konverters mit einem feuerfesten
Futter war für die Praxis eine sehr wichtige Sache. Bessemer hatte
den in der Nähe von Sheffield vorkommenden Sandstein, Ganister
genannt, als das geeignetste Material erkannt, das gemahlen, gebrannt,
zu Masse geformt mit Schablonen eingestampft wurde.


Über die chemischen Vorgänge bei dem Bessemerprozeſs herrschten
noch unklare und zum Teil widersprechende Ansichten. So war
Bessemer noch der Meinung, daſs der Zusatz von geschmolzenem
Spiegeleisen nach der Entkohlung nur durch einen Siliciumgehalt
vorteilhaft wirke, weil dieser die Blasenbildung verhindere. Tunner
dagegen erklärte mit Recht den Spiegeleisenzusatz nur wegen des
Kohlenstoffgehaltes für notwendig. Allerdings wies er auch auf die
Wichtigkeit des Siliciumgehaltes des Roheisens für den Frischprozeſs
hin, indem er die Analogie des Vorgangs mit dem Puddelprozeſs betonte.
Deshalb sei für weiches Bessemereisen ein siliciumreiches Roheisen
erforderlich, während für Bessemerstahl (bei der schwedischen Methode)
ein siliciumärmeres Roheisen besser sei, weil sonst das Silicium im
[134]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Moment der Unterbrechung bei teilweiser Entkohlung noch nicht ge-
nügend abgeschieden sei, wodurch die Qualität des Stahls beeinträchtigt
werde. Man glaubte damals noch irrigerweise, daſs die Oxydation des
Siliciums und des Kohlenstoffs gleichzeitig erfolge. Als einen bedeu-
tenden Mangel des Verfahrens bezeichnete Tunner noch die Unsicher-
heit in der Herstellung des Produktes, dessen Qualität man erst nach
Beendigung des Prozesses beurteilen konnte. Es war nahezu un-
möglich, eine bestimmte Sorte zu erzeugen.


John Browns Atlaswerke waren damals die Musteranstalt und
dies erstreckte sich auch auf die Verarbeitung der Blöcke, die meistens
zu Schienen und schweren Kesselblechen verwendet wurden. Jeder
Block (ingot) für eine Eisenbahnschiene erhielt zuerst zwei Glüh-
hitzen, um erst flach, dann in Gesenken verschmiedet zu werden. In
weiteren zwei Glühhitzen und in zwölf Kalibern erfolgte das Aus-
walzen zum fertigen Rail. Man blies drei Chargen den Tag, am
Morgen, am Mittag und am Abend je eine. Mehr konnte man nicht
machen, weil die Flammöfen nicht mehr Roheisen schmelzen konnten.


Nach dem Muster der Atlaswerke (John Brown) wurde auch die
erste deutsche Bessemeranlage, die von Friedrich Krupp in Essen,
1861 erbaut.


1862 errichteten Jackson, Petin und Gaudet zu Assailly eine
Bessemeranlage mit Birnen von 5 bis 6 Tonnen (100 bis 120 Centner)
Einsatz 1).


Bessemer hatte damals schon bedeutende Einkünfte aus seiner
Erfindung. Die schwedischen Gewerke zahlten ihm für jeden Centner
Stahl 1 Franc.


Die Londoner Ausstellung vom Jahre 1862 bewirkte den Sieg
des Bessemerverfahrens in der öffentlichen Meinung. Dieser Erfolg
machte sich rasch und an vielen Orten geltend.


In England waren die Versuche mit Schienen aus Bessemerstahl,
welche die London- und North-Westernbahn 1862 angestellt hatte, so
gut ausgefallen, daſs die Gesellschaft von Bessemer das Recht der
Ausnutzung des Patentes erwarb und 1863 in Crewe eine eigene
Bessemeranlage errichtete.


Die Versuche, die 1862 auf dem Londoner Bahnhofe angestellt
worden waren, hatten eine fünffache Dauer der Bessemerschienen
gegen Eisenschienen ergeben.


[135]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

1863 wurden Bessemerschienen bereits vielfach verwendet, wodurch
das Bessemern einen groſsen Aufschwung nahm. In diesem Jahr
wurde der Prozeſs auf den Cyclopswerken in Sheffield eingeführt.


In Frankreich wurden 1863 Bessemeranlagen zu Creuzot und
Rive-de-Gier errichtet.


In Österreich hatte Tunners Aufforderung im Jahre 1861 keinen
unmittelbaren Erfolg gehabt, obgleich der Verein der österreichischen
Eisenindustriellen sich dafür bemühte. Nach der Londoner Aus-
stellung brachten aber Tunners fortgesetzte Anregungen es dahin,
daſs Fürst Schwarzenberg sich bereit erklärte, den Prozeſs auf
einem seiner Werke ausführen zu lassen, und Turrach in Steiermark
dafür bestimmte. Direktor Korzinek in Murau leitete nach Tunners
Angaben die Ausführung. Man entschloſs sich zu dem englischen
Verfahren und stellte eine bewegliche Birne auf, die für Chargen von
25 Centner bestimmt war. Zur Winderzeugung diente ein Schieber-
gebläse von Scholz in Wien, das Wind von 11 bis 12 Pfund Pressung
lieferte. Am 23. November 1863 wurden die beiden ersten Probechargen
unter Tunners Leitung erblasen. Die Blasezeit betrug 12 bis
18 Minuten. Man erhielt einen reinen, ziemlich harten Stahl, den
ersten Bessemerstahl Österreichs.


In Preuſsen trat Dr. H. Wedding ähnlich wie Tunner in Öster-
reich für die Einführung des Bessemerverfahrens ein, dessen Lebens-
fähigkeit für Rheinland und Westfalen und zwar besonders für Roh-
eisen aus Erzen von Siegen, Nassau und dem Soonwald er rechnungs-
mäſsig nachwies 1). Er empfahl das englische Verfahren mit Konvertern
für 30 Centner. Als Ersatz für Ganister schlug er den sehr feuerfesten
Sandstein von Marienberghausen vor. Nach seinen Angaben kostete
die Anlage mit zwei englischen Konvertern 36730 Thlr., während eine
entsprechende Anlage nach schwedischem System sich auf 20600 Thlr.
berechnete. Die Anlage der Atlaswerke in Sheffield hatte 42000 Thlr.
gekostet. — Wedding glaubte, daſs man nur graues Roheisen im
Konverter mit Vorteil verwenden könne, und daſs Kupolöfen zum Um-
schmelzen sich nicht eigneten, weil das Roheisen in denselben nicht
gereinigt, sondern eher verunreinigt würde.


Die Hermannshütte zu Hörde war auſser Krupp die erste Hütte
in Westfalen, welche ein Bessemerwerk anlegte, und dies geschah im
Jahre 1863 nach Dr. H. Weddings Vorschlägen. John Browns
Anlage in Sheffield diente als Vorbild.


[136]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Nach Weddings Mitteilungen 1) war der Bessemerprozeſs 1863
in folgenden Werken in Betrieb oder in Einführung begriffen.


In England in Bessemers Stahlwerk, in den Atlaswerken (John
Brown
) und in den Cyclops-Werken (C. Cammel) in Sheffield, ferner
in den Weardale-Werken in Durham.


In Schweden zu Edsken in Gestrickland, zu Kloster (Långs-
hyttan), zu Siljanfors in Dalekarlien, zu Carlsdahlwerke in Nerike, ferner
geplant zu Säfvenäs, Westanforss, Svabenswerk, Schiſshyttan und
Gebansvind.


In Frankreich bei James Jackson Son \& Co. zu Seurin sur
l’Isle und zu Aſsailly, in Ausführung bei Schneider \& Co. zu
Creuzot, bei Petin, Gaudet \& Co. zu Rive de Gier, auſserdem
geplant zu Münsterhausel an der Mosel und zu Imphy.


In Deutschland in Ausübung bei Friedrich Krupp in Essen,
im Bau in Hörde, geplant von Jacoby, Haniel \& Huyssen in
Oberhausen.


In Österreich in Ausführung in Turrach.


In Italien projektiert für Toskana.


In Ostindien im Betrieb zu Porto Novo bei Beypur (Madras).


Im Jahre 1864 wurden in England die groſsen Anlagen in
Dowlais und Barrow erbaut.


Im Herbst 1864 waren bereits elf Werke mit 36 Frischbirnen
in England im Betriebe 2): H. Bessemer in Sheffield (2 Birnen),
John Brown, Atlas-Works (3 Birnen), Lloyd \& Forster in
Wednesbury bei Birmingham (3 Birnen), London \& North-Western
Railway-Company in Crewe bei Manchester (2 Birnen), Bolton bei
Manchester auf den Werken der Lancashire-Comp. (2 Birnen), Atlas-
Works von Bowan \& Co. in Glasgow (2 Birnen), Tudhoe bei Durham
auf dem Werke der Weardale Comp. (2 Birnen), Gorton bei Man-
chester (2 Birnen), zu Dowlais (2 Birnen im Betrieb und 2 im Bau),
Victoriawerke bei Ebbw-Vale (2 Birnen im Betrieb und 2 im Bau),
zu Barrow (mit 10 zum Teil im Betrieb stehenden Konvertern).
Die neuen Birnen waren alle für 5 Tonnen Einsatz konstruiert, John
Brown
war im Begriff, 2 für 10 Tonnen aufzustellen.


In Schweden und in Frankreich wurden Bessemeröfen auf den
obengenannten Werken betrieben, auſserdem noch in Frankreich zu
Niederbronn von Gebr. v. Dietrich.


[137]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

In Belgien war das Verfahren mit gutem Erfolg zu Seraing ein-
geführt worden.


In Deutschland waren neue Anlagen entstanden zu Bochum in
Westfalen und zu Gemünd an der Eifel (zwei Konverter); in Vor-
bereitung waren solche in Oberhausen, Oberbilk bei Düsseldorf und
zu Königshütte in Oberschlesien.


In Österreich wurde in diesem Jahre die zweite Bessemeranlage
erbaut und zwar in der Heft in Kärnten von der Kompagnie Rauscher.
Diese Anlage bietet dadurch ein besonderes Interesse dar, als man
gleichzeitig einen stehenden, schwedischen Ofen und eine bewegliche
englische Birne aufstellte. Da die Eisenindustrie der österreichischen
Alpenländer mit der schwedischen vieles Verwandte hatte, besonders
da beide auf dem Holzkohlenbetrieb begründet waren, so herrschte
ein günstiges Vorurteil für das schwedische Verfahren. Der schwedische
Ofen wurde dann auch zuerst fertiggestellt und in demselben am
4. Juni 1864 unter Tunners Leitung die erste Charge geblasen. Es
wurden 25 Centner graues Roheisen direkt vom Hochofen genommen
und vom Moment des Eingieſsens bis zum Abstich in 18 Minuten zu
einem sehr guten und flüssigen Stahl verblasen. Als Gebläse diente
ein Schiebergebläse von Leyser \& Stiehler in Wien, deren Kon-
struktion sich bereits in Sheffield bei John Brown bewährt hatte.
Die Fabrikanten hatten 4000 Kubikfuſs Wind pro Minute von 18 [Pfund]
Pressung pro Quadratzoll garantiert. Die angewendete Pressung blieb
in der Heft meist unter 10½ Pfund auf den Quadratzoll. Die mit
dem Produkt sogleich vorgenommenen Schmiede- und Schweiſsproben
entsprachen vollkommen. Direktor Frey von Prävali machte auf
diesem Werk eingehende Proben mit diesem ersten, nach schwedischer
Methode in Österreich erblasenen Bessemerstahl und sprach sich sehr
günstig über denselben aus. „Alle Sorten des Bessemerstahls“, sagte
er, „die harten wie die weichen, besitzen bei gleichem Härtegrad nicht
die Sprödigkeit von Stahl von anderer Erzeugungsart und sind dabei
ebenso bieg- und dehnbar wie Eisen; sie besitzen also die Eigen-
schaften des Stahls, ohne die des Eisens zu entbehren. Das specifische
Gewicht ist sehr groſs, was auf groſse Reinheit hinweist; die Zer-
reiſsungsproben ergaben sehr günstige Resultate.“ Der Bessemerstahl
zeigte fast die doppelte Zerreiſsungsfähigkeit wie bestes Schmiede-
eisen. Der Preis stellte sich 60 Prozent unter dem von gewöhn-
lichem Guſsstahl. Da die Hütte in der Heft kein Walzwerk besaſs,
so übernahm das Eisenwerk Storé die rohen Guſsblöcke, die es
unter Hämmern und Walzen zu fertigem Eisen, wie Blech, Stäbe,
[138]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Winkeleisen, Nieten, Bandeisen, Draht u. s. w., von vorzüglicher Qualität
verarbeitete 1).


Bald nach dem schwedischen Ofen kam auch der englische
Konverter in Betrieb, der ebenfalls ein sehr gutes Produkt lieferte.


In Hörde wurden 1864 täglich drei Chargen von 70 bis 80 Centner
in 25 bis 30 Minuten verblasen, welche an 200 Centner Stahl ergaben.
Für 10 Centner Bessemerstahlschienen wurden damals 70 Thlr.
bezahlt, während Puddelstahlschienen 52 Thlr. und Eisenschienen nur
33 Thlr. kosteten. Der höhere Preis der Bessemerschienen wurde
aber durch ihr geringes Gewicht und ihre längere Dauer reichlich
ausgeglichen.


In Ruſsland war der Bessemerprozeſs 1864 auf Befehl des Generals
A. v. Jossa, Chefs des uralischen Berg- und Hüttenwesens auf dem
Kronshüttenwerk Wottinsk an der Kama, im Gouvernement Wiâtka,
eingeführt worden. Nachdem man erst mit einem kleinen Ofen von
einer Tonne Einsatz angefangen hatte, baute man 1864 einen
gröſseren für Chargen von 3 Tonnen. Das vorzügliche graue Roh-
eisen aus reinen Magneteisensteinen mit Holzkohlen erblasen, ergab
einen vortrefflichen Stahl, der sich namentlich für Geschütze sehr
bewährte.


Die günstigen Erfolge zu Turrach und in der Heft veranlaſsten
1864 den Kaiser von Österreich, in Übereinstimmung mit der Reichs-
vertretung die Mittel zu bewilligen, um auf dem Staatseisenwerk zu
Neuberg in Steiermark ein gröſseres Bessemerwerk, besonders für
Eisenbahnbedarf zu erbauen. Die Ausführung erfolgte noch in der
zweiten Hälfte des Jahres, so daſs schon Anfang Februar 1865 die
Bessemerversuche in Neuberg begonnen werden konnten.


Gleichzeitig hatte die k. k. Südbahngesellschaft auf Anregung
ihres rührigen Walzwerkdirektors J. Hall und nach dem Vorbilde
der englischen Nord-Westbahn-Gesellschaft beschlossen, für ihren
eigenen Bedarf, namentlich an Schienen, ein Bessemerwerk in Anschluſs
an ihr Walzwerk in Graz zu erbauen. Dieses neue Werk kam schon
Mitte Dezember in Betrieb.


Ehe wir die weiteren bedeutenden Fortschritte der Bessemer-
fabrikation in dem Jahre 1865 betrachten, müssen wir einen Rückblick
werten auf die technischen Fortschritte und das wissenschaftliche
Verständnis in den letzten Jahren.


[139]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Den äuſseren Verlauf des Bessemerfrischens hatten sowohl der
Erfinder in seinen Vorträgen 1), als auch andere Schriftsteller ge-
schildert.


Mit besonderer Klarheit geschah dies von H. Wedding in seiner
Abhandlung von 1863 2). Er bemerkt darin, daſs man bei dem
schwedischen Verfahren zwei, bei dem englischen drei Perioden unter-
scheide. Die erste, die Fein- oder schlackenbildende, Periode
dauere in der Regel 4 bis 6 Minuten. Es oxydiert dabei hauptsächlich
Eisen(Mangan) und Silicium, wodurch nach Gruners Berechnung eine so
starke Erwärmung der Masse stattfindet, daſs selbst Stabeisen flüssig
bleibt. Ein Siliciumgehalt von 1 bis 2 Prozent ist deshalb sowohl zur
Wärme- als zur Schlackenbildung vorteilhaft. Graphit geht in
chemisch gebundenen Kohlenstoff über.


Hierauf folgt die zweite, die Koch-Stahlbildungs- oder
Eruptionsperiode. Bei dieser findet hauptsächlich die Oxydation
des Kohlenstoffs statt, wobei durch die Bildung des Kohlenoxydgases,
welches entweicht, Wärme gebunden wird. Sie dauert meist 6 bis
8 Minuten.


Sodann beginnt die dritte, die Frischperiode, in welcher der
Rest des Kohlenstoffs oxydiert und der Stahl in übergares (ver-
branntes) grobkrystallinisches Eisen übergeführt wird. Durch Zufügen
von geschmolzenem reinen Spiegeleisen wird dieses wieder gekohlt
und ein weicheres oder härteres Produkt (Stahl) erzeugt.


Bei dem schwedischen Verfahren unterbrach man den Prozeſs
1 bis 2 Minuten nach der Beendigung des Kochens, ehe der Kohlen-
stoff völlig verbrannt war. Ein Nachsatz von Spiegeleisen fand deshalb
hier nicht statt; das abgestochene Produkt enthielt noch mehr oder
weniger Kohlenstoff, je nachdem man härteren oder weicheren Stahl
erzeugen wollte.


Die drei Perioden des Bessemerprozesses sind charakterisiert durch
die Flammenerscheinungen. In der ersten Periode ist diese dem Halse
der Birne entströmende Flamme schwach leuchtend, rötlichbraun bis
gelblich, dabei werden ziemlich viele rauschende und strahlende Funken
von verbrennendem Eisen ausgeworfen. In der zweiten Periode findet
unter heftigem Aufkochen eine starke Kohlenoxydgasentwickelung statt
bei starker, hellleuchtender Flamme unterbrochen durch Explosionen,
[140]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
durch welche flüssige Massen, hauptsächlich Schlacke, aus dem Hals
der Birne geschleudert werden, während der Funkenregen von ver-
brennendem Eisen nachläſst. Die Flamme nimmt dabei eine blaue
Färbung an.


In der dritten Periode läſst das Leuchten der Flamme nach, sie
wird durchsichtig, blauviolett, von grünen und blauen Streifen unter-
brochen; der Eisenfunkenregen nimmt wieder zu.


Diese Flammenerscheinungen treten im allgemeinen beim Bessemer-
prozeſs in gleicher Weise auf, im einzelnen ist die Färbung der Flamme
nach der Natur und chemischen Zusammensetzung des Roheisens aller-
dings oft recht abweichend. Die Beobachtung der Flamme ist aber trotz-
dem das wichtigste Mittel zur Beurteilung des Verlaufs des Prozesses,
insbesondere der Abscheidung des Kohlenstoffs. — Schöpfproben kann
man kaum benutzen, denn um sie zu nehmen, muſs man die Birne
umkippen und den Wind abstellen, also den Prozeſs unterbrechen,
und wenn man sie hat, dauert es zu lange, um aus ihrer Unter-
suchung einen Schluſs auf den gegenwärtigen Prozeſs zu ziehen, da
dieser viel zu rasch beendet ist. Hierzu sind Spieſsproben, die
Tunner 1863 vorschlug, schon besser geeignet, aber auch sie fanden
wegen der Schwierigkeit des Probenehmens damals noch keine An-
wendung. Dagegen fand man in der neuentdeckten Spektral-
analyse
ein wichtiges Mittel, die Verbrennung und das Verschwinden
des Kohlenstoffs in der Bessemerflamme genauer beobachten zu
können.


1860 hatten Kirchhoff und Bunsen die Übereinstimmung von
Fraunhoferschen Linien im Sonnenspektrum mit den Linien im
Spektrum einiger chemischer Elemente nachgewiesen. Dies führte sie
zur Ermittelung der Spektren aller wichtigen Elemente im gasförmigen
Zustand und daraus entsprang die Entdeckung der Spektralanalyse,
eine der geistreichsten und wichtigsten Erfindungen dieses Jahr-
hunderts.


1862 schlug William Bagge in Sheffield die Spektrolyse als
Mittel zur Betrachtung der Vorgänge in der Bessemerflamme vor und
Professor Roscoe, ein Schüler und Freund Bunsens, unternahm es
noch in demselben Jahre, Versuche auf dem Atlaswerk von Brown
anzustellen.


Im Jahre 1863 konnte er schon in der philosophischen Gesell-
schaft in Manchester mitteilen, daſs das Spektrum der Bessemerflamme
hinreichend charakteristisch sei, um durch dasselbe den Prozeſs zu
beobachten, und 1864 verkündete er in der Royal Institution in
[141]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
London, dass die Anwendung des Spektroskops zur Bestimmung des
richtigen Punktes der Entkohlung bei John Brown in Sheffield
praktisch eingeführt sei 1).


Weniger sorgfältig waren bis zum Jahre 1865 noch die chemischen
Vorgänge in den verschiedenen Perioden des Bessemerprozesses er-
forscht worden.


Ullgren in Schweden hatte Analysen der Hochofenbeschickung
für Bessemereisen in Edsken und des daraus erblasenen Roheisens
gemacht, die Grill in seinem Berichte von 1861 veröffentlichte.
Ebenso hatte Boman Analysen schwedischer Bessemerroheisensorten
mitgeteilt 2).


Abel in Woolwich analysierte das ganz entkohlte Produkt, über
dessen chemische Reinheit er erstaunt war. Percy veröffentlichte
Analysen von Tookey von Roheisen und dem daraus erhaltenen
Bessemereisen, aus denen hervorging, daſs Schwefel und Phosphor
nicht abgeschieden wurden 3). An einer analytischen Untersuchung
der Vorgänge während des Prozesses fehlte es noch gänzlich.


Über das erhaltene Produkt waren die Ansichten verschieden,
während man das gute Material in Schweden anstandslos als Stahl
bezeichnete und als solchen behandelte, erkannte man es in England
nicht als solchen an, man erklärte es vielmehr für ein kohlenstoff-
reiches, sehr hartes Schmiedeeisen von gleichmäſsiger Struktur, aber
geringer Elastizität, welches kaum eine brauchbare Härte annähme.
John Brown und selbst Bessemer teilten diese Ansicht, letzterer
nannte es daher Homogeneisen. Dagegen hatte das zu Turrach und
in der Heft erzeugte Material ebenfalls wirklichen Stahlcharakter.


Der gröſste Mangel des Bessemerprozesses bestand entschieden
darin, daſs man aus schwefel- und phosphorhaltigem Roheisen kein
brauchbares Produkt erhielt. Da aber die meisten Roheisensorten, in
England wie auch in Frankreich, Deutschland und Belgien, Schwefel
und Phosphor enthielten, so war der Prozeſs auf den gröſsten Teil
des Roheisens nicht anwendbar. Percy, der aus diesem Grunde
selbst im Jahre 1864 noch keine groſse Hoffnung auf die Zukunft des
Bessemerprozesses setzte, sagte in seiner Metallurgie des Eisens:
„Damit das Bessemerverfahren für unser Land allgemein brauchbar
werde, muſs erst eine Methode erfunden werden, Roheisen frei von
Schwefel und Phosphor aus unseren Erzen und den gebräuchlichen Brenn-
[142]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
stoffen herzustellen. Es mag das ein schwieriges Problem sein, aber
es ist kein hoffnungsloses.“


Der Weg, ein solches schwefel- und phosphorfreies Roheisen
schon im Hochofen zu erzeugen, wurde aber nur insofern mit Erfolg
betreten, als man reine Erze zu verschmelzen suchte und solche auf
dem Seeweg von Schweden, Spanien, Nordafrika, Nordamerika u. s. w.
bezog. Die meisten Anstrengungen blieben aber darauf gerichtet, den
Schwefel und Phosphor im Roheisen bei dem Frischprozeſs zu ent-
fernen. Bessemers mannigfache Bemühungen in dieser Richtung

Figure 92. Fig. 92.


hatten zu keinem Erfolg geführt,
demungeachtet setzte er sie fort.


Robert Mushet glaubte seit
1859 in dem Titan ein Heilmittel für
alle Schäden, auch die des Bessemer-
eisens, gefunden zu haben, ohne
sich um dessen chemische Wirkung
weiter zu kümmern. Ein groſser
Teil der vielen Patente für die
Verwendung von Titan zur Stahl-
bereitung, die er in den folgenden Jahren nahm, beziehen sich auch
auf den Bessemerstahl 1).


Einen anderen Weg schlug George Parry zu Ebbw-Vale ein. Er
schmolz das aus phosphorhaltigen Erzen gepuddelte und von Phosphor

Figure 93. Fig. 93.


ziemlich gereinigte Schmiedeeisen in einem Kupolofen mit horizontalen
und geneigten Düsen (Umwandlungsofen), Fig. 92, bei hoher Tempe-
ratur um und stach das so erzeugte Roheisen in einen mit Gasgenerator
verbundenen Konverter, Fig. 93, ab, wo es zu Stahl verblasen wurde.
[143]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Für dieses Verfahren, welches in Südwales zur Ausführung kam, erhielt
Parry am 18. November 1861 ein Patent (E. P. Nr. 2900).


J. M. Rowan erhielt am 13. Januar 1862 ein Patent auf ein Ver-
fahren, die Unreinigkeiten im Roheisen, Schwefel, Phosphor und Kiesel
(„silica“), durch Einblasen von Chlor oder Fluorwasserstoffsäure mit
dem Wind in die Bessemerbirne zu entfernen. Von einem praktischen
Erfolg dieses Verfahrens ist nichts bekannt geworden. Dasselbe gilt
von dem nachfolgenden Vorschlag.


F. Yates nahm für Gurlt („A communication from Adolph
Gurlt
“) am 17. Dezember 1864 ein Patent auf die Entschweflung
durch Einrühren von Blei oder Bleioxyd in das flüssige Roheisen und
auf Entphosphorung durch Schmelzen der phosphorhaltigen Erze mit
einem Überschuſs von Kieselerde. Dadurch sollte der Phosphor in
einen „amorphen Zustand“ übergeführt werden, in dem er beim
Frischen und Bessemern leicht abgeschieden werde.


John Ramsbottom wollte Schwefel und Phosphor durch Ein-
blasen von Kohlenwasserstoff mit dem Wind (im Verhältnis von 1 : 30)
entfernen und erhielt darauf am 12. Dezember 1864 ein Patent.


Bessemer selbst hatte in diesem Zeitraum ebenfalls wieder
mehrere Patente für Verbesserungen seines Prozesses genommen, die
wir kurz betrachten müssen.


Das Patent vom 8. Januar 1862 bezieht sich auſser den früher
schon erwähnten Verbesserungen an den Winddüsen und dem Boden
der Birne auch auf eine selbstthätige Windklappe, die den Zutritt des
Windes beim Kippen regelt und die einige Jahre hindurch auf vielen
englischen Werken angewendet wurde. Das Patent sieht auch horizon-
tale Windformen mit gröſseren Öffnungen vor, die in einzelnen Fällen
den Vorzug verdienen sollen.


Bessemer schlug vor, hydraulische Pressen auch für die
Verarbeitung der Guſsblöcke zu verwenden und die gepreſsten
Blöcke dann mit hydraulischen Scheren in entsprechende Stücke
zur weiteren Verarbeitung zu zerschneiden. In dem hierauf bezüg-
lichen Patente vom 13. Januar 1863 wird ferner für sehr schwere
Güsse ein stehender Ofen von besonderer Konstruktion angegeben.
Auch bei diesem soll der Wind durch Düsen von unten eintreten,
jede Düse soll aber durch einen beweglichen Pfropfen als Ventil
verschlossen sein, so daſs der Wind abgestellt werden könnte,
ohne daſs das flüssige Metall in die Düsen eindringt. Auch schlägt
Bessemer vor, die Konverter horizontal zu teilen, so daſs der
obere Teil als Haube von dem Boden mit dem flüssigen Inhalt
[144]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
abgehoben werden könne. Der mit dem Boden verbundene Wind-
kasten soll mit Rädern versehen werden, so daſs der Boden, sobald
er schadhaft wird, weggefahren und ein neuer an seine Stelle gebracht
werden kann. Will man dem Roheisen eine andere Beimischung
geben, so soll dies in der Guſspfanne geschehen, in welche ein Rühr-
werk eingetaucht werden kann. Der Zusatz von Spiegeleisen oder
einer entsprechenden Legierung soll genau nach dem Gewicht geschehen.
Zu dem Zwecke sind die Guſspfanne und die Zusatzpfanne mit Wiege-
vorrichtungen versehen, so daſs man nach der Ermittelung des
Gewichtes des entkohlten Metalls den erforderlichen Spiegeleisenzusatz
genau bemessen kann.


Mushet schlug dagegen vor, die Mischung mit Hülfe von zwei
Konvertern vorzunehmen, von denen der eine in den andern ausgieſst,
wodurch letzterer zugleich ohne Kosten vorgewärmt wird (Patent vom
26. März 1863), oder er lieſs die beiden flüssigen Metalle, die ver-
mischt werden sollen, gleichzeitig in Strahlen in die Guſspfanne ein-
flieſsen und rührte dann noch mit Holzstangen um (Patent vom
26. Juni 1863). Um billigeren Stahl zu erzeugen, setzt Mushet
auſser Spiegeleisen auch noch schwedisches oder anderes Holzkohlen-
oder Hämatitroheisen zu. Guſsstahl will er erhalten durch Mischen
von entkohltem Bessemereisen mit flüssigem gefeinten Roheisen
(100 20 bis 50).


Von gröſserer Bedeutung war ein Patent von E. Vickers vom
28. August 1863, in welchem dem Gedanken Ausdruck gegeben war,
die Homogenität des Stahls dadurch zu erhöhen, daſs man das flüssige
Metall vor dem Vergieſsen erst noch in ein anderes Gefäſs oder einen
Ofen leitet und dort einer Glühhitze aussetzt, „bis die Umwandlung
vollendet ist“, worauf man beim Vergieſsen eine dichte, feste, blasen-
und löcherfreie Masse erhalte. Diese Erfahrung ist in der Folge
vielfach benutzt worden.


Am 5. November 1863 nahm Bessemer zwei neue Patente. Von
diesen bezieht sich das erste auf die Fabrikation von Bessemerschienen
und lehrt die Vernutzung alter Schienen bei der Fabrikation, indem
man dieselben einfach in Stücke geschnitten und vorgewärmt in das
heiſse Metallbad einwirft und dann wie sonst bläst. Das zweite Patent
knüpft hieran an, indem eine Verbilligung des Verfahrens dadurch
erzielt werden soll, daſs man nur einen Teil des Roheisens im
Flammofen einschmelzt, die übrigen Stücke aber nur vorgewärmt in
das Bad im Konverter einwirft. Zum Einwerfen kann man auch aus
geringerem Roheisen hergestelltes Feineisen verwenden. Der Vor-
[145]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
wärmeherd soll mit dem Schmelzofen verbunden sein und auf Rädern
stehen, so daſs der Ofen mit dem Einsatz dicht an den Konverter
herangefahren und in ihn entleert werden kann. Statt Roh- oder
Feineisen kann man auch Puddeleisen auf diese Weise nachsetzen.


Ferner wird in diesem Patent vorgeschlagen, das Glühen oder
das Glühen und teilweise Einschmelzen in dem Konverter selbst
vorzunehmen, was in geneigter Stellung mit Koks geschehen soll.
Auch kann das Erhitzen und Schmelzen mit Hülfe zugeleiteter brenn-
barer Gase, wozu die Gichtgase der Hochöfen verwendbar seien, vor-
genommen werden.


Am 2. Juni 1864 nahm der Deutsche Oskar E. Prieger aus
Bonn sein englisches Patent auf die Herstellung des Ferromangans,
jener manganreichen Eisenlegierung, die bestimmt war, zur Stahlver-
besserung zu dienen, und später vielfach dazu verwendet wurde, um
das Spiegeleisen, das nicht immer und überall zu haben war, zu
ersetzen. Zur Herstellung mischte er feingepulvertes Manganerz mit
Holzkohlenpulver und schmolz dies unter Zusatz von Eisenstückchen
in Graphittiegeln. Prieger gab an, daſs die Legierung 60, ja selbst
80 Prozent Mangan enthalten könne und dabei noch durchaus
homogen sei.


Das schon von Vickers im vorhergehenden Jahre patentierte
Verfahren, blasenfreie Stahlgüsse dadurch zu erlangen, daſs man das
flüssige Metall in einem besonderen Ofen längere Zeit in flüssigem
Zustande erhitzte, wurde am 2. November 1864 E. L. S. Benzon
(nach einer Mitteilung von A. Lohage) von neuem patentiert. Das
Metall soll dabei nach Angabe des Erfinders unter einer neutralen
Schlackendecke überschmolzen oder überhitzt werden, wodurch es
dünnflüssig und ganz gleichförmig werde.


Seit 1864 machte das Bessemerverfahren von Jahr zu Jahr
gröſsere und raschere Fortschritte. Die Überlegenheit des englischen
Konverterverfahrens machte sich dabei immer mehr geltend. Trotzdem
Tunner das schwedische Verfahren für die österreichischen Alpen-
länder empfohlen hatte, wurden doch die beiden Anfang 1865 in
Betrieb gesetzten Bessemerwerke zu Graz und zu Neuberg ganz nach
englischem Muster erbaut. Das letztgenannte Staatswerk, welches
gleichfalls unter Tunners Patenschaft am 9. Februar 1865 den
Betrieb eröffnet hatte, wurde die Lehr- und Musteranstalt für die
nachfolgenden österreichischen Werke, von denen die Bessemerhütten
zu Judenburg in Steiermark, Prävali in Kärnten, Witkowitz in
Mähren und Anina im Banat noch 1865 vollendet wurden.


Beck, Geschichte des Eisens. 10
[146]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Die Einführung des Bessemerverfahrens auf der Königshütte in
Schlesien bietet deshalb besonderes Interesse dar, weil hier nur unreine,
besonders auch phosphorhaltige Roheisensorten zur Verfügung standen,
die Schwierigkeiten von vornherein also viel gröſser waren. Das
Bessemerwerk daselbst war im Herbst 1864 nach Skizzen von Wedding
erbaut worden und kam am 26. Januar 1865 in Betrieb. Bei den Probe-
frischen verwendete man Cumberländer Roheisen. Bergrat Ulrich
leitete die Versuche. Da das gewöhnliche Königshütter Roheisen wegen
seines Phosphorgehaltes ein unbrauchbares Produkt ergab, versuchte
man erst Parrys Verfahren. Doch erhielt man mit Schmiedeeisen-
abfällen, die man im Kupolofen umschmolz, ebenfalls kein gutes Resultat.
Dasselbe wurde etwas besser, als man das Roheisen zu Feinkorneisen
verpuddelte und dieses im Kupolofen wieder zu grauem Roheisen
umschmolz. Der Gehalt des Roheisens an Phosphor betrug 0,497, er
verminderte sich beim Puddeln bis zum Eintritt der Kochperiode auf
0,298 und betrug am Ende noch 0,100 Prozent. Die Herstellungs-
kosten wurden aber dadurch zu hoch. Dieses Kupolofenroheisen war
teurer als bestes englisches Hämatit-Bessemereisen auf der Hütte.
Auſserdem enthielt dieses Parry-Roheisen zu wenig Silicium. Ein
1865 von Emil Andre gemachter Vorschlag, den Konverter mit ge-
branntem Kalk oder Dolomit unter Zusatz von etwas Thon aus-
zustampfen, wurde von der Oberbehörde als zu bedenklich abgelehnt.
Nach vielen Versuchen kam man erst in den folgenden Jahren dadurch
zu günstigeren Ergebnissen, daſs es gelang, eine geeignetere Möllerung
für den Hochofen auszumitteln, wodurch man ein phosphorärmeres
Roheisen erhielt. Dies wurde erreicht durch die Verwendung eines
zwar armen, aber manganhaltigen Zuschlagserzes, dem man vordem
seines geringen Eisengehaltes wegen keine Beachtung geschenkt hatte.


Über die technischen Fortschritte des Bessemerverfahrens im
Jahre 1865 liegt vor allem wieder ein gediegener Bericht von Tunner
vor. Er führt darin aus, daſs man in England von dem früher
üblichen Verfahren, die Birne nach dem Zusatz von Spiegeleisen auf-
zurichten und zur besseren Mischung nochmals durchzublasen, ab-
gekommen sei, da sich die Mischung hinreichend beim Ausgieſsen in
die Guſspfanne vollziehe; auch glaubte man hierdurch dichtere Güsse
zu erhalten. Von dem in England aufgekommenen Verfahren, Schrot,
Schmiedeeisenabfälle, Guſsschalen u. s. w. in die Birne zu werfen und
das flüssige Roheisen darüber laufen zu lassen, rät Tunner im
Interesse der Güte des Produktes ab, obgleich man auch in Schweden
(Lilianfors) dieses angefangen habe. In Neuberg erzielte man bessere,
[147]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
reinere Güsse dadurch, daſs man die flüssige Metallmasse erst eine
Zeit lang in der Birne stehen lieſs, ehe man ausgoſs. Das Anwärmen
der Konverter mit Gas war bei Krupp schon längere Zeit mit Erfolg
eingeführt. Die lästige Thatsache, daſs sich der Phosphor des Roh-
eisens durch den pneumatischen Prozeſs nicht abscheiden lieſs, wurde
so erklärt, daſs bei der ersten Periode der Schlackenbildung zwar der
Phosphor sich oxydiere und als Phosphorsäure in die Schlacke ginge,
daſs er aber, da die Schlacke im Ofen bleibe, durch die steigende
Temperatur namentlich in der dritten Periode wieder reduziert und
in das Eisen übergeführt würde. Deshalb hatte Wedding den
theoretisch wohl gerechtfertigten Vorschlag gemacht, den Prozeſs
nach der ersten Periode und vor Eintritt der Kochperiode zu unter-
brechen und die Schlacke zu entfernen und durch eingeschmolzene
phosphorfreie Schlacken zu ersetzen. Indessen erwiesen sich die
Schwierigkeiten der Ausführung dieses Vorschlags als zu groſs. Die
Erfahrung lehrte, daſs das Bessemermetall viel empfindlicher gegen
einen Phosphorgehalt des Roheisens ist, als nach anderen Methoden
gefrischtes Stabeisen. Man hielt im allgemeinen Roheisen mit 0,05 bis
0,06 Prozent Phosphor für unbrauchbar, doch war dies nicht absolut
richtig, denn in Neuberg ergab Roheisen von 0,1 und etwas mehr
Phosphor noch ein gutes Bessemermetall.


Das direkte Einleiten des flüssigen Roheisens aus dem Hochofen
in die Birne hatte sich nicht bewährt. Das Spiegeleisen zog Tunner
dem in England aufgekommenen Ferromangan vor. Siegener Spiegel-
eisen hatte das amerikanische Frankliniteisen und schwedisches Roh-
eisen als Kohlungsmittel verdrängt.


Die Vorteile des hydraulischen Kranenbetriebes mit Akkumula-
toren, der zuerst in Crewe eingeführt worden zu sein scheint, hatten
sich bei der neuen Anlage in Graz 1865 deutlich gezeigt. Dort ver-
wendete man einen Akkumulator für 30 Pferdekräfte, wovon 12 bis
15 für die Bewegung der beiden Kräne benutzt wurden. Die Arbeit
ging damit so rasch von statten, daſs von Beginn des Ausgieſsens in
die Guſspfanne bis zum fertigen Guſs der Ingots nur drei Minuten
verstrichen. Der ganze Prozeſs dauerte bei einer Charge von 70 Centner
nur 16 Minuten. Jeder Guſsblock von 6 Centner lieferte eine Schiene.
Zum Auswalzen dienten nur 5 Kaliber, aber 14 bis 16 Durchgänge,
der Abbrand betrug 15 Prozent, der Abfall 8¼ Prozent, so daſs sich
76¾ Prozent reine Blöcke ergaben.


Eine wichtige Verbesserung führte Schmidthammer 1865 in
Neuberg ein, indem er, statt die Böden in der Birne zu erneuern und
10*
[148]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
zu stampfen, auswechselbare Böden anfertigen lieſs und die ganzen
Böden wegnahm und durch neue ersetzte 1).


Zu Nischne-Tagilsk am Ural hatte man Konverter mit seitlicher
Windzuführung durch zwei geneigte Formen von 1⅝ Zoll Mündung.
Hierfür waren zwei eiserne Rohre mit in das Futter eingestampft. Diese
Einrichtung war bedeutend billiger als die kostspieligen Böden mit den
vielen engen Düsen. Tunner weist auch darauf hin, daſs bei dieser
Stellung der Formen leicht Spieſs- und Spanproben zu nehmen seien.
Im ganzen kann aber diese Konstruktion nur als ein Rückschritt zu
den anfänglichen Versuchsöfen Bessemers bezeichnet werden und
hat sich auf die Dauer nicht bewährt.


Tunner hält von dem von Wagner in Mariazell vorgeschlagenen
Zusatz von Blei in den Bessemerofen wegen der Flüchtigkeit desselben
nichts, er möchte eher das Eintragen von Bleiglätte, Braunstein und
Kochsalz auf den Boden der Gieſspfanne empfehlen.


Über die Verbesserungen des pneumatischen Prozesses in England
1864 entnehmen wir noch einiges einem Reisebericht von Emil Andre2).


John Brown in Sheffield stürzte die Birne nach erfolgtem Aus-
gieſsen nicht nur ganz um, sondern blies sie noch längere Zeit mit
Wind von 3 bis 4 Pfund Pressung aus. Nach ½ bis ¾ Stunden
wurden dann durch den Fuchs 4 bis 6 Eimer eines Breies aus Ganister
eingeschüttet und mit diesem das Futter geflickt. Diese Manipulation
war das einzige Geheimnis der langen Kampagnen der Birnen in
England, in denen man bis 50 Chargen mit demselben Futter machte.
Das Vorwärmen der Birnen geschah mit Gas besser als mit Koks.
Man bediente sich dafür eines auf Rädern laufenden Generators.


In Sheffield, Wednesbury und Crewe machten 2 Birnen in
12 Stunden 4 Chargen, in Glasgow 1 Birne 3 Chargen. Das Aus-
bringen an gutem Material betrug 70 bis 80 Prozent, die etwa
14 Prozent betragenden Eisenabfälle gingen zum Hochofen zurück.


Das Material für die englische Fabrikation war das Hämatitroh-
eisen; das der Lancashire Comp. enthielt 4,50 Silicium, 3,30 Graphit,
0,08 chemisch gebundenen Kohlenstoff, 0,04 Phosphor, 0,09 Schwefel
und 0,57 Mangan. Nach Bessemer betrug das zulässige Maximum
von Phosphor 0,2, das Minimum von Silicium 2 Prozent. Die Wind-
pressung hatte im Verhältnis der gröſseren Einsätze bedeutend
zugenommen, dementsprechend muſsten auch die Gebläsemaschinen
stärker sein. Während man bei den schwedischen Öfen mit 6 bis
[149]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
8 Pfund Pressung auskam, verlangten die Konverter 15 bis 20 Pfund
auf den Quadratzoll. Bei John Brown berechnete man auf 100 Pfund
Einsatz 495 Kubikfuſs Wind. Bei den Gebläsen war man ziemlich
allgemein zu kleinen Windklappen mit Kautschukringen an Stelle der
Deckelklappen übergegangen. Die Zahl der Düsen war verschieden.
In Glasgow hatte ein Konverter 7 Ferne mit 7 Öffnungen (Düsen), in
Crewe 12 Ferne mit 12 Öffnungen von ⅜ Zoll Durchmesser. Indessen
war man von der übergroſsen Anzahl von Düsen mehr abgekommen.
Die selbstthätige Windabsperrung war in England sehr verbreitet.


Zur Erzielung dichter Eingüsse half ein sehr einfaches Verfahren.
Sofort nach dem Eingieſsen legte man einen Blechdeckel auf die
flüssige Masse und stampfte rasch Formsand darüber, den man mit
einer 1 Zoll dicken Platte festkeilte. Am besten goſs man bis zur
halben Füllung mit vollem Strahl und lieſs dann langsam volllaufen.

Figure 94. Fig. 94.

Die Guſsblöcke wurden unter Dampfhämmern vorgeschmiedet.
J. Ramsbottom in Crewe hatte hierfür einen horizontalen Dampf-
hammer konstruiert, von dem Andre in seinem Reisebericht eine
Skizze (Fig. 94) mitgeteilt hat. Zum Ausheizen der Blöcke bediente
man sich in England bereits mehrfach Siemensscher Gasschweiſsöfen,
deren Einsatz sechs überschmiedete Blöcke betrug. Für Bleche goſs
man pyramidale Blöcke von 3 bis 4 Fuſs Höhe, und drei auf 9 Zoll
Seitenmaſse. Das Walzen des harten Bessemermetalls muſste lang-
samer geschehen als bei Puddeleisen und man lieſs sehr oft den Stahl
die Kaliber zweimal passieren. Die Jahresproduktion Englands im
Jahre 1865 wurde zu 630000 Centner angegeben.


Welche ausgezeichnete Dehnbarkeit der Bessemerstahl besaſs, zeigt
ein Beispiel von der Adolfshütte in Judenburg, wo man 1865 Fein-
[150]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
bleche walzte, von denen 1500 auf einen Zoll gingen, während man
Eisenblech nur 1000 bis 1200 Stück auf den Zoll walzen konnte.


Gute Bessemerstahlschienen übertreffen nach neueren Erfahrungen
Eisenbahnschienen an Dauer um das Zehnfache; bei Kettenbrücken
war die Tragfähigkeit die doppelte. Für Kanonen und im Schiffsbau
wurde Bessemerstahl in immer ausgedehnterem Maſse verwendet.
So machte man auch die Masten bereits vielfach aus Bessemerstahl-
blech. Die Festigkeit des Bessemerstahls von Hörde betrug 87 kg
pro Quadratmillimeter, die Festigkeit mittlerer Guſsstahlsorten zwischen
75 und 100 kg. Das specifische Gewicht des Bessemerstahls war 7,865,
während man sonst für Stahl 7,70 bis 7,85 annahm.


Tunner schlug, indem er die Wichtigkeit guter Sortierung
betonte, in diesem Jahre die Einteilung des Bessemermetalls nach
seinem Kohlengehalt in 7 Nummern vor, wovon Nr. 1 1,50, Nr. 2 1,25,
Nr. 3 1,0, Nr. 4 0,75, Nr. 5 0,5, Nr. 6 0,25, Nr. 7 0,05 Prozent Kohlen-
stoff enthalten sollte. Er will aber die Sortierung nicht nur nach
der Eggertzschen Probe, wie dies in Schweden geschah, vor-
genommen haben, sondern auch nach dem Bruchansehen und den
Härteproben. In Schweden unterschied man neun Sorten des Bessemer-
metalls nach dem Kohlenstoffgehalt.


Zum Schluſs erwähnen wir noch einige Erfindungen und Patente
aus dem Jahre 1865.


Christian P. Thal in Petersburg schlug einen abgeänderten
Bessemerapparat vor, der billigeren Betrieb und gleichförmigeres
Produkt ergeben sollte, durch seine Kompliziertheit aber unpraktisch
war 1).


Nyström in Gloucester bei Philadelphia (V. St.) änderte das
Bessemerverfahren in der Weise ab, daſs er den Wind unmittelbar
unter der Oberfläche des Metallbades eintreten lieſs. Dadurch wurde
der Prozeſs zwar sehr verlangsamt, aber angeblich ein reineres
Produkt erzeugt. Es sollte jede Art von Stahl oder Eisen wie
beim Puddelofen erzeugt werden können. Ein Erfolg ist nicht zu
verzeichnen.


W. Baker nahm am 7. Januar 1865 in England ein Patent, in
dem er metallisches Zink zur Reinigung des Eisens von Schwefel und
Phosphor vorschlug und zwar einen Zusatz von 10 bis 20 Pfund auf
die Tonne Eisen.


[151]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Robert Mushet schlug vor, die Reinigung des Eisens von
Schwefel und Phosphor beim Bessemern dadurch zu bewirken, daſs
man wiederholt reines Spiegeleisen zusetzt und dann wieder Luft durch-
bläst, bis das Metall genügend gereinigt ist (Patent vom 9. März 1865).
James Henderson wollte dies schon im Hochofen durch Zusatz
von Manganerzen, besonders aber durch Franklinit bewirken.


H. Bessemer nahm am 3. November ein neues Patent, dessen
Hauptzweck war, das Parrysche Verfahren, welches in Südwales
Eingang gefunden hatte, in den Bereich seiner Privilegien mit ein-
zubeziehen. Er erreichte dies dadurch, daſs er das Feinen oder
Puddeln in einem neuerfundenen oscillierenden Gaspuddelofen
vornahm. Es sei auch nicht nötig, das Metall in Luppen zu formen,
dagegen empfiehlt er, die gepuddelte Masse dadurch zu zängen und
die Schlacke auszupressen, daſs er sie zwischen wassergekühlte hori-
zontale Walzen durchgleiten läſst, wodurch sie zu Kuchen geformt
wird. Diese werden in einem Schachtofen mit Koks unter Zuleitung
von Kohlenoxydgas oder einem Gasflammofen wieder zu Roheisen
umgeschmolzen und dann mit etwas grauem Guſseisen vermischt in
der Birne verblasen.


Grill teilt mit, daſs Bessemer im Jahre 1865 aus seinen Patent-
gebühren wöchentlich schon 1000 £. bezog, welche Summe sich in
kurzem auf 3000 £. erhöhen dürfte.


Über die Fortschritte der Bessemerindustrie im Jahre 1866
liegen gute Berichte von Ulrich, Wiebmer und Dreſsler1), die in
diesem Jahre im Auftrag der preuſsischen Regierung England bereisten,
und von P. Tunner2) vor. Letzterer konstatiert, daſs in England
mehr, in Frankreich und Deutschland mindestens ebensoviel Bessemer-
metall erzeugt werde als in Schweden. Ein Zusatz von 10 bis
20 Prozent Spiegeleisen sei in den obengenannten Ländern allgemein
gebräuchlich. Die in Frankreich eingeführte Bewegung der Birne
durch Dampfkraft bezeichnet er als eine wesentliche Verbesserung.
Die selbstthätige Windabsperrung habe sich nicht bewährt. Die guten
Erfolge mit halbiertem Roheisen bewiesen, daſs das Roheisen nicht
unbedingt grau und gar zu sein brauche. Man habe gelernt, die
Thonformen durch starkes Pressen und Brennen haltbarer zu machen.
Nach seiner Ansicht verdiene bei reinem Holzkohlenroheisen die
schwedische Methode den Vorzug, weil sie einfacher und billiger sei,
dagegen gewähre die englische gröſsere Sicherheit.


[152]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Den preuſsischen Hütteningenieuren Ulrich, Wiebmer und
Dreſsler fiel in England zunächst die auf allen Werken eingeführte
Vergröſserung der Frischbirnen auf. Schneider, Hanay \& Co.
in Barrow hatten 12 Birnen zu 10 Tonnen Einsatz. Eine Birne zu
10 Tonnen hatte 12 Ferne zu 13 Öffnungen von ⅜ Zoll Durchmesser.
Die neuen Flammöfen zum Einschmelzen des Roheisens waren nach
dem Patent von John Clayton in West-Bromwich erbaut. Sie
zeichneten sich durch einen gewölbten Rost, durch den die Luft von
allen vier Seiten eintreten konnte, aus. Der Rost war 5 Fuſs im
Quadrat, der Herd 5 Fuſs breit und 12 Fuſs lang. Das Einschmelzen
dauerte 3½ bis 5 Stunden. Die gröſseren Einsätze der Birnen er-
forderten keine längere Blasezeit. Diese dauerte bei J. Brown nur
12½ Minuten. Auch entkohlte man nicht immer mehr vollständig,
sondern unterbrach früher. Dies erforderte freilich gröſsere Auf-
merksamkeit, man ersparte aber an Abbrand und Spiegeleisenzusatz.
Auch in England war es Gebrauch geworden, das fertige Metall noch
eine Zeit lang in der Birne stehen zu lassen, um dadurch dichtere
Güsse zu bekommen. Letzteres wurde auſserdem befördert durch das
Gieſsen mit unterbrochenem Strahl, wobei man das Metall in der
Form nur bis zu einer gewissen Marke aufsteigen lieſs, dann
den Guſs unterbrach und erst nachfüllte, wenn sich das Metall
gesetzt und beruhigt hatte. Die Coquillen wurden mit gelöschtem
Kalk ausgestrichen. Bei vollem Betrieb machte man vier Chargen
den Tag. Sofortige Weiterverarbeitung fand meist noch nicht statt,
man lieſs vielmehr die Güsse erkalten. Eisenbahnschienen, Rad-
kränze, Schiffswellen und Geschosse waren Hauptartikel. Sehr wichtig
war aber auch bereits die Verwendung für Panzerplatten und Schiffs-
baumaterial.


Bei der Verarbeitung unterschied man zwei Systeme, bei dem
einen wurden alle Blöcke erst geschmiedet und dann gewalzt, bei dem
anderen erfolgte das Auswalzen unmittelbar. Das letztere Verfahren
war in Dowlais bei der Schienenfabrikation mit gutem Erfolg ein-
geführt worden. Das Vorwalzen erfolgte in einer Trio-Blockwalze
(Blooming mill) von 3 bis 4 Kalibern, wobei man die Blöcke bis auf
6 Quadratzoll zusammenpreſste. Nach dem Vorstrecken und Wärmen
wurden die Güsse durch 11 Kaliber mit nur einem Stauchkaliber in
einer Hitze durchgewalzt — Auf dem Eisenwalzwerk der Südbahn in
Graz hatte man ebenfalls dieses System des Walzens der Güsse zu
Blöcken ohne Vorschmieden eingeführt.


Auf dem Victoriawerk zu Ebbw-Vale hatte Parry seinen mehr-
[153]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fach beschriebenen Prozeſs in groſsartigem Maſsstabe eingerichtet. Es
standen vier Birnen, die mit Gas angeheizt wurden, im Betrieb. Man
schmolz alte Schienen und alle Abfälle der Schienenfabrikation im
Kupolofen um, wobei das Eisen bis 2 Prozent Kohlenstoff aufnehmen
muſste.


Auf der neuen Bessemeranlage Mersey-Steel-Works bei Liverpool
hatte man den Gasbetrieb eingeführt und schmolz den Einsatz von
10 Tonnen Roheisen in der Birne mit Gas ein.


In der zweiten Hälfte des Oktober 1866 erfolgte auf dem neuen
Werke von Bessemer \& Sons zu East-Greenwich der Guſs einer
Amboſsschale von 2000 Centner (100 Tonnen). Es geschah dies in
der Weise, daſs alle 20 Minuten eine Charge von 4 Tonnen in die
versenkte Form der Dampfhammer-Chabotte entleert wurde.


Die Verarbeitung der groſsen Stahlguſsblöcke erforderte viel
stärkere Apparate, Maschinen und Werkzeuge, als sie früher bei dem
Eisenwalzbetrieb gebräuchlich waren. Da man den Stahl nur bis zur
hellen Rotglut erwärmen durfte, baute man die Schweiſsöfen, die nur
mäſsige Hitze und keine oxydierende Flamme haben durften, sehr
geräumig, gab ihnen doppelt so groſse Roste mit beschränktem Luft-
zutritt, so daſs nur eine unvollkommene Verbrennung stattfand.


In Deutschland war das Bessemerwerk der Königin-Marienhütte
bei Zwickau in diesem Jahre vollendet worden.


In Österreich hatten die groſsen mährischen Eisenwerke Witkowitz
und Zöptau ihr Roheisen im Jahre 1865 in England bei Bessemer
probieren lassen und, nachdem die Versuche günstig ausgefallen waren,
1866 Bessemerwerke unter englischer Leitung errichtet, ebenso geschah
es zu Reschitza. In Zeltweg wurde eine Bessemeranlage unter der
Leitung des Grazer Werkes ausgeführt.


Neuberg erzielte 1866 sehr günstige Resultate. Daselbst wurden
607 Chargen verblasen und 30690 Centner reine Blöcke ausgebracht.
In Prozenten betrug das Ausbringen an gereinigten Blöcken 83,36,
Stahlabfall 1,96, Auswurf 0,78, Kamineisen 0,81, der Kalo 13,09. In
der Heft erzielte man 82,67 Prozent reine Blöcke.


Die Herstellung blasenfreier Güsse war, um zuverlässiges Material
zu erzeugen und den Abfall zu vermindern, von solcher Wichtigkeit,
daſs zahlreiche Versuche und Erfindungen gemacht wurden, um diesen
Zweck zu erreichen.


G. H. Benson führte kohlenhaltige Stoffe in die entkohlte Masse
ein, um dadurch gebildete Eisenoxyde wieder zu zerlegen. Nach
Caron tritt nämlich Spratzen und Blasenbildung im Moment des
[154]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Erstarrens, durch Einwirkung von Kohlenstoff auf die bei dem
Übergaren entstandenen Sauerstoffverbindungen des Eisens, ein.
L. Cailletet hatte gefunden, daſs reiner, flüssiger Stahl nur Wasser-
stoff und Kohlenoxydgas in Auflösung enthält und daſs diese für sich
beim Erstarren keine Blasenbildung bewirken, diese tritt aber ein,
wenn Oxyde gelöst sind, in einer dem Schmelzpunkt des weichen
Stahls naheliegenden Temperatur. Caron vermutete eine Eisenoxydul-
silikatbildung beim Verbrennen des Eisens. Es träte alsdann beim
Erstarren Reduktion der Kieselsäure durch Eisen ein. Durch Ein-
blasen von Kohlenstoff, am besten in Form von Graphit oder dem
Rückstand der Gas- oder Teerdestillation, sollte diese Reduktion schon
früher bewirkt werden und das dabei gebildete Kohlenoxyd aus der
flüssigen Masse entweichen.


Als ein zweites Mittel wendeten Benson und Valentin starkes
Erhitzen des flüssigen entkohlten Metalles in einem besonderen Ofen

Figure 95. Fig. 95.


an. Dieser Zwischenprozeſs
zwischen Birne und Guſs-
pfanne geschah in einem Gas-
flammofen mit konzentrischen
Düsen für Gas und heiſsen
Wind. In demselben ver-
weilte die Masse etwa eine
halbe Stunde. Soll Spiegel-
eisen zugesetzt werden, so geschieht es in diesem Zwischenofen.
Fig. 95 ist ein Durchschnitt durch Bensons Zwischenofen und Fig. 96
zeigt seine Stellung zur Birne und der Gieſspfanne.


Figure 96. Fig. 96.

W. D. Allen, der bereits 1859 mit Erfolg Bessemerstahl fabri-
ziert hatte, erhielt 1862 durch Zusatz von Siliciumeisen mit 4 bis
5 Prozent Silicium blasenfreie Stahlgüsse 1).


[155]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

v. Reichenbach wollte weiſses Eisen dadurch zum Bessemern
geeignet machen, daſs er es rasch im Flammofen bei höchster Hitze

Figure 97. Fig. 97.


einschmolz und längere Zeit bei langsam sinkender Temperatur im
Fluſs erhielt. Dem bei überhitztem Gang erblasenen Roheisen sollte
dabei noch Kohlenpulver eingemengt werden.


[156]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Daſs Gieſsen unter Druck der Blasenbildung entgegenwirkt, war
eine alte Erfahrung in der Gieſserei. Galy-Cazalat erzeugte in
etwas drastischer Weise dadurch einen hohen Druck in der ge-
schlossenen Gieſsform, daſs er Schieſspulver in dieselbe brachte.


Whitworth erreichte denselben Zweck, indem er nach dem Aus-
gieſsen den Preſskolben einer hydraulischen Presse in die gefüllte
Form eintrieb (Patent vom 24. November 1865). Fig. 97 (a. v. S.)
zeigt die Anordnung einer solchen Presse.


Schon früher, am 14. November 1864, hatten George Bell und
Robert Lüthy ein Patent auf die Herstellung blasenfreier Güsse durch
Herstellung eines luftleeren Raumes in der Form vor dem Eingieſsen
des Metalles in dieselbe genommen.


Ferromangan begann im Jahre 1866 in allgemeinere Aufnahme
als Ersatz für Spiegeleisen zu kommen, nachdem dasselbe auf dem
Werk von Edington \& Söhne in Glasgow nach einem Patent des
Professors Henderson im groſsen dargestellt wurde. Es wurden
dabei die Manganrückstände von der Chlorkalkbereitung und die
eisenreichen Abbrände der Schwefelkiese bei der Schwefelsäure-
fabrikation unter Zusatz von Kalk, Kochsalz und Kohlenklein erst
geröstet und dann in einem Siemens-Gasgeneratorofen geschmolzen.
Das Produkt enthielt 30 Prozent Mangan. — Nach Bessemers
Erfahrung sollte ein Zusatz von 25- bis 30 prozentigem Ferromangan
die Fabrikation besseren Stahls eher ermöglichen als Spiegeleisen.


John Cameron (Pat. 15. Dezember 1866) schlug ein Gemenge
von Alkalien, alkalischen Erden, Fluſsspat und Salz als wirksames
Mittel zur Reinigung des Eisens, besonders auch von Schwefel und
Phosphor beim Bessemerprozeſs vor. Dieser Zusatz sollte beim Ein-
schmelzen des Roheisens oder des Spiegeleisens erfolgen.


Gegen Ende des Jahres 1866 nahm Professor Koppelwieser1)
in Leoben auf dem ärarischen Bessemerwerk zu Neuberg die erste
systematische chemische Untersuchung der Anfangs-, Zwischen- und
Endprodukte einer Bessemercharge vor und trug durch diese ver-
dienstvolle Arbeit viel zur richtigen Erkenntnis des Vorganges bei.
Die Probe wurde am 2. Dezember 1866 von der Charge 599, deren
Roheiseneinsatz 62 Centner 80 Pfund wog, genommen.


Die Analysen ergaben folgende Zusammensetzungen:


[157]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

1. des Eisens.


2. der Schlacken.


Es bedeutet: a graues, graphitisches Roheisen mit genügendem
Siliciumgehalt, mit Holzkohle erblasen. Bei 49 Fehrenöffnungen von
4 Linien Durchmesser und 20 Pfund Pressung dauerte die erste Periode
28 Minuten. Nach Ablauf dieser ist, wie Probe b zeigt, der ganze
Graphit verschwunden, der chemisch gebundene Kohlenstoff hat zu-
genommen; nahezu vier Fünftel des Siliciums sind abgeschieden, ebenso
fast aller Schwefel infolge des hohen Mangangehaltes; Phosphor und
Kupfer sind unverändert. Die zweite Periode [erforderte] 7 Minuten bei
einer Pressung von 18 bis 19 Pfund pro Quadratzoll; das Endprodukt
war die Probe c. Die dritte Periode dauerte 3 Minuten bei 19 Pfund
Pressung und ergab das Endprodukt d; der Kohlenstoff ist schon
zum groſsen Teil abgeschieden. Durch Zusatz von 3 Centner Roh-
eisen wird es in Bessemermetall von der Härte 6 verwandelt, ent-
sprechend der Probe e. Die Schlacken sind ziemlich hoch siliciert,
[158]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
teils Bi-, teils Bi- und Trisilikate. Der Eisenoxydgehalt ist anfangs
gering, steigt aber gegen das Ende, während sich das Mangan schon
in der ersten Periode oxydiert. Thon, Kalk und Magnesia entstammen
dem Ofenfutter. Die Schlackenmenge ist in der ersten Zeit nur gering,
nimmt aber im Verlauf des Prozesses immer mehr zu. Aus ihrer
Menge und Zusammensetzung läſst sich der groſse Einfluſs des Futters
auf die Schlacken erkennen.


Kuppelwieser hat aus den Gewichten des Einsatzes und der
erzeugten Produkte das Gewicht des verbrauchten Sauerstoffs und
hieraus das erforderliche Windquantum berechnet. Er fand dasselbe
zu 41,71 cbm für 100 kg Roheisen.


Ein Hauptereignis des Jahres 1867 war die groſse Welt-Industrie-
ausstellung zu Paris
, die an Glanz, wenn auch nicht an innerem
Wert alle vorhergegangenen übertraf. Sie war bewunderungswürdig
durch die Schönheit des Arrangements, die Zweckmäſsigkeit und Über-
sichtlichkeit der Einteilung, den Reichtum und die Mannigfaltigkeit der
ausgestellten Gegenstände, dennoch hatte sie für die Entwickelung
der Industrie nicht die hohe Bedeutung der früheren Ausstellungen.
Dies lag daran, daſs die sachliche Darstellung der Fortschritte und
der Leistungen auf den Gebieten der Industrie nicht die Hauptsache
waren, sondern der Pomp, das Schaugepränge, die Unterhaltung und
— die Politik. Napoleon wollte mit dieser blendenden Ausstellung
seinem erbleichenden Stern neuen Glanz verleihen und für kurze Zeit
hat er dies auch erreicht. — Die Eisenindustrie war sehr gut vertreten
und umfangreicher ausgestellt wie je zuvor. Besonders suchte die
französische Eisenindustrie alle konkurrierenden Länder zu über-
strahlen. Die gröſsten Eisenwerksgesellschaften hatten eigene Pavillons
errichtet, von denen der von Schneider \& Comp. in Creuzot alle
anderen an Reichhaltigkeit und schöner Aufstellung übertraf. Die
groſsen Fortschritte, welche die Bessemerindustrie seit der Ausstellung
in London im Jahre 1862 gemacht hatte, kamen zur Darstellung, ohne
dass aber eigentlich Neues vorgeführt wurde. Mit das Bedeutsamste
für die metallurgische Wissenschaft war die Ausstellung von Neuberg
in Steiermark mit den oben angeführten chemischen Untersuchungen
Kuppelwiesers und allen dazu gehörigen Anfangs-, Zwischen- und
Endprodukten. Aber diese lehrreiche Vorführung war viel zu anspruchs-
los, um, wie sie es verdient hätte, von der französischen Jury mit einem
Preise bedacht zu werden. — Das vorgeführte statistische Material
kann, auſser der erwähnten chemischen Arbeit, als das wichtigste für
die Geschichte des Bessemerns bezeichnet werden. Aus Tunners Mit-
[159]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
teilungen hierüber ergiebt sich, welchen Umfang das Bessemern im
Jahre 1867 bereits erlangt hatte.


Man zählte nämlich in


  • England 15 Hütten mit 52 Konvertern u. 6000 Tonnen Wochenproduktion
  • Preuſsen 6 „ „ 22 „ „ 1760 „ „
  • Frankreich 6 „ „ 12 „ „ 880 „ „
  • Österreich 6 „ „ 14 „ „ 650 „ „
  • Schweden 7 „ „ 15 „ „ 530 „ „
  • Belgien 1 „ „ 2 „ „ 100 „ „

Nach Bessemers Angabe wurden 1867 500000 Centner mehr
produziert als 1866. Die Produktionsfähigkeit betrug 9½ Millionen
Centner, während die wirkliche Produktion 1866 nicht 4 Millionen
Centner betragen hatte, wovon zwei Drittel auf England entfallen
waren.


Das gröſste Bessemerwerk in England 1) war die neue Anlage zu
Barrow, welche bereits 1866 300 Tonnen Bessemerstahl wöchentlich
erzeugte, die aber 1867 ihren Betrieb noch bedeutend vergröſserte.
Die gesamte englische Produktion von Bessemermetall hatte 1866
100000 Tonnen überschritten. Die französische Erzeugung wurde zu
20000 Tonnen veranschlagt, wovon die Anlagen von Petin, Gaudet
\& Co., Jackson
und Terre Noire ca. 15000 Tonnen produzierten.


Auſser den oben angeführten Ländern hatten auch Italien,
Spanien, Ruſsland und Amerika das Bessemern eingeführt. Auffallend
war es, daſs das Bessemern in den Vereinigten Staaten so spät Ein-
gang fand. Erst 1867 wurde die erste Bessemerhütte in Amerika zu
Troy (New-York) in Betrieb gesetzt.


Die Versuche in Oberschlesien waren im Oktober 1866 mit gutem
Erfolg wieder aufgenommen worden, nachdem man in den früher
gering geachteten manganhaltigen Erzen von Chorzow ein Mittel
gefunden hatte, den Phosphorgehalt des Roheisens im Hochofen
herabzudrücken. Man blies dabei mit einer Windtemperatur von
80 bis 100°. Das Roheisen hatte 4,180 Kohlenstoff, 1,896 Silicium,
0,145 Phosphor und 2,829 Mangan. Seit 1867 fand ein regelmäſsiger
Bessemerbetrieb auf der Königshütte statt 2).


In Schweden hielt man noch an dem Betrieb der stehenden Öfen
[160]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fest. Unter den in obiger Tabelle angeführten 15 Konvertern sind
13 Bessemerschachtöfen und nur 2 bewegliche Birnen. Knut Styffe
kommt aber in seinem fachmännischen Bericht über das Eisen-
hüttenwesen auf der Pariser Ausstellung zu dem Schluſs, daſs
die englischen Konverter selbst für schwedische Verhältnisse den
Vorzug verdienen. Besonders betont er, daſs damit leichter ein be-
stimmtes Produkt erzielt werde. Bei dem schwedischen Verfahren
wurde das Roheisen direkt aus dem Hochofen abgestochen. Knut
Styffe
empfiehlt das Umschmelzen in Kupolöfen.


In der That war die Einführung der Kupolöfen zum Umschmelzen
des Roheisens an Stelle der Flammöfen wohl der wichtigste Fortschritt
bei dem Bessemerverfahren im Jahre 1867. Früher, ehe man den
chemischen Vorgang genauer studiert hatte, war man geneigt, in der
beim Umschmelzen im Flammofen unvermeidlichen Oxydation eine
nützliche Reinigung zu erblicken. Durch die Analysen ergab sich
aber, daſs durch das Umschmelzen im Flammofen bereits ein groſser
Teil des Siliciums abgeschieden wurde. Dies war aber ein Nachteil,
weil die Wärme, die durch die Oxydation des Siliciums in der
Bessemerbirne entstand, für den raschen und guten Verlauf durchaus
notwendig war. Auch erwies sich die Furcht, die man hegte, daſs das
Roheisen im Kupolofen durch die Berührung mit Koks verunreinigt
würde und Schwefel und Phosphor aufnähme, als unbegründet.
Infolgedessen verdrängten die Kupolöfen rasch die Flammöfen. Da
das Einschmelzen in den groſsen Kupolöfen viel rascher von statten
ging, als in den Flammöfen, konnten mehr Chargen geblasen und die
Produktion der Birnen entsprechend vermehrt werden.


Auf der Königin-Marienhütte zu Kainsdorf bei Zwickau hatte man
2 Kupolöfen für 2 Frischbirnen. Jeder derselben war 5 bis 6 Fuſs
weit, 14 Fuſs hoch und schmolz 70 bis 80 Centner Roheisen in einer
Stunde. Die Windzufuhr erfolgte durch 3 übereinander liegende
Formen von 4 bis 5 Zoll Durchmesser. Die Formen lagen 24 bis 36 Zoll
über dem Boden.


In Barrow schmolz ein Kupolofen 7 Tonnen in einer halben bis
dreiviertel Stunden 1).


Auf verschiedenen groſsen Werken, wie zu Barrow in England,
Terre Noire in Frankreich u. a., stach man das Roheisen direkt
vom Hochofen in die Bessemerbirne ab. Eine aus dem Hochofen
[161]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
aufgegebene Charge brauchte aber durchschnittlich 10 Minuten länger
zum Frischen.


Bei weitem der meiste Bessemerstahl wurde zu Eisenbahnschienen
verwendet. In hervorragender Weise waren aber auch gepreſste und
vertiefte Blechwaren aus Bessemermetall namentlich von Österreich
ausgestellt. Es wurden hier Bleche von ca. 1/400 Linie Dicke vorgeführt.


Eine sehr wichtige und neue Verwendung des Fluſsstahls war die
für grobe Guſswaren, namentlich für Maschinenteile, die auf Festigkeit
besonders in Anspruch genommen wurden, wie z. B. die Krauselräder
für Walzwerke. Solche waren in der preuſsischen und in der franzö-
sischen Abteilung vertreten.


Le Guen hatte durch Zusatz von Wolframeisen sehr festen Stahl
erzeugt und schlug vor, dieses auch bei der Bessemerstahlfabrikation
zu verwenden, indem man am Schluſs statt Spiegeleisen Wolfram-
eisen zusetzte. Versuche, die er 1867 auf der Stahlhütte von Hubert
zu Imphy gemacht hatte, sollten sehr gute Erfolge ergeben haben.
Das verwandte Wolframeisen hatte 0,70 Prozent Wolfram enthalten;
hiervon wurden 8 Prozent der Charge zugeführt; in das fertige Produkt
ging nur die Hälfte des zugesetzten Wolframs über. Das Verfahren
bot angeblich den groſsen Vorteil, daſs es gestattete, auch geringere
Roheisensorten zu verarbeiten.


Zu Ebbw-Vale hatte sich der Parrysche Prozeſs im Laufe des
Jahres 1866 nicht als rentabel erwiesen. Man gab ihn deshalb auf
und erbaute ein groſses Bessemerwerk nach dem Muster der neuen
Anlage zu Dowlais 1). Diese zeichnete sich durch die Zweckmäſsigkeit
der Anordnung, insbesondere durch die vorteilhaftere Aufstellung der
Birnen aus. Sie waren nicht wie früher nebeneinander, sondern ein-
ander gegenübergestellt, so daſs sie sich beim Kippen einander
zuneigten. Die Anlage, die in Figur 98 (a. f. S.) im Grundriſs und
in Fig. 99 (S. 163) im Aufriſs dargestellt ist, bestand aus 3 gleichen
Gruppen von je 2 Birnen a mit den dazugehörigen Flammöfen zum
Umschmelzen des Roheisens bb und des Spiegeleisens cc. Diese
Flammöfen, die später durch Kupolöfen ersetzt wurden, lagen in einem
höheren Niveau, so daſs das geschmolzene Eisen durch die Rinnen d,
e, f
direkt den Birnen zugeführt werden konnte. Die Guſspfanne
hing an dem hydraulischen Krane l, der um seine Achse drehbar
war und beide Birnen bediente. Das Kippen der Birne geschah durch
Beck, Geschichte des Eisens. 11
[162]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Figure 98. Fig. 98.


[163]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
einen hydraulischen Cylinder; das Einsetzen der Gieſspfanne und das
Ausheben der Guſsblöcke durch die hydraulischen Kräne q1.


Zu Neuberg blies man nach der von Stockher in Österreich
patentierten Methode Kohlenstaub in die Bessemerbirne ein, um
dadurch die Ungleichmäſsigkeiten im Kohlengehalt der Roheisensorten
bei ungleichem Ofengang auszugleichen. Auch setzte man bei hitzigen
Chargen Stahlabfälle vor Eintritt des „falschen Siebener“ zu. Dieser
österreichische Name bezeichnete die Erscheinung des teilweisen oder
gänzlichen Verschwindens der Flamme vor Eintritt der dritten Periode
wodurch die Täuschung entstehen konnte, als ob das Eisen schon
vollständig zu Nr. VII entkohlt sei, während sein Kohlengehalt erst
Nr. II bis III entsprach.


Figure 99. Fig. 99.

In Neuberg erreichte man 1867 87 Prozent Blöcke bei nur
9 Prozent Kalo.


Im Jahre 1866 war das Verfahren der Stahlerzeugung mittels
Salpeter von John Heaton (Patent vom 17. März 1866) aufgekommen.
Dasselbe hatte groſse Hoffnungen erweckt, weil man in ihm den Weg
gefunden zu haben glaubte, auch die unreinen Roheisensorten zu
gutem Stahl verarbeiten zu können. Obgleich sich Bessemer anfangs
gegen diese Methode aussprach, nahm er doch am 31. Dezember 1867
ein Patent auf die Verwendung des Prozesses für das Bessemern,
indem er sich dabei auf den Wortlaut seiner alten Patente von 1856,
in denen er die Anwendung aller Sauerstoff abgebenden Substanzen
einbegriffen hatte, stützte. Er sah sich hierzu gezwungen, weil James
Hargreaves
ein Patent für die Ausdehnung eines ähnlichen Ver-
fahrens auf das Bessemern am 12. Juli 1867 bereits erlangt hatte.
Der Grundgedanke des Verfahrens bestand darin, Salpeter durch
Hitze zu zersetzen und den dadurch erzeugten Sauerstoff statt atmo-
sphärischer Luft durch die flüssige Eisenmasse zu pressen. Hierdurch
sollten die kostspieligen Gebläsemaschinen überflüssig werden, auch
erwartete man von der Wirkung des Sauerstoffs eine vollkommenere
Abscheidung von Schwefel und Phosphor. Bessemer schlug hierfür
zwei Wege vor. Nach dem einen brachte man am Boden des Kon-
11*
[164]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
verters an Stelle des Windkastens eine starke Büchse von Eisenblech,
die inwendig mit feuerfestem Material ausgekleidet war, an (Fig. 100).
Dieselbe hatte einen mit Löchern versehenen Deckel und wurde mit
Salpeter gefüllt. Die Hitze des flüssigen Roheisens zersetzte den
Salpeter und bewirkte die Gasentwickelung. Der andere Weg bestand
darin, seitlich an dem Konverter ein Gefäſs anzubringen, in welchem

Figure 100. Fig. 100.


Salpeter und andere reinigende Salze durch einen
heiſsen Windstrom geschmolzen wurden. Das Gefäſs
war durch Röhren mit dem Boden des Konverters ver-
bunden, so daſs die geschmolzene Masse unter Druck
in das flüssige Roheisen gelangen konnte. Die Re-
gulierung erfolgte dabei durch einen Vierweghahn, der
entweder ganz abschloſs oder gestattete, daſs nur der
heiſse Wind, der durch die Salpeterbüchse geströmt
war, eintrat, oder endlich, wenn das Salpeterfrischen
beginnen sollte, dem geschmolzenen Salz den Zutritt
gestattete.


J. Hargreaves’ Vorschlag (Patent vom 12. Juli 1867) war dahin
gegangen, durch Übergieſsen von salpeter-, chlor-, mangan- oder
chromsauren Salzen mit flüssigem Roheisen ein zusammengeflossenes
Gemenge der reduzierten Salze mit dem oxydierten Eisen und seinen
Verunreinigungen zu erzeugen, welche er „Stahlschlacke“ nannte und
die, indem sie dem eingeschmolzenen Roheisen im Konverter beim
Beginn des Bessemerns zugesetzt wurde, eine bedeutend reinigende
Einwirkung ausüben sollte.


Am 27. Februar 1867 hatte der Amerikaner A. L. Holley ein
Patent auf verbesserte Ingotformen genommen. Der Grundgedanke
war die Anordnung einer Anzahl von Formen um einen centralen
Einguſs, mit dem jene an den Böden so verbunden waren, daſs sie
sich von unten füllten. Auſser dem centralen Einguſs gehörte dazu
ein Verteilungsboden (distributing bottom), ein Formkasten, in dem
die verbindenden Rinnen in Formsand eingeformt wurden. Ferner
wurden die Einguſsformen durch Thonpfropfen oder Eisendeckel ab-
geschlossen, wodurch das Metall in dem centralen Einguſs höher
steigen muſste, so daſs die Eingüsse unter Druck erstarrten.


Auf die Veröffentlichung Professor Roscoes im Jahre 1864, daſs
man bei John Brown in Sheffield das Spektroskop zur Beobachtung
der Bessemerflamme eingeführt habe, versuchte man auf vielen
Bessemerhütten dies Mittel ebenfalls anzuwenden, sah sich aber in den
meisten Fällen getäuscht.


[165]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

So miſslangen die Versuche, die man 1865 in Oberschlesien damit
anstellte, gänzlich. Viele verwarfen deshalb diese Methode. Professor
A. Lielegg1) lieſs sich aber durch die ersten Miſserfolge nicht
abschrecken und studierte die sehr komplizierten Erscheinungen des
Spektrums der Bessemerflamme mit der gröſsten Ausdauer. Schon
1865 wies er auf bestimmte Liniengruppen, die in der Kochperiode im
Spektrum sichtbar werden, bei dem Eintritt in die Frischperiode
an Glanz und Deutlichkeit zunahmen und gegen das Ende derselben
abnahmen. Er sprach die Ansicht aus, daſs diese Linien von Kohlen-
oxydgas herrührten und daſs die Beobachtung derselben brauchbare
Anhaltspunkte zur Beurteilung des Bessemerprozesses geben werde.
Lielegg hatte seine Versuche auf dem Bessemerwerk zu Graz an-
gestellt, wo denn auch bald darauf die Beobachtung mit dem Spektrum
mit Erfolg angewendet wurde; dasselbe geschah zu Ternitz in Nieder-
österreich und auf der Maximilianhütte in Bayern, während die Erfolge
in Neuberg und zu Hörde unbefriedigend blieben. In England machte
Watt2) ähnliche vergleichende Versuche. Watt und Lielegg setzten
dabei bestimmt voraus, daſs die betreffenden Liniengruppen von der
Verbrennung des Kohlenstoffs herrührten, und sie wollten die Ab-
weichungen von dem reinen Kohlenoxydgasspektrum durch die
abweichenden Bedingungen der Entstehung des Kohlenoxydgases
erklären. Brunner in Neuberg wies aber 1868 darauf hin, daſs
diese Linien weit eher dem Mangan und Eisen als dem Kohlenstoff
zuzuschreiben seien. Dies gab eine neue Anregung zur Untersuchung
und Hasenöhrl zu Königshütte, Dr. Wiechmann und v. Lichtenfels
in Neuberg fanden 1869 Brunners Vermutung bestätigt.


Im Jahre 1868 erregte ein Verfahren des Amerikaners John
Francis Bennett
von Pittsburg die Aufmerksamkeit der Metallurgen,
das darin bestand, mittels Durchleitens von Kohlensäure beim Bessemer-
prozeſs Schwefel und Phosphor zu entfernen. Bennett hatte schon
1867 in Amerika ein Patent erworben und nahm am 12. August 1867
und am 7. Januar 1867 zwei Patente in England durch Ch. D. Abel.
In dem letzteren beschreibt er sein Verfahren folgendermaſsen: Erst
wird Luft durch das geschmolzene Roheisen im Konverter geblasen,
bis der Kohlenstoff gröſstenteils abgeschieden ist, dann bläst man
eine halbe Minute oder kürzer Kohlensäure durch die Masse und
hierauf bläst man zum Schluſs nochmals etwa 15 Minuten Luft hin-
[166]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
durch. Er nimmt an, daſs die Kohlensäure oxydierend auf Schwefel
und Phosphor einwirke und Schwefel als schweflige Säure, Phosphor
als phosphorige und unterphosphorige Säure entweiche. Der Kohlen-
stoffgehalt, der durch Reduktion der Kohlensäure entstanden ist, soll
durch das Nachblasen entfernt werden.


H. Bessemer nahm am 21. März 1868 ein Patent auf eine
abgeänderte Frischbirne, in welcher ebenfalls unreines Roheisen ver-
arbeitet werden sollte. Diese Birne hatte noch eine seitliche Aus-
bauchung, in welche ebenfalls Wind eingeblasen werden konnte, dabei
war sie so aufgehängt, daſs einmal die seitliche Ausbauchung, das
andere Mal der Boden nach unten hing und benutzt werden konnte.
Zuerst sollte die kleinere seitliche Höhlung nach unten hängen. Der
Herd derselben war mit gerösteter Schweiſsschlacke (bull-dog), Hammer-
schlag, Roheisen u. s. w. ausgesetzt. Das unreine Roheisen wurde
daraufgegossen und der Wind angelassen. Sobald die Masse heiſs
geworden war, sollte man Dampf entweder mit Wind gemischt oder
allein durchblasen. Hierdurch wurde die Masse verdickt und innig
mit Garschlacke gemengt. War die Masse fast steif geworden, so setzte
man den anderen Teil der Charge, der aus besserem Roheisen bestand,
zu. Dieser löste die zähe Masse wieder auf und nun richtete man den
Konverter auf, so daſs der ganze geschmolzene Inhalt auf den unteren
Herd floſs, wo er in der gewöhnlichen Weise verblasen wurde.


Ein weiteres Patent nahmen die Amerikaner A. L. Holley und
B. Pearse am 16. Mai 1868 durch R. W. Lake für einen beweglichen
Boden, welcher für sich eingesetzt und durch Bolzen befestigt wurde.
Die Auswechselung eines schadhaften für einen Reserveboden konnte
dadurch rasch von statten gehen. Der Vorzug dieser amerikanischen
Böden gegenüber den schon 1865 zu Neuberg von Schmidhammer
angewendeten bestand namentlich darin, daſs zwischen der Seiten-
wand des Konverters und dem eingesetzten Boden ein nach auſsen
sich erweiternder schmaler Zwischenraum gelassen wurde, welcher mit
Ausnahme der Verbindungsschrauben zwischen Konverter und Boden
von auſsen frei und zugänglich blieb. Die Dichtung konnte dadurch
leicht erfolgen, wenn auch das Gefäſs im Innern noch rotglühend war.
Ein Boden hielt aber z. B. in Dowlais nur 6 bis 8 Chargen aus,
während das Futter 310 Chargen widerstand.


Alfred Tardieu schlug vor, das Futter der Bessemerbirnen aus
Bauxit, der bekanntlich gröſstenteils aus reiner Thonerde besteht,
herzustellen, und hatte dafür durch A. V. Newton am 29. Juli 1869
ein englisches Patent erworben.


[167]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

James Hargreaves nahm am 6. August 1868 ein neues Patent
auf sein Verfahren, Eisen und Stahl aus Roheisen durch Einleiten
von Sauerstoffgas, wodurch Schwefel und Phosphor abgeschieden
werden sollten, in der Bessemerbirne zu machen. Er wollte dabei
gegen Ende des Bessemerns heiſse Luft einblasen, um die Temperatur
des flüssigen Metalls zu erhöhen und reinere Güsse zu erhalten. Er
schlug ferner vor, das im Kupolofen geschmolzene Roheisen erst in
einen Vorherd zu leiten und es durch längeres Erhitzen oder auch
durch Zusatz von Metalloxyden zu reinigen, oder oxydierende Salze,
die mit Eisen- und Manganoxyd oder Kalk zu festen Brocken geformt
sind, in die Bessemerbirne einzuwerfen.


Heinrich Bessemer war unermüdlich, immer neue Mittel und
Wege ausfindig zu machen, um das wichtige Problem, bei seinem Ver-
fahren Schwefel und Phosphor abzuscheiden und dadurch auch die
gewöhnlichen Roheisensorten durch seinen pneumatischen Prozeſs in
Stahl verwandeln zu können, zu lösen. Im Jahre 1869 verfiel er auf ein
neues Prinzip, indem er das Frischen unter höherem Druck vornahm. Er
erwarb hierfür vier Patente vom 10. Mai (Nr. 1431 bis 1435); davon
beziehen sich Nr. 1433 und 1434 speciell auf das Bessemern. Manche
Roheisensorten, sagt er, erzeugen bei dem Bessemerprozeſs keine
genügende Wärme, um die ganze Masse des erzeugten Stahls bis zum
Ausgieſsen in die Formen hinreichend flüssig zu erhalten. Um diesem
Übel zu steuern, hält man die Gase, welche sich bei der Operation
bilden, durch einen Gegendruck von 8 bis 15 Pfund auf den Quadrat-
zoll in dem Konverter zurück; dadurch findet die Verbrennung des
Kohlenstoffs in dem Metall unter Druck statt, wodurch die Temperatur
des Metallbades gesteigert wird. Zu diesem Zweck muſs man den
Apparat sehr stark machen, die Mündung kreisförmig zusammenziehen
und mit einem Ring versehen. Man verengt die Mündung aber nicht
auf das Äuſserste, weil sie sich dann zu leicht durch ausgeschleudertes
Metall oder Schlacke verstopfen würde, sondern verschlieſst sie teil-
weise durch einen beweglichen feuerfesten Thonpfropfen an einer
eisernen Stange, die durch Schraube oder Hebel bewegt oder
durch eine Feder oder einen Federhebel angedrückt wird. Selbst-
verständlich muſs der Winddruck entsprechend dem Gegendruck
verstärkt werden. Dasselbe Verfahren wendet man bei dem Salpeter-
verfahren an und läſst hier den Gegendruck von 5 bis 10 Atmo-
sphären steigen. Der hierfür von Bessemer angegebene Apparat ist
im Prinzip den obigen gleich, in der Ausführung aber etwas kompli-
zierter. Bessemer hat denselben Grundsatz, höhere Wirkung durch
[168]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Arbeit unter Druck zu erzeugen, auch auf Schacht- und Flammöfen
übertragen, wovon später noch die Rede sein wird. Er hat auſserdem
ein besonderes Manometer für seine Hochdrucköfen erfunden.


Emil Müller nahm durch J. H. Johnson am 25. März 1869
ein englisches Patent auf ein Futter für Bessemerbirnen oder Martin-
öfen aus feuerfesten Magnesiaprodukten, aus Magnesia im Zustande
möglichster Reinheit
bestehend, an Stelle der gewöhnlichen feuer-
festen Materialien, die alle mehr oder weniger freie Kieselsäure ent-
halten. Durch Anwendung dieses Futters sollten verschiedene Ab-
weichungen der Reaktionen, welche den Übergang von Roheisen in
Stabeisen und Stahl begleiten, eintreten; das erzeugte Produkt wird
von Schwefel und Phosphor befreit und das Futter ist haltbarer. Das
Magnesiafutter würde eigentlich nur mechanisch angegriffen und
gestattete besser die Anwendung gewisser Oxydationsmittel, wie
namentlich die des Natron- und Kalisalpeters.


Um höher karbonisiertes Eisen zu erzeugen, schlug John Bust
vor, Petroleum oder andere Kohlenwasserstoffe einzublasen. Dieser
Vorschlag war nicht neu. Ramsbottom hatte bereits 1864 ein ähn-
liches Patent genommen und M. Mühlig hatte vorgeschlagen, Leucht-
gas in den Bessemerofen einzublasen. Erwähnung verdient dagegen
die erfolgreiche Anwendung von Graphit durch H. Brunner in
Leoben. Durch das Einblasen von Graphit während der schlacken-
bildenden Periode gelang es ihm auch, weiſses und halbiertes Roheisen
mit Erfolg zu bessemern 1).


Die Versuche des Kapitäns Le Guen2), Wolframbessemerstahl zu
erzeugen, wurden auf der Hütte zu Terre-Noire fortgesetzt. Man
schmolz weiſses Roheisen im Kupolofen mit Wolframbriketts und
erhielt dadurch eine Legierung mit 9,21 Prozent Wolfram. Von dieser
wurde ein Zehntel statt Spiegeleisen der Bessemercharge zugesetzt.
Der erblasene Stahl enthielt 0,558 Prozent Wolfram. Das Material
zeichnete sich angeblich durch Weichheit und Zähigkeit aus und stand
gut im Feuer, war aber zu teuer.


Über eine verbesserte Anordnung der Bessemerbirnen und der
dazugehörigen Schmelz- und Gieſsgefäſse hat H. Bessemer einen
Aufsatz veröffentlicht, auf den wir verweisen 3).


[169]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Über das Spektrum der Bessemerflamme veröffentlichte Th. Rowan
1869 eine ausführliche Abhandlung 1). Er erfand ein kleines Instrument
zur Beobachtung der Flamme, welches er Chromopyrometer nannte.
Über das Bessemerspektrum veröffentlichten ferner Bleichsteiner2)
und Wedding3) Mitteilungen. Letzterer schreibt dem Mangan
die charakteristischen Erscheinungen im Spektrum der Bessemer-
flamme zu.


Der Amerikaner Durfee nahm 1869 ein Patent auf verbesserte
Blockformen.


Auch das Jahr 1870 brachte eine Reihe neuer Vorschläge für
die Reinigung und Verbesserung des Bessemermetalls, ohne indes die
wichtige Frage der Entphosphorung der Lösung näher zu bringen.
A. Parkes schlug einen Zusatz von Nickel vor (Patent vom 9. April
1870). James Henderson empfahl Fluſsspat oder andere Fluor-
verbindungen als Reinigungsmittel für das Roheisen (Patent vom
27. Mai). Mason und Parkes lieſsen sich wieder einmal die Ver-
wendung von Chloriden zu diesem Zweck patentieren, J. E. Sherman
Jod und Jodverbindungen (Patent vom 25. Juli). Carulla will die
Reinigung durch Einblasen von Wasserstoffgas bewirken (Patent vom
24. August). Henderson empfahl in einem Patent vom 8. November,
das Futter der Frischbirne aus Fluſsspat herzustellen.


Über die Menge der beim Bessemern erzeugten Wärme wurden
mehrere Untersuchungen veröffentlicht. Troost und Hautefeuille
wiesen nach, daſs ein Äquivalent Silicium doppelt so viel Wärme als
ein Aquivalent Kohlenstoff bei seiner Oxydation entwickele; auſserdem
bleibe die ganze durch das Silicium entwickelte Wärme in der Schmelz-
masse, während das Kohlenoxydgas den gröſsten Teil seiner Ver-
brennungswärme mit fortnähme.


Jordan berechnete, daſs unter Annahme einer Temperatur des
Roheisenbades von 1400° C. zur Verbrennung von einem Gewichtsteil


  • Eisen   1,2427 Gewichtsteile Luft
  • Kohlenstoff   4,4616 „ „
  • Silicium   3,7386 „ „

erforderlich sind.


[170]Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Diese geben Wärmeeinheiten an das Roheisen ab:


  • Eisen   757,3
  • Kohlenstoff   475,2
  • Silicium   6382,4

Hieraus berechnete Kuppelwieser, daſs 100 Teile eines Roh-
eisens von 2 Prozent Silicium- und 4,25 Prozent Kohlenstoffgehalt,
welches 85 Prozent Bessemerstahl giebt, durch Verbrennen von


  • 2 Silicium × 6382,4 = 12764,8 Wärmeeinheiten
  • 4,25 Kohlenstoff × 475,2 = 2017,6 „
  • 8,75 Eisen und Mangan × 757,3 = 6623,7 „
  • zusammen: 21406,1 Wärmeeinheiten

entwickeln. Diese Wärmemenge würde ein Roheisenbad, wenn man
von aller Wärmeabgabe nach auſsen absieht, um 1350° C. erhitzen,
also eine Temperatur von 1400° + 1350° = 2750° C. erzeugen. Bei
dieser Temperatur würde Platin, dessen Schmelzpunkt zwischen 2220
bis 2400° C. liegt, rasch einschmelzen. Das Gelingen des pneu-
matischen Prozesses hängt aber wesentlich von der Temperatur ab.
Einblasen von Kohlenstoff erhitzt wenig; mehr dagegen Salpeter.


Snelus hat ebenfalls die Produkte des Bessemerprozesses in
verschiedenen Stadien analysiert und Kuppelwiesers Angaben be-
stätigt gefunden, namentlich auch in der Hinsicht, daſs Silicium beim
Bessemern fast vollständig verbrennt, ehe die Oxydation des Kohlen-
stoffs beginnt.


Zum Schluſs erwähnen wir noch einige praktische Ergebnisse
beim Bessemern zu Hörde aus diesem Jahr. Das Futter der Birne
wurde aus einem Gemenge von 6 Tln. Quarzmasse in Erbsengröſse
und 1 Tl. gemahlenem Thon mit groſser Sorgfalt mit Hülfe von
Schablonen gestampft. Hierbei arbeiteten 22 Mann 24 Stunden im
Schichtlohn. Das Abwärmen des Futters dauerte 12 Stunden und
erforderte 140 Centner Steinkohlen. Das Auswechseln eines neuen
Bodens dauerte 6 Stunden und wurden 22 Centner Steinkohlen beim
Anwärmen verbrannt. Das Auswechseln und Ausstampfen des Bodens
während des Betriebes war eine der schwersten Arbeiten. Kein
Arbeiter konnte länger als 10 Minuten in der heiſsen Birne arbeiten.
Die Düsen oder Formen wurden in einer Düsenpresse mit 10 Stahl-
dornen gepreſst. Die Steuerung des Kranes geschah durch Hebel und
Schiebersteuerung der einfachsten Art. Das Druckwasser passierte
einen Armstrongschen Akkumulator gewöhnlicher Form mit
250 Centner Belastung.


[171]Flammofenstahlschmelzen.

Flammofenstahlschmelzen.


Die Fabrikation und die Verwendung des Stahles hatten solche
Wichtigkeit erlangt, daſs man sich nicht mit den Verbesserungen
des Bessemerprozesses in den sechziger Jahren begnügte, sondern alle
bekannten Methoden zu vervollkommnen und neue zu erfinden suchte.
Auch konnte der Bessemerstahl den Guſsstahl namentlich als Werk-
zeugstahl nicht ersetzen und Bessemer erkannte es selbst an, daſs
man, um guten Werkzeugstahl zu erhalten, den Bessemerstahl um-
schmelzen muſste. Dieses Umschmelzen geschah Ende der fünfziger
Jahre noch ausschlieſslich in Tiegeln und war natürlich sehr kost-
spielig. Da die Kenntnis der Wärme, der Wärmeerzeugung und der
Wärmebeförderungsmittel groſse Fortschritte gemacht hatte, so lag
es nahe, einen billigeren Weg des Stahlschmelzens aufzusuchen und
dem Problem der Guſsstahlerzeugung im Flammofen näher zu
treten. Frühere Versuche in England zu Anfang des Jahrhunderts,
von Vandenbroek in Saarbrücken und von Bréant in Frankreich
in den zwanziger Jahren, von J. M. Heath in England in den vierziger
Jahren (s. Bd. IV) waren alle gescheitert an der unzureichenden
Temperatur.


Josiah Marshall Heath hatte am 4. August 1845 ein Patent
auf ein Verfahren zur Stahlerzeugung genommen, darin bestehend,
daſs er reines, in einem Kupolofen geschmolzenes Roheisen in einen
Flammofen leitete und es hier in möglichst hoher Temperatur, welche
durch Verbrennung von Kohlenoxydgas mit heiſser Luft verstärkt
wurde, flüssig erhielt, während Schmiedeeisen zugesetzt und die Masse
in Guſsstahl verwandelt wurde. Diesen konnte man dann durch ein
Abstichloch in Formen laufen lassen. Dieses Verfahren griff Sudre1)
im Jahre 1858 auf und es gelang ihm, das Interesse Kaiser Napoleons
für dasselbe zu gewinnen, welcher hoffte, daſs auf diesem Wege ein
billiger und brauchbarer Guſsstahl für Artilleriezwecke hergestellt
werden könne. Sudre hatte bei seinen mehrjährigen Versuchen zu
Montataire mit groſsen Schwierigkeiten zu kämpfen, da die groſse
Hitze, welche das Schmelzen des Stahls erforderte, die Ofenwände
rasch zerstörte. Im Jahre 1860 erzielte er einigen Erfolg durch
Anwendung geeigneter indifferenter Flüsse, wofür sich Glas und
Schlacken von Holzkohlenhochöfen am besten bewährten. Unter einer
[172]Flammofenstahlschmelzen.
dicken Schutzdecke flüssiger Schlacken gelang es ihm, bis 40 Centner
Stahl auf einmal zu schmelzen. Dieser Erfolg erregte in Frankreich
bedeutendes Aufsehen und veranlaſste die Ernennung einer kaiser-
lichen Kommission zur Begutachtung des Prozesses. Der Bericht
der Kommissare Beaulieu, Deville und Caron sprach sich sehr
günstig darüber aus. Er stellte beträchtliche Ersparnisse gegenüber
der Tiegelguſsstahlfabrikation in Aussicht. In Wirklichkeit war aber
die Hauptschwierigkeit, die rasche Zerstörung der Ofenwände, nicht
überwunden und infolgedessen das Verfahren nichts weniger als billig.


Zu derselben Zeit machte ein Offizier Namens Alexandre zu
Villeneuve auf Veranlassung der Kaiserlichen Marine ebenfalls Stahl-
schmelzversuche. Der Stahl aber, der dabei erzeugt wurde, war
schlecht; infolgedessen wurden diese Versuche 1862 geschlossen. Ähn-
liche ungünstige Resultate erzielte Lan in Rive de Gier.


Einen anderen Weg hatte A. B. Bérard mit seinem 1862 paten-
tierten Verfahren zur Reinigung des Roheisens und zur Stahlbereitung
eingeschlagen, das im wesentlichen darin bestand, Roheisen abwechselnd
und wiederholt oxydierenden und kohlenden Schmelzen auszusetzen.
Sein Ofen hatte zwei auf Rädern laufende Herde. Das flüssige Eisen-
bad in denselben sollte einmal der Wirkung frischender, das andere
Mal der kohlender Gase ausgesetzt werden, was durch Umschaltung
für die beiden Herde kontinuierlich geschehen konnte. Es sollte
dabei Wasserstoff und Kohlenoxydgas angewendet werden. — Die
Versuche, die mit diesem Verfahren in Frankreich gemacht wurden,
erfüllten aber die darauf gesetzten Hoffnungen keineswegs.


Dasselbe ist von der 1863 veröffentlichten Methode der Stahl-
bereitung von Jules Cajanave-Sabatier zu sagen. Dieser wollte,
ähnlich wie der Amerikaner Martien, das Eisen dadurch reinigen,
daſs er es in geschmolzenem Zustande in dünnen Strahlen der Ein-
wirkung von Wasserdämpfen aussetzte, wodurch es gereinigt und
entkohlt werden sollte.


Die Erzeugung von Flammofenfluſsstahl schien fast als hoffnungs-
los aufgegeben zu sein, als im Jahre 1864 die Brüder Emile und
Pierre Martin zu Sireuil bei Angoulème mit ihrer Erfindung
hervortraten, welche darin bestand, daſs sie Guſsstahl in Flammöfen,
welche mit Siemens’ Generatorfeuerungen geheizt wurden, darstellten.
Zu diesem Ziel, das so leicht zu erreichen schien, nachdem die Er-
findungen von Heath und von Siemens vorausgegangen waren,
gelangten die Brüder Martin erst nach zahlreichen und vielen ver-
geblichen Versuchen. Neues war in dem Verfahren eigentlich nicht
[173]Flammofenstahlschmelzen.
enthalten, nur die erfolgreiche Verwendung von Siemens’ Regenerativ-
feuerung bei dem Schmelzprozeſs war neu und hat den Namen Martin
berühmt gemacht. Hier war die Erfindung wirklich der Abschluſs
von etwas Gesuchtem.


Den Erfolg verdankten die Gebrüder Martin der Anwen-
dung von Siemens’ Regenerativfeuerung 1). Karl Wilhelm
Siemens
hatte schon seit der Erfindung dieser neuen Feuerung
durch seinen Bruder Friedrich im Jahre 1856 Versuche gemacht,
dieselbe zur Heizung der Flammöfen in der Eisenindustrie zu ver-
wenden, und hierfür bereits am 11. Mai 1857 ein Patent genommen.
Der Gedanke, die durch diese Feuerung erzeugte Hitze zur Schmelzung
des Stahls im offenen Herd zu verwenden, war ihm bald darauf
gekommen und er hatte deshalb gemeinschaftlich mit seinem Bruder
Friedrich am 22. Januar 1861 ein neues Patent (Nr. 167) genommen.
1861 machte er Abraham Darby von Ebbw-Vale den Vorschlag,
Versuche damit zu machen. Dann suchte er im folgenden Jahre
Charles Atwood von Towlaw in Durham für die Idee zu gewinnen,
was ihm auch gelang, doch entsprach der Erfolg nicht den Erwartun-
gen, und Atwood sah deshalb von dem Schmelzverfahren im offenen
Herd ab. Gröſseres Entgegenkommen als in England fand Siemens
in Frankreich, wo besonders der Generalinspektor der Bergwerke
Le Chatelier, der das Stahlpuddeln auf Bauxitherden eingeführt
hatte, sich lebhaft für das Verfahren interessierte, welches auf seine
Veranlassung von den Herren Boigues, Rambourg \& Co. in
Montluçon ausgeführt wurde. Unter der Leitung von Dr. Otto
Siemens, Wilhelms
Bruder, wurde auch guter Stahl im Flamm-
ofen erzeugt; als aber nach kurzer Zeit das Gewölbe zusammenschmolz,
verloren die französischen Fabrikanten den Mut. C. Wilhelm
Siemens
legte darauf in Birmingham selbst eine Stahlhütte an,
die er „Sample Steel Works“ nannte, um weitere Versuche zu
machen. 1863 waren die Brüder Martin zu Sireuil von Siemens
auf die Versuche zu Montluçon aufmerksam gemacht worden, und
da sie sich dafür interessierten, schickte ihnen Siemens noch in
demselben Jahre eine Zeichnung, wonach sie ihren Ofen bauten. Der
Anteil von C. W. Siemens2) an der Erfindung der Gebr. Martin
ist so groſs, daſs man das Verfahren des Stahlschmelzens im offenen
Herd mit Recht als Siemens-Martin-Prozeſs bezeichnet und nur aus
[174]Flammofenstahlschmelzen.
Bequemlichkeit pflegt man das Verfahren kurzweg den Martinprozeſs
oder das Martinieren zu nennen.


Am 8. April 1864 war es den Gebrüdern Martin auf ihrem Werk
zu Sireuil gelungen, mit ihrem Ofen Stahl zu erzeugen, und am
10. April lieſsen sie sich das Verfahren für Frankreich patentieren.


Das erste englische Patent, welches R. A. Brooman für sie nahm,
ist vom 15. August 1864. Es lautet: „Die direkte Darstellung des
Stahls wird in einem Flammofen, vorzugsweise in einem Siemens-Gas-
ofen bewirkt, indem Guſseisen eingeschmolzen wird, um ein Bad zu
bilden, in dem kalte oder vorgewärmte Stücke von Schmiedeeisen,
Rohstahl, Eisen- oder Stahldrehspäne, Abfälle oder vorzugsweise
gepuddelte und in Stücke zerschnittene Luppen aufgelöst werden, bis
ein Stahlbad erlangt ist. Es wird alsdann nur ein Teil dieses Bades
abgestochen und eine weitere Menge von Schmiedeeisen, Stahl oder
wenn nötig von Guſseisen nachgesetzt, um das abgestochene Metall zu
ersetzen, worauf von neuem ein Teil des gebildeten Stahls abgestochen
und in derselben Weise fortgefahren wird. Die Temperatur des Bades
muſs auf 1500° bis 1800° C. gesteigert werden; auch ist es nötig, die
schwarze, mit Eisenoxyd überladene Schlacke abzustechen und sie
durch reine, oxydfreie Schlacke zu ersetzen. Wendet man hierfür
einen geeigneten Fluſs an, wie besonders Schlacke von Holzkohlen-
hochöfen, so erleichtert dies die Steigerung der Temperatur, während
gleichzeitig durch Auflösung der Oxyde in der Schlacke die Masse
gereinigt und verbessert wird.


Man kann auch oxydische Schlacke, Oxyde oder Silikate von
Eisen, Mangan oder Blei, oder oxydierende Salze auf Guſseisen in
einem Puddel- oder anderen Ofen wirken lassen. Wenn das Eisen
teigig wird, sticht man die Schlacke ab und ersetzt sie durch Flüsse,
wie Hochofenschlacke, Glasmasse, Soda, Pottasche, Kalk und der-
gleichen. Diese Glasflüsse haben die Eigenschaft, die Oxydation zu
unterbrechen und eine bestimmte Qualität Guſsstahl zu sichern.


Man kann auch hämmer- und schmiedbares Eisen in Kupol- und
ähnlichen Öfen in ähnlicher Weise bereiten, indem man Puddelluppen
oder sonstiges weiches Eisen oder Stahl mit oder ohne Guſseisen
schmilzt unter Zusatz eines Flusses, bis die Schlacke hell wird. Auf
diese Art kann man Produkte von verschiedener Schmiedbarkeit
erhalten. Mangan, Chloride, Fluoride, Nitrate und verschiedene
Metalle können dem Roheisenbad zugesetzt werden. Kohlenhaltige
Substanzen oder andere Reduktionsmittel können der Schlacke zur
Entfernung der Oxyde zugefügt werden.“


[175]Flammofenstahlschmelzen.

In diesem ersten Patent waren also drei Stahlbereitungsarten
angegeben, von denen zwei im Flammofen, eine im Kupolofen aus-
geführt werden sollte. Der Schwerpunkt lag aber in dem ersten Ver-
fahren. Von diesem ist denn auch in dem zweiten Patent, welches
die Brüder Emil und Peter Emil Martin am 18. August 1865

Figure 101. Fig. 101.


nahmen, allein die Rede. Es erstreckt
sich auch auf die Darstellung von
Guſsstahl, Guſseisen (d. h. gegossenes
Schmiedeeisen) und Halbstahl (métal
mixte). Die Fabrikation beruht auf
der Schmelzung von Eisen oder Roh-
stahl in einem Guſseisenbad, bei
andauernder Weiſshitze in einem
Siemens-Flammofen. Diesem Patent
ist die nebenstehende Zeichnung des
Ofens (Fig. 101, 102) beigefügt. Ferner
werden darin die Mischungsverhält-
nisse angegeben. Um Guſsstahl zu
erzeugen, sollen 2300 Pfund Puddelstahl und 400 Pfund Stahl von
früheren Schmelzungen allmählich in einem Bad von 700 Pfund reinem

Figure 102. Fig. 102.


Guſseisen eingeschmolzen werden. Nachdem die schwarze Schlacke
durch reine Schlacke ersetzt und die Masse gehörig durchgerührt und
probiert ist, werden 40 bis 100 Pfund weiſsglühendes Guſseisen zu-
gesetzt, um das richtige Korn des Stahls zu fixieren.


Für weichen Stahl oder Fluſseisen, welche keine Härtung
mehr annehmen, werden 2600 Pfund granuliertes Puddeleisen
[176]Flammofenstahlschmelzen.
und 100 Pfund Stahl von früheren Schmelzungen in 700 Pfund Guſs-
eisen eingeschmolzen und dann 20 bis 40 Pfund Spiegeleisen (fontes
à facettes) zugesetzt.


Halbstahl (mixed metal) erhält man durch Einschmelzen von
200 Pfund Stahl oder Eisen in 1000 Pfund Guſseisen. Dieses gemischte
Metall ist sehr hart, hämmerbar in der Hitze und zäher (less fragile)
als Guſseisen.


Das dritte Patent der Brüder Martin vom 23. März 1866 bezieht
sich hauptsächlich auf die Verarbeitung der Abfälle der Bessemer-
stahlfabrikation im Martinofen. Diese Abfälle sollen vorgewärmt
in einem Bad von weiſsem, stahlartigem, strahligem (rubanné) Roh-
eisen, welches den Kohlenstoff wie den Stahl in aufgelöstem Zustand
enthält, eingeschmolzen werden. Das Eintragen geschieht allmählich,
die Mischung durch Rühren. Auch hierbei soll immer nur ein Teil
des Produktes abgestochen werden, indem der andere Teil als Bad für
die folgenden Einsätze dient.


Diese Verwendung des Martinprozesses zur Aufarbeitung der
Abfälle der Bessemerstahlfabrikation, deren Verwendung den groſsen
Werken seither oft Kopfzerbrechen gemacht hatte, war von groſser
praktischer Bedeutung und hat viel zur Ausbreitung des Martinver-
fahrens beigetragen.


Die Gebrüder Martin selbst betrieben von Hause aus eine
Gewehrfabrik und ihre Erfindung sollte ihnen nur ein besseres Material
für die Gewehrläufe liefern. Sie erreichten dies auch schon 1865 und
stellten seitdem ununterbrochen guten Stahl für ihre Gewehrläufe
nach ihrem Verfahren dar. Bekannt wurde dasselbe zuerst durch die
Beschreibung von P. E. Martin im Génie industriel vom Juli 1865 1).


In die Öffentlichkeit drang es aber erst durch die Ausstellung in
Paris von 1867, wo es als die wichtigste Neuheit in der Eisenindustrie
Aufsehen erregte und mit dem höchsten Preise ausgezeichnet wurde.
Die Gebrüder Martin erhielten die goldene Medaille für ihr Produkt,
während Siemens die groſse Preismedaille für seinen Ofen und
dessen Anwendung auf die Stahlbereitung erhielt.


Tunner erblickte in dem Martinprozeſs ein verbessertes Uchatius-
verfahren, wobei die Schmelzung im Flammofen statt im Tiegel
geschieht. Der Betrieb zu Sireuil war bei Eröffnung der Ausstellung
noch der einzige seiner Art. Er hielt sich in ziemlich bescheidenen
Grenzen, indem man nur mit 1500 bis 2000 kg Einsatz arbeitete. Am
[177]Flammofenstahlschmelzen.
1. Juni eröffnete aber der verdienstvolle Stahlfabrikant Verdié zu
Firminy ein groſses Martin-Stahlwerk mit Öfen von 3000 bis 3500 kg
Einsatz. Ein Regenerator bediente 2 Schmelzöfen und 3 Glüh-
öfen zum Vorwärmen des Eisens 1). Erst wurde ein Glühofen mit
900 kg Roheisen beschickt. Die glühenden Gänze wurden in groſsen
Schaufeln mit Hülfe von Krahnen in den Schmelzofen gebracht und
hier unter Zusatz von Hochofenschlacken und Quarzsand einge-
schmolzen. Dann steigerte man die Temperatur und trug die bis zur
Weiſsglut erhitzten Stabeisen- und Stahlstücke in Sätzen bis zu 200 kg
ein. Auf die 900 kg Roheisen wurden ca. 2400 kg Stabeisen und
Stahl gesetzt. Die ganze Operation dauerte 8 Stunden, wozu noch
2 Stunden für die Reparatur des Herdes, der gereinigt und, soweit
nötig, mit frischem Quarzsand ausgeschlagen wurde, kamen. Gegen
Ende des Schmelzens wurde die Masse teigartig, worauf nach einem
Posten von 200 kg Schmiedeeisen 800 kg Roheisen nachgesetzt wurden.
Nach dem Einschmelzen nahm man Probe und stach nach der achten
Stunde ab. Die zwei Flammöfen lieferten je 3500 kg Guſsstahl in einer
Schmelze und in 24 Stunden wurde zweimal abgestochen. Dies entsprach
einer Jahresproduktion von 2100 Tonnen. Der zu Firminy erzeugte
Stahl lieferte vorzügliche Eisenbahnschienen. Der Betrieb war teurer als
beim Bessemerverfahren, die Anlage dagegen viel billiger und zwar
im Verhältnis von 45 zu 136, auſserdem brauchte man kein Spiegel-
eisen. Diese letzte Angabe bestätigte sich indes nicht. Bereits am
25. Juli 1867 nahmen die Gebrüder Martin ein neues Patent, in dem
die Verwendung von Spiegeleisen zur Nachkohlung, um eine bestimmte
Qualität Stahl zu erzeugen, besonders hervorgehoben ist. Dieses
Patent und das von C. W. Siemens vom 21. August 1867 in England
genommene bilden die Grundlage des eigentlichen Siemens-Martin-
prozesses. Dieser erwies sich da als nicht ökonomisch, wo man
das Schmiedeeisen oder den Stahl, den man dem Roheisenbade zu-
setzte, erst durch Puddeln oder ein anderes Frischverfahren herstellen
muſste, er bewährte sich dagegen als vorteilhaft da, wo man ihn mit
einer Fabrikation verband, die diese Produkte als Abfälle erzeugte,
wie dies namentlich bei den Bessemerwerken der Fall war.


Wie jede neue Erfindung durch Reklame und Überschätzung
übertriebene Hoffnungen erweckt, so war dies auch bei dem Siemens-
Martin-Prozeſs der Fall. Viele glaubten, man könne mit diesem Ver-
fahren aus dem geringsten Material guten Stahl machen und damit
Beck, Geschichte des Eisens. 12
[178]Flammofenstahlschmelzen.
seien die kostspieligen Bessemeranlagen einfach überflüssig. Dies
erwies sich aber sehr bald als Täuschung. Schwefel und Phosphor
wurden auch bei diesem Verfahren ebensowenig wie beim Bessemer-
verfahren abgeschieden. Schwefel- und phosphorhaltige Roheisen-
sorten waren also auch bei diesem Prozeſs ausgeschlossen und ebenso
sorgfältig muſste man bei der Auswahl des zugesetzten Schmiede-
eisens und Stahls sein, deren Unreinigkeiten alle in das Produkt über-
gingen. Der neue Prozeſs war mehr geeignet zur Ergänzung als zur
Bekämpfung des Bessemerprozesses. Lange Zeit schien sein Nutzen
nur darin zu bestehen, daſs man mit ihm die massenhaften Abfälle
der Walzwerke, namentlich auch der Bessemerwerke, verwerten konnte,
und einen weiteren groſsen Vorteil fand man darin, daſs er keine so
groſsen und kostspieligen Anlagen erforderte als der Bessemerprozeſs,
daſs man den Betrieb nach Bedürfnis in kleinerem oder gröſserem
Umfange betreiben konnte, daſs er also allen, auch kleineren Verhält-
nissen leichter angepaſst werden konnte. Diesen groſsen Vorzug erkannte
Tunner sofort und empfahl deshalb die Einführung des Prozesses für
Österreich. Kuppelwieser veröffentlichte 1868 eine vergleichende
Berechnung zwischen dem Bessemer- und dem Martinverfahren 1), aus
der hervorging, daſs bei gleicher Produktion die Anlagekosten eines
Martinwerkes billiger, Kohlenverbrauch und Arbeitslöhne ziemlich
gleich zu stehen kommen. Hierzu kam noch der weitere Vorteil, daſs
man bei dem Martinprozeſs weiſses Roheisen verwenden konnte, und
daſs man den Verlauf des Prozesses durch Schöpfproben leichter zu
kontrollieren und im richtigen Augenblick zu unterbrechen vermochte.


Geringe Roheisensorten konnte man, wie erwähnt, beim Martin-
verfahren so wenig anwenden wie beim Bessemern. Zu Firminy
schmolz man nur das aus den guten algerischen Moktaerzen erblasene
Roheisen ein. In den Newport-Stahlwerken bei Middlesborough, wo
der Prozeſs zuerst in England zur Anwendung kam, schmolz man
schwedisches Roheisen ein und setzte Hämatiteisen zu. Auſser auf
den genannten Werken war 1868 das Verfahren eingeführt zu Creusot,
auf den Model oder Sample Steel Works zu Birmingham und den
Bolton Steel Works von v. Mayr in Leoben, von Barber und
Klusemann in Floridsdorf bei Wien und von Borsig in Berlin.


Creusot hatte vom 1. Juli bis zum 20. August 1869 eine Million
Kilogramm Eisenbahnschienen aus Martinstahl zum Preise von
208 Mark die Tonne geliefert. Verdié in Firminy machte haupt-
[179]Flammofenstahlschmelzen.
sächlich Bandagen, die an Güte mit den aus Tiegelguſsstahl her-
gestellten wetteiferten.


Aus diesen Angaben ersieht man, welche rasche Verbreitung und
welche Wichtigkeit das Martinverfahren in den wenigen Jahren seit
seiner Erfindung erlangt hat.


Waren die Bestrebungen der Gebrüder Martin hauptsächlich
darauf gerichtet gewesen, Fluſsstahl durch Zusammenschmelzen von
Eisenabfällen mit Roheisen zu erzeugen, so nahm K. W. Siemens von
Anfang an ein besonderes Interesse an der Stahlerzeugung, durch
Zusammenschmelzen von Roheisen mit reinem Eisenerz, dem soge-
nannten Erzstahlprozeſs. Er veranlaſste 1866 und 1867 Rowan
\& Co
. in Glasgow, die Barrow Hämatitstahl-Gesellschaft, die Bolton
Stahlgesellschaft, die Nordwest-Eisenbahn- und die Groſse Westbahn-
gesellschaft, den Flammofen-Stahlprozeſs einzuführen und regte 1867
die Gründung der Steel Company of Scotland zur Ausbeutung dieses
Verfahrens im gröſsten Maſsstab an. Er hatte bereits 1866 die Ver-
wendung von Mangan und Ferromangan zur Entphosphorung und
Entschweflung des flüssigen Metalls vorgeschlagen und verwendete
dieselben bei seinen Versuchsschmelzen in den Sample Works zu
Birmingham. Der berühmte Ingenieur Ramsbottom, Direktor der
Crewe-Werke der London- und Nordwestbahn, war wohl der erste, der
den Siemens-Martinprozeſs dauernd in England einführte (1868), und fast
gleichzeitig begann Howson das Verfahren auf den Newport-Eisen-
werken bei Middlesborough. In demselben Jahre gründete Siemens mit
Dillwyn und anderen die London-Siemensstahl-Gesellschaft zur Aus-
beutung des offenen Herdprozesses, besonders der Erzstahlfabrikation.


Die Anlagekosten für einen Siemens-Martin-Schmelzofen, der
32 Quadratfuſs erforderte, betrugen in Frankreich damals nach
Kuppelwiesers Angabe 12000 Mark 1). Die Produktion eines Martin-
ofens, der in 24 Stunden 2 Chargen machte, betrug 3000 bis 5000 kg.
Für gewöhnlichen Stahl nahm man gleiche Mengen Roh- und Stab-
eisen oder Stahl. Der Kalo belief sich auf 6 bis 8 Prozent, mit dem
Abbrand des Schmiedeeisens aber auf 12 bis 13 Prozent. Es war
von groſser Wichtigkeit, die Temperatur zu jeder Zeit regeln zu
können, deshalb empfahl es sich, eine Anzahl von Generatoren zur
Verfügung zu haben.


12*
[180]Flammofenstahlschmelzen.

Seinem Wesen nach war das Verfahren der Gebrüder Martin
Umschmelzung und Legierung, oder richtiger eine Cementation von
Schmiedeeisen in einem Bade von Roheisen. Ein Frischprozeſs wie das
Bessemern war es damals noch nicht, man war vielmehr ängstlich darauf
bedacht, jedes Frischen zu verhindern. Etwas Oxydation muſste bei dem
Vorwärmen und Einschmelzen immer eintreten, doch durfte diese nur so
weit gehen, daſs das Silicium abgeschieden wurde. Ein Siliciumgehalt
des Roheisens war deshalb auch bei dem Martinprozeſs erwünscht,
sowohl wegen der Wärmeerzeugung, als um das eigentliche Frischen, die
Oxydation des Kohlenstoffs, hintanzuhalten. Die Schlacke durfte, wie
Martin in allen seinen Patenten betont, kein Eisenoxyd enthalten,
also keine Garschlacke, sondern möglichst indifferent sein. Die
Schlacken von dem Betriebe Verdiés in Firminy ergaben nach der
Analyse in der École des Mines (1868):


  • Kieselsäure   64,33
  • Thonerde   8,66
  • Eisenoxydul   21,89
  • Manganoxydul   2,74
  • Kalk  3,00
  • 100,62

Sie bildeten ein hochsiliciertes Glas.


Groſse Schwierigkeit bereitete es an vielen Orten, genügend feuer-
feste Materialien für Herd und Gewölbe der Öfen zu bekommen. Der
glückliche Erfolg der Gebrüder Martin war nicht zum kleinen Teil
dadurch veranlaſst, daſs sie bei Sireuil einen vorzüglichen feuerfesten
Sand für die Herdböden ihrer Öfen gefunden hatten. Dieser Sand
übertraf den Ganister, welchen die Engländer anfangs anwendeten,
an Güte, so daſs die Stahlwerke von Newport 1868 nach verschiedenen
Versuchen den Sand aus Sireuil bezogen. Die Dinassteine, welche man
für die Gewölbe verwendete, schmolzen rasch weg. Nach längeren
Versuchen bewährten sich Steine aus reinem zerkleinertem (crushed)
Quarz, mit etwa 2 Prozent gebranntem Kalk gemischt, am besten.


Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.


Auf die älteren Methoden der Stahlbereitung, insbesondere auch
die Cement- und Guſsstahlfabrikation, sind die Theorieen der
Franzosen Fremy und Caron, welche dem Stickstoff eine groſse
Wichtigkeit beilegten, nicht ohne Einfluſs geblieben. Caron hatte
eine neue Cementstahlbereitung mit kohlensaurem Baryt (Witherit)
[181]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
vorgeschlagen, weil dieser Körper ganz besonders die Cyanbildung
und die Übertragung des Stickstoffs und Kohlenstoffs begünstigen
sollte 1). Dieses Verfahren wurde 1861 auf der Hütte zu Montataire
im groſsen ausgeführt 2). Hierauf nahm W. E. Newton nach einer
Mitteilung von Alexander Lemoire am 5. März 1861 ein Patent
in England 3). Die Ausführung geschah in Retorten. Die Stäbe
wurden von auſsen gezogen und der Betrieb war ein continuierlicher,
indem nur von Zeit zu Zeit frische Kohlen nachgefüllt werden
muſsten.


Die Franzosen L. J. Duhesme, de Ruolz und de Fontenay
erfanden eine Guſsstahlbereitung durch Zusammenschmelzen von ge-
feintem Roheisen, Schmiedeeisen und gelbem Blutlaugensalz in Tiegeln,
worauf Ch. Cowper am 7. September 1860 ein Patent in England
erhielt. Durch einen ähnlichen Prozeſs, nämlich durch Schmelzen von
Holzkohlenstabeisen mit 2 Tln. Salmiak und 1 Tl. Cyankalium, wurde
in Amerika der Farrar-Stahl hergestellt.


Die Weltausstellung in London von 1862 zeigte den gewaltigen
Fortschritt der Guſsstahlfabrikation. Man schätzte die englische Guſs-
stahlerzeugung auf 1 Million Centner, wovon ein Drittel aus ein-
heimischem, zwei Drittel aus schwedischem Eisen gemacht wurde.
Frankreichs Produktion betrug 78762 Centner Rohstahl, 196168 Centner
Cementstahl und 87032 Centner Guſsstahl, zusammen 361962 Centner.
Preuſsen erzeugte 425000 Centner Stahl.


Was die Guſsstahlfabrikation leisten konnte, das bewies die groſs-
artige Ausstellung von Krupp im Jahre 1862. Wir erwähnen davon
den gewaltigen Guſsstahlblock von 44 Zoll Durchmesser und 8 Fuſs
Länge, der 20 Tonnen wog, gegen den also der Block vom Jahre 1851
von 2,25 Tonnen Gewicht, der damals so groſses Aufsehen erregt
hatte, weit zurückstand. Der Block war unter dem 1000 Centner-
Hammer durchgebrochen und zeigte einen ganz gleichmäſsigen, tadel-
losen Bruch. Ein anderer Block von 4 Tonnen Gewicht, quadratisch
vorgeschmiedet, zur Hälfte roh gelassen, die andere Hälfte ausge-
schmiedet, war in der Längenrichtung auseinandergespalten und
zeigte die Feinkörnigkeit, Homogenität und Zähigkeit im rohen Zustande
und die Erhöhung dieser Eigenschaften durch die Bearbeitung. Ein
anderer, 15 Tonnen schwerer Block von 30 Zoll auf 67 Zoll, war in
4 Stücke zerbrochen und zeigte überall dieselbe Gleichmäſsigkeit.
[182]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Zahlreiche Schmiede-, Bieg-, Dreh- und Lochproben, kalt und warm,
zeigten die Zähigkeit und Güte des Materials. Von den tadellosen Rad-
bandagen aus Guſsstahl hatte die Fabrik schon über 40000 Stück
abgeliefert; von diesen liefen viele schon seit Jahren.


Ebenso war die Ausstellung von Guſsstahlkanonen überraschend.
Sie bestand aus 4-Pfündern nach französischem und 20-, 40-, 60- und
100-Pfündern nach neuem englischem Kaliber. Eine Kanone mit 9 Zoll
Bohrung war aus einem Guſsblock von 25000 kg Gewicht in einem
Stück mit den Zapfen geschmiedet. Seitdem Krupp 1851 in London
seinen ersten Guſsstahl-6-Pfünder ausgestellt hatte, waren von ihm
über 1000 Stück Guſsstahlkanonen an alle gröſseren Staaten geliefert
worden. Eine vollkommen bearbeitete Kanone war der Länge nach
auseinandergesägt und gebrochen, wobei ebenfalls das Material sich
tadellos zeigte. Ein sehr sachverständiger Berichterstatter schlieſst
mit dem Ausspruch: Krupp ist nichts mehr unmöglich. Seine Aus-
stellung war ein Triumph der Guſsstahlfabrikation. 1861 war seine
Erzeugung schon auf 10 Millionen Pfund Guſsstahl gestiegen.


Rettig in Schweden hatte ein Patent für Guſsstahlbereitung durch
Zusammenschmelzen von Roheisen und Stabeisen erworben und sein
Produkt ausgestellt. C. R. Urff in Wikmanshyttan hatte guten
Uchatiusstahl, der aus den reichen Magneteisenerzen von Pisberg dar-
gestellt war, vorgeführt.


Neben Krupp zog aber damals, auſser der schon erwähnten Aus-
stellung von Bessemerstahl, besonders Howells Homogenstahl und
R. Mushets Titanstahl die Aufmerksamkeit der Metallurgen auf sich.


J. B. Howell hatte bereits am 9. Oktober 1856 ein Patent auf
die Herstellung einer Art von Guſsstahl oder Homogenmetall
(homogenious metal) aus den gewöhnlicheren Eisensorten durch Hinzu-
fügen von Hammerschlag oder Walzsinter zu den gebräuchlichen
Gemengteilen bei der Guſsstahlfabrikation genommen. Es wurde hier-
durch ein weicher Guſsstahl erzielt, der von der Firma Shortridge,
Howell
\& Co. in Sheffield im groſsen erzeugt und für mancherlei
Zwecke verarbeitet wurde. Aufsehen erregten auf der Londoner Aus-
stellung 1862 namentlich die daraus gefertigten dünnen Röhren,
welche kalt gewunden, plattgeschlagen und aufgerollt waren, wie wenn
sie von Gummi wären. Das Homogenmetall, welches zu Panzerplatten
benutzt wurde, enthielt nach Percy nur 0,23 Prozent Kohlenstoff.
Er bezeichnet es als einen Zwischenzustand zwischen Guſsstahl und
Schmiedeeisen. Für die Herstellung einer besonderen Art von Panzer-
[183]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
platten aus Schmiedeeisen und Homogenmetall nahm J. B. Howell
am 24. November 1862 ein Patent. Er bildete ein Netzwerk von
Schmiedeeisenstäben von der Gestalt und Gröſse der Platte, legte
diese in eine entsprechende Form ein und goſs diese mit Homogen-
metall aus.


Mushets Titanstahl zog durch den Eifer und die Reklame
des Erfinders die Aufmerksamkeit auf sich. Vom März 1859 bis
Dezember 1861 hatte R. Mushet nicht weniger als 13 Patente für
die Anwendung von Titan zur Verbesserung von Eisen und Stahl
genommen. Mushet wollte dieses Arcanum bei allen Eisen-
prozessen, im Hochofen, beim Puddeln und beim Bessemern, haupt-
sächlich aber bei der Guſsstahlbereitung in Tiegeln angewendet
wissen. Er verschmolz Titaneisenerze von Neuseeland oder von
Norwegen (Iserin und Ilmenit), die, mit Holzkohle oder Harz gemischt,
der Beschickung zugesetzt werden sollten. Zur Zeit der Londoner
Ausstellung herrschte noch einiger Glaube an Mushets Titanstahl,
der Erfolg war aber doch zu gering, als daſs es sich der Mühe lohnte,
die vielen Patente, die sich sehr ähnlich sahen, im einzelnen zu
betrachten, und verweisen wir auf die Abridgments of Specifications
und auf den Auszug, den John Percy in Iron and Steel (p. 165) davon
gegeben hat. Wir bemerken nur, daſs nach den späteren Patenten
noch andere Beimengungen, nämlich Mangan, Wolfram und Chrom,
mit zugefügt wurden, um die Verbesserung des Stahls zu bewirken.
Trotz aller Reklame wollten aber die Sheffielder Stahlfabrikanten
nichts von dem gepriesenen Titanstahl wissen und Chemiker, welche
das Produkt analysierten, wollten kein Titan in demselben gefunden
haben.


Wir müssen hier der Vollständigkeit wegen kurz noch einige
andere Patente zur Verbesserung von Cement- und Guſsstahl aus dem
Anfang der sechziger Jahre erwähnen, die teils die Verbesserung, teils
die Verbilligung des Guſsstahls bezweckten.


J. und D. F. Bower verbesserten angeblich Guſsstahl durch Zu-
satz von Eisenchlorid und Kohle im Tiegel und nahmen darauf am
3. Oktober 1860 ein Patent.


Am 25. April 1860 hatte der Amerikaner A. R. Eaton ein
englisches Patent auf sein Sodaverfahren genommen. Ganz ähnlich
war das Verfahren von Pomeray, worauf W. E. Newton am
29. August 1860 ein Patent erwarb.


In demselben Jahre führte van Herr-Zeele eine neue Stahl-
fabrikation zu Witkowitz ein, die darin bestand, daſs durch
[184]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Behandlung von Guſseisenplatten mit Wasserdampf im Glühofen ein
Glühstahl erzeugt wurde, den er dann in Tiegeln zu Guſsstahl um-
schmolz. Ahnliche Vorschläge hatte Fremy gemacht.


Das alte Verfahren von Clouet und David Mushet, Schmiede-
eisen mit Kohle im Tiegel zu Stahl zu schmelzen, wurde ebenfalls
wieder versucht und mehrfach patentiert, so z. B. von G. Nimmo am
17. August 1860. Der Zusatz von Blutlaugensalz bezweckte im Grunde
auch nichts anderes als die Cementation im Tiegel.


Marguerite und Sourdeval nahmen 1861 ein Patent auf eine
verbesserte Cementation mittels Kohlenwasserstoff oder Kohlenstick-
stoffverbindungen in Verbindung mit Alkalien.


Nicht zur Stahlbereitung, nur zur Reinigung wurde Wasserdampf
in verschiedener Form vorgeschlagen. W. A. Gilbee empfahl hierfür
in seinem Patent vom 31. August 1861 einen in zwei Kammern
geteilten, durch eine mit Löchern versehene Scheidewand getrennten
Flammofen. Das geschmolzene Metall sollte in dünnen Strahlen in
die obere Kammer eintreten, worauf durch einen Trichter Ätzkalk-
pulver, welches das Metallbad bedecken soll, aufgegeben wird. Das
flüssige Eisen gelangt dann durch die Öffnungen in der Scheidewand
in den unteren Ofen, welcher mit drei geneigten Formen nahe dem
Herdboden versehen ist, wovon zwei mit einem Dampfkessel verbunden
sind, während durch die dritte Luft eingeblasen wird.


Preisenhammer und Weniger wollten Wasserstoffgas zur
Reinigung und zum Schmelzen anwenden.


Théophile L. Rousselot schrieb der Borsäure eine besondere
Kraft zu, indem er behauptete, durch längeres Eintauchen von Eisen
in eine Lösung von Borsäure und darauf folgendes Umschmelzen unter
einer dünnen Decke von Kohlenstaub Stahl zu erhalten. Die Gebrüder
Gardner empfahlen Zink als Reinigungsmittel. Andere wiederholten
die alten Rezepte, durch Zusatz von Gold und Silber, Nickel, Chrom,
Wolfram u. s. w. besonders guten Guſsstahl zu erzeugen. Julius
Bauer
aus Brooklyn bei New-York (Nordamerika) empfahl Alu-
miniumstahl.


R. Mushet lieſs sich am 19. November 1862 ein Verfahren der
Guſsstahlbereitung patentieren, welches darin bestand, „graues, weiſses
oder halbiertes spatiges oder Rohstahleisen oder Frankliniteisen“ in
einem Ofen bis nahe seinem Schmelzpunkt zu erhitzen, und es dann
zu grobem Pulver in eisernen Mörsern zu zerstoſsen. Dieses Pulver
sollte dann mit Manganoxyd der Beschickung im Tiegel zugesetzt
[185]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
werden. — Gruner hatte 1861 über die Stahlerzeugung durch
Cementation mittels Leuchtgas geschrieben 1).


Von der gröſsten Wichtigkeit für die Guſsstahlfabrikation war
die Einführung der Gasschmelzöfen in Verbindung mit Siemens
Erfindung der Regeneratorfeuerung. Obgleich das Patent von Karl
Wilhelm
und Friedrich Siemens vom 22. Januar 1861 die Ver-
wendung der Öfen zum Stahlschmelzen hervorhebt, und obgleich Karl
Wilhelm Siemens
von Anfang an gerade dieser Aufgabe sein
Hauptinteresse zugewendet hatte und selbst in Sheffield Versuche
anstellte, so dauerte es doch mehrere Jahre, bis dieses Feuerungs-
system mit Erfolg bei der Guſsstahlfabrikation Verwendung fand.


Charles Attwood hatte dagegen 1862 mit Siemens’ Unter-
stützung das Stahlschmelzen im offenen Herd versucht.


1864 erbauten die Gebrüder Martin, die von Siemens die
Licenz erworben hatten, ihren Stahlofen, der sowohl für den Betrieb
im offenen Herd als mit Tiegeln eingerichtet war. Sie verwendeten
auf Siemens’ Veranlassung für das Gewölbe und die dem Feuer
unmittelbar ausgesetzten Teile des Ofens gepreſste Steine aus Quarz-
sand, sogenannte Dinassteine.


Hierauf errichtete Siemens selbst im Jahr 1865 ein Musterstahl-
werk, um den Wert seines Regenerativ-Schmelzofens den Eisenhütten-
männern vor Augen zu führen. Er baute einen Ofen für 16 Tiegel zur
Herstellung besserer Guſsstahlsorten. Dieses Vorgehen hatte denn auch
den Erfolg, daſs Siemens’ Öfen in den Tiegel-Stahlwerken Englands
rascher Verbreitung fanden, ebenso in Frankreich und Deutschland. Die
später gebauten Öfen faſsten gewöhnlich 20 bis 24 Tiegel, die in zwei
Reihen aufgestellt waren. Die Tiegel wurden durch eine Öffnung im
Gewölbe, die durch lose Ziegel geschlossen war, eingesetzt und aus-
gehoben. Die Generatorgase und die heiſse Luft traten auf den
Langseiten gegenüber jedem Tiegelpaar ein. Die Tiegel standen in
einer Schicht von gemahlenem Koksstaub. Die Ersparnis an Brenn-
material im Vergleich mit den alten Schmelzöfen war sehr bedeutend.
Die Kosten für 1 Tonne betrugen 5 d. gegen vordem 75 d.; dabei
hielten die Tiegel in den Gasöfen 4 bis 5, bei Verdié in Firminy
sogar 8 Schmelzungen aus, bei den alten Öfen dagegen nur 2 bis 3.
Ein Ofenfutter hielt jetzt 15 bis 20 Wochen, bei den alten Öfen
höchstens 4 bis 5 Wochen 2). Die Chargendauer betrug in Firminy
[186]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
4 Stunden; die drei Gasöfen zu 20 Tiegel, à 25 kg, konnten also
täglich 8000 kg Stahl liefern.


Auf dem v. Mayrschen Guſsstahlwerk in Leoben hatte man schon
1862 die Siemens-Regeneratoren mit Braunkohlen-Gasfeuerung zum

Figure 103. Fig. 103.


Figure 104. Fig. 104.


Schmelzen des Tiegelguſsstahls eingeführt. Fig. 103, 104 ist eine
Skizze der Mayrschen Guſsstahlöfen.


F. Yates nahm am 4. November 1864 ein Patent auf ein Ver-
fahren, dünne guſseiserne Stäbe in Retorten der Wirkung von über-
hitztem Wasserdampf und heiſser Gebläseluft 12 Stunden bis mehrere
Tage auszusetzen und das teilweise entkohlte Produkt in dem Tiegel
oder Flammofen zu Guſsstahl umzuschmelzen.


[187]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.

Cailletet machte um diese Zeit die interessante Beobachtung,
daſs Schmiedeeisen Kohlenstoff aufnimmt, wenn es in Berührung
mit Roheisen in geschlossenen Gefäſsen geglüht wird; hier findet
also die Bildung von Cementstahl und Glühstahl gleichzeitig statt.


Für den günstigen Einfluſs des Wolframs trat Caron 1864 ein.


1867 wendete man bereits mehr Puddelstahl als Cementstahl in
der Tiegelguſsstahlfabrikation an. Victor Gallet packte (1867) zer-
schnittene Luppenstäbe in ein Gemisch von Kalk, Thon, Pottasche,
Manganoxyd, Harz und Ruſs und schmolz die Masse in Tiegeln.


Bury \& Co. in Sheffield hatten in der Pariser Weltausstellung
1867 Stahlwerkzeuge ausgestellt, die in der Weise hergestellt waren,
daſs in Tiegeln geschmolzenes flüssiges Eisen oder weicher Stahl in
Formen der betreffenden Werkzeuge gegossen und diesen dann durch
Cementation eine Oberflächenhärtung gegeben wurde.


In der italienischen Abteilung war 1867 unter dem Namen
Glisentis-Guſsstahl ein Produkt ausgestellt, das durch Zusammen-
schmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt war. In Er-
mangelung von Spiegeleisen schmolz man erst reines Roheisen mit
einem Zusatz von 5 Prozent Mangan im Tiegel. Glisentis-Guſsstahl
fand besonders für Revolver Verwendung.


v. Mayr in Leoben hatte „Manganstahl“ ausgestellt. Die Dar-
stellung von Wolframstahl hatte er aufgegeben, weil derselbe sich
angeblich im Feuer schlecht bewährte.


Die Schmelztiegel spielen eine wichtige Rolle bei der Guſsstahl-
bereitung, indem der Verschleiſs derselben nach den Berechnungen
von Gruner und Lan1) durchschnittlich mehr als ein Viertel der
Erzeugungskosten (21 bis 36 Prozent) des Guſsstahls ausmacht. Über
die übliche Gestalt und die Masse der Tiegel verweisen wir auf
Wedding-Percy (Bd. III, S. 160 etc.). In der Regel wurden die
Tiegel mit der Hand geformt mittels Nonne und Mönch, doch fing
man in jener Zeit bereits an, Maschinen zum Tiegelformen zu ver-
wenden. Die älteste dieser Tiegelpressen war von Malmedie1); bei
ihr wurde der Preſskolben wie bei einer gewöhnlichen Münzpresse
mittels einer Schraube bewegt.


Eine vollkommenere Maschine dieser Art, bei welcher der Preſs-
kolben mit dem Kolben eines Dampfcylinders verbunden war, hat
[188]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Vital Daelen zu Berlin konstruiert 1). Eine kombinierte Bewegung,
d. h. eine Uebertragung des Dampfdruckes durch Räder auf die Preſs-
schraube, hatte Pérard und Berchmanns Tiegelpresse.


Beachtenswert waren auch die Versuche, unschmelzbare Schmelz-
tiegel aus Ätzkalk herzustellen. Da es nahezu unmöglich war, halt-
bare Tiegel direkt aus Atzkalk herzustellen, so schlug David Forbes
folgendes Verfahren vor. Er stampfte feuerfeste Thontiegel fest voll
Lampenruſs, schnitt daraus einen Tiegel aus, so daſs die Wände mit
ca. einem halben Zoll Ruſs bedeckt blieben; alsdann stampfte er
diesen Kohlentiegel mit Ätzkalk aus, aus dem er dann in der ähn-
lichen Weise den Kalktiegel ausschnitt. Zum Schmelzen von einigen
Pfunden von weichem Eisen, Kobalt u. s. w. bewährten sich diese
Tiegel ganz gut. — Caron empfahl 1868 die Herstellung von Stahl-
schmelztiegeln aus Magnesit von Euböa.


Ein von Rochusen konstruierter Stahlschmelzofen bestand in
einem groſsen Tiegel, der so viel faſste, wie eine ganze Gruppe kleiner
und der sich mit dem Ofen umkippen lieſs. Es sollten dadurch
25 Prozent an Arbeitslohn erspart werden.


Es erübrigt uns noch, verschiedene Stahlbereitungsverfahren und
Vorschläge dazu, die sich zwar an die beschriebenen anlehnen, aber
doch von denselben abweichen, zu betrachten.


Die Stahlerzeugung im Schachtofen wollte Parry (Patent vom
18. November 1861) dadurch erreichen, daſs er Puddeleisen oder
Eisenabfälle im Kupolofen schmolz, das Eisen sollte cementiert und
zu Guſsstahl geschmolzen werden. Weicheren Stahl wollte er
dadurch erzielen, daſs er durch an dem Boden angebrachte Formen
Wind durch das geschmolzene Metall blies. Beschleunigt wurde
der Prozeſs dadurch, daſs man erst ein Quantum reinen Roheisens
einschmolz, ehe man das gefrischte Eisen aufgab. Es ist dies das in
den Gieſsereien zur Herstellung von ordinärem Stahlguſs gebräuchliche
Verfahren.


Auf der Pariser Ausstellung 1867 erregte neben dem Flammofen-
schmelzen der Gebrüder Martin besonders das Salpeterverfahren von
John Heaton, worauf dieser am 17. März 1866 in England ein
Patent erhalten hatte, Aufsehen. Danach sollte flüssiges Roheisen in
einem rotierenden Cylinder, an dem mit Salpeter gefüllte eiserne
Kapseln befestigt waren, in Stahl verwandelt werden. Einem
zweiten Patent vom 3. Mai 1867 waren Zeichnungen beigefügt.
[189]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
James Hargreaves lieſs sich am 3. und 22. Mai 1869 dasselbe
Verfahren patentieren, das er auf alle Salze, welche Sauerstoff ab-
geben, in Verbindung mit Eisen- und Manganoxyd und für beliebige
Arten von Öfen oder Konverter ausdehnte; selbst in der einfachen
Gieſspfanne sollte der Prozeſs ausgeführt werden. In dem zweiten
Patent schlug er einen stehenden Cylinder als Konverter vor, auf
dessen Boden die Mischung feucht aufgestampft oder in Form von
Blöcken gepackt und nach dem Anwärmen das flüssige Eisen darauf
gegossen werden sollte. Für harten Stahl zu Schneidwerkzeugen
sollten auf 1 Centner weiſses Roheisen 9 Pfund Natronsalpeter und
5 Pfund Manganhyperoxyd genommen werden; für weichen Stahl
12 Pfund Salpeter und 18 Pfund Eisenoxyd.


Heatons Prozeſs wurde zu Langley-Mill im groſsen ausgeführt 1).


Die groſsen Hoffnungen, die man auf den Salpeterprozeſs setzte,
beruhten darauf, daſs man annahm, durch denselben würden Schwefel
und Phosphor in wirksamer Weise aus dem Roheisen abgeschieden.
Die Idee, Salpeter als Reinigungsmittel des Roheisens zu verwenden,
war, wie wir wissen, durchaus nicht neu; so hatte z. B. ein
Deutscher, Dr. Engelhard, schon in den dreiſsiger Jahren Roh-
eisen auf diese Weise gereinigt (s. Bd. IV, S. 587). Heatons Prozeſs
gab auſserdem kein fertiges Produkt, sondern dasselbe muſste erst
umgeschmolzen werden.


Über den Betrieb von Heatons Stahlprozeſs zu Langley-Mill im
Jahre 1868 ist folgendes zu berichten: Das in einem Kupolofen um-
geschmolzene Roheisen wurde in Quantitäten von 12 Centner in ein
den schwedischen Bessemeröfen ähnliches Gefäſs eingegossen. Der
mit feuerfesten Steinen ausgefütterte 8 Fuſs hohe, 4 Fuſs auſsen weite,
feststehende Cylinder stand auf einem beweglichen Rädergestell unter
einer 30 Fuſs hohen Esse. Man gab auf den Boden des Gefäſses
Natronsalpeter und legte auf diesen eine dicke, durchlöcherte Guſs-
platte, schob das Gestell unter die Esse und goſs das Roheisen ein.
Nach 2 Minuten begann die Reaktion. Anfänglich entwickelten sich
rotbraune, dann schwarze und hierauf grüne und weiſse Dämpfe in
reichlicher Menge. Nach 5 bis 6 Minuten begann das eigentliche
Frischen mit lautem Getöse und Ausströmen einer glänzend gelben
Flamme aus der Esse. Nach 1½ Minuten hörte die Erscheinung
plötzlich auf und der teigartige rohe Stahl wurde mit der flüssigen
Schlacke abgestochen. Die Guſsplatte schmolz meist mit ein.


[190]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.

Das Verfahren von Hargreaves und Robinson wurde zu Widnes
in einem weiten niedrigen Schachtofen in ähnlicher Weise vorgenommen.
Das Produkt des Salpeterprozesses wurde meist unter einem Patsch-
hammer in Kuchenform geschlagen, dann zerbrochen und die 2½
bis 3 Pfund schweren Stücke mit Manganoxyd und etwas Holz-
kohlen im Tiegel zu gutem Guſsstahl geschmolzen. Man konnte das
Produkt aber auch im Schachtofen und unter Hämmern weiter ver-
arbeiten. Nach der Analyse von Dr. Miller war das Produkt ziemlich
rein, der Phosphor war gröſstenteils abgeschieden, indem von 1,455 Proz.
im Roheisen nur 0,292 im Stahl verblieben war.


Die Festigkeitsversuche, welche R. Mallet und Dr. Kirkaldy
mit Heatonstahl gemacht hatten, waren sehr günstig ausgefallen.
Anfang 1869 herrschte in England eine sehr gute Meinung über
das Verfahren, das in Cleveland und Northhampton eingeführt worden
war. Man hoffte damit alles schlechte Roheisen Englands in guten
Stahl verwandeln zu können.


Versuche mit Heatons Verfahren in Seraing und in Österreich
(von Kerpely) fielen ungünstig aus. Auch hier hatte die Reklame
viel dazu beigetragen, dem Prozeſs eine unverdiente Wichtigkeit bei-
zulegen. Gruner veröffentlichte 1869 eine Untersuchung über den
Heatonprozeſs 1), dem er groſse Bedeutung zuschrieb.


Caron empfahl 1868 zur Anfertigung von Stahlschmelztiegeln und
für die Herde der Martinöfen die Verwendung des Magnesits, der auf
der Insel Euböa in bedeutender Menge aufgefunden worden war und
nur Spuren von Kalk, Kieselerde und Eisenoxyd enthielt. Der
Magnesit sollte in hoher Hitze gebrannt, dann angefeuchtet und
so in Tiegel gedrückt, hierauf diese getrocknet und nochmals
gebrannt werden. Der hohe Preis stand aber der Einführung im
Wege und wurden Graphittiegel vorgezogen.


Am 3. Dezember 1867 lieſs sich John Gjers ein Verfahren zur
Bereitung von Guſsstahl und Homogeneisen patentieren. Er puddelte
wie gewöhnlich, unterbrach aber das Kochen im stärksten Stadium
(top boil) und stach das stahlartige Produkt in einen Siemensschmelz-
ofen ab.


Am 16. Januar 1868 lieſs sich J. A. Jones folgende ähn-
liche Stahlbereitungsmethode durch Patent schützen. Er puddelte
[191]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
das Roheisen mit Schlacke oder unter Zusatz von Eisen- und Mangan-
oxyd und warf die rohen noch ungaren Luppen ins Wasser, oder er
unterbrach die Kochperiode, kurz ehe die Schlacke über die Arbeits-
platte lief, lieſs die Masse sich setzen und riſs das halbgare Metall
heraus. Dieses brachte er in dem ersten wie in dem zweiten Falle
in einen Siemens-Gasflammofen und schmolz es zu Guſsstahl um.


1868 schlug Charles Attwood (Patent vom 10. März) ein Ver-
fahren vor, welches eine Kombination des Bessemer- und Martin-
verfahrens darstellt. Er will das in der Bessemerbirne mehr oder
weniger entkohlte Eisen in einen Siemens-Flammofen laufen lassen
und es hier nicht nur längere Zeit einer hohen Temperatur aussetzen
(wie Benson), sondern auch noch entweder reines Guſseisen oder
Schmiedeeisen zusetzen, je nachdem ein hartes oder ein weiches
Produkt erzeugt werden sollte.


Heinrich Bessemer dehnte durch ein ausführliches Patent vom
10. November 1868 sein bereits früher beschriebenes Princip des
Schmelzens unter hohem Druck auch auf Kupolöfen, Flammöfen und
Tiegelöfen aus, deren Konstruktion er entsprechend abänderte. Die
Temperatur sollte dadurch so hoch werden, daſs Schmiedeeisen und
Stahl rasch und leicht schmelzen. Hierzu war eine Pressung von
20 bis 30 Pfund auf den Quadratzoll erforderlich.


J. Gjers hatte seinen Stahlschmelzprozeſs (in seinem Patente
vom 28. Februar 1868) dahin abgeändert, daſs er stahlartiges Eisen
unter Zusatz von manganhaltigem Eisenerz oder einem Gemenge von
reinem Eisenerz und reinem Manganerz in folgender Weise verschmolz.
Das stahlartige Eisen, am besten als Brammen (stampings) aus Puddel-
eisen wird mit einem Gemisch etwa von 100 Tln. Kohlenteer, 50 Tln.
Eisenerz, 25 Tln. Manganerz und 25 Tln. gebranntem Kalk umkleidet.
Diese Stücke werden alsdann in Schmelzröhren, welche in aufrechter
Stellung in einen Siemens-Gasflammofen so eingestellt sind, daſs sie
mit ihrem oberen Ende durch das Gewölbe des Ofens hindurchgehen,
so daſs sie von oben beschickt werden können, eingesetzt. Die Röhren
sind unten ebenfalls offen; es sind gewissermaſsen Schmelztiegel ohne
Boden. In diesen Röhren wird der Stahl durch die Hitze des Siemens-
Flammofens geschmolzen und sammelt sich das flüssige Metall auf
dem Herde des Siemensofens, wo es, von Schlacken bedeckt, längere
Zeit starker Hitze ausgesetzt bleibt, ehe es abgestochen wird. Wenn
es erforderlich ist, kann durch Nachsatz von Spiegeleisen oder
Schmiedeeisen im Herd ein härterer oder weicherer Stahl erzeugt
werden. Der Betrieb ist ein kontinuierlicher.


[192]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.

Gjers führte diesen Betrieb im Clevelanddistrikt ein 1).


H. Bessemer verfolgte seine Idee, die Energie der metallurgischen
Vorgänge durch hohen Druck zu verstärken, weiter und nahm am
10. Mai 1869 fünf Patente (Nr. 1431 bis 1435) für die Fabrikation von
Stahl und Schmiedeeisen in Flammöfen, Kupolöfen, Konvertern u. s. w.,
für die Cementation von Schmiedeeisen und das Ausschmelzen auch
von Erzen unter Druck.


Der Druckflammofen ist in dem Patent Nr. 1431 beschrieben und
abgebildet 2). Er besteht, wie Fig. 106 zeigt, aus einem starken Eisen-
gehäuse, welches mit feuerfestem Material ausgekleidet ist. Die Rost-
feuerung ist in einem eisernen Kasten eingeschlossen. Unter dem

Figure 105. Fig. 105.


Rost mündet das Windrohr mit zahlreichen kleinen Ausströmungs-
öffnungen. Dasselbe ist geöffnet, sobald mit Hochdruck gearbeitet
werden soll. An die Feuerung schlieſst sich der flache Herd; die
Feuerbrücke ist mit Wasser gekühlt. Statt des Fuchses schlieſst der
Herdraum mit einer runden Öffnung ab; an diese schlieſst sich der
bewegliche, doppelte Feuerkanal von ungleicher Weite, wovon der eine
durch das Hebelwerk mit Gegengewicht eingestellt wird, wenn mit
Essenzug, der andere, wenn mit Hochdruck gearbeitet werden soll.
Anfangs wird der Ofen mit natürlichem Essenzug betrieben, wobei
er sich in der Stellung Fig. 105 befindet; die Zugthür ist geöffnet.
Befindet sich die Charge in heller Weiſsglut, so wird die Zugthür
geschlossen, der Feuerkanal mit der engen Ausmündungsöffnung ein-
gestellt und der gepreſste Wind durch das Rohr unter den Rost
einströmen gelassen. Die Hitze steigt rasch und die Schmelzung ist in
kurzer Zeit beendet. Alsdann wird das flüssige Metall abgestochen.


[193]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.

Um geringeren Stahl auf billigere Weise zu schmelzen, kon-
struierte Bessemer einen Kupolofen für Hochdruck, der mit einem
domförmigen Aufsatz versehen war, durch den die Charge unter Luft-
abschluſs eingefüllt werden konnte. Die Öffnung, durch welche die
Verbrennungsprodukte entwichen, konnte durch einen eingesetzten
Thonpfropf mehr oder weniger verengert werden 1). Diese Öfen sollten
besonders zum Umschmelzen von Puddeleisen, Puddelstahl, Rohstahl
vom Salpeterfrischen, Schienenabschnitten und alten Schienen ver-
wendet werden. Seine Beobachtungen hatten ihn gelehrt, daſs die
Beschleunigung des Schmelzprozesses weit mehr von der Intensität
als von der Menge der Wärme abhängig sei, und daſs diese durch
den Druck wesentlich gesteigert werde. Bessemer übertrug diesen
Grundsatz sogar auf den Hochofenbetrieb und entwarf einen ähnlichen
Hochofen zum Erzschmelzen (Patent Nr. 1435). Das in dem Patent
Nr. 1434 angegebene Verfahren ist als flüssige Cementation zu be-
zeichnen.


Das schon früher erwähnte Verfahren der direkten Stahlerzeugung
aus Roheisen von Aristide Bérard, welches in Frankreich auf den
Werken von Givors zur Einführung gekommen war, wurde zuerst
von W. E. Newton 1862 und dann von J. Whitley in England ein-
geführt 2), ohne jedoch eine Bedeutung zu erlangen.


Die Fortschritte der Stahlbereitung bewirkten eine rasche Steige-
rung der Stahlerzeugung. Leider ist die Statistik aus jener Zeit zu
mangelhaft, um die gesamte Erzeugung der Erde zahlenmäſsig dar-
stellen zu können, und müssen wir uns begnügen, diese Zunahme für
einzelne Länder nachzuweisen. Für Preuſsen, den deutschen Zoll-
verein und Frankreich stellte sich dieselbe wie folgt:


Stahlerzeugung in Tonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 13
[194]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.

Auf diese rasche Steigerung der Stahlerzeugung hatte die Ein-
führung und das Wachstum der Fluſsstahlfabrikation den gröſsten
Einfluſs. Die Zunahme der Fluſsmetallerzeugung der wichtigsten
Industriestaaten seit dem Jahre 1865 stellt sich wie folgt 1):


Fluſsmetallerzeugung von 1865 bis 1870 in Tonnen.

Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.


Mit den Fortschritten der metallurgischen Operationen gingen die
der mechanischen Bearbeitung Hand in Hand. Die Massenstahl-
erzeugung verlangte auch für die Bearbeitung stärkere Maschinen und
neue Einrichtungen. Auf der groſsen Weltausstellung von 1862 und
noch mehr auf der von 1867 fiel dies sehr in die Augen. Man ver-
arbeitete in den sechziger Jahren bereits Stahl in ebenso groſsen
Blöcken als Schmiedeeisen. Da aber der Stahl viel härter und fester
war wie das Eisen und nicht bei so groſser Hitze wie dieses ver-
arbeitet werden durfte, so waren viel schwerere Hämmer und stärkere
Walzwerke erforderlich als vordem. Dies erkannte keiner früher und
klarer als Alfred Krupp, dessen Stahlwerk auch hierin alle andern
Fabriken überflügelte und denselben zum Vorbild wurde. Am 16. Septem-
ber 1861 setzte Krupp seinen 1000 Centner-Hammer in Betrieb; ein
bedeutungsvolles Ereignis in der Geschichte der Eisenbearbeitung; denn
die schwersten Dampfhämmer vordem waren Kinder gegen diesen
Koloſs. Die meisten Fachgenossen hatten den Kopf geschüttelt zu
solchem Ungeheuer und man prophezeite alles mögliche Unheil von
dem Betrieb desselben. Um so gröſser war Krupps Triumph, als der
[195]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
Maschinist denselben mit derselben Leichtigkeit lenkte, voll aufschlagen
und leicht tanzen lieſs, wie jeden anderen Dampfhammer. Als wenige
Wochen später König Wilhelm I von Preuſsen mit dem Kronprinzen
und dem Kriegsminister seinen denkwürdigen Besuch in der Krupp-
schen Fabrik machte, schmiedete „Fritz“, so hieſs der gewaltige
Hammer, einen Stahlblock von 7500 kg Gewicht und 15 Fuſs Länge.
Damals sprach der groſse König zu den Behörden und Deputationen
der Stadt Essen die treffenden Worte: Ich bin erstaunt über die
groſsartige Erweiterung dieses Etablissements, das neben seiner
gewerblichen Bedeutung einen edlen vaterländischen Zweck hat.


Der russische Ingenieur Chernoff machte in den Jahren 1866
und 1868 auf den Obuchoff-Stahlwerken bei Alexandrowsky eine Reihe
von Versuchen über die Verbesserung des Stahls durch mechanische
Bearbeitung, insbesondere durch das Schmieden. Diese führten ihn
zu folgender Theorie: Flüssiger Stahl ist als eine Lösung anzusehen,
in welcher die Stahlatome in einem Eisenbade schwimmen. Bei der
Abkühlung vereinigen sich die Stahlatome zu Krystallen, die um so
gröſser sind, je langsamer und ruhiger die Abkühlung erfolgt. Rasches
Abkühlen stört die Krystallisation, ebenso heftige Bewegung. Durch
fortgesetztes Rühren oder Schütteln des Stahls wird ein feinkörniges,
hartes Produkt erzeugt. Ebenso beruht die Wirkung des Hämmerns
des heiſsen Stahls, wodurch derselbe feinkörnig, hart, fest und zäh
wird, darauf, daſs die Krystallisation durch die mechanische Ein-
wirkung beim Übergang aus der Schweiſshitze in Dunkelrothitze mehr
oder weniger unterdrückt wird. Durch starkes Erhitzen und langsames
Abkühlen wird dieser Zustand wieder aufgehoben oder wie man zu
sagen pflegt, der Stahl verdorben. Diese Theorie der Wirkung der
mechanischen Bearbeitung auf den Stahl fand groſsen Beifall.


Wir können nur kurz die wichtigsten Erfindungen und Fort-
schritte der Hüttenmaschinen in den sechziger Jahren aufzählen.


1860 wurde Lenoirs Gasmaschine bekannt 1) und um dieselbe
Zeit erregte Ericsons verbesserte kalorische Maschine allgemeines
Interesse. — 1859 hatte man zuerst bei Mülhausen im Elsaſs Draht-
seiltransmissionen angewendet. — Daſs zu Anfang der sechziger Jahre
Armstrongs hydraulische Akkumulatoren zu allgemeinerer Anwen-
dung kamen, haben wir bereits erwähnt. Ebenso die vielfache An-
wendung hydraulischen Druckes bei der Bessemerstahlfabrikation.
1863 verbesserte Haswell seinen hydraulischen Preſshammer und
13*
[196]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
richtete ihn zum Schnellschmieden ein 1). Auf der Londoner Aus-
stellung hatte er für seinen Preſshammer eine Medaille erhalten. Auf
den Kirkstall-Eisenwerken wurde eine Haswellsche Presse für einen
Druck von 1550800 kg erbaut 2). 1863 stellte Franz v. Mayr zu
Donawitz bei Leoben einen Haswell-Preſshammer zum Drücken von
Schweiſspaketen auf. Einen verbesserten Dampfhammer mit direktem
Hochdruck und Expansion konstruierte Farcot 1860 3). Krupps
Riesenhammer blieb lange ein Unicum. 1865 wurde in England von
Nasmyth \& Co. auf dem Bolton-Eisenwerk zu Patricroft ein groſser
Dampfhammer von 72 Tonnen Gewicht und 200 Tonnen schwerem
Amboſs mit Chabotte fertig gestellt. 1865 baute R. Morrison seinen
doppeltwirkenden Dampfhammer, bei dem das Gewicht der ganzen
Maschine mitwirkte 4). Um dieselbe Zeit erfand J. Ramsbottom
seinen bereits angeführten horizontalen, doppeltwirkenden Dampf-
hammer.


1866 konstruierte F. Fischer einen Dampfzuschlaghammer.
Charles Emmet in Dalton bei Huddersfield erfand einen selbst-
thätigen Dampfhammer mit besonderer Stellvorrichtung und federndem
Gegengewicht, der gewöhnliche Schmiedearbeiten mit beliebiger Ge-
schwindigkeit und Intensität ausführte. Nilus baute einen Dampf-
hammer mit reduzierter Bärhöhe und Luftkissen, J. Vaughan einen
mit Luft- und Dampfkissen. Denselben Zweck hatte Bakewells
beweglicher Cylinderdeckel. D. Grimshaw in Birmingham erfand
den atmosphärischen Fallhammer mit Luftpumpe und geringem Kraft-
bedarf. Aus demselben Jahre stammt die verbesserte Schmiede-
maschine (Gegenhammer) von J. Wright in Dudley 5). Holiday
erfand eine Schmiedemaschine für Eisenbahnräder 6).


H. Bessemer bediente sich sehr wirksamer Schmiedepressen zur
Bearbeitung groſser Guſsstahlmassen 7). Bei denselben erfolgten die
Pressungen so rasch wie die Schläge des Hammers.


Newton erhielt im November 1866 ein Patent auf eine Gesenk-
presse für Scheibenräder nach dem System von J. Bl. Tarr. Nach
Fr. Kuppelwieser erwiesen sich, sobald Matrizen angewendet werden
[197]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
muſsten, Pressen zweckmäſsiger als Hämmer 1). Aber auch für die Be-
arbeitung dicker Stahlmassen waren sie vorzuziehen, weil der Schlag
des Hammers vorzugsweise nur auf die Oberfläche, der langsame
Druck der Presse dagegen mehr nach innen wirkte.


Bei den auf der Pariser Weltausstellung 1867 vorgeführten
Dampfhämmern war die selbstthätige Steuerung fast überall verlassen,
namentlich hatte sich für die Bearbeitung schwerer Schmiedestücke
die Handsteuerung besser bewährt. Dagegen versah man die Hämmer
ohne selbstthätige Steuerung mit Entlastungsschiebern, weil die
Umsteuerung ohne diese zu viel Kraft erforderte. Cavé ersetzte
zuerst den schwer beweglichen Muschelschieber der Nasmythhämmer
durch Doppelventile und führte die Luftprellung über dem Kolben ein.
Den Amboſs machte man bei den groſsen Hämmern überall unab-
hängig von der Chabotte.


Kombinierte Chabotten aus Mauer- und Eisenwerk wendeten bei
ungünstiger Bodenbeschaffenheit Schwarzkopf zu Neustadt-Ebers-
walde und R. Daelen zu Hörde an. Schwere guſseiserne Chabotten
setzte man aus Teilen zusammen, weil ein einziges Guſsstück beim
Erkalten leicht zersprang. Sehr groſse Chabotten wurden an Ort und
Stelle eingeformt und gegossen.


Von neuen Konstruktionen im Jahre 1867 nennen wir einen doppelt-
wirkenden Dampfhammer von Thwaites und Carbutt in Bradford,
einen kleinen Schnellhammer von Shaw und Justice in Philadelphia,
einen pneumatischen Hammer von Lindahl und Runer zu Gefle in
Schweden, einen kleinen für gewöhnliche Schmiedearbeit von T. G.
Dawes in Wolverhampton. Erwähnung verdient ferner der Dampf-
hammer von J. F. Revollier zu St. Etienne. Farcots neuer Hammer
arbeitete mit permanentem Unter- und starkem Oberdampf. Der
neue Doppelhammer von Ramsbottom zu Crewe von 36 Tonnen
Wirksamkeit war mit zwei horizontalen Dampfcylindern versehen, von
denen jeder einen Bär trieb. Das Schmiedestück lag auf einem durch
Hydraulik bewegten Wagen 2).


Von späteren Konstruktionen erwähnen wir aus dem Jahre 1869
Prospers Krafthammer mit Federbewegung, Davies Kraftzuschlag-
hammer, Joys Krafthammer mit langem federndem Holzbalken nach
Art der alten Reitel 3). Die Idee, Fallhämmer mit Schieſspulver zu
[198]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
treiben, tauchte wieder auf, ebenso die Verwendung des Pendels bei
Christian Thals Hammer 1).


Figure 106. Fig. 106.

Den gröſsten Erfolg erzielte
man aber durch die Verwendung
des hydraulischen Druckes, der
auch bei anderen Werkzeu-
gen benutzt wurde. James
Tangye
2) konstruierte 1865
eine hydraulische Schere
(Fig. 106) zum Zerschneiden
von Stäben, Eisenbahnschie-
nen u. s. w., die von einem
Mann bedient wurde; des-
gleichen eine leicht trans-
portabele hydraulische Loch-
maschine. Von groſser Wichtigkeit für die Blech- und Platten-
fabrikation war die Vervollkommnung der Parallelscheren, welche

Figure 107. Fig. 107.


[199]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
allgemeine Anwendung fanden. Fig. 107, 108 geben die Ansicht
einer solchen Parallelschere 1).


Rotierende Blechscheren erfanden Cavé in Paris und Borsig zu
Neustadt am Rübenberge 1862; eine Blechschere zur Erzielung kreis-
runder Schnitte konstruierte W. Gerscha 1865, und eine Kreisschere mit
sich drehenden Stahlscheiben der Franzose Guinier. Eine groſse Schere
mit hydraulischem Druck wurde in demselben Jahr auf Cromwells
Eisenwerk bei Birming-
ham für die englische
Regierung angefertigt.
Sie arbeitete mit 1000
Tonnen Druck und
zerschnitt kalte Eisen-
stangen von einem hal-
ben Fuſs im Quadrat.


Die stärksten Ma-
schinenkräfte kamen
aber bei den Walz-
werken, an welche
ungeheure Anforde-
rungen gestellt wur-
den, in Anwendung.
Die Verarbeitung der
schweren Stahlgüsse
und die Fabrikation
der Panzerplatten
stellten Anforderun-
gen an die Leistungs-
fähigkeit der Walz-

Figure 108. Fig. 108.


werke, von denen man früher keine Ahnung gehabt hatte. Auch
hierin schritt Krupp in Essen voran. In Verbindung mit der Ein-
führung des Bessemerprozesses erbaute er 1863 ein riesiges Walzwerk
zum Vorwalzen der Stahlblöcke und zum Walzen von Platten. Es
wurde von einer Dampfmaschine von 1000 Pfdkr. getrieben und kam
1864 in Betrieb. Das Plattenwalzwerk war ein Trio, aus drei sieben-
füſsigen Walzen bestehend. Das schon 1862 projektierte Walzwerk
von 2000 Pfdkr. zur Herstellung von Panzerplatten kam damals noch
nicht zur Ausführung. Die Fabrikation groſser Panzerplatten war
aber bereits ein Bedürfnis geworden.


[200]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Entstehung und die Fort-
schritte der Verwendung der Panzerplatten.


Schwimmende Panzerbatterieen waren zuerst im Krimkriege gebaut
worden und zwar hatte Napoleon III. dazu die Anregung gegeben.
Er beauftragte 1854 den Ingenieur Guiesse mit dem Entwurf einer
solchen und nach diesem waren fünf Stück mit einem 110 mm dicken
Eisenpanzer und 20 cm starken Eisenrippen erbaut worden. Diese
Panzerbatterieen erzielten bei der Beschieſsung von Kinburn am
17. Oktober 1854 einen glänzenden Erfolg. Die Panzerung von See-
schiffen wagte man damals noch nicht. Ende 1857 legte aber Dupuy
de Lôme
der kaiserlichen Regierung die Pläne für die Panzerfregatte
La Gloire vor, deren Bau im März 1858 zu Toulon begonnen wurde;
am 24. November 1859 lief sie vom Stapel. Damit begann die Ver-
wendung von Panzerschiffen und die Panzerplattenfabrikation. Die
Gloire war selbstverständlich ein Schraubenschiff; ihr Panzer, der
1 bis 2 m unter Wasser reichte, war 120 mm dick und gewährte
Schutz gegen die glatten 68 Pfünder-Schiffskanonen. Im Mai 1859
wurde der Warrior, das älteste Panzerschiff der englischen Marine,
auf Stapel gelegt; sein 114 mm starker Panzer bedeckte nur mittschiffs
die Batterie und ging nicht ringsum, wie bei der Gloire. Erst einige
Jahre später führte man die Panzerung um das ganze Schiff herum.
Kaum hatten sich die Panzerschiffe gezeigt, so begann auch schon das
Bestreben nach ihrer Vernichtung durch verbesserte Geschütze.


1859 baute man die französischen Panzerschiffe Magenta und
Solferino mit eisernem Sporn. 1860 schlug der englische Kapitän
Coles kegel- oder kuppelförmige gepanzerte Drehtürme, die über das
Oberdeck herausragten, mit 2 starken Kanonen an Stelle der groſsen
Zahl unwirksamer Geschütze vor. Mit dem für das englische Kriegsschiff
Trusty von John Brown in Sheffield nach Coles Entwurf erbautem
Panzerturm wurden 1861 zu Sheerneſs günstige Schieſsversuche an-
gestellt. Der berühmte schwedische Ingenieur Ericson baute bei Aus-
bruch des amerikanischen Bürgerkrieges den berühmten Monitor, der
bis zum Verdeck in das Wasser versenkt werden konnte und einen
cylindrischen Drehturm besaſs. Obgleich nur eine schwerfällige,
schwimmende Strandbatterie, vernichtete sie doch die Panzerfregatte
Merrimac, den Stolz der Südstaaten.


Inzwischen hatte die Artillerie nicht gefeiert, sondern sich eifrig und
mit Erfolg bemüht, die Durchschlagkraft der Geschütze und Geschosse
zu erhöhen. Damit begann der Wettkampf zwischen Geschütz und
Panzerung, der die groſsartigsten Leistungen auf beiden Seiten durch
[201]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
Verstärkung der Panzerung und Erhöhung der artilleristischen Leistung
hervorbrachte und der bis zum heutigen Tage fortdauert.


Die neue Art des Seekampfes hatte eine vollständige Umwälzung
des Schiffsbaues zur Folge. Es entstanden die Kasemattschiffe, welche
über dem Maschinenraum eine gepanzerte Kasematte hatten. Solche
Schiffe waren zuerst der Ocean in Frankreich, Devastation und
Thunderer in England. Eine weitere Folge war, daſs man den
Holzbau endgültig aufgab und die Kriegsschiffe ganz aus Eisen
baute. Bereits das zweite englische Panzerschiff, der Black Prince,
war in dieser Weise ausgeführt worden. Die ungeahnten Erfolge
Krupps im Geschützwesen zwangen zur Anwendung immer stärkerer
Panzer. Noch waren diese ausschlieſslich von Eisen. Die Fortschritte
der Eisenindustrie gaben aber die Mittel an die Hand, die Eisen-
panzer durch Stahlpanzer zu ersetzen, und dieser Übergang vollzog
sich zum Teil noch in den sechziger Jahren.


Die Panzerplatten wurden anfangs geschmiedet, später ging man
dazu über, sie zu walzen. Wie schon erwähnt, wurden sie zunächst
nur aus Eisen hergestellt. John Arrowsmith nahm am 8. Dezember
1859 ein Patent für Herstellung von Panzerplatten durch Walzen
und zwar walzte er erst Eisenplatten mit korrespondierenden Er-
höhungen und Vertiefungen, bildete dann aus drei dieser Platten ein
Paket, das er ausheizte und durch drei Kaliber zu schweren Platinen
auswalzte. Mehrere dieser Platinen wurden zusammengefügt und in
einem schweren Plattenwalzwerk mit horizontalen und vertikalen
Walzen zu Panzerplatten ausgewalzt.


Am 25. Juli 1860 nahmen Ch. W. Lancaster, James Brown
und J. Hughes ein Patent, Panzerplatten aus verschiedenen Lagen
von weichem, sehnigem Eisen und von hartem Homogeneisen oder
Stahl zu machen, die durch Hämmern und Walzen geschweiſst und
gestreckt wurden. Ganz dasselbe bezweckten die Patente von George
Price
vom 9. Oktober 1860. E. B. Wilson schlug bereits die
Anwendung von Fluſseisen oder Fluſs- oder Guſsstahl vor. Er
wollte würfelförmige Blöcke gieſsen, die in Gesenken sehr starkem
Druck ausgesetzt wurden. H. Bessemers Patent vom 1. Februar
1861 bezieht sich auf die Fabrikation von Panzerplatten aus
Bessemerstahl. Er schlägt vor, dasselbe in flachen Formen, die
der Gestalt der Panzerplatten entsprechen, zu gieſsen. Man könne
Lagen von hartem und weichem Metall übereinander, oder auch
Bessemerstahl auf eine Eisenplatte, welche in die Form eingelegt wird,
gieſsen. Auch in Österreich waren bereits 1859 auf dem Eisenwerk
[202]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
zu Zeltweg in Steiermark Panzerplatten von groſser Güte für die erste
österreichische schwimmende Batterie „Feuerspeier“ angefertigt worden.
Das steierische Eisen war dafür vorzüglich geeignet, nur fehlte es noch
an den Maschinenkräften und Einrichtungen, um so groſse und starke
Platten machen zu können wie in England.


In Frankreich erwarben sich besonders Petin und Gaudet, die
auch schon die Platten zu dem ersten Panzerschiff La Gloire ange-
fertigt hatten, groſse Verdienste um die Panzerplattenfabrikation.
Ihr Verfahren wurde 1861 auch in England patentiert (Nr. 1825).
John Napier machte im September 1861 den Vorschlag, entweder
die Platten statt zu hämmern oder zu walzen, aus Lagen von Brammen
oder Luppen durch starken hydraulischen Druck zu pressen, oder die
Herstellung der gewalzten Platten dadurch zu beschleunigen, daſs
man zwei Plattenwalzenpaare unmittelbar hintereinander aufstellt, so
daſs die Platte gleichzeitig in beiden gewalzt wird. Das zweite Paar
muſste der geringeren Dicke entsprechend schneller umlaufen.


Für die Panzerplatten waren die Kehr- oder Reversierwalzen,
welche sich nach dem Durchgang der Platten in umgekehrter Richtung
bewegten, von gröſster Wichtigkeit, weil das Überheben der schweren
Stücke kaum möglich war. Hierfür erfand Alleyne ein verbessertes
System, für das er am 4. April 1861 und am 26. April 1862 Patente nahm.
Im allgemeinen erfolgte die Umkehrung der Walzendrehung entweder
durch zwei Maschinen oder durch die Umsteuerung der Maschine oder
durch das Fünfrädergetriebe, wobei das eine Mal die Übertragung durch
drei Getriebe im Sinne des Motors, das andere Mal durch zwei Getriebe
im entgegengesetzten Sinne oder auch durch Winkelräder, von denen
bald das rechte, bald das linke mit dem rechtwinklig dazu um-
laufenden Getriebe verbunden wurde, stattfand. Die Kuppelung
geschah in Europa durch Klauen, in Amerika kamen dafür Friktions-
kuppelungen auf, die bald auch in Europa Anwendung fanden.


Eins der vollkommensten Walzwerke mit Umkehrung in England
war das von Dawes zu Elsnar 1867 erbaute. Hier geschah die Um-
kehrung durch doppeltes Zahngetriebe und Klauenmuffen, während
sie auf dem neuen Walzwerk zu Biskubitz in Oberschlesien durch
Umsteuerung der Maschine erfolgte.


Die Burbacher Hütte hatte das erste Kehrwalzwerk in Deutsch-
land eingeführt.


Auf der groſsen Weltausstellung in London 1862 erschienen die
Panzerplatten zum erstenmal als Weltausstellungsobjekte und erregten
begreifliches Aufsehen. Nach Tunners Bericht wurden dieselben in
[203]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
England auf dreierlei Weise dargestellt. Erstens durch Schmieden,
wie z. B. auf den Thames Iron Works in London, wo man aus Abfall-
und altem Eisen erst Pakete von 1 bis 1½ Centner schmiedete, die
man zu immer gröſseren Stücken bis zu den fertigen Platten unter
dem Hammer zusammenschweiſste. Zweitens durch Walzen, wie z. B.
in den Atlas Works in Sheffield, wo man die Pakete aus Platten von
1 Zoll Dicke, 12 Zoll Breite und 30 Zoll Länge zusammensetzte, bis
man Platten von 120 Centner Gewicht unter Vor- und Rückwärts-
walzen zusammengeschweiſst hatte. Drittens durch Schmieden und
Walzen, wie zu Codnor Park in Derbyshire, wo man zwei vor-
geschnittene Platten unter dem Hammer zusammenschweiſste, diese
dann erhitzte und auswalzte.


Die meisten der ausgestellten Panzerplatten waren 4½ Zoll dick,
doch waren auch welche von 6½ Zoll zu sehen. Sie wogen meist
30 bis 90 Centner das Stück, doch hatte das Mersey-Eisenwerk eine
von 212 Centner Gewicht ausgestellt. — Auf dem Themse-Eisenwerk
geschah das Verschmieden mit 100 Centner-Hämmern, das Aus-
schmieden der Platten mit 200 bis 400 Centner-Hämmern.


John Browns Panzerplattenwalzwerk auf den Atlaswerken zu
Sheffield galt 1862 für mustergültig. Zum Schweiſsen der groſsen
Pakete hatte man sehr groſse Schweiſsöfen, die gleichsam aus zwei
aneinandergebauten Schweiſsöfen, deren Hinterwände herausgenommen
waren, bestanden. Das Ausziehen des 120 Centner schweren Schweiſs-
paketes geschah leicht und rasch durch die Walze selbst, indem eine
Zugzange an einer Kette, die um die Walze geschlungen war, ähnlich
wie bei einem Schleppzug, das Paket auf einen Wagen und mit diesem
zu der Walze zog. Die Walzen hatten groſse Durchmesser und kleine
Winkelgeschwindigkeit und liefen vor- und rückwärts. Der Paket-
wagen war auf seiner Tragfläche mit Friktionsrollen versehen, dadurch
konnten vier bis sechs Arbeiter die schweren Platten leicht vorschieben.
Die gewalzten Platten waren leichter und billiger herzustellen als die
geschmiedeten.


Um die Panzerplatten anzufertigen, wurden bei John Brown \& Co.
in Sheffield erst Platten von 30 Zoll Länge, 12 Zoll Breite und 1 Zoll
Dicke gewalzt. Fünf derselben wurden zu einem Paket vereinigt,
das schweiſswarm zu Platten von 4 Fuſs Quadrat ausgewalzt wurde.
Aus diesen wurden unter Bildung eines neuen Paketes in ähnlicher
Weise Platten von 8 Fuſs Länge, 4½ Fuſs Breite und 2½ Zoll
Dicke hergestellt. Vier solcher wurden dann aufeinandergelegt,
schweiſswarm gemacht, mit der oben beschriebenen Kettenzange
[204]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
rasch unter die Walzen gebracht und zu einer fertigen Panzerplatte
ausgewalzt. Dieselbe wurde dann auf eine horizontale Abrichtplatte
gebracht und durch Darüberrollen schwerer Walzen geebnet.


Panzerplatten von 4½ und 5 Zoll Stärke waren ausreichend,
solange man nur mit gewöhnlichen guſseisernen Kugeln schoſs. Als
aber die Stahlgeschosse aufkamen, erwiesen sie sich als ungenügend
und muſste man die Platten in den folgenden Jahren immer dicker,
5, 7, 8, zuletzt 12 Zoll dick machen. 1868 walzten John Brown
\& Co.
Platten von 15 Zoll Dicke für eisengepanzerte Forts. Anfang
September machte er sogar eine Platte von 20 Fuſs Länge, 4 Fuſs
Breite und 21 Zoll Dicke, die 21 Tonnen wog. Es läſst sich hieraus
ermessen, welche starke Maschinen verwendet wurden.


Das Plattenwalzwerk von Charles Camel \& Co. in Sheffield,
welches Ulrich, Aust und Jänisch 1868 beschrieben haben, hatte
eine Maschine von 400 Pferdekräften mit einem Schwungrad von
1000 Centner.


Die Panzerplattenfabrikation war es aber nicht allein, welche die
groſsen Fortschritte in der Walzwerktechnik veranlaſste; die immer
zunehmende Verwendung des Bessemerstahls für die Eisenbahn-
schienen, die Herstellung der Radreifen aus Bessemerstahl und Guſs-
stahl, besonders aber auch die Herstellung immer gröſserer und
kühnerer Profile des Formeisens trug nicht weniger hierzu bei. Der
Schiffsbau und der Brückenbau erforderten zahlreiche neue Formen von
Walzeisen. Hiervon waren viele in der Ausstellung von 1862 zu sehen.


Neue und absonderliche Walzprodukte waren die fertig gewalzten
Kettenglieder mit 2 oder 3 Augen, welche von Howard, Ravenhill
\& Co.
zu Rotherhithe bei London bis zu 18 Fuſs Länge und 6 Centner
Gewicht in sogenannten Collarwalzen hergestellt wurden; ferner „Taper-
eisen“, Keileisen von zunehmender und abnehmender Stärke, welches
zwischen Walzen, die während des Umganges sich näherten und ent-
fernten, was durch Heben der Oberwalze geschah, gewalzt wurde.
Solches hatten die Mersey-Eisenwerke ausgestellt. Die veränderte
Stellung der Oberwalze wurde durch den Druck von Wasser, als
nicht elastischer Flüssigkeit, bewirkt.


Sodann waren vom Butterley-Eisenwerk 3 Fuſs hohe Girders,
Doppel-T-Träger, ausgestellt, die aber aus 2 T-Schienen und einem
Flacheisen in der Weise hergestellt waren, daſs Leisteneisen dazwischen
gelegt und dann Stück für Stück im Schweiſsfeuer erhitzt und zwischen
Doppelhämmern auf beiden Seiten zugleich geschmiedet wurde. Das
Butterley-Eisenwerk bei Alfreton in Derbyshire hatte gewalzte I-Träger
[205]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
von 3 Fuſs Höhe, 12 Zoll breitem Kopf und Fuſs und 30 bis 60 Fuſs
Länge ausgestellt, ferner eine Eisenbahnschiene von 117 Fuſs Länge
und 5¼ Zoll Höhe.


Groſsartig war die Ausstellung von Façoneisen zu Paris im
Jahre 1867. Welcher Reichtum von Profilen für Walzeisen zu allen
möglichen Zwecken bereits entstanden war, ist aus E. Mäurers „Die
Formen der Walzkunst, 1865“ zu ersehen. Von neuen Formen erwähnen
wir gewundenes Kreuzeisen zu Säulen (fer â croix tors), welches in
Frankreich aufgekommen war; Z-Eisen, welches in geringer Dimension
zuerst in England, in groſsen Dimensionen von Ingenieur Flamm 1862
auf der Burbacher Hütte bei Saarbrücken gewalzt wurde. F-Eisen
wurde zuerst zu Eschweiler-Aue und Rothe Erde bei Aachen fabriziert.


Die gröſste Bewunderung erregten aber mit Recht die vortreff-
lichen Leistungen der Walzwerke in I-Eisen. 1862 waren noch die
höchsten in England hergestellten Schienen von 40 cm Höhe aus drei
Teilen zusammengesetzt. Das Eisenwerk zu Montluçon in Frankreich
stellte einige Jahre später bereits I-Eisen von 50 cm Höhe, welche
fertig aus den Walzen kamen, her. Auf der Pariser Ausstellung
1867 hatten zwei Gesellschaften, die Compagnie von Chatillon und
Commentry und die berühmte Firma Petin, Gaudet \& Co. eben-
solches I-Eisen von 1 und 1,1 m Höhe ausgestellt. Die von den
Letztgenannten gelieferten Träger waren dabei 10 m lang. Sie wurden
durch ein besonderes Walzverfahren zwischen horizontalen und verti-
kalen Walzen, deren Achsen in einer Vertikalebene lagen und nach
jedem Durchgang gestellt wurden, bis sie beim letzten Durchgang ein
geschlossenes Profil von der gewünschten Form bildeten, hergestellt.
— Gröbere L- und U-Eisen wurden bereits ziemlich allgemein mittels
Universalwalzwerken dargestellt.


Ch. Martin hatte schon 1860 mit 3 Walzen, deren Achsen in
Winkel von je 60° gestellt waren, T-Eisen gewalzt (Engl. Pat. 2101).


Creusot und Dupont \& Dreyfuſs zu Ars-sur-Moselle zeichneten
sich durch eine reiche Ausstellung schöner kleiner Profile von Form-
eisensorten aus. Letztere stellten Façoneisen von 550 verschiedenen
Profilen dar und hatten eine Jahresproduktion von 20 Mill. Kilogramm.


Über die Kalibrierung der Walzen veröffentlichte P. Tunner 1867
eine empfehlenswerte Schrift, ebenso R. Daelen 1870.


Petin, Gaudet \& Co. hatten auch Kesselbleche von ungewöhn-
lichen Gröſsen ausgestellt, so eine Platte von 64 Fuſs Länge, 5,2 Fuſs
Breite und 4,37 Linien Dicke. Hörde hatte eine ähnliche von 44 Fuſs
Länge, 5,2 Fuſs Breite und 10 Linien Dicke. Low-Moor hatte Kessel-
[206]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
bleche mit verstärkten Rändern, die nach dem patentierten Verfahren
von Alton hergestellt waren, ausgestellt.


Diese und noch viele andere Muster legten Zeugnis ab für die
groſsen Fortschritte der Walztechnik.


Bei den Kesselblechwalzen waren durch Dampf getriebene Über-
hebvorrichtungen
schon Anfang der sechziger Jahre allgemein

Figure 109. Fig. 109.


angewendet. In Deutschland zeichneten sich die von Borsig1) und
Daelen2) konstruierten aus.


Krupps Walzenstellung wurde durch Schrauben, die durch Zahn-
räder gedreht wurden, welchen wieder eine Schraube ohne Ende eine
gleichmäſsige Bewegung erteilte, bewirkt.


Eine groſse Wichtigkeit erlangten die Universalwalzwerke
[207]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
nicht nur bei der Panzerplattenfabrikation, sondern auch für Form-
eisen. So walzte Daelen zu Hörde auf seinem neuen Universalwalz-
werk 1864 Winkeleisen 1). In Frankreich lieſsen sich Isaac Dreyfuſs
in Paris 1860 und Franquinet-Delloye 1861 Universalwalzwerke
patentieren. Marcel Frères2) in Rive-de-Gier hatten 1867 das
Modell eines verbesserten Universalwalzwerks in Paris aufgestellt, des-
gleichen Wagner3). Das
neue Universalwalzwerk zu
Hörde hatte 3 horizontale
Walzen übereinander, aber
nur 2 vertikale. Fig. 109,
110 stellen das in Österreich
verbreitete Universalwalz-
werk von Wagner in
Mariazell dar. Die horizon-
talen und vertikalen Walzen
waren durch Schrauben und
Radgetriebe verstellbar.


Das Princip der Be-
schleunigung des Walzens
durch die Aufstellung meh-
rerer Walzenpaare hinter-
einander wurde 1860 von
M. Bonnor, 1861 von
While in Dowlais und von
John Napier zu Glasgow
und 1863 von W. Taylor
angewendet.


Zum Walzen von Blechen
und Façoneisen wendete man
kräftigere Walzwerke mit
schnellerem Gang an, wo-
durch man 1867 in Frank-

Figure 110. Fig. 110.


reich Bleche bis zu 1 mm Dicke in einer Hitze auswalzen konnte,
während man früher 2 bis 3 Hitzen nötig hatte. Dadurch stellten
sich die Selbstkosten und die Verkaufspreise niedriger.


[208]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.

Die gröſsten Leistungen in dieser Richtung wurden aber bei der
Schienenfabrikation erzielt. Das Fertigwalzen einer Schiene
erforderte in Dowlais 1865 nicht mehr als 5/4 bis 1½ Minuten an
Zeit. Man machte 300 Schienen in der Schicht aus 8 bis 10 Schweiſs-

Figure 111. Fig. 111.


öfen (Ulrich). Man verwendete zum Ver-
walzen der Pakete von Schienen und grobem
Façoneisen ebenfalls Umkehrwalzen. In
Dowlais waren ferner zur Beschleunigung
vier Schienenwalzen in zwei Doppelständen,
Fig. 111, 112, gelagert.


Die Herstellung der Eisenbahnschienen
aus Bessemerstahl, welche John Brown in Sheffield und Ramsbottom
in Crewe im Jahre 1861 begonnen hatten, nahm von Jahr zu Jahr zu.
Die Schienen aus Bessemerstahl erwiesen sich nicht nur den Schienen
aus Puddeleisen, sondern auch den Schienen mit angeschweiſstem Stahl-

Figure 112. Fig. 112.


kopf oder mit cementiertem Kopf
weit überlegen. Ausschlaggebend
für ihre allgemeine Verwendung
waren die berühmten Versuche
von Ramsbottom, welcher
Bessemerschienen in dem auſser-
ordentlich stark befahrenen Bahn-
hof in Crewe einlegte. Während
man dort alle vier Monate eine
Schiene auswechseln muſste, weil
die beiden Laufflächen der
Doppelkopfschiene abgelaufen
waren, hielt die Bessemerschiene
3½ Jahre, und wurde nur wegen
Umbau des Bahnhofs abgelegt.
Zu Chalk-Farm bei London, wo
man eine Bessemerschiene in das
befahrenste Geleise neben einer Eisenschiene eingelegt hatte, hielt
dieselbe 23 Laufflächen von letzteren aus. Bis Ende 1861 verlegten
bereits sieben englische Eisenbahngesellschaften Bessemerschienen.


Anfangs stellte man für jede Schiene einen Ingot dar. Bald aber
goſs man die Stahlblöcke so groſs, daſs man zwei oder selbst vier
Schienen aus einem Block walzen konnte. Dies geschah in Österreich
und auf mehreren englischen Hütten direkt ohne Vorschmieden,
während man in Deutschland und Frankreich die Blöcke erst schmiedete
[209]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
und dann in einer zweiten Hitze auswalzte. Allgemein brauchte man
1867 nur 2 Hitzen, während man 1862 zu Sheffield noch 4 nötig
gehabt hatte. Man benutzte kräftige Walzwerke von 150 Pferdekräften
In Bochum goſs man 1867 die Blöcke 1150 kg schwer für 4 Schienen,
walzte die überschmiedeten Blöcke in Stangen von einem halben Fuſs
im Quadrat, die man in 4 Stücke zersägte und dann auf einer Walzen-
straſse von 200 Pferdekräften und mehr auswalzte. Das Schienen-
walzwerk von John Brown in Sheffield hatte 1867 eine Dampf-
maschine von 400 Pferdekräften, die mit 60 Pfund Dampfdruck
arbeitete. Das neue Schienenwalzwerk zu Dowlais wurde 1868 von
2 Balanciermaschinen von 800 Pferdekräften getrieben. Von schmiede-
eisernen Schienen mit Stahlköpfen kam man um so mehr ab, je billiger
der Bessemerstahl hergestellt wurde.


Ein neues wichtiges Absatzgebiet für die Walzindustrie begann
sich dadurch zu eröffnen, daſs man versuchte, bei dem Eisenbahn-
unterbau
die Holzschwellen durch Walzeisen zu ersetzen.


Der Engländer Barlow war der erste, der lange sattel-
förmige Laschen (Längsschwellen), die kontinuierliche Lastträger
bildeten, direkt auf die Kiesbettung des Eisenbahndammes legte und
sie mittels eiserner Querverbindungen in der richtigen Spur hielt.
Dieser Barlowsche Oberbau war 1862 auf der Londoner Weltaus-
stellung zu sehen. Die Barlowschiene bewährte sich aber in der
Praxis nicht. Hierauf wurden andere Vorschläge von Scheffler und
Heusinger in Deutschland, von Köstlin und Balting in Wien und
von Mazilier in Paris gemacht. Eiserne Querschwellen wurden 1864
mit Erfolg in Belgien angewendet. In demselben Jahre schlug Geheimer
Baurat Hartwich ein System vor, welches dem von Barlow ähnlich
war. Schiene und Schwelle bestanden auch hier aus einem Stück,
aber er machte seine Schiene 11 Zoll hoch statt sonst 5 Zoll. Durch
die doppelte Höhe erreichte er die doppelte Tragfähigkeit und brauchte
die Schiene nur in den vierfachen Abständen zu unterstützen.


Auf der Pariser Weltausstellung konnte man die verschiedenen
vorgeführten eisernen Schwellen für den Eisenbahnoberbau bereits in
drei Klassen einteilen. 1. Isolierte Schwellen in Glocken- oder Platten-
form, sogenannte Glockenstühle. Solche waren auf der Bahn von
Kairo nach Alexandria angewendet worden, hatten sich aber nicht
bewährt. 2. Längsschwellen, wie die oben angeführten. Hiervon gab
es viele Systeme, die aber alle wieder verlassen worden waren.
3. Querschwellen, die ähnlich wie die Holzschwellen gelegt wurden.
Diese waren auf der Bahn von Sclessin nach Lüttich in Anwendung
Beck, Geschichte des Eisens. 14
[210]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
und hatten sich gut bewährt. Dieses belgische System hieſs Système
des hauts fourneaux, usines et charbonages de Sclessin près Liège 1).
Weitere Systeme auf der Pariser Ausstellung waren von G. E. Dering
in Lockleys, Welwyn, Le Langlois de Dreux, Paris; J. Vautherin
in Fraisans, Griffith \& Co., welches auf der London und North-
Western-Eisenbahn versuchsweise angewendet wurde, und von Harel
\& Co.
2). 1868 wurde ein von Rochuſsen in Hörde erfundener
Oberbau auf einer längeren Strecke der Braunschweiger Bahn gelegt.


Guſsstahl wurde mit Vorliebe für Radbandagen (Tyres) ver-
wendet und hatte namentlich Krupp darin eine groſsartige Produktion
(35 bis 40 Tausend Stück im Jahr). Nachdem festgestellt war, daſs
die Leistung von Lokomotivrädern und von Eisenbahnwagenrädern aus
Guſsstahl zu denen aus gepuddeltem Feinkorneisen sich wie 3,8 : 1
und 2,4 : 1 verhielt, erlieſs das preuſsische Handelsministerium an alle
Staats- und unter Staatsaufsicht stehenden Privatbahnen die Weisung,
„daſs Guſsstahlradreifen für die Folge bei Lokomotiven und Personen-
wagen ausschlieſslich angewendet werden sollen“ 3).


Camel \& Co. in Sheffield und das Bochumer Guſsstahlwerk
stellten die Radkränze aus einem massiv gegossenen Stahlcylinder
von 1⅓ Fuſs Durchmesser, der mittels einer eigentümlichen Dreh-
und Schneidevorrichtung in gewissen Abständen so tief eingeschnitten
wurde, daſs man mit Keilen die einzelnen Scheiben abtrennen
konnte, her. In diese wurde heiſs mit einem stumpfen Stahl ein
Loch eingepreſst, welches sofort durch Schmieden erweitert wurde,
worauf die Räder auf dem von Jackson, Petin und Gaudet4)
erfundenen Kopfwalzwerk fertig gewalzt wurden. Die so hergestellten
Bandagen sollten dem Auseinanderspringen den dreifachen Wider-
stand gegen die aus gegossenen Ringen oder hohlen Cylindern her-
gestellten entgegensetzen 5).


Bei der Fabrikation ungeschweiſster Tyres aus Puddeleisen oder
Puddelstahl wurden ebenfalls Ringpakete gebildet. Bramwell und
Owen nahmen am 1. Mai 1861 ein Patent auf ein Verfahren, auch
Schienen, Stäbe, Platten, Cylinder, Achsen u. s. w. aus Ringpaketen
zu machen. Die betreffenden Gegenstände wurden als Ringe von
[211]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
entsprechender Gröſse gewalzt, diese wurden dann heiſs durch-
geschnitten und gerade gerichtet.


Die Ringpakete wurden entweder aus spiralförmig aufgerollten
Stäben hergestellt, wie es z. B. zu Montataire in Frankreich und zu
Bleanavon in England geschah, oder sie wurden radial aus Stäben
zusammengesetzt, oder nach einer aus beiden kombinierten Methode
hergestellt.


Figure 113. Fig. 113.

Figure 114. Fig. 114.

Die Kopfwalzen erlangten groſse Wichtigkeit für diese Art der
Fabrikation und wurden verschiedene Kopfwalzensysteme erfunden.
Bei diesen muſsten die Walzen verstellbar sein, so daſs sie nach jeder
Umdrehung durch Zusammenpressen enger gestellt werden konnten.
Das Strecken der Ringe erforderte weit gröſsere Kraft als die freie
Streckung, weshalb diese Walzwerke sehr stark, meist für 250 bis
350 Pfdkr., gebaut sein muſsten. Das Stauchen geschah entweder durch
14*
[212]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
ein zweites rechtwinkelig zum ersten gelagertes Walzenpaar, wie beim
Universalwalzwerk, oder das Kaliber selbst war aus zwei, drei oder
vier Walzen gebildet [Fig. 113, 114 (a. v. S.), 115], welche z. B. in

Figure 115. Fig. 115.


der nebengezeichneten
Weise wirkten.


Am meisten Ver-
breitung hatte das
bereits erwähnte Kopf-
walzwerk von Petin
und Gaudet, welches
schon 1855 in England
patentiert worden war
(Nr. 1940), gefunden.
Bei dem neuen Kopfwalzwerk zu Neuberg in Steiermark wurden 1869
die Bandagen in vertikaler Stellung gewalzt. Die Bewegung der Ober-
walze wurde durch hydraulischen Druck ausgeführt. Der Umtrieb

Figure 116. Fig. 116.


geschah durch eine Zwillingsdampfmaschine ohne Schwungrad mit
Stephensons Coulisse zur Reversion und mit variabler Meyerscher
Expansion; sie war von Sigl in Wien gebaut und leistete bei
6 Atmosphären Dampfdruck 900 Pferdekräfte.


Für das Vorwalzen der Guſs- und Bessemerstahlblöcke wendete
[213]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
man vielfach die von dem Amerikaner Fritz erfundenen, von Holley
mehrfach verbesserten Triowalzen mit Speisetisch an, welche in den
Fig. 116, 117, 118 (a. f. S.) dargestellt sind.


Spencer und Corkindale hatten (1867) auf dem Phönix-Eisen-
werk zu Coatbridge, Schottland, ein Walzwerk mit Sicherheitsdruck,
um Brüche unmöglich zu machen, erbaut. Die Walzen wurden durch
Gegengewichte in ihrer Lage gehalten und konnten ausweichen, wenn
der zulässige Druck überschritten wurde. Für denselben Zweck hatte

Figure 117. Fig. 117.


man sonst Brechspindeln, die bei einem gewissen Überdruck brachen.
Diese ersetzte J. Ramsbottom 1865 durch eine Friktionskuppelung
(Pat. Nr. 375).


Bei den Reversiermaschinen lieſs man die Schwungräder oft ganz
weg 1). John Ramsbottom, der sich groſse Verdienste um die
Walzenmaschinen erwarb, hatte 1865 zu Crewe ein starkes Kehrwalz-
werk ohne Schwungrad erbaut, welches durch einen hydraulischen
Apparat gesteuert wurde 2). Dasselbe machte ohne Schwierigkeit
[214]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
70 Umläufe in der Minute. Der Dampfkessel diente als Kraftsammler
an Stelle des Schwungrades. Das Stellen der Walzen und das Heben
der schweren Platten geschah durch hydraulischen Druck.


In Hörde bewährte sich das Walzen mit Zwillingsmaschine ohne
Schwungrad insofern nicht, als der Dampfverbrauch ein zu groſser

Figure 118. Fig. 118.


war. Man ersetzte deshalb das Reversierwalzwerk durch ein Trio-
walzwerk. Dasselbe geschah in Denain und d’Anzin in Frankreich.


Lauth in Birmingham konstruierte Walzwerke, bei denen zwischen
den gewöhnlichen Walzen schwächere Walzen auf beiden Seiten ein-
gelegt waren, welche das Walzstück beim Vor- und Rückgang passieren
muſste. Dadurch wurde dem Walzer ein groſser Teil der Last ab-
genommen und die Arbeit so sehr gefördert, daſs zwei kräftige Walzer
dreimal soviel fertig machen konnten wie früher. Die Darlaston Stahl-
[215]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
und Eisengesellschaft hatte dieses Verfahren auf ihrem Werk in
Süd-Staffordshire 1868 eingeführt und war damit sehr zufrieden.
Ramsbottom kam 1868 wieder auf die alte Konstruktion von John
Wilkinson
im Anfang des Jahrhunderts zurück, indem er ein oscil-
lierendes Walzwerk (cogging mill) aus groſsen Cylindersegmenten
herstellte 1). Er verwendete es als Stahlblockwalze.


Gute Abbildungen wichtiger englischer Walzwerke findet man in
der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen
Staate von 1869; es sind das neue Bessemerwalzwerk zu Dawlais
(Taf. I u. II), das Schienen- und Plattenwalzwerk von John Brown
in Sheffield (Taf. III), das Blechwalzwerk zu Crewe (Taf. III), die
Rohschienenwalzwerke zu Cyfartha (Taf. IV) und zu Rhymney (Taf. V),
sowie das Panzerplattenwalzwerk und der Grundplan des Puddel- und
Walzwerks zu Rhymney (Taf. V).


Eine groſse Förderung der Schweiſsarbeit wurde durch die Ein-
führung der Siemens-Regeneratorfeuerung herbeigeführt.


Eine eigentümliche Art zu schweiſsen erfanden 1868 J. Harris
und V. Pendred, indem sie einen Horizontaldoppelhammer kon-
struierten, vermittelst dessen sie groſse Stücke im Innern des Schweiſs-
ofens zusammenschweiſsten 2).


Bei der Herstellung von Stahlröhren für Gewehrläufe ohne
Schweiſsnaht wurden die massiv gegossenen Stahlbarren stark über-
schmiedet, um das krystallinische Gefüge zu zerstören und dann durch
Tempern weich gemacht. Sie wurden dann der Länge nach durch-
gebohrt, an den Enden konisch abgedreht, daſs sie durch das Ziehloch
konnten, worauf das Ziehen wie gewöhnlich begann. Nach dreimaligem
Ziehen muſsten sie in Thonmuffeln geglüht werden, um ihnen die
Sprödigkeit zu nehmen.


Das Walzen schmiedeeiserner Röhren war besonders in England
im Schwung. Englische Röhren von 15 Zoll Durchmesser waren auf der
Pariser Ausstellung zu sehen. Neue Verwendungen für derartige Röhren
waren durch die in London eingeführte Rohrpost und durch die Ver-
wendung für Kolbenstangen und Wellen veranlaſst. Keſsler fertigte
(1864) schmiedeeiserne Röhren in der Weise, daſs er Pakete aus Schienen
von segmentförmigem Querschnitt bildete, sie im Innern mit feinem
Quarzsand ausfüllte, die Enden mit eisernen Stöpseln verschloſs und
sie dann auswalzte. — Hawksworth und Harding stellten Stahl-
[216]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
röhren nur durch Ziehen dar, indem sie einen Cylinder von weichem
Stahl herstellten und diesen wie bei der Blei- und Kupferröhren-
fabrikation über einen Dorn durch Zieheisen zogen. Das geschah
mittels hydraulischer Pressen. Zur Röhrenfabrikation wendete man
meist Bessemereisen an.


Das erste Stahlschiff wurde 1865/66 in Nyköping in Schweden
auf englische Rechnung erbaut. Die ersten drei Eisenbahnbrücken
aus Fluſsstahl wurden 1863 bei Maestricht von Sterkmann, im Haag
von John Brown und in Sheffield erbaut. 1865 baute man in
Schweden eine Stahlbrücke und zwar über den Götha-Elf auf der
Gothenburg-Stockholmer Eisenbahn auf der Nebenstrecke nach Unde-
wella. Sie hatte zwei Träger Paulischen Systems, 42 m Spannweite
und war aus Puddelstahl auf dem Walzwerk Surahammer angefertigt 1).
In demselben Jahr baute Worthington eine Eisenbahnbrücke über
den Sankey-Kanal mit Blechträgern aus Bessemerstahl.


Ganz aus Stahl war die Brücke, die bei der Pariser Ausstellung
1867 den Quay d’Orsay mit dem Marsfeld verband.


Die gröſste Bedeutung erlangte der Stahl in dieser Periode für
die Waffenfabrikation, insbesondere für die Geschütze. Ehe wir hierzu
übergehen, müssen wir noch einiges über die Herstellung der rohen
Stahlblöcke, wovon bei den Fortschritten des Bessemerns allerdings
schon die Rede war, anführen.


Eine der gröſsten Schwierigkeiten bei der Guſs- und Fluſsstahl-
fabrikation war die Herstellung blasenfreier Güsse. Kurz vor
dem Erstarren des gegossenen Stahls fand meist noch eine Gasaus-
scheidung statt, die zu Blasenbildung Veranlassung gab. Man hatte
früher angenommen, daſs dies absorbierte Gase seien, welche beim
Erstarren ausgeschieden wurden. Troost und Hantefeuille hatten
das Gas, welches sich so entwickelte, aber chemisch untersucht und
gefunden, daſs es nur aus Kohlenoxydgas bestehe und daſs es sich
ganz gleich blieb, ob man den Fluſsstahl in der Luft, in einer Kohlen-
säure- oder einer Wasserstoffgasatmosphäre erstarren lieſs. Sie nahmen
deshalb an, daſs die Gase nicht von Absorption, sondern von einer
chemischen Zersetzung herrühren, welche die Folge einer Einwirkung
des Metalls auf die Thonmasse des Gefäſses sei, da die Untersuchung
zeigte, daſs das Eisen Kohlenstoff verloren und Silicium aufgenommen
hatte. Diese Blasenbildung war also sehr schwer zu vermeiden. Die
Erfahrung hatte aber gelehrt, daſs sie sehr verringert oder ganz
[217]Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
verhindert würde, wenn man das flüssige Metall unter Druck erstarren
lieſs. Die Herstellung der Güsse unter hohem Druck erhielt deshalb
auch für die Stahl- und Fluſseisenfabrikation groſse Wichtigkeit und
wurden in den sechziger Jahren verschiedene Methoden dafür an-
gegeben.


Der Franzose Galy-Cazalat, der 1858 das Durchleiten von
überhitztem Wasserdampf als Reinigungsmittel für Guſseisen und
Fluſsstahl vorgeschlagen hatte, empfahl 1865 (engl. Pat. vom 21. Dez.,
Nr. 3300) blasenfreie Stahlgüsse dadurch herzustellen, daſs er starke,
dichte Formen, welche mit einem Deckel hermetisch verschlossen
werden konnten, anwendete und in diesen nach dem Guſs durch ein
Rohr mit Sicherheitsventil ein Gemisch von Salpeter und Kohle, also
eine Art Schieſspulver eintrug, welches sofort verbrannte und durch
die Gasentwickelung einen sehr hohen Druck ausübte. Joseph
Whitworth
wendete dagegen ein praktischeres Verfahren an (Pat.
vom 24. Novbr. 1864, Nr. 3018), indem er einen Plungerkolben mit
der geschlossenen Form verband, welcher durch hydraulischen Druck
bewegt wurde und einen sehr starken Druck auf das flüssige Eisen
ausübte; derselbe betrug 40000 Pfund auf den Quadratzoll. Dieses
Verfahren war hauptsächlich für den Geschützguſs erfunden, lieſs
sich aber ebensogut für sonstige Guſsblöcke anwenden. In Frank-
reich waren es Révollier, Biétrix \& Co., Stahlfabrikanten in
St. Etienne, welche das Gieſsen von Stahl unter Druck zuerst an-
wendeten und darauf eine Fabrikation gründeten. Sie kombinierten
1867 den neuerfundenen Martinprozeſs mit ihrem Druckverfahren,
indem sie den flüssigen Stahl in geeigneten Formen unter die hydrau-
lische Presse brachten. Ihre Einrichtungen waren aber mangelhaft,
weswegen sie nicht den erwarteten Erfolg erzielten.


Die mechanische Bearbeitung der festen Blöcke konnte aber auch
viel dazu beitragen, die Nachteile der Blasenbildung zu verringern,
indem wenigstens die Blasen mit blanker Oberfläche durch Behand-
lung unter schweren Hämmern durch Zusammenschweiſsen der Wände
verschwanden. Dies konnte auch unter starken Walzen geschehen,
wenn man dieselben langsam umlaufen lieſs. Man gab deshalb den
Vorwalzen für Stahlblöcke nicht mehr wie 25 Umdrehungen in der
Minute und lieſs die Blöcke von 2 Fuſs Länge, um sie auf 3½ Fuſs
zu strecken, durch fünf Kaliber gehen 1).


[218]Fortschritte in der Verwendung des Stahls

Fortschritte in der Verwendung des Stahls und Fluſseisens
1861 bis 1870.


Durch Bessemers Erfindung und die Einführung derselben in die
Praxis wurde der Technik ein ganz neues Material zur Verarbeitung
geboten. Dasselbe wurde zwar von dem Erfinder und auch von dem
Publikum als Stahl bezeichnet, doch war der Bessemerstahl durchaus
verschieden sowohl von dem Schweiſsstahl als von dem Tiegelguſsstahl.
Abgesehen von seinen abweichenden Eigenschaften unterschied er sich
von ersterem dadurch, daſs er als flüssiges Metall erhalten wurde,
von letzterem dadurch, daſs es kein umgeschmolzenes Material, sondern
ein durch den pneumatischen Prozeſs aus Roheisen gebildetes Produkt
war. Dieses zeigte zwar Ähnlichkeit mit dem Tiegelstahl, erreichte
aber nicht dessen Güte; die Engländer nannten es deshalb zur
Unterscheidung lieber Bessemermetall.


Als nun auch noch der in seinem Verhalten ähnliche Siemens-Martin-
stahl hinzukam, schien eine bedenkliche Verwirrung dadurch einzureiſsen,
daſs man alle diese verschiedenen und auf verschiedene Weise erzeugten
Eisenkohlenstoffverbindungen mit demselben Namen Stahl bezeichnete.
Es war deshalb ein dankenswerter Fortschritt für die deutsche
Sprache, als Professor Wedding für alle durch einmalige Schmelzung
aus den Rohstoffen in flüssigem Zustande erhaltenen Stahl- und Eisen-
sorten die Namen Fluſseisen und Fluſsstahl vorschlug, die sich rasch
einbürgerten. Dieses neue Material wurde anfänglich noch mit Miſs-
trauen betrachtet und fand erst nach und nach allgemeinere Ver-
wendung, wie wir bereits an vielen Beispielen gezeigt haben. Auſser
für Eisenbahnschienen wurde es schon frühe beim Schiffsbau verwendet.
Das erste Handelsschiff, das aus Bessemerstahlplatten hergestellt wurde,
war der 1859/60 erbaute Jason, ein für Fahrten auf dem Schwarzen
Meere bestimmtes englisches Schiff von 452 Tonnen Tragfähigkeit.
Diesem folgten 1860/61 fünf Kanaldampfer.


1862 begann die Verwendung des Bessemermetalls für Dampfkessel.
P. Harkort hatte bereits durch Versuche nachgewiesen, daſs Guſsstahl-
kessel in der gleichen Zeit 20 bis 28 Prozent mehr verdampfen, als
Eisenblechkessel, daſs sie wegen glatterer Oberfläche weniger Kessel-
stein ansetzen und eine 40 bis 50 Prozent gröſsere Festigkeit besitzen.


Samuel Adamson veranlaſste 1862 die Firma Platt in Oldham,
zwei Dampfkessel von 7 Fuſs Durchmesser und 36 Fuſs Länge aus
[219]und Fluſseisens 1861 bis 1870.
Bessemerstahlblech herzustellen, und als Sir Henry Bessemer in der
Sitzung des Iron and Steel Institute im Jahre 1888 Adamson die
Bessemermedaille überreichte, konnte er darauf hinweisen, daſs diese
ersten groſsen Kessel aus Bessemerstahl sich noch in gutem, betriebs-
fähigem Zustande befänden. 1862 lieſs die preuſsische Regierung
vergleichende Versuche anstellen, die sehr günstig für die Stahlkessel
ausfielen. Im allgemeinen schätzte man Guſsstahlkessel zu 45 bis
60 Prozent, Bessemerstahlkessel zu 15 Prozent besser als Eisenkessel
von denselben Abmessungen 1).


1863 fand der Fluſsstahl auch im Brückenbau Eingang und zwar
zuerst, wie bereits erwähnt, auf der holländischen Staatsbahn. Zu
Wellen von Schiffsmaschinen wurde er 1865 zuerst in England verwendet.


Zu Stahlformguſs wurde das Material ebenfalls versucht, doch
vergoſs man Anfang der sechziger Jahre nur Tiegelguſsstahl.


Die Vorführung der Fortschritte des Stahlformgusses auf der
Londoner Ausstellung im Jahre 1862 fand groſse Beachtung. Direktor
J. Meyer in Bochum war mit der Herstellung von in Lehm ge-
formten Stahlformguſsstücken zuerst vorgegangen. Die Ausstellung
des Bochumer Vereins für Guſsstahlfabrikation erregte Aufsehen durch
die sehr sauber in einem Stück gegossenen Guſsstahlräder, noch mehr
durch Guſsstahlglocken. Das Patent für deren Herstellung wurde
von Vickers in Sheffield erworben. Die Herstellung von blasen-
freiem Stahlguſs war ein Problem, das damals viele Metallurgen
beschäftigte. R. Mushet hatte am 23. Mai 1861 ein Patent auf Her-
stellung blasenfreier Stahlgüsse genommen, die er dadurch erzielen
wollte, daſs er ein Rohr in die nahezu gefüllte Form einhing und
durch dieses flüssigen Stahl nachgoſs; während des Erkaltens und
Nachsetzens sollte man das Rohr durch Nachgieſsen gefüllt halten.


Restaing und Bourdouin in Paris hatten 1862 in London
ein Verfahren, flüssiges Roheisen zu zerkleinern, um es für die Stahl-
fabrikation vorzubereiten, ausgestellt.


R. A. Broman erhielt am 24. Januar 1863 ein Patent auf die
Herstellung guſs- oder schmiedeeiserner Ambosse mit Stahlbahnen in
der Weise, daſs er in eine Form, deren Boden aus einer starken Eisen-
platte als Coquille bestand, Stahl goſs, dann Guſseisen zulaufen
lieſs, bis die Form gefüllt war.


Vickers glaubte 1866 dadurch feste Stahlgüsse zu erhalten, daſs
er die Formen mit dem flüssigen Metall während des Erstarrens in
[220]Fortschritte in der Verwendung des Stahls
schüttelnde Bewegung versetzte, wodurch die Krystallisation verhindert
werden sollte. Whetley wendete den Centrifugalguſs zur Anfertigung
von Stahlradreifen an 1).


Naylor, Vickers \& Co. in Sheffield hatten 1867 die imposanteste
englische Ausstellung in Guſsstahlartikeln, worunter sich auch Glocken,
Kanonen, Radkränze u. s. w. befanden. Die Cyklopwerke von Cammel
\& Co.
in Sheffield führten Rundstahl mit einem Kern von Schmiede-
eisen für Gewindbohrer vor, deren Anfertigung sie geheim hielten.


Die Verwendung des Guſsstahls für die Feuerwaffen, insbesondere
für Geschütze, ist in diesem Jahrzehnt von der gröſsten geschicht-
lichen Bedeutung geworden. In keinem Zeitabschnitt hat sich die
Überlegenheit des Materials bei der Bewaffnung so geltend gemacht,
wie in diesem kriegerischen Jahrzehnt, und durchweg fiel der Sieg
der besseren Bewaffnung infolge der fortgeschrittenen Technik und
des besseren Materials zu. Auf die Bedeutung der Panzerschiffe
im Seekriege und auf den sensationellen Kampf zwischen Monitor und
Merrimac im amerikanischen Bürgerkriege haben wir schon hin-
gewiesen.


Bei den Handfeuerwaffen kamen Stahlröhren in immer allge-
meineren Gebrauch. Dieselben wurden meistens in der Weise her-
gestellt, daſs ein gegossener Ring von weichem Guſsstahl allmählich
durch immer enger werdende Zuglöcher durchgezogen wurde, wobei
das sich erhitzende Metall öfter in kaltem Wasser 2) gelöscht wurde.
Anfang der sechziger Jahre beschäftigte sich auch Krupp mit der
Herstellung von Stahlläufen für Handfeuerwaffen und hatte solche
auch 1862 in London ausgestellt, doch lieſs er diese Fabrikation bald
wieder fallen. Dieselbe wurde von A. Berger in Witten aufgenommen.
Er lieferte die rohen Stahlläufe für die preuſsische Armee, die aber
erst auf den groſsen staatlichen Waffenfabriken Spandau, Erfurt,
Sömmerda u. s. w. bearbeitet und fertig gemacht wurden.


In groſsartigem Maſsstabe nahmen die Werke von John Cockerill
in Seraing seit 1867 die Fabrikation von Gewehrläufen aus Bessemer-
stahl auf 3), welche dann in der Königlichen Waffenfabrik zu Lüttich,
und in Privatfabriken zu Gewehren fertig gemacht wurden. Auf der
Pariser Weltausstellung 1867 hatten Petin und Gaudet \& Co. zu Rive
de Gier ebenfalls bereits Muster solcher Läufe aus Bessemerstahl
[221]und Fluſseisens 1861 bis 1870.
ausgestellt. Man nahm dazu die besten Sorten von englischem
Hämatiteisen (Cleator-Harrington-Millom) und Müsener Spiegeleisen.


War die Überlegenheit der Stahlläufe vor den alten Eisenläufen
und auch der gezogenen Läufe vor den ungezogenen allgemein
anerkannt, so war das bezüglich der Frage, ob Vorder- oder Hinter-
lader, bis zum Jahre 1866 noch eine offene Streitfrage. Preuſsen
allein hatte in seinem Zündnadelgewehr das Hinterladungsgewehr
eingeführt. Die Erfolge desselben im dänischen Kriege im Jahre 1864
waren nicht so auffällig, daſs sie schon zu einer Reform der Hand-
feuerwaffen geführt hätten. Die preuſsische Militärverwaltung hatte
kein Interesse daran, die Beobachtungen, die sie mit ihrer Waffe
gemacht hatte, der Öffentlichkeit preiszugeben. Die Österreicher aber,
welche doch an der Seite der Preuſsen gekämpft hatten, sahen sich
nicht veranlaſst, von ihren Vorderladungsgewehren abzugehen. Da
kam das Jahr 1866 und der Krieg Preuſsens gegen Österreich und
die süddeutschen Staaten. Preuſsen, das inzwischen seine ganze Armee
mit dem Zündnadelgewehr bewaffnet hatte, entwickelte eine so furcht-
bare Überlegenheit durch seine Handfeuerwaffe, daſs nicht zum
wenigsten hierdurch sein Sieg trotz der numerischen Überlegenheit
seiner Gegner in kurzer Zeit erkämpft war. Der Eindruck hiervon
auf alle Groſsstaaten war ein durchschlagender. In aller Eile ersetzte
man die Vorderlader durch Hinterlader. Vor allen war Frankreich
auf die rasche Durchführung der Neubewaffnung seiner Armee mit
dem Chassepotgewehr (M. 66) mit allem Eifer bedacht.


Nicht so entschieden zeigte sich in diesem Kriege die Überlegen-
heit der preuſsischen Guſsstahlgeschütze über die gezogenen Bronze-
geschütze der Österreicher. Zum Teil lag dies an dem Mangel an
Gelegenheit, indem preuſsischerseits der Kampf fast nur mit den
Handfeuerwaffen geführt wurde.


Alfred Krupp hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die
Überlegenheit seiner gezogenen Hinterladungsgeschütze aus Guſsstahl
aller Welt zu beweisen, vor allem aber sein Vaterland Preuſsen mit
dieser starken Waffe auszurüsten, und er scheute keine Mühe und
Opfer, seine Kanonen und ihre Fabrikation zu vervollkommnen. Die
öffentliche Meinung war damals den Guſsstahlgeschützen noch wenig
günstig, namentlich in England, wo man in den schmiedeeisernen
Kanonen, welche William Armstrong zu Elswick bei Newcastle-on-
Tyne verfertigte, das Höchste erreicht zu haben glaubte.


Nachdem durch den Tod des Königs Friedrich Wilhelm IV.
(1861) die preuſsische Königskrone an den seitherigen Prinzregenten
[222]Fortschritte in der Verwendung des Stahls
Wilhelm übergegangen war, kam erst die Reorganisation und
mit ihr die bessere Bewaffnung der preuſsischen Armee in Fluſs.
Der Besuch, den er im ersten Jahre seiner Regierung unmittelbar
nach der Begegnung mit dem französischen Kaiser Napoleon III. in
Baden-Baden, der hierbei aus seinen Gelüsten nach dem linken Rhein-
ufer kein Hehl gemacht hatte, Alfred Krupp und der Kruppschen
Fabrik in Essen am 9. Oktober 1861 abstattete, war für die Zukunft
höchst bedeutungsvoll. Im folgenden Jahre war die Weltausstellung
in London, wo Krupp die groſsartigste Ausstellung von Guſsstahl-
geschützen vorführte, welche die Welt bis dahin gesehen hatte. Statt
daſs aber die Groſsstaaten England, Frankreich und Österreich den
von Krupp gezeigten Weg einschlugen, ging ein jeder dieser Staaten
aus Eigensinn und nationalem Dünkel seinen eigenen und einen
anderen Weg. England glaubte mit Vorderladern aus Schmiedeeisen
von ungeheurem Kaliber die gröſsten artilleristischen Erfolge erzielen
zu können.


Die von Sir Robert Armstrong erfundenen Geschütze waren
aus übereinandergeschobenen längeren und kürzeren Hohlcylindern
(coils) hergestellt. Diese Coils selbst waren durch Zusammenschweiſsen
spiralförmig aufgewundener Stäbe gebildet. Solche Geschütze wurden
bis 1865 hauptsächlich auf dem groſsen, von William Armstrong
geleiteten Werk zu Elswick, welches von 1858 bis 1865 ganz auf Rechnung
der Regierung betrieben wurde, hergestellt. Seit dieser Zeit wurden
die Staatswerkstätten für Kanonenfabrikation nach Woolwich verlegt.


Vor 1865 waren 300-Pfünder die schwersten Schiffskanonen
gewesen. 1865 lieſs Armstrong 600-Pfünder zur Ausrüstung der
Panzerfregatte Achilles anfertigen. Ein solches Geschütz wog
440 Centner und hatte 90 Pfund Pulverladung. Trotzdem erwiesen
sich diese Geschütze bei dem Versuchsschieſsen zu Shoeburyness zu
schwach gegen 20 bis 23 cm Panzerplatten mit Holzfütterung.
Armstrong beschloſs deshalb, Geschütze mit noch gröſserem Kaliber
herzustellen.


Napoleon hielt an seinen gezogenen Bronzegeschützen fest, welche
Österreich ebenfalls einführte.


Ein wichtiger Fortschritt Krupps war die Erfindung des Keil-
verschlusses an Stelle des früheren unvollständigen Kolbenverschlusses,
den er sich am 29. Oktober 1862 in England patentieren lieſs.


Man konnte in England vor Krupps groſsartigen Leistungen
die Augen zwar nicht ganz verschlieſsen, suchte dieselben officiell aber
möglichst zu verkleinern, weshalb man ihn auch für seine unver-
[223]und Fluſseisens 1861 bis 1870.
gleichliche Leitung bei der Londoner Ausstellung nur mit zwei
bronzenen Medaillen abspeiste. Die englische Regierung machte in
den Jahren 1862 und 1863 Versuche mit Kruppschen Rohren von
20, 40 und 110 Pfund Kaliber (nach englischer Bezeichnung), welche
die vorzüglichsten Resultate ergaben; dennoch hielt man, weil man
im eigenen Lande keine Guſsstahlrohre von gleicher Gröſse und Güte
hatte, an dem System von Armstrong fest. Nur ging man dazu
über, das Seelenrohr aus Guſsstahl zu machen, über das man dann

Figure 119. Fig. 119.


die schmiedeeisernen Cylinder, die man nun „Jacke und Hose“ nannte,
zog. Schwere Rohre bekamen eine gröſsere Anzahl Bekleidungs-
cylinder („Jacke, Weste und Hose“). Derartige Konstruktionen
wurden von Armstrong, Whitworth, Blakely und Fraser
angegeben. Fig. 119 zeigt eine schwere englische Vorderladungs-
kanone nach Frasers System, welches seit 1865 von der Regierung
bevorzugt wurde. Die englischen Fabri-
kanten Blakely, Whitworth und
Armstrong bezogen längere Zeit die
Seelenrohre für ihre schmiedeeisernen
Kanonen von Krupp. Im Arsenal zu
Woolwich waren jetzt die groſsartigen
Werkstätten, wo Armstrong seine
riesigen Geschütze schmiedete, deren
gröſstes der „Woolwich-Baby“, ein Zwölf-
zöller von 35 Tonnen Rohrgewicht, war.
Auſser einem Condiehammer waren dort

Figure 120. Fig. 120.


fünf schwere Nasmythhämmer von 20, 12, 12, 10 und 10 Tonnen Bär-
gewicht im Betrieb. Jeder der groſsen Hämmer hatte vier Dreh-
krahnen zu seiner Bedienung (Fig. 120, wobei a den Dampfhammer,
bb die Drehkrähne, cccc die Schweiſs- und Glühöfen vorstellen).


Eine abweichende, der obigen entgegengesetzte Konstruktion
erfand Kapitän Palliser 1867. Er machte die Seele aus Schmiede-
eisen und darüber einen gegossenen Mantel aus Guſseisen. Diese
Geschütze waren beträchtlich billiger. Sie wurden in England geprüft
[224]Fortschritte in der Verwendung des Stahls
und gut befunden, aber nicht eingeführt. Belgien rüstete dagegen
1862 seine ganze Artillerie mit Kruppschen Guſsstahlkanonen aus
und bezog 184 Sechspfünder, 111 Vierpfünder, 200 Zwölfpfünder und
einen 68-Pfünder. Ebenso bezog Ruſsland in den folgenden Jahren
eine groſse Anzahl Stahlkanonen von Krupp, zunächst 1863
88 achtzöllige und 16 neunzöllige Vorderlader, dann 1864 96 vier-
zöllige Hinterlader mit Keilverschluſs, ferner 2 zwölfzöllige, 9 neun-
zöllige, 2 sechszöllige und 115 achtzöllige Kanonen. Ende 1863
entschied man sich endlich auch in Preuſsen für die definitive Ein-
führung der 8 cm-Guſsstahlkanone, wovon zunächst nur eine Batterie
von acht Geschützen gebildet wurde. Diese wurde bei dem kurz
darauf erfolgten Ausbruch des dänischen Krieges der Garde-Infanterie-
Division zugeteilt. Auſser diesen befanden sich bei der preuſsischen
Armee noch 30 Kruppsche Sechspfünder, so daſs von der ganzen
Zahl von 110 Feldgeschützen 38 Guſsstahlkanonen waren. Krupps
Geschütze legten im dänischen Feldzuge ihre Feuerprobe ab, und zwar
zuerst am 2. Februar bei Missunde. Die Erfolge waren so augen-
scheinlich, daſs bereits am 18. April die Einführung der 8 cm-Kanone
an Stelle der seitherigen Haubitzen beschlossen wurde. Es wurden
300 Stück Rohre bei Krupp bestellt, welche noch wie früher in der
Königlichen Geschützgieſserei in Spandau gezogen und fertiggestellt
wurden. In diesem Jahre wurden auch von Preuſsen die ersten Marine-
und Küstengeschütze, 72- und 36-Pfünder, bestellt. Hierzu hatte die
erfolglose Beschieſsung des dänischen Panzerschiffes Rolf Krake die
Veranlassung gegeben. Die Proben, welche Krupps Guſsstahlkanonen
im Ernstkampf abgelegt hatten, wirkten mehr wie alle Ausstellungen.
Von nun an nahm die Kanonenfabrikation auf dem Kruppschen
Werke rasch und in groſsartigem Umfange zu. Als aber 1866 der
Krieg gegen Österreich und den deutschen Bund ausbrach, war noch
keineswegs die Neubewaffnung der preuſsischen Artillerie mit Guſs-
stahlkanonen durchgeführt, noch weniger hatten die Mannschaften
genügende Zeit gehabt, um sich mit den neuen Geschützen ein-
zuschieſsen. Manche Offiziere muſsten mit gezogenen Geschützen aus-
rücken, ohne je mit einem solchen vorher geschossen zu haben. Im
ganzen befanden sich bei den beiden Heeren 520 gezogene und 354
glatte Geschütze. Welche Geschosse für die gezogenen Geschütze die
geeignetsten seien, war noch eine gänzlich unerledigte Frage.


Österreich hatte dagegen nur gezogene Geschütze, welche schon
1861 eingeführt und mit denen die ganze Artillerie seit 1864 bewaffnet
war. Im allgemeinen herrschte noch auf preuſsischer Seite die irrige
[225]und Fluſseisens 1861 bis 1870.
Vorstellung, daſs die gezogenen Kanonen hauptsächlich als Positions-
geschütze für den Fernkampf zu verwenden seien. Infolgedessen
beschoſs man sich von beiden Seiten auf groſse, meist zu groſse
Entfernungen mit entsprechend geringem Erfolg.


Die neuen Geschütze hatten in dem Feldzug von 1866 die
groſsen Erwartungen, die man auf sie gesetzt hatte, nicht erfüllt.
Infolgedessen erhoben die Gegner der gezogenen Hinterlader wieder
ihre Stimmen, indem sie dies dem System zuschrieben. Auch das
Material wurde angegriffen, weil mehrere der 8 cm-Rohre ohne vorherige
Anzeichen und ohne nachweisbare Fehler zersprungen waren. Es
drohte eine Stockung in der Neubewaffnung der preuſsischen Artillerie
einzutreten, aber König Wilhelm mit seinem klaren Blick und seinem
richtigen Urteil in militärischen Dingen lieſs sich nicht irre machen
und befahl die rasche Durchführung der Neubewaffnung der Artillerie,
die er auch auf die reitende Artillerie ausdehnte. Die süddeutschen
Staaten führten ebenfalls die bereits 1865 begonnene Einführung der
gezogenen Guſsstahlgeschütze durch. Krupp hatte gefunden, daſs
die Ursache des Zerspringens in der Konstruktion des von Preuſsen
vorgeschriebenen Wesenerschen Doppelkeil-Verschlusses lag. Er
ersetzte diesen durch den von ihm erfundenen Rundkeil, auf den
Krupp am 10. Februar 1865 in England ein Patent genommen hatte.
Seit dem Jahre 1866 übernahm die Kruppsche Fabrik auch die
Fertigstellung der Geschütze für Preuſsen. In diesem Jahre wurden
im ganzen 1562 Kanonen bei Krupp bestellt.


Für die groſsen Küsten- und Marinegeschütze hatte Krupp eine
ähnliche Konstruktion wie Armstrong eingeführt, nur waren es nicht
Eisen-, sondern Stahlcylinder, welche er über das Seelenrohr zog. Es
waren dies die sogenannten Ringkanonen. Diese Konstruktion erhöhte
zugleich durch die Verstärkung der Pulverkammer die Durchschlags-
wirkung der Geschosse. Eine solche Ringkanone war das gewaltige
1000 Pfund-Geschütz, welches 1867 auf der Pariser Weltausstellung
die Bewunderung aller Besucher erregte. Das Geschütz, welches
Fig. 121 (a. f. S.) abgebildet ist, hatte 35,5 cm (14 Zoll) Seelendurch-
messer. Das Seelenrohr wog 40000 Pfund, die Ringlagen zusammen
60000 Pfund. Zu demselben war auch eine stählerne Lafette von
30000 Pfund und ein dazu gehöriger drehbarer Rahmen von 50000 Pfund
konstruiert.


Auſser diesem Riesengeschütz führte Krupp noch eine Anzahl
kleinerer Geschütze verschiedener Konstruktion vor. Obgleich Kaiser
Napoleon seiner Bewunderung der Leistungen Krupps offenen
Beck, Geschichte des Eisens. 15
[226]Fortschritte in der Verwendung des Stahls
Ausdruck gab und denselben durch die Ernennung zum Offizier der
Ehrenlegion auszeichnete, ging er doch nicht von seinem System
gezogener Bronzegeschütze ab. In dieser verderblichen Kurzsichtigkeit
wurde er bestärkt durch den Bericht des Vorsitzenden des Artillerie-
Comités, des Generals Le Boeuf. Krupps letzter Versuch im
Jahre 1868, Napoleon für sein Geschützsystem zu interessieren,
wurde höflich abgelehnt.


Das Riesengeschütz der Pariser Ausstellung wurde von Krupp dem
König Wilhelm von Preuſsen zum Geschenk gemacht und auf dem

Figure 121. Fig. 121.


Strandfort Brauneberg am Kieler Hafen aufgestellt. 1867 bis 1869 rüstete
der preuſsische Staat seine Marine und seine Festungsartillerie mit
Guſsstahlgeschützen schweren Kalibers aus. Die Schieſsversuche mit
der neunzölligen Ringkanone (96-Pfünder) fielen anfangs für Krupp
unglücklich aus, weil man das gewöhnliche preuſsische Geschützpulver
dabei angewendet hatte. Als man auf Krupps Vorstellung hin
prismatisches Pulver nahm, feierte er einen groſsen Triumph
über die konkurrierenden englischen Vorderladungsgeschütze von
Armstrong1).


Die Ergebnisse der Tegeler Schieſsversuche veranlaſsten die An-
[227]und Fluſseisens 1861 bis 1870.
nahme der Ringkonstruktion für alle schweren Geschütze bis zum
12-Pfünder herab, und Krupps System von 15, 17, 21, 24, 26 und
28 cm-Kanonen wurde angenommen.


Das Jahr 1870 kam heran und mit ihm die groſse Probe der
Kruppschen Stahlkanonen in dem deutsch-französischen Kriege. Wie
anders war die Ausrüstung der preuſsischen Artillerie in diesem Jahr
im Vergleich mit 1866! — Frankreich hatte wohl seine Chassepot-
Gewehre, welche, wie sich herausstellte, an Tragweite dem preuſsischen
Zündnadelgewehr bedeutend überlegen waren, es hatte auch seine
Mitrailleusen, aber seine Feldartillerie war noch mit denselben
gezogenen Bronzegeschützen (System La Hitte) ausgerüstet, wie
im italienischen Kriege 1859. Die Überlegenheit der deutschen
Artillerie zeigte sich gleich in den ersten Schlachten und gab dieser
Waffe ein Gefühl der Sicherheit, welches ihre Leistungen erhöhte.
Diese waren in der That glänzend, sowohl in der Feldschlacht als bei
Belagerungen. Die preuſsischen Granaten haben am meisten die Ent-
mutigung der französischen Soldaten herbeigeführt, die mit jeder
verlorenen Schlacht zunahm. Ausschlaggebend war das Eingreifen
der Artillerie bei St. Privat; Sedan ward durch die Artillerie gewonnen
und nie haben Artilleriegeschosse so in Heerhaufen gewütet als wie
hier; Paris ergab sich den Kruppschen Kanonen. Die Stärke dieser
Geschütze war aber in erster Linie der vortreffliche Stahl.


Es bedarf kaum der Anführung, daſs das Material und die Be-
arbeitung der Geschosse ebenfalls von der gröſsten Wichtigkeit
war. Dies kam besonders da in Frage, wo Eisen gegen Eisen, oder
Stahl gegen Stahl kämpfen muſste, also im Geschützkampf gegen
Panzerschiffe und gepanzerte Batterien. Hierbei erwies sich das
gewöhnliche Guſseisen als wirkungslos. Auch hier trug der Stahl den
Sieg davon. Armstrong bediente sich zuerst aus Bessemerstahl
gegossener Rundkugeln. Weit gröſseren Erfolg hatten aber Whit-
worths
Langgeschosse, die anfänglich sechseckig waren. Am wirkungs-
vollsten waren Spitzgeschosse von Stahl, deren Spitzen geschmiedet
und gehärtet waren. Die Stahlgranate hatte gegen Panzer schon
1864 den entschiedenen Sieg errungen. Aber auch Hartguſsgeschosse
ergaben in manchen Fällen ausreichende Wirkung. Solche hatte
Nasmyth bereits 1862 in Vorschlag gebracht. Palisser verwendete
dieselben gegen Eisenpanzer. Bei den mit seinen Hartguſsgeschossen
angestellten Probeschieſsen zu Vincennes und Shoeburyneſs erwiesen
sie sich aber gegen Platten über 5 Zoll nicht mehr wirksam. Dagegen
gelang es Hermann Gruson in Buckau-Magdeburg, vorzügliche Hart-
15*
[228]Fortschritte in der Verwendung des Stahls
guſsgranaten herzustellen, die sich bei dem Probeschieſsen gegen
Panzerplatten 1864 gut bewährten.


Figure 122. Fig. 122.

Die Drahtfabrikation nahm in den sechziger Jahren einen
groſsen Aufschwung und zwar ebenfalls hauptsächlich durch die Ver-
besserungen der Schnellwalzen, durch die Verwendung von Puddel-
und Bessemereisen für die Fabrikation und durch den vermehrten
[229]und Fluſseisens 1861 bis 1870.
Absatz, besonders als Telegraphendraht und für Drahtseile. George
Bedson
in Manchester führte 1862 den kontinuierlichen Walzbetrieb
ein, wobei der Draht durch eine Anzahl hintereinander stehender
Walzenpaare (Fig. 122), deren Geschwindigkeit entsprechend der
Streckung des Drahtes zunahm, ging (E. P. vom 2. Juli 1862, Nr. 1935).
1869 führte Washburn dieses System auch in den Vereinigten Staaten
ein. Derselbe benutzte zugleich die von H. B. Comer bereits 1859
erfundene automatische Umführung des Walzdrahtes.


Johnson und Nephew in Manchester hatten auf der Pariser
Weltausstellung ein Stück Walzdraht von 1633 Fuſs Länge und
2,1 Linien Dicke ausgestellt, während Bonard, Fleury und
Demandre einen gezogenen dreieckigen Draht von 27000 Fuſs Länge
und nur 9,4 Pfund Gewicht vorführten. In Deutschland zeichneten
sich Hobrecker und Cosack \& Co. bei Hamm durch Güte ihres
Walzdrahtes und groſse Produktion aus.


Eigentümliche Glühtöpfe zum Glühen des Drahtes lieſsen sich
Hibell, Colbon \& Co. in Birmingham 1866 patentieren. Dieselben
hatten im Grundriſs Ringform, entsprechend den Drahtringen, so daſs
die Flamme von innen und von auſsen gleichmäſsig auf den Draht
einwirken konnte.


In Deutschland und England war man bestrebt, einheitliche
Drahtlehren durchzuführen.


Das Verzinken des Telegraphendrahtes hatte groſse Wichtigkeit
erlangt. Es geschah in groſsen eisernen Kästen, in denen sich flüssiges
Zink befand, durch das die gebeizten Drähte, zwölf zu gleicher Zeit,
gezogen wurden.


Eine bemerkenswerte Neuerung bei der Blechfabrikation
waren die gebuckelten Bleche von Robert Mallet, welche durch die
Pariser Ausstellung 1867 bekannt wurden.


Ein ganz wichtiger Industriezweig war um diese Zeit die Her-
stellung des Krinolinstahls, der schon auf der Londoner Ausstellung
1862 vertreten war, geworden. Es wurden dafür erst flache Bleche,
Krinolinfederbleche, gewalzt, die dann durch Schneidewerke in Streifen
geschnitten wurden. Durch Kaltwalzen erhielten sie die nötige
Federkraft.


Die Weiſsblechfabrikation beherrschte England. Die erste genauere
Statistik giebt Robert Hunt für 1870. In diesem Jahre erzeugte
England 3459782 Kisten Weiſsblech im Gewicht von 141764 Tonnen,
hiervon gingen über 100000 Tonnen in das Ausland 1).


[230]Fortschritte in der Verwendung des Stahls etc.

Die gröſsten Werke, die auf der Weltausstellung 1862 ausgestellt
hatten, waren Llandore, Pont-ar-Dawe, Cwm-Avon und Ystalifera im
Thale von Swansea.


Man verwendete zu Llandore noch Holzkohlenblech und ver-
brauchte auf 100 Pfund fertige Bleche 6,5 bis 8 Pfund Zinn 1).
Ystalifera, die gröſste Weiſsblechhütte, lieferte 3600 Kisten in der
Woche.


Verzinkte Bleche (galvanized iron), die immer gröſsere Verwendung
fanden, wurden in England in Steintrögen mit verdünnter Salzsäure
(1 Säure auf 7 Wasser) gebeizt, mit reinem Wasser abgewaschen und

Figure 123. Fig. 123.


dann in Trockenkammern getrocknet. Dann wurden sie noch heiſs
durch das hergerichtete Zinkbad in schmiedeeisernen Pfannen gezogen.
Das geschmolzene Zink muſste sehr rein sein und wurde durch auf-
gestreuten Salmiak vor Oxydation geschützt. — Wollte man Wellbleche
erzeugen, so lieſs man die verzinkten Bleche durch ein Walzwerk
gehen, wodurch die Wellen eingepreſst wurden.


C. Morewoods (1845) verbessertes Verfahren, die Bleche auto-
matisch zu verzinnen und in dem Metallbad durch Walzen gehen zu
lassen, hatte Girard in Frankreich eingeführt und seine Erzeugnisse
1867 ausgestellt. Die Vorrichtung ist Fig. 123 abgebildet.


[231]Allgemeines.

Geschichte des Eisens in den einzelnen Ländern
1861 bis 1870.


Allgemeines.


Für die Fortschritte der Eisenindustrie giebt die Statistik den
besten Maſsstab. Nachfolgende Tabelle 1) enthält die Roheisen-
erzeugung der Erde in der Zeit von 1861 bis 1870 mit annähernder
Genauigkeit.


Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen.


Die Roheisenerzeugung der Erde stieg in diesem Jahrzehnt von
7287000 Tonnen auf 12146000 Tonnen, also um 4859000 Tonnen
= 66,7 Prozent. Englands Produktion betrug etwa die Hälfte, d. h.
es produzierte so viel Eisen, wie die ganze übrige Welt zusammen.
Indes wuchs seine Eisenerzeugung nicht in dem gleichen Verhältnis
wie die der übrigen Länder, so daſs relativ ein Rückschritt stattfand.
1861 betrug Englands Anteil 53,1 Prozent, 1869 nur 42,8 Prozent.
An dem allgemeinen Aufschwung der Eisenindustrie nahmen Deutsch-
land und Amerika im gröſsten Maſse teil. Deutschlands Roheisen-
[232]Allgemeines.
erzeugung wuchs in der Periode von 1861 bis 1869 um das 2,4fache,
die der Vereinigten Staaten um das 2,8fache. Nachstehende Zu-
sammenstellung der prozentalen Beteiligung der einzelnen Länder
an der Gesamtproduktion von 1861 und 1869 1) zeigt die Verschiebung,
welche durch den ungleichen Fortschritt der Eisenindustrie in den
verschiedenen Ländern entstanden ist.


Ein nennenswerter Fortschritt erscheint nur bei Deutschland und
den Vereinigten Staaten. Die übrigen Staaten, auſser Belgien und
Italien, zeigen relativen Rückgang. 1861 nahm Frankreich noch die
zweite Stelle unter den eisenerzeugenden Staaten ein, die Vereinigten
Staaten die dritte, Deutschland die vierte. 1867 überflügelten die
Vereinigten Staaten und 1868 Deutschland Frankreich, welches seit
diesem Jahre sich mit dem vierten Platz begnügen muſste, während
es von Anfang des Jahrhunderts bis zu dieser Zeit den zweiten Platz
unbestritten behauptet hatte.


Der französische Metallurge Jordan giebt in seiner Produktions-
tafel der Welt noch folgende Roheisenproduktionen von in obiger
Tabelle nicht einzeln aufgeführten Gebieten an: Für die Schweiz
10 Kil.-T., für die Türkei 6 Kil.-T., für Australien und Englisch-Indien
20 Kil.-T., für Englisch-Amerika 8 Kil.-T., für Südamerika 8 Kil.-T.


Der Eisenverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung, der wichtigste
Maſsstab für die industrielle Thätigkeit eines Landes, betrug
[233]Allgemeines.
1864 1) in England 77 kg, in Belgien 50 kg, in den Vereinigten Staaten
46 kg, in Frankreich 34 kg, in Preuſsen 29 kg, in Schweden 26 kg,
in dem Zollverein 19 kg, in Österreich 10,4 kg, in Spanien 7 kg, in
Italien 6,5 kg, in Ruſsland 3 kg. Hiervon weicht aber die nachfolgende
Berechnung des Amerikaners Hewitt für 1866 nicht unwesentlich ab.


Von Interesse ist es, daſs Hewitt bei der Besprechung der
Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder bei seiner vorstehenden
Tabelle bereits bestimmt erklärt, daſs den Vereinigten Staaten die
Zukunft in der Eisenerzeugung gehöre.


Obenstehende Tabelle zeigt zugleich deutlich, welche Staaten
exportieren und welche importieren muſsten.


Über die auſserordentliche Zunahme der Fluſsstahlerzeugung in
dem Zeitraum von 1865 bis 1870 und der Beteiligung der einzelnen
Staaten daran giebt die nachstehende Zusammenstellung eine Übersicht.


Fluſsstahlerzeugung von 1865 bis 1870 in Tonnen.

[234]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

Groſsbritannien 1861 bis 1870.


Englands Führerschaft in der Eisenindustrie der Welt war in
diesem Zeitraum noch unbestritten und gewann noch durch seine
groſsartige Produktionssteigerung an Bedeutung.


Über die Eisenindustrie Groſsbritanniens in den sechziger
Jahren geben eine Anzahl guter Abhandlungen und Percys Werk
über Eisen und Stahl Auskunft.


An der Spitze der ersteren steht die mehrerwähnte vortreffliche
Arbeit von Gruner und Lan vom Jahre 1861 1). Nach dieser sollen

Figure 124. Fig. 124.


die Produktionskosten des
Eisens seit etwa 30 Jahren
ziemlich unverändert ge-
blieben sein, indem das
Steigen der Löhne durch
technische Verbesserungen
ausgeglichen wurde. Der
Steinkohlenverbrauch bei
den Hochöfen war seit 1830
von 4 Tonnen auf 2½ Tonnen
für 1 Tonne Eisen gesunken.
Die Produktion hatte sich
mehr als verdoppelt.


In Wales verhüttete man
in ausgedehntem Maſsstabe
Frischschlacken zur An-
reicherung des Möllers,
während dies in Cleveland
und Schottland nur aus-
nahmsweise geschah. Die
Ableitung und Benutzung
der Hochofengase war allgemeiner geworden, bei den weiten Gichten
muſste diese aber in der Mitte, nicht am Rande stattfinden. Hochöfen
mit besonderen Gestellen wendete man für Qualitätseisen und streng-
flüssige Erze, wie die von Cleveland, an, sonst zog man solche ohne
Gestelle vor. Die Höhe der Öfen war vom Brennmaterial abhängig.
Bei sehr festem Koks, wie zu Newcastle und Cleveland, baute man
die Hochöfen sehr hoch — bis 103 engl. Fuſs (30,50 m). Anthrazit
erforderte niedrige Öfen. Man rechnete auf die Tonne Roheisen
[235]Groſsbritannien 1861 bis 1870.
5 bis 10 Kubikfuſs inneren Ofenraum. Die neuen Öfen zu Middles-
borough standen meist auf je 12 Säulen und hatten freistehende Gestelle
(Fig. 124). Sie erhoben sich unmittelbar aus der Ebene und hatten
vorwiegend pneumatische Aufzüge. — Horizontale Gebläsemaschinen
sah man in England selten; senkrechte Balanciermaschinen nach
Woolfschem System waren am verbreitetsten. Meist bediente eine
Maschine mehrere Hochöfen zugleich. Die gröſste Gebläsemaschine
zu Dowlais hatte 500 Pferdekräfte, 12 engl. Fuſs (3,65 m) Durchmesser
des Gebläsecylinders und 12 Fuſs Hub; sie bediente 6 Hochöfen und
4 Feinfeuer. Einige Hochöfen in Wales erreichten bereits eine Tages-
produktion von 30 bis 40 Tonnen, der Windverbrauch betrug in Wales
5000 bis 5500 Kubikfuſs oder 80 bis 95 Kubikmeter pro Tonne. Die
geringe Sorgfalt beim Aufgeben der Beschickung rügte schon Truran.
Da die englischen Erze meistens phosphorreich sind, muſste man
graues Roheisen erblasen. Der Clevelanddistrikt hatte durch die
Vergröſserung seiner Hochöfen und deren Massenproduktion viel
günstigere Zahlen für den Brennstoffverbrauch aufzuweisen. Im
Durchschnitt verbrauchte man 1870 bei Erzen von nur 32 bis 34 Proz.
Eisen 110 Pfund Koks auf 100 Roheisen. In dem groſsen Ofen von
Ferry Hill von 103 Fuſs Höhe und 33000 Kubikfuſs Inhalt schmolz
man bei 450° Windtemperatur täglich 1100 Centner Roheisen mit
85 Pfund Koks auf 100 Pfund Roheisen.


Holzkohlenhochöfen gab es 1864 nur noch vier: zu Newland und
zu Backharrow in Lancashire, zu Duddon in Cumberland und zu Lorne
in Argylshire in Schottland.


Das Puddeln geschah gewöhnlich nicht mit der Sorgfalt, wie
auf dem Kontinent; man lieſs das Eisen gar nicht ordentlich zum
Fluſs kommen. Nur in Staffordshire, wo man auf Qualitätseisen
arbeitete, wurde sorgfältig gerührt.


Der Steinkohlenverbrauch auf die Tonne Stabeisen hatte vor
30 Jahren ca. 10 bis 12 Tonnen betragen, während er jetzt (1860)
selten 7½ Tonnen überstieg und sich meist auf 5½ bis 6 Tonnen
stellte.


Englands Dampfmaschinenkräfte betrugen nach Fairbairns
Zusammenstellung 1860:



[236]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

Robert Hunt hatte für die Weltausstellung 1862 eine Statistik
der Eisenindustrie für 1860 ausgearbeitet. Danach gab es in diesem
Jahre 268 Hochofenwerke mit 583½ im Betrieb stehenden Hochöfen;
211 Puddel- und Walzwerke mit 3623 Puddelöfen und 288 Walzen-
straſsen. Einen groſsen Einfluſs auf die englische Walzwerkindustrie
hatte die Panzerplattenfabrikation, die sich aber 1862 noch im Versuchs-
stadium befand.


Ein groſsartiges Eisenwerk, welches 1859 mit zwei Hochöfen
eröffnet wurde, waren die Barrow-in-Furness-Iron Works der Firma
Schneider, Hannay \& Co. bei Ulverstone in Lancashire. Sie lagen

Figure 125. Fig. 125.


mitten in dem Hämatitgebiet und waren auf die Erzeugung von
Bessemerroheisen begründet. Von den 7 groſsen Hochöfen waren 2
1859, 3 bis 1861/62 in Betrieb gekommen, und 2 weitere wurden
1862 gebaut. Das auf der Weltausstellung in London 1862 aus-
gestellte Modell des Werkes erregte berechtigtes Aufsehen. 1866
zählte dasselbe schon 10 und 1872 12 Hochöfen. Fig. 125 zeigt die
einfache und charakteristische Anordnung der in einer Reihe liegenden
Hochöfen. Zahlreiche Profile englischer Hochöfen finden sich in der
zweiten Auflage von Trurans Eisenhüttenkunde von 1862.


In England hatte man lange Zeit nur auf Billigkeit und Massen-
produktion Wert gelegt und die Qualität vernachlässigt, seit Anfang
der sechziger Jahre fing man aber auch an, letztere mehr zu
beachten.


Über den Phosphor- und Schwefelgehalt der englischen Roheisen-
sorten stellte Vincent Day nachstehende Reihen auf.


[237]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

Infolge der Bessemerstahl-Fabrikation hatte man den in England
vorkommenden manganhaltigen Braun- und Spateisensteinen gröſsere
Beachtung geschenkt und die Weardale-Gesellschaft, welche 1861 das
erste Bessemerstahlwerk in Nordengland auf den Tudhoe-Works mit
4 Konvertern zu 2½ Tonnen erbaute, hatte 1862 ein aus englischen
Erzen mit kaltem Wind erblasenes Spiegeleisen mit 2½ Prozent
Mangangehalt ausgestellt.


1866 veröffentlichten die preuſsischen Hütteningenieure Ulrich,
Wiebmer
und Dreſsler einen bemerkenswerten Bericht über ihre
englische Reise, in dem namentlich viel neues aus dem Cleveland-
distrikt enthalten war. Das wichtigste davon haben wir in dem
allgemeinen Teile mitgeteilt.


Die Zahl der Windformen bei den Hochöfen betrug in Workington
und Gartsherrie 6 bis 7, in Govan sogar 9, ebensoviel hatten die
groſsen Öfen zu Barrow, während der gröſste Ofen zu Dowlais 7 zählte.
Die Windpressung betrug meist 2½ bis 3 Pfund auf den Quadratzoll,
zu Dowlais und Barrow ausnahmsweise 3¼ Pfund, die sehr hohe
Pressung von 4½ Pfund muſste man der zähen Schlacke wegen bei
der Hämatiteisenerzeugung zu Workington verwenden. Hier hatte
man ebenso wie in Schottland das Abfangen der Gichtgase wieder
aufgegeben. Auf den übrigen Hütten hatte sich der Parrysche
Trichter als Gichtverschluſs und zum Aufgeben gut bewährt. In
Cleveland steigerte man die Erhitzung des Windes bis auf 600° C.
(1100° F.). Der Kohlenverbrauch der Hochöfen war sehr verschieden.
In Schottland verbrauchte man auf 100 Eisen 220 Steinkohlen, in
Cleveland 160 Koks, in Workington bei Hämatit 190 Koks, in Wales
dagegen bei weiſsem Puddeleisen 116 Steinkohlen. Schneider in
Ulverstone schmolz 1862 mit 100/100 Koks bei grauem und 90/100 bei
[238]Groſsbritannien 1861 bis 1870.
weiſsem Roheisen und in dem groſsen Ofen von Ferry Hill in Cleve-
land kam man sogar eine Zeit lang mit 85 Prozent Koks aus.


Folgende Zusammenstellung (von Jordan) zeigt die Verteilung
der Roheisenproduktion in Groſsbritannien für 1866:


England erzeugte damals mit der doppelten Anzahl Hochöfen
mehr als die vierfache Menge Roheisen im Vergleich mit Frankreich.
Die Zahl der Anthrazitöfen hatte seit 1862 abgenommen, sie betrug
1862 32, 1866 24, trotzdem war die Produktion von 31000 auf
34000 Tonnen gestiegen. Nach der Mineralstatistik von R. Hunt
wurden 1866 in England 9809988 Tonnen Eisenerz gefördert, wozu
folgende Zusammenstellung mitgeteilt wird:


Die Roheisenerzeugung Groſsbritanniens und die Zahl der im
Betrieb befindlichen Hochöfen für die Zeit von 1860 bis 1870 ist
durch nachfolgende Ziffern wiedergegeben, wobei zu bemerken ist, daſs
für die Produktion drei verschiedene Angaben (a, b, c) nebeneinander
gestellt sind.


[239]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

Roheisenerzeugung Groſsbritanniens von 1860 bis 1870.


In Tonnen.


Die Roheisenproduktion der einzelnen Bezirke für die Zeit von
1861 bis 1870 ergiebt sich aus der Tabelle auf folgender Seite, in der
aber die gesamte Erzeugung mit den oben angeführten Zahlen eben-
falls nicht übereinstimmt.


Nach einer anderen Aufstellung der Einteilung stellte sich die
Produktion der einzelnen Bezirke in den Jahren 1867, 1868 und 1869
folgendermaſsen:


[240]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

Roheisenproduktion von Groſsbritannien nach Bezirken in Tonnen1)


[241]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

In Groſsbritannien und Irland zählte man 1870 201 Hochofen-
hütten mit 916 Hochöfen, von denen 665 im Betrieb standen. In
Durham waren 1870 122 Hochöfen vorhanden, wovon 101 betrieben
wurden; auſserdem waren 14 im Bau begriffen. 70 Hochöfen lagen
in einem Umkreis von 3 bis 4 engl. Meilen Radius um die Stadt
Middlesborough herum. Viele dieser Öfen waren 70 bis 90 engl. Fuſs
hoch, einer in Cleveland sogar über 95 engl. Fuſs (29 m). In Monmouth
und Südwales zählte man ca. 200 Hochöfen, von denen waren nur
4 bis 5 höher als 50 Fuſs, mehrere waren zwischen 45 und 35 Fuſs
hoch, einzelne noch kleiner. Auch in Schottland wurde die Höhe
von 50 Fuſs selten überschritten.


Puddel- und Walzwerke gab es nach Robert Hunt in Eng-
land im Jahre 1869 245 mit 6243 Puddelöfen und 859 Walzenstraſsen,
die sich auf folgende Grafschaften verteilten:


Die Zahl der Puddelöfen und der Walzwerke in Groſsbritannien
für die Zeit von 1861 bis 1870 stellt sich wie folgt:


Einen groſsen Aufschwung nahm die Bessemerstahlfabrikation in
England in diesem Zeitraume. Die guten Erfolge, die John Brown
Beck, Geschichte des Eisens. 16
[242]Groſsbritannien 1861 bis 1870.
in Sheffield erzielt hatte, gaben Veranlassung zur Gründung zahl-
reicher Stahlwerke. In Nordengland legte die Weardale-Company
1861 die ersten Konverter auf den Tudhoe-Werken an; es waren
deren vier für Chargen von 2½ Tonnen. 1867 war (nach Tunner)
die Zahl der Konverter auf 52 gestiegen. Diese verteilten sich auf
15 Stahlwerke und hatten folgende Leistungsfähigkeit:


Die jährliche Leistungsfähigkeit betrug demnach über 300000 Tonnen
oder über 6 Millionen Centner, während die effektive Produktion 1866
nicht ganz 3 Millionen Centner betragen hatte.


Die Bessemerstahlwerke zu Dowlais und Ebbw-Vale, die 1866 und
1868 in Betrieb kamen, waren hauptsächlich für die Fabrikation von
Eisenbahnschienen bestimmt.


Für die Jahre 1868 bis 1870 liegen folgende Angaben vor:


Bessemerstahlkonverter.


[243]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

Groſsbritanniens Ein- und Ausfuhr von Roheisen, Stahl und Eisen
stellte sich 1866 bis 1870 in Tonnen wie folgt:


Die Ausfuhr einzelner Artikel betrug 1870:



Die Länge der Eisenbahnen in Groſsbritannien und Irland war:



hiervon kamen 2395 Meilen auf England, 546 Meilen auf Schottland
und 428 Meilen auf Irland.


In diesem Jahrzehnt hatten auch in England mehrere bedeutende
Arbeiterausstände (Strikes) in der Eisenindustrie stattgefunden. Der
wichtigste war ein Strike der Hüttenarbeiter von Nord- und Süd-
Staffordshire, Yorkshire und Cleveland. Es war dies ein sogenannter
Lock-out, Ausschluſs von der Arbeit, weil sich die Arbeiter eine Lohn-
herabsetzung nicht gefallen lassen wollten. Gegen Ende des Jahrzehnt
strikten die Puddler vielfach, was den rotierenden Puddelöfen 1870
das Interesse der Werkbesitzer wieder zuwendete.


Schottlands Roheisenproduktion, Preise und Ausfuhr in diesem
Zeitraum ergeben sich aus folgenden Zusammenstellungen:


16*
[244]Groſsbritannien 1861 bis 1870.

Roheisenproduktion und Preise in Schottland.


Die durchschnittliche Erzeugung pro Ofen stellte sich 1861 auf
8536,7, 1867 auf 9546 Tonnen.


Die Ausfuhr verteilte sich in den Jahren 1865 und 1867
wie folgt:


Das Jahrzehnt von 1860 bis 1870 bildete eine Glanzperiode
in der Geschichte der Eisenindustrie Groſsbritanniens. In keinem
anderen Lande fand eine solche Vermehrung der Roheisenproduktion
statt. Diese betrug 1860: 3827 kt, 1870: 6059 kt, demnach eine
Zunahme von 2232 kt, entsprechend 58⅓ Prozent. Im Verhältnis
zur Gesamterzeugung der Erde war allerdings infolge der groſsen
Produktionssteigerung Deutschlands und der Vereinigten Staaten
von Nordamerika relativ ein kleiner Rückgang eingetreten. 1860
übertraf Englands Eisenerzeugung noch die aller anderen Länder
[245]Frankreich 1861 bis 1870.
der Erde zusammengenommen; sie betrug 51½ Prozent der Welt-
produktion, während sie 1870 nur noch 496/10 Prozent betrug, immerhin
noch fast die Hälfte. Zu dieser groſsen Produktionssteigerung war
die rasche Ausbreitung des Bessemerverfahrens in diesem Zeitraum
die hauptsächliche Veranlassung. Die Fluſseisenerzeugung betrug
1870 (nach P. Trassenster) 350 kt, die Schweiſseisenerzeugung
2600 kt. Nach anderen Angaben wurden 1870 215 kt Bessemerfluſs-
eisen und 11 kt Flammofenfluſseisen erzeugt. 1866 waren 150 kt
Bessemerfluſseisen dargestellt worden.


Frankreich 1861 bis 1870.


Frankreich nahm hinsichtlich seiner Eisenerzeugung Anfang
der sechziger Jahre noch die zweite Stelle ein, wurde aber im Laufe
derselben von den Vereinigten Staaten und von Deutschland über-
flügelt.


1860 schloſs Napoleon III. den Handelsvertrag mit England,
welcher einen groſsartigen Aufschwung der französischen Industrie
zur Folge hatte, besonders auch der Maschinenfabriken und Eisen-
gieſsereien. Neue Eisenbahnen und Kanäle, darunter besonders der
Saarkanal, wurden erbaut. Dies alles gab der einheimischen Eisen-
industrie reichliche Beschäftigung. Die alte Holzkohlenindustrie trat
mehr und mehr hinter der sich immer groſsartiger entfaltenden Stein-
kohlenindustrie zurück. In den zehn Jahren von 1855 bis 1864 hat
die Roheisenproduktion im ganzen um 57 Prozent zugenommen,
während die Holzkohlen-Roheisenerzeugung um 30 Prozent abnahm.
Die Stabeisenproduktion war in dieser Zeit um 48 Prozent gewachsen.
Dabei wurden 1864 doch noch 151110 Tonnen fremdes, meist
schottisches Roheisen importiert. Dagegen stieg die Ausfuhr von
Eisen und Eisenwaren von 1859 bis 1867 von 45 Millionen Francs
auf 140 Millionen.


Daelens Reisebericht aus Frankreich von 1862 1) rühmt besonders
die groſse Produktion der Puddel- und Schweiſsöfen, wozu das leicht
frischende Roheisen, besonders aber die Geschicklichkeit der Arbeiter
beitrugen. Ein Puddelofen lieferte meist 2360 bis 2440 Pfund Puddel-
eisen bei einem Kohlenverbrauch von 8,65 bis 10,65 Scheffel; ein
[246]Frankreich 1861 bis 1870.
Schweiſsofen bei der Schienenfabrikation 13600 Pfund mit 5,5 Scheffel
Kohlen.


Napoleon bekümmerte sich selbst um die Eisenindustrie, wie
wir bei den wichtigen Versuchen des Stahlschmelzens von Sudre
zu Montataire (s. S. 171) kennen gelernt haben und gab die Anregung,
daſs sich auch die Akademie der Wissenschaften damit beschäftigte.
Die Stahlfabrikation nahm in Frankreich einen ganz besonderen Auf-
schwung und hat sich die Stahlerzeugung in den zehn Jahren von
1857 bis 1867 verdoppelt.


In welchem Verhältnis die Eisenerzeugung mit Steinkohle gegen-
über der mit Holzkohle zunahm, kann man aus folgenden Zahlen
ersehen.


Es wurde produziert:


Die Roheisenproduktion von 1866 verteilte sich auf die einzelnen
Gebiete (nach Jordan) wie folgt:


[247]Frankreich 1861 bis 1870.

Die wichtigsten Werke in diesen Gruppen waren 1867 1):


In Gruppe I: Creusot, seit 1845 im alleinigen Besitz von Eugène
Schneider
, seit welcher Zeit es sich groſsartig entwickelte. Es
umfaſste 120 Hektar, wovon 19 Hektar bebaut waren, beschäftigte
10000 Arbeiter und hatte um sich eine Stadt von 24000 Einwohnern
geschaffen. Es nahm eine leitende Stellung ein, was auch auf der
groſsen Pariser Weltausstellung von 1867 deutlich zum Ausdruck kam.


Ferner gehörten in diese Gruppe Givors, Harel \& Co. zu Vienne,
l’Horme, Terre noire, Lavoulte et Bassèges, Tamaris bei Alais, St. Louis
bei Marseille am Meer gelegen. Letztgenanntes Werk war auf See-
bezug angewiesen; es verschmolz besonders Erze von Elba, auch von
Algier und Spanien mit Koks von Gard aus dem Bassin von Portes
(Bassin d’Alais), verwendete aber oft bis zwei Drittel Gaskoks von
Marseille, worauf ursprünglich die Anlage begründet worden war. Es
lieferte gutes Eisen zur Stahlfabrikation. Jordan war hier lange
Direktor.


Weiter gehörten hierher die Werke von Petin, Gaudet \& Co.
zu Givors, Toga (Corsica) und Berri. Die Werke zu Toga und
Solezara (Corsica) verschmolzen Erze von Elba, Spanien, Farinole
(Corsica), Toskana, Spezia und Piemont.


Rustrel (Vaucluse) hüttete ebenfalls mit Holzkohlen.


Gruppe II: Mosel mit den Eisenwerken zu Ars von Dupont und
Dreifuſs, und von Karcher und Westermann zu Novéant, ver-
schiedene Hütten an der Meurthe, zu Mont St. Martin mit drei Hoch-
öfen zur Verschmelzung der lothringischen Minette, von welchen der
erste 1865 in Betrieb kam, und Prieuré zu Longwy 1863 gegründet,
etc. Der Hauptgewerke war aber De Wendel, der zu Hayange 4,
[248]Frankreich 1861 bis 1870.
zu Moyeuvre 4 und zu Styring 5 Kokshochöfen und 2 Holzkohlen-
hochöfen, zusammen 15 Hochöfen besaſs.


Gruppe III: Comté; hierin lagen Audincourt, die Hütten der
Franche-Comté (Rans und Fraisans), die Holzkohlenöfen der Haute-
Saône und des Côte d’Or, ferner die Hochöfen von de Dietrich \& Co.
bei Niederbronn.


Gruppe IV: Alpen mit den Holzkohlenöfen der Depart. Isëre
(darunter Alevard, St. Gervais), Savoyen und Hochsavoyen (Cran).


Gruppe V: Champagne zählte 14 Koksöfen, einschlieſslich der
Hütten der Ardennen, der Maas und der Oberen Marne, 62 Holz-
kohlen- und 36 gemischte Öfen.


Gruppe VI: Nord; darin Marquise, Outreau, Anzin und Denain,
Maubeuge, Providence zu Hautmont, Fourmier.


Gruppe VII: Centrum mit Chatillon-Commentry, Boigues-
Rambourg \& Co.
(Fourchambault, Montluçon, Torteron, Pique),
Petin, Gaudet \& Co. zu Clavières, die Hütten des Marquis de
Vogué, de la Caillaudière et Belabre
. 1864 produzierten 47 Hoch-
öfen 163526 Tonnen.


Gruppe VIII: Nord-West umfaſste die Hütten im Depart. Côtes-
du-Nord, Morbihan und Ille-et-Villain (Bretagne), Mayenne, Sarthe
et Orne, De la Manche, De l’Eure, d’Eure-et-Loire, d’Indre-et-Loire
und La Vienne.


Gruppe IX: Süd-West mit den Hütten des Departement von
Aveyron (Aubin, Decazeville), des Departement Perigord, les Landes
und Pyrenäen.


Jordan giebt folgende Zahlen für die Produktion von 1861
bis 1870:


[249]Frankreich 1861 bis 1870.

Die Stabeisenproduktion betrug 1860: 559385 Tonnen, 1864:
882900 Tonnen, 1867: 1200000 Tonnen.


1866 wurden erzeugt:



Die Schmiedeeisenerzeugung wird wie folgt angegeben:


Die vordere Zahlenreihe stellt aber nicht die gesamte Menge der
Schweiſseisenfabrikate dar.


Die Stahlfabrikation Frankreichs ergab:


[250]Frankreich 1861 bis 1870.

(Tabelle von Jeans Steel, S. 231.)


Die Einfuhr von Eisen aus England betrug:



1867 war das Jahr der Weltausstellung in Paris, auf welcher
sich die Eisenindustrie Frankreichs in nie gesehenem Glanze zeigte
und ihre groſsen Fortschritte aller Welt offenbarte. Besonders hervor-
ragend waren die Ausstellungen von Schneider \& Co. zu Creusot
und von Petin, Gaudet \& Co., die einen Guſsstahlblock von 25
Tonnen, Panzerplatten von 15, 20 und 25 cm Dicke, 1 m hohes, 10 m
langes I-Eisen von 2500 kg Gewicht ausstellten. Zu den zahlreichen
Werken dieser Firma gehörten die Holzkohlenhütten Toga bei Bastia
auf Corsica, die Holzkohlenhütte Clavières bei Chateauroux in Berri,
die Kokshütte Givors im Rhone-Departement, das Puddel- und Walz-
werk St. Chamond (Departement Loire), das Puddel- und Hammer-
werk Rive-de-Gier, die Bessemer- und Tiegelstahlhütte Assailly
(Departement Loire). Diese Werke lieferten jährlich 50000 Tonnen
Eisen und Stahl.


Mit der Zunahme der Stahlfabrikation wurden immer mehr aus-
ländische Erze, von den Pyrenäen, von Sardinien und Algier (Mokta-
erze) verhüttet. Die Erze von Sardinien (St. Leon) wurden zu Givors
in den Kokshochöfen von Petin, Gaudet \& Co., die Erze von Mokta
in Algier zu Terre noire, St. Louis, Vienne, Givors, Chasse, Creusot etc.
verschmolzen.


Der Bessemerprozeſs wurde im Jahre 1868 regelmäſsig betrieben
zu Imphy, Assailly, Terre-noire, Mutterhausen; auf mehreren anderen
Werken zeitweilig. Überall war das englische Verfahren eingeführt.
[251]Belgien 1861 bis 1870.
Nach Tunners Aufstellung zählte man 1867 12 Konverter auf nach-
folgenden Werken:

oder 44000 Tonnen im Jahr. Die wirkliche Produktion 1866 betrug
nicht ganz 20000 Tonnen. 1869 wurde die gröſste Bessemeranlage
Frankreichs zu Creusot erbaut. Frankreichs Eisenbahnen nahmen
1860 bis 1869 von 1332 bis 2289 Meilen Bahnlänge zu.


Belgien 1861 bis 1870.


Belgien, trotz seiner Kleinheit eines der wichtigeren Eisenländer,
zeigte in den sechziger Jahren eine zunehmende Produktion. Für die
bedeutende Roheisenerzeugung muſste es den Hauptteil der Erze
aus den Nachbargebieten, Luxemburg und Lothringen, einführen.
Charakteristisch für die belgischen Hüttenwerke war es, daſs sie alle
eigene Verkokungsanstalten auf den Hütten hatten. Die Steinkohlen
wurden fast überall gewaschen. „Gewaschene Koks“ von den Gruben
durften nicht über 5 Prozent Asche enthalten. Die Fortschritte der
Jahre 1861 und 1862 fanden ihren Ausdruck in der Erhöhung der
Tagesproduktion der Hochöfen, die bis 40 Tonnen in 24 Stunden
stieg, ferner in dem Verschmelzen von Puddelschlacken und in der
Einführung von Universalwalzwerken.


1863 und 1864 herrschte in Belgien ein Gründungsfieber, infolge
dessen viele neue Anlagen entstanden. Den Bessemerprozeſs führte
Seraing im Jahre 1864 ein und war dies jahrelang das einzige Werk
in Belgien, welches davon Gebrauch machte.


Die Roheisenproduktion Belgiens betrug:




[252]Belgien 1861 bis 1870.


1862 wurden 6058780 Centner Koksroheisen,



in Belgien erzeugt. 1866 wurden nur noch 3000 Tonnen Roheisen
mit Holzkohlen geschmolzen.


1870 wurden auſser der oben angegebenen Menge von Roheisen
erzeugt:



Das Bessemerwerk zu Seraing hatte 1869 2 Konverter zu 5 und
7 Tonnen 1). Das Roheisen wurde in zwei Kupolöfen umgeschmolzen,
einem gewöhnlichen und einem Woodwardschen. Man verarbeitete
hauptsächlich englisches Hämatitroheisen und deutsches Spiegeleisen.
Das Spektroskop gab den richtigen Moment für die Beendigung des
Prozesses an. Der Bessemerstahl wurde teils für den Maschinenbau
(besonders für Gesteinsbohrmaschinen, Gebläse- und Schiffsmaschinen),
für Lokomotiv- und Wagenbau (Achsen, Bandagen, Räder, Kurbel-
zapfen, Federn, Kurbeln), für Kesselblech und für Feuerwaffen
verwendet.


In Luxemburg wurden die ungeheuren Eisenerzschätze erst
spät im Lande selbst verhüttet. 1865 zählte man 15 betriebene, 3 im
Bau begriffene und 10 nicht betriebene Hochöfen. Es waren dies
meistens alte Holzkohlenöfen. Unter den erstgenannten 18 Hochöfen
waren nur sechs von gröſseren Dimensionen und einer Produktions-
fähigkeit von 30 bis 40 Tonnen pro Tag; alle übrigen waren um-
geänderte Holzkohlenhochöfen. Seit 1866 stieg aber die luxemburgische
Roheisenproduktion bedeutend und machte 1867 bereits den westfäli-
schen Hütten Konkurrenz. Allerdings war das Roheisen durch seinen
hohen Phosphorgehalt minderwertig.


Die Roheisenerzeugung betrug:



[253]Deutschland 1861 bis 1870.

Die Eisenerzförderung belief sich dagegen im Jahr 1870 auf
1100000 Tonnen, mehr als das doppelte der von 1865.


In Holland zählte man 1860 vier Eisenhütten, welche jährlich
etwa 3 Millionen Kilogramm Roheisen aus Raseneisenstein erbliesen.


Deutschland 1861 bis 1870.


Deutschland machte in den sechziger Jahren rühmliche An-
strengungen zur Hebung seiner Eisenindustrie, und daſs es darin
Erfolg hatte, beweist die Thatsache, daſs es Frankreich überflügelte
und sich dauernd die dritte Stelle in der Reihe der Eisen erzeugenden
Länder errang und nur noch von England und den Vereinigten
Staaten in der Produktion übertroffen wurde. Anlaſs hierfür war
die groſsartige Entwickelung des Bessemerverfahrens. Vor allem war
es Preuſsen, welches diesen Erfolg errang und sich in der Stahl-
industrie sogar den zweiten Platz erwarb.


Die Politik und die kriegerischen Ereignisse übten einen nicht
unbedeutenden Einfluſs auf die Entwickelung der Eisenindustrie aus.


Die Umwandlung der Bewaffnung und die rasch aufeinander
folgenden Kriege von 1864, 1866 und 1870 gaben, wenn sie auch
zeitweilige Störungen veranlaſsten, den Eisenwerken umfangreiche
Beschäftigung.


Wichtiger aber wirkten die Erfolge der Kriege für Arbeiten des
Friedens, besonders für zahlreiche Eisenbahnbauten.


Mit dem am 2. April 1862 abgeschlossenen deutsch-französischen
Handelsvertrage verlieſs der deutsche Zollverein das System des
Schutzzolles und schloſs sich der Freihandelsbewegung an. Hierzu
sah er sich gezwungen durch das Vorgehen von England und Frank-
reich, durch den englisch-französischen Handelsvertrag und die Handels-
verträge, welche Frankreich mit Belgien und Italien schloſs. Er folgte
darin nun entschieden einer Richtung, welche Preuſsen von Anfang an
erstrebt hatte.


Durch den Zollvereinstarif vom 1. Juli 1865 wurde der Zoll für
Roheisen auf 0,50 Mark pro Centner, für Stabeisen auf 2,50 Mark pro
Centner herabgesetzt. Der neue Tarif, welcher am 1. Oktober 1870
in Kraft trat, ermäſsigte den Roheisenzoll auf 0,25 Mark, den Stab-
eisenzoll auf 1,70 Mark pro Centner.


Durch den Krieg vom Jahre 1866 wurde der alte Zollverein auf-
gehoben, indem eine Anzahl seiner Glieder, besonders Hannover, Kur-
[254]Deutschland 1861 bis 1870.
hessen und Nassau mit Preuſsen vereinigt und die übrigen Staaten
nördlich der Mainlinie in den Norddeutschen Bund aufgenommen
wurden. Diese bildeten in der Zollgemeinschaft mit den süddeutschen
Staaten die Fortsetzung des früheren Zollvereins.


Die Eisenproduktion des Zollvereins und der Zollvereinsstaaten
bis zum Jahre 1870 ist in den nachfolgenden Tabellen zusammengestellt.


Hochofenproduktion der Zollvereinsstaaten 1861 bis 1870.


In Tonnen.


Hochofenproduktion 1861 bis 1870.


Nach Sorten und Wert.


[255]Deutschland 1861 bis 1870.

Aus Roheisen wurden 1861 bis 1869 dargestellt:


Stahlerzeugung des deutschen Zollvereins 1861 bis 1869.


Produktion, Einfuhr, Ausfuhr und Verbrauch von Roheisen
im Zollverein 1861 bis 1870
.


[256]Deutschland 1861 bis 1870.

Man ersieht daraus, daſs sich die Eisenproduktion bis 1866 nahezu
und bis 1870 mehr wie verdoppelt hat. Die Stahlerzeugung Deutsch-
lands stieg 1861 bis 1869 um das 4¾fache. Die Eisenbahnen nahmen
1860 bis 1869 von 1965 bis zu 3449 Meilen an Länge zu, womit
Deutschland England überholt hat. Der Roheisenverbrauch betrug in
der Zeit von 1866 bis 1869 auf den Kopf der Bevölkerung durch-
schnittlich 66,1 kg.


Die Beteiligung der einzelnen Staaten des Zollvereins an der
Roheisenproduktion ist in der Tabelle S. 254 bereits mitgeteilt. Preuſsen
hatte daran weitaus den gröſsten Anteil. Ueber die übrigen Zoll-
vereinsstaaten genügen einige kurze Bemerkungen.


Bayern hatte 1861 in seinen drei Bergamtsbezirken München,
Bayreuth und Zweibrücken folgende Produktion:


Die Produktionszunahme in den sechziger Jahren entfällt zumeist
auf die Eisenindustrie des Steinkohlengebietes der westlichen Rhein-
pfalz (St. Ingbert).


Das Königreich Sachsen erreichte 1863 seine höchste Produktion
an Roheisen in dieser Periode mit 15399 Tonnen. 1861 hatte es
produziert: Roheisen 6561 Tonnen, Rohstahleisen 3250 Tonnen, Guſs-
waren aus Erzen 1794 Tonnen.


1869 betrug die Produktion des Königreichs Sachsen:



[257]Deutschland 1861 bis 1870.

An der Stahlerzeugung hatte das Guſsstahlwerk Döhlen, welches
1862 in London mit einer umfangreichen Ausstellung auftrat, den
Hauptanteil.


Zu den Eisenwerken des Königreichs Hannover gehörte von
den Harzer Hütten die Königshütte, Steinrennerhütte, Rothehütte,
Altenauer-, Lerbacher- und Sollingerhütte und das Silberaaler
Frischwerk. Die Produktion der hannoverschen Eisenwerke betrug
im einzelnen vom 1. Juli bis 1. Juli:


1858 war die Gründung der Georgs-Marienhütte bei Osnabrück
erfolgt (Bd. IV, S. 987).


1864 wurde von den Herren Röhrig, Fehland \& Co. in Braun-
schweig die Ilseder Hütte bei Peine zur Ausbeutung des mächtigen
Lagers oolithischer Eisenerze, die zwar leichtschmelzig, aber sehr
phosphorreich waren, gegründet. 1865 kamen zwei Hochöfen in Be-
trieb, welche die für deutsche Verhältnisse unerhörte Produktion von
80000 kg den Tag erreichten. Im Jahre 1866 wurde die Hüttenbahn
Peine-Ilsede eröffnet und mit dem Bau eines dritten Hochofens be-
gonnen.


Nach der Annexion Hannovers durch Preuſsen suchte letzteres
die ihm zugefallenen Harzer Hütten zu verkaufen, was ihm auch
gegen Ende der sechziger Jahre gelang.


Die Eisen- und Stahlerzeugung der übrigen Zollvereinsstaaten
betrug im Jahre 1869:


Beck, Geschichte des Eisens. 17
[258]Deutschland 1861 bis 1870.

Die groſsartige Entwickelung, welche die Eisenindustrie Preuſsens
genommen hat, gereicht der Staatsregierung und den Gewerken zu
hohem Ruhme. Wenn der preuſsische Staat sich in dem Kriege vom
Jahre 1866 die Führerrolle in Deutschland endgültig erkämpft hat,
so hatte es denselben schon vorher sich verdient durch seine Lei-
stungen auf wirtschaftlichem Gebiete. Seine Eisenindustrie war längst
zum Vorbild für die übrigen deutschen Staaten geworden. Preuſsen
hatte sich von den Fesseln der Vergangenheit freigemacht und im
modernen Geiste seine Eisenindustrie umgewandelt und fortentwickelt.
Vor allem hatte es die hohe Bedeutung des Stahls für die Entwicke-
lung der Eisenindustrie frühzeitig erkannt. In Preuſsen wurde die
Fabrikation des Puddelstahls zuerst erfunden und zu einem praktischen
Betriebe entwickelt.


Das Genie Alfred Krupps hob die Guſsstahlfabrikation Preuſsens
zu ungeahnter Höhe und stachelte die Energie anderer Industrieller
zur Nacheiferung an. Krupp war es auch, der zuerst das Bessemer-
verfahren in Deutschland einführte. Ihm folgten bald andere Werke
nach, so daſs Preuſsens Fluſseisenerzeugung rasch an Umfang und
Bedeutung wuchs.


Es ist von Interesse, das Wachstum der preuſsischen Industrie
durch einige Rückblicke zahlenmäſsig zu erläutern.


Dampfmaschinen 1) wurden in den Hütten und metallurgischen
Fabriken (einschlieſslich der Maschinenbauanstalten) in Preuſsen ver-
wendet:



[259]Deutschland 1861 bis 1870.

1861 zählte man im Berg-, Hütten- und Salinenbetriebe ein-
schlieſslich des Maschinenbaues 2522 Dampfmaschinen mit 81165 Pferde-
kräften.


Die Roheisenproduktion in den wichtigsten Bergamtsbezirken
und im ganzen preuſsischen Staate zeigt folgendes Wachstum (nach
Serlo):


Die Stahlproduktion betrug an Wert 1860 3 Millionen, 1865
15¼ Millionen Thaler.


Dieser gewaltige Aufschwung war in erster Linie die Folge der
technischen Fortschritte, die wir im allgemeinen Teile geschildert
haben.


Die Entwickelung der Eisenindustrie in den sechziger Jahren,
welche die der früheren Jahrzehnte weit hinter sich lieſs, wird er-
läutert durch nachfolgende statistische Tabellen.


Uebersicht der Eisenproduktion in Preuſsen
von 1861 bis 1870
.


17*
[260]Deutschland 1861 bis 1870.

Hochofenproduktion in Preuſsen 1861 bis 1870.


Hochofenproduktion in den einzelnen Oberbergamtsbezirken
Preuſsens
.


Guſswarenerzeugung in Preuſsen 1861 bis 1870.


[261]Deutschland 1861 bis 1870.

Das Verhältnis der Guſswaren betrug:


Der Zuwachs der Guſswarenproduktion durch die neuen Landesteile
betrug 1867 23344 Tonnen.


Stabeisenproduktion in Preuſsen 1861 bis 1870.


Das Verhältnis der Stabeisenproduktion mit Holzkohlen zu der
mit Steinkohlen betrug:


Die Zunahme der Stabeisenproduktion durch den Anschluſs der neuen
Landesteile betrug 1867 6752 Tonnen.


Stahlerzeugung in Preuſsen 1861 bis 1870.


[262]Deutschland 1861 bis 1870.

Das rasche Wachstum der Guſsstahlerzeugung ist durch die regel-
mäſsige Erzeugung von Bessemerstahl seit 1864 veranlaſst; 1865 pro-
duzierte die Hermannshütte bei Hörde hiervon bereits 2646 Tonnen.


Die Produktionsvermehrung zwischen 1866 und 1867 ist zum Teil
durch die Vergröſserung des preuſsischen Staates infolge des Krieges
vom Jahre 1866 veranlaſst.


Die Produktion der neuen Landesteile betrug:


In Oberschlesien ging der Staat, als Besitzer der wichtigsten
und gröſsten Eisenhüttenwerke, mit rühmlichem Beispiel in der Ein-
führung neuer Verbesserungen vor. Gewöhnlich war es die Königs-
hütte, auf welcher die Prüfung neuer Einrichtungen vorgenommen
wurde. Wir haben schon im allgemeinen Teile ausgeführt, wie die
dortigen Versuche, den Hochofenbetrieb mit Steinkohle einzuführen,
keinen Erfolg hatten, und wie es erst nach längerer Zeit und nach
Überwindung vieler Schwierigkeiten gelang, das Bessemerverfahren
einzuführen.


Die Königshütte, von der E. Dürre 1861 eine genaue Beschrei-
bung veröffentlichte 1), hatte in diesem Jahre ihre sechs Hochöfen im
Betriebe. Man hatte die Pressung von 2½ auf 4 Pfund pro Quadrat-
zoll und die Windtemperatur von 80 auf 180° R. gesteigert. Über
die Stabeisenerzeugung auf der Königshütte erschien im folgenden
Jahre ein längerer Aufsatz in der Berg- und Hüttenmännischen Zeitung.


Ein anderes neu eingerichtetes groſses Hüttenwerk war die Hubertus-
hütte von Thiele-Winkler, welche ebenfalls sechs Kokshochöfen
hatte. Diese waren, wie die der Königshütte, nach belgischem Muster
zugestellt. Der Schacht war nicht von Ringbändern zusammengehalten,
sondern von einem starken Rauhmauerwerk; das Gestell war aus
Masse gestampft, Obergestell und Rast aus feuerfesten Steinen her-
gestellt 2). Auf der Vorwärtshütte zu Hermsdorf in Niederschlesien
verhüttete man mit Erfolg Magneteisensteine mit Koks zu einem sehr
[263]Deutschland 1861 bis 1870.
festen Gieſsereieisen, das sich aber auch zur Stahlfabrikation eignete.
Auf der Redenhütte wurde 1861 ein neues Walzwerk erbaut, dessen
Flammofen mit Treppenrosten für Kleinkohlenfeuerung eingerichtet
wurde.


Schon 1863 stellte Zander es bereits als Ziel der oberschlesi-
schen Stahlindustrie hin, einen billigen Massenguſsstahl durch Um-
schmelzen von Puddeleisen im Flammofen zu erzeugen, wie solches
zu Montataire in Frankreich versucht worden war. „Zu wesentlicher
Ersparung würde es führen, wenn man den Flammofen mit der
Siemensschen Regeneratorgasfeuerung versähe und die Dauer der
Öfen durch Anwendung von Quarzziegeln (Dinas) erhöhen würde.“
Man sieht, die Erfindung des Martinverfahrens lag auch in Deutsch-
land bereits in der Luft. 1865 wurde zur Einführung des Bessemer-
prozesses auf der Königshütte geschritten.


Um diese Zeit begann man auch bei dem Hochofenbetriebe in
Oberschlesien auf Massenerzeugung hinzuarbeiten, zu welchem Zwecke
man die Öfen gröſser baute und stärkere Gebläsemaschinen aufstellte.
Oberberghauptmann Krug von Nidda gab hierzu die Anregung und
dienten die neueren englischen Öfen als Vorbild. 1866 wurde der
erste Hochofen mit gröſseren Dimensionen, der mit einem Blechmantel
versehen war, angeblasen. Die Produktion der neuen Hochöfen betrug
1868 das Dreifache gegen 1858. Die Massenproduktion von Puddel-
roheisen wurde wesentlich gefördert durch die umfangreiche Ver-
schmelzung von Puddel- und Schweiſsschlacke im Hochofen. Einer
der Hochöfen „Krug von Nidda“ ging auf Bessemerroheisen und
erblies im Monat September 1867 222 Tonnen die Woche. Um diese
Zeit gründete A. Borsig in Berlin das Borsigwerk bei Biskupitz.
Die ersten zwei groſsen Hochöfen hatten je sieben eiserne Säulen, die
den Tragkranz trugen und waren ebenfalls mit Blechmänteln versehen.
Zu Donnersmarkhütte produzierte 1868 ein Hochofen 3596 Centner
die Woche im Jahresdurchschnitt.


Während sich Ende der fünfziger Jahre die Roheisenerzeugung
mit Holzkohle und mit Koks noch die Wage gehalten hatten, war
Ende der sechziger Jahre der Sieg der Steinkohlen über die Holz-
kohlen entschieden. Ende der fünfziger Jahre zählte man 45 Holz-
kohlenhochöfen und 32 Kokshochöfen, welche 844512 Centner Holz-
kohlenroheisen, 886792 Centner Koksroheisen und 103351 Centner
mit gemischtem Brennmaterial erzeugten.


In Berlin war zu Anfang der sechziger Jahre die Bergakademie ins
[264]Deutschland 1861 bis 1870.
Leben getreten. 1862 zählte man daselbst 25 Eisengieſsereien, die
800 Arbeiter beschäftigten und jährlich etwa 3 Millionen Centner
Guſswaren lieferten 1). Ende Mai 1862 wurde das Guſsstahlwerk von
Borsig zu Moabit bei Berlin vollendet.


Bemerkenswert war auch die überhandnehmende Verwendung des
Eisens zum Bau der Häuser in Berlin, welche durch die Errichtung
des Achardschen Stiftshauses der französischen Kolonie, bei dem
30 guſseiserne Säulen und 220 eiserne Tragebalken verwendet worden
waren, eingeführt wurde.


Der neue Hochofen der Mathildenhütte bei Harzburg hatte 1869
eine Tagesproduktion von 50000 Pfund.


In den westlichen Provinzen hatte zunächst die Eisenindustrie
des Siegerlandes einen ganz neuen Impuls bekommen durch die
Wichtigkeit, welche das Spiegeleisen für die Bessemerproduktion
plötzlich erlangt hatte. Die Nachfrage wuchs von Jahr zu Jahr.
Siegerländer Spiegeleisen wurde ein Weltartikel. In seiner Verwend-
barkeit für den Bessemerprozeſs übertraf es alle ähnlichen Produkte
hauptsächlich durch seinen hohen Mangangehalt. Durch die Ausfuhr
von Spiegeleisen und durch die Eröffnung zweier Eisenbahnen, der
Deutz-Gieſsener und der Ruhr-Siegbahn 1860/61, wurde das ab-
geschlossene Siegerland mit seinen altertümlichen Gewohnheiten plötz-
lich dem Weltverkehr und Welthandel erschlossen. Die eigenartige
Bergwerks- und Hüttenverfassung dieses Gebietes haben wir früher
wiederholt ausführlich geschildert.


Trotz der am 17. Januar 1845 in Preuſsen eingeführten Gewerbe-
freiheit bestand die monopolistische Beschränkung in dem Eisen-
gewerbe im Siegerlande fort. Jede Hütte durfte ursprünglich nur 62,
jeder Hammer nur 240 Tage im Jahre im Betriebe erhalten werden.
Infolge von Konsolidationen hatten einzelne Hütten ihre Betriebszeit
bis auf 186 Tage ausgedehnt. Nachdem Nassau-Siegen durch den
Wiener Frieden an Preuſsen gefallen war, wurden durch das preuſsische
Regulativ vom 20. Juni 1819 die Bestimmungen der Kurbriefe der
Eisenmassenbläser, Stahlmassenbläser, der Eisenschmiede- und Stahl-
schmiedezünfte bestätigt. Eine Erleichterung trat durch die revidierte
Hütten- und Hammerordnung vom 25. Januar 1830 insofern ein, als
die Umwandlung von Hammertagen in Hüttentage gestattet wurde.
Die groſsen Beschränkungen, welche diese vererbten Rechte und Ge-
setze der Siegerländer Industrie auferlegten, wurden schmerzlicher
[265]Deutschland 1861 bis 1870.
wie je zuvor empfunden, nachdem die Eisenbahnen das Gebiet dem
Weltverkehr erschlossen und die Kokszufuhr aus dem Ruhrgebiete
erleichtert hatten. Der Zweck der Beschränkungen war die Schonung
der Wälder gewesen; sobald man zu Koksbetrieb überging, hatten sie
keinen Sinn mehr und waren eigentlich auch nicht mehr rechtsver-
bindlich; trotzdem erhielten sie sich aus uralter Gewohnheit. Man
erhoffte die förmliche Aufhebung der alten Hütten- und Hammer-
ordnungen durch das neue in Beratung begriffene preuſsische Berg-
gesetz, und man sah mit Ungeduld der Einführung desselben ent-
gegen. Diese zog sich lange Zeit hin, erst am 25. Juli 1865 trat
endlich das neue Berggesetz in Kraft und damit eine neue Ära für
die Siegensche Eisenindustrie.


Schon einige Jahre zuvor (1862) hatten die Gewerken der
Eisenhütte bei Niederschelden einen Kokshochofen nach modernen
Grundsätzen zu Charlottenhütte erbaut, nachdem es J. H. Dresler
auf der Heinrichshütte bei Hamm an der Sieg gelungen war, sogar
Spiegeleisen mit Koks zu erzeugen. Auf der Heinrichshütte führte
man auch den Langenschen Gasfang ein. Auf der Charlottenhütte
legte man groſsen Wert auf die Gestellkühlung. Der Hochofen der
Charlottenhütte lieferte 1864 30000 kg Spiegeleisen oder 35000 kg
Roheisen in 24 Stunden.


Gegen Ende der alten Zeit veröffentlichte der bekannte fran-
zösische Hütteningenieur Jordan eine interessante Studie über das
Siegerland 1), zu der er angeregt wurde durch die Aufmerksam-
keit, welche besonders seit der Weltausstellung in London 1862 das
siegensche Spiegeleisen erregte und durch den Wunsch, die Fabri-
kation desselben auch in Frankreich einzuführen. Nach diesem
Bericht waren 1863 17 Hochöfen im Siegerlande im Betriebe,
welche 28050 Tonnen Roheisen und 7550 Tonnen Spiegeleisen produ-
zierten, auſserdem wurden erzeugt 1730 Tonnen Eisenguſswaren,
14900 Tonnen Stabblecheisen und Rohstahl, 4150 Tonnen Schwarz-
blech und 2550 Tonnen Eisendraht 2). Die Hütten bei Müsen erzeug-
ten 1862/63 3813 Tonnen Rohstahleisen (Spiegeleisen), 233 Tonnen
Puddel- und 64 Tonnen Rohstahl.


In Westfalen arbeitete man 1861 noch vielfach mit gemischtem
Brennmaterial, d. h. einem Gemenge von Koks und Holzkohlen.
[266]Deutschland 1861 bis 1870.
Hörde war, da Krupp in Essen seinen Betrieb geheim hielt, das
maſsgebendste Werk an der Ruhr. Es war auch zuerst, nach Krupp,
mit der Einführung des Bessemerverfahrens vorgegangen. 1863 war
der sechste Hochofen auf dem Hörder Werk erbaut und mit dem
Bau des Bessemerwerkes begonnen worden, und am 22. April 1864
wurde hier die erste Charge erblasen. Am 6. Februar 1866 starb
H. G. Vincenz von Hoff, der verdienstvolle Begründer und Leiter der
Hörder Hütte. 1865 wurde die Hochofenhütte von Born bei Dort-
mund in Betrieb gesetzt und das Bochumer Bessemerwerk gebaut.
1867 zählte man im ganzen Kreise Arnsberg nur noch fünf Frisch-
feuer. 1868 wurde die neue Bessemeranlage der Hermannshütte zu
Hörde mit drei Konvertern nach den Plänen von R. Daelen erbaut.
Das Roheisen wurde nicht mehr in Flammöfen, sondern in Kupolöfen
umgeschmolzen.


Über die groſsartigen Leistungen der Guſsstahlfabrik von
Krupp in Essen haben wir das Wichtigste bereits mitgeteilt. Das
Wachstum der Fabrik in diesem Zeitraume ergiebt sich aus nach-
folgenden Ziffern.


An Werkzeugmaschinen zählte man 1867 322 Drehbänke, 133
Hobelmaschinen, 65 Freibänke, 92 Bohrbänke, 85 Schleifbänke und
40 verschiedene.


Die Stadt Essen zählte 1852 10475 Einwohner, 1861 20776 und
1864 31327 Einwohner. 1861 war der 1000 Centner-Hammer (Fritz)
in Betrieb gekommen, 1862 die Bessemeranlage mit vier Konvertern
zu 2½ Tonnen, 1864 das Stahlschienenwalzwerk mit 16 Glühöfen
und einer Maschine von 400 Pferdekräften; in demselben Jahre kam
[267]Deutschland 1861 bis 1870.
das mächtige Plattenwalzwerk mit einer Walzenzugmaschine von
1000 Pfdkr., einem siebenfüſsigen Trio für schwere Bleche und einer
schweren Kaliberwalze für Stahlblöcke, deren Produktion 1864 schon
10000 Tonnen betrug, in Betrieb. In demselben Jahre legte Krupp
seine erste Arbeiterkolonie mit 160 Wohnungen an.


1868 erwarb Krupp die Steinkohlenzeche Hannover; 1869 wurden
die ersten Stahlschmelzöfen mit Siemens’ Regenerativfeuerung an-
gelegt. Ein wichtiges Ereignis für die Entwickelung der Kruppschen
Stahlwerke war die Erwerbung der altberühmten Saynerhütte vom
preuſsischen Staat zugleich mit der Mühlhofener Hütte, dem Ober-
hammer und den Horhauser Bergwerken am 24. März 1864. Krupp
war mit dem Bochumer Verein höchster Bieter und erhielt den
Zuschlag zum Preise von einer halben Million Thaler. Dadurch
wurde Krupp in die Lage gesetzt, sein Spiegeleisen und Puddelstahl-
eisen selbst zu fabrizieren.


Die zum rheinischen Oberbergamtsbezirk gehörigen Saar- und
Moselhütten bezogen 1864 noch den gröſsten Teil der in Luxemburg
geförderten Minette und verschmolzen davon 60 bis 80 Prozent in der
Beschickung. Die Eisenhütten in Luxemburg waren damals noch
unbedeutend.


Die Eröffnung des Saarkanals im Jahre 1866 erleichterte den
Bezug der lothringischen Minette, infolgedessen die alten Hochwald-
und Soonwaldhütten Asbach, Abentheuer und Gräfenbach eingingen,
beziehungsweise an die Mosel verlegt wurden. Dafür entstand 1867
eine neue Hochofenhütte mit zwei Hochöfen und ausgedehnter Gieſserei
zu Halberg, welche 1869 in Betrieb kam. 1864 hatten die Saarhütten
mit 13 Hochöfen 1122443 Centner Roheisen produziert.


Die Nähnadelfabrikation in Aachen verarbeitete 1864 4600 Centner
englischen Stahldraht zu 1000 Millionen Nähnadeln. Es wurden ferner
fabriziert 50000 Pfund Stecknadeln mit Messingköpfen, 120 Millionen
kleine und 45 Millionen gröſsere Nadeln mit Glas- und Stahlknöpfen.
Diese Industrie beschäftigte 2000 Arbeiter.


Am 1. November 1864 fand die erste Versammlung westfälischer
und rheinischer Eisenindustrieller zur Verabredung besserer Preise
statt und wurde ein Aufschlag von 2 Thaler für 1000 Pfund be-
schlossen.


Es hatte in dem ganzen Zeitraum von 1857 bis 1867 ein Sinken
der Eisenpreise stattgefunden, und zwar für Roheisen von 18½ Thaler
auf 12 Thaler, für Stabeisen von 48 auf 27 Thaler für 1000 Pfund.
[268]Deutschland 1861 bis 1870.
1867 war das Eisengeschäft ungünstig beeinfluſst durch die politische
Lage, speciell durch die von Frankreich aufgeworfene Luxemburger
Frage.


Die Bessemerstahlfabrikation hatte in wenigen Jahren eine groſse
Bedeutung für Preuſsen erlangt und nahm dieser Staat hinsichtlich
seiner Produktion 1867 die zweite Stelle ein. Man zählte damals
sechs Bessemerwerke mit 22 Konvertern, wie folgende Tabelle zeigt.

demnach 73000 Tonnen im Jahr.


Die wirkliche Produktion im Jahre 1866 hatte aber nicht über
25000 Tonnen betragen.


Auf allen groſsen Industrieausstellungen in diesem Jahrzehnt
errang die preuſsische Eisen- und Stahlindustrie zahlreiche und ehren-
volle Auszeichnungen. Auf der Dubliner Ausstellung von 1866 erhielten
100 preuſsische Aussteller 60 Medaillen.


Mit dem Verkauf der Saynerhütte im Jahre 1864 hatte Preuſsen
angefangen, sich seines Hüttenbesitzes zu entäuſsern. Durch den
Krieg vom Jahre 1866 und die Annexion Hannovers war der
preuſsische Staat Besitzer der Harzer Eisenhütten geworden. Diese
befanden sich aber in sehr ungünstiger Lage. Die Stabeisenfabrikation
hatte man wegen Kohlenmangel fast aufgeben müssen und der Hoch-
ofenbetrieb hatte aus demselben Grunde eingeschränkt werden müssen.
Man versuchte die Einführung des Puddelbetriebes mit Steinkohlen
und begann die Holzkohlenhochöfen in Kokshochöfen umzubauen,
wie dies zu Rothehütte schon vorher geschehen war. Aber die
Frachtkosten für Steinkohlen und Koks machten den Betrieb un-
rentabel. Deshalb beschloſs die preuſsische Staatsverwaltung, sich
auch dieses Besitzes zu entäuſsern und 1868 die vormals hannöver-
schen Eisenhütten Lehrbacher, Altenauer, Königshütte, Rothehütte und
Solingerhütte zu verkaufen.


[269]Deutschland 1861 bis 1870.

Im Laufe des Jahres 1869 veranlaſste der Aufschwung der Eisen-
industrie und die dadurch gebotene günstige Gelegenheit, auch das
wichtige staatliche Musterwerk, die Königshütte in Oberschlesien, zum
Verkauf auszusetzen. Zum Beginn des Jahres 1870 trat der
preuſsische Staat die Königshütte und die Kreuzburger Hütte an
Unternehmer ab.


Für die Entwickelung der Eisenindustrie Preuſsens und Deutsch-
lands waren verschiedene gesetzgeberische Akte nach dem Jahre 1866
von Wichtigkeit. Es war dies die Einführung des preuſsischen Berg-
gesetzes in den annektierten Staaten, insbesondere in Nassau, Kur-
hessen, Hannover und Schleswig-Holstein; ferner die Maſs- und
Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund am 17. August 1868
und die Einführung der neuen Gewerbeordnung am 21. Juni 1869.


Durch die Annexion von Hannover, Kurhessen, das zu dem Groſs-
herzogtum Hessen gehörige Hinterland (Kreis Biedenkopf) und Nassau
waren viele ältere und neuere Hüttenwerke an Preuſsen gefallen,
unter diesen besonders die Georg-Marienhütte bei Osnabrück und die
Ilseder Hütte bei Peine. Auf letzterer war im August 1865 der Bau
eines eigenartigen Hochofens begonnen worden, der aber infolge des
Krieges erst am 7. April 1867 angeblasen wurde. Er zeigte Ähnlich-
keit mit dem Büttgenbachschen Hochofen, indem er einen dünn-
wandigen Schacht ohne Blechmantel hatte und der Gichtkranz durch
Blechrohre getragen wurde. Die kalkhaltigen oolithischen Erze ent-
hielten etwa 2½ Prozent Phosphorsäure und wurden unter Zuschlag
von Schweiſsschlacken verschmolzen. Die leichtschmelzende Be-
schickung ergab ein groſses Durchschlagsquantum und eine hohe
Produktion.


Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.


Österreichs Eisenindustrie, welche hauptsächlich auf den Holz-
kohlenbetrieb begründet war, hatte gegenüber der Massenproduktion
mit Steinkohlen der vorgenannten Staaten einen schweren Stand.
Durch die Einführung und verständige Benutzung der neuen Erfin-
dungen hat sie sich aber ehrenvoll durch diese Krisis hindurch-
gearbeitet.


Kein geringes Verdienst hierfür gebührt dem sachkundigen, er-
fahrenen Berater der österreichischen Eisenindustrie Peter Tunner
in Leoben, der mit klarem, vorurteilsfreiem Blick das Wertvolle und
Dauernde in der Flut der neuen Erscheinungen erkannte und für
[270]Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.
aussichtsvolle Verbesserungen und Erfindungen mit der ihm eigenen
Wärme und Entschiedenheit eintrat. So erkannte er vor allem die
Bedeutung des Bessemerprozesses für Österreich, dessen vortreffliche
Erze in den Alpenländern von jeher auf die Stahlfabrikation hin-
wiesen 1).


1860 wurden in der österreichischen Monarchie 5581338 Centner
Roheisen und 4934122 Centner Frischeisen erzeugt. 1861 zählte
man 234 Hochöfen, daneben auch noch 8 Wolfsöfen. 1862 wurden
5565690 Centner Roheisen zum Durchschnittspreise von 3½ Gulden
der Centner und 652987 Centner Guſswaren aus Erzen zum Preise
von 6⅕ Gulden der Centner erzeugt. v. Mayr in Leoben produzierte
1862 12000 Centner Guſsstahl und an 20000 Centner Puddel-, Cement-
und Gärbstahl. Bei der Guſsstahlerzeugung verwendete er Braun-
kohlen und Siemens-Gasöfen. v. Mayr machte bekanntlich als Extra-
stahl einen harten Manganstahl und einen sehr harten Wolframstahl.


1863 erwarb sich Direktor Moschitz in Rhonitz in Ungarn
mancherlei Verdienste um die Verbesserung des Hochofenbetriebes.
Er konstruierte geschlossene Formen, Schachtröstöfen, einen Gicht-
gasfang und benutzte die Hochofengase zum Puddel- und Schweiſs-
ofenbetrieb 2).


1863 erfolgte die denkwürdige Einführung des Bessemerprozesses
in Österreich und zwar zu Turrach in Steiermark auf Tunners
Anregung (s. S. 135).


Die niedrigen Eisenpreise in England und Deutschland drückten
besonders in den Jahren 1864 und 1865 schwer auf die österreichische
Eisenerzeugung. Am besten erging es noch den Steinkohlenwerken,
wie namentlich dem der Staatseisenbahngesellschaft gehörigen Eisen-
werk Reschitza im Banat mit drei Hochöfen und einem bedeutenden
Puddel- und Walzwerk, welches 1864 120000 Centner, darunter
25000 bis 30000 Centner Kesselbleche, produzierte 3). Auſser Reschitza
lagen im Banat die Eisenwerke Anina, Dognacska und Bogschan 4).


1865 wurde der Bessemerprozeſs in Neuberg eingeführt. In
demselben Jahre schickte Baron Rothschild zwei Ingenieure zu
H. Bessemer in Sheffield, um dort den Prozeſs zu studieren, und
[271]Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.
legte dann das Bessemerwerk bei Witkowitz an, welches graues Eisen
aus Ungarn verarbeitete.


Tunner empfahl 1865 für die österreichischen Alpenländer die
Verwendung von Fünfkirchener Koks, sobald die Eisenbahn dahin
fertiggestellt sein würde.


1866 gab es bereits folgende Bessemerwerke in Österreich:

also eine jährliche Leistungsfähigkeit von 32000 Tonnen. 1866 waren
aber nicht ganz 10000 Tonnen Bessemerstahl erzeugt worden.


1866 kam der Krieg mit Preuſsen, der für Österreich einen
ungünstigen Ausgang hatte und ebenfalls die Eisenindustrie schwer
schädigte. Erst im Jahre 1868 begann auch in Österreich wieder
eine regere Thätigkeit in den Eisenwerken, besonders in denjenigen
mit Steinkohlenbetrieb, wie z. B. Kladno in Böhmen.


Auch die österreichische Staatsregierung entäuſserte sich, wie
Preuſsen, groſsenteils ihres ärarischen Bergwerks- und Hüttenbesitzes.
Die Staatswerke zu Hiflan und Eisenerz wurden 1868 verkauft und
kamen in den Besitz der als Aktiengesellschaft konstituierten Inner-
berger Hauptgewerkschaft.


Am 3. Juli 1869 ging auch das dem Staat gehörige Musterwerk
zu Neuberg an die Neuberg-Mariazeller Gewerkschaft über. Ebenso
verwandelten die vier Besitzer des Hüttenberger Erzberges in
Kärnthen ihre Werke in eine Aktiengesellschaft und vereinigten sich
mit Prävali als Hüttenberger Hauptgewerkschaft. In Krain entstand
die Krainsche Eisenindustriegesellschaft.


Durch diese kapitalkräftigen Gesellschaften wurde eine Anzahl
neuer Hochofen- und Walzwerke ins Leben gerufen, so die Hochofen-
anlage und Raffinierwerk zu Schwechat bei Wien, die Johann-Adolfs-
hütte zu Judenburg in Steiermark, die Walzwerke in Köflach, Wasen-
dorf, Unzmark und St. Michael in Steiermark, das Stahlwerk und
[272]Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.
Drahtwalzwerk zu Graz, das Eisenwerk zu Liebschütz, der Hochofen
zu Rokitzan in Böhmen und andere mehr 1).


1867 hatte man bereits auf den Mayrschen Stahlwerken bei
Leoben Versuche mit dem Siemens-Martinprozeſs gemacht, die aber
trotz des günstigen Erfolges nicht fortgesetzt worden waren. 1869
bauten aber Barber und Klusemann ein groſses Martinstahlwerk
zu Floridsdorf bei Wien, welches die ersten Eisenbahnschienen aus
österreichischem Martinstahl lieferte. Um dieselbe Zeit baute man
auch Martinstahlöfen in Graz und Neuberg, welche Werke im Herbste
1870 ihre Erstlingsprodukte in Graz ausstellten.


1869 geschah das, was Tunner schon 1865 angeraten hatte,
man erbaute im Bahnhof zu Prävali unter Leitung des Direktors
Hupfeld einen Kokshochofen von 52 Fuſs Höhe, 15 Fuſs Weite im
Kohlensack und 7 Windformen, und schmolz mit heiſsem Wind von
350 bis 400° R. und 4 bis 5 Pfund Pressung mit Fünfkirchener Koks
kärnthnerische Erze, wobei man eine Tagesproduktion von 800 Centner
erzielte. Dieses Eisen war hauptsächlich für die Massenfabrikation
von Eisenbahnschienen bestimmt.


Nachfolgende Tabelle giebt die Übersicht der Hochofenproduktion
Österreichs in den sechziger Jahren.


Erzeugung und Verbrauch von Roheisen in Österreich-
Ungarn 1861 bis 1870
.


Die Eiseneinfuhr in Österreich betrug in Wiener Centner oder
Tonnen zu 1000 kg:


[273]Skandinavien 1861 bis 1870.

Skandinavien 1861 bis 1870.


Die Eisenindustrie von Schweden und Norwegen war ebenfalls
auf den Holzkohlenbetrieb angewiesen und zeigte dieser viele Ahnlich-
keit mit dem der österreichischen Alpenländer; im ganzen aber stand
er nicht auf gleicher Höhe. Es waren meist nur kleine Anlagen,
welche mit Wasserkraft betrieben wurden. 1861 zählte man nach
A. Meier 230 Hochöfen und 1300 Frischherde. Eine Hütte mit drei
Frischfeuern gehörte schon zu den gröſseren. Die Eisenindustrie
Schwedens beschäftigte 15400 Arbeiter, davon 5000 im Eisenstein-
bergbau. Die schwedischen Öfen hatten meist Massengestelle, deren
schmaler Vorherd nur die halbe Breite des Gestells hatte. Der
gröſste Teil des erzeugten Eisens wurde als Stabeisen ins Ausland
verkauft.


Die Tabelle auf folgender Seite giebt die Übersicht der Eisen-
produktion in den sechziger Jahren.


1862 wurden von 229 Hochöfen 221 betrieben, von denen ein
jeder durchschnittlich 137 Tage im Betriebe war und 155½ Centner
Roheisen in 24 Stunden produzierte.


Auf dem Werke des Baron v. Hamilton zu Boo in Nerike wurde
Torf verwendet. Hier und in Löhsfors war am meisten für die Ver-
wendung dieses Brennstoffes geschehen.


Beck, Geschichte des Eisens. 18
[274]Skandinavien 1861 bis 1870.

Eisenerzeugung Schwedens.


Göranson und der Eisenhütte zu Edsken gebührt der Ruhm,
gegen Ende der fünfziger Jahre den Bessemerprozeſs mit Erfolg

Figure 126. Fig. 126.


[275]Skandinavien 1861 bis 1870.
durchgeführt zu haben. In welch ursprünglicher Weise dies geschah,
haben wir früher geschildert und geht aus der Abbildung des ersten
schwedischen Bessemerofens, Fig. 126, aus dem Jahre 1858 hervor.


An Bessemerstahl wurde 1862 erzeugt:



1863 waren in Schweden 207 Hochöfen im Gang. Stahl wurden
119748 Centner erzeugt, darunter 44439 Centner Bessemerstahl.
Hiervon lieferte



Die Ausfuhr Schwedens betrug:



1865 sprach A. Grill in einem Aufsatz über die Zukunft der
schwedischen Eisenindustrie die ernste Besorgnis aus, daſs sich
England durch den Bessemerprozeſs von Schweden emanzipieren und
die schwedische Eisenindustrie schweren Schaden erleiden würde. Er
ermahnt deshalb seine Landsleute, fortzuschreiten und das vortreff-
liche Eisen des Landes selbst in Stahl überzuführen und in dieser
Form auf den Markt zu bringen.


Nach L. Rinman betrug die Roheisenproduktion Schwedens im
Jahre 1865 226676 Tonnen, woran 219 Hochöfen und 3683 Arbeiter
beteiligt waren.


Åkerman teilt für die Produktion des Jahres 1865 die folgenden
Zahlen mit:



18*
[276]Skandinavien 1861 bis 1870.

Die Hochöfen und ihre Erzeugung verteilten sich auf die einzelnen
Provinzen wie folgt:


[277]Skandinavien 1861 bis 1870.

Norwegen hatte 16 Hochöfen, von denen 3 kalt lagen. Die
übrigen waren meistens nur 3 bis 6 Monate während des Winters im
Betriebe und produzierten an 10000 Tonnen Roheisen.


Im allgemeinen verschmolz man in Schweden reichhaltige Be-
schickungen von 35 bis 52 Prozent Eisengehalt.


Zu Långshyttan in Kopparberg beschickte man die Bispberger
und Relligslager Magneteisensteine mit 3 bis 5 Prozent Kalkstein und
erhielt sogar 58 bis 60 Prozent Eisenausbringen. Der Kohlenver-
brauch im Hochofen betrug meist 80 bis 85 Prozent Hartkohlen, bei
grauem und Bessemerroheisen etwa die Hälfte mehr. Von den Ge-
stehungskosten rechnete man 39 Prozent auf die Erze, 41 Prozent
auf die Holzkohlen und 20 Prozent auf die Generalkosten.


Die Ausfuhr und Einfuhr in Tonnen im Verhältnis zur Erzeugung
ergiebt sich aus nachfolgender Zusammenstellung.


Produktion, Export und Import von Eisen und Stahl in
Schweden im Jahre 1865
.


In Schweden waren mit den Hütten und Hammerwerken meistens
Sägemühlen verbunden, die oft so groſse Mengen von Sägemehl
lieferten, daſs man, weil es verboten war, es in die Flüsse zu werfen,
oft in Verlegenheit war dasselbe fortzuschaffen. Aus diesem Grunde
war der Lundinsche Gasschweiſsofen, in welchem man Sägemehl
als Brennstoff verwenden konnte, für die schwedischen Hütten so
vorteilhaft.


Folgende schwedische Bessemerwerke führt Tunner 1866 auf:


[278]Ruſsland 1861 bis 1870.

Die Leistungsfähigkeit betrug demnach 26500 Tonnen =
350000 Centner im Jahr, während die wirkliche Produktion nur an
150000 Centner betragen hatte.


Die schwedischen Bessemerwerke arbeiteten mit feststehenden
Konvertern auf Qualität. Sie entnahmen ihr Roheisen, welches nicht
über 1 Prozent Silicium, aber 2 und mehr Prozent Mangan enthielt,
direkt von dem Hochofen.


1867 hatten K. Styffe und L. Rinman den Martinprozeſs
auf der Pariser Ausstellung kennen gelernt. Rinman ging auf
P. E. Martins Einladung hin nach Sireuil. Nach seiner Rückkehr
gewährte das Jernkontor Styffe und Rinman die Mittel, um in
einem kleinen Siemensofen zu Munkfors in Wermeland Versuche an-
zustellen, die günstig ausfielen.


1868 führten C. A. Rettig und L. Rinman auf dem ersterem
gehörigen Eisenwerk Kilafors den Martinprozeſs ein mit Siemens
Regeneratoren und Lundinschen Gasöfen mit Kondensation. Die
Aufgabe, Qualitätsstahl zu erzeugen, wurde gelöst. Die Öfen waren
aber sehr klein, für 213- bis 227 kg-Chargen, und hatten sehr hohen
Brennstoffverbrauch, 375 bis 560 kg für je 100 kg Stahl. Ein zweites
Werk baute dann Rinman zu Hellefors.


Ruſsland 1861 bis 1870.


Die Eisenindustrie Ruſslands hatte zu Anfang der sechziger Jahre
unter demselben schweren Druck zu leiden, wie die der übrigen auf
Holzkohlenbetrieb angewiesenen Staaten, der noch wesentlich ver-
stärkt wurde durch die Aufhebung der Leibeigenschaft, welche ihr
viele Arbeitskräfte entzog. Die Arbeiter der russischen Eisenhütten,
namentlich der im Ural, waren vordem fast alle Leibeigene. Die
[279]Ruſsland 1861 bis 1870.
Aufhebung der Leibeigenschaft, welche von Kaiser Alexander II. durch
ein Manifest 1857 verkündet, dann durch Ukas vom Februar 1861
für das ganze Reich beschlossen und endlich im März 1863 durch-
geführt wurde, war eine wirtschaftlich tief eingreifende Maſsregel für
Ruſsland. Sie schenkte an 24 Millionen Menschen, fast dem dritten
Teil der Bevölkerung des russischen Reiches, die persönliche Freiheit.
Die nächste Folge war aber die, daſs die Freigewordenen aufhörten,
zu arbeiten, was der Industrie zu groſsem Schaden gereichte. Die
weitere Folge war, daſs die Arbeit teurer wurde, was gleichfalls die
Konkurrenzfähigkeit der Eisenwerke lähmte.


Die Eisenerzeugung des russischen Reiches betrug in den Jahren
1860 und 1861:


Ruſsland war in eine Anzahl Bergbezirke oder Berghauptmann-
schaften eingeteilt, von denen der uralische der wichtigste war.


Im uralischen Bezirk gab es auſser vielen Privatwerken auch eine
groſse Zahl von Kronwerken. Man zählte 1861 im uralischen
Bergwerksbezirk
auf den kaiserlichen Kronwerken 14 Hochöfen,
23 Kupolöfen, 9 Flammöfen zum Umschmelzen des Roheisens,
108 Frischherde, 112 Streckherde, 54 Ankerschmieden, 14 Ketten-
schmieden, 5 Rohstahlherde, 136 Schmiede- und Glühherde, 14 Puddel-
öfen, 23 Schweiſsöfen, 5 Glühöfen, 5 Holzdarröfen, 1 Cementstahl-
und 99 Guſsstahlöfen. Die Produktion der uralischen Kronwerke
betrug:


[280]Ruſsland 1861 bis 1870.

Die Privatwerke des uralischen Bergwerksbezirkes umfaſsten
47 Bergwerke und 142 Hütten. Auf letzteren befanden sich 91 Hoch-
öfen, 48 Kupolöfen, 850 Frischherde, 242 andere Herde, 21 Gieſserei-
flammöfen, 221 Puddelöfen, 171 Schweiſsöfen, 192 Glühöfen.


Die Produktion betrug:


Die Demidoffschen Werke zu Nischne Tagilsk bildeten den
gröſsten Eisenwerkskomplex in Ruſsland mit einer jährlichen Erzeugung
von 10000 bis 12000 Tonnen. Hier wurde das beste russische Cement-
eisen gemacht, das alles unter der Marke C. C. N. D. nach England
ging und dort mit 17 £ die Tonne bezahlt wurde. Auf den Demidoff-
schen Werken wirkte General W. v. Raschette als Hüttendirektor
und erfand dort seine bekannten Schmelzöfen. Der zweitgröſste
Hüttenkomplex gehörte Goobins Erben zu Nischne Sergin und
Michailof, ebenfalls im Gouvernement Perm.


In dem Olonezkischen Bergwerksdistrikt zählte man 8 Hoch-
öfen, 1 Kupolofen und 7 Flammöfen, die alle zu den groſsen kaiser-
lichen Gieſsereien gehörten. Hier wurden erzeugt:


[281]Ruſsland 1861 bis 1870.

In der Berginspektion Moskau, die nach der uralischen die
wichtigste war, gehörten zu den Kronwerken 36 Hochöfen, 35 Kupol-
öfen, 85 Frischherde, 34 Puddelöfen, 17 Schweiſs-, 37 Glüh-, 30 Röst-
und 9 Flammöfen.


Die Erzeugung betrug:


Auf den Privatwerken der Berginspektion Moskau wurden um
dieselbe Zeit erzeugt:



Finland erzeugte:



Nach Angaben von de Buschen betrug die Eisenerzeugung
Ruſslands im Jahre 1863 245073 Tonnen. Sie blieb unter dem Mittel
[282]Ruſsland 1861 bis 1870.
der vorhergegangenen Jahre, das 283600 Tonnen, mit Polen sogar
350000 Tonnen betragen hatte.


Nach einer anderen Angabe betrug im Jahre 1863 die Erzeugung:



Hierbei ist Polen mit eingerechnet.


1863 machte General v. Jossa auf dem Kronhüttenwalzwerk
Wotinsk, Gouvernement Wiatka, mit verschiedenen Roheisensorten
Versuche, zu bessemern. Graues Roheisen von der Kronhütte
Werschneturinsk im Goroblagodatskischen Bezirk, welches aus den
reinsten Magneteisensteinen des Blagodatberges bei garem Ofengang
erblasen war, erwies sich als das geeignetste und wurde mit diesem
1864 der Bessemerbetrieb eingeführt.


Die Roheisenproduktion Ruſslands nahm in den Jahren 1864 bis
1867 nur langsam zu. Sie betrug ohne Polen:



Die Roheisenerzeugung einschlieſslich Polens betrug:



Übrigens machten die russischen Kroneisenwerke so schlechte
Geschäfte, daſs sie von 1866 bis 1870 mit Deficit arbeiteten. Man
dachte ernstlich an die Veräuſserung derselben.


Die Eisenerzeugung im Jahre 1868 war wie folgt:



[283]Ruſsland 1861 bis 1870.

Man zählte 209 Eisen- und Stahlhütten mit 207 Eisenhochöfen,
434 Puddelöfen, 597 Schweiſsöfen, 876 Frischherden, 707 Stahlherden
und Öfen, 34 Luppenfeuer, 156 Kupolöfen und 82 Gieſsereiflammöfen.


Einen Einblick in die russische Eisenindustrie gewährt P. Tunners
Bericht über seine im Auftrage der k. russischen Regierung im Sommer
1870 ausgeführte Reise nach dem Ural und Südruſsland. Er hebt
rühmend hervor die Guſsstahlerzeugung im groſsen für die Darstellung
von Geschützen und groben Maschinenteilen, die Erzeugung gewalzter
Panzerplatten, die Härtung der Eisenbahnschienen, die Erzeugung
groſser Herdfrischluppen von 30 und mehr Centner und die Erzeugung
des Glanzbleches. Dagegen tadelt er die Nichtbenutzung des erhitzten
Windes und der Hochofengase, die Verwendung von meist nur einer
Form beim Hochofenbetrieb, die offene Brust bei den Holzkohlenöfen,
die zu groſse Zahl der Arbeiter beim Hochofen. Wir erfahren ferner,
daſs man das Bessemerverfahren, welches schon 1864 eingeführt
worden war, 1870 wieder aufgegeben hatte. Das Martinverfahren war
versuchsweise auf den Hütten zu Sormowo bei Nischne-Nowgorod und
zu Wotinsk eingeführt worden. Tunner empfiehlt ebenfalls seine
Verwendung zur Herstellung von weichem Massenstahl, besonders
für Eisenbahnschienen. Auſserdem empfiehlt er dringend die Ver-
wendung der Steinkohle sowohl am Ural als in Südruſsland.


A. Keppen giebt folgende durchschnittliche Produktionsziffern
pro Jahr:


Zu Ende der sechziger Jahre stellte sich die russische Eisen-
produktion folgendermaſsen:


[284]Italien 1861 bis 1870.

Die Zunahme von 1861 bis 1870 betrug:

Italien 1861 bis 1870.


Zu Anfang des Jahres 1861 wurde das Königreich Italien unter
der Herrschaft des Hauses Savoyen gegründet, nachdem zuvor durch
den Krieg gegen Österreich im Jahre 1859 und die darauf folgenden
revolutionären Erhebungen die italienischen Einzelstaaten vernichtet
worden waren. Damit beginnt die neuere Geschichte Italiens und
zugleich eine neue Zeit für Industrie und Handel dieses Landes.


Der wirtschaftliche Aufschwung war aber in den sechziger Jahren
nur ein langsamer. Es ist sehr schwer, sich ein richtiges Bild der
Entwickelung der italienischen Eisenindustrie in und vor jener Zeit
zu machen, da die veröffentlichten statistischen Angaben unrichtig
und widersprechend sind. So schwankten z. B. die Angaben über die
Roheisenproduktion Italiens im Jahre 1861 zwischen 2 und 40 Kilo-
tonnen. Die in der S. 231 mitgeteilten Zusammenstellung der Welt-
produktion von Eisen aufgeführten Zahlen sind besonders für die
ersten Jahre des sechsten Jahrzehnts entschieden zu niedrig. Zu
einer annähernden Schätzung und einer richtigen Anschauung der
italienischen Eisenindustrie kommt man am besten, wenn man von
den statistischen Angaben Karstens im ersten Band seines Hand-
buchs der Eisenhüttenkunde von 1844 ausgeht. Danach produzierten
um 1840:



[285]Italien 1861 bis 1870.

Die Zahl der Hochöfen war damals eine ziemlich ansehnliche.
Freilich waren die meisten klein und wurden nicht das ganze Jahr
durch betrieben. Solcher kleiner Holzkohlenöfen (Blauöfen) zählte
man damals in Piemont 30, in Savoyen 13 bis 14, in der Lombardei
etwa 8, in Parma und Modena je einen. Gut gebaute Hochöfen mit
für jene Zeit hoher Produktion hatte man nur in Toscana. Dort
schmolzen vier Hochöfen aus elbanischen Erzen 1861 das oben
angegebene Quantum von 120000 Centner. Von groſser Wichtigkeit
war, wie aus obiger Aufstellung zu ersehen, noch der alte Rennfeuer-
betrieb, durch den an der Tyrrhenischen Küste elbanische Erze auf
schmiedbares Eisen verschmolzen wurden.


In den vierziger Jahren blieben die Verhältnisse ziemlich unver-
ändert. In den fünfziger Jahren (1854) begann der Eisenbahnbau in
Italien. Das Eisenmaterial dafür wurde aus England bezogen.


Im übrigen war aber die einheimische Eisenindustrie durch hohe
Einfuhrzölle geschützt. Daſs die italienische Eisenindustrie in der
Zeit von 1840 bis 1860 an Umfang nicht zugenommen, sondern einen
Rückgang erfahren hat, steht fest, doch kann derselbe nicht so groſs
gewesen sein, wie vielfach, z. B. auch in der oben erwähnten Statistik,
angenommen wird. Am glaubhaftesten erscheinen die Angaben, welche
die Roheisenproduktion Italiens in seinen jetzigen Grenzen für 1860
auf 15576 Tonnen, für 1870 auf 19914 Tonnen beziffern. Die Er-
zeugung von Renneisen war zurückgegangen, betrug aber 1860 immer
noch etwa 1000 Tonnen. Die gröſste Roheisenerzeugung hatte Toscana,
diesem folgten die Lombardei und Sardinien. Nachstehende Angaben
über die Roheisenerzeugung im Jahre 1864 dürften übertrieben sein.


Danach soll die Roheisenerzeugung damals 860000 Centner
(39560 Tonnen) betragen haben. Die Zahl der Hochöfen war gegen
früher sehr vermindert, ihre Leistung sehr erhöht. 3 Hochöfen in
der Provinz Aosta in Sardinien schmolzen aus Magneteisenstein
60000 Centner, 4 in der Lombardei aus Spateisenstein 120000 Centner
und 3 in Toscana aus elbanischen Erzen 560000 Centner.


Ein Ereignis von groſser Bedeutung war die Einführung des
Bessemerprozesses, die hauptsächlich dem Franzosen A. Ponsard,
Direktor der königlichen Eisenhütten in Toscana, zu verdanken ist.
Dieser lieſs bereits im Jahre 1860 das Roheisen in Fallonica von
Bessemer in Sheffield prüfen und dehnte diese Versuche in den
folgenden Jahren auf lombardisches Roheisen und das Eisen von
Mongiana aus. Am letzteren Orte wurden Magnet- und Brauneisen-
steine aus den Cantabrischen Apenninen in fünf Hochöfen ver-
[286]Spanien und die Türkei 1861 bis 1870.
schmolzen. Auf Grund der guten Erfolge erbaute Ponsard ein
Bessemerstahlwerk bei Piombino.


Er plante auch die Anlage eines Raschetteofens zur Verschmelzung
elbanischer Erze, doch kam diese nicht zur Ausführung. 1867 gab
es zwei Bessemerwerke in Italien, Novelle-Pomard-Gigli in Pisa und
Perseveranza bei Pisa, jedes mit einem Konverter. Beide Werke
zusammen erzeugten an 50000 Centner im Jahr.


Spanien und die Türkei 1861 bis 1870.


Die Eisenerzeugung Spaniens stand weder im Verhältnis zu dem
Reichtum an vortrefflichen Erzen, noch zu dem Bedarf der Bevölkerung.
Es wurden mehr spanische Eisenerze auſserhalb Spaniens als im Lande
selbst verschmolzen. Der Export an Erzen betrug 1860 175500 Tonnen,
während die inländische Produktion von Roheisen nur ca. 35000 Tonnen
Eisen betrug, und die dreifache Menge von England importiert wurde.


In Nordspanien verdrängte der Chenotprozeſs die alten Catalan-
schmieden (Ferrerieras) mehr und mehr. Auf den Baracaldowerken
wurden von 1859 bis 1871 nach dieser Methode 32000 Tonnen Eisen-
schwamm erzeugt. 1860 baute Tourangin seinen ersten verbesserten
Chenotofen „Purisima Concepcion“.


Die Eisenproduktion Spaniens in den sechziger Jahren war
schwankend, wie aus nachfolgender Zusammenstellung zu ersehen ist.

Die Zunahme der Stahlproduktion ist aber beachtenswert.


Die Roheisenerzeugung von 1864 bis 1870 betrug:



Von der Eisenindustrie der Türkei ist so gut wie nichts aus
jener Zeit bekannt 1). Bosnien, Serbien und Bulgarien sind reich an
[287]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
Eisen. In Bosnien war Eisenindustrie zu Sarajevo, in Serbien zu
Maidanpek und in Bulgarien betrieb die türkische Regierung 12 Hoch-
öfen bei Somakov. Ganz in der Nähe von Konstantinopel finden sich
groſse Schlackenhalden bei Alemdagh, die auf alten Eisenhütten-
betrieb hinweisen. Der Stückofenbetrieb war noch durchaus vor-
herrschend.


Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.


Die Eisenindustrie der Vereinigten Staaten von Nord-
amerika
machte in den sechziger Jahren nach Beendigung des
Bürgerkrieges groſse Fortschritte. Die Amerikaner wurden sich ihrer
Stärke, ihres nationalen Reichtums mehr und mehr bewuſst und
Hewitt sprach es 1865 bestimmt aus, daſs Amerika der erste Platz
unter den eisenerzeugenden Ländern gebühre und daſs es ihn in
nicht ferner Zeit auch erringen werde.


Die Schätze des Landes sind unermeſslich und erscheinen riesig
im Vergleich mit denen Europas. Man hatte in den Vereinigten
Staaten ca. 12000 (geogr.) Quadratmeilen Kohlenfelder entdeckt,
während die gesamten Kohlenbecken Europas nur eine beiläufige
Ausdehnung von 775 Quadratmeilen hatten. Sir Morton Peto
schätzte die Steinkohlen von Pittsburg allein auf 53516 Millionen
Tonnen.


Seit 1860 hatte man auch die Bedeutung des Franklinits als
Eisenerz erkannt. Dieses eigentümliche Zink-Eisenerz, dessen Zu-
sammensetzung nach dem Amerikaner Steffens der Formel FeO, ZnO
+ 2 (Fe2O3, Mn2O3) entspricht, kommt in dem Stirling-Hill bei der
Stadt Franklin vor. Bereits 1640 wurde es von deutschen Bergleuten
aus Nassau entdeckt, aber erst 1770 von Lord Stirling bergmännisch
gewonnen und nach Europa geschickt. 1825 wurde es von Dr. Mac Clure
und Dr. Jackson genauer untersucht und 1850 auf Zink verhüttet.
1852 wurde es zuerst als Eisenerz verschmolzen. Es schmilzt bei
niedriger Temperatur. Das aus dem Roheisen dargestellte Schmiede-
eisen zeichnet sich durch groſse Festigkeit aus. Auſserdem erhält
man aber auch leicht aus dem Franklinit Spiegeleisen, aus dem sich
guter Stahl bereiten läſst.


Der Staat Ohio erzeugte 1854 71156 Tonnen, 1862 114000 und
1869 275000 Tonnen Roheisen. Die Schienenproduktion stieg 1860
bis 1869 von 10000 auf 41837 Tonnen.


Im Staate Illinois, wo 1856 noch kein Stück Schiene gemacht
[288]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
wurde, betrug die Schienenerzeugung 1860 5923 Tonnen, 1869
53261 Tonnen. Missouri lieferte 1854 erst 5798 Tonnen Gieſserei-
roheisen, 1864 16524 Tonnen, 1870 77852 Tonnen. In Michigan, in
dem der Lake Superior-Distrikt liegt, begann die Eisenindustrie erst
1856, 1860 wurden 5660 Tonnen, 1870 49298 Tonnen Roheisen erzeugt.


Der wichtigste Staat für die Eisenindustrie Nordamerikas ist aber
Pennsylvanien mit seinem groſsen Reichtum an Steinkohlen und seinen
vortrefflichen Anthrazitlagern. 1860 zählte man in Pennsylvanien
bereits 90 Anthrazitöfen und in den benachbarten Staaten New-York,
New-Jersey und Maryland 29. Diese 119 Hochöfen produzierten
500000 Tonnen Roheisen zu 20 Dollar die Tonne. In Westpennsyl-
vanien, wie in den meisten übrigen Staaten der Union, wurden die
Hochöfen noch mit Holzkohlen betrieben. Das Holzkohlenroheisen von
Westpennsylvanien kostete damals 26 Dollar die Tonne, während
englisches Roheisen mit dem Zoll in Philadelphia mit 22 Dollar
bezahlt wurde. Die Steinkohlenhochöfen in Pennsylvanien waren
meist weit, aber nicht hoch. Indessen hatte man angefangen, Öfen
von 60 Fuſs Höhe mit 12 bis 15 Formen und 10000 Tonnen Roheisen-
produktion die Woche zu bauen. Dazu wandte man Gebläse an, die
10000 Kubikfuſs Wind von 8 bis 9 Pfund Pressung pro Quadratzoll
in der Minute lieferten.


Die Steigerung der amerikanischen Produktion in jener Periode
ergiebt sich aus folgenden Zahlen, wobei für die Jahre 1861 und
1862 die nachteilige Wirkung des amerikanischen Bürgerkrieges zu
beachten ist.


Es wurde Roheisen produziert:


[289]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.

Die Schmiedeeisenerzeugung betrug in Tonnen:


Wie bedeutend aber noch die Einfuhr von Schmiedeeisen be-
sonders aus England war, geht aus der nachfolgenden Zusammen-
stellung über Erzeugung, Einfuhr und Verbrauch von schmiedeeisernen
Eisenbahnschienen hervor.


Die Vereinigten Staaten hatten Frankreich schon 1864 in der
Eisenerzeugung überflügelt. Nach der Schätzung des Amerikaners
Hewitt hätte sie dagegen 1866 nur 1 Million betragen, während er
Frankreichs Produktion zu 1200000 Tonnen angiebt. Aber gerade
Hewitt ist es, der, wie erwähnt, den Vereinigten Staaten die Führer-
rolle in Bezug auf die Eisenerzeugung zuspricht und bestimmt vor-
aussagt, daſs dieselbe mit der Zeit alle anderen Staaten darin über-
holen würde.


1868 war die Produktion der Vereinigten Staaten ohne allen
Zweifel bereits beträchtlich gröſser als die aller übrigen Staaten
auſser England.


Auf die einzelnen Staaten verteilte sich die Roheisenproduktion
im Jahre 1868 nach dem offiziellen Jahrbuch wie folgt:


Beck, Geschichte des Eisens. 19
[290]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.

1866/67 machten die Schweden Professor Ångström und Berg-
gewerke Åkerman im Auftrage des Eisenkontors eine Reise durch
Amerika, die sich auf 4½ Monate erstreckte 2). In dem Bericht wird
die Güte des mit kaltem Wind und mit Holzkohlen erblasenen
Gieſsereieisens (Cold blast) hervorgehoben. In Missouri, Michigan und
Ohio fanden sie meistens Holzkohlenöfen. In Lime-Rock (Connecticut)
wurde das beste, als Salisburyeisen bekannte Gieſsereieisen in Öfen
von 27 bis 47 Fuſs aus einem lehmigen Brauneisenstein erblasen.
Es wurden 40 Prozent eines hellgrauen, weichen Roheisens ausgebracht.
Man verwendete Kohlen von Kastanien- und Walnuſsholz und auch
von Eichen, die fester waren, als die Nadelholzkohlen. Das ameri-
kanische Steinkohlenroheisen war dagegen von sehr mittelmäſsiger
Güte, was auch daraus hervorgeht, daſs sein Preis immer 1 bis
2 Dollar unter dem des schottischen Roheisens blieb. Allgemein
wurden die Hochofengase zur Winderhitzung und Dampfkesselfeuerung
benutzt. Man blies in den Steinkohlenöfen in der Regel mit 50 Linien,
in den Anthrazitöfen mit 90, doch auch bis 140 Linien Quecksilber-
druck.


Abbildungen von amerikanischen Anthrazithochöfen von 1868
finden sich in Osborn, Iron and Steel, p. 327 etc.


Die Guſsstahlfabrikation nahm in diesem Jahrzehnt einen Auf-
schwung und lieferte auſser Hussey und Wells namentlich Park
in Pittsburg einen guten Guſsstahl.


Zwei wichtige Ereignisse beeinfluſsten in den sechziger Jahren
[291]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
die Eisenindustrie der Vereinigten Staaten von Nordamerika: der
Bürgerkrieg (1861 bis 1865) und die Einführung des Bessemer-
prozesses. Unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges war die am
12. März 1860 eingebrachte Morill bill, durch welche zum erstenmal
ein ausgesprochener und wirksamer Schutzzolltarif eingeführt wurde,
angenommen worden. Dieser Tarif, und die Blockade, welche die
Eiseneinfuhr erschwerte, wirkten so günstig für die amerikanische
Eisenindustrie, daſs trotz des Krieges die Eisenproduktion von Jahr
zu Jahr zunahm, wenn auch nicht in dem raschen Maſse wie nach
dem Kriege. Die Tabelle S. 288 giebt das Bild der Produktions-
zunahme. Diese genügte aber dem rasch wachsenden Bedarf nicht,
so daſs auch die Einfuhr stieg.


Einfuhr von Roheisen.



Beim Hochofenbetrieb führte Samuel Thomas 1861 eine ver-
besserte Winderhitzung ein. 1867/68 baute John Player zuerst
englische Winderhitzungsapparate (Pistolenapparate).


Die Einführung des Bessemerverfahrens im Jahre 1865 veranlaſste
nicht nur eine Vermehrung der Produktion, sondern beeinfluſste auch
den Betrieb der Hochöfen. Man fand bald, daſs die fast phosphor-
freien Erze vom Oberensee ebenso gutes Bessemerroheisen lieferten,
wie die englischen Cumberlanderze. Infolgedessen wurden jene nicht
nur an Ort und Stelle, sondern auch in Ohio, Pennsylvanien u. s. w.
verhüttet.


Ausgezeichnetes Gieſsereieisen wurde auſser dem Salisburyeisen
zu Lime Rock, Connecticut, besonders auf den Richmond-Eisenwerken,
wo vortreffliche Kanonen gegossen wurden, und von der Sterling-
Gieſserei zu New-York, wo brauner Hämatit verschmolzen wurde,
hergestellt.


Die Anthrazithochöfen bewährten sich gut und zeichneten sich
durch lange Kampagnen, einzelne bis zu 20 Jahren, aus. Gegen
Ende des Jahrzehnts suchte man sie in ihrer Konstruktion vielfach
zu verbessern. 1870 wurden auf dem Edgar Thomson-Werk (Pa.) vier
neue Hochöfen mit freistehenden Gestellen und je acht Gasabzügen,
19*
[292]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
welche in einen Ring mündeten, erbaut. Man versuchte dabei eine
möglichst vollkommene Windverteilung anzubringen, indem man
23 gleichmäſsig um das Gestell verteilte Formen von 2 Zoll Weite
anbrachte. Doch bewährte sich diese groſse Zahl von Windformen
nicht, weshalb man bei dem einen Ofen auf neun, bei den anderen
auf elf Formen mit 2,6 Zoll Öffnung zurückging. Der Hochofen-
betrieb mit Koks breitete sich immer weiter aus, da auch in anderen
Staaten reiche Steinkohlenlager entdeckt wurden, so z. B. in Tennessee
bei Chattanooga, welches dadurch ein wichtiger Mittelpunkt der Eisen-
industrie wurde. Bluff furnace bei Chattanooga war der erste Koks-
hochofen in Tennessee und kam schon 1860, vor Ausbruch des
Bürgerkrieges, in Betrieb. Der erste Kokshochofen in Südtennessee,
Bockword furnace, wurde 1867 angeblasen.


Die Entdeckung von Steinkohlenlagern gab auch der Eisenindustrie
Alabamas nach dem Kriege neuen Aufschwung. 1867 wurden Stein-
kohlen in Indiana bei Brazil in Clay County entdeckt und daraufhin bei
Harmony der Planet furnace als der erste von acht Hochöfen, die von
1867 bis 1872 erbaut wurden, errichtet. Hier wurden Erze vom Missouri
und dem Oberensee mit Steinkohlen verhüttet. Im südwestlichen Illinois
wurden nach dem Kriege die Big Muddy-Kohlenfelder entdeckt. Da
die Missouri-Erze nicht weit entfernt waren, so wurden 1868 zwei
groſse Hochöfen bei Grand Tower in Jackson County erbaut. Zu
Chicago gab es keine Hochöfen bis 1868; in diesem Jahre wurden
zwei von der Chicago-Eisengesellschaft erbaut, die später an die
Union-Stahlgesellschaft übergingen; ferner wurden 1869 zwei Hoch-
öfen von der Nord-Chicago-Walzwerksgesellschaft erbaut. Diese vier
Hochöfen blieben die einzigen bis 1880.


Die Walzwerksindustrie der Vereinigten Staaten war beherrscht
von dem immer zunehmenden Bedarf an Eisenbahnmaterial. Die
Länge der amerikanischen Eisenbahnlinien stieg vom Jahre 1860 bis
1870 von 56880 km auf 85138 km. Die Produktion an Eisenbahn-
schienen war:



[293]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.

Von wichtigeren Gründungen in den einzelnen Staaten auſser
den bereits angeführten und den später zu erwähnenden Stahlwerken
nennen wir die nachfolgenden. In Pennsylvanien wurde 1867
der Emma-Ofen bei Logan im Juniatathal erbaut. Das erste
Walzwerk in Tennessee war Vulcan Rolling mill, welches 1861 von
S. B. Lowe bei Chattanooga gegründet wurde. Es wurde 1863 von
den nordstaatlichen Truppen niedergebrannt, aber 1866 von Lowe
wieder aufgebaut. 1864 war ein Walzwerk zum Umwalzen alter
Schienen im Auftrag der republikanischen Regierung von John Fritz,
Direktor der Bethlehem-Werke, erbaut worden. Zu Knoxville erwarb
sich die dortige Rädergesellschaft groſsen Ruf durch ihre vorzüglichen
Hartguſsräder, die sie aus Holzkohlenroheisen von dem Carter-Ofen
und anderen Hochöfen von Osttennessee goſs. In Alabama wurden
während des Krieges verschiedene Holzkohlenhochöfen erbaut, so einer
in Sanford County 1861, der Cornwallofen bei Cedar Bluff 1862, ein
zweiter Ofen bei Shelby 1863, Alabamaofen 1863 und zwei kleine
Hochöfen bei Bierford 1863 und 1864. Der Shelbyofen mit Walzwerk
lieferte Panzerplatten für die Südstaaten, namentlich wurden die
Platten für das Panzerschiff Tennessee hier gegossen. Zu Selma
wurden Kanonen für die Regierung gegossen. In Ohio wurde im
Clevelanddistrikt 1861/62 das Union-Walzwerk erbaut. In Wisconsin
baute die Wisconsin-Eisengesellschaft 1865 bei Iron Ridge einen Holz-
kohlenhochofen. 1868 wurde das erste Walzwerk bei Millwaukee
errichtet. Der erste Hochofen bei St. Louis war der Pionierofen bei
Corondelet, der 1863 für Koksbetrieb aufgeführt wurde. Auch in
Texas wurden während des Krieges mehrere neue Eisenhütten, meist
Rennwerke, erbaut, um Eisen für die südstaatliche Armee zu liefern,
so z. B. 1863 bei Nashville ein Rennwerk mit Dampfbetrieb, ein
anderes, „Montalbo“, lieferte Eisen für die Gewehre der Konföderierten.
Alle diese Anlagen verschwanden teils während des Krieges, teils nach
demselben. 1869 wurde bei Jefferson ein Holzkohlenhochofen errichtet.
In Californien wurde 1868 ein Walzwerk für Schienen und Façoneisen
bei San Franzisko angelegt. Zu Oswego wurde 1866/67 der erste
Holzkohlenhochofen in Oregon erbaut.


Die Geschichte der Einführung des Bessemerprozesses in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika, die sich erst spät und nach
Überwindung vieler Schwierigkeiten vollzog, ist von allgemeinem
Interesse. Henry Bessemer nahm dort schon im Jahre 1856 zwei
Patente auf seine Erfindung, die aber sogleich von dem Amerikaner
William Kelly, der die Priorität der Erfindung beanspruchte, mit
[294]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
Erfolg angegriffen wurden. Kelly, der in Pittsburg geboren war,
erwarb 1846 eine Eisenhütte in Eddysville, Kentucky, die aus einem
Hochofen, zwei Feineisenfeuern und zehn Frisch- und Schweiſsherden
(forge fires) bestand. Er machte Versuche, flüssiges Eisen durch
Einblasen von Luft zu entkohlen. Hierfür konstruierte er einen etwa
10 Fuſs hohen Schachtofen mit zwei Formen übereinander; die obere
sollte schmelzen, die untere entkohlen. Diese im Jahre 1847 aus-
geführten Versuche hatten keinen Erfolg. 1851 nahm Kelly dieselben
wieder auf und zwar im Hochofen selbst, dem er einen runden Herd
gab, an dessen tiefstem Punkt eine Düse einmündete. Bis zu einem
gewissen Grade gelang die Entkohlung rasch und gut, indem er in
5 bis 10 Minuten ein gefeintes Roheisen erhielt, wozu er im Fein-
eisenfeuer eine Stunde brauchte. Er hoffte, wie er wenigstens später
behauptet hat, auf diesem Wege schmiedbares Eisen zu erhalten, doch
gelang es ihm nur in ganz vereinzelten Fällen, ein schmiedbares
Produkt zu erzielen. Einmal war er imstande, eine Stange von 4 Fuſs
Länge und ⅜ Zoll Quadrat zu schmieden, möglicherweise das erste
durch den pneumatischen Prozeſs erzeugte Eisen. Der Erfolg in
dieser Richtung war aber so gering, daſs er ganz davon absah und
sein Verfahren nur als Feinprozeſs ausbildete. Zu diesem Zweck
baute er einen gemauerten Feinherd von 5 Fuſs Höhe und 18 Zoll
Durchmesser vor dem Hochofen, den das abgestochene Roheisen
passieren muſste. Durch zwei seitliche Düsen von ¾ Zoll Durch-
messer wurde der Wind durch das Eisen gepreſst. Später begnügte
er sich mit einer Düse von 1 Zoll Durchmesser. In diesem Gefäſs
konnte er 1500 Pfund in 5 bis 10 Minuten feinen. Die alten Fein-
eisenfeuer wurden ganz entbehrlich. Die aus dem so gefeinten Eisen
erzeugten Luppen gaben gutes Kesselblech. Der Prozeſs war in der
ganzen Gegend als Kellys Windkochen (air boiling process) bekannt;
doch nahm er kein Patent darauf, angeblich, weil er das Verfahren
noch zu verbessern und schmiedbares Eisen zu erhalten hoffte. Erst
als Bessemer 1857 mit seiner Erfindung auftrat, suchte er um ein
Patent nach und beanspruchte die Priorität. Stahl hat er aber nach
seinem eigenen Zugeständnis nie gemacht, sondern nur gefeintes Roh-
eisen, auch war sein Apparat hierfür durchaus ungenügend. Kellys
Einsprache hatte aber die verhängnisvolle Wirkung, daſs Bessemers
Patente für ungültig erklärt wurden. Infolgedessen blieb Bessemers
Prozeſs, trotz der Erfolge in Europa, in Amerika viele Jahre fast
unbeachtet. Konnte doch Abr. L. Hewitt in seinem Bericht über die
Pariser Weltausstellung von 1867 noch den Aufschwung des Bessemer-
[295]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
prozesses in Europa als eine Übertreibung bezeichnen, die dem Erfinder
und dem Publikum, nicht aber den Fabrikanten von Nutzen gewesen sei.


Indessen hatte damals das Bessemern doch auch in Amerika
bereits festen Boden gewonnen. Die ersten Versuche hatte William
F. Durfee
zu Wyandotte, Michigan, gemacht. Es bildete sich 1863
eine Gesellschaft (Kelly-Pneumatic-Process-Company), welche die
Patente von Kelly und R. Mushet erwarb, und Durfee gelang es
im September 1864, den ersten Bessemerstahl auf seinem Versuchs-
werk zu machen.


1864 hatten Winslow, Griswold und Alexander L. Holley von
dem Eisenwerk zu Troy das Recht zur Ausbeutung des Bessemerprozesses
für die Vereinigten Staaten erworben und gelang es im Februar 1865
Holley, der den Prozeſs in England studiert hatte, Bessemerstahl
auf einem 1864 erbauten Versuchswerk herzustellen. 1866 kam dann
endlich ein Arrangement der verschiedenen Patentinhaber Winslow,
Griswold
und Morel zustande, wodurch die drei Patente, von
Bessemer, Kelly und Mushet, vereinigt (consolidated) und die
Rechte an die neugebildete Pneumatic-Steel-Association übertragen
wurden. Diese Konsolidation der drei Patente bewirkte eine be-
deutende Ermäſsigung der Patentgebühren, was eine rasche Aufnahme
des Bessemerverfahrens zur Folge hatte. Die bis 1870 gegründeten
Unternehmungen waren folgende:



[296]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.

Die erste Charge in Wyandotte war mit Lake-Superior-Holz-
kohlenroheisen, die erste Charge zu Troy mit Crown-Point-Holzkohlen-
roheisen erblasen worden, das in beiden Fällen in Flammöfen um-
geschmolzen worden war.


Die ersten Versuche, das Roheisen im Kupolofen umzuschmelzen,
wurden 1865 von J. S. Durfee in Wyandotte gemacht, doch fielen
dieselben schlecht aus, weil der Kupolofen zu klein war. Dagegen
führte Holley dieses Verfahren am 20. Juni 1865 mit Erfolg in Troy
ein. Das Umschmelzen im Kupolofen wurde in Nordamerika früher
eingeführt als in England. Die ersten Bessemerstahlschienen wurden
in Amerika am 24. Mai 1865 in dem Nord-Chicago-Walzwerk aus Blöcken
von Wyandotte unter der Aufsicht von William F. Durfee gewalzt.
1867 wurde in dem Cambria-Walzwerk die erste Stahlschiene in
Pennsylvanien aus Bessemerstahl der Pennsylvanian-Steel-Company
zu Harrisburg gewalzt. Die Entwickelung des Bessemerprozesses wird
durch die Zunahme der Produktion an Blöcken (Ingots) illustriert.
Dieselbe betrug:



Auch der Siemens-Martinprozeſs oder offene Herdprozeſs
fand 1867 Eingang in den Vereinigten Staaten. Abraham S. Hewitt
von New-York hatte denselben auf der Pariser Weltausstellung kennen
gelernt und empfahl das Verfahren Martins, Schmiedeeisenabfälle in
einem Roheisenbade einzuschmelzen (pig and scrap method). Siemens’
Regenerativöfen waren 1863 von James Park in seiner Kupferhütte
und 1867 von A. Griswold \& Co. in ihrem Walzwerk zu Troy als
Schweiſsöfen eingeführt worden. Die erste Regenerativfeuerung für
den offenen Herdprozeſs wurde 1867 von Frederic J. Slade für die
New-Jersey-Stahlwerke, die zweite in demselben Jahre auf dem
Nashua-Eisen- und Stahlwerk erbaut. 1868 führten Cooper, Hewitt
\& Co.
den Martinprozeſs auf ihrem Eisenwerk zu Trenton, New-
Jersey, ein.


Mit Gaspuddeln erzielte William F. Durfee den ersten Erfolg auf
dem Walzwerk zu Bridgeport, Connecticut, im Jahre 1869.


1869 wurden bereits 50000 Tonnen Stahlschienen, wovon 15000
Tonnen im Inlande hergestellt waren, auf den amerikanischen Eisen-
bahnen verlegt.


Durch den Morilltarif von 1861, der zum erstenmal einen aus-
[297]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
reichenden Schutzzoll auf fremden Guſsstahl legte, war auch für die
Tiegelguſsstahlfabrikation die Möglichkeit der Entwickelung ge-
geben. Nachdem bereits im Jahre 1860 das Guſsstahlwerk von Hussey,
Wells \& Co.
entstanden war, gründeten 1862 Park, Brother \& Co.
in Pittsburg ein Guſsstahlwerk, welches das erste in den Vereinigten
Staaten war, das von Anfang an mit technischem und finanziellem
Erfolg arbeitete. 1863 erwarb Dudley S. Gregory das alte Stahl-
werk zu Adirondack, Essex County, New-York, und wandelte dasselbe
unter H. J. Hoppers erfolgreicher Leitung in ein Guſsstahlwerk um.
Seitdem nahmen noch andere Werke, namentlich Werkzeugfabriken,
die Guſsstahlfabrikation auf. Einen sehr guten Chromstahl machte
1869 die amerikanische Werkzeugstahl-Gesellschaft zu Brooklyn;
derselbe wurde nach einem patentierten Verfahren von Baur ein-
geschmolzen.


Die Werkzeugfabriken nahmen einen immer gröſseren Auf-
schwung. Die groſsartige Sägenfabrik zu Keystone bei Philadelphia
beschäftigte 1867 600 Arbeiter, ebensoviel die Werkzeugfabrik von
Collins \& Co. zu Collinsville, Connecticut, die täglich 3000 Äxte
lieferte. Die von Ericson und von Etienne Bernot erfundenen
Feilenhaumaschinen wurden in vielen amerikanischen Feilenfabriken
eingeführt. In Werkzeugmaschinen zur Eisenbearbeitung zeichneten
sich Wood, Light \& Co. in Worcester, Massachusetts, aus, die eine
verbesserte Bolzenschneidmaschine und eine doppelte Rändelmaschine
erfunden hatten.


Die gröſste Kunstgieſserei war die von Robert Wood \& Co.
in Philadelphia, die schöne Figuren und Statuen goſs. Die gröſsten
Ofengieſsereien waren in Albany, Troy, New-York, Boston und
Philadelphia. 1867 hatte P. H. Roots zu Connelsville das nach
ihm benannte Kapselgebläse erfunden. Corliſs that sich im Dampf-
maschinenbau hervor und erfand 1870 seine Präcisionsdampfmaschine,
wofür er die groſse Rumfordmedaille erhielt. Ihr Konstruktionsprincip
wurde maſsgebend und fand rasche Verbreitung.


Eine groſse Bedeutung erlangte der Bau eiserner Schiffe. Über
das von dem schwedischen Kapitän John Ericsson konstruierte
Panzerschiff Monitor, welches von der Firma Winslow und Griswold
ausgeführt und dessen Eisenteile auf den Albany-Eisenwerken im
Herbst 1861 hergestellt wurden, und das eine so wichtige Rolle in
dem amerikanischen Bürgerkriege spielte, haben wir bereits berichtet.
Das Schiff wurde am 30. Januar 1862 vom Stapel gelassen und hatte
am 9. März seinen berühmten Zweikampf mit dem Panzerschiff
[298]Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
Merrimac. Der Drehturm des Monitor war angeblich eine Erfindung
von Theodor R. Timby. Eiserne Handelsschiffe wurden im Jahre
1868 für 2801 Tonnen, 1869 von 4584 und 1870 von 8281 Tonnen
Gehalt gebaut.


Die Preise waren in diesem Jahrzehnt beträchtlichen Schwan-
kungen unterworfen, wie nachfolgende Tabelle zeigt:


Die festgesetzten Einfuhrzölle betrugen:

[[299]]

DIE
GESCHICHTE DES EISENS
VON
1870 BIS ZU ENDE DES JAHRHUNDERTS.


[[300]][[301]]

Einleitung.


Mit dem Jahre 1871 beginnt die neueste Zeit in der Ent-
wickelung der Eisenindustrie. Sie steht an Groſsartigkeit der Fort-
schritte hinter keiner früheren Periode zurück und übertrifft alle an
Zahl der Erfindungen, der wissenschaftlichen Untersuchungen und
der litterarischen Arbeiten. Die seit dem Jahre 1871 veröffentlichten
Druckschriften über das Eisen nehmen einen gröſseren Umfang ein,
als alle Schriften über das Eisen, welche vor dieser Zeit erschienen
sind. Wollte man diese umfangreiche Litteratur und die Erfindungen
und Vorschläge, welche in den zahllosen Patenten enthalten sind, mit
derselben Gründlichkeit bearbeiten, wie dies in der Geschichte der
früheren Jahrhunderte geschehen ist, so würde der Umfang des
Werkes mindestens auf das doppelte anschwellen. Wir müssen uns
daher auf eine kurze Übersicht der wichtigsten Ereignisse und Er-
scheinungen dieser Periode beschränken. Es dürfte sogar die Frage
aufgeworfen werden, ob es nicht besser gewesen wäre, das Geschichts-
werk mit dem Jahre 1870 abzuschlieſsen, da die Ereignisse der letzten
30 Jahre ja noch im Gedächtnis der Zeitgenossen lebendig sind?
Hierzu konnte sich der Verfasser jedoch nicht entschlieſsen. Ein
groſser Teil der wichtigen Ereignisse dieser Zeit, die einen rascheren
Schritt genommen hat, als irgend eine der früheren, ist bereits
Geschichte geworden und es würde dem Werk der richtige Schluſs
fehlen, wenn wir ein so wichtiges Ereignis, wie z. B. die Erfindung
und die Ausbreitung des Thomasprozesses, unerwähnt lassen wollten.


Bildet doch die Frage der Entphosphorung, die Herstellung von
gutem Fluſseisen aus phosphorhaltigem Roheisen, das Rückgrat der
Bestrebungen und Fortschritte der Eisenindustrie in dieser Zeit. Man
könnte sehr wohl den ganzen Zeitabschnitt in zwei Teile zerlegen,
deren erster, von 1871 bis 1879, das Suchen nach der Entphosphorung
des Eisens und deren zweiter, von 1880 bis zur Gegenwart, die Aus-
beutung der Entphosphorung enthält.


Es ist aber nicht die Absicht, diese wichtige Erfindung zum Ein-
teilungsprincip zu machen, es soll vielmehr, wie seither, chronologisch
vorgegangen werden, weil dies dem Grundsatz historischer Objektivität
am meisten entspricht. So wichtig die Erfindung der Entphosphorung
[302]Einleitung 1870 bis 1900.
war, so schlieſst sie doch nicht alle anderen Fortschritte ein. Es
lassen sich vielmehr diese Fortschritte der neuesten Zeit noch von
vielen anderen Gesichtspunkten aus betrachten. Von diesen ist ein
besonders charakteristischer der der Statistik. Glücklicherweise
besitzen wir seit Beginn dieses Zeitabschnittes eine ziemlich aus-
reichende Statistik der Eisenerzeugung der wichtigsten Industrieländer.
Besonders gut ist dieselbe für Deutschland, die Vereinigten Staaten
von Nordamerika und Schweden, sodann für Frankreich, Belgien,
Groſsbritannien und Ruſsland bearbeitet. In Deutschland ist die
Statistik eine Angelegenheit der Reichsregierung; sie wird ergänzt
durch die Erhebungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahl-
industrieller und hat in der Person des Dr. Rentzsch einen vor-
trefflichen Bearbeiter gefunden. In den Vereinigten Staaten hat sich
die American Iron and Steel Association zu Philadelphia die Statistik
der amerikanischen Eisenindustrie seit vielen Jahren zur Aufgabe
gemacht und besonders in James M. Swank einen hervorragenden
Vertreter gefunden.


Werfen wir einen kurzen Blick auf die Ergebnisse der Eisen-
statistik. Zahlenmäſsig entwickelte sich die Roheisenerzeugung der
Erde in der Zeit von 1870 bis 1899 wie folgt:


Roheisenerzeugung der Erde in 1000 Tonnen.


In Kilotonnen1).


[303]Einleitung 1870 bis 1900.

Vorstehende Tabelle zeigt zunächst die gewaltige Zunahme der
Roheisenerzeugung in dieser Zeit, sie betrug 28464 kt = 234 Prozent.


Werfen wir einen Rückblick auf das 19. Jahrhundert, so betrug
die Roheisenerzeugung:



Die Erhöhungen 1899 gegen 1860 betrugen mehr als das 4½ fache,
gegen 1850 fast das 8fache, gegen 1834 das 13⅓fache, gegen 1807
das 53fache.


Die Zunahme in den einzelnen Ländern in der Zeit von 1870
bis 1899 war eine sehr verschiedene, wie aus nachfolgenden Ziffern
ersichtlich ist.


Zunahme der Roheisenproduktion 1870 bis 1899.


Das Wachsen der Gesamtproduktion war keineswegs ein stetiges,
sondern auch hierin zeigen sich beträchtliche Schwankungen. Trotz
des deutsch-französischen Krieges trat in den Jahren 1870/1871 eine
starke Steigerung der Eisenproduktion ein und dauerte an bis zum
Herbst 1873, wo eine schwere Krisis in den Vereinigten Staaten und
der sogenannte Wiener Krach in Europa dieser Aufwärtsbewegung ein
Ende machten. Mit dem Jahre 1874 trat in allen Ländern ein
Rückgang der Eisenproduktion ein. Die verheerenden Folgen dieses
Rückschlages auf den übertriebenen, zum Teil schwindelhaften Auf-
schwung blieb lange Zeit fühlbar und kommt in den Produktions-
ziffern von 1874 bis 1879 zum Ausdruck. 1880 trat dann plötzlich
wieder eine bedeutende Zunahme der Eisenerzeugung ein, haupt-
[304]Einleitung 1870 bis 1900.
sächlich veranlaſst durch die hoffnungsvolle Stimmung, welche durch
die wichtige Erfindung der Entphosphorung von Thomas und
Gilchrist erweckt worden war. Die Einführung des Thomasver-
fahrens bedingte eine Zunahme des Eisenbedarfs, die bis 1883 anhielt.
1884 trat wieder ein Rückschlag ein, der bis 1886 dauerte. 1887
begann eine wachsende Zunahme der Eisenerzeugung, besonders in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche im Jahre 1890 Groſs-
britannien, das über hundert Jahre die erste Stelle unter den Eisen
erzeugenden Ländern eingenommen hatte, überflügelte und dauernd
aus seiner leitenden Stellung verdrängte. Auf das glänzende Jahr 1890
folgte aber eine Zeit des Niederganges, die bis 1895 dauerte. Seit
dieser Zeit nahm die Eisenerzeugung von Jahr zu Jahr zu und schloſs
mit dem Jahrhundert glänzend ab.


Noch stärker schwankt die Eisenerzeugung der einzelnen Länder,
wie aus der graphischen Darstellung, Fig. 127, ersichtlich ist.


1870 bis 1885 schwebt die Produktionslinie Groſsbritanniens hoch
über denen der übrigen Länder mit einer in Wellenlinien aufsteigenden
Tendenz bis zu dem Maximum 1883. Von 1885 nimmt plötzlich die
amerikanische Produktionslinie, welche bis dahin der englischen Linie
ziemlich parallel mit einer nur langsamen Annäherung verlaufen war,
eine steile Richtung nach aufwärts an, durchscheidet 1889 die englische
Linie, indem sie sich mit der gewaltigen Produktion von 9333 kt
im Jahre 1890 über dieselbe und über das Maximum von 1882
(8582 kt) erhebt. Wie erschöpft sinkt die amerikanische Linie
1891 wieder herab, um sich aber 1892 im scharfen Zickzack wieder
zu fast gleicher Höhe zu erheben. Dann erst tritt 1892/93 eine
starke Ermattung ein, so daſs die amerikanische Linie 1894 wieder
bis zur britischen herabsinkt; sie schnellt dann 1895 wieder empor,
fällt 1896 wieder fast bis zur englischen Kurve zurück, um von da an
bis 1899 in raschem Aufsteigen die englische Linie weit unter sich
zu lassen. Die beiden Linien geben ein deutliches Bild des intensiven
Wettkampfes der beiden gröſsten Eisenländer. Die fast leidenschaft-
liche Energie des amerikanischen Wettbewerbes drückt sich in steilen
Auf- und Abwärtsbewegungen, die scharfe Winkel bilden, aus, während
Englands Anstrengungen mehr in wellenförmigen Linien zum Aus-
druck kommen, die von 1883 bis 1886 und von 1889 bis 1892 ein
starkes Fallen zeigen. Von viel gröſserer Stetigkeit in steigender
Richtung stellt sich die deutsche Produktionslinie dar. Sie erreicht
nächst der amerikanischen den gröſsten Höhenunterschied. Bei
der französischen Produktionslinie macht sich zunächst die Wirkung
[305]Einleitung 1870 bis 1900.
des Kriegsjahres 1870/71 deutlich geltend; darauf folgt aber wieder ein
Aufsteigen, welches Zeugnis dafür ablegt, wie rasch sich die französische
Eisenindustrie von dem schweren Schlage, den sie durch das Kriegs-
jahr erlitten hatte, erholte. Trotz des Verlustes von Elsaſs und
Deutsch-Lothringen, zweier für die Eisenerzeugung sehr wichtiger
Provinzen, übertraf die Produktion von 1873 bereits die aller früheren

Figure 127. Fig. 127.


E = England. A = Amerika, U. S. D = Deutschland. F = Frankreich.
B = Belgien. Ö = Österreich-Ungarn. R = Ruſsland. S = Schweden.


Jahre und blieb steigend bis 1883, wo sie die Höhe von 2067 Kil.-T.
erreichte. Die Handelskrisis von 1873 hat Frankreich viel weniger
betroffen als die vorgenannten Länder; dagegen litt es unter der
Krisis von 1883 bis 1886 mehr wie Deutschland. Diese beiden groſsen
Krisen machten sich bei allen Ländern bemerklich, wenn auch lange
nicht in dem Maſse wie bei den Produktionslinien der beiden gröſsten
Beck, Geschichte des Eisens. 20
[306]Einleitung 1870 bis 1900.
Eisenländer, Groſsbritannien und den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika. Von den übrigen Linien zeigt die russische seit 1885 das
gröſste Ansteigen. Ruſslands Produktion übertraf 1891 zum ersten-
mal die von Österreich-Ungarn, 1899 sogar die Frankreichs. Fast
horizontal verläuft die Linie von Schweden, entsprechend der geringen
Zunahme der Roheisenerzeugung von 360 Kil.-T. im Jahre 1870 und
485 Kil.-T. im Jahre 1892. Sie zeigt den gröſsten Kontrast gegen
die Linie der Vereinigten Staaten.


Alles Roheisen ist nur ein Zwischenprodukt und dient als Roh-
stoff zur Herstellung des Gebrauchseisens. Die einfachste Art der
Verarbeitung des Roheisens ist das Umschmelzen und Vergieſsen des-
selben zu Guſswaren, bei welcher keine chemische Veränderung des
Rohmaterials, sondern nur eine Formgebung bezweckt wird. Die
Eisengieſserei hat seit 1870 einen groſsen Aufschwung genommen,
welcher ziemlich mit dem der Roheisenerzeugung Hand in Hand geht.
Leider läſst sich keine Statistik der Guſswarenproduktion für die ganze
Erde aufstellen, wir müssen uns deshalb begnügen, die Zunahme der
Guſswarenerzeugung an dem Beispiel von Deutschland zu zeigen.


Guſswarenerzeugung in Deutschland.


Diese Zusammenstellung zeigt eine Zunahme der Guſswaren-
produktion in der Zeit von 1871 bis 1899 von 361 Prozent, welche
nur auf die Zunahme der Guſswaren aus Roheisen kommt, während
die Erzeugung der Guſswaren aus Erzen direkt aus dem Hochofen
einen weiteren Rückgang erfahren hat.


Die bei weitem gröſste Menge des Roheisens wird aber zu
schmiedbarem Eisen verarbeitet, wobei dasselbe eine chemische
Veränderung erfährt. Dieses schmiedbare Eisen ist entweder Schweiſs-
eisen
oder Fluſseisen. Unter Schweiſseisen werden alle Eisen- und
Stahlsorten, welche ursprünglich aus Eisenluppen hergestellt sind,
verstanden, während Fluſseisen alle Eisen- und Stahlsorten umfaſst,
welche in flüssigem Zustande gewonnen wurden. Auf den Grund
[307]Einleitung 1870 bis 1900.
dieser neuen Einteilung und Zeit und Umstände ihrer Einführung
werden wir später zurückkommen.


Der groſse Aufschwung der Roheisenproduktion hing aufs engste
zusammen mit den technischen Fortschritten, sowohl der Roheisen-
bereitung selbst, als besonders der Verarbeitung des Eisens zu Guſs-
waren, Schweiſseisen, vornehmlich aber zu Fluſseisen. Hinsichtlich
des schmiedbaren Eisens stellt sich die ganze Periode als der sieg-
reiche Kampf des Fluſseisens gegen das Schweiſseisen dar
.


Im Jahre 1870 hatte die Fluſseisenproduktion der Welt nur
673 Kil.-T. betragen, die Schweiſseisenproduktion dagegen 6749 Kil.-T.
Letzteres Quantum erhöhte sich bis 1882 auf 9135 Kil.-T. Von dieser
Zeit an nahm es aber langsam ab, so daſs es 1892 nur noch 7577 Kil.-T.
betrug. Seitdem ging die Schweiſseisenerzeugung noch mehr zurück,
doch fehlen hierüber zuverlässige Angaben. Sie dürfte 1897 5000
Kil.-T. betragen haben. Die Fluſseisenproduktion vermehrte sich
dagegen von Jahr zu Jahr und stieg von 1870 bis 1880 von
673 Kil.-T. auf 4192 Kil.-T., bis 1890 auf 11632 Kil.-T. und betrug
1899 25844 Kil.-T.


Die Fluſseisenerzeugung überholte die des Schweiſseisens im
Jahre 1887 und übertraf sie 1890 bereits um 3186 Kil.-T., 1899 um
mehr als 20000 Kil.-T. Die starke Zunahme seit 1880 rührt von
der Erfindung des Thomasverfahrens her. An dem groſsen Aufschwung
in den neunziger Jahren hatte der Martinprozeſs einen wichtigen
Anteil.


Der Grund des Sieges des Fluſseisens über das Schweiſseisen lag
in den überlegenen Eigenschaften des ersteren, wodurch es für die
meisten Verwendungen geeigneter und relativ billiger war. Dies gilt
besonders von dem Thomaseisen, welches noch mehr wie das Bessemer-
eisen in Wettbewerb mit dem Schweiſseisen trat. Das Bessemereisen
hatte allerdings auch schon die Ausbreitung des Schweiſseisens, ins-
besondere des Puddeleisens gehemmt, aber wegen seiner Härte und
geringeren Schweiſsbarkeit konnte es das Schweiſseisen doch nur
teilweise ersetzen. Aus diesem Grunde erfuhr die Schweiſseisen-
erzeugung der Erde bis zum Jahre 1882 immer noch eine Steigerung,
von da an trat aber infolge der erfolgreichen Konkurrenz des Thomas-
eisens eine, wenn auch anfänglich nur geringe, Abnahme in der
Schweiſseisenerzeugung ein. Nachfolgende Tabelle giebt hierüber
näheren Aufschluſs.


20*
[308]Einleitung 1870 bis 1900.

Schweiſseisenproduktion der Erde 1870 bis 1897.


In Kilotonnen.


Die Zu- und Abnahme der Schweiſseisenerzeugung schwankt
ungleich in den verschiedenen Ländern, Groſsbritannien zeigt den
Höchststand im Jahre 1870, Frankreich, Österreich, Schweden im
Jahre 1882, Belgien 1887, Deutschland 1889 und die Vereinigten
Staaten 1890.


Während das Schweiſseisen eine Verteidigungsstellung annahm
und seit den neunziger Jahren zurückgedrängt wurde, zeigt die nach-
folgende Zusammenstellung den Siegeslauf des Fluſseisens.


Fluſseisenerzeugung 1870 bis 1899.


In Kilotonnen.


[309]Einleitung 1870 bis 1900.

An diesem Aufschwung hat der 1879 eingeführte Thomasprozeſs
einen wichtigen Anteil.


Thomasstahlerzeugung seit 1879.


In Kilotonnen.


Deutschland hatte von Anfang an die führende Rolle in der
Thomasstahlerzeugung eingenommen. Die englische Produktion betrug
noch nicht ein Viertel der deutschen.


Das Fluſseisen umfaſst erstens das durch den pneumatischen
Prozeſs erzeugte Produkt, und zwar erhält man durch das sogenannte
saure Verfahren Bessemereisen und Bessemerstahl, durch den basi-
schen Prozeſs Thomaseisen und Thomasstahl; zweitens das durch
den Flammofenschmelzprozeſs erzeugte Metall, das Flammofenfluſs-
eisen oder den Martinstahl (richtiger Siemens-Martin-Fluſseisen);
drittens den Tiegelguſsstahl oder den eigentlichen Guſsstahl. Hiervon
hat in den letzten 25 Jahren der Bessemerstahl den gröſsten Anteil
geliefert. Die amerikanische Bessemerstahlfabrikation hat in dieser
Zeit einen ganz besonders groſsartigen Aufschwung genommen.
Kein Land der Welt besitzt aber auch so mächtige Ablagerungen
reicher, phosphorarmer Erze, welche für diesen Prozeſs so besonders
geeignet sind, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die
Bessemerstahlerzeugung der Vereinigten Staaten betrug 1870 38 Kil.-T.,
1880 1203 Kil.-T., 1890 3746 Kil.-T., 1899 7708 Kil.-T. In Groſs-
britannien entwickelte sich ebenfalls der Bessemerprozeſs in hervor-
ragender Weise, begründet zum Teil auf den reinen Cumberländer
Hämatiten, hauptsächlich aber auf der Einfuhr spanischer und afri-
kanischer Erze. An Bessemerstahl wurden erzeugt 1870 215 Kil.-T.,
1880 1051 Kil.-T., 1890 1511 Kil.-T. neben 503 Kil.-T. Thomasstahl,
1898 1275 Kil.-T. neben 512 Kil.-T. Thomasstahl. In Deutschland hat
zwar ebenfalls die Bessemerstahlfabrikation seit 1870 eine groſse
[310]Einleitung 1870 bis 1900.
Steigerung erfahren, doch hat seit 1879 der Thomasprozeſs sich in
ganz besonders glänzender Weise entwickelt, weil Deutschland an
phosphorhaltigen Erzen reich ist, während es die reinen Hämatiterze
für den sauren Prozeſs gröſstenteils aus dem Auslande beziehen muſste.


In welch verschiedenem Verhältnis sich die Bessemerstahlfabri-
kation zu der Fabrikation von Thomasstahl, Flammofenfluſsstahl und
Tiegelguſsstahl in den drei Haupteisenländern entwickelt hat, zeigt
folgende Zusammenstellung.


Prozentualer Anteil der Erzeugungsarten an der ganzen
Fluſsstahlerzeugung
.


Die Erfindung des Thomasprozesses, welcher ja bekanntlich nichts
anderes ist als ein Bessemern mit basischem Futter, führte auch zu
einer Reform der Flammofenfluſsstahlfabrikation durch die Erfindung
des sogenannten Siemens-Martin-Prozesses. Auch hierfür wendete
man mit Erfolg die basische Ausfütterung an, infolgedessen man mit
geringwertigeren Roheisensorten ein besseres, weicheres Material erhielt,
welches imstande war, das Schweiſseisen zu ersetzen. Das „Martinieren“
erhielt dadurch eine ganz andere Bedeutung und Wichtigkeit. Während
in Groſsbritannien z. B. die Produktion von Flammofenfluſsstahl von
1870 bis 1880 von 11 Kil.-T. nur bis auf 251 Kil.-T gestiegen war,
betrug sie 1890 1564 Kil.-T., 1898 2852 Kil.-T. In Österreich-Ungarn
betrug die Flammofenstahlerzeugung 1870 0,3 Kil.-T., 1880 28,5 Kil.-T.
und 1890 212 Kil.-T., 1896 537 Kil.-T., wovon 514 Kil.-T. im basischen
Herdofen geschmolzen waren. Die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika lieferten 1870 1,4 Kil.-T., 1879 50,9 Kil.-T., 1880 102,2 Kil.-T.,
[311]Einleitung 1870 bis 1900.
1890 521,5 Kil.-T., 1898 2256 Kil.-T. Deutschland erzeugte 1880
3,6 Kil.-T., 1899 1721 Kil.-T. Martinfluſseisen, wovon 1694 Kil.-T. auf
basischem Herde hergestellt waren.


Solange man auf den sauren Prozeſs allein angewiesen war, spielte
der Siemens-Martinprozeſs nur eine untergeordnete Rolle. Er diente
meist als ein Hülfsprozeſs, um die Fluſseisenabfälle besonders bei der
Schienenfabrikation vorteilhaft verwerten und in ein brauchbares
Produkt überführen zu können, wobei man kaum daran dachte, bessere
Qualitäten zu erzielen. Nach Einführung des basischen Futters erhielt
man ein viel verwendbareres Produkt und jetzt erst begann das Flamm-
ofenfluſseisen dem Flammofenschweiſseisen ernstlich Konkurrenz zu
machen und den Puddelprozeſs einzuschränken.


Die wachsende Bedeutung des basischen Fluſsstahls ergiebt sich
aus folgenden Produktionsziffern:


Erzeugung von Fluſseisen.


In Kilotonnen.


Aber auch für den Stahlguſs fing das Fluſsmetall jetzt an, eine
groſse Wichtigkeit zu erlangen, und namentlich für Guſsstücke, welche
zäh und fest sein muſsten, das Guſseisen zu verdrängen. Es fand
eine so groſse Verschiebung in der Verwendung der nach dem alten
und nach dem neuen Verfahren dargestellten Eisensorten statt, daſs
sich die alten Bezeichnungen als unzulänglich erwiesen und eine ganz
neue Einteilung und Benennung der schmiedbaren Eisensorten not-
wendig wurde. Hierzu trug ganz besonders der Umstand bei, daſs
sich ganz allgemein und überall der falsche Sprachgebrauch ein-
gebürgert hatte, alles Fluſseisen, d. h. alles im Erzeugungszustand
flüssige Eisen als Stahl zu bezeichnen. Die Produkte des Bessemer-
und Martinverfahrens nannte man in der Praxis stets Bessemerstahl
und Martinstahl, obgleich der gröſsere Teil weiches, nicht härtbares
Eisen war. Gegen die Bezeichnung Bessemerstahl hatten in England
die Stahlfabrikanten von Anfang an protestiert. Sie faſsten es als un-
lauteren Wettbewerb auf, daſs dieses minderwertige Produkt als Stahl
[312]Einleitung 1870 bis 1900.
bezeichnet wurde. Die Producenten und die Händler hatten aber das
entgegengesetzte Interesse und da letztere das Ohr des Publikums
besaſsen, so bürgerte sich der Name Bessemerstahl für alle Produkte
des Prozesses, ob hart oder weich, trotz des Ankämpfens dagegen, ein.
Die Vertreter der Wissenschaft und Sir Henry Bessemer selbst
erkannten dem Widerspruch der Guſsstahlfabrikanten eine gewisse
Berechtigung zu. Sie versuchten die Bezeichnung Bessemerstahl durch
Bessemermetall und Homogenmetall zu ersetzen. Dieser Versuch
blieb aber ohne Erfolg, da man im Handel und Verkehr an der
bequemen Bezeichnung Stahl festhielt. Anfangs, solange die Er-
zeugung eines stahlähnlichen Produktes das ausschlieſsliche Bestreben
des Bessemerprozesses war, konnte man sich noch bei dieser Bezeich-
nung beruhigen, nachdem man aber bei der weiteren Entwickelung des
Verfahrens dazu überging, absichtlich weiches Eisen von geringerem
Kohlenstoffgehalt zu erzeugen, muſste die Bezeichnung auch dieses
Materials als Stahl zu Verwirrungen führen. Der wissenschaftliche
Begriff Stahl deckte sich nicht mehr mit der Anwendung des Aus-
drucks in der Praxis. Man suchte deshalb bereits in den sechziger
Jahren nach einer anderen Definition für den Begriff Stahl und nach
einer anderen Einteilung der Eisen- und Stahlsorten.


Ad. Greiner, Direktor zu Seraing, machte 1869 den Vorschlag,
als Stahl alles schmiedbare Eisen, welches vorher geflossen gewesen
sei, als Schmiedeeisen alles, welches aus Luppen, d. h. aus einem
teigartigen Zustande erhalten worden sei, zu bezeichnen. Gegen diese
radikale Reform, welche allerdings dem Begriff Stahl groſse Gewalt
anthat, erhoben Gruner in Frankreich, J. Percy und Dr. W. Siemens
in England, H. M. Howe in Amerika, Tunner in Österreich und
andere Widerspruch. Dennoch fand der Gedanke, daſs der Ent-
stehungszustand des Eisens die Grundlage der Einteilung bilden müsse,
mehr und mehr Anklang. Dr. H. Wedding hatte in Deutschland
bereits 1869 für alle aus flüssigem Zustand gebildete Eisensorten die
bezeichnenden Namen „Fluſsstahl“ und „Fluſseisen“ in Vorschlag
gebracht, die sich bald einbürgerten. Den aus Erzen erhaltenen
Stahl bezeichnete er als „Erzstahl“, den Cementstahl als „Kohlen-
stahl“; letztere Bezeichnung fand jedoch keinen Anklang.


Je mehr die Verwendung von „Fluſsstahl“ zunahm, je dringender
wurde das Bedürfnis für eine allgemein gültige Bezeichnung und Ein-
teilung der Eisensorten. Im Jahre 1876 trat deshalb bei Gelegenheit
der amerikanischen Weltausstellung in Philadelphia ein Komitee
zur Regelung dieser Frage zusammen. Darin waren vertreten England
[313]Einleitung 1870 bis 1900.
durch J. Lowthian Bell, die Vereinigten Staaten von Nordamerika
durch A. L. Holley und Thomas Egleston, Deutschland durch
Dr. H. Wedding, Frankreich durch L. Gruner, Österreich durch
P. Tunner und Schweden durch Rich. Åkerman. Man nahm den
Entstehungszustand, ob flüssig oder teigig, als Prinzip der Einteilung
für die schmiedbaren Eisenarten an und verständigte sich im
allgemeinen über folgendes Schema1):


Die Kommission begründete ihren Beschluſs folgendermaſsen:


„In Berücksichtigung, daſs die in neuerer Zeit entwickelte Er-
zeugung von weichen, gegossenen, schmiedbaren Eisenverbindungen
durch den Bessemer-, Siemens-Martin- und Tiegelstahlprozeſs eine
neue Nomenklatur der Eisenverbindungen zu erheischen scheint und
zwar aus folgenden Gründen:



deshalb beschlieſst die Kommission, folgende Nomenklatur zur Annahme
zu empfehlen:



Die von der Kommission vorgeschlagene Nomenklatur fand An-
nahme und ist heute ziemlich allgemein in Anwendung. Anders
verhielt es sich mit der obigen, von Dr. H. Wedding zuerst mit-
geteilten Einteilung. Dieselbe stieſs auf zahlreichen Widerspruch, weil
das, was man seither als Stahl unter einer einfachen Bezeichnung
zusammengefaſst hatte, durch dieses Schema ganz auseinandergerissen
wurde. Puddelstahl, Cementstahl und Raffinierstahl gehörten zum
Schweiſseisen, Guſsstahl dagegen zum Fluſseisen. Die Erörterung
dieser Frage rief eine weitläufige Litteratur hervor. Das Ergebnis
des Kampfes war, daſs man in Deutschland, Österreich und Schweden
an obiger Einteilung festhielt, während man in England, Frankreich
[315]Einleitung 1870 bis 1900.
und den Vereinigten Staaten eine abgeänderte Einteilung, welche
zwar weniger logisch, dem Sprachgebrauch aber angepaſster war,
annahm. Dr. Wedding, der an der Einführung der erstgenannten
Einteilung einen hervorragenden Anteil hat, nennt die ersteren deshalb
die germanische Namenbezeichnung, während er die andere, nach-
folgende Einteilung die amerikanische oder neuerdings die romanische
Namenbezeichnung nennt1). Diese ist wie folgt:


Bei dieser Einteilung fällt alles Fluſseisen unter „Stahl“ und
wird hier das, was in der germanischen Namenbezeichnung Fluſs-
schmiedeeisen heiſst, nicht härtbarer Stahl genannt, was freilich ein
starker Widerspruch ist, indem doch gerade die Härtbarkeit von jeher
das wichtigste Unterscheidungsmerkmal des Stahls war. Es muſs
erwähnt werden, daſs für diese Einteilung wenigstens in den Vereinigten
Staaten zollpolitische Gründe mitgewirkt haben. Im Anschluſs an
diese Einteilung unterschied man bei den amerikanischen Eisenbahnen
alles Eisen in 1. Roheisen, 2. Guſseisen, 3. Schweiſseisen, 4. Schweiſs-
stahl, 5. Fluſseisen, 6. Fluſsstahl; die Bezeichnungen Schmiedeeisen
und Guſsstahl fielen fort.


Die technischen Fortschritte, welche die auſserordentlichen
Leistungen der letzten 25 Jahre ermöglichten und welche sich auf alle
Gebiete der Eisenindustrie erstrecken, werden wir in den folgenden
Abschnitten erörtern. Diese Fortschritte wurden erzielt durch
chemisch-metallurgische Verbesserungen, unter denen die Anwendung
basischer Auskleidungen von besonderer Wichtigkeit waren, durch
Verbesserungen der Brennstoffe und der Verbrennung, wodurch es
gelang, höhere Temperaturen in gröſseren Apparaten dauernd zu
erzielen und endlich durch Verbesserung der mechanischen Hülfs-
mittel, worunter namentlich die immer mannigfaltigere und groſsartigere
Verwendung des hydraulischen Druckes hervorzuheben ist.


Anregung zu diesen Fortschritten gaben die immer allgemeinere
Verwendung des Eisens und die Steigerung der Anforderungen an die
Qualität des Produktes. Letztere zwangen dazu, die Eisenfabrikate
viel genauer zu untersuchen und zu prüfen wie früher. Die Hütten-
laboratorien erhielten eine erhöhte Wichtigkeit und Bedeutung und
[316]Einleitung 1870 bis 1900.
wo diese nicht mehr ausreichten, traten groſse Versuchsanstalten,
welche vom Staate an den technischen Hochschulen und Akademieen
oder auch von gröſseren Verbänden ins Leben gerufen wurden, erfolg-
reich ein.


Eine weitere Anregung gaben die immer häufiger werdenden Aus-
stellungen, unter denen die groſsartigen Weltausstellungen von
ganz besonderer Wirkung waren. Sie verbreiteten nicht nur technische
Kenntnisse und regten zum Wettkampf an, sondern sie erweiterten
auch den Gesichtskreis, weckten das Interesse und die Achtung vor
den Leistungen anderer Nationen, sie knüpften auf dieser Grundlage
freundschaftliche Bande und erzeugten das, was wohl die schönste
Errungenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist, das
Gefühl internationaler Gemeinschaft auf dem Gebiete der Technik.
Allerdings hatten die Weltausstellungen auch ihre Schattenseiten.
Dadurch, daſs sie durch Schaugepränge groſse Massen von Besuchern
anzulocken suchten, und jede nachfolgende bestrebt war, die vorher-
gehende zu übertreffen, nahmen sie immer mehr den Charakter
riesiger Weltjahrmärkte an und wurden für die Aussteller immer
kostspieliger. Die Vorteile überwogen aber die Nachteile, ganz be-
sonders der erziehliche Vorteil für die Gesamtheit.


Die erste groſse Weltausstellung in dieser Periode war die zu
Wien im Jahre 1873. Sie fiel in das Ende des groſsen industriellen
Aufschwungs und in den Anfang der groſsen Krisis, die man deshalb
in Deutschland oft als den „Wiener Krach“ bezeichnete. Die Eisen-
industrie Österreichs und Deutschlands waren auf dieser Ausstellung
vorzüglich vertreten. Die deutsche Reichsregierung hatte auf ein
würdiges Auftreten besonderen Wert gelegt, weil das geeinigte Deutsch-
land zum erstenmal an einer Weltausstellung teilnahm. Die Zahl der
Aussteller betrug 39500, die der Besucher 7254687. 1876 folgte die
groſse Weltausstellung zu Philadelphia, zugleich als Jubelfeier der
einhundertjährigen Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Nord-
amerika (Centennial Exhibition). Sie war von Europa gut beschickt.
Von Deutschland nahmen 1001 Aussteller daran teil. Diese Aus-
stellung, welche die Veranlassung gab, daſs viele europäische und
besonders auch deutsche Techniker und Eisenfachleute Amerika
besuchten und die amerikanische Eisenindustrie aus eigener An-
schauung kennen lernten, knüpfte die Bande zwischen der euro-
päischen und amerikanischen Eisenindustrie weit inniger wie zuvor,
woraus der Entwickelung des Eisenhüttenwesens beider Gebiete Vorteil
erwuchs.


[317]Einleitung 1870 bis 1900.

1878 folgte die dritte Weltausstellung zu Paris, welche einen
glänzenden Verlauf nahm. Obgleich die deutsche Industrie dieselbe
nicht beschickte, so nahmen doch nicht weniger als 53000 Aussteller
daran teil, also mehr als die dreifache Anzahl wie bei der ersten
Londoner Ausstellung, und die Menge der Besucher betrug 16226742.


1879 bis 1881 folgten die zwei Weltausstellungen zu Sydney und
Melbourne, wodurch die Eisenindustrie der europäischen Staaten Ge-
legenheit fand, mit Australien in nähere Beziehung zu treten. — Von
geringerer Bedeutung waren die sogenannten Weltausstellungen zu
Moskau 1882, zu Amsterdam 1883, zu Nizza und Calcutta 1883/84
und zu Antwerpen 1885.


1889 fand dagegen wieder eine groſsartige Weltausstellung zu
Paris statt, auf welcher das Eisen in dem bis dahin höchsten Bau-
werke der Welt, dem „Eiffelturm“, von dem Ingenieur Eiffel ganz
aus Eisen konstruiert, einen „hervorragenden“ Triumph feierte. An
äuſserem Glanz überstrahlte diese Ausstellung alle früheren, man
zählte 32½ Mill. Besucher.


1893 erfolgte die noch viel groſsartiger angelegte Weltausstellung
zu Chicago, zugleich als 400jährige Jubelfeier der Entdeckung von
Amerika durch Christoph Columbus (Columbian Exhibition). In
ihr war die deutsche Eisenindustrie vorzüglich vertreten, besonders
bildeten Friedrich Krupps Stahlerzeugnisse für Krieg und Frieden
den Glanzpunkt der Ausstellung. Im Jahre 1900 fand die fünfte
groſse Weltausstellung in Paris statt, die alle vorhergegangenen an
äuſserem Glanz übertraf.


Wenn die Ausstellungen auch vielfach die Anregung dazu gaben,
daſs die Eisenhüttenleute der verschiedenen Länder und Weltteile in
nähere Beziehungen zu einander traten, so waren es vor allem die
Fachvereine, welche diese Anregung aufnahmen und in Thaten um-
setzten. Ihnen gebührt deshalb ganz besonderes Verdienst an dem
groſsen Werk internationalen Ideenaustausches und internationalen
Zusammenwirkens.


In Groſsbritannien war es das Iron and Steel Institute, welches
den Kreis seiner segensreichen Thätigkeit erweiterte, indem es von
Zeit zu Zeit seine Wanderversammlungen auſserhalb der heimischen
Grenzen in das Ausland verlegte; so hielt es Versammlungen ab in
Paris, Philadelphia, Düsseldorf (1880) u. s. w. Es lud hervorragende
Fachleute zur Abhaltung von Vorträgen ein und ehrte die bedeutend-
sten derselben durch Verleihung der goldenen Bessemermedaille.


[318]Einleitung 1870 bis 1900.

In Deutschland war es der Verein deutscher Ingenieure,
besonders aber der seit dem 28. November 1880 davon abgezweigte
Verein deutscher Eisenhüttenleute1), welche in diesem Sinne
wirkten und die Beziehungen zu den verwandten britischen und ameri-
kanischen Vereinen pflegten. Hatten schon 1876 eine groſse Zahl von
Mitgliedern des erstgenannten Vereins Amerika besucht, so folgten 1890
136 Mitglieder des Vereins deutscher Eisenhüttenleute und an 300
Mitglieder des Iron and Steel Institute einer Einladung des American
Institute of Mining Engineers zur Besichtigung der groſsen Eisen- und
Stahlwerke der Vereinigten Staaten. Der Verein deutscher Eisen-
und Stahlindustrieller wirkte auſser für die heimischen Interessen
namentlich auf dem Gebiete des Unfallwesens, hauptsächlich für die
Statistik.


Dieselbe Rolle spielte in Amerika die schon früher genannte
American Iron and Steel Association, während unter den zahlreichen
Fachvereinen das American Institute of Mining Engineers die
erste Stelle einnahm. 1889 hatten 270 Mitglieder desselben eine Infor-
mationsreise nach England gemacht, bei welcher Gelegenheit auch
45 derselben auf Einladung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute
Rheinland und Westfalen besuchten.


Ähnliche Vereine waren in Belgien und Frankreich entstanden.
Dieser wechselseitige Verkehr wirkte in hohem Maſse anregend.


Einen wichtigen Anteil an den Fortschritten dieser Periode
nehmen auch die Lehranstalten, von denen sich die in Deutsch-
land und Österreich eines alten Rufes erfreuten. In den Vereinigten
Staaten von Nordamerika machte das technische Unterrichtswesen
ganz besondere Fortschritte.


Das mächtigste Förderungsmittel für die Entwickelung der Eisen-
hüttenkunde war aber die Litteratur, die sich in groſsartiger Weise
während der letzten 25 Jahre entfaltete. Bei der Raschheit der
Fortschritte erlangte die periodische Litteratur, welche in zahlreichen
Fachzeitschriften zum Worte kam, ganz besondere Bedeutung. Daneben
erschienen Monographieen in groſser Zahl. Bei alledem blieb aber die
Buchlitteratur nicht zurück und erschienen in dieser Zeit eine ganze
Reihe vorzüglicher Lehr- und Handbücher über Stahl und Eisen.


Wir müssen uns auf ein Verzeichnis der wichtigsten litterarischen
Erscheinungen beschränken2).


[319]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.

Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.


Allgemeines. Geschichte. Statistik.


  • Greenwood, Metallurgy. 1874.
  • Jordan, Album du cours de métallurgie. Paris 1875.
  • Lindheim, W. von, Beiträge zur Beurteilung der Lage der Eisenindustrie.
  • Lindheim, W. von, Kohle und Eisen im Weltverkehr. 1865 bis 1876.
  • Pechar, A., Kohle und Eisen in allen Ländern. Berlin 1878.
  • Ledebur, A., Die Öfen für metallurgische Zwecke. 1878.
  • Gruner, M. L., Traité de Métallurgie. 1875 bis 1878.
  • Gruner L., Abhandlungen über Metallurgie, übersetzt von Fr. Kuppelwieser 1877.
  • Siemens, Dr. W., Einige wichtige technische Fragen der Gegenwart. 1879.
  • Balling, C. A. W., Grundriſs der Elektrometallurgie. Stuttgart 1880.
  • Overmann, Fr., A treatise on metallurgy, 6th edition. 1882.
  • Gruner, M. L., Métallurgie. Principes généraux. Paris 1882.
  • Uhland, W. H., Hüttenwesen, Eisen- und Metallgieſserei, Holz- und Stein-
    bearbeitung. Leipzig 1883.
  • Gurlt, A., Bergbau- und Hüttenkunde. Darstellung der geschichtlichen und
    kunstgemäſsen Entwickelung des Bergbaues und Hüttenwesens, 3. Auflage.
    Essen 1884 (zweite Auflage 1879).
  • Andree, R., Die Metalle bei den Naturvölkern, mit Berücksichtigung der prä-
    historischen Verhältnisse. Leipzig 1884.
  • Schweigger-Lerchenfeld, A. von, Das eiserne Jahrhundert. Wien 1884.
  • Swank, James M., History of the manufacture of iron in all ages 1885.
  • Second Edition 1892.
  • Balling, C. A. M., Die Metallhüttenkunde. 1885.
  • Beckert, Th., Einleitung zur Eisenhüttenkunde. 1885.
  • Schnablegger, J., Leitfaden der allgemeinen Hüttenkunde nebst dem Wichtigsten
    aus der Hüttenmaschinenlehre. Wien 1885.
  • Kuppelwieser, Frz., Die Entwickelung der Eisenproduktion in den letzten
    Decennien. Wien 1886.
  • Ledebur, A., Die Metalle, ihre Gewinnung und ihre Verarbeitung. Stuttgart 1887.
  • Mehrtens, G., Eisen und Eisenkonstruktionen in geschichtlicher, hütten-
    männischer und technologischer Beziehung. Düsseldorf 1887.
  • Schnabel C., Lehrbuch der allgemeinen Hüttenkunde. Berlin 1890.
  • Philipps, J. A., Elements of Metallurgy. 1891.
  • Borchers, W., Elektrometallurgie. Braunschweig 1891.
  • Wedding, H., Statistik des Eisens. Düsseldorf 1891.
  • Burnic, R. W., Memoir and letters of Sidney Gilchrist Thomas inventor.
    London 1891.
  • Karmarsch und Heeren, Technisches Wörterbuch, 3. Auflage, bearbeitet von
    Kick und Gintl. 11 Bde. Prag 1874 bis 1893.
  • Harrison, Elements of Metallurgy. 1894.
  • Lunge, G., Das Zeitalter des Stahls. Hamburg 1894.
  • Vorträge, gehalten auf dem allgemeinen Bergmannstage in Klagenfurt. Wien 1894.
  • Swank, W., Statistic of the American and foreign iron trades. Philadelphia.
  • Howe, Henry Marion, The Metallurgy of Steel. New York 1890.


[320]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Neumann-Spallart, Übersichten der Weltwirtschaft 1885, fortgesetzt von
    Dr. F. v. Juraschek 1890.
  • Atkinson, Ed., The future situs of the principal iron prod. of the world.
    Baltimore 1891.
  • Dürre, Dr. E. Fr., Die Metalle und Legierungen im Dienste der Heere und der
    Kriegsflotten. Hannover 1894.
  • The Mineral Industry, its Statistics, Technology and Trade from the earliest times
    to the close of 1894. New York.
  • Birkinbine, John, The production of iron-ores. (Jährlich.)
  • Dürre, Dr. E. Friedr., Vorlesungen über allgemeine Hüttenkunde. Halle 1898.
  • Rothwell, Richard P., The Mineral Industry etc. (VI. Jahrg.)
  • Lueger, Otto, Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hülfswissenschaften.
    Stuttgart.
  • Ledebur, A., Lehrbuch der mechanisch-metallurgischen Technologie, 2. Auflage.
    1898.
  • Kirschner, L., Grundriſs der Erzaufbereitung. 1899.
  • Mehrtens, Der Brückenbau sonst und jetzt. 1899.
  • Leobner, H., Geschichte der direkten Eisen- und Stahlerzeugung. 1900.

Ausstellungsberichte.


  • Schott, E., Kurzer Bericht über die Eisenhüttenprodukte auf der Wiener
    Weltausstellung
    1873.
  • Serlo und G. Stölzel, Bergbau und Hüttenwesen auf der Wiener Weltaus-
    stellung 1873.
  • Gurlt, A., Amtlicher Bericht der Wiener Weltausstellung 1873, Bd. III. Braun-
    schweig 1875.
  • Dürre, E. F., Das Eisenhüttenwesen auf der Wiener Weltausstellung. Berlin 1876.
  • Blake, W. B., Iron and Steel at the Vienna Exhibition. 1876.
  • Althans, F., Das Berg- und Hüttenwesen auf der Ausstellung in Philadelphia
    1876.
  • Duteil, P., La métallurgie du fer à l’exposition universelle à Paris de 1878.
  • Kuppelwieser, Franz, Das Hüttenwesen auf der Weltausstellung zu
    Paris
    1878.
  • Bouhy, V., La fonte, le fer, l’acier à l’exposition universelle de 1878. Bruxelles 1879.
  • Lan, La métallurgie de l’exposition de 1878.
  • Åkerman, Eisenhüttenwesen auf der Pariser Weltausstellung von 1878.
  • Kerpely, A. von, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung in Paris im Jahre
    1878. Leipzig 1879.
  • Kollmann, Dr., Das Eisenhüttenwesen auf der Düsseldorfer Ausstellung 1880.
  • Gouvy, A., Das Berg- und Hüttenwesen auf der Pariser Ausstellung 1889.
  • Hallopeau et Combredon, La métallurgie (fonte, fer, acier) à l’exposition uni-
    verselle de 1889. Paris 1892.
  • Monthaye, E., Krupp à l’exposition de Chicago de 1893. Bruxelles 1894.
  • Gängl von Ehrenwerth, Jos., Das Berg- und Hüttenwesen auf der Weltaus-
    stellung in Chicago. Wien 1895.

Brennstoffe, Wärmemittel und Feuerungsanlagen.


  • Grothe, H., Die Brennmaterialien und die Feuerungsanlagen für Fabriken,
    Gewerbe und Haus. Weimar 1870.
  • Zinken, E. F., Die Braunkohle und ihre Verwendung. Hannover 1871.
  • Gillot, De la carbonisation du bois. Paris 1872.
  • Hausding, A., Industrielle Torfgewinnung und Torfverwertung. Berlin 1873.
  • Siemens, W. C., Über Brennstoff. 1874.

[321]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Steinmann, F., Kompendium der Gasfeuerung in ihrer Anwendung auf die
    Hüttenindustrie. Freiburg 1876.
  • Stöckmann, C., Die Gase des Hochofens und der Siemens-Generatoren. Ruhr-
    ort 1876.
  • Bischof, Carl, Die feuerfesten Thone mit Berücksichtigung der feuerfesten
    Materialien überhaupt. Leipzig 1876.
  • Stegmann, H., Die Torfgasfeuerung. 1877.
  • Ledebur, A., Die Öfen für metallurgische Zwecke. Freiberg 1878.
  • Hamelius, Combustion et purification du gaz des hauts-fourneaux. 1878.
  • Lencauchez, Étude sur les combustibles etc. Paris 1878.
  • Beschreibung des Gröbe-Lürmann-Generators. Osnabrück 1878.
  • Steinmann, F., Bericht über die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der
    Gasfeuerung. Berlin 1879.
  • Dromart, Traité de la carbonisation des forêts. Paris 1880.
  • Birnbaum, E. u. K., Die Torfindustrie und die Moorkultur. Braunschweig 1880.
  • Becker, M., Die Aufbereitung und Verkokung der Steinkohlen nach Th. von
    Bauers
    Methode. Wien 1880.
  • Galloway, Treatise on fuel. 1880.
  • Pütsch, Albert, Über Gasfeuerungen. Sachliche Würdigung der in Deutschland
    erteilten Patente. Berlin 1881.
  • Stegmann, H., Gasfeuerung und Gasöfen. Berlin 1881.
  • Ramdohr, L., Die Gasfeuerung, 2. Auflage. Leipzig 1881.
  • Ehrenwerth, J. Gängl von, Die Regenerierung der Hochofengase. Leipzig 1883.
  • Jüptner, H. von, und Fr. Toldt, Chemisch-kalorische Studien über Generatoren
    und Martinöfen. Leipzig 1883.
  • Otto, Dr., Die neuesten Resultate in Bezug auf Gewinnung der Nebenprodukte
    bei Koksöfen. Düsseldorf 1884.
  • Siemens, Friedrich, Heizverfahren mit freier Flammenentfaltung. 1885.
  • Lürmann, F. W., Das Friedrich Siemenssche Heizverfahren mit freier
    Flammenentfaltung. Düsseldorf 1885.
  • Thenius, G., Die Meiler- und Retortenverkohlung. Wien 1885.
  • Quaglio, J., Die feuerfesten Materialien. Berlin 1886.
  • Schneider, R., Allgemeine Anweisungen für den Bau und Betrieb der Re-
    generativ-Gasöfen. Leipzig 1886.
  • Siemens, Fr., Über den Verbrennungsprozeſs mit besonderer Berücksichtigung
    der praktischen Erfordernisse. Berlin 1887.
  • Fischer, F., Die chemische Technologie der Brennstoffe. Braunschweig 1880
    bis 1887. 2. Auflage 1897.
  • Bauer, Th. von, Über neuere Koksöfen. 1887.
  • Bauer, Th. von, Fabrication du coke au moyen de l’anthracite. Expériences
    faites aux mines de Creusot.
  • Simmersbach, F., Die Koksfabrikation im Oberbergamtsbezirk Dortmund.
    Berlin 1887.
  • Pütsch, A., Neue Gasfeuerungen. Sachliche Würdigung der seit 1880 auf diesem
    Gebiete in Deutschland erteilten Patente. 1887.
  • Fischer, F., Feuerungsanlagen für häusliche und gewerbliche Zwecke. Carls-
    ruhe 1889.
  • Ehrenwerth, J. von, Wassergas und Brennstoff. Düsseldorf 1889.
  • Ledebur, A., Die Gasfeuerung für metallurgische Zwecke. Leipzig 1891.
  • Jüptner von Jonsdorff, Die Untersuchungen der Feuerungsanlagen. Wien 1891.
  • Much, F., Die Chemie der Steinkohle. Leipzig 1891.
  • Dürre, E. F., Die neueren Koksöfen. Neuerungen und Fortschritte im Kokerei-
    betriebe und Bau der Koksöfen. Leipzig 1892.

Beck, Geschichte des Eisens. 21
[322]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Lürmann, F. W., Die Leistungen und Vorteile der Semet-Solvay-Koksöfen.
    Osnabrück 1893.
  • Toldt, Friedr., Über Details an Siemens-Martinöfen. 1893.
  • Häusermann, Dr. C., Industrielle Feuerungsanlagen. 1894.
  • Fischer, Dr. F., Jahrbuch für Feuerungstechniker, 2. Auflage. Stuttgart 1893.
  • Daelen, Aug., Gasflammofen mit darunterliegendem Recuperator. 1895.
  • Simmersbach, Oskar, Grundlagen der Kokschemie. Berlin 1895.
  • Weeks, Jos. D., The Manufacture of Coke. 1895.
  • Simmersbach, F., Die Fortschritte der Koksfabrikation im Oberbergamtsbezirk
    Dortmund in den letzten 10 Jahren. Berlin 1896.
  • Fritzsche, Dr. G., Die Untersuchung und Bewertung der Brennstoffe. 1898.
  • Beckert, Th., Feuerungskunde (I. Abteilung der Eisenhüttenkunde, 2. Auflage).
    Berlin 1898.
  • Bilharz, Oskar, Die mechanische Aufbereitung von Erzen und mineral. Kohle.
    Leipzig 1897.
  • Fischer, Dr. F., Die chemische Technologie der Brennstoffe. Braunschweig 1897.
  • Schwartze, Th., Katechismus der Heizung, Beleuchtung und Ventilation.
    Leipzig 1897.
  • Simmersbach-Andersen, Chemistry of Coke. 1899.
  • Pütsch, Alb., Neuere Gas- und Kohlenstaubfeuerungen.

Chemie.


  • Bell, Lowthian, Chemical phenomena of iron smelting. 1871.
  • Kerl, B., Grundriſs der Eisenprobierkunst. Leipzig 1875.
  • Winkler, Klemens, Anleitung zur chemischen Untersuchung der Industriegase.
    Freiberg 1876.
  • Åkerman, B., Über den Einfluſs von Silicium, Schwefel, Phosphor und Mangan
    auf die Eigenschaften des Eisens; deutsch von J. von Ehrenwerth. 1877.
  • Keſsler, F., Über die Bestimmung des Mangans, besonders in Eisen-Mangan-
    legierungen. 1878.
  • Henning, Über die Entfernung des Phosphors aus Erzen und Roheisen. Berlin 1879.
  • Eggertz, Chemische Prüfung des Eisens, der Eisenerze und Brennstoffe. 1881.
  • Kerl, B., Metallurgische Probierkunst, 2. Auflage. 1882.
  • Bayley, Th., The assay and analysis of iron and steel, iron ores and fuel.
    London 1884.
  • Schellhammer, H., Konstruktion von Gasanalysenapparaten für die praktische
    Verwendung in Hüttenwesen und Fabriken. Leipzig 1884.
  • Jüptner von Jonsdorff, Hans von, Praktisches Handbuch für Eisenhütten-
    Chemiker. Wien 1885.
  • Ledebur, A., Leitfaden für Eisenhüttenlaboratorien, 2. Auflage. 1885.
  • Troilus, M., Notes on the chemistry of iron, 2d ed. New York 1886.
  • Fresenius, R. G., Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse etc., 6. Aufl.,
    2 Bde. Braunschweig 1873 bis 1887.
  • Sherrard, J. M., Iron analysis record. 1887.
  • Osmond, Transform. du fer et du carbone dans les fers, les aciers et les fontes
    blanches. Paris 1888.
  • Analysen, ausgeführt im Laboratorium der K. K. Probieranstalt zu Wien in den
    Jahren 1873 bis 1882, zusammengestellt von M. von Lill; von 1884 bis 1887
    zusammengestellt von E. Priwoznik. Wien 1874 bis 1888.
  • Williams, W. M., The chemistry of iron and steel making and of their practical
    uses. London 1890.
  • Post, Jul., Chemisch-technische Analyse, 2. Auflage. 2 Bde. Braunschweig 1891.
  • Blair, A. A., The chemical analysis of iron. Philadelphia 1891.
  • Blair, A. A., Die chemische Untersuchung des Eisens, deutsch von L. Rürup. 1892.

[323]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Böckmann, F., Chemisch-technische Untersuchungsmethoden der Groſsindustrie
    der Versuchsstationen und Handelslaboratorien, 3. Aufl., 2 Bde. Berlin 1892.
  • Mukai, T., Studien über chemisch-analytische und mikroskopische Untersuchungen
    des Manganstahls. Freiberg 1892.
  • Cornut, E., Étude sur les essais des fers et des aciers. Paris 1892.
  • Winkler, Cl., Techn. Gasanalyse. 1892.
  • Göttig, Ch., Untersuchungen über die Bestimmung des Kohlenstoffs in Eisen
    und Stahl. Berlin 1894.
  • Ledebur, A., On the modification of carbon in iron. London 1894.
  • Wedding, H., Die Eisenprobierkunst. Eine Anleitung zur chemischen Unter-
    suchung von Eisen und anderen im Eisenhüttenwesen gebrauchten Körpern.
    Braunschweig 1894.
  • Jüptner, H. von, Fortschritte im Eisenhüttenlaboratorium. 1895.
  • Bell, Sir Lowthian, Das Schmelzen der Eisenerze vom chemischen Standpunkt
    aus betrachtet. 1891.
  • Compredon, Louis, Guide Pratique du Chimiste-Métallurgiste et de l’Essayeur.
    1898.
  • Arth, G., Recueil de Procédés de Dosage pour l’analyse des Combustibles, des
    Minerais de fer, des Fontes, des Aciers et des Fers. Paris 1897.

Physik.


  • Knut Styffe, Die Festigkeitseigenschaften von Eisen und Stahl, deutsch von
    C. M. von Weber. Weimar 1870.
  • Bauschinger, J., Versuche über die Festigkeit des Bessemerstahls des Walz-
    werks Ternitz. 1873.
  • Grenfell, Fer fondu, fer forgé et acier considérés dans leur force de résistance
    contre les chocs des projectiles de gros calibre. Paris 1877.
  • Bauschinger, Resultat der Festigkeitsversuche, angestellt im Auftrage des
    Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen an Probestücken aus Bessemer- und
    Tiegelguſsstahl im mechanisch-technischen Laboratorium der technischen
    Hochschule München. 1878.
  • Wachler, F., Vergleichende Qualitätsuntersuchungen rheinisch-westfälischer und
    ausländischer Gieſserei-Roheisen. 1879.
  • Åkerman, R., On hardening iron and steel. 1879.
  • Kollmann, J., Über die Festigkeit des erhitzten Eisens. Berlin 1880.
  • Die Eigenschaften von Eisen und Stahl, von der technischen Kommission der
    deutschen Eisenbahnverwaltungen. Wiesbaden 1880.
  • Strouhal, V., und C. Barns, Über Anlassen des Stahls und Messung seines
    Härtezustandes. Würzburg 1881.
  • Strouhal, V., und C. Barns, Über den Einfluſs der Härte des Stahls auf dessen
    Magnetisierbarkeit und des Anlassens auf die Haltbarkeit der Magnete.
    Würzburg 1882.
  • Geraudo, L. de, Les Fers et Aciers modernes considérés à un point de vue
    rationel et sous celui de leurs propriétés mécaniques et électriques. Paris 1885.
  • Tetmayer, L., Mitteilungen der Anstalt zur Prüfung der Baumaterialien. 1886.
  • Zusammenstellung der Resultate der von dem Verein deutscher Eisenbahnver-
    waltungen in der Zeit vom 1. Oktober 1883 bis dahin 1884 mit Eisenbahn-
    material dargestellten Qualitätsproben. Wiesbaden 1887.
  • Bolz, C. H., Der Pyrometer. Kritik der bisher konstruierten höheren Tempe-
    raturmesser in wissenschaftlicher technischer Hinsicht. Gekrönte Preisschrift.
    Berlin 1888.
  • Kalakoutzky, N. V., Étude sur les tensions intérieures dans les fontes de l’acier.
    Nancy 1888.
  • Ledebur, A., Versuche über die Beiz- und Rostbrüchigkeit des Eisens. Berlin 1890.

21*
[324]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Back, C., Versuche über die Widerstandsfähigkeit ebener Platten. 1890.
  • Tetmajer, L., Methoden und Resultate der Prüfung der Festigkeitsverhältnisse
    des Eisens und der anderen Metalle. Bern 1891.
  • Wedding, H., Das Kleingefüge des Eisens. Mikroskopische Originalphoto-
    graphieen. Berlin 1891.
  • Vosmaer, A., The mechanical and other properties of iron and steel in
    connection with their chemical composition. 1892.
  • Behrens, H., Das mikroskopische Gefüge von metallischen Legierungen. 1894.
  • Reden, Phil., Festigkeitstabellen für Flachstäbe und Rundstäbe. 1894.
  • Weinlich, Zerreiſs-Tabellen. Tabellen zur Bestimmung der Elastizitätsgrenzen,
    Zugfestigkeit und Kontraktion bei Rundstäben aus Stahl, Eisen und Kupfer.
    Essen 1894.
  • Bach, C., Elastizität und Festigkeit, 3. Auflage. Berlin 1898.
  • Diegel, Prüfung der Metalle auf Zugfestigkeit und Dehnung. 1898.
  • Weber, W., Graphische Tafeln zur Bestimmung der Tragfähigkeit guſseiserner
    und schmiedeeiserner Säulen und Träger. 1900.
  • Schmidt, Dr. Erich, Die magnetische Untersuchung des Eisens. Halle 1900.

Eisenhüttenkunde.


  • Wedding, H., J. Percy, Ausführliches Handbuch der Eisenhüttenkunde,
    III. Teil. Braunschweig 1874.
  • Valerius, B., La fabrication du fer et de l’acier, 3me éd. Paris 1875.
  • Kerl, B., Grundriſs der Eisenhüttenkunde. 1876.
  • Garnier, J., Le Fer. Paris 1876.
  • Hoare, Th., Iron and Steel. 1876. 8me éd. 1879.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Neuere Fortschritte in der Erzeugung von Eisen und
    Stahl, nach Vortrag von Åkerman. 1878.
  • Zabé, Traité théorique et pratique du travail du fer et de l’acier. Paris 1878.
  • Kuppelwieser, Fr., Das Hüttenwesen mit besonderer Berücksichtigung des
    Eisenhüttenwesens. 1879.
  • Dürre, Dr. E. F., Zukunftsfragen der Eisen- und Stahlindustrie. Wien 1879.
  • Jeans, Steel, its history, manufacture, properties etc. London 1880.
  • Wedding, H., Grundriſs der Eisenhüttenkunde, 3. Auflage. 1880.
  • Japing, E., Eisen und Eisenwaren. I. Teil, Die Darstellung des Eisens und der
    Eisenfabrikate. Wien 1881.
  • Armengaud, Ainé, Métallurgie (Préparation, Fonte, Fer, Acier etc.). Paris 1882.
  • Bauermann, H., Metallurgy of Iron. 1883.
  • Thurston, R. H., Iron and Steel. The ores of iron, methods of reduction, manu-
    facturing processes etc. New York 1883.
  • Kerpely, A. von, Die Anlage und Einrichtung der Eisenhütten. 1873 bis 1884.
  • Bell, J. Lowthian, Principles of the manufacture of iron and steel. London 1884.
  • Ledebur, A., Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig 1884.
  • Rodriguez-Alonso, D. J., Tratado de siderurgia. Madrid 1884.
  • Zopetti, V., Arte siderurgica. Nozione sulla produzione della ghisa, del ferro e
    del acciajo. Milan 1884.
  • Wedding, H., Der basische Bessemer- oder Thomasprozeſs. Ergänzungsband zu
    dem Handbuch der Eisenhüttenkunde. Braunschweig 1884.
  • Beckert, Th., Leitfaden der Eisenhüttenkunde. 1885. 2. Aufl. 1898.
  • Schönmetzler, F., Katechismus der Eisenhüttenkunde mit besonderer Berück-
    sichtigung der Eisenhüttenbetriebe in den österreichischen Alpenländern.
    Wien 1886.
  • Troilus, Magnus, Notes on the Metallurgy of Iron, 2d ed. New York 1886.

[325]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Wedding, H., Aufgaben der Gegenwart im Gebiete der Eisenhüttenkunde.
    Braunschweig 1888.
  • Wedding, H., Die heutigen Methoden der Eisengewinnung und die Benennung
    der daraus hervorgehenden Eisengattungen. 1888.
  • Bauermann, H., A treatise on the metallurgy of iron, 6th ed. 1889.
  • Schrödter, E., Die gemeinfaſsliche Darstellung des Eisenhüttenwesens. 1890.
  • Schlink und Beckert, Die gemeinfaſsliche Darstellung des Eisenhüttenwesens.
    Herausgegeben vom Verein deutscher Eisenhüttenleute. 2. Auflage. Düssel-
    dorf 1890.
  • Wedding, H., Ausführliches Handbuch der Eisenhüttenkunde. Zweite voll-
    ständig umgearbeitete Auflage I (1891 bis 1896), II (1897 bis 1900).
  • Kerl, Bruno, Eisen und Stahl (Bd. III des Handbuchs der metallurgischen
    Hüttenkunde), neue Auflage. 1891.
  • Joynson, Iron and steel maker. London 1892.
  • Dürre, E. F., Die Anlage und der Betrieb der Eisenhütten. I 1890 bis 1893,
    II 1894.
  • Kreuſser, H. Das Eisen, sein Vorkommen und seine Gewinnung. Weimar 1894.
  • Ledebur, A., Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl. 1894. 3. Aufl. 1899.
  • Helson, C., La sidérurgie en France et à l’étranger. Paris 1894.
  • Zopetti, V., Manuele di siderurgia. Fabbricazione della ghisa, dell’ ferro, dell’
    acciajo. Milano 1894.
  • Zopetti, V., Disegni di forni, macchine et apparecchi per la siderurgia. Milano
    1894.
  • Kreuſser, H., Graphische Darstellung der Entstehung und Benennung der
    Eisenarten und Eisenprodukte. Winterthur 1891.
  • Ledebur, A., Lehrbuch der mechanisch-metallurgischen Technologie, 2. Auflage.
    Braunschweig.
  • Gages, Léon, Traité de métallurgie du fer, T. I. Paris 1898.
  • Wedding, H., Grundriſs der Eisenhüttenkunde, 4. Aufl. Berlin 1901.

Hochöfen, Gebläsemaschinen etc.


  • Bell, J. Lowthian, Über die Entwickelung und Verwendung der Wärme in
    Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen. Deutsch von P. von Tunner.
    Leipzig 1870.
  • Schinz, C., Studien über den Hochofen zur Darstellung von Roheisen. Berlin 1871.
  • Åkerman, R., Studien über die Wärmeverhältnisse des Eisenhochofenprozesses,
    mit besonderer Berücksichtigung des Einflusses des erhitzten Windes. Deutsch
    von P. von Tunner. Leipzig 1872.
  • Gruner, M. L., Études sur les hauts-fourneaux. Paris 1873.
  • Kuppelwieser, Fr., und Schöffel, Beiträge zum Studium des Hochofenprozesses
    durch direkte Bestimmungen. Wien 1873.
  • Gruner, M. L., Analytische Studien über den Hochofen. Nach dem Französischen
    bearbeitet von J. H. Steffen. Wiesbaden 1875.
  • Stöckmann, C., Die Gase des Hochofens und der Siemens-Generatoren. Ruhr-
    ort 1876.
  • Hauer, Jul. von, Die Hüttenwesenmaschinen, 2. Auflage. Wien 1876.
  • Tholander, H., Experimentelle Untersuchungen über die Reduktion von Eisen-
    erzen und die Wirkung der Röstung auf Magneteisensteine und Hämatite.
    Deutsch von J. von Ehrenwerth. Wien 1878.
  • Hamélius, Combustion et purification du gaz des hauts-fourneaux. Paris 1878.
  • Åkerman, R., Om jernmalmers rostning. Stockholm 1879.
  • Åkerman, R., Das Rösten der Eisenerze. Aus dem Schwedischen von B. Turley.
    Leipzig 1880.

[326]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Wachler, R., Vergleichende Qualitätsuntersuchungen rheinisch-westfälischen und
    ausländischen Gieſserei-Roheisens. Berlin 1879.
  • Ledebur, A., Das Roheisen mit besonderer Berücksichtigung seiner Verwendung
    für die Eisengieſserei, 2. Aufl. 1879. 3. Aufl. 1891.
  • Gruner, M. L., Formes et dimensions de hauts-fourneaux. Paris 1879.
  • Schink, J., Über Gebläsemaschinen. Berlin 1880.
  • Roth, L., Der Bauxit und seine Verwendung zur Herstellung von Cement aus
    Hochofenschlacken. Wetzlar 1882.
  • Bell, J. Lowthian, Principles of the Manufacture of Iron and Steel etc.
    London 1884.
  • Vathaire, A. de, Construction et conducte des hauts-fourneaux et fabrication
    des diverses fontes. Paris 1885.
  • Haton de la Goupillière, Grundriſs der Aufbereitungskunde. Deutsch von
    V. Rauscher. Leipzig 1886.
  • Wedding, H., Die Berechnungen für Entwurf und Betrieb von Eisenhochöfen.
    Braunschweig 1887. Zweiter Ergänzungsband des Handbuchs der Eisen-
    hüttenkunde.
  • Linkenbach, C., Die Aufbereitung der Erze. Berlin 1890.
  • Bell, Sir Lowthian, Das Schmelzen der Eisenerze vom chemischen Standpunkt
    aus betrachtet. Deutsch von Dr. A. Busch. 1891.
  • Gaylay, J., Le développement des hauts-fourneaux américains au point de vue
    spécial des fortes productions. Liège 1891.
  • Jehring, A. von, Die Gebläse. Berlin 1893.
  • Bilharz, O., Die mechanische Aufbereitung von Erzen und mineral. Kohlen.
    Leipzig 1896.
  • West, Thomas D., Metallurgy of cast-iron. A complete exposition of the
    processes involved in its treatment, chemically and physically, from the
    blast furnace to the testing machine. Cleveland, Ohio 1897.
  • Dutreux, Aug., Utilisation directe du gaz des hauts-fourneaux dans les moteurs
    à l’explosion. Paris 1898.
  • Kirschner, Ludwig, Grundriſs der Erzaufbereitung. 1898.

Eisengieſserei. Schmiedbarer Guſs.


  • Schott, E., Die Kunstgieſserei in Eisen. Berlin 1873.
  • Kirk, E., Founding of Metals, 3th edition. New York 1878.
  • Mailfert, Traité du moulage en fer. Paris 1878.
  • Gillot et Lockert, Manuel du fondeur. Paris 1878.
  • Goffeye, W., Die Schablonen-Sandformerei, 3. Auflage. 1878.
  • Wachler, Vergleichende Qualitätsuntersuchungen rheinisch-westfälischen und
    ausländischen Gieſsereiroheisens. 1879.
  • Gillot, A., Nouveau manuel complet du fondeur de fer et de cuivre, 2me éd.
    Paris.
  • Spretzen, A., Practical treatise on casting and founding, 2d ed. 1880.
  • West, T. D., Moulder’s textbook on foundry practice, being part 2d of American
    foundry practice.
  • Rott, C., Die Fabrikation des schmiedbaren und Tempergusses. Leipzig 1881.
  • Mullin, Jos. P., Modern Moulding and Pattern Making. New York 1885.
  • Nowotny, A., Die Schablonenformerei in Lehm und Sand. Wien 1886.
  • Deny, E., Études sur la fonderie etc. Paris 1886.
  • Gouvy fils, M. A., Étude sur les cubilots pour la fusion de la fonte. Paris 1887.
  • Garuffa, E., La fonderia dell’ acciajo, guida prtica per la producione dell’
    acciajo senza soffiature ad uso delle officine siderurgiche e mechaniche e
    scuola d’applicazione. Milano 1886.

[327]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Messerschmidt, A., Die Kalkulation in der Eisengieſserei und bei Form-
    maschinenbetrieb, 2. Aufl. Essen 1886.
  • Schütz, J. von, Grusons Hartguſspanzer, 2 Aufl. 1887.
  • West, T. D., American foundry practice, treating of loam, dry sand and green
    sand, moulding and casting. A practical treatise upon the management of
    cupolas and the melting of iron, 6th ed. New York 1887.
  • Wylie, C., A treatise on iron and steel founding, 2d ed. London 1888.
  • Practical iron founding, by the author of „Pattern Making“. London 1889.
  • Jüngst, C., Schmelzversuche mit Ferrosilicium. Berlin 1890.
  • Schütz, J. von, Der Hartguſs und seine Bedeutung für die Eisenindustrie,
    2. Auflage. 1890.
  • Guettier, A., La fonderie en France. 5 Bde. mit Atlas. Paris 1890.
  • Dürre, E. F., Handbuch des Eisengieſsereibetriebes, 3. Aufl., I. Leipzig 1890/92.
  • Ledebur, A., Das Roheisen mit besonderer Berücksichtigung seiner Verwendung
    für die Eisengieſserei, 3. Auflage. 1891.
  • Kirchner, W., Die Kupolöfen und das Gieſsereieisen. Berlin 1891.
  • Ledebur, A., Handbuch der Eisen- und Stahlgieſserei, 2. Aufl. Weimar 1892.
  • Uhlenhut, E., Vollständige Anleitung zum Formen und Gieſsen, 3. Aufl. 1892.
  • Bolland, S., The iron founder. A comprehensive treatise of the art of moulding.
    New York 1892.
  • Deny, E., Études de fonderie. Recherches expérimentales sur la résistance et
    les propriétés diverses de la fonte mécanique des fontes tenaces, douces et
    trempées. Paris 1892.
  • Fischer, Musterbuch für den dekorierten Eisenguſs. Weimar.
  • Senftleben, Paul, Die Sandformerei, Handbuch für Former. Dortmund 1893.
  • Billy, E. de, Fabrication de la fonte. Paris 1894.
  • Le Verrier, U., Cours de métallurgie professé à l’école des mines de St. Etienne,
    3. part., Métallurgie de la fonte. Paris 1894.
  • Wüst, Dr. F., Handbuch der Metallgieſserei. Weimar 1897.
  • West, Thomas D., Metallurgy of cast iron. Cleveland 1897.
  • Ledebur, A., Der Gieſsereibetrieb am Ende des 19. Jahrhunderts. Berlin 1899.
  • Kirchner, W., Fortschritte in der Eisengieſsereipraxis. Berlin 1899.

Schweiſseisen-Walzwerke.


  • Daelen, Hollenberg und Diekmann, Die Kalibrierung der Eisenwalzen. Drei
    von dem Verein zur Beförderung des Gewerbefleiſses in Preuſsen preis-
    gekrönte Abhandlungen. Berlin 1870.
  • Petzhold, A., Fabrikation, Prüfung und Übernahme von Eisenbahnmaterial. 1872.
  • Bodmer, J. J., Mitteilungen über das mechanische Puddeln von Danks. Wien
    1872.
  • Petzhold, A., Die Erzeugung von Eisen- und Stahlschienen. 1873.
  • Kollmann, J., Der Puddelofen und der Puddelprozeſs. 1874.
  • Wedding, H., Die Darstellung des schmiedbaren Eisens. Braunschweig 1875.
  • Choteau, E., Laminage du fer et de l’acier. Traité raisonné des cannelures de
    cylindres des laminoirs. 1875.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Darstellung von Eisen und Stahl direkt aus den
    Erzen. 1875.
  • Dürre, E. F., Der Drehofen von Pernot als Puddelofen für Stabeisen und Stahl
    sowie als Guſsstahlschmelzofen. Berlin 1875.
  • Ledebur, A., Die Verarbeitung der Metalle auf mechanischem Wege. Braun-
    schweig 1877.
  • Egleston, T., The american bloomary process for making iron direct from the
    ore. New York 1880.

[328]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Heinzerling und Inze, Deutsche Normalprofile für Walzeisen. Berlin 1880.
  • Neveu, F., et L. Henry, Traité pratique du laminage de fer. Paris 1881.
  • Deny, Éd., Fabrication des cylindres de laminoirs. Paris 1885.
  • Fehland, H., Die Fabrikation des Eisen- und Stahldrahtes, sowie der Drahtstifte.
    Weimar 1886.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Neuere Fortschritte auf dem Gebiete der Herdfrischerei.
    Düsseldorf 1886.
  • Wedding, H., Der Pietzkasche Drehpuddelofen. Berlin 1888.
  • Ledebur, A., Eisen und Stahl und ihre Verwendung für gewerbliche Zwecke.
    Berlin 1890.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Ist die direkte Darstellung von schmiedbarem Eisen
    aller Art, bezw. die Darstellung von Roheisen mit Gas möglich? Freiberg
    1890.
  • Smith, J. Bucknall, A treatise upon wire, its manufacture and uses. New
    York 1891.

Fluſseisen. Stahl.


  • Smith, Lenox, The manufacture of steel. New York 1872.
  • Overman, T., The manufacture of steel by Fesquit. Philadelphia 1873.
  • Siemens, William C., Über Gewinnung von Eisen und Stahl durch direktes
    Verfahren 1874.
  • Boussingault, Études sur la transformation du fer en acier par la cemen-
    tation etc. 1875.
  • Maidland, E., Die Behandlung des Geschützstahls. 1877.
  • Kerpely, A. von, Unterscheidungsmerkmale des Stahls. Leipzig 1878.
  • Reschitza et Anina, Notes sur le classement d’élaboration et la qualité des
    aciers Bessemer, Martin et Pernot. Vienne 1878.
  • Thurston, Report on cold rolled iron and steel. Pittsburgh 1878.
  • Franck, G. A., Über die Fabrikeinrichtung der Guſsstahlfabrikation nach
    Bessemers Methode. Berlin 1879.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Abhandlungen über den Thomas-Gilchrist-Prozeſs des
    Verbessemerns phosphorhaltiger Roheisensorten. 1879.
  • Jeans, Steel, its history, manufacture, properties and uses. London.
  • Lecauchez, Note sur la déphosphorisation de la fonte du fer et de l’acier. 1880.
  • Deshayes, Classement et emploi des aciers. Paris 1880.
  • Zabé, Traité théorique et pratique du travail du fer et de l’acier. Paris 1880.
  • Kuppelwieser, Franz, Studien über den Entphosphorungsprozeſs von Thomas-
    Gilchrist
    . Wien 1880.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Über Ingotmetall und über Fluſsstahlerzeugung unter
    Verwendung von Erz-Blooms. Wien 1880.
  • Massenez, Mitteilungen über den Entphosphorungsprozeſs.
  • Reiser, Fr., Das Härten des Stahls in Theorie und Praxis. Leipzig 1881.
    2. Aufl. 1896. 3. Aufl. 1901.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Studien über den Thomas-Gilchrist-Prozeſs. Wien 1881.
  • Grubenmann, A., Ein Beitrag zur Kenntnis des Bessemerprozesses. Frauen-
    feld 1882.
  • Greenwood, Steel and iron, with 97 diagramms from original working drawings.
    London 1884.
  • Jungk, M., Der Stahlprozeſs im Siemens-Martinofen. Gleiwitz 1884.
  • Perissé, De l’emploi de l’acier dans les constructions navales, civiles et
    mécaniques. 1884.
  • Wedding, H., Der basische Bessemer- oder Thomasprozeſs. Braunschweig 1884.
  • Fleischer, Die Entphosphorung des Eisens durch den Thomasprozeſs und ihre
    Bedeutung für die Landwirtschaft. Berlin 1885.

[329]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Egleston, T., Basic open hearth steel process. New York 1885.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Zur Frage der Kleinbessemerei. Wien 1885.
  • Bresson, M. G., Les aciers, leur propriétés, leur fabrication, leur emplois.
    Wien 1886.
  • Malengreau, J., L’acier dans la fabrication des canons. Bruxelles 1886.
  • Garuffa, Eg., La fonderia dell’ acciajo. Milano 1886.
  • Deshayes, V., Aciers et fers fondus obtenus sur sole neutre procédé Vallon-
    Ramaurey. Paris 1887.
  • Knab, L., Fabrication et emplois industriels de l’acier. Paris 1888.
  • Howe, Henry Marion, The Metallurgy of Steel, 2d ed. New York 1890.
  • Campredon, L., L’acier historique, fabrication, emploi. Paris 1890.
  • Helson, Cyriaque, Études sur le procédé Martin aux minerais. Examen de
    procédé L. Imperatori pratiqué aux aciéries Tardy et Benesch à Savona.
    Paris 1890.
  • Memoirs and letters of Sidney Gilchrist Thomas, inventor. London 1891.
  • Ede, G., The management of steel, 6th ed. London 1891.
  • Pourcel, A., et F. Vallon, Note sur le convertisseur Bessemer dit Robert. 1891.
  • Kintzlé, Fr., Die Verwendung des Fluſseisens zu Bauzwecken. 1891.
  • Tetmeyer, L., Ein Beitrag zur Fluſseisenfrage. 1892.
  • Breſslauer, E., Herstellung von Guſsstahl-Massenformen. Berlin 1892.
  • Toldt, Friedr., Über Details von Siemens-Martinöfen. 1893.
  • Thallner, Otto, Werkzeugstahl. Freiberg i. S. 1898.
  • Schoppmann, R., Eisen und Stahl, ihre Eigenschaften und Behandlung. Leipzig
    1899.
  • Riley, The fluid metal in the open-hearth-furnace (Journal of the Iron and
    Steel Institute). 1900.

Eisenbahnmaterial. Eisenbahnwesen.


  • Petzhold, A., Fabrikation, Prüfung und Übernahme von Eisenbahnmaterial. 1872.
  • Petzhold, A., Die Erzeugung von Eisen- und Stahlschienen. 1873.
  • Kerpely, A. von, Über Eisenbahnschienen. Leipzig 1878.
  • Egleston, Th., The chemical and physical properties of steel rails. 1879.
  • Röll, Dr. von, und Carl Wurm, Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens
    in alphabetischer Ordnung. Wien 1880.
  • Wedding, Dr. H., Die Lebensgeschichte der preuſsischen Eisenbahnschiene. 1889.
  • Sandberg, Christ. P., On steel rails. 1890.
  • Haarmann, A., Das Eisenbahngeleise. Leipzig, Engelmann, 1891.
  • Übersichtliche Zusammenstellung der wichtigsten Angaben der deutschen Eisen-
    bahnstatistik.
  • Haarmann, A., Eisen und Holz im Eisenbahngeleise. Leipzig 1892.
  • Tetmayer, L., Über das Verhalten der Thomas-Stahlschienen im Betriebe.
    Zürich.
  • Haarmann, A., Die Kleinbahnen. 1895.
  • Der Eisenbahnbau. Leipzig, W. Engelmann, 1898.

Eisenbenennung, -verwendung, -prüfung, -berechnung,
-handel etc
.


  • Ziebarth, R., Gewichtstabellen für Walzeisen. Leipzig 1873. (2. Auflage 1884.)
  • Barba, J., Étude sur l’emploi de l’acier dans les constructions, 2me éd. Paris
    1875.
  • Jeep, W., Die Verwendung des Eisens beim Hochbau. Leipzig 1876.

[330]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Wedding, H., Die Nomenklatur des Eisens (aus Verhandl. des Vereins zur Be-
    förderung des Gewerbefleiſses). 1877.
  • Heinzerling und Intze, Deutsche Normalprofile für Walzeisen. Berlin 1880.
  • Deshayes, Classement et emploi des aciers. 1888.
  • Schuchart, Ad., Die Anforderungen, welche an die Grobbleche des Handels
    gestellt werden dürfen. Berlin 1884.
  • Girder, W. J., The Weight of Iron: Being tables of the weight of plates and
    bars etc. New York 1886.
  • Malengreau, L’acier dans la fabrication des canons. Bruxelles 1886.
  • Scharowsky, A., Musterbuch für Eisenkonstruktionen, herausgegeben im Auf-
    trage des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller. Leipzig 1886.
  • Scharowski und L. Seifert, Tabellen zur Gewichtsberechnung von Walzeisen
    und Eisenkonstruktionen, 2. Aufl. Hagen 1888. 3. Aufl. 1898.
  • Vorschriften für die Lieferungen von Eisen und Stahl, aufgestellt vom Verein
    deutscher Eisenhüttenleute. Düsseldorf, A. Bagel, 1889.
  • Ledebur, A., Eisen und Stahl in ihrer Verwendung für gewerbliche Zwecke.
    Berlin 1890.
  • Krauth, Th., und F. S. Meyer, Das Schlosserbuch. Leipzig, Leemann, 1891.
  • Kintzlé, Friedr., Die Verwendung von Fluſseisen zu Bauzwecken.
  • Schlosser, H., Anleitung zur statistischen Berechnung von Eisenkonstruktionen
    im Hochbau. Berlin 1893.
  • Gensen, L. und J. Miliczek, „Profile“, Sammlung zum Gebrauch bei Quer-
    schnittsberechnungen eiserner Tragkonstruktionen. Nürnberg 1894.
  • Richter und Havemann, Diagramme über die Tragfähigkeit sämtlicher Normal-
    profile der I- und U-Eisen etc. Essen 1896.
  • Tetmayer, L., Bericht über den Neubau, die Einrichtungen und Betriebsver-
    hältnisse der Schweizer Materialprüfungsanstalt, 2. Aufl. Zürich 1897.
  • Weiſs, Heinr., Die Werkzeugmaschinen zur Bearbeitung der Metalle. Wien 1897.
  • Feller und Bogus, Moderne Kunstschmiedearbeiten. — Eiserne Treppen. Ravens-
    berg 1897.
  • Deutsches Profilbuch für Walzeisen, 8. Auflage. Essen, Bädeker.
  • Martens, A., Handbuch der Materialienkunde für den Maschinenbau. I. Abt.:
    Materialprüfungswesen, Probiermaschinen, Meſsinstrumente. 1898. Berlin,
    Springer.
  • Scholz, Carl, Tabellen für Gewichtsberechnung von Walzeisen und Eisen-
    konstruktionen aus Fluſseisen. 1898.
  • Groſsmann, E., Eiserne Thore. 1897.
  • Feller, Jos., Der Schlosser. Ravensberg 1897.
  • Stöckel, Carl, und W. Hauser, Hülfstabellen für die Berechnung eiserner
    Träger. Wien 1898.
  • Hoyer, E. von, Die Verarbeitung der Metalle und des Holzes. Wiesbaden 1898.
  • Schultz, Handbuch der deutschen Normalprofile. 1898.
  • Lauenstein, R., Die Eisenkonstruktionen des einfachen Holzbaues. 1900.
  • Foerster, Max, Die Eisenkonstruktion der Ingenieurhochbauten.
  • Haedike, H., Die Technologie des Eisens. Leipzig 1900.

Einzelne Länder, Werke etc.


  • Tunner, Peter von, Ruſslands Montanindustrie, insbesondere dessen Eisen-
    hüttenwesen. Leipzig 1871.
  • Kerpely, A. von, Das Eisenhüttenwesen in Ungarn, sein Zustand und seine
    Zukunft. Schemnitz 1872.
  • Åkerman, R., Über den Standpunkt der Eisenfabrikation in Schweden zu
    Anfang des Jahres 1873. Stockholm 1873. (Französische Übersetzung 1878.)

[331]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Jordan, J., Notes sur la fabrication de l’acier Bessemer aux États Unis d’après
    M. M. Holley, Smith \& Co. 1873.
  • Schauenstein, A., Denkbuch des österreichischen Berg- und Hüttenwesens. 1873.
  • Bergenholdt, Schmidt von, Übersichtliche Geschichte des Bergbaues und
    Hüttenwesens im Königreich Böhmen. 1873. (Prag 1880.)
  • Funk und Wintzer, Die Georgs-Marienhütte. 1873.
  • Wiley’s American Iron Trade Manual etc., ed. by Th. Durlaſs, 1874.
  • Schmidt, Ad., Metallurgical properties of Missouri Iron ore, Jefferson City.
    1874.
  • Bell, Lowthian, Notes of a visit to the coal and iron works of the United
    States. London 1875.
  • Hupfeld, W., Die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Eisenindustrie. 1875.
  • Wedding, H., Das Eisenhüttenwesen in den Vereinigten Staaten von Nord-
    amerika. 1876.
  • Swank, J. M., The American Iron Trade. 1876.
  • Pearse, J. P., A concise history of the iron manufacture of the American
    Colonies up to the Revolution and of Pennsylvania until the present time.
    1876.
  • Faure, T., Fonderies de St. Joseph à Revin. 1876.
  • Rothwell, Rich., The Mineral Industry, its Statistics, Technology and Trade in
    the United States and other countries.
  • Mosler, Die Bergwerks- und Hüttenindustrie der Vereinigten Staaten von Nord-
    amerika. Berlin 1877.
  • Dürre, E. F., Reisebericht über die neueren Fortschritte Frankreichs in der
    Eisenindustrie. 1877.
  • Tunner, Pet. von, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten von Nord-
    amerika. Wien 1877.
  • Kuppelwieser, Fr., Das Hüttenwesen mit besonderer Berücksichtigung des
    Eisenhüttenwesens in den Vereinigten Staaten. Wien 1877.
  • Kerpely, A. von, Ungarns Eisenstein- und Eisenhüttenerzeugnisse. Wien 1877.
  • Wedding, H., Die Bessemeranlage auf der Vulkanhütte zu St. Louis am Missis-
    sippi. Berlin 1877.
  • Die Eisenerze Österreichs und ihre Verhüttung. Aus Anlaſs der Pariser Aus-
    stellung verfaſst vom K. K. Ackerbau-Ministerium. Wien 1878.
  • Åkerman, Sur l’état actuel de l’industrie du fer en Suède. 1878.
  • Habets, A., Industrie minérale Belge. Liège 1878.
  • Gazeau, Note sur les hauts-fourneaux et fonderies de Pont-à-Mousson. Paris 1878.
  • Arndt, Dr. A., Die industrielle Enquete und die Wiedereinführung der Eisen-
    zölle in Deutschland. Essen 1878.
  • Fontaine, H., L’industrie dans les États-Unis. 1878.
  • Siemens, Will. C., Die Eisen- und Stahlindustrie in England. Der Bathometer.
    Berlin 1878.
  • Höfer, Hanns, Die Kohlen- und Eisenerzlagerstätten Nordamerikas. Wien 1878.
  • Haſslacher, A., Das Industriegebiet an der Saar und seine hauptsächlichen
    Industriezweige. Saarbrücken 1879.
  • Bourron, Les mines de Sommorostro. Liège 1879.
  • Parville, Les mines de Creusot â l’exposition universelle de Paris. 1879.
  • Barby, Marteau-pilon de quatre-vingt tonnes des mines de St. Chammond.
    Nancy 1880.
  • Grevel, W., Geschichte der Gründung der ersten Entwickelung der Gutehoff-
    nungshütte in Sterckrade. — Die Anfänge der Guſsstahlfabrikation im Stifte
    Essen. 1881.
  • Delafond, Note sur la fabrication de l’acier au moyen de fontes phosphoreuses
    aux usines de Creusot. Paris 1882.

[332]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Meade, R., The coal and iron industries of the United Kingdom. London 1882.
  • Sering, Max, Geschichte der preuſsisch-deutschen Eisenzölle von 1818 bis zur
    Gegenwart. Leipzig 1882.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Das Eisenhüttenwesen in Schweden. 1885.
  • Die Ilseder Hütte, ihre Entstehung und weitere Entwickelung von 1858 bis auf
    die neueste Zeit. 1885.
  • Freson, J. G., L’industrie sidérurgique aux États-Unis d’Amérique. — De la
    fabrication de la verge de fer et d’acier aux États-Unis. Liège 1885.
  • Lauter, W. H., und H. Ritter, Die Burbacher Hütte-Façoneisen und deren
    zahlreiche Verwendung. 1885.
  • Lürmann, Fr. W., Die Herstellung des Roheisens in den Vereinigten Staaten
    von Nordamerika. Düsseldorf 1885.
  • Directory of the Iron and Steel Works of the United States of N. A. 1886.
  • Boubet, L., Notice historique sur les forges et fourneaux au centre de la Guerche.
    Nevers 1886.
  • Wolters, J., Sur les conditions techniques et économiques actuelles de la fabri-
    cation des poutrelles ou fers I en Belgique, la minerai et le charbon étant
    pris comme points de départ. Liège 1886.
  • Heinzerling, F., und O. Intze, Deutsches Normalprofilbuch für Walzeisen, 3. Aufl.
    Aachen 1886. 5. Aufl. 1897.
  • Ehrenwerth, Jos. von, Steyermarks Eisenindustrie. Graz 1890.
  • Kneebusch, Dr., Industrie und Verkehr in Westfalen. Dortmund 1890.
  • Wedding, Dr. H., Mitteilungen über das Eisenhüttenwesen in den Südstaaten
    der Vereinigten Staaten von Nordamerika. 1890.
  • Peter, Max, Adreſsbuch der deutschen Maschinenindustrie, Eisen-, Stahl- und
    Montanwerke, für 1890. Dresden.
  • Gayley, James, Le développement des hauts-fourneaux américains, trad. d.
    Albert Dekan, Liège 1891.
  • Reichsadreſsbuch deutscher Industrie- und Handelsfirmen, Bd. I: Montan- und
    Metallindustrie, Maschinen, Apparate, bearbeitet von Dr. H. Rentzsch.
    Leipzig, O. Spamer.
  • Hutton, William R., The Washington Bridge. New York 1891.
  • Berger, L., Der alte Harkort. Leipzig 1891.
  • Riemann, W., Der Bergbau- und Hüttenbetrieb der Lahn-, Dill- und benach-
    barten Reviere. Wetzlar, 2. Aufl. 1894.
  • Bayard, Paul, La Métallurgie du fer dans le Sud de la Russie (aus Rev. industr.
    des Mines).
  • Gouvy, Alexandre, Étude sur la Sidérologie de la Haute Silésie. St.-Étienne 1894.
  • Swank, J. M., Statistics of the American and Foreign Iron trades. Österreich.
    Montan-Handbuch. Wien 1895.
  • Adreſsbuch deutscher Maschinenindustrie, Eisen-, Stahl- und Metallwerke, 2. Aufl.
    Dresden 1896.
  • Palzen, Charles, La Métallurgie du fer et de l’acier en Russie. Louvain 1896.
  • Gouvy, A., Les Progrès de la fabrication de la Fonte en Allemagne depuis
    1882 à 1896.
  • Schulze, Industriekarte des Oberschlesischen Berg- und Hüttenvereins. 1896.
  • Seidel, R., Die königl. Eisengieſserei zu Gleiwitz. Berlin 1896.
  • Wedding, Dr. H., Die Eisenerze an der Nordküste von Spanien in den Provinzen
    Viscaya und Santander. Berlin 1897.
  • Lemberg, Heinr., Die Eisen- und Stahlwerke, Maschinenfabriken und Gieſsereien
    des niederrheinisch-westfälischen Industriebezirks. Leipzig 1897.
  • Hammerschmidt, O., Die rheinisch-westfäl.-thüringischen Bezugsquellen. Hagen.
  • Sievers, Übersichtskarte der Berg- und Hüttenwerke des Oberbergamtsbezirks
    Dortmund, 8. Auflage. Essen, Bädeker, 1897.

[333]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.
  • Die deutsche Montanstatistik, Eisen-, Stahl- und Metallwerke, sowie Maschinen-
    und elektrische Fabriken im Besitze von Aktiengesellschaften. Leipzig 1898.
  • Paul Raschdorffs Handkarte des oberschlesischen und österreichisch-schlesischen
    und russisch-polnischen Berg- und Hüttenreviers. Kolberg.
  • Schroedter, E., Die Deckung des Erzbedarfs der deutschen Hochöfen in Gegen
    wart und Zukunft. 1896.
  • Association des Maîtres de Forge de Charleroi. Rapport général sur la situation
    de l’Industrie Minérale en 1895.
  • Mehrtens, G., Der deutsche Brückenbau im 19. Jahrhundert. 1900.
  • Mehrtens, L., Eiserne Dächer und Hallen in England. 1900.

Jahresberichte. Kalender.


  • Kerpely, A. von, Bericht über die Fortschritte der Eisenhüttentechnik. (Fort-
    gesetzt von Th. Beckert.)
  • Berg- und Hüttenkalender. Essen.
  • P. Stühlens Ingenieurkalender für Maschinen- und Hüttenkunde. Essen, Bädeker.
  • Fehlands Ingenieurkalender, herausgeg. von Beckert, Berlin, Springer.
  • Uhlands Kalender für Maschinen-Ingenieure.
  • Weisbachs Ingenieur. Neu aufgelegt von Dr. F. Reuleaux. 1897.
  • Des Ingenieurs Taschenbuch. Herausgeg. von dem Verein „Hütte“.
  • Heuſsinger-Waldegg, von, Kalender für den Eisenbahntechniker.
  • Deutscher Schlosser- und Schmiedekalender.
  • Glück auf! Kalender von Franz Kieslinger.
  • Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich.
  • The Ironmonger, Diary and Text-Book (seit 1868).
  • Österreich-ungarischer Berg- und Hüttenkalender.
  • Annuaire 1895/96 éd. d. Comité des Forges de France (Frischhütten).
  • Weidtmann, Dr. jur., Jahrbuch für den Oberbergamtsbezirk Dortmund.
    Essen 1897.
  • Statistisches Jahrbuch des K. K. österreich. Ackerbau-Ministeriums.
  • Annual Statistical Report of the Secretary of the American Iron and Steel Asso-
    ciation.
  • Repertorium der technischen Litteratur. Herausgegeben vom Kaiserl. deutschen
    Patentamt. Berlin, Heymann.
  • Rothwell, Rich. P., The mineral Industry in the United States and other
    countries. New York and London. (Jahrbuch.)
  • Birkinbine, John, The Production of Iron Ores in various Parts of the World.
    Washington. (Jahrbuch.)
  • Berg- und hüttenmännisches Jahrbuch der. K. K. Montan-Lehranstalten zu Leoben
    und Přibram.
  • Jahresbericht des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamts-
    bezirk Dortmund.
  • Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen. Freiberg.
  • Notes et Formules de l’Ingénieur, du Métallurgiste etc. Paris, E. Bernard \& Co.
    (seit 1887).

Über die fachmännischen Abhandlungen in technischen Zeitschriften finden
sich Auszüge und Verzeichnisse in:


  • A. Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde unter „Litteratur“ bei den ver-
    schiedenen Abschnitten;
  • der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen Staate unter
    der Überschrift „Litteratur“;
  • der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure unter „Zeitschriftenschau“.

[334]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.

Zeitschriften.


  • Annales des mines. Paris.
  • Berg- und Hüttenmännische Zeitung. Freiberg.
  • Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen Staate.
  • Österreichische Zeitschrift für das Berg- und Hüttenwesen.
  • Zeitschrift für Gewerbe, Handel und Volkswirtschaft, mit besonderer Berück-
    sichtigung des Berg- und Hüttenwesens (herausgegeben vom Oberschlesischen
    Verein).
  • Zeitschrift des Vereins deutscher Eisenhüttenleute. Düsseldorf (1881 bis 1883
    I. bis III. Jahrgang).
  • Stahl und Eisen. Zeitschrift für das deutsche Eisenhüttenwesen. Düsseldorf
    (seit 1881).
  • Der Berggeist. Zeitung für Berg-Hüttenwesen und Industrie. Köln.
  • Zeitschrift des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins. Breslau
    und Beuthen.
  • Zeitschrift des Berg- und Hüttenmännischen Vereins für Steiermark und Kärnten
    (von Höfer und Fuchs). Klagenfurt, seit 1869.
  • Mitteilungen des Vereins für die berg- und hüttenmännischen Interessen des
    Aachener Bezirks.
  • Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure.
  • Der Civilingenieur.
  • Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleiſses.
  • Revue universelle des mines, de la métallurgie, des travaux publics etc. (de Cuyper
    et Habet). Paris et Liège, seit 1867.
  • Bulletin de la Société de l’industrie minérale. St.-Étienne.
  • The Mining Journal. London.
  • The Journal of the Iron and Steel Institute. London, seit 1876.
  • Comptes rendus mensuels des réunions de la société de l’industrie minérale. Paris,
    seit 1878.
  • Iron, the illustrated weekly Journal of Science, Metals and Manufactures in Iron
    and Steel. London.
  • Engineering. London.
  • Practical Mechanics Magazine.
  • The Engineering and Mining Journal. New York.
  • Transactions of the American Institute of Mining Engineers. Seit 1871.
  • Journal of the Franklin Institute.
  • Die Eisenzeitung von Wilh. Kirchner. Seit 1880 in Berlin.
  • The Metallographist, von Alb. Sauveur. Boston.

Einen wichtigen Zweig der technischen Litteratur bilden endlich
auch die Patentverschreibungen, deren Zahl mit den Patenten
in dieser Periode eine auſserordentliche Steigerung erfuhr. Hierzu
trugen die Fortschritte der Patentgesetzgebung bei.


England, die Heimat des Patentwesens, hatte 1852 ein neues
Patentgesetz erlassen, welches am 1. Oktober in Kraft trat. Während
die Gesamtzahl der Patente von 1617 bis 1852 nur 14359 betragen
hatte, wurden in den folgenden 16 Jahren, 1853 bis 1869, 55886
neue Patente erteilt. Seitdem ist die Zahl der Anmeldungen und
Patentverteilungen von Jahr zu Jahr gewachsen. 1893 wurden rund
17000 Patente bewilligt.


[335]Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870.

Noch stärker war die Zunahme der Patente in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika. Dort war an Stelle des Gesetzes vom
4. Juli 1836 am 4. März 1861 ein neues Patentgesetz getreten. Die
Zahl der erteilten Patente betrug: 1855 2024, 1860 4819, 1865 6616,
1867 13015, 1889 22080. In der Zeit von 1877 bis 1896 wurden auf
Grund von 655806 Anmeldungen 390700 Patente erteilt.


Die Zahl der jährlichen Anmeldungen ist von 765 im Jahre
1840 auf 40753 im Jahre 1892 gestiegen. Die Zahl der öffentlichen
Patente betrug Ende 1850 12421, Ende 1892 491507.


In Frankreich war am 5. Juli 1844 ein neues Patentgesetz in
Wirksamkeit getreten. Die Zahl der Patente betrug: 1852 2855,
1854 4088, 1856 4400, 1859 5439.


In Österreich trat am 15. August 1852 ein verbessertes Patent-
gesetz in Kraft. Dasselbe beruht, wie das französische, auf dem
Anmeldesystem, während in Deutschland, England und den Ver-
einigten Staaten die Vorprüfung besteht. Die Zahl der 1864 bis 1870
erteilten Patente betrug im jährlichen Durchschnitt 676, im ganzen
4734.


Ein neues Patentgesetz ist mit dem 1. Januar 1899 in Kraft
getreten.


In Deutschland war die Patentgesetzgebung in den einzelnen
Bundesstaaten durchaus verschieden. In Preuſsen war die Patent-
ordnung vom 14. Oktober 1815 sehr ungünstig für den Erfinder, so
daſs sie mehr die Beschränkung als die Förderung von Erfindungen
bewirkte. Dies wurde vollständig geändert durch das Patentgesetz
des Deutschen Reiches vom 25. Mai 1877 und die Novelle vom
7. April 1891. Hierdurch wurde den Erfindern derselbe Schutz
und dieselben Vorteile gewährt wie in den übrigen Industrieländern.
Die Folge war, daſs die Zahl der Erfindungen und der Erfindungs-
patente eine auſserordentliche Zunahme erfuhr zum Nutzen der
deutschen Industrie und zum Vorteil des Deutschen Reiches.


Die Zahl der erteilten Patente betrug:


  • 1877   190
  • 1878   4200
  • 1879   4410
  • 1880   3966
  • 1881   4339
  • 1882   4131
  • 1883   4848
  • 1884   4459
  • 1885   4018
  • 1886   4008
  • 1887   3882
  • 1888   3923
  • 1889   4406
  • 1890   4680
  • 1891   5550
  • 1892   5900
  • 1893   6430
  • 1894   6280
  • 1895   5720
  • 1896   5410
  • 1897   5440

[336]Chemie seit 1870.

Die Zahl der Anmeldungen von 1877 bis 1893 betrug 157186,
der erteilten Patente 73340. Im September 1898 wurde das 100000.
Patent auf Grund von rund 220000 Anmeldungen erteilt.


In den Vereinigten Staaten hatte Ende 1899 die Menge der
Patente die Zahl 600000 überschritten.


Da zu jedem Patent eine Patentverschreibung gedruckt und ver-
öffentlicht wird, so läſst sich aus den vorstehenden Zahlen ermessen,
welchen Umfang diese Litteratur erlangt hat.


Chemie.


Die Chemie hat zu den groſsen Fortschritten der Eisenindustrie
seit 1870 in hervorragender Weise beigetragen. Sie durchdringt und
beherrscht jetzt alle metallurgischen Betriebe in einer Weise, wie man
es früher nicht gekannt hat. Ihr Einfluſs hat sich besonders nach
zwei Richtungen hin geltend gemacht, erstens in der theoretischen
Begründung der Eisenhüttenkunde, zweitens in der praktischen
Kontrolle des Eisenhüttenbetriebes.


Zu der theoretischen Begründung gehören die genaueren
Kenntnisse der Konstruktion der Eisenarten, des Verhaltens und des
Einflusses der wichtigsten Gemengteile, besonders des Kohlenstoffs,
Siliciums, Phosphors, Schwefels und Mangans, der Gase, welche in
Eisen und Stahl gelöst sind, der metallurgischen Vorgänge, insbesondere
bei dem neu erfundenen Thomasprozeſs, der Wärmechemie u. s. w.


Die praktische Kontrolle des Betriebes durch die Chemie
ist eine viel weitergehende geworden wie früher. In den fünfziger
Jahren sah man das Hüttenlaboratorium, das man nur auf Hochofen-
werken antraf, noch als eine Art von Luxus an, den sich nur die
gröſseren Hütten gestatten konnten. Auch in den sechziger Jahren
blieben die Hüttenlaboratorien meist auf die Hochofenwerke beschränkt,
wo ihre Aufgabe darin bestand, die Qualität der Erze, Zuschläge und
Brennmaterialien und die richtige Beschickung der Hochöfen zu
kontrollieren. Roheisenanalysen wurden nur ausnahmsweise vor-
genommen, und man beschränkte sich in der Regel auf die qualitative
Ermittelung eines der als schädlich angesehenen Stoffe. Mit der
wachsenden Bedeutung der Fluſseisenfabrikation wuchs aber auch die
Bedeutung der Analyse des Roheisens als deren Rohstoff, von dessen
Zusammensetzung das Gelingen des Prozesses und die Qualität des
Endproduktes abhängig war. Allmählich wurde die Roheisenanalyse
der Angelpunkt der Betriebskontrolle. Nach ihr wurde der Hochofen-
[337]Chemie.
betrieb abgeändert, nach ihr muſste die Fluſseisenfabrikation ein-
gerichtet werden. Auch für den Roheisenhandel wurde die chemische
Analyse unentbehrlich. Für das Fabrikat selbst blieb zunächst die
mechanische Prüfung nach dem Zweck der Verwendung maſsgebend,
da diese aber in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung
abhängig war, so bildete auch für diese die Analyse die unentbehr-
liche Kontrolle.


Wenden wir uns zu den Fortschritten der Metallurgie des
Eisens
1), welche wir der Chemie in den letzten 25 Jahren verdanken,
so müssen wir vor allem die Nebenbestandteile des Eisens einzeln
betrachten.


Von diesen ist der Kohlenstoff bei weitem der wichtigste, denn
er bedingt am meisten die Eigenschaften der verschiedenen Eisen-
arten. Sämtliche zur Verwendung kommenden Eisenarten sind Eisen-
Kohlenstoffverbindungen (Legierungen oder Lösungen), und es ist der
Kohlenstoff nicht als ein fremder Bestandteil derselben anzusehen.
Das Eisen vermag Kohlenstoff nur in beschränkter Menge aufzulösen.
Bestimmte einfache Eisen-Kohlenstoffverbindungen sind bis jetzt nicht
mit entschiedener Sicherheit nachgewiesen, wenn auch ihre Existenz
wahrscheinlich ist. Das von Karsten angenommene Viertelkarburet
Fe4 C, welches das Spiegeleisen bilden soll, besteht für sich nicht, indem
das reine Eisen nicht so viel Kohlenstoff aufzunehmen vermag, als dieser
Verbindung entsprechen würde. Es müſsten dies 5,08 Prozent sein.
Percy hatte durch die sorgfältigen Versuche seiner Assistenten Dick
und Hochstätter im Jahre 1862 bereits gezeigt, daſs reines Eisen
so viel Kohlenstoff nicht aufzulösen vermag; Dick fand 4,56 Prozent,
Hochstätter 4,63 Prozent als Maximum. Mannesmann erhielt im
Jahre 1879 durch rasches Glühen von reinstem Schmiedeeisen in
Holzkohle bei starker Weiſsglut eine Rinde von weiſsem Roheisen mit
4,76 Prozent Kohlenstoff. Saniter erhielt beim Schmelzen von
reinem Eisendraht mit Lampenruſs und gebranntem Kalk in einem
Tiegel einen Metallkönig mit 4,81 Prozent Kohlenstoff 2).


Bei sehr hoher Temperatur nimmt die Lösungsfähigkeit allerdings
zu. Nach Moissan löst Eisen bei 3500° C. 40 Prozent Kohlenstoff.


Ganz anders verhält sich diese Lösungsfähigkeit bei gleichzeitiger
Anwesenheit anderer Substanzen. Die Gegenwart gewisser Metalloide,
Beck, Geschichte des Eisens. 22
[338]Chemie.
besonders des Siliciums oder Schwefels, vermindert dieselbe, während
die Anwesenheit verschiedener Metalle, insbesondere des Mangans und
des Chroms, dieselbe erhöht. Die gröſsere Lösungsfähigkeit des
Kohlenstoffs bei Gegenwart von Mangan kommt bei dem Spiegel-
eisen zur Geltung, welches bei einem Gehalt von 10 bis 20 Prozent
Mangan oft 5 Prozent und mehr Kohlenstoff enthält. Ferromangan
mit 35 Prozent Mangan kann 5,5 Prozent, mit 50 Prozent Mangan
6 Prozent, mit 80 Prozent Mangan 7 Prozent, mit 90 Prozent 7,5 Pro-
zent Kohle enthalten. Noch stärker steigert Chrom die Lösungs-
fähigkeit des Kohlenstoffs im Eisen. Brustlein fand 1886, daſs
Chromeisen mit 42 Prozent Chrom 7,3 Prozent Kohlenstoff enthielt 1).
Riley2) fand 1888 in Chromeisen bei 18 Prozent Chrom 5,8 Prozent
Kohle, bei 47,7 Prozent Chrom 7,2 Prozent Kohle, bei 49,3 Prozent
Chrom 7,8 Prozent Kohle. v. Jüptner giebt die Lösungsfähigkeit
von Mangan auf 7,75, von Chrom auf 11,60 Prozent Kohlenstoff an 3).


Zahlreiche Untersuchungen sind in diesem Zeitraume über den
Verbindungszustand des Kohlenstoffs im Eisen gemacht worden
und haben zu wichtigen Ergebnissen geführt. Schon Karsten hatte
neben dem Graphit und dem gelösten Kohlenstoff, der „Härtungs-
kohle
“, die Existenz eines Kohlenkarburets im Eisen behauptet 4).
Caron und Rinman fanden Karstens Annahme bestätigt und letzterer
gab dieser Kohleneisenverbindung, weil er sie im Cementstahl nach-
gewiesen hatte, den Namen „Cementkohle“.


Spätere Forscher wählten statt dessen die bessere Bezeichnung
Karbid. Besonders war es Fr. Abel in England, dem es zuerst
1885 gelang, die Zusammensetzung des Eisenkarbids genauer nach-
zuweisen 5). Er fand in demselben 6,92 bis 7,12 Prozent Kohlenstoff,
so daſs es der Verbindung Fe3 C, welche schon Karsten vermutet
hatte, am nächsten kommt. Osmond und Werth in Frankreich,
Fr. C. G. Müller6) und A. Ledebur in Deutschland kamen zu ähn-
lichen Ergebnissen und die mikroskopischen Untersuchungen Sorbys
und anderer bestätigten die Existenz des Eisenkarbids. Neuerdings
haben J. O. Arnold und A. A. Read7), sowie H. Behrens und
[339]Chemie.
A. R. van Linge1) weitere Beweise dafür und für die Zusammen-
setzung Fe3 C erbracht. Mylius, Foerster und Schöne2) wiesen
durch genaue chemische Analyse die Zusammensetzung des Eisen-
karbids aus 93,33 Tln. Eisen und 6,66 Tln. Kohlenstoff entsprechend
der Formel Fe3C nach. Chemisch zeigt das Karbid ein anderes Ver-
halten als Graphit und Härtungskohle, besonders gegen Säuren, und
läſst sich dadurch von diesen abscheiden.


Die Entstehung des Eisenkarbids ist eine Frage von groſser
Bedeutung, da sie in engster Beziehung steht zu den Verbindungs-
zuständen der Kohle im Eisen überhaupt und zu den Eigenschaften
des Eisens und Stahls. Die Thermochemie, welche in dieser Periode
eine groſse Bedeutung für die Eisenhüttenkunde erlangte, hat hier-
über Aufschluſs gegeben, besonders durch die epochemachenden
Untersuchungen von Osmond.


Den Stahlschmieden war es längst bekannt, daſs es gewisse
Hitzegrade giebt, bei denen Stahl unter dem Hammer brüchiger
erscheint als sonst, die man deshalb beim Schmieden vermeiden
muſs. Der Schwede Brinell sprach 1884 zuerst die Ansicht aus,
daſs die Wärmeentbindung, welche sich beim Abkühlen eines glühen-
den Eisenstahls an der Grenze der Rotglut durch ein schwaches
Aufleuchten und eine Verzögerung der Abkühlung bemerkbar macht,
auf bei dem Übergang der Härtungskohle in Karbidkohle frei-
werdende Wärme zurückzuführen sei. Dies gab die Anregung zu
zahlreichen Untersuchungen, namentlich zu der gründlichen Arbeit
von Osmond und Werth, Théorie cellulaire des propriétés de l’acier
von 1885 (Ann. des Mines, sér. 8, t. 8, p. 5 bis 84), welcher F. Osmond
in den folgenden Jahren noch mehrere Abhandlungen 3) folgen lieſs.
Aus diesen Untersuchungen ergab sich, daſs es beim Erhitzen und
beim Abkühlen erhitzten Eisens verschiedene Punkte giebt, bei denen
Verzögerungen der Wärmeabgabe oder Aufnahme stattfinden und die
Osmond, weil sie wegen der Festigkeitsabnahme bei der Bearbeitung
gefährlich sind, „kritische Punkte“ nannte. Sie sind wohl auf die
Abscheidung oder Umwandlung des Kohlenstoffs in seine verschiedenen
Verbindungen im Eisen zurückzuführen. Osmond selbst kam allerdings
22*
[340]Chemie.
nicht zu diesem Schluſs. Er stellte vielmehr die Theorie auf, es gäbe
zwei allotropische Zustände des Eisens, die er mit α- und β-Eisen
bezeichnet, welche nicht nur durch die Übergänge des einen in den
anderen die kritischen Punkte hervorriefen, sondern aus deren
Mischung und Übergang sich überhaupt alle die verschiedenen Eigen-
schaften der Eisen- und Stahlsorten erklären lieſsen. α-Eisen ist bei
gewöhnlicher Temperatur stabil, β-Eisen entsteht erst bei Tempe-
raturen über etwa 700° C. Dem Kohlenstoff würde hiernach nur eine
nebensächliche Bedeutung zukommen. Diese Theorie, die mit der
Erfahrung nicht übereinstimmt, hat in dieser einseitigen Form nur
teilweise Anklang gefunden. Wohl aber haben Osmonds Unter-
suchungen die Anregung zu wichtigen Arbeiten über die kritischen
Punkte und die Umwandlung der Kohlenstoff-Eisenverbindungen ge-
geben, von denen wir die von Pionchon, Forquignon, Ledebur1),
Fr. C. G. Müller2), Howe3), H. von Jüptner, Arnold, Sauveur,
Roozeboom
4) hervorheben. Das Ergebnis derselben kann kurz, wie
folgt, zusammengefaſst werden.


Der Kohlenstoff des Eisens ist im flüssigen Zustande desselben
gelöst in der ganzen Masse gleichmäſsig verteilt. Ist das Eisen mit
Kohlenstoff ganz oder nahezu gesättigt und ist die Schmelzung bei
hoher Temperatur erfolgt, so daſs die Bedingungen zur Bildung von
grauem Roheisen gegeben sind, so zeigt sich nach dem Erstarren bei
etwa 1070° C. ein erster kritischer Punkt und findet hierbei die Aus-
scheidung eines Teils des gelösten Kohlenstoffs als Graphit statt. Bei
weiterer Abkühlung findet bei etwa 700° C. von neuem eine Wärme-
verzögerung oder Wärmeabgabe statt. Dieser kritische Punkt liegt bei
kohlenstoffarmem Eisen höher, bei 725° C., bei Stahl von mindestens
0,5 Prozent niedriger, bei 670° C. Es befindet sich hier der zweite
und für die Bearbeitung wichtigste „kritische Punkt“, bei dem der
Übergang eines Teils des Härtekohlenstoffs in Karbid stattfindet. Daſs
dies wirklich der Fall ist, wurde durch chemische Analysen nach-
gewiesen. Der ersterwähnte kritische Punkt läſst sich nur bei Roh-
eisen beobachten, weil nur dieses Graphit ausscheidet, der zweite
Punkt dagegen erscheint bei allen Eisensorten, bei den kohlenstoff-
reicheren härteren Stahlsorten aber deutlicher als bei kohlenstoff-
armem, weichem Eisen.


[341]Chemie.

Bei verschieden zusammengesetzten Eisensorten weichen auch die
Wärmegrade der kritischen Punkte voneinander ab, so daſs die an-
gegebenen Zahlen von 1070° und 700° nur mittlere Werte sind.
Ferner haben genaue Beobachtungen bei verschiedenen Eisensorten
auch noch andere „kritische Punkte“ ergeben, deren Ursachen in
ähnlichen Umlagerungen anderer Bestandteile des Eisens liegen
werden, die aber noch nicht genügend aufgeklärt sind. Neuere
Forschungen bestätigen immer mehr, daſs die Eisensorten Legierungen
von Eisen und Eisenkohlenstoffverbindungen sind, wobei sowohl der
Kohlenstoff wie das Eisen bei verschiedenen Temperaturen verschiedenes
Verhalten zeigen. Das Nähere hierüber folgt im nächsten Kapitel.


Neben den drei allgemein angenommenen Kohlenstoffformen im
Eisen, Graphit, Karbid und Härtekohle, unterscheidet man vielfach,
in Deutschland jetzt allgemein, auf A. Ledeburs Veranlassung (1888) 1)
noch einen vierten Zustand, der als „Temperkohle“ bezeichnet
wird. Glüht man kohlenstoffreiches, manganarmes, weiſses Eisen
längere Zeit, so scheidet sich — nach Roystons Versuchen 2) zwischen
720 und 820° C. — ein Teil des gebundenen Kohlenstoffs als fein-
verteiltes schwarzes Pulver aus. Da das zurückbleibende Eisen weich
wird und dieser Vorgang bei dem Tempern der Guſswaren verwendet
wird, so hat Ledebur diese Form der Kohle Temperkohle genannt.
Gegen Säuren verhält sich die Temperkohle wie Graphit. Sie löst
sich auch in kochenden Säuren nicht, sondern wird als schwarzes
Pulver abgeschieden. Von Graphit unterscheidet sie sich aber durch
ihre amorphe Form und dadurch, daſs sie mit Eisenoxyd und ähn-
lichen oxydierenden Verbindungen geglüht zu Kohlenoxyd verbrannt
wird. Beim Glühen in trockenem Wasserstoff entweicht sie nach
Forquignons Versuchen als Kohlenwasserstoff 3). Letztgenannter
Forscher fand auch, daſs die Ausscheidung von Temperkohle beim
Glühen von weiſsem Eisen auch im Vakuum stattfand 4). Andere
Metallurgen haben für die Eisen-Kohlenstoffverbindungen andere Ein-
teilung und andere Namen gewählt, auf die wir später zurückkommen.
Nach L. D. Campbell tritt das Eisenkarbid in verschiedenen Poly-
merien von der Form CnFe3n auf. Moissan wies Diamanten in
kohlenstoffhaltigem Eisen, welches stark über seinen Schmelzpunkt
erhitzt war 5), nach und stellte künstliche Diamanten auf diesem Wege
[342]Chemie.
dar. Franck will sogar in gewöhnlichem Stahl Diamanten gefunden
haben 1).


Während der Kohlenstoff ein wesentlicher Bestandteil aller in
der Praxis verwendeten Eisenarten ist, sind Silicium, Phosphor
und Schwefel unwesentliche Beimengungen, die im Endprodukt in
der Regel als Verunreinigungen anzusehen sind. Die Zunahme der
Verwandtschaft zum Eisen ist in der Reihe: Silicium, Phosphor
Schwefel, Kohlenstoff ausgedrückt. Doch gilt dies nur für Roheisen-
schmelzhitze und wenig darüber, bei hoher Hitze ändert sich das
Verhältnis, indem dann die Verwandtschaft der Kohle abnimmt, so
daſs unter Umständen Silicium den Kohlenstoff verdrängt. Auch
diese unwesentlichen Beimengungen sind von hoher praktischer Be-
deutung.


Über das Verhalten des Siliciums sind in den letzten 25 Jahren
wichtige Untersuchungen veröffentlicht worden, besonders von
Gautier2), W. Mrázek3), T. Turner4), Jüngst5), R. A. Had-
field
6), F. C. G. Müller und A. Ledebur. Die Association for the
advancement of Science in England lieſs 1893 durch eine besondere
Kommission, bestehend aus Tilder, W. Ch. Roberts-Austin und
T. Turner, Bericht erstatten über den Einfluſs des Siliciums auf
Eisen und Stahl.


Die Ergebnisse dieser Arbeiten lassen sich kurz wie folgt zu-
sammenfassen. Das Silicium zeigt in seinem Verhalten zu dem Eisen
eine gewisse Analogie mit dem Kohlenstoff. Es beeinfluſst das Eisen
wie dieser, nur schwächer. Indessen kann Silicium den Kohlenstoff
nicht ersetzen. Auch hat sich die frühere Annahme, daſs Silicium in
zwei Modifikationen im Eisen enthalten sei, wovon die eine dem
Graphit entspräche und wie dieser und in ähnlicher Form aus-
geschieden werde, nicht bestätigt.


Silicium kann sich in unbegrenzten Mengen mit dem Eisen ver-
binden oder legieren. Hierbei wird nach Troost und Hautefeuille7)
Wärme entwickelt, was bei der Vereinigung von Eisen und Kohle
nicht nachgewiesen ist. Moissan hat hochsiliciumhaltige Eisensilicide
im elektrischen Ofen dargestellt. 26 prozentige Silicide lassen sich
[343]Chemie.
noch im Tiegel schmelzen, solche mit mehr als 32 Prozent nur im
elektrischen Ofen. Auf den Holcomb Roch Works (U. S.) wird ein
von Chalmot entworfener kontinuierlicher elektrischer Ofen zur Dar-
stellung von Ferrosilicium im groſsen verwendet. Für die Praxis
kommen nur die Silicium-Eisenlegierungen bis zu 16 Prozent Silicium
in Betracht, die im Hochofen geschmolzen werden. Die Silicium-
Eisenlegierungen sind weiſs.


Enthält Eisen mehr als 5 Prozent Silicium, so wird es als Ferro-
silicium bezeichnet. Die nächstniedrige Stufe wird „Schwarzeisen“
benannt, das sogenannte „Glanzeisen“ hat nach Gautier in der Regel
mehr als 4 Prozent Silicium. Moissan, Carnot und Goutal wollen
bestimmte Eisensilicide, besonders eins nach der Formel Si Fe2 gefunden
haben 1). Das Silicium hat die Eigenschaft, den Kohlenstoff bei mehr
als 2 Proz. Gehalt als Graphit aus dem Eisen auszuscheiden. Es kann
den gebundenen Kohlenstoff ganz verdrängen, so daſs siliciumreiches
Eisen Kohlenstoff nur noch als Graphit enthält. Da die Verwandt-
schaft des Eisens zu Silicium bei der hohen Erzeugungstemperatur
des Gieſsereieisens eine sehr groſse ist, und die Reduktion bei gleich-
zeitiger Anwesenheit von Kohle und Eisen leicht von statten geht, so
giebt es in der Praxis kein Gieſsereiroheisen, welches frei von Silicium
ist. Der Gehalt desselben beträgt oft 4 bis 5 Prozent, wie z. B. bei
englischem von Clarence (4,37 Prozent).


Der Siliciumgehalt des Eisens ist für manche metallurgische
Operationen von groſser Wichtigkeit. Im Bessemerroheisen bildet das
Silicium den wichtigsten Heizstoff für die Operationen im Konverter.
Für die Eisengieſserei ist ein hoher Siliciumgehalt ebenfalls oft vorteil-
haft, um mehr Brucheisen und Weiſseisen einschmelzen zu können,
und zu diesem Zwecke wird seit neuerer Zeit häufig Ferrosilicium als
Zusatz verwendet (Gautier, Turner, Jüngst). Bei der Stahlfabri-
kation ist ein Zusatz von siliciumreichem Eisen nützlich und not-
wendig, um blasenfreie Güsse zu erzeugen. Es wirkt nämlich Silicium
auf das absorbierte Kohlenoxydgas zersetzend (nach Gautier nach
der Formel: 2 CO + Si = Si O2 + C). Das Silicium schützt ferner
den Kohlenstoff im Eisen und Stahl vor Verbrennung.


Aus alledem folgt, daſs ein Siliciumgehalt in manchen Roh- und
Zwischeneisensorten erwünscht und vorteilhaft sein kann. Im End-
produkt ist dagegen ein Siliciumgehalt nie von Nutzen. Ein Hundert-
teil beeinträchtigt das Dehnungsvermögen des Stahls und macht ihn
rotbrüchig.


[344]Chemie.

Auf Fluſseisen wirkt es nach Turner1) wie folgt:


„Silicium giebt ein blasenfreies Fluſseisen und vermehrt, wie der
Kohlenstoff, Festigkeit und Härte. Ein Gehalt von mehr als 0,15 Proz.
macht das Fluſseisen rotbrüchig und ungeeignet zum Walzen. Zuweilen
macht es das Fluſseisen kaltbrüchig. Silicium macht Fluſseisen dicht
(sound), jedoch ist jeder Überschuſs zu vermeiden, da sonst Brüchig-
keit und geringe Dehnbarkeit erfolgen; 0,3 Prozent gilt noch als
zulässig.“


Nach Snelus macht ein Siliciumgehalt von 0,1 Prozent Fluſs-
eisen schon hart und kaltbrüchig. Wo es hauptsächlich auf die
Härte ankommt, wie vielfach beim Stahl, ist ein etwas höherer
Siliciumgehalt in Verbindung mit einem entsprechenden Kohlengehalt
statthaft. So verlangen die englischen Stahlfabrikanten bei mehr als
0,2 Procent Silicium ein Heruntergehen des Kohlenstoffs unter
0,35 Prozent. Guter Werkzeugstahl kann 0,5 bis 0,8 Prozent Silicium
enthalten (Müller) 2).


Den Phosphor sah man früher unter allen Umständen als eine
nachteilige Beimischung, als einen Feind des Eisens an. Durch die
wichtige Entdeckung des Thomasverfahrens (1879) ist das Ansehen
des Phosphors gestiegen. Dieser Prozeſs verlangt ein phosphorreiches
Roheisen; infolgedessen wurden die vorher wertlosen phosphorhaltigen
Puddelschlacken ein gesuchtes Material und phosphorreiche Eisenerze
stiegen im Preise. Das Verhalten des Phosphors zum Eisen wurde
genau studiert. Diese Untersuchungen ergaben in Kürze das Folgende:
Phosphor verbindet sich mit dem Eisen in allen Verhältnissen bis
etwas über 26 Prozent. Hilgenstock fand 25,65 Prozent, Brackels-
berg
3) 26,36 Prozent als Maximum. Es bildet aber Phosphor mit
dem Eisen im Gegensatz zum Silicium eine Anzahl bestimmter
chemischer Verbindungen, Phosphide. Von diesen ist das Drittel-
phosphoreisen, Fe3 P (entsprechend dem Eisenkarbid Fe3 C) das feuer-
beständigste und als ein Gemengteil mancher Roheisensorten nach-
gewiesen. Leopold Schneider hat es (1886) aus acht Roheisensorten
durch Behandlung mit Kupferchlorid abgeschieden 4). Leopold
Schneider
5) und Hans von Jüptner6) haben neben diesem Eisen-
phosphid auch ein Manganphosphid, Mn3 P2, in manchen Eisensorten
[345]Chemie.
nachgewiesen. von Jüptner unterscheidet schädlichen oder Härtungs-
phosphor, der hauptsächlich den Kaltbruch erzeugt, und Phosphid-
phosphor und erklärt daraus die verschiedenen Erscheinungen,
welche Eisensorten von gleichem Phosphorgehalt zeigen. Carnot
und Goutal1) haben dagegen im gehärteten wie im ungehärteten
Stahl Phosphor und Phosphid (Fe3 P) gefunden. Neuerdings hat
J. E. Stead2) wichtige Untersuchungen über Eisen und Phosphor
angestellt.


Phosphor hat eine groſse Verwandtschaft zu Eisen und die Phos-
phorsäure wird in der Hitze durch Eisen und Kohle leicht reduziert.
Finkener und Hilgenstock haben sogar nachgewiesen, daſs Eisen
im Überschuſs Phosphor aus Phosphorsäure zu reduzieren vermag. Die
Verwandtschaft wächst mit der Temperatur, weshalb es früher möglich
war, bei dem Rennfeuerprozeſs aus phosphorreichen Erzen phosphor-
armes Eisen zu erzeugen, während umgekehrt in den hohen Tempe-
raturen unserer heutigen Hochöfen fast aller Phosphor aus der Be-
schickung in das Roheisen übergeführt wird.


Daſs der Phosphor das Eisen kaltbrüchig macht, ist eine all-
gemein bekannte Thatsache. Er beeinträchtigt die Festigkeit des
Eisens, besonders in gewöhnlicher Temperatur, und die Kaltbrüchig-
keit nimmt zu mit dem Gehalt an gebundenem Kohlenstoff. Howe
hat hierüber Untersuchungen veröffentlicht 3).


Desgleichen ist es längst bekannt, daſs Phosphor den Schmelz-
punkt des Roheisens erniedrigt. Dadurch ist phosphorhaltiges
Gieſsereieisen leicht- und dünnflüssiger, was für Kunst- und Geschirr-
guſs benutzt wird. Dagegen steigert Phosphor die Härte des Eisens,
jedoch nicht in dem Maſse wie Kohlenstoff. Die Härtbarkeit läſst bei
gleichem Kohlenstoffgehalt mit steigendem Phosphorgehalt nach 4).
Phosphorhaltiges Eisen zeigt ein grobkrystallinisches Gefüge. — Wie
das Silicium ist der Phosphor in allen Endprodukten ein nachteiliger
Bestandteil des Eisens.


Die groſse Verwandtschaft des Eisens zu Schwefel und die
schlimme Eigenschaft desselben, das Eisen rotbrüchig zu machen, sind
längst bekannt, ebenso aber auch, daſs beim Schmelzen der Kalk ein
gutes Mittel abgiebt, den Schwefel zu binden. R. Åkerman und
A. Ledebur haben durch Schmelzversuche festgestellt, wieviel
[346]Chemie.
Schwefel bei geringem oder bei hohem Kalkzuschlag, beziehungsweise
bei einer Bisilikat- oder einer Singulosilikatschlacke aus denselben Erzen
in das Eisen übergeführt wird 1). Desgleichen hat Ledebur gezeigt, um
wieviel schwächer die Wirkung der Magnesia auf Schwefel ist. Der in
das Eisen übergegangene Schwefel ist nur schwer zu entfernen. Durch
Oxydation geschieht dies nur in geringerem Maſse und hierin weicht
das Verhalten des Schwefels von dem des Siliciums und Phosphors
ab. Als bestes Mittel zur Entschweflung des Eisens hat sich Mangan
bewährt. Wallrand2) wies 1881 zuerst nach, daſs sich durch bloſses
Mischen von flüssigem, schwefelreichem Eisen mit manganreichem Eisen
der Schwefelgehalt beträchtlich vermindern lieſse. K. Hilgenstock3)
bestätigte dies durch Versuche. Ledebur schreibt diese Erscheinung
der Aussaigerung einer leichtflüssigeren Schwefel-Mangan-Eisen-
legierung zu, wie dies bei den sogenannten „Wanzen“ 4) bei dem Roh-
und Guſseisen öfter beobachtet wird. Während Schwefeleisen sich in
jedem Verhältnis in flüssigem Eisen löst, besitzt Schwefelmangan eine
geringe Lösungsfähigkeit in demselben.


Diese Beobachtung bildet die Grundlage eines neuen wichtigen
Verfahrens der Entschweflung des Fluſseisens durch den Hörder
Mischprozeſs, den wir später genauer beschreiben werden.


Ein Mangangehalt vermindert auch die Wirkung des Schwefels
auf Rotbruch, so daſs bei gleichem Schwefelgehalt manganhaltiges
Schmiedeeisen weniger rotbrüchig ist als manganfreies. Bei mangan-
freiem Schweiſseisen bewirkt schon ein Gehalt von 0,02 Prozent
Rotbruch, während bei Schweiſseisen von 0,7 Prozent Mangangehalt
dieser bei 0,15 Prozent Schwefel noch kaum bemerkbar ist. Janoyers
Angabe, man könne den Schwefel im Eisen durch Phosphor vertreiben
oder seine schädliche Wirkung vermindern, hat sich dagegen nicht
bestätigt. Ebenso suchte Turner5) durch Versuche nachzuweisen, daſs
Silicium den Schwefel austreibe. Ledebur giebt dies aber nur
insoweit zu, als schwefelreiches Siliciumeisen geneigt sei, auszusaigern.
Turner hat durch eine Reihe von Roheisenanalysen gezeigt, daſs der
Schwefelgehalt mit abnehmendem Siliciumgehalt steigt, ein Austreiben
des ersteren ist aber dadurch nicht erwiesen.


Die fünfte der am häufigsten vorkommenden und wichtigsten
Beimengungen des Eisens ist das Mangan. Dieses war schon seit
[347]Chemie.
einem Jahrhundert als wirksamstes Reinigungsmittel des Eisens
bekannt und geschätzt. Durch den Bessemerprozeſs hatte das kohlen-
stoffhaltige Manganeisen eine noch gröſsere Bedeutung erlangt und
man stellte es im groſsen dar entweder als Spiegeleisen mit bis zu
20 Prozent Mangan, oder als Ferromangan von 20 bis 83 Prozent
Mangangehalt. Durch die Darstellung und Verwendung wie durch
besondere Untersuchungen war man mit dem Verhalten und den
Wirkungen des Mangans näher bekannt geworden.


Die Manganoxydverbindungen sind für sich schwer reduzier- und
schmelzbar, bei Gegenwart von Eisen und Kohle werden sie aber
unschwer reduziert, und das Mangan legiert sich in jedem Verhältnis
mit dem Eisen. Zur Herstellung sehr manganreicher Legierungen
sind so hohe Temperaturen erforderlich, daſs Mangan anfängt sich zu
verflüchtigen und an der Luft zu braunrotem Manganoxyduloxyd zu
verbrennen. Mangan-Eisenlegierungen mit mehr als 88 Prozent Mangan
zerfallen nach dem Erstarren in Pulver und zwar ohne chemische Ver-
änderung durch den Austritt aufgelöster Gase. Gegen Kohlenstoff
verhält sich das Mangan ganz ähnlich wie das Eisen, nur vermag es
mehr davon aufzunehmen, doch nicht über 7 bis höchstens 7,5 Prozent.
Es erhöht deshalb auch in seinen Legierungen mit Eisen die Kohlen-
stoffaufnahme. Mangan reinigt das Eisen von Silicium dadurch, daſs
es sich leicht oxydiert, eine starke Base bildet, die zu Kieselsäure
groſse Verwandtschaft hat und mit dieser leicht- und dünnflüssige
Silikate giebt. Die Reinigung des Eisens von Schwefel durch Bildung
von leichtflüssigem Schwefelmangan haben wir schon erwähnt.


Diese reinigende Kraft ist die wichtigste Eigenschaft des Mangans
in der Eisenindustrie, doch wirkt ein geringer Mangangehalt auch
günstig auf die Härte und Festigkeit des Eisens ein. Manganstahl
hatte man deshalb schon früher dargestellt. R. A. Hadfield
hat in einer wichtigen Arbeit 1) die Einwirkung des Mangans
auf die Härte des Kohlenstoffeisens genauer untersucht. Er fand,
daſs die Härtezunahme nicht proportional der Manganzunahme
ist. Die Härte des Manganstahls von mäſsigem Kohlenstoffgehalt
unter 1 Prozent steigt bis zu einem Mangangehalt von 6 Prozent.
6 prozentiger Manganstahl wird von keinem Werkzeug angegriffen.
Von da an sinkt der Härtegrad bis zu einem Gehalt von 10 Prozent
Mangan; hierauf nimmt er wieder zu und erreicht bei 22 Prozent
[348]Chemie.
Mangan ein zweites Maximum. Für die Praxis kommt bis jetzt nur
die erstere Reihe in Betracht. Die harten Legierungen von hohem
Mangangehalt sind zwar sehr interessant, haben aber noch keine Ver-
wendung gefunden. In welchem Grade ein Mangangehalt auf die
Härtezunahme innerhalb der Grenze bis zu 6 Prozent wirkt, läſst sich
nicht genau bestimmen, weil dabei der Kohlenstoffgehalt von groſsem
Einfluſs ist, doch hat Fr. C. G. Müller1) den Satz aufgestellt, daſs
im schmiedbaren Eisen 5 Tl. Mangan die gleiche Härtezunahme be-
wirken wie 1 Tl. Kohlenstoff. Auch die Festigkeit des Eisens wird
durch einen geringen Mangangehalt vermehrt, nimmt aber bei höherem
Mangangehalt wieder ab. Wedding2) nimmt 3 Prozent als Grenze
an, während er zugleich 0,5 bis 0,6 Prozent bei 0,95 Prozent Kohlen-
stoffgehalt als das günstigste Verhältnis bezeichnet. Auch für die
Festigkeit hat Hadfield ein zweites Maximum bei 18 Prozent Mangan-
gehalt gefunden.


Siliciumhaltiges Eisenmangan wirkt stark reduzierend auf über-
blasenes Fluſseisen und wird deshalb beim Bessemer- und Thomas-
prozeſs öfter als sogenannter Silicospiegel verwendet. Pourcel3) war
der erste, der Silicospiegel im Hochofen darstellte. Er enthält meist
20 Prozent Mangan und 8 bis 12 Prozent Silicium.


Auſser den aufgeführten Elementen, welche wesentliche oder
häufige Bestandteile des Eisens bilden, giebt es noch eine Anzahl
seltener auftretender, welche die Qualität günstig oder ungünstig
beeinflussen und deshalb unter Umständen von Wichtigkeit sind.


Kupfer findet sich in manchen Eisenerzen, besonders im Spat-
eisenstein und geht beim Schmelzen derselben in das Roheisen über.
Es bleibt auch bei den verschiedenen Frischprozessen mit dem Eisen
verbunden. Es erzeugt bei schmiedbarem Eisen Rotbruch; indes
haben neuere Untersuchungen gezeigt, daſs die schädliche Wirkung
des Kupfers wenigstens bis zu 1 Prozent nicht so groſs ist, wie man
früher annahm. Sie ist gröſser auf kohlenstoffreichere Eisensorten,
also gröſser auf Stahl als auf Schmiedeeisen. A. Wasum4) hat durch
Versuche nachgewiesen, daſs die Einwirkung auf Eisen mit 0,2 bis
0,3 Prozent Kohlenstoff nur gering ist. Dagegen wird der schädliche
Einfluſs des Kupfers verstärkt durch gleichzeitige Anwesenheit von
Schwefel. Während 0,862 Prozent Kupfer und 0,15 Prozent Schwefel
[349]Chemie.
für sich noch keinen Rotbruch bewirken, tritt dieser auf bei 0,595
Kupfer und Schwefel zusammen.


Nickel und Kobalt kommen nur selten in den Eisenerzen in
merklichen Mengen vor. Daſs Nickel die Festigkeit des Eisens erhöht,
war schon früher bekannt, doch waren die Ergebnisse der angestellten
Versuche widersprechend, weil man kein reines Nickel verwendet hatte.
Solches wird erst seit neuerer Zeit dargestellt und mit solchem stellte
J. Riley 1889 seine wichtigen Versuche über Nickelstahl 1) an. Seit-
dem wird mit Erfolg Nickelstahl mit 1 bis 5 Prozent Nickel be-
sonders bei der Panzerplattenfabrikation verwendet.


Ebenso ist die härtende Wirkung von Chrom und Wolfram
schon länger bekannt und benutzt. Chromeisen (Ferrochrom) mit
etwa 25 Prozent Chromgehalt hat man zu Terre-noire in Frankreich
seit 1879 sogar im Hochofen dargestellt. A. Ledebur fand bei
Chromstahl von 0,5 Prozent Chrom- und 0,91 Prozent Kohlenstoff-
gehalt die Zerreiſsfestigkeit zu 86,9 kg auf 1 qmm bei 15,7 Prozent
Dehnung. Bei höherem Chromgehalt sinkt die Festigkeit und der
Stahl wird spröde. 1 Prozent Chrom soll das zulässige Maximum
sein. Besonders in Frankreich und in Amerika hat Chromstahl eine
wachsende Rolle gespielt und es hat Howe über seine Anwendung
nähere Mitteilungen gemacht 2).


Aluminium wird, seitdem es so viel billiger hergestellt wird,
häufig zur Reinigung des Eisens von aufgelösten Oxyden verwendet;
da sich dabei leicht etwas Aluminium im Eisen auflöst, so ist das
Verhalten der Eisen-Aluminiumlegierungen von Wichtigkeit. Beim
Schmelzen thonerdehaltiger Erze im Hochofen wird Aluminium nicht
reduziert. Ein Aluminiumgehalt bis zu 0,2 Prozent vermehrt die
Festigkeit, vermindert aber die Zähigkeit des schmiedbaren Eisens,
ein hoher Gehalt ist schädlich, bei 0,5 Prozent hört die Schmiedbar-
keit des Eisens auf 3). Aluminium macht das geschmolzene Eisen
dickflüssig. Da sich Aluminium nicht mit Kohlenstoff verbindet, be-
wirkt es ähnlich wie Silicium Graphitausscheidung.


Das Aluminium ist ein vorzügliches Mittel, um schwerschmelzbare
Metalle zu legieren. Henri Moissan in Paris hat hierauf 1894 ein
[350]Chemie.
Patent (D. R. P. 82624) genommen. Um z. B. Titaneisen herzustellen,
führt man dem geschmolzenen Eisen Titan-Aluminium zu.


Arsen hat man in neuerer Zeit mehr beachtet wie früher. Es
findet sich in vielen Eisensorten. Carnot und Goutal fanden, daſs
es in weichem Stahl sich unverbunden in Lösung befindet, während es
in gehärtetem Stahl an Eisen gebunden als Fe2 As erscheint 1).


Von groſser Wichtigkeit sind die neueren Untersuchungen über das
Verhalten von Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenoxydgas
zu Eisen. Daſs Sauerstoff sich im verbrannten Eisen und im über-
blasenen Fluſseisen findet, war schon früher bekannt. Das genauere
Verhältnis, in welchem dies der Fall ist, wurde erst durch neuere
Untersuchungen, besonders von A. Ledebur, festgestellt. Danach ist
der Sauerstoff im überblasenen Fluſseisen als Eisenoxydul im Eisen
gelöst, doch vermag flüssiges Eisen nur 1,1 Prozent Eisenoxydul, ent-
sprechend 0,25 Proz. Sauerstoff, aufzunehmen. Andere wollen allerdings
einen gröſseren Sauerstoffgehalt gefunden haben, so Bender 0,34,
Tucker 1,74 und Parry 2,04 Proz. 2). Auch Ledebur wies in einem
Schweiſseisen 0,515 Proz. Sauerstoff nach, doch war dieser als Glüh-
span oder Schlacke darin enthalten. Proben von überblasenem Thomas-
eisen, welche Ledebur analysierte, zeigten einen höheren Sauerstoff-
gehalt als den oben angegebenen. Der Sauerstoffgehalt war um so
gröſser, je weniger Kohlenstoff und Mangan das Fluſseisen enthielt,
je mehr es entkohlt war. Drei Proben von Hörde enthielten bei
0,037, 0,123 und 0,050 Prozent Kohlenstoff 1,098, 0,837 und 0,774 Proz.
Eisenoxydul, entsprechend 0,244, 0,187 und 0,171 Prozent Sauerstoff.
Kleinere Mengen Eisenoxydul fand Ledebur auch in kohlenstoff- und
manganreichem Eisen, das erstarrt war, ehe die Zusetzung des Eisen-
oxyduls durch jene Körper beendet war 3), und zwar nicht nur im
Konverter, sondern auch im Flammofenfluſseisen 4).


Die Sauerstoffbestimmungen im Eisen sind sehr schwierig.
A. Ledebur war der erste, der ein brauchbares Verfahren hierfür
angab 5).


Die Beimengung von Sauerstoff beeinträchtigt die Güte des Eisens
und zwar erzeugt schon ein Gehalt von etwa 0,1 Prozent Rotbrüchig-
keit. Ferner bewirkt die Gegenwart von Sauerstoff im Fluſseisen
[351]Chemie.
Blasenbildung in den Guſsblöcken, weil die Wirkung des Eisenoxyduls
auf den Kohlenstoff im Eisen bis zum Erstarrungspunkt andauert.


Daſs das Eisen eine ganz bedeutende Verwandtschaft zum
Wasserstoft hat und für dieses Gas eine groſse Absorptionsfähigkeit
besitzt, sind Thatsachen, die erst in dieser Periode entdeckt und
klargestellt worden sind. Allerdings hatte schon Graham (s. Bd. I,
S. 8) vor fast 40 Jahren nachgewiesen, daſs Meteoreisen Wasserstoff-
gas in beträchtlicher Menge absorbiert enthält, und hat auf diese
Beobachtung weitgehende Schlüsse über eine Wasserstoffatmosphäre
des Urgestirns, dem die Meteoriten entstammten, gegründet. Daſs
aber auch alles künstlich bereitete Eisen Wasserstoff in verhältnis-
mäſsig groſser Menge gelöst oder absorbiert enthält, wurde zuerst von
Troost und Hautefeuille1), welche verschiedene Eisensorten im
luftleeren Raum erhitzten und die Gase analysierten, nachgewiesen.


Diese Versuche wurden dann von vielen anderen, besonders von
Fr. C. G. Müller2)Ledebur3), Stead4), Parry u. a., wiederholt
und weiter ausgeführt. Müller fand, daſs sich die Gase, welche
unter Druck in den Poren des Eisens festgehalten werden, durch
Anbohren unter Wasser entbinden und auffangen lassen. Aus um-
stehender Tabelle ist die Zusammensetzung einiger dieser von ihm
untersuchten Gase zu ersehen.


Im allgemeinen nimmt die Löslichkeit des Wasserstoffs im Eisen
mit dem Kohlengehalt ab; Mangan (nach Pourcel5) und Silicium
(nach Müller) erhöhen dieselbe. Bearbeitung durch Hämmern und
Walzen vermindert den Gasgehalt überhaupt, insbesondere aber den
Gehalt an Wasserstoffgas.


Die beim Glühen der Bessemerblöcke in den Ausgleichegruben
entweichenden Gase bestanden nach Stead aus 82,5 Prozent Wasser-
stoff, 12,5 Prozent Kohlenoxydgas und 5 Prozent Stickstoff. Finkener
untersuchte auf H. Weddings Veranlassung die Gase in den Hohl-
räumen der aus massiven Blöcken gewalzten Mannesmannröhren und
fand darin 99 Prozent Wasserstoff und 1 Prozent Stickstoff.


[352]Chemie.

A. Ledebur bestimmte den Wasserstoffgehalt verschiedener
Eisensorten dem Gewicht nach und fand:



Howe1) nimmt nach Cailletets Untersuchungen von galvanisch
gefälltem Eisen 2) den höchsten Gehalt von Wasserstoff im Eisen zu
0,17 Prozent, entsprechend dem 154fachen Volum an.


[353]Chemie.

Nach Ledeburs Versuchen ist anzunehmen, daſs kein Handels-
eisen mehr als 10 Vol.- oder 0,01 Gew.-Prozent Wasserstoff in seiner
Masse zurückhält. Ob der Wasserstoff zum Teil an Stickstoff ge-
bunden als Ammoniak vorhanden ist, scheint glaubhaft, ist jedoch nicht
erwiesen.


Einen nachteiligen Einfluſs übt das absorbierte Wasserstoffgas
auf das Eisen nicht aus, höchstens kann es unter Umständen Blasen-
bildung erwirken.


Der Wasserstoff verbindet sich unter gewissen Bedingungen, be-
sonders wenn er in gröſserer Menge im status nascendi mit Eisen in
Berührung kommt, zu einer festeren Form, welche Ledebur als Legie-
rung bezeichnet 1). Dann macht er das Eisen kaltbrüchig. Diese Er-
scheinung tritt besonders bei der Beizung von Eisendraht mit Säuren
auf, weshalb Ledebur, der genauere Untersuchungen darüber angestellt
hat, sie als „Beizbrüchigkeit“ bezeichnet.


Neuerdings hat E. Heyn in Charlottenburg nachgewiesen, daſs
das Eisen zwischen den kritischen Punkten A2 und A3 etwa zwischen
730 und 1000° C. eine gröſsere Absorptionsfähigkeit für Wasserstoff
hat als über oder unter diesen Temperaturgrenzen 2).


Über den Stickstoffgehalt des Eisens hat A. H. Allen3) neuere
Untersuchungen veröffentlicht, welche bestätigen, daſs der Stickstoff-
gehalt im Eisen nur gering sein und die Eigenschaften des Eisens kaum
beeinflussen kann. Während Allen in Spiegeleisen nur 0,041 Prozent
auffand, betrug der höchste in einem Guſsstahl mit 1,30 Prozent
Kohlenstoff aufgefundene Stickstoffgehalt 0,0172 Prozent. Ebenso fand
Tholander4) in verschiedenen Fluſseisensorten 0,006 bis 0,022 Prozent
Stickstoff.


Weit wichtiger ist das Verhalten des Eisens und der Eisenoxyd-
verbindungen zu Kohlenoxydgas. Fassen wir zunächst, an das
Vorhergehende anknüpfend, die Löslichkeit des Kohlenoxydgases im
Eisen ins Auge, so ist diese in kaltem Eisen gering. Fr. Müller
fand in den durch Anbohren von kaltem Eisen aufgefangenen Gasen
nur sehr geringe Mengen Kohlenoxydgas, wie aus der Tabelle, S. 352,
zu ersehen ist. Dagegen wies er einen beträchtlich höheren Kohlen-
oxydgehalt in den aus dem flüssigen Metall austretenden Gasen nach.
Dies erklärt sich zum Teil schon aus der im flüssigen Metall vor sich
Beck, Geschichte des Eisens. 23
[354]Chemie.
gehenden Kohlenoxydgasentwickelung. Doch enthält auch das aus
überblasenem Bessemer- und Thomasfluſseisen austretende Gas 8,8 bis
35 Prozent Kohlenoxydgas, während nach dem Zusatz von Ferro-
mangan 34 bis 77,3 Prozent Kohlenoxydgas darin nachweisbar sind.
Das Kohlenoxydgas tritt aber vor dem Erstarren aus, wodurch
Spritzen- und Blasenbildung entsteht. Silicium, Mangan und Alu-
minium wirken durch Reduktion des Kohlenoxydgases dem entgegen.


Daſs Kohlenoxyd mit dem Eisen unter besonderen Bedingungen
eine chemische Verbindung, Eisenkarbonyl, Fe (CO)5, bildet, wurde
1891 von Mond und Quincke nachgewiesen, hat aber für das
Hüttenwesen vorläufig keine Bedeutung.


Von groſser Wichtigkeit für den Hochofenprozeſs ist dagegen die
Thatsache, daſs Kohlenoxyd bei Berührung mit Eisenoxyd in einer
Temperatur von 300° bis 400° C. in Kohlensäure und Kohlenstoff
zerfällt (2 CO = CO2 + C), wobei Kohle abgeschieden wird. Schon
1851 hatte Stammer eine Abscheidung von Kohle beim Überleiten
von Kohlenoxydgas über glühendes Eisen beobachtet. Auch wurden
schon früher öfter Kohlenausscheidungen im Hochofen, besonders in
Fugen der inneren Ofenwände, beobachtet. Aber erst 1871 wurde
diese zuerst von Lowthian Bell beobachtete Erscheinung 1) von
Gruner2) genauer in Bezug auf den Hochofenprozeſs untersucht und
nachgewiesen, daſs Eisen diese Ausscheidung nur dann bewirkt, wenn
gleichzeitig Oxyd anwesend ist. Weitere Untersuchungen dieses sonder-
baren Vorganges rühren von Ledebur3) und Åkerman4) her 5).


Die chemische Analyse des Eisens, der Eisenerze, Zuschläge,
Schlacken, Gase u. s. w. hat eine so groſse Bedeutung für die Eisen-
industrie gewonnen, daſs ihre Fortschritte als ein Teil der Geschichte
des Eisens behandelt werden müssen, wobei wir uns allerdings nur
auf das Wichtigste beschränken können.


Die chemische Analyse des Eisens hat sich nach zwei Richtungen
entwickelt, nach der rein wissenschaftlichen, welche höchste Genauig-
keit erstrebt, und nach der praktischen, welche möglichste Genauigkeit
[355]Chemie.
mit gröſster Beschleunigung zu erreichen sucht. Für die Betriebs-
kontrolle verdient oft eine weniger genaue Methode dadurch, daſs sie
einfach und rasch zum Ziele führt, vor einer genaueren, aber um-
ständlicheren, den Vorzug. In diesem Sinne hat sich die Eisenprobier-
kunst in den letzten 30 Jahren fortgebildet.


Die Analyse des Eisens hat in diesem Zeitraum eine groſse
Wichtigkeit erlangt, und sind auf keinem anderen Gebiete so viele
Fortschritte und Verbesserungen zu verzeichnen wie hier. Deshalb
stellen wir sie in den Mittelpunkt unserer Betrachtung. Wir werden
uns aber darauf beschränken müssen, einen kurzen Überblick der
neuen oder verbesserten Methoden zur Bestimmung der wichtigsten
Bestandteile des Eisens: Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel und
Mangan, zu geben.


Die von Regnault und Berzelius, dann von Gmelin und
Wöhler angewendeten Methoden der Bestimmung des gesamten
Kohlenstoffs
durch direkte Verbrennung wurden 1871 von
von Jüptner und Weissmann empfohlen. Ülsmann bezeichnet
1877 die von Wöhler eingeführte Verbrennung mit Kupferoxyd als
das eleganteste und schönste Verfahren, wenn sich das Eisen fein
pulvern lieſse. Der Amerikaner Litterwall wendete 1886 zur direkten
Verbrennung im Sauerstoffstrom eine Platinröhre an. C. Lorenz
empfiehlt, die Verbrennung bei hoher Temperatur in einem Glaser-
schen Verbrennungsofen vorzunehmen 1). Die Methode ist nur an-
wendbar, wenn das Eisen in sehr fein verteiltem Zustande, gut zer-
kleinert verwendet werden kann. Ihre Nachteile sind: leichtes
Zusammensintern des Eisens und infolgedessen unvollständige Ver-
brennung, lange Zeit und unbestimmtes Ende des Prozesses.


Aus diesen Gründen wird der Gesamtkohlenstoff jetzt meist
durch Abscheidung und darauf folgende Verbrennung bestimmt. Die
Verbrennung geschieht entweder im Sauerstoffstrom oder nach
Ullgren mit Chromsäure. Für die Abscheidung hat man teils die
älteren Methoden verbessert, teils neue erfunden.


Langley empfahl 1871 Auflösen des Eisens in Kupfervitriol,
Sammeln des Kohlenstoffs auf einem Asbestfilter und Verbrennen im
Sauerstoffstrom. Ad. Tamm verwirft dagegen Kupfervitriol als Lösungs-
23*
[356]Chemie.
mittel für Stahl. Jedenfalls hat sich das von A. S. McCreath 1876
in Vorschlag gebrachte Doppelsalz von Kupferchlorid-Chlornatrium
und das 1877 von Pearce verwendete Kupferammoniumchlorid viel
besser bewährt und allgemeine Anwendung gefunden. Bewegung der
Flüssigkeit bei der Lösung, etwa durch einen Schüttelapparat, ist zu
empfehlen (H. Brearley, H. Wdowizewski). McCreath und
Pearce benutzten zur Verbrennung nach Ullgrens Vorschlag Chrom-
säure. A. Tremus empfahl 1882 die Verbrennung im Sauerstoffstrom;
A. Ledebur dagegen die Zerlegung durch Kupferammoniumchlorid,
Verbrennung des auf einem Asbestfilter gesammelten Kohlenstoffs mit
Chromsäure und Schwefelsäure (nach von Jüptner oder Särnström)
und Auffangen der Kohlensäure in einem gewogenen Kaliapparat.
Dies ist denn auch mit manchen kleinen Verbesserungen das ver-
breitetste Verfahren für die Kohlenstoffbestimmung geworden.


In Frankreich ist allerdings die von Boussingault eingeführte
Abscheidung des Kohlenstoffs durch Quecksilberchlorid mehr im Ge-
brauch geblieben. Weyl, Binks u. A. verwenden Chlorsilber zur
Trennung.


Die von Wöhler vorgeschlagene Methode, das Eisen durch Er-
hitzen in einem Chlorgasstrom zu verflüchtigen, gab nach J. Gintls
Untersuchung (1882) zu niedrige Resultate, weil das Chlor mit Sauer-
stoff vermischt war. Um diesen vorher abzuscheiden, schlägt er vor,
das Gas erst durch glühende Holzkohlen zu leiten. Nach Watts
(1882) genügt es, das Chlorgas vollkommen zu trocknen, da der
Sauerstoff als Wasserdampf mitgeführt wird. Watts verflüchtigt erst
das Eisen in einem trockenen Chlorgasstrom und leitet dann Sauer-
stoff über den Rückstand zur Verbrennung der Kohle zu Kohlensäure.
Auch eine Beimischung von Chlorwasserstoff beeinträchtigt die Ge-
nauigkeit des Resultats. Um dieses zu entfernen, leitet Hampe (1891)
das Chlorgas erst durch konzentrierte Permanganatlösung. Unter
Anwendung dieser Vorsichtsmaſsregeln hält H. Wedding1) diese
Methode für die zuverlässigste. — Deville benutzte reines Chlor-
wasserstoffgas zur Verflüchtigung.


Die von Eggertz (1862) vorgeschlagene Auflösung des Eisens
durch Jod oder Brom hat sich für die Eisenanalyse nicht besonders
bewährt, weil sich dabei flüchtige Kohlenstoffverbindungen bilden. Für
Schlackenanalysen ist sie brauchbar. Bei der Behandlung mit Jod
soll der Kohlenstoff mit Jod und Wasser nach der Formel C40 J +
20 H2 O mit 60 Prozent Kohlenstoffgehalt zurückbleiben.


[357]Chemie.

Dr. Alb. Brand hat 1887 bromierte Salzsäure zur Abscheidung
des Kohlenstoffs und darauf folgende Verbrennung vorgeschlagen.


Die Verbrennung des Kohlenstoffs geschieht entweder im Sauer-
stoffstrom in einem Verbrennungsrohr unter Glühen oder in Lösung
mit Chromsäure und Schwefelsäure in dem Ullgrenschen 1) oder dem
von Finkener2) angegebenen Apparat.


Die Kohlensäure wird gewogen oder gemessen. Zum Wiegen
bedient man sich des von Liebig angegebenen Kaliapparates
oder des Geiſslerschen Apparates 3), oder eines mit Natronkalk
gefüllten Rohres. — Zum Messen wendet man den von Wiborgh4)
1887 angegebenen Apparat an. Wiborghs Verfahren wurde von
von Reis, Thörner, Reinhardt und 1891 von Lunge und March-
lewski
5) verbessert.


Die von Eggertz 1862 vorgeschlagene kolorimetrische Kohlen-
stoff bestimmung (S. 23) hat sich ihrer Einfachheit und Raschheit
wegen als Betriebsprobe erhalten und wurde vielfach verbessert,
sowohl von Eggertz selbst, wie von anderen 6). Da die Normal-
lösungen nicht lange ihre Farbe behalten, hat man Lösungen von
Kaffee oder gebranntem Zucker vorgeschlagen, die sich aber auch
nicht bewährten.


F. F. Morell empfahl 1871 künstlich gefärbte Gläser. Britton
machte sich 1874 eine Skala von 16 Proberöhrchen, welche Kaffee in
Wasser und Alkohol gelöst enthielten und zugeschmolzen wurden.
Er verglich damit die in einem gleichen Proberöhrchen eingefüllte
salpetersaure Lösung durch Einschaltung. A. Blair bestimmte (1883)
die Färbung durch Verdünnung, wozu er sich eines besonderen Probe-
rohres 7) bedient. Le Neve Forster hat 1887 einen Apparat zur
Farbenvergleichung, den er Tintometer nennt, aus geschliffenen, ge-
färbten Gläsern hergestellt. Ukena wendet (1890) farbige Gläser
mit einer Milchglasplatte als Hintergrund an.


Stead8) hat ein anderes kolorimetrisches Verfahren, welches für
kohlenstoffarmes Eisen, für welches die Eggertzsche Probe nicht
ausreicht, besonders empfehlenswert ist, angegeben. Es beruht auf
[358]Chemie.
Vergleichung der Farbentöne einer Lösung des kohlenstoffhaltigen
Rückstandes aus salpetersaurer Eisenlösung in Ätzkali. Zur Farben-
vergleichung hat er ebenfalls einen besonderen Apparat 1) konstruiert.
Weitere kolorimetrische Kohlenstoffbestimmungen wurden vorgeschla-
gen (1888) von Ridsdale und (1894) von Walter G. McMillan2).


Die kolorimetrischen Proben geben nur den Gehalt an gebundenem
Kohlenstoff (Härtungskohle, Karbid) an, infolgedessen fallen sie meist
etwas zu niedrig aus 3). Den Graphit bestimmt man durch Lösen des
Eisens in kochender Salzsäure unter Luftabschluſs und nachheriges
Verbrennen und Wiegen als Kohlensäure. Der Gehalt an gebundenem
Kohlenstoff ergiebt sich aus der Differenz von Gesamtkohlenstoff und
Graphit.


Eine neue Aufgabe stellte die Forderung, die verschiedenen
Kohlenstoffformen im Eisen nebeneinander zu bestimmen. Hierüber
hat Hans Jüptner von Johnsdorf Versuche angestellt 4). Karbid-
kohlenstoff entweicht nach A. Ledebur beim Lösen des gehärteten
Stahls in Schwefelsäure, die mit der zehnfachen Menge Wasser ver-
dünnt ist, während Graphit zurückbleibt. Müller scheidet Karbid-
kohle durch stark verdünnte Schwefelsäure ab.


Das Silicium im Eisen wird in der Regel durch Auflösen in
Salpetersäure und entweder Eindampfen mit Schwefelsäure, Erhitzen
des Rückstandes und Wiegen, oder durch Zusatz von Salzsäure, Ab-
dampfen, Verdünnen, Filtrieren, Schmelzen des Rückstandes mit
Natriumkaliumkarbonat und Bestimmung der Kieselsäure in der
Schmelzmasse in der üblichen Weise ermittelt.


L. Blum schlug 1883 Lösen in Bromsalzsäure und Verbrennen
des Rückstandes im Platinschiffchen vor, welches Verfahren von
von Jüptner und O. Gmelin empfohlen wurde. Th. Turner
empfahl 1883 die Verflüchtigung von Eisen und Silicium im Chlor-
strom und Einleiten der flüchtigen Chloride in Wasser, wodurch Sili-
ciumchlorid zersetzt und Kieselsäure abgeschieden wird, welche man
bestimmt.


Als besonders schnelles Verfahren gab Jos. Morgan (1887)
Glühen der Eisenprobe in einer Muffel bei Hellrotglut an, wodurch
Silicium in Kieselsäure übergeführt wird, die man dann aus der
Lösung abfiltriert. Dieses Verfahren ist nach Drown in Amerika jetzt
eingeführt.


[359]Chemie.

Für die Bestimmung des Mangans stellte sich ganz besonders
das Bedürfnis nach schnellen und dabei doch genügend genauen
Proben heraus, da die älteren zuverlässigen Bestimmungen als Schwefel-
mangan (von H. Rose) und als Pyrophosphat zu zeitraubend waren.
Es wurden dafür in den letzten 25 Jahren eine groſse Zahl von Vor-
schlägen gemacht und ist eine beträchtliche Litteratur darüber er-
wachsen.


Die meisten Schnellproben beruhen auf Maſsanalysen. Von
diesen haben besonders zwei, die Volhardsche Permanganatprobe
und die Hampesche Chloratprobe, groſse Verbreitung erlangt.


1879 trat Volhard in einem vortrefflichen Aufsatz in Liebigs
Annalen der Chemie (198, S. 318) mit seinem Verfahren der Mangan-
bestimmung an die Öffentlichkeit. Dasselbe beruht darauf, daſs Kalium-
permanganat das Mangan aus neutraler, salpetersaurer Lösung als
Dioxyd ausfällt, doch geschieht dies nur bei Gegenwart anderer
basischer, nicht höher oxydierbarer Metalloxyde, wie z. B. Zinkoxyd,
vollständig. Das Zinkoxyd bewirkte zugleich auch die Fällung des
Eisens, welches als Eisenoxyd gelöst sein muſs. Sobald alles Mangan
oxydiert ist, tritt bei weiterem Zusatz von Permanganat die bekannte
violette Färbung ein.


Schöffel und Donath schlugen 1882 ein etwas abgeändertes
Verfahren vor, welches sich besonders für manganreiche Verbindungen,
wie Ferromangan, eignet. Die salzsaure Lösung wird mit Kalium-
chlorat gekocht, dann auf ein bestimmtes Maſs verdünnt. Ein ab-
pipettierter Teil wird dann mit Natriumkarbonat neutralisiert und mit
Zinkoxyd versetzt in eine nahezu kochende Kaliumpermanganatlösung
eingetragen. Unter Kochen scheidet sich das Mangandioxyd aus. Der
Überschuſs des Permanganats wird mit einer Lösung von arseniger
Säure zurücktitriert. C. Meineke1) (1883) löst in Schwefelsäure
und Salpetersäure, setzt dann Chromsäure zu und kocht. Nachdem
der Überschuſs von Chrom- und Schwefelsäure mit Chlorbaryum aus-
gefällt ist, wird die Lösung in eine abgemessene Menge einer heiſsen
mit Chlorzink versetzten Kaliumpermanganatlösung eingetragen. Der
Überschuſs des letzteren wird mit Antimoniumchlorür reduziert und
dieses mit Permanganat zurücktitriert. Bei diesem Verfahren soll
alles Mangan als Dioxyd gefällt werden, während bei den vorigen
Methoden immer etwas Manganoxydul mit dem Dioxyd abgeschieden
wird.


[360]Chemie.

Fast gleichzeitig mit Volhards Methode, im Jahre 1879, wurden
von F. Keſsler1) in Deutschland und von Pattinson2) in England
zwei andere Manganbestimmungen bekannt gemacht. Letztere er-
forderte nur die halbe Zeit.


Keſslers Methode, bei welcher das Mangan durch Kochen mit
Natriumacetat nach Zusatz von Brom und Chlorzink ausgefällt, der
Niederschlag mit einer bestimmten Menge Chlorantimonlösung be-
handelt, dann gelöst und mit Kaliumpermanganat titriert wird, leidet,
abgesehen davon, daſs sie umständlicher ist, ebenfalls an dem Fehler,
daſs das Mangan nicht als reines Dioxyd, sondern teilweise als Oxydul
ausgefällt wird.


Pattinsons Methode wurde von A. Ledebur in Deutschland
eingeführt und empfohlen. Sie gründet sich auf die Fällung des
Mangans als Mangandioxyd durch Kaliumhypochlorid (Bleichkalk)
und Kaliumkarbonat in Gegenwart von Eisenchlorid, deshalb wird sie
auch öfter als „Chlorkalkprobe“ bezeichnet 3). Der Niederschlag wird
mit einer bestimmten Lösung Ferrosulfat unter Zusatz von Schwefel-
säure gelöst und der Überschuſs des Ferrosulfats titriert. Die
Methode ist gut für manganreiche Verbindungen, wie für Spiegeleisen
und Ferromangan, geht aber wohl nicht schneller wie die Volhardsche.


Auſser diesen Verfahren waren bis 1883 noch viele andere in
Vorschlag gebracht worden, gewichts- und maſsanalytische, so von
S. Kern (1876), A. Classen (1876), G. Rosenthal, Alf. Riche (1877),
Beilstein und Jawein (1879), Kerpely (1879), Särnström (1881),
Alex. E. Haswell (1881), Fremy (1881), F. D. Williams (1881).


Von hervorragender Bedeutung war die von Hampe4) (1883) ver-
öffentlichte Chloratmethode. Es wird hierbei in Salpetersäure gelöst,
hierauf das Mangan durch Zusatz von Kaliumchlorat und Kochen als
Superoxydhydrat gefällt, der Niederschlag in verdünnter Schwefel-
säure und Ferroammoniumsulfat gelöst und der Überschuſs mit
Kaliumpermanganat zurücktitriert. Diese Methode ist für groſse und
für kleine Mengen von Mangan brauchbar, wenn nicht viel Phosphor
anwesend ist.


Die zahlreichen Vorschläge veranlaſsten Dr. Schmitt und
C. Meineke, in der Generalversammlung des Vereins analytischer
[361]Chemie.
Chemiker im Juni 1883 die Wahl einer Kommission zur Aufstellung
einheitlicher Normen für die Manganbestimmung in Eisen und Eisen-
erzen aufzustellen. Wenn dieser Zweck auch nicht erreicht wurde,
so wurden doch die Methoden auf ihre Zuverlässigkeit genauer ge-
prüft, und fanden die von Volhard und Hampe mit einigen nach-
träglichen Verbesserungen in den deutschen Hüttenlaboratorien die
gröſste Verbreitung; Ledebur empfahl auſserdem noch die Methode
von Pattinson als die schnellste 1). Unter den praktischen Ver-
besserungen der Volhardschen Methode sind die von N. Wolff
1884 2) angegebenen, welche allgemeine Anwendung gefunden haben,
hervorzuheben. Die Hampesche Methode wurde von Ukena ver-
bessert.


Von den später in Vorschlag gebrachten Manganbestimmungen
sind noch die von Meineke 1887 angegebene Quecksilberoxydprobe 3)
und die J. Rothesche Ätherprobe 4) hervorzuheben. Meineke fällt
das Mangan als Dioxyd mit Quecksilberoxyd und Brom. Hierbei
fällt reines Dioxyd aus, während bei den anderen Proben immer
Manganoxydul bis etwa 4 Prozent dem Dioxyd beigemischt ist und
eine dementsprechende Korrektur stattfinden muſs.


Die Rothesche Probe beruht auf der Thatsache, daſs Eisenchlorid
aus salzsauren Lösungen von Äther vollständig ausgezogen wird,
während die übrigen Chloride zurückbleiben. Rothe hat hierfür
einen besonderen Apparat konstruiert, mit dem die Trennung mittels
Äther leicht auszuführen ist.


H. Wedding5) empfiehlt dieses Verfahren als das beste. In den
Hüttenlaboratorien hat es aber bis jetzt noch keine Verbreitung ge-
funden.


Weitere Methoden der Manganbestimmung wurden seit 1883
vorgeschlagen von M. Troilus6), Tamm7), Särnström8) (1884),
C. Reinhardt (1885), von Jüptner (1885), A. Settenvall (1886),
G. von Knorre und M. Illinski (1887), welche Nitrosonaphtol zum
Ausfällen des Eisens anwenden, Alb. Brand (1887), Friedmann9)
[362]Chemie.
(1888), Carnot, der Wasserstoffsuperoxyd zur Oxydation benutzt,
Leop. Schneider1) (1888), der Wismuttetraoxyd, später Bleisuper-
oxyd hierfür anwendet, R. W. Atkinson, Perillon, A. Ghilain
(1888), K. Rubicius (1891), M. A. von Reis (1892), Deshay.


Kolorimetrische Manganbestimmungen wurden unter anderem
empfohlen von Brunner (1874), Volhard (1879), Götz2) (1882),
Pichard, Osmond, A. de Rossi (1891), doch haben dieselben keine
Verbreitung gefunden.


Dagegen hat sich das kolorimetrische Verfahren für die Be-
stimmung des Schwefels im Eisen sehr bewährt. Vordem war es
die Eggertzsche Probe mit Silberblech (s. Bd. IV, S. 792), seit 1886
ist es die von Wiborgh angegebene Kadmiumprobe, welche in den
Hüttenlaboratorien vorzugsweise angewendet wird. Eine mit Kadmium-
acetat getränkte Zeugscheibe, welche die obere Öffnung des Apparates
verschlieſst und durch welche aller bei der Lösung entwickelter
Schwefelwasserstoff durchstreichen muſs, färbt sich heller oder dunkler
gelb. Die Farbentöne lassen sich leicht unterscheiden und mit den
auf einer Tafel gedruckten Normalfarben vergleichen. Eine beigefügte
Tabelle dient zur prozentualen Berechnung des Gehaltes. Diese Probe
ist schärfer als die von Eggertz, weil die Farben leichter zu unter-
scheiden sind, das Lösen unter Kochen geschieht und vollständiger
ist. Als Betriebsprobe reicht sie aus, für wissenschaftliche Unter-
suchungen nicht. Hierfür sind jetzt besonders zwei Methoden in
Anwendung, die beide schon älter sind: das Johnstonsche Verfahren
mit Brom und das Gintlsche Verfahren mit Eisenchlorid.


Bei der Johnstonschen Methode 3) wird der bei der Lösung des
Eisens entwickelte Schwefelwasserstoff in eine Lösung von Brom in
Salzsäure geleitet und dadurch vollständig zu Schwefelsäure oxydiert.
Es geschieht dies unter besonderen Vorsichtsmaſsregeln in einem
eigens dafür konstruierten Apparat. Die Bromlösung mit der Schwefel-
säure wird zur Verjagung des Broms eingedampft und die Schwefel-
säure mit Chlorbaryum heiſs ausgefällt. Dieses Verfahren wird für
genaue Schwefelbestimmungen sehr empfohlen 4). Classen und
O. Bauer oxydieren mit Wasserstoffsuperoxyd.


Gintls Methode 5), welche 1868 veröffentlicht wurde, besteht
[363]Chemie.
darin, daſs das Eisen in Eisenchlorid gelöst wird, wodurch der Schwefel
mit dem Kohlenstoff u. s. w. im Rückstande bleibt. Dieser wird mit
Salpeter und Ätzkali oder Kaliumkarbonat geschmolzen, die Masse
gelöst und die Schwefelsäure mit Chlorbaryum gefällt.


Chr. Meineke1) hat 1871 dieses Verfahren dahin geändert, daſs
er eine saure Lösung von Kupferchlorid zum Auflösen verwendet,
wodurch auch ein vorhandener Kupfergehalt ermittelt werden kann.
Das neueste Verfahren von Meineke besteht darin, das Eisen unter
Zusatz von Kaliumchlorat in Salzsäure zu lösen, nach Vertreiben des
Chlors durch Kochen mit Zink zu reduzieren und dann die Schwefel-
säure durch Chlorbaryum zu fällen 2).


W. Schulte in Bochum 3) hat 1896 besonders für die Bestim-
mung von Schwefel im Eisen ein Verfahren angegeben, welches darin
besteht, daſs die Probe in verdünnter Salzsäure gelöst, der entwickelte
Schwefelwasserstoff in eine Lösung von essigsaurem Kadmium geleitet
und das gefällte Schwefelkadmium durch Kupfervitriol in Kupfersulfid
umgewandelt wird. Das Kupfersulfid wird im Platinschälchen geglüht
und aus dem entstandenen Kupferoxyd der Schwefelgehalt berechnet.
Dieses Verfahren hat sich bewährt 4).


Von den maſsanalytischen Methoden, welche zur Schwefel-
bestimmung in Vorschlag gebracht worden sind, verdient die 1871
von Elliot5) angegebene, von Weil verbesserte Jodprobe den Vorzug.


Weitere Schwefelproben sind in diesem Zeitraum ausgearbeitet
worden: von Boussingault (1876 mit Silbernitrat), von Drown und
Leop. Schneider (mit Permanganat), Craig (mit Wasserstoffsuper-
oxyd), Platz (1877, Lösungsprobe mit Salzsäure), Föhr (1866, durch
maſsanalytische Bestimmung mit Zinkvitriol), J. Morgan (1886,
kolorimetrisch, mit Bleisalz), desgl. J. Parry.


Rollet, Philipps, Compredon und W. Schulte haben nach-
gewiesen, daſs beim Auflösen von Eisen in Salzsäure ein Teil des
Schwefels in anderer Form, nach Philipps als (C H3) 2 S, entweicht,
der von Zink- oder Bleiacetat nicht gefällt ist; dies geschieht aber,
wenn man das Gas erst durch eine erhitzte Röhre leitet 6).


Von besonderer Wichtigkeit ist die Bestimmung des Phosphors
[364]Chemie.
in diesem Zeitabschnitt geworden und sind hierüber zahlreiche Arbeiten
veröffentlicht worden.


Die Sonnenscheinsche Molybdatprobe (s. Bd. IV, S. 793) mit ver-
schiedenen Verbesserungen hat sich immer noch am besten bewährt und
zwar für genauere Phosphorbestimmungen nach dem von Finkener
angegebenen Verfahren, und als Schnellprobe nach dem von Götz
eingeführten Schleuderverfahren.


Für die genaue Phosphorbestimmung hat sich eine Verbindung
der Molybdat- mit der Acetatprobe am geeignetsten erwiesen. Hierzu
sind aber besondere Vorsichtsmaſsregeln erforderlich. Man kann sagen,
daſs bis zum Jahre 1878 alle Bestimmungen nach der Molybdat-
methode zu niedrige Zahlen ergeben haben. 1878 entdeckte Tamm
die Fehlerquelle in unvollständiger Fällung der Phosphorsäure, was
er auf die Einwirkung organischer Substanzen zurückführte. Er schlug
deshalb, um diese zu zerstören, vor, die Lösung erst einzudampfen
und zu glühen. Dies war allerdings eine Verbesserung, der Grund der
Ungenauigkeit lag aber weniger in der Einwirkung organischer Sub-
stanzen als in der unvollständigen Oxydation des Phosphors, indem sich
bei der Lösung in Salpetersäure oder Salpetersalzsäure neben Phosphor-
säure phosphorige Säure bildete, welche durch Molybdänsäure nicht
mit ausgefällt wurde. Dies wird durch das Eindampfen und Glühen
bei 200° C. verhindert. Doch hat man mit Nutzen die Oxydation
auch noch durch Zusatz stärkerer Oxydationsmittel befördert.


Statt der umständlichen Bestimmung der Phosphorsäure als
Magnesiumphosphat genügt für hüttenmännische Zwecke unter Ein-
haltung gewisser Vorschriften die Ermittelung als Phosphormolybdat.
Nach Finkener1), welcher dieses Verfahren zuerst ausgebildet hat,
erhält man durch längeres Erhitzen des Phosphormolybdats bei etwa
180° C. eine konstante Verbindung, welche 3,794 Prozent Phosphor-
säure oder 1,65 Prozent Phosphor enthält.


Meineke2) löst in Salpetersäure unter Zusatz von Chromsäure,
um die organischen Substanzen zu oxydieren, und glüht das gefällte
Phosphormolybdat bei 400 bis 500° C. Der dunkle Rückstand hat
einen konstanten Phosphorgehalt von 1,754. Dieses Meinekesche
Verfahren kam auf den Rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort in An-
wendung.


Die von W. Götz zu Cleveland, Ohio, 1886 angegebene Schleuder-
[365]Chemie.
methode 1) bestimmt die Phosphorsäure aus dem Volum des durch
einen besonderen Apparat stark geschüttelten oder geschleuderten
Niederschlages von Phosphormolybdat in einem tarierten Gläschen.
Die Volumbestimmung durch starkes Schütteln hatte Eggertz schon
1869 vorgeschlagen. Götz hat die Methode mit Erfolg weiter ver-
folgt. Wedding hat das Verfahren von Götz in Deutschland ein-
geführt 2) und Dr. Braun hat 1880 eine verbesserte Schleudermaschine
(Eimercentrifuge) konstruiert und ein Patent darauf genommen. Die
Methode ist nach Ukena3) gut für Eisen von weniger als 0,12 Prozent
Phosphor und höchstens 0,1 Prozent Kohlenstoff, also besonders für
weiches Fluſseisen. Es wird deshalb besonders auf den Thomas-
werken angewendet.


Wdowizewski wendet das Schüttelverfahren auch zur besseren
Abscheidung des pyrophosphorsauren Ammonmagnesium-Nieder-
schlages an 4).


An der Phosphorbestimmung mit Molybdänsäure haben seit 1870
noch besonders gearbeitet Eggertz (1871), E. Richter, Koschelt,
Stöckmann, Cairns
(1877), Cardwell, J. S. Smith, Mühlenberg,
Drown, B. Wright
(1881), A. Tamm (1883, 1884), Särnström
(1884), Perillon (1884), C. F. Wood (1886), M. A. von Reis (1887),
Ukena (1888), Bormann (1889), Blair (1891), Dudley und Pease
(1893), Carnot (1893), Emmerton, O. Hertling (1897). Letzterer
titriert die Molybdänsäure im Niederschlage mit Kaliumpermanganat.


Der Amerikaner Mahon hat endlich 1898 eine Schnellprobe
durch Fällung als Phosphormolybdat mit darauf folgendem Titriren,
die nur etwa 8 Minuten Zeit erfordern soll 5), angegeben. F. Ibbotson
und H. Beasly empfehlen neuerdings ein Schnellverfahren, wobei der
Phosphor als Pb Mo O4 gewogen wird 6).


Für die Magnesiaacetatprobe haben Riley 1878, Troilus 1883
und Blair 1891 Verbesserungen angegeben.


Eine angeblich genauere Bestimmung der Metalloide, besonders
von Schwefel und Phosphor, hat neuerdings H. K. Bamber in Eng-
land vorgeschlagen 7).


[366]Chemie.

Die maſsanalytischen Phosphorbestimmungen, welche von
Pisani, von der Pfordten, Cheever, M. A. von Reis 1886,
C. Reinhardt 1887 und Emmerton 1891 vorgeschlagen wurden,
und die auf der Reduktion des Phosphormolybdats durch Zink und
Titrieren mit Permanganat beruhen, haben ebensowenig Verbreitung
gefunden wie die kolorimetrische Probe von Namias (1890), welche
auf der blauen Färbung der Lösung des Phosphormolybdats durch
Hyposulfit beruht.


Über die neueren Untersuchungsmethoden für die weniger regel-
mäſsig auftretenden Beimischungen des Eisens, als Kupfer, Nickel,
Kobalt, Chrom, Vanadin, Aluminium, Arsen, Antimon, Zinn, Wolfram
und Titan, verweisen wir auf Weddings Handbuch der Eisenhütten-
kunde, 2. Auflage, I, S. 717 bis 744. Für die Bestimmung des Nickels
im Nickelstahl hat B. Neumann unlängst eine elektrolytische Schnell-
probe empfohlen 1). R. Fieber hat neuerdings eine kolorimetrische
Bestimmung in Vorschlag gebracht 2).


Die technische Gasanalyse, welche ebenfalls eine groſse Be-
deutung erlangt hat, ist besonders durch Orsat3) und Winkler4) so
vereinfacht worden, daſs sie von jedem gebildeten Techniker vor-
genommen werden kann. Diese haben Apparate konstruiert, in denen
die Absorption der Gase vorgenommen und gemessen werden kann.
Kohlensäure wird durch Ätzkali, Sauerstoff durch Pyrogallussäure,
Kohlenoxydgas durch Kupferchlorürlösung absorbiert. Wasserstoff
wird über Palladiumschwamm verbrannt und als Wasser gewogen;
der Rest ist Stickstoff. Man zerlegt in dieser Weise ebensowohl die
Gase im Eisen, wie die im Hochofen oder die Generator- und Ver-
brennungsgase.


Die Gase im Eisen können diesem auf verschiedene Weise ent-
zogen werden, entweder durch Aussaugen, wie es Graham zuerst
angegeben hat, oder durch Anbohren unter Wasser nach Fr. Müllers
Verfahren (1882) oder durch Erhitzen (Parry 1874 5).


Der Orsatsche Apparat wurde 1878 dadurch verbessert, daſs er
noch mit einem Platinrohr zur Verbrennung und Bestimmung von
Kohlenwasserstoffen verbunden wurde. Winklers Apparat wurde
[367]Chemie.
1878 von H. Bunte sehr vereinfacht, der ihn durch eine graduierte
Gasbürette mit Hähnen oben und unten ersetzte. Alle Absorptionen
werden nacheinander in diesem einen Meſsrohre vorgenommen. Die
Buntesche Gasbürette hat ihrer Einfachheit und Handlichkeit wegen
eine sehr verbreitete Annahme für Gasuntersuchungen gewonnen.


Orsats Apparat wurde weiterhin verbessert von Coquillon
(1877), Schwachhöfer (1878), Wiborgh (1887), von Reis (1888),
Thörner (1889), Binder, F. Fischer sowie Lunge und March-
lewski
1) (1891).


Zu Buntes Gasbürette wurden Verbesserungen vorgeschlagen von
Raoult (1883), Ferd. Fischer (1886). Hempel bedient sich ebenfalls
einer einfachen Gasbürette, fängt aber jede Gasart in einer besonderen
Pipette auf 2). Dadurch gewährt dieses Verfahren groſse Genauigkeit.


Für die Praxis ist es wichtig, daſs die analytischen Bestimmungen
der Begleitstoffe des Eisens nach den gleichen Methoden ausgeführt
werden; man ist deshalb seit mehreren Jahren bestrebt, eine inter-
nationale Vereinbarung hierüber herbeizuführen. Auf dem Kongreſs des
internationalen Verbandes für die Materialprüfung der Technik zu Zürich
im Jahre 1895 wurde diese Frage erörtert und eine Kommission unter
dem Vorsitz von Dr. H. Wedding, Berlin, und Freiherr Jüptner
von Jonsdorff
, Wien, als erster und zweiter Vorsitzender gewählt,
welche sich mit ausländischen Chemikern zu diesem Zweck in Ver-
bindung setzen sollten 3). Das Unternehmen fand allgemeinen Beifall
und Unterstützung aus allen wichtigeren eisenerzeugenden Ländern.
Es wurde 1897 die Gründung eines internationalen sidero-chemischen
Laboratoriums beschlossen, als dessen Leiter H. Jüptner von
Jonsdorff
in Aussicht genommen wurde 4).


Die Zahl der in diesem Zeitabschnitt veröffentlichten Analysen von
Eisenerzen, Roheisen, Fluſseisen, Schlacken u. s. w. ist eine sehr groſse.
Sie finden sich zerstreut in den hüttenmännischen und chemischen Zeit-
schriften sowie in Ausstellungsberichten, zum Teil gesammelt in den
Handbüchern der Eisenhüttenkunde und in Monographieen 5).


Die chemische Analyse hat für alle Eisensorten, ganz besonders
für alle Fluſseisensorten, eine eminente Bedeutung erlangt, selbst für
[368]Physik des Eisens seit 1871.
Fabrikate, bei denen nur mechanische Inanspruchnahme in Frage
kommt, wie z. B. bei Eisenbahnschienen. Dr. C. B. Dudley1),
Chemiker der Pennsylvanischen Eisenbahngesellschaft, wollte der
chemischen Analyse 1878 sogar die ausschlaggebende Rolle für die Be-
urteilung der Qualität der Eisenbahnschienen zuschreiben und stellte
hierüber sehr gründliche Untersuchungen an. Wenn er damit auch
nicht durchdrang, so sind doch hervorragende Sachverständige, wie
C. P. Sandberg2), G. F. Snelus3) und Andere auf diesen Gedanken
eingegangen und haben darin weiter gearbeitet.


Zu einer richtigen Beurteilung der Eisensorten gehört die
chemische und die mechanische Probe.


Physik des Eisens seit 1871.


Nicht minder als die Chemie hat sich die Physik des Eisens
vertieft und erweitert.


Die Erscheinungen der Wärme stehen mit den chemischen in
so enger Beziehung, daſs die Thermochemie4) ein gemeinschaft-
liches Gebiet beider Wissenschaften bildet. Die wichtigen Ergebnisse
derselben über den Verbindungszustand des Kohlenstoffs im Eisen
haben wir bereits im vorigen Kapitel erwähnt.


Die Grundlage aller thermochemischen Untersuchungen bildet die
richtige Wärmemessung und sind deshalb zunächst die bedeutenden
Fortschritte auf diesem Gebiete zu verzeichnen.


Neue Kalorimeter, bei welchen die Wärmezunahme einer ge-
wissen Menge Wasser beim Eintauchen des erhitzten Körpers gemessen
wird, wurden angegeben von Weinhold 1873, Siemens 1877,
Thompson, Fischer 1888, Wilson und Anderen. Doch ist immer
noch der ältere von Regnault konstruierte Kalorimeter zu empfehlen,
[369]Physik des Eisens seit 1871.
wenn die Abkühlung des erhitzten Platincylinders vor dem Ein-
tauchen in das Wasser vermieden werden kann.


Optische Pyrometer, die besonders in Frankreich Eingang gefunden
haben, dienen nur zur Betriebskontrolle. Das erste wurde 1881 von
A. Crova auf dem Eisenwerk zu Creusot hergestellt, um die Tempe-
raturen in den Martin-Flammöfen zu messen. Das kreisförmige Bild
der Öffnung in der Ofenthür wurde auf das Prisma eines Spektro-
pyrometers geworfen. Der Apparat diente nur für hohe Temperaturen
über 1000° C. 1888 erfanden Mesuré und Nouel einen einfacheren
Apparat, den sie lunette pyrometrique, pyrometrisches Perspektiv,
nannten. Dieses Instrument wurde 1892 von Cornu-Le Chatelier
verbessert. Die Verbesserung bestand in der Verbindung mit einem
Cornuschen Photometer. Rotglut entspricht 525° C., Kirschrot 800° C.,
Orange 1100° C., Weiſs 1300° C., blendend Weiſs 1500° C.


Bequem, aber für wissenschaftliche Zwecke bei hohen Tempe-
raturen nicht genügend genau, sind die Pyrometer, welche, wie das
alte von Wedgewood, auf der Ausdehnung feuerfester Körper in der
Hitze beruhen. Das von Zabel in Quedlinburg (1876) aus Metall-
stäben zusammengesetzte miſst nur Temperaturen bis zu 520° C., das
Graphitpyrometer von Steinle und Hartung (1878) läſst sich für
höhere Temperaturen anwenden. Seger hat (1883) eine Skala von
Versuchskegeln aus hochschmelzigen Glasurmassen hergestellt, von
denen Nr. 26 dem niedrigsten Grade, Nr. 35 dem höchsten Grade
der Feuerbeständigkeit von feuerfesten Thonen entspricht. Das
Segersche Pyroskop hat auch beim Eisenhüttenwesen Anwendung
gefunden.


Genauer sind in gewissen Grenzen Legierungen von Silber, Gold
und Platin, deren Schmelzpunkte zu 950° C., 1075° C. und 1775° C.
angenommen werden, wie sie von Princep angegeben und von der
Scheideanstalt (Dr. H. Röſsler) in Frankfurt hergestellt werden.
H. Seger empfahl die Anwendung dieser Legierungen bis zu einer
Temperatur von etwa 1200° C. (genauer bis zu einer Legierung von
15 Prozent Platin, welche bei 1180° C. schmilzt).


Von den Pyrometern, welche auf der ungleichen Ausdehnung
zweier verschiedener Stoffe bei der Erwärmung beruhen, ist das von
Gauntlett am meisten in Anwendung. Es besteht aus drei feuer-
festen Hohlcylindern, die in ein Eisenrohr eingeschlossen sind und
bei der Erhitzung auf eine Auswechselung drücken, die einen Zeiger,
ähnlich wie bei einem Manometer, bewegen.


Viel genauer und für alle wissenschaftlichen Untersuchungen von
Beck, Geschichte des Eisens. 24
[370]Physik des Eisens seit 1871.
groſser Bedeutung sind die Luftpyrometer, welche in den letzten
25 Jahren sehr verbessert worden sind. Doch werden dieselben
meist nur bei niedrigeren Temperaturen bis zu 1000° C. (Wind-
erhitzungsapparate usw.) in der Praxis angewendet. Die bekanntesten
Luftpyrometer sind die von Hobson (1876), Bradbury, F. Wiske
(1881), Friedr. Krupp (1885), Heisch und Tolkard in Brentford
(1887, nur für Temperaturen bis zu 540° C.), Wiborgh (1888),
Ühling und Steinbart (1894) und das von Walther Dürr und
Siegert in München (1894) 1). Alle diese Pyrometer sind aber nicht
verwendbar, um die Temperatur von flüssigen Eisen- oder Stahlmassen
zu messen.


Für hohe Temperaturen sind das verbesserte Wiborghsche und
das Dürrsche Luftpyrometer geeignet. In letzterem giebt ein Zeiger
auf einer Skala von 0° bis 1500°, ähnlich wie bei einem Manometer,
die gemessene Temperatur an.


Sehr gut haben sich zum Messen hoher Temperaturen die
elektrischen Pyrometer bewährt, die alle auf dem von Siemens
zuerst angewendeten Princip, daſs der Leitungswiderstand eines
Platindrahtes gegen den elektrischen Strom mit der Temperatur sich
verändert, beruhen. Das Siemenssche Pyrometer wurde von F. Braun
und von Le Chatelier verbessert. Das Le Chateliersche Pyro-
meter 2) besteht aus einem thermoelektrischen Element von Platin-
Platinrhodium, welches Temperaturen bis zum Schmelzpunkt des
Platins (über 1700° C.) zu messen gestattet. Die Ablesung erfolgt mit
Hülfe eines Spiegelgalvanometers. Sowohl das Le Chateliersche wie
das Braunsche Pyrometer geben genaue Temperaturangaben und
gestatten Wärmefernmessungen. Ein verbessertes Thermoelement für
das Le Chatelier-Pyrometer hat W. C. Heräus in Hanau erfunden 3).
In neuerer Zeit hat Professor W. C. Roberts-Austen in London 4)
mit dem Pyrometer einen Selbstregistrierapparat verbunden (Recording-
Pyrometer).


Die Schmelztemperatur von weiſsem Roheisen, das 4,1 Prozent
Kohlenstoff, 0,22 Prozent Silicium, 0,12 Prozent Mangan und 0,02 Proz.
Phosphor enthielt, maſs Osmond5) zu 1085° C., die von weiſsem
schwedischem Roheisen mit 4 Prozent Kohlenstoff Le Chatelier zu
1135° C., die von grauem schwedischem Gieſsereiroheisen mit 3,5 Proz.
[371]Physik des Eisens seit 1871.
Kohlenstoff Le Chatelier zu 1220° C., die von Stahl mit 0,7 Prozent
Kohlenstoff Osmond zu 1420° C., die von Fluſseisen mit 0,9 Prozent
Kohlenstoff Le Chatelier zu 1410° C., die von Eisen mit 0,3 Prozent
Kohlenstoff Le Chatelier1) zu 1455° C., die von Fluſseisen mit
0,1 Prozent Kohlenstoff Le Chatelier zu 1475° C.


Für chemisch reines Eisen, das nach Pouillet bei 1550°, nach
Daniell bei 1587° C. schmelzen soll, ermittelte Carnelley 1804° C.
Im allgemeinen nimmt man aber den Schmelzpunkt von reinem
Eisen niedriger als den von Platin, auf rund 1600° C., an (nach
Violle auf 1775° C.).


Hadfield teilte neuerdings folgende, mit dem Le Chatelier-
Pyrometer bestimmte Temperaturen mit:



Temperatur von Bessemerstahl aus einer 6-Tonnen-Birne:



Bei sehr hoher Temperatur verflüchtigt sich Eisen, wie die ihm
nahestehenden Metalle Nickel, Kobalt und Mangan; letzteres am
leichtesten. Nach Fleitmann soll bei nickelplattiertem Eisen schon
in der Schweiſshitze Verdampfung wahrnehmbar sein.


Eine wichtige Entdeckung war der Nachweis, daſs die specifische
Wärme
sich verändert und mit der Temperatur zunimmt. Le
Chatelier
2) wies dies zuerst durch zahlreiche Versuche an Kohlen-
säure und Wasserdampf nach.


24*
[372]Physik des Eisens seit 1871.

Hieraus ergiebt sich, daſs die früheren Berechnungen der Flammen-
temperaturen, wobei die specifische Wärme der Gase als konstant
angenommen wurde, falsch waren und viel zu hohe Zahlen ergaben,
was auch den Erfahrungen entsprach. Während die Flammentempe-
ratur von Gas, welches mit kalter Luft verbrennt, früher zu 2650° C.
berechnet wurde, stellt sich dieselbe nach Le Chateliers Formeln
nur auf 1700° C. 1), was mit der Leistung viel besser übereinstimmt.


Nach Messungen mit dem optischen Pyrometer von Cornu-
Le Chatelier
beträgt die Hitze in einem Ziegelofen nur 1100° C.,
im Hochofen im Anfang der Schmelzzone 1400° C., in einem Bessemer-
konverter während des Blasens 1330° C., gegen Ende des Blasens
1580° C., in einem Stahltiegelschmelzofen 1600° C.


Die specifische Wärme hat A. Weinhold (1875) genauer bestimmt.
Danach nimmt das Eisen bei der Erwärmung von 0 bis 300° etwa
35 Wärmeeinheiten, bei der Erhitzung von 0 bis 1000° etwa 160
Wärmeeinheiten auf. Bei 1000° ist die specifische Wärme des Eisens
ungefähr doppelt so groſs als bei 0°. Die Zunahme der specifischen
Wärme findet nicht gleichmäſsig statt, sondern zeigt Sprünge, die nach
Pionchon2) besonders um 700° liegen.


Nach Versuchen von Lürmann und Bethge erwies sich das
Weltersche Gesetz (s. Bd. IV, S. 231) für den gasförmigen Zustand
verbrennender Körper als durchaus richtig, wenn man ihm folgende
Fassung giebt: Bei der Verbrennung mit Sauerstoff entwickelt
jeder einfache und zusammengesetzte Körper eine Wärmemenge von
33600 W.-E. 3) (= der Verbrennungswärme von Wasserstoff zu Wasser),
dividiert durch das Atomgewicht des Körpers und multipliziert mit der
Anzahl der Sauerstoffatome.


Die gewöhnlichsten Verbrennungserscheinungen sind demnach:

[373]Physik des Eisens seit 1871.

Nach Untersuchungen von K. Zulkowski betrug die gemessene
Wärmemenge beim Verbrennen von:
(nach Andrews)
(nach Thomson)


Die Dulongsche Formel (Q = 81 c + 345 [h — o/s]), wobei c,
h und o die Prozentmengen an Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauer-
stoff bezeichnen, ist nach D. J. Mendelejeff nur richtig, wenn der
Wasserstoff in Gasform vorhanden ist, für den flüssigen und festen
Zustand ist die Zahl 345 zu hoch und muſs auf etwa 300 erniedrigt
werden 1).


Über die Ausnutzung oder die Ökonomie der Wärme im Hoch-
ofen sind ausführliche Untersuchungen angestellt worden, auf welche
wir bei dem Abschnitt über Hochöfen zurückkommen werden. Die
Ausnutzung der Wärme ist nur erheblich, wo das Brennmaterial mit
dem zu erhitzenden Stoff in Berührung ist, wo das nicht der Fall ist,
ist sie nur gering, wie aus folgenden Ergebnissen der Untersuchungen
von Gruner2) hervorgeht.


Die Wärmeausnutzung betrug in Tiegelschmelzöfen beim



In Flammöfen beim



[374]Physik des Eisens seit 1871.

beim Schmelzen in Schachtöfen in Prozenten:


Über die Anwendung der Thermochemie auf metallurgische
Reaktionen hielt A. Pourcel 1889 bei der Frühjahrsversammlung des
Iron and Steel Institute einen Vortrag 1).


Daſs die chemische Verwandtschaft der einfachen Stoffe von der
Temperatur abhängig und bei verschiedenen Temperaturen verschieden
ist, war eine längst bekannte Thatsache, und beruhen hierauf viele
metallurgische Prozesse. Insbesondere verändert sich die Intensität
der Verwandtschaft zum Sauerstoff mit der Temperatur. Wasserstoff
hat eine groſse Verwandtschaft zu Sauerstoff und verbrennt innerhalb
gewisser Temperaturgrenzen mit Energie zu Wasser. Hohe Tempe-
ratur hebt diese Verwandtschaft auf und tritt nach den pyrometri-
schen Untersuchungen von V. Meyer (1885) schon bei 1200° C.
Dissociation oder Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff ein.
Kohlensäure zerfällt bei 1300° C. teilweise nach der Formel C O2 =
C O + O, während umgekehrt Kohlenoxydgas bei 1700° C. in Kohlen-
säure und Kohlenstoff zerfällt nach der Formel 2 C O = C O2 + C.
Die Verwandtschaft des Eisens zum Sauerstoff ist bei verschiedenen
Temperaturen verschieden, was sich bei der Reduktion der Eisenerze
geltend macht, wie wir weiter unten beim Hochofenprozeſs sehen
werden.


Auch die Verwandtschaft des Eisens zu den übrigen einfachen
Stoffen wechselt mit der Temperatur und nimmt bei manchen mit
steigender Wärme wenigstens innerhalb gewisser Grenzen zu, so z. B.
beim Phosphor. Daſs sie zu Kohlenstoff, Silicium, Schwefel und Eisen
bei verschiedenen Temperaturen verschieden ist, wuſste man längst.
Lowthian Bell2) hat dies durch Analysen bestätigt. Er fand, daſs
bei den analogen Prozessen des Feinens und des Bessemerns die
relative Abscheidung der genannten Elemente ganz verschieden ist.


Im Vergleich zu dem ursprünglichen Zustande wurden ab-
geschieden:


[375]Physik des Eisens seit 1871.

Bei Versuchen im groſsen mit einer ganzen Bessemercharge
ergab sich, daſs der Phosphorgehalt des Roheisens von 1,47 Prozent
beim Bessemern auf 1,69 Prozent gestiegen war, beim Feinen war er
auf 0,84 Prozent und beim Feinen und Puddeln auf 0,27 Prozent
gefallen.


Bell schreibt der Erzeugungstemperatur einen so groſsen Ein-
fluſs zu, daſs er 1872 einmal die Ansicht aussprach, die Unterschiede
der Roheisensorten seien mehr aus der Erzeugungstemperatur, als aus
dem Kohlenstoffgehalt herzuleiten. Letzterer ist hauptsächlich von
der Erzeugungstemperatur bedingt und A. Schmidt stellte (1889) den
Satz auf, jeder Erzeugungstemperatur entspreche ein mit dieser
wachsender Sättigungspunkt.


Die Härtung des heiſsen Stahles durch Abkühlung, diese merk-
würdige, dem Stahl eigentümliche und für ihn charakteristische Er-
scheinung, die für dessen Verwendung von so groſser Wichtigkeit ist,
war, wie im höchsten Altertum, so bis in die neuere Zeit, ein nur
auf Erfahrung begründetes Verfahren. Durch die Fortschritte in der
Chemie des Eisens, durch die richtigere Erkenntnis der Kohlenstoff-
verbindungen des Eisens und ihres Verhaltens bei verschiedenen
Temperaturen, durch die Thermo- und Mikrochemie ist man dem
theoretischen Verständnis näher gekommen. Hierzu haben besonders
die Arbeiten von F. Abel, F. Osmond, A. Ledebur, F. C. G. Müller,
Howe
und Arnold beigetragen. Die Umwandlungen von Karbidkohle
in Härtungskohle bei höherer Temperatur und rascher Abkühlung
spielt dabei die Hauptrolle. Georges Charpy1) stellte 1895 Unter-
suchungen über die Stahlhärtung an und kam zu folgendem Ergebnis:


Bei Erhitzung über 700° C., oder bei langsamer Abkühlung des
über 800° C. erhitzten Stahls finden dreierlei Umformungen statt, die
durch die rasche Abkühlung oder Härtung gestört werden. Diese
Umwandlungen sind 1. die Umwandlung der Karbidkohle in Härtungs-
kohle, oder umgekehrt, 2. eine Umwandlung der krystallinischen Be-
[376]Physik des Eisens seit 1871.
schaflenheit, die durch das Erscheinen oder Verschwinden einer geraden
Linie im Schaubilde der Festigkeitsprüfung sich kennzeichnet, und 3.
eine zweite Änderung der krystallinischen Beschaffenheit, welche teils
durch eine Wärmeentwickelung, teils durch eine Änderung des magne-
tischen Verhaltens zur Erscheinung kommt.


Bei weichem Stahl vollziehen sich diese Umwandlungen bei ver-
schiedenen Temperaturen, bei hartem Stahl von über 0,4 Prozent
Kohlenstoff fallen sie in derselben Temperatur zusammen. Die
Temperaturen sind eng begrenzt, werden aber durch fremde Bei-
mengungen des Stahls verändert. Bei Stahlsorten, die nicht mehr als
1 Prozent fremde Beimengungen enthalten, liegen diese Grenzen
zwischen 700 bis 750, höchstens bis 800° C., so daſs unter 700° C.
keine Härtung mehr erfolgt, und Erhitzung über 750, höchstens 800° C.,
nichts mehr nützt, sondern eher schadet. Beim Wiedererhitzen des
gehärteten Stahls vollziehen sich die Umformungen rückwärts bei
erheblich niedrigeren Temperaturen.


Eine merkwürdige Erscheinung, der in neuerer Zeit gröſsere Auf-
merksamkeit geschenkt wurde, ist die Wanderungsfähigkeit gewisser
Stoffe im Eisen bei mäſsig hoher Temperatur.


Daſs Kohlenstoff im Eisen wandert, ist eine Erfahrung bei der
Cementierung des Eisens und von Mannesmann und Royston noch
im besonderen nachgewiesen. Campbell1) hat zuerst gezeigt, daſs
Eisenoxysulfür durch ein Eisenstück hindurchwandern kann, auf
der Auſsenfläche sich wiederfindet, ohne an das Eisen Schwefel ab-
gegeben zu haben. Fleitmann hat schon vor längerer Zeit nach-
gewiesen, daſs Nickel in Eisen einwandert, wenn es nur bei Rotglut
längere Zeit mit demselben in Berührung bleibt. J. O. Arnold und
A. Mc. William2) haben neuerdings weitere Versuche über diese Er-
scheinung gemacht.


Die Optik des Eisens hat die wichtigsten Fortschritte in der
mikroskopischen Untersuchung des Kleingefüges des Eisens
gemacht. Dieses von Sorby 1864 angeregte Verfahren hat hervor-
ragendes Interesse erweckt und ist demselben in den letzten 30 Jahren
ein groſser Aufwand von Zeit, Arbeit und Scharfsinn gewidmet worden.
Die groſsen Hoffnungen, die man auf dasselbe gesetzt hatte, indem
man annahm, darin ein der chemischen Analyse gleichwertiges und
dieselbe vielfach ersetzendes Mittel zur Unterscheidung der Eisensorten
gefunden zu haben, sind bis jetzt nicht ganz in Erfüllung gegangen;
[377]Physik des Eisens seit 1871.
trotzdem sind die erzielten Resultate sehr beachtenswert und läſst
sich hoffen, daſs dasselbe mit der Zeit auch für die Praxis ein wert-
volles Hülfsmittel werden wird.


Um die mikroskopische Untersuchung des Kleingefüges des Eisens
haben sich auſser Sorby in hervorragender Weise A. Martens,
H. Wedding, F. Osmond, F. L. Garrison
und H. M. Howe ver-
dient gemacht. Unter der groſsen Zahl, die sonst noch auf diesem
Gebiete gearbeitet haben, nennen wir Kerpely, Roberts-Austen,
Dolliak, Arnold, S. Stein, Kuppelwieser, Ledebur, v. Jüptner,
Kreuzpointner, A. Sauveur
u. s. w.


Der Holländer van Ruth arbeitete schon 1871 bis 1873 ein
Verfahren, um genaue Abdrücke des Kleingefüges des Eisens dadurch
herzustellen, daſs er eine geglättete Schnittfläche mit Salzsäure
ätzte und diese dann abdruckte, aus. Dieses Verfahren verfolgte
A. von Kerpely weiter. 1878 machte er 1) ein von ihm erfundenes
Verfahren von Selbstdrucken geätzter Bruchflächen bekannt. Derselbe
hatte schon vorher (1876 und 1877) Mikrophotographieen 2) von un-
geätzten Bruchflächen mittels eines Hartnackschen Mikroskops mit
1500 facher Vergröſserung und eigens eingerichteter Camera obscura
hergestellt. Kerpely empfahl ferner die Herstellung von Warm-
bruchproben, wofür er sich, um die gleichen Temperaturen und Anlauf-
farben zu erhalten, eines Bleibades bediente 3). Er gab an, aus
diesen Proben die Güte eines Stahles beurteilen zu können. Trotz-
dem hat dies Verfahren keinen Anklang gefunden.


In Deutschland nahm A. Martens4), angeregt durch den Hinweis
des Hüttenmeisters Schott, in seiner „Kunstgieſserei“ 1873 die
mikroskopische Untersuchung des Kleingefüges des Eisens auf. Er
veröffentlichte 1878 die Ergebnisse seiner auf Grund der Sorbyschen
Vorschläge (1865) angestellten mikroskopischen Untersuchungen ge-
ätzter ebener Schliffe von Eisen 5).


A. Martens benutzte ebenfalls bei seinen Untersuchungen die
bei niedriger Temperatur hervorgerufenen Anlauffarben als ein Mittel
[378]Physik des Eisens seit 1871.
zur besseren Unterscheidung der geschliffenen und geätzten Flächen.
Zur Wiedergabe des mikroskopischen Bildes bediente er sich eines
Zeichenprismas, mit dessen Hülfe er dasselbe auf Papier übertrug und
kolorierte. Zur Beobachtung gröſserer Bruchstücke hatte Martens
ein besonderes Mikroskop 1) konstruiert. O. Dolliak2) machte 1883
in Österreich mikroskopische Untersuchungen über die zur Waffen-
technik verwendeten Metalle. Während Sorby (1883) in allen Eisen-
sorten bereits sieben Bestandteile unterschied, nahm H. Wedding
(1885) nur drei an: Graphit, Homogen- und Krystalleisen.


H. Wedding legte auf die photographische Wiedergabe des
mikroskopischen Bildes den gröſsten Wert und hat sich um die Mikro-

Figure 128. Fig. 128.


Figure 129. Fig. 129.


Photographie, welcher er vor dem graphischen Verfahren den Vorzug
gab, Verdienste erworben.


Osmond und Werth3) fanden (1885) eine zellige Struktur des
Guſsstahls, wobei nach ihrer Annahme der Kern der Zelle von reinem
Eisen, die Wandungen von Eisenkarbid gebildet sind.


Wedding4) zeigte 1886, daſs der Unterschied des Kleingefüges
von Holzkohlen- und Koksroheisen (Fig. 128, 129) bei fast gleicher
chemischer Zusammensetzung sehr bedeutend ist. Dasselbe wies
Lynwood Garrison bei zwei Hartguſsrädern nach. Dieser hält indes
das Mikroskop mehr für eine Beihülfe für die Prüfungsmaschine als
für eine Rivalin dieser und der chemischen Analyse bei Eisenunter-
suchungen.


[379]Physik des Eisens seit 1871.

Indem wir das Wichtigste der umfangreichen Litteratur unten
zusammenstellen, müssen wir uns damit begnügen, einen kurzen Über-
blick der Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchungen des Klein-
gefüges des Eisens zu geben.


Litteratur über Kleingefüge und Mikrochemie des Eisens.



[380]Physik des Eisens seit 1871.

Die mikroskopische Untersuchung verlangt die Herstellung eines
ebenen Schnittes, welcher geschliffen und poliert wird. Das von Sorby
eingeführte „Reliefpolieren“ wurde durch Osmond, Martens und
Wedding verbessert 1). Läſst sich die Fläche spiegelblank polieren,
so kann man diese unter sehr starker, 400- bis 500 facher Vergröſserung
direkt untersuchen. In der Regel werden aber die polierten Flächen
schwach geätzt. Statt dessen kann man sie auch anlaufen lassen oder
man kann Ätzen und Anlaufenlassen verbinden. Bei nur geätzten
Flächen vergröſsert man nicht über das 50fache, bei geätzten und
angelaufenen nicht über das 35fache.


F. Osmond hat 1895 Ätzen und Färben der Schliffflächen vor-
geschlagen. Er schleift die Flächen mit selbstbereitetem feinem
Schmirgelpapier und poliert mit Polierrot. Hierauf ätzt er die Flächen
mit einem Gemisch von Süſsholzextrakt und Wiener Kalk (Kalksulfat).
Hierbei werden Ferrit und Cementit gelb gefärbt. Eine deutlichere
Färbung und Trennung dieser erhält man durch Färben mit Jodtinktur.


Für die Untersuchung des mikroskopischen Bildes ist es von
Wichtigkeit, daſs die reflektierten Lichtstrahlen senkrecht auf die
Linse, also parallel zur optischen Achse des Mikroskops einfallen.
Das mikroskopische Bild der Eisenschliffe zeigt auſser den scharfen
schwarzen Linien des Graphits helle und dunkle Partieen von ver-
schiedenartiger Menge, Verteilung und Gruppierung.


In der Unterscheidung dieser gehen die Ansichten der Beobachter
auseinander.


[381]Physik des Eisens seit 1871.

Nach H. Wedding1) ist jedes kohlenstoffhaltige Eisen ein
porphyrartiges Gemisch von mindestens zwei Bestandteilen, deren
einer anscheinend auskrystallisiert und von einer nicht oder anders
krystallisierten Grundmasse eingeschlossen ist; ersteren nennt er
Krystalleisen, letzteren Homogeneisen. Fig. 130 zeigt das Kleingefüge
von grauem Roheisen (nach Wedding), um die schwarzen Graphit-
linien ist das dunkle Krystalleisen gruppiert, dessen Zwischenräume
von Homogeneisen ausgefüllt sind. Weiſses Roheisen (Fig. 131) zeigt
nur Krystall- und Homogeneisen. A. Ledebur unterschied diese
beiden Eisensorten als Grundmasse und Eisenkarbid. Er folgte darin

Figure 130. Fig. 130.


Figure 131. Fig. 131.


zum Teil Osmond, der nach seiner Zellentheorie Körner von reinem
Eisen und dieses umschlieſsendes Eisenkarbid unterschied. Auch
Müller und Abel bezeichneten das Homogeneisen als Eisenkarbid.


Während nun die Vorgenannten sich mit zwei Gemengteilen
begnügten, gingen Sorby, Howe und andere viel weiter und unter-
schieden sieben und mehr Bestandteile, nämlich Ferrit, Cementit,
Perlit, Hardenit, Sorbit, Graphit und Schlacke, auſserdem noch einen
unbestimmten Rückstand in der Lösung der sechs erstgenannten. Die
fünf ersten bilden die Gefügeelemente des Eisens. Von diesen schien
Sorbit, der vermutlich als Silicium- oder Titanstickstoff in kleinen
rubinfarbigen oder dunkelroten Krystallen nur zuweilen auftrat, ein
zufälliger Gemengteil zu sein. Hardenit war nur in gehärtetem Stahl
vorhanden und wurde für die durch rasches Abkühlen erstarrte
Mutterlauge derselben angesehen. Ferrit erschien als nahezu reines
[382]Physik des Eisens seit 1871.
Eisen und entsprach Weddings Krystalleisen und Osmonds Kern-
eisen, doch sollte es nach Howe ein Netzwerk bilden, das Perlit
umschloſs. Cementit wurde als ein hartes Eisen mit Karbidkohle
bezeichnet und entsprach Weddings Homogeneisen. Perlit sollte

Figure 132. Fig. 132.


Figure 133. Fig. 133.


Figure 134. Fig. 134.


Figure 135. Fig. 135.


eine Mischung von zwei Drittel Ferrit und ein Drittel Cementit sein,
die in allen Stahlsorten auftritt und bei mäſsig hartem Stahl oft die
ganze Masse ausmacht. Da sich der Perlit bei starker Vergröſserung
als ein Gemenge der beiden Vorgenannten erwies, so blieben genau
genommen für weiches Material nur die zwei Komponenten Ferrit und
Cementit übrig.


Martens unterschied im Spiegeleisen zwei durch ihre Krystall-
[383]Physik des Eisens seit 1871.
form verschiedene Bestandteile, wovon der eine nach dem rhombischen,
der andere nach dem quadratischen System krystallisierte. Er hielt
das erstere für Viertelkarburet (Fe4 C), das andere für kohlenstofffreies
Eisen.


Stets wird das Kleingefüge in vielfacher Weise beeinfluſst sowohl
durch mechanische Einmengungen, wie Schlacken und Gasblasen, als
durch chemische Bestandteile, wie Mangan, Silicium, Schwefel, Alu-
minium, Arsen, Phosphor u. s. w., was besonders Professor Arnold 1894
nachgewiesen hat. Dagegen verneint Kreuzpointner die vielfach
angenommene Gefügsänderung durch mechanische Einwirkungen.


Nachfolgende Figuren zeigen charakteristische mikroskopische
Bilder des Kleingefüges der wichtigsten Eisensorten (nach Wedding):
Fig. 130 (S. 381) graphitisches
Roheisen, Fig. 131 weiſses Roh-
eisen, Fig. 132 gefeintes Eisen,
Fig. 133 Spiegeleisen, Fig. 134
Tiegelguſsstahl, Fig. 135 Fluſs-
eisen von 0,12 Prozent Kohlen-
stoff, Fig. 136 sehniges Schweiſs-
eisen mit viel Schlacken.


In der Weiterentwickelung
der mikroskopischen Analyse
des Stahls kam auch F. Osmond
dazu, eine gröſsere Anzahl be-
stimmter Bestandteile im Stahl
anzunehmen 1). Er unterschied:


1. Ferrit (nach Howe) als

Figure 136. Fig. 136.


nahezu reines Eisen, das beim Polieren matt bleibt und keine Fär-
bung annimmt.


2. Cementit nach (Howe), eine Kohlenstoffeisenverbindung, die
dem Drittelkarburet von Karsten und dem Karbid von Abel,
Müller
und anderen entspricht. Sie hat die Zusammensetzung Fe3 C
und erscheint im Cementstahl in gröſseren Lamellen, die sich leicht
isolieren lassen.


3. Sorbit entspricht dem Perlit von M. Howe. Osmond gab dieser
kohlenstoffhaltigen Verbindung den Namen, weil Sorby ihn als perl-
artigen Bestandteil (pearly constituent) bezeichnete und zwar deshalb,
weil er bei schief einfallendem Licht Perlmutterglanz zeigt. Dies rührt
[384]Physik des Eisens seit 1871.
aber daher, weil er aus geschichteten Lamellen von Härtungskohle
(Martensit) und Cementit (Karbid) besteht.


4. Martensit (Howes Hardenit), der Hauptbestandteil des ge-
härteten Stahls, bildet kleine, harte Krystalle einer Lösung von

Figure 137. Fig. 137.

Vergr. = 1240.


Martensit.
Die Nadeln schneiden sich parallel den
drei Seiten eines Dreiecks. Weiches
Schienenmaterial, abgeschreckt bei 900°.
Ätzung mit Salzsäure in Alkohol 1/300.


Figure 138. Fig. 138.

Vergr. = 1240.


Körniger Perlit.
Entnommen aus einem geschmiedeten
Quadrateisen von Tiegelstahl mit 0,92
Prozent C. Die ganze Masse bestand
aus Perlit.


Figure 139. Fig. 139.

Vergr. = 270.


Figure 140. Thomasroheisen, 108

Stunden in
Holzkohle geglüht.
Reliefpoliert Cementit in Relief gegen
Perlit.


Kohlenstoff in Eisen. Er besteht
nur in hoher Temperatur (740 bis
825° C.) und ist keine bestimmte
Verbindung von Eisen und Kohle.


5. Troostit, der bei mittelhartem
Eisen als Zwischenlagerung zwischen
Martensit und Ferrit auftritt, der
anläuft und sich färbt und eine Über-
gangsform bildet. Er erscheint zu-
meist an den Rändern des Martensit.


Die Figuren 1) 128 bis 139 sollen
dazu dienen, eine Vorstellung von
der charakteristischen Verschieden-
heit der wichtigsten der angeführten
Bestandteile zu geben.


[385]Physik des Eisens seit 1871.

Fig. 137 ist der in Nadeln anschieſsende Martensit.


Fig. 138 ist der in runden verschwommeneren Linien erscheinende
Perlit (Troostit), und


Fig. 139 zeigt Cementit (Karbid) im Relief gegen Perlit.


Die Entstehung des Kleingefüges des Eisens und dessen Wieder-
gabe mit Hülfe des Mikroskops trug dazu bei, den Schleier von dem
geheimnisvollen Wesen des Eisens und seinen vielfältigen Eigen-
schaften etwas zu lüften. Doch nur unter Mithülfe von Chemie und
Physik konnte diese Aufgabe gelöst werden. Es entstand eine ganz
neue Wissenschaft, die allzu beschränkt als „Metallographie“ bezeichnet
wird 1), deren Aufgabe darin besteht, das Kleingefüge, dessen Ent-
stehung, Veränderung und Ursachen und weiterhin das innerste Wesen
der Metalle zu erforschen. Die Thermochemie ist hierfür das wichtigste
Hülfsmittel.


Man erkannte es immer deutlicher, daſs die Eisensorten des
Handels als Lösungen und Legierungen aufzufassen seien, deren
Verständnis deshalb von gröſster Wichtigkeit sei. Zur Förderung
desselben setzte das Iron and Steel Institute in England eine be-
sondere Abordnung — das Alloys Research Committee — ein, welches
bereits eine Reihe wichtiger Berichte veröffentlicht hat. Aber nicht
nur in England, sondern in Frankreich, Deutschland, Österreich, den
Vereinigten Staaten und in Ruſsland beteiligten sich hervorragende
Gelehrte an diesen Arbeiten. Es ist nicht möglich, diese Unter-
suchungen im einzelnen zu besprechen. Sie haben bereits viele Auf-
schlüsse gegeben, zugleich aber auch gezeigt, wie schwierig und ver-
wickelt die Erscheinungen sind. Deshalb sind die Ergebnisse für die
Praxis bis jetzt erst gering. Unzweifelhaft hat aber diese Wissenschaft
eine wichtige Bedeutung für die Zukunft und wird, wenn sie erst noch
weiter ausgebaut sein wird, auch für die Technik von Nutzen werden.


Um die Ergebnisse der Untersuchungen der letzten Jahre, etwa
seit 1895, zu verstehen und in gedrängter Kürze vorzuführen, faſst
man am besten mit H. von Jüptner die Eisensorten als Lösungen
von Kohlenstoff in Eisen auf 2). Die Löslichkeit des Kohlenstoffs in
Eisen wächst mit der Temperatur. Sie beträgt:



Beck, Geschichte des Eisens. 25
[386]Physik des Eisens seit 1871.

Dies gilt für reines Eisen. Fremde Beimengungen ändern die
Lösungsfähigkeit; Mangan und Chrom erhöhen sie, Silicium und
Schwefel vermindern sie. Man bereitet die reinen Eisenkohlenstoff-
verbindungen aus elektrolytisch gefälltem Eisen.


Die Temperaturen, die über dem Schmelzpunkte des Eisens liegen,
kommen für die Praxis vorläufig nicht in Betracht. Roheisen, dessen
Erzeugungstemperatur beträchtlich höher liegt als seine Erstarrungs-
temperatur, scheidet in der Nähe dieser sowohl schon etwas oberhalb
als noch etwas unterhalb derselben Kohle in Form von Graphit aus,
wodurch graues Roheisen entsteht. Da dieser Erstarrungspunkt nur
etwa 100° C. über 1050° C. liegt, bei welcher Temperatur das Maximum
der im Eisen gelösten Kohlenstoffmenge 1,5 Prozent beträgt, so kann
man annehmen, daſs von dem Kohlenstoffgehalt des völlig gesättigten
Roheisens (4,63 Prozent) die Differenz (also 3,13 Prozent) als Graphit
ausgeschieden wird. Bei dem Roheisen kommt ein weiterer Haltepunkt
bei der Abkühlung nicht in Betracht. Anders ist es bei dem Stahl.
Hier treten bei den Abkühlungen verschiedene Erscheinungen ein, je
nach dem Kohlenstoffgehalt und dem raschen oder langsamen Kühlen.
Auch bei dem Stahl nimmt man an, daſs in ihm in flüssigem Zustande
der ganze Kohlenstoff gelöst ist.


Bei raschem Abkühlen, dem Ablöschen oder Härten des Stahls
bleibt dieser Zustand mehr oder weniger fixiert.


Man nahm früher an, daſs die ganze Masse des gehärteten Stahls
aus Martensit bestehe, Osmond fand aber neuerdings neben diesem
harten Körper, der mikroskopisch deutlich erkennbar ist, dessen
Kohlenstoffgehalt aber in ziemlich weiten Grenzen schwankt, noch
eine zweite, dunkle, weiche Substanz von hohem Kohlenstoffgehalt, der
er den Namen Austensit gab. Den harten Martensit bezeichnet
Osmond nach seiner allotropischen Theorie als γ-Eisen, während
Arnold darin eine chemische Verbindung Fe24 C sieht.


Ganz anders verhalten sich Stahl und Eisen bei langsamer Ab-
kühlung
. Die Wärmeabnahme ist keine gleichmäſsige, sondern es
treten gewisse Haltepunkte (kritische Punkte Osmonds) ein, indem
durch Wärmeentwickelung infolge eines inneren Vorganges Ver-
zögerungen der Abkühlung eintreten. Diese werden hervorgerufen
durch eigenartige Vorgänge, wie sie bei Lösungen und Legierungen
vorkommen.


Es giebt gewisse Gleichgewichtszustände zwischen dem lösenden
und dem gelösten Körper, sowie zwischen den Bestandteilen einer
Legierung, die in bestimmten Temperaturgrenzen eine gröſsere Stabi-
[387]Physik des Eisens seit 1871.
lität haben als in Mischungen, die diesem Verhältnisse nicht
entsprechen. Man kann diese „eutektischen“ Legierungen nicht als
chemische Verbindungen ansehen und doch zeigen sie eine Verwandt-
schaft mit solchen.


Die eigentümlichen Erscheinungen, welche Stahl und Eisen bei
langsamem Erkalten zeigen, lassen sich am besten aus diesen Ana-
logien erklären. Dabei ist das Merkwürdige, daſs diese Veränderungen,
die offenbar durch molekulare Umlagerungen bedingt sind, in erstarrten
Körpern, allerdings nur bei hohen Temperaturen, vor sich gehen.


Diese Veränderungen sind nicht leicht zu verstehen und sie sind
durch die genaueren Untersuchungen in den letzten Jahren nicht
verständlicher, sondern verwickelter geworden. Früher kannte man
nur einen „kritischen Punkt“, der bei etwa 750° C. auftrat, jetzt
unterscheidet man bereits mindestens drei solcher kritischen oder
Haltepunkte, die bei verschiedenen Eisensorten keineswegs gleich sind.
Durch die wichtige Erfindung eines selbstregistrierenden Pyrometers,
der die Erhitzungs- und Abkühlungskurven (Rekalescenskurven) gra-
phisch darzustellen im stande ist, haben diese Beobachtungen sehr
an Deutlichkeit und Zuverlässigkeit gewonnen. Diese Registrierung
der Wärmelinien mit ihren Unregelmäſsigkeiten ist noch bestimmter
geworden, seitdem Roberts Austen dieselbe nicht mehr direkt, son-
dern in Verbindung mit der Wärmelinie eines auf die gleichen Tem-
peraturgrade erwärmten Platinstabes aufzeichnet. Wie verschieden
das Bild dieser Thermokurven ist, zeigen Fig. 140 und Fig. 141, von

Figure 141. Fig. 140.


denen erstere die ältere Aufzeichnung Osmonds eines sehr reinen
elektrolytisch erzeugten Eisens, letztere die neuere Aufzeichnung
Roberts Austens eines ebensolchen Eisens darstellt. Die Kurven
und Haltepunkte sind verschieden bei verschiedenem Kohlenstoff-
gehalt. Auch der Wasserstoffgehalt hat einen Einfluſs auf das mehr
oder weniger deutliche Hervortreten einzelner Haltepunkte, wobei die
bei den niedrigeren Temperaturen von 261° und 487° C. in Fig. 141
dargestellten erscheinen.


Nach der früheren Erklärung zerfällt Martensit bei langsamer
25*
[388]Physik des Eisens seit 1871.
Abkühlung zuerst in Ferrit und Cementit (Karbid). Ferrit bildet
deutliche Ausscheidungen in dem kohlenstoffreichen Cementit. Bei
weiterer Abkühlung erscheint bei einem gewissen Wärmegrade Perlit,
der unter dem Mikroskop eine andere Gestaltung und Perlmutter-
glanz zeigt und als die eutektische Legierung von Ferrit und Cementit
gilt. Bei einem Stahl von 0,8 Prozent Kohlenstoff soll die Aus-
scheidung von Ferrit bei 760° C., die Perlitbildung bei 680° C. ein-

Figure 142. Fig. 141.


treten. Nach den neuesten Untersuchungen von Osmond und
Roberts Austen1) zeigt eine Eisen-Kohlenstofflegierung von 0,8 Pro-
zent Kohlenstoffgehalt nur einen Haltepunkt, während die Legierungen
mit höherem Kohlenstoffgehalt und die zwischen 0,8 und 0,35 Prozent
Kohlenstoffgehalt zwei Haltepunkte (bei 720° und 675°), die Legierungen
unter 0,35 Prozent Kohle aber drei Haltepunkte (bei 850°, 750°, 675°)
zeigen.


Aus der Thermokurve von Roberts Austen ergiebt sich, daſs
schon weit unter 700° C. Unregelmäſsigkeiten und Haltepunkte bei
der Abkühlung und Erhitzung eintreten. Die Vorgänge, welche diese
Wärmeerscheinungen bedingen, scheinen sich nicht plötzlich, sondern
allmählich zu vollziehen. Infolgedessen spricht man neuerdings lieber
von Zonen als von Haltepunkten.


Aus dem Mitgeteilten ergiebt sich, daſs diese Untersuchungen, so
wichtig und interessant sie sein mögen, noch weit von einem klaren Ziele
entfernt sind. Daſs aber diese kritischen Punkte, ganz besonders der
Hauptpunkt (A2 oder Ar2), bei etwa 750° C. von groſser praktischer
Bedeutung sind, beweist nicht nur die Erfahrung der Schmiede mit
der gefürchteten „Blauhitze“, sondern auch die physikalischen Unter-
suchungen über Festigkeit, Magnetismus und Elektricität. Die magne-
[389]Physik des Eisens seit 1871.
tischen Eigenschaften des Stahles in Glühhitze haben besonders Pro-
fessor Curie1), seine Frau und Dr. Morris näher untersucht. Bei
dem Haltepunkte A2 (750°) hört der Stahl auf magnetisch zu sein
oder nach Osmonds Theorie ist das β-Eisen nicht magnetisch. Bei
850° C. treten deutliche Veränderungen des Gesetzes vom elektrischen
Widerstande ein. E. Heyn2) beobachtete, daſs zwischen den Grenzen
730° und 1000° C. eine stärkere Absorption von Wasserstoff eintritt.


Jüptner von Jonsdorff, der schon die „Siderographie“ als ein
selbständiges Untersuchungsgebiet ansieht, wies auf den groſsen Einfluſs
der Beimengungen auf die mikroskopische Struktur des Eisens hin 3).


Neuerdings sind auch, namentlich von französischen Gelehrten
(Osmond, L. Dumas, Babu u. a.), die Wärmekurven der Special-
stahle, Mangan-, Nickel- und Chromstahl u. s. w. genauer untersucht
worden 4).


Die wichtigste physikalische Eigenschaft des Eisens für die prak-
tische Verwendung ist seine Festigkeit. Durch den Wettkampf
zwischen Stahl und Eisen, zwischen Fluſseisen und Schweiſseisen und
seit 1879 zwischen Thomas- und Bessemereisen haben die Festigkeits-
proben eine auſserordentliche Bedeutung und Ausbildung gewonnen.


Während früher genaue Festigkeitsbestimmungen nur ausnahms-
weise vorgenommen wurden, bilden sie jetzt die Regel, und nicht nur
besitzt jedes Walzwerk seine Festigkeitsprüfungsmaschine, sondern es
sind auch groſse öffentliche Prüfungsstationen und Versuchsanstalten
von Staats wegen gegründet worden, um allen Bedürfnissen für Festig-
keitsermittelungen dienen zu können.


Die Prüfung des Eisens erfolgt auf Druck, Zug, Biegung und
Zerknickung, Abscherung und Drehung. Dadurch ermittelt man die
Festigkeit, Zähigkeit (Bildsamkeit, Dehnbarkeit), Härte und Elastizität
desselben. Auſserdem unterscheidet man aber noch Ganz- und Teil-
probe, Kalt- und Warmprobe, Langsam- oder Dauerprobe und Schnell-
probe, wozu namentlich die Schlagprobe gehört. Für die besondere
Verwendung und Bearbeitung des Eisens sind ferner erforderlich:
Schmiede-, Stauch-, Loch-, Faltungs-, Schweiſs-, Härteproben u. s. w.


Die Veranlassung zu genaueren Festigkeitsuntersuchungen gab
der Wettbewerb des Bessemerstahles mit dem Schweiſseisen und Stahl
[390]Physik des Eisens seit 1871.
im Eisenbahnbau, besonders für Schienen. Kirkaldy (1862) in Eng-
land, Wöhler (1870) in Deutschland und Knut Styffe (1870) in
Schweden waren es vornehmlich, die auf die Wichtigkeit der Festig-
keitsproben hinwiesen und solche systematisch ausführten. Wöhlers
Versuche, die im Auftrage der preuſsischen Staatsregierung ausgeführt
worden waren, erlangten besondere Wichtigkeit. Auf Grund derselben
schrieben sowohl die preuſsische Staatsregierung wie der Verein
deutscher Eisenbahnverwaltungen Festigkeitsbedingungen bei Lieferun-
gen vor. Am 14. Oktober 1871 regte der preuſsische Handelsminister
Graf von Itzenplitz die Feststellung von Normalien für die Eisen-
bahnwagen an, wodurch eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der
Fabriken und eine Herabminderung der Erzeugungskosten erzielt
werden sollten.


Wöhler, der nach dem Kriege von 1870 Direktor der Reichs-
eisenbahnen in Straſsburg wurde, hatte sich für seine Versuche einer
von ihm selbst erdachten, vortrefflichen Prüfungsmaschine 1) bedient.
Solcher Festigkeitsmaschinen wurde dann in den darauffolgenden
25 Jahren eine groſse Zahl erfunden. Wir erwähnen solche von
Fairbanks, Richle Brothers in Philadelphia (1872), Tangye
Brothers
in Birmingham (1875), H. Gollner, Werder, Pfaff,
A. Martens, Adamson, Wickstead, Delaloë, Pohlmeyer
(1881),
Whitworth, L. Weber und Bauschinger (1882), Stummer,
Maillard, Chauvin
und Maria Daubel, Föppl, Emery, Mohr,
Federhaff
und M. Rudeloff (1891). Von diesen sind die von
Werder und Emery wohl die verbreitetsten. Die von Werder
hat ein Hebeldruckwerk und ist einfacher und bequemer, die von
Emery arbeitet mit hydraulischem Druck und ist genauer 2). Ebenso
sind die dazu gehörigen Feinmeſsinstrumente sehr vervollkommnet
worden. Hier sind zu nennen: das Thermometer von Jenny, der
Meſsapparat von Henning, die Spiegelapparate von Bauschinger
und A. Martens und die selbstaufzeichnenden Dehnungsmesser von
Mohr (Mohr und Federhaff) und Wickstead.


Wöhler hatte auch auf das Bedürfnis nach Errichtung von
Prüfungsstationen hingewiesen. Diesen Gedanken hatte H. Wedding
schon 1867 angeregt und seitdem weiter verfolgt. Seine Anregung
trug wesentlich dazu bei, daſs staatliche Prüfungsstationen für Preuſsen,
und zwar eine chemisch-technische in Verbindung mit der Berg-
akademie unter seiner Leitung und eine mechanisch-technische im
[391]Physik des Eisens seit 1871.
Anschluſs an die Gewerbeakademie errichtet wurden. Dieselben
wurden 1880 eröffnet. Später ging die mechanisch-technische Prüfungs-
anstalt an die technische Hochschule in Charlottenburg über und
wurde unter A. Martens Leitung sehr erweitert. In Paris bestand
eine solche Material-Prüfungsstation in Verbindung mit der École des
Ponts et Chaussées schon seit 1843. Weitere Prüfungsstationen wurden
errichtet in München 1871 unter Bauschinger und eine Anstalt zur
Prüfung der Baumaterialien am eidgenössischen Polytechnikum zu
Zürich unter L. Tetmayer 1874, ferner in Prag 1877, in London
1878, in Budapest 1882, in Boston, U. S., 1883 u. s. w. 1).


Eine wichtige Anregung hatte ferner 1878 eine Denkschrift von
Bauschinger, Funk und Hartwig für den Verband deutscher Archi-
tekten- und Ingenieurvereine über die Errichtung von Prüfungsanstalten
und Versuchsstationen für Baumaterialien gegeben.


Wöhler hatte bei seinen Zerreiſsversuchen die Bruchfestigkeit
und die dabei stattfindende Kontraktion in Prozenten des ursprüng-
lichen Querschnittes gemessen. Er schlug vor, aus der Summe dieser
beiden Ermittelungen eine Güteziffer für das untersuchte Eisen zu
bilden. Diesen Vorschlag nahm der Verband deutscher Eisenbahn-
verwaltungen in seiner Versammlung in Konstanz 1876 an und machte
dadurch die Zerreiſsfestigkeit zum ausschlieſslichen Maſsstab der Güte.
Hierin lag eine groſse Einseitigkeit, wogegen sich bald Widerspruch
erhob. Übrigens war die Ansicht, daſs die Zerreiſsfestigkeit ein aus-
reichendes Maſs der Güte sei, damals allgemein verbreitet, wie aus
den Versuchen von F. B. Steevens über die Festigkeit englischer
und amerikanischer Stahlsorten in den Jahren 1872 und 1873 und
den Versuchen der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing 1875
hervorgeht. Letztere hatte auf Grund dieser Versuche folgende Ein-
teilung für Eisen und Stahl getroffen:



[392]Physik des Eisens seit 1871.

Bei dem gleichen Kohlenstoffgehalt von 0,45 Prozent zeigte


Der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen beschloſs auf Grund
der früheren und neueren Untersuchungen Wöhlers im Jahre 1877
folgende Klassifikation:



[393]Physik des Eisens seit 1871.

Inzwischen waren auch deutsche Eisenproduzenten der von
Jahr zu Jahr wichtiger werdenden Festigkeitsfrage nähergetreten.
Auf Anregung des Direktors Zervaes von der Friedrich-Wilhelms-
hütte zu Mühlheim a. d. Ruhr vereinigten sich 1877 die groſsen
Eisenwerke in Rheinland und Westfalen, um zunächst die in-
ländischen und ausländischen Gieſsereiroheisen einer vergleichenden
Prüfung zu unterziehen. Der damalige Handelsminister Achenbach
nahm lebhaftes Interesse an dieser Frage. Es wurde eine Kommission
aus Eisenindustriellen und Professor Dr. H. Wedding erwählt, welche
Hütteninspektor Wachler mit der Untersuchung beauftragte. Diese
erwies die Ebenbürtigkeit des deutschen Gieſsereieisens mit den
besten ausländischen Sorten und trug dadurch viel zur Verwendung
inländischen Roheisens und zur Hebung der Gieſsereiroheisen-
erzeugung in Deutschland bei. Die Kommission gab dem Wunsche
für Errichtung öffentlicher Prüfungsanstalten zum erstenmal öffent-
lichen Ausdruck. Die Generalversammlung des technischen Vereins
für Eisenhüttenwesen im Jahre 1877 schloſs sich diesem Wunsche an,
machte aber gleichzeitig Front gegen die einseitigen Festigkeits-
vorschriften der Eisenbahnverwaltungen. Ein richtiges Urteil über die
Brauchbarkeit des Eisens könne nach ihrer Ansicht nur gefällt werden,
wenn neben der Zerreiſsprobe auch Belastungs-, Bieg- und Schlag-
proben vorgenommen würden. Die Versammlung verwarf deshalb auch
die von Reuleaux empfohlenen Güteziffern Wöhlers, erwählte aber
eine Kommission zur weiteren Prüfung der Festigkeitsvorschriften.


Die deutschen Eisenbahnverwaltungen nahmen dagegen die Güte-
ziffern Wöhlers an, und solche wurden seit 1878 öfters den Ver-
dingungen zu Grunde gelegt.


Daſs die Güteziffer Wöhlers, welche aus der Summe des Zer-
reiſsgewichtes und der prozentalen Querschnittsverminderung beim
Zerreiſsen besteht, kein richtiges Urteil über die Brauchbarkeit des
Eisens gewährt, ist einleuchtend, denn ein sehr hartes Eisen, das
kaum schmiedbar ist, kann die gleiche Güteziffer haben wie ein
weiches, aber sehr zähes Eisen. Aus diesem Grunde schlug Tetmayer
später vor, die Güteziffer statt aus der Summe aus dem Produkte
[394]Physik des Eisens seit 1871.
der beiden Zahlen zu bilden und dabei statt der Querschnittsvermin-
derung die Ausdehnung beim Zerreiſsen in Ansatz zu bringen. Dabei
kam die Zähigkeit gegenüber der Härte allerdings mehr zur Geltung
als bei Wöhler, doch geben auch diese Ziffern kein ausreichendes
Maſs für die Brauchbarkeit des Materials. Viel klarer ist es, beide
Werte nebeneinander anzugeben, und da beide doch erst ermittelt
werden müssen, um die Güteziffer zu bilden, so ist dies auch das
Natürliche.


In Frankreich schlug Gruner deshalb 1877 vor, daſs die Produ-
zenten ihr Eisen mit einem doppelten Festigkeitsstempel versehen
sollten, R (résistance in Kilogramm pro Quadratmillimeter) = Zug-
festigkeit und A (allongement) Verlängerung eines 200 mm langen
Stabes in Prozenten. R = 30 bis 35 kg, A = 20 bis 25 Prozent
würde beispielsweise einem guten Kesselblech, R = 70 bis 100 kg,
A = 5 Prozent einem Werkzeugstahl entsprechen. Auch die deutschen
Eisenhüttenleute sprachen sich dafür aus, die Verlängerung und nicht
die Querschnittsverringerung zum Maſs der Zähigkeit zu machen.
Trotzdem beharrte der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen auf
seinem Standpunkte, erklärte in seiner Versammlung zu Salzburg 1879
die Wöhlerschen Festigkeitsvorschriften für maſsgebend und ver-
einbarte für Eisenlieferungen für Bahnzwecke folgende Werte:


Für Achsen aus Fluſsstahl sollte die Zerreiſsfestigkeit (F) von
cylindrischen Stäben von 240 mm Länge und 20 mm Durchmesser
50 kg auf den Quadratmillimeter und die geringste zulässige Kon-
traktion (C) 30 Prozent betragen.


Für Radreifen für Lokomotiven mindestens F = 60 kg, C = 25 Proz.
„ „ „ Tenderwagen „ F = 45 kg, C = 35 Proz.
Die Güteziffer F + C sollte aber mindestens = 90 sein.


Für Schienen mindestens F = 50 kg, C = 20 Proz., die Güte-
ziffer aber nicht unter 85.


Gegen diese einseitigen und harten Festigkeitsbedingungen wehr-
ten sich die deutschen Eisenhüttenleute mit Recht und ihr Verein
stellte 1881 folgende Qualitätsproben 1) fest:



[395]Physik des Eisens seit 1871.

Für die Zerreiſsproben sollten Stäbe von 200 mm Länge und
20 mm Durchmesser genommen werden.


Der Kampf zwischen den Eisenproduzenten und Konsumenten
spann sich noch jahrelang fort. Doch kam man allmählich, besonders
auch nachdem das Thomasfluſseisen mit in den Wettbewerb trat, davon ab,
der Zerreiſsfestigkeit und Härte einen so hohen Werth beizulegen im
Verhältnis zu der Zähigkeit. Namentlich verschafften die fleiſsigen
Untersuchungen von Dudley die Überzeugung, daſs weiches, zähes
Material für viele Verwendungen dem harten vorzuziehen sei 1). In
diesem Sinne erfolgte nach und nach eine Verständigung auch in
Deutschland, wobei man sich dahin einigte, neben dem Zerreiſsgewichte
die prozentuale Kontraktion und Verlängerung anzugeben.


1886 vereinbarten der Verband deutscher Architekten- und In-
genieurvereine in Verbindung mit dem Verein deutscher Ingenieure
und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute Normalbedingungen für
die Lieferung von Eisen für Brücken- und Hochbauten 2).


Die Schlagprobe wurde für alle Eisensorten, die auch auf Stoſs
in Anspruch genommen wurden, ebenfalls vorgeschrieben und Bau-
schinger
konstruierte hierfür ein Normalschlagwerk.


Bauschinger3) gebührt auſserdem das groſse Verdienst, die Ein-
führung einheitlicher Prüfungsverfahren angeregt und zu diesem
Zwecke 1884 die erste Konferenz zu deren Vereinbarung für Bau-
und Konstruktionsmaterialien in München zusammenberufen zu haben.
Diese Konferenzen nahmen allmählich einen internationalen Charakter
an und wurden von Vertretern aus Österreich, Ungarn, der Schweiz,
Ruſsland und seit 1892 auch von Frankreich und Schweden besucht.
Die vierte internationale Konferenz zur Vereinbarung einheitlicher
Prüfungsmethoden fand am 24. und 25. Mai 1893 in Wien statt.


In Frankreich wurde 1892 eine ständige Prüfungskommission als
eine Abteilung im Ministerium ins Leben gerufen. Diese nahm die
Tetmayersche Güteziffer gleich dem Produkt aus Zugfestigkeit und
Dehnung unter dem Namen capacité de travail (deutsch: Arbeitsziffer,
[396]Physik des Eisens seit 1871.
englisch: resilience) als Vergleichungszahl für die Festigkeitseigen-
schaften der Eisensorten an.


Über die Lieferungsbedingungen sind zwar internationale
Vereinbarungen noch nicht erreicht worden, doch wurden in den ein-
zelnen Ländern Normalien festgesetzt. In Deutschland erfolgten 1889
die Vorschriften für Lieferung von Eisen und Stahl (Eisenbahnmaterial,
Bauwerkeisen, Bleche, Handelseisen, Draht, Guſseisen) von dem Verein
deutscher Eisenhüttenleute 1), 1890 das Reglement des deutschen
Lloyds, 1892 die Normalbedingungen der Fluſseisenkommission des
Vereins deutscher Eisenhüttenleute und in demselben Jahre die von
den drei groſsen technischen Vereinen Deutschlands, dem oben ge-
nannten Verein, dem Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-
vereine und dem Verein deutscher Ingenieure vereinbarten verbesserten
Normalbedingungen für die Lieferung von Eisenkonstruktionen für
Brücken- und Hochbau 2). In demselben Jahre wurden in Österreich
„grundsätzliche Bestimmungen für die Lieferung und Aufstellung
eiserner Brücken in der vom K. K. Handelsministerium genehmigten
Fassung“ veröffentlicht 3). Durch diese wurde nur das Martinfluſseisen
zum Brückenbau zugelassen, ferner wurde ein Unterschied in der
Festigkeit der Längs- und Querrichtung gemacht.


In den Bedingungen der drei deutschen Vereine über die Güte
der Materialien wurde festgesetzt:


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika verlangte man
1893:


[397]Physik des Eisens seit 1871.

Neuerdings wurden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika
Normalvorschriften, Probestücke und Prüfungsmethoden für Eisen und
Stahl 1) angenommen und dem internationalen Kongreſs für die
Methoden der Materialprüfung zur Annahme empfohlen. Diese Vor-
schriften gehen sehr ins Einzelne und setzen auch Grenzen für die
chemische Zusammensetzung fest. Hiergegen erhob R. A. Hadfield
Einsprache.


Es ist nicht möglich, auf die zahlreichen Untersuchungen zur
Ermittelung der Festigkeitsziffern besonderer Eisensorten, welche in
den letzten 25 Jahren angestellt worden sind, hier einzugehen.
Auſser den bereits angeführten erwähnen wir nur noch die über
Thomasstahl von Witkowitz von Kuppelwieser 1881, die von schwe-
dischen Fluſsstahlplatten im Jern. Kont. Annal. 1881 veröffentlichten,
die 1884 von Stumm in Neunkirchen veranlaſsten und von
Bauschinger ausgeführten, die von H. Wild in Peine und von
Kreutzpointner in Amerika 1887 mit Thomasstahlblech und von
James Riley und Parker in Glasgow in demselben Jahre mit Herd-
fluſsstahlblech angestellten, sowie endlich die gründliche Prüfung des
Fluſseisenmaterials der Fordoner Brücke von Mehrtens2).


Bei den vielen Festigkeitsuntersuchungen waren manche andere
neue Wahrnehmungen gemacht worden. Schon 1873 hatte Bau-
schinger
gefunden, daſs durch die Inanspruchnahme bis zum
Zerreiſsen eine Erhöhung der Zugfestigkeit eintritt. Ein Stück Flach-
eisen, das beim ersten Zug bei 32000 kg zerriſs, hielt beim zweiten
Versuch 44000 kg aus. Hier wirkt der starke Zug ähnlich wie die
mechanische Bearbeitung. Professor Thurston bestätigte dies durch
Versuche, dagegen fand er auch, daſs Draht bei andauernder Belastung,
welche erheblich unter der Bruchbelastung blieb, zerriſs. Bau-
schinger
veröffentlichte 1886 weitere Versuche über die Veränderung
der Elastizitätsgrenze bei längerer Belastung.


Wichtige Versuche wurden über die Festigkeit des Eisens bei
verschiedenen Temperaturen
angestellt. Daſs im allgemeinen
die Festigkeit mit der Erhitzung abnimmt, war allgemein bekannt,
daſs dies aber nicht regelmäſsig geschieht, hatten Versuche von
G. Pisati und Saporito-Ricca 1877 erwiesen. Valtons Versuche
auf den Demidoffschen Hütten hatten um dieselbe Zeit bewiesen,
daſs die gröſsere Brüchigkeit bei beginnender Rotglut, bei sogenannter
[398]Physik des Eisens seit 1871.
Blauhitze, der Temperatur, bei der die Bleche blau anlaufen, ein-
tritt, was namentlich den Kesselschmieden schon längst bekannt war,
auf einer allgemeinen Thatsache beruht.


Alle schmiedbaren Eisensorten zeigen bei einer gewissen, zwischen
300 und 400° C. gelegenen Temperatur einen Zustand gröſserer Sprödig-
keit, die man als Blaubrüchigkeit bezeichnet. Die Blauwärme ist
also eine weitere kritische Temperatur, die bei der Bearbeitung des
Eisens berücksichtigt werden muſs 1). Eingehende Versuche über die
Festigkeit der Eisensorten bei verschiedenen Temperaturen stellte
Dr. Jul. Kollmann 1880 auf der Gutehoffnungshütte bei Oberhausen
an 2). Danach ist die Festigkeitsabnahme bis 100° nur unwesentlich,
bis 350° ist sie gering, von da an vermindert sich die Festigkeit rasch,
wie folgende Zusammenstellung zeigt:


Versuche über Festigkeit von Kesselblechen in Blauwärme stellte
A. Kurzwernhart3) an. Er fand die gröſste Sprödigkeit bei der blaſs-
gelben Anlauffarbe.


Viele Eisensorten zeigen eine merkliche Zunahme der Festig-
keit zwischen 0 und 300°, namentlich zwischen 200 und 300°, wie
Versuche von Huston, Walrand und C. Martens4) bewiesen haben.


Le Chatelier5) fand (1891) zwischen 15 und 80° eine Abnahme
der Festigkeit um 6 bis 9,3 Prozent, bei 100 bis 240° Verringerung
der Dehnbarkeit um 7 bis 9 Prozent bei Eisen und 3 bis 7 Prozent
[399]Physik des Eisens seit 1871.
bei Stahl bei unverminderter Festigkeit, 240 bis 300° beträchtliche
Steigerung der Festigkeit und Dehnbarkeit, über 300° Abnahme
beider.


Über den Einfluſs niedriger Temperaturen machte J. Webster
1880 zwischen + 10 und — 21° C. Versuche. Danach ist die Abnahme
der absoluten Festigkeit nur gering, die Abnahme der Stoſsfestigkeit
und Biegsamkeit beträgt dagegen bei — 21° C. bei Eisen 3,0 und
18 Prozent, bei Stahl 3,5 und 17 Prozent. — Nach Versuchen von
Martens und Steiner1) ist die Festigkeit des Eisens in der Kälte
(bei — 20 und — 50°) bei ruhiger Belastung sogar gröſser als bei
warmer Witterung. Über die Zunahme der Steifigkeit in niedriger
Temperatur haben Köpcke und Hartig2) Versuche angestellt.


Ausglühen erhöht ähnlich wie die mechanische Bearbeitung die
Festigkeit des Eisens und Stahls, wenn auch nicht in demselben
Maſse 3). Dies zeigt sich deutlich beim Glühen von unbearbeitetem
Fluſseisen in Kirschrotglut 4). Hiervon macht man bei der Herstellung
von Formguſsstücken Gebrauch, welche erst hierdurch ihre volle
Brauchbarkeit erlangen. Durch andauernde Bearbeitung nimmt die
Zerreiſsfestigkeit zu, die Zähigkeit ab, das Eisen wird hart und spröde.
Ausglühen stellt den ursprünglichen Festigkeitszustand wieder her,
verbessert ihn sogar unter Umständen 5), doch muſs dies in gewissen
Temperaturgrenzen geschehen. Erwärmung unter 400° bei Schweiſs-
eisen und unter 450° bei Fluſseisen bleibt nach Versuchen von Bau-
schinger
ohne Wirkung.


Daſs das Ablöschen von erhitztem Stahl in Wasser dessen
Festigkeitseigenschaften verändert, ihn hart und spröde macht, ist eine
seit undenklicher Zeit bekannte Thatsache. Hierfür hat C. Fromme6)
1879 Werthe ermittelt. Genaue Messungen Kirkaldys haben ergeben,
daſs auch beim weichsten Eisen durch das Ablöschen eine Änderung
der Festigkeitseigenschaften eintritt, welche in ihrer Gröſse mit dem
Kohlenstoffgehalte wächst 7). Daſs auch hierbei der Grad der Er-
[400]Physik des Eisens seit 1871.
wärmung von Einfluſs ist, war längst bekannt und wurde von Satt-
mann
genauer nachgewiesen 1).


Die Veränderungen der Festigkeitseigenschaften des Eisens durch
die Bearbeitung sind von groſser praktischer Bedeutung. Sie er-
scheinen um so gröſser, bei je niedrigerer Temperatur die Bearbeitung
erfolgt. Wedding stellte hierüber 1889 Versuche mit Stäben aus
weichem Fluſseisen, Sattmann 1892 mit gewalzten Blechen an 2).
Am deutlichsten zeigen sich dieselben, wie längst bekannt, beim
Ziehen von Drähten. Hierfür hat Howard3) 1885 genauere Werte
ermittelt. Thurston stellte Versuche über den Einfluſs des Walzens
bei verschiedenen Temperaturen an; desgleichen Kintzlé über den Ein-
fluſs der Walzrichtung auf die Festigkeit 4). Ebenso entstehen durch das
Lochen groſse Änderungen in den Festigkeitseigenschaften der Bleche
und Platten, wie durch zahlreiche Versuche von Hill 1883, Tetmayer
1886, Barba 1887, Considère 1887 u. a. nachgewiesen wurde.


Auf den groſsen Einfluſs, welchen die chemische Zusammen-
setzung
auf die Festigkeit des schmiedbaren Eisens ausübt, haben
wir schon hingewiesen 5). Am meisten kommt hierbei der Kohlen-
stoffgehalt in Betracht, mit dessen Zunahme bis 1 Prozent die Festig-
keit steigt. Versuche hierüber mit Martinfluſseisen von Terrenoire
hat A. von Kerpely 1878 veröffentlicht 6).


Bleichsteiner giebt 1892 folgende Festigkeitsziffern für die ver-
schiedenen Eisensorten nach ihrer Darstellungsweise und ihrem
Kohlenstoffgehalt:


[401]Physik des Eisens seit 1871.

Nach den Ermittelungen des Amerikaners M. R. Webster1) soll,
unter Zugrundelegung einer Zugfestigkeit von 24,43 kg pro Quadrat-
millimeter für reines Eisen, für je 0,01 Prozent Kohlenstoff eine
Festigkeitszunahme um 0,56 kg pro Quadratmillimeter sich ergeben.


Über den Einfluſs des Siliciumgehaltes auf die Festigkeit des
Eisens, welcher dem des Kohlenstoffes ähnlich, aber schwächer ist, hat
namentlich Hadfield 1889 Ermittelungen angestellt 2). Er fand das
Maximum der Festigkeit bei einem Siliciumgehalte von 4,3 Prozent.


Mangan, Chrom, Wolfram und Nickel erhöhen die Festigkeit des
kohlenstoffhaltigen Eisens. Hierfür haben A. von Kerpely, Had-
field, Wedding, Howe, Riley, Gautier
Beispiele unter Wert-
angaben veröffentlicht. Ebenso hat A. von Kerpely Zahlen für die
nachteilige Beeinflussung der Festigkeit des Eisens durch Phosphor
mitgeteilt. Eine eigentümliche Veränderung der Festigkeit, ins-
besondere der Zähigkeit, ist die „Beizbrüchigkeit“, welche sich beim
Beizen des Drahtes mit verdünnten Säuren zeigt. Sie soll nach
Ledebur3), der hierüber 1887 zuerst genaue Versuche angestellt hat,
auf einer Wasserstoffaufnahme des Eisens beruhen.


Mit der Festigkeit hängt die Härte auf das engste zusammen.
Auch für die Härtebestimmung hat man besondere Apparate kon-
struiert, von denen wir die von Middelberg und von C. Martens
(1889) nennen. Martens’ Härteprüfer ist ein Taster mit rundlicher
Diamantspitze, welcher durch Hebeldruck auf die zu prüfende ebene
und polierte Fläche wirkt. Die Tiefe des Eindruckes bezogen auf die
Einheitsbelastung giebt das Maſs der Härte 4).


Der Druck des Wassers und der Luft hat seit 1870 eine immer
steigende Bedeutung für die Kraftübertragung von dem Motor auf das
Werkzeug, sowie für die Kraftkonzentration erlangt. Die Hydraulik
hat in der Eisenindustrie die mannigfaltigste Verwendung gefunden, da
sie besonders für schwere Arbeitsleistungen geeignet ist. Von den
zahlreichen Verwendungen, wovon viele noch gelegentlich zur Sprache
kommen werden, seien nur die hydraulischen Schmiedepressen, die
Hebevorrichtungen zur Bewegung der Konverter, der groſsen Gieſs-
pfannen, der Martinöfen, der Formmaschinen u. s. w. hier erwähnt.


Beck, Geschichte des Eisens. 26
[402]Physik des Eisens seit 1871.

Der Luftdruck eignet sich mehr für Kraftübertragung auf
kleinere Werkzeuge. Die Preſsluft hat deshalb bis jetzt mehr in groſsen
Städten (Popps Anlage in Paris) zur Kraftabgabe einer Centrale an
Gewerbetreibende Anwendung gefunden, für die Eisenindustrie ist seine
Verwendung bis jetzt beschränkt. Für vorgenannten Zweck sind be-
sondere Preſsluft-Werkzeuge 1) konstruiert und eingeführt worden.


Magnetismus und Elektricität haben in den letzten Jahr-
zehnten eine ungeahnte Bedeutung für die Technik erlangt. Auch
für das Eisenhüttenwesen sind dieselben von Wichtigkeit geworden,
namentlich seit der Anlage starker Kraftcentralen auf den Hütten-
werken in Verbindung mit Gichtgasmaschinen.


Trève wies 1875 durch Versuche nach, daſs die magnetische
Kraft des Stahls mit dem Kohlenstoffgehalte zunimmt. Dieselbe ver-
hält sich z. B. bei Stahl von 0,25 Prozent zu Stahl von 0,95 Prozent
Kohlenstoff wie 13:47. Rinman fand dies bestätigt und Charles
Ryder
gründete darauf 1879 ein Verfahren, den Kohlenstoffgehalt des
Stahls mittels einer Magnetnadel zu bestimmen, desgleichen A. von
Waltenhofen
2) in Prag 1879. Professor Hughes3) fand 1884, daſs
sich die molekularen Eigenschaften des Schmiedeeisens und Stahls
durch Messung der magnetischen Kapazität mittels der magnetischen
Wage erkennen lassen. Er bestimmte die Grenze zwischen Schmiede-
eisen und Stahl auf 400°. C. Tetmayer empfahl 1883 die Unter-
suchung von Eisen und Stahl mit der Magnetnadel zur Ermittelung
der Homogenität; A. Martens erwarb 1884 auf ein thermo-elektri-
sches Verfahren ein Patent (D. R. P. Nr. 23580). C. A. Casperson
führte 1891 in Schweden eine Härtebestimmung von Eisen und Stahl
mittels des elektrischen Stromes ein. Hering empfahl die elektro-
magnetische Messung besonders zum Aufsuchen von Blasen im Fluſs-
eisen. Die Magnetnadel kann auch zur Unterscheidung von Spiegel-
eisen und Ferromangan dienen, indem Eisen mit 12 Prozent Mangan
aufhört magnetisch zu sein, ebenso Eisen mit 25 Prozent Nickel.
Merkwürdig ist, daſs ein Zusatz von für sich nicht magnetischem
Wolfram die magnetische Kraft von Eisen und Nickel erhöht. Noch
merkwürdiger ist, daſs, wie Hopkinson 1890 nachgewisen hat, ein
25 Prozent Nickel haltiger unmagnetischer Stahl durch starke Ab-
kühlung mittels fester Kohlensäure magnetisch wird.


Die Aufbereitung magnetischer Erze durch Elektromagnete
[403]Physik des Eisens seit 1871.
ist in Schweden und Nordamerika zur Ausbildung gekommen. In
Schweden führte Wenström 1888 einen elektromagnetischen Erz-
scheider in Dannemora ein, mit dem er 1889 in Örebro das Gruben-
klein anreicherte. Wichtiger noch wurde die magnetische Separation
in Nordamerika. Hier führten Larue in Quebeck sowie Balch und
Nelson in Montreal schon vor 1872 die Konzentration von Magnet-
eisensand durch Elektromagneten ein 1). In den Vereinigten Staaten war
es Th. A. Edison, der schon 1881 einen magnetischen Erzseparator
konstruierte und sich seit der Zeit mit dieser Frage beschäftigte 2).
1892 hatte die magnetische Scheidung in den Staaten New York,
Pennsylvanien, Virginien, Nord-Karolina und Michigan Eingang ge-
funden. 1891 wurden in den Vereinigten Staaten 110000 Tonnen Erz
auf nassem Wege und 100000 Tonnen auf magnetischem Wege
separiert 3).


Henry Hugh Eames in Baltimore nahm am 16. Oktober 1888
ein englisches Patent (Nr. 14837) zur Abscheidung des Eisens aus den
Erzen in senkrechten Retorten bei 550° durch Elektromagnete; also
ein ähnliches Verfahren wie das ältere von Chenot. Die elektrische
Schmelzung und einen elektrischen Schmelzofen für Stahl schlug
Dr. W. Siemens 1881 vor. Auf elektrisches Schmelzen von Eisen-
erzen nahmen die Gebrüder Cowles zu Cleveland, Ohio, seit Januar
1886 eine Reihe von Patenten. Nennenswerte Erfolge sind aber auf
diesem Wege noch nicht erzielt worden. Dasselbe gilt von der häufig
versuchten Reinigung von flüssigem Eisen mittels des elektrischen
Stromes. Weder die älteren Vorschläge von A. C. Fleury 1860,
Winkler 1861, S. C. Kreeft in London 1865, noch die neueren von
Ehrmann und Fourquignon 1873 hatten ein praktisches Ergebnis.


Anders verhält es sich mit der elektrischen Schweiſsung.
Diese hat sich in vielen Fällen bewährt, und es sind hierfür zwei Ver-
fahren, das von Benardos und das von Thomson, in Anwendung.


Nicol. de Benardos in St. Petersburg trat zuerst 1885 mit
seinem Verfahren hervor, welches darin besteht, die Schweiſsung durch
die Hitze des elektrischen Lichtbogens zu bewirken. Dieser wird
zwischen einem Kohlenstifte und dem zu schweiſsenden Metall als
anderer Pol erzeugt. Der Kohlenstift muſs der positive Pol sein.
Die starke Hitze des Lichtbogens wirkt wie ein Lötrohr und schmilzt
26*
[404]Physik des Eisens seit 1871.
das Metall an der Schweiſsstelle. Hierbei tritt zugleich Oxydation
ein; es bildet sich Schlacke, welche die Schweiſsstelle schützt. Dennoch
brannte anfangs zu viel von dem Metall weg. Benardos nahm des-
halb eine feuerbeständige Zwischenlage wie Graphit (1889, D. R. P.
Nr. 46776 und 7. Juli 1892, Nr. 67615, Stahl und Eisen 1893, S. 436),
später streute er Pulver desselben Metalls auf die Schweiſsstelle. Der
Kohlenstift steckt in dem Loche zweier scherenartig verbundener
Kupferdrähte, das biegsame Kabel geht durch den hölzernen Griff,
mit dem der Arbeiter den Stift führt, hindurch. Dieser trägt bei der
Arbeit auſserdem dicke Lederhandschuhe und schützt seine Augen
vor dem grellen Licht durch dunkle Gläser. Auf diese Art ist die
Schweiſsung sogar unter Wasser ausführbar. Ein Nachteil des Ver-
fahrens, welches der Erfinder besonders zum Flicken von Dampf-
kesseln anwendete, besteht darin, daſs das Metall an der Schweiſsstelle
hart wird. Eine Verbesserung des Verfahrens wurde durch die Be-
nutzung der Entdeckung von Dr. Zerenner, daſs sich der elektrische
Lichtbogen durch starke Magnete ablenken läſst, eingeführt.


Das elektrische Schweiſsverfahren von Professor Elihu Thom-
son
1) wurde 1887 in den Vereinigten Staaten patentiert und auf den
Werken der Thomson-Houston Company zu Lynn eingeführt. In
Europa wurde das Verfahren durch die Pariser Ausstellung von 1889
und einen dort gehaltenen Vortrag von W. E. Fish aus Boston auf
dem Meeting des Iron and Steel Institute 2) bekannt. Bei diesem
Verfahren bilden die beiden Schweiſsstellen die Pole. Ein elektrischer
Strom von geringer Spannung (¼ bis 1 Volt), aber groſser elektro-
motorischer Kraft (1000 bis 5000 Ampère) tritt durch eine Klammer,
welche die zu schweiſsenden Metallwände zusammenpreſst, ein, durch-
strömt die beiden Metalle und tritt durch eine andere Klammer aus.
An der Stelle, wo die beiden Metalle stumpf zusammenstoſsen, ist der
Widerstand ein groſser, infolgedessen tritt Erhitzung und Schweiſsung
ein. Nach Fishs Angabe erfolgte die Schweiſsung von Stahl nach
E. Thomsons Verfahren 3) bei einem Strom von 1480 Ampère in
40 Sekunden, bei 1900 Ampère in 30, bei 2300 Ampère pro Quadrat-
centimeter in 20 Sekunden bei 16 Volt Spannung. Ein Nachteil des
Verfahrens soll darin bestehen, daſs man die Temperatur nicht
regulieren kann; auch beansprucht es viel stärkere Ströme als Be-
nardos
Verfahren. Trotzdem hat das Thomsonsche Verfahren eine
[405]Physik des Eisens seit 1871.
gröſsere praktische Bedeutung erlangt und wird in den Vereinigten
Staaten in groſsartiger Weise verwendet. Die elektrische Schweiſsung
macht Operationen möglich, die bei dem früheren Schweiſsverfahren
nicht ausführbar waren 1).


1893 wurde ein drittes elektrisches Schweiſsverfahren von dem
belgischen Ingenieur Lagrange und Hoho veröffentlicht; die
Schweiſsung erfolgt hierbei in einem Wasserbade 2).


Weitere hüttenmännische Verwendungen des elektrischen Stromes
sind vorgeschlagen zur Reinigung des Walzdrahtes von Oxyden (1891)
und zur Verstählung des Eisens.


J. Garnier fand, daſs bei etwa 1000° die Verstählung des Eisens
unter dem Einflusse eines schwachen elektrischen Stromes (50 Ampère
und 2,5 Volt) sehr schnell sich vollzieht.


Ferner wird die Elektricität zum Enthärten und Härten des Stahls
benutzt. Die Thomson Electric Welding Company in Lynn, Mass.,
erweicht auf diesem Wege die Bohrstellen gehärteter Panzerplatten 3).


Wie ausgedehnt die Verwendung der Elektricität als motorische
Kraft in den letzten 25 Jahren geworden ist, weiſs ein jeder. Ab-
gesehen von der mannigfaltigen Benutzung im Bergwerksbetriebe,
heben wir besonders die Verwendung für elektrische Kräne in Eisen-
gieſsereien und Stahlwerken hervor und zwar sowohl für Lauf- als für
Drehkräne. Ein elektrischer Laufkran von Schneider \& Co. in
Creusot (1893) hatte 150 Tonnen Tragfähigkeit und 28½ m Spann-
weite. Auch elektrische Bohrmaschinen sind bereits häufig in An-
wendung, z. B. eine Kranbohrmaschine bei Schwarzkopff in Berlin
(1893). Viel mannigfaltiger ist die Verwendung elektrischer Arbeits-
maschinen bei der Adjustierung. In der belgischen Waffenfabrik von
Herstal-Lüttich ist der Betrieb durchweg elektrisch (1894). Für
Ventilatoren und Kreiselpumpen ist der elektrische Betrieb sehr ge-
eignet und vielfach angewandt.


Die Verwendung der Elektricität für Transport und Beleuchtung
ist bereits eine sehr allgemeine. In Amerika sind elektrische Kräne
von 150 Tonnen Tragkraft keine Seltenheit 4). Elektrische Schmelz-
öfen haben in der Eisenindustrie bis jetzt noch keine Anwendung
gefunden, wohl aber bei der Aluminiumdarstellung und der Gewinnung
von Chrom und Wolfram. Neuerdings hat der italienische Hauptmann
[406]Brennmaterial.
Stassano eine elektrische Eisen- und Stahlgewinnung, wobei das
Schmelzen in elektrischen Öfen erfolgen soll, vorgeschlagen 1).


Starke Elektromagnete dienen zum Ausheben der Masseln aus
dem Masselbett sowie zum Heben schwerer Eisenstücke 2).


Für Kraftmaschinen findet die Elektricität im Kleinbetrieb viel-
fach Anwendung. Die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin
betreibt auch bereits ein Kupferwalzwerk elektrisch. Die Anlage ist
von der Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Gebr. Klein in Dahl-
beuch ausgeführt 3).


In Schweden ist das in Gestrikland gelegene Eisenwerk Hofors
schon 1893 dazu übergegangen, die Kraft eines 2½ km entfernten
Wasserfalles zum Betriebe von drei Walzenpressen und den dazu-
gehörigen Hülfsmaschinen auszunutzen 4), wobei die ganze Kraft elek-
trisch übertragen wird.


Die Fortschritte im Hüttenbetriebe.


Brennmaterial.


Die Bedeutung des Holzes und der Holzkohle als Brennstoff für
die Eisenindustrie treten in diesem Zeitraume im ganzen mehr zurück.
Dementsprechend waren auch die Fortschritte der Holzverkohlung
nicht sehr groſs. Die Ofenverkohlung gewann in Schweden und in
Nordamerika 5) gegenüber der Meilerverkohlung an Bedeutung. Die
Öfen waren meist, wie z. B. der von Mathien6), in Form von Re-
torten mit Gewinnung der Destillationsprodukte.


Eine sehr groſse Erzeugung hatten die kontinuierlichen Ver-
kohlungsöfen von E. J. Ljungberg auf dem Domnarfvets Eisenwerk
in Schweden 7). Sie waren in vier Kammern geteilt nach Art der
Ringöfen und wurden ähnlich wie diese betrieben. Die erste Kammer
diente zum Vorwärmen, die zweite zum Entwässern, die dritte zum
Verkohlen des Holzes und die vierte zum Ziehen der Kohlen und
zum Besetzen. Obgleich ein Satz 20 Tage brauchte, lieferte 1896 ein
[407]Brennmaterial.
solcher Ofen doch 15000 cbm Holzkohle im Jahre. Dabei waren die
Kosten geringer und das Ausbringen gröſser.


Die Fortschritte der Koksfabrikation seit 1870 sind dagegen
sehr beachtenswert, besonders hinsichtlich der Gewinnung der Neben-
produkte der Verkohlung.


Von den liegenden Retortenöfen bewährten sich in den siebziger
Jahren besonders die schon aus dem Anfange der
sechziger Jahre stammenden, seitdem aber mehr-
fach verbesserten Coppée-Öfen1).


Figure 143. Fig. 142.

Nach A. Gillon2) waren von diesen 1873 in Belgien 524 im Be-
triebe und 192 im Bau, in Preuſsen 1305 fertig und 138 im Bau, in
Frankreich 186 im Betriebe, in England 30 im Betriebe und 30 im
Bau. Seit der Zeit hat ihre Verbreitung sehr zugenommen, so daſs sie
1894 in Deutschland, Frankreich und Belgien die am meisten benutzten
Verkokungsöfen waren 3). Die Gase des Ofens (Fig. 142, 143 a. f. S.)
[408]Brennmaterial.
treten durch zahlreiche Öffnungen auf einer Seite nahe der Decke aus
und werden durch senkrechte Seitenzüge c in einen geräumigen Seiten-
kanal e, wo sie sich mit den Gasen des Nachbarofens vereinigen, ge-
leitet. Nachdem sie unter dem einen Ofen durchgestrichen sind,
treten sie unter die Sohle des zweiten Ofens und entweichen dann
durch g in den Kanal h, der sie der Esse k zuführt. Die Verbrennungs-

Figure 144. Fig. 143.


luft tritt durch die vertikalen Röhren d d in einen horizontalen Kanal,
wo sie vorgewärmt in die Gaskanäle c c eingeleitet die Verbrennung
in den vertikalen Seitenkanälen bewirkt. Die Ofenkammern pflegten
9 m lang zu sein, bei 45 cm Breite und 1,20 m Höhe dauerte die
Verkokung 24 Stunden, bei 60 cm Breite und 1,70 m Höhe 48 Stunden.
Für magere Kohlen wählt man geringere Breite. Die Vorzüge des
Coppéeofens liegen besonders in der schmalen, hohen Form der Retorte
und den vertikalen Zügen, die stabiler sind wie die horizontalen. Die
Höhe der Kammern hat man bis 2,10 m erhöht. Benutzt man die
Abhitze zur Dampferzeugung, so liefert ein Ofen den Dampf für drei
bis vier Pferdekräfte. Für eine vollständige Bauanlage kann man die
Kosten für 1 Tonne Kokserzeugung in 24 Stunden auf 2500 Franken
annehmen, während sie sich bei Smetöfen auf 3000 Franken und bei
[409]Brennmaterial.
Appoltöfen auf 5000 Franken belaufen. Dagegen erfordert der Coppée-
ofen zweimal, der Smetofen zweieinhalbmal so viel Terrain als der
Appoltofen von gleicher Produktion.


Abänderungen des Coppéeofens sind Ringels Koksöfen 1), die 1871
zu Rokitzan in Böhmen zuerst in Betrieb genommen wurden. Die
Öfen von Richard Wintzek in Friedenshütte (D. R. P. Nr. 2005
vom 20. Januar 1878) sind verbesserte Smetöfen; sie wurden auf der
Zeche Glückauf bei Beuthen in Oberschlesien zuerst angewendet und
kamen dann auf mehreren Werken Schlesiens zur Einführung.


Dr. Otto in Dahlhausen verbesserte 1879 den Coppéeofen
durch eine vermehrte Ausnutzung der Gase, durch Verbrennung der-
selben mit heiſser Luft. Zu diesem Zwecke sparte er Lufterhitzungs-
kanäle in dem Ofengewölbe aus, die zugleich als Kühlkanäle für den
Ofen dienten, und leitete die erhitzte Luft sowohl in den Ofen als in
die Seitenkanäle. Auch konstruierte er für leichte Koks einen Re-
tortendoppelofen, bei dem zwei Reihen übereinander lagen. Schon
früher hatte Lencauchez Koksöfen mit Kühlung und erhitzter Ver-
brennungsluft konstruiert und im Modell auf der Pariser Ausstellung
1878 vorgeführt.


L. Semet und E. Solvay in Brüssel bauten 1883 Koksöfen, bei
denen zu beiden Seiten der die Gewölbe tragenden Wände durch
dünnwandige groſse Hohlziegel Kanäle gebildet waren. Die Öfen
hatten besondere Rostfeuerung. Die Flammen strichen erst unter
dem Ofen her, dann durch die Seitenkanäle. — Gebr. Röchling
bauten 1886 horizontale Koksöfen mit senkrechten Heizkanälen und
verbesserter Zuführung der Verbrennungsluft.


Th. von Bauer und Carl Gödeke suchten dagegen den Appolt-
ofen zu verbessern (D. R. P. Nr. 7825), indem sie eine geregelte Luft-
zuführung, bessere Verbrennung und Gasführung einrichteten und die
Stabilität der Anlagen erhöhten. Dr. von Bauers vertikaler Koks-
ofen wurde 1877 zu Dobriv zuerst ausgeführt. Emil Franzen baute
1883 zu Angleur in Belgien Schachtkoksöfen.


Der Gewinnung der Nebenprodukte der Koksfabrikation
hatte man in den siebziger Jahren in England und Deutschland nur
geringe Aufmerksamkeit geschenkt, weil man in dem festen Glauben
befangen war, daſs dieselbe nur auf Kosten der Güte des Koks aus-
geführt werden könnte. In Frankreich dagegen hatte das von Knab
[410]Brennmaterial.
eingeführte System sich mehr und mehr Anerkennung verschafft und
wurde weiter ausgebildet. Öfen mit Kondensation wurden konstruiert
von Haupart, Carvés, Pernolet, Pawels (Pauwells) und Dubochet,
de Vathaire, Semet
und Renaut.


Anfang der siebziger Jahre wurden auf den Pariser Gasanstalten
zu Ivry und La Villette Öfen nach Knabschem System unter dem
Namen Pauwells- und Dubochet-Öfen erbaut. Carvés zu St. Etienne
baute 1876 seine verbesserten Öfen mit Wandheizung und Konden-
sation zu Basséges, nachdem er früher schon eine Anlage von 88 Knab-
öfen auf der Kokerei du Marais bei St. Etienne gemacht hatte.
Carvés System, durch welches man Koks, Teer und Ammoniakwasser
gewann, bewährte sich, und es wurde ihm 1879 die Erbauung einer An-
lage zu Terre-noire übertragen. Die Carvésöfen bestanden aus einem
System nebeneinander liegender hoher, enger Kammern mit horizon-
talen Seiten- und Bodenzügen. Die Verkokungsprodukte wurden durch
ein Rohr in der Mitte der Gewölbe abgezogen und passierten Kühl-
röhren und Scrubbers, ähnlich wie bei der Gasfabrikation. Durch den
Erfolg begann man auch in Deutschland auf diese neue Ofenart auf-
merksam zu werden. A. Hüssener in Dortmund empfahl sie zuerst
und die Gebrüder Möller bauten die ersten 1880 auf ihrer Kokerei
zu Brackwede. 1881 bildete sich die Aktiengesellschaft für Kohlen-
destillation zu Essen, welche sofort 50 Carvésöfen aufführte. 1881
wurde durch A. Hüssener zu Bulmke bei Gelsenkirchen eine Anlage
von verbesserten Carvéskoksöfen mit Gewinnung der Nebenprodukte
errichtet.


In England hielt man dagegen an den Bienenkorböfen fest.
Jameson1) verband damit eine teilweise Gewinnung der Neben-
produkte in der Weise, daſs er die Verbrennung von oben nach unten
fortschreiten lieſs, einen durchlöcherten Boden anbrachte, unter dem
sich eine Anzahl Kanäle befanden, die zu einem Saugrohre führten,
aus welchem die Destillationsprodukte durch Exhaustoren (blowers)
abgesaugt wurden 2). Der so erhaltene Teer enthielt nur die zwischen
250 und 350° siedenden Öle, kein Naphtalin und kein Anthracen.
Infolgedessen war er viel geringwertiger als gewöhnlicher Teer.


Doch führte schon damals H. Simon Carvésöfen auf der Koks-
anstalt von Mss. Pease bei Crooke (Durham) ein 3). Man nennt
[411]Brennmaterial.
deshalb dieses Ofensystem, welches mit zweiräumigen Lufterhitzern
(Rekuperatoren) versehen ist, in England Simon-Carvés. Obgleich
der Teer dieser Öefen reich an Naphtalin und Anthracen war und
dem Gasteer glich, so sprach man sich auf der Versammlung des
Iron and Steel Institute 1885 doch zu Gunsten der Jameson- gegen-
über der Simon-Carvésöfen aus, weil letztere zu kompliziert und zu
teuer seien. Versuche von Lowthian Bell ergaben, daſs die Koks
der Carvésöfen 10 Prozent geringeren Wert im Hochofen haben als
die Koks aus Bienenkorböfen. Dennoch fanden diese mehr und mehr
Verbreitung.


Am Ende der Bodenzüge der Carvésöfen befand sich eine
kleine Rostfeuerung. Die Kammern hatten sehr vollkommenen Luft-
abschluſs. Die flüchtigen Verkokungsprodukte wurden in der Mitte
durch ein Rohr abgesogen, durchstrichen einen Wasserkasten, in dem
sich Teer und Ammoniakwasser absetzte, dann ein Röhrensystem mit
Wasserkühlung und Scrubbers, mit Koks gefüllte Gefäſse, in denen
Wasser, dem Gasstrome entgegen, rieselte. Dann erst gelangte das
Gas in die Verbrennungsräume. Die Öfen von Terre-noire waren
6 m lang, 1,45 m hoch und 0,60 bis 0,75 m breit. Bei Crook in Durham
erzielte man 77 Prozent Koks, 2,8 Prozent Teer und 16,6 Prozent
Gaswasser.


Die von Hüssener verbesserten Öfen zu Gelsenkirchen in West-
falen konnten durch eine Ausdrückmaschine entleert werden. Er
leitete heiſse Luft in den Verbrennungsraum, da ohne solche die
Öfen nicht heiſs genug gingen. Die Öfen der Kohlendestillations-
gesellschaft, die 1882 in Betrieb kamen, waren 9 m lang, 1,8 m hoch
und 0,575 m breit. Der Teer enthielt 1,08 Prozent Benzol (bei 80 bis
140° siedend), 0,39 Prozent Naphtalin, 1,37 Prozent Phenol, 0,97 Pro-
zent Anthracen.


Bei dem wachsenden Bedarf an Teer, besonders seitens der
Teerfarbenfabrikation, suchte man auch die bestehenden Koksöfen-
konstruktionen mit Kondensation zu verbinden.


H. Semet baute 1882 zu Bellevue in Belgien seine ersten sechs
Versuchsöfen nach dem System Semet-Solvay. 1883 baute die
Solvay-Gesellschaft 25 solcher Öfen auf der Grube Havré.


Gustav Hoffmann zu Neulässig bei Gottesberg erfand 1882
einen Regenerativkoksofen mit Kondensation (D. R. P. Nr. 18795), der
zuerst 1883 zu Gottesberg in Schlesien in Ausführung kam. Dr. C. Otto
verband sich mit Hoffmann, wendete dessen Princip auf seine Kon-
[412]Brennmaterial.
struktion an und führte diese Öfen (Fig. 144 und 145) in Westfalen,
und zwar zuerst auf Zeche Pluto bei Wanne mit sehr vollkommenen
Kondensationsvorrichtungen ein 1). Es ist eine Kombination von

Figure 145. Fig. 144.


Figure 146. Fig. 145.


Siemens’ Regeneratoren mit
liegenden Koksöfen, in deren
Seitenwänden Vertikalzüge
angebracht sind. Die ge-
bräuchlichen Maſse waren
9 m Länge, 1,60 m Höhe,
0,60 m Breite im Lichten, von
Mitte bis Mitte der Kammern
aber 0,95 m. Sie haben keine
Gasabzüge in den Wänden,
sondern nur zwei Öffnungen
im Gewölbe. Die Sohlkanäle
stehen mit einem Luft-
generator in Verbindung; in
denselben verbrennen die
Gase mit heiſser Luft. Die
Gase aus dem Ofen treten
erst in eine Vorlage, dann
in eine Kondensationskam-
mer, den Gaskühler, von da
in den Scrubber oder Gas-
wascher. Hier werden Teer
und Ammoniak niederge-
schlagen. Die Bewegung
der Gase wird durch einen
Exhaustor bewirkt, der das
gereinigte Gas in die Sohl-
kanäle führt, wo sie mit der
heiſsen Luft, welche durch
Ventilatoren durch den Re-
generator gedrückt wird,
verbrennen. Anfänglich lieſs
man auch die Gase Re-
generatoren passieren, doch hat man dies bald wieder aufgegeben.
Das Ausbringen an Koks auf der Zeche Pluto war 7 Prozent höher
[413]Brennmaterial.
wie sonst (68 Prozent gegen 61 Prozent). Dabei gewann man 2,78
bis 3,46 Prozent Teer und 14 Prozent Ammoniakwasser oder 1,1 Pro-
zent schwefelsaures Ammoniak. Der Teer enthielt 0,954 bis 1,06 Pro-
zent Benzin, 4,27 bis 5,27 Prozent Naphtalin, 0,575 bis 0,64 Prozent
Anthracen, 50 Prozent Pech und 10 bis 25 Prozent unlöslichen Rück-
stand. Von den gereinigten Gasen wurde nur ein Teil zur Ofenheizung
verwendet, ein anderer Teil blieb zur Dampferzeugung etc. zur Ver-
fügung. Die Hoffmann-Otto-Öfen (D. R. P. Nr. 25825 von 1883)
fanden rasch Eingang, so daſs bis Mitte 1885 bereits 410 Öfen teils
fertig, teils im Bau begriffen waren.


Andere patentierte Konstruktionen von Koksöfen mit Gewinnung
von Nebenprodukten sind von Stier (D. R. P. Nr. 24717), Klönne
(D. R. P. Nr. 25673), Brunk (D. R. P. Nr. 25499), Herberz (D. R. P.
Nr. 25526).


Dr. Otto brachte das System der Wärmespeicher auch mit den
stehenden Öfen (Appolt, von Bauer) in Verbindung. Stiers Ofen
ist eine Art Appolt, der durch Generatorgase geheizt wird. Klönnes
Ofen mit Gewinnung der Nebenprodukte ist dem von Jameson ähn-
lich 1). Dr. Otto verband 1886 auch Bienenkorböfen auf der Zeche
Hibernia und Shamrock mit einer verbesserten Gasabführung.


Die Thatsache, daſs die Verkokung unter Druck ein besseres
Produkt und bessere Ausbeute giebt und die Verwendung magerer
Kohlen gestattet, hat die Veranlassung zu verschiedenen Verbesserungs-
vorschlägen gegeben. Brunck schlug deshalb (1884) eine Schutzdecke
von Kleinkoks vor nebst einem Kalkzuschlag zur Erhöhung der Aus-
beute an Ammoniak. C. Sachse in Orzesche (Oberschlesien) belastete
die Steinkohlen mit schweren Platten. Lürmann verkokte unter
Gasdruck und nahm hierauf bereits 1880 ein Patent 2). Seine Öfen,
die zuerst zu Riemke bei Bochum, dann auf der Kaisergrube bei
Gersdorf in Sachsen eingeführt wurden, waren auſserdem mit einem
mechanischen Beschickungsapparat verbunden. Die Verkokung unter
Druck gestattete die Verwendung gasarmer, anthracitischer Stein-
kohlen; für gasreiche, fette Kohlen war sie nicht geeignet. Zu Gers-
dorf in Sachsen verarbeitete man Ruſskohlen. Auch diese Öfen
wurden mit Kondensation verbunden. Desgleichen die Öfen von
H. Herberz in Langendreer, bei denen Gase und Verbrennungsluft ein
Steingitterwerk ähnlich wie bei den Siemensregeneratoren passieren.


Groſsen Anklang fanden in Bayern, Österreich, Belgien, Frank-
[414]Brennmaterial.
reich und Deutschland die vertikalen Koksöfen von Th. von Bauer
in München mit Bogensohlen 1). Es waren verbesserte Appoltöfen,
die sich vor diesen durch gröſsere Stabilität und zweckmäſsigeres
Entleeren auszeichneten. Das Ziehen des Koks erfolgte einfach durch
Öffnen der senkrechten Thüren am unteren Teile, wobei die ganze
Füllung auf der bogenförmigen Sohle herausrutschte. Die Ver-
brennungsluft wird durch den Ofen selbst vorgewärmt und in zwei
regulierbaren Strömen den Seitenwänden zugeführt. Die Öfen gestatten
einen fraktionierten Betrieb. Die fertigen Koks fallen auf ein eisernes
Transportband, das von einer kleinen Dampfmaschine getrieben wird
und dieselben von der Kammer auf die Ladebühne führt. Im Mai
1886 wurde auf dem Eisenwerk zu Creusot (Schneider \& Co.) eine
Batterie von 40 Stück von Baueröfen mit gutem Erfolge in Betrieb
genommen 2).


Ähnlich dem Verkoken unter Druck wirkt das von J. Quaglio
1886 erfundene Verfahren des Einstampfens der zerkleinerten Kohlen
(D. R. P. Nr. 36097) 3) zwischen beweglichen Seiten und Boden. Der
Kasten ist mit den Koksausdrückmaschinen verbunden und wird der
ganze prismatische Körper, welcher eine Füllung bildet, von dieser in
den Ofen geschoben. Dieses Verfahren hat sich für magere Kohlen
sehr gut bewährt, so in Oberschlesien, auf der Georg-Marienhütte,
im Saargebiet. Die erste Einführung erfolgte auf der Friedländischen
Koksanlage zu Zabrze.


Das Einbringen der ganzen Steinkohlenfüllung in den Ofen mittels
einer kastenartigen Vorrichtung und Stempel hatte Ritter von Mer-
tens
in Trzynietz (Oberschlesien) schon Anfang der achtziger Jahre
und R. Wintzek in Friedenshütte 1883 eingeführt.


Neuere Kohlenstampfmaschinen sind die von Brinck und Hüb-
ner
(D. R. P. Nr. 95868 von 1897) und die von Kuhn \& Co.4).


In Frankreich fand ein Koksofen von Seibel mit horizontalen
Zügen für schwerbackende Kohlen Eingang 5).


C. Blauel in Düsseldorf nahm am 22. Oktober 1889 ein Patent
(D. R. P. Nr. 52206) auf einen Universalkoksofen. Bei dem Ofen
von Fritz W. Lürmann in Osnabrück wird seit 1888 ein ununter-
brochener Betrieb dadurch erzielt, daſs immer nur die Hälfte der
[415]Brennmaterial.
Koks ausgedrückt und entsprechend nachgefüllt wird. Zu Kohlscheid
im Wurmrevier werden Lürmannsche Öfen auf diese Weise täglich
viermal mit je 1000 Tonnen Kohlen von einer Seite der Gruppe aus
beschickt 1).


An den Gas- und Heiſsluftführungen wurden zahlreiche Ver-
besserungen in den letzten 15 Jahren vorgeschlagen und ausgeführt,
z. B. von E. Festner (D. R. P. Nr. 67395 vom 23. Oktober 1891),
der die Hoffmann-Ottoschen Regenerativöfen mit einer beständig
wirkenden Lufterhitzung ohne Umstellung verband. Er nannte seinen
Ofen Recuperatofen oder auch Festner-Hoffmannschen Koks-
ofen 2).


Die Semet-Solvayöfen wurden mit groſsem Vorteil mit Gewinnung
der Nebenprodukte verbunden 3) und fanden in dieser verbesserten
Form besonders auſserhalb Deutschland groſse Verbreitung.


Durch diese Unterfeuerungsöfen wurde auch F. Brunck (Dort-
mund) veranlaſst, eine neue Koksofenkonstruktion in Vorschlag zu
bringen 4).


Nach Rossigneux soll 1892 die Koksproduktion Mitteleuropas
22195000 Tonnen betragen haben. Hiervon entfielen 63 Prozent auf
England, 20 Prozent auf Preuſsen, 10 Prozent auf Belgien, 5 Prozent
auf Frankreich und nur 200000 Tonnen auf Mähren. Die nord-
amerikanische Produktion schätzt er auf 8½ Millionen Tonnen. Man
wendet in den Vereinigten Staaten meist noch Bienenkorböfen von
3,7 m Durchmesser und 1,5 bis 2,2 m Höhe an.


Im allgemeinen haben sich die kostspieligen Anlagen der Ge-
winnung von Benzol, Teer und Ammoniak überall da als vorteilhaft
erwiesen, wo man ohne die Koksofengase genug Dampf hat. Man
rechnet bei Verwendung der Gase zur Dampferzeugung 0,90 kg ver-
dampftes Wasser auf 1 kg Kohle. Die Otto-Hoffmannschen Re-
generativkoksöfen erreichen trotz der Gewinnung der Nebenprodukte
nahezu diese Leistung 5).


Diese Öfen haben denn auch in Westfalen bei weitem die gröſste
Bedeutung erlangt und wesentlich zu dem gewaltigen Aufblühen der
westfälischen Koksindustrie beigetragen. Während 1894 nur 862 Öfen
mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse vorhanden waren, betrug deren
[416]Brennmaterial.
Zahl 1895 schon 1864, wovon 1190 nach dem System Otto \& Co.1)
gebaut waren. Die Gesamtzahl der Koksöfen betrug 1895 8063 Öfen,
von denen 7866 in Betrieb standen, gegen 6464 und 5852 im Jahre
1885 2). — Von neueren Ofenkonstruktionen haben sich die Dr. von
Bauers
chen 3), die 1893 und 1894 patentierten, bei der Firma
Friedrich Krupp bewährt. Sie zeichnen sich durch rationelle
Heizung der Ofenwände aus einer selbständigen Gasquelle aus. Ferner
haben im rheinisch-westfälischen Revier die Koksöfen von Franz
Brunk
ebenfalls wegen ihrer guten Beheizung Anwendung gefunden 4).


In Frankreich und Belgien wendet man bei der Verkokung
mit Gewinnung der Nebenprodukte meist noch verbesserte Knabsche
Öfen an 5).


Auch in England wendet man neuerdings den Retortenöfen mit
Gewinnung der Nebenprodukte gröſsere Aufmerksamkeit zu als früher 6).
Nach einem Berichte der Solvay-Gesellschaft waren Ende 1899 1451
Semet-Solvay-Öfen gebaut, zumeist in Belgien, Frankreich, England
und den Vereinigten Staaten.


Die Entgasung der Kohlen darf nicht zu rasch vor sich gehen,
weshalb man sie vor dem Beschicken annäſst. Bei zweckmäſsiger
Anlage der Öfen und der Kondensation liefern westfälische Steinkohlen
nach Terhaerst7):


Auſserdem kann 1 Tonne trockene gasreiche Kohle 3 bis 10 kg
Benzol liefern.


Wenn von den Fortschritten der Koksfabrikation die Rede ist, so
dürfen die Verbesserungen, welche bei der Aufbereitung und dem
[417]Brennmaterial.
Verwaschen der Steinkohlen gemacht worden sind, nicht unerwähnt
bleiben.


Für die Zerkleinerung der Grobkohle verbesserte Marsden in
Leeds 1872 die Blakesche Steinbrechmaschine; Carr erfand 1872
seine Schleudermühle (Desintegrator). In den folgenden Jahren kon-
struierte Dyckhoff seinen schwingenden Backenbrecher, die Maschinen-
fabrik Humbold (1878) in Kalk bei Deutz einen Steinbrecher mit
kastenförmigen Brechschwingen, Baxter \& Co. in Leeds 1881 eine
verbesserte Backenquetsche, die mehr durch Stoſs als durch Druck
wirkte. Schleudermühlen wurden angegeben von Rittinger und von
Vapart (Croyeur Vapart) 1878.


Für die trockene Aufbereitung erfand Briart 1878 einen Rätter,
Schmitt-Manderbach das Spiralsieb, Neuerburg 1879 ein Trom-
melsieb, die Maschinenfabrik Humbold in Kalk ein Schwingsieb,
Karlik seinen rotierenden Pendelrätter 1884, Klönne seinen Kreisel-
rätter, der besonders für Braunkohlen Anwendung fand. H. Hoch-
strate
brachte 1878 eine Windseparation in Vorschlag.


Am wichtigsten waren aber die Verbesserungen der Kohlen-
wäschen. Von diesen nennen wir die von Sievers, welche 1871 auf
Grube Heinitz bei Saarbrücken eingerichtet wurde, von Rexroth,
die um dieselbe Zeit in Seraing erbaut wurde, von Lührig1), welche
von Waldenburg aus sich in Schlesien und Sachsen verbreitete.


Diese Systeme, wie das einige Jahre später von Kremer und
Schüchtermann in Dortmund erfundene, beruhen auf dem Princip
des Setzsiebes mit saugender und rückkehrender Wasserspülung. Da-
gegen arbeitet die Pumpensetzmaschine von Coppée, die zuerst zu
St. Waarst bei Anzin eingeführt wurde, nur mit aufsteigendem Wasser-
strom.


Bei der von Max Evrard zu St. Etienne 1875 angegebenen
Sortierwäsche wird die Wassersäule direkt durch Dampf bewegt.
Weiterhin wurden Kohlenwäschen konstruiert von Neuerburg in
Köln 1878, von Marsaut in Bassège 1882, in demselben Jahre von
Laporte und Jourjon und von Cl. Joufferey und J. Chevalier.
Eine Spitzkastenseparation führte Büttgenbach 1883 ein. 1885
wurden in Frankreich Lührig-Coppéesche Kohlenwäschen zu Aubin
und zu Aveyron angelegt 2). Seit 1889 haben die von Bernard und
Beck, Geschichte des Eisens. 27
[418]Brennmaterial.
Seibel in Paris und Brüssel gebauten Kohlenwäschen in Frankreich,
Belgien, Westfalen und Saarbrücken Verbreitung gefunden.


An die Aufbereitungsmaschinen schlieſsen sich die Stampf-
vorrichtungen, um die Steinkohlen in den Kammern festzustampfen
oder in Kasten zu pressen, wodurch eine parallelepipedische Masse,
deren Gestalt und Gröſse der Verkokungskammer entspricht, in die
sie eingeschoben wird. Um solche haben sich Ritter von Mertens
zu Trzynietz, Baumgarten, Quaglio, Bremme, Röchling, Hoff-
mann, Brinck \& Hübner
und M. Klein (D. R.-P. Nr. 99492,
106019) verdient gemacht 1).


Der flüssige Brennstoff: Petroleum und dessen Rückstände
haben in Pennsylvanien und in Ruſsland eine groſse Bedeutung für die
Eisenindustrie erlangt. In Pennsylvanien verwendet man mehr Roh-
petroleum, während man in Ruſsland hauptsächlich die Naphtharück-
stände (Astaki oder Masut) als Brennstoff benutzt. Bei der Destillation
von 100 Tln. Rohöl von Baku bleiben etwa 50 Tle. Rückstand, der
1899 8 Kopeken das Pud oder 1 Mark die 100 kg kostete, durch die
Transportkosten erhöhte sich der Preis für Moskau auf 27 Kopeken
oder 3,50 Mark. Man unterscheidet Schalenfeuerung, Tropfen- und
Forsunkenfeuerung. Schalenfeuerung dient für mäſsige Hitze z. B. für
Trockenöfen, Tropfenfeuerung für Schweiſs- und Glühöfen; am wirk-
samsten und für hohe Temperaturen ist die Forsunkenfeuerung, wobei
Naphtha in einem doppelten Rohre, der Forsunka, ähnlich wie bei
einem Injektor, durch Dampf oder Preſsluft zerstäubt wird. Letztere
Art der Feuerung findet bei Puddelöfen, bei Martin- und Tiegelstahl-
öfen Anwendung. Um hohe Temperaturen zu erzeugen, verbindet
man die Forsunkenfeuerung mit Siemens-Regeneratoren 2).


Die gasförmigen Brennstoffe haben seit 1870 eine immer
wachsende Bedeutung erlangt. Hierbei kommen besonders in Betracht
das Naturgas in dem Petroleumgebiet der Vereinigten Staaten Nord-
amerikas, die künstlichen Gase, als Generatorgas, Wassergas, Dowson-
gas, Masut- und Naphthagas u. s. w., die Abgase der Hochöfen, Koks-
öfen und anderer Öfen.


Das Naturgas hat nur in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika eine lokale Wichtigkeit erlangt. Es entströmt dort in groſsen
Mengen einzelnen Bohrlöchern für Petroleumgewinnung 3). Das zuerst
[419]Brennmaterial.
verwendete kam aus einer 1200 Fuſs tiefen Quelle (well) bei Leech-
burg und wurde 1873 auf dem Sibiria-Walzwerk von Rogers und
Burchfield zu Leechburg, Armstrong County, Pa., zur Eisenfabrikation
verwendet. 1879 wurden bereits alle Puddel-, Schweiſs- und Kessel-
öfen ausschlieſslich mit Naturgas betrieben und bald folgten andere
Eisenwerke dem Beispiel, so zwischen 1874 und 1881 Spring, Chal-
font \& Co
. und Graff, Benett \& Co. in Alleghany County und
das Walzwerk zu Kittaning in Pennsylvanien, ferner die Millvallhütte
und die Etnahütte, wohin 1875 das Gas durch eine lange Leitung
geführt wurde.


Seit 1881 wurde der Betrieb mit Naturgas auf vielen Werken in
Pennsylvanien, Ohio, Indiana und West-Virginien üblich. 1883
legte man die erste lange Leitung nach Pittsburg; seitdem hat der
Verbrauch von Naturgas auſserordentlich zugenommen. 1884 wurden
6 Walzwerke nur mit Naturgas betrieben, 1886 bereits 68, 1887 96
und im November 1889 104. Seitdem ist wieder eine Abnahme des
Naturgasbetriebes eingetreten. Carnegie verwendete es auf dem
Edgar-Thomson-Stahlwerk. Nach Kittaning wurde das Naturgas
in einer vierzölligen Rohrleitung von drei engl. Meilen Länge geleitet
und unter 18 Puddelöfen verteilt. Trotz der langen Leitung strömte
es noch mit starkem Druck aus. Die Puddler arbeiteten mit Vorliebe
mit Naturgas, weil es die Arbeit erleichterte, wenig Abbrand, also mehr
Gewicht und wegen der Reinheit des Brennstoffs besseres Eisen gab.


Früher als das Naturgas verwendete man künstlich erzeugtes
Petroleumgas. Mit solchem wurde bereits 1871 in Ohio versuchs-
weise gepuddelt. Ein groſser Fortschritt war die Einführung des
Petroleumdampfgenerators von Eames 1875 für Schweiſsöfen zu
Jersey City, Pa. 1884 stellte die Vapor Fuel Company in Pittsburg
in einem verbesserten Apparat ein vorzügliches Petroleumgas, welches
sie Thermogen nannte, dar. Dasselbe wurde auf den Norway-Iron-
works mit bestem Erfolg zur Kesselheizung, sowie in Puddel-, Stahl-
und Schweiſsöfen verwendet. Es hatte eine auſserordentliche Heizkraft
und doch konnte der Arbeiter die Flammen im Moment zum Verlöschen
bringen. Das künstlich erzeugte Petroleumgas hat in Südruſsland als
Masut- oder Naphthafeuerung in letzterer Zeit Bedeutung erlangt 1).


Bei dem aus den gewöhnlichen Brennstoffen, Holz, Torf- und
3)
27*
[420]Brennmaterial.
Steinkohlen erzeugten Gas (Generatorgas) unterscheidet man Leucht-
gas und Wassergas. Ersteres wird in Gaserzeugern (Generatoren)
mit trockener Luft gewonnen. In gewissem Sinne kann jede Rost-
feuerung als Gaserzeuger angesehen werden, doch versteht man
im engeren Sinne nur die Apparate darunter, in denen die Gas-
erzeugung getrennt von der Verbrennung stattfindet. Von diesen
haben die mit Steinkohlen betriebenen die gröſste Wichtigkeit erlangt.
Sie zerfallen in zwei Gruppen, in solche mit natürlichem und solche
mit künstlichem Luftzug. Während die älteren Holzgasgeneratoren
meist mit Gebläsen betrieben wurden, kam bei der Steinkohlengas-
erzeugung in den Siemens-Generatoren, welche sich sehr gut

Figure 147. Fig. 146.


bewährten und deshalb Anfang der siebziger Jahre groſse Verbreitung
fanden, der natürliche, d. h. der Essenzug zur Anwendung. Fig. 146
zeigt die ältere Konstruktion, wobei vier Kammern zu einem System
verbunden sind. Die Luft tritt durch einen liegenden und einen
stehenden Rost (b, a) ein. Die Füllung erfolgt durch den Füllschacht
d, welcher mit einem Blechdeckel mit Wasserverschluſs geschlossen ist.


Swindell in Amerika und Sailler in Österreich konstruierten
Gaserzeuger mit Wärmespeicher für kontinuierlichen Betrieb 1). Diese
Gaserzeuger in Verbindung mit Siemens’ Regenerativfeuerung waren
ein groſser Fortschritt. Aber dem System der Gaserzeuger mit
Essenzug hafteten mancherlei Nachteile an. Sie bedurften guter
Kohlen, hatten bei der geringen Rostfläche und dem schwachen Zug
nur geringe Leistung; dabei gestattete der schwache Zug nur eine
niedrige Brennmaterialschicht im Ofen, wodurch die Zusammensetzung
[421]Brennmaterial.
der Gase eine ungleichmäſsige wurde, und endlich muſste die Asche
öfter entfernt und die Roste gereinigt werden, was mit Wärme-
und Kohlenverlust, Unterbrechung des Betriebes und anstrengender
Arbeit verknüpft war. Dazu kam noch, daſs man die Zuggeneratoren

Figure 148. Fig. 147.


tiefer stellen muſste als die Öfen, in denen die Gase verbrannt
wurden, was oft Schwierigkeiten und Kosten verursachte.


Aus diesen Gründen ging man bald wieder zu den mit Gebläse-
wind betriebenen Generatoren über, welche bei geringerem Brenn-
material stärkere
Füllung gestatteten
und mehr leisteten.
Die Schlacke ent-
fernte man aus
diesen Öfen, die
ähnlich wie kleine
Hochöfen, nur ohne
Erzbeschickung be-
trieben wurden, da-
durch, daſs man sie
schmolz und ab-

Figure 149. Fig. 148.


stach. War die Schlacke für sich nicht schmelzbar, so setzte man
Kalk zu. Nach diesem Prinzip wurden in den siebziger Jahren Gas-
erzeuger von Brook und Wilson, Tessié du Motay, W. Gorman,
Carl Nehse, Kasowalsky, Pütsch, Pintsch, Schulz, W. Siemens,
V. Tahon, Sutherland
und anderen konstruiert 1). Fig. 147, 148
zeigen einen von A. Sailler in Witkowitz 1884 erbauten Gaserzeuger
[422]Brennmaterial.
mit Schlackenbetrieb, der ohne Beschreibung verständlich ist. Einen
Gaserzeuger mit gegenüberliegenden Treppenrosten mit Abschluſs durch
Aschenkegel und Glockenverschluſs konstruierte 1893 Blezinger
(Fig. 149). In der Regel wurde eine Anzahl Generatoren zu einer
Gruppe vereinigt.


Bei der Gaserzeugung in Generatoren findet die Entgasung der
Steinkohlen und die Vergasung des Kohlenstoffs gleichzeitig statt.
Durch die Entgasung wird viel Wärme gebunden und verlassen infolge-

Figure 150. Fig. 149.


dessen die Gase den Generator
weniger heiſs. Aus diesem
Grunde erfanden Gröbe-
Lürmann
1878 einen Gas-
erzeuger mit getrennter Ent-
und Vergasung. Bei diesem
vermischen sich erst nach-
träglich die Gase aus den
beiden Räumen; derselbe ist
auſserdem mit mechanischer
Beschickungsvorrichtung ver-
sehen. Dieser Apparat 1) hatte
anfänglich nur bei der Gas-
fabrikation, später aber auch
in der Eisenindustrie Eingang
gefunden.


Allen genannten Gaserzeu-
gern haftet der Mangel an, daſs
das erzeugte Gas mit einer
groſsen Menge Stickstoff aus
der zugeführten atmosphärischen Luft vermischt ist, welcher den Hitz-
grad der Flamme und damit die Wirkung derselben sehr vermindert.
Man suchte ein an Brennstoff reicheres Gas durch Anreicherung mit
Wassergas und Petroleumdampf zu erhalten. Diese Versuche hatten
zuerst in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Erfolg, indem es 1874
Strong zu Phönixville gelang, ein gutes Wassergas darzustellen. Es
diente zunächst als Leuchtgas. Man war in Nordamerika auf diesen Weg
der Gaserzeugung um so mehr hingewiesen, weil es an guten Gaskohlen
fehlte, während die vorzüglichen Anthrazitkohlen und das Petroleum
die besten Rohstoffe für die Wassergaserzeugung an die Hand gaben.
[423]Brennmaterial.
Dagegen hatten frühere Versuche in Europa keinen Erfolg gehabt.
Lowe hatte schon 1832 vorgeschlagen, Wassergas durch Teer- und
Petroleumdämpfe leuchtend zu machen. Kirkham war es 1859
gelungen, Wassergas in einem Ofen und nicht in Retorten her-
zustellen. Lowe arbeitete nach Strongs Erfolg mit diesem an der
Lösung der Wassergasfrage und konstruierte einen Apparat. Strong
in Brooklyn erhielt 1877 ein Patent hierfür. 1878 verbesserte Dwight
den Loweschen Apparat. 1880 wurden in Amerika bereits 25 Städte,
darunter Baltimore, Lancaster und andere mit Wassergas beleuchtet.
In Europa hatte Tessié de Motay in Comines bei Lille 1875 und schon
früher ausgedehnte Versuche zur Erzeugung reinerer Generatorgase
gemacht, welche ihn ebenfalls auf die Erzeugung von Wassergas
führten. Alle Apparate haben dasselbe Prinzip, daſs Wasserdampf mit
glühenden Kohlen in unmittelbare Berührung tritt, dadurch in Wasser-
stoff und Sauerstoff zerlegt wird, welche sich mit Kohlenstoff zu
Kohlenwasserstoff und Kohlenoxydgas verbinden. Strong erhitzte
erst den Wasserdampf in Regeneratoren, leitete ihn durch schwere
Kohlenwasserstoffe und dann den mit diesen gesättigten Dampf durch
glühende Kohlen. Lowe erzeugte Wassergas und karburierte dieses
hierauf durch schwere Kohlenwasserstoffe (Petroleumrückstände,
Naphtha u. s. w.). Tessié de Motay leitete Gas- und Wasserdampf
von normaler Sättigung durch eine Reihe hocherhitzter Retorten, in
denen die Kohlenwasserstoffe verdampft wurden. Strong arbeitete
mit zwei Schächten; der Wassergaserzeuger von Lowe-Dwight (1878)
hatte drei getrennte Schächte, 1. einen Überhitzer für den Dampf,
2. den Gaserzeuger, 3. einen Überhitzer für die Luft. Luft und
Dampf bewegten sich in entgegengesetzter Richtung. Dabei wurde
alle 5 bis 10 Minuten gewechselt, so daſs immer einmal nur Luft,
dann nur Wasserdampf durchströmte. Die Gase, die natürlich in
ihrer Zusammensetzung verschieden waren, konnte man getrennt auf-
fangen oder in einem Sammler mischen. Das Wassergas hatte etwa
die vierfache Heizkraft des Generatorgases, aber nur die einhalbfache
des Leuchtgases. Das Gas kann mit gröſserem Nutzeffekt verbrannt
werden als der feste Brennstoff. Es gab eine sehr heiſse Flamme
und bewährte sich vortrefflich zum Schmelzen.


In Deutschland erwarb sich Quaglio Verdienste um die Ein-
führung des Wassergases und konstruierte 1880 einen Apparat, der
dem von Dwight ähnlich war und vier Abteilungen hatte. Bunte in
München erzeugte 1883 Wassergas in Koksgeneratoren.


Wir erwähnen weiter die Wassergaserzeuger von Granger,
[424]Brennmaterial.
Hanlon und Leady, C. W. Sutherland in Birmingham, die 1886
an verschiedenen Plätzen in England errichtet wurden.


Sutherland erhielt aus einer Tonne Staffordshire-Kohle
55000 Kubikfuſs Gas von der Zusammensetzung:



Ferner nennen wir die Apparate von Forbacky und Sólcz in
Österreich (1883), von der Wassergas-Aktiengesellschaft (1887), von
Holtzer und A. Rateau zu Royan in Frankreich und von Arthur
Kitson
in Amerika (A. P. Nr. 53823 vom 27. Januar 1890). 1888
wurden, nach Quaglio, über 200 Städte in Nordamerika mit Wasser-
gas beleuchtet. Es war dies mit Kohlenwasserstoffen karburiertes
Anthrazit-Wassergas. Wie sehr das Wassergas das gewöhnliche
Generatorgas übertraf, zeigen die nachfolgenden Zahlen (von A. Blaſs
1888):


Trotz der groſsen Vorzüge des Wassergases war dasselbe wenigstens
in Europa für den hüttenmännischen Betrieb zu teuer. Es erforderte
zu seiner Darstellung sehr reine Brennmaterialien, Koks oder Anthrazit,
und teure Anlagen. Bei dem Umsteuern entstanden Gasverluste oder
geringwertige Gase, die sich schlecht verwenden lieſsen.


Mit gröſserem ökonomischen Vorteil lieſs sich ein Mischgas her-
stellen, welches bei kontinuierlichem Betriebe in Gasgeneratoren in
[425]Brennmaterial.
der Weise hergestellt wurde, daſs man nur so viel Wasserdampf zu-
leitete, als der fortgesetzte Betrieb der Gaserzeuger gestattete. Die
Menge des Wasserdampfes konnte gesteigert werden durch voraus-
gehende Erhitzung der Luft und des Dampfes. In dieser Richtung
hat sich denn auch die Darstellung der Heizgase in dem letzten
Jahrzehnt hauptsächlich entwickelt.


Der englische Ingenieur Emerson Dowson hatte 1881 zuerst
ein Verfahren zur Erzeugung von Motor- und Heizgasen durch gleich-
zeitiges Überleiten von Luft und Wasserdampf über glühende Kohlen
veröffentlicht. Man nannte
infolgedessen dieses Gas
Dowsongas1); F. Fischer
gab ihm später den Namen
Mischgas. F. W. Lürmann
hatte aber bereits 1869 auf
der Georg-Marienhütte zu
Osnabrück den gleichen
Vorschlag gemacht 2). Ein
normales Mischgas hat
folgende Zusammensetzung:
Wasserstoff 18,4, Methan
0,6, Kohlenoxyd 26,8, Koh-
lensäure 7,2, Stickstoff
4,70 Prozent. Es wird in
der Weise erzeugt, daſs man
durch einen Injektor mit
Wasserdampf Luft in einen
mit glühenden Kohlen be-
schickten Generator einbläst.


Figure 151. Fig. 150.

1889 hatte dieses Gas bereits ausgedehnte Anwendung gefunden 3),
besonders in Witkowitz und Hörde in Martinöfen, in dem Blechwalz-
werk von Schultz-Knaudt bei Essen, in Leeds zum Schweiſsen von
Eisenröhren, in Finsterwalde u. s. w. Von neueren Apparaten 4) zur
Erzeugung von Mischgas erwähnen wir den von J. W. Taylor in
New Jersey, von dem 1893 bereits 157 in den Vereinigten Staaten
im Betriebe standen. Derselbe wird am besten mit einem Fichet-
Heurteys
chen Wechselapparat, bei dem Luft und Dampf vorgewärmt
werden (Fig. 150), verbunden. Dampf und Luft werden durch ein
[426]Brennmaterial.
Dampfstrahlgebläse von unten mitten in den Ofen eingeblasen. Auſser-
dem sind diese Gaserzeuger mit Wasch- und Reinigungsapparaten und
endlich mit einem Gasometer versehen. Schmidhammer schlug
1894 Doppelöfen zur Mischgaserzeugung vor.


Ein wichtiges Brennmaterial für den Eisenhüttenmann sind die
dem Hochofen entweichenden Gichtgase. Sie haben den Nachteil, daſs
sie einerseits durch mitgerissene feste Teile, Gichtstaub, verunreinigt,
andererseits durch einen hohen Gehalt an Stickstoff (ca. 68 Gewichts-
prozente), Kohlensäure (ca. 17 Gewichtsprozente) und Wasserdampf
(ca. 10 Gewichtsprozente) verdünnt sind. Der Gichtstaub wird durch
Staubfänger und Waschvorrichtungen, worauf wir später zurück-
kommen werden, entfernt. Der Wasserdampf läſst sich durch Ab-
kühlen niederschlagen, wobei allerdings die mitgeführte Wärme
verloren geht. Um die Kohlensäure, welche durch die Reduktion der
Erze im Ofen entstanden ist, wieder in Kohlenoxydgas zurückzuführen,
hat man das Durchleiten der Gase durch glühende Kohlen vor-
geschlagen. Besonders hat Josef von Ehrenwerth 1883 die Re-
generierung der Hochofengase in einer besonderen Schrift behandelt 1).
Auch der Wasserdampf wurde hierbei zersetzt und nutzbar gemacht.
Trotzdem hat diese Regenerierung der Hochofengase bis jetzt keine
Anwendung gefunden. Neuerdings ist aber durch das Bestreben, die
Hochofengase unmittelbar zur Krafterzeugung zu verwenden, wieder
die Aufmerksamkeit hierauf gelenkt worden 2).


Über die Gasfeuerungsanlagen werden wir erst später bei den
Fortschritten der Eisen- und Stahlbereitung Mitteilung machen.


Daſs auch die Elektrizität unter Umständen zur Wärmeerzeugung
benutzt wird und daſs durch die Umsetzung des elektrischen Stromes
in Wärme bis dahin unerreichte Hitzegrade erzeugt werden können,
haben wir bereits erwähnt.


In der Regel ist der Kohlenstoff in den verschiedenen Formen,
in denen uns ihn die Natur bietet, der gebräuchliche Brennstoff für
uns. Jeder elementare Körper, der sich mit Sauerstoff verbindet,
kann aber als Wärmeerzeuger dienen. In diesem Sinne wirken
Silicium bei dem sauren und Phosphor bei dem basischen Bessemer-
prozeſs. Aber auch durch bloſse Umsetzung eines Metalls mit dem
Oxyde eines anderen, das eine niedrigere Verbrennungswärme erzeugt,
kann nutzbare Wärme frei werden. Hierauf beruht das neue Ver-
[427]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
fahren der Wärmeerzeugung mittels Aluminium von Dr. Hans Gold-
schmidt
1) (Aluminothermie), das dadurch von praktischer Bedeutung
wird, daſs es hohe Hitzegrade an Stellen erzeugt, die sonst der Er-
wärmung schwer zugänglich sind, wodurch die Möglichkeit gegeben ist,
Eisenteile, z. B. Eisenbahnschienen, am Orte ihrer Verwendung zu-
sammen zu schweissen.


Hochöfen und Hochofenbetrieb.


Wenden wir uns zu den Fortschritten im Hochofenbetrieb
und zwar zunächst zu den Vorarbeiten dafür.


Über die Erze ist im allgemeinen zu bemerken, daſs die Fluſs-
eisenfabrikation eine steigende Verwendung reiner, reichhaltiger,
überseeischer Erze zur Folge hatte, die in steigendem Maſse von den
mächtigen Erzlagerstätten bezogen wurden; besonders ist Spanien ein
Erzmarkt für die ganze Welt geworden. Die Erfindung des Thomas-
prozesses hat den Wert und die Verwendung der früher gemiedenen
phosphorhaltigen Erze auſserordentlich gesteigert. Dadurch sind die
ausgedehnten Lager der reichen, phosphorhaltigen Erze Schwedens zu
groſser Bedeutung gelangt. Ferner sind durch denselben die phos-
phorhaltigen, eisenreichen Schlacken der Schweiſseisenfabrikation,
besonders die bis dahin fast wertlosen Puddelschlacken gesuchte
Eisenerze geworden. Dasselbe gilt von den Kiesabbränden der
Schwefelsäurefabrikation aus Schwefelkiesen, dem sogenannten Purpur-
erz (purple ore), welches seines hohen Eisengehaltes wegen zur An-
reicherung der Beschickung gefragt ist.


Die chemische Analyse der Erze hat seit 1870 Fortschritte
gemacht in Bezug auf Sicherheit und Raschheit der Methoden. Einzel-
analysen wurden in groſser Zahl veröffentlicht. Zusammenstellungen
von Erzanalysen finden sich in den Handbüchern von Wedding2),
Dürre und Ledebur, sowie in den Fachzeitschriften, wie z. B. in
Iron (1888), Bd. 31, S. 206 und 358.


Lowthian Bell hat zuerst darauf hingewiesen, daſs gewisse
Eisenerze sich leichter zu metallischem Eisen reduzieren als andere
von ähnlicher chemischer Zusammensetzung und daſs die leichte
Reduzierbarkeit den Wert der Erze beeinfluſst. Die schwedischen
Metallurgen R. Åkerman und D. H. Tholander haben hierfür 1874,
[428]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
und C. G. Särnström in den achtziger Jahren Versuche veröffentlicht.
J. Wiborgh hat 1887 eine Methode für die Bestimmung der Redu-
zierbarkeit der Eisenerze angegeben 1).


Um die Verbesserung der Apparate zum Zerkleinern der Eisen-
erze, der Erzwalzwerke, Kollergänge, Erzquetschen oder Steinbrecher
und Kugelmühlen hat sich Hermann Gruson (geb. 13. März 1821,
gest. 31. Januar 1895) und das Grusonwerk (jetzt Friedrich Krupp)
groſse Verdienste erworben.


Auf die Ausbreitung der elektromagnetischen Aufbereitung
haben wir bereits hingewiesen. Dieselbe wurde in Schweden, in
Spanien, zu Allevard und Creuzot in Frankreich, zu Traversella in
Italien, zu Oberlahnstein, Hamborn und Oberschlesien in Deutschland,
mit dem gröſsten Erfolge aber in Nordamerika angewendet. Die
Erze müssen, wenn sie nicht von Natur paramagnetisch sind, meistens
erst geröstet werden. Man wendet dauernde Magnete oder Elektro-
magnete an. Von den vielen Apparaten für die magnetische Auf-
bereitung erwähnen wir den von Werner von Siemens von 1880,
von Wernström2) in Örebro 1885, von H. Keſsler 1886 (D. R. P.
Nr. 33587), Edison, Ball \& Norton3) G. Conkling in Glenfalls
(New York), von Beuther 1890 (D. R. P. Nr. 52292) und von Max
Patzig
1896 (D. R. P. Nr. 86513).


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika waren um 1893
folgende Systeme der magnetischen Aufbereitung in Anwendung:



[429]Hochöfen und Hochofenbetrieb.

Eine neue Vorrichtung zur magnetischen Trennung hat Th. Heberle
erfunden (D. R. P. Nr. 103024).


Zur Entfernung des thonigen Schlammes mancher Eisenerze
bedient man sich der Wasserspülung, die z. B. auf der Ilseder Hütte
seit Anfang der siebziger Jahre in groſsen eisernen Waschtrommeln
vorgenommen wird. Ähnlich ist die Wäsche, die Carl Schwarz 1887
zu Reschitza für die thonigen Erze von Moravitza eingerichtet hat,
wobei er einen hochgepreſsten Wasserstrahl anwendete. In England
wendete man 1885 die Waschkasten (scrubbers) von J. Alexandre
und Mc’Coch und die Waschräder von Young und Beilby an.


Von den später eingeführten Apparaten ist der Wetherill-
Separator hervorzuheben 3), mit dem die Erze ungeröstet aufbereitet
werden können. Eine Aufbereitungsanlage nach dem System Wethe-
rill
befindet sich in Deutschland auf der Grube Lohmannsfeld im
Siegerland.


1897 legte Edison eine groſsartige magnetische Aufbereitungs-
anlage in New Jersey 4) an, in der die geringwertigen Magneteisen-
erze angereichert und in Briketts verarbeitet werden.


Zu Pitkäranta in Finland erzielte man mit der elektromagne-
tischen Scheidung von Gröndall-Dellwik5) gute Resultate. Die
Erze werden in Kugelmühlen gemahlen, in dem elektromagnetischen
Erzscheider konzentriert, in Ziegelpressen brikettiert und dann die
Briketts in einem Kanalofen gebrannt und alsdann im Hochofen ver-
schmolzen.


Das Rösten der Erze geschah meistens in Schachtöfen (Kilns)
mit Steinkohlenklein oder in Gasöfen (Flammenschachtröstöfen).
Ersteres war in England und Amerika Anfang der siebziger Jahre
allgemein üblich und zwar in sehr geräumigen Öfen. Gjers Säulen-
[430]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
röstöfen mit Abrutschkegel zu Middlesborough 1) wurden durch pneuma-
tische Aufzüge bedient. In Österreich konstruierte Jacobi einen
Säulenröstofen mit besonderer Luftverteilung. Sehr groſse Röstöfen
zu Gora Blagodat im Ural beschrieb Tunner 1871. Man baute 1874
daselbst Flammröstöfen, die äuſserlich den Rachetteschen Hochöfen
ähnlich waren. Sie waren länglich-viereckig und hatten eine Anzahl
Feuerungen, die wie die Formen bei dem Rachetteofen verteilt waren.
Die Feuerung geschah mit Holz, die Füllung betrug 106 Tonnen.


Gasröstöfen waren in Schweden und in Österreich zu Anfang der
siebziger Jahre sehr verbreitet; doch begannen dieselben seit der
Mitte der siebziger Jahre sich auch in England einzuführen, wo
W. Siemens, Howson und Wilson 1874 Patente auf Gasröstöfen
genommen hatten 2). Die Röstöfen von Howson und Wilson wurden
im Clevelanddistrikt eingeführt.


In Steiermark wurden auf dem Seſslerschen Werke zu Fridau
verbesserte Gasröstöfen von K. Moser3) erbaut. Gasröstöfen mit
Regenerativfeuerung wurden 1878 von Schneider \& Co. in Creuzot
eingeführt. Die Westmanschen Röstöfen 4) in Schweden, welche
durch Verbrennung von Hochofengasen mit Gebläsewind geheizt
werden, wurden 1881 mit selbstthätiger Aufgebevorrichtung versehen.
Um 1887 erfand Dillner in Schweden einen besonderen Flammröst-
ofen für schwefelhaltige Eisenerze 5).


1888 nahm M. M. Blair in Paris ein deutsches Patent (D. R. P.
Nr. 44115) auf einen Röstofen; desgleichen etwas später H. C. Bull
in London (D. R. P. Nr. 46759) auf einen Ofen mit doppelten be-
weglichen Rosten. In Amerika hatten 1890 verbesserte Westmansche
Schachtöfen mit Gasfeuerung von Davis-Colby6) besonders in
Alabama Eingang gefunden.


Diese Öfen, bei denen der Gasverbrennungsraum den Röstraum
ringförmig umgiebt, wurden neuerdings von Ch. J. Christian noch
verbessert 7).


Eine ganz neue Art der Röstung ist die Röstung zum Zweck
der Magnetisierung der Eisenerze als Vorbereitungsarbeit für die
magnetische Aufbereitung. Diese kann nach der Art der Erze eine
[431]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
oxydierende oder eine reduzierende sein. Der Zweck ist, eine magne-
tische Sauerstoffverbindung herzustellen. Eine oxydierende Röstung
ist nötig bei den Eisenkarbonaten, wie z. B. zu Allevard in Frank-
reich 1), eine reduzierende bei den Roteisensteinen, z. B. zu Birming-
ham in Alabama 2). Diese reduzierende Röstung der Roteisensteine
wird am besten mit einem Gemisch von Kohlenoxyd- und Wasser-
stoffgas, dem gewöhnlichen Wassergas (Dawsongas) ausgeführt.


Figure 152. Fig. 151.

Die magnetische Röstung wird hauptsächlich für die Trennung
von Zinkblende oder Galmei von Spateisenstein, wie dies in der Nähe
von Santander in Nordspanien geschieht, angewendet. Die dafür
benutzten Röstöfen sind in Fig. 151, 152 (a. f. S.) dargestellt 3). Zu
Allevard in Frankreich werden die feinen Erze teils in Zickzacköfen
(fours à chicanes), teils in Kanalöfen (fours rampants) geröstet 4). Die
groben Erze werden in Ringöfen mit Hochofengasen geröstet.


[432]Hochöfen und Hochofenbetrieb.

Eine Auslaugung gerösteter phosphorhaltiger Erze mit schweflig-
säurehaltigem Wasser zur Entfernung der Phosphorsäure führte
Jacoby 1871 zu Kladno in Böhmen ein. Dieselbe blieb nicht ohne
Erfolg bis 1881 im Betriebe, wurde dann aber nach Einführung des
Thomasverfahrens überflüssig.


Winderzeugung und Winderhitzung sind die wichtigsten
Hülfsmittel für den Hochofenbetrieb. Die Winderzeugung wird bewirkt

Figure 153. Fig. 152.


durch die Gebläse. Bei dem
Hochofenbetriebe kommen nur
Cylindergebläse in Anwendung.
Die älteste Form derselben, die
Balanciermaschine, die sich in
England lange allein behauptet
hatte, wurde mehr und mehr von
den durch John Gjers in den
sechziger Jahren in Cleveland
eingeführten direkt wirkenden,
stehenden Gebläsen mit einer


Kurbelstange („Cleveland-
maschine“) verdrängt. Bei diesen
befindet sich der Dampfcylinder
über dem Gebläsecylinder, dessen
oberer Deckel zugleich die Fuſs-
platte für den Dampfcylinder
bildet, die gemeinschaftliche Kol-
benstange ist unter dem Gebläse-
cylinder mit der Kurbelstange, welche die Schwungradwelle bewegt, ver-
bunden. Man giebt diesen Maschinen keinen groſsen Hub (ca. 1200 mm),
damit der Aufbau der Maschine nicht zu hoch wird, aber groſse Durch-
messer (ca. 1000 und 2500 mm bei Dampf und Windcylinder) und
verbindet zwei oder drei miteinander. Bei Zwillingsgebläsen werden
die Kurbeln zu 180°, bei Drillingsmaschinen zu 120° gegeneinander
gestellt. Die Zwillingsmaschinen von Kitson \& Co. in Leeds be-
währten sich besonders gut.


Auf dem Kontinent fand dagegen der Typus der stehenden, direkt
wirkenden Gebläse mit doppelten Kurbelstangen von Seraing, wie
schon im vorhergehenden Jahrzehnt, so auch in den siebziger Jahren,
gröſsere Verbreitung. Bei diesen befindet sich das Querhaupt, das
mit den beiden Kurbelstangen, welche die beiden Schwungräder
bewegen, verbunden ist, zwischen Dampf- und Gebläsecylinder und
[433]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
der Dampfcylinder steht über dem Gebläsecylinder. Diese Maschinen
haben im Verhältnis groſsen Hub, z. B. 2,5 m bei 2,5 m Durchmesser
des Gebläsecylinders.


Die ganze Anordnung, die sich ebenfalls sehr in die Höhe auf-
baut, eignet sich nur für eincylindrige Maschinen, was manche Nach-
teile hat, wie das Bedürfnis sehr groſser Cylinder, der Gegengewichte
zur Ausgleichung des rascheren Niederganges u. s. w. Versuche zu
Hubertushütte und zu Vorwärtshütte in Schlesien, stehende, direkt
wirkende Maschinen ohne Schwungrad zu betreiben, hatten keinen
günstigen Erfolg.


Die Vorliebe für die stehenden Maschinen war durch den gerin-
geren Platzbedarf von ca. 5 : 14 und die geringeren Kosten hervor-
gerufen.


Neben den stehenden Maschinen erhielten sich aber auch nament-
lich auf dem europäischen Kontinent liegende Maschinen, die meistens
als Zwillingsmaschinen mit gemeinschaftlichem Schwungrad gebaut
wurden. Um das Durchbiegen der Achse und das einseitige Aus-
schleifen der Cylinder zu vermeiden, machte man die Achsen sehr dick
und hohl, wie z. B. bei der Gebläsemaschine von 200 Pfdkr. auf der
Hütte von Maizières-les-Metz, und den Gebläsekolben aus Blech, wie zu
Creuzot. Beide Maschinen stammen aus den siebziger Jahren. Die
liegende Zwillingsmaschine von Hörde hatte Windcylinder von 2200 mm
Durchmesser, 2000 mm Hub, bei 18 bis 20 Umdrehungen und 4,5 bis
5 Pfund Druck auf den Quadratzoll. Die 1887 von der Friedrich-
Wilhelmshütte bei Mühlheim a. d. Ruhr für Hörde gebaute Zwillings-
maschine ohne Kondensation von 3000 Pfdekr. saugte ca. 1000 Kubik-
meter Luft in der Minute und lieferte Wind von 11 Pfund Druck. Die
hohle Gebläsekolbenstange hatte 400 mm Durchmesser. Sie galt
damals als die gröſste und leistungsfähigste Gebläsemaschine in
Deutschland.


Gjers führte in den siebziger Jahren eine Verbesserung bei den
Gebläsemaschinen ein, welche darin bestand, daſs die Einlaſsklappen
die Luft mittels eines Blechrohres von auſserhalb des Gebläsehauses
entnahmen, da die Luft im Maschinenraum meist warm und
feucht war.


In Amerika gab man den Seraingmaschinen, d. h. Einzelmaschinen
mit unterliegender Schwungradwelle und zwei Kurbelstangen, für
welche die Naben der beiden Schwungräder als Kurbelscheiben
dienten, den Vorzug. Die Hauptabmessungen von F. W. Gordons
Beck, Geschichte des Eisens. 28
[434]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
Normalgebläse 1) nach dieser Konstruktion waren: Durchmesser des
Dampfcylinders 1067 mm, des Gebläsecylinders 2134 mm, Hub 1524 mm.
Die amerikanischen Gebläse hatten aber durchgehends einen rascheren
Gang als die europäischen. Die obige Maschine machte 40 Um-
drehungen in der Minute und saugte dabei 425 Kubikmeter Luft an.
Der ausgeblasene Wind hatte bis zu 15 Pfund Pressung auf den
Quadratzoll (1,05 kg auf den Kubikcentimeter).


In der Weltausstellung zu Philadelphia 1876 waren bereits
Gebläse nach dieser Anordnung als „Schnellläufer“, mit 100 Touren
in der Minute, ausgestellt gewesen. Sie waren von der Maschinen-
fabrik von Weimer gebaut und für die Libanon-Eisenwerke in
Pennsylvanien bestimmt. Diese Gebläse wurden vielfach eingeführt,
bewährten sich aber nicht. Man ermäſsigte deshalb die Umdrehungs-
zahl und baute die Maschinen stärker, wodurch man zu der oben
beschriebenen Normalmaschine kam. Die Einführung der kurzhubigen,
schnell laufenden Gebläsemaschine stand mit der groſsartigen Um-
wälzung des amerikanischen Hochofenbetriebes in engster Beziehung.
Danach trat aber lange Zeit ein Stillstand in der Entwickelung der
amerikanischen Gebläsemaschinen ein. Edward P. Albis \& Co. in
Milwaukee, Wiskonsin, bauten stehende Verbund-Zwillingsmaschinen,
z. B. für die Reliancehütte, welche sich gut bewährten und auch in
den Edgar-Thomson-Stahlwerken eingeführt wurden. Auch brachte
man Gitterschieber statt der Windklappen und Ventile an.


In den neunziger Jahren wurden horizontale Verbundmaschinen
mit gesteuerten Windventilen gebaut und empfohlen 2), bewährten sich
aber mehr für Bessemer- als für Hochofengebläse. Die Einführung
des Verbundsystems bewirkte aber eine groſse Steigerung der Leistung
der Gebläsemaschinen.


Die richtige Konstruktion der Abschluſsorgane der Gebläse-
maschinen ist von gröſster Wichtigkeit. Anstatt der Gummiventile
und Lederklappen hat man mit Erfolg Stahlblechklappen angewendet.
Ringklappen mit Spiralfedern wendete die Kölnische Maschinenfabrik
bei Hochofen- und Bessemergebläsen seit 1882 an 3). Ein von der
Maschinenfabrik L. Láng in Budapest als „gelenkte Stahlringklappe“
bezeichnetes Gebläseventil, welches zuerst im Jahre 1895 bei dem
neuen liegenden Hochofengebläse des ungarischen Eisen- und Stahl-
werks in Vajda-Hunyad zur Anwendung kam, soll sich gut bewährt
[435]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
haben 1). Der Windabschluſs wird bei dem Saugventil durch eine
Federstahlblech-Ringscheibe bewirkt. Saug- und Druckventile lassen
sich während des Betriebes auswechseln.


Bei schnell laufenden 2) und vertikalen 3) Gebläsen bringt man die
Ventile in Ringventilkästen an.


In Deutschland und Österreich fanden alle Systeme Verwendung.
In welchem Verhältnis ergiebt sich aus nachfolgender Zusammen-
stellung von A. von Jehring4), der 1892 182 Gebläsemaschinen auf
89 Hochofenwerken auf ihre Bauart untersuchte.


Von diesen Maschinen waren sieben mit gesteuerten Ventilen
(System Riedler) versehen.


Die Frage, ob stehende oder liegende Gebläsemaschinen, ob
Einzelmaschinen oder Zwillings- und Drillingsmaschinen vorzuziehen
sind, ist vielfach erörtert worden, sowohl in Europa wie in Amerika,
ohne zu einem übereinstimmenden Ergebnis zu führen. Alle diese
Typen finden Anwendung 5).


Das amerikanische Prinzip, jedem Hochofen seine eigene Gebläse-
maschine und Windzuführung zu geben, findet auch bei den neuen
Anlagen in Europa mehr und mehr Beifall.


Eine gute und ausreichende Winderhitzung ist eine Lebens-
frage für eine moderne Hochofenhütte und man hat derselben in den
letzten 35 Jahren die gröſste Aufmerksamkeit zugewendet. Im
allgemeinen läſst sich sagen, daſs die steinernen Winderhitzer über die
eisernen den Sieg davongetragen haben. Der Grund hierfür liegt in
28*
[436]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
der Thatsache, daſs man mit eisernen Winderhitzern dauernd im besten
Falle eine Windwärme von ca. 500° C. erreicht, während steinerne

Figure 154. Fig. 153.


Apparate den Wind auf 750 bis 800° C. erhitzen. Die Heizung
geschieht allgemein nur noch durch die Hochofengase.


Anfang der siebziger Jahre waren die eisernen Apparate noch
weit mehr in Anwendung als die steinernen von Cowper und
Whitwell. Da diese teurer in der Anlage waren und man eine
[437]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
Windtemperatur von 500 bis 600° C. für vollständig ausreichend
erachtete, so behielt man die eisernen Apparate bei und suchte sie

Figure 155. Fig. 154.


Figure 156. Fig. 155.


nur zu verbessern. Die Winderhitzer mit hängenden oder mit stehenden
Röhren bewährten sich für die Erwärmung bis zu 500°, die man jetzt
verlangte, am besten.


Gjers in Middlesborough hatte
einen Apparat (Fig. 153) konstruiert,
der aus einer Verbindung von Fuſs-
kasten mit Hosenrohren bestand. Dabei
standen die beiden Schenkel der Rohre
in demselben Fuſskasten. Die Hosen-
rohre, die meist in Kammern zu je 12

Figure 157. Fig. 156.


bis 14 Stück eingebaut waren und rings von der Flamme umspült
wurden, standen gegeneinander geneigt, wodurch man eine gröſsere
[438]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
Wirkung der Heizgase erreichte. Um den Wind auf 300 bis 350° C. zu
erhitzen, brauchte man nach Gruners Angabe von 1872 1) 1 bis
1½ qm Heizfläche, für 500 bis 600° C. aber 4 bis 5 qm.


Ekman in Långsbanshyttan in Schweden baute 1874 einen ähn-
lichen Winderhitzer, mit dem er den Wind auf 530° C. erhitzte und
der sich von dem Gjersschen durch eine bessere Führung der Heiz-
gase auszeichnete, welche er von oben nach unten leitete. Auf der
Georgs-Marienhütte bei Osnabrück verbesserte man Anfang der sieb-
ziger Jahre die Winderhitzer mit hängenden Rohren. Crossley
konstruierte einen Schlangenröhrenapparat mit zwei übereinander
liegenden Etagen (Fig. 154, 155, 156 a. v. S.), der sich zu Askan-in-
Furness bewährte 2).


Um 1880 bauten Bolkow und Vaughan \& Co. in Cleveland
einen verbesserten Winderhitzer aus stehenden Doppelröhren, welche
untereinander durch Fuſskasten mit Muffen verbunden waren. In
einem solchen erbauten Clevelandapparat 3) in Gleiwitz war es bei
seiner groſsen Heizfläche nicht schwer, den Wind auf 520° C. zu
erhitzen. Die Röhren waren am Scheitel offen und wurden durch
Deckel geschlossen. Dadurch war die starke Spannung, welche bei
den Pistolenröhren so häufiges Zerspringen herbeiführte, vermieden.
Nach Wiebmers Angabe hatte ein Clevelandapparat 3,9 qm Heizfläche
auf den Kubikmeter Wind und berechnete sich der Quadratmeter
Heizfläche auf 118 Mark Anlagekosten, während ein Gjers-Apparat
1,51 qm Heizfläche auf den Kubikmeter Wind hat und 222 Mark pro
Quadratmeter Heizfläche kostete.


Trotz aller dieser Verbesserungen konnten sich die eisernen
Apparate gegenüber den steinernen nicht behaupten, denn wenn
auch deren Anlagekosten höher waren, so war ihr Betrieb billiger und
ihre Leistung gröſser. Der Wind konnte in denselben ohne Mühe
auf 700 bis 800° C. gebracht werden.


Die steinernen Apparate hatten aber auch seit 1870 groſse Ver-
besserungen erfahren. In dem genannten Jahre waren die Cowper-
Apparate
noch sehr mangelhaft, kaum 6 m hoch und der Wärme-
speicher ganz wie bei den Siemens-Regeneratoren gemauert. Infolge-
dessen waren die Züge sehr eng und nur sehr schwer zu reinigen.
Letzterer Umstand, der ihrer Verbreitung am meisten im Wege stand,
[439]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
hatte Thomas Whitwell, Direktor der Thornaby-Eisenhütte bei
Stockton, 1869 veranlaſst, die durchbrochene Steinfüllung durch
vertikale Zugkanäle zu ersetzen.


Figure 158. Fig. 157.

Die Whitwell-Winderhitzer waren damals entschieden ein
Fortschritt und fanden ziemliche Verbreitung. 1874 waren in England
70 Whitwell-Apparate im Betriebe und 34 im Bau, in Deutschland
20 im Betriebe, 52 im Bau; in Belgien und Luxemburg 14 im Betriebe,
24 im Bau; in Frankreich 8 im Betriebe, 29 im Bau. Ihre Vorzüge
bestanden in der leichteren und billigeren Bauart, im praktischeren
[440]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
Betriebe und in der leichteren Reinigung, dagegen boten sie dem
Winde lange nicht so viel Heizfläche dar wie die Cowper-Apparate.
Ein Whitwell-Apparat hatte 11,1 qm Heizfläche pro Kubikmeter Wind,
ein entsprechender Cowper-Apparat 28 qm. In Deutschland erreichte
man damals in den Whitwell-Apparaten kaum 600° C., weil man nur
Essen von höchstens 120 Fuſs Höhe anwendete, während man in
England mit Essen von 300 Fuſs Höhe allerdings 800° C. erhielt. An
der Verbesserung der Cowper- und der Whitwell-Apparate wurde
bereits in den siebziger Jahren eifrig gearbeitet. Ein groſser Nach-
teil der Cowper-Apparate bestand darin, daſs der Hauptkanal in der
Mitte, in dem die Verbrennung der Hochofengase vor sich ging, sehr
schwer zugänglich war. Es war deshalb ein wichtiger Fortschritt, daſs
man 1870 den Hauptkanal an die eine Seite des inneren Raumes
legte, wobei man anfangs den kreisförmigen Querschnitt beibehielt
(Fig. 157 a. v. S.).


Die Whitwell-Apparate, welche man bis gegen Mitte der siebziger
Jahre nur 8 bis 9 m hoch baute, verbesserte man dadurch, daſs man
sie bis zu 18 m erhöhte, wodurch die Heizfläche von 800 qm auf
1500 bis 1600 qm vermehrt wurde. Ferner waren die älteren Wind-
erhitzer dieser Art so eingerichtet, daſs die Gase und der Wind fünf-
mal auf- und niedersteigen muſsten, wozu ein sehr starker Essenzug
nötig war. Man suchte die Zahl der Krümmungen zu vermindern,
zugleich aber die Heizfläche zu vergröſsern, indem man die Gase in
einem groſsen Kanal aufsteigen, dann aber in drei Kanälen nieder-
steigen lieſs. Die drei Kanäle vereinigten sich unten wieder in einem
aufsteigenden Kanal, worauf die Gase in sieben Zügen herabgeführt
wurden. Diese Verbesserungen wurden eingeführt von Lévêque 1873
zu L’Horme bei Pouzin und von William Whitwell 1876 nach dem
Tode seines Vaters Thomas (D. R. P. Nr. 327).


Goedecke suchte 1877 die Heizflächen der Whitwell-Apparate
durch Einschaltung von Querwänden zu vergröſsern (D. R. P. Nr. 952).
Ebenso verbesserten Lürmann und Macco die Whitwell-Wind-
erhitzer.


Die Leistungsfähigkeit der Cowper-Apparate wurde schon
dadurch beträchtlich gesteigert, daſs man sie höher baute. Durch ihre
groſse Heizfläche erzielten diese Apparate 1876 zu Terre-noire gute
Erfolge. Ein Übelstand blieben aber die engen, schwer zu reinigenden
Züge. Anfänglich versetzte man die Steine des Gitterwerks absicht-
lich gegeneinander, um gröſseren Heizeffekt zu erzielen. War ein
solcher Wärmespeicher durch Flugstaub verstopft, so muſste man ihn
[441]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
kalt werden lassen und ausbrechen. Cowper versuchte durch Schieſsen
mit Böllern in den Hauptkanal die Reinigung von Flugstaub zu be-
wirken; andere zündeten Schieſspulver darin an. Alle diese Versuche
hatten aber nur geringen Erfolg. Mehr erreichte man durch eine
sorgfältigere Reinigung der Verbrennungsgase vor dem Eintritt,
besonders aber dadurch, daſs man die Öffnungen in dem Steingitter-
werk weiter machte und sie genau aufeinander paſste, so daſs sie
senkrechte Kanälchen bildeten, die durch Kugel und Besen, ähnlich
wie russische Kamine, oder durch Stahldrahtbürsten (nach Fehland)
zu reinigen waren. Seitdem diese Verbesserungen eingeführt sind
und man die Apparate 22, 24 und mehr Meter hoch baut, hat man
mit Leichtigkeit eine dauernde Erhitzung des Windes auf 800° erzielt
und haben sich diese neuen Cowper-Apparate allen anderen Wind-
erhitzern überlegen gezeigt.


Nur ganz kurz wollen wir noch einige Verbesserungen und Ver-
besserungsvorschläge für die Cowper-Apparate erwähnen 1).


Von den steinernen Winderhitzern, sowohl Cowper als Whitwell,
müssen immer mindestens zwei für einen Hochofen im Betriebe stehen,
der eine, der durch die Hochofengase angeheizt wird, und der andere,
durch den der zu erwärmende Wind streicht. Die Erfahrung hat
gelehrt, daſs man bei den gesteigerten Anforderungen an Windmenge
und Temperatur sogar drei Cowper-Apparate für einen Hochofen
braucht, wovon zweckmäſsig immer zwei im Feuer stehen und durch
einen der Wind geht. Muſs ein Ofen repariert werden, so genügt es,
daſs nur einer im Feuer steht. Während man anfänglich 5000 qm
für einen Hochofen für hinreichend hielt, rechnet man jetzt mindestens
35000 qm. Für zwei Hochöfen pflegte man sechs Cowper-, aber nur
fünf Whitwell-Apparate zu rechnen.


In neuerer Zeit wendet man nicht selten vier Cowper-Apparate
für einen Ofen an, wie z. B. zu Micheville im Minettegebiete Ost-
frankreichs, Elizawerke bei Pittsburgh 1889, Duquesne 1896.


Natürlich werden hierdurch die Anlagen für die Winderhitzung
sehr teuer. Benj. Ford und John Moncur2) suchten um 1879 diese
dadurch zu vereinfachen und zu verbilligen, daſs sie das Anheizen
und die Winderwärmung gleichzeitig in demselben Apparat ausführten.
Sie teilten einen groſsen Cowper-Apparat durch radiale Wände in
vier gleiche Abteilungen, welche so betrieben wurden, daſs immer je
[442]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
zwei angeheizt wurden, während die andern zwei den Wind erhitzten.
Diese Apparate haben in England auf manchen Hütten, z. B. zu
Barrow, der billigeren Anlage wegen, Anwendung gefunden.


C. Bull wendete ebenfalls eine radiale Anordnung des Füll-
mauerwerks an.


H. Massicks und W. Crooke1) bauten seit Anfang der achtziger
Jahre Winderhitzer, deren Züge ringförmig umeinander angeordnet
sind. Die Heizgase steigen erst in den mittleren Zügen auf, sodann
in den äuſseren Zügen nach abwärts und von da in die Esse. Die
Leistung dieser Apparate bleibt aber hinter den Cowperöfen zurück.
Auf einen Kubikmeter Wind kommt nur 11,1 qm Heizfläche, während
ein Cowperofen von 18 m Höhe und 6,5 m Durchmesser auf 1 cbm
Wind 32 qm Heizfläche hat. Allerdings stehen die Anlagekosten etwa
in demselben Verhältnis, sie berechnen sich bei den Winderhitzern
von Massicks und Crooke auf nur 155 Mark für 1 qm Heizfläche.


Eine wichtige Verbesserung für alle vertikalen steinernen Wind-
erhitzer bestand darin, daſs man sie oben mit gutem, feuerfestem
Material sphärisch wölbte (s. Fig. 157), wodurch eine vollständigere
Mischung, Verbrennung und Verteilung der Gase erfolgte.


Die Verteilung der Heizgase beim Niedergang war in den Cowper-
apparaten nicht gleichmäſsig, indem die Kanäle von der Esse ungleich
angesaugt wurden. Um dem abzuhelfen, bedeckte man die Züge, die
stark erhitzt wurden, ganz oder zum Teil mit losen Ziegeln.


M. Boecker in Friedenshütte 2) hat dies dadurch vermieden, daſs
er die Kanäle nach der Peripherie zu weiter machte (1889, D. R. P.
Nr. 49721); Fr. W. Lürmann (1888) dadurch, daſs er die Heizgase
nicht in dem aufsteigenden Kanal, sondern in dem gewölbten Raume
über dem Kanal verbrannte (D. R. P. Nr. 42579). Er konnte deshalb
den Gaskanal viel enger machen und legte ihn wieder in die Mitte.
Dadurch gewann er zugleich bedeutend an Heizfläche, so daſs ein
Lürmannscher Apparat von gleichen Abmessungen 28 bis 33 Prozent
mehr leistete.


Nachdem man den aufsteigenden Gas- und Verbrennungskanal
auf die Seite gelegt hatte, gab man ihm statt des kreisrunden einen
segmentförmigen oder elliptischen Querschnitt (Fig. 158).


Auf den Edgar Thomson-Stahlwerken in Nordamerika 3) baute
Julian Kennedy schon zu Anfang der achtziger Jahre verbesserte
[443]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
Cowper-Apparate von 6,4 m Durchmesser und 22 m Höhe. Er erweiterte
dabei die Heizzüge von 102 mm auf 152 mm und gab dem Ver-
brennungsschacht einen kreissegmentförmigen Querschnitt. Die Er-
sparnis an Steinkohlen war gegen den früheren Betrieb mit eisernen
Winderhitzern sehr bedeutend.


Harvey suchte (1882) die Anlage der steinernen Winderhitzer
zu verbilligen; er lieſs die Gase nur in einer Richtung von unten

Figure 159. Fig. 158.


nach oben durch das Gittermauerwerk streichen. Er hatte 25,5 qm
Heizfläche auf 1 cbm Wind und die Kosten stellten sich auf 184 Mark
für einen Quadratmeter Heizfläche, während ein eiserner Winderhitzer
nach Gjers nur 1,51 qm Heizfläche auf 1 cbm Wind hatte und 222 Mark
auf den Quadratmeter kostete. Bei einem Apparat nach Bolkow und
Vaughan stellten sich die entsprechenden Zahlen auf 3 qm und
118,9 Mark.


Eine Zeit lang legte man groſsen Wert auf die Querschnittsform
der Heizkanäle, die man statt quadratisch sechseckig, kreisrund,
länglich viereckig u. s. w. 1) machte. Im allgemeinen geben runde
Kanäle die geringste, quadratische Kanäle die gröſste Heizfläche;
dagegen lassen sich runde und sechseckige Kanäle leichter reinigen.
Custor führte mit Erfolg durchlochte Steine ein 2).


V. Strobel in Philadelphia legte den Verbrennungsraum der
Gase wieder auſserhalb des Winderhitzers in einen besonderen Ver-
brennungsraum, mit dem er je drei Winderhitzer verband.


Fr. W. Lürmann gab dem Verbrennungsraum eine ringförmige
Gestalt (D. R. P. Nr. 51360).


[444]Hochöfen und Hochofenbetrieb.

Hugh Kennedy in den Vereinigten Staaten konstruierte Wind-
erhitzer mit einem Gaskanal und drei Luftwegen, von denen 1892
drei in Warwick, Pa., angelegt wurden 1). Fig. 159, 160, 161 zeigen
die mächtigen Kennedy-Cowper-Apparate des neuen Hochofens in

Figure 160. Fig. 159.


Figure 161. Fig. 160.


Figure 162. Fig. 161.


Duquesne von 29,56 m Höhe und
6,4 m Durchmesser mit zentraler
Verbrennungskammer, von denen
zu jedem Hochofen vier gehören.


Léon François zu Esch in
Luxemburg verband die Cowper-
Apparate einer Hochofenanlage
so miteinander, daſs die Wärme
eines zwecks Reinigung auſser
Betrieb zu setzenden Wind-
erhitzers auf einen anderen über-
tragen und zugleich der auſser
Betrieb gesetzte Winderhitzer rascher abgekühlt werden konnte 2).


Da immer mindestens zwei Cowper-Apparate zusammen arbeiten,
die Temperaturen der einzelnen Apparate aber nicht gleich sind, so
führten Gjers und Harrison 1898 (D. R. P. Nr. 101492) einen Aus-
gleicher ein, den sie als geteilten, mit Gittermauerwerk versehenen
[445]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
Cylinder, durch den der Wind der Cowper-Apparate vor dem Eintritt
in den Hochofen streichen muſste (Fig. 162), konstruierten.


Figure 163. Fig. 162.

Die Whitwell-Apparate wurden ebenfalls vielfach verbessert;
auſser 1879 von C. Gödecke (D. R. P. Nr. 17851), 1883 von Steffen;
in diesem Jahre wurden die Glockenventile zur Umstellung von Gas

Figure 164. Fig. 163.


[446]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
und Wind durch Schieber ersetzt; 1885 von John C. Long, der die
Verbrennungsluft für die Heizgase vorwärmte, während Wainwright
die Gase und die Verbrennungsluft erhitzte; 1886 von Macco, dessen
Winderhitzer eine Kombination von Cowpers und Whitwells System
ist. Er führt die Gase nur zweimal auf und nieder; die Kanäle,
durch welche die Verbrennungsluft nach unten geleitet wird, sind in

Figure 165. Fig. 164.


Kammern, ähnlich wie bei Cowper angeordnet. Weimer auf den
Libanonwerken in Pennsylvanien stellte die Kammern übereinander.
Die Whitwell-Apparate, die 1883 auf der Thornebyhütte betrieben
wurden, waren 20,72 m hoch, bei 6,7 m Durchmesser; sie hatten
2600 qm Heizfläche. In Hugh Kennedys Winderhitzer für den
Isabellahochofen bei Pittsburgh findet die Verbrennung nicht in einer,
sondern in jeder Abteilung statt, wobei die Verbrennungsprodukte
oben abgeführt werden. Er erzielt auf diese Weise eine gleichmäſsigere
Erhitzung.


Bei allen steinernen Winderhitzern ist das rechtzeitige Umstellen
von Gas und Wind eine sehr wichtige Sache, und man hat deshalb
[447]Hochöfen und Hochofenbetrieb.
hierfür selbstregistrierende Apparate konstruiert, wonach die Um-
stellung erfolgt.


Die steinernen Winderhitzer geben den modernen Hütten ein ganz
eigenartiges, von den früheren verschiedenartiges Ansehen, wie dies
aus den Abbildungen der neuen Hochofenanlagen von Dnieprovienne
in Südruſsland von 1894 (Fig. 163, S. 445) und von Duquesne in

Figure 166. Fig. 165.


Pennsylvanien von 1896 (Fig. 164) ersichtlich ist. Die mächtigen
Apparate erreichen, ja übertreffen manchmal die Höhe des Hochofens,
zu dem sie gehören. So hat man beispielsweise in Hayingen bei
de Wendel Apparate von 30 m Höhe.


Früher gruppierte man die steinernen Winderhitzer meist eng
um den Ofen herum, jetzt stellt man dieselben bei Neuanlagen in
den Vereinigten Staaten meist in eine Reihe oder zwischen die Hoch-
öfen, wie dies die neue Hochofenanlage zu Youngstown (Fig. 165),
deren Hochöfen 32,5 m und deren Winderhitzer 36 m hoch sind, zeigt.


[448]Hochöfen.

Sehr wichtig sind die Verschlüsse der steinernen Winderhitzer.
Hierfür hat F. Burgers ein Drehventil erfunden (Fig. 166), was auf vielen

Figure 167. Fig. 166.


deutschen Hütten eingeführt ist, wäh-
rend W. Schmidt 1886 einen dreh-
baren, brillenförmigen Tellerschieber,
die sogenannte Schmidtsche Brille
(Fig. 167) konstruierte, die jetzt sehr
häufig angewendet wird. Bei der hoch-
gesteigerten Temperatur des Gebläse-
windes, bei welcher Eisen glühend
und rasch an der Luft zerstört wird,
wurde es notwendig, die Rohrleitungen,
die man entsprechend weiter machte,
mit feuerfestem Material auszumauern
oder auszukleiden. Zur Ausgleichung
der Ausdehnung der Leitung schaltete
man Kompensatoren ein, von denen
besonders die Scheiben- und die Stopf-
büchsenkompensatoren Eingang ge-
funden haben. Lürmann empfiehlt
Topf- und Sackkompensatoren.


Je heiſser der Wind wurde, desto
wichtiger und schwieriger wurden die


Absperrventile, wofür zahlreiche
Patente genommen wurden, so von
J. Kennedy (Am. P. Nr. 593476), von
Neeland und Rothoff in Duquesne, Pa. (Am. P. Nr. 593478).


Die ringförmige Windleitung um den Hochofen hing man um
die Rast herum auf und führte den Wind von da abwärts den Düsen-

Figure 168. Fig. 167.


stöcken zu. Diese 1) hat man möglichst
vereinfacht, indem alle Drehvorrichtun-
gen, Zahnstangen u. s. w. wegen der
vermehrten Ausdehnung bei dem sehr
heiſsen Winde weggelassen und durch
Kugelgelenke ersetzt wurden. Ein
solcher Düsenstock aus den siebziger
Jahren rührt von Dornbusch her. C. Gödecke konstruierte zu
Anfang der achtziger Jahre ähnliche für Geiswerd, Schalke u. s. w.


[449]Hochöfen.

Heinzmanns und Dreyers Düsenstock (D. R. P. Nr. 36369)
vom Jahre 1886 war mit zwei Kugelgelenken versehen, so daſs er
ohne weiteres aus der Form herausgezogen werden konnte. Ein von
Lürmann 1886 erfundener Düsenstock (D. R. P. Nr. 38408) läſst sich
nicht nur leicht handhaben, sondern ohne Mühe ganz aus dem Raume
vor dem Formgewölbe entfernen. Fritz W. Lürmann lieſs sich 1890
noch eine derartige Konstruktion patentieren (D. R. P. Nr. 38308) 1).
Die Drosselklappen in den Heiſswindleitungen wurden durch Schieber
ersetzt. Dango und Dienenthal führten wasser- oder windgekühlte
Bronzeschieber ein. Boecker wendete statt der Klappen oder Schieber
Hahnenverschlüsse an, während Steffen und Rotten die Absperrung
durch Drehschieber (D. R. P. Nr. 36301) erzielten.


Der heiſse Wind machte es nötig, mit geschlossener Form zu
blasen. Verbesserte Windformen führten unter anderen G. Hilgenstock
und Bansen 1879 ein. An Stelle der aus Bronze gegossenen Formen
wendet man neuerdings häufig aus Kupfer geschlagene an. Die Wind-
spannung wird meist mit Federmanometern von Schäfer und Buden-
berg
, die Windtemperatur mit Pyrometern von Wiborgh, Siemens
oder Le Chatelier gemessen, wobei Schaulinien die Wärmeschwan-
kungen anzeigen. Ein brauchbares Luftpyrometer haben Uehling
und Steinbart2) 1894 erfunden.


Hochöfen.


Die Fortschritte im Hochofenbetrieb in der Zeit seit 1870 finden
ihren deutlichen Ausdruck in der Steigerung der Leistung der Hoch-
öfen. Hierfür bietet in Deutschland die Ilseder Hütte bei Peine das
glänzendste Beispiel dar. Die Durchschnittserzeugung eines Hochofens
in 24 Stunden betrug 1870 55 Tonnen, 1880 110 Tonnen, 1885
144 Tonnen, 1890 192 Tonnen, 1895 226 Tonnen, 1896 244 Tonnen.
Am groſsartigsten stellt sich die Produktionssteigerung der Hochöfen
in den Vereinigten Staaten dar. Auf den Edgar Thomson-Eisen-
werken bei Pittsburg erzeugte 1876 der Isabellaofen 77 Tonnen, der
Lucy-Ofen 1877 93 Tonnen, 1880 134 Tonnen, 1882 183 Tonnen,
1886 207 Tonnen, 1889 315 Tonnen und 1890 sogar 428 Tonnen in
24 Stunden; 1897 erreichte der Duquesneofen bei Pittsburg eine
Tagesleistung von 700 Tonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 29
[450]Hochöfen.

Diese Steigerung der Leistungsfähigkeit wurde herbeigeführt durch
Verbesserungen der Ofenkonstruktionen und der Betriebsmittel.


Die Verbesserungen der Öfen zeigen sich zunächst in ihrer durch-
schnittlichen Vergröſserung und in ihrer Gestalt (Dimensionen). Bei
den Holzkohlenöfen stieg die durchschnittliche mittlere Ofengröſse in
den Grenzen von 30 bis 70 Kubikmeter, bei den Kokshochöfen von
200 bis 400 Kubikmeter. Doch wurden in einzelnen Gebieten viel
gröſsere Öfen errichtet.


Der Clevelanddistrikt in England war darin vorangegangen. Das
Streben, die Hochöfen daselbst immer gröſser zu bauen, erreichte
Anfang der siebziger Jahre einen Höhepunkt. 1871 entstand zu
Newport ein Hochofen von 85 engl. Fuſs (25,91 m) Höhe, 28 Fuſs
(8,535 m) Kohlensackweite und 30000 Kubikfuſs (850 cbm) Inhalt,
1874 der Riesenofen zu Ferryhill von 105 engl. Fuſs (32 m) Höhe,
31 Fuſs (9,449 m) Kohlensackweite und 50000 Kubikfuſs (1416 cbm)
Inhalt. Dieser Ofen blieb aber ein Einsiedler in seinen Gröſsenverhält-
nissen und erfüllte die auf ihn gesetzten Hoffnungen nicht. Man kam
zur Erkenntnis, daſs die Vergröſserung der Öfen nur bis zu einer
bestimmten Grenze von Vorteil sei und daſs über diese Grenze hinaus
eine weitere Vergröſserung keinen entsprechenden Nutzen bringe.
Diese Grenze ist auch bei ausreichender Leistungsfähigkeit der
Gebläse- und Winderhitzungsapparate verschieden für verschiedene
Erze und Koks. Im Clevelanddistrikt, wo man arme aber leicht-
schmelzige Erze in groben Stücken mit dem sehr festen Koks der
New-Castle-Kohle verschmelzt, liegt diese Grenze sehr hoch. Sir
Lowthian Bell, der vor der Übertreibung in den Ofenmaſsen warnte,
erklärte um 1870 eine Höhe von 80 engl. Fuſs (24,385 m), 25 Fuſs
(7,62 m) Kohlensackweite und 25000 Kubikfuſs (708 cbm) Inhalt für
den Verhältnissen in Cleveland am besten entsprechend. Thomas
Whitwell
sagte 1878: Ohne allen Zweifel ist man mit den Dimen-
sionen und namentlich mit der Höhe der Hochöfen in England zu
weit gegangen, denn das Fassungsvermögen und die Anlagekosten
stehen nicht mehr im richtigen Verhältnis. Infolgedessen ging man
nicht nur in Cleveland, sondern auch in Cumberland Anfang der
siebziger Jahre wieder auf geringere Ofenhöhe zurück, so in Cumber-
land zu Askan-in-Furneſs und zu Barrow von 75 Fuſs auf 61 Fuſs,
zu Consett und zu Wortington von 70 Fuſs auf 55 Fuſs Höhe.


Immerhin hatte die Vergröſserung der Hochöfen im Cleveland-
distrikt einen groſsen Erfolg gehabt und dadurch Veranlassung
gegeben, daſs man sowohl im übrigen England, als auch auf dem
[451]Hochöfen.
Kontinent von Europa und in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika die Hochöfen gröſser baute. Auf dem europäischen Kontinent
geschah dies in mäſsigen Grenzen.


In Deutschland hatten um 1870 die Mehrzahl der Kokshochöfen
eine Höhe von 16 bis 18 m und etwa 5 m Kohlensackweite. Man war
sich in Deutschland wohl bewuſst, daſs es nicht auf die Höhe und
den Fassungsraum des Ofens an und für sich ankam, sondern auf
die vollkommene Reduktion und Kohlung, ehe das Schmelzgut in den
Schmelzraum einrückte und daſs die Durchgangszeit der Erze länger
sein muſste, je nachdem Puddeleisen, Thomaseisen, Spiegeleisen oder
Gieſsereieisen erblasen werden sollte. Hierauf hatte H. Fehland 1884
besonders hingewiesen 1).


1895 betrug die gewöhnliche Höhe 20 bis 22 m, bei 6 m Kohlen-
sackweite und etwa 400 cbm Inhalt, während England 1894 (nach
Hawdon) nur wenige Öfen unter 566 cbm Fassungsraum hatten. Die
neuen Öfen im Minettegebiet, in Luxemburg und Lothringen sind bis
23 m hoch, 6,5 bis 7,25 m im Kohlensack, 4 bis 5 m in der Gicht und
3,5 bis 4 m im Gestell weit.


Die letzteren Zahlen zeigen, daſs die Vergröſserung der Öfen in
neuerer Zeit relativ mehr in der Weite als in der Höhe statthatte.
Besonders bemerkenswert ist die bedeutende Erweiterung des Gestells.
Bis 1880 galt ein Gestell von 2 m Durchmesser in Deutschland für
ein weites und nur wenige Hochöfen hatten eine gröſsere Gestell-
weite als 2,60 m. Nach dieser Zeit fing man besonders in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika an, den Hochofengestellen
eine Weite von über 3 m zu geben. In Deutschland ging man Ende
der achtziger Jahre ebenfalls bis zu Gestellweiten von 3 m und
steigerte dieselbe in den folgenden Jahren bis 1895 im Minettegebiet
auf 3,50 bis 4,5 m. Natürlich erfordern so weite Gestelle sehr heiſsen
Wind und starke Gebläse. Auch die Holzkohlenhochöfen erhöhte
man in den Vereinigten Staaten bedeutend. 1876 wurden dort zwei
Öfen von 60 und 62 Fuſs (18,3 bis 18,9 m) Höhe erbaut. Der gröſste
Ofen am Ural hatte nur 55 Fuſs (16,775 m) Höhe und 2600 Kubikfuſs
(175,58 cbm) Inhalt.


Der Gröſsenunterschied eines gewöhnlichen Holzkohlenhochofens
(zu Fallonica) und eines englischen Kokshochofens (der Clarencehütte)


29*
[452]Hochöfen.

Maſse von Hochöfen seit 1870.


[453]Hochöfen.

Anthrazithochöfen


Kokshochöfen


[454]Hochöfen.
[455]Hochöfen.

Koks und Kohle


[456]Hochöfen.

ist in Fig. 168 1) dargestellt, während Fig. 169 2) den Gröſsenunter-
schied des ältesten Kokshochofens von Gleiwitz von 1796 und eines
neuen Kokshochofens daselbst von 1896 zeigt. Fig. 169 zeigt das

Figure 169. Fig. 168.


Profil des Lucy-Ofens bei Pittsburg im Vergleich
mit dem Gleiwitzer Hochofen im Jahre 1890.


In den Vereinigten Staaten von Amerika
wurden Ende der neunziger Jahre Hochöfen gebaut,
deren Dimensionen alle früheren übertrafen, so
hatten die 1899 in Betrieb gesetzten Youngstown-
Hochöfen der National Steel-Company 32,5 m Höhe,
7 m Kohlensack- und 4,57 m Gestellweite.


Vorstehende Tabelle (S. 452 bis 455) giebt
Beispiele von Hochofendimensionen und Hochofen-
formen aus den Jahren 1871 bis 1880 und 1881
bis 1895.


Zu dieser Tabelle ist noch zu bemerken, daſs
das Verhältnis der Ofenhöhe zur Weite des Kohlen-
sacks = von Wichtigkeit ist. L. Gruner3) teilte
1877 die Öfen nach diesem Verhältnis in untersetzte
(tapus), mittlere (moyens) und schlanke (élancés);
bei den ersteren ist kleiner als 3, bei den
mittleren gröſser als 3 und kleiner als 4, bei den
letzteren gröſser als 4. Nach L. Ledebur4) ist
= 3,2 bis 3,6 das gebräuchlichste Verhältnis bei
neueren Hochöfen. Dabei ist aber die Art des
Brennmaterials und des erzeugten Roheisens, ob grau, weiſs, Spiegel-
eisen u. s. w., von Einfluſs. Die Hochöfen für Holzkohlenbetrieb
sind meistens schlank. Das Verhältnis der Durchmesser von Gicht
und Kohlensack schwankt zwischen 1 und ½, je nachdem der Schacht
des Hochofens cylindrisch oder mehr konisch zuläuft, meistens beträgt
die Relation ¾ bis ⅚. Das Gestell kann man um so weiter machen,
je leichter schmelzbar die Beschickung und je stärker das Gebläse ist.
Das Verhältnis der Durchmesser von Gestell und Kohlensack schwankt
[457]Hochöfen.
meistens zwischen bis . Die weiten Gestelle von über 3 m
Durchmesser wurden zuerst 1880 auf dem Edgar Thomson-Eisenwerk
eingeführt und zwar hatte der Herd des im April 1880 daselbst
angeblasenen Hochofens Nr. 2 3,35 m
Durchmesser. Mit der Erweiterung
des Gestelles wurde die Rast steiler
und zwar um so mehr, als man fast
allgemein das Obergestell weglieſs, so
daſs die Rast unmittelbar über der
Form begann. Seit Einführung der
Lürmannschen Schlackenform und
der Zustellung mit geschlossener Brust
unterdrückte man auch zuweilen das
Untergestell und lieſs den Ofen vom
Boden an sich konisch erweitern.
Dadurch wurde die Rast steiler. Der
Rastwinkel betrug meist 70 bis 80 Grad.


Die Erweiterung von Gestell und
Gicht regte die Frage an, ob es
nicht zweckmäſsig sei, das Innere
des Hochofens durchaus cylindrisch
zu machen, also auch die Rast ganz
zu beseitigen. W. J. Taylor baute
1884 zu Chester in New Jersey (U. S.)
einen solchen Ofen, der sich aber

Figure 170. Fig. 169.


im Betriebe als unvorteilhaft erwies. Trotzdem trat Lürmann für
diese Ofenform ein (Lürmanns rastloser Ofen), indem er auf die
nahezu cylindrischen Holzkohlenhochöfen zu Trofayach in Steiermark,
Kulebaki und Bjelorezk am Ural (Fig. 170 a. f. S.), welche in gutem
Betriebe standen, hinwies. Mit Koksöfen hat man aber keine weiteren
Versuche in dieser Richtung gemacht.


Dagegen wurden verschiedene andere Ofenkonstruktionen, deren
Profile von den gebräuchlichen wesentlich abwichen, vorgeschlagen
und auch ausgeführt. Hierher gehört zunächst der selbstkokende
Hochofen von Ferry, der zuerst 1870 auf der Monklandhütte in
Schottland 81 engl. Fuſs (24,69 m) hoch erbaut und in Betrieb gesetzt
wurde. Er erregte Aufsehen, und es wurden bis 1875 in Groſsbritannien
mehrere Öfen dieser Art errichtet, so vier auf dem Calderbank-Eisen-
werk, zwei zu Chapelhall und einer zu Dalmellington in Schottland,
[458]Hochöfen.
sowie einer zu Tipton in Staffordshire. B. Brown baute einen von
ihm verbesserten selbstkokenden Hochofen auf der Shottshütte.


In Ruſsland erbaute Carl Fröhlich1), der bereits Ende der
sechziger Jahre mehrere Hochöfen mit elliptischem Querschnitt am

Figure 171. Fig. 170.


Ural aufgeführt hatte, 1870/71 auf dem Demidoffschen Werke
Nischne-Salda einen verbesserten Raschetteofen von 60 Fuſs Höhe.
1875 baute er einen ähnlichen Ofen mit elliptischem Querschnitt und
freistehendem Gestell, Rast und Schacht in Werschne-Salda und 1876
einen ähnlichen mit auswechselbarem Gestell zu Nischne-Tagol. Es
waren dies alles Holzkohlenhochöfen.


[459]Hochöfen.

W. Siemens konstruierte einen selbströstenden Hochofen, bei dem
die Röstung der Erze im oberen Teil des Schachtes durch die Ver-
brennung der Hochofengase mittels eingeblasenen Windes geschehen
sollte.


Hawdon und Hawson bauten 1893 auf dem Newport-Eisenwerk
bei Middlesborough einen Hochofen mit dem Fig. 171 dargestellten
Profil. Es sollte dadurch der Druck der
Schmelzsäule auf die Rastflächen vermieden
und die Beschickung lockerer erhalten
werden. Obgleich der Ofen gute Resultate
lieferte, fand er keine Nachahmung. Alle
diese Neuerungen erlangten nur eine lokale
Bedeutung. Auch A. Wolskis Vorschlag
(1896) eines Hochofens mit Wiederbe-
nutzung oder, wie er es nennt, Selbst-
regenerierung der Gichtgase 1) nach J. von
Ehrenwerths
Prinzip, ist bis jetzt ohne
Folgen geblieben.


Allgemeine Anerkennung und Verbrei-
tung fand dagegen Lürmanns Schlacken-
form und damit die Zustellung der Hoch-
öfen mit geschlossener Brust, welche sich
bei hocherhitztem Winde vortrefflich bewährt
hat, und die neueren Öfen wurden fast stets
so zugestellt.


Eine andere Änderung, die bei Koks-
hochöfen allgemeine Anwendung gefunden hat
und die ebenfalls mit der Einführung höher

Figure 172. Fig. 171.


erhitzten Windes zusammenhängt, ist die, daſs man den Rüssel der
Blaseformen in das Gestell hineinragen läſst. Dadurch kann einer-
seits der Wind mehr bis in die Mitte des Gestells dringen, anderer-
seits wird eine Schonung der Gestellwände und damit eine längere
Erhaltung des Hochofens bewirkt. Dieses Vorragen der Windformen,
das schon 1879 auf dem Edgar Thomson-Werk eingeführt wurde, darf
aber nicht übertrieben werden. Nach Versuchen von Cochrane im
Jahre 1882 nahm die Roheisenerzeugung bei einem Hochofen von
2,44 m Gestellweite von 483 auf 599 Tonnen in der Woche zu, nach-
dem man die Form von 305 mm auf 150 mm Vorlage zurückgezogen
[460]Hochöfen.
hatte. Infolge des Vorliegens der Formen muſs man zwischen Gestell-
weite und dem Durchmesser des Formkreises unterscheiden.


Was die äuſsere Form der Hochöfen betrifft, so kam man mehr und
mehr davon ab, den inneren Ofen in ein dickes Rauhgemäuer einzubauen,
wie es noch der Fig. 172 dargestellte Ofen zu Rothehütte am Harz zeigt.

Figure 173. Fig. 172.


Figure 174. Fig. 173.


Blechmäntel und noch öfter eiserne Ringe hielten das gegen früher
schwache Schachtmauerwerk zusammen. Bei den Öfen mit Blech-
mänteln, den sogenannten schottischen, lieſs man das äuſsere Schutz-
mauerwerk des Schachtes fort und stellte den aus feuerfesten Schamotte-
[461]Hochöfen.
steinen aufgeführten Kernschacht direkt in den Blechmantel, wie es
z. B. der 1874 auf der Friedrich-Wilhelmshütte bei Mülheim an
der Ruhr von J. Schlink erbaute Hochofen (Fig. 173, 174)
zeigt. Die Blechmäntel waren aber kostspielig und erschwerten die
Zugänglichkeit des Schachtes bei erforderlichen Reparaturen. Ver-
suche in Westfalen,
die Schachtmäntel
statt aus genieteten
Platten aus zu-
sammengeschraub-
ten Ringen und
Segmenten herzu-
stellen, hatten sich
nicht bewährt. Man
ging deshalb viel-
fach dazu über, die
Hochofenschächte
ohne Rauhschacht
ganz frei zu legen
und die feuerfesten
Steinlagen mit eiser-
nen Bändern zu bin-
den. Dies war in
Deutschland zuerst
auf der Ilseder Hütte
1864 und zu Neuſs
bei einem von C. und
F. Büttgenbach
erbauten Hochofen
geschehen. Letztere
Konstruktion wurde

Figure 175. Fig. 174.


durch die Weltausstellungen in Paris 1867 und Wien 1873 in weiten
Kreisen bekannt und auf verschiedenen Hüttenwerken besonders in
Frankreich eingeführt. Das von Büttgenbach empfohlene Weg-
lassen der eisernen Bänder hat sich aber nicht bewährt. Freistehende
gebundene Schächte ohne Blechmantel fanden, nachdem man sich
besonders auf der Gleiwitzer Hütte 1873 davon überzeugt hatte, daſs
der Betrieb durch dieselben nicht nachteilig beeinfluſst wurde 1), mehr
[462]Hochöfen.
und mehr Eingang und sind jetzt zur Regel geworden. Hierbei gab
man dem Schachtmauerwerk des besseren Anschlusses der Eisenreife
wegen zuweilen einen treppenförmigen Aufbau, wie z. B. 1890 auf der
Friedenshütte in Schlesien (Fig. 175). Die freistehenden Schächte

Figure 176. Fig. 175.


bedingten natür-
lich eine ganz ver-
änderte Konstruk-
tion für die Platt-
form der Gicht,
worauf wir später
noch zurückkommen
werden. Neuerdings
ist F. Burgers1)
noch weiter ge-
gangen, indem er
den Hochofen zwi-
schen Gestell und
oberem Teil des
Schachtes ganz aus
Eisen herstellt. Fig.
176 stellt diese Kon-
struktion, wie sie
bei einem Hochofen
der Hütte Vulkan
bei Duisburg mit
Erfolg ausgeführt
wurde, dar. Die
eisernen Ringe, die
den mittleren Teil
des Ofens bilden,
sind aus guſseiser-
nen Platten von
1 m × 1½ m zu-
sammengeschraubt.
Der an dem oberen
Teile der Rast befindliche Ring trägt einen Tragkranz, der auf den Trag-
säulen ruht. Die vorspringenden unteren Flanschen der Ringe bilden
Ringe, in denen sich das Spritzwasser, womit die Platten gekühlt
[463]Hochöfen.
werden, sammelt. Jeder Ring ist mit zwei Eisenbändern gebunden.
Die Innenseiten der Platten haben Rippen, deren Zwischenräume mit
Schamottesteinen ausgekleidet werden. Die Vorteile der Konstruktion
bestehen in rascher Ausführbarkeit, leichter Kühlung und in der Er-
haltung der Ofenform, die bei Steinmauerwerk durch Abschmelzen
immer verändert wird.


Eine weitere radikale Änderung der Hochofenkonstruktion gegen
früher war die Frei- und Hochlegung des Bodens. Von einem

Figure 177. Fig. 176.


„Bodenstein“ im eigentlichen Sinne des Wortes kann bei den modernen
Öfen nicht mehr die Rede sein, indem es bei den weiten Gestellen
nicht mehr möglich ist, den Boden durch einen einzigen Stein ab-
zuschlieſsen.


Zu diesem Zwecke waren die belgischen Puddingsteine von
Marchienne noch am längsten verwendet worden. Sie sind aber fast
überall verdrängt worden durch gemauerte Böden aus feuerfesten
Steinen, welche gewölbeartig angeordnet sind (siehe Fig. 174, 175),
und zwar in der Weise, daſs der mittelste Stein eine keilförmige
Gestalt hat, die Fugen der folgenden Steine schräg zur Bodenfläche
stehen und die äuſserste Steinlage unter die Herdwand geht, so daſs
[464]Hochöfen.
diese durch ihre Last den Boden zusammenhält. Gewöhnlich wird
der Boden aus zwei Steinlagen zusammengesetzt und erhält eine Dicke
von 1 bis 1½ m. Diesen Boden pflegte man mit einem breiten Kranz
von Ziegelmauerwerk, welcher die Sohle für die Tragsäulen und für

Figure 178. Fig. 177.


die den Ofen bedienenden Arbeiter
bildete, zu umgeben. Von dieser
schützenden Einmauerung des
Bodensteins ist man aber in
neuerer Zeit abgekommen. Man
legt vielmehr jetzt den Boden-
stein möglichst frei, so daſs er
ringsum zugänglich ist und mit
Wasser gekühlt werden kann.
Dabei legt man ihn nicht selten
über die Hüttensohle.


Fritz W. Lürmann hatte
bereits 1888 einen solchen Ofen
(Fig. 177) 1) konstruiert. Aller-
dings erfordert derselbe eine be-
sondere Arbeitsbühne. Die Frei-
legung des Bodens erleichtert die
nötig werdenden Reparaturen und
befördert seine Erhaltung; die
Hochlage erleichtert ferner das
Abzapfen des flüssigen Inhaltes.
Die Schlacken kann man in viel
gröſsere Schlackenwagen ab-
stechen als früher, das Eisen in
Pfannenwagen, die auf Schienen
laufen und fortgefahren werden,
was in vielen Werken, welche
Roheisen für Fluſseisenfabrikation
herstellen, besonders denen, welche
Thomaseisen erblasen und mit
dem Mischer arbeiten, notwendig ist. Man hat den freiliegenden
Bodenstein seit 1888 öfter mit einem Blechmantel umgeben und auf
eisernen Schienen frei aufgelagert, so zu Donawitz (Fig. 178) 1892,
wodurch man ihn noch besser im Bedarfsfalle von allen Seiten kühlen
[465]Hochöfen.
konnte. In Amerika wurde hierfür 1888 ein Patent erteilt; fast gleich-
zeitig empfahl Lürmann diese Konstruktion in Deutschland 1).


Man wendet auch doppelte Panzerung an Untergestell und Boden-
stein an. Fig. 179 2) zeigt eine solche nach dem System von Gorjainow

Figure 179. Fig. 178.


und Pierron der Alexandrowski-
hütte zu Jekaterinoslaw in Süd-
ruſsland. Der Hohlraum E zwi-

Figure 180. Fig. 179.


schen dem inneren und dem äuſseren Panzer wird mit Masse aus-
gestampft. Über dem oberen dachförmigen Abschluſs E F rieselt
Wasser, welches in der Rinne G gesammelt wird.


Die Grundsätze für die Anlage des Bodens eines Hochofens in
früherer Zeit und jetzt haben sich vollständig umgekehrt. Früher
legte man den Bodenstein unter die Hüttensohle, mauerte ihn ein und
schützte ihn vor Abkühlung und Feuchtigkeit durch den darunter
angebrachten Kreuzkanal (Andreaskreuz), kurzum, man versuchte den
Bodenstein warm und trocken zu halten. Der Kreuzkanal ist seit
Einführung des heiſsen Windes verschwunden und gehört jetzt bereits
Beck, Geschichte des Eisens. 30
[466]Hochöfen.
zu den historischen Kuriositäten einer vergangenen Zeit. Heute legt
man den Boden frei und kühlt ihn und zwar in Amerika nicht nur
ringsum, sondern auch von unten.


Der Vorschlag von Konst. Steffen1) von 1887, dem Bodenstein
die Gestalt eines Kugelabschnitts zu geben und das Gestell bis zu

Figure 181. Fig. 180.


den Formen zusammenzuziehen,
hat eine praktische Bedeutung
nicht erlangt.


Die Freilegung des Ofen-
gestells, ebenfalls eine Folge der
Einführung der Winderhitzung,
war schon vor Beginn dieses
Zeitabschnitts zur Regel ge-
worden. Die Wasserkühlung
gestattete überdies, die Dicke
der Gestellwandung zu ver-
schwächen. In Amerika mauerte
man das Gestell in einen Cylin-
der von Kesselblech ein (Patent
Wheeler). Zu Firmiry in
Frankreich ging man 1891 so
weit, das Untergestell eines
Hochofens ganz aus einem
150 mm dicken Mantel von
Fluſseisenstücken herzustel-
len 2). F. W. Lürmann schlug
1888 auswechselbare Gestelle
vor. Ein solches hatte Carl
Fröhlich
schon 1876 bei
einem Raschetteofen zu Nischnei-Tagilsk eingeführt. Dieses Gestell
hatte elliptischen Querschnitt.


Freistehende Gestelle haben meistens eine Wandstärke von
0,9 bis 1 m. So lange man die Gestelle aus Natursteinen her-
stellte, wählte man durchgehende, groſse Steine, entsprechend der
Dicke der Gestellwand. Diesen Grundsatz hielt man auch anfangs
noch fest, als man die Natursteine durch Schamottesteine ersetzte;
in neuerer Zeit mauert man aber auch Gestell und Rast ebenso
[467]Hochöfen.
wie den Schacht aus einer gröſseren Anzahl kleiner Steine auf,
wie es in Fig. 180 an dem 1892 erbauten Hochofen der Dort-
munder Union zu sehen ist. In dieser Weise war der Ofen I der
Edgar Thomson-Werke in Pennsylvanien schon 1879 gebaut worden.
Übrigens arbeitete Dietrich in Aplerbeck bereits 1867 mit einem aus
gewöhnlichen Schachtsteinen

Figure 182. Fig. 181.


gemauerten Gestell. In Amerika
wurden Rast und Gestell der
aus kleinen Steinen aufge-
bauten Öfen ebenfalls mit
starken Eisenschienen gebun-
den. Die wassergekühlfen
Steinwände machte man (1887)
meist nur 450 mm stark. An
Stelle der „Krinolinen-Ver-
ankerung“, die sich nicht be-
währte, trat eine förmliche
Panzerung mit Kühlplatten.
Der Herd des 1882 an-
geblasenen Hochofens der
Edgar Thomson-Werke war
mit Kühlplatten umgeben und
unten um diese eine Rinne
angebracht, durch welche das
ablaufende Kühlwasser abfloſs
und so zugleich den Boden-
stein schützte. Über diese war
eine zweite Reihe Platten zum
Schutz der Umgebung der
Formgewölbe angeordnet und
teilweise in die feuerfesten
Steine eingelassen. Die Rast
war von einem Blechmantel von
13 mm Dicke eingeschlossen,
welcher oben am Tragring befestigt war. Da die Mauerstärke
der Rast nur 570 mm betrug, so bewirkte die den Blechmantel
bestreichende Luft schon eine ausreichende Kühlung. Auch diese
Einrichtung genügte bei dem forcierten Betriebe nicht und man
ersetzte sie bei der Neuzustellung 1885 durch das wassergekühlte
„Korsett“, wie es der Edgar Thomson-Ofen von 1885 in Fig. 181 zeigt.
30*
[468]Hochöfen.
Gestell und Rast sind hier mit gröſster Sorgfalt geschützt. Der untere
Teil des Gestells ist mit 10 Guſsplatten umkleidet, auf diesem ruht
das wassergekühlte Korsett aus 16 Platten, welche mit Gelenken ver-
bunden sind und am oberen und unteren Ende durch Flacheisen-
bänder zusammengehalten werden. Die Rast ist nicht durch einen

Figure 183. Fig. 182.


Blechmantel, sondern durch zwei
Reihen von wassergekühlten
Platten geschützt. Die Formen
liegen in Bronzekühlern, die
wieder in eiserne Kühlkasten 1)
eingelassen sind. 1887 änderte
man diese komplizierte Panzerung
in der Weise ab, wie es der
Edgar Thomson-Ofen von 1887
(Fig. 182) zeigt. Die Wasser-
kühlung über den Formen geschah
durch eingemauerte, horizontale
Kühlplatten aus Bronze, von
denen je acht Stück einen Ring
bildeten. Zwischen den Formen
wurden guſseiserne Kühlplatten
angebracht. Der Herd war durch
wassergekühlte Platten geschützt,
deren schräge Lage eine gröſsere
Wandstärke am Boden zulieſs.


Eingemauerte guſseiserne Kühl-
platten zur Gestell- und Rast-
kühlung waren in England und
Deutschland schon in den sech-
ziger Jahren in Anwendung. In
den Vereinigten Staaten wurden
sie 1877 von J. Hunt auf den
Crane-Eisenwerken eingeführt.
Bronzeplatten führten Cremer
(1884) und Kennedy ein 2).


Die Wasserkühlung der Rast, die in Deutschland schon früher
in Anwendung war, z. B. zu Mülheim a. d. Ruhr (1874), hat sich
[469]Hochöfen.
gut bewährt. Statt rings umlaufender Kühlkränze wendet man auch
verteilte Kühlkästen an, wie es Fig. 174 zeigt 1). Zu Mülheim
versah Schlink 1881 auch den Schacht mit Kühlkasten 2). Es
waren 13 offene Kühlringe
in je 600 mm Abstand
voneinander. Zwischen
den Formen legt man zur
Kühlung des Gestells auch
öfter wassergekühlte Blind-
formen ein. C. Fron-
heiser
führte auf dem
Cambria-Eisenwerk statt
der Platten eine gröſsere
Zahl von Bronzekühl-
kasten ein, die in der
Weise, wie Fig. 183 zeigt,
angeordnet waren. Fig.
184 zeigt Gestell und Rast
eines der neuen Riesen-
öfen von Youngstown.
Zwei Reihen von Kühl-
kästen liegen unter den
Gebläseformen, neun
Reihen liegen in der Rast.
Die Zahl der bronzenen
Kühlkasten beträgt über
130. In den Vereinigten
Staaten baut man neuer-
dings auch in den unteren
Teil der Schachtmauer
wassergekühlte Platten ein,
so z. B. 1895 zu Buffalo 3).


Aus dem Vorhergehen-
den ersieht man, welche
Wichtigkeit die Kühl-

Figure 184. Fig. 183.


Figure 185. Fig. 184.


vorrichtungen für den Hochofen erlangt hatten. Statt der ringsum
geschlossenen wassergekühlten Windformen wendete G. Hilgenstock
[470]Hochöfen.
in Hörde Wasserformen an, welche hinten offen waren (Fig. 185).
Sie waren leichter zu reinigen, lieſsen sich besser beobachten, wodurch

Figure 186. Fig. 185.


Figure 187. Fig. 186.


namentlich die Gefahr des
Leckwerdens und des Ein-
tritts von Wasser in den
Ofen vermindert war. Diese
hinten offenen Windformen
wurden auf mehreren Hüt-
tenwerken eingeführt. Ähn-
liche Formen waren früher
schon von Teichmann,
Hodgett
(1870), Loyd
(1876) und Plum (1878)
angewendet worden.


Die Lürmannsche
Schlackenform war eben-
falls nicht nur selbst mit
Wasserkühlung versehen,
sondern wurde auch in
einen aus mit Wasser ge-
kühlten guſseisernen Platten
hergestellten Kasten ein-
gesetzt (Fig. 186). Ferner
führte Lürmann auch die
Wasserkühlung des Abstich-
loches ein, indem er das-
selbe mit ähnlichen Kühl-
platten umgab.


Die vermehrte Wasser-
kühlung bei dem Hochofen
steigerte den Wasserbedarf
bedeutend, rechnete man
doch auf jede Windform 60
bis 70 Liter in der Minute,
für jeden zugehörigen Kühl-
kasten 75 bis 100 Liter in
der Minute.


Bei einem heiſsgehenden Hochofen beträgt der Wasserbedarf
zur Kühlung an 2000 Liter in der Minute, steigert sich aber bei
groſsen Öfen mitunter auf mehr als das Doppelte. Diese Wasser-
[471]Hochöfen.
menge entspricht einem ganz stattlichen Bach. Die Umkleidung
der Rast und zuweilen auch des Gestells mit einem geschlossenen
Blechmantel, wie z. B. bei dem Ofen von Donawitz (Fig. 178 1),
hat, wie bei dem gemantelten Schacht, den Nachteil, daſs sie das
Mauerwerk unzugänglich macht und Reparaturen erschwert, anderer-
seits gestattet der Blechmantel der Rast eine energische Kühlung
durch Anspritzen von Wasser und hierdurch eine Verschwächung des
Mauerwerks bis auf 0,33 m. Lürmann schlug 1887 vor, den Blech-
mantel der Rast an die Tragsäulen des Ofens zu hängen. Bei einem
Holzkohlenhochofen zu Ria bei Prades in den Ostpyrenäen ging man 2)
1892 so weit, die gemauerte Rast ganz durch eine wassergekühlte
Blechrast, die nur mit feuerfestem Thon ausgestrichen wurde, zu
ersetzen 3), und zu Firminy machte man einen Herd ganz aus Guſsstahl
von 25 cm Dicke.


Die Einführung der Hochöfen mit freistehendem Schacht hatte
eine veränderte Konstruktion der Ofengicht zur Folge. Die Plattform
des Hochofens, welche bei den Öfen mit Blechmänteln auf an diesen
befestigten Konsolen ruhte (Fig. 173), muſste durch eiserne Säulen
oder Ständer unterstützt werden. Büttgenbach hatte dafür eiserne
Rohre genommen, die gleichzeitig zur Gasabführung dienten. Diese
Konstruktion ist aber durchaus verwerflich und jetzt überall verlassen.
Fig. 175 und 178 zeigen zwei verschiedene Konstruktionen solcher
Gichtbühnen.


Bei dem Ofen zu Donawitz von 1892 (Fig. 178) tragen die starken
Hauptständer zugleich den Ofenschacht. Dieses Gerüst trägt auch
den Gasfang.


Betrachten wir aber zunächst das Material für das Ofenmauer-
werk. Schamotteziegel waren auch in dieser Periode am gebräuch-
lichsten. Die Herstellung derselben hatte in Deutschland und Frank-
reich groſse Fortschritte gemacht, so daſs man nicht mehr von dem
Bezug von englischen und belgischen Steinen abhängig war. Im
Anfang der siebziger Jahre galten zwar Garnkirksteine in Europa
immer noch als die besten; so wurden z. B. 1873 Gestell und Rast
des neu aufgebauten Karstenofens zu Gleiwitz noch mit solchen Steinen
zugestellt. Heute liefern einheimische Thonwerke Hochofensteine von
gleicher Güte. Dieselben haben meist einen Thonerdegehalt von
[472]Hochöfen.
36 bis zu 44 Prozent. Ein Zusatz von Rakonitzer Schieferthon hat
sich in Österreich und Ost-Deutschland bewährt. Während man
früher nur Steine von 150 mm Stärke und 600 mm und mehr
Länge nahm, verwendet man jetzt für die Schächte Steine von 100 mm
auf 300 mm, ja man hat ganze Hochöfen mit Steinen von 70 bis 80 mm
Stärke auf 250 mm Länge erbaut.


An Stelle der Schamottesteine hat man zuerst 1887 und dann seit
1890 mehrfach Kohlenstoffziegel, deren Herstellung Burgers ver-
bessert hat, meist nur für Gestell und Bodenstein angewendet, doch
war der Erfolg wenigstens bei der Darstellung von weiſsem Roheisen
den Hoffnungen nicht immer entsprechend. Graphitziegel waren (nach
Pourcel) schon Anfang der achtziger Jahre in Frankreich zuweilen
verwendet worden. Magnesiaziegel haben sich als sehr feuerbeständige
Herdsteine bewährt 1). Von der Massezustellung ist man fast ganz
abgekommen.


Eine eigentümliche Veränderung erleiden zuweilen die künstlichen
Hochofensteine durch die Einwirkung und Zersetzung der Gase, indem
sie von ausgeschiedenem Kohlenstoff durchdrungen und verdrängt
werden; es tritt eine förmliche Metamorphose ein, die für die
Stabilität des Ofenschachtes unter Umständen bedenklich werden
kann. Pattinson beobachtete eine sehr ausgedehnte Umwandlung
dieser Art an einem Hochofen von Bees Iron Works bei Middles-
borough, der im September 1870 angeblasen und im Oktober 1875 aus-
geblasen worden war. Nach den Untersuchungen von Lowthian Bell
wird diese Zerlegung durch Oxyde des Eisens in den Schachtsteinen
veranlaſst und eingeleitet. Es ist deshalb sehr wichtig, daſs die
Hochofensteine eisenfrei sind 2).


Die Abführung der Hochofengase und die geschlossene Gicht
kamen allgemein auch in England und Amerika zur Einführung.


Bei den freistehenden Schächten konnte der Gasfang nicht mehr auf
dem Mauerwerk aufruhen, sondern wurde mit dem eisernen Gerüste,
welches das Gichtplateau trägt, verbunden. Da aber der Schacht
durch die Hitze ausgedehnt wird oder wächst, während die Gasglocke
feststeht, so wurde es notwendig, einen Verschluſs herzustellen. Dies
geschah in einfacher Weise durch die von C. Steffen und Lürmann
um 1887 unabhängig voneinander erfundene Hochofenstopfbüchse,
wie solche an dem Ofen von Donawitz und in ähnlicher Form an
[473]Hochöfen.
einem Ofen zu Aplerbeck aus den beiden Fig. 187 zu ersehen ist.
Das untere Schachtmauerwerk kann sich heben und senken, ohne
daſs der Schluſs mit der oberen Wand des Gasfangs aufgehoben wird.


Von den Gasfängen läſst sich im allgemeinen sagen, daſs in
England und Amerika der einfache Parrysche Trichter mit seitlichem
Abzug am allgemeinsten in Anwendung war, während man in Deutsch-
land die Gichtverschlüsse mit Centralrohr
vorzog. Letztere sind verschiedener Art.
Bei dem Hochofen der Friedrich-Wilhelm-
hütte bei Mülheim a. d. Ruhr von 1874
(Fig. 174) sieht man eine Kombination des
Pfortschen Cylinders mit dem Darbyschen
Centralrohr.


Bei dem Parryschen Trichter führte
Wrightson1) um 1871 einen automatischen
Verschluſs durch Hebel, Gegengewicht und

Figure 188. Fig. 187.


hydraulische Bremse ein. Den von Hoffschen Gasfang oder den
Parryschen Trichter in Verbindung mit Centralrohr, wie sie besonders
im Ruhr- und im Minettegebiet häufig angewendet wurden, hatte man
dadurch verbessert, daſs man das Gasableitungsrohr nach unten ver-
längerte, so daſs sein Rand unter die Beschickungsoberfläche hinab-
taucht. Dies befördert das Aufsteigen des Gasstroms in der Mitte
des Ofens und die Auflockerung der Beschickung daselbst. Zuweilen
begnügte man sich, anstatt das Gasrohr zu verlängern, damit, einen
offenen Cylinder in die Mitte einzuhängen, den man auch verstellbar
machen konnte 2).


Der Langensche Glockenapparat war vielfach, besonders auch
in Oberschlesien, verbreitet. Auch bei diesem hatte man öfter das
erwähnte Centralrohr angebracht, zuweilen in Verbindung mit einem
eingehängten Ringcylinder und Ableitung eines Teils der Gase am
Rand, wie z. B. auf der Aplerbecker Hütte.


Der 1874 von G. Buderus auf der Main-Weserhütte angewendete
Gasfang ist eine Kombination des von Hoffschen und Langenschen
Gasfangs, bei dem der Verteilungskegel verstellbar ist, wodurch ein
besseres Aufgichten der Beschickung ermöglicht wird 3). Auch Schlinks
verbesserter Parry (1881) bezweckte hauptsächlich eine bessere Ver-
teilung der Gichten.


[474]Hochöfen.

Die Wahl des einen oder des anderen Apparates hing teilweise
von der Beschaffenheit der Beschickung ab. Die Bewegung der Gas-
fänge geschieht jetzt fast überall durch Dampfaufzüge.


Alle vorerwähnten Gichtgasfänge öffnen beim Beschicken den
Ofen, wodurch ein Teil der Gase ins Freie entweicht. Dies ist lästig
für die Aufgeber und hat einen nicht unbeträchtlichen Verlust an

Figure 189. Fig. 188.


Wärme zur Folge.
Durch zweckmäſsige
Konstruktion und das
Bewegen der Gasfänge
durch Dampfcylinder
hat man die Zeit des
Offenstehens der Gas-
fänge zum Zwecke der
Beschickung sehr ab-
gekürzt, so daſs sie oft
nicht mehr als eine
halbe Minute dauert.
Weit vollkommener
wird aber der Gas-
verlust durch die
neuerdings in Auf-
nahme gekommenen
doppelten Gichtver-
schlüsse verhindert.
Diese sind zuerst in
den Vereinigten Staa-
ten zur Einführung
gekommen und zwar
hauptsächlich infolge des dort eingeführten automatischen Aufgichtens.
Der älteste doppelte Gichtverschluſs ist der von Kennedy und Scott,
der 1886 bei den Lucy-Hochöfen bei Pittsburg, Pa., in Anwendung
kam. Fig. 188 zeigt seine Einrichtung. Das Aufgichten geschieht so,
daſs der Hund H, dessen Führungsseil über die oben befindliche Trom-
mel läuft, seinen Inhalt in den Schütttrichter g entleert, durch Heben
des Kolbens des Dampfcylinders p senken sich vier Bodenklappen
wodurch die Beschickung aus dem Trichter g in den geschlossenen
Raum b1 fällt, alsdann wird, nachdem die Klappen wieder geschlossen
sind, mittels des Dampfcylinders t und des Hebels r der Parrysche
Trichter d gesenkt, wodurch die Beschickung in den Ofen rutscht.


[475]Hochöfen.

Eine noch bessere Einrichtung der automatischen Begichtung
hatte der bald darauf von Fayette Brown erfundene doppelte
Gichtverschluſs 1).


Suppes in Lorain (Ohio) hat diesen in der (Fig. 189) dar-
gestellten Weise verbessert. Auch hier wird der Hund i auf ein
ausgeschweiftes Geleise
geführt und durch An-
ziehen des am Hinter-
teil befestigten Draht-
seils in das Möller-
gefäſs b, das einen
beweglichen Trichter-
boden hat, entleert.


In England hat
Lewes einen doppel-
ten Gasfang erfunden.


In Deutschland
war es die Burbacher
Hütte, die zuerst einen
von der Dinglerschen
Maschinenfabrik in
Zweibrücken ausge-
führten Parryschen
Trichter mit Deckel-
verschluſs verwendete.
1898 wurde auf der

Figure 190. Fig. 189.


neuen Donnersmarkhütte ein von Dr. Neumark entworfener
Langenscher Gasfang mit Deckelverschluſs 2) eingeführt.


Der doppelte Gichtverschluſs der neuen Hochofenanlage zu
Duquesne entspricht im wesentlichen der Fig. 189 dargestellten Ein-
richtung von Suppes zu Lorain (Ohio). Fig. 190 (a. f. S.) giebt ein
Gesamtbild eines dieser Hochöfen mit dem Gichtaufzug und der Gas-
leitung 3).


Die Ableitung der Gase erfolgt durch Eisenblechrohre, die bei
gröſseren Kokshochöfen bis 2,5 m und mehr Durchmesser haben.
Nahe dem Gasfang befindet sich ein Absperrventil, welches man
häufig selbstthätig mit demselben verbindet. Die Gichtgase müssen
[476]Hochöfen.
von dem mitgeführten Wasserdampf und Gichtstaub gereinigt werden.
Seit Einführung der steinernen Winderhitzer ist die Reinigung von
Staub eine noch wichtigere Sache geworden wie früher. Die engen
Kanäle der Cowperapparate sind sehr der Gefahr ausgesetzt, sich
durch den Gichtstaub zu verstopfen. Der gute Betrieb dieser Wind-

Figure 191. Fig. 190.


erhitzer hängt deshalb wesentlich von der
Staubfreiheit der Gase ab, welche durch
die mechanische Reinigung derselben erzielt
wird. Hierzu trägt die Weite der Rohr-
leitung, welche den Gasstrom verlangsamt
und das Absetzen des Staubes befördert,
bei. Sodann wird die Reinigung sowohl
durch Waschkästen als durch groſse Staubsammelgefäſse (Trocken-
reiniger) bewirkt.


Dieselben sind von sehr verschiedener Form, beruhen aber fast
alle auf dem Princip, daſs der Gasstrom durch Eintritt in einen
weiten Raum verlangsamt wird, wodurch der Staub zu Boden fällt
und zwar meist in einen Waschkasten, während das gereinigte Gas,
das man öfter durch Scheidewände zwingt, vor seinem Austritt
mehrmals auf- und niederzusteigen, am entferntesten obersten Punkte
[477]Hochöfen.
abgeleitet wird. Eine einfache Anlage dieser Art sehen wir an dem
Hochofen von Mülheim (Fig. 174). Eine andere wirksamere Anlage
ist der Staubreiniger der Hochofenanlage von Metz \& Co. zu Esch
in Luxemburg (Fig. 191, 192 1). Bei der Verhüttung zinkischer

Figure 192. Fig. 191.


Figure 193. Fig. 192.


Erze macht man die Gasreinigungs-
apparate noch gröſser und kompli-
zierter 2). Bei horizontalen Gas-
leitungen müssen unten trichterförmige Staubsäcke angebracht werden,
um den Staub von Zeit zu Zeit entfernen zu können 3).


Patente für Trockenreiniger für Hochofengase nahmen unter
anderen H. Macco (D. R. P. Nr. 24557 vom 7. Jan. 1883), H. Macco
und O. Schrader (D. R. P. Nr. 28003). Möllers Patent (D. R. P.
Nr. 17085) bezweckte Filtration der Hochofengase durch Schlacken-
wolle.


Fig. 193 (a. f. S.) zeigt eine solche Gichtgasreinigung der Redenhütte
in Oberschlesien 4). Für staubarme Gase genügt die Trockenreinigung,
für staubreiche Gase wendet man Waschkästen und Brausen an.
Belani erfand schon 1876 einen Staubanfeuchter. In England wurden
1883 Gaswaschapparate angegeben von J. Alexandre und M’Cosh,
von Young und Beilby, von Neilson, von Addie, von Ingham u. a.
[478]Hochöfen.
Für die Naſsreiniger benutzt man öfter die Körtingschen Streu-
düsen, um durch fein verteilten Dampf und Wasser den Staub nieder-
zuschlagen 1).


Neuerdings ist ein von Eduard Theisen erfundenes Centrifugal-
gasreinigungsverfahren 2) in Aufnahme gekommen. Die Reinigung

Figure 194. Fig. 193.


geschieht in einem Cylinder-
kessel mittels einer rasch
rotierenden Flügeltrommel, die
Staub und Wasser nach der
Peripherie treibt.


Dr. H. Möller reinigte
1884 die Hochofengase zu
Creutzthal mittels Durchleiten
durch Schlackenwolle (D. R. P.
Nr. 26663). Die bessere
Reinigung der Hochofengase
hat wesentlich zu der Ver-
breitung der für die Fort-
schritte des Hochofenbetriebes
so wichtigen steinernen Wind-
erhitzer beigetragen.


Welche Mengen von Gicht-
staub die Hochofengase zu-
weilen aber mit sich führen,
haben (um 1876) die Messungen
von Stöckmann, Wolters,
Wiebner
u. a. bewiesen.
Letzterer ermittelte bei einem
Hochofen zu Gleiwitz 57 kg auf die Tonne oder 2000 kg in
24 Stunden.


Bei den Gichtaufzügen, welche die Schmelzmaterialien auf
den Ofen besorgen, sind Fortschritte darin gemacht worden, daſs man
sie, entsprechend dem intensiveren Betriebe, stärker und geräumiger
anlegte. Wasseraufzüge werden bei den hohen Öfen kaum mehr
angewendet. Der von Gjers Anfang der siebziger Jahre konstruierte
pneumatische Gichtaufzug (Fig. 194), bei dem die Bewegung der
Bühne und Förderwagen (d) durch einen, in einem hohen Rohr sich
[479]Hochöfen.
durch Luftüberdruck und Luftverdünnung auf- und abbewegenden
Plunger-Kolben erfolgt, hat auf mehreren Hütten Anwendung ge-
funden. In den meisten Fällen geschieht aber die Förderung mit
unmittelbarer Seilbewegung mit Hülfe einer Dampfmaschine, die man
aber bei den hohen Öfen nicht mehr, wie
früher vielfach, auf die Gicht, sondern auf
die Hüttensohle stellt. Es sind meist
liegende Zwillingsmaschinen ohne Schwung-
rad, welche eine Seiltrommel bewegen, auf
der sich die beiden über Seilscheiben laufen-
den Drahtseile in entgegensetzter Richtung
auf- und abwickeln.


In den Vereinigten Staaten bediente
man sich in den siebziger Jahren ebenfalls
noch vielfach pneumatischer Aufzüge, neuer-
dings ist man infolge der Einführung der
mechanischen Beschickung der Hochöfen
wieder zu den schiefen Ebenen zurück-
gekehrt.


Der Niedergang der Gichten im Hoch-
ofen und das Zeichen zur Aufgabe einer
neuen Gicht wird schon seit langer Zeit
durch selbstthätige Signal- und Registrier-
apparate bewirkt.


Zum Aufgeben der Schmelzmaterialien
hat man verschiedene mehr oder weniger
selbstthätige Apparate konstruiert. Die

Figure 195. Fig. 194.


Crane-Elevator-Company baute solche 1872 für die Joliet- und Vulcan-
werke. Wrightson erfand Anfang der siebziger Jahre einen hydrau-
lischen Chargierapparat für Hochöfen mit Parryschem Trichter. Gicht-
aufzüge mit selbstthätiger Begichtung wurden in den Vereinigten Staaten
seit Ende der siebziger Jahre immer mehr eingeführt, unter anderen
hatte Weimer einen solchen Apparat für die Lebanonöfen konstruiert.
Die österreichisch-ungarische Staatseisenbahngesellschaft hatte auf
ihrem Hüttenwerk Anina die Einrichtung getroffen, die ganze Gicht
durch einen einzigen Wagen in den Fülltrichter des Hochofens zu
stürzen 1).


Der von Fayette-Brown erfundene, um 1887 auf dem Riverside-
[480]Hochöfen.

Figure 196. Fig. 195.


Eisenwerk zu Sten-
berville, Ohio, er-
baute Aufzug besteht
aus einer steilen,
schiefen Ebene mit
selbstthätiger Ent-
leerung der Wagen.
Eine ähnliche ma-
schinelle Begichtung
führte Sam. Thomas
1887 zu Catasauqua,
Pa., ein 1). Fig. 195
zeigt die Einrichtung
der Hochöfen in
Thomas, Alabama,
welche 1887 erbaut
wurden. Das Verfah-
ren von J. Kennedy
und Scott bei dem
Lucy-Ofen, Pitts-
burgh (1886), besteht
in automatischem
Öffnen und Schlieſsen des Gichtverschlusses
und Ausstürzen in den Trichter.


In Deutschland wurden selbstthätige
Beschickungsvorrichtungen angegeben von
Sattler 1879, von van Vloten 1886, von
F. W. Lürmann 1890 (D. R. P. Nr. 57164),
desgleichen von Wiborgh 1886 und
Tholander 1891 in Schweden. Zu Anina
in Ungarn bediente man sich 1888 eines um
den Gasfang fahrbaren Tisches.


Eine hydraulische Beschickungsvorrich-
tung von Kitson war 1889 zu Barrow in
England im Betriebe. Einige neue ameri-
kanische Aufgebevorrichtungen, besonders
die von Max M. Suppes in Lorain O. 2),
haben wir oben (S. 475) bereits erwähnt.
[481]Hochöfen.
Hierzu kommt noch eine von Walter Kennedy1), die zuerst auf
den Hochöfen zu Daluth 1899 eingeführt wurde und dann in Pennsyl-
vanien rasche Verbreitung fand; ferner eine von J. L. Stevenson in
Redcar patentierte (Engl. Pat. Nr. 27565 vom 24. November 1897) 2).

Figure 197. Fig. 196.


Bei E. G. Rusts neuem Gichtaufzuge, Fig. 196 3), läuft der eine
Wagen über dem anderen her, wodurch die Brücke schmäler ge-
halten werden kann.


Mit dieser mechanischen Begichtung der Hochöfen sind meist
groſsartige verbesserte Ladevorrichtungen 4) verbunden.


Die zweckmäſsigste Anlage einer Hochofenhütte ist zu sehr von
Beck, Geschichte des Eisens. 31
[482]Hochöfen.
den lokalen Bedingungen abhängig, als daſs es möglich wäre, dafür
allgemein gültige Normen aufzustellen. Eine reiche Litteratur über
diesen Gegenstand, welche in den letzten 25 Jahren entstanden ist,
giebt aber dem Praktiker ausreichende Mittel an die Hand, in jedem
einzelnen Falle das richtige zu treffen. Wir verweisen besonders
auf die in unserer Übersicht der Litteratur angeführten Werke von
Kerpely, Dürre und Wedding.


Die Kosten für die Anlage eines Hochofens mit Zubehör sind
besonders durch die steinernen Winderhitzer sehr gestiegen. Die
Hochofenanlage zu Dognatzka mit zwei Hochöfen kostete 1858/60
525475 Mark, die von Newport bei Middlesborough mit zwei Öfen
1869/70 1126600 Mark, die von Mülheim a. d. Ruhr mit zwei Öfen
1872/74 2786700 Mark. Bei letzterer sind einbegriffen 500000 Mark
für eine Lokomotivbahn und 320000 Mark für 80 Coppéeöfen für
Koksfabrikation, die beiden Öfen für sich allein kosteten nur
495000 Mark.


Sir B. Samuelson und F. W. Lürmann stellten 1887 folgende
Kostenberechnungen an:


Wenden wir uns zu den Fortschritten im Betriebe der Hoch-
öfen seit 1870, so springt zunächst der groſse Einfluſs, welchen der
Aufschwung der Fluſsstahlfabrikation ausgeübt hat, in das Auge.


Das Bessemerroheisen erfordert phosphor- und schwefelfreie Erze
und da diese in den eisenerzeugenden Ländern nicht in ausreichender
Menge gefördert wurden, sahen sich die meisten derselben auf die
Einfuhr fremder Erze, unter denen die von Spanien, Elba und Algier
die wichtigsten waren, angewiesen. Dieser Bezug fremdländischer
Eisenerze nahm einen auſserordentlichen Umfang an. Die Ausfuhr von
Bilbao, die 1866 nur 12890 Tonnen betragen hatte, war 1878 auf
[483]Hochöfen.
1224730 Tonnen, 1890 auf 4272918 Tonnen gestiegen, wovon Eng-
land etwa 70 Prozent entnahm.


Die Einfuhr fremder Erze betrug beispielsweise 1874 in:



Seit Mitte der siebziger Jahre wurden auch die Kiesabbrände,
d. h. die Rückstände der kupferhaltigen Schwefelkiese von Rio Tinto,
welche für die Darstellung der Schwefelsäure gebrannt wurden, ihres
hohen Eisen- und geringen Phosphorgehaltes wegen unter dem Namen
Purple-ore besonders für die Darstellung von Bessemerroheisen ein-
geführt. Eſskuchen mischt das pulverförmige Purple-ore mit Gicht-
staub und brennt daraus Erzsteine 1).


Infolge der Verwendung reicher ausländischer Erze sanken die
einheimischen, phosphorhaltigen Erze im Wert, und der Eisenstein-
bergbau ging an vielen Orten zurück. Dies änderte sich, als nach
der Erfindung des Thomasverfahrens im Jahre 1879 phosphor-
reiche Erze gesucht wurden und auch die gewöhnlichen phosphor-
haltigen Erze im Wert stiegen, denn man erstrebte bei dem meist
weiſsen Thomasroheisen einen Phosphorgehalt von 2 bis 3 Prozent.
Auf dem europäischen Kontinent waren es besonders die Minetteerze
in Luxemburg und Lothringen, die nicht nur in gesteigertem Maſse
in diesen Ländern verhüttet, sondern auch in groſsen Mengen nach
dem Saargebiet, Frankreich, Belgien und nach Rheinland und West-
falen ausgeführt wurden. In neuerer Zeit ist der überseeische Bezug
der phosphorhaltigen Magneteisensteine aus dem nördlichen Schwe-
den in Zunahme begriffen und hat 1897 das Gellivarafeld allein
623110 Tonnen geliefert, wovon der gröſste Teil ausgeführt wurde.


Man sucht durch diese hochprozentigen Erze gleichzeitig den
Eisengehalt der Beschickung und dadurch die Produktion zu erhöhen,
ein Bestreben, welches besonders durch die groſsen Leistungen nord-
amerikanischer Hochöfen angeregt worden ist. Wieweit dies vorteil-
haft ist, wird zunächst immer eine Frage der Frachtkosten für jedes
einzelne Werk sein.


31*
[484]Hochöfen.

Eine andere Wirkung der Ausbreitung der Fluſseisenbereitung auf
den Hochofenbetrieb bestand darin, daſs die Öfen mehr wie früher
nur auf eine bestimmte Sorte Roheisen betrieben wurden und da der
Konsum der groſsen Konverter ein sehr gesteigerter war, so trat das
Bestreben nach hoher Produktion der Hochöfen noch mehr in den
Vordergrund wie vordem. Ganz besonders kam dies in den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika zur Erscheinung; der dortige
forcierte Betrieb erregte Aufsehen und blieb nicht ohne Einfluſs auf
die Eisenwerke Europas.


Bei der gröſseren Höhe der Kokshochöfen hatte das Rösten der
Erze wenig ökonomischen Vorteil, indem sich die Röstung im allge-
meinen genügend und billiger im Hochofen selbst vollzog. Man
wendete eine besondere Röstung der Erze deshalb meistens nur noch
für Holzkohlenöfen und für gewisse Erz- und Eisensorten, namentlich
für Eisenspate, die auf Spiegeleisen verschmolzen wurden, dann aber
auch für Magneteisensteine und die Erze des Clevelanddistriktes an.
Dagegen hat sich ein Vorwärmen der Beschickung auf manchen
Hütten als vorteilhaft erwiesen 1), z. B. zu Rokitzan, wo es L. Nessel
1875 eingeführt hatte. Das Trocknen der Holzkohle vor dem Auf-
geben bewährte sich in Schweden 2).


Der Koksbetrieb überflügelte noch mehr wie früher den Betrieb
mit Holzkohlen oder mit rohen Steinkohlen. Der Versuch, die Stein-
kohlen im oberen Teil des Hochofens durch Gichtgase zu ver-
koken, hatte keinen besonderen Vorteil gewährt und ist der Ferrie-
ofen, der zu Anfang der siebziger Jahre in England Aufsehen erregte
und auf mehreren Eisenwerken eingeführt wurde, wieder verschwunden.
Ebensowenig haben die Vorschläge für Gas- 3) und Petroleumhoch-
öfen 4) bis jetzt einen Erfolg gehabt.


Zu Kalan in Siebenbürgen schmolz man 1872 mit drei Viertel
Braunkohlen und einem Viertel Holzkohlen, später (1874) mit Braun-
kohle und Koks. Ebenso seit 1874 zu Zeltweg, wo 40 Prozent Koks
durch Braunkohlen ersetzt wurden. In Vorderenberg setzte man
1882 ebenfalls Braunkohlen zu 5).


Nessel brachte 1875 einen liegenden Hochofen mit mechanischer
[485]Hochöfen.
Vorwärtsbewegung der Beschickung für Braunkohlenbetrieb in Vor-
schlag 1).


Wie das Rösten der Erze, so scheint auch das Brennen des
Kalkes
als Zuschlag bei den hohen Öfen als überflüssig und nur aus-
nahmsweise von Nutzen zu sein. Doch hat diese Frage zu lebhaftem
Meinungsaustausch Veranlassung gegeben. Gruner empfahl 1871 die
Anwendung von gebranntem Kalk, welche eine Ersparnis von 10 Pro-
zent Koks im Hochofen bewirken sollte. Der Kalk wurde in Hofmann-
schen Ringöfen totgebrannt. Cochrane trat (1889) in England lebhaft
für die Verwendung des gebrannten Kalkes ein 2).


Von anderen Zuschlägen sind seit Anfang der siebziger Jahre
die Manganerze (Braunsteine) wichtig geworden, indem man mangan-
reiches Spiegeleisen
nicht mehr ausschlieſslich aus Spaterzen,
sondern auch aus anderen reinen Eisenerzen unter Zuschlag von
Manganerzen darstellte. In dieser Weise schmolz man seit 1871 zu
Jauerburg in Kärnthen ein spiegeliges Eisen mit 12 bis 22 Prozent
Mangangehalt. In Ruſsland erblies man seit 1870 Spiegeleisen aus
eisenreichen Manganoxyden, in Schweden unter Zuschlag von Knebelit
(manganreichem Eisensilikat). Der deutsch-französische Krieg 1870
hatte zur Spiegeleisenerzeugung in auſserdeutschen Ländern bei-
getragen, weil dadurch der Bezug aus dem Siegerland abgeschnitten
war. Auch zu Ebbw-Vale in England wurde seit 1872 Spiegeleisen
aus manganhaltigen spanischen Eisenerzen (Carthagenaerzen) gemacht;
ebenso 1873 auf Siemens’ Eisenhütte zu Landore und in Cleveland.
Eine englische Beschickung für Spiegeleisen aus manganhaltigen
spanischen Erzen bestand aus 76 Centner Erz, 16 Centner Kalk und
45 Centner Koks. Das erblasene Spiegeleisen enthielt 84,37 Tle. Eisen,
9,85 Tle. Mangan, 4,20 Tle. Kohlenstoff, 0,32 Tl. Graphit, 0,99 Tl.
Silicium, 0,04 Tl. Schwefel und 0,09 Tl. Phosphor. Die dabei gefallene
Schlacke bestand aus 29,70 Kieselsäure, 14,90 Thonerde, 48,20 Kalk,
4 Magnesia, 3 Manganoxydul. Man gewann aber nicht nur mangan-
reiches Spiegeleisen, Ward in Amerika und Pourcel in Terre noire
in Frankreich erbliesen 1883 bei sehr heiſsem Ofengang auch graues
Roheisen mit 15 Prozent Mangangehalt.


Eisenverbindungen mit noch höherem Mangangehalt, Ferro-
mangan
, wurden seit Ende der siebziger Jahre ebenfalls im Hochofen
[486]Hochöfen.
dargestellt, doch hatte dieser Schmelzprozeſs mit mancherlei Schwierig-
keiten zu kämpfen. Sehr basische Schlacke und hohe Schmelz-
temperatur sind Haupterfordernisse. Dabei verflüchtigt sich bei der
hohen Hitze ein Teil des Mangans, nach Whiting bei 83 Prozent
Mangangehalt des Produktes 5,4 Prozent des Mangans der Beschickung,
nach Schilling1) bei einem Eisenmangan von 60 bis 70 Prozent
Mangan sogar bis zu 17 Prozent.


Ferner entsteht bei dem Betriebe auf Ferromangan sehr leicht
Oberfeuer im Hochofen, teils dadurch, daſs infolge des geringeren
Wärmeverbrauchs der ganze Ofen heiſser ist, besonders aber dadurch,
daſs die höheren Oxyde des Mangans im Schacht schon Sauerstoff
abgeben, der eine lebhafte Verbrennung daselbst bewirkt. Es ist
deshalb zweckmäſsig, die Manganerze vorher zu brennen, und zwar
in einem Herdofen mit geneigter Sohle, wie der Mosersche Röstofen
(A. Ledebur).


Ein dritter Übelstand ist, daſs das Gestell durch die heiſse,
fressende, manganoxydulhaltige Schlacke sehr schnell zerstört wird.
In Nischne-Tagilsk hat man deshalb für die Darstellung von Ferro-
mangan kleine Schmelzöfen mit auswechselbarem Gestell angewendet 2).


Während man früher, freilich vergeblich, versuchte, durch Zu-
schläge den Phosphor im Hochofen abzuscheiden, schlägt man um-
gekehrt seit Einführung des Thomasverfahrens vielfach phosphorreiche
Verbindungen zu, um einen höheren Phosphorgehalt des Roheisens zu
erzielen. Hierfür dienten bis jetzt besonders die Puddel- und Schweiſs-
schlacken, welche als unnützer Abfall der Puddel- und Walzwerke
in groſsen Halden aufgespeichert waren.


Durch diese Verwendung stiegen dieselben sehr im Werte, von
1880 bis 1887 in Westfalen von 8 auf 100 Mark die Tonne; infolge-
dessen verschwanden die alten Halden in kurzer Zeit. Das Ver-
schmelzen dieser Schlacken im Hochofen nach der Lang-Freyschen
Methode kam ganz auſser Gebrauch.


Die Darstellung von Thomasroheisen war nicht nur dadurch
vorteilhaft, daſs groſse Mengen seither minderwertiger Erze mit Vor-
teil verhüttet werden konnten, der Hochofenbetrieb selbst war viel
ökonomischer als bei Bessemerroheisen. Für das weiſse Roheisen
ersparte man im Vergleich mit dem grauen Bessemerroheisen etwa
400 kg Koks auf die Tonne; dabei war die Produktion gröſser. Man
[487]Hochöfen.
konnte mit Leichtigkeit in Öfen von 250 bis 300 cbm Fassungsraum
100 Tonnen Roheisen in 24 Stunden erblasen. Man schätzte 1882
in Deutschland die Ersparnis auf 22 Mark für eine Tonne, die Mehr-
produktion auf 25 bis 30 Prozent.


Ein gutes Thomasroheisen sollte enthalten 1¼ bis 2½ Prozent
Phosphor, 1 Prozent Mangan bei schwefelfreiem, 2½ bis 3 Prozent
Mangan bei schwefelhaltigen Erzen, der Siliciumgehalt sollte 0,3 bis
0,5 Prozent nicht übersteigen.


Hilgenstock wies 1884 nach, daſs, entgegen der verbreiteten
Meinung, Phosphor im Hochofen in nachweisbaren Mengen nicht ver-
flüchtigt wird. Phosphor verdrängt Silicium und Kohlenstoff im Roh-
eisen, indem sich beide auf Kosten des Sauerstoffs der Phosphorsäure
oxydieren.


Zunächst für die Bessemerstahlbereitung, später auch für Gieſserei-
zwecke stellte man seit Anfang der siebziger Jahre ein sehr silicium-
reiches Roheisen unter dem Namen glazed pig in England und fonte
glacée in Frankreich dar. Hierzu war nach S. Jordan (1873) ein
langsamer, sehr heiſser Ofengang bei kieselsäure- und thonerdereicher
Beschickung erforderlich. Hierbei fiel ein bis zu 8 Prozent Silicium
haltendes Roheisen, das mit zunehmendem Siliciumgehalt hellere
Farbe und gröſseres Korn erhielt.


Pugh1), Direktor der Société metallurgique de l’Est zu Longwy,
will neuerdings (1898) einen groſsen Vorteil und blasenfreies Roh-
eisen (fonte à peau lisse) dadurch erzielen, daſs er zwischen Wind-
erhitzer und den Formen einen Einspritzapparat für schwere Öle ein-
schaltet (D. R. P. Nr. 105144).


Das Mischen der Erze und Zuschläge vor dem Aufgichten auf
einem Möllerboden, das Möllern, lieſs sich bei der groſsen Produktion
der Hochöfen nicht mehr durchführen. Statt dessen mischt man die
Beschickungsmaterialien beim Aufgeben in den Fülltrichter des Gas-
fanges. Das Chargieren geschieht jetzt schon vielfach, namentlich in
Amerika, automatisch.


Über die Berechnung der Beschickung hat Mràzek2) 1868
eine gründliche Arbeit geliefert. Er ermittelt den Sauerstoffgehalt der
Basen und der Kieselsäure und berechnet nach stöchiometrischen
Grundsätzen die Beschickung nach dem erforderlichen Silikat in der
Schlacke. Die Summe der Säureäquivalente muſs sich zur Summe
[488]Hochöfen.
der basischen Äquivalente so verhalten, wie es die durch den Sili-
cierungsgrad der zu bildenden Schlacke angegebene Verhältniszahl
vorschreibt. Dieses etwas umständliche Verfahren hat Platz1) ver-
einfacht, indem er sich darauf beschränkt, gewisse Gewichtsverhält-
nisse zwischen Säuren (SiO2 und Al2O3) und Basen herzustellen.


Man suchte den Eisengehalt in der Beschickung zu erhöhen und
die Schlackenmenge zu vermindern; während man früher annahm,
daſs Schlacke zu Eisen mindestens wie 1 : 1 sich verhalten muſsten,
galt 1880 0,6 : 1 für ausreichend.


Das Vorwärmen der Hochöfen und das Anblasen suchte man
möglichst zu beschleunigen; so erzielte man beispielsweise bei einem
24,3 m hohen Hochofen in Alabama den ersten Abstich am vierten
Tage nach Beginn des Vorwärmens.


Für das Abstechen des Roheisens hat man in Amerika zum
Öffnen und zum Schlieſsen des Stichlochs Maschinen konstruiert 2).


Das Schlieſsen des Stichlochs geschieht jetzt in den Ver-
einigten Staaten durch Dampfdruck mittels der sogenannten Thon-
kanone 3). Dadurch werden Reparaturen und Stillstände vermindert.
Die amerikanische Stichstopfmaschine ist jetzt auch in Witkowitz
eingeführt. Das Einformen der Masseln geschieht jetzt meist so, daſs
man immer ein ganzes Masselbett, d. h. ein Stück Laufrinne mit einer
Anzahl Masselformen, gleichzeitig einformt.


Ferner wendete man zuerst in Amerika sowohl zum Ausheben
der Masseln, als zum Zerteilen derselben Maschinen an. Solche
Masselbrecher waren in den Vereinigten Staaten schon 1882 in
Anwendung 4).


Zum Ausheben der Masseln hatten Hughes \& Gowthorp 1889
auf der Ausstellung in Pittsburg einen riesigen Elektromagneten in
Form einer Glocke von 3300 kg Tragfähigkeit ausgestellt. Auf der
Hochofenhütte der Dowlais-Gesellschaft bei Cardiff werden die noch
zusammenhängenden Masseln mittels eines elektrisch betriebenen
Laufkrahns aus den Guſsbetten gehoben und dann auf den von
Martin und James 1892 erfundenen hydraulischen Masselbrechern
(E. P. 1892, Nr. 12873) 5) gebrochen.


[489]Hochöfen.

Der Masselbrecher von Blake war für Dampf- und Riemen-
betrieb 1). Auch W. Truran in Middlesborough (E. P. vom 11. August
1892, Nr. 14495) und J. W. Armstrong und James (E. P. vom

Figure 198. Fig. 197.


19. September 1892, Nr. 16696) 2)
erfanden solche Maschinen. Fig.
197 zeigt das Ausheben der
Masseln und Fig. 198 das Brechen
derselben nach einer Darstellung
von John S. Kennedy3).


Da man das Bessemer- und
Thomasroheisen jetzt meist flüssig
den Konvertern zuführt, so sind
hierzu besondere Gieſspfannen-
wagen erforderlich. Fig. 199 (a. f.
S.) zeigt einen solchen, wie er auf
der Cambriahütte und anderen
amerikanischen Eisenwerken 1897
gebräuchlich war. Henry D.
Hibbard in High Bridge, New
Jersey, hat 1893 eine bewegliche

Figure 199. Fig. 198.


[490]Hochöfen.

Figure 200. Fig. 199.


Figure 201. Fig. 200.


[491]Hochöfen.
Drehscheibe (Fig. 200 1) erfunden, in welche er das flüssige Roheisen
einflieſsen läſst, um sandfreie Masseln zu erhalten.


1896 wurde ein von Ed. A. Uehling erfundener Apparat zum
Gieſsen und Transportieren der Masseln 2) von der Carnegie-Gesell-
schaft auf dem Lucyofen bei Pittsburgh eingeführt: Er bestand

Figure 202. Fig. 201.


aus einem wenig geneigten Paternosterwerk, dessen Becher die
Masselformen bildeten, in die das flüssige Roheisen aus dem
Hochofen mit Hülfe einer groſsen Gieſspfanne geleitet wurde. Die
endlose Kette mit den Masselformen bewegt sich langsam weiter,
das Eisen wird gekühlt, erstarrt und gelangt am Ende auf ein
rechtwinklig laufendes Transportband, das die Masseln den Eisen-
bahnwagen zuführt und sie in diese fallen läſst. Fig. 201 zeigt
die Anlage. A ist der Hochofen, B die fahrbare Gieſspfanne, die
durch die T-förmige Rinne C das flüssige Eisen der paarweise
angeordneten Gieſsvorrichtung D D', die sich in der Pfeilrichtung
bewegt, zuführt. Die Geschwindigkeit beträgt 4½ m in der Minute,
[492]Hochöfen.
und da die Länge der Kette von einer Trommel zur anderen 27 m
beträgt, so braucht jede Massel sechs Minuten, bis sie auf das
Transportband M, das sie den Eisenbahnwagen zuführt, gelangt.
Hierbei passieren sie den Wasserbehälter M1, wodurch die Abkühlung
beschleunigt wird. Die zurückkehrenden leeren Masselformen werden
durch eine Vorrichtung bei N mit Kalkmilch bespritzt, um das An-
haften des Eisens zu vermeiden. Diese Einrichtung hat sich bewährt
und wurde auch auf dem von derselben Gesellschaft erbauten groſsen
Duquesne-Ofen eingeführt.


Figure 203. Fig. 202.

Fig. 202 zeigt die Uehlingsche Vorrichtung zum Gieſsen, Fort-
bewegen und Verladen der Masseln.


Das hier angewendete Verfahren des Transports durch endlose
Ketten ist in den Vereinigten Staaten vielfach in Anwendung.


Eine ähnliche von David Baker in Chicago 1898 erbaute Vor-
richtung hat kippbare Masselformen und Wasserkühlung, wodurch
Entleerung und Verladung beschleunigt werden.


Howden führte bei den Hochöfen der Cambria-Eisengesellschaft
dieselbe Konstruktion zum Schlackentransport ein.


Hibbards Zellenrad wurde von R. W. Davies in ähnlichem
Sinne verbessert (D. R. P. Nr. 108703) 1). Die Masselformen an der
Peripherie sind doppelseitig und drehbar und entladen die Masseln in
einen Trichter, der sie den Eisenbahnwagen zuführt 2). Eine ähnliche
ringförmige Gieſsmaschine hat Erskine Ramsay neuerdings erfunden.


[493]Hochöfen.

Der von J. W. Miller in London 1899 patentierte endlose
Gieſstisch (D. R. P. Nr. 107703) ist der Uehlingschen Maschine
ähnlich. Auch K. Orth in Donawitz hat eine Roheisen-Gieſs-
vorrichtung erfunden 1).


Je gröſser die Hochöfen wurden und je mehr ihre Tageserzeugung
stieg, um so wichtiger wurde der Materialientransport, wofür immer
groſsartigere Anlagen erfunden wurden, besonders in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika. Doch folgten bald auch die groſsen
Hüttenwerke Europas diesem Beispiel. Hierzu gehören z. B. die Draht-
seilbahnen zu Rümelingen in Luxemburg und zu Krompach in Ungarn 2),
von J. Pohlig erbaut, die Gichtseilbahn der Maximilianshütte zu
Unterwellenborn von Bleichert \& Co., die fahrbaren Dampfkranen
auf Portalgerüsten der Dortmunder Union, die fahrbaren Ent- und
Beladebühnen vielfach mit elektrischem Betriebe, die den Lauf-
kranen nachgebildeten riesigen Entladevorrichtungen, worunter die
amerikanischen von Hunt den gröſsten Beifall gefunden haben. Solche
sind auf deutschen Hütten von J. Pohlig ausgeführt zu Kratzwieck
bei Stettin und auf der Vulcanhütte bei Duisburg. Bemerkenswert
sind die Vorrichtungen zum Entladen ganzer Eisenbahnwagen von
Akron \& Co. in Buffalo 3).


In der Verwertung der Hochofenschlacken sind ebenfalls
in den letzten 25 Jahren groſse Fortschritte gemacht worden. Die
Schlackenwolle hat zwar den Hoffnungen nicht immer entsprochen und
wurde die Fabrikation derselben auf den meisten Hütten wieder ein-
gestellt, um so mehr bewährte sich die Granulation, die Fabrikation
von Schlackensand und die Verarbeitung derselben zu Schlacken-
steinen und zu Schlackencement 4).


Lowthian Bell wollte Anfang der achtziger Jahre noch nicht
zugeben, daſs eine Erhöhung der Windtemperatur über etwa 530° C.
einen entsprechenden Nutzen bringe; Howden wies aber an einem
Beispiel nach, daſs die Erhöhung der Windtemperatur von 532 auf
768° C. eine Produktionsvermehrung um 60 Tonnen pro Woche und
Koksersparnis von 100 kg pro Tonne ergab.


W. Howdens Schmelzversuche bei verschiedenen Windtempe-
raturen in demselben Hochofen ergaben nachstehendes Resultat:


[494]Hochöfen.

Der heiſse und gepreſste Wind ist das wichtigste Mittel für
einen guten Betrieb des Hochofens. Durch Erhöhung oder Verminde-
rung der Windtemperatur und der Pressung regelt man den Ofen-
gang und die Produktion. Die Apparate für die Winderhitzung haben
wir oben beschrieben; die steinernen, in denen man den Wind leicht
auf ca. 800° erwärmen konnte, fanden immer mehr Anwendung. Die
älteren Cowper-Apparate wurden anfangs durch die Winderhitzer
von Whitwell verdrängt, die namentlich auf dem europäischen
Kontinent vorgezogen wurden. In Deutschland wurden 1881 24 Hoch-
öfen mit Whitwell- und nur drei mit Cowper-Apparaten betrieben.
Indes genügten auch die älteren Whitwell-Apparate bald nicht mehr,
da sie zu wenig Heizfläche hatten. Man verbesserte sie Anfang der
achtziger Jahre dadurch, daſs man sie beträchtlich erhöhte und die
Anzahl der Schlangenwindungen verminderte. Trotzdem konnten sie
sich gegen die verbesserten Cowper-Apparate auf die Dauer nicht
halten. Die Windtemperatur ist in den letzten 25 Jahren im Durch-
schnitt von 500° C. auf 800° C. durch die steinernen Winderhitzer
gestiegen. Je heiſser der Wind zugeführt wird, je vollständiger voll-
zieht sich die Verbrennung vor den Formen, je höher ist die Tempe-
ratur im Schmelzraum. Dadurch, daſs der Sauerstoff des Windes vor
und über den Formen vollständig mit Kohle verbrennt, findet keine
Wärmeentwickelung im Ofenschacht statt, kein Oberfeuer und es tritt
die auffallende Erscheinung ein, daſs die Gichtgase um so kälter den
Ofen verlassen, je heiſser der Wind ist. Nach J. Wolters’ Versuchen
1875 betrug die Wärme der Gichtgase bei 200° warmem Wind 180°,
bei 400° 160°, bei 600° 140°, bei 800° 120°, bei 1000° nur 100° C. Es
resultiert also eine viel bessere Ausnutzung der Wärme.


Das Trocknen des Windes wurde schon empfohlen von Fryer in
Colefort (Glocestershire) 1890 und von W. Henry in Amerika 1891.


Bei Störungen und Versetzungen im Hochofen blies man mit dem
Winde öfters feste oder gasförmige Substanzen ein. Alberts zu
Aplerbeck konstruierte 1878 hierfür einen Apparat. In Nordamerika
[495]Hochöfen.
bediente man sich einer Art von Petroleumlötrohr zum Wegschmelzen
von Ansätzen, welches Kapitän Jones auf den Edgar-Thomsonwerken
1885 eingeführt und, nachdem die Hochöfen von Ende Dezember 1885
bis 20. Januar 1886 infolge eines Arbeiterausstandes gedämpft gewesen
waren, mit Erfolg angewendet hat. Zu Schwechat spritzte Toldt
1884 Petroleum mit einer Feuerspritze ein. Pughs Apparat wurde
schon S. 488 erwähnt.


Mit der Gröſse der Öfen und der Temperatur des Windes steigerte
man auch die Pressung. Der Druck des Windes ist in erster Linie
von der Art des Brennmaterials abhängig. Holzkohlen gestatten nur
eine schwache, Anthracitkohlen verlangen eine starke Pressung.


Wedding gab 1868 den Überdruck des Windes pro Quadrat-
centimeter



an 1).


Bei den Kokshochöfen wächst die Pressung mit der Festigkeit der
Koks und der Höhe der Öfen, sie ist aber auch abhängig von der Natur
der Erze. Bei reicher, gutschmelziger Beschickung ist ein gröſserer
Winddruck zulässig als bei armen, schwer schmelzenden Erzen.


1883 blies man auf der neuen Hochofenhütte zu Schalke in
Westfalen 1 cbm Wind auf 1 cbm Ofenraum in der Minute; in Seraing
rechnete man 5 cbm pro Minute und Tonne der Tagesproduktion.


Im Clevelanddistrikt in England, wo man eine geringhaltige Be-
schickung verschmolz, betrug die Windpressung 1878 nach Thomas
Whitwell
0,2 bis 0,3 kg auf den Quadratcentimeter. Sie stieg von
Mitte der siebziger Jahre bis 1894 von 0,24 kg bis auf 0,37 kg;
gleichzeitig stieg die Temperatur des Windes von 450° C. auf 750° C.
Bei Hämatiterzen bläst man jetzt in England durchschnittlich mit
0,47 kg auf den Quadratcentimeter.


Mit noch viel stärkerem Winddruck arbeitete man in den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika seit Einführung des forcierten
Betriebes. Bei dem am 14. Januar 1880 angeblasenen Kokshochofen
der Edgar-Thomson-Werke, dem ersten „Schnellofen“, von 24,50 m
[496]Hochöfen.
Höhe und 6 m Rast blies man mit 580 mm Quecksilber oder 0,7 kg
pro Quadratcentimeter und zwar durch acht Düsen von 15 cm Durch-
messer. Solche Windmassen waren bis dahin noch niemals in einen
Ofen geblasen worden. Um 1886 blies man in den Vereinigten Staaten
(nach Hartmann) in die Koksöfen von 400 bis 450 cbm Inhalt
750 cbm Wind von 700 bis 800° C. pro Minute. Durch das über-
mäſsige Blasen wurden allerdings auch die Hochöfen rasch zusammen-
geschmolzen. Infolgedessen trat eine Reaktion ein und man ver-
ringerte das Windquantum etwas. Die durchschnittlichen Windmengen
bei den groſsen amerikanischen Öfen betrugen nach Wedding 1880
840 cbm, 1885 616 cbm, 1889 700 cbm pro Minute. Bei den neuen
groſsen Öfen (Duquesne, Lorain) arbeitet man aber mit noch viel
gröſseren Windmengen und Pressungen. Zu Lorain hat jeder Hoch-
ofen zwei Gebläsemaschinen, von denen jede über 1400 cbm in der
Minute bei 1,76 kg Pressung auf den Quadratcentimeter liefern kann.
Der Wind strömt durch 16 Formen von 152,4 mm Weite in den Ofen.


In Deutschland und auf dem Kontinent überhaupt blies man
meistens viel schwächer, wie aus der nachfolgenden Vergleichung eines
Hochofens zu Gleiwitz und des amerikanischen Lucyofens deutlich zu
ersehen ist.


Indessen gab es später auch in Deutschland Werke, welche ähn-
liche Zahlen, wie viele nordamerikanische Öfen aufwiesen. Bei einem
Hochofen der Ilseder Hütte blies man 1893 mit einer Pressung von
0,510 bis 0,515 kg pro Quadratcentimeter mit sechs Düsen von 180 mm
Durchmesser 600 bis 700 cbm Wind in der Minute.


In den Vereinigten Staaten blies man auch bei Holzkohlenhoch-
öfen mit einer Pressung von 285 mm Quecksilber (Hinkle furnace der
Ashlandgesellschaft 1).


In den Anthracitöfen Nordamerikas hat man die Windpressung
zuweilen bis 1 kg pro Quadratcentimeter gesteigert.


Aus den mitgeteilten Zahlen ersieht man zugleich, wie sehr sich
[497]Hochöfen.
in einzelnen Fällen die Düsenweite gegen früher vergröſsert hat. Auf
der Ilseder Hütte bläst man bei sechs Formen mit Düsen von 180 mm
Durchmesser, während vor 1870 die Düsen bei mehr als drei Formen
in der Regel nur 60 bis 100 mm weit waren und man nur in Belgien
zeitweilig mit Düsen von 120 mm Durchmesser in Kokshochöfen ge-
blasen hatte.


In den Vereinigten Staaten glaubte man durch eine beträchtliche
Vermehrung der Zahl der Windformen einen besonderen Vorteil zu
haben. In Alabama steigerte man die Zahl der Formen von 8 auf 16
und sogar auf 24. Die Vermehrung auf 24 hatte gar keinen Vorteil,
die auf 16 erhöhte die Produktion, veranlaſste aber ein schnelleres
Wegschmelzen der Rast. Die Zustellung mit 16 Formen wurde
indessen bei den neuen groſsen Öfen in Ensley und auf anderen
Werken beibehalten.


Dem Ensleyofen wurden (1899) durch die 16 Formen 849,5 cbm Wind
in der Minute zugeführt. Ein Versuch mit 24 Formen fiel auch hier
ungünstig aus. Man ging auf 12 Formen zurück und nahm diese von
175 mm Weite. Dabei ergab sich bei Roheisen für basischen Martin-
betrieb eine Ersparnis an Brennmaterial. Die neuen Hochöfen in
Südruſsland haben ebenfalls 12 Formen.


Im allgemeinen hatte sich durch das stärkere Blasen das Durch-
satzquantum vermehrt und die Durchgangszeit vermindert. In Europa
war sie in den 30 Jahren vor 1884 von 84 Stunden auf 36 Stunden
heruntergegangen 1).


Der Wind ist die Lebensluft des Hochofens, der durch die Ver-
brennung des Brennstoffes die Wärme und die Gase erzeugt, welche
für die metallurgischen Vorgänge im Ofen notwendig sind. Man hat
diese Vorgänge sowohl als wie die Ausnutzung und den Verbrauch
der Wärme im Ofen in den letzten 25 Jahren gründlich studiert und
dadurch gröſsere Klarheit über den Hochofenprozeſs erlangt. Diese
Untersuchungen erstreckten sich auf die Zusammensetzung der Gase
in verschiedener Tiefe, auf Wärmemessungen und auf die Ermittelung
der erzeugten und verbrauchten Wärmemengen, also auf die Wärme-
ökonomie.


Eine hervorragende Arbeit über die chemische Zusammen-
setzung der Gase
in verschiedener Höhe des Hochofens wurde
1871/72 von Schöffel und Kuppelwieser an einem Holzkohlen-
hochofen zu Eisenerz vorgenommen, auf deren Ergebnis wir später
Beck, Geschichte des Eisens. 32
[498]Hochöfen.
zurückkommen. — Von Gichtgasanalysen erwähnen wir die von den
Kokshochöfen des Phönix bei Ruhrort von Stockmann 1875, ver-
schiedener schwedischer Hochöfen von Rinmann 1877, von Cleveland-
öfen von Bell 1882, von Luxemburger Hochöfen von Greit 1890.


Carl Schinz in Deutschland, L. Gruner in Frankreich und
Lowthian Bell in England hatten in den sechziger Jahren fast
gleichzeitig und unabhängig voneinander auf die groſse Bedeutung
der Wärmevorgänge im Hochofen hingewiesen und durch ihre Be-
trachtungen und Untersuchungen einen Umschwung in der Auffassung
des Hochofenprozesses herbeigeführt. Bis dahin hatte man die Vor-
gänge im Ofen fast ausschlieſslich als chemische Reaktionen betrachtet,
während besonders Schinz mit Recht darauf hinwies, daſs die ganze
Ökonomie des Hochofenprozesses doch nur in der zweckmäſsigen Aus-
nutzung der durch die Verbrennung der Kohlen erzeugten Wärme
bestehe. Schinz’ Ansichten, die anfangs bekämpft wurden, weil er
sie in heftiger, aggressiver Sprache vortrug, und weil er nicht eigent-
lich Fachmann war, wodurch ihm viele falsche Behauptungen mit
unterliefen, blieben siegreich und haben einen groſsen Einfluſs auf die
Theorie des Hochofenprozesses in den folgenden Jahrzehnten gehabt.
Hierzu trugen aber besonders die bahnbrechenden praktischen Unter-
suchungen von J. L. Lowthian Bell in England bei, welche der-
selbe 1869 im Zusammenhang veröffentlichte und die 1870 von
P. Tunner unter dem Titel: „Über die Verwendung der Wärme in
Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen“ deutsch herausgegeben
wurden. Bell ging dabei von dem Vergleich eines älteren kleinen
Hochofens von 48 Fuſs Höhe und eines neuen groſsen von 80 Fuſs
Höhe im Clevelandbezirk aus. Indem er die Koksersparnis möglichst
genau zu ermitteln suchte, kam er zu einer genauen Berechnung
der erzeugten und verbrauchten Wärme in Kalorien-Centner und
indem er diese in kaufmännischer Weise als Soll und Haben
gegenüberstellt, kommt er zur Aufstellung der „Wärmebilanz“, ein
Begriff, der sich seitdem bei der Betrachtung des Hochofenbetriebes
allgemein eingebürgert hat. Das praktische Ergebnis der damaligen
Untersuchung Bells bestand darin, daſs der Ofen von 80 Fuſs Höhe
gegenüber dem von 48 Fuſs Höhe eine Koksersparnis von 6,60 Centner
pro Tonne ergab, daſs aber eine noch weitere Erhöhung der Öfen
keine entsprechenden Vorteile erkennen lieſs.


In geistvoller, wissenschaftlicher Weise verarbeitete M. L. Gruner
1872 in seinen „Analytischen Studien über den Hochofen“ die Resultate
Bells und trug dadurch wesentlich zu einer richtigeren Auffassung
[499]Hochöfen.
des Hochofenprozesses bei. C. Schinz und Lowthian Bell setzten ihre
Studien über die Wärmeverhältnisse im Hochofen fort. Schinz ver-
öffentlichte 1871 seine „Studien über den Hochofen“ und Lowthian
Bell
faſste die Ergebnisse seiner zahlreichen Untersuchungen und
Beobachtungen in der 1884 herausgegebenen Schrift: Principles of
the manufacture of iron and steel, with some notes on the economic
conditions of their production zusammen. Fast gleichzeitig mit
Gruners Studien erschien eine ähnliche Schrift des berühmten
schwedischen Metallurgen R. Åkerman, welche Tunner 1872 unter
dem Titel: „Studien über die Wärmeverhältnisse des Eisenhochofen-
prozesses“ in deutscher Übersetzung herausgab. 1878 veröffentlichte
J. Wolters1) eine Arbeit über belgische Hochöfen.


Sowohl die Wärmemessungen als die chemischen Untersuchungen
der Gase des Hochofens hatten ergeben, daſs bei richtigem Gang des
Hochofens die Verbrennung der Kohle zu Kohlenoxydgas möglichst
vollständig vor den Formen im Gestell vor sich gehen muſs und daſs
das gebildete Kohlenoxyd in dem aufsteigenden Gasstrom die chemi-
schen Veränderungen der Erze bis zur Roheisenbildung bewirkt. Ein
geringer Überschuſs von Sauerstoff in Gestalt von Kohlensäure oder
freiem Sauerstoff vor oder dicht über der Form, den die meisten Gas-
untersuchungen nachgewiesen haben, ist für den weiteren Verlauf des
Hochofenprozesses unwesentlich, weil derselbe in kurzer Entfernung
über der Form durch Verbrennung eines weiteren Anteils Kohle zu
Kohlenoxydgas verschwindet. Für die Konzentration der Hitze vor
den Formen und die Energie der Schmelzung selbst ist es dagegen
von Wichtigkeit, daſs die Verbrennung der Kohle zu Kohlenoxyd
durch den Wind möglichst vollständig geschieht und der Überschuſs des
Sauerstoffs möglichst rasch verschwindet. Diese wird gefördert durch
das Vorwärmen des Windes und der wichtigste Nutzen der Wind-
erhitzung besteht in der intensiveren Verbrennung vor der Form, der
Konzentration der Verbrennung und damit der bedeutend gröſseren
Wärmeentwickelung in der Schmelzzone. Die Entwickelung von
Kohlensäure in dem oberen Teile des Ofens erfolgt durch die Reduktion
der Erze und durch Austreibung aus Karbonaten in der Beschickung.
Der Kohlensäuregehalt nimmt also in dem aufsteigenden Gasstrome
zu. Ein Teil der entwickelten Kohlensäure wird in Berührung mit
glühender Kohle wieder zu Kohlenoxydgas reduziert und zwar um so
32*
[500]Hochöfen.
mehr, je gröſser die Hitze im Schacht ist. Auch kann Kohlenstoff
unter Umständen direkt die Reduktion bewirken, was aber einen un-
nützen Mehraufwand von Kohle zur Folge hat, denn das Kohlenoxyd
der Verbrennungsgase reicht aus, die Reduktion der Erze zu bewirken.
Je mehr dies der Fall ist, um so ökonomischer ist der Betrieb. Das
Verhältnis der Menge der Kohlensäure zu dem Kohlenoxydgas in den
Gichtgasen ist deshalb von groſser Wichtigkeit und bildet einen
Maſsstab für den mehr oder weniger guten Gang des Hochofens.


Aus diesem Grunde hat Gruner das Verhältnis als Maſs der
Vollkommenheit des Ofenganges in Vorschlag gebracht. Je höher der
Wert von , desto besser der Ofengang, und die Ermittelung dieses
Verhältnisses in den Gichtgasen giebt ein Maſs der Vergleichung für
den mehr oder weniger guten Betrieb. Nach den Ermittelungen
Bells betrug bei den neuen Hochöfen im Clevelanddistrikt der Wert
von bei gutem Ofengang 0,50 bis 0,70, bei schlechtem Ofengang
nur 0,35 bis 0,40. Der ideale Ofengang — der, bei welchem die
Reduktion der Erze nur durch Kohlenoxydgas der im Gestell erzeugten
Verbrennungsgase erfolgt — würde einem Wert von 1,217 entsprechen.
Dieser ideale Gang wird indessen in einem Hochofen nie erreicht.


Als Maſs für die Zu- oder Abnahme des Sauerstoffs und des Kohlen-
stoffs in dem aufsteigenden Gasstrome dient der Stickstoffgehalt, welcher
als unveränderlich angesehen werden kann. Der Wind führt mit dem
Sauerstoff eine bestimmte Menge Stickstoff dem Ofen zu, welcher un-
verändert die Gicht verläſst. Allerdings findet in der Formgegend eine
Bildung von Cyangas statt und L. Bell hat gefunden, daſs in dem
unteren Teile eines 24 m hohen Ofens 1 cbm Gas 15 g Cyan neben 29 g
Kalium und Natrium enthielt. Beim weiteren Aufsteigen des Gas-
stromes verschwinden aber die Cyanverbindungen wieder, indem sie
an der Kohlung des Eisens, die sie wesentlich befördern, teilnehmen
wobei der Stickstoff wieder frei wird.


Nach diesen Ausführungen werden die nachfolgenden Analysen
und vergleichenden Berechnungen der Gase eines Holzkohlenhochofens
zu Eisenerz von 13,3 m Höhe, welche Schöffel 1872 veröffentlicht
hat 1), verständlich sein und ein deutliches Bild der Veränderungen
der Gase beim Aufsteigen von der Form zur Gicht geben.


[501]Hochöfen.

Die Zusammensetzung der Gase in den verschiedenen Höhen-
querschnitten oder Zonen ist aber ebensowenig gleich, wie die
Temperatur. Dies hatte Rinman1) schon 1866 durch seine Unter-
suchungen der Gase des Hochofens zu Harnäs bei Dannemora von
12,02 m Höhe nachgewiesen. Er fand z. B. in 2,15 m Höhe über der
Form:


Über die Abweichungen der Temperaturen an der Ofenwand und
dem Inneren hat Wiebmer 1874 Untersuchungen bei einem Hochofen
zu Gleiwitz von 13,60 m Höhe veröffentlicht 2), woraus sich die nach-
folgenden Wärmegrade (nach Celsius) ergeben:


[502]Hochöfen.

Die Schwankungen in der Zusammensetzung der Gase zwischen
Wand und Mitte, sowie die Schwierigkeit des Abfangens der Gase in
gröſserer Tiefe beeinträchtigen den Wert der Gasuntersuchungen des
aufsteigenden Gasstromes in verschiedenen Höhen für die Praxis.


Infolgedessen hat diese Art der Untersuchungen der Hochofen-
gase abgenommen, die der Gichtgase, besonders die Ermittelung des
Wertes , aber zugenommen. Es gilt als genügend, die dem Hoch-
ofen zugeführten und die abgeführten Stoffe genau zu kennen, um
ein richtiges Bild des Schmelzganges zu bekommen. Diese Ergebnisse
brachte man dann in Verbindung mit der Ermittelung der Wärme-
erzeugung und des Wärmeverbrauchs, d. h. mit der Wärmebilanz.


J. Lowthian Bells Abhandlung über die Wärme in Eisenhoch-
öfen von 1869, welche 1870 von P. Tunner übersetzt wurde, regte,
wie erwähnt, viele hervorragende Metallurgen zur Nacheiferung und
zu ähnlichen Untersuchungen an.


Richard Åkerman veröffentlichte 1871 im Jern-Kontoret
Annaler seine „Studien über die Wärmeverhältnisse des Eisenhoch-
ofenprozesses mit besonderer Berücksichtigung auf den hierbei geübten
Einfluſs des erhitzten Windes“ und schwedischer Verhältnisse. Bald
darauf erschienen M. L. Gruners analytische Studien 1), L. Bells
Chemical phenomena of iron smelting 2), R. Kuppelwiesers und
R. Schöffels Beiträge zum Studium des Hochofenprozesses durch
direkte Bestimmungen 3), eine Fortsetzung von Tunners Versuchen
von 1860/62, wobei aber nicht nur die Temperaturveränderungen,
sondern auch die Veränderung der Gase beim Emporsteigen und der
Beschickung beim Niedergang untersucht wurden. Eine vortreffliche
Arbeit veröffentlichte F. Friderici4) 1882 über einen Holzkohlen-
ofen zu Vordernberg, desgleichen Gordon5) 1887 über amerikanische
Öfen, insbesondere über einen Hochofen zu Nord-Chicago. Ferner
erwähnen wir die Arbeiten von Wolters (1876), Schellhammer
(1882), C. Cochrane (1882), Fr. Dürre (1885), J. Gayley (1890),
Paul Gredt (1890), Wedding (1892).


[503]Hochöfen.

Gruner1) hat mit besonderer Klarheit die Berechnung der
Wärmeelemente im Hochofen dargelegt und durch Beispiele erläutert.
Die Wärmeerzeugung wird berechnet aus der Verbrennung der Kohle
zu Kohlensäure und Kohlenoxyd und der Wärmezufuhr durch den
erhitzten Wind; der Wärmeverbrauch 1. aus der für Reduktion und
Schmelzung des Roheisens erforderlichen Wärme; 2. aus der durch
die Schlackenschmelzung, Zersetzung des Kalksteins, Verdunstung des
Wassers in der Beschickung und Zersetzung des Wasserdampfes im
Gebläsewind; 3. aus der mit den Gasen fortgeführten fühlbaren
Wärme; 4. aus der durch Ausstrahlung der Ofenwände und durch die
Kühlvorrichtungen entzogenen Wärme.


Die Berechnung der Wärmeerzeugung ist leicht, wenn das Ver-
hältnis in den Gichtgasen bekannt ist. Der zu Kohlensäure
verbrannte Anteil Kohlenstoff hat 8080 W.-E., der zu Kohlenoxyd ver-
brannte 2473 W.-E. erzeugt. Die Wärmezufuhr durch die Gebläse-
luft ergiebt sich aus der Windtemperatur und der Windmenge; die
sich ergebenden Zahlen werden durch die Produktion dividiert, um
sie auf die Gewichtseinheit zurückzuführen.


Nicht ganz so sicher ist die Berechnung des Wärmeverbrauchs.


Für die Reduktion der Eisenerze nahm Gruner für das Eisen
aus Eisenoxyd 1774 Cal., für andere Körper (Silicium, Phosphor u. s. w.)
210 Cal., zusammen 1984 Cal. an; für die Schmelzung von grauem
Roheisen nach de Vathaire2) 330 Cal.; für das Schmelzen der
Schlacken 550 Cal. 3), ebenfalls nach de Vathaire; für die Zersetzung
des Kalkes 373,5 Cal. nach Favre und Silbermann; für die Ver-
dunstung des Wassers 605,5 Cal. nach Regnault; für die Zersetzung
des Wassers auf 1 kg 3222 Cal.


Für die fühlbare Wärme, welche die Gase mit fortführen, er-
mittelte Gruner nach den von Regnault ermittelten Werten eine
Durchschnittsziffer von 0,237 Cal. für 1 kg, für Wärmestrahlung
186 Cal., für die Wässerkühlung 93 Cal., zusammen 279 Cal. für 1 kg
Roheisen nach L. Bell.


Diese Ziffern sind durch spätere Untersuchungen teils von Gruner
selbst, teils von anderen teilweise modifiziert worden 4). So fand
[504]Hochöfen.
Gruner die Schmelzwärme von grauem Roheisen zu 280 bis 285 Cal.,
bei weiſsem zu 260 bis 265 Cal.; die Schmelzwärme der Schlacken
bei grauem Roheisen zu 500 Cal., bei weiſsem zu 450 Cal. Die Ver-
dampfungswärme des Wassers beträgt 536 Cal. Die Zerlegungswärme
des kohlensauren Kalkes beträgt nach Thomson (1880) 425 Cal. 1).


Aus Gruners Wärmebilanzen der Hochöfen von Clarence,
Ormesby und Consett ergiebt sich der Wärmeverbrauch:


Die Wärmebilanz giebt einen sicheren Maſsstab des Schmelz-
betriebes bei demselben Ofen und derselben Beschickung, sie giebt
eine gute Vergleichung für gleichartige Betriebe, dagegen weichen die
Wärmeziffern oft weit voneinander ab bei ungleichartigen Betrieben,
z. B. bei Holzkohlen und Koks, bei weiſsem und grauem Eisen u. s. w.


In der nachstehenden Tabelle geben wir eine vergleichende
Wärmebilanz von drei Hochöfen des Clevelanddistriktes nach L. Bell
(1869) und eines Hochofens (Nr. 7) von North-Chicago von Gordon
(1887). Die Form der Bilanz ist die von Bell und Gruner ein-
geführte.


[505]Hochöfen.

Übersichtlicher ist die Wärmebilanz in der gebräuchlichen kauf-
männischen Form. Als Beispiel diene die des Holzkohlenhochofens
Nr. 2 zu Vordernberg, welcher auf weiſses Puddeleisen ging, nach den
Ermittelungen Fridericis 1882:


[506]Hochöfen.

Friderici hat sich aber nicht darauf beschränkt, die Wärme-
bilanz dieses Ofens aufzustellen, sondern er hat ebenso die Mengen
und Zusammensetzung sämtlicher dem Ofen zugeführter Schmelz-
materialien, einschlieſslich der Gebläseluft, sowie sämtlicher End-
erzeugnisse ermittelt und gegenübergestellt, wodurch ein noch viel
klareres Bild des Schmelzbetriebes gewonnen wird, doch müssen wir
uns damit begnügen, auf die Abhandlung zu verweisen.


Nach Fridericis Angaben ist das Verhältnis in den Gichtgasen
bei Holzkohlenhochöfen günstiger als bei Kokshochöfen; es betrug bei
Vordernberg II , in Vordernberg III , bei den Clevelandöfen
dagegen .


J. L. Bell1) machte 1882 nach den Angaben Åkermans folgende
vergleichende Zusammenstellung schwedischer Holzkohlenöfen und
nordenglischer Kokshochöfen für 100 kg Roheisen.


Demnach erforderten die Kokshochöfen zu Cleveland an 30 Pro-
zent mehr Wärme als die schwedischen Holzkohlenöfen, welche reiche
Hämatite und Magnetite verschmolzen, für die gleiche Menge Roh-
eisen.


[507]Hochöfen.

J. Lowthian Bell hat 1884 eine Vergleichung der Wärme-
bilanzen eines mit roher Steinkohle betriebenen Hochofens zu Brock-
well in Durham mit einem Kokshochofen in Cleveland angestellt 1).
Bei dem Brockwell-Ofen war das Verhältnis von CO2 : CO in den
Gichtgasen = 1 : 4,62. Die Temperatur der Gichtgase betrug 190° C.,
die des Gebläsewindes 427° C.; auf 100 Roheisen wurden 212 Stein-
kohle mit 113,2 Kohlenstoffgehalt verbraucht. Im Kokshochofen ver-
brannten 111,6 Koks auf 100 Roheisen.


[508]Hochöfen.

Oskar Simmersbach stellte die Wärmebilanz eines westfälischen
Hochofens im Jahre 1895 graphisch in Fig. 203 dar.


Die Wärmebilanz wird am meisten durch die Reichhaltigkeit der
Beschickung beeinfluſst. Aus obiger Zusammenstellung von Gordon
ist zu ersehen, daſs der amerikanische Ofen mit seiner reichen Be-

Figure 204. Fig. 203.


schickung nur 19,4 Cal. für 1 kg erzeugtes Roheisen erforderte, während
die drei englischen Öfen mit armer Beschickung 94,7 bis 92,3 und
55,9 Cal. brauchten.


H. Wedding1) hat berechnet, daſs der Wärmeaufwand für das
Schmelzen der Schlacken bei sehr reichen Erzen bis auf 209 W.-E.
sinken, bei sehr armen Erzen bis auf 7330 W.-E. steigen kann. Der-
selbe nimmt einen Wärmeverbrauch im Hochofen von 4500 W.-E. auf
1 kg Roheisen hierfür als normalen Durchschnitt an, während ein
Verbrauch von etwa 5000 W.-E. und darüber einen schlechten
Schmelzbetrieb anzeige.


Über die Bildungstemperaturen der Hochofenschlacken hat Paul
Gredt
1889 Untersuchungen veröffentlicht 2).


[509]Hochöfen.

Am unsichersten ist bis jetzt noch die Ermittelung der Wärme-
verluste durch Strahlung und Leitung, welche in der Regel aus der
Differenz ermittelt worden sind. Direkte Messungen sind höchst
schwierig und bis jetzt noch nicht ausgeführt. Wedding kommt aber
bei seiner Berechnung der Wärmeverluste bei Hochöfen zu dem Schluſs,
daſs die englischen und amerikanischen Angaben zu niedrig und des-
halb unrichtig sein müssen.


Hohe Produktion von Roheisen und niedriger Kohlenverbrauch auf
das erzeugte Eisen sind die Hauptziele eines guten Hochofenbetriebes.
Dieselben sind zwar zunächst abhängig von der Reichhaltigkeit der Erze
und der Natur des Brennstoffs; wie groſse Fortschritte aber verbesserte
Betriebseinrichtungen herbeiführen können, haben die Erfolge der
letzten 25 Jahre glänzend bewiesen. Diese lassen sich am deutlichsten
erkennen, wenn man die Fortschritte der gleichen Gebiete vergleicht.


Den Eisenindustriellen des Clevelanddistriktes in Nordengland
gebührt der Vortritt, denn von ihnen gingen die Verbesserungen aus,
welche die Fortschritte im Hochofenbau und -betriebe in anderen
Ländern angeregt haben. Die glanzvollste Entwickelung der Eisen-
industrie Clevelands fällt zwar in das vorausgegangene Jahrzehnt,
doch marschierte sie auch noch in den folgenden 25 Jahren an der Spitze
des Fortschritts. Von 1871 bis 1890 nahm die Eisenproduktion von
Cleveland von 1823294 Tonnen bis 2846089 Tonnen zu. 1872 wurden
6300000 Tonnen einheimische Erze zu 1920000 Tonnen Roheisen
verschmolzen. 1891 wurden nur 5300000 Tonnen einheimische Erze
auf 1493000 Tonnen Roheisen, daneben aber noch 2260000 Tonnen
importierte Erze, wovon 2100000 Tonnen aus Spanien kamen, auf
1330000 Tonnen Eisen verschmolzen. Da die Clevelanderze arm sind
und nur 30 Prozent Eisen im Durchschnitt enthalten, so war die
Erzeugung der einzelnen Öfen lange nicht so hoch als die der groſsen
amerikanischen Öfen. Sie betrug im Durchschnitt 300 Tonnen in der
Woche, der Consettofen lieferte allerdings 850 Tonnen, die ameri-
kanischen dagegen 1128 Tonnen die Woche.


Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, welche über-
raschenden Fortschritte die Hochofenproduktion in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika
in diesem Zeitraum gemacht hat 1),
hauptsächlich veranlaſst durch das rasche Erblühen der Bessemer-
[510]Hochöfen.
stahlfabrikation. Bei den vorzüglichen reichen Erzen von durch-
schnittlich bis zu 60 Prozent Eisengehalt im Möller war es nicht zu
verwundern, daſs groſse Öfen mit starken Gebläsen hohe Produktionen
gaben. So brachte es Struthers Ofen, Ohio, 1872 bereits auf eine
höchste Monatsproduktion von 2064 Tonnen, und eine höchste Tages-
produktion von 66,6 Tonnen. Isabellaofen Nr. I bei Pittsburg von
22,86 m Höhe, 6,10 m Kohlensackweite und 42,5 cbm Inhalt erzielte
zwischen 1876 und 1880 eine durchschnittliche Monatsproduktion von
2300 Tonnen und eine Tagesproduktion von 76 Tonnen bei
Koksverbrauch. Der Lucyofen von gleicher Höhe und Weite des
Kohlensacks und 436 cbm Inhalt brachte es sogar 1878 zu einer
höchsten Monatserzeugung von 3338 Tonnen und einer Tagesleistung
von 119,10 Tonnen bei Koksverbrauch. Sensation erregte es
aber, als man 1880 auf den Edgar-Thomson-Werken mit einem ver-
hältnismäſsig kleinen und engen Hochofen von 19,80 m Höhe, 8,96 m
Kohlensackweite und 181 cbm Inhalt eine Monatsproduktion von
2226 Tonnen, eine Wochenproduktion von 682 Tonnen und eine
Tagesproduktion von 97,5 Tonnen erzielte. Die Ursache lag nur in
der besseren Windgebung. Zwei stehende Gebläse führten dem
Ofen 425 cbm Wind in der Minute zu, welcher an den Formen 0,44 kg
pro Kubikcentimeter Winddruck zeigte und durch drei Siemens-
Cowper-Cochrane-Winderhitzer auf 565° C. erwärmt wurde. Dabei war
der Koksverbrauch ein sehr günstiger: im ersten Monat , im
fünften Monat .


Dieser glänzende Erfolg gab das Signal für ein förmliches Wett-
blasen auf den amerikanischen Hütten, wobei man aber als Ziel nur
die höchste Produktion, durchaus nicht den vorteilhaftesten Betrieb
im Auge hatte. Bei dem Ofen Nr. II der Edgar-Thomson-Werke
nach dem Muster von Nr. I, nur höher und weiter gebaut (mit
506 cbm Inhalt), wendete man zum erstenmal eine Gestellweite von
3,35 m an. Der Ofen, der April 1880 angeblasen wurde, erzeugte im
dritten Monat 4387 Tonnen; im siebenten Monat 4798 Tonnen bei
Koksverbrauch. Allerdings hatte man die eingeblasene Wind-
menge hierbei bis auf 850 cbm in der Minute gesteigert. Hierdurch
wurde der Ofen rasch ausgefressen, der Koksverbrauch steigerte sich
[511]Hochöfen.
bis auf , während die Produktion sank. Nach zwei Jahren und
fünf Monaten muſste der Ofen, der in dieser Zeit 113860 Tonnen
Roheisen mit Koks erzeugt hatte, ausgeblasen werden. Bei
einem anderen Ofen desselben Werkes von ca. 600 cbm Inhalt, welcher
1884 angeblasen wurde, steigerte man die Windmenge auf 935 cbm
in der Minute; dabei erzielte man eine Monatsproduktion von
5080 Tonnen, aber mit einem Koksverbrauch von .


In ähnlicher Weise ging man auf den übrigen amerikanischen
Hütten vor. Das „Festdrauflosblasen“ oder Raschtreiben (American
rapid driving) wurde leitender Grundsatz, und den besten „Record“
in der Roheisenerzeugung zu erzielen ein förmlicher Sport, wobei man
weder an Brennmaterial sparte, noch die Öfen schonte. Man hielt es
zuletzt beinahe für unmöglich, die Tonne Roheisen in den Vereinigten
Staaten mit weniger als Koks herzustellen.


Gegen diesen rücksichtslosen und verschwenderischen Betrieb
erlieſs 1885 E. C. Potter in Chicago zuerst seinen Warnungsruf,
indem er nachwies, daſs bei vernünftigem Blasen sich sehr wohl hohe
Produktion mit geringerem Koksverbrauch vereinigen lieſse 1). Seitdem
verringerte man die Windmenge und das rasche Treiben der Hoch-
öfen kam in Verruf. Dagegen verbesserte man die Ofenkonstruktion
und die Winderhitzer und kam dadurch zu glänzenden Leistungen.
Die Verbesserungen bei den Hochöfen bestanden in sehr weiten Ge-
stellen (3,35 m) mit besserer Windverteilung, steiler Rast und vor-
züglicher Wasserkühlung, besonders der Rast; die Windwärme steigerte
man von ca. 500° auf 700° C. Um diese Verbesserungen und den
maſsvolleren, ökonomischeren Betrieb haben sich E. C. Potter, der
Erbauer der South-Chicago-Werke, und James Gayley auf den
Edgar-Thomson-Werken groſse Verdienste erworben. Bei dem 1885
angeblasenen Lucy-Hochofen von 472 cbm Inhalt verminderte Gayley
die Windmenge von 880 auf 799 cbm in der Minute, indem er gleich-
zeitig die Windtemperatur auf 650° erhöhte. Dadurch stieg die
Monatsproduktion von 5204 Tonnen auf 6146 Tonnen, während der
Koksverbrauch von 1283 auf 1071 für die Tonne Roheisen sank. Bei
den in den folgenden Jahren von ihm angeblasenen Hochöfen erreichte
[512]Hochöfen.
er noch viel günstigere Resultate, so 1886 in einem Ofen von 560 cbm
Inhalt im vierten Monat nach dem Anblasen eine Monatsproduktion
von 8532 Tonnen mit Koksaufwand und 765 cbm Wind von
650° C. in der Minute. Derselbe Lucy-Ofen lieferte in der folgenden
Reise, welche Ende September 1889 begann, bei etwas engerer Zu-
stellung im Kohlensack und 515 cbm Fassungsraum im Monat April
1890 10236 Tonnen Eisen bei Koksverbrauch. Dies entspricht
einer Tageserzeugung von 341,20 Tonnen. Diese Ergebnisse waren
allerdings, um Sir Lowthian Bells Ausdruck zu gebrauchen,
„staunenswert“. Sie erklären sich zunächst zwar aus der reichen
Beschickung, denn während ein Clevelandofen 1400 kg Schlacke auf
die Tonne Eisen schmelzen muſste, schmolz ein Pittsburgofen nur
536 kg, sodann aber auch aus dem vortrefflichen Zusammenwirken
vorzüglicher Betriebsvorrichtungen. Jeder Hochofen hatte seine eigene
Gebläsemaschine und man blies durchschnittlich mit einer Pressung
von 0,7 kg auf den Quadratcentimeter. L. Bell1) hat (1890) zum
besseren Verständnis des Unterschiedes zwischen dem englischen und
amerikanischen Betriebe eine Vergleichung in Zahlen aufgestellt,
welche die Ursachen der ungleichen Leistungen zweier in gutem
Betriebe befindlicher Öfen aus beiden genannten Bezirken erkennen
lassen.


Leistungen der Hochöfen von


[513]Hochöfen.

Man ersieht hieraus, daſs in Cleveland fast die dreifache Schlacken-
menge auf dasselbe Gewicht Eisen geschmolzen werden muſs.


Die glänzenden Erfolge des amerikanischen Hochofenbetriebes
blieben auch auf den Betrieb der Länder des europäischen Kontinents
nicht ohne Einfluſs, obgleich die günstigen Vorbedingungen hier durch-
aus nicht vorhanden waren, indem man meistens mit armen und
mulmigen oder kleinstückigen Erzen zu thun hatte.


Was insbesondere Deutschland betrifft, so hatte die oberschlesische
Industrie mit so ungünstigen Verhältnissen zu rechnen, daſs sie nicht
daran denken konnte, mit so hohen Öfen und so groſsen Windmengen
zu arbeiten. Die Verschiedenheit erscheint deutlich aus nachstehender
vergleichenden Zusammenstellung eines in gutem Betriebe befindlichen
Hochofens von Gleiwitz mit dem Lucy-Ofen bei Pittsburg, welche
Bergrat Jüngst1) 1891 veröffentlicht hat.


Beck, Geschichte des Eisens. 33
[514]Hochöfen.

In Rheinland und Westfalen hatte die Leistungsfähigkeit
der Hochöfen bedeutend zugenommen, ohne indes den oben mit-
geteilten Zahlen der Öfen von Pittsburg nahe zu kommen. Immerhin
lieferten zwei Hochöfen in Ruhrort im März 1896 in 31 Tagen
17069 Tonnen, also für einen Ofen täglich 243 Tonnen. Dagegen
zeichnete sich die westdeutsche Hochofenindustrie durch soliden, spar-
samen Betrieb aus, der in niedrigem Koksverbrauch () und
langen Kampagnen von 13 bis 17 Jahren Ausdruck fand 1).


Glänzender noch waren die Leistungen der Öfen im Minettebezirk
sowie besonders die der Ilseder Hütte bei Peine. Im Groſsherzogtum
Luxemburg hatte die Zahl der Hochöfen von 1871 bis 1895 von 14 auf
23 zugenommen, die Roheisenproduktion dagegen von 142897 Tonnen
auf 694814 Tonnen, die Leistung eines Hochofens im Durchschnitt
also von 10207 Tonnen auf 30210 Tonnen im Jahre oder von 27,9
auf 82,8 Tonnen im Tage 2). Die neueren Hochöfen lieferten aber
täglich 200 Tonnen Roheisen.


Die Ilseder Hütte 3), welche 1890 Erze von 37 Prozent Ausbringen
mit Koksverbrauch bei einer Windtemperatur von etwa 450°
[515]Hochöfen.
verblies, erzeugte durchschnittlich pro Tag und Ofen 1880: 109573 kg,
1885: 143767 kg, 1890: 192000 kg, 1894: 212009 kg, 1896: 243883 kg.
Das sind Leistungen, welche, wenn man den geringen Gehalt der Erze
in Betracht zieht, den amerikanischen wohl an die Seite zu stellen
sein dürften.


Die Zahl der Hochöfen in Preuſsen hatte von 1871 bis 1881 ab-
genommen, dagegen war die durchschnittliche Leistung der Kokshoch-
öfen von 4500 auf 14000 Tonnen im Jahre gestiegen 1).


In den elf Jahren von 1882 bis 1893 hatte sich die Leistung der
deutschen Hochöfen nahezu verdoppelt. 1882 zählte man 261 Hoch-
öfen mit 3381000 Tonnen Produktion, 1893 204 Hochöfen mit
4986000 Tonnen Erzeugung, demnach war sie auf den Ofen von
12954 Tonnen auf 24441 Tonnen gestiegen. 1896 erzeugten 220
Hochöfen in 10846 Betriebswochen 6372575 Tonnen Roheisen.


Alle diese Erfolge europäischer Hochöfen wurden aber in den
Schatten gestellt durch die groſsartigen Leistungen der neuesten Hoch-
ofenanlagen in den Vereinigten Staaten. Im Jahre 1896 erreichten
die neuen Hochöfen der Edgar-Thomson-Werke bei Pittsburgh (Pa.)
eine Wochenproduktion von 3000 Tonnen und eine Tagesleistung von
428 Tonnen 2). Der betreffende Hochofen 3) hatte eine Höhe von
27,45 m, 6,10 m Kohlensack, 75° Rastwinkel, 4,88 m Gicht, 3,96 m
Gestell und acht Formen, welche 2590 mm über dem Bodenstein
lagen und 152 mm vor die Innenkante des Gestells vorsprangen; die
Düsen hatten 203 mm Weite. Die Cowper-Apparate erwärmten den
Wind auf etwa 650° C. Jeder Ofen wurde von zwei vertikalen Gebläse-
maschinen bedient mit Dampfcylindern von 1016 mm Durchmesser,
Windcylindern von 2134 mm, welche im ganzen 728 cbm Wind in der
Minute mit 0,7 kg Pressung lieferten. Der Koksverbrauch betrug nur
843/1000. Charakteristisch war das weite Gestell und die verhältnis-
mäſsig enge Rast, wodurch der steile Rastwinkel bedingt war.


Diese damals erstaunliche Leistung wurde aber bei weitem über-
troffen durch die Hochöfen der ebenfalls von Carnegie \& Co. neu
erbauten Hochöfen von Duquesne, die Anfang 1897 in Betrieb kamen.
Jeder der vier Hochöfen hatte eine Höhe von 30,48 m, 6,7 m Kohlen-
sackweite, 4,28 m im Gestell und 5,18 m in der Gicht. Die Öfen
Nr. I und II hatten zehn Düsen von 177,8 mm, die Öfen III und IV
33*
[516]Hochöfen.
sollten 20 Düsen erhalten. Der Inhalt eines Ofens betrug 707,5 cbm.
Für je zwei Öfen waren fünf Gebläsemaschinen vorhanden. Diese
von E. P. Allis \& Co. gebauten Gebläse hatten stehende Balancier-
Verbundmaschinen mit Kondensation, mit 1016 mm weitem Hochdruck-
und 1981 mm weitem Niederdruckcylinder, 1930 mm Windcylinder und
1524 mm Hub. Das Schwungrad wog 40 Tonnen. Die Maschine
lieferte 17,26 cbm Wind von 1,05 kg pro Quadratcentimeter Pressung
und machte 66 Umdrehungen in der Minute 1). Die Pressung des
Windes konnte bis 1,76 kg pro Quadratcentimeter gesteigert werden.
Die Dampfspannung betrug 8,4 Atmosphären. Jeder Ofen war mit
vier Kennedy-Cowper-Apparaten versehen, die den Wind auf 1000° C.
erhitzten. Die Gase entwichen mit 400° C. Bei einem Eisengehalt der
Erze von 57 bis 60 Prozent war bis zum Frühjahr erzielt worden:



Der beste Monat hatte einen Koksverbrauch von 771,8 kg, der
Kalksteinzuschlag betrug 25 Prozent. Die Beschickung geschah auto-
matisch mit der Nelandschen Beschickungsvorrichtung. Zu dem
enormen Materialienverbrauch bei solcher Leistung waren selbstver-
ständlich die Transport- und die Be- und Entladevorrichtungen, die
alle von der Brown Hoisting and Conveying-Company in Cleveland
gebaut waren, musterhaft.


Über noch neuere amerikanische Hochofenanlagen zu Lorain,
Youngstown u. s. w. folgen die Angaben unter dem Abschnitt „Die
Vereinigten Staaten von Nordamerika“.


Die auſserordentlichen Leistungen der amerikanischen Hoch-
ofenhütten veranlaſsten denn auch nach langem Sträuben die
englischen Hüttenbesitzer, die amerikanischen Fortschritte sich an-
zueignen, namentlich die Windpressung von 5 bis 6 Pfund auf 8 bis
12 Pfund, ja bis zu 20 Pfund auf den Quadratzoll zu erhöhen, jeden
Ofen mit einem besonderen Gebläse zu versehen und die Gebläse-
maschinen zu verbessern. So führte z. B. die Moss-Bay-Gesellschaft
1899 Dreifach-Expansionsmaschinen ein.


Daſs die Erzeugungskosten des Roheisens infolge der besseren
Betriebsergebnisse geringer geworden sind, ist selbstverständlich.
Hierzu haben aber nicht nur die Fortschritte der Roheisenerzeugung
[517]Hochöfen.
an und für sich, sondern auch die bessere Verwertung der übrigen
Ofenabgänge beigetragen. Auf die Verwertung der Schlacken haben
wir oben schon hingedeutet. Die Fabrikation von Schlackensand,
Schlackensteinen und Schlackencement hat eine groſse Verbreitung
bei den Hüttenwerken gefunden.


Pflastersteine stellte Woodward in Cleveland zuerst 1875 in der
Weise dar, daſs er die Hochofenschlacke in eiserne Formen laufen
lieſs und die erhaltenen Steine dann ausglühte oder temperte. Diese
Fabrikation kam auch in Belgien zur Einführung. Im Jahre 1894
machte die Tees Scoria-Brick-Company auf drei Hochofenwerken in
Cleveland täglich 10000 Stück Steine; die Gesamterzeugung im
Clevelanddistrikt belief sich auf 100000 Pflastersteine, von denen
1000 Stück 75 Mark kosteten.


Gegossene Bausteine verwendete man in Schweden und in Frank-
reich. Aus den zähen Schlacken der Ilseder Hütte wurden Pflaster-
steine mit dem Hammer zugerichtet.


Die Granulierung der aus dem Ofen flieſsenden dünnflüssigen
Schlacken der Kokshochöfen geschieht in einem kräftigen Wasserstrahl,
der meist von den abflieſsenden Kühlwassern des Ofens erzeugt wird.
Becherwerke heben den Schlackensand aus den Gruben auf Transport-
wagen.


Der feuchte Schlackensand wird mit gebranntem, ungelöschtem
Kalk gemischt und in Ziegelpressen zu Schlackensteinen von Form
und Gröſse gewöhnlicher Ziegel gepreſst und dann im Freien erhärten
und trocknen gelassen. Diese Schlackensteine geben ein gutes Bau-
material von gröſserer Durchlässigkeit als Thonziegel (nach Petten-
kofer
); sie lassen sich durch Zusatz geeigneter Stoffe beliebig färben.
Eine gute Presse für Schlackensteine hat Wood 1879 gebaut 1).


Zur Schlackencementfabrikation verwendet man kalkreiche, thon-
erdehaltige Schlacken, bei denen sich das Verhältnis von Kalkerde
: Kieselsäure : Thonerde etwa wie 46 : 30 : 16 verhält. Das Verfahren
von Farinaux, Cement durch Mischen von Kalk und flüssiger
Schlacke zu erhalten, hat sich nicht bewährt. Man verwendet jetzt
allgemein granulierte Schlacke. Die im Wasser granulierte getrocknete
Schlacke wird staubfein gemahlen und dann mit gesiebtem Kalkpulver
im Verhältnis von 100 zu 15 bis 30 Tln. in Kugelmühlen gemischt 2).


[518]Hochöfen.

Da das Trocknen und Mahlen der Schlacke den Cement aber zu
kostspielig macht, hat von Forell auf den Buderusschen Eisen-
werken ein Verfahren erfunden, bei dem Schlacke und Kalk vor dem
Mahlen in einem Brennofen gebrannt werden. Hierdurch wird das
Mahlen sehr erleichtert 1).


Weitere Verwendung fanden die Hochofenschlacken zur Glas-
fabrikation in England nach Basley Brittons Patent und zur Her-
stellung von Schlackenwolle, die schon 1878 auf den Teeswerken 2)
nach dem Patent von Charles Wood durch Einblasen von Dampf-
strahlen durch feinverteilte Schlackenströme betrieben wurde.


Noch wichtiger für einen vorteilhaften Hüttenbetrieb ist die
zweckmäſsigste Verwendung der Gichtgase. Diese dienen in erster
Linie als Brennmaterial 3), wofür sie sich besonders unter Anwendung
des Regenerativsystems vortrefflich eignen. In neuerer Zeit hat man
aber auch der Gewinnung der in den Gichtgasen noch enthaltenen
brauchbaren Nebensubstanzen, Teer und Ammoniak, groſse Auf-
merksamkeit geschenkt. In den Gasen der Kokshochöfen sind diese
Stoffe nur in geringen Mengen enthalten, während die Gase der mit
Steinkohlen betriebenen Hochöfen nicht unbedeutende Quantitäten
davon enthalten. Baird \& Co. zu Gartsherrie bei Glasgow, welche
die ersten Einrichtungen zu Anfang der achtziger Jahre hierfür
machten, gewannen 1883 13,61 kg schwefelsaures Ammoniak und
102,48 kg Teer auf die Tonne Kohle aus den Gichtgasen 4). Man band
das Ammoniak an Schwefelsäure (Neilson), später an schweflige
Säure (Addie5). Die Kühl- und Waschräume für die Gichtgase
waren von dem Direktor John Alexander erbaut. Theisen erfand
1898 ein Verfahren, durch Centrifugen sowohl Staub als Teer 6) und
Ammoniak aus den Gichtgasen abzuscheiden.


J. Addie nahm 1883 ein Patent (Nr. 4758) auf einen von ihm
erfundenen Apparat zur Gewinnung von Ammoniak aus Hochofengasen;
ebenso F. N. Mackay7) 1890 (D. R. P. Nr. 56796).


Eine andere Verwendung der Hochofengase, die erst in jüngster
[519]Hochöfen.
Zeit begonnen, aber rasch groſse Bedeutung erlangt hat, ist die der
Verwendung zur Krafterzeugung in Gasmaschinen. Der Gedanke

Figure 205. Fig. 204.


tauchte auf, nachdem man seit Anfang der neunziger Jahre begonnen
hatte, Generator-Gasmaschinen mit Erfolg zu bauen 1), ganz besonders,
seitdem es der Gasmotorenfabrik Deutz gelungen war, eine gut arbeitende
[520]Hochöfen.
Otto-Maschine von 200 P. S. mit Generatorgas zu betreiben. Eugen
Langen
, dem mit dem genialen Dr. Nic. August Otto, der am
26. Januar 1891 verstarb, das Verdienst der Erfindung des Gas-
motors gebührt, faſste damals bereits den Gedanken einer groſsen
Centrale mit Gichtgasmotorenbetrieb für den Bergbau- und Hütten-
verein in Hörde. Es sollten sechs Maschinen von je 500 P. S. auf-

Figure 206. Fig. 205.


gestellt werden. Zu den nötigen Vorstudien wurde 1895 eine 12 P. S.-
Maschine aufgestellt. Leider starb Langen am 2. Oktober 1895, ehe
das groſse Projekt ausgeführt war. Da eine Einigung mit der Deutzer
Fabrik nicht erzielt wurde, vergab der Hörder Verein im September
1896 die Ausführung von zwei Gichtgasmotoren von je 600 P. S.
nach dem System Oechelhäuser und Junker (Fig. 204 a. v. S.) an
die Berlin-Anhaltsche Maschinenbau-Aktiengesellschaft in Dessau.
Die Inbetriebsetzung der ersten dieser Maschinen erfolgte erst im
April 1898.


In England hatte Thwaite 1894 denselben Gedanken angeregt
und bereits im Mai 1894 ein Patent dafür erworben. 1895 machte
man zu Wishaw in Schottland damit einen Versuch. Dasselbe that
in dem gleichen Jahre die Gesellschaft John Cockerill in Seraing 1),
die eine kleine Versuchsmaschine (Fig. 205) nach dem System
„Simplex“ von Delamare, Deboutteville und Malandin aufstellen lieſs.
[521]Hochöfen.
Anfangs hatte man wenig Vertrauen wegen der wechselnden Zu-
sammensetzung der Gichtgase und ihren geringen Gehalt an Brenn-
gas, ferner wegen des Gichtstaubes.


Figure 207. Fig. 206.

Figure 208. Fig. 207.

In Seraing erforderte in der achtpferdigen Versuchsmaschine eine
Pferdekraft 4 cbm Gas. In der hierauf erbauten 200 P.S.-Maschine,
die 1898 in Betrieb kam 1), betrug der Gichtgasverbrauch nur 3 bis
[522]Hochöfen.
5 cbm. 1899 wurden zwei direkt wirkende Gasmaschinen-Hochofen-
gebläse (Fig. 206, 207 a. v. S.) gebaut 1). Die 600 pferdige Maschine nach

Figure 209. Fig. 208.


dem System Delamare-Deboutteville wird seit dem 20. September 1899
mit ungereinigten Hochofengasen zu Seraing betrieben. Sie ist ein-
[523]Hochöfen.
cylindrisch, der Gebläsecylinder liegt hinter dem Gaskraftcylinder,
die Kolben beider bewegen sich auf derselben Kolbenstange 1).

Figure 210. Fig. 209.


Cylinderdurchmesser der Gasmaschine 1300 mm, des Gebläses 1700 mm,
gemeinschaftlicher Hub 1400 mm. Um die Lösung der Frage der
[524]Hochöfen.
Gichtgasmaschinen machten sich Direktor Greiner in Seraing,
Professor Hubert in Lüttich und Professor E. Meyer in Göttingen
verdient.


Fig. 208 (S. 522) stellt eine von der Motorenfabrik Deutz neuer-
dings erbaute 1000pferdige Viertaktmaschine des Hörder Bergwerks-
und Hüttenvereins dar.


Die Krafterzeugung der Gichtgase in Gasmaschinen ist etwa
dreimal so groſs wie bei Dampferzeugung. Bei einem Hochofenwerk
von 600 Tonnen Tagesproduktion rechnet man auf 10000 bis 12000 P. S.

Figure 211. Fig. 210.


bei Verwendung von Gasmotoren, während die Dampfkessel mit dem-
selben Gichtgasquantum nur etwa 4000 P. S. liefern. Hieraus erhellt
die groſse Bedeutung dieses Gedankens für die Zukunft.


Auf der Friedenshütte bei Morgenroth in Oberschlesien legte der
1899 verstorbene Generaldirektor Eduard Meier eine 1000pferdige,
von Hochofengasen getriebene Kraftcentrale für elektrischen Betrieb,
(Fig. 209 a. v. S.) an. Es wurden zunächst zwei Maschinen von
200 P. S. von der Deutzer Gasmotorenfabrik, vormals Otto \& Co.,
erbaut. Fig. 210 stellt den Schnitt durch einen der Cylinder dar;
diesen folgten zwei ähnliche zu je 300 P. S.


Ein direkt wirkendes Hochofengebläse mit Gichtgasbetrieb nach
dem System Delamare-Deboutteville wurde Ende 1899 für die Hoch-
ofenanlage zu Differdingen in Betrieb genommen. Entworfen wurde
dieselbe von Max Meier und Paul Würth, ausgeführt von der Soc.
anonyme John Cockerill in Seraing 1). Die Gesellschaft Phönix
[525]Die Eisengieſserei seit 1870.
hatte 1898 bei ihren Hochöfen zu Berge-Borbeck eine 150 P. S.-
Maschine von Hartley \& Petyt in Bingley, England, in Betrieb. Seit
August 1899 befindet sich auf der Donnersmarkhütte eine 100pferdige,
von Gebr. Körting in Hannover gebaute Gaskraftmaschine in
Thätigkeit 1).


Enrique Disdier aus Bilbao schlug 1899 vor 2), Hochofen- und
Koksofengase gemeinschaftlich zu benutzen in der Weise, daſs man
die Hochofengase zur Erwärmung der Kokskammern verwendet und
die Koksgase zur Krafterzeugung.


Anfang Juni 1900 nahm die Gutehoffnungshütte zu Oberhausen 3)
eine von der Deutzer Gasmotorenfabrik gebaute 600 pferdige Gicht-
gasmaschine in Betrieb.


Obgleich Gichtgas-Kraftmaschinen erst seit wenigen Jahren in
Betrieb stehen, ist ihre Einführung doch als ein groſser Erfolg zu
bezeichnen. Bewährt haben sich künstliches Absaugen der Gase,
Überhitzung und Kondensation.


Die Eisengieſserei seit 1870.


Die Fortschritte der Eisengieſserei in diesem Zeitabschnitt waren
sehr bedeutend. Äuſserlich stellten sie sich durch eine groſse Steige-
rung der Produktion, welche einer vermehrten Verwendung von Eisen-
guſswaren entspricht, dar. Wenn wir Deutschland als Beispiel wählen,
so sehen wir, daſs sich hier die Erzeugung von Guſswaren von 1871
bis 1899 wie folgt darstellt:


Guſswaren in Tonnen.


Die Gesamtmenge der Guſswaren ist also in den 29 Jahren um
mehr als das vierfache gestiegen. Diese Zunahme kommt allein auf
den Guſs II. Schmelzung hauptsächlich in Kupolöfen, während der
[526]Die Eisengieſserei seit 1870.
Guſs erster Schmelzung, d. h. unmittelbar aus dem Hochofen, sich
fast auf die Hälfte und relativ von 17,3 auf 3,1 Prozent verminderte.


Daſs dieser Aufschwung in der Erzeugung auch von Fortschritten
im Betriebe begleitet war, ist selbstverständlich. Diese betreffen
zunächst die Grundlage des Gieſsereibetriebes des Roheisens, dessen
Kenntnis und Herstellung eine bessere geworden ist.


Die groſse Erfindung John Bessemers hatte auch hierauf ihren
Einfluſs. Sie zwang zu genauerer chemischer Untersuchung der Roh-
eisensorten und dadurch wurde über die Rolle, welche die einzelnen
Beimengungen, namentlich das Silicium, spielten, Licht verbreitet.
Die gewonnenen Resultate gewährten Einblicke in das Verhalten
des Gieſsereiroheisens und man lernte die Wichtigkeit der chemischen
Analyse auch auf diesem Gebiete zu würdigen. Während man in
den siebziger Jahren die Güte des Gieſsereiroheisens nur nach dem
Bruchansehen beurteilte, geschieht das jetzt schon seit längerer
Zeit nach der chemischen Zusammensetzung und man verlangt
wie beim Bessemereisen Angabe des Gehaltes von gebundenem und
ungebundenem Kohlenstoff, von Silicium, Phosphor, Schwefel und
Mangan. Man lernte die Bedingungen für zweckentsprechende Er-
zeugung verschiedenartiger Guſswaren 1) genauer kennen. Dadurch
wurde die empirische Gattierung im Kupolofen durch eine wissen-
schaftliche ersetzt, was die Güte der erzeugten Guſswaren günstig
beeinfluſste.


Von Wichtigkeit war auch die Feststellung der chemischen Ver-
änderungen, welche ein Roheisen durch Umschmelzen erleidet. Dies
hat Bergrat Jüngst für Gleiwitzer Roheisen bei wiederholtem Um-
schmelzen mit Koks in einem Ibrügger Kupolofen durch Analyse 1885
festgestellt. Das Ergebnis war das folgende:

[527]Die Eisengieſserei seit 1870.

Die Anforderungen an die chemische Zusammensetzung des Gieſserei-
roheisens haben aber auch auf die Erzeugung desselben im Hochofen
weittragenden Einfluſs geübt. Durch die Bemühungen, graues Hämatit-
roheisen für das Bessemern zu erblasen, wurde man dazu geführt,
auch ein gutes, grobkörniges Gieſsereieisen, welches dem schottischen
an Güte gleichkam, auf dem Kontinent zu erzeugen. Infolgedessen
wurde die Alleinherrschaft des schottischen Gieſsereieisens für Quali-
tätsguſs gebrochen. Für Deutschland waren die von Wachler 1877
ausgeführten Qualitätsuntersuchungen von rheinisch-westfälischen und
ausländischen Roheisensorten, auf welche wir in der Geschichte des
Eisens in Deutschland zurückkommen werden, von maſsgebender
Bedeutung. Seit dieser Zeit hat im südlichen und westlichen Deutsch-
land rheinisch-westfälisches und nassauisches Gieſsereiroheisen das
schottische fast gänzlich verdrängt.


Für das Bessemerroheisen war erwiesenermaſsen ein gewisser
Siliciumgehalt notwendig. Dadurch wurde auch die Aufmerksamkeit
auf den Einfluſs des Siliciumgehaltes auf das Gieſsereiroh-
eisen
hingelenkt. Es erregte Sensation, als der englische Metallurg
Th. Turner, der sich seit lange mit dieser Frage beschäftigt hatte,
1886 in einer Versammlung des Eisen- und Stahlinstituts in London
die Behauptung aufstellte, daſs Silicium in gewissen Grenzen das
Guſseisen verbessere, indem es seine Festigkeit erhöhe, flüssigere und
glättere Güsse liefere 1). Er stellte folgende Sätze auf: 1. Ein Zusatz
von Silicium zu siliciumfreiem Eisen bewirkt eine Verbesserung der
mechanischen Eigenschaften desselben. 2. Die Maximalwerte des
Siliciumgehaltes sind für die Festigkeit oder den Widerstand gegen
Zerbrechen 0,8 Prozent, für den Elasticitätsmodul 1 Prozent, für
relative Dichtigkeit 1 (1,7) Prozent, für Zugfestigkeit 1,8 Prozent,
für Qualität zur Bearbeitung bis 2,5 Prozent. 3. Wird die gewöhn-
liche Festigkeit verlangt, so soll der Siliciumgehalt nicht viel von
1,4 Prozent abweichen; wird Weichheit und Dünnflüssigkeit verlangt,
2,5 Prozent; ein Gehalt von 3 Prozent ist schon schädlich. Wood
in Middlesborough hat Turners Tiegelversuche 1885 im groſsen
wiederholt und kam zu denselben Resultaten. Er fand auch, daſs,
wenn man weiſses Roheisen mit Eisensilicid schmolz, ein Teil des
Kohlenstoffs als Graphit ausgeschieden werde und graues Roheisen
entstehe. Diese Entdeckungen waren indes an sich nicht neu, indem
die zu Grunde liegenden Thatsachen wenigstens in Deutschland längst
[528]Die Eisengieſserei seit 1870.
bekannt waren. 1847 hatte bereits Bischof über Versuche, die er
mit bestem Erfolg angestellt hatte, um durch Zusatz eines Kiesel-
gehaltes zu weiſsem Roheisen graues Eisen zu bilden und den
Einfluſs des Mangans zu hemmen, berichtet 1). Die Versuche, Stäbe
von diesem Eisen zu zerbrechen, hatten eine bei weitem gröſsere
Haltbarkeit als die von Stäben aus schottischem Eisen dargethan.
Ebenso hatte A. Ledebur wiederholt auf die Wichtigkeit des Siliciums
für das Gieſsereiroheisen hingewiesen und bereits 1884 vorgeschlagen,
nicht mehr nach dem Bruchansehen, welches zu völlig irrigen
Schluſsfolgerungen führen könne, sondern nach dem Siliciumgehalt
zu sondern und zu verkaufen 2).


Trotzdem hat erst Turners Vortrag im Jahre 1886 den eigent-
lichen Anstoſs zu der lebhaften Erörterung über die Bedeutung des
Siliciums im Roheisen gegeben. Die Zeit war dafür reif und da man
bereits Eisensilicid oder Ferrosilicium mit 17 Prozent Siliciumgehalt
für die Fluſseisenbereitung im groſsen darstellte, so lag es nahe, das-
selbe zunächst versuchsweise auch dem Guſseisen zuzusetzen. Diese
praktische Anwendung machte der Franzose F. Gautier, welcher auf
Grund der Versuche von Wood Ferrosilicium als einen geeigneten
Zusatz zu Gieſsereieisen erklärte und folgende Sätze aufstellte: 1. In
weiſsem Eisen scheidet ein Zusatz von Silicium den gebundenen
Kohlenstoff in Form von Graphit aus und bewirkt die Entstehung
von grauem Roheisen. 2. In grauem Roheisen verändert die Ab-
scheidung von Silicium den Graphit in gebundenen Kohlenstoff und
bewirkt weiſses Roheisen.


Das Streben in Frankreich unter Gautiers Führung ging
dahin, aus weiſsem Eisen durch Zusatz von Ferrosilicium ein
Graueisen zu erzeugen, das durch seine Güte das schottische
Roheisen ersetzen sollte. Da sich nun alsbald die geschäftliche
Reklame der Sache bemächtigte und starke Übertreibungen in Um-
lauf gesetzt wurden, so lieſs der Verein deutscher Eisengieſsereien
mit Unterstützung der preuſsischen Regierung 1887 durch Bergrat
Jüngst zu Gleiwitz sehr gründliche Versuchsschmelzen 3) anstellen,
auf welche wir hier nur verweisen können, welche aber den gün-
stigen Einfluſs eines begrenzten Siliciumzusatzes bestätigten und den
Beweis lieferten, daſs man mit weiſsem Roheisen durch Zusatz von
[529]Die Eisengieſserei seit 1870.
Ferrosilicium ein gutes Material für Guſszwecke erzielen kann, aus-
gezeichnet durch hohe Festigkeit, geringe Schwindung und geringe
Neigung zum Abschrecken. Während Jüngst diese Wirkung dem
Silicium zuschrieb, war A. Ledebur der Ansicht, daſs dieses nur
mittelbar gewirkt habe, indem das weiſse Roheisen reiner war, weniger
fremde Stoffe enthielt, als es heiſserblasenes Graueisen zu haben
pflegt; dagegen hob er hervor, daſs ein Siliciumgehalt den Graphit
im Roheisen schütze, so daſs es öfter umgeschmolzen werden könne,
ohne weiſs zu werden.


Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren nicht nur von
theoretischer, sondern auch von praktischer Bedeutung. Man konnte
durch Zusatz von Ferrosilicium geringes Brucheisen und sogar ver-
branntes Eisen mit Vorteil verschmelzen. Besonders hat dieser
Betrieb in Frankreich eine groſse Bedeutung erlangt, während sich in
Deutschland, wo gute Gieſsereiroheisensorten erzeugt werden, die
Verwendung von Ferrosilicium im Allgemeinen als zu teuer erwiesen
hat. Dagegen stellten die Hochofenwerke alsbald siliciumreiche
Gieſsereiroheisensorten zur Gattierung dar; so machte z. B. Gjers zu
Ayrsome bei Middlesborough schon 1887 in einem Hochofen aus-
schlieſslich ein solches Eisen mit 9 bis 13 Prozent Silicium für den
Gebrauch der Gieſsereien. Gutes Gieſsereiroheisen pflegt 2,5 bis
3,5 Prozent Silicium zu enthalten.


In ähnlicher Weise wurde auch der Einfluſs des Phosphors,
des Aluminiums und anderer Stoffe auf das Guſseisen genauer
untersucht. Letzteres hat dadurch, daſs es auſserordentlich viel
billiger geworden ist, seit 1890 Bedeutung für die Eisengieſserei
erlangt. Daſs ein Zusatz von Aluminium zum Roheisen reinigend
wirkt und es dünnflüssiger macht, war schon länger bekannt.
Ledebur erklärte 1887 diese Wirkung aus der durch das Alu-
minium bewirkten Reduktion im Roheisen enthaltener oxydischer
Verbindungen. J. Keep1), der über diese Frage zahlreiche Versuche
angestellt hat, schrieb (1888) dem Aluminium folgende gute Ein-
wirkungen auf das Gieſsereiroheisen zu : 1. es erhöht die Dichtigkeit
der Güsse; 2. es hält Kohlenstoff gebunden bis zum Moment des Er-
starrens, wobei dieser plötzlich als groſsblättriger Graphit ausgeschieden
wird. Je rascher die Abkühlung eintritt, je mehr Kohlenstoff wird
ausgeschieden, deshalb an den dünneren Stellen eines Guſsstücks
Beck, Geschichte des Eisens. 34
[530]Die Eisengieſserei seit 1870.
mehr als an den dickeren; 3. die Widerstandsfähigkeit des Guſseisens
gegen Belastung und Stoſs wird vermehrt; 4. der Verlust der
Elasticität wird vermindert; 5. die Schwindung wird fast ganz auf-
gehoben; 6. die Flüssigkeit des Eisens wird erhöht. Man kann also
auch durch Zusatz von Aluminium weiſses Eisen in graues überführen
und zwar wird das hierbei erhaltene Endprodukt für die meisten
Zwecke besser sein als das durch Zusatz von Silicium erhaltene.
Ein Aluminiumzusatz von 2 Prozent soll die Bruchfestigkeit um das
Dreifache vermehren. Dennoch ist die Verwendung des Aluminiums
zu diesem Zweck in der Eisengieſserei der Kosten wegen bis jetzt nur
eine beschränkte geblieben. Für Qualitätsguſs wird es zuweilen in
der Gieſspfanne zugesetzt. Früher muſste man sich des Aluminium-
metalls bedienen, jetzt bedient man sich vorteilhafter des im groſsen
bereiteten Ferroaluminiums, und zwar am besten in der Weise, daſs
man ein entsprechendes Stück davon in die leere Gieſspfanne legt
und dann das geschmolzene Guſseisen darüber gieſst. Auf den
„Mitisguſs“, welcher mit Hülfe von Aluminium erzielt wird, kommen
wir später zurück.


Auch ein Phosphorgehalt ist innerhalb gewisser Grenzen von
Nutzen. Er macht das Eisen nicht nur flüssiger, was schon früher
bekannt war, sondern er erhöht auch die Festigkeit, und zwar liegt
nach R. Åkerman1) die gröſste Festigkeit bei einem Phosphor-
gehalt von 0,25 Prozent, wenn gleichzeitig der gebundene Kohlenstoff
0,8 bis 1,4 Prozent beträgt.


W. J. Keep2), der ebenfalls 1889 die Wirkung des Phosphors
auf das Guſseisen untersucht hat, kommt zu dem Schluſs, daſs ein
mäſsiger Phosphorgehalt von etwa ½ bis 1 Prozent noch günstig auf
das Verhalten des Gieſsereiroheisens einwirke, ein höherer Gehalt
aber die Festigkeit beeinträchtige.


Im allgemeinen macht Phosphor das Guſseisen spröde. Ledebur
hält deshalb für stark beanspruchten Bauguſs ½ Prozent schon für
zu viel. Th. D. West giebt 0,7 Prozent als obere Grenze an.


Über den Einfluſs des Mangans auf die Eigenschaften des Guſs-
eisens haben namentlich Scheffer und Ledebur Untersuchungen
veröffentlicht 3). Dr. Wüst hält einen Mangangehalt von 0,8 Prozent
für zulässig, während der Amerikaner Th. D. West 0,35 Prozent als
[531]Die Eisengieſserei seit 1870.
Grenze angiebt, auſser bei abnorm hohem Silicium- und Schwefel-
gehalt.


Von Wichtigkeit waren auch A. Ledeburs Arbeiten über
Seigerung bei Roheisen 1884. Indem er die Graphitbildung beim
Erstarren des grauen Roheisens als eine Seigerung auffaſst, kommt
er zu dem Schluſs, daſs das graue Roheisen seine Entstehung einem
Seigerungsprozeſs verdanke und daſs sich manche Seigerungserschei-
nungen aus der Fähigkeit des Roheisens, in Legierungen von ver-
schiedenen Schmelzpunkten zu zerfallen, erklären 1).


Von praktischer Bedeutung war A. Ledeburs Untersuchung der
Roheisensorten auf Säurebeständigkeit (1877), wobei er zu dem allge-
meinen Schluſs kam, säurefestes Roheisen muſs so viel gebundenen
Kohlenstoff wie möglich enthalten.


Erwähnung verdient noch der Vorschlag von Pet. Benj. Talbot
(1893), das Gieſsereieisen durch geschmolzene basische Schlacke zu
reinigen 2).


Obgleich die chemische Prüfung von gröſster Wichtigkeit ist, so
hat doch auch die mechanische Untersuchung des Guſseisens eine
gröſsere Bedeutung und Anwendung erlangt. Festigkeitsprüfungen
sind allgemein geworden. In der Regel wird in der Praxis nur die
Biegungsfähigkeit, d. h. die vor dem Bruch eintretende Einbiegung,
ermittelt. Die Probestäbe macht man nach Th. D. Wests Vorschlag 3)
in neuester Zeit (1894) cylindrisch. Sie werden stehend, von unten
gegossen. Gleiche Querschnittsform und gleiche Art des Gieſsens sind
von Wichtigkeit, wenn man verschiedene Guſseisensorten miteinander
vergleichen will. Bearbeitete Stäbe zeigen eine höhere Biegungs-
festigkeit als unbearbeitete.


Martens empfahl die Schlagprobe neben der Biegungsprobe für
die Ermittelung der Güte des Guſseisens 4).


Anstatt des Zerschlagens der Roheisenmasseln mit dem Hand-
hammer wendet man jetzt vielfach Masselbrecher, die meist hydraulisch
betrieben werden, an. Eine groſse Zahl ist patentiert worden. Fig. 211
(a. f. S.) zeigt eine einfache Konstruktion der Badischen Maschinen-
fabrik in Durlach 5).


34*
[532]Die Eisengieſserei seit 1870.

Das Schmelzen des Roheisens geschah nach wie vor in Tiegel-
öfen, Flammöfen und Schachtöfen, doch traten letztere noch mehr

Figure 212. Fig. 211.


wie früher in den Vorder-
grund.


Bei den Tiegelöfen
brachte Piat in Paris
1878 insofern eine Ver-
besserung an, als er einen
beweglichen Tiegelofen,
Fig. 212 1), konstruierte,
der das Ausgieſsen des
Tiegels ohne dessen Her-
ausnahme gestattete.


Die Flammöfen
baute Friedrich Sie-
mens
1884 mit nieder-
gezogenen Gewölben.


Die Neuerungen und Verbesserungen bei den Kupolöfen sind
so zahlreich, daſs wir nur eine kurze Aufzählung geben können; das
Bedürfnis, rasch groſse Mengen von Roheisen für das Bessemerver-

Figure 213. Fig. 212.


fahren niederzuschmelzen, hat hierauf wesentlich mit eingewirkt. Für
diesen Zweck bewährte sich der 1873 von Swain in Oldham ein-
geführte Kupolofen mit geschlossenem Vorherd 2), in welchen das
Eisen aus dem Schmelzraum unmittelbar abfloſs. Der Vorherd war
mit einer Esse verbunden und wurde durch die Ofengase geheizt.
[533]Die Eisengieſserei seit 1870.
Nach Collins Angabe wurde bei diesem Ofen das Roheisen im
Vorherd etwas entkohlt.


Zum Guſs des 600 Tonnen schweren Amboſsstocks für einen
groſsen Dampfhammer zu Perm (1873) wurden 14 Mackenzieöfen
gleichzeitig benutzt.


In demselben Jahre machte Gerhardi in Lüdenscheid Mitteilung
über einen verbesserten Kupolofen.


Der 1875 aufgekommene Kupolofen von Voisin hatte zwei Reihen
Düsen übereinander, was übrigens bei dem Irelandofen und vielen
anderen Kupolöfen, wie namentlich dem von Schmahel 1845 in der
königlichen Gieſserei zu Berlin erbauten, schon früher versucht und
angewendet worden war. Voisin wollte mit der zweiten Düsenreihe
die Verbrennung vollständig machen, indem er das Kohlenoxydgas
des aufstreichenden Gasstroms durch einen Windstrom verbrannte.
Die zweite Düsenreihe sollte 650 mm über der ersten liegen, der
Koksverbrauch sollte bei diesen Öfen nur 8,4 Prozent betragen.
Sie wurden später (1880/81) von Hamelius noch dadurch verbessert,
daſs der Wind erst in einen ringförmigen Kasten trat, aus dem
sämtliche Düsen gespeist wurden, daſs die Zahl der oberen Düsen
vermehrt, ihr Querschnitt aber verengert wurde und daſs sich die-
selben abstellen lieſsen, um nur während einer gewissen Zeit beim
Einschmelzen benutzt zu werden.


In Pennsylvanien betrieb man Mackenzie-Kupolöfen mit
Anthrazit. Dieselben ruhten auf vier Guſssäulen; der Boden war durch
zwei halbkreisförmige Thüren, die durch einen Riegel gehalten wurden,
gebildet. War das Schmelzen beendet, so wurde der Riegel auf-
geschlagen, die Thüren klappten auf und der Ofen entleerte sich.
Diese Art des Verschlusses hat man später auch bei anderen Öfen,
z. B. bei dem von Hamelius, angewendet. Bei dem Ofen von Blakeny
1876 trat der Wind aus einem Ring durch viele Kurvenröhren in den
Ofen; bei dem von Frank Lawrence (1877) geschah die Wind-
zuführung durch drei Reihen übereinander liegender Schlitze.


1878 wurde in Gröditz ein Kupolofen mit wassergekühltem
Schmelzraum in Betrieb genommen, doch war der Koksverbrauch kein
besonders günstiger.


1880 erfand Gustav Ibrügger zu Norden einen Kupolofen,
Fig. 213 (a. f. S.). Bei diesem geschieht die Windzuführung aus einem
ringförmigen Windkasten durch zwei Reihen schlitzförmiger Düsen.
Das geschmolzene Eisen flieſst durch eine Öffnung am Boden in einen
überwölbten Sammelraum unter dem Ofen, der mit einem Vorherd
[534]Die Eisengieſserei seit 1870.
verbunden ist, welcher durch die Gase des Ofens vorgewärmt wird.
Dadurch eignet sich dieser Ofen besonders zum Zusatz von Schmiede-
eisen, Ferrosilicium und anderen Substanzen in den Vorherd. Das
erste Patent (D. R. P. Nr. 9733) wurde Ibrügger am 11. März 1880

Figure 214. Fig. 213.


erteilt und nebst einem zweiten
(D. R. P. Nr. 10830) von Dirks
\& Co.
in Norden erworben.


Der 1880 von Ant. Fauler
in Freiburg konstruierte Kupol-
ofen 1) ist ein Mackenzieofen mit
horizontalem Windschlitz, der
aus einer Anzahl aufeinander-
gesetzter, auswechselbarer Ringe
zusammengebaut ist. In den
Vereinigten Staaten bewährte
sich ein Kupolofen von Victor
Calliau
.


1881 erfand Dufréné in
Paris seinen Kupolofen 2) mit ge-
trenntem Gasgenerator (D. R. P.
Nr. 18483). Die Generatorgase
treten durch einen gemauerten
Rost von unten in den Schmelz-
raum. Besson in Lyon (D. R. P.
Nr. 19051 vom 13. Dezbr. 1881)
läſst den gemauerten Rost fort
und erzielt dadurch eine raschere
Schmelzung.


1882 veröffentlichte Dr. Otto
Gmelin
in Budapest seinen
Kupolofen mit Wassermantel 3).
Der Schacht des Ofens, der auf
dem gemauerten Eisenkasten ruht,
besteht aus einem Doppelcylinder
von Kesselblech, dessen ring-
förmiger Raum unten wasserdicht abgeschlossen und oben offen ist.
Durch den ringförmigen Mantel cirkuliert Wasser. Dieser Ofen sollte
[535]Die Eisengieſserei seit 1870.
mehr leisten als zwei ausgemauerte und wenig Reparatur erfordern,
doch muſs der Ofenschacht mindestens 900 mm lichte Weite haben.
Er hat sich bei Ganz \& Co. in Budapest gut bewährt. Nach einer
Analyse war (1887) das Verhältnis von CO2 : CO in den Gichtgasen
= 16,6 : 3,4.


Figure 215. Fig. 214.

1883 trat F. A. Her-
bertz
1) in Köln mit
seinem Dampfstrahl-
ofen auf (D. R. P.
Nr. 26777 vom 31. Dez.
1883), bei dem die
Verbrennungsluft
nicht eingeblasen, son-
dern eingesaugt wird.
Veranlaſst war Her-
bertz
’ Erfindung durch
ein Polizeiverbot, einen
flammenden und fun-
kenwerfenden Kupol-
ofen in der Stadt zu
erbauen. Er verband
Woodwards Dampf-
kupolofen (s. S. 81)
mit Mackenzies
Schlitzofen; nach ver-
schiedenen Versuchen
kam er zu der Fig. 214
dargestellten Kon-
struktion 2) (D. R. P.
Nr. 29539 vom 9. Mai
1884). Wie aus der Zeichnung zu ersehen, ist der Herd verstellbar.
Später wurden an diesem Saugkupolofen, der eine ziemliche Ver-
breitung erlangte, noch mehrere Verbesserungen angebracht 3). Der
Dampfverbrauch ist bei dem Herbertz-Ofen bedeutend geringer als bei
den früheren Woodward-Öfen und das Eisen ist wärmer; der Koks-
verbrauch zum Schmelzen ist sehr günstig 4), aber der Dampf-
[536]Die Eisengieſserei seit 1870.
verbrauch ist gröſser als bei Gebläsen und die Erzeugung eine be-
schränkte.


Friedrich Krigar in Hannover verbesserte (Pat. Nr. 29584 vom
28. Dezember 1883) seinen Ofen, Fig. 215, in der Richtung, daſs er

Figure 216. Fig. 215.


den Vorherd mehr ab-
schloſs, so daſs derselbe
nur durch eine Durch-
fluſsöffnung mit dem
Schmelzraum in Ver-
bindung stand. Der Vor-
herd wurde durch die
Ofengase, welche durch
einen Exhaustor ange-
saugt und mit Luft ver-
mischt wurden, geheizt 1).
Hierdurch wurde der
Kohlenverbrauch sehr
vermindert und ein sehr
heiſses Eisen erhalten,
welches bis zu 30 Prozent
Schmiedeeisenzusatz im
Vorherdgestattete. Ferner
verbesserte Krigar die
Windzuführung, indem er
den Wind aus zwei seit-
lich angeordneten Wind-
kasten durch zwei breite,
in verschiedener Höhen-
lage befindliche Schlitze
in den Ofen treten lieſs.
Wie viel ökonomischer der Betrieb der Kupolöfen jetzt gegen früher
war, ist deutlich daraus zu ersehen, das Ebelmen 1842 bei einem
Kupolofen, der 18 bis 20 kg Koks auf 100 kg Eisen verbrauchte, das
Verhältnis von CO2 : CO in den Gasen = 0,83 fand, während
F. Fischer 1879 bei einem Krigarofen, der 7 kg Koks brauchte, das-
selbe = 2,5 fand.


1883 schlug G. Winter in Laufach 2) eine einfache Art der
[537]Die Eisengieſserei seit 1870.
Bodenerwärmung vor, welche sich leicht bei jedem einfachen Schacht-
ofen anbringen läſst.


1886 traten Greiner \& Erpff zu Chisnowoda in Ungarn mit
ihrem neuen Kupolofen hervor. Derselbe bezweckte, wie die Öfen von
Voisin, Bichon und Hamélius, eine gröſsere Ausnutzung der
Gase, was durch eine bessere Verteilung der Oberdüsen erreicht
wurde. Diese sind, wie aus Fig. 216 zu ersehen, spiralförmig und in
solchem Abstand von den
Hauptdüsen angeordnet, daſs
bei dem geringen Druck infolge
der engen Ableitungen die Gase
verbrennen, ohne die Koks zu
entzünden. Hierdurch wird
eine gute Vorwärmung der
Beschickung ohne Brennstoff-
aufwand erzeugt. Diese Öfen
haben sich bewährt z. B. zu
Lauchhammer und besonders
durch die Bemühungen von
Lürmann eine ziemliche Ver-
breitung erlangt. Ihr Koksver-
brauch soll angeblich nur 4 bis
5 kg auf 100 kg Eisen betragen.


Dasselbe Princip fand auch
bei dem von J. Boult in London
erfundenen Gaskupolofen An-
wendung. Das in besonderem

Figure 217. Fig. 216.


Generator erzeugte Gas wird oben eingeblasen und durch Spiraldüsen
verbrannt.


Die äuſsere Gestalt der Kupolöfen ist jetzt meist cylindrisch und
werden Ofen und Vorherd mit Blechplatten bekleidet, wie der Fig. 217
(a. f. S.) abgebildete Ofen vom Eisenwerk Karlshütte, Alfeld an der
Leine, zeigt.


1887 gab Jens Hansen einen Kupolofen mit Vorwärmung des
Windes durch die Ofenwände an. Auf demselben Princip beruht ein
von Ambr. Schere Massey angegebener Ofen mit beweglichem
Unterteil. In dem von Jukes, Glover und Roſshardt in Manchester
angegebenen Ofen, der aus zwei Schächten mit gemeinschaftlichem
Sammelraum besteht, wird das Eisen, welches beim Eintritt in
letzteren von Windstrahlen getroffen wird, gefeint.


[538]Die Eisengieſserei seit 1870.

Auch bei dem Ofen von C. Cooper (1889, amerikan. Patent
Nr. 392187) sind Schmelzraum und Sammelraum getrennt. Der obere
Schmelzraum wird durch ein Gewölbe getragen, das flüssige Eisen
flieſst nach unten. Massey in Madras machte den oberen Teil ab-
nehmbar zum Zweck leichterer Reparatur. Eine eigentümliche Kon-
struktion ist die von dem Amerikaner Thomas D. West1) 1893
angegebene mit innerer Blasenform oder Mitteldüse (Fig. 218). Diese

Figure 218. Fig. 217.


Figure 219. Fig. 218.


Konstruktion ist für groſse, weite Ofen gedacht. Sie sollen sich in
den Vereinigten Staaten bewährt haben.


Dagegen eignet sich R. Baumanns Vorwärme-Tiegelofen 2) für
den Kleinbetrieb. Er ähnelt den ältesten Gieſsöfen, wie sie schon
Reaumur beschrieben hat (s. Bd. III, S. 171), und den alten Kale-
bassen (Bd. IV, S. 533). Fig. 219 stellt Baumanns Tiegelofen und
Fig. 220 Baumanns sogenannten Rapid-Kupolofen dar. Man sieht
[539]Die Eisengieſserei seit 1870.
daraus, daſs diese wie der Piat-Ofen bewegliche Tiegelöfen sind, die
wie dieser für Fein- und Qualitätsguſs dienen sollen.


Mit den Verbesserungen der Kupolöfen stehen die der Gebläse
in engster Beziehung. Am meisten blieben Ventilator- und Kapsel-
gebläse in Anwendung.


In Amerika wurde Anfang der siebziger Jahre für das Roheisen-
umschmelzen in den Bessemerwerken hauptsächlich das Sturtevant-
Fächergebläse mit zwölf leichtgekrümmten Schaufeln und einer jeden

Figure 220. Fig. 219.


Figure 221. Fig. 220.


Verlust hindernden Scharnierdichtung angewendet. Es war öfter mit
einem von Dampf geheizten Röhrensystem zur Winderwärmung ver-
bunden.


1881 konstruierte E. D. Farcot einen neuen Ventilator, der als
ein verbesserter Lloydscher anzusehen ist.


Mehr Aufmerksamkeit hat man den Kapselrädern zugewendet,
die auch die Ventilatoren vielfach verdrängt haben.


Ellis’ Gebläse 1876/77 war ein einachsiges Kapselrad, dessen
Achse excentrisch zum Mittel der Auſsentrommel stand; doch ver-
mochte es nicht die zweiachsigen Rootsgebläse zu verdrängen.


[540]Die Eisengieſserei seit 1870.

Um 1878 konstruierte Heinrich Krigar in Hannover sein
zweiachsiges Patentschraubengebläse (D. R. P. Nr. 4121), das ein ver-
besserter Roots blower war. Die gröſseren machen 100 bis 175 Um-
drehungen in der Minute.


1882 erbaute Stewart in Amerika sein einachsiges Kapselgebläse,
welches in den Vereinigten Staaten Verbreitung fand.


Man wendete bei Kupolöfen höchstens eine Pressung des Windes
von 55 cm Wassersäule an. Doch haben neuerdings Krigar und
Ihssen1) und C. H. Jäger Hochdruckgebläse erfunden, die Verbreitung
gefunden haben. Das Jägergebläse ist Fig. 221, 222 in Ansicht und

Figure 222. Fig. 221.


Figure 223. Fig. 222.


Querschnitt dargestellt. Die Drehkörper dichten gut in breiten
Flächen, und es kann eine Windpressung von einer halben Atmo-
sphäre erzielt werden.


Für die Herbertzöfen kamen Dampfstrahlgebläse in Anwendung.
Ein solches war zuerst 1870 C. W. Siemens in London patentiert
worden. Verbesserte Gebläse der Art für Hüttenbetrieb brachten
die Gebrüder Körting in Hannover zur Einführung.


Wenden wir uns zu den Fortschritten der Formerei. Man ver-
suchte die natürlichen Formsande durch künstliche Surrogate zu
ersetzen. Pet. Gallas schlug 1888 einen künstlichen Formsand aus
19 Tln. reinem Sand und 2 Tln. gepulvertem Harz vor und J. Patrick
ebenfalls in Frankfurt 1889 ein Gemisch aus Sand und Teer. In
England wendete man schon länger einen Formsand aus gewaschenem
Sand und Teer an.


Besonders bedient man sich neuerdings zur Herstellung der
[541]Die Eisengieſserei seit 1870.
Formkerne häufig eines Sandes, dem organische Substanzen beigemengt
sind, infolgedessen er nach dem Guſs leicht herausfällt. In den
Vereinigten Staaten ist hierfür ein Zusatz von Maismehl üblich.


Um die Verbesserung der Formsandmühlen hat sich besonders
das Grusonwerk zu Buckau-Magdeburg Verdienste erworben. Kugel-
mühlen bauten auch P. Zimmermann in Rathenow 1882 für diesen
Zweck. Den Carrschen Desintegrator haben Seebold \& Neff
(Badische Maschinenfabrik) in Durlach um 1876 zuerst zum Zer-
kleinern und Mischen des Form-
sandes verwendet. 1882 erfanden
A. Diefenthäler und Schütze
eine Schleudermühle mit verstell-
baren Stiften zur Vorbereitung des
Formsandes und ersterer nahm am
24. Oktober 1882 ein Patent (D. R. P.
Nr. 23561) auf einen Apparat zum
Mischen und Sieben des feinen
Modellsandes. Die Sandmisch-
maschine von C. Schütze ist
Fig. 223 im Durchschnitt abgebildet.
Auch H. Krigar konstruierte 1885
eine Mahl- und Mischmaschine nach
dem Carrschen Princip. A. von
der Nahmer
in Remscheid lieſs
sich 1886 eine Sandmischmaschine
patentieren (D. R. P. Nr. 34948).
Zum Sieben des Formsandes hat

Figure 224. Fig. 223.


Verfasser längere Zeit ein von A. Schmidt-Manderbach erfundenes
Spiralsieb verwendet. Ein wagerecht hin und her gehendes Sandsieb
hat Max Goerke in Aumühle 1889 sich patentieren lassen (D. R. P.
Nr. 48385).


Zum Wickeln der Lehmkerne haben sich Holzwollseile statt der
Strohseile bewährt.


Bei den Formkasten erstrebte man Ersparnis an Kasten durch
Zusammensetzung derselben aus Teilen. So führte 1877 die Emersche
Eisengieſserei Abschlagformkasten ein, bei denen jeder Kastenteil aus
zwei Stücken, die durch Scharniere verbunden waren, bestand, und
Auerbach konstruierte in demselben Jahre seine Universalrahmen,
in welchen die unbeschlagenen Formkasten befestigt wurden. Schmidt
nahm 1894 ein Patent (D. R. P. Nr. 74167) auf diagonal geteilte, ver-
[542]Die Eisengieſserei seit 1870.
schraubte Kasten. Schmiedeeiserne Kasten werden jetzt fabrikmäſsig
hergestellt und sind leichter wie Guſseisenkasten 1).


Zahlreiche Verbesserungen wurden bei den Formmaschinen,
die eine groſse Verbreitung erlangten, gemacht. Wir können nur
einzelne derselben in chronologischer Ordnung kurz erwähnen.


Auf der Wiener Weltausstellung von 1873 war eine Röhrenform-
maschine von Direktor Dewailly von Marquise, Dep. Pas de Calais,
die auf dem in Schottland bewährten Princip der rotierenden Stampf-
keulen beruhte.


Figure 225. Fig. 224.

Ende der siebziger Jahre konstruierten Sebold \& Neff in
Durlach [später Badische Maschinenfabrik 2)] eine Formmaschine, die
groſse Verbreitung in Deutschland fand. Sie arbeitete mit einer
Modellplatte, Modell und Schwenkrahmen, preſste den Sand in den
Formkasten und war mit einer Vorrichtung zum Auslösen des Modells
versehen. In der ersten Beschreibung 3) war darauf Wert gelegt, daſs
die Druckplatte keine ebene, sondern eine der Gestalt des Modells
entsprechende Druckfläche haben solle. Sie war für Handbetrieb ein-
gerichtet. Um dieselbe Zeit (1879) wurde die Formmaschine von
G. Woolnough und Fr. Dehne in Halberstadt (D. R. P. Nr. 1391,
8669 und 15271), Fig. 224, die ebenfalls groſsen Beifall fand, ein-
[543]Die Eisengieſserei seit 1870.
geführt. Sie arbeitet mit Modellplatten, die nicht aus Eisen, sondern
aus Gips, Cement, einer leichtflüssigen Metallmischung, Hartgummi
oder einem anderen leichten Stoff hergestellt sind, um sie besser
handhaben zu können, die aber, um sie haltbarer zu machen, mit
Rahmen von Eisen umgeben sind 1). Die Modellplatte ruht in
zwei Zapfenlagern auf zwei Säulen und kann vollständig gedreht
werden. Darunter läuft der Formtisch auf Rollen. Das Modell ist
auf beide Seiten der Formplatte verteilt. Nachdem zuerst der Unter-
kasten eingestampft ist, wird die Platte gedreht und in gleicher
Weise der Oberkasten fertig gemacht.


Am 21. November 1880 lieſs sich H. Reusch in Dillingen einen
Formkasten mit Doppelpressung zu gleichzeitiger Herstellung von
Ober- und Unterkasten 2)
patentieren. Die Marienhütte
bei Kotzenau führte eine
Specialformmaschine für Ge-
schirrguſs 3) ein.


Bei der 1881 von Ugé in
Kaiserslautern patentierten
Formmaschine (D. R. P. Nr.
15570), Fig. 225, geschieht die
Auslösung des Modells durch
Abwärtsbewegung der Modell-
platte und Hindurchziehen der
Modelle durch Schlitze der
Tischplatte, auf welcher der
Formkasten steht. Die Be-
wegung geschieht in der Regel
durch Hebel und Getriebe.


Für die Herstellung von
Töpfen mit gleicher Wand-

Figure 226. Fig. 225.


stärke soll die von J. V. Hope am 19. Oktober 1882 patentierte
Formmaschine dienen. Ganz konstruierte eine für geriffelte Walzen
bestimmte Formmaschine, bei welcher die Riffeln durch Einpressen
auf eine glatte, cylindrische Form hergestellt wurden. Überhaupt
läſst sich die Formmaschine viel vollkommener für einen bestimmten
Gegenstand anpassen und deshalb sind viele solche Specialmaschinen
[544]Die Eisengieſserei seit 1870.
erfunden worden. Die früher üblichen durchbrochenen Formplatten
mit eingesetzten Modellstücken sind seit Mitte der achtziger Jahre
allgemein durch die in Amerika gebräuchlichen Modellplatten ver-
drängt worden.


1886 führte die Pneumatic Compagny zu Indianopolis, U. S., die
Preſsluft zum Festdrücken des Formsandes mit Hülfe eines elastischen
Gummikissens ein, doch war das Verfahren zu kostspielig.


Gebr. Körting nahmen 1899 ein Patent auf eine Walzenpresse
zur Herstellung von Sandformen [D. R. P. Nr. 106925 1)].


Albert Piat in Paris benutzte in demselben Jahre zuerst die
hydraulische Presse zur Herstellung von Guſsformen (D. R. P.
Nr. 34592). Seitdem haben die hydraulisch betriebenen Form-
maschinen eine zunehmende Verbreitung gefunden. Sie sind billig
und leicht zu bedienen und gestatten viel höheren Druck als die mit
Handbetrieb.


Von den zahllosen Specialmaschinen nennen wir die Zahnradform-
maschine von Heintzmann und Dreyer auf der Bochumer Eisen-
hütte 1886 und die von Rob. Schneider in Düsseldorf 1892; eine
Riemenscheiben-Formmaschine von Anton \& Söhne in Flensburg
1888; eine ebensolche von A. Wetzig (D. R. P. Nr. 73731) 1893 und
von Petzold \& Co. in Inowrazlaw 1897; ferner eine Spiralform-
maschine für Zahnräder, Riemenscheiben u. s. w. der Badischen
Maschinenfabrik 1893 (D. R. P. Nr. 71824).


Hydraulische Formmaschinen wurden konstruiert von Bopp \&
Reuther
in Mannheim 1886, bald darauf von Oppenheim in Hain-
holz (D. R. P. Nr. 50223), von F. G. Leeder in England 1889 (D. R. P.
Nr. 50223), mit doppelter Modellplatte 2), von Sebold \& Neff in
Durlach und von M. R. Moore in Indianopolis 1890, von M. Dalifol
in Paris 1891 (D. R. P. Nr. 64628).


In den neunziger Jahren haben die hydraulischen Formmaschinen
(Formpressen) immer mehr Anwendung gefunden und sind viele neue und
verbesserte Konstruktionen patentiert worden 3), so z. B. Mac Lellan
und Alby in Palmadic 1890 (Engl. P. Nr. 14885), der Badischen
Maschinenfabrik (Sebold \& Neff) in Durlach (D. R. P. Nr. 60204)
und F. Weber in Hannover (D. R. P. Nr. 60769) 1891, Bopp \&
Reuther
in Mannheim 1891 (D. R. P. Nr. 59727), 1892 (D. R. P.
Nr. 73514) und 1898 (D. R. P. Nr. 102223), Murray und Fairweather
[545]Die Eisengieſserei seit 1870.
1894 (D. R. P. Nr. 82683),
Wasseralfingen 1895
(D. R. P. Nr. 84541),
S. Oppenheim in Hain-
holz (D. R. P. Nr. 82683),
E. H. Mumford 1897 1)
u. s. w.


Man baut die Maschi-
nen entweder mit fest-
stehenden oder mit dreh-
baren Formkasten. Fig.
226 zeigt eine Form-
maschine der ersten,
Fig. 227 eine solche der
zweiten Art, beide nach
Konstruktionen von Bopp
\& Reuther
. In erster
Linie hat der Wasser-
druck das Pressen des
Formsandes gegen das
Modell an Stelle des
Einstampfens zu besor-
gen, sodann aber auch
vielfach das Ausheben
des Modells. Bei den
Maschinen, die nicht mit
doppelter Modellplatte
arbeiten, die also bei
einer Presse nur eine
Modellhälfte in einem
Kasten formen [Fig. 228 2)
a. f. S.], geschieht dies in
der Weise, daſs der Kasten
festgehalten wird, und
die Modellplatte mit dem
Plunger sich senkt oder
umgekehrt. Die Modell-
platte steht entweder fest

Figure 227. Fig. 226.


Figure 228. Fig. 227.


Beck, Geschichte des Eisens. 35
[546]Die Eisengieſserei seit 1870.
oder sie ist drehbar, oder seitlich ausfahrbar. Diese verschiedenen
Kombinationen ergaben schon eine groſse Mannigfaltigkeit in der
Gestaltung der Formmaschinen.


Mit den Modellformmaschinen kamen auch Kernformmaschinen
in Aufnahme. Für die Herstellung von Sandkernen hat F. Bollmann
in Smichow bei Prag 1890 eine Kernformmaschine (D. R. P. Nr. 57699)
erfunden. Armenkernformmaschinen für Riemenscheiben u. s. w. wurden
Williams (D. R. P. Nr. 76138) und Oskar Müller (D. R. P.

Figure 229. Fig. 228.


Nr. 78773) 1894, eine
Kernformmaschine für
Hohlguſs J. Wert-
heim
1897 (D. R. P.
Nr. 94921) patentiert.
Die Zahl der patentier-
ten Kernformmaschi-
nen ist groſs. Ebenso
kamen mit den Form-
maschinen die Stampf-
maschinen in Ge-
brauch; beide waren
öfter miteinander ver-
bunden, wie schon bei
der Formmaschine von
Eames und Broad-
meadow
1874, bei
welcher der Sand
mechanisch in die
Form gepreſst wurde.
1880 nahm E. de
Simon
in Düsseldorf
ein Patent auf eine Stampfmaschine (D. R. P. Nr. 10185), deren
Antrieb wie bei einem Friktionshammer erfolgte. In demselben
Jahr konstruierte R. Döhn in Siegburg seine Stampfmaschine für
Sandformen, besonders für Geschosse 1); die in einem Hebelgerüste
seitlich bewegten Preſsstempel, die aber wie freifallende Stampfer
wirkten, wurden durch Maschinenkraft bewegt. 1887 erhielt Math.
Rob. Moore
zu Indianopolis ein Patent (D. R. P. Nr. 42009)
auf eine Maschine mit unabhängig voneinander wirkenden Stampfern
[547]Die Eisengieſserei seit 1870.
zum Einstampfen des Sandes und 1888 auf eine verbesserte Maschine,
bei welcher sich die dicht nebeneinander stehenden Stampfer unab-
hängig voneinander in einem gemeinschaftlichen Gehäuse bewegten.
Krügers Stampfmaschine (D. R. P. Nr. 75058) mit auswechselbaren
Stampfern war durch ein Schneckengetriebe für verschiedene Höhen
verstellbar.


Hierher gehört auch die Benutzung von Walzen statt Stampfern
zum Eindrücken des Formsandes, welche namentlich die Gebrüder
Körting in Hannover 1885 beim Formen ihrer Heizkörper eingeführt
haben (D. R. P. Nr. 29840 1). Aus Skizze Fig. 229 ist das Prinzip des
Verfahrens zu erkennen.


Figure 230. Fig. 229.

Durch die Verbindung von Form- und Stampfmaschinen mit
geeigneter Fortbewegung der fertigen Formkasten zu den Trocken-
und Schmelzöfen sind besonders da, wo Specialartikel gemacht werden,
groſsartige Leistungen erzielt worden, wie z. B. auf den Werken von
M. Godin zu Guise in Frankreich, wo durch Einführung der kon-
tinuierlichen Maschinenformerei an Stelle der Handformerei im Jahre
1888 43 Arbeiter so viel leisteten wie früher 300. Das Formen geschah
in drehbar in Zapfen aufgehängten Formkasten auf beweglichen Tischen
mit hydraulischen Pressen.


Noch groſsartiger war der automatische Gieſsereibetrieb der
Westinghouse-Luftbremsen-Gesellschaft 2) zu Wilmerding bei Pittsburg
1890. Die Gieſshalle ist 97,2 m lang und 47 m breit. Sie besteht aus
drei Abteilungen, dem Gieſsraum von 59 m Länge, dem zweistöckigen
Putzraum und dem Sandraum. Das Formen wird auf einer Reihe von
auf Rädern laufender Tische, Fig. 230 (a. f. S.), welche untereinander so
verbunden sind, daſs sie eine endlose Kette bilden, vorgenommen.
Auf der einen Auſsenseite werden die Formkasten durch hydraulische
Maschinen fertiggestampft, alsdann auf einen der 158 Tische gesetzt
und auf diesen den Stichlöchern der Kupolöfen gegenüber gebracht
35*
[548]Die Eisengieſserei seit 1870.
und voll gegossen. Hierauf werden sie durch die endlose Tischkette
nach dem Putzraum gebracht, woselbst die Guſsstücke in groſse
Scheuertrommeln gelangen, während die leeren Formkasten wieder

Figure 231. Fig. 230.


zu den Formmaschinen zurückkehren. Diese Einrichtung setzt voraus,
daſs bei jedem Guſs nur die gleichen oder sehr ähnliche Modelle zum
Abguſs gelangen.


J. D. Hibbard hat 1893 ein ringförmiges, um eine vertikale
Achse drehbares Gestell, das in ähnlicher Weise zum Kastentransport
dient, konstruiert. Ein Kasten nach dem anderen wird voll gegossen,
alsdann nach dem Erkalten der Kasten in dem Gestell umgedreht,
so daſs der ganze Inhalt Guſsstücke und Formsand herausfallen.


Eine von E. Ramsay (V. St.) erfundene Vorrichtung zum Ein-
gieſsen des Metalls bei endlosen Gieſstischen (D. R. P. Nr. 117053) ist
Fig. 231 abgebildet. Die Verteilungstrommel M faſst immer so viel
Eisen, als dem Guſsstück entspricht.


Für diese Art des kontinuierlichen Gieſsens hat Arthur Walker
(New York) neuerdings Gieſshülfsmaschinen, die alle mechanischen
Arbeiten, wie Öffnen des Schmelzofens, Drehen des Formträgers etc.,
bethätigen, erfunden (D. R. P. Nr. 115 603 1).


[549]Die Eisengieſserei seit 1870.

Der Formsand wird den Formmaschinen von oben durch Trichter
und Schläuche zugeführt.


Das Trocknen der Kerne oder Formen geschieht meistens in
Trockenkammern mit direkter Heizung. Seltener wendet man Trocken-

Figure 232. Fig. 231.


öfen mit Röhrenheizung an, wie z. B. die von A. Cramer in Königin-
Marienhütte bei Zwickau erbauten 1). Oft ist es aber auch notwendig
oder zweckmäſsiger, die Formen an Ort und Stelle, wo sie hergestellt
worden sind, zu trocknen, wie z. B. bei der Röhrenformerei. Statt des
unvollkommenen Verfahrens mit offenem Kohlenfeuer, Kokskörben etc.
hat man fahrbare Öfen, deren Verbrennungsgase durch die betreffenden
[550]Die Eisengieſserei seit 1870.
Formen geleitet werden, konstruiert. Diese werden öfter mit künst-
lichem Wind betrieben, wie der 1887 von Briegleb, Hansen \& Co.
in Gotha eingeführte und der 1889 der Wilhelmshütte zu Waldenburg
patentierte (D. R. P. Nr. 51214 1), Fig. 232.


Figure 233. Fig. 232.

H. L. Robert in Stenay erhitzt die Guſsformen im Innern (1886)
durch Gas mit lötrohrähnlichen Brennern.


Um dichten Guſs zu erhalten, führte Whitworth 1874 das
Gieſsen unter Druck ein, während Stoudly und Drummond in
Belgien in demselben Jahre das Luftleerpumpen der Guſsformen vor
dem Gieſsen empfahlen. N. Slawianoff erhielt 1890 ein Patent auf
Herstellung dichter Güsse durch Elektricität. Dies wird bewirkt
durch die Verzögerung der Abkühlung infolge Erwärmung durch den
elektrischen Strom.


[551]Die Eisengieſserei seit 1870.

Die mechanische Reinigung des geschmolzenen Eisens von Schlacke
geschieht in der Regel in der Gieſspfanne. Als Ersatz für das Ab-
streichen durch einen Arbeiter hat man Bleche angebracht, welche in
das flüssige Eisen eintauchen, und die obenaufschwimmende Schlacke
zurückhalten. Eine solche Gieſspfanne ist z. B. 1888 von Goodwin
und Howe1) angegeben worden. In Deutschland wurde Poetter in
Dortmund eine solche patentiert. Statt dessen hat man auch Vor-
schläge gemacht, zwischen Einguſs und Form einen Reinigungsapparat
anzubringen. Einen solchen tragbaren Guſseinlauf empfahl Robert
Schneider
in Düsseldorf 1886, und J. Gallas in Frankfurt lieſs sich
1888 einen „Schäumapparat“ patentieren (D. R. P. Nr. 43347). Jak.
Frank
in Barmen benutzt hierfür (1893) ein Kesselchen mit Schwimmer
(D. R. P. Nr. 67350). 1894 erfand van Rict einen künstlichen Ein-
guſs und die Gebrüder Müller (D. R. P. Nr. 80921) für denselben
Zweck einen drehbaren Einlauf. Einen guten Gieſstrichter mit Zufuhr
hat Treuheit in Düsseldorf 2) eingeführt.


E. Servais und H. Lezias schlugen 1886 eine viel weiter gehende
Reinigung des Eisens in der Pfanne vor, indem sie wie beim Besse-
mern einen gepreſsten Windstrahl durch ein Rohr in das flüssige
Metall einführten.


Der Centrifugalguſs, welcher schon früher bekannt war, ist 1888
von Manassah Gledhill in Manchester und von Whitworth \& Co.,
1890 von William Ambler in Bradford und 1892 von J. L. Sebe-
nins
angewendet und verbessert worden. Für die Erzeugung von
Hohlkörpern durch Centrifugalguſs hat Walz 1894 einen Apparat
(D. R. P. Nr. 72478) erfunden, desgleichen Alexander einen für
Massenartikel (D. R. P. Nr. 77768). Das von P. Huth in Gelsen-
kirchen 1894 erfundene Centrifugalguſsverfahren 3) (D. R. P. Nr. 78532)
hat den Zweck, hartes und weiches Metall in getrennten Lagen in
der Form zur Ablagerung zu bringen. Es bezieht sich dies auf
Stahlguſs.


Die Fortschritte der Hebekräne gehören in die Geschichte des
Maschinenbaues, doch darf nicht unerwähnt bleiben, daſs man seit
mehreren Jahren mit groſsem Nutzen elektrische Kräne in Gieſsereien
immer allgemeiner verwendet; anfangs nur leichte Drehkräne, wie
z. B. die von E. Becker in Berlin, später aber Laufkräne von be-
deutender Tragkraft; so befinden sich z. B. in der neuen Gieſserei von
[552]Die Eisengieſserei seit 1870.
A. Borsig in Tegel elektrisch betriebene Laufkräne von 25 Tonnen Trag-
kraft, in dem Guſsstahlwerk in Döhlen einer von 40 Tonnen Tragkraft.


Figure 234. Fig. 233.

Eine einfache hydraulische Heb-
vorrichtung, Fig. 233, die auch für
Gieſsereien sich eignet, haben Klein,
Schanzlin
und Becker in Franken-
thal erfunden.


Für das Putzen des Gusses ist die
Einführung des Sandstrahlgebläses
als Putzmaschine eine wichtige Neue-
rung. Am 11. Oktober 1870 nahm der
Amerikaner R. E. Tilghman zu
Philadelphia ein Patent für die Be-
arbeitung harter Substanzen mittels
Sandstrahlen. Das Verfahren fand
zuerst in der Glasfabrikation An-
wendung, dann zum Blankputzen
eiserner Gegenstände zur Verzinnung
(1871/73), zum Putzen und Schärfen
von Feilen und endlich auch zum
Putzen des Eisengusses. Die Aus-
führung war je nach den zu putzenden
Gegenständen eine sehr mannigfaltige
Der Sandstrahl wird mit Hülfe eines Ventilators in ähnlicher Weise
erzeugt wie der Wasserstrahl bei dem Injektor, doch wendet man
zum Putzen gröſserer Gegenstände auch Dampf-Sandstrahlgebläse an,

Figure 235. Fig. 234.


[553]Die Eisengieſserei seit 1870.
wie Fig. 234 ein solches zeigt 1). Flache Handelsguſswaren werden
mit Wind-Sandstrahlen auf einem Drehtisch in einem geschlossenen

Figure 236. Fig. 235.


Apparat geputzt. Fig. 235 zeigt einen solchen von Alfred Gutmann
in Ottensen. a ist der Drehtisch, Fig. 236 zeigt die Sandstrahldüse.
Eine möglichst gleichmäſsige Ver-
teilung der Sandstrahlen ist wesent-
lich. Die Guſswaren werden auſser-
halb des Apparates auf den Drehtisch
gelegt und gelangen dann in das
verschlossene Innere desselben, wo
die Sandstrahlen auf sie wirken, um
nach einiger Zeit auf der anderen
Seite fertig geputzt herauszukommen.
Das Putzen geschieht ganz gleich-
mäſsig bei hoch und tief gelegenen
Stellen, eignet sich deshalb z. B. sehr
für verzierten Ofenguſs. Reicht die
Wirkung des Windes nicht aus, so
wendet man Dampf an, wie in der
Regel für Stahlguſs.


Figure 237. Fig. 236.

[554]Die Eisengieſserei seit 1870.

Sandstrahlmaschinen wurden in Deutschland im Jahre 1880 von
K. und Th. Moller in Kupferhammer bei Brackwede, dann von
Alfred Gutmann zu Ottensen-Hamburg gebaut. Für eine ver-
besserte Guſsputzmaschine erhielt H. Röchling 1897 ein Patent
(D. R. P. Nr. 99677). A. Gutmann nahm 1899 ein neues Patent
(D. R. P. Nr. 109648) auf eine Sandstrahl-Guſsputzmaschine mit
rotierender Putztrommel.


Statt des Wind- oder Dampfstrahls dient bei einer von der
Badischen Maschinenfabrik 1893 erbauten Guſsputzmaschine (D. R. P.
Nr. 71824) ein schnell umlaufendes Zellenrad, das den Putzsand gegen
die Guſsstücke schleudert.


Als Ersatz des Handmeiſsels für das Guſsputzen hat James
Mac Coy
in Brooklyn einen durch Druckluft betriebenen Meiſsel,
Fig. 237, der sehr rasche kurze Stöſse ausführt, erfunden. Mc. Ewan

Figure 238. Fig. 237.


Roſs in Glasgow hat
1894 ein ähnliches
Werkzeug konstruiert.
Selbstthätige Putz-
meiſsel sind in Amerika
jetzt allgemein in Ge-
brauch.


Betrachten wir nun
noch die Herstellung
besonderer Guſssorten,
so hat sich besonders
die Röhrengieſserei
in diesem Zeitraum zu einer immer mehr entwickelten wichtigen
Specialität ausgebildet. Wir können die Fortschritte derselben nur
kurz andeuten.


1873 empfahl Cramer zu Königin-Marienhütte das Trocknen der
Formen durch die Gase eines Generators mit geringwertigem Brenn-
material, weil die Trocknung mit heiſsem Winde zu kostspielig war.
Er lieſs die Verbrennungsgase durch einen unter den hängenden
Kernen herführenden Kanal, der oben verschlieſsbare Löcher oder
düsenartige Ansätze hat, die nach Bedürfnis geöffnet werden, streichen.
Um die Röhren, welche stehend gegossen wurden, auch stehend mit
geringen Kosten einzuformen, ersetzte er das lange Modell durch ein
Modellteilstück, welches durch eine Schraube mit dem fortschreitenden
Einstampfen in die Höhe gezogen wurde, wie es Fig. 238 zeigt.
Röhrenform- und Stampfmaschinen wurden verschiedene um diese
[555]Die Eisengieſserei seit 1870.
Zeit erfunden, doch bewährte sich das Einstampfen mit der Hand
unter Benutzung von Ganz- und Teilmodellen, wie es namentlich von
Haldy zu Pont-à-Mousson (1873) vervollkommnet worden war, am
besten.


Das 1881/82 von W. Kudlicz in Böhmen erfundene Formver-
fahren bezweckt besonders eine Ersparnis an Formkasten. Die Guſs-
form wird aus einzelnen ringförmigen Stücken,
die mit Hülfe von Formmaschinen in Abschlag-
kasten hergestellt werden, zusammengebaut. Ein
Gieſskasten kann täglich 15- bis 20mal gefüllt
werden und dieselben Arbeiter machen drei- bis
viermal so viel wie früher 1).


Jos. Wisley in Leeds erfand 1882 rotierende
Guſsformen zur Herstellung weiter Röhren.
Centrifugal-Gieſsmaschinen für Muffen und
Flanschenröhren wurden 1886 von Büldge,
Hildebrandt
und Quatram in Berlin an-
gegeben.


Über die Röhrenfabrikation der Königlichen
Eisengieſserei zu Gleiwitz findet sich ein Aufsatz
von Jüngst und Deppe in der Zeitschrift für
Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen
Staate XXXIV, S. 111. Ein Akkumulator dient
dort zum Betriebe eines hydraulischen Aufzuges
und der Röhrenpresse.


Röhrenformmaschinen wurden konstruiert
von J. M. Zaski in Hamburg 1886, von Marcel
Miller
in Naise-aux-Forges bei Ligny, Dep.
Moselle, 1887.


Figure 239. Fig. 238.

John Aug. Brinell in Westenfors goſs 1887 die Röhren massiv,
ohne Kern, und lieſs das Innere auslaufen, wodurch das Hohlrohr
entstand.


Von Röhrenstampfmaschinen erwähnen wir noch die von Jul.
Rimer
in Düsseldorf von 1893 (D. R. P. Nr. 71830) mit verstellbaren
Stampfern und die von Sheperd \& Leigh (D. R. P. Nr. 77640) mit
absatzweisem Eintragen des Sandes. Eine neue Stampfmaschine für
Rohrformen wurde Hugo Sack patentiert (D. R. P. Nr. 113395 2)).


Eine groſse Bedeutung und Verwendung hat auch der Hartguſs
[556]Die Eisengieſserei seit 1870.
in dieser Zeit erlangt. Die vorzüglichen Leistungen der Amerikaner
im Guſs von Hartguſsrädern haben wir schon früher hervorgehoben.
Diese werden in den Vereinigten Staaten nicht nur für Eisenbahn-
Güterwagen, sondern auch für Personenwagen und selbst für Lokomo-
tiven verwendet. Die 1847 gegründete Rädergieſserei von A. Whitney
\& Sons
in Philadelphia verschmolz 1875 täglich 30 bis 40 Tonnen
Roheisen, was der Produktion von 12 bis 16 kleinerer Holzkohlen-
hochöfen gleichkam. Man verwendete nur bestes Holzkohlenroheisen
aus Alabama, doch setzte man damals 5 bis 10 Prozent Anthrazit-
roheisen zu. Auſser dem Material ist die Abkühlung besonders wichtig.
Diese wird in cylindrischen Kühlöfen vorgenommen. Die noch heiſsen
Räder werden in den glühenden Ofen eingesetzt, dann wird noch
zwei bis drei Stunden gefeuert und hierauf der Ofen mit den Rädern
zwei bis drei Tage abkühlen lassen. Die Räder werden durch die
Schlagprobe geprüft, besonders wird die Nabe mit schweren Hämmern
geschlagen; dann erst werden sie ausgebohrt. Die Räder laufen meist
32000 bis 60000 englische Meilen und mehr. 1886 führte Wilh.
Sellers
in Philadelphia verbesserte Metallformen, deren Wände ein
ungehindertes Schwinden des Metalls gestatteten, ein. Zahlreiche
andere Verbesserungen wurden in den folgenden Jahren in Amerika
patentiert 1). Von diesen ist die von J. M. Barr in Milwaukee 1890
erfundene bewegliche Guſsform mit Ringkanal, durch den während
des Gieſsens Dampf, nach dem Gieſsen kaltes Wasser geleitet wird,
zu erwähnen, weil sie in den neunziger Jahren vielfache Anwendung
gefunden hat.


In Deutschland hat sich besonders Gruson in Buckau-Magdeburg
auf den Guſs von Hartguſsrädern verlegt und in den zehn Jahren
von 1881 bis 1890 390000 Stück nach 700 Modellen gegossen. In
Amerika hat jetzt die Pulman-Gesellschaft in Milwaukee die gröſste
Produktion. Für Hartguſszahnräder erhielt J. R. Weeldon in
Wolverhampton ein Patent. Gebr. Glöckner zu Tschirndorf in
Österreich erzeugten Ende der siebziger Jahre einen blasenfreien
Hartguſs dadurch, daſs sie erst Roheisen im Frischfeuer oder Puddel-
ofen einschmolzen und dieses gefeinte Roheisen dann im Kupolofen
aufgaben. Benj. Davis Martin goſs 1888 Hartguſswalzen in der
Weise, daſs er erst eine Walze von kleinerem Durchmesser anfertigte,
diese dann erwärmt in die Walzenform einsetzte und Eisen um die-
selbe goſs. Die Härtung ging hierbei von innen nach auſsen vor
[557]Die Eisengieſserei seit 1870.
sich. Chr. Totten stellte 1889 Hartguſswalzen von groſser Festigkeit
dadurch dar, daſs er dieselben aus Guſseisen in einer Kokille goſs,
alsdann aber den guſseisernen Kern durch Nachgieſsen von Fluſseisen
verdrängte. In Amerika liefert A. Garrison in Pittsburg vorzügliche
Hartwalzen 1).


Hermann Gruson erwarb sich groſse Verdienste um den
Hartguſs. Anfangs goſs er nur Walzen, Ambosse, Pochschuhe und
Räder, dann auch Geschosse und hierauf endlich seine berühmten
Hartguſspanzerplatten. Durch diese führte er eine ganz neue Ver-
wendung des Hartgusses in die Praxis ein und bildete sie zu
solcher Vollkommenheit aus, daſs seine Leistungen bis jetzt un-
erreicht dastehen. Aus diesem Grunde hat auch die Firma
Friedrich Krupp das groſsartige Werk erworben, und hierin liegt
die gröſste Anerkennung für Grusons erfolgreiche Bestrebungen für
die Vervollkommnung des Hartgusses. Auf Einzelheiten einzugehen
ist hier nicht möglich. Die ersten erfolgreichen Versuche fanden
1869 auf dem Tegeler Schieſsplatz bei Berlin statt, wo Gruson eine
Gieſserei nur für diese einmalige Verwendung erbaut hatte. Nachdem
die Hartguſspanzer ihre Widerstandsfähigkeit erwiesen hatten, hat
Gruson, wie bekannt, besonders unter Mithülfe des genialen Majors
Schumann, ein System der Landesverteidigung mit drehbaren und
versenkbaren Hartguſspanzertürmen erfunden, welches epochemachend
war und bleiben wird. Hierbei kamen Hartguſsstücke in Frage, wie
man sie früher nicht gekannt hatte. Die riesigen Panzer von 1100 mm
Dicke, die Schartenplatten der 1883 für Italien bestellten Türme von
1600 mm waren nicht nur ganz ungewöhnlich schwere Guſsstücke,
sondern es bot auch die gleichmäſsige Oberflächenhärtung so gewaltiger
Massen Schwierigkeiten, die bis dahin unbekannt waren. Hierzu ver-
wendete man eiserne Kokillen. Die Modelle zu den Panzern, wie
zu den Kokillen wurden erst aus Holzgerüsten und Gipsguſs her-
gestellt. Diese wurden dann in Guſseisen abgegossen. In England
zog man dicke Kokillen aus Grauguſs oder schwachhalbiertem Roh-
eisen vor, in Deutschland und Frankreich dünnere Kokillen aus stark
halbiertem Roheisen. Für den Hartguſs verwendete Gruson nur
Holzkohlenroheisen und zwar bezog er dies früher von Schmalkalden
(Bleymüller) und aus Nassau (Buderus), nachdem aber die Holz-
kohlenhochöfen dort eingegangen waren, aus Schweden. Ein halbiertes
Eisen ist am geeignetsten für Hartguſs. Um aber von den Zufällig-
[558]Die Eisengieſserei seit 1870.
keiten des Hochofenbetriebes unabhängig zu sein, mischte er graues
und weiſses Roheisen und schmolz dasselbe in Kupolöfen um. Für
den Guſs der Panzerplatten benutzte er Sammelbassins, aus denen er
es in die in groſsen Dammgruben eingebauten Formen abstach. Die
chemische Zusammensetzung von gutem Hartguſs schwankt in engen
Grenzen und zwar beträgt nach Ledebur1):



Unter Stahlguſs wird zwar in Preuſsen nach einem Erlaſs des
Arbeitsministers vom 29. Januar 1889 der Guſs verstanden, der aus
Roheisen unter Zusatz von Stahlabfällen erzeugt ist, dessen Substanz
also kein Stahl, sondern ein durch geringen Kohlenstoffgehalt hartes
Eisen ist; in der Praxis versteht man aber darunter alle aus Stahl
gegossenen Waren, sowohl Tiegelstahl- als Fluſsstahlwaren. Über
diese wie über den Mitisguſs werden wir später berichten.


Hier wollen wir dagegen noch über die Fortschritte des schmied-
baren Gusses
sprechen, da dieser in der Regel aus Roheisen ge-
gossen wird und erst durch eine Nachbehandlung in seinem Stoff
verändert wird. Die Herstellung desselben hatte auch auf dem
europäischen Kontinent eine groſse Ausdehnung gewonnen und be-
deutende Verbesserungen erfahren. Von dem Aberglauben, daſs
sich nur das Cumberlander Hämatitroheisen für schmiedbares Eisen
eigne, war man schon vor den siebziger Jahren abgekommen. Doch
verlangte Brüll noch von dem zu verwendenden Roheisen eine Nei-
gung, Stahl zu bilden (propension aciéreuse). Mallet behauptete,
jedes weiſse Roheisen, auch das gefeinte, sei dafür geeignet. Letzteres
ist aber doch nicht der Fall, weil es dickflüssig ist und sich schlecht ver-
gieſsen läſst. Die erstere Behauptung geht aber ebenfalls zu weit, indem
nur weiſse Roheisensorten von einer gewissen chemischen Mischung
verwendbar sind; vor allem dürfen dieselben nur eine geringe Bei-
mengung von Mangan — nach Ledebur nicht über 0,40 Prozent —
enthalten, weil dieses die Entkohlung durch Glühen sehr erschwert.
Über den chemischen Vorgang beim Aducieren ist durch die Unter-
suchungen des Amerikaners Davenport2) im Jahre 1871 Licht ver-
breitet worden. Er fand folgende Veränderungen:
[559]Die Eisengieſserei seit 1870.

Um jene Zeit kam auch das Umschmelzen von Roheisen und Stahl-
abfällen in Kupolöfen und die Herstellung gröſserer Stücke in Auf-
nahme, besonders in Amerika und Belgien, wo man dieses Produkt als
Temperguſs bezeichnete. In den Vereinigten Staaten von Amerika
wurde 1875 ein Tempern mit Wassergas, „das Andrewsverfahren“ 1), ein-
geführt, doch nur vorübergehend. 1877 schmolz man daselbst für
schmiedbaren Guſs weiſses oder lichtgraues Holzkohlenroheisen, welches
aus reinen Erzen bei basischer Beschickung mit kaltem Winde erblasen
war, im Kupolofen um. Die Formen wurden mit Formmaschinen von
Jobson, Eames oder mit der einfachen Maschine von C. F. Hammer,
die nur aus einer durch ein Hebelwerk bewegten Formplatte, welche
in den Sand gedrückt wurde, bestand, hergestellt. Als Entkohlungs-
mittel dienten Roheisenstein oder durch Glühen in Oxydoxydul ver-
wandelte Drehspäne, oder durch Begieſsen mit Salmiak zum Rosten
gebrachter Hammerschlag und Walzensinter. Auburn \& Co. in
New York stellten 1876 auſser Sensen, Gabeln, Rechen besonders
Teile von landwirtschaftlichen Maschinen aus so bereitetem schmied-
baren Gusse her.


Dalifol in Paris und Fischer in Schaffhausen machten 1878
schmiedbaren Guſs aus Stahlguſs, der in Eisenoxyd geglüht wurde.


1881 stellte auch L. Forquignon2), durch Cailletet veranlaſst,
genaue Untersuchungen über die Umwandlung des Eisens beim Adu-
cieren an und kam zu dem Schluſs, daſs die Oxydation eines Teils
des Kohlenstoffs dabei nur nebensächlich sei, daſs vielmehr die Um-
wandlung darin bestehe, daſs das weiſse Eisen in der Glühhitze wenig
unter seinem Schmelzpunkt in Graphit und kohlenstoffarmes, weiches
Eisen zerfalle. Diese Erscheinung tritt auch nicht nur beim Glühen
im Eisenoxyd, sondern auch beim Glühen in Sand, Kalk, Knochen-
kohle, Feilspäne, ja selbst im Stickstoff- oder Wasserstoffstrome ein.


Was die Verbesserungen in der Ausführung des Prozesses betrifft,
[560]Die Eisengieſserei seit 1870.
so beziehen sich diese zumeist auf die Schmelz- und Glühöfen.
Siemens hatte letztere schon vor 1870 mit Regeneratoren verbunden.
Mallet schlug solche auch für die Schmelzöfen vor. Francis in
Birmingham baute seine Schmelzöfen als geteilte Muffel mit zwei
Einsatzthüren. Dadurch konnte er einen kontinuierlichen Betrieb
erzielen, wobei jedoch bei jedem Gieſsen eine starke Abkühlung
eintrat.


C. Nehse baute 1879 zu Traisen einen Temperofen mit zwölf
Kammern, ähnlich einem Ringofen, und betrieb ihn mit Gas. Die
Anordnung in Kammern hatte übrigens Wedding schon 17 Jahre
früher vorgeschlagen.


Rott1) veröffentlichte 1881 die Zeichnung eines einfachen Ofens
mit Glühtöpfen; ein ähnlicher, aber vollkommenerer von Querfurth
wurde auf dem Eisenwerk Schönheiderhammer im Erzgebirge mit
Erfolg betrieben 2). Für gröbere aus dem Kupolofen gegossene Guſs-
waren wendete man keine Glühtöpfe oder Kasten an, sondern Kisten-
öfen, wie bei der Cementstahlfabrikation und wie sie Reaumur schon
1721 vorgeschagen hatte 3).


Einen beschleunigten Temperprozeſs erreichte Carl Rott in
Nürnberg dadurch, daſs er die Guſsstücke in einem breiartigen
Gemisch von Roteisensteinpulver und etwas Kalk eintaucht. Die so
inkrustierten Guſsstücke werden in dünnwandigen Glühkasten in
kammerartig geteilten Temperöfen erhitzt 4).


Karl Edler von Querfurth zu Schönheiderhammer (Sachsen)
temperte schon zuvor in ähnlicher Weise ohne Glühgefäſse, indem er
die aufgetragene Tempermasse mit einer Schicht Lehm, Kalk etc.
deckte (D. R. P. Nr. 74367 vom 11. Mai 1893).


Über die Festigkeit des schmiedbaren Gusses hat Palmer
Ricketts
eingehende Versuche angestellt, wonach die Zugfestigkeit
zwischen 18,7 und 31 kg auf 1 qmm, die Längenausdehnung bis zum
Bruch von 1,1 bis 7,6 Prozent schwankten.


Zum Schluſs sei noch auf das neue Verfahren des Flickens und
Anschweiſsens schadhafter Guſsstücke durch das aluminothermische
Verfahren von Dr. Hans Goldschmidt5) hingewiesen.


[561]Die direkte Eisengewinnung.

Die direkte Eisengewinnung.


Die unmittelbare Gewinnung des schmiedbaren Eisens aus den
Erzen hat auch in dieser Periode nicht aufgehört eine Rolle zu
spielen und hat zu vielen Versuchen und Erfindungen Veranlassung
gegeben. Daſs die älteste und einfachste Methode der Eisengewinnung
in Herden bei vielen Naturvölkern Afrikas und Asiens noch in An-
wendung steht, haben zahlreiche Reiseberichte bestätigt; auffallender
ist es, daſs dieses Verfahren wenigstens im Jahre 1880 noch eine
festbegründete Industrie in den Staaten New York und New Jersey
der Vereinigten Staaten von Nordamerika bildete. Hierüber hat
T. Egleston, Professor am Columbia College, eine ausführliche Be-
schreibung, der wir die nachfolgenden Notizen entnehmen, ver-
öffentlicht 1). Obgleich man diese Rennwerke mit verschiedenen Namen
als Jerseyschmiede, Champlainschmiede, Katalanschmiede, Luppen-
schmiede oder einfach als Schmiedefeuer bezeichnet, so ist es doch
nichts anderes als das alte deutsche Luppenfeuer, wenn auch in
modernisiertem Gewande. Man erzeugt darin aus guten Erzen ein
reines, namentlich von Phosphor fast freies Eisen.


In New Jersey und New York verschmilzt man in der Regel
reiche, reine Erze, die man, um sie möglichst von beigemengter Gang-
art zu befreien, röstet, zerkleinert und aufbereitet, so daſs das Erz in
Körnergröſse aufgegeben wird. Zu Crown Point werden die reichen
Erze im Hochofen, die armen, aber reinen Erze in Luppenfeuern ver-
schmolzen. Diese armen Erze enthalten nur 40 Prozent magnetisches
Oxyd. Das Rösten geschieht in Stadeln mit Holzfeuer; das Schmelzen
mit Holzkohlen, wobei man Ofenkohlen (kiln coal) den Meilerkohlen
vorzieht. Das Luppenfeuer ist mit Guſseisenzacken von 2 bis 3 Zoll
Dicke zugestellt, welche in der Windrichtung 27 bis 36 Zoll, senkrecht
dazu 24 bis 30 Zoll lang sind. Man bläst durch eine in der Mitte
der Formplatte befindliche Form, die 14 Grad in den Herd geneigt
ist. Der Wind wird in drei bis fünf Calder- oder Hosenröhren über
dem Luppenfeuer auf 600 bis 800° F. erhitzt. Fig. 239 (a. f. S.) zeigt ein
solches Drei-Röhren-Feuer von Saranac, New York, welches wasser-
gekühlte Boden- und Seitenplatten hat. Die Crown Point-Werke
zu Ironville haben Vier-Rühren-Feuer. Die einfachen Gebläse
Beck, Geschichte des Eisens. 36
[562]Die direkte Eisengewinnung.
(Kingsland bellows) bestehen aus drei horizontalen oscillierenden
Cylindern von 60 Zoll Durchmesser und 60 Zoll Hub, die elf Touren
in der Minute machen und von Wasserrädern bewegt werden. Die
ganzen Kosten eines Luppenfeuers betragen 550 bis 600 Dollars.
Durchschnittlich schmilzt man alle drei Stunden eine Luppe von 300

Figure 240. Fig. 239.


bis 400 Pfund. Die
Erze werden mit
der Schaufel, die
Kohlen in Körben
aufgegeben. Die
Luppe wird unter
einem Stirnhammer
gezängt in vier
Blöcke (billets) von
70 bis 80 Pfund Ge-
wicht geteilt, diese
dann gestreckt und
geglättet. Ein eiser-
ner Stirnhammer
kann vier bis sechs
Feuer bedienen, ein
hölzerner nur drei.
In der zwölfstündi-
gen Schicht von
Mittag bis Mitter-
nacht werden ca.
2600 Pfund Luppen
oder etwa 1 Tonne
Stabeisen gemacht,
wobei auf die Tonne
300 bis 350 Büschel Holzkohlen verbrannt werden. Das erzeugte
Eisen ist sehr rein und von hervorragender Güte; es wird dem
schwedischen Stabeisen gleich geschätzt. Dadurch hauptsächlich hat
sich der Prozeſs in jenen Gegenden erhalten, doch glaubt Egleston
nicht, daſs er nach der Einführung des Thomasverfahrens noch
lange werde bestehen können, da er in jeder Beziehung, namentlich
durch die hohen Kosten des Brennmaterials und den groſsen Eisen-
verlust, unökonomisch sei; jetzt schon (1880) sei seine Bedeutung
nur eine lokale und er würde erhalten teils aus Gewohnheit, teils
wegen des guten, phosphorfreien Produktes. Das erzeugte Eisen werde
[563]Die direkte Eisengewinnung.
vielfach zu Nägeln und groben Ackergeräten verarbeitet, sei aber
am meisten zum Umschmelzen in Tiegeln oder im Martinofen
geeignet.


1882 gab es in den Vereinigten Staaten noch 68 Katalanwerke,
die 48354 Tonnen Eisen erzeugten. Übrigens waren nach Swank
auch auf der Insel Corsica Ende der achtziger Jahre noch zehn Renn-
feuer (Corsicanschmieden, s. Bd. III, S. 654) im Betriebe.


Auch die zweite uralte Form der direkten Schmiedeeisengewinnung,
die in Stücköfen, hat sich nicht nur bei uncivilisierten auſsereuro-
päischen Völkern, sondern auch noch in einigen Gegenden Europas,
wie in Finnland, Ungarn, Siebenbürgen, Bosnien und der Türkei bis
in die neueste Zeit erhalten.


Über Stücköfen, welche 1880 noch in Ungarn betrieben wurden,
berichtet A. Kerpely (Eisenhüttenwesen in Ungarn und Siebenbürgen).
Er beschreibt einen zu Toroczko im Tordaer-Komitat, welcher 9 Fuſs
hoch, 20 bis 24 Zoll im Gestell und 12 Zoll in der Gicht weit war.
Der mit Schieferplatten ausgekleidete Schachtofen wurde bei offener
Brust mit Holzkohlen gefüllt, diese von unten entzündet und, wenn
die Hitze bis zur Gicht durchgedrungen war, Erz aufgegeben. In
zehn Stunden wurden etwa 14 Centner Erz mit der Schaufel ein-
geworfen. Dann wurde die mit Latten zugemachte Brust aufgebrochen
und das 2½ bis 3 Centner schwere Stück herausgeschafft. Mit un-
säglicher Mühe wurde es mit Hacken in zwei Richtungen gespalten
und mit Hülfe von Keilen vollends zerteilt. Die zerteilten Stücke
wurden von den Schmelzern, welche durchweg Zigeuner waren, in
einer Art von Löschherd weiter behandelt und unter einem 150 Pfund
schweren Hammer zu Pflugeisen, Achsen u. s. w. gestreckt. Das Eisen
war fest und sehr hart; es wurde meist zu Scheren und groben
Schneidwaren, die als Toroczkoer Waren in ganz Siebenbürgen ge-
schätzt waren, verarbeitet. Das gesuchte Stückeisen wurde höher
bezahlt als anderes Eisen. Ein weiterer Stückofen war zu Plotzkô
bei Vaida Hunyad und zwei andere, die der gräflich Banffyschen
Familie gehörten, zu Zalatna im Betriebe. Die Eisengewinnung in
jener Gegend geht bis in die Zeit der Römerherrschaft zurück.


Ebenso hatten sich in Finnland die Stücköfen erhalten.
Chr. Husgafvel1) versuchte dieselben zu verbessern, indem
er durch Einführung eines auswechselbaren Herdes einen konti-
nuierlichen Betrieb herbeiführen wollte. Dies geschah zuerst 1875
36*
[564]Die direkte Eisengewinnung.
zu Pankakosky, sodann zu Porsaskoski (1879), Wärtsilä, Kontsche-
Osero und Dobiansk. In vollkommener Weise führte er dies 1884 in
Wärtsilä aus. Der Ofen, der mit einem Blechmantel und mit Wasser-
kühlung versehen war, wurde mit heiſsem Wind betrieben. Drei mit
Kalk ausgestrichene Herde gehörten zu einem Ofen. Der Herd ruhte auf
guſseisernen Wagen; sobald der Herd mit Eisen und Schlacken gefüllt
war, wurde er abgefahren und durch einen anderen ersetzt. Während
man in den alten finnischen Bauernöfen zu Anfang des Jahrhunderts
1 Centner Stangeneisen aus 8 bis 10 Centner Seeerz mit 24 Tonnen
Holzkohlen in 10 Arbeitsstunden erblasen hatte, lieferte schon der
Ofen zu Pankakosky die zehnfache Menge in derselben Zeit. Der Ofen
von Wärtsilä war 24 Fuſs hoch und 5 Fuſs im Kohlensack und 3 Fuſs
in der Gicht weit; er faſste 250 Kubikfuſs, war ganz von Eisen und nur
bis 7 Fuſs Höhe mit einer 1½ Zoll dicken Auskleidung von feuerfestem
Thon versehen. Der Wind trat durch vier Öffnungen in den eisernen
Wänden des Wagengestelles ein. Die Erwärmung des Windes geschah
durch den Ofen selbst, indem der Wind spiralförmig um den Ofen ge-
leitet wurde. Hierdurch kühlte und schützte er zugleich die Ofenwand.
Mit dem Anwachsen der Luppe im Herd wurden die Düsen höher
gelegt. Nach 40 Gichten war der Wagen voll, der nun durch einen
Hebel gesenkt, mit Winden weggezogen und entleert wurde, während
ein neuer Wagen sofort untergeschoben, angepreſst und befestigt
wurde. Dies erforderte nur 5 bis 7 Minuten. Hierdurch war der
Prozeſs ein kontinuierlicher. Den Betrieb regulierte man durch die
Windpressung: schärferer Wind gab weicheres, schwächerer Wind, bei
geringerem Erzsatz und weniger stechenden Formen, gab stahlartiges
Eisen und Roheisen. Bei der niedrigen Schmelzhitze wurde nur sehr
wenig Phosphor reduciert. Die Luppe oder das Stück enthielt noch
groſse Mengen von Schlacken, Kohlen und selbst unreduciertes Erz. Es
eignete sich aber vorzüglich zum Umschmelzen im Martinofen, wobei
allerdings ein Schmelzverlust von 30 Prozent etwas gewöhnliches war.
1887 betrug die Tagesproduktion bei Verschmelzung von Seeerzen mit
36 Prozent Eisengehalt 125 bis 170 Pud (2047,5 bis 2784,6 kg), bei
Zusatz von 40 Prozent Puddelschlacke stieg die Produktion bis 3400 kg.
Die Erzeugung der Stückofenluppen ermöglichte erst den Martin-
prozeſs für Finnland, indem er es von dem teuren Schrottbezug un-
abhängig machte. Das Stückeisen war nicht teurer als Roheisen; man
konnte es mit Nachsatz von Spiegeleisen oder Ferromangan für sich
im Flammofen verschmelzen. Leider muſste dieser Betrieb aber
infolge der ungünstigen russischen Zölle 1887 eingestellt werden.
[565]Die direkte Eisengewinnung.
Dagegen verarbeitete man die Luppen zu Stürzen für Schwarzbleche.
Das Stückofen-Schmelzverfahren, das im einzelnen noch verschiedene
Verbesserungen erfuhr, stand 1889 auſser auf dem genannten Werke
noch zu Kontsche Osero und zu Dobiansk in Ausübung. Für Finn-
land hatte es also damals eine nicht geringe Bedeutung.


Ein noch viel gröſserer Aufwand von Geist und Mühe wurde auf
diejenigen direkten Eisengewinnungsprozesse, bei denen Reduktion und
Schmelzung getrennt ausgeführt wurden, verwendet.


Besonders entwickelte Wilhelm C. Siemens in England eine
erstaunliche Energie bei der Vervollkommnung dieses Verfahrens.
Über seinen „Erzstahlprozeſs“, bei dem die Erze nur den kleineren
Teil des Rohmaterials bildeten, haben wir bereits berichtet (S. 93) und
kommen auf die weitere Entwickelung desselben später noch zurück.
Hier interessiert uns ein anderes Verfahren, bei dem Eisenerze den
einzigen oder hauptsächlichen Rohstoff bildeten und auf welches
Siemens durch seine zahlreichen Versuche mit dem Erzstahlprozeſs
geleitet wurde. Es kam ihm hierbei um 1870 die Idee, ob es nicht
vorteilhafter sei, statt wie bis dahin die Erze zu einem Eisenschwamm
zu reducieren und diesen in ein im Flammofen geschmolzenes Eisenbad
einzutragen und zu schmelzen, die Erze mit Fluſsmitteln zu einer
eisenreichen Schlacke zu schmelzen und aus dieser durch Kohle das
Eisen in kompakter Form auszufällen und in Form von Luppen zu
gewinnen. Versuche auf dem Landore-Siemens-Stahlwerk bei Swansea
im rotierenden sowie im Kaskadenofen und auf den Blochairn-
Eisenwerken bei Glasgow fielen nicht ungünstig aus. Siemens
bezeichnete sein neues Verfahren als Präcipitationsprozeſs oder
Niederschlagsarbeit. Zunächst gab er einem Regenerativ-Gasflamm-
ofen, der nach Art eines Kaskadenofens zugestellt war, den Vorzug. Auf
dem Boden desselben waren aus den Erzen selbst zwei verschieden
hohe Herde oder Betten hergestellt; auf dem höher gelegenen wurden
die Erze mit dem Fluſsmittel zu einem flüssigen Bade geschmolzen,
dieses wurde dann durch die aus Erzstücken hergestellte Zwischen-
wand in das tiefer liegende Bett, auf dessen Boden zuvor ein Gemenge
von gepulvertem Koks oder Anthrazit und Erzstaub aufgestreut worden
war, abgestochen. Die flüssige Masse wurde dann umgerührt, wobei
sich eine dicke, schäumende Mischung bildete, aus der sich nach 40
bis 50 Minuten metallisches Eisen abschied. Dies wurde zu Luppen
vereinigt, welche entweder gezängt oder im Stahlschmelzofen um-
geschmolzen wurden. Im weiteren Verlauf seiner Versuche gab
W. Siemens dem Drehofen oder Rotator mit Bauxitfutter den Vorzug.
[566]Die direkte Eisengewinnung.
Später kleidete er nur die Enden des Rotators mit Bauxit aus,
während er den mittleren Teil mit einem Eisenoxydfutter versah, das
für den Prozeſs förderlich war und sich leichter flicken und er-
neuern lieſs.


Fig. 240 zeigt die von W. Siemens angegebene Ofenkonstruktion.
Der Cylinder des Rotators war 9 engl. Fuſs lang und 7½ Fuſs weit. In
den heiſsen Ofen wird die zerkleinerte mit Kalk gemengte Erzcharge
von etwa 20 Centner Gewicht eingesetzt und unter langsamer Um-
drehung geschmolzen. Nach etwa 40 Minuten werden 5 bis 6 Centner
Kohlenklein eingetragen, worauf das Oxyd zu magnetischem Oxyd und
unter Kohlenoxydgasentwickelung teilweise zu metallischem Eisen
reduciert wird. Ist die Reduktion des Eisenoxyds fast vollendet, so
wird die flüssige Schlacke abgestochen und unter rascherer Um-
drehung des Rotators das Eisen zu zwei bis drei Luppen geballt, die
herausgenommen und gezängt werden. Sodann wird die übrige
Schlacke abgestochen und hierauf neu chargiert. Eine Charge dauerte
zwei Stunden und lieferte 10 Centner Eisen, so daſs ein Drehofen in
24 Stunden 100 Centner Luppenstäbe liefern konnte. Stahl kann man
entweder dadurch erhalten, daſs man die heiſsen Luppen in ein Roh-
eisenbad im Stahlschmelzofen bringt, oder im Rotator selbst dadurch,
daſs man im zweiten Stadium mehr Kohlenstoff und nach dem
Schlackenablassen 10 bis 15 Prozent Spiegeleisen zusetzt.


Siemens machte seine Versuche auf seinen Sample Steel Works
zu Birmingham. Bei Krupp in Essen und zu Stehle wurde der
Prozeſs, der durch die Weltausstellung in Wien bekannt geworden
war, ebenfalls versuchsweise eingeführt. Kerpely machte 1874 auf
dem genannten Werke von Siemens zu Birmingham Versuchsschmelzen
mit ungarischen Erzen, erhielt aber faulbrüchiges Eisen. Kaum besser
verliefen die 1875 von W. Hupfeld zu Prävali in Kärnten angestellten
Versuche.


W. Siemens führte dagegen 1877 seinen Prozeſs mit Erfolg auf
der Eisenhütte zu Towcester in Northhampton ein. Er vergröſserte
den Rotator, der aus einem cylindrischen Blechmantel mit guſseisernen
Stirnplatten bestand, auf 9½ Fuſs Länge und 8½ Fuſs Durchmesser,
kleidete ihn an den Stirnseiten mit 4½zölligen Bauxitlagen, in
der Mitte mit einem 5 bis 6 Zoll dicken Futter von eisenreicher
Schlacke aus. Ein gutes Futter hielt 30 bis 40 Chargen aus. Die
Beschickung bestand aus 5 Centner geröstetem Thoneisenstein,
5 Centner ungeröstetem und 7½ Centner geröstetem Kohleneisenstein,
4½ Centner Schweiſsofenschlacke, 2½ Centner Kalkstein und 4 Centner
[567]Die direkte Eisengewinnung.
Steinkohle. Nach dem Eintragen der Charge lieſs man den Drehofen
noch 5 bis 10 Minuten ruhen, dann begann die Rotation mit 12 bis
15 Umdrehungen in der Stunde, unter selbstthätiger Umsteuerung der

Figure 241. Fig. 240.


[568]Die direkte Eisengewinnung.
in das Innere eintretenden Gas- und Luftströme. Nach 2 Stunden
war die ganze Masse in Rotglut, aber noch trocken, nach 2½ Stunden
wurde sie klebrig und flüssige Schlacke fing an sich abzuscheiden,
nach 3½ Stunden begann die Luppenbildung bei flüssiger Schlacke.
Nun lieſs man den Ofen sich rascher umdrehen, stach bald darauf
Schlacke ab, was nach ¼ Stunde wiederholt wurde. Hierauf
unterbrach man die Bewegung zeitweilig, um eine Luppe fertig zu
machen und herauszunehmen. Die erste erfolgte nach 4 Stunden
8 Minuten, die letzte nach 4½ Stunden. Die Luppen wurden
unter dem Hammer gezängt, doch gelang die Entfernung der ein-
geschlossenen Schlacke nur unvollkommen. Sie kamen alsdann in
einen Siemens-Gas-Schweiſsofen von 12 Fuſs Länge und 6 Fuſs Breite,
worin sie unter Umwälzen geschweiſst wurden. Die überschmiedeten
Blöcke gelangten hierauf zum zweitenmal in den Schweiſsofen und
wurden als „reheated blooms“ zu Stürzen für Schwarzblech ausgewalzt.
Eine Charge ergab 5½ Centner weiches, körniges Eisen, das in
Prozenten 99,71 Eisen, 0,12 gebundenen Kohlenstoff, 0,065 Silicium,
Spuren von Mangan, 0,0275 Schwefel und 0,074 Phosphor enthielt.
Der meiste Phosphor wurde mit den ersten Schlacken entfernt.


Tunner und James Davis1) äuſserten sich sehr günstig über
das Verfahren in Towcester 2), dessen Erfolg auch Veranlassung gab,
daſs dasselbe in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingeführt
wurde. Den ersten, wenn auch erfolglosen Versuch machten dort
Park, Brothers \& Co. in Pittsburg 1878. Im Jahre 1880 begann
R. W. Anderson, der 1868 auch den ersten Regenerativofen in
Amerika eingeführt hatte, den Prozeſs aufzunehmen und zu Tyrone
bei Altona (Pa.) in Verbindung mit W. Siemens die ersten Versuchs-
schmelzen auszuführen. Der gute Erfolg derselben führte 1881 zur
Gründung der Gesellschaft Siemens, Anderson \& Co. und zur Er-
bauung eines groſsen Werkes 3) mit vier Drehöfen bei Pittsburg. Die
Drehöfen von 12 Fuſs Länge und 11 Fuſs Weite waren aus einzölligem
Blech mit einem 4½ Zoll dicken Futter hergestellt. Zu jedem Rotator
gehörten zwei Gasgeneratoren, 21 Fuſs hoch, 20 Fuſs lang und 7½ Fuſs
breit. Jede Charge bestand aus 5000 Pfund Erz, etwa 400 Pfund
Kalkstein und 1200 bis 1600 Pfund Steinkohlen. Der Prozeſs dauerte
8 Stunden. Man machte Luppen von 200 Pfund Gewicht, die unter
[569]Die direkte Eisengewinnung.
60 Centner-Hämmern von Schlacke befreit zu Blöcken (blooms) ver-
schmiedet wurden. So konnte man in jedem Ofen in 24 Stunden drei
Chargen machen. Das Ausbringen aus den Erzen, die 50 bis 60 Prozent
Eisen enthielten, betrug 43 bis 46 Prozent; etwa ein Drittel des Eisens
ging in die Schlacken. Der Kohlenaufwand betrug 3,25 Tonnen auf
eine Tonne Blöcke. Diese wurden mit dem doppelten Gewicht von
Roheisen und Abfalleisen im Siemens-Stahlschmelzofen verschmolzen.
1883 befand sich das Werk in regelmäſsigem Betriebe.


Der chemische Zweck des Prozesses, ein von Phosphor möglichst
freies Eisen zu erhalten, wurde vollständig erreicht, ein ökonomischer
Erfolg gegenüber dem indirekten Betriebe aber nicht erzielt. Das
Produkt war zu teuer, der Schmelzverlust zu groſs. Gegenüber dem
neuerfundenen Thomasverfahren konnte sich deshalb Siemens’
Niederschlagsarbeit nicht behaupten. 1882 lieſs Professor Sarnström
zu Nyhamma und Söderfors in Schweden Versuche mit diesem Ver-
fahren machen, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. 1886 war der Erz-
prozeſs in Amerika nur noch in Midvale im Betriebe. Die Amerikaner
verwarfen das Verfahren schon aus dem Grunde, weil es ihnen zu
langsam ging.


Friedrich Siemens suchte den Prozeſs in der Richtung abzu-
ändern, daſs er anstatt der Luppen sofort flüssiges Eisen aus den
Erzen in einem Flammofen bei groſser Hitze schmelzen wollte. In
seinem Patent (D. R. P. Nr. 32309) vom 28. November 1884 lautet
sein Anspruch auf „die Herstellung von Fluſseisen durch direktes
Einschmelzen eines fein pulverisierten Gemisches von Eisenerz, Zu-
schlägen und Kohlen in einem Flammofen mit Wärmespeichern unter
Einwirkung einer sehr hohen Temperatur, daſs die Reduktion des
Erzes, die Abscheidung der Schlacken und die Ansammlung des
gebildeten flüssigen Eisens nach dem specifischen Gewicht vor sich
gehen kann“. Hier liegt die Neuheit nicht in der Idee des Schmelz-
verfahrens — denn ganz ähnliche Vorschläge hatten schon F. F. Jones
1873 in England und Fr. Lang und J. von Ehrenwerth 1875 in
Österreich gemacht —, sondern in dem dafür angewendeten Mittel,
dem Flammofen, der durch rasche Steigerung der Hitze bis zu
auſserordentlicher Höhe eine beschleunigte Reduktion und Schmelzung
des reducierten Eisens ermöglichen soll. Auf die geistreich erdachten
Flammöfen beziehen sich denn auch die weiteren Patente von 1886,
1890 und 1891 (D. R. P. Nr. 37105, 59930, 62904). Der Flammofen
ist durch einen wagerechten, ringsumlaufenden, offenen Schlitz in eine
obere und eine untere Abteilung zerlegt, der geschlossen werden kann
[570]Die direkte Eisengewinnung.
und bei Erzeugung der höchsten Temperatur geschlossen wird. In
diesem „Ofen mit rundum offener Zone“ sollen Eisenerze in Pulver-
form bis Nuſsgröſse mit Zuschlägen eingeschmolzen und alsdann durch
eingetragenen Kohlenstoff reduciert werden. Die Reduktion geht von
oben vor sich unter kochender Bewegung der Schmelzmasse; das
Eisen sammelt sich in flüssigem Zustande unter der Schlackendecke
an, und man kann je nach dem Kohlungsgrad Schrot oder Erzstücke
nachschmelzen. Eine praktische Bedeutung hat dieses Verfahren aber
bis jetzt nicht erlangt.


Schon 1874 hatte G. Kazetl den Vorschlag gemacht, Ein-
schmelzen, Reducieren und Ausfällen in demselben Flammofen zu
bewirken, dabei aber die Reduktion nicht durch festen Kohlen-
stoff, sondern durch eingepreſstes Kohlenoxydgas zu bewirken.
Letzteres hatten Bessemer selbst und Jones in Middlesborough
bereits früher versucht, ebenso Siemens, der aber mit Kohlenoxyd-
gas keinen Erfolg erzielt hatte.


Gerhardt schlug 1874 vor, das gepulverte Erz mit dem Fluſs-
mittel und Teer zu mengen und in Ziegelform im Puddelofen direkt
auf Puddelluppen zu verarbeiten.


In Amerika machte Jac. Reese auf den Fort Pitt-Eisen- und
Stahlwerken 1877 den Versuch, Eisenerze im Kupolofen zu einer
Schlacke zu schmelzen, diese in Konverter laufen zu lassen und durch
die flüssige Masse ein auf 315° erhitztes Gemenge von Benzin und
Wasserdampf zu leiten.


In demselben Jahre führte Chas. M. Du Puy1) ein abweichendes
Verfahren zur direkten Darstellung von Schweiſseisen und Stahl ein,
das eine Zeit lang die Beachtung der Hüttenleute auf sich zog. Die
zerkleinerten Erze wurden mit Kohlen in Blechbüchsen gepackt, in
einem Flammofen erhitzt und die reducierte und zusammengeschweiſste
Masse mitsamt der Umhüllung unter Luppenquetschen und Walzen
zu Rohschienen verarbeitet. Das phosphorarme Eisen wurde in
Tiegeln oder Siemens-Martinöfen eingeschmolzen. Anfangs nahm man
nur Holzkohlen, später auch Steinkohlen, Anthrazit und andere
Kohlenarten zur Reduktion. Der Betrieb war (1881) auf den Werken
der Phönix-Iron-Company (U. S.) eingeführt; das in Tiegeln um-
geschmolzene Produkt lieferte angeblich einen brauchbaren Werk-
zeugstahl. Auf den genannten Werken hatte man das Verfahren
[571]Die direkte Eisengewinnung.
darin abgeändert, daſs man die Blechhülsen weglieſs und das Gemenge
in die Form von Ringen oder Röhren preſste. In drei Monaten hatte
man 1371,5 kg Puddelschlacke, 3675 kg Champlain-Erz, 1200 kg
Hammerschlag nach dieser Methode verarbeitet. Die Chargendauer
betrug drei Stunden, das Ausbringen aber nur 32 Prozent des ein-
gesetzten Oxydes.


Inzwischen hatte auch das getrennte Verfahren, bei welchem die
Reduktion in besonderen Gefäſsen, die Schmelzung des in denselben
erhaltenen Eisenschwammes aber in einem Flammofen und zwar
meist in einem Roheisenbade erfolgt, wieder gröſsere Beachtung
gewonnen und zu neuen Vorschlägen und Erfindungen geführt. Von
den älteren Prozessen wurde der von Chenot 1872 noch auf einem
Werk von Ybarra \& Co. in Spanien fortbetrieben. Ebenso erhielt
sich der diesem und mehr noch dem Gurltschen Verfahren verwandte
Touraginprozeſs (S. 92) in zwei Öfen im nördlichen Spanien bis
1884. In der Weltausstellung zu Paris waren dessen Produkte aus-
gestellt. Der gewonnene Eisenschwamm wurde im Frischherde weiter
verarbeitet.


1880 war das Chenotverfahren auf der Hütte El Desierto, wo
aus Bilbaoerzen in steinernen Retorten Eisenschwamm gewonnen und
im Schweiſsherde zu einem weichen, für Nägel brauchbaren Eisen ver-
arbeitet wurde, im Gange.


Auf derselben Grundlage beruhte das 1873 von Thomas S. Blair
von Pittsburg beschriebene Verfahren 1). 1875 war dasselbe nach
Tunners Bericht bereits zu einem hohen Grade der Vollkommen-
heit ausgebildet. Die Reduktion der mit Kohlen gemengten reichen
Erze vom Missouri oder vom Lake Superior erfolgte mit Gas im
oberen Teile hoher schachtförmiger Räume 2), in deren unterem Teile
der reducierte Eisenschwamm bei völligem Luftabschluſs abgekühlt
wurde. Dieser wurde sodann unter einer starken hydraulischen Presse
kalt in die Form cylindrischer Blöcke gepreſst, welche hierauf in
einem Roheisenbade eingeschmolzen wurden. Auf Blairs Werk zu
Asinwood bei Pittsburg lieferten sechs Öfen wöchentlich 1200 Centner
Eisenschwamm. 1882 wurde dieses Verfahren auch zu Glenwood
betrieben; man verarbeitete Missourierze. Im Jahre 1881 betrieb man
nach Weddings Bericht 3) die Reduktion mit natürlichem Gas.


[572]Die direkte Eisengewinnung.

Petroleum, natürliches Gas und Wassergas erlangten bei der
direkten Eisengewinnung in Amerika mehrfach Anwendung und
wurden darauf verschiedene neue Verfahrungsweisen gegründet; unter
diesen erregte die von H. Clay Bull bei Bull \& Co. 1881 eingeführte 1)
(D. R. P. Nr. 22993) besonderes Aufsehen. In einem Schachtofen
von 7 m Höhe, der mit Rootsgebläse und vier Cowperapparaten
ausgerüstet war, sollte mit Wassergas direkt Eisen und Stahl erzeugt
werden. Der Ofen wurde mit geröstetem Erz und gebranntem Kalk
ohne festes Brennmaterial beschickt. Die Schmelzung sollte allein
durch Gas, welches mit hocherhitztem Wind im Ofen verbrannt wurde,
erfolgen. Gleichzeitig hatte das Gas die Reduktion und Kohlung zu
besorgen. Ein Versuch, welchen die Gesellschaft John Cockerill zu
Seraing im November 1881 ausführte, fiel ungünstig aus, indem der
Ofen, obgleich der Wind auf 1560° Fahrenheit erhitzt war, einfror.
In Amerika hatten sich zwar mehrere Gesellschaften zur Ausbeutung
des Verfahrens gebildet, von einem Erfolg hörte man aber nichts.


Dr. G. Duryce in New York 2) führte 1882 bei der Poughkeepsie
Eisen- und Stahlgesellschaft ein Petroleumschmelzverfahren in einem
Flammofen mit Ölbehälter und Ventilatorgebläse ein.


1884 machte O. Thiéblemont zu Liverdun den Vorschlag, die
Erze mit kohlenwasserstoffreichen Gasen zu reducieren und mit
kohlenoxydreichen zu schmelzen. Ähnliches versuchte Arthur in
Cowes. Auch der von James Henderson 1886 vorgeschlagene
Stahlumwandlungsofen, in dem Erzbricketts reduciert und geschmolzen
werden sollten, war mit Naturgasheizung eingerichtet. Mit Gas allein
gelang indessen die Reduktion nicht, es muſsten dem Erze immer
Kohle oder kohlenstoffreiche Stoffe beigemengt werden.


W. F. M. Mac Carty zu Hagerstown (Maryland) konstruierte
1888 einen eigentümlich kombinierten Ofen zur direkten Stahl-
erzeugung. Es war ein Schachtofen, der ähnlich den Gasreinigern
stufenweise geteilt war in Verbindung mit einem Konverter. Das
gepulverte, mit Kohle vermischte Erz wurde oben aufgegeben, und
indem es von Stufe zu Stufe fiel, begegnete es einem Strom von
Wassergas und Luft, wodurch es reduciert, gekohlt und geschmolzen
wurde. Das geschmolzene Eisen sammelte sich in einem Kupolofen, in
welchem es durch durchgepreſste Luft entsiliciert und entkohlt wurde.


[573]Die direkte Eisengewinnung.

Wainwrights Verfahren (1888), bei dem Schacht- und Regene-
rativflammofen kombiniert waren, war dem Bullprozeſs ähnlich. Man
suchte im Herdofen die Schlacke basisch zu machen und setzte Ferro-
mangan zu.


Einen wirklichen Erfolg errang Eames, dessen Verfahren
von der Carbon-Iron Company in Pittsburg ausgebeutet wurde 1).
Eames, der erst eine elektrolytische Gewinnung des Eisens in er-
hitzten stehenden Retorten versucht hatte (E. P. 1888, Nr. 14837),
kam später auf ein modificiertes Siemensverfahren. Er reducierte
reiche Magneteisensteine von 62 Prozent Eisengehalt, die mit Graphit
oder später mit Connelsville-Koks gemischt wurden, in einem Flamm-
ofen ähnlich einem Puddelofen, formte aus dem reducierten Eisen
Luppen und schmolz diese im Siemens-Martinofen zu Fluſsstahl. Die
Carbon-Iron-Gesellschaft hatte 1890 16 Reduktionsöfen im Betriebe.
Die Reduktion war in 1½ Stunden beendet. In 24 Stunden konnte
man sechs Chargen in jedem Ofen machen.


Ein anderes Verfahren, der Conley-Lancaster-Prozeſs 2), welcher
in Amerika 1891 mit Vorteil ausgeführt wurde, näherte sich Siemens’
Erzstahlprozeſs insofern, als das reducierte Erz in einem Roheisen-
bade eingeschmolzen wurde. Die Reduktion erfolgte in Retorten,
welche in den beiden Enden eines Regenerativflammofens eingebaut
waren. Das Erz wurde mit Kohle gemengt in diesen Retorten einer
Temperatur bis 800° C. ausgesetzt und der reducierte Schwamm dann
in das Schmelzbad geschoben. Das Verhältnis des Eisenschwammes
zum geschmolzenen Eisen erreichte 1 : 1. Ein Ofen machte in der
Woche 18 Chargen zu 10 Tonnen. Die Anlage zu Brewsters erzeugte
angeblich täglich 250 Tonnen 3). Auf 100 Tle. Fluſseisen kamen
200 Tle. Erz, 40 Tle. Reduktionskohle und 50 Tle. Heizkohle. 1895
war dies der einzige der kombinierten direkten Prozesse, der noch
betrieben wurde und zwar mit der Abänderung, daſs die Retorten
mit Petroleum nur auf 320° C. erhitzt wurden, bei welch niedriger
Temperatur die Reduktion schon erfolgte.


Sehr ähnlich war der Adamsprozeſs 4), welcher 1890 auf den
Indianopolis-Eisenwerken bei Pittsburg im Betriebe stand, nur geschah
die Reduktion in schachtförmigen Kammern mit Ziegelgitterwerk, von
denen vier zu einem Block vereinigt waren. Zur Reduktion wurde
[574]Die direkte Eisengewinnung.
erhitztes Wassergas angewendet, doch war den Erzen 10 bis 15 Prozent
feste Kohle beigemischt.


Jos. von Ehrenwerth, der 1891 auf Grund seiner amerikanischen
Erfahrungen lebhaft für Einführung des direkten Verfahrens in
Österreich eintrat, gab ein auf ähnlicher Grundlage beruhendes Ver-
fahren an 1). Ein im Regenerativ-Flammofen bei hoher Temperatur
eingeschmolzenes hochgekohltes Eisenbad soll ein eingeschmolzenes
Erzbad reducieren. Das entkohlte Bad kann man durch Eintragen
von vorgewärmten Kohlungsmaterialien wieder kohlen und hierauf
eine neue Menge eingeschmolzenes Erz reducieren. Die Vorreduktionen
können in einem Kupolofen, der unmittelbar mit dem Schmelzherd
verbunden ist, geschehen.


Der Larkins-Stahlprozeſs (1891) ist dem Lancasterprozeſs ähnlich,
bemerkenswert ist nur die rasche Entleerung des Schwammes unter
Zuleitung reducierenden Gases in ein Gefäſs, in dem er unter Luft-
abschluſs erkaltet. Der erkaltete Schwamm wird dann mit Holz-
kohle und Harz vermischt in Kuchen geformt und in Tiegeln ein-
geschmolzen.


Siemens’ Erzstahlprozeſs ist mit mehreren der letzterwähnten
Verfahren so nahe verwandt, daſs man wohl seine Beschreibung hier
ebenfalls erwarten dürfte; da aber der Erzzusatz gegenüber dem ein-
geschmolzenen Roheisen nur gering ist und hauptsächlich als Ent-
kohlungsmittel dient, so scheint es doch richtiger, denselben als eine
Modifikation des Siemens-Martinprozesses später zu behandeln.


Dagegen müssen wir hier noch den Vorschlag des russischen
Staatsrats Wladimir F. Berner von 1893 (D. R. P. Nr. 76646)
erwähnen, der fertiges Fluſseisen direkt aus den Erzen in einem
kombinierten Regenerativ-Schachtofen erzeugen will. Der Ofen besteht
aus vier Schächten, die am unteren Teile mit Frischräumen verbunden
sind und die gleichzeitig durch die verschiedene Art des Betriebes zum
Roheisenschmelzen, zur Reduktion der Erze zu Eisenschwamm und
als Generatoren zur Gaserzeugung, um in den Frischräumen das
Gemisch von Roheisen und Eisenschwamm zu Fluſsstahl zu schmelzen,
dienen sollen. Statt der vier Schächte wendete er später nur zwei
an 2). In dem einen Schacht dieses Regenerativdoppelofens wurden
durch Einblassen von gepreſstem Wind wie bei jedem Hochofen Erze
zu Roheisen geschmolzen, während sie in dem anderen unter Ansaugen
[575]Die direkte Eisengewinnung.
von Luft durch Essenzug nur zu Schwamm reduciert wurden. Die
Wassergaserzeugung zum Einschmelzen erfolgte in besonderen Gas-
generatoren. Über Erfolge dieses Verfahrens ist aber nichts bekannt
geworden.


Denselben Gedanken hat aber D. Tschernoff in St. Petersburg
weiter verfolgt, indem er sich einen Gashochofen zur Herstellung von
Fluſs- und Roheisen
patentieren lieſs
(D. R. P. Nr. 101952
vom 12. Februar
1898). Die Roh-
eisendarstellung auf
diesem Wege würde
zweifellos zu teuer,
also könnte nur
die Fluſseisendar-
stellung in Frage
kommen. Von einem
Erfolg ist bis jetzt
nichts bekannt ge-
worden.


Neuerdings hat
der italienische Ar-
tilleriehauptmann
Stassano auch
einen elektrischen
Schmelzofen (Fig.
241) zur direkten
Stahlerzeugung er-
funden. Er vermengt
das magnetisch an-
gereicherte Erz-

Figure 242. Fig. 241.


pulver mit Koks und entsprechenden Zuschlägen in gemahlenem Zu-
stande, sodann mit 5 bis 10 Prozent Teer und setzt die breiartige Masse
unter einer hydraulischen Presse hohem Druck aus. Die gepreſste
Masse wird hierauf in Stücke von 4 Kubikzoll Gröſse zerbrochen und
mit diesen wird der elektrische Schmelzofen, dessen Einrichtung und
Betriebsweise aus der Zeichnung ersichtlich ist, beschickt. Zur Her-
stellung einer Tonne Stahl sind 3000 Pferdekraft-Stunden erforderlich.
Es hat sich in Italien eine Gesellschaft zur Ausbeutung dieses Ver-
[576]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
fahrens gebildet, die im Thale von Camonica eine elektrische Schmelz-
hütte erbaut hat. Einen Gewinn hat aber die Gesellschaft bis jetzt
nicht erzielt, da die Herstellungskosten zu hoch sind.


Trotz des groſsen Aufwandes von Geist und Arbeit auf die Ver-
besserung des direkten Verfahrens der Eisengewinnung in den letzten
30 Jahren sind die Erfolge doch nur gering gewesen. Dennoch wird
diese wichtige Frage, an deren praktische Lösung hervorragende
Metallurgen, wie z. B. Jos. von Ehrenwerth, glauben 1), auch in der
Zukunft zu immer neuen Versuchen anreizen.


Es scheint sich hierfür sogar bereits ein ganz bestimmter Weg
zu zeigen. Es ist dieser die elektrische Eisen- und Stahlgewinnung.
Länder, die an natürlichem Brennstoff arm, an Erzen und Wasser-
kräften reich sind, haben in erster Linie den Beruf diesen Prozeſs
zu entwickeln. Seit Stassanos2) Vorgehen ist dies kein Traum
mehr. Vorläufig ist der Erfolg zwar gering, aber bei den raschen
Fortschritten der Elektrotechnik einerseits und bei dem Bedürfnis
gewisser erzreicher, brennstoffarmer Gebiete andererseits erscheint
die Durchführung, die zunächst allerdings nur von lokaler Bedeutung
sein wird, durchaus wahrscheinlich.


Die indirekte Eisenbereitung.


Vorarbeiten.


Das indirekte Verfahren, das Verschmelzen der Erze zu
Roheisen und die Umwandlung des letzteren in Schmiedeeisen und
Stahl, ist immer noch das unbedingt herrschende. Auf die Ent-
wickelung desselben in den letzten 30 Jahren haben die Fortschritte
der Fluſseisengewinnung, besonders die Erfindung des Thomasprozesses
Ende der siebziger Jahre den gröſsten Einfluſs geübt. Die Frage der
Entphosphorung des Roheisens stand für die immer wichtiger
werdende Fluſseisenbereitung im Mittelpunkt des Interesses. Da die
meisten Eisenerze phosphorhaltig sind, so war das meiste Roheisen
für die Fluſseisenerzeugung nach dem damals allein bekannten sauren
Verfahren unbrauchbar. Die Abscheidung des Phosphors war dem-
[577]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
nach das Problem der Zukunft. Dieses durch Aufbereitung der Erze
vor dem Schmelzen zu bewirken, hatte nur in vereinzelten Fällen
teilweisen Erfolg gehabt; in den meisten Fällen, namentlich wenn der
Phosphor gleichmäſsig im Erz verteilt war, bot dieser Weg keine
Aussicht auf Erreichung des Ziels. Die Abscheidung im Hochofen
zu bewirken, war um so weniger möglich, als der Hochofenbetrieb
Steigerung der Produktion durch Verwendung hocherhitzten Windes,
also sehr hohe Schmelzhitze erstrebte, wobei fast aller Phosphor in
das Eisen ging. Da sich die direkte Eisengewinnung trotz aller
Bemühungen als unökonomisch erwies, so erhob sich die Frage, ob
es möglich sei, die Entphosphorung bei dem flüssigen Roheisen
durch ein Reinigungsverfahren vor dem eigentlichen Frischprozeſs
zu bewirken. Diese Lösung galt vor der Erfindung von Thomas und
Gilchrist als die wahrscheinlichste.


Auf diesem Wege suchten deshalb die meisten Metallurgen in den
siebziger Jahren dieses Ziel zu erreichen und es wurde eine Reihe von
Vorschlägen und Erfindungen für eine Reinigung des Roheisens in
erster Linie von Phosphor, dann auch von Schwefel gemacht.
Wir können dieselben zur besseren Übersicht einteilen in Ver-
fahren, welche die Reinigung des Roheisens im allgemeinen be-
zwecken, und in die besonderen Entphosphorungs- und Entschweflungs-
methoden.


Die allgemeinen Reinigungsverfahren lehnen sich zum Teil
an den früheren Feinprozeſs an, andere erinnern mehr an den Renn-
prozeſs, wie z. B. das bereits erwähnte Verfahren von Ellershausen,
andere erstreben die Reinigung durch chemische Mittel oder Zu-
schläge. Letztere Art war die 1870 von J. E. Sherman in
England vorgeschlagene Reinigung mittels Jod durch Zusatz kleiner
Mengen von Jodkalium (E. P. vom 25. Juli 1870), die aber viel zu
teuer war.


Praktischer war das 1870 von Henderson angewendete Reini-
gungsverfahren 1) durch Einmengen von feingepulvertem und gut
gemischtem Eisenerz und Fluſsspat in das flüssige Roheisen (Am.
Pat. Nr. 347349). Es geschah dies in der Weise, daſs man das Pulver
¼ bis ⅜ Zoll hoch auf einer guſseisernen Schale ausbreitete und das
flüssige Roheisen etwa 1 Zoll hoch darüberlaufen lieſs. Es erfolgte
ein Aufkochen, das etwa fünf Minuten dauerte. Das gefeinte Eisen
Beck, Geschichte des Eisens. 37
[578]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
war von Silicium und Phosphor so frei, wie Schmiedeeisen. Dieses
Material wurde dann bei Pittsburg, wo Henderson sein Verfahren
ausführte, im Puddelofen weiter verarbeitet und lieferte ein sehr reines
Stabeisen. Nachfolgende Analysen beweisen die fortschreitende
Reinigung:


C. M. Tessié du Motay glaubte das Verfahren zu verbessern,
indem er das Roheisen im Flammofen einschmolz, hierauf Fluſsspat
und alkalische Chloride und Nitrate einrührte. Wilde und
Guillieaume schlugen vor, die Reinigung durch Kryolith zu be-
wirken.


R. M. Daelen in Düsseldorf lieſs sich den Zusatz von Eisenoxyd,
Fluſsspat und Kalk in den Vorherd des Hochofens oder Kupolofens
patentieren (D. R. P. Nr. 33946).


H. Schulze-Berge empfahl 1880 das Durchpressen geschmolzener
Haloidsalze (Chlorcalcium mit Chlorbaryum und Fluorcalcium) durch
das flüssige Eisen; ebenso J. Braunsdorf.


J. Anderson1) wollte 1873 die Reinigung des Roheisens dadurch
erreichen, daſs er dasselbe durch einen mit glühendem oxydischem
Eisenerz gefüllten Ofenschacht laufen lieſs; das entkohlte Produkt
sollte dann durch eine Säule Koks flieſsen und hierdurch wieder
gekohlt werden.


Warners Vorschlag von 1875, das flüssige Roheisen dadurch zu
reinigen, daſs man es über ein Gemisch von kalcinierter Soda und
Kalk leitet, war nicht neu; dasselbe gilt von den Vorschlägen von
Dr. Th. Drown in Easton (Pa.), welcher das schon 1860 von
A. K. Eaton erfundene Schmelzverfahren mit kohlensaurem Natron
wieder aufnahm. Stein empfahl 1877 den Zusatz von Cyan-
ammonium.


[579]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.

Ein von Hamoir 1877 angegebenes und zu Maubeuge (Dep.
du Nord) ausgeführtes Reinigungsverfahren bestand darin, daſs man
durch das flüssige Roheisen, wie es aus dem Hochofen floſs, erhitzten
Wind durchpreſste. Das so gefeinte Eisen wurde verpuddelt. Über
diesen Prozeſs hatte sich P. v. Tunner günstig ausgesprochen 1).


Ein ganz ähnliches Verfahren hatte Professor Jossa seit 1878
in Nischne-Tagilsk eingeführt. Eine Abänderung dieses Verfahrens
wurde 1883 von C. Levêque und Pouzin in Frankreich vorgeschlagen,
die das Durchpressen der Luft in fahrbaren Herden, welche man an
den Hochofen fuhr, vornehmen wollten 2).


1880 versuchten E. Servais und M. Feltgen in Luxemburg, das
Roheisen durch überhitzten Wasserdampf zu reinigen. Schwefel,
Phosphor und Silicium sollten dadurch ausgeschieden werden. Um
die Abscheidung des Kohlenstoffs zu verhindern, empfahlen sie, dem
Wasserdampf ein kohlenstoffreiches Gas beizumengen. Ohne diesen
Zusatz erhielt man angeblich zuletzt Fluſseisen.


L. Herlitschka wollte durch Einleiten von Wasserdampf in den
Kupolofen das Roheisen reinigen (1880); M. Laurent Cely nahm
1883 ein Patent, dasselbe durch feuchtes Wasserstoffgas in Muffeln zu
erreichen (Franz. Pat. Nr. 139159 3).


Wenden wir uns nun zu den eigentlichen Entphosphorungs-
verfahren
, so haben sich besonders Lowthian Bell und Alfred
Krupp
vor der Erfindung von Thomas und Gilchrist um diese
Verdienste erworben. Beide suchten ihren Zweck durch einen vor-
bereitenden Schmelzprozeſs zu erreichen.


Lowthian Bells Verfahren, welches er 1877 veröffentlichte,
beruhte auf der Erfahrung, daſs Phosphor durch Eisenoxyd bei
niedriger Temperatur aus dem Roheisen abgeschieden wird, ohne daſs
dabei eine sehr erhebliche Einwirkung auf den Kohlenstoff im Eisen
eintritt. Es war dies eine bekannte Erscheinung beim Puddelprozeſs,
bei dem die Abscheidung des Phosphors hauptsächlich nach dem Ein-
schmelzen beim Beginn des Rührens eintritt, während bei stärkerer Hitze
im weiteren Verlauf des Prozesses der Phosphor wieder aus der Schlacke
reduciert wird. Bells Verfahren bestand nun darin, das flüssige Roh-
eisen in einem trogartigen Behälter mit eisenoxydreichen Körpern, wie
Hammerschlag, Frischschlacke, Eisenerze u. s. w., zu mischen. Der oscil-
37*
[580]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
lierende Trog war etwa 4 m lang und wurde durch Schwinghebel in
zwei Zapfen hin- und herbewegt. Die eisenoxydhaltigen Zusätze waren
gut vorgewärmt, der Apparat machte in zehn Minuten 60 bis
80 Schwingungen. Nach dem Schmelzen wurde die phosphorsäure-
haltige Schlacke ablaufen gelassen. Bei grauem Clevelandeisen ging
hierbei der Phosphorgehalt von 1,50 Prozent auf 0,22 Prozent, der
Siliciumgehalt von 1,80 Prozent auf 0,05 Prozent herab. Der Zusatz
von gerösteten Clevelanderzen betrug etwa 50 Prozent. Das Puddeln
des gereinigten Eisens sollte dann in einem Ponsardofen oder einem
sonstigen rotierenden Ofen erfolgen.


Die Verwendung eisenoxydhaltiger Zusätze für die Reinigung des
Eisens war durchaus nicht neu. H. Bessemer hatte längst Versuche
gemacht, das Eisen durch solche Zuschläge oder durch eisen-
oxydhaltige Konverterfutter zu reinigen. Ebenso hatte W. Siemens
1863 derartige Futter auf Le Chateliers Rat angewendet. Wedding
empfahl 1865 den Zusatz basischer Eisenschlacken als Reinigungs-
mittel.


Gleichzeitig mit Bells Verfahren wurde die von Fr. Krupp
1877 patentierte Entphosphorung des Roheisens bekannt. Der
Prozeſs war von den Ingenieuren Th. Narjes und Dr. August
Bender
erfunden 1) und ausgebildet worden und beruhte auf der
Einwirkung der Oxyde von Eisen und Mangan auf flüssiges, mangan-
haltiges Roheisen. Von Bells Verfahren unterscheidet es sich ganz
besonders durch die Verwendung oder Zusatz von manganhaltigem
Eisen und sollte das Mangan einesteils den Kohlenstoff vor Oxy-
dation schützen, andererseits das Manganoxydul als starke Base die
Oxydation und Abscheidung des Phosphors befördern. Da die dem
Verfahren zu Grunde liegenden Thatsachen bekannt waren, so zögerte
die Regierung mit der Patenterteilung und ernannte eine besondere
Prüfungskommission, die sich von der Neuheit der Ausführung über-
zeugte. Das Verfahren bestand darin, daſs man flüssiges Roheisen vom
Hochofen in Chargen von 5 Tonnen auf einen rotierenden Pernotofen,
dessen eiserne Wände mit einem Futter von reichen manganhaltigen
Eisenerzen ausgekleidet waren, brachte, und, während derselbe rotierte,
noch Zuschläge von eisenoxydreichen Stoffen einwarf. Die Charge
verlief in 15 Minuten und wurde das entphosphorte Metall mit
[581]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
siliciumreichem Roheisen vermischt in die Bessemerbirne oder den
Siemens-Martinofen abgestochen. Ein Reinigungsofen genügte für
12 Siemens-Martinöfen. Der Prozeſs wurde zuerst in Essen fabrik-
mäſsig betrieben, doch nur wenig länger als zwei Jahre (1878 bis 1880),
indem er dann von dem Thomasverfahren verdrängt wurde. Dagegen
wurde das Verfahren in Nordamerika in den achtziger Jahren mit
Erfolg eingeführt und hat sich der Kruppsche „Waschprozeſs“,
wie er genannt wurde, dort länger erhalten. Zuerst geschah dies in
Ohio. Der Prozeſs selbst erfuhr verschiedene Abänderungen. Bereits
in Essen hatte man nicht ohne Erfolg versucht, das Roheisen in einem
mit basischem Futter von Eisenerz, Bauxit, Magnesia und Kohlen-
schiefer ausgekleideten Kupolofen zu reinigen. Dieser Ofen hatte
gekühlte Wände und einen fahrbaren Vorherd.


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika waren Krupps
Waschöfen (washers) 1886 auf vier Werken in Gebrauch. Eine Eisen-
hütte zu Youngtown bei Cleveland erzeugte drei nach dem Phosphor-
gehalt unterschiedene Sorten von „Krupp-Metall“: I mit 0,01, II mit
0,02 bis 0,03 und III mit 0,05 bis 0,06 Prozent Phosphor. In Spring-
field, wo man zuerst Krupps Verfahren eingeführt hatte, setzte man
Chargen von 10 Tonnen in den Waschofen ein. Das entphosphorte
Eisen wurde in zwei Martin-Pernotöfen zu 15 Tonnen weiter ver-
arbeitet.


Auf den Cambria-Eisenwerken bei Johnstown verarbeitete man
Chargen von 6 bis 8 Tonnen. Die Herdsohle des Ofens, die 4,4 m
inneren Durchmesser hatte, war aus Hämatit vom Oberen See, der nur
0,04 Prozent Phosphor enthielt, hergestellt. Der Zuschlag bestand
aus 1 Prozent des Roheisens an Kalk und 14 Prozent Erze und Walz-
schlacke; derselbe wurde gut vorgewärmt. Der Prozeſs dauerte
25 Minuten und wurden dem Roheisen 70 bis 85 Prozent seines
Phosphors entzogen, indem das eingesetzte Eisen 0,10 bis 0,15 Prozent,
das gereinigte 0,02 Prozent Phosphor durchschnittlich enthielt.


Das Roheisen wurde in einem Kupolofen eingeschmolzen, floſs
von da in den Wascher; aus diesem wurde es in eine Pfanne ab-
gestochen, aus der es in Massel gegossen wurde. Man machte in der
Regel nur 6 Chargen zu 6 Tonnen in 24 Stunden, weil das Reinigen
des Herdes immer viel Zeit kostete. Der Aufgang an Erzen für Ofen-
futter und Zuschläge wechselte von 1 bis 2 Tonnen für die Charge.
Der Abbrand betrug 5 bis 6 Prozent, der Kohlenverbrauch 225 bis
270 kg auf die Tonne. Das Produkt hieſs Waschmetall (washed metal).
1890 war das Verfahren auf den Cambrawerken noch im Gange.


[582]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.

Andere Vorschläge für die Entphosphorung durch einen vor-
bereitenden Prozeſs schlieſsen sich teils dem Kruppschen, teils dem
1878 erfundenen Thomas-Verfahren an.


1879 schlug E. Williams vor, flüssiges Roheisen mit flüssigem
Eisensinter, unter Zusatz von 20 Prozent reinem Sand, in einem Tiegel
etwa eine Viertelstunde lang heftig zu schütteln. S. Kern in Peters-
burg machte Versuche mit diesem Verfahren 1).


In ähnlicher Weise änderte Helmholtz das Kruppsche Verfahren
ab, indem er einen dünnen Strom von Roheisen einem Strom ge-
schmolzener, eisenoxydreicher Schlacke in einem Flammofen entgegen-
führte. Das entphosphorte, aber auch teilweise entkohlte Eisen sollte
durch Überleiten über ein Bett von Kohle wieder gekohlt werden
(D. R. P. Nr. 6078).


Brauns erlangte 1879 angeblich eine Abscheidung des Phos-
phors aus dem Roheisen bis zu 90 Prozent durch Schmelzen der-
selben in einem Kupolofen mit basischem Futter.


Die Entphosphorungsversuche der Guten Hoffnungshütte 1879 und
von Jos. Beasley zu Pensnett in Staffordshire durch Zusätze im
Puddelofen werden beim Puddelprozeſs beschrieben werden.


Emil Andre wollte die Entphosphorung in einer Guſspfanne,
die mit einem feuerfesten Futter aus rotgebranntem Dolomit mit
schwefelsaurem Kalk als Bindemittel ausgekleidet war, bewirken.
Auſserdem sollte beim Abstich gepulverter Braunstein durch einen
Trichter in das Eisenbad eingetragen werden.


C. W. Hoepfner machte 1885 den nicht neuen Vorschlag, die
Entphosphorung des Roheisens dadurch zu bewirken, daſs man es
durch ein Filter aus Kalkziegel und Oxyden von Eisen und Mangan
durchflieſsen lieſs.


Einen anderen Weg empfahl 1879 Richard Brown, der die
Entphosphorung durch Zusatz von doppelt-chromsaurem Kali zu dem
geschmolzenen Roheisen bewirken wollte. Bei einem Phosphorgehalt
bis 1,5 Prozent sollte ein Zusatz von ½ Prozent des Salzes etwa
¾ Prozent Phosphor neutralisieren 2).


M. H. Purdy in Brooklyn schlug (1883) Mennige, Bleiglätte
oder Zinnober als Entphosphorungsmittel vor (D. R. P. Nr. 34946);
Lindenthal empfahl einen Zusatz von 1/10 Prozent Aluminium.


[583]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.

Seit der Einführung des Thomasverfahrens wendete man der
Entschweflung des Roheisens, welche man bis dahin durch hohen
Kalkzuschlag im Hochofen oder gleichzeitig mit der Entphosphorung
erstrebt hatte, besondere Aufmerksamkeit zu, weil die Abscheidung
des Schwefels beim Thomasieren nur eine unvollkommene war. Infolge
dessen bildeten sich auch für diesen Zweck besondere vorbereitende
Reinigungsprozesse, die dem eigentlichen Frischen vorausgingen, aus.
Auch hierbei waren es wieder besonders zwei Verfahren, die eine
praktische Wichtigkeit erlangt haben, die Entschweflung von Rollet
(1881) und die des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins im so-
genannten „Mischer“.


Antoine Rollet zu Creuzot führte 1881 sein Entschweflungs-
verfahren (D. R. P. Nr. 14647), welches auf der Einwirkung einer sehr
kalkreichen Schlacke bei hoher Temperatur begründet war, auf dem
Eisenwerk Givors in Frankreich ein. Er schmolz das Roheisen in
einem mit basischem Futter ausgekleideten Kupolofen unter Zuschlag
von Kalk oder Dolomit und Fluſsspat, um erstere flüssig zu machen,
ein. In der Folge 1) versah er den Kupolofen mit mehreren Reihen
Formen übereinander, von denen die unteren in den Herd geneigt
waren. Er kleidete den Ofen mit einem Magnesitfutter aus und
erhitzte den Wind auf 400° C. Hierbei erhielt er in 24 Stunden 60
bis 75 Tonnen gereinigtes Eisen von weiſsem Bruch und poröser,
schwammiger Textur. Die dabei fallende gelblich-weiſse Schlacke
enthielt bis zu 90 Prozent des in dem Roheisen enthaltenen Phosphors
als Phosphorsäure und einen groſsen Teil des Schwefels als Schwefel-
metall. Das kohlenstoffarme gereinigte Produkt wurde im sauren
Herdofen anderem Roheisen zugesetzt und zu Fluſseisen oder im
Puddelofen zu Schweiſseisen verarbeitet. Nach Rollet konnte man
auch die Reinigung im Flammofen unmittelbar vornehmen, muſste
dann aber die phosphor- und schwefelhaltige Schlacke vor Eintritt
der Entkohlung entfernen.


Das Hörder Verfahren der Abscheidung des Schwefels, auf welches
der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein am 20. Mai 1890 ein Patent
(D. R. P. Nr. 54976) erhielt, beruht auf der Wirkung des Mangans
auf Schwefeleisen. Mischt man schwefelhaltiges Roheisen mit mangan-
haltigem, so scheidet sich bei längerem Stehen eine schwefel- und
manganreiche Schlacke ab.


[584]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.

Das Verfahren 1), um dessen Ausbildung sich Gustav Hilgen-
stock
besonderes Verdienst erworben hat, besteht erstens darin, daſs
man flüssiges, schwefelhaltiges Roheisen in einem besonderen Behälter,
dem sogenannten Mischer, Fig. 242, mit heiſsflüssigem Manganeisen
versetzt und dann das Eisenbad sich so lange selbst überläſst, bis
das durch eintretende Reaktion gebildete Mangansulfid als Schlacke
ausgeschieden ist; zweitens durch Verarbeitung der so erhaltenen

Figure 243. Fig. 242.


manganreichen Schlacken durch reducierendes Schmelzen mit Kalk.
Im groſsen führt man die Schwefelabscheidung im Mischer in der
Weise aus, daſs man, wenn mehrere Hochöfen betrieben werden, einen
auf manganreicheres Eisen gehen läſst und die Abstiche aus den ver-
schiedenen Öfen mischt, anderenfalls schmilzt man manganreicheres
Eisen, Spiegeleisen oder Ferromangan im Kupolofen ein. In obiger
Abbildung werden die Abstiche in Pfannen durch eine Lokomotive
B dem Mischer A zugeführt und in diesen gekippt. Der Mischer, der
in seiner Gestallt einem Konverter in geneigter Lage gleicht, wird
[585]Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
dann nach Beendigung der Abscheidung in tiefer stehende Pfannen-
wagen C, die ebenfalls durch Lokomotiven zu- und abgefahren werden,
entleert, indem der Mischer durch hydraulischen Druck gekippt wird.
Dieses Verfahren, das sich als sehr praktisch bewährt hat und jetzt
auf den meisten gröſseren Stahlwerken eingeführt ist, wurde zuerst
in weiteren Fachkreisen durch einen von Direktor Massenez von
Hörde bei der Versammlung des Iron and Steel Instituts 1891 ge-
haltenen Vortrage bekannt. In dem von ihm vorgeführten Falle der
Entschweflung von Thomasroheisen durch Ferromangan enthielt die
Schlacke im Mischer 28,01 Prozent Mangansulfid 1). Der Mischer faſste
70 Tonnen. Massenez empfahl aber, ihm einen Fassungsraum von
120 Tonnen zu geben. Das Eisen, welches mehrere Stunden flüssig
bleibt, stand 15 bis 20 Minuten im Mischer. Aus der Abnahme des
Mangangehaltes kann man auf die Menge des Schwefelgehaltes
schlieſsen. Bei 1 Prozent Mangan im Roheisen ist der Schwefelgehalt
durchschnittlich 0,9 Prozent.


Der Hörder Verein lieſs sich 1892 auch den umgekehrten Prozeſs,
nämlich die Abscheidung von Mangan durch Zusatz von Schwefeleisen,
patentieren (D. R. P. Nr. 67978).


Von weiteren Entschweflungsmethoden ist noch der von H. W.
Saniter2) in Wigan 1892 angegebene und ausgeführte Prozeſs
(D. R. P. Nr. 73782), der darin besteht, daſs das flüssige Eisen mit
einer Mischung von Chlorcalcium und Ätzkalk oder Kalkstein in
Berührung gebracht wird, erwähnenswert. Dies sollte in der Guſs-
pfanne, auf deren Boden das Gemisch ausgebreitet war, vorgenommen
werden. Die angestellten Versuche verliefen aber ungünstig. Am
20. Juni 1893 nahm Saniter ein Zusatzpatent, wonach die Mischung
neben Chlorcalcium auch Fluorcalcium enthalten sollte. Nach
G. Hilgenstock3) ist aber auch diese Mischung nur wirksam bei
gleichzeitiger Anwesenheit von Mangan. Der Saniterprozeſs fand in
vielen englischen Stahlwerken Anwendung und wurde 1894 auch von
Krupp in Essen versucht.


Die Vorschläge von Bell und Wigan 1892 4) und von
De Vathaire5) 1894, die Entschweflung durch Zusatz alkalischer
[586]Das Frischen im offenen Herd.
Cyanide zu bewirken, waren wegen der hohen Kosten im groſsen nicht
ausführbar.


Das Frischen im offenen Herd.


Der Herdfrischprozeſs spielte nur noch in den Ländern und
Gebieten eine Rolle, wo auſserordentlicher Waldreichtum diesen Prozeſs
möglich und für die Verwertung des Holzes sogar notwendig machte,
oder wo man mit Vorteil durch dieses Verfahren ein besonderes
Qualitätseisen erzeugte. In der klassischen Heimat des Frisch-
prozesses, in den österreichischen Alpenländern, hatte der Puddel-
prozeſs den Frischprozeſs so sehr verdrängt, daſs z. B. in Kärnten
1871 von 292 Frischfeuern und 295 Hammerschlägen nur noch je
18 im Betriebe waren. In Deutschland wurde damals nur noch eine
Frischhütte mit zwei Feuern zu Hammerau betrieben.


Dagegen war in Schweden, in dem Uralischen Ruſsland und in
einigen Gebieten von Nordamerika dieses Verfahren noch von Be-
deutung. Ganz besonders gilt dies für Schweden, wo im Jahre 1871
mit 827 thätigen Herden 4414510 Centner (187692650 kg) Stabeisen
von 6073 Arbeitern gemacht wurden. Hier hatte man noch ein
groſses Interesse daran, den Frischprozeſs zu vervollkommnen und
ökonomischer zu gestalten. Deshalb stammen die Verbesserungen
desselben in dieser Periode fast alle aus Schweden. Namentlich hat
die Lankashire-Frischmethode in Verbindung mit Lundinschen
Schweiſsöfen zum Ausheizen dort weitere Vervollkommnung erfahren.
Auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika hatte die Lanka-
shireschmiede die alten deutschen Frischfeuer an den meisten Orten
verdrängt. 1875 zählte man noch 59 Frischhütten (Bloomaries) mit
206 Frisch- und 41 Materialfeuern, welche eine Produktionsfähigkeit
von 60200 Tonnen hatten. Die wirkliche Erzeugung betrug aber
1873 nur 26940 Tonnen, 1874 22877 Tonnen und 1877 21845 Tonnen.


Eine groſse Konkurrenz erwuchs dem Frischschweiſseisen als
Materialeisen für die Draht- und Weiſsblechfabrikation durch das
vorzügliche weiche Eisen des basischen Konverter- und Flammofen-
prozesses, dem Thomas- und basischen Martineisen.


Von Verbesserungen des Frischprozesses erwähnen wir ein von
L. M. Lindberg zu Kohlsva in Schweden 1881 versuchtes Verfahren,
auf die schlackenfreie Oberfläche des im Herde eingeschmolzenen
Roheisens Wind zu blasen, wie in einem Treibherde. Von gröſserer
praktischer Bedeutung waren die Verbesserungen des Lankashireherdes,
[587]Das Frischen im offenen Herd.
den man mit zwei Formen, je eine auf den gegenüberliegenden Lang-
seiten, versah, wie es in Fig. 243, 244 1) dargestellt ist. Dadurch
konnte man gröſsere Einsätze in kürzerer Zeit mit weniger Holz-
kohlen frischen.


Figure 244. Fig. 243.

J. A. Forsberg ging in dieser Richtung noch weiter, indem er
1883 den dreiförmigen schwedischen Herd erfand, bei dem noch eine
dritte Form in der Hinterwand angebracht und die Brustseite ge-
schlossen war. Das Auf-
geben geschah durch einen
Fülltrichter. Der Wind
strich durch die doppelten
Ofenwände über den Herd,
wodurch er erwärmt
wurde und zugleich die
Wände kühlte und dadurch
schützte 2).


Eine weitere Verbesse-
rung Forsbergs, die er
zu Kallinge einführte, be-
stand darin, daſs er den

Figure 245. Fig. 244.


Herdboden mittels Bodenschrauben verstellbar machte. Die Qualität
des Produktes fiel in dem dreiförmigen Herd besser als in dem zwei-
förmigen aus und waren dabei weniger geschickte Arbeiter erforderlich.
[588]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Die Brennmaterialersparnis betrug 15 bis 20 Prozent und die Arbeit
verlief rascher. Solche dreiförmigen Herde wurden zu Hult und Niby
erbaut.


1885 lieſs sich Forsberg einen vierförmigen Frischherd paten-
tieren. Es war dies ein Doppelherd mit zwei Arbeitsöffnungen und
je zwei Formen auf jeder Langseite. Ein nach diesem Patent erbautes
Frischfeuer zu Stridberg erwies sich aber nicht besser als der
dreiförmige Herd. Zu Bofors waren 1885 20 vierförmige Frischfeuer
in Betrieb.


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika machte man in
Lankashire-Frischherden besonders Eisen für die Cementstahlfabri-
kation. Man umgab das Feuer mit doppelten Wänden aus Blech,
die für Wasserkühlungen dienten, wodurch die Frischer weniger durch
die Hitze zu leiden hatten.


Während in den Vereinigten Staaten die Frischeisenerzeugung
immer mehr verschwand, erhielt sie sich in Schweden auf ihrer Höhe.
1891 betrug die Schweiſseisenerzeugung daselbst rund 195000 Tonnen,
davon waren 182000 Tonnen Herdfrischeisen, wovon der weitaus
gröſste Teil in Lankashire-Feuern mit ein bis drei Formen erzeugt
war. Bei etwa 100 bis 180 kg Einsatz und 114 bis 120 kg Vorwage
und 4 bis 7 hl Kohlenverbrauch wöchentlich wurden 14 bis 16 Tonnen
Frischluppen erzeugt. Die Einsätze wurden aus weiſsem und halbiertem
Roheisen gemischt und das fertige Produkt in vier Klassen sortiert:
a) für schwere Radreifen, Schieneneisen; b) für Stangeneisen; c) für
leichte Radreifen und Schienen; d) für Extraqualität (geschweiſste
Zaggl) zur Erzeugung von Hufnageleisen und Drahtstangen 1).


Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.


Auch das Flammofenfrischen oder Puddeln war um 1871
bereits relativ im Rückgang begriffen, wenn auch seine Erzeugung
noch im Steigen war. Das Bessemerfluſseisen verdrängte das Schweiſs-
eisen überall da, wo es sich um ein hartes, festes Material handelte;
so namentlich in dem wichtigsten Zweige der Walzindustrie der
Schienenfabrikation.


Auch das Siemens-Martin-Verfahren begann dem Puddeleisen
empfindliche Konkurrenz zu bereiten. Dagegen behauptete sich das
[589]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Puddeleisen siegreich, wo es sich um Weichheit und Schweiſsbarkeit
handelte und in letzterer Eigenschaft erwies es sich dem Fluſseisen
so überlegen, daſs man ihm mit dem Herdfrischeisen zusammen den
Gruppennamen „Schweiſseisen“ im Gegensatz zu dem in flüssigem Zu-
stande erhaltenen Fluſseisen beilegte. Auch zeigte der Puddelprozeſs
noch darin einen Vorteil, daſs man mit ihm phosphorhaltiges Roh-
eisen besser zu einem brauchbaren Produkt verarbeiten konnte, indem
der Phosphor bei Gegenwart von reichlicher, garer Schlacke aufgelöst
und abgeschieden wurde. Infolge dieser Vorzüge nahm die gesamte
Puddeleisenproduktion in den Jahren 1871 bis 1880 an Umfang zu.
In England betrug die Zahl der betriebsfähigen Puddelöfen: 1861:
4147, 1875: 7574, 1885: 4902, 1886: 4246. Ihr absolutes Maximum
erreichte die Schweiſseisenproduktion im Jahre 1882 mit 9135 kt,
doch wurden in diesem Jahre bereits 6199 kt Fluſseisen erzeugt.
Während das relative Verhältnis von Schweiſseisen zu Fluſseisen
1870 noch 90 : 10 war, hatte 1888 die Fluſseisenfabrikation die
Schweiſseisenproduktion bereits überflügelt.


Von 1882 an sank die Schweiſseisenerzeugung in England und
den Vereinigten Staaten, während sie in Deutschland noch steigend
blieb bis 1889, seitdem ist auch hier ein merklicher Rückgang ein-
getreten. Die relative Abnahme in Deutschland von 1877 bis 1894
ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung:


Der Rückgang der Schweiſseisenerzeugung in der zweiten Hälfte
unseres Zeitabschnitts, seit 1882, war eine Folge der Erfindung des
basischen Verfahrens durch Thomas und Gilchrist, welches sowohl
im Konverter wie im Siemens-Martinofen mit basischem Futter ein
phosphorarmes, weiches Material lieferte, das, auſser an Schweiſsbarkeit,
das Puddeleisen in jeder Hinsicht übertraf. Ehe der Thomasprozeſs
erfunden war, konnte man sich noch der Hoffnung hingeben, daſs sich
das Puddeleisen, wenn auch auf beschänkterem Gebiete wie früher,
[590]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
siegreich gegen das Fluſseisen behaupten würde und man hoffte, durch
Verbesserungen im Betriebe dies um so mehr zu erreichen. In dieser
Richtung wurden besonders in den siebziger Jahren bedeutende An-
strengungen gemacht. Groſse Hoffnungen setzte man damals auf das
mechanische Puddeln.


Schon in den vorausgegangenen Jahrzehnten hatte man Versuche
gemacht, die mühselige und teure Handarbeit des Puddelns durch
mechanischen Betrieb zu ersetzen. Tunner und andere Autoritäten

Figure 246. Fig. 245.


hatten diese Versuche vom Standpunkte der Menschlichkeit begrüſst,
indem sie die anstrengende Puddelarbeit geradezu für menschen-
unwürdig erklärten. Die Erfolge waren aber bis zum Jahre 1870 sehr
gering gewesen. Da zog im Jahre 1871 ein von Samuel Danks in
den Vereinigten Staaten eingeführter rotierender Puddelofen die
Aufmerksamkeit auf sich und hoffte man, in ihm die Lösung des
Problems gefunden zu haben. Die Idee war nicht neu. 1853 hatten
bereits Walker \& Warren, 1856 W. Beatson und H. Bessemer,
1859 W. H. Tooth und 1861 Tooth und Yates Patente auf
rotierende Puddelöfen genommen. 1869 trat Danks mit seinem
Ofen auf und es gelang ihm, denselben auf einigen bedeutenden
Werken in den Vereinigten Staaten einzuführen. Er reiste 1871
nach England, um dort für seine Erfindung zu wirken und er
[591]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
erweckte durch einen Vortrag in dem neugegründeten Iron and
Steel Institute ein so lebhaftes Interesse dafür, daſs der Ver-
ein eine Kommission, bestehend aus den Sachverständigen John
A. Jones, John Lester
und Geo. J. Snelus, nach Amerika ent-
sandte, um die rotierenden Öfen von Danks zu studieren und mit
englischen Eisensorten, und zwar mit Dowlais-, Coneygree-, Butterly-,
Cleveland- und spanischem Roheisen Versuche darin anzustellen. Die
Kommission besuchte die Railway Iron Works zu Cincinnati, wo
damals neun Danksöfen im Gange waren, von denen acht ständig
betrieben wurden, während einer als Reserve diente. Desgleichen

Figure 247. Fig. 246.


waren in den Roane Iron Works zu Chattanooga, Tennessee, damals
bereits neun Danksöfen errichtet. Die Kommission erstattete einen
sehr günstigen Bericht, dem Snelus noch eine besondere Abhandlung,
in der er den Verlauf des Prozesses wissenschaftlich erklärte, folgen
lieſs. Dies bewirkte, daſs man alsbald auch in England die rotierenden
Öfen von Danks einführte. Hopkins, Gilkes \& Co. auf dem Vulkan-
eisenwerk erwarben sich (1872) um die Sache groſses Verdienst.


Ehe wir die Geschichte der Danksöfen weiter verfolgen, wollen
wir eine kurze Beschreibung derselben geben. Aus den Fig. 245, 246
ersehen wir, daſs nur der mittlere Teil, ein Cylinder, der auſsen mit
einem Zahnkranz versehen ist und auf Rollen läuft, beweglich ist,
während die Feuerung mit der Feuerbrücke und der Fuchs, durch
[592]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
den der Drehherd mit der Esse in Verbindung steht, fest stehen. Die
Feuerung ist ein einfacher Planrost für Steinkohlen, doch wendete
man zur Regulierung des Feuers Unterwind (durch b) und Oberwind
(durch a) an. Der Drehmechanismus des cylindrischen Herdes ist aus
der Zeichnung ersichtlich. Der eiserne Drehofen hat einen inneren
Durchmesser von 1,65 m, die beiden konischen Öffnungen von 1 m.
Die Länge des Cylinders ist 0,85 m. Die konischen Enden auf beiden
Seiten sind durch zwei durch Wasser gekühlte Ringe abgeschlossen.
Ebenso sind Feuerthür und Feuerbrücke mit Wasserkühlung versehen.
Der aus eisernen Platten zusammengesetzte Drehcylinder ist innen
mit vorspringenden Rippen versehen, um das Ofenfutter zu halten.
Die Herstellung dieses Futters war von besonderer Wichtigkeit. Man
unterschied Unterfutter (initial lining) und Decke (fix). Das Unter-
futter bestand aus einem mit Wasser angerührten Gemisch von feuer-
festem Thon und Erz, das in teigartigem Zustande ⅘ Zoll dick auf-
getragen und festgestampft wurde; alsdann wurde es mit Holzfeuer
abgetrocknet. Eingeworfener Hammerschlag erzeugte eine Art Glasur.
Hierauf wurde die Decke (fix) aus einem Gemenge von Kiesabbränden
(fettling) und geröstetem Kohleneisenstein (pottery-mine), dem zuletzt
noch reiches Eisenerz zugesetzt wurde, in fünf Abteilungen, bis die
ganze Oberfläche von fix bedeckt war, aufgeschmolzen. Am meisten
haben sich zur Herstellung des Futters reine Roheisensteine von
Bilbao, Marbella in Spanien und von Iron Mountain in Missouri
bewährt, weniger Ilmenit und andere Titaneisenerze, die im Anfang
empfohlen wurden. Da das Roheisen beim Frischen den nötigen
Sauerstoff hauptsächlich aus dem Futter zieht, so leidet dieses sehr
und muſs fortwährend durch Erzzusatz erneuert werden. Dieser
betrug in England für einen Ofen von 320 kg Einsatz 2 bis 2½ Tonnen
in 11 Stunden.


Infolge dieser Reduktion von Eisen aus dem Futter war das Aus-
bringen gröſser als der Einsatz. Anfangs schmolz man das Roheisen
im Drehofen selbst ein. Beispielsweise betrug ein Einsatz in England
280 kg Coneygree-Roheisen. Derselbe war nach 60 Minuten ein-
geschmolzen, nach 65 Minuten wurde Schlacke abgestochen, nach
70 Minuten konnte die Luppe ausgezogen werden, die 317 kg wog.
Das Einschmelzen des Roheisens im Drehofen war aber aus ver-
schiedenen Gründen unvorteilhaft. Es kostete viel Zeit und Brenn-
material und die ungeschmolzenen Stücke beschädigten beim Drehen
das Futter. Deshalb gab man es sehr bald auf und brachte das in
einem Kupolofen geschmolzene Roheisen flüssig in den Danksofen.
[593]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Der chemische Verlauf des Prozesses wurde von Snelus durch zahl-
reiche Analysen erläutert, aus denen hervorging, daſs Phosphor und
Silicium besser abgeschieden wurden, wie im Puddelofen, während
Lester und Jones genaue Berechnungen über die ökonomischen
Resultate anstellten. Diese Berichte sind in Weddings Handbuch
der Eisenhüttenkunde (Bd. III, S. 315) ausführlich mitgeteilt und
genügt es, auf dieselben zu verweisen.


Die Mitglieder der Kommission erklärten Danks Frischverfahren
für einen Erfolg. Das im Drehofen erhaltene Eisen sei besser als
das mit der Hand gepuddelte und wenn auch die Anlagekosten teurer
seien, so sei der Betrieb billiger. Ein Danksofen sollte drei Puddel-
öfen ersetzen.


In England wurde der erste Versuchsofen zu Crewe errichtet,
sodann wurde eine groſse Anlage von Hopkins, Gilkes \& Co. auf
den Tees-Side-Eisenwerken bei Middlesborough erbaut. Die günstigen
Berichte veranlaſsten auch die belgischen Eisenindustriellen, zwei
Delegierte, die Ingenieure Leopold Taskin und Victor Tahon,
zum Studium des Danks-Prozesses zu Hopkins, Gilkes \& Co. nach
Middlesborough zu schicken. Diese sprachen sich ebenfalls lobend
aus. Nach ihren Angaben ersetzen 12 Danksöfen zu 150000 Francs
40 Puddelöfen zu 170000 Francs. Allerdings kostet eine Anlage von
12 Danksöfen mit den zugehörigen Zängevorrichtungen 328000 Francs,
eine entsprechende Puddelofenanlage 318000 Francs.


Das neue Verfahren erschien um so vorteilhafter, als die Arbeits-
löhne damals einen sehr hohen Stand erreicht hatten, weshalb ein
Ersatz durch Maschinenarbeit angezeigt war. Wenn trotz alle-
dem der Danksprozeſs bis 1873 nur geringe Verbreitung fand, so lag
dies an den hohen Licenzgebühren, welche Danks für seine Dreh-
öfen verlangte. Sie betrugen für Amerika 1 Dollar für die Tonne.
Für England hatte er sie zwar auf 2 Schilling für die Tonne er-
mäſsigt, doch war auch dies noch zu hoch. Nachdem Danks dies
erkannt hatte, zog er 1873 sein Patent zurück und begnügte sich mit
einer billigen Abfindung von Fall zu Fall. Daraufhin entstanden
1873 mehrere groſse Anlagen für Danksöfen, so auf den Erimuswerken
bei Middlesborough und auf den Carltonwerken bei Stockton on Tees.


Auf dem Kontinent waren dagegen, trotz der allgemeinen Auf-
merksamkeit, welche das Verfahren besonders seit der Wiener Welt-
ausstellung auf sich gezogen hatte, die Erfolge gering, weil es bei
den billigen Arbeitslöhnen und dem teuren Bezug der Futtererze
im Betriebe kostspieliger als das alte Verfahren war. Aber auch
Beck, Geschichte des Eisens. 38
[594]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
in England wurden die Erwartungen nicht erfüllt. Bei den günstigen
Betriebsberechnungen von Lester und Jones waren die Reparatur-
kosten viel zu niedrig veranschlagt. Diese waren sehr hoch nicht
nur für den Drehmechanismus, als noch mehr für die rasche Zer-
störung des Ofenfutters. Auſserdem erforderten die groſsen Luppen
viel stärkere Zänge- und Walzvorrichtungen als der gewöhnliche
Puddelbetrieb.


Man bemühte sich, Verbesserungen anzubringen. Das Roheisen
in geschmolzenem Zustande einzutragen und zu verfrischen, war
zwar billiger, wirkte aber infolge des raschen Verlaufs nachteilig
auf die Qualität. Wood in Middlesborough verbesserte 1874 die-
selbe dadurch, daſs er das Eisen in granuliertem Zustande aufgab
und einschmolz. Bodmer zerkleinerte das Roheisen heiſs zwischen
Walzen. Dennoch wurden bereits 1874 in Staffordshire verschiedene
Danksöfen wieder kalt gestellt, weil die häufigen Reparaturen und
Störungen kein ersprieſsliches Arbeiten gestatteten. Auch in den
Vereinigten Staaten ersetzten die Roane-Eisenwerke zu Chattanooga
ihre zehn Danksöfen wieder durch Puddelöfen. Dagegen war man
auf den Carlton- und Erimus-Eisenwerken in England mit dem
Betrieb mit granuliertem Roheisen zufrieden; 1875 wurden auf den
Erimuswerken wöchentlich 1000 Centner Luppeneisen in Danksöfen
erzeugt. Ebenso erzielte Heath in North-Staffordshire angeblich gute
Resultate.


Ein Nachteil war die Gröſse und die Ungleichmäſsigkeit der
Luppen. Der ganze Einsatz gab nur eine Luppe. Versuche, dieselben
zu teilen, hatten sich nicht bewährt. Ebenso war die Dickflüssigkeit
der Schlacke ein Miſsstand.


In den Vereinigten Staaten erwarb sich John T. Williams,
Direktor der Mill-Vale-Hütte bei Pittsburg, Verdienste um die Ver-
besserung der Danksöfen, die er erst für dauernden Betrieb tauglich
gemacht hat. Es gelang ihm, die Chargendauer auf 50 Minuten
abzukürzen. Die Verbesserungen bezogen sich auf Abänderung des
runden Querschnitts in einen elliptischen, Wasserkühlungen, auf den
besseren Anschluſs des Drehofens an Fuchs und Feuerbrücke und auf
die Feuerung. Gegen Ende der siebziger Jahre hatte sich die Zahl
der Danksöfen in den Vereinigten Staaten und in England bereits
sehr vermindert. Am längsten setzten die Otis-Eisenwerke bei
Cleveland (Ohio) den Betrieb zur Erzeugung von Qualitätseisen fort
Die Drehöfen waren 2 m lang und 2 m im Durchmesser aus Stahl-
platten zusammengesetzt. Es wurden 1882 10 bis 12 Tonnen Eisen
[595]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
in 12 Stunden verarbeitet. 1884 wurden sogar täglich 27 bis 30 Tonnen
in den Danksöfen gefrischt.


Bald nachdem der rotierende Ofen von Danks die Aufmerksam-
keit der Eisentechniker auf sich gezogen hatte, entstanden eine
Anzahl ähnlicher Konstruktionen, die zwar noch weniger einen
dauernden Erfolg hatten, wie der erstgenannte, aber doch Erwähnung
verdienen.


William Seller in Philadelphia lieſs sich 1872 einen Drehofen
patentieren, der mit den ältesten Öfen dieser Art, dem Östlundschen
Drehtopf (s. Bd. II, S. 862), insofern Ähnlichkeit hatte, als das Schmelz-
gefäſs nur eine Öffnung zum Ein- und Austritt der Flammen hatte.
Er wurde in Europa besonders durch die Wiener Weltausstellung, wo
Seller ein gangbares Modell vorführte, bekannt 1). Die um eine
horizontale Achse drehbare Birne war mit einer kontinuierlichen
Regenerativ-Gasfeuerung versehen. Der Ofen ruhte auf einem drei-
rädrigen Fahrgestell, wodurch er sich leicht entfernen lieſs. Auf den
Edge-Moore-Eisenwerken wurden 14 dieser Öfen errichtet. Sie waren
genial in der Konstruktion, aber zu teuer. 1878 wurden noch einige
nachträgliche Verbesserungen in Bezug auf das Ein- und Austragen
des Metalles und die Erwärmung von Wind und Dampf angebracht;
seitdem verlautete nichts mehr über diese Drehöfen.


Eine andere Konstruktion, die auf der West-Hartlepool-Hütte in
England ausgeführt wurde, rührte von Adam Spencer her. Dürre
bezeichnet sie als Drehkiste. Der Ofen hatte die Gestalt eines vier-
seitigen Prismas. Die Seitenwände bestanden aus hohlen, eisernen
Kästen. Dieselben wurden einzeln mit geschmolzener Puddelschlacke
ausgegossen, dann zusammengesetzt, erhitzt und mit flüssiger Puddel-
schlacke zusammengekittet. Die Drehachse fiel nicht mit der Achse
des Hohlraumes zusammen, indem zwar zwei Wände mit der Dreh-
achse parallel, zwei dagegen geneigt waren. Dadurch entstand bei
der Drehung ein Hin- und Herflieſsen der geschmolzenen Masse und
ein Zerreiſsen der sich bildenden Luppe. Der Ofen lief auf Rollen.
Er war noch komplizierter wie der von Danks und viel gröſser,
nämlich 3 m lang bei einem Einsatz von 1 Tonne Roheisen.


Gröſseren Erfolg hatte eine Zeit lang Th. R. Cramptons Dreh-
ofen mit Staubkohlenfeuerung (Dust fuel furnace), der im März 1872
in England patentiert wurde (E. P. 1872, Nr. 931). Der Verbren-
nungsraum und der Schmelzraum waren bei ihm getrennt; durch
38*
[596]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
diese hintereinander liegenden Kammern bekam er eine langgestreckte
Gestalt. Dieser Ofen arbeitete in dem Arsenal zu Woolwich mit
gutem Erfolg. Er war 3,66 m lang und hatte 3,13 m äuſseren Durch-
messer. Das Brennmaterial wurde zwischen Walzen zerkleinert,
mittels eines Injektors zugeführt und zugleich mit der Gebläseluft in
den Ofen getrieben. Man verpuddelte in 12 Stunden 8 Chargen zu
5 Centner bei kalt eingesetztem Roheisen. Es fielen groſse Luppen,
die besonders für Geschützringe (coils) Verwendung fanden.


Später wurden die beiden Kammern des Drehofens vereinigt.
1875 sollten auf dem Strouſsbergschen Walzwerk bei Prag
16 Cramptonöfen errichtet werden, doch kam der Plan nicht zur Aus-
führung. Dagegen führten in demselben Jahr Fox, Head \& Co. zu
Newport bei Middlesborough solche Öfen ein. Sie hatten den gleichen
Nachteil wie die Danksöfen, daſs man sehr groſse Luppen erhielt, die
zu ihrer Verarbeitung viel stärkere Maschinen und Werkzeuge er-
forderten. 1879 befanden sich in England keine Cramptonöfen mehr
in Betrieb.


1872 traten Howson und Thomas1) mit einem Drehofen an die
Öffentlichkeit, der mehr für kleine Luppen dienen und den Vorteil
bieten sollte, daſs man die vorhandenen Einrichtungen beibehalten
könnte. Der Drehofen selbst war eiförmig oder aus zwei abgestumpften
Kegeln zusammengesetzt und hatte ein Futter aus eisenreichen Erzen
und Schlacken. Von einem Erfolg dieser Öfen ist nichts bekannt.


Bei dem früher erwähnten Hamoirprozeſs lieſs man das mittels
Durchblasen heiſser Luftstrahlen gereinigte Roheisen ebenfalls in einen
rotierenden Puddelofen laufen.


Im Jahre 1878 bewährte sich ein rotierender Ofen von Howson
und Godfrey2) von Topfform mit schiefer Achse, ähnlich dem
Östlundofen und mit einem Lötrohrgebläse, bestehend aus einem weiten
Gasbrenner, an den ein kurzes Luftzuführungsrohr angeschlossen war,
versehen. Der Brenner hatte 12 Mündungen und ermöglichte vollständige
Verbrennung. Beim Puddeln hielt man die Temperatur niedrig; die
Hitze sollte nur so groſs sein, daſs die Schlacken eben flüssig blieben.
Hierdurch wurde die Abscheidung des Phosphors befördert. Auf
mehreren Werken wurde dieser Ofen überhaupt nur zur Entphospho-
rung als Vorbereitung für das Bessemern benutzt. Die ersten Ver-
[597]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
suche machten Bolkow und Vaughan. Dann führte ihn Lowthian
Bell
auf seinen Hütten zu Clarence für Chargen von 500 kg ein;
hierauf fand er auch 1877 auf den Erimus- und auf den Britannia-
Eisenwerken Verwendung.


1882 tauchte in den Vereinigten Staaten noch der rotierende
Petroleum-Puddelofen von G. Duryce in New York 1) auf. Damit war
die Reihe der bemerkenswerten Drehöfen zu Ende.


Neben den Drehpuddelöfen erhielten sich in den siebziger Jahren
auch noch verschiedene mechanische Puddler, d. h. durch Ma-
schinen bewegte Rührkrücken. Zu Beginn der Periode waren in Eng-
land drei Systeme in Übung, das von Whitham, von Griffith und
von Stoker2). Alle drei waren für Doppelöfen. Whithams mecha-
nischer Puddler ist in Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde
(III, S. 292) beschrieben und abgebildet. Er war auf der Perseverance-
hütte bei Leeds eingeführt und verarbeitete Chargen von 15 Centner.
Die schon ältere Konstruktion von Griffith war auf der Northfield-
hütte bei Rhymney in Süd-Wales und auf dem Regent-Eisenwerk bei
Bilston eingeführt. Harrison versah jede mechanische Rührkrücke
mit einer eigenen kleinen Dampfmaschine, wie es schon Schafhäutl
vorgeschlagen hatte. Dasselbe Princip befolgte 1874 Pickles mit
seiner mit zwei Krücken versehenen Puddelmaschine, welche zu
Kirksall Forge bei Leeds eingeführt und noch 1892 angewendet
wurde. Sie ahmte ebenfalls möglichst genau die Handarbeit nach,
bewährte sich aber ebensowenig wie die mechanischen Puddler mit
Drehbewegung. Solche hatten zuerst Brooman 1866 und Darmoy
1872 konstruiert. Der Letztere sollte einfach durch einen umlaufenden
Riemen in rasche Drehbewegung gebracht und von einem Arbeiter an
einem Griff gelenkt werden.


Casson-Darmoy konstruierten hierzu noch einen besonderen
Puddelofen, dessen Boden auf eisernen Kugeln, welche selbst wieder
in einem mit Wasser gefüllten eisernen Kasten lagen, ruhte. Hier-
durch war der Herd leicht nach allen Seiten drehbar. Ein Ofen
dieser Art sollte dasselbe leisten, wie drei gewöhnliche Puddelöfen.


Solche Öfen waren in den Round-Oak-Eisenwerken in Betrieb
und machten 1876 wöchentlich 90 Tonnen Luppeneisen mit einem
Kohlenverbrauch von nur 16 Centner gegen sonst 30 Centner für die
[598]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Tonne. Drei Öfen auf dem Trudhoe-Eisenwerk verbrauchten sogar
nur 12 Centner 1).


1876 erfand Espinasse zu Firminy einen Rührapparat. Er
bestand aus einem senkrechten Rührer mit zwei Flügeln am unteren
Ende, der durch das Ofengewölbe ging und das geschmolzene Roheisen
umrührte. Wenn das Eisen dick wurde, verbrannte er leicht. Doch
will man in Belgien gute Resultate damit erzielt haben.


1889 erfand Ant. von Kerpely jun. einen mechanischen Rührer
mit Dampfbetrieb (D. R. P. Nr. 49100), der in Witkowitz eingeführt
wurde. Erwähnenswert ist noch, daſs Richardsons hohle Krücke
noch 1884 zu Parkhead-Forge bei Glasgow zur Herstellung von
Qualitätseisen angewendet wurde.


Wichtiger waren die sogenannten Telleröfen, bei denen das
mühselige Umrühren durch die Drehung des Herdes sehr erleichtert
wurde. Solche waren schon früher von Bedson und von Maudslay
in England angegeben worden. Bei diesen Öfen bewegte sich ein
tellerförmiger Herd um seine vertikale Achse.


1873 brachte Joseph von Ehrenwerth einen solchen kreis-
förmigen Drehherd auf der Wiener Weltausstellung durch ein Modell
zur Anschauung. An dem Herdkranz war ein Blechcylinder befestigt,
der in ein mit Wasser gefülltes ringförmiges Bassin tauchte.


Während Ehrenwerths Tellerofen eine praktische Bedeutung
nicht erlangte, trat im folgenden Jahre (1874) A. Pernot, Fabri-
kationschef von Petin \& Gaudet zu St. Chammond, Rive de Gier,
mit einem Tellerofen mit geneigtem Boden auf, der Erfolg hatte und
Verbreitung fand 2). Nur der Schmelzherd, aus einem Blechboden
und guſseiserner Seitenwand, deren Segmente von auſsen verbunden
wurden, bestehend, bildete einen runden beweglichen Teller. Unter
dem Blechboden befand sich der Bewegungsmechanismus: ein Zahn-
kranz und ein vierarmiges Lagergerüst, das die stählerne Drehachse
des Apparates faſste und nach auſsen auf vier Laufrädern ruhte.
Die vier Kranzräder liefen auf einem Schienengeleise und gestatteten
bequem die Ein- und Ausfuhr des Herdes. Dieser hatte 6 bis 7 Grad
Neigung von der Feuerbrücke nach dem Fuchs, so daſs das an der
ersteren oxydierte Eisen bei der Umdrehung wieder in die Schlacke
niedertauchte. Die Bewegung des Drehapparates beanspruchte 2 bis
3 Pferdekräfte. Ein solcher Pernotofen kostete zu St. Chammond
11200 Mark. Der Herd wurde aus reichen Erzbrocken, Hammer-
[599]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
schlag und Hammerschlacke hergestellt, aufgeschmolzen und glasiert.
Dann wurde das Roheisen wie gewöhnlich eingesetzt. Anfangs nahm
man nur Sätze von 300 kg, bald aber steigerte man den Einsatz auf
800 bis 1000 bis zu 1200 kg. Man verarbeitete zu St. Chammond
gewöhnliches, weiſses Puddelroheisen von Pouzin oder für Qualitäts-
eisen Roheisen von Toga auf Corsica. Es wurde rasch eingetragen
und eingeschmolzen. Das Umrühren erfolgte durch die Drehung des
Herdes. Sobald das Eisen dicker wurde, hielt der Arbeiter die Krücke
ein und fuhr damit langsam hin und her. Diese Arbeit war wenig
anstrengend, mühseliger dagegen das Umsetzen und Aufbrechen der
Charge. Das Zängen der 16 bis 22 Luppen nahm viel Zeit in
Anspruch.


Zeitdauer einer gewöhnlichen Charge im Pernotofen zu
St. Chammond
.


Fünf Arbeiter machten in 24 Stunden 8000 bis 10500 kg Luppen-
eisen. Für Qualitätseisen rechnete man 2 Stunden und 50 Minuten
für eine Charge. Die Betriebskosten beliefen sich bei dem Pernotofen
auf 221,90 Francs pro Tonne, gegen 251,75 Francs bei dem alten
Puddelofen, waren also bei ersterem 29,85 Francs geringer.


In der Folge fanden diese Art Öfen in Belgien auf den Eisen-
werken zu Seraing und zu Ougrée Eingang; die Ersparnisse betrugen
10 Prozent. In Ougrée zeigten die Öfen bei Unterwind lange Haltbar-
keit. Die Gewölbe blieben 4½ Monate intakt. In Deutschland wurden
Pernotöfen zuerst von der Gesellschaft Humboldt zu Kalk bei
Köln angewendet. Der Einsatz bestand aus 600 kg Luxemburger
und 400 kg weiſsstrahligem Roheisen der Niederrheinischen Hütte. In
[600]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Österreich führte sie die Innerberger Gewerkschaft auf ihrem Eisen-
werk zu Donawitz ein.


Die alten Puddelwerke lieſsen sich leicht in Pernotofen-Anlagen
umbauen. 20 Puddelöfen sollten durch 5 Pernotöfen ersetzt werden.
Diese kosteten 102000 Mark und erzeugten soviel Eisen wie 10 Danks-
öfen, die 231000 bis 277000 Mark kosteten.


Mit gutem Erfolg wurden die Pernotöfen auch zur Fluſsstahl-
fabrikation verwendet, worauf wir später noch zurückkommen werden.


Ehrenwerth hatte zuerst die Ansicht ausgesprochen, man könne
in dem Pernotofen in Verbindung mit Siemens’ Regenerativfeuerung
den Prozeſs so führen, daſs man geschmolzenes Eisen (Fluſseisen)
bei kontinuierlichem Betriebe erhalte.


Das anfängliche Lob der Pernotöfen war aber mindestens insofern
übertrieben, als die Arbeitserleichterung dabei nur eine sehr geringe
war. In Steiermark blieb auch die Qualität hinter der der alten
Puddelöfen zurück. In den achtziger Jahren wendete man, wie es
scheint, die Pernotöfen nur noch selten zum Puddeln an.


Andere Konstruktionen von Telleröfen hatten keinen gröſseren
Erfolg. Als solche sind zu nennen Riley und Henleys horizontal
drehender Tellerofen 1) (1873), dessen Rührhaken wie ein Pflug ge-
bildet war, der auf dem Boden hinstrich, und Hendersons horizon-
taler Drehofen mit direkter Gasfeuerung (1884). Der Herd machte
drei bis vier Drehungen in der Minute.


Ein Zwischending zwischen den Telleröfen und den rotierenden
Öfen waren die Schaukelöfen. Solche hatte Ed. Daelen schon
1874 vorgeschlagen; ausgeführt wurden sie 1875 von Menessier2),
Direktor der Forge de l’Onzion bei St. Chammond in Frankreich.
Der Herd war cylindrisch, von einem feststehenden Gewölbe überbaut.
Durch zwei Bleuelstangen wurde der Herd in oszillierende Schwin-
gungen bis zu 90 Grad versetzt. Gruner sprach sich günstig über
das System aus.


Nessel erfand in Österreich einen Centrifugal-Puddelofen mit
Wasserkühlung 3). Einen schwingenden Puddelofen mit aufgehängtem
Herd konstruierte Gidlow 1880 4).


[601]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.

Im ganzen hat das Problem des mechanischen Puddelns eine
befriedigende Lösung noch nicht gefunden.


Mehr bewährten sich die Konstruktionen, welche bessere Be-
heizung und gröſsere Leistung erstrebten. Hiervon gab es eine groſse
Zahl, die wir in chronologischer Folge kurz aufführen wollen.


Die Durchführung der Gasheizung bei den Puddelöfen kann
als der wichtigste Fortschritt in dieser Periode bezeichnet werden.
Bei den Versuchen, Regenerativgasfeuerung zu verwenden, hatten
sich die Ziegelfüllungen in den Regeneratoren nicht bewährt, weil sie
sich zu schnell verstopften und mauerte man dieselben besser als
einfache Pfeiler in Schachbrettstellung, wodurch das Reinigen er-
leichtert wurde 1).


1871 beschrieb Wm. Gorman zu Glasgow einen Puddelofen mit
Gasgenerator, bei dem die Gase über der Feuerbrücke mit heiſser
Luft verbrannt wurden. Die Luft wurde in Thonröhren unter dem
Ofen durch die entweichenden Verbrennungsgase erhitzt.


Derartige Öfen baute Ponsard mit der Abänderung, daſs er
Luft und Gase in gemauerten Kanälen oder Kammern vorwärmte.
Howatson wärmte die Verbrennungsluft am Fuchs vor. Ebenso
baute Head zu Newport 1872 einen verbesserten Puddelofen mit
Lufterhitzung 2). Deftys Ofen (1873) hatte hohle Roststäbe, durch
die der Wind eintrat.


1872 lieſs sich de Langlade ein Puddelverfahren mit Hochofen-
gasen patentieren. Die Gase wurden erst in seinem patentierten
Waschapparat gewaschen. Die abgekühlten Gase wurden dann mit
erhitzter Gebläseluft, wozu ein Siemens-Regenerator nötig war, ver-
brannt. Die Anlage war kompliziert und kostspielig. Dies galt über-
haupt von der Verwendung der Siemens-Regeneratoren zur Vorwärmung
beim Puddelbetrieb. Bei diesen brachte man insofern Verbesserungen
an, als man die Kammern anstatt unter den Ofen hinter denselben
legte und mehrere kurze Ausströmungsschlitze für Gas und Luft auf
der breiten Ofenseite anbrachte.


Vorteilhafter als Regeneratoren erwiesen sich damals die mit den
Puddelöfen unmittelbar verbundenen Generatorfeuerungen, wie nament-
lich die von Bicheroux, Fig. 247, 248 (a. f. S.), mit Verbrennung
durch erhitzte Luft.


Über die zweckmäſsigsten Dimensionen der Puddelöfen hat
[602]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
J. Wolters 1873 wertvolle Angaben gemacht, auf welche wir hier
verweisen 1).


Piedbeuf hatte 1871 auf seinem Walzwerk vergleichende Ver-
suche mit Boëtius- (siehe S. 111) und Bicherouxfeuerung an-
gestellt, wobei letztere die besten Resultate gab. Ebenso bewährte
sich die Bicherouxfeuerung bei den umgebauten Doppelöfen zu Ougrée

Figure 248. Fig. 247.


Figure 249. Fig. 248.


vorzüglich 2). Andere zogen die Boëtiusfeuerung vor, welche weniger
Platz erforderte, so z. B. Macar 1877. Die Bicherouxfeuerung war
breiter, faſste eine gröſsere Kohlenmenge, zwischen Rost und Herd
befand sich eine besondere Kammer, die Gasentwickelung lieſs sich
leichter unterbrechen.


Zu Salgó-Tarjan befanden sich seit Juli 1876 Doppelöfen mit
[603]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Siemens-Gasfeuerung (Borbelyöfen) in gutem Betrieb. In Woolwich
führte man Retortenöfen mit Gasbetrieb von Price statt der ge-
wöhnlichen Puddelöfen ein.


S. Caddick zu Pembrock (Massachussetts U. S.) baute 1877
Puddelöfen mit verbesserter Luftzuführung und Wasserkühlung. 1878
führten Caddick \& Mayburg zu Old Castle ihre Öfen in England
auf dem Weiſsblechwalzwerk zu Llanelly in Südwales ein. Ein
Ventilator blies den Wind für die Verbrennung durch den hohlen
Mantel des Doppelofens. Die erhitzte Luft wirkte teils als Unterwind,
teils als Oberwind. Auf ähnlicher Grundlage beruhten die Ver-
besserungen von Reynold-Thomas zu St. Louis (Missouri U. S.).


Eine praktische Verbesserung, welche in den Vereinigten Staaten
Verbreitung fand, waren die wasser- oder luftgekühlten Arbeitsthüren.
Ein Feuerschirm mit Wasserkühlung war 1872 von A. J. Russel ein-
geführt worden.


Lemut1) in Frankreich kombinierte 1878 seine Puddelmaschine
mit einem Ofen, der mit heiſser Luft und überhitztem Dampf geheizt
wurde. Es wurde Wassergas erzeugt, welches unter den Rost
geleitet wurde. Dadurch wurden Kohlen erspart und die Qualität
des Produktes verbessert. Zum Rühren bediente sich Lemut seines
mechanischen Puddlers.


1878 wurden zu Prävali in Kärnten von A. Sattmann sieben
groſse Puddelöfen mit Siemens-Regeneratoren errichtet.


In England baute Middleton einen terrassenförmig angelegten
Doppelpuddelofen (Cascadenofen). Auf dem oberen Herd wurde das
Eisen eingeschmolzen, auf dem unteren gepuddelt.


Zu Brezova in Ungarn erzielte Glanzer2) 1879 gute Resultate mit
einem Holzgaspuddelofen mit Regenerativfeuerung. Für die meisten
Gegenden war aber der Betrieb mit Regeneratoren zu teuer. Doch
bewährte sich seit 1883 ein damit ausgerüsteter Doppelpuddelofen
von Otto Springer, der zuerst auf der Hermannshütte in Böhmen
und dann in Völklingen bei Saarbrücken eingeführt worden war 3).
Während die gewöhnlichen Doppelpuddelöfen einen doppelt so breiten
Herd und eine Arbeitsthür auf jeder Seite haben, sind bei dem Springer-
ofen, Fig. 249 (a. f. S.), zwei solcher Öfen in der Längsrichtung unter
einem Gewölbe zusammengebaut und die an beiden Enden liegenden
[604]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Regeneratoren gestatten es, die gröſste Hitze abwechselnd einmal auf
der einen Seite, das andere Mal auf der anderen Seite zu erzeugen,
indem Gas und Luft, die den Ofen seiner ganzen Länge nach durch-
ziehen, einmal von links nach rechts, dann umgekehrt von rechts
nach links streichen, so daſs abwechselnd der eine Herd zum Frischen,
der andere zum Vorwärmen und Schmelzen des Roheisens benutzt

Figure 250. Fig. 249.


werden kann. Die kalte Luft strömt unter dem Herdboden her, kühlt
diesen und wird selbst schon vorgewärmt, ehe sie in den Wärme-
speicher gelangt. Dadurch konnte man letzteren kleiner machen,
doch ging man hierin anfangs zu weit. Daſs die gefährdetsten Stellen
des Ofens mit Wasserkühlung versehen waren, ist aus der Zeichnung
zu ersehen. Diese Öfen zeichneten sich durch groſse Produktion und
Kohlenersparnis aus. Zu Völklingen verpuddelte man in der Schicht
13,8 Sätze zu 300 kg Minette-Roheisen und erzeugte daraus 3960 kg
Puddeleisen. Zu 100 Luppeneisen verbrauchte man 104,1 Roheisen
und 56,9 Saarkohlen geringer Qualität. Auf der Maxhütte in Bayern,
wo diese Öfen ebenfalls zur Einführung gelangten, verpuddelte man
12 bis 13 Chargen zu 450 kg Roheisen in der Schicht, erzeugte daraus
5300 bis 5730 kg Luppeneisen bei einem Abbrand von 2 Prozent.
Man verbrauchte dazu auf 100 kg Luppeneisen 58 kg böhmische
Braunkohle. Zu Donawitz bei Leoben in Steiermark betrugen die
Chargen 450 bis 520 kg, die Produktion 6200 bis 7000 kg, bei gutem
Eisen wurden sogar mit 16 bis 18 Chargen in der Schicht 7656 kg
Luppeneisen erzeugt. Der Abbrand betrug dabei 1,5 bis 2 Prozent,
der Kohlenverbrauch 45 bis 50 kg.


Der Betrieb wurde so geführt, daſs, wenn in einem Herd die
letzte Luppe ausgezogen wurde, in dem anderen Herde das Roheisen
geschmolzen war, worauf die Feuerung umgesteuert wurde. Zu dem
[605]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
geschmolzenen Eisen wurde alsdann Schlacke zugesetzt und mit dem
Rühren begonnen. Dieses dauerte 20 bis 25 Minuten, das Umsetzen
und Luppenmachen 15 Minuten, das Ausziehen der Luppen 10 Minuten,
die ganze Charge also 50 Minuten 1). In den österreichischen Alpen-
ländern hatte man getrennte, liegende Wärmespeicher seitlich von
dem Ofen unter dem Boden mit dazwischen liegendem Luftkanal.
Springer, der später Generaldirektor der Königin-Marienhütte bei
Zwickau wurde, führte seine Öfen mit Erfolg auch hier ein.


In Frankreich fand der Doppelpuddelofen mit besonderem Ver-
brenner und zwei gegenüberliegenden Arbeitsthüren von Dujardin
und Frédurau2) 1884 Beifall.


Doppelpuddelöfen mit vier Arbeitsthüren nach Kerpelys System
waren 1884 auf verschiedenen ungarischen Werken eingeführt. Schon
1878 hatte sich J. von Ehrenwerth einen Puddelofen mit direkter
Gasfeuerung und mit von Regeneratoren erhitztem Wind patentieren
lassen.


Einen guten Doppelpuddelofen mit Rostfeuerung konstruierte
1886 Carl Küpper. Er war 6,5 m lang, 2,3 m breit, hatte 2 Herde
und jeder derselben hatte 2 Thüren, auf jeder Seite eine. Der Arbeits-
raum war 4 m lang. Der warme Unterwind wurde durch ein Körting-
gebläse unter den Rost geführt. Solche Öfen wurden erbaut in dem
Hochfelder Walzwerk bei Duisburg, in dem Phönixwerk bei Ruhrort,
zu Witkowitz und Trzynietz in Österreich. Hier erzielte man 9 bis
10 Prozent Kohlenersparnis, hatte aber höheren Eisenabbrand.


Einen Regenerativ-Flammofen mit trommelförmigem Drehherd
lieſs sich G. Olberg in Dessau 1888 patentieren (D. R. P. Nr. 47101).
Ein von Jüllich angegebener Doppelpuddelofen hatte Regenerativ-
feuerung und war dem Springerofen sehr ähnlich. Michaelis’
Puddelofen hatte dreifach geteilten Herd.


Der 1889 von Sweeney3) in Amerika für natürliches Gas auf den
Werken der Philadelphia-Company erbaute Puddelofen war mit Wärme-
speicher versehen.


In England hatten die Retortenöfen von Price den gröſsten
Erfolg, die nur 33 bis 37 Prozent Steinkohlen bei einem Eisenabbrand
von 3,35 Prozent verbrauchten.


Ein neues System der Doppelpuddelöfen führte Gottfried
[606]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Pietzka1) zu Witkowitz 1887 ein. Er machte die beiden hinter-
einander liegenden Herde um eine vertikale Achse drehbar. Infolge-
dessen bedurfte es nur einer Feuerung, vor welche man abwechselnd
den einen und den anderen Herd brachte. 1888 waren sieben solcher
Öfen zu Witkowitz in Betrieb. In Deutschland wurden sie auf dem
Zawadski-Eisenwerk des Grafen Strehlitz und zu Friedenshütte in
Schlesien eingeführt. Zu Bautzen benutzte man dieselben zur Fluſs-
eisenbereitung. Sie waren mit Generatoren und Wärmespeichern
verbunden. Zu Friedenshütte erzeugten in einem gewöhnlichen
Puddelofen 3 Arbeiter in 12 Stunden 2000 kg Luppeneisen, in einem
Pietzka-Drehofen 6 Arbeiter in 12 Stunden bei 12 Einsätzen (von
500 kg) 6000 kg. Der Kohlenverbrauch betrug dabei nur 43 Prozent
von dem der alten Öfen. Der Gedanke, den Herd des Puddelofens
drehbar zu machen, war übrigens nicht neu. Glanzer zu Brezova
hatte bereits Mitte der siebziger Jahre einen auf einer Drehscheibe
wendbaren Puddelherd konstruiert, doch war der Anschluſs an
Feuerbrücke und Fuchs zu mangelhaft, weshalb er aufgegeben wurde.
Denselben Versuch mit demselben Ergebnis hatte dann Pauckmann
zu Lipschitz in Böhmen gemacht. Erst Pietzka gelang es, diese
Schwierigkeit zu überwinden. Sein Gaspuddelofen besteht aus den
Generatoren, dem drehbaren Ofenteil, dem Recuperator und dem
Überhitzkessel. Die Verbrennungsluft wird bei diesem Ofen durch
ein Dampfstrahlgebläse unter der Hüttensohle angesaugt und cirkuliert
unter dem Boden des Herdes, ehe sie in das Gebläse tritt. Ein Teil
derselben gelangt als Unterwind unter den Rost, ein anderer wird
erst an der Ausmündung der Feuerung hin- und hergeführt, hier
weiter erhitzt und tritt dann als Oberwind an der Stirnwand über
der Feuerung ein. Der Kohlenverbrauch war bei den Öfen zu
Witkowitz so gering, daſs nach Abrechnung der zur Dampferzeugung
nutzbar gemachten Wärme nur 28,84 kg Steinkohlen für das Puddeln
übrig blieben. Ursprünglich hatte Pietzka seinen Ofen für direkte
Feuerung konstruiert, die günstigen Erfolge der Springeröfen ver-
anlaſsten ihn, auch seinen Ofen mit Regenerativfeuerung einzurichten.
Diese machte aber den Betrieb zu umständlich und wurde deshalb
wieder verlassen. Dagegen bewährte sich die sogenannte Recuperativ-
feuerung
gut und wurden sämtliche Öfen zu Witkowitz dafür um-
gebaut. Der Recuperator war derart konstruiert, daſs die Luft den-
selben rechtwinklig zu dem Zuge der Feuergase nach dem Gegen-
[607]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
stromprincip in drei hintereinanderliegenden Röhrensystemen durch-
streicht. Die Luft tritt dabei an der kältesten Stelle ein, an der
heiſsesten aus, wo sie bis auf 900° erhitzt ist. Der drehbare Mittel-
teil des Ofens bildet ein Ganzes und ruht auf einem Drehgestell, das,
auf hydraulischem Piston gelagert, von diesem gehoben und dann
leicht von einem Mann gedreht wird. Die Drehung erfolgt um 180°.


In 12 Stunden machte man 14 Chargen zu 500 kg, mit steirischem
Eisen 15 Chargen, zu Charleroi mit Mètis-Eisen (Feineisen) sogar 20,
in Oberschlesien dagegen nur 13 Chargen.


Wie groſs die Kohlenersparnis durch die Verbesserung der Öfen
und Feuerungen war, läſst sich auch daraus ermessen, daſs in England
der Kohlenverbrauch bei den alten Puddelöfen 1200 kg auf die Tonne
betrug, dagegen bei den Siemens-Gasöfen nur 400 kg.


Das flüssige Roheisen aus dem Hochofen unmittelbar zu ver-
puddeln und dadurch die Kosten des Umschmelzens zu ersparen,
hatte man schon früher häufig versucht, doch ohne besonderen Nutzen,
weil das überheiſse Eisen den Schlackenherd rasch zerstörte und der
Puddelprozeſs selbst langsamer verlief. Im Jahre 1895 erzielte indessen
E. Bonehill zu Hourpes in Belgien 1) nach einem patentierten Ver-
fahren auf diesem Wege sehr gute Resultate, indem er in 12 Stunden
mit 4 Puddlern 5500 kg Luppen, gegen früher 3200 kg mit 3 Puddlern,
zu erzeugen vermochte. Dabei hatte er 10 Prozent weniger Abbrand
und eine Kohlenersparnis von etwa 80 Prozent.


Während man durch das mechanische Puddeln und die Ver-
besserung der Feuerungen hauptsächlich gröſsere Produktion und
Kohlenersparnis erstrebte, suchte man durch chemische Mittel die
Qualität des Eisens zu heben, wobei man besonders die Abscheidung
von Phosphor und Schwefel im Auge hatte.


1872 hatte Th. Scheerer2) hierfür den Zusatz von Patronen von
einem aus gleichen Teilen von Chlornatrium und Chlorcalcium zu-
sammengeschmolzenen Gemenge vorgeschlagen.


1874 empfahl Bower ein Reinigungspulver von salpetersaurem
Eisenoxyd oder Bleioxyd, während Zenger die Hydrate der Alkalien
hierzu anwendete.


Der amerikanische Shermanprozeſs erregte Anfang der siebziger
Jahre infolge geschickter Reklame Aufsehen. Es war ein verbessertes
Puddelverfahren, bei dem nach dem Rühren Jodkalium zugesetzt
[608]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
wurde. Versuche wurden damit gemacht in England von Vickers
\& Co
. in Sheffield, von Hopkins, Gilkes \& Co. in Middlesborough,
1871 auf den Darlaston Works; in Frankreich zu Firminy, Alfort,
Terre-noire und in Deutschland zu Hayingen, bis sich 1876 Euverte
sehr absprechend darüber aussprach.


Hendersons1) Verfahren, das hauptsächlich auf Zusatz von
Braunstein und Fluſsspat beruhte, war 1875 in England in Anwendung.
Der Manganzusatz bewirkte nicht die Abscheidung von Phosphor,
sondern nur die Verflüssigung der Schlacke.


Vanderhayn empfahl 1879 Aufstreuen von kohlensaurem Natron.
In demselben Jahre versuchte man auf der Gutenhoffnungshütte
Entphosphorung durch Zusatz von flüssiger kalk- und manganreicher,
phosphorfreier Hochofenschlacke zu bewirken. Ein erster Zusatz
erfolgte nach dem Abstich der Rohschlacke, ein zweiter vor dem
Luppenmachen.


Edison schlug 1881 vor, durch die Rührkrücke einen starken
elektrischen Strom zu leiten, wodurch Kohlenstoff, Schwefel, Phos-
phor u. s. w. am negativen Pol ausgeschieden und verbrannt werden
sollten.


Jos. Blackley veröffentlichte 1885 folgendes Entphosphorungs-
mittel: ⅓ geröstete Puddelschlacke (bull dog) und ⅔ eisenoxydreiches
Erz (black billy) sollten gemahlen und gemischt mit 7 Prozent Salz-
säure, mit Wasser verdünnt, 3 bis 4 Tage unter öfterem Durchstechen
und Durchschaufeln gelagert und dann mit gemahlenem Kalk und
Kochsalz gemischt werden. Dieses Gemenge wurde dann auf dem
Boden des Puddelofens ausgebreitet und hierauf das Roheisen ein-
geschmolzen. Gegen Ende des Prozesses, der 1¼ Stunden dauerte,
sollten noch 1½ bis 2 Prozent Eisenoxyd eingeworfen werden.


1889 puddelte man im Departement Haute-Marne mit 1 bis
2 Prozent Sodazusatz. Dieser gab bei kaltgehendem Eisen eine
flüssige Schlacke.


In Amerika setzte man allgemein die Puddelöfen mit reinen,
reichen Eisenerzen aus. Dies that man auch auf manchen europäischen
Puddelwerken, z. B. zu Pont-St. Vincent (1885).


1890 erregte das Puddeln mit Aluminiumzusatz die Aufmerksam-
keit der Eisentechniker. Mc’Clellan in Glasgow erzielte durch
Zusatz von Ferroaluminium ein Eisen von vorzüglicher Qualität, dessen
Bruchfestigkeit 48,8 kg pro Quadratmillimeter bei 28 Prozent Dehnung
[609]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
war, während gewöhnliches Luppeneisen 28,5 kg Festigkeit und
10 Prozent Dehnung zeigt.


Alle diese chemischen Hülfsmittel verteuern aber das Produkt
und sind deshalb nur ausnahmsweise von Vorteil.


Auch die theoretische Erkenntnis des Puddelprozesses hat in
dieser Periode durch gründliche chemische Untersuchungen Fort-
schritte gemacht. Von besonderer Wichtigkeit waren in dieser Be-
ziehung die chemischen Analysen des Eisens und der Schlacken eines
Puddelofens der Königshütte in Schlesien in den verschiedenen Stadien
des Prozesses, welche Dr. J. Kollmann1) 1874 machte. Die Ergebnisse

Figure 251. Fig. 250.


derselben befinden sich in den bekannten Handbüchern von Wedding
und Ledebur mitgeteilt. Kollmann wies nach, daſs bei der fort-
schreitenden Oxydation in einer gewissen Periode Eisenoxyduloxyd
(Fe3O4) in der Puddelschlacke nachweisbar ist und daſs die Entkohlung
hauptsächlich während des Umsetzens des Eisens vor sich geht. —
Eine ähnliche Untersuchung stellte H. Louis 1874 auf einem englischen
Eisenwerk an 2). Die Abnahme der wichtigsten Bestandteile des Eisens
während des Puddelns nach diesen Analysen zeigen die obenstehenden
Schaulinien, Fig. 250. Tucker giebt für englische Verhältnisse
folgende Grenzwerte für bestes Puddelroheisen an:


Beck, Geschichte des Eisens. 39
[610]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
  • Silicium   1,50 Prozent
  • Phosphor   1,00 „
  • Schwefel   0,09 „
  • Kohlenstoff   3,50 „
  • Mangan   0,50 „

Kirk will nur 1 Prozent Silicium bei einem guten Puddelroheisen
für zulässig erklären. De Wendel stellte 1875 zu Hayange aus

Figure 252. Fig. 251.


einem Roheisen mit 1 Prozent Phosphor gute Stahlschienen durch
Behandeln des Roheisens mit Wasserstoffgas im Puddelofen dar.


Figure 253. Fig. 252.

Die dem Puddelofen entnommenen
Luppen werden, um sie von der ein-
gemengten Schlacke zu befreien, unter
Hämmern, Zängewerken, oder in
Luppenmühlen ausgequetscht und
dicht gemacht. Für die Danksschen
Drehöfen wendete man fast überall
die Winslowsche Luppenmühle
(Fig. 251, 252) an. Wir erwähnen
ferner Robertsons Luppenmühle 1)
mit konischen Walzen (1872), bei
welcher die Luppe als cylindrischer
Stab austritt.


W. Siemens erfand 1877 eine
hydraulische Luppenpresse 2) mit zwei horizontalen und zwei vertikalen
[611]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Preſskolben; die vertikalen haben geringeren Durchmesser und üben
ihren Druck erst einige Zeit nach den horizontalen aus. Eine dampf-
hydraulische Luppenpresse von Breuer, Schumacher \& Co. in Kalk
bei Köln zeigt Fig. 253.


Figure 254. Fig. 253.

Die weitere mechanische Behandlung der Luppen wird bei den
Walzwerken vorgetragen werden.


Daſs man bei den Schweiſsöfen ebenso wie bei den Puddelöfen
die Feuerungen zu verbessern suchte, ist selbstverständlich. Wir wollen
die wichtigsten Erfindungen hierfür kurz aufzählen.


39*
[612]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.

1871 führte Howatson sein System zur Erwärmung der Zugluft
an Fuchs und Esse zu Round Oak bei Dudley auch für die Schweiſs-
öfen durch.


Schweiſsöfen mit Siemens-Regeneratoren und Lundins Konden-
sation wurden in Prävali in Kärnten erbaut.


Ponsard führte eine kontinuierliche Regenerativgasfeuerung in
der Weise ein, daſs er die Verbrennungsluft durch die Abgase vor-
wärmte, den gasförmigen Brennstoff aber möglichst heiſs aus dem
Generator eintreten lieſs 1). C. W. Wittenström2) legte 1875 seine
Regeneratoren über die Öfen.


Torfgasschweiſsöfen baute Pütsch auf der Marienhütte bei Danzig.
Petroleumgasheizung führte Eames3) bei Schweiſsöfen zu Jersey City
ein, indem er das Petroleum durch überhitzten Dampf verflüchtigte.


Sweets Gasschweiſsofen in Nordamerika (1875) zeichnete sich
durch hohe Temperatur aus, die durch die eigentümliche Zufuhr von
Anthrazit und Fettkohlen und Verbrennung mit erhitzter Luft, welche
durch die Feuerbrücke und das Gewölbe zugeführt wird, erzeugt
wurde 4).


Torfgasschweiſsöfen mit Lundins Kondensator und besonderem
Regenerator wurden 1877 zu Josephsthal in Böhmen mit Torfabfällen
mit Erfolg betrieben 5); ebenso zu Motala in Schweden.


Vorzüglich bewährte sich an vielen Orten die Richerouxfeuerung
für Schweiſsöfen, so z. B. 1879 zu Graz.


1881 konstruierte Lürmann einen Schweiſsofen mit Rekuperator-
feuerung 6).


Stubblebines Schweiſsöfen in Bethlehem (Pa. 1890) 7) erstrebten
gleichmäſsige Verteilung der Hitze dadurch, daſs ein Teil der im
Feuerraum entwickelten Gase mit Luft gemengt in den Ofen, der ein
hohes Gewölbe hatte, eingeführt wurde.


In dem seit 1891 aufgekommenen Schweiſsofen von Biedermann
und Harvey (Fig. 254), kurzweg „Neuer Siemensofen“ genannt, wurde
[613]Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.

Figure 255. Fig. 254.


[614]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
ein Teil der Feuergase, der nicht zur Heizung der Wärmespeicher er-
forderlich war, in den Gaserzeuger zurückgeführt und hier in Brenngas
umgewandelt, wodurch eine nicht unbeträchtliche Brennstoffersparnis
erzielt wurde. Diese Konstruktion hat auf mehreren Werken in Eng-
land Anwendung gefunden.


Verschiedene neuere Verbesserungen der Schweiſsöfen und des
Schweiſsverfahrens werden später noch Erwähnung finden.


Das Fluſseisen.
I. Das Windfrischen.


A. Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.


Das Fluſseisen setzte seinen Siegeslauf seit 1870 mit beschleunigter
Geschwindigkeit fort. Von Jahr zu Jahr vermehrte sich die Zahl der
Konverter und die Gröſse ihrer Produktion. Zu dem raschen Auf-
schwung Anfang der siebziger Jahre trugen verschiedene Um-
stände bei. Zunächst war es das Bedürfnis nach Massenerzeugung.
Eine weitere Veranlassung lag darin, daſs im Februar 1870
H. Bessemers Patent erlosch, und daſs damit die hohe Licenz-
gebühr (royalty) von 1 £ pro Tonne, welche er in England bezogen
hatte, und die entsprechenden Abgaben in anderen Ländern wegfielen.
Manche Werke hatten diese Frist abgewartet, um mit der Einführung
des Verfahrens zu beginnen. Eine andere Ursache war der rasche
und nicht nur für Deutschland, sondern für den Weltfrieden glückliche
Verlauf des deutsch-französischen Krieges von 1870 und der Sturz
Napoleons, dessen Politik unablässig den Frieden bedroht hatte.
Ein allgemeiner Aufschwung von Handel und Industrie und die Ver-
gröſserung und Neugründung zahlreicher Eisenwerke war die Folge
davon. Dieser Aufschwung war so unaufhaltsam, daſs er rasch die
Grenzen des Bedürfnisses überflügelte, worauf dann 1873 eine Handels-
krisis eintrat und eine Periode des Niederganges folgte. Bei der
Fluſseisenfabrikation machte sich dieser Niedergang aber nicht fühlbar.
Trotz des allgemeinen Rückschlags nahm der Bedarf an Fluſseisen
von Jahr zu Jahr zu. In welch steigendem Maſse dies in dem Zeit-
raume von 1870 bis 1880 geschah, ist aus nachstehender Tabelle zu
ersehen.


[615]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.

Erzeugung von Bessemerstahl in Kilotonnen.


Zu der raschen Zunahme des Bessemerns trugen nicht nur die
Anlage neuer Werke und die Aufstellung neuer Konverter, sondern
auch die Verbesserungen des Betriebes und der Betriebsvorrichtungen,
die zugleich eine Verbesserung des Produktes herbeiführten, bei. Die
nächstliegenden waren die Vergröſserung der Birnen, die von England
ausging, und der Schnellbetrieb, der in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika ausgebildet wurde. Dieser hing zusammen mit zahl-
reichen technischen Verbesserungen der Apparate und Einrichtungen,
die wir mit denen des Betriebes selbst in folgendem kurz schildern
wollen.


In erster Linie erfuhr der Konverter oder die Bessemerbirne
mancherlei Verbesserungen. Die ursprüngliche Gröſse von 1½ Tonnen
Inhalt hatte John Brown in Sheffield schon zu Anfang der sechziger
Jahre auf 3 Tonnen, später auf 5 Tonnen erhöht und zu Anfang der
siebziger Jahre führte er auf denselben Atlaswerken Birnen für
10 Tonnen Einsatz ein. Überhaupt war zu Anfang der siebziger Jahre
bereits das Bestreben in England, die Konverter möglichst groſs zu
bauen. Auf der Bessemerhütte zu Barrow mit 18 Konvertern, die
1872 eröffnet wurde, waren die gröſseren Birnen schon für 7½ Tonnen
Einsatz, ebenso hatte man zu Workington 7½-Tonnen-Birnen. Im
allgemeinen bewährten sich aber die Birnen mit 5 Tonnen Einsatz
damals am besten, und auf dem Kontinent ging man in den siebziger
Jahren nicht über diese Grenze hinaus. Auch in den Vereinigten
Staaten gab man den 5-Tonnen-Konvertern den Vorzug.


Neben diesen groſsen Apparaten bestanden aber noch vielfach
die kleinen Konverter fort, besonders in den österreichischen Alpen-
ländern und in Schweden. Die alten stehenden Öfen (s. Bd. IV, S. 936)
fingen allerdings auch in letzterem Lande an zu verschwinden. 1871
zählte man in Schweden sieben Bessemerwerke, von denen drei noch
[616]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
die alten Öfen hatten. Ihre Produktion war aber so gering, daſs man
beabsichtigte, sie bald durch englische Konverter zu ersetzen. Diese
behaupteten den Sieg und zwar in fast derselben Gestalt, wie sie
zuerst in Sheffield aufgestellt worden waren. 1872 zählte man in
England 19 Bessemerhütten mit 91 Birnen, in Deutschland 1873
18 Bessemerhütten mit über 70 Birnen, davon 18 bei Krupp in
Essen. Deutschlands Leistungen in der Bessemerfabrikation waren sehr
bedeutend, besonders seit dem allgemeinen Aufschwung der Industrie
Anfang der siebziger Jahre.


Die 5-Tonnen-Birnen (Fig. 255) hatten meist 1,8 m inneren
Durchmesser in dem 0,8 bis 1 m hohen cylindrischen Mittelstück. Der

Figure 256. Fig. 255.


Durchmesser des 0,8 m hohen Bodenstücks
zog sich bis auf 1 m, den oberen Durch-
messer des Bodens, zusammen, während die
Haube von 1,5 bis 1,8 m Höhe eine seitliche
Mündung von 0,4 m Durchmesser hatte1).
Der schmiedeeiserne Mantel bestand in der
Regel aus vier Teilen: der Haube, dem
Mittelstück, dem Bodenstück und dem Boden,
an den sich der guſseiserne Windkasten
anschloſs. Das Mittelstück war von einem
kräftigen Ringe, an dem die Tragzapfen und
das Triebrad befestigt waren, umgürtet.


Das Futter wurde anfänglich fast überall,
nach Bessemers Vorgang hin, aus ge-
mahlenem Ganister, der 93 Prozent Kieselsäure enthielt, hergestellt
und zwar durch Aufstampfen um hölzerne Schablonen. Wilson und
Wood verwendeten 1871 feuerfeste Formsteine. Auch in Seraing und
in Österreich mauerte man die Birne mit feuerfesten Steinen aus, die
man dann mit einer ziemlich dicken Lage feuerfester Masse bekleidete.
Pet. Tunner hatte 1872 vorgeschlagen, das Futter aus Magnesit
herzustellen, doch soll dies angeblich nachteilig auf den Prozeſs ein-
gewirkt haben2). Als Danks rotierende Puddelöfen bekannt wurden,
schlug Wedding an Stelle des durch seinen Kieselgehalt nachteiligen
Futters ein eisenreiches Futter, wie das der Danksöfen, vor. Daelen
nahm auf denselben Gedanken 1873 ein englisches Patent. Doch
[617]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
hatten diese Vorschläge nur geringen Erfolg. Von besonderer Wichtig-
keit war die Herstellung der Böden, welche die Windformen ent-
hielten, weil dieselben am meisten in Anspruch genommen, rasch
zerstört wurden und deshalb oft erneuert werden muſsten. In Europa
geschah dies zu Anfang der siebziger Jahre noch allgemein durch
Einstampfen oder Ausmauern von innen. Hierbei wurden die aus
kieselsäurereichem Thon vorher geformten und gebrannten Formen
erst eingesetzt und dann der Zwischenraum mit Masse ausgestampft
oder mit Ganisterformsteinen ausgemauert. War nur ein Flicken oder
eine teilweise Erneuerung des Bodens nötig, so wurden durch die
Formöffnungen eiserne Nadeln gesteckt und der freie Raum um die-
selben mit feuerfestem Thon ausgestampft oder ausgegossen. Hierbei
gab man dem Boden oft unmittelbaren Anschluſs an das Futter, was
zwar das Auswechseln erschwerte, dagegen aber ein Durchbrennen an der
ringförmigen Fuge verhinderte. Es ist klar, daſs die Herstellung und
Reparatur des Bodens durch Ausstampfen von innen beschwerlich
und zeitraubend war. Die Birne muſste erst so weit kühl geworden
sein, daſs ein Mann im Inneren arbeiten konnte; hatte dieser in dem
heiſsen, dunklen Raum den Boden vollendet, so muſste erst der Boden
durch Koksfeuer vollständig getrocknet werden.


Es war deshalb ein sehr wichtiger Fortschritt, als Holley in
Amerika 1868 die Losböden erfand, die unabhängig für sich hergestellt,
getrocknet, eingesetzt oder ausgewechselt wurden. Die Idee aus-
wechselbarer Böden hatte schon Bessemer gehabt, auch hatte man
in Österreich solche bereits versucht. Holleys Verdienst bestand
hauptsächlich in der auſserordentlich einfachen und praktischen
Lösung der Frage. Indem er nämlich den Rand des Bodens kleiner
machte als den Rand des Futters, entstand ein ringförmiger freier
Raum von keilförmigem Querschnitt, der das Einsetzen des Bodens
von auſsen bequem gestattete und der danach leicht von auſsen mit
feuerfestem Thon ausgestampft werden konnte. Dadurch wurde das
Auswechseln der Böden auſserordentlich beschleunigt, um so mehr,
da man dieselben vorher trocknen konnte.


Durch diese einfache Verbesserung erlangten die Amerikaner einen
wesentlichen Vorsprung und ohne dieselbe wäre ihr Schnellbetrieb
kaum möglich gewesen. In Troy machte man mit einem Paar 5-Tonnen-
Birnen 2000 Tonnen Stahlblöcke im Monat, obwohl schon nach fünf
bis sechs Hitzen ein neuer Boden eingesetzt werden muſste.


In Europa fand die Einführung der amerikanischen „Losböden
nur langsam statt. Erst 1872 wurde die Aufmerksamkeit durch eine
[618]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Abhandlung von Lenok Smith1) über die Stahlfabrikation in den
Vereinigten Staaten auf dieselben gelenkt. 1875 wurden die Konverter
der neuen Bessemerhütte zu Hörde2) mit amerikanischen Losböden

Figure 257. Fig. 256.


versehen. Das Einsetzen eines
neuen Bodens erforderte nur eine
Stunde Zeit. Zum Flicken und
Ausfüttern verwendete man Ga-
nistermasse. Das obere Futter
der Birne hielt 200 bis 300 Chargen
aus. Die Birnen waren in der
Form etwas abweichend, hoch
und schmal ohne Schnabel und
wurden durch vertikale Zug-
stangen bewegt. Obgleich infolge
dieser Verbesserung auch in
Deutschland ein rascherer Betrieb
eingeführt wurde, so blieb der-
selbe doch noch weit hinter dem
amerikanischen zurück. In
Amerika erzeugte man 1875 in
einer Birne durchschnittlich
448853 Centner, in Deutschland
nur 104707 Centner. Das Ein-
setzen des Bodens geschah von
unten und zwar durch Andrücken
mit Winden. Statt dieser wendete man in Amerika hydraulische
Pressen an, infolgedessen war das Auswechseln und Einstampfen in
38 Minuten beendet. — Für den raschen Verlauf des Frischens war
Zahl und Weite der Windformen von groſsem Einfluſs. In England
und Amerika gab man mehr Windfläche als in Deutschland. Dieselbe
betrug3) Anfang der siebziger Jahre auf die Tonne Roheisen zu
Königshütte 5,161, in Neuberg 9,225, in Königin-Marienhütte 11,031,
in Heft 11,806, in Crewe 20,515, in Dowlais 22,193 qcm. In Deutsch-
land und England hatte man meist 7 Formen mit je 7 Löchern, in
Amerika 12 Formen mit 10 Löchern. 1877 fing man an, die Wind-
[619]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
öffnungen direkt in den Boden einzuformen, indem man die Masse um
runde Metallstäbchen, die man später auszog, stampfte. F. A. Freeston1)

Figure 258. Fig. 257.


Figure 259. Fig. 258.


zu Attercliffe bei Sheffield scheint dies zuerst eingeführt zu haben.
Diese „Siebböden“ fanden alsbald Verbreitung. 1878 wurden sie
bereits in Schweden an-
gewendet. In Deutsch-
land führte A. Rühle
von Lilienstern
2)
solche Böden ein. Er
verwendete zu ihrer
Herstellung eine ent-
sprechende Form (Fig.
257, 258) mit in kon-
centrischen Kreisen an-
geordneten Löchern,
durch welche runde
Stäbe oder Nadeln ge-
steckt wurden, um welche
man die Masse ein-
stampfte. Alsdann wur-
den die Nadeln aus-
gezogen und die Form
entfernt.


Die Gutehoffnungs-
hütte bei Oberhausen
nahm am 27. März 1879

Figure 260. Fig. 259.


[620]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
ein Patent (D. R. P. Nr. 9701) auf Ausfütterung der Birnen mit
Bauxit.


A. Holley konstruierte eine verbesserte Aufhängung der Birne
in einem Tragring mit Schildzapfen (Fig. 259 a. v. S.), wodurch es
möglich wurde, bei Reparaturen die ganze Birne auszuwechseln.
R. M. Daelen machte (1880) auſser Boden und Unterteil auch den
cylindrischen Mantel auswechselbar.


Die Gebläsemaschinen der Bessemerhütten waren meistens zwei-
cylindrig und öfter liegend als stehend. In Amerika wendete man
entsprechend dem intensiveren Betriebe stärkere Gebläse mit rascherem
Gange, die mit Klappenventilen für Ein- und Auslaſs versehen waren,
an. Wie viel kräftiger die amerikanischen Gebläsemaschinen schon
Anfang der siebziger Jahre waren, ergiebt sich aus nachstehenden
Zahlen:


Die hydraulische Bewegung der Birne und der Gieſspfanne hatte
bereits Bessemer eingeführt. In Amerika, wo man bestrebt war, den
Betrieb zu einem durchaus mechanischen zu machen, dehnte man den
hydraulischen Druck auch auf die Drehkräne aus, von denen mehrere
so verbunden waren, daſs vom Eintragen des flüssigen Eisens in den
Konverter bis zum Absetzen der erstarrten Blöcke (Ingots) alles
durch Kranbewegung geschah. Hierzu wendete man die starken
gekuppelten Worthington-Pumpen an. Der Wasserdruck wurde an-
gesammelt und reguliert durch Akkumulatoren. Von solchen hatten
sich 1878 die Differentialakkumulatoren mit durchgehender verjüngter
Kolbenstange nach Twedells Erfindung bewährt. Der Schnellbetrieb
wurde auſserdem dadurch wesentlich gefördert, daſs alle Hauptapparate
doppelt vorhanden waren, so daſs immer abwechselnd die einen und
die anderen verwendet werden konnten. Eine amerikanische Bessemer-
anlage zu Anfang der siebziger Jahre bestand nach der Beschreibung
von Lenok Smith aus 2 Birnen von 5 bis 7 Tonnen, 1 Guſspfanne
[621]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
mit hydraulischem Kran und 3 weiteren hydraulischen Kranen, welche
über die Gieſsgrube schwangen, um die Guſsformen hin- und weg-
zustellen, die Blöcke wegzuheben und zu verladen. Eine gekuppelte
groſse Gebläsemaschine blies 266 bis 310 cbm Luft von 25 Pfund
Druck auf den Quadratzoll in der Minute. Für die Hydraulik arbeitete
eine gekuppelte Worthington-Pumpe mit zwei Wassercylindern von
9 Zoll Weite und 24 Zoll Hub. Die Dampfkessel entsprachen
800 Pferdekräften. Zum Einschmelzen des Roheisens dienten 3 Kupol-
öfen, zum Schmelzen des Spiegeleisens 2 Flammöfen. Zwischen den
Kupolöfen und der Birne war eine Wage angebracht, welche gestattete,
die Gieſspfanne zu wiegen, wodurch das Gewicht der Charge genau
festgestellt werden konnte. Man machte täglich 6 bis 18, zuweilen
bis 24 Chargen von 5 Tonnen Einsatz. Eine solche Anlage kostete
etwa 200000 Dollar. Sehr wichtig war die Anordnung der Birnen zu
dem Gieſsraum. Meistens hatte man kreisförmige Gieſsgruben, welche
Form durch den an einem hydraulisch heb- und senkbaren Kolben
befestigten, im Kreise schwingenden Tragarm der Gieſspfanne bedingt
war. Die beiden Konverter stellte man nach der Anordnung von
John Brown in Sheffield anfangs meist parallel und in solcher Ent-
fernung voneinander auf, daſs sie gekippt den von der Gieſspfanne
beschriebenen Kreis so trafen, daſs diese Punkte mit dem Mittelpunkt
verbunden einen Winkel von 90° ergaben.


Von dieser Anordnung ging man in Dowlais bereits in den
sechziger Jahren ab, indem man die beiden Birnen gerade gegenüber
stellte, so daſs sie um 180° gegeneinander verstellt waren. Wo man
mehr als zwei Birnen verwendete, stellte man zuweilen noch eine
dritte Birne zwischen den beiden gegenüberstehenden auf, wie dies
z. B. in Hörde geschah. Zu Barrow stellte man die drei Birnen näher
zusammen, so daſs sie nur einen Winkel von 60°, zusammen also von
120° bildeten. Sobald noch mehr Birnen betrieben wurden, war es
zweckmäſsig, dieselben parallel in eine Reihe zu stellen. Die Gieſs-
grube mit der kreisförmig schwingenden Gieſspfanne fiel dann fort
und wurde durch eine auf einem Geleise fahrbare Gieſspfanne ersetzt.
Diese Anordnung wurde zuerst auf dem Kruppschen Stahlwerke in
Essen eingeführt, wo je fünf oder sechs Birnen in einer Reihe lagen.
Die gröſseren Stahlwerke in den Vereinigten Staaten adoptierten diese
Aufstellung und bildeten sie weiter aus. Sie legten die Birnen hoch
über die Hüttensohlen und führten besondere Plattformen um sie
herum, wodurch sie leicht zugänglich wurden. Die Kräne konnten
frei schwingen; die Funkenessen hemmten nicht. John Fritz zu
[622]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Bethlehem legte schon vor 1873 den Boden der Gieſsgrube auf die
Hüttensohle, so daſs die Eisenbahnen von allen Seiten Zugang hatten.
In Österreich hatte F. Bleichsteiner 1871 und 18771) auf die
Wichtigkeit der Anordnung der Bessemerhütten hingewiesen und
Vorschläge gemacht. In England machte Mich. Scott 1878 Ver-
besserungsvorschläge. Er legte besonderen Wert auf Raumersparnis
und wollte ohne Gieſspfanne arbeiten, indem er den flüssigen Stahl
durch Rinnen einer mehrteiligen Form zuleitete, worin die Blöcke mit
aufsteigendem Strom gegossen wurden.


Der Betrieb erfuhr in den siebziger Jahren überhaupt zahl-
reiche Verbesserungen.


1871 waren in Schweden noch stehende Öfen in Betrieb.
Diesen wurde das Roheisen direkt aus dem Hochofen zugeleitet. Die
Konverter, die man eingeführt hatte, faſsten nur 2,3 bis 3,9 Tonnen,
und die schwedischen Bessemerhütten wurden alle, auſser zu Sandwiken,
mit Wasserkraft betrieben.


In Deutschland war die Blasezeit der Chargen gröſser als in
England, was hauptsächlich an der geringeren Düsenfläche lag.


Bis 1871 war das aus den Cumberländer Hämatiterzen erblasene
Roheisen fast in ausschlieſslicher Anwendung für den Bessemerprozeſs
in England, Deutschland und Frankreich. In Schweden lieferten die
einheimischen phosphorarmen Magneterze ein gutes, reines Roheisen
von geringem Siliciumgehalt, wodurch es sich mehr für das alte Ver-
fahren, d. h. für die Stahlerzeugung mit Unterbrechung des Blasens
im richtigen Moment der Entkohlung eignete. Ähnlich lieferten die
vorzüglichen Erze der österreichischen Alpenländer ein gutes Bessemer-
roheisen. Desgleichen erwiesen sich die reichen Erze der Vereinigten
Staaten, besonders die vom Oberen See, als sehr geeignet für Bessemer-
roheisen.


Die Abhängigkeit von dem Cumberländer Hämatitroheisen war
sowohl für Groſsbritannien, wie für den gröſsten Teil des europäischen
Kontinents immer noch ein groſses Hindernis für die Entwickelung
und den Aufschwung der Bessemerindustrie. Man suchte deshalb
nach geeigneten fremden Erzen und fand diese in Spanien, Algier und
Elba. Besonders bewährten sich die altberühmten Erze von Som-
morostro bei Bilbao als vorzüglich geeignet für Bessemerroheisen.
Infolgedessen erlangte der Eisenerzbergbau und der Erzhandel in
[623]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
diesem Gebiet einen staunenerregenden Aufschwung und Umfang.
Besonders waren es die englischen Hochofenwerke der Westküste und
die deutschen Werke im Rheingebiet, welche ungeheure Massen dieser
Erze bezogen und auf Bessemerroheisen verschmolzen. Krupp hatte
ausgedehnten Grubenbesitz in Nordspanien erworben. Auſser ihm
bezogen die Eisenhütten Hörde, Gute Hoffnungshütte, Dortmunder
Union, Phönix, Johannishütte bei Duisburg, Königin Marienhütte bei
Zwickau und Georg-Marienhütte bei Osnabrück im Jahre 1872 bereits
über 3 Millionen Centner spanische Erze. Nicht ganz ohne Erfolg
versuchte man sowohl in England als in Deutschland auch inländische
Erze auf Bessemerroheisen zu verschmelzen, was freilich nur vereinzelt
bei besonders phosphorfreien Erzen gelang. In Deutschland war es
die Georg-Marienhütte, welche seit 1874 Bessemerroheisen aus eigenen
Erzen erzeugte.


Das Spiegeleisen, welches ebenfalls für den Bessemerprozeſs un-
entbehrlich war, hatte man früher fast ausschlieſslich aus dem Sieger-
land beziehen müssen. Mit Hülfe ausländischer Erze oder braunstein-
haltiger Zuschläge gelang es aber auch in England und in anderen
Ländern, Spiegeleisen im Hochofen herzustellen. So machte man 1873
zu Ebbw-Vale mit inländischen, bei John Brown \& Co. in Sheffield
mit spanischen Erzen Spiegeleisen mit ca. 13 Prozent Mangangehalt.
Ebenso stellte man in Schweden und Ruſsland Spiegeleisen für die
Fluſsstahlfabrikation dar. In Jauerburg und Sava in Krain erblies
man um dieselbe Zeit sogar Ferromangan mit 35 bis 40 Prozent
Mangan im Hochofen.


1875 erzeugte man bei Marseille im Hochofen ein Spiegeleisen
mit 24,4 Prozent Mangan. 1877 fingen in Deutschland die Eisenwerke
Phönix und Oberhausen an, Ferromangan im Hochofen darzustellen.
Das Spiegeleisen wurde noch meistens im Flammofen umgeschmolzen,
doch benutzte man auch bereits Kupolöfen dafür. Diese muſsten das
Eisen rasch und möglichst unverändert schmelzen. Hierzu eignete sich
besonders Mackenzies Ofen, oder ein Ofen mit zusammengezogener
Formebene und darunterliegendem Sammelraum1).


Um das zeitraubende Vorwärmen der Konverter abzukürzen, erfand
Larson 1871 einen Gaswärmer für Hochofengase, durch den das
Vorwärmen mit den halben Kosten erfolgen sollte. Heiſsen Wind
beim Bessemern anzuwenden, hatte man 1873 zu Zeltweg in Steier-
mark wieder versucht. Dem Direktor Heyrowsky gelang es auch, im
[624]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Sommer 1874 50 bis 60 Hitzen weiſses Roheisen mit heiſsem Wind
von etwa 700° zu frischen, doch wurden dabei die Böden so rasch
zerstört, daſs man die Versuche nicht fortsetzte.


In den Vereinigten Staaten erfuhr die Produktion der Konverter
durch die Verbesserung der Einrichtungen, besonders durch das rasche
Auswechseln der Böden und den zweckentsprechenden mechanischen
Betrieb, eine fortwährende Steigerung. 1872 erreichte man auf den
Cleveland-Eisenwerken bereits 24 Chargen zu 6 Tonnen in 24 Stunden.
1874 machte John A. Griswold am 13. Februar 50 Chargen von
5 Tonnen mit 268 Blöcken in 24 Stunden. Das Umschmelzen der
erforderlichen Roheisenmenge geschah in zwei Kupolöfen mit Sturtevant-
gebläsen.


Die amerikanischen Kupolöfen waren meist elliptisch 6,5 × 3,5 Fuſs
im Lichten und 14 Fuſs hoch. Sie hatten sechs Düsen von 200 Quadrat-
zoll Düsenfläche und schmolzen in neun Stunden 1000 Centner.


Auf dem österreichischen Stahlwerk zu Neuberg führten Gustav
Katzetl
und Albert Sailler 1873 ein Verfahren ein, wonach die
Rückkohlung des Stahls, das Fertigmachen, nicht in der Birne, sondern
in einem Flammofen (Martinofen) erfolgte. In diesen wurde das etwas
überblasene Metall ausgegossen, Spiegeleisen zugesetzt und dann etwa
zwei Stunden abstehen lassen. Der so erhaltene Stahl war sehr gut für
Klingen, Gewehrläufe, Draht u. s. w.


In Frankreich stellte man 1874 durch Zusatz von 42- bis 70 pro-
zentigem Ferromangan ein weiches Bessemermetall mit nur 0,15 Prozent
Kohlenstoff dar. Dieses kam unter dem Namen Métal fondu in den
Handel. Es war nicht härtbar, hatte aber eine hohe Festigkeit und
eignete sich besonders für Blech, Draht, Achsen und Maschinenteile.


In Deutschland war damals die Königin Marienhütte bei Zwickau
das einzige Werk, welches ohne Rückkohlung durch Unterbrechung
des Blasens Bessemerstahl erzeugte. Das Spektroskop und Schöpf-
proben gaben den richtigen Moment an. Beim Guſs der Stahlblöcke
hatte sich das Gieſsen durch den aufsteigenden Strom und unter
Druck sehr bewährt. Bei ersterem hatte man schon um 1872 zu
Seraing 7 bis 8 Prozent mehr dichte Blöcke erhalten und das Gieſs-
verfahren von Sir Jos. Whitworth unter hydraulischem Druck war
eine der wichtigsten Verbesserungen der Stahlfabrikation. Zum Guſs
mit aufsteigendem Strom konstruierte man Gruppenformen, durch
welche eine Anzahl schwächerer Blöcke gleichzeitig gegossen wurde.
Eine solche von Pink in Hörde 1874 eingeführte bestand aus einem
hohlen Schmiedeeisenkörper mit Einguſsrohr, wovon am Boden die
[625]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Leitungen nach den Ingotformen abzweigten. Auf dem Elbastahlwerk
bei Swansea stand die Gruppenform auf einer sich drehenden Scheibe
und wurde nacheinander an die verschiedenen um die Scheibe
stehenden Ingotformen angeschlossen.


1875 machte Raymond den Vorschlag, das Spiegeleisen un-
geschmolzen, aber rotglühend vorgewärmt zuzusetzen. Dr. Ad. Schmidt
empfahl, das Spiegeleisen durch Siliciumeisen zu ersetzen. Für Stahl,
der härtbar, hart und zäh sein muſs, ist ein Siliciumgehalt aber von
Nachteil. S. Kern1) schlug Chromeisen statt des Spiegeleisens für
sehr weichen Stahl vor.


Um für Bessemerwerke, welche ihr Roheisen direkt einem Hoch-
ofen entnahmen, die Produktion zu erhöhen, schmolz man in Schweden
Roheisen mit den Erzchargen durch. 1874 führte man dies auch zu
Heft in Kärnten ein. Man gab 14 bis 16 Prozent des Erzsatzes oder
25 bis 30 Prozent des erzeugten Roheisens darin auf. Dieses Ver-
fahren war billiger als die Verwendung eines Kupolofens neben
dem Hochofen, auch konnte man dadurch die Qualität des Produktes
verbessern.


Die französischen Metallurgen Gruner und Gautier unter-
schieden 1875 folgende drei Methoden der Bessemerstahl-
bereitung
:


1. die von Terre noire oder die Eisenmanganmethode. Bei
diesem besonders in Frankreich üblichen Verfahren verblies man ein
siliciumreiches, manganarmes Roheisen, neigte nach dem Totblasen
die Birne horizontal und warf vorgewärmtes Ferromangan ein; man
wartete, bis die Reaktion vorbei war, und goſs dann aus.


2. die schwedische Methode, bei der man ein sehr mangan-
reiches Roheisen verarbeitete. Der Prozeſs verlief stürmisch, mit
viel braunem Manganrauch, wodurch es oft schwer war, den richtigen
Punkt der Entkohlung zu erkennen. Das Blasen wurde alsdann
unterbrochen und kein Nachsatz gegeben. Auſser in Schweden war
dies Verfahren auch in Zwickau und auf der Maxhütte in Bayern
eingeführt worden, erlangte aber keine Bedeutung. Am wichtigsten
und verbreitetsten blieb


3. die englische und Spiegeleisenmethode. Nach der Natur
des Roheisens führte man den Prozeſs mehr oder weniger heiſs. Die
Mittel hierfür gaben der Siliciumgehalt und heiſses Einschmelzen.
Für phosphorhaltiges Roheisen war Heiſsblasen am besten. Ein
Beck, Geschichte des Eisens. 40
[626]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Phosphorgehalt macht den Stahl kalt und kurzbrüchig. War Phosphor
nicht zu vermeiden, so muſste der Kohlenstoffgehalt möglichst er-
niedrigt werden, damit die Sprödigkeit durch den Phosphor nicht
noch durch Kohlenstoff vermehrt wurde. Ein Siliciumgehalt bis
0,5 Prozent galt dagegen für den Bessemerstahl nicht als nachteilig,
in Neuberg lieſs man sogar bis 1 Prozent Silicium zu.


Als ein Beispiel des Bessemerbetriebes im Jahre 1875 führen wir
Seraing an. Hier wurde das Bessemerroheisen aus algerischen und
spanischen Erzen mit 600° C. heiſsem Winde eingeschmolzen, aus
Pfannen in den Konverter gegossen und in 18 bis 22 Minuten ver-
blasen. Die Farbe der Schlacken zeigte den Kohlenstoffgehalt an:
citronengelb entsprach 0,75 Prozent Kohle, orangegelb 0,60, hellbraun
0,45, dunkelbraun 0,30, und blauschwarz 0,15 Prozent Kohlenstoff im
Stahl. Die Ingots wurden glühend aus der Gieſsgrube unter den
Hammer gebracht.


Der hydraulische Betrieb mit Akkumulatoren hatte bereits auf
den meisten Bessemerwerken Eingang gefunden. Die Seele des
Betriebes bildete der Steuertisch, von dem aus die hydraulischen Be-
wegungen der Konverter und der Kräne durch einfache Handhebel
geleitet wurden. Es waren dies (nach Alfred Musil) 1. die Bewegung
des Ingotkrans, der das Aus- und Einheben der Coquillen und das
Ausheben und Fortschaffen der Stahlblöcke besorgte; 2. die des Guſs-
pfannen- oder Stehkrans, der das flüssige Eisen vom Konverter zu den
Coquillen brachte; 3. die der Konverterwendemaschine mit horizontaler
oder vertikaler Bewegung; 4. die des Roheisenkrans da, wo das Eisen
vom Hochofen oder Kupolofen zum Konverter gehoben werden muſste.


Am besten wurden nur die wichtigsten Steuerungen auf dem
Steuertisch, der erhöht, geschützt und übersichtlich angelegt werden
muſste, vereinigt.


Verbesserte Ingotformen wurden 1875 von Morewood und 1876
von Hackney angegeben.


1877 eröffneten die Herrn Bolkow, Vaughan \& Co. zu Eston
in Cleveland ein neues Bessemerwerk, damals eine der schönsten und
gröſsten Anlagen der Welt. Um diese Zeit bediente man sich auf
den West-Cumberland-Werken bereits einer fahrbaren Gieſspfanne
mit Dampfbetrieb von Snelus, um das Roheisen der Hochöfen
unmittelbar nach den Konvertern zu fahren1).


Eigentümlich war zu jener Zeit der Betrieb zu Creuzot. Man
[627]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
stach 40 bis 50 Centner grelles, hitziges Eisen aus dem Hochofen in
den vorgewärmten, eine Partie Stahlabfälle enthaltenden Konverter
ab, richtete ihn auf und blies 8 bis 9 Minuten. Dann wurde gekippt,
kalte Roheisenstücke in den Konverter geworfen und hierauf aus einem
zweiten Ofen geschmolzenes Roheisen zuflieſsen lassen, aufgerichtet
und geblasen. Dies wurde mehreremal wiederholt. Durch das Zusatz-
eisen konnte man die Qualität regeln. Ferromangan wurde nur bei
manganarmem Roheisen und zwar in festem Zustande zugegeben.


Um Roheisensorten, die für sich zu kalt gingen, heiſs zu ver-
blasen, hatte die Firma Friedrich Krupp einen vereinigten Flamm-
und Bessemerofen erfunden (D. R. P. Nr. 2351 vom 18. Dezember 1877).
Der Konverter wurde in liegender Stellung als Flammofen mit einer
Crampton-Kohlenstaubfeuerung und Siemens’ Regeneratoren geheizt,
alsdann, wenn das Eisen genügend überhitzt war, aufgerichtet und
geblasen.


Im Jahre 1877 waren nach H. Bessemers Angabe bereits
1873 Kilotonnen Bessemerstahl erzeugt worden.


Wedding bezeichnete 1878 als Fortschritte bei dem Bessemer-
verfahren die direkte Anwendung des flüssigen Roheisens der Hoch-
öfen, die Verwendung der Birnengase zur Erhitzung des Gebläse-
windes der Kupolöfen, wodurch auf englischen Hütten der Koksverbrauch
beim Einschmelzen von 10 auf 6 bis 7 Prozent vermindert worden war,
und die Einführung der Differential-Akkumulatoren. Zu dem oft
weiten Transport des flüssigen Roheisens von den Hochöfen zu den
Konvertern wendete man in England mit Lokomotiven fahrbare Guſs-
pfannen an.


Über den Bessemerprozess verbreiteten die von Friedr. C. G.
Müller
in Osnabrück 1878 angestellten Untersuchungen1) neues
Licht. Er unterschied 1. den deutschen Prozeſs mit hoher Anfangs-
temperatur und hohem Siliciumgehalt, 2. den schwedischen mit
hoher Anfangstemperatur und niedrigem Siliciumgehalt und 3. den
englischen mit niedriger Anfangstemperatur und hohem Silicium-
gehalt. In Deutschland suchte man das Roheisen im Kupolofen bereits
so heiſs einzuschmelzen, daſs die Entzündungstemperatur des Kohlen-
stoffs, welche nach Müller bei 1400° C. liegt, erreicht wurde. Ver-
blies man nun dieses heiſse Roheisen im Konverter, so trat die
Verbrennung von Kohlenstoff neben der von Silicium sehr bald
und sehr energisch mit donnerndem Geräusch ein. Man nannte
40*
[628]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
dies die Eruptionsperiode. Die Verbrennung des Kohlenstoffs unter-
drückt die Oxydation des Siliciums. Die Temperatur der Eruptions-
periode, bei der Schmiedeeisen sofort schmilzt, giebt Müller auf
1600° C. an. Die Verbrennung des Kohlenstoffs bricht plötzlich ab;
alsdann beginnen Silicium und Mangan zu verbrennen, wodurch
eine Temperatursteigerung von 200° C. eintritt. Einwerfen von kaltem
Eisen vermindert die Affinität des Kohlenstoffs zum Sauerstoff und
befördert die Verbrennung des Siliciums.


Läſst man das Roheisen nicht mit 1400° C., sondern mit nur
1200° C. in die Birne flieſsen, so entwickelt sich von selbst der
englische Prozeſs, bei dem anfangs kein Kohlenstoff, sondern nur
Silicium und Mangan verbrennen, bis das Bad so erhitzt ist, daſs die
Entzündung des Kohlenstoffs eintritt. Nach Müllers Beobachtung
erhöht 1 Prozent Silicium die Temperatur des Bades um 300° C. In
normalen Chargen werden etwa 1,4 Prozent Silicium und etwa ebenso
viel Mangan verbrannt; so viel muſs also mindestens von diesen
Stoffen im Roheisen vorhanden sein. Am Schluſs des Blasens tritt
eine Sättigung des Bades mit oxydiertem Eisen ein.


Die Abfälle von Bessemerstahl in den Konverter nach Beendigung
der Charge einzuwerfen, ist nach M. Tschernoffs Erfahrung (1878)
nicht so vorteilhaft, als dieselben mit Roheisen im Kupolofen zu ver-
schmelzen.


F. Osann1) schlug 1878 vor, den Bessemerprozeſs zu teilen und
das Einsetzen und erste Blasen in einem mit plastischem Kohlenfutter
ausgekleideten Konverter vorzunehmen, hierauf den Prozeſs in einem
gewöhnlichen Konverter mit Kieselfutter zu vollenden.


Wicks \& Howson bliesen 1879 zerstäubte Kohlenwasserstoffe mit
dem Wind in den Konverter.


Sehr wichtig auch für den Betrieb waren die Fortschritte der
theoretischen Erkenntnis
des Bessemerprozesses in den siebziger
Jahren. Die Grundlage hierfür bildeten gründliche, chemische Unter-
suchungen. Von diesen nennen wir die Analysen von G. J. Snelus
von 1871 über den Bessemerprozeſs in Dowlais2), die von Keſsler3)
über den eines norddeutschen Stahlwerkes (1872), von E. Barker4)
über den eines englischen Stahlwerkes (1876), von Göransson und
[629]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Magnuson1) über das Bessemern zu Sandviken in Schweden 1877
und von Fr. C. G. Müller2) über den Prozeſs der Stahlwerke zu
Osnabrück und zu Bochum 1878.


Als Beispiel führen wir Müllers Angaben über Osnabrück an,
woraus der Verlauf des Prozesses bezüglich der Hauptbestandteile
Kohlenstoff, Silicium und Mangan zu ersehen ist. Phosphor erleidet
bei dem sauren Prozeſs keine, Schwefel nur eine geringe Ver-
minderung.


Chemischer Verlauf des Bessemerns zu Osnabrück 1878:


Silicium, das gröſstenteils in der ersten Periode oxydiert, bildet
das Heizmaterial. Man verwendete siliciumreicheres Roheisen als früher,
welches jetzt auch infolge der stärkeren Erhitzung des Gebläsewindes
der Hochöfen leichter zu haben war.


Keſsler und Barker haben bei ihren Untersuchungen in der
ersten Periode des Bessemerns eine relative Kohlenstoffzunahme ge-
funden, was bei dem englischen Prozeſs ganz wahrscheinlich ist.


Die Schlacken, die in der Hauptsache ein Manganoxydulsilikat
sind, haben bei dem Windfrischen nicht die Wichtigkeit wie bei dem
Herd- und Flammofenfrischen und ihre Menge ist relativ gering. Die
Oxydation von Silicium, Kohlenstoff und Mangan geschieht nicht
durch Oxyde des Eisens in der Schlacke, sondern direkt durch den
Gebläsewind. Die Bessemerschlacken sind hochsiliziert, haben groſse
Neigung zu krystallisieren und zwar isomorph mit Silikaten der
Augitgruppe. Wir erwähnen die Schlackenanalysen von Göransson
und Magnuson zu Sandviken (1877). Daſs man zu Seraing (1875)
den Kohlenstoffgehalt aus der Farbe der Schlacken erkannte, wurde
bereits erwähnt.


[630]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.

Von groſsem theoretischen Interesse war die Untersuchung der
Gase der Bessemerbirne, welche Snelus 1871 vornahm1). Sie hatte
nachfolgendes Ergebnis:


Der Kohlenstoff verbrennt demnach erst zu Kohlensäure, dann zu
Kohlenoxyd.


1873 veröffentlichte A. Tamm in Schweden Analysen von
Bessemergasen von Westanfors3) und 1878 solche von Bessemergasen
von Sandviken4).


Den Eintritt des „falschen Siebener“ (s. S. 163) erklärte H. Schwarz
1874 aus dem Eintritt der Dissociation der Kohlensäure bei zu hoher
Temperatur. Bei sehr groſser Hitze vermindert sich bekanntlich die
oxydierende Wirkung des Sauerstoffs.


Holley wies 1874 nach, daſs Kohlenstoff unter Umständen durch
Phosphor oder auch durch Silicium im Bessemerstahl ersetzt werde, und
wies auf die Wichtigkeit des Nebeneinandervorkommens dieser Stoffe
hin. Ein Stahl mit höherem Kohlenstoffgehalt ist deshalb viel
empfindlicher gegen Phosphor als einer mit geringem Kohlenstoff-
gehalt. Er wies nach, daſs Stahl mit nur 0,30 Prozent Kohlenstoff
erst bei 0,15 Prozent Phosphor brüchig wird, während Stahl mit
0,75 Prozent Kohlenstoff dies schon bei 0,05 Prozent Phosphor wird.
Der Phosphor wirkt um so nachteiliger, wenn gleichzeitig noch andere
Kaltbruch erzeugende Stoffe anwesend sind. In Amerika, wo man
sehr reine Erze hat, galt damals 0,20 Prozent als Grenze für den
Phosphor- und 0,10 Prozent als Grenze für den Schwefelgehalt. In
Deutschland gestattete man nur einen Phosphorgehalt von 0,12 Pro-
zent. Durfee, der 1874 in New York eine Reihe von Analysen von
[631]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Bessemerroheisen veröffentlichte1), gab die Grenze für Phosphor zu
0,25 Prozent, die für Schwefel noch um ein geringes höher an.


Silicium hatte Karsten für eine besonders schädliche Beimengung
angesehen und Eisen mit nur 0,05 Prozent Silicium verworfen. Er
hatte aber die Nachteile dieser Beimengung überschätzt, wenigstens
war für Bessemermetall ein höherer Gehalt zulässig. Derselbe er-
reichte nicht selten 0,5 Prozent, und Neuberg lieferte brauchbaren
Bessemerstahl mit 1 Prozent Silicium. Dieses macht das Eisen
härter, aber viel weniger als Kohlenstoff. Auch hierbei kommt der
gleichzeitige Kohlenstoffgehalt in Betracht. Riley fand, daſs bei
niedrigem Kohlenstoffgehalt Schienen mit 2 Prozent Silicium noch gut
waren. Gautier wies nach, daſs Siliciumeisen mit 7 Prozent Silicium
sich noch schmieden lieſs, wenn der Kohlenstoffgehalt fast Null
war, daſs dagegen bei einem Kohlenstoffgehalt von 0,2 Prozent der
zulässige Siliciumgehalt nur 1,5 Prozent betrug. Die Härtbarkeit
wird durch Silicium beeinträchtigt.


Mangan macht den Stahl schweiſs- und dehnbar. Seine schäd-
lichen Eigenschaften werden ausgeglichen durch Verminderung des
Kohlenstoffgehaltes. Dies wiesen besonders Tessié du Motay und
Euverte zu Terre noire nach, und die Eisenmanganmethode beruhte
hierauf.


1878 zeigten Dr. Koninck und A. Ghilain, daſs das Silicium
nicht als solches, sondern in Verbindung mit Mangan im Eisen gelöst
sei, woraus sich auch erklären würde, daſs der Siliciumgehalt mit dem
Mangangehalt zunimmt.


Friedr. C. G. Müller hat durch seine interessante Untersuchung
1878 nachgewiesen, wie hoch der pyrometrische Wärmeeffekt des Sili-
ciums und wie gering der des Kohlenstoffs beim Verbrennen im
Konverter ist. Während 1 Prozent Silicium, welches verbrennt, die
Temperatur des Bades um 300° C. erhöht, beträgt die Wirkung
des Kohlenstoffs nur etwa 10° C., ja wenn die Temperatur des
Bades höher als 1500° C. ist, bringt der zu Kohlenoxydgas ver-
brennende Kohlenstoff sogar eine Abkühlung hervor, da das Maximum
der Wärme, welche bei dieser Verbrennung erzeugt wird, nur diese
Höhe erreicht. Das Silicium ist das wichtigste Heizmaterial bei dem
Bessemerprozeſs; der pyrometrische Effekt beim Verbrennen von Eisen
und Mangan ist etwa viermal geringer.


Von groſser Wichtigkeit für die Praxis war auch die chemische
[632]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Untersuchung der Gase, welche in dem Stahl aufgelöst ent-
halten sind, da dieselben oft die Ursache des Steigens des Stahles in
der Guſsform und von blasigem und infolgedessen unbrauchbarem
oder schlechtem Gusse sind. Daſs Eisen Gase auflöst, hatten schon
Troost und Hautefeuille nachgewiesen. Über die chemische
Natur dieser Gase haben besonders die geistreichen Untersuchungen
Dr. Friedr. Müllers (s. S. 352) Licht verbreitet. Er fand, daſs die
im Bessemerstahl von Osnabrück enthaltenen Gase aus Wasserstoff
mit nur ganz wenig Stickstoff bestanden. Kohlenoxydgas war nicht
darin. Das im Roheisen aufgelöste Gas zeigt dieselbe Zusammen-
setzung. Diese Absorption von Wasserstoffgas tritt erst gegen Ende
des Prozesses nach dem Totblasen ein, denn die während des Blasens
genommenen Schöpfproben erstarren blasenfrei. Müller nimmt an,
daſs die reichliche Kohlenoxydentwickelung während des Prozesses die
Absorption verhindere oder die gelösten Gase fortführe. Deshalb
bewirkt auch die nach dem Zusatz von Spiegeleisen eintretende
Reaktion, welche von heftiger Kohlenoxydentwickelung begleitet ist,
blasenfreien Guſs. War das Eisen nicht totgeblasen, so daſs nur
wenig Eisenoxydul gelöst war, so trat diese Reaktion nicht energisch
genug ein. Silicium, besonders in Verbindung mit Mangan, vermindert
die Gasentwickelung.


Ein anderes Mittel, blasenfreien Guſs zu erhalten, ist, wie wir
wissen, das Gieſsen unter Druck. Dies beruht aber umgekehrt nicht
auf einer Entgasung, sondern darauf, daſs das flüssige Metall unter
Druck mehr Gas gelöst zu erhalten vermag. Zur Herstellung blasen-
freier Bessemerstahlgüsse hat H. R. Jones 1879 den Druck der
hydraulischen Presse durch den von Wasserdampf ersetzt. Bei seinen
erfolgreichen Versuchen in Pittsburg fand er, daſs für gewöhnlichen
Schienenstahl ein Druck von 7 kg pro Quadratcentimeter genüge,
daſs aber ein Druck von 11 kg pro Quadratcentimeter den besten
Erfolg zeige.


Die Hauptverwendung des Bessemerstahls war für Eisenbahn-
material, namentlich für Schienen, doch kam er auch für Stahlguſs
mehr und mehr in Aufnahme.


Die amerikanischen Schienen zeigten (1877) ziemlich gleichmäſsig
nachfolgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,3 bis 0,4, Phosphor 0,09
bis 0,12, Silicium 0,05 bis 0,12, Schwefel 0,04 bis 0,12, Mangan 0,3
bis 0,6. Man bemühte sich, diese Grenzen festzuhalten. Für Kessel-
bleche wählte man einen weichen und zähen Stahl mit 0,15 bis
0,20 Prozent Kohlenstoff. Der Kohlenstoffgehalt wurde mit der
[633]Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Eggertzschen Probe kontrolliert. Zu Seraing unterschied man 1879
folgende vier Stahlsorten:


Folgende Zusammenstellung zeigt die Produktion und die Ge-
stehungskosten der wichtigsten Bessemerstahl erzeugenden Gebiete
Europas 1879.


Im ganzen soll 1879 die Bessemerstahlproduktion dieser vier Länder
2080000 Tonnen betragen haben. Hierzu wurden 2400000 Tonnen
Roheisen verblasen, zu deren Erzeugung folgende Erze nach Ländern
und Mengen verwendet wurden:

[634]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.

B. Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
1878 bis 1883.


Einen so groſsartigen Aufschwung die Bessemerstahlfabrikation
in den siebziger Jahren aber auch genommen hatte, so hing doch wie
ein hemmendes Schwergewicht an ihrer Entwickelung der Umstand,
daſs nur reine, phosphorfreie Erze zur Erzeugung des Bessemerroh-
eisens verwendet werden konnten. Phosphorfreie Eisenerze sind aber
seltener und teurer als phosphorhaltige. Letztere bilden nach
G. Thomas mehr als neun Zehntel aller europäischen Eisenerze. In
manchen Ländern kommen erstere gar nicht oder nur in geringen
Mengen vor. Diese muſsten die Erze oder das Roheisen für
den Bessemerprozeſs oft von weither beziehen, was den pneumatischen
Prozeſs verteuerte und beschränkte. Die Frage der Entphosphorung
des Eisens stand deshalb im Mittelpunkte des Interesses aller Eisen-
hüttenleute. Ihre Wichtigkeit drängte sich von Jahr zu Jahr mehr auf.
Konnte dieses Problem in einfacher Weise gelöst werden, so stand dem
Siegeslauf des Fluſseisens keine Schranke mehr im Wege. Kein Wunder,
daſs deshalb zahllose Versuche gemacht wurden, dieses Ziel zu erreichen.
Diejenigen, welche bezweckten, die Abscheidung des Phosphors im
Konverter selbst zu bewirken, hatten bis dahin den geringsten Erfolg
gehabt. Man versuchte, diese deshalb schon bei den vorausgehenden
Prozessen zu bewirken, teils durch eine entsprechende Behandlung der
Erze, teils durch Zuschläge im Hochofen, teils, und damit hatte man
bis jetzt noch die besten Erfolge erzielt, durch einen vorbereitenden
Schmelzprozeſs zur Reinigung des Roheisens vor dem Verblasen. Wir
haben diese verschiedenen Vorbehandlungen zum Zwecke der Entphos-
phorung bereits geschildert.


Billiger und zweckmäſsiger muſste es sein, die Entphosphorung
in dem Konverter in Verbindung mit der Entkohlung zu bewirken,
auch war der Weg zu diesem Ziel bestimmt genug vorgeschrieben:
Ersatz des kieselsauren Futters durch ein basisches. Ein reines
Kalkfutter lieſs eine weitgehende Entphosphorung erhoffen. Aber
darin lag eben die groſse Schwierigkeit. Die basischen Stoffe, die
hierfür geeignet schienen, waren für sich unschmelzbar, sie hafteten
in der Hitze nicht zusammen, zerfielen und lieferten kein haltbares
Futter. Alle Versuche, an denen sich erfahrene, hervorragende
[635]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Metallurgen beteiligt hatten, waren hieran gescheitert. Die Hoffnung,
auf diesem Wege zu dem ersehnten Ziele zu gelangen, war infolge-
dessen sehr gesunken.


Deshalb war es nicht sehr zu verwundern, daſs, als im Herbst
1878 bei dem Meeting, welches das Iron and Steel Institute gelegentlich
der Weltausstellung in Paris abhielt, ein junger Mann von 28 Jahren,
zartem Körperbau, unscheinbarem Aussehen, der eine praktische
Thätigkeit in der Eisenindustrie nicht aufzuweisen hatte, mit der Be-
hauptung auftrat, es sei ihm gelungen, die Frage der Entphosphorung
durch die Herstellung eines basischen Futters im Konverter zu lösen,
dies nur geringe Beachtung fand und man den von ihm angemeldeten
Vortrag wegen vorgerückter Zeit von der Tagesordnung absetzte.
Dieser junge Mann war Sidney Gilchrist Thomas, und worüber er
berichten wollte und was anzuhören die Versammlung hervorragender
Eisenindustrieller verschmähte, war die groſse Erfindung, die bald
darauf unter dem Namen des Thomasverfahrens die gröſste
Sensation erregte und einen Triumphzug durch alle Industrieländer
hielt, so rasch und erfolgreich, wie wohl kaum jemals eine andere
technische Erfindung.


Es lag ihr durchaus keine neue erfinderische Idee zu Grunde,
wie z. B. dem Bessemerprozeſs, sie stellt sich vielmehr nur dar wie
die erstaunlich einfache Lösung einer allseitig gestellten Frage —
nicht unähnlich dem Ei des Kolumbus. Daſs diese Lösung aber
eminent praktisch und dabei wohl durchdacht und durchprobiert war,
darin liegt das unsterbliche Verdienst des genialen Erfinders, der
dadurch ein Wohlthäter der Menschheit geworden ist. Leider hat er
nur die Anfänge des groſsartigen Erfolges seiner Erfindung erlebt,
indem er dem Leiden, dessen Keime schon bei seinem ersten öffent-
lichen Auftreten bemerkbar waren, nach wenig Jahren, in seinem
35. Lebensjahr, am 1. Februar 1885 zu Paris erlag.


Sidney G. Thomas, geboren 1850 zu Battersea, London, studierte
Hüttenkunde auf der königlichen Bergschule (Royal school of mines),
wo er John Percys Vorlesungen über Eisenhüttenkunde hörte. Hier
fand er wohl die Anregung für sein weiteres Streben. Nachdem er
ein gutes Examen abgelegt hatte, richtete er sich in London für seine
Studien ein kleines metallurgisches Laboratorium ein. Daſs er der
Frage der Entphosphorung seine besondere Aufmerksamkeit zuwendete,
war fast selbstverständlich. Er schlug dabei den richtigen Weg ein,
indem er die Herstellung eines haltbaren, basischen Konverterfutters
erstrebte. Die ersten Versuche hierfür stellte er, mit allerdings sehr
[636]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
unvollkommenen Apparaten, im Jahre 1876 an. Der 1877 erschienene
zweite Band von Gruners Metallurgie, worin der nachteilige Einfluſs
der kieselsauren Schlacke auf die Abscheidung der Phosphorsäure
besonders hervorgehoben ist, bestärkte ihn in seiner Arbeit. Im Herbst
1877 stellte er mit einem kleinen, von ihm konstruierten Konverter,
der 6 Pfund faſste, mit einem Futter aus Ätzkalk und Wasser-
glas
Versuche an. Nachdem diese befriedigend ausgefallen waren,
strebte er danach, seine Versuche in gröſserem Maſsstabe zu wieder-
holen. Zu diesem Zwecke wendete er sich an seinen Vetter Percy
C. Gilchrist
, Chemiker auf dem Bleanavon-Eisenhüttenwerk in Süd-
wales. Dieser erwirkte von dem Leiter des Werkes Martin, der die
Bedeutung der Versuche der jungen Hüttenleute erkannte, die Er-
laubnis, einen vorhandenen kleinen Konverter, der 3 bis 4 Centner
faſste, für ihre Versuche benutzen zu dürfen. Diese bestätigten den
günstigen Erfolg der Laboratoriumsversuche 1), und nun meldete
Thomas sein erstes Patent an, welches ihm zu Anfang 1878 erteilt
wurde. Am 26. März 1878 erhielt er sein erstes deutsches Reichs-
patent (Nr. 6080). Der Grundgedanke dieser Patente ist die An-
wendung von Wasserglas von 1,5 specifischem Gewicht zur Her-
stellung eines haltbaren, basischen Konverterfutters. Hierzu soll 2) ge-
wöhnlicher gemahlener Kalk, möglichst frei von Phosphorsäure, mit 5 bis
15 Gewichtsteilen einer Lösung von Wasserglas (Natrium- oder Kalium-
silikat) — oder mit ungefähr derselben Menge Thon oder Thonschiefer
— oder mit 10 bis 12 Prozent gemahlener Hochofen- oder Erzschlacke
gemengt werden. Portlandcement oder jeder andere hydraulische
Kalk oder irgend ein natürliches Magnesiasilikat kann ebenfalls als
Bindemittel benutzt werden. Eine Mischung von 3 Tln. Kalk und
2 Tln. Portlandcement sei für sehr zweckentsprechend gefunden
worden. Magnesiakalkstein, Magnesia, kohlensaure Magnesia, Kalk
oder kohlensaures Baryt können in diesen Mischungen an Stelle des
Kalksteins eingeführt werden, wenn auch Kalkstein für gewöhnlich
vorzuziehen ist. Als besonders zweckmäſsig wird eine Mischung von
80 bis 88 Tln. Kalk mit 5 Tln. einer Natronsilikatlösung und 10 Tln.
Thon oder Hochofenschlacke empfohlen. „Kalkarten, welche von
Natur aus genügende Mengen Kieselsäure und Thonerde enthalten,
um als Bindemittel zu wirken, können manchmal allein oder, falls sie
[637]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
so viel Kieselsäure und Thonerde enthalten, daſs sie nicht feuerfest
sein würden, mit reinerem Kalk gemischt, angewendet werden.“ Bei
allen Mischungen soll darauf Bedacht genommen werden, daſs die
getrocknete Masse nicht mehr als 12 Prozent Kieselsäure enthält.


Die Mischungen sollen entweder in feuchtem Zustande in einer
Stampfmühle oder einem Mörser eingestampft oder in Ziegel geformt
werden. Als Mörtel für letztere wurde eine gleiche basische Mischung
empfohlen. Im allgemeinen hielt Thomas ein Trocknen bei mäſsiger
Temperatur und ein Brennen bei hoher Temperatur für nötig, nur bei
den Ziegeln, welche lediglich aus Kalk und Wasserglas bestehen
sollten, hielt er das Trocknen bei mäſsiger Hitze für das beste Verfahren.


Dieses war der erste und wichtigste Schritt zur Herstellung eines
basischen Konverterfutters. Der Grundgedanke war, Kalk oder Mag-
nesia oder ein Gemenge von beiden mit nur so viel Kieselsäure zu
vermischen, daſs die Masse in hoher Hitze zusammenfrittet, aber nicht
schmilzt. Die Masse soll dabei plastisch sein, um sich einstampfen
oder in Ziegel formen zu lassen. Thomas wählte, um dies zu er-
reichen, zuerst Wasserglas. Dieses war auch ganz zweckmäſsig für
seine Laboratoriumversuche. Für die Anwendung im groſsen eignete
es sich dagegen nicht, weil es einerseits zu teuer war, andererseits
die Alkalisilikate mit Kalk oder Dolomit nicht genügend haltbare
Produkte gaben. Die praktische Erfahrung bei den Versuchen im
groſsen führte Thomas bald dazu, daſs Dolomit und Thon die ge-
eignetsten Stoffe zur Herstellung eines haltbaren basischen Futters
seien, und hierauf nahm er sein zweites wichtiges Patent vom 5. Oktober
1878 (D. R. P. Nr. 5869) auf „ein Verfahren zur Herstellung von feuer-
festen, basischen Ziegeln durch Mischen von magnesiahaltigem Kalk-
stein mit geringen Mengen von Kieselsäure, Thonerde und Eisenoxyd,
Formen der Masse zu Ziegeln und Brennen derselben bei Weiſsglüh-
hitze“.


Die Enttäuschung, die Thomas 1878 in Paris dadurch erfuhr,
daſs die englischen Eisenhüttenleute es nicht der Mühe wert fanden,
seinen Vortrag anzuhören, schlug zu seinem Glück aus. Damals stand
er noch ganz auf dem Boden seines ersten Patentes und hatte nichts
dafür vorzubringen als die Erfolge der doch immerhin beschränkten
Versuche zu Bleanavon. Infolge der Versammlung in Paris trat er
mit einem erfahrenen, vorzüglichen Eisenhüttenmann, der den Wert
der Erfindung richtig erkannte, in Verbindung. Es war dies Windsor
Richards
, Direktor des groſsen Eston-Bessemerwerkes von Bolckow,
Vaughan \& Co.
bei Middlesborough. Dieser lud ihn ein, sein neues
[638]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Verfahren bei ihm im groſsen zu versuchen. Durch diese treffliche
Unterstützung erweiterte sich rasch der Gesichtskreis von Sidney
G. Thomas
und der Prozeſs wurde von ihm zu solcher Höhe
gebracht, daſs er ihn auf dem nächsten Meeting des Iron and Steel
Institute im Frühjahr 1879 als etwas Fertiges und Erprobtes nicht
nur vortragen, sondern auch vorzeigen konnte.


Ehe wir aber die weitere Entwickelung des Thomasprozesses be-
trachten, ist es nötig, einiges über die Vorgeschichte desselben zu
berichten.


Der Gedanke, durch eine basische Auskleidung des Konverters
die Abscheidung von Phosphor und Schwefel herbeizuführen, lag zu
nahe, als daſs er nicht schon vor dem Jahre 1878 gemacht worden
wäre. Der erste Vorschlag derart rührte von Peter Tunner aus
dem Anfang der sechziger Jahre her, der eine Auskleidung von ge-
branntem Magnesit, also ein Magnesiafutter empfahl. H. Wedding
und Daelen schlugen Eisenoxydfutter wie bei den Danksöfen vor.
Ausgeführt wurden diese Vorschläge aber nicht. Dagegen machte
Wilhelm Siemens auf Chateliers Anregung hin im Jahre 1863
Versuche mit basischem Futter in seinem Regenerativflammofen, die
jedoch nicht den gehofften Erfolg hatten.


Lencauchez nahm 1865 in Frankreich ein Patent auf basische
Ziegel aus gebranntem Kalk unter Zusatz von schweren Kohlenwasser-
stoffölen, Zinkoxyd, Borax, Glas oder Sand. Das Gemisch sollte in
Formen gepreſst, mit Chlorcalcium getränkt werden und zur Aus-
kleidung der Bessemerbirnen dienen. Seine Idee kam aber ebenso
wenig wie die 1869 von Müller in Paris, der Magnesia empfahl, oder
die von Tessié du Motay und Pourcel zur Anwendung. Ein ähn-
liches Patent nahm Jacob Reese in Amerika 1866.


Auch Emil Andre, der 1865 bei den Versuchen des Bessemer-
prozesses auf der Königshütte in Schlesien mit thätig war, schlug schon
damals zur Entphosphorung des einheimischen Roheisens ein basisches
Birnenfutter aus gebranntem Kalk oder Dolomit mit Zusatz eines
Sinterungsmittels vor. Die Bergbehörde lehnte aber die Anstellung
eines Versuches ab.


Von gröſserem Erfolg waren die Versuche und das Patent von
George J. Snelus im Jahre 1872. Er war wirklich auf dem richtigen
Wege zur Herstellung eines basischen Konverterfutters aus Ätzkalk,
setzte aber seine angefangenen Versuche infolge seiner Versetzung in
eine andere Stelle nicht fort und lieſs die Sache fallen. Auf den
groſsen Erfolg von Thomas hin reklamierte er die Priorität der Er-
[639]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
findung und Thomas gestand dies als nicht ganz unberechtigt zu
und fand sich mit Snelus auf gütlichem Wege ab. Das hütten-
männische Publikum bekam aber eigentlich erst durch Snelus
Reklamation Kenntnis von seinen Versuchen.


Knowles schlug am 26. November 1873 eine basische Ausklei-
dung von Bauxit mit Eisen- oder Manganoxyd zur Entphosphorung vor.


Daſs der berühmte französische Metallurg Gruner in seinem
Lehrbuch um die Mitte der siebziger Jahre auf die basische Aus-
kleidung der Konverter hingewiesen hatte, haben wir bereits erwähnt.
Er empfahl gebrannten Dolomit mit Thon oder gebranntem Bauxit,
„welcher“, wie er sagt, „durch groſse Hitze ein basisches Eisen-
aluminat von Kalk- und Talkerde bildet, das den Vorteil hätte, die
Phosphorsäure aufzunehmen“. Im zweiten Bande wies er beim Feinen
wiederholt auf eine basische Auskleidung der Konverter- und Siemens-
öfen zur Entphosphorung hin, indem er hinzufügte: „Hier sowie in der
Anwendung fester Reagentien hat man noch ein weites Feld für die
Untersuchung der Hüttenleute.“ Trotz alledem gebührt Sidney
Gilchrist Thomas
das unbestrittene Verdienst, zuerst ein brauch-
bares basisches Konverterfutter erfunden und eingeführt zu
haben.


Das basische Futter bildete die Grundlage, war aber doch nur
ein Teil der Erfindung von Thomas, als deren zweites Glied der
reichliche Kalkzuschlag während des Prozesses, um die bei dem
Oxydationsprozeſs gebildeten verschlackbaren Säuren, Kieselsäure und
Phosphorsäure, zu binden, und als deren drittes das „Nachblasen
zu bezeichnen ist. Die Wichtigkeit des reichlichen Kalkzuschlages
und des Nachblasens trat erst bei den Versuchen im groſsen, welche
Thomas auf dem Estonwerk in einem 10-Tonnen-Konverter im
Winter 1878/79 ausführen durfte, deutlich hervor, und aus diesen
Erfahrungen ist das dritte grundlegende Patent vom 10. April 1879
(D. R. P. Nr. 12700) hervorgegangen. In diesem wird als Patent-
anspruch aufgeführt: „Das Nachblasen nach vollendeter Entkohlung
in Verbindung mit dem Zusatz basischer Substanzen, durch welche
eine erdbasische Schlacke erzeugt wird, bei der Entphosphorung des
Eisens in einer mit basischem Futter versehenen Bessemerbirne.“
Dieses Nachblasen nach der Verbrennung des Kohlenstoffs bewirkt erst
die Entphosphorung des Eisens, die nicht früher eintritt, weil vorher
der Kohlenstoff reduzierend auf sich bildende Phosphorsäure wirkt.


Als hierauf S. G. Thomas am 8. Mai 1879 in der Frühjahrs-
versammlung des Iron and Steel Institute seinen Vortrag über die
[640]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Entphosphorung im Konverter hielt, lauschten die Mitglieder, die ihn
neun Monate zuvor nicht hatten anhören wollen, mit gespanntester
Aufmerksamkeit, und als er ihnen seinen Prozeſs in Anwendung auf
dem Eston-Eisenwerk zeigen konnte, da war nur eine Stimme des
Lobes und der Anerkennung und die Kunde von dem neuen Ent-
phosphorungsverfahren — dem Thomas-Gilchristprozeſs, wie er genannt
wurde, weil Thomas die praktischen Versuche mit seinem Vetter
Percy C. Gilchrist gemeinschaftlich gemacht hatte — verbreitete
sich rasch durch alle Länder.


Der Altmeister im Eisenhüttenwesen, Peter von Tunner1), war
einer der ersten, welcher die groſse Bedeutung des Thomasierens, wie
er es nannte, namentlich für Herstellung von Qualitäts-Fluſseisen,
erkannte. Dem Professor der Eisenhüttenkunde Josef Gängl
von Ehrenwerth
2), damals Adjunkt an der Bergakademie zu
Leoben, gebührt aber der Ruhm, der erste gewesen zu sein, der (am
25. Mai 1879) in lichtvoller Weise die Theorie des basischen Prozesses
entwickelte, der feststellte, daſs der Phosphor beim Thomasieren in
Bezug auf die Wärmeerzeugung die ähnliche Rolle spielt wie das
Silicium beim Bessemern, und rechnungsmäſsig nachwies, daſs die
durch die Verbrennung des Phosphors erzeugte Wärme hinreiche,
das Eisenbad flüssig zu erhalten 3).


Im übrigen verlief der Prozeſs analog dem Bessemern. Mangan,
Silicium und Kohlenstoff wurden durch die Gebläseluft oxydiert und
unter Bildung von Kohlenoxyd und Mangan-Eisenoxydul Silikat ab-
geschieden, dieses dann durch Kalk zerlegt unter Abscheidung von
Eisenoxydul und Bildung eines Mangan-Kalksilikates. Phosphor wird
von Beginn des Blasens an teilweise verschlackt, seine gänzliche
Abscheidung findet also erst nach der Entfernung von Silicium und
Kohle statt. Das gebildete Eisenphosphat wird durch Kalk zerlegt
und das freigewordene Eisenoxydul teils durch Kohlenstoff des Metalls
und der Gase reduziert, teils durch die oxydierende Wirkung der
Gebläseluft in Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) übergeführt und von der
Schlacke aufgelöst.


Man hatte auch in Österreich und zwar zu Witkowitz bereits im
August 1879 Versuche mit dem neuen Verfahren von Thomas-
[641]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Gilchrist angestellt, der erste durchschlagende Erfolg hiermit wurde
aber in Westdeutschland zu Hörde und den rheinischen Stahl-
werken bei Ruhrort-Meiderich, wo am 22. September die ersten
Chargen erblasen wurden, erzielt. Es geschah dies unter Anwendung
eines Dolomitfutters und phosphorreichen Roheisens aus Luxemburg
und von Ilsede. Direktor Massenez und Oberingenieur Pink zu
Hörde und Gustav Pasteur zu Ruhrort gebührt das Verdienst für
die gelungene Durchführung. Beide Werke hatten gemeinschaftlich
die Patente von Thomas und Gilchrist für Deutschland erworben
in der Weise, daſs sie gewissermaſsen die Generalagenten der Erfinder
für Deutschland wurden.


Wir wollen nun kurz die Entwickelung des Prozesses nach den
drei Hauptmerkmalen, dem basischen Futter, den Zuschlägen und dem
Nachblasen, betrachten, um dann die Fortschritte der Theorie des
Prozesses und seine technische Ausgestaltung weiter zu verfolgen.


Die Thomasbirne war dieselbe wie die Bessemerbirne und darin
lag ein groſser Vorteil, weil man die in den Bessemerstahlwerken vor-
handenen Einrichtungen unverändert für den neuen Prozeſs verwenden
konnte. Es zeigte sich allerdings bald als zweckmäſsig, groſse Konverter
zu benutzen, weil die gröſsere Schlackenmenge viel Raum erforderte,
so daſs ein 10-Tonnen-Konverter für das Bessemerverfahren kaum
7 Tonnen Einsatz beim Thomasverfahren gestattete. Aus demselben
Grunde erwies es sich (in Eston) als vorteilhaft, die Birnen hoch
und symmetrisch zu machen, so daſs die obere Öffnung in der Mittel-
achse lag. Hierdurch verminderte sich der Verlust durch Heraus-
schleudern, indem die flüssige Masse gröſstenteils wieder in die Birne
zurückfiel.


Eigenartig und von gröſster Wichtigkeit war die Auskleidung der
Birnen, das basische Futter.


Zunächst kam dabei das Material in Betracht. Hierfür hatte
Thomas, wie (S. 636) erwähnt, zuerst Kalk und Wasserglas vor-
geschlagen, dann aber, durch die Erfahrung belehrt, einem Gemenge
von magnesiahaltigem Kalk mit Thon den Vorzug gegeben. Er erhob
in seinem zweiten Patent vom 5. Oktober 1878 Patentanspruch auf:


  • 1. die Herstellung basischer, feuerfester Ziegel aus magnesiahaltigem
    Kalkstein — mit variabelem Kalk- und Magnesiagehalt — und
    3 bis 4½ Prozent Thonerde, 5 bis 9 Prozent Kieselsäure und mit
    Eisenoxyd bis zu 2 Prozent oder ohne solches; ferner die An-
    wendung eines künstlichen Gemenges von Kalk und Magnesia
    mit diesen Zusätzen in den angegebenen Verhältnissen;

Beck, Geschichte des Eisens. 41
[642]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
  • 2. das Brennen der aus diesen Materialien hergestellten Ziegel bei
    einer die Brenntemperatur feuerfester Thonziegel übersteigenden
    Hitze, nämlich intensiver Weiſsglut;
  • 3. das Brennen der Ziegel in einem im Innern aus basischem
    Material hergestellten Ofen oder zwischen neutralen, Kieselsäure
    nicht abgebenden Substanzen.

Die Herstellung der richtigen Mischung von Dolomit und Thon
ist für jedes Werk eine Sache des Versuchs und der Erfahrung,
bedingt durch die gegebenen Materialien. Zu Hörde und auf den
rheinischen Stahlwerken hat man lange experimentiert, ehe man die
richtige Mischung ausfindig machte. In Hörde setzte man dem ge-
mahlenen Dolomit von Westheim, der schon Thon enthielt, noch
2 bis 4 Prozent Thon zu. Auf den rheinischen Stahlwerken ver-
mischte man gemahlenen Kalkstein mit feuerfestem Lehm. Der Thon
diente nur als Bindemittel bei dem Brennen der Ziegel, um ein
Zusammenfritten der basischen Grundmasse zu bewirken. Auch den
groſsen rheinischen Fabriken für feuerfeste Steine, besonders Dr. Otto
in Dahlhausen und Vygen \& Co. bei Duisburg gelang es, mit Beihülfe
des Ingenieurs Pink zu Hörde bald gute basische Ziegel für den
Thomasprozeſs zu erzeugen. An Stelle des Dolomits schlug man
vielfach gebrannten Magnesit oder Magnesia vor, der auch auf einigen
Hütten in Anwendung kam. In Frankreich hatten Müller in Paris,
Caron und Tessié du Motay bereits Anfang der siebziger Jahre
Versuche mit Magnesiaziegel aus Magnesit von Euböa gemacht. In
Österreich bediente man sich des Magnesits aus dem Veitschthal in
Steiermark, in Schlesien kam der von Frankenberg zur Verwendung,
der besonders von der Hauptschen Fabrik zu Brieg zu Ziegeln
verarbeitet wurde. Die Anwendung reiner Magnesia aus Laugen
gefällt empfahl G. d’Adelswärd zu Paris 1879 (D. R. P. Nr. 11321),
der Dolomit in Salzsäure löste und daraus die Magnesia durch
Kalk fällte. Dieses Verfahren erwies sich als zu kostspielig. Andere
schlugen die Verarbeitung gewisser Abfalllaugen vor; so wollte
Rümpler die Chlormagnesiumlaugen der Kalifabriken durch ge-
brannten Kalk ausfällen (D. R. P. Nr. 8777), Gebr. Ramdohr
(D. R. P. Nr. 9473, 11540, 11746) verarbeiteten dieselben Laugen auf
andere Art. Closson (D. R. P. Nr. 11456) behandelte gebrannten
Dolomit mit gewissen chlormagnesiumhaltigen Laugen, aus denen die
Magnesia durch Kalk gefällt wurde. Dieses Verfahren wurde in Hörde
versucht, aber bald wieder aufgegeben. Scheibler (D. R. P. Nr. 14936)
schied die Magnesia aus dem gebrannten Dolomit durch verdünnte
[643]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Zuckerlösung (Melasse) ab. Auch dieses Verfahren wurde versuchs-
weise in Hörde eingeführt. Zu Witkowitz in Mähren und zu Kladno
in Böhmen wendete man anfangs wegen Mangels an Dolomit reine
Kalkziegel an, die aber schneller als Dolomitziegel Wasser anziehen
und zerfallen. In Hörde und Königshütte machte man auch Versuche,
den Dolomit durch Calciumphosphat aus Knochenasche oder Phos-
phorit zu ersetzen. Strontianit, der bei Münster in Westfalen in
gröſseren Mengen vorkommt, wurde von Stöckmann 1883 (D. R. P.
Nr. 24226) vorgeschlagen. Bauxit versuchte 1879 die Gutehoffnungs-
hütte bei Oberhausen (D. R. P. Nr. 9701) zu verwenden. H. D. Poch
in Barneſs probierte es mit einem Futter von Chromeisenstein, was
übrigens vor ihm bereits Pourcel zu Terre noire gethan hatte. Alle
diese Surrogate wurden aber ebenso wie das von Osann vorgeschlagene
Kohlenfutter als zu kostspielig wieder aufgegeben und man blieb bei
dem von Thomas angegebenen Dolomitfutter.


Noch zahlreicher sind die Vorschläge, welche gemacht wurden,
um das Bindemittel, den Thon, welcher das Zusammenfritten der
basischen Grundmasse in der Hitze bewirkt, zu ersetzen. Von diesen
sind nur zu erwähnen die gründlichen Versuche, welche Althanns
in Breslau in Gemeinschaft mit Junghann und Uelsmann 1879 auf
der Königs- und Laurahütte vornahm. Sie verwendeten in erster
Linie Chlorcalcium als Bindemittel, dann gingen sie zu Fluoriden
(Fluſsspat oder Kryolith), hierauf zu Karbonaden der Alkalien und
endlich zu den kaustischen Alkalien über. Bei allen diesen Stoffen
tritt beim ersten Brennen der Masse eine groſse Volumverminderung
ein. Um Ziegel zu erhalten, muſs man die gebrannte Masse mahlen,
wieder mit einer geringeren Menge des Bindemittels mengen, in
Formen pressen und zum zweitenmal brennen. Die so erhaltenen
Ziegel haben sich aber nicht bewährt, einerseits war ihre Haltbarkeit
eine ungenügende, andererseits wurden sie zu teuer. Dasselbe gilt
von den mit Borsäure als Bindemittel hergestellten Ziegeln der Borsig-
werke (D. R. P. Nr. 12196). Noch weniger bewährten sich die Ver-
suche mit Mennige, Bleiglätte, Manganerzen, Eisen- und Hochofen-
schlacken.


Von groſser Wichtigkeit für die Herstellung guter basischer
Ziegel war es, daſs der Dolomit bei sehr hoher Temperatur totgebrannt
wurde, wie dies besonders von Massenez in Hörde hervorgehoben
wurde. Thomas verlangt in seinem Patent bereits „Weiſsglühhitze,
bis die ganze Thonerde und Kieselsäure eine Verbindung mit dem
Kalk und der Magnesia gebildet hat“. Diese sehr hohe Temperatur
41*
[644]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
(beträchtlich diejenige übersteigend, bei welcher feuerfeste Thonziegel
gebrannt werden) ist unbedingt notwendig zur Erzeugung guter
basischer Ziegel. Die Brennöfen für den Dolomit und die Ziegel
müssen ebenfalls mit basischem Futter ausgekleidet sein. Das Brennen
geschah entweder in Schachtöfen, wie z. B. in Alexandrowsky, oder
in Gasflammöfen oder in Ringöfen (Mendheims Gasringofen zu
Hörde). Totgebrannter Dolomit ist aber nicht plastisch; um ihm
Plastizität zu verleihen, muſs man ihm einen Stoff beimischen, der ihn
bildsam macht und doch der Glut widersteht, als solcher hat sich
Steinkohlenteer, der ebenfalls von Thomas bereits in Vorschlag
gebracht worden war, am besten bewährt. Der Teer muſs wasserfrei
sein und wird deshalb vor seiner Verwendung erst gekocht. Die
Mischung mit dem gemahlenen Dolomit, von dem man zuvor das
Feinste abgesiebt hat, geschieht in der Regel auf einem Kollergang.
Man setzt etwa 10 bis 20 Volumprozent Teer dem Dolomit zu. Die
so erhaltene Mischung kann entweder direkt zur Herstellung des
Futters durch Aufstampfen mit stark erwärmten Stampfern um eiserne
Modelle oder zur Herstellung von Ziegeln verwendet werden. Diese
Teerziegel werden dann gebrannt, wobei der Teer abdestilliert oder
zersetzt wird, so daſs der zurückbleibende koksartige Kohlenstoff den
Kitt für die basische Masse abgiebt.


Auch für den Teer hat man vielerlei Ersatzmittel vorgeschlagen.
Schon 1879 empfahl Riley rohes Petroleum, doch haben die damit
angestellten Versuche gezeigt, daſs sich dasselbe in der Hitze so voll-
ständig verflüchtigt, daſs kein ausreichendes Bindemittel zurückbleibt.


Sodann wurde Blut vorgeschlagen von Melaun, Mehlkleister von
E. Andre, Leim von Closson, Leinöl von Kirkpatrick, Melasse
von Ramdohr; aber weder diese Klebmittel noch die von Kerpely
empfohlene Essigsäure oder der gleichfalls von Andre empfohlene
frischgefällte schwefelsaure Kalk, oder die von Haarmann angewendete
Kalkmilch konnten den Steinkohlenteer verdrängen.


Das Futter der Birne wurde aufgemauert oder aufgestampft.
Wendete man beim Ausmauern Dolomit- oder Magnesiaziegel an, so
verband man dieselben mit Teermörtel; wendete man Teerziegel an,
so mauerte man ohne Mörtel, weil beim Erhitzen die Fugen von
selbst zuschmolzen. Beim Ausstampfen wurde die basische Masse mit
Teer angemacht. Statt des Aufstampfens schmolz man in Middles-
borough die mit Teer gemischte Masse, die man in Klumpen in den
Zwischenraum zwischen der Wand und eingesetzten Blechringen warf,
zusammen.


[645]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.

Ein basisches Futter hielt nach Thomas’ Angabe von 1881
durchschnittlich 50 Hitzen aus. Es gelang aber in den folgenden
Jahren, die Haltbarkeit des Futters zu erhöhen, so daſs Wedding
dieselbe 1884 bereits auf 100 bis 120 Hitzen angiebt 1). Dagegen
wurde der Boden viel schneller abgenutzt und bedurfte einer häufigen
Erneuerung. Thomas gab die Haltbarkeit der Böden 1881 auf
14 Hitzen an, während die gestampften Böden zu Hörde nach Pinks
Angabe nur neun Hitzen aushielten. 1884 betrug dagegen die durch-
schnittliche Haltbarkeit nach Weddings Angabe bereits 18 Hitzen.
Die Herstellung und Auswechselung der Konverterböden war eine
besonders wichtige Sache beim Thomasverfahren. Anfangs versuchte
man die Windformen im Boden ebenfalls aus basischem Material

Figure 261. Fig. 260.


Figure 262. Fig. 261.


herzustellen, und Thomas gab dafür verschiedene Mischungen 2) an.
Aber weder diese noch die aus Teermasse hergestellten erwiesen sich
als haltbar, so daſs man dieselben entweder durch gebrannte Thon-
formen, also saure Formen, oder durch Dornböden, Fig. 260, 261, die
nach den von Rühle von Lilienstern3) für die Böden der Bessemer-
birnen angegebenen Verfahren (S. 619) aus teerhaltiger Masse auf-
gestampft wurden. Diese Masse, welche aus etwa erbsengroſsen
Körnern von totgebranntem Dolomit und 7 bis 12 Prozent Teer
bereitet wird, stampft man lagenweise auf. Für einen Boden
von der gewöhnlichen Stärke von 420 bis 450 mm trug man 40 bis
50 Lagen auf. Die fertigen Böden wurden dann in Trocken- oder
Abflammöfen erhitzt und abgeflammt. Vielfach hatte man hierfür
einfache Kanalöfen, welche eine gröſsere Anzahl Böden gleichzeitig
[646]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
fassen konnten und deren Sohle aus beweglichen, auf Rädergestellen
aufgelagerten Platten, welche die Böden trugen, hergestellt war. Zahl
und Durchmesser der Windröhren waren, wie beim Bessemerverfahren,
auf verschiedenen Hütten verschieden. So hatten die Böden zu

Figure 263. Fig. 262.


Witkowitz 35 Windöffnungen
von 12 bis 17 mm, die zu Rote
Erde bei Aachen 64 von 15 mm,
die zu Kladno 84 zu 10 mm
Durchmesser.


Bei der Herstellung der
Böden mit gebrannten Thon-
formen werden diese entweder
ähnlich wie die Nadeln mit
teerhaltiger Masse umstampft
oder es werden erst Metall-
kerne eingesetzt, die dann
ausgezogen und durch die Formen ersetzt werden.


Die fertigen Böden, die nach Holleys Prinzip mit konischer
Verbindungsfläche gestaltet sind, werden dann an das Birnfutter an-
gesetzt, indem die Fuge erst durch eine Rolle von geteerter Dolomit-
masse, die durch den Boden angedrückt wird, dann durch Verschmieren

Figure 264. Fig. 263.


und Ausstopfen des verbleibenden freien Raumes bewirkt wird. Das
Andrücken geschieht fast überall mit Hydraulik und zwar meistens
durch einen Wagen (Fig. 262, 263), dessen Tragplatte mit dem Birnen-
boden durch einen hydraulischen Cylinder hochgedrückt wird. Sehr
[647]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
zweckmäſsig ist es, wenn der unter dem Boden befestigte Windkasten
so weit ist, daſs sich nach Entfernung der Deckplatte der Boden
hindurchbewegen kann, wie dies bei den Birnen des Thomaswerkes
zu Peine der Fall war 1). — Anfangs verband man, wie bei dem sauren
Verfahren, zwei Birnen zu einem System.


Obgleich das Auswechseln der Losböden rasch von statten ging,
empfahl es sich doch wegen der Häufigkeit des Bodenwechselns, drei
Birnen zu einem System zu vereinigen, für die man am besten acht
bis zehn Böden in Bereitschaft hielt. Um aber die Einrichtungen
der mit zwei Birnen arbeitenden Werke möglichst unverändert bei-
behalten zu können, schlug Holley vor, immer eine ganze Birne aus-
zuwechseln und die ausgewechselte in einem besonderen Raume
wieder herzustellen (D. R. P. Nr. 12830). Um die Birne rasch aus-
wechseln zu können, ist sie in einem Zapfenring so aufgehängt, daſs
sie beim Umkippen um 180° sich loslöst und auf den untergestellten
Birnenwagen gleitet. Justice in London machte etwas abweichend
hiervon einen Zapfenring, der sich bei der Drehung von 90° leicht
lösen lieſs. Die Zapfenringe der Thomasbirnen müssen sehr kräftig
sein. H. Bessemer konstruierte 1882 einen für Bolkow, Vaughan
\& Co.
von 12 engl. Fuſs Durchmesser und 16 Tonnen Gewicht. Ein
basischer Konverter von 10 Fuſs Durchmesser wog in der Regel
60 bis 80 Tonnen. Versuche von Daelen, Melaun und anderen,
den Unterteil der Birnen abnehmbar oder die Birne in eine Anzahl
von Segmenten zerlegbar zu machen, haben sich nicht bewährt.
Auch Versuche, die Birnenform namentlich in Bezug auf die Aus-
guſsöffnung zu ändern, wie sie zu Witkowitz und auf der Erimus-
hütte eingeführt wurden, haben keine Nachahmung gefunden. Weite,
mit saurem Material ausgemauerte Hälse sind zu empfehlen. Be-
achtenswert ist es, daſs die Mündung der Birne den Einblick in die
Birne und den Überblick über den Boden gestattet. Im allgemeinen
zieht man die cylindrische Form des Mittelteils des Konverters vor.
Fig. 264, 265 (a. f. S.) zeigen eine Thomasbirne von Hörde von 1883,
bei welcher auſserdem die von Schmachtenberg erfundene Wasser-
kühlung des Bodens, welche den Weg c, c', d, e, f, g, i, k beschreibt,
angebracht ist. Diese Wasserkühlung verhindert aber die rasche Aus-
wechselung des Bodens.


J. H. Harmet in Lyon schlug schon 1879 (D. R. P. Nr. 8549) vor,
den Prozeſs zu teilen und zwar derart, daſs die Entkieselung und
[648]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Entkohlung wie seither in einem sauren Konverter vorgenommen, die
flüssige Masse sodann in einen basischen Konverter umgefüllt und
hier entphosphort wurde. Man hoffte hierbei, durch geringere
Schlackenbildung ökonomische Vorteile zu erzielen. Dieses Verfahren
wurde auf mehreren Werken versucht, auf einzelnen auch eingeführt,

Figure 265. Fig. 264.


besonders blieb es zu Witkowitz in Mähren lange Zeit und mit Vorteil
in Anwendung. Es eignete sich für Roheisen, das neben Phosphor
viel Silicium enthielt.


Betrachten wir nun den praktischen Betrieb des Thomas-
prozesses, so bildeten die Versuche, welche Sidney G. Thomas mit
seinem Vetter Percy C. Gilchrist auf der Bleanavonhütte im Frühjahr
1878 angestellt hatte, hierfür den Ausgangspunkt. Es gelang ihnen,
aus phosphorhaltigem Puddelroheisen in einem 4-Centner-Konverter
ein gutes Produkt zu erhalten. Dabei blieb die Masse bis zuletzt gut
flüssig. Das Blasen muſste etwa 40 Minuten fortgesetzt werden, um
den Phosphor zu entfernen, indem nach der Entkohlung noch ein
[649]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Nachblasen notwendig war. In dem kleinen Konverter wurden über
50 Chargen verblasen. Als Zuschlag gab Thomas ein Gemisch von
1 Tl. Eisenoxyd (blue billy) und 2 Tln. Kalk. Die Haltbarkeit des
Futters ergab sich als die wichtigste Forderung für die Ausführung
des Verfahrens.


Im Winter 1878/79 folgten dann auf der Estonhütte die Versuche
im groſsen, welche zur dauernden Einführung des Thomasprozesses
daselbst führten. Das graue
Roheisen, welches man hier
verwendete, hatte nur 1 bis
1½ Prozent Phosphor und
Thomas war noch der irrigen
Ansicht, daſs Roheisen mit ge-
ringerem Phosphorgehalt den
Vorzug verdiene, weil die Ab-
scheidung einer geringeren
Menge Phosphor weniger Ar-
beit und weniger Abbrand
erfordere. Bei 1½ Prozent
Phosphor im Roheisen betrug
der Abbrand auf der Eston-
hütte 17 Prozent und dieser
höhere Abbrand gegenüber
dem Bessemerprozeſs bildete
anfangs den Haupteinwand
gegen das Verfahren.


Natürlich war ja die Zu-
kunft des Thomasprozesses in
erster Linie von der Kosten-
frage abhängig, und hierfür

Figure 266. Fig. 265.


lagen die Verhältnisse in England weniger günstig als in Deutsch-
land, indem der Preisunterschied zwischen phosphorreichem und phos-
phorarmem Roheisen dort nicht so bedeutend war wie in Deutschland,
welches einen groſsen Reichtum an phosphorreichen Eisenerzen, be-
sonders in Luxemburg und nördlich des Harzes (Ilsede), besaſs. Dies
war der Hauptgrund, warum in England die Fortschritte des Thomas-
prozesses nur gering waren, während sich derselbe in Deutschland
rasch und in groſsartiger Weise ausbreitete. Hierzu kam die prak-
tische und theoretische Ausbildung des Prozesses durch deutsche
Eisenhüttenleute. Anfang des Jahres 1879 hatten, wie erwähnt, die
[650]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
rheinischen Stahlwerke und der Hörder Verein die Patente von
Thomas erworben und im Frühjahr 1879 begannen bereits auf beiden
Werken die Versuche. Zuerst setzte man am 10. April 1879 versuchs-
weise einen Konverter mit Phosphoritfutter in Betrieb. Diese Art von
Futter wurde aber bald verlassen, nachdem J. Massenez sich über-
zeugt hatte, daſs totgebrannter Dolomit die beste Grundmasse abgäbe.


Am 22. September 1879 begann zu Hörde der regelmäſsige
basische Betrieb in zwei 4-Tonnen-Konvertern mit Chargen von
3200 bis 4200 kg 1). Man machte höchstens 9 bis 10 Hitzen in
12 Stunden. Das Einsatzeisen bestand aus einem Gemisch von
Luxemburger, Ilseder und eigenem Roheisen zu je einem Drittel. Das
Roheisen war weiſs bis höchstens lichtgrau. Das Ilseder, welches den
höchsten Phosphorgehalt zeigte, erwies sich für den Prozeſs als am
geeignetsten. Hieraus schloſs Massenez, daſs, je phosphorreicher
das Roheisen sei, desto besser. Dem Ilseder Roheisen kam aber auch
ein hoher Mangangehalt zu statten, der zur Abscheidung des Schwefels
beitrug und das Eisen vor Oxydation schützte. Im Durchschnitt
enthielt es 3 Prozent Phosphor, 2½ bis 3 Prozent Kohlenstoff, 2 Prozent
Mangan, 0,5 Prozent Silicium und 0,1 Prozent Schwefel, während das
entsprechende Luxemburger Roheisen etwa 2 Prozent Phosphor, 1 Pro-
zent Mangan und 1 Prozent Silicium enthielt. Das Roheisen wurde
im Kupolofen gattiert und eingeschmolzen, und dadurch eine gleich-
mäſsige Mischung erzielt.


Wo ein Hochofen in der Nähe war, der ein gleichmäſsiges, für
den Prozeſs geeignetes Roheisen lieferte, war es vorteilhafter, dieses
direkt in den Konverter laufen zu lassen. Dies geschah zuerst 1879
zu Creuzot. Zuvor hatte man auf den vorgewärmten Boden der Birne
reinen, d. h. kieselsäurefreien gebrannten Kalk mit wenig Kohle ge-
bracht. Durch schwaches Blasen wurde der Zuschlag zu heller Rotglut
erhitzt und dann das flüssige heiſse Roheisen daraufgegossen und mit
dem Blasen begonnen.


Der basische Prozeſs verläuft abweichend von dem sauren, indem
die Siliciumverbrennung rasch beendet ist, worauf die Verbrennung des
Kohlenstoffs unter Aufkochen und starker Gasentwickelung beginnt.
Erstere, die Feinperiode, dauert etwa zwei Minuten, während die Ent-
kohlung oder die Frischperiode etwa 11 Minuten erfordert. Dann erst
beginnt die Entphosphorung oder das Nachblasen, welches in etwa fünf
[651]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Minuten beendet ist, so daſs der ganze Prozeſs etwa 18 Minuten erfordert.
Er verläuft rascher und energischer als der saure. Die erste Periode
zeigt lebhafteres Funkensprühen durch ausgeworfene Kalkteilchen, die
zweite heftigeres Kochen, bei der dritten erscheint ein brauner Rauch
von verbrennendem Eisen, der gegen das Ende der Entphosphorung
zunimmt. Das Bild des Spektrums ist nicht so deutlich wie bei dem
sauren Prozeſs, aber doch bei einiger Übung gut zu erkennen; ins-
besondere das Verschwinden der Manganlinien im grünen Feld, welches
zugleich den Moment der Entkohlung und den Beginn des Nach-
blasens angiebt.


Um die gebildete Kieselsäure und Phosphorsäure zu binden und
um das Futter zu schonen, sind nach Thomas’ Patent vom 10. April
1879 wiederholte basische Zuschläge erforderlich, um eine starke und
basische Schlacke von über 40 Prozent Kalk und Magnesia bei nur
8 bis 20 Prozent Kieselsäure zu erhalten. Den Vorgang beschreibt
der Erfinder, wie folgt: „Unmittelbar bevor das Metall in die Birne
einflieſst, wird eine Quantität Kalk (vorzugsweise magnesiahaltiger
Kalk) oder eine Mischung von ungefähr 8 Tln. Kalk auf 1 Tl. Eisen-
oxyd in die Birne geworfen. Diese Mischung kann durch Kalcinieren
von Kalkstein und Erz zusammen, wie im folgenden erklärt werden
wird, hergestellt werden. Dieser erste basische Zuschlag ist zweck-
mäſsigerweise nahezu im Gewichte gleich dem doppelten Betrage von
dem in der Charge enthaltenen Silicium und Phosphor. Man bläst
dann 6 bis 10 Minuten oder eine erfahrungsmäſsig notwendige Zeit,
um so viel Hitze zu geben, als für den Rest des Zuschlags genügt. —
Die Birne wird nach dem ersten Blasen rasch gekippt und dann eine
etwas kleinere Menge Basen (ungefähr zwei Drittel des ersten Betrages)
hineingeworfen. Dieser Zuschlag besteht zweckmäſsigerweise aus einer
Mischung von 2 bis 3 Tln. Kalk auf 1 Tl. eines kieselsäurefreien Eisen-
oxydes, wie z. B. Roteisenstein. — Es ist am zweckmäſsigsten, diesen
Zuschlag ebenfalls sehr heiſs oder selbst geschmolzen in die Birne
einzubringen. — Nach diesem zweiten Zusatz wird die Birne rasch
aufgerichtet und mit dem Blasen fortgefahren.“


Diese ursprünglichen Vorschriften von Thomas erlitten bald
durch die Erfahrungen einige Abänderungen. Zunächst erwies sich der
angegebene Zusatz von Eisenoxyd als unvorteilhaft, weil derselbe von
dem Kohlenstoff im Eisen aus der Schlacke reduziert und durch Kalk
aus dem Futter ersetzt wird, dieses also angreift. Dolomitischer Kalk
erwies sich als ein weniger geeigneter Zuschlag als reiner Kalk,
welcher poröser bleibt und nicht so leicht zusammenbackt, während
[652]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
gerade dieser Umstand den dolomitischen Kalk für das Futter ge-
eigneter machte. Andere Zuschläge oder Ersatzmittel für den Kalk,
welche man versuchte, haben sich nicht bewährt. Selbst der Fluſs-
spat, den man (z. B. in Creusot) zusetzte, um die steife Kalkschlacke
flüssiger zu machen, hat sich nicht als vorteilhaft gezeigt.


Zum Brennen des Kalkes verwendete man meistens gewöhnliche
Schachtöfen, in denen der Kalkstein mit Steinkohlen oder Koks lagen-
weise geschichtet wurde. Besser erwiesen sich aber Schachtöfen mit
besonderer Rostfeuerung, wie z. B. zu Peine 1), oder mit Gasfeuerung.
Zur Erhitzung des gebrannten Kalkes vor dem Aufgeben empfahl
Thomas die Benutzung der Birnenflamme. Zu Teplitz erhitzte man
in demselben Ofen, in dem man das Spiegeleisen vorwärmte, auch den
Kalk. Die Einführung des Kalkes in die Birne geschah meistens
durch Schüttröhren, welche den Kalk vom Brennofen in den Hals der
wenig geneigten Birne führten 2). Versuche, Kalk oder andere basische
Zuschläge in Pulverform mit dem Winde einzublasen, welche 1881
auf der Erimushütte gemacht wurden, haben sich nicht bewährt.


Über das Nachblasen, welches den dritten Patentanspruch von
Thomas ausmacht, äuſsert er sich in dem oben angeführten Patent, wie
folgt: „Nach dem zweiten Kalkzusatz wird die Birne rasch aufgerichtet
und mit dem Blasen fortgefahren. Das Blasen wird aber nicht, wie
jetzt beim Bessemern, unterbrochen, sobald die Flamme sinkt und die
sogenannten Kohlenstofflinien des Spektrums, wie sie durch das
Spektroskop gesehen werden, verschwinden, sondern man fährt damit,
zuweilen selbst noch sechs Minuten lang, fort. Dies Nachblasen
dauert um so länger, je phosphorhaltiger das Metall ist, und zwar so
lange, bis aus dem Halse der Birne ein fortdauernder, reichlicher
brauner Rauch, zugleich mit einem gut begrenzten Saume von weiſsem
Rauch um die Flamme herum erscheint. Die Dauer des Nachblasens
soll im allgemeinen ein Viertel bis ein Siebentel der Dauer des bisher
üblichen Blasens betragen. Diese Zeit hängt jedoch von der Menge
des ursprünglich gegenwärtigen Phosphors ab.“


Man hat vielfach versucht, die Oxydation des Phosphors statt
durch den Wind durch Zusatz von Oxyden zu bewirken, das Nach-
blasen also durch eine besondere Schlackenbildung zu ersetzen, und
hat hierfür Eisen und Manganoxyd, Kryolith, Fluſsspat, Alkalien mit
oder ohne alkalische Erden, Haloidsalze u. s. w. vorgeschlagen. Diese
Versuche, die besonders in Hörde in gründlicher Weise vorgenommen
[653]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
wurden, haben aber zu keinem Erfolg geführt. Helmholtz in Bochum
gelang zwar die Entphosphorung auf diesem Wege, doch gingen die
Chargen dann so kalt, daſs sie oft nicht zu gieſsen waren.


Thomas fährt in seiner Patentbeschreibung also fort: „Um sich
zu vergewissern, ob beim Eintreten des erwähnten braunen Rauches
der Phosphor nahezu entfernt ist, kann, namentlich wenn die Arbeiter
noch nicht geübt sind, eine Probe Metall aus der Birne genommen
und gehämmert werden. Wenn die Metallprobe hart ist, wird das
Blasen fortgesetzt, so lange, bis später genommene Proben den
richtigen Zeitpunkt angeben. Die Birne wird dann niedergelassen
und das Spiegeleisen zugefügt.


Nach dem bisher üblichen Verfahren der Leitung des Bessemer-
prozesses findet, wenn die Birne nicht niedergelassen und das Blasen,
sobald die Flamme sinkt und die Kohlenstofflinien verschwinden,
nicht eingestellt wird, ein beträchtlicher Metallverlust statt, ohne daſs
der Phosphor entfernt wird. Es muſste deshalb bisher die Birne
sofort beim Sinken der Flamme niedergelegt werden. Ich (Thomas)
fand dagegen, daſs zur vollkommenen Entphosphorung eines phosphor-
haltigen Roheisens das beschriebene Nachblasen von gröſstem Vorteile
ist, wenn das Roheisen verblasen wird unter Anwendung einer basisch
ausgekleideten Birne und stark basischer Zuschläge, welche geeignet
sind, eine stark erdbasische Schlacke in der beschriebenen Art und
Weise zu erzeugen. Bei diesem Verfahren findet kein beachtens-
werter Eisenverlust statt, da das Eisen unter den beschriebenen Um-
ständen durch den Phosphor geschützt wird.


Diese Erfindung ist besonders bei Verarbeitung von sehr phosphor-
haltigem Roheisen anzuwenden, namentlich von solchem, welches über
0,7 Prozent Phosphor enthält.“


Ist das Nachblasen beendet, so findet, wie beim Bessemerprozeſs,
die Reduktion des überblasenen Eisens und die Rückkohlung durch
Zusatz von Spiegeleisen statt. Ehe aber dieser Zusatz erfolgt, gieſst
man die phosphorsäurereiche Schlacke ab, weil sonst durch den Kohlen-
stoffgehalt des Spiegeleisens ein Teil der Phosphorsäure der Schlacke
wieder reduziert werden würde.


Wenn man das Spiegeleisen in flüssigem Zustande zusetzte, wie es
beim Bessemerprozeſs damals allgemein üblich war, und wie es in Hörde
anfangs ausgeführt wurde, so war die Reaktion eine auſserordentlich
heftige, so daſs öfters Teile der Charge herausgeschleudert wurden.
Zweckmäſsiger war es deshalb, das Spiegeleisen in festem, aber
glühendem Zustande einzuwerfen, worauf Thomas in seiner Patent-
[654]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
beschreibung bereits hinwies. Auch empfahl es sich, mehr das Mangan
als den Kohlenstoff als Reduktionsmittel zu verwenden und deshalb
nur sehr manganreiches Spiegeleisen von mindestens 12 Prozent oder
Ferromangan, das bis zu 70 Prozent Mangan enthielt, anzuwenden.
Die Anwendung des Ferromangans war besonders dann vorzuziehen,
wenn man, wie das bald vorherrschend wurde, auf ein möglichst
weiches Produkt hinarbeitete, weil die Rückkohlung durch Ferro-
mangan eine viel schwächere war. Auch konnte man die verhältnis-
mäſsig geringe Menge Ferromangan ohne Schaden in kaltem Zustande
einwerfen. Häufig wendete man Spiegeleisen und Ferromangan an
und kombinierte die beiden Körper je nach der Härte bezw. Weichheit
des zu erzielenden Produktes. Wenn man das Spiegeleisen in festem
Zustande anwendete, so geschah der Zusatz gewöhnlich nicht in der
Birne, sondern in der Gieſspfanne, indem man es auf deren Boden
legte und das Birnenmetall darüber goſs. Ferromangan trug man
dagegen meist, wie das flüssige Spiegeleisen stets, in die Birne ein.


Ein noch geringeres Aufschäumen der Metallmasse erzielt man
durch den Zusatz von Ferro- oder Manganosilicium an Stelle des Ferro-
mangans, und dieses fand in Frankreich (zu Terre-Noire) Anwendung.
Statt Ferrosilicium läſst sich auch siliciumreiches Roheisen, welches
in Hochöfen dargestellt wird, verwenden.


Abfalleisen wird vielfach während des Blasens in die Birne ein-
geworfen, um dasselbe auf billige Weise zu verwerten. Natürlich darf
dadurch die Charge nicht zu sehr abgekühlt werden. In Teplitz
konnte man bei einem Einsatz von 6,5 Tonnen 400 bis 800 kg ein-
werfen.


Was den Gebläsewind anbetrifft, so empfahl Thomas in seinem
Patent groſse Düsen von ungefähr 25 mm Durchmesser. In den
meisten deutschen Werken machte man aber die Düsen nur halb so
weit und vermehrte dafür ihre Anzahl. Dagegen erhöhte man all-
gemein die Pressung des Windes, um den basischen Prozeſs ebenso
rasch wie den sauren durchzuführen. Bei letzterem hatte die Pressung
meist 1½ Atmosphären Überdruck, bei dem Thomasieren steigerte
man denselben auf 2 Atmosphären. Dementsprechend richtete man
die Gebläsemaschinen für stärkeren Druck ein 1). Die Windmenge
bestimmte man aus der Hubzahl der Gebläsemaschinen und richtete
sich besonders beim Nachblasen danach. Man rechnete auf 100 kg
Einsatzeisen 17 cbm Wind. Über die Bessemergebläse haben besonders
[655]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
von Hauer, Daelen, Schlinck und Riedler (bis 1884) Berechnungen
und Konstruktionen veröffentlicht 1).


Die rasche Einführung und die Fortschritte des Thomasprozesses
wurden wesentlich durch vortreffliche theoretische Unter-
suchungen
, welche Klarheit über den Verlauf und die Bedingungen
desselben verschafften, bewirkt. Thomas selbst hatte den Vorgang
bei dem basischen Verfahren vollständig richtig erkannt und in
allgemeinen Zügen in seiner Patentbeschreibung geschildert. Hervor-
ragende Metallurgen und Chemiker haben diese Darstellung bestätigt
und im einzelnen verfolgt und näher erläutert.


Chemische Untersuchungen über den Verlauf des Thomasprozesses
stellten zuerst Thomas 1878 zu Bleanavon und 1879 Windsor
Richards
auf den Estonwerken bei Middlesborough an. Richards
nahm alle drei Minuten, gegen Schluſs in kürzeren Zwischenräumen,
Proben der in 16,5 Minuten verlaufenden Charge und erhielt durch
die chemische Analyse derselben nachfolgendes Resultat:


Danach findet im Anfang des Prozesses keine Abscheidung,
sondern sogar eine Erhöhung des Phosphorgehaltes durch Reduktion
der Phosphorsäure des Zuschlagkalkes und der Schlacke statt. Die
Verbrennung des Phosphors tritt erst nach der Verbrennung des
Kohlenstoffs ein. Zu demselben Ergebnis kamen J. von Ehrenwerth2)
im Mai 1879 und Friedr. Müller3), der eine am 31. Dezember 1879
zu Hörde erblasene Charge in ähnlicher Weise analysierte. Pourcel
stellte dagegen die irrige Behauptung auf, Phosphor und Silicium
würden gleichzeitig abgeschieden. Diese Resultate sowie weitere in
Hörde gemachte Beobachtungen teilte Massenez in einem Vortrage,
[656]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
den er in Düsseldorf gelegentlich der Industrieausstellung auf der
Versammlung des Iron and Steel Institute im Frühjahr 1880 hielt, mit.
Das zu Hörde im Kupolofen heiſs eingeschmolzene Luxemburger und
Lothringer Roheisen enthielt 0,5 Prozent Silicium und 1,2 bis 1,6 Pro-
zent Phosphor. Es wurden 20 Prozent Kalk zugesetzt. Schon nach
zwei Minuten erschienen die ersten grünen Linien, die etwa nach
11 Minuten verschwanden. Es wurde noch zwei Minuten weiter ge-
blasen, wobei dichter brauner Rauch entwich. Die Temperatur des
Metallbades, die anfangs 1400° C. betragen hatte, stieg gegen Ende
auf 1800° C. Das eingesetzte Roheisen wog 3400 kg, hierzu wurden
gegen Schluſs 40 kg Spiegeleisen und 30 kg Ferromangan nachgesetzt.
Das Ausbringen betrug 2880 kg = 87 Prozent, der Kalkzusatz 700 kg.
Die Analyse ergab:


Die Schlacke enthielt 13,7 Prozent Kieselsäure, 9,75 Prozent
Phosphorsäure und 11,6 Prozent Eisen. Die Ausscheidung der Phos-
phorsäure geschieht nach von Ehrenwerth und Pourcel in der
Verbindung mit Eisenoxydul als 2 FeOP2O51).


1880 veröffentlichte Kuppelwieser2) ähnliche chemische Unter-
suchungen einer Charge der Thomashütte zu Witkowitz. Diesen
folgten 1883 die sehr umfassenden gründlichen Analysen von
Finkener3) in Berlin von Chargen der Hörder und der rheinischen
Stahlwerke und in demselben Jahre die von Stead4) in England.


In Fig. 266 zeigen die Schaulinien das Verhalten von Silicium,
Kohlenstoff, Mangan und Phosphor nach den Analysen von Finkener5).
[657]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Auch aus diesen erkennt man deutlich, wie die Oxydation der Bestand-
teile des Eisens nach dem Grade ihrer Verwandtschaft zum Sauerstoff
bei der gegebenen hohen Temperatur aufeinanderfolgen. Silicium,
welches am leichtesten oxydiert, verbrennt zuerst, mit ihm bereits ein
Teil des Mangans, das sich mit der gebildeten Kieselsäure verschlackt
und dadurch das Eisen vor Verbrennung schützt. Erst nach der Ab-

Figure 267. Fig. 266.


scheidung des Kohlenstoffs beginnt die Oxydation des Phosphors. Der
Spiegeleisenzusatz führt dann am Schluſs wieder eine geringe Menge
Kohlenstoff, Mangan und Silicium zu.


Charakteristisch für die Schlackenbildung bei dem Thomasprozeſs
ist, daſs die Schlacke nur wenig chemisch gebundenes Eisen enthält.
Das im Anfang etwa gebildete Eisensilikat wird durch den Kalk-
zuschlag in Kalksilikat umgewandelt und das Eisen durch den Kohlen-
stoff des Roheisens reduziert. Ebenso wird das bei der Entphosphorung
gebildete Eisenphosphat durch Überschuſs von Kalk in Kalkphosphat
zerlegt und das Eisenoxydul entweder reduziert oder oxydiert, in
welchem Falle es als Oxyduloxyd in der Schlacke gelöst bleibt. Die
Schlacke muſs sehr basisch sein. Kuppelwieser fand das Verhältnis
des Sauerstoffs von Säure und Base der Thomasschlacke von Hörde wie
1 : 2,2, während in dem Futter das Verhältnis wie 1 : 3 war. Man
rechnete, daſs auf 3 Prozent Phosphor 11 Prozent Kalk erforderlich
seien. Die Aufnahme der Phosphorsäure durch die Schlacke erfolgt
nach Kuppelwieser erst, wenn der Zustand des Subsilikates erreicht,
beziehungsweise überschritten ist.


Der hohe Gehalt der Thomasschlacke an Phosphorsäure,
Beck, Geschichte des Eisens. 42
[658]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
1883 auf deutschen Werken 15½ bis 20 Prozent, lieſs dieselbe
schon früh als ein wertvolles Produkt erscheinen, sowohl als
phosphorhaltiger Zuschlag bei dem Hochofenbetriebe auf Thomas-
roheisen als für die Landwirtschaft. Anfangs wurde sie fast aus-
schlieſslich in der erstgenannten Weise verwendet, ihr hoher Wert
für die Landwirtschaft wurde erst nach und nach erkannt. Wir
werden später hierauf zurückkommen.


Nicht minder wichtig als die chemischen waren die thermo-
physikalischen Untersuchungen
für das Verständnis des
Thomasprozesses. Wie schon erwähnt, hat J. von Ehrenwerth
bereits im Jahre 1879 hierüber Licht verbreitet und eine Reihe vor-
trefflicher Aufsätze über diesen Gegenstand veröffentlicht 1), deren
Hauptergebnis war, daſs bei dem basischen Prozeſs der Phosphor
durch seine Verbrennung den Hauptteil der Wärme liefere und daſs
derselbe ausreiche, die Masse dünnflüssig zu erhalten. Allerdings ist
die Wärme nicht so hoch wie die durch die Verbrennung des Sili-
ciums erzeugte, denn während 1 kg Silicium zu 2,14 kg Kieselsäure
unter Entwickelung von 7830 kg Wärmeeinheiten entwickelt, liefert
1 kg Phosphor bei seiner Verbrennung zu 2,29 kg Phosphorsäure nur
5760 Wärmeeinheiten. Dazu kommt, daſs die gröſsere Schlackenmenge
beim Thomasprozeſs auch eine gröſsere Menge Wärme bindet. Der
basische Prozeſs wird deshalb in der Regel nicht so heiſs verlaufen,
um so weniger, je ärmer das Roheisen an Silicium und Phosphor ist.
Aus diesem Grunde ist besonders ein hoher Phosphorgehalt erwünscht.
Während Thomas noch 1879 der Meinung war, daſs der Prozeſs bei
einem weniger hohen Phosphorgehalt besser verlaufe, sprach sich
Massenez 1880 auf Grund seiner Erfahrungen mit Luxemburger
und Ilseder Eisen dahin aus, daſs der Prozeſs um so besser und
wärmer verliefe, je höher der Phosphorgehalt sei, und daſs ein Gehalt
von 0,75 bis 1,50 die untere Grenze bilde.


Diese Ansicht bestätigte sich und blieb lange Zeit herrschend, so
daſs man das Roheisen hauptsächlich nach seinem Phosphorgehalt
schätzte und sich bemühte, beim Hochofenbetriebe Roheisen mit
möglichst hohem Phosphorgehalt zu erzeugen. Ilsede lieferte ein Eisen
mit nahezu 3 Prozent Phosphor; es enthielt 1883 nach H. Spamer
2,66 Kohlenstoff, 2,94 Phosphor, 2,45 Mangan, 0,01 Silicium und
0,04 Schwefel. Um genügend heiſsen Stahl zu erhalten, sollte die
[659]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Summe von Silicium und Phosphor mindestens 2,5 Prozent betragen.
Wo man mit siliciumarmem Roheisen arbeitete, muſste man das Eisen
möglichst heiſs geschmolzen in die Birne bringen, weil die Ver-
brennung des Kohlenstoffs, wie schon früher erwähnt, dem Metallbade
keine genügende Wärme zuführt. Je nach der Zusammensetzung des
Roheisens, besonders in Bezug auf die Wärmestoffe Silicium und Phos-
phor, nahm auch der Thomasprozeſs einen verschiedenen Verlauf.


Die Eigentümlichkeiten des Thomasprozesses bedingten auch
manche Änderungen in der allgemeinen Anordnung. Die rasche Zer-
störung der Birnenböden und die häufige Auswechselung derselben

Figure 268. Fig. 267.


machte es notwendig, drei Birnen statt der bisherigen zwei zu ge-
meinschaftlichem Betriebe zu verbinden. Zur Vorbereitung der Böden
wurden eine besondere Bodenreparaturwerkstätte und geräumige
Trocken- oder Brennöfen für die Böden nötig. Die verbreiteten Gieſs-
gruben erwiesen sich, besonders wegen der schwierigen Entfernung der
Schlacken, als unbequem. Man legte den Boden der Gieſsgrube auf
die Höhe der Hüttensohle und suchte den Gieſsraum ganz von dem
Konverterraume zu trennen, wie dies bei der Anlage der Thomas-
hütte zu Peine 1881 durchgeführt wurde. Obgleich das Thomasver-
fahren in Amerika wenig Anwendung fand, so war es doch der
Amerikaner A. Holley, der 1880 die zweckmäſsigsten Vorschläge für
42*
[660]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
die Anordnung der Thomashütten machte 1). Er sah dabei vor, daſs
die ganzen Birnen ausgewechselt wurden, und stellte die Roheisen-
schmelzöfen in ein besonderes Gebäude, von wo das geschmolzene
Roheisen in fahrbaren Pfannen zum Schmelzraum gebracht wurde.
Zweckmäſsiger war die Anordnung in Peine, wo man die Kupolöfen

Figure 269. Fig. 268.


ebenso wie die Kalköfen so hoch stellte, daſs ihr Inhalt durch Rinnen
direkt in die in einer Reihe liegenden Birnen geleitet werden konnte.
Fig. 267 (a. v. S.) zeigt eine schematische Darstellung dieser An-
ordnung. Hierbei wird die Gieſspfanne durch eine Lokomobile
(Fig. 268) nach dem Gieſsraum und zurück gefahren. Das Gieſsen
der Blöcke geschieht wie bei dem Bessemern in eisernen Koquillen,
[661]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
häufig durch aufsteigenden Strom mittelst eines Verteilungstrichters
in mehrere Formen zugleich. Um Blöcke von bestimmtem Gewicht
zu gieſsen, wurde zu Kladno eine
von Moro erfundene Wiegevor-
richtung (D. R. P. Nr. 10828)
eingeführt. Die Koquillen und
die Blöcke wurden durch hydrau-
lische Blockkräne gehoben und
fortbewegt. Die heiſsen Blöcke
gelangten in Rollöfen oder in
Gjerssche Durchweichungs- oder
Ausgleichgruben (soaking pits),
Fig. 269, welche man auch fahr-
bar machen kann, wie es in
Fig. 270, 271 dargestellt ist.


Figure 270. Fig. 269.

Der Thomasstahl wurde anfangs zu den gleichen Zwecken wie
der Bessemerstahl verwendet, besonders also zu Schienen. Erst all-

Figure 271. Fig. 270.


Figure 272. Fig. 271.


mählich lernte man die groſsen Vorzüge des Thomasmetalls als
weiches, dehnbares Metall schätzen, welches besonders geeignet war,
das Schweiſseisen zu ersetzen. Auſser zu Schienen wurde es anfangs
zu Blech und für Drahtknüppel verarbeitet.


Die Ausbreitung des Thomasprozesses in den ersten fünf Jahren
[662]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
bietet groſses geschichtliches Interesse dar. In England, wo die Er-
findung (1878) ins Leben getreten war, blieb sie lange auf die Eston-
hütte bei Middlesborough, der Firma Bolckow, Vaughan \& Co. gehörig,
und das Stahlwerk von Brown, Bayley \& Dixon zu Sheffield
beschränkt. Zu bemerken ist nur, daſs das erstgenannte Werk 1880
eine neue Anlage mit 15-Tonnen-Konvertern erbaute.


Auſserhalb Englands kam das Thomasverfahren 1) in Deutsch-
land zur Ausführung und zwar 1879 bei dem Hörder Bergwerks- und
Hütten-Verein und von Rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort. In
demselben Jahre erwarben noch de Wendel \& Co. zu Hayingen
und Gebrüder Stumm zu Neunkirchen das Patent und errichteten
Anlagen. In demselben Jahre 1879 gingen in Österreich-Ungarn die
Prager Eisenindustrie-Gesellschaft zu Kladno, die Eisenhüttengewerk-
schaft zu Witkowitz, in Frankreich Schneider \& Co. zu Le Creuzot (seit
November 1879), die Stahlgesellschaft zu Longwy und de Wendel \& Co.
zu Joeuf, in Belgien die Stahlwerke von Angleur bei Ougrée, zunächst
meist versuchsweise, zum basischen Konverterbetrieb über. Im Jahre
1880 folgten in Deutschland die Eisenwerke Rothe Erde bei Aachen,
der Bochumer Verein zu Bochum, die Maximilianshütte bei Rosenberg
in Bayern, die Burbacher Hütte und von Gienanth in Kaiserslautern;
in Österreich-Ungarn die Kaiser-Franz-Josephs-Hütte bei Tryinetz
(Ternitz) und das Teplitzer Walzwerk, welches Roheisen von der Ilseder
Hütte verblies; in England arbeiteten John Brown \& Co. und Bailey
\& Dixon
mit je einem basischen Konverter. In Frankreich erwarben
die Werke von Denain, von St. Chaumond und Montatair, die der
Nord-Ostgesellschaft, von Chatillon und Commentry das Patentrecht.


1881 wurden folgende Thomaswerke gegründet: in Deutschland
das der Gutehoffnungshütte bei Oberhausen, das Peiner Walzwerk, das
im September 1882 die ersten Chargen blies, das der Dortmunder
Union bei Dortmund, das der Gesellschaft Phönix bei Ruhrort. In
England trat die North-Eastern Steel Company, bei welcher Thomas
und Gilchrist sich beteiligten, ins Leben, kam aber erst am 31. Mai
1883 in Betrieb. Ein anderes Werk errichtete die Lilleshall-Gesell-
schaft bei Shifnal. In Frankreich baute die Nord-Ostbahngesellschaft
ein Thomaswerk bei Valenciennes. In Belgien führte die Gesellschaft
John Cockerill zu Seraing vorübergehend den basischen Betrieb ein.


1882 standen nach einem Vortrage von P. E. Gilchrist im
Monat Oktober in England 9, auf dem Kontinent 25 Konverter, die
[663]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
meisten davon in Deutschland, in Thätigkeit. Nach einer anderen
Angabe 1) betrug die Zahl der Konverter und die Produktion im ersten
Semester 1882 in

In diesem Jahre waren in Groſsbritannien das Werk bei Glasgow,
in Luxemburg Dudlingen und in Ruſsland das Warschauer Stahl-
werk (Ostrowietz), in den Vereinigten Staaten Pottstown (Harrisburgh)
hinzugekommen.


1883 betrug die Produktion von Thomasfluſseisen bereits 634373
Tonnen. Ende des Jahres bestanden folgende Werke 2):


1. In Deutschland.


  • a) Ruhrbezirk.
  • 1. Hörder Hütte   3 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 30 Tonnen Inhalt
  • 2. Rheinische Stahlwerke   2 „ „ 6,5 „ „ 13 „ „
  • 3. Bochum   3 „ „ 4,5 „ „ 13,5 „ „
  • 4. Oberhausen   2 „ „ 6 „ „ 12 „ „
  • 5. Union Dortmund   2 „ „ 9,5 „ „ 19 „ „
  • 6. Hoesch, Dortmund (im
    Bau)   3 „ „ 10 „ „ 30 „ „
  • 7. Phönix, Laar   3 „ „ 10 „ „ 30 „ „
  • b) Aachener Bezirk.
  • 8. Rothe Erde   3 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 30 Tonnen Inhalt
  • c) Hannover.
  • 9. Peine (Ilsede)   4 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 40 Tonnen Inhalt
  • d) Saarbezirk.
  • 10. Neunkirchen (Stumm)   2 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 20 Tonnen Inhalt
  • e) Lothringen und Luxemburg.
  • 11. Hayingen (de Wendel)   4 Birnen zu 8 Tonnen, zusammen 32 Tonnen Inhalt
  • 12. Dudlingen   4 „ „ 10 „ „ 40 „ „
  • f) Oberschlesien.
  • 13. Friedenshütte (im Bau)   3 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 30 Tonnen Inhalt
  • 14. Königshütte   2 „ „ 10 „ „ 20 „ „
  •   1 Birne „ 7,5 „ = 7,5 „ „
  • Zusammen 41 Birnen mit   367 Tonnen Inhalt

[664]Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.

Transport: 41 Birnen mit . . . . . . . . . . 367 Tonnen Inhalt


2. In Österreich.


  • a) Böhmen.
  • 1. Kladno   3 Birnen zu 5 Tonnen, zusammen 15 Tonnen Inhalt
  • 2. Teplitz   2 „ „ 6,5 „ „ 13 „ „
  • b) Mähren.
  • 3. Witkowitz  2 Birnen zu 8 Tonnen, zusammen 16 „ „
  • Zusammen 7 Birnen mit   44 Tonnen Inhalt

3. In Ruſsland.


Warschauer Stahlwerk . . 2 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 20 Tonnen Inhalt


4. In Belgien.


  • 1. Angleur   2 Birnen zu 6 Tonnen, zusammen 12 Tonnen Inhalt
  • 2. Athus  2 „ „ 10 „ „ 20 „ „
  • Zusammen 4 Birnen mit   32 Tonnen Inhalt

5. In Frankreich.


  • 1. Creusot (Schneider)   2 Birnen zu 7 Tonnen, zusammen 14 Tonnen Inhalt
  • 2. Joeuf   4 „ „ 10 „ „ 40 „ „
  • 3. Commentry   2 „ „ 10 „ „ 20 „ „
  • 4. Mont St. Martin,
    Longwy   3 „ „ 10 „ „ 30 „ „
  • 5. Valenciennes  2 „ „ 10 „ „ 20 „ „
  • Zusammen 13 Birnen mit   124 Tonnen Inhalt

6. In England und Schottland.


  • 1. Eston, Middlesborough 6 Birnen zu 15 Tonnen, zusammen 90 Tonnen Inhalt
  • 2. North-Eastern Steel-
    Co., Middlesborough 4 „ „ 10 „ „ 40 „ „
  • 3. Sellerhall-Co., Middles-
    borough   1 Birne „ 4 „ = 4 „ „
  • 4. Staffordshire Steel-Wks. 3 Birnen „ 5 „ zusammen 15 „ „
  • 5. Merry and Cunningham,
    Glengarnock   2 „ „ 9 „ „ 18 „ „
  • 6. Glasgow Iron-Co.,
    Wishaw  3 „ „ 7 „ „ 21 „ „
  • Zusammen 19 Birnen mit   188 Tonnen Inhalt

7. In Nordamerika.


  • Harrisburgh  2 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 20 Tonnen Inhalt
  • Im ganzen 88 Birnen mit   795 Tonnen Inhalt

Die Herstellungskosten des Thomaseisens sind höher als die des
Bessemereisens. Wedding hat dieselbe für Ende 1883 in Deutsch-
[665]Die Kleinbessemerei.
land zu 66,50 bis 67,97 für die Tonne Blöcke berechnet. Da aber
Thomasroheisen wesentlich billiger ist als Bessemerroheisen, so stellt
sich bei günstigen Verhältnissen der Preis des Endproduktes doch
billiger als bei dem sauren Prozeſs.


Weitere Entwickelung des Windfrischens von 1880 bis 1899.


Die Kleinbessemerei.


Das Bestreben, die Konverter immer gröſser zu machen, welches
in England und Amerika besonders hervortrat, führte zu einer Re-
aktion, welche sich so gestaltete, daſs sich neben dem Groſsbetriebe
ein Kleinbetrieb, die sogenannte Kleinbessemerei, entwickelte.


Der Schnellbetrieb in den groſsen Birnen erforderte höchst kost-
spielige Anlagen, sowohl für den Prozeſs selbst, als für die Ver-
arbeitung der Massenproduktion.


Der Betrieb kleiner Konverter bot dagegen mancherlei Vorteile,
indem er 1. eher die Verwendung bestehender Walzwerksanlagen für
den Puddelofenbetrieb ermöglichte; 2. sich besser mit dem Hochofen
verbinden lieſs, um das Roheisen zum Teil zu Fluſseisen zu verblasen;
3. für die Herstellung von Stahlguſswaren geeigneter war; 4. für ab-
gelegenere Werke, die schwierigen Transport und beschränkten Absatz
hatten, zweckmäſsiger war und 5. auch eher die Erzeugung ver-
schiedener Sorten für verschiedene Zwecke ermöglichte, vor allem aber,
daſs 6. die Anlagen und Einrichtungen weniger kostspielig waren.


Aus diesen Gründen wendete man der Kleinbessemerei in den
achtziger Jahren ein groſses Interesse zu, und wenn auch auf die
Dauer die gehofften Erfolge ausblieben und die Überlegenheit des
Groſsbetriebes sich erwies, so hat sie sich doch noch an einzelnen Orten
erhalten und verdient als geschichtliche Episode unsere Beachtung um
so mehr, als sie in neuester Zeit für die Herstellung von Stahlguſs
eine wachsende Bedeutung erlangt hat.


In gewissem Sinne war der Anfang des Bessemerprozesses Klein-
bessemerei, denn sowohl die feststehenden Öfen in Schweden, als
Bessemers erste bewegliche Birne hatten ebenso geringen Fassungs-
raum wie die Öfen der Kleinbessemerei. In Schweden war man mit
den feststehenden Öfen überhaupt eigentlich nicht über diesen Zustand
hinausgekommen, von hier ging auch die erste Anregung für diesen
Kleinbetrieb aus.


1877 erregte eine Mitteilung Aufsehen, daſs es einem schwedischen
[666]Die Kleinbessemerei.
Ingenieur gelungen sei, mit Sätzen von 170 kg guten Fluſsstahl zu
erzeugen. Weitere Folgen hatte diese Veröffentlichung zunächst
nicht. Seit 1879 machte man aber zu Avesta in Schweden den Ver-
such, kleine Bessemerbirnen bei dem dortigen Hochofen zu betreiben.
1882 fing man an diesem Gegenstande in England Beachtung zu
schenken und Versuche darüber anzustellen 1). 1883 konstruierten
Clapp und Griffith zu Nantiglo in Südwales einen feststehenden
Konverter, der Aufsehen erregte und den Anstoſs für die Klein-
bessemerei gab. Er arbeitete mit niedrigem Winddruck von 0,35 bis
0,40 kg pro Quadratcentimeter. Die Düsen lagen 203 bis 228 mm
über dem Boden; die Windventile waren mit automatischer Bewegung
versehen; die Chargen wogen 1 bis 3 Tonnen. Diese Öfen erregten
allgemeine Aufmerksamkeit namentlich in den Vereinigten Staaten.
In Deutschland machte 1883 H. Haedike den Vorschlag, das Frischen
direkt in der Gieſspfanne mittelst eines von ihm erfundenen hohlen
Frischkolbens mit Düsenröhren vorzunehmen. Denselben Vorschlag
machte im folgenden Jahre A. Davy in England, der durch seinen
Frischkolben jeden Gieſsereibesitzer in den Stand setzen wollte, be-
liebige Mengen Fluſsstahl in der Gieſspfanne zu machen. Sein
Apparat kostete 11900 Mark.


1883 konstruierte J. Reese in England einen fahrbaren Kon-
verter, um ihn direkt zum Hochofen zu fahren.


1884 wurden bereits Clapp-Griffithöfen zu Pittsburg und Troy
in Nordamerika eingeführt. Fig. 272 stellt einen amerikanischen
Clapp-Griffith-Konverter dar. Die Düsen dieser Öfen waren nicht
nach der Mitte gerichtet und mit Stöpsel verschlossen, das Schlacken-
loch lag in halber Höhe.


In diesem Jahre veröffentlichte J. von Ehrenwerth in Leoben
einen Bericht über den Betrieb in sehr kleinen Bessemerbirnen zu
Avesta in Schweden 2). Diese hatten 1 m im Durchmesser und 1,3 bis
1,4 m Höhe. Die Chargen wogen meistens 352 bis 510 kg und das Ver-
blasen einer solchen dauerte 15 Minuten, dabei hatte der Wind 1,04 kg
Pressung pro Quadratcentimeter. In 24 Stunden wurden 23 bis 30
Chargen verarbeitet.


Nach je acht Hitzen fand ein Auswechseln der Birne zur Ein-
setzung eines neuen Bodens statt; dies verursachte nur einen geringen
[667]Die Kleinbessemerei.
Aufenthalt. Jeder der beiden Hochöfen in Avesta hatte seinen eigenen
Konverter, dessen Kosten sich auf 10200 Mark beliefen. Am Schlusse
einer Hitze wurden 0,8 Prozent Ferromangan mit 70 Prozent Mangan
zugesetzt. Das flüssige Metall wurde direkt aus der Birne zu einem
oder zwei Blöcken vergossen. Das Produkt war ein weicher, sehniger
Stahl von 0,20 bis 0,25 Prozent Kohlenstoffgehalt. Man war mit dem

Figure 273. Fig. 272.


ökonomischen Ergebnis damals zufrieden. — J. Macco in Siegen
empfahl ebenfalls stationäre Öfen ähnlich den alten schwedischen für
den Kleinbetrieb.


1884 machte Chapuis den Vorschlag, das Roheisen in einem
Konverter vorzufrischen und dann in einem rotierenden Puddelofen,
ähnlich dem Danksofen, fertig zu frischen.


[668]Die Kleinbessemerei.

In demselben Jahre wurde das Clapp-Griffithverfahren auch
in Deutschland und zwar auf dem Remyschen Blechwalzwerk Rassel-
stein bei Bendorf eingeführt. An dem Konverter war ein Schlackenloch
in solcher Höhe angebracht, daſs die Schlacke, sobald die Masse hoch-
ging, austreten konnte und so bereits groſsenteils entfernt war, wenn
das Metall abgestochen wurde. Die drei Winddüsen waren seitlich, in
geringem Abstande über dem Herdboden angebracht. Sie waren mit
Pfropfen versehen, die von einer kleinen centralen Öffnung durchbohrt
waren (Differentialkolben). Zu Ende des Blasens wurden die Düsen
mit diesen Stopfen geschlossen und dadurch der Wind bis auf einen
dünnen Strahl, der aber hinreichte, zu verhindern, daſs dies Metall
in die Düsen trat, abgestellt. Die Pressung betrug höchstenfalls
8 Pfund, gewöhnlich nur 4 bis 4½ Pfund. In acht Stunden wurden
12 bis 15 Chargen geblasen. Die Anlage von zwei Konvertern
hatte eine tägliche Leistungsfähigkeit von 100 Tonnen Fluſseisen.
Man verarbeitete Siegener Roheisen mit 0,1 Prozent Phosphor- und
ca. 6 Prozent Mangangehalt in Chargen von 1806 kg. Das Fluſseisen
wurde für Bleche verwendet.


Um diese Zeit (1883/84) führten Walrand und Delattre zu
Stenay einen schwebenden, um eine horizontale Achse mit der Hand
beweglichen Konverter, der den Wind von den Seiten aus in gröſserer
Höhe über dem Boden erhielt, ein. Ähnliche Öfen hatten Durfee
und Laureau konstruiert. Ihre Winddüsen waren geneigt und so
angebracht, daſs sie beim Neigen der Birne frei wurden.


Seit 1884 erlangten die Clapp-Griffithöfen in den Vereinigten
Staaten, wo J. P. Witherow das Patent erworben hatte, weshalb
sie dort oft als Witherowöfen bezeichnet wurden, gröſsere Ver-
breitung.


Oliver Brothers \& Philipps in Pittsburg, Pa., bliesen am 25. März
1884 einen solchen feststehenden Konverter für 2 Tonnen Einsatz
an, in dem sie bis 1885 21647 Tonnen Fluſseisen erzeugten. Das
Roheisen wurde in einem Sturtevant-Kupolofen eingeschmolzen, in
Pfannen abgestochen, gewogen und dann in feststehende Konverter
gegossen. Diese hingen in eisernen Gerüsten und hatten abnehm-
bare Böden, die durch Elevatoren gesenkt werden konnten. 1885
gab es bereits acht Werke in der Union, auf denen Clapp-Griffith-
öfen eingeführt waren. Vielfach hatte man dieselben mit den Hoch-
öfen verbunden, besonders da, wo genügende Wasserkraft vorhanden
war. Hainsworth in Pittsburg stellte seinen kleinen Konverter
auf Räder. Solche Hütten konnten dann statt Roheisens gleich Fluſs-
[669]Die Kleinbessemerei.
eisen liefern. In Österreich hatte Hupfeld zu Prävali mit einem
Clapp-Griffithkonverter Erfolg. Obgleich der Abbrand bei dem Klein-
betrieb um 4 bis 5 Prozent gröſser war, so bewährte er sich doch
unter besonderen lokalen Verhältnissen als vorteilhaft und war nament-
lich geeignet, ein weiches Produkt zu erzeugen. Roheisen mit dem-
selben Kohlenstoffgehalt gab beim Kleinbetriebe ein weicheres Fluſs-
eisen als beim Groſsbetriebe.


Es tauchten eine Anzahl neuer Konstruktionen nach dem Prinzip
der Clapp-Griffithöfen auf, die sich hauptsächlich durch die Wind-
führung und den Düsenverschluſs unterschieden, so die von Wittnhöft,
von Hatton und von Witherow, bei denen am Ende des Blasens
der Hauptwindhahn abgestellt, ein kleiner Nebenhahn geöffnet und
der Gang des Gebläses verlangsamt wurde. Lambertz gab den
Windkanälen eine schiefe Stellung, E. Thomson nahm flache Düsen.
A. Trappen schlug vor, die Birne unmittelbar an den Ausleger des
Kranes zu befestigen, so daſs sie auf der einen Seite vor den Abstich
des Schmelzofens gebracht und gefüllt, auf der anderen Seite das
Fluſseisen ausgegossen werden konnte.


Walrand und Delattre führten bei ihren kleinen, beweglichen
Birnen auch den basischen Betrieb ein und kombinierten denselben
zu Stenay und besonders zu Hollerich in Luxemburg mit dem sauren
Verfahren. Sie erbliesen aus phosphorreichem Luxemburger Roheisen
in einem sauren Konverter ein Produkt, das 2,10 Prozent Phosphor ent-
hielt, und das sie dann in einem basischen Konverter entphosphorten.
Die Anlage erforderte zwei Kupolöfen und zwei Birnen. Es wurden
1500 kg Roheisen im Kupolofen eingeschmolzen, in den sauren Kon-
verter abgestochen und bei 35 bis 40 cm Druck erst 8 Minuten geblasen,
dann begann bei hellem Funken- und Flammenschein die Koch-
periode. Nach weiteren fünf Minuten wurde die Masse in eine Umguſs-
pfanne entleert und aus dieser in den mit 100 kg Kalk beschickten
Magnesiakonverter gegossen. Nach vier Minuten Blasen war die
Masse entphosphort. Diesen Betrieb nannten die Erfinder procédé
de transversement. Dem entphosphorten Produkte wurden in der
Gieſspfanne 12 Prozent Ferromangan zugesetzt und das Metall dann
in kleine Koquillen ausgegossen. Die ganze Operation dauerte
22 Minuten; der Abbrand betrug 18 bis 19 Prozent; das Produkt war
sehr weich. Die Anlagekosten eines Werkes von 20 bis 30 Tonnen
Erzeugung den Tag betrug ca. 80000 Mark.


In Frankreich erwies sich auf den Hütten von Stenay und Frai-
sant nur der saure Prozeſs als vorteilhaft.


[670]Die Kleinbessemerei.

Franz Horn in Duisburg machte 1886 den Vorschlag, die Birne
direkt in einem Gerüst aufzuhängen, das als Wage diente, um sogleich
die Chargen abzuwiegen.


In den Vereinigten Staaten wurden die Clapp-Griffithöfen seit
1883 mit Erfolg weiter betrieben, 1886 waren sie auf neun Werken
eingeführt, am 15. Februar standen sechs, am 1. Juli 10 Öfen im
Betriebe. Eine der vollkommensten Anlagen war die der Glasgow-Eisen-
gesellschaft zu Pottstown, Pa., welche 100 bis 150 Tonnen täglich
erzeugte. Das Produkt war gut walz- und schweiſsbar, weich und
gleichmäſsig. Der Clapp-Griffithkonverter der Anlage der Nail Com-
pany zu Belleville bei St. Louis hatte 1143 mm Durchmesser. Der
Wind trat durch sechs 230 mm über dem Boden befindlichen Düsen
von zusammen 38 mm Durchmesser mit einem Überdruck von
0,6 Atmosphären ein. Jede Charge lieferte 1800 kg, bei Zusatz von
1,25 Prozent Ferromangan und ca. 86 Prozent Ausbringen. Der Ab-
brand schwankte von 12 bis 15 Prozent. Man machte 34 Hitzen in
der Stunde und erhielt 80 bis 100 Tonnen den Tag.


In Avesta in Schweden war man 1887 zu der Überzeugung ge-
langt, daſs die kleinen Chargen unvorteilhaft seien, und erhöhte
dieselben auf 1020 kg.


In Frankreich gab sich Direktor Robert zu Stenay groſse Mühe
mit dem Kleinbetrieb in den Öfen von Walrand-Delattre. Dort
waren 1887 vier Öfen im Betriebe. Robert änderte den kreisförmigen
Querschnitt der Birne in einen halbkreisförmigen, Fig. 273, um, die
Düsen brachte er, wie beim Clapp-Griffithkonverter, seitlich an und
zwar alle in der flachen Vorderwand. Durch Schrägstellung der
Birne kann man den Wind mehr oder weniger tief unter der Ober-
fläche des Metalles einführen. Dabei hatten die Düsen eine schiefe
Stellung zur Mittelachse, wodurch die Metallmasse beim Blasen in
Drehbewegung versetzt werden sollte. Den regelmäſsigen basischen
Betrieb führte man erst 1886 in Stenay ein. Das Futter bestand
wie bei den Thomasbirnen aus Dolomit und Teer. Der Einsatz be-
trug 800 bis 1100 kg., die Pressung ⅓ bis ½ Atmosphäre Überdruck,
die Blasezeit acht bis zehn Minuten. Vor dem Ausgieſsen wurde
1 Prozent Ferromangan zugesetzt. Ein Dolomitfutter hielt 80 bis 90
Güsse aus. Mit zwei Konvertern konnte man bequem zwei Güsse in
einer Stunde machen. Der Stahl war heiſs und geeignet für Stahl-
guſswaren. Der Abbrand soll nur 10 Prozent betragen haben. Die
ganze Anlage mit zwei Birnen kostete 59730 Mark. — Bookwalter
in Springfield, Ohio, erwarb Roberts Patent für Amerika und
[671]Die Kleinbessemerei.
führte diese Birnen auf mehreren Stahlwerken der Vereinigten
Staaten ein.


Tropenas, Ingenieur zu Stenay, nahm 1891 ein Patent auf einen
Konverter mit seitlich, teils unter, teils über der Oberfläche des
Metallbades mündenden Düsen, der sich im übrigen von dem Robert-
konverter kaum unterscheidet. Er hat aber eine ziemliche Ver-

Figure 274. Fig. 273.


breitung gefunden 1). Auf ähnlichem Prinzip beruhen die neueren
Konverter von Sherk und Rutter und von E. Cambier.


Um auch die Clapp-Griffithöfen zur Entphosphorung verwenden
zu können, schlug M. H. Koppmeyer in Wien 1888 vor, sie mit
basischen Herdöfen zu kombinieren. In den Vereinigten Staaten er-
höhte man den Einsatz der Clapp-Griffithkonverter von 2 auf 3 Tonnen.
Danach konnte man kaum mehr von Kleinbessemerei sprechen. Ein
groſser Konverter von etwa 10 Tonnen Inhalt arbeitete aber immer
vortheilhafter als eine entsprechende Anzahl kleiner. Infolgedessen
kamen auch die Clapp-Griffithkonverter in den neunziger Jahren
[672]Die Kleinbessemerei.
wieder mehr in Abgang, um so mehr, da sich die Hoffnung, die Hoch-
öfen könnten ihr Eisen leichter in Form von Fluſseisen als von
Roheisen verwerten, nicht bewährte. Die Stahlwerke machten an die
Stahlblöcke zu hohe und zu verschiedenartige Ansprüche je nach
ihrer Fabrikation, und da den Hochofenwerken die Fühlung mit jener
fehlte, so waren die Abnehmer selten befriedigt.


Besser bewährten sich die kleinen beweglichen Konverter für
den Stahlguſs. Diese fanden denn auch in den Vereinigten Staaten
Eingang, wo man 1891 auf sieben Werken 11 Robertkonverter zählte.
Auch in Ungarn, wo man 1886 Clapp-Griffithöfen zu Bikas (Bujakowa)
und Altsohl eingeführt hatte, kamen 1891 Walrandkonverter in Auf-
nahme. Damals unterschied man folgende Kleinbessemeröfen:


  • I. Konverter zum Auswechseln (Davy, Horn, Trappen).
  • II. Konverter nicht zum Auswechseln.
    • A. Drehbar:
      • a) mit Düsen unten (Avesta),
      • b) mit Düsen von der Seite (Walrand-Delattre, Robert,
        Durfee, Laureau, Tropenas, Sherk-Rutter,
        Cambier
        ),
      • c) mit Düsen innen (Bessemer).
    • B. Feststehend:
      • a) mit bleibenden Böden, die Düsen über dem Boden (Clapp-
        Griffith, Wittnhöft, Rasselstein, Allender-Hunyad
        ),
      • b) mit auswechselbarem Boden (Durfee, Witherow,
        Altsohl
        ).

Der Abbrand stellt sich bei der Kleinbessemerei durchschnittlich
um 4 bis 5 Proc. höher als bei dem Groſsbetrieb. Folgende Zahlen
geben den prozentualen Abbrand bei den verschiedenen Methoden an:


  • Konverter Prozent
  • Feststehender schwedischer   12 bis 15
  • Avesta   12,6
  • Clapp-Griffith   12 bis 15
  • Davy   10 „ 12
  • Hatton   13 „ 14
  • Walrand (älterer)   16
  • Witherow   13
  • Robert   15
  • Rasselstein   20
  • Bujakowa   10
  • Altsohl   15

[673]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.

Ein Nachteil des Kleinbetriebes ist ferner, daſs die Chargen leicht
kalt gehen. Man muſs das Eisen heiſs in die Birne bringen und
wenn nötig die Masse gegen Ende des Prozesses noch durch Zusatz
von Ferrosilicium aufwärmen. Dies schlugen Walrand und Le-
génisel
für ihren verbesserten kleinen Konverter 1893 vor. O. Vogel
giebt an, daſs er dies schon drei Jahre zuvor in Neusohl in Ungarn
eingeführt habe.


Walrand und Legénisel sind bei ihrem neuen Konverter 1891
(D. R. P. Nr. 60950) wieder zu den kleinsten Dimensionen zurück-
gekehrt und empfehlen Birnen mit nur 250 kg Einsatz. Hierbei ist
aber der Zusatz von Heizkörpern zur Erhitzung des Fluſseisens un-
bedingt erforderlich und zwar bei saurem Betrieb Siliciumeisen, bei
basischem Betrieb Phosphoreisen, welche Körper kurz vor oder nach
dem Verschwinden der Kohlenstoffflamme zugesetzt werden.


Bei dem Tropenaskonverter, wovon 1898 bereits eine Anzahl in
Frankreich, England, Ruſsland und Österreich besonders für Stahlguſs
betrieben wurde, wird der Gebläsewind durch mehrere horizontal
angeordnete Düsen nicht durch das Bad, sondern auf das Bad geleitet.
Die Düsen sind auf einer Seite in divergierender Stellung angeordnet.
Über der unteren Düsenreihe befindet sich eine zweite, welche nach
Bedarf Luft zur Verbrennung des gebildeten Kohlenoxydes zuführt,
um die Temperatur, die natürlich nicht so hoch wird wie bei dem
Durchblasen, zu erhöhen.


Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses
seit 1881
.


Wenden wir uns nun wieder dem Groſsbetriebe zu und be-
trachten wir kurz die Fortschritte bei dem sauren und bei dem
basischen Verfahren seit 1881.


Das Bessemern mit saurem Futter erfuhr durch die Ein-
führung des Thomasprozesses mancherlei Anregung und Verbesse-
rungen, um so mehr, als letzterer sich für viele Werke als ein Wett-
bewerb fühlbar machte. Die Bessemerwerke suchten durch billige
Massenerzeugung dieser Konkurrenz zu begegnen. Dies geschah
besonders durch Schnellbetrieb und Ersparnis an Arbeitskraft
durch maschinelle Einrichtungen. Während man früher nur 12 Chargen
am Tage verblasen hatte, waren um 1882 24 bis 36 Chargen die Regel,
ja man hatte schon bei besonderer Anstrengung 50 bis 60 erzielt.


Beck, Geschichte des Eisens. 43
[674]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.

Mit dem Maschinenbetrieb gingen die Stahlwerke in den Ver-
einigten Staaten von Amerika am entschiedensten vor und ihre Ein-
richtungen wurden vielfach mustergültig. Als ein solches Musterwerk
galt 1881 das nach den Plänen von A. L. Holley unter Mitwirkung
des Betriebsleiters John Fritz neu errichtete Bessemerstahlwerk zu
Bethlehem in Pennsylvanien 1). Bei keiner Anlage waren bis dahin
die Vorteile des maschinellen Transportes aller Roh-, Zwischen- und
Fertigprodukte so ausgenutzt wie hier. Gerade darin lag aber der
Hauptgrund der überlegenen Leistung der amerikanischen Bessemer-
werke. Jede Birne hatte dabei ihre besondere Gieſspfanne mit Gieſs-
kran, zwei Blockkränen und drei Kränen für den Transport der
Blöcke. Die Birnen waren auf Säulen montiert; überall war hydrau-
lische Bewegung angewendet. Zum Umschmelzen des Roheisens
dienten groſse Kupolöfen von 2300 mm Schachtdurchmesser. Die
Weite zwischen den Düsen betrug 1820 mm. Das Spiegeleisen wurde
ebenfalls in Kupolöfen von 770 mm Schachtweite und 500 mm zwischen
den Düsen, welche mit vier Formen von 100 mm Öffnung versehen
waren, geschmolzen. Sämmtliche Pfannen wurden in einem besonderen
Heizraum mit Gasfeuerung vorgewärmt.


Die allgemeine Benutzung des Wasserdruckes zur Bewegung der
Birnen, Kräne u. s. w., welche ebenfalls von Bessemer zuerst ein-
geführt worden war, gehört zu den wichtigsten Verbesserungen bei
der Fluſsstahlfabrikation, ferner die allgemeine Anwendung der von
Holley zuerst angegebenen Losböden und die Einführung der von
John Gjers 1882 erfundenen Ausgleichgruben (soaking-pits, Engl.
Pat. 1882, Nr. 3545; D. R. P. Nr. 21712), durch welche ein Teil der
Hitze der Blöcke für die Weiterverarbeitung nutzbar gemacht wurde.
Alle diese Verbesserungen haben wir schon bei dem Thomasver-
fahren erwähnt. Überhaupt lassen sich die mechanischen Verbesse-
rungen bei dem pneumatischen Betriebe für den sauren oder den
basischen Prozeſs nicht scheiden, sie kamen beiden zu gut. Dies gilt
für alle im folgenden aufgeführten Vorschläge und Erfindungen, wo
dies nicht besonders erwähnt wird.


Um das flüssige Eisen von Hochöfen, die von dem Fluſsstahlwerk
entfernt lagen, herzuschaffen, konstruierte man fahrbare Gieſspfannen
mit Dampfbetrieb. Solche führte Snelus 1880 auf den West-Cumber-
landwerken ein. Zu Ebbw Vale in Südwales fuhr man 1885 das
[675]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
flüssige Eisen von Sirhowy nach dem Stahlwerk 9,6 km weit. Auch
von den Hochöfen der Hütte selbst wurde das flüssige Eisen 1,6 km
gefahren, die Gieſspfanne war mit einer Lokomotive verbunden, die
auf einer Schienenbahn lief.


Auf der Erimushütte bei Middlesborough, wo man 1881 die Danks-
ofenanlage in ein Thomaswerk umgebaut hatte, benutzte man die
Bessemerflamme, um den Gebläsewind für den Prozeſs selbst zu er-
hitzen. Man erzielte eine Temperatur von 232° C. und eine Kohlen-
ersparnis von angeblich 25 Prozent.


Caspersson in Schweden veröffentlichte 1882 wichtige Unter-
suchungen über den Einfluſs der Birnentemperatur auf die Beschaffen-
heit der Stahlblöcke, besonders auf Blasenbildung und Nachsaugen 1).
Sehr wesentlich war die Anfangstemperatur, der Hitzegrad, mit
der das flüssige Roheisen in den Ofen oder die Birne gelangte.
Da man in Schweden mit siliciumarmem Roheisen arbeitete, dessen
Siliciumgehalt höchstens 1 Prozent betrug, so muſste die Charge
eine hohe Anfangstemperatur haben. In Schweden gelangte das
Roheisen direkt aus dem Hochofen in die Birne, und der Betrieb
dieser muſste also dementsprechend geführt werden. Das Kochen
trat infolge des niedrigen Siliciumgehaltes rasch ein, die ganze Blase-
zeit dauerte in der Regel nur sieben bis zehn Minuten. Der Pro-
zeſs wurde im richtigen Moment der Entkohlung unterbrochen, wofür
das Aussehen der Flamme maſsgebend war. Eine Rückkohlung fand
in der Regel nicht statt 2).


Für den Schnellbetrieb, wie er in Amerika geführt wurde, empfahl
es sich, den Konverter- und den Gieſsraum zu trennen und die Gieſs-
pfanne, welche alle in einer Reihe aufgestellten Konverter bestrich,
aus dem heiſsen Konverterraum heraus in einen besonderen Gieſs-
raum zu fahren. Diese Anordnung traf man 1882/83 bei den Thomas-
hütten zu Hörde und zu Peine sowie 1884 bei dem neuen Stahl-
werk zu Königshütte in Oberschlesien. In England sprach sich Stead
1883 für diese Einrichtung aus. Sie wurde eingeführt in dem
Bessemerwerk Ougrée in Belgien und den meisten neueren amerika-
nischen Werken.


Zur besseren Mischung des Spiegeleisens oder Ferromangans mit
dem Fluſseisen konstruierte Allen 1881 einen mechanischen Rührer,
43*
[676]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
einer Schiffsschraube ähnlich, was übrigens Bessemer schon früher
vorgeschlagen hatte. Solche Rührer kamen damals in Anwendung
auf den Werken von Bessemer in Sheffield und zu Donawitz in
Steiermark.


C. Stöckmann in Ruhrort wollte Strontianit zur basischen Aus-
füllung verwenden.


Die von P. Kuppelwieser 1881/82 auf der neuen Bessemerhütte
zu Witkowitz eingeführten Konverter lieſsen sich nach zwei Seiten
neigen.


W. M. Henderson zu Stockton in den Vereinigten Staaten mon-
tierte 1882 die Birne, um sie leichter auswechseln zu können, auf
Laufräder. Ferner lieſs er den Wind durch den hohlen Tragring
streichen, um ihn vorzuwärmen (D. R. P. Nr. 19635). In ähnlicher
Weise konstruierte 1883 J. Reese einen fahrbaren Konverter, um
damit direkt zum Hochofen zu fahren. S. G. Thomas gab 1883 eine
verbesserte Kippvorrichtung an, wobei das Drehen der Birne durch
eine Kippscheibe geschah (D. R. P. Nr. 22014).


Bolkow, Vaughan \& Co. fertigten 1883 die Tragringe ihrer
groſsen 15-Tonnen-Konverter aus Guſsstahl, weil Schmiedeeisen dafür
nicht mehr genügte.


Gjers konstruierte 1881 fahrbare Durchweichungsgruben, die
zuerst zu Darlington angewendet wurden. In Nordamerika erfand
A. W. Hainsworth 1881 Durchweichungsgruben, die den Gjersschen
ähnlich waren; er verband dieselben noch mit einer Regenerativ-
feuerung. Auch Jac. Reese in Pittsburg lieſs sich 1883 eine fahrbare
Durchweichungsgrube patentieren. Seit September 1883 wurden in
den Scranton-Stahlwerken mit Hülfe Gjersscher Gruben vierfache
Vignoles-Schienen von 120 Fuſs Länge in einer Hitze ausgewalzt.


Zur Abkühlung zu heiſser Chargen bliesen 1883 W. R. Jones1)
in den Edgar-Thomas-Werken und 1884 Walker in dem South-
Chicago-Walzwerk Dampf in den Konverter.


J. Gjers lieſs sich 1884 ein Verfahren patentieren, wonach er,
sobald das Blasen beendigt war, Generatorgas, ein Gemisch von
Kohlenoxydgas und Stickstoff durch die geschmolzene Masse hindurch-
blies. Das Kohlenoxydgas sollte alles durch das Überblasen ent-
standene, oxydierte Eisen reduzieren, also wie der Kohlenstoff im
Spiegeleisenzusatz wirken und diesen überflüssig machen (Engl. Pat.
1884, Nr. 6484). Gjers führte dieses Verfahren in Ayrsome (Schott-
land) ein.


[677]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.

T. Williamson verband 1884 den Konverter mit einer Regene-
rativfeuerung. Nachdem er eine Zeit lang wie gewöhnlich Wind durch
das Eisen geblasen, senkte er den Konverter und lieſs die heiſsen
Regeneratorgase über das Metallbad streichen (Engl. Pat. 1884,
Nr. 6082; D. R. P. Nr. 31236).


Schon im Jahre 1882 hatte sich J. Reese in den Vereinigten
Staaten den „Duplexprozeſs“ patentieren lassen, der darin bestand
daſs Roheisen zuerst in einer Bessemerbirne entsiliziert und entkohlt,
alsdann in einem Flammofen oder offenen Herde mit basischem
Futter entphosphort wurde. Dies Verfahren, welches indes keines-
wegs neu war, indem es schon seit Jahren in Neuberg in Steiermark
angewendet worden war 1), stand längere Zeit der Einführung des
Thomasprozesses in Amerika im Wege.


Ein ganz ähnliches Verfahren, Entkieselung und Entkohlung im
Konverter und Entphosphorung im Martinofen empfahl, T. Valton
1884 2). Statt der Entphosphorung im Martinofen wurde von anderer
Seite der Kruppsche Apparat (S. 580) in Vorschlag gebracht. Zu
Longwy wendete man (1887) die Kombination mit dem Martinofen
an, um blasenfreien Guſs zu bekommen.


Das Harmetsche Verfahren, d. h. die Entkieselung in einer
sauren und die Entphosphorung in einer basischen Birne führte 1885
Paul Kuppelwieser mit Erfolg in Witkowitz ein.


Carlsson zu Ulfshytta (1886) unterbrach das Blasen beim
Beginne der Kohlenstoffverbrennung, goſs einen bestimmten Teil
der Charge als „Reduktionsmetall“ aus, blies dann zu Ende, setzte
Ferromangan und so viel von dem Reduktionsmetall, als der ge-
wünschten Stahlsorte entsprach, zu. Er konnte hierdurch aus dem-
selben Roheisen Fluſseisen von beliebigem Härtegrad herstellen.


Inzwischen hatte man besonders auf den nordamerikanischen
Stahlwerken eine noch höhere Leistung der Konverter erreicht. Nach
J. von Ehrenwerth3) wurden auf der Cambriahütte in zwei 8-Tonnen-
Konvertern bei regelmäſsigem Betrieb in sechs Arbeitstagen bei
551 Chargen 4069,818 Tonnen oder im Jahre 20349,099 Tonnen
erblasen.


Ähnliche Produktionsziffern erreichte man in England, während
die vier alpinen Bessemerhütten in Österreich, Zeltweg, Heft, Prâvali
[678]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
und Neuberg zusammen nur 3/11 der obigen Erzeugung der Cambria-
hütte lieferten.


Welchen raschen Siegeslauf der Thomasprozeſs in Deutschland
nahm, erhellt aus folgenden Zahlen:


Eine sehr wichtige Erfindung war die von J. H. Darby in Brymbo
in England 1888 vorgeschlagene Rückkohlung mittels Kohle 1). Da-
nach sollte die Reinigung und Nachkohlung des fertig geblasenen
Fluſseisens einfach durch eine Filtrierung durch Holzkohlen in einem
mit feuerfestem Thon ausgekleideten Cylinder erfolgen. Später ver-
wendete er gemahlenen Graphit, den er durch eine Röhre gleichzeitig
mit dem in die Gieſspfanne ausflieſsenden Strahl des Fluſsmetalles
in Berührung brachte. Er machte seine Versuche mit Martinstahl.


Der Phönixhütte bei Ruhrort und ihrem Direktor A. Thielen
gebührt das Verdienst, Darbys Erfindung für den Konverterprozeſs
praktisch ausgebildet zu haben 2). 1889 nahm die Gesellschaft Phönix
ihr erstes Patent (D. R. P. Nr. 47215) auf „Kohlung von Eisen, darin
bestehend, daſs das geschmolzene Metall aus der Gieſspfanne durch die
in einem Kessel enthaltene Schicht von Kohlenstoff in eine zweite
Gieſspfanne filtriert wird“.


Als geeignetes und billigstes Kohlungsmittel erwies sich Koks-
pulver. Statt des Kessels nahm man später einen trichterförmigen
Eisenblechbehälter mit durchlöchertem Boden, in welchen regelbare
Mengen Kohlungsmaterial gleichzeitig mit dem flüssigen Eisen zu-
geführt wurden (D. R. P. Nr. 51353). Hierbei ergab es sich, daſs
man den Trichter oder Kessel ganz entbehren konnte, wenn man
nur das erforderliche Kohlungsmaterial dem flieſsenden Eisen so zu-
führte, daſs es sich mit demselben vermischte; dies konnte ohne ein-
geschaltetes Gefäſs in der Gieſspfanne oder selbst in der Guſsform
geschehen. Hierauf erwarb die Gesellschaft ihr drittes Patent (D. R. P.
Nr. 53784) für eine Abänderung ihres Verfahrens, darin bestehend,
„daſs behufs Erzielung einer gleichartigen Zusammensetzung der ge-
[679]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
kohlten Blöcke das geschmolzene Metall mit dem zerkleinerten, in
gleichbleibenden Mengen zugeführten Kohlenstoff vor dem Eintritt
in die Guſsform oder während desselben vereinigt wird“. Die Zu-
führung des getrockneten Kokspulvers geschah durch ein an der
oberen Bühne pendelnd aufgehängtes Rohr mit Trichter und Ent-
leerungsschieber 1).


Andere Eisenhütten modifizierten das Darbysche Entkohlungs-
verfahren wieder in anderer Weise und erwarben Patentschutz für ihre
Verbesserungen. Von diesen hat das Düdelinger Kohlungsver-
fahren
von Direktor J. Meier von 1894 (D. R. P. Nr. 74819) die meiste
Anwendung gefunden 2). Es besteht zunächst in der Herstellung von
Kohlenziegeln aus reinen Anthrazitkohlen oder Kokspulver, welche mit
Kalkmilch eingebunden werden. Diese Kohlenziegel werden alsdann in
entsprechender Menge auf den Boden der Gieſspfanne gelegt und das
flüssige Metall darauf gegossen. Ein späteres Patent (Nr. 80340)
sieht die Anwendung des Kohlungsmittels in Pulverform und das Ein-
tragen desselben in die Guſs- oder Blockform vor. Dieses Verfahren
wurde auf verschiedenen anderen Werken, wie bei de Wendel zu
Hayingen und Joeuf, zu Ougrée, Creuzot u. s. w., mit Erfolg eingeführt.


In Oberhausen warf man das in Blechbüchsen eingeschlossene
Kohlenpulver direkt in die Birne. Damit sie besser in das Bad ein-
tauchten, beschwerte man die mit 10 kg Kokspulver gefüllten Büchsen
noch mit je 8 kg zerkleinertem Spiegeleisen. Die Kohlung in der Birne
hat sich aber weniger bewährt als die in der Gieſspfanne. In Österreich
brachte man einfach Holzkohlenpulver auf den Boden der Pfanne. In
Amerika warf man Säcke mit 22 kg Kokspulver in das Stahlbad. Es
tritt sofort eine heftige Reaktion, aber kein Überkochen ein.


Erfahrungsmäſsig wurde von dem verwendeten Kohlenstoff nur
etwa die Hälfte von dem Fluſseisen aufgenommen.


Andere, zum Teil ältere Vorschläge, wie der 1885 von W. Mathe-
sius
in Hörde gemachte, Teer, Petroleum oder ähnliche Stoffe vor
beginnender Entphosphorung in den Konverter einzublasen, ferner
die 1888 von Jos. Toussaint vorgeschlagene Reinigung des Fluſs-
eisens durch Fett und die von Alf. Griffith empfohlene durch den
elektrischen Strom haben eine praktische Bedeutung nicht erlangt.
Dagegen will man in den Vereinigten Staaten 1889 durch Einblasen
von Naturgas eine Reinigung des Fluſseisens erzielt haben.


Der groſse Wert des Darbyschen Kohlungsverfahrens ist einer-
[680]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
seits ein ökonomischer, andererseits ein technischer, weil hierdurch
die Kohlung ohne gleichzeitige Zuführung von Mangan geschieht,
was öfters sehr erwünscht ist.


Eine andere an und für sich höchst einfache, aber in ihren
Folgen für den Konverterprozeſs sehr wichtige Erfindung war die
des Mischers. Wo man das Roheisen unmittelbar dem Hochofen
entnahm, war man gezwungen, das Roheisen zu verarbeiten, wie es
gerade fiel. Da aber auch bei sorgfältigster Führung des Hochofen-
betriebes das erzeugte Produkt nicht immer das gleiche ist, so hatte
auch der Konverterbetrieb unter diesen Schwankungen zu leiden.
Standen nun, wie dies auf gröſseren Hüttenwerken meistens der Fall
war, die Abstiche mehrerer Hochöfen zur Verfügung, so konnte man
diese entsprechend mischen, wie dies beim Umschmelzen im Kupol-
ofen durch die Gattierung geschah. Diese Mischung für jede einzelne
Charge in der Roheisenpfanne vorzunehmen, hatte aber sein Miſs-
liches. Viel vollkommener muſste dies geschehen, wenn man die
ganzen Abstiche der Hochöfen in einem groſsen Sammelgefäſse ver-
einigte, mischte und daraus in den Konverter abstach. Dieses Gefäſs
ist der Mischer.


Eines solchen Apparates bediente man sich zuerst, seit 1884,
auf den Consettwerken von Carnegie Brothers \& Co. bei Pittsburg.
Der erste Mischer war von Kapitän W. R. Jones entworfen und
ausgeführt worden.


1889 lieſs sich John Thomas King in Liverpool einen Apparat
zum Mischen verschiedener Roheisensorten in England patentieren.
1889 führte Kapitän W. R. Jones den ersten, Fig. 274 abgebildeten,
Robinson-Mischer von 80 Tonnen Fassungsraum in die Hochofen-
anlage der Edgar Thomson-Werke in Braddock bei Pittsburg ein 1).
Seit dieser Zeit gewannen die Mischer mehr und mehr Verbreitung
und erfuhr nur die Gestalt des Sammelgefäſses eine geringe Ver-
änderung, indem man die Ecken abrundete, wodurch das ganze
Gefäſs mehr die Form eines riesigen Konverters in geneigter
Stellung erhielt. Solche Mischer wurden ausgeführt von J. Thom-
son King
in Liverpool (Engl. Pat. vom 4. Juni 1889), von der
Youngstown Steel Co., von dem Hörder Verein und danach von
Oberhausen und von der Société Cockerill in Seraing. Allen
und Davy lieſsen sich 1894 einen heizbaren Mischer (Engl. Pat.
Nr. 15875/93) patentieren. Der Mischer verlangt, wie aus der Ab-
[681]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
bildung hervorgeht, zwei Schienengeleise in verschiedener Höhenlage;
auf dem einen wird das Roheisen vom Hochofen zugefahren, auf dem
anderen wird das Eisen aus dem Mischer nach dem Konverter ge-
bracht. Die betreffenden Pfannen werden mit Lokomotiven fort-
bewegt. Man entleert den Mischer nie vollständig, sondern sucht
ihn immer möglichst gefüllt zu halten.


Der Mischer bietet zumeist den Vorteil, daſs man die Abstiche
verschiedener Hochöfen mischen kann, um dadurch einen bestimmten
mittleren Siliciumgehalt für den sauren oder einen entsprechenden
Phosphorgehalt für den basischen Prozeſs zu erhalten. Sodann giebt

Figure 275. Fig. 274.


der Mischer Gelegenheit, durch Zusatz gewisser Eisensorten oder
anderer Substanzen eine Reinigung des Mischeisens herbeizuführen.
Dies hat zu dem richtigen Verfahren der Entschwefelung des Roh-
eisens durch Mangan (D. R. P. Nr. 54976) geführt, welches seit 1890
zu Hörde, nachdem der Verein Carnegies Mischerpatent für Deutsch-
land erworben hatte, in groſsem Maſsstabe betrieben wurde und um
welches sich Direktor Massenez das Hauptverdienst erworben hat.


Die Erfahrung, daſs Mangan am meisten zur Abscheidung des
Schwefels aus dem Roheisen geeignet ist, war längst bekannt (s. S. 18) und
wurde beim Hochofenbetrieb in ausgedehntem Maſse angewendet, indem
man durch Zusatz von manganhaltigen Erzen ein schwefelfreies Roheisen
zu erzeugen suchte. Dazu sind aber groſse Mengen manganreicher
Erze, die hoch im Preise stehen, erforderlich. Ökonomisch vorteil-
hafter wird es deshalb in den meisten Fällen sein, die Beschickung
[682]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
des Hochofens nach der Natur der Erze, ohne besondere Rücksicht
auf die Entschwefelung, einzurichten und dann das schwefelhaltige
Roheisen im Mischer durch Zusatz von Mangan oder einem mangan-
reichen Eisen zu entschwefeln. Mischt man in dieser Weise schwefel-
haltiges Roheisen mit manganreichem und läſst das Gemisch 20
Minuten oder länger stehen, so wird der gröſste Teil des Schwefels
als schwefel- und manganreiche Schlacke an der Oberfläche ab-
geschieden, von wo sie leicht abgezogen werden kann. Hochofen-
werke, die für den Bessemer- oder Thomasbetrieb mit Mischer
arbeiten, werden also ihren Betrieb so einrichten, daſs sie in einem
Hochofen manganreiches Eisen erblasen, während sie alle übrigen
auf gewöhnliches Roheisen gehen lassen.


So geschieht es z. B. in Hayingen für den Thomasbetrieb, und
man kann die Wirkung des Mischens auf den Schwefel aus folgender
Zusammenstellung erkennen:


wobei I die durchschnittliche Zusammensetzung des dem Mischer zu-
geführten, II die des demselben entnommenen Materials zeigt 1). Die
Schlacke enthielt 14,11 Prozent Schwefelmangan 2).


Bei schwefelreicherem Roheisen ist die Entschwefelung noch viel
auffallender. Ledebur3) stellt drei Beispiele zusammen, wobei der
Schwefelgehalt bei I von 0,137 auf 0,038, bei II von 0,111 auf 0,040,
bei III von 0,163 auf 0,06 Prozent sank.


Der Mischer bewährte sich nicht nur für die Verwendung von
Roheisen direkt vom Hochofen, sondern auch für den Kupolofen-
betrieb, so z. B. 1894 auf den Werken der North-Eastern Steel
Company in England. In den Vereinigten Staaten gab man den
Mischern sehr groſse Dimensionen, so vergröſserte man z. B. ihre
Fassung auf den Consett-Works 1895 von 200 auf 600 Tonnen.
Meist gab man dem Mischer die Gestalt eines groſsen Konverters,
[683]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
doch machte man ihn auch walzenförmig, wie z. B. der in Fig. 275
abgebildete von Friedenshütte in Schlesien.


Figure 276. Fig. 275.

In neuester Zeit macht man in Amerika die Mischer heizbar
und von muldenförmiger Gestalt, Fig. 276, 277 (a. f. S.).


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde der Schnell-
betrieb immer mehr entwickelt. Man arbeitete auf viele Chargen in

Figure 277. Fig. 276.


kurzer Zeit bei möglichst kaltem Eisen, d. h. bei einem Roheisen
mit geringem Silicium- und Mangangehalt. Die Eigenwärme der
[684]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
Charge bei Beginn des Blasens muſste um so höher sein. Die Birnen
und Pfannen blieben dabei heiſs. Man erzielte 1890 auf diese Weise
7 Chargen zu 10 Tonnen in einer Stunde, oder 61 Chargen zu 5
Tonnen in acht Stunden, woraus sich eine Chargendauer von ca. acht
Minuten ergiebt. Auf den Edgar-Thomson-Werken wurden z. B. im
September 1890 in der Nachtschicht bei 81 Chargen 870 Tonnen
Stahl gemacht. Ebenso wurde der mechanische Betrieb namentlich

Figure 278. Fig. 277.


durch vorzügliche Einrichtungen zur Bewegung der Rohmaterialien
immer mehr ausgebildet. Law, Howe und Ward in Chicago nahmen
1889 ein Patent (Nr. 405422) auf Bessemeranlagen mit ausschlieſs-
lich mechanischem Betriebe. Henry M. Howe von Boston charak-
terisierte bei dem Meeting des Iron and Steel Institutes in
New York am 2. Oktober 1890 den Bessemerbetrieb der Vereinigten
Staaten wie folgt: Groſse Produktion, geringer Siliciumgehalt des
Roheisens (selten über 1,78 Prozent, zuweilen nur 0,6 bis 0,9 Prozent),
infolgedessen niedrige Anfangstemperatur. Die groſse Produktion
wird erzielt durch starkes Blasen, rasche Chargen, kurze Pausen.
Eins bedingt das andere. Kurze Chargen verlangen niedrigen Silicium-
gehalt und rasches Blasen. Dieses erfordert wieder starke Maschinen
und strenge Organisation. Heute übertrifft das Durchschnittsausbringen
bei weitem das beste Einzelausbringen von 1876. Der geringe Silicium-
gehalt ist ökonomisch vorteilhaft, es braucht weniger im Konverter
verbrannt zu werden, infolgedessen ist der Verbrauch an feuerfesten
[685]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
Materialien geringer. Koks ist ein billigeres Heizmaterial als das
Silicium im Eisen, deshalb lieber ein siliciumarmes Roheisen im
Kupolofen recht heiſs eingeschmolzen, als erst durch Überschuſs von
Silicium groſse Hitze in der Birne erzeugt. Dabei ist aber ein Über-
hitzen im Kupolofen bei dem raschen Blasen nicht nötig. Der übliche
Winddruck ist 1,41 bis 1,76 kg bei 12,9 bis 25,8 qcm Fläche der
Düsenquerschnitte auf die Tonne Eisen.


In Schweden verarbeitete man ebenfalls Roheisen mit geringem
Siliciumgehalt, höchstens bis 1 Proz., möglichst heiſs, meist direkt aus
dem Hochofen. 1898 machte J. Wiborgh darauf aufmerksam, daſs
man die fehlende Eigenwärme des siliciumarmen Roheisens durch
Blasen mit heiſsem Wind (400 bis 500° C.) ersetzen könnte 1).
Pszczolka will dies durch gröſseren Druck im Konverter, den er
durch Verengen der Birnenmündung erzielt, erreichen 2).


Die Verbesserung der Gieſspfannenwagen war um so wichtiger, je
gröſser die Einsätze wurden, je gröſsere Massen flüssigen Metalles man
darin zu transportieren hatte, und je gröſser die Güsse wurden. Man
baute nicht nur groſse dampfhydraulische, sondern auch elektrische
Gieſspfannenwagen; so lieferte z. B. 1899 die Maschinenbau-Aktien-
gesellschaft Tiegler zu Meiderich solche für 20000 kg Inhalt 3), zu
deren Bedienung nur ein Mann erforderlich war.


Beim Guſs der Blöcke hat man die Erfindung von Sir Jos.
Witworth
, des Gieſsens unter Druck mit Hülfe eines hydraulischen
Kolbens zur Erzeugung dichter Güsse, durch andere Mittel zu er-
setzen gesucht. H. R. Jones schlug 1879 Wasserdampf als Druck-
mittel vor; Tholander 1882 die Herstellung eines Vakuums in der
Form; J. D. Ellis in Bethlehem versah seine Koquillen mit einem
Aufsatzstück; F. Alfr. Krupp endlich führte feste Kohlensäure in
die geschlossene Guſsform ein.


R. M. Daelen empfahl für den Guſs kleiner dichter Blöcke die
Verwendung der Centrifugalkraft 4).


Ferdinand Kapfl hatte sich 1889 in Österreich-Ungarn eine
mechanische Vorrichtung zur Erzeugung blasenfreier Blöcke paten-
tieren lassen, die darauf beruhte, daſs die Stahlmasse während des
Erstarrens Erschütterungen ausgesetzt wurde, ähnlich wie bei den
Setzsieben für die Erzaufbereitung.


[686]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.

Zum Loslösen der in den Koquillen festsitzenden Blöcke hatte
William B. Jones zu Braddock 1888 eine Maschine erfunden, die
in ihrem Hauptteil aus einem horizontalen, hydraulischen Kolben
bestand. C. Haudry-Bonfosse in Seraing wollte das Festsitzen der
Blöcke durch eine eigens konstruierte Koquille vermeiden (D. R. P.
Nr. 47112).


Eine andere Vorrichtung zum Ausstoſsen der Blöcke durch
Wasserdruck lieſs sich John T. Lewis in Turtle Creek (Pa.) 1893
patentieren (Amer. Pat. Nr. 480432) 1); desgleichen konstruierte
Henry Aiken in Pittsburg einen hydraulischen Blockausstoſser (Amer.
Pat. Nr. 526094/5) 2), einen eben solchen Evans 1899 3). Riley
stellt die Blockformen umgekehrt auf, so daſs das weite Ende nach
oben kommt, und hebt die Blöcke aus, anstatt daſs sonst die Koquillen
abgehoben werden. Die Formen können dann immer an ihrem Platze
stehen bleiben, wodurch weniger Zeit verloren geht. Damit die Zange
die Blöcke besser fassen kann, werden zwei rinnenförmige Vertiefungen
durch Kerneinlagen gebildet.


Verbesserte Blockzangen lieſsen sich J. F. Lundahl in Home-
stead (Pa.) 1894 (Amer. Pat. Nr. 510037) 4), Bayley und Roberts
in Stockton on Tees (D. R. P. Nr. 84933), C. W. Bolzinger in Mun-
hall, Pa., 1896 (Amer. Pat. Nr. 542985) 5) patentieren.


A. G. Dinkey in Munhall erfand einen hydraulischen Blockkran
(Amer. Pat. Nr. 542997) 6). Ein elektrischer Blockkran von Morgan
war schon 1894 patentiert worden (Amer. Pat. Nr. 520798 und
522913) 7).


Sehr wichtig für die Fortschritte des Konverterprozesses waren
die Verbesserungen der hydraulischen Kräne namentlich bezüglich
rascher Bewegung auf- und abwärts und zum Drehen. Eine groſse
Beschleunigung des Betriebes und dadurch Erhöhung der Leistung
wurde durch das direkte Gieſsen der Blöcke auf Wagen, welches in
Amerika um 1897 aufkam, herbeigeführt.


Eine Verbesserung der Qualität des Fluſseisens bezweckte 1890
Leop. Pszczolka in Graz dadurch, daſs er das überblasene
[687]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
Metall vor dem Zusatz der Entkohlungsmittel mit kieselsäurereichen
Substanzen (Schlacke, Glas, Quarz, Feldspat) in einer Pfanne oder
einem anderen passenden Gefäſs mischte und etwa eine Stunde lang
stehen lieſs, wodurch sich die gebildeten Oxyde groſsenteils ver-
schlackten. Der Zusatz von Kohlungsmittel war dann entsprechend
geringer (D. R. P. Nr. 52848).


Alle die angeführten Verbesserungen und Verbesserungsvorschläge
beziehen sich auf den Konverterprozeſs im allgemeinen, dagegen
sind für den basischen Prozeſs, der von Jahr zu Jahr eine gröſsere
Wichtigkeit erlangte, eine Reihe von besonderen Erfindungen zur
Verbesserung desselben seit 1885 zu erwähnen. Sie beziehen sich
zunächst auf die basische Ausfütterung. Greſsler in Düsseldorf
empfahl 1885 die Herstellung basischer Ziegel aus Magnesiasulfat,
statt aus Chlormagnesium. Einen ähnlichen Vorschlag hatte
G. Eschellmann in Mannheim (D. R. P. Nr. 17058) schon 1881
gemacht. W. F. Batho in Westminster wollte dem basischen Futter
durch Draht, Bohrspäne und Blechschnitzel einen gröſseren Halt
geben. In Österreich verwendete man vielfach gebrannten Kalk statt
Dolomit zur Herstellung der basischen Konverterfutter, so z. B. zu
Teplitz und Kladno. E. Bertrand zu Kladno nahm ein Patent auf
Herstellung basischer Ziegel für Birnenfutter, das 1890 von der
Pottstown Iron Company zu Pottstown, Pa., erworben wurde 1). Sehr
gut bewährten sich Futter aus gebranntem Magnesit vom Veitsch-
thal in Steiermark. Dieser besteht in natürlichem Zustande aus
90 bis 96 Prozent kohlensaurer Magnesia, 0,5 bis 2 Prozent kohlen-
saurem Kalk, 3 bis 6 Prozent kohlensaurem Eisenoxydul, 0 bis 1 Pro-
zent Kieselsäure und bis 0,5 Prozent Manganoxyd. Der Magnesit
läſst sich leichter vollständig totbrennen als der Dolomit. Der stei-
rische Magnesit frittet dabei vollständig zusammen 2). Die gefrittete
Masse wird gemahlen und dann zu Ziegel geformt.


Auſser dem Magnesit von Veitsch und dem von Euböa kam in
Oberschlesien solcher von Frankenstein und in Schweden der bei
Christiania gefundene zur Anwendung. Die Magnesitfutter sind den
Dolomitfuttern vorzuziehen 3), aber teurer.


Vygen \& Co. zu Duisburg verarbeiten mit Erfolg den aus
Abfalllaugen von Staſsfurt hergestellten Magnesit. Natürlich muſs
[688]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
dem reinen Magnesit eine geringe Menge eines Sinterungsmittels,
Kieselsäure, Thon oder Chlorcalcium zugesetzt werden. Der gebrannte
Dolomit oder Magnesit wird entweder in Ziegelform verwendet, wobei
man an einigen Orten nur den unteren Teil der Birne, soweit der-
selbe mit flüssigem Metall in Berührung kam, aus basischem Material
herstellte, den oberen Teil, die Haube, dagegen mit gewöhnlichen
feuerfesten Chamotteziegeln ausmauerte, oder die Masse wird, meist
mit Thon gemischt, aufgestampft. Das Aufstampfen des Bodens
erfolgte auf eisernen Platten mit Löchern, in welchen die Düsenkerne
eingesetzt waren. Der Teerzusatz bei Dolomitziegeln betrug etwa
12 Prozent. Das Aufstampfen des Bodens geschah mit rotwarmen
Stöſseln. Dabei kam das mechanische Stampfen mehr und mehr in
Aufnahme. Bruno Versen in Dortmund konstruierte hierfür 1885
(verbessert 1891) einen Lufthammer 1), der 500 bis 600 Schläge in
der Minute machte. Er kam auf der Gutehoffnungshütte zu Ober-
hausen zuerst zur Anwendung.


In Peine hielt 1890 ein Boden 28 Hitzen, ein Futter 162 Hitzen
aus; man machte 28 Hitzen in 12 Stunden.


Dem basischen Konverter gab man gröſseren Fassungsraum. In
den Vereinigten Staaten bildeten 1888 schon 12- bis 15-Tonnen-Birnen
die Regel. Diese bestanden nach Holleys Angabe aus vier Teilen,
die folgende Abmessungen hatten: 1. das cylindrische Mittelstück aus
Blech 2,5 m hoch und 2,2 m Durchmesser im Lichten, 2. der konische
Oberteil, 2,18 m hoch mit 1,25 m Rüsselweite, 3. der einem Kegel-
stutz ähnliche Unterteil von 0,62 m Höhe; 4. der Windkasten von
Stahlguſs, 0,35 m hoch und 1,6 m im Durchmesser, Gesamthöhe dem-
nach 5,6 m, bei 2,2 m lichter Weite. Zur Ausfütterung wurde ge-
brannter Dolomit mit 12 Prozent Teer verwendet, welche Mischung
mit rotwarmen Stöſseln aufgestampft wurde, während der in einem
besonderen Raume getrocknete Boden mit einer hydraulischen
Vorrichtung eingesetzt wurde. Eine solche Birne wog etwa 100
Tonnen.


In Deutschland, Belgien und Frankreich waren zu Anfang der
neunziger Jahre 10-Tonnen-Konverter am häufigsten. Der durch-
schnittliche Gehalt von Phosphor, Silicium und Mangan auf einigen
bekannten Thomaswerken von Westdeutschland und Belgien zeigt
nachfolgende Zusammenstellung. Es enthielt das Thomasroheisen:


[689]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.

Der Kalkzuschlag betrug meist 17 bis 20 Prozent, bei phosphor-
armem Roheisen 12 bis 14 Prozent. Französische Werke setzten, um
die Schlacke flüssiger zu machen, noch 1,5 Prozent Fluſsspat zu.


Das Nachblasen geschah meist nach einer festgesetzten Hubzahl der
Gebläsemaschine. Die Bestimmung der Nachblasezeit ist die wichtigste,
aber auch schwierigste Aufgabe des Leiters des Thomasprozesses.
Der richtige Moment der Entphosphorung giebt sich durch ein sicht-
bares, äuſseres Merkmal nicht zu erkennen, er wird durch Schöpfproben,
zu deren Entnahme das Blasen unterbrochen werden muſs, festgesetzt.
Die sicherste Grundlage für die Kontrolle der Nachblasezeit bildet
die chemische Analyse. Roheisen, Zwischenprodukt und Endprodukt
müssen analytisch geprüft werden. Dies hat man in Deutschland
längst erkannt und gethan und hierin liegt ein Hauptgrund der Über-
legenheit des deutschen Thomasbetriebes und der gleichmäſsigen
Güte des deutschen Thomaseisens, während man in England, wo man
dies früher vernachlässigte, bis in die letzten Jahre über die Un-
zuverlässigkeit und Ungleichheit des Thomaseisens zu klagen hatte.
Die Versuche, die Blasezeit aus dem Eisengehalte der Schlacke zu
bestimmen 1), haben sich auf die Dauer nicht bewährt. Es findet
nach wie vor ein Überblasen statt, dessen üble Folgen durch Rück-
kohlung beseitigt werden müssen.


Zur Rückkohlung wendete man für gröſseren Kohlenstoffgehalt
Spiegeleisen, für kleineren Ferromangan an. Im allgemeinen arbeitete
man bei dem Thomasprozeſs mehr auf kohlenarmes, weiches Material.
Von den im Jahre 1885 erzeugten 945317 Tonnen Thomasfluſseisen
hatten 600183 Tonnen unter 0,18 Prozent Kohlenstoff. Auf den
nordfranzösischen Thomaswerken unterschied man 1888 10 Härte-
grade, nur zu Longwy 9. Als sehr wichtig erwies sich die richtige
Temperatur des Bades, da davon die Qualität des Produktes abhängt.
Die richtige Temperatur ist auch das wichtigste Mittel zur Erzielung
Beck, Geschichte des Eisens. 44
[690]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
blasenfreier Güsse. Hierfür ist auſserdem längeres Stehenlassen des
Metalles von Nutzen.


Das Thomasroheisen entwickelt nicht die gleiche Wärmemenge
wie das Bessemereisen, weil 1 kg Silicium bei der Verbrennung nach
Troost und Hautefeuille 7830, 1 kg Phosphor nach Dulong1)
nur 5760 Wärmeeinheiten entwickelt. Für Mangan ermittelte Thom-
son
die Verbrennungswärme von 1 kg Mangan, das zu Manganoxyd
verbrennt, zu 2115 Kal.


Danach berechnet sich der kalorimetrische Wert von normalen
Bessemer- und Thomaseinheiten von folgender Zusammensetzung:


bei vollkommener Verbrennung aller Nebenbestandteile auf 325,75
: 243,60 Kal.


Der Abbrand beim Thomasieren setzt sich zusammen aus den
abgeschiedenen fremden Bestandteilen, dem oxydierten Eisen und dem
mechanischen Auswurf aus der Birne. Ersterer ist abhängig von der
Zusammensetzung des Roheisens; Eisen verbrennt beim Nachblasen,
seine Menge ist also durch die Nachblasezeit und diese durch den
Phosphorgehalt beeinfluſst; der Auswurf aus der Birne läſst sich durch
Gröſse und Gestalt derselben vermindern.


Die Schlacke wurde in der Regel vor dem Eintragen des Spiegel-
eisens oder des Ferromangans abgelassen. In Hörde goſs man die
phosphorreiche Schlacke, die nach Scheiblers Verfahren verarbeitet
wurde, erst für sich ab, später dann nach dem Aufgeben des letzten
Zuschlagkalkes die phosphorärmere, welche man wieder in dem Hoch-
ofen mit durchschmolz.


Der Verlauf des Thomasprozesses, wie ihn Hilgenstock2) in
Hörde 1886 durch Analysen feststellte, ergiebt sich aus den nach-
[691]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
folgenden Zusammensetzungen des Eisens in den verschiedenen
Stadien:


Im allgemeinen gilt der Grundsatz, daſs Thomasroheisen nicht
unter 1,8 Prozent Phosphor und 1,5 Prozent Mangan und das erblasene
Produkt nicht über 0,1 Prozent Phosphor enthalten soll.


Hierbei erfolgt die Oxydation und Abscheidung des Phosphors
als dreibasisches phosphorsaures Eisenoxydul, welches durch Ätzkalk
in Kalkphosphat übergeführt wird und zwar muſs sich zuletzt das durch
metallisches Eisen nicht mehr zersetzbare vierbasische Kalkphosphat
bilden. Gebildetes Eisenoxydul wird wieder reduciert; bei Gegenwart
von 0,3 bis 0,5 Prozent Phosphor geht keine nennenswerte Menge von
Eisen in die Schlacke. Hilgenstock sagt: es ist eine der groſs-
artigsten Reaktionen der Praxis, daſs in Massen von 10 Tonnen Roh-
eisen der Gehalt an Phosphor und Behandlung von etwa 3 Tonnen
Schlacken auf wenige Zehntel in wenigen Minuten heruntergeht, ohne
in der Schlacke mehr als einige Prozent Eisenoxydul bestehen zu
lassen. Hilgenstock fand deutliche Krystalle von vierbasisch-
phosphorsaurem Kalk in der Thomasschlacke. Er legte denselben
groſse Wichtigkeit bei und erklärte dies vierbasische Kalkphosphat
für den Träger des Thomasprozesses. Finkener nahm dagegen an,
daſs sich erst dreibasischer phosphorsaurer Kalk bilde, der dann durch
Berührung mit einem Überschuſs von Kalk vierbasisch werde. Der
hohe Gehalt der Thomasschlacke an Phosphorsäure von 10 bis 20 Pro-
zent regte bald nach der Einführung des basischen Prozesses die
Frage der Verwendbarkeit derselben für die Landwirtschaft an.


Anfangs glaubte man dies nur durch chemische Behandlung der
Schlacke, Aufschlieſsen und Überführung der Phosphorsäure in wasser-
lösliches Superphosphat erreichen zu können, weil die ersten Ver-
suche, die gepulverte Rohschlacke als Düngemittel zu verwenden, an-
geblich wegen des Gehaltes an Eisen- und Manganoxydul und an
44*
[692]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
Schwefelverbindungen, keine günstigen Resultate ergeben hatten.
Als Aufschlieſsungsmittel für die Thomasschlacke bewährte sich Salz-
säure am besten. Thomas und Gilchrist empfahlen schon 1881
(D. R. P. Nr. 13554) Aufschlieſsen mit Salzsäure, Fällen als phosphor-
sauren Kalk, und Verschmelzen dieses Niederschlages mit Gipspulver
zur Verwendung als Düngestoff. Georg Rocour empfahl 1883 redu-
cierendes Schmelzen der Schlacke mit Eisen in einem Schachtofen
und Behandlung des angereicherten Lechs von Phosphoreisen.


Eine gröſsere praktische Bedeutung erlangte seit 1883 das Verfahren
von Professor C. Scheibler (D. R. P. Nr. 25020 und Nr. 34416), welches
in Hörde ausgeführt wurde. Er verarbeitete nur die phosphorreichste
Schlacke, welche durch ein fraktioniertes Verfahren, d. h. durch Ab-
gieſsen vor dem letzten Kalkzusatz und vor Beendigung der Ent-
phosphorung, erhalten wurde. Diese Schlacke wird dann einer oxy-
dierenden Röstung unterworfen und hierauf der Einwirkung von
Wasserdampf ausgesetzt, wodurch sie unter Bildung von Kalkhydrat
zerfällt. Letzteres wird mit Wasser abgeschlämmt und dann die
Phosphorsäure mit verdünnter Salzsäure gelöst. Aus dieser Lösung
wird die Phosphorsäure mit Kalkmilch ausgefällt. Das Kalkphosphat
kann direkt als Dünger verwendet oder zuvor durch Schwefelsäure in
Superphosphat übergeführt werden. Diese Phosphatfabrikation kam
zu Schalke in Westfalen und zu Stolberg zur Ausführung.


Das Scheiblersche Verfahren ist aber nicht nur wegen der
Gewinnung phosphorreicher Düngemittel aus Thomasschlacke von
besonderem Interesse, sondern es ist auch unter gewissen Umständen
als eine Verbesserung des Thomasprozesses anzusehen. Durch das
Abgieſsen der phosphorsäurereichen Schlacke vor Beendigung des
Nachblasens wird der Kalkzuschlag auf etwa zwei Drittel verringert.
Damit steht in Verbindung eine Verminderung des Abbrandes und die
Möglichkeit gröſserer Einsätze. Hierdurch und durch Verringerung
der Blasezeit wird auch der Zeitverlust, der durch die Unterbrechung
des Betriebes beim Abgieſsen der ersten Schlacke entsteht, wenigstens
zum Teil wieder eingebracht 1).


Dr. Frank, Charlottenburg, bewirkte die Aufschlieſsung der
Thomasschlacke durch Chlormagnesium, um phosphorsaure Ammoniak-
Magnesia als Schluſsprodukt zu erhalten (D. R. P. Nr. 27106).


Blum zu Esch wollte die Phosphorsäure in wasserlösliches, ba-
sisches Natronsalz verwandeln, durch Zusatz von calcinierter Soda
[693]Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.
anstatt Kalk beim Thomasprozeſs. Schüchtermann (1884) be-
handelt die gepulverte, mit Chlorcalcium gemischte Schlacke mit
glühendem Wasserdampf, wodurch Kalkphosphat gebildet wird.


Inzwischen waren die Versuche der direkten Verwendung der
Thomasschlacke als Düngemittel fortgesetzt worden und hatte man
durch sehr feines Mahlen derselben günstige Resultate erzielt.
Besonders war dies 1885 Hoyersmann zu Hoheneggelsen bei Peine
gelungen. In der Folge beuteten besonders H. und E. Albert in
Biebrich dieses Verfahren aus.


Pieper und Wagner wiesen durch Versuche nach, daſs Thomas-
schlackenmehl das Superphosphat schon im ersten Jahre, sicher aber
in seiner Nachwirkung ersetzen könne, besonders bei kalkarmem
Sand- und Lehmboden.


Seitdem kam die Verwendung der gemahlenen Thomasschlacke
als Düngemittel bei der Landwirtschaft in immer allgemeinere Auf-
nahme. Die Mahlmühlen wurden verbessert, besonders 1886 durch
die Hartguſswalzen mit nachgiebigen Walzenstühlen von Nagel und
Kamp in Hamburg und 1889 durch die Kugelmühlen von Gebr.
Sachsenberg zu Roſslau an der Elbe, von Gruson in Buckau, von
Löhnert in Bromberg und von Jenisch.


Ein Preis von 10000 Mark, den Gebr. Stumm zu Neunkirchen
1889 für das beste Verfahren des staubfreien Mahlens der Thomas-
schlacke ausgesetzt hatten, wurde zwischen G. F. Zimmer in London
und Gebr. Sachsenberg geteilt. Ferner wurden verbesserte Staub-
filter erfunden z. B. von Fr. Pelzer in Dortmund, R. Schäffer in
Kassel, Fr. Hausloh in Hamburg und anderen. Dr. Fleischer
gab ein Normalsieb an zur Bestimmung des Gehaltes an Feinmehl.


Den Thomaswerken erwuchs durch die wachsende Nachfrage und
die steigenden Preise für ihre Schlacken ein beträchtlicher Neben-
gewinn. Nach Prof. Märcker in Halle 1) produciert Deutschland (1895)
12 bis 15 Millionen Zentner Thomasphosphatmehl jährlich 2). Die
durchschnittliche Zusammensetzung giebt er zu 17,5 Phosphorsäure,
48,5 Kalk, 5,0 Magnesia, 8,0 Kieselsäure und 15,2 Eisenoxyd an. Um
die Anwendung und Wertbestimmung der Thomasschlacke als Dünge-
mittel hat sich Professor Wagner in Darmstadt groſse Verdienste
erworben. Auf seinen Vorschlag hin wurde seit dem 1. Juli 1895
die Citratlöslichkeit als Wertmesser des Thomasphosphatmehles neben
dem gesamten Phosphatsäuregehalt in Deutschland eingeführt.


[694]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Welchen groſsartigen Umfang die Thomasstahlerzeugung von
1879 bis 1892 angenommen hat, ist aus der S. 309 mitgeteilten Zu-
sammenstellung von Percy G. Gilchrist1) ersichtlich.


Aus dieser Übersicht erhellt auch, welchen hervorragenden
Anteil Deutschland an der Entwickelung des Thomasprozesses ge-
nommen hat, dessen Produktion 1892 fast 63 Prozent der Gesamt-
erzeugung der Welt betrug.


1896 war die Erzeugung von Thomasfluſseisen in Deutschland
bereits auf 3004615 Tonnen gestiegen.


Betrachtet man die neuesten Fortschritte des Bessemerns, ob
sauer oder basisch, so bewegten sie sich vornehmlich in der Vervoll-
kommnung der Betriebseinrichtungen zur Erzielung gröſserer Lei-
stungen. Dies wirkte wieder zurück auf die Apparate und benutzt
man gegenwärtig bereits Birnen von 50 Tonnen Fassungsraum.


Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.


Auf die Entwickelung der Fluſsstahlbereitung in Flammöfen oder
des Martinverfahrens (Siemens-Martin- oder Open-Hearth-Prozeſs)
hat die Erfindung von Thomas und Gilchrist ebenfalls einen
groſsen Einfluſs ausgeübt.


In den siebziger Jahren kannte man nur das Schmelzen auf
saurem Herde, das Martinieren. Hierfür konnte, wie bei dem Besse-
mern, nur phosphor- und schwefelfreies Eisen verwendet werden,
weil bei dem Prozeſs Schwefel wenig, Phosphor gar nicht abgeschieden
wurde. Dies beschränkte und verteuerte diese Fabrikation. Infolge-
dessen entwickelte sie sich in diesem Jahrzehnt weit langsamer als
in dem folgenden nach Einführung des basischen Verfahrens. Leider
ist die Statistik hierüber lückenhaft. Nur für England, die Ver-
einigten Staaten, Österreich-Ungarn und Schweden liegen Angaben
über die jährliche Erzeugung von Flammofenfluſseisen oder Martin-
stahl vor. Die anderen Länder, namentlich auch Deutschland, ent-
behren einer Statistik der verschiedenen Fluſseisen- und Stahlsorten
in früherer Zeit gänzlich.


Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Zunahme der Martin-
stahlerzeugung in den erstgenannten Ländern von 1870 bis 1879 in
Kilotonnen.


[695]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Wir ersehen aus vorstehenden Ziffern, daſs sich das Verfahren
von Jahr zu Jahr ausbreitete. Der saure Herdboden bedingte es,
daſs man mehr auf ein hartes, stahlartiges Produkt hinarbeitete. Die
Erzeugung eines weichen Materiales gelang nicht. Das Martinieren
stellt sich in dieser Periode nur als einfacher Mischprozess (nach
Kuppelwieser) oder als Reaktionsprozeſs (nach Gruner) dar, indem
man die Qualität nur durch Mischung des Roheisens und der Stahl-
und Eisenabfälle nach ihrem Kohlenstoffgehalte erstrebte. Eine Re-
aktion trat hierbei nur insofern ein, als der Kohlenstoff des Roh-
eisens cementierend auf das Schmiedeeisen wirkte. Dieses war das
sogenannte Schrottverfahren; daneben bestand das „Erz-Reduktions-
verfahren“ oder der Erzstahlprozeſs von Siemens1), bei welchem
nur Roheisen und mehr oder weniger reducierte Erze zur Anwendung
kamen; man nannte es gewöhnlich den Landoreprozeſs nach dem
Orte, wo es zuerst mit Erfolg in groſsem Maſsstabe ausgeführt wurde.
Daſs dies das besondere Verdienst von William C. Siemens war,
wurde früher schon hervorgehoben.


Verbesserungen suchte man, auſser in den Feuerungsanlagen selbst,
hauptsächlich in der Konstruktion der Flammöfen und der Regene-
ratoren. Bei der älteren Form von Martin waren die stehenden Regene-
ratoren paarweise der Länge nach in der Hüttensohle unter dem Flamm-
ofen angebracht (siehe Fig. 278, 279 a. f. S.). Die Regeneratoren lagen
also ganz unter dem Schmelzofen und waren deshalb schwer zugänglich.
Später legte man vier Regeneratoren quer zum Ofen nebeneinander
und zwar so, daſs die beiden gröſseren Luftregeneratoren in der Mitte,
[696]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
die kleineren Gasregeneratoren seitlich lagen, wie es Fig. 280 1) zeigt.
Ein noch entschiedenerer Fortschritt bestand darin, daſs man (um
1874) die Regeneratoren nicht unter, sondern neben die Schmelzöfen,

Figure 279. Fig. 278.


doch noch unter die
Hüttensohle, legte, wo-
durch die Gefahr der
Zerstörung durch durch-
brechendes flüssiges Eisen
vermieden wurde.


Eine andere Verbesse-
rung bestand darin, daſs
man Gas und Luft nicht
mehr wie früher durch
breite Züge an den beiden
Schmalseiten des Ofens
einströmen lieſs, sondern
durch abwechselnde
schlitzförmige Kanäle G
und L (Fig. 280), wodurch eine bessere Mischung und Verbrennung
bewirkt wurde. Dagegen behielt man die von Martin angegebene
Konstruktion des Ofengewölbes, wonach dasselbe in der Mitte ein-

Figure 280. Fig. 279.


gesattelt, der Zug der Gase also auf den Herd niedergezogen war,
bei, weil man der irrigen Meinung war, hierdurch den Schmelz-
herd mehr zu erwärmen. Auch im übrigen hielt man an dem von
[697]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
den Gebr. Martin angewendeten Flammofen fest, nur zu St. Cham-
mond in Frankreich wendete man seit 1874 den von Charles Pernot
erfundenen drehbaren Tellerofen (Engl. Pat. von J. H. Johnson
vom 16. April 1874, Nr. 1317) an. Die Gröſse der Schmelzöfen hielt
sich bis 1875 noch in ziemlich engen Grenzen. Allerdings war bereits
ein Ofen für 12 Tonnen
Einsatz erbaut worden,
die meisten Anlagen
hatten aber Öfen für
1½ bis 6½ Tonnen;
so waren die Öfen zu
Sireuil für 1½ bis 2½,
die zu Firminy für 3
bis 3½, zu Terre-Noire
für 5, zu Creuzot für
3,35, 6,30 bis 6,35, die
der österreichischen
Hütten für 3, die der
rheinisch-westfälischen
für 3 bis 4 Tonnen
Einsatz erbaut.


Die Herdsohle
wurde aus wenig thon-
haltigem Quarzsand
aufgestampft, der z. B.

Figure 281. Fig. 280.


in Österreich aus einem Gemenge von 4 bis 9 Tl. Quarzsand mit
1 Tl. feuerfestem Thon hergestellt wurde 1).


Die Gewölbe wurden aus Dinasziegeln gemauert, dennoch hielten
sie in der Regel nur 1½ Monate. Um die Unterbrechung bei der
Reparatur oder Erneuerung des Gewölbes abzukürzen und den Ofen
nicht ganz kalt werden zu lassen, füllte man vielfach nach Abbruch
des Gewölbes den Ofen bis zu den Widerlagern mit Ziegelbrocken
und mauerte dann rasch das Gewölbe darüber 2).


Der Prozeſs selbst wurde um 1874 in der Regel so geführt, daſs
man das vorgewärmte, glühende Roheisen in Brockenform mit einer
an einem Kran hängenden Schaufel einwarf und bei geschlossenen
Thüren einschmolz. Nach dem Einschmelzen wurde der Herdboden
mit einer Kratze untersucht und gereinigt und dabei das Eisenbad
[698]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
umgerührt. Die Schlacke muſste das Metall bedecken, sonst muſsten
schlackenbildende Abfälle, z. B. Guſsstahltiegelscherben, aufgegeben
werden. Jetzt steigerte man die Hitze auf den höchsten Punkt und
trug dann die vorgewärmten Stahlabfälle ein; waren diese in der
Masse gelöst, so warf man die ebenfalls vorgewärmten Schmiedeeisen-
abfälle ein. Die Einsätze der Abfälle geschahen meist in Posten von
50 kg Gewicht und wurden nach jedem Zusatz mit Holzstangen, wo-
für man meist Birkenstämmchen verwendete, umgerührt. Alle 20
bis 30 Minuten erfolgte dann ein neuer Zusatz. Man trieb die Ent-
kohlung weiter als dem Schluſsprodukt entsprach und bewirkte dann
durch Zusatz von Spiegeleisen oder von Ferromangan, je nachdem
man härteres oder weicheres Material erstrebte, eine entsprechende
Rückkohlung. Die gebildete Schlacke muſste hellfarbig, grau oder
gelblich sein. Schwarze Schlacke, die auf zu niedrige Temperatur
deutete, muſste sofort abgezogen und die Hitze gesteigert werden.
Die Schlacke wurde meist nach dem Umrühren abgezogen und dann
Probe genommen. Die Proben bestanden in Bruch- und Schmiede-
proben. Das fertige Fluſsmetall wurde in eine, in der vor dem Ofen
befindlichen Gieſsgrube stehende Gieſspfanne abgestochen. Die Pfanne
wurde mittels Krans gehoben, den Blockformen oder den Guſsformen
zugeführt und in diese entleert. Die Operation dauerte an sieben
Stunden, so daſs einschlieſslich der Reparaturen drei Chargen in
24 Stunden gemacht wurden.


Das angewandte Roheisen sollte möglichst frei von Schwefel
und Phosphor sein und den Kohlenstoff in gebundenem Zustande ent-
halten. Ein Siliciumgehalt war erwünscht zum Schutze des Kohlen-
stoffs. Man verwendete weiſses, halbiertes und gefeintes Roheisen.
Wendete man graues Roheisen an, so muſste dies reich an Silicium
sein und durch das Umschmelzen erst in gefeintes Eisen übergeführt
werden. Auch die Zusätze sollten frei von Schwefel und Phosphor
sein. Wedding sagte deshalb 1875 1): „Der ganze Fluſsstahlprozeſs
ist von der Beschaffenheit der Stahl- und Schmiedeeisenzusätze ab-
hängig. Er wird da gewöhnlich unrentabel, wo man dies Material
erst absichtlich durch irgend einen der Frischprozesse herstellen
muſs, ist dagegen überall da mit groſsem Vorteil zu verwenden, wo
diese Materialien als ein Abgang, der sich schwer anderweitig ver-
werten läſst, in hinreichender Menge erzeugt werden.“ Doch führt
er selbst das Borsigwerk als ein Beispiel dafür an, daſs man auch
[699]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
zuweilen erst gepuddelte Rohschienen für den Martinprozeſs eigens
und mit Vorteil darstelle.


Was das Gewicht des Roheisens und der Abfälle betraf, so hielt
man sich im allgemeinen an die Angaben Martins, doch schwankte
der Roheiseneinsatz von 150 bis 1200 kg. Die Einsätze der Abfälle
waren im Verhältnis zu dem Roheisen damals noch nicht so hoch
wie später. Aus den angeführten Beispielen stellen wir nachfolgende
zusammen.


Im Verhältnis zum Bessemerkonverter erzeugten 16 Flammöfen
im Jahr etwa die gleiche Menge Fluſsstahl wie ein Konverter mittlerer
Gröſse.


Das Produkt war meist (stahlartig. Nach einer Analyse von
Lill1) hatte ein Martinstahl von Neuberg 1873 folgende Zusammen-
setzung: Kohlenstoff 0,687, Silicium 0,046, Phosphor 0,036, Schwefel
0,008, Kupfer 0,404, Mangan 0,119, Eisen 98,700. Für Kesselbleche
erzeugte man auf dem Stahlwerke Trenton in New Jersey Offenen-
Herd-Stahl von nur 0,120 Kohlenstoffgehalt.


Bis 1875 wurde fast aller Martinstahl für die Schienenfabrikation
verwendet, durch die Verwendung des Ferromangans zur Rückkohlung
lernte man verschiedene Sorten herstellen und die Produktion zu
steigern.


Über die chemischen Veränderungen des Eisens bei dem Schmelzen
auf saurem Herde hat Kollmann 1879 Untersuchungen zu Gute-
hoffnungshütte angestellt und veröffentlicht 2). Desgleichen in dem-
[700]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
selben Jahre Finkener über die Zusammensetzung der Schlacken
einer Charge auf den rheinischen Stahlwerken in verschiedenen Zeit-
räumen 1).


Der Flammofenfluſsstahl war, weil man ihn im Herd vor dem
Abstich längere Zeit stehen lassen konnte, blasenfreier als der
Konverterstahl, deshalb für Stahlguſswaren geeigneter. Dennoch dauerte
es ziemlich lange, bis man den Martinstahl zur direkten Herstellung
von Guſswaren verwendete. In Schweden begann man damit zu
Bofors 1878, doch erlangte die Fabrikation erst im Jahre 1880 eine
Bedeutung.


Versuche, den Martinprozeſs durch Ein- oder Aufblasen von
künstlichem Wind, die von Würtemberger in Ruhrort, Hamilton
in England, Krupp in Essen (1877) und von Lencauchez in Frank-
reich (1879 im Forno-Convertiseur) gemacht worden waren, zu be-
schleunigen, hatten keinen Erfolg 2). Dasselbe gilt von den Vorschlägen
von Osann, Hamilton (1877) und Krupp (1878), durch Einblasen
von Generator- oder Leuchtgas das Verfahren und das Produkt zu
verbessern.


Auch der Roheisen-Erzprozeſs (Landoreprozeſs) von W. Siemens
lieſs sich mit Vorteil nur unter Zusatz von Schrott durchführen; so
bestand 1876 die normale Zusammensetzung einer Charge aus 6 Tonnen
Roheisen, 1250 kg Stahlabfällen und 1000 bis 1200 kg Moktaerzen
(Roteisenstein von Algier).


Als 1879 die Erfindung der Entphosphorung des Roheisens durch
das basische Futter des Konverters bekannt wurde, lag der Gedanke,
dasselbe auch im Flammofen zu versuchen, sehr nahe, und wurden
die ersten Versuche damit bereits 1879 gemacht. Es geschah dies
zuerst in Frankreich zu Creuzot und Terre-Noire, wo man den Herd-
boden aus Dolomit und Teer als Bindemittel herstellte. Da sich
das Gewölbe aus diesem Material nicht herstellen lieſs, so machte
man dieses wie seither aus Dinassteinen, welche aber bei der hohen
Temperatur in Berührung mit dem basischen Material sofort mit
diesem zusammenschmolzen. Man versuchte nun einen neutralen
Körper zwischen dem basischen und dem sauren Ofenmaterial ein-
zuschalten. Versuche mit Bauxit und Graphit hatten keinen dauernden
Erfolg. Dagegen gelang es Pourcel 1879 zu Terre-Noire, im Chrom-
eisenstein ein sehr geeignetes Isolierungsmittel zu entdecken. Man
[701]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
wendete zu Terre-Noire das Chromeisenerz aber nicht nur als Zwischen-
schicht zwischen dem basischen Herd und dem sauren Gewölbe an,
sondern stellte den ganzen Herd aus diesem Material her, weil man
sich von diesem neutralen Herdboden, der sich als haltbar erwies, den
allerbesten Erfolg versprach. Auch wurde dieses Verfahren alsbald
in den Stahlhütten zu Bassèges und Tamaris angewendet. In groſsem
Maſsstabe führten es dann Valton und de Boissieu auf den
Alexandrowski-Stahlwerken bei St. Petersburg ein. Die Chromeisen-
erze von Griechenland, Kleinasien und Schweden bewährten sich am
besten. Man konnte auf dem Chromeisenerzherde alle Varietäten von
Fluſseisen machen, so z. B. zu Tamaris ein weiches Material. Auch
war das erzeugte Metall gleichmäſsig und fest. Dieses Verfahren
kam dann in Frankreich auch zu Commercy, Blagny und Morvillars
zur Anwendung. Es erwies sich als vorteilhaft, dem Chromerz etwas
gebrannten Kalk und Teer beizumischen. Indessen war das Verfahren
kostspielig durch den Verbrauch von Chromeisenerz.


Zu Creuzot setzte man 1880 die Versuche mit dem basischen
Herdmaterial fort und gelangte mit Magnesiaböden zu guten Er-
gebnissen. In England hatte Gillot auf dem Farnley-Stahlwerk bei
Leeds 1882 zuerst Erfolg mit nach dem Thomasverfahren hergestellten
basischen Herdböden 1), dagegen fielen Versuche mit basischem Futter
auf den Blochairn-Werken in Schottland ungünstig aus.


In Hörde und auf den rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort leitete
man 1880 in das auf basischem Herd geschmolzene Roheisen Gebläse-
wind ein, um die Gare zu beschleunigen (D. R. P. Nr. 11389 und
11390).


Die Entphosphorung ging bei dem basischen Verfahren leicht von
statten. Man war dadurch imstande, phosphorhaltige, geringwertigere
Eisensorten zu verarbeiten, wodurch das Verfahren verbilligt wurde.
Auſserdem erzielte man bei dem basischen Verfahren mit Leichtigkeit
ein kohlenarmes, weiches Fluſseisen, welches geeignet war, das Frisch-
und Puddeleisen zu ersetzen. Infolgedessen breitete sich der basische
Martinprozeſs rasch aus und nahm die Erzeugung und Verwendung
des Flammofenfluſsstahls seit 1880 fortwährend und rasch zu, wie aus
nachfolgender Zusammenstellung für Groſs-Britannien, Deutschland,
Österreich-Ungarn, Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika
sich ergiebt.


[702]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Erzeugung von Flammofenfluſsstahl in Kilotonnen.


Im Jahre 1890 betrug die Produktion von Frankreich 251,6 kt und
von Ruſsland 168,6 kt.


Es dauerte nicht lange, bis man es lernte, die Herdmasse ebenso
wie das Futter der Thomasbirnen aus scharf gebranntem Dolomit
oder Magnesit herzustellen. Dolomit wurde mit Teer angemacht und
0,30 bis 0,45 m dick mit heiſsen Eisenstampfern aufgestampft. Den
Herd hielt man flach bis 0,50 m tief. Da bei dem basischen Betriebe
Kalk und öfter auch Eisenerz zugesetzt wurde, so war die Schlacken-
menge gröſser; infolgedessen muſste man den Herd entsprechend
gröſser machen. Während man bei saurem Betriebe den Fassungs-
raum höchstens um ein Drittel gröſser machte, als dem Volumen des
geschmolzenen Metalles entsprach, bemaſs man denselben für basischen
Betrieb auf zwei Drittel. Der basische Betrieb führte bald zu gröſseren
Öfen von 8 bis 15 Tonnen Einsatz.


Die Wärmespeicher neben die Öfen über die Hüttensohle zu
legen, empfahl Const. Steffen 1880, sodann Frank, Wesley,
besonders aber James Riley und Dick in Glasgow, welche cylindrische
Wärmespeicher einführten und sich entsprechende Konstruktionen
patentieren lieſsen und ausführten 2).


Zum Umstellen der Regeneratoren wendete man eine Glocken-
steuerung an, welche schon vorher bei den Glasschmelzöfen in Frank-
reich in Aufnahme gekommen war. Die Siemens-Martinöfen waren
[703]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
in der Regel Zugöfen, nur hier und da, z. B. in Schweden, wurden
sie als Gebläseöfen behandelt.


Der Betrieb bei basischem Herde gestaltete sich etwas abweichend.
Zunächst brachte man Zuschlagskalk roh oder gebrannt auf den Herd.
Die Menge betrug 6 bis 12 Prozent vom Eiseneinsatz. Dann setzte
man das Roheisen und meist auch gleichzeitig schon das Schmiede-
eisen ein. Nach beendigtem Einschmelzen warf man meist reine
oxydische Eisenerze — Magnetit oder Hämatit — ein, um die Ent-
kohlung zu beschleunigen. Sobald das Aufkochen beendet und die
Masse gut durchgerührt war, wurde mit einem Schöpflöffel Probe
genommen. An manchen Orten arbeitete man mit gröſseren Erz-
mengen, bis zu 20 Prozent, von denen man einen Teil schon mit dem
Roheisen einsetzte. Stieg der Erzverbrauch über 20 Prozent, so
näherte sich der Prozeſs schon dem Siemensschen Erzstahlprozeſs.
Wo man mehr Erz verarbeitete, schmolz man weniger Schmiedeeisen
ein. Meist erhöhte man aber den Schmiedeeisensatz im Verhältnis
zum Roheisensatz erheblich. So chargierte man 1889 zu Witten für
Kanonenmetall 2000 kg Roheisen, 11000 kg eigenen und schwedi-
schen Schrott und 300 kg Erz. Zu Dillingen bestand der Satz aus
20 Prozent Roheisen und 80 Prozent Schrott, wozu man nach dem
Einschmelzen etwas Somorostroerz aufgab. Der hieraus erzeugte Stahl
für Compound-Panzerplatten enthielt 0,58 bis 0,78 Prozent Kohlen-
stoff, über 1 Prozent Mangan und unter 0,1 Prozent Phosphor. Zu
Seraing setzte man für Schienen auf 1000 kg Roheisen 14000 kg
Schrott; in Dortmund für weichen Stahl 20 Prozent Roheisen, für
Schienen 9 bis 10 Prozent.


Zur Herstellung von Guſswaren setzte man vor dem Gieſsen
meist etwas Ferromangan zu. Die Arbeit im basischen Herde bildete
sich allmählich zu einem förmlichen Frischprozeſs aus, besonders an
Orten, wo es an Schmiedeeisenabfällen fehlte, indem die Entkohlung
des Roheisens nicht sowohl durch Zusatz oxydischer Erze, sondern
auch durch den zugeführten Luftstrom bewirkt wurde.


Infolgedessen wurde das Verfahren immer mannigfaltiger, indem
man es den örtlichen Verhältnissen anpaſste und daſs dies so gut
möglich war, verschaffte dem Flammofenbetriebe immer gröſsere Ver-
breitung.


Dagegen nahm das Landoreverfahren, welches von der Landore
Steel Company und von Vickers Sons \& Co. in Sheffield betrieben
wurde, trotz der gröſsten Anstrengungen von W. Siemens keinen
rechten Fortgang. Der Zusatz reiner oxydischer Erze zu dem ein-
[704]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
geschmolzenen Hämatitroheisen betrug 30 Prozent; das Endprodukt
enthielt 1 Prozent Kohlenstoff. Es war nicht gelungen, den Betrieb ohne
Schrottzusatz zu führen. 1880 bestand die Mischung zu Landore aus
70 Prozent Roheisen, 22 Prozent Stahlabfällen und 8 Prozent Spiegel-
erzen. Näher dem reinen Roheisenerzprozeſs kam um diese Zeit
Dowlais, wo die Charge aus 6,5 Tonnen Roheisen mit 5 Prozent Stahl-
abfällen und 1800 kg Erz bestand. Der billigeren Beschickung stand
ein höherer Kohlenverbrauch gegenüber. Derselbe betrug zu Landore
820 kg auf 1000 kg Fluſseisen beim Erzprozeſs, gegen 500 kg beim
Schrottprozeſs.


Wir wollen nun die Fortschritte des Martinprozesses seit 1885 in
chronologischer Folge kurz vorführen.


Nachdem besonders F. W. Dick1) die Vorzüge vertikaler Regene-
ratoren neben den Flammöfen über der Hüttensohle klar auseinander-
gesetzt hatte, fand dieses System bald Anhänger. So empfahl es z. B.
Const. Steffen2) in Luxemburg in seinem Entwurf einer Martin-
anlage 1885, in dem die neuesten Verbesserungen berücksichtigt
waren. Er riet zu ovalen Herden mit freiliegenden Wärmespeichern,
Glockensteuerung und Gaserzeuger von Gröbe-Lürmann mit Ver-
gasung durch gepreſsten Wind, nicht zu sehr niedergezogenes Gewölbe
und Auskleidung des Herdes mit Chromeisenerz nach Valton und
Remaury anstatt mit Dinas. Batho legte die Regeneratoren neben
den Schmelzofen und führte die Trennung der Eintrittskanäle von
dem Herdraum durch runde, mit Eisenblech umkleidete Schmelzöfen,
und ebenso gemantelte, daneben stehende Regeneratoren hatten Batho
und Dick \& Riley in England eingeführt, und diese sogenannten
Bathoöfen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hochöfen mit Blech-
mänteln und den daneben stehenden Cowperapparaten hatten, fanden
Beifall. Öfen mit hohen Gewölben hatte C. A. Rettig 1884 für Holz-
feuerung zu Kilafors in Schweden gebaut.


Otto Wuth in Pittsburg schmolz phosphorfreies Schmiedeeisen
in Stücken mit Graphit geschichtet im sauren Martinofen ein und
setzte vor dem Abstechen kleine Mengen von Spiegeleisen und Ferro-
mangan zu.


Zu Bofors in Schweden stellte man an Stelle der gehämmerten
Guſsstahlkanonen nicht gehämmerte Kanonen aus Martinstahl nach
dem Verfahren von Terre-noire her, die sich bewährten. Man nahm
[705]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
dazu nur ausgesuchte Materialien, Holzkohlenroheisen und weiches,
im Lankashire-Herd sorgfältig gefrischtes Schmiedeeisen. Die Siemens-
generatoren wurden mit Holz gefeuert. Zur Erzielung von blasen-
freiem Guſs wurde Eisenmangansilicid zugesetzt. Die Beschickung
bestand aus 26 Prozent bestem Roheisen, 63 Prozent Schmiedeeisen-
schrott, 6 Prozent Spiegeleisen von 12 Prozent Mangangehalt und
5 Prozent Eisenmangansilicid 1).


In England war zu Anfang des Jahres 1885 die Brymbo Basic
Steel Company zu Wresham in Wales die einzige Gesellschaft, die
nach dem basischen Verfahren im Flammofen entphosphorte. Der
Dolomit für die Herde wurde mit groſsen Kosten von Middlesborough
bezogen, die Seitenwände wurden aus Chromeisenerz von Smyrna
hergestellt. Das verarbeitete Roheisen enthielt 3,32 Prozent Phosphor.
Man setzte 20 Prozent Kalk und 15 Prozent Erz zu und trug zum
Schluſs noch etwas 80prozentiges Ferromangan ein. Das Produkt
enthielt nur noch 0,04 Prozent Phosphor. — Zu Alexandrowsky machte
man die basischen Herdböden ebenfalls aus gebranntem Dolomit,
während sie zu Dombrowa aus gebranntem steirischem Magnesit her-
gestellt wurden.


Magnesit wurde in Frankreich bereits mehrfach angewendet.
Ch. Walrand empfahl solchen von Euböa, Schlesien (Frankenstein)
und Steiermark (Bruck, Mittendorf). In Deutschland fand der
Magnesit noch wenig Anwendung.


1886 nahm der basische Betrieb bedeutend zu, indem man
erkannte, wie leicht die Metalloide des Roheisens sich auf dem
basischen Herde abscheiden lieſsen und welch gutes, leicht schweiſs-
bares weiches Material dabei erzeugt werden konnte.


Ch. Walrand zu Paris veröffentlichte eine Studie, in der er
für die Entphosphorung im Flammofen die Magnesiaböden besonders
empfahl. Er zog aus Ziegel gemauerte Böden den gestampften vor,
weil sie widerstandsfähiger seien. Pernots Ofen habe sich für den
basischen Prozeſs nicht überall bewährt, er gäbe Martinöfen, bei denen
die Regeneratoren unter den Öfen senkrecht zur Achse angebracht
sind, den Vorzug. Der 30 bis 35 cm dicke Herdboden müsse unab-
hängig vom Mauerwerk des Ofens sein. Er chargierte 450 kg Roh-
eisen, 4450 kg Schrott, 50 kg Ferromangan, 800 kg Kalk und
100 kg Erz.


Das neutrale Verfahren von Valton und Rémaury mit Chrom-
Beck, Geschichte des Eisens. 45
[706]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
eisensteinfutter fand in Frankreich mehrfach Anwendung. Boden
und Wände des Herdes wurden aus Chromeisensteinstücken von
mindestens 38 Prozent Chrom- und 6 Prozent Siliciumgehalt mit
einem aus Kalk und Chromerz bereiteten Mörtel hergestellt. Die
Öfen hatten für 6 bis 8 Tonnen Fassungsraum; in 24 Stunden wurden
drei Chargen gemacht. Man besetzte erst mit 300 bis 500 kg Kalk-
stein und je nach dem Schwefelgehalt des Eisens mit 100 bis 200 kg
Manganerz, hierauf mit 1500 bis 1700 kg Roheisen, 500 bis 600 kg
Guſsschrott, dazu aber ein Drittel Stahlabfälle; nach dem Einschmelzen
wurden 300 bis 500 kg Schrott nachgesetzt. Bei hinreichender Tem-
peratur wurde dann Schlacke abgelassen und, ehe man Ferromangan
zusetzte, Probe genommen. Zeigte sich noch ein zu hoher Gehalt an
Phosphor, so wurden Kugeln aus Kalk und Hammerschlag eingeworfen.
Es ging bei diesem Betriebe nur wenig Chrom aus dem Futter in das
Bad über und man konnte beliebig harten oder weichen Stahl machen.
Die Kosten stellten sich auf 26,32 Francs die Tonne, gegen 23,05 Francs
beim Thomasieren im Konverter. Eine Anlage von 18 bis 20 Tonnen
Erzeugung in 24 Stunden kostete 92000 Francs. Das Verfahren war
1886 eingeführt in Commercy (Dep. Meurthe), Blagny (Ardennen),
Morvillars (Dep. Belfort) und Tamari (Dep. Gard), wo der Fluſsstahl
zu Feinblech, Bandeisen, Ketten, Nageleisen, Draht u. s. w. verwendet
wurde; ferner war es schon früher in Ausübung zu Terre noire,
Bassège und zu Alexandrowsky bei St. Petersburg. G. von Odelst-
jerna
führte den Erzprozeſs in Schweden ein und zwar mit aus-
giebigerer Verwendung reiner Magnetite auf den Stahlwerken zu
Hammarby, Ankarsum, Hellefors und Söderfors, ferner auf Versuchs-
öfen zu Domnarfreet-Dale. Man gab 24 bis 30 Prozent des Roheisen-
gewichts reine Magnetite und Hämatite auf. Die Charge dauerte 10
bis 12 Stunden, also länger als bei Schrottbetrieb. Auch war der
Aufwand an Kohlen und Arbeitslöhnen um 25 Prozent höher. Dabei
ging ein beträchtlicher Teil des Eisens aus dem Erz in die Schlacke.
Das Produkt war aber ebenso gut wie beim Schrottprozeſs.


Ein Zusatz von Erz kam auch bei dem sauren Verfahren in
den Vereinigten Staaten damals allgemein zur Anwendung. Dieser
Zusatz gegen Schluſs beschleunigt den Prozeſs und macht das Metall
wärmer und gleichmäſsiger, denn je wärmer das Fluſseisen ist, je
weniger absorbiert es Gase, je blasenfreier werden die Güsse.


Blasenfreien Guſs versuchte man auch durch Kombination des
Bessemer- und Martinverfahrens zu erzeugen, indem man die im
Konverter totgeblasene Charge im sauren Martinofen unter Zusatz
[707]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
von saurer Schlacke bei sehr hoher Temperatur mit siliciumreichem
Roheisen und Ferromangan oder Spiegeleisen rückkohlte 1).


In den Vereinigten Staaten führte man in dem Martinofen von
Lilianberg zuerst den Schmelzbetrieb mit Wassergas ein. Der-
selbe kam bereits im Mai 1886 auch in Witkowitz in Anwendung
und zwar mit sehr gutem Erfolge. Ein Ofen mit Wassergasbetrieb
produzierte daselbst 20 Tonnen Stahl in 24 Stunden und ver-
brauchte dabei 8 cbm Gas pro Minute. Die Luft wurde auf 1200 bis
1400° C. erhitzt. Luft und Gas traten unter 110 mm Wasserdruck
ein. Die Temperatur im Ofen erreichte fast Platinschmelzhitze. Auf
100 kg Stahl wurden 60 cbm Wassergas und 69 kg Kohlen verbraucht.
1 cbm Mischgas kostete nur 1 Pfennig. Bei gleicher Leistung ver-
brauchte der Wassergasofen nur 48,8 Prozent der Wärmemenge der
gewöhnlichen Öfen. Die Arbeitsleistung stellte sich 50 Prozent
günstiger.


Ein anderer verbesserter Martinofen war von Radcliffe in
England konstruiert worden. Bei diesem stand der Gasgenerator
dicht bei dem Herd, die Wärmespeicher darüber; er hatte ferner
besondere Luftheizkammern für den Generator, die unmittelbar über
dem Herde lagen. Infolgedessen war das Gewölbe ganz flach, was
die freie Flammenentfaltung beeinträchtigte. Der ganze Ofen war aus
eisernen Platten auf eisernen Säulen erbaut; dadurch war er sehr
kompendiös und leicht zugänglich. Drei dieser Öfen arbeiteten mit
gutem Erfolge im Stahlwerk des Arsenals zu Woolwich.


Bei dem basischen Schrottverfahren setzte man im allgemeinen
auf 25 Prozent Roheisen 75 Prozent Schrott, bei dem Erzverfahren
auf 60 Prozent Roheisen 20 Prozent Schrott und 20 Prozent Erz. Es
bedurfte hierbei keines so phosphorreichen Roheisens wie bei dem
Thomasprozeſs, und wählte man meistens Sorten von weniger als
1,5 Prozent Phosphorgehalt.


Bei keinem Verfahren lieſs sich ein so gleichartiges, vorzüglich
weiches Produkt erzeugen, als bei dem basischen Martinprozeſs, wes-
halb es sich besonders für Qualität empfahl, während das Thomas-
verfahren für Massenproduktion den Vorzug hatte. Wie weit übrigens
die Beschickungsverhältnisse je nach den Materialien und der Ver-
wendung des Produktes bei dem Martinprozeſs verschieden waren,
zeigt folgende Zusammenstellung aus dem Jahre 1886:


45*
[708]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Eine Beschickung für Radreifen der Phönixhütte bei Ruhrort
bestand aus: 10000 kg Bessemerroheisen, 2000 kg Schrott, 4000 kg
Schienenenden, 1500 kg Blechschnitzel, 1000 kg Guſsbrocken, 500 kg
Spiegeleisen und 500 kg Erz (Hämatit). Für weiches Eisen schränkte
man den Roheisensatz im Ruhrgebiet bis auf 5 Prozent ein.


Ueber den chemischen Verlauf des Martinprozesses hat 1886
F. N. Harbord in Bilston eine gründliche Untersuchung veröffentlicht 1).
Er nahm von einer vierstündigen Charge jede halbe Stunde eine
Probe des Eisens und der Schlacke und analysierte dieselben. Die
Schaulinien, Fig. 281, zeigen den Verlauf der Abscheidung von
Kohlenstoff, Phosphor und Silicium. Ein Vergleich mit dem Vorgang
im Puddelofen ergiebt eine gewisse Analogie des Puddelns mit
der Reinigung im basischen Martinofen. Harbord empfiehlt den
Zusatz von Erz gleich aufzugeben und nach einer Stunde Schlacke
abzustechen. Die Menge des Schrottzusatzes sei nur eine Frage der
Ökonomie.


[709]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Im Jahre 1887 breitete sich der basische Flammofenprozeſs in
allen Haupteisenländern aus. So wurden in Oberschlesien auf dem
Borsigwerk drei neue Öfen zu 15 Tonnen und auf der Königshütte
zwei Öfen zu 15 Tonnen in Betrieb genommen. In Frankreich ver-
wendete man Martinstahl unter Zusatz von Eisensilicid für Geschütz-

Figure 282. Fig. 281.


guſs. In England liefen die Bathoöfen den älteren Ofenformen den
Rang ab. J. Riley und Dick hatten sie auf den Blochairn-Stahl-
werken bei Glasgow eingeführt, und die Staffordshire-Gesellschaft
erstattete im Herbstmeeting des Iron- and Steel-Institute Bericht über
die guten Erfolge, die sie im Bathoofen mit basischem Herd erzielt
hatten. 28 solcher Öfen waren damals in England bereits ausgeführt,
davon hatte Wailes zu Wednesbury allein neun in Betrieb und zwei
im Bau. Die Herde waren aus Dolomit hergestellt und von der
sauren Steinwand durch eine isolierende Schicht aus Chromeisenstein
oder aus mit Kalk und Thon gemischter, gemahlener Retortenkohle
getrennt. Am besten bewährten sich diese Öfen für kleinere Einsätze
bis zu 7 Tonnen. Bei diesen kleinen Öfen waren häufig die Gewölbe
zum Abheben eingerichtet. Hackney und Wailes lieſsen das Gas
aus horizontalen, die Luft aus vertikalen Schlitzen in den Ofen
strömen, wodurch eine bessere Mischung erreicht werden sollte. Durch
Schmelzen mit Wassergas gelang es, die Zeit des Einschmelzens auf
4½ Stunden zu verkürzen. Thwaite konstruierte einen Schnell-
schmelzofen (rapid open hearth), indem er einen Kupolofen mit dem
Flammofen verband. Dabei wurde das Eisen in dem cylindrischen
Kanal zwischen Kupolofen und Flammofen durch Windstrahlen
[710]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
gefeint 1). Dieses Verfahren führte J. Riley auf den Blochairn-
Stahlwerken bei Glasgow ein.


H. Burrows lieſs sich einen Herdschmelzofen in England paten-
tieren (E. P. 1887, Nr. 8207), bei dem die Gase aus dem Generator
in eine Verbrennungskammer geführt wurden, hier mit heiſser Luft
verbrannten und dann erst in den Schmelzraum traten. Die Abgase
wurden in Regeneratoren unter dem Ofen, welche zur Lufterhitzung
dienten, geleitet.


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gab es 1887 nach
einem Bericht von Jules J. Fréson sieben Martinstahlwerke mit
17 Öfen von 10 bis 35 Tonnen Einsatz. Durch ihre zweckmäſsige
Anordnung war die Arbeit erleichtert. Die Öfen standen alle in
einer Reihe, während man sie in England meist in zwei Reihen ein-
ander gegenüber stellte, wodurch der Raum beengt und heiſs wurde.
Bei den amerikanischen Anordnungen wurden alle Materialien, Gase
und Luft nur von einer Seite zugeführt, so daſs die andere ganz frei
blieb. Meist hatten zwei Öfen eine gemeinschaftliche, kreisförmige
Gieſsgrube mit einem oder zwei Drehkränen. Man zog Gieſspfannen
dem Gieſswagen vor. Vielfach wendete man Pernots drehbare Teller-
öfen an. Solche waren mit den von C. M. Rider konstruierten
Siemensöfen in Springfield, Johnstown und Bethlehem in Anwendung.
Man wollte hierdurch den Betrieb beschleunigen, doch waren die
Unterhaltungskosten auch gröſser. Das Produkt war gut und hörte
man nicht die in Europa üblichen Klagen über ungleichmäſsige Ware.
Auch A. L. Holley war ein Anhänger der Pernotöfen wegen der
kräftigen Bearbeitung des Bades, der Leichtigkeit der chemischen
Reaktion und der Reparatur. In der Regel wurde am Samstag Nach-
mittag der Herd herausgezogen und repariert, so daſs er am Sonntag
Abend wieder betriebsfähig war. Wegen der Kompliziertheit fanden
diese Öfen indessen keine weitere Verbreitung auf anderen Hütten.
Öfen für 12 bis 14 Tonnen Einsatz bewährten sich am besten, doch
gab es auch gröſsere mit 24 bis 35 Tonnen Einsatz. Nur die Pernot-
öfen hatten hochgespannte Gewölbe. Bei den Öfen der pennsyl-
vanischen Stahlgesellschaft waren die Gewölbe abhebbar. Martinstahl
wurde in Nordamerika mit Vorliebe für Kesselblech verwendet. Man
machte alle Lokomotivfeuerbüchsen aus Martinstahl. Folgendes war
die Zusammensetzung einer Charge für gutes Kesselblech von Otis
\& Co.
, Cleveland (U. S.):


[711]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Zusätze gegen Schluſs:



Das erhaltene Fluſseisen enthielt 0,15 Proz. Kohlenstoff, 0,41 Proz.
Mangan, 0,02 Proz. Silicium, 0,023 Proz. Schwefel, 0,033 Proz. Phos-
phor und 0,023 Proz. Kupfer. Die Otis-Werke hatten Niederschlags-
kammern zwischen den Austrittskanälen des Ofens und den Wärme-
speichern, wodurch letztere nur einmal im Jahre gereinigt zu werden
brauchten.


G. Hatton lieſs sich in England einen trommelartigen Drehofen,
dessen eine Hälfte sauer, die andere basisch gefüttert war, patentieren
(E. P. 1887, Nr. 13242).


Odelstjerna in Schweden führte 1887 den Betrieb mit Chrom-
eisenerzfutter zu Trollshätta ein und zwar mit norwegischen Erzen.
Veranlaſst wurde er hierzu durch günstige Berichte über gelungene
Versuche zu Wärtsilä in Finnland. Er fand, daſs durch den Chrom-
eisenerzboden das Frischen beschleunigt wurde und daſs, obgleich
das Kochen des Eisens bis zum Schluſs anhielt, die Güsse blasenfrei
und das Eisen sehr zäh war. Zu Wärtsilä und an anderen Orten in
Ruſsland hatte man aber dieses Verfahren wieder aufgegeben, sowohl
wegen der Kostspieligkeit, als auch weil der Herd zu leicht durch-
schmolz.


Knut Styffe empfahl auch für Schweden die Magnesitböden,
deren Vorzüge Wasum durch Versuche nachgewiesen hatte, und zwar
besonders aus Magnesit vom Veitschthal in Steiermark, welcher keine
Kieselsäure, aber etwa 6 Prozent Eisenkarbonat enthielt. Er brennt
sich dadurch braunschwarz und sintert bei hoher Temperatur zu-
sammen und eignet sich mehr zur Verwendung in Ziegelform als
zum Aufstampfen.


Im Jahre 1888 wurden zahlreiche Versuche gemacht, das Roh-
eisen mit oder ohne Vorbehandlung in flüssiger Form in den Martin-
[712]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
ofen einzutragen. Franz Kuppelwieser empfahl, das Roheisen
direkt aus dem Hochofen in den Flammofen laufen zu lassen. James
Henderson
in New York empfahl Einschmelzen des Roheisens in
einem Kupolofen, Behandlung desselben auf einem Drehherd unter
Zusatz von Erz, Dolomit, Fluſsspat und sonstigen Zuschlägen. Rollet
verband den Martinofen mit einem Kupolofen mit basischer Aus-
fütterung, um dadurch den Schwefel und den gröſsten Teil des Sili-
ciums zu entfernen. Das dem Herd dann zugeführte geläuterte
Roheisen sollte dem besten schwedischen Holzkohlenroheisen an Güte
gleichkommen. Diese Versuche wurden zuerst zu Firminy bei
St. Etienne unter Rollets Leitung ausgeführt.


B. H. Thwaite und J. Noble schmolzen Roheisen in basisch
gefütterten Kupol- oder Flammöfen und behandelten dann das Roh-
eisen im basischen Herd weiter. Bei der niedrigen Temperatur
sollte der Phosphor schon zu Anfang in die Schlacke gehen, die
dann abgezogen wurde. Dann wird Hämatit zugesetzt und heiſs
entkohlt.


Koppmeyer verarbeitete Roheisen von mittlerem Phosphor-
gehalt erst im Konverter nach dem Verfahren von Harmet (siehe
S. 647), wodurch das Silicium und der gröſste Teil des Kohlen-
stoffs entfernt wurden, während die Entphosphorung dann auf dem
basischen Martinherd erfolgte. Ebenso wurde die Kombination des
Thomasverfahrens mit dem Martinprozeſs wiederholt vorgeschlagen,
so auch von Percy Carlyle Gilchrist (D. R. P. Nr. 43623) und
von Paul Kuppelwieser. Alle diese Kombinationen hatten den
Zweck, den Martinprozeſs zu beschleunigen und dadurch eine gröſsere
Produktion zu erzielen, Koppmeyer hatte bei seinem oben erwähnten
Verfahren eine Tageserzeugung von 50 Tonnen Ingots. Dennoch haben
die meisten dieser Versuche, namentlich die, das Roheisen ohne Vor-
behandlung flüssig in den Flammofen zu bringen, den Erwartungen
nicht entsprochen, weil die gewonnene Schmelzzeit durch verlängertes
Frischen gröſstenteils wieder verloren ging.


Im Jahre 1888 wurden auch mancherlei Verbesserungen an
dem Schmelzofen eingeführt. Friedrich Siemens in Dresden
trat für das Princip der freien Flammenentfaltung und für hohe
Gewölbe ein. Diese waren bei dem von ihm entworfenen Regenerativ-
ofen ganz unabhängig von den Seitenwänden, indem der Herd in
einen Blechkasten eingebaut war. Dieser hatte am oberen Rande
Konsolen, auf denen ein Ring von Winkeleisen ruhte, welcher das
Herdgewölbe trug. Die chemisch-kalorischen Studien von Hans
[713]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
von Jüptner und Friedr. Toldt zu Neuberg 1) bestätigten die
Überlegenheit dieser Öfen gegen die älteren mit eingesenkten
Gewölben. Koppmeyer arbeitete mit abhebbarem Gewölbe. Bei
den mit Wassergas betriebenen Martinöfen waren diese allgemein
im Gebrauch. Lash führte in Pittsburg in den Vereinigten Staaten
einen Gasschmelzofen mit flachem Herd, Wasserkühlung und mehreren
Thüren zum bequemeren Beschicken an der hinteren Seite ein. Diese
Öfen waren anfangs für Naturgas bestimmt, wurden aber später mit
Generatorgas betrieben. Regenerativ-Gasflammöfen empfahl J. von
Ehrenwerth
besonders für intermittierenden Betrieb. W. Schmid-
hammer
in Reschitza brachte kippbare Flammöfen in Vorschlag 2).


In England suchte man durch Vergröſserung der Öfen höhere
Produktion zu erzielen. Man machte sie 10½ Fuſs breit und 16½ Fuſs
lang, mit festen Gewölben und viereckigen Wärmespeichern, die mehr
Heizfläche boten als die runden. Man erzielte mit diesen Öfen an-
geblich eine Kohlenersparnis von 25 Prozent. W. Schmidhammer
zu Reschitza schlug Öfen mit auswechselbarem Herd vor.


Drehbare Trommelherde, wie die von G. Halton vorgeschlagenen,
empfahl Const. Steffens, rotierende Öfen G. J. Snelus in Worthing-
ton und J. Henderson in New York.


A. Gouvy veröffentlichte einen ausführlichen Bericht über die
Fluſseisenerzeugung auf basischen Herden zu Reschitza 3). Die Öfen
hatten durch Rohre gekühlte Feuerbrücken. Ihre Seitenwände waren
aus Magnesitziegeln aufgemauert, in welche der Herd 300 mm dick aus
Dolomitmasse aufgestampft wurde. Das aus Dinasziegeln hergestellte
Gewölbe war von dem Herd ganz unabhängig. Man beschickte
3500 kg graues und halbiertes Roheisen und 4000 kg Abfälle, die
auf einmal und kalt eingesetzt wurden, dazu wurden 450 kg Kalk in
nuſsgroſsen Stücken zugeschlagen. Man lieſs die aufschäumende
Schlacke verkochen und zog sie dann mit der Krücke ab, worauf man
die Probe nahm. War die Entkohlung beendet, so setzte man zur Rück-
kohlung eine geringe Menge Ferromangan zu. In 24 Stunden wurden
vier Chargen geschmolzen. Das fertige Produkt enthielt 0,011 Prozent
Phosphor. Seine absolute Festigkeit betrug 35 kg pro Quadratmillimeter,
die Kontraktion 72 Prozent, die Dehnung 28 Prozent. Das Fluſseisen
diente für Panzerplatten und Material zum Schiffsbau für das K. K.
Arsenal zu Pola, wo damals das Panzerschiff „Kronprinz Rudolf“ damit
[714]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
gebaut wurde. Zu Seraing erzeugte man im basischen Martinofen gutes
Material für Eisenbahnschienen.


Im allgemeinen stellte man geringere Anforderungen an die Qua-
lität wie früher, aber gröſsere an die Gleichförmigkeit des Produktes.
Auch verarbeitete man mehr Roheisen im Verhältnis zum Schrott, wie
früher; hatte dieses früher 1 : 3 betragen, so war es jetzt meist 1 : 1.


St. Williams wendete eine eigentümliche Coquille zur Er-
zeugung dichter Güsse durch Erstarren unter Druck an, wobei aber
der Druck erst nach Erstarrung der Rinde ausgeübt wurde.


1888 wurde Darbys Verfahren der Rückkohlung mit festem
Kohlenstoff bekannt und auf der Phönixhütte bei Ruhrort von Direktor
Thielen praktisch ausgebildet. Es lieſs sich für Martinfluſseisen
ebenso anwenden wie für Konvertereisen.


1889 lieſs sich Hilton einen verbesserten Herdschmelzofen paten-
tieren. Es war ein abgeänderter Bathoofen mit rechtwinkligem Herd,
der die Vorteile des Systems Siemens und Batho vereinigen sollte.
Hilton erwarb auſserdem das englische Patent Bathos.


E. Gruner äuſserte sich dahin, daſs es ziemlich gleichgültig sei,
ob man den Herd aus Dolomit, Magnesit oder Chromerz herstelle; der
Prozeſs selbst verlaufe bei allen gleich. Wichtig dagegen sei es, daſs
man ein möglichst schwefelfreies Roheisen nehme. Um dies zu erhalten,
empfiehlt er Umschmelzen des Roheisens im Kupolofen mit basischem
oder neutralem Futter, bei langsamem Gang und 500 bis 600° C. heiſsem
Wind, bei basischer Schlacke von 15 bis höchstens 18 Prozent Kiesel-
säure. Dadurch werde ein Schwefelgehalt des Roheisens von 0,50 bis
0,70 Prozent auf 0,02 bis 0,03 vermindert. Die Entschwefelung im
Hochofen sei wegen des hohen Kalkzuschlags zu kostspielig.


In diesem Jahre machte der Schmelzbetrieb mit Wassergas Fort-
schritte und bewährte sich namentlich zu Witkowitz, wo zwei Martin-
öfen mit Wassergas und zwei Siemens-Martinöfen mit Generatorgas
betrieben wurden. Bei den zwei ausschlieſslich mit Wassergas be-
triebenen Öfen betrug der Einsatz 6 Tonnen, wovon 82 Prozent weiſses
Roheisen und 18 Prozent Blechabfälle waren. Gegen Ende des Pro-
zesses wurde etwas Eisenerz zugesetzt. Obgleich nur die Verbrennungs-
luft erhitzt wurde, war doch die erzeugte Hitze so groſs, daſs der
ganze Prozeſs um eine Stunde verkürzt wurde.


In Frankreich arbeitete man zu Alevard nach dem Siemens-
schen Erz-Reduktionsverfahren und schmolz siliciumarmes Roheisen
mit 20 Prozent Erz. — Zu Alais waren drei Öfen mit Chromeisen-
erzböden seit fünf Jahren im Betriebe. Ein Boden war seit drei Jahren
[715]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
nicht erneuert worden (Rémaury). Oldenstjerna bezeichnete es als
einen Fortschritt bei dem Flammofenbetriebe mit neutralem Boden in
Schweden, daſs man nicht mehr mit Roheisen kohle und gleich dar-
auf absteche, wodurch man früher immer harte Körner in dem Fluſs-
eisen behalten hatte. Jetzt lasse man die Masse nach dem Roheisen-
zusatz noch 1 bis 1½ Stunden verkochen.


1889 wurde auf den Steelton-Works der pennsylvanischen Stahl-
gesellschaft von H. H. Campbell der erste kippbare Martinofen ge-
baut. Wie Fig. 282 zeigt, ist das Drehgestell eine auf Rollen laufende
Schaukel und erfolgt das Kippen hydraulisch.


Figure 283. Fig. 282.

1890 fand der Magnesit bei den basischen Martinöfen immer
allgemeinere Anwendung und zwar teils für sich, teils mit Dolomit
oder Kalk gemischt. Er wurde entweder zu Ziegeln gepreſst oder
aufgestampft. Auf dem Martinwerk zu Diosgyör 1) in Ungarn,
wo Magnesit von Veitsch ohne Teer, aber mit Dolomitmilch an-
gemacht verwendet wurde, hatten Versuche gröſsere Dauerhaftigkeit
gegenüber dem Chromeisenstein ergeben. Auch D. Lundström in
Schweden fand, daſs zwar die Seitenwände aus Chromeisenerz sehr
haltbar seien, die Böden der Schmelzherde dagegen nicht. In Nord-
amerika bewährten sich aus Deutschland eingeführte Magnesiasteine
für die Herdsohlen besser als die Quarzsohlen, auch deshalb schon,
weil sie infolge Verzögerung der Oxydation weniger Reparatur er-
forderten. Der Herdboden war von einem Blechgerippe umgeben und
getragen. In Pennsylvanien wendete man vielfach Naturgas zum
Schmelzen an.


[716]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Im März 1890 kam in Witkowitz die neue Anlage, wobei fünf
Martinöfen von je 20 Tonnen Einsatz mit einem Konverter verbunden
waren, in Betrieb. Die fünf Gasflammöfen waren in einer Reihe zu
dem Konverter so aufgestellt, daſs die mit vorgefrischtem Metall ge-
füllten Pfannen durch einen hydraulischen Elevator unmittelbar vor
die Öfen gehoben werden konnten. Das Durchblasen dauerte zwei
Minuten und wurde dadurch das Roheisen an Güte dem Koksroh-
eisen der Alpenländer nahe gebracht. Es enthielt an Prozenten:


Auch kam es wärmer in den Herd. Die Charge betrug 90 Pro-
zent Roheisen und nur 10 Prozent Alteisen und Erze. In den drei
Öfen wurden in 24 Stunden durchschnittlich 17 Chargen gemacht.
Der Brennstoffaufwand betrug dabei nur 10 bis 12 kg auf 100 kg
Ingoteisen. Das Hüttenwerk Trynietz führte einige Zeit danach den-
selben Betrieb ein.


L. Pszezolka1) in Gratz reinigte besonders das durch den
basischen Prozeſs erzeugte Fluſsmetall, welches oxydiertes Eisen gelöst
enthält und ungleich in der Masse ist, durch Einrühren kieselsäure-
haltiger Substanzen, wie Schlacken, Glas, Quarz, Fluſsspat etc., welche
die Oxyde auflösen und das Metall verbessern.


Auf die Wichtigkeit der Zusammensetzung der Schlacken im
Moment des Ausgieſsens hat Calbraith2) in Chesterfield hingewiesen
und hierauf eine Reinigungsmethode gegründet. Er arbeitet mit zwei
Pfannen, in deren eine die nötigen Zusätze zur Reinigung eingetragen
sind. In diese wird das Eisen aus der anderen Pfanne eingegossen,
bis die Schlacke den richtigen Zustand der Basicität zeigt.


In England war der Roheisenerzprozeſs mit saurem Herd noch sehr
verbreitet; dabei hatte man aber weit gröſsere Öfen wie früher, so
daſs man meist mit 25 Tonnen Einsatz arbeitete. In den Vereinigten
Staaten hatte man Öfen bis zu 30 Tonnen Einsatz gebaut, doch hatten
sich die Öfen mit 20 Tonnen Einsatz am besten bewährt, wobei die
[717]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
Wärmespeicher für Luft und Gas unter sich und von dem Ofenkörper
getrennt waren.


Figure 284. Fig. 283.

Die gröſste Anlage waren die Homestead-Stahlwerke bei Pitts-
burg von Carnegie, Phipps \& Co, die 16 Öfen mit gröſstenteils
basischen Herdböden hatten, vier davon hatten 25 Tonnen Fassung,
die übrigen 20 Tonnen.


1891 erhielt H. Schönwalder, Obermeister der Friedenshütte
[718]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
in Oberschlesien ein Patent (D. R. P. Nr. 55707) auf einen ver-
besserten Siemens-Martinofen. Die Verbesserung bestand darin, daſs
jede Zugöffnung im Kopfe des Flammofens mit einem besonderen
Regenerator verbunden war; jeder Kanal von dem Regenerator nach
der Reversiervorrichtung war mit einem Schieber versehen, der die
Möglichkeit bot, den einen oder anderen der Regeneratoren ganz oder

Figure 285. Fig. 284.


teilweise abzusperren und damit
der Flamme einen ganz be-
stimmten Weg vorzuschreiben.
Dadurch war die Möglichkeit
gegeben, die Kanäle und deren
Austrittsöffnungen in dem Ofen
mehr als seither vor Zerstörung
durch Schmelzen oder Ausspülen
zu schützen und eine gleich-
mäſsigere Abnutzung der Wärme-
speicher herbeizuführen. Die Ver-
doppelung der Regeneratoren ge-
schah durch eine in der Mittel-
linie des Ofens angebrachte Scheidewand. Hierdurch wurden die vier
Kammern in acht geteilt, von denen jede durch einen besonderen Kanal
mit dem Ofeninnern und den Auſsenkanälen verbunden wurde, wie
dies Fig. 283 (a. v. S.) und Fig. 284 1) zeigen. Während auf der einen
Seite des Ofens durch zwei Wärmespeicher Luft und durch zwei
Wärmespeicher Gas geht und Luft und Gas an den Öffnungen der
vier Kanäle im Ofen sich mischen und verbrennen, strömt die Flamme
durch die vier Wärmespeicher der anderen Seite zur Esse. Die
Schieber (Fig. 285) sind aus feuerfesten Steinen, die durch eiserne,
[719]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
mit einem Rahmen verbundene Stäbe im Innern zusammengehalten
werden, hergestellt.


In den Vereinigten Staaten kam auf dem Stahlwerk der Pennsyl-
vania Steel Company ein kippbarer Martinofen nach Zeichnungen von
H. Aitken, Wood und Campbell in Betrieb 1).


Aus dem Jahre 1891 ist eine theoretische Studie 2) über den
basischen Martinofenbetrieb von W. Schmidhammer zu erwähnen,
in der durch mitgeteilte Analysen
von zu verschiedenen Zeiten ge-
nommenen Schöpfproben einer Charge
der Verlauf des Oxydationsprozesses
in Zahlen und graphisch dargestellt
ist; ferner eine ausführliche Abhand-
lung über Martinöfen und Martin-
stahlfabrikation von dem ungarischen
Professor W. Sóltz3) mit Angaben
über Maſsverhältnisse der Öfen und
Regeneratoren.


Die Schönwalderschen Öfen
bewährten sich in den folgenden

Figure 286. Fig. 285.


Jahren auf der Friedenshütte gut 4). Die Haltbarkeit der Martinöfen
wurde sehr gesteigert durch vorsichtiges Anwärmen und Aufmerksam-
keit bei der Inbetriebsetzung und Wartung des Ofens. Der Ofen 2
der Friedenshütte wurde erst nach 797 Chargen in Reparatur ge-
nommen und zwar nur wegen Verschlackung der Regeneratoren 5).
In Westfalen bewährten sich die Bathoöfen.


1891 nahm man zu Firminy in Frankreich zur Herstellung I. Qua-
lität Fluſsstahl weiſses, aus algerischen und spanischen Erzen erblasenes
Roheisen. Dieses wurde nach dem Rolletschen Verfahren entschwefelt
und in Puddelöfen auf Luppen verarbeitet. Diese Luppen dienten
als Schmiedeeisenzusatz im Martinofen. Bei II. Qualität verwendete
man gutes, ausgesuchtes Abfalleisen, während man für III. Qualität
gewöhnliches Roheisen und unsortierte Schmiedeeisenabfälle verwendete.
Die Klassifikation und Verwendung geschah nach folgender Tabelle:


[720]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Verwendung: Nr. I zu Kanonenkugeln, Sägen, Feilen etc.
Nr. II, 1. Qual.: Bei 75 bis 90 kg Zerreiſsfestigkeit zu Kabeldraht, bei
70 bis 85 kg Zerreiſsfestigkeit zu Kanonenkugeln, Scheren, Feder-
messern etc. 2. Qual.: Messer, Kreissägen, Stricknadeln, Baumscheren,
Compoundblech, Papierwalzen etc. Nr. III, 1. Qual.: Kanonen, Walzen,
Hämmer, Federn, Werkzeuge etc. 2. Qual.: Wagenteile, Achsen, Kolben,
landwirtschaftliche Maschinen und Werkzeuge. 3. Qual.: Eisenbahn-
schienen, geringe landwirtschaftliche Geräte. Nr. IV, 1. Qual.: Kanonen,
Gewehrteile, ordinäre Walzen, Sicheln, Steinschneidewerkzeuge etc.
2. Qual.: gewöhnliche Reifen, Achsen, Kreuzköpfe, Schaufeln, Hauen,
Kolbenstangen. 3. Qual.: Untergeordnete Maschinenbestandteile und
Eisenbahnschienen. Nr. V, 1. Qual.: Für Schieſswaffen, Rohre, Wagen-
beschläge, Drehwalzen, Kolbenstangen etc. 2. Qual.: Reifen, grobe
Schmiede- und Walzstücke, Ketten, Pflüge, Schraubenschlüssel, Hauen,
Schaufeln, Streicheisen. Nr. VI, 1. Qual.: Rohre für Schieſswaffen.
2. Qual.: Gewöhnlichen Draht, Schrauben, Schraubenschlüssel, Hauen,
Schaufeln, Gartengeräte. Nr. VII, 1. Qual.: Gut schweiſsbares Material,
ersetzt schwedisches Eisen. 2. Qual.: Weicher Draht, Schlüssel, Schiffs-
bestandteile, Hufeisen, Hufnägel.


W. Sóltz empfiehlt folgende Dimensionen der Schmelzherde:


In den Vereinigten Staaten gab es 1892 81 betriebsfähige Martin-
anlagen mit einer jährlichen Leistungsfähigkeit von 1767840 Tonnen.
Hiervon waren nur drei mit basischem Betrieb. Man baute in Amerika
bereits viel gröſsere Öfen, bis zu 40 bis 50 Tonnen Einsatz, denen
man eine Länge des Herdes von 12 m gab. Dabei machte man den
[721]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
Herd öfters beweglich, indem man ihn auf Rollen lagerte und ihm
durch Wasserdruckcylinder eine wiegende Schwingung gab, wie der
Ofen von H. H. Campbell (1890), der dann zur Entleerung gekippt
wurde. Ein anderer von Campbell gebauter Ofen lieſs sich ganz
um seine horizontale Achse drehen 1). Auch Pernotöfen waren 1893
noch im Gebrauch, jedoch mit beschränkter Anwendung der Dreh-
bewegung. Um den nötigen Überdruck von dem in den Verbrennungs-
raum eintretenden Gase und Luft zu erlangen, betrieb man nicht nur
die Gaserzeuger mit Unterwind, sondern führte auch die Verbrennungs-
luft durch Gebläse in den Ofen. Statt der Siemensschen Wechsel-
klappe empfahl Campbell Ventile. Wo man Naturgas anwendete,
waren die Schmelzöfen nur mit zwei Wärmespeichern zur Erhitzung
der Luft versehen, da das Naturgas nicht vorgewärmt wurde.
Campbell hielt nicht viel von dem Verfahren, die Generatorgase
nicht durch Wärmespeicher, sondern unmittelbar in den Ofen zu
leiten. Wassergas hat sich, wie auch in Europa, als zu kostspielig
erwiesen. Auch Petroleum verwendete man in Amerika, welches,
mittels überhitztem Dampf verflüchtigt, durch Wärmespeicher in den
Ofen geführt wurde.


Campbell wies nach, daſs bei heiſsem Ofengang Schwefel und
auch Phosphor teilweise verflüchtigt werden, wie dies Wedding
bereits 1890 beobachtet hatte.


Über die Bedeutung des Magnesits für die basische Ausfütte-
rung der Fluſseisenöfen hat Wedding2) und über Magnesiaziegel
C. Bischof3) 1893 Erfahrungen veröffentlicht. Magnesit vom Veitsch-
thal in Steiermark wurde in Schweden und in den Vereinigten Staaten
von Nordamerika verwendet.


Bei dem in Witkowitz eingeführten gemischten Verfahren des
Verblasens in der sauren Birne und der Entphosphorung und dem
Fertigmachen im basischen Flammofen wurde nach P. Kuppel-
wieser
hohe Produktion bei geringen Selbstkosten erzielt. Die Er-
sparnis betrug 10 Mark auf die Tonne gegenüber dem reinen Herd-
verfahren. Es waren fünf Martinöfen zu 20 Tonnen und drei Birnen,
alle in einer Reihe, im Betriebe. Das Roheisen gelangte direkt aus
den Hochöfen in die Birnen.


Der chemische Verlauf der Umwandlung, den verschiedene Roh-
eisensorten bei diesem Verfahren erleiden, ergiebt sich in anschau-
Beck, Geschichte des Eisens. 46
[722]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
licher Weise aus nachfolgender Zusammenstellung von Analysen,
welche W. Schmidhammer von Witkowitz 1897 veröffentlicht hat 1):



In England war 1893 der Roheisen-Erzbetrieb auf saurem Herd-
boden noch vorherrschend. Auf den Consettwerken 2) z. B. bestand der
Einsatz aus 75 bis 80 Prozent Hämatitroheisen und 20 bis 25 Prozent
Schrott und Erz. 18 Siemens-Martinöfen erzeugten 3500 Tonnen Roh-
blöcke für Bleche, während 1882 170 Puddelöfen nur 1900 Tonnen
Schiffsbleche produziert hatten. Dabei machte ein Siemens-Martin-
ofen nur zwei Schmelzungen in 24 Stunden. Die Produktion von
Martinmetall in England betrug 1893 1479630 Tonnen, wovon nur
79527 Tonnen im basischen Herde erzeugt waren.


In Deutschland und Österreich hatte 1893 der basische Martin-
prozeſs den sauren fast ganz verdrängt 3), nur in Steiermark wurde
letzterer zur Stahlerzeugung beibehalten. Selbst für Stahlguſs wurden
vielfach basische Herde verwendet. Das leichtere Blasigwerden der
aus basischen Öfen erzeugten Blöcke wurde durch Zusätze, besonders
von Aluminium und dadurch, daſs man die Blöcke steigend goſs,
z. B. zu Witkowitz 30 Blöcke gleichzeitig, vermieden. Der Aluminium-
zusatz betrug meist nur 0,002 Prozent vom Gewicht des Eisens.


Die Verbesserung der Generatorfeuerungen war von gröſster Wichtig-
keit. Daelen und Blezinger in Duisburg schlugen Recuperatoren,
Erhitzer, die durch Leitung wirken, an Stelle der Wechselgeneratoren,
die durch Speicherung wirken, zur Erhitzung von Gas und Luft vor 4).


In Schweden 5) betrieb man nach Odelstjerna die Martin-
flammöfen noch vielfach mit Holz und Holzabfällen. Auf dem Söder-
forswerk wendete man hierfür den Fig. 286 abgebildeten Holzgas-
generator in Verbindung mit dem Holztrockenapparat, Fig. 287, mit
Erfolg an. Die Stahlschmelzöfen hatte man auf 10 Tonnen Einsatz
vergröſsert. Die Regeneratoren waren sehr geräumig, indem man
[723]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
2,5 cbm Rauminhalt auf jede Tonne Stahl, die der Ofen in einem
Guſs liefern sollte, rechnete, so daſs für einen 10 Tonnenofen jeder
Wärmespeicher 25 cbm, alle vier zusammen aber 100 cbm Fassungs-
raum hatten. Die Schmelzöfen wurden sorgfältig umkleidet. Der
Brennstoffaufwand betrug bei Steinkohle 20 bis 25 Prozent des Ge-
wichtes des erzeugten Stahles. Es wurde nur auf beste Qualität
gearbeitet, da der Martinstahl groſsenteils als Ersatz für Tiegelstahl

Figure 287. Fig. 286.


Figure 288. Fig. 287.


dienen sollte. Für weiches Fluſseisen muſste möglichst schwefelfreies
Roheisen ausgewählt werden. Hierfür war der Holzgasbetrieb vor-
zuziehen. — Seit Anfang der neunziger Jahre hatte man auch in
Schweden den basischen Prozeſs eingeführt. Für das Herdfutter ver-
wendete man teils Magnesit aus Deutschland oder billiger Dolomit
aus dem Inlande. Um dichte Blöcke zu bekommen, setzte man in
der Pfanne im Tiegel geschmolzenes Ferrosilicium oder Ferromangan
zu. Die Martinstahlerzeugung war 1886 bis 1892 von 22460 Tonnen
auf 76556 Tonnen gestiegen.


1894 veröffentlichte W. Schmidhammer in Reschitza eine be-
merkenswerte Studie über Gas- und Luftzuführung bei Martin-
46*
[724]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
öfen 1). Er empfahl die Gaszuführung durch einen horizontalen,
mäſsig geneigten Schlitz am Kopfende des Flammofens, die Luft-
zuführung durch einen runden Fuchs im Gewölbe vor dem Gasfuchs.


Die Schönwalderschen Flammöfen hatten sich auf der Friedens-
hütte weiter bewährt. Am 17. Februar 1894 wurde Ofen Nr. 1 nach
der tausendsten Charge zur Reparatur kaltgestellt. Öfen nach Schön-
walders
Patent waren im Betriebe zu Riesa in Sachsen, zu Dillingen
im Saargebiet, zu Trzinietz in Österr.-Schlesien, zu Milowice und
Kamenskoje in Ruſsland und im Bau auf der Burbacher Hütte, zu
Altsohl in Ungarn und zu Luzern in der Schweiz.


In Frankreich baute Lencauchez 1893 in Anzin einen ver-
besserten Herdflammofen, bei dem der Luftgenerator den Gasgenerator
an Gröſse sehr übertraf und die Luft unter Druck durch ein Gebläse
zugeführt wurde. Die kippbaren Öfen zu Steelton, Pa., waren cylin-
drisch ummantelt, ähnlich den Danksöfen.


Auf der Alexandrowskihütte in Südruſsland führte Gorjainow
1894 ein neues Schmelzverfahren ein, das darin bestand, daſs er
zuerst Erz im Flammofen einschmolz und dann das flüssige Roheisen
in das geschmolzene Erz laufen lieſs. Die Vorteile des Verfahrens
bestanden darin, daſs man mit wenig Schrott arbeiten konnte und
der Prozeſs rascher verlief, so daſs eine Charge nur 6 statt früher
12 Stunden erforderte.


Über den Flammofenherdprozeſs mit besonderer Berücksichtigung
amerikanischer Verhältnisse hielt H. H. Campbell am 24. August
1893 in der hüttenmännischen Sektion des internationalen Ingenieur-
Kongresses in Chicago einen bemerkenswerten Vortrag 2).


In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo auf allen Gebieten
das Streben, die Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen, vor-
herrschte, hatte man schon seit längerer Zeit das beschwerliche Be-
schicken der Martinöfen durch mechanische Vorrichtungen bewirkt.
Diese Chargiermaschinen waren allmählich vervollkommnet worden;
sie wurden durch Dampf, hydraulisch oder pneumatisch bewegt,
namentlich hatte aber Wellman einen durch Elektricität betriebenen
Apparat für diesen Zweck konstruiert, welcher zuerst in dem Well-
mans
chen Stahlwerk zu Thurlow bei Philadelphia angewendet und
der 1895 auch in Deutschland auf dem Hüttenwerk Lauchhammer 3)
nachgebaut und in Betrieb genommen wurde. Der Apparat, Fig. 288,
[725]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
der später noch verbessert wurde 1), hat Ähnlichkeit mit den Koks-
ausdrückmaschinen. Er läuft der Rückseite der Martinöfen entlang
auf Schienen. Der Schwengel, an dessen vorderem Ende die Auf-
gebemulde angebracht ist, ist fest mit einem Wagen verbunden, der
mit Zahngetriebe auf Zahnstangen durch einen Elektromotor vor-

Figure 289. Fig. 288.


und rückwärts bewegt wird. Der Schwengel ist drehbar und wird
diese Drehbewegung und damit zugleich die Entleerung der Mulde
durch einen anderen Elektromotor bewirkt. Die Chargiermaschine
führt acht verschiedene Bewegungen aus, die durch vier Elektro-
motoren, deren jeder vorwärts und rückwärts laufen kann, bewirkt
werden. Die Steuerung geschieht durch vier Hebel.


In den Fig. 289 u. 290 (a. f. S.) ist eine moderne amerikanische, von
Wellman entworfene, Martinofenanlage auf dem Blechwalzwerk der
Illinois Steel Company 2), welche anfangs 1895 in Betrieb kam, dargestellt.
Fig. 289 zeigt einen der vier 20-Tonnenöfen mit der Beschickungs-
vorrichtung und der Gieſsgrube, die immer für je zwei Öfen gemein-
sam ist. Fig. 290 zeigt in gleicher Weise einen der beiden groſsen
Wellmanschen 30-Tonnen-Kippöfen, die sich in Zahngetrieben auf
eisernen Ständern bewegen, mit einem der beiden hydraulischen Preſs-
cylinder, welche die Drehung bewirken.


Neuerdings hat die Gutehoffnungshütte bei Oberhausen für eine
verbesserte Beschickungsvorrichtung für Martinöfen ein Patent (D. R. P.
Nr. 113027) erhalten.


[726]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
Figure 290. Fig. 289.

Figure 291. Fig. 290.

[727]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Richards und Hunt lieſsen sich die Anwendung von Ferro-
Mangan-Aluminium als Desoxydationsmittel patentieren (Amer. Pat.
Nr. 501233).


1895 hatten in Deutschland die Schachtgeneratoren mit Unter-
windbetrieb, von denen sich beispielsweise der S. 425 abgebildete von
Taylor bewährt hatte, die alten Siemensgeneratoren verdrängt. Die
Gase der Schachtgeneratoren Westfalens enthielten 28 Prozent Kohlen-
oxydgas und 12 Prozent Wasserstoffgas, wurden dieselben aber mit
überhitztem Dampf und vorgewärmtem Wind betrieben, so betrug der
Gehalt an Kohlenoxyd 39 und an Wasserstoff 14 Prozent 1). Für
die Regulierung von Gas und Luft hatte sich die Glockensteuerung
gut bewährt; in Österreich zog man teilweise Muschelschieber vor 2)
Verbesserte Wechselklappen und Wechselglocken für Regenerativ-
Gasöfen fertigten seit 1895 Gerlach \& Bömcke in Dortmund an 3).
Ebenso erfand Franz Svoboda in Altsohl einen solchen 1896 (D. R. P.
Nr. 93265).


Jedem Ofen gab man ein eigenes gutziehendes Kamin. Die
Wichtigkeit der richtigen Mischung von Gas und Luft vor dem Ein-
tritt in den Schmelzraum wurde allgemein erkannt und berücksichtigt.


Auf dem Princip, Gas und Luft nicht im Ofen, sondern in einer
Kammer in der Kopfseite des Ofens zu mischen und die Hitze im
Schmelzraum durch die Kammertemperatur zu regulieren, beruhte die
von Franz Svoboda in Altsohl erfundene Reguliervorrichtung mit
Umschalteglocke (D. R. P. Nr. 93265 vom 13. Mai 1896 4). Den Ge-
danken selbst hatte bereits Schönwalder bei seinem Ofen ausgeführt.
Er bediente sich einer Klappenregulierung.


Die Verbesserungen der Generatoren und der Gasventile haben
wesentlich zu den Fortschritten des Martinprozesses beigetragen.


R. M. Daelen empfahl 1897 in der Hauptversammlung der
Deutschen Eisenhüttenleute das Roheisen direkt vom Hochofen in
einem fahrbaren Konverter vorzufrischen und in den Flammofen zu
entleeren. Einen ähnlichen Vorschlag hatte W. Schmidhammer
schon 1891 gemacht.


Der Berthrand-Thielprozeſs von Direktor E. Berthrand in Kladno
und O. Thiel, Kaiserslautern 5) will die Chargendauer bei dem Martin-
[728]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
prozeſs durch Kombination mehrerer Flammöfen, Fig. 291, zu
gemeinsamem Betrieb abkürzen. Dies geschieht in der Weise, daſs
in dem einen, höher gelegenen Ofen das Vorfrischen des Roheisens
stattfindet; das vorgefrischte Metall wird dann in einen tiefer ge-
legenen Ofen, in dem inzwischen der Schrott vorgewärmt worden

Figure 292. Fig. 291.


war, abgestochen und nun die
Charge in dem unteren Ofen fertig
gemacht, während in dem oberen
Ofen ein neuer Roheisenposten
vorgefrischt wird.


In Kladno, wo dieser Betrieb
1897 eingeführt wurde, war nach
Angabe von O. Thiel der obere Ofen für 13, der untere für 24
Tonnen Eiseneinsatz. Sollte mit hohem Roheisenprozentsatz gearbeitet
werden, so wurde auch in den unteren Öfen Roheisen mit dem Schrott
aufgegeben. Der Abstich des sehr heiſsen Metalles des oberen
Ofens erfolgte nach zwei Stunden. Nachdem es mit dem im Schmelzen
begriffenen Schrott im unteren Ofen in Berührung gekommen war,
trat eine sehr heftige Reaktion ein, so daſs die Charge in diesem
nach 1½ bis 2 Stunden fertig war, während dies bei dem früheren
Verfahren 5 Stunden erforderte.


Will man mit sehr hohem Roheisenzusatz arbeiten, so empfiehlt
es sich, zwei Vorfrischöfen mit einem Schrottofen zu kombinieren,
wie es oben skizziert ist. Die Verteilung der Frischarbeit auf
zwei Öfen erleichtert die Darstellung verschiedener Qualitäten von
Fluſsmetall; sie gestattet mit flüssigem Roheisen vom Hochofen zu
arbeiten, erfordert weniger Kalkzuschlag und erspart deshalb Brenn-
material. Der rasche Verlauf des Prozesses bewirkt eine Steigerung
der Produktion, während die Ofenwände weniger rasch zerstört werden.
Das Ausbringen ist ein höheres.


Infolge dieser günstigen Aussichten wurde dieses Verfahren seit-
[729]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
dem auf mehreren groſsen Werken, so z. B. auch von Schneider \& Co.
zu Creuzot, eingeführt.


Die Vorschläge, Roheisen in basischen Birnen vorzufrischen und
in Formen zu gieſsen, diese Stahlflossen in den Handel zu bringen,
um in Martinöfen eingeschmolzen und verfrischt zu werden, scheinen
bis jetzt keinen Erfolg gehabt zu haben.


Um das Roheisen aus dem Hochofen in billiger Weise für den
Herdofen vorzufrischen, haben L. Pszezolka in Wien und R. M. Daelen
1898 sich ein Verfahren patentieren lassen, bei dem das flüssige
Metall in einem Behälter durch heiſsen Hochofengebläsewind vor-
gefrischt und dann in den Herdofen eingegossen wird (D. R. P.
Nr. 104576 und 106576).


A. Sattmann sucht dasselbe dadurch zu erreichen, daſs er das
Eisen in einem schmalen, kaskadenförmigen Vorfrischherde der oxy-
dierenden Stichflamme der Herdofengase aussetzt, ehe es in den
Herdofen gelangt. (Engl. Pat. Nr. 7287, D. R. P. Nr. 105281 vom
25. März 1898 1). Hierdurch wird der Zusatz von kaltem, gefrischtem
Eisen vermieden.


Die phosphorsäurehaltigen Schlacken des basischen Martin-
betriebes haben bis jetzt noch keine Verwendung als Düngemittel in
der Landwirtschaft gefunden, teils ihres hohen Kieselsäure- und Eisen-
gehaltes, teils ihres geringen Phosphorsäuregehaltes wegen. O. Thiel
schlug vor 2), sie durch Zusatz von Phosphorit beim Schmelzen
anzureichern und dadurch wertvoller und verkäuflich zu machen.


Im allgemeinen geht neuerdings das Streben dahin, den Siemens-
Martinöfen einen gröſseren Fassungsraum zu geben, besonders ist
dies in England und Amerika der Fall. Die 1898 erbaute Anlage
der Blochairn-Stahlwerke enthält eine Batterie von zehn 40-Tonnen-
öfen. Zu Barrow-in-Furneſs 3) sind 1899 vier 50-Tonnenöfen erbaut
worden. Öfen von demselben Fassungsraum führte die Carnegie-
Stahlgesellschaft in Homestead (Pa.) auf. Neuerdings hat man in
Amerika sogar Öfen für 75 Tonnen Einsatz errichtet.


In Amerika ist das Princip der kippbaren Martinöfen mit Erfolg
weiter ausgebildet worden. Der erste Ofen dieser Art wurde, wie bereits
erwähnt, 1889 von H. H. Campbell auf den Steeltonwerken der Pennsyl-
vanischen Stahlgesellschaft errichtet 4). Man steigerte ihren Fassungs-
[730]Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
raum von 4½ auf 45 Tonnen. Sie waren mit basischem Futter versehen.
Der Ofen drehte sich um seine Achse. Etwas später baute S. T. Wellman
auf dem Martinwerke der Illinois Steel Company 1) seine Kippöfen,
die als Schaukeln eingerichtet sind und nach vorn gerollt oder gekippt
werden. Diese Öfen fanden gröſsere Verbreitung und wurden mehr-

Figure 293. Fig. 292.


Figure 294. Fig. 293.


fach verbessert. Fig. 292 und 293 zeigen einen solchen der Alabama
Steel and Shlipbuilding Co. in Ensby. Sie sind für 50 Tonnen Einsatz
und mit elektrischer Beschickung eingerichtet. Zum direkten Guſs
hat man die Kippöfen in Amerika neuerdings mit Vorherd versehen,
wodurch die Gieſspfanne gespart werden soll 2).


[731]Cement- und Tiegelguſsstahl.

Benjamin Talbot1) baute auf den Pencoyd Iron-Works Öfen
dieser Art von ca. 100 Tonnen Fassungsraum und führte kontinuier-
lichen Betrieb in der Weise ein, daſs von der ganzen Charge etwa
70 Tonnen abgegossen und die zurückbleibenden 30 Tonnen das
Bad für das flüſsig zugesetzte Roheisen bilden. Man kann hierdurch
den Betrieb ohne Schrott führen, was bei der zunehmenden Aus-
breitung des Herdstahlprozesses von Wichtigkeit ist. — P. Eyer-
mann
2) schlägt einen Verbundofen, d. h. eine Kombination von
Bessemerbirne und Martinofen vor.


Bei gutem Betriebe einfacher 15-Tonnenöfen werden jetzt (1900)
in Deutschland fünf bis sechs Hitzen in 24 Stunden gemacht. Bei
dem Bertrand-Thiel-Prozeſs, der mit zwei Herden arbeitet, werden in
Kladno sieben bis acht Chargen in 24 Stunden bei einem Roheisen
von 1,5 Prozent Phosphor und 1 Prozent Silicium erreicht 3).


Das Martinieren mit in der Birne vorgefrischtem Roheisen nach
dem Verfahren von Daelen-Pszezolka, das jetzt (1900) auch in
Czenstochau, Russisch-Polen, in gutem Betriebe ist, gestattet sieben
Chargen in 24 Stunden 4).


Cement- und Tiegelguſsstahl.


Seit der Ausbreitung der Fluſsstahlfabrikation hat sich die
Tiegelstahlfabrikation noch mehr wie früher auf die Erzeugung
von Qualitätsstahl beschränkt. Noch gröſseren Abbruch erfuhr da-
durch die Cementstahlfabrikation. Gärbstahl oder Raffinierstahl
aus Cementstahl wurde kaum mehr hergestellt, weil sich die Fabri-
kation nicht mehr lohnte und Cementstahl für Tiegelguſsstahl wurde
nur noch da gemacht, wo man besten Werkzeugstahl erzeugen wollte,
wie in Kapfenberg in Steiermark, in Remscheid in Westfalen und
besonders in Sheffield in England. Wo es sich um gröbere Stahl-
artikel handelte, wendete man zur Herstellung des Tiegelstahls, wenn
derselbe überhaupt noch gegenüber dem billigeren Konverter- oder
Flammofenfluſsstahl in Frage kam, gepuddelten Stahl oder noch
billigere Sorten an.


Die Cementstahlfabrikation trat hierdurch mehr und mehr in
den Hintergrund und wurde nach und nach fast überall aufgegeben.
[732]Cement- und Tiegelguſsstahl.
Von Fortschritten in diesem Betriebszweige ist deshalb nicht viel zu
berichten. Dagegen hat sich die Wissenschaft mit Eifer bemüht, die
chemischen und physikalischen Vorgänge bei der Cementation mög-
lichst klarzustellen. Zwei hierauf bezügliche Arbeiten verdienen
besonders erwähnt zu werden, eine mehr chemische von Boussingault
von 1874 1) und eine mehr metallurgische von Reinhard Mannes-
mann
von 1879 2). Die chemischen Veränderungen eines aus Holz-
kohlenroheisen von Rio dargestellten Puddeleisens bei der Cementation
ergaben sich wie folgt:


Bemerkenswert ist hierbei, daſs mit der Aufnahme von Kohlen-
stoff gleichzeitig die Hälfte des Schwefels verschwindet. Gute Guſs-
stahlsorten enthalten keinen Schwefel mehr. Die Blasenbildung leitet
Boussingault von Wasserstoffgas her, welches das Eisen durchdringt.
Reinhard Mannesmann hält es für unwahrscheinlich, daſs bei der
Cementation die Kohlung durch Kohlenoxydgas bewirkt werde. Hier-
gegen spricht auch der Versuch, daſs Roheisen mit Spiegeleisen um-
gossen nach kurzem Glühen mit einer 1 mm dicken Stahlschicht
bedeckt erscheint. Mannesmann nimmt deshalb eine Wanderung
der Kohlenstoffatome an.


J. O. Arnold und A. M’William haben neuerdings nachgewiesen,
daſs das Eindringen des Kohlenstoffs beim Cementieren in zwei ver-
schiedenen Arten vor sich geht 3).


Hier verdient auch ein eigentümliches Cementationsverfahren, das
[733]Cement- und Tiegelguſsstahl.
anfangs der siebziger Jahre in den Vereinigten Staaten angewendet
wurde, Erwähnung. Man schmolz Magneteisenstein zu einer breiartigen
Masse und hierin weiſses Roheisen ein. Tauchte man Eisen in dieses
Bad ein, so wurde es cementiert und in Stahl verwandelt. Es ist
dies derselbe längst bekannte Vorgang, den schon Biringuccio be-
schrieben hat 1) und der der Brescianstahlarbeit und anderen alten
Stahlfrischprozessen zu Grunde liegt.


Sheffield, welches nach wie vor die klassische Heimat des vor-
züglichen englischen Werkzeugstahls blieb, hielt hartnäckig an den
alten Überlieferungen der Guſsstahlbereitung fest. Zu diesen gehörte
vor allen die Cementstahlbereitung aus reinstem schwedischem Holz-
kohleneisen, das aus den besten Dannemoraerzen mit Holzkohlen im
Hochofen geschmolzen und dann mit Holzkohlen in Frischherden in
Schmiedeeisen dargestellt worden ist. Gothenburg, Stockholm und
Gefle waren seit alters die schwedischen Häfen, von denen dieses
Produkt nach Hull verschifft wird. Der gröſste Teil geht von hier
zu Wasser nach Sheffield, während ein kleinerer Teil nordwärts nach
West-Hartlepool und südwärts nach London weiter geht. Man kauft
folgende Marken:


Dannemora-Stabeisenmarken.


Die Einteilung des Cementstahls ist folgende:



[734]Cement- und Tiegelguſsstahl.

Macintosh hatte schon 1825 vorgeschlagen, die Cementation in
Kohlengas, d. h. einem Gemenge von Kohlenoxyd und Kohlenwasser-
stoffgas, vorzunehmen. Die Stäbe sollten senkrecht in Kammern auf-
gestellt, erhitzt und das entschwefelte Gas durchgeleitet werden. Das
Verfahren gab angeblich gute Resultate, war aber zu teuer. Man hat
dieses Verfahren auch in den siebziger Jahren wieder versucht, aber
ohne praktischen Erfolg.


Th. J. Barrow machte Anfang der siebziger Jahre grobe Stahl-
werkzeuge in der Weise, daſs er sie aus Guſseisen in Formen goſs, sie
sodann in Eisenoxyd glühte, um sie in Schmiedeeisen überzuführen,
und sie zuletzt in glühenden Retorten einem Strom von Gasolin und
reinem Holzkohlengas aussetzte, wodurch sie zu Stahl cementiert
wurden. Die Werkzeuge wurden alsdann getempert, geschliffen und
poliert.


1877 wollte man Bessemer- und Martinstahl in der Weise für
feinen Tiegelguſsstahl verwenden, daſs man Stäbe davon in einem
mit Kohlenstickstoff getränkten Brennmaterial cementierte.


J. G. Bates nahm 1891 ein Patent (D. R. P. Nr. 57729) auf den
Zusatz von Kryolith zum Cementierpulver und Th. Langer lieſs sich
in demselben Jahre (D. R. P. Nr. 55544) ein Gemenge von 15 Tln.
Salz, 1 Tl. Borax und 5 Tln. gelbem Blutlaugensalz mit einem kleinen
Zusatz von gebrannten Hornspänen als Härtepulver für Schmiedeeisen-
Temperguſs patentieren. Für denselben Zweck schlugen Coomes und
Hyde (D. R. P. Nr. 57880) eine konzentrierte Lösung von Kochsalz,
Zucker und Salmiak vor. Le Garnier empfahl 1893 die Anwendung
des elektrischen Stromes zur Beschleunigung der Cementation.


Der gröſste Fortschritt der Tiegelguſsstahlfabrikation
bestand in der Einführung der Siemens-Regenerator-Schmelzöfen,
welche die Produktion erhöhten und den Brennstoffverbrauch ver-
ringerten. Man vergröſserte diese Öfen mehr und mehr. 1880 hatte
man schon Flammschmelzöfen für 40 Tiegel. Da man die Tiegel nur
in zwei Reihen aufstellte, wurden diese Öfen sehr lang. Natürlich
erfuhren die Siemens-Stahlschmelzöfen vielerlei Abänderungen je nach
den Verhältnissen und wurden viele Patente auf diese abgeänderten
Konstruktionen genommen.


Um 1875 fand in den Vereinigten Staaten der Swindell-Ofen
gröſsere Verbreitung.


Für den Guſs kleiner Stahlguſswaren erwies sich Piats beweglicher
Tiegelschmelzofen (Fig. 294), der zuerst auf der Pariser Ausstellung
1889 die Aufmerksamkeit erregte, als zweckmäſsig. Bei diesem wurde
[735]Cement- und Tiegelguſsstahl.
nicht der Tiegel, der fest eingebaut war, sondern das ganze Öfchen
gekippt, ähnlich wie bei den Reaumurschen Kippöfen für Guſseisen.
Das Kippen konnte mechanisch geschehen.


J. M. Gledhill1) lieſs sich 1898 Tiegelöfen mit beweglichen
Böden patentieren (E. P. 1898, Nr. 2817).


Die besten Tiegel bestanden aus Graphit, gutem feuerfestem Thon
und Chamotte; da dieselben aber teuer waren, suchte man sie durch
Thontiegel oder andere
billigere Mischungen zu er-
setzen.


Die Zusammensetzung
der Tiegelsubstanz war von
groſsem Einfluſs auf den
Stahl. Troost und Haute-
feuille
hatten schon vor
1883 nachgewiesen, daſs
Silicium aus der Tiegelwand
reduziert und von Stahl
gelöst wird. Bei quarz-
haltigen Tiegeln war dies
in höherem Maſse der
Fall als bei reinen Thon-
tiegeln und bei diesen
wieder mehr als bei Bauxit-
tiegeln. Dr. Friedr. C. G.
Müller
2) wies 1885/86 nach,

Figure 295. Fig. 294.


daſs eine Siliciumaufnahme bis 0,3 Prozent auch im Graphittiegel
stattfinden kann, daſs dabei der Kohlenstoffgehalt aber nicht ver-
mindert wird, während in Thontiegeln ohne Graphit das Silicium den
Kohlenstoff teilweise oft bis zur Hälfte verdrängt. In Graphittiegeln
betrug dabei die Anreicherung des Siliciums das Doppelte bis Drei-
fache derjenigen bei den graphitfreien Tiegeln. Dabei schmolz der Stahl
im Graphittiegel ruhig, im Thontiegel aber unruhig und gab blasige
Güsse. Nach Ledebur3) befördert ein Mangangehalt die Reduktion
der Kieselsäure und die Siliciumaufnahme, während Müller dies
anfangs in Abrede stellte. Nach Albano Brand4) erfährt der Stahl
[736]Cement- und Tiegelguſsstahl.
in Koks-Thontiegeln nur geringe Veränderungen beim Schmelzen, doch
sind Graphittiegel für Qualitätsstahl vorzuziehen. Für basische Tiegel
empfiehlt er Magnesit mit 8 Tln. Thonerde und Teer als Binde-
mittel.


Diese Untersuchungen und weitere über den Einfluſs des Siliciums
auf den Tiegelguſsstahl beim Schmelzen waren mit angeregt worden
durch einen Vortrag von H. Seebohm1), in dem dieser zum erstenmal
auf die Wichtigkeit des Nachkochens, in Sheffield „Killing“ genannt,
hinwies.


Es ist in Sheffield beim Schmelzen des guten Tiegelstahls
Gebrauch, den Stahl nach dem Schmelzen im Ofen bei hoher Hitze
noch eine halbe Stunde nachkochen, sich dann beruhigen und auf
die erforderliche Temperatur abkühlen zu lassen, um dichte, gute
Güsse zu erhalten. Gerade hierbei findet die Aufnahme von Silicium
aus der Tiegelwand statt. Das reducierte Silicium wirkt hier gerade
so, wie bei dem Zusatz von Eisensilicid oder Eisen-Mangansilicid zu
Fluſseisen zur Erzielung blasenfreier Güsse. Daſs die Anwesenheit
von Mangan hierbei sehr förderlich ist, hat auch Dr. Friedr. C. G
Müller
bei seiner weiteren Untersuchung 2) gefunden. Mangan wirkt
bei der hohen Temperatur noch energischer wie das Eisen auf die
Kieselsäure der Tiegelwand ein, indem es einem Teil der Kieselsäure
Sauerstoff entzieht und zu Silicium reduciert, während sich das
gebildete Mangan mit einem anderen Teile der Kieselsäure verschlackt
(2 Mn + 3 Si O2 = Si + 2 Si Mn O3). Auf diesem Vorgang beruht die
garende Wirkung bei dem Nachkochen, wobei das Silicium als Träger
des Prozesses erscheint. Beste englische Guſsstahlsorten enthalten
bis zu 0,5 Prozent Silicium. Auch M. Böcker3) ist der Ansicht, daſs
Silicium und Mangan für die Herstellung von gutem Tiegelstahl un-
entbehrlich seien, dagegen erhöhe der Gehalt von Silicium und Mangan
keineswegs die Güte des Guſsstahls. Nach Böcker soll idealer Guſs-
stahl nur Eisen und Kohlenstoff enthalten, jede Beimengung be-
einträchtige die Güte desselben und zwar geschähe dies von den
gewöhnlichen Beimengungen des Roheisens in folgender abnehmender
Reihe: 1. Phosphor, 2. Schwefel, 3. Kupfer, 4. Silicium, 5. Mangan.
Mangan und Silicium können erwünschte Beimengungen sein, wenn
der Stahl noch weiter im Feuer verarbeitet wird, indem dann diese
Körper ihn vor Verbrennen schützen.


[737]Cement- und Tiegelguſsstahl.

Die Härte des Guſsstahls hängt unmittelbar von dem Kohlenstoff-
gehalt ab. Die in Sheffield üblichen sieben Härtegrade entsprechen
folgenden Kohlenstoffgehalten:



In Remscheid bezeichnet man deshalb jetzt die Härtegrade ein-
fach nach Nummern, die mit Zehntel-Kohlenstoffgehalt überein-
stimmen, so daſs Nr. 8 ein Stahl von 0,8 Prozent, Nr. 10 ein Stahl
von 1,0 Prozent, Nr. 15 ein Stahl von 1,5 Prozent Kohlenstoffgehalt
ist. Zwischen diesen Grenzen liegen die guten Werkzeug-Tiegelstahl-
sorten. Wolframstahl bezeichnet man seiner groſsen Härte wegen mit
Nr. 20.


Auf der oben angeführten Wirkung des Mangans beruht der
Vorschlag von C. Y. Hermelin1), dem Cementstahl nach dem
Schmelzen im Tiegel einen Zusatz von Spiegeleisen zu geben. Wenn
auch die wichtigste Bedeutung der Tiegelstahlfabrikation im Qualitäts-
stahl besonders für Werkzeuge liegt, so verwendete man dieselbe doch
auch in dieser Periode noch zur Herstellung grober Waren, wofür
man dann selbstverständlich billigeres Material einschmolz. Dieser
Verwendung des Tiegelstahls hat allerdings die Erfindung des Kon-
verter- und des Flammofenstahls Abbruch gethan, dennoch ist sie
noch in Gebrauch, wo es sich um eine besondere Qualität, die man am
sichersten im Tiegel erhalten kann, handelt, oder bei besonderen Güssen,
wo man jetzt auch oft den Tiegelguſs in Verbindung mit dem Flamm-
ofenguſs anwendet. Wie bekannt, war es zuerst Alfred Krupp in
Essen, dem es gelang, erstaunlich groſse Stahlstücke aus Tiegelstahl
herzustellen, was er durch die Groſsartigkeit seiner Schmelzanlagen
und das fast militärisch organisierte Zusammenwirken der Schmelz-
arbeiter erreichte. Dieses System, das sich bei Krupp so glänzend
bewährt hatte, wurde in den siebziger Jahren auch in anderen
Stahlwerken eingeführt, so in Ruſsland in dem Obuchowskischen
Stahlwerke bei Alexandrowsky, wo namentlich für die schweren
Kanonen der kaiserlichen Marine groſse Guſsblöcke verlangt wurden.
Beck, Geschichte des Eisens. 47
[738]Cement- und Tiegelguſsstahl.
Es gelang dem Direktor Obuchow (Obouchkow, Abukoff) vor
1875, Güsse von 40 Tonnen Gewicht aus 1200 Tiegeln zu gieſsen.
Hierfür wurde Roheisen und Schmiedeeisen eingeschmolzen, beide
Materialien allerdings von besonderer Güte. Es war Holzkohlenroh-
eisen vom Ural und Stabeisen aus Sibirien. In Amerika verwendete
man mit Vorliebe den sehr reinen mit Holzkohle erzeugten Rennstahl
für guten Tiegelguſsstahl.


Charles Attwood machte zu Wolsingham in England aus Eisen
von Weardale und Spiegeleisen Anfang der siebziger Jahre einen
guten Tiegelguſsstahl, der aber zu teuer war, um mit Bessemerstahl
konkurrieren zu können. — Unter vielen anderen Versuchen erwähnen
wir noch das Verfahren von C. Casper (1889), welcher reines Fluſs-
eisen granuliert und die Granalien im Tiegel unter Zusatz von Kien-
ruſs und Magnesia einschmilzt (D. R. P. Nr. 47211).


An die Fabrikation des Tiegelguſsstahls, worunter ein Produkt
von Eisen und Kohlenstoff verstanden wird, reiht sich die Fabrikation
der sogenannten Specialstahle1) an, welche auſser den genannten
Elementen noch einen anderen Körper, der seine Güte, meistens seine
Härte erhöhen soll, enthält, weil diese Specialstahle ursprünglich
ebenfalls in Tiegeln hergestellt wurden. Es geschieht dies noch für
kleinere Güsse, während man groſse Güsse oder Massenartikel jetzt
öfter aus dem Flammofen gieſst. Die Elemente, die man zur Her-
stellung dieser Specialstahle dem gekohlten Eisen zusetzt, sind
besonders Mangan, Wolfram, Chrom, Phosphor, Silicium, Aluminium,
Kupfer, Nickel und Titan.


Mushets Titanstahl war, wie schon früher erwähnt wurde, in
Miſskredit geraten, weil wiederholte chemische Analysen kein Titan
in dem danach benannten Stahl nachweisen konnten. Dagegen er-
freute sich der Manganstahl besonders als Meiſselstahl groſser An-
erkennung.


Robert und David Mushet hatten 1830 bereits einen Mangan-
stahl mit angeblich 30 Prozent Mangan im Tiegel erzeugt. Doch
blieb es bei dem Laboratoriumsversuch. Die als Ferromangan bekannte
Legierung, welche als Ersatz für Spiegeleisen bei der Fluſsstahlfabri-
kation Verwendung findet, haben wir schon erwähnt. Es ist eine
Legierung mit hohem Kohlenstoffgehalt (bis 7,5 Prozent), die hart
und spröde ist. A. Pourcel führte 1867 in Terrenoire die Erzeugung
von sehr weichem Fluſsstahl mit Hülfe von 80 prozentigem Ferro-
[739]Cement- und Tiegelguſsstahl.
mangan ein. Da dieses seit Anfang der siebziger Jahre in gröſseren
Mengen verwendet wurde, versuchte man dasselbe unmittelbar im
Hochofen zu erzeugen, und es gelang zuerst in Krain im Jahre 1872,
eine solche Legierung mit 28 Proz. Mangan im Hochofen herzustellen.
1873 erhielt das auf der Wiener Ausstellung vorgeführte Produkt
schon 37 Prozent Mangan und 1874 erzeugten die beiden Hütten
Jauerburg und Sawa bereits Ferromangan von 40 bis 50 Prozent
Mangan. In den Vereinigten Staaten stellte in den folgenden Jahren
W. G. Ward zu Casterville, Georgia, 50 prozentiges Manganeisen im
Hochofen dar. Auch im Kupolofen gelang es, Ferromangan mit
75 Prozent Mangan herzustellen, indem man Ziegel aus mit schwacher
Säure angefeuchteten Eisenfeilspänen und Braunsteinpulver herstellte
und schmolz. Das im Tiegel nach Hendersons Patent 1876 dar-
gestellte Ferromangan enthielt bereits 75 Prozent Mangan. Später
erhielt man im Tiegel sogar Produkte mit 80 bis 85 Prozent Mangan.


Daſs ein Manganzusatz dem Guſsstahl gröſsere Härte verleiht,
war bekannt, und es brachte zuerst die von Mayrsche Guſsstahlhütte
zu Kapfenberg einen Manganguſsstahl in den Handel. Hierbei ersetzt
nach Gautiers1) Ansicht (1876) Mangan einen Teil des Kohlenstoffs,
denn ein Manganstahl mit 0,38 Kohlenstoff und 1,38 Mangan ist hart,
während er seinem Kohlenstoffgehalt nach zu den weichen gehören
müſste.


Genauere Untersuchungen über Manganstahl und besonders
über höhere, stahlähnliche Mangan-Eisenlegierungen veröffentlichte
J. A. Hadfield seit 1882. Zusammengefaſst sind die Ergebnisse der-
selben in einem Vortrage, den er 1888 im Institute of civil engineers
hielt. Hiernach verbessert ein Zusatz von Mangan bis zu 2,75 Prozent
den Guſsstahl, indem es seine Härte erhöht, ohne seine übrigen Eigen-
schaften zu beeinträchtigen. Vermehrt man den Zusatz über 2,75 Pro-
zent, so wird das Produkt spröde und unbrauchbar und zwar bis zu
einem Zusatz von 7 Prozent. Überschreitet der Mangangehalt 7 Pro-
zent, so erhält man in den Grenzen von 7 bis 20 Prozent ein Metall
von ganz anderen Eigenschaften, aber von ungewöhnlicher Stärke und
Zähigkeit. Dieses Produkt ist kaum mehr als Stahl zu bezeichnen,
sondern zeigt mehr Ähnlichkeit mit manchen Legierungen, wie z. B.
der Bronze. Es wird beim Ablöschen in Wasser nicht härter, sondern
eher weicher und zäher; bei 12,5 Prozent Mangangehalt wird es
gänzlich unmagnetisch. Übrigens verhält es sich innerhalb der oben
47*
[740]Cement- und Tiegelguſsstahl.
angegebenen Grenzen durchaus nicht gleich. Bei 2½ Prozent Mangan
vermindern sich Festigkeit und Dehnbarkeit, während die Härte
zunimmt, die bei 6 Prozent ihr Maximum erreicht. Bei 7 bis
10 Prozent Mangan nehmen Härte und Sprödigkeit etwas ab, Festig-
keit und Dehnbarkeit dagegen zu 1). Am vorteilhaftesten ist die
Legierung mit 12 bis 14 Prozent Mangan, die eine Zerreiſsfestigkeit
von 100 kg pro Quadratmillimeter und eine Dehnung von 44 bis
50 Prozent bei einer Stablänge von 203 mm zeigt, also bei gröſster
Härte eine Zugfestigkeit wie das weichste Eisen 2). Eisenmangan-
stahl (Hadfieldstahl) von 17 bis 20 Prozent Mangan zeigt die drei-
fache Festigkeit wie gewöhnlicher Stahl. Für manche besondere
Zwecke kann derselbe also sehr vorteilhaft sein. Die Darstellung
erfolgt durch Zusatz von geschmolzenem reichen Ferromangan zu
vollständig entkohltem heiſsflüssigen Martin- oder Thomasstahl unter
Umrühren 3). Der Hadfieldstahl läſst sich schmieden und walzen wie
ein harter Kohlenstoffstahl mit 1,25 bis 1,50 Prozent Kohlenstoff.


Der vorzügliche Werkzeug-Tiegelguſsstahl, den Gebrüder Böhler
\& Co.
unter der Bezeichnung „Rapid“ in Kapfenberg herstellen, ent-
hält nur etwa 1 Prozent Mangan 4).


Ein anderer Specialstahl von auſsergewöhnlicher Härte ist der
Wolframstahl. Dieser war zuerst 1855 von Jakob in Österreich,
dann 1857 von Oxland in England dargestellt worden und wurde
sodann von Mayr in Leoben 1858 als Handelsartikel dargestellt.
1861 folgte Mushet mit seinem Specialstahl, der etwa 8 Prozent
Wolfram enthielt, während der Wolframstahl von Mayr wenig mehr
als 1 Prozent enthielt. In Deutschland beschäftigte sich die Bochumer
Guſsstahlfabrik Ende der sechziger Jahre mit der Herstellung eines
Wolframstahls, der nach den Analysen an 3 Prozent Wolfram enthielt.
Ende der siebziger Jahre stellte man zu Terrenoire eine Eisen-
wolframlegierung im Hochofen zur Bereitung von Wolframstahl dar.
Proben dieses Wolframmanganeisens waren 1879 auf der Pariser
Weltausstellung zu sehen. Ein Stück davon enthielt nach Kerpely
24,25 Tle. Wolfram, 30,00 Tle. Eisen, 41,50 Tle. Mangan, 5,65 Tle.
Kohle und 0,14 Tle. Phosphor. Biermann in Hannover lieferte
Wolframeisen und Wolframmanganeisen mit 20 bis 50 Prozent
Wolfram.


[741]Cement- und Tiegelguſsstahl.

Mushets Specialstahl, von dem eine Probe nach einer Analyse
von Riley 7,98 Prozent Wolfram, 1,40 Prozent Kohlenstoff und
0,24 Prozent Silicium eine andere auch noch 2,48 Prozent Mangan
enthielt, war sehr hart und lieſs sich nur äuſserst schwierig bei Rot-
glut bearbeiten. Er war doppelt so teuer wie bester Huntsmanstahl
und zu hart und spröde, um als Werkzeugstahl allgemein verwendbar
zu sein. Nur ausnahmsweise wurde er für Dreh- und Schrotmeiſsel
von besonderer Härte verwendet, z. B. auf der französischen Westbahn
zum Abdrehen von Stahlbandagen. Die Titanic Forrest Steel Works
zu Coleford stellen noch Mushets Specialstahl dar.


Ein gröſseres Interesse hat man seit 1870 dem Chromstahl
entgegengebracht, der bekanntlich schon 1821 von Berthier unter-
sucht und beschrieben worden war und auf dessen Fabrikation
Mushet 1861 ein Patent genommen hatte. Eine praktische Bedeutung
erlangte die Chromstahlfabrikation aber erst in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika durch Julius Baur in New York. Dieser
erhielt 1865 ein Patent auf die Darstellung eines „edleren, zäheren
und härteren Stahls durch den Zusatz von Chrom“. Auf Grund dieses
Patentes bildete sich die Chromstahl-Gesellschaft zu Brooklyn, welche
seit 1869 Chromstahl fabrikmäſsig darstellte und mit der in Amerika
üblichen Reklame auf den Markt brachte. Anfang der siebziger
Jahre lieſs sich J. Baur auch ein von ihm erfundenes verbessertes
Verfahren der Bereitung von Eisenchrom patentieren. Der Erfolg in
Amerika lenkte auch in Europa die Aufmerksamkeit auf Chromstahl
und Ferrochrom. 1874 hatte Professor Carlington1) behauptet,
Chromstahl leiste das drei- bis vierfache als gewöhnlicher Stahl, seine
Textur sei sehr gleichmäſsig, er stehe gut in der Hitze und sei
schweiſsbar.


1875 begann Brustlein, Direktor der Gesellschaft Holtzer
\& Co. in Unieux bei Firminy in Frankreich, versuchsweise Chrom-
stahl darzustellen. Seit 1877 wurde die Chromstahlfabrikation zu
Unieux im groſsen betrieben. Die Grundlage hierfür bildeten Eisen-
chromlegierungen, die entweder im Tiegel oder im Hochofen dar-
gestellt wurden. Ein chromhaltiges Roheisen war schon Ende der
sechziger Jahre zu St. Stephan in Steiermark im Hochofen erblasen
worden; seit etwa 1874 stellten die Tasmanian Iron and Steel Works,
U. S., ein solches mit 6 bis 8 Prozent Chrom dar. Hochhaltigeres
Chromeisen (Ferrochrom) wurde zu Eston in England, Terrenoire
[742]Cement- und Tiegelguſsstahl.
in Frankreich, zu Hörde in Deutschland im Hochofen und zu Brooklyn,
Sheffield, Mostge (Nordwales) und anderen Orten in Tiegeln dar-
gestellt.


Sergius Kern in St. Petersburg war es 1875 gelungen, im
Schmelztiegel ein Ferrochrom mit 74 Prozent Chrom herzustellen.
1876 führten John Brown \& Co. das Verfahren der Chromstahl-
bereitung von Jul. Baur, Brooklyn 1), in Sheffield ein. Hierbei
wurde erst Ferrochrom mit 48,7 Prozent Chromgehalt im Tiegel
dargestellt und dies dann mit Stahl im Tiegel oder in einem
Siemensflammofen zusammengeschmolzen. Der erhaltene Chromstahl
enthielt nur 0,44 Prozent Chrom. Der gehärtete Chromstahl wurde
von keinem anderen Stahl angegriffen. Proben waren 1876 in der
Weltausstellung zu Philadelphia vorgeführt. 1877 stellte Sergius
Kern
einen Chromtiegelstahl 2) dar, indem er Bessemer- oder Martin-
stahl mit Chromeisenstein und gebranntem Kalk schmolz. Auf dem
Obuchow-Stahlwerk wurde die Darstellung von Chromstahl im groſsen
versucht.


Um die wissenschaftliche Untersuchung des Chromstahls machten
sich die Franzosen am meisten verdient. Eine Arbeit von Boussin-
gault
über Chromeisen gab die erste Veranlassung zu Versuchen von
Holtzer \& Co. in Unieux. Da diese ergaben, daſs Chromzusatz die
Härte des Stahls erhöhte, so glaubte man dadurch aus französischem
Material einen Werkzeugstahl von derselben Güte, wie der in Sheffield
aus schwedischem Eisen erzeugte Guſsstahl herstellen zu können.
Brustlein3) fand ihn besonders geeignet für Kriegsmaterial, nament-
lich für Geschosse und Panzerplatten. Die Resultate der hierauf
bezüglichen Versuche zu Unieux wurden 1878 in der Pariser Welt-
ausstellung unter Angabe sehr hoher Festigkeitszahlen dem Publikum
vorgeführt. Man war damals noch allgemein der Ansicht, daſs Chrom
im Stahl dieselbe Rolle spiele wie der Kohlenstoff und diesen
ersetze. Holtzers Chromstahl enthielt angeblich 2,5 Prozent
Chrom, der von Seebohm \& Dickstahl in Sheffield ausgestellte
1 Prozent.


1878 war es zu Terrenoire in Frankreich auch gelungen, Ferro-
chrom in ähnlicher Weise wie Ferromangan im Hochofen herzu-
[743]Cement- und Tiegelguſsstahl.
stellen 1). Der höchste Chromgehalt der im Hochofen bis jetzt erzeugten
Legierungen betrug 40 Prozent, während im Tiegel erzeugte bis 65 Pro-
zent enthielten. Ja, es gelang später Brustlein, Tiegelchromstahl mit
84 Prozent Chrom zu schmelzen. 1882 lieferte R. A. Hadfield der
englischen Regierung Chromstahlgeschosse, die sich bewährten. Sie
durchdrangen achtzöllige Schmiedeeisenplatten ohne Beschädigung.
In den achtziger Jahren nahm man auch in Deutschland, Österreich
und Schweden die Chromstahlfabrikation auf, so zu Eibiswalde in
Steiermark, wo 1885 ein Chromstahl mit 2,14 Prozent Chrom dar-
gestellt wurde.


Erst um diese Zeit erlangte die Darstellung von Chromeisen im
Hochofen eine praktische Bedeutung, 1886 beschäftigten sich bereits
mehrere Eisenhütten in Frankreich damit. In den Vereinigten Staaten
verwendete man Chromstahl für Geschützmetall, für feuerfeste Geld-
schränke und für Werkzeuge. Das Stahlwerk in Brooklyn behauptete
1887, daſs sein Chromstahl in kaltem Zustande jeden anderen Stahl
an Zähigkeit übertreffe, während H. Bessemer fand, daſs was der
Guſsstahl durch Chromzusatz an Härte gewann, er an Streck- und
Dehnbarkeit verlor.


1888 lieſs sich H. Eckhard in Dortmund ein verbessertes Ver-
fahren der Chromeisenbereitung durch Zusatz von saurer Bessemer-
schlacke patentieren (D. R. P. Nr. 44896). Um diese Zeit war es
auch in Schweden gelungen, Ferrochrom im groſsen darzustellen und
zwar zuerst der Firma Lyrholm \& Co. in Gothenburg in Witten-
ströms
chen Masutöfen. Mit diesem wurde dann auf verschiedenen
schwedischen Werken in Martinöfen ein Chromstahl mit ca. 1 Prozent
Chromgehalt dargestellt. In Christiania wurden 1888 in einer Ferro-
chromfabrik Mischungen von 65 bis 70 Prozent Chrom in Tiegeln
geschmolzen.


Auch in Schweden glaubte man im Chromstahl ein Produkt ge-
funden zu haben, das den englischen Guſsstahl vollständig ersetzen
könne. Namentlich sprach sich Stridberg, der zu Trollshättan Ferro-
chrom und Chromstahl fabrizierte, dahin aus, daſs Chromzusatz Stahl
aus gutem Roheisen dargestellt derart verbessere, daſs er kaum hinter
Dannemora-Tiegelguſsstahl zurückstehe. Allerdings sei er schwieriger
zu härten, weil er leicht Kantenrisse bekomme.


Chrom erhöht die Aufnahmefähigkeit von Kohlenstoff im Roh-
[744]Cement- und Tiegelguſsstahl.
eisen. Das in der Pariser Weltausstellung von 1889 ausgestellte
Ferrochrom enthielt neben 65 Prozent Chrom 12 Prozent Kohlenstoff.
Chrom ersetzt also keineswegs, wie man früher annahm, den Kohlen-
stoff im Eisen, sondern vermehrt dessen Aufnahme. Auch der Chrom-
stahl ist nur als eine Legierung anzusehen.


Roheisen mit geringem Chromgehalt ähnelt Spiegeleisen, bei
höherem Chromgehalt finden nadelförmige Ausscheidungen statt. Ein
geringer Chromgehalt im Stahl erhöht schon seine Härte bedeutend.
So wurde ein Stahl mit 0,71 Prozent Kohlenstoff und 0,18 Prozent
Chrom von der Feile nicht mehr angegriffen, während derselbe Stahl
ohne Chromzusatz gut zu feilen war. Doch soll nach Turners Ver-
suchen Chrom diese härtende Eigenschaft nur bei Gegenwart von
Kohlenstoff zeigen. Für die Kenntnis des Chromstahls haben sich
besonders verdient gemacht Baur, Brustlein, Sergius Kern,
Hadfield, Odelstjerna
und Osmond. Von neueren Arbeiten
sind hervorzuheben R. A. Hadfields Vortrag über Eisenchrom-
legierung im Herbstmeeting des Iron and Steel Industry 1) und ein
Aufsatz von Sergius Kern über die Erzeugung von Chromstahl-
geschossen in Ruſsland 2). Nach Hadfields Versuchen wachsen
Elasticitätsgrenze und Bruchbelastung (Härte und Festigkeit) mit dem
Chromgehalt bis zu 5 Prozent, dann nehmen beide ab; bei mehr als
0,8 Prozent Chrom bei 0,12 Prozent Kohlenstoff wird der Stahl spröder,
die Zähigkeit nimmt ab. — Die Schweiſsbarkeit wird durch einen
Chromgehalt verringert. Chromstahl widersteht der Einwirkung der
Säuren mehr als gewöhnlicher Stahl.


Im ganzen haben sich die allerdings oft übertriebenen Er-
wartungen, die man besonders in Frankreich und Amerika auf den
Chromstahl setzte, nicht vollständig erfüllt. Doch liefert er für
manche Zwecke, wobei die Härte in erster Linie in Frage kommt, ein
brauchbares Material. Dies hat sich besonders bei der Herstellung
von Geschossen bewährt, wofür man in Amerika, Frankreich und
Ruſsland Chromstahl verwendet. Spitzgeschosse aus Chromstahl wurden
zuerst von Holtzer \& Co. in Unieux eingeführt und hieſsen deshalb
Holtzergeschosse. Auch in Ruſsland hat sich, nach dem Berichte von
Sergius Kern von 1895, auf dem Poutiloff-Stahlwerk bei St. Peters-
burg seit 1889 am besten Tiegelchromstahl, nach dem System von
[745]Cement- und Tiegelguſsstahl.
Holtzer \& Co. dargestellt, bewährt. Dieses System wurde nach
Instruktionen von Antoine Rollet dort eingeführt. Aus gegossenen
Blöcken wurden die Projektile geschmiedet. Der dazu verwendete
Stahl enthielt 0,8 bis 1,15 Prozent Kohlenstoff, 2,20 Prozent Chrom
0,20 Prozent Mangan, 0,18 Prozent Silicium, 0,01 Prozent Schwefel
und 0,02 Prozent Phosphor.


In den Vereinigten Staaten wird Chromstahl auſserdem besonders
für Pocheisen, Brechplatten der Steinbrecher und Laufringe der
Walzenquetschen verwendet.


Die Wilson Aluminium Company stellt Ferrochrom von 68 bis
71 Prozent zu Holcombs Rock in groſser Menge auf elektrischem
Wege dar.


Die Verwendung des Chromstahls erlitt in letzter Zeit Einbuſse
durch die Verwendung des Nickelstahls, der wegen seiner über-
legenen Eigenschaften bevorzugt wurde. Nickeleisenlegierungen waren
längst bekannt. Sie fanden sich in der Natur im Meteoreisen, sie
wurden künstlich dargestellt von Faraday 1820 und von Berthier
In Deutschland machte 1832 ein Fabrikant Wolf aus Schweinfurt
zuerst einen Nickelstahl (Meteorstahl) 1). Eine technische Bedeutung
erlangten diese Verbindungen aber nicht, weil Nickel damals noch zu
teuer war und weil die Nickeleisenlegierungen Rotbruch zeigten. Dies
rührte zwar nur von der Verunreinigung des verwendeten Nickels
durch Schwefel und Arsen her; solange man dies aber noch nicht er-
kannt hatte, schrieb man dem Nickel selbst diese Unart zu.


Noch in den siebziger Jahren erhielten Troilus, 1873, und
Billing, 1878, bei ihren Versuchen, Nickeleisenlegierungen darzustellen,
rotbrüchige Produkte. Erst 1885 gelang es der Société anonyme de
Ferro-Nickel in Paris, nach ihrem Patent vom 6. Dezember 1885
(D. R. P. Nr. 37376) einen brauchbaren Nickelstahl auf den Markt zu
bringen. Eisen wurde mit Nickel und einem Zusatz von Mangan
und Wolfram mit Blutlaugensalz im Tiegel eingeschmolzen und dann
unter Umrühren etwas Aluminium nachgesetzt. Schon vorher hatte
die Nickelgewinnung, besonders seit der Einführung der Nickelmünzen
in Deutschland im Jahre 1871, einen groſsen Umfang erlangt und
mit Eifer suchte man nach neuen Verwendungen für das Metall,
dessen Absatz, nachdem der vorübergehende groſse Bedarf für Münz-
zwecke gedeckt war, stockte. Hierdurch war der Preis des Nickels
gesunken und dadurch die Chancen für seine Verwendung in der
[746]Cement- und Tiegelguſsstahl.
Eisenindustrie günstiger geworden. Seit 1887 mehrten sich denn auch
die Versuche der Darstellung von Nickelstahl im groſsen.


John Fr. Hall zu Newbury stellte 1888 nach seinem Patent
(Engl. Pat. Nr. 3410 vom 6. März 1888) Nickelstahl mit angeblich 2,5
bis 50 Prozent Nickelgehalt dar. Von gröſserer Wichtigkeit war das
Patent von Henri Schneider zu le Creuzot in demselben Jahre
(Engl. Pat. 1888, Nr. 14150) für Darstellung von Nickelstahl im
Martinofen. Hiernach schmolz er ein Gemenge von 36 Tln. Nickel,
36 Tln. Stahl, 3 Tln. Kohlenstoff und 2 Tln. Mangan, welches
zur Verhinderung der Oxydation mit Anthrazit überdeckt wurde,
auf dem Herd eines Flammofens und setzte nach dem Einschmelzen
der Mischung Eisen und Stahl nach Bedarf zu. Der Stahl floſs ruhig
und die gegossenen Blöcke waren sauber und glatt. Haupterfordernis
war die Reinheit des verwendeten Nickels.


Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde besonders von James Riley
zu Glasgow auf den Nickelstahl gelenkt durch einen vortrefflichen Vor-
trag über die Nickeleisenlegierungen auf dem Frühjahrsmeeting des
Iron and Steel Institute 1889. Er hob hervor, daſs sich Nickelstahl
bei genügender Hitze ebensowohl im Martinofen als im Tiegelschmelz-
ofen darstellen lasse, daſs die geschmolzene Legierung dünnflüssiger
sei als reiner Stahl und sich gut gieſsen lasse. Die Legierung mit
Nickel erfolge leicht in jedem beliebigen Verhältnis. Ein Zusatz von
4,7 Prozent Nickel erhöhe die Elasticitätsgrenze von 24,8 auf 38,8 kg,
die Bruchgrenze von 46 auf 62,1 kg pro Quadratmillimeter, ohne die
Dehnung und Kontraktion erheblich zu beeinflussen. Mit steigendem
Nickelgehalt bis 20 Prozent nehme die Härte zu und zeige bei diesem
Gehalt ein sehr hohes Maximum; darüber hinaus werden die Eisen-
Nickellegierungen wieder weicher. Ein Nickelstahl mit 25 Prozent
Nickel zeige viele besondere und beachtenswerte Eigenschaften, er
sei sehr dehnbar und fest und leide wenig unter dem Einfluſs der
Atmosphärilien.


Wegen des hohen Preises des Nickels waren aber vorläufig für
die Praxis nur die Legierungen bis zu etwa 5 Prozent von Wichtig-
keit, welche auch schon hervorragende Eigenschaften in Bezug auf
Härte, Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit in der Atmosphäre und
im Seewasser zeigen. Verwendung fand der Nickelstahl zunächst
ausschlieſslich für Kriegsmaterial, so z. B. in Creusot für Panzer-
platten, Kanonen und Gewehrläufe. Zu diesem Zweck fand der Nickel-
stahl auch in England, Amerika und Deutschland Verwendung. In
den Vereinigten Staaten wurden 1891 auf den Homestead-Steel-
[747]Cement- und Tiegelguſsstahl.
Works von Carnegie, Phipps \& Co. die ersten Versuche für
Panzerplatten nach der Methode von Creusot mit gutem Erfolg an-
gestellt. Der Homestead-Nickelstahl enthielt 3,16 Prozent (gegen
3,32 Prozent zu Creusot) Nickel, seine Elasticitätsgrenze war 42 kg,
seine Bruchgrenze 71 kg pro Quadratmillimeter, d. h. fast doppelt so
hoch wie bei gewöhnlichem Fluſsstahl; die Dehnung betrug 15,5 Pro-
zent, war also nur wenig vermindert. Die von Jules Garnier1) 1892
veröffentlichten Zahlen über vergleichende Versuche mit gewöhnlichem
Stahl und Nickelstahl der Cleveland-Walzwerksgesellschaft in Ohio
waren zwar nicht so hoch, zeigten aber auch deutlich die groſse
Überlegenheit des Nickelstahls.


1894 beschäftigten sich bereits eine Reihe von Werken mit der
Herstellung und Verarbeitung von Nickelstahl, so auſser den bereits
genannten besonders Friedrich Krupp in Essen, die Bethlehem-
Werke in Pittsburg und St. Chammond in Frankreich, Naylor
Vickers
in Sheffield und Witkowitz in Mähren.


Die Darstellung des Nickelstahls kann im Tiegel-, im Flammofen
oder im Konverter geschehen, doch hat die Flammofenschmelzung am
meisten Anwendung gefunden. Die Nickeleisenlegierungen erforderten
hohe Schmelztemperaturen, die aber in Regenerativöfen unschwer zu
erzeugen sind. Nickel oxydiert im Flammofen viel weniger als
Chrom, was schon einen groſsen Vorteil gegenüber dem Chromstahl
bietet.


Man verwendete anfangs Ferronickel mit hohem Nickelgehalt
oder metallisches Nickel als Zusatz. Beides ist aber kostspielig, und
da das im Hochofen dargestellte Nickelroheisen ebenfalls nur teuer
herzustellen und dabei von sehr schwankendem Gehalt ist, so zogen
die groſsen Werke es vor, Nickel in anderer Form zuzusetzen, doch
hielten die Werke ihre Verfahren geheim. Zu Homestead, Bethlehem
und auf dem Stahlwerk der Carbon-Steel-Gesellschaft verwendet man
Nickeloxydul, welches im Martinofen selbst reduciert wird 2). Das-
selbe wird zu Anfang der Charge mit dem Kalkzuschlag auf dem
Boden des Martinofens eingesetzt, darauf das Roheisen und dann
die weitere Charge. Das gefällte und getrocknete Nickeloxydul
wird mit Holzkohlenpulver gemengt, entweder nach einem Patent
von Wood zu Ziegel gepreſst, oder, wie es v. Ehrenwerth sah,
in einem aus Eisen zusammengefügten Kistchen auf den Boden
[748]Cement- und Tiegelguſsstahl.
des Martinofens eingesetzt. Wendet man Ferronickel an, so wird
dies meist erst nach der Entkohlung des Eisens zugesetzt und zwar
giebt man zur Reinigung und Rückkohlung erst Ferromangan, sodann
Ferronickel auf und setzt hierauf in der Gieſspfanne noch etwa
0,6 Prozent Aluminium zu. Wo man nickelhaltiges Roheisen ver-
wendet, schmilzt man dies gleich zu Anfang mit der Charge ein.
Das Nickelspiegeleisen der Ferronickelgesellschaft zu Paris enthält
72 Prozent Eisen, 20 Prozent Nickel, 5 Prozent Mangan und 2,5 bis
3 Prozent Kohlenstoff. Zur Erhöhung der Härte hat man in Frank-
reich zuweilen auch noch Ferrochrom zugesetzt.


1892 setzte der Verein zur Beförderung des Gewerbfleiſses in
Berlin eine Kommission unter Vorsitz des Geheimrats Wedding
zur Untersuchung des Nickels und seiner Legierungen ein und be-
willigte 25000 Mark für Versuche. Diese ergaben, daſs die Schweiſs-
barkeit des Nickelstahls bis zu 1 Prozent Nickelgehalt unverändert
bleibt, sich dann etwas verringert, doch ist die Legierung bis zu
5 Prozent noch leicht zu bearbeiten.


Der Nickelstahl der Bethlehemwerke auf der Weltausstellung in
Chicago 1893 enthielt 3½ Prozent Nickel, die Bruchverlängerung war
13 Prozent, die Querschnittsverminderung 28,2 Prozent, die Elasticitäts-
grenze 32 kg, die Bruchgrenze 100 kg pro Quadratmillimeter. Er war
ein vorzügliches Material für Panzerplatten.


Seit 1894 wird der Nickelstahl auſser für Panzerplatten und
Geschütze auch als Konstruktionsmaterial verwendet, wofür er sich
seiner hohen Elasticitätsgrenze, Festigkeit und Härte, verbunden mit
Dehnbarkeit und Schmiedbarkeit in hohem Maſse eignet. Einer all-
gemeineren Verwendung steht bis jetzt nur sein hoher Preis im
Wege, der aber durch die elektrische Gewinnung niedriger geworden
ist. Die Erschlieſsung der Ontario-Nickelgruben hat die Erzeugungs-
kosten des Nickelstahls für die Vereinigten Staaten nicht unwesent-
lich verbilligt und man hat dort zuerst angefangen, Nickelstahl für
Dampfschiffskessel sowie für Elektromotoren zu verwenden.


In Seraing wird Nickelstahl besonders für Kriegsmaterial her-
gestellt. Hauptsächlich im Hinblick auf die Vorzüge des Nickelstahls
für Konstruktionszwecke hat aber Ph. Moulan im Juli 1894 seine
dort gemachten Erfahrungen mitgeteilt 1). Moulan hat eine groſse
Anzahl vergleichender Versuche zwischen Stahlsorten von gleicher
[749]Cement- und Tiegelguſsstahl.
Grundmasse mit und ohne Nickelzusatz angestellt. Wir teilen daraus
nur folgende Angaben mit:


Weitere Ergebnisse von Versuchsreihen der Canadian-Copper-
Company und des Cleveland-Walzwerks (U. S.) sind in der Zeitschrift
Eisen und Stahl 1895, S. 720 mitgeteilt. Desgleichen finden sich dort
die Ergebnisse der Untersuchungen der Franzosen Cholat und
Harmet zusammengestellt.


Die Elasticitätsgrenze des Nickelstahls ist höher als bei ge-
wöhnlichem Stahl, denn während man bei diesem dieselbe zu ½ des
Bruchgewichtes annimmt, steigt sie bei Nickelstahl auf ¾. Henry
Wiggins
rühmt von einem Nickelstahl mit 3,25 Prozent Nickel fol-
gende Vorzüge: er besitzt gegen gleichartigen nickelfreien Stahl eine
um 30 Prozent höhere Festigkeit, eine um 75 Prozent höhere Elasti-
citätsgrenze, dabei groſse Gleichmäſsigkeit, er ist gut zu bearbeiten,
schweiſsbar und von groſser Widerstandsfähigkeit gegen Stoſs. Der
erste Nickelstahl-Dampfkessel wurde für den amerikanischen Kreuzer
„Chicago“ geliefert. Für den Lokomotivbau findet Nickelstahl in
neuerer Zeit ausgedehnte Anwendung 1). Wiggins hebt die groſse
Bedeutung des Nickelstahls für den Schiffsbau hervor, indem ein
Material von 20 Prozent Dehnung, 66 kg Bruchfestigkeit und 46,5 kg
Elasticitätsgrenze eine Ersparung an Gewicht von 500 bis 600 Tonnen
bei dem Bau eines groſsen Kriegsschiffs gegen heute gestatte. Vor-
züglich dürfte sich Nickelstahl für die Schiffsschrauben eignen, wie
auch seine Widerstandsfähigkeit gegen Korrosion durch das Seewasser
eine wichtige Eigenschaft für die Schiffsbekleidung ist. Die Bethlehem-
Eisengesellschaft lieferte 1895 die Mittel- und Schraubenwellen der
amerikanischen Dampfer „Iowa“ und „Brooklyn“ aus Nickelstahl.


Hervorragendes leistet in der Herstellung und Bearbeitung eines
verbesserten Nickelguſsstahls die Firma Friedrich Krupp in Essen.
[750]Cement- und Tiegelguſsstahl.
Als ein Beispiel hiervon führen wir die Kurbelwellen des riesigen
Doppelschrauben-Schnelldampfers „Deutschland“ an, der 1899 von
Stapel gelassen wurde. Die Länge einer solchen Welle beträgt
18,07 m, ihr Durchmesser 640 m, ihr Hub 1850 mm, ihr Gewicht
101500 kg.


Auſser den vorgeschriebenen Stahlsorten giebt es noch mehrere
andere Stahllegierungen, die nicht ohne Interesse sind, die aber eine
gröſsere praktische Bedeutung nicht erlangt haben. Es sind dies
Siliciumstahl, Phosphorstahl, Arsenstahl, Aluminiumstahl und Kupfer-
stahl.


Siliciumstahl stellt man kaum absichtlich dar, weil im all-
gemeinen ein Siliciumgehalt die Schmiedbarkeit, Schweiſsbarkeit und
Zähigkeit beeinträchtigt. Man setzt aber bei Fluſsstahl oft Silicium-
eisen zu, um blasenfreien Guſs zu erhalten. Die üblen Eigenschaften
eines Überschusses von Silicium werden durch einen Manganzusatz
gemildert. Gruner fand 1874, daſs Silicium die Eigenschaft besitze,
Stahlsorten mit sehr geringem Kohlenstoffgehalt Härtungsfähigkeit zu
verleihen. Silicium wirkt eben selbst wie Kohlenstoff und verdrängt
diesen bei gröſserem Zusatz teilweise.


Ähnlich verhält es sich mit dem Phosphorstahl. Im allgemeinen
ist der Phosphor eine schädliche Verunreinigung des Stahls. Hat
man aber ein Material, welches fast frei von Kohlenstoff ist, so ver-
leiht ein geringer Zusatz von Phosphor demselben Eigenschaften des
Stahls, namentlich erhöht er seine Härte. Aus diesem Grunde er-
zeugte zuerst T. J. Slade in den Vereinigten Staaten, dann Terrenoire
in Frankreich nach der Erfindung von Tessié du Motay Phosphor-
Fluſsstahl für Eisenbahnschienen. Der Phosphorstahl von Terrenoire
enthielt 0,035 Prozent Phosphor neben 0,15 Prozent Kohlenstoff. Ein
Phosphorgehalt schadet um so weniger, je mehr der Kohlenstoffgehalt
abnimmt. Nach Holley wird Fluſsstahl erst bei einem Phosphor-
gehalt von 0,15 Prozent brüchig, wenn derselbe nur 0,30 Prozent
Kohlenstoff enthält, dagegen schon bei 0,05 Prozent Phosphor, wenn
der Kohlenstoffgehalt 0,75 Prozent beträgt. Überhaupt ist nach einem
Vortrage Holleys, den er 1878 in New York hielt, der phosphor-
haltige Stahl nur gut bei ruhender Belastung, dagegen schlecht gegen
Stoſs. Er verlangt ein sehr sorgfältiges Verwalzen, weil er sonst
kantenrissig wird.


Auch einen geringen Arsengehalt kann reiner Stahl ohne Nach-
teil ertragen. F. W. Harbort und A. E. Tucker hatten 1888 die
Mitteilung veröffentlicht, daſs ein höherer Prozentgehalt von Arsen
[751]Cement- und Tiegelguſsstahl.
den Stahl nachteilig beeinflusse. Dies veranlaſste John Edw. Stead
1895, den Einfluſs geringer Arsenmengen auf Stahl genauer zu stu-
dieren. Er fand, daſs ein Arsengehalt bis zu 0,14 Prozent die Güte
des Stahls nicht beeinträchtige. Bei höherem Gehalt bis zu 0,24 Pro-
zent erfährt die Kontraktion eine Verminderung, während die Härte
etwas zunimmt. Dagegen erzeugte Arsen bei Abwesenheit von
Schwefel keinen Rotbruch, vermindert aber die Schweiſsbarkeit.


Dem Aluminiumstahl hat man schon früher besonders gute
Eigenschaften nachgerühmt. Genauere Untersuchungen haben er-
wiesen, daſs ein Zusatz von Aluminium zu Fluſsstahl diesen von
Oxyden reinigt und gesunde Güsse erzeugt, daſs dabei aber in den
meisten Fällen kein Aluminium im Stahl gelöst bleibt und daſs, wenn
dies geschieht, seine Qualität nicht verbessert wird. Aluminium ver-
hält sich ganz ähnlich wie das Silicium. Aluminiumhaltiger Stahl
hat einen dunklen, mehr blättrigen, dem Schmiedeeisen ähnlichen
Bruch. Er ist weniger schweiſsbar und hört bei einem Gehalt von
5 Prozent auf, schmiedbar zu sein.


Dem Aluminiumstahl schmilzt bei etwas niedrigerer Temperatur als
gewöhnlicher Stahl, doch ist dieser Unterschied nicht groſs. Nach
Hadfield (1892) schmolz ein weicher Stahl bei 1500° C., während
derselbe Stahl mit 5 Prozent Aluminium seinen Schmelzpunkt bei
1475° C. hatte.


Kupferstahl wurde von Schneider \& Co. in le Creuzot nach
einem 1890 genommenen Patent hergestellt. Während man Kupfer
früher für eine sehr nachteilige Beimischung hielt, soll ein Gehalt
von 2 bis 4 Prozent den Stahl, besonders für militärische Zwecke, ver-
bessern. Thatsache ist, daſs bei Abwesenheit von Schwefel ein
geringer Kupfergehalt nichts schadet, vielmehr die Zähigkeit des
Eisens bessert. Ist aber Schwefel anwesend, wie dies bei kupfer-
haltigem Roheisen meistens der Fall ist, so treten dessen Nach-
teile schärfer hervor. Daſs ein Kupfergehalt bis etwa ½ Prozent
nichts schadet, haben Versuche von Wasum 1882 und von Chou-
blay
1884 bewiesen. Nach Brustleins Angabe wäre Stahl mit
mehr als 1 Prozent Kupfer immer rotbrüchig. Krupps Kanonen-
stahl enthält meistens 0,30 bis 0,35 Prozent Kupfer, welches aus den
Siegerländer Erzen herrührt.


Im Jahre 1885 wurden von der gesamten Guſsstahlerzeugung
83 Prozent im Konverter, 13,5 Prozent im Flammofen und 3,5 Pro-
zent im Tiegel dargestellt.


[752]Die Verwendung des Eisens.

Die Verwendung des Eisens.


Die Verwendung des Eisens hat entsprechend der steigenden
Erzeugung in diesem Zeitabschnitt eine groſse Zunahme erfahren.
Hervorzuheben ist die vermehrte Anwendung im Eisenbahnbau, Schiffs-
bau, Brückenbau, Häuserbau, als Kriegsmaterial und im Maschinen-
bau, wobei besonders der Bau von Elektromotoren und elektrischen
Bahnen als etwas Neues zu nennen ist. Die Zunahme der Ver-
wendung des Eisens fällt fast ausschlieſslich dem Fluſseisen zu,
welches in dem Wettkampf mit dem Schweiſseisen den Sieg errang,
ganz besonders seit Einführung des basischen Verfahrens, wodurch man
sowohl beim Thomasieren als beim basischen Martinieren ein weiches
Fluſseisen erhielt, das dem Schweiſseisen in vieler Hinsicht überlegen
war. Es fand aber nicht nur ein Wettkampf zwischen Schweiſseisen
und Fluſseisen, sondern auch ein solcher zwischen den Fluſseisen-
sorten untereinander, besonders zwischen Bessemer-, Thomas- und
Martinstahl statt. Dabei hat im allgemeinen der Bessemerstahl
sich da siegreich behauptet, wo hartes Material verlangt wird, wie
namentlich für Eisenbahnschienen, Maschinenteile, die auf Reibung
in Anspruch genommen werden, wie Achsen, Gleitbacken u. s. w.
Thomaseisen hat sich mehr bewährt für weiches Material, für Draht,
Blech und Façoneisen. Martinfluſseisen eignet sich in erster Linie
zum Vergieſsen, für Stahlguſsstücke, sodann für sehr groſse Gegen-
stände, wie besonders Panzerplatten, schwere Schiffskanonen, im
übrigen kann es aber, soweit es die Herstellungskosten gestatten, zu
allen Zwecken verwendet werden, da man es bei diesem Betrieb am
meisten in der Hand hat, nach Belieben ein härteres oder weicheres
Material zu erzeugen.


Diese allgemeinen Angaben werden eingeschränkt durch die lokalen
Verhältnisse, so ist z. B. in Deutschland, dessen Erze meist phosphor-
haltig sind, die Erzeugung und Verwendung von Bessemerstahl sehr
zurückgegangen.


Einige kurze Bemerkungen über die Fortschritte in der Ver-
wendung des Fluſseisens dürften hier noch angebracht sein.


Im Civilbau war Fluſseisen früh benutzt worden, wenn auch
anfangs nur in sehr beschränktem Maſse. 1863 hatte man in
London angefangen, Bessemerstahl bei der Konstruktion von Brücken
für Straſsenbahnen zu verwenden; bald darauf geschah dasselbe in
Holland in den Städten Limburg und Mastricht. 1864 erbaute
[753]Die Verwendung des Eisens.
Worthington die erste Eisenbahnbrücke aus Fluſsstahl über den
Sankey-Kanal. 1880 wurde die erste groſse Eisenbahnbrücke bei
St. Louis über den Mississippi in Nordamerika aus Fluſseisen erbaut.
Eine sehr ausgedehnte Anwendung fand Fluſsstahl zum Brückenbau
in Britisch-Indien. Seit 1884 verwendete man in den Vereinigten
Staaten fast nur noch Fluſseisen zum Bau eiserner Brücken und zwar
wurde meistens Martinstahl ausbedungen.


Wie ausgedehnt die Verwendung von Fluſseisen gegenüber dem
Schweiſseisen damals bereits war, zeigt folgende Zusammenstellung:


In Deutschland wurde 1886 die erste Brücke aus Fluſseisen
(Thomas-) von Bauinspektor Weyrich in Hamburg erbaut. Die erste
ganz aus Fluſseisen hergestellte groſse Eisenbahnbrücke errichtete
Mehrtens 1893 bei Fordon über die Weichsel. Jetzt ist die Ver-
wendung von Fluſseisen beim Brückenbau ganz allgemein geworden 1).
In Österreich war die 1886 bis 1889 erbaute Moldau-Thalbrücke bei
Czervena in Böhmen die erste aus Fluſseisen (Martin-) hergestellte.
In England wurde 1883 bis 1890 die berühmte Brücke über den Firth
of Forth aus Fluſseisen (Bessemer-) errichtet.


Auch bei der Verwendung des Fluſseisens zum Brückenbau war
man allmählich von härterem zu weicherem Material übergegangen.


Wichtig wurde die Benutzung des Fluſseisens für eiserne
Schwellen bei dem Eisenbahnbau. Um die Einführung fluſseiserner
Querschwellen hat sich Ingenieur Post in Belgien besonders verdient
gemacht 2).


Beim Schiffsbau fand die Verwendung von Fluſseisen an Stelle
von Schweiſseisen langsameren Eingang. Die in den sechziger Jahren
in England gemachten Versuche waren nicht günstig ausgefallen.
Frankreich gebührt das Verdienst, damit zuerst erfolgreich vorgegangen
zu sein, und zwar geschah dies 1870 bei dem Bau des Schiffes „L’Orient“.
Das Hüttenwerk Terrenoire hatte sich bemüht, ein weiches Bessemer-
Beck, Geschichte des Eisens. 48
[754]Die Verwendung des Eisens.
eisen (acier doux) als Ersatz für Schweiſseisen zu liefern, doch gelang
dessen Einführung nicht ohne heftigen Kampf. Das Material wurde
strengen Qualitätsproben unterworfen, sowohl kalt wie warm. 1873
wurden für die Panzerschiffe „Redoutable“, „Terrible“ und „Tempête“
bereits 600 Tonnen Fluſsstahlbleche und 12000 Tonnen gewöhnliches
Fluſseisen verwendet. In Frankreich wurde anerkannt, daſs Fluſseisen
für Schiffsrümpfe billiger, weil leichter, sei und bessere Bedingungen
im Falle des Strandens oder Zusammenstoſsens böte.


Ausgedehnte Verwendung fand dann in den achtziger Jahren
das durch das basische Verfahren erzeugte Fluſseisen für den Schiffs-
bau; doch waren auch hierbei mancherlei Schwierigkeiten und Vor-
urteile zu überwinden. 1883 hatte die groſse englische Schiffsgesell-
schaft Lloyd basischen Stahl für zulässig erklärt. Das zuerst ver-
wendete Material war aber zu hart, infolgedessen mehrfach Be-
schädigungen vorkamen, weshalb der Lloyd am 17. Dezember 1885
die Verwendung des basischen Fluſsstahls wieder verbot. Percy
C. Gilchrist
bemühte sich 1886 vergeblich bei der Admiralität, die
Wiederzulassung des Thomasstahls zu bewirken. Erst der Glasgow-
Iron-Company gelang es 1887, einwandfreies Material zu liefern und
dessen Vorzüge nachzuweisen. Vor dem sauren Fluſsstahl hatte es
den Vorteil besserer Schweiſsbarkeit voraus, auch war ihm die Blau-
hitze weniger gefährlich; es eignete sich sehr gut für L- und T-Eisen.
Damals war 40,94 kg pro Quadratmillimeter Bruchfestigkeit bei einer
Minimaldehnung von 20 Prozent auf 100 mm als Qualitätsbedingung
vorgeschrieben.


Nach Adamson sollte weicher Stahl so wenig wie möglich fremde
Stoffe enthalten und die Summe derselben 0,75 Prozent nicht über-
steigen. Allgemein nahm man an, daſs Schwefel, Phosphor und
Silicium zusammen nur 0,1 Prozent ausmachen dürfen, wobei der
Schwefelgehalt unter 0,02 bleiben muſs; Mangan galt bis zu 0,5 Proz.
als zulässig.


1884 verwendete man in England bei dem Lokomotivbau bereits
kein Schweiſseisen mehr, sondern nur Bessemer- und Siemens-Fluſs-
eisen. Beim Dampfkesselbau war Bessemerstahl bereits in den sech-
ziger Jahren verwendet worden (s. S. 218), aber erst in den siebziger
Jahren begann diese Verwendung eine allgemeinere zu werden. Nach
der Erfindung des Thomasprozesses und der Einführung des basischen
Herdprozesses verdrängte das weiche Fluſseisenblech das Schweiſs-
eisenblech nach und nach völlig.


Auf die Herstellung nahtloser Stahlbehälter aus Fluſsstahl, die
[755]Die Verwendung des Eisens.
besonders als Kohlensäureflaschen eine ausgedehnte Verwendung
fanden, nahmen How und Lane und Richard Taunton 1886 eng-
lische Patente. Mannesmann stellte solche mittels seines Schräg-
walzenverfahrens dar. Über die Verwendung des Fluſseisens zu
Mannesmann-
röhren
werden
wir später berichten.


In neuerer Zeit
ist die Verwendung
von basischem Fluſs-
eisen zu Façoneisen
für Konstruk-
tionseisen
, be-
sonders von Tho-
maseisen für I-Eisen
in fortwährender Zu-
nahme. Erwähnung
verdient die aus-
gedehnte Benutzung
von Fluſseisen für
Bauzwecke, nament-
lich für die Her-
stellung eiserner
Gebäude, worin
beispielsweise die
Forges d’Aiseau bei
Charleroi in Belgien
um 1888 Hervor-
ragendes leisteten 1),
insbesondere aber
für die Errichtung
der vielstöckigen
Turmhäuser, der
sogenannten Him-
melskratzer
(sky

Figure 296. Fig. 295.


scrapers) in den groſsen Städten der Vereinigten Staaten. Diese
Riesenhäuser haben sich vornehmlich in Chicago, wo das eigentliche
Verkaufsviertel auf den engen Raum von 65 Hektar zusammengedrängt
48*
[756]Die Verwendung des Eisens.
war, entwickelt, weshalb man diese Bauart auch als Chicagostil be-
zeichnet. Bei diesen Gebäuden wurde nicht mehr das Eisengerüst in
das Mauerwerk eingefügt, sondern der ganze Bau bestand aus Eisen,
wobei Steinmaterial nur noch zur Verkleidung diente. Bei dem Frauen-
tempel in Chicago waren die Hauptumrisse noch aus Mauerwerk her-
gestellt, während das Savoy-Hotel in New York ganz auf Stahlsäulen,
die nur mit Steinen umkleidet waren, stand. Dabei wuchs die Höhe
dieser Turmhäuser rasch, denn während das erste Gebäude dieser Art
in New York, das Lancashire-Fire-Insurance-Building, 9 Stockwerke
und 36 m Höhe hatte, zählte der Masonic-Temple in Chicago, Fig. 295
(a. v. S.), bereits 22 Stockwerke und war 300 Fuſs hoch 1). Noch höher

Figure 297. Fig. 296.


(102 m) ist das 1898 von H. Robertson in New York erbaute Geschäfts-
haus Park-Row-Building, von dessen Gröſse obenstehende Abbil-
dung (Fig. 296) durch die Zusammenstellung mit der Trinitykirche
und Grants Grabmal in New York, mit dem Capitol in Washington
und der Pyramide des Cheops eine Vorstellung giebt. Das höchste
Bauwerk war der in Frankreich 1889 für die Weltausstellung in Paris
von Eiffel aus Fluſseisen erbaute Eiffelturm, 300 m hoch, der die
höchsten Bauten der Welt, den Kölner Dom um 141 m, das Washington-
Denkmal in Philadelphia um 131 m übertraf und 9 Millionen Kilo-
gramm wog.


Zu Kriegszwecken fand Fluſsstahl ausgedehnte Verwendung für
[757]Der Stahlguſs. — Blasenfreier Guſs.
Geschütze, Geschosse, Lafetten, Panzerplatten, Drehtürme u. s. w.,
worauf wir später noch zurückkommen.


Die Formgebung.


Während bei dem Schweiſseisen die mechanische Formgebung
durch Schmieden, Walzen und Pressen in Betracht kommt, ist die Form-
gebung bei dem Fluſsstahl eine doppelte, indem das Gieſsen des
flüssigen Metalls in Formen, der Stahlguſs, noch hinzukommt. Sowohl
dieser, als auch die mechanische Bearbeitung haben seit 1870 groſse
Fortschritte gemacht.


Der Stahlguſs.


Alles Fluſseisen gelangt flüssig aus dem Schmelzgefäſs, in dem
es hergestellt wird, und muſs erst in eine Form gegossen werden, um
ihm Gestalt zu geben. Zur mechanischen Weiterverarbeitung gieſst
man die flüssige Masse in Blockformen (Ingotformen). Es sind dies
in der Regel starke, aus Guſseisen hergestellte Koquillen. Will man
dagegen Formguſs erzeugen, so gieſst man die flüssige Masse in Formen,
die ganz ähnlich wie bei der Eisengieſserei hergestellt werden. Da
alles Fluſsmetall erst in eine Form gegossen werden muſs, so gelten
gewisse allgemeine Grundsätze und Erfahrungen sowohl für den Block-
guſs wie für den Stahlguſs.


Blasenfreier Guſs.


Das geschmolzene Eisen enthält Gase gelöst oder absorbiert,
welche beim Erstarren zum Teil ausgeschieden werden und, wenn sie
nicht entweichen können, Blasen bilden. Über die Natur dieser Gase,
wie über die Bedingungen ihrer Abscheidung hatten gründliche
Untersuchungen, deren wichtigste Ergebnisse wir bereits (S. 351) mit-
geteilt haben, Licht verbreitet. Doch werden wir später hierauf noch-
mals zurückkommen.


Diese Blasen sind sowohl für den Stahlguſs als für das ver-
arbeitete Fluſsmetall nachteilig, weil sie eine Schwächung an der
betreffenden Stelle herbeiführen. Die Vermeidung oder Unterdrückung
der Blasenbildung ist deshalb sehr wichtig. Man sucht dieselbe
sowohl durch mechanische wie durch chemische Mittel zu erreichen.


Die einfachsten mechanischen Mittel sind das Rühren und das
Erstarrenlassen unter Druck. Beide wurden schon früher an-
gewendet und von uns erwähnt. Die Allansche Rührvorrichtung
wurde (1882) in England ziemlich häufig angewendet; doch erzielte
[758]Blasenfreier Guſs.
man nach Riley keinen besonderen Erfolg damit, mehr schon durch
Umgieſsen des Metalls in eine zweite Pfanne, wie es Gjers in Dar-
lington (um 1883) machte.


Viel häufiger benutzte man aber Druck. Bessemer hatte schon
1856 das Erstarren unter Druck vorgeschlagen. 1867 regten Whit-
worth
in Manchester und Bonnisard zu Terrenoire diese Idee von
neuem an und Whitworth führte das Verfahren mit Erfolg in die
Praxis ein (s. S. 217). Er bediente sich dabei einer hydraulischen
Presse 1). Sein Verfahren fand auch auf dem Kontinent Ver-
breitung. Zuerst wurde es von Revolier, Biétrix \& Co. in
St. Etienne versucht. Sodann Anfang der siebziger Jahre zu Neu-
berg in Steiermark. Hier wurden die sehr starken Blockformen mit
dem flüssigen Inhalt auf einem kräftigen Wagengestell unter den Preſs-
kolben einer hydraulischen Presse gefahren. Dieser wirkte auf einen
Preſsstempel, der in die obere Koquillenöffnung eingesetzt wurde. Die
Masse wurde eine halbe bis eine Minute dem Druck ausgesetzt und
dabei 1 bis 2 Zoll zusammengedrückt.


Daelen lieſs sich 1875 eine Presse patentieren, deren Zweck
war, die Zeit zwischen Füllen und Pressen möglichst abzukürzen, was
dadurch erreicht wurde, daſs die Koquille unmittelbar auf der Presse
stand.


Bis zu einem gewissen Grade konnte eine flüssige Metallsäule
als Drucksäule wirken, deshalb wendete man allgemein bei Stahl-
güssen hohe Guſstrichter an. Man goſs auch die Blöcke steigend
mit hohem Einguſsrohr, wobei dasselbe für den gleichzeitigen Guſs
mehrerer kleiner Blöcke, z. B. für Drahtknüppel durch eine Ver-
teilungsform mit einer Anzahl kleinerer Koquillen, die durch die auf-
steigende Stahlmasse gefüllt wurden, verbunden wurde. Auf dem
Prinzip einer Drucksäule von flüssigem Metall beruhte ein franzö-
sisches Patent von 1873, wonach durch eine Säule von 25 Fuſs Höhe
ein Druck von 10 Atmosphären erzeugt werden sollte.


Andere Druckmittel waren Wasserdampf oder Gase. Ältere
hierauf beruhende Vorschläge von Galy-Cazalat haben wir bereits
S. 217 mitgeteilt. Auf der Hütte zu Caléassière in Frankreich hatte
sich 1877 das Erstarren des Fluſsstahls unter Gasdruck von 6 bis
10 Atmosphären in einer verschlieſsbaren Form, namentlich für
weichen Stahl, gut bewährt. Man benutzte Dampf, der sich zersetzte.
[759]Blasenfreier Guſs.
In England wurden 1878 zu Barrow von Bolkow, Vaughan \& Co.
dichte Güsse unter Dampfdruck hergestellt. Man benutzte diesen da,
wo die Whitworthpresse, die sich nur für Blöcke oder schwere, massive
Guſsstücke eignete, nicht mehr verwendbar war.


Die Firma Fr. Krupp in Essen erzeugte dichte Stahlgüsse unter
Druck von Kohlensäure in geschlossenen Formen, worauf sie 1881 ein
Patent erhielt (D. R. P. Nr. 17056). Der Druck, den die Kohlensäure
ausübte, stieg bei 200°C. bis zu 800 Atmosphären.


F. Gautier1) berichtete 1882 von Whitworths Verfahren in
Manchester, daſs die Formen aus Stahlringen zusammengesetzt und
mit feuerfester Masse ausgekleidet seien. Diese Formen standen auf
Wagen, die nach dem Guſs unter die hydraulische Presse gefahren
wurden. Auch der Kolben war durch feuerfeste Steine vor der Ein-
wirkung des flüssigen Stahls geschützt; er übte einen Druck von
600 Atmosphären aus, mit dem er 20 bis 45 Minuten, je nach der Gröſse
des Guſsstücks, auf die erstarrende Masse wirkte. Hierdurch wurde
der gröſste Teil der Gase von dem Guſs absorbiert, ein kleinerer Teil
entwich durch die Fugen der Form. Im Moment des Erstarrens
trat trotzdem eine Kontraktion mit Gasausscheidung ein, welche ver-
anlaſste, daſs oft die Hälfte bis ein Drittel des Blockes abgeschnitten
werden muſste.


Der amerikanische Hüttenmann Thomas Egleston sah 1884
das Preſsverfahren auf dem neuen Werk von Whitworth in Man-
chester, wo es sowohl für kleine Guſsstücke, wie für Kanonenrohre
angewendet wurde. Der Stahl war im Siemens-Martinofen geschmolzen.
Für die Kanonen wurden cylindrische Blöcke gegossen. Um den
Formsand fest einstampfen zu können, wurde die Form innen mit
Eisenstäben ausgekleidet. Die Form, die auf einem Wagen stand,
wurde nach dem Gieſsen sofort unter die Presse gefahren; der Preſs-
kolben verschloſs die Öffnung, und indem er in Bewegung gesetzt wurde,
ergoſs sich ein Funkenschauer aus derselben. Der Druck betrug
13000 Pfund auf den Quadratzoll, die Druckzeit etwa eine halbe
Stunde. Whitworth hatte versuchsweise bis zu 20 Tonnen pro Quadrat-
zoll gedrückt, aber gefunden, daſs eine Pressung über 6 Tonnen keine
besonderen Vorteile mehr biete. Das Volumen änderte sich in den
ersten fünf Minuten um ⅙ bis ⅛ der Länge. Nach Beendigung der
Druckzeit wurde der Druck auf 1500 Pfund pro Quadratzoll ermäſsigt
und der Guſs so erkalten lassen.


[760]Blasenfreier Guſs.

Fig. 297 stellt die groſse Whitworthpresse zum Verdichten des
flüssigen Stahls in Blöcken in dem Stahlwerk von Bethlehem in Nord-
amerika (1891) dar 1).


H. Tholander schlug vor (1882), blasenfreien Guſs dadurch zu
erhalten, daſs er die geschlossenen Guſsformen luftleer machte. Dieses
Verfahren wurde weiter ausgebildet, z. B. von der Ellis May-Vacuum-

Figure 298. Fig. 297.


Steel-Syndicate-Gesellschaft in London,
die sich 1898 eine Vorrichtung zum
Gieſsen schwerer Guſsstücke im Va-
cuum patentieren lieſs (D. R. P.
Nr. 109819).


J. B. D. A. Boulton, Jersey City
(U. S) 2) will durch fortwährendes Auf-
einandersetzen von offenen Koquillen
ein kontinuierliches Gieſsen und blasen-
freie Blöcke erhalten, weil dann die
Gase durch die noch flüssigen Teile
leicht entweichen können. Durch Ein-
lage eines Blattes Asbest zwischen je
zwei Koquillen werden Trennungs-
flächen gebildet, die das Abbrechen
der einzelnen Blöcke erleichtern sollen.
L. Sebenius3), Direktor der Nykroppa-
Eisenwerke in Schweden, benutzte mit
Erfolg das nicht neue Mittel der
Schleuderkraft zur Herstellung dichter
Güsse selbst für Geschützguſs (1890, D. R. P. Nr. 52332). 1890 wendete
S. T. W. Williams auf den Tacony-Werken (U. S.) Koquillen mit
beweglichen Seitenwänden zum Zweck der Verdichtung des Stahls
durch hydraulischen Druck an. H. Aitken bediente sich derselben
Art von Formen ohne Druck einfach zur Begrenzung des Quer-
schnitts 4).


Der Guſs unter Druck zur Erzeugung blasenfreier Guſsstücke
hat sich bewährt und sich im ganzen als zuverlässiger erwiesen als
die Verwendung chemischer Mittel zu demselben Zweck. Auch ver-
bessert hoher Druck den Stahl. Whitworth erzeugte bei einer
[761]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
Pressung von 30 kg pro Quadratmillimeter Stahl von 63 kg Bruch-
festigkeit und 30 Prozent Dehnung. Dagegen sind die erforderlichen
Vorrichtungen in vielen Fällen zu kostspielig.


Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse


haben deshalb eine groſse Wichtigkeit und noch verbreitetere An-
wendung erlangt. In Betracht kommen hierbei besonders Zusätze von
Mangan, Silicium und Aluminium. Schneider \& Co. zu le Creuzot
lieſsen sich 1888 einen Zusatz von Kupfer zu Stahl für Panzerplatten und
Geschütze patentieren (Engl. Pat. Nr. 16569 vom 14. November 1888).
Das Mangan ist für den Fluſseisenbetrieb unentbehrlich. Mushets
Erfindung der Reduktion des überblasenen Konverterstahls und der
Nachkohlung durch manganreiches Spiegeleisen hat dem Bessemer-
prozeſs erst die richtige Lebenskraft gegeben. Aber auch das fertige
flüssige Metall kann noch durch einen Zusatz von Manganeisen ver-
bessert und blasenfreie Güsse damit erzielt werden. Gerade die
Bessemergesellschaft in Sheffield wendete mit Vorliebe Ferromangan,
welches unter Umrühren in der Pfanne zugesetzt wird, zur Erzielung
dichter Güsse an. Dabei ist es nötig, einen groſsen verlorenen Kopf
zum Nachgieſsen vorzusehen. Der 1883 so erzeugte Stahlguſs ent-
hielt 0,30 bis 0,40 Prozent Mangan, eine Spur von Silicium, 0,06 Pro-
zent Schwefel und 0,07 Prozent Phosphor.


Als wichtigster Stoff zur Erzeugung blasenfreier Güsse hat sich
aber das Silicium bewährt, welches eine groſse Reduktionskraft
besitzt, so daſs es nicht nur vorhandene Metalloxyde, sondern bei
der Schmelzhitze des Fluſseisens selbst Kohlenoxydgas zerlegt. Schon
lange ehe man sich über die chemischen Vorgänge ganz klar war,
wendete man siliciumreiches Roheisen als Nachsatz zur Erzeugung
dichten Gusses an. Dies that H. Bessemer in dem Stahlwerk von
H. Bessemer \& Co. zu Sheffield schon 1862 1) und etwa um dieselbe
Zeit auch bereits Fr. Krupp in Essen.


Wirksamer noch als das graue, siliciumreiche Roheisen, Ferro-
silicium oder Eisensilicid erwies sich der Silicospiegel, Ferromangan-
silicium oder Eisenmangansilicid, welches A. Pourcel zu Terrenoire
zuerst darstellte und verwendete. Diese Legierung. von Pourcel im
Hochofen erblasen, enthielt meist 20 Prozent Mangan und 8 bis
12 Prozent Silicium.


[762]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.

Hierüber hat Gautier1) 1876 zuerst Mitteilungen veröffentlicht.
Die Legierung wurde rotglühend dem Metallbade zugesetzt, welches
sich sofort beruhigte und blasenfreie Güsse lieferte. Gautier, Har-
met, Stead
und die meisten Metallurgen jener Zeit waren der An-
sicht, daſs die Wirkung des Silicospiegels auf der Zersetzung des Kohlen-
oxydgases durch Silicium und gleichzeitiger Reduktion gelöster Oxyde
durch Mangan beruhe, indem sie annahmen, daſs Kohlenoxydgas die
Blasenbildung veranlasse.


F. C. G. Müller, der seit 1878 die Ausscheidung und Absorp-
tion der Gase bei Stahlgüssen genauer untersuchte, wies nach, daſs
das Kohlenoxydgas, welches nur wenig im Eisen löslich ist, bei der
Blasenbildung beim Erstarren des Stahls nur eine unwesentliche Rolle
spielt, daſs das absorbierte Gas neben Stickstoff hauptsächlich Wasser-
stoff ist, und daſs die Wirkung des Siliciumzusatzes darin bestehen
muſs, das Metall zu befähigen, eine gröſsere Menge Wasserstoff in
Lösung zu behalten, d. h. die Gasabsorptionsfähigkeit zu steigern.


Pourcels Verfahren erwies sich als erfolgreich, und sein — oder,
wie man gewöhnlich sagt, das — Terrenoire-Verfahren wurde zur Her-
stellung blasenfreier Güsse schon 1876 von Sergius Kern auf dem
Obuchkoff-Stahlwerk bei St. Petersburg und in den folgenden Jahren
in England, Schweden und den Vereinigten Staaten von Amerika
eingeführt. 1880 erzielte man auf dem Cleveland-Walzwerk dichte
Stahlgüsse durch Zusatz von Eisensilicid im Martin-Flammofen vor
dem Abstechen. Hierzu eignete sich das von Biermann in Hannover
im Tiegel dargestellte hochhaltige Eisensilicid oder noch besser Eisen-
mangansilicid, wie es Gautier versuchsweise schon 1877 bereitet hatte.


Ähnlich war das Verfahren auf den Werken der Schottischen
Stahlgesellschaft zu Glasgow, wo man nur in Siemensöfen schmolz.


In neuerer Zeit wird Siliciumcarbid, das die Carborundum-
gesellschaft am Niagara im groſsen darstellt, zur Stahlfabrikation
benutzt. Die ersten Versuche machte John Darby 1895 in England,
dem dann Fritz Lürmann und Kapitän A. E. Hunt folgten 2).


Bei der Stahlgieſserei aus kleinen Konvertern nach dem Ver-
fahren von Ch. Waldrand \& E. Légenisel (D. R. P. Nr. 64950
vom 24. September 1891) hat der Nachsatz von Eisensilicid auch
noch den Zweck, die Metallmasse durch die Oxydation des Siliciums
zu erhitzen, die Masse dadurch dünnflüssig und zum Guſs kleiner
Guſsstücke geeignet zu machen.


[763]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.

Der Zusatz von Silicium, so vorteilhaft er ist, wird aber nach-
teilig, wenn ein Überschuſs angewendet wird und mehr als eine
ganz geringe Menge in den Stahl übergeht, indem derselbe dadurch
verschlechtert oder unbrauchbar wird. Diese Frage war wichtig
genug, um die British Association for the advancement of Science zu
veranlassen, 1886 ein Komitee, bestehend aus den hervorragenden
englischen Eisenhüttenmännern Turner, Chandler, Roberts-
Austen
und Tilden zu beauftragen, auf Vereinskosten diese Frage
zu untersuchen und darüber zu berichten. Das Ergebnis läſst sich
in folgende Sätze zusammenfassen: 1. Ein kleiner Zusatz von Sili-
cium giebt gesunden Stahl und erhöht seine Dehnbarkeit und Härte,
soll der Stahl aber gewalzt werden, so darf die Menge 0,15 Prozent
nicht überschreiten; 2. für Stahlgüsse ist die Grenze 0,30 Prozent;
3. einige hundertstel Prozent sind nötig, um gesunden Stahl zu er-
zeugen und es kann schon ziemlich viel Silicium vorhanden sein, ehe
die Güte des Stahls leidet; 4. Mangan scheint die schlechten Eigen-
schaften des Stahls, welche Silicium bewirkt hat, zu neutralisieren.


Nach F. C. G. Müller1) soll ein Siliciumgehalt bis 0,8 Prozent
nicht nachteilig und ein Gehalt von 0,5 bis 0,6 Prozent sogar noch
vorteilhaft sein. Auch R. A. Hadfield2) hat zahlreiche Versuche
über den Einfluſs des Siliciums auf Fluſseisen gemacht. Danach wird
die Schweiſsbarkeit durch einen Siliciumgehalt beeinträchtigt, die
Zugfestigkeit bis zu einem Gehalt von 4 Prozent erhöht, die Zähigkeit
aber in gleichem Maſse verringert. Bei dem Stahlguſs bewirkt ein
Siliciumgehalt Dichtigkeit, erhöht aber die Schwindung. Ein mäſsiger
Siliciumgehalt erscheint seiner dichtenden Wirkung wegen nützlich.


Ganz ähnlich wie das Silicium wirkt das Aluminium auf
flüssigen Stahl und wird deshalb in neuerer Zeit, seitdem durch die
verbesserten Gewinnungsmethoden des Aluminiums sein früherer hoher
Preis bedeutend heruntergegangen ist, häufig zur Erzielung blasen-
freier Stahlgüsse angewendet. Aluminium wirkt noch stärker redu-
zierend als Silicium und Mangan und sein Oxyd wird nicht so leicht
wieder reduziert. Hierin liegt ein Vorzug. Wie das Silicium scheint
es die Lösungsfähigkeit der Gase im Stahl zu steigern. Dagegen
muſs bei Aluminium noch mehr wie bei Silicium ein Überschuſs ver-
mieden werden, indem ein solcher das Eisen dickflüssig, brüchig und
[764]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
unschweiſsbar macht; man setzt deshalb in der Regel nicht über
0,1 Prozent zu.


Anfangs macht ein Zusatz von Aluminium das Fluſsmetall aller-
dings dünnflüssig durch die bei seiner Oxydation entwickelte Wärme
und nicht, wie man früher annahm, dadurch, daſs es den Schmelzpunkt
des Stahls bedeutend herabsetze. Noch im Jahre 1891 wurden in
einem Aufsatz der Zeitschrift für angewandte Chemie (S. 150) die
Wirkungen des Aluminiumzusatzes wie folgt angegeben: 1. der
Schmelzpunkt wird um etwa 300° C. herabgedrückt, so daſs das Metall
nicht überhitzt zu werden braucht; 2. die Schmelze wird ganz dünn-
flüssig, gestattet das leichte Entweichen der Gase und füllt die fein-
sten Formen scharf aus; 3. der Guſs wird völlig dicht; 4. jede Blasen-
und Porenbildung wird vermieden; 5. eine bedeutend höhere Festigkeit
wird erzielt. Es wird ein Zusatz von 0,3 bis 0,7 Prozent Alumi-
nium oder von 3 bis 7 Prozent einer geschmolzenen Ferroaluminium-
legierung empfohlen, welche am besten beim Gieſsen in die Pfanne
oder die ausflieſsende Schmelze eingetragen werden soll. Osmond1)
hat aber durch genaue Messungen schon 1890 nachgewiesen, daſs
ein Aluminiumzusatz die Schmelztemperatur des Stahls nur ganz
unbedeutend herabsetze. Fluſseisen, das eine Schmelztemperatur von
1500 C. hatte, zeigte bei 5,8 Prozent Aluminium eine Schmelz-
temperatur von 1475° C.


Zu der Annahme der bedeutenden Herabsetzung der Schmelz-
temperatur durch Aluminium hatte die Erfindung des sogenannten
Mitisgusses, die wir deshalb hier besprechen wollen, Veranlassung ge-
geben. Mitisguſs ist in Tiegeln unter Aluminiumzusatz geschmolzenes
und in Formen gegossenes weiches Eisen, das ein besserer Ersatz für
schmiedbaren oder Temperguſs sein sollte. Die Erfindung rührte von
dem Schweden Thorsten Nordenfeldt her. C. G. Wittenström
konstruierte den mit Petroleum zu heizenden Schmelzofen. Beide
nahmen 1885 Patente in England, Deutschland u. s. w. 2). Faustmann
und Oestberg kauften das Patentrecht für Schweden und legten 1886
in Carlsvick bei Stockholm eine Gieſserei für Mitisguſs an.


J. Oestberg aus Stockholm gab in einem Vortrage, den er in
der Versammlung der amerikanischen Bergingenieure (mining engi-
neers) zu Pittsburg hielt, das Verfahren weiteren Kreisen bekannt.
Hierbei behauptete er noch, die Schmelzhitze des Eisens werde durch
[765]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
den Aluminiumzusatz um 160 bis 280° C. erniedrigt. Ein Hauptteil
der Erfindung bildet der mit Petroleum geheizte Ofen, in dem die
zum Schmelzen des weichen Eisens nötige Temperatur erzeugt wird.
Schmiedeeisen oder Stahl wird unter Zusatz von 0,1 bis 0,5 Prozent
Aluminium in Tiegeln geschmolzen.


Der Ofen von Carlsvick faſste drei hintereinander stehende Tiegel-
paare; sobald ein Paar herausgenommen und entleert war, wurde das
folgende an dessen Stelle gerückt und ein neues Paar nachgesetzt.
So konnte in 24 Stunden acht- bis zehnmal gegossen werden. Der

Figure 299. Fig. 298.


Einsatz eines Tiegels betrug 60 Pfund. 1890 errichtete die Sächsi-
sche Webstuhlgesellschaft zu Chemnitz 1) eine Anlage für Mitisguſs.
Fig. 298 zeigt die Einrichtung des Schmelzofens, der mit Petroleum
oder Petroleumrückständen geheizt wird. Das Öl tritt in drei über-
einander liegende flache Öltröge bei a ein, und der Überfluſs läuft
bei b in den darunterliegenden Tiegel ab, so daſs die Tröge immer
gleichmäſsig gefüllt bleiben. Diese Tröge sind gewissermaſsen die
Roststäbe der Feuerung. Zur Vergasung streicht seitlich eintretende
vorgewärmte Luft über das Öl. Der Gasstrom tritt in den Kanal K,
wo er mit dem erwärmten Luftstrom L zusammentrifft und verbrennt.
Man erreicht hierdurch eine Verbrennungstemperatur von 2000° und
mehr.


[766]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.

Der Mitisguſs ist weich und dehnbar, kalt gut zu bearbeiten und
schweiſst leicht. Der rohe Guſs zeigt eine Bruchfestigkeit von 26 kg
pro Quadratmillimeter, Dehnung 5 Prozent, Kontraktion 20 Prozent.
Durch Überschmieden wird das Material so verbessert, daſs die Bruch-
festigkeit 40 kg pro Quadratmillimeter, die Dehnung 20 Prozent, die
Kontraktion 50 Prozent beträgt Auch in England und Amerika ent-
standen Mitisguſswerke. Ludwig Nobel nahm ebenfalls ein Patent
auf einen Schmelzofen mit Petroleumheizung. Einer allgemeinen Ver-
wendung des Mitisgusses steht aber der hohe Preis von durchschnitt-
lich einer Mark pro Kilogramm im Wege; für einzelne Zwecke ist
er vorzüglich.


Geringwertigerer Stahlguſs wird häufig durch Zusammenschmelzen
von Roheisen und Stahlabfällen im Kupolofen erhalten. Dazu gehörte
z. B. der härtbare Stahlguſs, den die Gebrüder Glöckner zu Tschirn-
dorf in Schlesien 1883 besonders zum Guſs von Eisenbahnglocken
und Bremsklötzen verwendeten. Der Stahlzusatz schwankte hierbei
zwischen 20 und 80 Prozent.


Der Temperstahl, dessen Fabrikation 1876 von Belgien ausging
und dann besonders in Rheinland und Westfalen in Aufnahme kam,
wurde aus im Kupolofen umgeschmolzenen Fluſsstahlbfällen ge-
schmolzen und war ein zwischen Stahl und Guſseisen stehendes Pro-
dukt. Die Guſsstücke wurden 11 bis 14 Tage in einem Glühofen
erhitzt oder getempert, wodurch sie gröſsere Festigkeit und Zähigkeit
erhielten als Stahlformguſs. Er wurde besonders für eiserne Lauf-
räder in Belgien, Westfalen, dem Saargebiet und Oberbayern ver-
wendet. Auch in England und Amerika bediente man sich des
Temperstahlgusses in ähnlicher Weise. James Yate Johnson goſs
1888 Stahlräder in Metallformen.


Von theoretischer und auch von praktischer Wichtigkeit war
der Nachweis, daſs geschmolzene Stahlmassen nicht gleichmäſsig er-
starren und daſs die chemische Zusammensetzung der äuſseren und
inneren, der unteren und der oberen Masse nicht gleich ist.


Tschernoff hatte schon 1868 auf Grund seiner Versuche
auf dem Obuchkoff-Stahlwerk die Theorie entwickelt, daſs ge-
schmolzener Stahl eine amorphe Flüssigkeit sei, in welcher die Stahl-
atome wie in einem Bade schwämmen. Diese Atome schieſsen beim
Erstarren zu Krystallen zusammen. Heftiges Rühren und Schütteln
bewirkt, daſs sich nur kleine Krystalle bilden können, infolgedessen
feinkörniger Stahl entsteht. Tschernoff konnte auf diese Weise
Stahl von fast beliebigem Korn erzielen. Hieraus läſst sich schon ver-
[767]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
muten, daſs die beim Erstarren sich abscheidenden Krystalle und
die Lösung nicht die gleiche Zusammensetzung haben, daſs besonders
bei langsamem Erstarren die äuſsere und innere Stahlmasse nicht
gleich sein werden. Diese Ansicht hatte in England Stubbs zuerst
ausgesprochen, aber erst 1882 wies Geo Snelus1) zu Worthington

Figure 300. Fig. 299.


durch Versuche und chemische Analysen dies nach. Er fand, daſs sich
die Nebenbestandteile des Eisens mehr in der Mitte und am Kopfe
finden als am Boden und am Rande. Aus den Durchschnittswerten
mehrerer Analysen, welche alle von verschiedenen Teilen eines Stahl-
blocks gemacht wurden, ergaben sich (nach Ledebur) folgende Zahlen:


[768]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.

Der Amerikaner W. Cheever1) hat 1884 ähnliche Untersuchungen
angestellt und die Angaben von Snelus bestätigt gefunden. Aus
dem Gemenge von Eisen mit Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor u. s. w.
scheidet sich beim Erstarren von auſsen nach innen die schwerer
schmelzbare, reinere Eisenmasse zuerst ab, während ein durch
seinen gröſseren Gehalt an Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor u. s. w.
leichtflüssigeres Gemenge nach der Mitte zu langsam erstarrt. Es ist
deshalb besser, Stahlgüsse rasch abzukühlen.


Auch die Blasenbildung schreitet vom Rande nach der Mitte zu
konzentrisch vor, wie aus Fig. 299 (a. v. S.) nach einer Abbildung von

Figure 301. Fig. 300.


Figure 302. Fig. 301.


Figure 303. Fig. 302.


H. Wedding zu ersehen ist. Nach Tetmajer treibt Silicium die
Blasen nach auſsen, Mangan nach innen. Letzteres ist besser für
Schienen, weil die Laufflächen auſsen liegen.


Da die Kontraktion des Stahls gröſser ist, so ist auch das Saugen
oder die Lunkerbildung, Fig. 300 bis 302, stärker als bei Guſseisen,

Figure 304. Fig. 303.


wodurch noch höhere Trichter und
verlorene Köpfe nötig werden. Aus
den beiden Gründen kommen bei Stahl-
güssen, namentlich in den Blasen-
räumen, öfters Aussaigerungen vor,
welche besonders von A. Ledebur
nachgewiesen und untersucht worden
sind 2).


H. Reuſs3) analysierte 1891 eine
solche Aussaigerung aus einer 7 Tonnen
schweren Walze von Bessemerstahl und
fand in derselben eine groſse Anhäufung
der Nebenbestandteile. Neuerdings
haben unter anderen A. Pourcel
[769]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
(1893) und A. Martens1) (1894) sich mit der Saigerung in Eisen-
und Stahlgüssen beschäftigt.


Der Guſs der Blöcke zur Weiterverarbeitung geschieht in guſs-
eisernen oder Stahlformen. Bei nicht zu groſsen Blöcken, die man
unter Druck erstarren lassen will, wendet man meist die Fig. 303
dargestellte Konstruktion an, wobei die flüssige Masse nicht bis zum

Figure 305. Fig. 304.


Rande, sondern bis etwas darunter und der entstehende Zwischen-
raum mit trockenem Sand gefüllt wird; über diesen kommt ein
eiserner Deckel, der mit Keilen fest angetrieben wird. Bei diesen
geschlossenen Formen muſs natürlich auch der Boden fest schlieſsen.
Die Gruppenformen für aufsteigenden Guſs haben wir bereits erwähnt.
Schon 1873 wurden die von Pink in Hörde konstruierten Stahlguſs-
Beck, Geschichte des Eisens. 49
[770]Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
Gruppenformen auf dem Elba-Stahlwerk bei Swansea eingeführt.
Man hat auch verschiedene Arten geteilter Blockformen hergestellt,
so z. B. Hill und Henderson 1892. Sebenius gieſst auch Blöcke
auf einem Drehgestell unter Centrifugaldruck.


Die Gieſspfannen waren früher meist mit Drehkränen verbunden
und wurden durch Wasserdruck bewegt. Die Entleerung erfolgte

Figure 306. Fig. 305.


durch eine Öffnung am Boden, die mittels eines Pfropfens, der mit
Stange und Hebel auf und ab bewegt wird, verschlossen ist. In neuerer
Zeit macht man häufiger die Gieſspfanne fahrbar, indem man sie auf
ein mit einer Lokomobile verbundenes Fahrgestell, Fig. 304 (a. v. S.)
und 305, befestigt. Das Kippen der Pfanne geschieht mittels
Schneckenrad und Schnecke 1). Solche Stahlgieſswagen oder Rollkräne
[771]Stahlformguſs.
wendet man für kleineren Betrieb auch mit Handgetriebe an. Eine
selbstthätige Gieſspfanne lieſs sich J. Burrow 1887 patentieren.
Groſse Lokomotivgieſswagen für 25 Tonnen Stahlgewicht baute 1897
die Baroper Maschinenbaugesellschaft 1).


Stahlformguſs.


Der eigentliche Stahlformguſs erlangte in dieser Periode eine
groſse Bedeutung, wozu ganz besonders die Fortschritte des Marti-
nierens beitrugen. Früher hatte man Formguſs fast nur aus Tiegel-
stahl gegossen und nur für groſse Güsse auch den Bessemerstahl mit
zu Hülfe genommen.


An Massenstahlgüssen stand Fr. Krupp in Essen unübertroffen
da. Am 10. Januar 1872 wurde auf dem Kruppschen Stahlwerk ein
Guſsstahlblock von 50 Tonnen Gewicht gegossen. In Formguſs zeich-
nete sich, wie früher, die Bochumer Guſsstahlfabrik aus, die z. B.
1873 in Wien auſser ihren berühmten Stahlglocken einen Dampf-
cylinder mit Dampfkanälen und Bodenplatte in einem Stück von
7 Tonnen Gewicht ausstellte. Für den Tiegelguſs war die Einfüh-
rung der Siemensöfen ein groſser Fortschritt. Solche Öfen für
25 Tiegel wurden zuerst in Österreich gebaut. Die später von Krupp
errichteten Öfen faſsten 80 bis 90 Tiegel.


Seit Mitte der siebziger Jahre erlangte erst der Flammofen-
Stahlguſs gröſsere Wichtigkeit, die nach Einführung des basischen
Verfahrens rasch zunahm, indem dieses ein weicheres Material gab
und auch der Guſs mit basischem Material besser und sicherer von
statten ging als mit saurem, das härter war und sowohl dadurch als
durch die stärkere Kontraktion leichter zersprang.


Aber schon vor Einführung des basischen Verfahrens goſs man
direkt aus dem Martinofen, in Frankreich zu Terrenoire seit 1875,
in den Vereinigten Staaten seit 1876. Früher waren die Stahlguſs-
stücke meist sehr blasig gewesen. Die Entdeckung, daſs Zusätze von
Mangan, Silicium oder Aluminium blasenfreien Guſs erzeugten, war
deshalb ein wesentlicher Fortschritt für den Stahlformguſs. John
Percy
empfahl 1882 Silicospiegel mit 20 Prozent Mangan und
2 Prozent Silicium, weil er geringeres Aufkochen als gewöhnliches
Spiegeleisen bewirke. Sandberg zog Mangansilicid vor 2).


49*
[772]Stahlformguſs.

In Deutschland kombinierte man an einigen Orten den Martin-
und Tiegelofen in der Weise, daſs man den im Martinofen geschmol-
zenen Fluſsstahl in Tiegel goſs und diese im Tiegelofen noch einige
Zeit einer starken Hitze vor dem Vergieſsen aussetzte.


Ein anderer Fortschritt war die Ausbildung der Kleinbessemerei,
welche namentlich in Frankreich für den Stahlguſs verwendet wurde
und deren Bedeutung heutzutage fast ausschlieſslich in dieser Rich-
tung liegt. Besonders waren es Charles Walrand und Eugène
Legenisel
1) in Paris (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891),
die durch die zweckmäſsige Konstruktion ihrer kleinen Konverter
und durch den Nachsatz von Silicium- oder Phosphoreisen zur Er-
höhung der Hitze und Flüssigkeit des Fluſsmetalls den Stahlguſs
förderten.


Das Formmaterial, worin Stahl gegossen wird, muſs sehr feuer-
beständig sein; der Formsand der Eisengieſsereien ist dazu nicht
zu gebrauchen. Man nimmt eigentliche Masse aus feuerfestem Thon,
dem man zu gröſserer Beständigkeit Chamotte und gemahlene Koks
zusetzt.


Alle Masseformen werden in Darrkammern scharf getrocknet, in-
folgedessen sind mehr und gröſsere Trockenöfen nötig als in den
Eisengieſsereien. In den Vereinigten Staaten baute man für diesen
Zweck 1878 Darrkammern von 65 Fuſs Länge und 12 Fuſs Breite. —
Für die Formmasse wurden je nach den örtlichen Verhältnissen
vielerlei Mischungen gewählt, so z. B. 1883 gebrannter Quarzsand
aus Finnland mit 2 bis 3 Prozent Leimwasser zu Mehl angemacht 2).
J. Molles in Würzburg veröffentlichte 1885 folgendes Rezept: 34
bis 36 Liter scharf gebrannter, zubereiteter, reiner Thon, 1 Liter
Zucker, 1 Liter Wasser, 1/9 Liter Paraffinöl gemischt, getrocknet und
vor dem Verwenden gesiebt. Für die Chamotte nahm man anfangs
gemahlene Schmelztiegelscherben, dann gemahlene, gebrannte Thon-
ziegel. Für kleine Gegenstände mischte man Quarzsand und Mehl,
statt des letzteren später Melasse.


Beim Guſs kleiner Stücke muſs das Metall sehr heiſs sein.
A. Pourcel zu Terrenoire hat sich seit 1875 besondere Verdienste
um die Herstellung von Stahlguſs für Konstruktionszwecke als Ersatz
für Eisenguſs, wo es sich um besondere Festigkeit handelt, erworben.
Es gelang ihm zuerst, gröſsere Guſsstücke dicht zu erhalten 3), die er
[773]Stahlformguſs.
auf der Pariser Ausstellung 1878 vorführte. Er wies auf die Wichtig-
keit der chemischen Zusammensetzung hin und empfahl einen Kohlen-
stoffgehalt von 1 bis 1,5 Prozent. Seit Einführung des basischen
Flammofenbetriebes benutzte man aber weicheres Material mit ge-
ringerem Kohlenstoffgehalt.


H. L. Gantt, gestützt auf amerikanische Erfahrungen, empfahl
1892 für Getriebe einen Kohlenstoffgehalt von 0,4 bis 0,6 Prozent,
für geringe Maschinenteile nicht über 0,4 Prozent und, wenn dieselben
starken Stöſsen unterworfen werden, nicht über 0,2 Prozent. Solche
Güsse haben eine Zerreiſsfestigkeit von 42 bis 45 kg pro Quadratmilli-
meter und eine Längenausdehnung von 15 Prozent. Sie eignen sich
für Maschinen-, Hoch- und Schiffsbau. Hierfür wählte man in den
Vereinigten Staaten in der Regel Fluſsstahl von 0,2 bis 0,3 Prozent
Kohlenstoffgehalt. Unmittelbar vor dem Gieſsen setzt man neuerdings
oft in der Pfanne Aluminium zu, doch nicht mehr als 1 Promille.
In Österreich hat man durch gröſseren Zusatz von Ferroaluminium,
ohne Mangan oder Silicium dichte Guſsstücke hergestellt 1).


Gröſsere Gegenstände werden meistens aus weichem, kohlenstoff-
armem Martinfluſseisen gegossen, so z. B. die Schuhe des 1888/9 er-
bauten Eiffelturms, die nur 0,22 Prozent Kohlenstoff neben 0,52 Pro-
zent Mangan und 0,20 Prozent Silicium enthalten 2). Nach Sir Williams
wurden vor 1899 bereits Stahlguſsformstücke von über 35 Tonnen
Gewicht für den Schiffsbau gegossen.


Von kleineren Guſsstücken erwähnen wir den Guſs von Stahl-
ketten in eisernen Formen, die nach dem Guſs nur gereinigt und
abgerieben zu werden brauchten. Dieses Verfahren wurde 1882 von
Spencer auf den Newbury-Works, 1884 von Imbert \& Leger in
Lyon eingeführt. Spencers Ketten ergaben bei Lloyds Proben
22 Prozent gröſsere Zugfestigkeit, als verlangt war.


Infolge der gröſseren Härte des Stahls und seiner stärkeren Kon-
traktion ist die Spannung in den Guſsstücken und infolgedessen die
Gefahr des Zerspringens gröſser als beim Eisenguſs. Es ist deshalb
notwendig, die fertigen Guſsstücke zu glühen und langsam erkalten
zu lassen, um diese Spannung aufzuheben. In den Vereinigten Staaten
erhitzte man 1878 die Stahlguſsstücke im Flammofen bei ruhiger
Flamme und lieſs sie dann mit der Form zwei bis drei Tage ab-
[774]Die mechanische Formgebung.
kühlen. A. Pourcel zu Terrenoire legte auf dies Ausglühen den
gröſsten Wert und nahm auf sein Verfahren des Temperns und An-

Figure 307. Fig. 306.


lassens 1882 ein englisches
Patent. Ölhärtung soll an-
geblich die Elasticitätsgrenze
und Festigkeit um 10 Prozent
erhöhen. Pourcels Verfahren
zur Herstellung dichter Güsse
wurde in England, Schweden
und Amerika mit Erfolg ein-
geführt.


Der aus dem Kupolofen
gegossene Temperstahl wird,
wie der schmiedbare Guſs, in
geschlossenen Gefäſsen mit Oxy-
dationsmitteln eingeschichtet,
geglüht. Da es sich meist um
groben Guſs, wie Räder und
dergleichen, handelt, so pflegt
man gemauerte Glühgefäſse,
Fig. 306, zu verwenden 1).


Die mechanische Formgebung.


Die mechanische Formgebung durch Hämmern, Walzen, Pressen u. s. w.
erstreckt sich auf Schweiſseisen wie auf Fluſseisen. Die Fortschritte
hierin wurden in diesem Zeitraum allerdings fast ausschlieſslich durch
den groſsartigen Aufschwung der Fluſseisenverarbeitung herbeigeführt,
kamen aber groſsenteils auch der Schweiſseisenfabrikation zu gute.
Die Verbesserungen, die sich auf letztere allein beziehen, betreffen
besonders die Schweiſsöfen, die zur Vorbereitung der Formgebung
dienen. Diese wurden mit besseren Feuerungen versehen, und nament-
lich da, wo man geringwertigere Brennstoffe verarbeitete, gewann der
Gasbetrieb ausgedehnte Anwendung. Für Steinkohlenbetrieb wurde
Planrostfeuerung mit Unterwind am meisten angewendet. Hierbei
benutzte man häufig die Abhitze zum Vorwärmen der Verbrennungs-
luft, wie z. B. 1870 bei dem Schweiſsofen Howartsons zu Round
[775]Die mechanische Formgebung.
Oak bei Dudley, bei dem die Zugluft in Fuchs und Esse erwärmt
wurde.


Eine Halbgasfeuerung für Steinkohlen war die von Bicheroux
(s. S. 806), welche in Westdeutschland und Belgien in den siebziger
Jahren besonders beliebt war.


Einen Übergang zur Gasfeuerung bildete 1875 der Petroleum-
schweiſsofen von Eames zu Jersey City, wobei das Petroleum durch
überhitzten Dampf verflüchtigt wurde.


Bei den Gasschweiſsöfen wendete man meist Winderhitzung an
und unterschied Rekuperator- und Regeneratoröfen.


Bei dem 1871 von Ponsard erfundenen Ofen wurde die Luft
durch die Verbrennungsgase erhitzt, während der Generator so dicht
an dem Ofen stand, daſs die Gase heiſs eintraten. Dies war also ein
Rekuperationsofen.


Der 1874 von dem Amerikaner Sweet1) angegebene Gasschweiſs-
ofen hatte eine mit angefeuchtetem Anthrazit oder Fettkohlen durch
Trichter und Schlitten kontinuierlich gespeiste Feuerung. Die erhitzte
Verbrennungsluft wurde durch die Feuerbrücke und das Gewölbe ein-
geführt. Lürmann konstruierte 1882 ebenfalls einen Rekuperator-
Schweiſsofen 2).


Von den Gasschweiſsöfen mit Regeneratoren kamen zunächst die
von Siemens selbst konstruierten Anfang der siebziger Jahre in
England und Amerika — hier besonders groſsartig auf den Edgar-
Thomson-Werken bei Pittsburg — zu vielfacher Anwendung.


Zu Prävali wurden 1872 die Gasschweiſsöfen mit Lundins Konden-
sation verbunden. Bei dem Gasschweiſsofen von C. Wittenström
(1875) lagen die Regeneratoren über dem Ofengewölbe. Pütsch
hatte einen Regenerativofen für Torfgas konstruiert. Torfgasschweiſs-
öfen mit Regeneration und Lundins Kondensation waren 1877 zu
Josephsthal in Böhmen und in Motala in Schweden in Betrieb.


Erwähnt sei ferner der 1890 von Biedermann und Harvey
erfundene sogenannte neue Siemensofen, bei dem der Überschuſs der
Verbrennungsgase wieder in den Gaserzeuger geleitet wurde; sodann
ein Ofen von Stubblebine in Bethlehem (Pa.), bei dem ein Teil der
in der Feuerung erzeugten Gase abgeleitet und, mit Verbrennungsluft
gemischt, an geeigneten Stellen durch Injektoren in den Ofen geleitet
[776]Die mechanische Formgebung.
wurde, wodurch eine bessere Verteilung der Wärme bewirkt werden
sollte.


Die wendbaren Gaspuddelöfen von Pietzka mit Rekuperation
haben sich auch als Schweiſs- und als Wärmöfen bewährt. Überhaupt
wurden viele dieser Verbesserungen auch bei den Ausheiz- oder Wärm-
öfen für die Fluſseisenblöcke in Anwendung gebracht.


Das Fluſseisen, welches reiner als das Puddeleisen ist, braucht
nicht der Schweiſsung, deren Hauptzweck doch die Entfernung der
eingemengten Schlacke ist, unterworfen zu werden, auch darf es nicht
so heiſs unter die Walzen kommen, weil das harte, ungeschmeidigere
Material sonst zerfällt. Dagegen müssen die Blöcke, die nicht un-
mittelbar nach dem Guſs ausgewalzt werden können, einer gleich-
mäſsigen Durchheizung in geeigneten Öfen unterworfen werden. Hierzu
bediente man sich zunächst geräumiger Flammöfen, die den Schweiſs-
öfen ähnlich waren, aber keines Sammelraums für ausgeschweiſste
Schlacken bedurften.


An Stelle dieser wendete man seit 1882 in zunehmendem Maſse
die schon öfter erwähnten Gjersschen Ausgleichgruben an, die bei
starkem, regelmäſsigem Betriebe für das Ausheizen der Blöcke die
Wärmöfen überflüssig machen können. Meist aber bedient man sich
beider Ofenarten nebeneinander.


Bei den einfachen Gjersschen Heizgruben ist die Wärme nicht
so hoch wie in den Flammöfen. Snelus fand 1882, daſs sich die
Wärmeausgleichung in den gemauerten Wänden nicht rasch genug
vollzog. Er schlug deshalb vor, die Wände aus Fluſseisen zu machen
und die Abteilungen mit zwei Deckeln, dem einen dicht über dem
Block, dem anderen im Niveau der Hüttensohle zu verschlieſsen. Schon
im Jahre 1883 ging aber die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing
dazu über, die Durchweichungsgruben mit besonderer Gasfeuerung
anzuheizen (D. R. P. Nr. 24974).


Die Gjersschen Heizgruben bewährten sich. Ende 1883 wurden
auf dem Scranton-Eisenwerk über 85 Prozent der Produktion aus in
Gruben geheizten Blöcken zu Eisenbahnschienen von 120 Fuſs Länge
durchgewalzt.


Auf den Darlington-Stahlwerken wurden 1885 die gegossenen
Schienenblöcke acht Minuten lang in den Koquillen und dann 8 bis
12 Minuten in Ausgleichsgruben sich abkühlen, beziehungsweise gleich-
mäſsig durchwärmen lassen und alsdann in derselben Hitze vor- und
fertiggewalzt. Man hatte 22 Gruben von 400 × 480 mm Querschnitt.
In neuerer Zeit ist der Gebrauch der geheizten Gruben oder Tieföfen
[777]Die mechanische Formgebung.
allgemein geworden. Zum Ein- und Austragen der Blöcke hat man
geeignete Hebevorrichtungen konstruiert, so z. B. R. M. Daelen
einen hydraulischen Kran 1).


Die groſsen Flammöfen zum Ausheizen der Fluſseisenblöcke, die
wie die Schweiſsöfen entweder mit Rostfeuerung oder mit Gasfeuerung
geheizt wurden, hatten ebene, schwachgeneigte, gemauerte Böden. Auf
diesen wurden die Blöcke auf der kälteren Fuchsseite eingesetzt und
allmählich der Flamme entgegen nach der Feuerbrücke durch Kippen

Figure 308. Fig. 307.


Figure 309. Fig. 308.


und Rollen voranbewegt; deshalb bezeichnet man diese Öfen als Roll-
öfen. Fig. 307, 308 zeigen einen Rollofen von Creusot aus dem
Jahre 1875. Die Neigung der Sohle betrug meist ein Neuntel. — An
der Feuerbrücke, die höher ist als bei den Schweiſsöfen, erlangen die
Blöcke die stärkste Hitze und werden durch die hier befindliche Thüre
öfter mittels mechanischer Vorrichtungen, wie beispielsweise der
Fig. 309 (a. f. S.) skizzierten amerikanischen Einrichtung, heraus-
gezogen.


Die Halbgasfeuerungen von Boëtius oder Bicheroux sind in
neuerer Zeit ziemlich verschwunden und zumeist durch Regenerativ-
Gasfeuerungen ersetzt. Die Öfen von Pietzka und die kontinuier-
[778]Die mechanische Formgebung.
lichen Stahlwärmöfen von Langhlin und Reuleaux haben sich
bewährt 1).


In Amerika ist die automatische Bedienung sowohl der Schweiſs-
als der Wärmöfen ausgebildet worden. Samuel T. Wellman hat
sich besonders hierfür verdient gemacht und schon 1889 mehrere
Patente (Amer. Pat. Nr. 394419, 394421) auf die hydraulische Be-
schickung von Flammöfen mit schweren Blöcken genommen.


Figure 310. Fig. 309.

Die heiſsen Schweiſseisenpakete kommen in der Regel erst unter
einen Dampfhammer und dann unter die Walzen. Die Fluſseisen-
blöcke dagegen gelangen meistens direkt unter starke Blockwalzen.
Ausnahmsweise werden aber auch Fluſseisenblöcke unter schweren
Hämmern oder neuerdings unter hydraulischen Pressen oder Preſs-
hämmern vorgearbeitet.


Die Entwickelung der Werkzeuge in ihren Einzelheiten gehört
in die Geschichte des Maschinenbaues; in dem Nachfolgenden kann
nur das Wichtigste aus dem überreichen Material kurz berührt
werden.


Die Verbesserungen der Krafterzeugungsmaschinen liegen auſser-
halb des Rahmens unserer Betrachtung. Wir erwähnen nur, daſs bei
den Dampfmaschinen die Verwendung hochgespannter Dämpfe (8 bis
10 Atmosphären) immer mehr zur Anwendung kam. Dies übte
zunächst seinen Einfluſs auf den Bau der Dampfkessel, die auf höheren
Druck und mit Röhrensystemen zur Überhitzung des Dampfes gebaut
[779]Die mechanische Formgebung.
wurden, sodann auf den Bau der Dampfmaschinen, wobei die möglichste
Ausnutzung der Dampfspannung leitender Grundsatz wurde.


Dies geschieht in sehr zweckmäſsiger Weise durch die in zwei
Cylindern, einem kleineren Hochdruck- und einem gröſseren Nieder-
druckcylinder, fortgesetzte Expansion (Verbundmaschinen). Ein zweck-
mäſsiges Gröſsenverhältnis der Cylinder bei Walzwerkmaschinen ist
1 : 2, oder 1 : 2,3. Bei den sogenannten Tandemmaschinen liegen die
beiden Cylinder so hintereinander, daſs sich die beiden Dampfkolben
an derselben Achse befinden.


Man ist aber Mitte der neunziger Jahre weiter gegangen und hat
Dreifach-Expansionsmaschinen für Walzwerke konstruiert, wobei noch
ein Mitteldruckcylinder eingeschaltet wird.


Die Verbund- und Tandemmaschinen wurden entweder als
Schwungradmaschinen mit gleichbleibendem Lauf oder als Reversier-
maschinen verwendet.


C. Kiesselbach hat in der Versammlung des Vereins deutscher
Eisenhüttenleute vom 23. April 1899 zu Düsseldorf einen ausführlichen
Vortrag 1) über die Motoren zum Antrieb der Walzenstraſsen ge-
halten, auf den wir verweisen. Als gute Beispiele der obenerwähnten
Konstruktionen in Deutschland sind Zeichnungen beigefügt von
Tandemwalzenzugmaschinen mit Schwungrad der Maschinenbau-
Aktien-Gesellschaft, vormals Gebr. Klein in Dahlbruch (Taf. XI); der
Märkischen Maschinenbau-Anstalt zu Wetter a. d. Ruhr (Taf. VIII);
der Gutehoffnungshütte bei Oberhausen (Taf. VII); der Sächsischen
Maschinenfabrik zu Chemnitz, vormals Rich. Hartmann (Taf. V); der
Duisburger Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft, vormals Bechem \& Keet-
mann in Duisburg (Taf. IV), von Sack \& Kiesselbach zu Rath bei
Düsseldorf (Taf. XII); von einer direkt gekuppelten Tandem-Reversier-
Walzenzugmaschine ebenfalls von Sack \& Kiesselbach; von einer
Dreifach-Expansions-Walzenzugmaschine der Sundwiger Eisenhütte,
Gebr. von der Becke \& Co. und einer Drillings-Verbund-Reversier-
maschine der Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft, vormals Gebr. Klein
in Dahlbruch.


Besonderen Erfolg hatte die Firma Ehrhardt \& Sehmer, Schleif-
mühle, mit ihren Drillingsmaschinen 2) mit um 120° versetzten Kurbeln,
zuerst auf der Burbacher Hütte. Eine Maschine dieser Art erregte auf
der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 Aufsehen. Diese Maschinen
arbeiten mit groſsen Umlaufgeschwindigkeiten ohne Schwungrad.


[780]Die mechanische Formgebung.

Die Tandemmaschine, System Schmidt [gebaut von W. Schmidt
\& Co.
in Aschersleben 1)] ist eine Heiſsdampfverbundmaschine. Sie
arbeitet mit überhitztem Dampf von 10 bis 11 Atmosphären Spannung
und 350° C. Temperatur. Die beiden Dampfcylinder sind unmittelbar
aneinandergeschraubt ohne zwischenliegende Stopfbüchsen, und der
Kolben ist als Differentialkolben ausgebildet.


Wenden wir uns zur Formgebung selbst, so ist eine Vorbedingung
für die Erzeugung guter Fluſseisenprodukte die Herstellung dichter
blasenfreier Blöcke. Die chemischen und mechanischen Mittel für
diesen Zweck haben wir bereits beschrieben, doch ist hier noch etwas
nachzutragen. Die angeführten Methoden fanden alle bei dem
flüssigen Metall ihre Anwendung. 1882 schlug L. Clémandot vor,
die erstarrten Blöcke dadurch dicht zu machen, daſs man sie bei
Kirschrotglut einem starken Drucke von 1000 bis 3000 kg auf den
Quadratcentimeter (trempe à compression) unterwerfe. Er führte
dieses Verfahren zu St. Jacques bei Montluçon ein und erhielt dadurch
einen beträchtlich härteren Stahl. Die Härtezunahme war um so
gröſser, je mehr Kohlenstoff der Stahl enthielt. Nach seinen Analysen
war im gepreſsten Stahl mehr Kohlenstoff gebunden als im un-
gepreſsten.


Um die gegossenen Blöcke rascher unter die Walzen bringen zu
können, lieſs sich 1873 G. Hasletone für W. Dougherty in Phila-
delphia ein Verfahren in England patentieren, wonach er den Fluſs-
stahl in Formen von Schwarzblech goſs und den Stahl mit der Hülle
weiter verarbeitete. Wenn erforderlich, kann man die Blechhaut durch
Hobeln oder Feilen von dem fertigen Produkt entfernen.


Die Arbeit der Hämmer ist teils Verdichtung, teils Formgebung.
Für ersteren Zweck dienen meist schwere Hämmer mit langsamem
Gang, für letztere leichte Hämmer mit raschem Gang (Schnell-
hämmer). Das Gewicht der Hämmer richtet sich nach der Gröſse des
Gegenstandes, aber auch nach dem Stoff. Die Luppenhämmer der
Puddelwerke wiegen 1500 bis 2500 kg, die Schweiſs- und Stauch-
oder Brammenhämmer der Eisenwalzwerke 5000 bis 10000 kg. Stahl
muſs bei niedrigerer Temperatur bearbeitet werden und ist härter als
Eisen, aus beiden Gründen erfordert er schwerere Hämmer.


Da man in den siebziger Jahren auch die Fluſsstahlblöcke noch
meistens vorschmiedete, so muſste man die Dampfhämmer stärker
bauen, um die schweren Blöcke harten Stahls bearbeiten zu können.
[781]Die mechanische Formgebung.
Die Hämmer der Fluſsstahlwerke für Gegenstände mittlerer Gröſse
wogen 10000 bis 20000 kg, während für gröſsere Blöcke Hämmer von
mehr als 20000 kg Gewicht erforderlich waren. Besonders groſse
Hämmer verlangten die riesigen
Blöcke für schwere Kanonen.
Krupps 1000-Centner-Hammer
fand in diesem Zeitraum Nach-
folger. Der groſse Dampf-
hammer der Kanonenfabrik zu
Perm 1), von dem die Modelle
in der russischen Abteilung der
Weltausstellung zu Wien 1873
ausgestellt waren, hatte einen
guſseisernen Hammerbär von
23000 kg Gewicht, während die
geschmiedete Kolbenstange und
der Kolben 27000 kg, diese
Teile zusammen also 50000 kg
wogen. Dabei arbeitete der
Hammer noch mit Oberdampf.
Die Hammerschabotte aus Guſs-
eisen wog 635000 kg 2). Noch
kräftiger war der 1873 im
Arsenal zu Woolwich erbaute
Dampfhammer mit Oberdampf
von 35000 kg Bärgewicht. Der
1877 von Schneider \& Co.
zu Creusot errichtete Dampf-
hammer zeichnete sich durch
hohen Hub und starke Wirkung
aus. Sein Fallgewicht wog
70 Tonnen, der Hub betrug
5 m, der Cylinderdurchmesser
1,9 m. Er schlug auf einen

Figure 311. Fig. 310.


Amboſs von Guſseisen von 890 Tonnen Gewicht; davon wog die
Chabotte 750 Tonnen. Dieser Hammer bildete den Mittelpunkt der
mit groſsen Glühöfen und hydraulischen Kränen ausgerüsteten neuen
[782]Die mechanische Formgebung.
Stahlhütte, und man schmiedete mit ihm Stahlblöcke von 120 Tonnen
Gewicht. Hämmer von 100 Tonnen Fallgewicht wurden in der Folge
errichtet zu Rive de Gier in Frankreich und zu Terni in Italien.


Alle diese wurden an Gröſse übertroffen durch den 1891 zu
Bethlehem in den Vereinigten Staaten von Amerika von John Fritz
gebauten Riesenhammer von 125 Tonnen Fallgewicht (Fig. 310 a. v. S.),
dessen Amboſs 475 Tonnen und dessen Chabotte 1400 Tonnen wogen,
so daſs das Gesamtgewicht dieser Teile 2000 Tonnen betrug.


Die schwierige Frage der Fundamentierung solch mächtiger
Hämmer wurde schon Anfang der siebziger Jahre dadurch glücklich
gelöst, daſs man das Fundament des Hammergerüstes von dem Funda-
ment von Amboſs und Chabotte vollständig trennte.


Der groſse Hammer des italienischen Stahlwerks zu Terni von
100 Tonnen Hammergewicht und 5 Fuſs Hub, 1885 von der Ge-
sellschaft John Cockerill erbaut, wurde mit Preſsluft betrieben 1),
die von vier Gruppen Dubois-Françoisschen Luftverdichtungs-
pumpen geliefert wurde. Der Hammer war von allen Seiten leicht
zugänglich.


Hinsichtlich der Steuerung haben sich bei schweren Hämmern
Ventilsteuerung, bei leichten Hämmern, besonders Schnellhämmern
mit Handsteuerung, Schieber oder Hähne am besten bewährt. Die
Muschelschieber pflegt man möglichst mit Druckentlastung einzu-
richten.


Durch zweckmäſsige Steuerung zeichnete sich ein 1873 in Wien
ausgestellter Dampfhammer von W. und C. Seller, der sowohl
automatisch als von Hand gesteuert werden konnte, aus, ebenso der
Schnellhammer von Keller und Banning mit Schiebersteuerung und
Expansion (1873), desgleichen der 1874 bekannt gewordene Schnell-
hammer von Massey in Manchester 2), der mit Oberdampf arbeitete,
200 bis 400 Schläge in der Minute machte und mit Hand- und
Selbststeuerung versehen war. Der um diese Zeit eingeführte Napier-
s
che Schieber war ein Röhrenschieber.


Frischen Oberdampf wendete man mit Vorteil bei Schnellhämmern
an, während bei schweren Hämmern nur Unterdampf zum Heben des
Fallgewichtes benutzt und der Schlag nur durch das Gewicht des
fallenden Hammerbären bewirkt wurde.


[783]Die mechanische Formgebung.

Schmiedehämmer mit Luftdruckbetrieb sind die pneumatischen
Hämmer von Chenot1) und von Longworth, letzterer für Trans-
missionsbetrieb, beide von 1878; sodann der nach dem Patent von
Arns 1886 von Breuer, Schumacher \& Co. zu Kalk ausgeführte
Luftdruckhammer, bei dem der Saugkolben den Hammerbär hebt 2).


Einen elektrischen Hammer erfanden Siemens \& Halske in
Berlin 1880 3).


Der 1881 bekannt gemachte Hammer von Diot \& Monlebont
in Paris hat einen aus Teilen zusammengesetzten Bär, der für stärkere
und schwächere Leistungen zugerichtet werden kann. Rigbys 12-
Tonnen-Dampfhammer in dem Parkhead-Walzwerk in Schottland
zeichnete sich (1882) durch groſse Einfachheit der Bauart aus 4).


Eine selbstthätige Vorrichtung zum Festhalten und Bewegen der
Schmiedestücke als Ersatz der Handarbeit konstruierte A. Mure in
Glasgow 1882 5). — 1885 wurde der erste Gashammer von Rotson
in London aufgestellt.


Es würde zu weit führen, alle neuen Hammerkonstruktionen, die
in dieser Periode patentiert wurden, aufzählen zu wollen. Von
Schmiedehämmern seien nur noch erwähnt der Luftfederhammer von
Player 1887, der Schmiedehammer von J. Wild, der Lombardsche
Fallhammer und der Dampfhammer von A. Henckels in Solingen
zum Recken, Breiten und Gesenkschmieden.


Der Lufthammer von Wilh. Hassel von 1888 (D. R. P. Nr. 44031)
war nach demselben Prinzip wie der von Arns gebaut. Von 1888 sind
ferner der Luft- und Wasserdruckhammer von H. Wohlenberg in
Hannover, der Gashammer von Robinson und Pickney und die
Schmiedemaschine mit zwei Hammerwerken von Beaudry \& Co.
in Boston zu nennen. 1889 wurde Allens mechanischer Dampf-
zuschläger 6) in England zum Schmieden von Bolzen und Schrauben
verwendet. Gasexplosionshämmer erfanden Rob. Kannegieſser,
Th. M. Mudd
in Hartlepool (Engl. Pat. Nr. 3384 vom 5. März 1888)
und Pickney (verbesserter Robsonhammer).


Riemenfallhämmer konstruierten F. Steller, Breuer \& Schu-
macher
in Kalk, C. Friedrich in Paris und Andere. Einen pneu-
[784]Die Preſshämmer.
matischen Hammer mit Luftdrucksammler erfand Rob. Latowski in
Breslau.


Reineckers Dampfhammer mit expandierendem Oberdampf wurde
1891 nach dem Daelenschen Prinzip erbaut; er hatte zwei über-
einanderstehende Cylinder, wodurch man die Expansion des Ober-
dampfes beliebig weit treiben konnte.


Pearsons Dampfhammer von 1894 zum Schmieden in Gesenken,
besonders für Scheibenräder (Amer. Pat. Nr. 503354), hat leichten
Kolben, aber schwere, volle Kolbenstange, wodurch der Schlag genau
und ohne Erschütterung geführt werden kann.


Bei einem von dem Amerikaner Morgan 1896 konstruierten
Dampfhammer (Amer. Pat. Nr. 538840) dient ein zweiter kleiner
Cylinder über dem ersten, dessen Kolben immer unter Dampfdruck
steht, dazu, das Durchschlagen des oberen Cylinderdeckels zu ver-
hindern.


Die Preſshämmer.

Durch die Verwendung des Wasserdrucks zur Verdichtung und
Formgebung hat man in dem Preſshammer ein Mittel gefunden,
welches den Dampfhammer für viele Zwecke mit Vorteil ersetzt. Die
umfassende Ausnutzung dieses Mittels fällt in diesen Zeitabschnitt.


Der Schlag des Dampfhammers wirkt energisch auf die Ober-
fläche, seine Wirkung setzt sich aber um so weniger nach innen fort,
je rascher der Schlag erfolgt, und je leichter der Hammer ist. Zur
Verdichtung wirkt wesentlich der Druck, deshalb hat der Vorteil des
Hämmerns bei dicken, schweren Blöcken bald seine Grenze. Die Er-
fahrung hat gelehrt, daſs der Hammer zum richtigen Durchschmieden
das zehnfache Gewicht des Schmiedestückes haben muſs. 100-Tonnen-
Hämmer sind aber schon sehr unbehülfliche, kostspielige Werkzeuge,
während man im Groſsbetriebe nicht selten Fluſsstahlblöcke bis zu
30 Tonnen zu bearbeiten hat. Es leuchtet von selbst ein, daſs diese
viel besser und billiger durch hydraulische Preſshämmer bearbeitet
werden. Gautier teilte 1889 vergleichende Beobachtungen von einem
Sheffielder Stahlwerk mit 1). Danach war für die Bearbeitung eines
Fluſsstahlblocks von 36½ Tonnen, der für ein Geschütz bestimmt
war, mit einem 50-Tonnen-Dampfhammer drei Wochen Arbeit und
33 Erhitzungen erforderlich, während ein Block von 37½ Tonnen
[785]Die Preſshämmer.
unter einer Presse von 4000 Tonnen Druck in vier Tagen mit
15 Hitzen fertig bearbeitet wurde.


Die Preſshämmer, deren erste praktische Ausbildung Haswell
(siehe Bd. IV, S. 868) zu verdanken ist, haben deshalb eine groſsartige
Verwendung bei der Fluſsstahlverarbeitung gewonnen. S. Haswell
hatte (1861) seinen Hammer für einen ganz bestimmten Zweck, zum
Pressen von Lokomotivteilen konstruiert. In dieser Richtung hatte er
ihn noch vervollkommnet, wie es auf der Wiener Weltausstellung 1873
vorgeführte Proben zeigten. Zur Bearbeitung roher Blöcke hatte er
ihn nicht verwendet und hierfür eignete sich auch seine Konstruktion
nicht. Ein Fortschritt war es deshalb, als Sir Joseph Whit-
worth
, der von dem Pressen des flüssigen Metalls zum Zwecke der
Verdichtung ausgegangen war, 1884 auf seinem neuen Stahlwerk bei
Manchester auch eine nach Haswells Prinzip gebaute hydraulische
Schmiedepresse zur Bearbeitung der cylindrischen Güsse für Kanonen-
rohre verwendete 1). Das Schmieden geschah über Dornen von groſsem
Kaliber und in Gesenken und zwar von der Mitte aus erst nach dem
einen, dann nach dem anderen Ende, wobei sich der glühende Stahl
wie Teig bewegte. Es erwies sich als vorteilhaft, die Rohre auf nicht
mehr als 6 Fuſs Länge in der ersten Hitze zu strecken und sie dann
wieder in den Glühofen zurückzugeben. Da das Preſsschmieden
in Gesenken und mit Dornen geschah, wurde groſse Genauigkeit
erzielt; auſserdem wurden Festigkeit und Zähigkeit des Stahls be-
deutend erhöht, letztere nach Whitwells Angabe um 30 Prozent.
Je schwerer das Guſsstück war, desto besser der Erfolg.


Seit dieser Zeit fing man an, auch massive Fluſsstahlblöcke statt
unter schweren Dampfhämmern unter Schmiedepressen zu bearbeiten.
Besonders bewiesen Tannet und Walker in Leeds durch ihre Preſs-
hämmer deren Vorzüge vor den Dampfhämmern. Nach Gautiers
Bericht besaſsen die Kruppschen Stahlwerke in Essen 1889 eine
solche Presse von 2000 Tonnen Preſsdruck, welche einen Hammer
von 75 Tonnen ersetzte, und war eine solche von 4000 Tonnen Druck,
die einen 120-Tonnen-Hammer ersetzen sollte, in Ausführung be-
griffen. 1888 entstanden bereits eine Reihe weiterer hervorragender
Konstruktionen für diesen Zweck. So die am 19. April 1888 paten-
tierte Schmiedepresse von Fritz Baare2) zu Bochum (D. R. P.
Beck, Geschichte des Eisens. 50
[786]Die Preſshämmer.
Nr. 45323), welche in Fig. 311 dargestellt ist. Das Druckwasser wird
von der Pumpe mit 600 Atmosphären Pressung geliefert und übt,
wenn es auf die ganze Kolbenfläche wirkt, einen Druck von
4000 Tonnen aus. Dadurch, daſs der Preſskolben c aus mehreren
Stücken von verschiedenem Durchmesser besteht, kann durch ver-

Figure 312. Fig. 311.


schiedene Hahnenstellung
(a b) der Druck in drei
Stufen im Verhältnis von
1 : 2 : 3 ausgeübt werden.
Die Aufwärtsbewegung des
Preſskolbens wird durch
die Hebecylinder g g be-
wirkt, welche mit einem
Drucksammler (Akkumu-
lator) von 50 Atmosphären
Belastung verbunden sind.


Eine andere bemerkens-
werte Konstruktion war die
von Alexander Wilson
und Samuel Oates in
Sheffield (Engl. P. Nr. 9392
vom 27. Juli 1888) zum
Pressen groſser Blöcke für
Panzerplatten und der-
gleichen 1). Die schweren
Blöcke werden durch zwei
Rollbahnen mit je drei
Rollwalzen, die durch Wasserdruck angetrieben werden, hin und her
bewegt.


Die ebenfalls 1888 patentierte pneumatisch-hydraulische Schmiede-
presse von Prött und Seelhoff (D. R. P. Nr. 43434), ausgeführt von
L. W. Breuer, Schumacher \& Co.2), zeichnete sich durch Ein-
fachheit, Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit aus. Sie arbeitete mit
nur einem Preſscylinder für jeden Druck. Die wichtigste Verbesserung
lag aber in der Konstruktion des Akkumulators 3), bei dem der Druck
nicht durch Gewichte, sondern durch gepreſste Luft oder Kohlensäure
erzeugt wurde. Die Luft, die in sinnreicher Weise abgedichtet war,
[787]Die Preſshämmer.
wurde beim Pressen nicht verbraucht, konnte also immer wieder ver-
wendet, der Drucksammler aber in jeder Höhe abgestellt werden.


Die Schmiedepresse von Haniel \& Lueg (D. R. P. Nr. 39658
und 51182) von 1889 war mit Differentialkolben versehen 1).


Eine von A. Trappen2) 1890 erfundene Schmiedepresse, welche
von der Maschinenbau-Anstalt zu Wetter a. d. Ruhr gebaut wurde, war
mit zwei übereinander angeordneten Preſscylindern versehen.


Etwa um dieselbe Zeit erfanden B. \& S. Massey \& Co. zu
Openshaw bei Manchester eine Compound-Schmiedepresse für billigere
Anlagen und kleinere Leistungen, besonders für Herstellung von
Bolzen mit viereckigen Köpfen. Auch R. M. Daelen in Düsseldorf
lieſs sich 1888 eine hydraulische Schmiedepresse patentieren (D. R. P.
Nr. 48825).


Die hydraulische Schmiedepresse von Benjamin Walker3) (Engl.
Pat. Nr. 562 vom 11. Januar 1890) bestand aus einer senkrechten
und einer wagerechten Presse. Eine von Greenwood \& Batley4) ein-
geführte Presse arbeitete ohne Pumpen mit einem einfach wirkenden
Druckübersetzer (direct steam driver oder intensifier); bei A. B. Browns
Presse (Engl. Pat. Nr. 11069 vom 16. Juli 1890) war ein gröſserer
Dampfkolben mit einem kleinen hydraulischen Kolben starr verbunden.


Die Schmiedepresse von W. D. Allen in Sheffield 5) (1891) wurde
von einer Dampfpumpe mit Schwungrad ohne Drucksammler betrieben,
indem der Pumpstiefel mit dem Preſskolben durch eine kurze Leitung
ohne Arbeitsventile verbunden war.


Eine horizontale Schmiedepresse, bei der sich der Treibkolben
in dem Preſscylinder bewegte, wurde von R. M. Daelen angegeben 6).


Im allgemeinen ist die unmittelbare Übersetzung der Dampf- und
Wasserkolben nur für mäſsig schwere Pressen vorteilhaft.


Eine schwere Schmiedepresse von 4000 Tonnen Druckwirkung
(Fig. 312 a. f. S.) mit Differentialkolben erbaute 1891 die Compagnie de
Châtillon-Commentry in ihrem Werke St. Jacques in Montluçon 7).


Zum Ersatz für Blockwalzen haben Ch. Davy in Sheffield 8)
(Engl. Pat. Nr. 5510 vom 30. März 1889) und B. Walker in Leeds 9)
50*
[788]Die Preſshämmer.
(Engl. Pat. Nr. 562 vom 11. Januar 1890) die Schmiedepressen mit
besonderen Einrichtungen versehen.


Zwei groſse Schmiedepressen für Panzerplatten erbaute 1895 die
Kalker Werkzeugmaschinenfabrik von L. W. Breuer, Schumacher

Figure 313. Fig. 312.


\& Co. nach ihrem Patent, die eine für das Dillinger Eisenwerk, die
andere für Ruſsland bestimmte war für 7500 Tonnen senkrechten
Druck, mit zwei Seitenpressen von je 1200 Tonnen Druck konstruiert.


Daneben wurden zahlreiche Pressen für kleinere Arbeiten
patentiert.


Die groſse Schmiedepresse in dem Preſsbau von Friedrich
Krupp
in Essen, von Tannet \& Walker in Leeds erbaut, hat einen
[789]Die Walzwerke.
Druckkolben von mehr als 1 m Durchmesser und übt bei der Maximal-
pressung von 600 kg auf den Quadratcentimeter einen Druck von
5000 Tonnen aus. Die Presse macht etwa 12 Hübe in der Minute.
Das lautlose, stoſsfreie Arbeiten des riesigen Werkzeuges und die
Leichtigkeit der Steuerung durch Umstellen der Hähne sind über-
raschend. Die Presse ist mit einem Akkumulator, bei dem die Druck-
last auf drei Cylinder verteilt ist, verbunden. Durch eine sinnreiche
Steuerung kann der Druck entweder nur auf den Mittelkolben wirken,
oder auf die beiden Seitenkolben oder auf die drei Kolben zugleich
verteilt werden. Dadurch kann der erzeugte Druck 600, 300 oder
200 Atmosphären und die Kraft der Presse 5000, 2500 oder
1750 Tonnen betragen.


Pressen von ähnlicher Stärke gab es damals bereits in Amerika
in den Bethlehem- und Homestead-Werken. Bethlehem besaſs 1893
eine Schmiedepresse für 4570 Tonnen Druck und hatte eine für
14225 Tonnen Druck im Bau. Es war dies die gröſste Schmiede-
presse der Welt; Homestead besitzt die zweitgröſste für 10160 Tonnen.
Auf dem Kontinent Europas waren 1899 die zwei gröſsten Pressen
die von der obenerwähnten Firma L. W. Breuer, Schumacher \& Co.
in Kalk bei Köln für die Dillinger Hütte und die Obuchowski-Stahl-
werke zu St. Petersburg erbauten zu je 10000 Tonnen Druck 1). Nach
Sir Williams gab es 1899 bereits Pressen von 14000 Tonnen Druck.


Neben diesen Riesenpressen wurden für feinere Arbeiten Schnell-
schmiedepressen erfunden, z. B. von der Märkischen Maschinenbau-
anstalt in Wetter 1894 (D. R. P. Nr. 80945). Eine Schmiedepresse
mit mehreren auswechselbaren Werkzeugen lieſs sich H. Ehrhardt
in Düsseldorf 1894 patentieren (D. R. P. Nr. 83492). Pressen für hohe
Temperaturen konstruierte A. Dick (D. R. P. Nr. 83388, 83590).
Dampfhydraulische Luppenpressen kamen sogar in Puddelwerken zur
Anwendung, so z. B. die S. 611 abgebildete von Breuer \& Schu-
macher
in dem Huldschinskyschen Hüttenwerk in Schlesien 2).


Die Walzwerke.

Wie bei den Hämmern so steigerten sich bei den Walzwerken
die Anforderungen besonders mit den Fortschritten der Fluſsstahl-
fabrikation. Das harte Metall setzte schon an und für sich der Be-
arbeitung einen gröſseren Widerstand entgegen, auſserdem durfte es
[790]Die Walzwerke.
nicht schweiſswarm verarbeitet werden. Dementsprechend wurden die
Walzwerke stärker gebaut und in ihrer Konstruktion verbessert. Wir
können nur eine kurze Aufzählung der vielen Verbesserungen der
Walzwerke in diesem Zeitraum hier geben.


Die Luppenwalzen der Puddelwerke bestanden Anfang der sieb-
ziger Jahre meist aus einem Vorwalzen- und Streckgerüst oder einem
Schlicht- oder Fertigwalzengerüst. Für ersteres, öfter auch für beide
wendete man das Triosystem an.


Um diese Zeit ging man mit Vorteil dazu über, die Luppen auf
einem einzigen Triowalzwerk vor- und fertigzuwalzen, was sehr zur
Beschleunigung der Arbeit beitrug. Man hatte dabei entweder nur
Flachkaliber (Hörde 1873) oder Spitzbogen und Flachkaliber und
keine toten oder doppelten Kaliber, vielmehr erhielt der Stab in
jedem derselben Druck. Vahlkampf hat sich um die Konstruktion
der Spitzbogen- und Flachkaliber verdient gemacht. Dr. Kollmann
wies nach 1), daſs das specifische Gewicht des Luppeneisens durch
Auspressen der Schlacke und Schweiſsung nicht unbeträchtlich — von
7,3 auf 7,9 — zunimmt und das Eisen zugleich eine chemische
Reinigung erfährt.


Die Verbesserungen in den Jahren 1870 bis 1875 bezogen sich
zumeist auf die Fluſsstahlwalzwerke, hauptsächlich auf Reversier-
und Triowalzwerke für schweres Façoneisen, namentlich für Eisen-
bahnschienen. In England arbeitete man an der Verbesserung der
Reversierwalzen, während man in den Vereinigten Staaten von Amerika
vorzügliche Trio- oder Dreiwalzwerke baute.


Ein wichtiger Fortschritt in England bestand darin, daſs es
gelang, die Klauenkuppelung durch Friktionskuppelungen zu er-
setzen. Nasmyth soll zuerst die Idee angegeben haben, welche
dann von John Ramsbottom 1865 praktisch verwertet wurde.
Ramsbottoms Maschine arbeitete ohne Schwungrad und die Um-
steuerung war ziemlich unabhängig von der Geschwindigkeit. Sie
glich der bei den Lokomotiven gebräuchlichen Umsteuerung, nur war
statt des Steuerhebels ein kleiner hydraulischer Cylinder vorhanden.


1867 erfand dann R. D. Napier seine Umschaltung durch eine
Differential-Friktionskuppelung, welche mit der Hand bewegt werden
konnte. Th. H. Head erhielt am 11. März 1868 ein Patent (Engl.
Pat. 840) auf eine ähnliche Reversiervorrichtung.


1869 konstruierten Kitson und Chalas2) zu Monkbridge Iron-
[791]Die Walzwerke.
works bei Leeds eine Friktionskuppelung, bei welcher flache, konisch
geformte Fangscheiben durch hydraulischen Druck gegen die Fläche
des Triebrades gepreſst wurden. Kitson wendete dieses System mit
Erfolg bei seinen schweren Blechwalzwerken in Leeds an. B. Walker
von der groſsen Maschinenbaufirma Tannet, Walker \& Co. zu Leeds
verbesserte diese Einrichtung, indem er die Reibung durch eine
schmiedeeiserne Bandbremse auf eine cylindrische Trommel übertrug.


Am 6. Oktober 1871 erhielt Graham Stevenson in England
ein Patent (Nr. 2654) für eine Friktionsreversierkuppelung, die 1872
auch in Deutschland von Grillo, Funke \& Co. zu Gelsenkirchen
mit Erfolg eingeführt wurde.


1872 trat R. D. Napier mit einer verbesserten Differential-
Friktionskuppelung auf 1). Bei der Anwendung der mit Hydraulik
angepreſsten Friktionsscheiben wurde Walzenbruch dadurch vermieden,
daſs sich bei einem gewissen Druckmaximum ein Ventil öffnete, wo-
durch das Walzwerk zum Stehen gebracht wurde.


Statt der Umkehrung der Walzen wendete man in den Ver-
einigten Staaten selbst für Blockstraſsen mit Vorliebe das Dreiwalzen-
oder Triosystem an. Das Prinzip des Lauthschen Blechwalzwerks
wurde auf die Kaliberwalzwerke übertragen und zwar sowohl auf
Schienen- als auch auf Blockwalzen. Bei den Schienentrios waren
Ober- und Unterwalze gefurcht (Matrize), die schwächere Mittelwalze
diente als Deckel (Patrize). Die Kaliber öffneten sich abwechselnd
nach oben und unten, so daſs die Schienen nicht gewendet zu werden
brauchten. Die Walzen hatten sieben Kaliber, statt fünf wie in Eng-
land. Dreiwalzwerke waren billiger als Zweiwalzwerke mit Umkeh-
rung, erfordern aber starke Hebevorrichtungen.


A. L. Holley2) stellte im Januar 1871 ein Block-Triowalzwerk
auf, bei dem Ober- und Unterwalze festlagen, während die durch
Hydraulik bewegliche Mittelwalze nach jedem Stich eingestellt wurde.
Zum Heben, Verschieben und Drehen der Blöcke waren noch keine
mechanischen Einrichtungen angebracht, und die genannten Arbeiten
wurden noch mit Haken und Zangen von Hand bewerkstelligt.


In demselben Jahre, 1871, baute George Fritz auf den Cambria-
Werken ein neues Block-Dreiwalzwerk, bei dem teilweise mechanische
Bedienung angebracht wurde und welches für die Ersparung von
Arbeitskraft und für die Entwickelung der amerikanischen Walzwerke
[792]Die Walzwerke.
von groſser Bedeutung geworden ist. Die Mittelwalze lag fest, während
Ober- und Unterwalze nach jedem Stich durch Druckschrauben ein-
gestellt wurden. Die Druckschrauben der Unterwalze gingen durch
den Ständerfuſs. Die beweglichen Walzentische waren mit Rollen
versehen. Diese waren durch ineinandergreifende Zahnräder verbunden
und wurden von kegelförmigen Friktionsrädern, die durch Riemen
von dem Walzwerk selbst ihre Bewegung erhielten, angetrieben. Die
Rollen liefen nur in einer Richtung, wenn der Tisch oben, und in
entgegengesetzter Richtung, wenn der Tisch unten war.


Diesen noch unvollkommenen Mechanismus verbesserte Fritz
später dahin, daſs er die Rollen durch eine besondere kleine Reversier-
maschine in jeder Richtung und Stellung des Tisches antrieb. Diese
Verbesserung wurde zuerst auf dem Bethlehem-Stahlwerk eingeführt.
Ebenso war die Vorrichtung zum Umwenden und Einstellen der
Blöcke eine Erfindung von Fritz, die sich als sehr praktisch erwiesen
und allgemeine Verbreitung gefunden hat. Es war dies eine Art
Kamm auf horizontalem Gerüst, das gehoben und gesenkt und seit-
lich bewegt werden konnte. Der Kamm griff zwischen den Rollen
und den Blöcken durch und konnte dann letztere seitlich verschieben;
wurden die Zinken des Kammes auf die Ecke des Blocks eingestellt,
so kippten sie diesen um.


Deby zu Brüssel kombinierte das Lauthsche Trio mit dem
Universalwalzwerk. Das Modell eines solchen zu Sclessin ausgeführten
Walzwerks 1) war 1873 auf der Wiener Weltausstellung zu sehen.


In Amerika baute man (1874) Universalwalzwerke mit Umkeh-
rung und zwar erfolgte diese durch Friktionskuppelung mit Gelenk-
stangen, welche als Kniehebel wirkten nach dem Patent von Andrew
Kloman
in Pittsburg. Der Eingriff geschah leicht und sanft; die
Umsteuerung wurde durch Dampf bewirkt. Die mit Schwungrad
versehene Maschine lief immer in demselben Sinne um.


Pernot hatte bereits um 1870 ein Universal-Trägerwalzwerk zu
St. Chamond gebaut, dessen Haupteigentümlichkeit in der Anwendung
der vertikalen Walzen, deren Achsen sich in der Vertikalebene der
horizontalen Walzen befanden, bestand. Durch Verstellen der horizon-
talen und vertikalen Walzen wurden die Profile gebildet. Es wurden
nicht Pakete, sondern Martinstahlblöcke damit verwalzt.


Das Prinzip, zwei oder mehr Walzenpaare dicht hintereinander
[793]Die Walzwerke.
zu legen, um dadurch die Arbeit zu beschleunigen, kam damals in
England mehrfach in Anwendung.


Bei Whites Walzwerk zu Aberdare (1871) befanden sich mehrere
Walzenpaare in einem Walzengerüst; einige waren horizontal, andere
vertikal. Das Walzeisen konnte aus einer Walzenspur in die andere,
um 180 Grad verdreht, hochkantig durchlaufen und trat in das
zweite Walzenpaar ein, ehe es das erste verlassen hatte. Hierdurch
wurde Beschleunigung und Vereinfachung der Arbeit erzielt. Zu
Aberdare konnte man 90 bis 100 Tonnen in 12 Stunden mit einer
Maschine walzen. In der Regel lagen bei Whites „Schweiſswalz-
werk“ drei Walzenpaare hintereinander, wovon eins und drei hori-
zontal, das mittlere vertikal waren. Diese Anordnung ermöglichte
groſse Zeit- und Arbeitsersparnis.


William Brown hatte schon 1867 ein Patent (Nr. 2588) auf
ein Walzverfahren genommen, wobei das Walzgut zwei Walzenpaare,
die hintereinander lagen und wovon das hintere mit gröſserer Ge-
schwindigkeit umlief, gleichzeitig passierte. 1868 kombinierte er drei
und mehr Walzenpaare, die durch Zahngetriebe verbunden waren,
welche die entsprechende Geschwindigkeitsbeschleunigung bewirkten.
Für Eisenbahnschienen und Träger durften aber nur zwei Walzen-
paare in dieser Weise verbunden werden (Engl. Pat. vom 22. Oktober
1879, Nr. 3640). In Dowlais hatte man zwei Walzenpaare für das
Auswalzen von Eisenbahnschienen in ein Ständergerüst gelegt.


B. Lauth in Pittsburg konstruierte ebenfalls ein kombiniertes
Walzwerk für Flach-, Band- und dergleichen Eisen (Engl. Pat. 1876,
Nr. 4158).


Während bei dem Lauthschen Dreiwalzensystem die Mittel-
walze kleiner war, bauten Hillon und Dejardin 1874 ein Trio von
gleich dicken Walzen, wobei die beiden Oberwalzen sich gemein-
schaftlich auf und ab bewegten.


In den Vereinigten Staaten erhielt seit Anfang der siebziger
Jahre das Kaltwalzen eine groſse Bedeutung, besonders für die Her-
stellung polierter Stahlwellen.


In England war die Stimmung fortdauernd gegen die Anwendung
von Triowalzwerken bei der Schienenfabrikation, die Menelaus,
Snelus
und Williams als unzweckmäſsig bezeichneten, während
man in den Vereinigten Staaten entgegengesetzter Ansicht war und
besonders Alex. L. Holley für deren Verwendung eintrat. Ein nicht
unwichtiger Grund dieser Verschiedenheit der Ansichten lag darin,
[794]Die Walzwerke.
daſs in Amerika die mechanischen Hebevorrichtungen, die Wippen
und Hebetische besser ausgebildet waren. Bei Holleys Trio waren
die Ober- und Unterwalze gefurcht, während die Mittelwalze als
Deckel diente. Besonders vorteilhaft waren die Dreiwalzwerke für
Träger.


John Fritz verbesserte in dem Bethlehem-Eisenwerk die mecha-
nischen Vorrichtungen zum Einführen der Schienen in die Walzen.
George Fritz hatte, wie erwähnt, bereits für die Vorwalzen eine
selbstthätige Vorrichtung zum Vorschieben, Zurückschieben und Wenden
der Blöcke erfunden, wodurch gegen früher fünf Arbeiter gespart
wurden, und zwei Jungen zur Bedienung der hydraulischen Kolben
für die beweglichen Tische und die Hebekräne genügten. In den
Stahlwerken zu Troy und zu Bethlehem walzte man 1874 Blöcke
von 355 mm Dicke, die über 1 Tonne wogen, auf drei Schienenlängen
aus. Für das Fertigwalzen der Stahlschienen verwendete man (1876)
in Amerika ebenfalls Triowalzen, bei denen die mittlere Walze nur
männlich war. Das Fertigstrecken der Schienen erfolgte in einer Hitze
bei 15 Walzendurchgängen. — Bei dem Trio zu Hörde (1875) waren
11 Kaliber auf drei Walzen verteilt. Dadurch, daſs alles eng bei-
sammen war, ging die Arbeit rasch und walzte man 30 Tonnen in
12 Stunden.


In Belgien und Westfalen führte man vor 1877 das Triowalzen-
system zum Auswalzen der Eisenluppen ein, welches dadurch rascher
von statten ging, infolgedessen weniger Hitze verloren wurde. Man
verwendete ein Vorwalzentrio mit Spitzbogenkaliber und ein Fertig-
walzentrio mit Flachkaliber. Auf einem solchen Walzenzug lieſsen
sich mit Leichtigkeit die Luppen von 30 Puddelöfen auswalzen. 80
bis 90 Pferdekräfte genügten für bis zu 40 Puddelöfen. Um das
tote Gewicht der Walzenstraſsen zu verringern, schlug Freytag
vor, die Walzen hohl zu gieſsen.


Thomas1) führte in Belgien verschiedene Verbesserungen an
den Triowalzen ein. Er versah Ober- und Unterwalze nur etwa auf
die halbe Länge mit Kalibern und lieſs sie nach den Walzenzapfen
zu konisch verlaufen. Die Unterwalze goſs er hohl. Er erzielte
damit angeblich um 40 bis 100 Prozent leichtere Arbeit.


1876 verbesserten Chalas und Kitson zu Monkbridge Ironworks
bei Leed ihre hydraulische Ausrückvorrichtung für Walzwerke 2).


[795]Die Walzwerke.

1878 erfand Andreas Kloman1) in Pittsburg eine verbesserte
Friktionskuppelung für Reversierwalzwerke. Universalwalzwerke kon-
struierten 1878 A. E. von Zweybergk in Schweden, 1879 Kloman2),
1880 A. Flotat3), 1881 Edw. Hutchinson4) und W. Wenström5).
Beim Walzen der Eisenbahnschienen wurde durch rasches Auswalzen
der heiſsen Blöcke der Abgang sehr vermindert; der Eisenverlust
betrug in England meist nur ¼ bis 1, selten bis 2 Prozent. Bei
Brown, Bayley und Dixon
wurden 1879 wie in Amerika
die heiſsen Ingots in einen
Wärmofen gebracht und so-
fort vor- und fertiggewalzt.
Die Blöcke hatten zwei- bis
dreifache Schienenlängen.
In 21 Stunden, d. h. in
zwei Arbeitsschichten zu
10½ Stunden, erzielte man
hierbei eine Produktion von
370 bis 387 Tonnen.


Das Richten der Schie-
nen war früher kalt vor-
genommen worden, dies war
bei Stahlschienen gefährlich.
Man richtete deshalb zuerst
in Amerika die Schienen
heiſs zwischen drei verti-
kalen, flachen Richtwalzen.
— Für Walzenzugmaschinen
gab man den Wolfschen

Figure 314. Fig. 313.


Compoundmaschinen den Vorzug, doch kamen auch Corliſsmaschinen
zur Anwendung 6). — Helmholtz konstruierte 1879 ein Walzwerk
mit selbstthätiger Rückführung des Walzstückes (D. R. P. Nr. 7134).


1880 erfand Conr. Erdmann7) einen verbesserten Dreiwalzen-
ständer, Fig. 313, bei dem der Druck der Walzen statt auf die Druck-
[796]Die Walzwerke.
schrauben durch Keile b b auf den Ständer übertragen wurde. Die
entlastete, stellbare Lagerung der Walzenzapfen gestattet eine raschere,
bequemere und gefahrlosere Einstellung jeder Walze für sich.


Kitson hatte in den letzten Jahren seine hydraulische Kuppe-
lung für Kehrwalzwerke so verbessert, daſs Tunner und Richards
dieselbe für die beste Vorrichtung in Theorie und Praxis zur Um-
steuerung von Maschinen mit Schwungrad erklärten. F. Braune
wies nach, daſs beim Walzen von Stahl und Eisen die Umfangs-
geschwindigkeit der Walzen zur Erzielung gleicher Leistung sich wie
14 : 11 verhalten muſs, daſs die reduzierte Arbeit 730 : 260 sei, also
bei Stahl 2,8mal mehr als bei Eisen betragen muſs. — Nach Blaſs1)
wird die Kalibrierung der Walzen wesentlich von der Umdrehungs-
geschwindigkeit der Walzen und von der Kraft beeinfluſst. Je kürzer
der Walzprozeſs sein kann, desto weniger Stiche sind nötig, desto
mehr wird aber auch das Material in Anspruch genommen.


Bei der Schienenfabrikation hatten sich im Jahre 1880 die An-
schauungen bezüglich des zu verwendenden Materials wesentlich ge-
ändert. Früher hatte man besonderen Wert auf die Härte gelegt,
der harte Fluſsstahl gab aber zu vielen Brüchen Veranlassung. Jetzt
legte man den Hauptwert auf Elasticität und Homogenität und be-
vorzugte einen weichen Fluſsstahl, der dem Fluſseisen nahe kam. Als
eine gute Zusammensetzung für Schienenstahl galt: Kohlenstoff 0,25,
Silicium 0,185, Phosphor 0,087, Schwefel 0,05, Mangan 0,405, Kupfer
0,156, zusammen 1,133 Prozent fremde Bestandteile auſser Eisen. Ein
solcher Stahl hatte eine absolute Festigkeit von 55 kg pro Quadrat-
millimeter, Ausdehnung 20 Prozent, Kontraktion 30 Prozent.


Die gegossenen Blöcke lieſsen sich nicht unmittelbar auswalzen,
weil, wenn auch die Oberfläche fest war, der Kern noch ganz oder
halb flüssig war. Der Block wurde deshalb in einen Wärmofen ge-
bracht und entweder in einer oder mehreren Hitzen fertig ausgewalzt.
In jedem Rollofen lagen etwa 30 Blöcke für 60 Schienen. Der warm
eingesetzte Block passierte den Ofen in drei Stunden.


Bei den älteren Verfahren mit Vorschmieden unter dem Dampf-
hammer waren zwei Hitzen erforderlich. Die Blöcke wurden unter
einem Hammer von etwa 150 Centner Gewicht auf 20 cm Seitenlänge
vorgeschmiedet und dann in einem Triowalzwerk ausgewalzt. Weit
schneller verlief der Zweihitzeprozeſs, bei dem das Verblocken statt
unter dem Hammer unter einem Reversierwalzwerk geschah. Man
[797]Die Walzwerke.
blockte in 9 bis 12 Stichen in fünf bis sechs Kalibern, wobei das
Walzstück jedes Kaliber zweimal, um 90° gedreht, durchlief. Hier-
bei walzte man meist gröſsere Blöcke für zwei bis drei Schienen,
die dann zerteilt, gewärmt und in einem Trio fertiggewalzt wurden.
Die so erzeugten Schienen waren gleichmäſsiger als die unter dem
Hammer vorgeblockten.


Am vorteilhaftesten war es selbstverständlich, gleich dichte Blöcke
zu gieſsen und diese in einer Hitze zu Schienen auszuwalzen, was,
wie erwähnt, in Triowalzwerken geschah. Hierbei kam die Ge-
schwindigkeit der Arbeitsflächen wesentlich in Betracht, weshalb man
möglichst groſsen Walzendurchmesser, rasche Umdrehung und dem-
entsprechend starke Maschinen konstruierte. Vorwalzen von 1400
bis 1500 mm und Fertigwalzen von 1800 bis 1900 mm Ballenlänge
bei 650 mm Durchmesser und 100 Umdrehungen in der Minute er-
forderten 1800 Pferdekräfte. Nach einer anderen Angabe 1) betrug
der Kraftbedarf für Walzen, die in der Minute je eine Schiene fertig
walzen, bei Schwungradmaschinen 1068,7, bei Maschinen ohne Schwung-
rad 1364,5 Pferdestärke.


Man machte die Mittelwalze der Schienentrios öfter aus Stahl.
Da die harten Stahlschienen das Lochen nicht vertrugen, so wurden
die Löcher gebohrt oder neuerdings häufiger gefräst. Der Verein
deutscher Eisenbahnverwaltungen schrieb vor: Zerreiſsfestigkeit nicht
unter 50 kg pro Quadratmillimeter, Kontraktion nicht unter 20 Pro-
zent. Bei einer Belastungsprobe von 20000 kg durfte keine bleibende
Durchbiegung erfolgen; bei der Biegprobe muſste die Schiene auf
Kopf oder Fuſs gelagert 5 mm Durchbiegung ohne Bruch oder Riſs
vertragen. Bei der Schlagprobe durfte die Schiene bei 4 m Fallhöhe,
500 kg Fallgewicht und 1 m Stützpunkt bei den ersten zwei Schlägen
nicht brechen, bei 2,5 m Fallhöhe keine Beschädigung zeigen; seitlich
muſsten sich die Schienen bei 3 m Länge auf 22,5 mm durchbiegen
lassen.


Der Verein deutscher Eisenhüttenleute lieſs 1881 von einer Kom-
mission, bestehend aus den Herren Blaſs, Daelen und Kollmann,
durch Versuche den Arbeitsbedarf und die Arbeitspressungen der
Walzwerke feststellen 2).


Von Verbesserungen in der Zeit von 1881 bis 1885 seien genannt:
Eine hydraulische Druck- und Reguliervorrichtung für die Oberwalzen
[798]Die Walzwerke.
der Walzwerke von C. Sachs (D. R. P. Nr. 18451 vom 20. September
1881). Verbesserte Universalwalzwerke für Duo- und Triowalzwerke
von Ed. Daelen1). Verbesserte Richtmaschine und Abgratmaschine
für Winkeleisen von H. Ehrhardt in Düsseldorf 2).


1883: Wendevorrichtung von Fr. Asthöver \& Co. in Annen.
Selbstthätige Umsteckvorrichtung für Walzdraht und Bandeisen von
Erkenzweig in Hagen 3). Walzwerk für Gewindeeisen von Rob.
Daelen
4). Verbesserte Walzenkuppelung von Ed. Daelen5).


1884: Einführung des Blockwalzens an Stelle des Schmiedens
bei der Blechfabrikation von James Riley auf den Blochairn-Works
bei Glasgow. Wellblechwalzwerk von Vital Daelen6). Vertikal-
walzwerk für Eisen- und Stahldraht von G. Erkenzweig7).


R. M. Daelen, Vorrichtung zum Anstellen der Oberwalze bei
direkt wirkender Maschine 8). Rillenschienen-Fertigwalzwerk der Ge-
sellschaft für Stahlindustrie zu Bochum (D. R. P. Nr. 29977 und
Nr. 47254).


1885: Verbesserte Zapfenlagerung für Dreiwalzen von R. M. Daelen,
desgleichen für die Mittelwalze von Meffert.


C. M. Pielsticker in London und Fr. C. G. Müller in Branden-
burg gaben ein Verfahren zu unmittelbarem Auswalzen von flüssigem,
durch eine Formöffnung ausflieſsendem und dabei erstarrendem Eisen
an (D. R. P. Nr. 29548 und Nr. 32127).


1884 hatte Robert W. Hunt auch die Walzentische vor den Fertig-
walzen des Schienenwalzwerks zu Troy (New York) mit angetriebenen
Rollen versehen. Diese Tische, die sich gut bewährten, wurden dann
auch bei den Vorwalzen angebracht und führten groſse Arbeits-
ersparnis herbei: statt früher 15 bis 17 brauchte man jetzt nur noch
4 bis 5 Mann zur Bedienung des Walzwerks 9). Diese Einrichtung
fand deshalb rasche Verbreitung. Fig. 314 giebt die Abbildung davon.


Für Walzenzugmaschinen hatte sich das Verbundsystem ohne
Kondensation bewährt. Gute Maschinen für Schienenwalzwerke, nach
diesem System von Tannet, Walker \& Co. zu Leeds gebaut, waren
[799]Die Walzwerke.
besonders auf den Estonwerken von Bolkow, Vaughan \& Co. Bei
Gebrüder Stumm arbeitete eine Reversier-Drillingsmaschine mit drei
Dampfcylindern, 1882 von Ehrhardt \& Sehmer erbaut, gut. Ein

Figure 315. Fig. 314.


Vorteil des Dreiwalzensystems lag darin, daſs das Schwungrad immer
in derselben Richtung fortlief, wodurch weniger Dampf verbraucht
wurde als bei den Reversiermaschinen mit Umsteuerung, obgleich
diese bei jeder Arbeitspause ruhten. In Deutschland baute die Mär-
kische Maschinenbaugesellschaft vorm. Kamp \& Co. zu Wetter a. d.
Ruhr gute Reversier-Zwillingsmaschinen.


[800]Die Walzwerke.

Bei Schnellwalzen bot die Übersetzung durch Drahtseile Vorteile
gegenüber dem Riemenbetrieb.


Das Kaltwalzen wurde in Amerika weiter ausgebildet; so wurden
1884 in dem Cambria-Eisenwerk zur Erzielung höherer Festigkeit
und Elasticität Rund-, Quadrat- und Flachstäbe kalt gewalzt. Weitere
Vorteile des kalt gewalzten Eisens waren: glatte, glänzende Oberfläche,
genaues Kaliber und gröſsere Gleichförmigkeit 1). Auch das Kaltziehen
kam in Amerika in Aufnahme, wofür Billings einen Apparat erfand.
Zu Norway in Massachusetts zog man hohle Stangen von 3 Zoll und
mehr Durchmesser.


Seit 1885 ging man auch in den Vereinigten Staaten bei Neu-
anlagen zu den in England üblichen Duowalzen mit umsteuerbaren
Dampfmaschinen (Reversier-Zwillingsmaschinen) über, so zu Cambria,
Homestead, Worcester und Scranton. Anfang 1886 zählte man
(nach Holley) 11 Werke mit Trio- und 3 mit Duo- und Reversier-
maschinen. Als Muster eines englischen Blockwalzwerks beschrieb
Calvus R. Holland2) 1885 das zu Ebbw-Vale. Es war ein Duowalz-
werk, bei dem Ober- und Unterwalze durch hydraulische Kolben ge-
tragen war; die Oberwalze lieſs sich um 2 Zoll heben. Mit demselben
wurden Blöcke von 14½ Zoll in einer Hitze auf 6 Zoll vorgeblockt.
Sehr vollkommen war die Einrichtung zur Vorwärts-, Seitwärts- und
Drehbewegung der Blöcke, was ebenfalls hydraulisch geschah.


Als Muster eines amerikanischen Schienenwalzwerks derselben
Zeit kann die Anlage der Bethlehem-Stahlwerke von John Fritz
angeführt werden. Auf dem Triowalzwerk wurden Schienen von
120 Fuſs Länge ausgewalzt. Die Walzen hatten 120 cm Durchmesser
und 3 m Bundlänge. Jede Walze hatte ihren Walzentisch. In den
14 Kalibern der drei Walzen wurden die Blöcke von 400 × 400 auf
200 × 200 mm heruntergewalzt. Das Gewicht der Mittelwalze war
durch Stahlfedern ausbalanziert. Die Schienen wurden von einem
Tisch zum anderen durch Hebelarme, welche durch eine zwischen den
Tischen laufende Welle mittels einer Dampfmaschine automatisch
bewegt wurden, gehoben. Die rasche Übertragung von einem Tisch
zum anderen bewirkte, daſs viel mehr in einer Hitze ausgewalzt werden
konnte. Durch eine hydraulische Friktionsscheibe lieſs sich das
ganze Walzensystem reversieren. Die Dampfmaschine der Blockwalze
hatte 1650 mm Kolbendurchmesser, 2200 mm Hub; das Schwungrad,
[801]Die Walzwerke.
das 100 Tonnen wog, hatte 9750 mm Durchmesser und machte 35 bis
40 Umdrehungen in der Minute. Die Fertigwalze bestand aus zwei
Triogerüsten, die durch eine dreifache Verbundmaschine von 6000 bis
8000 Pferdekräften betrieben wurde. Die Geschwindigkeit konnte auf
120 Umdrehungen der Walzen in der Minute gesteigert werden. Das
Auswalzen geschah in zwei Hitzen. Die Schienen wurden schief ab-
geschnitten, nach dem Verfahren von Robert Sayer mittels der
Schere von John Fritz.


Die amerikanischen Blockwalzwerke hatten (1886) 750 bis 900 mm,
die Fertigwalzen 550 bis 610 mm Durchmesser; erstere machten 40 bis
45, letztere 80 bis 90 Umdrehungen in der Minute. Das Auswalzen
einer Schiene dauerte nicht ganz eine halbe Minute. Eine Erzeugung
von 600 Tonnen Vignolschienen in 24 Stunden war nicht selten. Das
Edgar-Thomson-Werk hatte es sogar auf 725 Tonnen oder 2650
Schienen von 9 m Länge (30 kg pro Meter Gewicht) im Tage oder
4170 Tonnen in der Woche und etwa 160000 Tonnen im Jahre gebracht.
Charakteristisch war dabei, daſs fast alle Arbeit mechanisch geschah.
Die Blöcke wurden mit Lokomotiven vom Bessemerwerk angefahren,
mit Hülfe hydraulischer Hebewerke in die Wärmöfen, die nach
Siemens’ System erbaut und mit Naturgas geheizt wurden, ein-
gesetzt u. s. w.


Universalwalzwerke für Profileisen 1) wurden 1886 in Europa von
Hugo Sack in Duisburg und fast gleichzeitig in Amerika von
J. S. Seaman in Pittsburg erfunden und patentiert. Das Sacksche
Universal-Trägerwalzwerk 2) arbeitete gleichzeitig mit vier Walzen, von
denen die zwei seitlichen Schleppwalzen waren.


1885 bereits hatte Dr. F. Kögel in Staſsfurt das Schrägwalzen-
verfahren 3) (D. R. P. Nr. 34617 vom 27. Januar 1886) erfunden. Mit
einem Universalwalzwerk wollte er mit zwei oder mehr Walzen und
acht Hülfsmaschinen alle erdenklichen Arten von Profileisen, und
sowohl aus massiven als hohlen Blöcken Röhren aller Art für
Leitungen, Wellen, Schraubenrohre, Rippenrohre, sowie ganz neue
Profile walzen. Durch die erste Hülfsmaschine sollte den Stäben bei
dem Ein- und Austrittsende und der periodischen Kompression eine
so verschiedene Rotation gegeben werden, daſs dadurch den Auſsen-
fasern eine seilartige Windung erteilt würde; hierdurch würde eine
Beck, Geschichte des Eisens. 51
[802]Die Walzwerke.
gröſsere absolute Festigkeit des Walzproduktes und eine solche all-
seitige Kompression bewirkt, daſs das Material jede Querschnitts-
veränderung annähme. Die zweite Hülfsmaschine bestand aus zwei
rotierenden Planscheiben mit geneigten Achsen, Fig. 315. Diese

Figure 316. Fig. 315.


Figure 317. Fig. 316.


erteilen dem Werkstück eine rotierende
Bewegung und bewirken auſser der Faser-
drehung und Kompression eine Vorwärts-
bewegung derselben. 3. sollte das Aus-
walzen dicker Blöcke entsprechend in
gleichzeitig umlaufenden Drei- oder
Vierwalzen (Fig. 316) stattfinden. Da
die mittleren Partieen sich nicht entfernen könnten, so würde sich
eine bedeutende Dimensionsveränderung ohne Hohlwerden des Pro-
duktes erreichen lassen; 4. wurde das Durchpressen durch Druck-
eisen vorgeschlagen. 5. Um jede nicht runde Querschnittsform
herzustellen, sollten „Walznasen“ gegen das aus den Walzen
tretende runde, glühende und weiche Walzstück drücken. 6. Durch
Vertiefungen in den Walzen sollten Schraubenlinien in das Rund-
eisen gepreſst werden. Ferner wollte er mit drei Walzen sogar
Kugeln walzen. Kögels Walzsystem war ein geistreiches neues
Prinzip 1), doch gelang es ihm selbst nicht, dasselbe in die Praxis
einzuführen.


Dies gelang dagegen Mannesmann. Es muſs hierbei aber
gleich bemerkt werden, daſs „Mannesmann“, wonach dieses Schräg-
walzverfahren den Namen erhalten hat, nicht eine, sondern mehrere
Personen dieses Namens umfaſst. Zunächst den Vater Reinhard
Mannesmann
sen. in Remscheid, der sich für die Feilen- und
Stahlfabrikation hoch verdient gemacht hatte und den man wohl als
Schöpfer der deutschen Qualitäts-Feilenindustrie bezeichnen darf,
sodann seine Söhne Alfred, Max, Reinhard und Carl2). Der
Vater Reinhard Mannesmann stand damals bereits im 72. Lebens-
jahre und hat an der Ausbildung des Mannesmann-Walzverfahrens
keinen so groſsen Anteil mehr genommen wie seine strebsamen
Söhne. Dennoch gebührt ihm ein wesentlicher Anteil an dem Ruhm
der Erfindung, indem er die Wichtigkeit des neuen Walzverfahrens
schon früh erkannte. Er hatte seit 30 Jahren dem Röhrenwalzen
[803]Die Walzwerke.
seine Aufmerksamkeit zugewendet und war wohl zu ähnlichen Ergeb-
nissen gekommen wie Dr. Kögel. Angeblich hatte er seinen Söhnen
nach Abschluſs ihrer Studien seine Ideen mitgeteilt. Diese kamen
dann „nach mehrjähriger, beharrlicher Arbeit mit Hülfe reichen,
theoretischen Wissens zum Ziel“.


Mannesmann kaufte Kögels Patent und Alfred Mannes-
mann
erhielt bereits am 18. Februar 1886 ein Patent auf das Schräg-
walzverfahren für Österreich-Ungarn. Der Erfindergedanke ist in
dem Patente wie folgt ausgedrückt 1): Das Schrägwalzverfahren ge-
stattet fast beliebige Querschnittsveränderungen, so daſs aus einem
Blocke unmittelbar fertiges Rund- und Profileisen, ferner durch Ver-
stellen der Walzen während des Durchgangs Walzstücke von un-
gleichem Querschnitt und endlich ganz oder teilweise hohle Produkte
mit oder ohne Anwendung eines Dorns erzeugt werden können. Das
Eigentümliche des neuen Walzverfahrens besteht darin, daſs die
Arbeitsstücke nicht, wie bei
den bekannten Darstellungs-
weisen, senkrecht zur Achsen-
richtung der rollenden Teile,
sondern parallel oder schief zu
dieser fortschreiten, wodurch

Figure 318. Fig. 317.


sie dem Einflusse der Walzen viel länger ausgesetzt bleiben. Die
Walzen sind im allgemeinen nicht cylindrisch, sondern so geformt,
daſs verschiedene Punkte ihrer Flächen ungleiche Umfangsgeschwindig-
keiten haben, die den Teilen der durchlaufenden Walzstücke verschieden
starke Drehungen erteilen, so daſs die Auſsenfasern derselben eine
seilartige Windung erhalten (Fig. 317).


Am meisten hat sich das Mannesmann-Walzverfahren für die
Darstellung nahtloser Röhren bewährt. Dieselben konnten aus massi-
ven Blöcken in einer Operation hergestellt werden. Das Wesen des
Mannesmann-Walzverfahrens und das dabei zur Verwendung kommende
Walzwerk ist durchaus abweichend von dem gewöhnlichen Walzen.
Die Walzen haben stumpfkegelförmige Gestalt, ihre Achsen liegen
schräg zu einander, weshalb man das Verfahren auch als „Schräg-
walzen“ bezeichnet, und die Walzen laufen in gleicher Richtung mit
groſser Geschwindigkeit um. Die Form der Walzen und die Stellung
ihrer Achsen bedingen hauptsächlich die Wirkungsweise. Die Walzen-
achsen liegen in parallelen Ebenen, Fig. 318 (a. f. S.), sind aber in der
51*
[804]Die Walzwerke.
dazu senkrechten Ebene gegeneinander geneigt, so daſs in der Ansicht
die Endflächen voneinander abgewandt erscheinen. Das Arbeitsstück
c tritt in horizontaler Richtung zwischen die konvergierenden Walzen
a b ein und wird von den Oberflächen der rasch rotierenden Walzen
erfaſst. Die Walzen wirken mit groſser Energie auf die Oberfläche

Figure 319. Fig. 318.


des heiſsen, weichen Blockes ein und ziehen zugleich denselben vor-
wärts. Da aber die Wirkung auf die Oberfläche eine viel intensivere
ist, so folgt diese rascher als der Kern der Masse, wodurch dieselbe
rohrförmig aus dem anderen Ende der Walze heraustritt. Diese
Wirkung kann noch verstärkt werden durch schraubenförmige Furchen
oder Wulste. Damit das Arbeitsstück in der richtigen Lage bleibt
und rund läuft, bedarf es einer Führung, welche am besten durch
eine oder zwei Führungswalzen bewirkt wird. Das Ende einer so er-
zeugten Röhre bleibt selbstverständlich geschlossen.


Bei einem gewissen Verhältnis zwischen der Achsenneigung der
Walzen, der Länge und Konvergenz der Arbeitsflächen und der Um-
drehungsgeschwindigkeit tritt die merkwürdige Erscheinung ein, daſs
eine massive Rundstange, entlang ihrer geometrischen Achse, im innern
aufgerissen wird, so daſs sie ein auf beiden Enden geschlossenes Rohr
bildet. Auf diese überraschende Thatsache legten anfangs die Erfinder
sowohl als die Erklärer derselben einen besonders groſsen Wert. Die
Hoffnungen, welche sie für die Röhrenfabrikation daran knüpften,
haben sich aber nicht erfüllt. Die Innenfläche dieses Hohlraumes ist
unregelmäſsig und rauh, für praktische Zwecke deshalb nicht zu ver-
wenden. Als physikalische Erscheinung ist sie dagegen hochinter-
essant. Die chemische Analyse des in der inneren Höhlung ein-
geschlossenen Gases von Finkener hat ergeben, daſs dasselbe aus
99 Prozent Wasserstoff und 1 Prozent anderen Gasen hauptsächlich
Stickstoff besteht.


Die rauhen, gestrickten Oberflächen der inneren Röhrenwände,
[805]Die Walzwerke.
welche sich bei dem oben beschriebenen Walzverfahren bilden, stehen
ihrer Verwendung im Wege, wogegen dieser Übelstand fortfällt,
sobald das Walzen über einen Dorn erfolgt, wie es Fig. 319 nach
dem Patent von 1897 (D. R. P. Nr. 100001) darstellt. Dieses Ver-
fahren ist deshalb, weiter ausgebildet, für die Praxis allein wichtig
geworden. Es eignet sich ganz besonders für die Herstellung naht-
loser Röhren aus Fluſseisenblöcken. Die Walzen sind ähnlich wie
die oben beschriebenen; zwischen ihren konvergierenden Enden be-
findet sich eine verhältnismäſsig schwache Stange mit dem Dorn, über
den sich das Rohr ohne groſsen
Widerstand vorwalzt. Es tritt näm-
lich bei dem energischen Zug der
Fasern an der Oberfläche und der
raschen Rotation, auch wenn noch
keine Öffnung in der Mittelachse
des Walzstückes sich bildet, eine
schwammige Auflockerung des Kerns
ein, welche dem Dorn nur geringen
Widerstand bietet. Das ganze Rohr
walzt sich deshalb leicht über den
Dorn. Durch das Anpressen wider
den Dorn wird aber die innere
Röhrenöffnung glatt. Durch An-
wendung eines zweiten, stärkeren
Dorns kann man das Rohr ganz
oder teilweise ausweiten und so
z. B. eine Muffe anwalzen, was in
derselben Hitze oder nach kurzem
Anwärmen des Rohres geschehen

Figure 320. Fig. 319.


kann. Zum Ausweiten eines Rohres kann man tonnenförmige Walzen
benutzen, durch welche das Walzstück in entgegengesetzter Richtung,
wie oben angegeben, sich bewegt und der Dorn von der divergierenden
Seite der Walzen eintritt.


Die überraschenden Erscheinungen des Schrägwalzverfahrens er-
regten die gröſste Bewunderung der Fachleute wie der Laien. — Die
Herstellung der Rohre erfordert im Moment des Durchwalzens eine
groſse Kraftleistung. Man hat berechnet, daſs ein Rohr von 50 bis
60 mm Weite 2000 Pferdekräfte brauche. Aber auch diese Schwierig-
keit hatten die Gebrüder Mannesmann in genialer Weise über-
wunden. Es genügt nämlich eine verhältnismäſsig schwache Betriebs-
[806]Die Walzwerke.
maschine, wenn es nur gelingt, die Kraft in einem schweren, rasch
umlaufenden Schwungrad, das als Kraftspeicher dient, anzusammeln
und im Augenblick der Arbeit auszunutzen. Die Mannesmann ver-
wendeten in Remscheid als Motor eine alte Eisenbahnlokomotive in
Verbindung mit einem Schwungrad, das sie nicht aus Guſseisen her-
stellten, sondern aus einem Armstern aus Schmiedeeisenstäben, welche
sich tangential um eine Nabenscheibe aufbauten und um welche ein
starker Kranz von Stahldraht gewickelt war (D. R. P. Nr. 47209).
Diesem Radkranz konnten sie die 2½fache Umfangsgeschwindigkeit
als einem Kranz aus Guſseisen geben. Bemerkenswert war ferner
noch die Verwendung von Flächendruckrädern an Stelle von Kegel-
rädern zur Übersetzung und die „Schnittgelenkkuppelung“.


Die scheinbare Einfachheit der Erfindung und Ausführung der
Gebrüder Mannesmann, die wie das Ei des Kolumbus erschien, er-
zeugte einen Hoffnungstaumel, welcher der Sache mehr geschadet
als genutzt hat. Berühmte Professoren und Industrielle hielten be-
geisterte Vorträge über das Mannesmannverfahren, so namentlich
Fr. Siemens in Dresden am 30. April 1888 1) und Professor Reu-
leaux
im Architektenhause zu Berlin am 16. April 1890 2), worin sie
dem neuen Verfahren die glänzendste Zukunft vorhersagten. Die
warnende Stimme des klaren, erfahrenen Pet. von Tunner, der
in einem am 22. Dezember 1888 gehaltenen Vortrage zwar das
Originelle der Erfindung voll anerkannte, vor überschwenglichen
Hoffnungen aber warnte, indem er auf die Kosten hinwies und sagte:
Die Mehrkosten dieser Fabrikate werden wohl nur in jenen relativ
seltenen Fällen gezahlt werden, wo Röhren, „nach dem bisher
üblichen Verfahren dargestellt, nicht gut zu verwenden sind“,
wurde überhört. Es bildete sich 1890 die Deutsch-österreichische
Mannesmann-Röhrenwalzgesellschaft in Berlin mit einem Kapital von
36 Millionen Mark, wovon angeblich 16 Millionen den Gebrüdern
Mannesmann für ihre Erfindungspatente gezahlt wurden. Die Ge-
sellschaft übernahm die von den Brüdern Mannesmann gegründeten
Werke in Deutschland und Österreich. Es waren dies die Röhren-
walzwerke Remscheid, Komotau in Böhmen und Bous an der Saar 3).
[807]Die Walzwerke.
Von diesen war das zu Komotau das gröſste. Es war aus einem
älteren Werk entstanden, das 1887 von der „Kommanditgesellschaft
Mannesmann“ nach der Erteilung des österreichischen Patentes er-
worben und für den Zweck eingerichtet worden war; 1895 beschäftigte
das Werk 700 Arbeiter. Es erzeugt Röhren aller Art, besonders Siede-
röhren für die österreichischen Bahnen. Bous an der Saar, das
jüngste und kleinste der Werke, lieferte als Spezialität Stahlflaschen
für komprimierte Kohlensäure und andere verdichtete Gase, sowie
Präzisionsröhren. Erst 1892 erschien das Werk mit seinen Stahlflaschen
auf dem Markt. Die Mannesmann-Röhrenwalzwerksgesellschaft hat
schweres Lehrgeld bezahlen müssen, bis sie zu einem geregelten Betriebe
kam. Wohl hatte sie die Erfindung und die Ausführung der Erfindung
erworben, aber die dritte schwere Aufgabe, das neue Produkt mit
Vorteil herzustellen und zu vertreiben, muſste erst gelöst werden.
Viele Jahre hindurch arbeitete die Gesellschaft ohne Nutzen und
muſste viele Millionen ihres Kapitalvermögens zusetzen. — Anfangs
wollte man die mannigfaltigsten Artikel, namentlich auch Gegen-
stände für das Kunstgewerbe, hohle Eisenbahnschienen und Träger u. s. w.
herstellen. Erst allmählich überzeugte man sich, daſs nur in der
Röhrenfabrikation für bestimmte Zwecke die Möglichkeit eines gewinn-
bringenden Betriebes liege. Die jetzt von den Mannesmannwerken
ausschlieſslich hergestellten Artikel sind: Leitungsröhren, besonders
für Hochdruckleitungen, stufenförmig abgesetzte Masten für Schiffe,
für elektrische Beleuchtung und zur Stromzuführung an elektrische
Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephonstangen, Bohr- und Gestänge-
röhren für Tiefbohrungen, Siede- und Wasserröhren für Lokomotiv-
und Schiffskessel, Stahlflaschen, ferner durch Kaltziehen hergestellte
dünnwandige Stahlröhren (Präzisionsröhren), besonders für Fahrräder.
Für militärische Zwecke fauden Mannesmannröhren für Granathülsen
und für Lanzenschäfte Verwendung. Die Fabrikation hat sich
fortschreitend entwickelt. Anfänglich glaubte man alles auf dem
oben skizzierten Schrägwalzwerk, dem sogenannten Blockapparat,
erreichen zu müssen. Bald aber überzeugte man sich, daſs nur die
Vorarbeit, die erste Anfertigung dickwandiger Röhren, vorteilhaft auf
dem Blockapparat geschieht, die weiteren Arbeiten, wie besonders
das Aufweiten, Umbördlen u. s. w., auf besonderen Apparaten aus-
zuführen seien.


Hierfür erfand Reinhard Mannesmann jun. (1890 bis 1895)
sein sogenanntes „Pilgerwalzwerk“ (D. R. P. Nr. 84778) für schritt-
förmiges Walzen durch eigenartige Bewegung der Arbeitswalzen; mit
[808]Die Walzwerke.
diesem wurden dickwandige Röhren über einem konischen Dorn
durch schrägstehende Scheiben (Scheibenstraſse) ausgeweitet, anfangs
nur bis zu 150 mm, 1895 bereits bis zu 250 mm lichter Weite. Für noch
gröſsere Weiten bediente man sich eines Aufweiteapparates, bei dem
Scheibenwalzen das Rohr über einen feststehenden konischen Dorn
pressen. Zuletzt müssen die Röhren noch in einer Art von Zieh-
bank kalibriert werden. Für „das schrittweise Walzen“ nahm Rein-
hard Mannesmann
jun. 1892 zwei Patente 1) (D. R. P. Nr. 84778
und Nr. 86162) und Max Mannesmann eins 1894 (D. R. P.
Nr. 88638).


Das Schrägwalzverfahren erfordert ein geschmeidiges, gleich-
mäſsiges, fehlerfreies Material. Schweiſseisen entspricht diesen An-
forderungen nicht, wohl aber blasenfreies Fluſseisen. Durch den
Druck auf die Oberfläche und die durch das Schrägwalzverfahren er-
zeugte verstrickte Faserung bieten die Mannesmannröhren einen
groſsen Widerstand gegen Biegen, Drücken und Zerreiſsen, angeblich
das Fünf- bis Sechsfache gewöhnlicher Rohre gegen Innendruck. Wenn
der Erfolg des Verfahrens den hochgespannten Erwartungen nicht
entsprochen hat, so muſs doch rühmend anerkannt werden, daſs in
der Erfindung und Ausführung des Mannesmann-Walzverfahrens eine
groſse Summe von Geist und Thatkraft zum Ausdruck gekommen ist,
die für die Gebrüder Mannesmann höchst ehrenvoll ist. Daſs das
Schrägwalzverfahren groſse Fortschritte gemacht hat, bewies die Welt-
ausstellung zu Chicago 1895, wo Bohrröhren von 508 mm Weite, neben
Gewehrläufen, Fahrradröhren und Präzisionsröhren von 38 mm Weite
und nur ⅛ mm Wandstärke zu sehen waren.


Kehren wir nach dieser Episode über das Mannesmann-Walz-
verfahren zu unserer chronistischen Betrachtung der Fortschritte im
Walzwerksbetrieb zurück.


Wellmans verbesserte Blechwalze2) (1881) beruhte auf dem
Lauthschen System, hatte bewegliche Ober- und Unterwalze und
zum Heben und Vor- und Rückwärtsbewegen der Blechtafeln Rollen-
tische, die durch einen unterirdischen Dampfmotor bewegt wurden.


Hussey, Bing \& Co. in Pittsburg erfanden ein Walzwerk für
Schaufeln aus Tiegelguſsstahlplatten; G. Balthasar in Hollerich
bei Luxemburg 1887 ein Universalwalzwerk3) und Peter Kick
[809]Die Walzwerke.
in Workington 1) ein Stabeisenwalzwerk mit Zahnstange und Zahn-
getriebe statt des Reversierwalzwerks (D. R. P. Nr. 39054); Fairbairn
und Wells ein Walzwerk zur Herstellung von Geschossen zwischen
zwei Walzen, die in gleichem Sinne gedreht werden (D. R. P.
Nr. 43898 vom 15. Juli 1887).


Die Walzenzugmaschinen wurden immer allgemeiner nach dem
Verbundsystem gebaut. R. M. Daelen konstruierte Einkurbel-Ver-
bund-Walzenzugmaschinen, bei denen zwei um 90° verstellte Dampf-
kolben an einer Kurbel angriffen, z. B. für Sandviken-Jernverks in
Schweden. Ähnliche Maschinen waren zu Firminy (St. Etienne) in
Frankreich und in den Vereinigten Staaten. Der Motor des groſsen
Triowalzwerks zu Bethlehem bestand aus drei horizontalen Tandem-
Verbundmaschinen, die auf eine dreifach gekröpfte Welle von Stahl-
guſs angriffen.


Eine von Otto H. Müller in Gemunden ausgeführte Reversier-
maschine, bei der der Hochdruckcylinder über dem Niederdruck-
cylinder stand, wurde von Direktor Schmidhammer in Neuberg
aufgestellt. Edw. Allis \& Co.2) bediente sich auf den Reliance-Works
zu Milwaukee einer Umsteuerungs-Zwillingsmaschine.


1888 führte Franklin Hilton zu Middlesborough zuerst bei
Bolkow, Vaughan \& Co. das Anwärmen der Walzen vor dem
Anlassen mittels Gasbrenner ein, wodurch die durchschnittliche Dauer
der Walzen von 79⅝ auf 342 Tage erhöht wurde.


In diesem Jahre wurden eine Anzahl von Verbesserungen an den
Walzen-Rollentischen patentiert, so ein Kantapparat zum Heben und
Wenden der Blöcke von Hugo Sack3) und eine Wendevorrichtung
von Williamson und Nellson. Letztere besteht aus zwischen den
Transportwalzen auf Schienen laufenden Wagen, die sich in entgegen-
gesetzter Richtung bewegen. Jeder Wagen hat eine oscillierende
Walze mit Hebe- und Wendefingern, welche den Block von einem
Wagen auf den anderen rollen. Der Blockwender von David Davy
in Sheffield 4) ist ein Schlitten mit hydraulischem Antrieb und dreh-
barer Gabel. Verbesserte Vorrichtungen zum Transport der Blöcke
von einem Walzenpaar zum anderen (Engl. Pat. Nr. 4490 vom 23. März
[810]Die Walzwerke.
1888) wurden von David Evans und Anton Harrison zu Barrow-
in-Furneſs eingeführt 1).


Von neuen Walzwerkskonstruktionen von 1888 nennen wir:
Gubbins Revolverwalzwerk; ein Universalwalzwerk von Adams in
Gateshead, bei dem die liegenden und die stehenden Walzen be-
sonderen Antrieb haben; ein Walzwerk für Band und Winkeleisen
mit vier Walzen von Schmidt in Hagen; ein Bandeisenwalzwerk von
Wilh. Bansen in Kattowitz (D. R. P. Nr. 43041) mit drei hinter-
einander liegenden Walzenpaaren; ein Universalwalzwerk für Rund- und
Quadrateisen von demselben (D. R. P. Nr. 48831); ein Walzwerk von
Manassah Gledhill zu Openshaw bei Manchester, um Cylinder
zwischen drei Walzen auszuwalzen (Kerpely, Jahresbericht 1888,
S. 253) und das Räderwalzwerk der Contin. Rolled Steel Car-Wheel
Company zu Norristown (Pa.), um mit vier Walzen in Winkelstellung
Wagenräder zu walzen; ferner ein Radreifenwalzwerk von J. Munton
zu Maywood, Illinois (D. R. P. Nr. 43328); sodann ein Nagelwalzwerk
von E. Fuller (Engl. P. Nr. 9513).


Eigenartig war die Walzmaschine von Simonds2), mit welcher
Rundstäbe zwischen zwei parallelen, senkrecht in entgegengesetzter
Richtung auf und ab gehenden Platten hergestellt wurden. Die Arbeit
war ähnlich, wie wenn man Brotkrumen zwischen den Händen reibt.
Es sollten allerlei cylindrische Körper, wie Wagenachsen, Spindeln,
Wellen, Geschoſshülsen u. s. w., damit erzeugt werden.


Verwandt mit dem Kögel-Mannesmannverfahren war das von
von Flotow und H. Leidig in Danzig erfundene Walzen kleiner
Rotationskörper (Kugeln, Langgeschosse, Bolzen) mittels zweier Hyper-
boloidscheiben.


Das Walzen von Façon- und Ziereisen mit besonderen Walz-
werken wurde von L. Mannstädt \& Co. in Kalk bei Köln ver-
vollkommnet 3).


W. Lorenz in Karlsruhe erfand ein Verfahren zur Herstellung
von Walzen mit unregelmäſsigen Kalibern (D. R. P. Nr. 49313 und
50063).


W. E. Highfield in Philadelphia konstruierte ein Walzwerk für
L- und Z-Eisen mit vier konischen Walzen (Amer. Pat. Nr. 399896);
[811]Die Walzwerke.
E. Stegmann ein Duo-Blechwalzwerk mit heb- und senkbarer Unter-
walze (D. R. P. Nr. 50168).


1889 verbesserte J. Munton1) sein Radkranzwalzwerk durch
Anbringung vertikaler Schneidewalzen (D. R. P. Nr. 49889).


J. O. Evenson in Pittsburg erfand ein Blockwalzwerk mit zwei
hintereinander stehenden Walzenpaaren, desgleichen James Riley in
Glasgow (Engl. Pat. Nr. 14044 vom 6. September 1889 2) mit zwei
horizontalen und zwei vertikalen Walzen.


Für Blockwalzen hatte damals das Zweiwalzensystem mit offenen
Kalibern und umsteuerbaren Zwillingsmaschinen ohne Schwungrad die
Oberhand gewonnen.


Verbesserte Blockwender wurden angegeben von David Davy in
Sheffield 3) (Engl. Pat. Nr. 10797 vom 25. Juli 1888 und Nr. 18178
vom 12. Dezember 1888), von Jul. Kennedy in Pittsburg (Amer. Pat.
Nr. 386324) und von John Fulton, Miller und Finaly Finalyson
(Engl. Pat. Nr. 3185 vom 22. Februar 1889 4). William Davies in
South Stockton nahm Patent auf eine Einrichtung zum Transport der
Blöcke vom Walzwerk zu der Schere (Engl. Pat. Nr. 5115 vom
25. März 1889 5). W. Allen Mc Cool zu Beaver Falls erfand eine
Richtmaschine (D. R. P. Nr. 48940); Charles Davy in Sheffield einen
Walzentisch.


Charles Kellog in Findley (U. S.) erhielt Patent auf ein Ver-
fahren zum Auswalzen von Röhren und dergleichen aus hohlen
Blöcken durch ein System von in einer geraden Linie hintereinander
abwechselnd senkrecht und wagerecht gelagerten Walzen über zwischen
denselben durchgehende Dorne.


E. Norton und O. G. Hodgson in Maywood (Illinois) erfanden
ein Walzwerk zur Herstellung von Blech aus flüssigem Metall (D. R. P.
Nr. 52002 6); desgleichen von Profileisen (D. R. P. Nr. 53731).


Von den im Jahre 1890 veröffentlichten Verbesserungen und Vor-
schlägen erwähnen wir ein Universal-Trägerwalzwerk von E. und
D. York mit vier Walzen 7), die verbesserten Rollbahnen für Walz-
werke von P. F. Hanley in Homestead (Pa.) 8) und die Einrichtungen
[812]Die Walzwerke.
zum Ersatz der Handarbeit beim Walzen von James Morgan in
Pittsburg (Pa); Die Einführung der hydraulisch bewegten „Wiege“ 1) zur
Aufnahme der Blöcke und Überführung auf die Zuführungsrollen des
Blockwalzwerkes auf den Blochairn-Stahlwerken (J. Riley) und die
Verwendung eines Universalwalzwerkes zum Vorwalzen der Brammen
für Panzerplatten auf demselben Werke.


Nach R. M. Daelen 2) wurden in Deutschland 1890 die Block-
walzen meistens als Duo mit Reversierung betrieben. Der Durch-
messer der Walzen war auf 1100 mm gestiegen, mit Abnahme der
Kaliber von ein Achtel bei genügender Stärke der Betriebsmaschinen,
deren Kolben 1300 mm Durchmesser und 1500 mm Hub erhielten,
wobei die Walzen 120 bis 130 Umdrehungen machten. Reversier-
maschinen mit stehendem und liegendem Cylinder, oder mit drei
liegenden Cylindern hatten sich am besten bewährt. Für die weitere
Verarbeitung der Vorwalzblöcke zu Schienen, Schwellen und Profil-
eisen war die Triowalze am meisten in Verwendung mit bis 800 mm
Walzendurchmesser für I-Träger von 400 mm Höhe und 16 m Länge.
Hierbei hat sich das Trio mit festgelagerter Mittelwalze als am ge-
eignetsten erwiesen, während man bei der Blechfabrikation das Trio
mit loser Mittelwalze (System Lauth) meistens anwendete. Hierbei
machte man die Mittelwalze schwächer nach dem Grundsatz, daſs
Walzen infolge der keilförmigen Wirkung um so stärker strecken, je
schwächer die Durchmesser sind.


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika 3) wendete man 1890
sowohl Trios als reversierbare Duos bei den Blockwalzwerken an.
Zu Homestead geschah das Vorblocken sogar in einem Universal-
walzwerk 4). Die Trio-Blockwalzwerke wurden durch starke, liegende
Schwungradmaschinen mit Corliſs- oder Porter-Allen-Steuerung be-
trieben. Letztere war besonders beliebt, doch hatte die riesige Walzen-
zugmaschine des Trägerwalzwerks zu Homestead von 3500 P. S., welche
von Rob. Wetherill \& Co. in Chester (Pa.) erbaut war, Corliſs-
Steuerung. Bei 1372 mm Dampfcylinderdurchmesser hatte sie 1828 mm
Hub, das Schwungrad wog 8100 kg. In dem Phönixwalzwerke zu
Phönixville (Pa.) waren Tandemmaschinen von 762 und 1168 mm
Cylinderweite in Anwendung.


[813]Die Walzwerke.

Bei allen Schwungradmaschinen wurden Regulatoren angebracht,
um den Walzwerken gleichbleibende Geschwindigkeiten zu erhalten,
was zu der hohen Produktion der amerikanischen Walzwerke wesent-
lich beitrug.


Die Reversiermaschinen waren horizontale Zwillingsmaschinen
mit Zahnradvorgelege, wie in Europa.


Vor und hinter den Walzen befanden sich reversierbare Rollen auf
Tischen, die hydraulisch gehoben und gesenkt wurden. Das Kanten der
Blöcke erfolgte durch eine Reihe von Daumen, die den Block beim Sinken
der Rolltische fassen und um 90° drehen; das Verschieben der Blöcke
von Kaliber zu Kaliber wurde durch dieselben Daumen bewirkt, die
auf einem gemeinschaftlichen Wagen standen, der durch Hydraulik
zwischen den Rollen horizontal verschiebbar war. — Die Mittelwalze
lag fest in den Walzenständern, Ober- und Unterwalze wurden durch
Druckschrauben gegen die Mittelwalze eingestellt. — Bei den Duo-
reversierwalzwerken wurden die Daumen durch hydraulischen Druck
auf und ab bewegt und unter die Oberkante der Rollen versenkt. Sie
bewirkten das Kanten durch Wälzen des Blockes und das Vorschieben
dadurch, daſs sie den Block vor das richtige Kaliber trugen.


In dem Cambria-Eisenwerk bewegten sich die Rollen in einem
beweglichen Rahmen auf der Hüttensohle. Dieser Rahmen wurde
durch hydraulische Cylinder hin und her geschoben. Bei den Schienen-
walzwerken und teilweise auch bei den Blech- und Drahtwalzwerken
wurden alle Arbeiten mechanisch und automatisch ausgeführt. Das
seitliche Verschieben von einem Walzgerüst zum anderen geschah
unabhängig von der Bewegung der Tische, während das Kanten
und Verschieben von derselben Walze meist mit der Bewegung des
Tisches zusammenhing. Durch diese selbstthätige Bedienung er-
zeugten die Schienenwalzwerke 1600 Tonnen und mehr in der Doppel-
schicht.


1891 kam in der Kruppschen Guſsstahlfabrik zu Essen das
groſse Panzerplattenwalzwerk mit seiner zweicylindrigen Reversier-
maschine 1) von 3500 P. S. in Betrieb. Diese war von der Märkischen
Maschinenbauanstalt vormals Kamp \& Co. in Wetter a. d. Ruhr 1890
gebaut. Der Durchmesser der beiden Dampfcylinder betrug 1,30 m,
der Hub 1,25 m. Die Übertragung der Bewegung auf die Walzen
erfolgte im Verhältnis von 2,5 : 1 durch zwei geschmiedete Guſsstahl-
zahnräder. Die wirksame Länge der ebenfalls aus geschmiedetem
[814]Die Walzwerke.
Guſsstahl hergestellten Walzen betrug 4 m, das Gewicht der beiden
Walzen 90 Tonnen. Das Vorschieben und Wenden der Platten
geschieht selbstthätig durch Rollen und Daumen. Die Bedienung
der Dampfmaschine erfolgt von einer über derselben befindlichen
Steuerbühne aus. Bemerkenswert war auch die 1890/91 von der
Duisburger Maschinen-Aktien-Gesellschaft, vormals Bechem \& Keet-
mann
, erbaute Reversierwalzwerksanlage des Hörder Bergwerks- und
Hüttenvereins zu Hörde 1). Sie zeichnete sich durch eine ausgiebige
Verwendung der Hydraulik aus, namentlich waren sowohl die Ober-
walzen der Block- und Fertigstraſsen hydraulisch ausbalanziert, als
auch die Druckschrauben durch hydraulische Cylinder mit Plunger
angestellt. Die Blockstraſse wurde durch eine Zwillings-, die Fertig-
straſse durch eine Drillings-Reversiermaschine von Ehrhardt \&
Sehmer
zu Schleifmühle bei Saarbrücken bewegt. Ausgedehnte
Rollgänge vermittelten den Transport des Walzguts zwischen den
Straſsen und den Rollöfen, Scheren, der Adjustage und dem
Lagerplatz.


Patente auf verbesserte Rollbahnen nahmen 1891 Henry Aiken
in Pittsburg (Pa.) (Amer. Pat. Nr. 439925) 2) und Thomas J. Price3)
in Danville (Pa.) (Amer. Pat. Nr. 441895). H. Aiken und James
Morgan
in Pittsburg (Amer. Pat. Nr. 450868) erfanden auch eine
hydraulische Druckschrauben-Anstellung für Luppenwalzwerke 4).


Reinhard Mannesmann jun. lieſs sich am 4. Februar 1891 ein
Verfahren des Auswalzens von mit Sand oder ähnlichen zusammen-
drückbaren Substanzen gefüllten Röhren schützen (D. R. P. Nr. 58410).
Derselbe verbesserte 1896 sein bereits erwähntes schrittweises Walz-
verfahren, das „Pilgerwalzwerk“, wobei die Pilgerschrittbewegung der
Arbeitsflächen der Walzen zum Teil durch Verschiebung der Walzen
bewirkt wurde (D. R. P. Nr. 86162 und 88638). — Ferner nennen
wir noch das Scheibenräderwalzwerk von J. R. Jones, Phila-
delphia (Amer. Pat. Nr. 457946 5), Blockwender für Rollbahnen von
Fr. W. Wood, Baltimore (Amer. Pat. Nr. 457946) und eine Roll-
vorrichtung für Walzwerksscheren von Franz Leonhard (D. R. P.
Nr. 61683).


[815]Die Walzwerke.

Am 18. Dezember 1891 erhielt Otto Klatte in Neuwied ein Patent
auf das Walzen von Ketten ohne Schweiſsung aus Kreuzstäben. Das
Walzwerk hatte vier Walzen mit Erhöhungen, welche die Öffnungen
in die diagonal gelagerten Rippen des Kreuzstabes eindrückten (D. R. P.
Nr. 65549). Bereits im Jahre 1881 hatte der Obermeister Oury in
Cherbourg ungeschweiſste Ketten aus Kreuzeisen durch Bohren, Stanzen,
Schmieden und Gesenkschlagen hergestellt (D. R. P. Nr. 16652).
Reid \& Co. nahm diese Fabrikation in England auf. H. Rongier in
Birmingham nahm 1889 ein ähnliches Patent zur Herstellung von
Stegketten unter Anwendung von Pressen. Das Klattesche Walz-
verfahren ist genau beschrieben in dem Augustheft 1894 von „Stahl
und Eisen“.


Aus dem Jahre 1892 ist das Feinblechwalzwerk von Karl
Wittgenstein
in Wien, welches auf der Rudolfshütte bei Teplitz
erfolgreich arbeitete, hervorzuheben. Es diente zum Walzen von
Blechen aus Fluſsstahlblöcken und bestand aus einem Trio-Universal-
walzwerk, auf dem Platinen vorgewalzt wurden, und aus einem Laut-
schen Trio mit fünf hintereinandergelagerten Duos zum Fertigwalzen.
Der Antrieb geschah durch zwei kräftige Dampfmaschinen. Die Fluſs-
stahlingots wurden von 50 auf 1½ mm Dicke und von 0,6 m auf 40
bis 50 m Länge ausgewalzt 1).


Das damals breiteste Trio-Blechwalzwerk von 3350 mm Ballen-
länge hatte S. T. Wellman in Thurlow erbaut 2).


Patente wurden 1892 noch erteilt auf ein Blockwalzwerk von
A. Robert in Tilleur (Belgien), aus zwei horizontalen und zwei
vertikalen Walzen bestehend, wodurch weder Reversion noch Überheben
nötig wurde (D. R. P. Nr. 69487 3); — auf ein Universalwalzwerk von
H. Aiken (Amer. Pat. Nr. 484767); — auf ein eigenartiges Walzwerk
von John A. Potter in Munhall (Pa.), bei dem zwei dünnere an-
getriebene Walzen sich oben und unten gegen dicke Schleppwalzen
stützten (Amer. Pat. Nr. 477821 4); — auf ein Walzwerk von Kratz
\& Strassmann
in Barmen (D. R. P. Nr. 63307) zum Wickeln und
Schweiſsen von Röhren aus Bändern und Stäben; — auf ein Riffelblech-
walzwerk von C. Löhr in Meggen (D. R. P. Nr. 68691); — auf ein
Blechwalzwerk von H. Hewitt in Birmingham, bei dem drei Walzen-
paare in einem Gerüst angeordnet waren (Engl. Pat. 1892, Nr. 1444);
[816]Die Walzwerke.
auf ein Plattenwalzwerk der Soc. An. des Aciéries de Longwy in
Frankreich (Engl. Pat. 1892, Nr. 23112 1).


1893 lieſs sich Th. Morrison in Duquesne (Pa.) mehrere Ver-
besserungen an Rollbahnen zur automatischen Wendung und Ein-
führung der Walzstücke patentieren 2). Hydraulisch bewegte Walzen-
tische von vorzüglicher Konstruktion waren am Blockwalztrio zu
Homestead bei Pittsburg 3) in Betrieb; sie ermöglichten das vollständige
Auswalzen eines Blockes in 1 bis 1½ Minuten.


A. Reese in Pittsburg (Pa.) erfand ein Universalwalzwerk für
-Eisen (Amer. Pat. Nr. 481058) und ein solches für Panzerplatten
und schwere Bleche (Amer. Pat. Nr. 499590). Das Schwelmer Eisen-
werk lieſs sich 1894 ein Walzverfahren patentieren (D. R. P. Nr. 79190)
mit drei oder mehr Kugelwalzen, wobei die Kaliber diagonal zu den
Achsen stehen 4).


Bemerkenswert ist ein von Toussaint Bicheroux5) in Duisburg
schon 1892 erfundenes neues Walzverfahren (D. R. P. Nr. 63066 und

Figure 321. Fig. 320.


70338) zur Herstellung sehr breit-
füſsiger oder breitschenkeliger
Formwalzstücke. Es geschieht
dies durch Vorwalzen der Blöcke
in Profile mit tiefen Rillen und
durch Aufrichten der Flügel in
einem Fertigwalzwerk, Fig. 320,
welches aus mit Scheiben ver-
sehenen horizontalen Hauptwalzen
und aus zwei kleineren vertikalen
Druckwalzen zur Aufnahme des
beim Breiten entstehenden Druckes und zur Profilierung besteht. —
Auf ein Rillenschienenwalzwerk nahm die Georgs-Marienhütte in
Osnabrück 1895 ein Patent (Nr. 85044). Ebenso lieſs sich die Société
anonyme D’Ougrée 6) in Belgien 1894 ein Rillenschienenwalzwerk
patentieren (D. R. P. Nr. 84048 und 85373).


In den Vereinigten Staaten stellte W. E. Harris widerstands-
fähigere Walzen mit Stahlkern in der Weise dar, daſs er ein schmiede-
[817]Die Walzwerke.
eisernes Rohr mit Fluſsstahl ausgoſs und mit Guſseisen umgoſs. Die
W. Dewees-Company in Mc. Keesport verband ein Trio zum Walzen
von Stahlblechen unmittelbar mit einem Glühofen. Chas. W. Morgan
baute 1895 in Amerika den ersten automatischen Wärmofen. Platt

Figure 322. Fig. 321.


\& Goldthorpe in England wollen den elektrischen Strom zum Er-
hitzen des Walzeisens benutzen (1896, D. R. P. Nr. 84088). Hatton
erfand 1894 in England ein Kehrwalzwerk zum Walzen von Röhren
(Engl. Pat. Nr. 12473/92).


Die neueren Fortschritte der amerikanischen Walzwerke 1) bestanden
namentlich darin, daſs man die Triowalzen festlagerte, oder die
Moſsberg-Granvilleschen Rollenlager anwendete 2) und die Rollen
Beck, Geschichte des Eisens. 52
[818]Die Walzwerke.
der Walzentische mit Elektromotoren antrieb; auſserdem verwendete
man zum Wärmen der Blöcke Siemens-Regenerativöfen, in welche
die Blöcke in senkrechter Stellung eingesetzt wurden. Die Kräne-

Figure 323. Fig. 322.


Figure 324. Fig. 323.


bedienung der neueren Walzwerke
geschieht meistens elektrisch.


Fig. 321 (a. v. S.) stellt den
Grundriſs des neuen Blechwalz-
werkes der Illinois-Stahlgesell-
schaft von Südchicago (1896) dar,
während Fig. 322, 323 Ansicht
und Durchschnitt des Lauthschen
Triogerüstes von dort vorführen.
Ferner zeigt Fig. 324 den Durchschnitt des groſsen Blechwalzwerks
und Fig. 325 die Ansicht des Universalwalzwerks der Bethlehem-
Eisengesellschaft.


Verbesserte Rollbahnen lieſsen sich 1896 G. W. Mc Clure in
[819]Die Walzwerke.
Pittsburg (Amer. P. Nr. 54425) und J. A. Potter in Cleveland (Ohio,
Amer. P. Nr. 54623) patentieren.


Ch. J. Morgan baute 1899 ein kontinuierliches Walzwerk für

Figure 325. Fig. 324.


Figure 326. Fig. 325.


Handelseisen zu Mingo Junction, Ohio 1). Ein kontinuierliches Band-
eisenwalzwerk zu Youngstown, Ohio, beschrieb P. Eyermann2).


Leistungsfähige Blockstraſsen nach amerikanischem System bauten
52*
[820]Die Walzwerke.
die Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Gebr. Klein in Dahlbruch
und die Duisburger Maschinenbau-Aktiengesellschaft.


Figure 327. Fig. 326.

Die Fig. 326, 327 machen die Vorwärts- und Seitwärtsbewegung
der Blöcke auf den Rolltischen und die hydraulische Umkantevor-
richtung bei dem Kleinschen Trio anschaulich.


Figure 328. Fig. 327.

McClure1) bewirkte die Verstellung der Walzenstellschrauben
durch gezahnte Kegelräder, die durch einen Elektromotor angetrieben
wurden (Amer. Pat. 557861).


1896 wurde auf den Stahlwerken von Mackintosh, Hemphill
\& Co.
in Pittsburg eine Walzenreversiermaschine von 10000 P. S.
[821]Die Walzwerke.
aufgestellt 1), deren Cylinder 1270 mm Durchmesser und 1830 mm Hub
haben. Die Maschine wog 362400 kg, die Hauptwelle mit Zubehör
54360 kg. Ein automatisches Walzwerk für Knüppel und Blechplatinen
konstruierte Huber in
Amerika; ein solches
war 1898 auf dem
Stahlwerke der Buhl-
Stahlgesellschaft zu
Sharon (Pa.) in Be-
trieb 2). Derselbe nahm
ein Patent (Amer. Pat.
Nr. 605669) auf zwei
kombinierte Trios,
deren Walzgut durch
schwingende Rollen-
tische von einem zum
andern gehoben oder
gesenkt wurde 3).


Morgan4) in Wor-
cester baute kontinu-
ierliche Walzwerke mit
einer Anzahl hinter-
einander stehender Ge-
rüste, deren Walzen
entsprechend rascher
umliefen. Blöcke von
125 mm Dicke wurden
in sieben Stichen, also
in sieben Gerüsten zu
Knüppeln von 37½ mm
heruntergewalzt. So-
bald der Stab den
letzten Stich verlieſs,
gelangte er unter eine
Schere und wurde zu
Knüppeln zerschnitten.


Figure 329. Fig. 328.

[822]Die Walzwerke.

Henry Grey1) hat ein Trägerwalzwerk erfunden und in Duluth
(U. S.) erbaut, das durch das Zusammenwirken von horizontalen und
vertikalen Walzen die Profile bildet und Steg und Fuſs einem gleich-
mäſsigeren Drucke aussetzt, als es bei dem gewöhnlichen Verfahren
geschieht. Hierdurch können zweckmäſsigere Profile von gröſserer
Tragkraft erzeugt werden. Dieses Walzverfahren fand Verbreitung.


Auch R. M. Daelen hat sich 1899 ein „Walzwerk mit hinter-
einander liegenden, abwechselnd horizontalen und vertikalen Walzen
zum Strecken eines Metallstabes in mehr als zwei Kalibern gleich-
zeitig“ patentieren lassen (D. R. P. Nr. 109435).


Elektricität als Triebkraft für Rollgänge, Schlepper, Scheren und
sonstige Hülfsmaschinen der Walzwerke hat 1898 Max Meier zu
Micheville-Villerupt in umfassender Weise in Anwendung gebracht.
Zum Antrieb von Eisenwalzwerken ist die Elektricität bis jetzt (1900)
noch nicht verwendet worden, wohl aber zum Antrieb eines Kupfer-
walzwerkes 2).


Einen Hebetisch mit angetriebenen Rollen für schwere Trio-
straſsen, Fig. 328 (a. v. S.), an Stelle der gebräuchlichen Dachwippe
hat H. Fahlenkamp in Schalke angegeben 3). Schwingende, an-
getriebene Rollentische beschrieb auch G. von Bechen in Charleroi 4).


In dem neuen Walzwerke der Maryland-Steel-Company zu
Sparrows Point wurden die Bessemerblöcke direkt auf Wagen ge-
gossen.


Die mechanische Bedienung der Walzwerke durch Rollgänge,
bewegte Hebtische, Scheren u. s. w. hatte in den Vereinigten Staaten
eine groſse Vervollkommnung erlangt, durch die eine erstaunliche
Leistungsfähigkeit erzielt wurde. Es ist unmöglich, auf Details ein-
zugehen. Als ein Beispiel führen wir die Walzwerksanlage in
Duquesne, Pa. 5), an, die mit fünf groſsen Dampfmaschinen und Walzen-
straſsen mit zusammen 13 Gerüsten von vier einfachen Profilen,
kurze Knüppel, lange, dünne Knüppel, Platinen und Lascheneisen,
täglich rund 2000 Tonnen liefert.


[823]Eisenbahnschienen und -schwellen.
Eisenbahnschienen und -schwellen.

Die groſsen Verbesserungen der Walzwerke erhöhten die Leistung
in den einzelnen Zweigen der Eisen- und Stahlverarbeitung, besonders
der Formeisen-, Blech- und Drahtfabrikation.


Bei Formeisen kommt in erster Linie die Schienenfabri-
kation
in Betracht. Bei dieser hatte sich der Fluſsstahl glänzend
bewährt und schon in den siebziger Jahren das Schweiſseisen mehr
und mehr zurückgedrängt. Nach Veröffentlichungen aus dem Jahre
1878 muſsten auf der Köln-Mindener Bahn nach 15-jähriger starker
Benutzung ausgewechselt werden: Feinkornschienen 82 Prozent,
eiserne 74 Prozent, Puddelstahlschienen 41,61 Prozent, Bessemer-
schienen 7,71 Prozent. Die Abnutzung der letzteren auf jeden Milli-
meter entsprach 6065000 Tonnen Bruttolast, ein sehr günstiges
Resultat. Ähnliche Ermittelungen auf der Nicolaibahn in Ruſsland
ergeben für die Auswechselung von Feinkornschienen in 15 Jahren
76,7 Prozent, cementierte Schienen 63,3 Prozent, Puddelstahlschienen
33,3 Prozent, Bessemerstahlschienen 3,4 Prozent.


Nach Cox hielten auf der Philadelphia-Readingbahn Eisen-
schienen 180 Millionen Tonnen, Stahlschienen 484 Millionen Tonnen
Güterverkehr (trafik) aus.


Nach den Beobachtungen von Baurat Rüppell1) in Köln betrug
die durchschnittliche jährliche Auswechselung:


  • 1868/72   1,58 Tausendstel auf die Gesamtmasse
  • 1873/77   0,85 „ „ „ „
  • 1878/82   0,25 „ „ „ „
  • 1883/87   0,12 „ „ „ „

In Ruſsland durften seit 1875 nur Stahlschienen verlegt werden.
In den Vereinigten Staaten waren 1873 nur ⅙ Stahlschienen, 1883
dagegen 19/20. Der Preis war in dieser Zeit von 108 auf 30 Dollar
pro Tonne gesunken.


Überhaupt waren Stahlschienen nur noch wenig teurer als Eisen-
schienen. Im September 1876 wurden in Deutschland Stahlschienen
für 155,50 Mark die Tonne vergeben; Puddelstahlschienen waren
teurer als Bessemerstahlschienen. Infolgedessen nahm der Verbrauch
von Fluſsstahlschienen von Jahr zu Jahr zu. Beispielsweise betrug
derselbe in Frankreich:


[824]Eisenbahnschienen und -schwellen.

Für die chemische Zusammensetzung der Stahlmasse für Schienen
wurden um 1880 verschiedene Normalzusammensetzungen angegeben,
so von


Von noch gröſserer Wichtigkeit waren die Festigkeitsvorschriften,
welche die Eisenbahnverwaltungen den Lieferungen zu Grunde legten.
Für die Festigkeit war die Zerreiſsprobe, für die Zähigkeit die Quer-
schnittsverminderung bei dieser und die Schlagprobe maſsgebend. Die
Lieferungsbedingungen für Stahlschienen waren für Preuſsen durch
eine Ministerialverfügung vom 29. September 1879 festgesetzt worden 1).
Die deutschen Eisenbahnverwaltungen verlangten 2) Anfang der acht-
ziger Jahre bei der Zerreiſsprobe pro Quadratmillimeter:


  • absolute Festigkeit   50 bis 65 kg
  • Kontraktion   35 „ 20 Prozent,

so daſs die Summe beider Ziffern (Wertziffer) die Zahl 85 ergeben
sollte.


In den meisten Ländern galt damals noch der harte Bessemer-
stahl als bestes Material für Eisenbahnschienen. Die Verwendung des
Fluſsstahls beeinfluſste den Betrieb der Schienenwalzwerke. Es erwies
sich als vorteilhafter, stärkere Stahlblöcke möglichst in einer Hitze
zu mehrfachen Schienenlängen auszuwalzen, anstatt kleine Blöcke,
entsprechend den Schweiſspaketen der Eisenschienen, für eine Schienen-
länge zu verarbeiten, obgleich dazu viel gröſsere Kraft nötig war. So
walzte man erst doppelte, dann dreifache und seit Anfang der
[825]Eisenbahnschienen und -schwellen.
achtziger Jahre vierfache Schienenlängen. Letzteres geschah zuerst
in Amerika auf den Scranton-Eisenwerken. Hier walzte man 1883
mit Hülfe Gjersscher Durchweichungsgruben 85 Prozent der Schienen-
produktion direkt aus der Gieſsgrube in einer Hitze zu vierfachen
Vignoles-Schienen von 120 Fuſs Länge aus. Man machte auch deshalb
längere Schienen, um weniger Stöſse zu bekommen; so verlegte man
1876 auf der Lyon-Mittelmeerbahn Schienen von 12 m Länge. Durch
die gröſsere Haltbarkeit der Stahlschienen ging der Bedarf für Er-
neuerung seit Anfang der siebziger Jahre bedeutend zurück. Die
Form der Schienen war sehr verschieden. 1876 verwendete man in
Deutschland 92 verschiedene Profile. Vorschläge von Pollitzer,
Heusinger von Waldegg
und Winkler zur Herbeiführung eines
einheitlichen Normalprofils hatten keinen Erfolg. Gegen Ende der
siebziger Jahre kamen eiserne Schwellen anstatt Holzschwellen mehr
in Aufnahme, wodurch der Bedarf an Walzeisen eine weitere Steige-
rung erfuhr. Die Zahl der Konstruktionen oder Systeme war eine
groſse. Sie zerfielen in Längs- und Querschwellen, oder ununter-
brochene oder unterbrochene Schienenunterstützung.


Von Längsschwellen verwendete man schon um 1870 ein System
Hilf auf den nassauischen Bahnen und ein ähnliches auf der
rheinischen Bahn. 1875 waren in Österreich die Konstruktionen von
Hohenegger und de Serres-Battig und von Hendl im Arlberg-
tunnel, in Bayern die von Menne; in Deutschland wurden auſser den
genannten die von Hartwich, Freudenberg, Heusinger
von Waldegg, Scheffler, Daelen, Köstlin
und Battig und von
Winkler teils versucht, teils eingeführt. Haarmanns Langschwellen-
oberbau wurde zuerst 1878 auf der Strecke Osnabrück-Wissingen
verlegt. Von Querschwellensystemen, die namentlich in den auſser-
deutschen Ländern vorgezogen wurden, nennen wir die älteren von
Vautharin in Frankreich, von Coijins und Legrand in Belgien,
sodann die von Webb in England, von G. Post in Holland (seit
Mitte der achtziger Jahre), von Küpfer in der Schweiz, von Atzinger
in Österreich, von Hendl und Hoesch-Lichthammer in Bayern,
von Hilf, Haarmann, Schülke u. a. in Deutschland. Haarmanns1)
Querschwellenoberbau mit guſseisernen Sattelstücken wurde zuerst
1879 in Holland und Ruſsland, derselbe mit Hakenplattenbefestigung
zuerst 1882 auf der Berlin-Görlitzer Bahn verlegt. Haarmanns
zweiteilige Schwellenschienen mit versetzten Stoſsfugen wurden 1883
[826]Eisenbahnschienen und -schwellen.
auf der Georgs-Marienbahn eingeführt. Auch bei den Schwellen ging
man zur Verwendung des Fluſseisens über.


Ende 1888 waren in Deutschland schon 10632558 Stück Quer-
schwellen verlegt; in England nur 70 Meilen (113 km), dagegen in
Britisch-Ostindien 9244,5 Meilen, in Holland 517,05 km, in Belgien
185,85 km, in der Schweiz 639,4 km, in Algier 202 km und in Australien
290 km. Die eisernen Schwellen empfahlen sich überall da, wo Holz-
schwellen teuer oder nicht haltbar waren.


Nach einer Aufstellung von E. Russel Tratman von 1890
betrug die gesamte Bahnlänge mit eisernem Oberbau damals 39900 km
(= 13,21 Prozent der Eisenbahnen der Erde), davon hatten 5850 km
Langschwellen, 17800 km Querschwellen. Auf Deutschland entfielen
14139 km (etwa ein Drittel), auf Groſsbritannien nur 113 km, dagegen
auf Britisch-Ostindien 14850 km, auf Südamerika 6098 km, auf Afrika
2077 km.


Nach Einführung der Stahlschienen hatte man anfänglich danach
gestrebt, das Schienengewicht zu verringern, so z. B. in Preuſsen von
37 auf 33 kg pro laufenden Meter. Dies erwies sich aber als un-
vorteilhaft. Die stärkere Inanspruchnahme verlangte auch einen
stärkeren Oberbau. C. B. Sandberg in London empfahl 1886 eine
schwere Schiene mit breitem Kopf und schmalem Fuſs, die in fluſs-
eisernen Unterlagsplatten befestigt war. Diese sogenannten Goliath-
schienen, wovon der laufende Meter 52 kg wog, wurden zuerst im
März 1887 von Cockerill in Seraing gewalzt und in Belgien mit gutem
Erfolg eingeführt. Daraufhin erhöhte man auch in Frankreich und
Amerika das Schienengewicht, beispielsweise auf der französischen
Nordbahn auf 43 kg pro laufenden Meter, dann auf der Paris-Lyon-
Mittelmeerbahn auf 47 kg. In England hatte man schon früher
Schienen von 40 bis 45 kg Gewicht pro laufenden Meter eingeführt.


Die guten Erfolge, welche man Ende der achtziger Jahre mit
dem weicheren Fluſsstahl von dem Siemens-Martin- und dem Thomas-
prozeſs erzielt hatte, veranlaſsten die preuſsische Regierung und andere
deutsche Eisenbahnverwaltungen, die untere Grenze der Zerreiſsfestig-
keit für Schienenmaterial von 50 auf 45 kg pro Quadratmillimeter
herabzusetzen, indem man gleichzeitig die Vorschriften über die „Wert-
ziffer“, d. h. die konstante Summe der absoluten Festigkeit und der
prozentualen Querschnittsverminderung beim Zerreiſsen fallen lieſs.


Seit Anfang der achtziger Jahre wurde Thomasfluſseisen für
Eisenbahnschienen verwendet, so z. B. 1882 auf der Gotthardbahn. Das
anfängliche Vorurteil gegen das neue Material schwand mit der zu-
[827]Eisenbahnschienen und -schwellen.
nehmenden Erfahrung: natürlich muſste auf Reinheit und Gleich-
mäſsigkeit des Fluſseisens, dessen Phosphorgehalt 0,1 Prozent nicht
übersteigen durfte, gesehen werden. Die deutschen Eisenbahnver-
waltungen verlangten deshalb Probeabnahme von jeder Charge.


Seitdem durch Darbys Rückkohlungsprozeſs auch die Möglichkeit,
dem Thomasfluſseisen eine beliebige gröſsere Härte zu erteilen, ge-
geben war, lag kein Grund mehr vor, dasselbe als Schienenmaterial
zu beanstanden. Dennoch geschah dies in Österreich-Ungarn bis 1895,
wogegen sich Professor Tetmajer in einem vorzüglichen Gutachten 1)
wendete. Er wies an zahlreichen Erfahrungen, besonders auch auf
Schweizer Bahnen, die Vortrefflichkeit der Eisenbahnschienen aus
Thomas-Fluſseisen nach. Als Durchschnittsgehalt derselben auf
Schweizer Bahnen giebt er an: Kohlenstoff 0,263, Silicium 0,09,
Mangan 0,762, Phosphor 0,073, Schwefel 0,043 Prozent. Die Grenzen
der Zugfestigkeit und Dehnung betrugen im Mittel für erstere 57,9
bis 64,9 kg pro Quadratmillimeter, für letztere 22,9 bis 39,9 Prozent.
Im Vergleich mit Bessemerstahlschienen zeigten die aus Thomasfluſs-
eisen auffallend wenig Bruch im Betriebe.


Die Frage, ob für die Schienenfabrikation Zweiwalzenstraſsen mit
Reversiermaschinen oder Dreiwalzenstraſsen vorzuziehen seien, wurde
vielfach erörtert. Ein Trio hat in derselben Zeit eine gröſsere Pro-
duktion. Kann es kontinuierlich betrieben werden, so ist es auch
ökonomisch vorteilhafter, ist dies aber nicht der Fall, so veranlaſst
das Leerlaufen unnützen Dampfverbrauch und ist in diesem Falle der
Betrieb mit Reversiermaschine vorzuziehen.


Die Produktion der Schienenwalzwerke erfuhr eine enorme Steige-
rung durch die mechanische Bedienung, die besonders in den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika ausgebildet wurde 2). Das neue
Schienenwalzwerk der Edgar Thomson-Stahlwerke walzte im Oktober
1894 36200 Tonnen Schienen und in einer 24stündigen Schicht
1945 Tonnen, dabei war die Produktion nur durch die Leistungs-
fähigkeit des Stahlwerks beschränkt.


Welche Bedeutung und welchen Umfang der Bedarf an Eisen-
bahnschienen für die Eisenindustrie erlangt hatte, wird man aus nach-
folgenden Tabellen, in denen die Zunahme der Eisenbahnlinien der Erde
von Anfang an, besonders aber seit 1876 zusammengestellt ist, erkennen.


[828]Eisenbahnschienen und -schwellen.

I. Entwickelung des Eisenbahnnetzes der Erde 1840 bis 1885 von fünf zu fünf Jahren.


[829]Eisenbahnschienen und -schwellen.

II. Entwickelung des Eisenbahnnetzes der Erde von 1886 bis 18951).


[830]Eisenbahnschienen und -schwellen.

Nach vorstehenden Tabellen betrug die Länge der Eisenbahnlinien
der Erde im Jahre 1890 617285 km, das ist etwa die 15½fache Länge
des Erdäquators (49070 km) und die 1⅔fache der mittleren Ent-
fernung des Mondes von der Erde (384420 km). Nehmen wir das
Schienengewicht für den Kilometer zu 80 Tonnen an, so ergiebt sich
ein Gesamtgewicht von 49282800 Tonnen oder rund 49283 kt. Die
gesamte Roheisenproduktion aller Länder der Erde betrug 1890
27500 kt, die bei nur 20 Prozent Abgang einer Schienenmenge von
22000 kt entsprechen würde. Es hätte also mehr als die zweijährige
Eisenproduktion der Welt von der Höhe von 1890 dazu gehört, um
das Schienennetz der Erde zu erneuern. Nehmen wir die jährliche
Schienenerneuerung zu ½ Prozent an, so ergiebt sich ein Jahres-
bedarf von 247 kt. Für Neubauten betrug der Bedarf in der neun-
jährigen Periode von 1886 bis 1894 171672 km × 80 Tonnen =
13734 kt oder 1526 kt im Jahr. Der gesamte Schienenbedarf eines
Jahres belief sich demnach auf 1973 kt, also nahezu 10 Prozent der
Eisenerzeugung der Erde.


Die Anlagekosten des Eisenbahnnetzes der Erde Ende 1890 wurden
rund auf 131 Milliarden Mark berechnet. Dies ergiebt durchschnitt-
lich 212,10 Mark pro Kilometer.


Die Kosten der Bahnstrecken der einzelnen Länder waren aber
sehr verschieden je nach den Preisen von Land, Material und Arbeit
und nach der Schwierigkeit und Sorgfalt der Anlage; in Europa
stellten sie sich am höchsten in Groſsbritannien, wo sich der Kilometer
auf 555,763 Mark berechnete, am niedrigsten in Norwegen, wo der

[831]Blechfabrikation.
Kilometer nur 93,053 Mark kostete. In den Vereinigten Staaten von
Nordamerika betrug der Aufwand für 1 km 165,657 Mark, während
er in Australien sich sogar auf nur 54,493 Mark belief.


Über das Verhältnis der Eisenbahnen zu der Flächengröſse der
wichtigsten Länder Europas und Amerikas im Jahre 1890 giebt
vorstehende Tabelle Aufschluſs.


Blechfabrikation.

Auch die groſsartigen Fortschritte der Blechfabrikation in
dieser Periode wurden hauptsächlich durch die Vervollkommnung des
Walzwerksbetriebes und die Verwendung des Fluſseisens an Stelle
des Schweiſseisens herbeigeführt. Übten diese Neuerungen am meisten
auf die Herstellung der Grobbleche und Panzerplatten ihre Wirkung
aus, so förderten sie doch auch die Feinblechfabrikation
derart, daſs sie eine völlige Umwandlung der Betriebsweise herbei-
führten. Die dünneren Bleche unterscheidet man als Feinbleche
von 0,1 bis 1,0 mm und als Mittelbleche von 1 bis 4 mm Dicke. Für
die Arbeit des Breitens der Blechplatinen hatte längst das Walz-
werk den Hammer ersetzt. Der Hammer kam nur noch in einigen
Gegenden zur Vorarbeit, dem Ausschmieden der Frischluppen, und
zur Fertigarbeit, dem Ausschlagen der Blechbuschen, in Anwendung.
In holzreichen Ländern, wie in Österreich, Schweden und im uralischen
Ruſsland, stellte man noch das Material für die Feinblechfabrikation
mit Holzkohlen im Frischherde dar, wofür sich die Lancashire-Frisch-
schmiede am besten bewährt hatte. Man blies mit warmem Wind,
der in einer eisernen Windkammer, die das Feuer anstatt des Ge-
wölbes überdeckte, erhitzt wurde. Gewöhnlich wurden zwei Feuer
nebeneinander gelegt, deren Abhitze dann Vorwärmeräume zum
Aufwärmen der Platinen und zum Glühen der Bleche heizte 1).
Die Frischfeuerluppe von etwa 2½ Centner Gewicht wurde unter
Dampf- oder Wasserhämmern 2) zu einem flachen Kuchen von 60 mm
Dicke ausgeschmiedet, der dann in Stücke von etwa 20 kg zerteilt
wurde. Diese Schirbel wurden ausgeschweiſst und zu Platinen von
160 mm Breite ausgeschmiedet, die nach einer nochmaligen Schweiſs-
hitze ausgewalzt wurden. Das Ausheizen für ganz dünne Bleche ge-
[832]Blechfabrikation.
schah hierbei meist noch in Hollow-fires. Bei dem Auswalzen der
Platinen wurde auf die Herstellung einer reinen, glatten Oberfläche
besonderes Gewicht gelegt. Die Walzen liefen deshalb in Wasser.
Das letzte Kaliber hatte harte Flächen, sodann passierte der Stab
noch Polierwalzen, die mit Abschabern versehen waren und endlich
wurde der rotglühende Stab in frischem Wasser abgeschreckt und
mit Holzhämmern abgeklopft. Die Frischeisenbleche wurden besonders
für dünne Weiſs- und Senklerbleche verwendet und konnten bis zu
Papierdünne gewalzt werden.


Bei der Herstellung der berühmten russischen Glanzbleche
spielte der Hammer bei dem Fertigmachen ebenfalls noch eine Rolle.
Das Verfahren dabei war nach John Percy1) um 1870 kurz wie
folgt. Das Rohmaterial war bei kaltem Wind erblasenes Holzkohlen-
roheisen. Dieses wurde in Frischfeuern, häufiger aber in Puddelöfen
gefrischt, die Luppen zu Flachstäben von 5 Zoll Breite und 1¼ Zoll
Dicke ausgewalzt, die dann in Stücke von 29 Zoll Länge und etwa
15 Pfund Gewicht zerschnitten wurden. Diese wurden quergewalzt
und in 12 bis 14 Durchgängen in Bleche von 29 Zoll im Quadrat
ausgestreckt. Von diesen legte man drei Stück zu einem Pack über-
einander, und walzte diese wieder zehnmal durch. Ehe dies geschah,
wurden die Oberflächen mit einem Holzbesen abgekehrt, und gepulverte
Holzkohlen zwischen die Blätter gestreut. Diese Bleche wurden sodann
auf 28 × 56 Zoll beschnitten, jedes beschnittene Blech mit in Wasser
angerührtem Birkenkohlenpulver bestrichen und dann getrocknet.
Von diesen mit Kohle bestrichenen Blättern wurden 70 bis 100 zu
einem Paket (Buschen) geformt, das in ein gröſseres Blech ein-
gewickelt wurde. Dieser Pack kam in ein Hohlfeuer, in dem es, von
langen Holzprügeln umgeben, bei sorgfältigem Luftabschluſs fünf bis
sechs Stunden lang geglüht wurde. Sodann wurde es mit einer
groſsen Zange herausgenommen und unter einen Hammer gebracht,
wo es regelmäſsige Schläge in gleichem Abstand und parallel einer
Kante von rechts nach links fortschreitend erhielt. Dies wurde etwa
sechsmal wiederholt. Sodann wurden die Bleche, die wellenförmige
Flächen zeigten, auseinander genommen, zwischen jedes ein glattes
Blech gelegt und der so gebildete Buschen von 140 bis 200 Blatt
unter einem Hammer mit breiter Bahn in zwei Durchgängen glatt
gehämmert. Im ganzen erhielt ein fertiges Blech 2500 bis 3000
Hammerschläge. Alsdann wurde der Pack geöffnet, die heiſsen Bleche
[833]Blechfabrikation.
mit einem Besen gereinigt und in einem Gestell einzeln abkühlen
gelassen. Diese Bleche wurden auf der Messe zu Nishnij-Nowgorod
bis zu 500 Mark die Tonne bezahlt.


In den meisten Ländern und Gegenden war der Frischherdbetrieb
durch den Puddelbetrieb verdrängt worden, so auch in Ruſsland.
Dies war überall der Fall, wo mit Steinkohlen gearbeitet wurde,
also in England, Deutschland, Frankreich, Belgien und Nordamerika;
selbst in Gebieten, wo man lange das Frischen mit Holzkohlen bei-
behalten hatte, wie im Siegerland und Sauerland.


Ebenso war das Buschenwalzen, auch belgisches Walzverfahren
genannt, fast überall durch das Doublierverfahren, Doppeln oder das
englische Walzverfahren ersetzt worden, wobei man stärkere Zaggel
auswalzte, diese dann, wenn sie eine gewisse Länge hatten, in der
Mitte umschlug oder doppelte und weiter auswalzte und dieses je
nachdem mehrfach wiederholte. Hierbei nahm man, wie bei den
Buschenwalzen, zwei Platinen zugleich aus dem Wärmofen (Platinen-
ofen) und walzte sie mittels der Vorstreckwalzen bis auf 1 mm Dicke
herab 1). Die so erhaltenen Strecker oder Sturzen wurden in der
Mitte zusammengebogen und fest zusammengedrückt, was meist durch
Schlagen mit Holzhämmern geschah. Der dadurch gewonnene „Doppler“
wurde sofort in einen zweiten Wärmofen, den Fertigofen, eingesetzt,
gewärmt und unter den Fertigwalzen zum fertigen Blech oder zum
zweiten Doppler gestreckt. In letzterem Falle muſsten die Bleche
erst durchgeschnitten werden. Je nach der Dünne der Bleche wurde
eins-, zwei-, drei- bis viermal gedoppelt und so aus einer Platine
2, 4, 8, 16 Tafeln gewonnen. Das Doublierverfahren, welches zwei
Wärmöfen und zwei Walzgerüste erforderte, gab eine gröſsere Pro-
duktion und hatte den weiteren Vorteil, daſs die gedoppelten Bleche
besser schlossen, also weniger oxydierten, weniger Glühspan oder
„Zunder“ bildeten. Es eignete sich besonders für Frischeisen, das nicht
zusammenschweiſste, was bei Puddeleisen leicht vorkam. Dagegen war es
nicht mehr gut anwendbar für Mittelbleche von gröſseren Abmessungen.
Für diese war das Buschenwalzen vorzuziehen. Auch dünne Bleche
bis zu 0,40 mm von über 2 m Länge bei 0,80 mm Breite walzte man
besser eintafelig und zwar auf einem Lauthschen Triogerüste, Fig. 329,
330 (a. f. S.). Für die eigentlichen Feinbleche war dagegen das Schlepp-
walzen-Duosystem in Verbindung mit dem Doublieren am besten; dabei
muſs das Walzen, um zunderfreie Bleche zu erhalten, möglichst kalt
Beck, Geschichte des Eisens. 53
[834]Blechfabrikation.
geschehen, aber ohne Wasserkühlung. Gute Hartwalzen und die An-
bringung von zwei Druckschrauben für jeden Ständer waren dafür
erforderlich. Ein dritter Wärmofen und ein drittes Gerüst als Reserve
waren zur Beschleunigung und Erhöhung der Produktion zweckmäſsig.
Statt des Abdrehens der Walzen in den Ständern mittels eines Dreh-

Figure 330. Fig. 329.


stahles mit Support bediente man sich öfter des Abschmirgelns mit
Schmirgelscheiben, die ebenfalls in einem beweglichen Support be-
festigt waren.


Nach dem Auswalzen wurden die Bleche ausgeglüht, und zwar
die Handelsbleche, von denen eine blauschwarze Anlauffarbe verlangt
wurde, an offenem Feuer, die zunderfreien und vorher gebeizten Bleche,
besonders für Geschirr und Weiſsblech, in geschlossenen Kästen. Die
Bleche für die Weiſsblechfabrikation kamen nach der Polierung
ohne Glühung zur Weiſsbeize. Hochpolierte Bleche wurden dadurch
erhalten, daſs man sie nach dem Glühen in sogenannten Dressier-
walzen dressierte, d. h. kalt drei- bis viermal durch hochfein polierte
[835]Blechfabrikation.
Hartwalzen walzte. Zum Schneiden bediente man sich bei den dünnen
Blechen bis höchstens 4 mm mit Vorteil der Circularscheren.


Ein anderer Fortschritt bei der weiteren Behandlung der Bleche
war die Einführung der mechanischen Beizerei, durch welche ein viel
gleichmäſsigeres Beizen erzielt wurde wie früher. Die Bleche standen

Figure 331. Fig. 330.


dabei aufrecht in aus Kupferdraht hergestellten Körben, welche in die
groſsen mit verdünnter Salz- oder Schwefelsäure von 8° Baumé ge-
füllten Kästen eine ganz bestimmte, nach der Dicke der Tafeln
wechselnde Zeit eingetaucht wurden. Die nachfolgende Entsäuerung
geschah in Waschkästen, zu denen die Körbe mit den Blechtafeln
durch einen Laufkarren gebracht wurden.


Wir hatten oben erwähnt, daſs die Verarbeitung von Holzkohlen-
53*
[836]Blechfabrikation.
frischeisen trotz seiner Vorzüge abgenommen hätte. An seine Stelle
war zunächst das Puddeleisen getreten; dasselbe war billiger, aber
nicht von derselben Güte wie jenes. Durch eingemengte Schlacken
zeigten die Bleche häufig Flecken, die namentlich bei der Weiſsblech-
fabrikation störend hervortraten; auſserdem schweiſsten die Tafeln
beim Walzen leicht zusammen, was die Walzarbeit namentlich beim
Doublieren erschwerte. Für Feinbleche kam deshalb fast nur das
gepuddelte Feinkorneisen in Anwendung, welches aber höhere Her-
stellungskosten erforderte. Ein groſser Fortschritt war es deshalb,
als man durch die Einführung des basischen Bessemerverfahrens, des
Thomas-Gilchrist-Prozesses und des Martin-Siemens-Prozesses mit
basischem Herd, ein weiches, gleichförmiges Fluſseisen erzeugte, das
sich zur Blechfabrikation, selbst für Feinbleche, vorzüglich eignete.
Wohl hatte man den Bessemerstahl schon früher versuchsweise für
Feinblech verwendet, aber dieses Material war auch in seinen weichsten
Nummern noch zu hart, besonders für die Fabrikation von Geschirr-
und Weiſsblech, von denen groſse Weichheit und Zähigkeit verlangt wurde.
Etwas bessere Resultate erzielte man mit Martinfluſsstahl von dem
sauren Prozeſs um die Mitte der siebziger Jahre. Einer ausgedehnteren
Verwendung dieser Fluſseisensorten stand aber auch damals noch ihr
hoher Preis im Wege, da dieselben nur aus bestem Rohmaterial her-
gestellt werden konnten. Dies änderte sich durch die Erfindung von
Thomas-Gilchrist und die Einführung des basischen Futters im
Martinofen. Hierdurch wurde ein weiches, homogenes und weniger
kostspieliges Fluſseisen erzeugt, das für die Feinblechfabrikation sehr
geeignet war und deshalb seit Anfang der achtziger Jahre in raschem
Siegeslauf die Verwendung von Holzkohlenfrischeisen und Feinkorn-
eisen fast ganz verdrängte. Thomas-Fluſseisen wurde anfangs seiner
groſsen Weichheit wegen bevorzugt und bewährte sich besonders für
Geschirr- und Weiſsblech. Hierbei war allerdings blasiges Material
gänzlich zu vermeiden. Anfangs glaubte man im Guſs kleiner Blöcke
für die Blechfabrikation einen Vorteil zu finden. Dies hat sich aber
nicht bewährt, indem gerade diese kleinen Blöcke oft Blasen ent-
halten. Trotz der gröſseren Kosten der Verarbeitung ist es vorteil-
hafter, Blöcke von groſsem Querschnitt zu verarbeiten, diese bis auf
etwa 150 mm herabzuwalzen, in Stücke (Knüppel, „Klötzel“ in Öster-
reich) zu schneiden, diesen eine saftige Schweiſshitze zu geben und
dieselben zu Platinen auszuwalzen. Dieser Umweg ist zwar kost-
spielig, liefert dafür aber auch ein ausgezeichnetes Material für die
Feinblechfabrikation.


[837]Blechfabrikation.

Ganz vorzüglich hat sich aber auch seit Ende der achtziger
Jahre das durch den basischen Prozeſs erzeugte Martin-Fluſseisen
erwiesen, welches im allgemeinen blasenfreier und, da es der kost-
spieligen Vorbereitung nicht bedarf, auch billiger für diese Ver-
arbeitung ist.


Der Verlauf der Fein- und Weiſsblechfabrikation aus Fluſseisen
ist jetzt im allgemeinen der folgende.


Die Guſsblöcke, deren Gröſse sich nach dem Bedürfnis und
nach der Stärke der Blockwalzen richtet, werden in einem kräftigen
Blocktrio mit mechanischer Bedienung in einer Hitze zu langen
Flachstäben vorgewalzt. Diese kommen noch warm mittels Roll-
ganges unter Scheren, wo sie zu Platinen zerschnitten werden, deren
Länge sich nach der Breite des herzustellenden Bleches richtet.
Die Platinen werden sodann der Breite nach durch Blechwalzen,
Duo-Schleppwalzen, zu Blechen ausgewalzt. Diese werden im Wärm-
ofen aufgewärmt und durch eine zweite Blechwalze geschickt, alsdann
umgeschlagen (doubliert) und an dem unegalen Ende beschnitten.
Hierauf wieder gewärmt, auf die doppelte Länge gewalzt und von
neuem gedoppelt, was je nach der Dünne der herzustellenden Bleche
nochmals wiederholt wird. Hierbei faſst der Walzer am Schlusse jedes
Durchwalzens die gedoppelten Bleche mit der Zange und wirft sie
mit einem besonderen Schwunge so auf den plattenbelegten Boden,
daſs sich die Blechtafeln von einander lösen. Der Doppler ergreift
sofort die gelockerten Bleche mit der Zange, biegt sie um, wobei er
mit dem mit einem starken Holzschuh bekleideten Fuſs hilft, drückt
sie unter einer scherenartigen Hebelpresse fest zusammen und bringt
sie dann unter die Schere, welche die unregelmäſsigen offenen Ränder
abschneidet.


Die fertiggewalzten Bleche werden entweder als Schwarzbleche
sortiert oder kommen zur Verzinnung in die mechanische Beize, wo
sie, wie oben beschrieben, in Gitterkörben, von denen zwei an den
beiden Enden einer horizontalen Eisenstange wie an einem Wage-
balken hängen, einmal etwa sechs Minuten in der sauren Beize, dann
ebenso lange in dem Waschwasser auf- und niederbewegt werden.
Die gebeizten Bleche werden dann zu Haufen aufgeschichtet in starken,
guſseisernen Glühkisten in einem Ofen ausgeglüht. Diese Glühkisten
aus Guſseisen bestehen 1) aus zwei Teilen, einem plattenförmigen
Untersatz mit vier Füſsen und einem viereckigen, kistenartigen Deckel,
[838]Blechfabrikation.
der ähnlich einer Käseglocke die Bleche dicht umschlieſst und bedeckt.
Zur völligen Dichtung dient noch ein Gemenge von Sand und Hammer-
schlag oder Eisenfeile. Der Glühofen ist ein viereckiger Kasten mit
beweglichem Deckel, in den durch einen Kran je nach der Gröſse
1, 2 oder 4 solcher Kisten nebeneinander gesetzt werden. Der Ofen
hat Gas-Regeneratorfeuerung. Nachdem die geglühten Bleche aus-
einandergenommen und geprüft sind, gelangen sie, ehe sie zum Ver-
zinnen kommen, noch ein zweites Mal kurz in eine reinere Beize und
sind dann zum Verzinnen fertig. Um sie vor Rost zu schützen, legt
man sie in eine Kufe mit reinem Wasser. Hieraus nimmt sie der
Verzinner und taucht sie zunächst in ein Gefäſs mit fast siedend
heiſsem Palmkernöl, um die anhaftende Feuchtigkeit zu verjagen und
die Tafel einzufetten. Sodann gelangt sie zum Vorverzinnen in den
ersten Zinntopf. Diese Operationen geschehen meist noch mit der
Hand. Bei dem alten Verfahren 1) hatte man vier Zinntöpfe neben-
einander, die das Blech durchlaufen muſste: 1. den Einbrennkessel,
worin die erste Verzinnung mit gebrauchtem Zinn aus den folgenden
Töpfen erfolgt; 2. den Bürsttopf, der die gleichmäſsige Verteilung der
Zinndecke bezweckt; 3. den Waschtopf, in dem die durch das Bürsten
entstandenen Perlen entfernt, aufgelöst, „abgewaschen“ werden und
4. den Fetttopf, in dem mit reinstem Zinn die glänzende Oberfläche
gegeben wird. An Stelle dieses umständlichen Verfahrens ist in neuerer
Zeit fast überall die Schnellverzinnungsmethode mit Walzenkessel
getreten. Hierbei geschieht meist die erste Verzinnung, das Ein-
brennen, in derselben Weise, wie angegeben. Um sehr gute Weiſs-
bleche zu erhalten, kann man aber auch das alte Verfahren noch mit
dem Walzenkessel verbinden. Das verzinnte Blech kommt bei dem
abgekürzten Verfahren in ein zweites Gefäſs mit Fett und von da in
den englischen Zinntopf (Walzenkessel), wo es zwischen drei, fünf oder
mehr parallelen Walzen in das flüssige Zinn eingetaucht wird. Die
Tafel gelangt dann durch ein unteres Walzenpaar nach oben und
tritt zwischen den folgenden oberen Parallelwalzen fertig verzinnt
heraus, wo es von einem Arbeiter abgenommen wird. Es folgt nun
die Reinigung der Weiſsblechtafel entweder mit der Hand oder mit
der Maschine. Erst gelangt das noch heiſse Blech in steil geneigter
Stellung auf ein Gestell, um überflüssiges Fett und Zinn ablaufen zu
lassen, dann wird es in drei Operationen zur Entfettung durch
immer reinere Kleie hin und her gezogen und zuletzt mit Filz-
[839]Blechfabrikation.
lappen abgeputzt. Dieselben Operationen vollführen rascher und sicher
die Reinigungsmaschinen, von denen wir besonders die von Goes er-
fundene, von Främbs auf dem Rasselstein bei Neuwied mit Erfolg
eingeführte erwähnen.


Der Verbrauch von Weiſsblech erfuhr eine auſserordentliche
Steigerung durch seine Verwendung als Packmaterial besonders für
Konservenbüchsen. Davon entfiel der bei weitem gröſste Teil auf die
Vereinigten Staaten. Den gröſsten Vorteil hiervon hatte zunächst
noch England 1), das diesen Fabrikationszweig fast monopolisiert hatte
und dem es gelang, durch Steigerung seiner Produktion bis in die
neunziger Jahre hinein, seine herrschende Stellung zu behaupten.
Fast sämtliche Weiſsblechfabriken Englands lagen in Südwales
und Monmouthshire. 1862 zählte man 106 Walzwerke für diesen
Zweck mit 50000 Tonnen Produktion, 1872 218 Walzwerke mit
120000 Tonnen, 1881 389 Walzwerke mit 245000 Tonnen Erzeugung,
die in 6850000 Kisten verschickt wurden. 1881 betrug der inländische
Verbrauch 62500 Tonnen, während fast die ganze übrige Produktion
nach Amerika ging. Etwa drei Viertel des Weiſsblechs wurden zu
Büchsen verarbeitet.


Von der Weiſsblechfabrikation in England bis zum Jahre 1883
ist kurz noch folgendes zu bemerken. Das Zinn, was dafür verwendet
wurde, kam fast gar nicht mehr aus Cornwall, sondern aus Asien und
Australien, zumeist von Banka und Billiton. 1856 hatte man bereits
die erste Weiſsblechplatte aus Bessemerstahl hergestellt, aber erst
1875 gelang es, das Fluſseisen mit Erfolg anstatt des Holzkohleneisens
in dieser Fabrikation zu verwenden und zwar war dies Flammofen-
fluſseisen aus Siemens-Martinöfen. Am meisten kam Siemensfluſseisen
von Landore mit 0,05 bis 0,14 Prozent Kohlenstoff zur Verarbeitung.
Dieses Eisen war in Siemens-Regenerativ-Flammöfen mit saurem Futter
bei 8,5 Tonnen Einsatz aus eigenem, Cumberländer und schottischem
Roheisen und Abfalleisen, wozu nach vier bis fünf Stunden 1200 bis
1500 kg Bilbaoerze gesetzt wurden, erzeugt. Zum Schluſs wurde etwas
Spiegeleisen oder Ferromangan zugesetzt.


1883 trat dann basisches Fluſseisen in erfolgreichen Wett-
bewerb. Beliebt war das in Clapp-Griffith-Konvertern erzeugte Eisen.
Durch Anwendung des Fluſseisens an Stelle des Schweiſseisens war
die Schwarzblechfabrikation wesentlich vereinfacht. Man veranschlagte
[840]Blechfabrikation.
in England die Ersparnis durch geringeren Abbrand, weniger Glüh-
spanbildung beim Walzen und weniger Ausschuſsbleche auf 30 Prozent.
Die Fluſseisenbleche bedurften wegen ihrer glatten Oberfläche weniger
Zinn, dagegen mehr Beizsäure bei der Weiſsblechfabrikation. Das
Verzinnen geschah nicht mehr mit der Hand, sondern mechanisch.
Fünf guſseiserne Kästen standen nebeneinander, von diesen war der
erste und der fünfte mit Petroleum oder Talg gefüllt, die drei
mittleren mit flüssigem Zinn. Die zu verzinnenden Bleche passierten
die fünf Kästen. Dies geschah nach den Patenten von Cookley und
Maywood dadurch, daſs sie durch Walzen geführt wurden, um die
Dicke der Zinndecke zu regeln und ein schönes Aussehen zu erzielen.
Die fertigen Bleche wurden dann von Knaben mit Kleie und Schafs-
leder abgeputzt.


Zahlreiche Patente für die mechanischen Vorrichtungen bei der
Weiſsblechfabrikation wurden besonders seit 1889 genommen, von
denen wir hier nur einige kurz anführen wollen.


1884 erfand Taylor eine Verzinnmaschine (D. R. P. Nr. 27180).


1887 nahmen Edwards, Lewis und Jones in England ein
Patent (Nr. 17169) auf einen verbesserten Verzinnapparat, desgleichen
Maskrey und Crumbin auf einen verbesserten Zinnherd (D. R. P.
Nr. 41779), der aus zwei Abteilungen, dem Grob- und dem Walz-
kessel, bestand und bei dem der Transport durch das mit Fett be-
deckte Metallbad vermittelst einer über Rollen geführten Mitnehmer-
kette und Führungsschienen geschah.


1888 liesen sich Brazier und Thompson einen Verzinnkessel
patentieren (Engl. Pat. Nr. 14807). In dem Verzinnkessel von Adolph
Gutersohn
in Ford Road (D. R. P. Nr. 46857) wurden die Bleche
in einem Durchstich durch drei hintereinander stehende Walzenpaare
geführt.


Die Engländer J. Gl. Thomas und G. H. White nahmen 1889
ein deutsches Patent (D. R. P. Nr. 51446) auf ein Verzinnungsver-
fahren, dessen Princip darin besteht, daſs das Blech in einem einzigen
Bogen durch zwei Zinnkessel von verschiedener Temperatur geführt
wird. Der niedrigere Eintrittskessel ist mit hoch erhitztem Zinn gefüllt.
Jeder Kessel hat besondere Feuerung und Führungswalzen.


Thomas Turner zu Marshalton (Delaware) schlug vor, das
Scheuern der Schwarzbleche durch auf 200° C. überhitzte Dampf-
strahlen, die in Winkeln von 30° auftreffen, zu vollziehen, während
die Bleche durch zwei Walzenpaare gleichzeitig geführt werden. Das
[841]Blechfabrikation.
Beizen der Bleche sollte unter Zuhülfenahme des elektrischen Stromes
geschehen.


Putzmaschinen für das Weiſsblech erfanden Jos. Klee in Schalke
1887 (D. R. P. Nr. 41270), James Abbott in Blaina 1889 (Engl. Pat.
Nr. 10116).


Gutersohns Patent von 1889 (D. R. P. Nr. 46857) umfaſste auch
ein Verfahren zum Trocknen und Einfetten der Bleche. Er läſst das
Blech durch eine Lösung von Ammoniakkarbonat mit Palmöl und
dann durch drei Walzen gehen, eine Streckwalze, eine Gummiwalze,
um die Feuchtigkeit abzuquetschen, und eine Walze mit elastischer
Oberfläche, deren unterer Teil in Palmöl taucht, zum Einfetten. Von
da kommen die Bleche in den Zinnkessel.


Bis 1890 beherrschte England den Zinnhandel noch fast aus-
schlieſslich. Es produzierte 90 Prozent des gesamten Weiſsbleches.
1889 betrug seine Produktion 430623 Tonnen; hiervon gingen
336692 Tonnen in 5559734 Kisten nach den Vereinigten Staaten.
Dies änderte sich durch die McKinley-Bill von 1890, bezw. die Weiſs-
blechklausel vom Juli 1891, die den amerikanischen Eingangszoll auf
Weiſsblech verdoppelte. Durch diesen Schutzzoll begann die Weiſs-
blechfabrikation in den Vereinigten Staaten aufzublühen und nach
wenigen Jahren zu groſsartigem Aufschwunge zu gelangen. Man nahm
die englischen Einrichtungen zum Muster, führte aber mancherlei
Verbesserungen in der Fabrikation ein.


Wie in anderen Betrieben, so stellten auch hier die Amerikaner
Massenerzeugung und mechanischen Betrieb in den Vordergrund. Sie
emanzipierten sich sofort von dem altmodischen Grundsatze, die Fein-
bleche in einzelnen kleinen Tafeln zu walzen, indem sie statt dessen
lange, bandförmige Bleche walzten, diese beizten und verzinnten und
hierauf erst mit Scheren in die gewünschten Längen zerschnitten.


Ein solches System lieſsen sich David Evans und R. C. Alcott
in Ausonia (Conn.) 1889 patentieren (Amer. Pat. 408832); ihre Vor-
richtungen bestanden aus langem, horizontalem Tisch, Glättewalzen,
Bürstenwalzen in einem Säurebehälter und Quetschwalzen in dem
Zinnkessel. S. Y. Buckman, Philadelphia, führt nach seinem Patent
von 1891 das Schwarzblechband zwischen Walzen der Beizpfanne zu,
nach dem Austritt aus dieser wird es durch Bürsten mechanisch ge-
scheuert, durch Spritzrohre abgewaschen, gelangt dann durch einen
Trockenofen in einen Salmiakkessel, von da in einen U-förmigen
Zinnkessel mit Walzenführung und von da durch Glättewalzen auf
eine Trommel, auf der das fertige Weiſsblechband aufgerollt wird.


[842]Blechfabrikation.

Putzmaschinen für Weiſsblech lieſsen sich Powell und Williams
(Pa.) und Sculier 1890 1) (D. R. P. Nr. 55468), sowie Davies und
Phillipps2) (Amer. Pat. Nr. 450929) und Andere patentieren.


Der Amerikaner D. Edwards, der sich eine Anzahl von Ver-
besserungen bei der Weiſsblechfabrikation schützen lieſs, erfand
1891 auch ein sinnreiches Verfahren, die einzelnen Bleche eines
Buschens oder Stoſses durch einen mit Saugnäpfen versehenen Greifer
aufzuheben und durch den mit Walzen versehenen Zinnkessel auf
den Rechen zu führen (D. R. P. Nr. 66736 und 68015).


Die Fortschritte der Weiſsblechfabrikation in den Vereinigten
Staaten kamen in der Weltausstellung zu Chicago 1893 deutlich zur
Anschauung. Auſser den vorzüglichen mechanischen Verbesserungen
ist dabei auch die rationelle Anordnung hervorzuheben. So erreichen
die amerikanischen Fabriken eine Zeitersparnis, also Mehrproduktion
dadurch, daſs sie die Kaltwalzen hinter die Heiſswalzen stellen,
während man sie in England nebeneinander anordnet. Das System
des Bandwalzens an Stelle des Tafelwalzens wurde in Deutschland
durch das früher schon erwähnte, von Direktor C. Wittgen-
stein
in Teplitz erfundene und von der Märkischen Maschinenbau-
gesellschaft in Wetter durch Direktor Trappen ausgeführte, 1893
patentierte (D. R. P. Nr. 69671) Feinblechwalzwerk 3) eingeführt. Der
bis auf 50 mm Stärke vorgewalzte Fluſseisenblock von 300 mm wird in
einem Lauthschen Trio auf 5 mm Dicke vorgewalzt und dann in einer
Hitze durch ein System von fünf hintereinander stehenden Duowalzen
mit zunehmender Geschwindigkeit auf 1½ bis 2 mm ausgewalzt 4).
Das Band von 14 bis 17 m Länge kommt direkt unter Scheren. Die
Leistung betrug 1892 30000 kg Feinblech in 24 Stunden.


Nach einem Patent von H. Hewitt in Birmingham (Engl. Pat.
Nr. 1414 vom 25. Januar 1892 5) wurden zum Herunterwalzen dünner
Bleche drei Walzenpaare in einem Gerüst so angeordnet, daſs die Tafel
immer auf der Arbeitsseite austritt, um gleich wieder in die enger
gestellten Walzen eingeführt zu werden. Ähnliches wollte Herm.
Meyer
in Düsseldorf (D. R. P. Nr. 65878 vom 23. Februar 1892)
durch eine selbstthätige Umführung der Bleche mittels endloser Ketten
mit einem Walzenpaar erreichen.


[843]Blechfabrikation.

Die Beiz- und Reinigungsvorrichtungen 1) wurden ebenfalls in den
Vereinigten Staaten verbessert und dem Groſsbetriebe angepaſst. In
der groſsen Weiſsblechfabrik zu Demmler bei Pittsburg wurden 1893 2)
in einem Apparat nach dem System „Mesta“ in 12 Stunden an
1000 Kisten zu 49 kg gebeizt, wobei nur ein Mann und ein Junge
erforderlich waren.


Sehr vervollkommnet wurden die mechanischen Verzinnungstöpfe,
in denen die Verzinnung durch ein einmaliges maschinelles Durch-
führen durch den Apparat erreicht wurde. Fig. 331 zeigt den von
der St. Louis Stamping Co. verwendeten Verzinnungstopf von Daniel

Figure 332. Fig. 331.


Edwards, Richard Lewis und Philipp Jones (Engl. Pat. vom
16. Mai 1887, Nr. 7139). Das Gefäſs rechts enthält Zinn, das folgende
Fett, das dritte reines Zinn für die Vollenddecke, der vierte Raum
über dem Zinn Fett. Die Töpfe werden durch unterhalb liegende
Feuerungen erwärmt. Die Bleche werden in das erste Walzenpaar
eingeschoben und nehmen dann von selbst den vorgeschriebenen
Weg. In 10 Stunden können in einem Apparat 7200 Bleche, also
etwa 64 Kisten, verzinnt werden. Die Taylor Co. in Philadelphia
bediente sich eines von Taylor und Struve erfundenen Verzinnungs-
topfes 3) (Amer. Pat. Nr. 453304), der als Taylor-Leyshons Ver-
zinnungsmaschine auch in Europa Eingang fand.


[844]Blechfabrikation.

Eine von Rogers \& Player 1894 erfundene Verzinnungs-
maschine 1) (D. R. P. Nr. 56665), „The iron man“ genannt, bedarf
nur einen Mann zur Bedienung. Bei den Verzinnungsmaschinen von
Taylor, Struve \& Co. in Briton Ferry und von Player in Clydach
werden die Bleche horizontal bogenförmig ein- und durchgeführt.
Bei allen neueren Verzinnmaschinen kommt Palmfett und Zinkchlorid
zur Verwendung.


Eine mechanische Vorrichtung zum Ausheben des Weiſsblechs
aus dem Zinnkessel erfand E. Norton in Maywood (Ill.) 1895 (D. R. P.
Nr. 82897).


Zum Trennen der aufeinandergewalzten Schwarzbleche bedient
man sich in Amerika einer von Williams \& White erfundenen
Maschine 2) (D. R. P. Nr. 92346); zum Beizen eines der von David
Grey
in Maesteg, von Milbroock \& Co. in Swansea und von Taylor
\& Struve
in Briton Ferry patentierten mechanischen Beizverfahren.
Das Putzen der Weiſsbleche geschieht in Amerika ebenfalls nur
durch Maschinen 3).


Während die englische Weiſsblechfabrikation in den neunziger
Jahren zurückging, nahm die der Vereinigten Staaten rasch zu.
Englands Erzeugung erreichte im Jahre 1891 den Höhepunkt mit
448379 Tonnen, dieselbe sank 1895 auf 366120 Tonnen.


Die Vereinigten Staaten, die 1891/92 nur 5803 Tonnen Weiſsblech
dargestellt hatten, erzeugten 1897 260711 Tonnen, dementsprechend
sank die englische Einfuhr nach Nordamerika und zwar von 535143
Tonnen im Jahre 1891 auf 113046 Tonnen im Jahre 1895/96.


Die Herstellung von verzinkten, sogenannten galvanisierten
Blechen
4) hat ebenfalls sehr zugenommen. Die gewellten Bleche
waren meistens galvanisiert.


Für die verzinkten Bleche nahm man ordinärere Schwarz-
bleche und gröſsere Tafeln. Dementsprechend waren die Beizbottiche
und die aus Schmiedeeisen gefertigten Verzinkungskästen viel gröſser,
als die entsprechenden Gefäſse bei der Weiſsblechfabrikation. So
waren beispielsweise 1881 die Verzinkungspfannen in Cleveland (Ohio)
2,5 bis 3,7 m lang, 0,61 m breit und 1 bis 1,3 m tief und faſsten 18
bis 25 Tonnen geschmolzenes Zink. Um die Oberfläche der verzinkten
Bleche schön geflammt zu erhalten, setzte man dem Bade wöchentlich
[845]Blechfabrikation.
zwei Zinkblöcke zu. Das geflammte oder krystallinische Aussehen
wurde auf die verschiedene Erstarrungstemperatur des alten unreinen
und des zugesetzten reinen Zinns zurückgeführt.


Eine ganz neue Verwendung fand das Blech als sogenanntes
Streckblech (expanded metal) für Betonbauten. Durch parallele
Schnitte wurde das Blech zerteilt zu einem Netzwerk ausgezogen, was
Drahtgewebe ähnlich war und dieses ersetzte. Es war eine ameri-
kanische Erfindung 1) von J. French Golding in Chicago (D. R. P.
Nr. 84345 vom 29. August 1894), die aber auch in Europa rasch in
Aufnahme kam. In Deutschland stellt die Firma Schüchtermann
\& Kremer
in Dortmund dieses Streckmetall dar.


Sehr bedeutend waren die Fortschritte der Fabrikation der
Grobbleche in dieser Periode, infolge der Verwendung des Fluſs-
eisens und der Verbesserungen der Walzwerke. Auch für sie war
die Erfindung von Thomas-Gilchrist und die Einführung des
basischen Verfahrens von hervorragender Bedeutung. Unter den
Grobblechsorten waren es besonders Wellbleche, Schiffsbleche und
Kesselbleche, die immer steigende Verwendung fanden. Bessemer-
fluſsstahl war schon vor dem Jahre 1870 bei dieser Fabrikation
verwendet worden, aber nur ausnahmsweise mit ökonomischem Vorteil.
Die groſse Verbilligung des Fluſseisens nach der Einführung des
basischen Verfahrens bewirkte seit 1880 eine rasch zunehmende
Verwendung des Thomas- und des basischen Martinfluſseisens, so
daſs diese auch hier den Sieg über das Puddelschweiſseisen davon-
trugen und dessen Verbrauch für die Blechfabrikation mehr und
mehr einschränkten. Bei der Dampfkesselfabrikation ging dieser
Übergang nicht ohne Kampf vor sich. Das Fluſseisenblech bot für
die Verarbeitung manche Schwierigkeiten, die erst erforscht und
überwunden werden muſsten. Es läſst sich schwieriger schweiſsen,
verträgt keine Bearbeitung in der Blauhitze und rostet leichter. Sein
groſser Vorzug liegt bei blasenfreiem Material in seiner Homogenität.
Man verlangte mit Recht von den Fluſseisenblechen höhere Qualitäts-
ziffern als von Schweiſseisen. Nach der Stuttgarter Delegierten-
versammlung des internationalen Verbandes der Dampfkessel-Über-
wachungsvereine im Juni 1890 2) wurde dieselbe für Feuerbleche
z. B. wie folgt festgesetzt:


[846]Blechfabrikation.

Ehe man das weiche Flusseisen kannte und nur höher gekohlte
Bessemerstahlbleche verwenden konnte, waren die Festigkeitsziffern
ganz andere gewesen. So verlangte man in Frankreich 1861 bis 1863
von Fluſseisenkesselblechen eine Zerreiſsfestigkeit von 60 bis 70 kg
und 7 bis 10 Prozent Dehnung, während diese Zahlen 1885 von der
französischen Marine auf 40 kg und 28 Prozent festgesetzt wurden.


In Deutschland teilte man damals die Fluſseisenbleche in weiche
von 37,6 kg, mittelweiche mit 39 kg und harte mit 45,45 kg Zerreiſs-
festigkeit. Die deutsche Marine forderte 1887 für Dampfkesselbleche
noch eine Zerreiſsfestigkeit von 42 kg, die aber dann besonders auf
Betreiben Krupps auf 40 kg ermäſsigt wurde. Sehr hohe Anforde-
rungen stellte die amerikanische Marine damals, die meistens mit
Bessemerblechen zu thun hatte. Sie verlangte 45 kg Festigkeit bei
53 Prozent Kontraktion, modifizierte dieselben später


  • auf 49 kg Festigkeit bei 43 Prozent Kontraktion
  • oder 46 „ „ „ 50 „ „
  • „ 42 „ „ „ 55 „ „

Im allgemeinen haben sich besonders die weicheren Fluſseisen-
sorten, wie sie der Thomas-Gilchrist-Prozeſs und das basische
Siemens-Martin-Verfahren liefern, bei der Kesselblechfabrikation sehr
bewährt und hat sich dadurch Deutschland nicht nur von der Über-
legenheit Englands befreit, sondern Bleche erzeugt, die an Güte die
altrenommierten Sorten von Lowmoor und Bowling erreichten oder
übertrafen; besonders leisteten die rheinisch-westfälischen Werke,
namentlich Piedboeuf, und das Borsigwerk in Oberschlesien hierin
hervorragendes, so daſs z. B. schon 1884 Bleche des letztgenannten
Werkes von England bezogen wurden. Ebenso zeichnete sich
1887 das Thomasblech von Peine durch seine Weichheit und Güte,
die es dem Lowmoorblech ebenbürtig machte, aus. Nach der Ver-
öffentlichung von J. Wild hatte es folgende Begleitbestandteile: Kohlen-
stoff 0,08, Phosphor 0,05, Mangan 0,40 bis 0,45, Silicium nur in Spuren,
[847]Blechfabrikation.
Schwefel nicht über 0,03 bis 0,04 Prozent. Nach Wild ist Thomas-
blech mit 0,10 Prozent Kohlenstoff schon zu hart, mit 0,06 Prozent
zu weich.


Nach Kreuzpointner hatte gutes amerikanisches Kesselblech
aus Martinfluſseisen, das aber keine Bearbeitung in der Blauhitze
vertrug, folgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,11 bis 0,17, Mangan
0,38 bis 0,55, Silicium 0,01 bis 0,05, Phosphor 0,03 bis 0,06, Schwefel
0,02 bis 0,03 Prozent.


Von den Fortschritten der Fabrikation erwähnen wir zunächst
zwei, die zwar nur interessante Versuche geblieben sind, immerhin
aber ein geschichtliches Interesse verdienen. Beide bezwecken, Blech
direkt aus dem flüssigen Metall herzustellen.


Joh. Whitley wollte Schiffsbleche durch Centrifugalkraft her-
stellen 1) und erbaute hierfür 1884 ein Werk bei Leeds. Sein Apparat
bestand aus einem hohlen, rotierenden Metallcylinder, innen mit
Ganister oder sonstigem feuerfesten Material ausgefüttert und glatt
gestrichen. In diesen Cylinder lieſs er Fluſseisen durch hohle Röhren
mit seitlichen Öffnungen einströmen. Durch die Centrifugalkraft ver-
teilte sich das Metall an der Innenwand und bildete einen hohlen
Cylinder, welcher zerschnitten und zu Schiffsblech ausgewalzt wurde.
Dieser Betrieb wurde einige Zeit fortgesetzt. Die Idee des Hohlgusses
durch Centrifugalkraft war bekanntlich nicht neu (s. Bd. IV, S. 109).
Petin, Gaudet \& Co. hatten ihn in Frankreich in den sechziger
Jahren auch bereits auf den Guſs von Radbandagen aus Fluſseisen
angewendet, allerdings ohne Erfolg, weil sich die erhaltenen Bandagen
nicht schmieden lieſsen.


Das andere Verfahren, das gegen Ende der achtziger Jahre zahl-
reiche Versuche in den Vereinigten Staaten veranlaſste, war die
Herstellung von gewalztem Blech unmittelbar aus flüssigem Metall
durch Eingieſsen zwischen Walzen. Diese Idee der Herstellung end-
loser Bleche direkt aus flüssigem Metall war durchaus nicht neu.
Der groſse Erfinder Henry Bessemer hatte sie schon 1846 für
Glas und Blei praktisch zu machen gesucht. Nachdem der pneu-
matische Prozeſs und die Herstellung des Bessemerfluſsstahls gelungen
war, übertrug H. Bessemer seinen früheren Plan auf dieses Metall,
indem er sich die direkte Darstellung von Blech und Stabeisen aus
flüssigem Bessemereisen am 24. Januar 1857 (Pat. Nr. 221) patentieren
lieſs. Eine praktische Verwertung fand das Patent damals nicht.


[848]Blechfabrikation.

Derselbe Gedanke wurde in der Folge von anderen Erfindern
aufgegriffen, so von James Robertson in seinem Patent vom
20. Dezember 1869 (Nr. 3677) und von James Clarke in zwei
Patenten vom 12. Oktober 1870 (Nr. 2699) und vom 11. April 1871
(Nr. 953). Um die Mitte der achtziger Jahre machte Friedr. C. G.
Müller
in Brandenburg denselben Vorschlag für die Drahtfabrikation
und sollen auch in Deutschland Versuche dieser Art damals gemacht
worden sein. Mit Ernst wurde aber erst Ende der achtziger Jahre
dieser Gedanke in den Vereinigten Staaten zur Ausführung gebracht.
O. W. Potter zu Maywood bei Chicago erbaute ein Walzwerk für die
Darstellung von Blech aus flüssigem Fluſseisen, mit dem er in einer
Minute 400 Fuſs Blech von 6 bis 8 Zoll Breite und 0,015 Zoll Dicke
herstellte. Die hohlen Walzen waren durch Wasser gekühlt. Das
Walzwerk war mehrere Monate in Betrieb 1).


Edwin Norton und John George Hodgson in Maywood
(Illinois) lieſsen sich ein Walzwerk zur Herstellung von Blech aus
flüssigem Metall im Juli 1889 auch in Deutschland patentieren 2)
(D. R. P. Nr. 52002). Henry Bessemer empfahl darauf 1891 dieses
Verfahren auch in England wieder 3).


Von weit gröſserer praktischer Bedeutung war der groſsartige
Aufschwung, welchen die Fabrikation und Verwendung von Well-
blech
in diesem Zeitraum nahm. Wellblech war schon in den
fünfziger Jahren in England für Dachbedeckungen in Gebrauch ge-
kommen 4). Es wurde durch Pressung mit einem Stempel hergestellt.
Aber schon am 13. Juni 1856 erhielt John Le Chapelaine ein
Patent auf eine Art Walzwerk zum Wellen von Blechen, die als
Träger dienen sollten (Engl. Pat. Nr. 1403). Eigentliches Träger-
wellblech, bei dem die Wellenhöhe gröſser ist als die halbe Wellen-
breite, wurde zuerst von der Firma Wesenfeld jun. 1875 in den
Handel gebracht. C. L. Wesenfeld in Barmen nahm 1877 zwei
deutsche Patente (D. R. P. Nr. 2469 und 2490) auf seine Wellblech-
presse 5).


Seit jener Zeit gewann die Wellblechfabrikation rasch an Um-
fang und Bedeutung. Anfangs wurde das gewellte Blech nur gepreſst.
[849]Blechfabrikation.
Es folgten in Deutschland die Wellblechpressen von R. Simony
(D. R. P. Nr. 4238) und von Jacob Hilgers (D. R. P. Nr. 4238) 1878,
von Paul Schröter in Neuwied 1879, von Thyssen \& Co. in Mül-
heim a. d. Ruhr 1881 u. s. w. Anfang der achtziger Jahre begann
man die Wellbleche durch Walzwerke herzustellen. Bei den ältesten
waren die Walzen wellenförmig gefurcht und wurden allmählich nach
jedem Durchgang des Bleches durch Senken der Oberwalze einander
genähert 1). Dann ging man zu Walzen über, die in ihrer Längs-
richtung gewellt waren, in die das Blech seiner Breite nach ein-
gesteckt wurde. Bei diesen
wie bei den vorhergehenden
lieſsen sich nur geringe
Wellentiefen erreichen;
auch erforderte jedes
andere Profil andere Wal-
zen. Diesem Miſsstand
begegnete Vital Daelen
in Berlin 1882 dadurch,
daſs er die Profile durch
verstellbare Formringe her-
stellte (D. R. P. Nr. 19949).
Mit drei Satz Formringen
lieſsen sich auf diese Art

Figure 333. Fig. 332.


sämtliche gebräuchlichen Profile herstellen. Gottfried Kammerich
in Berlin konstruierte 1883 ein Wellblechwalzwerk mit mehreren
hintereinander liegenden Walzenpaaren.


Zur Herstellung sehr langer Bleche erfanden Ludwig Potthoff
und Adolf Schiller 1884 ein Walzwerk (D. R. P. Nr. 31674), welches
unter dem Namen Baroper Walzwerk bekannt wurde. Es besteht aus
drei Walzen (Fig. 332), die so profiliert sind, daſs erst der Wulst H
bei dem dritten Durchgang das richtige Profil des Wellblechs erzeugt.
Das Blech wird von links nach rechts immer um das halbe Profil
verschoben und zeigen a, b, c, d, e die fortschreitende Furchung des
Bleches.


Zur Herstellung von Wellblechen beliebiger Länge und Breite
konstruierte Fr. Moll 1887 eine Maschine (D. R. P. Nr. 42528), die
mehr einem schweren Wagen, dessen Räder die Wellen einpressen,
Beck, Geschichte des Eisens. 54
[850]Blechfabrikation.
ähnlich ist. Die gleichzeitig erzeugten Wellen liegen nicht neben-
einander, sondern in einem gewissen Abstand, der aber zur Wellen-
breite in bestimmtem Verhältnis steht. Ein rationelles Walzwerk
zum Biegen (Bombieren) von Wellblech erfand Adolf Hohenegger
zu Karlshütte bei Teschen 1888 (D. R. P. Nr. 45919). Für das Walzen
von Blechen mit hohen Rippen, Riffelblech, nahm C. Löhr in Meggen
1893 ein Patent (D. R. P. Nr. 68691). Das Wellblech wurde in der
Regel verzinkt (galvanisiert). Nicht nur Dach- und Trägerblech wird
gewellt, sondern auch starkes Kesselblech für die sogenannten Kessel-
schüsse zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen den Dampf-
druck. Solche gewellte Kesselbleche verarbeitete z. B. die Firma
Schultz, Knaudt \& Co. in Essen schon Ende der siebziger Jahre
und erfand dafür 1879 ein Bombierwalzwerk zum Biegen der Bleche
(D. R. P. Nr. 11358).


In England stellte S. Fox in Leeds 1885 gewellte Dampfkessel-
Flammrohre her. Das Kesselblech wurde erst gewellt und geschweiſst,
sodann wurden mit Ausnahme der Längsfugen der Schweiſsnaht Rippen
eingewalzt, welche die Widerstandsfähigkeit gegen Druck bedeutend
— von 16 kg auf 71 kg pro Quadratcentimeter — erhöhten.


Zur Herstellung längsgewellter Kesselschüsse erfand A. Wulf in
Berlin 1887 ein Walzwerk, während J. G. Lawrie für quergewellte
Kesselschüsse ohne Naht ein Walzwerk mit Anwendung erhitzter
Guſsformen einführte.


Für die Herstellung von Blechringen für Dampfkessel aus einem
Stück ohne Naht war 1886 zu Barrow in England ein groſsartiges
Walzwerk von 3000 Pfdekr. nach Art der Radreifenwalzwerke erbaut
worden.


Was die Fortschritte der Formgebung bei den Schwarz- und
Grobblechen im allgemeinen betrifft, so liegen diese wie bei der Fein-
blechfabrikation besonders in dem Walzen sogenannter endloser Bleche,
die zerschnitten wurden, an Stelle des Walzens einzelner Tafeln.
Dieser Gedanke war schon in dem obenerwähnten Patent von Sir
H. Bessemer vom Jahre 1857 enthalten. Er lieſs sich denselben
1879 von neuem in der Form, daſs das Auswalzen in einem einzigen
Durchstich erfolgen sollte, patentieren 1). Es geschah dies in der
Weise, daſs die starken Platinen glühend auf die Breite der Bleche
geschnitten und in Platten vorgewalzt wurden. Diese wurden in
[851]Blechfabrikation.
Retorten gewärmt und dann in einer Hitze fertiggewalzt. Das Walz-
werk hatte zwei Zubringewalzen. Die Oberwalze war verstellbar und
wurde durch hydraulische Kolben, die in den Ständern angeordnet
waren, gegen die mit Wasser gekühlten Lagerschalen angedrückt,
dadurch wurde die in den unteren festen Lagerschalen liegende
Walze mitgenommen. Hinter den Walzen befand sich ein rotierendes
Scherenwerk.


Zum Glühen der Platinen und der Bleche wendete man in mehreren
Gegenden, z. B. in Österreich, dem Siegerland u. s. w. Flammöfen mit
Vorherden, die öfter über einem Teile des Glühherdes lagen, oder
Doppelherde an.


Die Verbesserung der Walzwerke und Walzenzugmaschinen und
die Verarbeitung schwerer Fluſseisenblöcke ermöglichten die Her-
stellung starker Grobbleche von auſserordentlichen Dimensionen; so
sah man 1873 in Wien Brückenblech von Reschitza von 55′ Länge,
12½″ Breite, 3½‴ Dicke. Gutehoffnungshütte zu Sterkrode hatte
Kesselblech 17 m lang, 5,3 m breit, 9 mm dick, und Josse Coffin aus
Clabesco (Belgien) Lokomotivrahmenblech 25½′ lang, 3½″ breit, 1 3/6‴
dick ausgestellt. Namentlich walzte man Grobbleche viel breiter wie
früher; hierfür muſste die Ballenlänge der Grobblechstraſsen ent-
sprechend vergröſsert werden. 1886 walzte man auf dem Borsigwerke
in Oberschlesien mit Walzen von 3,50 m Ballenlänge Blechplatten
von 7000 kg Gewicht sowohl aus Schweiſseisen als aus Martinstahl.
So schwere Walzwerke muſsten als Duo mit Umkehrung arbeiten,
obgleich nach Stevensons Angabe (1886) Bleche, die auf in einer
Richtung laufenden Walzen hergestellt waren, immer gleichmäſsiger
sein sollten, als die auf Walzen mit Reversierkuppelung gewalzten.
In den Vereinigten Staaten zog man auch deshalb für Grobbleche
Triowalzwerke vor. Diese erforderten natürlich sehr starke Dampf-
maschinen. Ein Musterwalzwerk dieser Art war 1892 das neue Blech-
walzwerk von Wellman1), damals das breiteste Trio in Nordamerika.
Es wurde nach Wellmans Angaben von der Garrison Foundry Co.
in Pittsburg für die Wellman Eisen- und Stahlgesellschaft in Thurlow,
Pa., gebaut. Die Ballenlänge betrug 3350 mm, der Durchmesser der
Ober- und Unterwalze je 876 mm, der der Mittelwalze 508 mm. Als
Antriebmaschine diente eine direkt wirkende, liegende Corliſsmaschine,
deren Dampfkolben 1016 mm Durchmesser und 1770 mm Hub hatte.
Das Schwungrad wog 50 Tonnen. Die Maschine machte 70 bis
54*
[852]Blechfabrikation.
80 Touren in der Minute. Man konnte auf dieser Straſse Bleche von
21½ m Länge und 3200 mm Breite walzen. Die dazu gehörigen

Figure 334. Fig. 333.


[853]Blechfabrikation.
Regenerativwärmöfen 1) wurden mit Tellerventilen gesteuert. Jeder
Ofen hatte ein Ausbringen von 50 Tonnen in 12 Stunden. Dieses
System wurde in den Vereinigten Staaten weiter ausgebildet. Das
im Jahre 1896 vollendete neue Blechwalzwerk (Fig. 321 bis 323,
S. 817, 818) der Illinois-Stahlgesellschaft, Südchicago 2), galt damals
als das gröſste und bestausgestattete Werk der Vereinigten Staaten.
Seine Beschreibung lautete: „Die Walzenstraſse (Fig. 333) besteht
aus zwei Lauthschen Triogerüsten; das erste Gerüst in der Nähe
der Kammwalzen hat Walzen von 2286 mm Ballenlänge; die Ober-
und Unterwalze haben 863 mm und die Mittelwalze 457 mm Durch-
messer. Alle sind aus Hartguſs. Das zweite Walzgerüst hat Walzen
von 3353 mm Länge. Die Ober- und Unterwalzen sind aus Stahl
und haben 863 mm Durchmesser, die Mittelwalze ist aus Hartguſs und
hat 533 mm Durchmesser. Das Walzwerk ist für Blöcke von 610 mm
Dicke eingerichtet. Der Tisch handhabt mit Leichtigkeit Blöcke von
7 bis 8 Tonnen Gewicht. Der Antrieb erfolgt von einer Porter-Allen-
Maschine, welche bei 1370 mm Cylinderdurchmesser 1925 mm Hub hat
und ungefähr 60 Umdrehungen in der Minute macht. Die Blöcke
werden von dem Stahlwerk aus mittels einer Schmalspurbahn in das
Walzwerk und bis vor die Siemensschen Wärmöfen gefahren. Letztere
werden durch eine elektrische hydraulische Beschickungsvorrichtung 3)
bedient. Diese Maschine nimmt die Blöcke aus den Öfen und bringt
sie bis zum Ende der Tische, über welche sie auf Rollen gleiten.
Nachdem die Blechtafel fertig gewalzt ist, wird sie durch angetriebene
Rollen zum Kühlbett geschafft, auf welchem die Tafeln bewegt,
gehoben und durch vier Wagen transportiert werden. Letztere laufen
auf Schwebebahnen und werden von elektrischen Motoren, wie dies
durch punktierte Linien im Grundriſs angedeutet ist, bedient. Wenn
die Bleche angezeichnet und zum Beschneiden bereit sind, werden sie
auf den Tisch hinter die Schere gelegt, in welche sie dann ein-
geschoben und nach Bedarf in kurze Stücke zerschnitten werden,
während die Kanten auf einer der anderen Scheren zugerichtet werden.
Der Raum um jene Scheren wird von zwei elektrischen Kränen von
je 5 Tonnen Tragfähigkeit beherrscht. Dieselben dienen dazu, die
Tafeln auf Eisenbahnwagen zu legen, welche auf einem am Ende des
Gebäudes befindlichen Geleise zur Verladung bereit sind.


Die Anlage ist speciell zur Herstellung groſser Blechtafeln be-
[854]Blechfabrikation.
stimmt, welche in viele kleinere Tafeln zerschnitten werden, wobei
man einen groſsen Teil des Abfalls, der entstehen würde, wenn die
Tafeln einzeln gewalzt würden, erspart. Die Werke besitzen kein
Vorwalzwerk, die Bleche werden vielmehr unmittelbar aus den warmen

Figure 335. Fig. 334.


Blöcken ohne Nachwärmen gewalzt; dabei ergeben sich nur un-
bedeutende Störungen durch fehlerhafte Tafeln, aber, wie zu erwarten,
entsteht dabei mehr Abfall, als beim Vorwalzen von Brammen.


Man bediente sich aber in den Vereinigten Staaten keineswegs
[855]Blechfabrikation.
ausschlieſslich des Dreiwalzsystems bei der Grobblechfabrikation. Das
ebenfalls 1896 erbaute groſsartige Blechwalzwerk der Bethlehem Eisen-
gesellschaft in South Bethlehem 1) bestand aus einem durch Reversier-
maschinen angetriebenen Vorwalzwerk mit je zwei horizontalen und
vertikalen Walzen, in Verbindung mit einem Trio- und einem Uni-
versalwalzwerk zum Fertigwalzen von Blechen und Platten. In
Fig. 324 und 325 (S. 819) und Fig. 334, 335 sind diese Walzwerke
im Aufriſs, bezw. Längsschnitt dargestellt. Es kommen ganz auſser-
ordentliche Kräfte dabei zur Verwendung. Das Vorwalzwerk, das
die Produktion von vier 40-Tonnen-Siemens-Martinöfen verarbeitet,
wird von zwei von Mackintosh, Hemphill \& Co. in Pittsburg
gebauten Maschinen angetrieben, von denen die eine 1168 mm
Cylinderdurchmesser bei 1525 mm Hub hat und zum Antreiben der

Figure 336. Fig. 335.


horizontalen Walzen von 813 mm Durchmesser dient, während die
andere von 711 × 1218 mm die vertikalen Walzen von 508 mm
antreibt. Beide Maschinen sind mit hydraulischen Reversiervorrich-
tungen versehen und imstande, mit einem Dampfdruck von 7 Atmo-
sphären 6000 bezw. 2240 H. P. zu leisten. Die Schraubenstellung
der Walzen erfolgt durch elektrische Motoren. Die Aikenschen Hebe-
tische werden von zwei Zwillingsreversiermaschinen von 305 × 305 mm
angetrieben. Der Blockwender wird von zwei hydraulischen Cylindern
bewegt. Die hydraulische Schere ist imstande, Brammen von 508
× 1218 mm zu durchschneiden.


Das Trio, dessen Ober- und Unterwalze 864 mm, und dessen
Mittelwalze 508 mm Durchmesser hat, wird ebenfalls von einer
Mackintosh-Hemphill-Maschine von 1168 × 1524 mm angetrieben, die
Walzen haben 3251 mm Ballenlänge.


[856]Panzerplattenwalzwerk.

Das Universalwalzwerk wird von einer 5000 pferdigen Mackintosh-
Hemphill-Zwillingsreversiermaschine von 1066 × 1524 mm angetrieben.
Die horizontalen Walzen haben 660 mm Durchmesser und 1829 mm
Länge; die Oberwalze läſst sich um 457 mm heben; Gewichtsaus-
gleichung und Zustellung erfolgen durch Elektromotoren.


Die zwei vertikalen Walzenpaare (Fig. 335 a. v. S.) haben je 413 mm
Durchmesser. Auf diesem Walzwerke können Bleche von 254 bis
1066 mm Breite und 12,7 mm Dicke auf Längen von 18,3 bis 21,3
gewalzt werden. Bei leichten Blechen kann die Länge bis zu 30 m
betragen.


Die zahlreichen vorzüglich disponierten Kräne von 5 bis 100 Tonnen
Tragfähigkeit, welche diese Walzwerke bedienen, sind sämtlich elektrisch
angetrieben.


Durch die Verbesserungen der Betriebsvorrichtungen hat man es
nach Sir Williams (1898) erreicht, Stahlbleche von 50 mm Dicke zu
walzen, die 30 qm bedecken 1). Durch die mechanische Bedienung
der Blechwalzwerke hat sich deren Leistungsfähigkeit sehr gesteigert.
Als Beispiel nennen wir die neue Blechwalzwerksanlage in Homestead
(Pa.) 2), die eine Tagesleistung von 1500 Tonnen hat.


Diese gewaltigen Grobblechwalzwerke führen uns unmittelbar zu
den ihnen nahe verwandten Panzerplattenwalzwerken.


Panzerplattenwalzwerk.

Die unablässig fortschreitende Verbesserung der Geschütze und
Geschosse zwang zu immer stärkerer Panzerung der Schiffe. Man
erhöhte die Widerstandsfähigkeit der Panzerplatten aber nicht nur
durch zunehmende Dicke, sondern auch durch die Auswahl und Be-
handlung des Materials. Dies war ermöglicht durch die Erfindung
des Fluſsstahls und die Verbesserungen seiner Erzeugung. Die in den
siebziger Jahren notwendig gewordene weitere Verstärkung der Panzer-
platten war mit Schweiſseisen unausführbar, weil man bereits an der
Grenze der Dicke und Schwere angekommen war. So wog z. B. der
Panzer des französischen Kriegsschiffes l’Admiral Baudin 3942 Tonnen
= ein Drittel des Tonnengehalts des Schiffes. Fluſsstahlplatten boten
zwar den Geschossen viel gröſseren Widerstand durch ihre Härte,
waren aber unhaltbar wegen ihrer Sprödigkeit und zersprangen. Die
Idee, Eisen und Stahl zu verbinden, lag nahe. Die Ausführung bot
[857]Panzerplattenwalzwerk.
freilich Schwierigkeiten. Der erste, dem es gelang, solche Compound-
oder Verbund-Panzerplatten aus Eisen und Fluſsstahl herzustellen,
war A. Wilson von der Firma Cammell \& Co. in Sheffield im Jahre
1876. Er goſs in einem groſsen, aus beweglichen Seitenteilen zu-
sammengebauten, aufrechtstehenden Formkasten Fluſsstahl auf eine
eingeformte glühende Eisenplatte auf. Die so hergestellte Verbund-
platte wurde in einem Wärmofen erhitzt und dann gewalzt. Erst ver-
wendete er Siemensstahl, später auch Bessemerstahl. Die Schweiſsung
zwischen Stahl und Eisen gelang zwar auf diese Weise, lieſs aber
oft zu wünschen übrig. J. H. Ellis bei John Brown \& Co. in
Sheffield erfand deshalb (1880) ein anderes Verfahren der Herstellung
von Compound-Panzerplatten, dessen Vorzug in der gröſseren Schweiſs-
fläche bestand.


In eine starke Eisenplatte wurden 25 cylindrische Stahlklötze
eingelassen, hierauf eine Deckplatte gelegt und in einem Formkasten
der Zwischenraum mit Fluſsstahl ausgegossen. Man verwendete
Bessemerstahl am besten von 0,6 Prozent Kohlenstoffgehalt. Die
Stahllage bildete ein Drittel der ganzen Platte. Man stellte Platten
von 483 mm Dicke und 40 Tonnen Gewicht dar. Der Inflexible war
das erste englische Kriegsschiff, welches mit solchen Compoundplatten
ausgerüstet wurde, die dann in allgemeine Aufnahme kamen. Cammell
\& Co
. und John Brown in Sheffield waren längere Zeit die einzigen
Erzeuger der Compoundplatten.


Das 1882 von den Cyklopwerken in Sheffield betriebene Panzer-
plattenwalzwerk hatte Walzen von über 140 Tonnen Gewicht und
walzte Platten von 485 mm Dicke und 57 Tonnen Gewicht.


In Deutschland stellten Dillingen und Friedrich Krupp in
Essen zuerst solche her. In Dillingen, wo die Panzerplattenfabrikation
auf Anregung des Marineministers von Stosch eingeführt worden
war, wurden (1883) starke Eisenplatten aus Paketen von Puddeleisen
unter dem Dampfhammer geschweiſst, auf 203 mm Dicke ausge-
schmiedet, mit einer hydraulischen Presse gerichtet und sodann gehobelt;
hierauf wurde die erhitzte Platte mit einem eisernen Rahmen, der
durch eine Stahlplatte abgeschlossen war, umgeben und der Zwischen-
raum mit Stahl ausgegossen. Die heiſse Verbundplatte wurde alsdann
mit Vorsicht gewalzt, gerichtet und abgehobelt. Die Stahllage betrug
153 mm, die ganze Dicke also 356 mm, das Gewicht einer Platte
etwa 15000 kg.


Krupp in Essen goſs nach einem patentierten Verfahren (D. R. P.
Nr. 25843) Fluſseisen und Fluſsstahl auf beide Seiten einer in der
[858]Panzerplattenwalzwerk.
Form aufrecht stehenden Platte, wodurch die Cementation des weichen
Eisens durch den flüssigen Stahl verhindert werden sollte. Für diese
Trennungsplatte verwendete Krupp in der Folge Nickelblech.


In Frankreich schlug Sibut ainé ein anderes Verfahren, das er
Système cloisonné nannte, vor, welches darin bestand, daſs er ein
Gerippe oder Gitterwerk von schmiedeeisernen Stäben herstellte und
dieses in einer Gieſsform dann mit flüssigem Stahl ausgoſs. —
L. Pszczolka in Graz goſs erst eine Lage weiches Fluſseisen und
dann noch, ehe diese ganz erstarrt war, eine Lage Fluſsstahl darüber.


Schneider in Creusot verwendete Martinstahl mit 0,45 Prozent
Kohlenstoff. Zu St. Chamond goſs man aus zwei Siemens-Martinöfen
mit je 10 Tonnen Einsatz eine Lage Stahl von ca. 200 mm auf eine
zur Weiſsglut erhitzte Puddeleisenbramme von ca. 400 mm, erhitzte
den Block im Flammofen und walzte ihn dann aus. Diese Masse
wurde produit mixte genannt.


1886 verwendete man bereits 550 mm dicke Platten zur Panzerung
von Kriegsschiffen. 1889 wurden bei Cammel \& Co. Platten von
65 Tonnen Gewicht gewalzt. Hierzu gehörten auſserordentlich starke
Walzwerke. Bereits im Jahre 1886 veröffentlichte die Märkische
Maschinenbau-Aktiengesellschaft zu Wetter a. d. Ruhr den Entwurf
eines Panzerplattenwalzwerks 1) zur Herstellung von Platten bis zu
100 Tonnen Gewicht für Krupp in Essen. Es war als Universal-
walzwerk mit 1 m dicken und 3,20 m langen Walzen konstruiert.


Die berühmtesten Panzerplattenwalzwerke Frankreichs waren das
von Marrel frères zu Rive de Gier, die Marine-Stahlwerke zu St. Cha-
mond, wo die Panzertürme des Generals Mougin für die Schieſs-
versuche in Bukarest 1885/86 hergestellt wurden, die Werke von
Chatillon-Commentry, St. Etienne und Creusot. Während die Com-
poundplatten in England und Amerika unbedingt bevorzugt wurden,
setzte man besonders in Frankreich die Versuche mit Fluſsstahlplatten
fort, indem man sich bemühte, denselben durch Härtung oder Tem-
perung eine erhöhte Widerstandsfähigkeit zu geben. Alfred Evrard
erhielt 1883 ein Patent auf Härtung (Tempern) von Panzerplatten in
einem Bleibade. Die Versuche, welche Lisbonne damit auf dem
Stahlwerk St. Jaques bei Montluçon anstellte, ergaben nach einem
Bericht des Generals Brialmont, daſs 1) die Festigkeit des auf diese
Weise gehärteten Stahls vermehrt wird, ohne daſs seine Dehnbarkeit
abnimmt, und daſs 2) Kantenrisse und Werfen vermieden werden. Das
[859]Panzerplattenwalzwerk.
Härten (Tempern) verbesserte den Stahl in ähnlicher Weise wie das
Schmieden.


In groſsem Maſsstabe wurde diese Härtung auf den Werken der
Compagnie des Forges de Chatillon et Commentry ausgeführt. Zum
Erhitzen der Panzerplatten baute man Glühöfen mit abhebbaren
Gewölben, aus denen die heiſsen Platten mittels Kränen gehoben und
in das Bleibad getaucht wurden.


Schneider in Creusot, der zuerst gehärtete Fluſsstahlpanzer-
platten verwendete, härtete die Stahlplatten in Eis und Kochsalz. Der
russische Kapitän Feodosieff schlug 1890 Härtung mit Glycerin und
Ammoniak vor.


Mehr Anklang fand ein Härteverfahren von T. J. Tresidder in
Sheffield mittels Wasserbrause (Engl. Pat. vom 31. März 1891, Nr. 5551,
D. R. P. Nr. 74566); einen ähnlichen Vorschlag hatte Jarolimek
schon einige Jahre zuvor gemacht 1).


Ferner erwies sich ein Zusatz von Nickel als ein vorzügliches
Mittel, die Widerstandsfähigkeit der Fluſsstahlpanzerplatten zu erhöhen.
Von Nickelstahl, der zuerst in Frankreich fabrikmäſsig dargestellt
worden war, machten besonders Fr. Krupp in Deutschland und
Schneider in Frankreich seit 1886 Gebrauch. In den Vereinigten
Staaten hatten Ritchie und Fracy im Sommer 1889 die Aufmerk-
samkeit auf Nickelstahl-Panzerplatten gelenkt. Im Jahre 1890 traten
bei den Schieſsversuchen zu Annapolis in den Vereinigten Staaten
Compoundplatten von Cammell \& Co., gehärtete Fluſsstahlplatten
von Schneider \& Co. in Creusot und amerikanische Nickelstahl-
platten von 4 Prozent Nickelgehalt in Wettbewerb. Letztere trugen
den Sieg davon, während die Compoundplatten sich am wenigsten
bewährten. Ähnlich war das Ergebnis der russischen Schieſsversuche
vom 11. November 1890 zu Ochta bei Petersburg, wo weiche Fluſs-
stahlplatten von Vickers \& Co., Sheffield, harte Fluſsstahlplatten von
Schneider \& Co., Creusot, Compoundplatten von John Brown
\& Co
., Sheffield, mit russischen Holtzer-Granaten beschossen wurden.
Auch hierbei zeigten sich die Fluſsstahlplatten den Compoundplatten
überlegen.


Eine andere sehr wichtige Verbesserung führte H. A. Harvey in
Orange, New Jersey, dadurch ein, daſs er weiche Fluſsstahl-, am
besten Nickelfluſsstahl-Panzerplatten auf einer Seite nachträglich
durch Cementation härtete. Am einfachsten geschieht diese einseitige
[860]Panzerplattenwalzwerk.
Cementation in der Weise, daſs man zwei gleiche Panzerplatten in
dem Cementierofen aufeinanderlegt, die beiden Auſsenseiten in Kohlungs-
pulver einpackt und in dem verschlossenen Ofen glüht, was bei Platten
von 267 mm etwa 120 Stunden dauern muſs 1).


Bei den Schieſsversuchen zu Indian-Head, Maryland, bewährten
sich Harveys gekohlte Nickelstahlplatten am besten. Durch ihre groſse
Widerstandskraft gestatteten sie eine beträchtliche Gewichtsersparnis.
Sie hatten auch den Vorteil, daſs sie weniger schnell rosteten als
gewöhnliche Fluſsstahlplatten. Harveys Fabrikation gekohlter Panzer-
platten wurde auſser in den Vereinigten Staaten auch bereits 1892
auf den Aboukoff-Stahlwerken in Ruſsland eingeführt. 1892 wurde
in England das damals gröſste Panzerschiff der Welt, der Royal
Sovereign, mit Harvey-Nickelstahlplatten ausgerüstet. In Amerika
pflegte man einen höheren Nickelzusatz zu nehmen als in Europa;
so enthielten 1892 Panzerplatten von Annapolis 4 Prozent, von
Homestead 3,16 Prozent, französische dagegen nur 0,32 Prozent
Nickel.


Henri Schneider machte 1896 Platten aus Molybdänstahl
(0,2 bis 5 Prozent Mo), dem 0,2 bis 0,3 Prozent Chrom zugesetzt wird
(Amer. Pat. Nr. 560150).


Harveys Kohlungsverfahren wurde in den folgenden Jahren
mehrfach verbessert, z. B. von H. Schneider in Creusot (Amer. Pat.
Nr. 515505), H. Lake in London (D. R. P. Nr. 77173), S. Grambow
in Rixdorf (D. R. P. Nr. 72547, 74242), besonders aber von Fr. Krupp
in Essen, der eine Gaskohlung erfand. Als geeignetes Cementierpulver
hatte sich in Amerika eine Mischung von ½ Holzkohle mit ½ Tier-
kohle aus den Zuckerraffinerieen erprobt 2).


In den Vereinigten Staaten soll sich nach Weddings Bericht
von 1893 3) die Cementation mit Petroleum gut bewährt haben. Dieses
wird auf die glühende Platte aufgespritzt und bewirkt dadurch gleich-
zeitig die Härtung. Die Carnegie Stahlgesellschaft in Pennsylvanien
preſst auſserdem noch die nach dem Harveyprozeſs behandelten
Panzerplatten glühend zwischen den Preſsbacken mächtiger hydrau-
lischer Pressen, um sie zu dichten (Amer. Pat. Nr. 541594). Auf
[861]Panzerplattenwalzwerk.
dieses Verfahren erhielt W. E. Corey in Munhall am 11. April 1895
ein deutsches Patent (D. R. P. Nr. 87132).


Die Herstellung so starker Panzerplatten aus Fluſsstahl erforderte
groſsartige Anlagen, zunächst einer Anzahl groſser Martinöfen von
12 bis 40 Tonnen Einsatz. Aus diesen wird der Fluſsstahl in eine
groſse Gieſs- und Sammelpfanne abgestochen, aus welcher der Guſs in
die eingedämmten, mehrteiligen Coquillen erfolgt 1). Der Zusatz von
Nickel geschieht in kleinen Säcken zu dem flüssigen Metall entweder
im Martinofen oder in der Pfanne. Da Nickelstahl stark lunkert, so
schreibt die amerikanische Regierung vor, daſs das obere Drittel der
Blöcke nicht zur Fabrikation verwendet werden darf. Die ausgehobenen
Blöcke kommen in groſse Wärmöfen und von da unter riesige Schmiede-
pressen, unter denen sie etwa auf die Hälfte der Dicke herabgeschmiedet
werden. Eine von Tannet, Walker \& Co. in Leeds 1889 erbaute
Schmiedepresse arbeitete mit 2000 Tonnen, eine von Krupp in Essen
1890 errichtete mit 5000 Tonnen, die im November 1893 auf den
Bethlehem Works sogar mit 14000 Tonnen Druck. Die preſs-
geschmiedeten Blöcke werden in den Glühofen des Plattenwalzwerks
eingesetzt und unter letzterem auf die verlangte Dicke (meist
270 bis 305 mm) ausgewalzt. Die Panzerplattenwalzwerke sind meistens
nach dem Prinzip der Universalwalzwerke mit horizontalen und verti-
kalen Walzen versehen. Das 1891 in Betrieb gesetzte neue Panzer-
plattenwalzwerk der Homestead Stahlwerke von Carnegie, Phipps
\& Co
. besaſs vier horizontale und vier vertikale Walzen. Die vier
horizontalen Walzen lagen in einem Gerüste übereinander. Die
horizontalen Walzen waren 2800 mm lang, die oberste und unterste
hatten 812 mm, die zwei mittleren je 610 mm Durchmesser. Beide
Walzenstraſsen arbeiteten gemeinschaftlich, obgleich jede für sich von
einer eigenen Maschine angetrieben wurde; beides Reversiermaschinen
von zusammen 3000 Pferdekräften 2).


Weit stärker und von erstaunlicher Leistungsfähigkeit ist das
Panzerplattenwalzwerk, welches das Guſsstahlwerk von Friedrich
Krupp
in Essen 1891 in Betrieb nahm. Es wurde nach dem S. 813
erwähnten Programm von der Märkischen Maschinenbauanstalt von
Kamp \& Co. in Wetter a. d. Ruhr, nur stärker und mit Ver-
besserungen, erbaut. Es ist ein einfaches kräftiges Duowalzwerk mit
Reversion und in seiner konstruktiven Anlage Fig. 336 (a. f. S.) ab-
[862]Panzerplattenwalzwerk.
gebildet. Die Walzen haben 4 m Ballenlänge bei 1 m Durchmesser
der gröſstmögliche Abstand beträgt 1,3 m. Die Reversiermaschine hat
3500 Pferdekräfte. Die starken geschmiedeten Guſsstahlzahnräder
übertragen die Bewegung im Verhältnis von 3 : 1 auf die Walzen, die
ebenfalls aus geschmiedetem Tiegelstahl hergestellt sind und 90 Tonnen
wiegen. Rollbahnen führen auf beiden Seiten die Platte selbstthätig

Figure 337. Fig. 336.


den Walzen zu, während ein System zwischen den Rollen befindlicher
Stahlkegel, welche einzeln oder zu mehreren über das Niveau der
Rollen gehoben werden können, das Heben, Versetzen und Drehen
der Platten ermöglicht. Das Walzen einer groſsen Panzerplatte bietet
ein überraschendes Schauspiel, wovon die Zeichnung, Fig. 337 1), nur
eine schwache Vorstellung geben kann, wenn auf ein gegebenes
[863]Panzerplattenwalzwerk.
Zeichen die 5 m breite Thür des gewaltigen Wärmofens sich öffnet
und die Sohle des Ofens mit der darauf ruhenden weiſsglühenden
Eisenmasse, von unsichtbaren Kräften getrieben, sich vorwärts bewegt,
bis die ganze Eisenplatte sich auſserhalb des Ofengewölbes befindet.

Figure 338. Fig. 337.


Alsbald wird sie an den vier Ecken von starken Haken, die mit
Ketten an einem 75-Tonnen-Laufkran hängen, gefaſst, schwebend
gehoben und auf den Rollgang des Walzwerks gelegt, während die
glühende Ofensohle wieder an ihren Platz zurückkehrt. Auf ein
Zeichen des Walzmeisters setzt der Maschinist die Rollgänge und das
Walzwerk in Bewegung und nun vollzieht sich der ganze Walzprozeſs
[864]Panzerplattenwalzwerk.
automatisch. Der Walzmeister, der immer vor der sich vorwärts
bewegenden glühenden Platte einherschreitet, giebt mit einer schrillen
Pfeife den auf einer erhöhten Kanzel stehenden Maschinisten (rechts
auf der Zeichnung) die Signale. Nach jedem Durchgang werden die
Walzen durch riesige von Zahnrädern bewegte Stellschrauben enger
gestellt, die Maschinen, welche die Rollgänge bewegen, ebenso wie die
Walzenzugmaschine umgestellt, so daſs alle Bewegungen jetzt in ent-
gegengesetzter Richtung erfolgen. Um den Glühspan zu entfernen,
werden groſse Reisigbündel auf die glühende Platte geworfen, die,
wenn sie von den Walzen gefaſst werden, ein knatterndes Knallen,
wie ein Pelotonfeuer, hervorrufen. Dies Aufwerfen der Reisigbündel ist
die einzige Handarbeit bei dem Plattenwalzen. Die Bramme, die
etwa 750 mm dick ist, wird auf etwa 300 mm oder weniger herab-
gewalzt. Dabei wird sie anfangs öfter mit Hülfe der oben erwähnten
Stahlkegel um 90° gedreht und quergewalzt, bis sie die verlangte
Breite hat. Wohl an hundertmal geht die Platte hin und her, bis
sie die vorgeschriebene Dicke erlangt hat. Eine von Friedrich
Krupp
in Chicago 1893 ausgestellte gewalzte Platte war 8270 mm
lang, 3130 mm breit und wog 62400 kg.


Nach dem Auswalzen gelangt die Platte unter die Biegepresse,
eine hydraulische Presse von groſser Stärke, bei Krupp z. B. von
5000 Tonnen Druckkraft, auf der sie gerichtet und nach Bedürfnis ge-
krümmt wird. Auch diese Presse gehört zu den Formgebungsapparaten
der Neuzeit. Sodann wird die Platte unter Scheren beschnitten.


Die nachträgliche Kohlung zum Zwecke der Härtung erfolgt mit
Kohlenwasserstoff. Dieses Verfahren war auf den Werken des Kontinents
allgemein in Anwendung gekommen, ebenso in England nach dem
Patent von Thwaite.


Daſs die Panzerplatten nicht nur beim Bau der Kriegsschiffe,
sondern auch bei der Landbefestigung als gepanzerte Türme, Panzer-
lafetten, Panzerforts, Panzerfronten u. s. w. Verwendung fanden, ist
bekannt; wir erwähnen nur ihre ausgedehnte Verwendung bei der
Maasbefestigung, besonders bei Lüttich und Namur von General
Brialmont, die Panzerforts von Bukarest, die Landbefestigung von
Kopenhagen, die Panzerfronten am Sereth und an der Donau in
Rumänien nach der Konstruktion von Major Schumann. Seitdem
man gelernt hat, die Stahlpanzerplatten zu härten und zu biegen,
haben sie den Hartguſs hierbei vielfach verdrängt.


Eine andere wichtige Verwendung der Walzwerke findet bei der
Drahtfabrikation statt.


[865]Die Drahtfabrikation.
Die Drahtfabrikation.

Der Bedarf an Draht hatte eine groſse Steigerung durch
mancherlei zum Teil neue Verwendungen erfahren. Hiervon ist zu-
nächst der Stacheldraht zu erwähnen, der 1873 zu De Kalb in
Illinois zuerst dargestellt und anfangs in den Vereinigten Staaten,
dann aber auch in der übrigen Welt zu Abgrenzungen und Ein-
zäunungen massenhafte Anwendung fand. Die amerikanische Erzeu-
gung stieg von 1874 bis 1892 von 5 Tonnen auf 200000 Tonnen.
Er wird jetzt meist verzinkt verwendet.


Auch die Verwendung von verzinktem und plattiertem glattem
Draht fand ausgedehntere Benutzung, ersterer besonders als Geflecht
ebenfalls zu Umzäunungen. Groſse Mengen von kupferplattiertem
Draht wurden durch die Telegraphie, die elektrische Beleuchtung und
die elektrischen Motoren verbraucht.


Die Drahtseilfabrikation nahm einen groſsen Aufschwung durch
die Verwendung zu Treibseilen, Förderseilen und Drahtseilbahnen
(Hodgson, Bleichert, Otto, Pohlig).


Eine neue Verwendung ist die für Bauzwecke in Verbindung mit
Cement bei den Monierbauten und in Verbindung mit Glas bei dem
von Friedrich Siemens erfundenen Drahtglas.


Die Drahtstiftenfabrikation nahm immer gröſseren Umfang an.
In den Vereinigten Staaten stieg die Drahtnägelerzeugung von 1886
bis 1892 von 600000 auf 4719524 Faſs zu je 100 Pfund Gewicht.


Für Industrie und Handel war es deshalb von Wichtigkeit, daſs
im Anschluſs an die Wiener Weltausstellung 1874 zwischen den Draht-
werken Deutschlands und Österreichs eine neue, einfache, auf das
metrische System begründete Drahtlehre vereinbart wurde. 1/10 mm
wurde als Einheit zu Grunde gelegt und jede folgende Nummer war
um 1/10 mm stärker, so daſs also z. B. Nr. 12 1,2 mm dick war. Auch
Groſsbritannien führte 1883 eine neue, einfachere Drahtlehre ein.


Um die Verbesserung der Walzdrahtfabrikation erwarb sich
zu Anfang dieser Periode George Bedson in Manchester groſses
Verdienst durch die Einführung des kontinuierlichen Walzbetriebes.
Einen groſsen Aufschwung erfuhr ferner diese Fabrikation durch die
Verwendung des Fluſseisens, besonders der weichen Produkte, des
Thomas- und basischen Herdfluſseisens. Man verband Martinöfen mit
den Drahtwerken. Die Blöcke für die Drahtbereitung goſs man von
Beck, Geschichte des Eisens. 55
[866]Die Drahtfabrikation.
möglichst kleinem Querschnitt oder legte noch Vorwalzen für die
Drahtwalzen an.


Die Überlegenheit des Stahldrahts wurde 1876 durch Versuche
mit westfälischen Drahtsorten von W. Schultze-Velinghausen in
Witten festgestellt. Danach verhielten sich die Festigkeiten von
Schweiſseisen-, Besssemer- und Tiegelstahldraht wie 1 : 1,46 : 2,46.


Die Fortschritte der Walzdrahtfabrikation bestanden vornehmlich
in der Steigerung der Leistung und in dem selbstthätigen Betriebe.
Die Steigerung der Leistung wurde sowohl durch zweckmässigere
Konstruktion und Anordnung der Walzen als durch erhöhte Ge-
schwindigkeit, namentlich der Endwalzen, bewirkt.


Die Zahl der neuerfundenen und patentierten Drahtwalzwerks-
konstruktionen war eine sehr groſse und können wir nur einige der
wichtigeren anführen. Sie lassen sich in zwei Systeme teilen, das
ältere war das kombinierte Vor-, Rückwärts- und Schlingenwalzen,
welches geschulte Arbeiter erfordert, das neuere ist das kontinuierliche
Walzen mit mechanischer Einführung, das fast ganz automatisch ver-
läuft. Eine Hauptsache dabei ist die richtige Geschwindigkeitszunahme
der aufeinanderfolgenden Walzenpaare. In den Vereinigten Staaten
erwarben sich J. Washburn und W. Garret besondere Verdienste
um die Verbesserung der Walzdrahtindustrie.


Für die mechanische Einführung des Drahtes nahmen H. B. Comer
1874 und John Beavis 1876 Patente. Bahnbrechend wurde aber
die mechanische Umführung von W. Mc. Callip in Columbus (Ohio)
1877.


Die Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit der Walzen erzielte
man durch gröſsere Durchmesser der Walzen, schnelleren Umtrieb
und stärkere Antriebsmaschinen. Durch diese Mittel verdoppelte man
in der Zeit von 1875 bis 1889 die Leistungen der Drahtwalzwerke.
Mitte der siebziger Jahre gehörte zu einer Drahtwalze von 180 bis
200 mm Durchmesser und 300 Umdrehungen ein Schweiſsofen von
8000 bis 12000 kg Erzeugung in der Schicht, Ende der achtziger
Jahre dagegen zwei Gasflammöfen von 25000 bis 30000 kg Leistung
für die stärkeren und rascher laufenden Walzen.


Die Washburne \& Moen Manufacturing Company in Worcester
(Massachusetts) konnte 1876 auf der Weltausstellung zu Philadelphia
eine schöne Sammlung amerikanischer Drahtsorten vorführen. Diese
gröſste Drahtfabrik der Welt, die 1831 von Schweden gegründet
worden war, hatte damals bereits eine Jahreserzeugung von 10000
Tonnen.


[867]Die Drahtfabrikation.

1876 bediente man sich zum Walzen besserer Drahtsorten des
seit 1869 eingeführten Systems von J. Johnson, wobei 16 Walzen zu
gleichzeitiger Wirksamkeit kamen und 20 Fuſs 5/4zöllige, achteckige
Drahtknüppel, die 90 bis 100 Pfund wogen, in einer Minute zu Draht
von 3/16 Zoll ausgewalzt wurden. Das erste Walzenpaar machte 16,
das letzte 450 Umdrehungen in der Minute. Das System arbeitete
bei voller Ausnutzung vorteilhaft und fand auch in England und
Ruſsland Eingang.


Das Drahtwalzwerk von Bansen1) in Bodenbach (D. R. P. Nr. 49
vom 19. Juli 1877) bezweckte dünnere Drähte als seither zu walzen und
dadurch das Ziehen des Drahtes teilweise zu ersetzen. Die Kaliber
wurden durch drei Walzen, deren Achsen in Winkel von 120° gegen-
einander verstellt waren, gebildet.


Eine wesentliche Verbesserung war das Universalwalzwerk für
Draht und Feineisen von Roy2) in Witten (D. R. P. Nr. 41 vom
25. Juli 1877), bei dem durch sinnreiche Führungen die Zahl der
Walzengerüste und der vertikalen Walzen sehr verringert wurde. Nur
zwei Walzenpaare lagen hintereinander, alle übrigen darunter. Da-
durch konnte das ganze System von acht Walzenpaaren auf einem
einzigen Walzengerüst vereinigt werden. Die Knüppel wurden durch
Vorwalzen auf 16 mm Quadrat gestreckt und dann auf jeder der acht
Walzen mit einem Stich fertiggewalzt. Eine genau gearbeitete Zahn-
radübersetzung regulierte die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen,
die im umgekehrten Verhältnis der Kaliberfläche stehen muſste. Ein
Nachteil bei den kontinuierlichen Walzwerken ist es, daſs der Draht
mit ungleicher Temperatur die Kaliber passiert.


1878 wurde George Bedsons Walzwerk mit hintereinander
liegenden Walzen in den Cambria Works, Johnstown in den Vereinigten
Staaten, eingeführt. Die 1877 verbesserten Drahtwalzen von W. Mc.
Callip
zeichneten sich durch ein System von Drahtführungen (repeaters)
aus, welche die Handarbeit überflüssig machten. Auch Morgan3)
erfand 1879 eine selbstthätige Umführung. — J. R. Ramsden gab
1878 eine Vorrichtung zum Härten und Anlassen des Drahtes an,
wobei der Draht durch Röhren geführt und durch eine Kohlenwasser-
stoffflamme erhitzt wurde. Nach dem Verlassen der Rohre tauchte
der Draht in ein Ölbad.


55*
[868]Die Drahtfabrikation.

Henry B. Comer führte 1880 ein System der stufenweisen Be-
schleunigung der Drahtwalzen ein 1).


1880 konstruierte R. Daelen sen. in Düsseldorf ein Drahtwalz-
werk, bei dem ähnlich wie bei dem von Roy die Walzen in einem
gemeinschaftlichen Gerüste lagen, doch gab er ihnen abwechselnd
horizontale und vertikale Stellung. Das Kaltwalzwerk von Alpeter
und Horst zu Neuwalzwerk bei Menden sollte wie das von Bansen
das Ziehen ersetzen. Im Grunde war es nichts als ein aus Rollen
gebildetes Drahtzugkaliber.


Zur Reinigung des Walzdrahtes wurden in den siebziger Jahren
vielerlei chemische Mittel in Vorschlag gebracht, am besten be-
währte sich aber die mechanische Reinigung durch mäſsiges Biegen
zwischen Rollen, wobei die Glühspankruste absprang. Einen Apparat
dieser Art erfand Graumann 1876, der von Kugel veröffentlicht
wurde. In einem durch Charniere verbundenen Rahmen befinden
sich fünf Rollen, drei unten und zwei oben, die etwas ineinander-
greifen. Sobald der Walzdraht durchgesteckt ist, wird der Rahmen
geschlossen und der Draht durchgezogen. — Eine ähnliche Reinigungs-
maschine wurde 1878 von Betz in St. Ingbert eingeführt, worin
der Walzdraht in Krümmungen über acht Rollen hin und her
gebogen wurde. Hierher gehört auch die Drahtbiegmaschine von
Adolf von der Becke zu Ludwigshütte bei Iserlohn. An diese
reihten sich die Drahtricht- und Streckmaschinen von Wilh. Böcker
in Schalke und von John Adt zu New Haven (Connecticut).


1880 wurde eine Verbesserung zu dem Royschen Walzwerk,
wonach der Draht zwischen den einzelnen Walzendurchgängen selbst-
thätig durch einen Glühofen hindurchgeführt wurde, patentiert.


Als weitere Fortschritte in den Jahren 1880 und 1881 sind zu
erwähnen: das gleichzeitige Ziehen von Draht durch mehrere Zieh-
löcher über verschiedene Trommeln, deren Durchmesser im um-
gekehrten Verhältnisse der Weiten der Ziehlöcher stehen, von J. Mühl-
bacher
in Ferlach 1880 und von Kieſsing und Möllmann in
Iserlohn 1881; eine verbesserte Ziehtrommel von C. D. Rogers zu
Providence (V. St.); ein Drahtglühofen von A. Pütsch2) in dem
Drahtwerk von Kern \& Co. in Gleiwitz; ein desgleichen von H. Ro-
berts
in Pittsburg, wobei das Glühen in eisernen Töpfen in einer
Muffel geschieht und eine von Roberts 1882 erfundene Zuführung,
wodurch mehrere Drähte gleichzeitig durchgewalzt werden konnten;
[869]Die Drahtfabrikation.
ferner ein Glühtopf, ein Reinigungsapparat und eine Mitnehmevor-
richtung (D. R. P. Nr. 23025, 23026, 23027, 23093).


1880 machte Hughes zuerst darauf aufmerksam, daſs der Eisen-
draht durch Beizen an seiner Festigkeit verliert. Diese „Beizbrüchig-
keit“ war die Folge einer Aufnahme von Wasserstoff zu einer Art
von Legierung, was A. Ledebur durch Versuche im Jahre 1889 fest-
stellte 1).


William Garrets verbessertes Schnellwalzensystem wurde 1882
von der Cleveland-Walzwerksgesellschaft in Amerika eingeführt und
hierdurch eine groſse Steigerung der Produktion erzielt. Man walzte
dabei den Rohblock durch Vorwalzen und Fertigwalzen, deren Kaliber
durch Röhrenführungen verbunden waren, in 1½ Hitzen zu fertigem
Draht aus.


In Deutschland baute die Maschinenbau-Aktiengesellschaft, vor-
mals Gebr. Klein in Dahlbruch, 1881 zu Phönix in Laar ein ver-
bessertes Drahtwalzwerk, bestehend aus selbständiger Vorwalze, zwei
Trios zum Auswalzen und einer Fertigwalze, die alle von einer Ver-
bund-Dampfmaschine betrieben wurden. Diese Anordnung fand in
Deutschland vielfach Nachahmung, weshalb es Spannagel als
„deutsches Walzwerk“ bezeichnete. — Böcker in Schalke 2) arbeitete
mit zwei gegenüberliegenden Walzenstraſsen, wobei zwei Stiche, wie
bei dem kontinuierlichen Walzwerk, selbstthätig vorgingen, während
die anderen Stiche durch Umführungen bewirkt wurden.


1882 lieſs sich Gustav Erkenzweig in Hagen eine selbstthätige
Umstechvorrichtung patentieren (D. R. P. Nr. 21498).


Durch die Verwendung des Fluſsstahls nahm die Stahldraht-
fabrikation zu Anfang der achtziger Jahre einen groſsen Aufschwung,
während sich die Erzeugung von Schweiſseisendraht noch ziemlich
gleich blieb, sie betrug 1880 222322 Tonnen, 1883 214000 Tonnen,
während die Stahldrahterzeugung von 1880 bis 1883 von 10800 Tonnen
auf 145000 Tonnen stieg. Der Jahresbedarf der Vereinigten Staaten
betrug 1884 350000 Tonnen, wovon 125000 bis 150000 Tonnen ein-
geführt, 200000 bis 225000 Tonnen auf etwa 30 einheimischen Werken
erzeugt wurden.


1884 verband G. Erkenzweig, um dünnen Draht von 3,8 mm
Stärke zu walzen, vertikale Walzen, die durch Riemen getrieben
wurden, mit den horizontalen. Daelen zog Zahnradübersetzung für
die gesteigerte Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen vor.


[870]Die Drahtfabrikation.

Hugo Kuhne von Hagen erfand eine Drahttrommel mit excen-
trischem Anzug und selbstthätiger Auslösung. C. M. Pielsticker in
London und Dr. Fr. Müller in Brandenburg empfahlen die direkte
Stahldrahtbereitung aus flüssigem Metall.


1884 erfand Sam. Fox einen um eine vertikale Achse drehbaren
Glühofen.


Selbstthätige Draht-Um- und -Überführungen lieſsen sich 1885
in Deutschland G. Erkenzweig (D. R. P. Nr. 30752, 37102), Schön-
born
und Zöllner und 1886 Hoesch in Dortmund patentieren. —
Claude Warin in Lyon erfand 1885 eine Drahtziehbank mit un-
unterbrochenem Zug (D. R. P. Nr. 35287 und 39316).


Das weiche, billige Thomasfluſseisen fand besonders in Deutsch-
land rasch Eingang in der Drahtfabrikation, während man in anderen
Ländern mehr Martinstahl verwendete. Thomaseisen lieſs sich in den
verbesserten Drahtwalzen leicht auf 4,5 mm Stärke auswalzen und
noch in derselben Hitze bis 2,6 mm ausziehen. Dieser, so direkt aus
Walzdraht fertig gezogene Draht bildete 1886 bereits 70 bis 75 Pro-
zent der gesamten Drahterzeugung. Derselbe lieſs sich ebenso gut
wie Mitteldraht blank ziehen und ohne Beize verarbeiten. Das Glühen
und Beizen hatte nicht mehr die Wichtigkeit wie früher.


1886 ermittelte Beckert den Verdünnungsfaktor beim Draht-
ziehen, den Karmarsch allgemein zu 0,92 angenommen hatte, für
westfälisches Eisen zu 0,786 bis 0,940. — In diesem Jahre erfand
Daniels (V. St.) einen verbesserten automatischen Haspel. E. H. Martin
und E. Beavis bauten in Cleveland, Ohio, ein gut disponiertes Draht-
walzwerk mit schrittweise zunehmender Geschwindigkeit der Walzen,
die durch Kegelradvorgelege bewirkt wurde 1).


1887 führte W. Garret automatische Drahthaspel in den Ver-
einigten Staaten ein, wodurch die Produktion gesteigert wurde.
Garrets verbesserter Haspel (Engl. Pat. Nr. 1605 vom 29. Januar
1889) bestand aus zwei Hälften, die, wenn der Draht aufgerollt war,
auseinandergeschoben wurden, wodurch die Drahtrolle herunterfiel und
durch eine Rinne auf einen Transportwagen geführt wurde. Ver-
besserte Drahthaspel lieſsen sich ferner patentieren F. H. Daniels in
Worcester (Engl. Pat. Nr. 6163 vom 25. April 1888), Ch. Hill
Morgan
2), Worcester (Mass., Engl. Pat. Nr. 1888 vom 17. Februar
1888) und Gustav Erkenzweig (D. R. P. Nr. 46636 vom 21. Juli
1888).


[871]Die Drahtfabrikation.

Am 1. Dezember 1887 starb Franz Karl Guillaume, Teilhaber
der berühmten Firma Felten \& Guillaume in Köln 1), die sich be-
sonders um die Fabrikation von plattiertem Draht für elektrische
Kabel groſse Verdienste erworben hatte.


1889 nahmen Eduard und Jos. Louis Martin in Paris Patent
auf ein verbessertes Walzverfahren für kupferplattierten Eisendraht
für elektrische Leitungen. Sie gossen um Draktknüppel Kupfercylinder
in der Weise herum, daſs auf beiden Seiten der Drahtknüppel um
ein Viertel seiner Länge hervorragte, und walzten dann wie gewöhnlich
aus. Durch die gröſsere Streckung des Kupfers wurde doch der ganze
Draht davon bedeckt.


Wie groſsartig sich in den Vereinigten Staaten von Amerika die
Stacheldrahtfabrikation entwickelt hatte, erhellt daraus, daſs es 1888
bereits 44 Fabriken mit 2190 Maschinen gab. Den Verbrauch schätzte
man auf 150000 Tonnen.


Seit 1888 war der Kampf zwischen saurem und basischem Fluſs-
eisen zu Gunsten des letzteren, das wegen seiner Weichheit sich
leichter kalt ziehen lieſs, indem es dabei nicht hart wurde wie das
Bessemereisen, entschieden. Daſs weicher Draht die Wärme und
Elektrizität besser leitet und zwar im Verhältnis 5 : 3, hat Fr. Kohl-
rausch
1888 nachgewiesen.


In Deutschland 2) goſs man meist Blöcke von kleinem Querschnitt,
die in einer Hitze bis auf 40 bis 60 mm ausgewalzt wurden, während
man in Amerika dicke Blöcke erst bis auf 80 bis 100 mm, dann erst
in einer zweiten Hitze auf 40 bis 60 mm auswalzte.


1888 wurden viele verbesserte Drahtwalzwerke, z. B. von Charl.
Morgan, Karl Sunstrom, Williams
und Edwin Lenox erfunden.
Richard Pellenz in Köln lieſs sich eine Drahtrichtvorrichtung
(D. R. P. Nr. 17283), die aus drei festen und zwei losen Rollen bestand,
patentieren. Ein sehr gut eingerichtetes kontinuierliches Drahtwalz-
werk war zu Domnarfvet in Schweden. R. M. Daelen sen. hatte sich
in den letzten Jahren seines Lebens mit der Idee der unmittelbaren
Stichfolge bei Drahtwalzen und entsprechend zunehmender Ge-
schwindigkeit beschäftigt 3) und wurde ein solches Walzwerk von
Gebr. Klein in Dahlbruch für die Stahlgesellschaft von Longwy zu
Mont St. Martin ausgeführt. Das Führungsrohr, welches den Draht
[872]Die Drahtfabrikation.
von einem Walzenpaare zum anderen führte, bestand aus einem festen
Unterteil und einem entsprechenden beweglichen Oberteil. Zum
Scheuern und Putzen des Drahtes verwendete A. Guttmann ein
Sandstrahlgebläse.


Zu feinem Kratzendraht verwendete man Tiegelguſsstahl, der aus
schwedischem Ingotstahl (Bessemerrohstahl) bereitet war. Das Härten
geschah nach dem Patent von Ashworth Brothers von 1878 mit
einer Gasflamme und Eintauchen in ein Ölbad. Die Gewehrfabrik
von St. Etienne benutzte 1891 den elektrischen Strom zum Ausglühen
des Stahldrahtes.


In den Jahren 1891 und 1892 wurden namentlich in Amerika
verschiedene neue Patente für das Auswalzen des Drahtes in einer
Hitze erteilt 1). Der Grundgedanke war auch hier die Anlage mehrerer
zweckmäſsig disponierter Walzenstraſsen mit zunehmender Geschwindig-
keit und selbstthätiger Umführung des Drahtes. H. Roberts erfand
dazu noch eine mit Rinnen versehene schiefe Ebene, die den Haken-
jungen überflüssig machte. In Österreich konstruierte Direktor Turk
zu Kapfenberg ein solches Walzwerk, das 1892 auf der Margarethen-
hütte des Herrn Pengg zu Thörl ausgeführt wurde.


Wie schon erwähnt, trug die Einführung der Drahtseilbahnen
zur Steigerung des Drahtbedarfs bei. Der Grundgedanke der Draht-
seilbahnen ist alt. In Deutschland hatte Bergrat Freiher von Dücker
die Anregung dazu gegeben. Zu Anfang der siebziger Jahre bauten
Theodor Otto und Adolf Bleichert zu Schkeuditz bei Leipzig die
ersten gröſseren Drahtseilbahnen. Nachdem diese sich 1876 getrennt
hatten, vervollkommnete besonders Otto seine Konstruktion. Auſser
diesen erwarb P. Pohlig in Köln sich Verdienste um den Bau von
Drahtseilbahnen. Im Jahre 1875 wurden in Deutschland und Öster-
reich 1500 solcher Bahnen ausgeführt.


Die amerikanische Drahterzeugung entwickelte sich rasch und
betrug 1892 schon 637875 Tonnen. In dem Drahtwalzwerk der Illinois
Steel Company in Joliet kamen 1897 die warmen vorgeblockten Stücke
von der Blockstraſse in die Vorstraſse des kontinuierlichen Walzwerks
und dann in zwei Garretstraſsen, wo sie fertig gewalzt wurden. Die
Erwärmung geschah in zwei kontinuierlichen Öfen und wurden in der
Schicht 200 Tonnen Draht erzeugt 2).


In dem neuen Drahtwalzwerk der Ashland Stahlgesellschaft von
[873]Die Drahtfabrikation.
1898 1) geschahen alle Zwischenarbeiten automatisch. Die Leistung
betrug angeblich 350 Tonnen den Tag. Um die weitere Entwicke-
lung der amerikanischen Drahtindustrie machten sich W. Garret,
F. H. Daniels, C. H. Morgan, Baackes, Fitsch
u. s. w. verdient.
In Deutschland veröffentlichte Edm. Weber in Obercassel bei Bonn
Vorschläge über zweckmäſsige Anlagen von Drahtwalzen 2).


Von den vielen sonstigen Verbesserungsvorschlägen in den neun-
ziger Jahren erwähnen wir noch W. Hänels Einrichtung zum Gieſsen
kleiner Blöcke und zum gleichzeitigen Walzen von zwei und mehr
Drähten 1891 (D. R. P. Nr. 60309), C. Bremickers Drahtziehmaschine
zum Ziehen des Drahtes durch mehrere Zuglöcher in einem Zuge
(D. R. P. Nr. 77146, 85473), P. Kriegers Drahtwalzenanlagen mit
zwei oder mehreren Gruppen von Fertigwalzen 1894 (D. R. P. Nr. 87463),
die Drahtführungen und Führungsrinnen von Polte in Remscheid
(D. R. P. Nr. 69722) und von Paul Schrader in Witten (D. R. P.
Nr. 75140, 75560); ferner ein Verfahren von C. W. Bildt für Ab-
kühlung des Drahtes bis zu einem gewissen Grade in einem Wasser-
bade nach seinem Austritt aus der Fertigwalze, das Glühen des Zieh-
drahtes unter Luftabschluſs in einer in einem Flammofen liegenden
langen Röhre von H. Talbot (Engl. Pat. Nr. 229 vom 6. Januar 1891).
H. A. und W. Dresler in Creuzthal lieſsen sich 1893 zuerst das
Blankglühen von bewegtem Draht mittels Elektrizität anstatt des
Beizens patentieren (D. R. P. Nr. 78986).


W. Holland jun. erfand 1895 in England ein Verfahren gleich-
mäſsiger elektrischer Erwärmung des Drahtes (D. R. P. Nr. 82662).
Einen verbesserten Glühtopf lieſs sich W. Frese in Dortmund 1895
patentieren (D. R. P. Nr. 86445).


Mechanische Drahthaspel wurden erfunden von M. Baackes,
Cleveland (V. St.), von C. Clifford, von Ch. E. Matteson, von
H. Roberts (1888, D. R. P. Nr. 47629/30), von P. L. Day (D. R. P.
Nr. 57113), von A. Tatro 1890 (Amer. Pat. Nr. 451081), von H. Gedge
(Amer. Pat. Nr. 458572), von V. Albis 1891 (Amer. Pat. Nr. 478760),
von W. Edenborn 1892 (D. R. P. Nr. 73100 und 85474); 1894 von
Kilmer (Amer. Pat. Nr. 501521), J. Stevenson und Ch. J. Johnson
(Amer. Pat. Nr. 520942) und von der Österreichisch-Alpinen Montan-
gesellschaft (D. R. P. Nr. 73481); 1895 von Otto Frank (D. R. P.
Nr. 85670), Carl Mayberg in Witten (D. R. P. Nr. 87019 und
87020).


[874]Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb.

Eine Drahtziehmaschine zum Ziehen des Drahtes durch mehrere
Löcher in einem Zuge erfanden auſser Bremicker W. Körnlein
in Nürnberg (D. R. P. Nr. 87799, 96587), L. Heyenberg in Riga
1898 (D. R. P. Nr. 105721) und Ch. C. Baldwin in Amerika (D. R. P.
Nr. 106455). Einen automatischen Schweiſsofen erfand Alex. Laughlin
(V. St.). Ch. C. Baldwin nahm 1899 ein Patent (D. R. P. Nr. 108890)
auf eine Spulvorrichtung für Drahtziehmaschinen mit selbstthätiger
Geschwindigkeitsregulierung der Spule.


Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb.

Wenn das mehr oder wenig heiſse Walzprodukt aus den Walzen
kommt, ist es noch nicht fertige Handelsware. Hierfür bedarf es noch
mancherlei Zurichtungsarbeiten (adjustage). Es muſs glühend oder
kalt auf bestimmte Längen abgeschnitten oder abgesägt werden. Es
muſs gerade gerichtet werden, entweder mit der Hand oder durch
Richtmaschinen. Die Fortschritte dieser Vorrichtungen gehören zwar
mehr in die Geschichte des Maschinenbaues, doch sind diese Special-
maschinen so unentbehrlich für den Walzwerksbetrieb, daſs einige
kurze Notizen nicht zu umgehen sind.


Zum Transport des heiſsen Walzgutes dienen in ausgedehntem
Maſse mechanisch angetriebene Rollbahnen, die man neuerdings auch
fahrbar macht.


Zum Zerschneiden verwendet man Heiſs- oder Kaltsägen und
Scheren. Das Zerschneiden der Fluſsstahlblöcke und Panzerplatten
erfordert eine hohe Kraftleistung.


Ein sehr wichtiges Hülfswerkzeug für die Walzindustrie sind die
Scheren, die ebenfalls seit 1870 den gesteigerten Anforderungen
entsprechend vervollkommnet worden sind. Der Fortschritt liegt auch
hier besonders in der Verwendung des Wasserdruckes, welcher wie
für die Preſshämmer so für die Scheren, die viel Kraft bei ruhiger
Bewegung verlangen, ganz besonders geeignet ist. Deshalb sind auch
Schere und Preſshammer bisweilen verbunden. Twedell1) erfand
1878 eine hydraulische Schere, die zugleich als Lochmaschine ver-
wendet werden konnte.


Die Hebelscheren wurden vielfach durch hydraulische Parallel-
scheren verdrängt. Zum Schneiden von zu verzinnendem Schwarz-
blech lieſs sich Daniel Edwards in Morriston 1889 eine Doppel-
[875]Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb.
schere, die auf einem Rahmen befestigt war, zur Erzielung paralleler
Seitenkanten patentieren (Engl. Pat. 1889, Nr. 12790). Sehr starke
Parallelscheren mit hydraulischem Antrieb dienten als Blockscheren.
Eine solche mit direkter Übertragung des Dampfdrucks auf Wasser
konstruierte R. M. Daelen 1884, die in Seraing zum Kaltschneiden
statt Säge verwendet wurde. Als Blockschere wurde sie 1887 von
Breuer \& Schumacher in Köln gebaut 1).


Eine von der Dortmunder Maschinenfabrik Wagner \& Co. 1884
ausgeführte Blockschere hatte horizontalen Antrieb mittels zweier
Dampfcylinder. Eine 1886 von Ed. Böhme2) in Breslau patentierte
hydraulische Blockschere (D. R. P. Nr. 8373) war der von Twedell
ähnlich. Eine Blockschere für Druckwasserbetrieb konstruierte J. Cope-
land
1887. Den Grob- und Façoneisenscheren wurde das Eisen viel-
fach automatisch durch Rollentische zugeführt.


Eine starke hydraulische Blockschere, von Tannet und Walker
in Leeds für das Blochairn Stahlwerk bei Glasgow gebaut, zerschnitt
(1886) die von 510 × 760 auf 203 × 660 mm herabgewalzten Stahl-
blöcke. Der hydraulische Druck des Kolbens auf das Messer betrug
560000 kg oder 155 kg auf den Quadratcentimeter.


1888 war die stärkste hydraulische Blockschere auf den Homestead
Works von Carnegie, Phipps \& Co. zu Munhall bei Pittsburg 3). Sie
war von der Morgan Engineering Co. zu Alliance, Ohio, gebaut, hatte
eine Schnittfläche von 600 × 1200 mm, der Durchmesser des Kolbens
betrug 1066 mm, der Wasserdruck 280 Atmosphären.


Eine riesige Blechschere von 70 Tonnen Gewicht kam Ende der
achtziger Jahre zu Springfield (V. St.) in Betrieb. Sie konnte Stahl-
platten von 2500 mm Länge und 30 mm Dicke auf einmal schneiden.


Eine groſse Blechschere für Dampfbetrieb baute die Friedrich-
Wilhelmshütte bei Mülheim a. d. Ruhr damals für Schulz, Knaudt
\& Co.
in Essen 4). Noch stärker war die von Kitson (1889) an-
geführte englische Schere von Buckson \& Co., welche Stahlplatten
von 50 mm Dicke mit Messern von 3,3 m Länge zu 2,3 m breiten Platten
mit einem Hub schnitt und die von Bolkow, Vaughan \& Co. für
50 mm dicke Platten mit 1,5 m Schnittlänge. Der hydraulische Antrieb
gestattet die direkte Übertragung der Kraft ohne Wellen, Lager und
Zahnräder, jeder Hub ist leicht verstellbar, was leicht durch Selbst-
[876]Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb.
steuerung bewirkt werden kann. Als Beispiel hierfür führen wir eine
neuere Blechschere mit hydraulischem Antrieb, Selbststeuerung und
verstellbarem Messerhub, welche 1896 von der Duisburger Maschinen-
fabrik, vormals Bechem \& Keetmann in Duisburg, welche in
Fig. 338 1) abgebildet ist, an. Die Dampfkolbenstange K ist in

Figure 339. Fig. 338.


ihrer Verlängerung als Plungerkolben des Druckcylinders M aus-
gebildet. Der Plunger C des Preſscylinders B ist unmittelbar mit
dem Schlitten des Obermessers der Schere verbunden. Die Selbst-
steuerung wird durch den Ring e und den Daumen f von der Kolben-
stange K bewegt.


Die direkte Verbindung von Scherenschneide und hydraulischem
Kolben hatte Ernst Naylor, Cleveland (Ohio), schon 1892 bei seiner
[877]Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb.
Schere angebracht 1). Auf diesem Princip beruhte auch H. Aikens
hydraulische Schere (Amer. Pat. Nr. 545759).


Eine von Mackintosh, Hemphill \& Co., in Pittsburg auf dem
Blechwalzwerk der Bethlehem-Eisengesellschaft 1897 in Betrieb be-
findliche hydraulische Blockschere 2) zerschnitt Brammen von 508 ×
1218 mm.


Man giebt bei Blockscheren für quadratischen Querschnitt öfter
der horizontalen Bewegung der Messer den Vorzug vor der vertikalen.
In nicht seltenen Fällen hat man Schere und Preſswerk verbunden 3).
Zum Schneiden von Profileisen gab man vielfach den Scherenmessern
entsprechende Gestalt, oder man setzte dieselben aus mehreren ver-
stellbaren Teilen zusammen.


Kreisscheren kamen besonders bei der Blechfabrikation zum
Schneiden von Tafeln von unbegrenzter Länge auf bestimmte Breite
zur Anwendung. Das Blech liegt dabei auf einem fahrbaren Tische,
der mit verstellbarem Lineal versehen ist und sich den Scheren ent-
gegenbewegt. La Verne W. Noyes in Chicago nahm 1889 ein
deutsches Patent (D. R. P. Nr. 48788) auf eine Cirkularschere.


Kreissägen dienten bei Krupp in Essen (1891) zum Beschneiden
der Panzerplatten. Die mit den Walzwerken verbundenen Kreissägen
zum Abschneiden der Enden des Profileisens und zum Zuschneiden
auf feste Längen sind meist Heiſssägen. Kaltsägen mit verschiebbarem
Sägeblatt hat H. Ehrhardt in Düsseldorf zu Anfang der achtziger
Jahre konstruiert 4); desgleichen eine Kaltsäge mit doppelter Abfall-
schere und Richtmaschine. Er verband 1888 fünf Profile zu einem
Gatter. Heiſssägen mit verschiebbarem Kreissägeblatt hat z. B. Otto
Froriep
in Rheydt, Rheinprovinz, gebaut 5).


Als ein weiteres Hülfswerkzeug der Walzindustrie müssen die
Richtpressen und Richtmaschinen besonders für Schienen genannt
werden. R. M. Daelen erfand 1877 eine Universalrichtpresse für
Façoneisen (D. R. P. Nr. 109) 6); ebenso erfand Heinrich Ehrhardt
in Düsseldorf Richtmaschinen für verschiedene Profile 7).


Die Fortschritte, welche bei den übrigen Metallbearbeitungs-
[878]Schweiſsung.
maschinen als Lochstanzen, Bohrmaschinen, Fräsmaschinen, Dreh-
und Hobelbänke, Nietmaschinen, Präg- und Ziehpressen, Gesenken,
Pumpen und Prägen gemacht worden sind, gehören mehr in die
Geschichte des Maschinenbaues als der Eisenhüttenkunde; wir be-
gnügen uns deshalb, auf die neueste Auflage des Lehrbuchs der
mechanisch-metallurgischen Technologie von A. Ledebur (Braun-
schweig 1897) zu verweisen. Manche dieser Hülfswerkzeuge, besonders
Bohrmaschinen, werden jetzt durch Elektromotoren betrieben, nament-
lich bei Montage oder bei sehr schweren Stücken.


Dagegen verdienen die Fortschritte der Formgebung durch
Schweiſsung als eine metallurgische Operation hier noch eine kurze
Besprechung.


Fluſseisen schweiſst schwerer als Schweiſseisen, welch letzteres
von seiner Schweiſsbarkeit benannt ist. Die Schweiſsbarkeit des Fluſs-
eisens bildete besonders zu Anfang der achtziger Jahre einen Gegen-
stand lebhafter Erörterungen. Die Schwierigkeit desselben wurde
vielfach übertrieben, teils aus Unkenntnis der richtigen Behandlung,
teils aus Geschäftsinteresse seitens der Schweiſseisenfabrikanten. Daſs
gutes Fluſseisen bei richtiger Behandlung sehr gut schweiſst, ist heut-
zutage eine anerkannte Thatsache. Auf die Schweiſsbarkeit des Fluſs-
eisens üben allerdings die fremden Beimengungen einen groſsen Ein-
fluſs aus. Dies hat unter anderen Daniel Adamson 1879 nach-
gewiesen, nach dessen Erfahrungen Stahlbleche nicht über 0,125 Pro-
zent Kohlenstoff, 0,040 Schwefel und Phosphor und 0,100 Silicium
enthalten dürfen, um sich noch gut schweiſsen zu lassen. Weitere
Untersuchungen in den folgenden Jahren ergaben, daſs alle Neben-
bestandteile des Eisens seine Schweiſsbarkeit verringern.


Der Kohlenstoff setzt den Schmelzpunkt des Eisens herab, ver-
mehrt aber seine Krystallisation und macht das Eisen in der Hitze
brüchig. Mangan, Chrom und Wolfram erhöhen den Schmelzpunkt
des Eisens, erhöhen auch seine Festigkeit in der Hitze, wirken aber
durch ihre eigene Unschmelzbarkeit nachteilig auf die Schweiſsung
ein. Phosphor wirkt ähnlich wie Kohlenstoff, aber in noch höherem
Maſse ungünstig. Silicium verursacht Heiſsbruch und vermindert
die Schweiſsbarkeit. Schwefel veranlaſst Saigerung und bewirkt
Störungen.


Die Frage der Schweiſsbarkeit erschien so wichtig, daſs der Verein
zur Beförderung des Gewerbefleiſses in Preuſsen eine besondere
Kommission einsetzte, die eine Reihe von Versuchen im Moabiter
[879]Schweiſsung.
Eisenwerk anstellte und im Jahre 1882 1) Bericht erstattete. Sie kam
zu dem sehr ungünstigen Ergebnis, daſs eine jede durch Schweiſsung
hergestellte Verbindung auch bei der gröſsten Sorgfalt des Schmiedes
unzuverlässig ist. Deswegen sind aber Schweiſsverbindungen durchaus
nicht immer weniger fest als die ungeschweiſste Masse: gut geschweiſste
und gehämmerte Verbindungsstellen zeigen öfters eine Festigkeit bis
zu 100 Prozent.


Wedding und Ledebur hoben die Wichtigkeit der chemischen
Zusammensetzung des zu schweiſsenden Fluſseisens hervor. Letzterer
fand die durchschnittliche Zusammensetzung von


Weddings Angabe, daſs ein Siliciumgehalt die Schweiſsung
befördere, wurde von Anderen bestritten. Nach Wedding ist die
molekulare Anordnung von gröſserem Einfluſs als der Kohlenstoffgehalt.


Die Schweiſsbarkeit kommt zunächst bei der Vorarbeit zur
Schweiſseisenfabrikation, sodann aber in tausenderlei Verwendung zur
Herstellung geschweiſster Gegenstände in Betracht.


Daſs die Art der Ausführung der Schweiſsung von gröſserem
Einfluſs ist, bedarf kaum der Erwähnung. Krupp erfand gegen Ende
der siebziger Jahre eine besondere Vorrichtung zum Schweiſsen von
Blech und Flacheisen, deren Wesen darin bestand, daſs die Schweiſs-
stelle auf ihre ganze Länge gleichmäſsig und nur einmal erhitzt und
dann geschweiſst wurde, und daſs das zu schweiſsende Stück beim
Wärmen und Schweiſsen in derselben Lagerung verblieb. Die Gleich-
mäſsigkeit der Erhitzung der Schweiſsnaht suchten verschiedene Er-
finder durch Gasheizung mit entsprechend verteilten Brennern zu
erreichen. Daſs auch in dieser Periode zahllose Schweiſspulver er-
funden wurden, ist selbstverständlich. Wir erwähnen hier nur ein
Schweiſspulver von Rust (1879) für englischen Guſsstahl: 61 Tle.
Borax werden mit 17½ Tln. Salmiak im Krystallwasser des ersteren
geschmolzen und dann Blutlaugensalz und Kolophonium eingerührt
bis zur Dicke eines Breies. Alsdann wird die Masse auf eine eiserne
[880]Schweiſsung.
Platte ausgegossen, nach dem Erkalten pulverisiert und das so er-
haltene Pulver auf die Schweiſsstelle aufgestreut.


Von den vielen durch Schweiſsung hergestellten Gegenständen
erwähnen wir die spiralgeschweiſsten Rohre, nach Art der alten
Büchsenläufe, die für Dampf- und Luftleitungen in dieser Periode
Bedeutung erlangten. Sie wurden 1877 in Amerika hergestellt mit
einer Maschine, die aber mangelhaft war und später von Green und
Leybold verbessert wurde. 1894 gelang es Ehrhard in Düsseldorf,
gute spiralgeschweiſste Rohre herzustellen, wozu er Schweiſseisenblech
in Streifen von 157 mm Breite und 2 bis 6 mm Dicke verarbeitete.


Ein wichtiger und groſser Fortschritt war die Erfindung der
elektrischen Schweiſsung, weil bei dieser die gröſste Intensität
und Gleichmäſsigkeit der Erhitzung ohne den nachteiligen Einfluſs
der chemischen Einwirkung eines Brennmaterials erreicht wird.


Der Amerikaner Elihu Thomson war der erste, dem dies
gelang. Nachrichten darüber kamen 1887 zuerst nach Europa. All-
gemeine Aufmerksamkeit zog die Erfindung aber erst auf der Pariser
Weltausstellung 1889 auf sich, wo Thomsons Schweiſsapparat aus-
gestellt war und vorgeführt wurde. Das Verfahren ist nach dem
Wortlaut des deutschen Patentes (D. R. P. Nr. 58737 vom 18. Nov.
1890) 1) folgendes:


Die zusammenzuschweiſsenden Stücke werden in die leitenden
Klemmen derart befestigt, daſs sie sich ohne nennenswerten Druck
berühren; alsdann wird ein elektrischer Heizstrom von mäſsiger Stärke
durch sie hindurchgeschickt. Die Zeitdauer dieses Stromes richtet
sich nach der Gröſse der Stücke und nach der Anzahl der Strom-
wechsel, sowie nach der Druckstärke, die man bei Ausführung der
Arbeit in Anwendung bringt. Der Strom wird alsdann entweder ganz
unterbrochen oder doch bedeutend abgeschwächt, so daſs die Wärme-
zunahme in den Stücken aufhört, und hierauf werden die letzteren
einem mechanischen Drucke unterworfen, um sie innig gegeneinander
zu pressen. Nachdem dieser Druck wieder aufgehoben oder doch
bedeutend verringert worden ist, wird der Heizstrom wieder in Wir-
kung gebracht, und dann nach Erzeugung der erforderlichen Hitze
wiederum unterbrochen, um durch nachfolgenden Druck ersetzt zu
werden. Auf diese Weise werden Heizstrom und Druck in stetigem,
schnell aufeinanderfolgendem Wechsel zur Anwendung gebracht, bis
die Schweiſsung beendet ist.


[881]Schweiſsung.

In der Regel geschieht die Schweiſsung mittels Transformatoren,
die mit den Schweiſsmaschinen verbunden sind.


1888 hatte sich bereits in Amerika die Thomson Electric Welding
Company, welche Schweiſsmaschinen an verschiedene Eisenwerke
lieferte, gebildet. 1889 entstand in London und zwar in Fanshaw
Street, Hoxton, eine Schweiſsanlage, die gute Resultate erzielte 1).


Bald nach dem Bekanntwerden des Thomsonschen Glühschweiſs-
verfahrens tauchte eine zweite Erfindung der elektrischen Schweiſsung
von Nicolas von Bernados in St. Petersburg (D. R. P. Nr. 46776 vom
21. Januar 1888), welche auf der Benutzung der Hitze des elektrischen
Lichtbogens begründet war, auf. Bei der Ausführung 2) wird das
Werkstück an der Schweiſsstelle mit dem negativen Pol einer Gleich-
stromquelle verbunden, den anderen Pol bildet ein Kohlenstift, wie
er bei den Bogenlampen Verwendung findet; dieser wird über die
andere Seite der Schweiſsstelle hingeführt. In der zwischen 2000 und
4000° C. betragenden Temperatur des Flammenbogens schmilzt das
Metall an dem Verbindungspunkte ungemein rasch und findet die
Vereinigung der Metallstücke dadurch statt. Da die Erkaltung bei
dem Zurückziehen des Stiftes sofort erfolgt, so wird dadurch der
Fortgang der Arbeit sehr gefördert. Dieses Lichtbogenschweiſsver-
fahren fand alsbald besonders auf dem europäischen Kontinent eifrige
Fürsprecher, die es als dem Thomsonverfahren überlegen verkündeten,
und so fand dasselbe namentlich auch in Deutschland rascher Ein-
gang als das elektrische Glühschweiſsen. Es ist klar, daſs das
Bernadosverfahren auch einige Vorzüge vor jenem besitzt: die
Schweiſsung kann an Ort und Stelle ausgeführt werden, ohne daſs
man das Arbeitsstück an eine Maschine heranzubringen braucht, sodann
lassen sich längere Schweiſsnähte auf bequeme Art herstellen. Da-
gegen zeigte es sich sehr bald, daſs das Verfahren sehr geschickte
und geübte Arbeiter erfordert, und daſs es trotz dieser nicht immer
gelingt, die Stromwirkung richtig zu regulieren und sehr leicht das
Eisen durch zu groſse Hitze an der Schweiſsstelle verbrennt.


Es ist überhaupt ein Nachteil des elektrischen Schweiſsens, daſs
das Metall an der Schweiſsstelle überhitzt wird, schmilzt und dadurch
eine Gefügeveränderung erleidet, die in den meisten Fällen eine
Brüchigkeit der Schweiſsstelle zur Folge hat, wodurch besonders die
Biegefähigkeit beeinträchtigt wird. Bei dem Bernadosschen Ver-
fahren ist dies ganz besonders der Fall, weil hier immer eine Ver-
Beck, Geschichte des Eisens. 56
[882]Schweiſsung.
flüssigung des Metalls an der Schweiſsstelle eintritt. Eduard Blaſs
in Essen lieſs sich 1886/87 ein elektrisches Schweiſsverfahren paten-
tieren (D. R. P. Nr. 30011 und Nr. 46550), wobei er Metalle, die
eine groſse Verwandtschaft zum Sauerstoff haben (Rb, Cr, Mg), an die
Schweiſsstelle zur Reduktion des entstehenden Eisenoxyds einfügt.


Die groſsen Hoffnungen, die man auf die elektrische Schweiſsung
der Blechplatten bei der Dampfkesselfabrikation an Stelle des Nietens
hegte, haben sich aus dem angeführten Grunde nicht erfüllt, und man
ist vorläufig z. B. ganz davon abgekommen, dieses Verfahren für die
Herstellung von Dampfkesseln zu verwenden. Dagegen bleibt noch ein
groſses Feld für die Verwendbarkeit der elektrischen Schweiſsung übrig.


Die beiden beschriebenen Methoden wurden deshalb in der Folge
weiter entwickelt und verbessert und es trat noch eine neue Ver-
fahrungsweise hinzu. Es war dies das sogenannte hydroelektrische
Verfahren, das 1892/93 von den belgischen Ingenieuren Lagrange
und Hoho erfunden und in Gemeinschaft mit dem Direktor der
Brüsseler Elektrizitätsgesellschaft, Ed. Julien, ausgearbeitet wurde 1).
Es besteht in der Durchleitung des elektrischen Stromes durch Wasser,
wobei mit einem viel schwächeren Strom als bei dem Thomson-Ver-
fahren eine raschere und stärkere Erhitzung des Metallstückes erreicht
wird. Diese Erscheinung beruht auf der raschen Zersetzung des
Wassers in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff, wobei
letzterer die Kathode ganz einhüllt und dem Durchgang des elek-
trischen Stromes einen so groſsen Widerstand leistet, daſs dadurch
eine sehr starke Wärmeentwickelung entsteht. Die Anode wird dabei
in der Regel durch eine Bleiplatte von möglichst groſser Oberfläche
gebildet, während man die Kathode als eine Zange mit Holzgriff
konstruiert, mit der man das zu erhitzende Eisenstück faſst und in
das Bad, welches aus verdünnter Kochsalz- oder Potaschelösung
besteht, eintaucht. Das Metall erglüht in kurzer Zeit bis zur Weiſs-
glut. Eine Spannung des elektrischen Stromes von etwa 150 Volt ist
dabei völlig ausreichend. Die Ausnutzung der entwickelten Wärme
ist bei dem elektrischen Verfahren viel günstiger als bei jeder anderen
Art der Erhitzung.


Für die praktische Anwendung des elektrischen Schweiſsens sind
vielerlei Verbesserungen teils eingeführt, teils vorgeschlagen worden.
Schon 1889 nahmen Ries und Henderson in Amerika ein Patent
(Nr. 402168) für die elektrische Schweiſsung eiserner Röhren auf
[883]Schweiſsung.
Grund von Thomsons Verfahren. Ferner erwirkten E. Thomson
und A. Lynn ein Patent (D. R. P. Nr. 54140 vom 31. Dezember 1889),
direkt Ringe und Räder auf Bolzen und Wellen zu schweiſsen.
Wichtige Verbesserungen der Transformatoren und Schweiſsmaschinen
für das Thomsonverfahren wurden von der Thomson Electric Welding
Company in den Vereinigten Staaten erfunden und ausgeführt 1). Die
Schweiſsung erfolgt unter gleichzeitigem oder nachfolgendem Hämmern.
Zu dem Verfahren von Lagrange und Hoho nahm die Kalker Werk-
zeugmaschinenfabrik 1896 ein Verbesserungspatent darauf, daſs sie
die zu schweiſsenden Metallstücke erst in einem Schmiedefeuer an-
heizte.


Das elektrische Schweiſsverfahren hat den Vorzug der Schnellig-
keit, Sicherheit und groſser Lokalisierung, doch ist es in der An-
wendung beschränkt durch den Querschnitt. Man hat bis 1892
massive Barren nicht über 62 mm Durchmesser schweiſsen können.
Vorzüglich geeignet ist das Verfahren zum Zusammenschweiſsen von
Drahtkabeln. Die elektrische Schweiſsung macht in der Metall-
bearbeitung viele Operationen möglich, welche durch Schmieden nicht
ausführbar sind. Auch ist das Zusammenschweiſsen von Eisen und
Stahl mit anderen Metallen dadurch sehr erleichtert.


Das Schweiſsen mit dem elektrischen Lichtbogen nach Bernados
Verfahren, in England auch Voltexverfahren genannt, eignet sich
besonders für Reparaturen, namentlich im Schiffsbau, die oft nur
auf diesem Wege ermöglicht werden 2). Doch hat die Firma Lloyd
\& Lloyd, Coombs Wood Works in Halesowen in England das
Verfahren bereits 1891 auch für die Fabrikation schmiede- und fluſs-
eiserner Röhren mit groſsem Durchmesser verwendet. Es hat sich
öfter als vorteilhafter herausgestellt, bei dem Lichtbogenschweiſsen
beide Pole mit Kohlenstiften zu verbinden. Gesicht und Augen der
Arbeiter müssen bei dem Schweiſsen geschützt sein.


Coffins hat 1891 einen elektrischen Schweiſs- und Schmelzofen
konstruiert, der auf der Verwendung des Lichtbogens beruht. Zum
Schweiſsen und Löten nach dem Voltexverfahren bedient sich der
Arbeiter eines Halters mit zwei um einen Winkel von 90° gestellten
Kohlenelektroden. Den Halter hält der Arbeiter in der Hand.
Der Lichtbogen wird durch einen Druckknopf gebildet und die
eigens präparierten Kohlenstifte mit einer Mutterschraube nach-
56*
[884]Schweiſsung.
geschoben. Kohle und Apparat liefert das Electrical Metal Working
Sindicate 1).


Die Benutzung der elektrischen Stromwärme ist auch da von
besonderem Wert, wo es sich um eine vorübergehende Erhitzung
handelt, wie dies namentlich bei der Stahlhärtung, z. B. bei der Härtung
von Federn, Nadeln u. s. w., der Fall ist.


Eine eigene Art der Schweiſsung zur Verbindung der Schienen-
stöſse hat die Milwaukee Rail joint and Welding Company 1897 ein-
geführt 2). Die durch Sandstrahlgebläse gereinigten Schienenenden
werden in eine Stahlform gepackt, erhitzt und mit flüssigem Stahl
umgossen, wodurch sie fest vereinigt werden.


Auch die Gasschweiſsung ist sehr vervollkommnet worden.
Julius Pintsch, Berlin, zeigte auf der Pariser Weltausstellung einen
mittels Wassergas geschweiſsten cylindrischen Kessel von 20,2 m Länge
und 1,83 m Durchmesser.


Ein ganz neues Schweiſsverfahren ist das von Dr. Hans Gold-
schmidt
in Essen erfundene Verfahren mit Aluminium, das alu-
minothermische Verfahren
, mit dem man selbst abgebrochene
Walzenzapfen anschweiſsen soll 3).


Wenn die Schweiſsung in vielen Fällen nötig und nicht zu um-
gehen ist, so eignet sich das Fluſseisen seiner Natur nach in hohem
Maſse zur Herstellung nahtloser Gegenstände, wie wir dies z. B. bei
dem Walzverfahren von Mannesmann schon kennen gelernt haben.


Ein weiteres Beispiel hierfür ist das von Heinrich Ehrhardt
in Düsseldorf erfundene Lochverfahren zur Herstellung nahtloser
Hohlkörper 4) (D. R. P. Nr. 67921, 72573). Es geschieht dies durch
Eintreiben eines genau centrierten Dorns in einen vierkantigen, heiſsen
Fluſseisenblock in einer runden Matrize. Die gelochten Blöcke werden
ausgewalzt. Auf diese Weise können Gewehrläufe, Projektile, Kohlen-
säureflaschen und nahtlose Röhren von groſser Festigkeit hergestellt
werden. Das Einpressen des Dorns geschieht hydraulisch.


Von jeher war das Bedürfnis nach besseren Waffen ein starker
Antrieb für die Vervollkommnung der Eisenindustrie, während umgekehrt
erst die Verbesserung des Eisens die der Bewaffnung ermöglichte.


Die groſsen Fortschritte der Feuerwaffen seit 1870 sind haupt-
[885]Feuerwaffen.
sächlich bedingt durch die Fortschritte der Güte und der Behandlung
des Materials, des Tiegel- und Fluſsstahls und der Herstellung naht-
loser Rohre von hoher Festigkeit.


Das preuſsische Zündnadelgewehr hatte sich in dem deutsch-
französischen Kriege gegenüber dem Chassepotgewehr von nur 11 mm
Kaliber als minderwertig bewiesen. Sofort nach Friedensschluſs führte
man deshalb ein neues Gewehr (Mausergewehr — M. 71) von geringerem
Kaliber und gröſserer Fluggeschwindigkeit des Geschosses ein. In
dieser Richtung in Verbindung mit einer Steigerung der Lade-
geschwindigkeit hat sich die Entwickelung der Handfeuerwaffen seit-
dem fortbewegt, wobei an das Stahlmaterial immer wachsende Anforde-
rungen gestellt wurden. So betrug z. B. der Gasdruck in dem Ende
der achtziger Jahre eingeführten Magazingewehr, Modell 88, von 8 mm
Kaliber 3200 Atmosphären, was bei einer Wandstärke am Laufende
von 5,5 mm eine Elastizitätsgrenze des Metalls von 68,7 kg auf den
Quadratmillimeter erforderte. Die Mündungsgeschwindigkeit war 620 m.
Seitdem sind noch kleinkalibrigere Geschosse von höherer Geschwindig-
keit, die noch stärkeres Material verlangten, in den verschiedenen
Staaten eingeführt worden, doch müssen wir uns mit diesen kurzen
Bemerkungen hier begnügen und verweisen auf die Fachlitteratur 1).


Die Verbesserungen der Handfeuerwaffen zwangen schon zu ent-
sprechenden Verbesserungen der Geschütze, an die noch weitere An-
forderungen durch die Verstärkung der Panzerung der Schiffe und
Forts gestellt wurden. Auch hierfür bildeten das Material und die
Behandlung desselben neben Gestalt und Konstruktion die wichtigsten
Grundlagen. In letzterer Beziehung machte man die Geschütze, um
die nötige gröſsere Schuſsweite zu erzielen, schlanker, indem man das
Geschützrohr verlängerte, das Kaliber verringerte. Was das Material
für die Geschütze anlangt, so muſsten Guſseisen und Bronze gänzlich
ausscheiden und kam nur noch Fluſsstahl in Frage. Am besten be-
währte sich nach wie vor Krupps Kanonenstahl. Durch Zusatz von
Nickel erzielten H. Schneider in Frankreich, J. Riley in England,
Carnegie, Phipps \& Co. in Amerika und Fr. Krupp in Deutsch-
land sehr gute Resultate. Riley erzielte mit 2 Prozent Nickelzusatz
einen Stahl von 125 bis 151 kg pro Quadratmeter Zugfestigkeit und
7 Prozent Streckung.


Durch die Bearbeitung der Rohrblöcke, insbesondere durch die
Behandlung derselben unter starken hydraulischen Pressen, be-
[886]Feuerwaffen.
ziehungsweise Preſshämmern, wurde das Material noch wesentlich
verbessert 1).


Seit 1898 kamen bei der Feldartillerie die Schnellfeuergeschütze
zur Einführung, deren Konstruktion mit den Magazingewehren Ahnlich-
keit hatte und ein vorzügliches Material verlangt.


Mit der Umwandlung der Feldgeschütze ging die der Geschosse 2)
Hand in Hand. Nicht nur die guſseisernen Vollkugeln, sondern auch
die guſseisernen Granaten sind verschwunden. An Stelle dieser traten
dünnwandige, röhrenförmige Granaten und Schrapnells (Fernstreu-
geschosse) aus Stahl, die durch Schmieden, durch Stanzen und Pressen
oder durch Schrägwalzen nahtlos hergestellt werden. Krupp verfertigte
bereits Ende der siebziger Jahre solche Granaten. Das Mannesmann-
verfahren hat sich für diesen Zweck gut bewährt, ebenso das von
H. Ehrhardt.


Die Gestalt der Geschosse änderte sich wesentlich. Um eine
gröſsere Wirkung zu erzeugen, muſsten die Geschosse schwerer werden,
was unter Beibehaltung des Durchmessers nur durch Verlängerung
geschehen konnte. Man machte sie bis zu sechs Kaliber Länge, wo-
durch sie die Gestalt von länglichen Röhren, ähnlich wie Cigarren,
erhielten. Die Härtung der Spitze oder des Kopfes der Geschosse ist,
namentlich für die gegen Panzerplatten zur Verwendung kommenden,
eine wichtige Sache, wofür zahlreiche Patente genommen worden sind.


Lafetten 3) und Protzen werden jetzt ebenfalls nur noch aus
Fluſsstahl hergestellt. Das Holz ist verschwunden. Alle dickeren
Teile werden aus Hohlkörpern hergestellt, besonders Achsen, Speichen
und Radkranz. Auch hierfür hat sich Mannesmanns Schrägwalz-
verfahren bewährt. Gute Stahllafetten liefert das Grusonwerk
(Friedrich Krupp) nach seinem Patent (D. R. P. Nr. 54029).


Für die schweren Geschütze — Belagerungs- und Schiffskanonen —
hatte sich das von Armstrong zuerst praktisch durchgeführte Mantel-
system am besten bewährt und war auch Krupp dazu übergegangen,
nachdem es sich gezeigt hatte, daſs entsprechend starke Massivrohre
auch von tadellosem Stahlmaterial leichter dem Zerspringen ausgesetzt
sind. Hierbei werden vorgewärmte Ringe oder Cylinder über das
Seelenrohr gezogen, das sie nach dem Erkalten durch ihre Zusammen-
ziehung so dicht umschlieſsen, als ob Rohr und Ring ein Körper
sei. Es ist dies eine Anwendung des Verbundprinzips, wie es beim
[887]Feuerwaffen.
Hartguſs und bei den Panzerplatten zur Anwendung kommt, nur mit
dem Unterschiede, daſs der zähere Ring mit dem härteren Rohre
nicht eine Masse bildet, sondern nur mechanisch verbunden ist. Daſs
dies in möglichst vollkommener Weise geschieht, ist die Aufgabe der
Fabrikation. Friedrich Krupp ist dieses in hervorragender Weise
gelungen und dieser Erfolg, in Verbindung mit seinem unübertroffenen
Guſsstahlmaterial, hat den Weltruhm seiner Geschütze begründet.


Der Verlauf der Fabrikation ist kurz folgender: Der aus Tiegeln
gegossene Stahlblock, der dicker sein muſs als das herzustellende
Rohr, wird gründlich durchgeschmiedet. Dies geschah früher unter
schweren Dampfhämmern, neuerdings unter Schmiedepressen von
5000 Tonnen Druck. Das Seelenrohr wird dann aus dem massiven
Block gebohrt und abgedreht. Die Ringe werden aus vollen Blöcken
durch Lochen und Ausschmieden über einen Dorn hergestellt. Nach-
dem sie sorgfältig auf den richtigen Durchmesser ausgedreht sind,
werden sie auf etwa 500° C. erwärmt und über das wassergekühlte
Seelenrohr geschoben. Nach dem Erkalten umschlieſst der Ring das
Seelenrohr so fest, daſs keine Gewalt ihn herunterschieben kann.
Schwere Geschütze erhalten mehrere Ringlagen, die schwersten vier
bis fünf.


Auch bei dem schweren Geschütz wurden Schuſsweite und Treff-
sicherheit durch die Verlängerung des Rohres, die man bis auf
45 Kaliber steigerte, bedeutend erhöht. Die Gröſse der Geschütze für
Belagerungszwecke, besonders aber für die Küstenverteidigung gegen
gepanzerte Kriegsschiffe, ist eine auſserordentliche. 1898 wurden am
Eingang des Hafens von New York 14 Geschütze aufgestellt von 15 m
Rohrlänge, 0,406 m Bohrung und 128 Tonnen Gewicht. Das Hohl-
geschoſs dafür wiegt 1066 kg, die Schuſsweite soll 25,7 km, die lebendige
Kraft des Geschosses 18580 Metertonnen betragen.


Die Güte des Stahls ist von der gröſsten Wichtigkeit für die
Geschütze. Krupp hat deshalb trotz der hohen Kosten unentwegt
an dem Tiegelguſsstahl für Herstellung der Geschützrohre festgehalten
und denselben nur noch durch einen Zusatz von Nickel verbessert.


Fast noch wichtiger ist die Materialfrage bei den Geschossen, be-
sonders denjenigen, welche gegen Panzerplatten zur Verwendung kamen.
Guſseisen konnte hierbei nicht mehr in Frage kommen. Selbst die vor-
züglichen Grusonschen Hartguſsgranaten genügten nicht mehr bei
der gesteigerten Anfangsgeschwindigkeit und dem Widerstand der
gehärteten Stahlpanzerplatten. Auch hier behauptete der Stahl allein
das Feld. Krupp gelang es, vorzüglich geschmiedete und gehärtete
[888]Feuerwaffen.
Stahlgeschosse herzustellen, welche Kompoundpanzerplatten glatt
durchschlugen. Holtzer in Frankreich lieferte Chromstahlgeschosse
von vorzüglicher Härte. Die schweren Granaten von Holtzer in
Unieux und von Firminy wurden aus geschmiedetem Stahl mit
Chromstahlspitzen hergestellt. Die Überlegenheit war auf Seite dieser
Geschosse, bis die gehärteten Nickelpanzerplatten zur Anwendung
kamen. Schneider in Creusot brachte Molybdän- und Wolframstahl
in Vorschlag.


R. A. Hadfield in Sheffield bereitet einen harten Stahl für
Geschosse durch Zusatz von Kohlenstoff, Chrom, Nickel, Silicium und
Aluminium. Die gegossenen Kugeln werden geschmiedet, bei etwa
870° C. ausgeglüht, dann fertig bearbeitet und die auf 800 bis 900° C.
erhitzte Spitze in Wasser oder Öl abgelöscht (Engl. Pat. Nr. 27754,
27755 vom 25. November 1897). Nach Sir Williams1) macht man
jetzt Stahlgeschosse, die eine Stahlschicht durchschlagen, welche einer
1 m dicken Schweiſseisenplatte entsprechen würde.


Die schnellfahrenden Torpedoboote gaben die Veranlassung zur
Einführung von Revolverkanonen und die schnellfahrenden Kreuzer
zur Einführung von Schnellfeuerkanonen für die Schiffs- und Küsten-
artillerie, wobei die Kugeln mit Kartuschen, wie bei den Gewehr-
patronen, verbunden wurden. Hierdurch wurde erst das Schnellladen
ermöglicht. Gleichzeitig versah man die Lafetten mit hydraulischen
oder Federbremsen zur Aufhebung des Rücklaufes. Diese Schnell-
feuergeschütze erhielten noch längere Rohre als die alten Geschütze,
die 5,7 cm-Schnellfeuerkanone von Gruson hatte 70, die von Canet
sogar 80 Kaliberlängen.


Dieselben Grundsätze sind neuerdings auch auf die Feldartillerie
übertragen worden, wozu die Einführung des rauchfreien Pulvers Vor-
bedingung war, doch ist es nicht möglich, auf diese Fortschritte und
die Leistungen dieser Geschütze hier näher einzugehen 2).


Erwähnen wollen wir noch, daſs man das Schnellladeprinzip auch
auf schwerere Schiffskanonen übertragen hat, und daſs in der deut-
schen Kriegsmarine die 15 cm-Schnellladekanone eine wichtige Waffe
geworden ist. Fig. 339 zeigt ein solches Geschütz mit der neuen
Kruppschen Wiegelafette in Feuerstellung. Ein Geschoſs steht links
vom Geschützboden. Die Abbildung zeigt deutlich, wie verschieden
heute Geschütz und Geschoſs gegen früher sind.


[889]Lieferungsbedingungen.

Die Geschütze der Festungs- und Belagerungsartillerie ent-
wickelten sich in anderer Weise. Das Steilfeuer, welches bei diesen
in Anwendung kam, veranlaſste eine Verkürzung der Rohre, so daſs die
Haubitzen- und Mörserform die vorherrschende wurde. Diese schweren
Geschütze erreichen durch den Steilschuſs und das rauchlose Pulver

Figure 340. Fig. 339.


auſserordentliche Schuſsweiten, so z. B. die Kruppsche 28 cm-Haubitze
L/12 mit ihrer 216 kg-Granate bei 45° Erhöhung 10 km. Die durch
das Steil- oder Bogenschieſsen veränderte Angriffsweise zwingt wieder
zu einer anderen Art der Verteidigung, wobei die Stahlpanzerung
(Panzerscharten, Panzertürme) die Hauptrolle spielt. — Bei allen
diesen vielerlei Verwendungen des Stahls kommt dessen Güte zuerst
in Frage.


Die Sicherstellung der Qualität des Materials ist deshalb bei
allen gröſseren Lieferungen von gröſster Wichtigkeit. Darum werden
hierfür Lieferungsbedingungen, in denen dies Mindestmaſs
der Anforderungen bezüglich der Festigkeit, Elastizität, Härte, Art
der Herstellung u. s. w. festgesetzt sind, vorgeschrieben. Diese
Lieferungsbedingungen werden teils von Fall zu Fall, teils allgemein
für gewisse Gebrauchsgegenstände, wie z. B. Eisenbahnbau- und
-betriebsmaterial 1), Brückenmaterial, Baueisen 2), Panzerplatten 3), Guſs-
waren 4) u. s. w., aufgestellt. Diese allgemeinen Vorschriften werden teils
von den groſsen Abnehmern, den Staatsregierungen, Eisenbahnverwal-
tungen u. s. w., teils von technischen Verbänden und Vereinen erlassen.
So stellten z. B. in Deutschland der Verein deutscher Eisenhütten-
[890]Materialprüfung.
leute, der deutsche Ingenieurverein und der deutsche Architekten- und
Ingenieurverein gemeinsam 1893 Normalbedingungen für Lieferungen
von Stahl und Eisen auf. Die Kontrolle liegt in der Materialprüfung,
die dadurch in neuerer Zeit eine auſserordentliche Wichtigkeit erlangt
hat 1). Diese Prüfungen sind chemisch oder physikalisch, oder chemisch
und physikalisch. Sie werden ausgeführt auf den Hüttenwerken selbst
zur Kontrolle des Betriebes, oder von dem Abnehmer, oder von öffent-
lichen Materialprüfungsanstalten. Da es sich dabei, namentlich bei den
Kontrollproben für den Betrieb, um möglichst rasche Durchführung
handelt, so hat man Schnellproben eingeführt, wie wir dies bereits
bei den Fortschritten der chemischen Analyse angeführt haben, und
den Versuch gemacht, einheitliche Untersuchungsmethoden 2) (Normal-
proben) international zu vereinbaren. Ebenso hat man sich bemüht,
für die mechanischen Proben einheitliche Prüfungsmethoden ein-
zuführen 3).


Bei den mechanischen Proben sind die Kontrollproben für den
Betrieb ebenfalls meist Schnellproben, während die Proben für die Ab-
nahme, namentlich aber die von den öffentlichen Prüfungsanstalten vor-
genommenen, mit den sorgfältigst gearbeiteten, zuverlässigsten Apparaten
ausgeführt werden. Um allgemein gültige Grundsätze für die Material-
prüfungen festzusetzen, hatte J. Bauschinger internationale Kon-
ferenzen veranlaſst, die bis 1893 in München (1884), Dresden, Wien
und Berlin abgehalten wurden. Zu den allgemein eingeführten Grund-
sätzen gehört neuerdings auch der, für Fluſseisenprodukte (Bessemer-,
Thomas- oder Martinfluſseisen) von jedem einzelnen Satz Probe zu
nehmen.


In Preuſsen ist die chemisch-technische Prüfungsanstalt mit der
Bergakademie in Berlin verbunden und steht unter der Leitung von
Professor H. Wedding, die mechanisch-technische Prüfungsanstalt
mit der technischen Hochschule in Charlottenburg verbunden unter
der Leitung von Professor A. Martens4).


H. Wedding hat sich um die Gründung der Material-Versuchs-
anstalten in Preuſsen groſse Verdienste erworben 5). Als Professor der
Eisenhüttenkunde an der Bergakademie in Berlin hatte er bereits 1867 die
Gründung einer solchen für die Eisenindustrie beantragt. Nach seinem
[891]Materialprüfung.
Vorschlag sollte dies eine selbständige Staatsanstalt sein, die nicht nur
mit Laboratorien, sondern auch mit Schmelzöfen, in denen Schmelz-
versuche auch im groſsen ausgeführt werden konnten, ausgerüstet
sein sollte. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt sowohl der Kosten
wegen, als weil die preuſsische Regierung mit dem Prinzip, Muster-
werke für die Eisenindustrie zu betreiben, grundsätzlich gebrochen
und den Grundsatz der Enthaltung jeder staatlichen Einmischung in
die Industrie angenommen hatte. Die deutsche Eisenindustrie konnte
sich zur Gründung einer solchen Anstalt ebensowenig aufschwingen.


Als aber die Erfolge der Versuchsanstalt des Engländers Kirkaldy
bekannt wurden, und als Wöhler seine Festigkeitsversuche über
Eisenbahnmaterialien 1870 veröffentlicht hatte, entstanden zunächst
1871 die Privatanstalten von Dr. Böhme in Berlin zur Prüfung von
Ziegel- und Bruchsteinen und von Professor Spangenberg zur Fort-
setzung der Wöhlerschen Versuche, etwas später die Prüfungsanstalt
von Professor Bauschinger in München für Baumaterialien aller
Art. Obgleich H. Wedding seinen Antrag auf Gründung einer staat-
lichen Prüfungsanstalt für Preuſsen von Jahr zu Jahr wiederholte,
ging die Regierung erst 1876 darauf ein, und zwar nach Beratung des
Ministers Achenbach mit den Direktoren der drei höheren technischen
Lehranstalten in Berlin in der Weise, daſs nicht eine groſse Anstalt,
sondern drei kleinere in Verbindung mit diesen Anstalten gegründet
wurden. Die chemisch-technische Prüfungsanstalt wurde der Berg-
akademie, die mechanisch-technische und eine Prüfungsanstalt für
Baumaterialien mit der Gewerbeakademie, an deren Spitze Professor
Reuleaux stand, angegliedert und für dieselben am 23. Januar 1880
ein Reglement erlassen. Diese Zersplitterung beeinträchtigte die
Leistungen, und das um so mehr, als die Anstalten sich möglichst
selbst erhalten, also verdienen sollten. Hierdurch waren gröſsere,
einheitliche Versuche zur Förderung der deutschen Eisenindustrie,
wie dies Wedding erstrebt hatte, ausgeschlossen und beschränkten
sich die Anstalten auf bezahlte Privatarbeiten. Eine Besserung trat
erst ein, als mit der Gründung der technischen Hochschule zu Char-
lottenburg im Jahre 1884 auch die mechanisch-technische Versuchs-
anstalt reichlicher ausgestattet wurde. Seitdem konnten auch weiter-
gehende Arbeiten in Weddings Sinn ausgeführt werden, und hat sich
die Anstalt unter Professor Martens vortrefflicher Leitung groſse
Verdienste und allseitige Anerkennung erworben.


Bayern hat eine allgemeine Prüfungsanstalt in München, die von
dem um die Materialienprüfung hochverdienten Professor J. Bau-
[892]Technische Lehranstalten.
schinger1) gegründet wurde; die Schweiz besitzt eine gleiche Anstalt
in Zürich, an deren Spitze Professor Tetmajer steht. Alle diese
Anstalten veröffentlichen jährlich Berichte 2) über ihre Thätigkeit.


Mit dem Wachstum der Industrie erlangten auch die technischen
Lehranstalten
eine wachsende Bedeutung. Die Zahl und der Besuch
dieser Anstalten nahm zu.


Deutschland, das von jeher auf dem Gebiete des Erziehungs-
wesens Hervorragendes und vielfach Mustergültiges geleistet hat, ent-
wickelte neben seinen zahlreichen Universitäten das technische Hoch-
schulwesen in glänzender Weise. Technische Hochschulen besitzt
Deutschland in Aachen, Berlin (Charlottenburg), Braunschweig, Darm-
stadt, Dresden, Hannover, Karlsruhe, München und Stuttgart, geplant
ist ferner die Gründung einer solchen Anstalt in Danzig.


Aachen allein besitzt einen besonderen Lehrstuhl für Eisen-
hüttenkunde, er ist von Professor E. F. Dürre besetzt; in Charlotten-
burg, der gröſsten und besuchtesten technischen Hochschule, hält
Professor H. Wedding Vorträge über Eisenhüttenkunde.


Deutschland besitzt neben den technischen Hochschulen drei
Fachakademieen für Bergbau- und Hüttenkunde. Von diesen ist die
älteste Freiberg in Sachsen, die schon 1766 gegründet wurde und sich
eines Weltrufes erfreut. Sie hat einen besonderen Stuhl für Eisen-
hüttenkunde, den Professor A. Ledebur einnimmt. Die 1811 gegründete
Bergakademie zu Clausthal, die 1866 mit Hannover an Preuſsen fiel,
wird mehr von Bergbau- und Metallhüttenkunde-Studierenden besucht.
In der seit 1860 bestehenden Bergakademie in Berlin wird die Eisen-
hüttenkunde von Professor H. Wedding vorgetragen und vertreten.


Neben diesen höheren Lehranstalten besitzt besonders Preuſsen
eine groſse Zahl niederer Lehranstalten. Es gab 1897 in Preuſsen
zehn Bergschulen und 31 Bergvorschulen zur Ausbildung praktischer
Grubenbeamten. Bergschulen sind zu Tarnowitz in Oberschlesien, zu
Waldenburg in Niederschlesien, zu Eisleben im Oberbergamt Halle,
zu Clausthal im Harz, zu Essen und zu Bochum im Oberbergamt
Dortmund, zu Saarbrücken, Siegen, Dillenburg, Wetzlar und Barde-
leben bei Aachen im Oberbergamt Bonn.


Ausschlieſslich für Eisenhüttenkunde dient die Hüttenschule zu
Duisburg, früher in Bochum, die von den Eisenindustriellen Rheinlands
[893]Technische Lehranstalten.
und Westfalens erhalten wird und an der als Lehrer Th. Beckert
und Dr. F. Wüst1) wirken.


Gute Fachschulen für Eisenarbeiter sind ferner zu Remscheid,
wo H. Haedicke als Lehrer wirkt, zu Iserlohn und zu Dortmund.


Österreich besitzt zwei Bergakademieen, Leoben und Přibram. In
Leoben wirkten P. von Tunner, Franz Kuppelwieser und jetzt
Jos. von Ehrenwerth auf der Lehrkanzel für Eisenhüttenkunde.
Ungarn hat die alte, schon 1770 gegründete Bergakademie zu Schem-
nitz, wo Anton von Kerpely die Eisenhüttenkunde vertrat. Fach-
schulen für Eisenhüttenleute befinden sich in Steyr, Waidhofen und
Komotau.


In Frankreich pflegen höhere Hüttentechniker ihre Studien erst
auf der École politechnique zu machen und sich dann einer der
beiden höheren Fachschulen für Berg- und Hüttenleute, der École des
Mines zu Paris oder zu St. Etienne zuzuwenden. Für die Ausbildung
von technischen Unterbeamten sorgen zahlreiche Lehrwerkstätten,
deren Ursprung zum Teil in die Zeit der groſsen Revolution (1788)
zurückgeht und die besonders für die Kleinindustrie segensreich wirken.
Für Eisenarbeiter sind die Schulen zu Chalons-sur-Marne und auf
dem Boulevard de la Villette zu Paris zu erwähnen.


In England ist die Royal School of Mines in London die höhere
Lehranstalt für Hüttenleute. In neuester Zeit (1899) ist mit der
Midland-University in Birmingham eine Abteilung für den Unterricht
in der Hüttenkunde verbunden worden.


Ruſsland besitzt als höhere Lehranstalt das Institut für Berg-
und Hüttenwesen in St. Petersburg; auſserdem hat es groſse, nach
französischem Muster eingerichtete Lehrwerkstätten in St. Petersburg,
Moskau und Odessa.


In Schweden wurde die altberühmte Bergschule von Falun 1869
nach Stockholm verlegt und mit der technischen Hochschule ver-
einigt. Hier wirkten Åkerman, Eggertz, Knut Styffe, J. Wiborgh.


Für die Ausbildung von Unterbeamten dienen die 1869 gegründete
Schule zu Falun und seit 1871 die zu Filipstadt.


In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist in den letzten
Jahrzehnten viel für die Hebung des technischen Unterrichtswesens
geschehen. Durch die Land-grant-Bill von 1862 wurde den Einzel-
staaten umfangreicher Grundbesitz zur Verbesserung des Schulwesens
zugewiesen. Die meisten der alten groſsen Lehranstalten wurden mit
[894]Technische Lehranstalten.
Abteilungen für technischen Unterricht verbunden. Die altberühmte
Harvard-Universität, die 1636 von J. Harvard für Massachusetts zu
Newtown gegründet worden war, erhielt eine technische Abteilung
unter dem Namen Lawrence Scientific School, die Yale-Universität in
Newhaven (Conn.) eine solche unter dem Namen Sheffield Scientific
School. Ebenso wurde mit der 1852 gegründeten Washington-Uni-
versität in St. Louis eine polytechnische Abteilung verbunden, und der
Cornell-Universität in Ithaca (New York) das Lilbey College angefügt.
Die wichtigste Anstalt für Bergbau- und Hüttenkunde ist aber Columbian
College in New York, das 1869 als School of Mines organisiert wurde.
In Houghton befindet sich die Michigan Mining School.


Fast jeder Staat der Union hat jetzt seine technische Lehranstalt.
Von diesen seien noch angeführt das Renssclaer-Polytechnikum in
Troy (N. Y.), das Stevens-Institut in Hoboken (N. J.), welches 1870 von
Ed. A. Stevens gegründet wurde, das Massachusetts Institute of
Technology in Boston (1865 gegründet), die Leland Stanford Uni-
versity in Palo Alto (Cal.), die 1886 gegründete Care School of Applied
Science in Cleveland (Ohio) und die New York-Trade-school. Die
amerikanischen technischen Schulen zeichnen sich durch gute Lehr-
mittel und Werkstätten aus. Neuerdings hat der um die amerikanische
Eisenindustrie hochverdiente und durch sie zum 100fachen Millionär
gewordene John Carnegie groſsartige Summen für die Förderungen
des technischen Schulwesens in den Vereinigten Staaten geschenkt.


Auch Japan hat seit einigen Jahren mit der Universität zu Tokio
einen Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde verbunden.


Von hoher Bedeutung sind die Wohlfahrtseinrichtungen und die
Schutzgesetze zum Wohle der arbeitenden Klassen, womit Deutschland
in den letzten Jahrzehnten den übrigen industriellen Staaten voran-
geschritten ist. Kaiser Wilhelm I. gebührt das unsterbliche Verdienst,
durch seine Botschaften vom 11. November 1881 und vom 14. April
1883 die Anregung hierzu gegeben zu haben. Am 15. Juni 1883 wurde
durch Reichsgesetz die allgemeine Krankenversicherung und am
22. Juni 1889 die Invaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter
in Deutschland eingeführt und geregelt. Seitdem bemühen sich auch
die übrigen Kulturstaaten ähnliche Einrichtungen zu schaffen.


[[895]]

Die Geschichte des Eisens in den einzelnen Ländern.


Allgemeines.


Kein Zeitabschnitt von gleicher Dauer weist so groſsartige Fort-
schritte in der Eisenindustrie auf, als die letztverflossenen 30 Jahre
seit 1870. An diesen Fortschritten nahmen alle Kulturländer, ja man
kann sagen, alle Länder der Erde teil, wenn auch nach Eigenart und
Verhältnissen in verschiedenem Maſse. Die Allgemeinheit, die Inter-
nationalität dieser Fortschritte, kann als das wichtigste Merkzeichen
dieser Periode bezeichnet werden. Sie war ermöglicht und veranlaſst
durch die auſserordentliche Entwickelung des Verkehrs, welche selbst
wieder eine Folgeerscheinung der fortschreitenden Entwickelung der
Eisenindustrie war. An den Erfindungen und Verbesserungen, welche
zu dem groſsen Aufschwung der Eisenindustrie beitrugen, haben alle
Kulturvölker mitgewirkt. Es war nicht mehr möglich, eine wichtige
Erfindung auf diesem Gebiete geheim zu halten und für ein Land zu
monopolisieren, wie dies früher z. B. mit der Erfindung des Guſsstahls
von Benjamin Huntsman in England geschehen war. Die ganze
Welt, alle Metallurgen der Erde standen in Gedankenaustausch und
arbeiteten zusammen, und da diese Arbeiten sich häufig auf denselben
Gegenstand bezogen, wurden nicht selten dieselben oder ähnliche Ver-
besserungen in ganz verschiedenen Ländern gleichzeitig erfunden und
eingeführt. War aber eine wichtige Erfindung gemacht, so wurde sie
nicht verheimlicht, sondern veröffentlicht und verbreitete sich alsbald
in alle Länder, die daran Interesse nahmen. Dies war um so mehr
der Fall, als die Erfindungen durch Patente geschützt wurden, und
diese Patente selbst zum Bekanntwerden der Erfindung und zu ihrer
Verbreitung beitrugen. Die wichtigsten wissenschaftlichen und tech-
nischen Verbesserungen auf dem Gebiete der Eisenindustrie sind im
vorhergehenden allgemeinen Abschnitt aufgeführt und beschrieben.
Unsere Aufgabe in diesem Teil ist es, den Anteil der einzelnen Länder an


[896]Allgemeines.

Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen.


[897]Groſsbritannien.

dieser Entwickelung und die Wirkungen dieser Fortschritte im ganzen
wie im einzelnen nachzuweisen. Für letzteres dient als wichtigstes
Hülfsmittel die Statistik. Diese zeigt zunächst eine allgemeine,
bedeutende Produktionssteigerung, veranlaſst durch eine vielseitigere
und intensivere Verwendung des Eisens auf fast allen Gebieten der
Technik. Der Grund hierfür lag in der gröſseren Güte und relativen
Billigkeit desselben infolge der technischen Fortschritte. Der wichtigste
von diesen war die Vervollkommnung der Fluſseisenbereitung.


Der Sieg des Fluſseisens über das Schweiſseisen, die Verwendung
des Fluſseisens für alle Zwecke sind die charakteristischsten Er-
scheinungen in diesem Zeitraum. Diese begannen mit der Verbesserung
des sauren Konverterprozesses, des eigentlichen Bessemerprozesses,
besonders durch vermehrte Massenerzeugung; sie wurden gesteigert
durch die Erfindung des basischen Konverterprozesses von Gilchrist
Thomas
1879 und durch die Übertragung des basischen Schmelz-
verfahrens auf den Siemens-Martinprozeſs. Dieses sind die wichtigsten
Etappen auf dem Siegeszug des Fluſseisens.


Betrachten wir die allgemeine Steigerung der Eisenproduktion und
des Eisenverbrauchs an Hand der Statistik. Die Grundlage hierfür bildet
die Roheisenerzeugung. Die Entwickelung dieser im Verlauf des 19. Jahr-
hunderts ist aus nebenstehender Zusammenstellung (S. 896) ersichtlich.


Wir erkennen daraus die riesige Zunahme der Roheisengewinnung,
die sich von 1806 bis 1899 um das 54 fache vermehrt hat. Die
Schweiſseisenerzeugung erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1882 mit
9135 Kilotonnen. Die Fluſseisenproduktion betrug in diesem Jahre
schon 6687 Kilotonnen, 1899 war sie auf 25844 Kilotonnen gestiegen,
während die Schweiſseisenerzeugung höchstens noch 5000 Kilotonnen
betrug. Über diese Entwickelung finden sich die näheren Nachweise
bei den einzelnen Ländern und in den Zusammenstellungen am
Schlusse des Abschnitts.


Groſsbritannien.


Im Anfang der Periode der Geschichte des Eisens von 1871
bis zur Gegenwart strahlte Englands Ruhm auf dem Gebiete der
Eisenindustrie in hellstem Glanze, seine Führerschaft war unbestritten,
übertraf doch seine Roheisenproduktion im Jahre 1871 die aller
übrigen Länder zusammengenommen. Werfen wir aber einen Blick
auf die nachfolgende Zusammenstellung, welche die Roheisenerzeugung
Groſsbritanniens vom Jahre 1870 ab und den prozentualen Anteil der-
Beck, Geschichte des Eisens. 57
[898]Groſsbritannien.
selben an der Weltproduktion wiedergiebt, so zeigt sich uns ein eigen-
artiges Bild.


Groſsbritanniens Roheisenerzeugung in Kilotonnen
(zu
1000-Meter-Tonnen) und in Prozenten der Welt-
produktion
.


Groſsbritanniens Eisenerzeugung hat zwar in diesem Zeitraum
zugenommen, aber durchaus nicht in dem Verhältnis zu der Produktion
der übrigen Länder der Erde, so daſs der Anteil an der Weltproduktion
seit 1871 fortwährend abgenommen hat und von der Hälfte bis unter
ein Viertel herabgesunken ist. Groſsbritanniens Eisenindustrie war
nicht zurückgegangen; aber die Industrie anderer Länder, besonders
die der Vereinigten Staaten und Deutschlands, die im Rückstand
geblieben war, hat viel rascher zugenommen als die englische, ja im
Jahre 1890 hat die Produktion der Vereinigten Staaten die englische
überholt und seitdem haben diese die Führerschaft hinsichtlich der
Gröſse der Erzeugung übernommen. Fig. 340 giebt uns das Bild
dieser Produktionsbewegung in Kurven.


Ein Vorwurf kann den englischen Eisenindustriellen hieraus nicht
gemacht werden. Es muſs vielmehr anerkannt werden, daſs in keiner
Zeit so viele hervorragende, wissenschaftlich hoch gebildete Eisen-
industrielle und Metallurgen sich um die Fortschritte der englischen
Eisenindustrie bemüht haben.


Neben Sir Henry Bessemer, Sir Lowthian Bell, Gilchrist
Thomas
wirkte eine ganze Reihe vortrefflicher Männer, deren Namen
wir zum Teil bereits kennen gelernt haben, theoretisch und praktisch
auf allen Gebieten des Eisenhüttenwesens und zahlreiche wichtige Er-
findungen, von denen die Entphosphorung des Roheisens durch den
[899]Groſsbritannien.
basischen Konverterprozeſs von Gilchrist Thomas an Wichtigkeit
alle anderen übertraf, sind in England gemacht und erprobt worden.

Figure 341. Fig. 340.


W = Weltproduktion, E = England, A = Amerika, D = Deutschland.


Die Ursache des Zurückbleibens lag nur darin, daſs Englands Eisen-
industrie bereits einen Umfang, eine Entfaltung erreicht hatte, die
unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen eine weitere Ent-
57*
[900]Groſsbritannien.
wickelung im gleichen Verhältnis wie früher unmöglich machte, um
so weniger, als durch das Erblühen der Eisenindustrie in anderen
Ländern, deren natürliche Hülfsmittel bisher noch nicht in gleichem
Maſse in Anspruch genommen waren, wichtige Absatzgebiete für die
Ausfuhr englischen Eisens verloren gingen oder eingeschränkt wurden.
Auch richteten diese Staaten zum Schutz ihrer Industrie durch Ein-
führung oder durch Erhöhung von Schutzzöllen künstliche Hindernisse
gegen die Überflutung mit englischem Eisen auf, wodurch die Ausfuhr
Groſsbritanniens gleichfalls erschwert und beschränkt wurde.


Der Kampf, welchen die englische Eisenindustrie gegen diese und
zahlreiche andere Schwierigkeiten führen muſste, machte das Gesamt-
bild der Geschichte der englischen Eisenindustrie in diesem Zeitraum
nicht weniger interessant als irgend ein früheres.


Neben den Schwierigkeiten nach auſsen fehlte es nicht an
Schwierigkeiten im Inneren. Die Überlegenheit Groſsbritanniens be-
ruht auf den günstigen natürlichen Bedingungen für die Eisenerzeugung
und für den Absatz. Mächtige, vortreffliche Ablagerungen von Stein-
kohlen liegen in unmittelbarer Nähe von fast unerschöpflichen Erz-
lagern. Der Transport ist erleichtert durch Kanäle und günstige Eisen-
bahnfrachten, der Absatz durch die insulare Lage Englands und seine Be-
herrschung des Seehandels. Durch diese natürlichen Vorteile war England
im stande, das Eisen billiger darzustellen und zu versenden als jedes
andere Land. Schwierigkeiten im Inneren erwuchsen aber dennoch
durch die zunehmende Verteuerung der Steinkohlenförderung, durch
die Steigerung der Löhne und durch die Störungen, welche häufig
wiederkehrende Lohnkämpfe und Arbeitseinstellungen hervorriefen.


Die englische Eisenindustrie konzentrierte sich in den Gebieten
der Steinkohlengewinnung. Infolge der günstigen Erzgewinnungs- und
Transportverhältnisse gelang es dem Clevelandbezirk in Nord-Yorkshire,
dem 1871 Süd-Wales noch die Führerschaft streitig machte, diese von
1872 an zu behaupten und die übrigen Centren der Eisenerzeugung
rasch und in steigendem Maſse zu überflügeln. Nächst Cleveland sind
die wichtigsten Eisengebiete in England Süd-Wales, Staffordshire,
Lancashire und Cumberland, in Schottland das Kohlenbecken des
Clyde.


Oft haben im Laufe der Geschichte die eisenerzeugenden Gebiete
Englands die Führerrolle gewechselt. Als man nur Holzkohlenbetrieb
kannte, nahm zur Zeit der Römerherrschaft der Forest of Dean in
Glocestershire die erste Stelle ein; im Mittelalter, zur Zeit Hein-
richs
VIII. und der Königin Elisabeth, war Sussex, wo jetzt kaum
[901]Groſsbritannien.
eine Spur mehr von den alten Holzkohlenhütten zu finden ist, die
wichtigste Eisenprovinz. Dann erscheint zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts die Eisenerzeugung des Forest of Dean wieder als die be-
deutendste; in der Mitte desselben steht Shropshire durch Coal-
brookdale
und das Verdienst der Familie Darby an der Spitze.
Nach der Erfindung des Puddelprozesses erlangt im letzten Viertel
des 18. Jahrhunderts Süd-Wales die Führerschaft, während durch
die Erfindung der Winderhitzung durch Neilson nach 1830 die
schottische Hochofenindustrie einen solchen Aufschwung nahm, daſs
sie eine Zeit lang die von Süd-Wales überflügelte. Zu Anfang der
siebziger Jahre fiel dann die Leitung dem Clevelandbezirk zu, der
seitdem auch in seinen Einrichtungen die meisten Fortschritte auf-
wies, die vielfach vorbildlich auch für die Entwickelung der übrigen
Länder der Erde geworden sind.


Die Steinkohlenförderung Groſsbritanniens betrug im Jahre
1871: 117186278 Tonnen, wovon 12748000 ausgeführt wurden. 1872
war die Steinkohlenproduktion 123386758 Tonnen, während die der
übrigen Länder der Erde zusammen nur etwa 70 Mill. Tonnen betrug;
die Ausfuhr in diesem Jahre war 13212000 Tonnen, so daſs mehr als
110 Mill. Tonnen in Groſsbritannien selbst verbraucht wurden. Ein
Viertel der Steinkohlenförderung wurde in der Eisenindustrie verwendet.


Die Eisenerzgewinnung im Jahre 1871 belief sich auf
16334888 Tonnen. Hiervon waren:



Von den einzelnen Grafschaften und Provinzen lieferten:



[902]Groſsbritannien.

Die Hauptmassen dieser Erze 1) gehören drei Formationen an: dem
Steinkohlengebirge, dem Kohlenkalk und dem Jura.


Trotz des reichen Segens an Eisenerzen fand bereits damals
schon eine wenn auch noch mäſsige Einfuhr fremder Erze, besonders
zur Erzeugung von Bessemerroheisen und Spiegeleisen, statt. Diese
Einfuhr betrug 1871 nur 324034 Tonnen, stieg aber im Jahre 1872
bereits auf 801503 Tonnen. Wie sehr sie im Verlauf dieses Zeit-
abschnittes zugenommen hat, zeigen nachfolgende Zahlen:


Während die eigene Förderung zurückging, ist die Einfuhr be-
trächtlich gestiegen. Die Eisenerzgewinnung Schottlands betrug 1872:
3270000 Tonnen, 1900: 849031 Tonnen.


Die Wandlungen, welche die Roheisenerzeugung Groſsbritanniens
in der Zeit von 1871 bis 1899 in den einzelnen Gebieten erfahren
hat, sind aus nachfolgender Tabelle ersichtlich.


[903]Groſsbritannien.

Roheisenerzeugung Groſsbritanniens.


Hier fällt zunächst das riesige Wachstum der Roheisenerzeugung
des Clevelandbezirkes (Nord-Yorkshire) ins Auge. Seine Produktion
betrug 1871 nur etwas über 15 Prozent der Gesamtproduktion und
wurde noch von der von Süd-Wales und der von Schottland über-
troffen. 1897 erreichte sie fast 38, 1899 belief sie sich auf etwa
23 Prozent der Roheisenerzeugung Groſsbritanniens und übertraf
weitaus die aller anderen Gebiete. Sehr bedeutend war auch die Zu-
nahme in West-Cumberland, Lincolnshire, Northhamptonshire, sowie in
Notts und Leicester. Ein Rückgang der Roheisenerzeugung trat ein in
Süd-Staffordshire, Shropshire und in Süd-Wales. Die Schweiſseisen-
erzeugung sank in der Zeit von 1870 bis 1897 von 2600 Kilotonnen auf
1328 Kilotonnen, während die Fluſseisenerzeugung in derselben Zeit
von 287 Kilotonnen auf 4540 Kilotonnen stieg. — Genauere Angaben
über die Veränderungen der britischen Eisenindustrie von 1870 bis
1899 finden sich am Schlusse dieses Kapitels.


Nach diesem kurzen statistischen Überblick wenden wir uns zu
den technischen Fortschritten in dieser Periode, zunächst in der Zeit
von 1871 bis 1880 und beginnen mit der Darstellung des Roheisens.


[904]Groſsbritannien.

Die vermehrte Nachfrage nach Bessemerroheisen gab die Ver-
anlassung zur Einfuhr und Verwendung zunehmender Mengen aus-
ländischer Qualitätserze. England besaſs zwar in dem Hämatit von
Cumberland ein vorzügliches Erz für diesen Zweck. War doch der
Cumberland-Hämatit der klassische Rohstoff für das Bessemerroheisen,
weshalb diese Roheisengattung bis heute mit dem Namen Hämatit-
roheisen bezeichnet wird, wenn es auch jetzt meist aus anderen, meist
spanischen Erzen erblasen wird. Anfang der sechziger Jahre hielt
man es noch für unentbehrlich zur Herstellung von Bessemerstahl.
Diesen Erzen verdankt der Cumberlandbezirk sein Emporblühen,
indem hier groſsartige Hochofen- und Bessemerstahlhütten entstanden,
besonders das Riesenwerk von Schneider, Hannay \& Co. zu
Barrow-in-Furneſs, das 1872 schon mit 12 groſsen Hochöfen aus-
gerüstet war. Dadurch sowie durch die groſse Nachfrage nach dem
Cumberlandeisenstein, selbst vom Auslande, wurde dieses Erz bald sehr
verteuert und die Werke anderer Bezirke suchten nach Ersatz. Diesen
lieferten überseeische Erze, vor allem die vorzüglichen Erze von
Sommorostro in Nordspanien, die von Bilbao aus verschifft und des-
halb als Bilbaoerze bezeichnet wurden. Diese mit einheimischen Erzen
gattiert, ergaben ein sehr brauchbares Bessemerroheisen, das dem aus
Cumberland-Hämatit erzeugten gleich kam. Infolgedessen führte
England diese und ähnliche Erze in immer wachsenden Mengen ein.
Die Einfuhr von Bilbaoerzen betrug:




Aus welchen Ländern England seine fremden Erze überhaupt
bezog, zeigt folgende Zusammenstellung für das Jahr 1890:



wozu noch 492668 Tonnen geröstete Kiesrückstände (purple ore) von
fremden Häfen kamen. Für die Darstellung von Spiegeleisen waren
manganreiche Eisenerze und Manganerze nötig, die ebenfalls meist
aus Spanien bezogen wurden.


Neben Herstellung von Qualitätseisen war Massenerzeugung
zur Verringerung der Produktionskosten ein wichtiger Gesichts-
[905]Groſsbritannien.
punkt bei Einrichtung und Betrieb der Hochofenhütten. Hierin
war der Clevelandbezirk tonangebend. Seit Ende der sechziger
Jahre baute man dort immer höhere Öfen (vergl. S. 450) und
dieses Bestreben dauerte noch bis 1873 an, in welchem Jahre zu
Ferryhill ein Hochofen von 33 m Höhe aufgeführt wurde. Dieser Ofen
war verhältnismäſsig schlank, er hatte nur 835 cbm Inhalt. Viel
weiter war der von Cochrane zu Ormesby 1870 erbaute Hochofen
von 27½ m Höhe und 19 m Weite im Kohlensack, der einen Fassungs-
raum von 1523 cbm hatte. Die Festigkeit der vortrefflichen Durham-
koks erlaubten solche Dimensionen, besonders diese früher unerreichte
Höhe.


Sir Lowthian Bell sprach sich aber 1872 gegen diese riesigen
Öfen aus, die keine Vorteile im Verhältnis zu den Anlagekosten böten.
Er empfahl als für den Clevelanddistrikt am geeignetsten Öfen von
354 cbm Inhalt und eine Windtemperatur von 540°. Er hielt höhere
Windtemperaturen von 750 bis 800° C., wie sie in den neuerfundenen
steinernen Regenerativ-Winderhitzern von Whitwell und Cowper
erzielt wurden, für zwecklos. Hierin hat ihm die weitere Entwickelung
der Hochofenindustrie allerdings unrecht gegeben.


Die Gebrüder Bell hatten damals ihre Hochöfen zu Clarence-
Works auf 24,35 m Höhe, 6,10 m Kohlensackweite und 425 cbm Inhalt
vergröſsert und erzielten bei 540° C. Windtemperatur eine Wochen-
produktion von 460 Tonnen Roheisen mit 1150/1000 kg Koks, gegen
wöchentlich 220 Tonnen bei 1750/1000 Koksverbrauch in ihren alten Öfen
von 14,6 m Höhe, 170 cbm Inhalt, 350° Windtemperatur. Der viel
gröſsere Ofen zu Newport von 25,91 m Höhe, 8,535 m Kohlensack-
weite und 850 cbm Fassungsraum lieferte, obgleich man die Wind-
temperatur von 400° C. auf 640° C. gesteigert hatte, nicht mehr als
490 bis 500 Tonnen bei einem Koksverbrauch von 1018/1000 Koks. Der
Riesenofen zu Ferryhill erzielte angeblich bei 450° Windtemperatur
eine Tagesproduktion von 1100 Centner, entsprechend einer Wochen-
produktion von 385 Tonnen bei 850/1000 Koksverbrauch. Durchschnittlich
rechnete man für die Clevelanderze, die nur 32 bis 34 Prozent Eisen
enthalten, im Jahre 1871 einen Koksverbrauch von 110 Prozent. In
diesem Jahre waren aus 6300000 Tonnen geförderten Clevelanderzen
1900000 Tonnen Roheisen in Cleveland und den Nachbargebieten
erblasen und fast ausschlieſslich zu Puddeleisen verarbeitet worden.


[906]Groſsbritannien.

Das Bestreben, die Hochöfen zu erhöhen, führte in Schottland zu
der Erfindung des „selbstkokenden Ferrie-Hochofens“. Da die Mager-
kohle des Clydebeckens, womit die schottischen Hochöfen betrieben
wurden, eine beträchtliche Erhöhung der Schmelzöfen nicht zulieſs,
so suchte dies William Ferrie 1869 dadurch zu erreichen, daſs er
dem Hochofenschacht noch einen 20 engl. Fuſs hohen Schacht, der
im Inneren durch zwei senkrechte, im rechten Winkel sich schneidende
Wände in vier gleiche Abteilungen getrennt war, aufsetzte. In diesen
Abteilungen sollten die Steinkohlen verkokt werden und die Zwischen-
wände einen Teil des Druckes aufnehmen, so daſs die Brennstoffsäule
nur einen geringen Druck auf die Beschickungssäule im Hochofen aus-
üben sollte. Der erste Ofen nach Ferries Konstruktion war 1870 auf
dem Eisenwerk Monkland errichtet worden. Er war mit dem cylin-
drischen Aufsatz 26 m (83 engl. Fuſs) hoch, hatte 5,49 m Durchmesser
im Kohlensack und 3,81 m Gicht, der cylindrische Aufsatz war 6,10 m
hoch. Die Gase wurden abgeleitet und für Dampfkessel- und Wind-
erhitzung benutzt. Der Ofen soll eine Mehrerzeugung von 25 Prozent
bei 15 Prozent Kohlenersparung geliefert haben. Aus diesem Grunde
fanden diese Öfen in Schottland Verbreitung — bis 1874 wurden
sieben Hochöfen nach Ferries System gebaut — und erregten auch
auſserhalb Schottlands groſse Erwartungen. Wenn diese sich auch
nicht erfüllt haben, so gaben die Ferrieöfen doch die Veranlassung
zu manchen Verbesserungen, namentlich zu besserer Ausnutzung der
Hochofengase in Schottland.


In Süd-Wales führte die Erhöhung und Erweiterung der Hochöfen
ebenfalls zu einer beträchtlichen Steigerung der Produktion. Die
Wochenerzeugung stieg von 137 Tonnen im Jahre 1859 auf 174 Tonnen
1870 und auf 260 Tonnen 1877. Der Koksverbrauch fiel dabei von
2½ auf 2 und unter 2 Tonnen auf die Tonne Roheisen. Die alten
Öfen hatten nur 14 m Höhe gehabt, die um 1870 auf etwa 20 m ge-
steigert wurde.


Ein sehr wichtiger Fortschritt für die gesamte Hochofenindustrie
war die Verbesserung der Winderhitzer und die dadurch erzielte
Erhöhung der Windtemperatur. Auch diese Verbesserung wurde im
Clevelandbezirk zuerst durchgeführt. Dort hatte zunächst John
Gjers,
ein Schwede von Geburt, welcher Direktor der Ayrsome-Eisen-
hütte bei Middlesborough wurde und viele Verbesserungen in der
Eisenindustrie erfunden und eingeführt hat, die eisernen Röhren-
apparate verbessert. Der Gjerssche Winderhitzer fand groſse Ver-
breitung nicht nur in Groſsbritannien, sondern auch auf dem Kontinent.
[907]Groſsbritannien.
Guſseiserne Röhrenapparate konnten aber immer nur eine beschränkte
Windtemperatur geben, weil die Röhren bei stärkerer Erhitzung
glühend wurden und verbrannten. Es war kaum möglich, mehr als
530° C. darin zu erzielen. Es lag nahe, das von Siemens in die
Feuerungstechnik eingeführte Regenerativprinzip auch auf die Wind-
erhitzer zu übertragen, und so entstanden die steinernen Winderhitzer
von Cowper, Whitwell und anderen. Edward Alfred Cowper
war es, der zuerst diesen Gedanken in die Praxis eingeführt hatte (Engl.
Pat. vom 19. Mai 1857, Nr. 1404). Das Steingitterwerk seines Ofens gab
zwar groſse Heizfläche, verstopfte sich aber leicht und schmolz dann
häufig zusammen. Deshalb ersetzte Whitwell (Engl. Pat. vom
10. November 1865, Nr. 2897) dieses Gitterwerk 1865 durch gerade
auf und ab steigende Züge. Cowper verbesserte zwar seine Öfen,
aber die Whitwellöfen fanden Anfang der siebziger Jahre doch mehr
Anklang und Verbreitung als die von Cowper. Die ersten Whitwell-
Winderhitzer, die sich bewährten, waren auf der Hütte zu Thornby
1869 errichtet worden, diesen folgten 1870 die Consett-Eisenwerke
und andere.


Die ersten Cowperapparate, die groſsen Erfolg hatten, waren die
von A. Cowper selbst auf den Eisenwerken von Cochrane \& Co.
1871 erbauten. Sie führten alsbald eine Koksersparnis von 4 Centner
pro Tonne herbei und sind bahnbrechend geworden. In demselben
Jahre noch wurden die neuerbauten Hochöfen zu Barrow-in-Furneſs
in Cumberland mit Cowper-Winderhitzern versehen.


In den steinernen Winderhitzern erzielte man Windtemperaturen
bis zu 800° C. Als Brennmaterial dienten die den Hochöfen ent-
zogenen Gichtgase. Man lernte den Wert guter Gichtverschlüsse und
der Ableitung und Verwendung der Hochofengase für Heizzwecke
schätzen und steuerte damit der Vergeudung eines wichtigen Brenn-
stoffes. 1873 hatten selbst die schottischen Hochöfen meist schon
Gichtgasfänge.


Zu einer besseren Wärmeökonomie trug auch die vortreffliche
Untersuchung und Veröffentlichung Sir Lowthian Bells „Die Ent-
wickelung und Verwendung der Wärme in den Hochöfen“ im Jahre
1870, wodurch er den Begriff der Wärmebilanz des Hochofens in die
hüttenmännische Praxis einführte, bei.


Die Clevelanderze wurden geröstet und zwar geschah dies in sehr
geräumigen Schachtöfen. Die Borie-Röstöfen der Clarencehütte bei
Eston waren 14 m hoch. Gjers führte verbesserte Röstöfen zu
[908]Groſsbritannien.
Ayresome bei Middlesborough ein, die 10 m Höhe und 7,31 m Durch-
messer hatten. Wil. Siemens sowie Howson und Wilson nahmen
Patente auf Gasröstöfen (1874). 1873 gab es im Clevelandbezirk bereits
Hochöfen von 7000 engl. Kubikfuſs Fassungsraum.


John Gjers hatte schon in den sechziger Jahren in Cleveland
stehende, direkt wirkende Gebläsemaschinen eingeführt, die rasch
Verbreitung fanden und deshalb in England als Clevelandmaschinen
bezeichnet wurden.


In Süd-Wales hielt man dagegen noch an den alten riesigen
Balanciergebläsen, die den Wind für mehrere Öfen zugleich lieferten,
fest. 1874 bauten Dick und Stevenson auf der Govanhütte in
Schottland ein neues Gebläse, bei dem der Dampfcylinder über dem
Gebläsecylinder stand, wodurch eine leichtere, billigere Funda-
mentierung erzielt wurde.


Einen verbesserten hydraulischen Gichtaufzug konstruierte
T. Wrightson 1874 auf den Teesdale-Eisenwerken, der dann auch
auf anderen Hütten eingeführt wurde.


Lürmanns Schlackenform und die Zustellung der Hochöfen
mit geschlossener Brust fanden mehr und mehr Eingang und waren
1874 schon ziemlich verbreitet.


Bei den 12 groſsen Hochöfen zu Barrow-in-Furneſs waren 1871
die sämtlichen Düsenstöcke hängend, indem sie von einem weiten
Ringrohr, das höher als die Formen um den Ofen lag, abzweigten,
eine Konstruktion, die ihrer Zweckmäſsigkeit wegen rasch Nach-
ahmung fand.


Wir haben bereits angeführt, daſs viele Hütten auf Qualitäts-
roheisen besonders für Bessemerstahl arbeiteten. Zunächst geschah
dies in Cumberland und Lancashire mit Cumberlander Hämatit, zu
Workington, Cleator, Maryport und Whitehaven. Durch den Bezug
spanischer Erze gelang es den groſsen Eisenhütten in Süd-Wales,
Ebbw-Vale und Dowlais, ein gutes Bessemerroheisen zu erblasen.
Dieses Beispiel fand in Cleveland und in anderen Gebieten Nach-
ahmung. 1874 bliesen bei Sheffield neun Hochöfen Bessemerroheisen
aus ausländischen Erzen. Ebbw-Vale vermochte bereits 1871 auch sein
eigenes Spiegeleisen, das bis dahin aus dem Auslande, zumeist
dem Siegerlande, bezogen werden muſste, darzustellen. Der hohe Preiſs
von £ 14 pro Tonne sank dadurch um mehr als die Hälfte. Bald
folgten die Werke von Dowlais, von W. Siemens zu Landore, von
Bolckow, Vaughan \& Co. in Cleveland und J. Brown legte sogar in
[909]Groſsbritannien.
West-Cumberland einen Hochofen an, mit dem er Spiegeleisen aus
südspanischen Erzen erblies. Ebbw-Vale und Bolckow, Vaughan
\& Co.
erbliesen Spiegeleisen mit 12 Prozent Mangangehalt, Siemens
auf dem Landorewerk ohne ein Lot Spateisenstein Spiegeleisen mit
10 bis 20 Prozent Mangan.


Zu den Spezialeisensorten gehörte auch das siliciumreiche, weiſse
„glazed pig“, welches mit einem Gehalt von 8 Prozent Silicium auf
der Tawlaw-Hütte bei New Castle aus kiesel- und thonerdereicher
Beschickung bei heiſsem, aber langsamem Ofengang erblasen wurde.


In Süd-Wales 1) beziehungsweise in den Grafschaften Monmouth-
und Glamorganshire waren die berühmten groſsen Hüttenwerke aus
den Händen von Privatbesitzern in die von drei mächtigen Gesell-
schaften übergegangen. Die Ebbw-Vale Eisen- und Stahlgesellschaft
umfaſste die Werke Ebbw-Vale, Sirhowy und Pontypool mit 24 Hoch-
öfen, von denen 1873 21 in Betrieb standen; von diesen gingen vier
auf Bessemerroheisen, einer auf Spiegeleisen, die übrigen auf Puddel-
roheisen. Die Dowlais-Eisengesellschaft besaſs auf ihrem alten und
ihrem neuen Werk 15 Hochöfen. Eine dritte Gesellschaft, der die
alten Werke Tredegar, Rhymney und Nantyglo gehörten, war nicht so
bedeutend.


Die groſsen Hochofenanlagen in Süd-Wales waren, von der Natur
begünstigt, vorzüglich disponiert, indem sie sich in drei Terrassen auf-
bauten. Auf der oberen lagen die Hochöfen mit direkter Zufuhr von
Erzen und Kohlen aus den Bergwerken, auf der zweiten die Puddel- und
Walzwerke, auf der dritten fand die Verladung in die eigenen Kanäle
und Eisenbahnen statt, welche die Werke mit dem Seehafen von Cardiff
verbanden. Auſser eigenen Erzen verschmolz man solche aus Cumber-
land und aus Spanien sowie Puddel- und Schweiſsschlacken. Zu
Dowlais verwendete man nur rohe, magere, anthrazitartige Steinkohlen,
in Ebbw-Vale mit diesen auch Koks. Die Verkokung geschah noch
nach alter, wenig sparsamer Weise in Rundöfen, die in langen
Massiven von 88 Öfen, 44 auf jeder Seite, vereinigt waren und mit
eingelegten Stangen, Ketten und Haspel gezogen wurden. Man hatte
dabei nur 50 Prozent Ausbringen. Die Koks waren fest und gut.
1873 begann man zu Ebbw-Vale mit dem Bau von Coppee-Öfen. Der
Kohlenverbrauch im Hochofen betrug durchschnittlich 32/21 des Eisen-
ausbringens. Über die Erhöhung der Hochöfen in Süd-Wales und
[910]Groſsbritannien.
die dadurch erzielte Steigerung der Produktion haben wir oben
berichtet. Die alten Öfen hatten meist cylindrisches Rauhmauerwerk
von 28 Fuſs Durchmesser. Als Kraftbedarf rechnete man 60 Pferde-
kräfte für 100 Tonnen Wochenproduktion. Bei weiſsem Puddelroh-
eisen blies man mit 3 Zoll Winddruck und betrug der Windbedarf
8000 Kubikfuſs pro Minute bei 275 Kubikyard Ofeninhalt. Die Öfen
von Süd-Wales zeichneten sich durch gute Gichtverschlüsse, die
eine peripherische Verteilung des Möllers gestatteten, aus; dieselben
wurden von zwei Mann an einem Haspel und von einem dritten an
einer Pronyschen Bremse geöffnet und geschlossen. Alle Gase
wurden abgeleitet und für Dampferzeugung und Winderhitzung ver-
wendet.


Die gröſseren Öfen zu Ebbw-Vale hatten etwa 40 Tonnen Tages-
erzeugung. Die Hochöfen von Süd-Wales zeichneten sich durch regel-
mäſsigen Betrieb und lange Hüttenreisen aus. Sieben Jahre gingen
die Öfen zum mindesten, Campagnen von 12 bis 15 Jahren waren
nicht selten, ein Ofen von Pontypool erlebte eine Hüttenreise von
33 Jahren. Das Roheisen von Süd-Wales war von guter Qualität,
besser als das von Cleveland und Staffordshire. Für Spiegeleisen
wurden die besten Sorten ausgewählt und mit Manganerzen von
Spanien verschmolzen. Weiſses Roheisen wurde auf körniges Eisen
für Schienenköpfe, graues auf sehniges Eisen für die Schienenfüſse
und halbiertes auf ein mittleres Eisen für die Schienenstege ver-
puddelt. Für bessere Qualität wurde graues Eisen in Feineisenfeuern
nach alter Weise raffiniert. Die durchschnittliche Zusammensetzung
der wichtigsten Roheisensorten war:


In Süd-Staffordshire war zu Anfang der siebziger Jahre noch
eine groſse Zahl kleinerer Hochöfen in Betrieb. Von den vorhandenen
165 Hochöfen waren etwas über 100 thätig. Die Zahl der Öfen ver-
minderte sich aber von Jahr zu Jahr, indem Öfen von gröſserer
Leistungsfähigkeit an ihre Stelle traten. 1895 standen nur 19 Hoch-
[911]Groſsbritannien.
öfen im Feuer. Die Jahresleistung eines Ofens war aber von
7257 Tonnen auf 18895 Tonnen gestiegen.


In Cleveland erreichten die Hochöfen bei Middlesborough durch
die eingeführten Verbesserungen 1873 eine Tagesproduktion von
75 Tonnen. Zu Norton hatte man die Hochöfen (1874) mit zwei
Abstichen, je einen auf den gegenüberliegenden Seiten, und dem-
entsprechend mit zwei Gieſshallen versehen und wechselte damit alle
15 Tage. Jeder der vier Öfen hatte seine eigene Dampf- und Gebläse-
maschine. Ein Ofen schmolz 5000 kg in der Stunde.


In Schottland stand die Hochofenindustrie in den siebziger
Jahren in hoher Blüte. Die wichtigsten Hütten waren Carron Works,
das älteste Werk mit Steinkohlenbetrieb, Clyde Works, sodann Govan
Works mit fünf Hochöfen und Calder Works, beide William Dixon
gehörig. Gartsherrie Iron Works bei Coatbridge, der Familie Baird
gehörig, war das ausgedehnteste Werk mit 16 Hochöfen. Hierzu erwarb
die Firma Baird \& Sons die Eglinton-Werke mit acht Hochöfen, die
Lugar-Werke mit vier und die Portland-Werke mit sechs Öfen; im
ganzen besaſs sie 37 Hochöfen; ihre Arbeiterzahl belief sich an
9000. Die Summerlee-Eisenwerke, die 1836 erbaut waren, gehörten
J. Neilson \& Wilson. Bei Coatbridge lagen noch die Langloan-
Werke, Addin \& Sons gehörig, mit acht, und Monkland mit sieben
Hochöfen. Das 1837 von Houldsworth gegründete Coltness-Eisen-
werk hatte 12 Hochöfen. Neu erbaut war die Almondhütte mit zwei
Öfen. Alle diese Werke lieferten vortreffliches Gieſsereieisen mit
Steinkohle, während nur noch „Lorne Furnace“ bei Burnave Braun-
eisensteine und Hämatit von Cumberland mit Holzkohlen schmolz.


In England und Schottland führte das Streben nach Vergröſserung
der Hochöfen vielfach zu gänzlichem Umbau derselben, wobei die
massive Steinumhüllung durch ein leichtes Rauhmauerwerk, das auf
einem von Säulen getragenen Eisenring ruhte und durch Blechmäntel
oder eiserne Bänder zusammengehalten war, verdrängt wurde.


Die Zustellung mit geschlossener Brust und die Lürmannsche
Schlackenform sah L. Peletan 1875 zu Clarence, Thornaby und
Norton in Cleveland, zu Consett in Durham, zu Workington in Cumber-
land und zu Dowlais in Süd-Wales. Die Hütte zu Workington bei
Whitehaven war sehr vergröſsert worden und besaſs 1876 sechs Hoch-
öfen, welche die vortrefflichen Hämatite von Cleaton-Moor und Barrow
zu Bessemerroheisen verschmolzen. Als Gichtverschluſs dienten fast
überall der Parrysche Trichter und Darbys Centralrohr.


1876 war ein Jahr wirtschaftlichen Niederganges für Groſs-
[912]Groſsbritannien.
britannien. Im Clevelanddistrikt fallierten etwa 30 Firmen, in Mon-
mouth und Süd-Wales war das Eisengeschäft seit 50 Jahren nicht so
gedrückt gewesen. Man suchte überall durch bessere Betriebs-
vorrichtungen Ersparnisse zu erzielen. Daſs dieses Streben nicht
ohne Erfolg war, ersieht man aus dem nachstehenden Kohlen- und
Erzverbrauch der Hochöfen von Cleveland von 1874 bis 1876 1):


Die Verwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag war um diese
Zeit in Cleveland ziemlich allgemein geworden. 1877 wurden in
Cleveland 6280000 Tonnen Erze gefördert und in 165 Hochöfen
1233418 Tonnen Roheisen erblasen, dessen Phosphorgehalt 1,05 bis
1,86 Prozent betrug. Der durchschnittliche Typus der Clevelander
Hochöfen war nach Thomas Whitwell damals 24½ m Höhe, 7 bis
7,6 m Weite im Kohlensack und 2,40 m im Gestell.


Am 21. Juni 1878 starb in Ramsgate H. W. T. Bolckow, ein
geborener Mecklenburger, der sich um den Aufschwung der Eisen-
industrie des Clevelandbezirkes groſse Verdienste erworben hatte und
als der eigentliche Begründer der dortigen Eisenindustrie anzusehen
ist. Um diese Zeit war die von ihm gegründete Firma Bolckow,
Vaughan \& Co.
die gröſste Produzentin in Groſsbritannien; sie besaſs
28 groſse Hochöfen mit einer Leistungsfähigkeit von 12 Millionen
Centner im Jahr. Für das neue Bessemerwerk wurde Hämatiteisen
aus Campanil von Bilbao und aus Cumberlanderzen erblasen.


Die Cowperapparate, an denen Siemens und Cochrane Ver-
besserungen anbrachten, breiteten sich um diese Zeit mehr und mehr
aus, da sie bei gleicher Leistung billiger waren als die von Whitwell
und weniger Raum erforderten. Ebenso war man bestrebt, die Hoch-
ofenschlacken besser zu verwerten. Drei Formmaschinen für Schlacken-
ziegel nach Woods Patent waren 1878 auf der Teeshütte im Ge-
brauch. Ein Mr. Britton legte bei den Hochöfen zu Fenedon in
Northhamptonshire eine Glasfabrik an. Er verarbeitete die Hochofen-
[913]Groſsbritannien.
schlacke, die er flüssig in einen Schmelzofen leitete und mit Sand
und Alkalien zu Glas verschmolz. In Staffordshire und zu Moss-Bay
in Cumberland machte man Glas und Schlackenwolle aus der Hoch-
ofenschlacke. — Seit Mitte der siebziger Jahre hatte man begonnen,
die eisenreichen Kiesabbrände der Schwefelsäurefabriken, die frei von
Phosphor waren, im Hochofen zu verschmelzen, und diese Verwendung
hatte zu Ende des Jahrzehnts noch bedeutend zugenommen. Die

Figure 342. Fig. 341.


schottischen Hochofenhütten bezogen bereits 1877 Clevelanderze, da
die eigene Erzförderung nicht mehr ausreichte.


Die durchschnittliche Tagesleistung der britischen Hochöfen war
von 1870 bis 1880 von 30 Tonnen auf 46⅛ Tonnen gestiegen.


Wenden wir uns nun zu der Verarbeitung des Eisens in
Groſsbritannien, so sehen wir, daſs zu Anfang der siebziger Jahre
noch bei weitem das meiste Roheisen im Puddelofen in Schweiſseisen
verwandelt wurde, daſs aber die Fluſseisenerzeugung in Bessemer-
birnen und auch in Siemens-Martin-Flammöfen von Jahr zu Jahr
zunahm. Die graphische Darstellung in Fig. 341 giebt ein Bild der
Beck, Geschichte des Eisens. 58
[914]Groſsbritannien.
Zu- und Abnahme der Fluſs- und Schweiſseisenproduktion. Die Linien
nähern sich bis 1879, bewegen sich dann gemeinschaftlich aufwärts
bis 1882, fallen dann gemeinschaftlich, aber ungleich und 1884 beginnt
die Fluſseisencurve wieder rasch zu steigen und durchschneidet bereits
in diesem Jahre die Schweiſseisenlinie, die jetzt tiefer und tiefer unter
jener bleibt, indem die Schweiſseisenerzeugung sich vermindert, die
Fluſseisenerzeugung nach kurzem Falle 1890 bis 1892 wieder rasch
in die Höhe geht, so daſs der Abstand beider Linien immer mehr
zunimmt.


Der Konkurrenzkampf des Schweiſseisens gab Anlaſs zu zahl-
reichen Anstrengungen, den Bau und Betrieb der Puddelöfen zu
verbessern. Man versuchte Siemens’ Regenerativfeuerung auch
auf die Puddelöfen zu übertragen, brachte Wasserkühlungen an
den Seiten und unter dem Boden an, versuchte es mit den ver-
schiedensten Stoffen zur Auskleidung des Herdbodens, erwärmte
die Verbrennungsluft, blies Wind über der Feuerbrücke ein u. s. w.
Die Zahl der für diese Verbesserungen genommenen Patente ist eine
sehr bedeutende.


Die gröſsten Hoffnungen setzte man aber auf die rotierenden
Öfen, besonders seit im Jahre 1870 sehr günstige Berichte über den
von Danks in den Vereinigten Staaten erfundenen Rotator nach
England gelangten. Das neugegründete Eisen- und Stahlinstitut
schickte 1871 eine Kommission von Sachverständigen zum Studium
der Danksöfen nach den Vereinigten Staaten (s. S. 591), die sich
ebenfalls lobend aussprach, ganz besonders der Berichterstatter
George J. Snelus. Man entschloſs sich um so lieber zur Einführung
dieses neuen Puddelverfahrens, als die Eisenarbeiter infolge des Auf-
schwunges der Industrie Lohnerhöhungen verlangten und die Puddler
und Schweiſser wiederholt die Arbeit einstellten. Da der Betrieb des
rotierenden Ofens nur wenige Hände zur Bedienung erforderte, so
glaubte man sich dadurch den Forderungen der Puddler entziehen zu
können. So wurden die Danksöfen eingeführt und zwar zuerst im
Clevelandbezirk. Hopkins, Gilkes \& Co. begannen damit auf ihrem
Eisenwerk bei Middlesborough, dann folgte John A. Jones, eins
der Kommissionsmitglieder, das bei Middlesborough ein Puddel-
und Walzwerk mit 12 Danksöfen, die von drei Kupolöfen gespeist
wurden, anlegte; ferner die Carlton-Werke, Tees-Side, hierauf
Bolckow, Vaughan \& Co. auf ihrem Eisenwerk Erimus. Aber auch
in Süd-Wales sowie in anderen Provinzen wurden Danksöfen errichtet;
1872 waren 74 im Bau.


[915]Groſsbritannien.

Die Danksofenanlage der Erimushütte in Cleveland bestand aus
zwei gegenüberliegenden Reihen von rotierenden Öfen, auf der einen
Seite acht, auf der anderen sieben, dazwischen Drehkräne zur Be-
dienung. Die zuletzt gebauten sechs Öfen waren mit Wasserkühlung
versehen. Die Charge von 1000 kg Roheisen wurde flüssig eingegossen.
Der Ofen machte anfangs drei, während der Kochperiode fünf Um-
drehungen in der Minute und gab nach etwa 40 Minuten 900 kg
Luppeneisen.


Da aber die Danksöfen den Erwartungen vielfach nicht entsprachen
und fortwährende Reparaturen erforderten, so suchte man sie zu ver-
bessern. Es fanden besonders zwei neue rotierende Öfen Eingang,
der von Crampton (1872) und der von Spencer (1873). Letzterer
unterschied sich von dem Danksofen ursprünglich nur dadurch, daſs er
statt des einen Zahnkranzes in der Mitte zwei Zahnkränze an den
beiden Enden des cylindrischen Ofens hatte; später gab man der
Drehkiste einen viereckigen Querschnitt, was angeblich eine bessere
Entphosphorung bewirkte. Ein anderer Vorteil bestand darin, daſs
die Luppen nicht so übermäſsig groſs wurden wie bei den Danksöfen.
Cramptons Ofen, der für Kohlenstaubfeuerung eingerichtet war, hatte
sich in Woolwich zuerst gut bewährt und verdrängte auch auf ver-
schiedenen Werken Nordenglands die Danksöfen. 1873 fanden letztere
dadurch wieder gröſsere Verbreitung, daſs Danks auf seine hohe
Licenzgebühr verzichtete und sich mit einer mäſsigen Entschädigung
begnügte. Heath zu Ravensdale in Staffordshire erzielte gute
Resultate mit Danksöfen. Die übertriebenen Erwartungen, die man auf
diesen neuen Betrieb gesetzt hatte, erfüllten sich aber im ganzen nicht.


William Siemens konstruierte ebenfalls einen Rotator, den er
mit seiner Regenerativgasfeuerung verband, um darin direkt Eisenerze
durch den „Präcipitationsprozeſs“ auf schmiedbares Eisen zu ver-
schmelzen. Dieses neue Verfahren, das er zu Towcester einführte,
erregte die gröſsten Hoffnungen.


Bei der Billigkeit guter Steinkohlen hatte bis dahin der Gasofen-
betrieb in England nicht die Bedeutung erlangt wie in den kohlen-
ärmeren Ländern des Kontinents. William C. Siemens hatte sich
aber schon 1868 einen Puddelofen für Gasbetrieb mit Regenerator-
feuerung patentieren lassen (Nr. 1172). William Gorman in Glasgow
nahm ein Patent auf den Betrieb von Puddelöfen mit Gasgeneratoren
(Engl. Pat. vom 12. Novbr. 1869, Nr. 3267). 1873 wurden zu Hadley
in Staffordshire nicht weit von Crewe 40 Puddelöfen mit Siemens-
Regeneratoren betrieben.


58*
[916]Groſsbritannien.

Von groſser Wichtigkeit waren die Vorschläge, die eine Reinigung
des Roheisens, besonders von Phosphor und Silicium, bezweckten. Dies
sollte teils durch das Ofenfutter, teils durch Zusätze erreicht werden.
Von den vielen darauf bezüglichen Patenten erwähnen wir das von
James Henderson, der Fluſsspat und Eisenoxyd dafür verwendete
(Engl. Pat. 1870, Nr. 1051, 1544, 2940), weil dieses Verfahren eine
ziemlich groſse Verbreitung fand.


Zugleich mit den Puddelöfen und deren Betrieb verbesserte man
auch die Walzwerke, besonders um die Produktion zu steigern. Da diese
Verbesserungen dem Puddeleisen und dem Fluſseisen gemeinschaftlich
zu gute kamen, wollen wir sie später bei dem Fluſseisen aufführen.


Das meiste Puddeleisen wurde Anfang der siebziger Jahre noch
zu Eisenbahnschienen verarbeitet, obgleich man die Überlegenheit der
Bessemerschienen bereits erkannt hatte. Der hohe Preis und die
geringe Leistungsfähigkeit der Bessemerwerke standen deren all-
gemeiner Verwendung damals noch im Wege.


Zu den gröſsten Puddelwerken Englands gehörten die von Ebbw
Vale und Dowlais in Süd-Wales; die von Ebbw Vale zählten 173 Puddel-
öfen neben fünf Konvertern und vier Schienenwalzwerke mit einer
Wochenproduktion von 3000 Tonnen, wovon nur 600 Tonnen Stahl-
schienen waren. Die Arbeiterzahl der Eisenwerke der Ebbw Vale-
Gesellschaft betrug 20000. Die Dowlais Iron Company arbeitete mit
160 Puddelöfen, 6 Konvertern und 5 Schienenwalzwerken, wovon 2 Stahl-
schienen walzten; die Arbeiterzahl belief sich auf 12000. Die Puddel-
öfen waren alle einfach mit luftgekühlten Feuerbrücken. Der Roheisen-
satz wog 450 bis 550 engl. Pfund; man machte mit sechs Chargen in
der zwölfstündigen Schicht 30 bis 40 Centner Luppeneisen bei einem
Steinkohlenverbrauch von 16 Centner auf die Tonne. Die Arbeits-
löhne wurden nach dem Gewicht bezahlt, und zwar 8 bis 9 Schilling
auf die Tonne. Jeder Ofen hatte einen Puddler und einen Gehülfen.
Die Arbeit ging verhältnismäſsig leicht. Das Ausziehen der Luppe
geschah mit einer Zange an einer Kette, die durch einen Haspel
bewegt wurde. Man rechnete den Roheiseneinsatz zu 22/20 des Aus-
bringens, was nur infolge des Zuschlages von pulverisiertem Glaskopf,
der während des Puddelns schaufelweise eingeworfen wurde, möglich
war. Dieser Zusatz beschleunigte die Oxydation des Siliciums, bewirkte
dadurch einen hitzigen Gang, beschleunigte Schlackenabsonderung und
beförderte die Entkohlung. Die Luppen kamen unter Quetschen, die
meistens doppelarmig waren. Auf 16 Puddelöfen kam eine Luppen-
[917]Groſsbritannien.
quetsche und ein Luppenwalzwerk. Der Luppenwagen, auf dem die
Luppe vom Ofen zur Quetsche gefahren wurde, war ein einfacher
Ring auf einem Rädergestell. Die gezängte Luppe wurde in derselben
Hitze zu Luppenstäben von 2 bis 4½ engl. Zoll Breite und ¾ bis
⅞ Zoll Dicke ausgewalzt. Dies erforderte nur 1½ Minuten. Die
Luppenwalzen machten 80 Umdrehungen, Luppenquetsche und Schere
15 Touren in der Minute.


Die chemische Veränderung ergiebt sich aus nachstehenden
Analysen.


William Menelaus, Direktor zu Dowlais, war bekanntlich einer
der ersten gewesen, die den feststehenden Flammofen durch einen
Drehpuddelofen ersetzen wollten, und hatte einen solchen schon 1865
konstruiert (Engl. Pat. vom 20. März 1865, Nr. 779). Aber weder die
mit diesem Ofen noch die mit einem Spencer-Ofen 1873 erzielten
Erfolge waren befriedigend.


Für die Schienenfabrikation wurde dreierlei Eisen gepuddelt:
ein hartes, körniges Eisen (Feinkorneisen, fer dur) für den Kopf,
ein Eisen halb Korn, halb Sehne (fer métis) für den Steg und ein
sehniges Eisen (fer fort) für den Fuſs. Dementsprechend wurden
die Pakete aufgebaut, die Kopf- und Fuſsplatten derselben bestanden
aus vorgeschweiſstem oder dubliertem Eisen. Das Paket einer
schweren Vignolesschiene von 7,532 m Länge und 35 kg Gewicht pro
laufendes Meter wog 780 engl. Pfund. Von diesen schweren Paketen
wurden drei Stück pro Charge eingesetzt. Das Ausziehen der Pakete
geschah wie das der Luppen mit Kette und Haspel. Nachdem das
Paket in der Vorwalze geschweiſst war, gelangte es zurück in den
Schweiſsofen und erhielt die Vollendhitze, mit der es fertig gewalzt
wurde. Ein voller Walzenzug lieferte 120 Tonnen Schienen in
24 Stunden. Hierzu waren acht Vorschweiſsöfen und vier Nach-
schweiſsöfen erforderlich. Die Vollendwalzen bestanden aus zwei neben-
einander liegenden Gerüsten. Das erste derselben, gewissermaſsen
das zweite Vorwalzwerk, war als Universalwalzwerk konstruiert. Das
[918]Groſsbritannien.
Vollendwalzgerüste (finisseur) bestand nur aus einem Walzenpaar mit
fünf Kalibern, von denen das letzte in der Mitte lag. Angetriebene
Tragwellen führten die fertige Schiene, sobald sie das Fertigkaliber
verlassen hatte, selbstthätig der Schere zu. Die volle Leistung eines
Waleser Schienenwalzwerks von 120 Tonnen übertraf die der Walz-
werke des Kontinents, die damals nicht mehr als 70 Tonnen betrug,
beträchtlich. Die Vorteile lagen 1. in der Trennung der Vor- und
Vollendwalzen, 2. in der groſsen Zahl der Schweiſsöfen, 3. in der
konstanten Tourenzahl der Walzen, 4. und 5. in der mechanischen
Beförderung der Pakete und der Schienen, 6. in der Art der Arbeits-
verteilung und 7. in der Art der Arbeitsvergütung nach der Leistung.
— In Ebbw Vale geschah das Richten der Schienen erst heiſs, dann
kalt. In Dowlais richtete man die Schienen nur kalt, was dadurch
möglich war, daſs diese selbst im Kopf sehniges Eisen enthielten, und
man bediente sich dazu mit Dampf betriebener Kaltrichtpressen. Die
Schienen waren nach dem Richten so passend, daſs nur 10 Prozent
eines Nachfräsens der Endflächen bedurften. Die Zahl der Puddelöfen
und Walzwerke erfuhr bis 1875/76 eine Zunahme, von da bis 1884
eine langsame Abnahme, wie die nachfolgende Tabelle zeigt.


Von da ab trat eine raschere Abnahme des Puddelbetriebes ein.
1886 waren nur 2908 Puddelöfen in Betrieb. 1876 entfielen von den
7159 Puddelöfen 1894 auf Cleveland.


Hopkins, Gilkes \& Co. erhielten damals in neun Dreh-
puddelöfen aus Middlesborough-Roheisen ein Schweiſseisen von 0,08
[919]Groſsbritannien.
bis 0,17 Prozent Phosphor. Ebenso gaben 1876 Danksöfen gute
Resultate in dem Eisenwerk von Heath. Einen verbesserten Ro-
tator mit Gasfeuerung führten Howson und Godfrey 1878 ein
(Patent vom 20. Dezember 1875). In Staffordshire waren 1876
auch Casson-Darmoy-Öfen mit mechanischen Rührern in Anwendung.
Bessere Ergebnisse erzielte man in Prices Retorten-Puddelöfen durch
Zusatz von reinem Hämatit. Der mechanische Betrieb, namentlich im
Rotator, gab in Cleveland zwar ein phosphorfreieres Eisen, konnte aber
mit dem basischen Konverter- und Flammofenbetrieb nicht konkurrieren.
— Zum Drücken der Luppen wurde vielfach Winslows Luppenmühle
und Wil. Siemens hydraulische Luppenpresse (1879) angewendet.


In Süd-Staffordshire war 1876 B. Lloyds Patentachsen-Walz-
werksgesellschaft das gröſste Eisen- und Stahlwerk geworden. Das
Patent bezog sich auf die Herstellung kreisförmiger Pakete aus keil-
förmig gewalzten Stäben.


Die Versuche, durch Verbesserungen den Puddelprozeſs und sein
Produkt, das Schweiſseisen, gegenüber dem Fluſseisen zu behaupten,
hatten nur vorübergehenden Erfolg.


Der Siegeslauf der Fluſsstahlfabrikation war seit dem
Jahre 1870 ein unaufhaltsamer. Ihr wendete sich das Interesse der
Metallurgen in Theorie und Praxis vorzugsweise zu, weil man ahnte,
daſs ihr die Zukunft gehöre. Galt dies besonders von dem Konverter-
prozeſs, so nahm doch auch der Flammofen- oder Siemens-Martin-
Prozeſs in dem ersten Jahrzehnt schon einen ganz bedeutenden Auf-
schwung, wie die nachstehende Zusammenstellung zeigt.


Britische Erzeugung von Siemens-Martinstahl (Herdstahl)
von
1870 bis 1880 in Tonnen.


Es ist das hervorragende Verdienst des genialen William
C. Siemens
, dieses Verfahren eingeführt und nach verschiedenen
Richtungen ausgebildet zu haben. Er entwickelte den Flammofenprozeſs
in England in dreierlei Weise: 1. als Siemens-Martin-Verfahren, welches
in einem Zusammenschmelzen von Roheisen und Schmiedeeisen- oder
[920]Groſsbritannien.
Stahlabfällen im Regenerativ-Flammofen bestand, 2. als Erzstahl-
prozeſs, wobei Roheisen durch Zusatz reiner oxydischer Erze entkohlt
wurde, und 3. als Präcipitationsprozeſs, wobei reine Erze zu einer
eisenreichen Schlacke geschmolzen und aus dieser das Eisen durch
Kohle ausgefällt wurde. Letzteren bildete Siemens zu Towcester
aus und zwar anfangs in einem Kaskadenofen, später im Rotator.
1878 lieferte Towcester so hergestellte überschmiedete Luppen für
114 Mark und daraus geschweiſstes Eisen für 139 bis 144 Mark die
Tonne.


Den eigentlichen Siemens-Martinprozeſs hatte er erst auf seinen
Sample Works in Birmingham, dann 1869 in Landore bei Swansea
eingeführt. Dieses Verfahren bürgerte sich bald auf allen groſsen Walz-
werken zur besseren Verwertung der Schmiedeeisen- und Stahlabfälle,
besonders von Schienenenden und dergleichen, ein, so z. B. zu Dowlais,
wo 1875 sechs Siemens-Martinöfen von je 12 Tonnen Einsatz in Betrieb
standen. Die Heizgase wurden von 48 Gasgeneratoren erzeugt.


Besondere Mühe und Sorgfalt verwendete W. Siemens auf den
Erzstahlprozeſs, den er erst zu Hallside und später zu Landore zur
Durchführung brachte, weshalb er häufig als Landoreprozeſs bezeichnet
wurde.


Auf Grund von Siemens’ Patenten und Entwürfen erbaute 1871
die Hallside Open Heath Steel Company zu Hallside bei Newton,
15 engl. Meilen südlich von Glasgow, mitten im Kohlengebiet ein
Stahlwerk mit 16 Regenerativ-Flammöfen, acht zu 6 Tonnen und acht
zu 12 Tonnen Einsatz zum Stahlschmelzen. Die Öfen lagen in zwei
Reihen einander gegenüber. Jeder hatte seine eigene Gieſsgrube.
Über die Gieſsgruben lief eine Schienenbahn, auf der sich die Schmelz-
kessel bewegten. Die Gasfeuerung wurde von 20 Gasgeneratoren,
von denen jeder mit vier Rosten versehen war, gespeist. Die Be-
schickung der 6-Tonnen-Öfen bestand 1875 aus 3000 kg Roheisen,
1200 bis 1500 kg Stahlabfällen und 1000 bis 1500 kg spanischen oder
afrikanischen Eisenerzen. Das Verhältnis war im allgemeinen ½:¼:¼.
Zum Fertigmachen wurden 7 bis 9 Prozent Spiegeleisen zugesetzt. Eine
Charge dauerte im ganzen sechs bis sieben Stunden, so daſs drei Chargen
in 24 Stunden gemacht wurden, die 15 bis 16 Tonnen Stahl ergaben.


Zu Landore hatte man erst den gewöhnlichen Siemens-Martin-
prozeſs eingeführt. Später ging man zum Erzprozeſs über. Die Anlage
umfaſste ebenfalls 16 Regenerativ-Flammöfen in zwei Reihen. Man
erzeugte ein vorzügliches weiches Material, das bereits 1873 versuchs-
weise und seit 1875 dauernd für die Weiſsblechfabrikation und 1878
[921]Groſsbritannien.
beim Schiffsbau Verwendung fand. Das Bestreben nach Verbesserung
des Verfahrens war auf die Vergröſserung der Schmelzöfen und des
Erzsatzes gerichtet. — Ferner wurden in diesen Öfen von Siemens
und anderen die Entphosphorung des Roheisens in verschiedener
Weise versucht, worauf wir später noch zurückkommen.


Im Laufe der siebziger Jahre vermehrte sich die Zahl der Eisen-
werke, die Herdstahl darstellten. Die 1871 entstandene Stahlgesell-
schaft von Schottland war auf dieses Verfahren gegründet, ebenso
arbeiteten die Blochairn-Stahlwerke nur mit Siemens-Martinöfen, da
sich das schottische Roheisen für den Bessemerprozeſs nicht eignete.
Die Erzeugung eines Ofens betrug 1875 50 Tonnen die Woche.


Eine noch viel gröſsere Bedeutung als die Flammofen-Fluſsstahl-
erzeugung hatte der Bessemerprozeſs seit dem Jahre 1870 erlangt,
wie sich aus folgenden Zahlen ergiebt.


Erzeugung von Bessemerstahl in Groſsbritannien von 1870
bis 1880.


Zu diesem Aufschwung trug auch der Umstand bei, daſs mit dem
Jahre 1870 Bessemers Patent erlosch und damit die Licenzgebühren
in Wegfall kamen. Dazu kam weiter, daſs man in den spanischen
Bilbaoerzen ein Mittel gefunden hatte, durch Gattieren derselben mit
einheimischen Erzen ein sogenanntes Hämatitroheisen zu erzeugen, das
dem aus Cumberlander Erzen erblasenen nicht nachstand. Infolgedessen
wurde der Bessemerprozeſs in Süd-Wales erfolgreich eingeführt. Die
Hütte zu Barrow in Furneſs wurde 1870 bis 1872 zu einem groſsartigen
Bessemerwerk erweitert. Auch in Cleveland, wo 1870 noch ausschlieſslich
der Puddelprozeſs herrschend war, entschloſs man sich zur Anlage von
Bessemerkonvertern. In das Jahr 1871 fällt die wichtige theoretische
Untersuchung des Bessemerprozesses von G. J. Snelus in Dowlais.
Ferner führten Roscoe, Williams und Snelus die Spektral-
beobachtung als ein wirksames Kontrollmittel des Bessemerprozesses
ein. Ende 1871 zählte man in Groſsbritannien bereits 19 Bessemer-
werke mit 91 Konvertern. Bis dahin hatte man das Birnenfutter
[922]Groſsbritannien.
ausschlieſslich aus Ganister hergestellt. 1871 führten Wilson und
Wood zuerst die Ausmauerung mit künstlichen Steinen ein. 1872
kamen die von Holley in den Vereinigten Staaten erfundenen Los-
böden in England zur Anwendung. In diesem Jahre machte Snelus
bereits den Vorschlag eines basischen Futters, aber ohne Erfolg.


Anstatt das Roheisen im Flammofen umzuschmelzen, führte man
groſse Ireland-Kupolöfen hierfür ein. 1873 kamen die Siebböden in An-
wendung und zwar zuerst zu Barrow. Die eingeführten Verbesserungen
erhöhten die Leistung der Konverter. So erzielten z. B. Wilson und
Cammell in 24 Stunden 270 Tonnen Stahlblöcke und 48 Chargen
mit zwei Kupolöfen zum Umschmelzen des Roheisens. Die Steigerung
der durchschnittlichen Leistung der Birnen, die zum Teil in einem
gröſseren Fassungsraum begründet war, erhellt daraus, daſs 1873
103 Birnen 496000 Tonnen, 1879104 Birnen 847863 Tonnen lieferten.
Da von den 104 Birnen im Jahre 1879 nur 66 in Betrieb waren, so
ergiebt sich eine Jahresleistung von 12847 Tonnen für eine Birne.


Im Jahre 1874 waren die bedeutendsten Bessemerstahlwerke in
Groſsbritannien:


[923]Groſsbritannien.

Die wichtigste Verwendung fand der Bessemerstahl für die Her-
stellung von Stahlschienen, deren Überlegenheit über die Schweiſs-
eisenschienen allgemein anerkannt war.


Als Beispiel einer zeitgemäſsen Einrichtung aus dieser Zeit (1873)
führen wir das Bessemerschienen-Walzwerk in Dowlais an. Die aus
der Pfanne gegossenen Stahlblöcke, von denen die schwereren 70 bis
75 Tonnen, die leichteren 32 bis 37 Tonnen wogen, wurden in Block-
walzen vorgewalzt, nachdem sie zuvor in einem Flammofen auf die
richtige Temperatur vorgewärmt waren. Ein solcher Flammofen
wurde mit fünf groſsen oder sieben kleinen Blöcken beschickt; eine
Charge dauerte 2½ Stunden. In 12 Stunden wurden vier Chargen
gemacht. Der Kohlenverbrauch betrug an 400 kg pro Tonne. Ein
Ofen erforderte nur einen Mann zur Bedienung, indem die Arbeiter
der Nachbaröfen bei schweren Arbeiten sich untereinander aushalfen.
Das Ausziehen der Blöcke geschah mechanisch mit einem Haspel wie bei
den Schweiſsöfen. Die Blöcke gelangten in das Reversier-Blockwalzwerk,
das von einer liegenden 800 P. S.-Dampfmaschine mit Stephenson-
scher Coulisse betrieben wurde. Es waren zwei Walzengestelle vor-
handen, eins für die groſsen, das andere für die kleinen Blöcke 1).
Die Walzstücke passierten jedes der sechs Kaliber zweimal unter
Drehung um 90° und die groſsen Blöcke wurden von 363 mm Seiten-
länge in 12 Durchgängen auf Stücke von 200 mm Quadrat und 2000 mm
Länge vorgestreckt, die dann durch Rollengang unter die Zirkularsäge
geführt und in zwei Hälften zur Weiterverarbeitung zerschnitten
wurden. Die Zirkularsäge hatte ein Blatt von 2 m Durchmesser und
eigene Antriebsmaschine. Die geschnittenen Knüppel erhielten eine
zweite Hitze in einem Flammofen von den gleichen Dimensionen. Bei
jeder Charge wurden sieben halbe Blöcke oder fünf ganze Blöcke ein-
gesetzt. In der zwölfstündigen Schicht wurden vier Chargen gemacht.


Das Stahlschienenwalzwerk bestand aus einem Vierwalzensystem,
[924]Groſsbritannien.
einem einfachen Schienen- und einem Deckplattenwalzwerk und wurde
durch eine 1000 pferdige Reversiermaschine angetrieben. Die Um-
steuerung wurde durch eine Klauenkuppelung mit Hebel bewirkt. In
dem Vierwalzensystem — einer Besonderheit von Dowlais — wurden
die schweren, ungeteilten Blöcke zu Schienen von doppelter Länge
(7,63 m), die dann unter einer Zirkularschere zerschnitten wurden,
ausgewalzt. Das untere Walzenpaar enthielt fünf Flachkaliber, das
obere in denselben Ständern gelagerte fünf Vollendkaliber. Auf 750 kg
Rohblock rechnete man 641 kg fertige Schienen, also 15 Prozent Verlust.


Ähnlich war der Betrieb in den benachbarten Ebbw Vale-Eisen-
werken, welche mit sieben Birnen zu 6 Tonnen Einsatz arbeiteten. Das
Stahlwerk bezog sein Bessemerroheisen von Pontypool, während es
das Spiegeleisen selbst bereitete. Das Roheisen wurde in Kupolöfen
geschmolzen. Der Einsatz betrug 5500 kg, der Nachsatz von Spiegel-
eisen 10 Prozent. Je zwei Konverter hatten eine Gieſsgrube. Man
goſs mit aufsteigendem Strom in acht Guſsformen, die durch acht
Kanäle verbunden waren, Blöcke von je 500 kg Gewicht. Eine Grube
mit zwei Konvertern machte in 24 Stunden 12 Operationen. Die
Wochenproduktion betrug 800 Tonnen Blöcke.


Eine wichtige Erfindung war die Herstellung dichter Blöcke von
Whitworth durch hydraulisches Pressen des flüssigen Metalls in den
Coquillen (1864), die er 1874 verbesserte (Engl. Pat. von 1865, Nr. 3018
und von 1874, Nr. 3062).


Das Eisen- und Stahlwerk zu Workington bei Whitehaven in
West-Cumberland, mitten im Kohlenrevier gelegen, wurde 1876 sehr
vergröſsert. Das Werk erzeugte in sechs Hochöfen aus den vor-
trefflichen einheimischen Hämatiterzen sein eigenes Bessemerroheisen,
das in vier 7½-Tonnen-Konvertern, die um zwei Gieſsgruben gruppiert
waren, verblasen wurde. Zu jeder Gruppe gehörten vier groſse Kupolöfen,
um das Roheisen, und zwei kleine, um das Spiegeleisen zu schmelzen.
Die Konverterböden hatten je sieben Formen mit 16 Öffnungen. Die
Blöcke wurden unter einem 8-Tonnen-Hammer ausgeschmiedet.


1877 wurde das erste Bessemerstahlwerk im Clevelanddistrikt auf
der Bolckow, Vaughan \& Co. gehörigen Estonhütte unter der
Leitung von Windsor E. Richards in Betrieb gesetzt. Da die
Clevelanderze wegen ihres Phosphorgehaltes nicht verwendbar waren,
verschmolz man Bilbaoerze (Campanil) und kieseligen Hämatit von
Cumberland. Hier wurde zuerst in England das flüssige Roheisen
vom Hochofen direkt in die Birne gebracht. Letztere zeichneten sich
durch groſse Windzuführungsfläche aus. Man rechnete 3,15 Quadrat-
[925]Groſsbritannien.
zoll auf jede Tonne Einsatz. Der Wind wurde durch 13 Düsenröhren
von 7/16 Zoll Durchmesser eingeblasen. Demnach betrug der Wind-
verbrauch pro Tonne nicht halb so viel wie in Schweden. Man
blies 14 bis 24 Chargen von 5 bis 8 Tonnen Roheiseneinsatz und 7
bis 15 Centner Spiegeleisen mit 13 bis 18 Prozent Mangangehalt.
Eine Charge dauerte 25 bis 30 Minuten. Bei dem heiſsen Gange gab
man etwa 12 Prozent kalte oder bis zu 30 Prozent vorgewärmte
Stahlabfälle zu. Ein Boden hielt 6 bis 12 Chargen aus. Das Eston-
Stahlwerk war für eine Wochenproduktion von 2000 Tonnen nach
amerikanischem Muster eingerichtet. — Man ersieht aus diesen Bei-
spielen die rasche Vervollkommnung des Bessemerbetriebes in den
fünf Jahren von 1873 bis 1878.


Die Abhängigkeit des Bessemerprozesses von reinen, namentlich
phosphorfreien Erzsorten war eine lästige und kostspielige Beschrän-
kung des Konverterprozesses. Die Frage der Entphosphorung wurde
deshalb immer wichtiger und bildete in den siebziger Jahren mehr
und mehr den Mittelpunkt der fortschrittlichen Bestrebungen in der
Eisenindustrie Groſsbritanniens.


Die Versuche, die Entphosphorung in dem Konverter zu bewirken,
blieben zunächst erfolglos. Von diesen war der von Snelus 1872
angestellte der wichtigste. Er wollte die Entphosphorung durch ein
Konverterfutter aus gebranntem Kalk und Einblasen von Kalkstaub
durch die Düsen erreichen. So richtig das Prinzip war, so gelang
ihm doch die Ausführung nicht.


Noch weniger Erfolg hatte Knowles mit seinem Vorschlage, das
Konverterfutter aus Bauxit, Eisen- und Manganoxyd herzustellen.


Man sah deshalb von diesem Wege ab und versuchte die Ent-
phosphorung in Flammöfen, besonders in rotierenden Öfen, mit einer
Auskleidung von Eisenoxyd.


Lowthian Bell kombinierte beide Verfahren (Engl. Pat. vom
30. Oktober 1875, Nr. 3778), indem er erst das Roheisen im Konverter
vorfrischte und es dann in einem Flammofen puddelte. Hierfür kon-
struierte er später einen schwingenden Ofen, dessen Herd aus purple
ore (dem durch die Röstung von Schwefelkiesen bei der Schwefel-
säurefabrikation entstandenen Eisenoxyd) hergestellt war. In dem
oscillierenden Ofen floſs das eingeschmolzene Metall über dieser
basischen Unterlage 60- bis 80mal hin und her. Mit diesem Ver-
fahren begann Bell im Jahre 1877. Das vom Hochofen abgestochene
Roheisen gelangte in den oscillierenden Ofen und wurde dort noch
mit geschmolzener, eisenoxydreicher Schlacke vermischt. Das ent-
[926]Groſsbritannien.
phosphorte Produkt wurde dann in einer Gieſspfanne abgestochen
und in einem Ponsardofen mit Siemensfeuerung zu Stahl gefrischt.


Wil. Siemens erreichte bei seinem Erzverfahren und bei seinem
direkten Prozeſs eine ziemlich weitgehende Entphosphorung. Er versuchte
dieselbe dadurch zu steigern, daſs er den Herd aus Bauxit herstellte.


Andere wollten die Entphosphorung in Prices Retortenofen durch
Zusatz von Hämatiterzen erreichen.


E. Williams suchte die Entphosphorung durch Behandlung des
flüssigen Roheisens mit flüssiger, basischer Eisenschlacke (Sinter) unter
Zusatz von Sand zu bewirken. 1878 nahm Baker ein Patent, Roh-
eisen durch Einblasen von Chlorgas und Kohlenstaub in dem Konverter
zu entphosphorn; desgleichen Richard Brown, der durch Chromzusatz
die nachteilige Wirkung des Phosphors neutralisieren wollte und auf
diesem Wege guten Stahl mit 1½ Prozent Phosphor darstellen zu können
behauptete. Das bei dem Puddelprozeſs angewendete Reinigungsver-
fahren durch Eisen- und Manganoxyd und Fluſsspat von Henderson
bezweckte auch hauptsächlich die Abscheidung des Phosphors und lieſs
sich auch im Siemens-Martinofen anwenden.


Alle diese Prozesse erfüllten aber die Erwartungen nicht und
erwiesen sich als unökonomisch. Da trat auf dem Meeting des Iron
and Steel Institute gelegentlich der Weltausstellung zu Paris im Jahre
1878 ein junger Mann, Gilchrist Thomas, auf mit der Behauptung,
das Problem der Entphosphorung in einfacher Weise durch ein
basisches Konverterfutter gelöst zu haben. Die Mitteilung des in
Fachkreisen unbekannten jungen Mannes fand anfänglich nur
wenig Beachtung. Aber einem schien sie doch wichtig genug, um sie
sofort ernstlich und im groſsen Maſsstabe zu prüfen, dies war Windsor
E. Richards
, der Generaldirektor der gröſsten englischen Eisenfirma
Bolkow, Vaughan \& Co. zu Middlesborough. Er hatte kaum ein
Jahr zuvor das erste groſse Bessemerwerk im Clevelandbezirk zu Eston
in Betrieb gesetzt und wuſste wie keiner die Bedeutung eines prak-
tischen Entphosphorungsverfahrens für England und besonders für
Cleveland zu würdigen. Deshalb lud er G. Thomas ein, sein Ver-
fahren auf dem Estonwerk im groſsen auszuprobieren. Der Erfolg
war ein durchschlagender, und am 4. April 1878 konnten Gilchrist
Thomas
und W. Richards den Mitgliedern des Eisen- und Stahl-
Instituts die Ausführung des im vorhergehenden Jahr vielfach an-
gezweifelten basischen Konverterprozesses zu deren Überraschung und
Bewunderung vorführen. Wie diese Erfolge und weiteren Ver-
besserungen des Verfahrens von Thomas und seinem Vetter Gilchrist
[927]Groſsbritannien.
erreicht worden sind, ist im allgemeinen Teile ausführlich dargestellt.
Trotz des glänzenden Erfolges, trotzdem der richtige Weg der Lösung
des Problems gezeigt war, trotzdem die Entphosphorung für England ein
dringendes Bedürfnis war, indem fünf Sechstel seiner Eisenerze ihres
Phosphorgehaltes wegen für den sauren Bessemerprozeſs unbrauchbar
waren und der Entphosphorung bedurften, fand dieses neue Verfahren
nur langsame Verbreitung in England. Im Jahre 1879 führte nur
noch eine Firma, Brown, Bayley \& Dixon in Sheffield, den
basischen Konverterprozeſs auf ihrem Stahlwerk ein. Die Gesamt-
erzeugung von Thomasstahl in Groſsbritannien in diesem Jahre betrug
nur 1150 Tonnen.


Bevor wir die Entwickelung der basischen Stahlgewinnung in
Groſsbritannien weiter verfolgen, müssen wir die sonstigen Neuerungen
und Verbesserungen, die in England in den siebziger Jahren zur Ein-
führung kamen, vorführen.


Die Tiegel-Guſsstahlfabrikation hatte durch die Einführung der
von Siemens konstruierten Schmelzöfen mit Regenerativfeuerung einen
Aufschwung erfahren. — Zu erwähnen ist ferner die Darstellung von
Specialstahlsorten sowohl in Tiegel- als in Flammöfen. Titan-Wolfram-
stahl nach Mushets Patent stellte die Titanic Forest Steel Company
in Glocestershire 1871 dar. 1876 führten J. Brown \& Co. in Sheffield
die Chromstahlfabrikation nach dem Patent von Baur in Brooklyn
ein, während 1878 Seebohm \& Dickstahl in Sheffield Chromstahl
nach eigenem Verfahren darstellten. Um diese Zeit führte James
Riley
das Verfahren von Pourcel in Terre-Noire zur Herstellung
dichter Güsse in England ein.


Von groſser Wichtigkeit waren die Fortschritte auf mechanischem
Gebiete. Hierzu gehören auch Verbesserungen des Gieſsverfahrens,
wie die Herstellung von Compound-Panzerplatten durch Aufgieſsen von
Fluſsstahl auf erwärmte Fluſseisenplatten. Diese Fabrikation kam Mitte
der siebziger Jahre in Sheffield in Aufnahme und zwar in dem Stahl-
werk von Cammell \& Co. nach dem Verfahren von A. Wilson und
bei J. Brown \& Co. nach J. H. Ellis’ Erfindung. Der Inflexible war
das erste Kriegsschiff, das mit solchen Platten ausgerüstet wurde.


Tresidder gab ein Härtungsverfahren für Stahlpanzerplatten mit
Wasserbrause an. Eine wichtige Erfindung zur Herstellung dichter
Stahlgüsse war Sir Jos. Whitworths Gieſsen unter starkem Druck,
wofür er eine hydraulische Presse konstruiert hatte.


Die Verarbeitung des Fluſseisens führte zu zahlreichen Ver-
[928]Groſsbritannien.
besserungen der Walzwerke und des Walzwerksbetriebes. Bei den
groſsen Schweiſseisenpaketen, z. B. für die Schienenfabrikation, war es
nötig, dieselben erst unter Dampfhämmern zu bearbeiten, um sie richtig
zu schweiſsen. Bei den Fluſsstahlblöcken war dies nicht erforderlich.
Anfangs verfuhr man allerdings hierbei wie bei dem Schweiſseisen
und legte auf das Ausschmieden der Stahlblöcke besonderen Wert.
Bald aber erkannte man, daſs das Vorstrecken der Blöcke ebenso gut
unter Walzen geschehen und man der teuren Dampfhämmer entraten
könne. So ging man bei der Fabrikation der Bessemerstahlschienen
in Dowlais zuerst dazu über, die Blöcke in starken Blockwalzwerken
(cogging mills) vorzustrecken oder „vorzublocken“. Welche Ersparnis
dadurch herbeigeführt wurde, erhellt daraus, daſs, als 1874 dieses
Verfahren von John Brown in Sheffield eingeführt wurde, 200
Hammerarbeiter beschäftigungslos wurden. Von weiteren Verbesse-
rungen bei den Walzwerken in Groſsbritannien erwähnen wir die
Friktionskuppelungen für die Reversierwalzwerke an Stelle der früheren
Klauenkuppelungen; eine von Kitson und Chalas 1869 erfundene
wurde auf dem Monkbridge-Eisenwerk bei Leeds eingeführt und
später von B. Walker verbessert. 1871 erhielt Graham Stevenson
ein Patent auf die von ihm erfundene Differential-Friktionskuppelung,
die zu Monkland und Blochairn in Schottland zur Einführung kam.
Das von White angegebene Walzwerk, das auf dem Princip der mit
der Querschnittsverminderung zunehmender Geschwindigkeit hinter-
einander liegender Walzenpaare beruhte, kam 1871 zu Aberdare in
Betrieb. 1892 wurden damit 90 bis 100 Tonnen in 12 Stunden
gewalzt.


Für schwere Arbeit zog man in England im allgemeinen Reversier-
walzwerke den in den Vereinigten Staaten beliebten Triowalzwerken
vor. Ramsbottom in Crewe konstruierte ein Reversierwalzwerk für
schwere Bleche, dessen Walzen 2125 mm lang und 625 mm dick waren.
Die Hydraulik kam auch bei den Arbeitswerkzeugen immer mehr in
Anwendung, wie bei Siemens’ Luppenpresse (1874), bei den Preſs-
hämmern, bei A. R. Browns Walzwerk für Kesselbleche (Engl. Pat.
vom 1. Mai 1875, Nr. 1607), bei Twedells hydraulischer Schere
1878 u. s. w.


Bei der Schienenfabrikation verdrängte der Fluſsstahl das Puddel-
eisen in dieser Periode gänzlich. Über den Umfang der Schienen-
fabrikation wie über den Eisenhandel Groſsbritanniens werden die
statistischen Tafeln am Schlusse des Kapitels die näheren Erläute-
rungen geben. Wir wollen hier nur erwähnen, daſs die Gesamt-
[929]Groſsbritannien.
ausfuhr von Roheisen, Eisen und Stahl ziemlich den gleichen Schritt
einhielt wie die Roheisenerzeugung. Dagegen zeigte die Roheisen-
ausfuhr gröſsere Schwankungen, wie sich aus nachfolgender Zusammen-
stellung ergiebt.


Der Grund für diese gröſseren Schwankungen der Ausfuhrmengen
und der Preise lag zum Teil darin, daſs der Roheisenhandel besonders
durch das zuerst in Schottland zur Ausbildung gekommene Warrant-
system Spekulationsgeschäft geworden war. Die Warrants waren
Lagerscheine, die von Groſshändlern für bei ihnen eingelagertes, aber
noch nicht verkauftes Roheisen ausgestellt wurden. Connal \& Co.
in Glasgow war die Firma, welche dieses Geschäft für Schottland
nach und nach allein in die Hände bekommen hatte. Die Warrants
wurden ausgestellt auf hinterlegte Roheisenmengen von 500 Tonnen,
wovon drei Fünftel Nr. I und zwei Fünftel Nr. III sein muſsten. Für
die Einlagerung zahlten die Produzenten 1 Penny pro Tonne und
Monat, oder £ 25 für 500 Tonnen im Jahr. Das hinterlegte
Eisen konnte jederzeit gegen Rückgabe des Lagerscheines bezogen
werden.


Auf diese Lagerscheine gewährten Banken und Private Vor-
schüsse bis zu 5 bis 6 Schilling unter dem Verkaufspreis und unter
Abzug von einem Monat Zinsen. Lagerscheine waren übertragbar
und zwar wurden sie in blanco giriert, so daſs es Inhaberpapiere
waren. Hierdurch wurden es bequeme und gesuchte Spekulations-
papiere, was aber zur Folge hatte, daſs die Preise des Roheisens
durch den Preis der Warrants, d. h. durch die Spekulation und
die Börse bestimmt oder wenigstens sehr beeinfluſst wurden. Für die
Hüttenbesitzer war dieses System eine groſse Hülfe, deshalb führte es
sich, als die Roheisenerzeugung des Clevelandbezirkes einen gröſseren
Beck, Geschichte des Eisens. 59
[930]Groſsbritannien.
Umfang annahm, auch in diesem ein. Die Einlagerung geschah in
Middlesborough, es wurde nur Gieſsereiroheisen Nr. III hinterlegt.


Die gesamte Ausfuhr und Einfuhr Groſsbritanniens von Eisen und
Eisenfabrikaten stellte sich im Jahre 1871 folgendermaſsen:


Ausfuhr 1871 in Tonnen.



Einfuhr 1871 in Tonnen.



Rechnet man die Eisen- und Stahlwaren durch Zuschlag von
33⅓ Prozent auf Roheisen um, so ergiebt sich die gesamte Ausfuhr
in Form von Roheisen zu 3873 Kilotonnen oder fast 58 Prozent der
Erzeugung. Im Jahre 1879 wurden von 6072 Kilotonnen 2880 Kilo-
tonnen = 47½ Prozent exportiert. In diesem Jahre waren die Eisen-
preise sehr gedrückt. Warrants sanken zeitweilig bis auf 40 Schilling
die Tonne. Middlesborough-Roheisen kostete 1879 im Jahresdurch-
schnitt nur 39 Schilling gegen 109 im Jahre 1873. Die Eisen-
werke sahen sich daher zu Lohnherabsetzungen gezwungen, was
wieder zahlreiche Arbeiterausstände (Strikes) zur Folge hatte.
Erst mit dem Jahre 1880 trat eine Besserung ein, die eine rasche
Produktionssteigerung besonders in den Jahren 1881, 1882 und
1883 zur Folge hatte. Dann fand wieder ein Rückgang statt
bis 1886, von da ein neuer Aufschwung bis 1889, doch blieb die
Roheisenerzeugung dieses Jahres hinter der von 1882 und 1883
zurück.


Charakterisiert ist dieser Zeitraum durch den Sieg des Fluſs-
[931]Groſsbritannien.
eisens über das Schweiſseisen, der sich im Jahre 1885 vollzog, und
durch die Ausbreitung und Entwickelung der basischen Fluſseisen-
Gewinnungsprozesse.


Die erfolgreiche Einführung des basischen Konverter- oder
Thomasprozesses war ein Ereignis von so groſser Tragweite, daſs es
angezeigt erscheint, dasselbe in erster Linie zu betrachten.


Die günstigen Resultate der ersten Versuche, welche Windsor
Richards
mit der Erfindung von Gilchrist Thomas auf den Eston-
Eisenwerken erzielt hatte, veranlaſsten die dauernde Einführung des
basischen Konverterprozesses daselbst. Trotz dieses Vorgehens trat
in den darauffolgenden Jahren die merkwürdige Erscheinung ein, daſs
diese wichtige englische Erfindung in England selbst langsamere
Verbreitung fand als im Auslande, insbesondere in Deutschland. Der
Widerstand, der sich der Ausbreitung des Verfahrens entgegensetzte,
war teils ein passiver, in dem konservativen Sinne der Engländer
begründeter, teils ein aktiver, seitens der Bessemer- und der Puddel-
werke, die diese neuentstandene Konkurrenz bekämpften. Die
Bessemerstahlfabrikation, die sich in dem letzten Jahrzehnt so glänzend
entwickelt hatte, schien durch den billigen Bezug der überseeischen,
besonders der spanischen Erze so festbegründet und lieferte ein so
anerkannt gutes Erzeugnis, daſs ein Abgehen von der erprobten
Betriebsweise nicht geboten erschien. Man suchte deshalb das neue
Verfahren herabzusetzen und zu verdächtigen, indem man die Qualität
des Thomasstahles bemängelte und die Höhe der Herstellungskosten
übertrieb. Die Wirkung dieser Angriffe blieb dann auch zum Schaden
der Entwickelung der englischen Industrie nicht aus.


Die meisten Eisenerze Groſsbritanniens sind phosphorhaltig, so
die von Yorkshire, Northhampton-, Lincoln-, Stafford-, Oxford- und
Shropshire, von Süd- und Nord-Wales und von Schottland. Die
Clevelanderze enthalten nach J. E. Steads Analysen 0,89 bis 1,44 Pro-
zent Phosphor. Auſserdem lagerten in England ungeheure Mengen
von phosphorhaltigen Puddel- und Schweiſsofenschlacken, die durch
das neue Verfahren verwertbar wurden. Auch sprachen sich auſser
Thomas und Gilchrist viele hervorragende englische Metallurgen
wie Richards, Snelus, Riley und andere entschieden zu Gunsten
des neuen Prozesses aus; trotzdem machte der Thomasprozeſs in
den ersten Jahren nur langsame Fortschritte, viel langsamere als in
Deutschland, wie nachfolgende Zahlen beweisen.


59*
[932]Groſsbritannien.

Thomasstahlerzeugung in Tonnen 1879 bis 1885.


Sidney Gilchrist Thomas und sein Vetter Percy C. Gilchrist
lieſsen es nicht an Anstrengungen fehlen, ihrem Verfahren An-
erkennung und Verbreitung zu verschaffen. 1881 unternahm ersterer zu
diesem Zwecke eine Reise nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Nach seiner Rückkehr gründete sein Vetter Percy C. Gilchrist mit
T. Wrightson und noch zwei Unternehmern die „North Eastern Steel
Co. Limited“ zur Ausbeutung des Verfahrens. Das Stahlwerk blies am
31. Mai 1883 unter Leitung Arthur Coopers die erste Charge.
1882 legten Thomas und Gilchrist der Royal Society in London
eine ausführliche Denkschrift über ihre Stahlerzeugung aus phosphor-
haltigem Roheisen vor, in der sie die Wichtigkeit desselben für Eng-
land hervorhoben und die Einwendungen gegen dasselbe entkräftigten.
Sie wiesen darauf hin, daſs die Menge der phosphorhaltigen Erze in
Groſsbritannien wenigstens zehnmal häufiger sei als das der nicht-
phosphorhaltigen, daſs das Roheisen von Cleveland 1,5 Prozent,
Schottland 1 Prozent, Lincolnshire 1,25 Prozent, von Staffordshire aus
Erzen erblasen 0,5 bis 1 Prozent, mit Zusatz von Puddelschlacken
erblasen 2,5 Prozent, das von Northhampton 1,5 Prozent Phosphor
enthalte, ferner daſs die Mehrkosten des Verfahrens, bedingt durch
das kostspieligere basische Futter und das Nachblasen, höchstens
7 Schilling pro Tonne betrügen, und dies viel weniger sei als der
Preisunterschied der phosphorhaltigen Roheisensorten und des Hämatit-
eisens für den sauren Bessemerprozeſs. Cleveland-Puddeleisen koste
42 Schilling die Tonne, Hämatiteisen 58 Schilling; bei diesen Preisen
stelle sich der basische Stahl also um 9 Schilling billiger als der
Hämatitstahl. Ebenso wiesen die Verfasser nach, daſs bei guter Ein-
richtung des Stahlwerks die Herstellungskosten von basischem Ingot-
eisen billiger seien als von gewöhnlichen Luppen. Erstere kosteten
nach ihrer Aufstellung 69 Schilling 7 Pence, letztere 74 Schilling
11 Pence die Tonne. Zuletzt wiesen sie auf die groſsen Vorzüge des
[933]Groſsbritannien.
Fluſsstahls gegenüber dem Eisen hin. Ersterer sei beim Schiffsbau
über ein Drittel mehr wert als Schweiſseisen.


Diese Denkschrift und die rührige Agitation der Erfinder blieben
nicht ohne Wirkung. Die Erimushütte warf ihre Danksöfen ab und
führte statt deren den basischen Konverterbetrieb ein. In Stafford-
shire wurden unter Gilchrists Leitung mit gutem Erfolg Schlacken-
roheisen mit 3 Prozent Phosphorgehalt im Konverter in guten weichen
Stahl verwandelt. Obgleich die Erzeugung von Thomasstahl fort-
während zunahm, blieb sie doch weit hinter der nach Bessemers
Verfahren mit saurem Futter zurück, wie dies nachfolgende Tabelle
zeigt.


Sidney Gilchrist Thomas, der durch seine Erfindung ein
Wohlthäter des Menschengeschlechts geworden ist, durfte sich leider
nicht lange des Erfolges seiner Arbeit erfreuen. Seine zarte Gesund-
heit unterlag den geistigen Aufregungen und körperlichen Anstren-
gungen. Schon 1882 erkannten die Ärzte ein schweres Lungenleiden,
das auch durch längeren Aufenthalt in Australien, Ostindien und
Algier nicht gebessert wurde und dem der durch reiche Gaben des
Verstandes und des Gemütes ausgezeichnete Mann in dem jugend-
lichen Alter von noch nicht 35 Jahren am 1. Februar 1885 zu Paris
erlag. Ein glänzender, zu rasch erloschener Stern!


Betrachten wir die allgemeine Entwickelung der Eisenindustrie
[934]Groſsbritannien.
Englands in den achtziger Jahren, so bietet die Entwickelung der
Hochofenindustrie nicht viel Bemerkenswertes dar. Wohl strebte man
nach Materialersparnis, nach Vermehrung der Produktion, nach Ver-
besserung der Qualität. Nach diesen drei Richtungen hin wurden
auch Erfolge erreicht, aber keine hervorragenden. Ein groſser Auf-
schwung in der Gesamtproduktion fand nicht statt. Bei der Roh-
eisenerzeugung und dem Hochofenbetriebe machte sich allzu sehr ein
konservatives Bestreben geltend. Die von Sir Lowthian Bell wieder-
holt aufgestellten Grundsätze, man solle, im Gegensatz zu den Bestre-
bungen der Amerikaner, die Öfen nicht zu groſs bauen und, um sie
zu erhalten, nicht zu stark blasen, auch den Wind nicht zu hoch
erhitzen, indem eine über 500° C. getriebene Erhitzung keinen Vorteil
mehr bringe, wurden von den meisten als richtig angenommen oder
waren vielmehr der Ausdruck der Anschauungen der Majorität der
englischen Eisenhüttenleute, die eine Scheu vor kostspieligen Neue-
rungen hatten.


Daſs aber der Hochofenbetrieb Groſsbritanniens in diesem Jahr-
zehnt trotzdem Fortschritte machte, ergiebt sich aus folgenden Zahlen.
Der Kohlenverbrauch für 1 Tonne Eisen betrug 1880 2,19 Tonnen,
1890 2,00 Tonnen. Die durchschnittliche Tagesleistung eines Hoch-
ofens betrug 1880 46,33 Tonnen, 1890 64,62 Tonnen. Es wurden
nämlich 1880 mit 567 Hochöfen 7873 Kilotonnen, 1890 mit 414 Hoch-
öfen 8031 Kilotonnen Roheisen erblasen.


Die Produktionsbewegung der verschiedenen Bezirke zeigt nichts
Besonderes, nur erfuhr die Roheisenerzeugung von Lincolnshire und
Cumberland seit 1880 eine beträchtliche Zunahme. Von Wichtig-
keit war die Verbesserung der Winderhitzer. Die Vorzüge der
steinernen Winderhitzer wurden von den meisten Hüttenbesitzern an-
erkannt, während allerdings einige, wie Gjers und Bell, auch 1883
noch sich prinzipiell für die eisernen Winderhitzer aussprachen und
auf ihren Werken Ayrsome (Gjers, Mills \& Co.) und Clarence
Works (Bell Brothers) in Cleveland daran festhielten. Bei den
steinernen Winderhitzern hatte schon Ende der siebziger Jahre ein
Verdrängen der Konstruktion von Whitwell durch die von Cowper
begonnen, weil letztere für die gleiche Leistung billiger waren und
weniger Raum beanspruchten. Whitwell suchte durch Vergröſserung
seiner Apparate hiergegen anzukämpfen. So wurden 1883 auf der
Thornaly-Hütte bei Süd-Stockton Whitwellapparate von 20,70 m Höhe,
6,70 m Durchmesser und 2600 qm Heizfläche in Betrieb genommen.
Man erreichte damit eine Windtemperatur von durchschnittlich 700° C.
[935]Groſsbritannien.
Auch andere Konstruktionen fanden Eingang, so versah die Glengarnock
Eisen- und Stahlgesellschaft in Schottland ihre neue Hütte von neun
Hochöfen mit Massicks-Winderhitzern.


1881 waren von 968 Hochöfen 552 in Betrieb, sechs davon
schmolzen noch mit Holzkohlen. Diese gehörten alle einer Firma
und erzeugten etwa 3000 Tonnen.


1882 wurden die wichtigen Erfolge, welche Alexander und
Mc Cosh von der Firma Baird \& Co. zu Gartsherrie in Schottland
durch die Gewinnung von Teer und Ammoniak aus den Gichtgasen
der mit roher Steinkohle betriebenen Hochöfen erzielt hatten, öffent-
lich bekannt. William Baird \& Co. machten kostspielige Ein-
richtungen zur Ausnutzung dieser Erfindung. Bei den Hochöfen von
Muikirk wurde dieses Verfahren ebenfalls eingeführt. Die Gichtgase
wurden durch groſse Rootsgebläse in die von Mc Cosh und Angus
konstruierten Kondensatoren getrieben; das Ammoniak wurde aus dem
Sulfat gewonnen. Auch bei der Koksfabrikation begann man auf die
Gewinnung der Nebenprodukte gröſseren Wert zu legen und führte auf
mehreren Werken Carvés-Öfen ein. Jameson erfand eine eigene
Koksofenkonstruktion für diesen Zweck. Die Einführung des Thomas-
prozeſses führte zur ausgedehnten Verschmelzung der angesammelten
Frischschlacken; namentlich in Staffordshire wurde aus diesen
ein sogenanntes Schlackeneisen mit 3 Prozent Phosphorgehalt er-
blasen.


In Cleveland stellte sich der Koksverbrauch beim Hochofen-
betriebe im Jahre 1882 bereits sehr günstig. Nach Cochranes An-
gabe hatten seine Öfen einen Koksverbrauch nur von 1072/1000, während
Bolckow, Vaughan \& Co. in ihren Hochöfen 1168/1000 verschmolzen.


Der Bessemerprozeſs verlangte groſse Mengen von Spiegeleisen, die
damals meist noch eingeführt wurden, so 1881 etwa 100000 Tonnen.
Man bemühte sich eifrig, das Spiegeleisen aus importierten Erzen im
eigenen Lande zu erblasen. 1883 wurden auch bereits 179500 Tonnen
Spiegeleisen und Ferromangan in britischen Hochöfen erblasen, hier-
von entfielen 71200 Tonnen auf Süd-Wales.


Der Verwertung der Hochofenschlacken wendete man ebenfalls
gröſsere Aufmerksamkeit zu, und es machten 1883 die Tees Eisen-
werke gute Schlackensandsteine, während die Aklamhütte gegossene
und getemperte Schlackensteine lieferte.


Je gröſser die Leistungsfähigkeit der Hochöfen wurde, desto mehr
[936]Groſsbritannien.
nahm ihre Zahl ab; von Jahr zu Jahr wurden alte Öfen auflässig, so
z. B. in Schottland von 1884 auf 1885 fünfzehn. Schottland be-
hauptete indes immer noch seinen alten Ruf für vorzügliches Gieſserei-
eisen. Die meisten Hütten hatten ein gemeinschaftliches Qualitäts-
zeichen G. M. B. = Good Merchantable Brands. Solches lieferten die
Werke: Gartsherrie, Summerlee, Longloan, Monkland, Clyde, Calder,
Govan, Coltneſs, Shotts, Glengarnock und Carnbroe, und die groſsen
Lager von Connal \& Co. gegen Lagerscheine (Warrants).


Gegen Ende der achtziger Jahre trat noch mehr das Bestreben
hervor, Manganroheisen im Inland zu erblasen, so führte Gautier die
Erzeugung von Ferromangan im Hochofen auf den Hütten zu Pyle und
Blaina ein. Gjers, Mills \& Co. machten zu Ayrsome Ferrosilicium.
Farnley bei Leeds erzeugte ein besonderes gutes Gieſsereieisen
„Farnley Best Yorkshire“, das für den Guſs von Dampfcylindern sehr
gesucht war. 1889 kam Wrightsons hydraulische Aufgabevorrichtung
zur Einführung.


Für den Eisenguſs waren 1886 Turners Untersuchungen über
den Einfluſs des Siliciums, die zuerst von Wood in Middlesborough
im groſsen benutzt wurden, von Wichtigkeit. J. Keep machte 1888
seine Versuche über die Wirkung des Aluminiums auf das Guſseisen.
Die englischen Verbesserungen an Kupolöfen und Formmaschinen in
dieser Zeit sind im Hauptteile aufgeführt.


Die Verwendung des Schweiſseisens wurde mehr und mehr ein-
geschränkt durch die des Fluſseisens, infolgedessen hatte die Schweiſs-
eisenindustrie einen schweren Verteidigungskampf zu bestehen. Un-
geheure Kapitalien waren in ihr angelegt, und um diese zu erhalten,
wurden die gröſsten Anstrengungen gemacht. Am heftigsten ent-
brannte der Kampf Anfang der achtziger Jahre, veranlaſst durch den
Thomasprozeſs, der als neuer gefahrdrohender Feind der Schweiſs-
eisenindustrie aufgetaucht war. Den ungeheuren Anstrengungen der
Puddel- und Walzwerke gelang es, die Ausbreitung des Thomas-
prozesses zu verzögern und ihren Absatz so zu steigern, daſs in dem
Jahre 1882 die höchste Erzeugung von Schweiſseisen in Groſs-
britannien mit 2887 Kilotonnen erreicht wurde. Von da ab trat
aber ein Rückgang ein, und da gleichzeitig die Fluſsstahlerzeugung
zunahm, so kam 1884/85 der Zeitpunkt, in dem die Erzeugung
des Fluſseisens die des Schweiſseisens überflügelte, wie aus der gra-
phischen Darstellung, Fig. 341 (S. 913), zu ersehen ist.


Besondere Fortschritte in der Fabrikation sind nicht zu erwähnen.
Auch die rotierenden Öfen und der mechanische Betrieb hatten die
[937]Groſsbritannien.
Konkurrenzfähigkeit der Schweiſseisenfabrikation nicht zum Siege führen
können, und als in der Mitte der achtziger Jahre die Kleinbessemerei
auftauchte, wandte sich die Hoffnung vieler Walzwerksbesitzer diesem
neuen Betriebe zu. Nur in einer Beziehung läſst sich ein Fortschritt
in dem Schweiſseisenbetriebe konstatieren, die Leistungsfähigkeit der
Puddelöfen hatte sich durch Verbesserung der Feuerungen, besonders
auch durch Einführung des Gasbetriebes, beträchtlich gesteigert, wie
nachfolgende Zahlen beweisen:


Die meisten Puddelöfen hatte Süd-Staffordshire, ihre Zahl be-
trug 1885 1283.


Die Schweiſseisenfabrikation wurde überflügelt von der Fluſs-
eisenfabrikation, wie nachstehende Tabelle der Erzeugung von 1881
bis 1890 zeigt:


Während also das Verhältnis von Schweiſseisen zu Fluſseisen im
Jahre 1881 noch 60 : 40 Prozent war, betrug es 1890 nur 35 : 65
Prozent.


An der Fluſseisenerzeugung hatte der Konverterprozeſs den gröſsten
Anteil; dieselbe betrug 1881 1464786 Tonnen und 1890 2014843
Tonnen. Hieran hatte den Löwenanteil wieder der eigentliche Bessemer-
prozeſs mit saurem Futter; dieser lieferte 1881 1418286 Tonnen, 1890
1511443 Tonnen.


[938]Groſsbritannien.

Durch bessere Betriebseinrichtungen erhöhte sich die Leistungs-
fähigkeit der Konverter. 1880 gab es 28 Bessemerstahlwerke mit
114 Konverter, die 1061092 Tonnen Fluſsstahl erzeugten, ein Kon-
verter im Durchschnitt also 9308 Tonnen. 1885 betrug die durchschnitt-
liche Leistung eines Konverters bereits 17582 Tonnen, was freilich
unter der Durchschnittsleistung der nordamerikanischen Konverter von
56500 Tonnen bedeutend zurückblieb. 1887 zählte man 126 Kon-
verter (sauer und basisch), von denen aber nur 87 in Betrieb waren;
diese erbliesen 2097433 Tonnen Fluſsstahl, also 24108 Tonnen pro
Konverter. 1889 betrug die Zahl der vorhandenen Bessemerkonverter
91, die der betriebenen 60⅗, diese erzeugten 16468720 Tonnen
Fluſsstahl, also 27177 Tonnen pro Konverter; in demselben Jahre
erbliesen auſserdem 22½ Thomaskonverter 493919 Tonnen, demnach
21951 Tonnen pro Konverter im Durchschnitt.


Von wichtigeren Fortschritten und Erfindungen, die in Groſs-
britannien gemacht wurden, ist zunächst im Jahre 1880 Allens
Rührer, um das nachgesetzte Spiegeleisen oder Ferromangan rascher
zur Wirkung zu bringen, zu nennen, den Sir Henry Bessemer auf
seinem Werke in Sheffield zur Einführung brachte. Eine Erfindung
von gröſserer Bedeutung, die 1881 gemacht wurde, waren John Gjers
Durchweichungs- oder Ausgleichsgruben (soaking pits), die er zuerst
zu Anfang dieses Jahres in Darlington einführte. Eine Neuerung, die
bedeutendes Aufsehen erregte, war die Kleinbessemerei von Clapp
und Griffith zu Nantyglo in Süd-Wales, die im Jahre 1889 zu
Ebbw-Vale in Süd-Wales, von Nettlefolds in Birmingham, von
Hatton Sons \& Co. in Bilston, von B. Conway \& Co. in Nowort und
anderwärts eingeführt wurde. Allerdings war das Prinzip schon 1882
zu Avesta in Schweden zur Anwendung gekommen, aber die kleinen
Clapp-Griffith-Konverter fanden besonderen Anklang und rasche
Verbreitung. Die fortschreitende Entwickelung der Bessemerstahl-
fabrikation führte im Jahre 1880 zur Vergröſserung der Stahlwerke
von Atwood zu Wolsingham und der Weardale Eisengesellschaft zu
Tudhoe. In Süd-Wales fand eine Verschiebung des Betriebes von
dem alten Stammsitz bei Merthyr-Tydwill nach der Seeküste statt.
1887 kam das neue Bessemerwerk bei Cardiff in Betrieb. In diesem
Jahre erreichte die Bessemerstahlerzeugung von Süd-Wales die Höhe
von 547394 Tonnen, was einer Leistung von 26061 Tonnen pro Kon-
verter entsprach. Diese Leistung wurde in demselben Jahre erheblich
übertroffen von den Bessemerwerken Cumberlands, bei denen die Durch-
schnittsleistung eines Konverters sich auf 35489 Tonnen bezifferte.


[939]Groſsbritannien.

Die Erfindung des basischen Konverterprozesses von Thomas
beeinträchtigte die weitere Ausbreitung des älteren Verfahrens mit
saurem Futter. Die Zusammenstellung auf Seite 933 zeigt die Er-
zeugungsmengen beider Prozesse.


Während das Verhältnis von Bessemer- zu Thomas-Fluſseisen
im Jahre 1881 96,8 : 3,2 war, betrug es 1890 74 : 26 Prozent. Der
Thomasprozeſs war durch den billigeren Preis des phosphorhaltigen
Roheisens gegenüber dem Bessemer-Roheisen vorteilhafter, wie dies
Snelus schon 1886 durch folgende Rechnung nachgewiesen hatte. Es
kostete damals die Herstellung von einer Tonne:



Der Thomasprozeſs als Groſsbetrieb entwickelte sich zuerst auf
den Estonwerken unter Windsor Richards’ Leitung seit 1878.
1881 wurden daselbst in zwei groſsen Birnen bereits wöchentlich
2200 Tonnen Fluſseisen dargestellt. Man hatte die Wichtigkeit einer
genauen chemischen Kontrolle eingesehen und zu diesem Zwecke ein
chemisches Laboratorium zur Untersuchung von Proben eingerichtet.
Trotz den Erfolgen zu Eston fand der Thomasprozeſs, wie erwähnt,
nur langsam Verbreitung. Auſser dem Bessemerprozeſs stand ihm
auch das Siemens-Martin-Verfahren, das durch die energische, geniale
Initiative von William C. Siemens immer gröſsere Anerkennung
und Verbreitung fand, im Wege. 1881 versuchte John Gjers die
Reduktion und Rückkohlung nach dem Nachblasen in einfacherer und
billigerer Weise als durch Zusatz von Spiegeleisen und Ferromangan,
durch Einblasen von Kohlenoxydgas zu bewirken.


1882 stellten die Estonwerke basisches Fluſseisen bereits ebenso
billig her wie Schweiſseisen; 1883 zählte das Werk 19 Hochöfen, zwei
Gieſsgruben von je drei Konverter zu 8 und 10 Tonnen für basischen
und zwei Konverter zu 8 Tonnen für sauren Betrieb. In dieses Jahr
fallen die chemischen Arbeiten Steads über den Thomasprozeſs.


1884 wurden in Schottland, dessen phosphorhaltiges Roheisen
für das saure Verfahren sich nicht geeignet hatte, zwei groſse
Thomas-Stahlwerke angelegt, das eine zu Glengarnock bei Glasgow
von Merry u. Cunningham mit neun Hochöfen und vier 10-Tonnen-
[940]Groſsbritannien.
Konvertern für eine Produktion von 10000 Tonnen Fluſsstahl, das andere
zu Wischaw von der Glasgow-Eisengesellschaft mit drei 7-Tonnen-Kon-
vertern. Gilchrist, Teilhaber der North-Eastern Steel Co. zu Middles-
borough hatte 1885 auf der Erfindungsausstellung zu London Proben der
verschiedenen Stadien des Thomasprozeſses mit chemischen Analysen
vorgeführt. Die Stahlhütte der Gesellschaft besaſs damals vier
12-Tonnen-Konverter. Ein Konverter machte 17 Chargen in 24 Stunden.
Ein Birnenfutter hielt 50 bis 70, ein Boden 7 bis 15 Chargen aus.
Der Einsatz bestand aus 25 Zentner weiſsem Roheisen und 7 bis
15 Zentner Kalk als Zuschlag. Den Wind lieferten zwei stehende
Gebläsemaschinen von 600 P.S. Man nahm Eisen- und Schlacken-
proben bei jeder Charge. Der basische Prozeſs lieferte ein sehr
weiches Fluſseisen, das sich namentlich gut für Bleche eignete, die
auch im Schiffsbau bereits zur Verwendung kamen. Dennoch verbot
der englische Lloyd im Jahre 1885 noch die Verwendung von Thomas-
stahlblechen, die indes wenige Jahre später freigegeben wurde. Das
weiche Fluſseisenblech führte sich dagegen im Handwerk, besonders
bei den Klempnern rasch ein, wie es denn auch bei der Weiſsblech-
fabrikation ausgedehnte Verwendung fand. In der Kleinbessemerei war
der basische Betrieb durch Auskleidung der Clapp-Griffith-Konverter
mit basischem Futter ebenfalls zur Einführung gelangt und war das
damit erzielte Produkt der Kleinbessemerei für Bleche besonders
beliebt.


1888 erfand Darby zu Brymbo sein Rückkohlungsverfahren mit
Kohlenstaub.


Eine glänzende Entwickelung nahm die Fabrikation des Herd-
fluſsstahls, des Siemens-Martin-Prozesses. Karl Wilhelm Siemens,
oder nach englischer Bezeichnung Sir William Charles Siemens1),
der an der Erfindung dieses Verfahrens wesentlich beteiligt war,
dasselbe als selbständige Groſsindustrie ausgebildet und in Groſs-
britannien mit dauerndem Erfolg eingeführt hatte, starb am 19. No-
[941]Groſsbritannien.
vember 1883 in London, nachdem er kurz zuvor geadelt worden war.
1885 wurde ihm von der englischen Nation eine Gedächtnistafel in
der Westminster-Abtei errichtet. Er erlebte noch die Einführung
des Flammofenbetriebes mit basischem Futter, wozu der basische Kon-
verterprozeſs von Thomas den Anstoſs gegeben hatte und der zuerst
im Mai 1882 von der Farnley-Eisengesellschaft bei Leeds unter Lei-
tung des Franzosen Gillot zur Anwendung gebracht wurde. Frühere
Versuche, 1880 von J. Riley, Thomas und Gilchrist zu Blochairn,
waren erfolglos gewesen.


Der basische Betrieb gestattete auch beim Flammofenprozeſs die
Verarbeitung phosphorhaltiger Roheisensorten und veranlaſste eine
rasch zunehmende Ausbreitung des Siemens-Martin-Prozesses, wie aus
nachfolgender Tabelle ersichtlich ist.


Die Erzeugung von Siemens-Martin-Stahl in Groſs-
britannien von
1881 bis 1890 in Tonnen.



Im Verhältnis zum Konverterfluſseisen war die Produktion in
diesem Zeitraume von 18,7 auf 44,1 Prozent gestiegen. 1879 betrug
die Zahl der Siemens-Martin-Öfen 102, 1883 175 in 42 Werken. Die
Durchschnittsleistung eines Ofens betrug 2600 Tonnen. Am besten
arbeiteten die Öfen in Schottland, wo in 38 Öfen 179633 Tonnen,
also durchschnittlich in einem Ofen 4727 Tonnen erzeugt wurden. In
Schottland nahm der Martinbetrieb in diesem Jahre derart zu, daſs
man 1884 am Clyde bereits 78 Öfen zählte. Die Blöcke wurden
meist zu Blechen verarbeitet. Man baute die Öfen gröſser wie früher,
wodurch ihre Leistung erhöht wurde. Eine der gröſseren Anlagen
waren die Blochairnwerke. Sie hatten 1883 13 Stahlflammöfen von
13, 15 und 25 Tonnen Einsatz. Hier wurden damals zuerst fahrbare
Gjerssche Durchweichungsgruben eingeführt. Die Blockstraſse hatte
hohle Stahlwalzen von 559 mm Durchmesser. Diese verarbeiteten
Blöcke bis zu 35 Tonnen Gewicht für schwere Bleche und Platten.
Die Leistung der Herdöfen zu Blochairn hatte sehr zugenommen,
während sie 1876 50 Tonnen die Woche betragen hatte, stieg sie 1884
auf 140 Tonnen pro Ofen (nach Riley).


In den bekannten Hallside-works (s. S. 920) schmolzen 17 Öfen zu
[942]Groſsbritannien.
13 Tonnen Einsatz Erzfluſsstahl nach Siemens’ Verfahren, auſserdem
arbeiteten zehn 15-Tonnen-Öfen für Stahlformguſs. Auch in Hallside
bediente man sich der Gjersschen Gruben. Die Dalzell-Stahl- und Eisen-
werke hatten 13 Öfen zu 13 Tonnen Einsatz. Die Stahlöfen waren meist
gröſser als auf dem Kontinent. Zu Bolton, wo man 1885 schwedisches
Roheisen mit spanischen Eisenerzen verarbeitete, hatten die Öfen
hohe Gewölbe. In dem West-Cumberland Eisen- und Stahlwerke hatte
man 1885 zwei Öfen von 16 Tonnen Einsatz im Betriebe. Jeder Ofen
machte 9 Chargen; jede Charge bestand aus 9 Tonnen Roheisen,
6 Tonnen Blechabfällen und 2 Tonnen Hämatit. In diesem Jahre
führte man zu Blochairn versuchsweise Bathoöfen ein, die sich be-
währten, indem sie rascher schmolzen. Riley und Dick brachten
Verbesserungen daran an. Auch zu Hallside, das 1885 mit 22 Öfen
arbeitete, ging man zu Bathoöfen über. Auf den Tudhoewerken lieſs
die Weardale Iron and Coal Company 1884 ihr altes Bessemerwerk
eingehen und ersetzte die Konverter durch Siemens-Martin-Öfen, da
der Herdfluſsstahl für die Herstellung von Blechen und Platten
geeigneter war. Das der Brymbo Basic Steel Company gehörige Stahl-
werk bei Wishaw war damals das einzige basische Siemens-Martin-
Werk in Wales. 1886 baute Ratcliffe zu Woolwich einen verbesserten
Siemens-Martin-Ofen; 1887 konstruierte Hattons einen Drehofen mit
halb saurem und halb basischem Futter. 1887 zählte man 28 Öfen
mit basischem Futter in England. 1888 setzte J. C. Stodart in
Cleveland zwei Öfen mit basischem Futter für 20 Tonnen Einsatz in
Betrieb. Thwaite versuchte das Schmelzen des Roheisens in Kupol-
öfen mit basischem Futter. In diesem Jahre kam Darbys Kohlungs-
verfahren auch bei dem Siemens-Martin-Prozeſs zur Anwendung. Die
Bathoöfen verbreiteten sich immer mehr und wurden 1888 auch in
Staffordshire eingeführt. 1889 konstruierte Hilton einen verbesserten
Bathoofen.


Im allgemeinen blieb, ähnlich wie bei dem Konverterprozeſs, die
Zustellung der Siemens-Martin-Öfen mit saurem Futter vorherrschend.
1890 baute man solche Öfen für 25 Tonnen Einsatz. Man zählte in
diesem Jahre in Groſsbritannien 302 Siemens-Martin-Öfen, die Durch-
schnittsleistung eines Ofens war auf 5180 Tonnen im Jahr gestiegen.


Der Herdprozeſs gestattete, ebenso wie das Schmelzen in Tiegeln,
die Herstellung von Spezialstahlsorten. Am 23. Mai 1889 nahm
James Riley in Glasgow sein Patent für Nickelstahlbereitung (Engl.
Pat. 1889 Nr. 8492). Obgleich sein Verfahren auch für den Tiegel-
und den Konverterprozeſs verwendbar war, empfahl er doch das
[943]Groſsbritannien.
Herdschmelzen als am geeignetsten dafür. Er setzte dem geschmol-
zenen Metall erst Eisenmangan, dann Nickel zu.


Bei der Formgebung kamen mancherlei Verbesserungen in dieser
Periode zur Einführung, besonders der von den Vereinigten Staaten
entwickelte automatische Walzwerksbetrieb, durch angetriebene Rollen-
gänge, Hebetische, Wendevorrichtungen u. s. w. und die Ausbildung
der hydraulischen Schmiedepressen für die Behandlung schwerer Stahl-
blöcke anstatt der Dampfhämmer. Hierfür erwarb sich die Maschinen-
fabrik von Tannet \& Walker in Leeds groſse Verdienste; sie
setzte 1885 bei John Brown \& Co in Sheffield eine Schmiedepresse
für 5000 Tonnen Druck in Betrieb. — Um die Schienenfabrikation
bemühte sich der schwedische Ingenieur C. P. Sandberg, der 1881
als Vertreter einer schwedischen Eisenbahngesellschaft zur Abnahme von
ihr bestellter Eisenbahnschienen nach England gekommen und seitdem
in England geblieben war. Nachdem er in einem Aufsatze über die
Abnahmebedingungen für Eisenbahnschienen 1881 auch die Anforde-
rungen, die an Schienen gestellt werden müssen, eingehend erörtert
hatte, trat er mit Entschiedenheit für die Verstärkung des eisernen
Oberbaues, besonders für die Herstellung schwererer Schienen, ein und
kam 1886 mit seiner „Goliathschiene“ an die Öffentlichkeit. Seine
Bemühungen sind nicht erfolglos gewesen sowohl in England als auf
dem Kontinent.


J. G. Snelus von Workington veröffentlichte 1881 eine wichtige
Arbeit über die chemische Probe der Eisenbahnschienen. Durch den
Ersatz des Holzkohlenbleches durch Fluſseisenblech nahm die Weiſs-
blechfabrikation einen gröſseren Aufschwung. Seit Anfang der acht-
ziger Jahre verwendete man Siemens-Martin-Stahl hierfür, seit 1883
auch Clapp-Griffith-Fluſsstahl. Hierzu kam die Schnellverzinnung.
1883 kam Cockley \& Morwoods Walzenverzinnkessel zur Einführung;
1884 erfand Taylor seine Verzinnmaschine, die 1887 verbessert
wurde. 1884 wurden in England 460000 Tonnen Eisen und Stahl für
Weiſsbleche verarbeitet. 1886 bauten Tannet \& Walker eine
groſse hydraulische Schere für Blochairn, in demselben Jahre wurde
die von Kitson erfundene Parallelschere von Buckton \& Co. aus-
geführt und bei Bolckow, Vaughan \& Co. aufgestellt. Buckton
\& Co
. und Lamberton \& Co. bauten in England groſse Dampfblock-
scheren. Blockwender für Walzwerke erfanden 1888 Williamson
\& Nelson
und D. Davy in Sheffield (Engl. Pat. Nr. 10779 vom
25. Juli 1888). James Riley in Glasgow erbaute 1890 auf den
Blochairn Steel Works ein eigenes Universalwalzwerk zum Verwalzen
[944]Groſsbritannien.
von Brammen für Panzerplatten. Auſserdem kamen um diese Zeit
mancherlei Spezialwalzwerke zur Einführung. 1889 erbaute Morgan
in Worcester ein kontinuierliches Walzwerk mit hintereinander
stehenden Walzgerüsten.


Der englische Schiffsbau, der mehr und mehr zur Verwendung
von Fluſsstahl überging und enorme Mengen verbrauchte, war in
den achtziger Jahren groſsen Schwankungen ausgesetzt. 1882 betrug
der Tonnengehalt der neuerbauten Schiffe 1200000; sank dann 1886
auf 473675 und stieg wieder 1889 auf 1326240.


Am 19. Juni 1889 starb der bekannte Metallurg Dr. John Percy,
dessen Werk über Eisen und Stahl einen Weltruf erlangt hat. Er war
1817 in Nottingham als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, studierte
Medizin und erlangte schon in seinem 21. Jahre die Doktorwürde.
Dann ging er nach Paris, wo er bei Gay-Lussac Chemie studierte
und in dessen Laboratorien den Grund zu seiner gründlichen Kenntnis
der analytischen Chemie legte. Er lieſs sich dann als Arzt in Bir-
mingham nieder, aber die dortige Metallindustrie veranlaſste ihn, seine
chemischen Kenntnisse der Metallurgie zu widmen, worin er bald
Groſses und Originelles leistete, weshalb ihm die Professur für Metallurgie
an der Royal School of Mines in London übertragen wurde.


Am 7. Mai 1890 starb auch der Altmeister des Werkzeug-
maschinenbaues James Nasmyth, 82 Jahre alt.


Im Jahre 1890 wurde die britische Eisenerzeugung zum erstenmal
überflügelt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die schon im
Jahre zuvor in der Fluſsstahlproduktion England übertroffen hatten,
siegten jetzt auch in der Roheisenerzeugung mit 9350 gegen 8030
Kilotonnen. Diese für das englische Selbstgefühl schmerzliche That-
sache machte zwar einen tiefen Eindruck, blieb aber in der nächsten
Zeit ohne besondere Wirkung auf die Entwickelung der britischen
Eisenindustrie. Man gab sich der Hoffnung hin, daſs der Sieg der
Amerikaner eine vorübergehende Erscheinung sei, herbeigeführt durch
auſsergewöhnliche Anstrengungen. Man tadelte das scharfe Blasen
bei den amerikanischen Hochöfen, wodurch dieselben rasch zerstört
wurden, so daſs sie durchschnittlich nur 2¼ Jahre, die englischen
dagegen sechs Jahre aushielten. Selbst diese kurze Lebensdauer der
amerikanischen Hochöfen wurde nur erreicht durch eine übermäſsige
Wasserkühlung von Gestell und Rost, welche die englischen Öfen
nicht oder lange nicht in diesem Maſse nötig hatten. Der Sieg der
Amerikaner war aber keineswegs ein zufälliger oder vorübergehender
Erfolg, wie sich aus nachfolgender Produktionstafel ergiebt.


[945]Groſsbritannien.

Roheisenerzeugung von 1890 bis 1899 in Kilotonnen.


Die Jahre 1891, 1892, 1893 waren für die Eisenindustrie un-
günstig und für Groſsbritannien wurde dieser Zustand noch verschärft
durch ausgedehnte Lohnkämpfe und Arbeitseinstellungen, besonders
durch die groſsen Streiks der Kohlenarbeiter 1891 in Schottland und
1892 in Durham. Erst seit 1895 trat wieder ein Aufschwung ein, der
gegen Ende des Jahrhunderts eine Glanzzeit der Eisenindustrie
zeitigte. In diese letztere Zeit fallen dann auch viele Verbesserungen
im Hochofenbetriebe, wobei die Nachahmung amerikanischer Vorbilder
deutlich zu erkennen ist.


1890 zählte man 762 Hochöfen in Groſsbritannien, von denen
aber nur 346 in Betrieb standen. Von diesen gingen 247 auf gewöhn-
liches Roheisen, darunter 20 auf solches für den basischen Fluſsstahl-
betrieb, 91 gingen auf Hämatiteisen, 9 auf Spiegeleisen. Von den
346 betriebenen lagen 54 an der Westküste (Schottland, Cumberland,
Lancashire), 102 in Cleveland, 125 in Mittel-England (Staffordshire u.s.w.),
17 in West-Yorkshire, 2 in West-England, 4 in Nord-Wales, 36 in
Süd-Wales und 6 im Inlande von Schottland. Clevelands Anteil 1) an
der britischen Produktion betrug 1876 27,5, 1880 32,5 und 1890
33,9 Prozent, war also ständig gewachsen, der Anteil Schottlands
betrug 1876 17,5, 1880 13,6 und 1890 13,0 Prozent, hatte also ab-
genommen. Der Kohlenstreik in Schottland von 1891 hatte einen
groſsen Ausfall in der Roheisenerzeugung zur Folge. Seit dieser Zeit
haben denn auch die schottischen Warrants aufgehört preisbestimmend
zu wirken, und damit hat auch das Börsenspiel mit Warrants nach-
gelassen. Schottland und Cleveland bezogen zur Herstellung von
Beck, Geschichte des Eisens. 60
[946]Groſsbritannien.
Hämatiteisen für den Bessemerprozeſs groſse Mengen ausländischer,
besonders spanischer Erze. In Cleveland betrug 1892 die eigene Eisen-
erzförderung 5300000 Tonnen, hieraus wurden 1493000 Tonnen gewöhn-
liches Roheisen geschmolzen, die Erzeinfuhr belief sich auf 2260000
Tonnen, aus denen 1330000 Tonnen meist Hämatiteisen erblasen wurde.


Nach Jeremiah Head1) betrug die durchschnittliche Wind-
temperatur 1871 454° C., 1892 788° C., die Windpreſsung 1871 0,2 bis
0,3 kg, 1892 0,47 kg pro Quadratcentimeter, die durchschnittliche
Wochenleistung eines Hochofens 1871 etwa 300 Tonnen, 1892
548 Tonnen, der Kohlenverbrauch pro Tonne (1000 kg) 1871 1150 kg,
1892 1000 bis 950 kg. Die steinernen Winderhitzer waren 1871 18,5 m,
1892 18 bis 24 m hoch. Die Hochöfen hielten bei Erzeugung von
Hämatitroheisen sechs Jahre, bei Erzeugung gewöhnlichen Roheisens
aus heimischen Erzen 18 bis 20 Jahre.


1892 kamen Masselbrecher nach der Konstruktion von Arm-
strong, Martin, James
und anderen zur Einführung. Das von
Howdon und Howson vorgeschlagene Hochofenprofil wurde 1893
von Head in Middlesborough und von Samuelson ausgeführt.
J. H. Darby führte in diesem Jahre die Verkokungsöfen von Semet-
Solvay
in England ein. Damit begann die Gewinnung der Neben-
produkte der Koksfabrikation. 1899 konnte Darby berichten, daſs
in England 370 Semet-Solvay-Öfen mit 416000 Tonnen Jahres-
erzeugung betrieben wurden. Windsor Richards gab in einem
Vortrage über die Entwickelung der englischen Eisenindustrie, die
durch die steinernen Winderhitzer erzielte Koksersparnis auf 125 kg
pro Tonne Roheisen an. Die neue Hochofenanlage zu Glegarnock
wurde mit Gewinnung der Nebenprodukte aus den Gichtgasen nach
dem System Dempster, das auf Abkühlung der Gase beruhte, ein-
gerichtet. Ebenso waren die Hochöfen von Wishaw 1895 unter
James Rileys Leitung mit Teer- und Ammoniakgewinnung ver-
sehen. Obgleich man in Cleveland die Öfen nicht so hoch baute
wie Anfang der siebziger Jahre, hatten doch wenige Hochöfen unter
566 cbm Fassungsraum. Bereits im Jahre 1894 machte Thwaite den
Vorschlag, die Hochofengase zur Krafterzeugung zu benutzen. 1894
stieg die Wochenleistung eines Hochofens zu Eston auf 1000, zu
Dowlais auf 1500 Tonnen, was allerdings gegen die Leistung der
neuen amerikanischen Öfen von 2400 Tonnen pro Woche noch be-
trächtlich zurückblieb. Die Tagesleistung der englischen Hochöfen
[947]Groſsbritannien.
war 1890 bis 1895 von 64,62 auf 75,79 Tonnen gestiegen. Mit der
zunehmenden Leistung nahm die Zahl der Hochöfen ab, so z. B. in
Süd-Staffordshire von 1871 bis 1894 von 108 auf 22, während die
Jahresleistung eines Ofens von 6720 auf 14360 Tonnen gestiegen war.
In Dowlais wie in Schottland ging die einheimische Erzgewinnung
sehr zurück und wurden immer mehr importierte Erze verschmolzen.
Deshalb wurde 1896 die neue Hochofenanlage der Dowlaisgesellschaft
am Meere, bei Cardiff, errichtet; hier wurden nur überseeische Erze
verschmolzen. Die Erze kamen zu See an und das daraus ge-
schmolzene Roheisen ging zu See fort. Man konnte in 48 Stunden
das Erz vom Schiff zum Hochofen bringen, es verschmelzen und als
Roheisen wieder verladen. 1897 wurde der dritte Teil der englischen
Roheisenerzeugung aus fremden Erzen dargestellt. Neben den spani-
schen Erzen begannen die schwedischen Erze eine Rolle zu spielen.
Englische Gesellschaften betrieben die reichen Magneteisengruben im
hohen Norden von Schweden, und Engländer waren es, welche die
Bahn von diesen Bergwerken nach Ofoten an der norwegischen Küste
zu bauen begannen. In den günstigen Jahren 1998 und 1899 machte
der englische Hochofenbetrieb bedeutende Fortschritte.


Die Schweiſseisenerzeugung ging dagegen mehr und mehr
zurück. 1872 gab es in Süd-Stafford- und Ost-Warwickshire noch
2155 Puddelöfen, 1895 nur noch 1152. In Süd-Wales hatte man
1882 die letzten Eisenbahnschienen aus Schweiſseisen gewalzt. Damals
zählte man noch 255 Puddelöfen, 1897 nur noch 15. Die Consettwerke
betrieben 1882 noch 170 Puddelöfen, 1893 nur noch 14, dabei aber
25 Siemens-Martin-Öfen von 17 bis 25 Tonnen Einsatz. Der Rück-
gang des Schweiſseisen- und der Fortschritt des Fluſseisenbetriebes
von 1882 bis 1895 in Cleveland erhellt aus folgenden Zahlen. Es
betrug die Erzeugung


Hieraus ersieht man schon, daſs die Herdstahlfabrikation
die gröſsten Fortschritte in diesem Zeitraume machte, während die
Bessemerstahlfabrikation nur wenig zunahm. Der Thomasprozeſs blieb
nach wie vor das Stiefkind. Die Fortschritte, die in England bei
dem Konverterprozeſs als solchem gemacht wurden, waren deshalb
60*
[948]Groſsbritannien.
auch nicht hervorragend und bestanden in der Hauptsache in der
Einführung der amerikanischen Verbesserungen. In dieser Beziehung
ist besonders die Einführung des Mischers zu erwähnen, die Evans
1893 zu Barrow vornahm. Die Leistung der Konverter wurde durch
deren Vergröſserung und energischeren Betrieb in dem letzten
Decennium gesteigert. Im Jahre 1889 waren in Groſsbritannien
125 Konverter vorhanden, wovon 83 in Thätigkeit waren und 2140791
Blöcke erzeugten. 1898 betrug die Zahl der Konverter 90, wovon 62
in Betrieb waren, die 1787536 Bessemerstahl lieferten. Die Leistung
eines Konverters war demnach in dieser Zeit von 25792 auf 28831
Tonnen pro Konverter gestiegen.


Zahlreicher sind die Verbesserungen, die man bei dem Herd-
schmelzprozeſs einführte. 1890 konstruierten Biedermann und
Harvey einen neuen Siemens-Martin-Ofen. 1892 wurde Saniters
Entschwefelung durch Zusatz von Chlorcalcium und Ätzkalk auf ver-
schiedenen Werken eingeführt. 1895 kamen die verbesserten Genera-
toren von Taylor in Betrieb.


Der wichtigste Fortschritt war aber wohl die Vergröſserung der
Flammschmelzöfen. 1898 hatten die Blochairnwerke in Schottland
bereits 10 Öfen für 40 Tonnen Einsatz, während 1899 zu Barrow nur
Öfen für 50 Tonnen Einsatz gebaut wurden 1).


Die Erzeugung von Herdfluſsstahl stieg von 1890 bis 1898 von
1564200 auf 2851506 Tonnen, hiervon waren nur etwa 10 Prozent
auf basischem Herde erzeugt. Obgleich der englische Lloyd seit 1891
den basischen Fluſsstahl für den Schiffsbau zugelassen hatte, blieb
das Vorurteil gegen dieses Produkt in England bestehen und hemmte
den Fortschritt der basischen Fluſsstahlerzeugung. 1890/91 fand
sogar ein Rückgang von 511500 auf 443300 Tonnen statt, und 1898
betrug die Erzeugung von Thomasstahl nur 512200 Tonnen. Während
1892 Deutschland an der Gesamterzeugung von Thomasstahl mit 63 Pro-
zent beteiligt war, entfielen auf Groſsbritannien nur 12,7 Prozent.


Dadurch blieb aber England mit der Fluſsstahlerzeugung über-
haupt im Rückstande. Die Vereinigten Staaten waren 1892 an der
gesamten Fluſsstahlproduktion mit 35,2, Groſsbritannien mit 24,7,
Deutschland mit 21,7 Prozent beteiligt. Das in England durch den
basischen Prozeſs erzeugte Fluſsseisen war meist von geringerer Güte
als das in Deutschland erzeugte, welches deshalb schon 1893 dem
britischen Fluſseisen Konkurrenz machte und das anerkannter-
[949]Groſsbritannien.
maſsen 1) dem in England erzeugten Bessemereisen an Güte gleich-
kam oder es übertraf. Daſs Englands Erfolge mit dem basischen
Verfahren, besonders mit dem Thomasprozeſs so gering waren, lag
keineswegs in den natürlichen Verhältnissen, sondern in dem mangel-
haften Betriebe. Bei dem Herdprozeſs setzte man zu viel Erze zu und
für den Thomasprozeſs wählte man häufig das schlechteste Roheisen
für den basischen Prozeſs aus und erwartete dann noch ein erstklassiges
Produkt. Vor allem fehlte aber die sorgfältige chemische Kontrolle,
die in Deutschland den basischen Prozeſs zu einer solchen Höhe
gebracht hatte.


Auch in Groſsbritannien arbeitete man bei dem basischen Prozeſs
auf ein möglichst weiches Produkt hin. 1892 enthielten von 413348
Tonnen Thomasstahl 322664 Tonnen, und 1893 von 363765 Tonnen
298140 Tonnen weniger als 0,17 Prozent Kohlenstoff.


Durch die veränderten Verhältnisse erfuhr auch die Tiegel-
stahlfabrikation
mancherlei Änderungen und Verbesserungen.
Zunächst wurden durch die Einführung der Regenerativfeuerung die
Schmelzöfen sehr vergröſsert. 1894 benutzte man vielfach cemen-
tierten Fluſsstahl anstatt des aus schwedischem Eisen hergestellten
Cementstahls zur Guſsstahlfabrikation. Atwood in Weardale stellte
1895 Tiegelguſsstahl durch Zusammenschmelzen von Fluſs- und
Spiegeleisen dar.


Die wichtigsten Fortschritte lagen aber auf mechanischem Gebiete,
auf der besseren Bearbeitung des Fluſsstahls durch bessere Werk-
zeuge. Hierin erwarben sich Tannet, Walker \& Co. in Leeds
groſse Verdienste durch ihre erfolgreiche Verwendung des hydrau-
lischen Druckes. Sie vervollkommneten besonders die Preſshämmer.
1890 bauten sie eine riesige hydraulische Blockschere für die Blochairn-
Stahlwerke, während Lamberton \& Co. vorzügliche Dampfblock-
scheren lieferten. Die starken Preſshämmer von Benjamin Walker
für die Herstellung von Panzerplatten waren 1891 von Massey
\& Co
. zu Openschaw bei Manchester und von W. E. Allen in
Sheffield eingeführt worden. Vorzüglich angelegt waren die 1895
neu erbauten Panzerplatten-Walzwerke von Vickers \& Co. in
Sheffield und Parkhead-Forge am Clyde. Die in diesem Jahre von
J. Brown \& Co. neu aufgestellte 1000-Tonnen-Presse war von
Whitworth \& Co. in Manchester gebaut. Vickers \& Co. bearbei-
[950]Groſsbritannien.
teten Blöcke von 70 Tonnen Gewicht mit Hülfe eines Kranes von
150 Tonnen Tragkraft und einer hydraulischen Presse, die 8000 Tonnen
Druck ausübte, obgleich das Werkzeug selbst nur 783 Tonnen wog.
Hiermit konnte ein Block von 1,3 m Dicke in einer Stunde auf 0,35 m
gepreſst werden. Die Plattenwalze lieferte Platten von 3 m Breite
und 5,5 m Länge.


Die Blockwalzen wurden verbessert und mit automatischer Be-
dienung nach amerikanischem Muster versehen.


Am 27. Dezember 1876 starb im 80. Lebensjahre Sir John
Brown
, der Gründer der Atlaswerke, der um die Ausbildung des
Bessemerprozesses und die Panzerplattenfabrikation sich groſse Ver-
dienste erworben hat.


Am 15. März 1898 schloſs Sir Henry Bessemer, der durch die
Erfindung des nach ihm benannten Prozesses der gröſste Förderer
der Eisenindustrie und ein Wohlthäter der Menschheit geworden ist,
die Augen.


Durch die Fortschritte der Fluſsstahlfabrikation und der Be-
arbeitungsmaschinen erlangten einzelne Fabrikationszweige einen
auſserordentlichen Umfang, wie besonders die Panzerplatten-Walz-
werke und die Geschütz- und Waffenfabriken. Die groſse Anlage von
Lord Armstrong zu Elswick gab 20000 und die unter der Firma
Armstrong, Whitworth \& Co. vereinigten Werke zu Elswick,
Walker, Manchester u. s. w. 30000 Personen Unterhalt.


Die Weiſsblechfabrikation, die ihren Hauptsitz in Wales und den
Grafschaften Glammorgan, Monmouth und Carmathen hatte und die
durch die Verwendung von Herdfluſseisen an Stelle der Holzkohlen-
bleche zu groſser Blüte gekommen war, verlor durch die hohen
Schutzzölle der Mc Kinley Bill und den Aufschwung der amerika-
nischen Weiſsblechfabrikation ihren Hauptmarkt, die Vereinigten
Staaten, und kam dadurch in Rückgang und Not.


Die Eisenindustrie Groſsbritanniens, wie dessen groſsartige In-
dustrie überhaupt, ist in erster Linie begründet auf dem Reichtum an
Steinkohlen und der energischen Ausbeutung derselben. Die Stein-
kohlenproduktion Groſsbritanniens hat bis 1898 die aller anderen
Länder übertroffen, obgleich die Kohlenlager der Vereinigten Staaten
viel ausgedehnter und reichhaltiger sind. 1876 förderte Groſs-
britannien 127017 Kilotonnen = 46,4 Prozent der Weltproduktion,
1898 stellte sich die gesamte Steinkohlengewinnung wie folgt:


[951]Groſsbritannien.

Seit 1899 haben die Vereinigten Staaten auch in der Steinkohlen-
förderung Groſsbritannien überflügelt.


Die britische Kohlenerzeugung ist weit gröſser als der wirkliche
Bedarf des Landes. Der Überschuſs wird entweder ausgeführt oder
zu einem ausgedehnten Veredelungsverkehr und zur Herstellung von
Waren, die zum Teil wieder über See gehen, verwendet. Dies gilt
besonders von der Eisenindustrie, die ungeheure Mengen ausländischer
Erze verschmilzt und zu Eisenwaren verarbeitet, von denen ein groſser
Teil wieder ausgeführt wird. Ob diese ungeheure Ausbeutung eines
kostbaren nationalen Besitztums weise ist, kann fraglich erscheinen,
in der Gegenwart verschafft es aber England den Reichtum und die
Macht, die es erstrebt.


Auf dieser Grundlage ist der britische Ausfuhrhandel der gröſste
der Welt. England hat in dem abgelaufenen Jahrhundert die erste
Stelle im Welthandel eingenommen und nimmt sie noch ein. Nächst
der Steinkohle spielt das Eisen dabei die wichtigste Rolle; sein
ausgedehnter Export beruht jetzt groſsenteils auf einem Veredelungs-
verkehr, denn es werden ungeheure Mengen überseeischer Erze nach
England ausgeführt, hier mit englischer Kohle geschmolzen und weiter
verarbeitet, und teils als Roheisen, teils als Eisen- und Stahlwaren
wieder ausgeführt. Die Erzeinfuhr ist seit 1870 gewaltig gestiegen;
während in jenem Jahre nur 212 Kilotonnen eingeführt worden waren,
[952]Groſsbritannien.
betrug die Einfuhr 1899 7055 Kilotonnen, wovon 6186 aus Spanien
kamen. Die einheimische Erzförderung ist dagegen zurückgegangen.


Die englische Eisenausfuhr schwankte im allgemeinen mit der
Roheisenproduktion, meist etwas stärker und ohne derselben genau
zu folgen. Dabei hatte der inländische Verbrauch zugenommen.


Obgleich die Ausfuhr mit der Produktion Schritt hielt und im
ganzen noch gewachsen ist, sind in diesem Zeitabschnitte doch groſse
innere Verschiebungen vor sich gegangen, indem der Absatz nach
den beiden wichtigsten Ländern, den Vereinigten Staaten von Amerika
und Deutschland, infolge der Erstarkung ihrer eigenen Eisen-
industrie sehr zurückgegangen ist, und es ist ein glänzendes Zeugnis
für die Lebenskraft des englischen Handels, daſs er diese Ausfälle
ohne merkliche Störungen durch den Absatz nach anderen Ländern
ausgleichen konnte. Besonders haben sich die britischen Kolonieen
als in steigendem Maſse aufnahmsfähig für englische Eisenwaren
erwiesen.


Die Roheisenausfuhr Englands ist in ihrem Steigen und Fallen
in der Schaulinie A B, Fig. 342, dargestellt.


Diese Linien zeigen zuerst ein rasches Steigen der Ausfuhr und
der Preise bis 1872, wo die Ausfuhr 1331 Kilotonnen, die Roheisen-
erzeugung 6849 Kilotonnen betrug, dann einen jähen Sturz bis 1874
auf 774 Kilotonnen Ausfuhr und 6005 Kilotonnen Produktion. Diesem
folgt eine durch zwei Schwankungen unterbrochene Zunahme bis zu
dem Maximum 1882 (1758 Kilotonnen Ausfuhr, 8724 Kilotonnen Er-
zeugung), dem ein jäher Absturz bis 1885 und dann eine auf- und
niedersteigende Bewegung bis zu dem tiefsten Stand im Jahre 1892
von 767 Kilotonnen Ausfuhr und 6817 Kilotonnen Produktion folgt.
Hiernach tritt wieder eine Aufwärtsbewegung ein, die bis 1899 auf
[953]Groſsbritannien.
1379 Kilotonnen Ausfuhr und 9543 Kilotonnen Erzeugung (dem
Höchststand der Roheisenproduktion) steigt.


Die Schaulinie C D der Preisschwankungen ist nach den Preisen
schottischen Warrants eingezeichnet.


Die Eisenausfuhr Groſsbritanniens nach Deutschland erreichte
ihren Höchststand im Jahre 1884 mit 441713 Tonnen, seit der Zeit
hat sie abgenommen, so daſs sie z. B. 1887 nur 180792 Tonnen
(hiervon 160915 Tonnen Roheisen) betrug.


Figure 343. Fig. 342.

A B = Roheisenausfuhr; C D = Roheisenpreis.


Zu Ende des Jahrhunderts ist aber die Ausfuhr infolge des
raschen Aufschwungs der deutschen Industrie und der wegen Koks-
mangels ungenügenden Roheisenerzeugung wieder gestiegen, so daſs
sie 1899 den hohen Stand von 568 Kilotonnen erreichte.


Der Absatz von Roheisen nach den Vereinigten Staaten, der
früher sehr groſs war und 1887 1285 Kilotonnen betrug, hat dagegen
fast ganz aufgehört. 1899 betrug er nur noch 36 Kilotonnen, während
die Vereinigten Staaten nach England 81 Kilotonnen einführten, so
[954]Groſsbritannien.
daſs die Zeit nicht fern zu sein scheint, in der Groſsbritannien ein
gröſserer Abnehmer von Amerika sein wird.


Die Eisenausfuhr nach den Kolonieen bezifferte sich 1887 bereits
auf 1099 Kilotonnen, wovon allerdings Roheisen nur einen kleinen
Teil ausmachte.


Dem Wert nach betrug die gesamte Eisen- und Eisenwaren-
ausfuhr Groſsbritanniens im Jahre 1899 £ 51314000, also über eine
Milliarde Mark; hiervon entfielen in £ 1000:



Von dieser Menge ging etwa ein Viertel nach den Kolonieen. Die
Ausfuhr von Eisenbahnschienen hat in den neunziger Jahren einen
groſsen Rückgang erfahren: 1890 betrug sie noch 1035 Kilotonnen,
sank 1894 auf 425 Kilotonnen und bezifferte sich auch 1899 nur auf
477 Kilotonnen. Auch hiervon war der Aufschwung der amerikanischen
Eisenindustrie, die ihren Bedarf selbst deckte, die Veranlassung.


Dieselbe Erscheinung trat bei dem Weiſsblech ein, dessen Aus-
fuhr durch das Aufblühen der amerikanischen Weiſsblechindustrie von
422 Kilotonnen im Jahre 1890 auf 257 im Jahre 1899 sank.


Eine Zunahme erfuhr die Ausfuhr von Stahlwaren und von ver-
zinktem Blech.


Von geschichtlichem Interesse sind ferner die Verschiebungen,
welche durch Steigen oder Sinken der Ausfuhr einzelner Provinzen
oder Gebiete entstanden sind. Handel und Industrie der Mittelland-
provinzen, besonders Staffordshires, litten infolge der steigenden Ver-
arbeitung überseeischer Erze durch die Eisen- und Stahlwerke der
Küste. Schottlands Handel wurde bedeutend überflügelt von dem
Clevelands, der Hafen von Glasgow trat an Bedeutung für den Eisen-
handel hinter den von Middlesborough zurück. Schottlands Gieſserei-
roheisen wurde Anfang der siebziger Jahre noch nach allen Eisen-
industrieländern verschifft. Diese Ausfuhr nahm in den achtziger
Jahren erst dadurch ab, daſs Deutschland anfing, seinen Bedarf an
Gieſsereieisen selbst zu decken, und dann durch den gewaltigen Auf-
schwung der amerikanischen Eisenindustrie.


1871 hatte Schottland 1160 Kilotonnen Roheisen erzeugt und
540 Tonnen exportiert, wovon der gröſste Teil über See ging. 1895
produzierte Schottland 1097 Kilotonnen, hiervon gingen aber nur
[955]Groſsbritannien.
116 Kilotonnen Gieſsereiroheisen über See, während 198 Kilotonnen
nach England verführt wurden.


Die Roheisenverschiffungen aus Cleveland betrugen in Kilotonnen:


Gegenüber der Ausfuhr erscheint die Einfuhr von Eisen und
Stahl nach Groſsbritannien nicht bedeutend. Im Jahre 1872 1) betrug
sie 130 Kilotonnen gegenüber einer Ausfuhr von 3383 Kilotonnen =
3,8 Prozent; 1873 117 Kilotonnen = 3,9 Prozent dem Gewichte nach.
1896 für £ 5303000 gegen eine Ausfuhr von £ 44352000 = nahezu
12 Prozent dem Werte nach. Die Einfuhr von Eisen- und Stahl-
waren, wie von Maschinen ist im Zunehmen, ihr Wert betrug 1896 für
£ 40377, 1898 für £ 6639000.


Es ist ein groſsartiges Bild der Entwickelung, welches uns die
Fortschritte der britischen Eisenindustrie seit 1870 entrollen. Die volle
Würdigung desselben wird leicht beeinträchtigt durch den Hinblick
auf den noch groſsartigeren Aufschwung der Eisenindustrie der Ver-
einigten Staaten in dieser Zeit.


Betrachtet man aber die Geschichte des Eisens in Groſsbritannien
in den drei Jahrzenten für sich und unbefangen, so muſs man nicht
nur die Leistungen und Erfolge, sondern auch das eifrige Streben
einer groſsen Anzahl ausgezeichneter Metallurgen anerkennen. Wenn
einige hervorragende unter diesen, wie Sir William Siemens und
John Gjers, eingewanderte Ausländer waren, so macht dies nichts
aus, und England nennt sie mit Recht die Ihrigen, da ihre Thätigkeit
und Erfindungen in England und für die englische Eisenindustrie
gemacht wurden.


Es herrscht in dieser Periode ein ganz anderer Geist wie früher
in der britischen Eisenindustrie, der Geist wissenschaftlichen Forschens,
theoretischer Begründung. Früher war der „practical man“ alles,
seine Erfahrung galt für viel wertvoller als alle Theorie. Heute,
nachdem das Alte gefallen ist und Neuem Platz gemacht hat, weiſs
man auch in England den Wert wissenschaftlicher Bildung zu schätzen.
Es ist sehr beachtenswert, eine wie groſse Zahl hochgebildeter, vor-
züglicher Metallurgen in den letzten 30 Jahren in England aufgetaucht
[956]Groſsbritannien.
sind und mit Verständnis und Geschick an dem Fortschritt der Eisen-
industrie nicht nur Englands, sondern der Welt gearbeitet haben.


Ein groſses Förderungsmittel hierfür waren die Bildungsanstalten,
besonders die durch den Prinzen Albert ins Leben gerufene Berg-
akademie, die Royal School of Mines in London, die besonders in
dem im Jahre 1887 gestorbenen John Percy einen so vortrefflichen
Lehrer der Metallurgie und ganz besonders der Eisenhüttenkunde
hatte. Viele der bekannten und hervorragenden Eisenindustriellen
Groſsbritanniens sind seine Schüler gewesen.


Ein anderes wichtiges Förderungsmittel war ein höchst segens-
reiches Vereinsleben. Die Vereine haben von jeher in dem wissen-
schaftlichen Leben Englands eine groſse Rolle gespielt. Es war dies
durch die Verhältnisse bedingt. Die beiden alten Universitäten
Oxford und Cambridge bewahrten ihren einseitigen Charakter als
Hochschulen klassischer Bildung und ihre mittelalterlichen Einrich-
tungen. Dem praktischen Leben standen sie vornehm fern. Der
Staat betrachtete es nicht als seine Aufgabe, neue und moderne
Bildungsanstalten zu schaffen, und überlieſs dies den Städten und
Grafschaften oder Privaten. Ohne das eifrige Bemühen des Prinzen
Albert wäre auch die Bergakademie nicht als Staatsanstalt (govern-
ment school) begründet worden. — Auf diesem Wege konnten also
groſse Schöpfungen, nationale Hochschulen kaum entstehen. Durch
den Mangel an solchen konnte das wissenschaftliche Streben nur in
Vereinen sich bethätigen, was dem englischen Wesen und Charakter
auch besonders entsprach. In diesen Vereinen, die wie die Royal Society,
die Society for the advancement of science, die Geographical society
schon lange bestehen, fand das wissenschaftliche Leben Englands einen
teilweisen Ersatz für das, was unsere deutschen Hochschulen bieten.
Solchen Vereinen anzugehören gilt als eine Ehre und als ein Zeichen
von Bildung. Die bequeme Form des Vereins läſst sich jeder Art von
Bestrebung anpassen und das geschah denn auch in reichem —
manchmal überreichem Maſse.


Vereine für die Eisenindustrie sind erst in den letzten 40 Jahren
entstanden. Älter sind die Gesellschaften der Zivilingenieure und
der Maschinenbauer, der Bergingenieure (Soc. of civil engineers, Soc.
of mechanic engineers, Soc. of mining engineers), in denen aber
die Eisenhüttenkunde nur nebenher Berücksichtigung fand. Um so
wichtiger war daher die Gründung des Iron and Steel Institute
durch eine Reihe hervorragender Metallurgen unter dem Vorsitz
des Herzogs von Devonshire im Jahre 1869. Es wurde rasch der
[957]Groſsbritannien.
anerkannte Mittelpunkt für alle fortschrittlichen Bestrebungen der
britischen Eisenindustrie und ist durch seine weise und weitherzige
Organisation, die ihm gestattet, seine Thätigkeit nicht auf England
zu beschränken, rasch der angesehenste und wichtigste Eisenverein
der Welt geworden. Die Mitglieder des Vereins versammeln sich
zweimal im Jahre zu einem Frühjahrs- und zu einem Herbst-Meeting
in einem von der vorhergehenden Versammlung gewählten Orte,
entweder einem wichtigen Centrum der Eisenindustrie, oder einer
groſsen Hauptstadt, und zwar nicht nur in England, sondern auch im
Auslande, wie z. B. in Paris (1879, 1889, 1900), Düsseldorf (1880),
Pittsburgh, New York u. s. w. Hierüber werden wertvolle Berichte
veröffentlicht. Als Auszeichnung für um die Eisenindustrie besonders
verdiente Personen verleiht das Eisen- und Stahlinstitut jedes Jahr
eine groſse goldene Medaille, „die Bessemermedaille“, und zwar nicht
nur an Engländer, sondern auch an Ausländer, wie z. B. an Peter
von Tunner, R. Åkerman, H. Wedding
.


Welches hohe Ansehen dieser Verein genieſst, und wie hoch die
Verleihung der Bessemermedaille geschätzt wird, geht daraus hervor,
daſs er dieselbe im Jahre 1899 der Königin Victoria für ihre Ver-
dienste um die Eisenindustrie Groſsbritanniens während ihrer langen,
segensreichen Regierung verleihen durfte.


Das Eisen- und Stahl-Institut soll alle Fortschritte der Eisen-
industrie fördern, ohne ein Interessenverein zu sein. Als ein solcher
wurde 1876 die British Iron Trade Association, die ungefähr unserm
Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller entspricht, gegründet.


Auſserdem wurde eine Anzahl von Bezirksschulen und Bezirks-
vereinen, wie z. B. die Victoria-Universität in Leeds, die in ihrem
Yorkshire-College auch eine Professur für Bergbaukunde besitzt, das
Cleveland Institute of Engineers u. s. w. errichtet.


Die Namen der um die Eisenindustrie besonders verdienten
Männer dieser Periode sind mit ihren Leistungen teils in dem all-
gemeinen, teils in dem speciellen Teil wohl meistens schon erwähnt
worden; die folgende Zusammenstellung ist deshalb in der Hauptsache
eine Wiederholung, die auſserdem auf Vollständigkeit keinen An-
spruch macht.


Groſsbritannien hat seit mehr als zwei Jahrhunderten aus-
gezeichneten Gelehrten, Dichtern, Staatsmännern und um Industrie
besonders verdienten Männern den Adel verliehen. Solche wegen
ihrer Verdienste um die Eisenindustrie in den letzten 50 Jahren in
den Adelstand erhobenen Männer sind: Sir John Bessemer, der Er-
[958]Groſsbritannien.
finder des Bessemerprozesses, Sir William Ch. Siemens, der Mit-
erfinder der Regenerativfeuerung, des Siemens-Martinprozesses u. s. w.,
Lord Armstrong, der Verbesserer des Geschützwesens und gegen-
wärtig gröſster Arbeitgeber, Sir Frederick A. Abel (Konstitution des
Eisens, Verwendung des Fluſsstahls zu Kriegszwecken), Sir Isaac
Lowthian Bell
(Hochofen-Wärmeökonomie), Sir James Kitson, Sir
Bernhard Samuelson, Sir Henry Roscoe (Spektraluntersuchung
der Konverterflamme), Sir James Wilson.


Als metallurgische Chemiker zeichneten sich aus Professor John
Percy
, Professor Roberts-Austen, Jr. E. Stead, G. J. Snelus,
W. M. Williams, Saniter
(Entschweflung des Stahls), Dr. H. C. Sorby
(Mikrostruktur des Eisens), Le Neve Forster, Thomas Turner
(Wirkung des Siliciums).


Als groſser Erfinder steht der leider so früh verstorbene Sidney
Gilchrist Thomas
, der Erfinder des Thomasprozesses im Mittel-
punkte des Interesses, mit ihm sein Vetter Percy G. Gilchrist. Um
die Einführung und Ausbildung des Thomasprozesses, als Groſsbetrieb
machte sich Windsor Richards besonders verdient. Verdienstvolle
Erfinder waren ferner: John Gjers (Winderhitzer, Durchweichungs-
gruben), E. A. Cowper und T. Whitwell (steinerne Winderhitzer),
Darby (Nachkohlung), James Riley (Nickelstahl), R. A. Hadfield
(Manganstahl u. s. w.), Robert Mushet (Specialstahl). Um Hochofen-
bau und -betrieb machten sich C. Cochrane und W. Hawdon,
R. Howson, Vaughan, W. Ferrie
verdient. Daniel Adamson
(† 13. Januar 1890), baute die ersten Dampfkessel aus Bessemerstahl-
blech. S. J. Jeans, der Schriftführer des Iron and Steel Institute,
zeichnete sich in seinem Werke über Stahl als Schriftsteller aus. Wir
nennen ferner: Josiah S. Smith, Ellis, Jerem. Head, G. Thomas,
R. Dixon, Edward A. Cooper, H. Aitkin, Johnston, Elliot,
Tilden, W. Chandler, Dick, Watson Smith, Henry Simon,
Edward Williams, P. Fauber, T. R. Crampton, J. Henderson,
T. Wrighson, A. Bauermann, A. Stansfield
.


Wir lassen nun eine Zahlengeschichte der Eisenindustrie
Groſsbritanniens
folgen, welche eine statistische Darstellung der
Entwickelung seit 1870 geben soll.


[959]Groſsbritannien.

Produktion und Einfuhr in M.-Tonnen1).


Steinkohlenförderung 1898.



Steinkohlenförderung 1900.



Steinkohlenausfuhr 1885 bis 1899.


Steinkohlenausfuhr nach Ländern 1900.



[960]Groſsbritannien.

Eisenerzeinfuhr 1890.



Hierzu kommen noch Rückstände von fremden Kiesen (purple ore) 492668 Tonnen.


Eisenerzeinfuhr aus Bilbao.




Eisenerzförderung in Groſsbritannien und Irland
in Tonnen
1).


[961]Groſsbritannien.

Eisenerzförderung in Groſsbritannien und Irland.


Roheisenerzeugung seit 1873, hierzu Eisenerz- und Kohlen-
verbrauch u. s. w. in Tonnen
.


(Nach „The Iron and Coal Trades Review“ vom 23. Oktober 1896. Erläutert
die Zunahme der Hochofenerzeugung und Abnahme des Kohlenverbrauchs.)


Beck, Geschichte des Eisens. 61
[962]Groſsbritannien.

Roheisenerzeugung der einzelnen Provinzen in Tonnen.


[963]Groſsbritannien.

Zahl der Hochöfen nach den einzelnen Provinzen.


Nach Sorten wurde erzeugt in Tonnen:


61*
[964]Groſsbritannien.

Die Roheisensorten verteilten sich 1899 auf Provinzen
in Tonnen
.


Rückblick auf die britische Roheisenerzeugung.


[965]Groſsbritannien.

Rückblick auf die Selbstkosten der Roheisenerzeugung
in England
1)in Mark (Schilling), welcher deren Abnahme
erläutert
.


Schweiſseisen (Puddeleisen).
(1871 bis 1884.)


[966]Groſsbritannien.

Schweiſseisen (Puddeleisen) 1871 in den einzelnen
Provinzen
.


Schweiſs- und Fluſseisenerzeugung seit 1881 in Tonnen.


Schweiſseisenerzeugung der einzelnen Provinzen
in Tonnen
.


[967]Groſsbritannien.

Gesamterzeugung an Fluſseisen einschlieſslich Tiegel-
und Spezialstahl
1870 bis 1899 in Tonnen.




Konverterstahl und Herdfluſsstahl in Tonnen.


Übersicht der Fluſseisenfabrikation im Jahre 1879.


(44 Werke mit 14702 Arbeitern.)



[968]Groſsbritannien.

Verschmolzen wurden:



Erzeugt wurden:



Konverterstahl in Tonnen.


Zahl und Verteilung der Konverter.


[969]Groſsbritannien.

Konverterstahlerzeugung der einzelnen Provinzen
in Tonnen
.


[970]Groſsbritannien.

Konverterfluſsstahlfabrikate in Tonnen.


Verteilung der Fabrikate aus Konverterstahl nach den
einzelnen Provinzen im Jahre
1898 in Tonnen.


Konverterstahlschienen in Tonnen.


Die auſserordentliche Zunahme der Herdfluſsstahlerzeugung
in Groſsbritannien ist aus den folgenden Tabellen ersichtlich.


[971]Groſsbritannien.

Zahl der Siemens-Martinöfen.


1896 nach Bezirken:


Herdfluſsstahlerzeugung der Hauptbezirke in Tonnen1).


[972]Groſsbritannien.

Hiervon auf saurem und auf basischem Herd erzeugt:


Fabrikate aus Herdfluſseisen in Tonnen.


Weiſsblech (meist Herdfluſseisen).



Aus Siemens-Martinstahl wurden 1897 hergestellt nach
Bezirken in Tonnen
:


[973]Groſsbritannien.

Roheisenerzeugung und -ausfuhr, und Gesamtausfuhr von
Eisen und Stahl Groſsbritanniens in Kilotonnen
.


Eisenausfuhr Groſsbritanniens nach Sorten in Tonnen.


Einfuhr von Roheisen, Eisen und Eisenwaren.




[974]Groſsbritannien.

Schottland-Roheisen.


Roheisenausfuhr nach Ländern dem Werte nach zu £ 1000.


[975]Groſsbritannien.

Roheisenausfuhr in Kilotonnen.


Eisenausfuhr nach Deutschland in Tonnen
(meist Roheisen)
.




Rückblick auf die englische Roheisenausfuhr
in Tonnen
.





Roheiseneinfuhr in Tonnen.


[976]Groſsbritannien.

Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren in Kilotonnen.


Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren nach Ländern
in Kilotonnen
1).


[977]Groſsbritannien.

Ein- und Ausfuhr in Wertziffern zu £ 1000.


Einfuhr in Metertonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 62
[978]Groſsbritannien.

Ausfuhr einzelner Hauptartikel in Tonnen.


Weiſsblech in Tonnen.





Weiſsblechausfuhr in Tonnen.


[979]Groſsbritannien.

Eisenverbrauch von Roheisen in Kilotonnen.





Roheisenerzeugung und Verbrauch pro Kopf
der Bevölkerung
.


Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch).


62*
[980]Deutschland (mit Luxemburg).

Deutschland (mit Luxemburg).


Die Entwickelung der Eisenindustrie Deutschlands seit dem Jahre
1870 bietet ein erfreuliches, glänzendes Schauspiel. Die Erzeugung
und die Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren hat beständig zugenommen.
Die Roheisenproduktion betrug 1870 1391 Kilotonnen, 1899 8029 Kilo-
[tonnen], ist also in den 30 Jahren um das Sechsfache gewachsen.
Das Verhältnis zur englischen Roheisenerzeugung war 1870 1391 zu
6060 Kilotonnen, also an 23 Prozent; 1900 8520 zu 9052 Kilotonnen
oder 94 Prozent. Graphisch dargestellt zeigt die deutsche Eisen-
erzeugung eine aufsteigende Linie (Fig. 343) von viel gröſserer Stetig-
keit und Regelmäſsigkeit als die entsprechenden Linien der englischen
und amerikanischen Produktion, wie aus Fig. 340, S. 899 zu ersehen
ist. In Kilotonnen betrug die Roheisenerzeugung Deutschlands (mit
Luxemburg) von 1871 bis 1899:





Noch nimmt Deutschland die dritte Stelle unter den Groſs-
mächten der Eisenindustrie ein, aber das rasche Wachstum in den
letzten Jahrzehnten läſst es nicht unmöglich erscheinen, daſs es in
[981]Deutschland (mit Luxemburg).
nicht zu langer Zeit wieder seine frühere Stelle als erstes unter den
Eisen erzeugenden Ländern Europas erringen wird.


Diese groſsen Erfolge verdankt Deutschland in erster Linie seiner
politischen Entwickelung. Der glorreiche Krieg von 1870/71 gegen
Frankreich brachte ihm zwei alte Eisenindustriegebiete, Elsaſs und
Lothringen, einen Überfluſs an Zahlungsmitteln durch die rasche Be-
gleichung der Kriegsentschädigung von 5 Milliarden Francs durch
Frankreich und die Einigung und Wiederaufrichtung des deutschen

Figure 344. Fig. 343.


Kaiserreiches, wodurch die feste Grundlage für eine segensreiche
Entwickelung geschaffen wurde. Diese wunderbaren Errungenschaften
verdankt Deutschland auſser seinem groſsen Kaiser Wilhelm I.
und dessen Feldherren vor allem dem genialen Reichskanzler Fürsten
Otto von Bismarck, dem unsterblichen Staatsmann und groſsen
Patrioten, dessen Weisheit auch in der Folge in schwerer Zeit es
verstand, die deutsche Industrie zu gedeihlicher Fortentwickelung auf
die richtige Bahn zu lenken. Ihm ist die deutsche Eisenindustrie den
gröſsten Dank schuldig, den sie ihm als ihrem Befreier, Beschützer
und Wohlthäter auch sets dargebracht hat und darbringen wird.


Eine unmittelbare Wirkung der Siege in Frankreich war ein
rasches Aufblühen der deutschen Eisenindustrie. Die Störungen,
[982]Deutschland (mit Luxemburg).
welche der Krieg besonders in dem Bahnverkehr zur Folge hatte,
wurden ausgeglichen durch den steigenden Bedarf an Eisen, und
obgleich eine Million deutscher Männer, darunter eine groſse Zahl
von Arbeitern, unter den Waffen standen, so war doch im Jahre 1870
kaum ein Rückgang der Eisenerzeugung zu bemerken und 1871 trat
bereits eine groſse Steigerung derselben ein.


Die Folgen der Errungenschaften des Krieges, die einheitliche
Regierung des Reiches und der wirtschaftliche Aufschwung übten
den segensreichsten Einfluſs aus. Die Neubewaffnung der Armee,
der Bau neuer Eisenbahnlinien waren von groſsem Nutzen für
die Eisenindustrie. Hierzu kam der sogenannte „Milliardensegen“,
der der Industrie billiges Geld in reichstem Maſse zur Verfügung
stellte. Unter solchen Umständen war es nicht zu verwundern,
daſs die alten Eisenwerke sich vergröſserten und neue entstanden.
Da hierzu Geldmittel erforderlich waren, welche die Kräfte des
einzelnen überstiegen, so wurden Aktiengesellschaften gegründet,
um die alten Werke zu übernehmen und auszubauen und neue
zu errichten. Es begann die „Gründerzeit“, eine Zeit mühelosen
Gewinnes und kühner Unternehmungen, die 1872 und in der ersten
Hälfte 1873 andauerte. Da folgte in der zweiten Hälfte dieses Jahres
der Rückschlag, der am stärksten in Österreich, wo die guten Zeiten und
die Wiener Weltausstellung ebenfalls zu groſsen, aber vielfach unsoliden
Gründungen und Anlagen Veranlassung gegeben hatte, zur Wirkung
kam und deshalb als „Wiener Krach“ zur historischen Bezeichnung
wurde. Dieser Anstoſs wirkte auch erschütternd in Deutschland und
führte einen Rückschlag herbei. Ihren Ausgang hatte diese Kata-
strophe aber in den Vereinigten Staaten von Amerika, als die natürliche
Folge ungesunder Überspekulation bereits im Jahre 1872 genommen.


Da alle eisenerzeugenden Länder an dem Rausch des Gewinnes
und der Spekulation teilgenommen, so folgte auch in allen der
gleiche Rückschlag, ein sichtbares Zeichen, wie sehr die Industrie
international geworden war, wie an der Arbeit und den Sorgen auf
diesem Gebiete alle Kulturstaaten beteiligt waren. Es folgten Jahre
des Niederganges für die deutsche Eisenindustrie, der im Jahre 1876
seinen tiefsten Stand erreichte.


Die ungünstige Lage der deutschen Eisenindustrie wurde aber noch
sehr verschärft durch eine verkehrte Wirtschaftspolitik. Eine Frucht
des deutschen Idealismus war die Schwärmerei für Freihandel. Der
Milliardensegen und die scheinbare Blüte der Industrie führte deshalb
den Reichstag zu dem unseligen Beschlusse, alle noch bestehenden Eisen-
[983]Deutschland (mit Luxemburg).
zölle aufzuheben. Hierfür war aber die deutsche Eisenindustrie, die erst
begonnen hatte sich zeitgemäſs umzugestalten, die durch die politische
Umwälzung sich ganz neuen Aufgaben gegenüber sah, kurz, die erst
in dem Anfang der Entwickelung begriffen war, viel zu schwach. Der
1870 auf die Hälfte (auf 0,50 Mark pro 100 kg) herabgesetzte Roh-
eisenzoll wurde am 1. Oktober 1873 ganz aufgehoben. Diese Maſs-
regel, in Verbindung mit dem wirtschaftlichen Niedergange, war für
die deutsche Hochofenindustrie eine schwere Schädigung. Indem sie
dem billigen englischen Eisen ungehinderten Eingang verschaffte,
zwang sie die deutschen Hüttenbesitzer, ihr Roheisen zu Preisen zu
verkaufen, die verlustbringend waren. Noch verderblicher war die
vom deutschen Reichstag am 7. Juli 1873 beschlossene Aufhebung
der Zölle auf Schmiedeeisen am 1. Januar 1877. Sie führte einen
traurigen Notstand der deutschen Eisenindustrie herbei, aus dem nur
fremde Länder, Belgien und besonders Groſsbritannien, einen Vorteil
zogen.


Der deutsche Reichstag verhielt sich ablehnend gegen die Klagen
und Bitten der Eisenindustriellen. Die Hülfe kam durch Fürst
Bismarck, der, obgleich auch in dem falschen Idealismus des Frei-
handels aufgewachsen und befangen, ein viel zu klarer Realpolitiker
war, um nicht die schädigende Wirkung der Aufhebung der Eisenzölle
und die Notlage der Eisenindustrie zu erkennen. Er ordnete deshalb
im Jahre 1878 eine Enquete zur Untersuchung der Lage der deutschen
Eisenindustrie an. Auf Grund dieser Enquete wurden die Eisenzölle
am 24. Juli 1879 wieder eingeführt und zwar betrug der „Schutzzoll“,
wie er von den Freihändlern genannt wurde, auf Roheisen 1 Mark,
auf Schweiſs- und Fluſseisen 2,50 Mark pro 100 kg. Mit dieser Wieder-
einführung der Eisenzölle begann ein wichtiger Umschwung in der
Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches, zum Segen der gesamten
Industrie, ganz besonders der Eisenindustrie. Der Staat erkannte es
mehr und mehr als seine Pflicht, das deutsche Eisengewerbe auch
dadurch zu unterstützen, daſs er seinen Bedarf im Inlande deckte und
nicht mehr wie früher aus Vorurteil das Ausland bevorzugte. Hierzu
waren Reich und Einzelstaaten in steigendem Maſse befähigt, ersteres
durch seinen groſsen Eisenverbrauch für Armee und Flotte, letztere durch
ihre Eisenbahnen, die, nachdem das Reichseisenbahnprojekt Bismarcks
leider gescheitert war, von den Einzelstaaten nach dem Vorbilde
Preuſsens im Jahre 1879 verstaatlicht worden waren. Die deutsche
Eisenindustrie entfaltete sich hierdurch zu hoher Blüte und stattete
der weisen und wohlwollenden Reichsregierung ihren Dank dadurch
[984]Deutschland (mit Luxemburg).
ab, daſs sie durch Vervollkommnung aller ihrer Betriebe Eisen und
Stahlwaren von immer gröſserer Güte und Vollkommenheit lieferte
und darin die Leistungen des Auslandes nicht nur erreichte, sondern
vielfach übertraf.


Im Jahre 1876 hatte Professor Reuleaux, der deutsche Reichs-
kommissar bei der ersten amerikanischen Welt-Industrieausstellung
zu Philadelphia, den deutschen Erzeugnissen das Zeugnis „billig
und schlecht“ ausgestellt. Wenn dieses Urteil in seiner Allgemein-
heit auch übertrieben und ungerecht und der Reichskommissar wohl
allzu sehr durch die Stimmen neidischer Konkurrenten in den
amerikanischen Zeitungen beeinfluſst war, so konnte doch damals
dieses harte Urteil auch in Deutschland noch ein Echo finden.
Zehn Jahre später wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Durch
die wohlthätige Wirtschaftspolitik des Reiches wurde die deutsche
Industrie immer mehr exportfähig und dehnte ihren Welthandel
derart aus, daſs dies die britische Industrie zu beunruhigen begann.
England glaubte der deutschen Konkurrenz einen gewaltigen Schlag
versetzen zu können, daſs es das Parlament und die Regierung
zum Erlaſs eines Markengesetzes, wonach jede Ausfuhrware mit dem
Lande ihrer Herkunft bezeichnet werden muſste, veranlaſste. Die
Signatur „made in Germany“ sollte nach englischer Ansicht das
Brandmal werden, das die deutsche Konkurrenz in England und den
englischen Kolonieen vernichten sollte. Der Erfolg war aber ein
entgegengesetzter. Der Stempel zeigte erst dem Auslande, wieviel
gute, unentbehrliche Artikel von Deutschland kamen und bald wurde
die Bezeichnung „made in Germany“ ein Ehrenzeichen für die
deutsche Industrie, das nur dazu beitrug, ihren Absatz immer mehr
zu steigern.


Aber nicht nur die Ausfuhr stieg, sondern auch der Verbrauch
an Eisen im Inlande und zwar in überraschender Weise. Die Statistik
giebt hierfür den Zahlenbeweis. Deutschland besitzt für seine Eisen-
industrie eine gute und vielseitige Statistik, einmal von dem Kaiser-
lichen statistischen Amt, sodann von den Landesregierungen und
endlich von dem Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller,
welche von Dr. H. Rentzsch in gediegener, gründlicher Weise be-
arbeitet ist. Nach den Angaben des letzteren ist der Verbrauch auf
den Kopf von 1871 bis 1899 von 47,5 auf 128,4 kg gestiegen, während
die Eisenerzeugung von 31,7 kg auf 150,8 kg sich erhöht hat.


In dem Vorhergehenden ist in knappen Strichen der äuſsere
Rahmen gezeichnet, in dem sich die deutsche Eisenindustrie der
[985]Deutschland (mit Luxemburg).
letzten 30 Jahre entwickelt hat. Wenn auch die politischen Ereignisse
in hohem Grade zu ihrer Förderung beigetragen haben, so liegt doch
der Schwerpunkt ihrer Entwickelung in den technischen Fortschritten,
die so groſsartig und mannigfaltig waren wie in keiner früheren
Periode. Gefördert wurden diese durch die Schaffung eines Reichs-
Patentgesetzes im Jahre 1877.


Von ganz besonderer Wichtigkeit für die deutsche Eisenindustrie
war die Einführung des Thomasprozesses im Jahre 1879 und die
energische, zielbewuſste Ausbeutung der Fluſseisendarstellung in der
darauffolgenden Zeit. Dieses Ereignis bildet für die Geschichte des
Eisens in Deutschland einen wichtigen Abschnitt.


Betrachten wir zunächst die Zeit vor Einführung des Thomas-
prozesses, also die siebziger Jahre. Die Hochofenindustrie machte in
dieser Zeit bedeutende Fortschritte, wie schon aus der Zunahme der
Produktion von 1871 bis 1880 von 1564 auf 2729 Kilotonnen zu er-
kennen ist. Der wachsende Bedarf führte zur Gründung neuer Hütten-
werke und zur Vergröſserung der Öfen der alten Werke zwecks Erhöhung
ihrer Leistung. Von neuerbauten Hochofenwerken nennen wir die
Sophienhütte bei Wetzlar von Gebrüder Buderus 1870, die Anlagen
zu St. Johann-Saarbrücken 1871, zu Neustadt am Rübenberg, die
Bismarckhütte bei Schwintochlowitz, Schalker Gruben- und Hütten-
verein in Westfalen, Johanneshütte bei Siegen 1873.


Von neuen gröſseren Hochöfen erwähnen wir den von Bütgenbach
bei Neuſs, 15,70 m hoch, Mathildenhütte bei Harzburg, 17,262 m hoch,
beide 1871 erbaut, den neuen Hochofen der Königshütte in Ober-
schlesien, 18,831 m hoch (1873), Mülheim am Rhein, 20 m hoch (1874),
und Gute Hoffnungshütte bei Oberhausen, 21 m hoch (1876). Im
Jahre 1871 wurden in 306 Hochöfen 1563682 Tonnen Roheisen, 1880 in
246 Öfen 2729038 Tonnen geschmolzen. Während die Zahl der Hoch-
öfen also abgenommen hatte, war ihre durchschnittliche Jahresleistung
in der Zeit von 1871 bis 1880 von 5110 Tonnen auf 11094 Tonnen
gestiegen. Diese bedeutende Mehrleistung war aber keineswegs nur
durch die Vergröſserung der Öfen, sondern fast noch mehr durch die
Verbesserung der Apparate und Maschinen, wodurch erhöhte Wind-
temperatur und stärkeres Blasen erzielt wurde, bedingt. Ein sehr
wichtiger Faktor war die veränderte Zustellung mit geschlossener
Brust infolge Einführung der Lürmannschen Schlackenform, die
immer allgemeiner wurde. Hierdurch wurde eine Erweiterung des
Gestells, bessere Windverteilung und gröſsere Windpressung ermöglicht.
Steinerne Winderhitzer waren in den siebziger Jahren noch selten in
[986]Deutschland (mit Luxemburg).
Deutschland. Dagegen verbesserte man die eisernen Winderhitzer,
indem man Apparate mit hängenden Röhren, besonders aber die
Gjersschen oder Clevelandwinderhitzer einführte. Dadurch steigerte
man die Windtemperatur auf 400 bis 450 Grad.


Ein glänzendes Beispiel für die Fortschritte der deutschen Hoch-
ofenindustrie bietet die Ilseder Hütte 1) bei Peine unter der umsichtigen
Leitung von Hermann Spamer, wie nachfolgende Tafel beweist 2).


Durch die Erwerbung von Elsaſs-Lothringen waren vier Gruppen
von Eisenhütten Deutschland zugefallen: 1. bei Forbach die de Wen-
dels
che Hütte zu Stiering, 2. bei Metz die Werke von Karcher, von
Westermann und von Dupont \& Dreyfuſs, 3. im Gebiet von
Diedenhofen besonders die groſsen Eisenwerke bei Hayingen (Hayange)
von de Wendel und 4. bei Hagenau im Elsaſs die Werke von
de Dietrich bei Niederbronn. Von noch gröſserer Wichtigkeit war
die Erwerbung des ausgedehnten, reichen, aber noch wenig er-
schlossenen Minette-Erzgebietes von Lothringen, und einheimische
wie westdeutsche Eisenindustrielle beeilten sich, nachdem alsbald nach
der Vereinigung das preuſsische Berggesetz in den Reichslanden ein-
geführt worden war, Mutungen einzulegen und Grubenfelder zu er-
werben. Da die Erze sehr phosphorhaltig waren, kamen sie noch
nicht zur vollen Geltung, immerhin stieg die Erzförderung Lothringens
von 1870 bis 1880 von 387463 Tonnen auf 995958 Tonnen.


[987]Deutschland (mit Luxemburg).

Der Umstand, daſs fast alle deutschen Eisenerze phosphorhaltig
waren, erschwerte die Ausdehnung des Bessemerprozesses. Nur
wenige deutsche Hüttenwerke konnten Bessemerroheisen aus ein-
heimischen Erzen erblasen. Es waren dies die Georg-Marienhütte
bei Osnabrück, die Königin-Marienhütte bei Zwickau und die bayerische
Maxhütte. Die meisten übrigen Werke, die Bessemerroheisen schmolzen,
wie z. B. Hörde, Gutehoffnungshütte, Dortmunder Union, Phönix,
muſsten die Erze hierfür aus dem Auslande, aus Cumberland oder
Spanien, beziehen. Friedrich Krupp in Essen hatte zu diesem
Zweck 1871/72 bedeutende Konzessionen in Nord-Spanien erworben,
die ihm einen Bezug bis zu 300000 Tonnen Bilbaoerz sicherstellten.
Zu diesem Zweck hatte er mit der Dowlais Iron Company in Wales,
der Consett Iron Company in Consett bei Newcastle und mit Ybarra
Hermanos
, dem Besitzer der Orconera-Gruben bei Bilbao, die
Orconera Iron Ore Company gebildet, um diese Bergwerke gemein-
schaftlich auszubeuten. Hierfür baute die Gesellschaft 1872 eine
Eisenbahn von den Gruben nach Luchana am Nerrion, wo die Ver-
ladung auf die Transportschiffe stattfand.


Zu den bemerkenswerten Fortschritten im Hochofenbetriebe
gehörte auſser der Freilegung und Wasserkühlung von Gestell und
Rast, die Freilegung des Ofenschachtes, in der Weise, daſs der innere
Ofenschacht aus feuerfesten Chamottesteinen nur durch Bänder oder
einen Blechmantel zusammengehalten und von einem auf Säulen
stehenden guſseisernen Kranze getragen wurde. Die Plattform der
Ofengicht und der Gichtgasfang waren dabei durch eiserne Tragsäulen
in der Weise unterstützt, daſs sie nicht auf dem Schachtmauer-
werke ruhten. Einen solchen Ofen hatte Bütgenbach in Neuſs bei Köln
erbaut und im Modell in der Weltausstellung zu Wien 1873 aus-
gestellt.


Ein ganz ähnlicher Ofen war aber schon 1869 auf der Ilseder
Hütte erbaut worden, derselbe war mit sechs gleichmäſsig verteilten
Windformen von 12 Zoll (31 cm) Durchmesser, in welche passende
Düsen eingeschoben wurden, versehen. Die Formen ragten mit ihrer
Mündung in den Ofen hinein. Bütgenbachs Hochofen erregte durch
seine Vorführung auf der Weltausstellung in Wien Aufsehen und wurde
namentlich auf mehreren französischen Hütten eingeführt.


Beim Rösten der Eisenerze fand der Gasbetrieb Eingang; A. Thoma
wollte denselben auch auf das Hochofenschmelzen ausdehnen.


Die Notlage, in welche die deutsche Hochofenindustrie nach dem
Jahre 1873 kam, zwang die Hüttenbesitzer, auf Mittel und Wege zu
[988]Deutschland (mit Luxemburg).
sinnen, um der schwierigen Konkurrenz mit dem Auslande, insbesondere
der Überflutung mit englischem Roheisen, entgegenzutreten. Für das
Bessemerroheisen lagen die Verhältnisse hierfür wenig günstig, anders
verhielt es sich mit dem Gieſsereiroheisen, das seit Jahrzehnten aus
Schottland und England bezogen wurde, und an das nicht nur die
Gieſsereien Norddeutschlands, sondern auch die von West- und Süd-
deutschland so gewöhnt waren, daſs man an einen Ersatz durch ein-
heimisches Produkt kaum dachte. Da aber die Hochofenhütten in
Westdeutschland bei den verbesserten Betriebseinrichtungen sehr wohl
imstande waren, teils aus einheimischen (nassauischen und lothrin-
gischen), teils aus ausländischen (spanischen) Erzen ein vorzügliches
Gieſsereiroheisen zu erblasen, so trat 1877 auf Anregung des Direktors
Jos. Zervas an der Friedrich-Wilhelmshütte in Mühlheim a. d. Ruhr
und mit Unterstützung des preuſsischen Handelsministers Achenbach
eine Kommission, bestehend aus Professor H. Wedding und mehreren
Eisenindustriellen, zusammen, die den Hütteninspektor Wachler in
Gleiwitz beauftragte, vergleichende chemische und physikalische Unter-
suchungen über rheinisch-westfälische und ausländische Gieſserei-
roheisensorten anzustellen. Das Ergebnis derselben fiel zu Gunsten
des deutschen Gieſsereiroheisens aus und hat wesentlich dazu bei-
getragen, dem deutschen Gieſsereiroheisen eine allgemeinere Ver-
wendung zu verschaffen und die englische Einfuhr zu beschränken.
Infolgedessen stieg der Verbrauch von deutschem Gieſsereiroheisen in
der zweiten Hälfte der siebziger Jahre und zwar 1875 bis 1880 von
236567 Tonnen auf 335363 Tonnen, während der Verbrauch von
ausländischem Gieſsereiroheisen in demselben Zeitraume von 311013
Tonnen auf 247988 Tonnen zurückging.


Die oben erwähnte Kommission hat auch das Verdienst, die Ein-
richtung öffentlicher und allgemeiner Untersuchungs- und Prüfungs-
anstalten für Eisen- und Eisenfabrikate angeregt zu haben, nachdem
Professor H. Wedding schon seit Ende der sechziger Jahre dafür
eingetreten war. 1878 wurde eine solche Anstalt für Preuſsen be-
schlossen, die 1880 in Berlin eröffnet wurde. Professor Bauschinger
in München hatte schon 1871 eine kleine Versuchsanstalt in München
gegründet, die dann 1880 zu einer staatlichen Materialprüfungsanstalt
erweitert wurde. Die Materialprüfung und die staatlichen Anstalten
dafür haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluſs auf die Qualität
der deutschen Eisensorten, auch des Roheisens, ausgeübt. Überhaupt
hat der deutschen Eisenindustrie die wissenschaftliche Behandlung
der technischen Aufgaben in ganz besonderer Weise genützt und viel
[989]Deutschland (mit Luxemburg).
zu der Vortrefflichkeit ihrer Leistungen und zu ihren Errungen-
schaften im Wettbewerb mit den übrigen Eisenindustrieländern bei-
getragen. Dies war ermöglicht durch die wissenschaftliche Ausbildung
der technischen Beamten und durch die Würdigung der Wichtigkeit
theoretischer Klarstellung der technischen Vorgänge und Prozesse,
besonders mit Hülfe der chemischen Analyse. Infolgedessen wurden
auf allen deutschen Eisenhütten- und Stahlwerken Laboratorien ein-
gerichtet, die eine segensreiche Thätigkeit entfalteten, nicht nur für
die einzelnen Werke, sondern für Deutschland und die Wissenschaft.


Auch die Vereinsthätigkeit ist ein wichtiges Förderungsmittel
der deutschen Industrie gewesen. 1870 wurde der Verein deutscher
Eisengieſsereien gegründet, dessen erster Schriftführer Paul Stumpf
zu Gravenhorst war, ihm folgte E. Scheerenberg in Elberfeld.
1880 trennte sich der Verein deutscher Eisenhüttenleute als selb-
ständiger Verein von dem Verein deutscher Ingenieure und gründete
als Vereinsorgan die wichtige Zeitschrift „Stahl und Eisen“. Der
erste Schriftführer war Bueck, ihm folgten Dr. W. Bäumer und
Schrödter. Dieser Verein verfolgte mehr allgemeine und wissen-
schaftliche Zwecke, während sich der Verein deutscher Eisen- und
Stahlindustrieller als Interessenverein aus demselben entwickelte. Im
Kriegsjahre 1870 wurde die technische Hochschule in Aachen er-
öffnet, die auf die Forderung der Eisenindustriellen von Rheinland
und Westfalen hin einen besonderen Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde
erhielt, der durch Dr. Friedr. Wilh. Dürre besetzt wurde.


Wir wollen nun kurz die wichtigsten Ereignisse und Fortschritte
der deutschen Hochofenindustrie in der Zeit von 1870 bis 1880
vorführen.


Die preuſsische Regierung hatte sich schon Ende der sechziger
Jahre des gröſsten Teiles ihrer staatlichen Eisenhütten entledigt,
1871 verkaufte sie die Königshütte in Oberschlesien an ein Kon-
sortium, das auch die Laurahütte mit ihren wichtigen Kohlen-
bergwerken erwarb und vom 1. Juli 1871 die Aktiengesellschaft
„Vereinigte Königs- und Laurahütte“ in Berlin gründete. Der
preuſsische Staat behielt in Schlesien nur die Eisenhütten zu Gleiwitz
und Malapane, am Harz Rothehütte, Lerbacher- und Sollingerhütte.
Die Rothehütte ging 1871 vom Holzkohlen- zum Koksbetriebe über.
In Luxemburg wurde 1870 nur der kleinere Teil der geförderten
Erze (36,3 Prozent) im Lande verhüttet, der gröſsere Teil wurde aus-
geführt und zwar 38,4 Prozent nach Belgien und 25,3 Prozent nach
Preuſsen. Die Roheisenproduktion von Luxemburg betrug damals nur
[990]Deutschland (mit Luxemburg).
158000 Tonnen, doch fing man an, gröſsere Hochöfen zu bauen.
Oberschlesien war gegen Rheinland und Westfalen zurückgeblieben,
woran seine armen Erze und sein schlechter Koks schuld waren. Die
Erze waren mulmig, strengflüssig und nur für graues Roheisen ge-
eignet; dieses enthielt 3 bis 4 Prozent Silicium und 0,2 bis 0,5 Pro-
zent Phosphor und war zur Fluſseisenerzeugung nicht verwendbar.
Es wurde in Puddelöfen auf Schweiſseisen verarbeitet und hierfür
zum Teil noch vorher gefeint. Auf 100 Roheisen wurden 150 bis 160
Backkoks oder 200 Sinterkoks verbraucht. Man konnte meist nur
Stückkohlen verkoken. Der gröſste Hochofen in Gleiwitz war damals
13,7 m hoch, 5,24 m im Kohlensack und 4 m in der Gicht weit, hatte
geschlossene Brust und acht Formen und schmolz 250 Tonnen in
der Woche. Im Herbst 1871 begann man mit dem Bau eines groſsen
Hochofens auf der Königshütte.


Friedrich Krupp in Essen erwarb 1871 die Hermannshütte
bei Neuwied zur Erzeugung von manganreichem Roheisen und 1872
die Johanneshütte bei Duisburg zum Verschmelzen spanischer Erze
zu Bessemerroheisen. Auf der Mühlhofenerhütte wurde 1871 ein
pneumatischer Aufzug erbaut. Die Georg-Marienhütte bei Osnabrück
blies ebenfalls Bessemerroheisen, und man hatte dort 1872 eiserne
Winderhitzer mit Hängeröhren von Burg. Hängeröhren-Wind-
erhitzer führte Hupfeld 1872 auch im Siegerland ein. In Hörde
baute man dagegen steinerne Whitwellapparate. Die Hochofen-
schlacken wurden auf der Georg-Marienhütte zu Schlackensteinen
und zu Schlackenwolle verarbeitet. 1872 entstand die Dortmunder
Union durch Vereinigung einer gröſseren Anzahl Berg- und Hütten-
werke, darunter die Hochofenanlagen zu Dortmund, Henrichshütte bei
Hattingen, Neu-Schottland bei Duisburg. In diesem Jahre wurden auch
die gräflich Einsiedelschen Werke Lauchhammer, Gröditz und Burg-
hammer in ein Aktienunternehmen umgewandelt. 1873 erregte, wie
bereits erwähnt, Bütgenbachs Hochofen mit dünner Schachtwand auf der
Wiener Weltausstellung Aufsehen. Ähnliche Öfen waren aber bereits auf
der Ilseder, Georg-Marien- und Königshütte erbaut worden. Die Eisen-
industrie in Lothringen und Luxemburg entwickelte sich immer rascher.
Zu Esch in Luxemburg erzielte man mit Whitwell-Winderhitzern
gute Erfolge und eine hohe Tagesproduktion. Zu Ilseder Hütte hatten
die Hochöfen 216 cbm Inhalt, und man erblies durchschnittlich bei
300° C. Windtemperatur und 0,265 kg pro Quadratcentimeter Pressung
aus 234,5 Tonnen Erz und 94,25 Tonnen Koks 85,3 Tonnen Roheisen;
doch war schon 1872 eine Höchstproduktion von 101,9 Tonnen erzielt
[991]Deutschland (mit Luxemburg).
worden. Die Hochöfen von Rheinland und Westfalen ergaben eine
Tagesproduktion von 35 bis 45 Tonnen, die von Oberschlesien von
20 bis 30 Tonnen. Vergleichungsweise hatte sich die oberschlesische
Hüttenindustrie ganz besonders entwickelt und zwar durch eine
bessere Ausnutzung der Gichtgase und Vergröſserung der Hochöfen
und der Windmengen. Hierdurch war die Roheisenerzeugung von
Oberschlesien im Jahre 1873 auf rund 300000 Tonnen gestiegen. Im
Siegerland hatte die Erzeugung von Spiegeleisen für die Bessemerstahl-
fabrikation sehr zugenommen. 1872 bis 1874 wurde das Eisenwerk
Schalke bei Gelsenkirchen nach den Plänen von Gödecke und mit
von demselben verbesserten Whitwell-Apparaten erbaut.


1874 wurde am 29. Mai zu Hörde der Hochofen Nr. IV nach einer
19 jährigen Kampagne ausgeblasen. In diesem Jahre wurde auch auf
der Vorwärtshütte bei Waldenburg Bessemerroheisen erzeugt. Eine
verfehlte Gründung war die Gesellschaft Hof-Pilsen-Schwarzenberg,
die alte Holzkohlenöfen zu Kokshochöfen umbaute.


1875 fallierte Strousberg, der tollkühne Eisenbahnspekulant,
der zahlreiche Eisenwerke in Deutschland und Österreich aufgekauft
und teilweise umgebaut hatte. Am 19. Juli 1875 starb der um die
Eisenindustrie verdiente Professor Theodor Scheerer (geboren
28. August 1813).


Buderus führte auf der Main-Weserhütte bei Lollar einen neuen
Gichtgasfang, der ein besseres Aufgeben und Verteilen der Erze er-
möglichte, ein. Die Hochöfen in Luxemburg waren damals meistens
nur 15 m hoch und 5 m in der Rast weit, mit einem Fassungsraume
von 152 Ctr. Ihre Tagesproduktion betrug an 47 Tonnen, der Koks-
verbrauch 1191/1000 bei 180° C. Durch steinerne Winderhitzer (Whitwell)
erzielte man Windtemperaturen von 700 bis 800° C. und dadurch
Kohlenersparnis zu Esch in Luxemburg und zu Hayingen in Loth-
ringen.


1876 fabrizierte man auf der Laurahütte in Oberschlesien
Schlackenwolle. 1877 bemühten sich Gödecke, Lürmann und
Macco um die Verbesserung der steinernen Winderhitzer und um
deren Einführung. In Ilsede erreichte Strohmeyer eine teilweise
Entphosphorung der Eisenerze durch Behandlung mit verdünnter
Salzsäure. Er brachte dadurch den Phosphorsäuregehalt der Erze
von 4 auf ½ Prozent. Friedr. Krupp entphosphorte das Roheisen
durch Behandlung auf einem Herde aus Eisenoxyd unter Zusatz von
Manganoxyd (D. R. P. Nr. 4391). In demselben Jahre stellten die
[992]Deutschland (mit Luxemburg).
Eisenwerke Phönix und Oberhausen zuerst Ferromangan im Hochofen
dar. Ein nachgesuchtes Patent hierfür war verweigert worden, weil
E. Andre kurz zuvor für dasselbe Verfahren ein Patent nachgesucht
hatte.


1879 wurden die günstigen Ergebnisse mit dem von Gilchrist
Thomas
erfundenen Entphosphorungsprozeſs auf der Estonhütte bei
Middlesborough bekannt. Die Eisenindustriellen von Rheinland und
Westfalen begriffen sofort den hohen Wert dieser Erfindung für
Deutschland, dessen Eisenerze gröſstenteils phosphorhaltig waren. Der
Hörder Verein und die Niederrheinischen Stahlwerke traten mit
Thomas in Verbindung und sicherten sich dessen Patentrechte für
Deutschland. Im September 1879 wurde bereits die erste Thomas-
charge in Hörde erblasen. Das neue Verfahren kam bald auf an-
deren Werken zur Einführung. Dieses Ereignis hatte einen groſsen
Einfluſs auf den Hochofenbetrieb in Deutschland und die Roheisen-
produktion erfuhr von 1879 an eine rasche Steigerung. Hilgenstock
in Hörde wies auf die Vorteile bei der Erzeugung von Thomas-Roh-
eisen für Deutschland hin und bezeichnete sie als den einfachsten
und billigsten Hochofenbetrieb, und Baare in Bochum hob die Not-
wendigkeit der Einführung des Thomasprozesses hervor, um der
Gefahr, die durch die Massenfabrikation Clevelands drohte, zu be-
gegnen. Durch diese Erfindung erhielten die phosphorreichen Erze
und das Roheisen, besonders von Luxemburg, Lothringen und der
Ilseder Hütte, einen viel höheren Wert und gröſseren Absatz. Ein
Vorteil bestand auch darin, daſs man weiſses Roheisen, das schon an
und für sich billiger darzustellen war, bei dem Thomasverfahren ver-
wenden konnte.


Von Wichtigkeit war es, daſs im Jahre 1879 die neue Wirtschafts-
politik Deutschlands mit der Wiedereinführung der Eisenzölle, be-
sonders eines Zolles auf ausländisches Roheisen begann. Mit diesem
Ereignis und der Einführung des Thomasprozesses steht die Grün-
dung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute in unmittelbarem Zu-
sammenhange.


Die Fortschritte bei der Verarbeitung des Roheisens in den sieb-
ziger Jahren waren sehr bedeutend. Bei der Eisengieſserei fanden
Formmaschinen zunehmende Verwendung, besonders die von Sebold
und Neff in Durlach, doch waren dies meistens Handmaschinen.
Ebenso fanden die Kapselgebläse der Amerikaner Roots (Roots-
gebläse) gröſsere Verbreitung. Sie wurden z. B. von Schenk, Mohr
\& Elsässer
in Mannheim gebaut. 1879 erfand Heinrich Krigar
[993]Deutschland (mit Luxemburg).
in Hannover ein verbessertes Kapselgebläse unter dem Namen Patent-
schraubengebläse (D. R. P. Nr. 4121). 1871 war ein ebenfalls von
Heinrich Krigar erfundener Kupolofen mit Vorherd in der Gieſserei
der Egestorffschen Maschinenfabrik eingeführt worden, der sich
sehr bewährte und groſse Verbreitung fand. So arbeitete z. B. schon
1873 die Röhrengieſserei der Friedrich-Wilhelmshütte zu Mülheim
a. d. Ruhr mit Krigaröfen. 1874 wurde auf der früher gräflich
Einsiedelschen Gieſserei zu Gröditz ein Kupolofen mit Wasser-
kühlung eingeführt. A. Ledebur, später Professor der Eisenhütten-
kunde an der Bergakademie zu Freiberg, war damals dort Hütten-
meister.


Die 1877 begonnene vergleichende Untersuchung der Gieſserei-
roheisen von Wachler, welche 1879 im Druck erschienen, war, wie
bereits erwähnt, von groſsem Einfluſs auf den deutschen Gieſsereibetrieb.


Viele der groſsen Eisengieſsereien und Maschinenfabriken wurden
im Anfang der siebziger Jahre in Aktiengesellschaften umgewandelt,
so 1870: J. C. Freund \& Co. zu Charlottenburg, L. Schwarzkopff
in Berlin, T. A. Egells in Berlin, die in der Maschinenbau-Aktien-
gesellschaft Germania, welche später die Germaniawerft bei Kiel erbaute,
aufging; Richard Hartmann in Chemnitz wurde in die „Sächsische
Maschinenfabrik, A.-G.“; 1871 Georg Egestorff in Linden in die
„Hannoversche Maschinenbau-A.-G.“; 1872 Lauchhammer in „Verein
vorm. Gräfl. Einsiedelsche Werke“ und 1873 Cramer-Klett zu
Nürnberg in „Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg“ umgewandelt.
Von neugegründeten Gieſsereien sind hervorzuheben: Gebr. Körting
zu Körtingsdorf bei Hannover 1871 und Haniel \& Lueg zu Grafen-
berg bei Düsseldorf 1873.


Bei der Verwandlung des Roheisens in schmiedbares Eisen und
in Stahl behauptete sich der Puddelofenprozeſs noch siegreich
gegen die Fluſseisenfabrikation. Es betrug die Erzeugung der Schweiſs-
eisen- und der Fluſseisenfabrikation:



Die Fabrikation von Schweiſseisen hielt sich noch auf demselben
Stande, während die Fluſseisenerzeugung rasch zunahm. Eine be-
deutende Abnahme erfuhr die Verwendung des Schweiſseisens für
Eisenbahnschienen, während sie für Handelseisen zunahm. Eisenbahn-
schienen und Befestigungsmaterial wurden hergestellt aus:


Beck Geschichte des Eisens. 63
[994]Deutschland (mit Luxemburg).

Der Puddelprozeſs war in den siebziger Jahren immer noch das
beste Mittel zur Verarbeitung phosphorhaltiger Roheisensorten, doch
durfte der Phosphorgehalt nicht zu hoch sein. Man wendete deshalb
mancherlei besondere Mittel an, um denselben zu entfernen. In
Oberschlesien wurde das graue Roheisen noch vielfach gefeint.


1871 führte Bicheroux seine Halbgasfeuerung auf seinem Walz-
werke bei Duisburg ein, die sich sehr bewährte und in Rheinland
und Westfalen rasche Verbreitung fand, z. B. auf den Werken des
Phönix, zu Oberhausen, bei Harkort, Dortmunder Union, Bur-
bach u. s. w.


1872 erfand Theodor Scheerer ein Entphosphorungsverfahren
durch Puddeln unter Zusatz von Chlorkalium und Chlornatrium. Das
phosphorhaltige Roheisen der Ilseder Hütte wurde durch Puddeln mit
Fluſsspat entphosphort. 1873 wurden Versuche mit rotierenden Puddel-
öfen gemacht. Rasmussen und Daelen brachten solche Öfen mit
z. B. Eisenoxydfutter in Vorschlag. Gaspuddelöfen kamen in Anwendung
zu Halle a. d. Saale mit Braunkohlengas. 1875 wurden rotierende
Pernotöfen zu Kalk bei Deutz mit Erfolg versucht. Pernotöfen wendete
auch Alfred Krigar 1878 bei seinem Entphosphorungsverfahren
(Waschprozeſs, D. R. P. Nr. 4391) an. Hierbei wurde flüssiges Roh-
eisen direkt aus dem Hochofen in einen Pernotofen mit Eisenoxyd-
futter abgestochen und in diesem unter Zusatz von Manganoxyd ent-
kieselt und teilweise entphosphort, sodann das flüssige Metall, ehe das
Kochen eintrat, in einen Puddelofen oder einen Siemens-Martin-Ofen
abgestochen und hier fertig gefrischt. Im übrigen hat der Betrieb
rotierender Öfen in Deutschland keine Wichtigkeit erlangt. Brauns
versuchte 1879 die Entphosphorung in einem Kupolofen mit basischem
Futter. Auf Gutehoffnungshütte entphosphorte man 1879 das Roh-
eisen so, daſs man es mit basischer, phosphorfreier Hochofenschlacke
im Puddelofen verschmolz und dann frischte.


Bei der Fluſseisenfabrikation fand der Martinprozeſs nur
langsam Eingang, weil sich das phosphorhaltige Roheisen für das
damals allein bekannte saure Verfahren wenig eignete. 1869 hatte
Friedrich Krupp in Essen den ersten Flammofen mit Siemens-
Regenerativfeuerung in Betrieb genommen. 1871 setzte er sein groſses
Martinwerk (I), das bereits für eine Jahresproduktion von 80000
Tonnen konstruiert war, in Betrieb. Doch zählte man 1871 in
[995]Deutschland (mit Luxemburg).
Deutschland nur 11 arbeitende Siemens-Martin-Öfen. In Rheinland
und Westfalen hatte man 1873 auch zu Steele und Ruhrort gute
Erfolge mit dem Martinverfahren erzielt. In Oberschlesien verpuddelte
man auf Borsigwerk manganhaltiges Neubeuthener Roheisen und
verschmolz die Rohschienen im Martinofen zu Stahlblecheisen. 1873
wurde die Bismarckhütte als Martinwerk gegründet. In Bochum
machte man 1873 Stahlfaçonguſs in der Weise, daſs man den flüssigen
überhitzten Stahl aus Tiegeln oder einer Bessemerbirne in einen
heiſsen Siemensofen einführte, ihn hier längere Zeit ruhig stehen lieſs
und dann in Formen goſs.


Der Martinprozeſs diente in den siebziger Jahren nur als ein
geeignetes Mittel, die Eisen- und Stahlabfälle der Walzwerke zu ver-
arbeiten, war also nur ein Nebenbetrieb. Für dieses Verfahren war
die Verbesserung der Gasgeneratoren von Wichtigkeit; 1878 kamen
die von Gröbe-Lürmann auf. Das theoretische Verständnis der
Vorgänge wurde gefördert durch die analytischen Untersuchungen
des Martinprozesses auf der Gutehoffnungshütte von Kollmann.
Friedrich Krupp
verband sein Entphosphorungsverfahren mit dem
Martinprozeſs und erzeugte ein weiches Fluſseisen mit 0,15 bis 0,20
Prozent Kohlenstoff, das als Homogeneisen in den Handel kam. Die
Erzeugung von Martinstahl belief sich 1879 auf nur 35820 Tonnen.


Von viel gröſserer Bedeutung war der pneumatische oder Kon-
verterprozeſs
, der bis zum Herbst 1879 nur in seiner ursprüng-
lichen Form als Bessemerprozeſs mit kieselsaurem Birnenfutter be-
kannt war. In dem Zeitraume von 1871 bis 1879 stieg die Erzeugung
von Bessemerstahl von 139 auf 465 Kilotonnen, obgleich die Vor-
bedingungen für den Bessemerprozeſs in Deutschland ungünstig waren,
weil es an phosphorfreien Erzen mangelte. Bis 1873 blieb man von
der Einfuhr englischen Bessemerroheisens, des Cumberland-Hämatit-
eisens, abhängig, seitdem gelang es mehreren Hochofenhütten, teils
aus einheimischen Erzen, teils aus spanischen Erzen Bessemerroheisen
in Hochöfen zu erzeugen; zu ersteren gehörten Georg-Marien-Hütte
bei Osnabrück, Königin-Marien-Hütte bei Zwickau und die bayerische
Maxhütte, zu letzteren Hörde, Dortmunder Union, Gutehoffnungshütte,
Phönix und Johannishütte bei Duisburg.


Das Bessemerroheisen, welches Hörde 1871 zum eigenen Gebrauch
darstellte, war arm an Graphit und reich an Silicium und Mangan
und verblies sich in der Birne rasch und heiſs. Anfang der siebziger
Jahre entstanden verschiedene neue Stahlwerke, so Stahlwerk Hösch
bei Dortmund 1871/72, Hagener Guſsstahlwerke 1872, die aus der
63*
[996]Deutschland (mit Luxemburg).
Stahlhütte von Friedrich Huth \& Co. hervorgingen. Der Konverter-
betrieb wurde nach englischer Art mit Rückkohlung durch Spiegel-
eisen ausgeführt; nur die Königin-Marienhütte blies nach schwedischer
Weise in einem Konverter mit steigender Pressung und Unterbrechung
im richtigen Augenblicke der Gare, also ohne Rückkohlung. In dem
von Gienanthschen Guſsstahlwerke Kaiserslautern verblies man 1872
in einer Birne 3 Tonnen in 10 bis 15 Minuten. Im ganzen gab es
1873 in Deutschland 18 Bessemerstahlhütten mit 70 Birnen (wovon
Friedr. Krupp 18 besaſs), hiervon waren etwa 60 in Betrieb. Die
Tagesproduktion einer Birne betrug durchschnittlich 25 Tonnen,
die Erzeugungsfähigkeit demnach 450 Kilotonnen; hierfür waren 500
bis 550 Kilotonnen Roheisen erforderlich. Da aber damals nur 125 bis
höchstens 150 Kilotonnen Bessemerroheisen im Inlande dargestellt wur-
den, muſsten für den vollen Betrieb an 400 Kilotonnen aus dem Auslande
bezogen werden. 1873 führte Pink zu Hörde den Guſs kleiner Blöcke
in von ihm konstruierten Gruppenformen ein. Auf der Steinhäuser
Hütte goſs man Stahlblöcke um einen Eisenkern und walzte daraus
Eisenbahnschienen, die weniger leicht brechen sollten. Der Bessemer-
stahl wurde fast ausschlieſslich zu Eisenbahnschienen verarbeitet.
Hiervon stellte Friedrich Krupp in Essen 1872 50000 Tonnen fertig.


Trotz der ungünstigen Jahre nach der Krisis von 1873 nahm die
Bessemerstahlerzeugung fortwährend zu, besonders seit 1876. 1874
fabrizierte man auf Königin-Marienhütte bei Zwickau und auf Max-
hütte in Bayern einen phosphorhaltigen Stahl mit niedrigem Kohlen-
gehalt, wobei der Phosphor einen Teil des Kohlenstoffs ersetzen sollte.


1875 kamen die von Holley in Amerika erfundenen Losböden
in den deutschen Bessemerstahlwerken zur Einführung. In diesem
Jahre machten in dem neuen Bessemerstahlwerke der Königshütte in
Oberschlesien zwei Konverter für 90 bis 100 Centner Einsatz je 20
bis 24 Chargen. 1877 erfand K. von Liliencron seine gestampften
Siebböden (D. R. P. Nr. 3472) für Konverter. 1878 stellte Friedrich
C. G. Müller
wichtige chemische Untersuchungen über den Verbrauch
der Bessemerchargen zu Osnabrück und der in den Fluſsstahlblöcken
absorbirten und eingeschlossenen Gase an. Zur Herstellung weicherer
Stahlsorten wendete man damals bereits Ferromangan zur Rückkohlung
an. Im folgenden Jahre untersuchte Müller in gleicher Weise eine
Charge zu Hörde.


1879 war das denkwürdige Jahr der Einführung des Thomas-
prozesses. Ein zweckmäſsiges Entphosphorungsverfahren war ein in
Deutschland tief empfundenes Bedürfnis. Es war deshalb eine sehr
[997]Deutschland (mit Luxemburg).
weise, wichtige und dankenswerte Maſsregel, daſs rheinisch-west-
fälische Eisenindustrielle, zuerst die niederrheinischen Stahlwerke
zu Meiderich-Ruhrort und der Hörder Bergbau- und Hüttenverein,
alsbald nachdem die günstigen Erfolge der Estonwerke in Cleveland
bekannt geworden waren, mit dem Erfinder Gilchrist Thomas in
Verbindung traten und das Recht der Anwendung des Verfahrens
erwarben. Es geschah dies in der Weise, daſs diese beiden Werke
gemeinschaftlich gewissermaſsen die Vertreter des Erfinders für
Deutschland wurden, indem sie für ihn das deutsche Patent (am
10. April 1879, D. R. P. Nr. 12700) erwarben und die Benutzung
desselben gegen bestimmte Abgaben anderen deutschen Hütten-
werken gestatteten. Diese bestanden in einmaliger Zahlung von
90000 Mark, wovon Thomas 60000, die Vertreter 30000 Mark
erhielten; auſserdem in einer Abgabe von 2½ Mark pro Tonne
fertigen Stahls, wovon aber 1½ Mark so lange nicht gezahlt wurden,
bis der angesammelte Betrag die Anzahlungssumme erreicht hatte.
Von dieser laufenden Abgabe erhielt Thomas 1½ Mark, die Agenten
1 Mark pro Tonne. In einem Jahre nach Erwerbung der Licenz
muſste das unternehmende Werk gebaut und betriebsfähig sein. Die
erste Thomas-Charge wurde auf den Rheinischen Stahlwerken am
22. September 1879 erblasen. Um die Einführung des Thomas-
prozesses und die Erwerbung des Patentes für die Rheinischen Stahl-
werke gebührt Gustav Pastor das Hauptverdienst. — An demselben
Tage wurde auch zu Hörde die erste Thomascharge erblasen.


Professor Finkener unternahm bald danach seine analytische
Untersuchung über den Verlauf des Thomasprozesses. In Hörde
machte man die ersten Versuche mit Lothringer Roheisen mit 2,59
Prozent Phosphor. Man erhielt einen weichen Stahl mit 0,3 Prozent
Phosphor. Zur Herstellung des Konverterfutters verwendete man
einen Dolomit mit 2 Prozent Kieselsäure und 1½ Prozent Thonerde-
gehalt. Der Zuschlagskalk wurde vorgewärmt. Ein Mangangehalt des
Roheisens erwies sich als vorteilhafter. Die Dauer einer Charge betrug
im Anfang 20 bis 45 Minuten. Um die Durchführung der Versuche
und die Einführung des Verfahrens zu Hörde machten sich Massenez,
Pink
und Hilgenstock besonders verdient.


Dr. Otto in Dahlhausen gelang es, gute basische Ziegel für den
Thomasprozeſs aus deutschem Material herzustellen.


Zu Anfang des Jahres 1880 arbeiteten zu Hörde vier, zu Ruhrort-
Meiderich zwei und zu Kaiserslautern ein Konverter auf Thomas-
stahl. Das Hörder Fluſseisen enthielt 0,15 bis 0,05 Prozent Kohlen-
[998]Deutschland (mit Luxemburg).
stoff; es besaſs eine Zerreiſsfestigkeit von 41 bis 42 kg pro Quadrat-
meter bei einer Kontraktion von fast 60 Prozent. Es eignete sich
sehr gut für Stab- und Formeisen, für Bahnschwellen, Nieteisen,
Schiffs- und Kesselbleche u. s. w. Auf den Rheinischen Stahlwerken
zu Ruhrort-Meiderich bestand die Charge aus 3000 kg Ilseder Roh-
eisen, was durch seinen hohen Phosphor- und Mangangehalt ganz
besonders geeignet war, aus 1000 kg Luxemburger und 500 kg Siegener,
diese drei Sorten waren weiſs, und aus 1500 kg grauem Cleveland-
Roheisen. Der Roheiseneinsatz enthielt 1 bis 1¼ Prozent Silicium,
1 bis 1¼ Prozent Mangan und 1,2 bis 2 Prozent Phosphor; das
Produkt 0,25 bis 0,30 Prozent Kohlenstoff, 0,06 bis 0,09 Prozent
Phosphor und 0,03 Prozent Mangan. Der Kalkzuschlag betrug 18 Pro-
zent, der Spiegeleisenzusatz am Ende des Prozesses zur Nachkohlung
7 Prozent. Das Hauptblasen dauerte 15 Minuten, dann wurde die
Flamme kurz, das Nachblasen beanspruchte 5 Minuten. Vor dem
Ausgieſsen wurde noch ½ Prozent Ferromangan eingeworfen. Die
ganze Charge erforderte 50 Minuten.


Das Verständnis des Thomasprozesses wurde wesentlich gefördert
durch Vorträge von J. Massenez im technischen Verein für Eisen-
hüttenkunde und von Massenez und Pink bei dem Meeting des
Iron and Steel Institute in Düsseldorf gelegentlich der dortigen
Industrie-Ausstellung, auf der die Fortschritte der Eisenindustrie
von Rheinland und Westfalen vorzüglich vorgeführt wurden. Infolge
des gröſseren Abbrandes und der höheren Kosten des basischen
Futters und seiner Instandhaltung waren die Kosten des Thomas-
verfahrens in Hörde um 9,18 Mark, auf den Rheinischen Stahl-
werken bei Ruhrort um 7 Mark höher als beim Bessemerprozeſs.
Dies wurde aber reichlich ausgeglichen durch den billigeren Preis
des weiſsen phosphorhaltigen Roheisens. Damals kostete Bessemer-
Hämatiteisen in Dortmund 70 bis 90 Mark pro Tonne, während
Thomasroheisen für 46 Mark zu kaufen war. Hieraus läſst sich er-
messen, um wie viel billiger Thomasfluſsstahl herzustellen war. Nach
Massenez wurde in Hörde erst stark gebrannter, kieselsäurefreier
Kalk mit einer groſsen Menge von Gruſskohle und Koks in die vor-
gewärmte Birne gebracht, dieser Zuschlag durch schwaches Blasen
bis zur Rotglut erhitzt und dann das flüssige Roheisen eingeführt und
unter Aufrichtung der Birne mit dem Hauptblasen begonnen. Das
Roheisen hatte bis zu ½ Prozent Silicium, 2½ Prozent Kohlenstoff
und über 2 Prozent Phosphor. Die Verbrennung des Siliciums ver-
lief rasch und bald kam das Kohlenspektrum zur Erscheinung. Trotz
[999]Deutschland (mit Luxemburg).
des nicht hohen Siliciumgehaltes ging die Charge heiſs, indem auch
schon ein Teil des Phosphors verbrannte. Sobald die Kohlenstofflinien
verschwanden und die Flamme nachlieſs, begann das Nachblasen
zum Zweck der Entphosphorung. Die Dauer des Nachblasens hing
von dem Phosphorgehalte ab und betrug 1 bis 4 Minuten, das
Hauptblasen in Hörde 8 bis 11 Minuten. Während des Nachblasens
wurden gewöhnlich zwei Schöpfproben genommen und ausgeschmiedet.
Aus dem Bruch wurde auf den Grad der Entphosphorung geschlossen.
Zu dem überblasenen Produkte wurde dann Spiegeleisen und Ferro-
mangan zugesetzt, um die gewünschte Kohlung zu bewirken. Mit
der Rückkohlung und dem Probenehmen dauerte die Charge 30 Mi-
nuten. Der Abbrand betrug 10 bis 11 Prozent. Ein Futter hielt
über 100, ein Boden nicht über 17 Chargen aus. Die basischen Ziegel
wurden teils in Hörde angefertigt, teils von Otto \& Co. oder von
Vygen in Duisburg bezogen.


Seit 1880 wurde das Thomasfluſseisen mit Erfolg zu Eisenbahn-
schienen verarbeitet, zuerst von dem Niederrheinischen Stahlwerke.


Hörde und der Bochumer Verein machten auch ein härteres
Produkt mit 0,4 bis 0,2 Prozent Kohlenstoff, das sich 7 bis 8 Mark
billiger stellte als der entsprechende Bessemerstahl. Schon damals
konnte man Fluſseisenblöcke billiger herstellen als Puddelluppen.
Letztere kamen bei demselben Roheisen um 6 Mark pro Tonne
teurer.


Folgende Werke hatten auſser den bereits genannten im Jahre
1880 die Licenz für das Thomasverfahren erworben: Ars a. d. Mosel,
Athus in Luxemburg, Burbach, Bochumer Verein, von Dieterich
in Niederbronn, Dillingen, Dortmunder Union, Gutehoffnungshütte,
Ilseder Hütte, Maximilianshütte in Bayern, Phönix in Ruhrort, Rote
Erde bei Aachen, Stumm in Neunkirchen und de Wendel in
Hayingen. Welche Wichtigkeit die Einführung des Thomasprozesses
für Luxemburg hatte, erhellt daraus, daſs dessen Roheisenerzeugung
1875 bis 1880 von 1052 Kilotonnen auf 2148 Kilotonnen stieg. Im
ganzen waren 1880 bereits 33 basische Konverter in Betrieb, die
626 Kilotonnen Thomasfluſseisen erzeugten.


Inzwischen hatte auch die Tiegelfluſsstahl-Fabrikation
durch die Einführung der von Siemens erfundenen Tiegelschmelzöfen
mit Regenerativfeuerung einen groſsen Aufschwung erfahren. An der
Spitze marschierte Friedrich Krupp in Essen, dessen Leistungen
unerreicht dastanden, wie er auf den Weltausstellungen zu Wien 1873
und zu Philadelphia 1876 bewies. In Wien stellte Krupp einen aus
[1000]Deutschland (mit Luxemburg).
1800 Tiegeln gegossenen Guſsstahlblock von 52½ Tonnen Gewicht,
der unter dem groſsen Dampfhammer „Fritz“ achteckig geschmiedet
war, aus, ferner vielerlei Achsen, Radreifen, Kurbeln, Scheibenräder,
Walzen, Kanonen, Lafetten u. s. w. aus Guſsstahl. Die Produktion
des Essener Werkes betrug 1872 über 125000 Tonnen, die Arbeiter-
zahl 10622. Krupps Produktion übertraf die des Bochumer Vereins
für Bergbau- und Guſsstahl-Fabrikation, dem nächst bedeutendsten
Guſsstahlwerke in Deutschland um das 2½fache; seine Geschütz-
ausstellung in Philadelphia war groſsartig. Eine 35½ cm-Kanone
in Küstenlafette bildete das Hauptstück. Das Rohr war 8 m lang
und wog 57,5 Tonnen. Eine gewaltige geschmiedete Schiffswelle
mit drei Kurbeln und Kurbelscheibe für eine 2500pferdige Schiffs-
maschine erregte Bewunderung. Ende der siebziger Jahre hatte
die Bessemerstahl-Fabrikation in dem Kruppschen Werke sehr zu-,
die Tiegelguſsstahl-Fabrikation dagegen abgenommen; 1879 lieferte
erstere 115895 Tonnen, letztere 8603 Tonnen, während die Gesamt-
produktion von Stahl-, Guſs- und Schmiedeeisen sich auf 153430
Tonnen belief.


Sehr mannigfaltig waren die Fortschritte der mechanischen
Bearbeitung
. Im allgemeinen baute man die Hämmer und Walzwerke
stärker. 1872 führten Grillo, Funke \& Co. zu Gelsenkirchen die
Stevensonsche Friktionskupplung ein. 1873 lieſs Krupp eine
hydraulische Haswellpresse von 750 Tonnen aufstellen. Das von R. M.
Daelen erfundene Bandagenwalzwerk bewährte sich 1874. Im Jahre
1876 baute Krupp zwei Vorwalzwerke, um die Bessermerstahlblöcke
für Eisenbahnschienen unmittelbar vorzuwalzen. Es waren mit Hebe-
tischen ausgerüstete Triowalzwerke, die durch Corliſsmaschinen von
550 Pferdestärken umgetrieben wurden. Desgleichen baute Hörde
1879 ein Trio zum Vorwalzen der Luppen. In diesem Jahre wurde
Daelens Universal-Richtpresse und Roys Universal-Walzwerk für
Feineisen patentiert. 1879 baute Helmholtz ein Walzwerk mit selbst-
thätiger Rückführung der Walzstücke. Seit 1876 war die Eisen-
produktion gröſser als der Verbrauch, Deutschland also auf die Aus-
fuhr von Eisen angewiesen.


War die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie in den sieb-
ziger Jahren schon eine erfreuliche gewesen, so gestaltete sie sich
in dem folgenden Jahrzehnt noch viel groſsartiger. Die Roheisen-
produktion stieg 1881 bis 1890 von 2914 auf 4658 Kilotonnen. Der
Schutzzoll und der rasche Aufschwung der Thomasstahlerzeugung
im Jahre 1887 waren die wichtigsten Ursachen dieser Zunahme.
[1001]Deutschland (mit Luxemburg).
In diesem Jahre wurde die Schweiſseisenerzeugung von der Fluſseisen-
erzeugung überholt. Erstere betrug 1881 1422 Kilotonnen, erreichte
1889 den höchsten Stand mit 1750 Kilotonnen, während sie 1890 auf
1559 Kilotonnen zurückging. Die Fluſseisenerzeugung stieg von 1881
bis 1890 andauernd und zwar von 897 Kilotonnen auf 2232 Kilotonnen,
also fast um das 2½ fache. Seit 1891 nahm auch die deutsche Aus-
fuhr von Eisen- und Stahlerzeugnissen beträchtlich zu.


Da phosphorreiches Roheisen für den Thomasprozeſs gesucht
wurde, wuchs die Roheisenerzeugung des Minettegebietes, besonders
Luxemburgs, rasch. Die Erzförderung hatte sich in den fünf Jahren
von 1875 bis 1880 schon verdoppelt, indem sie von 1052 auf 2148 Kilo-
tonnen gestiegen war. Die Gewinnung des braunen, roten und
schwarzen Erzes fand hauptsächlich in den drei Bezirken Esch,
Rümelingen und Belvaux und in La Madeleine statt. Der Phosphor-
gehalt des Thomasroheisens schwankte von 1¼ bis 2½ Prozent.


Die Dillinger Hütte im Saargebiete zeichnete sich durch die
Fabrikation von Compound-Panzerplatten aus.


Westfalen erzeugte 1881 647490 Tonnen Roheisen, davon 1,6 Pro-
zent für Gieſserei, 42,7 Prozent für Fluſsstahl, 51,7 Prozent für
Schweiſseisen und 6730 Tonnen Holzkohlenroheisen. Bei den Hochöfen
waren die eisernen Winderhitzer noch vorherrschend, von steinernen
hatten Hörde und Bochum Whitwellapparate, Schalke und Union
Cowperapparate. Die Hochöfen hatten 250 bis 400 Centner Inhalt und
eine Tagesproduktion von 45 bis 125 Tonnen. Von der Fluſseisen-
erzeugung Deutschlands im Jahre 1881 von rund 900 Kilotonnen lieferte
Westfalen 40 Prozent, davon 8/10 aus Konvertern, 1/10 aus Flamm-
öfen und 1/10 aus Tiegeln. Die älteren Bessemeranlagen, wie die des
Bochumer Vereins, der Bochumer Stahlindustrie, von Hösch in Dortmund
hatten kreisförmige Gieſsgruben mit Kranenpfannen; die neueren An-
lagen, wie die Thomashütte in Hörde, hatten die Konverter in einer
Reihe, keine Gieſsgruben, sondern eine fahrbare Guſspfanne auf einem
Dampfwagen. Um die Einführung dieser amerikanischen Anordnung
hatte sich R. M. Daelen Verdienste erworben. Nach diesem Systeme
wurde auch 1881 das Thomaswerk der Ilseder Hütte bei Peine er-
baut. Nur die Dortmunder Union schmiedete noch die Fluſsstahlblöcke
für Eisenbahnschienen; die anderen Werke blockten in Walzwerken
vor. Flammofenfluſsstahl schmolzen Hüstener Gewerkschaft, Asbeck,
Osthaus, Eiken \& Co.
in Hagen, Annerer Guſsstahlfabrik, wo
Asthöwer Bicherouxfeuerung eingeführt hatte, der Hörder Verein und
[1002]Deutschland (mit Luxemburg).
Union. Die Öfen faſsten 10 bis 15 Tonnen. Temperguſs wurde zu
Hattingen hergestellt.


Am 6. März 1880 verschied im 85. Lebensjahre der ehrwürdige
Fritz Harkort, ein echt deutscher Mann, der sich um die vater-
ländische Industrie hochverdient gemacht hat.


Am 29. Dezember 1881 starb C. Wintzer, dem die Georg-
Marienhütte und das Osnabrücker Stahlwerk ihr rasches Emporblühen
verdanken.


Für Schlesien fand 1881 in Breslau eine Industrieausstellung
statt, auf der die groſsen Fortschritte der Eisenindustrie ersichtlich
waren. Die königliche Hütte zu Gleiwitz, deren Karstenofen im
achten Jahre in Betrieb war, führte besonders ihre gleichwandigen
Guſsröhren, die nach dem neuen Verfahren ihres Hüttenverwesers
Deppe hergestellt waren, vor. Auf der Vereinigten Königs- und
Laurahütte waren damals vier Hochöfen und zwei Konverter in Betrieb,
und es wurde daselbst aus manganhaltigen, phosphorarmen Erzen
von Chorzow in Polen gutes Bessemerroheisen geschmolzen. Die
Bismarckhütte bei Schwintochlowitz zeichnete sich durch Fein- und
Bandeisen, Walzdraht und Bleche aus. Wilhelm Hegenscheid zu
Gleiwitz, der 30 Jahre zuvor die Drahtfabrikation in Oberschlesien
eingeführt hatte, stellte Draht aus, Kern \& Co. zu Gleiwitz Draht
und Bandeisen von der Herminenhütte bei Laband, Huldschinsky
\& Co.
, ebenfalls in Gleiwitz, geschweiſste Röhren, die Marienhütte
bei Kotzenau gepreſste Blechplatten, Pielahütte, W. Fitzner und
Laurahütte geschweiſste Blechwaren. Bemerkenswert war noch die
Ausstellung vom Borsigwerke und von Baildonhütte bei Kattowitz.
Junghan und Uelsmann hatten zu Königshütte ein basisches
Futter aus mit Alkalien gebranntem Kalk und Dolomit erfunden.


In Bayern beutete die Maximilianshütte die Erzlager von Sulzbach-
Amberg, in Thüringen die von Kamsdorf und Könitz aus, letztere
wurden in dem Hochofen von Unterwellenborn teilweise auf Spiegeleisen,
erstere auf der Hütte zu Rosenberg bei Sulzbach verschmolzen.


1881 wurde von dem Verein deutscher Eisenhüttenleute die Zeit-
schrift Stahl und Eisen und eine Fachschule für Eisenhüttenleute in
Bochum, die 1882 eröffnet wurde, gegründet.


Über die technischen Fortschritte des deutschen Hochofenbetriebes
von 1882 bis 1893 findet sich in dem Februarheft der Zeitschrift Stahl
und Eisen ein Artikel von van Vlothen (Hörde), auf den wir ver-
weisen. Danach war die Roheisenproduktion von 1882 bis 1893 um 47 Pro-
zent gestiegen, die Zahl der Arbeiter nur um 5 Prozent, während sich
[1003]Deutschland (mit Luxemburg).
die Zahl der Hochöfen um 22 Prozent verringert hatte. Die Durch-
schnittsleistung eines Hochofens hatte von 12953 Tonnen auf 24441
Tonnen zugenommen. Die Hochöfen waren vergröſsert worden und
zwar nach van Vlothen von 16 bis 18 m Höhe und 5 m Kohlensack-
weite auf 20 bis 22 m Höhe und 6 m Weite, so daſs der Inhalt der
neueren Öfen 1893 400 cbm betrug; die Rast war steiler, der
Rastwinkel von 67 bis 70° auf 72 bis 76° erhöht. Das Gestell
wurde erweitert und zwar im Durchschnitt von 2 m auf 3 m. Der
Schacht wurde freistehend gemacht und mit eisernen Bändern ge-
bunden, während Gicht und Gasfang von schmiedeeisernen Säulen
getragen wurden. Die feuerfesten Steine für die Hochofenwände
wurden ausschlieſslich im Inlande dargestellt; die Gröſse der
Steine wurde verringert. Um das Wachsen des Schachtmauerwerkes
zu ermöglichen, brachten Steffen und besonders Lürmann Stopf-
büchsen zwischen Schacht und Gasfang an. Lürmann brachte 1886
freistehende, auswechselbare Hochofengestelle in Vorschlag. Auch
um eine stärkere Verankerung des Gestelles hat sich Lürmann
verdient gemacht, ebenso van Vlothen. Ferner wurde das Gestell
kräftiger gekühlt und hierfür Bronzekühlkästen verwendet. Guſs-
eiserne Panzer für das Gestell nach amerikanischem Vorbilde kamen
ebenfalls zur Einführung. 1889 erfand Burgers in Gelsenkirchen
künstliche Kohlensteine, aus Retortengraphit oder Koksmehl und
Teer hergestellt, als Boden- und Gestellsteine. Sie bewährten sich
und man verwendete sie auch zur Rastmauerung.


Der wichtigste Fortschritt war wohl die stärkere Winderhitzung,
die durch die allgemeine Einführung steinerner Winderhitzer von
450° auf 700 bis 800° erhöht wurde; die Cowperapparate haben den
Sieg davongetragen. Sie wurden von 20 m bis auf 25 m erhöht; an
Stelle des kreisrunden Schachtes trat ein elliptischer oder ein aus
zwei flachen Kreisbogen gebildeter. Lürmann in Osnabrück lieſs
sich 1887 einen verbesserten Cowperapparat patentieren (D. R. P.
Nr. 42051 und 51360). Boecker zu Friedenshütte erzielte eine gleich-
mäſsigere Erhitzung dadurch, daſs er die Querschnitte der Kanäle
nach der Auſsenseite zu weiter machte 1). Für einen gröſseren Hochofen
muſsten mindestens zwei Cowperapparate vorhanden sein und in den
achtziger Jahren rechnete man einen weiteren dritten als Reserve. In
den neunziger Jahren gab man jedem Hochofen drei Apparate und noch
einen vierten als Reserve. Zur Absperrung der Gase und zur Ver-
[1004]Deutschland (mit Luxemburg).
meidung des Rücktritts derselben in die Windleitung bewährten sich
1887 die Steffenschen Brillen. Während Gas und Luft meist aus
übereinander liegenden Schlitzen in den Verbrennungsraum eintraten,
ordnete Lürmann nebeneinander liegende Öffnungen hierfür an.


Hilgenstock führte zu Hörde offene wassergekühlte Formen an
Stelle der geschlossenen ein. Bei den Gebläsemaschinen ging man
zum Verbundsystem über. Die horizontalen Gebläsemaschinen wurden
in Deutschland immer noch bevorzugt.


Nach dieser Aufzählung der Fortschritte der Hochofenindustrie
in den achtziger Jahren im allgemeinen lassen wir chronologisch zur
näheren Erläuterung wichtigere Beispiele folgen.


1882 erzeugte jeder der zwei neuerbauten Hochöfen zu Mühl-
heim a. d. Ruhr, welche mit fünf Whitwell-Winderhitzern versehen
waren, 67 Tonnen in 24 Stunden. Die neuen Hochöfen zu Burbach
und in Luxemburg waren 20 m hoch bei 6 m Rastweite. Die Dort-
munder Union hatte Cowperapparate und bezog Eisenerze von Ost-
freesen bei Harzburg.


1883 wurde die neue Hochofenanlage zu Amberg in der Ober-
pfalz nach den Plänen von Gödecke in Düsseldorf erbaut und mit
den von Gödecke verbesserten Whitwell-Winderhitzern und v. Hoff-
schen Gasfängen ausgerüstet. Die Gebläsemaschinen waren von der
Maschinenfabrik von Gebr. Klein zu Dahlbruch geliefert. Im Saar-
gebiete, in Luxemburg und in Lothringen, wo man Minette schmolz,
bezog man für das Thomasroheisen manganhaltige Erze aus Nassau
und dem Groſsherzogtum Hessen als Zusatz. Die königlich preuſsische
Stahlhütte bei Elbingerode am Harz lieferte ein vorzügliches, mit
Holzkohlen erblasenes halbiertes Roheisen, das Gruson zu Magdeburg
für seinen vortrefflichen Hartguſs verwendete.


In Oberschlesien hatte der Karstenofen zu Gleiwitz in seiner
506. Blasewoche eine Million Centner Roheisen geliefert. Doch
machte sich in Oberschlesien bei der gesteigerten Roheisenerzeugung
der Mangel an eigenen Erzen immer fühlbarer. 1883 schmolzen
26 Hochöfen wöchentlich 275 bis 300 Tonnen. Die Zerreiblichkeit
der Koks, die billige Beschaffenheit der Erze und ihr Zinkgehalt
gestatteten nur eine geringe Ofenhöhe und mäſsige Windpressung.
Man reicherte den armen Möller durch Magneteisenstein von
Schmiedeberg und Schwefelkiesabbrände (purple on) an. Nach Ein-
führung des Thomasprozesses stieg im Jahre 1884 die schlesische
Roheisenproduktion beträchtlich. Von 47 Hochöfen standen 35 in
Betrieb, die 409170 Tonnen (gegen 384161 Tonnen 1883), darunter
[1005]Deutschland (mit Luxemburg).
1160 Tonnen Holzkohlenroheisen erzeugten. Hierzu waren 944979
Tonnen Brauneisenerz, 5179 Tonnen Brauneisenstein, 23999 Tonnen
Thoneisenstein, 9804 Tonnen Roteisenstein, 25520 Tonnen Kies-
abbrände, 39438 Tonnen Magneteisenstein und 867 Tonnen Blackband,
im ganzen 1068913 Tonnen Eisenerze verschmolzen worden. Aus dem
Roheisen wurden 24634 Tonnen Guſswaren, 257040 Tonnen Walzeisen
und 41695 Tonnen Halbfabrikat hergestellt. Damals fing man an, die
Einfuhr schwedischer Erze von Grängesberg und Gellivara, wofür
Paul v. Schwarze lebhaft eintrat, in Erwägung zu ziehen. Ein
wesentlicher Fortschritt für Oberschlesien war die Einführung stei-
nerner Winderhitzer, nachdem man gelernt hatte, in den Apparaten
von Macco und Schrader die Gichtgase von dem vielen Staube zu
reinigen. Der Koksverbrauch im Hochofen betrug aber immer noch
1700 bis 2000 Tonnen auf 1000 Tonnen Roheisen. Erst seit 1879
war die nasse Aufbereitung der Steinkohlen eingeführt worden. Die
Koksfabrikation war 1889 durch die Einführung der Wintzecköfen
auf Friedenshütte zuerst verbessert worden. Man erreichte in diesen
Öfen ein Ausbringen von 60 bis 65 Prozent. 1886 führte van Vlothen
für die Hochöfen der Union in Dortmund einen verbesserten Düsen-
kopf 1) ein. Am 17. September 1889 erhielt Dr. Otto zu Dahlhausen
das Patent auf seine Regenerativ-Koksöfen (D. R. P. Nr. 50982).


1890 folgten viele Mitglieder des Vereins deutscher Eisenhütten-
leute einer Einladung nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika,
besonders zu einem Meeting der amerikanischen Eisenindustriellen in
Pittsburg, wodurch die freundschaftlichen Beziehungen fester geknüpft
und mancherlei neue Anregung gegeben wurde.


Zu Hörde, wo die Hochöfen von dem Stahlwerk fast 2 km ent-
fernt waren, stach man das Eisen in fahrbare Pfannen ab, die von
einer Lokomotive dem Konverter, beziehungsweise seit 1890 dem
Mischer zugeführt wurden. Dieses Verfahren, das ein häufigeres Ab-
stechen bedingte, fand auch auf anderen Werken Anwendung.


Um die Verwendung der Hochofenschlacken erwarb sich Lür-
mann
in Osnabrück Verdienste, der 1890 auch die Schlacken-
Cementfabrikation einführte.


Die Fortschritte der Eisengieſserei in den achtziger Jahren
finden zunächst in der Zunahme der Erzeugung von Guſswaren
II. Schmelzung ihren Ausdruck. Diese stieg in der Zeit von 1881 bis
1890 von 560222 Tonnen auf 1027384 Tonnen; hiervon die Guſs-
[1006]Deutschland (mit Luxemburg).
röhrenerzeugung von 72985 auf 154034 Tonnen. Der Guſs I. Schmel-
zung, unmittelbar aus dem Hochofen, erfuhr dagegen keine Zunahme.
Anfang der achtziger Jahre kamen die verbesserten Kupolöfen von
Ibrügger in Norden und von Krigar in Hannover und die von
Jäger erfundenen Hochdruck-Rootsgebläse zur Einführung.


Von hoher Bedeutung waren die 1887 von Bergrat Jüngst zu
Gleiwitz im Auftrage des Vereins deutscher Eisengieſsereien be-
gonnenen Schmelzversuche mit Siliciumeisen.


1890 kam der Dampfstrahl-Schmelzofen von Herbertz in Köln
zur Anwendung. Zahlreich waren die Verbesserungen der Form-
maschinen in diesem Zeitraum, vorzüglich die Leistungen von Gruson
in Buckau bei Magdeburg in Hartguſs, besonders für die Schumann-
schen Panzertürme. Neben schwedischem Roheisen verwendete Gruson
(1883) besonders Roheisen vom Harz, von Schmalkalden und von der
Lahn (Gebrüder Buderus).


Die Schweiſseisenerzeugung wurde zwar von der Fluſseisen-
erzeugung überflügelt, erfuhr aber doch noch eine Zunahme, indem sie
von 1349019 Tonnen im Jahre 1881 auf 1486658 Tonnen im Jahre
1890 stieg. Der Höchststand der Schweiſseisenerzeugung in Deutsch-
land fiel in das Jahr 1889 mit 1673449 Tonnen. Technische Fort-
schritte sind besonders bei den Feuerungen und dem Bau der Puddel-
öfen hervorzuheben. Die Maxhütte in Bayern hatte 1884 zuerst eine
gröſsere Anlage von Springeröfen mit zwei feststehenden Herden und
Wendeflamme in Betrieb; gute Erfolge erzielte man 1889 mit diesen
Öfen auf der Königin-Marien-Hütte in Sachsen 1). 1887 wurden auf
dem zur Friedenshütte gehörigen Walzwerk zu Zawadski acht Pietzka-
Drehpuddelöfen erbaut.


Viel mannigfaltiger noch waren die Verbesserungen bei der Fluſs-
eisenfabrikation
, besonders bei dem Thomasprozeſs, dem sich das
Interesse der Eisentechniker vornehmlich zuwendete, und der auch
das Bessemerverfahren mit saurem Futter rasch zurückdrängte. Leider
ist die Statistik der Fluſseisensorten in den achtziger Jahren zu
ungenau, um sichere Angaben über die Erzeugung von Bessemer-,
Thomas- und Martinstahl machen zu können. Am besten sind wir
noch über die Menge des Thomaseisens, worüber Thomas und
Gilchrist Angaben veröffentlicht haben, unterrichtet. Die deutsche
Statistik faſste die Fluſseisenerzeugung in dieser Zeit im ganzen
[1007]Deutschland (mit Luxemburg).
zusammen. Die Thomasstahlerzeugung betrug 1880 nur 18 Kilo-
tonnen, 1881 schon 200 Kilotonnen und 1890 1493 Kilotonnen.


1880 betrug die Erzeugung von Bessemerstahl in Deutschland noch
686 Kilotonnen, während nur 18 Kilotonnen Thomas- und 36 Tonnen
Martinstahl, im ganzen 740 Kilotonnen Fluſsstahl erzeugt wurden. 1886
betrug dagegen die Bessemerstahlerzeugung 374 Kilotonnen, die von
Thomasstahl 784 und die von Martinstahl 178 Kilotonnen, zusammen
1336 Kilotonnen. 1890 wurden 1493 Kilotonnen Thomasstahl und
739 Kilotonnen Bessemer- und Martinstahl, im ganzen 2232 Kilotonnen
Fluſsstahl erzeugt.


Die Thomasbirnen faſsten 7 bis 10 Tonnen, hatten mit der Hand
gestampfte Düsenböden, die meist als Durchziehböden ausgebildet
waren, so daſs sie einfach nach Entfernung des Windkastenverschlusses
abgenommen werden konnten.


In chronologischer Folge sind seit 1881 folgende Ereignisse
bemerkenswert.


Der Hörder Bergbau- und Hüttenverein hatte 1880 bis 1882 ein
neues Bessemerstahlwerk für basischen Betrieb erbaut und das alte
Werk niedergelegt. Die Thomasanlage „Peiner Walzwerk“ kam vom
November 1882 an in regelmäſsigen Betrieb. Bei beiden Anlagen
waren die Birnen nicht kreisförmig um Gruben, sondern in einer
Linie und in paralleler Stellung angeordnet. In Peine wurde der
Dolomit für die Futter, der in der Nähe gebrochen wurde, in Kupol-
öfen gebrannt, gemahlen, mit Teer gemischt und eingestampft. Man
verarbeitete nur eigenes Roheisen von der Ilseder Hütte, das 2,5 bis
3 Prozent Phosphor und 2,5 bis 3 Prozent Mangan enthielt. Nach
dem Umschmelzen in groſsen Kupolöfen enthielt das Eisen 0,7 bis
1,2 Prozent Mangan und 2,6 bis 3,2 Prozent Phosphor. Das Blasen
einer Charge dauerte nur 12 bis 15 Minuten. Während des Schlacken-
abgieſsens wurde Probe genommen und die Rückkohlung erfolgte dann
durch Einwerfen von etwa 12 Prozent rotwarmem Ferromangan von
54 bis 60 Prozent Mangangehalt.


Helmholtz in Bochum gelang es 1882, durch Zusatz von Fluſs-
spat das Nachblasen zu vermeiden, doch erwies sich dies als un-
ökonomisch. Das Eisenwerk Rote Erde, das 1882 noch 38 Puddel-,
12 Schweiſs- und 8 Schmelzöfen in Betrieb hatte, arbeitete mit drei
basischen Konvertern. Alfred Trappen, Direktor der Märkischen
Maschinenbauanstalt, vormals Kamp, in Wetter, baute besonders gute
Maschinen für Bessemerwerke.


Von groſsem Vorteil für die Thomaswerke war die Verwendung
[1008]Deutschland (mit Luxemburg).
ihrer Schlacken in der Landwirtschaft als Düngemittel. Anfangs
wurden die Schlacken durch Salzsäure aufgeschlossen und die Phos-
phorsäure nach einem Verfahren von Scheibler löslich gemacht.
1884 gründete hierauf die Gesellschaft Fertilitas zwei groſse Werke,
eins zu Stollberg bei Aachen und eins zu Schalke in Westfalen. 1885
begann G. Hoyermann zu Hoheneggelsen, die Thomasschlacke des
Peiner Walzwerks in feingemahlenem Zustande zu verwenden und in
den Handel zu bringen. Sie bewährte sich als gutes Düngemittel
zunächst für den Moorboden der norddeutschen Tiefebene, fand aber
bald allgemeine Anwendung in der Landwirtschaft.


1884 wurde ein basisches Bessemerwerk mit drei Birnen von der
Gesellschaft Phönix zu Laar bei Ruhrort erbaut. In demselben Jahre
führte das Eisenwerk Rasselstein das Thomasieren im Clapp-Griffith-
Konverter für seine Weiſsblechfabrikation ein. Die Birne hatte sechs
horizontale Winddüsen von 3 cm Weite 16 cm über dem Boden. Die
Düsen waren durch Klappen verschlieſsbar. Der Einsatz betrug
1,8 Tonnen, das Gebläse blieb bis nach dem Abstich in Thätigkeit.


1885 erfand Bruno Versen in Dortmund einen mechanischen
Stampfer für die Herstellung der Birnenfutter, den er 1891 noch ver-
besserte. — Die aus Thomaseisen von Peine hergestellten Bleche
wurden an Güte dem Lowmoorblech gleichgeschätzt.


1886 veröffentlichte Hilgenstock in Hörde wichtige Unter-
suchungen über den Verlauf des Thomasprozesses.


Thomasfluſseisen fand auch im Brückenbau immer mehr Ver-
wendung; G. Mertens baute die Fortonbrücke aus diesem Material.


1887 hatte die Erzeugung von Thomasfluſseisen besonders in
Rheinland und Westfalen einen groſsen Umfang angenommen: Rote
Erde erzeugte in drei 10- bis 12-Tonnen-Konvertern 100000 Tonnen,
Hösch in Dortmund 80000 Tonnen, Hörde und Dortmunder Union je
85000 Tonnen. Die Rheinischen Stahlwerke arbeiteten mit zwei
Thomas-, zwei Bessemerbirnen und vier Siemens-Martinöfen; Phönix
mit drei Thomas-, zwei Bessemerbirnen und zwei Siemens-Martinöfen.
Peine hatte eine Jahreserzeugung von 70000 Tonnen Thomas-
fluſseisen.


1888 wurde die Rückkohlung des Eisens mittels Filtrieren durch
eine Schicht Kohlen nach Darbys Erfindung von der Gesellschaft
Phönix, deren Direktor Thielen am 28. September das Patent für
Deutschland (D. R. P. Nr. 47215) erwirkt hatte, eingeführt. Thielen
verbesserte das Verfahren in den folgenden Jahren noch weiter
(D. R. P. Nr. 51353, 51963, 53784).


[1009]Deutschland (mit Luxemburg).

Das 1889 in Betrieb gesetzte neue Walzwerk von Hösch in
Dortmund machte in drei Thomaskonvertern 15000 Tonnen Fluſs-
eisen im Jahr. Man goſs jedesmal 16 flache Blöcke für Blechplatten auf
einmal, die durch drei hintereinander liegende Walzenpaare automatisch
geführt und zu Blech gewalzt wurden.


1889 führte Johann Meyer in Düdelingen ein abgeändertes
Rückkohlungsverfahren mit Kohlen ein (D. R. P. Nr. 17613, 74819).


Wichtig war die Einführung des Mischers durch den Hörder
Bergwerks- und Hüttenverein, welcher 1889 von Carnegie, Brothers
\& Co.
in Pittsburg das Patent für den Mischer von Jones für
Deutschland erworben hatte. Derselbe Verein erhielt 1890 für ein von
G. Hilgenstock und Massenez ausgearbeitetes Entschweflungs-
verfahren mittels Manganzusatz im Mischer ein Patent, das mit dem
ersterwähnten Patent kombiniert und verwertet wurde.


Die Erzeugung von Flammofenfluſseisen nahm in den
achtziger Jahren ebenfalls zu, doch nicht in dem Maſse, wie die
des Birnenfluſseisens. Eine zuverlässige Statistik fehlt leider. Der
wichtigste Fortschritt bestand darin, daſs man auch bei diesem
Prozeſs den Herd basisch machte. Mit basischem Futter erzielte man
ein vorzügliches weiches Produkt, das in vieler Beziehung dem Puddel-
eisen überlegen war. Das Verfahren blieb das alte Martinsche,
wobei man dem eingeschmolzenen Roheisen Eisen- und Stahlabfälle
zusetzte. Der Erzprozeſs fand in Deutschland keinen Eingang. Erz
und Hammerschlag gab man nur in kleinen Mengen als entkohlenden
Zuschlag zu Ende des Prozesses auf.


1881 wurden in Deutschland rund 900000 Tonnen Fluſseisen
erzeugt, davon 40 Prozent in Westfalen, von diesen vier Fünftel im
Konverter, ein Fünftel in Flammöfen und Tiegeln. Die Flammofen-
fluſsstahlerzeugung Westfalens dürfte damals höchstens 60000 Tonnen
betragen haben. Die gröſseren westfälischen Werke mit Herdstahlöfen
wurden oben bereits erwähnt; diese Öfen hatten 10 bis 15 Tonnen
Einsatz. Auſser diesen hatten Gildemeister \& Kamp in Dortmund-
Witten und Boenhoff in Hörde kleinere Martinöfen mit direkt
unter dem Ofen liegenden Generatoren.


Zu Ruhrort und Hörde wurde 1882 das Verfahren von Harmet:
Vorfrischen im Konverter und Fertigmachen im Flammofen versucht.
In diesem Jahre erbaute das Oberbilker Stahlwerk zwei Siemens-
Martin-Öfen.


1884 nahm Friedrich Siemens ein Patent auf ein Methode,
Fluſseisen im Flammofen direkt aus den Erzen zu schmelzen.


Beck, Geschichte des Eisens. 64
[1010]Deutschland (mit Luxemburg).

1887 erzeugte Krupp bereits 50000 Tonnen Fluſsstahl in seinem
Siemens-Martinwerk. Die Rheinischen Stahlwerke betrieben vier,
Phönix zwei Stahl-Flammöfen. Diese Öfen hatten meist basische Herde
aus Teerdolomit und hochliegende Gewölbe zur freien Flammen-
entfaltung nach dem Prinzip Fr. Siemens. Man machte nur drei
bis vier Schmelzungen in 24 Stunden und nahm öfter Proben. Im
Flammofen lieſsen sich Zusätze wie Spiegeleisen, Ferromangan u. s. w.
leichter zusetzen und verteilen als im Konverter.


1890 hatte man in Hörde bereits neun Siemens-Martinöfen für
15 Tonnen Einsatz. Die Heizung geschah durch Wassergas. Die
neuen Öfen hielten 300 bis 350 Hitzen aus, die alten 7-Tonnen-Öfen
nur 180 bis 250. Der Roheisensatz betrug 20 bis 25 Prozent.


Von hervorragender Wichtigkeit waren die Fortschritte des
Hüttenmaschinenwesens und der Qualität der Erzeugnisse. Chemie
und Physik arbeiteten Hand in Hand mit der Praxis und führten zu
Ergebnissen, die der deutschen Eisenindustrie zum Vorteil und zur
Ehre gereichten. Abgesehen von den vorzüglichen Universitäten und
technischen Hochschulen wirkten auch die Vereine, besonders der
Verein deutscher Eisenhüttenleute, sehr segensreich. Der Thomas-
prozeſs und sein Produkt wurden in Deutschland sehr gründlich
studiert und gaben die Veranlassung zu den mannigfaltigsten chemischen
Untersuchungen. Über die wirtschaftliche Bedeutung des Thomas-
prozesses hielt 1881 Direktor Brauns einen bemerkenswerten Vortrag
in der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute.


Das Fluſseisen fand immer mehr Verwendung. Anfänglich ver-
arbeitete man das Thomasfluſseisen nur zu Eisenbahnschienen. Aber
seine Weichheit, Gleichmäſsigkeit und Festigkeit lieſs es bald für
mancherlei andere Zwecke geeignet erscheinen, so z. B. schon 1881
für Bleche, Draht und Nieteisen. Für Geschirrblech war es vorzüglich.
Damals glaubte man noch für Weiſsblech nur Holzkohlenblech ver-
wenden zu dürfen, bald aber erkannte man die Vorzüge des Fluſs-
stahlblechs für diese Fabrikation.


1881 veröffentlichte die zur Revision der Klassifikation von Eisen
und Stahl eingesetzte Kommission ihr Gutachten. In demselben Jahre
erfand Otto Klatte ein Walzverfahren für endlose Ketten.


1882 wurde Spannagels neues Stahldraht-Walzwerk in dem
Hüttenwerk Phönix bei Ruhrort in Betrieb genommen.


1883 wurde die Einführung einheitlicher chemischer Unter-
suchungsmethoden von Dr. Schmitt-Wiesbaden angeregt und vom
Verein deutscher Eisenhüttenleute hierfür eine Kommission erwählt.
[1011]Deutschland (mit Luxemburg).
Bauschinger-München berief 1884 eine Konferenz zur Vereinbarung
einheitlicher Prüfungsverfahren für Bau- und Konstruktionsmaterial.
Erwähnenswert ist, daſs in diesem Jahre Kruppscher Stahl in den
Eisenbahnwerkstätten zu Darlington in England bevorzugt wurde.
Daſs Krupp nach allen übrigen Ländern der Welt bis nach Chili,
China und Australien damals bereits seinen Stahl lieferte, braucht
kaum hervorgehoben zu werden. 1884 beschäftigte die Guſsstahl-
fabrik zu Essen 10213 Arbeiter und lieferte 200000 Tonnen Eisen-
und Stahlwaren. Im Jahre 1887, dem Todesjahr Alfred Krupps,
war die Arbeiterzahl auf 12674 gestiegen.


1884 gab C. Scharowsky im Auftrage des Vereins deutscher
Eisen- und Stahlindustrieller ein deutsches Musterbuch für Eisen-
konstruktionen heraus.


Die Eigenschaften des weicheren Fluſseisens von den basischen
Prozessen lieſsen eine Abänderung der früheren Qualitätsvorschriften
und Lieferungsbedingungen notwendig erscheinen. Mit dieser Frage
beschäftigten sich die Regierungen, die Eisenbahnverwaltungen und
die groſsen technischen Vereine. 1886 stellte der Verband deutscher
Architekten- und Ingenieurvereine Normalbedingungen für die Lieferung
von Eisenkonstruktionen für Brücken- und Hochbau fest.


In demselben Jahre nahm Dr. Kögel in Remscheid die ersten
Patente auf sein Schrägwalzverfahren, das 1887 und 1888 von
Mannesmann weiter entwickelt und in die Praxis eingeführt wurde.
Es erregte das gröſste Aufsehen, besonders nachdem 1889 Professor
Reuleaux in Berlin einen sensationellen Vortrag darüber gehalten
hatte.


Hugo Sack in Duisburg erfand 1887 ein verbessertes Universal-
walzwerk und 1888 einen Kantapparat zur Bedienung von Reversier-
walzwerken 1).


Am 14. Juli 1887 verschied einer der bedeutendsten Männer
Deutschlands, Alfred Krupp, der die Guſsstahlfabrik seines Vaters,
Friedrich Krupp, in Essen zu so wunderbarer Höhe gebracht hatte.
Die ganze Welt nahm an seinem Tode teil, denn er hatte durch
seinen Guſsstahl und seine Kanonen seinen Namen in allen Ländern
bekannt gemacht. Alfred Krupp war groſs als Mensch und als
Industrieller. Was er geworden, dankt er der eigenen Kraft. Der
geniale Mann, zu dem unser groſser Kaiser Wilhelm in freund-
schaftlichem Verhältnis stand und der dem Vaterlande so hervor-
64*
[1012]Deutschland (mit Luxemburg).
ragende Dienste geleistet hat, wird alle Zeit der Stolz der Deutschen,
ein Stern der Eisenindustrie und ein Vorbild für unsere Jugend
bleiben. Näher auf die Einzelheiten seines Lebens und seiner Thätig-
keit einzugehen, als bisher geschehen ist, gestattet der Raum nicht,
auch sind bereits mehrere Lebensbeschreibungen Krupps veröffentlicht
worden 1).


In demselben Jahre, am 6. Dezember 1887, starb noch ein anderer
Mann, der sich um die Eisenindustrie Rheinlands und Westfalens wie
um die Walzindustrie und das Hüttenmaschinenwesen im allgemeinen
verdient gemacht hat, Rainer Daelen, der am 10. Oktober 1813 in
Essen geboren war. Besonders bekannt ist er durch seine Thätigkeit
in Hörde. Er erfand bereits 1843 ein Universalwalzwerk, 1852 einen
Dampfhammer, 1856 die Fabrikation schmiedeeiserner Radscheiben.
Zahlreich waren seine Verbesserungen an Walzwerken, besonders an
dem Drahtwalzwerk. 1869 trat er in Hörde aus und gründete das
Neuſser Eisenwerk, zog sich aber wenige Jahre später in das Privat-
leben zurück.


Am 9. März 1888 starb Kaiser Wilhelm der Groſse, der sieg-
reiche Held, der Einiger Deutschlands und Wiederaufrichter der
deutschen Kaisermacht, unter dessen glorreicher Herrschaft die
deutsche Eisenindustrie zu neuem Leben erwacht war.


1888 fanden die hydraulischen Schmiedepressen in der Eisen-
industrie Eingang. Alfred Krupp hatte bereits 1886 den Plan zu
einer groſsen Anlage mit Schmiedepressen für die Geschützfabrikation
gefaſst, doch erlebte er die Ausführung des berühmten „Preſsbaues“ zu
Essen, einer der gröſsten und schönsten Werkstätten der Welt, nicht.
Die erste groſse Schmiedepresse wurde der bekannten Maschinenfabrik
von Tannet \& Walker zu Leeds in England in Auftrag gegeben
und 1889 aufgestellt. Aber schon im Jahre 1888 baute die Firma
L. W. Breuer, Schumacher \& Co. in Kalk bei Köln eine pneu-
matisch-hydraulische Schmiedepresse nach dem System Prött \& Seel-
hof
, mit Akkumulatoren mit komprimierter Luft oder flüssiger Kohlen-
säure (D. R. P. Nr. 43434). Seitdem hat die genannte Maschinenbaufirma
im Bau von Schmiedepressen groſse Fortschritte gemacht und Hervor-
ragendes geleistet. 1889 bauten Haniel \& Lueg in Düsseldorf die
erste Schmiedepresse nach ihrem Patent (D. R. P. Nr. 51360).


[1013]Deutschland (mit Luxemburg).

1889 gründete Haarmann, Direktor der Georg-Marien-Hütte, der
sich groſse Verdienste um den eisernen Eisenbahnunterbau erworben
hat, in Osnabrück sein bekanntes „Geleise-Museum“.


In demselben Jahre veröffentlichte der Verein deutscher Eisen-
hüttenleute Vorschriften für Lieferung von Eisen und Stahl.


1890 kam bei Krupp in Essen das groſse Panzerplattenwalzwerk
mit Reversierdampfmaschine in dem oben erwähnten Preſsbau in
Betrieb. — Von technischen Fortschritten in diesem Jahre sind noch
die Herstellung spiralförmig geschweiſster Röhren und die Blech-
reinigungsmaschine von W. Goes in Schalke (D. R. P. Nr. 52817) zu
nennen. Der germanische Lloyd erlieſs ein Reglement zur Prüfung
von Schweiſs- und Fluſseisen. Das Vorurteil gegen Fluſseisen im all-
gemeinen und gegen Thomaseisen im besonderen war jetzt geschwunden.
L. Tetmajer empfahl letzteres ausdrücklich für Baueisen.


In den neunziger Jahren setzte die deutsche Eisenindustrie ihren
glänzenden Vormarsch fort. Während die Jahre 1889 bis 1893 in
Groſsbritannien Jahre des Rückgangs waren, kam in Deutschland die
Ungunst der Zeit, wenn man die graphische Darstellung der Roheisen-
erzeugung auf Seite 981 betrachtet, nur durch einige Zuckungen
infolge mäſsiger Verlangsamung der Zunahme zum Ausdruck, die von
1895 an verschwinden und einer raschen Aufwärtsbewegung Platz
machen. Die Roheisenerzeugung von 1891 bis 1899 stieg von 4641
auf 8029 Kilotonnen, also um 3388 Kilotonnen, während diese
Zunahme in der gleichen Zeit der achtziger Jahre 1511 Kilotonnen
und der siebziger Jahre 663 Kilotonnen betragen hatte. In Prozenten
ausgedrückt war die Zunahme in diesen Zeitabschnitten rund um 73,
52 und 42 Prozent. Das Wachsen der Roheisenerzeugung Deutsch-
lands von 1871 bis 1899 beziffert sich auf 6465 Kilotonnen oder auf
413 Prozent. Vergleicht man hiermit die Roheisenerzeugung Groſs-
britanniens, so betrug deren Zunahme 1891 bis 1899 2018 Kilotonnen
oder 27 Prozent und die ganze Zunahme von 1871 bis 1899 nur
2846 Kilotonnen oder etwas über 42 Prozent. Hierdurch ist die
deutsche Produktion der englischen bedeutend näher gerückt: 1871
war das Verhältnis 1564/6697 Kilotonnen, 1900 8520/9052 Kilotonnen.


Deutschlands groſsartiger Fortschritt in der Eisenindustrie ist
hauptsächlich bedingt durch die rasche Entwickelung des basischen
Konverterprozesses, des Thomasverfahrens, während Englands relatives
Zurückbleiben aus der Vernachlässigung dieses Verfahrens hergeleitet
werden dürfte, wie aus nachstehenden Ziffern erhellt:


[1014]Deutschland (mit Luxemburg).

Erzeugung von Thomasfluſseisen in Kilotonnen.


Die technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fort-
schritte der neunziger Jahre knüpfen an die vorhergegangenen an
und sind als deren konsequente Fortsetzung zu betrachten.


Bei dem Hochofenbetriebe kam dies durch stärkere Wind-
erhitzung infolge der allgemeinen Einführung und der Verbesserung
der Winderhitzer und durch höhere Windpressung infolge der Ein-
führung stärkerer Gebläsemaschinen zum Ausdruck. Seit 1892 erlangte
die Einfuhr schwedischer Erze besonders von Grängesberg und Gellivara
gröſsere Bedeutung und hat seitdem von Jahr zu Jahr zugenommen.
Der Bezug eisenreicher Erze aus dem Auslande und die Anreicherung
des Möllers mit denselben erhöhte das Ausbringen und die Tages-
erzeugung.


Von Wichtigkeit waren auch die Fortschritte der Koksfabrikation,
besonders die Erfindung der Koksöfen mit Gewinnung der Neben-
produkte von Dr. Otto (Otto \& Co.) zu Dahlhausen 1892. Die Fort-
schritte im Transport der Materialien durch die Drahtseilbahnen von
Otto, Pohlig und Bleichert \& Co. seit Anfang der neunziger Jahre
förderten die Massenerzeugung.


Auf theoretischem Gebiete wirkten die von dem Verein für
Eisenhüttenleute unterstützten Bestrebungen der Einführung einheit-
licher Untersuchungsmethoden förderlich. Dieser Verein war es
auch, der auf Einladung amerikanischer Fachgenossen 1891 eine
Festfahrt deutscher Eisenhüttenleute nach den Vereinigten Staaten
veranstaltete, die zur Erweiterung der Kenntnisse und zur Anknüpfung
internationaler Beziehungen beitrug. Der um die Eisenhüttenkunde
hochverdiente Professor Dr. H. Wedding veröffentlichte 1892 eine
wichtige Arbeit über Wärmeverluste bei Hochöfen 1).


Die technischen Hochschulen und die Fachschulen wurden immer
stärker besucht. Die rheinisch-westfälische Eisenhüttenschule wurde
[1015]Deutschland (mit Luxemburg).
1891 von Bochum nach Duisburg verlegt. Von dem glücklich sich
entwickelnden Verein deutscher Eisenhüttenleute zweigten sich 1893
als Untervereine die Eisenhütte Düsseldorf und die Eisenhütte Ober-
schlesien zur Wahrung mehr lokaler Interessen ab.


Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wurden noch enger
durch die Columbische Weltausstellung in Chicago im Jahre 1893, die
von deutschen Eisenindustriellen gut beschickt und besucht wurde;
diese Beziehungen wirkten anregend und fördernd. Über das Berg-
und Hüttenwesen auf der Chicagoer Weltausstellung erstattete Professor
Wedding Bericht (Stahl und Eisen 1893 und 1894).


Im Jahre 1893 verstarben am 14. August Joh. Schlink, der
verdiente Direktor der Friedrich-Wilhelm-Hütte zu Mülheim, und am
25. März Professor G. Bauschinger in München, der eifrige Förderer
einheitlicher Materialprüfungsverfahren.


Beachtenswert sind die Untersuchungen von W. van Vloten über
die Verbrennung im Hochofengestell. Die Reinigung der Gichtgase
wurde verbessert.


Die Erzeinfuhr aus Schweden, die 1890 190329 Tonnen betragen
hatte, war 1893 schon auf 455097 Tonnen gestiegen. 1894 wurden
601404 Tonnen spanische Erze von Bilbao, 341632 Tonnen schwedische
Magneteisensteine von Gellivara über Luleå und 341632 Tonnen von
Grängesberg über Oxelösund importiert. Der gröſste Teil der Ein-
fuhr ging nach Rheinland und Westfalen.


1894 besuchten rheinisch-westfälische Mitglieder des Vereins
deutscher Eisenhüttenleute auf Einladung belgischer Fachgenossen
die wichtigsten Eisenwerke Belgiens.


Nachstehende Tabelle der deutschen Hochofenwerke nebst Angabe
ihrer Leistungsfähigkeit ist einem Vortrage des Herrn Ingenieurs
E. Schrödter über die Deckung des Erzbedarfs der deutschen
Hochöfen, gehalten bei der Hauptversammlung des Vereins deutscher
Eisenhüttenleute am 23. Februar 1896 in Düsseldorf 1), entnommen.


[1016]Deutschland (mit Luxemburg).

Deutsche Hochofenwerke und ihre Leistungsfähigkeit
Ende 1895
(von E. Schrödter).


[1017]Deutschland (mit Luxemburg).
[1018]Deutschland (mit Luxemburg).

Von hervorragendem Interesse war die Gründung des Hütten- und
Stahlwerks „Deutscher Kaiser“ in Bruckhausen a. M. 1890 wurde
das Martinstahlwerk errichtet; 1895 begann man mit dem Bau
der Hochofenhütte, die für sechs Hochöfen vorgesehen wurde.


[1019]Deutschland (mit Luxemburg).

Im Jahre 1895 machten eine gröſsere Anzahl amerikanischer
Ingenieure, Mitglieder der Americ. Soc. of Civil Engineers, der A. S.
of Mechanical Engineers und der A. S. of Mining Engineers einen
Besuch der deutschen Eisen- und Stahlwerke in Rheinland und
Westfalen.


Am 22. August 1896 beging das Königl. preuſsische Hüttenwerk
zu Gleiwitz, dem der Ruhm gebührt, den Kokshochofenbetrieb in
Deutschland zuerst ein- und durchgeführt zu haben, seine hundert-
jährige Gedenkfeier.


1897 wurde von Graf Guido Henckel von Donnersmarck die
Hochofenhütte „Kraft“ bei Stettin gegründet und einer der nach
modernen Grundsätzen erbauten Hochöfen in diesem, der zweite in
dem folgenden Jahre und ein dritter 1899 in Betrieb genommen.
Es wurden vornehmlich schwedische Erze verschmolzen. Für dieses
Werk war in der steinarmen Gegend die Fabrikation von Schlacken-
steinen von groſser, ökonomischer Bedeutung.


Die Dinglersche Maschinenfabrik in Zweibrücken konstruierte
1896 einen Gasfang mit Deckelverschluſs, desgleichen erfand Dr. Neu-
mark
auf der Donnersmarckhütte 1898 einen doppelten Gichtverschluſs.


1897 begann man auf der Eisenhütte des Hörder Vereins mit
Versuchen über die Verwendung der Hochofengase zur Krafterzeugung
in Gasmaschinen. Im April 1898 1) kamen in Hörde eine Zwillings-
gasmaschine von 600 Pferdestärken von der Berlin-Anhaltischen
Maschinenbau-Aktiengesellschaft in Dessau, nach dem Patent
Oechelhäuser \& Junkers gebaut, in Betrieb, ferner zwei Zwillings-
maschinen von 200 Pferdestärken und zwei ebensolche von 300 Pferde-
stärken, zusammen von 1000 Pferdestärken, auf der Friedenshütte
bei Morgenroth in Oberschlesien, eine Schöpfung des um die ober-
schlesische Eisenindustrie hochverdienten Direktors Eduard Meier,
der ihre Vollendung nicht mehr erlebte, da er am 8. Januar 1899
aus dem Leben schied. Es waren Viertaktmaschinen der Gasmotoren-
fabrik Deutz bei Köln. Bald darauf entstanden noch verschiedene
kleinere Anlagen zu Gutehoffnungshütte bei Oberhausen, zu Differ-
dingen, zu Berge-Borbeck (Phönix). Die ersten groſsen Gichtgas-
maschinen wurden zur Erzeugung von Elektrizität verwendet. Deutsch-
land hat in kurzer Zeit groſse Fortschritte auf dem wichtigen Gebiete
der Gichtgas-Kraftmaschinen gemacht.


Am 16. August 1899 starb in Heidelberg Robert Bunsen im
[1020]Deutschland (mit Luxemburg).
89. Lebensjahre, dessen chemische Untersuchung der Hochofengase
für die Verwendung derselben sowie für das Verständnis des Hoch-
ofenprozesses grundlegend waren.


Wie sehr die Leistung der deutschen Hochöfen zugenommen
hatte, zeigt nachstehende Zusammenstellung der durchschnittlichen
Tagesproduktion eines Hochofens der Ilseder Hütte:




Der Eisengieſserei war durch den Stahlformguſs ein gefähr-
licher Konkurrent entstanden, dennoch nahm die Guſswarenerzeugung
infolge des wirtschaftlichen Aufschwunges und des Wachstums der
Industrie in den neunziger Jahren stetig zu. Sie betrug 1890
1060196 Tonnen, 1899 1769101 Tonnen, die Zunahme betrug dem-
nach fast 67 Prozent.


Von den Fortschritten auf mechanischem Gebiete sind hervor-
zuheben die Verbesserungen und die allgemeine Verwendung der
Formmaschinen, wobei namentlich die Verwendung des Wasserdrucks
von Wichtigkeit war. Von den zahlreichen Erfindern und Erbauern
sind besonders die Badische Maschinenfabrik in Durlach vormals
Sebold \& Neff und Bopp \& Reuter in Mannheim zu nennen.


1892 wurde das Grusonwerk, das 1855 von Hermann Gruson
zu Buckau bei Magdeburg begonnen und durch seinen vorzüglichen
Hartguſs zu groſsartiger Entfaltung gelangt war, mit den Werken
von Friedrich Krupp vereinigt. Am 31. Januar 1895 verstarb der
hochverdiente Gründer des Werkes. In demselben Jahre verschied
hochbetagt Eduard Schott zu Ilsenburg, der sich um den Kleinguſs,
besonders den Kunstguſs, sehr verdient gemacht hatte.


1897 fand gelegentlich der Jahresversammlung des Vereins
deutscher Eisengieſsereien in Goslar eine Ausstellung statt, wobei
die wichtigsten Neuheiten vorgeführt wurden, darunter ein Hoch-
druck-Kapselgebläse von Jäger und ein neues Schraubengebläse von
Krigar \& Ihssen, Formmaschinen von der Badischen Maschinen-
fabrik in Durlach, von S. Oppenheim in Hainholz u. s. w., ein
hydraulisches Hebezeug von Klein, Schanzlin \& Becker in Franken-
thal u. a. m. 1897 lieſs sich die Badische Maschinenfabrik auch einen
besonders für Gieſsereien geeigneten hydraulischen Masselbrecher 1)
patentieren.


[1021]Deutschland (mit Luxemburg).

Der Wert der chemischen Analyse und der Kenntnis der Zu-
sammensetzung des Roheisens wurde auch in der Gieſserei immer
mehr gewürdigt, und Gieſsereiroheisen wird jetzt bereits mehr auf
Grund der Analysen als nach dem Bruchansehen gekauft 1).


Die Schweiſseisenerzeugung hat seit 1890 durch die Kon-
kurrenz des weichen Fluſseisens von den basischen Prozessen eine
Abnahme erfahren; über technische Fortschritte ist nichts Wich-
tiges zu berichten.


Am Schluſs des Jahrhunderts bestanden in Deutschland folgende
Puddelwerke:


[1022]Deutschland (mit Luxemburg).
[1023]Deutschland (mit Luxemburg).

Das Fluſseisen hatte sich die Herrschaft erobert und die
Erzeugung desselben einen groſsen Aufschwung genommen. Die
deutsche Fluſseisenproduktion in Blöcken betrug (nach Rentzsch)
1890 2232099 Tonnen, 1899 6290434 Tonnen, war also um 282 Pro-
zent gewachsen. Der Zuwachs entfällt ganz auf das basische Material,
das 1896 88,9 Prozent ausmachte. Es wurden nämlich erzeugt
351500 Tonnen = 7,3 Prozent saures und 3004600 = 62,2 Prozent
basisches Konvertereisen, 184100 Tonnen = 3,8 Prozent saures und
1293709 Tonnen = 26,7 Prozent basisches Herdfluſseisen.


Die technischen Fortschritte beruhten zum Teil auf verbesserten
Betriebseinrichtungen, zumeist aber auf Verbesserungen der Bearbei-
tungsmaschinen. Die Kleinbessemerei hatte in Deutschland wenig Ver-
breitung gefunden. Die zwei Clapp-Griffith-Konverter auf dem
Blechwalzwerk Rasselstein bei Neuwied sind neuerdings auch durch
Siemens-Martin-Öfen verdrängt worden. Vielmehr ging das Streben
dahin, die Konverter zu vergröſsern, namentlich für den Thomas-
prozeſs
.


1893 hatten die nachfolgend angeführten Werke 1) den Thomas-
prozeſs eingeführt:


[1024]Deutschland (mit Luxemburg).

1896 waren (nach Schrödter und Rentzsch) in Deutschland
von Konvertern vorhanden:




Von den Birnen mit saurem Futter entfiel der gröſste Teil auf
das Kruppsche Guſsstahlwerk in Essen, dem ein vorzügliches
Bessemerroheisen zur Verfügung stand und das deshalb an dem sauren
Verfahren festhielt. — Die Einführung der Roheisenmischer trug zur
Verbesserung der Qualität und zur Erhöhung der Produktion bei.


Der Herdfluſsstahlprozeſs erlangte in den neunziger Jahren
eine wachsende Bedeutung, und das weiche basische Herdfluſseisen
fand immer mehr Verwendung. Der Herdprozeſs hat den Vorzug,
daſs er sich besser dem Bedürfnis anpassen läſst, sowohl in Bezug
auf den Umfang der Erzeugung als auf die Qualität. Auch ist er
für den Stahlformguſs sehr geeignet. Bei dem Herdprozeſs hat eben-
falls das basische Verfahren das saure überflügelt.


1895 stellte die Aktiengesellschaft Lauchhammer eine selbst
erbaute elektrische Chargiermaschine nach Welmanschem Sy-
steme auf.


[1025]Deutschland (mit Luxemburg).

1896 wurde bereits mehr als die siebenfache Menge auf basischen
Herden erzeugt. Von Formguſs wurden 1894 47800 Tonnen, 1896
bereits 65300 Tonnen in 32 Werken hergestellt. Es betrug 1896 die
Zahl der Herdöfen:


Bei dem Herdprozeſs sind Fortschritte bei den Öfen und dem
Betriebe zu verzeichnen. F. Schönwalders verbesserter Martinofen
(D. R. P. Nr. 55707 und 64235) wurde 1891 patentiert und be-
währte sich gut auf der Friedenshütte in Schlesien. Ebenso wurde
das Kohlungsverfahren von J. Meier in Düdelingen mit Erfolg an-
gewendet.


Am 20. Juli 1897 starb Alexander Thielen, der um die deutsche
Eisenindustrie hochverdiente Direktor der Phönixwerke.


1897 war in Westfalen der saure Prozeſs nur noch bei Krupp
in Essen in Ausübung, doch hatte man auch hier bereits Siemens-
Martin-Öfen mit basischen Herden. Das basische Verfahren erlaubte
einen noch höheren Zusatz von Eisenabfällen bis zu 90 gegen 85 Pro-
zent. Die Gutehoffnungshütte bei Oberhausen erzielte eine Be-
schleunigung, sechs Chargen gegen fünf im Tage, durch den
Zusatz heiſser Abfälle. Die 20-Tonnen-Öfen von Hösch in Dortmund
waren nur 7,5 m lang und 3,23 m breit, während die 15-Tonnen-Öfen
der Rheinischen Stahlwerke 11 m lang und 4,5 m breit waren.


1897 zog der Bertrand-Thiel-Prozeſs, wobei Vorfrischen und
Garen in zwei oder selbst drei Flammöfen in getrennten Operationen
vorgenommen wurden, die Aufmerksamkeit auf sich. In der Her-
stellung von Nickelstahl zeichnete sich besonders die Guſsstahlfabrik
von Friedrich Krupp in Essen aus.


Die Fortschritte der Bearbeitung von Eisen und Stahl waren in
den neunziger Jahren sehr bedeutend. Zunächst verdient die zu-
nehmende Verwendung des Wasserdruckes hervorgehoben zu werden.
Hydraulische Schmiedepressen ersetzten vielfach die Dampfhämmer.
Diese wurden seit Anfang der neunziger Jahre in Deutschland gebaut
und zwar in vorzüglicher Weise. Hierum machten sich verdient die
Märkische Maschinenbau-Gesellschaft in Wetter (Direktor Trappen)
Beck, Geschichte des Eisens. 65
[1026]Deutschland (mit Luxemburg).
1890, die Duisburger Maschinenbau-Aktiengesellschaft 1891, der
Bochumer Verein für Bergbau und Guſsstahlfabrikation, der 1891
eine Presse von 4000 Tonnen Druck nach dem Patent von Fritz
Baare
(D. R. P. Nr. 45323) für den eigenen Gebrauch baute. R. M.
Daelen und Haniel \& Lueg in Düsseldorf lieſsen sich ebenfalls
Schmiedepressen patentieren. Besonders Hervorragendes leistete die
Firma L. W. Breuer, Schumacher \& Co., deren Schmiederpressen
einen groſsen Ruf erlangten und auch vom Auslande bezogen
wurden.


Ebenso wurden zu Anfang der neunziger Jahre verschiedene
Verbesserungen an Walzwerken patentiert. Mannesmann walzte
1892 aus nach seinem Schrägwalzverfahren hergestellten Röhren hohle
Eisenbahnschienen. Bicheroux erfand 1892 ein eigenartiges Walz-
werk für breitfüſsiges Formeisen.


Was die deutsche Eisenindustrie leistete, kam bei der Welt-
ausstellung zu Chicago 1893 zur Anschauung, besonders durch die
vorzügliche Ausstellung von Krupp in Essen, wodurch Friedrich
Alfred von Krupp
den Beweis lieferte, daſs er ein würdiger Nach-
folger seines am 14. Juli 1887 verstorbenen groſsen Vaters Alfred
Krupp
geworden ist. Die Kruppschen Werke waren seitdem nicht
zurückgegangen, sondern noch bedeutend gewachsen. 1892 be-
schäftigte die Firma 25310 Arbeiter, davon 16956 in dem Guſs-
stahlwerke zu Essen; in den Werken befanden sich 1500 Öfen aller
Art, 22 Walzenstraſsen, 111 Dampfhämmer, 4 groſse Schmiedepressen,
3000 Werkzeugmaschinen. Die 4200 Tonnen Steinkohlen, welche die
Werke verbrauchten, wurden gröſstenteils aus eigenen Gruben ge-
fördert, ebenso Thon, Sand, Steine und ein groſser Teil der Erze.
Für den Transport der spanischen Erze dienten vier groſse eigene
Dampfer 1). — Die Ausstellung Krupps in Chicago war in einem
eigenen, geschmackvollen Pavillon 2) untergebracht. Die Vorführung
von Kriegsmaterial, Geschützen, Panzerlafetten u. s. w., war unerreicht.
Das Rohr des 42 cm-Geschützes war 14 m lang und wog 122400 kg;
es war aus bestem Tiegelguſsstahl hergestellt. Die Schuſsweite betrug
8850 m. Letztere wurde noch übertroffen von einer 28 cm-Küsten-
kanone, die bei Versuchen in Meppen bei 45° Elevation eine Schuſs-
weite von 20300 m erzielt hatte. Auch die gewaltigen Panzerplatten
[1027]Deutschland (mit Luxemburg).
von gehärtetem Nickelstahl, worunter eine von 8,27 m Länge, 3,13 m
Breite und 310 mm Dicke, aus einem Block von 75000 kg gewalzt,
müssen zu dem Kriegsmaterial gerechnet werden. Mannigfaltiger
noch waren die Vorführungen der Leistungen Krupps für Arbeiten
des Friedens: Eisenbahnmaterial jeder Art, Stahlformguſs, darunter
ein Radkranz mit Winkelzähnen, aus einem Stück gegossen von
4200 mm Durchmesser, 1000 mm Breite und 20200 kg Gewicht, sodann
bewundernswerte Schmiedestücke aus Guſs- und Martinstahl. Aus
letzterem eine Kurbelwelle mit drei Kurbelzapfen, sechs Kurbelblättern
und sechs Kurbelzapfen im Gewicht von 105000 kg und eine hohle
Guſsstahlwelle, hergestellt aus einem Tiegelstahlblock von 1,25 m
Durchmesser und 2,7 m Länge, ausgeschmiedet auf 300 mm äuſseren
Durchmesser, abgedreht und auf die ganze Länge mit einer Bohrung
von 110 mm versehen. — Von sonstigen deutschen Ausstellungen der
Eisenbranche sind die von Stumm in Neunkirchen und die von
Mannstädt, der schon gewalztes Ziereisen vorführte, hervor-
zuheben.


1894 am 27. April starb Richard Mannesmann1), der die
Feilenindustrie Remscheids zu hohem Ansehen gebracht hatte, und
dessen Namen durch das Schrägwalzverfahren wohlbekannt geworden
war. Erwähnenswert sind in diesem Jahre das in Creuzthal ein-
geführte Blankglühverfahren des Drahtes durch Elektrizität von
H. A. und W. Dresler (D. R. P. Nr. 77986), sodann 1895 die Er-
bauung des verbesserten Trägerwalzwerks zu Peine durch die Duis-
burger Maschinenbau-Aktiengesellschaft 2), und des Blockwalzwerks
der Dortmunder Union durch Gebr. Klein in Dahlbruch, 1896 eine
hydraulische Blechschere mit Selbststeuerung und verstellbarem Messer-
hub des Oberbilker Walzwerks von der Duisburger Maschinenbau-
Aktiengesellschaft 3) und von derselben ein Trio-Universalwalzwerk
bis zu 800 mm Breite, dann eine Schmiedepresse mit auswechselbarem
Werkzeug von H. Ehrhardt. Ferner sind aus dieser Zeit zahlreiche
Verbesserungen bei der Drahtfabrikation zu erwähnen: Die Draht-
haspel von Otto Frank, von L. W. und F. H. Hanne, von W. Eden-
born
, die Drahtziehmaschinen von Carl Bremicker, der Drahtzug
von Carl Berkenhoff. Der deutsche Maschinenbau war überhaupt
65*
[1028]Deutschland (mit Luxemburg).
zu hoher Blüte gelangt, was auch in dem wachsenden Export zum
Ausdruck kam.


Reinhard und Max Mannesmann lieſsen sich 1896 ein Walz-
werk für schrittweises Walzen von Röhren und anderen Hohlkörpern
(Pilgerschritt-Walzwerk, D. R. P. Nr. 88414) patentieren.


Am 21. März 1897 starb Toussaint Bicheroux und am
17. Mai L. Baare, der das Bochumer Guſsstahlwerk zu hoher Blüte
gebracht hatte — beide um die deutsche Eisenindustrie verdiente
Männer.


Zur Verbesserung der Qualität trug die sorgfältige Material-
prüfung wesentlich bei. Hierfür wirkten die staatlichen Prüfungs-
anstalten zu Berlin-Charlottenburg, München und Zürich, und die
Vereine, wie der Verein deutscher Eisenhüttenleute, der Verein
deutscher Ingenieure, der Deutsche Architekten- und Ingenieurverein,
und besonders Männer wie Bauschinger, Wedding, Martens,
Tetmayer
u. a. Am 22. Oktober 1892 nahmen die vorgenannten
Vereine Normalbedingungen für die Lieferung von Eisenkonstruktionen
für Brücken- und Hochbau an. Von Wichtigkeit war die chargenweise
Probenahme, sowohl beim Thomas- wie beim Martinprozeſs. Hierfür
hatte unter anderen G. Mehrtens eifrig gewirkt. 1897 erschien auf
Veranlassung der oben genannten Vereine ein deutsches Normalprobe-
buch, herausgegeben von den Professoren der technischen Hochschule in
Aachen, Heinzerling und Intze, und dem Direktor des Eisenwerkes
Rote Erde bei Aachen, F. Kintzlé.


Durch die Materialprüfung waren die Vorurteile gegen das
Fluſseisen nach und nach beseitigt worden, und es haben hierzu Tet-
mayer
und Mehrtens1) wesentlich beigetragen. Im Brückenbau wie
im Schiffsbau, welche beide Industrieen sich groſsartig entfalteten,
wurde weiches Fluſseisen sowohl vom Thomas- als auch vom Siemens-
Martin-Prozeſs zugelassen und in immer zunehmenden Mengen ver-
wendet. Überhaupt nahm die Benutzung des Eisens und namentlich
die des Fluſseisens von Jahr zu Jahr zu.


Von den zahlreichen Brückenbauten neuester Zeit nennen wir
die Rheinbrücken bei Bonn, Düsseldorf und Worms und die kühne
Bogenbrücke bei Müngsten, die beiden letztgenannten von Rieppel
in Nürnberg entworfen und von der Nürnberger Maschinenbau-Anstalt
ausgeführt.


Am 30. Juli 1898 starb Fürst Bismarck, der groſse Staatsmann,
[1029]Deutschland (mit Luxemburg).
der Gründer des neuen Deutschen Reiches, dem die deutsche Eisen-
industrie so viel verdankt. Eine der schönsten Früchte des Zu-
sammenwirkens des groſsen Kanzlers und des edelgesinnten deut-
schen Kaisers Wilhelm I. waren die Arbeiterschutzgesetze: das
Unfallversicherungsgesetz, das Krankenversicherungsgesetz und das
Invaliden- und Altersversicherungsgesetz, deren Segen die Last, die
es der deutschen Industrie auferlegt, bei weitem aufhebt und die
Muster und Beispiel für andere Nationen geworden sind. Überhaupt
gereicht das Streben nach Fürsorge für die Arbeiter und die Schaffung
von Wohlfahrtseinrichtungen für diese zu besonderem Ruhme und
keiner hat dies in groſsartigerer und vielseitigerer Weise bethätigt
als der Guſsstahlfabrikant Krupp in Essen.


Fürst Bismarck hat auch den Grund zu Deutschlands Kolonial-
politik gelegt. Diese in Verbindung mit dem mächtigen Aufblühen
des Seehandels führte zu einem Aufschwunge des deutschen Schiffs-
baues, welcher der Eisenindustrie zu groſsem Nutzen gereichte.


Friedrich Krupp in Essen erwarb 1897 die Germaniawerft
bei Kiel und baute sie zu einer groſsartigen Schiffsbau-Anstalt für
groſse Panzerschiffe aus. Am 1. Juni 1899 lief das mächtige deutsche
Kriegsschiff „Kaiser Wilhelm der Groſse“ mit einer Panzerung aus
Nickelstahl von unübertroffener Stärke vom Stapel, auſserdem lag der
russische Kreuzer „Askold“ auf Stapel. Aber auch die übrigen deut-
schen Schiffswerften, besonders Vulkan bei Stettin, Blom \& Voſs in
Hamburg, Schichau in Elbing und Danzig waren für In- und Aus-
land reichlich beschäftigt.


Meisterwerke in Material und Ausführung sind die Nickelstahl-
Kurbelwellen, welche Friedrich Krupp für die riesigen Schnell-
dampfer der Hamburg-Amerika-Linie in den letzten Jahren geliefert
hat 1). Die des Schnelldampfers „Deutschland“ ist 18,05 m lang,
640 mm dick und wiegt 101500 kg. Der Stahl hat 60 kg/qmm Festig-
keit und 20 Prozent Dehnung.


Überhaupt hat die Guſsstahl- und die Fluſseisenfabrikation
Deutschlands sich glänzend entwickelt. Nach E. Schrödter2) standen
Ende des Jahrhunderts die nachverzeichneten Werke in Betrieb.


[1030]Deutschland (mit Luxemburg).

I. Liste der deutschen und luxemburgischen Fluſseisenwerke
mit Walzwerken
.


[1031]Deutschland (mit Luxemburg).
[1032]Deutschland (mit Luxemburg).

II. Liste der deutschen Stahl-Formguſswerke.


[1033]Deutschland (mit Luxemburg).
[1034]Deutschland (mit Luxemburg).

Zahlengeschichte
für das Deutsche Reich und Luxemburg seit
1870.


Steinkohlenförderung in Kilotonnen (= 1000000 kg).


Steinkohlenförderung 1881 in Deutschland.



Steinkohlenförderung in Preuſsen in Kilotonnen.


[1035]Deutschland (mit Luxemburg).

Kokserzeugung in den deutschen Steinkohlenbecken
in Tonnen
.


Ein- und Ausfuhr von Steinkohlen in Tonnen.


Eisenerzförderung in Deutschland in Kilotonnen.





Eisenerzförderung nach Staaten in Kilotonnen.


[1036]Deutschland (mit Luxemburg).

Anteil der wichtigsten Gebiete an der Förderung
in Prozenten
.


Anteil an der Förderung in Tonnen.


Eisenerzförderung nach Sorten 1878.



Eisenerzeinfuhr.



Eisenerzausfuhr.



[1037]Deutschland (mit Luxemburg).

Deutschlands überseeische Eisenerzeinfuhr nach den
Herkunftsländern
1)in Tonnen.


Gesamte überseeische Einfuhr von Eisen- und Manganerzen
nach den Einfuhrhäfen in Tonnen
.


Roheisenproduktion, Öfen und Arbeiter.


[1038]Deutschland (mit Luxemburg).

Eisenerzförderung und Hochofenerzeugung von 1871 bis 1900 (nach Dr. Rentzsch).


[1039]Deutschland (mit Luxemburg).

Hochofenproduktion nach dem Brennmaterial in Tonnen.


Roheisenerzeugung2)nach Sorten in Tonnen.


[1040]Deutschland (mit Luxemburg).

Konverterroheisen.


[1041]Deutschland (mit Luxemburg).

Geographische Verteilung der Roheisenerzeugung
in Deutschland in Tonnen
.


Verteilung der deutschen Roheisenerzeugung nach Sorten
und Bezirken in Tonnen
.


a) Nordwestliche Gruppe:


Beck, Geschichte des Eisens. 66
[1042]Deutschland (mit Luxemburg).

b) Ostdeutsche Gruppe:


[1043]Deutschland (mit Luxemburg).

e) Süddeutsche Gruppe:


Geographische Verteilung der Roheisenerzeugung seit 1897.


66*
[1044]Deutschland (mit Luxemburg).

Verteilung der deutschen Roheisenerzeugung nach Sorten
und Bezirken seit
1897.


[1045]Deutschland (mit Luxemburg).

Fabrikate aus Roheisen in Tonnen (nach Dr. Rentzsch).


[1046]Deutschland (mit Luxemburg).
[1047]Deutschland (mit Luxemburg).
[1048]Deutschland (mit Luxemburg).
[1049]Deutschland (mit Luxemburg).

Insgesamt die zum Verkauf hergestellten Artikel dem Werte
nach in Mark
.


Eisengieſserei.


Guſswarenerzeugung in Tonnen.


[1050]Deutschland (mit Luxemburg).

Guſswarenerzeugung II. Schmelzung in Tonnen.


[1051]Deutschland (mit Luxemburg).

Übersicht über die Erzeugung von Gieſserei-Roheisen und Guſswaren, sowie die Einfuhr
von Roheisen
.


[1052]Deutschland (mit Luxemburg).

Eisengieſserei (Guſswaren II. Schmelzung) nach Dr. Rentzsch.


Erzeugungsmengen von guſseisernen Röhren1).


[1053]Deutschland (mit Luxemburg).

Schweiſseisen und Schweiſsstahl.


[1054]Deutschland (mit Luxemburg).

Schweiſseisen und Schweiſsstahl 1886 bis 1887
in Preuſsen
.


Erzeugung von wichtigen Schweiſseisen- und



[1055]Deutschland (mit Luxemburg).

Schweiſseisen und Schweiſsstahl 1886 bis 1887
in den einzelnen Ländern
.


Fluſseisenfabrikaten 1871 bis 1896 in Metertonnen1)


[1056]Deutschland (mit Luxemburg).

Fluſseisen und Fluſsstahl (nach Dr. Rentzsch).


[1057]Deutschland (mit Luxemburg).

Fluſseisenerzeugung nach Sorten in Tonnen.


Übersicht der Fluſseisenerzeugung 1896.


Beck, Geschichte des Eisens. 67
[1058]Deutschland (mit Luxemburg).

Übersicht der Fluſseisenerzeugung 1900 in Tonnen
(nach Dr. H. Rentzsch)
.


Beschäftigte Arbeitskräfte.


[1059]Deutschland (mit Luxemburg).

Deutsches Zollgebiet.


Ein- und Ausfuhr von Eisenerzen, Eisen und den wichtigsten Eisenwaren.


I. Einfuhr in Tonnen.


67*
[1060]Deutschland (mit Luxemburg).

II. Ausfuhr in Tonnen. (Fortsetzung von voriger Seite.)


Maschinen, Fahrzeuge, Instrumente.


Ein- und Ausfuhr in Millionen Mark.


[1061]Deutschland (mit Luxemburg).

Ein- und Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren (andere Gruppierung) in Tonnen.


[1062]Deutschland (mit Luxemburg).

Ein- und Ausfuhr von Eisenerzen, Eisen- und Stahl-
waren von und nach Ländern in Tonnen
.


Eisenerze.


Roheisen.


[1063]Deutschland (mit Luxemburg).

Ein- und Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren in Tonnen nach Ländern geordnet.


[1064]Deutschland (mit Luxemburg).

Roheisenerzeugung und Verbrauch seit 1871


(auf Grund der Berechnungen von Dr. Rentzsch).


Preise pro Tonne in Mark.


[1065]Deutschland (mit Luxemburg).

Preise pro Tonne in Mark.


[1066]Preuſsen.

Preuſsen. — Erzeugung in Tonnen.


Einfuhr.


Ausfuhr.


[1067]Preuſsen.

Ausländische Erze verschmolzen.




Zahl der Hochofenhütten und der Hüttenarbeiter.


Zahl der Eisenwerke1).


[1068]Preuſsen.

Hochofenproduktion in Tonnen.


[1069]Preuſsen.

Hochofenproduktion in Tonnen.


[1070]Preuſsen.

Hochofenproduktion in den Oberbergämtern in Tonnen.


Zahl der Hochöfen.


Hochofenerzeugnisse in Tonnen.



[1071]Preuſsen.

Roheisenverbrauch in Tonnen.


[1072]Preuſsen.

Roheisenverbrauch in Tonnen.


[1073]Preuſsen.

Guſswarenerzeugung in Tonnen.


1879.



Beck, Geschichte des Eisens. 68
[1074]Preuſsen.

Roheisenerzeugung in den Oberbergamtsbezirken.


Schweiſseisenproduktion.


[1075]Preuſsen.

1879.



Verarbeitet wurden:


1881.


Verarbeitetes Eisenmaterial:


Schweiſseisen und Schweiſsstahl.





68*
[1076]Preuſsen.

Schweiſseisen (Schmiedeeisen, Frisch-, Puddel- und
Cementstahl) in Preuſsen
1880.



[1077]Preuſsen.

(Stahl-) Fluſseisen.


Fluſseisen und Fluſsstahl.


[1078]Preuſsen.

An Stahlfabrikaten wurden dargestellt:


Fluſseisen in Preuſsen 1880.



[1079]Preuſsen.

[1080]Bayern. — Sachsen. — Hessen.

Königreich Bayern1).


Erzeugung in Tonnen.





Königreich Sachsen.


Groſsherzogtum Hessen.


[1081]Luxemburg.

Luxemburg.


Eisenerze.


Wert: 1898 11147349 Mark, 1899 12989818 Mark.


Roheisenerzeugung.


Wert: 1898 41970780 Mark, 1899 44592255 Mark.


[1082]Luxemburg.

Roheisenerzeugung nach Sorten:


[1083]Lothringen.

Lothringen.


Förderung und Erzeugung in Tonnen.


Wert in Mark.


Wert einer Tonne Roheisen.




[1084]Frankreich.

Frankreich.


Trotz der Niederlagen in den Jahren 1870 und 1871 hat
Frankreich seine hervorragende Stellung unter den Eisen erzeugenden
Ländern behauptet. Durch den deutsch-französischen Krieg verlor es
die mit Eisenerzen gesegneten Provinzen Elsaſs und Lothringen. Daſs
es aber Frankreich gelang, diesen Ausfall in wenig Jahren zu über-
winden, wie aus den nachfolgenden Zahlen hervorgeht, ist ein
glänzendes Zeugnis für seine Lebenskraft.


Roheisenerzeugung Frankreichs 1869 bis 1874.




In der Weltproduktion war Frankreich ja schon vor 1870 auf
die vierte Stelle gerückt, indem es auſser von Groſsbritannien von den
Vereinigten Staaten und von Deutschland überflügelt worden war.
Diesen vierten Platz hat es aber seitdem erfolgreich behauptet. In
der Wissenschaft der Metallurgie hat Frankreich immer eine hervor-
ragende Stellung eingenommen und dies auch seit 1870 bethätigt.


Frankreich muſs zwar Steinkohlen und Eisenerze einführen,
aber es deckt dadurch nicht nur seinen Bedarf, sondern führt
noch einen erheblichen Überschuſs von Eisen- und Stahlfabrikaten
aus. Die Einfuhr von Eisenerzen aus Algier, Spanien, Italien, Griechen-
land und Deutschland betrug im Jahre 1897 2137860 Tonnen, die
Ausfuhr 289694 Tonnen, die Einfuhr von Eisen und Stahl 11173
Tonnen, die Ausfuhr 268463 Tonnen.


Die Eisenerzgewinnung in Algier war sehr bedeutend geworden,
besonders am Berge Mokta-el-Hamid bei Bona und neuerdings zu
Rar-el-Maden1). 1872 wurden 7823720 Centner ausgeführt, zumeist
nach Frankreich, wo sie namentlich zu Creusot und den Hütten an
der Loire zu Bessemerroheisen verschmolzen wurden. In Algier selbst
gab es nur ein namhaftes Hüttenwerk zu Alelik im Departement
Constantine.


[1085]Frankreich.

Bezüglich der Fortschritte der französischen Eisenindustrie sind
in chronologischer Folge nachfolgende Ereignisse zu erwähnen. 1870
wurde der Schutzzoll für Eisen erhöht, um französisches Puddeleisen
gegen schwedisches Schweiſseisen konkurrenzfähig zu erhalten. 1871
führte Bérard zu Givors ein neues Stahlschmelzverfahren, das einer
Treibarbeit auf beweglichem, auswechselbarem Herde entsprach, ein.
Es war dem Martinprozeſs ähnlich, nur wurde Gebläsewind auf das
flüssige Eisenbad geblasen und später dem überblasenen Fluſseisen
Spiegeleisen zur Rückkohlung zugesetzt. Dieser Betrieb wurde von
Whitney in England eingeführt.


De Laglade baute 1871 zu Savignac einen Puddelofen mit
Regenerator nach Plänen von W. Siemens, in dem gewaschene
Hochofengase zur Verwendung kamen. Das Waschen der Gase geschah
nach einem von Laglade erfundenen und patentierten Verfahren
mit Wasserbrause. Dieser Gaspuddelprozeſs war wesentlich billiger
als der vordem in Burgund übliche und Laglade erzielte damit an-
geblich eine Ersparnis von 80 Frcs. für die Tonne.


1872 befürwortete der hervorragende Metallurge Gruner, dessen
vortreffliche analytische Studien über den Hochofen 1871 erschienen
waren, die Verwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag beim Erz-
schmelzen. — Valton schmolz in demselben Jahre Siliciumeisen mit
10 bis 12 Prozent Silicium in Tiegeln, während es M. A. Pourcel
um dieselbe Zeit zu Terre-Noire gelang, Silico-Spiegeleisen im Hoch-
ofen darzustellen.


1873 trat Ponsard mit seinem beständig wirkenden Regenerator,
bei dem die Abhitze zur Erwärmung der Verbrennungsluft in zahl-
reichen Kanälen verwendet wurde, auf.


Unter den hervorragenden Betrieben jener Zeit verdienen die
Bandagenfabrik von Petin \& Gaudet, die Röhrengieſsereien zu
Pont-à-Mousson und Frouard und die Spiegeleisenfabrikation zu
Alais Erwähnung.


Darmoys mechanisches Puddelverfahren wurde 1873 zu Riancourt
eingeführt. Simon und Lemut hatten einen rotierenden Puddelofen
konstruiert. Hochöfen nach dem System von Büttgenbach in Neuſs
wurden in Anzin, Givors, Lyon, St.-Louis bei Marseille und zu
St.-Dizier erbaut.


Auf der Hütte zu l’Aveyron erzeugte man 1873 ein Roheisen mit
6 bis 7 Prozent Silicium, das als Fonte glacée in den Handel kam;
auch die Hütte St.-Louis bei Marseille erblies ein Roheisen mit etwa
4 Prozent Silicium.


[1086]Frankreich.

L. Troost und P. Hautefeuille untersuchten die aus dem
flüssigen Roheisen und Fluſseisen entweichenden Gase1) und wiesen
nach, daſs Wasserstoff mehr absorbiert wird als Kohlenoxydgas. —
Jordan veröffentlichte wichtige Studien über die Wärmeentwickelung
im Bessemerkonverter. Zu Firminy wurden Säbelklingen aus einem
Fluſsstahl, der 3 Prozent Wolfram enthielt, hergestellt, die an Güte
den besten Damastklingen gleich kamen.


In den Röhrengieſsereien von Marquise, Pas de Calais und zu
Pont-à-Mousson (Haldy \& Röchling) wurde Devaillys Form-
maschine eingeführt.


Das Stahlwerk zu Creusot, das sich immer groſsartiger ent-
wickelte, erzielte einen kontinuierlichen Betrieb seiner Konverter
durch auswechselbare, vorgewärmte Böden2). Hier wurde ferner ein
70 prozentiges Ferromangan in der Weise dargestellt, daſs man Braun-
stein mit Kohle gemischt in Roheisen, das in einem Siemensofen ein-
geschmolzen war, eintrug.


Petin \& Gaudet führten zu St.-Chamond3) den rotierenden
geneigten Herd (Zellenofen) von Pernot ein, und man hoffte damit
dem Bessemerprozeſs Konkurrenz machen zu können. Pernot, der
Direktor der Werke von St.-Chamond, hatte daselbst 1868 ein gutes
Universalwalzwerk erbaut. — Zu Terre-Noire schmolz 1874 A. Pourcel
Ferromangan im Flammofen und erzielte durch Zusatz von diesem im
Martinofen einen guten weichen Stahl. 1875 führte Voisin seinen ver-
besserten Kupolofen ein, der auch auſserhalb Frankreichs Anklang fand.


Gegen Mitte der siebziger Jahre fanden die steinernen Wind-
erhitzer bei den Hochöfen allgemeine Verbreitung. Zu Longwy hatte
man Whitwellapparate; zu Pont-à-Mousson Winderhitzer von Karcher
\& Westermann; Dupont \& Fould
und Adelsward bauten Cowper-
apparate; zu Terre-Noire hatte man früher mit eisernen Pistolen-
röhrenapparaten nur 375° C. Windtemperatur und eine Tagesproduk-
tion von 37700 kg mit einem Koksverbrauch von 1466/1000 erzeugt,
1876 erzielte man (nach Dürre) mit Cowperapparaten 600 bis 700° C.
und eine Tageserzeugung von 51500 kg bei 950/1000 Koksverbrauch.
Die verbesserten Gichtgasfänge von Coingt-Minary-Lespinats waren
zu Maizières bei Metz, Neuves-Maisons bei Nancy und in Longwy,
wo auch Minarys-Schlackenzerkleinerung durch Granulation im
Wasser verwendet wurde, eingeführt.


[1087]Frankreich.

Ferromangan wurde damals zu Terre-Noire in der Weise dar-
gestellt, daſs gefälltes Manganoxyd von Chlorkalkfabriken mit ge-
pulverten Moktaerzen und 15 Prozent Steinkohlenstaub gemengt zu
Briketts geformt, in einem Four dormant (Glühofen) erhitzt und heiſs
in den Siemensofen eingetragen wurde. Beim Beginn des Schmelzens
wurde etwas Spiegeleisen zugesetzt. Die Herstellungskosten von
50 prozentigem Ferromangan betrugen 800 bis 900 Frcs. für die Tonne,
der Verkaufspreis 2000 Frcs.1). 1874 begann man zu St.-Louis bei
Marseille und zu Montluçon-Fourchambault Ferromangan im Hoch-
ofen zu erblasen. 1875 ging auch Terre-Noire hierzu über.


Espinasses Rührapparat war 1875 zu Firminy bei neun
Puddelöfen erfolgreich in Anwendung. Menessiers Puddelofen mit
schwingendem Cylinder, der 1874 patentiert worden war, befand sich
1876 auf dem Eisenwerke von Onzion in Betrieb. In diesem Jahre
machte Gautier zu Terre-Noire Versuche, dichte Fluſsstahlblöcke
durch Pressen, mit gröſserem Erfolg aber durch Zusatz von Mangan-
silicid zu erhalten.


1877 kam zu Creuzot der Riesendampfhammer von 70 Tonnen
Fallgewicht und 5500 mm Hub, der Krupps 1000-Centner-Hammer
um das Doppelte an Leistungsfähigkeit übertraf, in Betrieb. Zu
Terre-Noire gewann man unter Pourcels Leitung Ferromangan im
Hochofen. Man erzeugte 42 Tonnen von 74 bis 82 Prozent Mangan-
gehalt mit Wind von 750° C. Hier führte man ferner statt der
Siemens-Martin-Öfen Pernot-Öfen ein. Zu Maubenge im Departement
du Nord wurde der Hamoirprozeſs, bei dem ein Vorfrischen des
Roheisens durch Durchblasen heiſser Luft im Tellerofen stattfand,
versucht, doch erfüllte sich die Hoffnung, durch ihn mit Erfolg den
Bessemerprozeſs zu ersetzen, nicht. — Seit 1877 schmolz Henry
A. Brustlein
Chromstahl (Ferrochrom) für Geschosse. In Unieux
wurde seit 1878 von Holtzer \& Co. Chromstahl im groſsen ver-
wendet.


1878 fand die dritte Weltausstellung in Paris statt, welche einen
guten Überblick der Fortschritte der französischen Eisenindustrie
gewährte. Zunächst fiel dabei die bessere Qualität des Eisens auf, teils
infolge der Verwendung reinerer fremder Erze, teils infolge besserer
Frischverfahren. Die Extrasorten von Stahl und Stahllegierungen, worin
Frankreich sich auszeichnete, haben wir bereits angeführt. Holtzer,
Dorian \& Co.
zu Unieux bei St.-Etienne und Terre-Noire stellten
[1088]Frankreich.
Chromstahl aus; letzteres solchen mit 25 bis 26 Prozent Chrom, sowie
auch Manganeisensilicid. Terre-Noire führte auch „Phosphorstahl“
vor, der mehr Phosphor als Kohlenstoff enthielt und zur Schienen-
fabrikation Verwendung fand.


Von Fortschritten der Betriebsmittel sind zu nennen: die neuen
Koksöfen nach Smets System zu Terre-Noire, die Vergröſserung der
Hochöfen daselbst, wodurch eine Tagesproduktion von 50000 bis
60000 kg bei einem Koksverbrauch von 1 : 1 erzielt wurde. Einen
„Musterofen“ hatte die Compagnie des chemins de fer d’Orléans aus-
gestellt. Die neuen Hochöfen waren mit Blechmänteln oder Eisen-
bändern bekleidet, die Parryschen Trichter mit Dupont \& Foulds Ver-
teilungsring versehen. Der neue Hochofen zu Micheville, in dem gutes
Gieſserei-Roheisen aus Minetteerzen erblasen wurde, hatte 26 m Höhe
und 6,75 m Weite im Kohlensack. Er war mit fünf Whitwellappa-
raten ausgerüstet und erzeugte 60000 kg Roheisen den Tag.


Für Eisen- und Stahlgieſserei war Piats transportabler Schmelz-
ofen (D. R.-P. Nr. 152 von 1877) von Wichtigkeit. Die Hütte von
Angleur hatte schönen Stahlguſs vorgeführt.


Für den Puddelbetrieb dienten Schneiders Puddelöfen mit
besonderer Vorrichtung zum Teilen der Luppen, sodann Casson-
Darmoys
Puddelöfen auf Kugeln beweglich mit Siemens-Gasfeuerung.
Lemuts Ofen (1876) war auſser mit mechanischem Puddler mit
einer Zuführung von stark erwärmter Luft und Wasserdampf unter
dem Rost versehen. Der mechanische Puddler von Epinasse war
ebenfalls ausgestellt. Ponsards Forno-Convertisseur war eine Neu-
heit, von der behauptet wurde, daſs sie die Nachteile des Bessemer-
und des Martinverfahrens vermeide. Pernots Tellerofen hatte sich
zu St.-Chamond für den Martinprozeſs bewährt. Tessié de Motay
hatte 1876 versucht, die Phosphorabscheidung im Konverter durch
ein Futter von Magnesiaziegel zu bewirken, ohne dies Ziel aber zu
erreichen. Wie bekannt, hatte Gruner schon Anfang der siebziger
Jahre eine Kalkauskleidung der Bessemerbirne zu diesem Zweck vor-
geschlagen.


Am groſsartigsten war wieder die Ausstellung von Schneider-
Creusot in einem besonderen Pavillon. Das Werk beschäftigte
15650 Arbeiter und die Maschinen lieferten 13000 Pferdekräfte.
1877/78 waren 165000 Tonnen Roheisen und 155000 Tonnen Eisen
und Stahl erzeugt worden. Die gröſste Bewunderung erregte ein
Guſsblock aus Martinstahl von 120000 kg Gewicht, der unter dem
80000 kg-Hammer bearbeitet war. 1867 hatte man gewalzte Platten
[1089]Frankreich.
von 10 bis 12 Tonnen Gewicht angestaunt, jetzt walzte man solche
von 25 bis 30 Tonnen ohne Schwierigkeit.


Das Stahlwerk zu Firminy zeichnete sich durch seinen in Siemens-
Schmelzöfen erzeugten Guſsstahl aus. Die Hütte zu Chaléassière führte
das Modell eines Blechwalzwerkes mit hydraulischer Ausrückvorrichtung
von Kitson und Chalas vor.


Zu der anregenden Ausstellung von Terre-Noire wurden folgende
geschichtliche Daten mitgeteilt. 1862 war der Bessemerprozeſs, 1868
das Martinieren eingeführt worden. Seit 1873 machte man Schienen
aus Phosphorstahl, seit 1875 Ferromangan; die Werke der Gesell-
schaft Terre-Noire, Lavoulte und Bassèges lagen in den Departements
Loire, Ardèche und Gard. Sie umfaſsten auſser den Bergwerken
19 Hochöfen, 8 Bessemerwerke, 15 Martin- und 84 Puddelöfen u. s. w.
Die Arbeiterzahl betrug 7442, die Maschinen lieferten 8505 Pferde-
kräfte. Die für die Fluſsstahlfabrikation geeignetsten Erze wurden
aus Algier, den französischen Ostpyrenäen und aus Spanien bezogen.
Manganerze kamen zum Teil vom Kaukasus. Selbstbereitetes Kiesel-
manganeisen (Silicid) diente zur Darstellung von blasenfreiem
Fluſsstahl. Es wurde auch blasenfreier Martinstahl gemacht. Die
gehärteten Stahlgeschosse durchschlugen Panzerplatten, ohne zu zer-
springen. Man bereitete den Stahl aus Roheisen mit 6 bis 8 Prozent
Mangan. Dem Fluſsstahl wurden nach dem Verfahren von M. A.
Pourcel 3 bis 4 Prozent Mangansilicid zugesetzt, die fertigen Spitz-
kugeln enthielten 0,45 Prozent Kohlenstoff und 0,70 Prozent Mangan.
1879 erbaute man für diesen Zweck zwei 20-Tonnen-Öfen, die gröſsten
damals bestehenden.


Im Jahre 1880 wurde das Entphosphorungsverfahren von Thomas
und Gilchrist in Frankreich eingeführt und je ein basischer Kon-
verter zu Creusot und Angleur aufgestellt. Daſs Ponsards Forno-
convertiseur besser sein sollte, war Reklame. Harmets Entphos-
phorungsverfahren von 1879 (D. R.-P. Nr. 8549) beruhte auf einer
Teilung der Operation, indem das Roheisen erst in einer sauren Birne
entkieselt, dann in einer basischen entphosphort werden sollte.


Nach Trasenster erzeugte Creusot 1880 Thomas-Roheisen aus
Erzen von Mazenay um 40 Frcs. pro Tonne billiger als Bessemer-
Roheisen. — Flotat zu Rachecourt konstruierte 1880 ein verstell-
bares Triowalzwerk ohne Vertikalwalzen für Flacheisen.


Auf den Werken der Terre-Noire-Gesellschaft zu Bassèges
wurden Koksöfen mit Teer- und Ammoniakgewinnung nach Carvés
Beck, Geschichte des Eisens. 69
[1090]Frankreich.
System (verbesserte Knab-Öfen) eingeführt. Lencauchez lieſs sich
einen Gebläseofen mit rotierendem Herd patentieren.


Nach Delafond verlief der Thomasprozeſs zu Creusot anfangs
ungünstig, weil das Roheisen nur 0,9 Prozent Phosphor enthielt, er
besserte sich, als man den Phosphorgehalt bis zu 2,5 Prozent erhöhte.


Pourcel trat besonders warm für das basische Verfahren ein,
und bis 1881 wurde das Thomaspatent auſser von Creusot und
Angleur von Longwy, Montataire, Chatillon et Commentry, Denain,
St.-Chammond, de Wendel und der Société du Nord et de l’Est
erworben.


Pourcels Eisenmangansilicid-Verfahren wurde in England, Ruſs-
land, Schweden und Amerika eingeführt. Das Eisenmangansilicid von
Terre-Noire enthielt 13,5 Prozent Silicium und 18 Prozent Mangan.
Es wurde in ähnlicher Weise zugesetzt wie Ferromangan.


Das von de Wendel \& Co. zu Joeuf an der lothringisch-deutschen
Grenze neuerbaute Werk mit zwei Hochöfen wurde mit sechs Thomas-
konvertern von 7 bis 8 Tonnen ausgerüstet. — Ebenso wurde 1880 die
Hütte St.-Martin, westlich von Longwy, in ein groſses Stahlwerk um-
gebaut, nachdem die Gesellschaft die Konzession für das Thomas-
verfahren von Angleur zu hohem Preise — gegen eine Prämie von
5 Francs für die Tonne — erworben hatte. Die Anlage umfaſste
sechs Hochöfen und drei um einen Mittelkran gruppierte Thomas-
konverter zu 10 Tonnen.


1881 wurde ein Thomaswerk von der Société du Nord zu Valen-
ciennes nach amerikanischem Muster erbaut, während ein anderes zu
Thy nach englischem Plan errichtet wurde.


Creusot baute 1880/81 den ersten basischen Flammofen, und die Ent-
phosphorung gelang damit vollständig1). Nach Analysen vom September
1881 war der basische Fluſsstahl reiner und gleichförmiger als saurer
und trotz seiner geringeren Zugfestigkeit waren die daraus gewalzten
Schienen statisch und dynamisch den Bessemerschienen gleich. Creusot
machte Panzerplatten aus Fluſsstahl. Nach einer Berechnung von
Ch. Walrand2) stellten sich die Erzeugungskosten einer Tonne
Bessemerstahl aus Roheisen aus Mokta- und Bilbaoerzen, das
100 Frcs. pro Tonne kostete, auf 126,86 Frcs., die einer Tonne
Thomasstahl aus Roheisen, das aus inländischen, oolithischen Erzen
erblasen war und nur 60 Frcs. die Tonne kostete, auf 94,49 Frcs.


[1091]Frankreich.

Pourcel bediente sich seit 1880 des Chromeisenerzes als Aus-
fütterungsmittel für Flammofenherde.


1881 wurde in Paris die Druckluftanlage, System V. Popp, von
der Stadt konzessioniert. Ursprünglich nur für den Betrieb pneu-
matischer Uhren bestimmt, fand sie bald Verwendung für zahlreiche
Motoren der Kleingewerbe.


Am 15. Mai 1882 trat der neue Konventionaltarif in Kraft.


Ende März 1883 starb zu Beaucaire Louis Emanuel Gruner,
Professor der Bergakademie und Generalinspektor der Bergwerke, der
sich um die französische Eisenindustrie hochverdient gemacht hatte
und als metallurgischer Schriftsteller Weltruf genoſs.


1884 erfanden Walrand \& Delattre ihren kleinen, drehbaren
Konverter, der sich besonders für Stahlgieſsereien eignete.


Im Departement Haute-Marne erzeugte man im Puddelofen Fein-
korneisen durch Zusatz von kohlensaurem Natron. In Eureville ver-
wendete man hierfür Kochsalz. Man arbeitete in Doppelöfen von
500 kg Einsatz mit fünf Arbeitern.


Die Werke Denain und Anzin bei Valenciennes (Dep. du Nord)
hatten sich sehr vergröſsert. Sie zählten 1884 10 groſse Hochöfen,
wovon 8 in Betrieb standen, 7 Kupolöfen, 4 Konverter zu 10 Tonnen,
70 Puddelöfen, 2 Pernotöfen u. s. w. Die Werke, welche an Berg-
werken bei Bilbao beteiligt waren, hatten zwei eigene Seedampfer
für den Erztransport von Spanien. Man verschmolz 180000 Tonnen
ausländische Erze. Die Erzeugung von Roheisen betrug 150000
Tonnen, von Schmiedeeisen und Stahl 120000 Tonnen, die Arbeiter-
zahl 4000.


Nach einer Berechnung von Valton war der basische Prozeſs
wegen der höheren Umwandlungskosten auf Nord- und Westfrankreich
beschränkt, weil nur hier das gewöhnliche Roheisen so viel billiger
war, daſs daraus ein erheblicher Nutzen erwuchs. Wo, wie im Mosel-
gebiet, Hütten im stande waren, Roheisen für 40 Frcs. zu erblasen,
war der Thomasprozeſs selbstverständlich.


Die Kleinbessemerei war 1885 durch die Société Clapp-Griffith
auf mehreren Werken eingeführt, doch fanden die Clapp-Griffith-Öfen
weniger Verbreitung als Walrand-Delattres kleiner Konverter, der
eine Kombination von Birne und feststehendem Ofen war. Er arbeitete
zuerst in Stenay, anfangs mit saurem, dann mit basischem Futter,
besonders für die Stahlgieſserei.


1887 vereinigten sich die meisten Hochofenwerke des Depart.
69*
[1092]Frankreich.
Meurthe et Moselle zu gemeinschaftlichem Verkauf ihrer Roheisen-
erzeugung (Syndikat).


F. Gautier wies 1887 zuerst auf die planmäſsige Verwendung
von Ferrosilicium in der Eisengieſserei hin. 1888 hielt er hierüber
bei der Maiversammlung des Iron and Steel Institute in London einen
Vortrag.


Zu Imphy stellte man 1887 eine Eisen-Nickellegierung mit
25 Prozent Nickel im Tiegel dar. Zu Longwy wurde 1887 in zwei
Thomasbirnen zu 15 Tonnen Einsatz ein guter, weicher Stahl erzeugt,
der als „Special Longwy“ bezeichnet wurde. Das Roheisen wurde
flüssig vom Hochofen in Pfannenwagen zur Birne gebracht, und man
schmolz nur noch das Spiegeleisen im Kupolofen um.


1888 erfanden Mesuré und Nouel ihr optisches Pyrometer
(lunette pyrométrique).


1889 fand die vierte Weltausstellung in Paris statt, die an Umfang
alle früheren übertraf, in der die Eisenindustrie aber sehr unvoll-
ständig zur Darstellung kam, weil infolge der ungünstigen politischen
Lage die Beteiligung des Auslandes gering war. Um so aus-
giebiger hatte die französische Eisenindustrie1) ausgestellt, und auch
diese Ausstellung bildet einen Markstein ihrer Entwickelung. Das
groſse Schaustück der Ausstellung war der ganz aus Eisen erbaute
300 m hohe Eiffelturm. Der Riesenbau bestand aus 12000 Eisen-
teilen, die mit 2½ Millionen Nieten verbunden waren; das Eisengewicht
betrug 9 Millionen Kilogramm, die Herstellungskosten 6½ Millionen Frcs.
Das Eisen war von Fould-Dupont zu Pompey (Meurthe et Moselle) ge-
liefert. Das gesamte Eisenwerk wurde in den Eiffelschen Werken
zu Levallois Perret fertiggestellt.


Von praktischerem Wert und kaum weniger groſsartig war die
eiserne Maschinenhalle2) von 105 m Spannweite, 48 m Höhe und 420 m
Länge. Es war die gröſste Halle der Welt und dabei doch schön.
Die Ausführung der Mittelhalle war von zwei Gesellschaften: Fives-
Lille und Cail übernommen worden.


In der Ausstellung war der Süden Frankreichs, der aus reichen,
reinen Erzen Qualitätseisen erzeugt, besser vertreten als das
mittlere und nördliche Frankreich, welches mehr die Minetteerze des
Mosel- und Maasgebietes zu Massenartikeln verarbeitete. — Von den
Werken aus dem südlichen Frankreich thaten sich besonders die
[1093]Frankreich.
Forges de St. Chamond durch schöne und groſse Schmiedestücke,
darunter ein Stahlblock von 100 Tonnen und eine hohle, über einen
Dorn geschmiedete Welle, sodann Marrel frêres in Rive de Gier durch
Stahlplatten, Schmiedestücke und Geschosse und die Aciéries de
Firminy und Holtzer \& Co. zu Unieux durch Stahlformguſs, letztere
besonders durch ihre Chromstahlgeschosse, hervor.


Von den Werken im nördlichen Frankreich zeichnete sich die
Société anonyme des hauts-fourneaux, forges et aciéries de Denain et
Anzin in der Nähe von Valenciennes durch ihre Ausstellung aus.


Ein Rückblick auf die verflossenen 10 Jahre von 1877 bis 1887
ergiebt, daſs die Roheisenproduktion eine wesentliche Zunahme nicht
erfahren, daſs die Verschiebung nach dem nordöstlichen Frankreich
aber zugenommen hat. Dies zeigt sich schon aus der Verteilung
der Hochöfen. Man zählte 1887 in:



Die ersten Gruppen enthielten zugleich die gröſsten Öfen. — Die
Zahl der Hochöfen in Frankreich hatte sich seit 10 Jahren um die Hälfte
vermindert, während die Produktion noch etwas gewachsen war, denn
sie hatte 1877 1522266 Tonnen betragen und betrug 1887 1567622
Tonnen, die Leistungsfähigkeit der Öfen hatte sich also im Durch-
schnitt mehr als verdoppelt. Das Depart. Meurthe et Moselle hatte
1878 442230 Tonnen, 1888 911009 Tonnen erzeugt. Bei der Fabri-
kation schmiedbaren Eisens hatte sich das Schweiſseisen gegen das
Fluſseisen, das doch in den anderen groſsen Eisenindustrieländern
jenes überflügelt hatte, siegreich behauptet. 1877 betrug die Pro-
duktion von Fluſseisen 269181 Tonnen und von Schweiſseisen
884493 Tonnen, oder in Prozenten 21,6 und 78,4. 1887 waren die
Zahlen 493294 Tonnen und 771610 Tonnen, oder 39 und 61 Prozent.
1877 gab es 1006, 1887 672 Puddelöfen, die Leistung eines Ofens
war demnach von 879 Tonnen auf 1148 Tonnen im Jahre gestiegen.
[1094]Frankreich.
Der Anteil des Puddelstahls war gering, er betrug 1877 20373 Tonnen,
1887 nur 12532 Tonnen. Die Geschicklichkeit der französischen
Puddler und die Gewöhnung der Schmiede an das im Verhältnis
zum Fluſseisen leichter schweiſsbare und im Feuer zu behandelnde
Puddeleisen trug viel zu der Erhaltung des Puddelbetriebes bei.
Pernotsche Drehöfen waren zu St.-Chamond und Rotationsöfen nach
dem System Bouvard zu Creusot in Gebrauch. In den Depart. Nord
und Meurthe et Moselle waren auf mehreren Werken Doppel-Puddel-
öfen mit 500 kg Einsatz in Betrieb.


Die Zahl der in Betrieb befindlichen Konverter zur Fluſsstahl-
erzeugung betrug 1877 24, 1887 28. Allerdings zählte man 1887
44 Konverter, infolge der ungünstigen Konjunktur hatten aber mehrere
Werke, wie Terre-Noire, Givors, Saint-Nazaire, Pagny sur Meuse,
ihren Betrieb eingeschränkt.


Die neueren Bessemerwerke lagen meistens an der Küste und in
Verbindung mit Hochöfen, die spanische Erze verschmolzen, so z. B.
die von Denain, Isbergues, Saint-Nazaire, Boucau (1883 gegründet)
und Beaucaire. Das Stahlwerk zu Isbergues, das von der Société des
aciéries de France erbaut war, besaſs zwei 8-Tonnen-Konverter in
unmittelbarer Verbindung mit zwei Hochöfen und hatte eine Jahres-
leistungsfähigkeit von 100000 Tonnen.


Thomasstahl wurde 1888 nur auf fünf Werken dargestellt:



Um die Verwendung der Thomasschlacke als Düngemittel zur
Anschauung zu bringen, hatte Creusot einen besonderen Pavillon in
der landschaftlichen Abteilung errichtet.


Die Gesellschaft von Stenay hatte Stahlproben des von ihr neu
eingeführten Robert-Prozesses, einer Kleinbessemerei mit D-förmiger
Birne von 1 Tonne Inhalt, ausgestellt.


Herdfluſseisen nach dem Siemens-Martinprozeſs wurden im Jahre
143764 Tonnen in 49 Öfen erzeugt, und daraus 13709 Tonnen
Schienen, 39557 Tonnen Bleche und 90498 Tonnen sonstige Eisen-
sorten hergestellt. Die Gröſse der Öfen hatte zugenommen, Marrel
frères hatten vier von je 35 Tonnen Fassung. Der Betrieb mit
basischem Futter war nur wenig in Anwendung. Fourchambault und
Alaise wendeten seit 1884 Futter von Chromeisenstein an.


[1095]Frankreich.

Was die ausgestellten Fabrikate betrifft, so waren die für Kriegs-
zwecke am bemerkenswertesten. Panzerplatten lieferten hauptsächlich
Chatillon-Commentry und Creusot. Beide Werke sowie St.-Chamond
beschäftigten sich auch mit der Herstellung von Panzertürmen.
Geschosse lieferten besonders Marrel frères, Firminy, St.-Etienne,
Jacob Holtzer \& Co. (aciéries d’Unieux, Loire), die Gesellschaft
von Ariège.


Von Neuerungen, die bei der Pariser Weltausstellung von 1889
zur Vorführung kamen, ist noch der Rollet-Prozeſs, ein Reinigungs-
prozeſs, um aus geringem Roheisen Qualitätseisen zu erzeugen, der
1886 in Firminy unter der Leitung des Erfinders eingeführt worden
war, zu erwähnen. Das Roheisen wurde in einem Kupolofen mit
basischem Futter unter Zuschlag von Fluſsspat und Kalk mit heiſsem
Wind umgeschmolzen und dadurch Schwefel, Silicium und Phosphor
zum gröſsten Teil entfernt. Firminy und die Gesellschaft de l’Horme
hatten die Erzeugnisse dieses Verfahrens ausgestellt.


Die Werke von Chatillon und Commentry wendeten die Härtung
des Stahls in flüssigem Blei mit Erfolg im groſsen an und hatten
derart gehärtete Panzerplatten ausgestellt.


Osmond hatte zu Creusot wichtige Versuche über Stahlhärtung
gemacht und 1888 seine geistreiche Theorie über die Doppelnatur
des Stahls, die er aus zwei verschiedenen Allotropieen des Eisens, die
bei verschiedenen Temperaturen bestehen und die er als α- und
β-Eisen bezeichnete, aufgestellt.


Ende 1889 machte Creusot Panzerplatten aus Nickelstahl.


1891 stellte die neugebildete Gesellschaft „Ferro-Nickel“ in
Paris ihren Nickelo-Spiegel mit 6 bis 20 Prozent Nickel im Hoch-
ofen dar. — Charles Walrand und Eugène Legénisel lieſsen
sich ihr Verfahren, den in einer kleinen Birne erblasenen Stahl
durch nachträglichen Zusatz von Silicium zu überhitzen und flüssiger
zu machen, patentieren (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891).
Im Dezember desselben Jahres erlieſs die französische Regierung
neue Vorschriften für die Prüfung eiserner Brücken. Delafol lieſs
sich eine Formmaschine patentieren (D. R. P. Nr. 64628), die Ver-
breitung fand.


1892 gelang es Henri Moissan, Diamanten im Stahl nach-
zuweisen. 1892 entstanden die auf den Bezug ausländischer Erze
begründeten Hauts fourneaux de Chasse zwischen Lyon und Marseille.
Die Aciéries de St.-Etienne machten im basischen Martinofen als
Spezialität Chromstahlbleche von 80 bis 90 kg Zugfestigkeit und 9
[1096]Frankreich.
bis 10 Prozent Dehnung, die aber auch recht teuer waren. St.-Chamond
hatte 1892 10 Martinöfen in Betrieb, darunter vier von 30 Tonnen
Fassung, ferner eine Schmiedepresse von 4000 Tonnen Druck. 1892
verbesserte Le Chatelier das optische Pyrometer.


1893 wurde zu Creusot ein elektrischer Laufkran von 150 Tonnen
Tragkraft, der erste von dieser Stärke, in Betrieb genommen. — 1895
stellte Franz Charpy wichtige Versuche über die Härtung des
Stahles an.


Im allgemeinen waren die neunziger Jahre weniger reich an
neuen Ideen und Erfindungen, um so energischer war das Bestreben,
die wichtigen Fortschritte der voraufgegangenen Jahrzehnte zu ver-
werten. Die Fluſseisenerzeugung, insbesondere der Thomasprozeſs,
erlangten eine von Jahr zu Jahr zunehmende Bedeutung. Dennoch
dauerte es bis zum Jahre 1896, daſs die Produktion von Fluſseisen
die von Schweiſseisen überflügelte. Das Verhältnis stellte sich in
diesem Jahre auf 53 zu 47 Prozent, stieg 1898 auf 60 zu 40 Prozent,
auf welcher Höhe es im Jahre 1899 verharrte. Die Verschiebung
war nicht durch eine Abnahme des Schweiſseisens, sondern nur durch
die Zunahme des Fluſseisens eingetreten. Die Schweiſseisenerzeugung
von 1899 war 842755 Tonnen, die höchste dieses Jahrzehnts, und
war nur übertroffen worden in den Jahren 1879 bis 1884. Den
Höchststand der Schweiſseisenerzeugung zeigt das Jahr 1882 mit
1073021 Tonnen. Die Fluſseisenproduktion war dagegen von 566197
Tonnen im Jahre 1890 auf 1253701 Tonnen in 1899 gewachsen.
Hieran hatte das Thomas-Fluſseisen den gröſsten Anteil. Da dieses
zumeist im Nord-Osten Frankreichs in den Departements Meuse
et Moselle und Nord hergestellt wurde, so erlangte die Eisen-
industrie dieser Provinzen, welche die oolithischen, phosphorhaltigen
Erze verschmolzen, immer mehr das Übergewicht. Während die
Roheisenerzeugung Frankreichs von 1880 bis 1898 von 1725293 Tonnen
auf 2505778 Tonnen, also um 45 Prozent stieg, wuchs sie im Depart.
Meurthe et Moselle in derselben Zeit von 538132 Tonnen auf
1571344 Tonnen, also um 192 Prozent. Während 1880 der Anteil
der Erzeugung dieses Departements an der Gesamtproduktion Frank-
reichs 31,2 Prozent betragen hatte, war er 1898 auf 62 Prozent
gestiegen. In dem Reviere von Longwy war die Zahl der im
Feuer stehenden Hochöfen in der Zeit von 1887 bis 1895 von
19 auf 33, und im Reviere von Nancy von 10 auf 16 gestiegen.
Die Departements Meurthe et Moselle und du Nord erzeugten
1898 zusammen 73 Prozent der gesamten Roheisenproduktion Frank-
[1097]Frankreich.
reichs, so daſs auf alle übrigen Departements nur 27 Prozent ent-
fielen. — Von den neuen, auf das beste eingerichteten Hochofen-
hütten sind die der Société anonyme des Aciéries de Micheville mit
fünf Hochöfen und die Hochofenhütte von Pont à Mousson mit fünf
Hochöfen, Cowper-Apparaten von 30 m Höhe und Gichtgas-Trocken-
reinigern (System Cavallier) hervorzuheben 1).


Während die Schweiſseisenerzeugung von 1880 bis 1900 von
952308 Tonnen auf 745312 Tonnen zurückgegangen war, hatte die
Fluſseisenerzeugung von 388894 Tonnen auf 1264737 Tonnen, also
um 223 Prozent zugenommen.


Der gröſste Teil des Fluſseisens wurde im Konverter erzeugt, doch
hatte in der Zeit von 1882 bis 1899 die Herdstahlerzeugung mehr
zugenommen als die des Konverterstahls. Letztere war von 273410
Tonnen auf 698053 Tonnen, also um 192 Prozent, erstere von
159561 Tonnen auf 520476 Tonnen, also um 226 Prozent gewachsen.
Der Anteil des Konverterstahls und des Siemens-Martinstahls an der
ganzen Fluſsstahlerzeugung betrug 1882 63 und 37 Prozent, 1899
57 und 43 Prozent.


Welchen Anteil der basische oder Thomasprozeſs, welchen der
saure oder Bessemerprozeſs liefert, läſst sich nicht genau angeben, da
hierfür die statistische Grundlage fehlt. 1882 betrug der Anteil des
Thomasstahls nur 4½ Prozent, aber schon 1887 übertraf die Er-
zeugung von Thomasstahl die von Bessemerstahl. 1890 war das Ver-
hältnis bereits 71 : 29 und seitdem hat die Thomasstahlerzeugung
noch bedeutend zugenommen.


Die Fortschritte, welche die französische Eisenindustrie seit 1889
gemacht hatte, kamen auf der Weltausstellung von 1900 in glänzender
Weise zur Darstellung. Besonders zeichnete sie sich in Spezialstahlen,
namentlich in Nickelstahl aus 2).


Frankreich gehört zu den Ländern, welche ihren Eisenbedarf
nicht aus sich selbst befriedigen können, es ist vielmehr gezwungen,
Eisenerze und Steinkohlen einzuführen. Letztere erhält es aus Belgien,
Deutschland und England; Eisenerze bezieht es aus Spanien, Algier,
Elba, Griechenland, Schweden und Deutschland. Die Einfuhr von Erzen
aus dem Minettegebiete von Lothringen und Luxemburg hat in den
letzten Jahren sehr zugenommen, so daſs der gröſste Teil der ein-
geführten Erze aus dem deutschen Zollgebiete stammt. Die Erzeinfuhr
ist sehr bedeutend. 1897 betrug die eigene Förderung 3886 Kilo-
[1098]Frankreich.
tonnen, die Einfuhr 2138 Kilotonnen, also 35,6 Prozent der Gesamt-
menge, davon kamen 1464,5 Kilotonnen aus Deutschland. Trotzdem
Frankreich gezwungen ist, zur Deckung seines Eisenbedarfs Erze und
Kohlen einzuführen, erzeugt es doch so viel Eisen und Eisenwaren,
daſs seine Ausfuhr darin seine Einfuhr bedeutend übertrifft. Vor
übermäſsiger Einfuhr ist Frankreich durch hohe Zölle geschützt.
Die Ausfuhr wird von der Regierung durch Prämien in Gestalt von
Zollvergütungen durch „titres d’acquits à caution“ geschützt. Durch
diese Zollfreiheit für den Veredelungsverkehr erlangte derselbe einen
ansehnlichen Umfang. Auf Grund der titres d’acquits à caution
betrug:



Daneben besteht aber ein bedeutender Ausfuhrhandel mit den
eigenen Erzeugnissen der Eisenindustrie, sowohl mit Roheisen als mit
Eisen- und Stahlfabrikaten. Diese Ausfuhr betrug 1888 216771
Tonnen, 1898 313902 Tonnen; zieht man hiervon die Einfuhr mit
73934 Tonnen und 112765 Tonnen ab, so ergiebt sich immer noch
ein Überschuſs der Ausfuhr gegen die Einfuhr von 142837 Tonnen
in 1888 und von 201137 Tonnen in 1898. Bemerkenswert ist ferner
die groſse Ausfuhr phosphorhaltiger Schlacken von den Puddel- und
Schweiſsöfen, die vom Auslande für die Herstellung von Thomas-
Roheisen aufgekauft werden. Diese Ausfuhr von „Hammerschlag und
Schlacken“ ist von 1888 bis 1898 von 130871 Tonnen auf 307273
Tonnen gestiegen.


Frankreich hat an den wissenschaftlichen Fortschritten der Eisen-
industrie stets den lebhaftesten Anteil genommen und dies auch in
der letzten Periode der Geschichte des Eisens glänzend bethätigt.


[1099]Frankreich.

Statistik1)
der Eisenindustrie Frankreichs 1871 bis 1899.


Erzeugung und Verbrauch an mineralischem Brennstoff
seit 1811
.


Verbrauch in Eisenwerken 1898.



Koks-Einfuhr und -Ausfuhr in Tonnen.


[1100]Frankreich.

Einfuhr 1898 in Kilotonnen.


Ausfuhr 1898 in Kilotonnen.


Eisenerzförderung in Kilotonnen.


Eisenerzsorten in Kilotonnen und Preise pro Tonne.


[1101]Frankreich.

Erzeinfuhr in Tonnen.


Ein- und Ausfuhr von Eisenerzen im Jahre 1894
in Kilotonnen
.


Einfuhr aus:



Ausfuhr aus Frankreich nach:



Ausfuhr aus Algier nach:



Verhüttet wurden in Kilotonnen.


[1102]Frankreich.

Roheisenerzeugung in Tonnen.


Roheiseneinfuhr.


Roheisenausfuhr.


[1103]Frankreich.

Roheisenproduktion der wichtigsten der 23 Departements
mit Hochofenhütten
.


Roheisenerzeugung Frankreichs im Jahre 1896.


[1104]Frankreich.

Hochofenwerke und deren Leistungsfähigkeit 1897 pro Tag in Tonnen.


(Écho des Mines et de Métallurgie, 20. Jan. 1898. — Stahl u. Eisen 1898, S. 238.)


[1105]Frankreich.
Beck, Geschichte des Eisens. 70
[1106]Frankreich.

Gröſste Hochofenhütten Frankreichs Ende des
19. Jahrhunderts
.


Erzeugung von Schweiſseisen in Tonnen.


[1107]Frankreich.

Schweiſseisenfabrikate.


70*
[1108]Frankreich.

Fluſseisen und Schweiſseisen (fertige Waren)
in Tonnen
.


Übersicht der wichtigsten Fluſseisen- und Schweiſseisen-
fabrikate in Tonnen
.


Anmerkung: Die Angaben weichen ab, je nach den Quellen. Die mitgeteilten
Zahlen sind meistens der offiziellen Statistik entnommen.


[1109]Frankreich.

Erzeugung von Schweiſseisen- und Fluſseisen(Stahl)-
Fabrikaten nach Provinzen im Jahre
1899 in Tonnen.


[1110]Frankreich.

Erzeugung von Stahl (fertige Waren) in Tonnen.


[1111]Frankreich.

Konverterstahl.


Erzeugung von Stahlwaren in Tonnen.


[1112]Frankreich.

Erzeugung von Stahlwaren in Tonnen.


1892.


1895.


1898.


1899.


1900.


[1113]Frankreich.

Ein- und Ausfuhr von Eisen und Stahl ohne titres d’acquits
à caution in Tonnen
.


Einfuhr.


Ausfuhr.


Ein- und Ausfuhr von Eisen und Stahl nach anderem Schema
1896 bis 1898 in Tonnen.


[1114]Frankreich.

Frankreichs Ein- und Ausfuhr 1899 und 1900 in Tonnen.


Schienenverbrauch in Tonnen.




Erzeugung, Ein- und Ausfuhr und Verbrauch von Roheisen,
Eisen und Stahl seit 1877 in
100 Tonnen.


[1115]Frankreich.

Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch).


[1116]Belgien.

Belgien.


Das kleine Belgien hat trotz der Ungunst der Verhältnisse den
Ruhm, die dritte Stelle im Eisenausfuhrhandel der Welt einzunehmen,
lange Zeit behauptet. In der Roheisenerzeugung ist es seit 1870
allerdings von der fünften auf die siebente Stelle gerückt, indem es
von Österreich-Ungarn und von Ruſsland überflügelt wurde.


Belgien ist im Verhältnis zu seiner Industrie arm an Eisenerzen.
Die Ablagerungen, wie besonders die an der Ourthe, die in früherer
Zeit die Grundlage der belgischen Eisenindustrie bildeten, und die
hinreichten, solange man nur mit Holzkohlen schmolz, sind meistens
abgebaut und für den heutigen Betrieb ganz unzureichend.


Es muſs deshalb zur Aufrechterhaltung seiner Eisenindustrie den
weitaus gröſsten Teil seines Erzbedarfes einführen. Dagegen besitzt
Belgien einen so groſsen Reichtum an Steinkohlen, daſs es im stande
ist, Steinkohlen und Koks auszuführen.


Auch in seiner Eisenausfuhr führt es Werte seiner Steinkohlen
und der Arbeit seiner zahlreichen Industriebevölkerung aus. Belgien
ist relativ das dichtbevölkertste Land der Welt, es entfallen auf
1 qkm 224 Einwohner, gegen 97 im Deutschen Reiche, und diese
groſse Einwohnerzahl könnte ohne eine bedeutende Industrie sich
nicht erhalten. Die Grundlage dieser bildet die einheimische Stein-
kohle. Ihre Förderung stieg in der Zeit von 1870 bis 1897 von
13697118 Tonnen auf 21492446 Tonnen. Der Überschuſs der Aus-
fuhr von Steinkohlen betrug 1870 2953272 Tonnen, 1897 2431200
Tonnen; von Koks 1870 568393 Tonnen, 1897 639880 Tonnen, der
Verbrauch im Lande demnach 1870 rund 10 Millionen, 1897 rund
18 Millionen Tonnen. Im Jahre 1900 führte Belgien 6328530 Tonnen
Steinkohlen und Koks aus.


[1117]Belgien.

Die Roheisenerzeugung stieg 1870 bis 1899 von 565234 Tonnen
auf 1024576 Tonnen. Die durchschnittliche Jahreserzeugung in dem
Jahrzehnt 1871 bis 1880 betrug 548786 Tonnen, 1881 bis 1890
750317 Tonnen und in den neun Jahren von 1891 bis 1899
891598 Tonnen.


Die Zunahme der Roheisenerzeugung war bei weitem nicht so
groſs wie in Deutschland, denn diese betrug von 1870 bis 1899 das
Sechsfache, die Belgiens nur etwa das Zweifache.


Dabei wurde die Herstellung immer mehr von dem Bezug aus-
ländischer Erze abhängig, indem die Erzförderung stetig zurück-
ging. In dem Jahrzehnt von 1861 bis 1870 hatte diese noch
7853158 Tonnen betragen, 1871 bis 1880 sank sie auf 4271831 Tonnen
und 1881 bis 1890 auf 1955325 Tonnen. Man verhüttete auſserdem
eine beträchtliche Menge von Puddel- und Schweiſsschlacken in den
Hochöfen. Es wurden verschmolzen:


Es betrug demnach der Anteil einheimischer Erze an dem Einsatz
1885 nur 7 Prozent, 1897 etwas über 10 Prozent.


Die Entwickelung der belgischen Eisenindustrie in diesem Zeit-
abschnitt zeigt viele Ähnlichkeit mit der französischen, insbesondere
der nordfranzösischen, was namentlich auch darin zum Ausdruck
kommt, daſs Belgien wie Frankreich ebenso lange mit Zähigkeit an dem
Puddelprozeſs festhielt und das Fluſseisen erst verhältnismäſsig spät
den Sieg davontrug. In Frankreich wie in Belgien geschah dies erst
im Jahre 1896, während dies in Deutschland schon 1890 ein-
getreten war.


Gerade in Belgien hat sich die Puddelarbeit, die der geniale John
Cockerill
eingeführt hatte, zu einem hohen Grade der Vollkommen-
heit entwickelt. Von Belgien aus war dieses Verfahren erst nach
Deutschland gekommen. Noch in den fünfziger Jahren waren in
Rheinland und Westfalen belgische Puddler die Lehrmeister und
tonangebend.


[1118]Belgien.

Auf der erprobten Güte des gepuddelten Eisens beruhte der
groſse auswärtige Handel Belgiens. Deshalb waren die Industriellen
wie die Arbeiter wenig geneigt, von dem bewährten Verfahren ab-
zugehen, und es wurde beibehalten, obgleich die benachbarten Erz-
schätze von Luxemburg und Lothringen seit 1880 geradezu zum
Thomasprozeſs aufzufordern schienen.


Zum Verständnis der Entwickelung der belgischen Eisenindustrie
muſs im Auge behalten werden, daſs die beste Verwertung der Stein-
kohlen der hauptsächlichste Gesichtspunkt war. Da die geförderte
Steinkohle weder sehr rein, noch für die Koksfabrikation besonders
geeignet war, so erklärt es sich, daſs in keinem anderen Lande verhältnis-
mäſsig so viel für die Verbesserung der Aufbereitung und Verkokung
der Steinkohlen geschehen ist wie in Belgien. Die Gewinnung der
Nebenerzeugnisse der Steinkohlen beim Verkoken, die Knab in Paris
zuerst angegeben hatte, wurde in den liegenden Koksöfen von den
belgischen Ingenieuren Semet und Solvay in zweckmäſsiger Weise
durchgeführt. Frommont in Brüssel baute Koksöfen mit Wärme-
speicher zur Verkokung magerer Kohlen (D. R. P. Nr. 54156 vom
11. Nov. 1889). Verbesserte Ladevorrichtungen wurden Alexandre
und E. Coppée in Haïne, St. Paul, 1890 patentiert.


Für den Hochofenbetrieb in den siebziger Jahren war die
wachsende Bedeutung des Bessemerverfahrens von groſsem Einfluſs.
Belgien selbst besaſs hierfür keine geeigneten Erze. Diese muſsten
aus Cumberland in England und aus Spanien bezogen werden. Die
Gesellschaft John Cockerill zu Seraing, die im Geiste ihres genialen
Gründers stets bereit war, für den Fortschritt und für Verbesserungen
in der Eisenindustrie einzutreten und Opfer zu bringen, sicherte sich
bei Zeiten den Bezug von Bilbao- und Algier-Erzen. Mit diesen
erzielte man ein Bessemerroheisen von 2,25 Prozent Silicium und
3,75 Prozent Mangan.


In der Hauptsache dienten aber die Hochöfen dem Puddelbetrieb.
Neben dem gewöhnlichen Puddelroheisen stellte man seit 1873 ein
manganreiches Roheisen zur Verbesserung der Qualität und zur Er-
zielung des beliebten Feinkorneisens, das besonders für Draht, Fein-
bleche, Achsen, Bandagen u. s. w. verwendet wurde, her. Solches
manganhaltige Roheisen wurde damals in der Umgegend von Lüttich
zu Ougrée, Grevignée, Dolhain und Espérance aus Luxemburger
Minetteerzen unter Zusatz von einem Drittel Nassauer manganhaltiger
Eisenerze erblasen, und man brachte es bis zu 15 Prozent Mangan-
gehalt.


[1119]Belgien.

Steinerne Winderhitzer und zwar Whitwellapparate wurden 1875
zuerst zu Seraing und zu Sclessin eingeführt. 1878 wurde eine neue
Hochofenanlage zu Ougrée erbaut. Monceau sur Sambre hatte die
ersten Cowperapparate. Hier schmolz man neben fonte ordinaire und
fonte spéciale aus Schlacken fonte de crasse (Schlackeneisen). Aus
diesen Sorten puddelte man fer ordinaire und fer fort.


Da in den siebziger Jahren der Puddelprozeſs das wichtigste
Frischverfahren blieb, so sind Fortschritte hauptsächlich bei diesem zu
verzeichnen. — Die rotierenden Öfen zogen Anfang der siebziger
Jahre die Aufmerksamkeit der belgischen Eisenindustriellen auf sich
und veranlaſsten die Regierung 1872, eine Kommission unter der
Führung der Ingenieure Taskin und Tahon nach Middlesborough zu
schicken, um die Danksöfen zu studieren (siehe S. 593). Die Ab-
gesandten sprachen sich sehr günstig über das mechanische Puddeln
in rotierenden Öfen aus. Doch fanden diese weniger Anwendung als
die Telleröfen des Franzosen Pernot, mit denen man 1875 zu
Ougrée gute Resultate erzielte. Zu Charleroi ergaben diese Öfen
4 Prozent weniger Abbrand. Man ersetzte die gewöhnlichen Rost-
feuerungen mehrfach durch Halbgasfeuerungen nach dem System
Boëtius, später auch nach Bicheroux (zu Ougrée 1876). Einen
groſsen Doppelpuddelofen mit einer solchen Gasfeuerung verwendete
man 1879 zu Couillet.


1872 kam der erste Siemens-Martin-Ofen für Fluſsstahlerzeugung
in Belgien in Betrieb.


Ein Lautsches Triowalzwerk mit Universalwalzen konstruierte
Deby zu Brüssel 1873, es kam in Sclessin zur Anwendung. 1876
bediente sich das Eisenwerk Espérance eines Triowalzwerkes zur
Blechfabrikation. Trio-Luppenwalzen waren seit 1877 in Anwendung.


Die Schienenfabrikation wurde 1873 von der Gesellschaft John
Cockerill
zu Seraing schwunghaft betrieben. Man walzte damals
Bessemerschienen für die türkischen Bahnen. 1873/74 wurde zu
Seraing ein ganz neues Bessemerstahlwerk von Greiner und
Philippart gebaut und eingerichtet. Auf der Pariser Weltausstellung
von 1876 zeichnete sich die Gesellschaft Cockerill durch vorzügliche
Walzenzugmaschinen für ein Doppelwalzwerk mit Umsteuerung aus.
In diesen konnten die heiſsen Stahlblöcke ohne Glühen vor- und
fertiggewalzt werden.


1876 kam in Belgien die Fabrikation eines ordinären Stahlgusses
durch Schmelzen von Stahlabfällen im Kupolofen auf. Die Guſsstücke
wurden dann zwischen Roteisenstein in Kisten geglüht und dadurch
[1120]Belgien.
weich gemacht. Dieser Temperstahl eignete sich besonders für Räder
von Grubenwagen. Das Verfahren wurde auch in Deutschland und
in anderen Ländern eingeführt.


Im Jahre 1879 bereits, als der Thomasprozeſs kaum bekannt
geworden war, erwarb das stets zu jedem Fortschritt bereite Werk
zu Seraing die Konzession und machte die ersten Versuche in Belgien
mit dem basischen Betrieb. Indessen dauerte es viel länger wie in
Deutschland, daſs man die groſse Bedeutung dieses Verfahrens
würdigte, was um so mehr zu verwundern ist, als die für diesen
Prozeſs besonders geeigneten Eisenerzlager in Lothringen und Luxem-
burg doch den belgischen Hütten viel näher lagen als den west-
fälischen und damals bereits die wichtigsten Bezugsquellen der
belgischen Hochöfen waren. Man zog es vor, das phosphorhaltige
weiſse Roheisen mit manganreichem Eisen zu verpuddeln, oder Bessemer-
stahl aus dem mittels spanischer Erze erblasenen Bessemerroheisen
zu fabrizieren. Die Erzeugung von Thomasfluſseisen betrug in den
ersten Jahren: 1880 3395 Tonnen, 1881 14200 Tonnen, 1882 16672
Tonnen, 1883 27366 Tonnen. Angleur bei Lüttich, der Firma
de Rossius, Pastor \& Co. gehörig, war das erste Stahlwerk, das
das Thomasverfahren erfolgreich aufnahm (1880). 1881 erwarb auch
Ougrée (Firma Souheur, Orban \& Co.) die Licenz für den Thomas-
prozeſs. 1884 wurde zu Athus ein Thomasstahlwerk erbaut.


Die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing und das Eisenwerk
Angleur betrieben schon in den siebziger Jahren den Bessemerprozeſs
in ihren Fluſsstahlwerken; 1880 wurde der Bau von drei neuen
Bessemerwerken zu Ougrée, Athus und Acoz in Angriff genommen.
Seraing verarbeitete eigene Erze aus Spanien, auch Athus stellte
Bessemerroheisen dar, die übrigen Werke muſsten dieses beziehen. 1882
baute Seraing sein Bessemerstahlwerk nach amerikanischem Muster
um und steigerte hierdurch seine Erzeugung sehr bedeutend. Ein
Konverter lieferte statt früher 110 Tonnen jetzt 310 Tonnen in
24 Stunden. Das Roheisen gelangte teils direkt aus dem Hochofen
in den Konverter, teils wurde es in Kupolöfen umgeschmolzen. Das
flüssige Roheisen wurde in Pfannenwagen mit Lokomotiven angefahren.
Die 12 bis 14 Chargen aushaltenden Böden konnten in ¾ Stunden
ausgewechselt werden. Das Gieſsen geschah in kreisförmigen Gruben
mit Centralkran. Jeder Guſs lieferte 3700 kg Stahl. Man goſs
Blöcke bis 250 Tonnen Gewicht. Im Jahre 1883 führte die Gesell-
schaft verbesserte Gjerssche Durchweichungsgruben mit Gasheizung
(D. R. P. Nr. 24974) ein.


[1121]Belgien.

Die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft John Cockerill zu
Seraing war 1885 sehr bedeutend. Ihr Werk umfaſste 7 Hochöfen,
66 Puddel- und Schweiſsöfen, 5 Konverter und 2 Siemens-Martin-Öfen.
Die Maschinenbauanstalt hatte eine Leistungsfähigkeit von 100 Loko-
motiven, 70 Dampfmaschinen, 1500 Arbeits- und Werkzeugmaschinen,
von 10000 Tonnen Brücken- und Kesselbau sowie 14 eisernen Fluſs-
und Seeschiffen. Die Gesamtproduktion hatte einen Wert von 30 bis
40 Mill. Francs. Die Gesellschaft hatte einen bedeutenden Anteil an
der Société Franco-Belge in Somorostro. 1885 baute Seraing den
mächtigen 100-Tonnen-Dampfhammer für Terni; 1888 setzte Seraing
auch den ersten basischen Martinofen Belgiens in Betrieb und er-
zielte damit die besten Resultate bei der Schienenfabrikation.


Brachot frères et sœurs zu Montigny war 1885 das älteste be-
stehende Tiegelguſsstahlwerk in Belgien.


Ende der achtziger Jahre begann man die älteren Eisenwerke,
die bis dahin noch vielfach in Privatbesitz waren, in gröſsere Aktien-
gesellschaften zu vereinigen. Eine solche Gründung war 1888 die der
Aktiengesellschaft von Marcinelle und Couillet, welche auſser den in
der Firma genannten Werken noch die Hütte von Chatelineau um-
faſste. Couillet hatte damals 5000 Arbeiter; ein Hochofen produzierte
105 bis 110 Tonnen Puddelroheisen in 24 Stunden; die Gebläse-
maschine reichte für eine Tagesproduktion von 120 Tonnen aus.


1889 glänzte Seraing auf der Pariser Ausstellung durch eine
riesige stehende Gebläsemaschine für Ruſsland. Nach diesem bekannten
Type waren bereits 123 Maschinen gebaut.


Im Juni 1890 waren in Belgien nachverzeichnete Hochöfen in
Betrieb: im Bezirk von Charleroi zu Acoz 2, zu Thy-le-Château 3,
Couillet 3, Canbier 1, Benehill 2, Monceau 1, La Providence 2; —
im Bezirk von Lüttich zu Seraing (Cockerill) 5, zu Ougrée 2, Sclessin 1,
Espérance 2, Grivegnée 1; — in Belgisch Luxemburg zu Athus 2,
Halancy 2, Muscon 1; auſser Betrieb waren 19, die Zahl der Hochöfen
Belgiens betrug demnach im ganzen 48. Von den 29 Hochöfen in
Betrieb gingen 18 auf Puddelroheisen mit 1515 Tonnen Erzeugung in
24 Stunden, 2 auf Gieſsereiroheisen mit 135 Tonnen, 9 auf Fluſsstahl-
roheisen mit 705 Tonnen Tageserzeugung. Die Eisenindustrie ver-
brauchte damals etwa 30 Prozent der Steinkohlenförderung.


Infolge der zunehmenden Bedeutung des Thomasprozesses begann
eine Verschiebung der Hochofenwerke nach dem Minettegebiet an der
Grenze einzutreten, ja es begannen belgische Industrielle ihre alten
Werke kalt zu stellen und neue Werke in Luxemburg und Nord-
Beck, Geschichte des Eisens. 71
[1122]Belgien.
frankreich zu errichten. So lieſs Camille Martin seine Hochöfen
zu St. Martin kalt liegen und baute neue Hochöfen zu Chiers, Dep.
Meurthe-et-Moselle in Frankreich. Eine belgische Gesellschaft gründete
ein Hüttenwerk bei Villerupt. 1892 wurden die Werke Angleur und
Sclessin zu einer Gesellschaft vereinigt und zu Sclessin ein Thomas-
werk erbaut.


1893 verteilte sich die Fluſseisenerzeugung Belgiens wie folgt:


Seit dieser Zeit nahm die Erzeugung von basischem Fluſseisen
sehr zu. 1894 fand eine internationale Ausstellung in Antwerpen
statt, auf welcher die belgische Eisenindustrie gut vertreten war.
Gillon lieferte einen wertvollen Bericht über die Entwickelung der-
selben 1). Die Professoren Aug. Gillon und Paul Trasenster zu
Lüttich machten sich um die belgische Eisenindustrie verdient. Die
Statistik wurde hauptsächlich von dem Oberingenieur Em. Harzé
im Auftrage des belgischen Handelsministeriums bearbeitet. Aus
Gillons oben erwähntem Bericht von 1894 ist zu entnehmen, daſs die
Überzeugung von dem Siege des Fluſseisens damals bereits allgemein
geworden war; deshalb war die Gründung neuer Stahlwerke in Aus-
sicht genommen. Das Verhältnis des Bessemer- zu Thomasroheisen
war 1893 noch 70 zu 30. Von belgischen Erzen kamen nur 14 Pro-
zent auf die Beschickung. Für die Puddeleisenfabrikation wurden
10 Prozent, für die Fluſseisenfabrikation 14 Prozent fremdländisches
[1123]Belgien.
Eisen verwendet. Es wurden 1893 485000 Tonnen Schweiſseisen-
fabrikate und 225000 Tonnen Fluſseisenfabrikate hergestellt. 1896
betrug dagegen das Verhältnis bereits 494032 Tonnen zu 519311 Tonnen.
Das neue Stahlwerk zu Sclessin, das drei Konverter zu 12 Tonnen
hatte, entnahm das Roheisen mittels einer Pfanne direkt vom Hoch-
ofen, ebenso das neue Stahlwerk zu Couillet. In dem Stahlwerk
zu Renory waren vorhanden vier Konverter zu je 5 Tonnen für
Thomasbetrieb, zwei Bessemerkonverter und zwei kleine Robert-
konverter von 2,5 und 1 Tonne Inhalt mit seitlichen Düsen. Gillon
giebt folgende Zusammenstellung der Betriebsmittel und Erzeugung
der belgischen Stahlwerke nach dem Stand am 1. Januar 1894:


Das Erlöschen des Thomaspatentes am 15. April 1894 trug zur
Ausbreitung des Thomasverfahrens wesentlich bei. Die neuen Stahl-
werke zu Couillet und Marchienne-au-Pont wurden Anfang des
Jahres in Betrieb gesetzt. 1894 fand eine Weltausstellung in Ant-
werpen statt. Im August besuchten die Eisenhüttenleute von Rhein-
land und Westfalen die belgischen Eisenwerke. In dem darüber
veröffentlichten Bericht 2) sind besonders die Werke der Société ano-
nyme John Cockerill zu Seraing sowie die Stahlwerke Couillet und
Sclessin eingehend geschildert. Seraing zählte damals 9500 Arbeiter
einschlieſslich von 370 Beamten. Die 355 vorhandenen Maschinen hatten
19255 P.S.; es wurden täglich 1400 Tonnen Steinkohlen verbraucht.
71*
[1124]Belgien.
Von den fünf Hochöfen hatte der gröſste, Nr. 5, eine Tageserzeugung von
140 Tonnen. Die Kokerei umfaſste 534 Öfen, davon 50 Copéesche,
432 Appoltsche und 52 Semet-Solvay-Öfen mit Gewinnung der Neben-
produkte. Das Stahlwerk umfaſste 3 Konverter, 3 Siemens-Martinöfen,
14 Flammöfen und 2 Siemens-Regenerativöfen für Tiegelguſsstahl.
Die Konverter waren für 600 Tonnen, die Siemens-Martinöfen für je
15 Tonnen Tageserzeugung eingerichtet. Das Schienenwalzwerk hatte
eine Leistungsfähigkeit von 2000 Tonnen in der Woche. Auf die
Groſsartigkeit der Eisengieſserei, Schmiedewerkstätten und Maschinen-
bauanstalt können wir hier nur hinweisen 1). Die technische Leitung
hatte Direktor Greiner. Couillet hatte 1188 Arbeiter und Maschinen
von etwa 7000 P.S. Die Thomasblöcke gelangten in Rollöfen und
wurden dann in einem starken Triowalzwerk direkt fertig gewalzt.
Die Walzenzugmaschine daselbst war eine Drei-Cylindermaschine von
Ehrhardt \& Sehmer in Schleifmühle, die sich durch raschen und
zugleich ruhigen Gang auszeichnete; die groſse Schmiedepresse von
2000 Tonnen Druck bei einer Dampfspannung von 6,5 Atm. war
von der Kalker Werkzeugmaschinenfabrik L. W. Breuer, Schumacher
\& Co.
geliefert. In der nationalen Waffenfabrik zu Herstal war der
Arbeitsbetrieb fast ganz elektrisch.


Drei Jahre später, 1897, fand bereits wieder in Belgien eine
„Weltausstellung“ in Brüssel 2) statt, welche die inzwischen gemachten
Fortschritte der belgischen Eisenindustrie erkennen lieſs. Als solche
ist besonders die Ausbreitung und Zunahme des basischen Verfahrens
der Fluſseisenbereitung im Konverter wie im Flammofen hervorzuheben.
Die Gesellschaften Couillet und Providence konvertierten direkt vom
Hochofen. Letzteres Werk hatte in dem vorausgegangenen Jahre eine
neue Hochofenanlage zur Erzeugung von Thomasroheisen erbaut.


Die Gesellschaft Bonehill zu Hourpes a. d. Sambre hatte auch
ihren Puddelprozeſs so eingerichtet, daſs sie das flüssige Roheisen
direkt vom Hochofen in den Flammofen brachte. Es geschah dies
mit Hülfe eines Sammelofens, aus dem das Eisen in schwere Gabel-
pfannen abgelassen und den Puddelöfen zugeführt wurde. Man be-
schleunigte das Frischen unter Zusatz oxydischer Eisenerze (schwe-
dischen Magnetits). Die Puddelöfen wie der Sammelofen waren
Regenerativgasöfen, wobei aber nur ein Teil der Verbrennungsgase
zur Heizung der Wärmespeicher verwendet wurde, während ein anderer
[1125]Belgien.
Teil unter den Rost der Generatoren geführt und in diesen karburiert
wurde. Ähnliche Wärmöfen mit teilweiser Wiedererneuerung der
abziehenden Gase nach dem System Biedermann waren auch zu
Ougrée und Couillet in Anwendung.


Ein anderer wichtiger Fortschritt der letzten Jahre war die groſs-
artige Kolonisationsarbeit der belgischen Industriellen in Südruſsland.
Fast jede der groſsen Gesellschaften hatte eine Tochteranstalt in dem
neuerschlossenen Donetzgebiet gegründet. Wir werden auf diese in
dem Kapitel „Ruſsland“ näher zu sprechen kommen.


Der Eisenhandel Belgiens ist im Verhältnis zur Gröſse des Landes
ein groſsartiger. Besonders gefragt ist belgisches Schweiſseisen und
dies bildet noch immer den wichtigsten Ausfuhrartikel. 1888 betrug
die Ausfuhr von Schmiedeeisen und Eisenwaren 368343 Tonnen, 1898
454365 Tonnen. Verhältnismäſsig hat die Ausfuhr von Fluſseisen-
fabrikaten allerdings noch stärker zugenommen. Es betrug die
Ausfuhr von Stahl und Stahlwaren 1888 97344 Tonnen, 1898
211449 Tonnen.


Belgisches Eisen geht nach allen Ländern der Welt. Ein sehr
wichtiger Ausfuhrartikel Belgiens sind Waffen, besonders Handschieſs-
waffen, die meist in und um Lüttich fabriziert werden. Der Wert dieser
Waffenausfuhr betrug im Jahre 1898 über 16½ Millionen Frcs.


Auch in den letzten Jahren ist Belgien auf der Bahn des Fort-
schritts weitergeschritten und hat seinen Betrieb immer mehr
modernisiert. So hat es in der Lösung der Frage der Verwendung
der Hochofengase zu direkter Krafterzeugung eine wichtige Rolle
gespielt, und wieder war es die Gesellschaft John Cockerill zu
Seraing, die darin vorging und der es im Jahre 1898 gelang, eine
Hochofengasmaschine von 180 P.S. mit Erfolg zu betreiben 1); im
März 1900 wurde bereits eine gröſsere Maschine von 600 P.S. in Gang
gesetzt 2).


Eine ganz moderne Anlage sind die neuen Hochöfen zu Couillet
mit doppelten Parryschen Trichtern, geneigtem Gichtaufzug nach
amerikanischem Muster und selbstthätiger Begichtung 3).


[1126]Belgien.

Zahlengeschichte der belgischen Eisenindustrie.


Steinkohlenerzeugung 1870 bis 18991).


Verteilung in Tonnen.


Koksfabrikation Belgiens 1891 bis 1899.


[1127]Belgien.

Koks-Ein- und Ausfuhr 1870 bis 1890 in Tonnen.


Ein- und Ausfuhr mineralischer Brennstoffe in Tonnen.


Eisenerze.


Förderung Belgiens 1850 bis 18901).


Eisenerzerzeugung.


[1128]Belgien.

Eisenerzeinfuhr (etwa 90 Prozent des Verbrauchs) in Tonnen.


Roheisenerzeugung 1850 bis 1880 in Dezennien.


Roheisenerzeugung 1870 bis 1900 in Tonnen.


[1129]Belgien.

Wert der Roheisenerzeugung 1895 bis 1899.


Roheisenerzeugung nach Provinzen 1881.



Roheisenerzeugung nach Sorten und Provinzen in Tonnen.


Roheisenerzeugung nach Bezirken im Jahre 1896.


[1130]Belgien.

Roheisenerzeugung.


[1131]Belgien.

Stand der belgischen Hochöfen am 1. Juni 1898.


Schweiſseisenerzeugung 1850 bis 1890 nach Dezennien.


[1132]Belgien.

Schweiſseisen-Fertigfabrikate in Tonnen.





Sorten.


Erzeugung nach Provinzen.


[1133]Belgien.

Schweiſseisen.


[1134]Belgien.

Schweiſseisen und Fluſseisenerzeugung in Tonnen (Fertig-
fabrikate).


Fluſseisenerzeugung (einschl. Tiegelstahl) 1861 bis 1890
nach Dezennien.


Bessemerstahlerzeugung 1864 bis 1876 in Tonnen.




[1135]Belgien.

Erzeugung von Thomasstahl nach Gilchrist in Tonnen.




Fluſseisen 1884 bis 1900 in Tonnen.


Nach Sorten.


Nach Provinzen 1886 in Tonnen.


[1136]Belgien.

Verbrauch und Erzeugung 1892 in Tonnen.




Fluſseisen.


Fertigfabrikate 1899.



[1137]Belgien.

Durchschnittspreise für die Tonne in Mark.


Einfuhr 1888 bis 1898 in Tonnen.


Ausfuhr 1888 bis 1898 in Tonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 72
[1138]Belgien.

1897: 24455 Eisenhüttenarbeiter.


Einfuhr und Ausfuhr 1899 und 1900 in Kilotonnen.


Ein- und Ausfuhr 1899 und 1900 im prozentualen Verhältnis
zur Produktion.


Gesamtausfuhr von Eisen und Stahl 18961).


[1139]Belgien.

Ein- und Ausfuhr 1890 in Tonnen.


Ausfuhr 1897 bis 1899 in Tonnen.


72*
[1140]Belgien.

Ausfuhr 1898 und 1899 nach folgenden Ländern in Tonnen.


Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch).


[1141]Österreich-Ungarn.

Österreich-Ungarn.


Die uralte Eisenindustrie des Kaiserstaates hat seit 1870 trotz
der veränderten Verhältnisse eine höchst gedeihliche Entwickelung
genommen. Hierzu haben vielerlei innere und äuſsere Gründe bei-
getragen, am meisten aber ein verständnisvolles, auf wissenschaftlicher
Grundlage beruhendes Erfassen der Bedingungen der Eisenindustrie,
der gegebenen Verhältnisse und der gebotenen Verbesserungen.


Der Mann, dem hierfür das gröſste Verdienst zukommt, war
Peter von Tunner, der Direktor der Bergakademie zu Leoben, in
welchem praktischer Sinn und theoretisches Verständnis in seltener Weise
vereinigt waren und der durch sein eminentes Lehrtalent weit über
die Grenzen seines Vaterlandes segensreich gewirkt hat, so daſs dessen
zahlreiche Schüler im Deutschen Reiche ihm ebenso dankbare Ver-
ehrung gezollt haben und seinem Andenken noch zollen wie seine
Landsleute. Auf dem von ihm vorgezeichneten Wege wirkten dann seine
Schüler und Nachfolger, besonders Franz Kuppelwieser, Anton
von Kerpely, Josef Gängl von Ehrenwerth,
segensreich weiter.


Zu den äuſseren Gründen, die zur gedeihlichen Entwickelung der
österreichisch-ungarischen Eisenindustrie beitrugen, gehörte die weise
Politik der kaiserlichen Regierung. Der Ausgleich mit Ungarn, der
im Jahre 1867 zustande kam, war der Ausgangspunkt der Entfaltung
[1142]Österreich-Ungarn.
der ungarischen Eisenindustrie. Diese wurde wesentlich dadurch
gefördert, daſs sich der Staat eines groſsen Teiles seines Montan-
besitzes entäuſserte und diese der privaten Bewirtschaftung überlieſs.
Dies geschah nicht nur in Ungarn, sondern auch in den öster-
reichischen Stammlanden, besonders in den Alpenländern.


Zu den inneren Gründen gehören die technischen Fortschritte im
Eisenhüttenwesen, sowohl durch die Einführung und Entwickelung der
neuerfundenen Fluſsstahlprozesse, des Bessemer-, Martin- und Thomas-
verfahrens, als auch durch die verbesserte Verwendung der im
Lande vorhandenen Brennstoffe durch Vervollkommnung der Gas-
feuerungen.


Österreich-Ungarn ist reich an guten Eisenerzen, dagegen arm
an Steinkohlen. Braunkohlen und Torf, mit denen es reichlicher
versehen ist, müssen aushelfen, was für die Eisenindustrie in den
meisten Fällen erst durch deren Vergasung ermöglicht wird.


Nach der Natur seiner Eisenerze zerfällt Österreich (Cisleithanien)
in zwei Gruppen: die Südgruppe, die Alpenländer umfassend, worin
Spateisenstein vorherrscht, und die Nordgruppe: Böhmen, Mähren und
Schlesien, mit vorherrschenden Braun- und Thoneisensteinen. Diese
Verschiedenartigkeit der Erze beeinfluſst nicht nur die Natur und
Güte der Erzeugnisse, sondern auch die Betriebsweise. Ungarn hat
eine groſse Mannigfaltigkeit an Erzarten und einen solchen Reichtum
an guten Erzen, daſs es beträchtliche Mengen davon ausführt, be-
sonders nach Österreichisch- und Deutsch-Schlesien.


In früherer Zeit, als Holzkohlenbetrieb und Frischprozeſs noch
vorherrschten, lag der Schwerpunkt der Eisenerzeugung in der Süd-
gruppe, in den Alpenländern. Seit Einführung des Steinkohlenbetriebes
und der Fluſseisendarstellung hat eine Verschiebung zu Gunsten
der Nordgruppe stattgehabt. In Prozenten betrug die Erzgewinnung:

[1143]Österreich-Ungarn.
und die ganze Erzförderung Österreichs dem Gewicht nach 1878
666150 Tonnen, 1899 1725143 Tonnen. Ungarns Eisenerzförderung
betrug 1899 1587600 Tonnen, wovon ein Drittel ausgeführt wurde.


Die Roheisenerzeugung Österreichs ist in der Zeit von 1871 bis
1899 von 250320 Tonnen auf 996385 Tonnen, also nahezu um das
Vierfache, die Ungarns von 132902 auf 471268 Tonnen, die der
gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie von 424638 Tonnen
auf 1467653 Tonnen gewachsen.


Die hohe Bedeutung des Bessemerprozesses für Österreich hatte
besonders Tunner frühzeitig erkannt und seinen Bemühungen war
es gelungen, dieses Verfahren bereits im Jahre 1863 in Turrach ein-
zuführen. Die Eisenerze der Alpenländer und anderer Gebiete
gestatteten die Herstellung eines guten Bessemerroheisens aus ein-
heimischem Roheisen. Eine gröſsere Anzahl von Werken war deshalb
in den folgenden Jahren dem Beispiel der Eisenhütten zu Turrach
und in der Heft gefolgt.


1867 hatte man auch die ersten Versuche mit dem Martinprozeſs
begonnen. Als man mit der Fluſseisendarstellung anfing, hatte das
Puddelverfahren noch keineswegs die alte Holzkohlenfrischerei ganz
verdrängt. Das Bessemerverfahren ersetzte dieses zum Teil, und zwar
um so vorteilhafter, als der Preis der Holzkohlen immer mehr stieg.
Als dann 1878 die Erfindung des basischen Bessemerprozesses durch
Gilchrist Thomas auch die Verarbeitung phosphorhaltiger Roheisen-
sorten in der Birne gestattete, und als man bald danach lernte, in
dem Martinofen mit basischem Futter ein weiches Fluſseisen als
Ersatz für Frisch- und Puddeleisen herzustellen, da errang dies Fluſs-
eisen bald den Sieg über das Schweiſseisen, und zwar geschah dies
in Österreich früher als in irgend einem anderen Lande. Leider fehlt
es an zuverlässigen Zahlen über die Schweiſseisenerzeugung in der
österreichischen Monarchie, während für die Erzeugung des Fluſseisens
eine Statistik vorhanden ist. Aus dieser, dem Roheisenverbrauch und
anderen Angaben läſst sich aber die Schweiſseisenerzeugung annähernd
berechnen. Danach wurden erzeugt:


Im Jahre 1883 hat also bereits die Erzeugung des Fluſseisens
die des Schweiſseisens überflügelt und diesen Sieg seitdem dauernd
[1144]Österreich-Ungarn.
behauptet. In Groſsbritannien trat dieser Zustand erst 1885, in
Deutschland erst 1890 ein.


Zu Anfang der siebziger Jahre bestand noch eine nicht
unbedeutende Holzkohlen-Eisenindustrie in den österreichischen Alpen-
ländern und in Siebenbürgen fanden sich vereinzelt sogar noch Stück-
ofenbetriebe. Solche erwähnt A. von Kerpely in seinem Bericht
über die Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 zu Thoreczko bei
Thorda und zu Plotzko bei Vajda-Hunyad in Siebenbürgen. Auch
auf dem Gyalar in Siebenbürgen verschmolz man 1872 gerösteten
Brauneisenstein mit Holzkohlen in einem Stückofen. Man erhielt
dabei ein direkt verarbeitbares Rohstableisen.


Das Roheisen wurde in Südösterreich noch meist mit Holzkohlen
geschmolzen. 1870 begann man zuerst in den Alpenländern zu
Prävali in Kärnten mit der Erbauung eines groſsen Kokshochofens
für 15000 Tonnen Jahreserzeugung. 1873 war man in Südösterreich
auf folgenden Werken teilweise zum Koksbetrieb übergegangen: zu
Prävali in Kärnten (ein Ofen), zu Schwechat bei Wien (zwei Öfen), zu
Zeltweg in Steiermark (ein Ofen), ferner war ein Koksofen zu Niklas-
dorf im Bau.


In Nordösterreich waren 1871 neue Kokshochöfen zu Witkowitz
und Mährisch-Ostrau und auf Carl-Emilshütte bei Nusic in Böhmen
und 1872 zu Trzynietz in Mähren gebaut worden.


Durch Erhöhung der Windtemperatur auf 500 bis 600° C. in
Gjers’ Winderhitzern (Clevelandapparaten) erzielte man auch bei den
Holzkohlenhochöfen Mehrerzeugung und Kohlenersparnis, so im Jahre
1871 zu Olsa in Kärnten 25 bis 30 Prozent, zu Treibach und Eisenerz
in Steiermark 29 Prozent und brauchte man bei weiſsstrahligem und
weiſsem Eisen nur 55 Gewichtsteile Holzkohlen auf 100 Eisen. Zu Olsa
bei Friesach hatte man 1872 mit gutem Erfolg ein Drittel der Holz-
kohlen durch Köflacher Braunkohlen ersetzt.


Auf der Adalberthütte bei Kladno in Böhmen hatte Jacobi
seine Entphosphorung auf nassem Wege durch Auslaugen der
gerösteten Erze mit einer Lösung von schwefliger Säure eingeführt.
Ebenso hatte Jacobi dort einen Gasfang und Chargiervorrichtung
mit beweglichem Trichterstück konstruiert. Den Wind lieferte ein
groſses Balanciergebläse, dessen Windcylinderkolben 2,845 m Durch-
messer und Hub hatte.


Zu Jauerberg und Putten in Krain wurden 1872 Hochöfen nach
Büttgenbachs System gebaut. Auf ersterer Hütte erblies man ein
[1145]Österreich-Ungarn.
sehr manganreiches strahliges Eisen mit 12 bis 22 Prozent Mangan
für den Bessemerprozeſs.


In Tirol, wo im Süden vereinzelt noch die alte Müglaschmiede
betrieben wurde, hatte man Wagnersche Röstöfen und seit 1873
Fillafer-Öfen und Gjers-Winderhitzer. Das Roheisen wurde teils ver-
gossen, teils in Frischfeuern mit Holzkohle zu Stabeisen und Stahl
verfrischt.


In Ungarn regte sich die Eisenindustrie seit Anfang der sieb-
ziger Jahre mächtig. Die Werke der Südbahngesellschaft zu Reschitza
und Annina hatten schon in dem vorhergehenden Jahrzehnt groſse
Bedeutung erlangt. Die Lias-Steinkohle von Steierdorf lieferte den
Brennstoff. 1871 wurde dieselbe zu Annina in 60 Öfen für den Hoch-
ofenbetrieb verkokt. Braun- und Roteisensteine von Morawitza und
Dognacska bildeten den Hauptteil der Beschickung. Auſserdem war
die Steinkohle von Blackband begleitet. Mit verbesserten Wasser-
alfinger Winderhitzungsapparaten erzielte man eine Temperatur des
Gebläsewindes von 350° C.


Der Hochofen von Kalán in Siebenbürgen zeichnete sich (1871)
durch eigentümliche Bauart aus. Zwischen Raugemäuer und Kern-
schacht war ein zwei Fuſs breiter Zwischenraum. 1872 schmolz man
zu Kalán unter Leitung von Massenez in einem Hochofen nur mit
roher Braunkohle, später mischte man derselben ein Viertel Koks
bei. Auf dem neugegründeten Königl. ungarischen Staatswerk in
Diósgyör war 1870 der erste Hochofen angeblasen und 1871 das
Schienenwalzwerk in Betrieb gesetzt worden. Zu Salgo Tarján wurden
1872 zuerst die Siemens-Gasfeuerung und das Walzen von I-Trägern
eingeführt.


Auf der Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 zeigte sich die
österreichische Eisenindustrie und die erzielten Fortschritte, wenn
auch in zersplitterter Aufstellung, in bestem Lichte. Der gröſste
Kokshochofen von Witkowitz hatte damals 18,72 m Höhe, 5,44 m Weite
im Kohlensack, 4,80 m in der Gicht und 2,24 m im Gestell. Seine
Wochenproduktion betrug 240 Tonnen. Ebenso viel lieferte der neue
Hochofen zu Prävali von nur 16,96 m Höhe [und] 4,68 m Weite im
Kohlensack, allerdings mit den vorzüglichen Kärntner Erzen. Zwei
weitere groſse Kokshochöfen waren von der Innerberger Haupt-
gewerkschaft zu Schwechat bei Wien nach Büttgenbachs System
erbaut worden. Ihre Maſse waren 18,97 m Höhe, 5,69 m im Kohlen-
sack, 4,11 m in der Gicht, 2,21 m im Gestell. Es waren dies damals
die gröſsten Hochöfen Österreichs. Ein Ofen lieferte täglich 50 Tonnen
[1146]Österreich-Ungarn.
Bessemerroheisen mit Koks von Oslavan. Ein Kokshochofen war
ferner zu Zeltweg in Steiermark errichtet und in Niclasdorf befand
sich, wie erwähnt, einer im Bau. Man setzte damals auch in den
Alpenländern groſse Hoffnung auf den Hochofenbetrieb mit Koks.


In der nördlichen Gruppe waren auſser zu Witkowitz Koks-
hochöfen zu Stefanau, Trzynietz und in Böhmen zu Kladno,
Rockycan, Karlshütte und Zbirow. Die Holzkohlenhochöfen von
Ritter von Friedau in Vordernberg hatten eine Tagesproduktion
von 25 bis 30 Tonnen, während die kleineren Öfen nur die Hälfte
erzeugten.


In Ungarn hatten die Werke der Staatsbahngesellschaft im Jahre
1873 drei Hochöfen zu Reschitza und einen zu Deutsch-Bogsan in
Betrieb, welche Magnet- und Roteisensteine von Morawitza mit Holz-
kohle schmolzen. Zu Annina verhüttete man auſser Kohleneisenstein
die Erze von Dognatzka in zwei Kokshochöfen. Diese Werke erzeugten
etwa ein Viertel der gesamten Produktion Ungarns. 1872 erblies
Reschitza 17634 Tonnen, Annina 14604 Tonnen. Nach diesen hatten
die ungarischen Staatswerke zu Rhonitz, welche die Werke Rhonitz,
Brezova, Teisholz, Libethen, Poinik, Mostenicz, Waiszkova, Jaffena,
Polhora, Zeleznik, Dobschau und Gölnicz umfaſsten, die gröſste Er-
zeugung, sie betrug 1871 9738 Tonnen Roheisen. Ungarn zeigte auf
der Wiener Weltausstellung sein Streben nach Selbständigkeit und
Entwickelung seiner nationalen Eisenindustrie 1).


Bei dem Puddel- und Schweiſsbetrieb war das Streben auf Brenn-
stoffökonomie gerichtet. Aus diesem Grunde führte man 1871 in
Prävali einen Lundinschen Sägespäne-Gasschweiſsofen ein. Die
Benutzung von Siemens’ Regenerativfeuerung bei den Schweiſsöfen
erzielte in Prävali und Judenburg eine bedeutende Brennstoffersparnis.


Eine groſse Bedeutung hatte der Bessemerprozeſs erlangt. In
Österreich waren den ersten Unternehmen zu Turrach und Heft das
ärarische Eisenwerk Neuberg, die Stahlhütte der Südbahn zu Gratz,
Zeltweg, die Anlagen zu Witkowitz, Kladno, Ternitz, Teplitz gefolgt.
Von diesen war Ternitz mit sechs Konvertern 1873 am bedeutendsten.
1873 betrug die Bessemerstahlerzeugung bereits 70000 Tonnen. Es
folgten 1873 und rasch danach die Stahlhütten von Prävali und
Trzynietz. Ungarn besaſs 1873 nur ein Bessemerwerk zu Reschitza,
das aber zu den gröſsten der Monarchie gehörte und in zwei Kon-
[1147]Österreich-Ungarn.
vertern im Jahre 1872 7950 Tonnen Fluſsstahl erzeugte, der haupt-
sächlich zu Eisenbahnschienen verwendet wurde.


Jos. von Ehrenwerth brachte ein Verfahren direkter Eisen-
erzeugung auf einem horizontalen Drehherd in Vorschlag. Lang und
Frey führten ihr zu Weidisch erprobtes Verfahren der Roheisen-
gewinnung aus Frisch- und Schweiſsschlacken, die mit Kohlenlösche
und Kalk vermengt in einem kleinen Hochofen geschmolzen wurden,
vor. Kladno stellte seinen Röhrenguſs, Ganz \& Co. in Budapest
ihren vorzüglichen Hartguſs aus. Von wissenschaftlichen Arbeiten
aus jener Zeit sind die „Studien über den Hochofenprozeſs“ von
F. Kuppelwieser und Schöffel, ferner des ersteren Abhandlung
„Über Wärmeentwickelung im Bessemerofen“ und M. von Lills
Untersuchungen österreichischer und ungarischer Eisenerze hervor-
zuheben.


Die ersten Jahre des siebenten Jahrzehnts waren auch in Öster-
reich eine Zeit groſsen Aufschwunges, der durch die Vorbereitung für
die Wiener Weltausstellung noch erhöht wurde. Leider folgte auf
diese Zeit des Aufschwunges in der zweiten Hälfte des Jahres 1873
ein Rückschlag, der, weil er mit der Weltausstellung in Wien zu-
sammenfiel und deshalb dort besonders auffiel, als der „Wiener Krach“
bezeichnet wurde. Die österreichische Eisenindustrie litt schwer
darunter. Die Roheisenerzeugung sank von 1873 bis 1877 von
534548 Tonnen auf 388240 Tonnen. Dennoch sind auch aus dieser
Zeit manche Fortschritte zu verzeichnen.


Die Wiener Weltausstellung hatte die Aufmerksamkeit auf
W. Siemens’ Erzstahlprozeſs und auf die rotierenden Puddelöfen von
Danks und Seller gelenkt. Mit ersterem wurden 1874 Versuche
in Neuberg, Prävali und in Ungarn angestellt, aber ohne günstigen
Erfolg. Lang und von Ehrenwerth mischten geröstete Eisenerze
mit Reduktionsmitteln, trugen dieses „Stahlgut“ in einen rotierenden
Ofen ein, reduzierten bei niedriger Temperatur und rauchender
Flamme, steigerten alsdann die Hitze, gossen in einem zweiten Ofen
geschmolzenes Roheisen über den reduzierten Eisenschwamm und
erhielten so Fluſseisen 1).


Ein groſsartiges Eisenwerk für eine Produktion von 80000 Tonnen
Koksroheisen, das in rotierenden Cramptonöfen verpuddelt werden
sollte, legte Strousberg in der von ihm erworbenen Herrschaft
[1148]Österreich-Ungarn.
Zbirow in Böhmen an, doch geriet das Unternehmen schon 1875 in
Konkurs, ehe es vollendet war.


1875 gelang es in Jauerburg und Sava in Krain, Ferromangan
im Hochofen herzustellen. 1875/76 wurden 6555 M.-Centner Ferro-
mangan mit 37 bis 45 Prozent Mangan, 2717 M.-Centner mit 20 bis
36 Prozent, 2061 M.-Centner Spiegeleisen mit 11 bis 19 Prozent und
5043 M.-Centner mit geringerem Mangangehalt erblasen.


In Prävali, wo man mit Koks von Fünfkirchener Steinkohle
schmolz, kehrte man 1875 wieder zum Holzkohlenbetrieb zurück. In
dem 1873 erbauten Bessemerwerk schmolz man das Roheisen in
Kupolöfen um. Auf dem Werke befanden sich auch fünf Doppel-
puddelöfen und vier Gasschweiſsöfen.


Der Bessemerprozeſs hatte sich noch mehr ausgebreitet; die
Birnen standen meist direkt mit den Hochöfen in Verbindung.
1874 wurden 24472 Tonnen ohne Umschmelzen des Roheisens er-
blasen. Wo man in Kupolöfen umschmolz, suchte man durch heiſses
Einschmelzen und reichlichen Schrottzusatz (bis 60 Prozent) die
Mehrkosten auszugleichen.


In Ungarn führte Ludwig v. Borbely 1876 mit Erfolg Siemens
Regeneratorfeuerung bei den Puddelöfen, die mit Braunkohlen geheizt
wurden, ein. Ein solcher Gaspuddelofen machte in der 12stündigen
Schicht sieben bis acht Chargen von 450 kg Einsatz. Man erhielt
3000 bis 3500 kg Luppen bei einem Kohlenverbrauch von 160 bis
180 Prozent. Ferner führte Borbely rotierende Pernotöfen und ein
Universalwalzwerk ein. 1876 stellte man in Reschitza Ferromangan
im Hochofen dar. Zu Altsohl versah man 1878 die Schweiſsöfen mit
Bicherouxfeuerungen und die Puddelöfen mit wassergekühlten Backen.


Zu Josephsthal in Böhmen arbeitete man schon 1877 mit Torf-
gasöfen mit Regeneratoren nach Pietzkas System.


Tunner wies 1878 auf die Wichtigkeit des Siemens-Martin-
verfahrens für weiches Fluſseisen von unter 0,2 Prozent Kohlenstoff-
gehalt hin. 1878 baute J. Prochaska auf dem Eisenwerk der Süd-
bahngesellschaft in Graz ein neues Siemens-Martinstahlwerk mit
Öfen für 10 Tonnen Einsatz und Gasbetrieb. Mit dem vorzüglichen
Altmaterial erhielt man ein sehr gutes Produkt. Da die Unter-
haltungskosten geringer waren wie beim Bessemern, so war der
Betrieb vorteilhafter, solange genug Altmaterial vorhanden war.
Mischung und Entzündung von Gas und Verbrennungsluft fanden
erst im Ofenherd statt. Man hatte acht Gasgeneratoren. Auf 100 Tle.
Fluſseisen wurden 87,6 Tle. Kohlen und 104,57 Tle. Eisenmaterial
[1149]Österreich-Ungarn.
(26,78 Roheisen, 73,80 Alteisen und 3,79 Spiegeleisen) verbraucht. Die
Jahreserzeugung betrug 6000 Tonnen Blöcke, die zu Eisenbahn-
schienen verarbeitet wurden. Die Qualität wurde durch die Eggertz-
sche Kohlenstoffprobe und ein rasches Verfahren der Phosphor- und
Manganbestimmung kontrolliert. Infolge der guten Erfahrungen wurde
in Graz der Bessemerprozeſs ganz durch das Martinverfahren ver-
drängt. Die in dem Puddelwerk des Grazer Walzwerks eingeführten
Crampton-Rotatoren arbeiteten (1877) gut. Pernot-Drehöfen waren
zu Annina im Banat für Fluſsstahl eingeführt worden. Zu Zeltweg
schmolz man 1878 im Hochofen mit einem Gemisch von Koks und
Braunkohle, und zwar setzte man auf 986 kg Koks 715 kg Braun-
kohlen. 1877/78 baute Direktor Goedecke von Düsseldorf verbesserte
Whitwell-Winderhitzer nach seinem System zu Trzynietz und Wit-
kowitz.


1879 machte sich wieder ein Aufschwung in der österreichischen
Eisenindustrie fühlbar, wozu der Zollschutz durch die Einführung des
autonomen Zolltarifs wesentlich beitrug. In diesem Jahre wurde das
Thomas-Gilchrist-Verfahren zur Entphosphorung und Fluſseisen-
bereitung bekannt. Josef Gängl von Ehrenwerth wies auf die
wirtschaftliche Bedeutung derselben hin 1) und stellte zuerst eine
richtige Theorie des Prozesses auf, indem er nachwies, daſs wie bei
dem sauren Verfahren das Silicium bei dem basischen Verfahren der
Phosphor als Brennstoff wirke und die hohe Temperatur des Eisen-
bades erzeuge. Bereits im Sommer 1879 führte man in Kladno und
dann in Teplitz und Witkowitz das neue Verfahren ein, allerdings
an letzterem Orte mit der Abänderung, daſs man erst in einer Birne
mit saurem Futter das Silicium abschied und dann in einer Birne
mit basischer Auskleidung die Entphosphorung bewerkstelligte. Das
Thomasverfahren wurde bald darauf auch in Ternitz eingeführt.


1879 baute Max Glenzer zu Bržova in Ungarn Holzgaspuddel-
öfen mit liegenden Regeneratoren.


Das Roheisen, welches 1880 zu Witkowitz „thomasiert“ wurde,
enthielt auſser dem normalen Gehalt an Kohlenstoff 0,9 Prozent
Phosphor, 0,75 Silicium, 0,2 Schwefel und 0,07 Kupfer, das daraus
erblasene Fluſseisen 0,05 bis 0,15 Prozent Kohlenstoff, 0,02 bis 0,05
Phosphor, 0,02 Schwefel, 0,07 Kupfer und Spuren von Silicium. Die
Zerreiſsfestigkeit betrug 40 bis 42 kg, die Kontraktion 60 Prozent.


In den achtziger Jahren nahm die Eisenindustrie Österreichs und
[1150]Österreich-Ungarn.
Ungarns eine sehr gedeihliche Fortentwickelung. Die Roheisen-
produktion Österreichs stieg von 1880 bis 1890 von 320302 Tonnen
auf 686273 Tonnen, die Ungarns von 143932 Tonnen auf 299107
Tonnen, also in den beiden Hälften der Monarchie um mehr als das
Doppelte.


1880 wurden in Steiermark aus Frischherden noch 130826 M.-Centner,
aus Puddelöfen 353353 M.-Centner Schweiſseisen und 254483 M.-Centner
Fluſseisen und Fluſsstahl erzeugt.


Das Patent für das basische Thomasverfahren hatten damals die
Werke zu Witkowitz, Kladno und Teplitz erworben. Unter der Leitung
von Paul Kuppelwieser entwickelte sich die Thomasstahlfabrikation
zu Witkowitz in gedeihlicher Weise weiter. Der geringe Phosphor-
gehalt des Roheisens zwang anfangs zu der erwähnten Teilung des
Prozesses (Harmets Verfahren). Später ging man zum reinen Thomas-
verfahren über, nachdem es gelungen war, phosphorreiches Roheisen
durch Zusatz phosphorreicher Puddelschlacken, die aus Peine bezogen
wurden, herzustellen. Dabei gab man auch die phosphorreiche Thomas-
schlacke immer wieder in den Hochofen zurück. Zur Auskleidung
der Thomasbirnen verwendete man gebrannte Dolomitziegel mit
geringem Kieselsäuregehalt. Das Thomasfluſseisen war besser als das
früher erzeugte Bessemerfluſseisen, besonders für Schienen, Radreifen,
Achsen, Schwellen, Kessel-, Schiffs- und Weiſsblech, Konstruktions-
eisen, Draht, Schrauben und Bolzen, gewalzte Röhren und Schmiede-
stücke jeder Art. Für Bleche zog man es dem Schweiſseisen vor.
Silicium und Phosphor des Roheisens muſsten zusammen mindestens
2,5 Prozent betragen, um genügend heiſses Fluſsmetall zu erhalten.
Man hatte die auswechselbaren Konverterböden von Holley ein-
geführt. Ein Boden hielt 30 Chargen aus, wenn man die sauren
Düsen alle fünf bis sechs Chargen erneuerte.


Auf dem 1873 gegründeten Stahlwerk zu Teplitz wurde 1879 ver-
suchsweise, dann 1881 dauernd der Thomasprozeſs eingeführt. Man bezog
in Ermangelung von genügend phosphorreichem einheimischen Roh-
eisen solches von Ilsede am Harz, das 2 bis 2,4 Prozent Phosphor und
2,5 Prozent Mangan enthielt, für den Thomasprozeſs, da man damals
noch kein geeignetes Roheisen erblies. Das Werk, das auf die billige
Braunkohle begründet war, hatte zwei 6- bis 7-Tonnen-Konverter für
Bessemerbetrieb und einen von 8 Tonnen Einsatz für das Thomas-
verfahren. Das Einschmelzen erfolgte in Regenerativ-Gasflammöfen.
Das reine Roheisen der Alpenländer eignete sich mehr für den
Bessemer- als für den Thomasprozeſs. P. von Tunner berechnete,
[1151]Österreich-Ungarn.
daſs die Mehrkosten des Thomasierens durch das teurere Futter und
den Abbrand sich um 1 Gulden (Mark 1,70) pro Tonne höher stellten
als das Bessemern, um so viel müſste also das Roheisen zum mindesten
billiger sein.


Nordösterreich besaſs mehr phosphorhaltige Erze und so erblühte
hier erst das Thomas-, dann das basische Martinverfahren, was nach
und nach zu einer Verschiebung der Erzeugung und zu einer Mehr-
produktion der nördlichen gegenüber der südlichen Gruppe führte.
Unter dieser Verschiebung litt am meisten die oberösterreichische
Kleineisenindustrie, welche noch den handwerksmäſsigen Betrieb bei-
behalten hatte und gewohnheitsmäſsig auf den Bezug des vortrefflichen
steierischen Holzkohlen-Frischeisens und Stahls eingerichtet war. Die
Zahl der Kleinmeister, welche die mannigfaltigen Eisen- und Stahl-
waren lieferten, war eine überaus groſse. 1880 zählte man 3127
Betriebe, wovon 532 auf das Gebiet der Stadt Steyr entfielen.
Dennoch hatte sich die Zahl der Betriebe vermindert, denn 1860 gab es
deren in der Stadt Steyr noch 783, während man 1880 in der Stadt nur
504 zählte. Hochöfen gab es in Oberösterreich keine, dagegen hatte die
Innerberger Hauptgewerkschaft ein bedeutendes Walz- und Hammer-
werk zu Reichraming, das 1880 1120 Tonnen steyrisches Roheisen
verarbeitete, und Hammerwerke zu Kleinreifling und Weyer. Früher
hatten die Eisen- und Stahlwaren aus dem vorzüglichen Eisen und
Stahl der Alpenländer gewissermaſsen ein Monopol. Durch die Fluſs-
stahlfabrikation hatte sich das wesentlich geändert. Es wurde an
sehr vielen Orten guter Fluſsstahl, der für Kleineisenzeug, für Messer-
waren, Sensen, Feilen u. s. w. geeignet war, hergestellt, und diese Fabri-
kation war deshalb nicht mehr so wie früher von den Gebieten, aus
deren Erzen Qualitätseisen hergestellt wurde, abhängig. Hieraus
erwuchs den alten Betriebsstätten eine bedeutende Konkurrenz. Rem-
scheid und Solingen hatten sich den neuen Verhältnissen rascher
angepaſst, die Handarbeit vielfach durch Maschinenbetrieb ersetzt
und lieferten ihre guten und billigen Waren nach Österreich.
Zum Fabrikbetrieb konnte man sich hier nicht aufschwingen, dazu
fehlte es auch an Kapital und die genossenschaftliche Arbeit litt
durch den Zerfall der alten Zünfte. Die Handarbeiter waren in Ab-
hängigkeit von den Händlern, ihr Verdienst war gering, es fehlte der
Nachwuchs. Dabei war der einzelne oft nicht imstande, ein Stück
fertig zu machen, indem sich eine weitgehende Arbeitsteilung aus-
gebildet hatte, so daſs ein Arbeiter meist nur lernte, einen Teil eines
Stückes anzufertigen. Es wurde viel beraten und versucht, um dem
[1152]Österreich-Ungarn.
Notstand entgegen zu arbeiten. Um dem Arbeitermangel abzuhelfen,
gründete die Landesregierung in der Stadt Steyr eine Lehrwerkstätte.


Trotz der schlimmen Lage wurde noch Tüchtiges geleistet, wo
sich alte Genossenschaften erhalten hatten oder wo gröſsere Unter-
nehmungen sich entwickelten. Zu letzteren gehörten die berühmte
Gewehrfabrik von Franz Werndl zu Unterhimmel bei Steyr,
die Schöndorfer Guſsstahlfabrik und die Messerwarenfabrik von
Ignaz Bandl; zu ersteren gehörten die uralte Trattenbacher
Messergenossenschaft, die 1880 noch 20 Meister zählte und be-
sonders die Micheldorfer Sensengewerksgenossenschaft, die 46 Ge-
werken umfaſste, die an 1000 Arbeiter beschäftigten. Die groſsen
Waffenfabriken der Firma J. F. Werndl u. Co. in Steyer und Ober-
letten beschäftigten 3000 bis zu 5000 Mann. Steiermarks Erzeugung
betrug 1880: 130826 M.-Centner Herdfrischeisen, 353353 M.-Centner
Flammofenfrischeisen und 254483 M.-Centner Fluſseisen und Stahl.
Zu Gratz und Zeltweg walzte man Eisenbahnschienen aus Bessemer-
stahl.


Die Sensenwerke in Steiermark umfaſsten zu Anfang der achtziger
Jahre 23 Werke mit 107 Öfen und 140 Hammerschläger, diese be-
schäftigten 773 Arbeiter und verarbeiteten 18215 M.-Centner Stahl,
und zwar Tiegelguſsstahl, Martin- und Bessemerstahl, der weniger Aus-
schuſs und gröſsere Produktion gab als Frisch- und Puddelstahl. Sehr
bedeutend hatte sich die Fabrikation von Draht und Drahtstiften in
Steiermark entwickelt; sie verarbeitete auf den Werken zu Kindberg,
Bruck, Thörl, Knittelfeld, Admont, Donawitz und Rottenberg 35000
M.-Centner.


Ein wichtiges Ereignis für die Eisenindustrie der Alpenländer
war die Gründung der Österreichischen Alpinen Montan-Gesellschaft
1881, welche die wichtigsten Eisenwerke Steiermarks sowie die zu
Prävali in Kärnten und Schwechat bei Wien in sich aufnahm; 1886
umfaſste sie 31 berg- und hüttenmännische Etablissements, die
650734 Tonnen Braunkohlen, 430530 Tonnen Eisenerze, 151539 Tonnen
Hochofenerzeugnisse, 60661 Tonnen Fluſsstahl und 50312 Tonnen
Schweiſseisen und Stahl erzeugten.


In Obersteiermark hatte 1882 das Fürstl. Schwarzenbergische
Bessemerwerk zu Turrach drei kleine Birnen, deren Erzeugnisse auf
den Hämmern zu Murau, Frauenberg und Vordernberg zu Streckstahl
verarbeitet wurden. Neuberg goſs dagegen schwere Blöcke, die unter
groſsen Hämmern zu Achsen, Bandagen, Platten u. s. w. ausgeschmiedet
wurden. Martinöfen gab es 1882 in Neuberg und Donawitz, Guſs-
[1153]Österreich-Ungarn.
stahlwerke in Kapfenberg, Mürzzuschlag, Rothenthurm bei Judenburg
und Tajagraben. Die wichtigste Guſsstahlhütte war Kapfenberg, das
der Innerberger Hauptgewerkschaft gehört und mit 12 Siemens-Schmelz-
öfen zu je 20 Tiegeln arbeitete. Die vier Hütten lieferten 30500 M.-
Centner Guſsstahlkönige und 600 M.-Centner Façonguſs. Gepreſste
emaillierte Waren lieferte besonders Handl u. Co. zu Knittelfeld.


In Kärnten zählte man 1882 zu Lölling, Treibach, Heft, Eber-
stein, Prävali, St. Gertraud, Eisenstrattau, Waidisch und Schwarzenbach
23 Hochöfen. Die Hüttenberger Eisenwerksgesellschaft besaſs die
gröſsten und besten Hochöfen, ihr gehörten auch die beiden einzigen
Bessemerhütten zu Heft und Prävali. Zu Heft wurde das flüssige
Roheisen vom Hochofen unmittelbar in die Birne geleitet und die
Abfälle in die Birne geworfen. 1878 wurden 115289 M.-Centner Roh-
eisen und 127203 M.-Centner Bessemereisen erzeugt. Prävali erblies
etwa 100000 M.-Centner, Lölling 150000 M.-Centner und Treibach
100000 M.-Centner Bessemereisen. Die Zahl der Eisenraffinier- und
Schmelzwerke in Kärnten war beträchtlich. Es gab 30 Raffinierwerke
mit 68 Frischfeuern auf Eisen und 7 auf Stahl, 52 Puddel- und
22 Schweiſsöfen, 29 Siemensöfen, 71 Glühöfen, 141 verschiedene Feuer
und 7 Cementstahlöfen 1). Sensenfabriken waren in Greifenberg,
Himmelberg, Klein-Glödnitz und besonders in Wolfsberg, wo sieben
Firmen die Fabrikation betrieben. Die altberühmte Gewehrfabrik
zu Ferlach lieferte meistens Jagdgewehre. 1874 war die Villacher
Maschinenfabrik gegründet worden.


Sehr rührig war Anfang der 80er Jahre der neugegründete Berg-
und Hüttenmännische Verein für Steiermark und Kärnten, der auch
eine gute Zeitschrift herausgab. Erwähnung verdient auch, daſs vom
19. bis 21. Sept. 1882 zu Wien ein Meeting des Iron and Steel In-
stitute abgehalten wurde. P. v. Tunner erstattete dabei einen Bericht
über die Lage der Eisenindustrie in Steiermark und Kärnten.


In Südböhmen hatte sich 1882 im Böhmerwald noch eine alte
Holzkohlenindustrie erhalten, hauptsächlich Hämmer und keine Werke.
Zu Pisek war ein Hochofen in Betrieb. Drei Gieſsereien waren in
Klabowa, Rǒzmital und Sedletz.


Im Königreich Ungarn zählte man 1882 41 Schmelzwerke mit
68 Hochöfen, wovon 52 im Feuer standen. Von diesen wurde nur
einer zu Reschitza ausschlieſslich mit Koks betrieben, einer zu Kalán
mit Koks und Braunkohle, einer zu Annina mit Holzkohle und Stein-
Beck, Geschichte des Eisens. 73
[1154]Österreich-Ungarn.
kohle und einer zu Theisholz mit Holzkohle und Koks, alle übrigen
hütteten nur mit Holzkohlen. Ungarn besaſs groſse Waldungen, die
aber meist von den Erzgebieten entfernt lagen. Das Stahlwerk zu
Reschitza hatte vier Konverter und zwei Martinöfen. Ein zweites
Fluſsstahlwerk war zu Diosgyör entstanden mit zwei Konvertern und
zwei Martinöfen. Das Bessemerroheisen lieferten die oberungarischen
Schmelzwerke. Zu Salgó-Tarjan wurden Holzgasöfen betrieben. Tiegel-
schmelzöfen mit Regenerativfeuerung waren in Kudsir. Hier und zu
Brezova wurde auch Frisch- und Puddelstahl gemacht. Der Verbrauch
von Schmiedeeisen in Ungarn betrug 1882 92880 Tonnen, von Guſs-
waren 40947 Tonnen, hierzu kam noch der Eisenverbrauch für Eisen-
bahnen von etwa 77000 Tonnen.


1883 schlug J. v. Ehrenwerth die Regenerirung der Gichtgase
vor. Moser führte seine Gasröstöfen in Steiermark ein, Sailler in
Witkowitz Gasgeneratoren mit kontinuierlichem Betrieb. Springer
baute seinen Doppel-Puddelofen mit Regenerativfeuerung auf der
Hermannshütte in Böhmen; K. Wittgenstein und A. Kurzwernhart
betrieben in Teplitz die Fabrikation von Fluſsstahlschienen mit Braun-
kohlen.


1885 führte Hupfeld in Prävali die Kleinbessemerei in Clapp-
Griffith-Öfen mit Erfolg ein. 1886 wurde diese auch zu Bikas und
Altsohl in Ungarn für die Herstellung von Fluſsstahlblechen auf-
genommen. 1885 stellte man zu Eibiswalde Chromstahl, zu Witkowitz
Nickelstahl im Martinofen dar; Mangan- und Wolframguſsstahl lieferte
Kapfenberg.


Der Aufschwung der Eisenindustrie Ungarns war um diese Zeit
sehr bedeutend und viele wichtige Neuerungen kamen zur Einführung.
Annina hatte 1884 zwei Hochöfen im Feuer, wovon der eine nur mit Koks,
der andere zu zwei Dritteln mit Holzkohle und zu einem Drittel mit roher
Steinkohle (Liaskohle) betrieben wurde. Die Winderhitzung geschah
in drei Whitwell-Apparaten, die Winderzeugung durch ein vertikales
Cylindergebläse von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing. Das
Werk hatte eine bedeutende Gieſserei, hauptsächlich für Ofen- und
Röhrenguſs mit 440 Arbeitern. Das Puddel- und Walzwerk hatte
14 Puddel- und 11 Schweiſsöfen, die etwa 10000 Tonnen Schweiſs-
eisen lieferten. Das Walzwerk zu Brezova hatte vierthürige Puddel-
öfen nach dem System Kerpely und 10 Gasschweiſsöfen, die durch
vier Koksgeneratoren gespeist wurden. Eine Spezialität des Werkes
war die Fabrikation gezogener und gewalzter Röhren für Siede- und
Gasröhren. Das Ticzolczer Eisenwerk im Gömörer Komitat hatte zwei
[1155]Österreich-Ungarn.
Hochöfen mit Whitwell-Winderhitzern. Kleinere Schmelzwerke waren
zu Govardia und zu Vajda Hunyad, ersteres hatte noch einen zwei-
förmigen Hochofen. Ferner sind zu nennen das Eisen- und Stahl-
raffinierwerk zu Kudsir, das gräflich Dionys Andrássysche Eisen-
werk zu Dernö mit Hochofen, Gieſserei mit zwei Kupolöfen und
182 Arbeitern. Das dem Grafen Ladislaus Czaky gehörige Eisen-
werk zu Prakensdorf im Zipser Komitat hatte einen Hochofen, drei
Kupolöfen, drei Puddel- und fünf Schweiſsöfen und 300 Arbeiter.
Viele ungarische Werke suchten durch teilweise Verwendung von
roher Braunkohle in Hochöfen Ersparnisse zu erzielen. Dies geschah
beispielsweise auf den dem Kronstädter Bergbau- und Hütten-Aktien-
verein gehörigen Werke Ruszkitza und Balán. Die Rima-Murany-
Salgó-Tarjan-Eisenwerks-Aktiengesellschaft war ähnlich wie die Alpine
Montangesellschaft eine groſsartige Vereinigung zahlreicher Eisen-
werke. Auſser den in der Firma genannten Hauptwerken gehörten
dazu die Hochofenhütten Röcze, Nyusta und Likér und die Raffinier-
hütten und Walzwerke von Ozd und Nádast.


1886 führte man in Reschitza die Fluſseisenerzeugung in Siemens-
Martinöfen mit basischem Herd nach Schmiedhammers Konstruktion
ein 1). 1886 baute G. Pietzka zu Witkowitz Doppelpuddelöfen mit
Gasfeuerung (Wassergas) mittels Dampfstrahlgebläse-Generatoren. Die
Thomasbirne wurde mit gutem Erfolg mit Magnesitfutter ausgekleidet.
Koppmeyer verband die Bessemerbirne mit einem basischen Martinofen
mit Wassergasheizung und abhebbarem Gewölbe. Schmiedhammer
empfahl Kippöfen mit auswechselbarem Herd. E. v. Skoda baute
1886 in Pilsen eine neue Guſsstahlhütte. Die österreichische Alpine
Montangesellschaft verbesserte ihre zahlreichen Eisen- und Stahlwerke
und baute namentlich Donawitz zu einem groſsen modernen Werke um.


Hier wie in Kindberg, Pichberg und Eibiswald wurden neue Gas-
Puddelöfen angelegt, in Donawitz und Neuberg neue Martinstahlöfen
erbaut. 1888 standen von 32 betriebsfähigen Hochöfen der Alpinen
Montangesellschaft 19 im Betrieb, ferner 8 Konverter und 8 Siemens-
Martinöfen. Die Firma beschäftigte 16711 Arbeiter, davon 8660 bei
den Eisen- und Stahlwerken.


1887 wurden auf dem ungarischen Martinwerk Diosgyör neue
Schmelzöfen mit gestampften Magnesitböden erbaut. 1888 wurde das
Mannesmannswerk zu Kommotau von den Unternehmern Gebrüder
Mannesmann
, Remscheid, Eugen Langen, Köln, Friedrich
73*
[1156]Österreich-Ungarn.
Siemens, Dresden, und Haardt in Wien erbaut und am 25. August
eröffnet. In Witkowitz wurde 1888 die Herstellung von Panzerplatten
und die Fabrikation gezogener Röhren eingeführt. Zu diesem Zwecke
baute auch die Firma Huldschinsky, die in Preuſsisch-Schlesien
diese Fabrikation schwunghaft betrieb, ein eigenes Werk in Schön-
brunn bei Mährisch-Ostrau.


Der weitere Aufschwung im neunten Jahrzehnt und die Zunahme
der Roheisenproduktion seit 1890 steht auch in Österreich-Ungarn im
engsten Zusammenhange mit der zunehmenden Bedeutung des basischen
Prozesses. Die Roheisenerzeugung Österreichs stieg von 1890 bis 1899
von 686273 Tonnen auf 996385 Tonnen, die von Ungarn von 299107
Tonnen auf 471268 Tonnen. Die der Gesamtmonarchie demnach von
985380 Tonnen auf 1467653 Tonnen.


Der Erfolg des basischen Fluſseisenprozesses gab die Veranlassung
zu der oben erwähnten Verschiebung der Produktionsverhältnisse in
Österreich, deren Folge war, daſs die Produktion der nördlichen
Gruppe, d. h. die Böhmens, Mährens und Schlesiens, die der südlichen
Gruppe, der Alpenländer, überflügelte.


Diese Verschiebung wird durch beifolgende Statistik 1) noch ge-
nauer erläutert:

[1157]Österreich-Ungarn.

In Böhmen war es Karl Wittgenstein, der zu Ende der achtziger
Jahre durch seine Initiative die Ausbeutung der bis dahin wenig ge-
schätzten Erze des Nucičer Erzberges förderte. Das basische Martin-
verfahren wurde durch ihn nicht nur in Kladno eingeführt, sondern
es entstanden hierfür durch seine Anregung neue Werke, wie die Carl-
Emilshütte zu Königshof bei Beraun, das Blechwalzwerk Rudolfshütte
bei Teplitz und 1890 das Guſsstahlwerk Goldihütte bei Kladno. Die
älteren Eisenwerke von Kladno wurden mit den Fürstenbergischen
Eisenwerken in ein gemeinschaftliches Unternehmen, die „Böhmische
Montangesellschaft“, vereinigt.


Auf allen Gebieten der Eisenindustrie sind in den neunziger
Jahren groſse Fortschritte gemacht worden. Durch die Konzentration
der Betriebe gingen freilich viele alte Werke, die, abseits der Eisen-
bahnen gelegen, hohe Frachtkosten zu zahlen hatten und die gestei-
gerten Preise für Holz und Holzkohlen nicht mehr erschwingen
konnten, ein. Um so groſsartiger entwickelten sich die günstig
gelegenen Hauptwerke.


Die Hochofenindustrie richtete sich immer mehr für Massenpro-
duktion ein. Die kleinen Holzkohlenhochöfen verschwanden entweder
ganz oder arbeiteten nur noch auf Spezialeisen für bessere Qualititäten.


In Kärnten z. B., wo 1887 noch 18 Hochöfen bestanden, wurden
1892 nur noch die Hochöfen zu Heft, Lölling und Prävali regelmäſsig
betrieben, selbst die altberühmte Hütte zu Treibach war 1888 ein-
gegangen.


In den Alpenländern war es vor allem die mächtige Alpine
Montangesellschaft, welche immer neue Verbesserungen einführte. Ihr
gehörten die Hochöfen zu Donawitz, Heft, Hieflau, Lölling, Mariazell,
Prävali, Schwechat, Vordernberg und Zeltweg. Sehr wichtig war für
diese die Eröffnung der Eisenbahn von Leoben über Vordernberg nach
Eisenerz und dem steierischen Erzberg im Jahre 1892. Von den
Hütten wurden die steierischen zu Vordernberg, Eisenerz und Hieflau
(zum Teil) mit Holzkohlen betrieben, deren Beschaffung für den
verstärkten Betrieb aber immer schwieriger wurde und teilweise
von weither aus Kroatien und Slavonien geschehen muſste 1). Obgleich
auch der Koksbezug vielfach aus dem Auslande geschah, erlangten
doch die Kokshochöfen für die Massenerzeugung eine immer gröſsere
Bedeutung. Nach dem Ausweis von 1898 war die Roheisenpro-
duktion der Alpinen Montangesellschaft 2718383 M.-Centner, wovon
[1158]Österreich-Ungarn.
780131 M.-Centner mit Holzkohlen, 1938252 M.-Centner mit Koks
erblasen waren. Besonders war die Hütte zu Donawitz bei Leoben zu
einer groſsen Kokshochofenhütte umgebaut worden. Der 1892 errichtete
Hochofen war 20 m hoch, 2,75 im Gestell und 6,24 m in der oberen
Rast weit. Er hatte einen Fassungsraum von 366 cbm und eine durch-
schnittliche Tageserzeugung von 170 Tonnen weiſsen Roheisens; er
wurde mit westfälischem und oberschlesischem Koks betrieben; der
Koksaufwand betrug 86 Prozent. Im Jahre 1896 wurde ein noch
gröſserer Hochofen, der eine Leistung bis zu 240 Tonnen erreichte,
angeblasen. Die Gesellschaft betrieb ferner zu Zeltweg und zu Schwechat
je zwei und zu Hieflau einen Kokshochofen, die mit niederschlesischem
und Ostrauer Koks schmolzen. Die Holzkohlenhochöfen hatten durch-
schnittlich 104 cbm Inhalt, 60 Tonnen Tageserzeugung und einen Holz-
kohlenverbrauch von 0,45 cbm für 100 kg weiſses Roheisen.


In Böhmen, das in früherer Zeit auch nur Holzkohlenhochöfen
gehabt hatte, entwickelte sich nach Einführung des Thomasverfahrens
eine bedeutende Kokshochofenindustrie, deren Grundlage die mäch-
tigen Nucičer Erzlager, die den Clevelanderzen ähnelten, aber der
Silurformation angehörten, bildeten. Die für den Thomasprozeſs sehr
geeigneten Erze, die geröstet 48 Proz. Eisen, 2,7 Proz. Phosphor, je-
doch nur 0,1 Prozent Mangan enthielten, wurden von der Prager Eisen-
industrie-Gesellschaft und von der böhmischen Montangesellschaft aus-
gebeutet. Um eine gröſsere Produktion zu erzielen, hatte man bereits
in den achtziger Jahren die schlechten Koks von Kladno durch Ostrauer
und später durch niederschlesischen und westfälischen Koks ersetzt.
Die Prager Eisenindustriegesellschaft baute infolgedessen ihre alte
Hütte zu Kladno ganz um und errichtete in den Jahren 1891, 1894
und 1895 je einen groſsen Kokshochofen. Die beiden ersten waren
mit je drei Gödecke-Whitwell-Winderhitzern, der letztere mit vier
Cowperapparaten versehen. Die neuen Kladnoer Öfen, die 280 bis
476 cbm Inhalt und 19,5 bis 22 m Höhe hatten, lieferten täglich je
90 bis 120 Tonnen Thomasroheisen, das flüssig den Birnen zugeführt
wurde. Ähnlich waren die Verhältnisse auf der der böhmischen
Montangesellschaft gehörigen Karl-Emilshütte in Königshof, die 1896
drei groſse moderne Hochöfen in Betrieb und einen im Bau hatte.
Sie verarbeitete nur einen Teil ihrer Produktion auf ihrem Thomas-
werke, ein anderer Teil ging an die Stahlwerke in Kladno und Teplitz.
1895 hatten die Hochöfen der Prager Eisenindustriegesellschaft
80178 Tonnen, die der böhmischen Montangesellschaft 106270 Tonnen
Roheisen geliefert. Die Hütte in Rokycan blies nur Gieſsereieisen.
[1159]Österreich-Ungarn.
Die gröſste Entfaltung hatte die mährisch-schlesische Gruppe ge-
nommen 1). Die Hauptwerke waren in Witkowitz, Trzynietz, Blansko,
Stefanau und Friedland. Der Aufschwung erfolgte besonders, nachdem
Witkowitz und nach ihm Trzynietz dazu übergegangen waren, statt der
armen mährischen und schlesischen Erze reiche Spat- und Brauneisen-
erze aus Steiermark und Ungarn zu beziehen. Der Hauptbezug geschah
von den reichen Lagerstätten Ungarns zu Rudobanya und Zips. Hand
in Hand damit gingen Vervollkommnungen des Hochofenbetriebes,
womit Witkowitz zuerst vorging. Dieses erzeugte durch entsprechende
Mischungen der mannigfaltigen bezogenen Erzsorten alle möglichen
Eisensorten, wie z. B. Spiegeleisen, Ferromangan, Siliciumeisen, Phosphor-
eisen und Chromeisen sowohl für den eigenen Bedarf als für den Verkauf.


Witkowitz arbeitete seit 1896 mit sechs Hochöfen von 290 bis
363 cbm Inhalt und 150 bis 170 Tonnen Tageserzeugung von weiſsem
Roheisen oder 130 Tonnen Gieſsereieisen. Bei weiſsem Eisen wurden
90 Prozent, bei Gieſsereieisen 105 Prozent Koks im Hochofen ver-
braucht. Witkowitz war es gelungen, mit seinen Guſswaren, wovon
es 1895 40000 Tonnen verkaufte, das englische Gieſsereieisen zum
Teil zu verdrängen. Das erzherzoglich Albrechtsche Werk zu Trzynietz
arbeitete 1896 auf ähnlicher Grundlage mit zwei Kokshochöfen; auſser-
dem hatte es mehrere Holzkohlenhochöfen, welche wie die zu Stefanau
und Friedland graues Roheisen, das direkt aus dem Hochofen ver-
gossen wurde, erzeugten. Stefanau und Blansko betrieben je einen
nicht groſsen Kokshochofen auf Gieſsereieisen. Die als Hausarbeit
betriebene Kleineisenindustrie war auch in Böhmen und Mähren zu-
rückgegangen, immerhin war die Herstellung von Messern und Messer-
feilen noch ein wichtiges Gewerbe zu Rudolfstadt und Budweis in
Böhmen und zu Rautschka und Hosialkow in Mähren.


Auſserhalb der Hauptgebiete waren noch zwei bemerkenswerte Hoch-
ofenanlagen im Süden der österreichischen Monarchie in den neunziger
Jahren entstanden: zu Vares in Bosnien und die zu Servola bei Triest.


Seitdem Bosnien 1878 in österreichische Verwaltung über-
gegangen war, wendete die Regierung den reichen Mineralschätzen
des Landes ihre Aufmerksamkeit zu. Bei Vares befand sich ein
reiches Roteisensteinlager und seit undenklicher Zeit blühte dort in
einem Seitenthal der Bosna eine Eisenindustrie, die aber mit Stück-
öfen einfachster Art arbeitete. Ein solcher Schmelzofen war ein mit
Lehm ausgekleidetes Holzgerüst. Vier Pfähle von etwa 3 m Länge
[1160]Österreich-Ungarn.
wurden in den Boden gerammt, mit Weidengeflecht verbunden und
dann innen mit einer dicken Lehmschicht beworfen. In diesem Ofen
wurde das Eisenerz mit Holzkohlen mit Hülfe zweier Blasebälge
eingeschmolzen. Zweimal wöchentlich wurde aufgebrochen, um das
Stück herauszuschaffen, das dann zerhauen und dessen Teile in Herd-
feuern gereinigt und weiter verarbeitet wurden. Diese primitive
Industrie konnte sich nicht mehr erhalten, nachdem geordnete
Handels- und Transportverhältnisse in Bosnien geschaffen waren.
Um sie nicht gänzlich untergehen zu lassen und die reichen Erzschätze
besser auszubeuten, lieſs die österreichische Regierung 1891 zwei Hoch-
öfen, die mit Holzkohlen und Koks betrieben werden sollten, erbauen.
Ihre Produktion betrug 1895 bereits 3771 Tonnen Roheisen, 1899 war
die Roheisenproduktion von Vares auf 13730 Tonnen gestiegen. In
diesem Jahre wurde nach Plänen von Fritz W. Lürmann ein neuer
Holzkohlenhochofen von 182 cbm Inhalt erbaut, der 1900 in Betrieb
kam und der leistungsfähigste Holzkohlenhochofen Europas und der
Welt wurde.


Die Hochofenanlage zu Servola bei Triest wurde von der Krainschen
Industriegesellschaft gegründet, teils für den Bedarf ihres groſsen
Werkes zu Aſsling, teils um der englischen Einfuhr von Gieſsereieisen
Konkurrenz zu machen. Am 24. November 1897 wurde der nach den
neuesten Grundsätzen erbaute Hochofen angeblasen. Man verschmolz
algerische, spanische, griechische und bosnische Erze mit englischem
Koks. Die Staatsregierung gewährte Steuer- und Gebührenbegünstigung.


Der groſse Fortschritt der österreichischen Hochofenindustrie
findet ihren deutlichsten Ausdruck in der enormen Produktionssteige-
rung der Hochöfen der groſsen Werke: in Kladno betrug die Tages-
produktion 160 Tonnen, in Witkowitz 180 Tonnen, in Königshof
220 Tonnen und in den neuen Hochöfen zu Donawitz und Servola
sogar 240 Tonnen Roheisen. Dementsprechend war die Gröſse der
Gebläsemaschinen gewachsen, die zu Königshof hatte 2000 P. S. und
lieferte 1100 cbm Wind bei einem Überdruck von ¾ Atmosphären
in der Minute. Für einen neu projektierten Hochofen der Alpinen
Montangesellschaft ist sogar eine Gebläsemaschine von 3000 P. S. für
eine Windleistung von 1400 cbm in der Minute in Aussicht genommen.


Welche Roheisenmengen die groſsen Hochöfenwerke Österreichs
lieferten, geht aus nachfolgender Zusammenstellung von E. Heirowsky1)
für 1899 hervor. Danach erzeugte


[1161]Österreich-Ungarn.

was 93 Prozent der Roheisenproduktion Österreichs ausmacht.


Die Eisenindustrie des Königreichs Ungarn nahm in dieser Zeit
einen nicht minder groſsen Aufschwung und entwickelte sich zu groſser
Mannigfaltigkeit und Selbständigkeit. Ungarn, das sehr reich an
guten Eisenerzen ist, besitzt zwei Haupterzgebiete, das eine im Süd-
osten zwischen Bazias und Orsowa, von wo es sich nach Siebenbürgen
und Groſswardein erstreckt, liefert Magnet-, Rot- und Brauneisen-
stein und bildet die Grundlager für die Banater und Siebenbürger
Eisenwerke; das zweite oberungarische in den Karpathen, welches
Spateisenstein und daraus entstandenen Brauneisenstein enthält, breitet
sich in den Komitaten Gömör, Zips, Abanj, Torna, Sohl und Liptau
aus. Am wichtigsten sind der Dobschauer Erzberg, die Gömörgrube
bei Röcze, welche nur Brauneisenstein förderte, und im Südosten das
groſse Erzlager von Rudóbánja bei Telekes. Oberungarn lieferte
1886 146000 Tonnen Eisenerze, hiervon das Gömörer Komitat
82000 Tonnen. In dieser Grafschaft standen 26 Hochöfen in Betrieb.
Auch in Ungarn fand ein Zusammenschluſs der zahlreichen Einzel-
werke zu groſsen Industriegesellschaften statt, diese vereinigten sich
1886 zu einem Kartell, das bessere Preise erzielte und für die
Entwickelung der Eisenindustrie günstig wirkte. Seit 1884 nahm
der Koksbetrieb zu, und zwar stieg er von 1884 bis 1888 von 16 auf
28 Prozent. Oberungarn bezog Koks aus Mähren und Schlesien, wo-
hin es Eisenerze ausführte.


1886 erzeugte ganz Ungarn 225500 Tonnen Frischroheisen und
9167 Tonnen Gieſsereiroheisen; hiervon entfielen 37426 Tonnen auf
die ärarischen Werke. Die Erzausfuhr betrug 92107 Tonnen, die
Braunkohlenförderung 1567614 Tonnen, davon die der Salgó-Tarjaner
Gesellschaft in der Berghauptmannschaft Neusohl allein etwa 500000
Tonnen.


Die ungarischen Staatswerke konnten um so mehr als technische
Musteranstalten betrieben werden, als die Beamten mit dem Verkauf
nichts zu thun hatten, der allein von der königlichen Eisenwerks-
direktion in Budapest besorgt wurde. Das bedeutendste ärarische
Werk war Rhonitz-Brezowa am Grauflusse im Sohler Komitat. Von
[1162]Österreich-Ungarn.
den Privatwerken Oberungarns war Salgó-Tarjan das gröſste. Die
ungarische Eisenindustrie beschäftigte 1886 30000 Arbeiter.


1890 erzeugten die ungarischen Hochöfen rund 280000 Tonnen
Roheisen, hiervon die nachbenannten fünf gröſsten Unternehmer:



Der Preis des Frischereiroheisens war von 1886 bis 1890 von
2,80 auf 5 Gulden für 100 kg gestiegen.


Der gröſste Holzkohlenhochofen des Kontinents im Jahre 1890 war
angeblich der Hochofen III zu Vayda-Hunyad von 110 cbm Inhalt mit
15000 Tonnen Jahresproduktion. Erze und Holzkohlen wurden von einer
über 30 km langen Drahtseilbahn ihm zugeführt. Die drei Hochöfen
des Werkes hatten geschlossene Brust und geschlossene Gicht. Die
gröſste Eisenwerksgesellschaft Oberungarns war die Rima-Murány-Salgó-
Tarjaner, deren bedeutendstes Hochofenwerk das Likérer Hüttenwerk bei
Nijushtia im Gömörer Komitat war. 1885 wurde hier der erste Koks-
hochofen in Betrieb gesetzt. 1893 besaſs es drei Kokshochöfen, von
denen jedoch nur zwei im Betriebe waren, die 50000 Tonnen Thomas-
roheisen erzeugten. Die Öfen waren je 18 m hoch, mit zwei Cowper-
und drei Gjers-Winderhitzern versehen. Die Erze wurden mit einer
13,2 km langen Drahtseilbahn (System Bleichert) von den Eisenstein-
erzgruben zu Vaschhedi-Rákosch angefahren. Die Koks kamen von
Mährisch-Ostrau und Fünfkirchen.


Wie die Hochofenindustrie, so entwickelte sich in den neunziger
Jahren auch die Industrie des gefrischten oder schmiedbaren Eisens in
Österreich, ja das rasche Aufblühen dieser war der Grund für das
Wachstum jener. Dieses Aufblühen beschränkte sich indes auf die
Entwickelung der Fluſseisenindustrie, während die Schweiſseisen-
industrie, Frischen und Puddeln zurückgingen.


Die Einführung des Thomasprozesses hatte hierzu den Anstoſs
gegeben; bald aber errang der basische Martinprozeſs solche Erfolge,
daſs er sich immer mehr ausbreitete und nicht nur die alten Prozesse,
sondern auch den Bessemerprozeſs zurückdrängte und endlich selbst
dem Thomasprozeſs Konkurrenz machte. Teils in Verbindung mit den
neuen Hochofenanlagen, teils unabhängig von denselben entstanden
neue Fluſsstahlwerke, so z. B. in Böhmen die Poldihütte, das neue
Stahlwerk zu Kladno, die Karl-Emilshütte in Königshof und die
Rudolfshütte bei Teplitz.


[1163]Österreich-Ungarn.

Das Fluſseisen verdrängte für viele Verwendungen das Schweiſs-
eisen. Die Massenbetriebe vernichteten die zahlreichen Einzelbetriebe,
die früher für die Eisenindustrie Österreichs und ganz besonders der
Alpenländer so charakteristisch waren. Die alten Hammerwerke, die
die Thäler Obersteiermarks und Kärntens belebten, deren anheimelnde
Lage im stillen Waldthal einen so besonderen Reiz als Zeugen mensch-
licher Thätigkeit in der Waldeinsamkeit gewährten, sie muſsten ver-
schwinden vor den Riesenschornsteinen und den gewaltigen Maschinen,
von denen eine mehr leistete als vordem alle Pferde und Wasserräder
des gewerbreichen Thales; verlassen stehen jetzt die Betriebsstätten,
die jahrhundertelang der Nachbarschaft lohnenden Verdienst gaben
und der Landschaft den eigenartigen Charakter aufprägten. Daſs
diese Idylle der Eisenindustrie für immer verschwunden ist, wird
das Herz eines jeden, der diese einfache, anspruchslose und doch so
thätige, selbstbewuſste, in sich glückliche Zeit mit erlebt hat, mit
Wehmut erfüllen. Und doch wird keiner, der die Entwickelung der
Eisenindustrie kennt, diese schönen, aber für die heutigen Verhält-
nisse unmöglichen Zustände zurücksehnen.


Der Herdfrischprozeſs mit Holzkohlen, der einst die Grundlage
der ganzen österreichischen Eisenindustrie gebildet hatte, verschwand
in dem neunten Jahrzehnt fast vollständig. Wo er noch fortbestand,
suchte man ihn durch Brennmaterialersparung in überbauten Lancashire-
Herden, die von Schweden überkommen waren, rentabel zu machen.


Der Puddelprozeſs paſste in seiner ursprünglichen Form für
Österreich, das an Steinkohlen so arm war, überhaupt nur insoweit,
als sich die guten Braunkohlen dafür erfolgreich verwenden lieſsen;
und das war zur Erzielung gröſserer Produktion zuletzt nur noch
durch Gasfeuerung möglich. In der Vervollkommnung der Gas-
generatoren und der Gas-, Puddel- und Schweiſsöfen waren die
Fortschritte des Schweiſseisenbetriebes in dieser Zeit begründet.


Die fortschrittliche Thätigkeit in diesem Jahrzehnt richtete sich
vornehmlich auf die Fluſseisendarstellung. Der Thomasprozeſs und
der basische Martinprozeſs waren die wichtigsten Errungenschaften
dieser Zeit, die sich schlieſslich untereinander den Rang streitig
machten, bis der Herdfluſsstahl Sieger blieb. Den gröſsten Erfolg
errang hierbei die nördliche Gruppe mit ihren groſsartigen Werken. In
Witkowitz war das erzeugte Roheisen an Phosphor zu reich für den
Bessemerprozeſs und zu arm für den Thomasprozeſs. Deshalb wendete
man ein kombiniertes Verfahren an, das darin bestand, daſs man das
Roheisen erst in einer sauren Birne so weit verblies, bis das Silicium und
[1164]Österreich-Ungarn.
der gröſste Teil des Kohlenstoffs verbrannt waren, und dann das heiſse
Schmelzgut in einem basischen Martinofen entphosphorte und fertig
machte.


In Böhmen bildete sich ebenfalls ein ganz eigenartiger Prozeſs
der Fluſseisendarstellung aus. Das Roheisen, welches aus den Nucičer-
Erzen erblasen wurde, war arm an Mangan, Silicium und Schwefel,
also an den Bestandteilen, die durch ihre Verbrennung in der Birne
dem Eisenbad am meisten Hitze geben. Infolgedessen führte man
den Prozeſs so, daſs man das bei hoher Windtemperatur erblasene
halbierte Roheisen direkt in einen Martinofen mit saurem Herdfutter
abstach, es hierin eine Stunde lang überhitzte, indem man gleich-
zeitig festes Thomasroheisen einschmolz und dieses dann in einem
basischen Konverter entphosphorte und fertig machte. In dieser
Weise wurde in Kladno und Königshof gearbeitet.


In Witkowitz war 1890 ein neues Martinwerk mit fünf Öfen zu
je 20 Tonnen Einsatz, die mit einem Konverter zum Vorfrischen ver-
bunden waren, in Betrieb genommen worden.


W. Schmiedhammer1) empfahl ein Vorfrischen in saurer Birne,
Ausgieſsen des heiſsen Metalls über den in einem basischen Martin-
ofen eingesetzten Schrott und Fertigmachen mit möglichst wenig, aber
stark basischer Schlacke.


Die Zahl der basischen Martinöfen hatte sich seit 1888 sehr ver-
mehrt, während bei dem Windfrischprozeſs, sowohl dem basischen wie
dem sauren, ein Stillstand eingetreten war. Nach Fr. Kuppelwieser2)
betrug 1890 die Zahl der Konverter in Österreich-Ungarn 37, die der
Martinöfen 48, die Erzeugung von Konverterfluſseisen 1888 288347
Tonnen, 1890 287681 Tonnen, wovon 138021 Tonnen Thomasfluſseisen;
die von Martinfluſseisen betrug 1888 392813 Tonnen, 1890 499600
Tonnen, davon basisch 1888 104466 Tonnen, 1890 211919 Tonnen.
Das basische Martinfluſseisen wurde in Österreich gegenüber dem
Thomaseisen sehr bevorzugt, welch letzteres von der Regierung weder
für Eisenbahnschienen noch zum Brückenbau zugelassen wurde.


Die Fortschritte beschränken sich indessen nicht allein auf die
Fluſseisenerzeugung. Für die direkte Gewinnung schmiedbaren Eisens
aus den Erzen bemühte sich 1890/91 J. v. Ehrenwerth3). Versuche
mit seinem Verfahren wurden in dem Grazer Eisenwerk und zu
Donawitz gemacht.


[1165]Österreich-Ungarn.

In Ungarn wurde 1890 zu Diösgyör eine basische Martinfluſs-
stahlhütte, deren Öfen mit Magnesit von Veitsch ausgestampft waren,
in Betrieb genommen. Die Erzeugung von Eisen und Stahl der
groſsen Gesellschaften Ungarns stellte sich im Jahre 1890 wie folgt:

Das basische Fluſseisen sowohl vom Thomas-, wie vom Martin-
verfahren eignete sich sehr zur Blechfabrikation. Hierfür erfand
Karl Wittgenstein ein sehr leistungsfähiges Feinblechwalzwerk, das
Alfred Trappen in der Märkischen Maschinenbauanstalt in Wetter
a. d. Ruhr für die Rudolfshütte im Jahre 1892 zuerst ausführte. Es
bestand aus einem Trio zum Vorwalzen und aus fünf hintereinander
liegenden Walzenpaaren mit zunehmender Geschwindigkeit zum Fertig-
walzen. Für den Puddelbetrieb bewährten sich in Witkowitz die
Rekuperatoren Pietzkas, bei denen der Gasstrom immer in derselben
Richtung sich bewegte, der Herd aber drehbar war. Ein Hauptvorteil
bestand in der unmittelbaren Verbindung der Gasgeneratoren mit
dem Verbrennungsraume. Dieses Prinzip benutzte man auch bei den
Stahlschmelzöfen in Witkowitz, wobei Saillers kontinuierlicher Gas-
generator in Anwendung kam. Springer-Puddelöfen mit umsteuerbarer
Regenerativfeuerung kamen in Donawitz in Steiermark und auf der
Hermannshütte in Böhmen zu Einführung.


1894 ging die berühmte, früher von Mayrsche Guſsstahlhütte
von der Alpinen Montangesellschaft an die Gebrüder Böhler über,
[1166]Österreich-Ungarn.
welche es verstanden, ihren vorzüglichen Guſsstahlsorten einen groſsen
Absatz, namentlich auch nach Deutschland zu verschaffen.


In Ungarn hatten sich die Fluſsstahlwerke ebenfalls bedeutend
weiter entwickelt, was die Landes-Millenniums-Ausstellung in Budapest
1896 1) zur Anschauung brachte. Das der Rima-Murány-Salgó-Tarjaner
Eisenwerks-Aktiengesellschaft gehörige Ozder Eisen- und Stahlwerk
besaſs ein Martinwerk von 50000 Tonnen Leistungsfähigkeit. Es hatte
vier Bathoöfen mit Gasfeuerung, die Krane wurden zum Teil elektrisch
angetrieben. Ein Teil der Blöcke wurde auf dem Nádaster Blech-
walzwerk zu Blechen ausgewalzt. Das Salgó-Tarjaner Stahlwerk
bestand aus Thomashütte und Walzwerk. Die Thomashütte hatte
drei 8-Tonnen-Konverter und eine Leistungsfähigkeit von 70000
Tonnen.


Das kgl. ungarische Staatswerk in Diósgyör, hauptsächlich für
Eisenbahnbedarf gegründet, wurde 1890 unter Ferdinand Försters
Leitung durch den Bau eines neuen Walzwerks, Vergröſserung
des Martinwerkes und Einführung einer Stahlformgieſserei erweitert;
letztere erzielte alsbald glänzende Erfolge 2). Die Eisen- und
Stahlhütte stand in engster Beziehung und unter gemeinschaftlicher
Direktion mit der kgl. ungarischen Maschinenbauanstalt in Budapest,
die in groſsartiger Weise für Lokomotivbau, Brückenbau und für die
Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen eingerichtet war.


Die Berg- und Hüttenwerke der Österreichisch-ungarischen Staats-
eisenbahngesellschaft in Reschitza, Oravicza und Annina gehörten zu
den gröſsten industriellen Anlagen von Österreich-Ungarn und be-
schäftigten 1896 über 17000 Arbeiter.


Reschitza hatte bis 1893 einen Koks- und drei Holzkohlenöfen in
Betrieb gehabt. In diesem Jahre wurden die Holzkohlenöfen ausgeblasen,
abgetragen und durch zwei neue Kokshochöfen von je 17 m Höhe ersetzt.
Hierdurch stieg die Jahreserzeugung auf 45000 Tonnen. Die Wind-
erhitzung besorgten acht Whitwellapparate. Das Stahlwerk zu Reschitza
bestand aus einer Bessemerhütte mit vier Konvertern für 8-Tonnen-
Chargen und 30000 Tonnen Jahreserzeugung, einer Martinstahlhütte
mit sechs Öfen von zusammen 42 Tonnen Einsatz und einer Jahres-
erzeugung von 30000 Tonnen Martinstahlblöcken. Dieses Werk wurde
umgebaut und sollte auf eine Erzeugung von 45000 Tonnen vergröſsert
werden. Eine dritte Abteilung bildete die Tiegelstahlhütte mit
[1167]Österreich-Ungarn.
1000 Tonnen Jahreserzeugung, eine vierte die Martinstahlguſshütte
für 3000 bis 4000 Tonnen Stahlguſswaren. Mit dem Werke in Annina
zusammen betrug die Produktion 1895 61000 Tonnen Stahl. Reschitza
besaſs ferner eine Puddelhütte und groſsartige Walzwerke. Das
Plattenwalzwerk hatte eine Reversiermaschine von 3000 P. S. Die Er-
zeugung der Walzhütte betrug 1895 44179 Tonnen Fluſsstahl- und
4073 Tonnen Schweiſseisenfabrikate. Reschitza umfaſste ferner eine
groſse Maschinenfabrik und Brückenbauanstalt. Annina hatte zwei
Hochöfen von 34000 Tonnen Jahreserzeugung, eine groſse Gieſserei
mit Emaillierwerkstätte und ein Puddel- und Walzwerk.


Die Hernádthaler ungarische Eisenindustrie-Gesellschaft begann
1896 die Erbauung einer Hochofenhütte zu Krompach für 80000 Tonnen
Jahresleistung und einer Stahlhütte (Raffinierwerk) für 70000 Tonnen.


Im Gömörer Komitat stieg die Roheisenerzeugung, die 1870 nur
36200 Tonnen betragen hatte, im Jahre 1894 auf 178000 Tonnen,
was etwa der Hälfte der ganzen ungarischen Produktion gleichkam.


Das Hochofenwerk zu Likér lieferte 1895 mit Karwiner und
Ostrauer Koks 97083 Tonnen Roheisen. Das nach dieser Hütte
bedeutendste Schmelzwerk der Grafschaft, die königliche Hütte in
Ticzolz, erblies 1895 13616 Tonnen, davon 3924 Tonnen Holzkohlen-
roheisen. — Die reichen Eisenerzlager im Szepés-Komitat werden zum
Teil von den Teschen-Trzynietzer Eisenwerken ausgebeutet. Die
80000 Tonnen im Jahre 1895 geförderten Erze wurden in 23 Schacht-
röstöfen an der Station Mariahutta-Zakánfalva an der Göllnitzthal-
bahn geröstet und das geröstete Erz dann mit der Kaschau-Oder-
berger Bahn nach Trzynietz befördert.


Eine andere groſse Bergbauanlage betrieb die Oberschlesische
Eisenbahnbedarfs-Aktiengesellschaft. Ferner hatte die Witkowitzer
Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft bedeutenden Bergbau im
Kotterpatsker Thale, ebenso im Komitat Borsod.


Auf der Hütte zu Vajda-Hunyad, die 1894 mit ihren drei Holz-
kohlenhochöfen 40000 Tonnen Roheisen erzeugte, wurde 1895 ein
Kokshochofen von 20 m Höhe angeblasen. Die Winderhitzung geschah
durch drei Whitwellapparate, der Hochofen hatte eine Tagesproduktion
von 100 Tonnen Bessemerroheisen.


Der Hochofen zu Kalán, der früher mit Koks und Steinkohlen
betrieben wurde, ging 1895 mit Koks und Holzkohlen und erzeugte
10000 Tonnen im Jahre.


Im ganzen förderte Ungarn 1895 rund 1,2 Millionen Tonnen
Eisenerze und schmolz 350000 Tonnen Roheisen und Hochofenguſs.


[1168]Österreich-Ungarn.

Die rasche Entwickelung der Hochofenindustrie Österreich-
Ungarns geschah im Dienste der groſsen Stahlwerke. Natürlich nahm
auch die Walzwerkindustrie einen entsprechenden Aufschwung, der
seinen Ausdruck in den mächtigen Walzenzugmaschinen fand. Die
Fluſsstahlverarbeitung erforderte schon an und für sich mehr Kraft,
und da man immer schwerere Blöcke zur Steigerung der Pro-
duktion verarbeitete, so muſsten auch die Walzwerke immer stärker
werden. Von den neuen groſsen Werken 1) hatte 1899 das Reversier-
walzwerk in Witkowitz 2700, das Trägerwalzwerk in Kladno 2100 und
in Witkowitz 4000, das Schienenwalzwerk in Graz 4000, das in Teplitz
6000 und die Blechstrecke daselbst 7000, die Drillingsmaschine bei
dem Schienen- und Trägerwalzwerk in Donawitz endlich 9000 P. S.
Das daselbst im Bau begriffene Blechwalzwerk soll sogar eine Drillings-
maschine von 9500 P. S. erhalten.


Die Massenproduktion und die Leistungsfähigkeit der Werke
bewirkte, daſs die Eisenpreise trotz des höheren Schutzzolls immer
mehr sanken. 1868 betrug der Preis für die Tonne noch 64,2 Gulden,
1878 49,5, 1888 37,40 und 1897 35,00 Gulden.


Österreich, das wegen seiner Armut an guter Steinkohle bis jetzt
immer noch darauf angewiesen war, einen Teil seines Eisens aus dem
Auslande zu beziehen, ist auf dem besten Wege, seinen Bedarf selbst
zu decken.


Was die Umwandlung des Roheisens in Fluſseisen betrifft, so hat
sich in Österreich-Ungarn der Herdofenprozeſs hierfür am besten
bewährt und über den Konverterprozeſs den Sieg errungen. Der
saure Konverterprozeſs, das eigentliche Bessemern, ist selbst in den
Alpenländern, wo es in den siebziger Jahren zu hoher Bedeutung
gelangt war, fast verschwunden vor dem Herdprozeſs.


Von neuen Verbesserungen des letzteren ist der in Kladno ein-
geführte und weiter entwickelte Bertrand-Thiel-Prozeſs zu nennen.


Betrachten wir zum Schluſs noch kurz den Eisenhandel Öster-
reichs. An Eisenerzen hat Österreich-Ungarn immer mehr aus- als
eingeführt. 1882 betrug die Ausfuhr aber nur 39775 Tonnen, die
Einfuhr 11560 Tonnen, 1898 dagegen die Ausfuhr 302317 Tonnen,
die Einfuhr 178235 Tonnen. Die Roheiseneinfuhr war dagegen immer
gröſser als die Ausfuhr. 1882 betrug die Einfuhr 134760 Tonnen,
die Ausfuhr 5331 Tonnen, 1898 die Einfuhr 173957 Tonnen, die Aus-
fuhr 15798 Tonnen. Bei den Eisenfabrikaten ist der Unterschied
[1169]Österreich (ohne Ungarn).
zwischen Ein- und Ausfuhr nicht so groſs, sie betrugen 1882 33528
Tonnen und 34018 Tonnen, 1898 54887 Tonnen und 45984 Tonnen.
Österreich besitzt einige Spezialartikel, die vom Auslande immer ver-
langt werden, wie z. B. die steyrischen Sensen.


Dagegen ist die Einfuhr von Maschinen gröſser als die Ausfuhr,
sie betrug 1882 40338 Tonnen gegen 12425 Tonnen, 1898 42519
Tonnen gegen 13125 Tonnen. An der Einfuhr ist Deutschland weitaus
am stärksten beteiligt.


Zahlengeschichte.
Österreich (ohne Ungarn)
.


Mineralkohlenförderung in Tonnen.


Eisenerzförderung in Tonnen.





Eisenerz- und Roheisenförderung 1897 in Tonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 74
[1170]Österreich (ohne Ungarn).

In Prozenten.


Eisenerz- und Roheisenerzeugung 1898 in Tonnen.


Erzeugung 1899 in Tonnen.


(Statistisches Jahrbuch des k. k. Ackerbau-Ministeriums.


[1171]Österreich (ohne Ungarn).

Eisenerzeinfuhr 1899.



Roheisenerzeugung in Tonnen.


Roheisenerzeugung in den einzelnen Kronländern
in Tonnen
.


74*
[1172]Österreich (ohne Ungarn).

Roheisenerzeugung nach Sorten in den einzelnen Kron-
ländern
1891 und 1892 genauer in Tonnen.


1891.


1892.


Guſswaren II. Schmelzung 1880: 73717 Tonnen. 8199 Arbeiter.


[1173]Österreich (ohne Ungarn).

Fluſseisenerzeugung in Österreich durch Birnen- und Herdprozeſs von 1863 an in Tonnen zu 1000 kg.


[1174]Österreich. Ungarn.

Schweiſseisen-Fabrikate 1876.



Schweiſseisen 1880.


140 Werke mit 30335 P. S. und 16625 Arbeitern



Ungarn.


Erzeugung in Tonnen.


Eisenerz-Förderung in Kilotonnen.





Eisenerz-Förderung und Ausfuhr in Tonnen.


[1175]Ungarn.

Beteiligung der Bezirke an der Erzförderung in Tonnen.


Beschäftigte Arbeiter.



Roheisenerzeugung.


[1176]Ungarn.

Roheisenerzeugung der gröſsten Eisenhütten-Gesellschaften.


Roheisenerzeugung 1899 in Tonnen.


[1177]Ungarn.

Bosnien und Herzegowina.


Erzeugung von Fluſseisen und Stahl in M.-Tonnen.
1871 bis 1896.


[1178]Österreich-Ungarn.

Österreich-Ungarn (Gesamtmonarchie).


Mineralkohlen (Stein- und Braunkohlen) in Kilotonnen.




Eisenerze in Kilotonnen.




Roheisenerzeugung in Tonnen.


[1179]Österreich-Ungarn.

Arbeiterzahl 1894: Eisenerzbergbau 4331, Eisenhütten 6102.


Zahl der Hochöfen 1894: 98 (davon 61 in Betrieb, 2648 Wochen); 1895: 97
(davon 61 in Betrieb, 2597 Wochen).


Mittelpreise pro M.-Centner 1894: Eisenerz 22,03 fl., Frischroheisen 3,48 fl.,
Guſsroheisen 4,21 fl.


Bosnien. Eisenerzeugung in Tonnen.


Eisenwerk Vares 1898 1 Hochofen für 80 Tonnen pro Tag, 4 Cowper- statt
1 eisernen Winderhitzer.


Erzeugung von Schweiſseisen in Kilotonnen.





Erzeugung von Fluſseisen und Stahl in M.-Tonnen von
1871 bis 1896 (nach Kuppelwieser).


[1180]Österreich-Ungarn.

Einfuhr und Ausfuhr in Tonnen (nach Rentzsch).


Ein- u. Ausfuhr im prozentualen Verhältnis zur Produktion.


[1181]Österreich-Ungarn.

Ein- und Ausfuhr der wichtigsten Eisen- und Stahlwaren in Tonnen.


[1182]Österreich-Ungarn.

Ein- und Ausfuhr 1899 in Tonnen.


Ein- und Ausfuhr 1898 nach Ländern in Prozenten.


Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch).


[1183]Schweden.

Einfuhrzölle in Gulden ö. W. pro 100 kg.

Schweden.


Die Eisenindustrie Schwedens zeigt seit 1870 eine rege Ent-
faltung auf ihrer natürlichen Grundlage. Diese hat durch den
Reichtum an vorzüglichen Erzen und den Mangel an Steinkohlen viele
Ähnlichkeit mit derjenigen der Alpenländer Österreichs, dennoch war
die Entwickelung seit 1870 in mancher Beziehung eine abweichende.


Während man in Österreich in ausgedehnter Weise Dampfbetrieb
und in Verbindung damit eine Konzentration der Betriebe und
Massenerzeugung einführte, blieb man in Schweden bei der Aus-
nutzung der zahlreichen Wassergefälle, welche die Kraft für viele,
aber nicht sehr umfangreiche Eisenwerke lieferten. Das Haupt-
bestreben war nach wie vor auf Qualität gerichtet, was durch das
teure Brennmaterial, die Holzkohlen, die vorzüglichen Erze und die An-
forderungen des Handels geboten war. Hierfür waren weniger umfang-
reiche Betriebe geeigneter als Massenbetriebe. Auch in Schweden
fanden die neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Fluſseisen-
erzeugung Eingang und Verbreitung, aber sie verdrängten die alten
Betriebe doch nicht so rasch und so energisch wie in anderen
Ländern. Der Bessemerprozeſs, der durch die Bemühungen des am
12. Mai 1900 verstorbenen Göran Frederik Göransson 1858 seinen
ersten durchschlagenden Erfolg erzielt hatte, entwickelte sich in den
siebziger Jahren in einer Anzahl beschränkter Einzelbetriebe, ohne
die Schweiſseisenfabrikation in Frischherden einzuschränken. Der
Bessemerstahl war ein neues Produkt, das zu den alten hinzukam
und mehr die Einfuhr ausländischen Stahls als die eigene Erzeugung
beschränkte. Auch die Einführung der Martinstahlerzeugung übte
zunächst einen solchen Einfluſs nicht aus, weil man auch hierbei
zunächst ein hartes Produkt, einen billigen Werkzeugstahl darstellte;
erst nach der Einführung des basischen Verfahrens, welches ein
billigeres weiches Eisen lieferte, machte sich seit 1891 eine nachteilige
Wirkung auf die Erzeugung von Herdfrischeisen bemerkbar.


[1184]Schweden.

Eisenerzeugung und Eisenausfuhr haben seit 1870 merklich zu-
genommen; am meisten ist aber die Förderung und Ausfuhr von
Eisenerzen gewachsen. Durch die Erschlieſsung der riesigen Erzfelder
Nordschwedens, besonders der von Gellivaara, Luossavaara und Kiruna-
vaara hat das Nationalvermögen einen groſsen Zuwachs und der Aus-
fuhrhandel mit Eisenerzen, der früher nur eine untergeordnete Rolle
spielte, eine auſserordentliche Steigerung erfahren. 1871 betrug die
Förderung von Bergerzen 646662 Tonnen, von Seeerzen 15758 Tonnen,
1898 von Bergerzen 2302546 Tonnen, von Seeerzen nur noch
368 Tonnen. Die Gewinnung von Seeerzen hatte demnach fast auf-
gehört, während die von Bergerzen sich um mehr als das 3½ fache
gesteigert hatte, die rascheste Zunahme fällt in die Jahre von 1891
bis 1894 durch die umfassende Ausbeutung der Gellivaaraerzlager.


Die Erze Nordschwedens sind sehr phosphorreich, deshalb blieben
sie früher wie die von Grängesberg in der Provinz Kopparberg wenig
beachtet; seitdem aber durch die Einführung des Thomasverfahrens
phosphorreiche Erze Verwendung fanden, wurden diese reichen Magnet-
erze Schwedens gesucht und stiegen im Wert.


Während die Eisenerzgewinnung in Lappmarken und Norbotten
Anfang der siebziger Jahre nur ganz unbedeutend war, übertraf 1898
die Förderung dieser Provinzen die aller anderen.


1897 wurden die Eisenerzflächen Schwedens auf 1544000 qm
angegeben, von denen 928544 qm dem Betrieb erschlossen waren;
Hiervon entfielen:



1886 betrug die Erzausfuhr Schwedens nur 19288 Tonnen, 1898
1150695 Tonnen, hiervon ging das meiste nach Deutschland. Die
oberschlesischen Werke hatten schon Ende der achtziger Jahre, West-
falen und Rheinland seit Anfang der neunziger Jahre groſse Mengen
schwedischer phosphorhaltiger Magneteisensteine bezogen. Es betrug


[1185]Schweden.

Die Roheisenerzeugung Schwedens hat seit 1870 eine beträchtliche
Steigerung erfahren. Sie wuchs von 1871 bis 1898 von 299081 auf
523960 Tonnen, dazu kamen 1871 5792, 1898 7806 Tonnen Hochofen-
guſs. Die Zahl der Hochöfen nahm ab, ihre Leistungsfähigkeit nahm
zu. Durch Einführung der Winderhitzung und bessere Gebläse war
die Produktion der schwedischen Hochöfen schon in den voraus-
gegangenen Jahrzehnten beträchtlich gesteigert worden. 1833, vor
Einführung der Winderhitzung war die durchschnittliche Tagesleistung
eines Hochofens nur 2,78 Tonnen, 1874 war sie auf 9,85 Tonnen
gestiegen. Durch weitere Verbesserungen in der gleichen Richtung
erhöhte sich die durchschnittliche Tageserzeugung bis 1898 auf
13,35 Tonnen Roheisen. Die gröſste Leistung hatte die Hütte zu
Domnarfvet mit 35,81 Tonnen, die kleinste Jönköping mit 5,61 Tonnen.


Auch diese gröſste Leistung eines schwedischen Holzkohlenhoch-
ofens erscheint klein im Verhältnis zu der moderner Kokshochöfen,
besonders der amerikanischen. Die Zahl der betriebenen Hochöfen
war in der Zeit von 1874 bis 1898 von 217 auf 143 gesunken. Dabei
war eine merkliche Verschiebung in der Roheisenerzeugung der ein-
zelnen Provinzen eingetreten. Von den drei Provinzen, welche die
gröſste Produktion hatten, erzeugte 1874 Örebro 29,3, Kopparberg 19,8
und Gefleborg 13,8 Prozent, 1898 dagegen Kopparberg 26,7, Örebro
25,8 und Gefleborg 13,5 Prozent der Gesamtproduktion.


Die Schweiſseisenerzeugung geschah nach wie vor fast aus-
schlieſslich in Frischherden mit Holzkohlen. Der Puddelofenbetrieb
konnte trotz der verbesserten Gasfeuerungen nicht aufkommen, und
die Zahl der Puddelöfen betrug seit 1888 ständig nur vier. Das beste
Dannemoraeisen wurde in den alten Wallonschmieden gemacht, an
denen man zähe festhielt. Die Zahl der Franche-Comté-Herde nahm
dagegen seit Ende der achtziger Jahre ab, 1888 zählte man noch 95,
1898 nur noch 17. Auch die Zahl der Lancashireherde, die am zahl-
reichsten waren und den gröſsten Teil des schwedischen Stangen-
eisens lieferten, nahm ab, aber doch nur insoweit, als sich ihre
Leistungsfähigkeit durch Verbesserungen der Konstruktion und des
Betriebes steigerte.


1888 wurden in 402 Lancashireherden 182380 Tonnen, 1898 in
293184356 Tonnen Frischeisen erzeugt. 1882 waren in 266 Werken
773 Herde und Öfen in Betrieb, 1898 in 126 Werken 336, oder zu-
züglich 16 Schrottherden 352. Nachstehende Zusammenstellung zeigt
diese Veränderungen von 1888 bis 1898.


Beck, Geschichte des Eisens. 75
[1186]Schweden.

Obgleich die Bessemerstahlbereitung von allen Ländern auſser
England zuerst in Schweden erfolgreich durchgeführt wurde, obgleich
der Siemens-Martin-Prozeſs bereits im Jahre 1868 zur Einführung
gelangt war, entwickelte sich die Fluſseisenerzeugung nur langsam.
Der Bessemerprozeſs wurde in kleinen, feststehenden Öfen ausgeführt.
1870 erzeugten in Schweden neun solcher Öfen 6640 Tonnen Bessemer-
stahl, 1875 war die Anzahl der Konverter auf 18, die Produktion auf
19397 Tonnen gestiegen.


Die Martinstahlerzeugung war in den siebziger Jahren eine recht
bescheidene, sie betrug 1875 3417½ Tonnen. Die ganze Fluſseisen-
erzeugung in diesem Jahre war 21385 Tonnen. 1880 wurden
30007 Tonnen Konverterstahl, 7716 Tonnen Herdfluſsstahl und 1551
Tonnen Tiegelstahl, zusammen 39274 Tonnen Fluſsmetall, gegen
216876 Tonnen Schweiſseisen erzeugt. In den achtziger Jahren nahm
sowohl die Bessemer- als auch die Martinstahlbereitung zu, blieb aber
im Jahre 1890 noch bedeutend hinter der Schweiſseisenerzeugung
zurück. Es wurden in diesem Jahre erzeugt: Konverterstahl 94247
Tonnen, Herdfluſsstahl 72985 Tonnen, Tiegelstahl 646 Tonnen, zu-
sammen 167878 Tonnen gegen 225632 Tonnen Schweiſseisen.


Bei der Bessemerstahlfabrikation waren inzwischen bewegliche
Konverter, doch nur höchstens zu 5 bis 6 Tonnen eingeführt worden.
Bei den Martinöfen war man zu Öfen von gröſserem Fassungsraum
und zu basischer Herdauskleidung übergegangen. Besonders durch
die Einführung des basischen Verfahrens stieg die Fluſseisenproduktion;
aber erst seit 1895 übertrifft sie die des Schweiſseisens.


1895 wurden 97294 Tonnen Konverter- und 96475 Tonnen Herd-
fluſseisen, zusammen 193769 Tonnen Fluſseisen gegen 188726 Tonnen
Schweiſseisen hergestellt.


In dem folgenden Jahre 1896 überflügelte das Herdfluſseisen mit
142301 Tonnen Erzeugung das Bessemereisen, obgleich dieses damals
[1187]Schweden.
mit 114120 Tonnen seinen Höchststand erreicht hatte. 1898 wurden
262960 Tonnen Fluſsmetall und 198923 Tonnen Schweiſseisen dar-
gestellt. Von dem Fluſseisen waren 102254 Tonnen im Konverter
und 160706 Tonnen im Flammofen erzeugt. Von dem Konvertereisen
waren 29194 Tonnen durch das basische Verfahren im Thomas-
konverter erblasen, während von dem Herdfluſseisen 55049 Tonnen
auf basischem Herd bereitet waren. Das Verhältnis des sauren zum
basischen Fluſseisen war demnach 1898 178717 Tonnen zu 84243
Tonnen. Die Stahlguſswarenerzeugung aus dem Martinofen betrug
4560 Tonnen.


Die Fortschritte der schwedischen Eisenindustrie waren der
Intelligenz seiner Metallurgen und dem einmütigen Zusammenwirken
von Staatsregierung und Industrie, die in der 1869 nach Stockholm
verlegten Bergakademie, in dem Jern-Kontor und in dem Hütten-
verband (Bruks-Societät) ihre wichtigsten Vereinigungspunkte fanden,
zu verdanken.


Wie seit Jahrhunderten, so besaſs auch in dieser Periode Schweden
eine groſse Anzahl hochgebildeter, vortrefflicher Metallurgen, welche
die Träger des Fortschritts waren. Wir nennen: Rich. Åkerman,
Knut Styffe
(† 3. Februar 1898), L. Rinman, Victor Eggertz
(† 17. August 1889), Ullgren, A. Tamm, J. Wiborgh, E. G. Odel-
stjerna, J. L. Sebenius, C. G. Sarnström, Caspersson, H. Tho-
lander, Troilus
u. a. m. Daſs die hervorragenden Metallurgen
John Gjers und Sandberg in England Schweden waren, wurde
bereits früher erwähnt.


Versuchen wir es nun, einen kurzen Überblick der Fortschritte
des schwedischen Eisenhüttenwesens im einzelnen in chronologischer
Ordnung zu gewinnen.


Der Grundsatz, welcher die schwedische Eisenindustrie Anfang
der siebziger Jahre wie in der Folge leitete, war: nicht Massen-
erzeugung, sondern beste Qualität. Dementsprechend behandelte man
den Bessemerprozeſs und das neu eingeführte Herdschmelzverfahren.
Bei dem Bessemerprozeſs wurde dies durch das vorzügliche Holz-
kohlenroheisen, den Kleinbetrieb und sehr gewissenhafte Kontroll-
proben erreicht. Nach C. Westmans Angabe (1871) gab der hier-
durch erzielte Bessemerstahl einen ebenso guten Tiegelguſsstahl als
der Brennstahl.


Die Zahl der Eisenwerke war damals noch eine sehr groſse, und
mancher Hochofen wurde nur noch der Holzverwertung wegen be-
trieben. Durch die Konkurrenz der kleinen Werke und durch die
75*
[1188]Schweden.
Abhängigkeit von den Wasserkräften wurde die Anlage groſser Werke
erschwert. Es gab damals eigentlich nur eine groſse Anlage, die zu
Motala, die auch die einzigen Puddelöfen Schwedens besaſs, und die
damals unter der Leitung von Kapitän Carlsund gutes Kesselblech
aus Bessemereisen machte.


Der Martinbetrieb war 1868 in sehr bescheidenem Maſsstabe zu
Kilafors eingeführt worden; auch der 1869 von J. L. Sebenius in
Munkfors erbaute Ofen mit Gasfeuerung nach Lundins System war
nur für einen Einsatz von 1 Tonne konstruiert.


Zu Losjöfors 1) hatte man 1870 einen Ofen für 30 Centner =
1275 kg Einsatz nach Lundins System mit Gasfeuerung und Konden-
sation erbaut, bei dem ein kräftiger Zug durch einen Ventilator
bewirkt wurde. Dies war nötig, weil das strengflüssige Roheisen von
Persberg eine gröſsere Hitze verlangte als das zu Munkfors ver-
wendete Tabergeisen. Der erzielte Martinstahl wurde in kleine Blöcke
gegossen, die dann unter dem Hammer ausgereckt wurden. Spiegel-
eisen zum Nachsatz beim Bessemern und im Flammofen, obgleich nur
wenig verwendet, wurde aus Knebelit und manganhaltigem Eisen-
granat erblasen.


Im Jahre 1872 entstanden neue Holzkohlenhochöfen und Bessemer-
werke bei Nya Kopparsberg, zu Bjorneberg, Stjernfors und Nyahammer.
Larsen erfand einen Gasanwärmer für Bessemeröfen, der mit Hoch-
ofengasen gespeist wurde und der sich zu Barka in Darne und auf
Swartnas Eisenwerk in Stora Kopparberg bewährte.


Das gute Kanoneneisen von Finspång und Ankarsrum wurde
aus Magnetit mit Holzkohlen erblasen. Eckman goſs 1873 zu
Finspång sehr feste Geschosse. Die Geschütze goſs man der Festig-
keit wegen nicht mehr aus dem Hochofen, sondern aus dem Flamm-
ofen, worin man das Roheisen umschmolz.


1873 wurden mancherlei Verbesserungen eingeführt. Ein wichtiges
Ereignis war die Gründung einer englischen Gesellschaft zur Aus-
beutung der groſsen Eisenerzlager zu Gellivara in Nordschweden.


Fillafers Gasröstöfen kamen zur Einführung. Zu Schiſshyttan
und Finbo bestand ein regelmäſsiger Hochofenbetrieb auf Spiegeleisen.


Bei dem Frischen kamen die verbesserten Lancashireherde immer
mehr in Anwendung. Zum Schweiſsen wurden Eckmans Holzkohlen-
gas-Schweiſsöfen oder Siemens-Schweiſsöfen mit Lundins Konden-
sation angewendet, so z. B. in Munkfors und Tschilafors. Das
[1189]Schweden.
schwedische Bessemern mit manganreichem, aber siliciumarmem Roh-
eisen wurde zu Fagersta erfolgreich betrieben. Auf dem Svartnäs-
Bessemerwerk wurde eine Wochenproduktion von 46,8 Tonnen in
einem kleinen, mit einem guten Gebläse versehenen Konverter erzielt.
A. Tamm veröffentlichte chemische Untersuchungen der Bessemer-
gase. Der Martinprozeſs fand langsam Verbreitung.


Der Uchatiusprozeſs wurde noch zu Wykmanshyttan in vier Zug-
schmelzöfen zu je vier Tiegel, die mit Koks geheizt wurden, betrieben.


Im Jahre 1873 vereinigte die groſse Stora-Kopparbergs-Bergslags-
Aktiengesellschaft ihren in 19 Hütten zersplitterten Eisen- und Stahl-
betrieb in einer groſsen Neuanlage, dem Domnarfvets-Järnverk, welches
das gröſste Holzkohlenhochofenwerk der Welt wurde.


1874 führte man zu Långsbanshytta einen von Eckman kon-
struierten Winderhitzer, einen Gjersapparat mit abgeändertem Zug,
ein. Wittenström erfand einen Regenerativ-Schweiſsofen mit
darüberliegendem Regenerator. Zu Motala stellte man Versuche mit
Danks rotierenden Puddelöfen an. Hier standen 1875 sechs einfache
und drei Doppelpuddelöfen, die mit englischen Steinkohlen geheizt
wurden, in Betrieb. Von den fünf Schweiſsöfen waren zwei Regenerativ-
und drei Wittenströmsche Gasöfen. Man puddelte auch Stahl für
Kanonenringe.


In Norwegen hatte die Eisenerzeugung seit 1860 einen beträcht-
lichen Rückgang erfahren.


Zu Motala hatte man auch Torfgasgeneratoren, deren Gase
Rinman 1877 chemisch untersuchte. Neue Walzwerke entstanden 1877
nicht nur zu Hörneafors und Söfors, sondern auch zu Gellivara.
Ahrenberg und Ekman veröffentlichten im Auftrage des Jernkontors
ein schwedisches Stempelmarkenbuch. 1878 betrug die Zahl der Arbeiter
in den Eisenbergwerken 4397, in den Hütten- und Stahlwerken 16716.


Ein Universalwalzwerk wurde 1878 von E. von Zweigebergk in
Swedjebacken in Betrieb genommen. In diesem Jahre zählte man
bereits sieben Martinstahlwerke mit sieben Schmelzöfen, von denen
der gröſste indessen nur vier Tonnen Einsatz faſste. Der Brennstoff-
verbrauch belief sich auf 200 Prozent. Einen gröſseren Ofen baute
Odelstjerna auf der Boforshütte. Bei den Bessemerbirnen zu Langs-
hyttan führte man Siebböden ein. Göransson und Magnusen ver-
öffentlichten Untersuchungen über das Bessemern zu Sandviken.


1878 wurde zu Bofors zuerst der Stahlformguſs aus dem Martin-
ofen eingeführt.


[1190]Schweden.

1879 wurde die Kleinbessemerei zu Avesta mit Erfolg betrieben.
R. Åkerman, H. Tholander und C. G. Särnström veröffentlichen
die Ergebnisse ihrer Versuche über die Reduzierbarkeit der Eisenerze.
Das Rösten der Erze, das für Schweden von besonderer Wichtigkeit
war, geschah vielfach in Gasröstöfen, von denen namentlich die
Westmanschen verbreitet waren. Casperssons verbesserte Stahl-
guſspfanne wurde zuerst 1880 auf dem Westanfors Bessemerwerk in
Fagersta eingeführt. 1880 schlug R. Åkerman die Verwendung der
Thomasschlacke als Düngemittel vor. 1882 nahm man zu Bofors
einen Martinofen für 10 Tonnen Einsatz in Betrieb.


1883 stellte C. G. Dahlerus Untersuchungen über den Verlauf
des Bessemerprozesses zu Langshyttan, Nykroppa, Bangbro und
Westanfors an und veröffentlichte zahlreiche Analysen von Roheisen,
Schlacken und Bessemermetall in den verschiedenen Stadien des
Prozesses nach bestimmten Zeiträumen.


Caspersson, der sich mancherlei Verdienste um das Bessemern
in Schweden erwarb, arbeitete 1883 mit einem feststehenden 3-Tonnen-
Konverter zu Bofors. Er wies damals auf den groſsen Einfluſs hoher
Anfangstemperaturen des Roheisens beim Einsatz hin, die bei seinem
geringen Siliciumgehalt besonders wichtig waren.


Paul von Schwarze lenkte 1884 die Aufmerksamkeit auf die
groſsen Erzfelder Nordschwedens und ihre Bedeutung für Deutschland.


Warnström gründete 1885 eine elektromagnetische Aufbereitung
in Örebro. Thorston Nordenfeld erfand die weiche Aluminium-
Eisenlegierung, die er Mitisguſs nannte, und C. G. Wittenström
seinen Petroleum-Schmelzofen zu dessen Herstellung, wofür 1886 zu
Carlsvick bei Stockholm ein Schmelzwerk erbaut wurde. Schon vor-
dem hatte Knut Styffe Aluminium als Reinigungsmittel für das
Eisen empfohlen, und Wittenström 1885 ein Patent, durch Zuschlag
von 0,2 Prozent Aluminium das Fluſseisen dünnflüssig und fest zu
machen, genommen.


1886 konstruierte Wernström sein Universalwalzwerk. In Danne-
mora betrieb man einen Siemens-Guſsstahlschmelzofen mit zwei
Kammern zu je 10 Tiegel Einsatz. Man erhielt in 500 Schmelzungen
165 Tonnen Tiegelstahl. Zu Avesta wurde unter Ch. Walrands
Leitung der Stahlformguſs aus den von diesem erfundenen kleinen
Konvertern eingeführt.


Carlsson zu Ulfshytta unterbrach das Blasen bei Beginn der
Kohlenstoffverbrennung, goſs einen Teil als „Reduktionsmetall“ aus
blies dann fertig und setzte jenes statt Spiegeleisen zu.


[1191]Schweden.

1887 wurde die für die Erschlieſsung der nordischen Eisenlager
so wichtige Eisenbahn von Luleå nach Gellivara von einer englischen
Gesellschaft vollendet. — Odelstjerna führte den Betrieb mit
Chromerzfutter beim Herdbetrieb in Trollshätta ein. Knut Styffe
empfahl Magnesiaböden. In demselben Jahre stellte man in ver-
schiedenen schwedischen Werken Chromstahl in Flammöfen, in einem
bei Christiania in Tiegeln dar; 1888 gelang auch die Darstellung im
Hochofen. Chromstahl sollte den Dannemora-Guſsstahl ersetzen. In
Avesta erbaute man zwei moderne Hochöfen mit zwei Westman-Gas-
röstöfen und eisernen Winderhitzern. In diesem Jahre begann man
im Norbergbezirk alte Erzhalden durch magnetische Aufbereitung
aufzuarbeiten.


1889 erlangte die schwedische Erzausfuhr gröſsere Bedeutung.
Oberschlesien hatte schon seit 1870, wenn auch in kleineren Mengen,
schwedische Erze bezogen. Dieser Bezug steigerte sich jetzt bedeutend.
1889 bezog Friedrich Krupp in Essen die erste Dampferladung
schwedischer Magneterze aus Grängesberg über Rotterdam für die
Johannishütte bei Duisburg. Damals wurde bereits die Fortführung
der Gellivara-Eisenbahn bis nach Ofoten an der norwegischen Küste
zum Aufschluſs der noch mehr landeinwärts liegenden Erzlager von
Luossavaara und Kirunavaara geplant.


Der Martinofenbetrieb erlangte eine immer gröſsere Wichtigkeit.
Nach einem Bericht Odelstjernas war die


Die Werke waren zu Ankarsrum, Avesta, Bofors, Domnarfvet,
Elfsbacka, Fagersta, Hagfors, Hammarby, Hellefors, Jäder, Kallinge,
Koliva, Losjöfors, Liljedal, Lotorp, Motala, Munkfors, Strömnäs, Sura-
hammer, Söderfors, Trollhättan.


Es gab bereits Siemens-Martin-Öfen von 15 Tonnen Einsatz. Die
Produkte waren Werkzeugstahl, Stahlguſs und Eisenguſs. Im all-
gemeinen arbeitete man mehr auf ein hartes Produkt hin. Der basische
Betrieb war zuerst zu Jäder von E. G. Oldenstjerna eingeführt
worden. L. Sebenius verwendete die Schleuderkraft zur Herstellung
dichter Güsse (D. R. P. Nr. 52332).


[1192]Schweden.

1891 gelangte der Thomasprozeſs in Schweden zur Einführung.
Das gröſste Eisen- und Stahlwerk Schwedens, Stora Kopparbergs
Bergslags Actiebolag in Falun, das über eine Wasserkraft von 4000 P.S.
aus 15 Turbinen verfügte, erweiterte sein mit fünf 5-Tonnen-Konvertern
ausgerüstetes Bessemerwerk um weitere fünf 6-Tonnen-Konverter,
davon drei für das Thomasverfahren. Der bekannte deutsche Ingenieur
Ferdinand Vahlkampf beaufsichtigte die Anlage und setzte sie am
26. Oktober 1891 in Betrieb. Die 6-Tonnen-Konverter waren von Carl
Angström
konstruiert. Das Roheisen, das 3 Prozent Phosphor enthielt,
gelangte direkt vom Hochofen in die Birne.


Die Einfuhr phosphorhaltiger Grängesbergerze nach Deutschland
nahm fortwährend zu; 1891 gingen bereits 62689 Tonnen über
Rotterdam nach Rheinland und Westfalen und 85941 Tonnen über
Stettin nach Oberschlesien. Gellivara war an dieser Ausfuhr noch
nicht beteiligt. Erst 1892 begann die groſse Förderung von Gellivara,
die von 180 Tonnen auf 178817 Tonnen stieg, während die von
Grängesberg von 169016 Tonnen auf 224271 Tonnen in 1892 sich
erhöhte. In diesem Jahre gab es bereits neun magnetische Auf-
bereitungsanstalten zur Aufarbeitung alter Eisenerzhalden in Schweden.
Die Hochöfen zu Domnarfvet erreichten eine Tagesleistung von
36,5 Tonnen. Die Stahlöfen verteilen sich nach Provinzen wie folgt:


1892 wurden 1573224 Tonnen Steinkohlen und 44872 Tonnen
Koks eingeführt, die eigene Steinkohlenerzeugung im Regierungsbezirk
Malmöns in Südschweden betrug etwa 200000 Tonnen. Holz lieferte
immer noch den Hauptbrennstoff; es wurden davon 4900000 cbm im
Jahr verkohlt.


1893 wurden schon etwa 200000 Tonnen Erze von Luleå aus
verschifft, wovon 75 Prozent über Rotterdam nach Rheinland und
Westfalen gingen, England bezog nur 15000 Tonnen. Die Erzförderung
Schwedens hatte gegen das Vorjahr um 14,7 Prozent zugenommen.


[1193]Schweden.

1893 fand die Weltausstellung in Chicago statt, auf der sich die
schwedische Eisenindustrie durch ihre vorzügliche Vorführung hervor-
that. R. Åkerman hielt daselbst bei dem Meeting des American
Institute of Mining Engineers im August einen Vortrag über das
Bessemern in Schweden, den wir früher schon erwähnt haben und
aus dem wir nur noch nachtragen, daſs es gelungen war, durch
stärkere Gebläse und heiſseren Wind in Schweden Bessemerroheisen
mit 0,9 bis 1 Prozent Silicium, gegen 0,2 bis 0,4 Prozent, zu erblasen
und dadurch einen heiſseren Gang der Chargen zu erzielen. Man
unterbrach das Blasen im richtigen Moment der Entkohlung, den
man ohne Hülfe des Spektroskops erkannte. Zum Gieſsen bediente
man sich der Casperssonschen Pfanne. War das Fluſseisen zu heiſs,
so lieſs man es erst durch einen Siebtrichter laufen.


1894 hielt Erik G. Odelstjerna in Amerika einen Vortrag über das
Martinieren in Schweden. Bei den Gasgeneratoren wendete man Konden-
sation an und war Björklunds Oberflächenkondensator in Aufnahme
gekommen. Die Kohlengasgeneratoren waren klein und mit Treppen-
rosten versehen. Neuerdings waren zu Löderfors Holzgasgeneratoren mit
Trockenapparaten eingeführt worden. Die Schmelzöfen hatten stehende
Regeneratoren mit Tellerventilen auf gekühlten Sitzen. Zur Ersparnis
an Brennstoff waren die Öfen umkleidet. Schrott war selten und
teuer und kam deshalb nur in geringen Mengen zur Anwendung.
Manche Werke arbeiteten nur mit Roheisen und Erz. Gröſsere als
15-Tonnen-Öfen gab es nicht. Man erzeugte drei Sorten: 1. weiches
Fluſseisen mit bis zu 0,15 Prozent Kohlenstoff, 2. Werkzeugstahl mit
mindestens 0,45 Prozent Kohlenstoff und 3. Stahlformguſs. Man
suchte möglichst wenig Mangan im Produkt zu erhalten.


Zu Finspång goſs man Panzerplatten aus Martinstahl, die man
ohne mechanische Bearbeitung verwendete. Sie brauchten nur wenig
stärker zu sein als gewalzte und lieſsen sich leicht in jeder Dicke
herstellen. Seit einigen Jahren war man zum basischen Betrieb über-
gegangen. Wie beim Bessemern, so fand auch beim Martinieren keine
Rückkohlung statt.


Die Erzförderung steigerte sich immer mehr. Von 1870 bis 1894
war sie von 631000 auf 1927000 Tonnen gewachsen 1). Von den
geförderten Erzen waren 85,4 Prozent Magneteisenstein, 14,6 Prozent
Eisenglanz und Blutstein.


Von Verbesserungen der letzten Jahre ist zu erwähnen, daſs man
[1194]Schweden.
bestrebt ist, bei den Hochöfen bessere Holzverkohlungsöfen anzulegen,
und daſs man gelagerte Holzkohlen vor dem Aufgeben künstlich
trocknet. Der Köhlerei wird eine gröſsere Aufmerksamkeit zugewendet,
und es entstanden Köhlerschulen, die vom Jernkontor unterhalten werden.
Sandviken zeichnete sich aus durch seinen guten Bessemerstahl und
kalt gewalzten Bandstahl, Söderfors, Fagersta und Bofors durch ihren
Martinstahl und Finspång und Bofors durch ihren Stahlguſs. Kolschwa
und Uddeholm erzeugen die weichsten Fluſseisensorten, Surahammer
vortrefflichen Puddelstahl. 1898 empfahl J. Wiborg die Anwendung
von heiſsem Wind beim Bessemern, wodurch man siliciumärmeres
Roheisen verblasen könne.


Die Ausfuhr von Holz erreichte 1896 einen Wert von rund
140 Millionen, die von Eisen von 46 Millionen schwedische Kronen.
Bei dem Eisen hatte die Ausfuhr der Rohprodukte — abgesehen von
den Eisenerzen — abgenommen, die des verarbeiteten Eisens — des
Manufaktureisens — zugenommen. 1854 hatte das Stangeneisen
83,3 Prozent betragen, 1895 machte es nur noch 41,8 Prozent des
Wertes der Eisenausfuhr aus. Eine bedeutenden Absatz hatten
gewisse Spezialartikel erlangt, besonders gepreſste und gedrückte
Geschirre namentlich für Molkereibetrieb, Hohlgegenstände, wie
Patronenhülsen. Auf die Herstellung dieser Artikel waren groſse
Fabriken begründet, wie z. B. Kokums Werke zu Kallinge mit 625
Arbeitern und die Olofström-Werke. Die Eskilstuna-Stahlpreſs-
gesellschaft, die 200 Arbeiter beschäftigte, lieferte Sensen, Äxte, Beile,
Schaufeln, Sägen, Pflüge und sonstige landwirtschaftliche Geräte und
Maschinen. Eskilstuna war der wichtigste Mittelpnnkt der schwedischen
Kleineisengewerbe geworden und beschäftigte an 4000 Eisenarbeiter.
1894 zählte man 120 Fabriken mit 2299 Arbeitern und 88 Hand-
werke mit 249 Arbeitern. Die alte handwerksmäſsige Arbeit wurde
aber mehr und mehr zurückgedrängt durch die durchaus moderne
Maschinenarbeit nach amerikanischem Muster zur Erzeugung von
Qualitätsmassenartikeln.


1897 fand in Stockholm eine nordische Kunst- und Industrie-
ausstellung statt, auf welcher die Bedeutung und die Fortschritte der
Eisenindustrie Schwedens vorgeführt wurden. Das gröſste Eisenwerk
Schwedens, Domnarfvets Järnverk, trat besonders hervor und zeigte
die Eigenart der schwedischen Eisenindustrie. Die Kraft lieferten
23 Turbinen, die das starke Wassergefälle des Dalelf an den Tuna-
fällen in 5000 P.S. umwandelte. Hiervon trieben 900 P.S. 49 Elektro-
motoren. Acht kontinuierliche Verkohlungsöfen nach des General-
[1195]Schweden.
direktors E. J. Ljungbergs Erfindung erzeugten aus geflöztem Holz
von Dalarne 120000 cbm Holzkohle im Jahre. Diese Öfen arbeiten
nach Art der Ringöfen mit vier Kammern. Das Hochofenwerk um-
faſste fünf Hochöfen von 16,5 m Höhe, sechs Westman-Röstöfen und
sieben Cowper-Winderhitzer. Vier Hochöfen hatten 1896 43397 Tonnen
Holzkohlenroheisen geliefert. Die Schlacken wurden groſsenteils zu
Ziegeln verarbeitet. Das Bessemerwerk hatte zwei saure 6-Tonnen-
Konverter und drei basische 5-Tonnen-Konverter, das Martinwerk
vier 15-Tonnen-Öfen, wovon zwei sauer und zwei basisch zugestellt
waren. Beide Anlagen konnten 60000 bis 70000 Tonnen Fluſsstahl-
blöcke liefern. Das Walzwerk ist für die Fabrikation von 45000 Tonnen
Walzprodukte aller Art eingerichtet. Das Werk besitzt ferner eine
groſse Maschinenfabrik, Manufakturschmiede, Holzschneiderei u. s. w.


Das Bessemer- und Martinstahlwerk Bofors arbeitet ausschlieſslich
mit elektrischer Kraftübertragung.


Uebrigens war auch die Einfuhr von Steinkohle 1899 auf
40300000 Tonnen gestiegen.


Den gröſsten Aufschwung hatte durch die Erschlieſsung der
mächtigen Eisenerzlager in Nordschweden die Erzförderung und die
Erzausfuhr 1) genommen. 1896 wurden 2586705 Tonnen gefördert und
1150695 ausgeführt, hiervon gingen 787581 Tonnen nach Deutschland.
1899 betrug die Erzausfuhr 1627908 Tonnen. Die Erzförderung
wird sich noch bedeutend steigern, wenn (1903) die Eisenbahn Luleå—
Ofoten 2) vollendet sein wird und die Erze auch an der norwegischen
Küste verladen werden können. Zugleich werden durch diese Bahn
die riesigen Erzlager von Luossavaara, Kirunavaara und zahlreiche
kleinere Erzfundstellen dem Verkehr erschlossen. Hierzu hatten die
Untersuchungen und Berichte von Professor Voigt, der auf die groſse
Zukunft der Kirunavaaraerze, von denen drei Tonnen gleichwertig mit
6½ Tonnen Yorkshire- oder mit 5 Tonnen Luxemburger Erzen sind,
hinwies, beigetragen, sowie Professor Törnebohm, der 1899 die Expe-
dition von Dr. W. Petersson und Dr. F. Svenonius3) in dieses Erz-
gebiet veranlaſste. Die Ausbeutung der Erzschätze einerseits und die
bessere Ausnutzung der zahlreichen Wasserkräfte Schwedens durch
Umwandlung in elektrische Energie andererseits werden einen noch
gröſseren Aufschwung der Eisenindustrie Schwedens in der Zukunft
herbeiführen.


[1196]Schweden.

Zahlengeschichte der schwedischen Eisenindustrie seit 1870.


Übersicht der Erzeugung der Eisenindustrie in Tonnen.


Hochofenbetrieb.


[1197]Schweden.

Roheisenerzeugung nach Sorten in Tonnen.


Roheisenerzeugung der einzelnen Provinzen 1874.


[1198]Schweden.

Roheisenerzeugung nach Hauptbezirken.


Schweiſseisenerzeugung in Tonnen.


Erzeugung nach Sorten.


[1199]Schweden.

Erzeugung 1874 nach Provinzen in Tonnen.




Zusammen: 167645 Tonnen.


Erzeugung von Schmiedeeisen- u. Stahlfabrikaten nach Sorten.


[1200]Schweden.

Stahlerzeugung im ganzen in Tonnen.


Martinstahl-Formguſs in Tonnen.





Bessemerfluſsstahl.


[1201]Schweden.

Martinfluſsstahl.


Fluſsstahlerzeugung, sauer und basisch.


Fluſseisen.


Eisenerzausfuhr in Tonnen.





Eisenerzausfuhr nach Deutschland: 1895 613920 Tonnen, 1896 787581 Tonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 76
[1202]Schweden.

Eisenerzausfuhr von 1895 bis 1900.


Erzeugung, Aus- und Einfuhr 1876 in Tonnen.


Ein- und Ausfuhr von Roheisen und Guſswaren
und Schmiedeeisen und Stahl in Tonnen
.


Eisenausfuhr 1886 bis 1890 im einzelnen in Tonnen.


[1203]Schweden.

Wert der Ein- und Ausfuhr von 1889 bis 1894 in 1000 Kronen (1 Krone = 1,125 Mark).


Ein- und Ausfuhr 1892 bis 1897 in Tonnen.


76*
[1204]Schweden.

Ein- und Ausfuhr 1898 und 1899.


Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch).

[1205]Ruſsland.

Ruſsland.


Die Lage der russischen Eisenindustrie war im Jahre 1870 keine
günstige. Dies veranlaſste die Regierung, die berühmten Eisenhütten-
leute P. Tunner von Leoben und A. Grill aus Schweden zu berufen,
um in Gemeinschaft mit General Raschette die russischen Eisen-
industriegebiete zu bereisen und Bericht zu erstatten. Tunners
Ausführung stellte fest, daſs die russische Eisenindustrie in den
letzten Jahren wenig Fortschritte gemacht habe, und giebt als Ursachen
an: den Mangel an Kommunikationsmitteln, die Trägheit der Arbeiter,
die, durch die Aufhebung der Leibeigenschaft von dem früheren Zwang
befreit, die neuerworbene Freiheit am liebsten im Nichtsthun genieſsen
wollten, sodann den Mangel an Brennstoff und schlechte Wirtschaft
im Hütten- wie im Forstwesen. Die russische Eisenindustrie war zwar
durch einen Einfuhrzoll von 5 Kopeken für das Pud Roheisen und von
35 Kopeken für verarbeitetes Eisen geschützt. Derselbe reichte aber
um so weniger aus, die ausländische Konkurrenz abzuhalten, als er in
dem sehr entwerteten Papierkurs bezahlt werden durfte. Die
uralischen Hütten waren auf ihren alten Betriebseinrichtungen stehen
geblieben. Die neuen Fluſseisenprozesse waren nur in geringem Maſse
zur Einführung gelangt. In Finnland verschmolz man meist noch
Seeerze in alter Weise.


In diesen Zuständen trat auch in den folgenden Jahren noch keine
Besserung ein. Von groſser Bedeutung für die Zukunft war es aller-
dings, daſs 1871 ein Engländer Hughes ein Hüttenwerk in dem kaum
erschlossenen Steinkohlengebiet Südruſslands am Dnjepr errichtete.


In den folgenden Jahren wurde vom Staat ein groſses Tiegel-
guſsstahlwerk in Motovilicha bei Perm an der Kama zur Herstellung
von Kriegsmaterial erbaut. Hier wurden die ersten Stahlgeschütze
in Ruſsland gegossen.


Im Jahre 1877 ging die russische Regierung zu schärferen Maſs-
regeln zum Schutze der russischen Eisenindustrie über und zwar
zunächst dadurch, daſs sie die Zahlung der Zölle in Gold verlangte,
was gegen den früheren Zustand einem Zollaufschlag von 30 Prozent
gleichkam. In den darauf folgenden Jahren erfolgte ein rascher Auf-
schwung der Fluſseisenerzeugung, sowohl im Konverter wie im Flamm-
ofen. Vom Jahre 1878 zum Jahre 1879 stieg die Fluſseisenproduktion
von 64283 Tonnen auf 210177 Tonnen. Im Jahre 1880 hatte das
Fluſseisen das Schweiſseisen bereits überflügelt, allerdings nur für
[1206]Ruſsland.
kurze Zeit, indem in den achtziger Jahren ein Sinken der Fluſseisen-
erzeugung und ein Steigen der Schweiſseisenproduktion eintrat, so
daſs letzteres sich siegreich behauptete, bis vom Jahre 1894 an das
Fluſseisen das Schweiſseisen dauernd überholte. Die Roheisen- und
Schweiſseisenproduktion stieg in den achtziger Jahren nicht bedeutend
und lange nicht im Verhältnis zu der des Fluſseisens, wie sich aus
folgender Zusammenstellung ergiebt. Es wurden erzeugt:


1880 hob die russische Regierung die zollfreie Einfuhr von Roh-
und Stabeisen, soweit sie noch bestand, auf und erhöhte die Einfuhr-
zölle vom 1. März 1881 ab beträchtlich. Eine noch gröſsere Erhöhung
der Schutzzölle für Eisen trat mit dem Tarif von 1887 in Kraft, und
diesem verdankt die russische Eisenindustrie ihren gewaltigen Auf-
schwung in den achtziger und neunziger Jahren. Wie bedeutend
derselbe war, zeigen die nachfolgenden Produktionsziffern.


Es betrug die Produktion in Tonnen:


Wie diese glänzende Entwickelung sich im einzelnen vollzog, soll
im folgenden kurz vorgeführt werden.


1870 fand in St. Petersburg eine Industrieausstellung statt, die
aber gerade auf die Rückständigkeit der russischen Eisenindustrie
aufmerksam machte.


Um das Hüttenwesen in Finnland hatten sich die Groſsindustriellen
Putilow und von Julin verdient gemacht. Ersterer war der gröſste
Hüttenbesitzer. Sein 1856 gegründeter Hochofen zu Chapakoski lieferte
täglich 250 bis 300 Pud, zwei Öfen zu Ekaterienzki 400 bis 600 Pud,
zwei Öfen zu Orawi 400 bis 600 Pud und der groſse Hochofen zu
Neu-Orawi 1750 Pud Roheisen den Tag.


Die Seeerze, die das Haupterz bildeten, waren sehr schwankend
in ihrem Gehalt an Eisen und Mangan, im Mittel betrug der Eisen-
gehalt 35,07, der Mangangehalt 6,27 Prozent. Die Seeflächen wurden
[1207]Ruſsland.
wie Grubenfelder verliehen, doch waren dieselben selbst bei demselben
See sehr ungleichwertig. Am See Mehtalampi waren die Erze der
Südseite am reichsten.


Putilow walzte Eisenbahnschienen aus alten englischen mit
Kopf aus Holzkohlen-Seeerz-Frischeisen.


Im Gouvernement Perm standen 63 Eisenhütten in Betrieb. Sie
verschmolzen hauptsächlich die reichen Magneteisensteine der uralischen
Erzberge. Auf der Demidoffschen zu Nischnij-Tagilsk wurde unter
Zusatz manganreicher Erze Spiegeleisen erblasen, das zumeist nach
England ging. Zu Nischnij-Salda hatte man einen neuen Rachetteofen
von 50 Fuſs Höhe, während die alten Öfen nur 28 Fuſs hoch waren.


Im Jahre 1871 fing man an, den Schätzen an Steinkohlen und
Eisen im Donezgebiet in Südruſsland gröſsere Aufmerksamkeit zu
schenken. Der Engländer Hughes legte auf Grund einer Schienen-
bestellung der russischen Regierung in Verbindung mit dem russischen
Kapitalisten Pastuchow eine Hochofenhütte mit Koksbetrieb, „die
Hugheshütte“, an, die 1871 ihren Betrieb eröffnete, während das
Schienenwalzwerk erst 1873 in Thätigkeit kam. In diesem Jahre
erschien die erste gute Beschreibung der Eisenerzlagerstätten Süd-
ruſslands von dem deutschen Ingenieur Leo Strippelmann in
Schlesien. Bereits 1870 hatte die russische Regierung begonnen, sich
ihrer unrentabelen Staatswerke (Kronhütten) durch Verkauf zu ent-
ledigen, indem sie vier Kronwerke in Polen verkaufte. 1871 wurde
auch der Verkauf der uralischen Staatshütten beschlossen. — In
dem Gouvernement Moskau gründeten 1872 A. E. von Struve,
G. E. von Struve
und A. J. Lessing das Eisenwerk Kolomna mit
groſsen Werkstätten für Lokomotiv- und Brückenbau und 1873
das groſse Hüttenwerk Kulebaki. Die von von Woronzow am Kama
erbaute groſse Guſsstahlkanonenfabrik zu Perm goſs 1872 für
einen 50-Tonnen-Dampfhammer den 600 Tonnen schweren Amboſsstuhl
an Ort und Stelle in einem Stück, wozu 14 Mackenzie-Kupolöfen das
Eisen lieferten. Es geschah dies unter der Leitung des hochverdienten
Ingenieurs und Professors an der Bergakademie Heinr. Andrewitsch
von Jossa
, der am 30. Juli 1874 starb.


Dieses Werk und das Obouchkow-Stahlwerk 1) im Gouvernement
St. Petersburg lieferten hauptsächlich Kriegsmaterial. Letzteres machte
22 verschiedene Stahlsorten, wofür zum Teil ein eigentümliches Verfahren
[1208]Ruſsland.
angewendet wurde. Man schmolz reines weiſses Holzkohlenroheisen
von Finnland im Kupolofen ein, stach dieses in weiſsglühende Tiegel,
in denen ein Gemenge von Eisen- und Stahlabfällen, Magnet- und
Titaneisenstein sich befand, ab, rührte die geschmolzene Masse um
und setzte dann noch etwas Arsenik oder Salpeter (?) zu. Die Tiegel
faſsten 37,5 kg Stahl, und man goſs Blöcke bis zu 40 Tonnen Gewicht.
Die Blöcke wurden erhitzt und unter einem 50-Tonnen-Hammer ge-
schmiedet.


1873 gab es 203 Eisenwerke, 155 Eisengieſsereien, 245 Hochöfen,
522 Puddel-, 700 Schweiſsöfen und 20 Öfen für beide Zwecke, 840
Eisen- und 492 Stahlfrischherde, 191 Kupolöfen und 88 Guſsstahl-
schmelzöfen.


1873 feierte das Berginstitut zu St. Petersburg sein 100jähriges
Jubiläum.


In Finnland hatte man 1874 auf dem Eisenwerk Kurino einen
Eckmanschen Holzschweiſsofen und einen Lundinschen Gas-
schweiſsofen erbaut.


General Raschette hatte seine Schmelzofenkonstruktion auf die
Erzröstöfen übertragen, welche er 1874 zu Gora-Blagodat erbaut hatte.


Sergius Kern in St. Petersburg machte Ferrochrom in Tiegeln
und wendete Chromeisen statt Spiegeleisen an, um einen weicheren
Stahl zu bekommen; auſserdem erfand er ein Verfahren für die
Reinigung des Roheisens mit Fluſsspat, Soda und Manganhyperoxyd.


1874 verlegten die Besitzer der Briankshütte den Schwerpunkt
ihrer Thätigkeit von Mittelruſsland nach Südruſsland, indem sie eine
Hütte mit Schienenwalzwerk im Donezgebiet erbauten.


Obgleich im Jahre 1875 die Eisenpreise sehr gedrückt und die Lage
der russischen Eisenindustrie eine recht ungünstige war, wurde doch
eine Anzahl neuer Eisenwerke angelegt. Es waren dies meist Bessemer-
Stahlwerke. So entstanden am Ural vier neue Werke, darunter ein
groſses Stahl- und Schienenwalzwerk bei der Demidoffschen Hütte
zu Nischnij-Saldinsk für 800000 Pud Jahreserzeugung. Es war dies
das erste Bessemerstahlwerk am Ural und das erste, das Stahlschienen
aus uralischem Eisen walzte.


Zu Suchogarski am Ural war der gröſste russische Holzkohlen-
hochofen; er hatte 55 Fuſs Höhe und 6200 Kubikfuſs Inhalt.


In dem russischen Mittelland- oder Moskaubezirk entstanden
ebenfalls vier neue Werke, wovon das von Istin hervorzuheben ist.


In Finnland gab es 1875 21 Hochöfen; diese schmolzen 153704
Centner Roheisen aus 351688 Centner Bergerzen, wovon 338640 Centner
[1209]Ruſsland.
aus Schweden waren, und 330682 Centner Roheisen aus 1085180
Centner See- und Sumpferzen mit 12 Prozent Kalkzuschlag. Ein
Hochofen zu Raivola war nach Raschettes System gebaut. Professor
Kulibu veröffentlichte Roheisen- und Hochofengasanalysen. Die
finnischen Seeerze waren manganhaltig und neigten zu Spiegeleisen-
bildung. Man zählte ferner sieben Gas-Schweiſsöfen, 58 Puddelöfen,
15 Gas- und 20 andere Schweiſsöfen, sodann 13 Gebläseöfen mit
25 Gestellen (Blasewerke, Stücköfen) und 15 Wasserrädern. Diese
schmolzen aus 85125 Centner Seeerz mit 437648 Kubikfuſs Holz-
kohlen 15756 Centner „Hackeisen“. Das Ausbringen war demnach
nur 18,5 Prozent. Die mit diesen Öfen verbundenen Schweiſsfeuer
oder „Hackherde“ mit 15 Hämmern und 24 Wasserrädern lieferten
mit 333320 Kubikfuſs Holzkohlen 10324 Centner Stabeisen, was
37,70 Prozent Abbrand ergiebt. Husgafvel war seit 1875 bemüht,
die Stücköfen in Finnland zu verbessern.


1876 führte Sergius Kern das von Pourcel in Terre-Noire
erfundene Verfahren zur Herstellung blasenfreier Güsse durch Zusatz
von Silicospiegel in dem Obouchkow-Stahlwerk bei St. Petersburg ein.


1877 wurde von dem finnischen Ingenieur A. Lundgren der
Bau eines groſsen Martinstahlwerks zu Alexandrowsky bei St. Peters-
burg begonnen. Die Gründer waren meist Aktionäre von Terre-Noire
in Frankreich; das Martinwerk von Terre-Noire diente als Vor-
bild. Die Hütte, die vornehmlich Geschütze und Geschosse liefern
sollte, wurde 1879 mit sechs Siemens-Martinöfen zu 7 Tonnen und
einem zu 6 Tonnen in Betrieb genommen. Bis zur Einführung der
erhöhten Schutzzölle im Jahre 1881 wurde englisches Hämatitroheisen,
teilweise englisches und französisches Schrotteisen und schwedisches
Spiegeleisen von Schiſshyttan verschmolzen; nach Einführung des
neuen Zolltarifs verarbeitete man finnisches Holzkohlenroheisen und
inländischen Schrott auf basischen Herden.


Es wurde schon oben darauf hingewiesen, wie rasch die Fluſs-
stahlerzeugung Ende der siebziger Jahre zunahm. Veranlaſst war
dies zumeist durch die allgemeine Einführung von Bessemerstahl-
schienen auf den russischen Eisenbahnen. Trotz der Zunahme der
einheimischen Eisenindustrie erforderte der wachsende Bedarf noch
eine bedeutende Einfuhr von Eisen- und Stahlwaren, besonders aus
Deutschland. Die deutsche Einfuhr betrug 1880 2½ Millionen Centner
im Werte von etwa 40 Millionen Mark.


Der neue Zolltarif erschwerte die Einfuhr beträchtlich. Er
forderte einen Zoll von 35 Kopeken pro Pud für Roheisen, von
[1210]Ruſsland.
45 Kopeken für Eisenbahnschienen und 50 Kopeken für grobe Guſs-
waren und noch höhere Zölle für alle anderen Eisen- und Stahl-
fabrikate.


1881 wurde der Abbau der reichen oolithischen Eisenerzlager von
Krivoi-Rog in Südruſsland durch Tagebau von einer Gesellschaft be-
gonnen. Trotz dieses wichtigen Ereignisses und trotz der Erbauung
der Katharina-Eisenbahn im Donezbecken 1883 machte die Eisen-
erzeugung Südruſslands bis 1886 nur langsame Fortschritte. Diese
nahmen aber rasch zu, nachdem die hohen Schutzzölle von 1887 in
Kraft traten. Der Zoll für Roheisen betrug 1884/85 1,76 Mark, 1885/86
2,34 Mark, 1886/87 2,88 Mark und seit 1887 4,89 Mark auf 100 kg.


Im Jahre 1884 waren die gröſsten Eisenhüttenwerke Ruſslands
zu Longansk, Kremsk, Jekaterinenburg, Goroblagodat, Perm, Wotinsk
und Artinsk am Ural, ferner zu Dombrowa in Polen und die Putiloff-
Werke bei St. Petersburg.


In Polen erbaute 1884 die französische Aktiengesellschaft Huta-
Bankowa zu Dombrowa ein Stahlwerk mit acht Martinöfen mit
basischen Herden. Die gröſste Fluſsstahlerzeugung in den achtziger
Jahren hatte aber der Bezirk von St. Petersburg, besonders durch das
groſse Putiloffwerk. Im Moskauer Bezirk hatte die Alexandrowski-
hütte bei Briansk Anfang der achtziger Jahre den basischen Martin-
betrieb eingeführt. 1886 übertraf die Erzeugung von Martinstahl die
von Bessemerstahl bereits beträchtlich, und zwar im Verhältnis von
116616 Tonnen zu 67832 Tonnen.


Bis zu Ende der achtziger Jahre behauptete die Eisenindustrie
des Urals ihr groſses Übergewicht. 1887 nahm Südruſsland mit
seiner Roheisenproduktion von 68115 Tonnen gegen den mittel-
russischen, den Moskaubezirk, mit 71647 Tonnen und gegen den Ural
333543 Tonnen die dritte Stelle ein; 1888 überflügelte es den Moskau-
bezirk, und 1890 betrug seine Roheisenerzeugung schon 219782 Tonnen,
die des Ural 393325 Tonnen. Das uralische Roheisen wurde zum
gröſsten Teil in Frischfeuern und Puddelöfen in Schweiſseisen um-
gewandelt, während das Roheisen Südruſslands mehr in Fluſsstahl
übergeführt wurde.


Im Ural lieferten die berühmten Eisenberge von Blagodat
und der im Wisokajagebirge bei Nischnij-Tagilsk reiche Magneteisen-
erze, ebenso die mächtigen Lager im südlichen Ural am Uralfluſs,
im Distrikt von Werschne-Uralsk und im Gebirge von Ula-Utass-Tan,
nur war hier die Abfuhr noch eine schwierige. Der Ural liefert aber
vortreffliche Eisenerze jeder Art, besonders auch Brauneisensteine,
[1211]Ruſsland.
am mächtigsten bei Slatoust. Diese Erze verschmolzen die Hütten
Kusinsk, Sisert, Kuschewa, Satonkski, Kusi-Alexandrowsk, Kamensk,
Alapaewsk, Sakamonny, Rasquliaewsk, Utkinsk. Roteisenstein grub
man bei Siswensk und Sphärosiderit bei Peskowsk.


1887 zählte man im Ural 59 Eisenhütten mit 103 Hochöfen, die
340000 Tonnen Roheisen erzeugten, wovon auf die Hütten zu Nischnij-
Tagilsk, die 14000 bis 15000 Arbeiter beschäftigten, 37700 Tonnen
entfielen.


Im Donezbecken in Südruſsland waren 1885 nur zwei Eisen-
hütten, die der New Russian Iron Co. (Hughes) mit zwei Hochöfen
und die von Pastuchow in Sulin mit einem Ofen, die zusammen
660000 Tonnen Roheisen erzeugten. Zu dem raschen Aufschwung in
den folgenden Jahren trug die Eröffnung der Jekatarina-Eisenbahn,
welche dieses wichtige Gebiet mit dem russischen Hauptnetz verband,
im Jahre 1886 bei, sowie die Gründung neuer Werke durch belgische
und französische Kapitalisten und Industrielle. 1886 verbanden sich
die Gesellschaften John Cockerill zu Seraing und Praga zu Warschau
und gründeten die Société métallurgique Dniéprovienne du Midi de la
Russie zu Kamenskoje, wo sie das Dniéprovienne-Eisenwerk erbauten.


Die Kamenskoje-Hütte hatte vier Hochöfen, 152 Coppée-Koksöfen,
ferner war ein Bessemerwerk und ein basisches Martinwerk damit ver-
bunden. Der Erbauer war der deutsche Ingenieur Basson. 1888 wurde
der Betrieb eröffnet. Die Fluſsstahlerzeugung Südruſslands stieg von
1888 bis 1890 von 39300 Tonnen auf 114000 Tonnen.


1886 hatte Nicolas von Bernados sein elektrisches Schweiſs-
verfahren erfunden.


Die Steigerung der Eisenproduktion Ruſslands von 1886 bis 1890
betrug 66 Prozent, im Ural 30 Prozent, in Mittelruſsland 50 Prozent,
in Polen 41 Prozent, in Südruſsland 500 Prozent, dagegen ging sie
in Nordruſsland, dessen Eisenindustrie auf den Bezug aus dem Aus-
land aufgebaut war, infolge der hohen Zölle zurück.


Auch in den neunziger Jahren hielt der Aufschwung der russischen
Eisenindustrie, unterstützt durch die energische Schutzzollpolitik, an.
Besonders nahm die Fluſseisenerzeugung zu und überflügelte 1893/94
die Schweiſseisenerzeugung. Südruſsland war an diesem Erfolg am
meisten beteiligt. Die Entwickelung von 1880 bis 1890 ist in nach-
stehendem Schaubild (Fig. 344 a. f. S.) dargestellt.


Vor allem war es der Martinstahl, der immer mehr zur Ver-
wendung kam. 1892 betrug die Erzeugung von Herdfluſseisenblöcken
366000 Tonnen gegen 131003 Tonnen Bessemerblöcke.


[1212]Ruſsland.

Die Eisenhütten des Ural hatten trotz ihres Reichtums an den
besten Eisenerzen zu kämpfen, um ihre führende Stellung gegenüber
den neu entstandenen anderen Hüttenwerken in dem Steinkohlen-
gebiete Südruſslands zu behaupten. Von den gröſsten Eisenerzvor-
kommen gehört Blagodat dem Staat, Vjsokajagna dem Fürsten
Demidoff, Kackauar Fürst Stroganoff, ferner waren im Süden die
groſsartigen Erzlager der Magnitajagora erschlossen worden. Im

Figure 345. Fig. 344.


Norden wurde 1890 das Kutimsker Eisenwerk neuerrichtet zur
Verwertung der reichen Eisenglanze. Hinderlich war der Entwickelung
der uralischen Eisenindustrie die fortschreitende Entwaldung und
dadurch Mangel und Teuerung der Holzkohlen und die beschwerliche
Abfuhr, die auf der Kama in die Wolga und von da nach Nischnij-
Novgorod und nach dem Westen ging. Sie war nur möglich, solange
der Kamafluſs eisfrei war, und die Werke muſsten oft acht Monate
auf Vorrat arbeiten. Die Herdfrischerei spielte im Ural noch eine
groſse Rolle. Von den 451, die 1890 im russischen Reich gezählt
wurden, waren 377 im Ural, die 30 Prozent des Schweiſseisens lieferten.
Die Puddelöfen waren vielfach mit Gasfeuerung eingerichtet. Ein
neues Auskunftsmittel bot die Massutfeuerung mit Petroleumrück-
ständen von Baku.


Eine groſse Bedeutung hatten die Manganerze des Kaukasus erlangt,
wovon 1890 182500 Tonnen gefördert wurden. Hiervon wurde etwa
ein Drittel in Ruſsland verschmolzen, der Rest von Batum und Pofi
am Schwarzen Meer nach dem Auslande verschifft. Mit Hülfe dieser
[1213]Ruſsland.
Erze wurden 1890 im Ural 360 Tonnen Ferromangan und in Süd-
ruſsland 1000 Tonnen Spiegeleisen erblasen.


Viel rascher und groſsartiger war die Entwickelung der Eisen-
industrie im Steinkohlengebiete des Donezbeckens in Südruſsland.
Dort entstanden mit russischem und mehr noch mit ausländischem
Kapital groſse Neuanlagen. Die einer englischen Gesellschaft ge-
hörige Hugheshütte in Navorossiks wurde 1890 in die „Neurussische
Gesellschaft für Steinkohlenbergbau, Eisen- und Schienenfabrikation“
umgewandelt und bedeutend vergröſsert. Sie hatte 1893 vier groſse
Hochöfen, ein Bessemerwerk, ein Siemens-Martinwerk, ein Puddelwerk
und eine Gieſserei. Das von der Briansk-Gesellschaft, richtiger Société
anonyme franco-russe, gegründete Stahlwerk Alexandrowsk bei
Jekatarinoslaw umfaſste zwei Bessemerbirnen von je 10 Tonnen und
vier Martinöfen von je 12 Tonnen Fassung. Derselben Gesellschaft
gehörte das Sulinowskwerk und das 1894 erbaute Werk bei Druyoska
und das 1892 eröffnete Gdanzewskiwerk. Die Société des Aciéries
du Donez besaſs das Stahlwerk Drujkowka (Drouschkowski) mit drei
Bessemerkonvertern von je 10 Tonnen und die Société métallurgique
russo-belge ein Stahlwerk in Volinezvo (Wolinzewo) mit drei Bessemer-
konvertern von je 12 Tonnen und zwei Herdöfen. Die der Société
Dniéprovienne gehörige Kamenskihütte enthielt zwei Bessemerkon-
verter von je 10 Tonnen und vier basische Martinöfen für 15 bis
20 Tonnen Einsatz.


In der Alexandrowskhütte führte Gorjainow 1894 beim Martin-
prozeſs sein Verfahren mit vorgeschmolzenen Erzen ein. Mit derselben
Hütte wurde eine groſse Schlackenziegelfabrik verbunden. Das Stahl-
werk der Hugheshütte wurde 1895 vergröſsert, indem zu den neun
sauren Herdöfen von je 20 Tonnen noch zwei gröſsere von 25 bis
30 Tonnen Einsatz hinzukamen. Eine groſsartige Entwickelung nahm
die Kamenskihütte 1). Sie erzeugte 1894 85685 Tonnen Koks,
156520 Tonnen Roheisen, darunter 18350 Tonnen Spiegeleisen,
73860 Tonnen Bessemerstahl, 43300 Tonnen Martinstahl, 10430
Puddelluppen, 55350 Tonnen Stahlschienen, 5540 Tonnen Bandagen,
14540 Tonnen Eisen- und Stahlblech, 27330 Tonnen Stabeisen und
Stangenstahl und 6670 Tonnen Guſswaren. Das Werk hatte eine
elektrische Centrale von 1500 P. S. — Das Roteisenglanzlager von Krivoi-
Rog lieferte 1892 350000 Tonnen Erze. Zu dem Aufschwunge der
russischen Eisenindustrie in den neunziger Jahren hat ganz besonders
[1214]Ruſsland.
das groſsartige Unternehmen des Staates, die Erbauung der sibirischen
Bahn, welche eine enorme Menge Eisenmaterial erforderte, beigetragen.
Daraufhin entstanden neue Werke und die alten wurden vergröſsert.
Auch der Staat beförderte die Vergröſserung der Eisenwerke durch
Gewährung bedeutender „Operationskredite“. So erhielten die Werke
von Montovilicha, Slatoust und Wotinsk 1893 einen Kredit von
vier Millionen Rubel. Sibirien selbst besaſs 1893 nur vier Eisenwerke:
die beiden Staatshütten Gurjewski im Altaibezirk und Petrowski im
Bezirk Nertschinsk im Transbaikalgebiet und die beiden Privatwerke
Abakowski im Gouvernement Jenisseisk und Nikolajewski im Gouverne-
ment Irkutsk. Im Südosten des Gouvernements Tomsk werden Stein-
kohlen in den Kuznetzkogruben gewonnen. Die Hochofenhütten be-
zahlen für ihren Erzbezug eine Bergsteuer und zwar eine Kopeke für ein
Pud aus eignen und zwei Kopeken für ein Pud aus gepachteten Bergwerken.


1893 zählte man in Ruſsland noch 167 Werke, die Schweiſs-
eisen erzeugten. Die Produktion bezifferte sich auf 30384610 Pud,
wovon 2787990 in Frischherden, der Rest in Puddelöfen hergestellt war.
48 Stahlwerke erzeugten 38626551 Pud Stahl und Fluſseisen, und
zwar 121718 Pud Cementstahl, 162643 Pud Puddelstahl, 10935336 Pud
Bessemerstahl, 26963550 Pud Martinstahl und 443240 Pud Tiegelstahl.
Letzterer wird besonders in den kaiserlichen Waffenfabriken Obuchow
bei St. Petersburg, Perm, Jzew im Gouvernement Wiatka und
Slatoust im Gouvernement Ulfa in groſsen Mengen dargestellt.


Die russische Schienenfabrikation, die 1884 nur 5998617 Pud
lieferte, erzeugte 1893 14088235 Pud. Die Gieſsereien lieferten 1893
4975625 Pud Guſswaren, darunter 205683 Pud Artilleriebedarf und
335665 Geschirrguſs, der meistens emailliert wurde. Die Eisen- und
Stahlfabrikate beliefen sich auf 6178043 Pud, darunter 1175076
Pud gezogener und. 370985 Pud gewalzter Draht. Ferner wurden
575000 Flintenläufe, 471629 Flintenkasten, 44569 scharfe Waffen
u. s. w. angefertigt. Auch die Fabrikation von Sensen hatte zu-
genommen. Bei dem Kleineisengewerbe 1), das seinen Sitz besonders
im mittleren Ruſsland, im Gebiete der groſsen Eisenmärkte Moskau
und Nischnij-Novgorod hatte, herrschte noch vielfach die Hausindustrie,
verbunden mit weitgehender Arbeitsteilung. Einzelne Ortschaften und
Gebiete lieferten nur ein und denselben Artikel, den sie zu Markte
brachten. Die Eisenarbeiter waren zu Schmiededorfgenossenschaften
oder Kleinmeister-Gewerkschaften verbunden, die durch Händler ge-
[1215]Ruſsland.
meinschaftlich ein- und verkauften. Im Gouvernement Novgorod gab
es Ortschaften, die nur Nägel schmiedeten, in Wiatka gab es Schmiede-
genossenschaften, die nur Ketten und Anker machten, in Nischnij-
Tagilsk Genossenschaften, die aus dem guten dort erzeugten Eisen
nur Schaufeln, Bicken und Tröge schmiedeten. Diese Genossen-
schaften hatten freilich schwer zu kämpfen gegen die groſsen Fabriken,
die überall entstanden. So gab es groſse Nagelfabriken in Petersburg
und Riga, zwei Staatswerke für Kleineisenzeug für die Eisenbahnen
zu Kolpinsk bei Petersburg und zu Wotkinsk in Perm nahe der Kama,
welch letzteres auch Anker und Schiffsketten lieferte.


Verzinnte Blechteller und Blechbüchsen war ein wichtiger Artikel,
der ebenfalls vielfach von Kleinmeistern durch Hausindustrie hergestellt
wurde; so befaſste sich die Ortschaft Kasimow im Gouvernement Riäsan
ausschlieſslich mit der Anfertigung von Eisen- und Stahlblechtellern.
Im Gouvernement Moskau werden in ähnlicher Weise Tröge, Wasch-
becken, Brotschüsseln u. s. w. aus Eisenblech gefertigt. Für den enormen
Bedarf von Weiſsblechbüchsen für den Petroleumversand gestattete die
Regierung die zollfreie Einfuhr von einer Million Pud Weiſsblech in Batum.
1896 fand die altrussische Gewerbe- und Kunstausstellung in Nischnij-
Nowgorod 1) statt, die über das russische Eisengewerbe einen guten Über-
blick gewährte. Auf die Entwickelung des Kunstgewerbes hatte die Er-
richtung von Gewerbe- und Zeichenschulen einen günstigen Einfluſs
geübt und war die Kunstschmiederei sehr in Aufnahme gekommen.
Die Ende der siebziger Jahre gegründeten Kunstwerkstätten leisteten
Vortreffliches, was die Pariser Weltausstellung von 1900 glänzend be-
stätigte.


Ein wichtiger Fortschritt war der Erlaſs eines Patentgesetzes, das
am 20. Mai 1896 in Kraft trat. Der mächtige Aufschwung der
russischen Eisenindustrie hielt bis Ende des Jahrhunderts in steigendem
Maſse an, wie sich aus der Steigerung der Roheisenerzeugung ergiebt.
Der Zuwachs betrug 1895 141539 Tonnen, 1896 157736 Tonnen,
1897 244966 Tonnen, 1898 366537 Tonnen, 1899 450252 Tonnen
In sämtlichen Hauptdistrikten entstanden neue Eisenwerke, nament-
lich hat der Bau der sibirischen Bahn die Anlage neuer Hüttenwerke
veranlaſst, wie z. B. das Schienenwalzwerk zu Bogoslowsk im Ural
(Gouvernement Perm), wo der von Gorjainow verbesserte Martin-
prozeſs mit Erfolg zur Einführung kam, und eine neue Schmelzhütte
mit vier Holzkohlenhochöfen der Frau N. M. Poloozeff. Gebrüder
[1216]Ruſsland.
Böhler \& Co. in Wien vereinigten sich mit der Gesellschaft Wolga-
stahlwerke in St. Petersburg und bauten 1896 die Wolgastahlwerke
bei Saratow, die Qualitätsstahl unter der Marke Wolga-Böhlerstahl
auf den Markt brachten.


In Südruſsland sind die Gdanzewskihütte 1), welche die erste elek-
trische Kraftübertragung hatte und die von den französischen Kapitalisten
Pastor und Verdu gegründete Druschkowskihütte mit einem Bessemer-
und einem Schienenwalzwerk, ferner die von dem deutschen Ingenieur
Zix für eine russische Gesellschaft erbaute Donezko-Jurjewskihütte, die
mit Langenschem Gasfang und mit Boecker-Cowperapparaten versehen
ist, sowie endlich die neue von A. Philippart erbaute Petrowskihütte
der russisch-belgischen Metallgesellschaft zu nennen. Mit Anthrazit
gehen nur die Hochöfen von Sulin, die 1900 unter der Leitung von
Oscar Simmersbach standen.


Am Asowschen Meer entwickelte sich eine neue Eisenindustrie,
begründet auf den neuerschlossenen Brauneisenlagern bei Kertsch
und den Steinkohlen des Donezbeckens. Es entstanden die Hütte bei
Taganrog, das groſse Röhren- und Blechwalzwerk bei Mariupol, der
Nicopol-Mariupolschen Bergbau- und Metallurgischen Gesellschaft
gehörig, und das obenerwähnte Petrowskiwerk, das zwei Hochöfen,
ein Bessemer- und ein Walzwerk umfaſste. Diese Werke wurden
1896 und 1897 nach den neuesten Grundsätzen erbaut. In Süd-
ruſsland errichtete die Jusowsche Eisenhütte ein groſses Bessemer-
werk; bei Konstantinowka entstand ein neues Walzwerk für Dach-
bleche. Diese Neuanlagen waren meist von Ausländern, namentlich
von Belgiern ins Leben gerufen. Neuerdings (1899) hat die belgische
Gesellschaft Providence den Bau eines neuen Eisenwerkes bei
Kertsch 2) begonnen, wo reiche Erzlager glänzende Aussichten er-
öffnen. In den 14 Jahren vor 1899 hat sich die Zahl der Hochöfen
im Donezbecken von 3 auf 34 erhöht. In Südruſsland entwickelte
sich die Eisenindustrie am raschsten und am groſsartigsten. Die Roh-
eisenerzeugung stieg von 1890 bis 1899 von 219782 Tonnen auf
1262063 Tonnen. Bereits im Jahre 1895 überflügelte die Roheisen-
erzeugung Südruſslands die des Ural. Letztere nahm von 1890 bis 1899
von 393325 Tonnen bis 785947 Tonnen zu. Indem man diese Zahlen
mit den Erfolgen Südruſslands verglich, hat man öfter den uralischen
Eisenindustriellen den Vorwurf gemacht, sie seien zurückgeblieben
und ruhten sich auf ihren Staatsprivilegien aus. Man muſs aber
[1217]Ruſsland.
wohl bedenken, wie verschieden die Grundbedingungen der Eisen-
industrie beider Gebiete waren; in Südruſsland nur neue, mit allen
modernen Verbesserungen ausgestattete Werke mitten im Stein-
kohlengebiet gelegen, im Ural meist alte Holzkohlenhütten, die infolge
des schwierigen Kohlenbezugs zu kämpfen hatten, um ihren Betrieb in
vollem Umfange aufrecht zu erhalten und wovon die meisten an eine
Vergröſserung nicht denken konnten. Wenn man dies erwägt, wird
man die von den uralischen Werken erzielte Produktionssteigerung
für recht beträchtlich halten müssen. Die südrussischen Werke
beuteten die Erzschätze des Landes rücksichtslos aus, so daſs die
reichen Lager von Krivoi-Rog, dem wichtigsten Erzvorkommen jenes
Gebietes, in etwa 15 Jahren [nach den neuesten Aufschlüssen in
30 Jahren 1)] erschöpft sein werden. Seit 1900 machen sich denn auch
die Folgen der Überproduktion in empfindlicher Weise geltend. Am
Ural verbietet die Erhaltung des Waldes eine solche Ausbeutung.
Dadurch werden die Erzschätze geschont und der Ural kann um
so hoffnungsvoller in die Zukunft blicken, als die sibirische Eisen-
bahn sein Absatzgebiet bedeutend erweitert. So hat sich beispiels-
weise der Bedarf des spezifisch russischen Artikels „Dacheisen“ durch
die Einwanderung nach Sibirien in den letzten Jahren sehr gesteigert.
Zur Ausbeutung der sibirischen Eisenerzlager hat sich bereits eine
englische Gesellschaft gebildet. Die Bjeloretzker Gesellschaft hat im
Südural fünf, die Ural-Wolga-Gesellschaft drei Hochöfen erbaut.
Creusot hat in Verbindung mit der Pariser- und der Niederländischen
Bank eine Eisengieſserei und Lokomotivfabrik in Kasan gegründet. Die
südrussischen und die uralischen Erze sind so rein und phosphorarm, daſs
sich das aus ihnen erblasene Roheisen sehr gut zum Bessemer- und
mehr noch zum Siemens-Martinprozeſs eignet, während für den Thomas-
prozeſs die Vorbedingungen fehlen und ein Bedürfnis nicht vorhanden
ist. Letzterer hat dagegen in Polen, wo man deshalb auch alte Frisch-
schlacken im Hochofen mit verschmilzt, Boden gewonnen. Die Eisen-
industrie des centralen Ruſsland hat durch die Entdeckung und Aus-
beutung ausgedehnter Eisenerzlager in den letzten Jahren einen
neuen Aufschwung genommen. Bis 1897 wurden die Hochöfen nur
mit Holzkohlen betrieben, seitdem sind aber zwei groſse Kokshochöfen-
anlagen in Tula und Lipetzk entstanden. Beide arbeiten mit Donez-
koks. Die beiden ersten Kokshochhöfen wurden zu Tula 1897 und 1899
erbaut. Sie haben 20 m Höhe und etwa 400 cbm Inhalt. Die Hoch-
Beck, Geschichte des Eisens. 77
[1218]Ruſsland.
öfen von Lipetzk, deren Bau 1900 begonnen wurde, sind 25 m hoch
mit 600 cbm Inhalt. Da die Holzkohlenpreise infolge der fort-
schreitenden Entwaldung immer höher werden, sind die Aussichten
der Kokshochöfen günstig, obgleich die groſsen Anlagen zunächst eine
Überproduktion befürchten lassen. Eine wachsende Bedeutung haben
die Naphtarückstände von Baku als Brennmaterial gefunden. Die
sogenannte Forsunkafeuerung (siehe S. 418) hat sich namentlich auch
für den Martinbetrieb bewährt.


Werfen wir noch einen Blick auf die Eisenindustrie Finn-
lands, so hat dieses altheimische Gewerbe keine groſsen Fort-
schritte in der Gesamterzeugung, wohl aber mancherlei Verschie-
bungen zu verzeichnen. Die Roheisengewinnung beruht noch in der
Hauptsache auf der Gewinnung der See- und Sumpferze, erst seit
1889 begann eine allmählich wachsende Einfuhr von schwedischen
Bergerzen. 1873 wurden in 22 Hochöfen 82429 Tonnen See- und
Sumpferze zu 28665 Tonnen Roheisen verschmolzen; 1896 schmolzen
13 Öfen 25070 Tonnen Roheisen und zwar vier Hochöfen im Westen
Skogby, Trollshofda, Dahlsbruck und Tykö 16706 Tonnen schwedische
Stückerze, während ein Ofen im Westen und acht Öfen im östlichen
Finnland 46058 Tonnen Seeerze, erstere erzielten 52 Prozent, letztere
37 Prozent, ausbringen. Von den früher zahlreichen Stücköfen war 1896
nur noch einer zu Kimiki im Betrieb, der 90 Tonnen direkt erzeugtes
Schmiedeeisen lieferte. Der Husgavfelofen war längst eingegangen.
Die Herdfrischerei war ebenfalls zurückgegangen und lieferte 1896
nur noch 3291 Tonnen Stabeisen, während die Puddeleisenerzeugung
auf 12685 Tonnen gestiegen war. Daneben gab es drei Martinstahl-
werke, Äminnefors, Dahlsbruck und Wartsilä, die 5657 Tonnen Fluſs-
eisen schmolzen. Die Erzeugung von Schwarzschmiedewaren hatte
zugenommen und belief sich 1896 auf 4985 Tonnen, wovon der
gröſste Teil aus Nägeln bestand. Von diesen waren nur noch etwa
25 Tonnen mit der Hand geschmiedet, während die übrigen Maschinen-
nägel waren. Die Gieſserei war in Finnland verhältnismäſsig be-
deutend und lieferte 1896 7594 Tonnen Guſswaren.


Der groſse Aufschwung der russischen Eisenindustrie findet deut-
lichen Ausdruck in der Zunahme des Verbrauches auf den Kopf der
Bevölkerung. Dieser stieg von 1893 bis 1898, also in sechs Jahren,
von 13,1 auf 25,1 kg pro Kopf. Trotz der groſsen Produktionssteigerung
genügte die eigene Erzeugung nicht zur Deckung des Bedarfes und
muſste die Differenz durch Einfuhr ausgeglichen werden. Diese Ein-
fuhr war schwankend, sie erfuhr im ganzen eine Zunahme, blieb aber
[1219]Ruſsland.
gegen die Zunahme der eigenen Erzeugung zurück, so daſs sie pro-
zentual zurückging, weil ein wachsender Teil des Bedarfes durch die
eigene Produktion ersetzt wurde. Die Einfuhr erfolgte wie seit vielen
Jahrzehnten in erster Linie von England zur See und von Deutsch-
land auf dem Landwege. Aber erst durch den russisch-deutschen
Handelsvertrag von 1894 hörte die ungleiche Behandlung auf, indem
der Einfuhr zu Land die gleichen Zölle wie der Einfuhr zur See zu-
gestanden wurden, während bis dahin letztere bevorzugt und erstere
mehr belastet war.


Die nachfolgende Zahlengeschichte der russischen Eisenindustrie
wird in gedrängter Form ein besseres Bild der Entwickelung in
diesem Zeitraum geben als eine weitläufige Worterklärung.


Zahlengeschichte der Eisenindustrie Ruſslands seit 1870.


Kohlenförderung in 1000 Tonnen.


77*
[1220]Ruſsland.

Steinkohlenförderung nach Sorten in Tonnen.


Eisenerzförderung in Tonnen.


Eisenerzförderung nach Gebieten in Tonnen1).


Eisenerzförderung von Krivoi-Rog von 1895 bis 1899
in 1000 Tonnen
.


[1221]Ruſsland.

Überblick der Roheisenerzeugung seit 1825.




Roheisenerzeugung 1871 bis 1899 in Tonnen1).


Roheisenerzeugung in 1000 Tonnen.


[1222]Ruſsland.

Roheisenerzeugung von 1877 bis 1891 nach Herkunft
in Tonnen
.


[1223]Ruſsland.

Roheisenhütten und Hochöfen 1886.


1893.


Öfen und Erzeugung nach dem Brennmaterial 1893.


Erzeugung von Holzkohlenroheisen im Ural und Centrum
in Tonnen
.




Erzeugung von Koksroheisen in Südruſsland in Tonnen.




[1224]Ruſsland.

Zahl der Hochöfen und Roheisenerzeugung nach dem
Brennmaterial in Tonnen
.


Guſswaren II. Schmelzung in Tonnen.


Artilleriematerial von den Hütten 1886.



[1225]Ruſsland.

Übersicht der Schweiſseisenerzeugung von 1837 bis 1870
in Tonnen
.




Schweiſseisenerzeugung von 1871 bis 1898 in Tonnen.


Schweiſseisenerzeugung nach Werken und Gebieten
von 1877 bis 1891 in Tonnen
.


[1226]Ruſsland.

Schweiſseisenerzeugung in Tonnen nach Gebieten.
(Andere Gruppierung.)


Schweiſseisenerzeugung nach Sorten in Tonnen.


1886.



Schweiſseisen- und Fluſseisenerzeugung in Tonnen.


[1227]Ruſsland.

Ruſslands Erzeugung an Fertigfabrikaten von Stahl-,
Schweiſs- und Fluſseisen 1890 bis 1899 in Tonnen
.


Schweiſseisen- und Fluſseisenerzeugung 1895 nach Gebieten.


Durchschnitts-Jahreserzeugung von Fluſseisen und Stahl
von 1847 bis 1870
.




Fluſseisen- und Stahlerzeugung von 1871 bis 1900.


[1228]Ruſsland.

Fluſseisen- und Stahlerzeugung nach Gebieten in Tonnen.


Nach Sorten.


Fabrikate.


Betriebsmittel und Erzeugung 1872.


Betriebsmittel.



Erzeugung in Tonnen.



[1229]Ruſsland.

Erzeugung und Fabrikate 1886 in Tonnen.




Eisen- und Stahlerzeugung 1898 in Tonnen.


Kraftmaschinen für die Eisenwerke.


Zahl der Berg- und Hüttenarbeiter.


[1230]Ruſsland.

Groſsfürstentum Finnland.


Finnland. — Eisenerzeugung in Tonnen.


[1231]Ruſsland.

Aus- und Einfuhr von Steinkohlen und Koks in Tonnen.


Einfuhr von 1876 bis 1898 in Tonnen.


Einfuhr und Ausfuhr in Tonnen.


Einfuhr.


[1232]Ruſsland.

Ausfuhr.


Ein- und Ausfuhr nach Wert in 1000 Mark 1899 bis 1900.


Einfuhr 1892 in Tonnen.


Einfuhr aus Groſsbritannien und Deutschland 1888 und 1889.


Einfuhr 1897 in Tonnen.




[1233]Ruſsland.

Einfuhr aus Groſsbritannien und Deutschland 1889 und 1897
in Tonnen
.


Roheisenerzeugung, Einfuhr und Verbrauch in Tonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 78
[1234]Italien.

Eisenverbrauch 1900.



Italien.


Italiens Eisenindustrie hatte schon seit Jahrhunderten an dem
Mangel an Brennstoff gelitten; da die Natur dem Lande aber auch
den Besitz von Steinkohlen versagt hat, so muſste Italien in dem
Wettbewerb der modernen Industrie im Rückstande und in Abhängig-
keit von den steinkohlenreichen und Eisen ausführenden Ländern
bleiben. Demungeachtet bietet die Entwickelung seit 1870 manches
Interessante dar, da sowohl Private als auch die königliche Regierung
bemüht waren, eine nationale Eisenindustrie zu erhalten und neu zu
gründen.


Das nördliche Italien ist nicht arm an guten Eisenerzen. Von ältester
Zeit berühmt sind die reichen Erze der Insel Elba, aber auch die Berge
Toskanas, die Insel Sardinien, sodann in der Lombardei die Thäler
in dem bergamaskischen Gebiete und in Piemont das Thal von Aosta
enthalten altbekannte Eisenerzablagerungen. Nach diesem Vorkommen
zerfällt die Eisenindustrie Italiens in verschiedene Gruppen, von
denen zwei von hervorragender Bedeutung sind, die lombardische und
die elbanische. Schon vor 1870 wurde der gröſste Teil der Erze von
Elba nach dem Auslande verschifft, während nur der kleinere Teil,
etwa ein Drittel, im Inlande verschmolzen wurde. Dies geschah zum
Teil noch in Rennfeuern an der ligurischen Küste, hauptsächlich aber
in einigen Hochöfen an der Küste Toskanas mit Holzkohlen. 1870
[1235]Italien.
wurden drei Hochöfen in der Maremma von Toskana, zwei im Thale
von Aosta und 11 in den Waldthälern der Lombardei, die zusammen
etwa 220000 Centner Roheisen erzeugten, betrieben. Das Roheisen
wurde meistens in Frischherden zu Eisen und Stahl in Stäben und diese
weiter zu Draht, Waffen, Gewehrläufen, Kugeln, Werkzeugen u. s. w.,
deren Gewicht auf etwa 180000 Centner geschätzt wurde, verarbeitet.
Auſserdem wurden etwa 200000 Centner Eisen und Stahl in Stäben
und Fabrikaten aus altem und fremdem Eisen hergestellt. Der Wert
der Erzeugnisse der Eisenindustrie betrug etwa 20 Millionen Lire.


Die jährliche Einfuhr, gröſstenteils aus England, stellte sich damals,
d. h. im Durchschnitt der Jahre 1867 bis 1870, wie folgt:



Der Wert dieser Einfuhr betrug etwa 36½ Millionen Lire.


Geringwertiges Eisen wurde Anfang der siebziger Jahre hier und da
noch in Rennfeuern direkt aus den Erzen gewonnen. Das aus dem Roh-
eisen gefrischte Eisen war von guter, zum Teil von vorzüglicher Qualität,
so war z. B. Eisen und Stahl von Lovere für Gewehrläufe, Federn, Draht
und Werkzeuge geschätzt. Das Frischen geschah meistens in Herden.
Zum Schweiſsen waren einige Siemensgasöfen vorhanden. Mit der
Verarbeitung des Eisens, meistens in kleinen Werkstätten in der Lom-
bardei, in Toskana, Piemont, Ligurien u. s. w. waren 9700 Arbeiter
beschäftigt. Die Jahre 1870 bis 1873 brachten auch für die italie-
nische Eisenindustrie einen Aufschwung. Die Erzförderung auf Elba
betrug 1872 126075 Tonnen 1), die gesamte Erzeugung von Roheisen,
Schweiſseisen und Stahl aus inländischen und ausländischen Eisen
73720 Tonnen. In der Lombardei wurden 1872 in 21 kleinen Hoch-
öfen 10095 Tonnen Roheisen erblasen. Im ganzen zählte man damals
32 Hochöfen in Italien. Bei der Verarbeitung des lombardischen
Roheisens war schon früher ein Fortschritt dadurch eingetreten, daſs
an Stelle der alten bergamaskischen Frischfeuer Franche-Comté-
schmieden und hier und da auch Gaspuddelöfen eingeführt wurden.
Noch vorteilhafter war die Verarbeitung von Alteisen und Abfalleisen.
78*
[1236]Italien.
Für diesen Betrieb entstanden gröſsere Werke am Comersee in
Valsassina, am Iseosee und im Trombia- und Sabbiathal, die den alten
Frischhütten in den Thälern der Provinzen Bergamo und Brescia
empfindliche Konkurrenz machten. Die Kosten 1) einer Tonne Eisen aus
selbsterblasenem Roheisen stellten sich damals auf 540 Lire, während
die Herstellung aus Alteisen 341,50 Lire kostete. Die natürliche Folge
war, daſs die Verarbeitung des Roheisens in Frischherden und Puddel-
öfen zurückging und die Verarbeitung von Alteisen, das man aus der
Lombardei, aus Toskana und dem Auslande bezog, zunahm. Es ent-
stand sogar eine Überproduktion von diesem „verteigten“ Eisen, be-
sonders nach Gründung des groſsen Eisenwerkes von Volarno am
Eingange des Thales Sabbia bei Bergamo im Jahre 1871, und nachdem
man nicht nur Alteisen, sondern auch fremde Luppen verarbeitete. Eine
weitere Konkurrenz erwuchs dem lombardischen Frischeisen, das seiner
Zähigkeit und Festigkeit wegen bis dahin an den Staatswerkstätten
für Geschütze und Geschosse verwendet worden war, aus dem Fluſs-
stahl. Hierdurch wurden die gröſseren lombardischen Industriellen
gezwungen, ihren alten Betrieb zu verlassen und Siemens-Martinöfen
oder Pernotöfen einzuführen und Fluſsstahl zu machen. Da sich hierfür
die Verwendung von ausländischem Roheisen billiger stellte als von
einheimischem, so erfuhr der lombardische Hochofenbetrieb hier-
durch eine weitere Einschränkung. Der Aufschwung in den Jahren
1872 bis 1874 brachte nur vorübergehend hierin eine Änderung.
1873 stieg die Roheisenerzeugung auf 13000 Tonnen, die doppelte
Menge wie zuvor. Da aber das Roheisen sehr teuer war, verarbeiteten
die Raffinierwerke um so mehr Alteisen und fremden Schrot. Als dann
nach 1874 die Eisenpreise rasch fielen, war der Rückschlag um so stärker
und die Roheisenproduktion ging wieder zurück, so daſs sie 1878 nur
noch 8000 Tonnen betrug. Auf den Werken von Gregorini zu Castro
und von Glisenti zu Carcino waren Siemens-Martinöfen eingeführt.


Von den übrigen Eisenwerken Italiens ist aus jener Zeit wenig zu
berichten. Die von Piombino hatten schon 1866 und 1868 Bessemer-
stahl aus elbanischem Roheisen erzeugt. 1876 verarbeitete S. Bozzo
Roheisen im Pernotofen zu gutem Walzdraht. Gigli und Ponsard
schmolzen 1878 auf ihren Hütten zu Ponte Rifrudi bei Florenz Ferro-
mangan, das sie auf der Weltausstellung in Paris vorführten. 1878
wurden in Mittelitalien drei neue Eisenwerke für Wasserkraft-
betrieb erbaut: Terni an der Newa, 193 km von Civita Vecchia,
[1237]Italien.
das Werk Cosento an der Maola, etwa 20 km von demselben Hafen,
und die Hütte zu Ponte bei Moriano an dem Serchio nahe bei Lucca
und 4 km von Livorno. Bei allen diesen Werken wurde indes der
Nutzen der Wasserkraft durch die hohen Transportkosten aufgewogen.


Die Stahlerzeugung Italiens betrug 1876 2880 Tonnen, die Ein-
fuhr 4853 Tonnen.


1880 betrug die Erzförderung 289058 Tonnen. Das Jahr 1881
war für das Schicksal der Erzgruben von Elba von Wichtigkeit, weil
in diesem Jahre der Vertrag mit dem Hause Bastogi ablief. Die
Insel Elba, vordem im Besitz der Fürsten von Piombino, war 1815 an
Toskana gefallen. Die Eisenerzgruben von Elba spielten damals noch
keine Rolle und wurden an Bastogi verpachtet. 1851 schloſs die Re-
gierung mit dieser Firma einen Vertrag auf 30 Jahre zu gemeinschaft-
licher Ausbeute. Inzwischen änderten sich die Verhältnisse wesentlich
und die Nachfrage nach Erz von Elba steigerte sich so sehr, daſs die
Regierung wegen gänzlicher Erschöpfung der Erzlager besorgt wurde.
Sie beschränkte deshalb nach Ablauf des Vertrages mit Bastogi die
Ausbeutung und verpachtete die Bergwerke zunächst nur auf drei
Jahre an ein Bankkonsortium unter der Bedingung, daſs die Jahres-
produktion 200000 Tonnen nicht übersteigen dürfe. Hiervon ging der
gröſste Teil in das Ausland, da der einheimische Bedarf mit 30000
Tonnen reichlich gedeckt war. — Schon damals schlug P. L. v. Ferrari
die Gründung eines groſsen Eisenwerkes bei Spezia vor.


1881 erzeugten 1200 Arbeiter 35000 Tonnen Eisenwaren.


Die Zahl der Hochöfen war inzwischen immer mehr zurück-
gegangen. 1882 zählte man nur noch 16 Hochöfen in Italien, davon
12 in der Lombardei, doch waren auch diese nicht in vollem Betriebe.
1882 wurden noch 11, 1883 8 und 1884 nur noch 7 betrieben,
allerdings verminderte sich die Produktion deshalb doch nur wenig,
von 1882 bis 1884 von 12000 auf 10878 Tonnen. Die ganze Roh-
eisenproduktion Italiens im Jahre 1882 wird zu 20500 Tonnen an-
gegeben. Dagegen zählte man 1880 in der Lombardei 15 Puddelöfen
mit Siemens-Regenerativfeuerung, 2 Pernotöfen und 10 Martin-
öfen. Bessemerwerke gab es zu Perseveranza und Magona d’Italia,
doch waren dieselben nicht bedeutend. Zu Tavernole verwendete man
die Hochofengase, nachdem dieselben nach dem System Laglade ge-
reinigt waren, zum Raffinieren des Eisens. 1884 sank die Roheisen-
erzeugung Italiens auf 18000 Tonnen, und es wurden nur noch in drei
Bezirken, in Elba, Sardinien und der Lombardei, Erze geschmolzen.
1883 betrug die gesamte Erzeugung von Eisenprodukten aller Art
[1238]Italien.
50900 Tonnen, während allein 23401 Tonnen Eisenbahnschienen und
24160 Tonnen eiserne Maschinen eingeführt wurden. Das lombardische
Hüttenwerk Valarno erzeugte 1880 9500 Tonnen Eisen und Stahl
aus Alteisen, während Lovere aus Spateisenstein gutes graues Roh-
eisen und Spiegeleisen schmolz und aus diesem 2000 Tonnen Stahl
und 1000 Tonnen Eisen frischte. In Dongo am Comersee wurden
3000 Tonnen erzeugt. Das Hüttenwerk Glisenti im Trompiathal war
mit einer Waffenfabrik verbunden. Im Aostathal in Piemont waren
die Verhältnisse ähnlich wie in der Lombardei, und es wurde meistens
Alteisen verarbeitet. Das Drahtwerk zu Bussoleno lieferte 600 Tonnen
im Jahr. Die ligurischen Hütten, von denen die gröſste bei Savona an
der genuesischen Küste lag, hatten ihren Betrieb ganz verändert, sie
verarbeiteten Brucheisen mit englischem Anthrazit zu geringen Eisen-
sorten, die nur den halben Preis gegen die Holzkohlenprodukte er-
zielten. In Toskana wurde zu San Giovanni und Cole Val d’Elsa
südlich von Florenz etwas Roheisen, aber weit mehr Brucheisen ver-
arbeitet. Alle diese Anlagen waren klein und entsprachen nicht den
Anforderungen der Zeit.


1885 faſste die Firma Tardi \& Benoch in Savona den Ent-
schluſs, ein groſses modernes Stahlwerk bei Terni für Bessemer- und
Martinbetrieb zu erbauen. Für die Bessemerhütte waren zunächst zwei
Konverter zu sieben Tonnen, für die Martinhütte vier Siemensöfen zu
20 Tonnen Einsatz vorgesehen. Der Ort war gewählt wegen der vor-
handenen Wasserkraft von 600 P. S. Es wurden ferner in Aussicht
genommen zwei Hochöfen für Koksbetrieb und für das Stahlwerk ein
Dampfhammer von 100 Tonnen Hammer- und 1000 Tonnen Amboſs-
gewicht. Alle Kräne, wovon die zwei gröſsten 180 und 120 Tonnen
Tragkraft hatten, wurden für den Betrieb mit komprimierter Luft von
acht Atmosphären Druck eingerichtet. Zuerst sollte englisches Roh-
eisen und deutsches Spiegeleisen verarbeitet werden. Der groſse
Dampfhammer wurde von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing
gebaut. 1886 kam dieses gröſste Eisenwerk Italiens, auf das groſse
Hoffnungen gesetzt wurden, in Betrieb. Aber nachdem 1887 das Werk
40000 Tonnen Stahl und 13300 Tonnen Guſswaren erzeugt hatte,
war bereits ein Defizit von zwei Millionen Lire vorhanden. Man schob
die Hauptschuld auf schlechte Arbeiter. Dieses Ergebnis machte die
Eisenindustriellen indes keineswegs mutlos, vielmehr entstanden im
Jahre 1888 eine Anzahl neuer Werke. J. von Baffacio baute eiserne
Schiffe; die Firma Pirelli \& Co. in Mailand legte in Spezia eine
Drahtseilfabrik für Kabel an; die Eisenwerke im Bezirke von Genua
[1239]Italien.
vergröſserten sich und erhöhten ihre Produktion. Die Firma Ansaldo
\& Co.
beschäftigte in ihren Werken bei Sampierdarena und Sestri 2000
Arbeiter, Tardy \& Benoch in Savona gegen 1000, Cavero \& Co.
in Genua etwa 800, Odero \& Co. in Sestri 600. Ansaldo \& Co.
bauten in Sampierdarena besonders Lokomotiven, in Sestri Stahlschiffe.
Tardi \& Benoch zu Savona und Raggio, Tassare \& Co. zu Pisa
walzten Schienen.


Die Eisenindustrie an der Küste von Savona und Spezia nahm
fortwährend zu. In demselben Verhältnis verschlechterten sich die
Verhältnisse in dem lombardischen Eisengebiete. 1887 sank die
Roheisenproduktion auf 6501 Tonnen, die Zahl der betriebenen Hoch-
öfen auf sieben. Die eingesessenen Eisenindustriellen, namentlich die
Glisendi und Gregorini, lieſsen es nicht an Mühe und Opfern fehlen,
die altberühmte Industrie zu verbessern und zu halten, aber sie
konnten den Niedergang nicht aufhalten, dem Fluſseisen gehörte die
Zukunft und das hatte seine Heimat nicht in dem entlegenen Wald-
thal, sondern an der Meeresküste und den Eisenbahnen, nahe dem
Centrum des Verkehrs. So vollzog sich hier das melancholische
Schauspiel, daſs eine Jahrtausend alte hochangesehene Industrie, die
einst den berühmten Waffenschmieden von Brescia und Mailand das
vorzügliche Stahl- und Eisenmaterial geliefert hatte, zu Grunde ging
durch den Siegeszug der Steinkohle und der Fluſseisenfabrikation.
Die Versuche, die Fluſseisenindustrie in die bergamaskischen Thäler
zu verpflanzen, hatten keinen Erfolg, weil das in den kleinen
Holzkohlenhochöfen erblasene Roheisen zu teuer in der Herstellung
war. 1891 wurden noch fünf Hochöfen betrieben, die 6250 Tonnen
Roheisen schmolzen, 1896 nur noch drei mit 2932 Tonnen Erzeugung.
Die Regierung, die sich in jeder Weise bemühte, die alte einheimische
Industrie zu erhalten, lieſs 1897 durch das königliche Korps der
Bergbauingenieure eine Enquete veranstalten, um Mittel und Wege
anzugeben, wie der lombardischen Eisenindustrie aufzuhelfen sei; aber
der erstattete Bericht lautete wenig tröstlich und riet nur, sich auf
Spezialeisen und Qualitätseisen zu beschränken. Dies that bereits die
Firma Gregorini auf ihren gut eingerichteten Hochöfen zu Castro
am Iseosee und dem von Allione Bergo Demo im Camonicathal.
Erstere machten graues, weiſses und halbiertes Spezialroheisen, das in
den See- und Kriegsarsenalen Verwendung fand, darunter ein Spangel-
eisen mit 6,9 Prozent Mangan, das dem Spiegeleisen nahe kam.
Das Eisen vom Camonicathale war so teuer, daſs es nur zu Spezial-
zwecken von den Arsenalen bezogen wurde. Immer mehr entwickelte
sich der Betrieb der italienischen Eisenwerke in der Richtung, daſs Eisen
[1240]Italien.
und Stahl nicht aus inländischem Roheisen, sondern aus Alteisen oder
ausländischem Roheisen mit Steinkohlen erzeugt wurde, und hierfür war
die Lage der Werke an der Seeküste, des Eisen- und des Steinkohlen-
bezugs wegen viel günstiger als die im abgelegenen Hochgebirge.


Die Erzgewinnung auf der Insel Elba war kaum durch die Schicksale
der italienischen Eisenindustrie beeinfluſst, da der gröſste Teil exportiert
wurde und die Ausfuhr von dem Weltmarkte abhängig war; diese war
in manchen Jahren so groſs, daſs von neuem ein Gefühl der Beunruhi-
gung wegen der Erschöpfung der elbanischen Erzlager entstand, be-
sonders seit 1892. Die italienische Regierung verpachtete deshalb vom
1. Januar 1898 ab die elbanischen Eisensteingruben unter gewissen Be-
schränkungen an Chevalier Tosetti. Es war dies der gröſste Eisen-
industrielle Toskanas, der viel zur Entwickelung der Roheisenindustrie
in Fallonica beigetragen hatte. Dieser förderte auch die Anlage der Hoch-
öfen bei Piombino an der toskanischen Küste. Er beabsichtigte ferner
die Anlage von Hochöfen auf der Insel Elba selbst. Die Bedingungen
der Regierung für die 20jährige Pacht der elbanischen Eisenberg-
werke bestanden darin, daſs Tosetti nur 160000 Tonnen Erz jährlich
exportieren und 40000 Tonnen den italienischen Werken zur Ver-
fügung stellen sollte. Die Abgaben für jede Tonne exportiertes Erz
war auf 7,25 Lire, für jede Tonne in Italien verschmolzenes auf 0,50 Lire
festgesetzt. Der Hochofen in Fallonica sollte im Betriebe erhalten
bleiben. Der Export von 1898 erreichte die auſserordentliche Höhe
von 228000 Tonnen, jedenfalls aus angesammelten Vorräten.


Die Roheisengewinnung hielt sich in den neunziger Jahren in
sehr bescheidenen Grenzen, dagegen nahm die Erzeugung von schmied-
barem Eisen und besonders von Fluſsstahl seit 1888 zu. Terni allein
lieferte 1889 14000 Tonnen mehr als im vorausgegangenen Jahre.
Für 1898 wird die Produktion von Stabeisen auf 167499 Tonnen,
von Stahl auf 87467 Tonnen, gröſstenteils aus verarbeitetem Material
hergestellt, angegeben. Verschiedene neue Werke wurden damals
geplant, zum Teil auch schon in Angriff genommen, wie z. B. das
groſse Drahtwalzwerk zu Lecco. Neue Hochofenanlagen planten die
Firma Schneider in Creusot der Insel Elba gegenüber und die
Società Anonima delle Ferriere Italiane zu San Giovanni im Val
d’Arno auf der Insel Elba selbst. Die Hütte Monte Argentario
schmolz seit 1899 Ferromangan im Hochofen. Besonders war es
der Siemens-Martinprozeſs, der zugenommen und sich ausgebreitet
hatte. Es gelang der Energie der Industriellen, sich auſser für
einige Spezialartikel von dem Auslande unabhängig zu machen. Die
[1241]Italien.
bedeutende Einfuhr beschränkte sich immer mehr auf Rohmaterialien,
wie Roheisen, Schrot, Rohluppen und Blöcke, aus denen dann im
Inlande die fertigen Waren gemacht wurden. Für die Herstellung
der Eisen- und Stahlfabrikate waren 1898 13181 Arbeiter beschäftigt,
während für die Hochöfen nur 217 nötig waren. Die Steinkohlen
kommen fast ausschlieſslich von Groſsbritannien; Koks teils von
da, teils von Deutschland. Durch die Benutzung der Wasserkräfte,
sowohl direkt mittels Turbinen, als auch durch Umwandlung in
elektrische Kraft, wird die italienische Eisenindustrie noch einer
gröſseren Ausdehnung fähig werden. Die Regierung unterstützt sie,
um sich für ihren Bedarf an Kriegsmaterial vom Auslande möglichst
unabhängig zu machen. Die Erfordernisse des Heeres, Waffen und Ge-
schütze, werden gröſstenteils in Staatswerkstätten hergestellt. Panzer-
platten, Kriegs- und Handelsschiffe werden von Privatwerken, denen
aber der Staat seine Bestellungen zuweist, gebaut. Eine Belebung der
Eisenindustrie ist in letzter Zeit auch durch die vermehrte Bauthätig-
keit, insbesondere die Anlage von Kleinbahnen, Straſsenbahnen und
die Umwandlung dieser in elektrische Bahnen eingetreten.


Zahlengeschichte der Eisenindustrie Italiens.


Fossile Brennstoffe (Förderung in Tonnen).


Eisenerzförderung in Tonnen.


[1242]Italien.

Roheisenerzeugung in Tonnen.


Hochöfen und Hochofenproduktion der Lombardei.


(Österreich. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen 1899, S. 400.)


Produktion der Eisen- und Stahlwerke zusammen in Tonnen.




Eisenproduktion aller Art im einzelnen in Tonnen.


[1243]Italien.

Eisenproduktion 1872 nach Provinzen in Tonnen.


Stahlproduktion.


Erzeugung der Eisenindustrie 1898.


[1244]Italien.

Erzeugung der Eisenindustrie 1899.


Fossile Brennstoffe 1899.



Ausfuhr von Eisenerzen (meist von Elba) in Tonnen.




(Einfuhr 1899: 20799.)


Einfuhr von Stahl in Tonnen.





Einfuhr 1870 in Tonnen.



Wert der Einfuhr 36½ Millionen Lire


[1245]Italien.

Ein- und Ausfuhr nach Wert in 1000 Mark.


Einfuhr in Tonnen.


Einfuhr von Eisen und Eisenwaren 1889 in Prozenten.



[1246]Italien.

Einfuhr nach Italien in Tonnen.


Einfuhr von unbearbeitetem Eisen und Stahl von 1894 bis 1898 in Tonnen.


[1247]Italien.

Einfuhr von bearbeitetem Eisen und Stahl von 1894 bis 1898
in Tonnen
.


Einfuhr aus den Hauptbezugsländern im Jahre 1898.


Eisen und Stahl, unbearbeitet.


Paketeisen:


Guſseisen in Masseln:



Schmiedeeisen, rohes, in Barren, und Stahl in Blöcken:



Eisen und Stahl, bearbeitet.



Fertige Waren aus Eisen und Stahl.



[1248]Italien.

Eisenverbrauch in Kilotonnen.

Spanien.


Die Eisenindustrie Spaniens hat seit dem Jahre 1870 eine merk-
würdige und sehr bedeutende Entwickelung genommen. In vieler
Beziehung ist die Lage Spaniens ähnlich der Italiens; wie dieses
besitzt Spanien einen Überfluſs von vortrefflichen Eisenerzen und
einen Mangel an Brennmaterial. Die Entwaldung gestattete nur einen
sehr beschränkten Betrieb mit Holzkohlen, und die Steinkohlenlager
Spaniens sind nicht ausgedehnt und waren 1870 noch wenig er-
schlossen.


Die Steinkohlenförderung stieg von 1870 bis 1897 von 621832
Tonnen auf 2010960 Tonnen. Asturien ist die Provinz, die am
meisten Steinkohlen liefert, auf sie entfiel 1897 ein Förderquantum
von 1424007 Tonnen. Der Erzreichtum Spaniens war von alters her
berühmt, seine Eisenerze sind die Grundlage der europäischen
Bessemerindustrie geworden. 1861 betrug die gesamte Eisenerzförde-
rung Spaniens 130259 Tonnen, 1880 bereits 3565338, 1890 6065113
und 1899 9344320 Tonnen. Hiervon wurde der weitaus gröſste Teil
ausgeführt, im Jahre 1899 8613137 Tonnen. Trotzdem hat auch die
[1249]Spanien.
Eisenbereitung einen groſsen Aufschwung genommen, allerdings
zumeist durch fremdes Kapital und fremde Intelligenz. Auch die
groſsartige Erzgewinnung im Bergwerksdistrikt von Bilbao entwickelte
sich auf diese Weise. 1863 gingen die ersten Probesendungen von
Bilbaoerzen nach England und Frankreich. 1871 wurden von Bilbao
bereits 286000 Tonnen Eisenerze von Somorostro und 60000 Tonnen
von anderen Orten verschifft. 1872 wurde die Orconera-Eisengesell-
schaft zur Ausbeutung der Somorostroerze mit einem Kapital von
2½ Mill. Frcs. gegründet. Die Gesellschaft bestand aus der Dowlais-
und Consett-Eisenwerksgesellschaft in England, der Firma Friedrich
Krupp
in Essen in Deutschland und dem Hause Ybarra-Hermanos
zu Bilbao in Spanien. Durch den Karlistenkrieg, der sich haupt-
sächlich in den baskischen Provinzen abspielte, wurde die Entwickelung
der Eisenindustrie gehemmt, dennoch nahm auch die Eisenbereitung
ziemlich rasch zu. 1870 wurden schon 54078 Tonnen Roheisen und
36163 Tonnen Schmiedeeisen dargestellt. Bei Santander befand sich
ein Hochofen, der schon 1832 erbaut war, in Asturien hatten die
Felguerawerke einen, und die Miereswerke im Caredalthal zwei Hoch-
öfen. Später wurde auf letzterem Werke noch ein dritter Hochofen
erbaut. Das Puddel- und Walzwerk, das 28 Puddelöfen besaſs, er-
zeugte 10000 bis 12000 Tonnen Schmiedeeisen.


Es gab in den siebziger Jahren noch viele Catalanschmieden, in
welchen Schmiedeeisen unmittelbar aus Erzen geschmolzen wurde
Hieraus erklärt sich die groſse Zahl der Eisenwerke im Verhältnis zur
Produktion. 1878 gab es 68 Eisenwerke, welche etwa 50000 Tonnen
Roheisen und 40000 Tonnen Schmiedeeisen erzeugten. Ybarra \& Co.
stellten 1872 Eisen nach Chenots Verfahren auf der Hütte El Desierto
bei Bilbao dar. Justino Delpon hatte Gurlts direkte Eisengewinnung
schon 1863 zu Bolueta eingeführt.


Obgleich die Bilbaoerze ganz besonders für den Bessemerbetrieb
geeignet waren, war die Stahlerzeugung Spaniens doch nur gering.
Die gröſste Stahlhütte war zu Taco, wo 1870 16 Mann beschäftigt
waren, die 231 Tonnen Stahl erzeugten. Nach Beendigung des
Karlistenkrieges 1876 hob sich die Eisenindustrie Spaniens. Die
Biscayahütte wurde den neuesten Anforderungen entsprechend von
der Gesellschaft John Cockerill in Seraing gebaut. 1877 wurden
in Spanien 577 Tonnen Stahl dargestellt. 1872 hatte die Biscaya-
gesellschaft drei Robertkonverter von je 2½ Tonnen Fassungs-
vermögen in Betrieb gesetzt. Erst Ende der siebziger Jahre wurde
der Bessemerprozeſs von der Altos Hornosgesellschaft und der Siemens-
Beck, Geschichte des Eisens. 79
[1250]Spanien.
Martinprozeſs von der Biscayagesellschaft bei Bilbao eingeführt.
1879 war der Eisenverbrauch Spaniens auf 286000 Tonnen gestiegen.
Die Eisenbahnneubauten erforderten etwa 100000 Tonnen, die Unter-
haltung der bestehenden Eisenbahnen etwa 50000 Tonnen; an 40000
Tonnen wurden für die Kriegsflotte verbraucht. Von der angegebenen
Menge des Verbrauchs waren nur etwa 50000 Tonnen im Lande
erzeugt. Von den im Lande vorhandenen 45 Hochöfen waren nur 16
in Betrieb, wovon acht mit Koks und acht mit Holzkohlen betrieben
wurden; von diesen erzeugten die Kokshochöfen etwa 41000 Tonnen,
wovon 35700 Tonnen auf die Provinzen Biscaya und Oviedo kamen.
Die drei nach den neuesten Grundsätzen erbauten und betriebenen
Öfen bei Bilbao erzeugten allein 21000 Tonnen, während der Rest der
Produktion auf die übrigen 13 Öfen entfiel. Die Hochöfen bei Bilbao
arbeiteten hauptsächlich mit englischem Koks; der Koksverbrauch
war 900/1000.


1880 wurden neue Werke in Bilbao und ein wichtiges von der
Quiros-Eisen- und -Stahlgesellschaft in Asturien erbaut. Diese Gesell-
schaft führte zur Verkokung Coppée-Öfen ein. 1880 begann auch
Spanien, bezw. der Bilbaodistrikt, Roheisen auszuführen, die Ausfuhr
betrug 3725 Tonnen. 1881 fingen die besten und reichsten Bilbao-
erze, die Roterze Vena dulce und Campanil, schon an selten zu werden
und bildete das Braunerz Rubio mit etwa 50 Prozent Eisengehalt das
hauptsächlichste Ausfuhrerz. 1880 bestand die Ausfuhr noch aus ⅛
Campanil, ⅜ Vena dulce und 4/8 Rubio.


Die Ausfuhr nach Groſsbritannien betrug 1881 1713639 Tonnen
= 68¾ Prozent, nach Deutschland 345591 Tonnen = 13⅘ Prozent,
nach Frankreich 335976 Tonnen = 13 Prozent, nach Belgien 87790
Tonnen = 3½ Prozent, nach Amerika 17536 Tonnen = ¾ Prozent.
Den gröſsten Erzreichtum enthielten die Grubenfelder Triano,
Sommorostro und Matomoros. Die gröſsten Grubenbesitzer waren
auſser der obenerwähnten Orconera-Gesellschaft die Société Franco-
Belge des Mines de Sommorostro, von den Gesellschaften Cockerill in
Seraing, Société Denain-Anzin, Société Montataire und Ybarra-
Hermanos in Bilbao gegründet. Sodann folgten die englischen Gesell-
schaften: Sommorostro Iron Co., Limit., Bilbao Iron Co., Limit., Biscaya-
Santander Iron Co., Limit., San Fermin Mining Co., Luchana Mining
Co., M. M. J. B. Roches \& Co., The Landore Siemens Steel Co.


1893 führten fünf Vollbahnen und zahlreiche Seilbahnen nach
Bleicherts und Hodgsons System von den Gruben nach den Seehäfen.


[1251]Spanien.

Auſserdem fand noch von Cartagena aus eine sehr bedeutende
Ausfuhr von Eisenerzen aus der Provinz Murcia statt, und zwar wurden
in den Jahren 1879 bis 1881 etwa an 600000 Tonnen Erze von da
nach Frankreich, England und Nordamerika verschifft.


Bei dem hohen Eisengehalt, der Reinheit und der leichten
Reduzierbarkeit der Bilbaoerze war es nicht verwunderlich, daſs die
direkte Eisengewinnung, die ja in Spanien von alters her einheimisch
war und immer noch vereinzelt in der alten Form betrieben wurde, in allen
ihren neueren Formen versucht wurde. So wurde auch das Verfahren
Du Puys im Jahre 1878 erst in der älteren Art in Blechbüchsen,
dann seit 1883 in der Weise, daſs das gemahlene Eisenerz mit Kohle,
Thon und Kalk in einer Mischmaschine gemischt, die Masse in Formen
gepreſst in einem Glühofen reduziert, zu Luppen geschweiſst und diese
weiter verarbeitet wurden, ausgeführt.


Zu Anfang der achtziger Jahre entstanden verschiedene neue
Eisenwerke in Nordspanien. Eine englische Gesellschaft „Cantabria“
hatte bei San Nicolas zwei Hochöfen gebaut; das Unternehmen fallierte
aber und wurde von dem Marques de Mudela 1880 erworben und
durch den Bau von zwei weiteren Hochöfen vergröſsert. 1883 erblies
Mudela schon monatlich etwa 8000 Tonnen Bessemer- und Gieſserei-
roheisen. Die Erzausfuhr Spaniens war von 1878 bis 1882 von
1244118 Tonnen auf 3493674 Tonnen gestiegen.


1881 wurden 771 Eisensteingruben mit 13520 Arbeitern betrieben.
37 Hüttenwerke hatten 70 hydraulische und 152 Dampfmaschinen von
zusammen 5622 P. S., ferner 84 Hochöfen, 18 kleine Öfen, 103 Flamm-
öfen, 103 Raffinieröfen, 84 Schmiedefeuer und 6811 Arbeiter. Es
wurden 114394 Tonnen Roheisen und 53279 Tonnen Schmiedeeisen,
davon 3602 Tonnen durch direktes Verfahren dargestellt. 1882 gingen
die alten Eisenhütten der Gesellschaft Ybarra \& Co. an die Aktien-
gesellschaft „Sociedad de los altos hornos y fabrica de hierro y acero“
über, die zu den alten drei Hochöfen weitere nach neuestem Muster
von 24 m Höhe nach Plänen von E. Windsor Richards hinzufügte.
Die Gesellschaft verfügte über ein Aktienkapital von 25 Millionen
Pesetas (= 25 Millionen Frcs.) und war insbesondere zur Herstellung
von Eisenbahnmaterial gegründet. Die Gesellschaft der Hochöfen von
Bilbao, die 1883 bereits 9526412 kg Roheisen und 10158064 kg
fertiges Eisen fabrizierte, lieſs 1884 durch E. W. Richards zwei
neue Hochöfen mit vier Cowperapparaten erbauen. Trotz des Reichtums
an Erz und Kohlen wurde nur etwa ein Drittel des Eisenbedarfes im
Lande erzeugt, während zwei Drittel eingeführt wurden. Ebenso er-
79*
[1252]Spanien.
langte die Fluſsstahlbereitung ungeachtet des vorzüglichen Roheisens
erst Ende der achtziger Jahre einen gröſseren Umfang. 1885 wurden
361 Tonnen, 1889 49124 Tonnen, 1896 aber schon 104571 Tonnen
erzeugt und zwar sowohl im Konverter wie im Martinofen. 1896
waren folgende Fluſsstahlwerke in Betrieb:



Im Martinofen arbeitete man meist mit Erzzusatz; so bestand auf
dem asturischen Werke La Felguera der Einsatz aus 30 Prozent Roh-
eisen und 70 Prozent Alteisen bei einem Erzzusatz von 0,25 Tonnen
auf 8 Tonnen fertige Blöcke. Hierbei wurden in 6½ Arbeitstagen
16 bis 18 Chargen gemacht, während bei einem Erzzusatz von 0,5 bis
0,6 Tonnen auf das gleiche Quantum die Chargenzahl auf 14 zurück-
ging. Die Herstellungskosten einer Tonne Fluſsstahlingots betrugen
bei Bilbao 45,45 österreichische Gulden, in Asturien beim Martinver-
fahren 50,76 Gulden.


Die Eisenerzausfuhr nahm nicht nur in Nordspanien, sondern auch
in den Südprovinzen zu, so exportierte im Jahre 1892 Murcia 388000
Tonnen, Almeria 174350 Tonnen und Malaga 70700 Tonnen. Die Gruben
im südlichen Spanien lagen in der Sierra Alhamilla, Sierra de Bédar,
Sierra de Enmadro und Morata. Eine lange Seilbahn, von dem Deutschen
J. Pohlig erbaut, führte von den Gruben nach dem Hafen von Garucha.


Da im Bilbaodistrikt die besten Erze Campanil und Vena dulce
immer seltener wurden, so ersetzte man sie zum Teil durch geröstete
Spateisensteine. 1896 wurden in Biscaya 17 Röstöfen betrieben, die
150000 Tonnen geröstete Erze lieferten. 1897 betrug die Förderung
der Gesellschaft La Orconera 957710 Tonnen. Es gab im Bilbao-
[1253]Spanien.
distrikt 204 Eisenerzgruben, 15000 Bergarbeiter und 55 Maschinen
von etwa 1200 P. S. 1899 entstand in Südspanien eine neue Gesell-
schaft belgischer Industrieller und Kapitalisten. Es war dies die
Gesellschaft „Hauts-Fourneaux, Forges et Aciéries de Malaga“, deren
Hochöfen und Stahlwerke aus der Ferreria Herodia in Malaga entstanden
waren und die ihren Sitz zu Marchienne-au-Pont in Belgien hatte.


Zahlengeschichte der Eisenindustrie Spaniens.


Steinkohlenförderung von 1870 bis 1899.


Kohlen-Förderung, -Einfuhr und -Verbrauch in Tonnen.


Steinkohlen- und Kokserzeugung.


Förderung 1895 bis 1899.


[1254]Spanien.

Einfuhr von Steinkohlen und Koks in Tonnen.


Steinkohlenförderung und Kokserzeugung1)1897 nach
Provinzen in Tonnen
.


Steinkohlen- und Braunkohlenverbrauch in Tonnen.





Eisenerzförderung von 1880 bis 1899.


Zahl der Eisenerzgruben und der Arbeiter.


[1255]Spanien.

Eisenerzförderung nach Provinzen in Kilotonnen.


Förderung der Hauptgesellschaften im Bilbaodistrikt nach
Sorten in Tonnen
.


Eisenerzförderung im Bilbaodistrikt nach Sorten
in Tonnen
.


[1256]Spanien.

Eisenerzausfuhr von Bilbao in Tonnen.


[1257]Spanien.

Gesamtausfuhr in Kilotonnen.


Eisenerzverbrauch im Inland in Kilotonnen.




Eisenerzverbrauch 1898 nach Provinzen und Werken.


Eisenerzausfuhr aus Gebieten und Häfen in Tonnen.


[1258]Spanien.

Eisenerzausfuhr nach Deutschland.


Roheisenerzeugung von 1861 bis 1900.


Erzverbrauch und Roheisenerzeugung 1899 im Distrikt Bilbao
in engl. Tonnen
.


[1259]Spanien.

Roheisenerzeugung nach Provinzen in Tonnen.


Roheisenerzeugung der drei in Bilbao (Biscaya) bestehenden
Hochofenwerke
.


Roheisenausfuhr von 1890 bis 1899 in Tonnen.


[1260]Spanien.

Schmiedeeisen-(Schweiſseisen-)erzeugung in Tonnen.




Schmiedeeisen-(Schweiſseisen-)erzeugung
nach Provinzen in Tonnen
.


Stahl-(Fluſseisen-)erzeugung in Tonnen.


Stahl-(Fluſseisen-)erzeugung nach Provinzen in Tonnen.


[1261]Spanien.

Übersicht der Erzeugung der spanischen Eisenindustrie.


Zahl der Eisenwerke, Gruben und Arbeiter.


Eisen- und Stahlfabrikate 1897.
In Tonnen.



Eisen- und Stahlerzeugung 1899.
In Tonnen.



Einfuhr in Tonnen.


[1262]Spanien.

Einfuhr in Tonnen.


Die Ausfuhr besteht in Eisenerz und Roheisen und ist oben be-
reits angegeben. Eine geringe Menge von verarbeitetem Eisen und
Stahl geht nach den Kolonieen. Eine genauere Detaillierung der Ein-
fuhr und Ausfuhr giebt die nachstehende Zusammenstellung.


Ausfuhr in Tonnen.


Ein- und Ausfuhr nach Wert in 1000 Mark.

[1263]Norwegen.

Die übrigen Länder Europas.


Die übrigen Länder Europas haben für die Geschichte der Eisen-
industrie nur untergeordnete Bedeutung.


Norwegen, dessen Eisenerzeugung im 18. Jahrhundert noch be-
deutend war, muſste dieselbe infolge der Konkurrenz des billigeren
englischen Steinkohlenroheisens immer mehr einschränken. 1872 sollen
noch in 18 kleineren Eisenhüttenwerken mit etwa 1300 Arbeitern
6250 Tonnen Roheisen, in neun Eisengieſsereien 1750 Tonnen Guſs-
waren und in verschiedenen Frischhütten 4000 Tonnen Stabeisen
mit Holz und Holzkohlen erzeugt worden sein. Dies entsprach un-
gefähr dem halben Bedarf. Es muſsten 6200 Tonnen Eisen und Stahl
eingeführt werden. Seit 1895 wurden in Norwegen nur noch etwa
400 Tonnen Roheisen jährlich erzeugt. Die Einfuhr von Eisen und
Eisenwaren betrug dagegen 1891 13414 Tonnen, 1897: 19757 Tonnen.
Der Eisenbedarf des Landes ist nicht bedeutend, weil die Entwicke-
lung der Eisenbahnen infolge der Terrainschwierigkeiten und der zer-
streuten Lage der Ansiedelungen im Innern des Landes nur eine ge-
ringe ist. 1899 betrug die gesamte Länge der norwegischen Bahnen
1952 km, wovon 1802 km Staatsbahnen waren. Es kamen nur 60 km
Eisenbahn auf 10000 qkm, es war dies das niedrigste Verhältnis in
Europa. Arendal ist der Mittelpunkt der norwegischen Eisengewinnung.
Die wenigen Hochöfen, die noch betrieben werden, verschmelzen
Magnetit von Arendal. Zu Nås befindet sich ein Tiegelstahlschmelz-
werk. Einen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft gewährt die im
Frühjahr 1898 beschlossene Fortsetzung der Luleå-Gellivara-Eisenbahn
bis zur norwegischen Küste bei Ofoten 1). Dadurch sollen die reichen
Eisensteinlager von Kirunavaara und Luossavaara erschlossen und
einem eisfreien Hafen an der Nordsee zugeführt werden. Die ein-
gleisige Luleå-Gellivarabahn reicht hierfür nicht aus und auſser-
dem leidet der Hafen von Luleå an dem groſsen Miſsstand, daſs er
wegen der Eisverhältnisse nur die Hälfte des Jahres zu benutzen ist. Ist
die Bahn Luleå-Ofoten erst eröffnet und sind die reichen Magnet-
eisensteinlager im Innern Nordschwedens genügend erschlossen, so
kann sich an der norwegischen Küste bei Ofoten eine Eisenindustrie
ähnlich wie bei Bilbao entwickeln, indem die englischen Erzschiffe
gern Steinkohlen als Rückfracht zu billigen Sätzen verladen werden.
Auſserdem befinden sich im nördlichen Norwegen in Dunderland aus-
[1264]Norwegen.
gedehnte Eisenerzlager. Eine andere hoffnungsvolle Aussicht gewähren
die zahlreichen Gefälle, die, in elektrische Kraft umgewandelt, der
Eisenindustrie nutzbar gemacht werden können.


Einer kürzlich erschienenen geschichtlichen Studie von Otto
Vogel
, „Norwegen als Eisen erzeugendes Land“ 1), entnehmen wir
nachfolgende statistische Zahlen, die den Rückgang der Eisenerzeugung
und die Zunahme des Bedarfes und der Einfuhr beleuchten:


Einfuhr in Tonnen.


Ausfuhr in Tonnen.


[1265]Dänemark.

Dänemark hat keine eigene Eisenindustrie, muſs alles Eisen ein-
führen und bietet also nur als Importgebiet ein Interesse. Die Ein-
fuhr nach Dänemark stellte sich im Jahre 1893 wie folgt:


Die Länge der Eisenbahnen betrug 1897 2465 km, wovon 1750 km
Staatsbahnen waren.


Einfuhr im Jahre 1897 (nach Rentzsch).



Die Einfuhr aus Deutschland stieg von 1889 bis 1898 bedeutend;
sie betrug 1889: 19793 Tonnen; 1892: 26328 Tonnen; 1895: 39646
Tonnen; 1898: 49792 Tonnen. Die Hauptartikel waren 1898 Eck-
und Winkeleisen 10491 Tonnen, Stab-, Radkranz- und Pflugschar-
eisen: 13912, Draht und Drahtstifte 7182 Tonnen.


Die Niederlande sind ebenfalls arm an Kohlen und Eisen.
Steinkohlen besitzen sie bei Kerkrade in der Provinz Limburg;
die Förderung betrug 1889 54400 Tonnen. Raseneisensteine findet
man in verschiedenen Provinzen, besonders in Geldern und Oberyssel,
aber die geringwertigen Erze vertragen keine hohen Transportkosten,
und es werden die geringen Mengen, die gewonnen werden, in den nahen
deutschen Hütten bei Lingen-Meppen verschmolzen. 1860 gab es in
Holland noch vier Eisenhütten, die mit Holzkohlen etwa 3000 Tonnen
Roheisen aus Raseneisenstein erbliesen. Diese konnten aber mit dem
billigen Koksroheisen nicht konkurrieren und sind längst eingegangen.
Holland muſs deshalb seinen Eisenbedarf durch Einfuhr decken.


Beck, Geschichte des Eisens. 80
[1266]Die Niederlande.

Dagegen haben die Niederlande eine groſse Bedeutung als Spedi-
teure für die Nachbarländer, besonders für Deutschland. Der See-
handel der Niederlande ist sehr bedeutend; sie nehmen unter den
Handelsstaaten Europas die vierte Stelle ein, indem sie nur von Groſs-
britannien, Deutschland und Frankreich übertroffen werden. Durch
ihre Schiffe vermitteln sie vielfach für die kontinentalen Nachbar-
staaten den Seetransport. Dies ergiebt sich aus den Zahlen der Ein-
und Ausfuhr.


Der Erztransport, der früher sehr bedeutend war, ist dadurch
zurückgegangen, daſs die Erze aus Spanien auf dem Rhein direkt
nach Deutschland gefahren werden. 1889 betrug die holländische
Ausfuhr (Transit) von Eisenerzen noch 395396 Tonnen, 1893 hatte
sie sich auf 136691 Tonnen und 1898 auf 46095 Tonnen vermindert.
Dagegen geht nach wie vor eine groſse Menge englischen Roheisens
über Rotterdam. 1895 betrug die Roheiseneinfuhr 155526 Tonnen,
die Ausfuhr 129597 Tonnen, wovon 83384 Tonnen nach Deutschland
gingen, der Rest zumeist nach Belgien. Auch die ausgeführten Eisen-
und Stahlfabrikate waren meist nur Transitgut.


Aus der Ein- und Ausfuhr von Roheisen ergiebt sich, daſs in den
Niederlanden selbst 1895 nur 25729 Tonnen, 1898 25245 Tonnen,
1899 50773 Tonnen blieben, das in den Eisengieſsereien verschmolzen
wurde. Walzeisen wurde besonders für die Eisenbahnen, für den Schiffs-
bau und die damit zusammenhängenden Gewerbe, wie z. B. Anker-
schmiede, und für Maschinenbau verbraucht. 1897 betrug die Länge
der Eisenbahnen 2730 km, wovon 1445 km Staatsbahnen waren. Auf
10000 qkm entfielen also 829 km Eisenbahn.


Ein- und Ausfuhr nach und von Deutschland in Tonnen.


[1267]Die Schweiz.

Ein- und Ausfuhr 1895 in Tonnen.


Ein- und Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren
in Tonnen 1899
.


Die Schweiz ist nicht reich an Eisen und leidet unter dem gänz-
lichen Mangel an brauchbarer Steinkohle, darum hat die Eisenindustrie
keine Fortschritte gemacht, ist vielmehr infolge der zunehmenden
Entwaldung relativ zurückgegangen. Es finden sich Bohnerzablage-
rungen in den Kantonen Wallis, St. Gallen, Bern, Solothurn und
Neuenburg. 1873 wurden 7112 Tonnen Roheisen mit Holzkohlen ge-
schmolzen, dies war 0,05 Prozent der Weltproduktion, und da die
Schweiz damals 2669147 Einwohner zählte, so war die Erzeugung
auf den Kopf der Bevölkerung nur 2,66 kg. Jetzt beträgt die Roheisen-
erzeugung nur noch an 1000 Tonnen. Da die Schweiz aber eine hoch-
entwickelte Industrie und ein ausgedehntes Eisenbahnnetz hat, so ist der
Bedarf an Kohlen und Eisen groſs und infolgedessen die Einfuhr bedeutend.


80*
[1268]Die Schweiz.

Auf der Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 hatte die Ge-
sellschaft der Ludwig von Rollschen Eisenwerke zu Solothurn ihre
Erzeugnisse vorgeführt. Die Gesellschaft verschmolz in Choindez
Bohnerze mit Holzkohlen und Koks zu Roheisen, das sie zum Teil
unmittelbar zur Erzeugung von Guſswaren verwendete, teils auf ihren
vier Werken zu Gerlafingen, Choindez, Clus und Olten weiter ver-
arbeitete. Ein groſser Teil der Produktion wurde zu Guſswaren ver-
schmolzen, wovon die Gesellschaft 3500 Tonnen im Jahr erzeugte.
Hervorragend waren ihre Hartwalzen und adoucierte Hartwalzen für
Feinkaliber; Choindez betrieb Röhrengieſserei. Der Rest des Roh-
eisens wurde in Herden mit Holzkohlen verfrischt und zu Walzeisen
und Blechen verarbeitet. Hiervon wurden etwa 4000 Tonnen im Jahr
erzeugt.


Einen alten Ruf hatte das Guſsstahlwerk von Georg Fischer
in Schaffhausen, das schmiedbaren Guſs und Stahlguſs fabrizierte.


Die Einfuhr von Kohlen und Eisen war sehr bedeutend. 1890
wurden für 34210000 Frcs. Steinkohlen und für 26418000 Frcs.
Eisen und Eisenfabrikate eingeführt. 1891 gab es in der Schweiz
249 Maschinenfabriken mit 16490 Arbeitern. 1893 wurden 18510
Tonnen fertige Maschinen im Werte von 23 Millionen Frcs. hergestellt.
Der Wert der aus Deutschland im Jahre 1892 eingeführten Kohlen
bezifferte sich auf 14½ Millionen Mark, und der von Eisen und Eisen-
waren auf 29½ Millionen.


Dem Gewicht nach stellte sich die Einfuhr von Eisen und Eisen-
fabrikaten in den Jahren 1894 bis 1895 folgendermaſsen:


[1269]Die Schweiz.

Wenn wir die Eisenerzeugung im Lande in dieser Zeit auf
100000 Tonnen im Jahr veranschlagen, so war der Verbrauch auf
den Kopf der Bevölkerung 103 kg. 1897 betrug die Einfuhr aus
Deutschland dem Werte nach für Kohlen 23 Millionen Mark, für
Eisen und Eisenwaren 55 Millionen Mark. Die Länge der Eisenbahn-
linien betrug in diesem Jahre 3706 km, demnach 896 km auf 10000 qkm.
1898 wurden für 28800000 Mark Maschinen in der Schweiz erzeugt.


Wert der Ein- und Ausfuhr 1889 in 1000 Frcs.


Wert der Ein- und Ausfuhr 1899 in 1000 Frcs.


Einfuhr 1895 und 1897 in Tonnen.


[1270]Balkanstaaten. — Serbien.

Neuerdings hat Müller-Landtmann1) auf die altbekannten Erz-
lager im Mülithal und in Grund bei Innertskirchen, die nachweislich
schon im 14. Jahrhundert benutzt wurden, hingewiesen. Die Erzmenge
wird nach den Untersuchungen von Dr. Albert Heim und Dr. L.
von Tetmayer auf 14276000 Tonnen geschätzt. Müller-Landt-
mann
giebt der Hoffnung Ausdruck, daſs es bald gelingen möge,
durch Verwendung der starken Wassergefälle der Aar und anderer
Flüsse zur Erzeugung von elektrischer Kraft und Wärme hier eine
Eisenindustrie zu schaffen. Er denkt dabei an die Verhüttung der
Erze mit Calciumkarbid, das dort dargestellt werden könnte, oder an
direktes Ausschmelzen in elektrischen Schmelzöfen.


Die Balkanstaaten sind reich an Eisenerzen, ihre Bewohner
sind aber in der Technik so zurückgeblieben, daſs ihre eigene Er-
zeugung ganz unbedeutend und nur noch für den Altertumsforscher
von Interesse ist, ihr Bedarf aber fast ausschlieſslich durch Einfuhr
gedeckt wird.


Daſs aber die Eisenindustrie in diesen Ländern entwickelungs-
fähig ist, zeigt das Beispiel von Bosnien, wo die österreichische
Regierung seit der Occupation unter denselben Unständen eine be-
deutende moderne Eisenindustrie ins Leben gerufen hat.


Serbien, obgleich reich an Eisenerzen, hat keine eigene Eisen-
industrie. Die Einfuhr betrug dem Werte nach zu 1000 Frcs.:


Den Hauptanteil an der Einfuhr hat Österreich-Ungarn, dann
Belgien und diesem folgen Groſsbritannien und Deutschland mit an-
nähernd gleichen Werten.


[1271]Bulgarien.

Bulgarien besitzt ebenfalls gute Eisenerze an vielen Punkten 1),
aber nur bei der Stadt Samakow wird Eisen geschmolzen. Hier ist
eine alte Industrie, die vormals von gröſserer Bedeutung war. Das
Eisen von Samakow war seiner Güte wegen nicht nur in der Türkei
und Walachei, sondern selbst in Kleinasien sehr geschätzt. Das
Schmelzen geschieht in kleinen Wolfsöfen von 60 bis 70 cm Weite
mit Holzkohlen, mit Hülfe von Blasebälgen, die durch Wasserräder
bewegt werden. Das Eisen kommt nicht zum Flieſsen, sondern
wird als Luppe (Wolf) ausgebrochen. Diese Luppen werden in 7 km
entfernten Schmieden in Herden ausgeschweiſst und zu glatten Stücken
geschmiedet. Dieses Eisen kostet 41,25 Frcs. (33 Mark) die 100 kg,
obgleich das Erz nur die Mühe des Auflesens erfordert und die Arbeits-
löhne unerhört billig sind. Ein Arbeiter verdiente (1880) 25 Zent. und
1 Ocka (1¼ kg) Roggenmehl, das der Herr liefern muſste.


Die 15 bis 16 Hütten, die 1880 betrieben wurden, erzeugten zu-
sammen 120 Tonnen Eisen und waren kaum mehr konkurrenzfähig.
Das meiste Eisen wurde eingeführt. Es betrug die Einfuhr von Eisen-
waren dem Werte nach zu 1000 Frcs.:


Hierzu kamen 1892 noch für 2786228 Frcs. Geschosse, davon
für 2777222 Frcs. aus Deutschland, und für 2046765 Frcs. Maschinen,
davon für 711893 Frcs. aus Deutschland.


1898 betrug die Einfuhr in 1000 Frcs.:



[1272]Rumänien. — Türkei.

Rumänien hat gar keine Eisenhütten.


Einfuhr in 1000 Frcs.


In der Türkei selbst liegen die Verhältnisse ähnlich wie in
Bulgarien, trotz des Reichtums an Erzen nur geringe Eisengewinnung
nach veraltetem, höchst unvollkommenem Verfahren. Einer Schilderung
Wilh. Fischbachs aus dem Jahre 1873 entnehmen wir Nachfolgendes
über die damaligen Zustände. Die Gewinnung der Erze ist unendlich
primitiv und erinnert an Plinius’ Schilderung. Aus Spannteichen
wird das Wasser durch Schleusen und Rinnen auf die Eisensand
(Bohnerze) führenden Felsen geleitet, das diese zerstört. Von Zeit zu
Zeit wird mit eisenbeschlagenen Stangen nachgeholfen. Das Erz wird
in aus Brettern gezimmerten Schlämmkasten gesammelt und aus-
geschlagen, alsdann auf Eseln und Maultieren nach den im Gebirge
in den Urwäldern gelegenen Schmelzhütten gebracht. Hier wird es
in 2½ bis 3 m hohen, unten 0,75, oben 0,30 m weiten Öfen, von denen
gewöhnlich zwei oder vier mit der Rückwand zusammengebaut sind,
mit weichen Holzkohlen und etwas grünem Holz in achtstündiger
Schicht zu Luppen von 80 bis 100 kg Gewicht geschmolzen, die aus
der mit Lehm geschlossenen Brust ausgebrochen werden. Die ober-
schlächtigen Wasserräder treiben Spitzbälge, die starke Windstöſse
liefern. Die ausgebrochene Luppe von zähem Schmiedeeisen wird noch
[1273]Türkei. — Griechenland.
glühend von entkleideten Arbeitern mit Äxten in Stücke zerhauen.
Jeder Hieb wird mit heulenden Schreilauten begleitet, um den Takt
für den Mitarbeiter anzugeben. Je mehr die Luppe erkaltet, desto
schwieriger wird diese Arbeit. Die Luppenhälften werden dann auf
Lasttieren nach den Hämmern getragen, dort gefrischt und in flache
Stäbe von ungleichmäſsiger Form ausgestreckt. Die Schmiede hat
37 m Wassergefälle. Der Hammer wog 500 kg und machte 250 Schläge
in der Minute. Die Eisenwerksbesitzer müssen feste Abgaben bezahlen
und können mit dem nur mit geringem Zoll belegten ausländischen
Eisen kaum mehr konkurrieren. Infolgedessen dürften diese Betriebe
inzwischen wohl eingegangen sein.


Es betrug die Einfuhr dem Werte nach in 1000 Piastern 1):


Griechenland ist reich an Eisenerzen. Zwar sind die
klassischen Fundorte im Taygetus im Pelopones verlassen, weil der
Transport bis zur Seeküste zu beschwerlich und zu kostspielig ist,
um so mehr werden die für den Schiffstransport günstig gelegenen
Erzlager in Attika, Böotien, Euböa und auf den Cykladen abgebaut.
Besonders ist es die zu den letzteren gehörige kleine Insel Seriphos,
die groſse Mengen von vortrefflichem Eisenerz für die Ausfuhr liefert.


Im Jahre 1898 betrug die Förderung von:



Im Jahre 1900 wurden 531850 Tonnen Eisen- und Manganerze
gewonnen.


[1274]Griechenland.

Diese Erze werden gröſstenteils nach England und Deutschland
verschifft, 1898 gingen auch 40000 Tonnen nach Servola bei Triest.
Auſserdem finden sich Manganerze in den Tertiärablagerungen von
Attika (zu Laurion), Böotien, Euböa und im Pelopones, die aber bis
jetzt kaum ausgebeutet werden; dagegen findet ein bedeutender Ab-
bau auf der Insel Milos statt. Die Förderung von Manganerzen im
Jahre 1898 betrug 14097 Tonnen. Ein für die Stahlindustrie
wichtiges Mineral ist der Magnesit von Euböa, von dem 1898 14829
Tonnen gefördert wurden.


Die Verhüttung der Erze im Lande ist sehr beschränkt, es wird
nur einiges Manganeisen für den Export erzeugt. Eine Hochofen-
hütte besteht noch nicht. Dagegen haben sich Maschinen- und
Kesselbau, sowie Schiffsbau kräftig entwickelt. Im Jahre 1862 wurde
die Société Hellénique des Constructions Basilades gegründet und
1868 zu einer Maschinenbauanstalt erweitert. Diese ist seitdem noch
bedeutend gewachsen.


Im Jahre 1872 wurde eine zweite Maschinenbaugesellschaft, die
Vulkanwerke der Herren MacDowell und Barbour, ins Leben
gerufen, die sich besonders im Dampfkesselbau hervorthat. Auſser-
dem war die staatliche Schiffsbauanstalt im Hafen von Piräeus bereit,
den Umbau eiserner Kriegsschiffe im Jahre 1898 selbständig über-
nehmen zu können.


Die Zahlenangaben über Ein- und Ausfuhr geben kein voll-
ständiges Bild, immerhin dürfte nachfolgende Zusammenstellung für
die Zeit seit 1889 einige Aufklärung geben.


Einfuhr 1889 dem Werte nach in Drachmen.
(1 Drachme = 1 Frc.)


Einfuhr nach Wert in 1000 Drachmen.


[1275]Griechenland.

Ausfuhr nach Wert in 1000 Drachmen.


Ein- und Ausfuhr 1896 bis 1898.

[1276]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika.


Die Entwickelung der Eisenindustrie in den Vereinigten Staaten
seit 1870 bietet ein bewundernswertes Schauspiel dar. Es ist ein
Siegeszug nach auſsen wie nach innen. Die technischen Fortschritte
sind ebenso überraschend wie die gewaltige Zunahme der Produktion,
die mit dem Jahre 1890 den Vereinigten Staaten die Führerschaft in
der Eisenerzeugung erringen läſst. Groſsbritannien, das über 100 Jahre
diese Rolle unbestritten inne hatte und dessen Produktion um die
Mitte des 19. Jahrhunderts gröſser war als die aller übrigen Länder
der Erde zusammengenommen, wurde von den Vereinigten Staaten
überflügelt und muſs sich seitdem mit der zweiten Stelle begnügen.


Die Roheisenerzeugung ist von 1871 bis 1901 von 1733828 Tonnen
auf 16132408 Tonnen, also um mehr als das Neunfache gestiegen.


Die Zunahme betrug:


Die Vereinigten Staaten besitzen, wie bekannt, unermeſsliche
Schätze an Steinkohlen und Eisenerzen von vorzüglicher Güte. Diese
bildeten die Grundlage der gewaltigen Entwickelung der ameri-
kanischen Eisenindustrie. Den Anstoſs dazu gab aber die Einführung
des Bessemerprozesses. Dieses Ereignis ist verhältnismäſsig spät ein-
getreten, obgleich der mechanische Prozeſs, welcher nur wenig Hand-
arbeit erfordert und groſse Massen erzeugt, so ganz dem Geschmack
der Amerikaner entsprechend war. Die Gründe dieser Verzögerung
haben wir an früherer Stelle mitgeteilt. Nachdem man sich aber
einmal von der Überlegenheit der Bessemerschienen über die Schweiſs-
eisenschienen auch in Amerika überzeugt hatte, warf man sich mit
der der Nation eigenen Energie auf die Herstellung von Bessemer-
stahl und von Stahlschienen und damit begann der gewaltige Auf-
schwung der amerikanischen Eisenindustrie.


1870 hatte die eigene Erzeugung von Eisenbahnschienen nur
620 Kilotonnen, die Einfuhr aber 399 Kilotonnen betragen. 1880
belief sich die eigene Erzeugung auf 1326 Kilotonnen, die Einfuhr
auf 260 Kilotonnen. Von den 620 Kilotonnen im Jahre 1880 waren
nur etwa 30 Tonnen, also noch nicht 5 Prozent, Fluſsstahlschienen,
[1277]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
während 1886 448 Kilotonnen Eisen- und 878 Tonnen Stahlschienen,
von letzteren also über 66 Prozent dargestellt wurden. Mit dem
Jahre 1886 erreichte die Fabrikation von Schweiſseisenschienen über-
haupt ihr Ende und wurden seitdem nur Fluſseisenschienen erzeugt,
im Jahre 1886 rund 1600 Kilotonnen, während die fremde Einfuhr
auf 40 Kilotonnen gesunken war.


Die Länge der Eisenbahnlinien der Vereinigten Staaten war von
1871 bis 1886 von 106583 km auf 222010 km gestiegen. Mit dem
Jahre 1889 hörte die Einfuhr fremder (englischer) Eisenbahnschienen
auf und deckte das Land seinen Bedarf, der 1898 2013 Kilotonnen
erreichte, selbst. Die Bessemerstahlfabrikation ist aber von 1870 bis
1899 von 42 Kilotonnen auf 7708 Kilotonnen gewachsen. 1901 betrug
die Erzeugung von Blöcken 8853 Kilotonnen.


Wohl haben die Vereinigten Staaten einen erstaunlichen Reichtum
an den Rohstoffen, die für die Eisenerzeugung erforderlich sind,
dennoch befindet sich nur Alabama in der glücklichen Lage wie Schott-
land, wo man Erze und Steinkohlen so nahe beisammen findet, daſs
man sie aus denselben Schächten fördern kann. Die wichtigsten
Eisenerzablagerungen liegen von den Steinkohlenlagern weit getrennt
und müssen dieselben teils mit Schiffen zu Wasser, teils mit Eisen-
bahnen zu Lande dem einen oder dem anderen Gebiete zugeführt
werden. So liegen die reichen und vorzüglichen Erze am Oberen See
in den Staaten Minnesota, Wiskonsin und Michigan weit ab von dem
Steinkohlengebiete und müssen dorthin gebracht werden, während
andererseits die steinkohlenreichen Staaten Pennsylvanien, Ohio und
Illinois verhältnismäſsig arm an Eisenerzen und auf die Zufuhr von
den reichen Lagerstätten angewiesen sind. Die Frachten sind deshalb
in Amerika ein besonders wichtiger Faktor für die Eisenindustrie und
sind besonders billige Eisenbahnfrachten und gute Ladevorrichtungen
die Existenzbedingung vieler Eisenwerke. Was in Bezug auf billigen
Massentransport die nordamerikanischen Eisenbahnen leisten, ist be-
wunderungswürdig und unerreicht. Nur dadurch können die ameri-
kanischen Eisenwerke so billig produzieren. Dennoch sind es nur
Qualitätserze, die die weiten Transporte ertragen können, und dürfen
die Werke, die sie beziehen, auch nur Qualitätseisen daraus darstellen.
Dies geschieht, indem man das vorzügliche Roheisen an Ort und Stelle
in Fluſsstahl und zwar meist in Bessemerstahl überführt und daraus
fertige Waren in vorzüglich eingerichteten Walzwerken herstellt. Anders
verhält es sich in den Ländern, wo sich Erze und Steinkohlen zusammen-
finden, wie dies namentlich in Alabama und Tennessee der Fall ist.
[1278]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Diese Staaten erzeugen billiges Roheisen zum Verkauf und können
dasselbe mit so geringen Kosten herstellen, daſs sie imstande sind,
es in Europa auf den Markt zu bringen. So sind die Vereinigten
Staaten, die vor 40 Jahren noch den gröſsten Teil ihres Gieſserei-
roheisens aus England bezogen, jetzt imstande, Gieſsereieisen nach
England zu verschiffen.


Wenn auch die natürlichen Verhältnisse die Grundlage für den
groſsen Aufschwung der nordamerikanischen Eisenindustrie gebildet
haben, so sind doch noch andere wichtige Faktoren hinzugekommen.
Zunächst war es die sehr energische Schutzzollpolitik der amerikanischen
Staatsregierung. Ursprünglich war der Schutzzoll während des Bürger-
krieges im Jahre 1863 aus Geldnot eingeführt worden. Als aber
nach dem Friedensschluſs und der Rückkehr geordneter Verhältnisse
die Frage der Aufhebung des Schutzzolles angeregt wurde, erklärten
die pennsylvanischen Eisenindustriellen, die Rückkehr zum Freihandel
würde der Ruin der amerikanischen Eisenindustrie sein. Seitdem wurde die
Schutzzollpolitik beibehalten und weiter entwickelt mit dem Bewuſst-
sein und der ausgesprochenen Absicht, dadurch die heimische Eisen-
industrie zu gedeihlicher Entfaltung zu bringen. Dieses Ziel ist er-
reicht worden, die Schutzzölle sind aber trotzdem geblieben. Andere
wichtige Faktoren, die den Aufschwung herbeigeführt haben, waren
der kühne Wagemut und der energische Geschäftsgeist der ameri-
kanischen Industriellen, sodann aber besonders ihre Intelligenz, ihr
Erfindungsgeist, der durch einen starken Patentschutz unterstützt
wird, und die wissenschaftliche Bildung der amerikanischen Eisen-
industriellen. Die Amerikaner haben den Wert der wissenschaftlichen
Grundlage für die Eisenindustrie und die Kontrolle der Betriebe
besonders durch die chemische Analyse erkannt; sie haben auf
allen gröſseren Werken chemische Laboratorien und Prüfungsanstalten
eingerichtet und in allen wichtigen Eisenindustriestaaten reich aus-
gerüstete Lehranstalten für heranzubildende Techniker geschaffen.
Hierzu kommt noch eine reiche und vortreffliche Litteratur.


Diese wichtigen und soliden Unterlagen bürgen dafür, daſs die
amerikanische Eisenindustrie auch in der Zukunft sich gedeihlich
fortentwickeln wird.


Wenn wir es nun versuchen, die technische Entwickelung des
Eisenhüttenwesens in den Vereinigten Staaten seit 1870 in chrono-
logischer Folge darzustellen, so kann dies nur in sehr beschränkter
Weise geschehen, da der Stoff ein zu umfassender ist.


Ende der sechziger Jahre wurde besonders durch den Wiederaufbau
[1279]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
und die Vergröſserung des 1868 niedergebrannten Bessemerstahlwerkes zu
Troy (New York) und durch die Erbauung der Cambriawerke 1868/69
eine Periode glänzenden Aufschwunges der amerikanischen Eisen-
industrie eingeleitet. Die Produktion nahm bei immer steigenden
Preisen zu bis in das Jahr 1873, wo plötzlich eine groſse Geldkrisis
ausbrach, die auch auf die Eisenindustrie ungünstig einwirkte und einen
Rückgang herbeiführte, der bis 1877 andauerte, von wo ab wieder
eine Aufwärtsbewegung eintrat, die Ende der siebziger Jahre rasch
zunahm. Es ist eine Eigentümlichkeit der Entwickelung der ameri-
kanischen Eisenindustrie, daſs sie sich nicht stetig, wie die deutsche,
sondern sprungweise, graphisch dargestellt in Zickzacklinien entwickelt
hat. Es lag dies an der Beweglichkeit des Kapitals und dem
spekulativen Geist der Amerikaner. Waren die Verhältnisse günstig,
so wendete sich das Kapital dem Industriezweige zu, neue Werke ent-
standen in überraschend kurzer Zeit, um dann, wenn die Unternehmungen
wenig oder keinen Nutzen mehr bringen, ebenso schnell wieder ein-
geschränkt oder ganz kalt gelegt zu werden. Deshalb erscheint z. B.
bei der Roheisenerzeugung häufig die Zahl der betriebenen Öfen zu
der der vorhandenen so ungünstig; beispielsweise standen 1875 von
735 Hochöfen nur 363, und 1877 von 725 nur 244 im Feuer.


Die Roheisendarstellung 1) geschah 1870 noch hauptsächlich mit
Anthrazit, von den östlichen Alleghanies. Philadelphia war der Vorort
dieser Industrie im östlichen Pennsylvanien und schmolzen auch die
Hütten in New Jersey, New York und Connecticut damals noch mit
Anthrazit. Die bituminösen Steinkohlen der westlichen Alleghanies
wurden in Westpennsylvanien mit Pittsburgh als Centrum, ferner
in Missouri, Wisconsin, Michigan und Canada verwendet. Dies Ver-
hältnis erfuhr im Laufe der siebziger Jahre eine Verschiebung zu
Gunsten der bituminösen Kohle.


Es wurden erzeugt in Tonnen:


Von den 697 Hochöfen im Jahre 1880 waren 228 für Anthrazit,
203 für Koks und 266 für Holzkohlenbetrieb bestimmt, davon waren
[1280]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
384 im Betrieb und zwar 165 mit Anthrazit, 126 mit Koks und 93
mit Holzkohlen.


Die reichsten Erze des östlichen Bezirkes waren die magnetischen
Erze vom Lake Champlain, die in Port Henry verschifft wurden. Die
wichtigsten Hochofenhütten im Anthrazitdistrikt lagen in Shuylkill-
Susquehanna- und Lebanonthal. Der Brauneisenstein des Eisenlagers
von Lebanon war 1870 für diese das Haupterz. Bei Harrisburg war
die erste groſse Bessemerhütte Pennsylvaniens, die aber 1870 englisches
Hämatiteisen verarbeitete, weil dies billiger war als das Holzkohlen-
roheisen vom Lake Superior, das früher verwendet worden war. Im
Lehighthal befanden sich die gröſsten Hochöfen und zwar zu Beth-
lehem und Allentown, die aber bereits die Hälfte der Erze kaufen muſsten.
Die Glentonwerke bei Paston hatten vier Hochöfen von 72 Fuſs Höhe.
Ein Ofen schmolz 43 Tonnen den Tag aus einer Erzbeschickung von
51 Prozent Eisengehalt. Die Gase wurden abgezogen. Der Wind
wurde in eisernen Röhrenapparaten durch Gichtgase erhitzt. Auf der
Thomashütte hatte man die Lürmannsche Schlackenform eingeführt.
Die Eisenarbeiter im Lehighthal waren meist deutscher Abstammung.
Auch die Puddelöfen dieses Gebietes, die meist mit Erz vom Lake
Champlain ausgefüttert waren, wurden mit Anthrazit unter Anwendung
kräftigen Unterwindes geheizt. Die gröſste Bessemeranlage war die
von Griswold \& Co. zu Troy, die in zwei Konvertern täglich
12 Chargen zu 5 Tonnen verblies. Von jeder Charge wurden Proben
genommen. Die beiden Martinstahlwerke zu Trenton in New Jersey
und zu Boston konnten nur durch den Schutzzoll bestehen; sie be-
zogen alle Rohmaterialien, selbst die feuerfesten Steine, aus England.
Der Zoll betrug damals 6 Dollar in Gold pro Tonne Roheisen. Zu
Trenton wurden 16 Chargen zu 4 Tonnen in der Woche gemacht.


In Westpennsylvanien mit Pittsburgh als Mittelpunkt wurde nur
bituminöse Kohle verwendet. Die Verkokung geschah noch meistens
in Haufen, als Öfen waren die runden Backöfen, die sogenannten
Bienenkorböfen, in Gebrauch. Es gab sieben Hochöfen in diesem
Gebiete. An Eisenerz war Mangel und wurden Erze vom Lake Superior
bezogen. Die 1870 errichtete neue Kokshochofenanlage von Schön-
berger \& Blair
bezog die Hälfte ihrer Erze von Canada, die andere
Hälfte von Pilot Kob in Missouri. Auf einen Teil des aus der 60 pro-
zentigen Erzbeschickung erhaltenen Roheisens wurden 1¼ Koks ver-
braucht. Die Hochöfen hatten Blechmäntel und wurde das Schacht-
mauerwerk von sieben Säulen getragen. Man blies mit sechs Formen.
Das neue Cambriastahlwerk verblies in seinen Bessemerbirnen zur
[1281]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Hälfte englisches Hämatiteisen, zur Hälfte Holzkohlenroheisen vom
Lake Superior. 1871 verarbeiteten 42 Walzwerke in Pennsylvanien
mit 15000 Arbeitern 400000 Tonnen Roheisen, etwa ein Viertel der
Produktion Nordamerikas: sieben Stahlwerke erzeugten 30000 Tonnen
Stahlwaren. Eine bemerkenswerte Anlage war das Kaltwalzwerk
von Jones \& Laughlins in Pittsburgh, das besonders polierte
Wellen für Transmissionen lieferte.


In Ohio verschwanden die alten Holzkohlenöfen mehr und mehr,
ebenso der Kohleneisenstein, den man früher verhüttet hatte. Man
bezog meistens Erze vom Oberen See. Youngstown war das Centrum
der Industrie. Die zwei Hochofenhütten bei Cincinnati schmolzen mit
⅜ Koks und ⅝ magerer Steinkohle Erze von Missouri und Tennessee.
In dem Schienenwalzwerk daselbst waren seit 1868 rotierende Puddel-
öfen (Danksöfen) im Gebrauche, in die das in Kupolöfen geschmolzene
Roheisen flüssig eingeführt wurde. Die neue Bessemerhütte zu Cleve-
land war von dem deutschen Ingenieur H. Gmelin erbaut worden.
Man walzte dort die Stahlschienenköpfe für sich und setzte sie auf
die aus Puddeleisen gewalzten Unterteile auf. Die Bessemerflamme
prüfte man mit dem aus gelben und blauen Gläsern hergestellten
Chromopyrometer von Silliman.


In Missouri, wo sich die Eisenindustrie um St. Louis gruppierte,
verschmolz man trotz der berühmten Erzvorkommen des Landes: Iron
mountain, Pilot Knop, Sheppards Mountain, vielfach Lake Superior-
Erze, besonders geschätzt war das Maramec-Erz. Die sieben Hoch-
öfen der St. Louishütte verwendeten ⅓ Koks von Pittsburgh und
⅔ rohe Steinkohle aus Indiana.


Die Eisenindustrie am Lake Superior war noch jung. 1851 war
der erste Holzkohlenhochofen in Betrieb gekommen. 1869 waren von
14 Öfen 10 in Thätigkeit. 1870 wurde der erste Hochofen für
Steinkohlenbetrieb bei Marquette erbaut, der die Kohlen von Cleve-
land als Rückfracht erhielt. Bei Chicago waren zwei Hütten, welche,
wie die von St. Louis, mit ⅓ Koks und ⅔ Kohlen schmolzen. Sie
hatten vier Walzwerke. Erz und Kohlen muſsten bezogen werden.
Dennoch war die Lage als wichtiges Verbrauchscentrum günstig.
Milwaukee, wo 1869 ein Walzwerk und 1870 eine Hochofenanlage am
Michigansee entstanden waren, lag günstiger für den Bezug. Die
Öfen waren für Steinkohlenbetrieb erbaut, 66 Fuſs hoch und mit
Blechmänteln versehen.


Die Arbeitslöhne waren 1870 durchschnittlich viermal so hoch
Beck, Geschichte des Eisens. 81
[1282]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
wie in Deutschland. Ein Puddler in Pittsburgh erhielt 12 Mark, in
St. Louis 13½ Mark den Tag.


In Missouri war auf den Vulkanwerken ein Hochofen von 100 Fuſs
Höhe und 25 Fuſs Kohlensackweite erbaut worden, von dem man eine
Produktion von 180 bis 200 Tonnen den Tag erhoffte. In Richardsons
Gieſserei zu Hartlepool standen die Formkasten auf einer elliptischen
Eisenbahn, die sie dem Stampfraum, dem Gieſsraum und dem Raum
zum Entleeren zuführte. Besonders groſse Eisen- und Stahlwerke ent-
standen in Illinois am Südende des Michigansees um die empor-
strebende Hauptstadt Chicago. Dorthin konnten die Erze vom Lake
Superior auf Schiffen gelangen und ausgedehnte Steinkohlenlager
fanden sich in der Nähe. 1872 kamen auſser den älteren South-
Chicago-Eisenwerken die Eisen- und Stahlwerke Joliet und North-
Chicago in Betrieb. Die Erzeugung von Bessemerschienen besonders
in Joliet war von 1869 bis 1871 von 53261 Tonnen auf 91178 Tonnen
gestiegen 1).


Wichtige Fortschritte machte die Bessemerstahlerzeugung in den
Vereinigten Staaten Anfang der siebziger Jahre. Hierzu trugen drei
Männer, John Holley, John Fritz und George Fritz, besonders bei.
Die wichtigsten Werke waren Troy, Harrisburg, Newburg bei Cleveland
in Ohio, Johnstown und Bethlehem in Pennsylvanien, die Südchicago-
werke bei Bridgeport, Joliet und die Nordchicagowerke. Zu Troy
erreichte man 1872 in zwei 5-Tonnen-Konvertern eine Monatsproduktion
von 2000 Tonnen, indem man 16 bis 20 Chargen in 24 Stunden blies.
Dieses rasche Treiben, welches seitdem immer mehr gesteigert wurde,
entsprang nicht allein dem Streben nach Massenproduktion, sondern
es entsprach auch dem amerikanischen Bessemerroheisen, das einen ge-
ringen Siliciumgehalt hatte und deshalb rasch verblasen werden muſste.
Das schnelle Verblasen der Chargen wurde wesentlich gefördert
durch die Erfindung der Losböden von Alexander Holley in Troy,
die 1871 zu allgemeiner Einführung gelangten und eine rasche
Wiederinstandsetzung der Birnen ermöglichten. Die Verbesserung,
welche John Fritz in den Bethlehem-Works dadurch einführte,
daſs er den Boden der Gieſsgrube mit dem Hüttenboden in gleiche
Höhe legte, so daſs eine Eisenbahn direkt in die Grube fahren konnte,
hatte auch den Zweck, den Betrieb zu beschleunigen. Dasselbe läſst
sich von der wichtigen Verbesserung der Walzwerke durch John Fritz,
[1283]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
die Einführung von Triowalzen, erst nur zum Auswalzen von Schienen,
später auch zum Walzen der Blöcke, sagen. George Fritz führte
in Troy vertikale Gebläsemaschinen ein und verbesserte den hydrau-
lischen Betrieb, besonders durch die Einführung der Worthington-
Dampfpumpe ohne Schwungrad. Er baute 1871 das erste Blockwalz-
werk mit mechanischer Bedienung auf den Cambriaeisenwerken und
begründete damit den sparsamen amerikanischen Walzwerkbetrieb.
In Troy machten 1872 ein Paar 5-Tonnen-Konverter 16 Schmelzungen
in 24 Stunden, in Harrisburg sogar 18 bis 20; in Cleveland leisteten
vier 5-Tonnen-Konverter 24 Schmelzungen in 24 Stunden. Die Union-
Walzwerkgesellschaft in South-Chicago machte 14 Schmelzungen von
120-Tonnen-Chargen.


Das Einschmelzen des Roheisens geschah allgemein in groſsen
Kupolöfen mit automatischer Beschickung. Die Stahlblöcke wurden
erst überschmiedet. John Fritz hatte bereits bewegliche Walzentische
und hydraulische Friktionskuppelungen bei den Walzwerken eingeführt.
George Fritz1) hatte Rollgänge und Blockwender erfunden. Das Aus-
ziehen der Blöcke aus dem Wärmeofen geschah mit einem hydraulischen
Apparat. Während bei den Holleyschen Triowalzen die Mittelwalze
beweglich war und nach jedem Stich eingestellt werden muſste, machte
G. Fritz in den Cambriawerken Ober- und Unterwalze beweglich. Zur
Kontrolle des Bessemerbetriebes wendete man nicht nur mechanische
Proben, sondern auch die Eggertzsche Kohlenstoffprobe an.


Sellers erfand 1872 einen verbesserten Drehpuddelofen und ein
Sandstrahlgebläse, das zunächst zum Putzen der zu verzinnenden
Eisenbleche verwendet wurde. 1872 wurden in den Vereinigten
Staaten 107 Hochöfen und 36 Walzwerke neu gebaut, davon in Penn-
sylvanien 48 und 15, in Ohio 13 und 7, in Wiskonsin 8 Hochöfen, in
Illinois 3 Hochöfen und 4 Walzwerke. Die erste gröſsere rationelle
Koksanstalt wurde von den Deutschen Gebrüder Meier, St. Louis
gegenüber, auf der Illinoisseite des Mississippi gegründet. Man ver-
kokte Belleville-Blockkohle in einer Batterie von 24 Coppéeöfen. Eine
Kohlenwäsche gehörte dazu. Zu Titusville versuchte man einen Hoch-
ofen mit Petroleum statt mit Holzkohlen zu betreiben.


1873 waren von 147 Holzkohlenhochöfen 105 in Betrieb und
zwar die meisten in den Südstaaten und den Küstenländern. Von
126 Anthrazitöfen standen 83 im Feuer, vier wurden mit einem Ge-
81*
[1284]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
menge von Koks und Anthrazit betrieben; von den 104 Kokshochöfen
gingen 56.


Ein Hochofen der Milwaukee-Gesellschaft schmolz 1362 Tonnen
Roheisen im Monat. Für Bessemerroheisen wurden Moktaerze aus
Algier in Pennsylvanien eingeführt. Im ganzen gab es 681 Hochöfen,
343 Walzwerke und 51 Stahlwerke. Die Erzeugung der Hochöfen
war nach dem Brennstoff die folgende:



Auſserdem waren noch viele Katalan- oder Luppenschmieden
zur direkten Schweiſseisenerzeugung aus Erzen im Betrieb, besonders in
der Gegend zwischen Trenton und New Jersey. Thomas S. Blairs
Prozeſs der direkten Eisenerzeugung aus Eisenschwamm, die zuerst
in Blairs Werke zu Glenwood bei Pittsburgh ausgeführt wurde, fand
Anklang und Verbreitung. Mit den Danks-Rotatoröfen wollte es nicht
vorwärts. In Chatanooga wurden die 10 Danksöfen wieder durch ge-
wöhnliche Puddelöfen ersetzt. 1873 wurde zuerst natürliches Gas
in der Eisenindustrie angewendet und zwar zu Leechburg Pa. In
diesem Jahre erfand Dekalb in Illinois den Stacheldraht, der für
die Drahtfabrikation von groſser Bedeutung wurde. Durch die ge-
schäftliche Krisis Ende 1873 muſsten viele Eisenwerke ihren Betrieb
einschränken; alle Eisenbahnbauten gerieten ins Stocken. 1871 waren
7779, 1872 6427 Meilen neue Bahnen gebaut worden. Am 1. Januar
1874 waren von 57 Schienenwalzwerken nur 10 in vollem Betriebe,
7 in halbem und 33 lagen still. An 30000 Eisenarbeiter waren ohne
Beschäftigung. Die Schienenpreise stiegen 1871 bis September 1872
von 30 auf 53 Dollar die Tonne, sanken aber Ende 1873 auf 32½ Dollar
herab.


Die technische Vervollkommnung des Bessemerbetriebes machte
immer gröſsere Fortschritte. Am 13. Februar 1874 blies man bei
John A. Griswold in Troy mit einem Paar 5-Tonnen-Konvertern in
24 Stunden 50 Chargen und erhielt 268 Tonnen Stahlblöcke. Das
Roheisen dazu wurde in zwei Kupolöfen mit einem Sturtevant-
Ventilator geschmolzen. Cambria-Works vollendeten eine Charge von
[1285]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
109 Centner in 52 Minuten. Als die best eingerichteten Werke galten
die zu Joliet und Bethlehem. Die Leistungen der amerikanischen
Bessemerwerke hatten die der europäischen überflügelt. Englischer
Guſsstahl war dagegen noch unentbehrlich.


Versuche auf dem Joliet-Bessemerwerk, mit nach dem System
Bérard gewaschenen Steinkohlen Bessemerroheisen zu erblasen,
hatten keinen Erfolg, weil auch die gewaschene Illinoiskohle immer noch
zu reich an Schwefel war. Man muſste also wieder zu grauem Holz-
kohlenroheisen vom Oberensee zurückkehren. Chargierapparate für
Hochöfen von Weimer und Birkenbine wurden zu Lebanon, Pa.,
eingeführt. 1875 führte man auf demselben Werke das Puddeln mit
natürlichem Gas ein, nachdem Eames schon 1873 zu Jersey City mit
dem von ihm erfundenen Petroleum-Generator Schweiſsöfen betrieben
hatte. Strong bereitete zuerst Wassergas. John Fritz erfand
sein Trio-Blockwalzwerk. Die rasch gehenden Dampfmaschinen
(„Schnellläufer“) kamen immer mehr in Aufnahme.


1876 fand die erste Weltausstellung in den Vereinigten Staaten zu
Philadelphia statt, welche die Fortschritte auf dem Gebiete der Eisen-
industrie zur Darstellung brachte und wesentlich dazu beitrug, die Auf-
merksamkeit der Industriellen Europas zu erwecken. Dies wurde ge-
fördert durch die anerkennenden Berichte von P. von Tunner, Wedding,
Åkerman
und anderen. Am meisten erregten die Leistungen der
Bessemerwerke Bewunderung, doch bot auch die Hochofenindustrie viel
Bemerkenswertes dar. Ward erzeugte zu Carterville in Georgia in
einem kleinen Holzkohlenofen täglich 3 Tonnen Ferromangan. Es
gab Holzkohlenöfen von 62 bis 69 Fuſs Höhe und 14 bis 16 Fuſs
Kohlensackweite, welche die groſsen Öfen im Ural und in Österreich
übertrafen. Dabei war ihre Erzeugung infolge der reichen Erze und
der kräftigen Gebläse viel höher als in Europa. Die Erze waren viel-
fach so reich an Eisen und so arm an Thonerde, daſs man wegen der
notwendigen Schlackenbildung den Dolomit dem Kalkstein vorzog. —
Das Bessemerroheisen wurde bereits groſsenteils im Lande erblasen
und zwar aus Erzen vom Oberen und vom Champlain-See. Es fiel
meistens sehr grau. Das auf den Edgar-Thomsonwerken erblasene
hatte 3,8 Prozent Graphit, 0,6 gebundenen Kohlenstoff, 2 Silicium,
0,2 bis 0,3 Mangan, 0,07 bis 1,11 Phosphor und 0,002 bis 0,020
Schwefel. Für den Bessemerprozeſs wurde das Roheisen in Kupolöfen,
unter denen sich die McKenzie-Öfen gut bewährten, umgeschmolzen.
Das Roheisen wurde in eine Pfanne, die auf einer Wage stand, ab-
gestochen und dann in die Birne entleert. Die Birnen standen nicht
[1286]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
mehr zu zwei sich zugekehrt an einer vertieften Gieſsgrube, sondern
parallel nebeneinander in einer Reihe. In 30 Minuten war eine
Charge fertig, wobei am Schluſs 10 Prozent Spiegeleisen von 10 bis
12 Prozent Mangangehalt zugesetzt wurden. Der Abbrand betrug
7 bis 9 Prozent. Der in dieser Weise auf den Edgar-Thomsonwerken
erblasene Stahl enthielt 0,3 bis 0,5 Prozent Kohlenstoff, 0,015 bis
0,090 Silicium, 0,2 bis 0,5 Mangan, 0,084 bis 0,128 Phosphor und nur
Spuren von Schwefel. 210 Tonnen Roheisen gaben in 24 Stunden
180 Tonnen fertige Schienen in 30 Operationen. Das war mehr
als die doppelte Leistung der besten europäischen Werke.
22 Birnen in den Staaten leisteten mehr als 76 in Deutschland.
1875 lieferte eine 5-Tonnen-Birne in Amerika 448853 Centner, in
Deutschland 104707 Centner. Die Glühöfen waren Gasöfen mit vier
Arbeitsthüren. P. Tunner erklärte die Überlegenheit des amerika-
nischen Betriebes 1. aus dem raschen Einschmelzen des Roheisens in sehr
leistungsfähige Kupolöfen, 2. aus dem raschen Auswechseln der Kon-
verterböden, 3. aus dem kommunizierenden Guſs groſser Blöcke von
15 bis 30 Centner Gewicht, 4. aus der vorzüglichen Anlage der Hütten
und Walzwerke. Man walzte aus einem Blocke unmittelbar zwei bis vier
30 Fuſs lange Eisenbahnschienen und erzielte ein Ausbringen von
70 bis 71 Prozent. Die Schienen hatten nur ½ bis 1 Prozent Aus-
schuſs. Zu dem intensiven Betrieb gehörten starke Gebläse und
Walzenzugmaschinen. Die stehenden Gebläsecylinder waren weit
und niedrig, z. B. 2,20 m Durchmesser auf 1,26 m Hub, und machten
36 bis 40 Touren in der Minute. Auch die vorzüglichen Transport-
mittel erhöhten die Leistungsfähigkeit der Stahlwerke. Die heiſsen
Blöcke wurden durch eine Lokomotive nach den Glühöfen gefahren.
Überall waren hydraulische Kräne in Anwendung. Die Schienen ge-
langten automatisch durch Rollengänge von den Walzen zu den
Scheren. Die Blockwalzwerke waren mit automatischen Walzentischen
nach Fritz Holleys System versehen. Nur zu Cambria arbeitete
man mit einem Reversierwalzwerk. Die gröſste Erzeugung von Stahl-
schienen hatte 1876 die Lackawanna Eisen- und Kohlengesellschaft,
die 125,15 Tonnen in 12 Stunden walzte.


Blairs Prozeſs hatte sich nicht bewährt und war zu Glenwood
1876 nicht mehr im Gange. Zu Clinton und Millvale Rolling Mill
bei Pittsburgh lieferten 10 Danksöfen mit 144/100 Steinkohlen vorzügliches
Luppeneisen. Der Siemens-Martinprozeſs war 1876 auf 16 Hütten im
Gange. Auf dem Ohio-Eisenwerke wurde die Hälfte der Charge kalt
[1287]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
eingeschmolzen, dann die vorgewärmte andere Hälfte nachgetragen.
Die Guſsstahlhütte (Crescent Steel Works) von Miller, Metcalf \&
Parkin
zu Pittsburgh war durch Anlage neuer Siemens-Tiegelschmelz-
öfen sehr vergröſsert worden. Hier war auch Swindells Gas-Cementier-
ofen eingeführt worden. Zu Worcester standen in der Stahldrahtfabrik
der Washburn \& Moen Manufacturing Company zwei Walzwerke in
Betrieb, von denen sich das eine von Johnson erbaute durch groſse
Leistungsfähigkeit auszeichnete. Das Kaltwalzwerk der American
Works von Jones und Laughlins zu Pittsburgh erzeugte 1876 be-
reits 120000 Centner blanke Wellen. — Carnegie, Phipps \& Co.
bauten den Lucy-Hochofen.


Die Weltausstellung zu Philadelphia gab vielfach zur persönlichen
Annäherung europäischer und amerikanischer Eisenhüttenleute und
technischer Verbände Veranlassung, deren nützliche Folgen in den
folgenden Jahren sich bemerkbar machten. Auch war gelegentlich
der Ausstellung eine internationale Konferenz zur Festsetzung einheit-
licher Benennung der Eisen- und Stahlsorten abgehalten worden
(siehe S. 320).


1877 begann die Roheisenerzeugung sich wieder etwas zu heben.
Ein phosphorarmes Siliciumeisen mit 8 bis 10 Prozent Silicium
stellte der Gore-Hochofen in Hocking County, Ohio, her. Die
Danksöfen der Millvale-Hütte bei Pittsburgh wurden von deren
Direktor John A. Williams durch Wasserkühlungen verbessert.
Chromstahl stellte die Chromstahl-Aktiengesellschaft zu Brooklyn dar.
Die gröſste Produktion an Bessemerstahl und Stahlschienen erzielte
die Pennsylvanian Steel Company, die in einem Tage in zwei 5-Tonnen-
Konvertern 359 Tonnen Stahl erzeugte und 354 Tonnen Schienen walzte.
Im Monat November betrug die Produktion 7196 Tonnen Stahl und
6915 Tonnen Schienen. 1877 erfand McCallip in Columbus seine
mechanische Umführung für Drahtwalzwerke. Das Technikum zu
Hoboken eröffnete in diesem Jahre eine Versuchsanstalt.


1878 wurde immer noch ein Drittel der Hochöfen mit Holz-
kohlen betrieben, die etwa ein Sechstel der Roheisenproduktion lieferten.
Birkinbine erzielte groſse Ersparnis durch Einführung der Ofen-
verkohlung an Stelle der Meilerverkohlung. Es gab ferner noch
122 Frischfeuer, die 130000 Tonnen Frischeisen lieferten. Siemens-
Regenerativöfen zählte man 168, nämlich 101 so eingerichtete Puddel-
und Schweiſsöfen, 27 Martin- und 40 Guſsstahlöfen. Seit 1877 hatte
das Verfahren der direkten Eisendarstellungen von du Puy in
Amerika Eingang gefunden. Auf der Readinghütte (Pa.) wurde durch
[1288]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Ersatz der Holzkohlen durch Anthrazitpulver, auf dem Crescent-Stahl-
werke bei Pittsburgh durch Verwendung von Schwefelkiesrückständen
(blue billy) Fortschritte gemacht. Dieses Verfahren wurde auf dem
Sligo-Eisenwerke bei Pittsburgh verbessert. Das Produkt war nur als
Rohmaterial für den Martinprozeſs verwendbar. Der Martinprozeſs
machte keine besonderen Fortschritte, weil man die Schienenenden
beim Bessemern in die Birne warf, sowohl um sie zu verwerten, als
um zu heiſsem Gange entgegenzuarbeiten.


1879 war in Hocking Valley, Ohio, eine Eisenindustrie erblüht
auf Grund günstiger natürlicher Verhältnisse, indem sich Kohlen,
Erze und Kalkstein in nächster Nähe fanden. 13 Hochöfen, von denen
die meisten 1877 erbaut waren, lieferten damals das billigste Roh-
eisen der Vereinigten Staaten.


Die Edgar Thomson-Werke bei Pittsburgh zeichneten sich
unter der Leitung von Kapitän Wm. R. Jones durch hervorragende
Leistungen aus. Ein neuer Hochofen (B) wurde mit geschlossener
Brust und acht Windformen zugestellt. Er erhielt eine Höhe von
24,511 m und eine Weite von 6,096 m im Kohlensack, 4,767 m in der
Gicht und 2,743 m im Gestell. Dieser Ofen erzeugte am 17. Mai
1880 184 Tonnen Roheisen und erzielte eine Wochenproduktion von
1137 Tonnen. Das Bessemerstahlwerk lieferte 2853 Tonnen rohe
Blöcke, 2712 Tonnen vorgewalzte Blöcke und 2116 Tonnen Schienen
in einer Woche. Diese Leistungen erregten groſses Aufsehen, und
seitdem fing, namentlich bei dem Hochofenbetrieb, ein scharfer
Wettbewerb gröſserer Produktionen an. Diese wurden durch starkes
Blasen mit kräftigen Gebläsen erreicht. Auf Brennstoffökonomie
wurde dabei keine Rücksicht genommen, auch nicht darauf, daſs
durch das starke Blasen die Oefen in kurzer Zeit im Innern
ausbrannten und zerstört wurden. Diese Methode des rücksichtslosen
Darauflosblasens (American rapid driving) hielt in der folgenden Zeit
eine Reihe von Jahren an.


Der im Jahre 1879 in Europa eingeführte Thomasprozeſs kam in
Amerika zunächst nicht zur Anwendung, weil der Reichtum an reinen
Erzen, aus denen sich ein gutes Bessemerroheisen erblasen lieſs, dies
überflüssig erscheinen lieſs. Doch beschäftigte sich Alexander
Holley
seit 1880 bis kurz vor seinem Tode mit Projekten und Prin-
zipien zur Anlage von Thomaswerken. Dagegen kam die Fabrikation
von Herdfluſsstahl immer mehr in Aufnahme. Die Erzeugung des-
selben stieg von 1879 bis 1880 von 56290 Tonnen auf 112953 Tonnen.
Die Erzeugung des Roheisens erhöhte sich in derselben Zeit von
[1289]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
2785284 Tonnen auf 3895940 Tonnen. Massenerzeugung war der
Gesichtspunkt, der den Betrieb der Hochofen- und der Stahlhütten
leitete. Die Verwendung des Fluſsstahls wurde eine immer aus-
gedehntere.


1880 wurde die groſse Brücke über den Mississippi bei St. Louis
aus Fluſsstahl gebaut. In demselben Jahre kam der Bau hoher eiserner
Häuser in Aufnahme. In dem Cleveland-Walzwerk erzielte man im
Flammofen durch Zusatz von Eisensilicid vor dem Abstechen dichte
Güsse. — R. J. Anderson versuchte die direkte Eisengewinnung
von C. W. Siemens (das Präzipitationsverfahren) zu Tyrone und
gründete die Siemens-Anderson-Stahlgesellschaft, die ein Werk
bei Pittsburgh erbaute, das aber nicht reussierte.


Auf den von Carnegie Brothers erworbenen Edgar Thom-
son
-Eisenwerken bei Pittsburgh schmolz der neuerbaute Hochofen 160
groſse Tonnen den Tag. Der Satz für eine Tonne Roheisen bestand aus:


Eine Gicht hatte 4,18 Tonnen Erz; man schmolz 65 Gichten den
Tag. Der Wind wurde in drei Cowperapparaten auf 565° C. erhitzt.
Man blies mit 8 Formen von 5½ Zoll Weite, mit einem Winddruck
von 191 Linien Quecksilber, wodurch 1015 Kubikfuſs Wind in der
Sekunde in den Ofen strömten. Ganz auſserordentlich waren die Er-
folge des Bessemerstahlwerkes der Edgar Thomson-Werke, unter
Kapitän Jones’ vortrefflicher Leitung. Er erzielte im November 1889
eine Produktion von 15235 Tonnen mit zwei 8-Tonnen-Konvertern.
Diese Leistung wurde noch übertroffen von den Bethlehemwerken, die
unter der Leitung von John Fritz in demselben Monat 15729 Tonnen
in zwei 8-Tonnen-Konvertern erbliesen. Das neue Stahlwerk zu
South-Chicago arbeitete mit drei 10-Tonnen-Konvertern. Die heiſsen
Blöcke wurden in vier Siemensgasöfen ausgeheizt und in einem Trio-
walzwerke vorgewalzt. Sodann wurden sie statt in einem Trio- in
einem Duowalzwerk mit Reversierung in Schienen von 3 × 30 Fuſs
Länge ausgewalzt. In dem Otiswalzwerk (Ohio) wurden die gegossenen
Stahlblöcke ungehämmert direkt zu Blech ausgewalzt. A. W. Hains-
[1290]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
worth erfand eine Durchweichungsgrube mit Regenerativfeuerung.
Siemens-Andersons Stahlwerk walzte die Herdfluſsstahlblöcke
unter einem Universalwalzwerk, das mit besonderen Hülfsmaschinen
zur Umkehrung versehen war, aus. Ferromangan stellten die Dia-
mondhochöfen in Georgia, das an guten Manganerzen reich ist, dar.
Die Poughkeepsie-Eisen- und Stahlwerke (New York) machten Eisen
direkt aus den Erzen mit Petroleum. Du Puys Verfahren wurde
1881 auf den Phönix-Werken betrieben. Auch das Verfahren von
H. Clay Bull kam in Aufnahme.


Das American Institute of Mining Engineers hielt regelmäſsige
Jahresversammlungen ab. Das Jahr 1882 riſs eine Lücke in die Reihe
der Eisenhüttenleute durch den am 28. Januar erfolgten Tod des
nicht nur für die Stahlindustrie der Vereinigten Staaten, sondern
der ganzen Welt hochverdienten Alexander Lyman Holley. —
G. Duryce
führte 1882 seinen Petroleum-Puddelofen ein und Cad-
dick
zu Pembrock (Mass.) seinen Puddelofen mit verbesserter Luft-
zuführung und Wasserkühlung. In diesem Jahre baute William
Garrett
zu Cleveland sein berühmtes Draht-Schnellwalzwerk. Reese
in Pittsburgh nahm ein Patent auf den Duplexprozeſs, eine Kombi-
nation von Konverter- und Herdprozeſs (die indes schon früher in
Neuberg ausgeführt worden war). Er goſs das flüssige Roheisen direkt
aus dem Hochofen in den Konverter, entsilicierte und entkohlte es
hier und entleerte das Produkt — dead soft steel — in den Martinofen,
wo es vom Sauerstoff befreit, rückgekohlt und fertig gemacht wurde.


Ein groſser Streik der amerikanischen Eisenarbeiter, der mehrere
Monate anhielt, miſslang.


Das neue Bessemerwerk der South-Chicago-Stahlwerke, das mit
allen Verbesserungen ausgerüstet war, kam 1882 in Betrieb. Es be-
zeichnet einen weiteren Fortschritt in der Fluſsstahlindustrie. Vier
Hochöfen von je 22,6 m Höhe und 6,7 m Weite des Kohlensacks er-
zeugten 6000 Tonnen Roheisen in der Woche. Dieses wurde direkt
in 10 bis 12 Tonnen fassende Pfannen abgestochen und aus diesen zu
die 10-Tonnen-Konverter, von denen drei vorhanden, aber zwei nur
in beständigem Betriebe waren, abgestochen. Das fertige Metall wurde
in einer Lokomotivpfanne in das Gieſshaus gefahren und hier zu
Blöcken von 1 Tonne vergossen, die in vier Wärmeöfen, welche mit Re-
generativ-Gasfeuerungen versehen waren, eingesetzt und dann in einem
Blocktrio mit hydraulisch bewegten automatischen Tischen in
11 Durchgängen ausgewalzt wurden. Das Walzgut gelangte dann
mittels Rollbahn zu dem Schienenwalzwerk, das von einer Doppelt-
[1291]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Compound-Reversiermaschine von 6000 P. S. getrieben wurde. In
sieben Durchgängen wurden die Blöcke in Schienen von 90 Fuſs Länge
ausgewalzt. Diese wurden dann sofort heiſs unter der Schere in
drei Schienen der üblichen Länge von 30 Fuſs zerschnitten, die warm
gerichtet wurden. Man sparte also hierbei das Umschmelzen des
Roheisens und das Teilen und Wiedererhitzen der Blöcke, ferner gab
es weniger Abfallenden. Die Zeit vom Beginn des Vorwalzens bis zur
fertigen Schiene betrug nur 12 Minuten.


Auf dem Cambria-Eisenwerk hatte man rotierende Pernotöfen
eingeführt, die sich nach einem Bericht von Troilus gut be-
währten.


Zu den hervorragenden Leistungen der amerikanischen Eisen-
hütten trug die Geschicklichkeit und der Fleiſs der Arbeiter wesent-
lich bei. Trotz der sehr viel höheren Löhne waren die Arbeitskosten,
auf das Gewicht des Produktes berechnet, wesentlich niedriger als in
irgend einem anderen Lande. Nach Trasenster kamen 1880 auf
einen Arbeiter 82 Tonnen Bessemerstahlerzeugung, in Belgien höchstens
42 Tonnen. Man ersetzte ziemlich allgemein die 5-Tonnen-Konverter
durch gröſsere, meist 10-Tonnen-Konverter.


1883 befanden sich folgende Bessemerwerke in Betrieb:


[1292]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Im Bau befanden sich 1883 folgende Werke:


Den basischen oder Thomasprozeſs hatte bis dahin nur die
Pennsylvania Steel Co. versuchsweise ausgeführt. Abgesehen davon,
daſs das Bedürfnis für den Thomasprozeſs kein so dringendes war,
wurde seine Einführung dadurch aufgehalten, daſs J. Reese in Pitts-
burgh ein Patent erworben hatte, das dem Patent Thomas im Wege
stand. Reese, der sehr viele Patente nahm, erhielt auch ein solches
für fahrbare Konverter und fahrbare Durchweichungsgruben.


Die Pittsburgh Bessemer Steel Co. verkaufte 1883 ihr berühmtes
Stahlwerk an die benachbarte Konkurrenzfirma Carnegie Brothers
\& Co
.


Man war immer noch bestrebt, die alten Betriebe zu erhalten
und zu verbessern. 1883 gab es in den Unionstaaten noch 68 Luppen-
oder Catalanschmieden, in denen Schmiedeeisen unmittelbar aus Erzen
erzeugt wurde; hiervon entfielen auf Vermont 2, New York 27, New
Jersey 2, Pennsylvania 1, Virginia 2, Nord-Carolina 12, Tennessee 21
und Missouri 1. In Tennessee waren sie meist Nebenbetriebe der
Landwirtschaft. Das gröſste Werk war die Sable Iron Works in Essex
County (New York) mit 22 Herden und 8000 Tonnen Jahreserzeugung.
Die ganze Produktion hatte 1882 48254 Tonnen betragen. Die
Luppen (Blooms) dienten meist als Material für besten Werk-
zeug-Tiegelstahl und für Martinstahl, ein Teil wurde zu Manu-
fakturwaren verarbeitet. Ebenso wurde das Eisen der Frischherde
des Champlaindistriktes zu Blechen, Draht, Fluſs- und Tiegelstahl
verwendet.


Die Produktion der Holzkohlenhochöfen suchte man durch Er-
höhung der Öfen, heiſseren Wind und stärkere Pressung zu steigern,
wodurch man zugleich Ersparnis an Kohlen und Arbeitslohn erzielte.
Man baute die neuen Holzkohlenhochöfen 52 bis 56 Fuſs hoch. Für
die neuen Hochöfen D und E der Edgar-Thomson-Werke wurden
[1293]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
die von Jul. Kennedy verbesserten Cowperapparate erbaut 1). Für
die Herstellung von Spiegeleisen aus Franklinit errichtete die New-
Jersey-Zinkgesellschaft zwei neue Hochöfen mit Cowperapparaten.


1883 wurde von den pennsylvanischen Stahlwerken das Thomas-
verfahren zu Harrisberg endgültig eingeführt, während die Edgar-
Thomsonwerke und die Steeltonwerke nur Versuche damit anstellten.
Bei dem Konverterprozeſs versuchte man die Rückkohlung durch
Einblasen von Naturgas.


Die amerikanischen Eisenindustriellen legten Wert auf eine gute
Statistik. Diese wurde besonders bearbeitet und in jährlichen Ver-
öffentlichungen mitgeteilt von Richard P. Rothwell in dessen Jahr-
buch der Mineralstatistik von Amerika und von J. Swank. Dieser
hatte 1876 ein Werk „The American Iron Trade“ veröffentlicht und
gab seitdem regelmäſsig seine vortrefflichen Statistics of the American
and Foreign Iron Trades heraus. 1884/85 veröffentlichte J. Trasenster
zu Lüttich eine gute Übersicht über die Roheisendarstellung in den
Vereinigten Staaten. Danach betrug 1884 die Roheisenerzeugung
4160 Kilotonnen, davon waren 415 Kilotonnen Holzkohlenroheisen, das
besonders in Michigan, dann auch in Ohio, Missouri und an der West-
küste erblasen wurde. Die Hochöfen mit mineralischem Brennstoff
teilt Trasenster nach der Lage zu dem Alleghanygebirge in drei
Gruppen: in die Ostgruppe, welche vornehmlich mit pennsylvanischem
Anthrazit Erze aus dem Osten, besonders vom Champlainsee, ver-
schmilzt; die wichtigsten Werke liegen in den Thälern von Lehigh,
Shuylkill und Susquehanna (Pa.), am Champlainsee, am Hudson
(N. Y.) und in New Jersey. Die Westgruppe verhüttet Lake Superior-
und Missourierze mit Connelsville-Koks; Pittsburgh und Chicago sind
die Centren. Die Südgruppe umfaſst die Werke, welche mit Koks des
Apalachebassins (Arkansas, Tennessee) schmelzen. Die neuesten und
gröſsten Öfen waren die zwei Lucy-Hochöfen von 26,50 m Höhe, 8,10 m
Kohlensackweite und 500 cbm Inhalt, und vier Hochöfen der Edgar
Thomsonwerke von 24,40 m Höhe, 6,20 m Kohlensackweite und 445 cbm
Inhalt. Alle neuen Öfen arbeiteten mit Lürmanns Schlackenform
und geschlossener Brust. Die Lucyöfen hatten sieben bis acht Wind-
formen und automatische Beschickung. Die Cambriaöfen waren mit
Vorrichtungen zum Einblasen pulverförmiger Stoffe in das Gestell ver-
sehen. Alle neuen Öfen hatten steinerne Winderhitzer. Ende 1883
besaſsen 70 Öfen 215 Whitwellapparate und 13 Öfen 33 Cowper-
[1294]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
apparate. Die Gebläse waren, wie die Serainggebläse (System Cockerill),
stehend angeordnet nach Konstruktionen von Macintosh, Hamphill,
besonders aber von Weimer. Starke Weimer-Gebläsemaschinen
waren namentlich bei den Anthrazithochöfen, die hohen Winddruck
verlangten — bei Versetzungen bis 1 m Quecksilbersäule —, ein-
geführt. Die Gichtgase wurden meistens trocken gereinigt. Viele der
neuen Öfen, besonders der Westgruppe, waren von Witherow und
Gordon in Pittsburgh erbaut. Bei der Darstellung von Bessemer-
roheisen aus 60 prozentigen Erzen fielen nur 600 bis 800 kg Schlacken
auf 1000 kg Roheisen. Von den vorzüglichen Connelsville-Koks
verbrauchten die Chicago-Hochöfen nur 1 auf 1 Roheisen. Puddel-
roheisen wurde in Pittsburgh aus reichen, aber für Bessemerroheisen
zu phosphorhaltigen Lake-Superior-Erzen unter Zuschlag von Puddel-
und Schweiſsschlacken erzeugt. Der Edgar-Thomson-Ofen A und der
Commanghofen bliesen Spiegeleisen aus Cartagenaerzen und reichen
Manganerzen.


1884 erfand Captain Jones auf den Consett Works der Carnegie
Brothers \& Co. den Mischer. Robert W. Hunt führte verbesserte
Walzentische ein.


Im Gegensatz zu und gerade wegen der Vergröſserung der
Bessemerbirnen, infolgedessen die ganzen Schmelzanlagen und Walz-
werke immer gröſser und kostspieliger gestaltet werden muſsten, fand
die Kleinbessemerei nach dem Verfahren von Clapp-Griffith An-
klang und Verbreitung in den Vereinigten Staaten. J. P. Witherow
hatte 1884 das Patent für Amerika erworben, weshalb diese Öfen dort
häufig als Witherowöfen bezeichnet wurden. 1885 hatten Oliver
Brothers and Philipps
eine groſse Anlage hierfür erbaut. Sie
überwanden die anfänglichen Schwierigkeiten und lieferten ein gutes
Produkt. In diesem Jahre versah Robert W. Hunt in Troy die
Walzentische vor den Fertigwalzen mit angetriebenen Rollen 1).


1886 gingen sieben Firmen mit der Aufstellung von Clapp-Griffith-
Konvertern vor. 1885 erfand Seeman ein Universalträgerwalzwerk.


Um diese Zeit nahm die Verwendung von Naturgas in Pittsburgh
auch in der Eisenindustrie ihren Anfang. 1883 hatte man den schon
1878 erbohrten Gasstrom von Murraysville durch Röhren in die Stadt
geleitet. Ferner wurde 1884 ein starker Gasstrom im Stadtgebiet von
Pittsburgh selbst erbohrt. 1886 wurden in Pittsburgh schon täglich
6⅔ Mill. Kubikfuſs Naturgas verwendet, wodurch sich der Kohlen-
[1295]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
konsum um ein Drittel verringert hatte. Die Edgar-Thomson-Werke
wendeten das Gas zur Heizung von Dampfkesseln, Winderhitzern u. s. w.
an, und ersparten allein 147 Arbeiter für Kohlentransport.


Die Hochofenindustrie machte immer weitere Fortschritte. Auſser
dem leichteren Schachtbau durch die Anwendung von Blechmänteln
oder Eisenringumkleidung, der mechanischen Begichtung, des Ab-
stechens in groſse Lokomotivpfannen, die mehrere Abstiche fassen
konnten, erwähnen wir die Panzerung und Wasserkühlung, die besonders
auf den Edgar-Thomson-Werken ausgebildet wurden. Bronzekühl-
kasten führte Frohnheiser 1885 auf der Cambriahütte ein. Die
starke Wasserkühlung war nötig geworden, um bei dem starken
Treiben der Öfen diese zu erhalten.


Die gröſste Produktion mit einem Hochofen zu erreichen, war
damals der einzige Ehrgeiz der Hüttenleute mit Hintansetzung jeder
anderen Rücksicht. Das Drauflosblasen war zum Sport geworden und
den höchsten Record in der Tageserzeugung zu erreichen schien die
einzige Aufgabe der Hochofentechniker. Gegen diese Einseitigkeit und
Übertreibung erhob zuerst E. C. Potter in Chicago im Jahre 1885
seine warnende Stimme, indem er darauf hinwies, wie teuer erkauft
dieser scheinbare Triumph durch die Verschwendung von Brennstoff
und die rasche Zerstörung der Hochöfen infolge des starken Blasens
sei. In Hochöfen von 400 bis 420 cbm Inhalt jagte man 750 cbm Luft
von 700 bis 800° C. in der Minute. Dabei hatte man beim Verschmelzen
60 prozentiger Erze einen Koksverbrauch von 1075 bis 1350 kg auf
1000 kg Roheisen und die Öfen wurden so rasch zu Schanden geblasen,
daſs man nur auf einen Betrieb von zwei Jahren rechnete, der aber
sehr oft nicht erreicht wurde. Gordon in South Chicago wies 1886
darauf hin, daſs er in einem Ofen von 555 cbm Inhalt mit einem
Koksaufwand von Koks eine Tagesproduktion von 210 Tonnen
erzielte, wenn das Verhältnis von = 0,723 betrug, was günstiger
sei als das Ergebnis der groſsen englischen und amerikanischen Öfen.
Diese ernsten Vorstellungen machten Eindruck und es begann nun
eine Periode eines möglichst sparsamen Massenbetriebes. Gordons
Konstruktion wurde sofort von der Joliethütte, dem Cleveland-Walz-
werk und von der Jefferson-Eisenwerksgesellschaft eingeführt. Joliet
hatte bei 260 Tonnen Tageserzeugung nur Koksverbrauch. Von
weiteren Verbesserungen bei dem Hochofenbetrieb im Jahre 1886 ist
[1296]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
der von Kennedy und Scott erfundene doppelte Gichtgasverschluſs
zu nennen.


Die Fluſseisenerzeugung war 1886 eine sehr groſse, sie betrug
2488 Kilotonnen, wovon nur 8,8 Prozent Martinstahl war, während
die Produktion Groſsbritanniens 2264 Kilotonnen mit 30 Prozent
Martinstahl betrug.


Übrigens nahm die Martinstahlerzeugung damals rasch zu. Der
Erzprozeſs (ore process) wurde zu Midvale betrieben, während sich alle
übrigen Werke des eigentlichen Martinierens oder Schrottschmelzens
(scrap process) bedienten. Das Verhältnis zwischen Roheisen und
Schrott war ein sehr verschiedenes. Zu Cambria schmolz man 32 Tle.
Roheisen und 68 Tle. Schrott, zu Midvale 50 Roheisen, 37 Schrott und
13 Erz, zu Springfield 30 Roheisen und 70 Schrott, zu Otis 20 Roh-
eisen und 80 Blooms und Schrott, selbst bis zu 90 Prozent Schrott.
Im allgemeinen rechnete man drei Stunden für das Einschmelzen und
drei Stunden für die Reinigung des Bades. Zu Cambria brauchte man
im Pernotofen nur vier Stunden im ganzen bei 17000 kg Einsatz. Der
Brennstoffaufwand betrug gewöhnlich 50 bis 80 Prozent Steinkohle,
in den Otis Steel Works nur 35 bis 40 Prozent. Der basische Betrieb
war nicht in Anwendung, dagegen bediente man sich in vier Werken,
darunter Springfield und Cambria, der Kruppschen Entphosphorung,
des sogenannten Waschprozesses.


Die Kleinbessemerei gewann an Bedeutung. Zu Pottstown war
der basische Betrieb in Walrandöfen eingeführt, und 1886 erzeugte
man 100 bis 150 Tonnen den Tag.


Otis Steel Works hatten die berühmteste Blechfabrik. Sie arbeiteten
mit vier Siemens-Martinöfen zu 20 Tonnen Einsatz, von denen jeder
14 Operationen in der Woche machte. Zum Auswalzen benutzte man
ein neues Welmansches Blechwalzen-Trio, bei dem Unter- und Ober-
walze angetrieben waren. Die Zapfen wurden hydraulisch gehoben
und gesenkt.


Das Carnegie, Phipps \& Co. gehörige Homestead-Stahlwerk
wurde durch die Anlage eines groſsen Blechwalzwerkes mit vier
Martinöfen von 15 bis 40 Tonnen Einsatz erweitert. Alle Werkzeuge
wurden hydraulisch betrieben. Die Walzenzugmaschine hatte 1220 mm
Kolbendurchmesser und 1350 mm Hub.


Ein neues Triowalzwerk für Formeisen, von John Fritz in
Bethlehem erbaut, walzte Träger und Eisenbahnschienen von 120 Fuſs
Länge. Die Schienen wurden von einer von Robert Sayer und
[1297]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
John Fritz erfundenen Säge schief abgeschnitten, worin man einen
besonderen Vorteil suchte.


Im Jahre 1887 nahm die Kleinbessemerei noch zu. Bookwalter
in Springfield erwarb Roberts Patent. Clapp Griffiths Verfahren
blühte zu Belleville, doch machte man die Öfen bereits gröſser, so
daſs ein Vorteil gegenüber dem Groſsbetrieb kaum mehr bestand.


1887 erfand Elihu Thomson sein elektrisches Schweiſsverfahren,
zu dessen Ausbeutung die Thomson \& Howson Electric Welding
Company zu Lynn in Massachusetts gegründet wurde. Zur Beschickung
der Hochöfen konstruierte Fayette Brown einen automatischen Auf-
gebeapparat, den Max M. Suppes später, zugleich mit der von
Thomas in Catamauqua (Pa.) 1887 erfundenen schiefen Ebene in
Lorain (Ohio) einführte. In diesem Jahre erfand M. B. Moore seine
Stampfmaschine für Gieſsereizwecke. Die Zahl der Stahlflammöfen
war von 1886 bis 1887 von 89 auf 104, die Zahl der Guſsstahl-
schmelzwerke von 40 mit 3391 Tiegeln auf 41 mit 3398 Tiegeln
gestiegen. Die Zahl der Rennwerke war von 50 auf 38 gefallen.


1888 war die Produktion der gut eingerichteten Kokshochöfen auf
eine Wochenproduktion von 1500 bis 1880 Tonnen gestiegen, während
die neuen Hochöfen in Europa selten mehr als die Hälfte erzeugten 1),
dafür blies man aber auch in Amerika mit 46 bis 58 cm Quecksilber,
in Europa mit 17 bis 23 cm. In Alabama wurde eine neue groſse
Hochofenanlage für Koksbetrieb zu Easley bei Philadelphia nach
den Plänen von Gordon, Strobel und Lourreau ausgeführt. Sie
bestand aus vier Öfen von 24,5 m Höhe und 6,09 Kohlensackweite,
jeder Ofen war mit vier Gordon-Whitwell-Cowper-Winderhitzern aus-
gestattet und mit eigenartigen Gichtstaubreinigern versehen.


Durch die reichliche Wasserkühlung konnte man das Mauerwerk
der Hochöfen verhältnismäſsig schwach halten. Die Gestelle, die mit
wassergekühlten Panzern umkleidet wurden, machte man nur 450 mm
dick, ebenso die Rast, die man mit wassergekühlten Röhren umgab,
die das Mauerwerk auf 300 bis 350 mm erhielten. Als Beispiel für
den sparsameren Betrieb führt Hartmann einen Hochofen der Union
Steel Company in Chicago an, der nur einen Koksverbrauch von 780
auf 1000 Roheisen hatte, für welche allerdings nur 1600 Erz erforder-
lich waren. Das Ausbringen aus den Erzen betrug 62,3 Proz., aus dem
Möller 52,7 Proz., die durchschnittliche Tageserzeugung 113 Tonnen. Auf
1 Tonne Roheisen rechnete man 1,67 cbm Ofeninhalt und 3500 cbm Wind.


Beck, Geschichte des Eisens. 82
[1298]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Einen groſsen Aufschwung hatte die Drahtindustrie erfahren;
in den letzten Jahren vor 1888 waren viele neue Drahtwalzwerke
erbaut worden, so z. B. von der Cleveland Rolling Company (Ohio)
drei mit 40000 Tonnen Leistungsfähigkeit, von Washburn \& Moen
Manufacturing Co. in Worcester (Mass.) vier mit 50000 Tonnen, im
ganzen 16 mit 246000 Tonnen Leistungsfähigkeit. Trotzdem wurden
noch 147000 Tonnen Draht eingeführt. Der Stahlblock wurde zu
vierzölligen Knüppeln gewalzt, auf Längen zu 135 Pfund Gewicht zer-
schnitten, die dann direkt zu Walzdraht Nr. 5 ausgewalzt wurden.
Die durchschnittliche Leistung eines Walzwerkes betrug 50 Tonnen
in der Schicht.


Mac Carty erfand einen Puddelofen mit Wassergasbetrieb. Die
direkte Eisengewinnung von Eames wurde in Pittsburgh, die von
Adami auf den Indianopoliswerken bei Pittsburgh ausgeführt.


Am 21. Februar 1888 verstarb der durch seine Verbesserungen
der Dampfmaschine weltbekannte G. H. Corliss zu Providence, und
am 30. September 1889 verschied der um die Eisenindustrie hoch-
verdiente Leiter der Edgar-Thomson-Stahlwerke, W. R. Jones1), bei
einer Hochofenexplosion als Opfer seines Berufes. Seine Erfindungen
und Verbesserungen bei dem Bessemerstahlprozeſs waren zahlreich;
am bekanntesten wurde er durch die nicht lange vor seinem Tode
gemachte Erfindung des „Mischers“, den er noch 1889 auf den
Edgar-Thomson-Werken eingeführt hatte.


Verschiedene andere wichtige Verbesserungen und Erfindungen
amerikanischer Eisenhüttenleute fallen in dieses Jahr, so Massicks
und Crookes verbesserte Winderhitzer (Amer. Pat. Nr. 398840),
Hughes und Gowthorbs mechanischer Masselausheber, Samuel
T. Wellmans
Beschickungsvorrichtung für Flammöfen mit schweren
Blöcken (Amer. Pat. Nr. 394419, 394421), ferner Henry Roberts
Drahthaspel (D. R. P. Nr. 47630). In diesem Jahre wurden 104 Eisen-
walzwerke mit Naturgas betrieben. Sweeney baute Puddelöfen mit
Wärmspeicher für Naturgas. 21 Eisenwerke bedienten sich des
Petroleums als Brennstoffes.


Besonders bemerkenswert war das Jahr 1889 auch dadurch,
daſs die Beziehungen zwischen amerikanischen und europäischen
Eisenhüttenleuten gefördert wurden. Die Pariser Ausstellung und
eine Einladung der englischen Kollegen gaben hierzu die Ver-
anlassung. Zahlreiche amerikanische Ingenieure, vielfach in officieller
[1299]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Stellung, kamen nach Europa und benutzten die Gelegenheit, die
wichtigsten Industriegebiete zu besuchen und mit den Ingenieuren des
Landes in nähere Verbindung zu treten. Zu diesem Zwecke hatten die
gröſsten technisch-metallurgischen Vereine ihre Jahresversammlung
nach Paris verlegt, und dies gab Veranlassung zu belehrenden Vor-
trägen wie zu gegenseitiger Aussprache.


1890 wurden die Vereinigten Staaten das erste der Roheisen
erzeugenden Länder der Welt.


Einen gewaltigen Aufschwung nahm die Eisenindustrie der Süd-
staaten, besonders Alabamas. Hier war 1878 der erste Kokshochofen
erbaut worden und 1890 erzeugte der Staat bereits 780000 Tonnen
Roheisen. Im Mittelpunkt der Hochofenindustrie lag die rasch auf-
blühende Stadt Birmingham 1).


Über die Entwickelung des amerikanischen Hochofenbetriebes im
allgemeinen und insbesondere im Hinblick auf die Erzeugung groſser
Mengen hielt James Gaylay 1890 einen Vortrag in New York 2)
gelegentlich des Besuches europäischer, besonders auch deutscher
Eisenhüttenleute in Amerika —, der groſses Aufsehen erregte. Die
Mitteilungen über die groſsartigen Fortschritte bei dem Hochofen-
betriebe und die Leistungen amerikanischer Hochöfen riefen Er-
staunen hervor. Danach erreichte z. B. der 1889 angeblasene Lucyofen
bei 515 cbm Inhalt, 708 cbm Windzufuhr in der Minute und Koks-
verbrauch eine Tageserzeugung von 315 Tonnen.


Die Bessemerstahlerzeugung stieg von 1889 bis 1890 von 2281829
N.-Tonnen auf 4123535 N.-Tonnen, hiervon waren die Clapp-Griffith-
öfen mit 82850 und mit 76990 Tonnen beteiligt. Die Leistungs-
fähigkeit der Konverter hatte sich derart gesteigert, daſs eine 10-Tonnen-
Birne in 24 Stunden 1200 Tonnen Stahl lieferte. Die Blasezeit einer
Charge betrug nur 10 bis 12 Minuten, der Abbrand 8 Prozent.


In der Zeitschrift „Stahl und Eisen“ (1896) erschien eine Reihe
interessanter Berichte deutscher Ingenieure über diese Amerikafahrt,
die zum besseren Verständnis der amerikanischen Eisenindustrie
wesentlich beigetragen haben.


Ein Vorzug der amerikanischen Hochofenanlagen im Vergleich
mit den englischen lag darin, daſs jeder Ofen seine eigene Gebläse-
maschine und Winderhitzer hatte. Die hohe Pressung des Windes
war nicht nur durch die groſsen Dimensionen der Öfen und das
82*
[1300]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Streben nach groſser Produktion, sondern auch durch die Natur der
Erze, die sich sehr dicht zusammenlegten, bedingt. Die Wassermengen,
welche zur Kühlung der Öfen gebraucht wurden, setzten die euro-
päischen Ingenieure in Erstaunen. Die gröſsten Werke waren die
Edgar-Thomson Steel Works and Blast Furnaces der Firma Carnegie
Brothers \& Co
. bei Pittsburgh mit neun groſsen Hochöfen, welche ihr
Roheisen einem Mischer für 100 Tonnen zuführten, aus dem es in die
Bessemerbirnen gelangte. Der erblasene Bessemerstahl wurde 1890
ausschlieſslich zu Eisenbahnschienen verarbeitet. Ebenso bedeutend
waren die South Chicago Works der Illinois Steel Company, die aus
einer Vereinigung von Unternehmungen in den Staaten Illinois und
Wisconsin entstanden ist und 1890 19 Hochöfen besaſs, wovon 14
in Betrieb standen.


Die durchschnittliche Tagesleistung der 169 im Jahre 1889 be-
triebenen Kokshochöfen hatte 101 Tonnen pro Tag betragen. Die
Elizawerke bei Pittsburgh, die im Juni 1889 in Betrieb gekommen
waren, erreichten 1890 in einem Ofen von 24,38 m Höhe und 7,01 m
Kohlensackweite eine höchste Tagesproduktion von 362,2 Tonnen. Die
direkte Eisendarstellung nach dem Verfahren von Eames wurde von
der Carbon Iron Co. in Pittsburgh im groſsen betrieben 1).


Auch bei der Eisengieſserei wurde die Handarbeit möglichst durch
Maschinenarbeit ersetzt. Musterhaft war hierin die neu erbaute
Gieſserei der Westinghouse-Luftbremsengesellschaft zu Willmerding;
besonders durch die Bewegung der Kasten auf beweglichen Transport-
tischen zu den Stampfmaschinen und Formpressen in den Gieſsraum
und von da in den Ausleerungsraum [siehe S. 547 2)].


Der Thomasprozeſs faſste im Jahre 1890 in den Südstaaten, wo
die Verhältnisse dafür günstig waren, Boden. Am 17. September 1890
wurde in Chattanooga (Tennessee) das erste Fluſseisen nach dem
basischen Verfahren aus Roheisen, das aus einheimischen Erzen er-
zeugt war, erblasen. Die Martinstahlfabrikation hatte ebenfalls eine
groſse Zunahme erfahren, 1890 erzeugten 53 Werke 50000 Tonnen
Flammofenfluſsstahl, der zu Blechen, Radreifen, Schmiedestücken,
Draht und zu Façonguſs verwendet wurde.


Das Fluſseisen erlangte immer allgemeinere Anwendung, seit 1888
benutzte man es für den Dampfkesselbau. Die Panzerplattenfabrikation
begann ein wichtiger Industriezweig zu werden, nachdem die Beth-
lehemstahlwerke nach den berühmten Schieſsversuchen zu Annapolis
[1301]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
am 18. September 1890, wobei sich die Überlegenheit der Nickelstahl-
platten klar erwiesen hatte, diese Fabrikation in groſsem Umfange
aufgenommen hatte. Eine groſse Rolle spielte noch die Herstellung
geschnittener Nägel. Hierfür arbeiteten 1889 75 Walzwerke und es
gab über 600 Nägelmaschinen.


14 Robert-Bessemer-Konverter arbeiteten 1890 auf Stahlguſs.


Unablässig waren die Maschineningenieure bemüht, neue Hülfs-
mittel für den Ersatz der Handarbeit und die Erleichterung des
Betriebes zu erfinden und dieselben zu verbessern.


Zu erwähnen sind von den zahlreichen Verbesserungen der elektro-
magnetische Masselausheber von Samuel T. Wellman, Kennedy-
Latropes
hydraulischer Blockgreifer, die Chargiervorrichtung von
Arthur Harrison1), die verbesserten Rollbahnen von Hanley,
Aiken, Morgan
, die kontinuierlichen Drahtwalzwerke von H. Roberts
in Pittsburgh und von W. Swinbank in Joliet (Illinois). Manche
Gesellschaften bauten ihre alten Anlagen, um sie mit den neuen Ver-
besserungen zu versehen, um, so z. B. die Illinois-Stahlgesellschaft ihr
Schienenwalzwerk South Chicago [Illinois] 2).


Wichtig war auch die ausgedehnte Verwendung hydraulischer
Transmissionen und die mannigfaltige Benutzung von Schmirgelscheiben
zum Schleifen und Fertigmachen von Eisenguſs und Eisenteilen.


Einen weiteren Vorteil zog die amerikanische Eisenindustrie aus
dem verständigen Zusammenwirken der Eisenbahnverwaltungen und
der Eisenindustriellen. Dies hatte namentlich billige Tarifsätze und
vorzügliche Be- und Entladevorrichtungen zur Folge. — Zur Erhöhung
der Leistungsfähigkeit fand eine Zusammenlegung von Eisenwerken
statt, wie z. B. der North Chicago Rolling Mill Co., der Union Steel Co.,
der Joliet Steel Co. und zahlreicher Werke der Südstaaten.


Am 6. Oktober 1890 trat die MacKinley-Tarifbill in Kraft und
damit ein erhöhter Schutzzoll für die einheimische Eisenindustrie.


Infolge der Erhöhung des Schutzzolls auf Weiſsblech von 1 Cent
auf 2,2 Cent pro Pfund begann sich eine einheimische Weiſsblech-
industrie zu entwickeln. Bis dahin war fast alles Weiſsblech aus
England gekommen, dessen gröſster Abnehmer die Vereinigten Staaten
waren. 1889 waren vier Fünftel der britischen Weiſsblecherzeugung
dorthin gegangen, 1890 nur drei Viertel.


1891 war ein kritisches Jahr, in welchem die Eisenindustrie einen
[1302]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
starken Rückgang erlebte. Dieser machte sich besonders in Alabama
fühlbar. Die Zahl der betriebsfähigen Hochöfen der Union ging (nach
Swank) von 575 im Jahre 1889 auf 569 Ende 1892 herab 1), dagegen
nahm ihre Leistungsfähigkeit zu. Seit 1889 waren sechs neue Bessemer-
und 17 Martinwerke entstanden. Die Zahl der Drahtstiftfabriken
war von 37 auf 49 gestiegen, während die Zahl der Fabriken für
geschnittene Nägel von 75 auf 65 und die Zahl der Nagelmaschinen
von 6066 auf 5546 gesunken war. Ferner sind in dieser Zeit
20 Weiſsblechfabriken entstanden. In Bezug auf die Gröſse der
Leistung fand 1891 ein Wettkampf zwischen den Edgar-Thomson-
Stahlwerken zu Braddock, Pa., und der Illinois-Stahlgesellschaft zu
South Chicago statt. In den Bethlehem-Stahlwerken stellte John
Fritz
einen 125-Tonnen-Hammer auf und begann den Bau einer
Schmiedepresse für 12000 Tonnen Druck. Eine wichtige Erfindung
war H. A. Harveys Kohlungsverfahren für Panzerplatten [Amer. Pat.
Nr. 460262] 2). Zu Sparrows Point walzte man 1891 Schienen direkt
aus dem Block zu sechsfacher Länge aus. Hier ging man 1892
zuerst zum Vergieſsen in fahrbare Coquillen, dem sogenannten „Wagen-
guſs“, über.


1892 war Pottstown das einzige Thomaswerk in Amerika.


Die Wellman Iron and Steel Co. baute das breiteste Trio-Blech-
walzwerk. Die Walzen hatten 3350 mm Ballenlänge, Ober- und Unter-
walze 876 mm, die Mittelwalze 508 mm Durchmesser.


Von den Erfindungen des Jahres 1892 erwähnen wir noch die von
E. W. Bliſs in Brooklyn durch Pressen aus starkem Stahlblech dar-
gestellten Artilleriegeschosse 3).


1893 war das Jahr der Columbischen Weltausstellung in
Chicago
, das 400jährige Erinnerungsfest an die Entdeckung Amerikas
durch Columbus. Diese Weltausstellung übertraf an Umfang alle
früheren. Die Vorführung der amerikanischen Eisenindustrie war zwar
keineswegs vollständig, aber doch sehr bedeutend, ebenso war die Aus-
stellung der europäischen Staaten zum Teil glänzend. Deutschland
trat besonders hervor, namentlich durch die unvergleichliche Aus-
stellung von Friedrich Krupp in Essen, sowie durch die schönen
Ausstellungen der Gebrüder Stumm, Neunkirchen, und Rud.
Böcking \& Co
., Hallbergerhütte. Viele Eisenhüttenleute Europas
besuchten die Ausstellung in Chicago und von da aus ein oder das
[1303]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
andere gröſsere Eisenwerk. Hierdurch wurden die Bande zwischen den
Fachgenossen Amerikas und Europas noch enger geknüpft und die
Kenntnis der Verhältnisse der nordamerikanischen Eisenindustrie und
ihrer Leistungen befördert. Dazu trugen auch die vortrefflichen
Berichte bei, welche über die Ausstellung veröffentlicht wurden, von
denen wir den von Professor Wedding im 13. Jahrgang von Stahl
und Eisen, sowie den umfassenden officiellen Bericht von Josef Gängl
von Ehrenwerth
(Wien 1895) besonders hervorheben.


Wedding wies auf die Bedeutung der Lake-Superior-Lagerstätten
im allgemeinen und die des erst eröffneten Mesabibezirkes im be-
sonderen hin 1). Die Fortschritte und Neuanlagen der amerikanischen
Eisenindustrie, die zur Vorführung gelangten, haben wir zum gröſsten
Teil bereits erwähnt. Bei dem Hochofenbetrieb hatte sich für die Ge-
bläsemaschinen ein Normaltypus für aufrecht stehende Einzelmaschinen
ausgebildet, für den besonders F. W. Gordon eintrat 2). Dagegen
empfahl J. Kennedy aus Pittsburgh für den Bessemerbetrieb liegende
Gebläsemaschinen mit gesteuerten Rundschiebern und Verbunddampf-
maschinen 3).


Carnegie stellte 1893 Ferromangan im Hochofen so billig dar,
daſs er in der Lage war, es ins Ausland zu verkaufen. In diesem Jahre
kamen die ersten Koksöfen mit Gewinnung der Nebenprodukte in
Betrieb. Es waren 12 Semet-Solvay-Öfen zu Syracuse, deren Bau schon
1891 begonnen worden war. Trotz des Niederganges der Eisenindustrie
im allgemeinen entstanden doch mit jedem Jahre neue und bedeutende
Bessemerwerke. 1889 die Duquesne Steel works, 1890 die Stahl-
werke von Jones \& Laughlin, 1891 die Werke der Maryland
Stahlgesellschaft, 1892 das Werk Shenango Valley Steel Co., 1893 das
groſse Bessemerstahlwerk der National Tube Mats Co. zu Mc Kees-
port [Pa.] 4). Letzteres erforderte für seine Dampf-, hydraulischen
und elektrischen Maschinen 2500 P.S. Das Einsetzen und Ausheben
der Stahlblöcke in den Durchweichungszwecken geschah durch elek-
trische Laufkräne.


Bei den Siemens-Martinverfahren hatte der basische Betrieb zu-
genommen. Von dem erzeugten weichen Fluſsstahl wurden 75 Prozent
für Blech und 25 Prozent für Stahlguſs verwendet. Bei der Draht-
[1304]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
fabrikation war das fast ganz automatische, kontinuierliche Walz-
verfahren von Ichabod Washburn zur Einführung gelangt. Man
benutzte bereits mehrfach elektrischen Antrieb für die Rollengänge
und Walzentische.


Die Weiſsblechindustrie der Vereinigten Staaten entwickelte sich
trotz des hohen Schutzzolls anfangs nur langsam. England gab sich
die gröſste Mühe, durch billige Preise den wichtigsten und gröſsten
Markt für seine Weiſsbleche zu behaupten, und die Zollpolitik der
Staatenregierung war wegen des groſsen Bedarfes eine schwankende.
Die McKinley-Bill hatte den hohen Schutzzoll auf Weiſsblech von
2,2 Cent für das Pfund an die Bedingung geknüpft, daſs der Zoll nur
aufrecht erhalten werden solle, wenn innerhalb fünf Jahre nach Ein-
führung des Tarifs in einem Jahre die einheimische Erzeugung ein
Drittel des Bedarfes erreichte. Da die Aussichten hierfür in den ersten
Jahren ungünstig waren, so setzten es die Verbraucher durch, daſs
ein neues Gesetz erlassen wurde, wonach vom 1. Oktober 1892 ab
der Zoll auf Weiſsbleche wieder von 2,2 Cent auf 1 Cent ermäſsigt
und vom 1. Oktober 1894 ab ganz fortfallen sollte. Die Folge war,
daſs die Morewood Tin Plate Works in New Jersey ihren Betrieb
einstellten. In dem Jahre 1892/93 hatte die eigene Erzeugung der
Union 49960 Tonnen, die Einfuhr aus England 241543 Tonnen
betragen.


Die Jahre 1893 und 1894 waren im allgemeinen für die ameri-
kanische Eisenindustrie ungünstig. Die Roheisenerzeugung ging von
9303512 Tonnen im Jahre 1892 auf 7238494 Tonnen im Jahre 1893
und auf 6763906 Tonnen im Jahre 1894 zurück. Trotzdem machte die
Weiſsblecherzeugung Fortschritte, sie betrug 189220427 Tonnen, 1893
56050 Tonnen, 1894 75453 Tonnen und stieg 1895 auf 102062 Tonnen.
Wie auſserordentlich sich die Leistungsfähigkeit der Walzwerke durch
die Einführung der maschinellen Bedienung gesteigert hatte, dafür bot
das neue Schienenwalzwerk der Edgar-Thomson-Stahlwerke ein Beispiel
dar. Es walzte im Oktober 1894 36200 Tonnen Schienen, die beste
Tagesleistung betrug 1945 Tonnen Schienen.


Ganz auſserordentlich war die Zunahme der Drahterzeugung, die
von 1888 bis 1894 von 284200 auf 684100 Tonnen gestiegen war. Dem
entsprechend hatte die Einfuhr abgenommen, so z. B. aus Deutschland
von 80000 auf 8566 Tonnen. Dagegen führte die Union Draht aus,
1894 bereits 20000 Tonnen. Die Verwendung des Fluſseisens zum
Bau eiserner Häuser nahm sehr zu; in den groſsen Städten, besonders
in New York und Chicago, wurden eiserne Riesenhäuser, die bekannten
[1305]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
„Himmelskratzer“ (sky scrapers), errichtet. Ein bedeutendes Bauwerk
war der von John Mac Arthur konstruierte eiserne Turm des
Stadthauses in Philadelphia.


1895 begann wieder eine bessere Zeit für die amerikanische
Eisenindustrie. Die Roheisenerzeugung stieg auf 9597449 Tonnen;
die Bessemerstahlproduktion betrug 1894 3628404 Tonnen, 1895
4987674 Tonnen; eine groſse Steigerung erfuhr auch die Herdfluſs-
stahlerzeugung von 797495 Tonnen auf 1155377 Tonnen. Für letztere
war die Inbetriebsetzung der neuen Martinofenanlage und des Blech-
walzwerks der Illinois Steel Company 1) von Bedeutung. Die Anlage
war nach den Plänen von S. F. Wellman erbaut und umfaſste vier
Flammöfen zu 20 Tonnen und zwei zu 30 Tonnen Einsatz. Diese Öfen
waren als Kippöfen konstruiert und konnten unmittelbar in eine
Pfanne entleert werden. Die Joliet-Stahlgesellschaft versah 1894 ihre
neuen Siemens-Regenerativ-Wärmeöfen mit Wellmanscher elektrisch-
hydraulischer Beschickungsvorrichtung 2). Ein neues Bessemerwerk war
das Johnson-Stahlwerk in Lorain am Eriesee, das am 1. April 1895
in Betrieb kam. Es hatte zwei 12-Tonnen-Konverter, die von vier
Kupolöfen von 7,6 m Höhe und 2,5 m Weite bedient wurden. Unter
jedem Konverter befand sich ein feststehender hydraulischer Stempel
zum Auswechseln der Böden. Das Gieſsen der Blöcke erfolgte auf
Wagen. Das Ausstoſsen der Blöcke aus den Formen geschah in einem
besonderen Gebäude durch zwei hydraulische Zwillings-Blockaus-
stoſser. Die heiſsen Blöcke kamen dann in Durchweichungsgruben.
Die Deckel der Gruben wurden mittels hydraulischer Cylinder bewegt.
Jede Grube hatte ihre eigene Gas- und Luftzufuhr. Die Gruben
wurden von zwei Morganschen Laufkränen von 15,8 m Spannweite,
die elektrisch angetrieben wurden, bedient. Die Blöcke wurden zu
Straſsenbahnrillenschienen ausgewalzt, wobei man sich eigenartige
Transportwagen 3) zum Bewegen des Walzgutes, von denen sich drei
auf jeder Seite der Walzenstraſsen befanden, bediente. Diese Ein-
richtung hat sich jedoch nicht bewährt.


Die neuen Hochöfen der Edgar-Thomson-Werke von 27 m Höhe,
7 m Kohlensackweite und 625 cbm Fassungsraum erzielten 1895 die
höchsten Produktionen, nämlich ein Ofen 3000 Tonnen Roheisen
in der Woche oder 428 Tonnen in 24 Stunden, also wieder ein
bedeutender Fortschritt gegen die Höchstleistungen von 1890.
[1306]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Dabei war der Hochofen Nr. I über fünf Jahre in Betrieb und hatte
über 650 Kilotonnen Roheisen mit einem Koksaufwande von
erzeugt.


Die Herstellung von Hartguſsrädern, die in Amerika auch für
Eisenbahnfahrzeuge verwendet wurden, bildete eine umfangreiche
Industrie, die viele Werke (Car Wheels Companies) ausschlieſslich
beschäftigte 1). Der Guſs wurde in eisernen Formen (Coquillen) aus-
geführt, und besonders hatten die von J. M. Barr in Milwaukee
erfundenen Formen mit Ringkanälen zur Abkühlung (A. P. 411369)
Verbreitung gefunden.


Die anfangs günstige Entwickelung der amerikanischen Eisen-
industrie führte rasch zu einer Überproduktion, so daſs bereits Ende
des Jahres 1895 wieder ein Rückgang eintrat. Aus Swanks Führer
durch die Eisen- und Stahlwerke der Vereinigten Staaten von 1896 ist zu
ersehen, daſs die Zahl der betriebsfähigen Hochöfen auf 469 gesunken,
ihre Leistungsfähigkeit aber auf 17651615 Tonnen gestiegen war.
1876 zählte man 713 Hochöfen, deren Leistungsfähigkeit 4934158
Tonnen betrug. Die Erzeugung eines Ofens hat sich also in 20 Jahren
von 6920 Tonnen auf 37636 Tonnen gesteigert. Von den 469 Hoch-
öfen waren noch 96 für Holzkohlenbetrieb bestimmt. 10 neue
Kokshochöfen waren im Bau begriffen, darunter vier in Duquesne
von der Carnegie Stahlgesellschaft von den gröſsten Dimensionen.
Die Zahl der Puddelöfen war von 1894 bis 1896 von 4715 auf 4408
zurückgegangen. Die Zahl der Bessemerwerke hatte um fünf, die Zahl
der Martinstahlwerke um acht zugenommen. Die Zahl der Martin-
öfen für Stahlguſs war in den zwei Jahren von 28 auf 35 gestiegen.
Thomasstahl wurde im Januar 1896 von keinem Werke gemacht. Die
Zahl der Weiſsblechfabriken betrug 69. Mit der direkten Darstellung
von schmiedbarem Eisen aus den Erzen beschäftigten sich nur noch
23 Anlagen.


Von den Holzkohlenhochöfen erzielte (nach einem Reisebericht
Odelstjernas) der der Ashland Eisen- und Stahlgesellschaft ge-
hörige Hinkle-Ofen von 18,3 m Höhe und 3,66 m Kohlensackweite
bei einer Windpressung von 285 mm Quecksilber bis zu 125 Tonnen Roh-
eisen in 24 Stunden, allerdings aus Erzen von 64 Prozent Eisengehalt.
Der Kohlenaufwand betrug . Der Verbrauch an Naturgas in der
Eisenindustrie war seit 1888 gesunken, entsprach aber 1893 immer
[1307]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
noch einer Steinkohlenersparung von über 14 Millionen Dollar 1). Die
Pennsylvanian Steel Works in Steelten heizten ihre zahlreichen Martin-
öfen, die alle als Kippöfen eingerichtet waren, mit Petroleum. Das
Kippen geschah mit Hydraulik. Die neuesten Öfen waren basisch zu-
gestellt für Chargen von 55 Tonnen. Die Homestead Steel Works zu
Munhall, der Firma Carnegie \& Co. gehörig, beschäftigten 25000 Ar-
beiter und hatten die gröſste Produktion der Welt: 1½ Million Tonnen
Roheisen und ebenso viel Handelseisen und Stahl, also mehr Roheisen
und mehr als doppelt so viel Fluſseisen wie Frankreich. Das Werk
hatte zwei groſse Martinanlagen, eine für sauren, die andere für
basischen Betrieb mit Öfen für 12 bis 35 Tonnen. Die Bedienung
derselben war fast ganz mechanisch unter ausgedehnter Anwendung
von Elektrizität. Die Rückkohlung des weichen Martinfluſseisens zu
jeder beliebigen Härte erfolgte mit in Papiersäcken abgewogenem
Holzkohlenpulver. Homestead verarbeitet viel Nickelstahl, besonders
zu Panzerplatten (mit 3,25 Prozent Nickel).


Die neuen Duquesne Steel Works bei Cochrane, ebenfalls Car-
negie \& Co
. gehörig, zeichneten sich durch ihren Schnellbetrieb aus.
Zwei 7-Tonnen-Konverter erzeugten 235000 Tonnen Bessemerstahl,
der in vier Walzenstraſsen zu Schienen und Billets verwalzt wurde.
Sowohl Schienen wie Billets wurden ohne besondere Erhitzung direkt
aus den teilweise mit Naturgas geheizten Durchweichungsgruben
ausgewalzt. Auf dem Stahlwerke von Johnson \& Co. in Johnstown
war das elektrische Zusammenschweiſsen von Weichenzungen in groſsem
Maſsstabe in Anwendung. 1896 kam auch die neue Bessemeranlage
Lorain Steel Works in zwei 12-Tonnen-Konvertern in Betrieb.


Der Eisenbahnbau nahm 1896 einen groſsen Umfang an, 10145
engl. Meilen neuer Linien standen im Bau und über 30000 Meilen in
Aussicht. Die folgenden Jahre brachten dann auch einen enormen
Aufschwung der Eisenindustrie. Die Roheisenproduktion stieg 1897
auf 9807123 Tonnen, 1898 auf 11962316 Tonnen und 1899
auf 13838634 Tonnen; das ist mehr, als die Eisenerzeugung aller
Länder der Erde im Jahre 1871 betragen hatte. Entsprechend dieser
Steigerung der Gesamtleistung trat eine Erhöhung der Leistungs-
fähigkeit der Eisen- und Stahlwerke ein. Die Förderung der Eisenstein-
gruben am Oberen See betrug 1896 9948 Kilotonnen, hiervon lieferte
der Mesabidistrikt, der erst 1893 aufgeschlossen worden war, am
meisten.


[1308]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Es förderten die Distrikte:



Die Ladevorrichtungen in dem Hafen von Duluth waren so vor-
züglich, daſs ein Erzschiff von 5000 Tonnen Gehalt in 55 Minuten
beladen werden konnte. Bei dem Hochofenbetrieb führt Lürmann-
Osnabrück als Verbesserungen die Kühlkasten von H. G. Baumann,
die Kühlpfeiler (Buckstane) von James Scott, Gaines Windform
und einen Sicherheitsgasfang von F. A. Foote an. Fortschritte der
Leistungsfähigkeit kamen bei der von Carnegie \& Co. neu erbauten
Hochofenanlage in Duquesne am glänzendsten zur Erscheinung.
Das Nähere über diese Anlage, die als ein epochemachender Fort-
schritt anzusehen ist, haben wir im allgemeinen Teil bereits an-
geführt. Jeder Hochofen war imstande, täglich 600 Tonnen Roh-
eisen zu liefern. Da die Erze von Lake Superior etwa 1760 km
weit herbeigeschafft und dabei zweimal umgeladen werden muſsten,
so war ein vorteilhafter Betrieb nur möglich durch die vorzüglichen
Transport- und Ladeeinrichtungen 2). Eine groſse Wichtigkeit hatte
die Hochofenindustrie der Südstaaten erlangt, die infolge günstiger
natürlicher Verhältnisse und des vorteilhaften Betriebes in der Lage
war, Gieſserei- und Thomasroheisen in Europa anzubieten. Im
Jahre 1896 sollen 100000 Tonnen Alabamaroheisen nach England
verkauft worden sein. In Hamburg wurde Puddelroheisen zu
44,40 Mark angeboten. Besonders günstig sind die Produktions-
bedingungen bei Birmingham in Alabama, wo Roheisenerz, Koks-
kohle und Zuschlagmaterial in einem Umkreis von nur fünf engl.
Meilen, an einigen anderen Orten von nur einer Meile zusammen
liegen 3). Die Erze werden gewaschen, in Gasschachtöfen geröstet und
dann durch magnetische Separatoren auf 58 Prozent Eisengehalt an-
gereichert. Die Roheisenerzeugung war 1896 auf 8761100 Tonnen
gestiegen, wovon 922175 Tonnen auf Alabama entfielen. Die Her-
[1309]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
stellungskosten betrugen, abgesehen von der Verzinsung des Anlage-
kapitals, für:



Einschlieſslich der Kapitalzinsen und aller sonstigen Kosten kam
aber doch die Tonne Gieſsereiroheisen zu Birmingham auf 6 Dollar
zu stehen.


Ende 1897 betrug die Zahl der Koksöfen in den Vereinigten
Staaten 47668 mit über 12 Millionen Erzeugung; davon waren 180 Otto-
Hoffmann-Öfen, 88 Semet-Solvay-Öfen, 30 Newton-Chambers-Öfen und
3 Slocumöfen, alle mit Gewinnung der Nebenprodukte. Carnegie
war durch die Leistungsfähigkeit seiner Hochöfen imstande, die
Tonne Roheisen für 20 Mark darzustellen. Sonst rechnete man
7 Dollar pro Tonne loco Pittsburgh.


Für die Weiterverbreitung des Roheisens hatte sich in Alabama
der basische Martinbetrieb als sehr geeignet erwiesen, und es war eine
groſse Anlage hierfür projektiert. Das Gieſsereiroheisen wurde am
meisten für Röhrenguſs verwendet. 1897 bestanden sieben Röhren-
gieſsereien mit einer Leistungsfähigkeit von 725 Tonnen den Tag.


Die Erzeugung von Herdfluſsstahl nahm ständig zu, während die
von Bessemerstahl schwankend war. Die theoretische Leistungsfähig-
keit der 1896 vorhandenen 88 Herdstahlwerke mit 245 Martinöfen
wurde zu 2430450 Tonnen gegen 1740000 Tonnen am 1. Januar
1894 geschätzt. Die Zahl der groſsen Öfen hatte zugenommen, man
zählte 50 zu 20 Tonnen, 24 zu 25 Tonnen, 25 zu 30 Tonnen, 8 zu
35 Tonnen, 6 zu 40 Tonnen und 10 zu 50 Tonnen. Pennsylvanien
hatte 1895 80 Prozent des amerikanischen Herdfluſsstahls erzeugt.


Eine vorzügliche Anlage war das neu erbaute Blechwalzwerk der
Illinois-Stahlgesellschaft zu South-Chicago 1). Für das Blechwalzwerk
der Bethlehem Iron Company wurde zur Bedienung der Gichtgrube
ein elektrischer Laufkran von 100 Tonnen Tragkraft erbaut: das Vor-
walzwerk war mit zwei von Macintosh, Hemphill \& Co. in
Pittsburgh erbauten Reversiermaschinen von 6000 und 2240 P. S. aus-
gerüstet. Die Aikenschen Hebetische wurden von zwei Zwillings-
Reversiermaschinen bedient 2). Das Werk besaſs ferner ein Universal-
[1310]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
walzwerk, das von einer Zwillings-Reversiermaschine von obiger Firma
von 5000 P. S. betrieben wurde. Die Gewichtsausgleichung der Walzen
geschah durch Elektromotoren.


Infolge der vorzüglichen Leistungen der Stahlindustrie hatte der
Bau eiserner Schiffe einen groſsen Aufschwung genommen. Erst im
Jahre 1870 hatte man mit dem Bau von Kriegsschiffen begonnen und
1897 wurde bereits nicht nur der eigene Bedarf gedeckt, sondern
auch Schiffe für andere Staaten gebaut.


Welchen Aufschwung der Handel mit Eisen und Eisenwaren,
sowie mit Maschinen genommen hatte, erhellt daraus, daſs 1890/91
die Einfuhr im Geldwert 53544000 Dollar, die Ausfuhr 32128000
Dollar, 1896/97 dagegen die Einfuhr 16108000 Dollar, die Ausfuhr
aber 62740000 Dollar betragen hat. Die europäische Einfuhr von
Eisen- und Stahlwaren war sehr zurückgegangen, während die Aus-
fuhr nach Europa von Jahr zu Jahr zunahm. 1897 wurde ein neuer
Zolltarif, die Dingley-Bill, mit zum Teil noch höheren Schutzzöllen
für die Eisenindustrie beschlossen. Auch war am 1. Januar 1897 das
schottische System der Lagerscheine (Warrants) von der American
Pig Iron Storage Company und der Metallbörse zu New York ein-
geführt worden.


Die amerikanische Weiſsblechindustrie hatte sich, trotz der
heftigen Gegnerschaft der Weiſsblechkonsumenten, die gegen den
hohen Schutzzoll kämpften und die wenn auch nicht wie erhofft
die gänzliche Aufhebung des Schutzzolles, so doch vom 28. August 1894
ab die Herabsetzung des Zolles von 2,2 Cent auf 1,2 Cent durchgesetzt
hatte, glänzend weiter entwickelt. Die Weiſsblecherzeugung stieg 1895
auf 102062 Tonnen, 1897 auf 260711 Tonnen und überflügelte damit
die Einfuhr, die in diesem Jahre 230074 Tonnen betrug.


Nach Inbetriebsetzung der Hochofenanlage von Duquesne führten
Carnegie \& Co. zu Homestead ein ganz neues Verfahren ein, indem
sie das Roheisen flüssig in die Martinöfen brachten und nur geringe
Mengen von kaltem Schrott nachsetzten. Das flüssige Roheisen wurde
in 15-Tonnen-Wagen 8 engl. Meilen weit angefahren und in einem
groſsen Mischer von 250 Tonnen Inhalt entleert. Ein Abstich eines
Hochofens von Duquesne füllte 8 bis 10 Wagen; diese wurden
elektrisch umgekippt. Man lieſs das flüssige Roheisen eine Stunde
im Mischer stehen und goſs es dann in Kellenwagen von 20 Tonnen
Inhalt. Das Füllen des Mischers dauerte 40 Minuten, das Entleeren
10 Minuten. Täglich wurden auf diese Weise 700 bis 800 Tonnen
von den Hochöfen angefahren.


[1311]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Die Anreicherung armer Erze durch elektro-magnetische Auf-
bereitung hatte Edison 1898 in New Jersey in groſsem Maſsstabe
durchgeführt.


Eine neue Hochofenanlage, die an Leistungsfähigkeit mit der von
Duquesne wetteifern sollte, legte die Johnson Steel Company 1898 bei
Lorain (Ohio) an 1). Die Hochöfen waren die gröſsten in Amerika, 30,48 m
hoch, 6700 mm Kohlensackweite, 4570 mm in der Gicht und 4267 mm
im Gestell und ein jeder mit je 12 Windformen versehen. Zu einem Ofen
gehörten vier steinerne Winderhitzer von 30,48 m Höhe und zwei Ge-
bläse. Die beiden Hochöfen sollten 350000 Tonnen im Jahre erzeugen.


Die Einführung von Hibbards Drehscheibe für den Guſs und
die Fortbewegung der Masseln war eine wichtige Neuerung.


Nach Swanks statistischem Führer für 1898 hatte die Zahl der
Hochöfen abgenommen, ihre Leistungsfähigkeit aber um 2 Mill. Tonnen
zugenommen, dasselbe war bei den Bessemerstahlwerken der Fall. Die
Kleinbessemerei war sehr zurückgegangen. Die Zahl der Puddelöfen
hatte sich seit 1896 um 519 vermindert. Die Zahl der Martinöfen hatte
sich um 61, ihre Leistungsfähigkeit um 1 Million Tonnen vermehrt.


Die Eisengieſserei der Westinghouse-Luftbremsengesellschaft war
bedeutend vergröſsert und der mechanische Betrieb noch verbessert
worden 2). Zu den vorzüglichen Leistungen der amerikanischen Eisen-
gieſsereien trugen sorgfältige Kontrollproben und genaue Lieferungs-
bedingungen bei.


Das groſsartige Unternehmen des schottischen Handwerkersohnes
Andrew Carnegie, die Carnegie Steel Company, stellte 1898
200000 Tonnen Stahl im Monat dar, wovon ⅔ im Inland ver-
arbeitet, ⅓ ausgeführt wurde. 1899 errichtete die Gesellschaft vier
weitere basische Siemens-Martin-Öfen von je 50 Tonnen Einsatz auf
dem Homestead-Stahlwerk. In dem neuen Bessemerstahl-Walzwerke
der Maryland Steel Company zu Sparows Point [Maryland] 3) wurden
1898 die Blöcke nicht in Gruben, sondern direkt auf Wagen gegossen.
Zum Wärmen der Blöcke dienten 10 Tieföfen, wovon jeder 10 Blöcke
faſste; sie wurden mit Petroleum geheizt und von zwei elektrischen
Kränen, welche die Blöcke auf Wagen legen, die sie dem Block-
walzwerk zuführen, bedient. Für letzteres hatte man ein Duo-
Reversierwalzwerk den gebräuchlichen Trioblockgerüsten vorgezogen.
Das Schienenwalzwerk war dagegen ein Trio, worin die vorgewalzten
[1312]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Blöcke auf sechsfache Schienenlänge gestreckt wurden. Das Walz-
werk verfügte über eine Dampfkraft von 5000 P. S. Das neu erbaute
Walzwerk der Buhl-Stahlgesellschaft in Sharon (Pa.) war dadurch
interessant, daſs darin ein von Huber erfundenes automatisches
Walzwerk, das Blechplatinen und kleine Stangenknüppel selbstthätig
walzte, betrieben wurde.


Die riesige Zunahme der Roheisenerzeugung seit 1897 war nur
möglich durch die groſsartigsten Vorrichtungen zum Abbau, zur
Verladung und zum Transport der Lake-Superior-Erze 1), aus denen
75 Prozent des Roheisens der Unionsstaaten erblasen wurden.
Während man in den älteren Erzgebieten von Marquette, Menominee,
Gogebic und Vermillion schon zum unterirdischen Bergbau über-
gegangen war, erfolgte der Abbau der reichen Mesabierze noch durch
Tagebau mit Hülfe riesiger Dampfbagger, von denen einer von
90 Tonnen Gewicht und 190 P. S. in 10 stündiger Schicht 200 Doppel-
wagen zu 25 Tonnen, also 5000 Tonnen, Erze abzuschöpfen und zu
verladen vermochte. Die Erze gehen dann während der Saison, d. h.
in der Zeit vom 1. Juni bis 1. Dezember, in Eisenbahnwagen, die
25 bis 50 Tonnen fassen, nach den sogenannten oberen Häfen: Duluth,
Two-Harbours, Ashland, Marquette und Escanaba, wo sie in die
Docks gestürzt werden. Es sind dies hohe, riesige Ladebühnen mit
Taschen von 65 bis 180 Tonnen Fassungsraum, aus denen das Erz
direkt in die Schiffe gelangt. Doch kommen auch Kräne mit selbst-
thätigen Greifkübeln, endlose Ketten mit Fördergefäſsen oder Förder-
bänder zum Verladen von Erzen und Steinkohlen zur Anwendung.
Eine Brücke oder Ladebühne bei Duluth ist 712 m lang und 16 m
breit und faſst in 384 Taschen 57000 Tonnen Erz. Schiffe führen
die Erze aus dem Oberen See an die Südküste des Eriesees, wo die
gröſsten Hüttenwerke lagen und wo die Erze von groſsartigen Ent-
ladevorrichtungen aus den Schiffen in Eisenbahnwagen gehoben werden.


Im Jahre 1899 wurden am Oberen See an 18 Millionen Tonnen
Eisenerze aus folgenden Häfen verschifft:



[1313]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Über die groſsartigen Verladevorrichtungen der Hüttenwerke und
Docks am Südufer des Eriesees, besonders der der Lorain-Stahlgesell-
schaft, verweisen wir auf die Schilderung von A. C. Johnston in der
Zeitschrift Stahl und Eisen (1891, S. 14). Wir nennen nur den
Hulethschen Erzumlader und die Eisenbahnwagen-Entlademaschinen
der McMyler-Gesellschaft, ferner die neueste von Carnegie \& Co.
in Conneaut (Ohio) erbaute Ausladevorrichtung von George H. Hullet.
Diese besteht aus einer hochliegenden Blechbrücke, die wie ein Balancier
befestigt und beweglich ist. An dem einen Ende hängt ein groſser
Greiferkübel, der 10 Tonnen Erz aus dem Schiffe faſst. Alsdann wird
die Brücke mit dem Kübel hochgeschwenkt, das Greifgefäſs gleitet an
das andere Ende der Brücke und entleert jetzt hier am tiefsten Punkte
seinen Inhalt in einen Trichter über dem Eisenbahnwagen.


Die neuesten von Rockfeller, Carnegie und anderen aus Stahl
gebauten groſsen Transportschiffe, die wegen ihres gekrümmten
Oberdecks „Walfischrücken“ (whalebacks) heiſsen, sind 150 m lang
und fassen 8000 Tonnen Erz. Starke Dampfer schleppen immer je
zwei Erzschiffe über die Seeen, meist zu den Häfen am südlichen
Ufer des Eriesees, wie Toledo, Huron, Lorain, Cleveland, Fairport,
Conneaut, Ashtabula u. s. w. Die Wasserfracht betrug 1900 5,35 Mark
für die Tonne; Carnegie, der im Mesabibezirk die Erze selbst ab-
baute und sie auf eigenen Schiffen nach dem Carnegiehafen am
Eriesee fuhr, hatte sogar 1897 nur 2,31 Mark Frachtkosten ein-
schlieſslich zweimaligen Umladens. Die Eisenbahnfracht war ebenfalls
weit niedriger als in Europa, besonders als bei uns in Deutschland.
Sie wurde nicht nach feststehenden Tarifen berechnet, sondern nach
Vereinbarungen und überstiegen oft kaum die Selbstkosten. Die
Verfrachtung geschah in zweckmäſsig konstruierten Erzwagen, die ein
hohes Ladegewicht bis zu 50 Tonnen hatten. Im Jahre 1897 stellte
sich die Eisenbahnfracht bis Pittsburgh nicht höher als etwa 7 Mark
die Tonne. Nur auf dieser Grundlage war es möglich, daſs Pitts-
burgh das Centrum der Roheisenerzeugung blieb.


Für die Südstaaten war der Bezug der reichen Erze von Cuba
wichtig geworden. Der Krieg gegen Spanien war hierfür sehr
störend.


Die immer zunehmende Gröſse der amerikanischen industriellen
Unternehmungen zwang fast die Einzelunternehmer zum Zusammen-
schluſs zu groſsen Vereinigungen gleichartiger Werke 1) oder zur Bildung
Beck, Geschichte des Eisens. 83
[1314]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
sogenannter Trusts. Andrew Carnegie, der ein Gegner der Syndi-
kate war, verhinderte zwar anfänglich die Bildung eines groſsen
Eisen- und Stahltrusts, ähnlich dem Kupfertrust, er verband sich
aber mit Rockfeller und sicherte sich dadurch den Erzbezug vom
Oberen See und eine beherrschende Stellung. Nach Beilegung des
Streites mit Frick wurde 1900 die Carnegie Company mit einem
Kapital von 160 Millionen Dollar gegründet. Alle Spezialitäten-
fabriken, wie Feinblechwalzwerke, Schraubenfabriken, Röhrenfabriken,
selbst Stabeisenwalzwerke verbanden sich dagegen, zur Erzielung
besserer Verkaufspreise, zu Trusts. Diese Konsolidationen repräsen-
tierten meistens riesige Kapitalien 1). Carnegie warnte vor den
Trusts, doch konnte er trotz seines Einflusses die Strömung der Zeit
nicht aufhalten.


Es erscheint angezeigt, daſs wir einen Blick auf den Lebens-
gang dieses für die Eisenindustrie Amerikas so wichtigen Mannes
werfen. Andrew Carnegie war der Sohn eines armen Webers,
der aus Not im Jahre 1846 mit seiner Familie aus seinem Heimats-
orte Dunfermline in Schottland nach Amerika ausgewandert und
in dem neu entstandenen Industrieorte Alleghany City in Penn-
sylvanien mit seinem kaum 11 jährigen Sohne in einer Baumwoll-
spinnerei Arbeit gefunden hatte. Andrew, der am 25. November
1835 geboren war, verdiente sich hier seinen ersten Lohn, 1½ Dollar
die Woche, und der spätere Milliardär erzählt, daſs ihn niemals
Geld so glücklich gemacht habe wie dieses erstverdiente. In Andrew
Carnegie
steckte das unbändige Bestreben, voranzukommen, was ihm
bei groſser Begabung durch Fleiſs, Ausdauer, Entschlossenheit und
Wagemut in beispielloser Weise gelang. Er ist das Vorbild eines ameri-
kanischen self-mademan. In seinem 13. Jahr übernahm er die besser
gelohnte Arbeit eines Kesselheizers. Seine freie Zeit verwendete er dazu,
sich weiter zu unterrichten, wozu ihm die Bibliothek des Kapitäns
J. Anderson, der dieselbe den Arbeitern zur Benutzung überlassen hatte,
Gelegenheit gab. Das Dankgefühl für diese Wohlthat war so mächtig
in ihm, daſs er in späteren Jahren viele Millionen für die Errichtung
solcher Volksbibliotheken schenkte. Zunächst brachten ihm seine er-
worbenen Kenntnisse einen Schreiberposten auf dem Kontor der Fabrik
ein. Jm 15. Jahre starb ihm der Vater und nun muſste er auch für den
Unterhalt seiner Mutter und eines jüngeren Bruders sorgen. Er wurde
Depeschenbesteller, dann Telegraphist und erwarb als solcher so sehr
[1315]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
das Vertrauen seines Vorgesetzten Thomas Scott, daſs dieser, als
er beim Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges als Chef des
Telegraphenwesens in das Ministerium berufen wurde, den jungen
Andrew nach Washington mitnahm. Nach dieser Zeit begann
Carnegie zu spekulieren. Mit Woodruff verband er sich zur Aus-
beutung von dessen Erfindung der Eisenbahnschlafwagen. Hierzu
muſste er sich das Geld noch leihen. Das Unternehmen rentierte
und mit dem erzielten Gewinn beteiligte er sich an der Ausbeutung
von Petroleumquellen, die so viel Nutzen abwarfen, daſs Andrew ein
wohlhabender Mann wurde. Mit scharfem Auge hatte er die Mängel
der amerikanischen Eisenbahnen erkannt. Hierzu gehörten besonders
die hölzernen Brücken, die so oft einstürzten und zu schweren Unfällen
Veranlassung gaben. Er organisierte deshalb die Cyclop-Eisenwerke
und die Keystone-Gesellschaft, baute die erste eiserne Brücke über
den Ohio, deren Erfolg ihm so viele Aufträge einbrachte, daſs er sie
kaum bewältigen konnte. 1868 überzeugte er sich auf einer Reise
durch England von der Überlegenheit der Stahlschienen, worauf er
sofort nach seiner Rückkehr ein Bessemerstahl- und Schienenwalzwerk
anlegte. Seine Eisen- und Stahlwerke vergröſserten und vermehrten
sich von Jahr zu Jahr und wurden die gröſsten Anlagen der Welt.
Ende 1899 beschäftigten sie 50000 Arbeiter und erzeugten 3½ Mill.
Tonnen Stahl, über 12½ Prozent der Weltproduktion. Er hat wie
kein anderer zu der glänzenden Entwickelung der Eisen- und Stahl-
industrie Amerikas beigetragen. Im Jahre 1900 zog er sich von den
Geschäften zurück. Man schätzte sein Vermögen auf mindestens
300 Millionen Dollar. Hiervon machte er den edelsten Gebrauch für
zahllose Werke der Wohlthätigkeit, die aber alle praktischen Bedürf-
nissen dienen und besonders den Arbeitern zu gute kommen sollen.
Vornehmlich gründete er Volksbibliotheken, nach und nach etwa 120,
nicht nur in amerikanischen, sondern auch in schottischen und eng-
lischen Städten. Dem gröſsten dieser Unternehmen, dem Carnegie-
Institute in Pittsburgh, wendete er 7250000 Dollar, den Freibiblio-
theken New Yorks 5200000 Dollar, den Freibibliotheken in St. Louis
1000000 Dollar zu. Er sprach den Grundsatz aus: „Wer immer seinen
überschüssigen, nicht festliegenden Reichtum in selbstsüchtiger Weise
nur dazu benutzt, um immer mehr Geld zusammenzuscharren, ist ein
Dieb. Es ist eine Schande für einen Mann, mit Reichtum überladen
zu sterben.“ Andrew Carnegie war nicht nur der gröſste Förderer
der Industrie der Vereinigten Staaten, er war auch ihr gröſster
Wohlthäter.


83*
[1316]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Nach dieser kurzen Abschweifung kehren wir zu der Geschichte
der Trusts in den Vereinigten Staaten zurück.


Zu Beginn des Jahres 1901 kam, besonders durch den reichen
Finanzmann Pierpoint Morgan, der gewaltige Stahltrust, der die
Werke der Carnegie-Gesellschaft und alle Stahlwerke des westlichen
Centralamerika umfaſste, zustande. Sein Vermögen betrug über
4½ Milliarden Mark. Technischer Leiter wurde Charles M. Schwab,
ein Deutscher von Geburt.


Von technischen Fortschritten der letzten Jahre ist die Einführung
von besseren Koksöfen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse zu nennen.
Ende 1897 gab es 47668 Koksöfen, zumeist Bienenkorböfen mit
12055500 Tonnen Erzeugung in den Vereinigten Staaten. 1898 wurden
400 Otto-Hoffmann-Öfen bei Boston gebaut und 1899 wurde eine
groſse Koksofenanlage mit 1200 Otto-Hoffmann-Öfen bei Everett
(Mass.) beschlossen.


Hatte man noch 1897 die enorme Leistung der Duquesne-Hochöfen
von je 600 Tonnen in 24 Stunden für eine Ausnahme angesehen, so
erstrebten in den folgenden Jahren bei der groſsen Steigerung des
Bedarfes an Roheisen alle groſsen Gesellschaften ähnliche Produk-
tionen. So hatte z. B. 1899 die Ohio-Stahlgesellschaft zwei groſse
Hochöfen für je 600 Tonnen Tageserzeugung erbaut. Die Carnegie-
Gesellschaft selbst hatte zwei weitere Hochöfen in Duquesne und
zwei in Rankin errichtet. Letztere waren 32,3 m hoch, hatten 7,3 m
im Kohlensack und für 1400 Tonnen Tagesleistung eingerichtet.
Ebenso führte die Illinois-Stahlgesellschaft zwei solche Riesenöfen
in South-Chicago auf. Die Zahl der neuerbauten und projektierten
groſsen Hochöfen betrug Ende 1899 19 mit einer Gesamtleistungs-
fähigkeit von 2600000 Tonnen im Jahre.


Bei der neuen Hochofenanlage in Columbus [Ohio] 1) hatte man
für zwei Hochöfen fünf stehende Gebläsemaschinen, die nach beiden
Öfen blasen konnten. Man arbeitete durchgehends mit hoher Pressung,
etwa einer Atmosphäre, die aber in einzelnen Fällen bis 1,7 Atmo-
sphären gesteigert wurde. Das geschmolzene Eisen für den Fluſsstahl-
betrieb wurde meist in fahrbare Pfannen abgestochen und in diesen
den Mischern zugeführt. Zum Schlieſsen des Stichlochs war die
sogenannte Thonkanone (mud gun) in Anwendung. Eine gröſsere Ver-
breitung haben die Gieſsmaschinen, besonders die von Ed. U. Ueh-
ling
2) gefunden.


[1317]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Die Leistungsfähigkeit der Fluſsstahlwerke erfuhr ebenfalls eine
gewaltige Steigerung. Auch hierin fand ein groſser Wettkampf
zwischen den groſsen Stahlwerken statt. Zu Anfang 1899 erzielten
die Joliet-Werke der im September 1898 mit fast 100 Millionen
Dollar Aktienkapital konsolidierten Federal Steel Company den
höchsten Rekord mit einem Tagesausbringen von 2184 Tonnen. Eine
ihrer Knüppelwalzen lieferte in 12 Stunden 963 Tonnen Knüppel.
Das Bessemerwerk von Carnegie zu Duquesne machte mit zwei Kon-
vertern von 10 Tonnen in einem Tage 120 Chargen und 2400 Tonnen
Stahl.


Bei den Bessemerwerken kam man immer mehr von den Gieſs-
gruben ab und ging zu dem Wagenguſs über 1), wodurch die Leistungs-
fähigkeit erhöht wurde. Das Abstreifen der Koquillen mit dem
„stripper“ geschah ebenfalls auf demselben Plattwagen. Auch bei
den neuen Martinanlagen der Tennessee-Stahlgesellschaft zu Ensley
und der Illinois-Stahlwerke zu South-Chicago war man zum Wagen-
guſs übergegangen. Das vorzüglich eingerichtete Stahlwerk zu Ensley
hatte 10 Wellman-Seaver-Kippöfen von 50 Tonnen Fassung. Das
Kippen geschah durch hydraulische Pumpen. Die Thüren der Öfen
wurden durch Preſsluftcylinder gehoben. Die fahrbaren Begichtungs-
wagen wurden elektrisch bewegt.


Auf den Werken der Illinois- und der Pennsylvania-Stahlgesell-
schaften waren 1899 kippbare Martinöfen, System Wellman und
Campbell, von 75 Tonnen, auf dem Pencoyd-Iron-Works bei Phila-
delphia ein solcher von 100 Tonnen Fassungsraum in Betrieb. Letzterer
wurde nach Talbots-Verfahren kontinuierlich betrieben. Auch hierbei
kamen die Gieſsgruben in Wegfall und wurden durch den direkten
Wagenguſs ersetzt. Direktor Wood von Sparrow Point wirkte hierfür
bahnbrechend 2).


Bei dem Walzwerksbetrieb erzielte das kontinuierliche Walzwerk
für Handelseisen von Morgan zu Mingo-Junction gute Erfolge 3).
Auſserordentliche Steigerungen erfuhren die Leistungen der Walz-
werke durch die mechanische Bedienung, den sogenannten automa-
tischen Betrieb und durch die Vervollkommnung der Antriebs- und
Arbeitsmaschinen. Groſse Fortschritte machte die Drahtfabrikation,
wozu die automatischen Schweiſsöfen von Alexander Laughlin
zu Pittsburgh und die Walzwerke von M. Baackes und Garrett bei-
[1318]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
trugen. Während früher die Vereinigten Staaten groſse Mengen von Draht
einführten, haben sie jetzt eine bedeutende Ausfuhr von Walzdraht, ge-
zogenem Draht und Drahtstiften. Ähnlich verhält es sich mit dem
Weiſsblech. Die Weiſsblechfabrikation wurde nur durch den Schutz-
zoll, den die Mac-Kinley-Bill einführte, ermöglicht und begann erst im
Jahre 1891. Anfangs hatte sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen, aber
seit dem Jahre 1895 entwickelte sie sich rasch. 1895 betrug die Er-
zeugung 102062 Tonnen, 1897 schon 260711 Tonnen, 1898 332094
Tonnen. Die Einfuhr von Weiſsblech, die 1891 noch 327883 Tonnen
betragen hatte, war 1898/99 auf 54243 Tonnen gesunken und es ist
wahrscheinlich, daſs Amerika jetzt schon mehr Weiſsblech ausführt
als einführt.


Auf allen Gebieten der Eisenverarbeitung machte die einheimische
Industrie der Vereinigten Staaten groſse Fortschritte. So wurden z. B.
im Jahre 1898/99 1429 Schiffe mit 320876 Registertonnen Gehalt ge-
baut. Im Eisenbahn- und Brückenbau marschiert Amerika an der
Spitze, ebenso auf vielen Gebieten des Maschinenbaues. Enorm war
die Ausfuhr von Nähmaschinen, Fahrrädern und Schreibmaschinen.


Überhaupt hat infolge der groſsartigen Entwickelung der ameri-
kanischen Eisenindustrie der auswärtige Handel in den neunziger
Jahren ein ganz verändertes Aussehen erhalten.


Im Jahre 1880 betrug der Wert der Einfuhr von Eisen und
Eisenwaren 80 Millionen Dollar, die der Ausfuhr 15 Millionen Dollar;
1890 war das Wertverhältnis von Einfuhr zur Ausfuhr 44540413 Doll.
zu 27000134 Dollar; 1893 überstieg der Wert der Ausfuhr bereits
den der Einfuhr und in der Periode vom 1. Juli 1897 bis 30. Juni 1898
war der Wert der Einfuhr auf 12626000 Dollar gesunken, der Wert
der Ausfuhr aber auf 78017000 Dollar gestiegen. Im Jahre 1898/99
betrug der Wert der Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren 106100000
Dollar, der Wert der Einfuhr nur 12098000 Dollar.


Die Fortschritte der amerikanischen Eisenindustrie seit 1870 sind
staunenerregend und vielfach ist die junge Industrie der Vereinigten
Staaten Vorbild und Lehrerin für Europa geworden. Aber wo Licht
ist, ist auch Schatten, so auch hier. Die Konzentration des Kapitals
war nötig, um in so kurzer Zeit so Groſses zu leisten. Dies vollzog
sich aber nicht stetig dem Bedürfnis entsprechend, sondern oft
gewaltsam durch kühne Spekulation sprungweise. Die in Fig. 340,
S. 899, dargestellten Schaulinien der Entwickelung der Eisen-
industrie von 1871 bis 1899 zeigen dies deutlich. Dazu kam eine
Überschätzung der Maschinenarbeit gegenüber der Handarbeit, welche
[1319]Vereinigte Staaten von Nordamerika.
ein Hemmnis für eine richtige Erziehung zur Handfertigkeit bildete.
Die Maschinenarbeit prägt der amerikanischen Industrie etwas Scha-
blonenmäſsiges auf und der Geringschätzung der Handarbeit folgte die
Geringschätzung der Handarbeiter. Den Amerikanern fehlt der kon-
servativ-historische Sinn, den sich die Eisenindustrie Europas noch
erhalten hat. Dieser mag ja zwar manchmal den Fortschritt ver-
zögern, für die socialen Verhältnisse ist er aber von Nutzen. Der
rücksichtslos durchgeführte Grundsatz help yourself und die Gering-
schätzung der Handarbeit verhinderten die Fürsorge für die Arbeiter.
Von den segensreichen Schutzgesetzen für die Arbeiter, wie sie
Deutschland besitzt, von einem gesetzlichen Schutz in Fällen von
Krankheit, Unfall, Alter und Invalidität weiſs man in Amerika nichts.
Dagegen artete der Wettbewerb namentlich in Zeiten des Niederganges
zu einem rücksichtslosen Kampfe aus, wobei der Kapitalstärkere förm-
lich darauf ausging, den Schwächeren zu vernichten. Bei den Arbeitern
aber äuſserte sich die Unzufriedenheit in häufigen und oft sehr er-
bitterten Ausständen. Noch sind die Arbeitslöhne ja höher wie in
Europa. Da jedoch die Löhne in Europa in den letzten zwanzig Jahren
gestiegen, in Amerika in der Eisenindustrie aber eher zurückgegangen
sind, so haben sich die Lohnverhältnisse nicht zu Gunsten der ameri-
kanischen Arbeiter entwickelt.


Zahlengeschichte
der Vereinigten Staaten von Nordamerika
1).


Kohlenförderung in Kilotonnen.


[1320]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Kohlenförderung 1896 in den einzelnen Staaten in Kilo-
tonnen
(= 1 Mill. kg).




Zusammen 170243 Kilotonnen.


Entwickelung der Connellsviller Kokserzeugung.


Eisenerzförderung in Kilotonnen.





Eisenerzförderung in den einzelnen Staaten in Kilotonnen.


Alle anderen Staaten förderten unter 100 Kilotonnen.


[1321]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Eisenerzförderung 1893 nach Sorten.


Hiervon:


Lake-Superior-Eisenerze in Kilotonnen.


Eisenerzeinfuhr in Kilotonnen (Wedding).




[1322]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Eisenerzeinfuhr 1895 in Kilotonnen.



Roheisenerzeugung in Tonnen (zu 1000 kg).


Roheisenerzeugung 1871 bis 1899 in Tonnen.


[1323]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Roheisenerzeugung 1871 bis 1899 in Tonnen.


(Fortsetzung.)


Roheisenerzeugung 1900 und 1901 in Tonnen.


In Betrieb befindliche Hochöfen 1880.


[1324]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Roheisenproduktion der einzelnen Staaten in Tonnen.


[1325]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Roheisenerzeugung nach Brennmaterialien getrennt in Tonnen.


[1326]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Roheisenerzeugung nach Sorten.


Spiegeleisen und Ferromangan.





Roheisenerzeugung nach den vier Hauptbezirken.


Hochofenstatistik.


Zahl der Hochöfen in Betrieb nach dem Brennmaterial.


Zahl der vorhandenen Hochöfen.


[1327]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Leistungsfähigkeit der amerikanischen Hochöfen.


Erzeugungskosten einer Tonne Roheisen 1850 bis 1879 in Mark.


Erzeugungskosten des Roheisens pro Tonne in Mark.


Erzeugungskosten, Verkaufspreis und Gewinn pro Tonne.


[1328]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Übersicht der Eisenerzeugung 1870 bis 1895 in Tonnen zu 1000 kg.


(Aus Mineral Resources of the United States by Alb. Williams. — U. S. Geo-
logical Survey 1886.)


Betriebsvorrichtungen 1882.



Schweiſseisen (Walzeisen) in Tonnen zu 1000 kg.


1880: 4319 Puddelöfen, 20 rotierende Öfen, 2105 Schweiſsöfen, 118 Frischfeuer,
495 Raffinierfeuer.


[1329]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Erzeugung von Luppen aus Renneisen.


Walzeisenproduktion (Schweiſs- und Fluſseisen) der
einzelnen Staaten in Tonnen
1875.




Walzwerksprodukte (Schweiſseisen und Stahl) von 1871
bis 1891 in Tonnen.


Beck, Geschichte des Eisens. 84
[1330]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Walzwerksprodukte in Net Tons.


Walzdrahterzeugung in Tonnen.


[1331]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Weiſsblecherzeugung in M.-Tonnen von 1892 bis 1898.




Nägelfabrikation.


Schweiſseisen 1871, Selbstkosten.



Stahlerzeugung in Millionen Tonnen.


Zum Vergleich.


84*
[1332]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Stahlblöcke u. a. Stahl.


Stahlerzeugung nach Sorten in Net Tons (nach Swank).


Stahlverbrauch pro Kopf der Bevölkerung.



[1333]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Bessemerblöcke.


Herdfluſsstahl (Siemens-Martin-Stahl) in Tonnen.


[1334]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Herdfluſsstahl (Siemens-Martin-Stahl) in Tonnen.


Martinstahlguſs in Tonnen.


Erzeugung von Fluſsstahlschienen in Net Tons und
Durchschnittspreis pro Ton in Dollar
.


[1335]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Erzeugung von Fluſsstahlschienen nach Staaten.


Eisenbahnschienen nach Sorten.


Roheiseneinfuhr in M.-Tonnen.


[1336]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Roheisenausfuhr 1871 bis 1900.


Roheisenausfuhr 1897 nach Bestimmungsländern.



Roheisenverbrauch in M.-Tonnen.





[1337]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Ein- und Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren 1899 und 1900.


Einfuhr in Tonnen zu 1000 kg.


[1338]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Erzeugung, Einfuhr, Ausfuhr und Verbrauch von Roh- und
Walzeisen in Tonnen
.


Erzeugung, Einfuhr und Verbrauch von Eisenbahnschienen
in Tonnen
.


[1339]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Anteil der Stahlschienen auf amerikanischen Bahnen von
1880 bis 1890 in Prozenten.




Walzeisen auſser Schienen in Tonnen.


Ein- und Ausfuhr nach Wert in Dollar.


Ein- und Ausfuhr 1897/98 in 1000 Dollar.


Einfuhr:



Ausfuhr:



[1340]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Aus- und Einfuhr seit 1890 in Millionen Dollar.


Ausfuhr nach Ländern in 1000 Dollar.


Detaillierte Ein- und Ausfuhr von Stahl und Eisen s. Stahl u. Eisen 1898, S. 963.


Durchschnittspreise der Stahlschienen pro Net Ton in Dollar.


Preise 1899.



[1341]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Preise pro Ton loco Pittsburgh in Dollar und in Mark.


(Stahl und Eisen 1897, S. 953.)


Gestehungskosten von Bessemerroheisen zu Pittsburgh 1897
pro Ton
.



Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Dr. Rentzsch).


[1342]Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Ein- und Ausfuhr in 1000 Mark.


Ein- und Ausfuhr in Kilotonnen.


Ein- und Ausfuhr im prozentualen Verhältnis zur
Produktion
.


Roheisenverbrauch und -erzeugung 1899 und 1900.

[1343]Kanada.

Die übrigen Staaten Amerikas.


Die Eisenindustrie der übrigen Länder Amerikas ist im Vergleich
mit den Vereinigten Staaten noch wenig entwickelt. Dies hat zum
Teil seinen Grund in der groſsen Leistungsfähigkeit letzterer, die ihre
Erzeugnisse billig anbieten können, hauptsächlich aber darin, daſs
diese Länder noch von dem Überschuſs ihrer Naturprodukte leben
und diese exportieren, weshalb eine Notwendigkeit, Werte durch Arbeit
zu erzeugen, also für eine industrielle Thätigkeit, kaum vorliegt. An
den Vorbedingungen für die Eisenindustrie, besonders an Eisenerzen,
fehlt es diesen Ländern durchaus nicht.


Kanada (richtiger the Dominion of Canada) besitzt reiche
Ablagerungen von Eisen und Steinkohlen, letztere in Neu Schottland,
erstere in den St. Lorenzbergen. Im Gneis der St. Lorenzschichten
finden sich mächtige Lager von Magneteisenstein, während entlang dem
St. Lorenzstrom in den St. Lorenzbergen Raseneisensteine in Menge
gefunden werden.


Die Ausbeutung dieser Erzlager ist noch nicht bedeutend. Zwei
Holzkohlenhochöfen, die 1828 zu Stellarton und 1831 zu Clemensport
errichtet worden waren, konnten sich nicht halten. 1892 gab es nur
ein gröſseres Bergwerk auf Magneteisenstein zu Bristol bei Quebeck.
Dasselbe hatte einen einzigen Schacht von 200 Fuſs, aus dem es
150 Tonnen den Tag fördern konnte; ferner besaſs es zwei groſse
Gasröstöfen. Das Erz enthielt über 63 Prozent Eisen.


Bei weitem der gröſste Teil des Eisenbedarfs wurde damals noch
eingeführt. Roheisen kam zumeist aus den Vereinigten Staaten und
wurde in inländischen Gieſsereien zu Guſswaren verschmolzen. Eisen-
bahnschienen bezog man aus Groſsbritannien; Deutschland lieferte
Radreifen, eiserne Röhren, Draht, emaillierte Waren, Kleineisenzeug
und Messerwaren.


1893 betrug der Roheisenverbrauch von Britisch-Amerika 116541
Tonnen, wovon 46,2 Prozent im Lande erzeugt wurden, während
53,8 Prozent eingeführt wurden. Von dem einheimischen Roheisen
waren 7920 Tonnen von der Canada Iron Furnace Company in
Radnor Forge bei Quebeck mit Holzkohlen erblasen. Koksroheisen
wurde von der Londonderry Iron Company und der New Glasgow
Iron Coal and Railway Company, beide in Neu Schottland, hergestellt.


[1344]Kanada.

Daſs die Regierung der Industrie immer mehr Beachtung schenkte,
geht unter anderem auch daraus hervor, daſs sie Anfang 1894 ein
verbessertes Patentgesetz erlieſs.


Die Roheisenerzeugung betrug 1894 45508 Tonnen, 1895 38434
Tonnen, 1896 60990 Tonnen. Etwa ein Zehntel der Produktion von
1896 war mit Holzkohlen, neun Zehntel mit Koks erblasen. Es gab
damals acht Hochöfen, wovon aber nur zwei in regelmäſsigem Betriebe
waren. Ein Teil des Roheisens wurde in Siemens-Martin-Öfen in Fluſs-
stahl umgewandelt. 1895 wurden 17000 Tonnen Blöcke in Öfen mit
saurem Herdfutter erzeugt, 1896 16000 Tonnen teils mit saurem, teils
mit basischem Futter. Es wurden 6100 Tonnen Eisenbahnschienen
und 4612 Tonnen Konstruktionsteile aus Martinstahl gewalzt. Die
Walzwerke verarbeiteten auſserdem noch importiertes Eisen, was
daraus hervorgeht, daſs ihre Produktion 1896 76244 Tonnen betrug.
Ende 1896 gab es bereits 16 Stahl- und Walzwerke. Ein neues Werk
war zu Bridgeville projektiert. Die Steinkohlenförderung stieg von
1895 bis 1898 von 3513500 Tonnen auf 4172655 Tonnen. Eisenerze
wurden 1899 69982 Tonnen gefördert. 1898 gab es in Kanada acht
Hochöfen, ein neunter war im Bau, die Produktion blieb aber noch
unter 100000 Tonnen.


Die Zunahme der Roheisenerzeugung von 1880 bis 1901 betrug
in Kilotonnen:




Der Roheisenverbrauch pro Kopf betrug 1900 42 kg.


Die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren war sehr bedeutend. Die
Nova Scotia-Stahlgesellschaft erzeugte 1899 in drei groſsen Herdöfen
20680 Tonnen Fluſsstahl 2).


Am 1. Juni 1900 hat die Hamilton Steel and Iron Company bei
Ontario ein Stahlwerk 3) neuester Konstruktion in Betrieb gesetzt.
Die kippbaren Martinöfen sind mit Vorherd und elektrisch betriebener
Chargiermaschine versehen. Ein elektrischer Laufkran bewegt Gieſs-
pfanne, Blöcke und Coquillen.


Eine groſsartige Anlage hatte die Dominion-Eisen- und Stahl-
[1345]Kanada.
gesellschaft 1) zu Sydney am Eingang des St. Lorenzgolfs 1899 zu
errichten begonnen. Die Erze kommen von der Wabanagrube auf der
Insel Great-Bell. Steinkohlen finden sich in der Nähe. Das Werk
soll 4 Hochöfen, 10 kippbare 50-Tonnen-Martinöfen, eine 889 mm-
Blockwalze, 400 Otto-Hoffmann-Koksöfen, eine Eisengieſserei und
andere Werkstätten umfassen.


Während früher England den Hauptteil der Einfuhr lieferte,
haben seit einigen Jahren die Vereinigten Staaten England über-
flügelt. An der Einfuhr von 1898 waren die Vereinigten Staaten mit
50, England mit 35 und Deutschland mit 15 Prozent beteiligt.


Die Einfuhr betrug dem Werte nach in Dollar:


Ein- und Ausfuhr in 1000 Mark.


In neuester Zeit steht eine groſse Umwandlung in der kanadischen
Eisenindustrie dadurch in Aussicht, daſs es H. M. Whiney in Boston
gelungen ist, eine groſse Aktiengesellschaft, die Dominion Coal and
Beck, Geschichte des Eisens. 85
[1346]Mexiko.
Steel Company mit einem Kapital von 80 Millionen Dollar zu gründen,
welche die Anlage eines groſsen Hütten- und Stahlwerkes mit vier
Hochöfen von täglich je 250 Tonnen und eines Stahlwerkes von
täglich 800 Tonnen Erzeugung beabsichtigt. Die Gesellschaft besitzt
sieben Steinkohlengruben von 3 Millionen Tonnen Förderung und ein
groſsartiges Hämatitlager auf Bell-Island. Der Aufschwung ist bereits
durch die Roheisenerzeugung von 1901 illustriert.


Mexiko befindet sich in ähnlicher Lage wie Kanada; es ist sehr
reich an guten Eisenerzen und reich an Steinkohlen, aber die einheimische
Eisenindustrie ist noch so wenig entwickelt, daſs es doch noch den
gröſsten Teil seines Bedarfes einführen muſs. Ein Eisenerzberg von
seltenem Umfang ist der „Cerro del Mercado“ bei Durango 1), aus
Eisenglanz von 54 Prozent Eisengehalt bestehend, welcher der Durango
Steel and Iron Company von Des Moines in Iowa gehört. Dieses
Erzgebirge ist 1,6 km lang, 500 m breit und 120 bis 180 m hoch.
Birkinbine hat die Lagerungsverhältnisse zuerst klargelegt und auf
die Groſsartigkeit des Erzvorkommens hingewiesen. Die Kohlenfelder
von Cohahuila sind durch die Eisenbahn vom Eaglepaſs in Texas nach
der Sierra Mercado mit dem Eisenberg von Durango verbunden.


Andere reiche Eisenerzlager befinden sich im Gebiete von Mon-
clova und in der Sierra Carissal. Bei Tula in Südmexiko wurden
früher Katalanschmieden betrieben. An der Küste von Coynka ist der
Cerro Yman ein 300 Fuſs hoher, eine halbe Meile langer Berg, der
zum dritten Teil aus reinem Magneteisenstein besteht. In Guerrero
und Oaxaca finden sich neben reichen Erzfeldern ausgedehnte
Kohlenlager.


Es werden Eisenerze nach Texas und Alabama ausgeführt.


Die Einfuhr von Eisen ist bedeutend und hat in den letzten
30 Jahren sehr zugenommen. 1871 belief sich der Wert der ein-
geführten Eisenfabrikate auf 6 Mill. Mark, 1891/92 auf 70 Mill. Mark.
Die Länge der Eisenbahnen betrug 1880 1055 km, 1892 10558 km.


Es betrug dem Werte nach in Mark:


[1347]Kuba.

Der Wert der Einfuhr betrug in Dollar (zu 4,20 Mark):


Im Mai 1900 hat sich eine Gesellschaft (Compania Funditora de
Fierro y Acero de Monterey) gebildet, die bei Monterey eine Eisen-
hütte und ein Stahlwerk anzulegen beabsichtigt 1).


Kuba ist für die Eisenindustrie von Bedeutung durch seinen
Reichtum an guten Eisenerzen 2), die fast ausschlieſslich in den Ver-
einigten Staaten verschmolzen werden. Die wichtigsten Eisenerzlager
befinden sich 3 bis 5 Meilen von St. Jago de Cuba im Maestra-
gebirge. Ihre Ausbeutung begann erst Anfang der achtziger Jahre.


1881 erwarb Don José Ruiz de Leon eine Konzession und
eröffnete die Lolagrube. Hierauf erschloſs Don Francisco Batley
Gene
die berühmte Jaraguagrube, die Anfang der neunziger Jahre
in den Besitz der Bethlehem- und der Pennsylvanischen Eisen- und
Stahlgesellschaften überging. Seit 1883 begann der energische Abbau
der Erze, nachdem man deren Wert für Bessemerroheisen erkannt
hatte. 1884 fing die Verschiffung nach Philadelphia an. Seitdem
sind noch viele Gruben eröffnet worden, die nach und nach von
Amerikanern angekauft wurden. Die kubanischen Erze haben für die
Eisenhütten im Südosten der Vereinigten Staaten dieselbe Bedeutung
wie die Bilbaoerze für England und Deutschland. Im Jahre 1892 gab
es drei groſse Bergwerksgesellschaften zur Gewinnung der Eisenerze
in Kuba: die Jaraguagesellschaft, die spanisch-amerikanische Gesell-
schaft und die Sigua-Grubengesellschaft. Die Jaraguagrube konnte
damals 50000 bis 60000 Tonnen im Monat fördern. Die Dulithgrube
war die wichtigste der Siguagruben, deren Ausbeutung die Gründung
einer neuen Stadt Chalia veranlaſst hatte.


Die Erzausfuhr Kubas betrug in Tonnen:




85*
[1348]Kolumbia. — Brasilien.

Nachdem die Vereinigten Staaten 1899 Kuba besetzt hatten, wurde
der Zoll auf Eisenerze herabgesetzt und wird die Förderung der
kubanischen Eisensteinbergwerke sich voraussichtlich in der Zukunft
noch steigern.


Die Republik Kolumbia besitzt Steinkohlen und Eisenerze. Das
Hüttenwerk Ferreria de la Praderia, 8 Meilen von Bogotá entfernt,
hat einen Kokshochofen von 30 bis 40 Tonnen täglicher Leistungs-
fähigkeit, mehrere Puddelöfen, Hammer- und Walzwerke. Der Bau
eines Stahlwerkes ist beabsichtigt.


Brasilien ist reich an Eisenerzen, aber arm an Steinkohlen.
Die wenig umfangreiche Verhüttung der Erze geschieht mit Holz-
kohlen. Auf der Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 hatte
Joaquim de Souza Mursa Eisenprodukte ausgestellt. Er verhüttete
zu São João de Ipateva Magneteisenstein mit Kalk in einem Holz-
kohlenhochofen, das Roheisen wurde in Herden gefrischt, die Luppen
zerschroten und zu Stäben ausgeschmiedet.


Eine ausführlichere Mitteilung über die Eisenindustrie Brasiliens
aus dem Jahre 1893 1) verdanken wir Paul Ferrand, Professor an der
brasilianischen Bergakademie zu Ouro-Preto, der wir folgende Notizen
entnehmen.


Die wichtigsten Eisenerzlagerstätten finden sich in den Provinzen
Minas Geraes, Espiritu Santo, Sao Paulo, Santa Catharina, Rio grande
do Sul, Goyaz und Matto Grosso. Die Eisenindustrie ist besonders in
den Staaten Minas und São Paulo vertreten. Neben den kleinen Stück-
öfen (cadinhos), von denen je vier bis sechs in einem gemeinsamen
Mauerwerk vereinigt sind, und den kleinen katalanischen Feuern
giebt es auch zwei Hochofenanlagen, beide für Holzkohlenbetrieb ein-
gerichtet. Die eine davon ist Eigentum der Provinz Sao Paulo und
wurde im Jahre 1810 in Ipateva errichtet. Sie besitzt zwei alte
Öfen von 8 m Höhe, von denen abwechselnd einer in Betrieb ist, und
einen neuen Ofen von 12 m Höhe, der indessen noch nicht angeblasen
war. Zur Verhüttung gelangte ein Magnetit, dessen Analyse
67 Prozent metallisches Eisen, dabei aber eine gewisse Menge
Titan und Phosphor aufweist. Das Eisen wird mit kaltem Wind er-
blasen, und der Brennmaterialaufwand ist sehr beträchtlich. Die
Weiterverarbeitung des Roheisens erfolgt in zwei Feuern, die im Tage
[1349]Brasilien.
etwa 1 Tonne Eisen liefern, das auf Feineisen verwalzt wird. Auſser-
dem ist eine Gieſserei und ein Cementierungsofen vorhanden. Die
Jahreserzeugung betrug 750 Tonnen Guſs- und 300 Tonnen Schmiede-
eisen. Die Verkaufspreise stellten sich für die Tonne: Roheisen
112 Mark, Guſswaren 480 Mark, Schmiedeeisen 344 Mark.


Die zweite Anlage, die Hütte „Esperança“, liegt im Staate Minas
in der Nähe von Etabira do Campo. Sie wurde 1888 gegründet und
war 1892 im Besitz der „Compania national de Forjas e Estaleiros“.
Der 9 m hohe Holzkohlenhochofen liefert in 24 Stunden 5 bis 6 Tonnen
Roheisen. Man arbeitet mit schwach erwärmtem Winde (kaum 200°)
und erzeugt etwa 2000 Tonnen Roheisen im Jahre. Die Verkaufs-
preise waren hier etwas niedriger.


Im Bau begriffen war auſserdem eine neue Anlage, etwa 500 km
von Rio de Janeiro entfernt und gleichfalls an der Centralbahn gelegen.
Man beabsichtigte, dort einen kleinen Hochofen zur Verarbeitung eines
manganhaltigen Eisenerzes zu errichten.


Auſser den genannten Hütten gab es in Rio und dessen Um-
gebung mehrere kleinere Anlagen, die sich mit der Weiterverarbeitung
des Roheisens befaſsten.


Die Eiseneinfuhr nach Rio de Janeiro war in den Jahren 1880
bis 1891 von 6363 Tonnen auf 10314 Tonnen, der Wert der ein-
geführten Eisenprodukte von 1880/81 bis 1889 von 10269440 Mark
auf 17830400 Mark gestiegen. Diese Zahlen zeigen, wie wenig die
einheimische Industrie den Bedarf zu decken vermochte.


1894 gab es zwei Eisenindustriegesellschaften in Brasilien: die
Compania Usina Wigg und die oben erwähnte Compania de Forjas e
Estaleiros. Sie erzeugten Guſswaren direkt aus dem Hochofen, der
25 Prozent billiger war als der eingeführte. Die Compania Wigg
schmolz auch Ferromangan zur Ausfuhr nach Europa.


Sehr bedeutend hat sich in den letzten Jahren die Förderung
und die Ausfuhr von Manganerzen gesteigert. 1899 betrug der Export
über 40000 Tonnen. Die Manganerzlager befinden sich in den
Provinzen Bahia und Minas. Die ergiebigsten Gruben sind im Besitz
von Carlos Wigg. Deren Ausfuhr betrug 1895 6565 Tonnen, 1898
29630 Tonnen und 1899 bis zum September bereits 60107 Tonnen.


Die statistischen Angaben über die Einfuhr von Eisen und Eisen-
waren sind sehr lückenhaft. Roheisen und Puddeleisen liefert England
zumeist, während altes Eisen ausgeführt wird. Guſs wird jetzt groſsen-
teils im Lande erzeugt. Röhren kommen von England und Nord-
[1350]Brasilien.
amerika. Drahtstifte werden aus belgischem Draht im Inlande her-
gestellt. Hufnägel, Holzschrauben, Messerwaren und Werkzeuge
liefert Deutschland, Eisenbahnmaterial England, Nordamerika und
Deutschland, während Lokomotiven und Wagen meist aus den Ver-
einigten Staaten kommen, desgleichen elektrische Einrichtungen.


Die Einfuhr aus Groſsbritannien betrug:


Die Einfuhr aus Deutschland betrug:


Die Eisenindustrie der übrigen Staaten Amerikas ist noch
so unentwickelt, daſs sie für die Geschichte des Eisens ohne Be-
deutung ist. Sie decken ihren Eisenbedarf durch Einfuhr und nur als
Einfuhrländer für die Überproduktion der Industriestaaten sind sie
von Wichtigkeit. Argentinien, dessen Gesamteinfuhr im Jahre
1898 einen Wert von 107428900 Pesos oder rund 432 Millionen
Mark erreichte, steht an erster Stelle. Seine Einfuhr von Eisen,
Eisenwaren und Maschinen betrug in Goldpesos (zu 4,05 Mark):


[1351]Argentinien.

Die deutsche Einfuhr betrug:


1893 verteilt sich die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren auf die
wichtigsten Länder folgendermaſsen:



Nach Sorten betrug die Einfuhr aus Deutschland in Pesos:

[1352]Asien.

Asien.


Asien, der gröſste Weltteil, reich gesegnet mit Eisenerzen und
Steinkohlen, spielt doch nur eine sehr untergeordnete Rolle in der
neueren Geschichte des Eisens. Durch die Initiative der russischen
Regierung hat die moderne Eisenindustrie in Sibirien Wurzel ge-
schlagen. Hierüber ist in dem Abschnitt „Ruſsland“ schon berichtet
worden. In dem ganzen weiten Gebiet des mohammedanischen Asiens
sind die Verhältnisse nicht über die sozusagen prähistorischen Zu-
stände, wie wir sie bei der Türkei geschildert haben, hinausgekommen,
obgleich dieses Gebiet die ältesten Heimstätten der Eisenindustrie in
sich schlieſst. Nirgends hat die asiatische Kultur aus sich selbst
heraus Fortschritte der Eisenindustrie geschaffen; wo solche zu ver-
zeichnen sind, wurden sie von Europäern eingeführt.


China, das Riesenreich, dessen Reichtum an Steinkohlen und Eisen-
erzen unermeſslich ist, hat nur sehr geringe Fortschritte aufzuweisen,
die nicht weiter als bis zum Jahre 1867 zurückreichen. Damals 1)
wurde das Arsenal zu Fu-Tschau in der Provinz Fukien teilweise
nach europäischem Muster eingerichtet. Es erhielt eine Gieſserei,
Schmiede, Walzwerk und Kesselschmiede und beschäftigte an 800 Eisen-
arbeiter, doch hatte es keine eigene Eisenerzeugung, bezog vielmehr
Roh- und Guſseisen, Bleche u. s. w. aus England, kaufte in den Häfen
altes Eisen und von den chinesischen Hütten schmiedbares Eisen auf.
Letzteres wurde aus Magneteisensand, der durch Waschen bis auf
50 Prozent angereichert wurde, in kleinen 5 bis 6 Fuſs hohen Öfen,
welche den Wind aus hölzernen, von Menschen betriebenen Gebläsen
erhielten, mit gleichen Gewichtsteilen Holzkohlen auf eine Art Roh-
eisen verschmolzen, wobei etwa 30 Prozent Eisen aus den Erzen aus-
gebracht wurde. Dieses Eisen wurde in denselben Öfen raffiniert und
man erhielt aus 100 Roheisen mit 50 Holzkohlen etwa 83 Gewichts-
teile schmiedbares Eisen, das unter Handhämmern zu kleinen Schienen
abgeschmiedet in den Handel kam. Das Arsenal zu Fu-Tschau be-
zahlte für 100 Kilo dieses Materials 27½ Frcs.


Diese Anstalt blieb längere Zeit die einzige ihrer Art in China,
indes nahm die Eiseneinfuhr mit jedem Jahr zu, und darin zeigte
[1353]China.
sich ein Fortschritt. Sie betrug 1888 rund 83500 Tonnen, ferner
2735 Millionen Nähnadeln und für etwa 2 Millionen Mark Maschinen.


Die Erbauung von Eisenbahnen stieſs bei den konservativen An-
schauungen der Chinesen auf groſsen Widerstand. Die Mehrzahl sah
darin ein nationales Unglück. 1887 gab es nur die 27 km lange
Kohlenbahn Kaiping—Jenschwang. 1888 wurde die Verlängerung der-
selben über Taku nach Tientsin (96 km) erbaut. Das englische Eisen-
werk Barrow lieferte die dafür erforderlichen Vignolschienen.


1891 tauchte der Gedanke auf, ein groſses Eisenwerk nach euro-
päischem Muster am Yangtsekiang in der Nähe von Hankau zu er-
richten. Der fortschrittlich gesinnte Vizekönig der Provinz Hupe,
Chan-Chi-Tung, faſste diesen Plan und übertrug die Ausführung
dem englischen Ingenieur H. Hobson. Am Nordabhange des Hanyang-
gebirges am Flusse Han gegenüber der Stadt Hankau sollten zunächst
zwei Hochöfen nach dem Typus der Clevelandöfen für eine Erzeugung
von täglich 100 Tonnen erbaut werden. Hieran wollte man dann ein
Bessemerwerk mit zwei 5-Tonnen-Konvertern, ein Schienenwalzwerk
und ein Siemens-Martinwerk anschlieſsen. Letzteres sollte das Material
für Panzerplatten und Kanonen liefern. Sodann war ein Puddelwerk mit
20 Puddelöfen und mit einem Blech- und Trägerwalzwerk verbunden ge-
plant. Die Maschinen- und die Eisenteile wurden in England und Belgien
bestellt. Den Herren Hobson und White wurde die Leitung übertragen.
1892 sollte das Werk fertiggestellt werden, aber es dauerte bis in das
Jahr 1894, daſs die Hochöfen und das Walzwerk dem Betrieb über-
geben wurden. Die Eisenerze — reiche Magnetite — kamen von Tieh-
Schan-Pú in der Provinz Ta-Yeh 1) an den Yangtsekiang und auf diesem
nach Hanyang. Die zwei Hochöfen hatten drei Gebläsemaschinen und
Cowperapparate 2). Das Bessemerwerk hatte je zwei Kupolöfen, einen
für das Umschmelzen von Roheisen, einen für Spiegeleisen. Das
Arbeitspersonal bestand aus 80 geschulten chinesischen Arbeitern, die
zwei Jahre lang bei John Cockerill in Seraing gearbeitet und sich
vorbereitet hatten, und aus 30 belgischen Ingenieuren und Arbeitern.
Ingenieur Braive hatte das Verdienst, die herrschenden Vorurteile
gegen die moderne Industrie einigermaſsen beseitigt zu haben. In
der Direktion befand sich der deutsche Ingenieur G. Toppe. Die
Eröffnung des Werkes kurz vor Ausbruch des Krieges mit Japan
fiel in keine günstige Zeit, indem die fremdenfeindliche Politik der
Regierung, die sich namentlich auch gegen die Industrie richtete,
[1354]China.
wieder schärfer hervortrat. 1894 erlieſs das Seezollamt ein Verbot
der Einfuhr fremder Maschinen, die das Leben gefährdeten und die
den Lebensunterhalt chinesischer Unterthanen schmälern könnten.
Trotzdem wurde das Werk bei Hankau noch erweitert und eine
Maschinen-, Wagen- und Waffenfabrik gebaut. Die finanziellen Er-
gebnisse waren aber sehr ungünstig, und der Vizekönig muſste im
Jahre 1896 monatlich 150000 Mark zusetzen. Er verpachtete es
deshalb an ein vielgliedriges chinesisches Konsortium, an dessen Spitze
Sheng-Hüen, der Taotai von Tientsin und Direktor der Staats-
telegraphen und der gröſsten chinesischen Dampfschiffahrtsgesellschaft
(China Merchants Steam Navigation Company), stand. Dieser er-
strebte die Erbauung einer Bahnverbindung von Peking nach Hankau.


Im Jahre 1896 erzeugte der Hochofen Nr. I 10983 Tonnen
Bessemerroheisen. Das Stahlwerk lieferte 2300 Tonnen Fluſsstahl,
nämlich 1500 Tonnen Bessemerstahl für Eisenbahnschienen und
800 Tonnen Martinstahl für Handelseisen. Die Hanyangwerke kamen
aber sehr schnell herunter, nachdem sie 1887 in chinesische Hände
gefallen waren, und das ganze Unternehmen erschien jetzt als ein
verfehltes.


Ein 1896 von Chinesen erbauter Hochofen bei Kweicheo fror
beim ersten Anblasen ein. Dagegen hatte ein kleines Martinwerk in
Shanghai mit zwei Siemens-Martinöfen besseren Erfolg, es erzielte eine
Jahreserzeugung von 1000 bis 1200 Tonnen.


Inzwischen entwickelte sich der Eisenbahnbau, wenn auch lang-
sam, weiter. 1896 hatten die chinesischen Linien eine Länge von
rund 200 km, Ende 1897 von 418 km. Es bestanden drei Linien:
1. Tientsin—Tongku—Shanhaikuan, 270 km, 2. die Tayeh-Eisenbahn,
28 km, und 3. die Bahn Tientsin—Peking, 120 km, die durch kaiser-
liches Edikt vom 9. Dezember 1895 angeordnet und von dem eng-
lischen Ingenieur C. W. Kinder unter Aufsicht des Taotai Li aus-
geführt worden war. Geplant waren die Linien Peking—Hankau,
1400 km, und Wusung—Schanghai—Sutschan—Nanking, 500 km.


Besseren Erfolg als die Eisenhüttenwerke hatten die von der
kaiserlichen Regierung angelegten Waffenfabriken. Die bedeutendste
war zu Kiang-Nan am Flusse Wusung, etwa 20 km von Shanghai ent-
fernt. Sie war ganz in europäischer Weise eingerichtet, hatte zwei
Siemens-Martinöfen, eine Schmiedepresse von 2000 Tonnen Arbeits-
druck, einen Kran für 100 Tonnen Tragkraft, groſses Plattenwalzwerk
und Stahlgieſserei; hierzu kam das Arsenal mit der Waffenfabrik und
die Docks. Die Anlage beschäftigte 2500 Arbeiter. Das Arsenal
[1355]China.
stand direkt unter dem Vizekönig von Nanking. Die Leitung lag in
den Händen einer Direktion, zu der einige englische Ingenieure, meist
aber Chinesen gehörten. Eine Gewehrfabrik befand sich in Tientsin,
und eine Staatswerft in Futschau.


Trotzdem neben den neuen Anlagen die primitive einheimische
Eisenindustrie fortbestand und den Bedarf der Bevölkerung zum Teil
deckte, war doch China namentlich für seine neuen Unternehmungen
auf die Einfuhr von Europa und Amerika angewiesen. Hieran hatte
England den Hauptanteil, dann folgten Belgien und Deutschland. In
neuester Zeit ist letzteres an die zweite Stelle gerückt.


Einfuhr nach China in Pikuls (1 Pikul = 60,45 kg).


Einfuhr nach Wert in Haikuan Taëls (zu 5,29 Mark).


[1356]Japan.

Japan. Früher lagen die Verhältnisse in Japan ähnlich wie in
China, es herrschte starrer Konservatismus und eine feindliche Ab-
lehnung alles Fremden. Hierin trat aber in den sechziger Jahren eine
Wandlung ein, und die Restauration im Jahre 1868 mit der Thron-
besteigung des Mikado, des Nengö Meiji, bewirkte einen vollständigen
Umschwung. Die Macht der Lehnsfürsten (Daimios), die seither den
Fortschritt hauptsächlich gehemmt hatten, wurde gebrochen und die
Kaisermacht wieder hergestellt. Mit vollem Bewuſstsein wandte sich
Regierung und Volk der modernen europäischen Kultur zu und es ist
bewunderungswürdig, wieviel das hochbegabte, energische und tapfere
Volk seitdem geleistet hat. Nach der Verlegung der Residenz von
Kioto nach Jeddo, welches seitdem den Namen Tokio erhielt, wurde
daselbst 1872 eine Universität nach europäischem Muster und unter
Berufung europäischer Lehrkräfte gegründet, in Verbindung damit
entstand eine technische Hochschule, die in der Folge mit der Uni-
versität vereinigt wurde. Die technische Hochschule gründete wieder
einen Ingenieurverein, der rasch in Blüte kam und segensreich wirkte.
Im Jahre 1871/72 wurde auch die erste Eisenbahn gebaut und 1873
nahm Japan bereits an der Weltausstellung in Wien in ehrenvoller
Weise teil. Die Eisenindustrie war allerdings noch sehr im Rück-
stand und die ungenügende Erzeugung wurde nach recht veralteten
Verfahren dargestellt. Hierüber entnehmen wir dem Berichte von
Franz Kuppelwieser über die Wiener Weltausstellung von 1873
das Folgende.


Japan ist reich an Eisenerzen und Steinkohlen. 1871 wurden
über 11000 Tonnen Kohlen gefördert und 9375 Tonnen Schmiede-
eisen erzeugt. Ein Bergbau auf Eisenerze findet nicht statt, vielmehr
wird das Erz aus erzreichem Sand gewaschen. Dieser Eisensand wird
in kleinen Stück- oder Blauöfen mit Holzkohlen geschmolzen. Zur
Winderzeugung dienen meist liegende, doppeltwirkende Kastengebläse
für Handbetrieb, während man für gröſsere Öfen auch einfache
oszillierende Cylinder-Kolbengebläse, die zuweilen durch Wasserräder
bewegt werden, verwendet. Das bei der ersten Schmelzung erblasene
Produkt ist entweder schmiedbares Eisen oder ein unvollkommen ge-
flossenes graues bis kleinluckiges Roheisen. Ein Stückofen schmilzt
in drei Tagen aus 100 Centner Erz etwa 36 Centner Eisen.
Dieses Roheisen wird in einer Art von Kupolöfen umgeschmolzen und
vergossen. Diese Kupolöfen sind der Höhe nach aus drei Teilen zu-
sammengesetzt. Der untere besteht aus einem Guſseisen-Kessel, der
mit einer fünf Zoll dicken Masseschicht ausgekleidet ist und
[1357]Japan.
eine Höhe von etwa zwei Fuſs hat. Der eigentliche Schacht wird aus
zwei guſseisernen Cylindern von vier und zwei Fuſs Höhe gebildet;
dieselben sind ebenfalls ausgefüttert. Die Thonform von etwa
einem Zoll Durchmesser ist sehr geneigt. Das Gebläse ist dasselbe
wie bei den Stücköfen. Der Durchmesser des Ofens schwankt zwischen
ein und zwei Fuſs. Die Holzkohle ist von vorzüglicher Qualität,
meist Eichenkohle. Bei Beginn des Betriebes wird der Ofen nahezu
gefüllt und dann bei gleich bleibender Holzkohlengicht von etwa
¾ Kubikfuſs mit 8 Pfund Eisensatz begonnen und gegen Ende der
Kampagne bis 30 Pfund gestiegen. Je nach der Gröſse des Ofens
besteht eine Kampagne aus etwa 30 bis 70 Centner, welches Quantum
in etwa acht Stunden niedergeschmolzen wird. Der Ofen wird nach
drei Schmelzungen neu ausgefüttert. Eigentümlich ist noch, daſs der
Guſseisenkessel, welcher den Boden bildet, etwa 20 Abstichöffnungen
hat, weil sehr häufig ein Einfrieren des Abstichs stattfindet.


Die von dem auf diese Weise eingeschmolzenen Roheisen erzeugten
Guſswaren bestehen der Hauptsache nach aus Hausgeräten, wie Kessel,
Pfannen, Schaufeln u. s. w., die recht hübsch und nett gearbeitet
sind. Bei Erzeugung der Kochgeschirre, welche sehr dünnwandig
sind, wird der Oberkasten der Form aus feuerfester Masse hergestellt,
sehr gut gebrannt und an hundertmal hintereinander benutzt, dabei jedes-
mal nur ausgeflickt und geschwärzt, während der Unterkasten mit dem
Kern aus Sand für jeden Guſs neu gemacht wird. Für Kunstguſs,
der sehr schön ausgeführt wird, verwendet man Wachsmodelle, die
dann aus der Lehmform ausgeschmolzen werden.


Behufs der Erzeugung von Stahl und Stabeisen werden die aus
dem Stückofen erhaltenen Luppen in verhältnismäſsig kleine Stücke
geschroten, dies in kleinen am Boden angebrachten Feuern sorgfältig
ausgeheizt und mit Handhämmern zu Schienen von etwa 18 bis 20 Zoll
Länge, 5 Zoll Breite und ½ Zoll Dicke ausgeschmiedet. Um
schmälere Stangen (Nageleisen) zu erhalten, werden diese Flach-
schienen der Länge nach mittelst Setzeisen auseinander gehauen. Die
Qualität des Eisens ist eine vorzügliche und die aus dem Eisen und
Stahl mit der Hand geschmiedeten Werkzeuge meist sehr schön und
sauber ausgeführt.


Die einheimische Erzeugung deckte bei weitem nicht den Bedarf;
Eisenwaren und Maschinen wurden deshalb in immer wachsenden
Mengen aus dem Auslande bezogen.


Daſs die einheimische Eisenindustrie sich nicht ebenso rasch
entwickelte wie die übrigen Industriezweige, lag in der Natur
[1358]Japan.
der Sache, in der Vergangenheit und in dem Umstand, daſs es vor-
läufig vorteilhafter war, diese Gegenstände gegen andere Industrie-
erzeugnisse einzutauschen, als sie selbst zu erzeugen, wozu auch zu-
nächst noch die Vorbedingungen fehlten.


Die erste moderne Hochofenhütte, allerdings noch für Holzkohlen-
betrieb, wurde 1875 in der Nähe der Eisenerzgruben von Haigou erbaut.
Der Hochofen war 17,40 m hoch, 3 m in der Rast und 1,80 m in der
Gicht weit, er war mit Lürmanns Schlackenform versehen und hatte
Whitwellapparate zur Winderhitzung. Die Produktion betrug 70 bis
80 Tonnen in der Woche, das Erz war gewaschener, weicher Magnet-
eisensand. Die Anlage war von der englischen Firma Head, Wrightson
\& Co. von den Teesdale Eisenwerken bei Stockton on Tees ausgeführt,
die feuerfesten Steine waren aus japanischem Material hergestellt, die
stehende Gebläsemaschine von der Firma Galloway in Manchester ge-
liefert. In demselben Jahre 1875 erbaute David Forbes ein Eisen-
werk, das zunächst 12 Puddelöfen und 7 Schweiſsöfen, sodann ein
Blech-, Schienen-, Stabeisen- und Trägerwalzwerk und einen Dampf-
hammer umfaſste. Alle die letztgenannten Werkzeuge waren von der
berühmten Firma Tannet, Walker \& Co. in Leeds geliefert.


Bis zum Jahre 1880 waren Bergbau und Metallgewinnung staatlich.
In diesem Jahre brach die Regierung mit dem alten System und ging
dazu über, die Bergwerke zu veräuſsern oder zu verpachten. Ein
Hindernis für die Entwickelung des Bergbaues war es, daſs die Arbeit
des Bergmannes in Japan verachtet war. Man hatte vordem nur
Sträflinge zur Bergarbeit verurteilt, wie im alten Rom. Nur Leute
aus den untersten Schichen der Bevölkerung wurden Bergarbeiter,
die schlecht bezahlt und hart behandelt wurden.


Wie sehr der Eisenverbrauch in den achtziger Jahren zunahm,
geht daraus hervor, daſs derselbe von 1877 bis 1888 von 1213675 Yen
auf 6189168 (von 4854700 Mark auf 25610000 Mark) stieg. 1888
betrug der Bedarf an Eisenbahnschienen 6142000 Mark, an Roheisen
1676500 Mark, an Werkzeugen 1333460 Mark, an sonstigen Eisen-
waren 12651260 Mark.


Ein deutliches Bild der raschen Entwickelung Japans in dieser
Zeit giebt das rasche Wachstum der Eisenbahnen. Die Länge der
Eisenbahnlinien betrug in englischen Meilen (statute miles):




[1359]Japan.

Aus diesen Zahlen ist deutlich ein auſserordentlicher Aufschwung
in den letzten 20 Jahren zu erkennen. Der japanische Ingenieurverein
zählte 1890 bereits 1000 Mitglieder, die nach Fächern als Maschinen-
bauer, Elektrotechniker, Berg- und Hüttenleute, Chemiker, Metallurgen,
Architekten, Schiffsbauer und Civilingenieure eingeteilt waren.


1893 besaſsen die japanischen Bahnen 206 Lokomotiven, 200 eng-
lische, 4 deutsche und 2 amerikanische. In diesem Jahre wurde die
erste japanische Lokomotive — eine Verbundmaschine — in Kobe erbaut.
Bis 1893 gab es nur eine Stahlgieſserei, diese war in Sakei, 1894 wurde
eine neue von der Japan Steel Manufacturing Company in Osaka er-
baut. 1895 bereiste der berühmte amerikanische Eisenindustrielle
Potter im Auftrage der japanischen Regierung das Land und er-
stattete ein Gutachten über die Eisenindustrie und ihre Zukunft.
Aus seinem Bericht geht hervor, daſs die oben erwähnten beiden
alten Holzkohlenhochöfen wegen Holzmangels und teurer Holzkohlen-
preise nicht mehr konkurrenzfähig waren. Ungünstig war es, daſs
die besten Eisenerzlager im mittleren und nördlichen Japan lagen,
während die Kokskohlen nur im Süden vorkamen. Dennoch gewann
die Idee der Anlage eines groſsen modernen Hochofen- und Stahl-
werks seit der Zeit immer mehr Anklang.


1894 waren 3328879 Tonnen Steinkohlen, 22236 Tonnen Roh-
eisen, das gröſstenteils zu Guſswaren verwendet wurde, etwa 5000
Tonnen verarbeitetes Eisen und 2000 Tonnen Stahl erzeugt worden.
Die Einfuhr von Eisen und Stahl, namentlich für Eisenbahnbedarf und
Schiffsbau, war aber sehr bedeutend und verschlang groſse Summen.


Aus diesem Grunde bewilligte die japanische Kammer im Jahre
1896 den Betrag von 4095700 Yen (an 18 Mill. Mark) zur Anlage
eines groſsen Stahlwerkes für etwa 60000 Tonnen Jahreserzeugung
und entsandte Ende 1896 eine Kommission zur Information und mit
Vollmachten nach Amerika und Europa. Es wurde beschlossen, das neue
Werk in Edamitsu bei Yawatamura am Hafen von Wakamatsu nahe
den Kohlenlagern von Kiuschu, womit es durch Eisenbahn verbunden
war, anzulegen.


Die erwähnte Kommission erteilte ihre Aufträge und Bestellungen,
wo es ihr am besten schien; Deutschland hat dabei einen ehren-
vollen und bedeutenden Anteil errungen 1). Die Hochofenanlage
wurde von dem bekannten Hütteningenieur Fritz W. Lürmann in
Osnabrück entworfen und die Eisenkonstruktionen von der Gute-
[1360]Japan.
hoffnungshütte in Olerhausen ausgeführt. Das ganze Werk wurde
nach den neuesten Erfahrungen konstruiert. Die Hochofenanlage
enthielt 2 Hochöfen von 23 m Höhe und 7 m Kohlensackweite,
4 Gebläsemaschinen und 8 Cowperapparate von je 30 m Höhe. Das
Stahlwerk wurde von der Gutehoffnungshütte entworfen und die
Eisenteile dazu geliefert. Zwischen Hochöfen und Stahlwerk wurden
zwei Mischer von 160 Tonnen Inhalt eingeschaltet. Zwei Kupolöfen
von 200 Tonnen Tagesleistung bedienten die zwei amerikanischen
Konverter, die 5763 mm hoch und 3 m weit waren und 400 Tonnen
in 24 Stunden erzeugten. Wie die Mischer wurden auch sie hydrau-
lisch gekippt. Ferner enthielt die Anlage vier Martinöfen zu
25 Tonnen Einsatz, elektrische Kräne von 20 bis 50 Tonnen Trag-
kraft. In dem Blockwalzwerk befanden sich sieben groſse Regene-
rativ-Wärmöfen, die mit Generatorgasen geheizt wurden. Die Auf-
gabethüren wurden durch Hydraulik geöffnet, auſserdem wurden die
Öfen von einem elektrischen Kran von 3 Tonnen Tragkraft bedient.
Die Blockstraſse war ein Duo-Reversierwalzwerk, dessen Walzen
2880 mm Ballenlänge und 9100 mm Durchmesser hatten. Es wurde
von einer liegenden Zwillingsmaschine von 4000 P. S. angetrieben.
Das Schienenwalzwerk, ebenfalls ein Duo-Reversierwalzwerk, wurde von
einer Dreicylindermaschine von 5800 P. S. bedient. Das Walzwerk
umfaſste Grobstraſse, Mittelstraſse und Feinstraſse, Grob- und Fein-
blechwalzwerk u. s. w. Das Werk hat eine groſse elektrische Centrale.
Von der Herstellung von Kriegsmaterial und Panzerplatten hatte man
vorläufig Abstand genommen. Die Erzeugung war geschätzt auf 45000
Tonnen Bessemer- und 45000 Tonnen Martinstahl. Die Leitung legte
man in die Hände eines Direktoriums, worin der Deutsche Gustav Toppe
als consulting director das einzige ausländische Mitglied war. Wada
Tsunastiro wurde Generaldirektor und Vorsitzender des Aufsichtsrates.


Im Jahre 1900 war der Bau des groſsen Werkes Edanitsu (Yawa-
tamura) so weit vorgeschritten, daſs man noch im Laufe des Jahres seine
Inbetriebsetzung erwartete. Bis dahin waren bereits 14 Mill. Yen (56 Mill.
Mark) für das Unternehmen verausgabt worden. Mit groſser Spannung
sah man dem Erfolge und den Veränderungen, welche seine Massen-
erzeugung auf den auswärtigen Handel ausüben würde, entgegen.


Vorläufig gehören noch Eisen- und Stahlwaren zu den Haupteinfuhr-
artikeln. An dieser Einfuhr hatte Groſsbritannien den Hauptanteil, dann
folgten Belgien, Deutschland und Nordamerika. In neuerer Zeit haben
aber die Vereinigten Staaten Deutschland und Belgien überflügelt und
machen in wichtigen Artikeln selbst Groſsbritannien erfolgreiche Kon-
[1361]Japan.
kurrenz, besonders in Eisenbahnschienen, sowie in Lokomotiven, Eisen-
bahnwagen und elektrischen Maschinen. Für Lokomotivbau giebt es in
Japan jetzt drei Staatswerkstätten, zu Kobe, Tokio und Osaka. An
den beiden letztgenannten Orten sind auch Schiffsbauanstalten. 1899
gab es in Japan 5375 Dampfmaschinen mit 58172 P. S. und 2968
Fabriken, die 273792 Arbeiter beschäftigten.


Erzeugung und Einfuhr sind in nachfolgender Zusammenstellung
aufgeführt.


Erzeugung Japans in Tonnen.


Erzeugung von Staats- und Privatbetrieben in Tonnen.


Einfuhr2)nach Wert in Yen3).


Beck, Geschichte des Eisens. 86
[1362]Japan.

Einfuhr nach Wert in Yen.


Deutsche Einfuhr 1890.



Einfuhr 1894 in Yen.



[1363]Japan.

Einfuhr 1897 und 1898 in Tonnen und Mark1).


Von der Einfuhr an Schienen und Lokomotiven entfielen dem
Werte nach in Mark:


Einfuhr in 1000 Mark.


86*
[1364]Ostindien.

Ostindien. Indien ist der Sitz einer uralten einheimischen
Eisenindustrie (siehe Bd. I), die schon in früher Zeit hochberühmt
war und die sich trotz der englischen Konkurrenz erhalten hat. Der
indische Wootzstahl wird heute noch so hoch geschätzt und bezahlt,
wie der beste englische Guſsstahl. Indien ist reich an guten Eisen-
erzen und leidet auch an Steinkohlen keinen Mangel. Die Be-
dingungen für eine Massenerzeugung in europäischer Weise scheinen
demnach gegeben. Die Versuche zur Gründung einer solchen Industrie
in Ostindien gehen viel weiter zurück als in China oder Japan. Das älteste
Unternehmen war die von Josiah M. Heath angeregte Indian Steel,
Chrom and Iron Company im Jahre 1833, welche im südwestlichen
Indien zu Porto Novo und Beipur (Beypore) einen Hochofen, sowie
Puddel- und Walzwerke anlegte und betrieb. Mit Unterstützung der
Regierung zu Madras kam das Werk nach Überwindung vieler Schwierig-
keiten in guten Gang, so daſs sich die alte Gesellschaft im Jahre 1853
in eine neue mit 400000 £ Aktienkapital umwandelte, die eine groſse
Thätigkeit entfaltete. Sie baute zwei neue Hochofenwerke für Holz-
kohlenbetrieb zu Poolamputty im Salemdistrikt und zu Trinomally im
Süd-Arcotdistrikt 1), die ihr gutes Roheisen zu günstigen Preisen in
London verkaufen konnten. Dies dauerte aber nur so lange, als Roh-
eisen für Ballast nach England ging; als dies aufhörte und die Ver-
suche, den Puddelprozeſs durch den Bessemerprozeſs zu ersetzen, keinen
Erfolg hatten, gingen die Werke zu Grunde und wurde der Betrieb
im Jahre 1864 eingestellt. Mehrere andere Anlagen von Holzkohlen-
hochöfen verschwanden noch schneller 2).


Mehr Erfolg hatten die Eisenwerke bei Barrakur in Bengalen, wo
sich Eisenerz und Steinkohle nahe beisammen finden. Hier gründete
1875 die Bengal Iron Works Company eine Hochofenanlage und
Gieſserei, die aber 1879 ihren Betrieb einstellen muſste. Zwei Jahre
später übernahm die englische Regierung das Werk, baute 1881 bis
1883 zwei neue Hochöfen und erweiterte die Gieſserei bedeutend.
Um 1890 trat die Regierung das Werk wieder an eine Privatgesell-
schaft ab, die es noch weiter vergröſserte. In demselben Jahre
gründete die englische Regierung ein gröſseres Eisen- und Stahlwerk
in dem Erzgebiete Ranigaudsch, wo Erze und Steinkohlen zusammen
vorkommen. Dasselbe sollte hauptsächlich Eisenbahnmaterial, Schienen
und Schwellen liefern.


1883/84 hatte eine „Weltausstellung“ in Calcutta stattgefunden.


[1365]Ostindien.

Die Steinkohlenförderung Ostindiens war von 1866 bis 1892/93
von 1389 auf 2538 Kilotonnen und 1897 auf 4128 Kilotonnen ge-
stiegen. Die Bengal Iron and Steel Company erzeugte im Jahre
1892/93 12917 Tonnen Roheisen und 3970 Tonnen Guſseisen. In
Südindien, in der Präsidentschaft Madras, hatte sich die Eisengieſserei
gut entwickelt. Die gesamte Eisenerzeugung der ostindischen Hoch-
öfen im Jahre 1896 betrug 46000 Tonnen. Eine Schwierigkeit fanden
die Werke in der Beschaffung von Zuschlagskalk.


Die Erzeugung der nach europäischen Mustern angelegten Eisen-
werke konnte den Bedarf nur zum kleineren Teil decken, den gröſsten
Teil muſste die Einfuhr liefern.


Hierüber geben die nachfolgenden Zahlen Aufschluſs. Die Ein-
fuhr von Eisen und Eisenwaren war in den Jahren 1887/88 bis
1892/93 von 3608405 Centner auf 3722252 Centner gestiegen, die
Stahleinfuhr von 1884/85 bis 1892/93 von 253426 Centner auf
1039815 Centner. Groſsbritannien, Belgien und Deutschland waren
daran hauptsächlich beteiligt. Die belgische Einfuhr hatte Anfang der
neunziger Jahre die englische zum Teil überholt.


Die Einfuhr nach Sorten in englischen Centnern war:


Nach Wert in 1000 Rupien 1) betrug die Einfuhr:


[1366]Ostindien.

Einfuhr aus Deutschland in 1000 Rupien.


Einfuhr aus England, Belgien und Deutschland in 100 Ctrn.


In Hinterindien und auf den Sundainseln haben sich uralte
einheimische Eisenindustrieen erhalten, die durch das billige Angebot
europäischer Fabrikwaren und Massenerzeugnisse mehr und mehr
bedrängt und eingeschränkt werden. Die moderne Betriebsweise hat
hier noch keinen Boden gewonnen. Alle diese und die übrigen nicht
aufgeführten Länder, Inseln und Staatengebiete kommen für die
neuere Geschichte des Eisens nicht in Betracht und haben nur als
Einfuhrländer ein Interesse. Nach China, Japan und Ostindien ist
Holländisch-Indien (die groſsen Sundainseln) das in dieser Hin-
sicht wichtigste Gebiet.


Nachstehende Zusammenstellung aus dem Jahre 1898 soll das
Verhältnis der Einfuhr der vier Hauptgebiete Asiens untereinander
erläutern.


Einfuhr 1898 nach Wert in Millionen Mark.

[1367]Afrika.

Afrika.


Die Völkerschaften Afrikas haben zwar eine uralte einheimische
Eisenindustrie (vergl. Bd. I), die sowohl in ihrer Betriebsweise, wie in
ihren Erzeugnissen höchst originell ist, die aber durch die Aus-
breitung des europäischen Handels immer mehr zurückgedrängt
wird. Es ist bequemer und billiger, gutes fremdes Eisen oder
fertige Waren zu kaufen oder einzutauschen. Infolge der Aufteilung
Afrikas dringen europäische Kultur, Telegraphen, Eisenbahnen, Dampf-
schiffe immer tiefer in den lange verschlossenen Weltteil ein und
veranlassen einen wachsenden Bedarf an Eisen- und Stahlmaterial,
das aus Europa eingeführt wird. Die eigene Produktion verschwindet
hierdurch mehr und mehr. Der afrikanische Weltteil wird dagegen
ein immer wichtigeres Absatzgebiet für die Eisenindustrie der Kultur-
länder. Nur in dieser Richtung hat der Weltteil eine Bedeutung für
die moderne Geschichte des Eisens.


Das Eisenbahnnetz Afrikas hatte



Es betrugen die Eisenbahnlängen in Kilometer:


Anfang 1898 wurde die Kongobahn mit 388 km fertiggestellt. Die
Ugandabahn in Britisch-Ostafrika, die eine Länge von 886 km erhalten
soll, war im März 1899 auf 362 km ausgebaut. Ein kühnes Projekt
[1368]Afrika.
entwarf Cecil Rhodes, eine Nord-Südbahn sollte das Mittelmeer mit
dem Kap verbinden. Sie würde eine Länge von 9119 km bekommen
und müſste die Verbindung Bulawayo—Berber, 4981 km lang, erst
noch gebaut werden. Der traurige Krieg in Südafrika hat dem
erfreulichen Aufschwung Afrikas, besonders dem der Südstaaten, einen
schweren Schlag versetzt. Transvaal, dessen Eisenbedarf seit 1892
rasch gestiegen war, ist dadurch besonders hart betroffen.


Einfuhr in 1000 Mark.


Deutsche Einfuhr 1899 nach Wert in 1000 Mark.


[1369]Australien.

1895 bezog Transvaal für 41108000 Mk. Maschinen, für 5680000 Mk.
Eisenbahnmaterial und für 12675000 Mark sonstige Eisen- und
Metallwaren. Das meiste kam von England, doch war auch Deutsch-
land mit 6 Millionen Mark an der Einfuhr beteiligt. Dem Gewicht
nach betrug die Einfuhr 25803 Tonnen Eisenbahnschienen und
-schwellen, 1792 Tonnen Lokomotiven, 1266 Stück Eisenbahnfahr-
zeuge, 6391 Tonnen Eisendraht, 4204 Tonnen Blechwaren u. s. w.


Einen Überblick der Einfuhr der wichtigsten Länder im Jahre
1898 und der Zunahme seit 1889 sowie der deutschen Einfuhr 1899
in Wertzahlen zu 1000 Mark geben die vorstehenden Zusammen-
stellungen.


Australien.


Australien besaſs keine heimische Eisenindustrie, als es den
Europäern bekannt wurde; seine Bewohner lebten — wie zum Teil
noch heute — völlig in der Steinzeit. Noch mehr wie Afrika bietet
es deshalb für die Geschichte des Eisens nur als Absatzgebiet


Ein- und Ausfuhr in 1000 Mark.


Gesamteinfuhr, Einfuhr von Eisen, Eisenwaren, Maschinen
und Geräten im Jahre
1898 (1897) in 1000 Mark.


[1370]Australien.

Interesse dar. Die Gesamteinfuhr, wie die Einfuhr von Eisen und
Maschinen ist allerdings sehr bedeutend, wie die vorstehenden Auf-
stellungen zeigen.


Australien besitzt indes zahlreiche Eisenerzlager 1) und es wurden
auch bereits vor Jahrzehnten zwei Hochöfen erbaut, um die Erze zu
verschmelzen: im Jahre 1859 das Fitzroy-Eisenwerk bei Mittagong an
der Western-Railway, und im Jahre 1875 das Lithgow-Eisenwerk an
derselben Bahn. Beide hatten keinen Erfolg und gingen wieder ein.
Dagegen verarbeitet man seit 1885 in Lithgow Alteisen zu Stabeisen
und Blechen, auch wurde zu Ende des Jahrhunderts hier ein Martin-
ofen angelegt 2).


Neu-Süd-Wales hat bedeutende Kohlenfelder, die auf 70000 qkm
geschätzt werden. 1892 zählte man acht Kokereien und vier Kohlen-
wäschen.


[[1371]]

Weltproduktion.


Übersichten der Erzeugung aller Länder seit 1870.


Übersicht der Mineralkohlenerzeugung der Erde von 1870
bis 1899 in Kilotonnen.


Steinkohlenförderung 1894 bis 1899 in Kilotonnen.
(Nach E. Schrödter.)


Gesamtförderung in Kilotonnen.




[1372]Weltproduktion.

Förderung von Eisenerzen in Kilotonnen.


[1373]Weltproduktion.

Erzeugung von Eisenerz und Steinkohlen um 1890 in Tonnen.
(Nach Swank.)


Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen.


[1374]Weltproduktion.

Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen (Fortsetzung).


[1375]Weltproduktion.

Roheisenproduktion der Erde in den Jahren 1876, 1899, 1900
in Tonnen und Prozenten.


Anteil der Länder an der Weltproduktion in Prozenten.


Roheisenerzeugung in Kilogramm pro Kopf.


[1376]Weltproduktion.

Erzeugungskosten 1897 in Mark pro Tonne.


Schweiſseisenproduktion der Erde in Kilotonnen.


Fluſsmetall der Erde in Tonnen.






[1377]Weltproduktion.

Fluſsstahlerzeugung von 1865 bis 1900 in Metertonnen.
(Bis 1899 nach E. Schrödter in Stahl u. Eisen 1897, S. 338, und Gemeinfaſsliche Darstellung des Eisenhüttenwesens, 4. Aufl., 1901, S. 75.)


Beck, Geschichte des Eisens. 87
[1378]Weltproduktion.

Fluſseisenerzeugung in den Jahren 1899 und 1900 in Tonnen
und Prozenten
.


Erzeugung von basischem Fluſsstahl seit 1880 in Kilotonnen.


[1379]Weltproduktion.

Basische Stahlerzeugung der sechs leitenden Industrie-
länder
1899 in Tonnen.


Erzeugung von saurem Fluſsstahl in Tonnen.


Erzeugung von Bessemerstahl (saures Konverterfluſseisen)
nach Ländern in Kilotonnen
.


Erzeugung von basischem Martinstahl.


87*
[1380]Weltproduktion.

Ein- und Ausfuhr der wichtigsten Staaten Europas und der Vereinigten Staaten von Nordamerika.
(Nach Dr. Rentzsch.)


[1381]Weltproduktion.

Produktion in Kilotonnen, Ein- und Ausfuhr der Haupt-
staaten Europas und der Vereinigten Staaten im prozentalen
Verhältnis zur Produktion
1890 und 1899.


Ein- und Ausfuhr 1900 nach Wert in 1000 Mark.


[1382]Weltproduktion.

Ein- und Ausfuhr im prozentalen Verhältnis zur Produktion.
(Nach Rentzsch.)


[1383]Weltproduktion.

Inländischer Eisenverbrauch 1890 in Kilotonnen.


[1384]Weltproduktion.

Eisenverbrauch 1900 mit Berücksichtigung der Ein- und Ausfuhr in Kilotonnen (nach Dr. Rentzsch).


[1385]Weltproduktion.

Eisenerzeugung pro Kopf der Bevölkerung in Kilogramm.


Eisenverbrauch 1884 pro Kopf der Bevölkerung
in Kilogramm
.




Eisenverbrauch und -produktion pro Kopf der Bevölkerung
in Kilogramm
.


[1386]Weltproduktion.

Eingangszoll für 100 kg in Mark in den Jahren 1875 und 1899.


Eingangszölle für 100 kg in Mark im Jahre 1900.


[1387]Weltproduktion.

Entwickelung der Eisenbahnen der Erde.
Gesamtlänge in Kilometer
.


Länge der Eisenbahnen der einzelnen Länder seit 1896
in Kilometern
1).


[1388]Weltproduktion.

Länge der Eisenbahnen der einzelnen Länder in Kilometern.
(Fortsetzung.)

[[1389]]

Ein Schluſswort


sei dem Verfasser, ehe er den letzten Strich unter seine Lebensarbeit
setzt, noch gestattet. Es soll ein Wort des Dankes, der Entschuldigung
und der Hoffnung sein.


Dank sage ich allen denen, die meiner Arbeit mit Teilnahme
gefolgt sind und deren Rat und Beifall mich gefördert haben.


Entschuldigung erbitte ich für die Unzulänglichkeit der Aus-
führung. Bei dem weitgesteckten Ziele war es trotz Fleiſs und Mühe
nicht möglich, alle Fragen erschöpfend zu behandeln. Dies gilt be-
sonders für die Darstellung der kulturgeschichtlichen Bedeutung des
Eisens, die gegenüber der der technischen Fortschritte mehr und mehr
zurücktritt. Gerade hier setzt aber meine Hoffnung ein, daſs der
aufmerksame Leser aus den kurzen Andeutungen, sowie aus den Mit-
teilungen über die Zunahme der Erzeugung und immer mannig-
faltigeren Verwendung des Eisens die kulturgeschichtlichen Ergebnisse
sich selbst ergänzen wird.


Möge das Buch nicht nur seinen unmittelbaren Zweck, durch die
geschichtliche Darstellung der Entwickelung der Eisenindustrie Fach-
genossen und deren jugendlichen Nachwuchs zu belehren und zu
fördern, erfüllen, sondern auch einem weiteren Kreise gebildeter Leser
Neues und Anregendes bieten.


Ich hoffe den Beweis erbracht zu haben, daſs die geschichtliche
Behandlung des Eisens, obgleich nur ein lebloser Stoff, nicht unnütz
war; mag ihr auch eine gewisse Einseitigkeit anhaften, so bringt sie
doch auch wieder manche Thatsachen klarer zur Erscheinung, als es die
politische Geschichte vermag. Unter diesen ist es besonders der stetige
Fortschritt, die Vervollkommnung durch menschliches Denken und
Schaffen, die uns zugleich mit sichtlicher Befriedigung erfüllt, weil sie
einem dem menschlichen Geiste innewohnenden Bedürfnisse entspricht.
Hierbei darf man freilich nicht vergessen, daſs es sich nur um die
Vervollkommnung eines Kulturmittels, nicht um die menschliche
Kultur selbst handelt. Beides ist ja leider keineswegs identisch. Daſs
[1390]Schluſswort.
aber die Verbesserung wichtiger Kulturmittel zu einer Verbesserung
des Menschengeschlechtes führen kann, ja daſs sie dazu führen muſs,
ist zweifellos. Nur Pessimisten oder Phantasten, die in der Rückkehr
zu dem Urzustande das Heil der Menschheit erblicken, können dies
bestreiten.


Mit der Vervollkommnung der Hülfsmittel steigern sich allerdings
auch wieder die Anforderungen an die Menschen: jeder Fortschritt
verlangt neue Fortschritte.


Als eine besonders wichtige dieser neuen Forderungen zeigt sich
deutlich in der Geschichte des Eisens die Notwendigkeit des Zusammen-
wirkens vieler unter Teilung der Arbeit für einen gemeinsamen
Zweck und die dadurch bedingte Unterordnung des einzelnen in dem
Wirken für die Gesamtheit. Diese Forderung ist weit mehr wie
früher zu einer sittlichen Pflicht geworden, der sich keiner ungestraft
auf die Dauer entziehen kann. Was aber durch dieses Zusammen-
wirken erreicht wird, zeigen uns vornehmlich die groſsen Errungen-
schaften auf dem Gebiete des Verkehrswesens, die dem modernen
Leben ihren Stempel aufgedrückt haben.


Gröſseres noch bleibt der Zukunft vorbehalten. Die Geschichte
des Eisens giebt uns die Überzeugung, daſs dieses, wenn es erreichbar
ist, auch erreicht werden wird. Ein Rückblick lehrt uns, daſs die
Errungenschaften zunehmen und immer gröſser werden und sicherlich
wird auch den kommenden Zeiten das Eisen das wichtigste Hülfs-
mittel hierfür sein.


Mit diesem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft rufe ich meinen
Lesern zum Abschied ein „Glück auf!“ zu.


Biebrich, den 10. Juli 1902.


Der Verfasser.


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[...]
Notes
1).
Napoléon, Études sur le passé et l’avenir de l’artillerie, Paris 1846.
1).
Siehe Comptes rendus, t. 53.
1).
Compt. rend. 1861, t. 52, p. 1195.
2).
Compt. rend. 1861, t. 53, p. 77.
3).
Monatsbericht der Kgl. Preuſs. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. Dezbr. 1862.
1).
Siehe Jahrbuch der österr. Bergakademien etc. für 1861.
1).
Siehe L. Rinman, Oefvers. af Akad. Förh. 22, N. 6, p. 443; Dingler,
Polyt. Journ. 185, S. 134.
2).
Siehe Iron and Steel, p. 119.
3).
Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1864, S. 201 und 1865, Nr. 7.
1).
Comptes rendus, Jan. 1862, t. 54, p. 212.
2).
Percy, Iron and Steel, p. 92.
1).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 168, S. 380.
2).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 195, S. 252.
1).
Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 84.
2).
Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch 1869. Zusammenstellungen von
Eisenanalysen finden sich in Kerpelys Fortschritten und in Kerls Handbuch der
metallurgischen Hüttenkunde I, 769, 772 und III, 9, 34.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1862, S. 6.
2).
l. c. 1865, S. 208.
1).
Siehe Zeitschrift für analytische Chemie, 1862, S. 361.
2).
Siehe Zeitschrift für analyt. Chemie, 2, 243. Fr. Mohr, Lehrbuch der
analyt. Titriermethode, 1862, S. 235.
3).
Siehe R. Fresenius, Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse,
5. Aufl., 1865, S. 789.
4).
Siehe Fresenius, Zeitschrift für anal. Chem., Bd. 4, S. 423.
5).
Siehe Poggendorff, Annalen 1861, Bd. 114, S. 507.
1).
Siehe Jern-Kontorets Annaler 1884 und Dingler, Polyt. Journ. 188, S. 119.
2).
Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1860, S. 415.
3).
Siehe Balling, Probierkunde 1879, S. 237.
4).
Siehe Zeitschrift des Vereins deutsch. Ingenieure X, 315.
1).
Siehe Compt. rend. LXII.
2).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1862, S. 10.
3).
Siehe Quaterly Journal of Science 1864.
1).
Siehe Dingler, Pol. Journ. 162, S. 427.
2).
a. a. O. 161, S. 303.
1).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 158, S. 416.
2).
Siehe Beilage zu Nr. 22 des Berggeist von 1861.
1).
London Journ. of Arts, März 1861; Dingler a. a. O. 164, S. 434.
2).
Polytechn. Centralblatt 1862, Nr. 9.
3).
Siehe Tunners Jahrbuch 1865, S. 106.
4).
Siehe Zeitschrift des Österreich. Ing.-Ver. 1864, S. 78 u. 107.
5).
Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1865, S. 604.
6).
Kirkaldy, Results of an experimental inquiry into the comparative
tensile strength and other properties of various kinds of wrought iron and steel. 1862.
7).
Siehe Ztschr. für Bauwesen, Bd. XVI.
1).
Knut Styffe, Die Festigkeitseigenschaften von Eisen und Stahl. Deutsch
von Weber, 1870.
2).
Engineering, Septbr. 1867, p. 236.
3).
The Quaterly Journ. of Science, Jan. 1868, p. 10.
1).
Über die Festigkeitsversuche mit Eisen und Stahl von A. Wöhler, mit
5 Kupfertafeln. Berlin 1870.
2).
Siehe Schlesische Wochenschrift 1861, Nr. 35.
1).
S. Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1863, S. 61; H. Weddings Handbuch 1898 II, Fig. 133.
2).
Charles William Siemens’ Engl. Pat. v. 21. Mai 1869, Nr. 1575.
3).
Practical Mechanic’s Journ. 1869, p. 201.
1).
Génie industriel 1869, vol. 38, pl. 481.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, Nr. 40.
3).
Siehe Preuſs. Zeitschrift IX, S. 171.
4).
Annales des mines 1864, 4. livr.; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 215,
Tab. VII, 1—4.
5).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 119.
1).
Siehe Bullet. de la soc. min., t. 14,
p. 141. 1868.
2).
S. Dingler, Polyt. Journ. 164, S. 420.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, S. 16.
2).
Siehe Leobener Jahrbuch 1867, S. 240.
1).
Siehe Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleiſses in
Preuſsen, 1867.
2).
Siehe Pract. Mechan. Journ. 1868, p. 336.
3).
Siehe Zeitschr. d. Österreich. Ingen.-Ver. 1864, S. 179.
1).
Siehe Dingler a. a. O. 181, S. 346.
2).
Siehe Percy, Iron and Steel, p. 410; Wedding a. a. O., II, 106.
1).
Percy, Iron and Steel, p. 408.
1).
Siehe Wedding a. a. O., II, S. 114 und Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1869,
Nr. 17.
1).
Gjers, Über die graduelle Entwickelung der Hochöfen in Cleveland im
Journ. of the Iron and Steel Ind. Nov. 1871.
2).
Nach M. L. Gruner, Analytische Studien über den Hochofen. Deutsch
von Const. Steffen, 1875, S. 3.
1).
Dr. E. F. Dürre, Die Anlage und der Betrieb der Eisenhütten, II, S. 96.
1).
Siehe Revue universelle, 1865, p. 62.
2).
Siehe Génie industriel, 1863, XXVI, p. 56.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg., 1862, Nr. 10.
1).
Siehe Wedding a. a. O. II, Fig. 422.
1).
Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1868, S. 133.
2).
Siehe J. H. Stahlschmidt, Darstellung des Eisenhochofenprozesses in
Zahl und Bild, verwendet zur Begründung besserer Ofenprofile. 1864.
3).
Dinglers Polyt. Journ. 195, S. 254.
1).
Abgebildet Stahl und Eisen 1896, S. 807, Fig. 8.
1).
Vergl. Wedding, a. a. O. II, 698; Eisen und Stahl 1891, S. 553; Berg- u.
Hüttenmänn. Ztg. 1867, S. 394 und 1868, S. 4.
1).
Vergl. Wedding, Eisenhüttenkunde II, S. 349.
2).
Siehe Zeitschrift des Ver. deutsch. Ing. VII, S. 459.
3).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, Nr. 11.
4).
Vergl. v. Hoffs Aufsätze in der Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1863,
S. 437 und 1864, S. 322.
5).
Siehe Bulletin de la soc. de l’industr. min. IX, 1. livr.
6).
Siehe Mechanic’s Magazine 1860, Nr. 2; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861,
S. 407 und Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. XIV, S. 524.
1).
Siehe A. Erbreich, Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im
preuſs. Staat, 1863, S. 301.
2).
Siehe Österreich. Jahrbuch für B.- u. H.-W., XI (1862), S. 45.
3).
Siehe Hartmann, Fortschritte des Eisenhüttenw. 1862, Nr. 18, 19, 21.
1).
Dieselbe ist abgebildet in Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1867, S. 195, und
Kerpely, Jahrbuch 1867, S. 43.
2).
Siehe Kerpely, Jahrbuch 1866, S. 41.
3).
Siehe Schinz, Dokumente betr. den Hochofen.
4).
Untersökningar rörande Masugnsgasernas kemiska sanmansättning, pression
och temperatur m. m. af L. Rinman och B. Fernqvist. Siehe Wedding II,
1868, S. 223, 243.
5).
Siehe Jannoyers Aufsatz darüber in Bullet. de la soc. de l’industr. min. VI,
S. 771; Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1862, S. 234.
1).
Siehe Tunners Jahrbuch 1869, S. 282 und 1870, S. 375.
1).
Revue universelle 1864, 8ième année, livr. 6, p. 425.
2).
Siehe Comptes rendus 1868, LXVI, p. 746.
1).
Siehe Öster. Jahrbuch, Bd. 18, S. 91.
2).
Vergl. David Forbes, in Chemical News, Decbr. 1868.
3).
Siehe Dingler, Polyt. Journ., Bd. 163, S. 116.
1).
Siehe Stein im Berggeist 1862, Nr. 11; Gruner, Annal. d. Min. 1865,
1. livr., p. 109.
2).
Siehe E. Langen, Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerb-
fleiſses in Preuſsen 1866, S. 317.
3).
Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1865, S. 399.
1).
Vergl. Tunners Jahrbuch u. s. w. 1865, S. 109.
2).
Siehe C. Schinz, Dokumente betreffend den Hochofen zur Darstellung
von Roheisen. Berlin 1868.
1).
Siehe Aufsatz von T. Egleston in New-York in Dinglers Journal 206,
S. 457.
1).
Vergl. auch Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1864, Nr. 21, 47.
2).
Ztschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1869, S. 274, Taf. III.
3).
Siehe Pract. Mechanic’s Journ., III. ser., vol. II, p. 257 und vol. IV
(1868), p. 72.
1).
Siehe Mallet a. a. O., S. 258.
1).
Das Patent (1865, Nr. 209) lautet auf den Namen von William, Robert,
John
und Adam junior Woodward. Die Firma hieſs Woodward Brothers,
Queenfoundry, Ancoato bei Manchester.
2).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1866, S. 44 und 126, Tab. III; Genaueres
darüber in F. Kohn, Iron and Steel Manufacture 1869.
1).
Siehe Dürre, Eisengieſserei 1870, I, S. 420.
2).
Siehe Kerpely, Jahresbericht 1866, S. 116, Taf. III.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Jahrbuch f. Leoben u. Přibram 1872, Bd. XXI.
S. 98; Dinglers Polyt. Journ. 206, S. 451.
1).
Siehe Pract. Mechan. Journ. 1866, Jan., p. 302; Kerpely a. a. O. 1862,
S. 132.
1).
E. Schott, Die Kunstgieſserei in Eisen. 1872.
2).
Karl Nicolaus, 1807 zu Kamenz in Sachsen geboren, wurde Gürtler,
kam 1834 nach Lauchhammer, wo Graf Detlev v. Einsiedel seine künstlerische
Beanlagung erkannte und ihn bei Rietschel, Rauch und in Paris ausbilden lieſs.
Als Vorsteher der Kunst- und Modellierwerkstätten zu Lauchhammer brachte er
den Kunstguſs dieses berühmten Werkes auf eine hohe Stufe. Er starb daselbst
am 4. Oktober 1897. (Näheres siehe Eisenzeitung 1897, Nr. 48, 49, 50.)
3).
Siehe Zeitschrift für d. Berg-, Hütten- u. Sal.-Wesen im preuſs. Staate.
Bd. XII, S. 324.
4).
Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1863, I, S. 1.
1).
Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1663, I, Taf. XIV.
2).
Siehe Dürre, Eisengieſserei, II, S. 513.
1).
Siehe Kerpelys Fortschritte u. s. w. 1867, Taf. II, Fig. 4 u. 5.
2).
Siehe Dinglers Polyt. Journ. 194, S. 292; Dürre a. a. O., II, S. 532.
3).
Engineering, März 1870, S. 208; Dinglers Polyt. Journ. 196, S. 502.
4).
Siehe Rittingers Bericht über die Pariser Weltausstellung, S. 144;
Armengand, Publ. industr., t. 19, pl. 36.
1).
Mém. de la Soc. des ingén. civils 1863, p. 317; Berg- u. Hüttenm. Ztg.
1864, S. 277.
2).
Siehe Kerpely, I, Tab. VI, Fig. 18 u. 19.
3).
Siehe Pract. Mechan. Journ., Mai 1868.
4).
Dinglers Journal 199, S. 369.
1).
Siehe Percy-Wedding, I, S. 603.
1).
Siehe Berggeist 1863, S. 256.
2).
Siehe Percy-Wedding, I, S. 602.
1).
Siehe On the regenerative gas furnace as applied to the Manufacture of
cast Steel by C. W. Siemens, London 1868, p. 9.
1).
Siehe Osborn, The Metallurgy of Iron and Steel 1869, p. 868.
2).
Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1869, S. 451; Percy-Wedding,
III, S. 45; Osborn, Metallurgy of Iron and Steel 1869, p. 860; Ztschr. des Ver-
eins deutsch. Ing. 1869, S. 494.
1).
Siehe Osborn a. a. O., p. 865.
1).
Annales des Mines, t. V, sér. 15, livr. 1ère, p. 85.
2).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1860, S. 472.
1).
Siehe Ztschr. f. Berg-, Hütten- u. Sal.-W. im preuſs. Staate 1863, XI, 178;
Wedding, Eisenhüttenkunde, III, S. 240.
2).
Siehe Percy, Iron and Steel 1864, p. 663.
1).
Siehe Preuſs. Ztschr. XIV, S. 156; Wedding a. a. O., III, 244.
2).
Ztschr. d. Vereins deutsch. Ingen., IX, p. 446.
1).
Siehe Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1869, S. 207, Taf. VII, Fig. 1 bis 3.
1).
Er wurde gedruckt unter dem Titel: On Puddling Iron by C. W. Siemens.
London 1868.
1).
Siehe Lorenz, in Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 312.
1).
Vgl. Annales des Mines 1862, Nr. 6; Zeitschrift des Ver. deutsch. Ingen.
VIII, S. 459; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1863, S. 178.
1).
Siehe Preuſs. Zeitschrift XVIII, S. 154.
2).
Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1867, S. 108.
3).
Siehe Preuſs. Zeitschrift XVIII, Taf. I.
1).
Siehe Revue universelle 1861, p. 239.
2).
Siehe Berggeist 1865, Nr. 94.
3).
Dinglers Journ. 182, S. 218.
1).
Siehe Österreich. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen 1864, S. 408;
Berggeist, 15. Juli 1864.
1).
Siehe Berggeist 1861, Beilage zu Nr. 18.
2).
Siehe London, Journ. of arts, Aug. 1862, p. 80.
1).
Percy, Iron and Steel, p. 669.
2).
Siehe Österreich. Zeitschrift für Berg- u. Hüttenwesen vom 27. März 1865.
3).
Siehe Revue universelle, 9. ann. 2 livr., p. 342.
1).
Siehe Dr. A. Gurlt in Berggeist 1860, Nr. 64, 65 etc.
2).
Siehe Mechanic’s Magazine 1866, p. 150; Dinglers Journ. 179, S. 288.
1).
Siehe Kerpely, Fortschritte etc. 1868, Tab. II, Fig. 30, 31.
2).
Vgl. Buch in Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen., 1868, S. 540.
1).
Siehe Jahrbuch von Leoben etc. 1870, S. 289.
1).
Vergl. Jahrbuch von Leoben, Nr. XVI. 273.
2).
Siehe Dinglers Journ. 181, S. 460.
1).
Iron: its history, properties and processes of manufacture by W. Fairbairn.
2).
Annales des Mines, 5. sér., t. 18, p. 553; Berg- und Hüttenmänn. Ztg.
1861, Nr. 32 und 36; Dinglers Journ. 161, S. 46.
3).
Siehe Mémoires et Compte-rendu des travaux de la société des ingénieurs
civils 1860, p. 401; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1862, Nr. 8 und 9.
1).
D. Bädeker, Alfred Krupp, 1889, S. 56.
1).
Siehe Armengaud, Public. industr., t. XIV, livr. 7, 8.
1).
Annales des mines 1861. 5. série, t. XVIII, p. 533.
1).
Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und das
Bessemern in England. 1863.
1).
Siehe Armengaud, Génie industr., t. XIV, livr. 7, 8.
1).
Siehe Preuſs. Zeitschrift etc. IX, S. 232.
1).
a. a. O.
2).
E. André, Das Bessemern in England und Schottland. Preuſs. Zeitschrift
für Berg-, Hütten- und Salinenwesen 1865, S. 193.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1865, S. 4.
1).
Vergl. Percy, Iron and Steel, p. 817.
2).
Die Resultate des Bessemerprozesses für die Darstellung von Stahl und
Aussichten desselben für die rheinische und westfälische Eisen- und Stahlindustrie
in Preuſs. Zeitschr. f. Berg-, Hutten- u. Salinenwesen, Bd. XI, 1863, S. 256.
1).
Vergl. Roscoe, Spektralanalytische Untersuchung der Bessemerflamme.
Philos. Magaz. 1864, Vol. 28, Nr. 168, S. 318.
2).
Siehe Kerl a. a. O. III, 655.
3).
Siehe Percy, Iron and Steel, p. 819.
1).
Er bezeichnete diesen als the malleable iron, semi-steel, or cast steel, produced
by passing air through molten cast iron, so as to wholly or partially decarburize
it. Pat. Nr. 3070. 13. Dezember 1860.
1).
Siehe Tunner, Kärntnische Zeitschrift 1875, S. 233.
2).
Siehe Preuſs. Zeitschr. 1865.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 351, Taf. XII, Fig. 13.
1).
Preuſs. Zeitschrift 1866.
2).
Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1866, S. 173.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 342.
1).
Siehe Österreich. Zeitschrift 1867, S. 179.
1).
Eine gründliche Arbeit über das Bessemern in England veröffentlichte
Ad. Grenier in Revue universelle 1867, II. et III. livr.; siehe auch Berg- und
Hüttenmänn. Ztg. 1867, S. 437.
2).
Siehe Hasenöhrl in Preuſs. Zeitschr. 1868, S. 209.
1).
Zu East-Greenwich war bei dem Guſs der 100 Tonnen-Chabotte ein
Kupolofen nach Irelands System, der 13 Tonnen Roheisen in der Stunde schmolz,
verwendet worden.
1).
Siehe Preuſs. Zeitsch. 1868, Taf. I, Fig. 1 und 2; Wedding a. a. O. III,
Fig. 136, 137.
1).
Siehe Berichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien 1867
und 1868.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 64.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für das Berg- u. Hüttenwesen 1869, Nr. 2.
2).
Compt. rend. LXVIII, 592.
3).
Siehe Engineering 1869, p. 302; Berggeist 1869, Nr. 102; Dinglers Journal,
Bd. 195, S. 246.
1).
Siehe Chemical News 1869, XXIX, p. 176; R. Wagners Jahresbericht d.
chem. Technol. 1869, S. 61.
2).
Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1869, S. 43.
3).
Preuſs. Zeitschr. XVII, 117.
1).
Das englische Patent (Nr. 3007) nahm J. H. Johnson am 31. Dezbr. 1858.
1).
Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 337 und C. William Siemens,
Correspondance entre Martin et C. W. Siemens.
2).
Vergl. Jeans, Steel, p. 89.
1).
Deutsch in Dinglers Journal, Bd. 176, S. 310.
1).
Siehe Dinglers Journal 188, S. 46.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. 1868, Nr. 26.
1).
Auſser den schon erwähnten Veröffentlichungen führen wir noch aus jener
Zeit an einen Aufsatz von Vincent Day im Practical Mechanics Journal 1867,
p. 235 (Dingler 187, S. 236), einen von H. Matthias im Génie industriel, Febr.
1868, p. 71; von Gruner, Annales des Mines 1869, t. XVI, p. 281 (Dingler 196,
S. 223).
1).
Siehe Comptes rendus, April 1861; Zeitschr. d. Ver. deutscher Ing. V, 252.
2).
Siehe Comptes rendus LII, p. 677.
3).
Siehe Polytechn. Centralblatt 1862, Nr. 6.
1).
Siehe Comptes rendus, April 1861; Dinglers Journal 160, S. 215.
2).
Siehe C. W. Siemens, On the Regenerative Gas Furnace as applied to
the Manufacture of Cast Steel. London 1868.
1).
Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
1).
Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
1).
Siehe Wedding-Percy a. a. O. III, 624.
1).
Näheres über Heatons Prozeſs siehe Jeans, Steel, S. 113.
1).
Examen du procédé Heaton par M. Gruner, Professeur de métallurgie à
l’école impérialé des mines. Paris 1869.
1).
Siehe Kerpely a. a. O. 1869, S. 254, Taf. IV, Fig. 38, 39.
2).
Vergl. auch Engineering 1870, Janr., p. 29; Dinglers Journal 196, S. 220.
1).
S. Mechanic’s Magazine 1869, Juli; R. Wagners Jahresbericht f. 1870, S. 50.
2).
S. Engineering, April 1871; Dinglers Journal 200, S. 470.
1).
Nach E. Schrödter, Düsseldorf, s. Stahl u. Eisen 1897, S. 338. Der bei
weitem gröſste Teil des Fluſsmetalls war Bessemerstahl.
1).
Siehe Dinglers Journal 157, S. 323.
1).
Siehe Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ing. 1863, VII.
2).
Siehe Kerpely a. a. O. I, S. 230, Tab. VIII, Fig. 10, 11, 12.
3).
Siehe Armengaud, Gén. industr. 1860, Oktbr., p. 169.
4).
Siehe Pract. Mech. Journ. 1865, p. 260; Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ing.
1865, S. 632.
5).
London Journ. of arts, April 1866, p. 216; Dinglers Journ. 181, S. 345.
6).
Dinglers Journ. 182, S. 88.
7).
Dinglers Journ. 182, S. 424
1).
Siehe Die Pressen und ihre Verwendung bei Verarbeitung des Eisens.
Jahrbuch von Leoben etc. 1866, S. 166.
2).
Mechanic’s Magazine 18, S. 4.
3).
Siehe Engineering 1869, S. 294; Dinglers Journ. 195, S. 415.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1870, S. 308.
2).
Siehe Revue universelle, 9ième année, III. livr., p. 522.
1).
Vergl. Hauer, Hüttenwerksmaschinen, S. 584.
1).
Zu Neustadt in Hannover, siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1860, Nr. 18.
2).
Siehe Polytechn. Centralblatt 1860, Nr. 10.
1).
Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing., S. 261; Kerpely, Fortschritte I,
S. 232, T. IX.
2).
Siehe Knut Styffe a. a. O., Tab. III.
3).
Siehe Rittingers Erfahrungen 1867, S. 4.
1).
Beschrieben in Armengauds Gén. industr. April 1867, S. 181.
2).
Siehe Dinglers Journ. 185, S. 264.
3).
Siehe Wedding, a. a. O. III, S. 832.
4).
Siehe Engineering 1870, S. 414; Dinglers polyt. Journ. 200, S. 90.
5).
Siehe Knut Styffe, Bericht über die neuesten Fortschritte im Eisen-
hüttenwesen etc. 1867, S. 43.
1).
Vergl. Vortrag von R. Daelen jun. über Walzen mit Zwillingsmaschinen
ohne Schwungrad. Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1868, S. 154.
2).
Patente vom 13. April 1863 (Nr. 924) und vom 16. März 1865 (Nr. 736).
Abbildung in Institutions of Mechanical Engineers, Juli und August 1867.
1).
Siehe Jahrbuch von Leoben 1869, Tab. II u. III.
2).
Siehe Mechanics Magazine 1869, Vol. 90, p. 157; Berggeist 1869, S. 136,
Engl. Patent Nr. 2177.
1).
Engineer., 28. Septbr. 1866; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1867, XI, 344.
1).
Vergl. Ulrich, Aust und Jänisch, Bericht über eine 1867 ausgeführte
Instruktionsreise in England, Preuſs. Zeitschr. 1860, S. 105.
1).
Siehe Zeitschr. d. Architekten- u. Ingen.-Ver. zu Hannover IX, Heft 2 u. 3.
1).
Siehe London. Journ. 1866, March, p. 150; Kerpely a. a. O. 1861, S. 233.
2).
Siehe Dinglers Journal 1863, Märzheft.
3).
Vergl. A. Greiner in Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1869, S. 337.
1).
Das Armstrong-gun-iron war ein dichtes Feinkorneisen.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1872, S. 194.
1).
Siehe Revue universelle, 1862, I. livr., p. 1; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg.
1862, S. 430.
1).
Zusammengestellt von E. Schrödter, Düsseldorf, in Stahl und Eisen 1895,
S. 108.
1).
Wir wählen das Jahr 1869 statt 1870 zur Vergleichung, weil letzteres
infolge des deutsch-französischen Krieges ein anormales war.
1).
Nach einer Berechnung in der Berg- u. Hüttenm. Ztg. von 1867, S. 167.
1).
État présent de la Métallurgie du Fer en Angleterre par M. Gruner et
M. Lan, Paris 1862 und Annales des Mines 1861, XIX.
1).
Die in den Annales des Mines, VII. Serie, t. IV (1874), S. 654, veröffentlichte Zusammenstellung giebt etwas höhere Ziffern.
1).
Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. VI, 477.
1).
M. S. Jordan, Revue de l’industrie du fer de 1867.
1).
Siehe Dürre in Preuſs. Zeitschr. 1870, S. 262.
1).
Nach Berghauptmann D. Huyſsen
1).
Berg- u. Hüttenm. Ztg., 1861, Nr. 31 u. 38.
2).
Siehe Studienreise der Studierenden des Königlichen Gewerbeinstituts in
Berlin durch die Provinz Schlesien unter Führung von Professor Wiebe 1858.
In den Verhandlungen des Vereins für Gewerbefleiſs, Jahrgang 1859.
1).
Siehe Dürre, Berg- u. Hüttenm. Ztg., 1862, Nr. 1, 3 u. 4.
1).
Siehe Jordan, État actuel de la Métallurgie du Fer dans le Pays de
Siegen (Prusse), 1864.
2).
Vergl. auch Maſse der Eisen- und Stahlhütten im Siegerland in 1862.
Berggeist, 30. Januar 1866.
1).
Siehe Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und
das Bessemern in England, 1863; vergl. ferner das Bessemern in Österreich, von
Fr. Münichsdorfer; Österr. Ztg. f. Berg- u. Hüttenwesen 1865, S. 29 etc.
2).
Siehe Rittingers Erfahrungen für 1863.
3).
Vergl. Berggeist 1864, S. 355.
4).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 241.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 674.
1).
Erst 1873 veröffentlichte W. Fischbach einen Aufsatz über die Metall-
gewinnung in der Türkei in der Berg- und Hüttenm. Ztg. Nr. 13.
2).
Siehe den Bericht von Åkerman in Jern-Kontorets-Analer 1868.
1).
Die für 1867 bis 1870 angegebenen Zahlen bleiben hinter den S. 289 mit-
geteilten zurück.
1).
Nach der Zusammenstellung von E. Schrödter in Gemeinfaſsliche Dar-
stellung des Eisenhüttenwesens, 4. Auflage, Düsseldorf 1901, S. 68, 69.
1).
Siehe Dr. H. Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde III, S. 796,
Anmerkung.
1).
Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., I, S. 21.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 826.
2).
Der Raum gestattet es nicht, auf die zum Teil vorzüglichen Veröffent-
lichungen der Zeitschriften im einzelnen einzugehen. Wer sich hierüber unter-
2).
richten will, findet die besten Nachweise in der Zeitschriftenschau, welche in der
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure fortlaufend veröffentlicht wird. Weitere
Angaben geben die Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsi-
schen Staate, und Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde.
1).
Ausführliche Mitteilungen hierüber findet man in Dr. H. Weddings Hand-
buch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., Bd. I, 1891.
2).
Journal of the Iron and Steel Institute 1886, II, p. 770; Stahl und Eisen
1897, S. 957.
1).
Journ. of the Iron and Steel Instit. 1886, II, p. 770.
2).
Ebenda 1888, II, p. 165.
3).
Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1898, S. 537.
4).
Siehe Abhandl. der Akademie der Wissenschaften in Berlin vom 5. Novbr.
1846, und früher schon im Archiv für Bergbau und Hüttenwesen 1824, S. 3.
5).
Siehe Engineering 39, 1885, p. 150 und 200; Stahl und Eisen 1886, S. 374,
(Ledebur).
6).
Stahl und Eisen 1888, S. 291.
7).
Journ. Chem. Soc. 1894 und 1895.
1).
Zeitschr. für analyt. Chem. 1894, S. 513.
2).
Zeitschr. für organ. Chemie. 1896, S. 38.
3).
„Transformations du fer et du carbon dans les fers, les aciers et les fontes
blanches“, Mém. de l’artillerie et de la marine; im Auszug Stahl und Eisen 1888,
S. 364; Études métallurgiques Ann. des mines, Juillet, Août 1888; On the Critical
Points of Iron and Steel in Journ. of the Iron and Steel Inst. 1890, Vol. I; ferner
Stahl und Eisen 1891, S. 640; Méthode générale pour l’Analyse Micrographique
des Aciers au Carbone, Soc. d’Encourag. p. l’Industr. Nat., Paris, Mai 1895 etc.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 294.
2).
Daselbst 1891, S. 634.
3).
Siehe Engineering and Mining Journ. 43, 1887, p. 228.
4).
Zeitschr. für phys. Chemie, 34, 4, S. 438; Stahl und Eisen 1900, S. 1205.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, November.
2).
Daselbst 1897, S. 629.
3).
Siehe Annales de chimie et phys., sér. 5, t. XXIII, p. 433.
4).
Siehe Comptes rendus, vol. 90, p. 237.
5).
Daselbst, vol. 118, p. 320.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 585.
2).
Siehe Gautier, Les alliages ferrométalliques.
3).
Siehe Jahrbuch der K. K. Bergakademie zu Leoben u. s. w., Bd. XX, S. 406.
4).
Siehe Engineering and Mining Journ. 1887, I, p. 403.
5).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 565.
6).
Siehe Journal of the Iron and Steel Institute 1889, II, p. 222.
7).
Siehe Annales de chimie et de physique 1878, t. IX, p. 56.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1898, S. 592.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 297.
2).
Daselbst S. 376.
3).
Engineering and Mining Journ. 44, 1887, p. 9.
4).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1886, S. 735.
5).
Daselbst 1896, S. 736.
6).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 524.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1064.
2).
Daselbst 1901, S. 6.
3).
Engineering and Mining Journ. 44, 1887, p. 135.
4).
Siehe Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., I, S. 257.
1).
Siehe A. Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 291.
2).
Siehe Revue universelle 1881, X, p. 407.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 329.
4).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. CCXIV, S. 48.
5).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 580.
1).
On manganese steel, Journ. of the Iron and Steel Institute 1888, II, 41;
Transactions of the American Institute of Mining Engineers XIII, 233, XV, 461.
1).
Siehe Glasers Annalen X, S. 224.
2).
Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleiſses 1881, S. 509.
3).
Siehe Gautier, Les alliages ferrométalliques, p. 96.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 192.
1).
Transact. of the Iron and Steel Instit. 1889, I, p. 45 und Stahl und Eisen
1889, S. 859.
2).
Engineering and Mining Journal 1887, I, p. 242; s. auch Howe, Metallurgy
of Steel I, p. 76.
3).
Über die Wirkung des Aluminiums auf Stahl hat Stead 1894 seine
Erfahrungen im Journ. of the Iron and Steel Instit. 47, S. 77 veröffentlicht.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1064.
2).
Howe, Engineering and Mining Journal 1887, II, p. 351.
3).
Siehe Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 253.
4).
Siehe auch Glasers Annalen X, S. 181.
5).
Stahl und Eisen 1882, S. 193, 1883, S. 502; Chemiker-Ztg. 1885, S. 17.
1).
Compt. rend. 76, p. 482, 565, und 80, p. 788.
2).
Zeitschr. des Vereins deutsch. Ingen. 23, S. 493.
3).
Stahl und Eisen 1882, S. 591.
4).
Iron XVII, 414.
5).
Es erhob sich 1882 ein Streit zwischen A. Pourcel und Dr. Friedrich
C. G. Müller
, ob die Wirksamkeit des Mangansilicids zur Verhinderung der
Blasenbildung im Fluſsstahl dem Mangan oder dem Silicium zuzuschreiben sei.
Müller nahm an, daſs die Blasen von ausgeschiedenem Wasserstoff herrührten,
während nach Pourcel Kohlenoxyd sie veranlassen soll. Stahl und Eisen 1883,
S. 48.
1).
Engineering and Mining Journ. 1888, I, p. 55.
2).
Comptes rendus (1875) LXXX, p. 319.
1).
Siehe Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 310.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 837.
3).
Iron XVI, p. 132.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 115.
1).
Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst. 1872, I, 43.
2).
Siehe Annales de chimie et de physique, sér 4, XXVI, 5, und Annales des
Mines, sér. 7, XV, 108.
3).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, S. 277.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 157.
5).
Weitere litterarische Nachweise zu diesem Kapitel findet man in A. Ledebur,
Handbuch der Eisenhüttenkunde 1899, S. 351.
1).
Andere Methoden der direkten Verbrennung von O. Petterson und
A. Schmitt sowie von R. Lorenz und Leopold Schneider siehe Österreich.
Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 242. — 1890 wurde von dem Verein
zur Beförderung des Gewerbefleiſses die Kohlenstoffbestimmung im Eisen zu einer
Preisaufgabe gemacht und erhielten die Professoren A. Ledebur, Götting und
W. Hempel den 1., 2. und 3. Preis (Stahl und Eisen 1894, S. 359).
1).
Siehe Wedding, Handbuch etc., S. 646.
1).
Siehe a. a. O., S. 626.
2).
Siehe a. a. O., S. 628.
3).
Siehe a. a. O., S. 629.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 465.
5).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 666; Zeitschrift für angewandte Chemie
1891, S. 412.
6).
Neuerdings von Spüller in Kladno, siehe Stahl u. Eisen 1900, S. 825.
7).
Siehe Wedding, Handbuch I, S. 652.
8).
Siehe Stahl u. Eisen 1883, S. 540.
1).
Siehe a. a. O., S. 667.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 1073.
3).
H. J. Howes’ Missing carbon, Journ. Iron and Steel Inst. 1896, I, p. 170.
4).
Siehe Österreich. Zeitschr. 1897, S. 341.
1).
Repert. der analyt. Chem. III, 337; Mitteilungen über die amtl. Lebens-
mittel-Untersuchungs-Anstalt etc. Wiesbaden 1883/84, S. 63.
1).
Zeitschrift für analyt. Chem. XVIII, S. 1.
2).
Journ. of the Chem. Soc. 1879, Juniheft S. 365; Zeitschr. für analyt. Chem.
1880, XIX, S. 346.
3).
Siehe H. Wedding, Handbuch I, S. 676.
4).
Chemiker-Ztg. 1883, S. 1106.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1884, S. 452.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 702.
3).
Rep. der analyt. Chem. 1887, S. 54 bis 67.
4).
Mitteilungen aus den Kgl. techn. Versuchsanstalten 1892, 1. Heft, S. 132.
5).
Siehe Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde I, S. 680 u. 688.
6).
Jern Kont. Annal. 1883, S. 466.
7).
Daselbst 1884, S. 74.
8).
Daselbst 1884, S. 126.
9).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 316.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1888, S. 608.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 417.
3).
Siehe Post, Chem.-techn. Analyse I, S. 470.
4).
Siehe Wedding, Handbuch I, S. 704.
5).
Siehe Zeitschr. für analyt. Chemie VII, S. 427.
1).
Siehe Zeitschr. für analyt. Chemie 1871, S. 380.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 879.
3).
Daselbst 1896, S. 865, 1898, S. 326.
4).
A. a. O. 1898, S. 326.
5).
Siehe Dinglers polyt. Journ. 1871, 199, S. 391.
6).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 486.
1).
Bericht der deutsch. chem. Gesellschaft 1878, XI, S. 1638.
2).
Repert. für analyt. Chemie 1885, V, S. 153, und 1886, VI, S. 325.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1887, Nr. 2.
2).
Sitzung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute am 16. Jan. 1887; Stahl
und Eisen 1887, S. 401.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 401.
4).
Daselbst 1897, S. 814.
5).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1898, S. 565.
6).
Chem. News 1900, 82, 35; Stahl und Eisen 1900, S. 885.
7).
Vortrag im Frühlingsmeeting des Iron and Steel Inst., Auszug in der
Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 358.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 909.
2).
Siehe Chem.-Ztg. 1900, S. 393.
3).
M. Orsat, Note sur l’analyses industrielles des gaz; Annales des Mines
1875, VIII, p. 501.
4).
Siehe Dinglers pol. Journ. 219, S. 420.
5.
Siehe Archiv für Pharmacie 1874, II, S. 280.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 666.
2).
Siehe Winkler, Gasanalyse, S. 101; Wedding, Handbuch der Eisen-
hüttenkunde, I, S. 844.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 511; 1897, S. 514.
4).
Daselbst 1897, S. 789.
5).
Z. B. Wachler, Vergleichende Qualitätsuntersuchungen von Gieſsereiroheisen
1879; Kerpely, Ungarns Eisenstein- und Eisenhüttenerzeugnisse; Ledebur, Das
Roheisen etc., 3. Auflage, 1891; Dr. H. Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde.
1).
Vorträge in den Versammlungen des Institute of Mining Engineers: „Die
chemische Zusammensetzung und die physikalischen Eigenschaften der Stahl-
schienen“, Oktober 1878, zu Lake George und „Über die Dauerhaftigkeit der
Stahlschienen in Beziehung zu ihrer chemischen Zusammensetzung und den physi-
kalischen Eigenschaften“, 1881 zu Philadelphia.
2).
C. P. Sandberg, Beitrag zum Februar-Meeting (1883) d. Amer. Inst. of
Min. Eng. in Boston.
3).
G. F. Snelus, Vortrag auf d. Herbst-Meeting d. Iron and Steel Inst. zu
Wien. 1883.
4).
H. Jahn, Die Grundsätze der Thermochemie. — Thomsen, Thermo-
chemische Untersuchungen; Honoré Ponthière, Thermo-chemische Studie über
das Raffinieren des Eisens 1897 (Vortrag im Herbst-Meeting des Iron and Steel
Institute).
1).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 435.
2).
Daselbst 1892, S. 894; 1894, S. 434.
3).
Daselbst 1896, S. 662.
4).
Daselbst 1893, S. 528.
5).
F. Osmond, Transformation du fer et du carbone, Paris 1888, p. 24 et 28.
1).
Comptes rendus, Vol. 140, p. 471.
2).
Annales des Mines 1883, IV.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 893.
2).
Siehe Compt. rend. 1886, Vol. 102, p. 1454.
3).
W.-E. = Wärmeeinheiten.
1).
Siehe Chemiker-Ztg. 1897, S. 328.
2).
Gruner, Die Ausnutzung der Wärme bei Hüttenprozessen; Annales des
Mines, 7. Ser., t. 8, l. 4, d. 1875, p. 173. Hierüber haben weiter Arbeiten geliefert:
Jordan, Kuppelwieser, Åkerman, Kraus.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 712; vergl. auch Jahn, Grundsätze der
Thermochemie.
2).
Siehe Iron 1877, March, p. 390; Dinglers Polyt. Journ. 225, S. 264, 351.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 459 und 745.
1).
Journ. of the Iron and Steel Inst. 1897, II, S. 80.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 617.
1).
A. Ritter von Kerpely, Über Eisenbahnschienen, mit 18 Naturselbst-
drucktafeln. Leipzig 1878.
2).
Zusammengestellt in der Preisschrift über die ungarischen Eisenhütten-
erzeugnisse. Wien 1878.
3).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 405.
4).
Vorsteher der Kgl. mechanisch-technischen Versuchsanstalt in der techni-
schen Hochschule zu Charlottenburg.
5).
Siehe Zeitschr. d. Vereins deutscher Ingenieure 1878, S. 13, 205 und 481;
1879, S. 22 und 482; 1880, S. 398.
1).
Siehe Dinglers polyt. Journ., Bd. 245, S. 372.
2).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 548.
3).
Siehe Compt. rendus 1885, t. 100, p. 450.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 393.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 709.
1).
Siehe Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., I, S. 126.
1).
Bullet. d. 1. Société d’Encourag. 1895, Maiheft.
1).
E. Heyn, Charlottenburg, Einiges über das Kleingefüge des Eisens, Taf. XVI,
Fig. 8, 10, 19. Dabei ist zu bemerken, daſs Fig. 137, 138 in 1240 facher Vergröſse-
rung, Fig. 139 nur in 270facher Vergröſserung aufgenommen ist.
1).
In England erscheint hierfür eine besondere Zeitschrift „The Metallographist“.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 506 etc.
1).
Nach dem fünften Berichte an das Alloys Research Committee von Roberts
Austen
; Stahl und Eisen 1900, S. 625.
1).
Siehe dessen Thèse, 1896.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 837.
3).
A. a. O. 1899, S. 237.
4).
L. Babu, La fabrication et le travail des aciers spéciaux. St. Etienne
1900; siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1126.
1).
Siehe Erbkann, Zeitschrift für Bauwesen 1870, S. 87.
2).
Näheres siehe Wedding, Handbuch etc. I, S. 493.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 821.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1881, S. 1, Gutachten der Revisionskommission der
Klassifikation für Eisen und Stahl; 1882, S. 81, Vortrag von Wedding über
Klassifikationsbedingungen von Eisen und Stahl.
1).
Vergl. Snelus, Über die chemische Zusammensetzung und Prüfung von
Stahlschienen. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 399.
2).
Stahl und Eisen 1881, S. 330.
3).
Bauschinger † am 25. November 1893. Nekrolog siehe Stahl und Eisen
1893, S. 1105.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 350.
2).
Daselbst 1892, S. 935.
3).
Daselbst 1893, S. 238.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 974, 1017.
2).
Daselbst 1892, Nr. 13 und 1893, Nr. 7.
1).
Siehe Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen XX, S. 21.
2).
Siehe Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleiſses 1880,
zweites Heft.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 849.
4).
Mitteilungen d. Kgl. techn. Versuchsanstalten 1890, Heft IV; Stahl und
Eisen 1890, S. 843.
5).
Comptes rendus, t. CIX.
1).
Zeitschr. d. Österreich. Ingen.- u. Architekten-Vereins 1891, Nr. 8 u. 10.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 196 und 220.
3).
Tunner, Österreich. Zeischr. f. Berg- u. Hüttenwesen 1877, S. 425.
4).
Siehe Iron 1880, XVI, p. 487; ferner Holley in Metallurgical Review
II, p. 220.
5).
Versuche von Wedding, Sitzungsbericht d. Vereins für Beförderung des
Gewerbefleiſses 1889, S. 91; von Sattmann, Stahl und Eisen 1892, S. 551; von
Thurston, Engineering and Mining Journ. XLVII, p. 262; von Wertheim,
Annales de chimie et de physique, sér. 3, t. XII.
6).
Annalen der Physik u. Chemie VIII, S. 352.
7).
Versuche von Kirkaldy in R. Akermans On hardening iron and steel
im Journ. of the Iron and Steel Inst. 1879, II.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 557.
2).
Vergl. Ledebur, Handbuch der Eisenindustrie, S. 676.
3).
Siehe Revue universelle des mines, sér. 2, t. XVIII, p. 338.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 686.
5).
Vergl. auch die Untersuchungen von Webster 1894 im Journal of the
Iron and Steel Inst. 45, p. 328, und von Arnold, a. a. O., S. 107 u. 156.
6).
A. von Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im
Jahre 1878.
1).
Vortrag auf dem internationalen Ingenieur-Kongreſs bei der Weltausstellung
zu Chicago im August 1893.
2).
Journal of the Iron and Steel Institute 1889, II, p. 222.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 1681; 1888, S. 745, und A. Ledebur,
Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 311.
4).
Mitteilungen der Kgl. technischen Versuchsanstalt in Berlin 1890, Heft 5,
S. 215.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 610.
2).
Dingler, Polyt. Journ. 1879, II, S. 145.
3).
Comptes rendus de la soc. de l’industr. min. 1884, p. 51.
1).
Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst., Febr. 1872, p. 163.
2).
Edisons Erzscheider ist abgebildet in Stahl und Eisen 1889, S. 449.
3).
Beschreibung der magnetischen Scheidung auf der Tilly Foster-Grube
siehe Österreich. Ztg. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 377.
1).
D. R. P. Nr. 50243 vom 9. Jan. 1889 und Nr. 57097.
2).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1890, S. 37.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 257.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 1089.
2).
Daselbst 1893, S. 530; 1894, S. 483.
3).
Daselbst 1897, S. 323.
4).
Daselbst 1899, S. 1185.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 797.
2).
Glasers Annalen 1898, Nr. 506; siehe Stahl u. Eisen 1898, S. 780; 1901, S. 419.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 905.
4).
Journal of the Iron and Steel Institute 1898, t. II, p. 297; siehe Stahl und
Eisen 1900, S. 56.
5).
Siehe Berg- und Hüttenmännische Ztg. 1881, S. 267.
6).
Jernkont. Annal. 1884, Heft 5.
7).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 932 und 1898, S. 77.
1).
Nach dem Erfinder Evence Coppée (D. R. P. Nr. 9908). Siehe Vortrag
von A. Hüssener, Stahl und Eisen 1883, S. 397.
2).
Revue universelle 1873, 34, p. 193.
3).
Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 84. 1886 wurden ca. 42 Pro-
zent der gesamten Koksproduktion Deutschlands (20527 Tonnen in 24 Stunden) in
Coppéeöfen dargestellt.
1).
Siehe Kärntner Ztg. f. Bau- u. Hüttenwesen 1872, Nr. 7 mit Zeichnungen.
1).
D. R. P. vom 6. Juni 1883; siehe Stahl und Eisen 1883, S. 564.
2).
Näheres s. Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1884, S. 263.
3).
Siehe Journal of the Iron and Steel Inst. 1883; Eisen und Stahl 1882,
Heft 7 und 10.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 396.
1).
Berg- und Hüttenmännische Ztg. 1884, S. 337.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 75.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 17, mit Ab-
bildungen.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmännische Ztg. 1887, S. 379.
3).
Dingler, Polyt. Journ. 262, S. 521.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 1248 und 1891, S. 73.
5).
Daselbst 1889, S. 762.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 821.
2).
Daselbst 1892, S. 827.
3).
Daselbst, S. 828.
4).
Daselbst 1894, S. 677.
5).
Daselbst, S. 202.
1).
Der um die Koksfabrikation Deutschlands hochverdiente Dr. Carl Otto,
† den 13. November 1897; siehe Nekrolog, Stahl und Eisen 1897, S. 989.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 18.
3).
Daselbst 1899, S. 361.
4).
A. a. O. 1900, S. 685.
5).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 1000.
6).
Daselbst 1898, S. 486.
7).
A. a. O. 1898, S. 747.
1).
Die Lührigsche Kohlenwäsche von C. G. Kreischer 1878 bei Gottschalk
in Freiberg.
2).
Annales des Mines 1885, 2. livr., p. 356.
1).
Siehe Aufsatz von Oskar Simmersbach in Stahl u. Eisen 1898, S. 1078.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 424.
3).
Der Van Buren-well, Ohio, entströmten 1887 täglich 14980000 Kubikfuſs
Gas. Die Gesamtproduktion der Gasquellen um Pittsburg betrug täglich
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 915.
3).
182 Millionen, die der Quellen Ohios 160 Millionen Kubikfuſs. Die Philadelphia-
gesellschaft in Pittsburg hatte 1887 58 Gasquellen und 971203 engl. Fuſs Röhren-
leitung.
1).
Siehe Kerpelys Fortschritte der Eisenhüttentechnik in 1894 von Th. Beckert,
S. 60.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1881, S. 21.
1).
Siehe A. Ledebur, Die Gasfeuerungen, S. 59.
1).
Siehe Stahl u. Eisen 1893, S. 398.
2).
Daselbst 1888, S. 831; 1892, S. 477.
3).
Daselbst 1889, S. 921, 993.
4).
A. a. O. 1894, S. 952.
1).
von Ehrenwerth, Die Regenerierung der Hochofengase, Leipzig 1883,
bei Arthur Felix.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 1140.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 1010.
2).
Siehe besonders H. Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Auflage,
Bd. II, 1897, S. 56 bis 61, 82 bis 117, 128 bis 144, 152 bis 154, 161 bis 170, 173
174, 178 bis 180, 183, 192 bis 195, 198, 223 bis 225.
1).
Siehe Teknisk. Tidskr. 1887, S. 89; R. Wagners Jahresbericht für 1887,
S. 236; Stahl und Eisen 1888, S. 15.
2).
Resultate in Schweden nach Nordenström in Österreich. Zeitschr. für
Berg- und Hüttenwesen 1892, S. 485.
3).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1890, S. 422.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 675.
2).
Siehe Wedding, Handbuch etc. II, 309.
3).
Siehe Engineering and Mining Journal, Vol. LXII; Stahl und Eisen 1897,
S. 209; 1898, S. 133, 1151; D. R. P. Nr. 92212; Wedding, Handbuch, II, S. 310.
Ein Wetherill-Apparat, von Grillo gebaut, ist in Hamborn in Anwendung.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 133.
5).
Daselbst 1899, S. 271.
1).
Siehe Wedding, Handbuch etc. 1898, II, Fig. 115.
2).
Siehe Kerpely, Die Anlage der Eisenhütten 1884, Taf. XLII und XLIII.
3).
Siehe Kerpely, a. a. O., Taf. LI, Fig. 1 u. 2.
4).
Siehe Wedding, Handbuch 1898, II, S. 327, Taf. XVII.
5).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1887, S. 295.
6).
Siehe Wedding, Handbuch 1898, II, Fig. 138.
7).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 774.
1).
Siehe Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleiſses 1895,
S. 353.
2).
Phillips in den Transactions of the Institute of American Mining Engineers,
Atalanta Meeting, Oktober 1895; Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1898,
II, S. 455.
3).
Siehe Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1898, II, Fig. 152, 153.
4).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 465 bis 468, wo diese Öfen beschrieben und
abgebildet sind.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 465.
2).
Daselbst 1893, S. 729; 1894, S. 852.
3).
Daselbst 1897, S. 1066.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 941.
2).
Von Grabau in Dahlbruch konstruiert.
3).
Zu Donawitz.
4).
Siehe Berg- und hüttenmänn. Jahrbuch der Bergakademie zu Leoben und
Pribram 1892; Stahl und Eisen 1892, S. 1021.
5).
Beschreibung neuer Gebläsemaschinen findet man Stahl und Eisen 1897,
S. 132, 941; 1898, S. 21, 929; 1900, S. 35, 401.
1).
Annales des Mines 1878, II, S. 295; Gruner, Traité de la Métallurgie I,
S. 352.
2).
Engineering XL, S. 422.
3).
Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preuſsen 1882, S. 178.
1).
Vergl. Stahl und Eisen 1883, S. 611.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 462.
1).
Am. Pat. Nr. 398840, D. R. P. Nr. 17655 vom 26. Juni 1881.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 920, Taf. XXII.
3).
Daselbst 1883, S. 521.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 484; 1890, S. 766; 1896, S. 907.
2).
Daselbst 1897, S. 177.
1).
Kerpelys Fortschritte von Th. Beckert für 1894, S. 96.
2).
Stahl und Eisen 1898, S. 365.
1).
Siehe Ledebur, Handbuch u. s. w., S. 456.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 692.
2).
Daselbst 1894, S. 388; 1899, S. 431.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 331.
1).
Nach Gruner.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 815, Fig. 14.
3).
Annales des Mines 1877, S. VII, t. XII, p. 472.
4).
Handbuch der Eisenhüttenkunde 1893, S. 363.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 99.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 706, 896, 911.
1).
Versuche zu Gleiwitz in der Zeitschr. für Berg-, Hütten- u. Salinenwesen
XXII, S. 260.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 675.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 810, Fig. 13.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 303.
2).
Daselbst 1898, S. 658, Fig. 1.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 203.
2).
Siehe Bulletin de la soc. de l’industr. minerale, März 1892; Stahl u. Eisen
1892, S. 849.
1).
Formkühlkasten waren auf der Georg-Marienhütte bei Osnabrück seit 1872
mit Erfolg in Anwendung.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 424.
1).
Siehe Ledebur, Handbuch, S. 393.
2).
Siehe Kerpely, Anlagen von Eisenhütten, Taf. 85, Fig. 1 bis 4.
3).
Stahl und Eisen 1900, S. 1104.
1).
Vergl. auch Stahl und Eisen 1895, S. 120, Fig. 7, Ofen von Rombach.
2).
J. Holtzer, Dorian \& Co.
3).
Siehe Bulletin de la soc. de l’industrie minerale, T. XII, II, 1892; Stahl
und Eisen 1893, S. 236.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 984.
2).
Comptes rendus, Septbr. 1877.
1).
Siehe Journal of the Iron and Steel Institute 1872, II, p. 236.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1890, Taf. IX.
3).
Vergl. Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 407.
1).
Abgebildet in Stahl und Eisen 1898, S. 891, Fig. 3.
2).
Siehe Aufsatz von Oscar Simmersbach, a. a. O., S. 893.
3).
Vergl. die neue Hochofenanlage in Lorain, Stahl und Eisen 1898, S. 855.
1).
Aus Stahl und Eisen 1890, Taf. XI.
2).
Daselbst 1886, S. 532; 1889, S. 920.
3).
Daselbst 1896, S. 955; 1897, S. 55.
4).
Vergl. auch die Beschreibung der Cavernes secs zu St. Nazaire von Const.
Steffen
; Stahl und Eisen 1883, S. 69.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 145.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1037.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 992.
1).
Siehe Stahl u. Eisen 1888, S. 303, Taf. VIII.
2).
Daselbst 1898, S. 409.
1).
Vergl. auch Stahl und Eisen 1899, S. 771.
2).
Daselbst 1899, S. 890.
3).
Daselbst 1900, S. 1147, Fig. 1.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 299.
1).
Patent von Eſskuchen und Haarmann vom 12. Septbr. 1891. Ähnliche
Patente nahmen Schüchtermann und Kremer 1894.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1887, S. 489.
2).
Siehe Österreich. Berg- und Hüttenmänn. Zeitschr. 1877, S. 179.
3).
Gashochofen von Fr. Reiser, siehe Polyt. Centralblatt 1875, S. 170; von
Bèrard, D. R. P. Nr. 5900 vom 22. Oktober 1878.
4).
Über einen Petroleumhochofen von Ch. Plagge siehe Dinglers polyt.
Journ. 1876, II, S. 213.
5).
Friederici in Österreich. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1875, S. 197.
2).
Siehe Journ. of the Soc. f. Chem. Indust. 1889, S. 89; Stahl u. Eisen 1894,
S. 1011 und 1053.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 233.
2).
Siehe Dinglers pol. Journ. 1881, I, S. 232 (Jossa).
1).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 934, 1134.
2).
Siehe Mràzek, Jahrbuch von Leoben etc., XVIII, S. 282.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 2.
2).
Daselbst 1892, S. 1090; 1896, S. 88; 1897, S. 642.
3).
Daselbst 1900, S. 474.
4).
Daselbst II, S. 77.
5).
Daselbst 1892, S. 881.
1).
Iron, November 1881; Stahl und Eisen 1882, S. 76.
2).
A. a. O. 1894, S. 407; Kerpelys Fortschritte für 1894, S. 114.
3).
Iron age 1894, p. 184; Stahl und Eisen 1894, S. 847.
1.
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 253.
2).
Daselbst 1900, S. 25.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 622.
2).
Siehe a. a. O. 1898, S. 621; 1900, S. 104, 605.
1).
Siehe a. a. O. 1900, S. 103.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 132.
3).
Daselbst S. 143.
4).
Daselbst 1898, S. 205.
1).
Siehe Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde etc. Bd. II, S. 68,
wörtlich:
  • bei Holzkohlenöfen ¾ bis 2 Pfund pro Quadratzoll
  • „ Kokshochöfen 1 „ 3 „ „ „
  • „ Anthracitöfen 2½ „ 4 „ „ „
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 351.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1884, Nr. 43.
1).
J. Wolters, Des meilleurs moyens pratiques d’obtenir économiquement
une grande production dans les hauts-fourneaux sans nuire à la qualité. — Revue
universelle 1878, T. II, p. 73; T. III, p. 17; V. IV, p. 770.
1).
Siehe Jahrbuch der Österreich. Bergakademieen, Bd. XXI, S. 188; Ledebur.
Handbuch, S. 507.
1).
Siehe Percy-Wedding, Handbuch etc., II, S. 226.
2).
Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen Staate
XXII, S. 289.
1).
Etudes sur les hauts-fourneaux, deutsche Übersetzung von C. Steffen 1872.
2).
Siehe Journal of the Iron and Steel Institute 1872, I, p. 1.
3).
Jahrbuch der österreich. Bergakademieen 1872, XXI, S. 169, 367; Kerpely,
Fortschritte etc. 1871/73, S. 252.
4).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 2.
5).
Siehe Revue universelle des mines XXI, p. 442; Berg- und Hüttenmänn.
Ztg. 1887, S. 391.
1).
Siehe Annales des mines, sér. 7, t. II, p. 18.
2).
Etudes sur les hauts-fourneaux.
3).
Rich. Åkerman hatte 1886 den mittleren Wärmeverbrauch zum Schmelzen
von 74 Hochofenschlacken zu 388° C. gefunden.
4).
Siehe auch Dürre, Über Wärmeverbrauch im Hochofen; Österreichische
Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1885, S. 563.
1).
Eine ausführliche Zusammenstellung der Reduktionswärme für die beim
Hochofenschmelzen in Betracht kommenden Stoffe und Verbindungen findet sich
in H. Wedding, II. Ergänzungsband zu seinem Handbuch, S. 40.
1).
Vortrag bei dem Meeting des Iron and Steel Institute am 28. Oktober 1882;
siehe Stahl und Eisen 1882, S. 494.
1).
Siehe Iron XXIII, p. 373.
1).
Siehe Wedding, Die Wärmeverluste bei Hochöfen; Stahl und Eisen 1892,
S. 1029.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 756.
1).
Siehe James Gayleys Vortrag über die Entwickelung des amerikanischen
Hochofenbetriebes 1890, vor dem Iron and Steel Institute in New York gehalten;
Stahl und Eisen 1890, S. 1004.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 789.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, Nr. 1014.
1).
Siehe Zeitschr. für Berg-, Hütten- u. Salinenwesen in Preuſsen 1891, S. 121.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 1017; 1895, S. 129.
2).
Daselbst 1895, S. 307.
3).
Daselbst 1890, S. 1018, Anmerk.
1).
Siehe Dürre in Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1884, S. 271.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 1048.
3).
A. a. O. 1896, S. 571.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 566.
1).
Journal of the Iron and Steel Institute 1879; Berg- und Hüttenmänn. Ztg.
1878, S. 432, mit Abbildung.
2).
Vergl. A. Prost, Note sur la fa brication et les propriétés des ciments de
laitiers. Annal. d. mines, sér. 8, T. XVI, p. 158.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 1088; 1900, S. 1170.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 434.
3).
Siehe Paul Gredt, Berechnung und Verwertung der Gichtgase; Stahl u.
Eisen 1890, S. 591.
4).
Vergl. Musil, Die Motoren für Gewerbe und Industrie, III. Aufl., Braun-
schweig 1897.
5.
Engineering 35, p. 230; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 382.
6).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 57.
7).
Daselbst 1891, S. 683; vergl. auch a. a. O. 1898, S. 749.
1).
Musil, Die Motoren für Gewerbe und Industrie, 3. Auflage, 1897.
1).
Bericht von H. Hubert, Annales des Mines de Belgique, Vol. 13, Nr. 4 (1897).
1).
Betriebsergebnisse der Hochofengasmaschine in Seraing siehe Stahl und
Eisen 1898, S. 806. Weitere Litteratur über Gichtgasmaschinen: Stahl und Eisen
1899, S. 473, 517, 526, 633; 1900, S. 35, 413, 419, 721, 1005, 1080; 1901, S. 433, 489.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 419.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 721, Fig. 1.
1).
Siehe Stahl u. Eisen 1900, S. 34.
1).
Siehe a. a. O. 1900, S. 413.
2).
Siehe a. a. O. 1899, S. 533.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 390, Fig. 13.
1).
Vergl. Abhandlung von R. Åkerman in Jernkontors Annalen 1889, deutsch
in Stahl und Eisen 1889, S. 863, 932.
1).
Sitzungsberichte der Chemical Society vom 18. Juni und 5. November 1885;
Stahl und Eisen 1885, S. 418.
1).
Siehe Bergwerksfreund 1847, Bd. XII, S. 2.
2).
Siehe Glasers Annalen, Bd. XV, S. 41.
3).
Schmelzversuche mit Ferrosilicium, Berlin 1890 (Sonderabdruck aus der
Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. XXXVIII).
1).
Siehe Iron, Bd. XXXV, S. 444; Ironmonger 1890, N. 860, S. 148; Stahl u.
Eisen 1890, S. 696.
1).
Die Bedingungen für zweckentsprechende Erzeugung von Eisenguſs.
Jernkontoret An. 1889; Stahl und Eisen 1889, S. 863.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 604.
3).
Siehe Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen
1880, S. 5.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 244, und Ledebur, Handbuch der Eisen-
gieſserei, S. 31.
2).
Amerik. Pat. Nr. 476091/2; Stahl und Eisen 1893, S. 39.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 909.
4).
Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1898, S. 1326 und 1348.
5).
Eine andere Konstruktion von Bopp \& Reuther in Mannheim ist in
Stahl und Eisen 1895, S. 1002, beschrieben und abgebildet.
1).
A. Ledebur, Eisen- und Stahlgieſserei, Fig. 8, 9.
2).
Siehe Abbildung in Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde III,
Fig. 115, 116.
1).
Siehe C. F. Dürre, Handbuch des Eisengieſsereibetriebes I, Fig. 38.
2).
Siehe Dürre a. a. O. I, Fig. 41.
3).
Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1882, S. 526; Dürre a. a. O. I, Fig. 52.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 542.
2).
Siehe Ledebur, Eisen- und Stahlgieſserei S. 118, Fig. 37; Dürre, a. a. O.,
Fig. 47, S. 567.
3).
Vergl. Dürre, Handbuch der Eisengieſserei I, S. 565.
4).
Aufsatz von Beckert in Stahl und Eisen 1886, S. 399.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 557.
2).
Siehe Dinglers Journ. 1883, III, S. 446.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 323; W. Kirschner, Fortschritte der
Eisengieſsereipraxis 1901, S. 99.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 547.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 70.
1).
Siehe Eisenzeitung 1900, S. 815.
2).
Siehe Ledebur, Eisen und Stahlgieſserei, Fig. 133, 134.
3).
Siehe Dinglers Pol. Journ. 1880, II, S. 19; 1883, III, S. 245, IV, S. 104, 107.
1).
Siehe Dinglers Pol. Journ. 1882, II, S. 183.
2).
Daselbst S. 181.
3).
Siehe Ledebur, Eisen- und Stahlgieſserei, 2. Aufl., S. 252, Fig. 124, 125.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 280.
2).
Siehe Ledebur a. a. O., Fig. 135.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 994; 1898, S. 70, 138.
1).
Mit Druckluftpresse; siehe Stahl und Eisen 1898, S. 467.
2).
Formmaschine von F. Oppenheim in Hainholz, D. R. P. Nr. 82683 u. 94382.
1).
Siehe Ledebur, Eisen- und Stahlgieſserei, 2. Aufl., Fig. 126 bis 130.
1).
Siehe Glasers Annalen XVI, S. 10.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 605; 1898, S. 461.
1.
Siehe Eisenzeitung 1900, Nr. 52, S. 833.
1).
Siehe Ledebur, Handbuch der Eisen- u. Stahlgieſserei, S. 164, Fig. 56, 57.
1.
Siehe Ledebur a. a. O., S. 168, Fig. 60.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 123, mit Abbildung.
2).
A. a. O. 1900, S. 1043.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 285.
1).
Siehe Ledebur, Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing. 1899, XXXXIII, S. 10
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 307.
2).
Daselbst 1901, S. 80.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 1018; 1895, S. 1050.
1).
Das Verfahren ist beschrieben in Stahl und Eisen 1892, S. 781.
1).
Siehe Ledebur, Handbuch etc., S. 356; Stahl und Eisen 1891, S. 733.
2).
Siehe Mechanics Magazine 1872, S. 392.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 369.
2).
Siehe Annales de chimie et de physique, V. sér., T. XXIII, p. 433.
1).
Rott, Darstellung des schmiedbaren Gusses und Tempergusses. D. R. P.
Nr. 81193.
2).
Siehe Ledebur, Handbuch der Eisen- und Stahlgieſserei, S. 369.
3).
Siehe Ledebur a. a. O., S. 370.
4).
Stahl und Eisen 1895, S. 512.
5).
Daselbst 1901, S. 23.
1).
T. Egleston, The Bloomary Process for making iron direct from the ore,
1880.
1).
J. von Ehrenwerth in Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen
1891, S. 456.
1).
Siehe Engineering and Mining Journ. 35, p. 5.
2).
Beschreibung von Siemens’ Verfahren zu Landore und Towcester siehe
Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 161.
3).
Siehe Stahl u. Eisen 1883, S. 254; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 508.
1).
Journal of the Franklin Instit. 1877, Dezbr., p. 377; Berg- und Hüttenm.
Ztg. 1878, S. 197; Stahl und Eisen 1883, S. 588.
1).
The direct Process in iron manufacture by Thomas Blair, Transactions
of the American Institute of Mining Engineers, vol. II, p. 175.
2).
Siehe Wedding, Handbuch etc. 1874, III, S. 556.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 112.
1).
Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1882, II, S. 287; Berg- und Hüttenmänn. Ztg.
1883, S. 185; Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, Nr. 14.
2).
Siehe Berg- u. Hüttenmännische Ztg. 1882, S. 499; Kerpelys Jahrbuch etc.
1881/82, S. 141, Taf. VII b.
1).
Siehe die Angaben von Wedding in Stahl und Eisen 1891, S. 111.
2).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 35.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 727.
4).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 359.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 978.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 557.
1).
Siehe J. v. Ehrenwerth, Das Berg- und Hüttenwesen auf der Welt-
ausstellung in Chicago 1895, S. 83.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 797.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1871, S. 257; Dinglers Polyt. Journ.
1871, S. 210.
1).
Bericht der Deutsch. chem. Gesellschaft 1873, S. 684; Wedding, Hand-
buch III, S. 263.
1).
Siehe Zeitschrift des Berg- und Hüttenmänn. Vereins für Steiermark und
Kärnten 1879, S. 413.
2).
Dingler, Polyt. Journ. 1883, III, S. 440.
3).
Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 209.
1).
„Auf Grund der in der Berliner Bergakademie gehörten Vorträge der
Eisenhüttenkunde, worin die Hindernisse der Entphosphorung auseinandergesetzt
und der Weg zur Erreichung derselben durch Anwendung von Schlackenfutter
angedeutet war“ schreibt Wedding.
1).
Siehe Iron XIII, Nr. 320.
2).
Daselbst XIV, Nr. 351.
1).
Vortrag von Rollet bei dem Meeting des Eisen- und Stahl-Instituts in
London, Mai 1890; siehe Stahl und Eisen 1890, S. 516.
1).
Siehe P. Tunner, Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891,
S. 205; Stahl und Eisen 1891, S. 798; 1893, S. 455.
1).
Vergl. auch A. Krafft, „Betriebsergebnisse im Roheisenmischer“ in Stahl
und Eisen 1896, S. 100.
2).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 353.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 828.
4).
Daselbst 1892, S. 647.
5).
Daselbst 1894, S. 1052.
1).
Nach J. von Ehrenwerth, Das Eisenhüttenwesen in Schweden. Leipzig
1885.
2).
Siehe Jern Kontorets Annal. 1883; Stahl und Eisen 1886, S. 314.
1).
Siehe J. von Ehrenwerth, Das Berg- und Hüttenwesen auf der Welt-
ausstellung in Chicago, Wien 1895, S. 110.
1).
Beschreibung und Abbildung in Weddings Handbuch der Eisenhütten-
kunde III, S. 306.
1).
Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst. 1872, p. 102.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 161, Taf. III, Fig. 9 bis 12;
Dürre, Neue Fortschritte des mechanischen Puddelns in Dinglers polyt. Journ.,
Bd. 228 (1878).
1).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 1883, III, S. 445.
2).
Siehe Journal of the Iron and Steel Inst., Vol. I, 1872.
1).
Siehe Journal of the Iron and Steel Inst. 1876, Nr. 1, p. 109.
2).
Siehe Aufsatz von M. A. Henry in Annales des Mines, 7. sér., t. VI, p. 65.
1).
The Engineering and Mining Journal XVI, Nr. 22. New York 1873. —
Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1875, S. 32.
2).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1876, S. 442.
3).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1875, S. 40.
4).
Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1881, I, S. 135; IV, S. 129.
1).
Siehe Kerpely, Fortschritte der Eisenindustrie 1871/73, Taf. VIII, Fig. 1, 2.
2).
Siehe Dingler, Polyt. Journ., Bd. 206, S. 1.
1).
Siehe Revue universelle 1873, T. 34, p. 437; Berg- und Hüttenmänn. Ztg.
1873, S. 405, 411.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, S. 233.
1).
Siehe Annales des Mines 1878, T. II, p. 324; Berg- und Hüttenmänn.
Ztg. 1878, S. 355.
2).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1879, S. 371.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 586.
1).
Näheres in Stahl und Eisen 1889, S. 554, 776.
2).
Comptes rendus de la Soc. min. 1884, p. 145.
3).
Engineering and Mining Journ. 1889, Vol. 47, Nr. 16; Kerpely, Fort-
schritte 1889, S. 178.
1).
D. R. P. Nr. 40218 und 42573; Stahl und Eisen 1888, S. 418.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 395.
2).
Siehe Dingler, Polyt. Journ., Bd. 204, S. 482.
1).
Dingler a. a. O., S. 204, 480.
1).
Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1874, S. 326.
2).
The Journal of the Iron and Steel Institute 1879, p. 219.
1).
Dingler, Polyt. Journ., Bd. 207, S. 128.
2).
Armengaud, Publ. Industr. XXII, S. 501.
1).
Siehe Betriebsverhältnisse der Schweiſsöfen in Zeitschr. d. Vereins deutsch.
Ingen. 1872, Bd. 16, S. 674.
2).
Siehe Wagner, Jahresbericht etc. 1875, S. 101.
3).
Siehe A. Ledebur, Über das Schweiſsen des Eisens in Berg- u. Hüttenm.
Ztg. 1875, S. 45.
4).
Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1875, Beilage zu Nr. 32, S. 373; Dingler,
Polyt. Journ. 1876, Bd. 4, S. 150.
5).
Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1877, S. 497.
6).
Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 477.
7).
Daselbst 1891, S. 558.
1).
Siehe Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde III (1874), S. 343.
2).
Siehe Zeitschr. für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen
Staate XI, S. 253.
1).
Lenok Smith, The manufacture of Steel, New York 1872; Berg- und
Hüttenmänn. Ztg. 1872, S. 297.
2).
Siehe Aufsatz von Prof. Dürre in Zeitschr. des Vereins deutscher Ingen.
XIX, S. 711.
3).
Nach Drown in Chemical News, no. 633, p. 13.
1).
Siehe Dinglers Polyt. Journal 1877, III, S. 107.
2).
Daselbst 1879, II, S. 140.
1).
Siehe Kärntner Zeitschrift für Eisenhüttenwesen 1877, S. 409.
1).
Siehe Wedding, Handbuch III, S. 522.
1).
Siehe Engin. and Min. Journ. New York 1874, Bd. XX, S. 26.
1).
Siehe Jeans, Steel, S. 434, Fig. 104.
1).
Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ingen. 1878, S. 305.
1).
Siehe Dinglers Pol. Journ. 1878, Bd. 230, S. 511.
2).
Journal of the Iron and Steel Institute 1871, vol. II; Annales des mines,
sér. 7, t. II, p. 332.
3).
Siehe Dinglers Pol. Journ., Bd. 205, S. 436.
4).
Siehe Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. XXVI (1876), S. 427.
1).
Mitgeteilt von A. Tamm in Jern kontorets Annaler 1877; siehe auch Iron,
vol. XIV, p. 3.
2).
Siehe Zeitschrift des Vereins deutsch. Ingen. 1878, S. 385, 453.
1).
Siehe Wagners Jahresbericht der chemischen Technologie 1872, S. 103.
3).
Jern kontorets Annal. 1873, Heft 5, und weiter noch in demselben 1878,
S. 444.
4).
Jern kontorets Annal. 1878, S. 444; Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1879, S. 266.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1874, S. 466.
1).
Siehe Iron 1878, Nr. 331, vom 11. Mai; von Ehrenwerth in Österreich.
Zeitsch. für Berg- und Hüttenwesen 1879, S. 277 etc.
2).
Siehe Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens, I. Ergänzungs-
band 1884, S. 32.
1).
Siehe Zeitschr. für den berg- und hüttenmänn. Verein für Steiermark und
Kärnten, Nr. 12.
2).
Studien über den Thomas-Gilchristprozeſs in Österreich. Berg- u. Hüttenm.
Ztg. 1879, S. 599, 619 bis 629.
3).
Siehe Österreich. Zeitschr. 1879, S. 341 etc.
1).
Siehe Wedding, Ergänzungsband 1884, S. 67.
2).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 72.
3).
Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleiſses 1879, S. 316;
Wedding, Ergänzungsband I, S. 73.
1).
Vergl. Wedding a. a. O., S. 78 und die Abbildungen Taf. I.
1).
Näheres siehe in dem Aufsatz von Tunner in Zeitschr. des steir. und
kärnt. Berg- und Hüttenvereins 1880, S. 232.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 101, Fig. 38.
2).
Über andere Einrichtungen siehe Wedding, a. a. O., S. 103.
1).
Vergl. A. Riedler, Das Bessemergebläse in Heft, in der Zeitschr. des
Vereins deutscher Ingenieure 1884, Nr. 1 u. 2.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 108.
2).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1879, Nr. 7, 18 u. 25.
3).
Siehe Glasers Annalen vom Oktober 1880.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Nr. 50.
2).
Daselbst 1880, S. 381.
3).
Mitteilungen der königl. techn. Versuchsanstalten zu Berlin 1883, S. 28;
Wedding, a. a. O., S. 139.
4).
Siehe Engineering and Mining Journal 1883, S. 194; Wedding, a. a. O.,
S. 145; Chemical News 1883, 47, S. 159; Stahl und Eisen 1883, I, S. 263.
5).
Aus Ledeburs Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 930.
1).
J. von Ehrenwerth in Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen
1879, Abhandlungen über den Thomas-Gilchristprozeſs 1879 und Studien über
den Thomas-Gilchristprozeſs 1881.
1).
Vortrag in der Americ. Soc. of Mechanical Engineers vom 4. November
1880; Iron Nr. 415; Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1881, S. 93;
Wedding, a. a. O., S. 165.
1).
Vergl. P. v. Tunner, Bericht der österr. Kommission zum Studium der
Entphosphorung, Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1880, S. 319.
1).
Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 504.
2).
Nach Wedding, Der Thomasprozeſs, S. 193, nach Mitteilungen von Osann.
1).
Hierüber berichtete zuerst Fr. W. Wallner in Köln in der Berg- u.
hüttenm. Zeitung 1882, S. 259.
2).
Österreich. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1884; Berg- u. Hüttenm.
Zeitung 1884, Taf. VI, Fig. 13.
1).
Stahl und Eisen 1898, S. 183.
1).
Siehe Engineering v. 28. Okt. 1881; Stahl und Eisen 1882, S. 54; Ker-
pely,
Fortschritte des Eisenhüttenwesens, S. 273 u. Taf. X, Fig. 3 bis 7.
1).
Stahl und Eisen 1883, S. 71.
2).
R. Åkermann, „Über das Bessemern in Schweden“ in Stahl und Eisen
1893, S. 920.
1).
Am. Pat. Nr. 287687 v. 30. Okt. 1883.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 626; vergl. auch Delafond, Der basische
Prozeſs in Creuzot, Annales des Mines 1882, I, p. 366.
2).
Siehe Genie civil 1884.
3).
Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1881, S. 253.
1).
Stahl und Eisen 1890, S. 920; daselbst 1894, S. 465.
2).
Siehe Wedding in Stahl und Eisen 1894, S. 468.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 925.
2).
Zeitschr. f. angew. Chemie 1894, S. 357; Stahl und Eisen 1894, S. 473.
1).
Stahl und Eisen 1890, S. 26.
1).
Stahl und Eisen 1893, S. 626.
2).
Journ. of the Iron and Steel Institute I, p. 112.
3).
Ledebur, Handbuch 1894, S. 633.
1).
Jernkontours Annalen 1898, Heft V.
2).
A. a. O. 1900, S. 281.
3).
Stahl und Eisen 1900, S. 643.
4).
Daselbst 1893, S. 242.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 213.
2).
Siehe a. a. O. 1895, S. 543.
3).
Siehe a. a. O. 1900, S. 241.
4).
A. a. O. 1894, S. 645.
5).
A. a. O. 1897, S. 593.
6).
A. a. O. 1897, S. 593.
7).
A. a. O. 1895, S. 253.
1).
Siehe D. C. Bischof in Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenwesen 1893,
Nr. 3.
2).
Eng. and Min. Journ. 1890, vol. 50, no. 11.
3).
Siehe Wedding, Stahl und Eisen 1893, S. 279.
1).
D. R. P. Nr. 30634 und 56181. Beschreibung und Abbildung in Stahl
und Eisen 1892, S. 1089.
1).
Stahl und Eisen 1896, S. 50 u. 125.
1).
Siehe Poggendorffs Annalen, Bd. 45, S. 461. Troost und Silliman
fanden nur 5745, Thomsen 5767 Kal.
2).
Stahl und Eisen 1886, S. 525.
1).
Vergl. Stahl und Eisen 1894, S. 1097.
1).
Stahl und Eisen 1895, S. 290.
2).
Kitson gab schon 1888 den Gesamtverbrauch auf 600000 Tonnen an.
1).
Stahl und Eisen 1893, Nr. 11, S. 453 und 1897, S. 352.
1).
Vergl. S. 93 und S. 565. C. W. Siemens, Über Gewinnung von Eisen
und Stahl, Berlin 1874.
1).
Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abt. III, S. 540, Fig. 156.
1).
Kuppelwieser im Österr. Jahrb. Bd. XX, S. 389.
2).
Revue universelle, 15 ann., t. 28, p. 181.
1).
Wedding, a. a. O. III, S. 546.
1).
Siehe Österreich. Jahrbuch XXI.
2).
Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleiſses 1880, S. 221;
Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 961.
1).
Mitteilungen der Königl. techn. Versuchsanstalt zu Berlin 1883, S. 31;
Ledebur, Handbuch, S. 935.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 11.
1).
Siehe Engin. and Mining Journ. 38, Nr. 16; Berg- und Hüttenmänn. Ztg.
1885, S. 131.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 718.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 718.
2).
Daselbst 1885, S. 382, Taf. XVII bis XIX.
1).
Compt. rend. de la Soc. de l’industrie min. 1885, p. 154.
1).
Pat. der Soc. des Aciéries de Longwy, D. R. P. Nr. 33316.
1).
In dem Journal of the Iron and Steel Institute 1886, II, p. 700. Siehe
auch Ledebur a. a. O., S. 962.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 332.
1).
Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1888, S. 291.
2).
Stahl und Eisen 1888, S. 369 bis 375.
3).
Daselbst 1889, S. 396.
1).
Jern. kontor. Ann. 1889, S. 389; Stahl und Eisen 1890, S. 222.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 611.
2).
Siehe Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenkunde 1890, S. 375.
1).
Stahl und Eisen 1892, S. 992.
1).
A. a. O. 1892, S. 1028.
2).
Stahl und Eisen 1891, S. 546.
3).
Im 1891er Jahrbuch der ungarischen Bergakademie; deutsch in Österr.
Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 1 u. f.
4).
A. a. O. 1892, S. 759.
5).
A. a. O. 1893, S. 303, 389 und 480.
1).
Siehe Ledebur in Stahl und Eisen 1893, S. 869.
2).
Stahl und Eisen 1893, S. 279.
3).
Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 27.
1).
Stahl und Eisen 1897, S. 775.
2).
Daselbst 1893, S. 1044.
3).
A. a. O. 1894, S. 300.
4).
Stahl und Eisen 1893, S. 462.
5).
Nach P. G. Odelstjerna in Stahl und Eisen 1894, Heft 16.
1).
Stahl und Eisen 1894, S. 751.
2).
Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 37 u. 49.
3).
Stahl und Eisen 1895, S. 669 und 940.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 748 und 996.
2).
Daselbst 1895, S. 797.
1).
Siehe Springorum in Stahl und Eisen 1897, S. 396.
2).
W. Schmidhammer in Stahl und Eisen 1897, S. 622.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 388.
4.
Daselbst 1897, S. 924 und 1898, S. 215.
5).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 403 u. 733; 1898, S. 86, 146.
1.
Stahl und Eisen 1899, S. 889 und 956.
2).
Daselbst 1898, S. 750.
3).
Daselbst 1899, S. 1016.
4).
Daselbst 1899, S. 536.
1).
A. a. O. 1895, S. 799; 1899, S. 537.
2).
Stahl und Eisen 1900, S. 882.
1).
Daselbst S. 263 und 311.
2).
A. a. O. 1899, S. 310.
3).
Stahl und Eisen 1900, S. 782.
4).
Daselbst S. 750.
1).
Comptes rendus etc. LXXVIII; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1874, S. 207.
2).
E. Mannesmann, Vorgänge bei der Cementstahlbereitung in den Ver-
handlungen des Vereins zur Förderung des Gewerbefleiſses in Preuſsen 1879, Heft 1,
S. 31.
3).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1898, S. 665.
1).
Siehe Bd. I, S. 632; Bd. II, S. 248.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 890.
2).
Daselbst 1888, S. 180.
3).
Daselbst 1885, S. 603.
4).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 695.
1).
Abgedruckt im Journal of the Iron and Steel Institute 1884, p. 372.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 695.
3).
Daselbst S. 33.
1).
Siehe Jern kontor. Ann. 1887, S. 338.
1).
Im kleinen werden die nachbeschriebenen Specialstahle und Legierungen
von C. W. S. Biermann in Hannover dargestellt und verkauft.
1).
The Iron and Coal Trade Review 1876; Chem. Centralblatt 1876, S. 736.
1).
Nach Åkermann, Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1889, S. 115.
2).
Vergl. auch Stahl und Eisen 1891, S. 993.
3).
Siehe Ledebur über Manganstahl in Stahl und Eisen 1894, S. 504.
4).
A. a. O. 1901, S. 26.
1).
Engineering 1875, S. 178.
1).
Die Chromstahlbereitung in Brooklyn von G. Roland, Annales des mines
1878, 1. livr., S. 452.
2).
Siehe Iron 1877, X, S. 586; Dingler, Polyt. Journ., Bd. 230, S. 505.
3).
Brustlein legte die Ergebnisse seiner Versuche 1886 dem Iron and Steel
Institute vor, in dessen Journal von 1886, II, p. 770, sie abgedruckt sind.
1).
A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris 1879,
S. 78.
1).
In deutscher Bearbeitung von A. Ledebur in Stahl und Eisen 1893,
S. 14.
2).
Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1895, S. 388.
1).
Siehe Annalen der Pharmacie 1832, II, S. 237.
1).
Le génie civil vom 24. Dezember 1892; Stahl und Eisen 1893, S. 133.
2).
Siehe J. v. Ehrenwerth, Das Berg- und Hüttenwesen auf der Welt-
ausstellung in Chicago. Wien 1895, S. 139.
1).
Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1895, S. 51.
1).
Vergl. Stahl und Eisen 1900, S. 53.
1).
Vergl. den vortrefflichen Vortrag von Mehrtens: Über die Verwendung
des Fluſseisens für Baukonstruktionen. Stahl und Eisen 1893, S. 581, 631.
2).
Stahl und Eisen 1900, S. 1148.
1).
Stahl und Eisen 1889, S. 103.
1).
Näheres über die Konstruktion dieser eisernen Häuser siehe Stahl und
Eisen 1894, Nr. 6 und 7.
1).
Abbildungen davon in Armengaud, Publ. industr. XXIII, p. 331, Dingl.
Polyt. Journ., Bd. 125, S. 423, H. M. Howe, The Metallurgy of Steel, p. 155.
1).
Génie industriel 1882, p. 385.
1).
Stahl und Eisen 1892, S. 170.
2).
Daselbst 1889, S. 767.
3).
A. a. O. 1893, S. 152; Jern. kont. Ann. 1893, S. 35.
4).
Stahl und Eisen 1890, S. 907.
1).
Nach W. D. Allen, Stahl und Eisen 1883, S. 342.
1).
Gautier, Les alliages ferro-métalliques.
2).
Stahl und Eisen 1900, S. 207.
1).
Stahl und Eisen 1888, S. 375.
2).
Vortrag im Herbstmeeting des Iron and Steel Institute, Stahl und Eisen
1889, S. 1000.
1).
Journal of the Iron and Steel Institute 1890, II, p. 177.
2).
In Engineering Bd. XXXIX, S. 561. D. R. P. Nr. 32119 1885 erteilt.
Engl. Pat. vom 8. Juli 1885.
1).
Siehe Vortrag von Kuntze vom 23. Mai 1893, Glasers Annalen 1893;
Stahl und Eisen 1893, S. 665.
1).
G. J. Snelus, Über die Verteilung der Elemente in Stahlingots. Glasers
Annalen IX, S. 179.
1).
W. Cheever, The segregation of impurities in Bessemer steel ingots.
Transaction of the Americ. Inst. of Mining Engineers XIII, p. 167.
2).
Ledebur, Handbuch der Eisen- und Stahlgieſserei 1892, S. 31.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 643.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 797.
1).
Siehe Stahlgieſswagen der Duisburger Maschinenfabrik; Stahl und Eisen
1892, S. 626.
1).
Abgebildet: Stahl und Eisen 1897, S. 569.
2).
Stahl und Eisen 1883, S. 168.
1).
Chemiker-Ztg. 1892, S. 1864. Stahl und Eisen 1892, S. 1004.
2).
Berg- und Hüttenm. Zeitung 1883, S. 262.
3).
Vergl. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1883, S. 474.
1).
Stahl und Eisen 1894, S. 299.
2).
Nach Mahler, Génie civil XVIII, Nr. 12.
1).
Siehe Rott, Darstellung des schmiedbaren Gusses und Tempergusses,
Leipzig 1881.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1875, Nr. 22, S. 273; Dinglers polyt.
Journ. 1876, IV. Bd., S. 150.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 477.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 916.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 900.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 408, 463.
2).
Daselbst 1899, S. 859; 1900, S. 879.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 661.
1).
Beschreibung und Abbildung in Kerpely, Fortschritte des Eisenhütten-
wesens 1874, S. 338 und Taf. VI, Fig. 9.
2).
Über den Guſs derselben siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1874, S. 1.
1).
Mitteilungen darüber von Franz Kuppelwieser in Österreich. Zeitschr-
für Berg- und Hüttenwesen 1887, S. 106.
2).
Siehe Kerpely, Fortschritte des Eisenhüttenwesens 1874, S. 277.
1).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 1878, Bd. 227, S. 426.
2).
Siehe Kerpely, Fortschritte etc. 1886, Taf. 12, Fig. 10.
3).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 1880, Bd. IV, S. 91.
4).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 242, S. 97.
5).
Dingler a. a. O., XV, 1882, IV, S. 266.
6).
Siehe Kerpely, Fortschritte etc. 1889, S. 205.
1).
Bulletin de la Société de l’industrie minérale, série 21, t. III, livr. 3, 1889.
1).
School of Mines, Quarterly, März 1885; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885,
S. 558.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 64; 1892, S. 166; Ledebur, Handbuch der
Eisenhüttenkunde, S. 730.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 620, mit Abbildung.
2).
Daselbst 1889, S. 298, Taf. XI.
3).
Daselbst 1891, S. 132.
1).
A. a. O. 1890, S. 547.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 690.
3).
Daselbst 1891, S. 247.
4).
Daselbst 1894, S. 900.
5).
Daselbst 1891, S. 895.
6).
Daselbst 1892, S. 160; vergl. auch ebenda 1893, S. 553.
7).
Le Génie Civil vom 5. Dezember 1891; Stahl und Eisen 1892, S. 57, 169.
8).
Siehe Stahl und Eisen 1890, Nr. 6.
9).
Daselbst 1891, Nr. 3, S. 247.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 606.
2).
Daselbst 1897, S. 257.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 53, 97.
2).
Mechanic’s Magazine, März 1869; Dingler, Polyt. Journ. Bd. 192, S. 269.
1).
Engineering 1872, S. 384.
2).
Tunner, Das Eisenhüttenwesen in den Vereinigten Staaten, Taf. I, und
Stahl und Eisen 1897, S. 136.
1).
Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Taf. XXVI.
1).
Engineering 1877, Bd. 24, S. 226; Dingl. Polyt. Journ. Bd. 227, S. 143.
2).
Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 353.
1).
Metallurgical Revue 1878, I, S. 205 und Dingl. Pol. Journ. 1878, Bd. 229, S. 317.
2).
The Iron Age 1879 und Kerpely, Fortschritte 1879/80, S. 387.
3).
Jern. Kontor. Annal. 1880, Heft 5.
4).
Dingl. Journ. 1881, III, S. 338.
5).
Kerpelys Fortschr. 1881/82, XII, S. 16.
6).
Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenw. 1879, S. 589.
7).
Glasers Annalen 1880, Nr. 64; Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1885, S. 9.
1).
Stahl und Eisen 1882, S. 283.
1).
Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ingenieure, Bd. 22, S. 467.
2).
Siehe J. Lüders, Kraftverbrauch und Arbeitspressung bei Walzprozessen,
Stahl und Eisen 1884, S. 697.
1).
Stahl und Eisen 1883, S. 161.
2).
Daselbst S. 461.
3).
Siehe Kerpely, Jahresber. d. Fortschritte u. s. w. 1883.
4).
Stahl und Eisen 1883, S. 499.
5).
Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ingenieure 1888, Heft 12.
6).
Stahl und Eisen 1884.
7).
Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1884, S. 530.
8).
Stahl und Eisen 1884, Heft 6.
9).
Daselbst 1897, S. 137.
1).
Siehe Revue universelle, t. XVIII, no. 2, und Stahl u. Eisen 1886, S. 91.
2).
Engineering 1885, Bd. 38, S. 421; Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenw.
1885, S. 521.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 765; 1887, S. 540.
2).
Daselbst 1898, S. 1076.
3).
Zeitschr. d. Oberschl. Berg- und Hüttenm. Vereins 1886, S. 354; Stahl und
Eisen 1887, S. 451.
1).
Es muſs indes bemerkt werden, daſs derselbe Erfindungsgedanke schon
einem englischen Patent von G. W. Dyson und H. A. Hall vom 31. Oktober
1870 (Nr. 2856) zu Grunde lag.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 457.
1).
Siehe Dingl. Polyt. Journ. 1887, Bd. 265, S. 542.
1).
Im Sächsischen Architekten- und Ingenieurverein.
2).
Siehe Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen vom 1. Juni 1890.
3).
Mitteilungen über diese Werke von J. Castner in Stahl und Eisen 1895,
S. 526; 1896, S. 102 u. 144. Auſserdem entstand in England die Mannesmann-
Tube-Company zu Landore und ein Werk für Metallröhren von Heckmann zu
Duisburg.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 290, 550.
2).
Stahl und Eisen 1887, S. 254.
3).
A. a. O. 1887, S. 694.
1).
A. a. O. 1887, S. 509.
2).
Siehe Kerpely, Fortschritte u. s. w. 1888, Taf. IX, Fig. 8.
3).
Stahl und Eisen 1888, S. 436.
4).
Daselbst 1889, S. 239 und 1890, S. 153.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 705.
2).
Daselbst 1888, S. 255, mit Abbild.
3).
Daselbst 1889, S. 29, mit Abbild. und Mustern.
1).
A. a. O. 1890, S. 57.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 889.
3).
Daselbst 1889, S. 239; 1890, S. 153.
4).
Daselbst 1890, S. 452.
5).
A. a. O. S. 554.
6).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 637.
7).
Daselbst 1890, S. 614, 640.
8).
Amer. Pat. Nr. 413141 und 417484; Stahl und Eisen 1890, S. 738, 1077.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 1022.
2).
Vortrag im American Institute of Mining Engineers in New York, 1. Okt.
1890; Stahl und Eisen 1890, S. 1041.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 104.
4).
Daselbst 1889, S. 124.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 509; 1893, S. 837.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 12, 181.
2).
Daselbst 1891, S. 423.
3).
A. a. O. S. 424.
4).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 550; Stahl
und Eisen 1891, S. 249.
5).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 342.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 999.
2).
Daselbst 1892, S. 782.
3.
Daselbst 1893, S. 1056.
4.
Daselbst 1893, S. 85.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 770.
2).
Daselbst 1894, S. 454.
3).
Daselbst S. 253, Taf. III.
4).
Daselbst 1895, S. 391.
5).
Daselbst 1896, S. 308, 322.
6).
Daselbst 1896, S. 359.
1).
A. a. O. 1897, S. 136 etc.
2).
Siehe a. a. O. 1898, S. 200.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 210.
2).
A. a. O. 1900, S. 882.
1).
Stahl und Eisen 1896, S. 1019.
1).
Iron Age, 5. November 1896; Stahl und Eisen 1897, S. 109.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 712.
3).
A. a. O. 1899, S. 41.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 1033.
1).
A. a. O., S. 1034.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 19.
3).
A. a. O., S. 836.
4).
A. a. O., S. 934.
5).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 732.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 68, 125.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1882, I. Bd., Anhang S. 23.
2).
Daselbst 1882, März.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 653.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 179.
2).
Die bekanntesten Beispiele dafür lieferten das neue Schienenwalzwerk der
Edgar-Thomson-Stahlwerke, siehe Stahl u. Eisen 1897, S. 183, und das zu South
Chicago, siehe Stahl u. Eisen 1898, S. 1023.
1).
Die weiteren Angaben folgen später.
1).
Stahl und Eisen 1890, S. 775.
2).
A. Kerpely, Das Eisen auf der Wiener Weltausstellung 1873, S. 155.
1).
The manufacture of Russian sheet iron by John Percy, London 1871.
1).
Stahl und Eisen 1890, S. 856.
1).
Auf dem Rasselstein bei Neuwied.
1).
Vergl. Nic. Gärtner, Die Weiſsblechfabrikation, und Stahl u. Eisen 1889,
S. 552, 724, 944, 1006.
1).
Siehe C. Trubshaw, Die Weiſsblechfabrikation in England 1883, in
Stahl und Eisen 1883, S. 473.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 421.
2).
Daselbst 1891, S. 935.
3).
Daselbst 1892, S. 999; Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1893,
S. 307.
4).
Zeitschr. deutsch. Ingen. 1893, S. 1242.
5.
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 298.
1).
Aufsatz von W. Strecken in den Verhandl. zur Beförderung des Gewerbe-
fleiſses 1887; Stahl und Eisen 1893, S. 978; 1897, S. 799.
2).
J. von Ehrenwerth, Das Berg- und Hüttenwesen auf der Weltaus-
stellung zu Chicago, S. 296.
3).
Siehe von Ehrenwerth, a. a. O., S. 298.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 802, Fig. 3.
2).
Daselbst 1898, S. 695 u. 800.
3).
Daselbst 1898, S. 807.
4).
Jern Kontorets Ann. 1881, Heft 8.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 761 u. 826.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 879.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 296, 374.
1).
Siehe Engin. and Mining Journal 1889, p. 483.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 637 mit Abbildung.
3).
Siehe Iron 1891, p. 38, 309.
4).
Siehe Dingler, Polyt. Journ. 1858, Bd. 149, S. 398.
5).
Vergl. Otto Vogel, Über Fabrikation und Verwendung von Wellblech in
Stahl und Eisen 1894, S. 538.
1).
So z. B. nach dem Patent von A. Bachmeyer in Berlin von 1882 (D. R. P.
Nr. 19949).
1).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 845.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 732.
1).
Siehe Abbildung Stahl und Eisen, a. a. O.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 185.
3).
Vergl. Abbildung Stahl und Eisen 1897, S. 138.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 215 bis 217.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 555.
2).
Daselbst 1900, S. 734.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 575, Taf. 28, 29.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 144.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 760.
2).
Über Panzerplatten siehe die zahlreichen Aufsätze von J. Castner in
Stahl und Eisen 1892, S. 209, 332, 454; 1893, S. 422; 1895, S. 12, 793, 842; 1896,
S. 273; 1897, S. 261; 1898, S. 1038; 1899, S. 100. Ferner über französische Panzer-
türme 1894, S. 164 und über Panzerforts und Panzerfronten 1894, S. 891.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 1034.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 552.
2).
Siehe ferner: Über die Panzerplattenerzeugung zu Witkowitz, Stahl und
Eisen 1894, S. 552.
1).
Aus Krupps Guſsstahlfabrik von Prof. Dr. Friedr. C. G. Müller. Illu-
striert von Felix Schmidt und A. Montan. Düsseldorf 1896.
1).
Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 182, Taf. IV, Fig. 22 bis 26.
2).
Daselbst S. 181, Taf. IV, Fig. 13 bis 27.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 74, Fig. 15.
1).
Revue universelle des mines, t. XVII, 2. sér., 1885.
2).
Siehe Glasers Annalen 1882, Nr. 109.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 745.
2).
A. a. O. 1900, S. 69.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 181.
2).
A. a. O. 1900, S. 75, Fig. 18, 19.
1).
Das Unternehmen war 1824 von Joh. Theodor Felten und Franz
H. Guillaume
gegründet worden. Ursprünglich Hanfseilerei, nahm es 1882 die
Drahtseilfabrikation auf und legte 1859 ein Drahtwalzwerk an.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 845.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1889, Nr. 3, S. 177.
1).
Daselbst 1891, S. 503, 510, 1018; 1892, S. 130.
2).
Siehe Eisen und Stahl 1897, S. 429.
1).
A. a. O. 1899, S. 316.
2).
A. a. O. 1900, S. 91, 421.
1).
Siehe Dinglers Polyt. Journ., Bd. 229, S. 503.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 308.
2).
Daselbst S. 352.
3).
Iron Age vom 18. Oktober 1888; Stahl und Eisen 1889, S. 23.
4).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 919.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 405, Abbildung Taf. XI, Fig. 3.
1).
Daselbst 1892, S. 1005.
2).
Iron Age vom 21. Januar 1897; Stahl und Eisen 1897, S. 215.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 406.
4).
Siehe J. Weisbach, Ingenieur- und Maschinenmechanik.
5).
Siehe A. Ledebur, Lehrbuch der mechanisch-metallurgischen Technologie
1897, S. 529.
6).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 183, Taf. IV, Fig. 20, 21.
7).
Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 461.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1882, II, S. 470.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 931.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 171.
2).
Daselbst 1892, S. 257.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 530.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 259.
2).
Daselbst 1895, S. 1091.
1).
Electrician 1897, 4; Chem.-Ztg. 1897, Rep. 319.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 1135.
3).
Daselbst 1891, S. 23.
4).
Daselbst 1893, S. 473.
1).
Eine Reihe vortrefflicher Aufsätze von J. Castner findet man in der Zeit-
schrift Stahl und Eisen 1892.
1).
Weiteres ist in den Abhandlungen von J. Castner nachzulesen in Stahl
und Eisen 1891.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 500.
3).
Daselbst 1898, S. 1069.
1).
Rede, gehalten bei dem Meeting des Iron and Steel Instituts im Mai 1899.
2).
Wir verweisen auf die Fachlitteratur sowie auf die Aufsätze von J. Castner
in Stahl und Eisen 1893.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 163.
2).
Daselbst 1894, S. 1091.
3).
Daselbst 1893, S. 423.
4).
A. a. O. 1898, S. 1059.
1).
Vergl. S. 390 u. s. w.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 988.
3).
Daselbst 1893, S. 572; 1898, S. 791, 910.
4).
Bei dieser Gelegenheit verweisen wir auf das vortreffliche Handbuch der
Materialienkunde von A. Martens, Berlin 1898.
5).
Journal of the Iron and Steel Institute 1882, II, S. 464.
1).
Geboren am 11. Juni 1834 zu Nürnberg, starb am 25. November 1893 zu
München.
2).
Die preuſsischen Anstalten in den „Mitteilungen aus den königl. technischen
Versuchsanstalten in Berlin“.
1).
Seit Herbst 1901 an Stelle von Dürre in Aachen.
1).
Eine genaue Beschreibung der englischen Eisensteine, ihrer chemischen
Zusammensetzung, ihrer Lagerung u. s. w. findet sich in Dr. Hermann Weddings
Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Auflage (1897), S. 66 bis 119.
1).
Vergl. Alphons Petzold, Die Erzeugung der Eisen- und Stahlschienen
1874.
1).
Metallurgical Review, Febr. 1878, S. 599.
1).
Über die Kalibrierungsverhältnisse u. s. w. siehe A. Petzholdt, Die Er-
zeugung von Eisen- und Stahlschienen, 1874.
1).
Karl Wilhelm Siemens wurde am 4. April 1823 zu Lentha in Han-
nover geboren als einer der vier ruhmreichen Brüder (Werner, Wilhelm, Karl
und Friedrich), denen die Technik so viel verdankt. Er studierte in Göttingen
Chemie, trat aber schon im 19. Jahre in die Stolbergische Maschinenfabrik ein,
um sich mit dem Maschinenwesen vertraut zu machen. 1830 ging er nach
England, um eine Erfindung seines Bruders Werner zu verwerten, und blieb
daselbst. 1847 führte er das Regenerativprinzip bei Dampfmaschinen aus. 1857
erfand er mit seinem Bruder den Regenerativ-Gasofen. 1862 baute er den ersten
Stahlschmelzofen zu Durham. Zum Zweck der Flammofen-Stahlbereitung gründete
er mit Josia Mason das Stahlwerk zu Landore. Seine weiteren Erfindungen für
die Eisen- und Stahlbereitung ergeben sich aus dem Text unserer Geschichte.
1).
D. h. der Anteil von Yorkshire North Riding, Durham und Northumberland.
1).
Stahl und Eisen 1894, S. 293.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 1016.
1).
C. E. Stromayers Vortrag in dem Instit. Engineers and Shipbuilders.
Stahl und Eisen 1898, S. 317.
1).
1871 war ein abnormes Jahr; damals erreichte die Einfuhr die Höhe von
528147 Tonnen = 16,6 Prozent.
1).
Bis 1894 nach Schrödter, Stahl und Eisen 1896, S. 252.
1).
Aus Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Bd. II, S. 118.
1).
Siehe Oscar Simmersbach, Die Entwickelung der Roheisenindustrie
Groſsbritanniens. Stahl und Eisen 1897, S. 268. Vgl. Stahl und Eisen 1889.
1).
Engl. Ton = 1016 kg.
1).
In den Ziffern sind nicht mit einbegriffen: Draht, Schwarzblech zum Ver-
zinnen und Waren von Eisen und Stahl in Verbindung.
1).
Die Zahlen vom Jahre 1887 an sind durch Berechnung in der Weise
gefunden, daſs von der Roheisenerzeugung die Roheisenausfuhr und die durch
Zuschlag von 33⅓ Prozent in Roheisen umgewandelte Eisen- und Stahlausfuhr
abgezogen wurde.
1).
Nach Rentzsch 8142.
1).
Über die Gründung der Ilseder Hütte ist leider auf Seite 257 eine un-
richtige Angabe mitgeteilt worden. Den Plan zur Anlage der Ilseder Hütte hatte
Bankier C. Hostmann in Celle, der 1856 die Berg- und Hüttengesellschaft zu
Peine gegründet hatte, zuerst gefaſst. Das groſsartig gedachte Unternehmen kam
aber nicht zur Ausführung, vielmehr geriet C. Hostmann 1858 in Konkurs. Sein
Schwiegersohn, Rechtsanwalt C. Haarmann, gründete auf beschränkterer aber
soliderer Grundlage 1858 die Aktiengesellschaft Ilseder Hütte, die sich seitdem so
glänzend entwickelt hat. Im September 1860 blies dieselbe den ersten der zwei
von ihr erbauten Hochöfen an. Die Hüttenbahn nach Peine wurde am 2. Mai
1865 eröffnet. Am 10. April 1867 wurde der dritte Hochofen angeblasen. 1868
übernahm H. Spamer die technische Leitung und damit begann die Zeit des Auf-
schwunges der Ilseder Hütte.
2).
Nach F. W. Lürmann, Stahl und Eisen 1888, S. 367.
1).
Stahl und Eisen 1889, S. 920.
1).
Stahl und Eisen 1893, S. 833.
1).
Stahl und Eisen 1890, S. 937.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 436, Taf. XIII.
1).
Dietrich Bädeker, Alfred Krupp und die Entwickelung der Guſsstahl-
fabrik zu Essen, daselbst 1889. — Hermann Frobenius, Alfred Krupp, bei
C. Reissner, Dresden 1898. — Dr. Friedr. C. G. Müller, Krupps Guſsstahlfabrik,
1889 bei A. Bagel, Düsseldorf. Eine noch eingehendere aktenmäſsige Darstellung
der für die Technik wichtigsten Momente wäre sehr zu wünschen.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 1029.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, II. Märzheft. Diese vortreffliche, auf
statistischer Grundlage aufgebaute Arbeit Schrödters ist wie seine Vorträge über
die Entwickelung der deutschen Hochofenerzeugung (a. a. O.) und der deutschen
Fluſseisenerzeugung (a. a. O.) von groſsem geschichtlichen Interesse. Ein neueres
Verzeichnis der deutschen Hochofenwerke im Jahre 1900 findet sich in der von
dem Verein deutscher Eisenhüttenleute 1901 herausgegebenen vierten Auflage der
gemeinfaſslichen Darstellung des Eisenhüttenwesens, S. 130 bis 135.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 474; 1900, S. 382.
1).
Ledebur, Der Gieſsereibetrieb am Ende des 19. Jahrhunderts, S. 5, Fig. 1.
Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 43.
1).
Wir verweisen hinsichtlich der Fortschritte der Gieſserei auf die vor-
genannte vortreffliche Abhandlung von A. Ledebur, auſserdem auf eine Zusammen-
stellung von W. Kirchner, Fortschritte in der Gieſsereipraxis.
1).
Nach G. Hilgenstock, Stahl und Eisen 1893, S. 453.
1).
Ein neuerer Bericht über den Umfang der Guſsstahlfabrik von Friedrich
Krupp
findet sich in dem Jahresberichte der Essener Handelskammer 1900, ein
Auszug in Stahl und Eisen 1900, S. 926.
2).
Stahl und Eisen 1893, S. 361.
1).
Über die Entwickelung der Mannesmann-Werke für Stahl und Eisen 1898,
S. 103, 144, 201.
2).
A. a. O. 1896, S. 595.
3).
A. a. O. 1896, S. 405.
1).
Stahl und Eisen 1887, S. 449.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 724.
2).
Gemeinfaſsliche Darstellung des Eisenhüttenwesens. 4. Auflage 1901,
S. 136 bis 141.
1).
1898: 550 Betriebe, 38320 Arbeiter; 1899: 565 Betriebe, 40917 Arbeiter;
1900: 575 Betriebe, 43803 Arbeiter.
1).
1898: 550 Betriebe, 38320 Arbeiter; 1899: 565 Betriebe, 40917 Arbeiter;
1900: 575 Betriebe, 43803 Arbeiter.
1).
1898: 550 Betriebe, 38320 Arbeiter; 1899: 565 Betriebe, 40917 Arbeiter;
1900: 575 Betriebe, 43803 Arbeiter.
1).
Stahl und Eisen 1901, S. 411.
2).
Ohne Guſswaren I. Schmelzung.
1).
Nach der amtlichen Statistik.
1).
Stahl und Eisen 1897, S. 339, aus den Nachweisungen des statistischen Amtes.
1).
1).
Auch mit gemischtem Betriebe.
1).

  • Verarbeitetes Roheisen:   1879
  • zollinländisch   1213166
  • zollausländisch   3681
  • Erzeugt:   1879
  • Fertige Eisenfabrikate   951512
  • Rohluppen   16680
2).
Hiervon Puddeleisen 768252 Tonnen.
1).
Einteilung in vier Bergämter: München, Regensburg, Bayreuth, Zwei-
brücken.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 669.
1).
Comptes rendus 1873, XXVI, p. 482.
2).
Annales des mines 1873, Tome III, p. 105.
3).
Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1876, S. 22.
1).
Stahl und Eisen 1890, S. 321.
1).
Siehe Delafond in Annales des Mines 1882, 2. livr.
2).
Revue universelle 1881, September und Oktober.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 692, 852, 907.
2).
A. a. O. 1889, S. 564.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1262.
2).
Daselbst 1890, S. 899.
1).
Die Zahlen sind meistens den offiziellen Veröffentlichungen entnommen, in
einigen Fällen den Bulletins des Comité des Forges de France, die nicht immer
mit jenen übereinstimmen.
1).
Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg., Bd. 84, S. 50; Stahl und Eisen 1894,
S. 817.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 775, 820, 864, 912, 947.
1).
Siehe Stahl und Eisen, a. a. O., S. 913.
2).
Bericht über dieselbe von Professor E. F. Dürre in Aachen, Stahl und
Eisen, S. 728, 816, 969.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 474.
2).
A. a. O. 1900, S. 401.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 1.
1).
Em. Harzé, „Annales des Mines de Belgique“ 1896, S. 469, 509, 517, und
Oscar Simmersbach, Stahl und Eisen 1897, S. 961.
1).
Iron and Coal Trade Review, 18. Dezbr. 1896.
1).
Nach Iron and Coal Trade Review vom 2. April 1897.
1).
Franz Kuppelwieser, Offizieller Ausstellungsbericht, Das Hüttenwesen,
S. 77; Anton Kerpely, Das Eisen auf der Wiener Weltausstellung 1873.
1).
Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1875, Nr. 15 und 16.
1).
Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Nr. 18.
1).
Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1884, S. 207.
1).
Vortrag über das Verfahren von A. Gouvy auf dem Bergmannstag in
Wien 1888; siehe Stahl u. Eisen 1889, S. 396.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 675.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 767.
1).
A. a. O. S. 769.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 677.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 546.
2).
A. a. O. 1891, S. 1009.
3).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 299, 978.
1).
Anton von Kerpely, Eisenhüttenwesen in Ungarn zur Zeit des
Millenniums. — Im Auszug in Stahl und Eisen 1896, S. 932 f.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 729.
1).
Nach Schuster in Stahl und Eisen 1899, S. 676.
1).
Hierbei waren 5671 Arbeiter beschäftigt.
1).
Af Uhr in Jern Kontor. Annal. 1871.
1).
Stahl und Eisen 1896, S. 1029.
1).
Vergl. Dr. H. Wedding in Zeitschr. für das Berg-, Hütten- und Salinen-
wesen im preuſs. Staate 1898, S. 69.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 61, 143, 165, 221, 329, 381, 578, 622, 873.
3).
A. a. O. 1900, S. 530, 590.
1).
Das Obouchkow- oder Abukoffski-Stahlwerk hatte seinen Namen von dem
Erbauer und späteren ersten Direktor M. Aboukoff (Obuchow) und lag bei Alexan-
drowsky. Es wurde später vom Staat übernommen.
1).
Stahl und Eisen 1898, S. 716.
1).
Stahl und Eisen 1894, S. 1019.
1).
Stahl und Eisen 1896, S. 781.
1).
Stahl und Eisen 1898, S. 764.
2).
Eine schöne Abbildung desselben, siehe Stahl und Eisen 1901, S. 165.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 861.
1).
Siehe Wedding, Eisenhüttenkunde I, S. 183.
1).
Die Abweichungen der Zahlen liegen teils an den Quellen, teils an der
Umrechnung.
1).
Die Erzausfuhr wird für 1872 sogar zu 168462 Tonnen angegeben.
1).
Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1899, S. 382.
2.
Zahl aller Eisen- und Stahlwerke im Jahre
1897: 216 mit einer Arbeiterzahl von 12991.
1).
Hiervon nach Deutschland 171548, nach Holland (Deutschland) 76101 Tonnen.
1).
1886: 188523 Tonnen.
1).
Hiervon direkt aus Eisenerzen:
  • 1882   5553 Tonnen
  • 1883   2304 „
  • 1884   1906 Tonnen
  • 1885   1901 „
1).
Stahl und Eisen 1899.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 1138.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 500.
1).
Siehe Berg- und hüttenmänn. Ztg. 1881, S. 325.
1).
1 Piaster = 0,1864 Mark.
1).
Siehe Reisebericht von Dr. G. Klüpfel in der Berg- u. hüttenm. Ztg. 1871.
1).
Wir verweisen auf die ausführliche Beschreibung der amerikanischen Eisen-
werke von Hugo Hartmann in der Berg- und hüttenmänn. Ztg. von 1872 und
auf Lenox Smiths, The manufacture of steel, New York 1872.
1).
Stahl und Eisen 1897, S. 136.
1).
Net Ton = 908,07 kg.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1883, Heft 3.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 137.
1).
Rheinische Stahlwerke 1120 Tonnen, Ilseder Hütte 1190 Tonnen.
1).
Geb. am 23. Febr. 1839 als Sohn eines Geistlichen in Luzerne County, Pa.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 19.
2).
Daselbst 1890, S. 1004.
1).
Stahl und Eisen 1891, S. 111.
2).
Daselbst 1890, S. 605.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 305.
2).
Daselbst 1897, S. 181.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 305.
2).
Daselbst S. 213.
3).
Daselbst S. 614.
1).
Stahl und Eisen 1893, S. 374.
2).
A. a. O. 1892, S. 465.
3).
A. a. O. 1894, S. 852.
4).
A. a. O. 1894, S. 16.
1).
Stahl und Eisen 1895, S. 797.
2).
Daselbst 1897, S. 137.
3).
Daselbst 1895, S. 903 und Tafel X.
1).
Stahl und Eisen 1895, S. 1050.
1).
Nach Odelstjerna, Stahl und Eisen 1896, S. 476.
1).
Stahl und Eisen 1897, S. 950.
2).
Stahl und Eisen 1897, S. 354; Paul Trasenster, Lüttich, La Concur,
rence Américaine 1897.
3).
Stahl und Eisen 1897, S. 439.
1).
Stahl und Eisen 1897, S. 185.
2).
A. a. O., S. 215.
1).
Stahl und Eisen 1898, S. 1060.
2).
A. Ledebur in Stahl und Eisen 1898, S. 461.
3).
Stahl und Eisen 1898, S. 709.
1).
Stahl und Eisen 1897, S. 948, 1900, S. 513.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 510.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 403.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 639.
2).
A. a. O., S. 25.
1).
Stahl und Eisen 1900, S. 357.
2).
A. a. O.
3).
A. a. O., S. 210.
1).
Die Gewichtsangaben sind meist in Metertonnen (zu 1000 kg), zuweilen
auch in Net Ton (zu 907 kg), oder Groſstonnen (zu 1015 kg).
1).
Hiervon 232555 Tonnen mit Koks, 16341 Tonnen mit Holzkohle.
2).
Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 387.
3).
Daselbst S. 881.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 55.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 554.
1).
Siehe Stahl und Eisen 1902, S. 116 und 404.
2).
Dr. H. Wedding, Die Eisenerze der Insel Kuba, in Stahl u. Eisen 1892, S. 545.
3).
Auſserdem 13349 Tonnen Manganerze.
4).
Hiervon entfielen auf die Jaraguagrube 246530 Tonnen.
1).
Im Septemberheft der Revue universelle des Mines von 1893; Stahl und
Eisen 1894, S. 370.
1).
Officieller Weltausstellungsbericht von 1873. — Franz Kuppelwieser,
Das Hüttenwesen, S. 88.
1).
Näheres siehe Stahl und Eisen 1898, S. 221.
2).
A. a. O. 1896, S. 141.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 1141.
2).
Die Gruppierung der Einfuhrerzeugnisse ist eine ungleiche und läſst sich
deshalb nicht einheitlich darstellen.
3).
1 Yen = 4 Mark, da aber der Yen mit dem Silberwert schwankte, so
war er von 1887 bis 1890 nur 3,56 Mark wert.
1).
Der Wert des Silber-Yen war damals nur 2,25 Mark in Gold.
1).
Stahl und Eisen 1899, S. 1142.
1).
The Indian and eastern Engineer 1896, S. 211, und Stahl und Eisen 1896,
S. 603.
2).
Stahl und Eisen 1901, S. 391.
1).
1 Rupie = 1,20 Mark.
1).
Stahl und Eisen 1902, S. 350.
2).
A. a. O., S. 682.
1).
Für die vorausgegangenen Jahre siehe S. 828.

Dieses Werk ist gemeinfrei.