Trüb brennt der Schenke Kerzenlicht,
Der Wirthin junges Angeſicht,
Ermüdet, ſchlummertrunken,
Nickt auf die Bruſt geſunken,
Denn ſchon iſt Mitternacht vorbei.
Am Schiefertiſche ſpielen Zwei,
Die weißen Würfel ſchallen,
Schlecht iſt der Wurf gefallen —
Ein junges wildes Augenpaar
Droht aus verworrnem Lockenhaar:
„Das war mein letztes Silberſtück!
Doch wenden muß ſich jetzt das Glück!
Du, Alter, mußt mir borgen!
Wir ſpielen bis zum Morgen!“
Mit grünen Katzenaugen blitzt
Der Alte, der im Dunkel ſitzt:
„Laß dich zu Bette legen,
Die Mutter ſpricht den Segen!“
Des Jungen Fauſt zerdrückt das Glas
Mit einem Fluch — „Kind, weißt du was?
„Ein Schlößlein ſteht auf grünem Plan“
So fängt ein altes Märchen an.
Ich meine das im Walde,
Hier oben an der Halde.
Verſchloſſen ſind die Fenſter,
[102]Drin hauſen nur Geſpenſter
Für den der an Geſpenſter glaubt —
Sobald das Jahr den Wald entlaubt,
Macht ſich der Herr von hinnen
Von dieſen luft'gen Zinnen —
Schwelgt in der Stadt im Marmorſaal
Und ſpielt bei luſt'gem Kerzenſtrahl.
Kling, kling! Ich hör' es klingen,
Wie goldne Füchſe ſpringen ...
Dein Vater — ward mir recht geſagt? —
War Pächter und iſt ausgejagt ...
Da weißt du droben ein und aus,
Du kennſt den Hund, du kennſt das Haus —
Ich borgte mir mein Spielgeld friſch
Von dieſes reichen Mannes Tiſch!
Nimm was da liegt, nimm was da ſteht:
Ein Prunkgeſchirr, ein Goldgerät,
Mir darfſt du's gleich verhandeln,
Ich kann's in Münze wandeln.
Von ſelber öffnet ſich der Schrein,
Du müßteſt nicht ein Schloſſer ſein ...“
Der Burſche lauſcht mit dumpfem Hirn
Dem hölliſchen Gemunkel,
Ein Schatten ſteht auf ſeiner Stirn,
Ein Schatten tief und dunkel:
Und wieder leis und lüſtern
Beginnt das grimme Flüſtern:
„Kurt, ſieh den Lauf der Welt dir an!
Was wohl gelingt, iſt wohl gethan!
Betrachte dir die Thaten
Der großen Diplomaten,
[103]Die klugen Herrn verſtehn den Pfiff,
Ein leiſer Schritt, ein ſich'rer Griff!
Dann ſpielt man hübſch Verſtecken
Und läßt ſich nicht entdecken —
Du blickſt ſo wild als wollt'ſt du mich
Erſtechen, Kurt, beſinne dich!
Wo ſuchſt du deine Schlüſſel, Kurt?
Du trägſt den ganzen Bund am Gurt! ...“
Er ſtürzt hinaus, empört, bethört,
Die Wirthin, die ihn ſchreiten hört,
Lallt halb im Traum, ſie weiß nicht wie:
„Wie geht's der Mutter? Grüße ſie!“
Er taumelt in die Nacht hinaus,
Um ſeine Stirn fliegt ein Gebraus
Betrunkener Gedanken
Und ſeine Schritte wanken.
Er ſtürmt empor die Strecke
Zum Schloß auf Schneees Decke,
Das Gitter überſteigt er leis
Und kniſternd bricht das Tannenreis,
Er ſchleicht und nach der Leiter langt
Er, die am Dach der Scheune hangt,
Er ſteht am Herrenhauſe ſchon,
Er klettert über den Balkon,
Sein Herz, er hört es pochen
Und hat die Thür erbrochen.
Raſch iſt ein Wachslicht angebrannt,
Laut kracht es in der Täfelwand,
Ihm ſteigt das Haar, hin ſtarrt er wild
Und ſieht ein farbenlieblich Bild,
Von lichtem Reif umgeben,
[104]Sich aus dem Düſter heben:
Den Schlummer eines Knaben ſieht
Er, neben dem die Mutter kniet,
Die blauen Augen ſtrahlen licht
Von einer guten Zuverſicht,
Nicht kann den Blick er wenden
Von dieſen fleh'nden Händen ...
Da muß mit Thränenbächen
Die harte Rinde brechen —
Dumpf klirrend fällt der Schlüſſelbund.
Die Mutter dankt mit frohem Mund.
Er flüchtet über den Balkon,
Die Leiter trägt er ſchnell davon,
Als wandelt' er auf Gluten —
Und wendet ſich zum Guten.