Dir nur, liebendes Herz, euch, meine vertraulich-
ſten Thraͤnen,
Sing ich traurig allein dieß wehmuͤthige Lied.
Nur mein Auge ſoll’s mit ſchmachtendem Feuer dur
irren,
Und, an Klagen verwoͤhnt, hoͤr es mein leiſeres Ohr:
Ach! warum, o Natur, warum, unzaͤrtliche Mutter,
Gabſt du zu dem Gefuͤhl mir ein zu biegſames Herz?
Und ins biegſame Herz die unbezwingliche Liebe,
Daurend Verlangen, und ach keine Geliebte dazu?
Die du kuͤnftig mich liebſt, (wenn anders zu meinen
Thraͤnen
Einſt das Schickſal erweicht eine Geliebte mir giebt!)
Die du kuͤnftig mich liebſt, o du aus allen erkohren,
Sag, wo dein fliehender Fuß ohne mich einſam
itzt irrt?
Nur mit Einem verrathenden Laute, mit Einem der Toͤne,
Die der Frohen entfliehn, ſag es, einſt Gluͤckliche,
mir!
Fuͤhlſt du, wie ich, der Liebe Gewalt, verlangſt du nach
mir hin,
Ohne daß du mich kennſt; o ſo verheele mirs nicht!
Sag es mit einem durchdringendem Ach, das meinem
Ach gleicht,
Das aus innerſter Bruſt Klage ſeufzet, und ſtirbt.
Oft um Mitternacht wehklagt die bebende Lippe,
Daß, die ich liebe, du mir immer unſichtbar noch biſt!
Oft um Mitternacht ſtreckt ſich mein zitternder Arm aus,
Und umfaſſet ein Bild, ach das deine vielleicht!
Wo, wo ſuch ich dich? wo werd ich endlich dich finden?
Du, die meine Begier ſtark und unſterblich verlangt!
O 5Jener
[218]Jener Ort, der dich haͤlt, wo iſt er? wo flieſſet der Himmel,
Welcher dein Aug umwoͤlbt, heiter und laͤchelnd
vorbey?
Werd ich mein Auge zu dir einſt, ſegnender Himmel,
erheben,
Und umarmet die ſehn, die aufbluͤhen du ſahſt?
Aber ich kenne dich nicht! Es ging die fernere Sonne
Meinen Thraͤnen daſelbſt niemals nicht unter und
auf.
Soll ich jene Gefilde nicht ſehn? Fuͤhrt nie dort im
Fruͤhling
Meine zitternde Hand ſie durch ein bluͤhendes Thal?
Sinkt ſie, von ſuͤſſer Gewalt der maͤchtigen Liebe be-
zwungen,
Nie mit der Daͤmmerung Stern mir an die beben-
de Bruſt?
Ach, wie ſchlaͤgt mir mein Herz! Wie zittern durch meine
Gebeine
Freud und Hofnung, dem Schmerz unuͤberwindlich
dahin!
Unbeſingbare Luſt, ein ſuͤſſer begeiſternder Schauer,
Eine Thraͤne, die mir ſtill von den Wangen entfiel;
Und, o ich ſehe ſie! mitweinende, weibliche Zaͤhren
Ein mir liſpelnder Hauch, und ein erſchuͤtterndes Ach;
Ein zuſegnender Laut, der mir rief, wie ein Schatten
dem Schatten
Liebend ruft, weiſſagt, dich, die mich hoͤrete, mir.
O. du, die du Sie mir und meiner Liebe gebahreſt,
Haͤltſt du Sie, Mutter, umarmt; dreymal geſeg-
net ſey mir!
Dreymal geſegnet ſey mir dein gleich empfindendes Herze,
Das der Tochter zuerſt weibliche Zaͤrtlichkeit gab!
Aber laß ſie itzt frey! Sie eilt zu den Blumen, und will da
Nicht von Zeugen behorcht, will geſehen nicht ſeyn.
Eile
[219]Eile nicht ſo! Doch mit welchem Namen ſoll ich dich
nennen,
Du, die unausſprechlich meinem Verlangen gefaͤllt?
Heiſſeſt du Laura? Laura beſang Petracha in Liedern,
Zwar dem Bewunderer ſchoͤn, aber dem Liebenden
nicht!
Wirſt du Fanny genannt? Iſt Cidli dein feyerlicher Name?
Singer, die Joſeph und den, welchen ſie liebte, beſang?
Singer! Fanny! Ach Cidli! ja Cidli nennet mein Lied dich,
Wenn im Liede mein Herz halbgeſagt dir gefaͤllt!
Eile nicht ſo, damit kein Dorn der verpflanzeten Roſe
Deinen zu fluͤchtigen Fuß, wenn du eileſt, verletzt;
Daß kein ſchaͤdlicher Duft des werdenden Fruͤhlings dich
anhaucht;
Daß ſich dem bluͤhenden Mund reinere Luͤfte nur
nahn.
Aber du geheſt denkend und langſam, das Auge voll
Zaͤhren,
Und jungfraͤulicher Ernſt deckt dein verſchoͤnert
Geſicht.
Taͤuſchte dich jemand? Und weinſt du, weil deiner Ge-
ſpielinnen eine
Nicht, wie von ihr du geglaubt, redlich und tu-
gendhaft war?
Oder liebſt du, wie ich? Erwacht mit unſterblicher Sehn-
ſucht,
Wie ſie mein Herz mir empoͤrt, dir die ſtarke Natur?
Was ſagt dieſer erſeufzende Mund? Was ſagt mir dieß
Auge,
Das mit verlangendem Blick ſich gen Himmel er-
hebt?
Was entdeckt mir dieß tiefere Denken, als ſaͤhſt du ihn
vor dir?
Ach, als ſaͤnkſt du ans Herz dieſes Gluͤcklichen hin!
Ach
[220]Ach du liebeſt! So wahr die Natur kein edleres Herz
nicht
Ohne den heiligſten Trieb derer, die ewig ſind, ſchuf!
Ja, du liebeſt, du liebeſt! Ach wenn du den doch auch
kennteſt,
Deſſen liebendes Herz unbemerket dir ſchlaͤgt;
Deſſen Seufzer dich ewig verlangen, dich bang vom
Geſchicke
Fodern, von dem Geſchick, das unbeweglich ſie hoͤrt.
Weheten doch ſanftrauſchende Winde ſein innig Ver-
langen,
Seiner Seufzer Laut, ſeine Geſaͤnge dir zu!
Winde, wie die in der goldenen Zeit, die vom Ohre
des Schaͤfers
Hoch zu der Goͤtter Ohr flohn mit der Schaͤferin Ach.
Eilet, Winde, mit meinem Verlangen zu ihr in die Laube,
Schauert hin durch den Wald, rauſcht, und ver-
kuͤndigt mich ihr!
Ich bin redlich! Mir gab die Natur Empfindung zur
Tugend;
Aber maͤchtiger war, die ſie zur Liebe mir gab.
Zu der Liebe, der Tugenden ſchoͤnſten, wie ſie den Men-
ſchen
In der Jugend der Welt ſtaͤrker und edler ſie gab.
Alles empfind ich von dir; kein halb begegnendes Laͤ-
cheln;
Kein unvollendetes Wort, welches in Seufzer
verflog;
Keine ſtille mich fliehende Thraͤne, kein leiſes Verlangen,
Kein Gedanke, der ſich mir in der Ferne nur zeigt;
Kein halb ſtammelnder Blick voll unausſprechlicher Re-
den,
Wenn er den ewigen Bund ſuͤſſer Umarmungen
ſchwoͤrt;
Auch
[221]Auch der Tugenden keine, die du mir ſittſam verbirgeſt,
Eilet mir unerforſcht und unempfunden vorbey!
Ach, wie will ich, o Cidli, dich lieben! Das ſagt uns
kein Dichter,
Selbſt wir entzuͤckt im Geſchwaͤtz trunkner Bered-
ſamkeit nicht.
Kaum, daß noch die unſterbliche ſelbſt, die fuͤhlende
Seele
Ganz die volle Gewalt dieſer Empfindungen faßt!