[]
Chemiſche Annalen
fuͤr
die Freunde der Naturlehre,
Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunſt
und Manufacturen:
von
Lorenz Crell,
der Weltweisheit und Arzneygelahrtheit Doctor,
Herzogl. Braunſchweig-Luͤneb. Bergrathe; der theoret. Arzney-
gelahrtheit, und Materia medica, wie auch der Weltweisheit,
ordentl. oͤffentl. Lehrer, und der Herzogl. Geſellſchaft practiſcher
Aerzte zu Helmſtaͤdt Beyſitzer; der Roͤm. Kaiſerl. Akademie der
Naturforſcher Adjuncte; der Ruſſiſch. Kaiſ. Akad. d. Wiſſenſch.,
der Koͤn. Engl. Societaͤt zu London, der Koͤn. Preuß. Akad. der
Wiſſenſch. zu Berlin, und der Koͤn. Societ. zu Frankfurt a. d. Oder,
der Koͤn. Schwed. Akad. zu Stockholm und der Koͤn. Societ. zu
Upſala, der Koͤn. Akad. d. Wiſſenſch. zu Edinburg, Dublin,
Dijon und Orleans, d. Koͤn. Daͤn. Societ. d. Wiſſenſch. und der
Aerzte zu Koppenhagen, d. Koͤn. Akad. zu Siena, d. Churfuͤrſtl.
Maynz. Akad. d. Wiſſenſch. zu Erfurt, wie auch der Churpfaͤlz.
Akad. zu Mannheim, d. Kaiſ. freyen oͤkonomiſchen Geſellſch. zu
Petersburg, d. Geſellſch. naturforſch. Freunde zu Berlin, Halle,
Danzig, Mancheſter, der Naturgeſchichte zu Paris, d. Wiſſenſch.
und Kuͤnſte zu Genf, der Bergbaukunde, der American. zu Phi-
ladelphia, und der Burgh. Geſellſch. der ſittlich. und landwirth-
ſchaftl. Wiſſenſch., Mitgliede; d. Koͤn. Akad. d. Wiſſenſch. und
d. Koͤn. Societ. der Aerzte zu Paris, und d. Koͤn. Geſellſch.
zu Goͤttingen Correſpondenten.

Erſtes Stuͤck,
1792.


Der Preis des Jahrgangs der Annalen iſt 3 Rthl.
[]
[...]

Chemiſche Verſuche
und
Beobachtungen.


Chem. Ann. 1792. B. 1. St. 3. A
[254]
[...]

Vom Hrn. v. Humboldt in Freyberg.


Ich bin ſo gluͤcklich geweſen, neue Beobachtungen
uͤber die Farbe unterirdiſcher Vegetabilien anzuſtel-
len. Ich habe zwey Pflanzengattungen, denen die
Natur das Innere des Erdkoͤrpers zum ausſchlieſ-
ſenden Wohnſitze angewieſen, meinen Lichen ver-
ticillatus
(von 5 8 Fuß Laͤnge) und eine andere
Flechte (auf dem Weißtaubener Stollen zu Marien-
berg) mit lichtgruͤnen Sproͤßlingen an den Zweigen
geſehen. Ich habe mich durch eigene Verſuche am
Cheiranthus incanus. C. cheiri \& c. von der
Moͤglichkeit, daß Pflanzen, ohne dem Lichtſtrahle
ausgeſetzt zu ſeyn, (unter gewiſſen Umſtaͤnden)
in der Grube gruͤne Blaͤtter treiben koͤnnen, uͤber-
zeugt. Dieſe Verſuche aber ſcheinen mir jetzt denen
der
[255]
der Herren Prieſtley, Senebier und In-
genhouß
nicht zu widerſtreiten. Ich vermuthe,
daß die weiße Farbe, ſo wie in vielen Stoffen,
(den Salzen, Erden, der ſogenannten dephlogiſti-
ſchen Salzſaͤure etc. auch in den Vegetabilien aus
einer Anhaͤufung des Oxygene entſteht, daß der
Lichtſtoff ſich nicht mit dem Pflanzenkoͤrper verbinde,
ſondern bloß dazu diene, das Oxygene hervorzulocken
u. ſ. f. Daher hauchen (bleichſuͤchtige) Pflanzen,
wenn ſie dem Lichte entzogen ſind, keine dephlogi-
ſtiſirte Luft (Sauerſtoffgas) aus. Daher die
Wirkung des Lichtſtoffs auf das Hornſilber, an die
oxygenirte Salzſaͤure und Salpeterſaͤure (acide ni-
trique
) u. a. Aber der Sonnenſtrahl iſt wohl nicht
die einzige Subſtanz, welche durch ihre Verwandt-
ſchaft zum Oxygene, die Anhaͤufung deſſelben in
den Pflanzen hindert. Die Baſen des brennbaren
Gas und der Stickluft dienen ebenfalls dazu, ihn
zu entbinden, und ſie wirken vielleicht im Innern
der Erde (wo die Natur ſie leider ſo reichlich an-
gehaͤuft hat) wie der wohlthaͤtige Lichtſtoff auf der
Oberflaͤche derſelben. — Dieſe Vorſtellungsart
weicht von der des Hrn. Senebier und anderer
Phyſiker voͤllig ab. Mir iſt ſie nichts mehr, als eine
Hypotheſe, durch die ich die ſonderbaren Phaͤnomene
der unterirdiſchen Vegetation aufzuklaͤren glaube;
eine Vegetation, die ſchon darum die Aufmerk-
ſamkeit eines Pflanzenkundigen verdient, weil
Mangel an Licht und eine ſo verſchieden gemiſchte
Atmoſphaͤre auch eine andere Organiſation, als die
uͤberirdiſche, ahnden laͤßt.



Vom

Dieses Werk ist gemeinfrei.