Meinem Vater.
Eine gute Encyclopädie zu ſchreiben, iſt eine der ſchwerſten Auf-
gaben der Schriftſtellerei. Hier findet das Paradoxon ſeine An-
wendung, daß man ſehr vieles wiſſen ſoll, um wenig ſchreiben zu
können. Und ohne Zweifel am meiſten gilt dies bei einer kamera-
liſtiſchen Encyclopädie, die ſolche und ſo viele wiſſenſchaftliche
Fächer in ſich ſchließt, daß man von jedem Einzelnen nicht blos
beſondere Encyclopädien verfaſſen könnte, ſondern auch ſchon ver-
faßt hat. Irre ich nicht, ſo iſt dies wohl ein Hauptgrund, warum
wir keine, dem jetzigen Geiſte und Stande der Kameralwiſſenſchaft
entſprechende, genügende Encyclopädie beſitzen. Nicht zu ge-
denken, daß jene Encyclopädien die beſten ſind, welche zugleich
dem Geiſte der behandelten Wiſſenſchaft einen neuen Schwung ge-
ben und derſelben eine neue Seite von Werth abgewinnen, ſo darf
man, da zu jener Aufgabe äußerſt ſelten ein tauglicher Kopf erſteht,
mit allem Recht von einer ſolchen fordern, daß ſie den beſtehenden
Geiſt der Wiſſenſchaft treffe. Selbſt wenn er ein ſchwacher, ver-
irrter iſt, kann ſie immer noch nützlich ſein, indem ſie vorurtheils-
frei und ſcharf urtheilt und von dem Zuſtande des wiſſenſchaftlichen
Treibens ein wahres und helles Bild gibt. Es iſt ſogar oft nicht
anders möglich, als ſo zu verfahren. Bei ſolchen eminent prak-
tiſchen Fächern, wie die kameraliſtiſchen ſind, die aus der Er-
fahrung ſchöpfen, und bei denen man faſt wünſchen möchte, daß
es in einem gewiſſen Sinne gar keine Wiſſenſchaft gebe, iſt es
nicht ſo, wie bei der Philoſophie, thunlich, alle Paar Jahre ein
eigenthümliches Syſtem, dunkel oder klar, aufzuſtellen, — und der
liebe Gott hat es ſo ebenfalls recht wohl gemacht. Deßhalb darf
der Schriftſteller auch nicht auf rauſchenden Beifall hoffen. Es iſt
hier ſchon Verdienſt, wenn man die Wiſſenſchaft in einem guten
Geiſte zu conſolidiren vermag. Das Zeugniß, welches man dem
kameraliſtiſchen Treiben in dieſer Hinſicht zu geben genöthigt iſt,
glänzt nun freilich eben keineswegs ſo ſtark, als wohl Mancher
glauben möchte. Die wahrhaft befähigten Köpfe ſind unter den
der Kameralwiſſenſchaft Befliſſenen, wenigſtens in Süddeutſchland,
weit ſeltener als in jedem andern wiſſenſchaftlichen Zweige, den
theologiſchen ausgenommen. Dies kommt theils von dem noch nicht
[VI] erſtorbenen Vorurtheile, daß der auf der Schule Mittelmäßige für
einen zukünftigen Kameraliſten immer noch gut genug ſei, theils
davon, daß in der That die Kameralwiſſenſchaft, zwar leichter als
jede andere, platt getrieben werden kann, aber, beſonders dem poli-
tiſchen Theile nach, ſchwerer und geiſtvoller als jede andere, blos
die Geſchichte ausgenommen, iſt. Da iſt denn von einer philo-
ſophiſchen, claſſiſchen und hiſtoriſchen Durchbildung vor dem Be-
ginne der kameraliſtiſchen Studien leider noch weit weniger die
Sprache als bei jedem andern Fachſtudium, ſelbſt die Medizin mit
eingerechnet. Leider findet aber dieſer Geiſt immer mehr Nahrung
in der Art ſelbſt, wie die Kameralwiſſenſchaft behandelt wird.
Denn nichts ſagt ſolchen Leuten mehr zu, als nüchterner Wort-
kram, und dieſen finden ſie denn in der allgemeinen Wirthſchafts-
lehre, Handelswiſſenſchaft, Nationalöconomie und Finanzwiſſen-
ſchaft in der behaglichſten Fülle, ja er iſt ſchon ſo nothwendig
geworden, daß man die Meinung eines Andern nicht beurtheilen
oder widerlegen kann, wenn man nicht vorher über mehrere Defi-
nitionen geſtritten hat; man kämpft und kämpft, bis man vergeſſen
hat, weßhalb man den Hader eigentlich begann, und geht dann
auseinander. Da nun am wenigſten eine Encyclopädie beſtehen
kann, ohne dieſe Begriffsanarchie darzuſtellen, ſo mußten leider
auch in vorliegendem Buche manche Plätze damit ausgefüllt werden.
Man hat ſogar neuerlich auch angefangen, auf gut Altmodiſch und
Bequem, wie im philoſophiſchen Rechte, wirthſchaftliche Grund-
ſätze aus Definitionen abzuleiten, anſtatt aus Geſchichte und Leben,
und glaubt der Wiſſenſchaft ſo wie dem Leben dadurch einen beſon-
deren Vorſchub zu leiſten, da ein A. Ferguſon, A. Smith,
Ricardo u. dgl. ohne dies nicht zu verſtehen ſei. Und die Anti-
poden hiervon in der Geſinnung, nämlich die politiſchen Neuerer,
welche den unphiloſophiſchen politiſchen Philoſophen angehören,
ſtimmen in dieſen Ton von Herzen mit ein, weil ſie der Meinung
ſind, die Staaten ſeien ſchon darum und ſeither glücklicher gewor-
den, weil und ſeitdem man angefangen hat, ſich über den Begriff
des Staats zu ſtreiten, welcher als der Eierſtock aller praktiſchen
Staatsinſtitutionen erſcheint. Was ſoll man endlich gar denken,
wenn man, wie im Jahre 1831, gegen Say's berühmtes Hand-
buch, in allem Ernſte den Vorwurf leſen muß, daß es nur viele,
aus dem praktiſchen Leben gegriffene Beiſpiele (Caſuiſtik), aber
wenige Regeln enthalte, welche vielmehr der Leſer ſich ſelbſt
abſtrahiren müſſe, um ſo von der Analyſe auf die Syntheſe zu
kommen?
Ich möchte hier meine Hände in Unſchuld waſchen und dem
Vorwurfe vorbeugen, mit welchem man mir entgegentreten könnte.
[VII] Ich will mit gegenwärtigem Buche keine hohle Form liefern, denn
ich bin ihr in der Wiſſenſchaft und im Leben herzlich feind. Wer
es weiß, wie ſehr die Jurisprudenz mit der Kameralwiſſenſchaft
in Verbindung und Conflict geräth, wie nützlich dem angehenden
Kameraliſten eine Einleitung in ſeine Studien iſt, und wie ſchwer
es dem anhaltend beſchäftigten Verwaltungsbeamten fällt, ſich im-
mer auf gleicher Ebene mit der Wiſſenſchaft zu halten, der wird
dies Unternehmen nicht zwecklos oder unzeitig finden, welches dazu
beſtimmt iſt, dem Juriſten auf der Univerſität eine materielle
Ueberſicht der Kameralwiſſenſchaft nach ihrem dermaligen Stand-
punkte zu geben, den kameraliſtiſchen Neuling mit der Literatur-
geſchichte und mit den Syſtemen der Kameralwiſſenſchaft vorberei-
tend bekannt zu machen, und den Juriſten in der Praxis und den
Verwaltungsbeamten ſo in die Materie und Literatur dieſer Wiſ-
ſenſchaft einzuführen, daß jener die für ſein Fach nothwendigen
kameraliſtiſchen Kenntniſſe erhalte und beide im Stande ſeien, ihr
kameraliſtiſches Studium fortan allein für ſich, in dem oder gegen
den dermaligen Geiſt der Kameralwiſſenſchaft ſelbſtſtändig fortzu-
ſetzen. Dazu wird aber gefordert, nicht blos, daß man die Haupt-
grundſätze und Streitpunkte auf eine erregende, zum Nachdenken
Stoff gebende Weiſe darſtellt, ſondern auch, anſtatt blos alpha-
betiſch oder chronologiſch geordnete Büchertitel der allgemeinſten
Fächer anzugeben, die allgemeine und ſpezielle Literatur ſo viel als
möglich ſelbſt benutzt und die Leſer eben durch Benutzung, Er-
läuterung und Bekämpfung in dieſelbe einführt. Dieſe Aufgabe
iſt allerdings, beſonders in unſerer Wiſſenſchaft, ſehr groß. Wenn
ich nicht meinte, daß ihre Löſung mir einigermaßen gelungen ſei,
ſo würde ich dieſe Schrift nicht bekannt machen. Wenn ich aber
ferner nicht ein ſolches Buch für ein Bedürfniß hielte, ſo würde
ich es auch keineswegs geſchrieben haben. Ich zögerte darum, als
die Propädeutik von Kaufmann angekündigt ward, mit ſeiner Fort-
ſetzung, weil ich erwartete, daß dieſe ſchon dem Bedürfniſſe abhelfen
werde. Allein die Durchleſung jener Schrift hat mich von nichts weni-
ger überzeugt, als von der Unentbehrlichkeit einer Encyclopädie nach
meinen Anſichten. Nach dieſen aber wird man es wohl auch na-
türlich finden, daß ſie in Form und Gehalt von den bisherigen
gänzlich abweicht. Wer ſich um das Nähere, um die Controverſen,
nicht kümmert, der leſe blos den Inhalt der Paragraphen, und
ich glaube mein Möglichſtes gethan zu haben, um auch dieſen zu
befriedigen, So viel wenigſtens iſt gewiß, daß ich aus eigener
Erfahrung an meinen Schülern aus der Zahl der Juriſten, welche
meine Vorleſungen, die ich ſeit einiger Zeit jährlich in dieſer Aus-
dehnung über die Kameralwiſſenſchaften zu halten pflegte, beſucht
[VIII] haben, die gute Wirkung einer ſolchen Behandlung der Wiſſenſchaft
kennen gelernt habe, und ich möchte hier, wenn meine unbedeu-
tende Stimme nicht verhallen würde, die akademiſchen Lehrer dar-
auf aufmerkſam machen.
Ich glaube hierdurch gegen Vorwürfe in dieſer Hinſicht ſelbſt
gerüſtet zu ſein, wenn man in meiner Schrift auch blos eine Er-
weiterung des Syſtems eines Andern fände. Jedenfalls mache ich
den Anſpruch auf die Meinung von mir, daß ich dieſes Buch nicht
aus Mangel an Fleiß und Studien geſchrieben habe und als Deck-
mantel der Oberflächlichkeit in die Welt ſchicke. Allein eine nähere
Betrachtung — ſo hoffe ich — dürfte vielleicht der gelehrten
Welt zeigen, daß das Syſtem nicht entlehnt iſt, obſchon ich, was
von den Vorgängern in der Syſtematiſirung ſeit Ariſtoteles Tüch-
tiges geleiſtet wurde, mit Dankbarkeit benutzt habe. Ich glaubte
nämlich in der Begründung des wiſſenſchaftlichen Zuſammenhangs
der Kameralfächer noch manche und bedeutende Lücken zu ſehen,
und denke nicht im Irrthume zu ſein, wenn ich zu ihrer Aus-
füllung etwas beigetragen zu haben meine; denn es iſt bemerklich,
daß durch das ganze Syſtem nur ein Grundtypus von Kryſtalli-
ſation, wenn ich mich ſo ausdrücken darf, geht, ohne daß Zwang
zu verſpüren iſt. Die Syſteme ſämmtlicher einzelnen Wiſſenſchaften
ſind umgearbeitet, nur jenes der Landwirthſchaftslehre am wenigſten.
Allein wer wird ſich im Ernſte auf Syſtematiſirung etwas einbil-
den? — Ich wenigſtens gar nichts, wenn auch Einer oder der
Andere meiner Leſer daraus Nutzen ziehen dürfte.
Dagegen aber darf ich wohl, ohne in den Verdacht zu kommen,
mich mit den Düften des Eigenlobes umwölken zu wollen, beſon-
ders darauf aufmerkſam machen, daß ich die Wirthſchaft der Ge-
meinden as ein Mittelglied in die Kameralwiſſenſchaft eingereiht
und auf eine feſte Baſis zu ſtellen geſtrebt habe, was, ſo weit
meine Kenntniß reicht, noch Niemand vor mir gethan hat. Ebenſo
ſei es mir geſtattet, noch beſonders herauszuheben, daß ich eine
nicht unbeträchtliche Zahl von allgemein wirthſchaftlichen, national-
öconomiſchen und finanziellen Lehren einer Reviſion unterwarf.
Durch Beides möchte ich bezeugen, daß ich auch das Materielle der
Wiſſenſchaft zu fördern ſtrebte. Jedoch beſonders Noth thut dem
politiſchen Theile unſerer Wiſſenſchaft eine hiſtoriſche Grundlage;
denn ſie wird ohne dieſe auf die gefährlichſten Abwege gerathen.
Ich meine hiermit nicht, daß bei jeder Doctrin der Finanzwiſſen-
ſchaft mit Jahrzahlen und kalten ſtatiſtiſchen Daten eine magere
geſchichtliche Einleitung gegeben, ſondern die ganze öffentliche
Wirthſchaftslehre in ihrem Zuſammenhange auf hiſtoriſche Grund-
lagen, anſtatt auf bloße Dogmatik, geſtellt und als ein Ergebniß
[IX] von Forſchungen in der Geſchichte des Verkehrs, der Cultur, des
Staats und der Menſchheit überhaupt entwickelt werde. Welch'
eine Feſtigkeit, welch' einen praktiſchen Kern hat nicht dadurch
der große Spittlerſeinen Vorleſungen über Politik gegeben, und
wie lebendig, wie geiſtvoll ſteht ſie nicht in dieſem Gewande da!
Welche Kraft haben auf die Art nicht A. Smith und A. Fer-
guſon ihren unſterblichen Werken eingehaucht! Aber auch hier
ſieht man die Halbheit des Fleißes und der Studien unſerer jungen
Kameraliſten. Während Bücher, wie der genannten Männer
und jenes von Ricardo verdienten, wie vom Pulte hinwegzukom-
men, ſo ſind diejenigen, welche ſie leſen wollen, äußerſt ſelten
und man hält es für eine unbegreifliche Zumuthung, das Bißchen
Engliſch zu lernen, blos um ſolche Schriften verſtehen zu können.
Endlich aber halte ich es, um nicht auch einen Theil der
Schuld an der einſeitigen Richtung unſeres Staatslebens tragen
zu müſſen, inſoferne dieſe Schrift den Einen oder Andern zur Ein-
ſeitigkeit, in Verſuchung führen ſollte, für meine Pflicht, hier noch
zu erklären, daß es ganz gegen meine Wünſche ginge, wenn dar-
aus, daß ich mit der kameraliſtiſchen Encyclopädie nicht auch eine
politiſche verbunden habe, geſchloſſen werden ſollte, ich gehörte
auch zu denjenigen, welche vergeſſen, daß der Staat noch mehr
in ſich ſchließt, als nationalöconomiſche, finanzielle und gewerb-
liche Zwecke. Ich will mit dieſer Encyclopädie unſere Wiſſenſchaft
nicht darin unterſtützen, daß ſie ſich ſo breit macht und gleichſam
allein die Henne ſein will, die da brüten darf. Im Gegentheile
ich halte dafür, daß keine Staatsfrage, alſo auch die national-
öconomiſche und finanzielle nicht, ohne genaue Erwägung aller
politiſchen Verhältniſſe richtig gelöst werden kann. Darum mache
ich meine Leſer ausdrücklich darauf aufmerkſam, daß ſie ſich eben
ſo, wie an die Kameralwiſſenſchaft, gleichlaufend an die Politik
anſchließen und ſich ja hüten, wiſſenſchaftliche Sätze ſo ohne Wei-
teres, weil ſie wahr ſind, auch auf den Staat überzutragen. Die
Bildung der Kameraliſten auf unſeren Univerſitäten, ſo wie ſie,
wenigſtens in Süddeutſchland, von den Staatsprüfungen unterſtützt
wird, iſt meiner Anſicht nach durchaus verfehlt und einſeitig. In
der Politik werden ſie gar keiner Prüfung unterworfen; daher
auch nur das Hörenvon Staatsrecht, Völkerrecht u. dgl., weil
es einmal im Syſteme ſteht oder vorgeſchrieben iſt, aber keines-
wegs das Studium dieſer Fächer! Dagegen werden auf der
Univerſität Vorleſungen über Bergbau, Land- und Forſtwirthſchaft,
und Technologie gehört, welche um kein Haar mehr ſein können,
als bloße Halbheit, weil man weder Zeit noch Mittel zu einem
tüchtigen Betriebe dieſer Fächer daſelbſt hat, wenn der Lehrer auch
[X] ein wiſſenſchaftlicher Praktiker wäre. Zum Staatsexamen berufen,
werden alsdann die Candidaten in dieſen Gewerbslehren theoretiſch,
vermittelſt einiger Fragen examinirt, aber nicht für ſolche prak-
tiſche Fächer geprüft, und alsdann ſelbſt darin angeſtellt. Iſt
auf dieſe Art etwas anderes als die berührte Einſeitigkeit zu er-
warten? Warum nimmt man zu den Staatsſtellen, welche mit
jenen Gewerbszweigen in genaue Berührung kommen, nicht prak-
tiſch gebildete Männer? Und warum prüft man die eigentlichen
Kameraliſten nicht ſtreng in den politiſchen Fächern, da doch die
Gewerbsvorleſungen auf Univerſitäten kaum mehr ſind als theore-
tiſche Encyclopädien? Und warum endlich verweist man dieſe
Letzteren nicht geradezu auf polytechniſche Schulen, wie es bis-
her mit der Bildung der Baubeamten auch geſchehen iſt? — Man
wird wohl einſehen, daß ich trotz dieſer Anſichten dennoch eine
kameraliſtiſche Encyclopädie ſchreiben konnte und durfte, nur muß
man allmälig von dem Vorurtheile abkommen, daß man nach den
wiſſenſchaftlichen Syſtemen die Bildung und Prüfung der Staats-
beamten einrichten ſolle, anſtatt die Vorſchriften darüber nach dem
praktiſchen Bedürfniſſe zu entwerfen. Zudem vermag ich nicht
einzuſehen, warum gerade Alles, was im Leben in einigen Zu-
ſammenhang tritt, auch im Syſteme einen ſolchen haben ſoll.
Wir können alle fühlen, wohin ſo Etwas führt. Das Leben wird
ſyſtematiſch, aber keineswegs das Syſtem lebendig.
Man erſieht aus dem Bisherigen ſchon hinlänglich, welchen
wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Zweck ich mit dieſer Arbeit zu
erreichen wünſche. Es bleibt mir aber nun auch noch übrig, mein
Bedauern darüber auszudrücken, daß man bei dieſer Art von Bü-
chern, wo es auf möglichſte Raumgewinnung ankommt, zugleich
eine angenehme Darſtellung, wie ſehr ſie auch in der That wün-
ſchenswerth iſt, nicht überall erreichen kann. Ich habe geſucht,
ſie, wo es nur thunlich war, nicht außer Augen zu laſſen. Wenn
es mir gar nicht, oder vielleicht blos nicht überall gelungen iſt, ſo
darf ich wohl aus jenem Grunde auf Nachſicht Anſpruch machen.
Um aber die Brauchbarkeit des Buches für den Praktiker zu er-
höhen, ſo habe ich mit der Fertigung des Regiſters, ich möchte
ſagen, mein Unmögliches geleiſtet; denn meine Unfähigkeit zu
ſolchen Arbeiten iſt ſo groß, daß ich ſie abſolut nennen würde,
wenn mich das Regiſter nicht dennoch anders belehrt hätte. Faſt
ſo ſteht es mit meinen Correctorstalenten, und deßhalb folgt auch
noch ein ziemliches Regiſter von Sinn ſtörenden Druckfehlern, der
andern unbedeutenden nicht zu gedenken.
Heidelberg im December 1834.
Einleitung.
I. Weſen der Encyclopädie S. 1. II. Hiſtoriſche Entwickelung des
Kammerweſens S. 4. III. Hiſtoriſche Entwickelung des Weſens der
Kameralwiſſenſchaft S. 32. IV. Philoſophiſche Entwickelung des ka-
meraliſtiſchen Syſtems S. 53.
Allgemeine Wirthſchaftslehre.
Beſondere Wirthſchaftslehre
Im Alterthume und im Mittelalter war die Wiſſenſchaft über-
haupt ſichtbar durch ein Streben nach einem Mittelpunkte, nach
einer Einheit und durch eine Verallgemeinerung charakteriſirt. Im
Laufe der Zeiten iſt dieſer Charakter derſelben verſchwunden und
hat dem Gegentheile Platz gemacht. Das Streben, jenem Mittel-
punkte, jener Einheit auszuweichen, die wiſſenſchaftliche Zerle-
gungskunſt, Abſonderung und Vereinzelung charakteriſirt beſonders
unſere Zeit. Die Gründe dieſer Erſcheinung ſind, 1) daß das
Studium der Philoſophie und des claſſiſchen Alterthums und Mit-
telalters an Seichtigkeit bis faſt zum allmäligen Verſchwinden zu-
genommen hat; 2) daß ohne ſolche vorausgegangene philoſophiſche
und claſſiſche Bildung, ohne welche ächte Wiſſenſchaftlichkeit nicht
denkbar iſt, zu viel von unſeren Schriftſtellern ſelbſt zu ſchaffen
verſucht wird; 3) daß die ſo entſtandene viele einzelne Wiſſen-
ſchaften einen äuſſerſt hohen Grad von Ausbildung, Erweiterung
und Vervollkommnung erreicht haben, ſo daß entweder eine un-
vollſtändige Kenntniß des Einzelnen Folge umfaſſenden Betriebs
der ganzen Wiſſenſchaft, oder die Vernachläſſigung des Letzteren
Folge der ausgedehnten Einzelkenntniſſe iſt; und 4) daß unſere
ganze Zeit, zufolge des ſie charakteriſirenden Eigennutzes, nur eine
ſogenannte praktiſche, eigentlich wirthſchaftliche, Tendenz hat,
vermöge welcher ſie den Werth der Wiſſenſchaft beurtheilt und dieſe
ſelber immer mehr ins praktiſche Leben zu ſich herabzieht.
Man lehrt und lernt daher mehr nur einzelne Fächer, als die
ganze Wiſſenſchaft, und unterläßt diejenigen Vorſtudien, welche
Baumſtark Encyclopädie. 1
[2] vom Ganzen derſelben verlangt werden. Ein Zuſammenfaſſen des
ganzen Gebietes der Wiſſenſchaft1) oder einer Wiſſenſchaft2) hat
alſo an und für ſich den wiſſenſchaftlichen Zweck, das Bedürfniß
eines Haltpunktes für die Einzelheit und einer Vorbereitung für
den Betrieb der ganzen oder einer ganzen Wiſſenſchaft zu befrie-
digen. Dieſes Zuſammenfaſſen der oder einer Wiſſenſchaft bezeich-
man jetzt mit dem Worte Encyclopädie, das griechiſchen
Urſprungs iſt, und in die Stammwörter ἐν (in),κυκλοϛ(Kreis)
und παιδεια (Unterricht) zerfällt, welches letztere Wort von παιϛ
(Knabe) herkommt.
Dem Worte nach, nämlich wie der Kreis die vollkommenſte,
von einem Punkte aus entſtandene, zuſammenhängende, für ſich
abgeſchloſſene, gedrängte, mathematiſche Form iſt, bedeutet nun
Encyclopädie eine ſyſtematiſche Darſtellung eines Wiſſenſchafts-
Gebietes, d. h. eine aus einem oberſten und erſten allgemeinen
Prinzipe abgeleitete, organiſch zuſammenhängende, für ſich abge-
ſchloſſene kurze Darſtellung aller einzelnen, den Kreis einer Wiſ-
ſenſchaft nach allen Ausdehnungen füllenden, Einzelwiſſenſchaften,
als Unterricht für Anfänger in denſelben.1) Man theilt ſie daher
1) in Betreff des Umfangs von Wiſſenſchaften ein in a)allge-
meine Encyclopädie der Wiſſenſchaften (§. 2. Note 1.) und b)be-
ſondere Encyclopädie einzelner Wiſſenſchaften (§. 2. Note 2.),
unter welche alſo auch die Encyclopädie der Kameralwiſſen-
ſchaften gehört. Sie iſt aber 2) in Betreff der Darſtellung und
des Gehaltes entweder a)formelle (äußere) Encyclopädie, auch
Wiſſenſchaftskunde genannt, wenn ſie blos über den Umfang und
logiſchen Zuſammenhang einer Wiſſenſchaft unterrichtet und alſo
die Form (das Aeußere) derſelben darſtellt; oder aber b)materi-
elle (innere) Encyclopädie, wenn ſie neben und in der logiſchen
Form auch den Gehalt (das Innere) einer Wiſſenſchaft bald hi-
ſtoriſch, bald dogmatiſch, kurz, allgemein und abgerundet lehrt.2)
Der wahre Zweck der Encyclopädie iſt, als ein rein wiſſen-
ſchaftlicher, jene kurze ſyſtematiſche Darſtellung des geſammten
Gebietes einer Wiſſenſchaft, zum Unterrichte für Anfänger. Welche
weitere, praktiſche oder methodologiſche, Zwecke mit ihr er-
zielt werden, das kann ihr Weſen an ſich und ihren Begriff nicht,
wohl aber ihren Inhalt verändern. Iſt der Zweck des Studiums
derſelben ein mehr praktiſcher, ſo will man ſich allgemeine Kennt-
niſſe in einer Wiſſenſchaft verſchaffen, und die Encyclopädie muß
eine materielle ſein. Iſt der Zweck ihres Studiums aber ein
rein wiſſenſchaftlicher, ſo kann ſie entweder als Einleitungs-
wiſſenſchaft in Verbindung mit der Methodologie, oder auch als
Schlußwiſſenſchaft der akademiſchen Studien, angewendet werden.
In dieſen Fällen genügt die formelle Encyclopädie, als ein lo-
giſches Zuſammenfaſſen der Einzelwiſſenſchaften in ein organiſches
Ganze.
Das Wort Kammer kommt ſeinem Stamme nach in allen
lebenden Sprachen, den orientaliſchen und occidentaliſchen, unter,
dem Weſen nach, gleichen Bedeutungen vor. Sein Urſprung findet
ſich ſchon in den älteſten orientaliſchen1) Sprachen, von welchen
es in die altgriechiſche2) und römiſche3) überging. Das Allge-
meine ſeiner Bedeutung iſt ein gewölbter Raum, ein Ver-
ſchluß, welches ſich in den neuen Sprachen zu der Bedeutung
Gemach, Zimmer, geheimes Gemach, Schlafgemach,
Zimmer für Geheimes u. dgl. umwandelte.
Die ſo eben genannte eigentliche Bedeutung von Kammer,
welche uns für das Wort Kameralwiſſenſchaft den erſten
geſchichtlichen Aufſchluß gibt, findet ſich in den Capitularien1) der
fränkiſchen Könige, wo es Privatgemach, Privatvermögen
des Königs, fürſtliches Vermögen, fürſtliche Schatzkam-
mer bedeutet, mit welcher Bedeutung die Begriffe Camerarius,
Kämmerer u. dgl. in Einklang gebracht werden können, ohne daß
man ſogleich unter Camera die eigentliche Staatskaſſe zu ver-
ſtehen hat2). Es ſind vielmehr während der Zeit, als Camera
jene Bedeutung hatte, für Staatskaſſe ganz andere Ausdrücke
gebräuchlich geweſen, und erſt ſeit der lezten Hälfte des 9ten Jahr-
hunderts n. Chr. wird camera für Staatskaſſe gebraucht 3).
Man nennt in dieſer Periode blos die Privatgüter der Könige
Kammergüter. Ihre Einkünfte dienten theils zur Befriedigung
der perſönlichen Bedürfniſſe der königlichen Familie, theils zur
Befriedigung der Staatsbedürfniſſe. Dieſe waren nicht groß und
dabei ſehr einfach. Sie bildeten ſich mehr nach augenblicklichen
Verhältniſſen. Die ganze Staatsverwaltung war nichts weniger
als verwickelt, und handhabte blos 1) das Kriegs- und Frie-
dens-Recht, und die Anwendung der hierher einſchlagenden Ge-
ſchäfte und Anſtalten; der Beamte hierfür war mehr ein außer-
ordentlicher und vereinigte in ſich die höchſte Beamtengewalt im
Kriege, in der Geſetzgebung und öffentlichen Berathungen. Er
hieß Dux oder Patricius. Aber als ordentlicher Beamter ſtand
er über mehreren Gauen mit Civil- und Militärgewalt; 2) die
Rechtspflege oder Gerichtsbarkeit und den Vorſitz in den
Volksgemeinden. In allen Rechtsſtreiten, die nach Volksrechten1)
zu ſchlichten waren, urtheilten die blos aus Freien beſtehenden
[7] Volksgemeinden unter dem Vorſitze der königlichen Beamten
(judices fiscales). Gewiſſe Rechtsſtreite aber gehörten vor den
Grafen(gravio, comes), d. h. Vorſitzer in den Gaugerichten
(Grafending); andere vor die Gemeinde der Hunderten und ihren
ordentlichen Richter, der Centgraf(Centenarius) hieß; die nie-
dere Gerichtsbarkeit in Gemeinden und Marken ſtand dem Vor-
ſtande der Gemeinde (grevio, Decanus villae) zu. Der König
war oberſter Richter2). Die beiden Lezten ſtanden unter dem
Grafen. 3) Die Verwaltung der königlichen Einkünfte.
Dieſe beſtanden aus a) der Grund- und Personalſteuer(Cen-
sus, Zins)3); b) dem Pascuarium und dem Zehnten4);
c) dem Königspfennige5); d) dem Grafenſchatze6);
e) allen erbloſen Erbſchaften; f) den Confiskationen und Strafen;
g) den Zöllen verſchiedener Art7); h) den Naturalverpflegun-
gen, Naturaldienſten und Frohnden8); i) außerordentlichen Kriegs-
ſteuern9); k) den Einkünften aus den königlichen Kammergütern,
welche durch Wirthſchafter, Schaffner oder Majer(actores,
maiores, villici, domestici, gastaldiones) verwaltet wurden;
und l) den Einkünften aus dem Münzregale10).
Es kam jetzt, beſonders unter Carl d. Gr., weit mehr Ord-
nung in die geſammte Staatsverwaltung. Es trat in einer ge-
naueren Abgränzung hervor:
I. Das Miniſterium, welches noch faſt aus den nämlichen Per-
ſonen wie in voriger Periode beſtand. Die daſſelbe bildende Behörden
waren früher nämlich 1) der Major domus (Befehlshaber der könig-
lichen Leute). Aus ihm war das jetzige kaiſerliche Haus hervorgegangen
und er fiel folglich für dieſe Periode hinweg. 2) Der Referendarius,
welcher früher von einem Weltlichen beſetzt war. Da es jetzt eines ei-
genen Miniſters der geiſtlichen Angelegenheiten bedurfte, ſo wurde
dieſe Stelle, unter dem Titel Apocrifiarius, von einem Geiſtlichen
beſetzt und er hieß auch Archicapellanus, weil er auch die Aufſicht
über die Hofkanzlei und Hofgeiſtlichkeit hatte. 3) Der Comes palatii
(Pfalzgraf), welcher ein Richter im Hofgerichte geweſen war, jetzt
einen erweiterten Geſchäftskreis hatte, und Miniſter der weltlichen
Angelegenheiten ward. 4) Der Cubicularius, jetzt auch Camerarius
(Kämmerer) genannt, welcher der Miniſter der königlichen Ein-
künfte und des königlichen Hauſes war. Er war aber eigentlich
nur oberſter Erheber und Verwalter des königlichen Privateinkom-
mens und Vermögens und ſtand als ſolcher unter den Befehlen der
Königin1).
II. Die Reichsſtände, zur Ueberlegung aller wichtigen
Reichsangelegenheiten und zur Ordnung aller Reichsangelegen-
heiten. Sie wurden im Frühjahre gehalten, und es verſammelten
ſich die Biſchöfe, Aebte, der Adel und die Hof- und Staats-
beamten als Berathende. Die anderen Anweſenden hatten keine
Berathungsſtimme. In dieſen Reichstagen wurden die Capitu-
[9]larien verfertigt. Die geiſtlichen Angelegenheiten wurden in einer
beſonders gebildeten Curie von den geiſtlichen Reichsſtänden be-
rathen 2).
III. Die Volksgemeinden, Volksberathungen über dieje-
nigen Angelegenheiten, in welchen der König dem Volke nicht
befehlen konnte. Beſonders gehört hierher das Recht der Wahl
verſchiedener Behörden3) und der Genehmigung von Veränderun-
gen, welche der Reichstag an den Volksgeſetzen machen wollte4).
IV. Die Staatsverwaltung. Sie kann in zwei Haupt-
zweige geſchieden werden, nämlich in:
A. Die Militärverwaltung. Es entſtand unter Carl d. Gr.
eine eigene Militärverfaſſung, Heerbann(Heribannus) genannt,
die aber zugleich die eigentliche Staatsverfaſſung war. Durch ſie war
jeder Dienſtherr mit ſeinen Dienſtleuten, jeder Freie unter ſeinem
Senior oder unter ſeinem Grafen und deſſen Hauptleuten (Centenarien)
verpflichtet, auf ein allgemeines oder beſonderes Heeresaufgebot mit
Rüſtung und Lebensmitteln für drei Monate auf dem beſtimmten Sam-
melplatze zu erſcheinen1). Blos die Geiſtlichen waren aus Rückſicht auf
ihren Stand von perſönlichem Militärdienſte frei. Wer beim
Heeresaufgebote nicht erſchien, der verfiel in eine Strafe, und
konnte ſein Benefizium (Lehen) verlieren2). War der Dienſtherr
(Adelige) von perſönlicher Heeresfolge (Heribannus) frei, ſo
mußte er dennoch bei Strafe ſeine Leute dazu ſchicken3). War
Einer für ſich zur Ausrüſtung zu arm, ſo mußte er ſich mit Meh-
reren vereinigen, ſo daß ſie zuſammen einen Bannaliſten aus-
rüſteten, verproviantirten und ſchickten4). Jeder Dienſtmann aber,
der ein Benefizium beſaß, und jeder Eigenthümer von einer ge-
wiſſen Grundfläche war für ſich dazu verpflichtet5). Das Landes-
[10] gebiet war nun nach den Abſtufungen in der Heeresgröße und
Gewalt in Herzogthümer und Grafſchaften eingetheilt6).
B. Die Civilverwaltung. Den Gegenſtänden nach, welche
ſie unter ſich begriff, konnte man unter Carl d. Gr. ſchon das
Religions- und Culturweſen1), das Sicherheits- und Wirth-
ſchaftsweſen2), das Rechtsweſen und die Staatseinkünfte und Aus-
gaben unterſcheiden. Allein in der Organiſation kannte man nur:
1) die Gerichtsbarkeit, welche eben überhaupt die Schlich-
tung von Streitigkeiten, die Beſeitigung von Beſchwerden, und
die Verfügung von Strafen zum Gegenſtande hatte, und unmit-
telbar vom Könige ſelbſt, oder mittelbar durch ſeine ſtellvertretende
Beamten geübt wurde. Das Gebieten(bannire) bei der höch-
ſten Buße (60 solidi) ſtand aber nur ihm allein zu, darum hieß
dieſe auch königliche Buße(bannus regalis). In dem Ge-
ſchäftskreiſe der Grafen und Centenarien war nichts abgeändert
worden. Aber alle Gerichte waren mit Schöffen aus dem Volke3)
beſetzt. Die Schöffen im königlichen Gerichte ſelbſt waren jedoch
[11] die geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs. Die Sachen
dieſer Lezteren kamen aber ſtets vor den König ſelbſt und ſein
Gericht.
2) Die Finanzverwaltung. Alle bisher berührten Staats-
angelegenheiten, die Kriege, beſonders Carls d. Gr., die Pracht,
womit er öffentlich erſchien, deuten ſchon an, daß der Staatsauf-
wand ſehr bedeutend für dieſe Periode geſtiegen war. Dadurch
und durch das allſeitige Durchgreifen Carls d. Gr. erklärt ſich
auch eine vielſeitige Umänderung im Organismus des Finanz-
weſens. 1) Die Domänen gaben1) die Haupteinkünfte, und es
gibt jetzt wirklich Staatslandgüter im Gegenſatze der fürſtlichen
Kammergüter. So wie aber Kammer ſo viel als Staatskaſſe be-
deutet, ſo verſteht man unter den Kammergütern auch die Staats-
domänen. Man2) unterſcheidet a) die Reichsdomänen, d. h.
den Inbegriff von Erbgütern, theils der merovingiſchen und pipi-
niſch-carolingiſchen Königsfamilie, theils und hauptſächlich der
vielen unterdrückten Stammfürſten der einzelnen deutſchen Völker-
ſchaften; b) die Landesdomänen, d. h. eine Miſchung von
fürſtlichen Stamm- und Familiengütern, von angemaßten ſowohl
mittelbaren als unmittelbaren Reichsdomänen, von angefallenen
Reichspfandſchaften und ſäkulariſirten Stifts- und Kloſtergütern.
[12] Die Verwaltung der Domänen war der Hauptgegenſtand der
Finanzverwaltung und kaiſerlichen Sorge3). Auch 2) das Münz-
regal gab dem Staate Einkünfte4). Es wurden 3) die früheren
jährlichen Geſchenke an den König und die königlichen Beamten
jetzt als Schuldigkeit verlangt in Lieferungen bei der periodiſchen
Verſammlung des Heerbanns und beim Aufenthalte des Königs in
den Provinzen, wo die Domäneneinkünfte nicht hinreichten5).
Es wurden 4) im Kriege ſogar zwei Drittel der Erndte zur Ver-
ſorgung der Armee als Contribution in Beſchlag genommen6).
Es dauerten 5) die Frohnden fort, aber als eine allgemeine
Laſt7); und 6) die Verpflegung der königlichen weltlichen und
geiſtlichen Beamten bei periodiſchen Geſchäften in den Provinzen
war wie die Sporteln ebenfalls durch Gebrauch und Geſetz ge-
heiligt8); es nahm 7) der Cenſus jetzt die Natur einer allgemeinen
Staatslaſt auf das Beſtimmteſte an9); dabei waren 8) die Zölle
trotz der kaiſerlichen Gebote, da ſie auch in die Hände der welt-
lichen und geiſtlichen Großen des Reichs gekommen waren, wegen
der Erpreſſungen ſehr drückend10). Endlich aber dauerten 9) die
Confiskationen, Bußen und Heerbannsſtrafen in ihrer drückenden
Wirkung fort11), und es wurden 10) von den Juden anfänglich
Judenſchutzgelder erhoben12).
Auch der Organismus der Behörden, welche dieſe Geſchäfte
zu beſorgen hatten, erlitt ſehr bedeutende Veränderungen. Es
trat eine eigene allgemeine Verwaltungsbehörde in dem
Missus regius (Sendgrafen) ins Leben1). Derſelbe war ein
Geſandter, welchen der König in die Provinzen ſchickte zur Con-
trole der Kriegs-, Gerichts- und Finanzverwaltung, und zur
Vollführung ordentlicher und außerordentlicher Verwaltungsgeſchäfte.
Er erſcheint daher bald als oberſter Beamter über den Herzögen
(wenn er nicht ſelbſt Herzog war), Grafen und Centenarien zur
Controle und Ausführung der Verordnungen des Heerbanns2);
bald als lezte Inſtanz vor dem Könige im Gerichtsweſen, an die
man gegen Grafen und Centenarien appellirte und Beſchwerden
führte, und als Präſident von Landtagen (Placita) ſo wie von
anderen Gerichtsſitzungen3); bald als oberſter Beamter und Con-
troleur in der ganzen Steuerverwaltung, an den man gegen Be-
drückungen durch die Steuererheber Beſchwerde führte, ſo wie als
oberſter Controlbeamter in Strafangelegenheiten, und als höchſte
Behörde in der Domänen- oder Kammerverwaltung, die ſelbſt an-
ordnete, Befehle vollzog und den Mittel- und Unterbeamten auf
die Finger ſah4). Die Mittel- und Unterbehörden des
Königs in der Kriegs-, Gerichts- und Steuerverwaltung waren
nicht ausſchließlich, ſondern gemiſcht die Grafen und Cente-
narien. Ausſchließliche Unterbehörde in der Kammer- oder Do-
mänenverwaltung waren blos die Schaffner(villici, actores
u. dgl.), welche eine Villa ſammt Zubehör (actio domestica) zu
verwalten hatten, und die Förſter(forestarii), welche die
größeren Waldungen (foresta) beaufſichtigten, unter welchen noch
andere niedere Diener ſtanden, und deren mehrere unter einem
Centenarius ſtanden, der alſo ein Kreisaufſeher im Domänenweſen
war5).
Nach Carl d. Gr. veränderte ſich die Staatsverfaſſung und
Organiſation weſentlich. Denn ſchon Ludwig der Fromme war
nicht im Stande, das Inſtitut der Heerbannsmilitz zu halten.
Der gegenſeitige Verband durch Benefizien, der vorher nur einen
Theil ſeines Reichsverbandes gebildet hatte, dehnte ſich ſo aus,
daß es allmälig der herrſchende Charakter des inneren Reichsver-
bandes wurde. An die Stelle der früheren Gelobung von Abhän-
gigkeit war allmälig jene der Treue und Dienſtgewärtigkeit des
Adels und der Geiſtlichkeit getreten. Mit andern Worten: Der
frühere Abſolutismus ging in einen Feudalismus, d. h. in die
Lehnsverfaſſung über1). Dieſe Fundamentalveränderung iſt
der Grund der Abänderungen in der Staatsverwaltung, und ins-
beſondere der Kammerverwaltung. Es iſt nämlich
I. das Miniſterium, ſeitdem der Kaiſer als Fürſt ſeine eigenen
Dienſtleute hatte, von den eigentlichen Hofchargen getrennt. Da der
kaiſerliche Hof keinen ſtändigen Sitz hatte, ſo waren die ſogenannten
Erzbeamte und die Reichsdienſtleute von den Hofchargen verſchieden.
Dieſer Unterſchied begann mit den fränkiſchen Kaiſern. Der erſte
Miniſter in geiſtlichen und weltlichen Angelegenheiten iſt fortan der
Kanzler, der alſo die Gewalt des Pfalzgrafen und Apokriſtarius
bei unmittelbarer Berathung mit dem Kaiſer beſaß. Der Pfalz-
graf, als oberſter Richter, verſchwand und dieſe ſeine Funktion
erhielt ein eigener Hofrichter. Nur der Pfalzgraf von Franken
(am Rheine) iſt noch Reichserzbeamter. Das Richteramt der
Pfalzgrafen, dieſer ausgenommen, war nach und nach mit allmäliger
Verbreitung der Lehnsverfaſſung ein Fürſtenamt geworden in den
eigenen und Lehnsbeſitzungen der Pfalzgrafen2).
II. Die Reichstage hatten eine andere Bedeutung bekom-
men, da nicht beſtimmt war, in welchen Fragen die Reichsſtände
mitzuſtimmen hatten, ausgenommen die Beſtimmung, daß ohne ſie
kein Geſetz gegeben werden durfte, und daß man auf Reichs-
tagen die auswärtige Politik berieth und Reichskriege beſchloß.
Das Recht der Reichsſtandſchaft iſt ein rein perſönliches der
weltlichen und geiſtlichen Fürſten, Grafen und Herrn, mit Aus-
ſchluß aller Anderen, geworden3).
III. Die Landſtände, an der Stelle der früheren Volks-
verſammlungen, banden die Hoheitsrechte der Landesfürſten. Allein
das Recht der Landſtandſchaft hatten nur die Biſchöfe, Grafen,
Herrn und Ritter4).
IV. Der Organismus der Behörden hatte ſeinem We-
ſen nach durch das Lehnsweſen eine andere Geſtalt erhalten. Den
Schlußſtein der Regirung bildete der Kaiſer nebſt den Reichs-
ſtänden im deutſchen Reiche1). Für die innere Verwaltung be-
ſtanden zwar noch die Herzogthümer und Grafſchaften;
allein ſie übten ihre Gewalt nicht mehr anſtatt des Kaiſers, ſon-
dern zu eigenem Rechte oder zum Lehne vom Kaiſer empfangen2).
Länder, welche jenen auf dieſe Weiſe nicht unterworfen waren,
wurden durch Reichsvögte3) an des Kaiſers Statt verwaltet,
und waren alſo dem Reiche unmittelbar untergeordnet4). Die
anderen Länder und Städte waren dies mittelbar durch ihre
Fürſten, welche man ſchon Landesherrn nennen kann5). Einen
Missus gab es nicht mehr6).
V. Die geſammte Staatsverwaltung kann noch in zwei
Hauptzweige geſchieden werden, nämlich A.die Militärver-
waltung. Die Heerbannsmilitz ging im Reiche in die Lehns-
militz über, während ſie den einzelnen Landesherrn noch zuſtand
gegen ihre Unterthanen, in ſofern dieſe nicht im Lehnsverbande zu
ihnen ſtanden. Die Reichsſtände und reichsunmittelbaren Gemein-
heiten ſind als ſolche mit ihren Mannen und Unterthanen zur
Heerfolge verpflichtet. Erſtere kraft der Lehnspflicht gegen den
Kaiſer mit ihrer Ritterſchaft, andern Freien und Städtern; die
Lezteren wegen ihrer Unmittelbarkeit und der Verleihung mancher
kaiſerlichen Privilegien und Vorrechte. Jene dienten unter dem
Banner ihres Fürſten; dieſe unter dem ihres Reichsvogts. Unter
jenem Banner waren aber noch die Fahnen der Graf- und Herr-
ſchaften. Die beſonderen Dienſtrechte beſtimmten die Bedingungen
des Dienſtes. Wer ein Reichslehen beſaß, hatte ſechs Wochen
auf eigene Koſten zu dienen; der Dienſtmann mußte während des
Feldzugs vom Dienſtherrn erhalten werden, wenn das Dienſtrecht
nichts Anderes beſtimmte. Das ganze Reichsheer war nach Rang,
Verdienſt und Würde in ſieben Schilde getheilt 1). B. Die
Civilverwaltung und unter dieſer:
I. Die Gerichtsbarkeit. Ueber Leib, Ehre und Lehen der
Reichsfürſten übte der Kaiſer ſelbſt in den ſogenannten Fürſtenge-
richten. In anderen Sachen richtete der Hofrichter an des Kaiſers
Statt, und die kaiſerlichen Hof- und Landgerichte in den Pro-
vinzen, unter welchen noch die gemeinen Landgerichte ſtanden 2).
II. Die Finanzverwaltung nahm jetzt auch entſchieden
einen anderen Charakter an. Einkünftequellen waren:
1) Das Reichsgut. Man unterſcheidet die eigentlichen Kam-
mergüter, an welchen dem Kaiſer das ächte Eigenthum gehörte, und
die Herrſchaften, welche aus Vogteien und Städten beſtanden. Jene
wurden unmittelbar von Amtsverwaltern oder Amtmännern
bewirthſchaftet; dieſe aber von Vögten1). Die Amtleute waren
die Unterbehörden in der Domänenverwaltung; die Oberbehörden
aber waren die Pfalzgrafen2). Als Mittelbehörden kann man
jene Vögte betrachten, obſchon ſie keine Controle über die Amt-
leute hatten. Die Pfalzgrafen, Präſidenten bei den Pfalzkonventen
(Conventus palatini), mußten um ſo mehr Oberbehörde ſein, als
die Kaiſer ihren Aufenthalt auf einige Zeit in den Pfalzen wähl-
ten und für ſich und ihren Hof daſelbſt der Naturalverpflegung
bedurften. Durch Lehen, durch Veräußerung und Verpfändungen
in dieſen Zeiten der Noth und Verwirrung, durch die Zudring-
lichkeiten der geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs, und
durch die Anmaaßungen der Reichsvögte war nach und nach das
Reichsgut und das Kammergut an ſich und in ſeinem Ertrage ſo ge-
ſchwächt worden, beſonders war der Verwaltungsaufwand ſo groß,
daß das reine Einkommen daraus bei weitem nicht zur Deckung
der Hof- und Reichsausgaben hinreichte3). Es iſt alſo natürlich,
daß die Kaiſer, ſo wie ſie einerſeits durch jene Verhältniſſe und
Ertheilung von einträglichen Privilegien immerfort verloren, ſich
auf anderem Wege Einkünfte zu verſchaffen ſuchten, wenn man
dazu noch bedenkt, daß ſie ſich immer mehr zur Unterhaltung von
Soldmilitz gezwungen ſahen. Daher kommt ihr Streben, die
folgenden Einkünftequellen zu erweitern, nämlich:
2) Die Regalien und fiskaliſchen Rechte, d. h. gewiſſe
vom Kaiſer ſich allein zugeſchriebene Gerechtſame, welche ein Ein-
kommen gewährten. Allein a) das Recht der Zollanlage war nur
noch in der Theorie ein Regal, und es war eben ſo wie der Domänen-
beſitz entweder mit den Reichsgütern oder ohne ſolche in die Hände der
Reichsſtände gekommen, ſo daß der Widerſpruch entſtand, der
Kaiſer allein habe das Zollrecht, derſelbe dürfe aber nicht ohne
Einwilligung des Reichsſtandes im Lande des Lezteren Zölle an-
legen. Der Wirklichkeit nach hatte der Kaiſer nur die Zollaufſicht,
und das Recht, Zollfreiheit zu ertheilen4). Ebenſo ſtand es mit dem
b) Münzregal, welches der Kaiſer nur noch in den Reichsſtädten
faktiſch beſaß, während ihm ſonſt über das reichsſtändiſche Münz-
weſen blos die Oberaufſicht blieb, und er keine neue Münz-
ſtätte anlegen durfte, wo für einen Reichsſtand daraus ein Nachtheil
erwuchs. Der Kaiſer hatte alſo auch hier den größten Theil ſei-
ner Reichseinkünfte verloren, während die Reichsſtände des
[19] Gewinnes willen mit ſchlechten, nicht reichsgeſetzmäßigen Münzen
den Verkehr überſchwemmten5). Es entſtand aber jetzt c) das
Bergwerksregal, kraft deſſen ſich der Kaiſer das Eigenthum
an alle Metall- (beſonders der Gold- und Silber-) Gruben zu-
ſchrieb. Dennoch aber hatten viele Reichsſtände Bergwerke, ent-
weder weil ſie dieſelben ſchon vor Entſtehung und Ausbildung dieſes
Regals beſaßen, oder weil ſie ihnen aus kaiſerlichen Gnaden ver-
liehen wurden6).
3) Das Steuerweſen tritt jetzt ſchon unter zwei Geſichts-
punkten, nämlich in den Reichsſteuern und Landesſteuern
auf. Eine Reichsſteuer im eigentlichen Sinne des Wortes, als
vom Kaiſer auf das ganze Reich kraft allgemeinen ſtaatsrechtlichen
Steuerrechtes umgelegt, gab es wirklich zwar noch nicht1). Allein
der Kaiſer bezog a)Subſidien von der Geiſtlichkeit, für ihre
Freiheit vom Lehnsdienſte; b)Adärationen oder Adjutorien
von den Vaſallen, wenn ſie nicht ſelbſt mit dem Heere zogen, ſon-
dern blos ihre Leute ſchickten; c) eine ordentliche Steuer2) von
den Nichtlehnsleuten; d)außerordentliche Beiſteuern3);
e) eine Königſteuer von den kleineren Stiftungen und Abteien,
die ihre Lehen nicht zu verdienen brauchten4), und f) das Juden-
ſchutzgeld im ganzen Reiche, wegen ſeiner ſchirmvogteilichen
2 *
[20] Rechte über die chriſtliche Kirche5). Die ſämmtliche Steuern,
mit Ausnahme der Lezten, waren Lehnsſteuern6). Denſelben
Charakter hatten auch allgemeinhin die Landesſteuern, erhoben
von den Reichsſtänden in ihren Landesgebieten. Als ein ſolcher
Landesfürſt erſchien auch der Kaiſer in Bezug auf die ihm geblie-
benen eigenen und reichsunmittelbaren Ländereien und Städte
(§. 14.). Es gehören hierher die Kopf- und Pflugſteuer7),
die Hundſteuer8), die Beede9), das Futtergeld10), Per-
ſonalſteuern11) und Leibespflichten12). Doch zeigen ſich in
dieſer Periode bei einzelnen Landesfürſten ſchon Spuren unſerer
heutigen eigentlichen Schatzungsſteuer13).
Es dauerten aber neben dieſen manchfachen Abgaben noch:
4) die Dienſte fort. Jedoch hatten die meiſten die Natur der
Reichsdienſte wie in der vorigen Periode verloren, und jene der
Landesdienſte angenommen. Reichsdienſte leiſteten natürlich die
Reichslehnleute beim Reichsherrn. Andere Reichsdienſte der oben
ſchon beſchriebenen Art wurden ordentlich blos von Unterthanen
auf Reichsgütern, Stiftern u. dgl. geleiſtet1). Dagegen aber be-
ſtanden die Landesdienſte ſo ziemlich noch in der alten Ausdehnung
als gemeine Laſt der Landesunterthanen fort. Es gehören hierher
1) die Banndienſte, welche mit den alten Heerbannsdienſten zu-
ſammenhängen2); 2) die Gerichtsdienſte, zufolge der wandern-
den Gerichte3); und 3) die Frohndienſte, gefordert aus guts-
oder leibherrlichen Rechtstiteln4). Auch dauerten die früheren
Sendkoſten, Herbergen, Atzungen und Nachtfelden, ſo
wie der Königspfennig und Grafenſchatz der Grafen noch
fort5).
Dieſe Periode iſt für die Ausbildung des Kameralweſens von
den bisherigen die wichtigſte, weil ſie den erſten Wendepunkt des-
[22] ſelben enthält. Schon im 13ten Jahrhunderte zeigen ſich die
Spuren des Lockerwerdens der Feudalbande auffallend. Der Grund
der Lehnsüberlaſſung war allmälig in den Hintergrund getreten und
die Lehnsleute waren allenthalben geneigt, ſich als ſelbſtſtändige
unabhängigere Herrn in ihren Landesgebieten zu betrachten und es
entſtanden darum Vereinigungen des Herrn- und Ritterſtandes ſchon
im 14ten Jahrhunderte. So wie ſie einerſeits ſich von den Lehns-
pflichten zu befreien ſtrebten, ſo ſuchten ſie anderſeits ihre Unab-
hängigkeit und ihre Gerechtſame immer zu vermehren. Auf dieſe
Weiſe wuchs der Druck auf die Land- und Städtebevölkerung,
nicht blos weil ſich die Landesherrn im Steuerrechte fortwährend
mehr anmaßten, ſondern auch weil die Gewalt derſelben in Will-
kür ausgeartet war, die Rechtspflege ihre Unpartheilichkeit ver-
loren hatte, und der Handel nebſt den anderen bürgerlichen
Gewerben ſeiner Freiheit beraubt war. Nachdem die Schweitz ihr
Joch abgeſchüttelt hatte, waren auch die beabſichtigten und ange-
ſagten Landfrieden der Kaiſer, die den Zweck hatten, auf einige
Zeit die wilden Elemente in Ruhe und Einigung zu halten, nicht
mehr im Stande, eine große Vereinigung der Städte zur Wahrung
ihrer wohlerworbenen Rechte zu verhindern. Es brach der Städte-
krieg aus, und hatte, da das Städteheer geſchlagen wurde, nicht
den glücklichen Ausgang, deſſen ſich der Kampf der Schweitzer-
Eidgenoſſenſchaft erfreute. Erfreuten ſich die Städte auch nicht
des Sieges mit den Waffen, ſo hatte ihr Krieg dennoch unbe-
rechenbar gute Folgen für die Sicherheit der Rechte und Güter
aller einzelnen Reichsglieder, für die Reichs- und Landesverfaſſung
und Verwaltung. Kurz ſein Haupterfolg war, daß fortan nicht
blos die geiſtlichen und weltlichen Fürſten und Herrn als
die Beſtandtheile des Reichs angeſehen und behandelt wurden, ſon-
dern auch das Volk im Reiche ſowohl als in den einzelnen
Reichslanden als ein Haupttheil der Verfaſſung erſchien und
mitwirkte. Dadurch erklären ſich die Abänderungen in den fol-
genden Kathegorien.
I. Die Reichsverfaſſung ſuchte K. Albrecht II. im 15ten
Jahrhunderte ſchon durch einen Landfrieden ſo zu organiſiren, daß
ſowohl der Fürſtenſtand als die Einigung der Herrn und Ritter,
die Einigungen der Städte und die anderen Landſaßen in gegen-
ſeitig geregelten Rechten und Pflichten zu einem Ganzen vereinigt
würden und allgemeine Sicherheit der Rechte und Güter beſtehe.
Auch unter K. Friedrich III. lagen die Elemente dazu vor Augen.
[23] Allein unter beiden Kaiſern ſcheiterte der Verſuch und die Ent-
würfe von Aufträgalbehörden zur Regulirung und Entſcheidung
von Reichs- und Territorialfehden fanden keinen Anklang1). Erſt
der Kaiſer Maximilian I. brachte die Vereinigung eines ewigen
Landfriedens zu Stande, hob alles Fehderecht auf, gebot die Klage
wegen Rechtsverletzungen bei den gehörigen Gerichten anzubringen,
und die Organiſation des Reichskammergerichtes für Rechtsſtrei-
tigkeiten der Reichsunmittelbaren2). Aber ſchon vor ihm hatten
auch die Städte neben dem Fürſten- und dem Herrenſtande das
Stimmrecht durch ihre Abgeordnete am Reichstage. So hatte nun
auch das Gewerbsweſen ſeine Vertretung bei den Reichsberathungen,
welche im Uebrigen die nämlichen Gegenſtände betrafen, wie im
vorigen Zeitraume3).
II. Die Landesverfaſſung erlangte in dieſer Periode mehr
Selbſtſtändigkeit, den kaiſerlichen Rechten gegenüber. Zwar war
ſie noch nicht zu voller Ausübung der königlichen Rechte gelangt,
weil anderſeits der Kaiſer nach den Reichsſatzungen gewiſſe könig-
liche Rechte ausſchließlich beſaß und allein verleihen konnte. Allein
in der Gerichtsbarkeit war, wie oben und weiter unten zu erſehen
iſt, die Abſonderung der Landeshoheit bereits ſtreng hervorgetre-
ten4). Die Vereinigungen der Landesunterthanen hatten nach
und nach in den Reichslanden eine verfaſſungsmäßige Selbſtſtän-
digkeit als Landſtände zur Wahrung der guten Volksrechte,
beſonders des Steuerbewilligungsrechtes, erlangt5).
III. Die Staatsverwaltung anbelangend, ſo hatte A. die
Militärverwaltung einen neuen Charakter angenommen. Da
aus den im §. 19. angeführten Gründen der Lehnskriegsdienſt immer
nachläſſiger und matter wurde, die Reichsmilitz im Nothfalle ſehr
geſchmolzen war, und jeder Militzpflichtige ſich ſtreng nur an die
Zeit hielt, wie lange er zu dienen hatte; da ferner die Erfindung
des Schießpulvers eine andere Art, Krieg zu führen, veranlaßt
[24] hatte, ſo war es natürlich, daß man den Heeresdienſt durch Geld-
beiträge erſetzen ließ, und mit dieſer Summe für das Reich
Kriegsleute gegen Gold warb. Die Lehnsmilitz ging in die
Goldmilitz über. Da aber weder diejenigen, welche ihren Dienſt
noch ſelbſt leiſteten, noch dieſe Werbſoldaten bei einem allgemeinen
Aufgebote geübt und völlig dienſtfähig waren, ſo lag der Gedanke
an ein ſtehendes Reichsheer für die Friedenszeit um ſo näher, als
es weit zuverläſſiger ſein mußte, denn ein ſchnell geworbenes und
wieder entlaſſenes Heer. Maximilian I. führte daher zuerſt ſtehen-
des, regelmäßig gerüſtetes, eingetheiltes und kriegeriſch geordnetes
Fußvolk (Lanzknechte) ein1), zum eigenen und Reichsdienſte.
B.Die Civilverwaltung erlitt ebenfalls ſolche weſentliche
Veränderungen. Nämlich:
A. Die Gerichtsbarkeit hatte ſich in dieſem Zeitraume
allmälig abgetheilt in die Reichs-, Landes- und ſtädtiſche
Gerichtsbarkeit. Die Landgerichte der vorigen Periode hatten
allmälig den Charakter von Reichsgerichten verloren und den der
Landesgerichte angenommen, und waren durch Maximilians I.
Landfrieden in dieſer Abſonderung in ſoferne beſtätigt worden, als
er die Rechtshändel der Landeinſaßen vor dieſe, die Klagen der
Reichsunmittelbaren aber vor das Reichskammergericht wies2).
Zudem waren ſolche Landgerichte von einzelnen Reichsſtänden nach
und nach erworben worden, und wenn ſolche anderen Landesherrn
gehörten und in ihrem Gerichtsſprengel Lehnsleute und Vogtei-
einſaßen ſich befanden, ſo ſchützte man ſich durch die Privilegia
de non evocando3), welche ſchon ſeit früherer Zeit dem Fürſten-
ſtande als ſolchem gegeben waren4). Bei den Fehmgerichten,
den Criminalhöfen, in Weſtphalen gelang dieſe Umwandlung in
Landesgerichte nicht ſo leicht wegen der Eigenthümlichkeit ihrer
und der Territorialverfaſſung5). Die Hofgerichte dauerten
auch noch fort, jedoch als eine höhere Inſtanz über den Landes-
gerichten zur Belehrung dieſer. Die Städte hatten aber noch
beſondere Oberhöfe. Die allerlezte gerichtliche Inſtanz war das
Reichskammergericht, obſchon man von den Hofgerichten auch
unmittelbar an den Landesherrn und ſeinen fürſtlichen Rath oder
ſeinen Kanzler, der ein Doktor der Rechte war, appelliren konnte6).
Wie bereits (§. 19.) erwähnt iſt, erlitt
B. Die Kammerverwaltung eine totale Umgeſtaltung,
weil ſich ihr Reſſort um vieles Neue vermehrte. Auch in dieſer
Periode bilden 1) die Domänen eine Einkünftequelle, ſowohl für
das Reich als auch für die einzelnen Fürſten. Allein ihr Beitrag
zu den Staatsbedürfniſſen mußte wegen des ungeheuren Aufwandes
der Fürſten bei den Gelagen auf ihren Gütern ſehr gering ſein,
und der Reinertrag an ſich konnte ſich verhältnißmäßig nicht hoch
belaufen, wegen der hohen Beſoldungen der Verwaltungsbeamten1).
Da nun die Landeshoheit ihrer Vollſtändigkeit bedeutend näher
gerückt war, ſo hatte auch 2) das Regalienweſen und der
Umfang der fiskaliſchen Rechte noch eine ſtrengere Abſon-
derung zwiſchen dem Reiche und den Landen deſſelben erlitten,
obſchon der Kaiſer ſich noch einige ausſchließlich zuſchrieb. Allein
das Zollrecht, Münzregal und Bergwerksregal2) war ja ſchon im
vorigen Zeitraume faktiſch kein ausſchließlich kaiſerliches mehr.
Entſchiedene Schritte hatte aber 3) das Steuerrecht gemacht.
Mit der immer zunehmenden Lückenhaftigkeit der Lehnsheere, und
der immer nothwendiger werdenden Soldmilitz allgemeineren Ge-
brauches3), ſo wie mit dem fortwährend ſteigenden Staatsaufwande
überhaupt wurde eine neue Art von Steuer ſtets unentbehrlicher.
Das iſt a) die Schatzſteuer (Schatzung), ſowohl Reichs- als
auch Landesſchatzung, welche zwar anfänglich nur von den
Reichsunmittelbaren, dann auch von den Reichsſtänden anſtatt der
Lehnsdienſte ohne Beſtimmung darüber, wie dieſe ſie aufbringen
würden, endlich aber von den Reichsunterthanen überhaupt als
ſolchen durch den Reichstag, und von den Landesunterthanen eben
ſo durch den Landtag und Landesfürſten unter dem Rechtstitel der
allgemeinen Unterthanenpflichten erhoben wurde. Die frühern
Steuern waren grundherrliche und Lehnsabgaben geweſen, hatten
blos den Charakter der außerordentlichen gehabt, wenn die ge-
wöhnlichen Steuerpflichten überſchritten wurden, während aber jetzt
dieſe, eine ordentliche Laſt aus reiner Unterthanenpflicht überhaupt,
vom Vermögen im Allgemeinen erhoben und alljährlich beſonders
ausgeſchrieben wurden4). Aber es kamen zu den bisherigen Steuern
noch einige neue, nämlich b) die Fräuleinſteuer, bald bittweiſe
erhoben bald anbefohlen, ohne jedoch eine allenthalben beſtehende
zu ſein5); c) das Handlohn, von verſchiedenem Betrage, erho-
ben bei der Gewährung eines Lehns durch den Lehnsherrn6);
[26]d) die Weiſat, nämlich Darbringen von Naturalien an gewiſſen
Jahrestagen für den Lehnsherrn7); e) die Nach- und Erb-
ſchaftsſteuer, erhoben von dem Vermögen der in ein anderes
Landesgebiet überſiedelnden Unterthanen und von Erbſchaften8);
f) die verſchiedenen Zinſe und Gülten aus grundherrlichen Ver-
hältniſſen9). Auch hatten g) die Zölle in dieſen unruhigen Zeiten
ſich vermehrt, erhöht und einen Zuwachs durch das Geleitsgeld
erhalten10); es entſtanden in dieſer Periode auch h) die Con-
ſumtionsſteuern, genannt Acciſe, Lizent, Aufſchlag, Impoſt,
auf Speiſen und Getränke11).
Mit dem Bisherigen iſt aber das Bereich der Kammerverwal-
tung noch nicht geſchloſſen. Schon unter der fränkiſchen Herrſchaft
vor Carl d. Gr. gab es gewiſſe die Sicherheit und das Gewerbs-
weſen ſo wie die Sittlichkeit betreffende Staatsanordnungen (§. 10.).
In den ſpäteren Zeiten des Mittelalters, beſonders in dieſer unruhe-
vollen Periode, war die Aufſicht auf die öffentliche und allgemeine
Sicherheit einer der wichtigſten Zweige der Staatsverwaltung1).
Daſſelbe war der Fall mit der Aufſicht auf das Religionsweſen
und die Sittlichkeit, obſchon dies größtentheils in das Bereich der
Geiſtlichkeit gehörte2). Das Gewerbs- und Nahrungsweſen, be-
ſonders der Handel und die Handwerke, wurden immer wichtiger,
zum Theile wegen ihrer wachſenden Verbreitung3), zum Theile
wegen der politiſchen Wichtigkeit der Gilden, Zünfte und Innun-
gen4), zum Theile wegen des Umſtandes, daß ſie fortan eine
Hauptquelle der Staatsſteuern werden mußten in der Schatzungs-
ſteuer und in den Zöllen5). Es begannen allmälig höhere Anſtalten
für Gelehrten- und Staatsbildung ſich zu erheben6). Man mochte
wohl einen gewiſſen inneren Zuſammenhang dieſer weitläufigen
Materien ahnen. Da ſie aber vom bisherigen Kammerweſen, zu
dem blos die Verwaltung fürſtlicher Einkünfte gehörte, verſchieden
waren, ſo bezeichnete man ſie mit dem noch jetzt gebräuchlichen
Ausdrucke Polizei7).
Zu einer ſolchen Maſſe von verſchiedenen Geſchäften war die
Staatsverwaltung in jener Zeit angewachſen1). Doch aber hatte
man ſie in den Behörden, blos das Domänenweſen ausgenommen,
noch nicht in Juſtiz- und reine Kammerbehörden geſchieden. In
Burgund beſtand a. 1385 zu Lille unter Herzog Philipp d. Küh-
nen eine Collegialbehörde für Juſtiz- und Finanzverwaltung zu-
ſammen. Allein Johann der Unerſchrockene trennte ſie ſchon
a. 1409 in zwei Behörden, und verlegte die Juſtizbehörde nach
Gent, während er das Finanzkollegium zu Lille ließ2).
Dies fand ſeinen Grund in der Häufung und Verſchiedenartigkeit
der Geſchäfte. Die Vergleichung beider Geſchäfte zeigte leicht,
a) daß die Rechtspflege auf poſitive Normen und Gewohnheiten
geſtützt iſt, während ſich die Kammerbehörden dieſelben erſt nach
Maaßgabe der Zweckmäßigkeit bilden mußten; b) daß der Juſtiz-
beamte ohne weitere Rückſichten die vorhandene Norm auf einen
herausgeſtellten Fall anzuwenden hatte, während die Kammerbe-
hörde es mit den verſchiedenſten menſchlichen und bürgerlich prak-
ſchen Verhältniſſen, denen eine Maaßregel entſprechen mußte, zu
thun hatte; c) daß die Juſtizbehörde nicht, wie jene, auf die Er-
findung neuer Mittel zu längſt bekannten Zwecken, auf die Wan-
delbarkeit aller Verhältniſſe und auf die in den Händen der
Unterthanen liegenden, ſich bald vermehrenden, bald verringernden
Beſitzthümer Rückſicht zu nehmen brauchte; und d) daß kurz über-
haupt die Juſtizbehörde einen gegebenen Fall unter ein Geſetz ſub-
ſumirt, während die Kammerbehörde mehr ihre Maaßregeln unter
gegebene Fälle ſubſumirt, um das Zweckmäßigſte zu treffen3). Als
Maximilian I. Burgund ererbt hatte, ſo führte er, ohne Zwei-
fel, weil er mit obiger Trennung bekannt wurde, im J. 1498 zu
Insbruck und im J. 1501 zu Wien Hofkammern ein. Dieſe Ein-
richtung fand allgemeine Nachahmung, namentlich in Sachſen,
Brandenburg, Baiern, Schweden und Dänemark4). Jedoch wa-
ren dieſe Kammerkollegien nur die Oberbehörden. Der Behörden-
organismus in der Domänenverwaltung war folgender: Ueber
[30] größere Landesdiſtrikte war der Großvogt, Vizedom oder Lan-
deshauptmann geſtellt. Zur Berechnung der Einkünfte aus
den Domänen und Gefällen war ihm ein Kammer- oder Rent-
meiſter untergeordnet. Die Mittelbehörde war der Oberamt-
mann oder Amtshauptmann, meiſtens ein Adeliger. Als
Unterbehörden waren die Amtsverwalter, A. Schreiber, A.
Kellner oder wie ſie ſonſt genannt wurden, über mehrere unter-
gebene Schreiber geſtellt5).
Zu einem größeren Complexus von Geſchäften wuchs die Kam-
merverwaltung nicht an. Nur die Poſtanſtalt trat noch hinzu1).
Aber die zunehmende Bildung, die Erfahrung, die ſteigende Be-
völkerung, die Vermehrung der Staatsausgaben, die Erweiterung
des Gewerbsweſens, die religiöſen Spaltungen, das immer fühl-
barere Bedürfniß genauerer Bildung des Volkes, der Gelehrten
und Staatsdiener vergrößerten die Manchfaltigkeit derſelben eben
ſo, als ſie die Ueberſicht und Führung erſchwerten2). Deshalb
nahm der Organismus der Oberbehörden einen beſtimmteren Charak-
ter an. Der nächſte Rath am Hofe des Landesherrn, jetzt ein
Collegium unter dem Vorſitze des Kanzlers, Hofrath oder auch
Regirung genannt, beſchäftigte ſich jetzt neben ſeinen bisherigen
Juſtizgeſchäften auch mit demjenigen Theile der bisherigen Kam-
merverwaltung, welchen man jetzt Regirungsſachen, beſonders
auch ſpäter noch Adminiſtration, nannte3). Zur Verwaltung
der Staatseinkünfte, der Finanzen, ward die ſogenannte Hof-
kammer beſtellt4). Nur in den einzelnen Provinzen größerer
Länder wurden auch Regirungscollegien errichtet, die unter
dem Hofrathe ſtanden und das zu beſorgen hatten, was nicht
Juſtizangelegenheiten war5), und in deren Bereich auch das
Steuerweſen kam. In den unteren Behörden beſtand dieſe Tren-
nung der Juſtiz, Adminiſtration und des Finanzweſens nicht ſo
[31] ſtreng, weil die Beſchäftigung derſelben im Gegentheile nicht voll-
ſtändig geweſen ſein würde6).
Die Betrachtung der allmäligen Ausbildung des Kameralweſens
in der deutſchen Staatspraxis, bis dahin, wo in ihm alle Ele-
mente der heutigen Kameralwiſſenſchaft ſchon enthalten, wenn auch
nicht ausgebildet, ſind, und der Uebergang ihrer Grundſätze und
Regeln in die Reihe der Wiſſenſchaften zeigt nicht nur, daß ſich
auch die Kameralwiſſenſchaft urſprünglich aus der Praxis hervor-
gebildet hat, ſondern auch, daß ſchon im hiſtoriſchen Verlaufe der
Kameralpraxis ſich verſchiedene Begriffe des Kammerweſens for-
mirten. Nämlich der erſte Begriff deſſelben war die Verwaltung
des fürſtlichen Privatvermögens; der zweite die Verwaltung der
fürſtlichen und Staatslandgüter mit ihren Gefällen und Gerecht-
ſamen; der dritte die Verwaltung der Staatslandgüter mit ihrem
Zugehör und der ſonſtigen Staatseinkünfte aus Militär-, grund-
herrlichen, Staatsdienſt- und Staatsverhältniſſen; der vierte die
Verwaltung der Staatseinkünfte und Staatsausgaben im Domä-
nen-, Regalien- und Steuerſache, ſo wie in der geſammten
Staatsjuſtiz; der fünfte die Verwaltung des eigentlichen Finanz-
weſens und der Polizei im weiteren Sinne; und der ſechste die
Verwaltung des Finanzweſens allein, im Gegenſatze der mit ihm
im Cauſalzuſammenhange ſtehenden Polizei, deren Verwaltung mehr
Regirung genannt wurde. Die fernere Ausbildung des Begriffes
des Kameralfaches ging aus der Wiſſenſchaft hervor, deren Litera-
turgeſchichte, als eines Ganzen, erſt am Ende des 17ten Jahr-
hunderts beginnt. Die Kameralwiſſenſchaft iſt blos eine deutſche
Wiſſenſchaft, oder das Reſultat der deutſchen Kammerverwaltung
und des deutſchen Gelehrtenfleißes. Dagegen in dem Verdienſte
um die Ausbildung der einzelnen ſie bildenden Zweige concurriren
mit ihr ſowohl die Völker des tiefſten Alterthums als die noch jetzt
leben Nationen 1).
Schon am Anfange des 17ten Jahrhunderts ſprach der eng-
liſche Großkanzler Baco von Verulam die Idee aus, die Oeco-
nomik oder Wirthſchaftslehre als eine Univerſitätsdoktrin in die
Reihe der Gegenſtände der allgemeinen Bildung aufzunehmen.
Darauf verſuchten mehrere Gelehrten, unter andern auch Hecker-
mann in Danzig, Richter in Görlitz, Breckeinger in Leiden,
und Anthor, pſeudonym als Sincerus, die bisher vereinzelt
kultivirten ökonomiſchen Wiſſenſchaften in ein ſyſtematiſches Ganze
zu vereinigen 1). Wenn es denſelben auch, wie nicht, gelungen
wäre, ſo mußte dieſe Wiſſenſchaft dennoch der Verachtung und
Verfolgung wegen, die ihr zu Theil ward, noch verdrängt bleiben.
Allein man begann ſchon das Kammerweſen, wie es damals beſtand
und verwaltet wurde, mit allerlei nützlichen Anmerkungen verſehen,
in Büchern darzuſtellen, und ſo die Regeln der damaligen Kameral-
praxis zu lehren. Dieſes Verdienſt gebührt Veit Ludwig von
Seckendorff2), Wilhelm von Schröder3) und J. von
Horneck4). Sie bildeten die Brücke von der Praxis zur Wiſ-
ſenſchaft, welche als ſolche mit dem 18ten Jahrhunderte beginnt.
Durch die Bemühungen des J. B. von Rohr5), des Anthor6),
Morhof7), J. Ch. Beckmann8) und Ch. Thomaſius9) ward
endlich Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, dazu be-
wogen, in Halle und in Frankfurt a. d. O. kraft Reſcripts
vom 24. Juni 1727 Profeſſuren der Oeconomie und Kameralwiſ-
ſenſchaften zu errichten, jene dem Simon Peter Gaſſer10)
und dieſe dem Juſtus Chriſtoph Dithmar11) zu übertragen.
Baumſtark Encyclopädie. 3
[34] Doch waren die Schriften dieſer beiden nicht die erſten, denn ſchon
am Ende des zweiten Jahrzehnts hatte Lau12) über das Ka-
meralfach geſchrieben.
Als nun ſo einmal der Anfang mit der Begründung des
kameraliſtiſchen Studiums auf Univerſitäten gemacht war, ſo folgte
[35]a. 1730 ſchon Schweden mit der Gründung einer kameraliſtiſchen
Profeſſur auf der deutſchen Univerſität Rinteln, und a. 1741
mit der Profeſſur der Haushaltungskunſt und Handelskunſt auf der
ſchwediſchen Univerſität zu Upſala. Im Jahre 1742 gab es ſchon
einen Profeſſor des Kameralweſens in Leipzig und a. 1745 einen
am Carolinum in Braunſchweig. Im J. 1751 wurden Profeſſuren
des Kameralweſens in Oxford in England, in Abo und Lund
errichtet. In Wien am Collegium Theresianum war ſchon a.
1752 eine ſolche. Es folgten a. 1760 eine kameraliſtiſche Profeſſur
auf der Univerſität Bützow in Meklenburg, und a. 1761 hatte
Göttingen ſchon einen berühmten Lehrſtuhl des Kameralfachs,
nachdem ſchon vor 1755 daſelbſt Lehrer deſſelben angeſtellt geweſen
waren. Im J. 1764 ward die neue Profeſſur der Oeconomie und
Kameralwiſſenſchaften beſetzt, und a. 1768 in Wittenberg eine
ſolche errichtet. In Jena war ſchon vor 1770 über Kameralwiſ-
ſenſchaften geleſen worden, aber in dieſem Jahre ward eine Pro-
feſſur dieſes Faches daſelbſt beſtellt. Im Jahre 1774 ward die
Kameralſchule in Kaiſerslautern errichtet, im Jahre 1777 zu
Gießen aber eine fünfte oder ökonomiſche Fakultät1). Das
J. 1782 brachte auch der Akademie in Stuttgart eine ökonomi-
ſche Sektion2). Bei der Reform der Univerſität zu Mainza. 1784
trat auch eine kameraliſtiſche Facultät ins Leben3). Die Kameral-
ſchule von Kaiſerslautern ward aber mit der Univerſität Hei-
delberg vereinigt, und wurde bei der ſpäteren Reform der Uni-
verſität unter Carl Friedrich eine kameraliſtiſche Sektion der
philoſophiſchen Facultät4). Im J. 1789 trat das kameraliſtiſche
Inſtitut zu Marburg ins Leben5). Gleichzeitig iſt auch die
Entſtehung der kameraliſtiſchen Abtheilungen in Tübingen und
Würzburg. Es geſchah alſo auf dieſe Weiſe, ſo wie durch Un-
terſtützung mit vielen materiellen Mitteln in dieſer Periode von
Deutſchland allenthalben ſehr viel für Verbreitung des Kameral-
ſtudiums. Auch wurde von den Regirungen auf das Studium
dieſes Faches vielfach ausdrücklich gedrungen6). Allein die Neu-
heit des Gegenſtandes, die Mängel der Wiſſenſchaft in jener Dar-
ſtellung, der Widerſpruch zwiſchen ihr und der Praxis, das Ueber-
gewicht der Juriſten im Staatsdienſte, und die alte Gewohnheit,
daß ſich die Kameralbeamten, anſtatt allgemein wiſſenſchaftlich,
blos ſpeziell in der Praxis bildeten, verhinderten eine Selbſtſtän-
digkeit der Kameralwiſſenſchaft, und ſie ward nicht einmal als
nöthig oder beſonders nützlich für den Staatsdienſt überhaupt
erachtet.
In den Schriften über die Kameralwiſſenſchaften aus dieſer
Periode1) iſt leicht der Typus zu finden, wonach dieſelben gelehrt
wurden. Die Wiſſenſchaft war zu neu, zu ſehr blos aus der
Praxis hervorgegangen, und der ganze Betrieb der geſammten
Staatswiſſenſchaften zu ſchlaff, als daß man eine philoſophiſche
Anordnung des Gebietes der Kameralwiſſenſchaft damals ſchon er-
warten dürfte. Man ſtellte eben die drei Hauptzweige der nöthigen
Kenntniſſe für die Verwaltung, als etwas Gegebenes, zuſammen,
ohne ſchon auf die Gründe ihres wiſſenſchaftlichen Zuſammenhan-
ges einzugehen. Die Kameralwiſſenſchaften beſtanden daher 1) aus
den ökonomiſchen Wiſſenſchaften, d. h. den Lehren von den
Gewerben, von der Land- und Forſtwiſſenſchaft, vom Bergbaue
und von der Handlung. Dieſe erſchienen blos als Hilfswiſſenſchaften,
zum Theile weil ſie zur Verwaltung der Landgüter, Bergwerke,
Fabriken und Monopolien des Staats nöthig waren, und zum
Theile weil ihre Kenntniß wegen der Polizei und des Steuerweſens
vorausgeſetzt wurde. 2) Aus der Polizeiwiſſenſchaft, von de-
rem Inhalte man gar keine nähere Vorſtellung hatte, da es Jedem
als das bunteſte Allerlei erſchien1). An dieſer Verwirrung war
nicht blos Schuld die ungeheure Maſſe von polizeilichen Gegen-
ſtänden der ſcheinbar unzuſammenhängendſten und widerſprechendſten
Art, nämlich das Sicherheits-, Wohlfahrts-, Nahrungs-, Bil-
dungs- und Religionsweſens, ſondern auch der Umſtand, daß in
der Praxis ſelbſt, aus der man die wiſſenſchaftlichen Sätze ſchöpfte,
an ſich und wegen der abweichenden beſonderen Landesverhältniſſe
die verſchiedenſten Maximen befolgt wurden, zu deren Vereinigung
in einem Prinzipe man nicht tauglich war, da man es noch nicht
verſtand, hiſtoriſche und ſtatiſtiſche Thatſachen zum Behufe der
Abſtraktion von Grundſätzen und Regeln mit einander zu vergleichen.
[37] Die beſondern Schriften über den politiſchen Theil der Kameral-
wiſſenſchaften ſuchen daher entweder, vollgepfropft von antiquariſcher
Gelehrſamkeit, die Verwaltungsmaximen der Alten auf die prak-
tiſchen Verhältniſſe ſpäterer Zeit anzuwenden2), oder ſie ſind
am Grundſatze und deſſen conſequenter Durchführung mangelhaft3).
Beſonders dienten die Maximen als Richtſchnur, welchen der Her-
zog von Sully, Miniſter Heinrichs IV. von Frankreich4), wäh-
rend ſeiner Verwaltung, und Colbert, Finanzminiſter Ludwigs XIV.
zu ſeiner Zeit5) befolgt hatten, welches Lezteren Syſtem ſelbſt bis
auf den heutigen Tag der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft
noch hinderlich iſt. Da ſich aber der Natur der Sache nach das
Polizeiweſen mehr den Kammerſachen anſchloß (§. 24.) als an die
Rechtswiſſenſchaft, ſo ſetzte man dieſe jenen gegenüber, und nannte
jene zuſammen Adminiſtration, Adminiſtrativweſen, Ver-
waltung, obſchon dieſer Begriff an ſich weiter iſt. Die Polizei
in dieſem Sinne definirte man daher meiſtens nur negativ als
diejenigen Adminiſtrationsgeſchäften, welche nicht das Kammer-
oder Finanzweſen betrafen, und jede poſitive Definition mußte
nothwendigerweiſe mißlingen6). Endlich 3) aus der Kameral-
wiſſenſchaft im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Finanzwiſ-
ſenſchaft, unter welcher man die Lehre von der Erhebung und
Verwendung der fürſtlichen Einkünfte verſtand. Obſchon dieſer
noch älter war, als die eigentliche Polizeiwiſſenſchaft, ſo war ſie
doch von einer wiſſenſchaftlichen Ausbildung noch ganz fern, weil
ſie alle Mängel der kameraliſtiſchen Praxis in ſich hatte, immer
als eine mehr praktiſche Kunſt betrachtet wurde, und gerade die
Hauptſtützen ihrer Bildung, nämlich die Grundſätze von der Natur,
Entſtehung, Vermehrung und Verzehrung des Vermögens der Na-
tionen, als Collektivbegriffs der Bürger mit ihren Beſitzthümern,
fehlten7). Die bis zum lezten Dritttheile des 18ten Jahrhunderts
herrſchende Syſtematiſirung der Kameralwiſſenſchaft war ungefähr
folgende:
Es waren vier Hauptgründe, warum in der vorigen Periode
das Vorſchreiten der Kameralwiſſenſchaft verhindert wurde, näm-
lich 1) weil man eine zu beſchränkte Anſicht von den ökonomiſchen
Wiſſenſchaften hatte, in ſofern als man ſie blos als Einzelnheiten
von Einzelnen getrieben, nicht aber aus dem höheren Geſichtspunkte
der ganzen bürgerlichen Geſellſchaft betrachtet hatte; 2) weil man
die Geſchichte, Geographie und Völkerkunde noch nicht recht be-
nutzt hatte, um aus ihnen den allgemeinen Gang der Völkerent-
wickelung, das Verhältniß der Menſchen unter ſich, alſo zum
Verkehre und zur Natur, und die geiſtige Thätigkeit des Menſchen
in allem Thun nebſt ſeinen allgemeinen charakteriſtiſchen Eigen-
thümlichkeiten darzuſtellen; 3) weil man gar keinen klaren Blick
in das Geſammtgebiet der Polizei, und noch weniger über ihre
Fähigkeit zu ächt wiſſenſchaftlicher Bearbeitung Aufklärung hatte;
und 4) weil folglich das Prinzip nicht entdeckt war, das die bis-
herige Finanzkunſt verallgemeinern und zu einer wiſſenſchaftlichen
Erkenntniß bringen konnte.
Dieſe Uebelſtände wurden aber gegen das Ende des vorigen
Jahrhunderts gelöst, durch Männer, deren Rieſenkräfte wir nicht
[40] blos in dem Aufſchwunge des politiſchen und literariſchen Lebens,
ſondern auch noch an ihren jetzt noch lebenden, ſchon alt geworde-
nen, Schülern bewundern. A. Smith, ein Schotte, gründete eine
neue Wiſſenſchaft, die Theorie des Volksvermögens1), d. h. er
ſtellte die aus dem Verhältniſſe des Menſchen zur Natur und zu
ſeinen Mitmenſchen, ſo wie die aus ſorgfältiger Beobachtung der
Geſchichte, Geographie, Völkerkunde und pragmatiſchen Anthro-
pologie, abgeleiteten Grundſätze von der Natur, Entſtehung, Ver-
theilung und Verzehrung des einem Volke, als Collektivbegriff,
eigenthümlich zugehörenden Vermögens auf, und brachte mit ihnen,
als der Baſis, die Maximen im Einklang, wonach der Staat, als
Totalität, ſeine Bedürfniſſe befriedigen, den Volkswohlſtand er-
höhen und ſeine Einnahmen und Ausgaben verwalten ſolle. Dieſe
Wiſſenſchaft, welche über alle Zweige der Adminiſtration ein ſchon
längſt entbehrtes Licht verbreitete, betrachtet die bürgerlichen Er-
werbsarten nicht einzeln, als Erwerbsarten des Einzelnen, ſondern
in ihrem Zuſammenhange als Volksbetriebſamkeit, und zeigt,
welche derſelben und, im lezten Geſichtspunkte, wie ſie die verſchie-
denen Vermögenstheile hervorbringen und wie ſie ſich in Betreff
ihrer Wichtigkeit für den Volkswohlſtand zu einander verhalten.
Dieſe neue Wiſſenſchaft mußte man von zwei Seiten betrachten,
nämlich 1) von der rein und angewandt philoſophiſchen, als
eine Doktrin, die, geſtützt einerſeits auf Anthropologie und Natur-
wiſſenſchaften, anderſeits auf Geſchichte, Länder-, Völker- und
Gewerbskunde, die Menſchen in ihren praktiſchen Verhältniſſen
unter ſich als ſolchen zur Welt und zur Erde betrachtet; und
2) von der praktiſch politiſchen Seite, als unentbehrliche
Doktrin für die Staatsgeſetzgebung überhaupt, für die Polizei-
und Finanzverwaltung insbeſondere und zur Erklärung des allge-
meinen Völker- und Staatenverbandes.
Nach der Schrift von A. Smith erſchien eine von eben ſo
allgemeinem Intereſſe und eben ſo geeignet, ihr Zeitalter zu heben,
von Adam Ferguſon, dem berühmten Geſchichtsſchreiber1). Er
ſammelte darin die Reſultate des Studiums der Geſchichte der
Völker, der Geographie und Völkerkunde zu einem philoſophiſchen
Syſteme über den Gang der Bildung der Menſchheit und über die
Blüthe und den Verfall der Nationen. Nach einer philoſophiſchen
Unterſuchung über die lezten Triebfedern der Menſchenhandlungen,
über die geiſtigen und ſittlichen Kräfte des Menſchen, über Glück
und Volkswohlfahrt, ſpricht er vom Zuſtande der Völker vor und
unter dem Einfluſſe des Begriffs von Eigenthum, von dem Einfluſſe
der Oertlichkeit und des Clima's auf den politiſchen Zuſtand, die
Geſittung und die Sitten der Nationen, von der Bevölkerung und
dem Volksvermögen in ihrer Wechſelwirkung, von der bürgerlichen
Freiheit, von der Entwickelung der Gewerbe, Künſte und Wiſſen-
ſchaften, von der Theilung der gewerblichen und Kunſtbeſchäftigung,
von den Gewohnheiten civiliſirter Völker, und ſchließt ſein Werk
mit der Darſtellung des allmäligen Verfalls bis zur gänzlichen
Verſunkenheit der Nationen in allgemeiner Sittenloſigkeit und
Sklaverei. Es umfaßt ein weit größeres Feld als das Smith'ſche
Buch, da es alle, ſowohl die ſachlichen als die nicht ſachlichen,
Intereſſen der Menſchheit philoſophiſch auf dem Wege der Ge-
ſchichte unterſucht, während das Leztere blos das Volksvermögen
zum Gegenſtande hat. Im Grunde ſtellt es die Baſen dar, auf
welchen die Smith'ſche Theorie fußt, und hat eben ſo wie dieſe
eine philoſophiſche und politiſche Seite.
Aber auch die Deutſchen blieben in den wiſſenſchaftlichen Fort-
ſchritten nicht zurück, auch ſie gingen einen ſelbſtſtändigen Gang.
Zuerſt iſt hier A. L. v. Schlötzer1) zu erwähnen, der Vater der
jetzigen Staatswiſſenſchaft. Dieſer große Mann trat in die Fuß-
ſtapfen von Conring und Achenwall, und verband die Ideal-
politik der Platoniſchen und Ariſtoteliſchen Schulen mit der prak-
tiſchen Politik (Staatskunſt) der modernen abendländiſchen Zeit,
indem er jene idealen Prinzipien auf die praktiſchen Verhältniſſe
der neueren Zeit anwenden lehrte, und begründete ſo das Syſtem
der Staatswiſſenſchaften, in welchem die Staatenverhältniſſe noch
von einem weitern Geſichtspunkte als von jenem des politiſchen
Theiles der Kameralwiſſenſchaften dargeſtellt werden. Er erhob
eine auf ſchwachen Füßen ſtehende Kunſt zu einer auf Prinzipien
baſirten Wiſſenſchaft von der Einrichtung und Verwaltung des
Staatskörpers. Dazu war nicht blos nöthig, die Philoſophie und
Geſchichte um Rath zu fragen, ſondern es mußte auch auf den
gegenwärtigen allſeitigen Zuſtand des Staates beſſer als bisher
Rückſicht genommen werden. Es bildete daher v. Schlötzer nicht
blos eine ſtaatswiſſenſchaftliche, ſondern auch eine neue
ſtatiſtiſche Schule2), ſo daß mit ihm auch die Statiſtik zu einer
wiſſenſchaftlichen Theorie erhoben wurde. Auch hier nahm das
früher mehr Kunſtartige den Charakter der Wiſſenſchaft an.
Hat man an den drei bisher genannten Köpfen neben der phi-
loſophiſchen Wirkſamkeit zugleich auch eine hiſtoriſche und prak-
tiſch-politiſche wahrgenommen, ſo muß auch des Imanuel Kant
und J. G. v. Herder Erwähnung geſchehen. Wenn man auch
gänzlich von den großen Verdienſten der Kantiſchen Philoſophie
um alle Wiſſenſchaften in Betreff der logiſchen Schärfe und Klar-
heit abſehen will, wenn man den glücklichen Aufſchwung nicht
beachten will, den ſie in das ganze literariſche Leben ihrer Zeit
[43] gebracht hat, ſo iſt doch ſchon an ſich der ausgedehnte Aufſchluß
hier von der höchſten Wichtigkeit, welchen ſie über Staat, Recht,
Strafe, Vernunft und Moral gegeben hat. Allein das ganze
Kantiſche Syſtem war der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft
unentbehrlich1). In noch näherer Beziehung zu ihr ſtehen aber
von Herders Verdienſte um die Philoſophie der Geſchichte der
Menſchheit2); denn dieſe lehrt gerade, was im politiſchen Theile
der Kameralwiſſenſchaften und in der Politik ſelbſt ſehr ſchwer iſt,
das hiſtoriſche Einzelne auf ein allgemeines Prinzip zurückzuführen,
und ſelbſt wenn ſie auch über Vieles keine reellen Aufſchlüſſe ge-
geben hätte, was jenen wichtig iſt, ſo mußte ſie wenigſtens die
Art klarer machen, wie man ſo umfaſſende Fragen zu behandeln hat.
Unter dieſem fünffachen Einfluſſe gedieh nun die Kameral-
wiſſenſchaft, da ſie gerade erhielt, was ihr gemangelt hatte (§. 30).
Insbeſondere ſah man ſogleich, daß die Theorie des Volksver-
mögens ein integrirender Theil derſelben ſein mußte. Aber darüber
entſtanden Schwierigkeiten, in wieferne und welchen Platz ſie im
kameraliſtiſchen Syſteme einnehmen ſollte. Denn mit der Polizei-
wiſſenſchaft ſtand ſie nur halb in logiſchem Zuſammenhange, weil
es dieſe auch mit dem Bildungsweſen, der Religion, Geſundheit
und Sicherheit zu thun hatte, wovon jene nichts enthielt. Mit
der Finanzwiſſenſchaft war ſie auch ſchwer zu verbinden, zum
Theile weil ihr Ineinandergreifen auch nur theilweiſe war, zum
Theile weil ſie ſich oft geradezu widerſprachen und zum Theile weil
ſie ſchon in der Lehre von der Verzehrung des Volksvermögens
einen weſentlichen Theil der Lezteren abhandelte. Ueberhaupt war
in ihr das Philoſophiſche mit dem theoretiſch und praktiſch Poli-
tiſchen noch ſo vermengt, daß man nicht wußte, welche Seite als
die wichtigſte herauszuheben ſei3), obſchon man einſah, daß ſie
mit den ökonomiſchen Wiſſenſchaften nichts gemein hatte4). Jedoch
die Schlötzer'ſche Staatswiſſenſchaft war in dieſen Zweifeln ent-
ſcheidend, indem ſie blos die Sicherheitspolizei für die Polizei
erklärte, und ihr die Pflege der Volkswirthſchaft und Volksbildung
gegenüber ſtellte. Leztere fiel an ſich außer das Gebiet der Kameral-
wiſſenſchaft; die Polizei, der Juſtiz gegenüber, hätte in ihr nur
nach dem verkehrten Prinzipe Platz finden können, daß man Wohl-
ſtand und Bildung befördere, um die Sicherheit zu erhalten5).
Daher fiel nur die Pflege der Volkswirthſchaft der Kameralwiſſen-
ſchaft anheim, während die Statiſtik eine Hilfswiſſenſchaft
ſowohl der Lezteren als der Staatswiſſenſchaft wurde. Die
Kameralwiſſenſchaft beſtand alſo fortan aus den ökonomiſchen Wiſ-
ſenſchaften, der Theorie des Volksvermögens nebſt ihren praktiſchen
[44] Lehren für die Pflege der Volkswirthſchaft und aus der Finanz-
wiſſenſchaft, in welche man denjenigen Abſchnitt der Theorie des
Volksvermögens aufnahm, der von der öffentlichen oder Staats-
konſumtion handelte.
Ueber den Inbegriff der Kameralwiſſenſchaft war man ſo weit
übereinkommend klar geworden. Auch haben ſich die Schriftſteller
[45] dieſer Periode1), um die formelle Ausbildung der Kameralwiſſen-
ſchaft viele Verdienſte erworben. Weniger mit der Syſtematiſirung,
als mit der Darſtellung der Encyclopädie der Kameralwiſſenſchaft
haben ſich Schmalz, Walther und Sturm beſchäftigt. Den-
noch aber verdienen die Syſteme des Erſten und Lezten einer Er-
wähnung. Mit der Syſtematiſirung aber beſchäftigten ſich Völ-
linger, Seeger, Weber, Fulda, v. Buqnoy, Obern-
dorfer, Gejer, der Ungenannte, Rau und Butte. Wenig-
ſtens ſind gerade dieſe die wichtigſten Syſtematiker. Schmalz2)
drang aber in die feineren logiſchen Beziehungen der einzelnen
Theile der Kameralwiſſenſchaft gar nicht ein, ſondern ſtellte ſie
nur als gegebene Hauptmaterien zuſammen. Völlinger und
Seeger haben beſonders das Verdienſt, entdeckt zu haben, daß
die Kameralwiſſenſchaft ihrem Grundcharakter nach nichts anders
als die Wirthſchaft überhaupt und in ihren beſonderen Bezie-
hungen zum Gegenſtande habe, und führten daher den Namen
Wirthſchaftslehre für ſie ein, was für die Anordnung ihre
Theile von großem Einfluſſe war. Der Leztere insbeſondere hat
auch dem Erwerbe durch perſönliche Dienſte im Syſteme einen
Platz gegeben und die Lehre von dem Kunſtbetriebe der Gewerbe als
ſpekulativen Theil angedeutet. Jener zieht aber noch das weite
Gebiet der Polizei hinein. Sturm3) zieht gegen die Fortſchritte
der Einſicht über den Inhalt der Kameralwiſſenſchaft ſeiner Zeit
(§. 34.) in ihr Gebiet noch die Geſundheits-, Medizinal-, Cultur-,
Religions- und Sicherheitspolizei, leztere aber ſehr unvollſtändig,
hinein, weil er die Erhaltung der öffentlichen oder Sicherheit des
Staates gar nicht erwähnt; er führt unter der ökonomiſchen Wiſ-
ſenſchaft den Erwerb durch perſönliche Dienſte und durch Verleihen
von Capital nicht an und kennt die innere Beziehung der Polizei
zur Theorie des Volksvermögens und Finanzwiſſenſchaft nicht.
Weber4) erkennt zwar den Unterſchied zwiſchen der Privat- und
öffentlichen Oeconomie. Allein ihm entging der natürliche Unter-
ſchied der Gewerbsarten, und die richtige Anſicht von Wirth-
ſchaft bei der Beſtimmung des Gebiets der Staatsökonomie, indem
auch er, wie Sturm, das ganze Gebiet der Polizei in ſie hinein-
zieht, aber doch die öffentliche Sicherheitspolizei nicht vergißt.
Fulda5) findet den natürlichen Unterſchied der Gewerbe, obſchon
er das mit dem Handel verwandte Geſchäft des Kapitaliſten von
jenem noch nicht zu trennen weiß. Aber auch ihm entgeht, obſchon
er den Begriff von Wirthſchaft ſtreng, nicht wie Weber und
Sturm, durchführt, das Prinzip zur logiſchen Trennung der
politiſchen Theile der Kameralwiſſenſchaften. Es haben aber
[46] v. Buqnoy6) und Oberndorfer7) eine gänzlich falſche Anſicht
von dem Weſen der Kameralwiſſenſchaft, weil ſie dieſelbe für
gleichbedeutend mit der Wiſſenſchaft des Volksvermögens, oder der
Nationalwirthſchaftslehre halten, und dem gemäß alle Gewerbs-
wiſſenſchaften als weſentliche Theile der Lezteren anſehen8).
Gejer9) hat das Verdienſt, die allgemeinen Sätze der Wirthſchaft
überhaupt aus den beſondern Wirthſchaftslehren abſtrahirt, ferner
das eigentlich Techniſche bei allen Gewerbsbetrieben vom Haus-
wirthſchaftlichen getrennt, und die Theorie der Praxis gegenüber
geſtellt zu haben. Allein er hat in ſoferne einen bedeutenden Rück-
ſchritt gethan, als er die Gebiete der Privatwirthſchaft und der
Volkswirthſchaft in der Wiſſenſchaft gänzlich untereinander warf,
und ſo in den Fehler Buqnoy's und Oberndorfers verfiel.
Der Ungenannte10), ein Mann von ſeltenem Scharfſinne und
feſter Conſequenz, hob den Unterſchied der allgemeinen und beſon-
dern Wirthſchaftslehre ſchärfer hervor; allein er vermengte, blos
an der Objektivität als Theilungsgrund hängend, die Gebiete der
natürlichen Produktion und der techniſchen, indem er auch den
Bergbau zur Technologie nahm. Er hat ferner den Unterſchied
zwiſchen der wilden und zahmen Thier- und Pflanzenzucht hervor-
gehoben; aber er ſpricht der öffentlichen Wirthſchaft ganz den
Charakter als Wirthſchaft ab, und rechnet in die Leztere blos die
Privaterwerbszweige, Land- und Forſtwirthſchaft, Viehzucht und
Jagd, techniſche Gewerbe und Handel, ohne des Erwerbs durch
perſönliche Dienſte und Capital zu gedenken. Butte11), auch
hierin eigenthümlich, weicht ganz von der hiſtoriſchen Bildung der
Kameralwiſſenſchaft ab, indem er die Finanzwiſſenſchaft als
Staatswiſſenſchaft ganz von ihr ausſchließt, und in die
Landeswiſſenſchaft (Kameralwiſſenſchaft) die Geographie,
die Gewerbswiſſenſchaften, die Theorie des Volksvermögens und
der Volkswirthſchaftspflege, und die Polizei nimmt.
Für einen ſolchen Stand des kameraliſtiſchen Syſtemes be-
durfte es der Klarheit, Umſicht, Pünktlichkeit und des Fleißes
eines Rau, um unter Benutzung des bisher Erdachten und mit
eigener Sichtung ein Syſtem aufzuſtellen, das die ächte Wiſſen-
ſchaftlichkeit der Kameralwiſſenſchaft ins ſchönſte Licht ſtellen mußte.
Rau gab der allgemeinen Wirthſchaftslehre ihren Inhalt, und
unterſchied in der beſondern Wirthſchaftslehre die bürgerliche
(Privat-) von der öffentlichen Wirthſchaftslehre (politiſchen
Oekonomie). Er zog die ariſtoteliſche, auch ſchon von Geier be-
nutzte, Unterſcheidung der gewerblichen Thätigkeit (nämlich Er-
werben und Haushalten) herbei, theilte die bürgerliche Wirth-
ſchaftslehre in Erwerbslehre und Hauswirthſchaftslehre,
und ließ jene zerfallen in die Lehre vom Erwerbe aus Stoff-
arbeiten, aus dem Güterverkehre, durch perſönliche
Dienſte. Der Erwerb aus Stoffarbeiten geſchieht nach ihm
durch Gewinnung roher Produkte aus der Natur (Erdarbeit),
und durch Veredlung der rohen Produkte (Gewerksarbeit),
[51] der Erwerb aus dem Güterverkehre aber durch den Handel und
das Ausleihen von Vermögen gegen Renten. Die öffentliche
Wirthſchaftslehre theilt er in die reine Volkswirthſchafts-
lehre und in die angewandte. Jene iſt die eigentliche Theorie
des Volksvermögens; dieſe aber zerfällt ihm in die Lehre von der
Volkswirthſchaftspflege und in die Finanzwiſſenſchaft.
Seine Verdienſte ſind bleibend. Denn er erhob den Begriff der
allgemeinen Wirthſchaftslehre zur Wirklichkeit, ſtellte den Unter-
ſchied zwiſchen Erwerb und Hauswirthſchaft wirklich dar, bezeich-
nete den Unterſchied der bürgerlichen Gewerbe genauer, trennte
die Begriffe von Gewerbe und Gewerk, und führte die Trennung
der theoretiſchen und praktiſchen Lehren der Nationalökonomie in
der Volkswirthſchaftslehre und Volkswirthſchaftspflege unübertrof-
fen aus, ganz abgeſehen davon, daß wir ihm die wiſſenſchaftliche
Anordnung der einzelnen Theile der Materie dieſer zwei Wiſſen-
ſchaften eigentlich verdanken, und die Einführung der neueren aus-
ländiſchen Literatur ſo wie manchfache Erläuterungen und Erwei-
terungen ſchuldig ſind. Kann man aber auch nicht in das verwer-
fende Urtheil Anderer1) über dieſes Syſtem einſtimmen, ſo bleiben
doch der Kritik noch manche Verbeſſerungen deſſelben überlaſſen.
Daſſelbe hat folgende Mängel: 1) Daſſelbe iſt auch mit der Ein-
ſeitigkeit der neueſten Theorie behaftet, welche nur die Thätigkeit
für körperliche Gegenſtände als das eigentliche Objekt der Wirth-
ſchaft anſieht und in die Kameralwiſſenſchaft aufnimmt2);
2) daſſelbe wirft die Unterſcheidung der Erwerbs- und Hauswirth-
ſchaftslehre mit Unrecht in den beſonderen Theil; denn der Begriff
der Hauswirthſchaft iſt ein allgemeiner und kommt ſo in jeder
Wirthſchaft wieder vor; der Erwerb geſchieht in jeder Wirthſchaft
nach gewiſſen allgemeinen Regeln, welche zuſammengefaßt den Ge-
genſtand der Erwerbslehre im allgemeinen Theile machen; beide
treten aber in beſonderer Geſtalt bei jedem Wirthſchaftsbetriebe in
ſoferne auf, als die allgemeine Erwerbslehre dort in die Regeln
von den beſondern Erwerbsarbeiten im Einzelnen, und die Haus-
wirthſchaftslehre in jenen von dem gewerblichen Einrichten und
Zuſammenhalten der Wirthſchaft wieder auftritt. Rau nennt dieſe
zwei Leztern Kunſtlehre und Gewerbslehre3). 3) Daſſelbe
ſchließt den Handel und das Rentgeſchäft von den Stoffarbeiten
mit Unrecht aus, denn, wenn ſie auch nicht Sachliches produziren
oder auch nicht den Zweck der Veredelung haben, ſo beſchäftigen
ſie ſich doch ausſchließlich mit Stoffen und haben es mit der Er-
haltung und Aufbewahrung derſelben zu thun, neben welchen
weſentlichen Stoffarbeiten ſie als das Charakteriſtiſche die Ver-
[52] ſendung und den Uebertrag haben. Dieſe Arbeiten ſind aber nicht
etwa techniſche, in Bezug auf welche der Handelsmann oder Rent-
ner ein Techniker, aber nicht mehr der Erſtere iſt, ſondern ſie ſind
ein weſentlicher Beſtandtheil der ganzen Wirthſchaft, und ſo am
beſten im Speditionsgeſchäfte, beim Leihgeſchäfte mit Meublen
u. dgl. erkennbar4). 4) Daſſelbe führt das Sammeln wildwach-
ſender Pflanzen, das Fangen wilder Thiere und das Leſen ihrer
einzelnen brauchbaren Theile, als beſondere Wirthſchaften mit
Unrecht auf. Sie können zwar die beſondere wirthſchaftliche Be-
ſchäftigung einzelner Menſchen, Bürgersklaſſen und Volksſtämme
ſein und ſind es auch. Allein deshalb verdienen ſie eben ſo wenig
eine Stelle als beſondere Wirthſchaft im Syſteme, als die vielen
einzelnen Handelsgeſchäfte, einzelnen Zweige der Viehzucht u. dgl.,
die ausſchließlich betrieben vorkommen. Entweder iſt ihre Verein-
zelung Folge der geringen Civiliſation wie bei den Jäger- und
Hirtenvölkern, oder Folge der Arbeitstheilung in civiliſirten
Nationen. In beiden Beziehungen ſind ſie nationalökonomiſch wichtig,
aber darum noch kein beſonderer techniſcher oder wirthſchaftlicher
Zweig5). Das Sammeln wildwachſender Pflanzen findet ſeinen
natürlichen Platz in der Lehre von der Ernte, und das Fangen
wilder Thiere in der Lehre von der Jagd und Fiſcherei. 5) End-
lich ſtellt es die Finanzwiſſenſchaft als einen Theil der angewandten
Volkswirthſchaftslehre auf, was ſie keineswegs ſein kann6).
Der Menſch iſt ein körperlich geiſtiges Weſen und ſteht durch
erſtere Eigenſchaft mit der Sinnenwelt in Verbindung und unter
ihren Geſetzen. Er iſt von ihr abhängig, in ſoferne er von ihr die
körperlichen Mittel zur Erreichung ſeiner Zwecke erlangen muß.
Er iſt aber auch kraft ſeiner Vernunft und ſeines Geiſtes Herr
über ſie und ſie nimmt von ihm Einwirkungen an. So einerſeits
im Verhältniſſe mit der Sinnenwelt wird er durch das in ihm
lebende Prinzip der Selbſterhaltung und der Liebe und des Haſſes
zur Geſelligkeit gebracht. Der geſellſchaftliche Verband der Men-
ſchen geht nur aus dieſen Gründen hervor, und wird durch das
Prinzip des Eigennutzes und des Gemeinſinnes erhalten1). Hängt
derſelbe im Naturzuſtande2) von der Natur und von ſeiner Kraft
und Einſicht, ſie zu benutzen und ihr zu widerſtehen, ab, ſo kommt
im Stande der Civiliſation zu dieſer Abhängigkeit noch jene vom
Menſchenverbande durch Leiſtungen, d. h. vom Verkehre. Dieſe
doppelte Abhängigkeit iſt begründet, ſubjektiv durch ſeine wahren
Bedürfniſſe und ſeinen Hang zum Wohlleben, objektiv durch eine
Menge von Dingen und Verhältniſſen verſchiedener Art, welche
nach ſeinem Anerkenntniſſe im Stande ſind, ihm entweder unmit-
telbar oder mittelbar jene ſubjektiven Gründe ſeiner Abhängig-
keit von Natur und Verkehr zu heben. Dieſe Dinge und Verhält-
niſſe verſchiedener Art, zur Befriedigung ſeiner Bedürfniſſe und
zur Erhöhung ſeines Lebensgenuſſes dienlich, nennt man Güter3).
Dieſe Güter liegen entweder im Menſchen von Natur und
werden in ihm erzeugt, dann nennt man ſie innere Güter; oder
ſie liegen außer ihm und werden außer ihm erzeugt, dann heißen
ſie äußere Güter. Dieſe Lezteren, ſind wieder entweder materi-
elle (ſachliche) Güter, d. h. körperliche phyſiſche Gegenſtände als
Güter, oder immaterielle (körperloſe), d. h. äußere Güter
ohne körperliche Natur1). Weder die inneren noch die körperloſen
äußeren Güter können ſachliche Güter werden. Aber ſie können
auf die Vermehrung der ſachlichen Güter wirken, ihre Brauch-
barkeit erhöhen, und in ſoferne in die ſachlichen Güter uneigent-
lich übergehen. Jedoch die inneren Güter des einen Menſchen
können für den anderen äußere körperloſe werden, wenn jener die-
ſem Dienſte leiſtet. Mit dieſen Dienſten aber und mit ſachlichen
Gütern kann man ſich auch körperloſe äußere Güter verſchaffen
und ſeine inneren Güter erhöhen. Dieſe Wechſelwirkung wird klar
durch die nähere Bezeichnung der Güter ſelbſt. Innere Güter
ſind die Vernunft, die innere Freiheit, die Religion, die morali-
[55] ſchen, intellektuellen und die Kunſtanlagen, die Tugend, die
Kenntniſſe, die Geſchicklichkeiten (geiſtig und körperlich) und die
Fertigkeiten (körperlich) des Menſchen.Sachliche Güter ſind
alle rohen und veredelten Erzeugniſſe der Natur, welche den inneren
Gütern des Menſchen zu ſeinen Zwecken unterworfen ſind, alſo
auch des Menſchen eigener Körper2). Körperloſe äußere Güter
ſind alle Verhältniſſe und Umſtände, welche als Erzeugniſſe des
Menſchenverkehres für die Förderung ſeiner manchfachen Zwecke
tauglich ſind3). Es gehören hierher a) die äußeren und inneren
Verhältniſſe des Staates und im Staate, nämlich die Erhaltung
des Beſtandes und die Beförderung des Rechts, des Güterweſens
in obigem Umfange zur materiellen und immateriellen Verbeſſerung
des Menſchenlebens, und der öffentlichen und Privatſicherheit;
b) die Verhältniſſe des Familienlebens, nämlich der Liebe, der
Ehe, der Vater- und Mutterſchaft, und der Vormundſchaft, ſo
wie das Verhältniß des Herrn zu dem Geſinde; c) die Verhältniſſe
geſellſchaftlicher Vereinigungen im Staate, nämlich jene der Freundſchaft, der
Wohlthätigkeit, des Vergnügens, des Erwerbs,
der Wiſſenſchaft, der Kunſt und Sittlichkeit; d) das Vorhanden-
ſein und die Nutzerlaubniß von Anſtalten des Staats, der Einzel-
nen, der Geſellſchaften, Gemeinden und Corporationen für die
verſchiedenſten Zwecke der Menſchheit; e) und endlich die gegen-
ſeitigen Leiſtungen im Verkehre durch Dienſte4).
Die Mitwirkung der Güter zur Erreichung der Zwecke des
Menſchen hängt an ſich von ihrer Tauglichkeit ab. Der Grad der
Tauglichkeit eines Gutes für menſchliche Zwecke iſt ſein Werth,
der mit dieſer Tauglichkeit im Vergleiche mit anderen Gütern und
mit der Wichtigkeit des Zweckes ſteigt und fällt. Dieſer Werth
in Verbindung mit der Thätigkeit des Menſchen zur Anwendung
des Gutes gibt die Nutzung, welche eine mittelbare iſt, wenn
wenn das Gut die Mittel zur Befriedigung von Bedürfniſſen und
zur Erhöhung des Lebensgenuſſes gibt, dagegen eine unmittel-
bare, wenn das Gut ſelbſt dieſe Zwecke befördert. Die mittelbare
Nutzung findet Statt, wenn demſelben neue nutzbare Dinge abge-
wonnen werden oder wenn man daſſelbe gegen brauchbare Dinge
abtritt1). Jene ſind Güter, von Gebrauchswerth, dieſe aber
von Tauſchwerth. Die Summe von Gütern von Gebrauchs-
und Tauſchwerth, welche man ausſchließlich beſitzt, bildet das
Vermögen2). Die Thätigkeit des Menſchen zur Beiſchaffung,
Erhaltung und Verwendung des Vermögens heißt man Wirth-
ſchaft3). Dieſe iſt alſo nur möglich mit Gütern, welche einen
Gebrauchs- und Tauſchwerth haben, mit allen anderen aber nicht,
welche ſo und in ſolcher Menge vorhanden ſind, daß ſie gar nicht
ausſchließlich von einer Perſon beſeſſen werden können und zu ſein
brauchen, weil ſie jeder freie Menſch genießt, oder ohne Mühe
von der Natur empfängt4). Die ſyſtematiſche Darſtellung der
Grundſätze und Regeln von der Wirthſchaft iſt die Wirthſchafts-
lehre oder Kameralwiſſenſchaft5).
Weder eine reine Anordnung nach den Objekten der Wirth-
ſchaft, wie ſchon verſucht wurde.1), noch eine ſolche nach den
Subjekten derſelben kann ein genügendes Syſtem geben, gerade
weil der Gegenſtand der Wiſſenſchaft ſo eminent praktiſch iſt.
Beide Rückſichten müſſen die Theilungsprinzipien geben. Die
Wirthſchaftslehre ſichtet bei den Wirthſchaften das Spezielle einer
[59] jeden Eigenthümliche von demjenigen, was ſie gemein haben.
Manche Wirthſchaftsregeln ſind auf jede Wirthſchaftsart anwend-
bar, und ihre Kenntniſſe für jeden verſtändigen Betrieb nöthig,
da ſie ganz einfach und aus den allgemeinen Natur- und Verkehrs-
verhältniſſen der Menſchen entnommen ſind. Es trägt daher:
I. Der allgemeine Theil der Wirthſchaftslehre die allge-
mein giltigen Grundſätze von dem Erwerbe, der Erhaltung und
Verwendung des Vermögens vor. Da aber die zwei lezten Kate-
gorien ſo verwandt ſind, daß ſie die Sprache mit Hauswirth-
ſchaft bezeichnet, ſo theilt ſich dieſer allgemeine Theil ein in:
1) die Erwerbslehre, welche die allgemeinen Gründe und
Mittel des Erwerbes oder der Herbeiſchaffung der wirthſchaftlichen
Güter darſtellt; und 2) die Hauswirthſchaftslehre, welche
die Mittel zur Sicherung der Güter gegen die Zerſtörung oder
Verſchlechterung und die Grundſätze und Regeln von der wirth-
ſchaftlichen Einrichtung der Verwendung der Güter, und zwar dies
Alles blos mit Bezug auf das bei jeder Wirthſchaft vorkommende
Hausweſen, nicht aber mit Rückſicht auf jeden beſonderen objektiv
und ſubjektiv eigenthümlichen Erwerbszweig, darſtellt2). Es
läßt ſich:
II. Der beſondere Theil der Wirthſchaftslehre, welcher die
Grundſätze und Regeln der verſchiedenen Arten von Wirthſchaften
lehren muß, am beſten ſogleich nach den Subjekten eintheilen.
Man unterſcheidet die wirthſchaftlichen Thätigkeiten der Einzelnen,
Stiftungen, Corporationen, Geſellſchaften und Gemeinden von je-
nen des Staates und Volkes als Totalität betrachtet. Jene
Einzelwirthſchaften der Privaten, Stiftungen und Geſell-
ſchaften ſind ſowohl in Bezug auf die Betriebsart, die Ausdehnung
und die Gegenſtände übereinſtimmend, aber auch zugleich verſchie-
den von jener der Gemeindewirthſchaft, und jenen der
Staats- und Volkswirthſchaft3). Man erhält daher füglich
drei Theile der beſonderen Wirthſchaftslehre, die bürgerliche,
die Gemeinde- und die öffentliche Wirthſchaftslehre.
Es ſtellt A. die bürgerliche Wirthſchaftslehre (Privat
W.) die Grundſätze und Regeln der Einzelwirthſchaften dar. Bei
jedem bürgerlichen Gewerbe läßt ſich die Lehre von den einzelnen
Gewerbsgegenſtänden und Gewerbsgeſchäften trennen von der Lehre
von der Einrichtung, von der Zuſammenhaltung und von der Leitung
des ganzen Geſchäftes. Den erſten Theil kann man die Gewerbs-
lehre, den zweiten die Betriebslehre nennen1). Die verſchie-
denen Erwerbsarten ſcheiden ſich nach der Art der Beſchäftigung,
und nach den Objekten weiter ab. Man erwirbt durch körperliche
und örtliche Veränderungen von Stoffen (Stoffgewerbe,
Stoffarbeit) oder durch perſönliche Dienſte (Dienſtgewerbe).
Es lehrt 1) die Stoffgewerbslehre, a) wie man die rohen
Gegenſtände der Natur abgewinnt (die Urgewerbe, Urproduktion,
Erdarbeit)2); b) wie man dieſe rohen Produkte durch mechaniſche
und chemiſche Veränderung veredelt (die Kunſtgewerbe,
Technik, Gewerksarbeit)3); c) wie man die nicht zur eigenen
Verzehrung und Verwendung errungenen Güter gegen Vergütungen
an andere abtritt (die Umſatzgewerbe, Tauſchgeſchäfte)4).
Es lehrt aber 2) die Dienſtgewerbslehre, wie viele Arten von
perſönlichen Dienſten es gibt, und wie die Dienſtgewerbe zu be-
treiben ſind5).
Die früher üblich geweſene Eintheilung der bürgerlichen
Wirthſchaftslehre in die Lehre von der Stadt- und Landwirthſchaft
iſt jetzt ganz ohne Bedeutung, da in der Wirklichkeit ein ſolcher
Unterſchied nicht mehr exiſtirt. Die ſpäteren Verſuche einer Ein-
theilung nach den Objekten aus den drei Naturreichen ſind ganz
unbrauchbar, weil ſie die einzelnen Gewerbsarten mehr oder we-
niger durcheinander werfen1). Es handelt aber a) die Urge-
werbslehre von der Gewinnung roher Erzeugniſſe, ohne vorheriges
Einwirken auf die Entſtehung (Bergbaulehre) oder mit Ein-
wirkung auf dieſelbe (Landwirthſchaftslehre). Die Land-
wirthſchaftslehre lehrt die Feld-, Garten- und Wald- (Forſt-)
Wirthſchaft2). Die mit ihr in Verbindung ſtehende Thierzucht
iſt Zahmthierzucht oder das Waidwerk (Wildthierzucht),
jene gehört zur Feld- und Gartenwirthſchaft, dieſes zur Forſt-
wirthſchaft3). Es handelt b) die Kunſtgewerbslehre oder
Technologie von der Veredelung der Rohſtoffe zur Erhöhung
ihrer Brauchbarkeit. Die Anordnung dieſes wegen ſeiner Uner-
meßlichkeit und fortwährenden Vergrößerung noch nicht völlig
geordneten Stoffes geſchieht am beſten nach den verarbeiteten
Stoffen4). Die beiden anderen Theilungsgründe, nämlich die
Zwecke der Erzeugniſſe, und die Art der Verarbeitung (chemiſch
oder mechaniſch) ſind ſehr unbrauchbar5). Da die Stoffe ent-
[62] weder Einem der drei Naturreiche, oder Zweien derſelben, oder
allen Dreien angehören, ſo findet aus natürlichen Gründen ſowohl
das Hüttenweſen als die Baukunſt, deren Einreihung früher viel
Schwierigkeit machte, ihren Platz in der Technologie6). Endlich
handelt c) die Lehre von den Umſatzgewerben von dem Ge-
werbe, das durch An- und Verkauf des Eigenthums an Gegen-
ſtänden dem Wirthe Gewinn geben ſoll (Handel) oder von jenem,
welches blos durch periodiſche Abtretung des Nutzungsrechts an
wirthſchaftlichen Gütern gegen eine Vergütung erwirbt (Leih-
gewerbe).
B. Die Gemeindewirthſchaftslehre lehrt die Grund-
ſätze und Regeln, wonach das Gemeindevermögen auf die zweck-
mäßigſte Weiſe verwaltet, und das Gemeindeeinkommen gerechter
Weiſe und mit der geringſten Gefährdung der Vermögensquellen
der Bürger erhoben, — und die Maximen, wie dieſe Erhebung,
die Bereithaltung des Einkommens zur Verwendung, die Controle
und Rechtfertigung derſelben einzurichten ſei1). Dieſelbe ſteht
nicht durchaus unter den nämlichen Regeln wie die Finanzwiſſen-
ſchaft, ſie hat, obſchon ſie in den allgemeinen Maximen mit ihr
übereinſtimmt, vielmehr viel Eigenthümliches. Schon im Allge-
meinen iſt der Maaßſtab der Staaten zur Einrichtung der Ge-
meindewirthſchaft zu groß, ganz abgeſehen von der eigenthümlichen
Frage über das Gemeindevermögen, über die Umlage und Erhe-
bung der Gemeindeſteuern, über den Gemeindekredit, über die
Rechnungsführung, die Controle und die Organiſirung des Kaſſen-
weſens, und der Wirthſchaftsbeamten. Sie beruht eines Theiles
auf den allgemeinen Sätzen der Volkswirthſchaftslehre, und andern
Theiles auf vielerlei praktiſchen Verhältniſſen und Erfahrungen.
Sie zerfällt aber in die Wirthſchaftslehre und in die Ver-
waltungslehre, wovon jene der theoretiſche, dieſer der praktiſche
Theil iſt, wie die Finanzwiſſenſchaft.
C. Die öffentliche Wirthſchaftslehre1) kann nur zwei
Objekte haben, nämlich die Volkswirthſchaft und die Staats-
wirthſchaft. Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalökono-
mie) zerfällt in einen theoretiſchen und in einen praktiſchen Theil,
welcher leztere auch die Lehre von der Volkswirthſchafts-
pflege (Gewerbspolizei, Wohlſtandsſorge)2) genannt wird. Die
Staatswirthſchaftslehre3) (Finanzwiſſenſchaft) hat auch
einen theoretiſchen Theil (Finanzwiſſenſchaft im engeren Sinne)
und einen praktiſchen Theil (Finanzverwaltungslehre). Jener
lehrt, wie das Staatseinkommen auf eine die Bürgerrechte und
den Wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe erhoben werden
kann. Der zweite aber lehrt die Maximen über die beſte Art der
Einrichtung jener Erhebung, der Bereithaltung des Staatseinkom-
mens, der Controle und der Rechtfertigung, wie ſie in die Finanz-
wirthſchaft gehört4).
Erwerben heißt mit Hilfe von Aufopferungen für ſich oder für
Andere Einnahmen bewirken1). Gewerbe aber iſt die fortgeſetzte
Thätigkeit auf eine beſtimmte anhaltend gewählte Erwerbsart.
Daſſelbe iſt verſchieden vom Gewerke, worunter man dasjenige
Gewerbe verſteht, welches die veredelnde Umgeſtaltung der Roh-
ſtoffe zum Zwecke hat. Der Erwerb hat auch den Zweck der
Wirthſchaft, nämlich Befriedigung der Bedürfniſſe und Erhöhung
des Lebensgenuſſes. Die Erwerbslehre muß alſo Unterſuchungen
enthalten über die wirthſchaftlichen Bedürfniſſe, über die Erwerbs-
mittel, und über die Arten des Erwerbes im Allgemeinen2).
Die Abhängigkeit des Menſchen von Natur und Verkehr (§. 37.)
zeigt ſich bei ihm durch Wünſchen und Begehren, durch Fürchten
[67] und Fliehen. Dieſen Affekten und Affektsäußerungen liegt beim
Thiere der Inſtinkt, beim Menſchen aber das Bewußtſein zu
Grunde. Sie haben aber ihren objektiven Entſtehungsgrund in
obigem Verhältniſſe des Menſchen zu Natur und Verkehr, welches
als ein Zuſtand der Abhängigkeit von Gütern aller Art bezeichnet
werden kann, die ihm Dienſte leiſten müſſen, wenn er nicht in
Nachtheile von verſchiedenen Graden der Empfindlichkeit gerathen
ſoll. Dieſer Zuſtand wird Bedürfniß1) genannt. Objektiv ge-
nommen bezeichnet man aber damit auch die Güter, welche ihn
aus jenem zu reißen im Stande ſind, d. h. ſeine Bedürfniſſe in
jenem ſubjektiven Sinne genommen zu befriedigen vermögen.
Kommt der Menſch nicht in den Beſitz und zum Gebrauche der-
ſelben, dann tritt die Entbehrung ein, deren Grad von der
Wichtigkeit derſelben für beſtimmte Zwecke und von der Wichtigkeit
dieſer Zwecke ſelbſt abhängt, und den Grad des Bedürfniſſes
anzeigt.
In Bezug auf die Entſtehungsgründe ſind die Bedürfniſſe ent-
weder Natur- oder Verkehrsbedürfniſſe; in Bezug auf die
Güter ſelbſt aber kann man ſie auch in wirthſchaftliche und
außerwirthſchaftliche eintheilen1). Die Naturbedürfniſſe
entſpringen nicht blos aus der Natur als Gegenſatz des Menſchen,
ſondern auch aus der Natur des Menſchen ſelbſt, und wechſeln
alſo nicht nur in jedem Menſchen nach ſeiner Natur, ſondern auch
nach den Zuſtänden, in welchen ſich ſeine Natur periodiſch be-
findet. Unter dieſen Bedürfniſſen laſſen ſich alſo unterſcheiden:
a) die allgemeinen Naturbedürfniſſe, welche nämlich aus
den durchgehenden Verhältniſſen der Menſchheit zur Natur hervor-
gehen und bei allen Menſchen zu allen Zeiten gefunden werden2),
und b) die beſonderen Naturbedürfniſſe, welche nämlich den
einzelnen Menſchen, Menſchenraſſen und den Bewohnern beſtimmter
Zonen, Länder und Gegenden in ihren manchfachen Zuſtänden ei-
genthümlich ſind3).
Unter den Verkehrsbedürfniſſen ſind nicht jene objektiven
Bedürfniſſe zu verſtehen, womit der Verkehr den Menſchen ver-
ſteht; denn in dieſem Sinne gehören auch Naturbedürfniſſe, z. B.
Nahrung und Kleidung, dazu. Sie ſind vielmehr diejenigen Be-
dürfniſſe, in welche der Menſch durch das Verkehrsleben geſetzt
wird. Sie ſind außerordentlich verſchiedener Art, und können
nach den Rangſtufen geordnet werden, welche die Bürger und ihre
geſellſchaftliche Vereinungen im Verkehre einnehmen. Objektiv iſt
aber darunter alles dasjenige zu rechnen, ohne was eine Bürger-
klaſſe und eine geſellſchaftliche Vereinigung der Bürger nicht ſo
exiſtiren kann, wie es ihre Zwecke und ihr geſelliges Zuſammen-
leben erheiſchen. Sie ſind Folge von geſellſchaftlichen Gewohnheiten,
Gebräuchen und Nothwendigkeiten, und für den Menſchen als
Standesangehörigen ſo wie für die geſellſchaftlichen Vereinigungen
als ſolche gerade ſo nothwendig, als die Naturbedürfniſſe für den
Menſchen als Naturweſen. Man kann daher unterſcheiden: a) Ver-
kehrsbedürfniſſe einzelner Bürgerklaſſen1); b) Verkehrsbedürfniſſe
von Geſellſchaften, als moraliſchen Perſonen, welche beſtimmte
Zwecke befolgen2); c) Gemeindebedürfniſſe, d. h. welche für die
Gemeinde, als moraliſche Perſonen mit beſtimmten Zwecken, ent-
ſtehen; d) Staatsbedürfniſſe für alle Staatszwecke, und e) Be-
dürfniſſe der Völkerſtaaten3).
Wirthſchaftliche Bedürfniſſe ſind ſolche, welche blos
wirthſchaftliche Güter betreffen. Sie ſind ſowohl Natur- als auch
[69] Verkehrsbedürfniſſe1). Da, wo dieſe verſchiedenen Arten von
Bedürfniſſen aufhören, beginnt der Luxus, deſſen anderſeitige
Gränzen unbeſtimmbar ſind, der aber wie das Bedürfniß ſeinen
Urſprung in der Sinnlichkeit des Menſchen und im Verkehre hat.
Er iſt wechſelnd mit der geſchichtlichen Entwickelung der Menſch-
heit, mit den Rangſtufen der Bürgerklaſſen und mit der Entwicke-
lung des Geſellſchafts-, Gemeinden-, Staaten- und Völkerſtaaten-
lebens2). Da der Luxus mit der Sinnlichkeit, Eitelkeit und dem
Prunke unmittelbar verknüpft iſt, ſo iſt er aus der Geſellſchafts-,
Gemeinde- und Staatswirthſchaft ausgeſchloſſen; denn jene Coeffi-
zienten des Luxus ſind der Natur dieſer moraliſchen Perſonen
fremd3). Sowohl der Luxus als die wirthſchaftlichen Bedürfniſſe
erheiſchen eine gewiſſe Menge von Befriedigungsmitteln. Die zu
einem beſtimmten Zwecke nöthige Menge von Leztern, beſtimmt
durch Zahl und Maaß, heißt man Bedarf4).
Da kein Erwerb ohne Aufopferung Statt findet (§. 46.), ſo
ſetzt der Erwerb ſowohl durch Stoffarbeiten als durch perſönliche
Dienſte äußere und innere Güter voraus, durch deren Anwendung
man erwirbt. Vor jedem Erwerbe müſſen alſo Güter von Ge-
brauchswerth oder von Tauſchwerth gegeben ſein, und da auch
dieſe wieder hervorgebracht ſein müſſen, ſo iſt das lezte Mittel des
Erwerbs die Hervorbringung (Produktion)1). Ihr nächſter
Zweck iſt die Erlangung von Gütern, ihr Endzweck der Genuß,
und ihr Mittelzweck der Erſatz der durch die Produktion verwen-
deten alten Güter, weil ohne dieſen ſich der Hervorbringer wirth-
ſchaftlich entweder nicht verbeſſerte oder gar verſchlimmerte. Die
Wirthſchaft verlangt alſo von jeder hervorbringenden Thätigkeit:
1) daß ſie uns der Materie oder der Veränderung nach neue Gü-
ter verſchafft; 2) daß ſie uns Güter verſchafft, welche für uns
entweder Gebrauchs- oder Tauſchwerth haben; 3) daß ſie uns in
den neuen Gütern die zu ihrer Gewinnung verwendeten Güter
vergütet, und 4) daß ſie uns über die Vergütung hinaus noch
einen Ueberſchuß an werthvollen Gütern verſchafft2). Es iſt aber
alſo auch a) jede Beſchäftigung wirthſchaftlich produktiv, welcher
entweder mittelbar oder unmittelbar jene Kriterien zukommen3);
b) es ſetzt jede produktive Beſchäftigung den Werth eines zu pro-
duzirenden Gutes als etwas bereits Erkanntes voraus4); c) die
bloße Entdeckung neuer Tauglichkeiten an Gütern iſt noch nicht
produktiv, ſondern es wird dies erſt ihre Benutzung in hervorbrin-
genden Geſchäften5).
Die Produktion hat eine doppelte Bedeutung, nämlich jene
im Sinne der Technik (techniſche Produktion) und jene im
Sinne der Wirthſchaft (wirthſchaftliche Produktion). Unter
jener iſt die Schaffung eines vollendeten Erzeugniſſes materieller
oder immaterieller Art zu verſtehen. Sie iſt vollendet, ſobald das
Erzeugniß nach den Regeln der höheren oder der Gewerbskunſt fertig
iſt1). Unter dieſer aber verſteht man der Natur der Sache nach jede
materielle oder immaterielle Hervorbringung, welche durch das
neue Erzeugniß nicht allein den dazu gemachten Aufwand erſetzt,
ſondern auch darüber noch einen Ueberſchuß von Gütern anerkann-
ten Werthes gibt (§. 50. 39.). Sie iſt folglich vollendet, wenn
ſich dieſer Ueberſchuß im Eigenthume des Hervorbringers befindet2).
Ob der Hervorbringer dieſen Ueberſchuß durch Jemanden erhält,
an welchen er ſein Erzeugniß vertauſcht hat, oder ob er ihn im
Gute ſelbſt für ſich behält, das iſt hierbei ganz gleichgiltig3).
Die Produktion iſt daher ſowohl von der Seite des Produ-
zenten, als auch von jener des Conſumenten zu betrachten
(§. 50.). Bei jenem iſt das Ziel der techniſchen, bei dieſem aber
das Ziel der wirthſchaftlichen Produktion. Denn dieſer erſtattet
jenem, wenn es auch eine und dieſelbe Perſon iſt, den Produktions-
aufwand und verſchafft jenem in der lezten Inſtanz den Produk-
tionsüberſchuß. Es ſind demnach unter obigen (§. 50.) Bedingniſſen
noch alle Gewerbe produktiv zu nennen, welche auf ein Produkt
fördernd wirken nach dem techniſchen Produzenten bis zur Ablie-
ferung an den Conſumenten1). Die Bedingungen der Produktivität
der Gewerbe für den Conſumenten2) ſind daher: 1) daß das Gut
ſeinen Zwecken entſpreche; es wird um ſo mehr begehrt, je größer
ſein Werth iſt (§. 39.); 2) daß es mit der möglichſt geringſten
Aufopferung in ſeinen ausſchließlichen Beſitz komme; bei gleicher
Aufopferung gibt alſo ſeine techniſche Vollkommenheit und ſein
Werth, dagegen bei wirklicher Gleichheit dieſer beiden bei Gütern
die geringſte Aufopferung, beim Begehre den Ausſchlag. Es iſt
folglich produktiv auf Seiten des Conſumenten jede Leiſtung,
a) welche ihm ihre Erzeugniſſe um keine höhere Aufopferung ver-
ſchafft, als um welche er ſie ſonſt erlangen könnte; b) welche ihm
um dieſe Aufopferung werthvolle Produkte verſchafft, und c) bei
welcher die Aufopferung überhaupt das Werthsverhältniß des Gutes
nicht überſteigt3).
Die Quellen und Mittel, aus denen die wirthſchaftlichen Gü-
ter entſpringen, ſind:
1) Die Natur, denn ohne ſie vermag der Menſch nichts. Sie
unterſtützt ihn aber:
a) Durch ihre geheimen Kräfte, deren Erforſchung die
wichtigſte geiſtige Thätigkeit des Menſchen iſt, deren Unterſtützung
in allen nur denkbaren menſchlichen Geſchäften unentbehrlich ſind,
und deren Wirkung entweder chemiſch oder mechaniſch iſt.
b) Durch ihre verſchiedenen Körper, welche als Gegen-
ſtände, woran, worin und worauf die Naturkräfte wirken, voraus-
geſetzt werden müſſen, zur materiellen Produktion des Menſchen
unentbehrlich ſind, und zu ſeiner menſchlich geiſtigen Exiſtenz nicht
fehlen dürfen. Es gehören hierher:
2) Die Arbeit des Menſchen, ohne welche die Natur für
den Menſchen nicht blos nutzlos, ſondern ſchädlich wäre (§. 37.).
Durch die Arbeit, d. h. durch ſeine Kraftanſtrengung, erforſcht
der Menſch ihre Geheimniſſe; durch ſie macht er ſich ihre Kräfte
und Körper zu Nutzen; durch ſie wirkt er ihren ſchädlichen Ein-
flüſſen entgegen; durch ſie erhöht er die Menge und den Werth der
Naturprodukte; durch ſie leiſtet er ſeinem Nebenmenſchen Dienſte.
Durch ſie wird die Wirkſamkeit der Natur für's Menſchenleben
überhaupt erhöht und der Verkehr allein möglich1).
3) Die bereits vom Menſchen mit Hilfe jener beiden
erworbenen und aufgeſparten Güter1). Dieſe eignet ſich
der Menſch in immer größerer Menge an, je weiter ſeine Civili-
ſation ſteigt. Sie dienen ihm theils als Objekte, woran ſich die
[74] Natur- und Menſchenkräfte äußern ſollen, theils als Unterſtützungs-
mittel in dieſer Kraftäußerung. Sie ſind auch nur einigermaßen
kultivirten Völkern ſchon ein drittes wichtiges Element der Her-
vorbringung. Sie werden entweder zur Produktion verwendet oder
nicht. Im erſten Falle dienen ſie in wirthſchaftlichen Geſchäften
als Grundlage zur Gewinnung wirthſchaftlicher Güter. Im an-
deren Falle beſteht ihr Zweck blos in ihrer Verwendung zur un-
mittelbaren Verzehrung ohne Beabſichtigung einer Produktion oder
ſie haben noch gar keine feſte beſondere Beſtimmung. Im erſten
Falle heißen ſie Capital (Erwerbsſtamm), d. h. eine Maſſe der
durch Natur, Arbeit und Capital erworbenen wirthſchaftlichen2)
Vermögenstheile, welche überhaupt als Grundlage des Erwerbes
von wirthſchaftlichen Gütern angewendet ſind3). Im zweiten Falle
heißt man ſie Verbrauchsvorrath, d. h. eine Maſſe ſolcher
Vermögenstheile, welche ohne beabſichtigte Produktion zur Ver-
zehrung beſtimmt ſind4). Im dritten Falle endlich, wo aus ihnen
noch beides gemacht werden kann, heißen ſie todter Vermögens-
ſtamm, d. h. die Maſſe von Vermögenstheilen, deren Verwendung
noch nicht entſchieden und deren Nutzung überhaupt noch nicht be-
kannt iſt5).
Die Capitalien laſſen ſich nach verſchiedenen Geſichtspunkten
eintheilen, nämlich:
1) In Betreff ihres Zweckes: a) in Nutzcapitalien(capi-
taux productifs d'utilité et d'agrément), d. h. wirthſchaftliche
Güter zur unmittelbaren Nutzung1). Sie bilden gleichſam den
Uebergang zum Verbrauchsvorrathe; und b) in Erwerbscapi-
talien (eigentliche Capitalien), d. h. wirthſchaftliche Güter zur
mittelbaren Nutzung. Sie ſind materieller und immaterieller Natur.
2) In Betreff der Nutzungsart durch den Eigenthümer, a) in
Leihcapitalien, d. h. ſolche, deren materielle oder immaterielle
mittelbare oder unmittelbare Nutzung an andere gegen eine Ver-
gütung abgetreten wird. Sie werden verliehen, vermiethet, ver-
pachtet; und b) in Werb- (Produktiv-) Capitalien, d. h. ſolche,
deren Nutzung man durch Selbſtanwendung bezieht2).
3) In Betreff ihrer Natur ſelbſt; a)in ſtehendes
(fixes) Capital, d. h. ſolches, deſſen Nutzung blos in das ge-
ſchaffene Produkt übergeht, und das alſo weder den Eigenthümer
noch ſeine Geſtalt zu verändern braucht, um produktiv zu werden,
z. B. Werkhäuſer, Privilegien, Maſchinen; und b)in umlau-
fendes (fließendes) Capital, d. h. ſolches, das ſelbſt in das
Produkt übergeht und in deſſen Preiſe beim Verkaufe erſtattet
wird, gleichgiltig, ob der Uebergang in das Produkt ganz materiell
war oder ob es nur bei und zum Behufe der Produktion conſumirt
wurde, z. B. das Geld, und alle dabei verzehrten und verwandel-
ten Gewerbsſtoffe3).
4) In Betreff der Gegenſtände, die zum Capitale
gehören, a) in die Verwandlungsſtoffe, an denen die Er-
werbsarbeit vorgenommen wird; b) die Hilfsſtoffe, welche blos
zur Schaffung des neuen Produkts gebraucht, ohne in ſelbiges
überzugehen; c) die Wohn- und Werkgebäude; d) die Werk-
zeuge, Maſchinen und chemiſche Vorrichtungen; e) alle Samm-
lungen, welche den Erwerb bedingen und Nutzen gewähren;
f) Vorräthe an bürgerlichen Gütern, deren Verkauf Gewinn gibt;
g) Vorräthe an demjenigen Gute, womit der Tauſch erhalten und
[77] ausgeglichen wird (§. 60.); h) die im ausſchließlichen Beſitze des
Wirthes befindlichen immateriellen Güter, welche ſeinen Erwerb
erhalten und befördern, z. B. Privilegien, Monopolien, Kund-
ſchaften u. dgl. m.
Obſchon die genannten Güterquellen bei jedem Erwerbe mehr
oder weniger wirkſam ſind, ſo gibt es doch verſchiedene Erwerbs-
arten, welche ſich aber in folgende Hauptarten ſondern laſſen:
1) Erwerb durch unmittelbare Anwendung der genannten Gü-
terquellen zur Hervorbringung von Gütern wegen ihres Gebrauch-
und Tauſchwerthes. Hierher gehören die Ur- und Kunſtgewerbe.
2) Erwerb durch Anwendung der genannten Güterquellen, um
anderen damit materielle und immaterielle Güter und Nutzungen
gegen Vergütung zu gewähren. Hierher gehört der Handel, das
Leihgeſchäft und die Dienſtgewerbe.
Die beiden Arten des Erwerbs werden im beſonderen Theile
nach ihren Eigenthümlichkeiten betrachtet. Bei der erſten Art liegt
der Erwerb in den hervorgebrachten Gütern, bei der anderen aber
[78] in alle demjenigen, was uns für die Ueberlaſſung von wirthſchaft-
lichen Gütern, Nutzungen und Leiſtungen im Verkehre gegeben
wird. Dieſes aber nennt man Preis, welcher unter verſchiedenen
Formen und Benennungen wiederkehrt1). Die Größe des Erwerbs
erſter Art hängt an ſich lediglich von der Wirkſamkeit der Güter-
quellen, jene des Erwerbs der anderen Art außerdem noch von den
Verkehrsverhältniſſen ab.
Der Preis iſt vom Werthe (§. 39.) ungefähr wie die Wirkung
von der Urſache verſchieden. Der Preis, d. h. die Menge von
wirthſchaftlichen Tauſchgütern, welche man im Verkehre für andere
materielle und immaterielle Güter, welche vertauſcht werden kön-
nen, erhält, ſetzt nicht blos Güter von Tauſchwerth, ſondern auch
das Begehren und Anbieten ſolcher voraus1). Die Unterſcheidung
des Gebrauchs- und Tauſchwerthes2) liegt in der Natur der
wirthſchaftlichen Güter. Der Tauſchwerth iſt allgemeinhin vom
Preiſe verſchieden, wie der Werth überhaupt. Der Werth iſt etwas
in der Vorſtellung der Menſchen Liegendes, nach ihrer Anſicht an
den Gütern Haftendes, und Relatives; dagegen der Preis etwas
Beſtimmtes, Feſtes und aus wirthſchaftlichen Gütern ſelber Beſte-
hendes. So wie es keinen Tauſchwerth ohne vorausgeſetzten Ge-
brauchswerth gibt, ſo auch gibt es keinen Preis ohne Vorausſetzung
des Tauſchwerthes. Der Tauſchwerth hat einen Preis zur Folge,
ſobald ein Angebot und Begehr von einem Gute entſtanden iſt und
wirkſam wird. Dieſe beiden laſſen ſich von zwei Seiten betrachten.
Subjektiv verſteht man unter ihnen die Menſchen, welche wirth-
ſchaftliche Güter, Nutzungen und Leiſtungen anbieten und ſuchen;
objektiv aber die Menge und Arten der angebotenen und begehrten
wirthſchaftlichen Güter, Nutzungen und Leiſtungen ſelbſt. Nicht
einmal bei den perſönlichen Leiſtungen fallen beide zuſammen, weil
[79] von dieſen ein Menſch mehr bieten kann als der andere. Sowohl
objektives Angebot als objektiver Begehr ſind Preiſe, dieſer für
den Anbieter, jener für den Begehrer.
Die Größe des Preiſes hängt vom ſubjektiven und objektiven
Begehre und Angebote ab. Daher unterſcheidet man folgende
Preisbeſtimmungen:
1) Von Seiten des Begehres. Er richtet ſich hier nach folgenden Umſtänden:
a) Nach dem Werthe des zu ertauſchenden Gutes, der zu
ziehenden Nutzung und des zu empfangenden Dienſtes; denn davon
hängt die Aufopferung, zu der man ſich, um ſich ein Gut im Ver-
kehre zuzueignen, entſchließt, ab.
b) Nach den Koſten, um welche man das Gut, die Nutzung
und die Leiſtung ſonſt erhalten kann. Dieſe Koſten können nun
[80] ein anderweitiger Preis oder eigene Produktions- und Herbeiſchaf-
fungskoſten ſein. Vernünftiger Weiſe berechnet ſie vorher ein Je-
der, der einen Tauſch, Kauf, ein Leihgeſchäft unternimmt oder
Arbeiter beſchäftigt.
c) Nach der Zahlfähigkeit des Begehrers; denn jeder ver-
nünftige Wirth muß dieſe zu Rathe ziehen, ehe er Güter, Nutzungen
oder Leiſtungen eintauſcht. Schulden ſind die Folge des Nicht-
zahlens, deſſen Verſchiedenheit von der Zahlunfähigkeit klar iſt.1).
Die Zahlfähigkeit hängt vom Einkommen ab, und wird für die Be-
dürfniſſe berechnet, wenn man den zur Verwendung gewidmeten
Vermögensſtamm durch den Preis des Bedarfes dividirt, dagegen
aber für das Wohlleben, wenn man nach Deckung der Bedürfniſſe
den übrigen zur Verwendung beſtimmten Vermögensſtamm durch
den Preis des Bedarfs zum Wohlleben überhaupt oder eines er-
wünſchten Genuſſes insbeſondere dividirt2).
2) Von Seiten des Angebotes. Er richtet ſich hier nach
folgenden Umſtänden:
a) Nach dem Werthe des zu vertauſchenden Gutes, der zu
gebenden Nutzung und des zu leiſtenden Dienſtes; denn nach ihm
richtet ſich die Vergütung, die der Anbieter haben will, unter
übrigens gleichen Umſtänden1).
b) Nach den Koſten, um welche der Anbieter das Gut, die
Nutzung und die Leiſtungsfähigkeit erhalten hat. Bei Gütern ſind
es die Schaffungskoſten oder der Ankaufspreis, die Erhaltungs-
koſten und der Verluſt bei längerer Aufbewahrung; bei den Nutzun-
gen aber die Vergütung für Entbehrung derſelben, die Entſchädi-
digung für die Abnutzung des verliehenen Capitals und die Entſchä-
digung für das Wagniß (Riſico), dem der Eigenthümer wegen
gänzlichen Verluſtes ausgeſetzt iſt; bei perſönlichen Leiſtungen die
Zinſen des zur Erlangung der Dienſtfähigkeit verwendeten Capitals,
der Erſatz des Capitals zur Lebensunterhaltung nach erloſchener
Dienſtfähigkeit2), oder kurz der Aufwand, welcher zur Erhaltung
[81] des Arbeiters und ſeiner arbeitsunfähigen Familie während der
Leiſtungen und jener Zeit, wo man Gewohnheits und Nothwendig-
keits halber nicht arbeitet, erfordert wird3).
c) Nach dem marktüblichen Preiſe, in ſoferne als der
Anbieter überhaupt bei gleicher Güte des Gutes, der Nutzung und
des Dienſtes nicht mehr erlangen kann, in ſoferne als derjenige,
welcher wenigere Koſten aufwendet, als der marktgängige Preis
beträgt, wenigſtens einige Zeit hindurch ſich dieſen höheren Preis
bezahlen läßt und in ſoferne, als man ſich bei vielen Tauſch-,
Kauf-, Mieth- und Dienſtgeſchäften geradezu an den marktüblichen
Preis hält4).
d) Nach dem Tauſchwerthe der Güter, Nutzungen und
Leiſtungen, in denen der Preis entrichtet wird. Derſelbe richtet
ſich nach dem Grade der Macht, mit welcher ſie im Verkehre an-
dere Güter, Nutzungen und Leiſtungen anziehen. Dieſe Macht
aber äußert ſich bei gleicher Güte in der Menge der Lezteren,
welche für eine beſtimmte Menge der Erſteren erlangt werden
kann. Ihr Tauſchwerth ſteht daher mit der zu erhaltenen Menge
in geradem, mit der hinzugebenden in umgekehrtem Verhältniſſe,
bei gleicher Güte5).
3) Von Seiten des gegenſeitigen Kampfes zwiſchen
Angebot und Nachfrage; denn bei größerem Angebote ſinkt,
bei größerem Begehre ſteigt der Preis. Das Verhältniß des ob-
jektiven Angebots zum objektiven Begehre heißt Mitbewerb.
(Wettbewerb, Concurrenz, engl. competition).
In keiner Periode hat der Preis einen ſo ausgedehnten Be-
griff, als in jener der Ungebildetheit, wo ſich wenige Gewerbs-
thätigkeiten entwickelt haben, wo man noch keinen Handel und
keine Handelsverbindung kennt. Denn da dient jedes Gut gelegen-
heitlich als Preis. Bald aber theilen ſich die Güter in Betreff der
Allgemeinheit ihres Werthes und ihrer Geſuchtheit. Der wahre
Werth, die äußere Schönheit, der Grad von Seltenheit, die
Dauerhaftigkeit macht ein Gut beſonders von allen Gliedern einer
bürgerlichen Geſellſchaft geſucht, ſo daß man, da es überall gerne
angenommen wird, daſſelbe auch allenthalben für Güter, Nutzungen
und Leiſtungen im Verkehre anbringen kann. Das ſo als allge-
meiner Entgelt im Verkehre angenommene Gut nennt man aus-
ſchließlich Geld, worunter man das allgemeine Preis- und
Tauſchmittel verſteht, das überall in der Nation als Gegen- und
Gleichwerth gegen Güter, Nutzungen und Leiſtungen gegeben und
genommen wird. Sobald dies eingeführt iſt, bekommt der Preis
im gewöhnlichen Leben den engeren Begriff als Geldpreis. Die
Wahl des Gegenſtandes, welcher als Geld dient, iſt wechſelnd
nach dem Grade der Civiliſation eines Volkes1). Doch aber hat
die Geſchichte beſtätigt, daß alle civiliſirten Völker ſich des Silbers
und Goldes als Geldmaterials bedienen. Man hat dies aber Me-
tallgeld nennen müſſen zur Unterſcheidung von den Papierzeichen,
welche man auch als Vertreter des Metallgeldes in Umlauf ſetzte
und als wahres Geld betrachtete, und nun noch allgemeinhin
Papiergeld nennt.
Wenn man den Preis unter verſchiedenen Beziehungen be-
trachtet, ſo erhält er verſchiedene Benennungen, nämlich:
1) Je nach der Wirkſamkeit der Concurrenz und der
daraus erfolgenden Höhe deſſelben unterſcheidet man den Markt-
(wirklichen oder Tauſchpreis, franzöſ. prix courant) und Mono-
polpreis. Jener iſt der auf offenem Markte bei offenem Mit-
bewerbe entſtandene ſtändige, dieſer aber derjenige Preis, welchen
ein einziger Anbieter im Verkehre verlangt und erhält, da er keine
Concurrenz ausgehalten hat.1).
2) Je nach Höhe des Preiſes in Betreff ſeiner Be-
ſtandtheile findet ſich, daß der Preis entweder mehr und weniger
den Koſtenſatz überſteigt, oder gerade denſelben beträgt. Ein tie-
ferer Stand deſſelben zwingt, das Tauſch-, Kauf-, Mieth-, Leih-
und Dienſtgeſchäft aufzugeben. Im zweiten Stande nennt man
den Preis Koſtenpreis (natürlicher, nothwendiger, angemeſſener
Preis)2).
3) Je nach den Gegenſtänden, woraus der Preis be-
ſteht unterſcheidet man den Geldpreis und den Sachpreis,
d. h. jenen, der in anderen Gütern, Nutzungen und Leiſtungen,
anſtatt in Gelde ausgedrückt iſt3).
4) Je nach der Berechnungsart der Preiſe gibt es ei-
nen Einzel- und einen Durchſchnittspreis, d. h. einen aus
mehreren Einzelpreiſen gefundenen mittleren Preis. Der Leztere
kann örtlich und zeitlich verſtanden werden, und iſt im erſten
Falle der mittlere Preis eines Gutes, einer Nutzung oder Leiſtung
von verſchiedenen Orten, Gegenden, Ländern, und im zweiten
Falle von verſchiedenen Perioden4).
Aus dem Bisherigen über den Erwerb iſt die Entſtehung von
Veränderungen in der Wirthſchaft klar zu machen. Sie ſind im
Allgemeinen folgende:
1) Der Vermögensſtamm erhält Zuflüſſe, die man allgemein-
hin Einnahme nennt.
2) Derſelbe erleidet Abflüſſe, die man allgemeinhin Ausga-
ben heißt.
3) Wenn man die Einnahmen ohne Bezug auf die Ausgaben
betrachtet, ſo heißen ſie rohe Einnahmen (Roheinkommen,
Rohertrag, Bruttoertrag).
4) Man nennt aber den Reſt nach Abzug der Ausgaben, um
Einnahmen zu bewirken, reine Einnahmen (Reineinkommen,
Reinertrag, Nettoertrag, Ueberſchuß, Gewinn).
5) Ueberſteigen aber die Ausgaben den Rohertrag, dann findet
Verluſt Statt, es wird das Zuſetzen und Schuldenmachen nöthig.
Man muß daher als ordentlicher Wirth ſuchen: 1) einen
großen Rohertrag zu erwerben, weil der Reinertrag um ſo größer
ſein kann1); 2) einen geringen Koſtenaufwand für den Erwerb zu
machen; und 3) den Erwerb ſo ſicher und dauerhaft als möglich
zu erhalten, d. h. die Wirthſchaft nachhaltig einzurichten und zu
führen; 4) nur eine ſolche Erwerbsart zu wählen, wozu man die
erforderlichen Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten hat; 5) nur eine
ſolche Wahl zu treffen, bei welcher man nach dem Stande der
Verhältniſſe dauernden Erwerb haben kann; 6) alſo alle ſogenann-
ten Windprojekte zu vermeiden; 7) bei der Einrichtung einer
Erwerbsart wo möglich die vorzüglichſten ſachlichen Capitalien ſich
anzuſchaffen; 8) dabei aber nach der Anſchaffung aller körperloſen
Capitalien und Verhältniſſe zu ſtreben, welche den Erwerb erhöhen
können; 9) in der Anlage der Capitalien blos auf das Nöthige
und Nützliche zu ſehen, und Alles Andere zu vermeiden; 10) in der
Unterhaltung derſelben keine Koſten zu ſcheuen und nicht fahrläſſig
zu ſein; 11) die Naturkräfte ſo viel und ſo geſchickt als möglich
zu benutzen; 12) in der Wahl der Gehilfen und Arbeiter behutſam
zu ſein; 13) die Arbeiten geſchickt unter ſie zu vertheilen und zu
ordnen, ſo daß keiner unbeſchäftigt oder unrichtig beſchäftigt iſt;
14) dieſelbe durch pünktliche Löhnung und Hausbewirthung bei
Fleiß und Kraft zu erhalten; 15) nicht zu viele Erwerbsarten auf
einmal zu betreiben, wenn man ſeines hinreichenden Capitales und
der erforderlichen Umſicht nicht gewiß iſt; 16) in den Erwerbs-
[86] arten ſo wenig als möglich zu wechſeln, weil das Herausziehen
und Umwandeln der Capitalien zu ſchwierig und jedesmal mit
einigem Verluſte verbunden iſt.
Aus dem Begriffe und Weſen der Hauswirthſchaft (§. 40.)
geht hervor, daß ſie nicht blos in der bürgerlichen, ſondern auch
in der Gemeinde- und Staatswirthſchaft vorkommt. Wenn in
dieſen nach ihrer Natur auch nicht alle hauswirthſchaftliche Sorgen
Statt finden, ſo iſt dies doch bei den meiſten der Fall. Da die
Hauswirthſchaft als Weſentliches den inneren Organismus und
Zuſammenhang hat, da ſie als Hauptthätigkeiten die Erhaltung,
Verwendung und Controle dieſer Lezteren bis zu einem gewiſſen
Grade anerkennt, ſo hat die Hauswirthſchaftslehre auch von der
Beſtellung der Hauswirthſchaft, von der Erhaltung, von der Ver-
wendung und von der Verrechnung des Vermögens und Einkom-
mens zu handeln.
Das häuslich geſellſchaftliche Leben iſt eine von den charak-
teriſtiſchſten Eigenthümlichkeiten des Menſchengeſchlechtes. Es be-
fördert die geiſtige, ſittliche, körperliche und wirthſchaftliche Be-
ſtimmung und Cultur des Menſchen, ſo daß aus der Familie der
gute Menſch und wahre kräftige Bürger hervorgeht. Das gegen-
[87] ſeitige Beiſpiel, die Liebe und Anhänglichkeit, die Strenge des
Hausherrn, die Aufſicht und Ermunterung, die Genüſſe des häus-
lichen Lebens ſelbſt und die gegenſeitige Sorgfalt ſind die Haupt-
elemente des guten häuslichen Lebens. Die wirthſchaftlichen Vor-
theile eines ſo gemeinſchaftlichen Lebens ſind aber die zweckmäßigere
Befriedigung der Bedürfniſſe, die Erhöhung des Lebensgenuſſes
und die größere Sparniß am Bedarfe an Gütern, da durch zweck-
mäßige Aufbewahrung und Wiederbenutzung des Erübrigten viele
neue Auslagen vermieden und durch ſorgfältiges Ordnunghalten
die Genüſſe regelmäßiger und wirkſamer werden. Die Hauswirth-
ſchaft bleibt aber nicht in den engen Schranken einer kleinen bür-
gerlichen durch Blutsverwandtſchaft geknüpften Familie 1). Sondern
es gibt verſchiedene Ausdehnungen derſelben von der prachtvollen,
reichlichen und geſetzlich organiſirten Hauswirthſchaft am kaiſer-
lichen Hofe bis zu dem friedlichen, genügſamen und nach Recht
und Billigkeit geleiteten häuslichen Leben der bürgerlichen Familie,
von der reichen Hauswirthſchaft des großen Capitaliſten und Ge-
werbsunternehmers bis zur armen häuslichen Gemeinſchaft der
Bettlerfamilie. Darum iſt die Hauswirthſchaft verſchieden nach
dem Grade des Standes der Familie und nach dem Grade ihres
Reichthums und Einkommens. Aber es werden auch einzelne häus-
liche Vortheile von Gemeinden, von zuſammengetretenen Einzelnen,
oder vom Staate beſonders herausgehoben, und diejenigen, denen
ſie zu Theil werden ſollen, in eine häusliche Gemeinſchaft verbun-
den, weil jene Vortheile hierdurch am beſten erreicht werden. Zu
dieſen häuslichen Vereinigungen, deren Hauswirthſchaft immer
ausgedehnter als jene der bürgerlichen Familie, deren innere Ver-
hältniſſe mehr oder weniger reichlich und auf gewiſſe beſtimmte
Normen geſetzt ſind, gehören die Kranken-, Irren-, Armen-,
Arbeits-, Waiſen-, Siechen-, Zucht- u. dgl. Häuſer. Jede hat
einen eigenthümlichen Zweck, aber zu dieſem eine eigenthümliche
Einrichtung; allein alle genießen ſie die manchfachen Vortheile
eines häuslich gemeinſchaftlichen Lebens.
Das gegenſeitige Verhältniß der Wirthſchaftsperſonen in der
Hauswirthſchaft iſt verſchieden nach den lezten Gründen, auf denen
[88] es beruht, und nach der Art der Hauswirthſchaft ſelbſt. Es
ſind 1) in der Familie dieſe Verhältniſſe nothwendige
Folgen der Natur. Dadurch iſt a) der Hausvater an die
Spitze der ganzen Hauswirthſchaft geſtellt; er iſt nach gemein-
ſchaftlicher Berathung mit der Hausmutter der Geſetzgeber im
Hauſe; mit Unrecht will man ihm oft den Antheil an der Haus-
wirthſchaft abſprechen; er iſt der oberſte Richter in häuslichen
Angelegenheiten; er wacht gemeinſchaftlich mit der Hausmutter auf
die pünktliche Vollziehung der Befehle; ihm ſteht der Verſchluß
des Erwerbs und das Anweiſen deſſelben zu häuslichen Zwecken
zu; hat derſelbe auch die Controle über die wirthſchaftliche Ver-
wendung, ſo hat er ſich dennoch eines thätigen Antheils an den
Verwendungsgeſchäften zu den häuslichen Bedürfniſſen zu enthalten,
da es ſich mit ſeiner Natur, Anlage und ſeinem Standpunkte im
Hauſe nicht verträgt; dies ſchließt jedoch eine ausnahmsweiſe Un-
terſtützung ſeiner Frau nicht aus, dieſe iſt vielmehr oft eine
weſentliche eheliche Pflicht im Sinne der Moral; die Führung des
Hauptbuches der Hauswirthſchaft gebührt ihm, jene der Neben-
bücher aber nicht, weil dieſe ſchon mit den Verwendungsgeſchäften
in unmittelbarer Berührung ſteht; der periodiſche Rechnungs-
abſchluß iſt ſchon ein Theil ſeines Controlrechtes. Damit hat auch
ſchon b) die Hausmutter ihren angewieſenen Wirkungskreis; ſie
nimmt an der Berathung häuslicher Angelegenheiten Theil; dazu
beſtimmt ſie ſchon die Eigenthümlichkeit der weiblichen Klugheit,
Umſicht und Mäßigung, ſo wie ihr praktiſches enges Verhältniß
zu den Hausgenoſſen und zum bürgerlichen kleinen täglichen Ver-
kehre, wodurch ſie mehr Erfahrungen und Einſichten in dieſer
Beziehung erwirbt, als der Mann; ein geſchäftiges Einmiſchen in
die gewerbliche, kunſt- oder wiſſenſchaftliche Thätigkeit und Auf-
ſicht des Hausvaters iſt ihr aber eben ſo fremd, als dem Hausvater
ein ſolches in die Verwendungsgeſchäfte für den häuslichen Bedarf;
ſie verfügt über die Beſchäftigung des hierzu beſtimmten Geſindes,
aber nicht über die Gehilfen und Arbeiter des Mannes, jedoch nie
ſo ausſchließlich, daß ihnen nicht auch der Hausherr Befehle er-
theilen kann; ſie zeichnet die Ausgaben für den häuslichen Bedarf
in Nebenbüchern auf und legt dem Hausvater periodiſch Rechnung
ab. Endlich ſtehen c) die Kinder des Hauſes gegen ihre
Eltern, und dieſe gegen jene in dem Naturverhältniſſe der Liebe,
aus welchem alle Pflichten des Rechts und der Moral entſpringen,
die ſie wechſelſeitig zu erfüllen haben und deren Entwickelung an
ſich der Wirthſchaftslehre ganz fremd iſt; allein die Wirthſchafts-
lehre erheiſcht die Erfüllung jener Pflichten mit gleicher Strenge,
[89] wenn auch nicht aus gleichen Gründen, wie das Rechts- und
Moralgeſetz, weil aus ihrer Uebertretung wirthſchaftliche Nachtheile
entſtehen können, zufolge von Handlungen und Lebensweiſen der
Kinder, welche eine vernünftige Wirthſchaft verbannt 1).
Jene Verhältniſſe ſind aber 2) in den, den Begriff der
Familie überſteigenden, Hauswirthſchaften Folge ei-
ner vorſchriftlichen Organiſation1), da hier der Begriff der
von Hausvater und Hausmutter hinwegfällt und der Geſchäftskreis
der Führer der Hauswirthſchaft zu ausgedehnt iſt. Es tritt daher
hier ein völliger Behördenorganismus ein, in welchem jeder Beamte,
in verſchiedenen Abſtufungen, ſeinen Geſchäftskreis genau ange-
wieſen erhält. Es werden ganz eigene Regiſtraturen und Kanzleien
errichtet, in welchen die ganze Hauswirthſchaft ſchriftlich und auf
zuſammengeſetzte Art aufgezeichnet wird. Die Controle derſelben
und der Geſchäftsführung iſt alsdann einer eigenen höheren Be-
hörde übertragen 2). Das Verhältniß zwiſchen den Beamten und
etwa vorhandenen Pfleglingen iſt ebenfalls durch Vorſchriften re-
gulirt, eben ſo wie die ganze Behandlung der Lezteren, die mit
pädagogiſchen, ärztlichen, polizeilichen, nationalökonomiſchen und
finanziellen Prinzipien zuſammenhängen und in ſoferne außerhalb
den Kreis der allgemeinen Wirthſchaftslehre fallen. Die Haupt-
maxime bei Errichtung eines ſolchen Behördenorganismus iſt Ein-
fachheit, die andere die feſte Abgränzung des Geſchäftskreiſes, die
dritte die Selbſtſtändigkeit der Beamten, ohne ſich den Gefahren der
Veruntreuung und nutzloſen Verſchwendung Preis zu geben und
die Untergebenen ſchutzlos und blos zu ſtellen.
In beiden Fällen 3) unterliegt die Behandlung des
Geſindes gleichen, aus dem Rechts-, Moral- und
[90] Klugheitsgeſetze abgeleiteten, Regeln. Das Geſinde iſt
von doppelter Art, nämlich freies oder Zwangsgeſinde. Dieſes
Leztere iſt entweder grundherrliches oder oberherrliches Zwangs-
geſinde (Leibeigene und Sklaven) und leiſtet häusliche Dienſte ent-
weder ganz ohne Belohnung oder gegen einen kleineren als den
gewöhnlichen Lohn. Allein a) die Leibeigenſchaft und Skla-
verei iſt gleich ſehr vom Rechts- und Moralgeſetze verboten; aber
auch die wirthſchaftliche Klugheit kann ſich aus allgemeinen Grün-
den damit nicht vertragen, ganz abgeſehen davon, daß die Wirth-
ſchaft unter dem Rechts- und Moralgeſetze ſteht. Denn die geringe
Geiſtesbildung, der Hang zur Unſittlichkeit, die Mittelmäßigkeit
und Schlechtigkeit der erzwungenen Arbeit 1), die geringere Quan-
tität von geleiſteter Arbeit bei gleichem Perſonale im Vergleiche
mit freiem Geſinde, die feindliche Stellung der Leibeigenen und
Sklaven gegen den Herrn, die daher und von ſchlechter Behand-
lung herrührende Neigung zu Veruntreuungen, die Verluſte der
Herrn bei eintretenden Krankheiten unter den Sklaven ſind wirth-
ſchaftliche Mängel, welche durch die ſcheinbar geringe Unterhal-
tungskoſten der Sklaven und Leibeigenen nicht aufgewogen werden2).
Das civiliſirte Europa kennt dieſe Barbarei nicht mehr und hat
den Ruhm ihrer gänzlichen Vertilgung. Dagegen findet man
allenthalben auf Landgütern noch b)grundherrliches Zwangs-
geſinde, auch wo die Leibeigenſchaft bereits verſchwunden iſt.
Die Arbeit deſſelben ſteht in dem (in der Note 1.) bemerkten
Verhältniſſe zum freien Dienſte, deſſen Behandlung aber iſt gleich
jener des freien Geſindes. Bei der Behandlung c) des freien
Geſindes wird man unter beſtändiger Vorſtellung ſeiner drücken-
den Lage ſich nie zu Ungebührlichkeiten, deſpotiſcher Strenge und
Mißhandlung verleiten laſſen; doch aber ſchützt vor dem entgegen-
geſetzten Aeußerſten die Wahrheit, daß ſeine Gefühlsweiſe blos
ſeiner Bildung angemeſſen iſt, und die Erfahrung von den vielen
böſen und unerträglichen Eigenſchaften mancher Geſindeperſonen;
jede Geſindeperſon iſt oft nach ihrer beſonderen Eigenthümlichkeit
zu beurtheilen und zu behandeln; mit Milde und Mäßigung iſt auch
bei Ungebildeten mehr auszurichten als mit übermäßiger Strenge,
und das Vergönnen kleiner beſonders volksthümlicher Vergnügungen
macht ſie auf längere Zeit bieg- und arbeitſamer; die freudig oder
auch nur willig gethane Arbeit gedeiht beſſer als die mit Unwillen
und Ueberdruß vollführte; angemeſſene Strenge, gut angebrachter
Tadel, Aufſicht, Ermunterung und Beiſpiel von Seiten der Herr-
ſchaften wird die Zucht, Ordnung, Tüchtigkeit und Arbeitſamkeit
erhalten; alles dies iſt aber ohne Erfolg, wenn dem Geſinde nicht
[91] ſein Lohn pünktlich und zwar in genügendem Maaße, ſo wie nicht
ſein Unterhalt richtig gegeben wird; den Unterhalt bekommt das
Geſinde entweder in der Koſt am gemeinſchaftlichen Tiſche oder in
Lebensmitteln, deren Zubereitung jedem ſelbſt überlaſſen iſt (De-
putate); die erſtere Art hat den Vorzug wegen der Gemeinſchaft,
des geringeren Aufwandes an Perſonen und Zeit zum Kochen,
während die andere Methode die Nachtheile in dieſer Hinſicht durch
Kürze der Rechnung und Verringerung der Aufſichtsgeſchäfte nicht
erſetzt; das zu ſtarke Beſchränken beider verſcheucht gutes Geſinde
aus dem Hauſe, bringt ſchlechtes herbei mit allen den vielen wirth-
ſchaftlichen Nachtheilen und Verluſten, und verurſacht häufigen
Geſindewechſel, der immer verhütet werden muß. Jedoch in Län-
dern mit guter Polizeigeſetzgebung ſind die Rechte und Pflichten
des Geſindes geſetzlich regulirt, und auf großen Landgütern eigene
Geſinde- und Speiſeordnungen eingeführt, nach denen ſich nament-
lich die Pachter zu richten haben.
Was endlich 4) die Taglöhner anbelangt, ſo richtet ſich
ihre Behandlung nach den §. 67. angegebenen Regeln. Auch bei
ihnen unterſcheidet man freie und Zwangs-Taglöhner (Fröhner),
welche Leztere entweder aus grundherrlichen oder auch noch aus
leibeigenſchaftlichen Verhältniſſen herrühren. Die Löhnung, auch
wenn ſie bei den Fröhnern vorkommt, beſteht entweder aus Geld-
lohn oder aus Geldlohn und Naturalverpflegung. Da, wo beide
Arten anwendbar ſind, kann die Frage über die Vortheile der
Einen vor der Andern nur nach beſonderen Verhältniſſen entſchie-
den werden. Im Allgemeinen kann man aber wohl annehmen, daß
mit der Naturalverpflegung, da ſie den Geldlohn verringert und
wenn ſie gut eingerichtet werden kann, Vortheile verbunden ſind,
weil man den Unterhalt der Arbeiter ohne ſie auch in Geld bezahlen
[92] müßte, wobei ſie leicht höher zu ſtehen kommen kann, als wenn ſie
die Hauswirthſchaft bei gehöriger Sparſamkeit und Aufbewahrung
von Speiſen in Natur liefert. Bei den Fröhnern, ſelbſt wenn ſie
keinen Geldlohn erhalten, iſt die Speiſung (Pröven) oft eine
Vertrags- oder Herkommenspflicht des Hauſes. Noch wichtiger iſt
die Frage, ob die Stück- oder Gedingarbeiter den eigentlichen
Taglöhnern vorzuziehen ſeien. Ihre Entſcheidung hängt von der
Art der Arbeiten und von der Aufſicht auf dieſe ab. Denn bei
manchen wirthſchaftlichen Arbeiten ſind ſie gar nicht anwendbar.
Dagegen bei gehöriger Aufſicht ſind ſie wegen Erleichterung der
Wirthſchaftsführung, der Wohlfeilheit, der Schnelligkeit und
größeren Kraftanwendung um ſo vortheilhafter, je mehr der Stück-
arbeiter ſeines eigenen Nutzens wegen zur Arbeitſamkeit angeſpornt
iſt. Bei unrichtiger Anwendung und ſchlechter Aufſicht iſt die
Stückarbeit aber in jeder Hinſicht die ſchlechteſte 1).
Je größer die Menge von Hausgeſchäften und je bedeutender
hiernach die Zahl der Arbeiter, deſto unentbehrlicher iſt 1) die
Vertheilung der Arbeiten unter die Arbeiter ſelbſt, ſo daß jeder
ſein beſtimmtes ſtändiges Geſchäft hat; ſo treten ſich die Perſonen
nicht hindernd in den Weg, es wird an jeder Arbeit in Einem
fortgearbeitet, ſie wird ſchneller beendigt und beſſer vollführt, weil
mit der beſtändigen Uebung der Arbeiter größere Fertigkeit erzeugt
wird. Bei dieſer aber iſt eben ſo nöthig 2) die Verbindung
der Arbeiten; allein dieſe hat eine doppelte Bedeutung, nämlich
als Zuſammenhalten aller hauswirthſchaftlichen Thätigkeiten zu
einem Ganzen und in einer Ordnung, und als Verbindung der-
jenigen einzelnen Arbeiten, deren Vereinigung unmittelbar erfordert
wird oder die in chronologiſcher Beziehung in einem Verbande
ſtehen. Beides iſt begreiflicherweiſe nöthig wegen der Ordnung
und wegen der Verhütung einer ſchädlichen Zerſplitterung der
häuslichen Geſchäfte. Hierdurch iſt zum Theile ſchon 3) die rich-
tige Folge der häuslichen Arbeiten als unumgänglich dargethan;
dieſelbe liegt aber zum Theile ſchon in der Natur und Art der
[93] Arbeit ſelbſt, welche nur eine beſtimmte Tages- und Jahreszeit
zuläßt, zum Theile auch in der größeren oder geringeren erfolgen-
den Ermüdung und zum Theile in den manchfachen äußeren Um-
ſtänden, deren Aufzählung unmöglich iſt. In dieſen drei Punkten
bewährt ſich der tüchtige Hauswirth und die tüchtige Hausfrau,
denn von ihnen hängt die nützliche und paſſende Beſchäftigung der
Kräfte und der Gang der Hauswirthſchaft ab. Ihre Erreichung
iſt aber eine Sache der praktiſchen häuslichen Kunſt, alſo des Ta-
lentes, Taktes und der Erziehung.
Was jede Art von bürgerlichen Gewerben bei ihren eigenthüm-
lichen Produkten für Erhaltungsmaßregeln zu treffen habe, das
lehrt die beſondere Wirthſchaftslehre. Hier handelt es ſich nur um
die allgemeinen Prinzipien jener Erhaltung und Aufbewahrung,
und um die der in der Hauswirthſchaft nöthigen Sachen. Im
Allgemeinen werden Erhaltungsmaßregeln nöthig:
1) Gegen die Natur, d. h. den hindernden und ſtörenden
Einfluß der Naturkräfte. Es gehört hierher die Sorgfalt z. B. für
Abhaltung des Schadens durch den Blitz, das Feuer, das Waſſer,
die Fäulniß, den Thierfraß u. ſ. w., deren Aufzählung hier zu
weit führen würde.
2) Gegen die Menſchen, d. h. menſchliche Sorgloſigkeit,
Unachtſamkeit, Bosheit und Unrechtlichkeit; z. B. gegen Betrug,
Diebſtahl, Verderben u. dgl.
Man könnte, wenn der Ausdruck nicht uneigentlich wäre, dieſe
Thätigkeit die häusliche Sicherheitspolizei heißen 1). Man
bedient ſich zu dieſen Zwecken folgender Mittel:
1) Des Schutzes der Gebäude durch äußere Mittel, z. B.
Blitzableiter, Anſtriche gegen Feuer- und Waſſersgefahr und
Schwämme, guten Verſchluß.
2) Des Schutzes durch ſicheren Bau der Häuſer jeder Art,
z. B. Conſtruktion ſelbſt, Abhalten von Theilen, welche leicht Ge-
fahr herbeibringen, z. B. Wetter-, Schindel-, Strohdächer,
Getäfel u. dgl.
3) Des Schutzes durch ſorgfältigen Bau der inneren Theile
eines Hauſes, z. B. Heerde, Kamine, Oefen, Darren, Backöfen,
Schornſteine, Rauchkammern u. dgl.
4) Des Schutzes durch Anempfehlung von und Aufſicht auf
Achtſamkeit unter den Hausgenoſſen, z. B. bei dem Feuer, Holze,
Kohlen, Lichter u. dgl.
5) Des Schutzes durch Aufbewahrung der Gegenſtände in
Gefäßen, Kiſten, Schränken, Küche, Keller, Speicher, je nach
der Eigenthümlichkeit der Gegenſtände.
6) Des Schutzes durch chemiſche Sicherungsmittel gegen
Fäulniß, z. B. Räuchern, Salzen, Einmachen u. dgl.
7) Des Schutzes durch Bereithalten von Mitteln, um bei vor-
handener Sicherheitsgefahr ſogleich thätig zu ſein, z. B. Schieß-
gewehre, Feuerzeuge, Nachtlichter, kleine Handfeuerſpritzen, Züber
voll Waſſer, Häckſel, Spreu, Sand, Aſche zum Löſchen von bren-
nenden Flüſſigkeiten u. dgl.
8) Des Schutzes durch Behutſamkeit im Waarenhandel auf
Märkten gegen Schlechtigkeit der Waaren u. dgl., z. B. bei But-
ter, Fleiſch, Flachs, Hanf u. dgl.
9) Des Schutzes durch Verhinderung von Hausdiebſtählen
durch Geſinde, Hausfreunde und ſolche Handwerker, z. B. Schloſ-
ſer, Schmiede u. dgl., welche Zutritt in geheime Gemächer haben
und leichte Mittel zum Eindringen beſitzen, wie z. B. das Nach-
machen von Schlüſſeln u. dgl.
10) Des Schutzes durch Fangen und Tödten der ſchädlichen
Thiere, z. B. Mäuſe, Wanzen u. dgl.
Nach der Art und nach dem Maaße, wie weit die Verwen-
dung geht, unterſcheidet man den Gebrauch und Verbrauch,
welcher leztere immer eine Vernichtung des verwendeten Gutes
zur Begleiterin hat. Aber nach den zu verwendenden Objekten
ſcheidet ſich jene der immateriellen äußern Güter (Lebensverhält-
niſſe) von jener der ſachlichen Güter. Die Wichtigkeit der Be-
nutzung beider leuchtet in die Augen. Jene der Erſteren beruht
auf den Prinzipien der Vernunft, der Moral, des Rechts und der
Lebensklugheit, welche ſich wechſelſeitig modifiziren und Maximen
[95] für die Handlungen hervorbringen, um den reinen Eigennutz und
die Selbſtſucht eben ſo ſehr zu verbannen, als vor allzugroßer un-
kluger Dienſtfertigkeit, Offenheit, Hingebung und Freigebigkeit zu
warnen 1). Der Gebrauch und Verbrauch der ſachlichen wirth-
ſchaftlichen Güter aber beruht außer jenen noch auf den wirth-
ſchaftlichen Prinzipien. Es verlangt nämlich:
1) Das Vernunftgeſetz (handle vernünftig!), daß man keine
Verwendung (Ausgabe) ohne vernünftigen Zweck, ohne die ver-
nünftigen Mittel zu ergreifen, ohne vernünftige Ausführung, mache.
2) Das Moralgeſetz (handle vernünftig des Vernünftigen ſelbſt
willen, d. h. weil ſich die Vernunft Selbſtzweck iſt!), daß man
keine Ausgaben zu immoraliſchen Zwecken, mit immoraliſchen Mit-
teln, und durch immoraliſche Ausführung mache.
3) Das Rechtsgeſetz (handle vernünftig deiner Nebenmenſchen
wegen, die daſſelbe Geſetz in ſich haben, = handle nach dem Ver-
nunftgeſetze, als dem Prinzipe der Geſellſchaft! = Jedem das
Seinige als Vernunftweſen!), daß man keine Ausgaben zu un-
rechtlichen Zwecken, mit rechtswidrigen Mitteln und rechtswidriger
Ausführung, mache.
4) Das Klugheitsgeſetz (ſuche alle rechtlichen und moraliſchen
Mittel und Handlungen zu deinem Vortheile zu wenden, ohne ver-
nunftwidrig, immoraliſch und unrecht zu handeln!), daß man die
Ausgaben nach der Stufenfolge der Bedürfniſſe einrichte und aus
dem Vermögen und Einkommen den größtmöglichen Vortheil zu
ziehen ſuche, ohne gegen Vernunft, Moral und Recht, folglich
auch gegen die Religions- und Staatsgeſetze, ſich zu vergehen,
und ohne Andere alſo zu vernunftwidrigen, immoraliſchen und
rechtswidrigen Handlungen anzuſpornen oder von ſolchen nicht
abzuhalten.
Es beſchränken ſich dieſe Maximen eben ſo, wie die Geſetze,
aus denen ſie hervorgingen, blos urſachliche Modificationen des
Vernunftgeſetzes und reciprok ſind. Es iſt alſo falſch 1) blos das
Rechtsgeſetz oder blos die poſitiven Geſetze als Richtſchnur in der
Wirthſchaft zu nehmen, denn die wirthſchaftliche Thätigkeit beſteht
ſchon, ehe durch die Geſellſchaft das Rechtsgeſetz entſtand und auch
in allen Fällen, wo es ſich nicht um das bloße Recht handelt und
alſo nur das Vernunftgeſetz in ſeiner Allgemeinheit und in ſeiner
Modification als Moralgeſetz gilt, und die moraliſche Handlung iſt
in der Geſellſchaft auch darum unſere Pflicht, weil die Mitglieder
durch dieſelbe ein Recht darauf haben; 2) blos das Klugheitsgeſetz
als Richtſchnur in der Wirthſchaft gelten zu laſſen und dieſe
darum als etwas moraliſch Verwerfliches zu erklären, denn auch
[96] die Klugheit ſteht unter dem oberſten Vernunft-, dem Moral- und
Rechtsgeſetze.
Nach dieſen Geſetzen und Maximen iſt daher klar: 1) die
Verwerflichkeit der Verſchwendung, d. h. des zweckloſen Aus-
gebens überhaupt, ſelbſt bei dem größten und am meiſten bei be-
ſchränktem Vermögen; 2) die Verwerflichkeit des baaren Gegentheils,
nämlich der Habſucht, d. h. des rückſichtsloſen Strebens nach
größerer Vermögensanhäufung überhaupt und ſowohl bei beſchränk-
tem als beſonders bei großem Vermögen; 3) die Verwerflichkeit
des Geizes, d. h. der übermäßigen Beſchränkung der Verwendung
unter Hintanſetzung des Zweckes der Güter und Wirthſchaft, näm-
lich der Befriedigung der Bedürfniſſe und Erhöhung des Lebens-
genuſſes1); und 4) die Verwerflichkeit des Luxus, wenn er
ſtandes- und vermögenswidrig iſt und die moraliſche Kraft des
Menſchen gefährdet, während man mit den gleichen Ausgaben die
Pflichten der Wohlthätigkeit und des Gemeinſinnes erfüllen oder
mit ihrer Vermeidung Sparniſſe machen könnte. Aber es iſt auch
nach denſelben Geſetzen und Maximen klar: 5) die Nothwendigkeit
und Löblichkeit der guten Wirthſchaft, deren Streben die Be-
friedigung der Bedürfniſſe und die Erhöhung des wahren Lebens-
genuſſes iſt, und 6) die Zweckmäßigkeit des Erübrigens und
Zurücklegens, um jenen Fehlern auszuweichen, für die Zukunft
zu ſorgen und die Pflichten der Wohlthätigkeit und des Gemein-
ſinnes zu üben.
1) Herſtellung eines richtigen Verhältniſſes der
Ausgaben und Einnahmen.
Es wird ſehr oft behauptet, die Ausgaben müßten ſich nach
den Einnahmen richten. Allein dies iſt nur da der Fall, wo eine
[97] Vermehrung der Einnahmen wirthſchaftlich nicht möglich iſt.
Naturgemäßer wird behauptet, die Einnahmen müßten ſich nach
den vernünftigen Ausgaben richten; denn das Bedürfniß und der
Hang zum Lebensgenuſſe war ſchon vor den Einnahmen da und das
Prinzip der Selbſterhaltung iſt im Menſchen ſo ſtark, daß er Alles
aufbietet, um die erforderlichen Bedürfniſſe zu erlangen. Allein
auch dies iſt einſeitig, weil jedenfalls die Gründe der Ausgaben
unbegränzt, die Güterquellen aber begränzt ſind. Die vielmehr in
der Mitte liegende Wahrheit beſteht daher in dem wirthſchaftlichen
Prinzipe, die Einnahmen nach obigen Geſetzen (§. 71.) ſtets im
Verhältniſſe der vernünftigen Ausgaben zu vergrößern und die
Ausgaben einer vernunft- und ſachgemäßen Beſchränkung zu unter-
ziehen. Dies iſt die wahre Bedeutung von der Sparſamkeit,
welche als ſolche noch verſchiedene Grade haben kann, bis ſie die
moraliſche Geſinnung ihren Charakter mit Geitz und Habſucht ver-
wechſeln läßt. Aber es ergeben ſich aus dem Verhältniſſe zwiſchen
Einnahme und Ausgabe gewiſſe Wirthſchaftszuſtände, je nach
denen auch die Sparſamkeit einen andern Grad annehmen kann.
Sie ſind: 1) das Auskommen, d. h. derjenige wirthſchaftliche
Zuſtand, in welchem ſich Bedürfniſſe und Einnahmen ausgleichen;
2) der Wohlſtand, d. h. derjenige wirthſchaftliche Zuſtand, wo
der über jene Ausgleichung bleibende Ueberſchuß noch einen ſtandes-
mäßigen Lebensgenuß oder Erſparniſſe geſtattet; 3) der Reich-
thum, d. h. derjenige Grad von Wohlſtand, worin der Erwerb
des Bedarfs, auch ohne Arbeit des Beſitzers, die Bedürfniſſe weit
überſteigt, und Wohlleben geſtattet; 4) der Ueberfluß, d. h.
jener Grad von Reichthum, wo das Sparen ganz unnöthig er-
ſcheint; 5) der Mangel, d. h. der dem Ueberfluſſe gerade entgegen-
geſetzte Zuſtand, worin die Erlangung des nöthigſten Bedarfes nicht
Statt findet; 6) die Armuth, d. h. der gerade Gegenſatz des
Reichthums, oder die Unfähigkeit der Wirthſchaft, ſelbſt durch
Arbeit die dringenden Bedürfniſſe ganz zu befriedigen, wo alſo der
Beiſtand Anderer noch nöthig wird; und 7) die Dürftigkeit,
d. h. der Gegenſatz des Wohlſtandes, in welchem noch Entbehrungen
mancher Art nothwendig ſind. Eine mathematiſche Gränze läßt
ſich hier nicht ziehen, und die Vorſtellungen von dieſen Zuſtänden
ſind bei verſchiedenen Nationen auch verſchieden.
Es verlangt das wirthſchaftliche Prinzip allgemeinhin 1) daß
man die kleinſten Ausgaben mache, d. h. ſich die Bedürfniſſe und
Baumſtark Encyclopädie. 7
[98] Genüſſe, unbeſchadet ihrer zweckmäßigen Befriedigung und wahren
Vollkommenheit der dazu dienenden Gütermenge, ſo wohlfeil als
möglich verſchaffe; 2) daß, wenn man ſie ſich unmittelbar ſelbſt
am wohlfeilſten verſchaffen kann, man den Verkehr nicht zu Hilfe
nehmen ſoll; 3) daß, wenn uns die eigene Produktion und Schaf-
fung theurer zu ſtehen kommt, ohne uns andere Vortheile zu ge-
währen, man ſie aus dem Verkehre beziehe; 4) daß, wenn die
Koſten der eigenen Schaffung denen im Verkehre gleich ſtehen,
man den erſteren Weg nur dann einſchlage, wenn man durch
anderweitige Güterquellen nicht größere wirthſchaftliche Vortheile
beziehen kann; 5) daß man zuerſt die Befriedigung der Bedürfniſſe
nach ihrer Dringlichkeit beachte; 6) daß man nach ihr den Hang
zum Wohlleben zu befriedigen ſuche, und hierbei die Genüſſe,
welche Geiſt, Herz und Körper erkräftigen, vor allen wähle und
ſtufenweiſe bis zu jenem Grade ordne, wo jene Erkräftigung nicht
geſchieht oder gar Entnervung eintritt.
Die Hauptausgaben, welche in einer Hauswirthſchaft vom
niederſten bis zum höchſten Grade entweder ſämmtlich oder zum
Theile vorkommen, ſind folgende:
1) Für Erziehung und Bildung ſowohl der Kinder als
der Erwachſenen. Entweder überläßt der Staat den Bürgern die
Erziehung und Bildung der Jugend, ohne dafür Anordnungen zu
treffen, oder er trifft Bildungsanſtalten und überläßt deren Be-
nutzung der freien Wahl der Bürger oder gebietet dieſelbe bis zu einem
gewiſſen Grade. Man unterſcheidet die Elementar-, Real-, Mittel-,
Gewerbs- und Gelehrtenſchulen (Mittel- und Hochſchulen). Ob man
ſeinen Kindern noch Hausunterricht neben der Schule, oder blos
Hausunterricht, ob man denſelben einen eigenen Hauslehrer geben
ſoll, das hängt von der Thätigkeit der Kinder im Lernen, vom
Unterrichte in der Schule, von den Folgen des bloßen Hausunter-
richtes auf den Charakter der Kinder, beſonders Söhne, von der
Beſchäftigung der Eltern und von den Vermögensumſtänden ab,
ebenſo wie die Erziehung in Inſtituten. Jeder Hausvater ſtrebt
nach einer höheren beſſeren Erziehung ſeiner Kinder als die ſeinige
war. Stets aber geht er außer von der Neigung und dem Talente
der Kinder auch davon aus, ob er im Stande ſei, die Mittel zu
einer beſtimmten Erziehung beizubringen, um ſein Kind nicht der
Gefahr einer Unterbrechung oder halben Bildung auszuſetzen; denn
[99] dieſe iſt das verwendete Vermögen niemals werth, und ſteht der
tüchtigen Bildung auf einer niedereren Stufe immer nach, und es
ſichert nicht immer die Höhe der Bildung auch die feſteſte und
freiſte Exiſtenz, obſchon es ſo den Anſchein hat, als ſeien die ge-
bildeten Herrn die glücklichſten. Iſt aber die Erreichung einer
Bildungsſtufe gewählt, ſo darf die Hauswirthſchaft ohne Unge-
rechtigkeit gegen die anderen Kinder kein Mittel ſcheuen, ſie auf
die tüchtigſte Weiſe zu erreichen. Hierin bewährt ſich der ächte
Hausvater1).
2) Für Nahrung und Küchengeräthe. Dieſe beſorgt
die Hausfrau mit dem Hausgeſinde. Daß die rohen Materialien
dazu nicht vom Hauſe ſelbſt in allen Fällen producirt werden, lehrt
die Erfahrung. Man ſehe beim Einkaufen nicht blos auf die
Wohlfeilheit und Menge, ſondern hauptſächlich auch auf die Güte.
Es werden viele Erfahrungen zu einem guten Einkaufe erfordert.
Eine gute und ſchmackhafte Zubereitung iſt wirthſchaftlich weit
beſſer als eine geitzige. Wehe dem Hauſe, deſſen Frau die Küche
nicht verſteht und vom Geſinde abhängt! Sie iſt entweder leicht-
ſinnig, Verſchwenderin oder eine Geitzige. Das Geſinde weiß ſich
immer gegen die übertriebene Spärlichkeit der Hausfrau zum Nach-
theile des Hausvaters und der Hausgenoſſen zu entſchädigen; dieſe
aber leiden am meiſten. Jedermann beurtheilt die Sorgfalt der
Hausfrau zuerſt nach der prunkloſen Schönheit, Reinheit und
Ordnung der Küchengeräthe, ebenſo wie man die Häuslichkeit der
Braut nach ihrem Neglige oder Morgenkleide beurtheilen kann.
Tüchtige Menſchen thun auch das Unbedeutende mit beſonderer
Aufmerkſamkeit. Das Beihalten einer feſten Speiſezeit iſt wirth-
ſchaftlich und geſundheitlich nöthig. Dies hängt aber vielfach von
der Strenge des Hausherrn ab, welche jedoch weder grämlich noch
pedantiſch ſein ſoll2).
3) Für Kleidung und Bettzeug. Unordnung und Unrein-
lichkeit ſind hier eben ſo verwerflich als Eitelkeit. Wirthſchaftlich
beſſer iſt es, gute theurere, als wohlfeile mittelmäßige oder ſchlechte
Stoffe zu kaufen. Der deutſchen Hausfrau volksthümlicher uralter
7 *
[100] Ruhm iſt die Geſchicklichkeit in den hierher einſchlagenden häus-
lichen Arbeiten der Verfertigung und Ausbeſſerung. Nichts Aeuſ-
ſeres iſt empfehlender als Ordnung, Reinlichkeit und Einfachheit
des Anzugs, und der Gaſt urtheilt gerne vom unreinen Hemde,
Hals- und Taſchentuche des Mannes, von einem unordentlichen
Haargeflechte der Frau, vom unreinen verbogenen Tiſchtuche, und
vom unebenen Bette und groben Bettzeuge auf eine ſchlechte
Haushaltung1).
4) Für Wohnung. Man kann ſie ſich ſelbſt erbauen, kaufen
oder miethen. Nur ſelten trifft man es in beiden lezteren Fällen
ſo, wie man es wünſcht. Wer ſich ſein Haus ſelbſt baut, der hat
den beſten Theil erwählt. Auf alle Fälle muß der Hausherr ſo
viele Kenntniſſe vom Bauweſen haben, daß er ein Haus für ſeine
Zwecke beurtheilen und einrichten kann. Gehörige Ausbeſſerung
deſſelben zur rechten Zeit ſchützt vor größerem Schaden, vor Ver-
fall und vielem wirthſchaftlichen Unglücke und Verluſte. Größe,
Abtheilung und Einrichtung des Hauſes hängt von der Größe und dem
Stande der Familie ab; ein Erziehungshaus kann nicht ohne Lehr-,
Schlaf-, Speiſe- und Krankenſäle ſein, deren Conſtruktion von
pädagogiſchen Regeln abhängt; die Einrichtung der Kranken- und
Irrenhäuſer, ſo wie der Siechenhäuſer wird von geſundheits-
polizeilichen Grundſätzen beſtimmt; die Waiſenhäuſer werden nach
beiden zugleich conſtruirt; die Armen-, Arbeits- und Strafhäuſer
ſind aber nach allgemeinpolizeilichen Rückſichten zu bauen und ein-
zurichten. Bei der inneren Einrichtung der Wohnungen, welche
allen gemein iſt, z. B. der Oefen, Heerde, Schornſteine, Keller,
Speicher u. dgl., concurrirt die Bequemlichkeit mit der allgemei-
nen Sicherheit, weshalb ſie unter polizeilicher Aufſicht ſtehen.
5) Für Hausgeräthe (Meubles). Der Ankauf hat hierbei
unbedingten Vorzug vor der Miethe, wenn der Aufenthalt an einem
Orte nicht zu kurz iſt. Denn der Miethzins iſt ſo hoch, daß man
ſich für dieſen von einigen Jahren die Meubles ſelbſt kaufen könnte,
und beim Hinwegziehen von einem Orte iſt in der Regel der Erlös
nicht unbedeutend, wenn man ſie verkauft, weil der Begehr ſtets
wirkſam iſt. Sorgfalt im Gebrauche bringt ſchon im lezten Falle
auch mehr Vortheil. Die Schönheit und Pracht derſelben hängt
von Vermögen und Stand der Familie ab2), nie aber ſoll man
dieſe und die Wohlfeilheit der Dauerhaftigkeit vorziehen. Der
herrſchende Geſchmack ſoll dabei nicht unberückſichtigt bleiben.
6) Für Heitzung. Hierzu wählt man dasjenige Material,
das in der Gegend gebräuchlich iſt; denn jede Gegend hat an einem
mehr als am andern. Wo ſowohl Holz, Stein- und Braunkohlen,
als Torf und Lohkäſe zu haben ſind, nimmt man das am beſten
heitzende und das wohlfeilſte. Kiehn und Lohkäſe dienen meiſtens
zum Anfeuern und Unterhalten. Es iſt nicht leicht irgendwo die
Sparſamkeit ſo angebracht, wie hierbei, denn dieſe Ausgabe be-
läuft ſich hoch. Für Heitzung großer Säle und mehrerer Zimmer
in großen Gebäuden hat eine gut eingerichtete Luftheitzung große
Vortheile.
7) Für Beleuchtung. Die ſchönſte und reinlichſte iſt die
Wachsbeleuchtung. Wegen ihrer Koſtſpieligkeit iſt ſie aber weniger
angewendet als die Talgbeleuchtung. Allgemein verbreitet iſt die
Oelbeleuchtung wegen ihrer Wohlfeilheit in zweckmäßig conſtruirten
Lampen, wegen des hellen und ſteten Lichtes, das einen größeren
Raum als Wachs- und Talglichter erhellt. In Zimmern bedient
man ſich des gereinigten Oeles. In neueſter Zeit hat man auch
in großen Gebäuden die Gasbeleuchtung mit Vortheil angewendet,
die aber für kleine Räume, wo man mit dem Lichte herumzieht,
nicht paßt.
8) Für Arzneien und Aerzte. Für Erſtere muß man an-
ſchaffen, was nöthig iſt, ſowohl in der Familie als in Anſtalten.
Vortheilhaft iſt immer, wenn man, was nicht blos in der Apotheke
zu haben iſt, ſelbſt anſchafft oder produzirt. Iſt eine Hausapotheke
für eine Familie vortheilhaft, ſo iſt ſie für eine Anſtalt eben ſo
nöthig als der Vorrath an verſchiedenen ärztlichen Inſtrumenten
und Geräthen, deren Zahl und Art ſich nach der Art und Aus-
dehnung der Anſtalt richtet. Iſt ſolchen Anſtalten die Anſtellung
beſonderer Aerzte und Direktoren unerläßlich, ſo hat die Wahl
eines Hausarztes, der ſein jährliches Honorar bezieht, ſehr viele
Vortheile für eine Familie.
9) Für Arbeitslohn. Dieſer richtet ſich ſowohl beim Ge-
ſinde als bei den Taglöhnern und Stückarbeitern nach allgemeinen
Sätzen, deren Erörterung in die Volkswirthſchaftslehre gehört.
Wenn nach Befriedigung der Bedürfniſſe noch etwas vom Ein-
kommen übrig bleibt, ſo gibt es noch verſchiedene Zwecke, zu denen
[102] dieſer Reſt verwendet werden kann. Die Hauptzwecke ſind: 1)
wirthſchaftliche für die Zukunft, daher legt man Einkommen
zurück zur Vergrößerung des Vermögens; die Rückſicht auf das
Wohl der Kinder, auf Vermehrung der Familie und auf das
Alter, ſo wie für außerordentliche Fälle gebietet es gleich ſtark.
Wenn man in früherer Zeit das Geld todt in Schätze anſammelte
und ſo nur langſam ein geringes Geldcapital erhielt, das durch
einen Zufall verloren gehen konnte, ſo iſt man jetzt klüger gewor-
den, indem man das zurückgelegte Geld wieder nutzbar anwendet.
Man hat jetzt aber auch weit mehr Anlagsmethoden als damals.
Entweder legt man ſolche Geldcapitalien wieder an in neuen Ge-
werbsunternehmungen und Gewerbserweiterungen oder man leiht
ſie aus. Auf welche Weiſe dies geſchehen kann und den meiſten
Vortheil bringt, wird in der Lehre vom Rentgeſchäfte gezeigt.
Andere Zwecke ſind 2) jene des Vergnügens, deſſen Manchfal-
tigkeit unerſchöpflich iſt (§. 74. Note 6.); 3) jene des Gemein-
ſinnes, welche jedem guten Bürger am Herzen liegen müſſen und
durch deren Unterſtützung man ſich um ſo mehr Verdienſte erwirbt,
je beſſer man für ſie Capital und je mehr man ſolches anwendet;
und endlich 4) jene der Wohlthätigkeit, zu der man als Menſch
und Chriſt verbunden iſt und deren Pflichten man aber mit ge-
höriger Vorſicht üben ſoll.
Dieſe wirthſchaftliche Thätigkeit ſteht zwar nicht in unmittel-
barem Verbande mit dem Zwecke der Wirthſchaft. Allein weder
der Erwerb noch die Hauswirthſchaft könnte einen geordneten Gang
gehen, wenn nicht eine logiſch geordnete und bequem zu überſehende
Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben das menſchliche Ge-
dächtniß unterſtützte. Die Berrechnung hebt die Einträglichkeit des
Erwerbs, das Verhältniß der Ausgaben unter ſich und zu den
Einnahmen hervor, erleichtert ſo die Ueberſicht zu Veränderungen,
ſichert gegen Verluſte im Verkehre, und ſtellt den Eigenthümer,
wenn Verwalter die Wirthſchaft führen, vor Betrug ſicher. Die
Berrechnung iſt theils in chronologiſcher, theils in Realfolge, d. h.
[103] theils nach der Zeit, wie Ausgaben und Einnahmen folgen, theils
nach den Gegenſtänden beider einzurichten. Sie iſt um ſo ſchwie-
riger, denn um ſo zuſammengeſetzter, je verſchiedener und größer
die Ausgaben und Einnahmen ſind. Bei einer ganz einfachen
Familien-Hauswirthſchaft genügt die bloße Aufzeichnung der Aus-
gaben und Einnahmen in einem Hausbuche mit Rubriken für
Datum, Gegenſtände und Geldbetrag, und der monatliche Rech-
nungsabſchluß. Aber die Hausbücher dürfen mit den Gewerbs-
büchern für Gewerbseinnahmen und Ausgaben nicht vermengt werden.
Bei großer Hauswirthſchaft (§. 64.) und bei größerem Gewerbs-
betriebe iſt die Controle ſchwerer, darum die Rechnung genauer
und complizirter. Die Eigenthümlichkeiten der Gewerbsrechnungs-
führung zeigt die Betriebslehre jedes Gewerbrs. Im Allgemeinen
aber unterſcheidet man die einfache Buchhaltung und die
doppelte Buchhaltung1).
Am einfachſten iſt bei einer zuſammengeſetzten Hauswirthſchaft
diejenige Aufzeichnung, wobei keine beſondere Rückſicht auf den
Capitalſtock genommen zu werden braucht, während man die Rech-
nung führt. Man zeichnet dabei Schulden und Forderungen an
Verbündete auf und gleicht ſie beim Rechnungsabſchluſſe gegen
einander ab. Das iſt das Charakteriſtiſche der einfachen Buch-
haltung. Sie hat mit den Veränderungen im Capitalſtocke nichts
zu thun, ſondern hält blos für jeden Verbündeten (z. B. Lieferan-
ten) eine Rechnung, in welche auf der linken Seite Alles ver-
zeichnet wird, was er von der Wirthſchaft bekommen hat (Debet,
Soll, Schuld), und auf der rechten dasjenige, was dieſe von
ihm erhalten hat (Credit, Haben, Forderung). Dabei aber iſt
die Verzeichnung ſämmtlicher einzelnen Vorgänge nicht ausge-
ſchloſſen. Es werden vielmehr hierzu überhaupt folgende Haupt-
bücher gehalten:
1) Das Memorial (Manual, die Kladde, Strazze), in
welchem chronologiſch alle Ausgaben und Einnahmen ausführlich
beſchrieben werden und wenigſtens drei Columnen, nämlich für den
[104] Monatstag, die Specifikation des Vorganges und den Geldbetrag
enthalten ſind.
2) Das Caſſabuch, in welchem Einnahmen und Ausgaben
ohne Bezeichnung des Gläubigers und Schuldners und blos für
die Kaſſe aufgezeichnet werden.
3) Das Haupt- (Geheim-) Buch, eigentliches Schuldbuch,
welches die Rechnungen (Conti) für die verſchiedenen Verbündeten
enthält.
Da, wo dieſe Buchführung nicht die Hauswirthſchaft, ſondern
das Gewerbe anbelangt, gibt es noch ein Hausbuch, welches
gleichſam nur ein Filial des Memorials iſt, und woraus dann auch
die betreffenden Auszüge für Caſſa- und Hauptbuch gemacht werden.
Dieſe (italieniſche) Buchhaltung beſteht nicht darin, daß Ein-
nahmen und Ausgaben unter den zwei Rubriken Credit und Debet
vorkommen, denn dies kommt auch bei der einfachen Buchhaltung
vor; ſondern darin daß nicht blos mit den Verbündeten Conto-
führung gehalten, ſondern auch nebenbei alle Vorgänge aufge-
ſchrieben werden, welche den Capitalſtock betreffen und die Aus-
gaben und Einnahmen der verſchiedenen Beſtandtheile der Wirthſchaft,
die gleichſam als Perſonen erſcheinen, im Innern angehen. Sie
hat ihren Namen daher, daß die Capitalsveränderungen im Inneren
ſowohl als gegen Außen verzeichnet werden und folglich jeder Vor-
gang zweimal, nämlich als Credit und Debet vorkommt. Es kom-
men daher Rechnungen vor für jeden Verbündeten und für jeden
Theil der Wirthſchaft, für welche Ausgaben und Einnahmen Statt
finden und an welche der ganze Capitalſtock der Wirthſchaft etwas
zu fordern und zu geben hat. Wird dieſe Buchhaltung nicht für
eine Hauswirthſchaft allein, ſondern für ein Gewerbe geführt,
dann erſcheint auch die Haushaltung als eine beſondere Perſon,
an welche das Wirthſchaftscapital zu fordern und zu zahlen hat,
und das Hausbuch als ein Filial des Memorials. Wird aber blos
für eine große Hauswirthſchaft dieſe Buchhaltung geführt, dann
erſcheinen die einzelnen Theile des Hauſes, wofür Ausgaben und
Einnahmen Statt finden, als ſolche Perſonen, mit denen der Ca-
pitalſtock Abrechnung hält. Die zu führenden Bücher ſind:
1) Hauptbücher. Es gehört hierher: a) das Memorial
für alle Vorgänge; dann b) das Caſſabuch zur Aufzeichnung der
Geldeinnahmen und Geldausgaben, alſo für Caſſenveränderungen;
c) das Journal, d. h. kein Tage-, ſondern ein Monatsbuch, in
[105] welchem am Ende jedes Monats die in beiden vorhergehenden
Büchern enthaltenen Poſten nach den Creditoren und Debitoren ge-
ordnet eingeſchrieben werden; und d) das Hauptbuch, welches
nicht blos wie bei der einfachen Buchhaltung die Conti für die
Verbündeten, ſondern auch für jeden Hauptbeſtandtheil des Ge-
ſchäfts enthält, als welcher auch die Caſſe erſcheint; daſſelbe fußt
auf dem Journal und enthält nur monatliche Rechnungen, es führt
aber vier Columnen, nämlich für das Folio des Journals, für
den Monatstag, für die Spezifikation des Vorgangs und für den
Geldbetrag, ſowohl auf der Debet- als Creditſeite.
2) Nebenbücher. Dieſe ſind entweder ſolche, die überhaupt
bei jeder doppelten Buchhaltung vorkommen, oder ſolche, die mit
den Beſtandtheilen des Geſchäftes wechſeln, alſo z. B. beim Han-
delsgeſchäfte anders als bei der Hauswirthſchaft ſind. Jene ſind
a) das Schuld- (Conto courant)Buch, zur detaillirten Erläu-
terung der im Hauptbuche nur monatlich und kurz angegebenen
Verhältniſſe zu den Verbündeten; alle Leiſtungen derſelben und der
Wirthſchaft werden in doppelten Poſten aus dem Memorial und
Caſſabuche eingetragen; b) das Balance- oder Saldobuch;
jeden Monat muß die Probe von der Richtigkeit der Rechnungen
gemacht werden; darum werden die einzelnen Conti des Hauptbuches
aus dieſem ausgezogen und im Saldobuche addirt; die Probe beſteht
natürlich in der Gleichheit der ganzen Credit- und Debetſumme;
und c) das Fakturabuch, worin die beſondern Auslagen bei dem
Ein- und Verkaufe aufgezeichnet werden. Die beſondern Neben-
bücher hängen von den Beſtandtheilen des Geſchäftes oder der Haus-
wirthſchaft ab.
Am Ende des Jahres werden die Rechnungen abgeglichen, um
Gewinn und Verluſt, oder das Mehr und Weniger der Einnahmen
oder Ausgaben kennen zu lernen. Es iſt dazu erforderlich:
1) Ein Abgleich der Credit- und Debetſeite jedes Conto für
ſich. Die kleinere Summe wird von der größeren abgezogen und
der Reſt (Saldo) unter die kleinere geſetzt und addirt, ſo daß beide
Summen gleich ſind. Allein dies gibt den Gewinn und Verluſt
noch nicht vollſtändig an im Verhältniſſe zum Capitalſtocke. Daher
kommt bei der doppelten Buchhaltung noch
2) ein Abgleich des Vermögens der Wirthſchaft gegen die
Schulden vor. Es werden die Saldi des Caſſenconto, der Perſonal-
conti für Debet und Credit zuſammengezogen, die Gütervorräthe
[106] aufgenommen, die ſonſtigen beweglichen und unbeweglichen Capitalien
aufgeſchrieben und taxirt. Der Reſt der Debet- und Creditſumme
iſt die Balance. Da man aber auch hiermit den Verluſt oder
Gewinn noch nicht kennt, ſo kommt endlich noch
3) ein Abgleich zwiſchen dem vorjährigen und diesjährigen
Vermögen vor. Hierzu dient der Capitalconto, worin das nach
der vorjährigen Balance vorhandene Vermögen, gleichſam als dem-
ſelben vorgeſchoſſen, die Debetſeite, und die diesjährige Balance,
gleichſam als von demſelben abbezahlt, die Creditſeite einnimmt.
Der Unterſchied zwiſchen beiden wird wie bei 1. abgeglichen und
zeigt den Verluſt und Gewinn an.
Es iſt leicht erſichtlich, daß man dort die doppelte Buchhaltung
nicht immer findet, wo es ſich um keinen Capitalſtock handelt, ſon-
dern eine jährliche Dotation gereicht wird, die ſich nach einem
Durchſchnitte der Bedürfniſſe richtet und keine Capitalſammlung
geſtattet.
Unter Bergbaulehre verſteht man die wiſſenſchaftliche Zu-
ſammenſtellung der Grundſätze und Regeln, wornach die unter der
Erdoberfläche befindlichen nutzbaren Ganz- und Halbmineralkörper
gewonnen werden. Sie iſt als eine Kunſt ſchon ſehr alt, aber ihre
Ausbildung zu einer geordneten Lehre und Wiſſenſchaft iſt Reſultat
der neueren und neueſten Zeit1). Ihre Ausbildung hing von jener
der Naturwiſſenſchaften ab und von der Mathematik, Mechanik und
Technologie. Sie fußt daher auf folgenden Hilfswiſſenſchaften:
1) auf der Mineralogie, d. h. der Naturgeſchichte der Mineralien,
in ihren beiden Haupttheilen, nämlich Oryktognoſie, d. h. Cha-
rakteriſtik der Felsarten ohne Bezug auf Lagerung und ſonſtige
Verhältniſſe, und Geognoſie, d. h. Naturgeſchichte der auf und
in der Erde vorkommenden Mineralien in Bezug auf Lagerung und
ſonſtige Verhältniſſe; 2) auf der Geologie, d. h. der Naturge-
ſchichte und Bildungsgeſchichte der Erde, als eines ganzen eigen-
thümlichen Weltkörpers; 3) auf der Chemie, beſonders in ihrer
Anwendung zur Unterſuchung der Beſtandtheile und Trennung der
nutzbaren Mineralien, d. h. als Probirkunſt und Docimaſie;
4) auf Mathematik, beſonders in ihrer Anwendung zur Beſtim-
[108] mung der im Bergbaue vorkommenden Raumverhältniſſe durch
geometriſche und trigonometriſche Lehrſätze und Aufgaben, d. h. als
Markſcheidekunſt; 5) auf der Mechanik und Maſchinen-
lehre, in ſoferne als beim Bergbaue die Anwendung großer
mechaniſcher Kräfte zur Trennung und Förderung der mineraliſchen
Körper erfordert wird; 6) auf der Technologie, in ſoferne als
zur Benutzung und zum Verkaufe der mineraliſchen Körper mancher-
lei techniſche Vorrichtungen, Kenntniſſe und Arbeiten nöthig ſind,
um ſie ſogleich nach der Förderung zu reinigen, d. h. als Lehre
vom Hüttenweſen, als Hüttenkunde. Denn die Metalle kommen
vor: a) als gediegen und reguliniſch, d. h. von allen Verbindungen
frei und nur mechaniſch vom umgebenden Geſteine zu trennen;
b) als reguliniſch und mit einem anderen reguliniſchen Metalle
verbunden; c) vererzt, d. h. in Verbindung mit Schwefel; d) in
Verbindung mit Sauerſtoff und Waſſer, und e) mit Säuren ver-
bunden. Die Metalle ſind bald im Feuer unzerſtörbar (vollkom-
men, edel; Platina, Gold, Silber), bald im Feuer zerſtörbar
(unvollkommen, unedel; Kupfer, Zink, Eiſen ꝛc.), bald ſtreng-
flüſſig (Kobalt, Nickel), bald leichtflüſſig (Blei, Zinn ꝛc.).
Die bergmänniſche Gewerbslehre ſtellt ſyſtematiſch die Grund-
ſätze und Regeln dar, wie vermittelſt der Werkzeuge, Maſchinen
[109] und anderer künſtlicher Mittel die unter der Erdoberfläche befind-
lichen nutzbaren mineraliſchen Körper gewonnen und hervorgezogen
(gefördert) werden. Die allgemeine Gewerbslehre erklärt die
bei jedem Bergbaue geltenden Regeln und vorkommenden Gegen-
ſtände und Arbeiten. Sie trägt daher am beſten ihre Lehren in
der Ordnung vor, in welcher die bergmänniſchen Arbeiten geſchehen.
Die beſondere Gewerbslehre lehrt die Regeln vom Abbaue ver-
ſchiedener Gebirgsarten und Lagerſtätten.
Man unterſcheidet in der Erde die geſchichteten und unge-
ſchichteten Felsarten. Unter dieſe Lezteren rechnet man die Er-
zeugniſſe der neuen Vulkane, als Trachyt, Obſidian und Bimſtein,
und jene der alten Vulkane, d. h. Trappgeſteine, nämlich Phomo-
lith, Baſalt, Dolerit, Wacke, ſchwarzer (Augit-) Porphyr. Unter
den geſchichteten Felsarten unterſcheidet man ſechs Hauptarten,
welche ſich von der Oberfläche bis ins Innere der Erde ſo folgen:
1) Das Alluvium, die oberſte Schichte und lezte Bildung,
welche enthält Dammerde, Raſeneiſenſtein, Torf, Schutt, Sand
und Schlammablagerungen, Sand- und Lehmbänke, Meeresſand-
ſtein, Meereskalk, Ueberreſte von Meerſchaalthieren, Kalktuffanſatze
und Ablagerungen.
2) Das Diluvium, die zweit oberſte Schicht und vorlezte
Bildung, welche enthält Gruß-, Kies- und Sandablagerungen,
Gerölle, Gebirgsſchutt, große Blöcke, Lehm, Mergel, rothen
Thon, Muſcheln noch jetzt lebender Thiere, Reſte ausgeſtorbener
Geſchlechter.
3) Das Tertiärgebilde, die dritt oberſte Schichte und Folge
großer Ueberſchwemmung, welche in beckenartiger Lagerung enthält
große Mengen der manchfachen Thier- und Pflanzenreſte, Molaſſe
(in der Schweiz und in Schwaben), Nagelflur, d. h. grobes Zu-
ſammenhängſel (Conglommerat) mit ſandſteinigem Bindemittel,
Formationen von Sand, Sandſtein und Mergel, Gips mit Knochen,
Kieſel- und Grobkalk, Braunkohlen mit Spuren verkohlter Stämme,
Töpferthon mit foſſiliſchen Muſcheln, aus ſüßem Waſſer, Meeres-
pflanzen und andere Thierreſte.
4) Das Flötzgebilde, die dritt unterſte Schichte und dritte
Bildung, welche enthält die Kreideformationen mit Feuerſteinen
[110] und Verſteinerungen, abnehmend gegen die Tiefe, Jurakalk,
Quaderſandſtein, Greenſand, ſchwarze ſchiefrige Mergel- und
Sandſteine (Lajas Mergel, Lajas Sand), bunten Thon, Kalk-
mergel, Kalkſtein, Muſchelkalk, Eiſen, Blei, Kupfer, Steinſalz,
Gips, Zechſtein, Alpenkalk und Steinkohlen, in der tiefſten Lage.
5) Das Uebergangsgebilde, die zweit unterſte Schichte
und zweite Bildung, welche in ſich führt die älteſten foſſiliſchen
Reſte aus dem Thier- und Pflanzenreiche, Abdrücke von Palmen
und baumartigen Farnkräutern, Thonſchiefer, Grauwacke, Mangan,
Zink, Silber, Bergkalk, rothen Uebergangsſandſtein, grobkörnigen
Quarz, Feldſpath, Glimmerblättchen und Glimmerſchiefer.
6) Das Urgebilde, die unterſte Schichte, die aber auch auf
den höchſten Punkten der Erde gefunden wird, weil die Erde in
ihrer Erzeugung fortfährt, welche gar keine Verſteinerung und
größtentheils blos Glimmerſchiefer und Gneis führt.
Nach dieſen Erfahrungen über die Erdſchichtungen und deren
Gehalt hat man daher die verſchiedenen Mineralkörper in verſchie-
dener Tiefe in der Erde zu ſuchen. Da man endlich den Wahn
des Wünſchelruthenſchlagens und die Unbegründetheit der Einwir-
kung des thieriſchen Magnetismus zur Entdeckung von Mineralien,
beſonders von Metallen, eingeſehen hat, begnügt man ſich mit
folgenden Anzeigen von Vorhandenſein nutzbarer Mineralien:
1) Entfernte Anzeigen ſind vorhanden, wenn man vom Er-
ſcheinen eines Mineralkörpers, der mit einem andern in einer
Formation vorkommt, auf das Vorhandenſein des Lezteren ſchließt.1).
2) Nähere Anzeigen ſind die Mineralien, welche die Nachbar-
ſchaft eines andern anzeigen, da ſie immer oder in der Regel da-
mit verbunden ſind 2).
3) Gewiſſe Anzeigen ſind ſolche, die über das Vorhandenſein
eines Mineralkörpers gar keine Zweifel übrig laſſen. Die einzig
zuverläſſige iſt das Ausgehende, d. h. der aus irgend einer Ur-
ſache über Tag (äußerlich) erſcheinende Theil einer Lagerung 3).
Allein wenn auch ſolche Anzeigen vorhanden, wenn ſogar das
Mineral vorhanden iſt, ſo iſt noch nicht ausgemacht, daß die Aus-
beute auch die Arbeit lohnen wird, d. h. daß das Mineral nutzbar
und bauwürdig iſt. Man muß daher beim Beginne der Arbeit ſehr
behutſam ſein und die Erfahrungen über das gewöhnliche Vor-
kommen und die gewöhnliche Ausdehnung der Formationen zu
Hilfe nehmen.
Es gibt verſchiedene Verbindungsformen (Lagerſtätten) nutz-
barer Mineralien, nämlich:
1) Lager, d. h. Schichten von verhältnißmäßig geringer
Dicke, von gleichem Alter mit dem ſie umgebenden (Neben-) Ge-
ſteine, und von geringer Neigung gegen den Horizont. Sie heißen
Flötze in den Flötzgebilden, z. B. Steinkohlenflötze; Bänke im
Diluvium und in ungeſchichteten Felsarten; liegende Stöcke,
wenn ſie ſich weniger in die Länge als in die Teufe erſtrecken;
Stückgebirge, wenn ſie im Verhältniſſe zur Länge und Breite von
außerordentlicher Teufe ſind. Sie keilen ſich aus, wenn ſie am
Ende einen Keil bilden. Sie verdrücken ſich, wenn ſie ſich ver-
dünnen. Sie bilden Mulden oder Becken (concave Biegungen),
wenn ſie ſich nach dem Verdrückten wieder allmälig erweitern, aber
Bückel oder Sättel (convexe Biegungen), wenn ſie ſich ſattel-
förmig bilden. Flötze verwerfen ſich, wenn mehrere Flötze, die
übereinander liegen, in combinatoriſcher Ordnung andere Stellen
einnehmen.2).
2) Gänge, d. h. ſchmale Lagerſtätten von Mineralien, welche
die Schichten eines Gebirgs durchſchneiden und von denſelben ver-
ſchiedene Mineralmaſſen führen. Sie heißen Stockwerke, wenn
viele kleine Gänge ſich auf einem Hauptpunkte durchkreutzen, und
ſtehende Stöcke, bei geringer Erſtreckung und Auskeilung.
Schlechten ſind leergebliebene Gangſpaltungen; taube oder
faule Gänge ſind mit allerlei Bruchſtücken grober Materie aus-
[112] gefüllte Gangſpaltungen. Denn gewöhnlich kommen nur Metalle
und edle Steine als Gänge vor. Druſen ſind leere oder an den
innern Wänden mit Kryſtallen bewachſene, die Gänge unterbrechende
Räume. Ein ſchmaler neben einem breiten Gange heißt Neben-
gang; das was einen Gang einſchließt Nebengeſtein; die glatte
oder gefurchte unmittelbar an dieſes anſtoßende Seite des Ganges
Saalband; und die zwiſchen der Gangfläche und dem Nebenge-
ſtein manchmal noch eingeſchobene Maſſe Beſteg3). Auch die
Gänge keilen ſich aus. Sie zertrümmern ſich, wenn ſie ſich
in mehrere kleine Keile zertheilen und endigen. Sie verdrücken
ſich auch, aber thuen ſich auf, wenn ſie immer weiter werden.
Sie machen einen Bauch, wenn ſie außerordentlich zunehmen,
und gabeln ſich, wenn ſie ſich in zwei Keile theilen. Sie werden
von Rücken durchſetzt, wenn ſie von anderen tauben Geſteinen
quer unterbrochen werden. Sie ändern ihre Gang- und Erzart
nach der Natur des Nebengeſteins und auch bei gleichem Neben-
geſteine.
3) Unregelmäßige Anhäufungen im Innern, als Nieren und
Neſter, d. h. kleine Erz- und Steinmaſſen, welche von ziemlich
gleichen Dimenſionen zerſtreut liegen; Butzenwerke oder Putzen,
kleine nach allen Dimenſionen ziemlich gleich ausgedehnte und mit-
unter durch Erz gefüllte zerſtreut liegende Räume.
Man unterſcheidet in dieſer Hinſicht zwei Hauptrichtungen,
nämlich:
1) Das Streichen der Lagerſtätten, d. h. ihre Richtung,
als Maſſen, nach den Himmelsgegenden. Zu ſeiner Beſtimmung
denkt ſich der Bergmann den halben Horizont von Mitternacht bis
Mittag, in 12 Stunden zu 15 Graden eine jede eingetheilt, und
gibt je nach dem angegebenen Streichen die Stunde an, in der es
den Horizont durchſchneidet. Stehende Gänge ſtreichen von
Stunde 12–3; Morgengänge von Stunde 3–6; Spatgänge
[113] von Stunde 6–9; Flachgänge von Stunde 9–12 1). Die
Gänge erleiden aber in dieſer Hinſicht viele Veränderungen. Sie
fahren getroſt durch das Geſtein oder ſind hauptſtreichend,
wenn ihr Streichen in große Ferne geht; im Gegentheile führen
ſie einen kurzen Strich oder ſind mozzig2). Geht ihr Strei-
chen durch ein Thal in das andere Gebirg (Gegengebirge), dann
heißen ſie dort Gegentrümmer. Dieſelbe ſtreichen entweder mit
dem Gebirge oder quer durchs Geſtein. Der Gang verrückt ſich
aus ſeiner Stunde oder er bleibt in derſelben, wenn er ſein
Streichen verändert oder beibehält. Im erſten Falle ſchmeißt
er ſich im Winkel oder im Bogen aus ſeiner Stunde, je
nach dieſer Form ſeiner Abweichung; oder er wirft auch einen
Haken und einen Bauch.
2) Das Fallen der Lagerſtätten, d. h. ihre Neigung gegen
den Horizont. Die Gänge ſind auf dem Kopfe ſtehend bei
einem Neigungswinkel von 90 Graden; ſeicher bei einem Nei-
gungswinkel von 90–75 Graden; thonlägig bei einem N. W.
von 75–45 Graden; flachfallend bei einem N. W. von 45–15
Graden; und ſchwebend bei einem N. W. von 15–0 Graden.
Auch in dieſem Betrachte erleiden die Gänge Veränderungen. Sie
ſtürzen ſich, wenn ſich ihr Fallwinkel vergrößert, und richten
ſich auf, wenn er ſich verkleinert. Dieſelben fallen wider-
ſinnig, machen aus Liegendem Hangendes und umgekehrt,
wenn ſich ihr Fallen auf die entgegengeſetzte Seite wendet. Sie
ſetzen in Klüften in einander über, wenn ein Gang in der
Auskeilung des andern anfängt oder blos mit ſeinen Ausklüftungen
in einen andern Gang hinüber reicht. Sie zertrümmern ſich
auch bei ihrem Zuſammentreffen. Sie durchkreutzen ſich ohne Ver-
änderung oder mit Veränderung ihrer Richtung, in welchem lezten
Falle ſie ſich verſchieben. Sie durchſetzen ſich entweder in
einem Schaarkreutze (ſchiefen Winkel) oder in einem Winkel-
kreutze (rechten Winkel). Sie ſchleppen ſich, wenn ſie, in
Berührung getreten, eine Strecke mit einander fortlaufen. Ein
Gang wird vom andern abgeſchnitten, wenn er beim Aufſtoßen
auf denſelben plötzlich aufhört.
Um die Lage einer Lagerſtätte zu beſtimmen, bedient man ſich
verſchiedener bergmänniſcher Inſtrumente, nämlich:
1) Zur Beſtimmung des Streichens braucht man den
Markſcheidecompaß und den Gruben- (Hand- oder Taſchen-)
Compaß. Dieſer unterſcheidet ſich von jenem blos durch ſeine
äußere Form einer großen Taſchenuhr, während jener in einem
Bügel hängt. Man unterſcheidet daher bei Erſterem das Hänge-
zeug (Compaß ſammt Bügel) und den Zulegecompaß (die Ver-
packungsſchachtel). Die Magnetnadel iſt wie in jedem Compaſſe
angebracht und kann vermittelſt eines Zäpfchens und Stängchens
(Arretirung) angehalten werden. Der Limbus zerfällt rechter Hand
von Süden gegen Norden, und linker Hand von Norden gegen
Süden, jedesmal alſo zur Hälfte, in 12 gleiche Theile, ſo daß
ſowohl bei Nord als auch bei Süd 12 ſteht, und von einer gleich-
namigen Ziffer zur andern immer ein Durchmeſſer gezogen werden
kann. Zur linken Hand vom Norden liegt Oſt, und zur rechten
Hand Weſt, alſo beides am verkehrten Orte und mit 6 bezeichnet1).
Um das Streichen nun zu erfahren, legt man die gemalte Nord-
linie des Compaſſes, den Südpunkt am nächſten beim Beobachter,
parallel mit der Streichungslinie auf. Nun ſetzt ſich die Magnet-
nadel in die natürliche Nordlinie und zeigt ſo (nicht die Him-
melsgegend, ſondern) die Stunde des Streichens an 2).
2) Zur Beſtimmung des Fallens bedient man ſich des Grad-
bogens, d. h. einer von Meſſingblech federhart geſchlagenen,
leichten, nicht zu breiten, ringförmigen Scheibe mit eingegrabenen
concentriſchen Halbkreislinien, die von einem Halbmeſſer in zwei
Quadranten getheilt iſt, deren jeder vom Peripheriepunkte des
Halbmeſſers an in 90 Grade getheilt iſt. Am Centrum, welches
auf einem die beiden 90ten Grade verbindenden Meſſingbande liegt,
iſt ein Seidenfaden oder ein Menſchenhaar befeſtigt, das mit einem
Lothe beſchwert iſt und über den Gradbogen herabhängt. Der
Neigungswinkel wird durch das Aufſetzen des Gradbogens auf das
Geſtein gefunden, wenn die Lothſchnur einen Grad bezeichnet. Oft
kann man aber nicht zur gehörigen Fläche hinreichen, deshalb ſind
bei den beiden Endpunkten des Durchmeſſers Haken angebracht,
vermittelſt welcher man das Inſtrument an eine ausgeſpannte
Schnur oder einen Stab, die man als Fortſetzung der Falllinie
an das Geſtein feſthält, ſo hängen kann, daß die Lothſchnur doch
ihre Anzeige macht, ohne daß man den Gradbogen unmittelbar auf
das Geſtein aufgeſetzt hat.3).
Den Maaßgehalt beſtimmt man mit einem eigenen bergmänni-
ſchen Längenmaaße, nämlich der Lachter, von beinahe 7 Fuß,
faſt 80 Zoll 1). Was von einer Lagerſtätte an der Erdoberfläche
erſcheint, heißt das Ausgehende, bei Gängen auch das Aus-
beißen. Das zunächſt über den Gängen Liegende heißt das Han-
gende, das unter ihnen Liegende heißt das Liegende. Bei ganz
ſenkrechten Gängen heißt man dieſes Beides Gangulmen, bei
Flötzen jenes das Dach, dieſes die Sohle. Hiernach wird fol-
gendes klar. Es iſt:
1) Die Mächtigkeit einer Lagerſtätte der ſenkrechte Abſtand
zwiſchen dem Hangenden und Liegenden, den Gangulmen oder
zwiſchen dem Dache und der Sohle, d. h. die Dicke der Lagerſtätte.
2) Die Länge und Teufe aber die Erſtreckung von einem
Ende zum andern zwiſchen dem Hangenden und Liegenden durch.
Die beiden äußerſten Spitzen des Ganges nach dem Streichen ſind
die Enden. Man nennt ſie in Bezug auf den mittleren Theil die
Flügel.
Solche Lagerſtätten von Mineralkörpern werden nach den bis-
her angegebenen Kennzeichen nicht blos durch Zufall entdeckt, ſon-
dern ſie werden auch aufgeſpürt. Die Kunſtgriffe dabei ſind emi-
nent praktiſcher Natur und nicht allein nach der geognoſtiſchen
Beſchaffenheit einer Gegend überhaupt, ſondern auch insbeſondere
nach der Natur des zu unterſuchenden Gebirgs verſchieden. Als
allgemeinſte Regel gilt, daß Strombette, Anſchwellen von Gewäſ-
ſern, beſonders aus Gebirgen, Bergſpalten, Klüfte, enge Thäler,
Rodungen u. dgl. mächtige Hilfsmittel ſind, daß man eine Gegend
mehrmals bereiſen muß und über alle Entdeckungen und Lagen
genaue Regiſter geführt und Karten gezeichnet werden 1). Hat
man aber äußere ſichere Anzeige von Lagerſtätten gefunden, ſo
muß das Aufgraben der Mineralien u. dgl. ſelbſt, d. h. das
Schürfen, beginnen. Darum werden verſchiedene Verſuchsbaue
nöthig, je nach der Lage des Ortes und der Formation 2). Es
gehört hierher:
1) Das Graben tiefer Löcher in verſchiedenen Diſtanzen auf
ebenen Flächen, namentlich z. B. bei Verſuchen auf Torf.
2) Der Gebrauch des gewöhnlichen Rad- oder Brunnenbohrers,
mit dem man Löcher in die lockere Erde z. B. auf Wieſen bohrt, in
verſchiedenen Diſtanzen, um Mächtigkeit und Teufe der Lager oder
Bänke zu erforſchen.
3) Das Ueberröſchen, d. h. die Führung eines Grabens
oder zweier ſich durchkreutzenden Gräben, wobei man aber ſo ſcho-
nend als möglich mit der fruchtbaren Oberfläche umgehen muß.
4) Das Einführen von mehr oder weniger wagerechten, und
mehr oder weniger ſenkrechten Eingängen auf den Gang oder das
Lager. Erſtere ſind Schurfſtollen, Leztere aber Schurfſchachte.
Da ſie ſchon mehr als bloße Verſuchsbaue ſind und bei ihrer Con-
ſtruktion auf ihren ſpäteren Gebrauch gerechnet wird, ſo ſollen ſie
hier blos erwähnt, das Nähere aber unten vorgetragen werden.
(§. 95.)
5) Die Unterſuchung mit dem Erd- oder Bergbohrer, d. h.
einem aus mehreren Anſchraubeſtücken beſtehenden und mit verſtähl-
ten Bohrern verſehenen Inſtrumente, welches zum Durchbohren
der Gebirgsarten gebraucht wird.
Der Erd- oder Bergbohrer1) beſteht aus dreierlei Be-
ſtandtheilen. Sie ſind:
1) Das Anfangsſtück, welches aus Eiſen beſteht, oben eine
Drehſtange (Drehling, Krückel) horizontal aufnimmt und mit
einem Ringe oder Bügel verſehen iſt, in den man das Seil zum
Herausziehen des Bohrers befeſtigt, und welcher am Anfangsſtücke
ſelbſt drehbar iſt.
2) Das Geſtänge, d. h. eine wechſelnde Anzahl von eiſernen
4 Fuß langen Stangen (Verlängerungsſtücken), welche, je tiefer
der Bohrer in die Erde geht, immerfort angeſetzt werden. Am
[117] einfachſten geſchieht dieſes Anſetzen a) durch Schrauben ſo, daß
am einen Ende des Verlängerungsſtückes eine Schraubenmutter,
am andern aber eine Schraubenſpindel ſteht; b) durch Muffen,
d. h. ſo, daß an dem einen Ende des anzulegenden Verlängerungs-
ſtückes eine Büchſe angebracht iſt, welche über die Zuſammenfügung
hin auf das Ende des bereits befeſtigten Geſtänges übergreift und
durch eine vorgeſteckte Feder feſtgehalten wird; oder c) durch Ga-
beln, d. h. ſo, daß jede Stange am einen Ende eine Gabel, am
andern aber einen Zapfen hat, der in die Gabel des ſchon befe-
ſtigten Geſtänges geſteckt und durch zwei Schraubenbolzen befeſtigt
wird 2).
3) Das Endſtück, welches unmittelbar auf dem Geſteine
arbeitet und ſich alſo nach der Härte deſſelben richten, abnehmen
und anſetzen laſſen muß. Man unterſcheidet daher folgende End-
ſtücke: a) den Schaufelbohrer, d. h. einen mehr oder weniger
cylindriſchen Bohrer, welcher der Länge nach um einige Zolle ge-
öffnet iſt, unten an der übergreifenden Seite in eine ſchräge Spitze
endigt, bei einem Durchmeſſer von 3–4 Zoll eine Länge von
12–18 Zoll hat und ſogleich im Alluvium gebraucht wird; b) den
Hohlbohrer, d. h. einen wie der vorige cylindriſch geformten,
aber von ihm dadurch unterſchiedenen Bohrer, daß er nicht ge-
ſchloſſen iſt; c) den Schneckenſchraubenbohrer, d. h. einen
Hohlbohrer, der ſich gegen unten verengt und in eine gekrümmte
Spitze ausläuft; d) das Steineiſen (Trepane), d. h. ein in
eine Doppelſpitze oder breitgedrückte Schärfe auslaufendes ſtählernes,
16–18 Zoll langes und am Kopfe 3 Zoll breites Unterſtück;
e) den Kolbenbohrer, d. h. ein mit 5 Stahlſpitzen verſehenes,
im Gevierte auslaufendes, ſtählernes, in der Mitte pyramidiſch
zulaufendes Unterſtück; f) den Kronenbohrer, wie der Kolben-
bohrer beſchaffen, nur ohne die 5te pyramidiſche Spitze in der
Mitte; g) den Meißelbohrer, d. h. ein Unterſtück mit einem
kurzen, dicken, kugelförmigen Kopfe; h) den Löffel oder Krätzer,
zum Herausziehen des trockenen und naſſen Bohrmehls, für welchen
erſten Zweck der Cylinder mit einer 1½ Zoll breiten Längenſpalte
von oben nach unten verſehen iſt, wo er durch ein ſchräg liegendes
Blättchen geſchloſſen wird, während für den zweiten Zweck das
Inſtrument unten ganz geſchloſſen iſt und die Spalte nur bis zur
Hälfte geht; i) die Sandkälle, d. h. einen eiſenblechenen Trich-
ter, der in eine ſchneckenförmige Spitze ausläuft; k) den Bohr-
und Sohlenlöffel zum Herausziehen des kochſalzhaltigen Waſ-
ſers, d. h. einen unten verſchloſſenen Cylinder, deſſen obere Oeff-
nung durch einen Deckel bedeckt wird, den eine Feder zudrückt und
[118] der durch eine längs des Bohrgeſtänges zu Tage gehende Schnur
oder einen ſolchen Draht aufgezogen wird; l) den Schmand-
löffel, d. h. einen zum Reinigen des Bohrloches eingerichteten,
3–3½ Fuß hohen Becher aus Blech, an deſſen Ende ſich eine
ungefähr 1¾ Zoll weite Oeffnung befindet, die von einem meſſin-
genen leicht beweglichen Fallthürchen gedeckt wird und mit einem
Gewichte zu beſchweren iſt; m) die Zangenſtücke (Fangſtücke
oder Sucher), d. h. mehr oder weniger zangenartige und compli-
zirte Endſtücke zum Herausziehen ſtecken gebliebener Bohrſtücke.
Das Bohren ſelbſt im eigentlichen Sinne dieſes Wortes findet
nur im Alluvium und Diluvium Statt. Sobald man auf hartes
Geſtein ſtößt, beſteht die Manipulation des Bohrgeſchäftes im
Herumdrehen, Heraufziehen und Fallenlaſſen des Bohrers. Die
Endſtücke deſſelben wechſeln mit der Härte des Geſteines und der
nöthigen Arbeit. Die ganze Operation muß aber mit genauer
Auf- und Vorſicht geſchehen. Die heraufgezogenen Schichtarten
müſſen geordnet und unterſucht, und das Bohrgeſchäft protokolliſch
aufgezeichnet werden. Unachtſamkeit, Verzögerungen, Langſamkeit
u. dgl. bringen in den Bohrverſuchen oft ſolchen Schaden, daß ſie
nicht allein ihren Zweck nicht erreichen, ſondern auch die Bohrinſtru-
mente ſtecken bleiben und die Gebirge verlaſſen werden müſſen1).
Zur bequemen Vollführung des Bohrgeſchäftes ſind mancherlei
Vorrichtungen nöthig. Man rechnet hierher:
1) Den Bohrſtand, d. h. ein Gerüſte über der Erde, auf
dem die Bohrarbeiter ſtehen und arbeiten. Statt deſſen gräbt man
auch oft.
2) eine pyramidiſche, 18 Fuß tiefe, Grube, die ſich
nach unten verengt, oben an jeder Seite 18 Fuß weit iſt und
an ihren Seiten mit Brettern bekleidet wird, welche durch immer
enger werdende Vierlinge gehalten werden, wovon der unterſte
8 Fuß weit iſt2). Oft aber iſt
3) das bloße Ebenen des Bohrgrundes zum ganzen Geſchäfte
ſchon hinreichend.
4) Das Lochholz (die Bohrſcheibe), d. h. ein Holz von 19
Leipziger Zoll Länge, 11 Zoll Breite und 3–6 Zoll Dicke, in
deſſen Mitte ſich ein mit Eiſen gebüchstes rundes Loch befindet,
über welchem zwei eiſerne von der Seite laufende Klappen zuſam-
mentreten und eine etwas kleinere runde Oeffnung bilden. Dieſes
Inſtrument wird ſogleich beim Beginne des Bohrverſuchs in die
Erde befeſtigt und dient zur ſenkrechten Haltung der Bohrſtangen3).
5) Die Sandröhren oder das Bohr-Röhrenwerk, d. h.
eine hinreichende Anzahl 4–5 Fuß langer, 6 Zoll im äußern
Durchmeſſer dicker, eckiger oder runder Röhren, wovon die erſte in
einen 6 Zoll langen eiſernen Anſatz (Schuh) eingepaßt und mit
4 eiſernen Nieten befeſtigt iſt, damit ſie beſſer durchdringen kann.
Wie ſich das Bohrloch vertieft, werden dieſe Röhren, eine über
und nach der anderen, eingekeilt. Beide Enden jeder Röhre haben
einen eiſernen Ring im Holze feſtgenietet. An der oberen Kante
des Ringes der unterſten Röhre ſind eiſerne Verbindungsſchienen
perpendikulär herauf zu angebracht, die in der Mitte mit einer
eiſernen Schraubenmutter durchlocht ſind. An der unteren Kante
des Ringes der oberſten Röhre ſind dieſelben perpendikulär herunter
zu angenietet. Dieſe Vorrichtung dient zum leichteren Wieder-
heraufziehen der Röhren4).
6) Die einfache Ramm-Maſchine (Katze), zum Einram-
men dieſer Röhren, wobei man jedoch nicht unmittelbar auf die
Röhre ſelbſt rammt, ſondern auf den ſogenannten Mönch oder
Röhrenkopf, der auf die Röhre gepaßt wird.
7) Das Bohrgerüſte, d. h. eine eigene Maſchine zum Her-
ausziehen des Bohrgeſtänges, welche aus drei, oben in einen
Winkel zuſammenlaufenden, Balken beſteht, in deren Winkel eine
Rolle angebracht iſt, über welche das im Bügel oder Ringe des
Anfangsſtückes angefeſtigte Seil zum Aufziehen läuft.
8) Die älteren und verbeſſerten Hebebäume, Hebeladen, Hand-
göpel, Holzheben, Wagenwinden, Haſpel und Flaſchenzüge.
9) Die Docke, d. h. ein Fußgeſtell von ſtarken Balken, in
der Form von ¾ eines Kreutzes, welches in der Mitte und an den
drei Balkenenden durch Pfähle in die Erde gerammt wird. Am
oberen Ende des mittleren Kreutzbalkens ſind zwei, in Form einer
Hebelade mit Löchern und eiſernen Bolzen verſehene Säulen per-
pendikulär befeſtigt. Auf den in jene Säulenlöcher geſteckten Bolzen
ruht nun der Hebelarm, durch den das Geſtänge gehoben und ge-
ſenkt wird. Er iſt an der einen Seite mit einem Drückel ver-
ſehen und an der anderen mit einer Gabel von Eiſen, deren beide
Zinken durchlöchert ſind und einen Bolzen führen, in dem das
Geſtänge befeſtigt wird1).
10) Mehrere complizirte Bohrmaſchinen, deren Brauchbarkeit
aber noch beſtritten wird2).
Da nun aber durch den Bohrer weder die Art der Gebirgsfor-
mation, noch ihr Fallen, Streichen, Hangendes und Liegendes
mit hinlänglicher Sicherheit in allen Fällen beſtimmt werden kann,
ſo ſind die Bohrverſuche am beſten angewendet in regelmäßig ge-
ſchichteten Gebirgen, zur Beſtimmung der Mächtigkeit der Lager,
Flötze und Bänke, zur Unterſuchung der Erſtreckung, Gang- und
Erzart von zu Tage ausgehenden Gängen und Lagern, zur Auf-
ſuchung von Quellwaſſer, arteſiſcher Brunnen und Salzſohlen, und
endlich zur Beförderung des Luftzugs in Bergwerken3).
Man hat, um auf die nutzbaren Mineralien zu kommen, ver-
ſchiedene Zugänge in die Erde. Nämlich:
1) Wagrechte (oder nur wenig gegen den Horizont geneigte)
Zugänge. Führen ſie von Außen nach Innen, dann heißen ſie
Stollen; verbinden ſie aber zwei Stellen des Bergwerkes im
Innern mit einander, dann werden ſie Strecken genannt. Der
oberſte Theil oder die Decke derſelben heißt Firſt oder Förſt, der
ihr entgegengeſetzte aber Sohle. Die beiden Wände derſelben
nennt man Ulmen, den Eingang des Stollens das Mundloch,
und das Ende deſſelben das Stollenort. Je nach dem Zwecke,
wozu die Stollen dienen, haben ſie ihren Namen, obſchon ſich oft
[121] alle Zwecke in einem einzigen vereinigt finden. Dient der Stollen
zur anfänglichen Unterſuchung des Gebirgs, dann heißt er Schurf-
ſtollen (§. 91.); dient er zur Herausſchaffung der Mineralien,
Förderſtollen; dient er zur Bewirkung des Luftzuges, Wetter-
ſtollen; und dient er zur Ableitung des Waſſers, Erbſtollen.
Man macht das Mundloch eines Stollens wenigſtens 1 Lachter
über den höchſten Stand eines nahegelegenen Waſſers, z. B. in
Thälern mit Flüſſen und Bächen, um einer Ueberſchwemmung der
Baue zuvorzukommen. Vor demſelben wird der Schutt (Bergen)
vorſichtig in einen Haufen (Halde) geſtürzt, daß ebendaſelbſt
ein ebener Platz bleibt und der Stollen ſelbſt vor Waſſer geſchützt
wird. Die Stollen ſind von verſchiedener Höhe und Breite, doch
nicht ſchmäler als 3½-3¾ Fuß an der Sohle, wenn ſie mit
Karren befahren werden ſollen1). Je feſter das Hangende und
Liegende iſt, deſto höher darf der Stollen ſein. Davon hängt auch
die Form der Förſte ab, die bald horizontal, bald ein Gothiſcher
(Spitz-) Bogen, der am Ellenbogen der Arbeiter beginnt, ſein
kann; lezteres, wenn das Geſtein nicht brüchig oder wenn der
Stollen querſchlägig, d. h. ſo durch das Nebengeſtein geführt
iſt, daß er den Gang abſchneidet oder überfährt. Soll der Stollen
zugleich zur Waſſerableitung dienen, ſo reicht 0,015 Zoll Anſteigen
auf 1 Lachter hin. Das Waſſer läuft entweder auf der Seite oder
in der Mitte des Stollens ab. Der dazu dienende Kanal heißt
Waſſerſeige. Sie liegt unter dem Sohlenbalken an dem Mund-
loche und unter dem Geſtänge am Stollen ſelbſt. Dieſes aber
beſteht aus mehreren, auf zwei der Länge nach laufenden Balken
(Tragewerk), etwa zwei Fingerbreit von einander angenagelten
Querhölzern oder Brettern, die zum Fahren und Gehen dienen2).
2) Mehr oder weniger ſteile Zugänge. Sie heißen Schächte,
wenn ſie zu Tage ausgehen; Geſenke oder Abteufen, wenn ſie im
Innern Oerter mit einander verbinden; die Seiten des Schachtes
heißt man Stöße, die Sohle deſſelben aber Scheibe. Man
unterſcheidet die Schurf-, Förder- (Treib-), Fahrſchachte,
und die Kunſtſchächte, in welchen lezteren die Pumpſtangen zum
Herausheben des Waſſers gehen. Alle vier Zwecke erfüllt oft auch
ein Schacht. Die Länge, Höhe und Weite der Schächte hängt
ebenfalls vom Geſtein und von der Lage des Minerals ab3). Die
Form iſt oval, rund oder eckig.
Alle dieſe Zugänge und Grubenbaue müſſen befeſtigt ſein, um
die Arbeiter gegen den Einſturz der Gebirge zu ſichern. Dies ge-
ſchieht entweder mit Holz, und heißt Grubenzimmerung, oder
mit Steinen, und heißt Grubenmauerung1). Die Gruben-
zimmerung iſt verſchiedener Art, je nach der ein-, zwei-, drei-
oder allſeitigen Feigheit (Lockerheit) des Geſteins. Sie beſteht:
1) Bei Stollen und Strecken entweder in quer von einer
Ulme zur andern an die Förſte getriebenen Balken und Brettern
(der Kappe); oder ſie iſt halbe Thürſtockzimmerung, wenn
blos ſolche Kappen, Seitenpfoſten und Bretter an einer Seite an-
gebracht ſind; oder ganze Thürſtockszimmerung, wenn auch
die zweite Ulme gezimmert iſt; oder ganze Thürſtockszim-
merung mit Sohlhölzern, wenn auch die Sohle mit Pfoſten ge-
zimmert iſt; oder endlich ganze Thürſtockszimmerung, mit
Tragwerk, Förderungsgeſtänge und Waſſerſeige2). Die ganze
Zimmerung geſchieht ohne Zapfen und Nägel, ſondern durch bloßes
Ineinanderfügen vermittelſt Bogen und Winkel. Längs den Ulmen
werden zwiſchen ſenkrechte Pfähle Bretter quer eingetrieben, ſo
auch an der Förſte, wo jedoch Alles horizontal liegt und etwaige
Zwiſchenräume zwiſchen Geſtein und Zimmerung mit Faſchinen
ausgefüllt werden müſſen.
2) Bei Schächten und Geſenken entweder in der Bolzen-
ſchrotzimmerung oder in der ganzen Schrotzimmerung.
Die Leztere beſteht aus lauter der Länge des Schachts nach auf
einander gelegten Vierlingen. Die Erſtere aber beſteht in ſolchen,
4–4½ Fuß von einander entfernten, Vierlingen, welche durch
ſenkrechte Balken (Bolzen) unterſtützt und durch Tragſtempel,
d. h. in die Bühnelöcher an den Schachtulmen getriebene Quer-
bolzen, an ihren kurzen Seiten getragen werden3).
Die Grubenmauerung verdient vor der Zimmerung, zwar
nicht in Betreff der Koſten, aber wegen ihrer Stärke, Sicherheit
und Dauerhaftigkeit den Vorzug. Sie iſt:
1) Bei den Stollen und Strecken entweder theilweiſe oder
ganze Mauerung, je nach der Brüchigkeit des Geſteins. Hiernach
hat man eine Förſtenmauerung im Gewölbe, Mauerung der Ulmen
mit Kappen, Mauerung der Förſte nebſt einer Ulme, Mauerung
der Förſte und beider Ulmen, und allſeitige Mauerung, und zwar
in elliptiſcher Form, wobei das untere Ende der großen Axe nach
die Waſſerſeige macht. Die geradlinigte Mauerung heißt man
Scheibenmauerung, und die bogenförmige dagegen Gewölbe-
mauerung1).
2) Bei den Schächten und Geſenken unterſcheidet man
wegen der Mauerung die ſeicheren von den flachen Schächten.
Für die ſeicheren Schächte gibt es eine länglich viereckige, runde
und eine elliptiſche Mauerung. Leztere iſt die beſte, weil ſie die
Feſtigkeit der Bogenmauerung mit der Bequemlichkeit der länglich
viereckigen für die Theilung in zwei Theile und die Förderung in
ſich vereinigt. Am leichteſten iſt die Mauerung, wenn ſie ſogleich
beim Abteufen des Schachtes geſchieht; am ſchwierigſten, wenn in
einem viereckigen Schachte die faule Zimmerung durch die Mauerung
erſetzt werden ſoll. Das Schwerſte iſt immer, der Mauerung einen
gehörig feſten Standpunkt zu geben. Bei feſtem Geſteine wird
hierzu dieſes benutzt und darum weit genug ausgehauen; im ge-
prägen Geſteine aber ein Roſt oder Geviere von Holz oder Eiſen
(wie in England), oder auch das Ausmauern von ſtarken Bogen,
die dazu beſtimmt ſind, der Mauerung zur Stütze zu dienen2).
[124] Die Mauerung flacher Schächte iſt entweder Kellerhals-
mauerung (bei 60 Graden Fall des Ganges und darunter), d. h.
ein halb liegendes und halb fortlaufendes Gewölbe, oder Mauerung
mit überſpringenden Bogen, d. h. lauter ſenkrechte über ein-
ander ſtehende Scheibenmauern von geringer Erſtreckung, die über
einander hervorſtehen und eine jede für ſich auf einem Bogen
ſteht3).
Die Anſtalten, um in die Bergwerke und aus denſelben zu
gelangen, ſind ſehr wichtig. Ihre Einrichtung darf nicht ohne
genaue Berückſichtigung der Zwecke, der Bequemlichkeit, Sicher-
heit, Feſtigkeit, Gefahrloſigkeit und der Rettbarkeit der Grubenleute
bei Gefahren geſchehen. Man bedient ſich folgender Fahrtanſtalten,
um die Gruben zu befahren:
1) Auf mehr oder weniger flachen Schachten eines Stockes,
den man zwiſchen die Beine als Steckenpferd ſteckt, und abreitet.
2) Der ſogenannten Rollen, d. h. geneigter glatter Ebenen,
auf die man ſich ſetzt und abrutſcht, z. B. in Baiern, Oeſterreich
und in Wieliczka.
3) Der Tonnen und Kübel, in welchen man an Seilern das
Geſtein fördert, oder auch anſtatt dieſer gewiſſer Seſſel oder Sättel
mit Steigbügeln, welche an die Seiler befeſtigt ſind, z. B. in
England.
4) Der Treppen von Holz, oder der in das Geſtein gehauenen
Stufen, z. B. in Frankreich, Italien, Steiermark, Schweden.
5) Der Fahrten mit einem Schenkel (Balken), an dem auf
[125] beiden Seiten die Bolzen hervorſtehen, um hinab- und hinanzu-
klimmen.
6) Der Leitern oder Fahrten von Holz oder Eiſen (lezteres
in England) von 10–12 Fuß Länge, mit Ruhebühnen von Holz,
um daran hinab- und hinauffahren zu können, ohne ſich hindernd
auf denſelben zu begegnen.
Es iſt wohl keinem Zweifel unterworfen, daß die ſechste Art
die beſte iſt, da ſie allein alle obigen Eigenſchaften hat, und nicht
ſo viel Raum und Koſten erfordert wie die vierte1).
Unter Wetter verſteht man die Grubenluft. Unter Wetter-
loſung1) die Thätigkeiten und Anſtalten zur Verbeſſerung der-
ſelben. Böſe (nicht athembare) Wetter im Gegenſatze der guten
(athembaren) ſind entweder matte, welche größtentheils kohlen-
ſaures Stickſtoffgas, Arſenik- oder Merkurialdämpfe enthalten, oder
ſchlagende, nämlich größtentheils entzündliches Kohlenwaſſer-
ſtoffgas. Der Aufenthalt der Menſchen, die Lichter, das Feuer,
faules Holzwerk, das Mineral ſelbſt, und die Verwitterung von
Geſtein ſind Haupturſachen ihres Entſtehens2). Man bedient ſich
zur Sicherung gegen ihre ſchädlichen Folgen folgender Mittel:
1) Zur Entzündung der ſchlagenden Wetter jetzt, nachdem
die Feuermänner und die Flintenſchüſſe mit Zündkraut als weniger
tauglich befunden worden ſind, der Sicherheitslampe von
Davy. Ihre Conſtruktion beruht auf zwei Haupterfahrungen,
nämlich darauf: a) daß eine Flamme durch ein Drahtgeflechte von
100 Löchern auf einem Quadratzolle von der äußern Luft geſchie-
den, mit dieſer nicht in Berührung tritt, und b) daß ein Spiral
von Platindraht in der Rothglühhitze die langſame Verbrennung
des Kohlenwaſſerſtoffgaſes bewirkt und erhält. Die Davy'ſche
Sicherheitslampe beſteht daher aus einem meſſingenen Oelbehälter,
in dem der Dacht angebracht wird, aus einem über die Flamme
geſtürzten Drahtgazecylinder obiger Beſchaffenheit, welcher oben
einen eben ſo belöcherten blechernen Hut hat, und aus einem im
Cylinder über der Dachtflamme feſt angebrachten Spirale von
Platindraht. Die anderen Beſtandtheile ſind Nebenſachen. Die
ſchlagenden Wetter dringen durch den Cylinder an die Flamme,
verbrennen an ihr langſam ohne Exploſion, und wenn dieſe nicht
mehr brennen kann, am Platinſpirale in der Rothglühhitze, was
[126] einen ſolchen Schein gibt, daß der Arbeiter damit die Grube be-
fahren kann, ohne der Gefahr ausgeſetzt zu ſein, daß durch das
Verbrennen jenes Blechhutes die Flamme ausbrechen und eine
Exploſion verurſachen wird3). Kommt er wieder mit der Lampe
in die athembare Luft, dann lodert der Dacht wieder auf.
2) Zur Ableitung der Wetter, alſo auch zur Sicherung
gegen matte Wetter, der Wetterwechſeln, d. h. ſolcher Ein-
richtung der Zugänge, daß ein Luftzug erhalten wird. Ihre Con-
ſtruktion beruht auf der Erfahrung, daß die Grubenluft im Win-
ter wärmer und leichter, im Sommer aber kälter und ſchwerer iſt,
als die äußere. Setzt man nun die Mundlöcher der Schächte und
Stollen in verſchiedene Ebenen und bringt man ſie mit einander in
Verbindung, ſo wird im Winter die äußere Luft am tief liegenden
Mundloche ein- und die Grubenluft am höheren herausſtrömen,
aber im Sommer umgekehrt. Solche Zugſchächte heißt man
Lichtlöcher oder Wetterſchächte, auch Wetterkamine, wenn
ſie bloße 3–4 Fuß weite Geſenke ſind. Kann man dieſen Luftzug
in die Waſſerſeige anbringen, ſo iſt es für die Arbeiter beſſer. In
der Regel iſt aber der Schacht durch den Wetterſcheider in
zwei Theile getrennt, und jene ſtehen ein Lachter über die
Schachtöffnung hervor. Um aber den Zug zu verſtärcken, ſetzt
man in die Schächte vom Tage hinein auch Wetterlutten, d. h.
hölzerne Röhren, welche oft ſenkrecht, oft horizontal, trichter-
förmig erweitert, dem Winde entgegen gerichtet ſind, um ihn
beſſer aufzufangen. Dieſes nennt man Wetterführung4).
3) Zum Ein- und Ausblaſen der Wetter verſchiedener
künſtlicher Mittel. Die Luft wird eingeführt: a) vermittelſt großer
Blasbälge mit mehreren nach verſchiedenen Richtungen ſich öffnen-
den Ventilen (Wetterbläſer); b) vermittelſt der Wetter-
(Wind-) Trommeln oder des Wetterrades, d. h. runder,
6 Fuß Durchmeſſer zählender Gehäuſe, in denen ſich ein acht-
flügeliges Rad zur Aufnahme des durch die Zuglöcher am Gehäuſe
bewirkten Luftzuges befindet, das die Luft in die Schachte wirft;
c) vermittelſt der Waſſertrommeln, d. h. oben trichterförmig
ſich mündender und gegen unten ſich verengender Hauptröhren,
welchen durch ſchiefe Seitenröhren die Luft zugeführt wird, und
in welchen dieſelbe durch Waſſer, das durch den Trichter einſtürzt,
nach unten in einen, manchmal auch noch mit einem Flügelrade
verſehenen, Behälter geriſſen, und von da durch Röhren in die
Grube geleitet wird. Sie ſind nur bei hinreichender Waſſermenge und
leichter Ableitbarkeit des Waſſers aus der Grube anzuwenden. Die
Wetter werden aber herausgeſogen und durch andere herbeiſtrömende
[127] erſetzt: a) vermittelſt des Wetterſatzes, d. h. einer einfachen
hölzernen, mit ledernen und hölzernen Röhren verſehenen Luft-
pumpe; b) vermittelſt freier in den Gruben angemachter Feuer
zur Conſumtion und Anſaugung der Luft; beſſer aber anſtatt ihrer
c) vermittelſt der Wetter- (Wind-) Oefen, mit einer in die
Grube führenden, die Wetter über ein Feuer auf einem Roſte
leitenden, Röhre. Dieſe Oefen ſtehen außerhalb der Gruben und
empfangen die Wetter durch die Lutten aus den Gräben herauf5).
Die in den Gruben anzutreffenden Waſſer ſind nicht minder
gefahrdrohend, als die Wetter, weil ſie nicht blos das Leben der
Arbeiter gefährden, ſondern auch öfters den Fortbau unmöglich
machen, d. h. die Gruben verſäufen. Auch gegen ſie hat man,
entſprechend der Wetterloſung, drei Hauptmittel. Nämlich:
1) Das Verdämmen(Cuvelage et Picotage)der Waſ-
ſer, d. h. Vorrichtungen, um das Herzuſtrömen des Waſſers zu
[128] verhüten. Man bedient ſich dazu oft: a) der Dämme, um das
Waſſer auf einer höheren Sohle vom Hinabſturze in tiefere Theile
der Gruben zu hindern. Ihre Stärke iſt nach ihrem auszuhalten-
den Drucke verſchieden, und ſie beſtehen in der Regel aus zwei
ſtarken Holzwänden, in deren Mitte Letten eingeſtampft wird. Iſt
nahes Waſſer zu vermuthen, ſo unterſucht man am beſten mit dem
Bohrer, um ein ſchnelles Anſchwellen bei fortgeſetzter Arbeit zu
verhüten1). b) Der eigentlichen Verdämmung(Cuvelage et
Picotage) der Schächte. Sie gründet ſich auf ſehr waſſerhaltende
und waſſerfeſte Erdſchichten, und ſoll das Durchdringen der
Waſſer, wenn der Schacht durch ſolche Schichten geht, verhin-
dern, indem ſie in ihr natürliches Niveau gehalten werden. Auf
einer ſolchen Schicht mit dem Schachte angelangt, erweitert man
den Schacht 4–4½ Zoll über die Jöcher der Zimmerung hinaus,
und füttert die Zwiſchenräume zwiſchen den angebrachten Jöchern
mit Moos aus, auf welches vermittelſt vieler hölzerner Keile meh-
rere Bretter ſo feſt angekeilt werden, daß das 2–2½ Zoll dick
aufgelegte Moos bis auf einige Linien Dicke zuſammengepreßt wird2).
Man kann dieſe Vorrichtungen Waſſerhaltung nennen.
2) Die Waſſerloſung im eigentlichen Sinne, indem man
den Waſſern einen natürlichen Abfluß durch ſeine eigene Schwere
gibt. Dies geſchieht durch die Waſſerloſungsſtollen, weniger an-
wendbar in flachen, als in getheilten gebirgigen Ländern, weil ſie
an ſich ſehr koſtſpielig und in erſteren Ländern zu lang ſein müſſen.
Man legt dieſe Stollen ſo tief an, daß ſie möglichſt das Waſſer
der höheren Sohlen der Grube aufnehmen. Ihr Bau iſt wegen
der Nivellirung der Gebirgsoberfläche und wegen der Auffindung
des gehörigen Gefälles ſehr ſchwer. Dient ein ſolcher Stollen nicht
zugleich zum Fördern, dann braucht er weniger Dimenſion3).
3) Die Waſſerhebung, indem man die Waſſer künſtlich
aus den Gruben herauszieht. Man bedient ſich dazu, je nach der
Tiefe, aus welcher die Waſſer heraufgezogen werden müſſen, außer
den früher angewendeten archimediſchen Schnecken, Paternoſter-
werken, Schaufelkünſte, jetzt noch folgender Mittel: a) der Ton-
nen und Fäſſer auf ſchwebenden Strecken und flachen Schächten,
indem man ſie auf Schlitten oder Wagen, deren Räder auf höl-
zernem Geſtänge gehen, heraufzieht. b) Der Züber und Kübel
zum Heraufziehen, wie bei der Förderung (§. 106.), welche aber
unverſchloſſen nicht ſo gut ſind wie jene verſchloſſenen Fäſſer;
c) der Sauge- und der Druckpumpen, die wie die Waſſer-
pumpen überhaupt konſtruirt ſind; d) bei großer Teufe des Kunſt-
ſatzes, d. h. mehrerer immer übereinander angebrachter Pumpen
[129] mit Waſſerbehältern (Satzkäſteln), in welche die eine Pumpe
eingießt und aus welchen die nächſt höhere pumpt4); e) des He-
bers und der Luftcompreſſion5). Dieſe Waſſerhebung wird
durch dieſelben Kräfte wie die Förderung bewirkt.
Die Arbeit in den Gruben kann ohne Lampen (Geleuchte)
nicht geſchehen. Sie haben verſchiedene eigenthümliche Formen
und jeder Bergarbeiter muß mit einer ſolchen und dem Feuerzeuge
verſehen ſein. Da aber die Feſtigkeit des Geſteines ſehr verſchie-
den iſt, ſo hat man auch verſchiedenes Werkzeug (Gezähe) und
verſchiedene Arbeiten. Erſteres läßt ſich nach Lezterem anordnen.
Es gibt nämlich:
1) Gezähe zur Lostrennung des Geſteins. Es gehören
hierher: a) die Keilhauen, d. h. mehr oder weniger keilförmige
ſpitzige Hauen mit ſtarkem Oehr und Helme (Stiel), die zum
Zwängen des Geſteines dienen. Man unterſcheidet nach Stärke,
Größe und Kürze die Geſteins-, Schramm- und Kerb- (Schlitz-)
Keilhauen; b) die Lettenhaue, welche vornezu eine breite
Schneide hat und beſonders zum Wegnehmen dünner Lettenſchich-
ten dient; c) die Keile (Fimmel, Wölfe) von verſchiedener
Größe, die ins Geſtein eingetrieben werden, früher für Mühlſteine
und Marmorblöcke von Holz, jetzt aber von Eiſen; d) die Treib-
fäuſtel von verſtrahltem oder bloßem Eiſen, verſchieden geformte
ſtarke Hämmer von 8–20 Pfunden; e) die Heber oder Brech-
ſtangen, d. h. große Eiſenſtangen mit keilförmigen, etwas ge-
krümmten Spitzen, von 15–60 ℔ Schwere; f) der Schramm-
ſpieß, der ſich unten in eine vierkantige pyramidiſche Spitze endet
Baumſtark Encyclopädie. 9
[130] und auf Kohlenflötzen angewendet wird; g) die Schaufeln und
Kratzen, von verſchiedener Form mit langem Stiele.
2) Gezähe zur Spreng- und Schießarbeit. Es gehören
hierher: a) die Handfäuſtel von 4–6 ℔, und ſchlanker und
kürzer als die Treibfäuſtel; b) die Spitzen(points), ſchlanke
verſtählte Keile; c) die Geſtein- oder Bergeiſen, d. h. ganz
ſpitzige kleine Eiſen von verſchiedener Größe und Geſtalt, welche
mit einem Helmöhre verſehen, im Beſitze jedes Bergmannes in
größerer Anzahl ſind, und, aufgeſteckt, ein ſpitziges Hämmerchen
von ungefähr 2 ℔ bilden können; d) die Bohrer zur Schieß-
arbeit; ſie ſind achteckig oder rund, von Eiſen und an beiden Enden
verſtählt, aber von verſchiedener Schneide und Spitze. Man unter-
ſcheidet den Meißelbohrer mit bogenförmiger, mit zugeſchärfter,
mit gerader und ſtumpfer Schneide; den Kreutzbohrer, mit vier
ausgeſchweiften, zwei ſich durchkreutzende Schneiden bildenden,
Flächen; den Kolbenbohrer, wie die Kreutzbohrer, nur mit 5
hervorragenden Spitzen, eine in der Mitte und vier in den Ecken;
den Kronenbohrer, ohne die fünfte mittlere Spitze; und den
Letten- (Trocken-) bohrer, eine runde eiſerne, oben mit einem
Loche verſehene, unten kolbenförmige Stange zum Trocknen der
Bohrlöcher in naſſem Geſteine; e) die Krätzer, eine oben mit
einem Loche verſehene, dünne, vierkantige, unten mit einem Löffel
oder Teller verſehene Stange, zum Herausziehen des Bohrmehls
und zum Austrocknen der Bohrlöcher vermittelſt eines in das obere
Loch befeſtigten Lappens oder Wergbüſchels; f) die Räumnadel,
ein ſpitziges, oben mit einem Loche verſehenes weiches Eiſen- oder
Kupferſtängchen zum Offenhalten eines Zündkanals bei der Schieß-
patrone; g) der Stampfer, eine 3½ ℔ ſchwere, unten kolben-
förmige, mit einer Hohlkehle verſehene, Eiſenſtange zur Aufnahme
der Räumnadel, während die Patrone ins Bohrloch geſetzt wird.
Er muß alſo dünner als das Bohrloch ſein1).
Das Geſtein hat verſchiedene Grade von Feſtigkeit, und nach
dieſen wechſelt auch die Arbeit auf dem Geſteine ſo wie der Ge-
brauch des Gezähes. Es gibt:
1) Rölliges (pulveriges) Geſtein, nämlich loſe Erde, Sand,
Lehm u. dgl., die man mit der Schaufel und Kratze wegräumt.
2) Mildes Geſtein, zerreiblicher zuſammengebackener Sand,
Dammerde, auch Steinkohlen und Steinſalz manchmal. Man ge-
winnt ſie mit der Keilhaue und der Fimmel, und ſchlägt ſie mit
dem Fäuſtel in Sand.
3) Gepräges (gebräches) Geſtein, nämlich Schwer-, Feld-
und Flußſpath, auch Kalkſtein, Gips, Sandſtein, alle lettigen,
eiſenſchüſſigen, großglimmerigen und kurzklüftigen Geſteine. Man
gewinnt ſie mit der Schlägel- und Eiſenarbeit, zum Theile indem
man Keile eintreibend ſpaltet, zum Theile indem man rinnenförmige
Ringe einhaut und das Dazwiſchenliegende aushaut (das Brun-
nenhauen), und mit der Sprengarbeit.
4) Faules Geſtein, mit Waſſer und Thon durchdrungen, und
nicht blockweiſe zu gewinnen, z. B. allſeitig gebrochene Schiefer,
die man mit der Keilhaue und Schaufel gewinnt.
5) Blättriges Geſtein, das ſich in Blätter und Tafeln
trennt, nämlich die Schiefer und Geſtein mit ſchiefriger Textur,
die man mit Fimmeln und Brecheiſen gewinnt, aber mit Meißeln
theilt.
6) Brüchiges Geſtein, das durch allſeitige Riſſe in unregel-
mäßige Blöcke getheilt, aber unter Benutzung örtlicher Um-
ſtände auf die verſchiedenſte Weiſe gewonnen wird und viele
Schwierigkeiten macht.
7) Weiches und zähes Geſtein, durchdringlich mit dem Ge-
zähe, zerquetſchbar, aber nur ſchwer zerreißlich, z. B. Schieferthon
und Serpentin, marmorartiger Thon bei rothem Sandſteine; man
ſchlitzt ſie auf beiden Seiten mit verſtählten Lettenhauen und treibt
neben und mitten Fimmeln ein.
8) Sprödes Geſtein, z. B. feinkörniger Granit, die Trappe,
Porphyre und einige Sandſteine, blos durch Sprengarbeit mit Erfolg
zu gewinnen.
9) Hartes und zähes Geſtein, z. B. einzelne Quarzarten
und Granite, die man blos durch Sprengarbeit, oft nur durch
Feuerſetzen gewinnen kann1).
Nach der Feſtigkeit des Geſteines gibt es folgende Arbeiten
auf demſelben:
1) Die Arbeit des Lostrennens, blos mit Hand-Werk-
zeugen. Sie läßt keine genügende wiſſenſchaftliche Beſchreibung
zu. Denn ſie iſt reine Kunſt der praktiſchen Manipulation.
2) Die Spreng- und Schießarbeit, deren Weſentliches
in folgenden Arbeiten beſteht: a) im Bohren einer cylinderför-
migen Röhre in das zu ſprengende Geſtein mit den (§. 101. N. 2.)
beſchriebenen Werkzeugen; das Verfahren iſt im Kleinen wie bei
den Bohrverſuchen und gibt ein Loch von 10–48 Zoll Länge und
½-4 Zoll Weite; b) im Beſetzen, d. h. im Anbringen einer
Maſſe, um dem eingelegten Pulver den Ausweg zu verrammeln;
nachdem das Bohrloch mit der Patrone geladen iſt, geſchieht dies
entweder mit einem Holzpflocke, mit Letten (Lettenbeſetzung), mit
Sand (lockere Beſetzung) oder mit Waſſer, in welchem lezteren
Falle man aber entweder blecherne, hölzerne oder ſtark verpichte
Papier-Patronen nehmen muß, um das Pulver vor Feuchtigkeit
zu bewahren; c) im Wegthun (Entzünden) des Schuſſes; dies
geſchieht entweder durch Röhrchen von Schilf, Stroh und mar-
kigem Holze, die man auf die Patrone befeſtigt, durch die Beſetzung
hervorragen läßt und mit Pulver füllt, oder durch Lunten, d. h.
mit einer Pulvermaſſe beſtrichene Binſen, Ruthen u. dgl., oder
endlich durch ſogenannte Raketchen, d. h. kleine mit Pulvermaſſe
ausgeſtrichene und getrocknete Papierdütchen, die man 3–4 Zoll
tief in die Zündröhre ſchiebt. Dieſe lezte Methode iſt beſonders
gut bei über ſich ſtehenden Bohrlöchern. Zur Entzündung bedient
man ſich der Schwefelmännchen und Schwefelfaden, um dem Ar-
beiter Zeit zur Entfernung zu geben1).
3) Das Feuerſetzen, um durch Verbrennen bedeutender
Holzſtöße das Geſtein mürbe zu machen. Es iſt beſonders anwendbar
bei lebhaftem Wetterwechſel und in breiten Gruben. Man treibt
vom Förderſchachte aus Strecken gegen die Lagerſtätte, bringt an
deren Enden Höhlungen an, die geräumig genug ſind, um auf
einem gelegten Roſte Holzſtöße zu faſſen2).
Förderung iſt die Hinwegſchaffung des gewonnenen Minerals
aus und von der Grube1). Geſchieht ſie vom Innern zu Tage,
dann heißt ſie Grubenförderung. Geſchieht ſie aber zu Tage,
dann iſt ſie Tageförderung, welche durch die gewöhnlichen
Transportmittel entweder auf gewöhnlichen Wegen, auf Schienen-
wegen, wozu die Förderwagen an den Rädern eigens eingerichtet
ſein müſſen, auf Eiſenbahnen, mit Dampfwagen, auf den bei der
Grubenförderung gebrauchten Karren, oder mit Kähnen zu Waſſer
geſchieht, je nachdem es Ausbeute, Betrieb und örtliche Umſtände
geſtatten2). Bei der Grubenförderung gibt es drei Hauptarten,
nämlich:
1) Die Strecken- und Stollenförderung. Sie ge-
ſchieht auf folgende Weiſen und iſt darnach: a)Rückenför-
derung, gewöhnlich nur in Stein- und Braunkohlengruben ange-
wendet, ſehr mühſam, koſtbar und von geringem Erfolge;
b)Schlepptrogförderung, angewendet auf ſchmalen Kohlen-
flötzen; der Schlepptrog beſteht aus zwei Kuffen von Holz, an denen
ein Bretterkaſten befeſtigt und eiſerne Oeſen angebracht ſind, in
welche das Ziehzeug (Sielzeug) des Schleppers eingehängt wird;
c)Schlittenförderung, wobei der Mineralkaſten auf einem
Schlitten ſitzt und durch 4 eiſerne Stangen gegen das Herunter-
fallen geſichert iſt; d)Laufkarrenförderung, wobei der Lauf-
karren aus zwei Karrenbäumen beſteht, die hinten in zwei Hand-
haben ausgehen, vorne zwiſchen ſich ein Rad führen, und in der
Mitte einen Mineralkaſten bilden; e)Hundeförderung, wobei
man unter den Hunden abweichend geformte, mit vier kleinen,
halb oder ganz ſichtbaren, Rädern verſehene, länglich viereckige,
mit Eiſen beſchlagene ſtarke hölzerne Kaſtenwagen verſteht, an denen
die Hinterrädchen größer als die Vorderrädchen ſind; nach der
Conſtruktion unterſcheidet man die ungariſchen und die deutſchen
Hunde; f)Wagenförderung, wobei ſich die Wagen von den
Hunden durch die Gleichheit der vier Rädchen, durch die Noth-
wendigkeit des Geſtänges (§. 95.) zu ihrer Leitung, durch das
Getrenntſein der Fördergefäße vom Wagengeſtelle, und durch die
Geſtalt der Gefäße unterſcheiden, welche bald rund, bald viereckig
ſind; g) die Kahnförderung, wenn genug Waſſer vorhanden
iſt und es überhaupt die Gewerbsverhältniſſe und Lage der Berg-
werke erlauben3).
2) Die Diagonalförderung. Sie geſchieht: a) auf dia-
gonalen Strecken, die unter einem mehr oder weniger ſtarken
Winkel anſteigen, um durch ſie beſonders im Steinkohlenbaue aus
den oberen Abbauſtrecken und Gewinnungsörtern die Mineralien
entweder auf die Sohle eines Schachtes oder auf die Grundſtrecke
und Stollen zu bringen und von dort weiter fördern zu laſſen; ſie
iſt wegen der Schwierigkeit des Heraufziehens der leeren Gefäße
nur bei Flötzen von nicht über 30 Grade Neigungswinkel anwend-
bar; man bedient ſich dabei übrigens der im §. 104. angegebenen
Maſchinen1); b) auf Bremsſchächten (Bremsbergen), welche
man auf zu geneigten Flötzen anwendet, wo die Diagonalſtrecken
nicht anwendbar ſind; ſie ſind, auf der Falllinie des Flötzes von
der Grundſtrecke aufſteigende, faſt zu einem Neigungswinkel von
36 Graden ſich neigende Schächte2), in welchen im nämlichen
Augenblicke, wenn ein gefülltes Gefäß heruntergelaſſen wird, ein
leeres heraufkommt; weil die Bremsſchächte rechtwinkelig von der
Abbauſtrecke ablaufen, ſo bringt man, um die Förderkarren leichter
einleiten zu können, an denſelben eine Drehſcheibe an, auf welche
das Gefäß geſtellt und durch die Drehung leicht in die gehörige
Richtung gebracht wird; der Name dieſer Schächte kommt von
dem Weſentlichſten derſelben, nämlich von der Bremsvorrichtung,
d. h. von einem zum Anhalten der hinabrollenden Gefäße die-
nenden, halb in einem Kaſten gehenden Rade, welches vermittelſt
eines Hebels gehemmt werden kann, der den beweglichen Kaſten an
daſſelbe anſchiebt; endlich c) durch die Rolllöcher (Rollſchächte),
d. h. ſtark geneigte kleinere Diagonalſtrecken auf ſtark geneigten
Flötzen u. dgl., in welchen man das gewonnene Mineral, auch
Bergen, auf die Grundſtrecken zur Förderung hinabrollen läßt;
am untern Ende bringt man Schieber und Gaſſe an, um das
Mineral in den Mündungskaſten zu leiten.
3) Die Schachtförderung. Es iſt bei ihr zu bemerken:
a) daß im größeren Theile des Schachtes, der von dem kleineren
durch Zimmerung geſchieden iſt, die Fördergefäße am beſten in der
Diagonale gegen einander ſtehen; b) daß man ſich dabei zum Theile
eiſerner Ketten, zum Theile runder, platter und flacher (Band-)
Seile bedient; c) daß als Fördergefäße entweder eigene Tonnen
und Kübel von mehr länglicher Form oder Maſchinen und Gefäße
der Streckenförderung, z. B. die Hunde, Wagengefäße, gebraucht
werden; und d) daß man die Seile an ſie entweder unmittelbar
anknüpft oder an einen Bügel von Eiſen hängt, in welchen ein
Eiſenhaken eingelegt wird, der am Seile befeſtigt iſt. Dieſe An-
knüpfung iſt ſehr wichtig, damit man den Unglücksfällen durchs
Herausſpringen und Herabfallen nicht ausgeſetzt wird. Die zur
Förderung angewandten Kräfte ſind verſchieden. Man bedient ſich
dabei: a) des Haſpels, der je nach der anzuwendenden Kraft
verſchieden groß, aber ſonſt ganz einfach konſtruirt iſt; öfters iſt
an ihm anſtatt der Spillen ein Schwungrad an einem Ende des
Rundbaums, oder der Welle, manchmal aber auch eine Erdwinde,
d. h. ein mit Umdrehzapfen verſehenes Rad in der Mitte des
Rundbaums, und nicht ſelten ein Stirnrad am Rundbaume, in
welches ein mit dem Haſpelhorne verſehenes Getriebe eingreift,
angebracht; b) des Pferdegöpels, d. h. eines ſenkrechten Well-
baums, um welchen ſich oben auf einen Korb, der koniſch zuläuft
oder blos cylindriſch iſt, die Seile wickeln; c) des Waſſergö-
pels (der Treib- oder Bremskunſt), wobei das Kehrrad das
Weſentlichſte iſt; daſſelbe iſt ein oberſchlächtiges Waſſerrad mit drei
Kränzen und zwei Reihen von Schaufeln, die ſo ſtehen, daß das
Rad bald rückwärts bald vorwärts gehen kann, je nachdem das
Waſſer auf die eine oder andere Seite fällt. Nach dem Kehrrade
folgt an Wichtigkeit der Korb, um den ſich die Seile wickeln,
und deſſen Größe hier, wie beim Pferdegöpel, nach der Schacht-
teufe verſchieden iſt. Beide ſind mit einander in Verbindung ge-
ſetzt, entweder durch eine gemeinſchaftliche Welle oder durch
ſenkrecht an den Enden der beſondern Wellen des Rades und
des Korbes angebrachte Korbſtangen, die dem Korbe die Bewegung
[136] des Rades mittheilen, oder endlich durch das Feldgeſtänge, eine
komplizirte Maſchine, welche, wenn das Aufſchlagwaſſer vom
Schachte entfernt liegt und fließt, die Radbewegung vom entfern-
ten Waſſer her der Korbbewegung mittheilt1); d) der Dampf-
maſchine, deren Kraft jede beliebige Richtung haben kann.
e) Der Kette ohne Ende (Paternoſterwerk), bei nicht be-
trächtlichen Schachtteufen; es gehen zwei Ketten ohne Ende ober-
halb der Schachtmündung über zwei Räder, an denen hervorſtehende
Zähne angebracht ſind, in welche die Kettenglieder greifen, und
aber unten im Geſenke über Rollen; die Fördergefäße hängt man
zwiſchen die Ketten in beſtimmte Glieder, und die obern Räder
werden durch eine Triebkraft bewegt und ſo die Gefäße herauf-
gewunden2); f) des Gegengewichtes, welches aus 2 Käſten
beſteht, die an den beiden Enden eines Seiles hängen, das auf
zwei Rollen geht; das eine Gefäß wird auf der Sohle des Schach-
tes immer mit Mineral, das andere am Mundloche mit Waſſer
gefüllt, dies unten und jenes oben geleert und ſo abwechſelnd3).
In der Grube wird nicht ſogleich beim Aushauen des Geſteines
die Sonderung der Erze vorgenommen, ſondern erſt nachdem eine
Strecke verſchrämt iſt, reinigt man die Sohle und gewinnt aus
den einzelnen Stücken mit den Fimmeln und kleinen Schüſſen die
Erzmaſſe, dabei ſcheidet man dieſe nach ihrer Reinheit und Reich-
haltigkeit noch vor der Förderung. Jede Unordnung beim Zer-
ſchlagen, Scheiden und Fördern hat bedeutende Verluſte zur Folge
durch das Zerſpringen, Zerſplittern, Zertreten, Beſchmutzen und
öftere Umladen. Was man von der Grube aus ſogleich gediegen
liefern kann, das braucht nicht in die Hüttenwerke zu gehen. Der
Ausſchläger ſcheidet nicht blos die erzhaltigen Stücke (Gänge)
von dem tauben Geſteine (Bergen), ſondern auch die Gänge
ſelbſt wieder nach Größe und Gehalt, und ladet ſie ſo in die För-
derungsgefäße. So kommen auch die ganz guten (derben) Gänge
[137] beſonders. Die Bergen müſſen öfters der Baue wegen in der
Grube bleiben; man ſpart die Förderkoſten und die Förderzeit.
Im Allgemeinen iſt eine zu ſtarke Zerkleinerung in der Grube die
Urſache von Verluſt; bei Steinkohlen aber ſtrebt man immer nach
großen Stücken. Dieſe Scheidung in der Grube gehört noch zum
Bergbaue und iſt erſt am Tage ins ganz Reine fortzuſetzen.
Die beſondere Gewerbslehre, welche bisher immer als Lehre
von der Führung des Haues ein Hauptſtück der Bergbaulehre aus-
machte, lehrt die verſchiedenen Arten des Baues bei den einzelnen
bergmänniſch zu fördernden mineraliſchen Stoffen, je nach ihrer
eigenthümlichen Natur und beſonderen Lagerſtätten. Dieſe beiden
Beziehungen bilden daher auch den Eintheilungsgrund.
Iſt erwieſen, daß ſich in einem Grunde Torf befindet und kann
man mit Erfolg eine Torfgräberei von beträchtlicher Ausdehnung
anlegen, ſo iſt das Erſte, worauf man zu achten hat, die Trocken-
legung des Torfmoores. Man beginnt daher mit dieſem Betriebe
wegen Beförderung des Waſſerabfluſſes am tiefſten Theile des Thales
und am unterſten Ende. Man durchſchneidet von da aus das Moor
mit Gräben und Kanälen. Dadurch entſtehen einzelne Felder und
Waſſerwege zum Transporte des geſtochenen Torfes. Man hat bei
dem Ausſtechen immer Rückſicht auf die beſte Wiederherſtellung des
Bodens zu nehmen. Darum müſſen die Vertiefungen ſogleich,
wenn man ihrer nicht mehr bedarf, wieder mit den nicht torfigen
Grundtheilen und mit den Abfällen ſo ausgefüllt werden, daß eine
regelmäßige fruchtbare Fläche daraus entſteht. Man thut daher
auf Wieſengrund gut, wenn man den Raſen regelmäßig abſticht
und dann ſpäter wieder auflegt. Liegt der Torf noch ganz unter
Waſſer, ſo fiſcht man ihn mit eigenen Maſchinen heraus. Derſelbe
wird entweder noch in ſeiner Weichheit ſchon mit dem Torf-
ſpaten, d. h. einem Spaten mit zwei einen rechten Winkel mit
einander bildenden Flächen und Schneiden, in Formen geſtochen
und getrocknet (Stichtorf) oder in Formen und durchlöcherten
[138] Kaſten gepreßt und getrocknet (Preßtorf). Da er ſich leicht ent-
zündet, ſo darf man den Torf beim Trocknen nicht in zu große
Haufen legen1).
Am wenigſten koſtſpielig iſt es, wenn man ſogleich vom Tage
aus die Steine brechen kann. Allein oft verbietet es der Vortheil
der fruchtbaren Ackererde, ſogleich außen einen Steinbruch zu be-
ginnen, und manche Steinſchichten liegen ſehr tief im Erdinnern.
Man hat daher zwei Arten des Abbaues; nämlich:
1) Den Pingen- oder Tagebau, d. h. den Betrieb der
offenen Steinbrüche. Man beginnt ſie mit dem Aufdecken oder
Abräumen, indem man das Alluvium, beſonders alſo die Damm-
erde hinwegräumt, am obern Theile, anfängt und für das Auf-
ſchütten des Schuttes einen Platz wählt, der im Baue nicht hin-
derlich werden und für die Zukunft allen Schutt aufnehmen kann.
So gewinnt man den Sand, Kalkſtein, Bauſtein, Marmor, Gips,
Dachſchiefer, die Mühlſteine u. dgl. Die Einrichtung und Folge
der Arbeit und der abzulöſenden Blöcke hängt ganz von der Locali-
tät und praktiſchen Umſicht ab. Das Lostrennen geſchieht der
Regel nach durch das Abſchlitzen, nachdem man recht abgeräumt
hat. Man zieht nämlich auf der Oberfläche einen oder mehrere
Schlitze (Eingewinne), in die man Keile eintreibt, bis eine
Spalte entſtanden iſt, aus der ſich der Block ablöst. Wo die
Natur Schichtungen gelegt hat, da kann man alſo nur Länge und
Breite der Blöcke einrichten. Man bedient ſich aber auch nach dem
Schlitzen der Fimmel und Brechſtangen, und kleinere Steine bricht
man nicht ſelten blos mit der Keilhaue. Je edler der Stein iſt,
deſto behutſamer muß man vor Springen im Bruche ſein, z. B.
beim Marmor überhaupt, und beſonders zu Statuen.
2) Den unterirdiſchen Bau. Die Arbeiten auf dem Ge-
ſteine ſind wie beim Pingenbaue, nur in Höhlen, zu denen man
durch Schächte oder Stollen einfährt. Man läßt wegen der Unter-
ſtützung des Geſteines Pfeiler ſtehen. Bei zu großen Räumen
blos wendet man Zimmerung an. Brüchige Fächer unterſtützt man
mit Mauern. Iſt der Bruch abgebaut, und entſteht für die Ober-
fläche kein Schaden, dann ſtürzt man ſie am beſten zuſammen,
[139] nachdem man die Pfeiler vollends abgebaut hat. Unter demſelben
Geſichtspunkte ſtehen auch die Lehm-, Thon-, Mergel-, Kreide-
und Ocher-Gruben; denn nur die Subſtanz iſt verſchieden1).
Bei dem Abbaue regelmäßiger Lager und Flötze hängt die
Bauart von dem Fallen ab. Man unterſcheidet daher die ſchwach-
fallende (20°-25°) von dem ſtarkfallenden (25°-90°).
Ihre Verſchiedenheit macht eine abgeſonderte Betrachtung nöthig1).
1) Der Betrieb flachfallender Lager und Flötze (Stein-
kohlen, Eiſenſtein, Kupferſchiefer u. dgl.) zerfällt in zwei Haupt-
arbeiten. Dieſe ſind: a) die Ausrichtung derſelben, d. h. die
Einrichtung der Grube, ſo daß man anfangen kann abzubauen.
Man geht mit einem Schachte oder Stollen auf den tiefſten Punkt
des Lagers oder Flötzes, weil man aus den Abbaupunkten immer
ſuchen muß, das Mineral auf eine tiefe Grundſtrecke zu bringen,
um den Schwierigkeiten der ſchwebenden Förderung auszuweichen.
Fährt man mit einem Schachte ein, ſo geſchieht es 1½-2 Lach-
ter ſeitwärts der Grundſtrecke in das Hangende, höchſtens der
Förderſchacht geht unmittelbar auf die Grundſtrecke ſelbſt. Mit
einem Stollen einfahrend, muß man das Lager oder Flötz quer-
ſchlägig im Liegenden oder Hangenden ſuchen. Von dieſen Ein-
gängen aus richtet man ſich dann das abzubauende Feld ein, nicht
blos durch horizontale, ſondern auch durch ſchwebende Strecken.
Die Erſteren ſind die Grund-, Mittel- und die Abbauſtrecken2).
Die Lezteren liegen entweder auf der Falllinie des Lagers und
Flötzes und ſind ſchwebende Strecken im eigentlichen Sinne
und Bremsberge, oder ihre Richtung iſt zwiſchen der Streich-
und Fallebene des Lagers und Flötzes, und ſie ſteigen unter einem
Winkel an3). Die Grundſtrecke treibt man im Niveau der
Stollen- oder Maſchinenausrichtung; die Mittelſtrecke im Niveau
einer höheren Sohle, aber gerade aus einem Schachte, welcher die
Pfeilerhöhe theilt. Die eigentlich ſchwebende Strecken kommen
nur bei ſehr ſchwachfallenden Lagern und Flötzen, die Brems-
berge aber bei ſtärker fallenden (§. 105.) vor. Die Diagonal-
ſtrecken ſteigen aus den Grundſtrecken hervor, und bringen ſo
allmälig die erforderliche Pfeilerhöhe hervor. Aus ihnen gehen in
[140] verſchiedenen Höhen (auch aus den ſchwebenden Strecken, wo dieſe
angewendet ſind) die Abbauſtrecken nach dem Streichenden her-
aus und zwar nach zwei entgegengeſetzten Richtungen. Auch kann
man mit der Hauptdiagonale in einiger Entfernung parallele
Diagonalen ziehen, welche das Feld in Pfeiler theilen. Der
Neigungswinkel dieſer Diagonalen richtet ſich nach der Falllinie
des Lagers oder Flötzes, nach der Höhe der Pfeiler und nach ihrer
Länge. Dieſe Abbauart nennt man auch Querbau. b) Der
Abbau derſelben, nachdem das Feld ſo abgetheilt iſt. Sind die
Theile des Feldes Pfeiler, dann heißt der Abbau Pfeilerbau.
Sind ſie aber lange Felder, dann heißt er Strebbau (Bau mit
breitem Blicke). Geſchieht der Abbau nach dem Streichen, dann
heißt er ſtreichender; geſchieht er nach dem Fallen, ſchweben-
der; und geſchieht er in der Richtung zwiſchen beiden Flächen,
dann heißt er diagonaler Abbau.
Beim Pfeilerbaue nimmt man die oberſten Pfeiler am Aus-
gehenden, oder die am äußerſten Ende der Bremsberge und Dia-
gonalen liegenden Pfeiler zuerſt hinweg, denn die Abbauſtrecken
können immer nach dem Abbaue verworfen (verſchüttet) werden.
Darum treibt man auch die oberſten Abbauſtrecken zuerſt ins Feld
und geht damit ſo abwärts. Die Pfeiler baut man immer von
hinten, d. h. in der weiteſten Entfernung von der Förderſtrecke,
nach vornen ab, eben um die Abbauſtrecken ſogleich verwerfen zu
können, ohne Mineral liegen laſſen zu müſſen. Bei mehreren
Pfeilern übereinander und mehreren Flötzen übereinander, welche
mit einander abgebaut werden ſollen, nimmt man immer die ober-
ſten zuerſt hinweg. Beſonders bei Steinkohlen und andern leicht
entzündlichen und böſe Wetter verurſachenden Mineralien muß
[141] immer auf reinliche Räumung im Abbaue geſehen werden. Man
geht, wenn eine Abbauſtrecke weit genug ins Feld getrieben iſt,
aus derſelben mit einem Stoße ſchwebend in die Höhe bis zu
3 Lachter Länge und läßt 2 bis 3 Mann an einem Stoße arbeiten.
Es findet dabei die Schramm- und Schlitzarbeit Statt. Auch kann
man zwiſchen den Abbauſtrecken noch kleine ſchwebende Strecken
treiben, daß faſt quadratiſche Pfeiler entſtehen. Den Schramm
führt man entweder auf der Sohle auf dem Liegenden oder bis
über 1 Lachter über der Sohle im Lager oder Flötz ſelber. Die
durch den Abbau entſtehenden Höhlungen müſſen durch untergeſetzte
Stempel gehalten werden. Das Wegnehmen derſelben und der an
der Förſte oder dem Dache noch ſtehenden Kohlen heißt Raub und
iſt ſehr gefährlich.
Beim Strebbaue findet keine Ausrichtung Statt, weil ſie
mit dem Abbaue Eines iſt. Er findet bei ſchwachen Flötzen und
Lagern bis zu 6 Zoll Mächtigkeit Statt. Die Streben gehen von
einer ſtreichenden Förderſtrecke zur andern. Sonſt aber finden
bei demſelben die nämlichen Strecken und Schächte Statt, wie
beim Pfeilerbaue. Sind die Arbeitsräume ſo nieder, daß die Ar-
beiter knieen und auf der Seite rutſchen, und am linken Arme
ſo wie an der linken Hüfte deshalb Brettchen anbinden müſſen,
ſo heißt dieſe Arbeit Krummhölzer- oder Krummhälſer-
Arbeit.
2) Der Betrieb ſtehender oder ſtark geneigter Lager oder
Flötze. Auch bei dieſen findet eine Ausrichtung der Lager und
Flötze Statt. Man teuft einen donlägigen oder flachfallenden
Schacht ab. Er ſteigt auf der Fallebene bis zur Sohle der Mittel-
oder Grundſtrecke hinab. Die Pfeiler werden vorgerichtet, indem
man von demſelben mit ſtreichenden Oertern fortgeht, wenn der
Druck aus dem Hangenden nicht zu groß iſt. Ein verdeckter Wet-
terzug wird nöthig, theils wegen neuer guter Wetter, theils wegen
der Verhinderung des Einſturzes des alten Mannes. Dies geſchieht
mit Schienenhölzern, welche zugleich das Geſtein unterſtützen und
den Weiterbau möglich machen. Man begnügt ſich aber öfters,
wo es nicht anders ſein kann, mit dem Abteufen eines ſeicheren
Schachtes. Aus ihm treibt man in den Sohlen der Abbauſtrecken
Querſchläge zu dem Lager oder Flötze, welches man abbauen will.
Dies findet auch Statt, wenn mehrere Lager oder Flötze überein-
ander in einem Abbaue gewonnen werden ſollen. Der Abbau
[142] ſelbſt geht vom Hangenden zum Liegenden. Die Abbauſtrecken wer-
den bis auf die halben Schachtlängen im ſtreichenden Felde ge-
trieben, aber die Mittel- und Grundſtrecke nur bis an das Ort,
wo ein neuer Schacht abgeteuft werden muß1).
Zum Abbaue mittlerer und geringerer Gänge und gangartiger
Lager nach der Mächtigkeit kennt man den Stroßen- und den
Förſtenbau1).
1) Der Stroßenbau gewinnt das Mineral von oben nach
unten, indem man von der Sohle einer Strecke abwärts aushaut.
Man teuft auf der Sohle der Strecke ein Geſenke ab und haut
das Erz nach der Sohle weg. Sobald der erſte Häuer etwas weiter
vorgedrungen iſt, folgt einige Fuße hinter ihm und tiefer im Ge-
ſenke ein zweiter, dritter u. ſ. w. Wird der Stroßenbau von
einem Schachte aus getrieben, dann iſt kein Geſenke nöthig;
denn dann geht es nach der Ulme, und der Schacht iſt des Geſenkes
Stellvertreter. Dieſer Bau bildet das Anſehen einer großen Treppe.
Derſelbe heißt zweiflügelig, wenn er auf beiden Seiten des
Schachtes liegt. Auf dem Geſenke müſſen mehr Häuer arbeiten,
als in den Stroßen. Sind dieſe ſtärker oder auch ſo ſtark belegt
als jene, ſo wird die Stroße wegen der Schwierigkeit der Geſenk-
arbeit zu weit aufgetrieben ſein, ehe wieder eine zweite angelegt
werden könnte, da das Geſenke noch nicht tief genug wäre. Iſt
aber das Geſenke um Vieles voraus, ſo müſſen die Häuer durch
Bühnen gegen die auf den Stroßen losgehenden Wände geſichert
werden. Geht man ohne Geſenke vom Schachte nach beiden Stößen
mit einem Feldorte fort, ſo wird die Sohle dieſes Lezteren allemal
durch die folgende Stroße herausgeriſſen2). Bei mächtigen Gängen
arbeitet man blos auf dem Gange. Bei minder mächtigen aber
ſucht man den Gang am beſten durch Verſchrämen wegzubringen,
und erſt dann das Nebengeſtein auszuſchießen; da man doch vieles
von Lezterem wegnehmen muß, um die Stroße weit genug zu
machen. Um jede gegenſeitige Verhinderung in der Stroßenarbeit
zu verhüten, belegt man allemal zwei Stroßen mit einem Häuer.
[143] Da viel taubes Geſtein beim Stroßenbaue gehauen wird, ſo ſucht
man es in der Grube ſelbſt zu verſtürzen, indem man dazu bei
hinlänglich langem und tiefem Stroßenbaue vom Liegenden zum
Hangenden Stempel einzieht, mit Brettern und Latten belegt, um
darauf das Geſtein zu ſtürzen.
2) Der Förſtenbau iſt umgekehrt, denn er geht von unten
nach oben. Das Erz hangt an der Förſte einer Strecke. Dann
haut man über ſich aus der Streckenförſte aus, um einen Schacht
von unten nach oben zu führen. Von dieſem Orte wird das un-
mittelbar über der Strecke hängende Erz vorwärts ausgehauen.
Nachdem dieſe Förſte angelegt iſt, fängt man ebenſo darüber eine
zweite, über dieſer eine dritte u. ſ. w., allemal ſobald die vor-
herige 1 Lachter aufgefahren iſt. Die Form wird die umgekehrte
des Stroßenbaues, und die Häuer ſtehen hier unter, dort über
dem Erze. Ueber der Strecke ſchlägt man ein Gewölbe oder einen
Förſtenkaſten, auf welchen man alle gewonnenen Berge ſtürzt, und
der Arbeiter bei der Arbeit auf den Bergen ſteht. Bei gehöriger
Feſtigkeit deſſelben braucht man keine Kaſtenzimmerung, wie beim
Stroßenbaue. Reinliche Arbeit und Räumung der Erze iſt Haupt-
regel bei dieſem Baue. Ob man aber den Förſtenbau oder den
Stroßenbau in einer Grube wählen ſoll, das hängt von lokalen
Verhältniſſen ab. Denn einmal hat dieſer, ein andermal jener
Vortheile1).
Weil der Förſten- und Stroßenbau für mächtige Lager und
Gänge von mehreren Lachtern zu beſchwerlich, koſtbar und gefährlich
wäre, ſo wendet man ſtatt deſſelben bei dieſen Lagerſtätten den
[144]Querbau an1), welcher ſich von jenen dadurch unterſcheidet, daß
die Stroßen vom Liegenden zum Hangenden, alſo querſchlägig
gehen, und die Häuer nicht übereinander, ſondern in ebener Sohle
nebeneinander arbeiten. Das Erz wird aber, wie beim Förſten-
baue, von unten nach oben abgebaut. Man teuft im Neben-
geſteine einen ſeicheren Schacht ab, von dieſem aus nahe am Lie-
genden eine Strecke, und wenn dieſe etwas vorgerückt iſt, ſo fängt
man mit Aushauen der Querſtroßen an. Man legt deshalb in
gleicher Entfernung auf der Strecke an der Ulme jedesmal zu
gleicher Zeit eine Khür Häuer an, und läßt durch jede in der
Höhe der Strecke 6–9 Fuß breite Querſtroßen in den Gang aus-
hauen. Das Gewonnene iſt Erz. Die Entfernungen dieſer Quer-
ſtroßen von einander ſind ſo groß, daß das zwiſchen ihnen liegende
Feld gerade noch drei ſolche Querſtroßen möglich macht. Mit dem
Fortſchreiten der Hauarbeit in dieſen Querſtroßen wird ſtets der
ausgehauene Raum durch Joche an der Förſte, die auf Stempeln
ruhen, zur Sicherheit verzimmert, und zwar ſofort bis zum Han-
genden der Lagerſtätte. Taubes Geſtein wird immer an der Ulme
verſetzt. Iſt jede dieſer Khüren mit dem Querbaue zum Ende des
Ganges oder Lagers gekommen, dann wird der geleerte Raum vom
Hangenden an rückwärts gegen Wegnahme der Zimmerung mit den
Bergen ſogleich verſtürzt2). Hierauf wird jedes Zwiſchenfeld ge-
rade ſo abgebaut, nur in der Reihenfolge, daß man von den drei
Querfeldern, die das Eine gibt, die beiden äußerſten zuerſt anlegt,
und wenn dieſe verſtürzt ſind, das mittlere ebenſo abbaut und
verſetzt. Die auf dieſe Art abgebaute erſte Länge, von unten an-
gefangen, heißt der erſte Stock. Der nächſte höhere Querangriff
auf den Gang bildet den zweiten Stock. Noch während des
Abbaues des erſten Stockes wird im Liegenden 1 Lachter hoch und
weit ein Förſtenbau angefangen, ſo daß nach der Streichlänge
Platz wird, um Querſtroßen anlegen zu können. Dann wird der
zweite Stock wie der erſte, und nach ihm der dritte u. ſ. w. ab-
gebaut. Aber die Khüren ſtehen auf den verſtürzten Bergen des
vorherigen Stockes. Da die erſte Strecke für alle Stöcke offen
bleibt und nach ihr gefördert wird, ſo läßt man beim Verſtürzen
der Querſtroßen immer Rollſchächte (§. 105.) in einiger Entfer-
nung von einander, um auf ihnen das Erz in die Strecke rutſchen
zu laſſen. So wie man ſtockweiſe in die Höhe ſchreitet, ſo kann
man auch wieder von einem tieferen als dem erſten Punkte anfan-
gen wollen. Iſt dies voraus zu ſehen, ſo wird ſogleich beim erſten
Querbaue die Sohle der Strecke mit ſtarken Ladenhölzern belegt
um auf dieſe die Bergen zu ſtürzen. Beim Baue der erſten Strecke
[145] fährt man in dieſem Falle ſogleich etwa einen Fuß tief ins Lie-
gende ein. Denn wird beim ſpätern tiefern Baue von unten herauf
die Sohle auch abgehauen und muß dieſe Strecke unverſtürzt blei-
ben, ſo muß man feſtes ebenes Geſtein haben, worauf man die
Waſſerkunſt ſtellt. Dies findet ſich dann nur im Liegenden. Denn
die verſtürzten Berge ſind unebener und weichen gerne.
Die allermeiſte Schwierigkeit im Abbaue machen die unregel-
mäßigen großen Maſſen von Erzen und Steinkohlen, wegen der
Unbeſtimmtheit ihrer Ausdehnung, der wenigen Haltpunkte und der
Schwierigkeit der Sicherung und Befeſtigung, die mit der Brüchig-
keit des Geſteines zunimmt. Man hat zu ihrem Abbaue folgende
Methoden:
1) Den Stockwerkbau, die einzige regelrechte Methode des
Abbaues. Man teuft einen Förderſchacht im feſten Nebengeſteine,
einige Lachter von der Lagerſtätte entfernt, ab. Ein Lachter von
unten, um nämlich noch ein Geſümpfe (Waſſerbehälter) zu ha-
ben, treibt man eine Strecke entweder bis zu ſchlechten Wettern
oder bis zum Ende der Lagerſtätte hinein. Am Ende dieſer Strecke
werden rechts und links im Rechtwinkel zwei Strecken ins Mineral
gehauen, wieder bis zu beiden eben angegebenen Gränzen. Sogleich
nach dieſen werden rückwärts in der Strecke mit jenen parallele
Strecken getrieben u. ſ. w. Hierauf durchſchneidet man von den
Nebenſtrecken aus die ſo gebildeten Felder mit andern Strecken,
welche mit der Hauptſtrecke parallel ſind, aber mit den Nebenſtrecken
wo möglich auch rechte Winkel bilden, ſo daß lauter einzelne vier-
eckige Pfeiler ſtehen bleiben. Die Entfernungen aller dieſer Neben-
ſtrecken unter einander oder, was daſſelbe iſt, die Mächtigkeit der
Felder und Pfeiler hängt von der Dichtigkeit und Feſtigkeit des
Geſteins ab. Endlich werden dann alle dieſe Zwiſchenräume mit
Bergen feſt und ſorgfältig verſtürzt, und man geht dann in dem
Baumſtark Encyclopädie. 10
[146] Förderſchachte eine Sohle höher hinauf, und beginnt dort gerade
denſelben Bau mit derſelben Anzahl und Größe der Strecken,
Felder und Pfeiler. Dies kann leicht geſchehen, denn die Berge
und Pfeiler der unteren Sohle dienen als Wegweiſer, und Leztere
brauchen nur verlängert zu werden. Die Entfernung oder Aus-
füllungsmaſſe zwiſchen der Förſte der untern Strecke und der Sohle
der obern hängt ebenfalls von der Dichtigkeit und Feſtigkeit des
Geſteins ab. Iſt man mit ſolchen Abbauen ganz hinauf gekommen,
ſo ſucht man die Pfeiler abzubauen, indem man auf einem derſel-
ben einen Centralſchacht ſo abteuft, daß man alle andern wo mög-
lich mit Abbauſtrecken erreichen kann1). Dieſe Methode iſt gleich
anwendbar bei Stein- und Braunkohlen und beim Thoneiſenſtein.
Der Abbau ſelbſt geſchieht durch die Schram- und Schlitzarbeit,
die aber bei den Steinkohlen ſo einzurichten iſt, daß man am mei-
ſten große Kohlen und wenig kleine Kohlen fördert, denn das
Stückkohl hat Vorzüge im Gebrauche vor dem Kohlenklein.
Das Leztere muß aber ebenfalls ſorgfältig aufgeräumt und geför-
dert werden. (§. 111.).
2) Den Duckelbau, eine ſehr unvortheilhafte, unnachhaltige,
unvollſtändige und daher verwerfliche Methode des Abbaues. Ein
Menſch, der es unternimmt, Eiſenerz zu fördern, das nicht tief
und doch ſehr häufig vorkommt, teuft einen kleinen Schacht von
30 Zoll Durchmeſſer (Duckel) ab. Er fährt an einem Seile um
eine Welle ab, die oben im Duckel an vier kreuzweiſe geſtellten
Hölzern befeſtigt iſt. Auf der Scheibe des Schachtes macht er
entweder eine quadratiſche Weitung oder treibt faſt rechtwinkelig
gegeneinander zwei Strecken. Das darin gewonnene Erz fördert
er mit Kübeln, Säcken oder Körben. Dieſer Bau wird von ihm
wegen der Waſſer und Wetter bald verlaſſen und das noch ſtehende
Erz nicht mehr abgebaut. Neben dieſem wird ein zweiter Duckel
gebaut u. ſ. w., daß auch das Zwiſchenerz liegen bleibt. Die da-
durch entſtehenden Höhlungen verhindern auch den ſpäteren Abbau
der tieferen Lager1).
3) Den Weitungsbau. Man teuft einen Schacht ab, und
geht von dieſem in verſchiedenen Abſtänden mit Strecken hart am
Liegenden der Lagerſtätte fort ganz nach ſeinen Wendungen. Da
gräbt man Weitungen aus zum Feuerſetzen, und bricht das ſo
mürbe gemachte Erz ab, füllt die Sohle immer fort mit Bergen
auf und geht ſo fort in die Höhe. Auch treibt man in verſchie-
denen Teufen Verbindungsörter nach dem Streichen der Lager-
ſtätte. Das im Hangenden ſtehen bleibende Erz baut man erſt ab,
wenn man im Liegenden fertig iſt. Die Holzſtöße heißt man
Schränke oder Anſtöße2).
4) Den Bruchbau, welchen man in den Lagerſtätten anwen-
det, die eingeſtürzt (zum Bruche gegangen) ſind. Man geht in
Strecken vom Schachte aus in den alten Mann, und von dieſen
aus mit Oertern nach beiden Seiten zu den bauwürdigen Erz-
punkten. Von dieſen führt man eine Art von Stroßenbau.
Der Betrieb der Salzwerke hat wegen der Art des Vorkom-
mens des Salzes im Erdinnern viele Eigenthümlichkeiten. Es
kommt nämlich vor:
1) Als Steinſalz, wie z. B. in Cardona in Catalonien, in
Wieliczka und Bochma in Polen, in Northwich in England, in
Vic in Lothringen und an verſchiedenen Orten Aſiens. Hier wird
das Steinſalz wie anderes Geſtein in Lagern und Gängen ver-
ſchiedentlich abgebaut1).
2) Als Mengſel unter Thon und andern Erden und
Gebirgen. Da es hier in ſeinen kleinſten Theilen vorkommt, ſo iſt es
nur auf chemiſchem Wege zu trennen. Zu dieſem Behufe wird es mit
Waſſer ausgelaugt (ausgeſotten), welches entweder in der Salz-
grube ſelber (Selbſtwaſſer) oder von außen her durch donlägige
Schächte (Tagſchürfe) eingeleitet wird (Tagewaſſer). Zu
dieſem Zwecke werden eigene Räume (Sinkwerke, Wehren,
Sulzenſtücke) im Innern ausgegraben, in welche das Waſſer
eingeleitet wird, um die Salztheile abzuätzen, bis es mit Salz
vergütet (bis zu 26,15% Salzgehalt geſättigt) iſt. Das Einlei-
ten (Ankehren) des Waſſers muß ſehr ſorgſam geſchehen, ſo daß
weder von innen noch von außen ein Durchreißen der Dämme,
Förſten und Sohlen möglich iſt. Das Waſſer wird nach völliger
10 *
[148] Vergütung abgezapft. Dazu hat man die Wehrwerke, d. h. Ab-
laufkanäle mit zwei Wehrdämmen, in deren Mitte ſich eine höch-
ſtens 2 Lachter lange Strecke (der Langofen) befindet. Am Ende
dieſer Wehrwerke, welche verlettet und gut gezimmert ſein müſſen,
iſt ein Hahn und ein Abflußtrog angebracht, woraus die Lange
abgelaſſen, auf die Sohle der Stollen geleitet, von da zu Tage
geführt und dann ausgelaugt wird. Das Ankehren der Sinkwerke
kann bald alle ¼, ½ und bald alle Jahre nur einmal geſchehen.
Zu wenig Waſſer, das nicht bis an die Förſte (den Himmel)
reicht, äzt nur an den Stößen und erweitert ſie zu ſehr. Zu viel
Waſſer (Ueberhimmel) veräzt den Himmel und weicht die Decke
ab, ſo daß ſie auf die Sohle fällt (Gefälle macht), wodurch
der Salzgehalt der gefallenen Maſſen verloren geht. Ganz lang-
ſam muß ein ſchon angekehrtes Sinkwerk immer Waſſerzuflüſſe
erhalten, und ſo erweitert es ſich gegen den Himmel immer mehr
(es wandert in die Höhe). Iſt die Lauge (Soole) abge-
laſſen, ſo muß von der Sohle aus vor dem neuen Ankehren die
urſprüngliche Dimenſion des Sinkwerks (etwa 7 Fuß) wieder her-
geſtellt werden. Dies iſt die Säuberarbeit. Oft genügt es,
die Sohle blos zu ebnen (den Säuberberg einzugleichen).
Iſt die Sohle dem Himmel zu nahe gekommen, ſo ſchafft man den
Säuberberg hinweg und bewahrt ihn an beſondern Plätzen in der
Grube (an den Faßſtädten) auf. Im entgegengeſetzten Falle
wird die Sohle mit Bergen erhöht. Im nämlichen Verhältniſſe
müſſen auch die Dämme erhöht werden.2).
3) Als Soole, welche durch Bohrlöcher, Schächte und Stol-
len zu Tage gepumpt oder geleitet werden muß. Das Weſentliche
iſt, die Soole ſo concentrirt als möglich zu erhalten. Daher müſſen
alle ſüße Quellen ſo fern als möglich gehalten, darum oft eigene
Sinkwerke angelegt und die Soole über Gradirwerke von Reiſig
geleitet werden, ehe man ſie auslaugt oder abdampft. Auch das
Meerwaſſer gehört hierher. Zum Auslaugen muß die Soole 22
bis 25 Grade haben3).
4) Als Ausſchlag an der Erdoberfläche in Aſien und Afrika.
Zur Gewinnung deſſelben wird die obere Schicht abgeſchürft und
ausgelaugt. Die ſo erhaltene Soole wird concentrirt und alsdann
abgedampft.
Die Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und Regeln auf, wo-
nach der Betrieb des Bergbaues zum größten Vortheile des Berg-
bau-Unternehmers im gewerblichen Zuſammenhange geleitet werden
ſoll. Es gibt daher folgende Haupttheile der Betriebslehre.
Die erſten Bedingungen des Bergbaubetriebes, deren Erfül-
lung ſich der Unternehmer verſchaffen muß, ſind folgende:
1) Günſtiges Vorhandenſein der Naturgüter und Natur-
kräfte. Es gehört hierher: a) die Lagerſtätte ſelbſt in ſolcher
Beſchaffenheit und Ausdehnung, daß ihr Abbau Gewinn bringen
kann; ehe ein Bergbau unternommen wird, hat ſich der Unterneh-
mer zuerſt hiervon zu überzeugen, aber ohne die Verſicherung hier-
von keinen Bau zu unternehmen, weil die Koſten, ſchon der Ver-
ſuche, ungeheuer ſind: b) das Holz in der Nähe eines zu unter-
nehmenden Bergwerkes, zum Behufe der Zimmerung, Feuerung
und des Feuerſetzens; ſein Verbrauch iſt außerordentlich groß, ſo
daß es Vortheil bringen kann, mit dem Bergbaue eine eigene
Forſtwirthſchaft zu betreiben, beſonders wenn das Holz im Ankaufe
theuer iſt und das Bergwerk keine Vorrechte in dieſer Hinſicht hat;
c) das Waſſer, deſſen Gebrauch bei manchen Bauen an ſich ganz
unentbehrlich iſt, wie z. B. bei Salzwerken und zur Wetterloſung,
während es bei andern weſentliche Vortheile, z. B. zum Transporte,
zur Förderung gewährt; liegt es fern von der Grube, dann wer-
den nicht ſelten koſtbare Kanal- und Rinnbauten, ſo wie Maſchi-
nerien nöthig, um die Kraft des Waſſers zu benutzen; d) gute
Luft, ohne welche kein Bergwerk betrieben werden kann.
2) Günſtiges Vorhandenſein der Verkehrsmittel. Es ge-
hört hierher: a) der Abſatz, ohne welchen der Bergbau zwecklos
iſt, wenn er nicht Materialien liefert, welche der Unternehmer ſelbſt
nutzt; große Concurrenz iſt dem Unternehmer nicht wünſchenswerth,
aber dann am wenigſten nachtheilig, wenn der Begehr nach den
Produkten am größten iſt; bei den Metallen iſt dies für Privaten
nur dann der Fall, wenn ſie zugleich Fabriken haben, denen das
Bergwerk den Rohſtoff liefert: für den Staat gilt dies im Durch-
[150] ſchnitte vom edeln Metalle wegen der Münzung; bei den Edelſteinen
iſt Abſatz unerläßlich; bei Marmor- und Bauſtein-Brüchen eben-
falls; weniger nöthig iſt der Abſatz bei Straßen- und Pflaſter-
ſteinen, wenn der Bruch Gemeinden gehört; bei Gips- und Kalk-
brüchen iſt er aber unerläßlich, wie bei Thon- und Mergelgruben,
wenn die Lezteren nicht den Mergel für große und mehrere Land-
güter liefern; ſelten aber wird es Vortheil bringen, eine Stein-
und Braunkohlengrube oder Torfſtecherei blos zu eigenem Verbrauche
zu betreiben. Salzwerke können ohne Abſatz gar nicht beſtehen.
Sehr vortheilhaft können b) die Berghandlungen ſein, welche
den bergmänniſchen Producenten die gewonnenen Erze und Edel-
ſteine abkaufen, weil dieſen, als ausſchließlichen Geſchäften, mehr
Abſatzmittel zu Gebote ſtehen, weil ſie dem Bergbauunternehmer
das Capital bald erſetzen, ſo daß er ſein Werk ſchneller und ſtetiger
betreiben kann, und weil ſie dem Bergbaubetriebe im Kleinen,
wie z. B. in Frankreich und in Schleſien, faſt ganz unentbehrlich
ſind. Weſentlich aber ſind c) die Transportmittel zu Waſſer
und zu Land; denn je ſchneller und je leichter der Transport, deſto
größer iſt unter übrigens gleichen Umſtänden der bergmänniſche und
der Handelsgewinn; es kommt daher ſehr auf die Beſchaffenheit
des Bodens zu Tage, auf die Güte der nächſten Wege zur Tage-
förderung, darauf ob ſie Eiſenbahnen, Schienenwege oder andere
Wege, ob ſie eben, uneben oder abhängig ſind, auf die Nähe
großer Straßen, Kanäle, Flüſſe und Ströme, und auf den Aus-
gang der Stollen an einem dieſer Communicationsmittel, an.
3) Das Vorhandenſeyn von Hüttenwerken, weil der Abſatz
größer iſt, wenn die Erze ſchon gereinigt und in größeren gedie-
genen Maſſen zu kaufen ſind; von der Güte derſelben, von der
Methode der Aufbereitung und Reinigung, von der Einrichtung
derſelben, von ihrer Lage zum Bergwerke ſelbſt hängt ihr Vortheil
ab; aber darüber entſcheidet die Technologie.
4) Das Vorhandenſein der hinreichenden Menge tüchti-
ger Arbeiter. Daher iſt ein Bergwerk beſſer, das in ſehr be-
völkerten Gegenden, in Gegenden, wo der Bergbaubetrieb ein
Haupterwerbszweig iſt, und in Ländern liegt, wo für Bildung und
Unterſtützung bergmänniſcher Arbeiter viel geſchieht, ſei dies von
Privatvereinen oder vom Staate angeordnet, z. B. durch höhere
und niedere Bergſchulen, Reiſeſtipendien, Berg- und Knappſchafts-
[151] kaſſen. Hiervon hängt auch die Größe des Arbeitslohnes und die
Art der Arbeit ab.
5) Das Vorhandenſein des zum Betriebe nöthigen Capi-
tals. Zu dem bergmänniſchen Capitale gehören die Gruben- und
Taggebäude, die Magazine zur Aufbewahrung der Mineralien und
Geräthe, dieſe Lezteren ſelbſt, die Maſchinen, die Mineralvorräthe
und das Geld, welches zum Betriebe verwendet wird. Der Betrieb
wird um ſo vollkommener, je vollſtändiger dieſe Capitalien herge-
ſtellt ſind. Beſondere Vergünſtigungen in dieſer Beziehung kommen
dem Betriebe ſehr zu Statten, nämlich diejenigen: a) daß der
Staat den Bergarbeitern aus ſeinen Magazinen Getreide zu bil-
ligen gleichförmigen Preiſen, namentlich in Zeiten der Theuerung,
gibt; b) daß derſelbe den Bergwerken das Holz zur Zimmerung
und Feuerung ſo wie die Steine zur Mauerung gegen billige Preiſe
verabreicht; c) daß er den Gruben, die einige Zeit beſonders große
Ausgaben haben, Geldvorſchüſſe gibt, oder Bergkaſſen zu dieſem
Zwecke veranſtaltet ſind; d) daß er Bauten auf ſeine Rechnung
übernimmt, welche mehrere Bergwerke unterſtützen und von Pri-
vaten nicht unternommen werden, z. B. Erbſtollen1).
6) Die Freiheit des Betriebs. Der Bergbau muß zwar
unter Rechts- und Polizeigeſetze geſtellt und durch ſie beſchränkt
werden. Aber die Freiheit des Betriebs von den größtentheils ſehr
drückenden Abgaben an den Staat unter verſchiedenen Titeln,
beſonders vom Bergzehnten, der auch vom Rohertrage erhoben
wird, iſt das weſentlichſte und nothwendigſte Erleichterungsmittel,
weil ſie oft unerſchwinglich ſind2).
Da zum Betriebe eines Bergwerkes mehr als das bloße Eigen-
thum an dem Boden, in welchem man einfahren will, gehört, und
ein Private, zur Unterſuchung zwar allgemeinhin berechtigt, nur
auf Staatserlaubniß ein Bergwerk irgendwo anfangen darf; ſo
findet bei den Unternehmern noch folgender Unterſchied Statt.
Unternehmer ſind:
1) Entweder der Staat, als ein großer Grundherr, als Ober-
eigenthümer oder als Beſitzer des Bergwerksregales.
2) Oder damit belehnte Privaten. Dieſe betreiben eine Grube
oder einen Bruch:
a) Entweder allein, d. h. ſind Eigenlehner. In dieſem
Falle muß der Eigenlehner, nachdem er durch die bekannten Mittel
vom Vorhandenſein einer bauwürdigen Lagerſtätte überzeugt iſt,
in kurzer Friſt nach der Entdeckung derſelben bei der Regirung
um die Erlaubniß zu einer Grubenanlage nachſuchen. Dies heißt
man muthen, und die ſchriftliche Eingabe Muthzettel, die
ſchriftliche Staatserlaubniß aber Muthſchein. Der Raum, auf
welchen ſich die Erlaubniß ausdehnt, heißt Zeche und wird im
Muthſcheine genau beſtimmt. Eine zu kleine Zeche iſt unvortheil-
haft, weil ſich die Anlage tüchtiger Bauten und Einrichtungen
nicht lohnt.
b) Oder in Geſellſchaften, d. h. Gewerkſchaften. Bei
dieſen gilt auch das unter a. Geſagte. Nur haben ſie eine eigen-
thümliche Einrichtung. Sie ſind Aktiengeſellſchaften. Die ganze
gegebene Zeche zerfällt in 128 gleiche Theile, wovon jeder eine
Aktie bildet, die man einen Kux nennt. Es machen 32 ſolche
Kuxe eine Schicht, die ſich auch wieder theilen läßt. Jeder
Kuxinhaber übernimmt als Inhaber eines oder mehrerer Kuxe für
jeden ſolchen \frac{1}{128} der Koſten und des Wagniſſes, dafür aber auch
den ſovielten Theil am Gewinnſte. Die Kuxe, welche der Landes-
fürſt oder Grundeigenthümer frei erhält, heißen Erbkuxe. Vier
Kuxe heißen ein Stamm. Ganz abgeſehen davon, wer die Grube
übernimmt, die Organiſation des Grubenperſonals iſt dieſelbe.
Die Aufſeher über die bergmänniſchen Arbeiter (Bergknappen)
heißen Steiger. Von der Wahl der Perſonen zu dieſem Amte
hängt Vieles ab. Sie ſehen auf die gehörige Beſchäftigung der
Knappen und reichen ihnen das Brenn- und Beleuchtungsmaterial,
ſo wie die Zimmerung. Die Zeit, wie lange die Knappen täglich
arbeiten müſſen, heißt Schicht. Sowohl die Gewerkſchaften, als
auch Eigenlehner manchmal, haben einen Verwalter, der Schicht-
meiſter genannt wird und die Bücher nebſt den Rechnungen führt.
Der ganze Betrieb ſteht aber noch unter Aufſicht und Controle von
Staatsbergbeamten zur Wahrung der Rechte der Eigenlehner
und Gewerkſchaften einerſeits, und jener der dritten Perſonen und
der Knappſchaft anderſeits.
Dieſe Thätigkeit iſt die wichtigſte des Unternehmers und hat
folgende Hauptzweige:
1) Wahl und Leitung der Verſuchsbaue1). Ehe man
den Verſuchsbau beginnt, unterſucht man den Ort, wo er am
beſten und wohlfeilſten anzulegen ſei; dies hängt von dem Gegen-
ſtande und Zwecke deſſelben ſo wie von der Localität ab (§. 91. u.
§. 94.), ebenſo wie die Art des Verſuchsbaues. Ehe man mit
einer Schürfmethode anfängt, berechnet man die Koſten derſel-
ben2); denn die Fälle ſind nicht ſelten, wo die Bohrverſuche den
Abteufungen eines Schachtes oder dem Eintreiben eines Stollens
nach den Koſten gleichkommen oder ſie überſteigen, ohne daß ſie am
rechten Orte angewendet und von erwünſchtem Erfolge ſind. Sind
die Bohrverſuche gewählt, ſo müſſen ſie ſorgfältig beaufſichtigt
werden. Es wird über den Verſuch ein eigenes Journal geführt,
in welchem Rubriken enthalten und auszufüllen ſind über die Num-
mer der Ausräumung (Herausziehung des Bohrmehls), die Tiefe
des Bohrlochs, das angewendete Endſtück, die Härte und Art des
Geſteins, und über die Mächtigkeit der Schichte. Jedes Bohrmehl
wird gereinigt, numerirt und zum Belege aufbewahrt. Bei Bohr-
verſuchen auf Steinkohlen iſt auch die Farbe des Bohrſchmandes
zu berückſichtigen. Größere Vorſicht tritt ein, ſobald ſich Stücke
des geſuchten Minerals finden. Stecken gebliebene Stücke des
Bohrgeſtänges müſſen ſogleich herausgezogen werden, und nach
beendigter halbtäglicher oder täglicher Arbeit darf der Bohrer nicht
ſtecken bleiben, weil dies nicht ſelten Veranlaſſung iſt, daß man
das Bohrloch verlaſſen muß, beſonders wenn es tief iſt und ſchon
viel gekoſtet hat. Die nöthige Arbeiterzahl nimmt mit der Tiefe
des Bohrloches zu. Der Erſte unter denſelben iſt der Vorarbei-
ter oder Bohrmeiſter. Gegen tüchtige Löhnung bekommt man
tüchtige Arbeiter und beſſere Arbeit, als im Gegentheile. Ueber
das ganze Geſchäft iſt ein Aufſeher beſtellt, der gegen Nachläſſig-
keiten und Muthwillen der Bohrarbeiter ſichert. Man legt, um
zum Voraus dagegen zu ſichern, am beſten einen Deckel auf das
Bohrloch, durch den das Geſtänge während der Bohrarbeit läuft.
Denn das Hinabfallen von Gegenſtänden bringt leicht das ganze
Geſchäft in Stocken.
2) Die Wahl und Leitung der Betriebsart. Schon
bei der Anlage einer Betriebsart muß die Zurichtung einer Grube
nach der Beſchaffenheit der Lagerſtätte geſchehen, und dabei auf
den ſchnellſten, reinſten, gefahrloſeſten und wohlfeilſten Abbau ge-
ſehen werden, ohne aus den Augen zu verlieren, daß man zum
Fortbetriebe eines Baues wo möglich immer noch Felder bereit
habe. Es iſt daher erforderlich: a) daß man vor dem Beginne
des Baues einen Koſten- und Ertragsüberſchlag mache, um vor
Verluſt geſichert zu ſein; b) nach dem Reſultate dieſer Vergleichung
die Grubencapitalien anlege; c) dabei aber darauf ſehe, mit we-
nigen tüchtigen Anlagen dieſelben Zwecke zu erreichen, wie mit
mehreren, z. B. bei den verſchiedenen Arten von Stollen und
Schächten; d) daß man ſich mit der Vorrichtung immer auf ein
möglichſt großes Feld ausdehne, z. B. beſonders bei Steinkohlen;
e) immer ſchon wieder ein Feld zubereitet habe, ehe das vorherige
zur Neige geht; f) den ganzen Abbau recht zu concentriren ſuche,
um ſo g) bequemere und lang brauchbare Einrichtungen treffen zu
können, ohne ſie ſpäter unbenutzt liegen laſſen zu müſſen; h) daß
man es den Arbeitern nie am Materiale fehlen laſſe, deſſen Man-
gel ſie an der Fortſetzung ihrer Arbeit hindert, z. B. an Geräth-
ſchaften, Feuerung, Licht, Zimmerung, um dadurch die ſchädlichen
Folgen in denjenigen Abbauarten zu verhüten, worin das Fort-
fahren der ſpäteren Khüren von jenen der früheren bedingt iſt,
z. B. beim Stroßen- und Förſtenbaue; i) daß man die richtige
Menge von Häuern vor ein Ort anlege, ohne durch Mangel an
ſolchen das Fortfahren der Arbeit zu hemmen und durch eine
Uebermenge ſowohl ſeine Koſten unnöthig zu vermehren, die Ar-
beiter unter ſich zu hindern, als auch die richtige Gleichförmigkeit
im ganzen Gange der Arbeiten zu zerſtören; k) daß man unter
den Arbeitern während der Arbeitszeit, und wegen ihres Betragens
vor und nach derſelben durch tüchtige Steiger eine ſchöne berg-
männige Ordnung und Aufſicht erhalte.
3) Benutzung der Markſcheidekunſt. Die Markſcheide-
kunſt iſt eine Hilfskenntniß der Bergbaulehre (§. 83.). Allein von
[155] ihrer Benutzung hängt nicht ſelten der gute Betrieb eines Berg-
werkes ab, weil man nach ihren Aufſchlüſſen weiß, nicht blos wie
weit der Bau vorgeſchritten iſt, ſondern auch wie weit er nach
den beſtehenden Rechtsgeſetzen noch fortbetrieben werden darf; weil
man nach dem Fallen und Streichen eines Baues und nach ſeinen
Abweichungen in dieſen Beziehungen beurtheilen kann, auf welche
Weiſe man im Innern den Betrieb ohne Gefahr und mit Nutzen
fortſetzen darf; weil man über die Anlage von Tagebauen, z. B.
der Mundlöcher von Stollen und Schächten, dadurch die erſte
Anleitung erhält; weil man bei vorkommenden Unglücksfällen durch
die von ihr gebotenen Mittel am beſten erkennt, wo und wie man
den Verunglückten am beſten Hilfe leiſten und den ſchlimmen Fol-
gen abhelfen kann; weil man nach denſelben ermeſſen kann, ob
und in wie weit die Fortſetzung des Abbaues Vortheil bringen
dürfte; und weil alſo von ihnen großen Theils die Uebernahme
einer Grube in Pacht oder zu Lehn abhängen kann. Die Mark-
ſcheidekunſt iſt bloße praktiſche Geometrie, modifizirt durch den
Umſtand, daß man im Dunkeln und bei gewiſſen Erzarten nicht
dieſelben Mittel anwenden kann, wie auf der Erdoberfläche. Sie
zerfällt in zwei Hauptarbeiten, nämlich die Verrichtung des
Markſcheidezuges, d. h. die Grubenmeſſung ſelbſt, und die
Zulegung des Markſcheidezuges, d. h. die Verfertigung der
Grubenriſſe. Die Lezteren ſind Grundriſſe und zeigen die Stol-
len, Strecken, Baue und Schächte im horizontalen Entwurfe, und
Seigerriſſe (Durchſchnitte), zeigen die Grube im ſenkrechten
Entwurfe, ſo daß von jeder ſolchen dieſe Darſtellungen gegeben
ſein müſſen, wenn man eine völlige Anſicht haben ſoll. So wie
der Grubenbau fortſchreitet, erweitert man auch dieſe Riſſe, um
beſtändig zu wiſſen, woran man ſei1).
Die bergmänniſche Betriebswirthſchaft iſt nur eine Modifikation
der Hauswirthſchaft nach der Beziehung auf den bergmänniſchen
Gewerbsbetrieb (§. 63. vergl. mit §. 40.). Ausgaben, Einnahmen
und Verrechnung ſind die Hauptgegenſtände derſelben.
Die bergmänniſchen Betriebsausgaben werden gemacht:
a) Für Beſoldung und Löhnung der Aufſeher und Arbei-
ter (§. 122.). Der Schichtmeiſter und die Steiger haben ihre be-
ſtimmten Gehalte. Die Knappen aber arbeiten nach Schichten oder
im Verdinge (§. 68.). Die Schichten ſind verſchieden und betra-
gen 6, 8–12 Stunden. Es iſt ſehr zweckmäßig, aus Abzügen
am Lohne, Beiträgen der Unternehmer, Strafgeldern u. dgl. eine
Knappſchafts- oder Bruderkaſſe zum Behufe ihrer Unterſtützung in
Unglücksfällen und im Alter zu errichten, woraus auch den Witt-
wen und Waiſen der Knappen Unterſtützung gewährt wird. Dies
hat ſelbſt Einfluß auf die Höhe des Lohnes. Die Bezahlung des
Lohnes geſchieht auch hier, wie bei anderen großen Unternehmun-
gen, an beſtimmten Tagen, alle Woche, alle 14 Tage oder alle
Monate. Sehr zweckmäßig iſt es von den Unternehmern, wenn ſie
in Zeiten der Wohlfeilheit Getreide u. dgl. aufſpeichern, um in
Zeiten der Noth, welche in den Gebirgsgegenden häufiger und
ſchlimmer ſind, den Knappenfamilien gegen billige Preiſe Lebens-
mittel abliefern zu können. Solche Mittel erhalten die Anhänglich-
keit, den Fleiß und die Ruhe der Arbeiter. Der Lohn ſelbſt iſt
zeit- und ortsweiſe wechſelnd.
b) Für Unterhaltung des ſtehenden Capitals. Je ſo-
lider die Gebäude, Maſchinen, Gefäße, Wege, Canäle und Geräthe
gebaut und conſtruirt ſind, deſto weniger Unterhaltungskoſten be-
dürfen ſie. Beſonders gilt dies von der Zimmerung und Mauerung,
und von den bergmänniſchen Gefäßen. Mit zeitigen kleinen Ver-
beſſerungen verhütet der kluge Unternehmer im Bergbaue öfters
die größten Verluſte und Unglücksfälle. Daher iſt Kargheit und
Unachtſamkeit nirgends am ſchlechteren Orte, als hier.
c) Für Holz und Bauſteine, theils zur Unterhaltung des
ſtehenden Capitals, theils als umlaufendes Capital, z. B. zur
Heitzung. Wenn das Bergwerk nicht eigenen Wald hat, ſo muß
man das Holz, ebenſo wie im ähnlichen Falle die Bauſteine, ſo
wohlfeil als möglich zu kaufen ſuchen; denn die Ausgabe dafür iſt
ſehr groß. Oft genießen die Gruben Vorrechte bei den Staats-
magazinen in dieſer Hinſicht. Iſt dies nicht der Fall, dann iſt
der Ankauf im Großen und die Abſchließung von Lieferungs-
kontrakten am vortheilhafteſten. Für naſſe Lage in der Grube
taugt Erlen- und Buchenholz beſſer als anderes. Sonſt benutzt man
am meiſten Nadelhölzer, aber mit größerem Vortheile Eichen- und
Ahornhölzer, wenn ſie zu haben ſind. Man wählt ſtarke dicke
Stämme, am beſten unbehauen, ſammt Rinde, Zacken und Zwei-
gen, weil man ſie dann zerſchneiden laſſen kann, wie man es
[157] bedarf, und weil man die Leztern zu Helmen, Faſchienen u. dgl.
benutzen kann. Das äußerſte Holz benutzt man durch Abſägen zu
Schwarten. Geſchältes Holz geht in Gruben ſchwerer in Fäulniß
als ungeſchältes. Das beſte Holz unter übrigens gleichen Um-
ſtänden zur Grubenzimmerung iſt das vor oder nach dem Safte
geſchnittene. Nahe floßbare Flüſſe kommen den Gruben ſehr zu
Statten, weil dieſe einen wohlfeilen Transport gewähren. Unter
den Steinen ſind die platten, ſchieferigen beſſer als Sandſteine
und Granit u. dgl. Backſteine ſind begreiflicher Weiſe nicht überall
von Dauer, oft ſehr theuer und müſſen nicht ſelten in eigenen
Formen zur Grubenmauerung gebrannt werden.
d) Für Eiſen zur Hinſtellung und Unterhaltung des ſtehenden
Capitals. Die Sparſamkeit mit demſelben, und der Gebrauch des
Holzes ſtatt deſſelben, wo es nur immer ohne Nachtheil geſchehen
kann, iſt eine alte bergmänniſche Gewohnheit und Regel.
Das rohe Einkommen beim Betriebe eines Bergwerkes beſteht
in folgenden Punkten:
a)Naturaleinnahmen an bergmänniſchen Produkten. Sie
ſind Haupt- und Nebenprodukte. Jene ſind die Maſſen des Haupt-
minerals, Leztere die Nebenmineralien u. dgl. Beim Betriebe im
Großen ſind zu ihrer Aufbewahrung eigene Magazine nothwendig,
deren Bau und Einrichtung nach Art des Minerals und polizei-
lichen Rückſichten verſchieden iſt. Die Sicherung gegen die Ein-
wirkung der Luft iſt wichtig beim Torfe, Steine, Erze, den
Steinkohlen und dem Salze. Die Sicherung gegen Menſchen iſt
um ſo nöthiger, je koſtbarer die Mineralien, je beweglicher und
verderbbarer ſie ſind.
b)Geldeinnahmen aus dem Verkaufe der rohen Produkte.
Entweder iſt der Staat ein Hauptabnehmer, wie bei den edeln
Metallen, oder es ſind dies Privaten, welche die Produkte, wie
z. B. Torf, Kohlen und Salz zur eigenen Conſumtion gebrauchen,
oder zum Zwecke der weiteren Verarbeitung ankaufen. In der
Regel findet der Verkauf nur im Großen Statt, und die Mineral-
kapitalien liegen nicht ſelten lange Zeit in den Magazinen. Darum
iſt der Bergbaubetrieb mehr Sache für den Staat, Gewerkſchaften
oder ſehr reiche Privaten, welche ſo lange ein Capital liegen laſſen
können. Sehr zweckdienlich ſind daher Berghandlungen, an welche
man die Mineralien entweder verkauft oder gegen einige Proviſion
zum Verkaufe in Commiſſion gibt.
c) Oft ſind mit den Bergwerken auch die Hüttenwerke ſogleich
in Verbindung. Bei den Salzwerken ſind ſie unumgänglich. Ob-
ſchon ſie bei großem Betriebe oft eine ganz abgeſonderte Verwal-
tung haben, ſo ſtehen ſie doch mit dem Bergbaue ſo in Verband,
daß ſie ſeinen Ertrag und den Ertrag des ganzen Betriebes er-
höhen. Daher gehört auch ihre Einnahme an gewonnenem Natural
und an Geld in die Rechnung.
Der Reinertrag (die Ausbeute) iſt aber noch nicht gefunden
nach Abzug jener Ausgaben von dieſen Einnahmen. Es muß viel-
mehr noch in Abzug kommen: 1) der Zins des ganzen Betriebs-
capitals; 2) die immer Statt findenden Abgänge und Verluſte an
Natural und am Gelde; 3) etwaige Transportkoſten des Minerals
und damit verknüpfte Abgaben; 4) etwaige Proviſionen, Gebühren
u. dgl., die ſehr wechſelnd ſind. Oft bleibt nach Abzug aller die-
ſer Poſten nicht blos nichts übrig, ſondern es müſſen noch Nach-
träge (Zubuße) von den Unternehmern geliefert werden. Darum
darf das Bergwerk aber nicht aufgegeben werden, wenn der Bau
auf Zubuße die Ausſicht auf ſpäteren Gewinn (Ausbeute) eröffnet.
Auch darum eignet ſich tüchtiger Bergbaubetrieb ſelten für Ei-
genlehner.
Der Schichtmeiſter führt die Bücher. Es gelten hier die
nämlichen allgemeinen Grundſätze jeder Buchführung (§. 79–82.).
Denn es kommt im Bergwerke ein Grundſtocksvermögen, eine jähr-
liche Auslage und Einnahme, es kommen um ſo mehr Schuldner
und Gläubiger vor, je complicirter der Betrieb und je ausgebrei-
teter der Berghandel iſt. Denn es finden nicht bei jedem Geſchäfte
ſogleich baare Zahlungen Statt. Die Buchführung iſt alſo hierin
von den anderen nur durch den Gegenſtand verſchieden. Aber die
Eigenthümlichkeit der Gewerkſchaftsverhältniſſe machen eine eigene
Buchführung nöthig, die insbeſondere dem Schichtmeiſter obliegt.
Es gehören beſonders hierher das Gegenbuch, Schurfbuch,
Muthungsbuch, Friſtenbuch, wovon die Bedeutung an ſich
klar iſt, mit Ausnahme des Erſten. Es werden nämlich in dem-
ſelben die Inhaber der Kuxe, die Verpfändungen, Veräußerungen
derſelben u. ſ. w. aufgeſchrieben. Eine eigene Buchführung erfor-
dert auch die Zahlung der Zubuße und jene der Ausbeute, welche
beide kuxenweiſe vertheilt werden. Der Rechnungsabſchluß geſchieht
vierteljährig (Quartal), wenn und weil jene beide ſo bezahlt wer-
den und man das Reſultat nur durch Rechnungsabſchluß erfahren
kann.
Andere als Ertragsanſchläge von Bergwerken können nicht ge-
macht werden, und ſchon dieſe ſind ſehr unſicher. Erſteres, weil
der Gehalt einer Lagerſtätte nicht mit Sicherheit ganz abgeſchätzt
werden kann, und wenn dieſes auch geſchehen könnte, es höchſt
unſicher iſt, ob der Fortbau nicht unterbrochen wird. Lezteres,
weil Zubuße und Ausbeute in ihrer Größe und Folge zu wandel-
bar ſind, und es alſo nicht geſtattet ſein kann, von einem mehr-
jährigen Durchſchnittsertrage auf den Ertrag in der nächſtfolgenden
Jahresreihe zu ſchließen, ohne die Möglichkeit des Fehlſchlagens
mit einzurechnen; denn die Ausbeute und Zubuße iſt zu wechſelnd,
und die Unterhaltungskoſten des ſtehenden Capitals werden, beſon-
ders bei der Grubenzimmerung, mit dem Alter des Leztern größer.
Man kann die Ertragsanſchläge unter zwei Geſichtspunkten be-
trachten, nämlich:
1) Als Ertragsvoranſchläge, um ſich einen muthmaßlichen
Ueberſchlag von dem Ertrage einer Grube zu machen, ehe man
ihren Abbau beginnt. Sie ſetzen eine Unterſuchung der Lager-
ſtrecke nach dem Streichen, Fallen, der Mächtigkeit und Teufe
voraus. Im Uebrigen beruhen ſie auf Muſterbauen. Denn man
gräbt entweder von Tage einige quadratiſche Abteufen von 1 Lach-
ter, oder man geht von dem Schurfſchachte und Schurfſtollen mit
ſolchen kleinen Strecken ins Feld. Der Durchſchnittsertrag von
3 oder 4 ſolchen Muſterbauen wird alsdann zur Veranſchlagung
des Rohertrags an Produkten vom ganzen Lager und Gange über-
haupt oder nur für eine Periode gebraucht. Denn durch Multi-
plication mit dem Raume oder mit der Zeit bei einer gegebenen
Arbeiterzahl läßt ſich dann die Quantität von Produkten berechnen.
Die Unzuverläſſigkeit dieſer Methode liegt am Tage (§. 124.).
2) Als Ertragsnachanſchläge, um ſich einer Anſicht vom
Durchſchnittsertrage einer, ſchon einige Zeit gebauten, Grube zu
verſchaffen. Man hat dazu zwei Mittel, nämlich die Informa-
tionen, d. h. protokolliſches mündliches Vernehmen der Berg-
beamten, beſonders der Steiger und Schichtmeiſter, und die
Rechnungsauszüge aus den Wirthſchaftsbüchern von mehreren
Jahren her. Soll aber ein ſolcher Anſchlag als Richtſchnur für
die Zukunft dienen, dann muß zugleich auf die Größe und Be-
ſchaffenheit der noch ſtehenden Felder Rückſicht genommen
[160] werden, wobei zugleich die periodiſch erweiterten Riſſe als Richt-
ſchnur dienen können, die immer mit einer näheren Beſchreibung
des Bergwerkes nach Geſtalt, Ausdehnung und Gehalt verſehen ſind.
Die Informationen erſtrecken ſich über alle von §. 95–107
angegebenen Punkte, über die beſondern Verhältniſſe der angewen-
deten Abbauart (§. 108–118.), über das Vorhandenſein der all-
gemeinen Bedingungen des Bergbaubetriebes (§. 220. u. 121.),
über die Arbeiterverhältniſſe und ſonſtige Betriebsausgaben (§. 126.),
über die tägliche, wöchentliche, monatliche rohe Ausbeute, und den
gewöhnlichen Preis des Naturales und über die Nebenkoſten bei
ſeinem Verkaufe (§. 127.). Es wird bei ihrer Aufnahme ein
beeidigtes Protokoll mit Unterſchrift des Informanden geführt.
Die Reſultate derſelben dienen zur Controlirung der Rechnungs-
poſten und zur Ergänzung des Mangelnden.
Die Auszüge aus den Büchern, ſowohl aus jenen des eigent-
lichen Betriebes als jenen über die Gewerkſchaftsverhältniſſe, haben
den Zweck der Durchſchnittsberechnung, und müſſen daher nach den
Regeln der Leztern (§. 61.) von verſchiedener Anzahl von Jahren
ſein. Sie erſtrecken ſich daher über Ausgaben und Einnahmen,
und müſſen ſonach in beſondere Rechnungen gebracht werden.
Die Beſichtigung aller Realitäten zu Tage und im Innern
der Grube nach Anleitung der Riſſe dient nicht blos zur Erhaltung
einer Anſicht vom jetzigen Stande der Grube, ſondern auch zur
Aufſtellung ihrer zukünftigen Verhältniſſe. Dabei werden Ver-
zeichniſſe und Beſchreibungen der feſt ſtehenden Capitalien,
und Inventarien über die beweglichen ſtehenden Capitalien auf-
geſtellt, zum Theile als Richtſchnur bei einer etwaigen Uebergabe
einer Grube, zum Theile wegen der Berechnung der Unterhal-
tungskoſten des Capitals.
Während aller jener Anſchlagsarbeiten wird ein allgemeines
Geſchäftsprotokoll über den Verlauf der Veranſchlagung ge-
führt, in welchem auch die Informationsprotokolle ihren Platz
finden. Dagegen aber machen die Auszüge, Verzeichniſſe und In-
ventarien beſondere Inſtrumente aus, auf welche ebenſo im Proto-
kolle, wie auf dieſes in ihnen verwieſen wird. Nach den Infor-
mationen und Auszügen, ſo wie, wenn dieſe nicht hinreichen, nach
[161] allgemeinen Erfahrungen werden die beſondern Rechnungen gefertigt,
welche das Spezielle zum ganzen Ertragsanſchlage liefern. Es gibt
beſondere Ausgaben, welche nur zu einzelnen Zweigen des Be-
triebes gehören, und allgemeine, die den ganzen Betrieb über-
haupt betreffen. Jene kommen ſchon in den ſpeziellen Rechnungen
in Abzug, dieſe aber erſt in der Rechnung, welche jene Reinerträge
zuſammenſtellt. Man verhüte einen zu hohen Anſatz der Einnahmen
und einen zu niedrigen von den Ausgaben. Das Reſultat gibt den
Durchſchnittsertrag, der aber in Geld auch nur nach Durch-
ſchnittspreiſen, ſchon in den ſpeziellen Rechnungen, berechnet ſein
darf. Daſſelbe kann man ungefähr auch gebrauchen, um vermit-
telſt der Capitaliſirung, indem man es als Zins eines Capitals
anſieht, den Capitalwerth einer Grube zu finden, wenn ſie abge-
treten werden ſollte (§. 129.). In dieſem Falle müſſen aber die
Werthe der Betriebscapitalien noch hinzugerechnet werden, weil
die Zinſen derſelben (§. 127.) auch in Abzug gekommen ſind.
Die Landwirthſchaftslehre iſt die wiſſenſchaftliche Dar-
ſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die pflanzlichen und
thieriſchen Körper zahmer Art mit Unterſtützung der menſchlichen
Kunſt erzeugt und erhalten werden (§. 42.). Die Feld- und Gar-
tenpflanzen und die zahmen (Haus-) Thiere ſind ihre Gegenſtände.
Die Pflanzen und Thiere bedingen ſich wechſelſeitig auf die manch-
fachſte Weiſe. Darum muß die Pflanzenzucht mit der Thierzucht
vereint getrieben werden. Die Landwirthſchaft iſt das älteſte Ge-
werbe, welches die Völker in ihren Urzeiten treiben. Aber bis
zur Wiſſenſchaft konnte ſie ſich immer erſt in der Zeit hoher Bildung
eines Volkes erſchwingen. Den alten Aegyptern, die in die
Geheimniſſe der Natur tief eingedrungen waren, war ſie eine feine
Kunſt und Wiſſenſchaft1). Die Griechen und die Römer hiel-
ten das landwirthſchaftliche Gewerbe für das ehrbare, und die auf
uns gekommenen Schriften der Lezteren über Landwirthſchaft zeu-
gen von tiefen Kenntniſſen und vielen Erfahrungen im Gebiete
derſelben2). Mit der Völkerwanderung und der Einführung des
Chriſtenthums nebſt allen ſeinen unzähligen heilſamen Folgen bildete
Baumſtark Encyclopädie. 11
[162] ſich im Abendlande ein neuer Zeitkreis für die Ausbildung der
Landwirthſchaft. Sie wand ſich aus den vielen Eigenthümlichkeiten
und Bedrückungen im Mittelalter3) kräftig hervor bis ins vorige
Jahrhundert. Dieſem und der neueſten Zeit war die Ausbildung
derſelben und ihre Befreiung von den vielen Laſten, die jene hem-
men, überlaſſen. Sie wurde eine Wiſſenſchaft, für deren Ausbil-
dung zwar ſchon Beckmann in Deutſchland ſehr Vieles gethan
hat, bis ſie aber A. Thaer auf den jetzigen rationellen Stand-
punkt erhob, indem er uns zuerſt auf die engliſche Landwirthſchaft
aufmerkſam machte4), welche im ganzen Abendlande am höchſten
ſteht, und dann durch ſeine theoretiſchen Werke die Wiſſenſchaft
und Praxis ſo bereicherte, daß mit ihm in der Geſchichte der
Landwirthſchaft eine neue Periode in Deutſchland beginnt. In
neueſter Zeit iſt die landwirthſchaftliche Literatur ſehr reich ge-
worden, und die Verdienſte anderer Männer außer und nach
Thaer ſind darin ſehr groß5), ſowohl in Betreff der beſon-
deren Landwirthſchaft einzelner Gegenden, als auch der allge-
meinen Landwirthſchaftslehre, welcher jene als Grundlage dient,
da ſie auf beſondere Erfahrungen, Naturgeſchichte, Ma-
thematik, Phyſik und Chemie, beſonders der Agricultur-
chemie, d. h. die wiſſenſchaftliche Zuſammenſtellung der auf die
Landwirthſchaft anwendbaren chemiſchen Grundſätze, geſtützt iſt6).
Die landwirthſchaftliche Gewerbslehre ſtellt ſyſtematiſch die
Grundſätze und Regeln dar, wie an ſich, ohne Bezug auf aus-
ſchließlichen zuſammenhängenden Betrieb die Mittel zur zahmen
Pflanzen- und Thierzucht am beſten hergerichtet, die Pflanzen und
Thiere am zweckmäßigſten behandelt, und ihre Erträge am beſten
eingezogen und aufbewahrt werden. Sie zerfällt daher in die
Landbaulehre und Thierzuchtlehre. Jene theilt ſich in die
Feldbaulehre und Gartenbaulehre. Aber ſowohl dieſe bei-
den, als auch die Lehre von der Thierzucht beruhen auf allge-
meinen Grundſätzen und Regeln, welche bei jeder Art von Feld-
und Gartenbau und Thierzucht vorkommen, und auf beſonderen
Grundſätzen und Regeln, welche nach den zu pflegenden und zu
ziehenden Gegenſtänden, Pflanzen und Thieren verſchieden ſind.
Daher hat jede einen allgemeinen und einen beſondern Theil.
Die allgemeine Feldbaulehre1) hat von der Beſchaffen-
heit und den Beſtandtheilen des Bodens (Agronomie, Boden-
11*
[164]kunde), von der Zurichtung des Bodens zum Feldbaue (Agri-
kultur, Bodenbearbeitung), von der Behandlung der Feld-
pflanzen (Pflanzenbau, Pflanzenpflege, Pflanzenkultur),
und von der Ernte und Aufbewahrung der Pflanzen und ihrer
Theile, im Allgemeinen zu handeln.
Die Bodenkunde1), als Grundlage des ganzen künſtlichen
Pflanzenbaues, lehrt die Eigenſchaften, Theile, Miſchungsverhält-
niſſe und den Einfluß des urbaren Bodens auf das Wachsthum der
Pflanzen. Der Boden bedingt das Pflanzenwachsthum:
1) Chemiſch, indem er ihnen mit ſeinen Beſtandtheilen theils
ſelbſt zur Nahrung dient, dann aber ſtets die chemiſche Zerſetzung
der in ihm enthaltenen Nahrungstheile der Pflanzen bewirkt und
zuführt, und ihnen den zu ihrem Gedeihen nöthigen Grad von
Wärme gibt. Denn die Nahrungstheile der Pflanzen beſtehen aus
Luft, die der Boden aus der Atmosphäre anzieht, aus Waſſer,
welches der Boden enthält, aus Kohlenſäure, welche der Boden
bereitet, und aus Beſtandtheilen des Bodens ſelbſt, z. B. Salzen.
Die allgemeinen Bedingungen der Entwickelung der Pflanzen ſind
jene eines chemiſchen Proceſſes, nämlich Wärme, Luft und Feuch-
tigkeit, in mäßigem Zutritte.
2) Mechaniſch, indem er ihnen durch ſeine Feſtigkeit die
nöthige Haltung für die Wurzeln und den Stamm gibt.
Die urbare Erde oder die Ackerkrume, welche zum Pflanzen-
baue hergerichtet wird, hat verſchiedene Beſtandtheile, und dieſe
haben verſchiedene Eigenſchaften an ſich und in Bezug auf das
Pflanzenwachsthum, alſo in Bezug auf ihr Verhalten zur Wärme,
Luft und Feuchtigkeit. Jene Beſtandtheile ſind:
1) Erdarten, d. h. einfache, unzerlegliche, weiße, pulver-
förmige, im Feuer unſchmelz- und unzerſtörbare, im Waſſer mei-
ſtens unauflösliche Körper. Davon kommen in der Ackerkrume vor:
a) Die Kieſelerde, welche nie rein vorkommt, aber ent-
weder im feinſten pulverigen Zuſtande oder als Sand. Reine
trockene Kieſelerde hält auf 100 Theilen 250–280 Theile Waſſer.
Der Sand, d. h. ein kleines glänzendes Körnchen, das beim Aus-
waſchen der Erdart niederſinkt und das Waſſer nicht trübt, hält
nach Schübler 25–29% Waſſer, im feinen Zuſtande; aber nur
0,2–9,25 % im gröberen Zuſtande; läßt es am ſchnellſten wieder
fallen, trocknet ſchnell aus, und zieht aus der Atmosphäre keine
Feuchtigkeit an. Seine Wärme haltende Kraft iſt 0,950 nach
Schübler, jene des Kalkſandes = 1000 angenommen.
b) Die Thonerde, welche nie rein vorkommt, aber ſich in
jedem Boden findet, und rein gewonnen 400% Waſſer hält und
behält; im Boden kommt ſie als eine verſchieden gefärbte Erdart
vor, welche mit Waſſer einen formbaren Teig bildet, beim Um-
rühren des Bodens im Waſſer dieſes trübt, und bei behutſamem
Abgießen damit abfließt. In dieſer Geſtalt heißt ſie Thon. Er
hält nach Schübler 70% Waſſer, ohne es fahren zu laſſen; iſt
am feſteſten unter den Erden, und läßt nicht halb ſo viel Waſſer
verdünſten, als der Sand; zieht viel Feuchtigkeit aus der Luft an,
nämlich in 48 Stunden 0,048, und verbindet ſich mit ihrem Sauer-
ſtoffe, nämlich mit 0,153 in derſelben Zeit, wo der Kalk 0,108
abſorbirt; ſeine Wärme haltende Kraft iſt = 0,667 nach Schübler;
er verliert durch Austrocknen 0,183 an Volumen nach Schübler.
c) Die Kalkerde, welche einen Laugengeſchmack hat und im
Waſſer auflöslich iſt. Der Kalk kommt mit Sand, Thon und mit
organiſcher Materie in Verbindung vor, fließt bei der Auswa-
ſchung der Ackerkrume mit dieſen ab, während er mit Sand nieder-
fällt und nur durch eine Säure von ihm getrennt werden kann;
er zieht im ätzenden Zuſtande das Waſſer aus der Atmosphäre
leicht an und zerfällt dabei in ein weißes zartes Pulver; er ver-
[166] ſchluckt, ohne naß zu werden, von aufgetröpfeltem Waſſer 0,309,
und es entwickelt ſich dabei viel Wärme; mit mehr Waſſer gibt er
den gelöſchten Kalk; in dieſem Zuſtande verliert er verhärtend
das Waſſer bald wieder. Er kommt vor als kohlenſaurer Kalk
(Kalk+Kohlenſäure+Kryſtalliſationswaſſer) und als ſchwe-
felſaurer Kalk, Gips genannt (Kalk+Schwefelſäure+
Kryſtalliſationswaſſer). Jener, gewöhnlich Kalk genannt, iſt im
Feuer nicht ſchmelzbar, aber dieſer, der dagegen nur wenig im
Boden vorkommt. Jener braust beim Begießen mit Säure auf,
denn es entweicht die Kohlenſäure in Bläschen. Aus ihm entſteht
die Kalkerde, wenn ſich durch Erhitzung das Kryſtalliſationswaſſer
verflüchtigt hat und die Kohlenſäure entwichen iſt; die Kalkerde
hält nach Schübler 85, noch Burger 97–127% Waſſer, ver-
dünſtet es aber ſchneller als die Thonerde, jedoch langſamer als der
Thon, nämlich dieſer 313, jene 280 von 1000 Theilen Waſſer in
derſelben Zeit; dabei vermindert ſich ihr Volumen um 0,05 nach
Burger; zieht in 48 Stunden 0,035 Feuchtigkeit aus der Luft an,
und verbindet ſich mit 0,108 Sauerſtoff, während der Thon 0,153
abſorbirt; ihre Wärme haltende Kraft iſt = 0,618 nach Schübler.
d) Die Bittererde oder Talkerde; ſie nimmt nach Burger
im trockenen, von Kohlenſäure befreiten Zuſtande 380–400%
Waſſer auf, verflüchtigt im Trocknen daſſelbe bis auf 40%, die
aber bei 40° Wärme ſich noch nicht verflüchtigen; ihr Zuſammen-
hang iſt gering, aber ſie bildet auch mit Waſſer keinen zähen
Teig; ſie kommt im Boden nur als kohlenſaure Bittererde vor
(Bittererde + Kohlenſäure + Waſſer); ihre Waſſer haltende
Kraft iſt nach Schübler = 456, nach Burger = 546; ihre
Cohäſionskraft iſt nach Schübler = 0,118, jene der kohlenſauren
Kalkerde = 0,050, was jedoch Burger für unrichtig erklärt; ſie
verdünſtet von 1000 Theilen 313 Theile Waſſer, und verliert da-
bei 0,154 ihres Volumens; ſie zieht in 48 Stunden 0,110 Feuch-
tigkeit aus der Luft an, und abſorbirt nach Schübler in 30 Tagen
17% Sauerſtoffgas aus der Luft; ihre Wärme haltende Kraft iſt
0,380 nach Schübler.
2) Metalle, d. h. einfache unzerlegliche, eigenthümlich glän-
zende, verſchiedenfarbige, dehnbare und eigenſchwere Körper. Von
ihnen kommt in der Ackerkrume nur das Eiſen allgemeinhin vor,
und zwar a) als Eiſenoxyd (Eiſenkalk, Ocher), d. h. als ein
erdartiger pomeranzengelber, brauner oder ſchwarzer, geruch- und
[167] geſchmackloſer, im Waſſer auflöslicher und im Feuer für ſich un-
ſchmelzbarer Körper; b) als ſchwefelſaures Eiſen in unter
Waſſer ſtehenden und naſſem Boden; c) als kohlenſaures Ei-
ſen in Torf- und Moorboden.
3) Salze, d. h. im Allgemeinen in Waſſer auflösliche und
Geſchmack habende Körper, insbeſondere aber jene Verbindungen
von Säuren, Erden, Laugenſalzen oder Metallen, die in 500
Theilen Waſſer ſich auflöſen. Es gibt ungemein viele Salze. Für
den Landwirth ſind hauptſächlich die ſchwefel- und ſalpeter-
ſauren Salze wichtig, weil ſie eine reitzende Wirkung auf die
Pflanzen haben.
4) Organiſche Materie im Zuſtande der Zerſetzung oder
Fäulniß. Dieſe geht um ſo ſchneller vor ſich, je zuſammengeſetzter,
und um ſo langſamer, je mehr mit erdigen und metalliſchen Thei-
len gemiſcht jene iſt. Sie findet auch unter mäßigem Zutritte von
Luft, Feuchtigkeit und Wärme Statt. Iſt die Zerſetzung ganz
vollendet, dann iſt das Produkt der Humus (Moder), d. h. ein
ſchwarzgraues leichtes lockeres Pulver, das im Feuer verbrennt,
ſtets in Laugenſalzen, nicht immer aber in Waſſer ſich auflöst,
nämlich nur dann, wenn es mit Sauerſtoff verbunden iſt. Er hält
190 bis 200% Waſſer; verdünſtet von 1000 Theilen Waſſer 108
Theile nach Schübler; ſeine Wärme haltende Kraft iſt = 0,49
nach Schübler, aber 0,72 nach Crome; verliert beim Verdün-
ſten des Waſſers 0,1 an Volumen; hat weniger Cohäſion als die
Bittererde; ſaugt in 48 Stunden auf 1000 Theile 110 Theile
Waſſer aus der Luft, und in 30 Tagen 0,203 Theile Sauerſtoff
der Luft, und es bildet ſich durch dieſen in Verbindung mit ſeinem
Gehalte an Kohle die kohlenſaure Luft; er erwärmt und entwärmt
ſich ſehr ſchnell. So weit der Humus in der oberſten Erdſchicht
geht (§. 85.), heißt ſie die Dammerde.
Nach der verſchiedenen Miſchung dieſer Beſtandtheile in der
Ackerkrume unterſcheidet man alſo folgende Bodenarten:
1) Thonboden, d. h. ein Boden, welcher wegen ſeiner Fe-
ſtigkeit nur ſchwer gepflügt werden kann, das Waſſer bis zur
Sättigung in ſich aufnimmt, alsdann über ſich ſtehen läßt, ſehr
langſam trocknet, dann ſich ſehr zuſammenzieht, ſogar zerſpringt
[168] und bis zur Unmöglichkeit des Aufpflügens von einem tüchtigen
Regen verhärtet1).
2) Sandboden, d. h. ein Boden, welcher durch geringen
Thongehalt im feuchten Zuſtande etwas zuſammenhängt, aber beim
Trocknen ſogleich wieder zerfällt2).
3) Kalkboden, d. h. ein Boden, welcher mehr als 2 bis
75% Kalk enthält, alſo die Eigenſchaften des Kalks (§. 136.) in
verſchiedenen Graden äußert, indem er mehr oder weniger, ſtets
aber mehr Waſſer als der Thonboden, in ſich aufnimmt, und es
geſchwinder fahren läßt, und bei geringerer Cohäſion wegen ſeiner
Fähigkeit, aus der Luft Feuchtigkeit aufzunehmen und an ihr
zu zerfallen, weniger Wärme nimmt und hält, als der Thon-
boden3).
4) Humusboden. Derſelbe enthält auflöslichen Humus,
und wird, wenn er über 50% Thon, Lehm und Sand hat,
thoniger, lehmiger und ſandiger Humusboden genannt; oder er
enthält größtentheils unauflöslichen, verkohlten, überſauern Humus;
oder endlich größtentheils unauflöslichen, faſerigen, vegetabiliſchen
Stoff, und iſt dann in Torf- und Moorboden zu unterſcheiden.
Wegen der unendlichen Manchfaltigkeit der Miſchungsverhält-
niſſe und Eigenſchaften des Bodens wird es für die Landwirthſchaft
nöthig, denſelben nach den häufigſten Vorkommniſſen in Klaſſen
einzutheilen. Die Aufſtellung ſolcher Klaſſen heißt Klaſſifi-
zirung; das Einreihen eines gegebenen Bodens in eine beſtimmte
Klaſſe dagegen Klaſſirung1). Man unterſcheidet am beſten die
phyſiſche (natürliche) und die wirthſchaftliche Klaſſifizirung.
Jene richtet ſich nach den Beſtandtheilen und Miſchungsverhält-
niſſen des Bodens (§. 135–137.); dieſe aber nach allen Umſtänden,
welche den Ertrag des Bodens bleibend beſtimmen, und fußt daher
zuerſt auf der phyſiſchen Klaſſifizirung. Man hat daher bei der
Bodenklaſſifizirung folgende Punkte zu berückſichtigen: 1) Die
Beſtandtheile und Miſchungsverhältniſſe; 2) die Tiefe der Acker-
krume, ſowohl wegen der mechaniſchen als auch chemiſchen Unter-
ſtützung der Pflanzen (§. 134.); 3) den Untergrund, weil, wenn
derſelbe die der Ackerkrume entgegengeſetzte Eigenſchaften hat, dies
auf dieſelbe günſtig oder ungünſtig zurückwirkt; 4) die Form der
Oberfläche, weil davon die Trockenheit und Näſſe des Bodens,
Abſchwemmungen, Bergſtürze u. dgl. abhängen, abgeſehen von der
Schwierigkeit der Bearbeitung; 5) die phyſiſche Lage, und 6) die
klimatiſchen Verhältniſſe, weil davon die Kälte, Wärme, Trocken-
heit, Feuchtigkeit der Lage, das Ausgeſetztſein gegen Fröſte,
Winde u. dgl. abhängt; 7) die Lage zum Wirthſchaftshofe, wegen
der Aufſicht, der Arbeitskoſten und Zeitverſäumniſſe; 8) die Frei-
heit oder Beſchränktheit der Benutzung; 9) das Verhalten bei der
Bearbeitung; 10) die Hauptfrüchte und thunliche Fruchtfolge;
11) die Folgen früherer Cultur; 12) die gewöhnliche Benennung
des Bodens2); 13) den Düngungszuſtand und Bedarf; 14) die
erforderliche Einſaat an den Hauptfrüchten für den Boden; 15) den
durchſchnittlichen Ertrag bei üblicher Bewirthſchaftung3).
Ehe man die Pflanzgeſchäfte anfangen kann, muß der Boden
zur Pflanzung tauglich d. h. urbar gemacht ſein. Das Urbar-
machen1) kann auf zwei Arten geſchehen, nämlich:
1) Durch Hinwegräumung der auf und in dem Boden vor-
handenen Hinderniſſe des Pflanzenbaues überhaupt. Die auf die-
ſem Wege beurbarten Felder heißt man Neubrüche, Neureuden
oder Roden. Unter die hinwegzuräumenden Hinderniſſe gehören:
a)Bäume und große Sträuche, die man durch kahles Ab-
treiben, durch das Schwenden, d. h. die Tödtung des Baumes
durch Ablöſung eines großen Stückes Rinde am Boden, und durch
das Ausroden hinwegbringt; b)kleine Sträuche, z. B. Hei-
den und Ginſter, die man durch Abmähen und Aufbrechen des
Bodens vertreibt2); c)Flugſand, der nachbarliche Felder zu
bedecken droht, und hieran dadurch verhindert wird, daß man die
Sandflächen in einiger Entfernung von ihrem Ende von der Wind-
ſeite (N. W.) her mit Reiſig bedeckt oder Zäune pflanzt3);
d)große loſe und feſtſitzende Steine, die man durch Ab-
fahren und Sprengen entfernt4); e)ſtehendes Waſſer, welches
nur entfernt werden kann, wenn man ſeine Urſachen kennt. Dieſe
ſind entweder nahe gelegene Gewäſſer, oder unterirdiſche Quellen,
oder Zufließen des Waſſers von Anhöhen auf Flächen und in Ver-
tiefungen. Man kann ſolchen Boden entwäſſern (entſümpfen) durch
Dämme und Ableitungsgräben an den Gränzen des Feldes, durch
Abzugsgräben auf der ſumpfigen Fläche ſelbſt, die man bald über-,
bald unterirdiſch anlegt, oder endlich durch Ausfüllen von Ver-
tiefungen, wenn dieſe nicht gerade ſchon von Natur dazu dienen,
den Boden zu entſümpfen5).
2) Durch Umwandlung einer bisher benutzten Ackerfläche, z. B.
Wieſe, Weide u. dgl. zu anderen Nutzungen. Mürber, leichter
Boden kann ſogleich nach dem Umbruche beſäet werden, unter
Vorausſetzung hinlänglicher vegetativer Kraft. Aber feſter, bün-
diger, ſtark bewurzelter Boden wird erſt durch Verbrennung der
Grasnarbe und Unterackerung der Aſche urbar6). Zum Verbren-
nen iſt jedoch das Abſchälen des Raſens und das Zuſammenſetzen
deſſelben in größere Haufen erforderlich, ſo daß nach demſelben die
[171] Vertheilung der Aſche erſt geſchieht. Einerſeits verflüchtigt es
zwar viele Nahrungstheile, aber anderſeits zerſtört es die ſchädliche
Grasnarbe plötzlich, macht den Thonboden thätiger, und nimmt
ihm etwas von ſeiner hartnäckigen Waſſerhaltung. Denn das
Product der Verbrennung iſt Aſche, gebrannter Kalk, Gyps und
Salze7).
Die Vorrichtung des Bodens zur Anpflanzung nach vollendeter
Beurbarung bezweckt die Lockerung, Befeſtigung, Wendung, Rei-
[172] nigung, Ebenung und Mengung der Ackerkrume. Man bedient ſich
dazu folgender Werkzeuge (Ackergeräthe)1):
A. Der ganz einfachen Hacken oder Hauen, Schaufeln oder
Spaten.
B. Der Eggen, mit hölzernen oder eiſernen Zähnen2).
C. Der Walzen, von Holz, Stein oder Eiſen3).
D. Der zuſammengeſetzteren Pflüge. Folgende Ueberſicht er-
leichtert ihre Unterſcheidung:
1) Der eigentliche Pflug. Man unterſcheidet an ihm:
a) die Schaar, d. h. das ſchaufelförmige, wagerecht ſtehende
und vorne am Pfluge angebrachte Eiſen, in der Form eines gleich-
ſchenkeligen oder (beſſer) rechtwinkeligen Dreiecks; b) das Soh-
lenſtück (Pflughaupt), d. h. das auf dem Boden (Sohle)
gehende Holzſtück, an dem die Schaar befeſtigt iſt; c) den Grin-
del (Pflugbaum), d. h. das zunächſt über dem Sohlenſtücke mehr
oder weniger horizontal angebrachte Holz zur Richtung der Zug-
linie; d) die Griesſäule, d. h. das feſte Band zwiſchen den
beiden Lezteren in der Mitte zwiſchen der Schaarſpitze und dem
Ende des Sohlenſtücks; e) den Sterz (die Handhabe), d. h. ein
oder zwei am hinteren Ende des Pflugs in die Höhe, krumme
auswärts ſteigende Hölzer zur Leitung des Pfluges; f) das
Streichbrett, d. h. ein bald feſtes bald bewegliches, an einer
oder an beiden Seiten des Pfluges gegen den Sterz zu vom Pfluge
ſchief abſtehendes, bald gekrümmtes bald gerades Brett, von dem
die Umwendung der Scholle abhängt; g) das Sech, d. h. ein
ſenkrecht abwärts dicht von der Schaarſpitze aus dem Grindel ab-
ſteigendes eiſernes Meſſer, das den Boden ſenkrecht aufſchneidet
und ſo der Schaar den Weg bahnt; endlich h) das Vorderge-
ſtell, d. h. ein vorne am Pfluge angebrachtes zwei- oder einräderi-
ges Geſtell oder auch eine bloße Schleife (Stelze) zur Erleichterung
der Bewegung und Haltung des Pfluges. Man unterſcheidet nun
nach dem verſchiedenen Vorhandenſein dieſer Pflugtheile die
Schwingpflüge (ohne Vordergeſtell), die Stelzen- und Rä-
derpflüge, die Wendepflüge (mit verſetzbarem [beweglichem]
Streichbrette), die Doppel- oder Leitenpflüge (zwei mit ein-
ander verbundene Pflüge, von welchen man abwechſelnd beim Hin-
und Herfahren den Einen und Andern gebraucht)4).
2) Die Hackenpflüge (Hacken, Aadl), d. h. Pflüge mit
einer Schaar, die ein gleichſchenkeliges Dreieck bildet, mit zwei
aufwärts gekrümmten Streichbrettern, und in der Regel ohne
Sech5).
3) Die Reinigungspflüge (Cultivatoren). Es gehören
hierher:
a) Die Skarrifikatoren (Schröpfer, Aufkratzer), welche
blos mit mehreren ſcharfen Meſſern (Sechen) verſehen ſind6).
b) Reinigungspflüge mit mehreren größeren oder kleineren
Schaaren, nämlich:
α) Die Hobelpflüge (Entenfüße, engl. skim-ploughs),
mit platten Schaaren.
β) Die Wühlpflüge (Rührpflüge, engl. skuflers), mit
konvexen schaaren; hierher gehören:
a) Die Pferdehacken (engl. Horse-hoes), d. h. Wühl-
pflüge, die ſo ſchmal und mit drei in einem gleichſeitigen Dreiecke
ſo gegeneinander geſtellten Schaaren verſehen ſind, daß ſie zwiſchen
zwei Reihen von Gewächſen durchgezogen werden können7).
b) Die Exſtirpatoren, d. h. breitere mit ſieben bis dreizehn
in zwei Reihen angebrachten Schaaren verſehene Rührpflüge8).
4) Die Drillmaſchinen, d. h. verſchiedenartig conſtruirte
Ackergeräthe zur Ziehung der Furche, regelmäßigen Einlage der
Saat, und zum hinreichenden Bedecken derſelben9).
Das Ebnen und Reinigen des Bodens geſchieht mit der
Egge, Walze und den Reinigungspflügen1); das Befeſtigen
deſſelben durch die Walze2); das Lockern und Mengen vermit-
telſt der Eggen, Skarrifikatoren und Extirpatoren, wovon die bei-
den Lezteren ſo konſtruirt ſein müſſen, daß jedes Meſſer einen
beſondern Strich macht, was aber bei der Egge bewirkt wird,
[175] indem man den Zugpunkt ungefähr im 4ten oder 3ten Theile einer
der 4 Seiten derſelben anbringt. Ein hoher Grad von Schwere
und Bindigkeit des Bodens erfordert entweder eiſerne Eggenzähne,
ganz eiſerne Eggen oder die Anwendung der beiden anderen In-
ſtrumente3). Die Wendung des Bodens geſchieht mit den
Pflügen, deren Güte nach der Vollſtändigkeit ihrer Leiſtung be-
meſſen wird, welche darin beſteht, daß eine gleiche, gerade, reine
Furche gebildet und der abgeſchälte Erdſtreifen vollſtändig umge-
kehrt wird4).
Was insbeſondere das Pflügen betrifft, ſo hat man dabei
zu unterſcheiden: 1) Die Tiefe deſſelben. Sie richtet ſich nach
der Beſchaffenheit des Bodens und nach der Natur der Pflanzen;
nach der Lezteren, in ſoferne als die Pflanzen verſchieden zart und
ihre Wurzeln verſchieden lang ſind, nach der Erſteren, in ſoferne
als der Boden verſchieden tief und der Untergrund verſchiedenartig
iſt. Die eigentliche Dammerde muß ſtets umgepflügt werden, der
Untergrund iſt aber nur dann aufzupflügen, wenn er die Acker-
krume verbeſſern kann und ſoll, oder wenn er der Pflanzenwurzeln
wegen gelockert werden muß1). 2) Die Form der Ackerfläche
durch das Pflügen. Man pflügt im Allgemeinen entweder zuſam-
men, wenn der Acker durch zwei Furchen begrenzt ein gewölbtes
Beet bilden ſoll, oder auseinander, wenn er in der Mitte durch
eine Furche getheilt zwei nach entgegengeſetzten Seiten der Quere
abhängige Beete bildet. Man hat aber noch beſondere andere
Formen davon2). Die erforderliche Form des Pflügens richtet
ſich nach der Lage und phyſiſchen Beſchaffenheit des Bodens. Die
Vertheilung der fruchtbaren Erde und die Ableitung des Waſſers
beſtimmt die Wahl der Form. Denn was hierin von der Natur
verſagt iſt, ſoll durch das Pflügen bewirkt werden. 3) Die Zeit
des Pflügens. Zu jeder neuen Frucht iſt daſſelbe nöthig. Ob der
Boden hierzu mehr als einmal gepflügt werden ſoll, hängt davon
ab, ob die Lockerung, Wendung und hierdurch die Sättigung des
Bodens aus der Luft und den Düngemitteln nach einer Pflügung
hinreichend iſt oder nicht3). Es beruht hierauf das Weſen der
Brache.
Unter Brache verſteht man den Zuſtand eines Feldes, ver-
möge deſſen es ein Jahr mehrmals blos gepflügt, geeggt und ſonſt
bearbeitet wird, um es für die nächſte Fruchtfolge vorzubereiten.
Dieſelbe iſt verwerflich; denn 1) ſie kann nach einer 2–4 maligen
Beackerung, während welcher der Boden gar nichts erträgt und
ſich die Nahrungstheile oft verflüchtigen, die Zinſen des Capitals
von 2 Jahren nicht erſtatten; 2) ein mürber Boden bedarf einer
ſo häufigen Wendung und Lockerung gar nicht, der bindige Thon-
boden wird durch ſie doch nicht völlig gewendet und gelockert, und
der nämliche Zweck kann durch die Anpflanzung behackter Früchte
erreicht werden1); 3) die Nahrungstheile, welche der Boden durch
die Brache gewinnen ſoll, werden während der Lezteren keiner
Pflanze außer dem Unkraute zugeführt. Dieſelbe iſt alſo nur als
Folge der Nothwendigkeit in denjenigen Gemeinden zu halten, wo
es der Felderverband erheiſcht, oder bei Feldſtücken, welche der
Entfernung wegen nicht in die ganze Fruchtfolge jedesmal auf-
genommen werden können. Die Bracharbeiten beſtehen a) im
Stürzen, b) im Wenden, c) im Rühren und endlich d) im Saat-
ackern2). Alle vier müſſen den Boden aus verſchiedenen Tiefen
aufackern. Das Erſte geſchieht am beſten entweder ſogleich nach
der Ernte oder im Herbſte; das Zweite im Herbſte oder Frühling;
das Dritte kann oft ganz unterbleiben, und das Vierte geſchieht
beim Säen. In feuchtem Klima geht man im Herbſte beim Stür-
zen nur ſeicht, in trockenem Klima aber tief in den Boden, damit
er ſich im erſten Falle nicht verſäure und im zweiten nicht ver-
trockne. Im Frühjahre findet das Umgekehrte Statt, wenn man,
wie es faſt allgemein fehlerhaft geſchieht, alsdann ſtürzt3).
Außer der gewöhnlichen Ackerbeſtellung mit Pflug, Egge und
Walze iſt beſonders auf großen Landgütern eine andere mit den
complizirteren Ackergeräthſchaften eingeführt. Sie iſt die Beſtel-
lung mit den Pferdehacken und den Drillmaſchinen1). Vor 100
Jahren (a. 1733) machte Yethro Tull, ein berühmter Englän-
der, eine Schrift2) bekannt, worin er zu zeigen ſuchte, daß der
Dünger durch Auflockerung der Ackerkrume und Anziehung der
Pflanzennahrung aus der Luft den Boden befruchten helfe. Da
man nun daſſelbe auch ohne Düngung durch die ſorgfältige Locke-
rung und Wendung des Bodens bewirken könne, ſo ſäete er den
Weitzen in dicke Reihen, die drei Fuße aus einander ſtanden, ſehr
ſorgfältig und bearbeitete dieſe Zwiſchenräume öfters mit einem
Cultivator, d. h. einem kleinen leichten Pfluge. Dadurch gewann
er zwei Dritttheile an der Saat, und zog eine viel bedeutendere
Ernte als die anderen Landwirthe bei ihrer üblichen Wirthſchaft.
In kleineren Wirthſchaften beſtellte man das Feld in nicht einmal
halb ſo dichten (9–12'') Reihen und bearbeitete es mit den
Handgeräthen durch Behacken, Reinigen und fleißiges Jäten. Bald
that man dies im Großen mit Maſchinen, wo es ausführbar war,
und nannte dieſe dritte Bauart auch noch Drill- und Pferde-
[179] hackenwirthſchaft3). Namentlich beim Baue der Getreide und
Hülſenfrüchte wendet man ſie an. Man hat beſonders zwei Ma-
ſchinen im Gebrauche, eine von Cook und eine von Ducket4).
Dieſer hat den Furchenzieher (mit 5 ſechartigen, umſchraub-
baren Meſſern), der 9 bis 18 Zoll von einander entfernte Furchen
für die Saat zieht (Drillpflug), die Säemaſchine, welche durch
Tuten den Saamen in 5 Rillen und von dieſen in jene 5 Furchen
bringt, die Egge und die Walze getrennt. Die Drillmaſchine des
Erſteren vereinigt den Furchenzieher und Säekaſten auf eine ſehr
zweckdienliche und dauerhafte Art. Die Pferdehacken, womit,
wenn die Saat nur zwei bis drei Zoll hoch heraus iſt, der Boden
bearbeitet wird, gehören in die Klaſſe der Aufkratzer und Wühl-
pflüge (§. 140.), und werden bei beiderlei Maſchinen angewendet.
Dieſe Drillwirthſchaft, welche beſonders auch an A. Young, der
darüber die ſorgfältigſten Verſuche angeſtellt hat, einen mächtigen
Gegner fand, iſt wegen der Müheſeeligkeit der Arbeiten, wegen
der unumgänglichen Nothwendigkeit der ſorgfältigſten Aufſicht auf
das Drillfeld und wegen der großen Pünktlichkeit in Bezug auf
die Zeit, wenn man mit der Pferdehacke, Handhacke und Schau-
fel zur Hand ſein muß, eine mißliche und gewagte Einrichtung.
Daher wird ſie bei ſehr vorgeſchrittener Landwirthſchaft für einen
ſehr aufmerkſamen land- und kapitalreichen Landwirth in demſel-
ben hohen Grade vortheilhaft und vergnüglich, als unter den ent-
gegengeſetzten Verhältniſſen nachtheilig und drückend ſein5).
Die chemiſche Agricultur bezweckt, die Beſtandtheile des Bo-
dens durch Hinzufügung von neuen zu verbeſſern. Die neuen Zu-
ſätze ſind:
a) Der Dünger, d. h. chemiſch zerſetzte (verweste) pflanzliche
und thieriſche Stoffe und Abfälle1). Unter den Dünger gehören
daher:
1) Die verſchiedenen Arten des Miſtes, d. h. einer Verbin-
dung der thieriſchen Excremente mit Pflanzenfaſern. Unter den
thieriſchen Excrementen gebraucht man die Auswürfe der Menſchen,
des Hornviehes, der Schaafe, der Pferde, der Schweine und des
Geflügels. Unter pflanzlichen Stoffen, die man damit mengt,
zählt man hierher das Stroh, Laub, Schilf, Heidekraut, die
Heidenplaggen, Farnkräuter, Oelkuchen, den Teichſchlamm, Tang,
Torf, Ruß, Malzſtaub, die Gerberlohe und Modererde. Es iſt
nicht gleichgiltig, wie der Miſt bereitet wird. Die Lage und Form
der beſonders gewählten Miſtſtätte darf den Miſt weder zu großer
Trockenheit, noch zu großer Näſſe ausſetzen, aber auch der Luft
nicht zu ſehr Preis geben. Sehr wichtig iſt das ſorgfältige Zu-
ſammenſchlagen, öftere Umſtechen und Begießen mit Flüſſigkeit.
Mit ihm in einer Grube, oder getrennt von ihm iſt der Harn,
d. h. die friſche von den Thieren gelaſſene Flüſſigkeit, die Jauche
(Pfuhl), d. h. die aus dem Miſte ſich abſondernde dünne Flüſſig-
keit, die aber ſchon Auflöſungen feſter Auswürfe enthält, und die
Gülle, d. h. eine Jauche, die ſchon größere feſte Stücke von
Excrementen mit ſich führt2).
2) Die verſchiedenen thieriſchen Stoffe allein, wozu z. B. auch
noch Blut, Aas, Hornſpähne u. ſ. w. zu zählen ſind. Da ſie ſehr
raſch in Verweſung übergehen, ſo muß man dieſem durch Trocknen
oder Begießen mit Waſſer zuvorkommen3).
3) Die verſchiedenen pflanzlichen Stoffe im grünen, trockenen
oder vermoderten Zuſtande allein. Die grüne Düngung beſteht
darin, daß man entweder von ſelbſt gewachſene oder künſtlich auf
dem Boden gezogene Pflanzen umpflügt. Weil die Pflanzen auch
Luft und Waſſer als Nahrung in ſich aufnehmen, ſo baut man,
da die übrige Nahrung dem Boden ſelbſt angehört, zu dieſem Be-
hufe Pflanzen, die meiſtentheils ihre Nahrung aus der Luft ziehen
und viele Säfte haben, d. h. Pflanzen mit dicken breiten Blättern
und ſaftigen Stengeln, als die Lupine, Wicken, Erbſen, den
Spörgel und Buchweitzen, die Kleearten, Luzerne und Eſparſette.
Die trockene pflanzliche Düngung iſt nicht vortheilhaft, weil
ſolche Stoffe, wie Stroh, Laub, Schilf, Heidekraut u. dgl. ſich
ſchwer zerſetzen und wenig Auflösliches enthalten. Vor ihrem
Gebrauche als Dünger muß daher für ihre Zerſetzung hinreichend
geſorgt, oder ſie müſſen darum mit thieriſchen Stoffen vermengt
ſein (N. 1.). Größtentheils oder ganz vermoderte Düngung,
wie z. B. Moder und Teichſchlamm, iſt ſchon ſo weit zerſetzt, daß
man ſie nach einigem Ausgeſetztſein in der Luft ſogleich anwenden
kann. Torf (noch unaufgelöster Humus) und ſaurer Humus ſind
aber als ſolche noch nicht mit Vortheil zu gebrauchen, ehe man
ſie mit kaliſchen Subſtanzen, z. B. Kalk, Aſche, zum Behufe der
Beſchleunigung der Zerſetzung und zum Behufe der Entſäurung
vermengt hat4).
b) Die Reitzmittel, welche nicht den Zweck haben, zu dün-
gen, d. h. dem Boden Nahrungstheile für die Pflanzen zu geben,
ſondern vielmehr auf Beförderung des Wachsthums der Pflanzen,
und der Thätigkeit des Bodens zu wirken1). Dieſelben müſſen
Stoffe ſein, welche ſich mit den Beſtandtheilen des Bodens ver-
binden können oder auch ſelbſt in Waſſer auflöslich ſind. Es ge-
hören folglich hierher:
1) Der Kalk, welcher ſowohl im ätzenden (reinen) Zuſtande,
als auch in Verbindung mit Kohlenſäure und Schwefelſäure an-
gewendet werden kann. Der ätzende Kalk muß, ehe er als
Reitzmittel dient, bis zum Zerfallen mit Luft oder Waſſer verbun-
den ſein, und wirkt auf den ſauren oder verkohlten Humus durch
Beförderung ſeiner Auflöslichkeit in Waſſer; in Boden ohne Humus
iſt er daher ſo zwecklos als auf Torf- und Moorboden vortheilhaft.
Der kohlenſaure Kalk (Kreide, Bauſchutt) wirkt in kalkloſem
Boden reitzend, in ſaurem Boden entſäurend. Der ſchwefel-
ſaure Kalk (Gips) wirkt reitzend auf den Boden und auf die
Pflanzen ſelbſt, zum Theile als Kalk, zum Theile wegen der in
ihm enthaltenen Säure2).
2) Der Schwefel, ſobald er auflöslich iſt. Er löst ſich durch
Kali (ätzenden Kalk oder Laugenſalze) in Waſſer und vermittelſt
der das Waſſer zerſetzenden Kohle in Waſſerſtoff auf. Weder zu
feuchter, noch zu trockener Boden, noch humusloſer Grund wird
daher durch Schwefelpulver gewinnen. Das durch Einfluß von
Luft und Waſſer ſich mit Sauerſtoff verbindende Schwefeleiſen
bildet ſchwefelſaures Eiſen, wie es öfters aus zerſetzten Stein-
kohlen und Torf hervorgeht. Auch dieſes hat die Erfahrung als
Reitzmittel bewährt.
3) Die Salze, nämlich die Laugenſalze, die ſalpeterſauren
und kochſalzſauren Salze. Die Laugenſalze (Kali oder Pottaſche,
Natrum oder Soda, und Ammonium) wirken im reinen Zuſtande
und in Verbindung mit Kohlenſäure auf die Auflöſung des Humus.
Sie werden für die Landwirthſchaft in der Holz-, Torf- und
Steinkohlenaſche, und in der Aſche von den Pottaſche-, Salpe-
ter-, Seifenſiedereien u. dgl. benutzt, abgeſehen von den andern
Beſtandtheilen der Aſche. Die ſalpeter- und kochſalzſauern
Salze (als leztere der Dorn- und Pfannenſtein von den Salinen)
wirken auf den Boden reitzend wegen des in ihnen enthaltenen
Laugenſalzes und Kalkes, wegen der Kalkerde und Säure, und
[184] wegen der Beſtandtheile des Salpeters und Kochſalzes (Stick-
und Sauerſtoff, Kali, und kochſalzſaures Natrum)3).
c) Die Mengmittel, d. h. Erdarten, durch deren Beimi-
ſchung im Boden ein beliebiges paſſendes Miſchungsverhältniß der
Beſtandtheile der Ackerkrume hervorgebracht werden ſoll (§. 137.).
Sie beſtehen aus den mineraliſchen Hauptbeſtandtheilen des Bodens,
die ſich gegenſeitig in ihren Wirkungen neutraliſiren. Es iſt hier-
her zu rechnen:
1) Der Thon zur Verbeſſerung des Sand- und zu thätigen
Kalkbodens.
2) Der Kalk zur Verbeſſerung des Thonbodens.
3) Der Sand zur Verbeſſerung des Torf- und Moorgrundes,
nicht ſo ſehr aber zu jener des Thonbodens.
4) Der Mergel, d. h. eine Verbindung von Thon und Kalk
mit Beimiſchung von Sand als Nebenbeſtandtheil, die an der
Luft leicht in einen Staub zerfällt und ſich ſo zur Bodenverbeſ-
ſerung eignet. Je nach dem vorherrſchenden Beſtandtheile nennt
man ihn Thon- oder Kalk-, ſelbſt auch Sandmergel, und benutzt
ihn nach den bei 1–3 angegebenen Verhältniſſen1).
d) Der Mengedünger oder Compoſt, d. h. eine Zuſam-
menſetzung von den bisher genannten drei Arten der chemiſchen
Mittel zur Bodenverbeſſerung, die weder der einen noch anderen
Art allein angehört. Er beſteht aus Mergel, Moder, zerſetzt vom
Torfe, vegetabiliſchen und animaliſchen Subſtanzen aller genannten
Arten, welche regelmäßig übereinander geſchichtet oder unordent-
lich durcheinander verarbeitet, mit Jauche begoſſen und ſo öfters
umgeſtochen werden. Er iſt nur bei einer hinreichenden Menge ent-
behrlichen Miſtes zu componiren, weil man ohnedies damit zu viel
Arbeit und Zeitverluſt hat und den Miſt nicht auf längere Zeit
aufopfern kann2).
Sind dieſe verſchiedenen Miſchungsmittel bereitet, ſo iſt das
Wichtigſte ihr Auf- und ihr Einbringen in die Ackerkrume. Man
hat dabei folgende Regeln:
a)Der Gebrauch des Düngers oder die Düngung richtet ſich
1) nach der Qualität deſſelben. Je zerſetzter, reicher an thieri-
ſchen Stoffen und waſſerloſer derſelbe iſt, deſto größer iſt ſeine
Wirkung1); 2) nach der Quantität deſſelben, die auf das Feld
gebracht werden muß. Sie hängt ab: von ſeiner Qualität, vom
Düngerzuſtande des Feldes (alſo von der vorhergehenden Pflan-
zung), von der Eigenthümlichkeit in der Folge der Früchte auf
dem Felde, von der Zeit, für welche die Düngung gelten ſoll,
von der Raſchheit des Bodens in der Zerſetzung, Auflöſung und
Haltkraft der Humustheile, endlich vom Klima, ſeinen Eigenſchaf-
ten in den lezten drei Beziehungen und ſeiner Verflüchtigung der
Düngertheile. Dieſelbe iſt daher örtlich und zeitlich ſehr abwei-
chend2); 3) nach der Zeit, wann gedüngt werden muß. Daſſelbe
geſchieht, wenn es der Acker nöthig hat, in beſtimmten regel-
mäßigen Perioden und zweckmäßiger in feuchter als trockener
Jahreszeit3); 4) nach der Vertheilungsart des Düngers.
Dieſe muß ſo gleichförmig als möglich geſchehen, und beſonders
iſt das lange Liegen der Düngerhaufen auf oder gar neben dem
Felde wegen ſeines Verluſtes an Gehalt zu verhüten4).
Es iſt aber der Gebrauch
b) der Reitzmittel und
c) der Mengemittel
nur dann und dort von Nutzen, wann und wo die ihnen entgegen-
geſetzten ſchädlichen Eigenſchaften des Bodens neutraliſirt werden
ſollen. Wenn dies nicht der Fall iſt, dann iſt derſelbe gewiß
ſchädlich. Auch iſt vorzüglich auf dieſem Wege zu erklären, warum
das Thonen, Mergeln, Sanden, Kalken und Gipſen vielfach
ſchlimme Folgen hatte und dieſe Materien in manchen Gegenden
ganz in Verruf gekommen waren. Es richtet ſich alſo die Quali-
tät und Quantität der zu wählenden Reitz- und Mengemittel nach
der Beſchaffenheit des Bodens. Nämlich: 1) der Thon darf nur
in gepulvertem Zuſtande auf einen ſandigen Boden gebracht wer-
den1); 2) der Kalk (auch das Knochenmehl) wird nur in dem
Thonboden in gepulvertem Zuſtande vortheilhaft ſein2); 3) der
Sand hat ſich meiſtens zur Verbeſſerung torfiger Gründe und
Wieſen nützlich erwieſen3); 4) der Mergel, beſonders in ge-
branntem Zuſtande, paßt für den Thonboden beſonders wegen
ſeiner Wohlfeilheit um ſo mehr, je größer ſein Kalkgehalt iſt,
derſelbe eignet ſich bei hauptſächlichem Thongehalte wegen ſeiner
geringen Koſten und ſeines leichten Zerfallens an der Luft noch
beſſer als der reine Thon4); 5) man muß beſonders beim Ge-
brauche des Thones ſich hüten, daß keine Klayklumpen entſtehen,
weil man den Acker natürlich dadurch verderbt; — 6) in Betreff
der Zeit, wann dieſe Miſchung geſchehen ſoll, iſt zu bemerken,
daß dieſe nur vor der Saat beſorgt werden muß, weil die Men-
gung ohne Unterackern nicht möglich und namentlich der kohlen-
ſaure Kalk den Pflänzchen ſchädlich iſt5); 7) das Gipſen dage-
gen hat gerade dann ſeine hauptſächliche Wirkung, wenn die
entſprechenden Pflanzen ſchon eine ziemliche Höhe erreicht haben6);
8) die Salze, beſonders Laugenſalze, werden hauptſächlich mit
Vortheil auf dem Wieſenboden angewendet7).
d) Der Gebrauch des Mengedüngers iſt ſehr vortheilhaft.
Man überdüngt damit blos und eggt ihn unter oder pflügt ihn
ganz ſeicht ein. Dies geſchieht in der Saatfurche. Man ſtreut
ihn aber, bisweilen erſt im Frühjahre auf die Winterfrucht, über
die etwas hervorgekommene Saat8).
Die Natur zeigt, daß ſich die Pflanzen durch Ausfallen des
Saamens, durch Verbreitung von Wurzeln, und Eingraben von
Zweigen fortpflanzen. Die Kunſt kann hier nur die Natur nach-
ahmen. Daher geſchieht das Einbringen der Pflanzen in den Bo-
den auf folgende Arten:
a)Durch die Saat (Ausſaat, Einſaat). Bei dieſer iſt zu
berückſichtigen vor Allem: 1) die Jahreszeit der Saat. Einfluß
auf ihre Beſtimmung hat die Natur der Pflanzen, das Klima, das
Wetter und die phyſiſche Beſchaffenheit des Bodens. Man unter-
ſcheidet daher die Sommer- und Wintergewächſe, je nachdem ſie
ſchon in einem Sommer oder in einem Winter und Sommer reif
werden und folglich im Frühjahre erſt oder im Spätjahre geſäet
werden1); 2) die Art und Beſchaffenheit des Saamens (der
Saat). Bei der Wahl der Art des Saamens kommt es auf das
Klima und die phyſiſche Beſchaffenheit des Bodens an, in Betreff
der Beſchaffenheit des Saamens aber hat man für gehörig reifen,
nicht zu alten, keimfähigen (lebendigen), und ſonſt weder durch
Unkrautſaamen verunreinigten noch durch Fehler in der Aufbe-
wahrung verdorbenen Saamen zu ſorgen; öfters bedient man ſich
äußerlicher Mittel zu deſſen Verbeſſerung2); 3) die Menge des
einzubringenden Saamens. Dieſelbe richtet ſich nach der Größe und
Natur der Pflanzen, nach dem Düngerzuſtande des Bodens, nach
der phyſiſchen Beſchaffenheit des Leztern, nach der Güte der vor-
herigen Bodenbearbeitung, nach der Saatzeit, nach der Beſchaf-
fenheit des Saamens und nach der Art des Säens3); 4) die
[191] Art der Vertheilung des Saamens; entweder ſäet man breit-
würfig, oder man wirft und ſteckt die Saamen einzeln ein oder
man ſäet mit Maſchinen4); 5) das Unterbringen deſſelben;
man unterſcheidet die Art und die Tiefe deſſelben und bedient ſich
dabei bald der Egge, bald des Rechens, bald der Pflüge und
Hacken, bald geſchieht es durch die Säemaſchine ſelbſt5).
b)Durch die Pflanzung. Sie geſchieht entweder mit
Wurzeln oder Ablegern, oder mit bereits erwachſenen Pflanzen.
Die beiden erſteren Methoden wendet man an, wenn ſich die Natur
der Pflanzen dazu eignet und eine Erziehung derſelben aus Saa-
men zu lange dauern würde. 6) Die lezte Methode wird benutzt,
bei empfindlichen und ſolchen Pflanzen, welche ſich erſt in mehreren
Jahren ganz entwickeln und weit auseinander ſtehen müſſen, um
ſich gehörig auszubilden6). Man ſäet ſie aber vorher in eigene
Beete, denen man eine beliebige Lage geben kann, zum Theile
wegen des Schutzes gegen klimatiſche Einflüſſe, zum Theile wegen
größerer Möglichkeit einer genaueren Sorgfalt in der vorläufigen
Behandlung7).
Der Zweck dieſer Geſchäfte iſt die Beförderung des Wachs-
thums der Pflanzen. Dieſe wird erreicht:
a)Durch Erfüllung der Bedingungen und Hinweg-
räumung der Hinderniſſe des Wachsthums. Man ſucht
den Pflanzen daher, wo und wann es nöthig und nützlich wird,
auf künſtlichem Wege beizubringen: 1) Wärme, nicht blos poſitiv
künſtlich, ſondern auch durch Schutz gegen Kälte1); 2) Feuch-
tigkeit, zum Theile durch Begießen, zum Theile durch Wäſſern2);
3) Lockerheit und Reinheit des Bodens, durch Behacken, Be-
häufeln und Jäten, oder Feſtigkeit deſſelben durch das Walzen3);
endlich ſucht man ihnen: 4) Schutz gegen ſchädliche Thiere und
Pflanzen zu verſchaffen4).
b)Durch äußerliche und innerliche Veredelung der
Pflanzen. Dieſelbe geſchieht: 1) durch das Beſchneiden und
Blatten; 2) durch die verſchiedenen Arten der Veredelung ſelbſt;
und 3) durch Heilung derſelben von ihren verſchiedenartigen Krank-
heiten5).
Die Reife iſt das Zeichen zur Ernte, d. h. zum Einſammeln
der Feldbauproducte. Man unterſcheidet die natürliche und die
wirthſchaftliche Reife. Erſt die völlige Ausbildung des Saa-
mens iſt das Zeichen der Erſteren; die Leztere aber tritt oft ſchon
früher ein1). Alsdann werden die ganzen Pflanzen oder deren
Theile, auf welche man beim Baue abzielte, abgebrochen, abge-
ſchnitten, ausgezogen, ausgehackt, abgehauen oder abgeſägt. Das
Eine oder das Andere geſchieht entweder mit der Hand durch
Handwerkzeuge oder aber mit Maſchinen. Zu jenen gehören die
Meſſer, Hibben, Aexte, Sägen, Sicheln, Senſen, Hacken, Kar-
ſten; zu dieſen die einfachen und complicirten Pflüge und die
Mähemaſchinen2). Bei der Ernte gibt es aber Unfälle3).
Manche landwirthſchaftliche Producte müſſen, ehe ſie weiter
gewonnen werden können, getrocknet werden, manche aber nicht1).
In beiden Fällen iſt aber oft erforderlich, daß man ſie noch von
ihrer äußeren rauhen Umgebung befreit. Dies geſchieht bald in-
dem man die Laubhüllen hinwegzieht, das Kraut abſchneidet, die
Schotten und Hülſen hinwegnimmt, die Kapſeln aufſchneidet,
bald indem man die Saamen von der Spreu befreit2). Das
Leztere iſt das Dreſchen. Man unterſcheidet das Dreſchen mit
Flegeln, das Ausdreſchen durch Thiere und den Druſch mit
Maſchinen3), welche man in Dreſch-Walzen,- Stampfen
und -Mühlen eintheilt (ſchottiſche Dreſchmaſchinen), je nachdem
in ihnen der Druſch durch die im Namen enthaltene Methode ge-
ſchieht. Das Flegeldreſchen eignet ſich für kleine Güter und
volkreiche Gegenden, das Thierdreſchen nur für ganz reifes,
leicht ausgehendes Geſäme, das Maſchinendreſchen aber blos
für große Güter und menſchenleere Gegenden. Zwar wird in
13 *
[196] gleicher Zeit auf beide leztere Methoden weit mehr gedroſchen, als
auf erſtere Art, allein das Stroh wird durch ſie mehr oder we-
niger unbrauchbar4). Auf das Dreſchen folgt das Reinigen der
Körnerfrüchte5).
Die einzelnen Zweige des Feldbaues unterſcheiden ſich nach
den drei Hauptnutzungen des Feldes als Acker-, Wieſen- und
Weide-Land. Der Bau der beiden Lezteren iſt einfacher als der
Ackerbau. Dieſer aber zerfällt in den Bau der Getreide-, der
Wurzel- und Knollen-, der Baſt-, Gewürz-, Farb-, Oel-,
Gewerks- und Futter-Pflanzen1).
Unter Getreiden(Cerealia, Frumenta) verſteht man die-
jenigen landwirthſchaftlichen Pflanzen, welche vorzüglich mehlreiche,
zur menſchlichen Speiſe dienende und der Brodgährung fähige
Saamen liefern. Man unterſcheidet daher:
1) Die Halmfrüchte (Grasgetreide, eigentliche Getreide),
d. h. Gräſer mit großen Saamen, welchen obige Eigenſchaften zu-
kommen. Ihre Nutzung beſteht in den Körnern und im Stroh.
Sie haben lange Halme mit Knoten und langen geſtreiften Blät-
tern. Jene endigen in einen Spindel, d. h. einen Stiel, woran
die Aehrchen, d. h. zwei oder drei Blütchen (Körner), zwiſchen
zwei gemeinſchaftlichen Kelchblättchen (Umhüllung) ſitzen. Sind
dieſe Aehrchen nicht geſtielt, dann bilden ſie eine Aehre(Spica);
ſind ſie aber geſtielt, eine Riſpe(Panicula) oder einen Kolben
(spica cylindrica seu panicula spincata), je nachdem die Stiel-
chen lang oder kurz ſind. An den Aehrchen unterſcheidet man die
Spelzen, d. h. die Umhüllung der Körner, die Grannen, d. h.
die an der Spitze der Spelzen angewachſenen Haare, und die
Blüthchen, d. h. zwei die Befruchtungstheile enthaltenden
Spelzchen.
2) Die Krautfrüchte (Krautgetreide), d. h. Kräuterpflan-
zen mit großen, zum Theile auch in Hülſen aufbewahrten Saamen,
welchen obige Eigenſchaften mehr oder weniger zukommen. Anſtatt
der Halme haben ſie ſaftige oder auch etwas holzige Stengel,
aber ſtatt der langen geſtreiften breite ſaftige gerippte Blätter1).
Der Getreidebau iſt der allerverbreitetſte1). Unter den Halm-
früchten ſind folgende die wichtigſten:
1) Der Weitzen(Triticum). Unter den verſchiedenen Arten
deſſelben2) iſt der gemeine Weitzen(Trit. vulgare) und die
[198]Spelze, Veſen oder Dinkel(Trit. spelta) am meiſten be-
kannt. Jenen theilt man wegen der Zeit des Anbaues und Wachs-
thumes in Winterweitzen(Trit. vulg. hibernum) und Som-
merweitzen(Trit. vulg. aestivum) ein3).
2) Der Roggen(secale cereale), welchen man, ebenfalls
in Winter- und Sommerroggen (hibernum und aestivum) ein-
theilt4).
3) Die Gerſte(Hordeum), von deren Arten die ſechszei-
lige(Hordeum hexastichon) die eigentliche Wintergerſte (hi-
bernum) iſt5).
4) Der Hafer(Avena), der nur als eine Sommerfrucht
gebaut wird6).
5) Der Reiß(Oryza sativa), deſſen Anbau mit vieler
Mühe verbunden iſt, gedeihet nur in warmem Klima auf frucht-
barem Boden, weshalb er für unſere Felder nicht wohl paßt. Er
muß bewäſſert werden1).
6) Das Kanarien- (Glanz-) Gras(Phalaris canariensis)
iſt eine Sommerfrucht, aber nicht von beſonderem wirthſchaftlichen
Werthe2).
7) Die gemeine Moorhirſe(sorghum vulgare, oder
Holcus sorghum), welche ein ſüdliches Klima erheiſcht, paßt
nicht für Deutſchland, beſonders da ihr Mehl ſehr unſchmack-
haft iſt3).
8) Die Hirſe(Panicum) iſt eine ſehr vortheilhafte Getreide-
art, welche als Sommerfrucht in vielfacher Hinſicht verdiente,
mehr gebaut zu werden, als wirklich der Fall iſt4).
9) Der Mais oder das Welſchkorn(Zea Mais, M. vul-
garis), wovon es eigentlich nur Spielarten in Menge gibt, iſt
eine vielgebaute vortreffliche Sommerfrucht. Man baut davon den
gemeinen großen Mais, und den gemeinen kleinen Mais
(Dreimonats- Mais, in Italien Cinquantino genannt, weil er
ungefähr in 50 Tagen ſchon reif iſt)5).
Unter den Krautfrüchten ſind folgende die wichtigſten:
1) Der Buchweitzen oder das Heidekorn(Polygonum).
Er iſt eines der unzuverläſſigſten und empfindlichſten landwirthſchaft-
lichen Gewächſen, obſchon er ſich wegen ſeiner Schnellwüchſigkeit
und geringen Düngerbedarfs empfiehlt1).
2) Die Hülſenfrüchte. Die, Schoten tragenden, Ge-
treidepflanzen ſind alle nur einjährig, und blos, mit Mehl von
Halmfrüchten gemiſcht, zu Brod zu gebrauchen. Sie ertragen
keine eindringliche Kälte und ziehen einen großen Theil ihrer Nah-
rung durch Stengel und Blätter aus der Luft. Ein feuchtes Klima
iſt für ſie daher ſelbſt dann noch gut, wenn die Halmfrüchte nicht
gedeihen. Ihre Kultur erſchöpft eben darum auch den Boden
nicht, dieſer erhält durch ihre Bearbeitung und durch die abfal-
lenden Blätter ſogar noch einen Grad natürlicher Düngung, und
bleibt durch ihre Blätter beſchattet, ſo wie durch dieſen Schatten
und ihren dichten Stand vor Unkraut geſchützt. Die wichtigſten
von ihnen ſind:
a) Die Erbſe(Pisum), von welcher man die gemeine
Erbſe(Pisum sativum) und die Kronerbſe(P. corymbosum)
beſonders pflanzt2).
b) Die Bohne(Vicia faba), wovon man die große
Pferde- oder Saubohne(V. f. major), die eigentliche
Pferdebohne(V. f. minor) und die Kaffebohne(V. f. mi-
nima) beſonders baut3).
c) Die Wicke(Vicia sativa), welche, als Sommerfrucht,
ganz beſonders auch zu Futter ſich eignet4).
d) Die Linſe(Ervum Lens), wovon man die Pfennig-
linſe(E. L. major) und die kleine Linſe(E. L. minor) kul-
tivirt findet5).
e) Die Fiſole(Phaseolus), von deren vielen verſchiedenen
Arten und Spielarten die Zwergfiſole(Ph. Nanus) im Stocke
die kleinſte iſt6).
f) Die Platterbſe(Lathyrus sativus) und
g) Die Kicher(Cicer arietinum), welche aber jetzt beide,
da ſie den anderen Hülſenfrüchten in jeder Hinſicht nachſtehen,
nicht mehr viel gebaut werden.
Die Getreide ſind verſchiedenen Unfällen ausgeſetzt. Es ge-
hört hierher, beſonders beim Weitzen: a) das Auswintern bei
[203] naſſem Boden und heftigem Winterfroſte; b) das Verſcheinen
und Gelbwerden im kalten Frühlingen1); c) das Lagern, als
Folge zu dichter Saat, zu ſtarker Düngung, anhaltenden Regens
u. dgl.; d) das Taubblühen bei ſchlechter Blüthezeit; e) der
Brand. Man unterſcheidet den Staubbrand(Uredo carbo,
franz. Nielle, Charbon) und den Steinbrand(Uredo Caries,
franz. la Carie)2); f) das Gichtkorn, wenn der Saame
einſchrumpft und ſchwindet; g) der Honigthau, eine honigartige
ausgeſchwitzte Feuchtigkeit; h) der Roſt, wenn Blätter und Sten-
gel gelbe Flecken bekommen, platzen und einen braunen Staub von
ſich geben; i) das Mutterkorn (beſonders beim Roggen), das
aus mißgeſtalteten langen hornartigen violetten Körnern beſteht,
die eine ſchädliche mehlige Subſtanz enthalten.
Das Getreide wird in Schwaden geſchnitten oder gemäht,
dann getrocknet, nöthigenfalls gewendet und in Garben gebunden.
Die Garben ſelbſt werden zum Behufe völliger Abtrocknung in ver-
ſchiedenen Formen über einander geſtellt, oder auch auf Stangen-
gerüſte (Harfen) gehängt. Nach völliger Abtrocknung wird es
nach Hauſe gefahren1) und dort aufbewahrt, und zwar entweder
in Scheuren (Scheunen) oder im Freien in Triſten (Frimen2),
bis zum Druſche. Nach dem Lezteren und nach der Reinigung hebt
man daſſelbe entweder auf Schüttboden, oder in Getreide-
käſten oder endlich in unterirdiſchen Gruben (Silo's) auf3).
Die Erſteren ſind bequem, aber koſtſpielig und weder vor Inſekten
noch vor Mäuſen geſchützt; die hölzernen mit Eiſenblech beſchlage-
nen Kaſten ſind darum vorzuziehen; die unterirdiſchen, birnför-
[204] migen Gruben ſind nur in dichtem, waſſerhaltigem, ausgebranntem
und mit Stroh gefüttertem Thone anwendbar.
Man verſteht unter denſelben diejenigen Krautpflanzen, welche
wegen der in oder auf der Erde wachſenden Knollen oder Wurzeln,
die ſowohl den Menſchen als Hausthieren zur Nahrung dienen,
gezogen werden. Sie gehören botaniſch ganz verſchiedenen Ge-
ſchlechtern oder Familien an.
1) Die Wurzelgewächſe unterſcheiden ſich, abgeſehen von
ihrem botaniſchen Charakter, von den andern durch ihre zum Theile
in der Erde wachſenden fleiſchigen, bald länglichen, bald runden,
weißen, rothen und gelben Wurzeln, welche ſämmtlich in ſchwanz-
artiger Verlängerung in der Ackerkrume endigen.
2) Die Knollengewächſe ſind von jenen durch ihre bald
runde, bald längliche, bald breit gedrückte fleiſchige Knollen von
rother, gelber oder blauer Farbe verſchieden, welche nach beiden
Enden ſtumpf oder ſtumpfſpitzig ſind, keine glatte, ſondern eine
ſolche Fläche haben, die mit mehreren Vertiefungen (Augen,
Knoſpen) verſehen ſind, und durch eigene Wurzeln unter ſich und
mit dem Stocke zuſammenhängen1).
Die vorzüglichen Wurzelgewächſe ſind folgende:
1) Die Möhre oder gelbe Rübe(Daucus Carotta), welche
von außerordentlichem Nutzen iſt, aber wegen der Mühe des Be-
hackens und Jätens, das mit der Hand geſchehen muß, in Deutſch-
[206] land ungleich weniger als in England gebaut wird1). Ihre Blätter
ſind doppelt gefiedert.
2) Die Paſtinake oder Hammelsmöhre(Pastinaca sa-
tiva), welche zu dem Geſchlechte der Möhren gehört, und dieſen
landwirthſchaftlich auch ſehr ähnlich iſt2).
3) Die Runkel-, Dick- oder Burgunder-Rübe(Beta
cicla altissima), hauptſächlich als Viehfutter gebraucht. Sie hat
große rothbraune und grüne gerippte Blätter, aber äußerlich rothe,
innerlich weiße und roth gekreiste Rüben von 1–16℔ Schwere3).
4) Die Rübe(Brassica). Man baut davon beſonders die
a)Kohlrübe (Art von Brassica Napus, welche man Br.
Napus rapifera oder auch Br. Napobrassica nennt). Sie hat
bläulichgrüne leierförmige glatte Blätter, und weiße, gelbe und
röthliche Wurzeln. Sie heißt auch Kraut- oder Unterkohlrübe,
Bodenkohlrübe, Dorſche, engliſch Turnep Cabbage, with the
Turnep under ground, franz. Chou navet, ſchwediſch Rutebag-
ger, woher der Name Rutabaga kommt.
b)Kohlrabe (Art der Brassica oleracea, welche man Br.
oleracea Caulo-rapa oder auch Br. oler. gongylodes nennt).
Sie hat über der Erde am Strunke eine kopfartige blaue oder
weiße Rübe mit blau- oder weißgrünen kleineren glatten Blättern.
Sie heißt auch Oberkohlrübe, Rübenkohl, engl. Turnep rooted
Cabbage, franz. Chou rave, ſchwediſch Kolrabi.
c)Saatrübe (Art der Brassica Rapa, die man Br. R.
rapifera nennt), mit dunkelgrünen, ſteifhaarigen Blättern und
langen, runden oder länglichten, weißen, gelben oder rothen Rüben
(engl. Turnip, franz. Rave, ſchwed. Rufar)4).
Die vorzüglichſten Knollengewächſe ſind folgende:
1) Die Kartoffel oder Erd-, Grundbirne(solanum
tuberosum). Man unterſcheidet runde Knollen (gelb, roth,
blau), wovon es 12, — längliche Knollen (gelb, roth, blau),
wovon es 7, breite Knollen (gelb, roth), wovon es 3, und
unregelmäßige Knollen, wovon es 4 Abarten gibt1).
2) Die Topinambur (knollige Sonnenroſe, Erdapfel, Heli-
anthus tuberosus), ein beſonders für das Vieh beſtimmtes Knol-
lengewächs mit hohen markigen breitblättrigen stengeln und gelben
sternförmigen Blumen2).
3) Die Erdnuß (Erdmaus, Lathyrus tuberosus) und
4) Das Cyperngras(Cyperus esculentus) ſind Beide un-
vortheilhaft und nicht mehr gebaut.
Außerdem daß dieſelben durch Trockniß ſehr im Wachsthum
aufgehalten werden, iſt vorzüglich die Kartoffel einer Krankheit,
Kräuſel (engl. curl) genannt, ausgeſetzt. Dabei trocknet das
Kraut ganz ein und die Stöcke haben wenig Knollen1). Die
Urſache kennt man davon noch nicht, aber die rothen ſind ihr mehr
als die gelben unterworfen und dürfen, wenn ſie die Krankheit
haben, nicht zur Saat benutzt werden.
Die Ernte derſelben findet im Spätjahre Statt. Die Rüben
werden mit den Händen ausgezogen und, nachdem das Kraut ab-
geſchnitten iſt, entweder im Freien in länglich-viereckigen Gruben
oder im Keller aufbewahrt. Die Reife der Kartoffeln erkennt man
äußerlich am allmäligen Verdorren der Blätter. Sie werden aber
in der Regel entweder mit der Handhacke, dem Karſten, gewöhn-
lichen Pfluge oder Hackenpfluge auf die Oberfläche gebracht2),
zuſammengeleſen, und, wenn ſie zur Saat dienen ſollen, im Keller,
ſonſt aber auch in Feldgruben aufbewahrt.
Man verſteht unter denſelben diejenigen landwirthſchaftlichen
Pflanzen verſchiedenen botaniſchen Geſchlechts, deren Theile dem
Menſchen wegen ihres gewürzhaften ätheriſchen Oeles brauchbar
ſind. Man unterſcheidet unter denſelben:
1) Solche, bei denen die Blätter das Gewürzöl enthalten,
und nach einer Vorbereitung gebraucht werden.
2) Solche, von denen die Fruchtboden jenes Gewürzöl führen,
und nach vorgängiger Trocknung verwendet werden.
3) Solche, von denen die Narbe den Gewürzſtoff enthält1).
Die wichtigſten, bei uns auf dem Felde gebauten Gewürz-
pflanzen ſind folgende:
1) Der Taback(Nicotiana), von welchem man den Vir-
giniſchen(N. tabacum), den großblättrigen (Jungfern-
taback, N. macrophylla) und den gemeinen (Bauerntaback, N.
rustica) auf dem Felde, aber den chineſiſchen(N. chinensis)
und den Riſpen-Taback(N. paniculata) nur in Gärten bei
uns pflanzt1).
2) Der Hopfen(Humulus Lupulus), von welchem man die
Saamenſchuppen der weiblichen Pflanze wegen eines gelben harzi-
gen Mehles (Hopfenmehles), das ſie führen, zur Bierbrauerei
benutzt, um dem Biere einen angenehmen bittern gewürzigen Ge-
ſchmack zu geben2).
3) Der Safran(Crocus sativus), welcher auch zugleich
der Farbe wegen gepflanzt wird3).
Der Taback iſt in der Jugend dem Froſtſchaden und Schnecken-
fraße ausgeſetzt, und leidet ſpäter auch durch Frühfröſte im Herbſte,
durch Hagel, Sturmwind und Roſt, bei welchem die Blätter gelb
werden und abdorren. Der Hopfen aber iſt von ungünſtigem Wet-
ter am meiſten gefährdet. Der ſchnelle Wechſel von Temperatur
bringt Honig- und Mehlthau hervor, deſſen Folge der Regel nach
die Blattläuſe ſind. Eigenthümliche Krankheiten des Hopfens ſind
der Kupferbrand, der ſchwarze Brand, und das Bodenroth.
Beim Taback ſind gelbe Flecken, Steifheit und Krümmung
die Zeichen zum Abblatten. Die unterſten Blätter heißen Sand-
(Erd-) Gut, die mittleren Mittel-, und die oberen Beſt-Gut.
Man fädelt die Blätter zuſammen und trocknet ſie an der Luft.
Im November ſchichtet man ſie dann in große Haufen auf ein-
[211] ander, in welchen ſie ſich bald erwärmen. Bemerkt man dies,
dann wirft man ſie zum Abkühlen aus einander. So fährt man
fort, bis alle Feuchtigkeit verſchwunden, eine blaue Farbe ein-
getreten und die Geruchstheile mehr entwickelt ſind. — Die Frucht-
zapfen des Hopfens ſind reif und zu ernten, wenn ſie beginnen
gelblich zu werden, ſtark riechen, und nach dem Zerreiben auf der
Hand ein Oel zurücklaſſen. Acht Zolle über der Erde ſchneidet
man die Ranken ab, zieht ſie mit den Stangen aus, ſtreift ſie
von denſelben ab, und zupft die Zapfen hinweg, die man dann
nach geſchehener Trockenung aufbewahrt.
Die Baſtpflanzen ſind ſolche landwirthſchaftliche Gewächſe ver-
ſchiedener botaniſcher Art und Geſchlechts, welche man wegen des
ihre Stengel umgebenden Baſtes baut. Sie ſind von zweierlei
Art, nämlich:
a)Neſſelpflanzen(Urtica), mit getrennten kleinen Blü-
then ohne Blume, wenig Staubfäden und zwei Narben, deren
Saamen in einem Schlauche ſitzt (Nußſaamen).
b)Hyperiken, mit vereinigten Blüthen, ausgebildeten Blu-
men, und verwachſenen vielen Staubfäden und Bälgen, deren
Saamen in einer Kapſel ſitzt1).
Die hauptſächlichſten Baſtpflanzen, die man auf dem Felde
baut, ſind folgende:
1) Der Hanf(Cannabis sativa), mit zweihäuſigen Blüthen,
wovon, da die Geſchlechter getrennt ſind, die männlichen riſpen-
förmig, die weiblichen aber einzeln ſtehen. Der männliche Stengel
(Fimmel) iſt blaßgrün und ungefähr Manns hoch, der weibliche
dunkelgrün, höher und ſtärker. Dieſer gibt die Saamen, aus
welchen ein Oel bereitet wird, jener den Baſt zu Geſpinnſten1).
2) Die große Neſſel(Urtica dioica), deren Blüthen in
den Blattwinkeln als äſtige Trauben erſcheinen, zweihäuſig, doch
aber auch den Geſchlechtern nach gemiſcht ſind. Sie diente mit
ihrem Baſte früher zum Neſſeltuche, iſt aber jetzt nicht mehr von
Wichtigkeit.
3) Der gemeine Lein(Linum usitatissimum, Flachs),
mit riſpenförmigen Blüthen von ſchönen blauen Blumen. Der
Saamen, platt je zu 2 in einer 5klappigen Kapſel ſitzend, gibt
das bekannte Oel, der Stengel aber den Baſt. Man unterſcheidet
außer dem ausdauernden (ſibiriſchen, ruſſiſchen) Leine (Lin.
perenne), der ſich durch lange Stengel, wenige Aeſte, und feinen
vielen Baſt auszeichnet, bei uns den Klanglein, welcher von den
ſelbſt aufſpringenden Saamen ſeinen Namen hat, und einen kurzen
feinen, weißen, weichen Flachs gibt, und den Dreſch- oder
Schließlein, deſſen Saamenkapſeln wegen ihrer Geſchloſſenheit
gedroſchen werden müſſen und deſſen Baſtfäden länger, ſtärker und
gröber ſind, als bei jenem2).
Der Hanf iſt im Ganzen wenig Unfällen unterworfen. Nur
ein Unkraut, eine Schmarotzerpflanze, nämlich der Hanfwürger
(Orobranche major, und ramosa) ſchadet ihm, — iſt aber doch
nicht häufig. Derſelbe entſteht auf der Wurzel des Hanfes und
hat büſchelförmige äſtige Stengel und bläuliche Blumen.
Der Lein leidet aber ſehr vom Unkraute, beſonders vom Lein-
dotter(Myagrum sativum) und von der Flachsſeide(Cus-
cuta europaea, auch Teufelszwirn genannt). Ein Uebel des
Leins, welchem wegen der ſtarken Stengel der Hanf nicht ausge-
ſetzt iſt, iſt ſein Lagern. Um es zu verhüten, hat man das
Stängeln (Rändern, Ländern) angewendet, indem man auf
ſchmalen Beeten das Feld gitterförmig mit Stäben belegt, welche
auf der Seite der Beete auf Holzgabeln ruhen1).
Was die Ernte anbelangt, ſo rauft man den Hanf, wenn er
anfänglich ins Gelbliche geht. Den Lein aber rauft man, wenn
er feinen Flachs geben ſoll, ſobald ſich die Körner in den Kapſeln
gebildet haben, — jedoch ohne dies, wenn die Körner ganz reif
ſind. Beim Klangleine iſt indeß große Sorgfalt nöthig. Das
Leztere geſchieht auch beim Saamenhanf. Nach der Ernte wird
der Flachs zum Abziehen des Saamens durch die Rüffelkämme
gezogen. Um aber den Baſt zu erhalten, muß bei beiden das
Bindemittel zwiſchen dieſem und dem Stengel aufgelöst werden.
Dies geſchieht durch das Röſten (in Süddeutſchland auch Röt-
ſen, Rözen, Reetzen genannt), in Waſſer (Waſſerröſte),
oder auf Wieſen durch Luft, Feuchtigkeit und Sonnenwärme
(Thauröſte). Jene gibt einen weißen, dieſe einen grauen Hanf2).
Nach dieſer Röſte werden beide getrocknet, mit Maſchinen gebrochen
(gebrecht), und um Stangen geſchwungen, um den Baſt von
den Annen (Igeln) zu reinigen, was aber ohne Anlage von
Darren, auf denen man ſie dörrt, nicht geſchehen kann3).
Unter die Oelpflanzen können hier keine anderen als diejeni-
gen landwirthſchaftlichen Gewächſe von verſchiedenem botaniſchen
Charakter gerechnet werden, welche wegen ihrer ölhaltigen
Saamen in den Lauf der Feldwirthſchaft aufgenommen ſind1).
Es gehören unter dieſen Begriff außer dem Taback, Lein und
Hanf, wovon bereits gehandelt iſt,
1) Kohlpflanzen, eine Gattung, welche einen aufrechten
oder abſtehenden Kelch, verkehrt-eirunde Blumenblätter, und ſtiel-
rundliche Schoten hat, die in einen kegeligen Schnabel endigen,
und innerhalb zweier gewölbter Klappen die in der Reihe liegen-
den kugelrunden Saamen einſchließen2).
2) Mohnpflanzen, eine Gattung, welche 2 und 4 zählige
Blumen, und eine ſchotenartigen Saamenkapſel mit ſtrahliger
Narbe hat, welche viele ſehr kleine Saamen an Wandleiſten in
ſich ſchließt3).
3) Häderichpflanzen, eine Gattung mit 4 blättrigen Blu-
men, und runden oder walzigen, aber nicht klaffenden Schötchen
oder Schoten4).
Man pflanzt auf dem Felde beſonders folgende Arten derſelben:
1) Kohlreps(Brassica Napus oleifera, eine Art von Br.
Napus. §. 161. 4. a.). Man pflanzt davon einen Winterkohl-
reps(Br. Nap. ol. biennis, ſonſt Br. campestris oleifera ge-
nannt), und einen Sommerkohlreps(Br. Nap. ol. annua,
[215] ſonſt als Sommerſpielart der Br. campestris oleifera aufgeführt).
Er heißt in England Rape, in Flandern Slooren, in Frankreich
Colza, in Holland Cosezaat, und in Deutſchland auch Kohlſaat,
Raps, Reps1).
2) Rübenreps(Brassica Rapa oleifera, eine Art von Br.
Rapa. §. 161. 4. c.). Man pflanzt davon auch einen Winter-
(biennis) und Sommerrübenreps(annua), und nennt ihn
auch ſonſt Br. campestris oder praecox. Er heißt in Frankreich
Ravette und Navette, in Deutſchland aber Rübſaamen, Rübſen2).
3) Mohn(Papaver somniferum), auch Magſaamen genannt,
mit weißen, rothen und violettrothen Blumen, runder Saamen-
kapſel, und bis über 3 Fuß hohen Stengeln3).
4) Dotter(Myagrum sativum), deſſen Blüthen in langen
ſchlaffen Endtrauben mit blaßgelben Blumen beſtehen, deſſen Schöt-
chen umgekehrt-eiförmig, aufgeblaſen, glatt und mehrſaamig ſind,
und deſſen äſtiger Stengel 1 bis 2 Fuß hoch wird4),
5) Chineſiſchen Oelrettig(Raphanus chinensis olei-
ferus), als Winterſaat. Allein er hat nicht viel Beifall gefunden.
Der Reps und Rübſen leiden von Näſſe, Froſt und Spätreif,
durch Inſekten der verſchiedenſten Art und durch Schnecken, ſo
daß die Felder oft ganz verdorben werden. Der Dotter aber iſt
unter dieſen Pflanzen allein faſt gar keinen Unfällen ausgeſetzt.
Die Ernte des Repſes und Rübſens, welche beginnt, noch ehe
die Saamen ganz reif ſind, iſt wegen der nöthigen großen Sorg-
falt ſehr ſchwierig, weil der Saamen bei voller Reife leicht aus-
fällt. Die Ernte des Mohn beginnt im Auguſt, wo man die Köpfe
deſſelben abſchneidet und ſpäter aufſchneidet. Beim Reps, Rübſen
und Dotter wird aber der ganze Stock abgeſchnitten.
Man verſteht unter ihnen alle jene landwirthſchaftliche Pflan-
zen, welche darum Gegenſtand des Feldbaues wurden, weil irgend
ein Theil derſelben einen brauchbaren Färbeſtoff in ſich führt. Sie
gehören verſchiedenen botaniſchen Gattungen und Arten an, wes-
halb der Gattungscharakter hier nicht voraus bezeichnet wird1).
Die vorzüglichen Färbepflanzen ſind folgende:
1)Der ächte Safran(Crocussativus), ein mehrjähriges
Zwiebelgewächs mit langröhriger und regelmäßig 6theiliger Blume,
welche eine hochrothe oder braungelbe dreifach getheilte Narbe von
durchdringendem Geruche und gelbfärbendem Pigmente1) hat.
2) Der Waid oder deutſche Indigo(Isatistinctoria),
eine zweijährige Pflanze, mit vielen gelben kleinen in dichten End-
trauben ſtehenden Blumen, und im erſten Jahre geſtielten, am
Stocke ſitzenden, cilanzettförmigen, im zweiten Jahre am Stengel
ſitzenden, pfeilförmigen glatten Blättern. Dieſe Blätter enthalten
einen blauen Färbeſtoff und ſind zur Auflöſung des indiſchen In-
digo unentbehrlich2).
3) Der Wau(Reseda luteola), eine zweijährige auch wild-
wachſende Pflanze, deren Blüthen in einer blaßgelben langen Aehre
ſtehen, deren Blätter aber lanzettförmig, glatt, oft unten zwei-
[217] zähnig ſind und deren Stengel eckig, kurzäſtig, aufrecht ſteht. Die
ganze Pflanze führt einen gelben Färbeſtoff3).
4) Die Färberröthe(Rubia tinctorum, Krapp), eine
perennirende Pflanze, deren Blüthen eine weite Riſpe mit drei-
gabeligen Aeſten von gelben Blumen bilden, deren braunrothe,
lange, am Ende faſerige Wurzel ein rothes Pigment führt4).
5) Der Saflor(Carthamus tinctorius), eine Art von
Diſtelpflanze, deren doldentraubenförmige gelbrothe Blüthen oder
Blumenköpfe ein gelbes und rothes Pigment liefern5).
6) Die Färberſcharte(serratula tinctoria), mit purpur-
farbiger Blüthe, und äſtigen holzigen Wurzeln, welche ein gelbes
Pigment geben.
Hauptſächlich der Safran nur leidet von Maulwürfen, Mäu-
ſen, Winterfröſten, Fäulniß und Brand (einer Art Schwamm) in
den Zwiebeln.
Die Ernte iſt verſchieden: 1) Vom Safran werden am Ende
des September Morgens die ausgeblühten Blumen abgebrochen,
die Narben zu Hauſe abgepflückt und vorſichtig auf dem Ofen ge-
trocknet. Die Zwiebeln werden alle 3 Jahre im Juni ausgegraben
und im Schatten getrocknet, um die brauchbaren für die nächſte
Pflanzung aufzubewahren. Daher ſind 3 verſchiedene Felder erfor-
derlich. 2) Iſt der Waid im März geſäet, dann ſchneidet man
die Blätter im Juni und im Herbſte ab. Iſt er aber im Früh-
[218] herbſte geſäet, dann bricht man ſie im folgenden Jahre zum erſten-
mal, wenn die Blumen anfangen hervorzukommen. Man kann dies
drei bis vier mal wiederholen. Die Blätter werden gewaſchen und
getrocknet. 3) Den Wau erntet man, wenn die Pflanze anfangt
gelb zu werden. 4) Die Wurzeln des Krapps werden im Herbſte
des dritten Jahres ausgepflügt, geſammelt, getrocknet und ge-
reinigt. 5) Wenn die Blüthen des Saflor braunroth und welk
werden, ſo nimmt man ſie Morgens ab und trocknet ſie im
Schatten1).
Man hat hier beſonders die Weberdiſtel(Dipsacus fullo-
num) zu bemerken, die gebraucht wird zum Aufkratzen der Woll-
tücher. Sie iſt eine zweijährige Pflanze, welche erſt im zweiten
Jahre die Köpfe (Fruchtboden mit den krummſtacheligen Kelchen)
treibt. Sie liebt ein feuchtes Klima und Jahr, trockenen, mäßig
feſten, ſtark und tief gepflügten Boden. Man ſäet im März und
April in Saamenbeete und verſetzt die Pflanzen dann im Auguſt
und September auf einen ſo eben abgeernteten Acker in 2füßigen
Quadraten gegeneinander. Im erſten Jahre behackt man ſie ein-
mal mit der Hand- und einmal mit der Pferdehacke, dagegen mit
Lezterer im zweiten Jahre zweimal. Man ſchneidet die Diſtelköpfe
nach völliger Ausbildung aller Blumen daran ab, und hängt ſie
dann zum Trocknen auf1).
So bezeichnet man diejenigen Feldgewächſe, welche, weil ſie
ein vorzügliches Futter ausſchließlich für die Thiere geben, auf
dem Ackerlande mit der bisher mehrfach beſchriebenen Sorgfalt
behandelt werden. Sie bilden den Gegenſtand des ſogenannten
künſtlichen Futterbaues im Gegenſatze des nicht künſtlichen
auf Wieſen und Weiden1). Man pflanzt als ſolche Futterpflanzen:
1) Gräſer, von beſonderer Größe und beſonderem Wohl-
geſchmacke, als das franzöſ. Raygras (Avena elatior), das Ho-
niggras (Holcus lanatus), den weißen Windhalm (Agrostis
alba, das Fioringras der Engländer), das engliſche Raygras
(Lolium perenne), den Wieſenfuchsſchwanz (Alopecurus pra-
tensis), das Ruchgras (Anthoxantum odoratum), das Riſpen-
gras (Poa aquatica und trivialis), das Knaulgras (Dactylis
glomerata), den Wieſenſchwingel (Festuca elatior), das Wieſen-
lieſchgras (Phleum pratense), und dann auch noch Hafer, Gerſte
und Wicken, für ſich und im Gemengſel.
2) Kräuter, von verſchiedenem botaniſchen Charakter, die
aber ſehr wohl ſchmecken, und kraut-, ſtrauch- oder baumartige
Stengel und gefiederte oder doch 3theilige Blätter, beide aber ſehr
ſaftig, haben2).
Außer den genannten Gräſern, deren Anpflanzung keine be-
ſondere Schwierigkeit macht, ſind beſonders folgende Krautfutter-
pflanzen mit großem Vortheile angebaut:
1) Die Klee- oder Trifolienarten, zwei- bis dreijährige
Futterpflanzen. Man baut davon den Wieſenklee (Trifolium pra-
[220] tense), den röthlichen Klee (Trif. rubens), den Incarnartklee
(Trifol. incarnatum), den weißen Klee (Trifol. repens), den
Hopfenklee (Trif. agrarium), den Baſtardklee (Trif. hybridum),
den Bergklee (Trifol. montanum) und den gelben Klee (Trifol.
alexandrinum)1).
2) Der Schneckenklee, ewige Klee, oder die Luzerne
(Medicago sativa), die vorzüglichſte ſüdeuropäiſche Futterpflanze,
mit dicken holzigen tief eingehenden Wurzeln, äſtigen hohen Sten-
geln, kleeartigen Blättern, veilchenblauen traubenartigen Blüthe-
büſcheln und ſchneckenförmig gedrehten Saamenhülſen2).
3) Der Eſper (Süßklee, die Eſparcette, Hedysarum
onobrychis), mit langährförmigen Blüthen von blaßrothen Blu-
men, ſtacheligen geſchloſſenen Hülſen, vielgefiederten Blättern,
hohen äſtigen Stengeln und ſehr tiefen ſtarken Wurzeln3).
4) Der Spergel (Knötterig, das Mariengras, sper-
gula arvensis), mit büſchelförmigen weißen Blüthen, ſchmalen,
kahlen, gefurchten, ſternförmig in den Wirbeln zuſammenſitzenden
Blättern, und äſtigen, dünnen, fettigen, nicht langen Stengeln4).
Die Klee leidet am meiſten von Boden, Klima und Wit-
terung, — kommt, wenn ihm dieſe ungünſtig ſind, dem Unkraute
nicht zuvor, und ſtirbt aus. Die Luzerne leidet in der Jugend,
wenn ſie breitwürfig geſäet und nicht gedrillt iſt, ſehr durch Un-
kraut; darum ſäet man ſie mit einem Saamengetreide aus, oder
in Saamenbeete, um ſie ſpäter zu verpflanzen. Ihr gefährlichſtes
Unkraut iſt das Filzkraut(Cuscuta europaea), eine Schling-
pflanze. Es muß ausgeſtochen werden. Auch die Eſparcette leidet
von Unkraut, und wird darum wie die Luzerne behandelt.
Der erſte Schnitt des Klees findet im folgenden Jahre nach
der Einſaat Statt. Die Luzerne und Eſparcette kann aber erſt
im dritten Jahre mit Vortheil geſchnitten werden. Man trocknet
dieſe Pflanzen beſſer als auf dem Boden, auf Geſtängen, welche
man Heintzen oder Hübeln heißt. Das Klee-Heu kann man
aber in Haufen durch die Erwärmung in ſich ſelbſt und plötzliches
Auseinanderlegen ſo zubereiten, daß man es halbſaftig einbanſen
kann, mit Zwiſchenlagen von Salz.
Die Wieſen ſind Plätze, welche auf längere Zeit dem Gras-
wuchſe ausgeſetzt ſind, um, wenn derſelbe eine bedeutende Höhe
erreicht hat, das Gras mähen und heuen zu laſſen. Es gibt auch
verſchiedene Klaſſen der Wieſen, je nach ihrer Güte. Ihre Güte
hängt außer von den Bodenverhältniſſen, der Lage an waſſerreichen
Orten und dem Klima, von den Arten der Gräſer ab, welche ſie
haben. Dieſe ſind aber entweder ſüße, ſaure, oder frühe, ſpäte1),
und ſo kann man auch die Arten der Wieſen unterſcheiden, nur
nennt man in lezterer Hinſicht dieſelben 1. 2. oder 3ſchürig, je
nachdem man ſie im Sommer 1. 2. oder 3mal abmähen (ſcheeren)
kann2).
Die Pflege der Wieſen, wenn ſie ſorgſam ſein ſoll, hat fol-
gende Momente zu beſorgen: 1) die Beſaamung derſelben mit
den beſten Wieſengräſern1); 2) die Trockenlegung der zu naſ-
ſen Wieſen vermittelſt der Abzugsgräben und Waſſerfänge2);
3) die Entſäurung derſelben durch Aufführen von Kalk, Heerd-
aſche und Mauerſchutt; 4) die Düngung derſelben mit Kompoſt,
kurzem Stallmiſte, Jauche u. ſ. w.3); 5) das Abwechſeln auf
demſelben Grunde, wenn es angeht, mit Acker- und Wieſenbau;
6) das Verjüngen derſelben entweder durch Aufkratzen der Ober-
fläche vermittelſt ſcharfer Eggen und Wieſenſchröpfer (Schröfen),
oder durch das 2–4 Zoll hohe Ueberſchütten mit Grund, um die
Pflänzchen zu nöthigen, tiefere Wurzeln zu ſchlagen, oder endlich
durch das Belegen derſelben mit 3'' ̺͆ breiten Raſenſtücken, in
eine gegenſeitige Entfernung von 6 Zoll (Einimpfen)4); und
endlich 7) das Bewäſſern entweder auf natürlichem Wege durch
Bäche, Flüſſe, Teiche, oder auf künſtlichem Wege durch Kanäle,
Schleuſen, Rinnwerke und Schöpfmaſchinen. Daſſelbe iſt entwe-
der Ueberſtauen, wenn der ganze Boden auf einmal einige Zeit
unter ſtehendes Waſſer geſetzt, oder Ueberrieſeln, wenn der Wie-
ſenplatz von einer nur dünnen Waſſerſchicht längere Zeit überfloſſen
wird5).
Zu den Unfällen des Wieſenbaues gehören: 1) die giftigen
Wieſenpflanzen1); 2) die Maulwurfs- und Ameiſenhaufen2);
3) die Vermooſung der Wieſen3); 4) zu große Hitze und aus-
trocknende Winde, gegen welche man ſie durch Zäune ſchützt;
5) das Behüten der Wieſen mit Vieh, wenn es zu lange dauert4);
6) die Larven der Maikäfer5), das Heupferd (Gryllu̺͆ verruci-
voru̺͆), der Regenwurm und die Grasraupe (Phalaena gra-
mini̺͆).
Die Zeit zur Heumaht iſt da, wenn die Riſpen der Gräſer
ausgebildet zu blühen anfangen. Das Gras wird gemähet, mehr-
mals mit Handgabeln oder Pferdeinſtrumenten gewendet, und wenn
es trocken iſt, aufgeladen und heimgefahren6). Man macht ent-
weder grünes (d. h. ſchnell und gut getrocknetes) oder braunes
(d. h. nicht völlig getrocknetes) Heu. Das Trocknen geſchieht ent-
weder auf dem Boden oder auf Gerüſten (Heintzen, §. 179.).
Das Einbanſen (oder Taſſen) deſſelben geſchieht entweder in
luftigen Scheunen oder in Heufeimen (Schobern) auf dem Felde.
Der Ertrag der Wieſen iſt ſehr verſchieden nach ihrer Güte,
[224] und die zweite und dritte Schur heißt Grummet (Grummaht,
Ohmaht)7).
Dem Weidebaue widmet man mit Unrecht öfters nur geringe
Sorgfalt; und doch ſind bei ihm dieſelben Fragen wichtig, wie
bei dem Wieſenbaue. Sie ſind folgende, und betreffen:
1) Den Begriff, das Weſen und die Arten der Wei-
den. Weiden ſind die zur Abgraſung durch das Vieh beſtimmten
Grasplätze. Man unterſcheidet die Anger- (Raſen-), Wald-,
Wieſen-, Saat-, Brach- und Stoppelweiden, welche
ſämmtlich ſchon dem Namen nach erkenntlich ſind, — und die
[225]Dreſch- (Dreiſch-) Weiden, auf Aeckern, nachdem ſie länger
zum Feldbaue gedient haben. Die vier Lezteren nennt man auch
Ackerweiden. Die eigentlichen Weideplätze werden nach den
Klaſſificationsprinzipien überhaupt (§. 138.) und jenen der Wieſen
insbeſondere (§. 180. 182.) auch in Klaſſen getheilt. Daher kommt
die Unterſcheidung in Fett-, Niederungs-, Gebirgs-,
Heide-, Moor-, Sand- und Sumpfweiden.
2) Den Bau der Weiden. Der Bau der Acker-, beſon-
ders der Dreſchweiden, ſteht mit dem Wirthſchaftsſyſteme in Ver-
bindung, und iſt der eigentliche künſtliche Weidebau. Der Bau
der Wieſen- und Angerweiden fällt bei gehöriger Sorgfalt mit
dem Wieſenbaue in Eines zuſammen.
3) Die Unfälle der Weiden. Sie ſind zum Theile jene
des Acker-, zum Theile jene des Wieſenbaues (§. 151. 182.).
4) Die Benutzung der Weiden. Hierbei iſt der Beſatz
der Weiden, die Folge des Beſatzes mit verſchiedenen Vieharten,
und die Länge der Weidezeit von Wichtigkeit. Man muß dabei
berückſichtigen, daß ſowohl der zu große als der zu geringe Beſatz
ſchädlich wird, daß man die Schaafe vor dem Rindvieh zum Weide-
gange läßt, und daß ein zu langer Weidegang der Vegetation und
den Thieren ſchädlich wird. Der Ertrag der Weiden iſt nach der
Güte verſchieden1). Ueberhaupt concurrirt bei Allem dieſem die
Localität.
Die Gartenbaulehre, welche ebenfalls ihre eigene Litera-
tur1) und Geſchichte2) hat, zerfällt, der allgemeinen Beziehungen
nach, in dieſelben Theile wie die Feldbaulehre. Die allgemeine
Gartenbaulehre bezieht ſich gerade, jedoch mit beſonderer Be-
ziehung in ſoferne der Gartenbau ſich als den Landbau in der
höchſten Kultur darſtellt, auf dieſelben Gegenſtände, welche im
Baumſtark Encyclopädie. 15
[226] §. 133. a. als Gegenſtände der allgemeinen Feldbaulehre ange-
geben ſind.
Was in den §§. 134–137. hiervon geſagt iſt, gilt auch hier.
Von einer Klaſſifizirung des Gartenbodens (§. 138.) könnte aber
nur in ſo weit die Rede ſein, als man von der erſten Klaſſe des
Bodens noch verſchiedene Abtheilungen nach den Momenten der
Klaſſifizirung annehmen wollte. Der Gartenbau unterſcheidet ſich
von dem Feldbaue hauptſächlich dadurch, daß er auf einem einge-
friedigten Grundſtücke beſter Qualität betrieben wird; daß darin
diejenigen Pflanzen gebaut werden, welche vorzüglichen Boden,
geſchützte Lage und vorzügliche Pflege bedürfen; und endlich daß
die Behandlung des Bodens höchſt ſorgfältig geſchehen muß. Die
Wahl des Bodens hängt daher von den verſchiedenſten äußeren
Umſtänden ab. Die wichtigſten derſelben ſind die Beſchaffenheit,
Größe, Lage und Befriedigung des Bodens, die Nachbarſchaft
von Waſſer, und die Annehmlichkeit der Gegend1).
Ein friſch beurbarter Boden (§. 139.) eignet ſich, ohne vor-
herige Bebauung mit Hackfrüchten1), noch nicht zum Gartenbaue.
Erſt nach jener kann er zum wirklichen Gartenbaue weiter bear-
beitet werden (§. 140.). Die zur Bearbeitung des Gartenbodens
erforderlichen Geräthe ſind folgende:
1) Bodengeräthe im eigentlichen Sinne. Es gehören hier-
her: a) die Picken, zur Auflockerung harten Bodens; b) die
Hebel (Brecheiſen), zur Fortſchaffung großer Steine; c) die
Spaten, zum Umſtechen; d) die Gabeln, zu verſchiedenen
Zwecken; e) die Hacken, zum Anziehen, Umwerfen und Umhacken
des Bodens; f) die Rechen, von Holz oder Eiſen, zum Reinigen,
Ebenen und Pulveriſiren des Bodens; g) die Rechenhacken, wo
beide lezteren Geräthe vereinigt ſind; h) die Raſeneiſen und
Raſenſcherer, zum Aus- und Abſtechen des Raſens; i) die
Raſenſtampfer, zum Feſtſtoßen der Raſen; k) die Raſenfeger,
Reiſig- und Drahtbeſen, zum Fegen und Reinigen; l) die
Wurzelngäter, zum Ausziehen langer kegelförmiger Wurzeln;
m) die Gartenwalzen.
2) Richtgeräthe. Es gehören hierher: a) die Richt-
ſchnüre; b) die Nuthen und Meßketten; c) die Richt-
ſcheite; d) die Viſirſtäbe; e) die Bodenzirkel; f) die Ab-
ſteckpfähle.
3) Die Gefäße. Hierher gehören: a) die Erdſiebe von
Rohr oder Draht; b) die Erdtrichter und Erdkörbe; c) die
Erdtöpfe und Erdkaſten; d) die Erdkarren.
Alle die Bodenarbeiten, welche beim Feldbaue mit Maſchinen
geſchehen, verrichtet man hier mit Werkzeugen der Hand. Da in
15*
[228] einem Garten alles regelmäßig eingerichtet ſein muß, ſo bedient
man ſich bei den Bodenarbeiten faſt immer der Schnur oder an-
derer Richtgeräthe. Dieſer Schnur nach geſchieht das Picken,
Rajolen, Graben oder Umſtechen; das Umbrechen und Ausgraben,
beſonders aber das Nivelliren des Bodens, welches oft das Hin-
und Hertragen der Erde erfordert, wenn man mit dem Rechen
nicht ausreicht, und das Walzen. Um aber den Grund recht fein
und rein zu machen, wird die Erde geſiebt und geſichtet. Dieſes
geſchieht beſonders bei der Zurichtung des Grundes für Töpfe und
Kaſten. Die Arbeiten ſelbſt aber wechſeln nach der Manchfaltigkeit
der Pflanzen und nach dem Zuſtande des Bodens, dabei aber auch
nach den der Gartenfläche zu gebenden Geſtalten, welche ſehr ver-
ſchiedenartig ſind.
Die Mittel der Bodenmiſchung ſind dieſelben, wie bei der
Feldwirthſchaft (§. 148.). Die Miſchung ſelbſt aber muß weit
ſorgfältiger geſchehen als bei jener (§. 148.). Eine beſondere Art
derſelben ſind die Miſtbeete. Man verſteht unter denſelben be-
ſondere, ſtark und vorzüglich gedüngte, mit der fruchtbarſten und
reinſten Erde angefüllte Plätze zur Pflanzung fremder zarter und
einheimiſcher frühzeitig zu gewinnender Gewächſe. Man theilt ſie
in ganz freie, eingefaßte und völlig geſchloſſene ein. Die
Lezteren werden mit Fenſterdeckeln, dieſe aber noch mit Bretter-
deckeln verſehen. Ihre Lage muß ſie zum Empfange der Sonnen-
ſtrahlen beſonders tauglich machen. Der tauglichſte Dünger dazu
iſt der Pferdemiſt, wegen ſeiner Wärme und hitzigen Natur, und
wird ſchichtenweiſe zu unterſt aufgetragen. Auf ihn kommt die
Miſtbeete-Erde, wozu man ſich der Erde, die noch nicht getragen
hat (Jungfernerde), bedient. Man arbeitet ſie vorher mit et-
was Sand und Rindviehmiſt durch, und ſiebt ſie, um ſie von allen
Klumpen und Unreinigkeiten zu befreien1).
1) Das Einbringen in die Erde, oder die Fortpflanzung.
Die Fortpflanzung der Gartengewächſe geſchieht: a) durch die
Saat, entweder von Saamen oder Knollen, welche bald breitwürfig,
[229] bald mit dem Setzholze, bald mit der Hacke geſchieht. Sonſt iſt
bei derſelben hauptſächlich auch das zu bemerken, was ſchon oben
(§. 150.) darüber geſagt iſt1); b) durch das Stecken von Zwie-
beln und Wurzeln; c) durch das Verpflanzen der in Beeten
aus Saamen gezogenen Gewächſe. Man verpflanzt in Löcher, in
Gräben, durch Zugraben (indem man zur Bedeckung der in ein
Gräbchen geſetzten Pflanzen ein neues Gräbchen aufſticht), in
Spalten, in den Ausſtich, in Säelöcher, durch Zudecken, in Fur-
chen, mit dem Steckholze, mit der Pflanzkelle, mit dem Erdklum-
pen, in Töpfe, und mit dem Einſchlämmen2); d) durch Senk-
linge, d. h. abgeſchnittene oberirdiſche Theile der Gewächſe. Man
hat für verſchiedene Stecklinge zu ſorgen, ganz abgeſehen von der
Natur der Pflanzen ſelbſt, je nachdem ſie ins freie Feld, in
Gewächs- und Treibhäuſer beſtimmt ſind, und bei großer Obhut
iſt ſogar eine Fortpflanzung durch bloße Blätter möglich3). End-
lich e) durch Ableger oder Abſenker, d. h. durch junge Pflan-
zenzweige, welche man vom Stocke aus in die Erde biegt und erſt
von demſelben abſchneidet, wenn ſie ſchon Wurzeln gefaßt haben,
um ſie hierauf zu verpflanzen. Man unterſcheidet die einfachen
Ableger, jene mit dem Einſchnitte (der Länge nach am unteren
Ende), jene von Schößlingen, und endlich Ableger in Senktöpfen
(an den Stöcken ſelbſt)4).
Dieſelbe hat auch, wie bei den Feldpflanzen (§. 151.), haupt-
ſächlich die folgenden Zwecke:
a)Die Erfüllung der Bedingungen des Wachs-
thums. Hierin beſteht die meiſte Sorgfalt beim Gartenbaue.
Dieſelben Arbeiten, welche bereits oben (§. 151.) erwähnt ſind,
müſſen hier mit beſonderer Sorgfalt zum Theile vermittelſt der
bloßen Hand, zum Theile vermittelſt gewiſſer Handwerkzeuge ge-
ſchehen.1). Da aber im Gartenbaue auch Gewächshäuſer vor-
kommen, ſo muß beſonders bemerkt werden, daß das Licht den
Pflanzen zum Fortkommen meiſtens ſehr nöthig iſt, aber auch oft
künſtlich Schatten hervorgebracht werden muß. Was jedoch ins-
beſondere die Wärme anbelangt, ſo wird ſie den Pflanzen theils
durch Miſtbeete (§. 187.), theils durch Gewächs- und Treib-
häuſer2) zugebracht, zugleich aber muß man Mittel haben, um
auch die Hitze von den Pflanzen abzuhalten. Endlich iſt der Schutz
der Pflanzen vor ſchädlichen Thieren und Unkraut beim Garten-
baue von der höchſten Wichtigkeit3).
b)Die Veredlung der Gartengewächſe ſelbſt. Dieſe,
auch ſchon oben (§. 151.) erwähnt, iſt das eigentliche Geſchäft
des Gärtners. Es gehört in dies Gebiet das Beſchneiden u.
dgl.4), das Veredeln5) und die Heilung der Pflanzen von
Krankheiten6).
Die Ernte iſt hier daſſelbe wie beim Feldbaue. Sie trennt
ſich auch in:
1) Die Geſchäfte der Ernte im eigentlichen Sinne durch
verſchiedene Operationen, und dieſe ſind je nach der Manchfaltig-
keit der Producte verſchieden. Die nach dem Einſammeln noch nö-
thigen Trennungs- und Reinigungsgeſchäfte unterliegen den bereits
oben angegebenen Regeln (§. 152.).
2) Die Geſchäfte der Aufbewahrung der Producte ſind
eben ſo verſchieden als die Arten dieſer lezteren, und die Zwecke,
wozu man ſie beſtimmt hat und gebraucht1).
Da man es in der Landwirthſchaft oder vielmehr im Landbaue
nicht mit dem Anbaue und der Pflege der wilden Bäume und
[232] Geſträuche zu thun hat, ſo kann dieſe Unterabtheilung nach den
Zwecken der Gartenzucht auch nur in die Lehre von dem Blu-
men-, Gemüſe- und Obſtgartenbaue zerfallen.
Vor allem Anderen iſt es von Wichtigkeit:
1) Begriff, Weſen und Arten der Blumengärten zu
beſtimmen. Nach ihrem Zwecke, blos zum Genuſſe des Schönen,
wie es die Natur mit unendlicher Manchfaltigkeit in den Blumen
entfaltet, lebendige Blumengruppen anzulegen, ſo daß man zu
jeder Jahreszeit einen möglichſt reichen Flor beſitze, kann ihr Begriff
und Weſen leicht beſtimmt werden. Die Blumengartenkunſt treibt
man zum Theile im Zimmer in Töpfen, zum Theile in kleinen
geſchmackvoll angelegten und eingerichteten Gärten1).
2) Anlage und Bau der Blumengärten geſchmackvoll
und ſorgfältig einzurichten. Die Lage derſelben richtet ſich nach
den manchfachſten Umſtänden; man theilt ſie aber in Quartiere,
und dieſe wieder in Beete, beide regelmäßig und feſt in verſchie-
dener Geſtalt, ein, zwiſchen denen Gänge und Wege angelegt ſind,
die, nicht breit, mit feinem Sande beſtreut werden, und wohl auch
zu Lauben, Tempeln und dergl., die mit Zierlichkeit angebracht
ſein müſſen, führen. Zur Scheidung der Wege von jenen beiden
Geſtaltungen werden die Rabatten, Rondelle, Halbzirkel, d. h.
ſo geformte etwas erhöhete kleine Beete, angelegt, welche man
mit Seegras, Nelken, Buchs, Lavendel und dgl. einfaßt. Ein
niedliches Gewächshaus dient ihnen als nutzbare Zierde.
3) Zucht und Bewahrung vor Unfällen bei den einzel-
nen Blumengewächſen ſorgſam zu beobachten. Beide ſind verſchie-
den nach der Art der Pflanzen ſelbſt2). Bei der Wahl der Pflanzen
zur Gruppirung richtet man ſich nach Dauer, Größe, Blüthezeit
und Farbe der Blüthen der Pflanzen. Aber der gute Geſchmack
hat hier ein unabſehbares Feld von Combinationen. Außer den
bereits erwähnten Krankheiten und Feinden (§. 189.) iſt zu große
Hitze und Regen ein Verderbniß der Blumen, wogegen man ſie
durch Schirme und Verſtellen zu ſichern ſucht.
4) Ernte zur gehörigen Zeit und mit erforderlicher Umſicht
zu halten. Die Ernte erſtreckt ſich dabei nur eigentlich auf die
Einſammlung zeitigen Saamens, und das Abſchneiden von Blumen
zu Sträußen u. dgl.
Auch dieſe Gärtnerei betrachtet man am beſten unter obigen
Rubriken (§. 191.). Nämlich:
1) Begriff, Weſen und Arten der Gemüſe- und Küchen-
gärten laſſen ſich leicht beſtimmen, da ſie zum Zwecke haben, die-
jenigen Gartenpflanzen zu bauen, welche den Bedarf für die Haus-
wirthſchaft zu Gemüſeſpeiſen ausmachen und liefern. Es gibt
reine Gemüſegärten, und Gemüſegärten mit Obſtbau, welchen man
ſchon darum in denſelben treibt, um eine natürliche Beſchattung
zu bewirken1).
2) Anlage und Bau der Gemüſe- oder Küchengärten. Man
legt ſie paſſender hinter als vor den Wirthſchaftsgebäuden an. Sie
dürfen nicht zu hoch, nicht zu tief, nicht zu frei und nicht zu ein-
geſchloſſen ſein. Sicherheit vor reinem und anderem Nordwinde
iſt ihnen ſehr nöthig und vermittelſt hoher Mauern oder Nadelholz-
mäntel zu bewirken. Auch dieſe Gärten werden regelmäßig einge-
theilt und mit Wegen durchzogen (§. 191.).
3) Zucht und Bewahrung vor Unfällen der Küchen-
gewächſe. Die Wahl der zu ziehenden Pflanzen richtet ſich nach
eigenem Bedarfe und nach dem Begehre auf dem Markte. Es ſind
derſelben ſehr viele2). Es eignen ſich aber für dieſe Gärten keine
hohen, am wenigſten ſchattige Kernobſtbäume, ſondern Zwergbäume
und Beerſträucher in den Rabatten, feine Steinobſtſpaliere an die
[234] öſtlichen Mauerwände. Die Feinde und Krankheiten der Küchen-
gewächſe ſind die früher ſchon erwähnten.
4) Ernte der Küchengartenproducte. Sie betrifft theils
die reife Saat u. dgl. zur Fortpflanzung, theils die zu verzehren-
den Erzeugniſſe. Faſt jede Pflanze hat aber darin ihr Eigen-
thümliches.
Am ſyſtematiſchſten muß bei dem Obſtgartenbaue oder bei den
Baumſchulen verfahren werden:
1) Begriff, Weſen und Arten des Obſtgartenbaues. Man
verſteht unter demſelben den gartenmäßigen Anbau derjenigen
Bäume und Geſträuche, welche zahm ſind und uns Obſt geben.
Er hat alſo als weſentliches Merkmal die Veredelung der Obſt-
pflanzen, wie ſie wild wachſen. Es gibt verſchiedene Arten deſſel-
ben, nach der Obſtſorte. Man kann ſie aber mit Bezug auf die
[235] verſchiedene Behandlungsweiſe in eigentliche Obſtgärten und
Weingärten eintheilen, wenn man einen logiſchen Fehler über-
ſehen will1).
2) Anlage und Anbau der Obſtgärten. Sie verlangen
im Allgemeinen gemäßigte Gebirgsgegenden, und tiefen kühlen
Boden; daher lieben ſie Thäler und den Fuß der Gebirge, um
gegen Frühfröſte und rauhe Winde geſchützt zu ſein2).
3) Zucht und Bewahrung der Obſtpflanzen von Un-
fällen. Die Bäume und Sträucher fordern nach ihrer Natur
auch eine beſondere Behandlung1). Im Allgemeinen hat aber der
Baumgärtner, abgeſehen von dem Umgraben, Lockern und Reinigen
des Bodens, beſtimmte periodiſche Verrichtungen, wozu manchmal
die Bäume verſchiedenen Alters auch in verſchiedenen Garten-
abtheilungen ſtehen. Man unterſcheidet:
a) Die Saatſchule (Anzucht der Wildlinge). Im Herbſte
oder Frühlingsanfange werden die gut gewählten geſunden reifen
Kernen oder Steine oder Schaalen reihenweiſe in die Erde ge-
bracht und leiſe bedeckt. Jede Obſtſorte hat ihr eigenes Beet,
[236] eigene Nummer und eigenen Namenspfahl. Oft pflanzt man aber
die Bäume auch durch Ableger u. dgl. fort2).
b) Die Pflanzſchule (Veredelung der Wildlinge). Im
zweiten Jahre ſind die Wildlinge der Saatſchule entwachſen. Man
verſetzt ſie in dieſe und veredelt ſie (auch wenn ſie an einem Orte
verbleiben)3). Das Verſetzen — auch im Herbſte oder Frühlings-
anfange — erfordert ſchon bei der Ausnahme und dann bei der
Verſetzung ſelbſt große Sorgfalt. Denn es ſind dabei leicht Be-
ſchädigungen möglich. Jene darf nicht gewaltſam, dieſe aber nicht
zu tief und nicht zu ſeicht geſchehen. Die gegenſeitige Entfernung
hängt von der natürlichen Wurzelerſtreckung ab. Die Erde muß
ganz zerkrümmelt um die Wurzeln gezettelt und eingeſchlämmt
werden.
c) Die Baumſchule (Pflege der ausgewachſenen Edelbäume).
Ganz abgeſehen davon, ob und in welcher Anzahl die Bäume aus
der Pflanzſchule verſetzt werden oder nicht, in dem eigentlichen
Baumgarten befindlich erſcheinen die Bäume, wenn ſie veredelt und
zur Fruchttragung entwickelt ſind. Hier in dieſer Periode beginnt
das Beſchneiden der Bäume4). Die bereits oben angegebenen
Krankheiten kommen auch hier vor.
4) Ernte in den Obſtbaumgärten. Die Zeit dazu gibt die
Reife des Obſtes an. Daſſelbe wird gepflückt, abgeſchnitten, abge-
ſchwungen u. dgl.
Die Thierzuchtlehre bezeichnet die Grundſätze und Regeln
von der Anſchaffung, Erhaltung und Veredelung der zahmen
(Haus-) Thiere und ihrer nutzbaren Theile. Wegen der Wichtig-
keit der Thierzucht für den Landbau iſt ein richtiges Verhältniß
zwiſchen beiden von Bedeutung. Die allgemeine Thierzuchtlehre,
welche die Grundſätze und Regeln lehrt, die bei der Zucht aller
Arten von Hausthieren gelten, kann daher nur die Anſchaffung
[238] und Paarung, Zucht und Pflege, und die Mäſtung der
Hausthiere betreffen1). Die beſondere aber richtet ſich und zer-
fällt nach den einzelnen Arten von Hausthieren.
Es gibt eine Manchfaltigkeit von Abarten (Raſſen) der
Hausthiere, welche, im Klima, in der Nahrung und Lebensweiſe
derſelben begründet, nach dieſen Umſtänden wechſelt. Die Aufgabe
des Thierzüchters iſt daher, ſich die beſten und den Landesverhält-
niſſen am meiſten entſprechenden Raſſen zu verſchaffen. Man hat
hierzu folgende Mittel: a) Die Veredelung der einheimiſchen Raſſe
durch ſich ſelbſt (Inzucht). Dieſe Methode1) iſt, wenn ſie um-
ſichtig und aufmerkſam betrieben wird, zwar am ſchwerſten, aber
am intereſſanteſten und nützlichſten. Nur muß man ſich dabei ſtets
an die nächſte Blutsverwandtſchaft halten. b) Die Herbeiſchaf-
fung einer fremden beſſeren Raſſe beiderlei Geſchlechts und Fort-
pflanzung derſelben. Dieſe Methode hat bei ihrer ſehr großen
Koſtſpieligkeit den Nachtheil, daß die Thiere, wenn man ihnen
nicht dasjenige bieten kann, was ihnen ihr Vaterland gab, mit
der Klimatiſirung ihre Natur zu leicht verändern, wenn ſie nicht
ſchon früher ſterben. c) Das Kreutzen, d. h. die Veredelung
der einheimiſchen Raſſe durch ausländiſche, zur Paarung gebrauchte,
edle, männliche Thiere anderer Raſſen. Dieſe Methode entſpricht
dem Zwecke der allmäligen Gewöhnung an das neue Klima, und
gibt edle Raſſen, wenn man nur die weiblichen Thiere ſtets aus
dem neuen Wurfe wieder mit den ächten edlen männlichen Thieren
mehrere Jahre ſich kreutzen läßt und zum Sprunge keine neu ge-
worfenen Männchen nimmt2). Ueberhaupt aber dürfen die zur
Paarung beſtimmten Thiere nicht zu jung, nicht zu alt, und müſſen
geſund, munter und kräftig ſein, aber zugleich auch gut im Fut-
ter ſtehen3).
Die Pflege der Thiere beginnt ſchon vor ihrer Geburt,
indem man während der Trächtigkeit der Mutter auf das Junge
durch Schonung und Nahrung der Erſteren wirkt1). Nach der
Geburt überläßt man am beſten der Mutter das Junge zur Pflege
und läßt es an derſelben die Nahrung finden. Dabei muß die
Erſtere aber gut gefüttert werden. Die Zeit der Entwöhnung
hängt von der Beſtimmung des Jungen, von der Kraft der Mutter
und von der Nothwendigkeit der Milch zu anderen Zwecken ab.
Sie muß aber ſorgfältig geſchehen, damit weder das Junge noch
die Alte leide. Die fernere Zucht des Jungviehes bis zum rechten
Alter ſeiner Benutzung iſt verſchieden nach Geſchlecht und Art der
Thiere. Für Alle aber iſt eine kräftige, ſtärkende und den Körper
möglichſt frei bildende Zucht die beſte. Ueber die Nährungsart der
Thiere, wenn ſie ganz ausgebildet ſind, iſt man jetzt noch, obſchon
weniger als früher, getheilter Meinung. Sie betrifft die Stall-
fütterung und den Weidegang2). Der Hauptvortheil der
Erſteren beſteht darin, daß man gewiß drei Thiere kräftig ernähren
kann mit dem Futter von einer Grundfläche, worauf beim Weide-
gange nur eines Nahrung findet, — daß ſich alſo mittelbar der
Bodenertrag ſehr vermehrt, die Ackerkrume durch die Dünger-
bereitung in beſſerem Düngungszuſtande erhalten wird, und nicht
allein die Pflege der Thiere verbeſſert3), ſondern auch jedes unge-
bundene Syſtem in der Folge der Feldfrüchte eingeführt werden
kann. Was man gegen ſie eingewendet hat, nämlich Mangel an
Streumaterial wegen des nöthigen Futterbaues, Unmöglichkeit der
Haltung eines hinreichenden Futtervorrathes, Mangel an Boden
zum erforderlichen Futterbaue oder Vernachläſſigung des Getreide-
baues, Erziehung eines ſchwächlichen Viehſtandes u. dgl. mehr, iſt
durch die Erfahrung nicht nur nicht erwieſen, ſondern ſogar
widerlegt.
Die meiſten Hausthiere werden zugleich des Fleiſches wegen
gezogen. Deshalb mäſtet man ſie, wenn die Verhältniſſe das Aus-
märzen verlangen. Der allbekannte Zweck der Mäſtung1) wird
nur erreicht, indem man die Thiere zum Freſſen reizt, und von
jeder größeren, öfters von aller Bewegung abhält. Bei kleineren
Thieren, z. B. Geflügel, Kälbern, wendet man bei der Mäſtung
Gewalt an, indem man ſie ſtopft. Mit der Menge von Nahrung,
welche die Thiere zu verdauen haben, ſteht ihr Fettwerden unter
übrigens gleichen Umſtänden in geradem Verhältniſſe. Sorgfältig
iſt aber die Unverdaulichkeit bei der Mäſtung zu verhüten. Die
Art der Nahrung richtet ſich nach der Natur und Gattung der
Thiere. Zur Erweichung der Gefäße bedient man ſich zuerſt wei-
cher und gegohrener Nahrungsmittel in reichlicher Menge. Später
geht man zu härterem Futter über, und richtet es in der Regel
ſo ein, daß in der einen Hälfte der Maſtzeit die Futtermenge ſteigt
und in der anderen Hälfte eben ſo gleichmäßig abnimmt. Jeden-
falls iſt es nothwendig, die Nahrungsmittel durch Schneiden,
Kochen u. dgl.2) vorzubereiten, um den Thieren eine Unterſtützung
im Kauen und Verdauen zu geben. Regelmäßige Fütterung und
reinliche Behandlung iſt unumgänglich. Das Kaſtriren, beſonders
der männlichen Thiere, verbeſſert die Maſtung und den Geſchmack
des Fleiſches, weil die Verwendung der edelſten Säfte zur Saamen-
bildung unterbleibt. Die Zeit der Mäſtung richtet ſich nach der
Vergütung, welche dafür zu erhalten iſt und alſo auch nach der
Gewichtszunahme des Thieres3).
1) Raſſen der Pferde. Man kann bei dem Pferde drei
Hauptraſſen unterſcheiden, nämlich die edle aus trockenen Gegen-
den, die zweite aus mehr feuchten Gegenden mit reicher Weide,
und die gewöhnliche Landraſſe1).
2) Zweck der Pferdezucht. Im Allgemeinen zieht der
Landwirth ſich die Pferde zur Arbeit auf. Allein Viele treiben
die Pferdezucht im Großen oder Einzelnen auf den Verkauf. Für
ſeine eigenen landwirthſchaftlichen Zwecke hat derſelbe aber nicht
ſowohl auf die Schönheit als vielmehr wegen der ſchweren Arbeit
auf Kraft, Geſundheit und Ausdauer der Pferde zu ſehen.
3) Zucht der Pferde. Zu welchem Zwecke man auch das
zukünftige Pferd beſtimmen mag und in welcher Ausdehnung man
auch die Pferdezucht treibt, — die Beſchäler (Hengſte) müſſen
durchaus fehlerfrei ſein und es muß in der Kreutzung eine Regel-
mäßigkeit mit Ausdauer durchgeführt werden. Die Wahl derſelben
hängt von dem Zwecke der zukünftigen Raſſe ab, und man nimmt
ſie im dritten Lebensjahre ſchon im Frühlingsanfange zur Beſchä-
lung. Die Mutterpferde gehen 40 Wochen trächtig. Die Füllen
(Fohlen) müſſen wenigſtens 3 Monate lang auf der Muttermilch
bleiben. Viele Bewegung und Weidegang iſt ihnen zur guten Ent-
wickelung nöthig. Man zieht ſie auf entweder einzeln auf dem
Baumſtark Encyclopädie. 16
[242]Wirthſchaftshofe ſelbſt oder zuſammen in wilden, halb-
wilden und zahmen Geſtüten2). Man gewöhnt ſie nach und
nach bis zum vierten Jahre an die Pferdenahrung. Mit dieſem
Jahre aber dürfen ſie zur Zucht und Arbeit angewendet werden3).
4) Krankheiten der Pferde. Die inneren Krankheiten
der Pferde ſind: die Druſe, der Rotz (Steindruſe), der Wurm,
die Krätze, die Urinverhaltung, die Kolik, der Koller,
die Hirſchkrankheit, der Durchfall, die Eingeweidewür-
mer, die Mundfäule, die Lungenentzündung. Die äußeren
aber ſind: Augenkrankheiten, die Mauke, Stein- und
Flußgalle, der Stollſchwamm, Piephacken, Spath, die
Lähmung, Hornkluft und Verwundungen4).
1) Raſſen des Rindviehes. Man unterſcheidet die Nie-
derungsraſſe (ſchwerfällig, feiſt, mit kurzen dicken Vorderfüßen
und ſtarken Hängehaut am Halſe), die Bergraſſe (behend, pro-
portionirt, mit leichten ſtarken ſchlanken Füßen und Körper, mit
ſtarken Hinterbeinen und ausgebildetem Kreutze, und ſehr munter)
und die gewöhnliche Landraſſe (in der Mitte zwiſchen jenen
beiden)1).
2) Zweck der Rindviehzucht. Nach dieſem, nach Klima,
Boden, Weide und Futter beſtimmt ſich die Wahl der Rindvieh-
raſſe. Man zieht das Rindvieh entweder zur Zucht und zum
Milchbezuge, oder zur Arbeit und Mäſtung. Zu Arbeitsvieh
wählt man große kräftige Ochſen (kaſtrirte Stiere) lieber als
Kühe, weil dieſe zu ſchwach ſind, im Milchertrage, wenn ſie ar-
beiten, zu geringe ſtehen, aber jene nach der völligen Verarbeitung
zur Mäſtung vortheilhafter ſind als dieſe. Zu Melkvieh taugen
beſonders kurzbeinige langgeſtreckte Kühe mit ſchlankem dünnem
Halſe und Kopfe, mit feinen durchſcheinenden Hörnern, mit ein-
gefallenen Bäuchen, fleiſchigem Euter, ſtarker Milchader längs des
Bauches, und mit geſchmeidigem Knochenbaue, welche ſich ohne
Widerſtand melken laſſen2). Bei dem Maſtviehe ſteht man auf
Ausbildung des Körpers.
3) Zucht des Rindviehes. Das Zucht- und Melkvieh liebt
feuchte humusreiche üppige Weide, beſonders von Marſchboden,
16 *
[244] mit recht ſchmackhaften Gräſern und Kräutern. Die Stallfütterung
iſt ſeiner Natur angemeſſener, aber dann verlangt es auch grünes
ſaftiges Futter. Nach zwei Jahren iſt das Rindvieh zur Fort-
pflanzung tauglich; die Kuh geht 41 Wochen trächtig. Die Zucht-
kälber müſſen, wenn ein guter Schlag entſtehen und bleiben ſoll,
wenigſtens 6 Wochen lang an der Mutter ſaugen, die Märzkälber
längſtens drei Wochen. Die Sommerfütterung iſt meiſtens grün,
die Winterfütterung beſteht aus Heu, Stroh und Wurzelge-
wächſen3). Sorgfältige Behandlung von Jugend auf erhöht den
Milchertrag. Neumilchende Kühe melkt man dreimal, altmilchende
nur zweimal des Tages. Die Einträglichkeit an Milch hängt von
der Art der Pflege und Wartung ab, wenn man gleiche Güte des
Viehes an ſich vorausſetzt. Man rechnet aber, daß der dritte Theil
des auf Heu reducirten Futters, das nach Abzug des zum Lebens-
unterhalte noch nöthigen Futterquantums noch übrig bleibt, Pfund
für Pfund 2,4℔ Milch gibt4). Man zählt auf 30 Kühe einen
Stier oder Bullen. Was man ſonſt an männlichen Thieren dieſer
Gattung aufzieht, kaſtrirt man noch in früher Jugend, und ver-
wendet ſie zu Arbeit und Mäſtung5), dies entweder ſogleich oder
nach den eigentlichen Arbeitsjahren. Zur Arbeit ſind die Ochſen
in der Regel nur 6 Jahre brauchbar, und haben eigentlich vom
10ten bis 12ten Lebensjahre die meiſte Kraft und Ausdauer. Sie
müſſen beſonders vor großer Hitze bewahrt, und während der Ar-
beitszeit gut gefüttert werden6). Das Anſpannen muß ihnen die
möglichſt freie Bewegung und Kraftanſtrengung geſtatten. Daher
iſt das tiefſtehende Doppeljoch, obſchon es dem öfters zu findenden
auf die Nackenmuskeln aufzulegenden Einzeljoche vorzuziehen iſt,
dennoch nicht ſo vortheilhaft, als wie das Einzel-Stirnjoch mit
Strängen7).
4) Krankheiten des Rindviehes. Die ſchrecklichſte der-
ſelben iſt die Löſerdürre (geradezu Rindviehſeuche, Viehpeſt ge-
nannt), dann folgt der Milzbrand, die Lungenſeuche, die
Entzündungskrankheiten, Koliken, die Bläheſucht (Wind-,
Trommelſucht), das Blutharnen, die Franzoſenkrankheit,
der Zungenkrebs, die Klauenſeuche, der Grind und das
Blau- und Blutmilchen8).
1) Raſſen der Schaafe. Die ſehr verſchiedenen Raſſen
der Schaafe laſſen ſich auf die Niederungs-, Berg- und
Landſchaafraſſe zurückführen. Die Erſte lebt in den Niederun-
gen auf fetten Weiden, hat einen großen Körper und ſchlichte,
grobe Wolle. Zur Zweiten gehören die auf Bergen lebenden klei-
neren Schaafe mit dichter, kurzer, krauſer Wolle. Die Dritte
ſteht in der Mitte zwiſchen den beiden genannten Raſſen1).
2) Zweck der Schaafszucht. Die Wahl der Raſſe richtet
ſich nach dem Zwecke der Nutzung. Dieſe aber beſteht in folgenden
Gegenſtänden: a) In der Wolle. Die auf einem Schaafe lie-
gende Geſammtmaſſe von Wolle heißt man das Vließ, und dieſes
beſteht aus einzelnen zuſammenhängenden Büſcheln, die man
Stapel nennt. Das Vließ beſteht aus glänzenden ſteifen Haaren
(Stichelhaaren) von verſchiedener Grobheit, und aus der
Wolle, d. h. mehr oder weniger gekräuſelten, weniger glänzenden,
weichen und feinen Haaren. Feinheit, Elaſticität, Stärke, Länge
und Kräuſelung ſind die Eigenſchaften, wonach man die Vorzüge
der Wolle, folglich der Raſſe in dieſer Hinſicht beſtimmt. Man
hat hiernach vier Hauptklaſſen der Wolle nach abnehmender Güte
feſtgeſtellt, nämlich die Rafina (vom Rücken bis zur Bauchwöl-
bung), die Fina (vom Halſe, von der Bruſt, vom Bauche und
von den Oberſchenkeln), die Terzera (von dem Kopfe und den
Unterſchenkeln) und die Kayda (von Stirne, Schweif und Unter-
füßen)2). Die Wolle wird entweder erſt nach der Schur oder
noch auf dem Schaafe gewaſchen, um ſie von der Unreinigkeit zu
befreien. Das eigentliche Wollfett wird ihr erſt vom Fabrikanten
genommen. Die Schur findet entweder blos im Frühling oder aber
auch zugleich im Herbſte Statt3). b) In der Milch. Die meiſten
[247] Urtheile über das Melken der Wollſchaafe ſind mißbilligend, weil
Ertrag und Güte der Wolle darunter leiden. Die Melkzeit liegt
aber zwiſchen dem 23ten April und Ende des September. Ein
Schaaf gibt im Durchſchnitte täglich in dieſer Zeit ⅛ Quart oder
ungefähr ¼ bis ½ ℔ Milch, welche mehr Butter- und Käſetheile
hat als die Kuhmilch. Man bedient ſich daher mehr der Nie-
derungsraſſe zu Melkſchaafen4). c) In dem Fleiſche. Auch zu
dieſem Zwecke nimmt man am beſten die Niederungsſchaafe, weil
ſie die größten ſind. Zur Mäſtung eignet ſich das Schaaf vor-
trefflich, beſonders die Gelteſchaafe und die Hämmel. Die Mäſtung
geſchieht entweder auf Weiden oder im Stalle. Im lezten Falle
bedient man ſich am beſten des Branntwein- und Malzſpülichts
und des Getreides. Die Maſtzeit dauert im Winter nicht unter
acht Wochen5).
4) Zucht der Schaafe. Die Paarung derſelben kann ſchon
mit einem Alter von 1½ Jahr beginnen. Dieſelbe geſchieht ent-
weder einzeln (bei feinen Raſſen) oder in der Heerde (bei Land-
ſchaafen). Das Schaaf geht 21 Wochen trächtig. Man zählt auf
30–40 Mütter einen Widder. Nach dem Lammen werden die
Erſteren mit den Lämmern abgeſondert und dieſe ſaugen 3 Monate
lang, während welcher man ſie auch allmählig an anderes Futter
gewöhnt. Naſſe Weiden (von Regen oder Thau) ſind den Schaafen
ſchädlich. Die Weidezeit fällt zwiſchen den October und März ein-
ſchließlich und beträgt ſo 120–160 Tage. Die Sommerſtallfüt-
terung6), mehrmals auch mit gutem Erfolge verſucht, iſt wegen
der Koſtſpieligkeit und Beförderung der Krankheiten in Mißkredit
gekommen. Die Winterfütterung beſteht aus Heu, Stroh von
Hülſenfrüchten und Wurzelgewächſen7).
5) Krankheiten der Schaafe. Dieſelben ſind die Fäule
(Faulfreſſen), die Drehekrankheit (Segeln), die Traber-
(Kreutzdreher-) Krankheit, der Schlagfluß (Blutfluß,
Rückenlut), die Lungenſucht, die Harnruhr (Blutharnen),
der Durchfall, die Faden- oder Eingeweidewürmer (Egel-
ſchnecken, Planaria latiuscula oder Fasciola hepatica), die
Blähe- (Trommel-) sucht, die Räude (Grind, Krätze), die
Pocken, die Klauenſeuche (die gut- und die bösartige), die
Eutergeſchwülſte und die Schaafinſekten (Schaafzecke, Acarus
reduvius, ricinus, und die Schaaflaus, Pediculus ovis und
Hippobosca ovina)8).
Man zieht bei uns nur die gemeine oder Hausziege1)
beſonders wegen ihres Felles, ihrer Milchnutzung, ſchnellen Ver-
mehrung und äußerſt wohlfeilen Ernährung. Im Großen kann ſie
nur im Gebirge gezogen werden. Feuchte und naſſe Weiden ertra-
gen ſie nicht. Mit trockenem Futter und Wurzeln füttert man ſie
im Winter. Die Ziege, mit dem zweiten Jahre mannbar, geht
5 Monate trächtig und wirft 1–3 Jungen. Man rechnet bis
100, ja 150 Ziegen auf 1 Bock.
1) Raſſen der Schweine. Man unterſcheidet das euro-
päiſche und chineſiſche Schwein, obgleich ſie nur Abarten des
Schweines ſind. Das Leztere iſt ſchwarz, klein, hat einen tiefen
Leib und ſehr kurze Beine. Das Erſtere iſt von verſchiedener Form
und Farbe, immer aber höher auf den Beinen und länger.
2) Zweck der Schweinezucht. Man zieht das Schwein
des Fleiſches und Fettes wegen, entweder zum eigenen Gebrauche
oder zum Verkaufe. Darum mäſtet man daſſelbe. Die Mäſtung
fällt zwiſchen das erſte halbe und die erſten 2 Jahre, beſſer als
ins dritte und vierte Jahr, weil es nicht darauf berechnet iſt, auf
einem Landgute überhaupt große Schweine zu mäſten. Die Schweine
werden darum in der Jugend kaſtrirt. Den Anfang der Mäſtung
machen Wurzeln und Knollen, das Ende aber Getreide, Schrot
und Mehl, im gekochten oder gegohrenen Zuſtande1).
3) Zucht der Schweine. Schon mit einem Alter von ¾
Jahren ſind die Schweine zur Paarung brauchbar. Man rechnet
auf 10 derſelben einen Eber. Das Mutterſchwein geht 16 Wochen
trächtig, und wirft jährlich in zwei Würfen 10–15 Jungen
(Ferkel). Zuchtferkel ſaugen bis zu 8 Wochen, Schlachtferkel
höchſtens 4 Wochen an der Mutter. Man füttert ſie mit Abfällen
von der Küche, von Brennereien, Brauereien, mit Getreide, Kar-
toffeln, Rüben, und ſchickt ſie auf die Weide, beſonders in Moor-
und Bruchweiden2).
4) Krankheiten der Schweine. Sie können größtentheils
durch Aufmerkſamkeit in der Pflege verhütet werden, und ſind:
die Bräune, die Finnen und der Grind3).
Die Federviehzucht hängt ganz von der Oertlichkeit ab. Man
zieht gewöhnlich Enten, Gänſe, Hühner, Puter und Tauben.
[251] Anderes Geflügel dient meiſtens zum Vergnügen und zur Zierde.
Die Ente legt im Frühling 30–45 Eier, brütet im Durchſchnitte
8 Jungen aus, und man rechnet auf 10 Enten 1 Enterich. Die
Gans legt 24–30 Eier, brütet 8 Jungen aus, gibt 8 Loth, ein
Gänſerich 11 Loth Federn, und man rechnet auf 8 Gänſe 1 Gän-
ſerich. Die Puterhenne legt 25–30 Eier, brütet 18–20 Jun-
gen aus und man rechnet auf 8 Hühner einen Puter. Ihre Zucht
geht oft, z. B. in Weſtphalen, ganz ins Große. Das gewöhn-
liche Huhn legt 45–60 Eier, brütet 14 Jungen aus und man
hält auf 16 Hühner 1 Hahn. Ein Paar Tauben gibt jährlich
etwa 3 Paare Junge1).
Die Bienenzucht fordert ein ſtilles mildes Klima, eine pflanzen-
und blumenreiche Gegend, unausgeſetzt fleißige Pflege, Sicherung
der Stände vor Staub und Rauch, und kleine nahe Gewäſſer1).
Die Wohnungen der Bienen ſind entweder gewölbte Strohkörbe,
oder Bretterkäſten (Stöcke) oder Klotzbeuten (aus Baum-
klötzen gehauen)2). Der ganze Bienenſtaat beſteht aus einer
Mutterbiene (Weiſel, Königin), aus den männlichen Bienen
(Drohnen, zur Befruchtung der Königin) und aus den Arbeits-
bienen (welche geſchlechtslos ſein ſollen). Die Zellen ſind zum
Theile Wohnkammern der Bienen, zum Theile Vorrathskäſten für
den Honig. Die Trennung der jungen Brut von dem alten Stocke
geſchieht entweder durch das Schwärmen (d. h. inſtinktmäßige
Auswandern der Brut) mit ihrer jungen Königin, in welchem
Falle ſie aufgefangen (gefaßt) werden muß, oder durch Ableger
(d. h. das Ausſchneiden der Brutſcheiben und Einſetzen derſelben
in andere Käſten oder aber das Verwechſeln der Körbe ſelbſt).
Oft müſſen die Bienen, beſonders im Winter, ernährt werden,
und dies geſchieht am beſten durch Magazine, d. h. durch Unter-
ſätze mit Schiebern, in welche man das Honiggefäß hineinſetzt.
Dieſe Magazine können zugleich auch zur Trennung eines Theiles
der Bevölkerung vom anderen gebraucht werden3). Den Honig
[252] und das Wachs erhält man entweder durch Tödtung des Stockes
oder durch das Ausſchneiden der Honigwappen (Zeideln). Die
Feinde und Krankheiten der Bienen ſind ſehr ſchädlich. Zu jenen
gehören die Raubbienen und allerlei Inſekten u. ſ. w. Zu dieſen
aber die Faulbrut und der Durchfall.
1) Arten der Fiſche. Man zieht in den Fiſchteichen vor
allen andern Fiſchen die Karpfen, Forellen und Hechte.
Allein man trifft dieſe Gattungen nicht blos für ſich allein in den
Teichen, ſondern auch untermengt mit Karauſchen, Barſchen,
Schleien, Schmerlen, Weißfiſchen u. ſ. w.
2) Zweck der Fiſchzucht. Die Fiſche werden hauptſächlich
wegen ihres Fleiſches gezogen. Aber in manchen Gegenden ge-
währt auch der Verkauf der Fiſchſchuppen, als Material zur Fer-
tigung der Glasperlen, ein beträchtliches Einkommen.
3) Zucht der Fiſche. Dieſelben werden in Teichen gezo-
gen, bei deren Anlage man die natürliche Lage und Beſchaffenheit
des Bodens, die Eigenſchaften, den Zu- und Abfluß des Waſſers
zu berückſichtigen und zur Sicherung gegen wilde Fluthen Dämme
und Waſſerabzüge zu bauen hat1). Beim ganz regelrechten Be-
triebe der Teichfiſcherei hat man folgende drei Teiche oder Zucht-
perioden, nämlich a) den Streich- oder Laichteich, in welchen
man die alten Fiſche in geringer Anzahl zum Laichen (Erzeugen
der Fiſchbrut) einſetzt; b) den Streck- oder Schulteich, in
welchen die jungen Fiſchlein zur weiteren Erziehung eingeſetzt
werden, bis ſie in c) den Satz- oder Hauptteich gebracht werden
können, in welchem man den ſchon erwachſenen Fiſch noch ſo lange
[253] ernährt, bis er entweder gemäſtet werden kann, verkauft oder
verzehrt wird, was oft ſchon darum geſchehen muß, damit es im
Hauptteiche für den Nachwuchs Platz gibt2).
4) Krankheiten und Feinde der Fiſche ſind: die Schwäm-
me, die aus Verwundungen entſtehen, die Blattern, — und die
Fiſchottern, Wildenten und -Gänſe, Raiger, Täucher,
Fiſchaare, Eidechſen, Fröſche, Fiſchkäfer und andere
Thiere3).
Die Seidenraupe(Phalaena bombyx Mori), welche ſich
von den Blättern des weißen Maulbeerbaumes(Morus alba)
nährt1), ſpinnt ſich in eine goldgelbe Hülle ein, welcher ſie ſpäter
als Schmetterling entſchlüpft. Die Hüllen (Galetten, Coccons,
Geſpinnſte) beſtehen aus dem feinſten Seidenfaden. Die Raupe
kommt nur in trockenem warmem Klima, oder in ſolcher Temperatur
fort, daher man ſie in Sälen auf Gerüſten zieht, und jene warm
[254] hält. Man zieht ſie aus Eiern, welche von einer Wärme von 18°
Reaum. oder 68° Fahrenh. ausgebrütet werden. Die jungen Rau-
pen werden mit ganz neu ausſchlagenden Blättern gefüttert. Sie
häuten ſich viermal, und erſt nach der erſten Häutung kommen ſie
auf die Gerüſte. Ihre Gefräßigkeit ſo wie die Abſcheidung von
Unrath wird immer ärger, weshalb die Sorge für gutes und vieles
Futter ſo wie für fortwährende Reinigung immer größer werden
muß. Nach der vierten Abhäutung ſpinnen ſie ſich ein, und werden
zu dieſem Behufe auf die Spinngerüſte von Reiſern verſetzt,
wenn ſie eine eigenthümliche Unruhe zeigen und zu freſſen auf-
hören. In 7–8 Tagen iſt die Einſpinnung geſchehen. Von den
Puppen werden nur die ſchönſten und dichteſten zur Fortpflanzung
genommen, die übrigen aber in einem geheitzten Backofen getödtet.
Die aus jenen ausgeſchlüpften Schmetterlinge begatten ſich und
das Weibchen muß die Eier auf Leinwand oder Papier legen.
Dieſe werden dann kühl aufbewahrt, die todten Puppen aber an
die Fabrikanten verkauft. Die Raupen ſelbſt leiden an Gelb-
und Weißſucht, Verſtopfung, Durchfall und Schwind-
ſucht, als den Folgen ſchlechten Futters, Lagers und Wetters.
Die landwirthſchaftliche Betriebslehre, deren Begriff nur dem
Gegenſtande nach von jenem der bergmänniſchen verſchieden iſt
(§. 119.), iſt in den Handbüchern der Landwirthſchaftslehre ge-
wöhnlich Hauswirthſchafts- oder Haushaltlehre genannt.
Allein dieſe Benennung iſt unrichtig (§. 40. I. §. 41. §. 63.).
Zum Betriebe der Landwirthſchaft1) gehören folgende Gegen-
ſtände und Verhältniſſe:
1) Naturmittel in möglichſt vollſtändigem Zuſtande. Es
gehört hierher a) der Boden, nach ſeiner Verſchiedenheit für die
eigenthümlichen Nutzungen in beſtimmter Flächenausdehnung. In
lezter Beziehung iſt die Frage, ob man viel oder wenig Grund
und Boden für vortheilhafter halten müſſe, leicht entſchieden.
Denn je größer der Beſitz an Boden von brauchbaren Eigenſchaf-
ten, um ſo großartiger kann der Betrieb werden, wenn dazu die
anderen Gewerbsmittel nicht fehlen. Jedenfalls iſt die Abrundung
oder das Zuſammenliegen der einzelnen Parzellen von großem Nutzen
und man unterſcheidet ſo das Landgut von dem Grundſtücke.
Unter jenem verſteht man den Inbegriff einer Zahl Grundſtücke,
welche im Zuſammenhange liegen, des darauf befindlichen Vieh-
ſtandes und des Kapitals nebſt allen dazu gehörigen Gerechtſamen,
Pflichtigkeiten und anderen gewerklichen Nutzungszweigen. b) Der
Viehſtand oder Dünger. Ohne dieſen kann die Landwirthſchaft
nicht betrieben werden, und je größer der Grundbeſitz iſt, um ſo
weniger iſt man im Stande, ihn käuflich zu erlangen. Darum iſt
ein beſtimmter Viehſtand erforderlich, ganz abgeſehen von den
Vortheilen, welche aus der Gegenſeitigkeit und Unterſtützung der
Viehzucht und des Landbaues entſpringen2). Welche Gattung von
Vieh man wählen ſoll, und unter dieſer, welche Raſſe die vortheil-
hafteſte ſei, das hängt von den localen Verhältniſſen des Gutes
und von den Verkehrsumſtänden ab.
2) Verkehrsmittel. Wenn der Grundbeſitz nicht ſo klein
iſt, daß man nur den Hausbedarf ziehen kann, und wenn auf dem
Landgute nicht andere techniſche Nutzungen in ſolcher Menge und
Ausdehnung ſind, daß in dieſen der Reſt an Producten nach Abzug
des eigenen Wirthſchaftsbedarfes verarbeitet wird; dann iſt der
Abſatz an landwirthſchaftlichen Producten und das Vorhandenſein
gehöriger Transportmittel und -Wege zur Fortſetzung des
landwirthſchaftlichen Betriebes unumgänglich nothwendig. Daher
iſt auch die Lage eines Gutes in Bezug auf die Bevölkerung des
Landes oder der Gegend, gegen den großen und kleinen Markt,
gegen gute Handelsſtraßen zu Land und zu Waſſer von eben ſo
großer Wichtigkeit, als es diejenigen Einrichtungen ſind, welche
den Unterſchied der Entfernungen von den Marktorten verringern,
z. B. Eiſenbahnen, Dampfwagen, herumziehende Getreide-,
Wolle-, Viehhändler u. dgl.1)
3) Tüchtige Arbeiter in zureichender Menge. Hier gilt,
was ſchon oben (§. 67 u. 68.) geſagt iſt2).
4) Hinreichendes Capital. Es ſind zum landwirthſchaft-
lichen Capitale zu rechnen: ſämmtliche landwirthſchaftliche Gebäu-
lichkeiten, das Saatkorn im weiteſten Sinne des Wortes, der
Dünger und die ſonſtigen Bodenverbeſſerungsmittel, die landwirth-
ſchaftlichen und Viehzuchtsgeräthſchaften aller Art nebſt den dazu
nöthigen periodiſchen Erhaltungs-, Reparatur- und ähnlichen
Koſten, das Nutzvieh, das Arbeitsvieh und ſein Geſchirre, nebſt
[257] Unterhaltungskoſten, das Hausgeräthe nebſt ſeinen Unterhaltungs-
auslagen, die Vorräthe an Producten der Feld-, Garten- und
Viehwirthſchaft, die ſonſtigen Natural- und Geldauslagen zum
Betriebe der Wirthſchaft, und die verſchiedenen zum Landgute ge-
hörigen Gerechtſamen, die den Ertrag erhöhen helfen. Bei der
Berechnung deſſelben muß man ſich ſehr hüten, etwas davon dop-
pelt zu rechnen.
5) Freiheit des Betriebes. Jede Beſchränkung dieſer Art
iſt gleich der Entziehung eines Theiles vom Capitale. Es gehören
hierher Leiſtungen in Geld und Naturalien (ſtändige und unſtändige
Gefälle, wie z. B. der Zehnte, die Gülten u. dgl. m.), perſönliche
Dienſtleiſtungen (Frohnden, Roboten oder Dienſte, die man rück-
ſichtlich des Maaßes in gemeſſene und ungemeſſene, aber rückſicht-
lich der Werkzeuge in Hand- und Spanndienſte eintheilt) und
verſchiedene Pflichtigkeiten (Weide- und Jagdpflichtigkeit), zu
welchen insgeſammt das Gut, ohne hinreichende wirthſchaftliche
Entſchädigung verpflichtet iſt.
Iſt der Staat der Eigenthümer des Landgutes, ſo heißt man
daſſelbe Domäne (Kammergut, Staatsdomäne u. dgl.), welchen
Namen man auch den fürſtlichen Privatlandgütern gibt. Gehöre
daſſelbe übrigens dem Staate, oder einer Gemeinde (in welchem
Falle man es Allmend, Gemeinheit u. dgl. nennt), oder einer
Stiftung, oder einer Korporation, oder endlich einem Privatmanne,
ſo kann es auf folgende Weiſe bewirthſchaftet werden: 1) durch
Selbſtverwaltung, indem nämlich der Eigenthümer ſelbſt oder
an deſſen Stelle ein beſoldeter Verwalter (Schaffner, Amtsver-
walter) mit mehreren untergebenen Beamten (Vögten) und Dienſt-
beten die Wirthſchaft betreibt. Man thut ſehr wohl daran, wenn
man dadurch, daß man die Beſoldung des Lezteren mit dem Guts-
ertrage ſteigen und fallen läßt, denſelben ſo in das Intereſſe mit
zu verflechten ſucht, daß er ſchon ſeines eigenen Vortheils willen
Baumſtark Encyclopädie. 17
[258] die Wirthſchaft ſorgfältig führt. Denn Nachläſſigkeit und Unter-
ſchlagung von Seiten derſelben iſt die ſchlimmſte Beziehung dieſer
Bewirthſchaftungsart1); 2) durch Verpachtung, d. h. indem
man daſſelbe einem Anderen gegen eine Vergütung (Pachtzins)
zur Nutzung überläßt. Geſchieht dies blos auf einige Jahre, dann
heißt ſie Zeitpacht, — auf die Lebenszeit des Pachters, dann
Vitalpacht, — endlich aber auf die Erben des Pachters, als-
dann Erbpacht2). Da ſich die Leztere mehr dem Eigenthume
nähert, ſo iſt ſie ſchon als Garantie für die ſichere Einnahme des
Zinſes (Kanons) ſehr vortheilhaft. Durch die Erſtere ſetzt ſich
der Eigenthümer aber einem Verderbniſſe des Gutes, weil der
Zeitpachter gerne nur ſeinen Vortheil und nicht den Schaden des
Eigenthümers berechnet, um ſo mehr aus, auf je kürzere Zeit der
Pachtcontrakt geſchloſſen iſt. Daher iſt auch die Vitalpacht, wenn
man in der Wahl des Pachters nicht ganz unglücklich iſt, der
Zeitpacht vorzuziehen. Uebrigens kommt es bei Allem vorzüglich
auf den ſorgfältigen Abſchluß des Pachtcontraktes und der ver-
ſchafften Garantien an3). 3) Durch Verleihung zu Lehen auf
beſtimmte Zeit, Erblehen und Schupflehen (bei welchen auch An-
dere als Erben ins Lehen eintreten können), oder in Erbbeſtand
gegen Dienſte, Natural- und Geldleiſtungen verſchiedener Art,
welche aber mehr zur Anerkenntniß der Oberherrlichkeit, denn als
Vergütung für die Nutzung erſcheinen. Wirthſchaftlich iſt dieſe
Methode für den Eigenthümer nicht, ſo edel und klug auch die
Gründe ihrer Einführung ſonſt ſein mögen.
Sowohl von Seiten des Gutsverwalters als von Seiten des
Pachters iſt dies die wichtigſte Thätigkeit. Sie zerfällt in folgende
Hauptzweige:
1) Wahl und Betrieb der Verſuche. In allen Zweigen
der Feld- und Gartenwirthſchaft ſo wie der Viehzucht iſt in dieſer
Hinſicht noch außerordentlich viel zu thun, ſo daß die Wiſſenſchaft
ſelbſt bei größter Weitläufigkeit auch nicht einmal annäherungs-
weiſe erſchöpfend ſein kann. Beſonders haben die landwirthſchaft-
lichen Vereine mit ihren Feldern hierfür einen herrlichen Wir-
kungskreis, nicht blos um die Verſuche im Kleinen zu beginnen,
ſondern auch hauptſächlich um auf ihre Fonds die Capitalauslagen
für ſolche Verſuche zu nehmen, welche nur im Großen angeſtellt
werden können, und deshalb von Einzelnen vermieden werden.
Umſicht, Allſeitigkeit, Hervorhebung der verſchiedenartigſten Be-
ziehungen, durchgehende Combination, ſcharfſichtige Beobachtung,
und ſtrenge ſorgfältige Aufzeichnung der Reſultate jeder Art mit
Angabe ihrer wirklichen oder wahrſcheinlichen Urſachen ſind dabei
die erſten unerläßlichen Bedingungen1). Ein mißlungener Verſuch
iſt, wenn auch wirthſchaftlich nachtheilig, dennoch immer wichtig,
und darf von einer Wiederholung nicht in allen Fällen abſchrecken.
2) Wahl und Leitung der Betriebsarten. Der oberſte
Grundſatz hierbei iſt, daß man durch einen zweckmäßigen Zuſam-
menhang aller Theile des ganzen Betriebs dieſe im Ganzen und
Einzelnen ſo vollſtändig und vortheilhaft als möglich, ohne der
Wirthſchaft die Nachhaltigkeit zu rauben, benutze, um ſo mit der
geringſten Mühe und Auslage, nicht blos ohne Verderbniß des
Gutes, ſondern auch mit, wo möglich, ſteigender Verbeſſerung
deſſelben, den größten Reinertrag beziehen zu können. Das Erſte,
um dies zu erreichen, iſt daher eine zweckmäßige Vertheilung,
Verbindung und Folge der Arbeiten, welche nur die Erfahrung
lehren kann und feld- und gartenwirthſchaftliche Kalender an-
geben (§. 69.); das Zweite aber iſt eine ſyſtematiſche Anordnung
(Organiſation) und Zuſammenhaltung der Hauptnutzungszweige
17 *
[260] eines Landgutes. Es gibt mehrere Arten derſelben, und man
nennt ſie landwirthſchaftliche (Feldbau- oder Wirthſchafts-)
Syſteme2).
Sind die Fragen entſchieden, welche Productionen den ſicher-
ſten und lohnendſten Abſatz haben, welche davon dem Boden und
Klima eines Landgutes am meiſten entſpricht, welche Mittel am
zuverläſſigſten und wohlfeilſten zu ihrer Ausführung helfen, ſo
ſchreitet man zur Wahl des landwirthſchaftlichen Syſtemes. Es
muß nach dem im vorigen §. angegebenen Grundſatze dasjenige
Syſtem am vollkommſten ſein, welches das beſte Verhältniß der
Pflanzen- und Thierzucht herſtellt, die Bodenkraft, den Dünger
und den Standort für die Gewächſe am beſten anwendet, Zeit
und Koſten am beſten verwendet, und die Naturkräfte am beſten
zu Gute macht1). Da die Gewächſe den Boden in verſchiedenen
Graden ausſaugen2), eine Pflanzengattung fruchtbareren und die
andere einen weniger reichen Boden verlangt, und da das Feld,
wenn es in gehörigem Zuſtande erhalten werden ſoll, nicht blos
für das Arbeits-, ſondern auch für das Düngervieh das Futter
liefern muß, ſo iſt die Einführung einer Abwechſelung in dem
Anbaue des Gutes mit Früchten (d. h. eine zweckmäßige Frucht-
folge, Rotation, ein Turnus, Umlauf) von höchſter Wich-
tigkeit3), um in Zwiſchenzeiten den Acker zum Fruchttragen wieder
gehörig vorzubereiten. Man hat daher verſchiedene Syſteme zu
dieſem Zwecke erfunden, nämlich folgende:
1) Felderſyſteme. Ihr Charakteriſtiſches iſt, daß ein Theil
des Bodens abgeſondert beſtändig zu Grasland (Wieſen und Wei-
den), ein anderer zu Ackerland liegen gelaſſen und benutzt wird,
und blos auf Lezterem ein Turnus, aber auch nur mit Nichtfutter-
[261] gewächſen Statt findet. Dieſe Syſteme ſind wegen des gewöhn-
lichen Mangels an Grasland zum Unterhalte von ſo viel Vieh, als
zur Production der Düngermenge nothwendig gehalten werden
muß, wenn das Feld im tragbaren Zuſtande ſein ſoll, um ſo ver-
werflicher, als das Ackerland durch mehrjähriges Tragen ausſau-
gender Früchte unverhältnißmäßig dungbedürftiger iſt, denn anderes.
Nach Ablauf mehrerer Jahre des Anbaues tritt immer ein Jahr
der Ruhe ein, wo Brache gehalten und gedüngt wird. Um nun
jährlich bauen zu können, zertheilt man das Ackerfeld in mehrere
Theile (Felder), wovon jährlich Einer brach liegt. Begreiflich
wird die Brache um ſo häufiger kommen, je geringer die Anzahl
der Felder iſt. Es gibt bis jetzt ein Fünf-, Vier- und Drei-
felderſyſtem, bei welchem lezteren man wieder ein ein-, zwei-,
drei- und vierfältiges unterſcheidet, je nachdem es 3, 6, 9
oder 12 Felder zum Turnus hat4).
2) Wechſelſyſteme. Ihr Charakteriſtiſches iſt, daß ſie den
Gras- und ſonſtigen Futterbau mit in die Rotation aufnehmen,
und nicht auf abgeſonderten Feldern betreiben. Je nach der Be-
nutzungsart des Feldes in der Rotation unterſcheidet man hier
wieder:
a) Die Koppelwirthſchaften (Weide-Wechſelwirthſchaf-
ten), wobei das ganze Feld in 10–14 Koppeln oder Schläge,
von denen ein Theil jedes Jahr zur Weide niedergelegt, beſaamt
und benutzt iſt. In Deutſchland ſind die holſteiniſche, meklen-
burgiſche und märkiſche Koppelwirthſchaften die ausgezeich-
netſten5).
b) Die Freiwirthſchaften (Stallfütterungs-Wechſelwirth-
ſchaften, die Wechſelſyſteme im engen Sinne, die engliſchen Sy-
ſteme), wobei das Feld nach einem freien Plane, ohne Weide
abgeben zu müſſen, mit Nichtfutter- und Futterbau in beſtimmtem
Turnus ſo beſtellt wird, daß man Stallfütterung halten kann6).
Je größer das Gut iſt, um ſo ſchwieriger iſt es, beſonders
beim engliſchen Wechſelſyſteme und bei der verbeſſerten Dreifelder-
wirthſchaft, ſeinen Beſtand zuſammen zu faſſen, ohne äußere Hilfs-
mittel. Ganz abgeſehen alſo von den Vortheilen, welche eine
Gutsbeſchreibung bei Anſchlägen, Verkäufen, Verpachtungen,
Erbverhältniſſen u. dgl. gewährt, ſo iſt ſie ſchon für den jährlichen
Betrieb vielfach unentbehrlich. Eine ſolche Beſchreibung gewährt
das Grund- und Lagerbuch mit ſeinen Beilagen, als da ſind:
eine vollſtändige Charte nebſt einzelnen Plänen, ein Vermeſſungs-
und Klaſſirungs- oder Bonitirungsregiſter, ein Gebäude-, Wehr-
und Brückenverzeichniß, ein Verzeichniß ſeiner ſämmtlichen Gerech-
tigkeiten, und ein ſolches ſeiner ſämmtlichen Pflichtigkeiten. Ohne
genaue Kenntniß der Angaben, welche dieſe Schriften gewähren,
darf und kann auch keine richtige Rotation eingeführt werden.
Nach ihnen bildet ſich der Director der Wirthſchaft den Nutzungs-
plan, der natürlich nach dem Felderſyſteme verſchieden iſt, und
periodiſch im Einzelnen wechſelt. Dieſe Veränderungen müſſen aber
beſonders bemerkt werden, damit man den ganzen Verlauf der
Rotation deutlich verfolgen und überſehen kann. Die Wichtigkeit
dieſer Einrichtung iſt klar, denn von ihr hängt zunächſt die Be-
ackerung, Bedüngung und Beſaamung des Feldes ab.
Die Betriebswirthſchaft hat auch hier die Ausgaben zu be-
ſtreiten, die Einnahmen zu beziehen und über Beides Rechnung
zu führen (§. 126.). Die landwirthſchaftlichen Betriebsaus-
lagen, oder die Verwendungen des Betriebskapitals geſchehen:
a)Für die materielle Verbeſſerung oder Erhaltung
des Bodens durch Dünger, Reitzmittel, Mengemittel u. dergl.,
ganz gleichgiltig, ob man ſie in Natur vom eigenen Gute und
Hofe bezieht, oder aber von Anderen kaufen muß.
b)Für Anſchaffung und Unterhaltung des ſtehenden
Capitals, an Gebäulichkeiten, Geräthſchaften, Arbeits- und
Nutzvieh ſammt Geſchirre, Hausrath und Gerechtſamen, — und
des umlaufenden Capitals, an Saatkorn im weiteſten Sinne
des Wortes und an Productenvorräthen anderer Art, ſowohl in
Natur als Geld.
c)Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der
Beamten, Dienſtboten und Arbeiter, ſowohl in Natur als in Geld.
Alle dieſe Ausgaben laſſen Abtheilungen bis ins Allerkleinſte
zu und werden auch ſo in mancher Hinſicht nicht erſchöpfend ſein.
Was aber die Art ihrer Beſorgung anbelangt, ſo hat man
neuerdings vielfach angefangen, um Erſparniſſe zu machen, Stück-
oder Gedingarbeit, wo es immer thunlich iſt, anzuwenden.
Allein einem ſolchen Syſteme unbedingt anzuhängen, gehört un-
fehlbar zu den perſönlichen Liebhabereien und bringt der Wirth-
ſchaft ohne allen Zweifel Schaden. Aber mit Vorſicht am gehörigen
Orte angewendet, kann es große Vortheile gewähren (§. 68.).
Das rohe Einkommen bei dem landwirthſchaftlichen Betriebe
beſteht aus:
a)Naturaleinnahmen an Feld-, Garten- und Thierpro-
ducten. Auch hier gibt es Haupt- und Nebenproducte, welche
ſämmtlich nach ihrer Eigenthümlichkeit aufbewahrt werden müſſen.
Die deshalb errichteten Anſtalten und erbauten Magazine ſammt
innerer Einrichtung ſind daher außerordentlich manchfaltig.
b)Geldeinnahmen aus dem Verkaufe roher Producte.
Derſelbe geſchieht auf die verſchiedenſte Weiſe an die Conſumenten
[264] ſelbſt oder an Händler. Es kommt auf den Ort und die Zeit des
Verkaufes an, ob man die richtigen, einem hohen Preiſe günſtigen,
Verhältniſſe trifft.
c) Oft finden ſich auf Landgütern auch techniſche (gewerkliche)
Nutzungszweige, wie Brennereien, Brauereien, Mühlen, Bleichen
u. dgl. Dieſe können nicht blos eine vortheilhafteſte Verwerthung
der Rohproducte für die eigentliche Landwirthſchaft, ſondern auch
für ſich ſelbſt große Einnahmen geben. Auch ihre Einnahmen in
Geld und Natur ſind mit zu berechnen. Doch aber haben ſie eine
beſondere Bewirthſchaftung.
Der Reinertrag iſt zu finden, wenn nach Abzug der Betriebs-
ausgaben von den Einnahmen ein Reſt der Lezteren übrig bleibt,
und wenn man von dieſem noch in Abzug bringt: 1) die Zinſen
des Betriebscapitals; 2) die Statt findenden Abgänge an Natural
und Geld; 3) etwaige Transportkoſten und damit verbundene Ab-
gaben; 4) Proviſionen, Gebühren u. dgl. mehr. Dieſe Abzüge
ſind von höchſter Bedeutung, aber ſehr verſchieden.
Auch bei dieſer Buchhaltung1) gelten die allgemeinen Grund-
ſätze jeder Buchführung (§. 79–82.). 1) Die gewöhnliche ein-
fache Buch- (Regiſter-) führung beſteht außer dem Jour-
nale und Manuale noch aus einem Geld-, einem Naturalien-
und einem Vieh-Rechnungsbuche. Allein ſie iſt mangelhaft,
da ſie z. B. ſchon kein beſonderes Arbeitsbuch führt. 2) Eine
andere iſt die Tabellarmethode, nach welcher man neben den
Hauptbüchern beſondere überſichtliche Tabellen für Ausſaat,
Ernte, Dünger, Arbeit u. ſ. w. führt, aus denen man die
Poſten in das Hauptbuch überträgt. Aber es iſt 3) die doppelte
Buchhaltung um ſo nöthiger, je complicirter der Betrieb und
ſchwerer die Controle iſt. Iſt ſie eingeführt, ſo liegt es auch in
ihrem Charakter, daß jeder Zweig der Wirthſchaft im Hauptbuche,
gleichſam als Perſon, ſeinen beſondern Conto hat, alſo z. B. in
einer Pachtwirthſchaft ein allgemeiner, und ein jährlicher Pacht-
conto, Getreidebau-, Schäferei-, Kuherei-, Schweine-, Garten-,
Wieſen-, Weide-, Gefäll-, Dienſt-, Brau-, Brenn-, Mühlen-
Conto u. dgl. m. vorkommt. Daneben aber werden ſo viele beſon-
dere Journale (Tagebücher) geführt, als Hauptwirthſchaftszweige
vorhanden ſind, als z. B. ein Caſſa-, Naturalien-, Arbeits-,
Viehzuchts-Journal, Journale für die Nebengewerbe, und ein-
[265] zelne Spezialrechnungen, wie z. B. über Ernte, Druſch, Saat,
Düngung u. dgl. m.
Man muß bei den Landgütern die Ertragsanſchläge von
Gutsanſchlägen unterſcheiden. Jene ſind ſchon im Namen de-
finirt, dieſe aber ſind Schätzungen des wirklichen Capitalwerthes
von Landgütern. Als eine beſondere Art von Gutsanſchlägen
müßten eigentlich die Grundanſchläge erſcheinen, unter denen
man die Beſtimmung des Capitalwerthes der Bodenfläche des Gutes
mit dem Zugehörigen verſteht, wenn man nicht den lezteren Aus-
druck gewöhnlich mit jenem als gleichbedeutend gebrauchen würde.
Die Pachtanſchläge ſind eben ſo nur eine Modification der
Ertrags-, wie die Kaufanſchläge eine ſolche der Gutsanſchläge
ſind. Auch hier dienen Informationen und Auszüge als die
eigentlichen Mittel zum Auffinden derjenigen Thatſachen, welche
zur Fertigung eines Anſchlages unentbehrlich ſind (§. 129 u. 130.).
Man macht die Anſchläge entweder in Pauſch und Bogen oder auf
die Grundlage einer genauen Erörterung des Capitalwerthes und
Ertrages im Einzelnen. Die leztere Methode iſt die müheſamſte,
aber auch die ſicherſte. Auch kann man durch Capitaliſirung des
durch einen Ertragsanſchlag gefundenen Reinertrags den Capital-
werth eines Landgutes bei üblicher Betriebsart berechnen 1).
Man beginnt am beſten mit Beſichtigung aller Realitäten
des Landgutes, um ſpäter durch dieſes Geſchäft nicht mehr auf-
gehalten zu ſein, und läßt ſich die Regiſtratur öffnen und die Wirth-
ſchaftsbücher ausliefern. Hierauf kann die Veranſchlagung der
Gefälle und Gerechtſame folgen. Nach ihr beginnt zuerſt die Ver-
anſchlagung des Feldbaues, dann des Gartenbaues, hierauf der
Viehzucht und endlich der gewerklichen Nutzungen des Landgutes.
Iſt die Klaſſirung (Bonitirung) des Bodens nicht ſchon früher
geſchehen, ſo wird ſie mit Anfang der Veranſchlagung des Feld-
baues vorgenommen. Allein bei allen Zweigen des Betriebes iſt
es gut, ſowohl die Informationen als auch die Auszüge
jedesmal, als Materialſammlungen, voraus vorzunehmen und zu
fertigen. Beim Feldbaue betreffen die Auszüge Saat, Ernte
und Druſch, den Heuerwachs, den Grünfutterwachs, die Ver-
zehrung des Hausgeſindes, deſſen Speiſeordnung, und hiernach
wird die Futter- und Streuberechnung, auf dieſe hin die Quan-
tität des füglich zu haltenden Viehes, dann die Einſaat, die abzu-
gebenden Zehnt- und Zinsfrüchte, der Dreſcherlohn, der Verbrauch
an Naturalien für Arbeitsvieh, Geſinde und Arbeiter berechnet,
worauf die Berechnung des Inventariums in Betreff der Abnutzung
und Unterhaltungskoſten folgt, um ſo den Roh- und Reinertrag
des Feldbaues zu beſtimmen und in eine Rechnung zu bringen.
Bei dem Gartenbaue und den einzelnen Theilen der Viehzucht und
der gewerklichen Nutzungen iſt die Veranſchlagung nicht ſo com-
plicirt im Rechnungs-, Informations- und Auszugsweſen. Unter
dem zu veranſchlagenden Gartenbaue begreift man blos die
Gemüſe- und Obſtgärten. Bei der Viehzucht folgt jedesmal bei
jedem Zweige auf die Ermittelung der Menge des zu haltenden
oder gehaltenen Viehes, die Berechnung des Rohertrages nach den
ſich von ſelbſt ergebenden Nutzungen, und alsdann jene des Rein-
ertrages durch Berechnung und Abzug der Koſten. Daſſelbe iſt
auch allgemeine Regel bei den Gewerksnutzungen des Landgutes.
Sind dergeſtalt alle Reinerträge der einzelnen Zweige des Land-
[267] gutes ermittelt, ſo ſtellt man ſie zuſammen in eine Rechnung.
Das Reſultat iſt aber noch nicht der eigentliche Gutsreinertrag
im Ganzen. Es müſſen vielmehr jetzt erſt noch alle Ausgaben,
Verluſte u. dgl. zuſammengeſtellt und abgezogen werden, welche das
ganze Landgut betreffen. Mit dieſen kommen auch, wenn es nicht
ſchon bei den einzelnen Rechnungen geſchehen iſt, die Zinſen des
Inventariums und jene des Betriebskapitals in Abzug. Der Reſt
iſt der Reinertrag.
Von dieſer Arbeit gilt das bereits oben (§. 131.) Geſagte,
wobei man blos den Gegenſtand, um welchen es ſich handelt, zu
verändern braucht.
Die Forſtwirthſchaftslehre iſt die wiſſenſchaftliche Dar-
ſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die pflanzlichen und
thieriſchen Körper wilder Art mit Unterſtützung der menſchlichen
Kunſt erzeugt und erhalten werden (§. 42.). Die Wald- und
Hainpflanzen und das Wild ſind ihre Gegenſtände. Das wichtigſte
Wild lebt in den Wäldern und kann daſelbſt großen Schaden an-
richten, ſo wie auch leicht die Grenzen der Waldungen überſchrei-
ten. Darum muß das Waidwerk mit der Forſtwirthſchaft betrieben
werden. Die natürlichſte und erſte Ernährungsart der Menſchen,
ehe ſich das zeigt, was man Gewerbe nennt und erſt beim Beginne
der Landwirthſchaft bemerkt, iſt die Jagd. Weil aber in den
Urzeiten der Erdboden überall, wie noch in Amerika zu bemerken
iſt, mit Wäldern überſäet war, blieb der Gedanke an den Wald-
betrieb ſo lange ferne, als man nicht wegen Ueberhandnahme der
Bevölkerung einen Holzmangel befürchtete oder fühlte. So kam es
denn, daß in unſeren abendländiſchen Staaten ſelbſt jetzt noch
fühlbar iſt, daß früher die Forſtleute hauptſächlich Jäger waren,
denen man auch den Hieb der Waldungen überließ. Nebenbei war
das Forſtweſen zu einem Regale geworden und die Privaten
[268] beſaßen wenige oder gar keine Waldungen. Geſellt ſich endlich
noch der Umſtand hinzu, daß ſich über die Waldwirthſchaft nur in
einigen Jahrzehenten Verſuche und Erfahrungen genügender Art
machen laſſen, ſo iſt leicht einzuſehen, warum die Forſtwirthſchafts-
lehre erſt vor 120 Jahren in dem Bereiche der Möglichkeiten er-
ſchien, erſt eigentlich in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
anfängt, dieſen Namen zu verdienen, und endlich im lezten Fünft-
theile deſſelben ſich wirklich in die Reihe der Wiſſenſchaften ſtellen
durfte1). Es hat ſich beſonders Beckmann (1756) nebſt ſeinen
Beurtheilern Büchting und Käpler, dann auch Moſer (1757),
Cramer (1766), Gleditſch (1774) um ihre Bearbeitung viele
Verdienſte erworben. Allein erſt v. Burgsdorf ſchrieb ein Syſtem
derſelben, und gründete ſo die Wiſſenſchaft, um deren Bearbeitung
und Förderung ſich neuerdings mehrere Theoretiker und Praktiker
in hohem Grade verdient gemacht haben2). Jedoch die Natur
dieſer Wiſſenſchaft und die Unordnung, mit welcher man in
früherer Zeit zum Theile in den Waldungen wirthſchaftete, zum
Theile Erfahrungen ſammelte, ſind die Gründe, warum eigentlich
bis auf den heutigen Tag noch mehr dunkle als aufgeklärte Plätze
im Gebiete der Forſtwiſſenſchaft ſind, trotz dem daß die beſon-
dere Forſtwirthſchaft einzelner Länder und Gegenden für die
allgemeine Forſtwiſſenſchaft viele Beobachtungen darbietet und
die Leztere die Naturgeſchichte, Mathematik, Phyſik und
Chemie durch beſondere Anwendung ihrer Lehrſätze als weſent-
liche Theile in ſich hineingezogen hat.
Die forſtwirthſchaftliche Gewerbslehre iſt eine ſyſtematiſche
Erklärung der Grundſätze und Regeln, wonach, ohne Rückſicht auf
beſonderen zuſammenhängenden gewerblichen Betrieb, die Mittel
zum Waldbaue und zum Waidwerke am beſten beſtellt, die Wald-
pflanzen und das Wild am zweckmäßigſten behandelt, und ihre
Erträge am beſten eingezogen und aufbewahrt werden. Sie zerfällt
darum in die Waldbaulehre und Wildbahnlehre, wovon die
Erſtere ſich wieder in die Forſtbaulehre und Hainbaulehre
(Lehre von den Luſtgärten) theilt. Auch hier wird die Tren-
nung der Grundſätze in allgemeine und beſondere von der
Sache ſelbſt verlangt (§. 133.).
Die allgemeine Forſtbaulehre zerfällt eben ſo wie die
allgemeine Feldbaulehre (§. 133. a.), nur mit beſonderem Bezuge
auf die Eigenthümlichkeiten der Forſte.
Hier gilt daſſelbe, was ſchon oben in der Landwirthſchaftslehre
darüber (§. 134–138.) geſagt iſt1).
Eine Haupteigenthümlichkeit des Waldbaues iſt, daß derſelbe
keinen Dünger bedarf, weil durch die Abfälle der Waldpflanzen
ſich der Humusgehalt des Bodens erneuert. Daher findet hier nur
eine mechaniſche Agricultur Statt. Auch zum Anbaue der Wald-
pflanzen iſt das Urbarmachen des Bodens nöthig. Da ſich aber
demſelben die nämlichen Hinderniſſe darbieten, wie dem Feldbaue,
ſo werden gegen dieſe auch dieſelben Mittel ergriffen. Nur er-
ſtrecken ſie ſich in der Regel auf größere Flächen, als beim Land-
baue (§. 139.). Man bebauet ſogar den zu Wald beſtimmten Boden
vor ſeiner Benutzung hierzu und nach ſeiner Urbarmachung, mit
Feldpflanzen, als Kartoffeln, Roggen, Hafer, Buchweitzen, wozu
man ihn ganz landwirthſchaftlich herrichtet, wenn man dem Boden
wegen ſeiner Lage mit den Ackergeräthen zukommen kann. Oefters
aber geht dies nicht an und fehlt das Saatkorn für ſo große
Flächen, wenn man auch vor Thier- und Wetterſchaden geſichert
wäre1).
Sei es nun, daß ein Boden ſchon urbar iſt, oder aber beur-
bart wurde, oder endlich ſo wenig verwildert liegt, daß die Urbar-
machung mit der Bearbeitung Hand in Hand gehen kann, ſo löſen
ſich ſämmtliche agricultoriſchen Geſchäfte in folgende auf: a) das
bloße oberflächliche Aufkratzen des Bodens vermittelſt der Hand-
[271] rechen und Straucheggen1). b) Das bloße oberflächliche Reinigen
des Bodens von Geſtrippe und Unkraut vermittelſt des Abhauens,
Abraufens, Abſchneidens und Abſengens2); c) das Abſchwülen
oder Abplaggen deſſelben, d. h. indem man ihn 1–1½ Zoll
tief abſchürft, die ſo entſtehenden Plaggen verdorren läßt, und
wenn dies geſchehen iſt, ausklopft und verbrennt3); d) das Hai-
nen, d. h. das 2 Zoll tiefe ſtreifenweiſe Abſchälen der Oberfläche
vermittelſt der Hainhacke4); e) das Pflügen des Bodens,
wenn er von Steinen und Wurzeln frei und für Saat- und
Baumſchulen beſtimmt iſt. Je nach der Beſchaffenheit des Bodens,
nach der Art, Größe und Stärke des Ueberzuges mit Geſtrippe,
Gebüſch, Moos und Gräſern wendet man dieſe verſchiedenen Ar-
beiten an, und zwar ſowohl einzeln als in wechſelſeitiger Verbin-
dung. Die Bearbeitung des Bodens dadurch iſt aber entweder
eine volle oder eine ſtreifenweiſe oder plaggenweiſe, je
nachdem es der Boden bedarf5).
Man überläßt entweder die Ausſaat der Natur, damit dieſe
von freien Stücken den Wald durch Saamenausfall und durch
Ausſchlagen der Holzſtöcke erhält und man blos ſpäter der Pflanzen
zu pflegen hat (natürliche Holzzucht) oder aber man ſäet die
[272] Waldfläche ein und pflegt alſo der Holzpflanzen künſtlich bis zur
Benutzung (künſtliche Holzzucht). Dieſe leztere Methode wird
aber auch öfters nöthig1). Man kennt auch hier nur zwei Haupt-
methoden der Fortpflanzung (§. 150.), nämlich jene:
a)Durch die Saat. Bei derſelben iſt hauptſächlich zu be-
rückſichtigen: 1) die Jahreszeit der Saat. Es finden hier
dieſelben Rückſichten Statt, deren bereits (§. 150.) erwähnt iſt.
Auch hier hat die Natur die Linien vorgezeichnet, denen man zu
folgen hat. Denn der natürliche Saamenausfall von den Bäumen,
der theils im Herbſte theils im Frühjahre Statt findet, gibt auch
die natürliche Saatzeit an. 2) Die Art und Beſchaffenheit
des Saamens. In Betreff der Wahl der Erſteren kommt es
auf klimatiſche und agronomiſche Verhältniſſe2), bei der Lezteren
aber darauf an, daß man reifen, nicht zu alten, keimfähigen, in
der Aufbewahrungszeit nicht verdorbenen Saamen nehme3). 3) Die
Menge des einzubringenden Saamens. Dieſelbe iſt bei den
einzelnen Holzpflanzen verſchieden, und richtet ſich aber nach der
Größe und Natur der Pflanzen, nach den klimatiſchen Verhält-
niſſen, nach der Beſchaffenheit und Bearbeitung des Bodens, nach
der Jahreszeit der Saat, nach der Art der Vertheilung und Unter-
bringung des Saamens, nach der Güte deſſelben und nach dem
Schutze, welchen man der Saat gegen äußere ſchädliche Einflüſſe
des Klima und der Thiere zu geben vermag4). 4) Die Art der
Vertheilung des Saamens. Man ſäet nur breitwürfig. Aber
man unterſcheidet die Voll- (Breit-) von der Streifen- und
Plaggenſaat, je nachdem man eine Waldfläche ganz oder nur
in Theilen beſäet, ein Umſtand, der ſchon bei der Bodenbearbeitung
(§. 223. a. E.) vorgeſehen war. Jedoch auch bei der Vollſaat
ſteckt man der Regelmäßigkeit halber den Säern Saatgänge
vor. 5) Das Unterbringen deſſelben. Dabei iſt die Art und die
Tiefe des Unterbringens zu berückſichtigen. Abgeſehen davon, daß
hier auch die Größe des Saamens entſcheidet, ſo werden beide
Rückſichten dadurch beobachtet, daß man je nach Erforderniß der
Saamenart entweder durch Schnee und Regen einſchlemmt, die
beſäete Fläche mit der Strauchegge oder Reiſigbüſcheln überfährt,
den Saamen durch Menſchen oder Thiere antreten läßt, mit dem
Rechen unterharkt, oder mit der Hand und Handgeräthen einhackt
und einſcharrt5).
b)Durch die Pflanzung. Sie iſt zwar theurer als die
Saat, allein vortheilhafter angewendet: 1) wenn die ſo eben ge-
nannte Schonung nur kurze Zeit angewendet werden kann; 2) wenn
der Anflug (junge Keimpflänzchen) leicht erſticken könnte; 3) wenn
die Blößen zwiſchen altem Holze zu klein ſind, als daß man das
Aufziehen der Bäume aus Saamen mit Sicherheit erwarten
dürfte, und 4) wenn empfindliche Holzarten überhaupt oder auf
ungünſtige Lagen gepflanzt werden ſollen1). Man pflanzt aber:
Baumſtark Encyclopädie. 18
[274] 1) Entweder Pflänzlinge, d. h. wirkliche, beſonders aus Saa-
men gezogene, bewurzelte junge Baumpflanzen. Sie werden in
Pflanzſchulen gezogen. Dazu muß eine paſſende Stelle gewählt
und eingefriedigt werden, in welcher man den Boden ſorgfältig
bearbeitet, und die Pflänzlinge mit Schonung und Reinlichkeit er-
zogen werden2). Iſt dies ſo weit geſchehen, daß ſie verpflanzt
werden können, was von der Größe derſelben abhängt, ſo iſt eine
beſondere Sorgfalt anzuwenden, in Betreff der Jahreszeit und Art
des Aushebens derſelben, des Fortſchaffens und Vertheilens der-
ſelben, ihres Beſchneidens, des Aufgrabens der Pflanzlöcher, des
Einſetzens der Pflänzlinge, ihrer gegenſeitigen Entfernung auf dem
Waldboden, der Befeſtigung derſelben im Boden, und ihrer näch-
ſten Wartung3). 2) Oder Stecklinge, d. h. größere oder klei-
nere Baumäſte, welche, in die Erde geſteckt, Wurzeln treiben,
wie z. B. von Weiden, Pappeln. Sie ſind entweder Setzſtangen
(größere Aeſte von 8–10 Zoll Länge und 2 Zoll Dicke) oder
Setzreiſer (eigentliche Stecklinge, d. h. kleinere Aeſte und Zweige
von drei Jahren und 15–30 Zoll lang)4). 3) Oder endlich
Ableger, wenn man nämlich Aeſte, ohne ſie vom Stamme zu
trennen, an einer Stelle ſo mit Erde umwickelt oder in den Boden
gräbt, daß ſie Wurzeln zu ſchlagen vermögen5).
Die weitere Pflege der Holzpflanzen (§. 151.) hat zum Zwecke,
in der kürzeſten Zeit mit den geringſten Koſten, ohne die Wald-
wirthſchaft zu zerſtören, den größten Naturalertrag aus denſelben
zu beziehen und den Wald nachhaltig zu machen. Die verſchie-
denen Arten der Holzzucht hängen alſo außer von äußeren Um-
ſtänden noch von der Natur und Beſchaffenheit der Holzpflanzen
ab. Es muß alſo vor der Anwendung irgend einer Methode der-
ſelben folgendes berückſichtigt werden: a)Der Organismus
der Holzpflanzen. Dieſelben beſtehen aus Holz- und Rinden-
18 *
[276] körper. Zu dem Erſteren gehört das Mark (ein ſaftiges, nur
bei jungen Pflanzen vorhandenes, Zellengewebe), und das Holz
(ein harter, das Mark zunächſt umgebender, aus Zellen und
Spiralgefäßen beſtehender Körper), welches jährlich in concentri-
ſchen Ringen anſetzt, von denen der äußerſte jüngſte und weichſte
der Splint(Alburnum) heißt. Zu dem Anderen gehört der Baſt
(Liber), welcher ſich gerade außerhalb an den Splint anſchließt
und aus ſehr feinem ſchlauchförmigem Zellgewebe und ſo vielen
dünnen Häuten beſteht, als das Holz Jahre alt iſt, — die Rinde
(Cortex), welche die äußere Bekleidung des Stammes ausmacht,
— und die Oberhaut(Epidermis), welche bei jungen Bäumen
gefunden wird und zuletzt noch die Rinde umſchließt. b)Die
äußere Form der Holzpflanzen. In dieſer Hinſicht unter-
ſcheidet man die Bäume (mit einem Stamme), Sträuche (mit
oder ohne Hauptſtengel) und die Stauden (Halbſträuche). Die
Wurzeln ſind entweder Pfahl-, Seiten- oder Saugwurzeln. In
Betreff der Bekleidung der Zweige unterſcheidet man Laub- und
Nadelhölzer, deren weſentlicher innerer Unterſchied jedoch darin
beſteht, daß der Pflanzenſaft bei jenen wäſſerig, bei dieſen aber
harzig iſt, und daß jene ein beſſeres Reproductionsvermögen haben
als dieſe, welches ſich in der öfteren Erneuerung der Blätter und
darin zeigt, daß ſie nach dem Abhauen des Stammes aus dem
Stocke Schößlinge und Blätter treiben können1). Auf dieſen Ei-
genthümlichkeiten beruhet der Unterſchied und die Behandlung des
Hochwaldes, Niederwaldes, Mittelwaldes, Kopfholz-
waldes, der Hecken und der Uebergang von einem zum andern.
Das Charakteriſtiſche derſelben iſt, daß man die Hölzer ihr
volles Wachsthum und ein ſolches Alter erreichen läßt, daß ſie bei
der Abholzung durch den natürlichen Auswurf von Saamen ſich
wieder vollſtändig erneuern können. Daher muß der Raum der
Baumkronen über dem Waldbeſtande ſo vor einem dichten gewölb-
ten Schluſſe bewahrt werden, daß Licht und Feuchtigkeit, ſo viel
zum Aufkommen der jungen Pflänzchen nöthig iſt, auf den Boden
eindringen können. Daher müſſen Baumfällungen oder Hiebe Statt
finden, welche man Saamen- (oder dunkle) Schlagſtellung
[277] nennt, und es muß dabei das Aufkommen der Forſtunkräuter ver-
hütet werden. Man wählt zum Hiebe begreiflicher Weiſe die be-
ſchädigten tiefäſtigen und ſaamenarmen Bäume. Dieſe Lichtſtellung
geſchieht entweder ſogleich nach dem Saamenabfalle, oder auch
ſchon früher, einige Jahre vor dem zu vermuthenden Saamen-
abfalle. Wenn Lezterer erſt ſpät eintritt, ſo wächst anſtatt des
Anfluges das Unkraut, indem es den Saamenhieb benutzt; und doch
iſt man oft wegen Holzbedarf dazu genöthigt. Damit der Saamen
beſſer keimen kann, iſt es gut, die Decke von Moos und Laub auf
dem Boden vorher zu erhalten, oder den Boden mit Rechen ein
wenig zu verwunden. Je mehr der Anflug oder Aufſchlag wächst,
deſto nothwendiger wird ihm das Licht. Daher müſſen von den
Saamenbäumen nach und nach wieder periodiſch ſelbſt welche aus-
gehauen werden. Dieſe Operation heißt man Lichtſchlagbeſtel-
lung, und den Platz derſelben Lichtſchlag. Sie geſchieht im
Herbſte. Aber in dieſer Periode darf in dem Schlage weder Vieh-
hütung noch Streu- und Grasſchnitt Statt finden. Iſt endlich
das neue Holz über die Gefahren des Klima hinausgewachſen, ſo
wird die noch übrige Maſſe von Schutz- und Saamenbäumen vol-
lends ausgehauen, und dieſe Operation heißt Abtriebsſchlag.
Die unbeſaamt gebliebenen Plaggen werden dann künſtlich beſäet
(§. 224.). Je mehr das junge Holz raſch fortwächst, deſto dichter
wird es ein Ueberzug über den Boden. Man ſagt, es ſchließe
ſich, und nennt es junges Dickigt. Jedoch bald ſtechen die
Stämmchen hervor und unterdrücken anderen Nebenwuchs und
Nachbaren. Man ſagt, das Dickigt ſchneidle ſich aus und
nennt es Reidelholz. In dieſer Periode bildet ſich auch die
natürliche Bedüngung durch Abſterben und Verweſen der unter-
drückten Stöcke. Um aber den hervorſtechenden Stämmen mehr
nachzuhelfen, wird das abgegangene Holz ausgehauen, und dieſe
Operation heißt Durchforſten (dunkles Pläntern)2).
Das Bezeichnende für dieſelbe iſt, daß man in gewiſſen Perioden
die herangewachſenen Waldbeſtände über der Wurzel abhaut, ſo
daß ſich der Stock durch Lohdentrieb aus den Wurzeln und durch
das Ausſchlagen des Stockes verjüngen kann. Wie oft nach jedes-
maligem Abhiebe ein Ausſchlag erfolgt, läßt ſich allgemeinhin nicht
beſtimmen. Der Leztere findet in der Zeit zwiſchen dem Ausbruche
des Laubes und der Mitte des Juli Statt. Geſchieht der Hieb
vor dem Laubausbruche unmittelbar, ſo entſteht das Bluten
(Saftrinnen) des Stockes, welches in ein Verbluten (oder Er-
ſticken im Safte) ausarten kann, wenn es an Sonne und Licht
mangelt2). Die Niederwaldwirthſchaft paßt auf mageren oder
nicht tiefen Boden, weil in ihr das Holz weder einen ſo tiefen
Stand, noch ſo viel Nahrung bedarf als im Hochwalde, und weil
der niedere Holzſtand eine beſſere Bodenbeſchattung bewirkt. Dieſe
Art Holzzucht kann alſo im Hochgebirge, aber auch in rauhem
Klima darum noch leicht Statt finden, weil die Hölzer nicht hoch
zu wachſen haben. Sträuche ſind aber überhaupt dazu ſehr brauch-
bar. Die beſte Zeit des Wiederausſchlages (des Umtriebes) iſt
jedoch nach der Natur der Holzgattung verſchieden. Allein je länger
der Umtrieb verſchoben werden kann, wenn das Holz recht im
Wachſen iſt, deſto vortheilhafter wird es an ſich ſein in Bezug auf
den Holzertrag. Die gewöhnlichen Umtriebsperioden ſind 10, 20,
30, 40 bis 45 Jahre. Man hat einen Saft- und einen Herbſt-
oder Winterhieb, je nachdem man kurz vor dem Laubausſchlage
oder kurz nach dem Laubabfalle fällt. Im Vorſommer den Hieb
anzuwenden verdirbt den Ausſchlag. Die andere Wahl hängt von
beſonderen Umſtänden ab. Bei der Ausführung des Abtriebes darf
der Stock, der bei jungem Beſtande tief, bei altem aber höher
geſchehen muß, nicht zerſplittert werden und der Hieb muß glatt
ſein. Reine Niederwaldwirthſchaft findet Statt, wenn man alles
[279] Holz auf der Wurzel haut und dieſe ganze Fläche einen neuen
Stockausſchlag (Unterholz) bildet. Man läßt aber oft einzelne
Stangen in gegenſeitiger Entfernung von 15–20 Schritten (ſo-
genannte Lasreidel) ſtehen, die man erſt beim nächſten Umtriebe
nimmt und durch andere vertauſcht.
Sie iſt ein Mittelding zwiſchen den beiden genannten (§. 227.
228.), indem man zwiſchen den Stöcken des Niederwaldes (Un-
terholz) zerſtreute Hochſtämme (Oberholz) ſtehen läßt, wie ſie
im Hochwalde vorkommen. Man verbindet dabei die Vortheile
jener beiden Wirthſchaftsarten, beſonders da das Oberholz dem
Unterholze Schutz und Schatten gewährt. Die Regeln der genann-
ten Wirthſchaftsmethoden kommen alſo hier vermiſcht vor. Man
liebt als Oberholz die ſchön und kräftig gebildeten, nicht zu
äſtigen, Holzſorten. Wenn man aber für jede Umtriebszeit auch
Oberholz zu ſchlagen haben will, ſo muß man auch Stämme von
verſchiedenen Altersklaſſen haben, die jedoch ſämmtlich dem Unter-
holze voraus ſind. Das Oberholz von einer Umtriebszeit heißt
man Lasreidel, von 2 und mehr Umtriebsperioden aber Ober-
ſtänder, und in der Folge, wie das Alter um eine Umtriebszeit
zunimmt, angehende Bäume, Hauptbäume, alte Bäume.
Es iſt leicht erſichtlich, daß die Anzahl der Stämme von dieſen
Altern je mit dem Alter ſelbſt im umgekehrten Verhältniſſe ſteht,
denn von den jüngern geht immer eine gewiſſe Zahl bis zum
vollen Alter zu Grunde und werden auch manche beim Hiebe früher
mitgenommen. Je mehr man, ohne Schaden des Unterholzes
durch die Dichtigkeit des Kronſchirmes, der keine oder wenig
Feuchtigkeit durchläßt, Oberholz bauen kann, um ſo vortheilhafter
iſt der Mittelwald2). Man hat alſo bei der Frage über die Stärke
der Beſetzung mit Oberholz zuerſt auszumitteln, wie viele Jahre
[280] eine Holzſorte zu einer beſtimmten Ausbildung brauche, wie groß
die Krone derſelben in beſtimmten Altern ſei, welche Fläche ſie
alſo beſchirmen werden (Schirmfläche), wie groß die Schirmfläche
ſämmtlicher Stämme einer Klaſſe ſein werde, wie viel auf der
Fläche des Schlages Schirm ſein darf, und wie viel man alſo
auf dieſelben Bäume jeder Klaſſe ſetzen darf. So entſtehen nun
die Bewirthſchaftungspläne für den Mittelwald unter Annahme
einer beſtimmten Periode und Fläche.
Dieſelbe beſteht darin, daß man durch periodiſches Abhauen
der Aeſte gegen dem Kopfe des Baumes das Wiederausſchlagen am
Stamme bewirken will. Man wird dieſe Methode auch dort alſo
anwenden können, wo man die Bodenfläche zu Viehweide verwen-
den will und das Holz nicht gegen Wildſchaden bewahren könnte,
wenn es niederſtehende Aeſte hätte. Dieſelbe iſt durchaus künſtlich,
indem man die Bäume auf die Fläche in ſolche Entfernungen ſetzt
daß zwiſchen ihren Kronen einige Fuße Zwiſchenraum bleibt. Die
Umtriebszeit iſt 5, 10, 15, 20–30 Jahre, welche beide Lezteren
ſchon zu den Seltenheiten gehören. Der Hieb findet, wann ſonſt
(§. 228.), auch Statt. Man haut entweder blos die Seitenäſte
der Krone ab (Schneideln), oder man nimmt die ganze Krone
bis auf 6–10 Fuße über der Erde2).
Die Zucht der Hecken, wozu man blos Geſträuche brauchen
kann, iſt in doppelter Hinſicht, nämlich als Mittel zur Einhegung
in Feld und Wald und als eine Art von Holzzucht, wichtig. Um
ſie recht betreiben zu können, muß man Holzarten wählen, welche
bei bedeutender Ausſchlagfähigkeit aus Wurzeln und Gerten einen
ſperrigen Wuchs haben und gut zu beſchneiden ſind. Hauptſache
bei der Pflanzung iſt aber, daß man dem Boden entſprechende
Geſträuche nimmt. Man erzieht die Stöcke entweder in Pflanz-
ſchulen oder man nimmt ſie aus Schonungen, um ſie zu verſetzen.
Zu dieſem Zwecke zieht man um den einzufriedigenden Platz zuerſt
einen Graben, und wirft den Ausſtich nach innen. Denn auf die-
ſen, wenn er hinlänglich eben gemacht iſt, ſetzt man die Pflanzen
1–2 Fuß auseinander, ſchlägt in der Entfernung von 1 Ruthe
jedesmal einen Pfahl ein und verbindet dieſe gegenſeitig immer
mit einer Querlatte in einer Höhe von 3–4 Fuß, zum Anheften
der Pflanzen. Alles Folgende beſteht nun noch im Beſchneiden,
Formen, Verflechten und Ergänzen der Hecken durch neue Ein-
pflanzungen1).
Die Holzarten lieben ſelbſt oft einen Wechſel in der Beſteckung,
ſo daß die Natur ſelbſt eine Umwandlung vornimmt; und oft ſind
Umwandlungen die Folge von ſchlechter Waldwirthſchaft.
Von dieſen Arten der Umwandlung iſt hier nicht die Rede, ſon-
dern vielmehr von dem abſichtlichen und kunſtmäßigen Ueber-
gange aus einer Wirthſchaft in die andere. 1) Zum Ueber-
gange vom Hochwalde in Nieder- und Mittelwald muß
man zuerſt wiſſen, ob derſelbe noch das rechte Alter zum Stock-
ausſchlage hat oder nicht. Im erſten Falle treibt man den Wald
[282] bis auf die Stöcke ab (man ſetzt ihn auf die Wurzel), und läßt,
wenn es einen Mittelwald geben ſoll, ſo viel Lasreidel ſtehen, als
zur Beſchirmung nöthig ſind, nimmt aber, wenn es einen reinen
Niederwald geben ſoll, ſelbſt auch dieſe hinweg. Im zweiten Falle
muß durch Saamenſchlageinrichtung für den Nachwuchs geſorgt
und, um Mittelwald zu bilden, geſundes Baumholz ſtehen gelaſſen
werden. 2) Zum Uebergange vom Niederwalde in den
Hochwald muß zuerſt ausgemacht ſein, daß noch aus dem Unter-
holzbeſtande ein geſchloſſener Hochwaldbeſtand gebildet werden kann.
Man nimmt dann das zu Stammholz unbrauchbare Unterholz her-
aus, und füllt die ſo periodiſch entſtehenden Lücken durch Pflanzung
aus, wenn der umzuwandelnde Strich klein und für ſich beſtehend
iſt. Eine beſondere Aufmerkſamkeit verdient aber das Verhältniß
der Altersklaſſen der Bäume, wenn der umzuwandelnde Wald
ſpäter für ſich ein Ganzes in der Bewirthſchaftung bilden ſoll.
Dazu gelangt man am ſicherſten, wenn man den Niederwald in
regelmäßigen Parthien (Schlägen) nach und nach jährlich abtreibt
und in jedem ſolchen Schlage ſo viel Stämme oder Lasreidel
ſtehen läßt, als zu einer gehörigen Beſchirmung durch Schluß
nöthig ſind. Das Wichtigſte dabei iſt aber, daß man den Beſtand
in ſo viele Schläge theilt, daß nach dem Umtriebe die beim Ab-
triebe jedesmal gebliebenen Bäume Saamen zu tragen beginnen
können. 3) Zum Uebergange vom Mittelwalde in den
Hochwald iſt ein ſehr vielfach abweichendes Verfahren nöthig,
weil die Verhältniſſe der Mittelwaldbeſtände äußerſt verſchieden
ſind. Das Unterholz ſtirbt allmälig aus, wenn das Oberholz der
Menge und Beſchirmung nach überſchritten wird. Man hat ſo von
der Natur ſelbſt den Gang bei dieſer Umwandlung im Allgemeinen
vorgezeichnet. Es muß demnach das Unterholz abgetrieben und nur
derjenige Theil von Lasreideln ſtehen gelaſſen werden, der noch
zur Vervollſtändigung des Hochwaldſchluſſes dienen muß. Auch
kann man den Hochwald durch Beſaamung beginnen und wendet
jedenfalls auf Blößen die Pflanzung an. Sehr zweckmäßig ſind
beſonders bei Umwandlung großer Waldungen die Eintheilungen
der ganzen für den künftigen Hochwald einzuführenden Umtriebs-
zeit in mehrere Perioden, und die Wahl der Waldparthien, welche
in dieſen Perioden verjüngt werden ſollen. So entſtehen dann ſo
viele Altersklaſſen in den Beſtänden, als Perioden gemacht wurden.
Es iſt leicht wahrzunehmen, daß die Mittelwaldwirthſchaft noch in
den nächſten Perioden während der Umwandlung fortgeführt wird.
Wenn die Holzzucht gedeihen ſoll, ſo müſſen nicht blos die
poſitiven Bedingungen des Wachsthumes der Bäume erfüllt, ſon-
dern auch möglichſt alle Gefahren, welche daſſelbe hindern oder
zerſtören könnten, abgehalten werden. Das iſt der Zweck des
Forſtſchutzes1), der wegen ſeiner großen Wichtigkeit in der
Forſtwiſſenſchaft eine ſehr bedeutende Stelle einnimmt. Die Thä-
tigkeiten und Maßregeln deſſelben richten ſich nach der Art der
Gefahren. Dieſe ſind folgende:
1) Gefahren von Seiten der Menſchen. Sie beziehen
ſich entweder auf das Eigenthum ſelbſt, oder auf die Nutzung des
Waldes, oder auf beide zugleich. Zum Schutze des Waldeigen-
thums dienen die verſchiedenartigen Grenzen, als Haupt-,
Beholzungs-, Weide-, Behutungs-, Jagdgrenzen u. dgl., welche
man durch äußere Zeichen andeutet. Die Nutzung wird gefähr-
det ſowohl durch Mißbrauch der Hauptnutzungen (z. B. ſchlechte
Waldwirthſchaft irgend einer Art) als auch durch Mißbrauch der
Nebennutzungen (Weide, Gras, Streu, Laub, Mäſtung, Rinden-
ſchälen, Saft- und Harzreißen, Jagd u. dgl.). Beides zugleich
iſt gefährdet durch Diebſtahl, andere Waldfrevel, Brand u. dgl.
Hier ſind gute Polizeigeſetze zum Schutze nöthig.
2) Gefahren von Seiten der Thiere. Der Schaden
entſteht zum Theile von vierfüßigen Thieren2), zum Theile von
Vögeln3), zum Theile von Inſekten4) und zum Theile von
Schmetterlings- und Blattweſpen-Raupen oder Larven5). Die
Mittel gegen dieſelben finden ſich zum Theile in der Natur ſelbſt,
indem dieſe durch Witterung und andere Thiere, welche jenen
Feind ſind, dagegen wirkt, zum Theile ſind ſie künſtlich, entweder
indem man die Feinde ſolcher Thiere hegt, oder indem man die
ſchädlichen Thiere zu entfernen und ihren Verheerungen vorzu-
beugen ſucht. Man hat dazu aber ſehr viele verſchiedene Wege.
3) Gefahren von Seiten der Natur im Allgemeinen.
Es gehören hierher vor Allem die Krankheiten der Bäume6), die
Schaden durch klimatiſche Veränderungen7) und durch Natur-
ereigniſſe8). Auch für dieſe Fälle ſind ſo viele Mittel angerathen,
daß ſie hier nicht erwähnt werden können.
Die ganze Forſtnutzung zerfällt in die Haupt- und in die
Nebennutzungen. Die Hauptnutzung iſt der Ertrag an Holz
[285] für den Landbau, Waſſerbau, Erd- und Grubenbau, Schiffsbau,
Maſchinenbau, Bloch- und Schnittbau, für Handwerkszwecke, Wirth-
ſchaft und Geſchirre. Es iſt durchaus nicht gleichgiltig, wann das
Holz geſchlagen wird. Denn der Ertrag iſt immer noch im Stei-
gen, ſo lange der Baum nicht ſeine Vollkommenheit erreicht hat,
und nimmt alsbald ſteigend ab, wenn er über dieſe Periode hinaus
ſtehen bleibt. Die Zeit der Haubarkeit, welche im einzelnen
Falle nicht blos nach der Natur der Holzarten, ſondern auch nach
der Art der Waldwirthſchaft (§. 227–232.) verſchieden iſt, rich-
tet ſich im Allgemeinen alſo nach natürlichen und nach wirthſchaft-
lichen Umſtänden. Daher unterſcheidet man die natürliche und
die wirthſchaftliche Haubarkeit. Jene tritt ein, ſobald das
Wachsthum der Bäume den höchſten Zuwachs erreicht hat, und iſt
äußerlich zu erkennen2). Dieſe aber tritt ein, wenn der Hieb
von den Regeln einer nachhaltigen Wirthſchaft geboten wird, folg-
lich wenn die größte Holzmenge erzielt werden kann, wenn der
größte Erlös zu erwarten iſt, und wenn die Reproduction dadurch
nicht vernichtet wird, weßwegen der Hieb nicht Statt finden ſoll
vor dem Tragen reifer Saamen oder ſo lange die Saamen- oder
Schößlingserzeugung dauert, je nachdem das Eine oder Andere
von der Art der Waldwirthſchaft verlangt wird.
Es iſt leicht einzuſehen, daß hier nicht von dem Hiebe, als
dem weſentlichen Theile einer Art von Waldwirthſchaft, ſondern
nur von Operationen und Rückſichten die Rede ſein kann, welche
bei der Fällung des Holzes Statt finden müſſen. Es leiten dabei
folgende Regeln: 1) In Betreff der Anordnung des Hiebes.
Man darf den Wald nicht auf einmal ganz abhauen, ſondern muß
jährlich oder periodiſch nur einen Theil des ganzen Waldbeſtandes
dem Hiebe unterwerfen, um nach gleichen Perioden gleichviel Holz
[286] zu gewinnen. Der Hieb darf nicht regellos geſchehen, ſondern es
muß dabei eine beſtimmte Ordnung gehalten werden. Iſt nun
eine regelmäßige Waldwirthſchaft eingeführt, ſo wird nach der
Regel gehauen, welche derſelben zu Grunde liegt. Iſt eine bis-
herige Waldwirthſchaft in eine andere zu verwandeln, ſo geſchieht
der Hieb nach den Uebergangsgrundſätzen. Iſt ein Gehölz oder
ein Forſt in Betreff des Alters, der Größe und Art des Holzes
ganz unregelmäßig bewachſen, ſo muß er für die Zukunft ſobald
als möglich in einen geregelten Beſtand verwandelt werden. In
dieſem Falle geſchieht der Hieb nach den Grundſätzen zur Anlage
der ſpäteren Wirthſchaftsart, und die Wahl der nächſten Wirth-
ſchaftsart hängt von dem jetzigen Beſtande des Waldes ab, welcher
auch nach allen Beziehungen ſo mangelhaft ſein kann, daß man
eben das Holz ſämmtlich abtreiben und einen ganz neuen Wald-
beſtand anfangen muß. 2) In Betreff der Bezeichnung der
Bäume, Sträuche oder Waldſchläge, welche gehauen werden ſollen.
Man nennt dieſes das Anweiſen, und hat dazu allerlei Zeichen,
z. B. auch das Anſchlagen mit der Axt. 3) In Betreff der
Jahreszeit des Hiebes. Dieſe liegt zwiſchen dem Abfallen des
Laubes und ſeinem Wiederausbruche. Geſchickter iſt dieſe Fällung
in ſoferne, als das im Winter gefällte Bauholz im Walde nicht
leicht ſtockig wird, das ſo gefällte Handwerksholz wegen des lang-
ſamen Austrocknens nicht leicht Riſſe bekommt, und das Brennholz
an Brennkraft gewinnt. Das Erſtere trocknet dagegen auch, wenn
es im Winter gefällt iſt, nicht ſo leicht aus, wie das im Sommer
gefällte; das Andere wirft ſich, im Safte gefällt, nicht ſo ſehr,
wenn es hinlänglich ausgetrocknet iſt; und das Leztere brennt
beſſer, wenn es im Sommer ſaftig gehauen und zur Trocknung
gut aufbewahrt iſt. 4) In Betreff der Führung des Hie-
bes. Durch die Fällung ſollen weder die gefällten Bäume ſelber,
noch das ſtehende Ober- und Unterholz beſchädigt werden. Man
muß ſuchen vom Stamme ſelbſt ſo viel als möglich zu benutzen.
Daher ſtrebt man darnach, die Bäume ſo tief als möglich, ſelbſt
ſammt den Wurzeln zu fällen. 5) In Betreff der Räumung
der Hiebsfläche. Zum Theile wegen der Erhaltung des gefällten
Holzes ſelbſt, zum Theile und hauptſächlich wegen des ungehin-
derten Fortwachſens und wegen der Verhütung von Beſchädigungen
in den Schlägen jeder Art iſt die ſchleunigſte Hinwegſchaffung der
Stämme, das baldige Ausroden der Wurzelſtöcke, Zuſammenſchla-
gen der Aeſte und Aufleſen der Holzſpähne eine Hauptregel. Sehr
gut iſt es, wenn man dazu im Walde recht gute Transportmittel
hat. Es muß aber ſchon bei der Führung des Hiebes, und ſelbſt
[287] ſchon bei der Eintheilung des Waldes in Schläge hierauf Rück-
ſicht genommen werden.
Das Holz muß je nach ſeinen Zwecken ausgeſucht und zum
Gebrauche weiter hergeſtellt werden. Man beſtimmt die Güte deſ-
ſelben nach ſeiner Textur, Dichtigkeit, Feſtigkeit, Härte, Feder-
kraft, Trennungsfähigkeit, Zähigkeit, Farbe, Dauerhaftigkeit,
Waſſeranziehungskraft, chemiſchen Zuſammenſetzung, Brennkraft,
und ſonſtigen natürlichen Fehlern. Je nach denjenigen dieſer Ei-
genſchaften, welche ein Holz je nach den (§. 234.) genannten
Zwecken des Gebrauchs haben muß, wird es nun ausgeleſen, ſo
weit zugerichtet, daß es verkauft werden kann, um von den Ge-
werken verarbeitet zu werden1). Alsdann wird daſſelbe ordnungs-
mäßig aufgeſchichtet, und zum Theile im Freien, zum Theile aber
in Magazinen aufbewahrt. Lezteres geſchieht jedenfalls mit dem-
jenigen Holze, das zu gewerklichen Zwecken irgend einer Art
beſtimmt iſt. Daher findet man auch kurz daſſelbe nur in zwei
Sortimente (Nutz- und Brennholz) oder in vier Sortimente
(Bau-, Werk-, Geſchirr- und Brennholz) abgetheilt, und
man ſcheidet dann für dieſe Sortimente wieder die Stämme
(ganze Heiſter, ganze Stangen), die Klötze (Blöche, Abſchnitte),
und die Schnittſtücke (Kloben, Trummen, Schnittlinge), deren
einzelne Stücke man Scheiter oder Spälter nennt.
Zu den Nebennutzungen der Forſte gehören a) die Rinden
der Hölzer. Sie dienen theils zum Gerben, zu Baſt, theils zum
Färben. Will man ſie gut benutzen, ſo muß das Holz geſchlagen
werden, wenn das Laub anfänglich hervorſticht. In 3–4 Fuß
Länge haut man dann die Rinde ringsum ab, und ſtößt ſie mit
[288] der Axt oder dem Loheiſen (meiſelförmig) ab. b) Die Säfte
der Bäume. Sie werden zur Bereitung von Terpentin, Harz,
Zucker und geiſtiger Getränke gebraucht, da der Saft entweder
Oel und Harz oder Zuckerſtoff führt (§. 226.). Um das Harz zu
gewinnen, ſchält man am Nadelholze im Frühling unten am
Stamme 3–4 Fuß lange ſchmale Streifen (Lachten) von der
Rinde ab. Der bald herausfließende Saft wird während des
Sommers ganz dick über den aufgeriſſenen Lachten, daß er mit
einem Harzeiſen (hackenförmig) in einen Beutel (Harzmeſte,
einen Korb) abgeriſſen werden kann. Dieſe Operation kann an
demſelben Baume bis zu 40 Jahren lang alle Frühjahre wieder
geſchehen, indem man neue Lachten macht, und die alten erweitert
(anzieht). Zur Gewinnung des Zuckerſaftes bohrt man die
Stämme bei warmem Wetter und bringt eine Rinne an, die den
Saft in ein Gefäß leitet. c) Die Früchte der Bäume. Sie
werden zum Theile eingeſammelt, zum Theile aber zur natürlichen
Beſaamung und zur Mäſtung des Viehes liegen gelaſſen. Man
ſammelt ſie zur Ausſaat oder zur Nahrung der Menſchen. Zum
Erſten dieſer Zwecke ſammelt man ſie am beſten vom Baume ſelbſt.
Darauf luftet man ſie an einem trocknen Orte ab. Es gibt auch
Saamen, welche in holzigen Zapfen ſtecken, aus denen man ſie
ziehen muß. Man hat dazu die Auskleng-Anſtalten, d. h.
Gebäude mit Darrſtuben, in welchen die Zapfen auf Horden von
Draht gedörrt werden, bis ſie ſich öffnen (ausklengen), wozu eine
Wärme von 18–20° Reaum. hinreichend iſt. Auch in der Sonnen-
hitze kann dieſe Operation geſchehen. Die Aufbewahrung der Holz-
ſaamen in der Zeit zwiſchen dem Herbſte und Frühling erfordert
ſehr viele Sorgfalt, weil die Keimkraft derſelben ſehr leicht zerſtört
werden kann, da ſie ſehr von Feuchtigkeit, Wärme und vom Sauer-
ſtoffe in der Atmosphäre leiden. d) Das Laub und e) das Wald-
gras1). Man bedient ſich derſelben theils zu Viehfütterung im
Stalle oder auf der Weide, theils zur Stallſtreu. Die Benutzung
von Beiden iſt nur mit großer Behutſamkeit zu geſtatten, weil je
nach der Art der Waldwirthſchaft dadurch große Schäden ange-
richtet werden können.
Auch hier werden, entſprechend wie in der Feld- und Garten-
baulehre, die beſonderen Regeln von dem Anbaue und der Zucht
der einzelnen Waldbäume vorgetragen.
Die wichtigſten Laubholzbäume ſind für Deutſchland folgende:
a) Die Buche(Fagus sylvatica). Ihre gewöhnliche Dauer
iſt 120–150 Jahre, oft auch 300 Jahre, ihre Länge oder Höhe
140 Fuß. Sie wird mit dem 60ſten Jahre fruchtbar, und iſt
gegen ſtarke Hitze und Kälte ſehr empfindlich, obſchon ſie 6500
Fuß über der Meeresfläche noch fortkommt. Sie gibt beſonders
gutes Nutzholz, und ihres Holzes Brennkraft iſt = 100. Zu
Bauholz iſt ſie nur an ganz naſſen oder ganz trockenen Stellen zu
brauchen. Ihre Frucht, zu einem guten Oele brauchbar, iſt in
einer zweitheiligen Kapſel. Am beſten ſagt ihr ein friſcher Sand-
lehmboden zu. Sie iſt beſonders zu Hochwald, weniger zu Nieder-
wald, wohl aber auch zu Mittelwald gut1). Im Hochwalde zeigt
ſie einen Zuwachs von 20–50 Kub. Fuß, bei geſchloſſenen Be-
ſtänden, im Niederwalde nur 20–34. Kub. F., im Mittelwalde
den Durchſchnitt hiervon, und als Kopfholz weniger als im Nie-
derwalde. Der Werth der Buchenkohlen iſt = 84. Die Buche iſt
auch durch Pflänzlinge fortzupflanzen, und zwar ſchon bei einer
Dicke von 1½-2 Zoll. Sie leidet ſehr vom Wilde, beſonders
vom Haaſen.
b) Die Eiche (Stieleiche Quercus pedunculata, Trauben-
eiche Q. Robur). Ihr Wachsthum reicht bis zu 170–200 Jahren,
und ſie dauert 800 Jahre, wird 120–140 Fuß lang und 6–9
Fuß dick. Ihre Fruchtbarkeit tritt mit dem 90–100ſten Jahre
ein. Sie verlangt am liebſten Lage und Klima warm, und kommt
noch bei 4300–4500 Fuß über der Meeresfläche fort. Sie liebt
einen tiefen Flußboden, einen humoſen Lehmboden. Als Nutzholz
braucht man ſie mit dem 160–200ſten Jahre, als Landbauholz
mit dem 120–160ſten Jahre, und als Brennholz in Schlägen mit
20–40 Jahre. Sie paßt beſonders für Hochwald, für Nieder-
Baumſtark Encyclopädie. 19
[290] wald nur in kurzen Umtrieben2). In Erſterem zeigt ſie einen
Zuwachs von 30–80 Kub. Fuß. Ihre Brennkraft iſt = 76,
und der Werth der Eichkohle = 100. Man zieht ſie aus Saamen.
Sie leidet auch ſehr vom Wilde, beſonders von Inſekten.
c) Die Weißbirke(Betula alba) erreicht ein Alter von
80–150 Jahren, eine Höhe von 60–80 Fuß und eine Dicke von
2 Fuß. Ihre Fruchtbarkeit beginnt mit dem 30–40ſten Jahre,
und ſie kommt in jedem kälteren Klima, 6000 Fuß über der Meeres-
fläche noch fort, aber verſchwindet gegen Süden immer mehr, und
liebt einen friſchen lehmigen Kiesboden. Sie eignet ſich zu Nieder-
wald in kurzen Umtrieben, auch zu Mittelwald, aber nicht zu
Kopfholz1), leidet ſehr von Inſekten, hat einen jährlichen Zu-
wachs von 20–30 Kub. Fuß, und iſt als Schlagholz ſchon mit
15–20 Jahre zu brauchen. Ihre Brennkraft iſt = 86.
d) Die Erle(Alnus glutinosa die ſchwarze, A. incana
die weiße) verhält ſich faſt ganz wie die Birke2). Ihre Frucht-
barkeit beginnt mit dem 40ſten Jahre, dieſelbe kommt noch bei
3500–4000 Fuß über der Meeresfläche fort, liebt einen feuchten
Boden, Wärme, feuchte Sommer, Niederungen, Thäler, Wieſen-
ränder, leidet von Spätfröſten, eignet ſich zu Schnittholz vor-
trefflich, und iſt als Bauholz bei ſteter Näſſe, z. B. zu Röhren,
Grundpfählen, ſehr brauchbar. Ihre Brennkraft iſt = 57.
e) Die Pappel(Populus nigra die ſchwarze, alba die Sil-
ber-, tremula die Zitter-Pappel) erreicht ſelten ein Alter von
80–90 Jahren, eine Höhe von 60–80 Fuß, eine Dicke von
1½-2 Fuß, und ihre Fruchtbarkeit im 30–40ſten Jahre. Als
Baumholz iſt ſie mit 50, als Schlagholz mit 20, als Buſchholz mit
8–10 Jahren zu brauchen, und verlangt einen humoſen feuchten
Sandboden, oder lockeren kräftigen Lehmboden, und ein kaltes
feuchtes Klima. Dieſelbe iſt als Waldbaum höchſt untergeordnet,
und iſt nur aus den Wurzeln ausſchlagsfähig, daher man auch
19 *
[292] über ihren Ertrag an Holzmaſſe nichts Beſtimmtes weiß, als daß
ſie mit dem 50–60ſten Jahre das Volumen einer 90–100 jähr.
Buche hat3).
f) Die Hainbuche (Weißbuche, Carpinus Betulus) erreicht
ein Alter von 100–200 Jahren und drüber, eine Höhe von 40 bis
60 Fuß, eine Dicke von 1¼ Fuß, und ihre Fruchtbarkeit mit dem
40ſten Jahre. Dieſelbe liebt ein mäßiges feuchtes Klima, iſt em-
pfindlich gegen Hitze und Trockniß, erträgt aber die größte Kälte.
Im Gemiſche mit Buchen kommt ſie vor, beſonders im Nieder-
walde, und verlangt einen friſchen kühlen Boden. Die Ausſchlags-
fähigkeit derſelben iſt ſtark und dauert ſehr lange. Sie gibt mit
80 Jahre Baumholz, mit 30–35 J. Schlagholz und mit 10–12
J. Buſchholz. Ihr Volumenertrag ſteht etwas unter jenem der
Buchen, man zieht ſie aber am beſten als tiefen Stockausſchlag
und Wurzelbrut. Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 107.
g) Der Ahorn (Maßholder, der gemeine, Acer pseudo-
platanus, der Spitzahorn, A. platanoides, der kleine Spitzahorn,
A. campestre) erreicht ein Alter von 150–200 J., eine Höhe
von 80 Fuß, eine Dicke von 2–3 Fuß, und ſeine Fruchtbarkeit
im 40–50ſten Jahre. Er kommt noch 5200 Fuß hoch über der
Meeresfläche fort, verlangt eine Lage gegen friſche Mitternacht-
ſeiten und einen humoſen, nicht bindigen Lehmboden, wächst im
Gemiſche mit Buchen, beſonders im Mittelwalde und auf Höhen
im Erlenbruche, und liefert ein beſonders hartes Nutzholz. Seine
Brennkraft iſt = 115.
h) Die Ulme (Rüſter, Ulmus campestris) wird 200 Jahre
alt, 100 Fuß hoch und 3 Fuß dick, und im 50ſten Jahre frucht-
bar. Sie kommt im ſüdlichen und weſtlichen Deutſchland, gewöhn-
lich aber nur eingeſprengt in den Laubholzwaldungen, vor; ver-
langt einen friſchen, tiefen, humusreichen, nicht zu feſten Boden,
ein mildes, beſonders See-Klima; und eignet ſich namentlich als
Oberholz in den Mittelwäldern mit Buchen, Hainbuchen, Ahorn,
Eſchen u. dgl. Ihre Ausſchlagsfähigkeit iſt reichlich und lange
dauernd am ganzen Stamme, doch aber paßt ſie nicht gut zum
Kopfholzbetriebe. Sie liefert Bau- und Brennholz von 87
Brennkraft.
i) Die Eſche (gemeine, Fraxinus excelsior) wird 100 J.
alt im Hochwalde, und 30 J. im Niederwalde, ſo hoch wie die
anderen Laubholzbäume, 2½-3 Fuß dick, und mit dem 20 bis
50ſten Jahre fruchtbar. Sie will eine geſchützte Lage und einen
feuchten, lockeren, humusreichen Sandboden, paßt hauptſächlich
[294] aber zu Mittel- und Hochwald, findet ſich im Gemiſche mit
Buchen, und liefert beſonders gutes Nutzholz. Die Brennkraft
iſt = 1011).
k) Die Linde(Tilia europaea, die Sommer-, T. cordala,
die Winterlinde) wird ſelbſt über 800 Jahre alt, ſo hoch und dick
wie die Eiche, und mit dem 30–60ſten Jahre fruchtbar. Sie
kommt in ganz Deutſchland vor, aber als Hochholz nur einge-
ſprengt in Wäldern, liebt einen feuchten Grund, und kommt auch
im ſandigen Lehmboden fort, aber nicht auf ſtrengem Thonboden und
eiſenhaltigem Moorgrunde. Sie eignet ſich vorzüglich zu Schlag-
holz, als welches ſie mit 20–25 Jahre, während ſie als Baum-
holz mit 60–80 Jahre genommen werden ſoll. Dieſelbe iſt bis
ins ſpäte Alter ausſchlagsfähig. Die Brennkraft des Lindenholzes
iſt zwar ſehr gering, aber ſie dient zu Schnittholz. Der Saame
reift im Oktober.
l) Die Weide, nämlich die Baumweide (salix alba die
Weiß-, sal. fragilis die Knack-, sal. pentandra Lorbeer-, sal.
amygdalina Mandel-, und sal. vitellina Gelb-Weide), unter
deren Arten die zwei Erſten am vortheilhafteſten ſind, kommt in
Deutſchland meiſtens in Niederungen von gemäßigtem Klima in
feuchtem und naſſem Boden vor. Sie ſind für den Forſtbau ei-
gentlich von keinem Werthe, obſchon ſie für die Landwirthſchaft
in holzarmen Gegenden weſentliche Vortheile geben, indem ſie als
[295] Kopfholz ſehr ſchnell auf Stellen wachſen, die man nicht leicht auf
andere Art benutzen kann. Als Niederwald, ſelbſt bei nur 12 bis
18 jährigem Umtriebe, hat ſie jene Vortheile nicht. Sie wird durch
2–3 jährige Stecklinge fortgepflanzt, die man, zum Schutze gegen
die Vertrocknung des oberen Bodens, ſehr tief, bis zu 2 Fuß und
drüber, eingräbt, weßhalb ſie bis 3 Fuß lang ſein müſſen. Die
Pflanzung zwiſchen dem Auguſt und Mai iſt nicht ſchädlich1).
m) Die anderen, für den Forſtbau aber höchſt unwichtigen,
Waldbäume ſind die Ebereſche(sorbus aucuparia gemeine, —
domestica zahme, und hybrida der Vogelbeerbaum), die Birne
(Pyrus Pyraster gemeiner Birnbaum, P. malus Apfelbaum,
P. aria Mehlbirnbaum, P. torminalis Elzbeerbaum), die Vogel-
kirſche(Prunus avium), die Traubenkirſche(P. padus).
Die wichtigeren Geſträuche dieſer Art ſind folgende: Der
Haſel (Corylus avellana), die Faulbeere (Rhamnus frangula),
der Schlehendorn (Prunus spinosa). der Weisdorn (Crataegus
oxyacantha), die Hülſe (Jlex aquifolium), der Hartriegel (Cor-
nus sanguinea), die Strauchweiden (salix helix Bach-, sal.
viminalis Korb-, s. aquatica Waſſer-, s. caprea Saal- Weide),
die Himbeere (Rubus idaeus), die Beſenpfrieme (spartium
scoparium), der Färberginſter (Genista tinctoria), die gemeine
Heide (Erica vulgaris), die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus).
Das Charakteriſtiſche bei ihnen iſt, daß ſie ſich ſowohl durch
Sproſſen als auch durch Saamen fortpflanzen, nach Abnahme des
Stockes wieder friſch treiben, den Boden dicht überziehen und be-
ſchatten. Daher ſind ſie als Forſtunkräuter nur zu vertilgen, wo
ſie dem beſſeren Betriebe anderer Baumarten hinderlich ſind.
Die Nadelhölzer ſind von der größten Wichtigkeit wegen ihres
ſchnellen Wachsthumes, wegen ihrer Einwirkung auf Verbeſſerung
[296] des Bodens, wegen ihrer Tauglichkeit zum Anbaue von Blößen
und wegen ihres Gebrauches zu Bau-, Bretter- und Spaltholz.
Es gehört hierher:
a) Die Kiefer(Pinus sylvestris). Sie erreicht ein Alter
von 200 Jahre, eine Höhe von 120–130 Fuß, eine Dicke von
3–4 Fuß und ihre Fruchtbarkeit im 20ſten Jahre. Dieſelbe
kommt 6000 Fuß über der Meeresfläche noch fort, und in reinen
Beſtänden vor, verlangt einen feuchten, tiefen, humusreichen Bo-
den, und verträgt jedes Klima. Als Brennholz iſt ſie mit 60 bis
80 Jahren, als ſtarkes Bauholz mit 100–120 Jahren ſchon
brauchbar, und gibt einen jährlichen Holzzuwachs von 4–80,
aber im Durchſchnitte einen ſolchen von 20–60 Kub. Fuß1).
Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 88.
b) Die Weißtanne (Tanne, Pinus abies). Sie kommt zu
einem Alter von 300–400 Jahre, einer Höhe von 180 Fuß, einer
Dicke bis 8 Fuß und zur Fruchtbarkeit mit 50–60 Jahren. Man
findet ſie noch 6000 Fuß über der Meeresfläche. Sie wächst in
reinen Beſtänden und im Gemiſche mit Rothbuchen und Roth-
tannen, verlangt einen lockeren friſchen nahrhaften Boden, ein
mehr feuchtes Klima, verträgt ſich aber nicht mit einer zu ſonnigen
Lage. Ihr Holz, zu Brett- und Bauholz ſehr tauglich, iſt ſehr
fein und zähe und hat eine Brennkraft = 70. Beſonders gut iſt
ſie als Stockholz2).
c) Die Rothtanne (Fichte, Pinus picea). Sie erreicht
ein Alter von 200–300 Jahren, eine Höhe von 180 Fuß, eine
Dicke bis zu 6 Fuß, ihre Fruchtbarkeit mit 50–60 Jahren und
kommt 5500–6000 Fuß über der Meeresfläche fort. Man findet
ſie in reinen Beſtänden und im Gemiſche mit Buchen und Weiß-
tannen, verlangt einen friſchen tiefen kräftigen Boden, geſchützte
Mitternachtſeiten zu ihrem Standorte und erträgt keine Hitze. Zu
Bau- und Brennholz, aber nicht für feine Holzarbeiten, iſt ſie
brauchbar3). Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 78.
d) Die Lärche(Pinus larix). Sie wird bis 200 Jahre alt,
80–100 Fuß hoch, 2–3 Fuß dick, und ſchon mit dem 6–8ten
Jahre fruchtbar, und kommt im Norden am beſten 1200–2500
Fuß über der Meeresfläche fort. Sie verlangt einen tiefen friſchen
kräftigen Lehmboden und erreicht auch auf humoſem Sandboden
ein Alter von 60 Jahren4). Die Brennkraft des Lärchenholzes
iſt = 71.
Obſchon ſich dieſe weder durch Anzahl noch beſondere Eigen-
ſchaften, als durch die größere Reproductionskraft von den Nadel-
holzbäumen auszeichnen, ſo müſſen ſie hier doch genannt werden. Sie
ſind der Wachholder(Juniperus communis) und die gemeine
Eibe(Taxus baccata).
Unter dem Luſtgartenbaue oder der Landſchaftsgärt-
nerei verſteht man die Anlage und Unterhaltung von ſolchen
Gärten, in welchen man blos des Vergnügens halber ganze Land-
ſchaften und einzelne Anſichten im Kleinen darſtellen will. Aus
dem Gebiete des Pflanzenreiches werden darin größtentheils euro-
päiſche und außereuropäiſche Waldgewächſe, obgleich auch mit
Blumen und Obſtbäumen untermiſcht, gepflanzt. Darum gehört
ſie in die Forſtwirthſchaft und nimmt in derſelben eben die Stel-
lung ein, welche auch die Blumen-, Küchen- und Obſtgärtnerei
in der Landwirthſchaft einnimmt. Dieſelbe iſt die Forſtwirthſchaft
in der höchſten Veredelung und Feinheit. Sie ſoll das Ohr durch
den Geſang der Vögel und das Auge durch plaſtiſche Darſtellung
[299] der Natur, im Ideale aufgefaßt, ebenſo ergötzen, als der Fantaſie
Nahrung und Schwung geben, dem Gemüthe in einer Stimmung
entſprechen oder eine neue hervorrufen. Es wetteifern in ihr die
Malerei, Bildnerei und die Baukunſt dermaßen, daß ſie mit Recht
in das Gebiet der bildenden Künſte gehört. Dieſe drei Künſte und
Gärtnerei ſind ihre Hilfswiſſenſchaften. Sie ſelbſt aber iſt als
Kunſt ſchon ſehr alt, denn ſchon die älteſten, uns bekannten,
Völker haben ſie in hohem Grade beſeſſen1).
1) Jene der Land- und Forſtwirthſchaft, wie ſie bereits
oben angegeben ſind und hier nicht wiederholt zu werden brauchen.
Sie treten aber auch mit einer Eigenthümlichkeit hier auf, in ſo
ferne als man bei der erſten mechaniſchen Bearbeitung oder Geſtal-
tung des Bodens ſchon auf die beſonderen Anlagen Rückſicht neh-
men muß.
2) Jene der genannten Künſte, wie ſie das Schöne in
einen manchfaltigen Idealen nach dem allgemeinen Prinzipe der
Aeſthetik darzuſtellen ſuchen. Darin entſcheidet das Genie und der
gute Geſchmack, welche ſich über dasjenige ausbreiten, was als
Grundcharakter des Ideales einer Zeit ſich dargeſtellt hat. So
wie die Alten als Grundcharakter ihres Ideales die Ruhe (das
Tragiſche) erkannten, ſo ſcheint in der neueren Zeit derſelben in
der Bewegtheit (dem Romantiſchen) zu liegen. Aus Beiden iſt
die Steifheit und Verzerrung verbannt, oder ſollte es wenig-
ſtens ſein.
In der Geſchichte jeder Kunſt erſcheinen aber Abſchnitte, in
welchen man ſich im wahrhaft Unäſthetiſchen bewegte, und es iſt
zu bedauern, wenn ſich dieſes zu einem ſogenannten Style einge-
bürgert hat. Auch in der Luſtgartenkunſt iſt dies geſchehen, ſo daß
man jetzt den geometriſchen und den natürlichen Styl unter-
ſcheidet. Jener, auch altfranzöſiſcher Styl genannt, unterwirft
das Wellenförmige und unregelmäßige Manchfaltige in der Natur
der geometriſchen Conſtruktion, und den friſchen Wuchs des Baum-
ſchlages zu Dächern, Kronen, Gebüſchen u. ſ. w. der Gartenſcheere,
[300] gerade ſo wie man die natürliche Farbe und den ungezwungenen
Fall des Haupthaares dem Puder, Wachs und der Scheere des
Friſeurs unterwarf, und es entſtanden jene langweiligen, geiſter-
tödtend regelmäßigen, ebenen Gärten. Der andere Styl nimmt
ſich aber als Vorbild die Natur, und ſucht ihre Formen in mög-
lichſter Aehnlichkeit ohne Zwang im Ideale darzuſtellen. Er iſt
jetzt der Herrſchende.
Auch die beſonderen Grundſätze und Regeln der Luſtgartenkunſt
zerfallen in zwei Hauptſtücke. Sie ſind folgende:
1) Die Pflanzung der Luſtgewächſe. Auch hier muß
jede Pflanze nach ihrer natürlichen und wirthſchaftlichen Eigen-
thümlichkeit behandelt werden. Auch hier leiten die an mehreren
Orten ſchon angegebenen Regeln. Allein es iſt unnöthig, ſie hier
zu wiederholen, und der Raum zu beſchränkt, um die Luſtgarten-
pflanzen hier anzugeben, noch viel mehr, um die Eigenthümlich-
keiten ihrer Behandlung zu lehren1).
2) Die kunſtgerechte Anlage des Bildes im Ganzen
und in den einzelnen Parthien. a) Das Erſte iſt, ſich eine
rechte Ueberſicht des für die Gartenanlage beſtimmten Feldes zu
verſchaffen; dies geſchieht durch Zeichnung oder Reviſion eines
Planes, unter Berückſichtigung der chemiſchen, mechaniſchen und
klimatiſchen Verhältniſſe der Bodenfläche. b) Das Zweite iſt die
Berückſichtigung des Zweckes der Anlage und der Proſa der auf-
zuwendenden Geldmittel. Zu den Privat-Luſtanlagen ſind die
Landgüter, Villen, Maiereien, Sommerhäuſer u. dgl. ſehr paſſend.
Zu öffentlichen Luſtanlagen gehören nicht blos die Parke für
Fußgänger oder Reiter, Boulewarde, öffentliche Plätze in den
Städten, ſondern auch botaniſche Gärten. c) Das Dritte iſt die
Verfertigung eines Planes, wonach die Projektirung, Nivellirung
u. dgl. vorgenommen wird. Dies iſt ſehr ſchwierig, weil hiervon
die ganze Anlage abhängt, und es darauf ankömmt, über die
Fläche ſo zu diſponiren, wie es ihre Natur mit ſich bringt. d).Das
Lezte iſt endlich die Ausführung deſſelben. Indem man alles Ent-
ſtellende entfernt, muß man zugleich darauf ſehen, die Gehölze
und Gebüſche, die Gebäude jeder Art, die Waſſerparthien, die
Teiche, Thäler und Hügel, und die Felſenparthien ſo anzulegen,
daß ſie als Bild nicht blos einen ſchönen gruppirten Anblick mit
Vor- und Hintergrund darſtellen, ſondern ſelbſt auch, wenn man
[301] auf ihnen verweilt, ſchöne Nah- und Fernſichten gewähren. Jede
ſpeziellere Regel iſt hierfür faſt unmöglich, und die Studien dazu
kann man nur an der Natur ſelbſt machen.
Unter dieſer verſteht man die Lehre von den Grundſätzen und
Regeln von der Haltung (Bahn), Pflege (Hegung) und dem
Fangen oder Erlegen (Jagd) der Wildthiere in Wald und Feld.
Sie iſt wichtig theils als eine ſehr einträgliche Benutzung des von
der Natur dargebotenen Wildes, theils als Schutz gegen die Be-
ſchädigung der Wälder, theils als Mittel gegen die Verheerungen
der Felder durch großes Wild. Die allgemeine Wildbahnlehre,
obige Lehren mit Bezug auf alle verſchiedenen Wildgattungen zuſam-
mengenommen vortragend, kann alſo auch nur obige drei Abſchnitte
erhalten, worauf dann die beſondere dieſelben je nach den ein-
zelnen Wildgattungen modificirt1).
Man verſteht unter einer Wildbahn denjenigen Theil einer
Bodenfläche, auf welchem das Wild gehalten wird. Der Wild-
ſtand aber iſt die Menge von Wild, welches ſich auf einer Wild-
[302] bahn befindet oder das Verhältniß dieſer Menge zur Wildbahn.
Das ſich auf einer Wildbahn aufhaltende eßbare Wild heißt
Standwild. Je nach dem Umſtande, ob der Wildſtand im freien
Walde oder in geſchloſſenen Revieren gehalten wird, gibt es fol-
gende Wildbahnen:
1) Freie Wildbahnen (Wildbeſtände). Bei ihrer Anlage
hat man folgende Umſtände zu berückſichtigen: a)die Lage und
ſonſtigen, die Erhaltung des Wildſtandes betreffenden Eigenſchaften
des Waldreviers, wo ſie angelegt werden ſollen. Denn nicht überall
hält ſich jedes Wild gerne auf. Manches bleibt ſo ziemlich auf
einer Fläche beſtändig (Standwild); Manches trennt ſich nach
Jahreszeiten von dem vorigen Stande (Wechſelwild); Manches
durchzieht gewiſſe Gegenden nur auf den Wanderungen im Früh-
ling und Herbſte, (Strichwild); endlich hat Manches zur Winters-
zeit ſeine Unbeſtändigkeit im Stande (Zugwild). In Bezug auf
die Plätze, wo ſich das Wild auf dieſe Weiſe zeigt, unterſcheidet
man das Wald-, Feld-, Sumpf- und Waſſerwild. Das Klima,
die Nahrung (Aeſung) und die Feinde beſtimmen das Wild zur
Beibehaltung und Veränderung ſeines Standes. b)Die Schäd-
lichkeit der Wildſtände. Die Wildſtände dürfen nicht ſo an-
gelegt werden, daß der durch ſie in Feld und Wald angerichteten
Schaden den von ihnen gewährten Nutzen überſteigt, oder über-
haupt im einen oder anderen Betrachte erhebliche Nachtheile für
andere Eigenthümer entſtehen. Wildſtände von Zug- und Strich-
wild, von Raubwild, und von wenig oder gar nicht nutzbarem
Wilde ſind daher nicht zu halten. Bei den anderen Gattungen und
Arten kommt es auf Anzahl, Hegung und Jagd an. c)Das
Alter und Geſchlecht der zu hegenden Wildarten. Dieſer Um-
ſtand und das Verhältniß, in welchem Jung und Alt, Weibchen
und Männchen gegeneinander der Zahl nach geſtellt ſein müſſen,
iſt nach Gattung und Art des Wildes verſchieden. d)Die
Stärke des Wildſtandes im Ganzen nach der Bahn und im
Einzelnen nach den unter b. und c. angedeuteten Umſtänden. Die-
ſer Umſtand bezieht ſich eigentlich nur auf das Standwild, und
der anzurichtende Schaden iſt, wenn ſich das Wild vermehrt, die
Richtſchnur dafür, weil ſich dieſes nur dort und ſo weit vermehrt,
wo und als es Aeſung findet. Die Stärke des Wildſtandes wird
alſo nach der Oertlichkeit des Jagdrevieres, nach der Holzart,
nach der Bewirthſchaftungsweiſe des Waldes, nach den Wildarten,
die gehegt werden ſollen, nach dem Vorhandenſein einer künſtlichen
Aeſung, nach der Nähe des Feldes, nach der Art ſeines Anbaues.
[303] und nach den dem Landwirthe zu Gebote ſtehenden Abwehrmitteln
gegen das Wild, alſo auch nach den Jagdgeſetzen beſtimmt1).
In ihnen wird das Wild innerhalb eines eingezäunten oder um-
mauerten Revieres mit noch größerer Sorgfalt als im Freien
gezogen. Es müſſen in ihrer Anlage dieſelben Punkte, wie bei
geſchloſſenen Wildbahnen, berückſichtigt werden, aber nur mit
größerer Aufmerkſamkeit im Einzelnen. Man hat alſo darauf zu
ſehen: a) daß der Boden ſammt dem Graswuchſe, Holzzucht u. dgl.,
ſammt hinreichendem Waſſer der Natur und Menge des zu halten-
den Wildes entſpreche; b) daß man ſelbſt Grasplätze zur natürlichen
Aeſung im Sommer unterhalte, wodurch es möglich wird, im
Thiergarten mehr Wild zu halten, als im Freien auf demſelben
Reviere möglich wäre; c) daß man die gehörigen Vorrichtungen
zur Winterfütterung, als Scheunen, Magazine, Füttertröge,
Raufen, Sulze und Suhlen (Salzlecken und Plätze zum Abküh-
len) u. ſ. w., wie es eben der Wildart entſpricht, hinſtelle; d) daß
man Häuſer für die Inſpektoren darin erbaue, und die zur Jagd
gehörigen Gänge (Pürſchwege), Anſtände u. dgl. m. herrichte;
e) daß man durch Umhägungen, Umzäunungen, Ummauerungen
u. dgl. ſich vor dem Entſpringen des Wildes, dieſes vor dem
Raubwild, und die nahen Felder vor Beſchädigung ſichere; f) daß
man nur die paſſende Art von Wild, in Bezug auf Alter, Ge-
ſchlecht und Menge regulirt, auf dem gewählten Reviere zu er-
halten ſuche.
Unter dem Hegen (Schonen) verſteht man alle Thätigkeiten,
Aufmerkſamkeiten und Anſtalten, welche dazu dienen, einen freien
oder geſchloſſenen Wildſtand in ſeinem, den (im §. 247 u. 248.)
angegebenen Punkten entſprechenden, Normalverhältniſſe ſo zu er-
halten, daß die Jagd nachhaltig, d. h. ohne daß ſie mit dem
Wildſtande eingeht, betrieben und benutzt werden kann. Durch
das Hegen wird alſo nicht blos der Normalwildſtand erhalten,
ſondern auch ein verdorbener wieder hergeſtellt.
1) Die Erhaltung eines guten Wildſtandes erfordern:
a) daß man dem Wilde weder das natürliche noch das künſtliche
Geäſe entzieht, und nöthigenfalls ſelbſt noch mit Aeſung unter-
ſtützt; b) daß man das Gehölze ſtets weder durch Auslichtungen
noch häufigen Hieb für das Wild unbewohnbar macht; c) daß man
überhaupt Alles entfernt hält, was im Gehölze Unruhe erregen
und das Wild verſcheuchen kann; d) daß man die Raubthiere ab-
hält oder ausrottet; e) daß man, wenn die geſchloſſenen Gehege
mit Wald umgeben ſind, die Einhägung mit Einſprüngen und
Fallthoren verſieht, durch welche von Außen das Wild herein,
aber von Innen nicht hinaus kommen kann; f) daß man der
Wilddieberei ſteuert; g) daß man nicht zu unrechter Zeit Jagden
veranſtaltet, nämlich bei zu dünnem Wildſtande, in der Brunſt-
und Sprungzeit, in der Setz- und Brutzeit, welche Perioden man
die Hegezeit heißt; h) daß man weder Weibchen noch vom anderen
Geſchlechte ſo viel ſchießt (pürſcht) oder fängt, daß der Nach-
wuchs, bei dem man auch auf Sterbeabgang rechnen muß, nicht
den Verluſt erſetzen kann.
2) Die Wiederherſtellung eines verdorbenen Wild-
ſtandes. Im ſpeziellen Falle kommt es auf die Gründe des
Ruines an. Dieſe müſſen beſeitigt werden. Sie können nur im
Mangel an den Bedingungen bei Anlage der Wildbahnen und bei
dem Hegen des Wildes liegen. Es iſt in dieſen Fällen nicht ſchwer,
die betreffenden Anordnungen zu treffen. Als feſtſtehende Regel
wird aber ſtets die Unterlaſſung des Jagens und Fangens, bis die
Wiederherſtellung weit genug gediehen iſt, erſcheinen.
Die Jagd kann ohne Hilfsmittel zum Suchen, Fangen und
Erlegen des Wildes nicht betrieben werden. Man wendet dazu an:
a)Thiere, nämlich Hunde, Vögel und Pferde1). b)Geräth-
ſchaften zum Erlegen2), zum Fangen3), für die Jagdzeichen
und zum Anlocken4), zum Transportiren der Geräthſchaften5)
und des Wildes6); c)Gebäude theils zum Aufenthalte der
Jäger, theils für die Jagdthiere und das Jagdzeug7).
Die Jagd geſchieht entweder durch Erlegen oder durch Fangen.
Daher unterſcheidet man in dieſer Hinſicht:
1) Die Schußjagden, wobei das Wild durch Gewehre er-
legt wird. Sie ſind entweder Treibjagden, wenn nämlich das
Wild den Schützen durch Menſchen zugetrieben wird, oder Pürſch-
gänge, wenn man blos einzeln mit den Hunden zur Schußjagd
Baumſtark Encyclopädie. 20
[306] geht. Bei den Treibjagden iſt die Poſtirung der Schützen und die
Anordnung des Triebes das Wichtigſte und Schwerſte. Beim
Pürſchgange geht man entweder auf den Anſtand, wenn man das
Wild auf einem Standpunkte erwartet, z. B. bei Zug- und
Strichwild, oder auf die Suche (das Buſchiren), wenn man
das Wild ſelbſt mit Hunden aufſucht. Zum Buſchiren gehört alſo
auch das Kreißen (d. h. das Aufſuchen des Wildes nach ſeiner
Spur, z. B. auf friſchem Schnee), bei welchem man das Wild,
wenn ſein Schlupfwinkel gefunden iſt, entweder durch Ausſtöbern,
Aushauen, Ausgraben oder Ausräuchern aus ſeinem Aufenthalte
und ſeiner Höhle treibt.
2) Fangjagden, bei welchen man das Wild entweder durch
anhaltendes Verfolgen ermattet und fängt, oder durch die oben
(§. 250. Note 3.) erwähnten Fangvorrichtungen liſtiger Weiſe in
ſeine Gewalt bekommt. Jene Methode wird bei den Parforce-
oder Hatzjagden angewendet.
3) Zeug- oder eingerichtete Jagden, wobei das Wild
zuerſt gefangen oder geſperrt, dann losgelaſſen und geſchoſſen wird.
Man theilt dieſelben in kleine und große ein. Nach der Art,
wie ſie betrieben werden, unterſcheidet man die Lappenjagden,
wobei von einer Seite durch Tuch und Lappen den Schützen das
Wild zugeſcheucht wird, — die Keſſel- oder Contrajagden,
wobei man das Wild von allen Seiten einſchließt und dem Mittel-
punkte der Bahn zutreibt, auf welchem ſich die Schützen befinden,
— und Beſtätigungsjagden, wobei man den Stand der Hirſche
mit Dunkel- oder Lichtzeug umſtellt, nachdem man ihn vermittelſt
eines Leithundes ausfindig gemacht (beſtätigt) hat, und ſie dann
darin ſchießt1).
Man hat bei jeder Gattung von Wild (Haar-, Federwild und
Fiſchen) das eßbare (Wildpret) und das Raubwild zu unterſchei-
den. Zum Wildpret aus dem Haarwilde iſt zu rechnen:
a) Der Hirſch (Edel- oder Rothwild, Cervus Elephas).
Der Hirſch hat ein Geweihe, das alle Frühjahr durch ein neues
erſetzt wird und bis zu ſeinem 16ten Jahre wächst. Das Thier
(Weib) hat kein ſolches. Die Brunſtzeit iſt der September und
Oktober. Das Thier geht 38–40 Wochen trächtig und wirft
(ſetzt) 1 Kalb, ſelten zwei1).
b) Der Damhirſch (Damwild, Cervus Doma). Dieſer iſt
kleiner als jener und trägt ein vielzackiges, oben ſchaufelförmiges
Geweihe. Die Brunſtzeit iſt der Oktober und November. Das
Thier iſt 30–32 Wochen trächtig (beſchlagen) und wirft ſo
viele Kälber als das Hirſchthier2).
c) Das Reh(Cervus Capreolus). Der Bock trägt ein
kleines Geweihe, das er im November abwirft, die Ricke aber auch
keines. Die Brunſtzeit iſt im December. Die ſchon im Auguſt
vorkommende Brunſt heißt der Waidmann Afterbrunſt. Die Ricke
iſt 21 Wochen mit 2 Kälbern (Kitzen) trächtig3).
d) Das Wildſchwein (Schwarzwild, sus ferus). Die
Brunſtzeit iſt im December und Januar und während derſelben
findet man die Keiler (männl.) bei den Bachen (weibl.). Dieſe
ſind 16 Wochen trächtig und werfen 4–10 Friſchlinge4).
e) Der Haaſe(Lepus timidus). Die Rammelzeit iſt vom
Anfange des Frühjahrs bis in den Herbſt. Das Rammeln geht
mehrmals vor und die Häſin wirft nach 4 Wochen 2–4 Häschen5).
Zu den Raubthieren aus dem Haarwilde ſind in Deutſchland
zu rechnen:
a) Der Wolf(Canis lupus). Seine Ranzzeit iſt Januar
und Februar. Die Wölfin iſt 9–10 Wochen trächtig und wölft
4–8 blinde Junge.
b) Der Fuchs(Canis vulpes). Seine Ranzzeit iſt der
Januar und Februar. Die Füchſin iſt 9–10 Wochen trächtig und
wirft 3–6 blinde Junge.
c) Der Luchs(Felis lynx). Er ranzt im Januar und
Februar, und die Luchſin wirft nach 9 Wochen der Trächtigkeit
2–4 blinde Junge.
d) Die wilde Katze(Felis ferus). Sie ranzt oder rollt im
Februar. Die Katze iſt 9 Wochen trächtig und wirft 4–6 blinde
Junge.
e)Der Fiſchotter(Mustela lutra). Er ranzt im Februar,
und die Otterin wirft dann nach 9 Wochen 3–4 Junge.
f) Der Marder (Baum-M. Mustela Martes, der Stein-M.
Mustela Faina). Die Ranzzeit iſt der Januar und Februar.
Das Weibchen wirft dann nach 9 Wochen 3–5 Junge.
g) Der Iltiß(Mustela Putorius) und
h) Das Wieſel(Mustela Erimnia) ebenſo.
i) Das Eichhorn(sciurus vulgaris). Es ranzt im März
und April, das Weibchen geht 4 Wochen trächtig und wirft 2–4
blinde Junge.
k) Der Dachs(Ursus metes). Er ranzt im November, die
Dächſin trägt 9 Wochen und wirft 3–4 blinde Junge1).
Man unterſcheidet bei dem eßbaren Federwilde folgende Ka-
tegorien:
a) Das Waldgeflügel. Es gehört hierher das Auerhuhn
(Tetrao Urogallus)1), das Birkhuhn (Tetrao totrix)2), das
Haſelhuhn (Tetrao bonasia)3), der Faſan (Phasianus colchi-
cus)4), die Waldſchnepfe (scolopax rusticola)5), die wilde
Taube (Columba), die Droſſel (Turdus).
b) Das Feldgeflügel. Es gehört hierher das Rebhuhn
(Perdix cinerea), die Wachtel (Perdix coturnix), die Lerche
(Alauda arvensis) und der Trappe (Otis tarda)6).
c) Das Sumpf- und Waſſergeflügel. Es gehört hierher
das Meerhuhn(Gallinula chloropus), der Schnaar (Wachtel-
könig, (Gallinula crex), die Schneegans (Anas Anser ferus),
die Wildente (Anas boscha, Stockente und andere)7).
Zu dem Raub-Federwilde gehört:
a) Das Geiergeſchlecht. Der gemeine (Vultur cinereus)
und der Haaſengeier (V. cristatus).
b) Das Adlergeſchlecht(Falco), wozu die eigentlichen
[310] Adler, die Weyhe, die Buſſarte, Habichte und Falken gehören
(§. 250. Note 1.)
c) Das Eulengeſchlecht. Der Uhu (strix bubo), die
Ohreule (st. otus), Nachteule (st. aluco), Baumeule (st.
stridula), Schleyereule (st. flammea), der große Kautz (st.
ulula) und der kleine Kautz (st. passerina).
d) Das Raben- und Krähengeſchlecht. Der Kolkrabe
(Corvus corax), der gemeine Rabe (C. corone), die Saatkrähe
(C. frugilegus), Nebelkrähe (C. cornix), Dohle (C. monedula)
und Elſter (C. pica).
e) Das Würgergeſchlecht. Der Neuntödter (Lanius ex-
cubitor), der graue, rothköpfige und der rothrückige Würger (L.
minor, pomeranus und spinitorquus).
Hier iſt nicht von der Teichfiſcherei (§. 205.), ſondern von
der Wildfiſcherei die Sprache. Ihre ganze Thätigkeit iſt der Fiſch-
fang auf dem Meere, auf Seen, Strömen, Flüſſen, Bächen, der
Fang aller Schaalthiere des Waſſers, und jener der nutzbaren und
ſchädlichen Amphibien aller Art. Man bedient ſich zum Fange
derſelben folgender Mittel: a) Der Angeln, deren Geſtalt bekannt
iſt; b) der Garne und Netze, als Fiſch- und Streichwathe,
Treib- oder Keutelnetze, Wurf-, Senk- und Sackgarne, Rafflen,
Taupelgarne, Hahmen und Kötſcher1); c) der Reußen, d. h.
tiefer Weidenkörbe mit trichterförmig ſich verengender Oeffnung,
die bis hinein geht, wo ſich der Korb wieder erweitert, ſo daß die
Fiſche nicht mehr zurück herauskommen und doch darin leben kön-
nen; d) der Fiſchwehren oder -Zäune, d. h. in Flüſſen ange-
brachten, durch zuſammengefügte Pfähle verfertigten Trichter, die
mit dem weiten Ende gegen den Strom ſtehen, am ſpitzigen Ende
aber mit einem Garnſacke verſehen ſind, ſo daß die Fiſche hinein,
aber nicht mehr ſelbſt hinauskommen; e) der Eggen (3 oder
4 eckig) mit Holz- oder Eiſenzinken, die dann beſonders zum Fange
der Schaalthiere in der Ebbenzeit bei niederem Waſſerſtande von
Thieren durch den Sand gezogen werden, während man hinten-
nach Fiſche und Schaalthiere aufliest; f) der Gabeln, Hacken,
Harpunen, Pfeile, Spieße und Stecheiſen; g) der Vögel, die
zum Fiſchfange abgerichtet ſind, beſonders des Seeraben (Kor-
moran, Pelecanus Carbo) und der Tauchergans; h) der Pfeile
und Bogen, ſo wie der Schießgewehre zum Schießen der
[311] Fiſche; i) der bloßen Hände, wenn man es wegen Beſchaffenheit
des Waſſers und Gewäſſers kann. Man fiſcht entweder bei Tage,
wozu man nicht ſelten mit der Fiſchtrampe (einer Stange zum
Auftreiben der Fiſche) jagt2), oder bei Nacht, wobei man ent-
weder am Nachen angebrachte Laternen mit Lichtern, oder ſolche
Laternen, die im Waſſer ſelbſt ſtehen und ein Licht in ſich, gegen
Waſſer geſchützt, halten können, gebraucht, weil ſowohl Fiſche als
Krebſe dem Lichte nachziehen. Man fiſcht aber auch unter dem
Eiſe, indem man das dazu eigens eingerichtete Netz (Eisnetz)
durch eine große Wuhne einſenkt, und unter dem Eiſe durch einige
in einiger Entfernung von einander angebrachte kleine Wuhnen
forttreibt, bis es unter einer zweiten großen Wuhne angekommen
iſt, aus welcher man es dann herauszieht.
Die forſtwirthſchaftliche Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und
Regeln dar, wonach das ganze forſtwirthſchaftliche Gewerbe, als
ein Zuſammenhängendes eingerichtet, gehandhabt und geleitet wer-
den ſoll (§. 119.). Es müſſen alſo auch in ihr alle Hauptmomente
vorkommen, welche bisher bei den Betriebslehren anderer Art
(§. 206. a.) gefunden worden ſind.
Man muß zum Betriebe der Forſtwirthſchaft1) folgende kör-
perliche und körperloſe äußere Güter beſitzen:
1) Naturmittel in möglichſt paſſendem Zuſtande. Es iſt
hierher zu rechnen: a) der Boden in derjenigen Beſchaffenheit,
welche den zu ziehenden Baumgattungen und der Wirthſchaftsart
entſpricht, in beſtimmter Flächenausdehnung. In Betreff der Be-
ſchaffenheit unterſcheidet man den abſoluten von dem relativen
Waldboden, und verſteht unter jenem einen Boden, der vermöge
innerer Eigenſchaften und ſeiner Lage eben nur zu Waldbau mit
Vortheil verwendet werden kann, unter dieſem aber einen ſolchen,
der auch nach dieſen Umſtänden zu Landwirthſchaft tauglich iſt,
aber zum Waldbaue benutzt werden ſoll, wenn man ihn zu jener
nicht bedarf oder durch Holzzucht überhaupt mit größerem Vor-
theile verwenden kann. Was aber die Flächenausdehnung anbe-
langt, ſo iſt man allgemein darüber einig, daß nach der Natur
der Forſtwirthſchaft ein vortheilhafter nachhaltiger Betrieb der-
ſelben nur auf einer ſehr großen Fläche geführt werden kann.
Dies verlangt der Schutz, den ſich der Wald ſelbſt geben muß, —
der periodiſche Verluſt, welcher in dem Waldbaue Statt findet, —
und die Wirthſchaftsmethode. Auch hat die Erfahrung zur Genüge
gezeigt, daß ſich kleine Waldparzellen nicht rentiren und bald in
einem ſolchen verſchlechterten Zuſtande ſind, daß ſie eingehen müſſen,
wenn man nicht des Vergnügens halber weder Koſten noch Mühe
ſcheut. b) Die Wildbahn. Dieſelbe ſteht zwar zur Forſtwirth-
ſchaft durchaus nicht in dem abſolut nothwendigen Verhältniſſe,
wie die Viehzucht zur Landwirthſchaft. Allein das Wild iſt eine
Zierde der Waldungen, ein einträglicher Nutzungszweig derſelben,
wenn die Jagd mit Sorgfalt und Umſicht gehandhabt wird, und
gibt viele Veranlaſſungen zum Beſuche der Waldungen, ſelbſt an
Plätzen, auf welche man der Beſichtigung halber ſonſt nicht wohl
kommen würde2).
2) Verkehrsmittel. Ohne Abſatz kann eine bedeutende
nachhaltige Forſtwirthſchaft nicht Statt haben. Deshalb ſind
[313] gehörige Transportmittel und -Wege1) ganz unentbehrlich.
Man transportirt:
A) Zu Land das Holz durch Tragen in Körben und Holz-
tragen, durch Fahren auf Karren, Wagen und Schlitten, durch
Walzen auf der bloßen Erde und Unterlagen, durch Schleifen
am Lotteiſen (Keil, der mit einer Zugkette verſehen iſt und in die
Blöche geſchlagen wird), das man allein oder mit dem Lottbaume
(einer Deichſel für zwei Menſchen oder Thiere), oder mit einem
halben Wagen anwendet, um die Zugkraft zu erleichtern und zu
verſtärken, und endlich durch Rutſchen entweder auf der bloßen
Erde oder in Rieſen (d. h. entweder in die Erde gegrabenen und
mit Holz befeſtigten oder durch Eiſen, Stangen, Blöche und
Bretter verfertigten künſtlichen Rinnen, — Erd-, Eiſen-, Stangen-
rieſen), oder auf Rutſchen (Holzwegen), oder an Seilen, indem
man das herabzulaſſende Holz entweder auf oder ohne Unterlagen
und Walzen an Seilen hält und allmälig gleiten läßt. Auf den
Heerſtraßen und andern Fahrwegen darf es nur mit Wagen trans-
portirt werden. Bevor es aber zu dieſen oder zu einer Waſſer-
ſtraße gelangt, wird es auf eigenen Holztransportwegen weiter
geſchafft. Dieſe aber ſind entweder Winter- (Schnee-) Wege
oder Sommer- (Schmier-) Wege, und bei Beiden unterſcheidet
man wieder die Schiffbau-, Langholz- (Bloch-) und Feuerholz-
wege. Die Winterwege ſind nur bei einer durch den Schnee her-
vorgebrachten natürlichen Glätte, die Sommerwege nur bei einer
durch Waſſer, Speck oder Talg hervorgebrachten künſtlichen Glätte
fahrbar. Sie ſind ſämmtlich mehr oder weniger mit Längen- oder
Querhölzern (Streichrippen) befeſtigte Wege, auf welchen die
Holzſchlitten und Holzarchen (eigene Gerüſte von Holz) mit Holz
beladen von Menſchen oder Thieren hingezogen werden. Da nun
in Gebirgen oft Unterbrechungen der Wege Statt finden oder auf
Sumpfboden kein Schlittenweg angelegt werden kann; ſo wird es
oft nöthig, die Wege auf Jöchern u. dgl. brückenartig anzulegen.
So entſtehen die Sumpfſchlittwege (über Sümpfen), die
beweglichen Schlittwege (über Klüften) und die Leiter-
wege (leiterförmig über Schluchten). Neben dieſen Schlittwegen
ſind in der Regel auch gewöhnliche (Weich-) Wege angelegt, auf
denen die Thiere und Menſchen zurückgehen2).
B) Zu Waſſer unmittelbar auf der Waſſerfläche (Flößerei)
oder mittelbar zu Floß als Oblaſt und zu Schiffe, wenn ein
ſolches Gewäſſer vorhanden iſt, auf welchem dies geſchehen kann
(das ſchiff- oder floßbar iſt). Wenn weder Waſſermangel noch
plötzliches und häufiges Anſchwellen der Flüſſe, niedriger Stand
[314] der Ufer, ihre Begangbarkeit, Felſen und Sandbänke in der Floß-
ſtraße, unzureichende Breite derſelben, zu ſeichtes und zu hohes
Gefälle des Fluſſes, zweckwidrige Richtung und Krümmungen
deſſelben, Mangel an Landplätzen, noch Waſſerbauten, bei denen
keine Schleußen angebracht ſind, der Flößerei entgegenſtehen, ſo
iſt ſie eine ſchnelle, bequeme und wohlfeile Transportmethode,
welche auf den guten Betrieb der Waldwirthſchaft vortheilhaft zu-
rückwirken muß3). Der Schifftransport des Holzes aber iſt
von den Bedingungen der Schifffahrt im Allgemeinen abhängig.
Die Flößerei im eigentlichen Sinne transportirt das Holz,
welches verſendet werden ſoll, unmittelbar ſelbſt auf dem Waſſer;
die Flößerei als Oblaſt aber transportirt das zu flößende Holz
auf eigens aus Stämmen gefertigten Tragflößen aus Tannenholz,
oder, weil es wegen der Schwere nicht von ſelbſt ſchwimmt, in
Verbindung mit den leichteren Tannenholzſtämmen, oder endlich
aus demſelben Grunde auf waſſerdichten verpichten Tonnen. Was
a) die Art des Flößens anbelangt, ſo iſt ſie entweder ungebun-
dene oder gebundene (geſpannte, regelmäßige) Flößerei. Bei
jener ſchwimmt das Holz in einzelnen Stücken, bei dieſer aber in
Flößen einher, und zwar wird auf beide Methoden Brenn- und
Langholz geflößt. Bei der gebundenen Langholzflößerei unterſchei-
det man die Geſtörflöße, welche aus zuſammengeknüpften Abthei-
lungen (Geſtören) beſtehen, die aus einzelnen Floßhölzern zuſam-
mengefügt ſind, und Hauptflöße, welche nach allen Ausdehnungen
eine große ganze Maſſe bilden. Die Geſtörflößerei iſt auf kleinen
ſeichten Flüſſen, die Hauptflößerei auf breiten tiefen Strömen an-
wendbar. Bei jener gebraucht man die Flößſtange, bei dieſer die
[315] Ruder, und jene führt daher dieſer von Seitenflüſſen das Holz zu.
Der Platz, wo man die Flöße bindet, heißt Bindſtätte (Ein-
bindſchaft)1). Was aber b) die Floßſtraße anbelangt, ſo iſt
ſie entweder ein natürliches oder ein künſtlich gefaßtes
Flußbett. Zu dem Erſteren gehört das Selbſtwaſſer (der
Selbſtbach), wenn ſich das Waſſer dazu in gehöriger Menge von
Natur ſelbſt immer ſammelt; der Keuter, wenn man nämlich das
ſpärlich herzufließende Waſſer durch eine Querſperre im Fluſſe mit
Holz, Reiſig, Moos und Erde ſo lange hält, bis man es, mit
einer Holzmenge beladen, loslaſſen kann; die Waſſerſtube, wenn
man zu demſelben Zwecke, wozu die Keuter dienen, ganz regel-
mäßige und ſtarke Waſſerbauten mit Stellfallen und Gerinnen an-
legt; die gewöhnlichen Wehre und Deiche, welche dazu dienen,
der Floßſtraße das Waſſer zuzuführen, und bloße, verſchiedenartig
laufende, Dämme von Faſchinen, Holz oder Steinen ſind; und
endlich die Schwellungen (Klauſen), große, künſtlich zugerich-
tete, Waſſerſammelplätze aus Quellen, Bächen u. dgl., welche das
Waſſer ſo im Großen ſammeln ſollen, daß ſie, wenn man ſie los-
läßt, allen Waſſermangel auf der Floßſtraße zugleich decken, indem
ſie das Holz mit ſich fortreißen. Zu dem Anderen gehören aber
Waſſerbauten verſchiedener künſtlicher Art, je nach der Lang- und
Kurzflößerei. Sie ſind entweder blos Verwahrungen der Ufer oder
wirklich ganz künſtlich gefaßte Floßſtraßen, und beſtehen für beide
Zwecke aus Dämmen, Faſchinenbauten, Flechtwerk und
Holzeinwandungen, für die Kurzholzflößerei insbeſondere aber
aus Waſſerrieſen, d. h. rieſenartig gebauten Kanälen aus Stan-
gen, aus der Kähnereinrichtung, d. h. rinnenförmig zuſammen-
geſetzten ausgehöhlten Baumſtammhälften (Kähner), aus hölzernen
Floßkanälen, und aus gebruckten und gedammten Floß-
ßraßen, d. h. Rieſen-, Kähner- und Kanaleinrichtungen voriger
Art, welche man über Klüfte und Schluchten auf Geſtellen oder
Brücken leiten muß. Was endlich c) die äußeren Mittel zur
Flößerei in dieſen verſchiedenen natürlichen und künſtlichen Floß-
ſtraßen anbelangt, ſo gehören dahin die Einrichtungen ſowohl von
Landungsplätzen und Holzmagazinen (Holzgärten) als auch von
Holzfängen und Rechen2).
3) Tüchtige Arbeiter in erforderlicher Anzahl. Was ſchon
oben geſagt (§. 208.) iſt, gilt auch hier, nicht blos bei der Boden-
bearbeitung und Saat, ſondern namentlich beim Hiebe und bei der
Aufbereitung des Holzes zu den verſchiedenen Sortimenten.
4) Hinreichendes Capital. Dieſes beſteht bei der Forſt-
wirthſchaft nicht aus jenen vielen Einzelheiten, wie bei der Land-
wirthſchaft. Es gehören die ſämmtlichen Forſt- und Jagdgebäu-
lichkeiten, die Holzſaat, der Holzerwachs1), die verſchiedenen
Wirthſchaftsgeräthe, das forſtliche Arbeitsvieh ſammt den Unter-
haltungsausgaben und etwaigen Geſchirrſtücken, die verſchiedenen
Holztransporteinrichtungen und dazu nöthigen jährlichen Unter-
haltungsausgaben, die jährlichen anderen Betriebsausgaben, wie
Arbeitslohn u. dgl., die Vorräthe von verſchiedenen Holzſortimenten
in den Magazinen, und die Waldgerechtſame verſchiedener Art,
deren der Forſt und deſſen Betrieb genießt.
5) Freiheit des Betriebes. Beſchränkungen derſelben,
welcher Art ſie auch ſein mögen, erſcheinen wie ein dem Eigen-
thümer entzogener Theil des Capitals. Gerade beim Waldbaue
ſind deren eine bedeutende Anzahl, als: das Recht eines Anderen,
aus dem Walde jährlich einen beſtimmten Theil des Holzertrages
unentgeltlich zu beziehen; die Verpflichtung, einem Anderen ein
gewiſſes Holzquantum unbeſtimmter Gattung aus dem Walde zu
verabfolgen; dieſelbe Verpflichtung zur Abgabe beſtimmter Holz-
[317] ſortimente; das Recht eines Andern, aus dem Forſte unentgeltlich
ſein ganzes unbegrenztes Holzbedürfniß zu befriedigen; jenes, ohne
Entgelt aus dem Forſte alles Aſt- und Reiſigholz (Zopfholz) zu
nehmen; die Verpflichtung des Waldeigenthümers, alle Weichhölzer
an einen Andern abzugeben; die Gerechtſame eines Dritten, im
Forſte das Raff- und Leſeholz zu ſammeln; und die Berechtigung
auf den Bezug aller abgeſtorbenen Bäume, Lagerhölzer, Stöcke
und Wurzelhölzer; die Waldweide- und Maſtungsgerechtigkeit mit
verſchiedenen Viehgattungen in beſtimmter oder unbeſtimmter An-
zahl, und das Recht zur Waldſtreunutzung. Alle dieſe Beſchränkungen
ſind nicht blos ſchädlich, in ſoferne ſie einen oft ſehr bedeutenden
Theil des Ertrages entziehen, ſondern auch in ſoferne, als ſie die
Einführung einer angemeſſeneren Betriebs- und Wirthſchafts-
methode verhindern und in einen bereits eingeführten den Fortgang
durch allerlei Beſchädigungen verhindern.
Das Eigenthum an Waldungen kann Jeder im Staate erlan-
gen. Daher finden ſich auch Privat-, Gemeinde-, Staats-,
Stiftungs- und Corporationswaldungen. Unter welchem Titel man
auch einen Forſt beſitze, ob durch Eigenthum, Pacht oder Ver-
leihung, ſo iſt es immer von der größten Wichtigkeit, daß er nur
nach wirthſchaftlichen Regeln verwaltet werde und daß ein Ver-
walter (Forſtmeiſter, Förſter) an der Spitze ſtehe, der ſich wiſſen-
ſchaftlich und praktiſch gehörig gebildet hat. Denn ohne das geht,
wie aus der Gewerbslehre zu erſehen iſt, der Wald weit ſicherer
dem Verderben und weit größerer Zerrüttung entgegen, als ein
Landgut oder Grundſtück, und der Schaden wird weit nachhaltiger
als bei dieſen, weil ein Forſtbau auf große Zeitperioden hinaus
angelegt wird. Was nun aber
1) Die wirthſchaftende Perſon, welche das Waldeigen-
thum haben ſoll, anbelangt, ſo ſteht die Forſtwirthſchaft unter
einem anderen Geſichtspunkte als die Landwirthſchaft, und zwar
a) weil ein Waldbetrieb ohne großes Waldeigenthum nicht wohl
mit Nachhalt und nach den nöthigen Kunſtregeln möglich iſt,
[318] folglich ein ſehr großes Forſtgrundeigenthum erfordert wird;
b) weil folglich ſchon zum Ankaufe eines ſolchen Forſtes ein großes
Capital aufgewendet werden muß und die Betriebsplane ſo weit
ausſehend ſein müſſen, daß ſich das ſtehende und das Betriebs-
capital nur erſt nach vielen Jahren rentirt und erſetzt; c) weil
der Zins, welchen das Forſtcapital gibt, ſehr wandelbar, von
äußern Natur- und Verkehrsumſtänden abhängig, iſt, abgeſehen
davon, daß man keine hinreichende Erfahrung über ſeinen Fuß
hat. Die Forſtwirthſchaft eignet ſich darum, mit Ausnahme jener
in kleinen Büſchen, welche nicht leicht regelrecht betrieben werden
kann, nur mehr für moraliſche Perſonen, deren Exiſtenz als
immerwährend angenommen wird und deren Capitalbeſitz groß genug
iſt, nämlich vorzüglich für den Staat, die Gemeinden, Stiftungen
und Geſellſchaften. Einzelnen Privaten iſt der Ankauf und Betrieb
von Forſten deshalb blos dann anzurathen, wenn ſie leicht ein
großes Capital weitausſehend anlegen können, und die Familien-
verhältniſſe ſo beſchaffen ſind, daß die Familie mehr als eine
moraliſche Perſon angeſehen werden kann, bei welcher eine Thei-
lung des Grundeigenthumes nicht zu erwarten iſt, entweder weil
das Majorat gilt, Fideicommißeinrichtungen beſtellt ſind oder die
Beſitzungen im Namen der einzelnen Erben als Geſammtmaſſe ver-
waltet werden müſſen. Was dagegen
2) Die Bewirthſchaftungsart anbelangt, ſo hat man
dieſelben dafür, welche auch ſchon oben (§. 209. —) erwähnt
ſind. Es gilt auch hier im Allgemeinen, was dort darüber geſagt
iſt. Jedoch ſind Zeitpachtungen der Natur der Sache nach
nicht zuläſſig, es ſei denn, daß man den Uebergang des Pachtes
auf die Erben des Pachters bis zum Ablaufe der Pachtzeit geſtat-
tet habe. Auf dieſe Art nimmt die Zeitpacht aber die Natur der
Vererbpachtung an, welche der Natur der Waldungen und
Forſtwirthſchaft am meiſten entſpricht, unter den Bedingungen,
welche an die Perſon nach obigen Grundſätzen gemacht werden,
die einen Wald nachhaltig bewirthſchaften will. Die Präcautionen
ſind hier im Ganzen dieſelben, wie bei der Verpachtung von
Landgütern1).
Da ſich im Forſtbaue nicht leicht beſondere Verſuche anſtellen
laſſen, weil ſie mit zu großem Aufwande verbunden ſind, und da
jeder etwaige Verſuch im Großen ſogleich die Natur einer wirk-
lichen Betriebsart annimmt, ſo bezieht ſich die Leitung des forſt-
wirthſchaftlichen Betriebes nur auf zwei Hauptgegenſtände. Sie
ſind:
1) Die Wahl und Leitung der Betriebsart1). Die
Wirthſchaft verlangt überhaupt Nachhaltigkeit verbunden mit dem
größten und ſicherſten Ertrage. Wenn daher die Forderung erfüllt
iſt, wonach man die den klimatiſchen und Bodenverhältniſſen am
meiſten entſprechende Holzgattung rein oder vermiſcht und die paſ-
ſendſte Wirthſchaftsmethode (§. 227–232.) wählen muß, ſo iſt
darauf zu ſehen, den Boden und deſſen Beſtand am zweckmäßigſten
und vortheilhafteſten zu benutzen, um auf immer eines Ertrages
in gewiſſen Perioden ſicher zu ſein. Dies aber hängt von der Be-
triebsart ab. Man hat folgende Betriebsarten:
a) Den Ausſetzbetrieb (ausſetzenden, intermedirenden),
nach welchem jede Forſtabtheilung, insbeſondere aber eine kleine
Waldung, wenn ihre Umtriebszeit eingetreten iſt, regelmäßig ganz
abgeholzt und wieder erneuert wird.
b) Der Nachhaltsbetrieb, nach welchem man periodiſch
einen Theil der Waldfläche oder eine Forſtabtheilung abholzt und
wieder verjüngt, um ſo einen regelmäßig periodiſchen oder jähr-
lichen Ertrag zu ſichern, vom Boden den größten Nutzen zu ziehen,
und für die fortwährende Nutzung zu ſorgen2). Man kann die
hierher gehörenden verſchiedenen Betriebsweiſen folgendermaßen
zuſammenſtellen:
α)Rein forſtliche Nachhaltsbetriebsarten, d. h. ſolche,
bei welchen blos eine nachhaltige Bewirthſchaftung des Forſtes auf
Holz bezweckt, und die übrigen Nutzungen als Nebenſache betrachtet
werden. Es ſind dies folgende:
a) Der Fehmel- (Fimmel-, Schleich- oder Plänter-)
Betrieb, d. h. derjenige, bei welchem man forſtweiſe und einzeln
den Hieb anlegt und die Verjüngung bezweckt3).
b) Der Schlagwaldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem
man die ganze Waldfläche in mehrere gleiche regelmäßige Theile
(Schläge) eintheilt, von welchen man dann einen nach dem an-
dern beſaamt, um wieder in gleichen Perioden einen nach dem
andern abholzen und wieder verjüngen zu können u. ſ. f., wodurch
ein fortwährender regelmäßiger Umtrieb eintritt4).
β) Landwirthſchaftlich forſtliche Nachhaltsbetriebs-
arten, d. h. ſolche, bei welchen man dem Waldboden nicht blos
den größten nachhaltigen Forſtertrag, ſondern auch zugleich eine
erhebliche landwirthſchaftliche Nutzung abzugewinnen ſucht, folglich
die ſonſtige Nebennutzung an Futter, Streu und Getreide auch zu
Hauptnutzungen erhebt. Es gehören hierher:
a) Der Hackwaldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem man
in Niederwaldungen ſogleich nach dem Hiebe die Erde zwiſchen den
Stöcken beackert und beſäet, um daraus einige Getreideernten zu
beziehen5).
b) Der Baumfeldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem
man den Wald in Schläge eintheilt, von dieſen jährlich einen ab-
holzt, in dieſem die Stöcke ausrodet, den Boden für Feldbau zu-
richtet, einige Jahre als Feldboden landwirthſchaftlich benutzt,
dann eine entſprechende Holzart in Reihen der Ackerfurchen nach
anpflanzt, zwiſchen dieſen Reihen den Feldbau fortſetzt, bis dies
wegen der Größe der Bäume nicht mehr angeht, hierauf die Hälfte
der Bäume herausnimmt, ſobald ſich die Bäume durch ihre Größe
[321] im Wachsthume hindern, dieſe Durchholzung wiederholt, ſo oft
und ſo lange es nach der Natur der Bäume und nach dem Zwecke
der Baumzucht erforderlich iſt6), und ſo mit jedem Schlage es
nachmacht.
c) Der Waldfeldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem man
wo möglich noch im Herbſte nach der Abholzung und Räumung
jedes Schlages den Boden feldbaumäßig bearbeitet, die Holzüber-
bleibſel auf dem Boden verbrennt, die gewonnene Aſche ausſtreut,
den Boden ſo dem Winterfroſte Preis gibt, im nächſten Frühjahre
(manchmal bei gehöriger Lockerheit des Bodens ſogleich im Herbſte)
mit 4–7 jährigen Waldbäumen nach localen Umſtänden bepflanzt,
— zur rechten Zeit zwiſchen die Baumreihen Hackfrüchte (Kartof-
feln, Rüben, Mais) bauet, um ſo den Baumpflanzen den Boden
gehörig zu lockern und zu befruchten, — nach 2–4 Jahren dem
Fruchtbaue die Grasnutzung eben ſo lange folgen läßt, weil der
Boden für jenen zu beſchattet und zu entkräftet iſt, — und endlich
von dieſer Zeit an den Boden und Wald in Ruhe und Schonung
läßt7).
Während bei der Landwirthſchaftslehre (§. 212.) dieſer Theil
der Betriebslehre ſich für die Einführung einer Wirthſchafts-
methode, für Verkauf und Verpachtung gleich nützlich zeigt, ſo
findet daſſelbe auch bei der Forſtwirthſchaft Statt, nur mit dem
Unterſchiede, daß er in dieſer die Natur der Statiſtik annimmt,
da es Jahrhunderte dauert, bis die Umtriebszeit vollendet iſt, und
da die Reſultate ſtets als ſolche eines Verſuches erſcheinen und
den Forſtwirth für die Einführung des nächſten Syſtemes beſtim-
men können. Die Forſtſtatiſtik, welche dieſen Namen um ſo
mehr verdient, wenn ſie ſich über alle Waldungen des Landes
erſtreckt, wird daher den Forſt in phyſikaliſcher (Grenze, Lage,
Boden, Klima, Vegetation) und in ökonomiſcher Hinſicht (Eigen-
thümer, Beſtand, Betriebsart, Wirthſchaftsmethode, Alter, Ma-
terialbeſtand, Zuwachs, Aufwand, Material- und Geldeinnahme,
Abſatz, Transportmittel, Gerechtigkeiten und Pflichtigkeiten) be-
ſchreiben, je nach den periodiſch vorgehenden Veränderungen. Es
iſt alſo nöthig, daß man Grenz-, Forſt- und Beſtandscharten
fertigt. Sind die Reſultate bekannt genug, um ſich für eine
Kulturmethode danach entſcheiden zu können, ſo verfertigt man
a) den Forſtkulturplan, nach welchem die Kulturgeſchäfte ge-
leitet werden, und in welchem nach näherer Angabe des Platzes,
ſeines Zuſtandes, des bezweckten Kulturvorſchlages, der Flächen-
raum, der zur Saat oder Pflanzung verwendet werden ſoll, beſtimmt
und ein Ueberſchlag des Kulturaufwandes für Arbeit, Saat,
Pflanzung u. dgl. gemacht wird. b) Den Forſtfällungsplan,
welcher aus der Wirthſchafts- und Betriebsmethode hervorgeht.
Derſelbe bezeichnet die Schläge, ihren Beſtand, die anzulegende
Wirthſchafts- und Betriebsmethode, den Hieb, die Größe der
Schläge, einen Ueberſchlag des Materialertrages, der Sortirung
und Verwendung des Holzes nebſt den wahrſcheinlichen Holzpreiſen,
alſo auch einen Geldüberſchlag.
Man verſteht unter der forſtlichen Statik die Erfahrungs-
wiſſenſchaft von den Urſachen (Kräften) der forſtwirthſchaftlichen
Ergebniſſe, von der Art und Stufenweiſe ihrer Wirkung, und von
dem Erfolge dieſer Wirkung ſelbſt in ihrem Zuſammenhange, nicht
als ſpezielle Notirung von irgend einem Forſte oder Forſtbezirke
(denn dieſe gibt die Statiſtik), ſondern als allgemeine aus der
Natur des Holzes, Bodens und der Vegetation überhaupt entnom-
mene Erfahrung. Es ſind alſo auch hier zu betrachten:
a) Die Betriebsausgaben. Sie beziehen ſich, da von
einer chemiſchen Agricultur im Forſtbaue nicht die Rede iſt, blos
auf Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der Beamten, Dienſt-
boten und Arbeiter, und auf die Anſchaffung und Unterhaltung
ſowohl des ſtehenden Capitals (Gebäulichkeiten für Wald und
Jagd, Holztransporteinrichtungen, Holzbeſtand, Geräthſchaften,
Wildſtand, Arbeitsvieh ſammt Geſchirre, und Gerechtſame) als
auch des umlaufenden (Saat, Pflänzlinge, magazinirte, überhaupt
ſchon gewonnene Productenvorräthe) in Natur und Geld (§. 213.)
b) Die Betriebseinnahmen. Es laſſen ſich dabei unter-
ſcheiden:
α) Die Naturaleinnahmen an Haupt- und Nebenproducten
von Wald und Jagd. Die Erſteren hängen unter übrigens gleichen
Umſtänden von dem jährlichen Holzzuwachſe ab, welcher bis zu
einem beſtimmten Alter Statt findet. Man unterſcheidet dabei das
Höhenwachsthum, das Dickenwachsthum und die Kronen-
ausbreitung für ſich, und die Maſſenzunahme im Ganzen
bei welcher lezteren man wieder den einzelnen Stamm im Freien
und die ganze Beſtandsfläche ihrem Schluſſe nach zu betrachten
hat, deren ſtufenweiſe Maſſenzunahme von der Anzahl der Stämme
von der Wirthſchaftsmethode und dem darin vorhandenen Längen
und Dickenwuchſe, und endlich von der Vollwüchſigkeit des Beſtan-
des abhängt1). Man bedient ſich zur Berechnung des cubiſchen
Inhaltes der Stämme eigener Inſtrumente, der Baummeſſer2).
β) Die Geldeinnahmen aus dem Verkaufe der rohen Pro-
ducte. Man verkauft das Holz entweder an den Meiſtbietenden oder
aus der Hand. Daſſelbe kann aber auf dieſe Methoden entweder
im Walde oder aus Magazinen abgeſetzt werden, in welchem erſteren
[325] Falle der Verkauf entweder noch auf dem Stocke (ſtehend) oder
nach geſchehener Fällung und Aufarbeitung vorgenommen werden
kann3).
γ) Oft finden in den Forſten für Verarbeitung der Haupt-
und Nebenproducte techniſche (gewerkliche) Nutzungszweige Statt,
wie Köhlereien, Schwelereien, Kalkbrennereien u. dgl. Was von
den landwirthſchaftlich techniſchen Nutzungszweigen dieſer Art
(§. 214. c.) geſagt iſt, gilt auch von dieſen.
Ueber die Berechnung des Reinertrags ſehe man am angeführ-
ten Orte nach.
Die forſtwirthſchaftliche Buchhaltung bietet diejenigen Ver-
wickelungen nicht dar, welche bei der landwirthſchaftlichen (§. 215.)
vorherrſchen. Denn weder in den Nutzungszweigen noch in den
Ausgaben herrſcht eine ſolche Manchfaltigkeit vor. Die Einnahmen
und Ausgaben bei den (§. 264. γ.) genannten techniſchen Nutzun-
gen abgerechnet, welche bei hinreichender Ausdehnung eine eigene
und einfache Rechnungsführung haben, bleibt blos die Einnahme
und Ausgabe an Haupt- und Nebenproducten in Natur (Holz,
Wildpret; — Rinde, Harz, Saft, Laub, Saamen, Gras —) und
in Geld zu notiren und zu verrechnen. Die Folge, in welcher ſie
auf einander kommen, iſt ſchon zum Voraus durch die Kultur-
und Fällungspläne (§. 263.) beſtimmt. Außerordentliche Nutzungen
ſind gegen die Prinzipien einer geregelten Forſtwirthſchaft; da ſie
indeſſen doch vorkommen, ſo bilden ſie in der Forſtrechnung doch
keine Unregelmäßigkeit. Die ganze Buchführung zerfällt in zwei
Hauptzweige, nämlich in
a) Das Voranſchlags- oder Etatsweſen; indem nämlich
zur Erleichterung der Controle eine ungefähre Vorherbeſtimmung
der jährlichen rohen und reinen Natural- und Geldeinnahme ge-
macht wird, was immer nur mit Bezug auf den Kultur- und
Fällungsplan geſchehen kann. Daher entſtehen die forſtlichen Na-
tural- und Geldetats.
b) Das Rechnungsweſen ſelbſt, welches eine einfache Buch-
führung über Natural- und Geldausgabe und -Einnahme iſt, die
ſich in allen Poſten auf Quittungen, Atteſte und Belege anderer
Art bezieht. Bei kleinen Forſtverwaltungen wird Natural- und
Geldrechnung in Einem geführt. Bei großer Forſtverwaltung aber
iſt eine Trennung derſelben ein weſentliches Mittel zu Controle,
ebenſo wie für beide es auch die Etats ſind, in ſoferne nämlich
bedeutendere Abweichungen von denſelben genau motivirt werden
müſſen.
Was oben (§. 216.) von den Arten der Anſchläge geſagt iſt,
das gilt auch hier, nur von den Forſten. Aber die Arbeiten zur
[327] Verfertigung derſelben ſind weſentlich von den landwirthſchaftlichen
Taxationsgeſchäften (§. 217.) verſchieden1). Da ſich bei der Land-
wirthſchaft der Ertrag jedes Jahr erneuet, ſo iſt man dort auf
Informationen und Auszüge aus den Wirthſchaftsbüchern ange-
wieſen und muß annäherungsweiſe beſtimmen, was bei einem ge-
wiſſen Syſteme für ein Ertrag erfolgen mag. Bei der Forſtwirth-
ſchaft erſtreckt ſich ein Umtrieb auf viele Jahre, und man hat es
mit einem beſtimmten feſten Beſtande zu thun, deſſen Maſſe in der
Gegenwart und für die Zukunft berechnet werden muß2). Will
man daher den gegenwärtigen Beſtand abſchätzen (Maſſen-
aufnahme), ſo braucht man ſich blos auf das an Holz, Wildpret
und Gras Vorhandene zu beziehen. Soll aber der zukünftige
Beſtand ermittelt werden (Aufnahme des periodiſchen Ertrags),
ſo iſt vorerſt der jetzige zu berechnen, der periodiſche Zuwachs zu
beſtimmen und Alles dasjenige mit in Abzug zu bringen, was, aus
irgend was für Gründen, an Naturale und Geld in Abgang ge-
räth. Dazu können aber nur blos allgemeine Erfahrungen und
beſondere Verhältniſſe des abzuſchätzenden Forſtes und Jagdrevieres
die geeigneten Haltpunkte geben, und es läßt ſich leicht erklären,
warum das forſtliche Taxationsweſen noch unvollſtändiger als die
Forſtwiſſenſchaft im Ganzen iſt. Die Abſchätzung
A. Der Hauptnutzung zerfällt in jene der Jagd und des
Holzes. Erſtere kann nur nach den Jagdregiſtern, nach Infor-
mationen über den gegenwärtigen Wildſtand u. dgl., und nach
allgemeinen Regeln des Hegens ermittelt werden. Die Holznutzung
aber, ſei ſie vom gegenwärtigen Beſtande oder von dem zukünftigen
auszumitteln, ſetzt immer eine Abzählung und Meſſung der
Stämme voraus. Dieſe geſchieht nun a) entweder durch wirk-
liches Abzählen, Meſſen und Klaſſiren der Stämme des Beſtandes3),
b) oder durch Vornahme dieſes Geſchäftes auf Probeflächen von
⅛-1 Morgen, wovon man dann das Reſultat mit der Morgen-
zahl des ganzen Beſtandes multiplizirt; c) oder durch Vergleichs-
(Erfahrungs-, Ertrags-) Tafeln4) über den Holzmaſſegehalt von
Beſtänden verſchiedener Alter, Gattung und Wirthſchaftsmethode.
Mit dieſer Abzählung findet zugleich eine Sortirung des Holzes in
Brenn- und Nutzholz Statt, und nach dem berechnet man jeden
Stamm und jede Klaſſe einzeln durch Multiplication der Kreisfläche
mit der Höhe, oder aber ſo, daß man alle einzelnen Stammkreis-
flächen in Quadratfußen beſtimmt, dieſe einzelnen Reſultate in eine
Hauptſumme bringt, und dann den Kubikinhalt berechnet, indem
man jene Hauptſumme mit der Durchſchnittshöhe der Stämme des
Beſtandes multiplizirt. Das Reiſig und Buſchholz wird nach dem
[328] Augenmaaße oder nach Maaßgabe einer abgeholzten Fläche be-
rechnet. So gelangt man zur Kenntniß des gegenwärtigen Beſtandes.
Will man aber den zukünftigen Beſtand vorausbeſtimmen, ſo muß
auch der Zuwachs berechnet werden. Dies geſchieht nun a) ent-
weder nach Ertragstafeln (empiriſch), indem man die Maſſe eines
jüngern Holzbeſtandes von jener des älteren abzieht, wobei der
Reſt als Zuwachs für die ganze Periode, um welche der Leztere
älter iſt, erſcheint und der jährliche blos durch die Diviſion dieſes
Abſatzes mit der Zahl der Jahre gefunden wird, während der
allgemeine durchſchnittliche Zuwachs durch die Diviſion der Holz-
maſſe des ganzen Beſtandes mit der Zahl ſeiner Altersjahre ermit-
telt werden kann; b) oder durch Abzählen der Jahresringe von
der Peripherie gegen das Centrum an abgehauenen oder ſelbſt
mehrmals durchſchnittenen Stämmen, und hiernach (mathematiſch)
annäherungsweiſe die Berechnung des Zuwachſes5); c) oder endlich
bei richtiger Schlageintheilung, um den Zuwachs des ganzen Be-
ſtandes zu beſtimmen, dadurch, daß man dieſen Lezteren als eine
fallende Progreſſion anſieht, deren erſtes Glied dem einjährigen
Zuwachſe des ganzen Beſtandes, deren leztes aber dem Zuwachſe
des jährlich zu hauenden Beſtandtheiles, und wobei die Anzahl
der Glieder jener der Jahre des Abtriebes gleich iſt, — und hier-
auf dieſe Progreſſion ſummirt, wovon die Summe den ganzen
Zuwachs während der Abtriebszeit beträgt und nur zu der Total-
beſtandsmaſſe addirt zu werden braucht, um durch Diviſion mit den
Jahren der Umtriebszeit in die entſtehende Hauptſumme den jähr-
lichen Ertrag zu finden.
B. Der Nebennutzungen der verſchiedenen Art geſchieht
nach Informationen und Auszügen auf dieſelbe Weiſe wie man in
dem landwirthſchaftlichen Betriebe den Wieſen- und Weideerwachs,
Fruchtertrag u. ſ. w. veranſchlägt.
Hat man ſo den Naturalertrag berechnet, ſo verfertigt man
jedesmal, wenn es erforderlich iſt, nach Taxen oder Durchſchnitts-
preiſen den Geldanſchlag. Von dem ſo ermittelten Rohertrage
zieht man alsdann die verſchiedenen Ausgaben ab, welche zum
Theile mit dem Betriebe verbunden ſind, zum Theile aus Pflich-
tigkeiten herrühren, und in Geld oder Naturale beſtehen6).
Die bei der Forſtabſchätzung zu fertigenden Aktenſtücke ſind
aus dem Bisherigen im Allgemeinen leicht zu entnehmen. Außer
den Informationsprotokollen, Auszügen, Durchſchnittsberechnungen,
Charten, Beſichtigungs- und Vermeſſungsregiſter und dergleichen
mehr, iſt es auch räthlich, ein ganzes Geſchäftsprotokoll zu ent-
werfen. Doch richten ſich die einzelnen Rubriken nach beſonderen
Verhältniſſen, während in jedem Lande dazu beſtimmte Normen
und Formularien gegeben ſind.
Unter Kunſtgewerbslehre (Gewerkslehre, Technolo-
gie) verſteht man die ſyſtematiſche Darſtellung der Grundſätze und
Regeln, wonach die der Natur abgewonnenen Rohſtoffe durch Ver-
edelung und Verarbeitung ſo zugerichtet werden, daß ſie für die
Zwecke der Menſchen brauchbarer ſind, als im Urzuſtande. Es
gehört alſo in ihr Bereich nicht blos die eigentliche Verarbeitung
roher Stoffe zur Bildung neuer Producte, ſondern auch die Aus-
beſſerung und Wiederherſtellung derſelben. Es iſt nicht blos ihre
Aufgabe, die verſchiedenen Verfahrungsweiſen zu erzählen, ſondern
vielmehr auch alle die einzelnen Gewerkszweige durch Zurückführung
auf mathematiſche und naturwiſſenſchaftliche Prinzipien zu begrün-
den. In dieſer lezteren Art und mit dieſem lezteren Zwecke iſt ſie
erſt in der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts hervorgetreten,
und namentlich hat ſich Joh. Beckmann um ſie damals ſehr
große Verdienſte erworben. Dagegen beſtand ſie vor dieſer Zeit
mehr nur in den einzelnen kunſt- und gewerbsmäßig betriebenen
techniſchen Zweigen ohne eigentlichen inneren wiſſenſchaftlichen Zu-
ſammenhang und ſelbſt im Einzelnen ohne wiſſenſchaftlich tiefe
Begründung1). Ihr Gegenſtand iſt von ſolcher Ausdehnung und
Manchfaltigkeit, daß ſelbſt nur eine ſtrenge Ueberſicht deſſelben eine
bis jetzt unerreichbare Aufgabe war, und er wird ſich auch noch
immerfort erweitern, je mehr ſich die Hilfslehren der Technologie,
— nämlich die Mathematik, Mechanik, Phyſik, Chemie
und Naturgeſchichte, — und der Gewerbseifer mit dem Wohl-
ſtande der Völker ausdehnen. Es gehört ihr Alles an, was zwi-
ſchen der kunſtloſeſten Verarbeitungsthätigkeit und der höchſten
bildenden Kunſt ſeinen Platz findet. Als wiſſenſchaftlicher Erkennt-
nißzweig ſchließt ſie jedoch die Gewerke, zu deren Kenntniß keine
wiſſenſchaftliche Kenntniß nöthig iſt und blos Uebung gehört, aus
und beſchäftigt ſich dagegen nur mit den anderen. Obſchon ihre
Literatur, als umfaſſende Technologie, keineswegs übermäßig groß
iſt2), ſo ſind die Schriften und Belehrungen über die einzelnen
Gewerksthätigkeiten und Gewerkszweige von ganz ungeheurer Aus-
dehnung, ſo daß viele Erfindungen ganz unzugänglich wären, wenn
es nicht technologiſche Zeitſchriften3) gäbe, welche als die
[331] literariſchen Gemeinplätze für Alles dasjenige gelten, was für die
Kunſtgewerbslehre theoretiſches und praktiſches Intereſſe hat.
Die werkmänniſche Gewerbslehre ſtellt diejenigen Grund-
ſätze und Regeln der Kunſtgewerbe dar, wonach, ohne Beziehung
[332] auf das Zuſammenhalten und Leiten des Gewerkes als eines aus-
ſchließlichen gewerblichen Betriebes, die veredelnde Verarbeitung
der Rohſtoffe vorgenommen wird, nachdem man dazu das gehörige
Material und die anderen Hilfsmittel herbeigeſchaft hat. Da alle
Gewerke in Betreff der Wahl des Materials, ſo verſchiedenartig
dies auch ſein mag, — in den zu brauchenden Geräthſchaften, und
in den Operationen ſelbſt, welche theils chemiſch theils mechaniſch
ſind, vieles Uebereinſtimmende haben, ſo läßt ſich dieſes ſehr zweck-
mäßig in die allgemeine Gewerkslehre zuſammenfaſſen, wäh-
rend man die Darſtellung des einem jeden Gewerke Eigenthümlichen
in die beſondere Gewerkslehre verweist. Jene hat daher im
Allgemeinen von den zu verarbeitenden Stoffen, von den zu brau-
chenden Maſchinentheilen, von den allgemeinen Gewerksoperationen,
und von den Erzeugniſſen ſelbſt zu handeln.
Man braucht in jedem Gewerke Stoffe, welche die veredelnde
Veränderung erleiden ſollen (Verwandlungsſtoffe), und an-
dere, welche blos dazu dienen, jene Veränderung zu befördern
(Hilfsſtoffe)1). Beide ſind entweder noch ganz rohe Materien
oder aber ſchon bis zu einem gewiſſen Grade verarbeitet2). Dieſe
verſchiedenen Stoffe ſind es, welche zum Betriebe eines Gewerkes
gekannt ſein müſſen, in ſoferne ſie in daſſelbe gehören. Dieſe
Stoffkunde erſtreckt ſich daher:
1) Auf die Unterſuchung, welche Eigenſchaften und Beſtand-
theile die Stoffe überhaupt nach dem Zwecke ihrer Verwendung
haben müſſen, um gebraucht werden zu können2).
2) Auf die Frage, welche Art von Stoffen zu dieſer Verwen-
dung am beſten zu gebrauchen ſind3).
3) Auf die beſondere Kenntniß über die innerlichen und äußer-
lichen Eigenſchaften, ſo wie über die äußeren Verhältniſſe derſelben,
als da ſind a) die Orte ihres Entſtehens, und unter dieſen diejenigen,
wo ſie am beſten erzeugt werden und zu haben ſind; b) die eigen-
thümlichen äußeren Abzeichen zur Beglaubigung ihrer Aechtheit;
c) die Art ihrer Erzeugung an ſich und unterſchieden in Betreff
ihrer Vorzüglichkeit; d) die eigenthümlichen Ingredienzien oder
Stoffe, aus denen ſie verfertigt werden, in ſoweit nämlich kein
Gewerksgeheimniß darüber liegt, und wenn ſie keine bloßen Natur-
producte ſind; e) ihre beſte Einpackung und Verſendungsart, da
[333] hiervon ſehr oft ihre Güte abhängt; f) die Jahreszeit ihrer beſten
Production und Gewinnung, wovon ihre Brauchbarkeit, ihre Ver-
ſendungszeit und ihr Erſcheinen auf den entfernteren oder näheren
Märkten bedingt iſt; g) die Berechnung der Hervorbringungs- und
Verſendungskoſten, um hiernach den wahrſcheinlichen Preis der-
ſelben zu beſtimmen, oder, wenn dies nicht zu erörtern iſt, h) die
gewöhnlichen Preiſe, um welche ſie im Handel zu haben ſind, nebſt
den Urſachen, von welchen ihr Steigen und Fallen abhängt; i) die
beſte Methode ihrer Aufbewahrung, zum Behufe ihres Verbrauches
im Gewerke ſelbſt4).
Es kommen in allen Gewerken gewiſſe allgemein gebrauchte
Geräthſchaften vor. Manche davon ſind zwar ganz einfach, aber
manche auch ſehr zuſammengeſetzt. Die Zuſammenſetzung iſt ver-
ſchiedenartig, obſchon man faſt allenthalben ähnliche und gleiche
Theile findet. Dies rührt daher, weil man darnach ſtrebt, in
[334] jedem Gewerke die Kraft, ſei ſie mechaniſch oder chemiſch, ſo gut
als möglich zu benutzen. Die Lehre von dieſen allgemein gebrauch-
ten Geräthſchaften iſt die werkmänniſche Geräthskunde.
In den chemiſchen Gewerken, bei welchen Verbindungen und
Trennungen der Stoffe in mehr oder weniger naſſem und flüſſigem
Zuſtande vermittelſt verſchiedener Grade von Wärme und Kälte
veranlaßt werden, ſind verſchiedene Geräthe und Vorrichtungen
erforderlich, welche aber nach der Natur des Gewerkes weſentlich
oder unweſentlich von einander in der Form, Größe und im Ge-
brauche abweichen. Es gehören daher die Heerde, Oefen, Töpfe,
Röhren, Keſſel, Bottiche, Kübel, Tiegel, Retorten, Gläſer,
Filtern u. dgl. m., von verſchiedener Form und verſchiedenartiger
Einrichtung.
Zu der Vollführung mechaniſcher Arbeiten, bei denen alſo die
Bewegung das lezte Prinzip iſt, bedient ſich der Werkmann:
1) Der Werkzeuge, d. h. einfacher mechaniſcher Geräthe,
welche ihm zur unmittelbaren Unterſtützung ſeines Körpers bei
mechaniſchen Veränderungen der Stoffe dienen. Dieſelbe haben
theils blos den Zweck ihn zu ſchützen, theils jenen, die Werk-
thätigkeit ſeiner Gliedmaßen zu verſtärken, zu erleichtern, zu rich-
ten u. dgl. Ihre Anzahl und Arten ſind ſehr verſchieden, und
auch im Allgemeinen bekannt genug1).
2) Der Maſchinen, d. h. zuſammengeſetzter mechaniſcher Ge-
räthe, bei welchen diejenigen Theile, deren Beſtimmung iſt, unmit-
telbar auf den Stoff zu wirken, durch verſchiedene Mittelglieder
mit denjenigen verbunden ſind, die die Wirkung der bewegenden
Kraft unmittelbar aufnehmen2).
Die verſchiedenen Beſtandtheile der Maſchinen im Allgemeinen
ſind außerordentlich zahlreich; ſie laſſen ſich indeſſen doch unter
folgender logiſcher Eintheilung zuſammenfaſſen. Sie ſind:
a) solche, welche die Wirkung der bewegenden Kraft geradezu
aufnehmen (Empfänger, Récepteurs). Sie ſind nach der bewe-
genden Kraft verſchieden1). (§. 274.)
b) Solche, welche auf den zu bearbeitenden Stoff unmittelbar
die Wirkung ausüben (Bearbeiter, Opérateurs). Sie ſind je
nach der Art der beabſichtigten Wirkung in den einzelnen Gewerken
verſchieden2).
c) Solche, welche zwiſchen dieſen beiden Theilen die Vermitt-
ler oder Ueberträger ſpielen (Mittheiler, Communicateurs). Sie
ſind wieder von verſchiedener Art, aber auch mehr oder weniger
verbunden in den Maſchinen der einzelnen Gewerke3). Nämlich:
α) Entweder pflanzen ſie die Bewegung fort, indem ſie der-
ſelben eine beſtimmte Richtung geben (Directeurs)4).
β) Oder ſie pflanzen ſie fort, indem ſie dieſelbe erhöhen und
vermindern, um ſo das Verhältniß der beiden Faktoren abzuändern
(Modificateurs)5).
γ) Oder endlich ſie pflanzen ſie fort, indem ſie derſelben mehr
Gleichförmigkeit geben (Regulateurs)6).
Die Maſchinen ſelbſt, welche, zuſammengeſetzt aus jenen ein-
zelnen Theilen (§. 273.), die Kraft aufnehmen und fortpflanzen,
ſind verſchieden im Allgemeinen nach der Art der Kraft. Dieſe iſt
entweder Thier-, oder Waſſer-, oder Luft-, oder Dampf-
kraft. Die hierher gehörenden Maſchinen zur Benutzung der
thieriſchen Kraft, wozu auch die körperliche des Menſchen ge-
hört, ſind folgende: 1) das Laufrad, d. h. ein großes wagrechtes
Well-Rad mit zwei Kränzen, in welchem unten auf der tiefſten
Stelle ein Menſch oder ein Thier durch Aufwärtsſteigen die Um-
drehung bewirkt1); 2) das Tretrad, d. h. ein Wellrad dieſer
Art, an welchem der Menſch oder das Thier außen auf die Quer-
bretter tritt, welche zwiſchen den beiden Kränzen angebracht ſind2);
3) das Spillenrad, d. h. ein haſpelförmiges Wellrad, an deſſen
Kranze auf beiden Seiten Stäbe angebracht ſind, auf die ein
Baumſtark Encyclopädie. 22
[338] Menſch mit Hand und Fuß zugleich außen wirken kann3); 4) die
Tretſcheibe, d. h. eine große hölzerne Scheibe, welche an einer
Welle höchſtens in einer ſchiefen Stellung gegen den Horizont von
20° umläuft und von Thieren bewegt wird, welche darauf fort-
gehen, indem ſie auf angenagelte Leiſten treten4); 5) der Haſpel,
die Winde und der Göpel. Die Winde iſt ſonſt nichts als ein
Haſpel, deſſen lange und dicke Welle ſenkrecht ſteht, um oben ein
Seil aufzunehmen, während Menſchen unten an den Armen drückend
umhergehen. Die Welle heißt Spindelbaum, die Arme aber
Schwungbäume. Der Göpel iſt ſonſt nichts als eine Winde
für die Pferdekraft, welche am Schwungbaume angebracht wird
und die Spindel herumdreht, während ſich das Seil am oberen
Ende um einen cylindriſchen oder koniſchen Trilling (Treibkorb)
windet5).
Die in die Gewerkslehre gehörenden Maſchinen zur Benutzung
der Kraft des Waſſers ſind folgende: 1) die Waſſerſäulen-
maſchine, d. h. ein communicirendes Gefäß mit einem weiteren
und kürzeren Arme als der andere iſt, in deſſen weiterem Arme ein
Kolben, mit einer Kolbenſtange verſehen, ſitzt, und durch den
Druck des Waſſers in die Höhe getrieben, aber durch das Ablaufen
des Waſſers wieder ſinken gelaſſen wird. Durch den engeren län-
geren Arm ſtrömt das Waſſer von oben herein und dem weiteren
kürzeren zu, um in ihm den Druck auf den Kolben von unten zu
bewerkſtelligen. Wird nun, wenn der Leztere hoch genug ſteht,
der Waſſerzufluß aus dem engeren Arme gehindert, und der Abfluß
des Waſſers im weiteren Arme veranſtaltet, dann ſinkt der Kolben
wieder durch ſeine eigene Schwere allein oder noch gedrückt durch
von oben herab wirkendes Waſſer. Iſt er wieder unten, ſo fängt
das Spiel der Maſchine von Neuem an. Hebt das Waſſer den
Kolben blos, ſo daß er aus eigener Schwere zurückſinken muß, ſo
iſt die Maſchine einfach wirkend. Drückt aber das Waſſer den
Kolben auch noch herab, nachdem es ihn gehoben hat, dann heißt
ſie doppelt wirkend1). 2) Die Waſſerräder, d. h. große
[339] Räder von Holz, auf welche das Waſſer entweder durch den Stoß
oder durch ſeinen Fall wirkt. Man unterſcheidet die verticalen
und die horizontalen Waſſerräder. Bei jenen ſteht die Welle,
bei dieſen das Rad horizontal. Bei jenen fällt das Waſſer von
der Seite auf mehr oder weniger ſchiefe Schaufeln2). Bei dieſen
aber wirkt es von oben, oder auf die Mitte, oder unten. Im
erſten Falle heißen ſie oberſchlächtig, und beſtehen aus einer
Welle, ſtarken Armen und zwei Kränzen, welche immer durch einen
hölzernen Boden verbunden ſind, der durch Brettſtücke (Schaufeln)
in Zellen (Waſſerſäcke) abgetheilt wird, in welche das Waſſer
ſtürzt, um ſo das Rad zu bewegen3). Im zweiten Falle heißen
ſie mittelſchlächtig, weil das Waſſer, bei gleicher Conſtruktion
derſelben, erſt am Ende des horizontalen Durchmeſſers vom Rade
auf die Schaufel fällt, da nämlich ſeine Quantität für ein ober-
ſchlächtiges Rad zu gering iſt4). Im dritten Falle iſt das Rad
ein unterſchlächtiges, und einige ſeiner Schaufeln ſind beſtän-
dig, ſo lange es geht, im Waſſer5). 3) Die hydrauliſche
Preſſen. Man hat zwei, nämlich jene von Bramah und jene
von Real. Jene Erſtere beſteht aus zwei mit einander com-
municirenden Röhren, wovon jede einen Kolben hat. Die Eine
derſelben iſt weiter als die andere und heißt Stiefel oder Treib-
cylinder, der andere aber enger und heißt Druckcylinder. In bei-
den geht ein engſchließender Kolben auf und ab; nur endigt der
Druckkolben in eine Stange, welche durch einen Mechanismus ge-
hoben und geſenkt werden kann, und der Treibkolben in eine ebene
Platte, welche den Druck auf den zu preſſenden Körper ausübt6).
Die Real'ſche Preſſe beſteht aus einem hohlen zinnernen Cylinder,
welcher im Innern eine bewegliche ſiebartige Platte hat, unten
durch eine ſiebartige Platte geſchloſſen iſt und in einen Trichter
endigt, oben aber von einem Deckel verſchloſſen wird, auf welchen
ſelbſt eine lange dünne Röhre paßt, die ebenfalls in eine trichter-
förmige oder cylindrige weitere Oeffnung ausgeht. Man bedient
ſich derſelben, um Exſtrakte aus pulveriſirten Gegenſtänden zu
machen7).
Von den Maſchinen, welche die Kraft und Zuſammen-
ſetzung der Luft benutzen, gehören hierher: 1) der Stechheber,
[341] d. h. ein Gefäß, welches nach unten in eine lange Röhre ausgeht,
nach oben aber in einen dünnen kurzen Hals mit einer Handhabe
endigt. Es dient zum Herausnehmen von Flüſſigkeit, indem man
es in dieſe einſteckt, mit dem Munde ſaugt, und dann den Hals
oben mit dem Daumen zuhält. So bringt man Etwas von der
Flüſſigkeit heraus, die ſo lange im Heber bleibt, bis man den
Daumen wieder hinweg thut1). 2) Der gekrümmte Heber,
d. h. eine zweimal, aber in ungleich lange Schenkel, gebogene
Röhre, welche man mit dem einen Schenkel in eine Flüſſigkeit
ſtellt, und durch Saugen am anderen Ende ſo weit der Luft be-
raubt, daß die Flüſſigkeit die Röhre bis in den äußeren Schenkel
füllt. Iſt dies geſchehen, dann ſtrömt, wenn man den Heber nicht
wegnimmt, die Flüſſigkeit ſo lange nach, als die innere Röhre
noch in ihr ſtehet2). 3) Die Pumpe, d. h. cylindrige Röhre
(Pumpenſtock), in welcher eine Stange mit einem Kolben (Kolben-
ſtange) auf- und abwärts bewegt wird, um eine Flüſſigkeit bis an
gewiſſe Ventile zu bringen. Man hat Saug- und Druckpum-
pen. Bei der Erſteren befindet ſich unter dem Pumpenſtocke,
aber luftdicht mit ihm verbunden, eine etwas engere, in die Flüſ-
ſigkeit reichende Röhre (Saugröhre), welche an ihrem oberen
Ende gegen den Pumpenſtock hin mit einem aufwärts gehenden
Ventile gedeckt iſt; ein eben ſolches Ventil iſt auch im Pumpen-
kolben ſelbſt angebracht, ſo daß, wenn man mit der Stange den
Kolben hinabdrückt, die Luft, welche zwiſchen dem Kolben und dem
Ventile der Saugröhre ſteht, dadurch nach oben entweicht, und ſo
möglich macht, daß die Flüſſigkeit aus der Saugröhre, das Ventil
hebend, nachſteigt, bis es endlich oben durch eine Seitenröhre ab-
fließt. Bei der Anderen, im einfachſten Zuſtande, iſt keine Saug-
röhre vorhanden. Doch aber findet man ſie wie bei der Saugpumpe.
Der Kolben hat kein Ventil, dagegen geht ſogleich oberhalb des
Ventils der Saugröhre ſeitwärts ein ſogenanntes Steigrohr in
die Höhe, welches mit einem aufwärts gehenden Ventil im Innern
geſchloſſen wird, das denſelben Dienſt thut, wie das Kolbenventil
bei der Saugpumpe, bis endlich die Säule der Flüſſigkeit ſo hoch
geſtiegen iſt, daß ſie oberhalb daſſelbe tritt und durch die Abfluß-
röhre hinwegfließt3). 4) Das Gebläſe, d. h. eine Vorrichtung
zum Einziehen und Ausſtoßen von Luft. Es gibt gewöhnliche
Blasbälge in verſchiedener Form, und ſogenannte Kaſten- oder
Cylindergebläſe. Man hat einfache und doppelte Cylinder-
gebläſe. Bei beiden kommt ein cylindriger oder prismatiſcher
Kaſten vor, in welchem ſich an einer Stange ein feſt anſchließender
Kolben auf- und abbewegt. Beim einfachen Gebläſe iſt der Kolben
[342] mit einem oder zwei Ventilen verſehen, welche beim Aufziehen die
Luft unter den Kolben ſtrömen laſſen und ſich ſchließen, wenn der
Kolben herabgeht, ſo daß die Luft unten am Kaſtenboden durch
ein auswärtsgehendes Ventil in einer Röhre hinausgetrieben wird,
das ſich aber ſchließt, ſobald der Kolben in die Höhe geht. Das
Doppelgebläſe ſoll die Luft, nicht bloß ſtoßweiſe unterbrochen wie
jenes, ſondern in einem anhaltenden Strome ausſtoßen. Daher
hat bei ihm der Kolben kein Ventil, während aber am Deckel und
am Boden des Kaſtens ein nach innen ſich öffnendes Ventil auf
der einen Seite der Kolbenſtange angebracht, dagegen auf der
anderen Seite ebenſo oben und unten aus Deckel und Boden zwei
Röhren durch auswärtsgehende Ventile die Luft in einen gemein-
ſchaftlichen Kaſten leiten, wovon ſie alsdann zum Gebrauche weiter
geht. Steigt der Kolben, dann ſchließt das Deckelventil und die
Luft ſtrömt durch die Deckelröhre in das gemeinſchaftliche Rohr,
während das Ventil an der Bodenröhre ſich ſchließt, und durch
das offene Bodenventil Luft ſo lange einſtrömt, bis der Kolben
ganz oben iſt, worauf dann beim Abgehen deſſelben ſich das Deckel-
ventil öffnet, das Bodenventil ſchließt, und die Luft durch die
Bodenröhre in das gemeinſchaftliche Rohr hinausſtrömt, deſſen
Ventil an der Deckelröhre geſchloſſen bleibt, bis der Kolben wieder
anfängt zurückzugehen u. ſ. w.4). 5) Die Windflügel, welche
zur Aufnahme des Windſtoßes dienen, in eine rotirende Bewegung
kommen, und ſo ein Rad an einer Welle umdrehen können. Es
gibt horizontale und vertikale. Sie müſſen nach jedem Winde ge-
dreht werden können, weßhalb ſich entweder das ganze Gebäude,
an dem ſie angebracht ſind, um eine vertikale Axe drehen läßt,
oder bloß der Dachſtuhl mit ſeinen Flügeln5).
Die Maſchinen, in welchen das in Dampf verwandelte Waſſer,
d. h. der Waſſerdampf, die bewegende Kraft bildet, heißt man
Dampfmaſchinen1). Zur Dampfbildung iſt eine Siedhitze
nöthig. Die Ausdehnbarkeit der Waſſerdämpfe iſt jener der atmo-
ſphäriſchen Luft gleich, aber ihre Zuſammendrückbarkeit geht nur
auf einen gewiſſen Grad, in welchem ſie wieder tropfbar flüſſig
werden. Die Spannkraft des Dampfes nimmt mit der Wärme zu,
und mit der Erkaltung ab, ſo daß ſie ſich in jenem Falle immer
mehr ausdehnen, und in dieſem in tropfbare Flüſſigkeit verwandeln
können. Die Spannkraft deſſelben wird bemeſſen: a) nach der
Höhe der Queckſilberſäule, welcher der Dampf das Gleichgewicht
halten kann, b) nach dem Drucke, den er auf eine Fläche (z. B.
einen Quadratzoll) ausübt. Die Atmosphäre hält an den nieder-
ſten Punkten der Erde in luftleerem Raume einer Queckſilberſäule
von 28 par. Zoll das Gleichgewicht, und man ſagt daher, der
Dampf habe eine Kraft von ¼, ½, 1, 2, 3, 3½ Atmosphären
u. ſ. w., je nachdem er einer ¼, ½, 1, 2, 3, 3½ mal höheren
Queckſilberſäule u. ſ. w., als jene der Atmosphäre iſt, das Gleich-
gewicht hält. Die Queckſilberſäule von 28 Zoll Höhe, d. h. die
Atmosphäre, drückt auf 1 Q. Zoll mit 12½ Wiener Pfunden,
und es kann der Druck des Dampfes auf eine Fläche leicht berech-
net werden, wenn man ihre Ausdehnung und die Atmosphären der
Spannkraft des Dampfes kennt2). Der Druck des Dampfes wird
auf einen Kolben angewendet. Daher iſt es leicht einzuſehen, daß
das Weſentliche bei jeder Dampfmaſchine in folgenden Vorrich-
tungen beſteht: a) im Dampfkeſſel, worin die Dämpfe erzeugt
werden, indem unter ihm gefeuert wird3); b) in einem Dampf-
cylinder, in welchen der erzeugte Dampf geleitet wird4); c) in
einem Kolben, welcher in dem Cylinder, luftdicht ſchließend,
auf- und abgeht5); d) in einer Steuerung, d. h. einer Vor-
richtung von Ventilen u. dgl., wodurch der Dampf in den Cylinder
geleitet und von demſelben abgehalten wird6); und e) in einem
Verdichter oder Condenſator, d. h. einem Gefäße, das von
kaltem Waſſer umgeben iſt, und die einſtrömenden Dämpfe abkühlt
und verdichtet7). Außerdem kommen aber bei den Dampfmaſchinen
noch ſehr wichtige Nebenbeſtandtheile vor, von denen die ſelbſtſtändige
Wirkung derſelben ebenfalls abhängt8). Man unterſcheidet aber
verſchiedene Arten von Dampfmaſchinen:
a) Je nach der Richtung, welche die Dämpfe in den Cylin-
der nehmen. Wird der Kolben im Cylinder durch ihn blos herab-
[344] gedrückt, dann aber durch eine andere mechaniſche Kraft wieder
gehoben, dann heißt man ſie einfach wirkende; rührt aber das
Sinken und das nachherige Steigen des Kolbens vom Dampfe
her, in ſoferne er bald über bald unter denſelben im Cylinder
ſteigt, dann nennt man ſie doppelt wirkende.
b) Je nach den Mitteln, womit die Maſchinen die mechani-
ſche Wirkung hervorbringen. Wird der Mechanismus blos durch
die Spannkraft des Dampfes bewegt, dann werden ſie Hochdruck-
maſchinen genannt9); bewirken die Dämpfe aber einen luftleeren
Raum durch Verdichtung derſelben, und überlaſſen ſie dann dem
Drucke der Luft die Führung des Kolbens, dann heißen ſie
atmosphäriſche Dampfmaſchinen10), wirken aber beide Mit-
tel zur Bewegung des Kolbens, dann nennt man ſie nach ihrem
Erfinder Watt'ſche Dampfmaſchinen11); wird bei der Dampf-
maſchine beſonders von der Eigenſchaft des Dampfes, ſich ins
Unendliche auszudehnen, Gebrauch gemacht, und ſein Eintritt
unter den Kolben ſchon verhindert, ehe der Kolben ganz oben an-
gekommen iſt, damit ſich der Dampf unter ihm ausdehne, ſo haben
ſie den Namen Expanſionsmaſchinen12).
c) Je nach dem Vorhandenſein oder Nichtvorhanden-
ſein des Kolbens und was dazu gehört, um die geradlinige ſenk-
rechte Bewegung deſſelben in eine umdrehende zu verwandeln.
Wird nämlich durch die Dampfmaſchine ſelbſt, ohne Kolben, ſchon
eine kreisförmige Bewegung hervorgebracht, dann heißt ſie eine
rotirende Dampfmaſchine13). Jedoch ſind dieſe bis jetzt nur
von geringem Gebrauche14).
Es kommen bei den chemiſchen Prozeſſen und mechaniſchen
Verrichtungen aller Gewerke gewiſſe allgemeine Verrichtungen vor,
deren Beſchreibung und nähere Betrachtung zwar nur mit dem
Formellen der einzelnen Gewerkszweige ohne Rückſicht auf das zu
liefernde Objekt derſelben und mit den Hilfsmitteln und -Wegen,
um dazu zu gelangen, bekannt macht, — auch das Ineinander-
greifen der Gewerksverrichtungen eben ſo wenig lehrt, als den
Grund ihrer Aufeinanderfolge, — deren Zuſammenſtellung und
Analyſe doch den wichtigen Vortheil gewährt, daß man an und in
ihnen Verbeſſerungen eher einſieht, anwendet und unter ihnen neue
Verbindungen bewerkſtelligen lernt. Alle dieſe einzelnen Arbeiten
ſind aber praktiſcher Natur; darum können ſie auch hier nur über-
ſichtlich genannt werden. Sie ſind mechaniſch und chemiſch und
dienen:
1) Zur Geſtaltung der Stoffe und ſind: das Formen,
Schneiden, Hauen, Dehnen, Stempeln, Bohren, Biegen, Drehen,
Schleifen und Glätten; das Kryſtalliſiren, Aetzen, Färben und
Drucken u. dgl.
2) Zur Zerkleinerung der Stoffe, nämlich durch Zerreißen,
Ziehen, Zupfen, Spalten, Schneiden, Sägen, Zerreiben, Zer-
ſchlagen, Zerdrücken, Zerſtampfen, Auspreſſen und Sieben; Extra-
hiren auf flüſſigem Wege, durch Wärme und Kälte u. dgl.
3) Zur Verminderung der Cohäſion der Stoffe durch
Trennung auf trockenem und naſſem Wege, durch Schütteln und
durch Zwiſchenmittel; durch Schmelzen, Geſchmeidigmachen u. ſ. w.
4) Zur Verdichtung der Stoffe durch Schlagen, Stampfen,
Drücken; Leimen, Adſtringiren, Gerben u. dgl.
5) Zur Vereinigung der Stoffe durch Mengen, Heften,
Stecken, Drehen, Flechten und Schlingen; durch Miſchen und an-
dere chemiſche Verbindung1).
So wie bei den bisherigen Gewerben, ſo gibt es auch in den
Kunſtgewerben einen Moment, in welchem das Product vollendet
iſt und von dem Gewerksmanne in Empfang genommen wird. Zur
Gewerkskenntniß gehört es alſo zu wiſſen: 1) wann und ob das
Product vollendet iſt; 2) ob es die gehörigen Eigenſchaften eines
vollendeten Productes hat; 3) wie man die bekommenen Erzeug-
niſſe ſortirt, und 4) wie man ſie zu ihrer Erhaltung am beſten
aufbewahrt.
Die beſondere Gewerkslehre ſtellt die jedem einzelnen Ge-
werke gehörenden, in einem gewiſſen Zuſammenhange zur Erzielung
des Productes erfolgenden, Gewerksverrichtungen dar. Die Menge
der einzelnen Gewerke iſt zu groß, als daß hier mehr als von jeder
Gattung ein und das andere Beiſpiel angeführt werden könnte;
und ſelbſt dieſe können nur andeutungsweiſe dargeſtellt werden,
weil eine auch nur einigermaßen genügende Darſtellung von jedem
Einzelnen mehrere Bogen ausfüllen würde. Wegen der Anordnung
des Stoffes ſehe man oben (§. 42.).
Das Hüttenweſen iſt der Inbegriff aller derjenigen Anſtalten
und Prozeſſe, welche dazu dienen, die bergmänniſch geförderten
mineraliſchen oder halbmineraliſchen Körper ſo weit zu veredeln
[350] und rein darzuſtellen, daß ſie weiter verarbeitet oder ſchon ſo ver-
arbeitet unmittelbar gebraucht werden können. Die Lehre davon
iſt die Hüttenkunde, welche nach der Art der gewonnenen, noch
zu verändernden, Producte in metallurgiſche Hüttenkunde
(eigentliche Hüttenkunde) und Salzwerkskunde zerfällt, da nur
die verſchiedenen Erze und die Salzſoolen einer weiteren chemiſchen
Behandlung bedürfen. Hier aber iſt das Hüttenweſen blos in ſei-
nem beſonderen eigentlichen Sinne genommen1).
Die Erze ſind entweder derb, d. h. ganz rein, oder ſie ſind
eingeſprengt. Im lezteren Falle müſſen ſie mechaniſch getrennt
und ſo weit als möglich verkleinert (aufbereitet) werden. Die
Trennung derſelben von den tauben Bergen (das Aushalten)
iſt noch Sache des Grubenarbeiters. Die Scheidung der Erze
geſchieht aber entweder durch Handarbeit oder durch Maſchinen
oder auch durch das Abliegen an der Atmosphäre und Umlegen.
Die beiden erſteren Methoden ſind die wichtigſten und folgen in der
Regel auf einander. Die Scheidung durch Handarbeit beſteht
im Ausſchlagen, im Handſcheiden, im Läutern und im
Klauben2). Die Scheidung durch Maſchinen folgt auf jene,
und beſtehet im Pochen und Mehlführen. Auf dem Wege des
Pochens wird alles derbe Erz und dasjenige zerkleinert (gepocht),
was von dem gewonnenen Erze, weil es zu fein eingeſprengt iſt,
auf jene Methode nicht geſchieden werden kann. Nicht alles Erz
wird gepocht. Kommt das derbe Erz ſogleich aus der Grube in
die Schmelzhütte, dann heißt es Stufferz. Kommt es von dem
Waſchwerke ſogleich auf die Hütte, dann nennt man es Waſcherz.
[351] Die gepochten Erze aber heißt man Pocherz oder Pochgänge.
Zum Behufe des Pochens kommt das Pocherz entweder auf die
Pochhämmer oder auf die Pochwerke oder auf die Walz-
(Quetſch-) Werke3). Die Poch- oder Quetſcharbeit iſt ent-
weder trocken oder naß, jenes, wenn das Erz ganz derb, dieſes,
wenn es noch eingeſprengt iſt. In dieſem Falle geht in den Poch-
trog Waſſer und leitet das Pochmehl durch Gerinne in Sümpfe4).
So werden die ſchwereren von den leichteren Erztheilen ſchon vorn-
weg getrennt, und die Sümpfe ſpäter ausgeſchlagen, um das darin
befindliche Erz (Haufwerk) zu gewinnen, welches röſch und
zähe genannt wird, je nach der Grobheit und Feinheit des Korns.
Das Haufwerk kommt alsdann unter die Waſcharbeit. Dieſe
hat den Zweck, das Erz von der Gebirgsart oder auch ſelbſt von
einem mit eingeſprengten Erze zu trennen. Zu dieſem Behufe wird
das Haufwerk auf den Waſchheerden5) durch Sieb- oder
Setzarbeit und Schlämmgräben von einander gebracht6).
Man muß überhaupt ſuchen, die Trennung des Haufwerkes, beſon-
ders des röſchen, von den Pochwerktrüben, d. h. erdigen Be-
miſchungen im Pochwaſſer (Schlamm), ſo vollſtändig als möglich
zu bewirken. Das auf die Weiſe aufbereitete Erz heißt man
Schlieg (Schliech), wenn es ganz fein iſt, und Graupen, bei
einer Erbſengröße des Kornes. Jener iſt entweder ein röſcher oder
ein zäher (Schlamm-) Schlieg, je nachdem er gröber oder feiner
(todt) gepocht worden iſt. Die Schliege ſind ohne Erzverluſt
nicht ganz rein darzuſtellen, und der Grad der Reinheit, d. h. der
Gehalt derſelben, hängt von der Gebirgsart und der Aufberei-
tungsarbeit ab7).
Weil die auf die bisher beſchriebene Weiſe aufbereiteten Derb-
erze und Schlieche in ihrem damaligen Zuſtande nicht immer zur
[353] Hüttenbehandlung zugelaſſen werden können, ſo macht man ſie
durch einen Prozeß im Feuer oder an der Luft dazu tauglich. So
entſtehen folgende Behandlungsweiſen der Erze:
a) Das Röſten (Calciniren, Brennen, Zubrennen), d. h. ein
Verdampfen der in den Erzen enthaltenen flüchtigen oder dem wei-
teren Hüttenprozeſſe ſchädlichen Subſtanzen, ohne die Abſicht, das
Verflüchtigte aufzufangen1). Man röſtet entweder in Haufen2)
(mit oder ohne Bedachung), oder in Roſtſtätten3) (unter freiem
Himmel, unter Schuppen, mit Zügen), oder in Gruben4), oder
endlich in Oefen5) (Röſt-, Reverberir-, Brennöfen). Die lezte
Methode iſt die beſte und zweckmäßigſte, und man röſtet auf die-
ſelbe die Gold- und Silbererze, die Rohſteine und Schwefelkieſe,
die Kupfererze und Steine, die Bleierze und Steine, die Eiſen-
ſteine, Zinnerze, Kobalterze, die Alaun- und Vitriolerze.
b) Das Deſtilliren und Sublimiren, d. h. eine Ver-
dampfung der flüchtigen Subſtanz im Erze, in der Abſicht die
Dämpfe in einem kalten Raume aufzufangen, damit ſie ſich dort
tropfenweiſe verdichten (abtröpfeln, deſtilliren) oder ſogleich aus den
Dämpfen ſich als ein trockener Körper niederſchlagen (ſublimiren).
Entweder benutzt man das Deſtillat allein oder auch zugleich den
Rückſtand6). Die Deſtillation und Sublimation wird vorgenom-
men, um das Queckſilber aus ſeinen Erzen zu trennen, den Schwe-
fel aufzufangen und zu reinigen, Arſenik zu bereiten, und um den
Zink aufzufangen.
c) Das Verwittern, d. h. das Ausſetzen der Erze an die
freie Luft (Wetter), um ſie den Einflüſſen der Beſtandtheile der
Lezteren Preis zu geben7). Ber Zweck iſt die Oxydation, und
bei dieſem Prozeſſe kommt das Effloresziren oder Beſchlagen,
d. h. das Anſetzen eines Salzanfluges auf der Oberfläche vor. Die
Verwitterung kommt bei dem Alaun-, Vitriol- und Kobalterze,
und bei den Eiſenſteinen vor.
Das ſo vorbereitete Erz wird nun zum Ofen gebracht, um
durch Schmelzung vollends zugutgemacht werden zu können. Die
Prozeſſe, welche hier mit demſelben vorgehen, laſſen ſich am beſten
nach den Arten der Schmelzöfen1) darlegen, in welchen es be-
handelt wird. Sie ſind folgende:
1) Die Schachtöfen mit Gebläſe, welche ihren Namen
von ihrem Haupttheile, nämlich von einem ſenkrecht in die Höhe
ſtehenden Kanale (Schacht), haben und in welchen das Erz
ſchichtenweiſe mit Holzkohlen eingeſchüttet, das Feuer durch ein
Gebläſe lebhaft gemacht und das Erz geſchmolzen und reducirt,
d. h. zugleich der Sauerſtoff entnommen wird. Die Schachtöfen
haben folgende Theile: a) den Aufgebungsraum (Gicht), auf
welchen man die Beſchickung (d. h. Füllung) des Ofens vornimmt
und welcher entweder ganz frei oder mit einem kreisrunden Kranze
oder viereckigen Aufſetzmäuerchen umgeben iſt; b) den Röſtungs-
raum, zwiſchen der Gicht und dem Roſte, auf welchem die
Schmelzung vor ſich geht; c) den Schmelzraum, vom Roſte an
bis unter die Form (d. h. den Windkanal), durch welchen die
geſchmolzene Maſſe tröpfelt und in welchem ſich alſo an der Rück-
ſeite das Formgewölbe und an der Vorderſeite die Vorwand
befindet, die nach dem Zumachen jedesmal eingeſetzt wird; d) den
Sammlungsraum (Heerd, Tiegel, Spur, Geſtell, Schmelz-
heerd), in welchen ſich die Schmelzmaſſen anſammeln. Weil dieſer
Raum erſt hingeſtellt wird, wenn der obere Ofen ſchon ſtehet, ſo
heißt jenes Geſchäft das Zumachen oder Zuſtellen des Ofens2).
Dieſer Raum hat vier Seiten, nämlich die Formſeite, die
Windſeite (jener gegenüber), die Tümpelſeite (die vordere,
den Ofen verſchließende) und die Rückſeite (jener gegenüber).
Es iſt begreiflich, daß dieſe Seiten verſchieden heftiger Wirkung
des Gebläſes ausgeſetzt und alſo auch verſchieden zu mauern ſind3).
Im Allgemeinen gibt es verſchiedene Arten von Schachtöfen, je
nach der Höhe und der daher rührenden Art der Beſchickung,
nämlich a)Hochöfen, von mehr als 16 Fuß Höhe; b)Halb-
hochöfen, von 8–16 Fuß Höhe, bei welchen beiden die Be-
ſchickung ſeitwärts auf einer Treppe oder Brücke hergebracht
(aufgelaufen) wird, und c)Krummöfen, niedriger als jene4).
2) Die Reverberirſchmelzöfen mit oder ohne Gebläſe,
welche ihren Namen von der charakteriſtiſchen Eigenſchaft haben,
23 *
[356] daß die Schmelzmaſſe vom Brennmateriale nicht unmittelbar berührt
wird, und in welchen man entweder mit dem Schmelzen zugleich
reduciren, oder ſeigern (d. h. einen ſtrengflüſſigen von einem leicht-
flüſſigen Körper ſondern), oder verkalken (oxydiren, der Schmelz-
maſſe Sauerſtoff zuführen) will. Für den erſten Zweck gebraucht
man das Gebläſe nicht, wohl aber für den lezten. a) Die Luft
wird durch den Aſchenfall und durch den Roſt eingeleitet, durch
den Rauchfang gehen aber die Dämpfe und die von der Schmelz-
maſſe ſich entwickelnde Luft ab. Je lebhafter das Feuer ſein ſoll,
um ſo mehr Luft muß zugeführt, alſo um ſo höher der Aſchenheerd
und Rauchfang werden. Soll desoxydirt (reducirt) werden, dann
darf der Luftzutritt nicht ſtark ſein; ſoll aber oxydirt werden, ſo
muß noch Luft durch ein Gebläſe eingebracht werden. b) Der
Schmelzraum iſt von jenem der Schachtöfen verſchieden. Die
Beſchickung ſchmilzt auf einer ſchiefen Fläche, und ſammelt ſich in
einer Vertiefung, aus welcher ſie, wenn die Schlacke abgezogen
iſt, ausgeſchöpft oder durch einen Stich in einen Stichheerd ge-
leitet wird5). Als ſolche Reverberirſchmelzöfen iſt der engliſche
oder Cupuloofen, der Villacher Bleiofen, der Treibeheerd,
der Garheerd, der Darrofen, der Seigerofen mit Flammen-
feuer und der ſibiriſche Ofen zu betrachten6).
3) Die Schmelzheerde mit oder ohne Gebläſe, deren
Eigenthümlichkeit es iſt, die Schmelzmaſſe zwiſchen dem Brenn-
materiale ohne Schacht zu ſchmelzen. Sie werden meiſtens nur
zum Reinigen der Erze gebraucht. Sie ſind bloße Vertiefungen,
und von der Leitung des Windes hängt es ab, ob in ihnen reducirt
oder verkalkt wird, je nachdem man die Luft aus der Form blos
über die Beſchickung ſtreichen läßt oder auf ſie leitet. Man rechnet
hierher den kleinen Garheerd (zum Reinigen des Kupfers),
den Seigerheerd (zum Scheiden des Bleies von Kupfer), den
Bleiſeigerheerd (zum Reinigen des Bleies), den Zinnfloß-
heerd, den ſteyeriſchen Eiſenbratofen und den Eiſenfriſch-
heerd7).
4) Die Tiegelöfen mit oder ohne Gebläſe, d. h. Schacht-
oder Reverberiröfen, in denen man die Beſchickung in Tiegeln
ſchmelzt. Sie verhüten die Verkalkung am vollſtändigſten, da ſie
die Luft von der Schmelzmaſſe ganz abhalten. Sie dienen beſon-
ders zur Schmelzung ſehr reichhaltiger Erze. Die Tiegel ſind von
Thon, oder von Thon und Kieſel, oder von Thon und Graphit
(Ipſer Tiegel). Die Schmelzung geſchieht entweder in Wind-
öfen unter Kohlenfeuer, oder in Flammenöfen auf Heerden
(Bänken), oder in Schachtöfen mit Gebläſefeuer. Unter die
[357] Tiegelöfen gehört der Meſſingofen, Blaufarbenofen,
Schmelzofen für Gold und Silber, der Spießglanzſeiger-
ofen von Scopoli, der engliſche Eiſenfriſchofen und der
Wismuthſeigerofen8) 9).
Mit der im vorigen §. betrachteten Art der Zugutmachung der
Erze ſind alle Behandlungsweiſen derſelben noch nicht erſchöpft.
Da ſich die Metalle unter Zutritt von Wärme in Queckſilber auf-
löſen und, durch daſſelbe kryſtalliſirt, aus der Auflöſung wieder
gewonnen werden können, ſo hat man, namentlich bei Gold und
[359] Silber, die Verbindung dieſer Metalle auf mechaniſch-chemiſchem
Wege (die Amalgamirung, das Anquicken) benutzt, um ſie auszu-
bringen. Das mechaniſch anhängende Queckſilber kann durch mecha-
niſche Mittel, — das chemiſch als Kryſtalliſationsqueckſilber mit
demſelben verbundene aber nur durch Deſtillation von demſelben
getrennt werden. Auf dieſen Umſtänden beruhen die Vorgänge bei
der Amalgamation, von welcher es ältere1) und neue Methoden
gibt, unter welchen lezteren beſonders die ſächſiſche2) die meiſten
Vorzüge hat. Ihre Hauptvorgänge ſind folgende. Man unterſchei-
det 1) die Vorarbeiten: Nachdem die Silbererze gepocht und
gewaſchen ſind, werden ſie geröſtet, und da nur das gediegene
Silber im Erze ſich geradezu in Queckſilber auflöst, ſo muß durch
einen Zuſchlag das vererzte Silber möglichſt rein gemacht werden,
und dies geſchieht durch Röſten mit 10% Kochſalz3). Hierauf
wird das geröſtete Silbererz in einer eigenen Siebmaſchine ge-
ſiebt, theils um die zuſammenhängenden Erz-, Salz- und Ziegel-
maſſen herauszubekommen, damit man ſie zerſchlagen und noch
einmal mit 3% Kochſalz vermiſcht röſten könne, theils um die Sorten
des Erzes nach der Feinheit (Siebgrobes, -Mittleres und
-Feines) zu unterſcheiden4). Das nach dem Sieben übrig blei-
bende Allergröbſte heißt man Röſtgröbe. Nach dem wird das
Sieberz gemahlen, weil die Vollkommenheit des Anquickens von
der Feinheit deſſelben abhängt. Man hat dazu eigene Mühlen5).
2) Das Anquicken ſelbſt, welches in wagerechten, um ihre Axe
ſich drehenden Fäſſern geſchieht, in denen man zuerſt Erz mit
Waſſer zu einem Brei vermengt, dann das Queckſilber nachgießt
und dazu noch neue geſchmiedete Eiſenplatten gibt. Dabei entſteht
eine Wärme bis zu 30–35° Reaum.6). 3) Die Nacharbeiten,
welche darin beſtehen, daß man zuerſt das amalgamhaltige Queck-
ſilber abläßt, in zwillichene Preßſäcke bringt, um das als Lauge
dabei befindliche Queckſilber wegzupreſſen und den Amalgamrückſtand
bis zur Deſtillation aufzubewahren, und dann die Rückſtände in
den Fäſſern verdünnt und zum Verwaſchen in eigene Waſchbottiche
bringt, in denen das Waſchen durch Mechanismus geſchieht7).
Hat man ſo alles Amalgam erhalten, ſo wird es deſtillirt und
zwar nach unten, wobei ſich das Queckſilber vom Silber trennt
und in ein mit Waſſer gefülltes Gefäß tröpfelt. Das ſo gewonnene
Silber iſt ungleich haltbar, und um es zu proben, nimmt man
mit ihm das Eiſenſchmelzen vor, indem man es in Fluß bringt
und davon eine Probe nimmt. Die noch folgenden Prozeſſe ſind
Schmelprozeſſe.
Die Siedwerke haben das Eigenthümliche, daß ſie eine Kry-
ſtallbildung aus einer Flüſſigkeit bezwecken, in welcher auf künſt-
lichem oder auf natürlichem Wege irgend ein Salz aufgelöst ent-
halten iſt. Die Flüſſigkeit nennt man in jenem Falle Lauge, in
dieſem aber Soole. Es gehört hierher die Alaun-, Vitriol-,
Salpeter- und Salzſiederei.
Der Alaun kommt in den Alaunerzen, nämlich als natür-
licher Alaun, Alaunſtein, Alaunſchiefer und Alaunerde vor. In
Italien wird derſelbe (römiſcher Alaun) aus Alaunſtein, ſonſt
aber aus dem Alaunſchiefer und der Alaunerde bereitet1). Das
gewonnene Alaunerz wird geröſtet (§. 281.) und verwittert,
und es bildet ſich ſo durch Einfluß von Luft, Waſſer und Wärme
ſchwefelſaures Eiſen (Eiſenvitriol) und ſchwefelſaure Thonerde2).
Nach dieſer Operation wird das ſo veränderte Erz ausgelaugt,
d. h. in Waſſer aufgelöst. Dieſes Auslaugen geſchieht entweder
auf Halden (Haufen) oder in Sümpfen (in die Erde befeſtigten
[361] Laugkäſten) oder in Laugbottichen3). Die Lauge zieht man
hierauf ab und bewahrt ſie in ſogenannten Rohlaugenſümpfen
(Käſten obiger Art) bedeckt auf, bis ſie ſich aufgeklärt hat.
Iſt ſie aber, wie man ſich durch Aräometer überzeugen kann, zu
ſchwach, dann läßt man ſie vorher noch länger unter Fortſetzung
des Umrührens mit Stangen auf dem Erze ſtehen, oder gießt ſie
noch einmal auf eine zweite Erzmaſſe (Verdoppeln der Lauge).
Dieſe Lauge heißt nun ſchwach, weil ſie nur etwa 8% Salztheile
hat, und muß, um gar zu werden, verſotten werden, bis ſie
33% Salztheile gelöst enthält. Dieſes geſchieht in metallenen Pfan-
nen (meiſtens von gegoſſenem oder geſchlagenem Blei), welche ent-
weder von unten und ſeitwärts, oder von oben, indem die Flamme
über ſie hinſtreicht, oder ſo geheitzt werden, daß ein Ofen ſich in
dem inneren Raume der Pfanne befindet4). Die ſo weit abge-
dampfte Lauge muß geklärt werden, und dies geſchieht durch das
Sedimentiren auf den Sedimentir- oder Schlammkäſten
(von Holz, länglichviereckig, und unter den Pfannen angebracht),
indem ſich in dieſen der Schlamm niederſetzt. Die klare Lauge
wird nun abgezogen und in die Präcipitir- (Rüttel-) Käſten
gebracht, um daſelbſt mit Kali oder Ammoniak präcipitirt zu wer-
den5). So wird das Alaunmehl niedergeſchlagen, und nachdem
die darüber ſtehende Mutterlauge abgezogen iſt, herausgenom-
men, um verwaſchen (§. 280.) zu werden, wobei ſich das reine Mehl
niederſetzt, und ſeine frühere graugrüne Farbe mit der weißen,
den Vitriolgeſchmack mit dem alaunartigen vertauſcht6). Dieſes
Alaunmehl kommt jetzt in eine Pfanne (Wachspfanne) mit 40%
ſeines Gewichtes Waſſer, wird unter Siedhitze aufgelöst und als
Auflöſung in die Wachsfäſſer gegoſſen, wo ſich der Alaun in
ſchwarzen und weißen Kryſtallen anſetzt. Dieſe Lezteren werden in
Stücke zerſchlagen, noch einmal verwaſchen, dann getrocknet und
verpackt7).
Vitriol im beſonderen Sinne nennt man diejenigen Salze,
welche aus einer Verbindung von Schwefelſäure und Eiſen-,
Kupfer- oder Zinkoxyd hervorgegangen ſind und hiernach Eiſen-,
Kupfer- oder Zinkvitriol genannt werden. Jener iſt von hellgrü-
ner, der Andere von blauer, und der Lezte von gelblich weißer
Farbe. Den Erſten bereitet man, obſchon er auch natürlich gedie-
gen angetroffen wird, aus Eiſenkies; den Zweiten aus Kupferkies
und den Dritten aus Zinkerz. Das Verfahren bei ihrer Bereitung
hat nicht blos unter ſich keine weſentliche Abweichung, ſondern
ſtimmt auch mit der Alaunſiederei ſehr überein1). Man entzieht
den Erzen zuerſt durch Röſtung einen Theil ihres Schwefels2).
Um dieſelben zu vitrioliſiren, verwittert man ſie in Halden, unter
Einſprengung von Waſſer, an der Luft, bis ein Salz effloreszirt.
Die verwitterten Kieſe werden, wie die Alaunkieſe, ausgelaugt,
und zwar in der Regel in Laugekäſten oder Bottichen (Trekbütten,
von dem niederſächſiſchen Worte austreken = ausziehen),
welche treppenförmig übereinander liegen oder ſtehen. Alle werden
mit Kies gefüllt, der Kies im oberſten mit Waſſer begoſſen, die
unter Umrühren gebildete Lauge auf den Kies im zweiten, dritten
Kaſten oder Bottich u. ſ. w. abgelaſſen, bis ſie geſättigt iſt. Hier-
auf wird die Lauge geläutert oder geklärt, alsdann verſotten3)
[363] und darnach zum Kryſtalliſiren in Wachskäſten gebracht, welche
mit Holzſtäben durchſtochen ſind. Nach geſchehener Kryſtalliſation
wird die Mutterlauge (Salzlauge) hinweggenommen, der Kry-
ſtall abgeſchlagen, zum Trocknen auf Horden gelegt, und wenn
jenes geſchehen iſt, verpackt.
Nicht die bergmänniſche Gewinnung, ſondern blos die Berei-
tung des Kochſalzes aus der Soole iſt Gegenſtand dieſes Zweiges
der Gewerkslehre1). Das Kochſalz iſt im Seewaſſer und in den
eigentlichen Salzſoolen enthalten, und aus dieſen muß es gewon-
nen werden. Man gewinnt das Seeſalz entweder durch Ab-
dampfen des Meerwaſſers an der Sonnenwärme in heißem Klima
in flachen Vertiefungen, am beſten im Thonboden, und mit Mauern
umgeben2), oder durch Abdampfen deſſelben am Feuer in länglichen
2–4 Fuß tiefen ſchmiedeeiſernen Pfannen3). Die Gewinnung
des Soolenſalzes aber, welche in Deutſchland ſchon am längſten
geübt und am paſſendſten iſt, erheiſcht einen anderen Prozeß und
andere künſtlichere Einrichtungen. Die Soole iſt, ſo wie ſie ge-
fördert wird, von verſchiedenem Salzgehalte4), aber ſie enthält
mehr oder weniger Kohlen-, Schwefel-, Hydriod- und Hydro-
bromſäure, Kali, Kalk, Bitter-, Alaun- und Kieſelerde, Eiſen-
oxyd, Eiſenoxydul, erdharzige Subſtanzen, organiſche Materie u. dgl.
mehr. Aber alle dieſe Theile ſind neutraliſirt, nämlich ſchwefelſaures
[364] Natron, Kalk und Bittererde, kohlenſaurer Kalk und Bittererde,
ſalzſaurer Kalk, Bitter-, Alaunerde und Eiſen, obſchon alle dieſe
Salze nicht zugleich darin vorkommen können, da ſich manche da-
von zerſetzen5). Man prüft die Soole auf ihren Gehalt vermittelſt
mancher Reagentien, und behandelt ſie, wenn ſie gereinigt iſt, auf
Salz. Iſt ſie nämlich ſchon concentrirt genug, ſo daß ſie mit
Vortheil verſotten werden kann, ſo kommt ſie ſogleich zum Ver-
ſieden. Iſt ſie aber noch zu ſchwach dazu, ſo hat man zwei Mittel,
ſie zu concentriren, nämlich man löst entweder bis zu ihrer Sät-
tigung in ihr noch Steinſalz auf oder man wendet die Gradirung
an, d. h. die Concentrirung durch freie ſich ſelbſt überlaſſene Ver-
dünſtung und Gefrieren. Bei freiem Luftzutritte verdampft die
Soole noch mehr als das Waſſer durch bloße Verdünſtung unter
dem Siedpunkte. Daher geſchieht dieſes Verdünſten entweder in
der gewöhnlichen Luft oder in der Kälte oder in der Son-
nenwärme6). Die Luftgradirung iſt die gewöhnliche und man
hat davon zwei Hauptarten, nämlich die Dorngradirung und
Pritſchen- oder Dach- oder Tafelgradirung7). Bei jener
läuft die Soole über Wände von Reiſig, und bei dieſer über ver-
ſchieden große ſchiefe dachförmige Ebenen von Brettern. Das
Wichtigſte iſt dabei, der Luft eine möglichſt große Oberfläche dar-
zubieten. Daher geht die Soole bei der lezteren Gradirmethode
von einer ſchiefen Ebene auf die andere, und bei der erſteren, die
hier beſchrieben werden ſoll, von einer Dornenwand auf die andere.
Die Dornengradirhäuſer ſind ſtockwerks- oder pyramidenförmig auf
einander errichtete, möglichſt dem Windzuge dargebotene, aus
Reiſig verfertigte, etwa 14–24 Fuß hohe Wände, auf welche
ſtufenweiſe, zuerſt auf die oberſte, von dieſer auf die zweite u. ſ. w.,
die Soole herabrieſelt, nachdem ſie durch irgend eine Waſſerkunſt
ſo hoch gehoben iſt8). Unter dem Dache des Gradirhauſes iſt ein
Soolenbehälter (Tropfkaſten) angebracht, aus dem ſie durch
Hahnen in Rinnen, welche ſie auf die Wände leiten, läuft, bis
ſich dieſelbe endlich in einem allgemeinen Sammelkaſten befindet,
den man Baſſin, Hälter oder Sumpf nennt9). Man wieder-
holt die Gradirung, bis die Soole concentrirt genug iſt, um ver-
ſotten zu werden, aber nicht bis zur völligen Concentrirung, weil
in dieſem Falle zu viel durch mechaniſches Fortreißen vermittelſt
des Windes und durch Angefrieren an das Reiſig verloren gehen
würde10). Die gradirte Soole iſt ſiedwürdig, wenn ſie 24löthig
(in 100 Thln. Soole 24 Thle. Salz haltend) oder auch ſchon,
wenn ſie 16pfündig (d. h. im Kubikfuße Soole 16 ℔ trockenes
Salz haltend) iſt.
So weit zugerichtet kommt die ſiedwürdige Soole in die
Siedhäuſer (Salzkothen), um dort in Pfannen verſotten zu
werden. Die Siedpfannen ſind von Eiſenblech, und die Böden
daran ſtärker als die Wände, dabei aber von verſchiedener Größe1).
Entweder hängen ſie an Ringen in großen Hacken oder ſie ſind
eingemauert, und zwar in einer ſchiefen Lage nach der Vorderſeite
des Heerdes. Sie werden von verſchiedenen Brennmaterialien ge-
heitzt, und hiernach richtet ſich auch der Bau des Heerdes2).
Ueber ihnen ſteht aber ein pyramidiſcher Fang (Schwaden-,
Dunſt- oder Brodenfang) zur Abführung der beim Verſieden
aufſteigenden Waſſerdämpfe. Beim Verſieden ſelbſt haben die
Salzwirker (Haloren) drei Hauptgeſchäfte, wofür man nicht
ſelten auch drei verſchiedene Pfannen hat, obſchon man mit zweien
auch ſchon ausreicht. Zuerſt wird die Soole in der Wärme-
pfanne, die ganz angefüllt wird, erwärmt, und, wenn das Ge-
ſchäft beginnt, auch zugleich die darunter angebrachte Sied- oder
Störpfanne geſpeist. Die Heitzung beginnt unter der Lezteren,
weil die hier ſchon benutzte Hitze noch hinreicht, der Wärmepfanne
die gehörige Temperatur zu geben. Das Verdampfen geht in der
[367] Siedpfanne vor ſich, und in demſelben Verhältniſſe wird aus der
Wärmepfanne nachgegoſſen, bis endlich zufolge des Siedens ſich
eine Salzhaut auf der Oberfläche der Soole in der Siedpfanne
bildet3). Jetzt ſagt man, die Soole ſei gar, und ſchreitet zum
Soggen (Soogen, Soken) derſelben. Dies geſchieht entweder
in der dritten (Soggenpfanne) oder in der Siedpfanne, und
beſteht in dem allmäligen Abdunſten der Soole bei mildem Wärme-
grade, ſo daß ſie nie zum Sieden kommt. Die erſte Haut fällt
kryſtalliniſch zu Boden, es folgt ihr eine andere, eine dritte,
vierte u. ſ. w.; bis dies aufhört, wird das Feuer noch unterhalten
und dann entfernt4). Dieſes geſoggte Salz nimmt (wirkt) man
mit ſchaufelförmigen Inſtrumenten (Soggenſtiel) aus der Pfanne.
Man füllt es in Weidenkörbe und läßt es oberhalb der Pfanne
darin abtropfen, bis es trocken genug iſt, um in die ſogenannte
Trockenkammer zum völligen Abtrocknen gebracht werden zu
können, wo mit warmer Luft geheitzt wird5).
Das Meſſing wird aus Zink und Kupfer bereitet. Der Zink
kommt nämlich in der Natur entweder in Verbindung mit Sauer-
ſtoff, als Galmey und Zinkſpath, oder metalliſch geſchwefelt, als
Blende, vor. Der Beiſatz von Zink zu Kupfer macht das Leztere
gelb, geſchmeidig und vom Sauerſtoffe der Luft weniger affizirbar1).
Eine Metallcompoſition dieſer Art iſt das bekannte Meſſing, deſ-
ſen Verfertigung der Gegenſtand ſehr bedeutender Gewerke iſt2).
Man reinigt nämlich den Galmey auf mechaniſchem Wege (Hand-
ſcheiden, Pochen, Verwaſchen, §. 280.) von allem Fremdartigen,
und bringt ihn dann, um das in ihm enthaltene Waſſer und die
Kohlenſäure aus demſelben zu entfernen, in einen Röſtofen, glüht
ihn und macht ihn unzuſammenhängend. Er verliert an Gewicht
dadurch 10–12% und ſein Volumen ſteigt dagegen um 33%.
Hierauf pocht oder mahlt man ihn fein und läßt ihn durch das
Sieb gehen. Je reiner das Kupfer iſt, deſto beſſer wird das
Meſſing, man nimmt daher vom reinſten Garkupfer und zerkleinert
daſſelbe, entweder indem man die Kupferſcheiben mit Scheer-
maſchinen verſchneidet, oder aber indem man daſſelbe in Tiegeln
ſchmilzt und granulirt, d. h. körnt. Die Kohle, welche zur Ver-
wandlung des Kupfers in Meſſing und zur Desoxydirung des Zink-
kalkes nöthig iſt, wird ebenfalls gepocht oder gemahlen und geſiebt.
Dieſe drei Ingredienzien bringt man in thonenen Tiegeln in einen
Windofen3); nachdem man die Kohle angefeuchtet und mit dem
Galmey vermengt hat, füllt man mit dieſem Gemenge und Kupfer
ſchichtenweiſe die Tiegel auf und gibt obenauf noch eine Decke
von Kohle4). Die Tiegel müſſen gleichviel gleiches Material und
gleiche Größe haben. Man ſtellt in der Regel ſechs gefüllte und
in der Mitte derſelben einen leeren in einen Kreis um den Roſt.
Dann füllt man den Ofen mit Kohlen, ſo daß die Tiegel 3–4
Zolle hoch bedeckt ſind, wirft glühende Kohlen darauf, wartet bis
die Kohlen entzündet ſind, füllt hierauf den Ofen ganz mit Kohlen
aus und ſchließt die obere Oeffnung deſſelben. So bleibt der Ofen,
bis das Abgebranntſein der Kohlen einen neuen Zuſchub an Lez-
teren nöthig macht, wobei oben wieder geöffnet werden muß. Iſt
auch dieſe zweite Zulage abgebrannt, dann iſt auch das Meſſing
gebildet, und ſeine fernere Behandlung hängt davon ab, ob daſſelbe
Guß- oder Stückmeſſing geben ſoll. Im erſten Falle hebt man
[369] den mittleren leeren Tiegel aus dem Ofen und ſetzt ihn ſogleich
neben der Oeffnung des Ofenſchachtes in eine lange, breite, tiefe,
viereckige Grube. Jetzt nimmt man auch die vollen Tiegel Einen
nach dem Anderen heraus, und gießt ſie in dieſen leeren aus, auf
welchem dann die Schlacke abgehoben und der reine Reſt der Be-
ſchickung zwiſchen glatten ſteinernen Platten in Tafelform aus-
gegoſſen wird. Um Stückmeſſing zu bilden, hat man keinen leeren
Tiegel in den Ofen zu ſetzen, ſondern man gießt die Beſchickung
aus den Tiegeln nur in die Grube aus, wovon das Meſſing als-
dann, wenn es conſiſtent, aber noch glühend iſt, weggenommen und
in Stücke zerſchlagen wird. Der Abfall, welcher aus Kohle und
Meſſingkörnern beſteht, und im einen wie im andern Falle ſich
bildet, wird hüttenmänniſch verwaſchen, um das bei der nächſten
Schmelzung beizuſetzende Meſſing rein zu erhalten.
Unter Draht1) verſteht man Metallfäden, welche entſtehen,
indem man Metallſtangen durch beſtimmt geformte Löcher mit Ge-
walt durchzwängt, ſo daß ihr Durchmeſſer den des Loches annimmt,
durch das ſie gezwängt wurden, und ihre Länge ſich auf Koſten
der Dicke vergrößert. Man macht ſolchen aus Eiſen, Stahl, Kupfer,
Meſſing, Silber und Gold, auch aus Platina und Zink. Der
Draht erhält dem Querſchnitte nach entweder eine kreisrunde,
oder irgend eine andere, ovale, eckige, halbmondförmige, ſtern-
förmige, roſenförmige u. ſ. w. Geſtalt. Allen nicht runden Draht
nennt man gaufrirt oder façonirt, und es gibt verſchiedene
Dicken des Drahtes, deren Darſtellung aber darum nicht thunlich
iſt, weil jede Fabrik ihre eigenen Dimenſionen und Bezeichnungen
hat2). Die Drahtzieherei beruht alſo auf der Streckung oder
Verlängerung der Metallſtange und man hat dazu zwei Hauptein-
richtungen, nämlich a)Drahtwalzwerke, welche jedoch weniger
als die folgenden in Anwendung ſind. Sie beſtehen aus drei neben
einander ſtehenden Gerüſten von Gußeiſen, in welchen gußeiſerne
Walzen von 8 Zoll Durchmeſſer feſt aufeinander liegen, ohne we-
niger oder ſtärker geſpannt werden zu können. Die Walzen ſind
außen herum mit Gerinnen verſehen, welche, wenn zwei derſelben
gerade aufeinander paſſen, eine Oeffnung machen, welche den
Querdurchſchnitt hat, die dem Drahte gegeben werden ſoll. Wenn
die Walzen nun gegeneinander umlaufen, ſo ziehen ſie die hinge-
haltene Eiſenſtange durch dieſe immer beſtehende Oeffnung zwiſchen
ſich hinein und auf der anderen Seite heraus. Das erſte Walzen-
gerüſte hat drei Walzen mit viereckigen Rinnen über einander, um
den Draht, wenn er ein Walzenpaar paſſirt iſt, auf der andern
Seite ſogleich durch das andere Paar hindurch zurückgehen zu laſſen.
Das zweite Gerüſte, nur aus zwei Walzen beſtehend, hat ovale
Löcher, um einen Uebergang zum dritten Gerüſte zu machen, das
kreisrunde Oeffnungen hat, und den Draht nicht mehr ſtreckt,
ſondern nur formt. Die Walzen werden durch irgend eine bewe-
gende Kraft vermittelſt verſchiedener Maſchinerie in Bewegung
geſetzt3). b)Drahtziehwerke, von denen auch das Geſchäft
ſeinen Namen hat. Das allgemeine Charakteriſtiſche derſelben iſt,
daß die Metallſtange nicht durch Walzen gezwängt, ſondern durch
harte Platten (Drahtzieheiſen), welche mit Löchern verſehen
ſind, gewaltſam durchgezogen werden. Dieſe Zieheiſen haben trich-
terförmige Löcher, um die Verdünnung allmälig zu bewirken, —
[371] dieſe Löcher müſſen ganz glatt und ſchartenfrei ſein, aber mit ihrer
Größe ſteht auch jene des Eiſens in geradem, mit der Größe des
Eiſens aber die Anzahl der Löcher in umgekehrtem Verhältniſſe4).
Das Durchziehen geſchieht nur im Kleinen mit der Hand, im
Großen aber durch Maſchinen, wegen des größeren Bedarfes an
Kraft und wegen der größeren Geſchwindigkeit. Der weſentlichſte
Theil der durch irgend eine bewegende Kraft getriebenen Zieh-
maſchine beſteht in derjenigen Vorrichtung, welche den Draht faßt
und hinwegzieht. Man hat dazu entweder Zangen oder Walzen
(Scheiben), welche in der Maſchine ſelbſt ihr bewegendes Mo-
ment finden. Eine Art von Zangen faßt den Draht ſogleich am
Zieheiſen, zieht ihn ſo weit fort als ſie reichen kann, läßt ihn
dann los, kehrt zum Zieheiſen zurück, faßt ihn von Neuem und
zieht ihn wieder ſo weit heraus u. ſ. w. Dieſe heißt man wegen
ihrer Bewegung Stoßzangen, und die ganze Gewerkseinrichtung
Drahtmühle5). Eine andere Art von Zangen faſſen den Draht
nur einmal, ziehen ihn auch in einem Zuge durch, und kehren
nur zurück, um einen andern zu holen. Man heißt ſie auch wegen
ihrer Bewegung Schleppzangen, und die ganze Gewerksvorrich-
tung Ziehbank6). Das Ziehen durch Walzen geſchieht, indem
der auf die Walze geſteckte Draht, indem dieſe umläuft, ſich auf-
wickelt und angezogen wird. Die Gewerkseinrichtung nennt man
Scheiben- oder Walzenzug7).
Ehe nun der Mechanismus in Thätigkeit geſetzt wird, muß
ſchon das Metall zugerichtet ſein, und dies geſchieht, indem man
daſſelbe zu Stäben der erforderlichen Dicke formt. Dieſe Geſtalt
gibt man den Stäben entweder durch Schmieden, Gießen, dieſes
und jenes aufeinander, durch Walzen, oder durch Zerſchneiden
von Blech oder Platten, ſei dies durch große Scheeren, ſei es
durch Schneidewalzen, welche durch beſonderen Mechanismus in
Bewegung geſetzt werden8). Ehe aber ein ſolcher Drahtſtab zum
Zuge kommt, wird er etwas geſpitzt, um ſo beſſer in die Oeffnung
der Walzen oder Zieheiſen zu paſſen. Das Durchziehen geſchieht
immer ohne abſichtliche Erhitzung des Metalls, und man ſchmiert
den Draht mit Fett, Oel, Talg oder Wachs, um ihn beſſer
rutſchen zu machen. Allein das Metall wird durch das Ziehen
hart und ſpröde, und dagegen muß man operiren, je größer die
Verdünnung des Metalls iſt und je mehr das Metall die Glühhitze
aushalten kann, aber dieſes Gegenwirken iſt um ſo weniger nöthig,
je dünner der Draht ſchon iſt, weil die Hitze beim Ziehen ſelbſt
ſein Hartwerden um ſo leichter verhindert. Zu dieſem Zwecke hat
man einen Glühofen oder Glühheerd in Bereitſchaft, worin oder
24 *
[372] worauf man durch Glühen des Drahtes ihn wieder weicher und
dehnbarer macht9). Auf dieſe Art im Allgemeinen, jedoch mit
Abweichungen in der Zubereitung des Metalles, wird aller Draht
fabricirt10).
Unter einer Münze verſteht man ein mit den Abzeichen, welche
Gepräge genannt wird, verſehenes Metallſtück von der Form ei-
nes kreisrunden niederen Cylinders. Die Münzen werden zu ver-
ſchiedenen Zwecken geſchlagen, entweder zum Gebrauche im Ver-
kehre als Tauſchmittel (Geldmünzen) oder zur Erinnerung an
wichtige Perſonen und Ereigniſſe (Denk- und Schaumünzen)
oder zur Auszeichnung für preiswürdige Thaten (Preis-, Ehren-
münzen oder Medaillen) oder zum Spiele als bloße Marken
(Spielmark-Münzen). Die Kunſt, ſolche Münzen zu fertigen,
heißt Münzkunſt und reicht in die bildenden Künſte erſten Ranges
hinauf, da es ſich oft um kunſtreiche Entwürfe handelt, welche
auf denſelben dargeſtellt werden ſollen. Man nimmt zu den Münzen
allerlei Metall und Metallcompoſitionen, aber zu den Geldmünzen
Platina, Gold, Silber und Kupfer, wovon die beiden mittleren
auch zu den feinſten Münzen anderer Art gebraucht werden. Die
Münzung1) zerfällt in folgende Operationen: a) Die Beſchickung,
worunter man urſprünglich die Füllung des Tiegels mit der zu
ſchmelzenden Metallmaſſe, dann aber jetzt beſonders die Miſchung
derjenigen Metalle verſteht, welche zur Münze zuſammengeſchmolzen
werden2). Der Schmelzer glüht und ſchmilzt die ihm vom Münz-
meiſter übergebenen Metalle in einem Tiegel im Windofen. Der
Münzwardein nimmt aus demſelben eine Probe (Tiegelprobe) zur
Unterſuchung der Feinheit der Maſſe. b)Der Guß der Stan-
gen oder Zainen. Hat die Tiegelprobe ihre Richtigkeit, ſo wird
die ganze Beſchickung in ein feuchtes Gemenge von Sand, Thon
und Kohlengeſtübe, oder in den Planenbogen (d. h. ein naſſes
zuſammengelegtes Zwillichſtück), oder in eiſerne Formen gegoſſen.
c)Das Strecken der Stangen oder Zainen. In dem bis-
herigen Zuſtande ſind die Zainen (Bleche oder Stangen) noch
nicht zu gebrauchen, ſie müſſen vom Streckmeiſter platt und
glatt gewalzt (geſtreckt) werden und kommen deshalb unter ein
Walz- (Streck-) Werk, nachdem ſie in einem Glühofen oder
in einer Glühpfanne durchgeglüht ſind3). d) Die Ausſtückelung
der Zainen (Münzſchienen). Haben die Zainen die gehörige
Gleichförmigkeit und Dicke der zu fabrizirenden Münzen, ſo ſchlägt
man (der Durchſchneider) aus ihnen die runden Münzſcheiben
(Platten) von der erforderlichen Größe. Dies geſchieht auf einer
Druckmaſchine, welche man Durchſchnitt nennt und deren unmit-
telbar auf die Zaine wirkender Theil ein ſenkrechter Stempel
[374] iſt4). e) Die Adjuſtirung der Platten. Da dieſe einzelnen
Platten dem Gewichte nach einander nicht gleich ſind, ſo müſſen
ſie einzeln gewogen, gefeilt und die zu leichten zurückgelegt werden.
Dies heißt man Adjuſtiren und thut der Juſtirer5). f) Das
Sieden der Platten. Die Platten, welche das gehörige Gewicht
haben, ſind nun äußerlich noch roh und unanſehnlich, deßhalb
erhält ſie der Sieder, welcher ſie in einer Flüſſigkeit ſiedet, die
denſelben ein ſchönes Anſehen gibt6). g)Das Prägen der
Platten zu Münzen. In dem jetzigen Zuſtande fehlt der Platte,
um eine Münze zu ſein, nur das Gepräge. Das Prägen geſchieht
jetzt allgemein durch das Präge- (Stoß-, Druck-) Werk oder
den Anwurf. Daſſelbe gibt der Platte den Avers (Bruſtbild-
ſeite) und den Revers (Wappenſeite) auf einmal, und ſein wich-
tigſter oder operirender Theil iſt eine verticale Schraube an einer
Preſſe, welche den Prägeſtempel, der den Avers führt, auf die
Platte drückt, die auf dem Prägklotze (dem unteren Stempel)
liegt, welcher den Revers führt7). Dieſes Geſchäft thut der
Präger. Die lezte Arbeit iſt aber h) das Rändeln der Münzen.
Um die Münzen vor dem Beſchneiden zu bewahren, gibt man ihrem
Rande noch gewiſſe Einſchnitte, wozu auch der daran oft befindliche
Wahlſpruch gehort (Rändelung oder Kräuſelung und Rand-
ſchrift). Man gibt denſelben dieſen Rand, indem man jede
Münze einzeln zwiſchen zwei Walzen oder Stangen von paralleler
Bewegung, die die Form der Rändelung und Randſchrift haben,
zwängt (Rändel- oder Kräuſelwerk). So iſt die Münze fertig.
Aber die Art der bewegenden Kraft in einer Münzſtätte iſt ſehr
verſchieden8). Auch gehört das Probiren der circulirenden Münzen
zu den Geſchäften des Münzers9).
Ein Abguß iſt die Nachbildung eines Originals vermittelſt
des Gießens entweder in Feuer zum Fluſſe gebrachter und beim
Erkalten wieder erhärtender Materien (z. B. Schwefel, Metalle)
oder durch Flüſſigkeit erweichter und nach der Erweichung ſchnell
hart werdender Stoffe (z. B. Gips, Hauſenblaſe). Ganz vorzüg-
lich eignet ſich der Gips durch ſeine Eigenſchaften zu dieſem Ge-
brauche1). Es iſt begreiflich, daß man vor allen Abgußarbeiten
in der Wahl des Originals ſehr behutſam ſei, und, wenn es ſich
um eine kunſtgerechte treue Nachbildung von Werth handelt, nie-
mals eine Copie nehme, weil die Copien immer dem Originale
nicht gleich, ſondern blos ähnlich ſind, ſich nie die ſcharfen Züge
des Originals zueignen und ſich von der genauen Aehnlichkeit
immer mehr entfernen, in je entfernterem Grade die Copie vom
Originale abſtammt2). Hat man ein gewünſchtes Original, ſo
iſt die erſte Arbeit die Bildung des Gußmodels und die zweite der
Abguß ſelbſt. Die Manipulationen ſind aber dabei nach der Geſtalt
des Originals und Models verſchieden, und man hat hiernach fol-
gende Gußformen: 1) Der Guß in eintheiligen offenen
Formen, z. B. von Münzen, Medaillen, Platten nach hiſtoriſchen
Gemälden, Portraiten u. dgl. mit halberhabener Arbeit. Sie ha-
ben nur eine oder auch zwei zu gießende Seiten, aber die Mani-
pulation iſt im Grunde dieſelbe3). Um das Model zu bilden,
befeſtigt man, je nach der Größe des zu gießenden Bildes, um
den Rand des Originals auf irgend eine Weiſe, z. B. mit einer
Nadel, mit Wachs, Leim, Kleiſter, ein Stück Papier, Pappe,
Schindeln, Lehm u. dgl. (Zarge genannt) ſo, daß es um daſſelbe
hervorragend einen Cylinder von entſprechender Höhe und derjenigen
Form bildet, welche die Flächenbegränzung des Originals angibt.
Jetzt trägt man zuerſt mit einem feinen Pinſel den flüſſigen Gips
ganz fein und ſorgfältig auf das Original und gießt dann darauf
ſchnell noch Gips nach, bis der ganze hohle Cylinder ausgefüllt
iſt. Iſt die Maſſe erhärtet, dann hat man die Form, und auf
[377] dieſe blos zu gießen, um Abgüſſe zu erlangen4). 2) Der Guß
allſeitiger geſchloſſener und hohler Formen, z. B. von
Büſten, Statuen, Figuren u. dgl. Will man ganz einfache
Figuren, wie z. B. Kugeln, Eier, Obſt, Cylinder gießen, ſo
verfährt man anders, als beim Guſſe von zuſammengeſetztern,
manchfaltige Form habenden, Geſtalten. Die Bildung des Models
und deſſen Zuſammenſetzung iſt das Weſentliche und Schwierigſte.
Zur Modellirung jener einfachen Dinge legt man um den weiteſten
Umfang eine Zarge, wie ſie oben beſchrieben iſt, und gießt dann
ſo lange Gipsmaſſe darein, bis der Gegenſtand ganz bedeckt iſt.
Iſt die Gipsumhüllung ganz hart, ſo nimmt man ſie ab, ſchneidet
ſie eben an der Fläche, mit der ſie auf der Zarge aufſaß, und
macht in dieſelbe einige halbrunde Einſchnitte (Marken genannt).
Wenn ſie bis zum Klingen getrocknet iſt, ſo ſchmiert man ſie mit
Oel oder tränkt ſie mit Terpentinfirniß, legt den Gegenſtand wie-
der in dieſen Theil des Models, verſieht dies gegen die andere
Seite mit einer Zarge, gießt Gipsmaſſe auf und ſo bildet ſich der
andere Theil, es entſteht das Model fürs Ganze, und die zwei
Theile haben eine feſte Haltung auf einander, indem durch den
Guß am anderen Theile Zäpfchen entſtehen, welche gerade in die
Marken des unteren paſſen. Jetzt ſchneidet man nur von Außen
trichterförmig das Gießloch (den Einguß) in einen Theil der
Form und das Model kann zum Guſſe gebraucht werden. Es iſt
aber immer beſſer, wenn man mehr als zwei Theile aus einem
Modelle macht, und dies iſt unfehlbar nöthig bei der anderen zu-
ſammengeſetzteren Art von Formen. Zur Bildung der Modelle für
dieſe Güſſe hat man drei Methoden. Nämlich a) man fertigt zu
einem Originale mehrere Formen, und läßt jede in einigen Stücken
beſtehen, die, ein jedes für ſich, nur einen Theil des Abguſſes
bilden5); oder b) man überzieht das ganze Original mit einer
1–3 Zolle dicken Gipskruſte, theilt nach ihrer Härtung die Ober-
fläche deſſelben in paſſende Felder ein, wie man die Kruſte ſtück-
weiſe am beſten abnehmen kann, ohne die Verbindungsnahten über
rein und fein auszuarbeitende Theile des Abguſſes zu führen,
ſchneidet entweder mit der Säge oder arbeitet mit dem Meißel
dieſen Felderlinien nach den Gipsüberzug durch, jedoch nicht bis
auf's Original, ſondern ſo weit, daß derſelbe noch Zuſammenhalt
hat, und ſprengt endlich dieſe Felder ſorgſam los, wobei auch das
noch Zuſammenhängende zerbricht. Dieſe Theile fügt man dann
auf irgend eine Art zum Modelle zuſammen und hat ſo die hohle
Gußform, in welcher man den Guß vollführt6). Oder endlich
c) man zeichnet ſich auf dem Originale ſelbſt die Formfelder vor,
[378] begrenzt ſogleich Eines derſelben mit einer Zarge von Thon oder
Lehm u. dgl., trägt auf daſſelbe den Gips auf, nimmt das ſo
entſtandene Modelſtück ab, beſchneidet es an den Seiten keilförmig,
ſchneidet die erforderlichen Marken ein, legt das ſo geſtaltete
Modellſtück wieder auf ſein Feld, umzargt das nächſtliegende Feld,
verfährt mit demſelben ebenſo wie mit dem vorherigen, und ſo
fort, damit nach und nach das ganze Model entſteht, an welchem
die einzelnen Stücke durch Marken und Zäpfchen einen guten Zu-
ſammenhalt haben7). Will man nun nach dieſen Modellen voll
gießen, ſo wird die Gipsmaſſe eben eingegoſſen. Allein man gießt
die Copien leichter, wohlfeiler und gefahrloſer für die Modelle
hohl, indem man zuerſt einen dünnen Gipsbrei in das Model gießt,
und durch gehöriges ſorgfältiges Bewegen deſſelben das Ueberziehen
des Innern davon mit einer Gipskruſte bewirkt, hierauf aber,
noch ehe die Gipsmaſſe erhärtet iſt, unter derſelben Arbeit wieder
eine neue Quantität des Breies nachgießt8).
Glas nennt man eine aus Alkalien und Kieſelerde in heftigem
Feuer entſtandene reine, gleichförmige, durchſichtige, in Waſſer
unauflösliche, blos von Flußſpathſäure affizirbare, ſehr ſpröde
Schmelzmaſſe. Seine Fabrikation und Formung1) iſt einer der
wichtigſten Gewerkszweige. Man unterſcheidet in Bezug auf die
Farbe gewöhnlich, obſchon etwas unlogiſch, grünes, weißes,
halbweißes und farbiges Glas, — in Bezug auf ſeine Form
Hohl- und Tafelglas, — in Bezug auf beſondere Beſtandtheile
deſſelben Kryſtall- (wozu auch das Flintglas gehört), Kreide-,
Glauberſalz- und bleihaltiges Glas, — in Bezug auf den
Gebrauchszweck Bouteillen-, Fenſter-, Spiegel- und opti-
ſches Glas. — Es gehören aber auch die künſtlichen Edel-
ſteine, Emaille und Glasflüſſe anderer Art hierher. Die we-
ſentlichen Beſtandtheile der Glasmaſſe ſind die Kieſelerde und
Alkalien2). Dieſe werden in einem gewiſſen Miſchungsverhältniſſe
vermengt, um geſchmolzen zu werden, und heißen zuſammen Glas-
ſatz (Fritte). Die Vermengung und Schmelzung geſchieht in
abgeſtumpft pyramiden- oder kegelförmigen Tiegeln (Glashäfen),
welche auf der Glashütte ſelbſt (in der Glasfabrike) aus feuer-
[380] beſtändigem eiſenfreien Thone und gebranntem Thone oder Scherben
von alten Glashäfen gefertigt werden. Dies Schmelzen in Tiegeln
und überhaupt die ganze Glasbereitung geſchieht, bis auf die
Arbeiten des Glasblaſens, in Oefen. Man hat aber verſchiedene
Oefen auf der Glashütte, nämlich a) den Calcinir- oder Fritt-
ofen, in welchem die Fritte zuerſt nur roh zuſammengeſchmolzen
wird; b) den Glas-, Schmelz- oder Werkofen, in welchem
die Fritte noch vollends klar oder blank geſchmolzen wird, um das
Glas daraus blaſen zu können; c) den Kühlofen, welcher mit
dem Werkofen in Verbindung ſteht, durch deſſen Hitze zum Theile
erwärmt wird und dazu dient, das geblaſene Glas allmälig abzu-
kühlen; d) den Streckofen, ganz wie der Kühlofen geſtaltet,
und auch nur ein Kühlofen, in welchem das zu Tafeln beſtimmte
Glas die Flächengeſtalt erhält3). Der Glasſatz wird in den Tie-
geln des Frittofens unter Umrühren geglühet, bis er anfängt
zuſammen zu ſchmelzen. Hierauf wird derſelbe löffelweiſe ausge-
ſchöpft, und in die Tiegel des Werkofens, welche vorher ſchon
weißglühend heiß gemacht ſein müſſen, ſo portionenweiſe gegoſſen,
daß erſt, wenn die vorherige ganz geſchmolzen iſt, die neue hinzu-
kommt. Bei dem erſten Schmelzen wird die Kohlenſäure ausge-
trieben und dann ſteigt eine Schichte von verſchiedenen Salzen
oben auf, die man Glasgalle nennt und abſchöpft. Die 12 bis
30 Stunden dauernde Schmelzung iſt beendigt, wenn kein unauf-
gelöstes Körnchen mehr in der Fritte iſt, die trüben Streifen ver-
ſchwunden ſind, kein Schaum und keine Luftblaſen mehr erſcheinen.
Jetzt beginnt die mechaniſche Arbeit des Glasblaſers, der mit
der Pfeife (d. h. einem 3–5 Fuße langen ſchmiedeiſernen, am
Ende mit einem kleinen hohlen Knöpfchen verſehenen, oben mit
einem hölzernen Griffe zum Anfaſſen beſetzten Blaſerohre) ein
bißchen Fritte aus dem Hafen nimmt, durch Blaſen und Schwenken
einen hohlen Cylinder daraus bildet, und dieſen Cylinder auf einer
neben ihm liegenden Marmor- oder Kupferplatte rollt, um ihn
eben zu machen. Dieſe Arbeiten, welche man ſehen muß, um eine
klare Vorſtellung davon zu bekommen, geſchehen nicht ununter-
brochen fort, ſondern die ſo im Hüttenraume bearbeitete Fritte
muß immer von Zeit zu Zeit wieder in den Ofen geſteckt werden,
damit ſie ſich weich erhalte und leicht ausdehne. Die verſchiedenen
Formen erhält das Glas durch Eindrücken mit einem Eiſen und in
vorhandene Modelle. Soll aber Tafelglas gemacht werden, ſo wird
auf obige Weiſe ein Cylinder von verſchiedener Größe geblaſen,
geebnet, und dann mit einem Diamanten nach der Länge aufge-
ſchnitten. Von der Pfeife bringt man dann die Gläſer durch einen
[381] Schnitt mit der Scheere ab. Das Hohlglas kommt hierauf in den
Kühl-, das Tafesglas in den Streckofen, beides um durch all-
mäliges Abkühlen vor Sprödigkeit bewahrt, und Lezteres um in
die Tafelform vollends umgebildet zu werden4).
Die Bleiſtifte ſind kleine Stäbchen von Graphit, dieſer
aber iſt eines der brenzlichen Mineralien (Brenze). Man hat
natürliche und künſtliche Graphitſtifte. Jene ſind aus dem bis
jetzt nur in England gefundenen reinen dichten Graphit auch nur
in England gefertigt und daher zu beziehen. Dort verſägt man
die großen Graphitſtücke in Platten, glättet dieſe auf wagerechten
Scheiben aus und zerſägt ſie in Stifte von beliebiger Dicke, die
man dann entweder unmittelbar in die bekannten ſilbernen oder
überhaupt metallenen Hülſen bringt, oder auch in Holz faßt und
verkauft. Den Mangel an hinreichend wohlfeilen Bleiſtiften dieſer
erſten Klaſſe ſucht man durch künſtliche zu erſetzen, indem man
den, hauptſächlich in Böhmen und Baiern gefundenen, blättrigen,
erdigen und ſtaubartigen Graphit nimmt, mit andern bindenden
Materien miſcht, und entweder in große Maſſen formt, aus denen
man die einzelnen Stifte ſchneidet, oder aber noch im weichen
Zuſtande die Stifte bereitet1). Die früheren Bindemittel, als
Gummi, Leim, Tragalith, Hauſenblaſe, Schwefel, Kolophonium,
Schellack und roher Spießglanz ſind jetzt als mehr oder weniger
unbrauchbar von dem Thone verdrängt worden, denn dieſer macht
die Maſſe leicht formbar und bis zu jedem beliebigen Grade härtbar,
wenn er fett, zähe und frei von Kalk und Eiſenoxyd iſt. Thon
und Graphit wird im Stößer oder auf kleinen Handmühlen pul-
veriſirt, dann geſiebt, und hierauf (beſonders Erſterer) verwaſchen
oder geſchlämmt, bis alles Fremdartige, Grobe davon hinweg iſt.
Darauf werden dieſelben ſehr ſorgfältig nach den einmal durch
Erfahrung bewährten Verhältniſſen gemiſcht, welche ſich zwiſchen
4–8 Thln. Thon auf 5 Thle. Graphit herumbewegen, wenn die
[383] Stifte gut werden ſollen. Die Miſchung geſchieht in eigens dazu
gebauten Mühlen, die von Menſchen oder auf eine andere Art
bewegt werden2). So iſt der Teig ſchon zähe, aber noch nicht
im gehörigen Grade, weßhalb er erſt noch recht durchgearbeitet
wird, um ihn luftfrei und dicht zu machen. Zu dieſem Behufe
ſchneidet man mit einem, die Sehne eines Bogens bildenden,
Eiſendrahte von der Maſſe Blätter ab und knetet ſie, bis obiger
Zweck erreicht iſt. So wird der Teig ballenweiſe aufbewahrt bis
zur Bearbeitung. Um aber die Reißbleiſtifte zu bilden, hat man
folgende zwei Werkzeuge: a) Entweder Bretter mit parallelen
Rinnen (oder Nuthen) von der Dicke des zu bildenden Bleiſtiftes,
in welche mit der Hand oder durch eine Preſſe der Teig eingedrückt
wird. b) Oder kupferne, auch meſſingene Platten von der Dicke
des zu bildenden Stiftes, in welche ſolche parallele Einſchnitte
gemacht ſind, in die man auf die ſo eben angegebene Weiſe den
Teig eintreibt3); c) Oder, wenn man runde und vierkantige
Stifte machen will, ein Inſtrument, das aus einem Cylinder
(einer Büchſe) beſteht, in welcher ein Holz- oder Metallſtempel
durch eine Schraubenpreſſe hinabgedrückt werden kann, damit er
die in denſelben eingefüllte Reißbleimaſſe durch Löcher hinauspreßt,
welche, in der Weite des zu bildenden Stiftes, auf dem Boden
deſſelben angebracht ſind4). Die auf eine dieſer Methoden berei-
teten Stifte werden, um ihnen die gehörige Feſtigkeit zu geben,
in einer ſchwachen Rothglühhitze gebrannt, indem man ſie in Tie-
gel ſtellt, ganz in demſelben mit Kohlenſtaub umgibt und noch
einige Zolle hoch bedeckt, die Tiegel mit einem Deckel zukittet und
in den Windofen ſetzt, oder indem man ſie horizontal in feuerfeſten
Kapſeln mit Kohlenſtaub ſchichtet und dieſe bedeckt in den Ofen
legt5). So weit muß der Stift bereitet ſein, ehe er in metallene
Hülſen gefaßt, oder in Holz oder Schilfrohr eingeſetzt werden
kann. Zu dieſem Behufe ſchneidet man das zu gebrauchende Holz
auf Furnier-Schneidemühlen in dünne Brettchen, und dieſe wieder
in kürzere, bleiſtiftlange Stücke. Auf der gehobelten Fläche wer-
den mittelſt eigens dazu eingerichteter Hobel parallele Rinnen oder
Nuthen, von der Dicke eines einzulegenden Stiftes oder ſchmälere
abwechſelnd eingeſtoßen. Die weiteren Nuthen müſſen den Stift
aufnehmen, die engeren aber dienen zum leichteren Zerſchneiden
der Brettchen in Stäbchen6). Nachdem dieſe Stäbchen fertig
ſind, werden die Stifte mit Leim beſtrichen und in die Nuthen
eingelegt. Iſt der Stift ſo dick, daß auf der offenen Fläche des
Stäbchens ein dünnes Stäbchen eingeſchoben werden kann, ſo
wird ein ſolches eingeleimt. Iſt aber die Nuthe davon ganz aus-
[384] gefüllt, ſo wird auf die ganzen Fläche des Stäbchens, wo der
Stift frei iſt, ein Holzplättchen aufgeleimt. Dieſe eckigen Stifte
werden auf dem Werktiſche in halbrunde Rinnen geſpannt, ſo daß
jedesmal eine Kante nach oben kommt, und dann mit einem Kehl-
hobel von konkaver Schneide rund gehobelt.
So weit fertig werden die Bleiſtifte, mehrere in einer Reihe,
vermittelſt zweier Querleiſten, wovon die Eine je nach der erfor-
derlichen Länge der Bleiſtifte am Werktiſche geſtellt werden kann,
um den Bleiſtiften als Widerhalt zu dienen, die andere aber zum
Feſthalten von oben herab dient, abgemeſſen und angeſchraubt, um
ſie mit einer Säge gleich abſägen zu können. Das Glattſchneiden
der Enden derſelben geſchieht aus freier Hand mit einem beſondern
Meſſer, und das Poliren mit Schafthen, aber das Aufdrücken des
Fabrikzeichens durch eine Preſſe, und in England durch ein Walzwerk.
Das Mahlen des Getreides geſchieht durch zwei übereinander
liegende Mühlſteine, wovon der untere (Bodenſtein) feſtliegt
[385] und der obere (Läufer) ſich auf einer eiſernen Stange (Mühl-
eiſen) bewegt3). Dieſes Mühleiſen trägt den Läufer vermittelſt
einer ſtarken eiſernen Platte (Haue oder Haube), welche von
unten in denſelben gelegt iſt und das pyramidiſche obere Ende des
Mühleiſens aufnimmt, ſo daß der Läufer auf der Haube und dieſer
auf dem Mühleiſen ruht. Daſſelbe geht aber mitten durch den
Bodenſtein und durch den Boden des Mühlgerüſtes, auf dem jener
liegt, hindurch, führt unten einen Trilling, dem es als Axe dient,
und ruht dann als ſolche auf einer Unterlage (dem Stege), der
ſeinerſeits auf einem Balken (Tragbank) liegt, der auf irgend
eine Art auf einer Seite unterſtützt iſt, auf der anderen, nämlich
vorderen Seite oder am vorderen Ende, eine ſenkrechte Eiſenſtange
aufnimmt, welche bis hinauf zum Boden des Mühlengerüſtes reicht,
wo auf das ſchraubenförmige obere Ende eine Schraubenmutter
eingeſchraubt iſt, vermittelſt welcher die Tragbank, alſo der Steg,
Drilling und Läufer höher hinaufgezogen und herabgelaſſen werden
kann, je nachdem der Leztere dem Bodenſteine ferner oder näher
ſein ſoll. Dieſe Vorrichtung heißt die Stellſchraube, und die
Benutzung derſelben das Stellen der Mühle. Der Trilling (und
folglich mit ihm der Läufer) wird durch ein Kammrad umgedreht,
das im Innern der Mühle an derſelben Welle ſitzt, an welcher
außerhalb der Mühlwand, durch die ſie geht, dasjenige Rad,
überhaupt diejenige Vorrichtung iſt, welche die bewegende Kraft
aufnimmt3). So iſt alſo der einmal geſtellte Läufer in Bewegung
geſetzt, und wir verfolgen jetzt die Frucht vom Einſchütten bis
zum Mehle. Die Frucht ſchüttet man in einen oberhalb des Läu-
fers angebrachten umgekehrt pyramidiſchen Trichter von Holz
(Rumpf), welcher unbeweglich iſt, aber unten gerade über dem
Läufer dieſelbe in einen kleineren hölzernen Trichter (Schuh)
führt, der durch Schnüre von den Seiten her ſchwebend gehalten
wird. Dieſer Schuh iſt mit einem abwärts gehenden elaſtiſchen
Stabe verſehen, den man Rührnagel nennt. Dieſer Rührnagel
langt gerade bis in den oberen Theil der im Mittelpunkte des Läu-
fers durchgehenden runden cylindriſchen Oeffnung (Läuferauge
genannt), in welche ein Eiſenring (Staffelring) eingetrieben
iſt, der oben einige Zacken (Staffeln) hat, auf die der Rühr-
nagel eingreift, um dem Schuhe eine rüttelnde Bewegung zu geben,
wenn der Läufer herumgetrieben wird. So gelangt die Frucht
durch das Läuferauge auf den Bodenſtein, die Körner werden da-
ſelbſt zermalmt, können aber durch das Loch des Bodenſteines nicht
durchfallen, weil daſſelbe mit Holz ſo weit ausgebuchst iſt, daß
nur das Mühleiſen darin gehen kann. Es ſuchen daher die zer-
Baumſtark Encyclopädie. 25
[386] malmten Theilchen vermöge der Centrifugalkraft nach dem Rande
der Steine hin zu entweichen, aber dort können ſie auch nicht ent-
kommen, denn die Steine ſind mit einem hölzernen Gehäuſe (Lauf,
Zarge) umgeben; ſondern ſie müſſen in eine in den Bodenſtein
gehauene Rinne fallen, aus der ſie in ein Kanälchen geführt wer-
den, das außerhalb des Laufes ſchief abwärts geht, und dieſelben
in den darunter ſtehenden hölzernen Mehlkaſten leitet, worin die
Siebvorrichtung iſt. Dieſe beſteht darin, daß ſogleich am Ende
des Kanälchens ein weites Gewebe in Form eines Schlauches (ein
Beutel, von ſogenanntem Beuteltuche) befeſtigt iſt, welches bis
zur entgegengeſetzten ſenkrechten Wand des Mehlkaſtens geht, und
dort ebenfalls an einer Oeffnung befeſtigt iſt, welche äußerlich nach
Belieben durch einen Schieber geſchloſſen werden kann. Bringt
man nun eine Vorrichtung an, wodurch der Beutel gerüttelt wird,
ſo fällt das Mehl durch den Beutel auf den Boden des Kaſtens,
die gröberen Theile laufen aber durch die Schieberöffnung heraus.
Jenes Rütteln wird bewirkt durch das ſogenannte Beutelgeſchirr,
indem unten am Trillinge Zapfen ſchräg gegen Außen abwärts
gehen (Anſchlagzapfen), welche mit dem Umgehen deſſelben an
eine horizontale Latte (Vorſchlag, Anſchlag) anſchlagen, die
an einem Brette (Beutelzunge, Rädeſchiene) befeſtigt iſt,
das ſchief aufwärts geht, und am oberen Ende in einen hölzernen
Arm (Beutelſcheere) eingezapft iſt, welcher von ihm ſeitwärts
abgeht und mit ſeinem anderen Ende in einem kleinen Wellchen
(Beutelwelle) ſteckt, das zwei aufwärtsgehende Aerme hat,
zwiſchen denen der Beutel angeheftet iſt, alſo beſtändig in einer
rüttelnden Bewegung bleibt. Um nun aber die rüttelnde Bewegung
verſtärken und ſchwächen zu können, hat man auch außerhalb des
Kaſtens eine kleine Welle angebracht, und um dieſe eine Schnur
gewunden, deren anderes Ende an dem Vorſchlage befeſtigt iſt,
damit man durch Anziehen oder Nachlaſſen das Zurückfahren des-
ſelben und der Beutelzunge abkürzen oder verlängern kann4).
Was nun vorne durch den Schieber des Mehlkaſtens geht, das
läuft in den Kleienkaſten und wird Kleie genannt. Zuerſt wird
die Mühle (d. h. der Läufer) hoch geſtellt, und es gibt wenig,
aber das feinſte Mehl (Vorſchuß, Vormehl), und das Meiſte
geht in den Kleienkaſten. Dieſes wird aber, wenn die Mühle
jedesmal niederer geſtellt iſt, zum 2ten, 3ten, 4ten und 5ten Male
herausgenommen und aufgeſchüttet, und gibt jedoch jedesmal grö-
beres Mehl5).
Das Oel iſt eine flüſſige Materie, welche mit Waſſer nicht
zu vermiſchen, im Weingeiſte unauflöslich, im reinen Zuſtande ohne
ſtarken Geruch und Geſchmack, ſpezifiſch leichter als das Waſſer
und erſt bei 600° Fahrenh. zum Sieden zu bringen iſt. Von ſo
manchfachem Gebrauche es iſt, von ſo vielerlei Pflanzenſtoffen wird
es auch künſtlich bereitet. Man gewinnt es vorzüglich aus drei
oben (§. 170–171. §. 168.) angegebenen Geſämen und Früchten,
als da ſind die Olive (Frucht des Oelbaumes), die Mandeln, die
Bucheln, die Wall- und Haſelnüſſe, die Lindenſaamen, der ge-
meine Hartriegel, der Rübenreps, der Kohlreps, der chineſiſche
Oelrettigſaamen, der weiße Senf, der Lein- und Hanfſaamen,
der Mohn, die Sonnenblumenſaamen, die Kürbiskernen, Salat-
ſaamen, Traubenkernen, Erdmandeln u. ſ. w. Um gutes Oel zu
erhalten, muß man recht reifen, völlig getrockneten, von allem
Fremdartigen völlig gereinigten Oelſaamen nehmen, denſelben von
Schaalen und Hülſen befreien, die nackten Saamen einigemal in
ſiedendem Waſſer umrühren und abtrocknen laſſen, und erſt dann
zur Oelbereitung geben, um das Oel möglichſt rein von Schleim,
Harz u. dgl. Theilen zu befreien. Das Gebäude ſammt Einrich-
tung, wo das Oel bereitet (geſchlagen) wird, heißt Oelmühle1).
Die auf jene Weiſe zubereiteten Geſäme werden in der Oelmühle
vor Allem zerdrückt, und dies geſchieht entweder durch Stampfen
oder durch Quetſchen, wonach man auch die Stampf- und
Quetſch-Oelmühlen unterſcheidet. 1) Stampf-Oelmühlen
zerdrücken den Oelſaamen durch Stempel (Stampfen), welche von
einer Daumwelle (§. 273. N. 4. d.), deren Umdrehung durch Pferde,
Waſſer, Wind oder Dampf bewirkt wird, gehoben und wieder fal-
len gelaſſen werden. Die Saamen liegen in einzelnen, den Stem-
peln entſprechenden, Löchern (Grubenlöchern), welche in einen
Eichenklotz oder -Stamm (Grubenſtock) eingehauen ſind, und
eben ſo viel ſein müſſen, als Stempel vorhanden ſind, wenn es
eine holländiſche Stampfmühle geben ſoll, während eine ſolche,
worin in jedes Grubenloch zwei Stempel fallen, eine deutſche ge-
nannt wird. Leztere Art iſt vorzuziehen und man nennt ſie nach
der Anzahl der Stempelpaare ein-, zwei- und mehrpaarig,
dagegen aber ein-, zwei- bis vierhübig, wenn die Welle einen
bis vier Daumen hat. 2) Quetſchmühlen gibt es von verſchie-
dener Art, nämlich Kegel-, Walz-, Läufer- und Roll-
[389]quetſchmühlen. Bei den Kegelmühlen liegen die Saamen
auf einem großen runden Bodenſteine offen da. Durch die Mitte
derſelben geht ſenkrecht ein großer Wellbaum, der entweder durch
Pferde als ein Göpel, durch Waſſer, Wind oder Dampf unter
Vermittelung verſchiedener Mechanismen umgetrieben wird. Durch
den Wellbaum iſt ein dünnerer wagrechter Baum geſteckt und bil-
det an demſelben zwei Arme, an welchen zwei koniſche Laufſteine
eingekeilt ſind, die mit dem Wellbaume einen Kreis auf dem
Bodenſteine beſchreiben und ſo das Geſäme zerquetſchen. Bei der
Walzmühle liegen aber zwei große ſteinerne Walzen neben ein-
ander auf einer Fläche und ſind ſo dicht an einander gelegt, daß
ſie die zwiſchen ſie hineingeſchütteten Saamen zerquetſchen und auf
der entgegengeſetzten Seite wieder herausbringen, da ſie gegen
einander gewälzt werden. Auch die Bewegung dieſer Walzen kann
auf verſchiedene Arten bewerkſtelligt werden2). Bei den Läufer-
mühlen geſchieht das Quetſchen durch einen Läufer (§. 294.),
der gerade ſo wie bei den Getreidemühlen auf einem Mühleiſen
herum geht, und ebenſo wie bei den Graupenmühlen (§. 294.
Note 5.) keinen Bodenſtein unter ſich hat. Man kann ſich eine
Vorſtellung vom Läufer machen, wenn man ſich einen Mühlſtein
denkt, der nach den beiden Enden ſeiner Axe, in deren Mittel-
punkte ſein weiteſter Durchmeſſer iſt, gleiche abgekürzte Kegel ge-
bildet habe, von denen der untere bis auf die Hälfte oder ein
Dritttheil abgeſchnitten worden ſei, ſo daß die Tiefe des unteren
Kegels nur halb oder ein Dritttheil ſo groß, als die Höhe des
obern, oder deſſen unterſter Durchmeſſer noch einmal oder noch
zweimal ſo groß als der oberſte iſt. Denkt man ſich nun noch an-
ſtatt eines Bodenſteines einen eiſernen, an ſeiner inneren Wand
geſtreiften, ringförmigen Lauf, innerhalb deſſen ſich der untere
Kegel des Steines ſo herum bewegt, daß die Körner zerquetſcht
werden, welche man in die kleine Spalte zwiſchen dem Läufer und
Laufe hineingeſchüttet hat, ſo hat man auch eine Vorſtellung von
der Operation. Unterhalb des Läufers iſt noch ein hölzerner Kaſten
zur Aufnahme der durchfallenden Geſämtheilchen angebracht3).
Die Rollmühle, nicht von beſonderer Bedeutung, hat das Eigen-
thümliche, daß die Zerquetſchung der Saamen durch einen Laufſtein
am horizontalen Arme eines lothrechten Wellbaumes geſchieht, in-
dem jener in einem gekrümmten Holzgerinne oder -Kanale hin und
her geht. Die auf die eine oder andere dieſer Methoden zerdrück-
ten Oelfrüchte werden nun, um aus ihnen das feinſte oder Jungfern-
Oel zu gewinnen, im kalten Zuſtande unter Stampfen oder Häm-
mer gebracht und nicht vollgewaltig ausgepreßt, da nur das in
[390] ihnen frei ſtehende Oel dadurch gewonnen werden ſoll. Sonſt und
wenn dies geſchehen iſt, wird die Quetſchmaſſe auf einer Kupfer-
platte erwärmt4), und dann vollends ausgepreßt. Das Leztere
geſchieht entweder durch eine Schraubenpreſſe oder durch eine
Keilpreſſe. Bei der Erſteren5) iſt das Weſentliche, daß die
Preßkraft von einer Schraube kommt, welche ſenkrecht abwärts
geht. Bei der Anderen6) wird die Preßkraft durch eingetriebene
Keile auf die Quetſchmaſſe geleitet. Dieſe aber liegt in einem
langen und dicken eichenen Stamme (Preß- oder Oellade),
welche horizontal auf Tragbäumen liegt, und eine oder mehrere
Oeffnungen (Kammern) hat, in die man die Quetſchmaſſe, mit
Haartuch umwickelt, auf verſchiedene Weiſe7) einſetzt. Die Kam-
mern ſind auf dem Boden mit Rinnen und Kanälchen verſehen,
um das ausgepreßte Oel hinwegzuleiten, worauf daſſelbe außerhalb
in Gefäßen aufgefangen wird.
1) Unter Theer verſteht man eine dickflüſſige harzige brenz-
liche Oelmaſſe, welche durch das Ausröſten des Holzes, beſonders
des Nadelholzes, und namentlich der Wurzeln des Lezteren gewon-
nen wird2). Dieſe Operation heißt Theerſchwelen, und
geſchieht, abgeſehen von der in Schweden und Rußland üblichen
Methode, in Gruben zu ſchwelen, am beſten in einem beſonderen
Theerofen. Derſelbe iſt walzenförmig aus Steinen gebaut, hat
oben eine gewölbte Kappe mit Luftlöchern und iſt mit einer
Vormauer (einem Mantel) umgeben, welche ein Paar Schür-
[392] und Zuglöcher hat. Er hat zwei Löcher, nämlich das Setzloch,
dicht über dem Mantel, aber unter der Kappe, wodurch von oben,
— und das Kohlenloch, am Fuße des Ofens, wodurch von unten
das Holz eingelegt wird, weßhalb auch der Mantel daſelbſt eine
Oeffnung hat. Nach der Füllung des Ofens mit den Holzſtücken
(dem Stubbenholze) werden alle Oeffnungen deſſelben ver-
ſchloſſen und das Feuer unter dem Mantel entzündet. Die flüſſigen
Producte kommen unten heraus in einem in die Erde gegrabenen
und mit einer Hütte überbauten, oder mit einer Vorwand (Bruſt-
wand) verſehenen Behälter — und zwar zuerſt die Holzſäure
(Sauerwaſſer, Theergalle, Schweiß), d. h. eine brenzlich-ölige
Eſſigſäure, und dann erſt der mehr oder weniger dicke, verſchieden
dunkle Wagen-, Rad- und Schiffstheer. Die zurückbleiben-
den glänzenden Kohlen (Pechgriefen) können zu Kienruß benutzt
werden.
2) Die feſten harzigen Theile, welche beſonders im feineren
Theere mit dem Oele untermiſcht ſind, heißt man Pech oder
Harz, und man unterſcheidet nach den abnehmenden Graden der
Feinheit und Reinheit das weiße oder burgundiſche Harz, das
Geigenharz (Kolophonium), das gemeine Harz (Pichpech)
und das gemeine Pech (Schiffspech). Nimmt man das von den
Nadelholzbäumen gewonnene Harz (§. 237.) zum Schmelzen in
einen Kupferkeſſel und gießt es, geſchmolzen, durch Werg, ſo ver-
härtet ein reines gelbes Harz oder Pech. Behandelt man jene
Flüſſigkeit aber mit etwas Waſſer oder Eſſig zuſammen, ſo wird
daraus das weiße Harz. Schmilzt man dieſes noch einmal, bis
alles Waſſer verſchwunden und die Maſſe durchſcheinend iſt, dann
hat man das Kolophonium. Das gemeine Pech wird aber aus
dem Theere bereitet, indem man ihn in kupfernen oder eiſernen
Deſtillirblaſen mit Waſſer deſtillirt, damit das ätheriſche Oel (Kien-,
Krummholz- oder Templinöl) in die Vorlage entweicht und
das Harz in der Blaſe reſidirt, welches man in einem Keſſel
ſchmilzt und ſieden läßt, bis alles Waſſer verdünſtet iſt, und als-
dann in die bekannten Pechfäſſer gießt, und als Pichpech verkauft,
wenn es aus gelbem und braunem Theere verfertigt iſt, aber als
Schiffspech abſetzt, wenn es aus allen Theerarten zuſammen be-
reitet wurde.
3) Bei der Verbrennung von Kienöl, Harz und Nadelholz
verdichtet ſich der entweichende Rauch in der Kälte zu dem ſoge-
nannten Kienruße. Man fängt denſelben daher in einem langen
liegenden Rauchfange auf, der in eine luftdichte Bretterkammer führt,
an deren Decke ein mit einem kegelförmigen Siebe verſehenes Loch
[393] angebracht iſt. Daß der Luftzug dabei abgehalten werden muß,
bedarf kaum einer Erinnerung, weil das Verbrennen allmälig ge-
ſchehen, und der Rauch nicht zu Aſche verbrennen ſoll. Der feinſte
(oder Pfund-) Ruß ſetzt ſich im Siebe an3).
Das Holz bedarf, wenn es zu Baulichkeiten verwendet werden
ſoll, noch vielfältiger Zurichtung in verſchiedenen Formen, als
Dielen (Planken), Bretter (Halbdielen), Latten, Schwellen, Rah-
men, Riegel u. ſ. w. Man ſchneidet ſie aus den Baumſtämmen
(Sägeblöcken), welche man deßhalb friſch auf die Sägemühle1)
bringt, weil ſie beſſer zu ſchneiden ſind, und friſch geſchnittene,
aber im Schatten allmälig getrocknete Dielen nicht ſo leicht riſſig
werden, wie andere. Das Sägen geſchieht durch eine, in der
Regel von Waſſer bewegte, Maſchine. Es wird eine große Welle
von einem Waſſerrade herumgetrieben, und bewegt vermittelſt eines
an ihr ſitzenden Stirnrades neben ſich eine kleine Welle, indem es
in deren Trilling eingreift. Dieſe kleine Welle trägt am vorderen
Ende eine Kurbel2), mit welcher eine ſenkrechte Stange (der
Lenker) verbunden iſt, welcher alſo mit ihrem Walzen auf und
[394] abgeht. An dieſem Lenker oben iſt ein viereckiger Rahmen (das
Sägegatter) befeſtigt, in welchem die große Säge eingeſpannt
iſt3) und alſo mit ihm durch den Lenker auf- und abwärts bewegt
wird. Dieſer ſenkrechten Bewegung des Sägegatters4) muß nun
der Sägeblock horizontal entgegenkommen. Darum ſitzt auf dem
oberſten Queerbalken (Riegel) des Gatters ein durchlochtes Eiſen
oder Brett, in das eine mäßig ſchief aufſtehende Stange geſteckt
iſt, ſo daß ſie mit ſeiner lothrechten Bewegung unter einem Winkel
horizontal hin- und hergeſchoben wird, folglich eine am anderen
Ende mit ihr verknüpfte kleine Welle rotirend hinüber und herüber-
bewegt. An dieſer Welle iſt ein Arm, in einem ſtumpfen Winkel
gegen jene Stange abwärts, befeſtigt, in deſſen Backen eine andere
längere Stange feſtgebolzt iſt, welche die Beſtimmung hat, ein
ſchief gezacktes Stirnrad (das Sperrrad) von Eiſen, mit ihrem
eiſernen Anſatze (Geisfuße) durch die Stöße, nach der entgegen-
geſetzten Seite umzudrehen, welche durch die Bewegung der kleinen
Welle vermittelſt des Armes hervorgebracht werden5). Das Sperr-
rad ſitzt an einer kurzen Welle, welche einen Trilling hat, der das
Stirnrad einer tiefer liegenden großen Welle, folglich auch dieſe
umdreht. Dieſe große leztere Welle hat zwei Trillinge und liegt
vor dem Ende zweier durch das ganze Mühlhaus hinlaufenden
Balken (Straßenbäume) dergeſtalt queer herüber, daß dicht
innerhalb eines jeden Balkens Einer der Trillinge ſich wälzt. Auf
jedem dieſer Trillinge aber liegt ein verzahnter Balken (Zahn-
baum) nach der Länge des zu ihm gehörenden Straßenbaumes.
Dreht ſich die Welle mit ihren Trillingen, ſo ſchiebt ſie die Zahn-
bäume horizontal zwiſchen den Straßenbäumen hin. Auf den
Straßenbäumen der Länge nach liegend, und auf Rollen gehend,
ſind ebenſo zwei Balken durch Eiſenbänder feſt mit den Zahnbäu-
men parallel neben einander verbunden und werden folglich mit
dieſen durch die Trillinge auf ihren Rollen, welche auf den
Straßenbäumen in Rinnen (Nuthen) gehen, hingeſchoben. Ver-
bindet man nun dieſe gezahnten und gerollten Längenbäume nahe
an ihrem Ende noch durch Queerbalken, ſo hat man eine Vorſtel-
lung vom ſogenannten Blockwagen, auf welchem der Sägeblock
liegend durch die vorher beſchriebene Einrichtung zum Schieben
(Schiebzeug) dem Sägegatter entgegengeſchoben wird. Auf den
Wagen werden parallel mit den Queerbalken zwei Lagerhölzer
(Schemmel) gelegt und dieſe tragen den durch Klammern befe-
ſtigten Sägeklotz. Der Eine davon iſt unverrückbar (Ruhe-
ſchemmel), der andere (Richtſchemmel) dagegen beweglich und
geht in Nuthen, welche die Wagenbalken haben. Iſt der Block
[395] der Länge nach durchgeſägt, ſo muß die Maſchine ſtille ſtehen,
und dies wird bewirkt, wenn man, bei der Waſſermühle, das
Waſſer vor dem Rade durch eine Schließe abſchließen kann. Dieſe
Schließe hängt an der einen Seite eines, in der Mitte unter-
ſtützten, Wagebalkens, deſſen anderes Ende mittelſt eines Seiles
und Bolzens in einer Säule des Sägegatters ſo abwärts gehalten
wird, daß die Schleuße offen iſt. Der Sägeblock aber ſtößt mit
einem an ſeinem Ende eingeſchlagenen Zapfen den Bolzen hinaus
und die Schließe fällt. Iſt das Werk im Stillſtande, ſo braucht
ein Knabe blos vermittelſt einer Kurbel die kleine Sperrradswelle
rückwärts zu drehen, dann läuft der leere Wagen zurück6).
Zur Verkohlung im Großen ſind, mit Ausnahme des Reiſigs,
alle Gattungen von Holz tauglich. Zu dieſem Zwecke wird das
[396] Holz ſortirt, in lange Stücke verſägt und geſpalten. Die Ver-
kohlung geſchieht auf folgende verſchiedene Methoden: a)In
ſtehenden Meilern. Dabei wird das Holz in halbkugelförmige
Haufen (Meiler) aufrecht und dicht zuſammengeſtellt und hernach
mit einer den Luftzug hemmenden Decke von Laub und Erde über-
ſchüttet. Hierauf zündet man den Meiler von innen an und unter-
hält das Feuer ſo, daß die Theile des Holzes, welche verdampfen
ſollen, ſich nicht entflammen, ſondern kraft der Hitze im Meiler
als Dämpfe durch die Decke entweichen2). b)In liegenden
Meilern. Dieſe Methode iſt von der Erſten blos dadurch ver-
ſchieden, daß hier die Holzſtücke wagerecht zu Meilern aufgeſchichtet
werden3). c)In Oefen oder Retorten. Zu dieſem Behufe
baut man Gewölbe, von 6000–10000 Kubikfußen inneren Rau-
mes, aus gebrannten Steinen. Hier hinein ſetzt man das Holz
auf, und verſtopft alle Zuglöcher. Das Anzünden geſchieht durch
Heitzkanäle, dergeſtalt, daß das Holz ebenfalls nur verdampft. Die
dabei ſich entwickelnden Dämpfe werden durch Eiſenkanäle zur Ab-
kühlung unter der Erde fortgeleitet, damit ſie ſich als Waſſer,
Holzſäure und Theer niederſchlagen, und in der Gewinnung dieſer
Producte liegt ein Hauptvortheil dieſer Verkohlungsmethode4).
d)In Gruben. Man gräbt in trockene Erde offene Gruben,
wirft Reiſigbündeln darein, zündet ſie an, und wirft, wenn das
darin Liegende zu flammen beginnen will, unter ſtarkem Aufdrücken
immer wieder neue Lagen darauf, bis die Grube ganz ausgefüllt
iſt. So verhütet man das Verbrennen, es entſteht blos ein ſtarker
Dampf, bei deſſen allmäligem Ausbleiben die Grube mit Erde be-
deckt wird, um die Kohlen auszulöſchen. Dieſe Methode iſt nur
wenig und blos bei Reiſig anwendbar, das ohnedies keine gute
Kohlen gibt.
Das Bier iſt eine flüſſige, in die Weingährung übergegan-
gene, Extraktion von Gerſte, Weitzen, Hafer oder Mais. Das
Getreidekorn beſteht aus Waſſer, Eiweißſtoff, Zuckerſtoff, Schleim
(Gummi), Kleber, Stärkmehl und Holzfaſern. Durch die Brau-
operationen1) ſoll die Verzuckerung des Stärkmehles einer Ge-
treideart bewirkt, und der Zucker in eine Weingährung gebracht
und zerſetzt werden. Unter ſämmtlichen Getreiden iſt die Gerſte
zum Bierbrauen am tauglichſten, und insbeſondere diejenige, welche
[398] auf ſandigem magerem Boden gewachſen und nicht durchnäßt iſt2).
Der Kleber iſt entweder gekeimt oder nicht gekeimt, und nur der
Erſtere iſt vermöge höherer Temperatur im Stande, im Keime des
Pflänzchens das Stärkmehl in Zucker zu verwandeln. Man will
zuerſt einen möglichſt reichen zuckerhaltigen Extrakt (eine Würze)
bereiten, und weil der Zucker und Schleim in dem Getreide nur
den kleineren Beſtandtheil ausmacht, ſo ſucht man das Stärkmehl,
welches den größten Beſtandtheil bildet, in Zucker zu verwandeln.
Dies geſchieht durch das Malzen3), durch welches man bezweckt,
die Getreidekörner zum Keimen zu bringen. Die gekeimten Körner
heißt man alsdann Malz; allein dieſes iſt noch nicht ganz fertig.
Daſſelbe muß eines Theils noch getrocknet werden, um ſeine Keim-
kraft zu unterdrücken, andern Theils aber ſoll dadurch, da das
Stärkmehl etwa zur Hälfte blos in Zucker verwandelt iſt, der Reſt
auch noch ſo viel möglich zur Verzuckerung gebracht werden, nicht
blos indem unter einem höheren Grade von Temperatur der Kleber
auf die noch feuchte Stärke wirkt, ſondern auch indem das Stärk-
mehl durch das Röſten gummiartig wird. Das Trocknen geſchieht
entweder an luftigen Orten (Luftmalz) oder in eigenen Darr-
kammern (Darrmalz), welche leztere Methode4) aus leicht ein-
zuſehenden Gründen vorgezogen wird, da das Darrmalz mehr
Zucker und Schleim enthält. Die vorher ſchon gebildet geweſenen
Wurzeln fallen jetzt entweder von ſelbſt ab, oder ſie werden durch
Treten und Schwingen entfernt, und das Malz wird durch Sieben
von demſelben befreit. So weit bereitet iſt das Malz tauglich,
um die Zucker- und Gummitheile aus ihm zu extrahiren. Dies
kann natürlicher Weiſe leichter geſchehen, wenn das Malz geſchro-
ten oder gequetſcht iſt, und darum kommt es vor einer weiteren
Behandlung auf eine gewöhnliche Schrotmühle, auf ein Quetſch-
werk oder auf eine eigene Malzſchrotmühle5). Jetzt läßt man das
Malzſchrot noch etwas an einem feuchten Orte der Luft ausgeſetzt
liegen, damit ſich daſſelbe mit Feuchtigkeit aus der Atmosphäre
ſchwängere. Hierauf folgt die Auflöſung des Zucker- und Schleim-
ſtoffes durch Behandeln des Malzes mit warmem Waſſer, welcher
Prozeß das Maiſchen heißt6). Das Produkt dieſes Auflöſungs-
prozeſſes iſt eine dicke Flüſſigkeit, welche man Würze nennt.
Dieſe bringt man in einen Keſſel (den Braukeſſel)7) und kocht
ſie einige Zeit. Während dieſes Kochens wird der Hopfen auch
zugeſetzt und mitgekocht. Derſelbe iſt wirkſam hauptſächlich durch
ſein eigenthümliches ätheriſches Oel, ſeinen Bitterſtoff und Harz,
aber auch dadurch, daß er die Gährung der Maſſe mäßigt und die
ſaure Gährung hindert8). Die ſo gekochte Flüſſigkeit muß jetzt
[399] gereinigt und abgekühlt werden, und dies geſchieht, indem man ſie
auf irgend eine Art aus dem Braukeſſel in einen Seiher (die
Seiherbutte, den Hopfenkorb oder Hopfenſeiher), und durch
dieſen hindurch in einen großen flachen offenen Behälter (das
Kühlſchiff, den Kühlſtock) ſchafft9), wo ſie bis zu 10–14°
Reaum. abkühlt. Endlich fehlt nur noch die Einleitung der Gäh-
rung. Zu dieſem Behufe kommt die Würze jetzt in den ſogenannten
Stellbottich, der von verſchiedener Größe ſein kann, aber für
die Gährung um ſo beſſer, je größer er iſt. Man verſetzt ſie zu
dieſem Behufe mit Hefe10), und es zeigen ſich dabei die gewöhn-
lichen Erſcheinungen wie bei der Weingährung. Die Nachgäh-
rung wird bewirkt, wenn man das Bier jetzt in Flaſchen oder
Krüge einſperrt; ſie findet ſogar noch in verpichten Fäſſern Statt,
weßhalb man dieſe nicht feſt verſchließen darf. Nach vollendeter
Gährung läßt man aber das Bier ab, und hebt es in Lagerfäſſern
einige Zeit auf. Es gibt verſchiedene Arten von Bier11); aber
ein Nebenprodukt der Bierbrauerei iſt die Bierhefe, welche man
an einem kühlen Orte aufbewahrt, und, um ſie zu erhalten, täg-
lich mit friſchem Waſſer begießt, nachdem man das alte abge-
laſſen hat.
Der Branntwein iſt ein zum Genuſſe für Menſchen taugliches
Gemiſche von Weingeiſt und Waſſer2). Zur Bereitung deſſelben
ſind alle Stoffe tauglich, welche Zucker und Gummi, Stärkmehl
und Kleber genug enthalten, um zur Bereitung eines Extrakts zu
dienen, der durch die Weingährung Alcohol bildet, welcher mit
Waſſer vermiſcht iſt, aber durch Deſtillation mit verſchiedener
Menge Waſſers verbunden, gewonnen werden kann. Man kann zu
Branntwein aus der Klaſſe der zuckerhaltigen Pflanzentheile
das Zuckerrohr (zu Rhum), die bei der Zuckerbereitung abfallende
Melaſſe, den Syrup, Rohzucker, Ahorn- und Birkenſaft, Palmen
(zu Arrak) u. ſ. w., Weinträbern, Aepfel und Birnen, Zwetſchen,
Kirſchen, Maul-, Heidel-, Erd- und Himbeeren, Wachholder-
beeren, die Früchte des Erdbeerbaumes und der Ebereſche, und
die Runkelrübe benutzen. Er wird aber auch aus ſtärkehaltigen
Pflanzenſtoffen, als: Getreide und Kartoffeln gemacht. Enthält
Einer von dieſen lezten Stoffen nicht Kleber genug, um das Stärk-
mehl in Zucker zu verwandeln, ſo muß noch eine andere ſtärke-
haltige Subſtanz dazu gemengt werden (§. 299.). Das erſte Ge-
ſchäft der Branntweinbrennerei iſt, wie bei der Bierbrauerei, die
Gewinnung eines zuckerhaltigen Extraktes aus jenen Stoffen und
die Einleitung einer Weingährung in demſelben. Die Darſtellung
jenes Extraktes iſt nach den zu löſenden Gegenſtänden verſchie-
den3), aber die Gährung wird ebenfalls durch Zuſatz eines Fer-
mentes, z. B. der Hefe bewirkt. Man nennt auch das Reſultat
dieſer Operationen Maiſche oder Würze. Auf dieſe wird die
Deſtillation angewendet, und man hat zwei Hauptmethoden der-
ſelben. Nämlich man deſtillirt entweder zuerſt aus der Maiſche
ein ſehr waſſerhaltiges Deſtillat und erſt in einer zweiten Deſtilla-
tion dieſes zu Branntwein, oder man bewirkt beide Deſtillationen
in einer Operation. Jene ältere ſo wie dieſe neuere Methode iſt
gebräuchlich und jede erheiſcht ihre beſonderen Apparate. A.Ael-
tere, auch manchfach verbeſſerte, Methode. Die Würze
kommt in die Deſtillir- oder Maiſchblaſe4), einen Keſſel, den
man mit derſelben, nachdem man ſie ſtark umgerührt hat, anfüllt,
jedoch nicht bis an den Rand, damit ſich die Maſſe ohne auszu-
laufen heben kann. Zur Beſchleunigung des Deſtillationsprozeſſes
thut man ſehr gut, wenn man die Würze vorher ſchon bis etwa
auf 60° Reaum. erwärmt5). Unter einer ſtarken Feuerung ſteigt
die Hitze der Maiſche bald bis an den Siedpunkt. Ehe ſie dieſen
[403] erreicht, dämpft man das Feuer und ſetzt auf die Maiſchblaſe den
ſogenannten Helm oder Hut6), ein oben geſchloſſenes gewölbtes
Gefäß von Kupfer, in welches die Dämpfe ſteigen, um von da
aus durch den Helmſchnabel, eine von oben zu hinabwärts-
gehende Röhre, zu entweichen, welche man mit einer anderen
(der Kühlröhre) verbindet, die ihr aus einem Apparate ent-
gegenkommt, der Kühlapparat (Refrigerator, Erkälter) heißt,
und dazu dient, die Dämpfe zu einer tropfbaren Flüſſigkeit nieder-
zuſchlagen7). Aus dem Refrigerator kommt die Kühlröhre auf
der anderen Seite hervor und es tröpfelt aus ihr ein ſehr waſſer-
reicher Branntwein (Läuter, Lutter) von nur 10–20° Tralles.
Dieſer Läuter muß alsbald, damit ſein Gehalt an Eſſigſäure keine
ſaure Gährung bewirkte, zum Behufe der zweiten Deſtillation
(Rectification) in eine zweite Deſtillir- oder in die Wein-
blaſe (von Weinen, wie man dieſe Deſtillation auch nennt)
gebracht und wie auf die erſte Art deſtillirt und abgekühlt werden.
Was zuerſt durch die Kühlröhre hervorkommt (der Vorlauf), iſt
weit ſtärker, als was nachkommt (der Nachlauf). Man leitet
beides durch einen Filter von Filz, der einem Hanswurſthute ſehr
ähnlich iſt, in ein Gefäß, nimmt den Vorlauf, ſobald man den
Nachlauf bemerkt, hinweg, fängt auch dieſen auf und bringt ihn
mit dem nächſten Lutter wieder in die Weinblaſe. Dieſe Brenn-
methode hat viele Verbeſſerungen erlebt, deren vollſtändige Auf-
führung8) hier nicht thunlich iſt. Eine der Weſentlichen iſt die
Einführung des Dampfbrennapparates9). B.Neuere, auch
manchfach verbeſſerte, Methode. Wie ſchon erwähnt iſt, ſo
beſteht das Charakteriſtiſche derſelben darin, daß man den Brannt-
wein in ſehr concentrirtem Zuſtande ſchon gewinnt, indem das
Deſtillat nur einmal durch den Brennapparat geht. Das Verfahren
iſt in jeder Beziehung abgekürzt und materiell vortheilhafter; allein
die Apparate dazu ſind zuſammengeſetzter und koſtſpieliger. Man
verfährt dabei nach zwei Prinzipien. Nach dem erſten Prinzipe
ſucht man eine mehrfache Deſtillation zu bewirken, um den Gehalt
des Branntweines ſtufenweiſe mit jeder neuen Deſtillation zu er-
höhen, indem die Siedhitze in den Gefäßen, die er durchwandern
muß, ſtufenweiſe abnimmt und derſelbe aus der Blaſe mit dem
niedrigſten Siedpunkte in den Kühlapparat geht10). Nach dem
zweiten Prinzipe ſucht man den Branntwein nicht durch wieder-
holte Deſtillation, ſondern vielmehr durch wiederholte ſtufenweiſe
Condenſirung oder Abkühlung verſchiedenen Grades zu concentriren.
Daher leitet man die weingeiſtigen Dämpfe aus der höheren Tem-
peratur in eine Röhre (Condenſator, Rectificator) von einer
26 *
[404] geringeren Temperatur; in dieſer verdichtet ſich ein Theil ſchon zu
einer reichen alcoholhaltigen Flüſſigkeit und es bleiben noch Dämpfe
unverdichtet; man ſucht deshalb die ſtarke weingeiſtige Flüſſigkeit
abzuziehen und leitet blos die noch übrigen Dämpfe in den Refri-
gerator, wo ſich ein ſehr concentrirter Branntwein niederſchlägt;
die zuerſt durch Verdichtung gewonnene weingeiſtige Flüſſigkeit lei-
tet man dagegen ſchnell, um ſie nicht erkalten zu laſſen, in die
Maiſchblaſe zurück, damit der darin enthaltene Weingeiſt dort von
ihr geſondert werde11). Der auf eine dieſer verſchiedenen Metho-
den gewonnene Branntwein riecht immer noch nach dem Stoffe,
aus dem er bereitet iſt, und namentlich hat der Kartoffel- und
der Getreidebranntwein einen ſogenannten Fuſelgeruch, durch
das in den Kartoffeln und im Getreide enthaltene Fuſelöl. Man
hat verſchiedene Mittel, ihm davon zu befreien12), und man be-
nutzt die verſchiedenen aus weniger edeln Stoffen gemachten
Branntweine auch zur Bereitung edler Arten13).
Unter der Gerberei1) verſteht man jene Zubereitung der
Thierhäute, daß dieſelben, ihrer gewöhnlichen Zerſetz- und Faul-
barkeit als thieriſche Producte beraubt, zu einem harten, zähen,
dehnbaren, im Waſſer unauflöslichen und von demſelben mehr oder
weniger undurchdringlichen Producte umgewandelt werden, das
man allgemeinhin Leder heißt2). Man unterſcheidet im Ganzen
folgende drei Hauptmethoden der Gerberei, welche auch verſchiedene
lederartige Producte liefern. A. Die Lohe- oder Rothgerberei,
d. h. das Gerben durch Zuſatz von gerbſtoffhaltigen Pflanzen-
theilen3). Die Behandlungsweiſe der rohen (grünen) Häute iſt
verſchieden nach der Art des zu gewinnenden Leders. Die beiden
wichtigſten Lederarten, welche ſo bereitet werden, ſind das Sohl-
(Pfund-) und das Schmal- (Fahl-) Leder4). Zur Berei-
tung des Sohlleders nimmt man blos Ochſen- und Rindshäute.
Man legt ſie einige Tage in friſches Waſſer (wäſſert ſie, weicht
ſie ein) und ſchabt ſie von Zeit zu Zeit, um ſie von allen Fett-
theilen zu reinigen, an der Fleiſchſeite auf den Schabebaum
(einem halbrunden hölzernen Stamme, der mit dem einen Ende
[408] auf der Erde, mit dem andern aber auf einem Fuße liegt) mit
dem Schabeeiſen (einem Meſſer von ſtumpfer Schneide und zwei
hölzernen Griffen). Hierauf werden ſie mit Kochſalz eingerieben
und in der Schwitzſtube von einer Temperatur von 40° Reaum.
zum Schwitzen in Haufen übereinander gelegt. Es entwickelt ſich
dabei ein Faulgeruch und die Haare löſen ſich mit den Wurzeln
los. Nachdem ſie da herausgenommen ſind, werden ſie mechaniſch
vermittelſt des Putzmeſſers von den Haaren befreit (abgepälet
oder abgeböhlet), und in Waſſer abgeſchwenkt (ausgewäſſert).
Jetzt folgt das Treiben oder Schwellen der Häute, um ſie
locker und von Flüſſigkeit durchdringlich zu machen. Zu dieſem
Behufe werden ſie in die ſogenannte Treibfarbe eingeſenkt5).
Dieſelben ſchwellen darin auf und werden dick und heben ſich. Zeigt
ſich dies, ſo werden ſie lohegar gemacht, d. h. in der Lohegrube
mit dem Gerbeſtoffe eingebeitzt. Dies dauert 7–9-12 Monate6).
Nachdem es herausgenommen iſt, wird das Leder rein gebürſtet,
ausgebreitet, mit Brettern bedeckt und Gewichten beſchwert, noch
einmal mit trockener Lohe abgerieben, zum völligen Trocknen über
Stangen gehängt und mit einem geribbten Horne geſtrichen oder
mit Schlägeln geklopft, um es dichter zu machen. Zur Bereitung
des Fahlleders aber werden die Häute nach der Wäſſerung wegen
des Enthaarens in den Kalkäſcher7) und nach der erfolgten
Reinigung vom Kalke erſt zum Schwellen in eine ſchwächere Farbe
geſetzt, wozu man ſich wegen der Bewirkung einer ſauren Gährung
auch des Getreidemehls bedient. Endlich kommen ſie nur auf kurze
Zeit (3–4 Monate) in die Lohgrube. Feineres Fahlleder kommt
zuweilen gar nicht einmal in dieſelbe. Nach der geſchehenen Ger-
bung wird das Fahlleder mit Thran und Talg eingeſchmiert, ge-
trocknet, noch einmal eingefeuchtet und auf dem Falzbocke mit
dem Falzeiſen gefalzt, d. h. auf der Fleiſchſeite durch Schaben
verdünnt und gleichförmig dick gemacht8). B. Die Weißger-
berei, d. h. das Gerben mit einem Gemiſche von Alaun und
Kochſalz. Es iſt dabei bis zum Kalkäſcher einſchließlich Alles ſo
wie beim Gerben des Fahlleders. Nach dem Enthaaren werden
die Endſtücke abgenommen (was man Vergleichen heißt), die
Häute durch Einweichen und Streichen gereinigt, dann in einem
ſaubern Gefäße mit Holzkeulen unter Waſſerzuguß geſtoßen und
gewalkt, hierauf nach geſchehener Abſpülung mit lauwarmem Waſ-
ſer mit dem Streicheiſen auf der Fleiſch- und Narbenſeite ge-
ſtrichen, hernach noch zweimal in lauwarmem Waſſer gewalkt, und
endlich in einer Beitze, beſtehend aus lauwarmem Waſſer, Koch-
ſalz, Sauerteig und Weitzenkleie zur Gährung gefördert und dann
[409] ausgewunden9). Hierauf kommen ſie in die Alaunbrühe, d. h.
ein Gemiſche von Alaun und Kochſalz, zum Behufe der eigentlichen
Gerbung10). Nach der Herausnahme aus derſelben und nach ge-
ſchehener Trockenung werden ſie befeuchtet, geſtollt (d. h. über
die ſtumpfe Schneide einer halbrunden Eiſenſcheibe, die Stolle
genannt, hinweggezogen), um ſie auszudehnen und zu entfalten,
und auf dem Streichſchragen (Streichrahmen) geſtrichen, wozu
ſich der Gerber auch eines der Stolle ähnlichen Streicheiſens be-
dient, das aber eine ſchärfere Schneide hat11). C. Die Sämiſch-
gerberei, d. h. das Gerben mit Fett, womit die Häute gewalkt
werden. Nach der Behandlung der Häute im Kalkäſcher werden
die Haare mit einem ſtumpfen Meſſer (Abſtoßmeſſer) auf dem
Schabebaume geputzt, um das Eindringen des Oels zu fördern
und das Leder biegſamer zu machen. Die Häute kommen hierauf
neuerdings in den Kalkäſcher, werden dann auf der Fleiſchſeite
geſchabt, nachdem ſie öfters zum drittenmale im Kalkäſcher geſetzt
waren, in die Kleienbeitze gethan, darin mit der Keule geſtoßen,
dann ausgewunden und auf die Walkmühle gebracht, wo ſie mit
Thran eingeſchmiert unter den Walkſtock gebracht und öfters aus-
gebreitet werden. Nach dem Walken legt man ſie zur Gährung
über einander, damit ſie dadurch gelb werden. Man nennt dies
das Färben in der Braut. Um ſie endlich ganz vom Thrane
zu befreien (zu entfetten), wäſcht man dieſelben in Alkalilauge
(Pottaſchenauflöſung) aus und richtet ſie dann vollends mit dem
Stoll- und Streicheiſen zu12).
Die Verfertigung der Jedermann bekannten Darmſaiten bildet
dem Producte nach einen hübſchen Gegenſatz zur Drahtzieherei
(§. 289.). Zur Verfertigung der Darmſaiten werden die Därme
(Saitlinge) von Lämmern, Ziegen, Schaafen, Gemſen, Rehen
und Katzen gebraucht. Sogar auch von den Därmen des Seiden-
wurmes werden ſolche verfertigt1). Man verliest die Därme nach
ihrer Dicke und Dünne, weil die dicken zu groben und die dünnen
zu feinen Saiten verwendet werden. Dieſelben werden dann in
reinem Waſſer ſo rein als möglich gewaſchen. Um aber Fett und
Schleim noch vollends zu entfernen, werden ſie aufgeſchnitten und
auf den Schabebaum geſpannt, damit man ſie mit einem ſtumpfen
Schabemeſſer ſchaben kann. Wenn die Saiten nicht beſonders fein
werden ſollen, ſo werden ſie jetzt nur noch einmal mit Waſſer ge-
waſchen; im entgegengeſetzten Falle aber müſſen ſie noch beſonders
chemiſch behandelt werden2). Bei dem Schaben fallen Faſern ab,
welche dann zum Zuſammennähen der gereinigten Därme dienen.
Je nach der Feinheit der Saite nimmt man mehr oder weniger
Därme für Eine3). Denn ſie werden geſponnen, indem man ein
Ende des zu ſpinnenden Darmes an einen Pflock knüpft, das
andere aber an den Haken eines Seilerrades (Darmhaſpel)
bindet, und nun je nach der erforderlichen Dünne der Saiten eine
beſtimmte Anzahl von Drehungen macht4). Man dreht ſie in drei
Abſätzen und überreibt ſie nach dem erſten Male mit Schaftheu,
nach den beiden andern Drehungen aber mit einem Holze (Reib-
holze). Nach dem Spinnen werden die gemeinen Saiten zum
Trocknen aufgeſpannt und dann in Ringe gewunden und verkauft.
Die feinen Saiten aber werden in einen durchlöcherten Rahmen
geſpannt und, wenn ſie noch naß ſind, während der Spannung
mit Schnüren aus Pferdehaaren gerieben. Hierauf werden ſie
ſammt dem Rahmen in einen Schwefelkaſten gebracht, in dem ſie
während einigen Tagen von den Schwefeldämpfen gebleicht werden5).
[412] Sind ſie ſo weit fertig und trocken, dann glättet man ſie mit
Bimsſtein, und fettet ſie mit Baum- oder Mandelöl ein, ehe ſie
in Ringe gewunden werden. Dieſe Saiten werden wegen des
Gebrauches bei muſikaliſchen Inſtrumenten noch oft mit Metalldraht
umſponnen und man hat zu dieſem Geſchäfte eigene Maſchinen6).
Bekanntlich ſind die Lichter entweder aus Wachs, aus Talg,
aus Wallrath oder aus einer Miſchung dieſer Subſtanzen. Die
[413] üblichſten ſind die Wachs- und die Talglichter1). Die Verferti-
gung der Dochte aus Baumwollefäden allein oder in Verbindung
mit Leinfäden iſt das erſte Geſchäft. Man hat dazu ein eigenes
Tiſchgeräthe, entweder einen Dochtſchneider oder eine Docht-
bank, worauf man die Fäden in beliebiger Länge zuſammen-
ſchneidet2). Sind die Dochte ſo weit fertig, ſo werden ſie in
glühender Aſche ausgetrocknet, und können ſo zum Lichtermachen
verwendet werden. Die Lichter werden entweder gegoſſen oder ge-
zogen. A.Die Lichtgießerei iſt aber bei den Talglichtern an-
ders als bei den Wachslichtern. Zum Gießen der Talglichter
nimmt man Rindnierentalg und Hammelstalg, ſchmelzt ihn in
einem verzinnten Eiſenkeſſel, bis er ganz klar iſt, mit einem kleinen
Waſſerzuſatze, und gießt ihn dann zur Abkühlung in einen Kaſten.
Man hat Lichterformen von Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder
Eiſenblech von der erforderlichen Größe, welche nach unten ſich
trichterförmig zuſpitzen. In dieſe Formen wird der Docht geſteckt,
unten nämlich mit einem Stöpfel in der kleinen Oeffnung befeſtigt,
oben aber über einen Draht an dem Rande der Form geſpannt,
ſo daß er genau die Axe der Form bildet, und dann der abgekühlte
Talg mit einer Kanne eingegoſſen. So ſind dieſe Lichter, nach
dem Erſtarren des Talges zum Gebrauche fertig. Aber das Gießen
der Wachslichter iſt umſtändlicher. Das Wachs wird mit einem
Zuſatze von Terpentin oder weißem Talge in einem eben ſolchen
Keſſel geſchmolzen, der aber ringsum mit einem hölzernen Getäfel
verſehen iſt. Auf dem Boden der Werkſtätte iſt ein Wageſtock be-
feſtigt, auf welchem ein mittelſt einer Kette auf- und abwärts zu
richtender Balken liegt und über den Schmelzkeſſel hinreicht. An
dieſem Ende des Balkens hängt vermittelſt einer ſenkrechten dreh-
baren Eiſenſtange gehalten eine alſo auch drehbare Holzſcheibe,
an derem äußeren Rande in einiger Entfernung von einander
Nägel wagerecht eingeſchlagen ſind, um die Dochte daran aufhän-
gen zu können. Wenn der Wagebalken ruhig ſteht, ſo deckt die
eine Hälfte der Scheibe auch die Hälfte des Keſſels. Um denſelben
aber ſtellen zu können, wird das eine oder andere Ende deſſelben
zwiſchen die Zinken einer lothrecht neben dem Keſſel in die Höhe
ſtehenden Gabel geſteckt. Da nun die Scheibe doch beweglich iſt,
ſo dreht man ſie leiſe um und begießt die herabhängenden Dochte
von den Nägeln an einen nach dem andern mit Wachs, und fährt
ſo fort bis die Lichter die halbe Dicke haben. Dies iſt der Vor-
guß. Um aber die Lichter auch an den Spitzen ſo dick wie ſonſt
zu machen, wird die Scheibe ſchnell gedreht, ſo daß die Kerzen
ſich ſtark abfliegend im Kreiſe drehen, während deſſen man die
[414] Spitzen leicht mit Wachs verdicken kann. Dies heißt das Trö-
deln. Jetzt wickelt man die abgenommenen Lichter in Leinwand
ein und legt ſie in ein Federbett, um ſie vor dem ſchnellen Erkalten
zu bewahren, und rollt ſie dann auf einem glatten Holz- oder
Steintiſche mit einem naſſen Rollholze. So geglättet müſſen ſie
gebleicht werden, um die während der Verfertigung angenommene
gelbe Farbe zu vertreiben, und dann folgt der vollſtändige oder
Nachguß nebſt Trödeln, Rollen und Bleichen. Nachdem dieſelben
fertig ſind, werden ſie durch Schneiden aus der Hand von den
Unebenheiten befreit, nach einem Längenmaaße gleich geſchnitten
und an der Schnittfläche durch Hinrollen an einer Metallplatte
geglättet3). B.Die Lichterzieherei iſt anderer Natur. Um
Talglichter zu ziehen, werden die Dochte an dünnen langen
Stäben (Docht- oder Lichtſpießen) nebeneinander eingeſchoben,
oder auch durch die Löcher eines Brettes (Lichtbrettes) gezo-
gen und oben durch Querbolzen gehalten, damit man viele auf
einmal machen kann. Der Arbeiter faßt Spieß oder Brett an den
Handhaben und taucht die Dochte zuerſt in heißen und dann, wenn
ſie abgekühlt ſind, ſo oft in abgekühlten Talg, bis ſie ihre gehörige
Dicke haben, und nach der Erſtarrung des Talges ſind ſie fertig.
In Wachs werden blos die bekannten dünnen und verſchieden ge-
färbten Wachsſtöcke gezogen. Die Verfertigung der Dochte dazu
vorausgeſetzt4), geſchieht dies auf folgende Art, welche einiger-
maßen an die Drahtzieherei erinnert. Auf dem aus Latten gebauten
Werktiſche befindet ſich in der Mitte ein Platz für eine Pfanne
mit glühenden Kohlen, und auf der oberen Seite in einem Loche
ein ovales verzinntes Blechbecken eingehängt, an deſſen beiden
Seiten durch Gabeln die Ziehſcheiben befeſtigt ſind, d. h. Meſ-
ſingſcheiben mit mehreren nach der Peripherie hin weiter werdenden
concentriſch ſtehenden Löchern von reiner Kreis- oder façonnirte
Form. Auf dem Becken liegt ein Queerholz (der Steg), in
welches durch ein Loch ein hölzerner Schieber ſenkrecht geſteckt
wird, der mit einem Einſchnitte ſo verſehen iſt, daß der Docht,
indem er durch den Einſchnitt geht, zugleich durch das Wachs
gezogen wird. Auf jeder Seite des Werktiſches ſteht eine durch
eine Kurbel zu drehende Walze (die Trommel). Auf die Eine
davon wird der Docht gewickelt und, nachdem das Becken mit
Wachs, das auf der Pfanne geſchmolzen war, gefüllt iſt, unter
dem Stege durch den Einſchnitt durchgeſteckt, auch durch das
größte Loch der Ziehſcheibe gezogen und dann auf die andere
Trommel gewunden. Iſt der Wachsſtock abgetrocknet, ſo ſetzt man
die Ziehſcheibe auf die andere Seite des Beckens und leitet ſo den
[415] Wachsſtock zurück durch das Becken und ein engeres Loch der
Scheibe auf die andere Trommel und fährt ſo fort, bis der Wachs-
ſtock die gehörige Dicke, Gleichförmigkeit und Glätte hat. So
fertig geworden, wird er gekühlt, gebleicht5), gefärbt und in
Formen gewickelt.
Die allgemein bekannte Seife iſt ein Erzeugniß aus irgend
einem Fette und aus Kali oder Natron, und löst ſich in Waſſer
und in Weingeiſt auf. Je nach den Materialien, welche zu ihrer
Bereitung genommen werden, hat ſie auch verſchiedene Namen,
und nach dieſem wird auch die Siederei1) genannt. Man unter-
ſcheidet hauptſächlich ſo die feſte (Weiß- oder Talgſeife), die
weiche (Schwarz-, Grün- oder Oelſeife) und die franzö-
ſiſche oder venetianiſche Oelſeife in Bezug auf das Fett,
aber Natron- und Sodaſeife in Betreff des Kalizuſatzes.
Außerdem hat die Seife noch ſpeziellere Namen, je nach der Art
des Fettes, Oeles und anderer wohlriechender Beiſätze2). Das
erſte Geſchäft des Seifenſieders iſt die Bereitung der Seifen-
ſiederlauge durch das Auslaugen eines Gemenges von Alkali
(Holzaſche, Pottaſche oder Soda), gebranntem Kalke und Waſſer3).
Je nach dem Gehalte derſelben, den man durch die Seifenſieder-
ſpindel (Laugenprober, ein Aräometer) prüft, unterſcheidet
man die Feuer- oder tragende oder Meiſterlauge (von 18
bis 25% Kaligehalt), die Abrichtelauge (von 5–17% Kali)
und die ſchwache Lauge (von 1–4% Kaligehalt). Die fol-
genden Geſchäfte ſind nach der Art der zu bereitenden Seife ver-
ſchieden. Zur A.Weißſeifenſiederei füllt man den Sied-
keſſel4) mit Feuerlauge und ſetzt dann Talg zu. Dieſes
Gemiſche wird einige Stunden unter periodiſchem Umrühren und
Zugießen von Feuerlauge ſo lange geſotten, bis es leimartig
(Seifenleim) wird und beim Erkalten eine dichte Gallerte bil-
den kann. Bildet ſich dieſer Seifenleim lange nicht, ſo gießt man
noch während des Siedens Abrichtlauge ein5). Iſt jener Leim
gebildet, ſo wird er mit Kochſalz vermiſcht (ausgeſalzen), unter
beſtändigem Rühren geſotten, bis ſich eine helle Flüſſigkeit davon
auszieht, und wenn ſich dies gezeigt hat, ohne Rühren noch fort-
geſotten, endlich aber das Feuer gelöſcht. Nun gießt man dieſes
Gemiſche durch ein Drahtſieb oder eine Filter von grober Leinwand
[417] zum Behufe der Reinigung in den Seihbottig, in welchem es
verbleibt, bis ſich Lauge und Seife von einander abgeſondert
haben. Die Lauge nimmt man unter der Seife hinweg, die Lez-
tere aber ſchöpft man in den Siedkeſſel, der vorher geputzt ſein
muß, und ſiedet ſie dort mit einem Quantum Abrichtlauge unter
ſtetem Umrühren einige Stunden, und gießt noch weit mehr
Abrichtlauge nach, bis die Seife wieder gallertig wird. Jetzt
wird ſie das zweitemal ausgeſalzen und fortgeſotten, bis der Sutt
Feſtigkeit und eine weiße Farbe zeigt, worauf das Garſieden, d. h.
das Sieden bis zur Bildung zäher Blaſen und einer Seife von
blättrigem Gefüge ohne Feuchtigkeit beginnt. Man nimmt nun
das Feuer hinweg, läßt die Maſſe ſich abkühlen und gießt ſie dann
in eine leicht zerlegbare Form. Iſt die Seife darin erſtarrt, dann
zerlegt man die Form, zerſchneidet die Seife in die bekannten
länglichen Stücke und läßt ſie an der Luft noch austrocknen. Zur
B.Oelſeifenſiederei miſcht man ein Gemiſche von ⅔ Lein-
oder Rüböl und ⅓ Hanföl mit ſchwacher Lauge, und ſiedet daſſelbe
unter ſtetem Umrühren, bis ſich das Oel mit der Lauge vereinigt
hat und der Sutt zu ſteigen anfängt, worauf man erſt allmälig die
Feuerlauge eingießt. Von der Milchfarbe, welche jetzt die Flüſſig-
keit hat, geht ſie allmälig mit der Vermehrung des Feuerlauge-
zuſatzes ins Braune über. Das Sieden wird fortgeſetzt, bis eine
Probe auf einem Glaſe weißſtrahlend und durchſichtig iſt, und das
Zugießen von Lauge hört auf, während man aber das Feuer ver-
ſtärkt und die Maſſe beim Steigen peitſcht, um ſie zurückzuhalten.
In kurzer Zeit iſt die Seife gar, und man hat nur das Kochen
noch fortzuſetzen, um den Rückſtand von Waſſer noch ganz zu ver-
dampfen, bis dieſelbe das Durchſcheinen der weichen Seife zeigt6),
worauf ſie in Tonnen gefüllt wird7).
Die Arbeiten dieſes Gewerkes ſind folgende und geſchehen in
folgender Ordnung auf einander. Zuerſt wird die Wolle ſortirt in
kurze (Fettwolle) und lange (Waſchwolle), denn jene dient
blos zum Einſchießen in das Gewebe und wird deßhalb mit Fett
getränkt, dieſe aber dient zum wirklichen Garne und Hauptgewebe,
und wird vor dem Gebrauche gewaſchen2). Nach dem Waſchen
[419] wird ſie zum Behufe der Auflockerung gezaust, früher durch
Menſchenhand, jetzt durch die Zauſemaſchine3). Iſt ſie ſo
locker gemacht, ſo wird ſie geflackt, d. h. auf Horden gepeitſcht,
oder durch eine Maſchine (Wolf) maſchinirt (gewolft)4). Als-
dann wird dieſelbe geſchmalzt (eingefettet), d. h. durch Tränken
mit Butter (oder einem nicht austrocknenden, z. B. Baumöle)
geſchmeidig gemacht. Auf das Einfetten folgt das Kratzen
(Schrubbeln, Krempeln, Kardätſchen) mit der Hand oder
durch Maſchinen, d. h. Auseinanderziehen, um die kurzen Fäden
von den langen zu trennen, und dieſe untereinander zu bringen,
um ſie zum Verſpinnen tauglicher zu machen5). Die geſchrubbelte
Wolle wird jetzt entweder mit dem Spinnrade oder auf Spinn-
maſchinen (Spinnmühlen) geſponnen, d. h. in Fäden zuſammen-
gedrehet6). Das ſo entſtandene Garn wird alsdann gehaſpelt,
d. h. auf einen Haſpel gewunden, und dort in Strehnen und
Gebinde abgetheilt7). Von dieſen Strehnen kommt es auf eine
Winde und von daher auf Spulen (Bobinen), von welchen es
auf dem Spulrade doublirt oder driplirt, und dann gezwirnet,
d. h. zu zwei und drei Fäden zuſammengedrehet wird8). Das-
jenige Garn, welches zur Kette (Zettel, Werft, Aufzug, Schee-
rung), d. h. dazu dient, um auf dem Webſtuhle nach der Länge
und Breite des zu fertigenden Tuches oder Zeuges ausgeſpannt zu
werden, heißt Kettgarn. Dasjenige aber, welches dazu dient,
um zwiſchen die Fäden der Kette eingeſchoben oder -geſchloſſen zu
werden, das Einſchußgarn. Das Kettgarn wird vor ſeiner
Aufſpannung durch Leimwaſſer gezogen (geſchlichtet, geleimt),
um es ſteifer und feſter zu machen9). Nun kommt das Scheeren
(Schieren) der Kette, d. h. das Ordnen und Abtheilen der Ket-
tengarnfäden, damit es als Kette in den Webſtuhl geſpannt werden
kann10). Dieſes Aufſpannen auf den Webſtuhl11) heißt man das
Aufſcheeren der Kette, und iſt eine Arbeit, wozu ſehr viel Sorg-
falt erforderlich iſt12). Iſt die Kette aufgeſcheert, ſo wird das
Einſchußgarn, auf den Spülchen, auf welche es vorher ſchon ge-
ſpult wurde, in das Schiffchen gethan und das Tuch gewebt13).
Iſt das Tuch fertig, ſo wird es genoppt, d. h. von den nicht
dazu gehörenden eingewebten Theilen befreit, was entweder mittelſt
des Noppeiſens (einer Zange) aus der Hand oder durch die
Noppmaſchine14) geſchieht. Das genoppte Tuch wird hierauf
gewalkt, um es von ſeinen Unreinigkeiten zu befreien und filzig
zu machen. Dies geſchieht auf der Walkmühle unter verſchiedenen
reinigenden Zuſätzen15). Da durch das Walken das Tuch filzig
geworden iſt, ſo müſſen ſeine Haare jetzt wieder aufgelockert werden,
27 *
[420] damit man das Tuch ſcheeren kann. Dieſe Arbeit heißt man das
Rauhen und geſchieht auch entweder aus der Hand oder durch
die Rauhmaſchine16). Vor dem Scheeren muß das Tuch noch
einmal gereinigt werden und den Strich der Haare erhalten.
Dies geſchieht durch das Bürſten des Tuches mit der Bürſten-
maſchine17). Hierauf erſt wird daſſelbe geſchoren und man hat
dazu ebenfalls entweder Handtuchſcheeren oder Scheermaſchinen
(Scheermühlen), welche jetzt allgemein im Gebrauche ſind18).
Das zweimal geſchorene Tuch wird geſtreckt (gereckt), d. h. in
einen Rahmen geſpannt und auseinander gezogen, damit es die
Falten verliert und fadengleich wird, d. h. überall gleiche Breite
hat, hierauf aber zum leztenmal ausgeſchoren, d. h. noch einmal
aus der Hand genoppt, durch Stopfen ausgebeſſert, geſtrichen und
gepreßt. Lezteres geſchieht unter einer Schraubenpreſſe, zwiſchen
Preßſpänen (von Pappe, aus Papiermühlen), Preßbrettern und
warmen Preßplatten von Kupfer oder Eiſen19). Die Farbe wird
den Tüchern ſchon vorher gegeben20).
Die Baumwolle iſt eine wollige Pflanzenfaſer, durch welche
die Saamen der Baumwollenpflanze (Gossypium) in der Saamen-
kapſel umwickelt ſind. Man hat zwar verſchiedene Baumwollen-
pflanzen, aber der Farbe nach doch nur weiße und gelbe Baumwolle.
Sie wächst in Oſt- und Weſtindien, China, Aegypten, Kleinaſien,
auf den griechiſchen Inſeln im Archipelagus, und im ſüdlichen
Europa2). Die Baumwolle, wie ſie zu uns kommt, hat ſchon
[424] die Erntearbeiten3) erduldet und iſt in feſten Päcken zuſammen-
gepreßt4). Die Baumwolle wird daher vor der Verarbeitung
aufgelockert und zwar durch Klopfen aus freier Hand oder Klopf-
maſchinen5), oder durch den Wolf (Teufel)6), oder endlich
durch die Flaggmaſchinen7). Dadurch iſt die Baumwolle auf-
gelockert und zugleich in wattähnliche flache Stücke geſchlagen,
aber die Faſern ſind noch nicht ganz rein und haben noch keine
regelmäßige Lage. Dieſe Zwecke werden durch die Kratz- (Krem-
pel-, Flint- oder Streich-) Maſchinen8) erreicht, durch welche
ſie jetzt bearbeitet wird. So in Bänder geformt, kommt ſie nun
auf die Streckmaſchinen9), um dadurch die Fäden noch genauer
parallel zu legen (ſtrecken), was, damit die Bänder nicht reißen,
ſo geſchieht, daß man mehrere ſolche Bänder auf einander legt
und durch die Maſchine gehen läßt (doublirt). So iſt ſie zu
Spinnen vorbereitet, aber dieſes geſchieht in mehreren Operationen.
Das erſte Spinnen auf der Flaſchenmaſchine (Kammmaſchine,
Laternenbank) oder auf der Grobſpindelbank10) bewirkt blos
eine leiſe Drehung der Bänder zu fingerdicken Fäden. Das zweite
oder Vorſpinnen auf der Vorſpinnmaſchine (Grobſtuhl
genannt) oder auf der Spindelbank (Feinſpindelbank)11)
liefert aus jenen Fäden einen ſolchen von der Dicke eines Bind-
fadens. Dieſer Faden muß nun ebenfalls geſponnen werden und
dies iſt das dritte oder Feinſpinnen, welches durch die Water-
(Droſſel-), Jenny- und Mulemaſchinen12) geſchieht. Das
ſo gewonnene Baumwollgarn wird nun gehaſpelt und ſortirt13)
und, wenn es erforderlich iſt, gezwirnt (§. 305. N. 8.). Man
unterſcheidet auch, wie bei der Wollweberei, das Ketten- und
das Einſchußgarn, welches Erſtere feiner und feſter ſein muß
als das Leztere, weßhalb man jenes auf den Water- und Mule-
maſchinen, dieſes aber nur auf Lezteren ſpinnt. Das zum Ver-
weben beſtimmte Baumwollenkettengarn wird hierauf geleimt
(§. 305. N. 9.), und, wenn es wieder getrocknet iſt, geſpult,
d. h. durch das Spulrad oder die Spulmaſchine auf Spulen
gewunden, damit man es hiervon leichter zur Kette ſcheeren
kann (§. 305. N. 9. und 10.). Die Kette wird alsdann auf den
Webſtuhl14) geſpannt, geſchlichtet (wenn dies nämlich nicht
ſchon vor dem Aufſpannen oder Aufkämmen geſchehen iſt), und
das Baumwollenzeug verfertigt, wovon es außerordentlich viele
Arten gibt. Die fertigen Zeuge, beſonders alle glatten, werden
dann durch Sengen oder Brennen15) von den hervorſtehenden
Härchen befreit, dann in reinem Waſſer eingeweicht, gewaſchen
oder auf Walkmühlen und Prätſchmaſchinen16) gereinigt.
[425] So gereinigt, werden ſie gebleicht17), dreſſirt oder friſirt,
d. h. der haarigen Oberfläche eine beſtimmte Form gegeben18) und
dann finiſſirt, d. h. mit Glanz verſehen und geglättet19). Das
darauf erfolgende Färben und Drucken iſt ein anderes Geſchäft.
Die Coccons der Seidenraupe (§. 206.) liefern die Seide,
von deren Bearbeitung hier die Rede iſt. Das Aeußere der Coc-
cons iſt ein etwas rauher Faſerſtoff (die Floretſeide); unter
dieſer liegt die feine eigentliche Seide, auf welche wieder ein grö-
berer faſeriger Ueberzug folgt, und endlich der Balg der Larve
kommt. Die Coccons werden auf einige Minuten in einen Keſſel
voll heißen Waſſers zum Auflöſen der Fäden gethan2) und dann
wird von ihnen die Seide auf einen eigenen Seidenhaſpel3)
[427] abgewunden. Die ſo gewonnene rohe Seide wird nach ihrer
Feinheit und Grobheit ſortirt, denn beim Haſpeln zieht man
mehrere Fäden zuſammen. Dieſelbe wird hierauf doublirt und
gezwirnt, was an der Stelle des Spinnens angewendet wird.
Man hat dazu die Doublir- oder Zwirnmaſchinen4) und
unterſcheidet nach dem Grade des Zwirnens die Tramſeide
(Einſchußſeide, ein Draht aus zwei oder mehr rohen Seidenfäden)
und die Organſinſeide (Kettenſeide, Draht aus mehreren be-
reits gedrehten Seidenfäden). Soll die Rohſeide gefärbt werden,
ſo muß ſie, wenn die Farben hell werden ſollen, entweder, was
ſeltener iſt, von Natur weiß oder gebleicht ſein5). Sie hat
aber eine ſteife und rauhe äußere Beſchaffenheit, welche ihr, wenn
ſie nicht zu ſteifen Geweben, wie z. B. Gaze, Flor, beſtimmt iſt,
genommen werden muß. Dies geſchieht durch das Degummiren
(Entſchälen), d. h. das Kochen derſelben mit Seife oder ſchwacher
Alcalilauge6). Die zubereitete, nämlich Tram- und Organſin-
ſeide, iſt zum Verweben geſchickt und wird nun auf den Web-
ſtühlen7), die man in einfache und zuſammengeſetzte unterſchei-
det, zu den manchfaltigen Geweben verarbeitet, welche man jetzt hat.
Vom Webſtuhle genommen, werden die Seidenzeuge noch vollends
appretirt, nämlich durch die Pflückmaſchine von den Faſern und
Unebenheiten, die nicht vorhanden ſein ſollen, befreit und dann
auf manchen, chemiſchen und mechaniſchen, geheimen Wegen noch
zugerichtet8).
Nach der oben (§. 169.) angegebenen Gewinnungsart der Fa-
ſern von Flachs und Hanf, zu welcher man eine bedeutende Anzahl
von Maſchinen2) erfunden hat, werden ſie, namentlich die Hanf-
büſchel, wenn der Baſt breit iſt, auf die Reibmühle3) gebracht
und dort gerieben (nach dem ſüddeutſchen Ausdrucke geblault),
damit ſie geſchmeidiger werden. So für die Hechel vorbereitet,
bearbeitet ſie der Hechler mit der Leztern4), indem er ſie durch
dieſelben zieht. Das Product iſt eigentlicher Hanf oder Flachs
(die lange Faſer) und das Wergg (die kurze Faſer). Will man
denſelben vor der weiteren Bearbeitung noch verbeſſern, ſo brühet
man ihn mit heißem Waſſer mit oder ohne ätzende Zuſätze5) an,
um die beſonders die Bleiche erſchwerenden Stoffe zu extrahiren.
Nach dem völligen Trocknen wird er geſponnen, und zwar ent-
weder auf dem Handſpinnrade oder auf der Flachsſpinn-
maſchine6), zu verſchiedener Feinheit des Garnes je nach der
Feinheit und Grobheit der Leinwand. Hierauf folgt das Haſpeln,
dann das Spulen, von den Spulen ab das Scheeren, dann
[429] das Aufkämmen der Kette auf dem Leinenwebſtuhl7), das
Schlichten und das Weben. Die fertige Leinwand wird durch
Entſchlichten, Bäuchen und Bleichen8), Stärken, Mangen und
Glätten9) noch vollends appretirt und kommt ſo in den Handel.
Es gibt verſchiedene Arten von Flachs- und Hanfleinwand, nicht
blos nach der Feinheit, ſondern auch nach der Glätte und Figu-
rirtheit der Oberfläche.
Zur Papiermacherei hat man thieriſche und pflanzliche Faſern
nöthig, die man in ihre kleinſten Theile, Urfaſern, auflöſen muß.
Lumpen (Hadern), Makulatur, Stroh, Maisblätter u. ſ. w. wer-
den als rohes Material gebraucht. Nehmen wir beiſpielsweiſe die
Erſteren dazu, ſo müſſen ſie mit Meſſer und Scheere ſortirt wer-
den2). Die brauchbaren Hadern werden durch Waſchen von ihren
Unreinigkeiten befreit und, wenn das Papier fein und weiß werden
ſoll, gebleicht3). So vorbereitet, werden ſie nun vom Lum-
penſchneider4) ganz klein zerſchnitten und nachher, um ſie ganz
vom Staube zu befreien, geſiebt, oder in einem Hammerwerke zur
völligen Entſtäubung geklopft5). So heißen ſie Zeug. Dieſes
wird in einem Gefäße mit Waſſer zum Behufe des Faulens ein-
gemacht6). Entweder hierauf oder auch ſchon nach der Entſtäu-
bung wird es auf das Geſchirr (eine Stampfmühle, in welche
die mit Eiſen beſchlagenen Stampfen auf die Lumpen in den
Löchern eines Löcherbaumes fallen und dieſelben verkleinern7).
Da beſtändig Waſſer in die Löcher geleitet wird, ſo entſteht ein
grober Brei, Halbzeug genannt. Aus dieſen wird es in ein
Eichenfaß (Leerfaß) geſchöpft, und in der Zeugſtube, nachdem
es mit der Zeugpritſche (einem Brette mit einer Handhabe) durch
Holzrahmen geſchlagen iſt, auf Haufen getrocknet. Um das trockene
Halbzeug in Ganzzeug zu verwandeln, d. h. zu einem feinen
Breie zu bearbeiten, wird es in dem Holländer8), einer
Schneidemaſchine, unter Waſſerzufluß zerkleinert. Von da aus
wird es durch Rinnen in die Werkſtube in den Ganzzeugkaſten ge-
leitet. Man nimmt daraus einen Theil in die Schöpfbütte,
d. h. eine Tonne, die oben mit einem breiten Rande (Traufe,
Leiſte) verſehen iſt und zwei von einer Seite zur andern laufende
Bretter (den großen und kleinen Steg) trägt. Während be-
ſtändigen Umrührens9) und fortwährender Warmhaltung10) ſchöpft
der Büttgeſelle die Papierbogen mit der Papierform11) aus
der Bütte und ein anderer Arbeiter (Gautſcher) ſchichtet ſie
zwiſchen Filz auf, d. h. auf viereckige ſchwach gewalkte Tuch-
ſtücke, die etwas größer ſind als die Papierbogen. Es bilden
[431] 181 Bogen einen Pauſcht (Bauſch). Dieſer wird zur Entfer-
nung des noch übrigen Waſſers gepreßt12), damit das Papier
gehörig feſt werde. Nach der Vollendung des Preſſen wird das
Papier auf dem Trockenboden13) getrocknet, und kann alsdann
als Löſch- und Druckpapier in Bücher und Rieße gefalzt werden.
Um aber Schreibpapier zu machen, läßt man die Bogen noch einige
Zeit nach dem Trocknen loſe über einander liegen, und leimt
dieſelben, d. h. man zieht ſie durch einen Leim14), trocknet dieſelben
und zieht ſie noch einmal durch. Nach dem abermaligen Trocknen
bringt man das Papier bei friſcher und feuchter Luft, z. B. des
Morgens, nochmals 24 Stunden unter die Preſſe, und theilt es
ſchon unter dieſer in Bücher, Rieße und Ballen ein. Um aber
dem Papier den höchſten Grad von Glätte zu geben, wird daſſelbe
außerdem noch einmal beſonders geſtampft und geglättet15).
Dieſe hier darzuſtellen, iſt wegen der Ausgebreitetheit des
Stoffes durchaus unthunlich. Eine Ueberſicht des Gegenſtandes
ſetzt dies ganz außer allen Zweifel, ſelbſt wenn man vergeſſen
wollte, daß die Baukunſt die mächtigſte der bildenden Künſte iſt.
Man theilt ſie in der Regel in Landbau- und Waſſerbaukunſt
ein, wovon jene alle zu Lande zu errichtenden, dieſe aber die auf
und in dem Waſſer zu machenden Baulichkeiten zum Gegenſtande
hat. In Beiden kann man wieder diejenigen Bauten unterſcheiden,
welche den Menſchen zum Aufenthalte dienen und diejenigen, welche
Baumſtark Encyclopädie. 28
[434] ihre gegenſeitige Annäherung vermitteln. Zu jener Klaſſe ge-
hören einerſeits alle gewöhnlichen Aufenthaltsorte, als
Privathäuſer (Wohn-, Gartenhäuſer u. dgl.), Wohlthätigkeitshäuſer
(Armen-, Krankenhäuſer u. dgl.), die Zwangsaufenthaltsorte (Ge-
fängniſſe, Beſſerungs-, Strafhäuſer u. dgl.), die Häuſer für obrig-
keitliche Beſchäftigungen (Amts-, Rath-, Stadthäuſer u. dgl.),
Gebäude für Verſammlungen und Sammlungen zum Behufe des
Unterrichts und der Belehrung (Schulhäuſer, Akademien, Muſeen,
Univerſitäten, polytechniſche Schulen u. dgl.), Gebäude zur gemein-
ſchaftlichen Religionsübung (Kapellen, Kirchen, Klöſter, Synagogen
u. ſ. w.) und Häuſer für geſellige Unterhaltung (unter verſchiedenen
Benennungen, wovon aber der Name Muſeum der unpaſſendſte iſt)
— anderſeits aber die Gewerbsbaulichkeiten für Bergbau,
Land- und Forſtwirthſchaft, Gewerke, Schifffahrt und Handel,
und perſönliche Dienſtgewerbe, wovon bereits im Bisherigen ein
bedeutender Theil erwähnt iſt und im Folgenden noch vorkommen
wird. Zu der anderen Klaſſe dagegen gehören alle Land- und
Waſſerſtraßen, inſoweit Leztere gebaut werden können, nebſt allen
Baulichkeiten, welche ihre Benutzung befördern und leiten.
Die werkmänniſche Betriebslehre hat die Aufgabe, welche auch
die bisher ſchon erwähnten Betriebslehren haben (§. 256. a.). Nur
ſind die Gegenſtände weit manchfaltiger und ihre Darſtellung in
der Encyclopädie wird daher auch allgemeiner ausfallen, als bei
den andern.
Die Erforderniſſe zu dem Betriebe der Gewerke1) ſind in
qualitativer und quantitativer Hinſicht nach der Natur der Lezteren
ſehr verſchieden. Sie laſſen ſich aber unter folgenden allgemeinen
Rubriken aufführen:
1) Naturmittel. Zu dieſen gehört a)Grund und Boden,
zwar nicht zu den Zwecken, wie in den bisher betrachteten Gewer-
[435] ben, aber doch als feſte Stelle, auf welcher das Gewerk betrieben
werden kann. Es gibt Gewerke, welche mehr als andere an Grund
und Boden gebunden ſind, zum Theile, weil die größere Ausdeh-
nung der Gewerksanſtalten es verlangt, zum Theile, weil er an
ſich in manchen Gewerken unumgänglich nothwendig iſt2). Es
iſt daher leicht begreiflich, daß ſeine Eigenſchaften nicht blos für
die zu errichtenden Bauten, ſondern auch zur Unterſtützung des
Betriebes von größter Wichtigkeit ſind, und zwar ſowohl in Betreff
ſeiner phyſiſchen Beſchaffenheit als auch ſeiner klimatiſchen Lage.
Dies Lezte zeigt ſich ſchon in dem zweiten hierher gehörenden
Naturmittel, nämlich in der b)Luft, von welcher einerſeits der
Geſundheitszuſtand der beſchäftigten Arbeiter um ſo mehr abhängt,
in je größerer Anzahl ſie zugegen und bei einander ſind, — von
welcher aber anderſeits der Gewerbsbetrieb weſentlich inſoweit
unterſtützt wird, als das Gewerk ihrer zur Bewegung der Maſchi-
nerie (mechaniſch) und zu chemiſchen Stoffveränderungen bedarf3).
In lezteren beiden Eigenſchaften wird ſie daher dort entbehrlich
ſein, wo die Bewegung auf andere Weiſe bewirkt und chemiſche
Stoffveränderung durch künſtliche Mittel hervorgebracht wird oder
aber in dem Gewerke gar nicht vorkommt4). Als bewegende Kraft
iſt ſie entbehrlich, wo man das dritte Naturmittel, nämlich c) das
Waſſer in hinreichender Menge, gehöriger Lage und erforderlichem
Gefälle hat. Aber die Gewerke, welche der größten mechaniſchen
Kraft bedürfen, ſind in einem, früher nicht geahnten, Stand der
Ungebundenheit durch die Erfindung der Dampfmaſchinen geſetzt
worden. Iſt durch dieſe übrigens auch Luft und Waſſer an ſich
als bewegendes Moment entbehrlich geworden, ſo bedürfen dennoch
viele Gewerke des Lezteren zu chemiſchen Zwecken, und es iſt durch-
aus in dieſer Hinſicht nicht gleichgiltig, welche Eigenſchaften das
Waſſer beſitzt5). Bei der Anlage eines Gewerkes iſt alſo, je nach
ſeiner chemiſchen oder mechaniſchen Natur, die Unterſuchung der
Gegend nach dieſen Punkten vorauszuſchicken.
2) Verkehrsmittel. Da die Gewerke mehr als jedes andere
der bisher betrachteten Gewerbe auf die Nachfrage hin produciren,
welche nach dem Erzeugniſſe von den Gebrauchern geſchieht und
Statt finden kann, ſo gilt von ihnen, was die Verkehrsmittel
anbelangt, in noch höherem Grade, was ſchon oben (§. 120. 208.)
darüber geſagt iſt1).
3) Tüchtige und ſachverſtändige Arbeiter, in hinreichen-
der Anzahl (§. 67 u. 68.) Da zu den Gewerksarbeiten weit mehr
Geſchicklichkeit als zu den andern gehört, ſo ſind die geſchickten
Arbeiter auch ſeltener. In den ſämmtlichen Gewerken erfordern
aber einige Arbeiten wieder mehr Kenntniſſe und Fertigkeit als
andere; deßhalb wird man auch eine Rangordnung unter den
Arbeitern finden, welche auf den zu bezahlenden Lohn und auf die
Behandlung derſelben wirkt. Es wird alſo hierdurch eine Theilung
der Arbeiten ſchon von ſelbſt nöthig, aber ſie muß auch darum in
Gewerken, worin mit einem Gegenſtande viele Operationen vor-
genommen werden, eingeführt werden, weil die Arbeit dadurch
raſcher vor ſich geht, und die Producte nicht blos leichter nach
ihrer Güte controlirt werden können, ſondern auch wirklich beſſer
ausfallen müſſen, wenn Einer durch anhaltende Beſchäftigung mit
einer Verarbeitung darin eine größere Geſchicklichkeit bekommt,
als wenn er in derſelben Zeit verſchiedene Verrichtungen zu vol-
lenden hat2).
4) Zureichendes Capital. Zu dem werkmänniſchen Capi-
tale ſind zu rechnen: a) die Rohſtoffe (das rohe Material),
worunter man die Verwandlungsſtoffe (§. 269.) verſteht, ſelbſt
wenn ſie ſchon vorher zu einem gewiſſen Grade verarbeitet ſind3).
Von ihrer Güte, Wohlfeilheit und ihrem Vorrathe hängt der vor-
theilhafte Betrieb des Gewerkes auch ab, wenn in dem zu ver-
langenden Preiſe die Fabricationskoſten jene des rohen Materials
weit überſteigen. b) Die Hilfsſtoffe, von welchen daſſelbe gilt;
[437]c) die werkmänniſchen Geräthe (§. 270–277.) der verſchie-
denſten Art4); d) die bereits gefertigten Producte, welche
bis zu ihrem Abſatze aufbewahrt werden (§. 279.); e) das etwa
angewendete Arbeitsvieh bei Maſchinen, für Karren, Wagen
u. ſ. w.; f) die Werkgebäude und Magazine für die Ver-
wandlungsſtoffe, Hilfsſtoffe und fertigen Erzeugniſſe; g) die Re-
paraturkoſten der Geräthe, Viehgeſchirre und Bauten; h) der
Arbeitslohn und die übrigen Gewerksauslagen in Natur und
Geld; i) die manchfachen Gerechtſame des Gewerkes, welche
den Ertrag erhöhen.
5) Freiheit des Betriebes. Außer mancherlei Beſchrän-
kungen grund- und leibherrlicher, oder politiſcher Natur iſt das
Zunftweſen die wichtigſte, d. h. das Beſtehen und die Eigen-
thümlichkeiten der Geſellſchaften, die, ſich unter einem gemeinſamen
Statute haltend, jedes Nichtmitglied von der Ausübung des be-
ſtimmten Gewerkes innerhalb der Grenzen ihres Aufenthaltes ab-
halten. Dieſe Vereine nennt man Zünfte, Innungen, Gülden,
und ihre ordentlichen Mitglieder Meiſter, deren Anzahl man in
dem Orte der Zunft auf ein Beſtimmtes beſchränkte, um den
vorhandenen den Abſatz zu ſichern. Man nennt ſolche Zünfte ge-
ſchloſſene, und diejenigen, welche dieſe Beſchränkung nicht haben,
freie. Ehe man Meiſter werden kann, muß man, wenn die ehe-
liche Geburt und das erforderliche Alter nachgewieſen iſt, gewiſſe
Jahre in der Lehre (Lehrjunge) geweſen, dann förmlich ledig
geſprochen (als Geſelle entlaſſen), und als ſolcher die beſtimmte
Jahresanzahl auf der Wanderſchaft (an fremden Orten, im
Auslande) geweſen ſein. Hat man dieſe Forderungen auch zur
Genüge erfüllt, ſo iſt man noch einer Menge von Plackereien und
Perſönlichkeiten ausgeſetzt, ehe man wirklich das Meiſterrecht
erhält, wenn nämlich in geſchloſſenen Zünften eine Meiſterſtelle
frei, das Meiſterſtück gemacht (eine eigene Probearbeit geliefert)
und die Gelder zur Abhaltung der dabei ſtatthaften Zunftfeſtlich-
keiten bereitgeſtellt ſind. Wer das Gewerk ohne erlangtes Meiſter-
recht übt (der Pfuſcher, Pön- oder Böhnhaſe), der wird
verfolgt. Dies alles zeigt, daß, wer ſich gewerklich irgendwo nie-
derlaſſen will, viele Beſchränkungen durch den Zunftzwang leidet,
aber nach ſeinem Eintritte in die Zunft durch denſelben um ſo
mehr Gewerbsvortheile empfängt, je ausgedehnter er ſich die
Kundſchaft macht.
Man hat auch hier die bereits oben (§. 209. 129.) erwähnten
Arten der Bewirthſchaftung, nämlich die Selbſtverwaltung,
Verpachtung und Verleihung, und ihre Vor- und Nachtheile
ſtehen im Allgemeinen auch unter denſelben Geſichtspunkten. Es
iſt aber leicht einzuſehen, daß die beiden lezteren Arten derſelben
nur bei ſolchen Gewerkseinrichtungen Statt finden können, wo in
Gebäuden und Maſchinerien ein bedeutendes Capital vorhanden
und nöthig iſt, während ſie bei ſolchen nicht wohl thunlich ſind,
[440] wo die Production von körperlicher Fertigkeit, überhaupt perſön-
licher Geſchicklichkeit, die nur von einfachen Werkzeugen unterſtützt
wird, abhängt. Wer aber den Betrieb, unter was auch immer
für einem Rechtstitel, übernommen hat, der wird um ſo weniger
das Geſchäft ohne Verwalter, Werkmeiſter, Factoren u. dgl.
führen können, je ausgedehnter und zuſammengeſetzter daſſelbe iſt.
Auch hierbei bezieht ſich die Sorgfalt, von welcher der gute
Gang des Gewerkes abhängt, auf folgende Momente:
1) Wahl und Betrieb der Verſuche. Das Feld für dieſe
iſt bei den Gewerken unbegrenzt, aber auch bei jedem beſonderen
Zweige ſo eigenthümlich und manchfach, daß überhaupt, und am
meiſten nach dem Zwecke der encyclopädiſchen Darſtellung, blos
allgemeine Andeutungen thunlich ſind, da man ſelbſt im Einzelnen
nur Aphorismen geben kann1). Man ſieht dies bei der Bemerkung
ſogleich ein, daß ſich die Verſuche auf folgende Punkte beziehen
können: a) auf die Etablirung einer beſtimmten Art von Gewer-
ken2), und, wenn dieſe Wahl getroffen iſt und das Gewerk be-
trieben wird, b) auf die Wahl des zu verarbeitenden rohen Ma-
terials (§. 269.), c) auf jene des einzuſchlagenden mechaniſchen
und chemiſchen Verfahrens, d) auf die Wahl und Verbeſſerung
der Werkzeuge, Maſchinen und chemiſchen Geräthe, e) auf die
Appretur und zweckdienlichſte Aufbewahrung der fertigen Producte.
Je ſubtiler die Verſuchsoperationen ſind, um ſo mehr Sorgfalt in
der Anſtellung und um ſo ſchärfere Beobachtung wird erfordert;
je größer aber der Aufwand dafür iſt und folglich der Verluſt ſein
kann, deſto nothwendiger iſt die Vorausberechnung auf möglichſt
ſichere Angaben und Erfahrungen3).
2) Wahl und Leitung der Betriebsart. Die oben
(§. 210. 2) angegebene allgemeine Regel iſt auch hier, nur bei
Veränderung der Sache, von der größten, noch größerer Wichtig-
keit, als dort, weil, namentlich in großen Etabliſſements, die
Operationen weit manchfacher ſind und darum die Arbeitstheilung
weit nothwendiger iſt. Es liegt aber in der Natur der Sache,
daß der Grad jener Wichtigkeit und dieſer Nothwendigkeit von der
Betriebsart beſtimmt wird. Man unterſcheidet nämlich die Hand-
werke einerſeits und die Fabriken und Manufakturen ander-
ſeits. Das Charakteriſtiſche der Erſteren iſt das Verfertigen,
[441] d. h. das veredelnde Verarbeiten des rohen Materials zu Gewerks-
producten im Kleinen, mit Werkzeugen einfacher Conſtruktion,
durch den Gewerksunternehmer ſelbſt im Vereine mit einigen Ge-
hilfen ohne Arbeitstheilung. Das Eigenthümliche der beiden
Lezteren iſt das Fabriziren, d. h. ein ſolches Verarbeiten jener
Rohſtoffe im Großen, unter Anwendung von Werkzeugen und
Maſchinen, durch Arbeiter verſchiedener Klaſſen und Grade bei
einer Arbeitstheilung im Einzelnen unter Direction des Unter-
nehmers, Werkmeiſters, Faktors u. dgl., welche aber nicht ſelbſt
mitarbeiten. Die Natur des Gewerkes und der Abſatz iſt es, was
zur Wahl der einen oder andern Betriebsart beſtimmt, wenn die
erforderlichen Hilfsmittel und Arbeiter vorhanden ſind4). Kann
eine Manufactur oder Fabrik nach Erwägung dieſer Umſtände er-
richtet werden, ſo wird der Unternehmer beſonders darum vor dem
Handwerker Vortheile voraus haben: a) weil er Arbeitstheilung
einführen kann (§. 312. 3), b) weil ihm die Einführung von
Maſchinen möglich iſt, und c) weil die Ausdehnung und der Ge-
winn ſeines Gewerkes ihm theils gebietet, theils erlaubt, ſich
wiſſenſchaftliche Bildung zu verſchaffen und die neuen Erfindungen,
ſeien ſie von ihm oder von Anderen, in ſeinem Gewerke anzuwenden.
3) Inventarium. Weder die Verſuche, noch der Betrieb
vermögen ihren gehörigen Gang zu gehen, wenn der Unternehmer
nicht einen vollſtändigen Ueberblick über ſeine materiellen Hilfs-
mittel hat (§. 311. u. 312.). Dieſen gewährt das Inventarium,
d. h. die ſchriftliche Aufzählung und Beſchreibung des an materi-
ellen Hilfsmitteln zum Betriebe Vorfindlichen (invenire). Eine
Vergleichung des Inventariums mit dem zum ferneren Betriebe
Erforderlichen wird zeigen, ob und was zu viel oder zu wenig
vorhanden und was im lezten Falle noch anzuſchaffen iſt (Super-
inventarium).
Die Gewerksausgaben ſind blos Entäußerungen des Betriebs-
kapitals und beziehen ſich auf folgende Punkte:
a) Auf etwaige vom Gewerke geforderte Verbeſſerungen
des Bodens und die Faſſung des Waſſers, wenn es als wir-
kende mechaniſche Kraft benutzt wird1). Die Luft kann hier nicht
erwähnt werden, weil ihre Wirkung auf die Maſchinen oder bei
chemiſchen Zwecken ohne Faſſung unmittelbar wirkt.
b) Auf Unterhaltung und Anſchaffung des ſtehenden Capi-
tals an Gewerksgebäuden, Geräthſchaften, Arbeitsthieren ſammt
Geſchirr, Gerechtſamen und Hausrath, inſoweit er für die Ge-
werksleute gebraucht wird, — und des umlaufenden Capitals
an Verwandlungs- und Hilfsſtoffen, fertigen Productenvorräthen
und Geld.
c) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der
Verwalter, Werkmeiſter, Faktoren und Arbeiter. Dieſe iſt von
Bedeutung und die Wahl des Syſtems iſt namentlich bei Lezteren,
ſowohl was den Vortheil, die Sicherheit vor den Ausbrüchen ihrer
Wuth, als die Humanität anbelangt, einer der wichtigſten Punkte.
Die oben (§. 68.) hierfür angegebenen Syſteme ſind nicht, ein
jedes für ſich, überall anwendbar. Die Verbindung der Natural-
pflegung mit dem Geldlohne iſt bei den Handwerken anwendbar.
In großen Fabriken aber iſt ſie unausführbar, da die Menge der
Arbeiter zu groß iſt und dieſe öfters Familie haben. Man hat
daher hier nur das Geldſyſtem und aber auch als ein ſchauer-
liches Beiſpiel des Fabrikanteneigennutzes das Tauſchſyſtem,
d. h. die Löhnung der Arbeiter mit Artikeln, die ſie verbrauchen2).
Da kein Zweifel darüber ſein kann, daß die Löhnung im Gelde
dieſem lezteren Syſteme weit vorzuziehen iſt, ſo entſteht nur die
Frage, ob der Tage- und Wochenlohn dem Stücklohne, oder
dieſer jenem vorzuziehen ſei. Es iſt jedoch nach den im angeführten
Paragraphen gegebenen Prinzipien leicht einzuſehen, daß in einer
großen Fabrik bei gehöriger Arbeitstheilung der Stücklohn das
Räthlichſte iſt. Denn es kann und muß ſogar eine Commiſſion zur
Prüfung und Stempelung der gelieferten Producte jedes Arbeiters
vorhanden ſein und es hängt in dieſem Falle von dem Fleiße und
der Kunſt des Arbeiters ab, wie viel er verdient3). Uebrigens
[443] müſſen ſowohl wegen dieſes Umſtandes als auch wegen des ganzen
Betriebes die Koſten jedes Prozeſſes berechnet ſein4).
Das rohe werkmänniſche Einkommen beſteht aus:
a)Naturaleinnahmen an fertigen Producten und Neben-
erzeugniſſen. Erſtere werden bis zu ihrem Verkaufe zweckmäßig
aufbewahrt, ebenſo auch Leztere, wenn nicht, was von großem
Nutzen und bei großen Fabriken ſehr wohl anwendbar iſt, noch
mit dem Gewerke andere Nutzungszweige verbunden ſind, in denen
ſie einträglich angewendet werden können1).
b)Geldeinnahmen aus dem Abſatze der Producte. Hier
trifft es ſich, daß mit der Ausdehnung des Geſchäftes alle kauf-
männiſchen Hilfsmittel ergriffen werden, um denſelben ſo vortheil-
haft als möglich zu machen, und daß ein Fabrikhaus in die Kate-
gorie der Handelshäuſer geſetzt wird, und ſo wie dieſe eine Firma,
d. h. einen Geſchäftsnamen annimmt2).
c) Einnahmen aus der Verwerthung der Haupt- und Neben-
producte in anderen mitverbundenen Gewerben.
Um den Reinertrag zu finden, werden auch die, oben (§. 314.)
erwähnten, Abzüge vom Rohertrage nothwendig.
Bei einfachem Handwerksbetriebe genügt die einfache Buch-
haltung, bei zuſammengeſetztem und beim Fabriksbetriebe aber iſt
die doppelte nothwendig. Dieſelbe wird wie im Handelsweſen ge-
führt; jede Perſon, die mit dem Geſchäfte in Verbindung ſteht,
vom Arbeiter bis zum auswärtigen Lieferanten und Commiſſionär,
und jeder Theil des Geſchäfts bis zur Kaſſe, hat ihren beſondern
Conto (§. 79–82.). Je mehr eine Fabrik einem Handelsgeſchäfte
gleicht, deſto übereinſtimmender ſind die Haupt- und Nebenbücher
mit jenen des Lezteren, von welchen ſpäter die Rede ſein wird.
Was für Anleitung hierüber bei andern Gewerken gegeben iſt
(§. 216. 129.), das gilt im Allgemeinen auch hier. Jedoch hat
jedes Gewerke ſein Eigenthümliches, ein Umſtand, der hier eine
nähere Erörterung unthunlich macht. Sehr erleichtert iſt das
Anſchlagsgeſchäft durch die Buchführung und durch die Erleich-
terung der Informationen nach den Ausſagen der Verwalter,
Werkmeiſter, Faktoren und Arbeiter, ſowohl über den Umfang
des Geſchäfts als auch über den Rohertrag und die Auslagen1).
Mit Umſatzgewerbs-Lehre bezeichnet man die ſyſtematiſche
Darſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die Rohſtoffe und
[445] Fabrikate manchfacher Art gegen eine Vergütung zum Eigenthume
oder zur Nutzung abgetreten oder übergeben werden, um denjenigen
einen Gewinn zu verſchaffen, die zum Betriebe dieſer Geſchäfte
Güter (Capitalien) aufbewahren. Obſchon ſich ſo dieſe Wiſſenſchaft
in zwei Haupttheile, nämlich in Tauſch- und Leihgewerbslehre,
theilt (§. 42.), ſo hat dennoch die Leztere keine beſondere Literatur
erlangt, ſondern geht mit jener Hand in Hand, da die Kenntniſſe,
welche dieſelbe vorausſetzt, größtentheils weſentliche Theile der
Erſteren oder Handelslehre ſind und das Leihgeſchäft ſelbſt mit dem
Handelsgeſchäfte in Verbindung getrieben werden kann. Man kann
ſich daher füglich hier blos auf den Handel und die Handelslehre
beziehen.
Der Handel, mit Recht für die eigenthümlichſte Erſcheinung
im Leben und Treiben der Menſchen und für das Hauptmittel zur
gegenſeitigen Bildung der Völker erklärt, zeigt ſich ſchon in der
Wiege des Menſchengeſchlechtes im gegenſeitigen Austauſche, der
Beſitzthümer und bezeichnet das im Menſchen liegende Streben nach
allſeitiger Vervollkommnung. So weit die Geſchichte reicht, finden
ſich ſeine Spuren1). Die Phönizier und Karthager erregen
ſchon, nach den wenigen auf uns gekommenen Nachrichten, wegen
ihrer Schifffahrt und ihres Handels unſere Aufmerkſamkeit. Die
Griechen ſind uns als eine Nation bekannt, deren Handels- und
Schifffahrtseinrichtungen den wichtigeren Theil ihrer inneren und
äußeren Staatsverwaltung ausmachten2). Die Römer, welche,
wenn wir ihren Schriftſtellern, die auf uns gekommen ſind, trauen
dürfen3), den Handel im Kleinen ebenſo wie die Griechen für
verächtlich hielten, ſtanden aber doch mit den fernſten Gegenden der
damaligen Welt in ausgedehnter Handelsverbindung im Großen
und es iſt, wenn man nicht hohle Kriegs- und Eroberungsſucht
annehmen will, das Bedürfniß an den Producten der damaligen
Welt wohl eine Haupturſache ihrer Unterjochung der fernſten
Nationen. Jedoch abgeſehen davon, ſo bezeugen die Zolleinkünfte
des römiſchen Staates und die in entfernten Gegenden ſich auf-
haltenden römiſchen Kaufleute4) zur Genüge, daß ſeine Handels-
verbindungen ſehr ausgebreitet waren. Im Mittelalter veran-
laßten die Veränderungen in der Ländereiverfaſſung, der Zuſtand
der Landwirthſchaft, das Kirchen-, Kriegs- und das Ritterweſen
(dieſer charakteriſtiſche Beweis der eigenthümlichen Neigung der
abendländiſchen Völker nach Abentheuern), die Kreutzzüge, die
Geiſtlichkeit und der ſpätere allgemeine Wohlſtand des Bürgers im
ganzen germaniſchen Europa die örtlichen Anfänge und raſche
Ausbildung des Groß- und Kleinhandels mit ſeinen manchfachen
[446] Inſtituten, als da ſind die Börſen- und Waarenhallen, Märkte,
Meſſen, Wechſel u. dgl., welche ſchon durch ihre Exiſtenz die enge
Handelsverbindung zwiſchen den Hauptgebieten von Europa be-
zeugen5). Und die Entdeckung des Gebrauchs der Magnetnadel,
die Entdeckung von Amerika und des Weges um das Vorgebirg
der guten Hoffnung ſind der Beweiſe genug von dem Aufſchwunge
des Handels am Ende des Mittelalters, ſo daß man in die Einzel-
geſchichte des Handels der italieniſchen Freiſtaaten, Portugals,
Spaniens und Hollands hier nicht einmal näher einzugehen braucht.
Wie ſich dann England vom 16ten und beſonders 17ten Jahrhunderte
an bis auf unſere Zeit die Herrſchaft über die Meere angeeignet
hat, und ſeit der franzöſiſchen Revolution die Concurrenz der an-
dern europäiſchen Hauptſtaaten und Amerika's erregte, davon haben
wir die Beweiſe vor Augen.
Aber trotz dieſer reißenden Fortſchritte des Handels, welche
veranlaßten, daß derſelbe vom 16ten Jahrhunderte an das Prinzip
der äußeren Politik angab und ſich ein eigenes ſtaatswirthſchaft-
liches Syſtem nach den Grundſätzen des Handelsbetriebes6) bildete,
iſt doch die Handelslehre, als Wiſſenſchaft, erſt am Ende des 17ten
Jahrhunderts hervorgetreten und verdankt ihre wiſſenſchaftliche
Darſtellung erſt der neueren Zeit, nachdem A. Smith (§. 31.)
und ſeine Schüler in der Lehre vom Reichthume und vom Verkehre
der Völker die Bahn gebrochen haben7). Ihre Hilfswiſſenſchaften
ſind die Naturwiſſenſchaften, Kenntniß neuerer Sprachen,
Mathematik, Geographie, Handels-, Wechſel- und
Seerecht.
Die Umſatz-Gewerbslehre iſt derjenige Theil der Umſatz-
gewerbs-Lehre, welcher die Grundſätze und Regeln darſtellt, wo-
nach man bei den einzelnen Geſchäften des Handels und Leihweſens
zu verfahren hat, ohne an das Zuſammenhalten derſelben in einem
gewinnbringenden Gewerbe zu denken. Sie zerfällt (§. 319.) in
die Tauſchgewerbs- oder Handels- und in die Leihgewerbs-
lehre; wovon eine Jede aus den mehrmals angegebenen Gründen
ſich in einen allgemeinen und beſonderen Theil zertheilt.
Die Handelslehre iſt die Wiſſenſchaft vom Handel, d. h.
von dem des Gewinnes wegen betriebenen Gewerbe der eigenthüm-
lichen Güterübertragung zwiſchen den Hervorbringern und Ge-
brauchern1). Da die allgemeine Handelslehre diejenigen Grund-
ſätze und Regeln entwickelt, welche allen verſchiedenen Handels-
zweigen zugleich angehören, ſo iſt es ſehr natürlich, daß ſie von
den verſchiedenen Gegenſtänden des Handels und ihren Verhältniſſen
handeln muß. Es hat aber bei jedem Handelsgeſchäfte ein Tauſch
Statt, und muß folglich dabei eine Gabe und eine Gegengabe
vorkommen, welche den Gegenſtand des Handels bilden.
Jedes bewegliche ſachliche Gut wird, ſobald es in den Handel
tritt, eine Waare genannt. Es muß alſo ſo vielerlei Waaren
geben, als es in den Handel tretende Güter jener Art gibt. Sie
laſſen ſich unter drei Hauptmaſſen zuſammenfaſſen; die Waaren
ſind entweder Erzeugniſſe des Gewerbsfleißes jeder Art (Waaren
im engeren Sinne) oder Geld, oder ſchriftliche Urkunden, welche
das Verſprechen einer Schuldigkeit oder Zahlung an Geld enthalten.
Unter Waarenlehre1) verſteht man die Lehre von den allge-
meinen Eigenſchaften und Erforderniſſen, welche ein Erzeugniß des
Gewerbsfleißes haben muß, wenn es überhaupt Waare werden
ſoll, und von denjenigen Beziehungen, welche ſich im Allgemeinen
beim Handel an jede Waare knüpfen laſſen. Der Gegenſtand der-
ſelben ſind alſo die qualitativen und quantitativen Verhältniſſe der
Waaren im Allgemeinen.
Die qualitativen Eigenſchaften eines Gewerbserzeugniſſes, um
Waare werden zu können, laſſen ſich am beſten in einem Worte
Baumſtark Encyclopädie. 29
[450] mit Handelswürdigkeit bezeichnen. Damit ein Gut handels-
würdig ſei, iſt erforderlich: a) daß daſſelbe überhaupt zu irgend
einem Zwecke dienlich ſei1); b) daß ein Hinderniß vorhanden ſei,
weßwegen es ſich nicht in Jedermanns Beſitze befindet oder nicht
von Jedermann ohne Mühe und Koſten erlangt werden kann;
c) daß es einen gewiſſen Grad von Dauerhaftigkeit habe; d) daß
es verſendet werden könne2). Denn ohne dieſe Verhältniſſe wird
es ganz unnöthig ſein und keinen Gewinn bringen, dieſe Güter
zu kaufen, um ſie wieder zu verkaufen.
Die quantitativen Beziehungen der Waaren ſind von großer
Wichtigkeit im Handel, und zeigen ſich entweder in der Ausdeh-
nung der Waaren im Raume (Maaß) oder in der Ausfüllung des
Raumes nach der Maſſe (Gewicht). Jene iſt die extenſive,
dieſe die intenſive Seite der Quantitätsbeſtimmung1). Die
hierzu nöthigen Maaße und Gewichte waren früher nicht blos ſehr
ungleich, ſondern auch veränderlich, ohne daß man ein Urmaaß
und Urgewicht gehabt hatte, welches man genau wieder aus irgend
einer Quelle berichtigen könnte. Mit dem Beſitze eines unver-
änderlichen Maaßes für eine Länge mußte man, da nach demſelben
ein Urgewichtsgefäß gefertigt werden könnte, auch eine Gewichts-
einheit erlangt haben. Zur Auffindung eines Urmaaßes wurden
daher am Ende des vorigen Jahrhunderts mehrere Vorſchläge ge-
macht, worunter folgende die bemerkenswertheſten ſind: a) den
Quadranten (¼ Theil) eines Meridiangrades zu meſſen, und
davon icefrac{1}{10000000} = 443,441952 par. Linien = 3 Fußen 11icefrac{3}{10}
[451] Linien als Urmaaß anzunehmen; b) ein Pendel, welches alle Se-
kunden eine Schwingung macht, d. h. ein Sekundenpendel ſeiner
Länge nach zur Maaßeinheit zu nehmen, welches nach Condamine
= 440,57, und nach Borda = 440,56 par. Linien iſt; c) dieſe
beiden Vorſchläge mit einander zu verbinden, entweder indem man
das Pendel für das Urmaaß, aber nicht für die Maaßeinheit zu
nehmen anrieth, oder vorſchlug, nach Auffindung des Urmaaßes
und der Maaßeinheit auf die erſte Methode dieſes als Pendel zu
gebrauchen und ſeine Schwingungen zu unterſuchen. Der Erſte
dieſer Vorſchläge ging in Frankreich durch, wo man das Metre
als Maaßeinheit = 443,441952 par. Linien annahm. Nach Annahme
einer Maaßeinheit kann es keine Schwierigkeiten mehr haben, das
Längen-, Flächen- (Quadrat-) und Körper- (Cubik-)
Maaß zu reguliren, und nach dem Decimal- oder Duodecimal-
ſyſteme einzutheilen2).
Zur Beſtimmung des Gewichtes der Waaren bedient man ſich
der Gewichtsſtöcke (Gewichte) und der Wagen. Die Gewichts-
ſtöcke müſſen ebenfalls von einer Einheit ausgehen und abgetheilt
oder zuſammengeſetzt werden. Die Gewichtseinheit findet man,
wenn man die Maaßeinheit benutzt, um darnach ein cubiſches Ge-
fäß zu fertigen, das man, am beſten mit deſtillirtem Waſſer ange-
füllt, ſeinem Gewichte nach annimmt, und in Frankreich hat man
dazu den Cubus eines icefrac{1}{100} Meter als Gewichtseinheit angenommen
und Gramme genannt. Auch zur Gewichtseintheilung wählt man
Eines der genannten Zahlenſyſteme. Um nun aber das Gewicht
29 *
[452] der Körper beſtimmen zu können, hat man die Wagen1). Man
unterſcheidet das abſolute Gewicht, d. h. den ſenkrechten Druck
der Körper ohne Bedacht auf einen gewiſſen Raum, ſondern der
jedesmal gegebenen Maſſe nach, und das ſpeziviſche Gewicht,
d. h. jenen Druck derſelben unter Vorausſetzung eines beſtimmten
Raumes der Körper und hiernach verglichen mit einem als Einheit
angenommenen anderen Körper, nämlich mit dem Waſſer2).
Begreiflicher Weiſe hat man dazu verſchieden conſtruirte Wagen.
A. Wagen zur Beſtimmung des abſoluten Gewichtes
der Waaren. Ihre Conſtruction und Wirkung beruht auf den
Geſetzen des Hebels3). Es gibt nach den Arten des zweiarmigen
Hebels auch zwei Hauptarten von ſolchen Wagen, nämlich
α) Gleicharmige Wagen, welche der allgemeinen Anſicht nach
aus einem Wagebalken beſtehen, der in ſeinem Mittelpunkte ent-
weder aufgehängt oder von einem Wageſtocke unterſtützt iſt, ſo
daß er ſich nach beiden Seiten bewegen kann, und an deſſen beiden
Enden Wageſchaalen zur Aufnahme des Gewichtes und der
Waaren an Ketten oder Schnüren aufgehängt ſind4). β) Un-
gleicharmige Wagen5), welche von jenen dadurch verſchieden
ſind, daß der Theil des Wagebalkens, an welchem die Waare ge-
hängt wird, viel kürzer iſt als der andere, welcher das Gewicht
hält, und daß man dazu nur ein Gewicht nöthig hat, während
bei jener ganze Gewichtsſtöcke gebraucht werden6). Man hat in-
deſſen, beſonders zur Meſſung thieriſcher Kräfte, noch andere
Inſtrumente, welche man auch Wagen nennt7).
B. Wagen zur Beſtimmung des ſpeziviſchen Gewich-
tes der Waaren. Sie dienen zum Wägen ſolcher Körper, deren
Güte zugleich von dem ſpeziviſchen Gewichte abhängt8). Man hat
wieder zu unterſcheiden: α) hydroſtatiſche Wagen, d. h. ſehr
empfindliche Wagen obiger Conſtruktion, deren Wageſchaalen unten
mit Häckchen zum Einhängen der feſten Körper verſehen ſind, und
deren Wagebalken durch irgend eine Vorrichtung nach dem her-
geſtellten Gleichgewichte zwiſchen Körper und Gewicht geſenkt wer-
den kann9); β) Aräometer oder Senkwagen10), d. h. ſchwim-
mende Körper von Blech oder Glas, nach deren größerem oder
geringerem Einſinken von einer Flüſſigkeit das ſpeziviſche Gewicht
beſtimmt werden kann. Man unterſcheidet zwei Arten von Aräo-
metern, nämlich die Spindeln11), d. h. Senkwagen mit Skalen
zur gradweiſen Erkennung des Einſinkens, und Hydrometer12),
d. h. Senkwagen, mit veränderlichem Gewichte und ohne Skale.
Die Waarenkunde iſt die Kenntniß von den verſchiedenen
Waaren ſelbſt nach allen Beziehungen, welche für den Handels-
mann von Wichtigkeit und Intereſſe ſind. Sie betrifft entweder
die qualitativen Verhältniſſe der Waaren und wird dann eigentlich
Waarenkunde genannt (§. 269.), oder die Maaße und Gewichte
der verſchiedenen Länder, und heißt dann Maaß- und Gewichts-
kunde1).
Das Geld (von gelten) iſt ein äußeres körperliches Gut,
welches im Verkehre (§. 37.) als allgemeiner Gleich- und Gegen-
werth für Güter und Leiſtungen angenommen und gegeben wird,
alſo umläuft. Die Geldlehre iſt die Wiſſenſchaft von den qualita-
tiven und quantitativen Verhältniſſen des Geldes im Allgemeinen1).
Aus dem Zwecke und Gebrauche des Geldes geht hervor, daß
es durchaus nicht gleichgiltig iſt, aus was für einem Stoffe das-
ſelbe beſteht. Die extenſiven, d. h. dem Geldkörper als ſolchem
angehörenden Eigenſchaften, nämlich wirkliche Sachlichkeit, Dauer-
haftigkeit, leichte Theil- und Vereinbarkeit, und die intenſiven,
d. h. dem Geldgute nach ſeinem Range unter den ſachlichen Gü-
tern, nach ſeinem Verhältniſſe zum Menſchen und Verkehre zukom-
menden Eigenſchaften, nämlich wirklicher hoher Werth, allgemeines
Anerkanntſein deſſelben, Handelswürdigkeit und Gleichförmigkeit
im Preiſe, ſind es, warum alle civiliſirten Völker die Metalle
als Geldſtoff brauchen1). Da man aber außerdem in manchen
Ländern auch noch Papier zu Geld genommen hat, ſo unterſchei-
det man das Metallgeld vom Papiergelde.
Die Geldmünze1) oder das Metallgeld iſt von verſchiedener
Art. Man unterſcheidet die wirklichen, d. h. aus einem Metalle
geprägten noch umlaufenden Münzen2) und die Rechnungs-
münzen, d. h. nicht wirklich curſirenden, ſondern nur idealiſch in
Rechnungen gebrauchten Geldmünzen3). Eigentliches Metallgeld
iſt nur die wirkliche Münze4) und dieſes bietet bei ſeiner Betrach-
tung folgende zwei Hauptſeiten dar: 1) Den inneren Gehalt.
[457] Das Metallgeld beſteht aus Platina, Gold, Silber oder Kupfer,
mehr oder weniger in reinem Zuſtande. Gold und Silber ſind
aber die Hauptmünzmetalle, und ihr Werth und Preis ſteht nach
den natürlichen Productionsverhältniſſen, nach dem Handelsgange
und nach ſtaatsgeſetzlichen Beſtimmungen in verſchiedenen Verhält-
niſſen5). Obſchon, was die Aufſtellung eines geſetzlichen Werths-
verhältniſſes dieſer Metalle anbelangt, die Münzgeſetzgebung noch
vielfach im Widerſpruche mit den Verkehrsprinzipien iſt6), ſo müſſen
die Staatsgeſetze dennoch über das Verhältniß der Münzen gegen
einander, nämlich über die Miſchung des Münzmetalls mit einem
andern Metallzuſatze und über den Gehalt und Werth der verſchie-
denen Geldmünzen gegen einander Beſtimmungen geben. Die Ge-
ſammtheit dieſer geſetzlichen Anordnungen heißt man Münzfuß.
Dieſer verfügt alſo außer den bereits oben (§. 290. N. 2.) ange-
führten Punkten, welche die Münzung betreffen7), noch über die
Würdigung (Werthsbeſtimmung, Valvation) der Münzen ver-
ſchiedener Gattung8) und über die Währung, d. h. die Anzahl
von geringeren Münzſorten, welche nach dem Geſetze den eigent-
lichen Werth eines Stückes höherer Sorte eines und deſſelben
Münzfußes ausmachen9). 2) Die äußere Form. Man muß
hier wieder die eigentliche Geſtalt in Bezug auf die Ausdehnung
im Raume, und das Gepräge, d. h. die Geſammtheit der auf
einer Münze gegebenen Abzeichen unterſcheiden10).
Unter Papiergeld1) verſteht man Papiere, welche mit Zei-
chen verſchiedener Art verſehen ſind, die ihnen die gehörige Sicher-
heit und Bequemlichkeit geben, um im Verkehre das Metallgeld
beim gewöhnlichen Gebrauche vertreten zu können2). Nicht durch
die Uebereinſtimmung ſeiner Eigenſchaften mit jenen des Geld-
materials, ſondern dadurch hat und behält es ſeinen Umlauf, daß
ihm ein an ſich werthvoller Gütervorrath zur Grundlage gegeben
iſt, durch welchen der Papiergeldinhaber die Sicherheit erhält,
auf Verlangen ſogleich den Werth des Papiergeldſtücks in wirk-
lichem guten Metallgelde von Ausgeber des Papiergeldes ohne Abzug
in Empfang nehmen zu können3). Solches Papiergeld kann
emittiren (ausgeben), wer überhaupt in Bezug auf Perſon und
[460] Vermögen das gehörige Zutrauen beſitzt und die erforderliche Bürg-
ſchaft für die Einlöſung (Honorirung) des Papiergeldes auf jedes-
maliges Verlangen der Beſitzer leiſtet. Gibt es der Staat aus,
dann heißt es Staatspapiergeld (Papiergeld im gewöhnlichen
Sinne); geben aber Privaten, die dazu geſetzlich berechtigt
ſind, daſſelbe aus, dann heißt man es Privatpapiergeld4).
Zur Emiſſion des Lezteren vereinigen ſich in der Regel einzelne
Capitaliſten in Geſellſchaften. Man nennt die Papierzeichen, welche
ſie ausgeben, Noten (Zettel, Banknoten) und die Anſtalt ſelbſt
Zettel- (Noten-) Bank.
Unter einer Bank1) verſteht man eine Anſtalt des Handels,
geſtiftet vom Staate oder von Privaten, in welche gewiſſe Münz-
[461] ſummen zuſammengeſchoſſen und -gehalten werden, um dadurch ein
leichteres Zahlungsmittel, als ſelbſt das Metallgeld iſt, zu begrün-
den und zu garantiren. Eine Bank, welche als ſolches leichteres
Zahlmittel Noten oder Zettel ausgibt, heißt Notenbank. Zur
Gründung einer ſolchen Anſtalt werden Privaten ſich nur geſell-
ſchaftlich vereinigen, wenn ſie aus der Anwendung ihrer Geld-
capitalien Vortheile beziehen können. Dieſer Vortheil entſpringt
aus dem Zutrauen, welches die Bank genießt und kraft deſſen die-
ſelbe mehr Zettel in Umlauf ſetzen kann und darf, als ſie beſtändig
baares Geld in der Kaſſe vorräthig hat2). Es entſteht ſo ein
Ueberſchuß an Geldcapital, welcher zu anderen einträglichen Ge-
ſchäften verwendet werden kann3). Bei dieſen ſämmtlichen
Operationen der Notenbanken iſt aber eine große Behutſamkeit
nöthig, und ſie müſſen immer von dem Hauptgrundſatze ausgehen,
daß ſie ihre Kaſſe ſtets im Stande behalten, um die einlaufenden
Banknoten honoriren und überhaupt alle eingegangenen Baargeld-
verbindlichkeiten pünktlich erfüllen zu können. Es dürfen daher
1) nur ſolche Operationen vorgenommen werden, wodurch ſie im-
mer leicht in den Beſitz der erforderlichen Baarſchaft geſetzt werden
können und nicht von Verluſten bedroht ſind; 2) ſie dürfen im
Ausgeben von Banknoten nicht ſo weit gehen, daß dadurch das
Zutrauen erſchüttert und derſelben Verlegenheiten bereitet werden;
3) ſie müſſen Alles anwenden, um die zuſtrömenden Noten zu
honoriren; und 4) ſie müſſen die ſchleunigſten Mittel aufſuchen
und anwenden, um das Zutrauen wieder herzuſtellen, wenn es
einmal geſunken ſein ſollte.
Unter Geldkunde verſteht man die Kenntniß der verſchie-
denen Arten des Geldes und der einzelnen beſondern Geldſtücke,
welche es zur Zeit in den Staaten gibt, die mit einander im Ver-
kehre ſtehen, mit Angabe ihrer gegenſeitigen Preis- und Werths-
verhältniſſe. Sie muß daher in zwei Hauptabſchnitte, nämlich die
Metall- und Papiergeldkunde zerfallen.
Sie heißt im gewöhnlichen Leben Münzkunde, obſchon dieſes
Wort mehr bezeichnet, als obiges1). Wenn ſie Vollſtändiges lie-
fern ſoll, ſo muß ſie folgendes enthalten: a) eine Darſtellung der
verſchiedenen Münzfüße, welche ehedem gebräuchlich waren und es
noch ſind2; b) eine Beſchreibung und Berechnung aller gangbaren
Geld- und Rechnungsmünzen, wobei alſo die Angabe des Metalls,
aus dem ſie beſtehen, des Schrotes, Feingehaltes, des Korns, der
Stückelung, des geſetzlichen Werthes und des Werthes in andern
Münzfüßen nicht fehlen darf.
Sie iſt die Kenntniß der verſchiedenen Arten des im Verkehre
vorkommenden Papiergeldes, ſei es vom Staate oder von Noten-
banken emittirt. Da die Darſtellung der Papiergeldarten nicht
gründlich geſchehen kann, ohne die Verhältniſſe der daſſelbe aus-
gebenden Anſtalten zu erörtern, ſo iſt die Papiergeldkunde zugleich
die Geſchichte und Statiſtik der beſtehenden Staats- und
Privatnotenbanken1).
Die Effecten (Verſchreibungen) ſind Schuldurkunden,
welche nicht als Umlaufsmittel wie das Papiergeld1), ſondern
blos als für Geld käufliche und verkäufliche Waaren umlaufen.
Die Effectenlehre iſt die Wiſſenſchaft von den qualitativen und
quantitativen Verhältniſſen der Verſchreibungen. Die Verſchrei-
bungen ſind entweder ſolche, welche die Schuld und Zinspflichtig-
keit des Ausſtellers ausſprechen, oder ſolche, welche keine Zins-
pflichtigkeit, aber die Schuld des Ausſtellers und in der Regel
einen Zahlungsauftrag an einen Andern ausdrücken2).
Die im vorigen §. genannten Zinsverſchreibungen ſind aus-
gegangen:
a) Entweder von Privatleuten, verſchiedenen Vermögens und
Ranges, und heißen dann Privatſchuldbriefe (Privatobli-
gationen). Sie ſind entweder Pfandurkunden oder Hand-
ſchriften (Schuldſcheine), jenes wenn für die Schuld eine
Hypotheke ausgeſetzt, dieſes wenn keine ſolche gegeben iſt1).
b) Oder von einer Geſellſchaft, welche ihr Kapital an die
einzelnen Mitglieder ſchuldet und heißen dann Actien (Antheil-
ſcheine). Zum Behufe irgend einer Unternehmung, welche großen
Capitalſtock erheiſcht, z. B. zu Banken, Kanalbauten, Eiſen-
bahnen ꝛc. wird eine Geſellſchaft geſtiftet, welche das erforderliche
Capital in eine beſtimmte Anzahl gleicher Theile abtheilt, und,
wer Luſt zur Theilnahme haben ſollte, eingeladen. Wer eintritt,
der hinterlegt in den Fonds derſelben einen oder mehrere ſolcher
gleichen Summen (Miſen) baar und erhält für jeden einen An-
theilſchein, in der Regel gegen die gleichmäßige Verpflichtung,
ſeine Capitalſumme der Geſellſchaft nicht aufzukündigen, wogegen
dem Verbündeten (Actionnair) der Verkauf ſeiner Actie frei-
ſteht, damit er nicht immer als Actionnair gebunden zu ſein
braucht. Wer ſie kauft, tritt auch in des früheren Beſitzers
Rechtsverhältniß zur Geſellſchaft, worunter hauptſächlich ſein
Anſpruch auf den entſprechenden Theil der geſellſchaftlichen Capi-
talſtocks und auf den beſtimmten Theil (die Dividende) des
Gewinnſtes gehört, anderſeits aber auch der entſprechende Theil
an dem ſich ergebenden Verluſte gerechnet werden muß2). Andere
Rechte ſind aber z. B. die Theilnahme an der Verwaltung des
Vermögens und Geſchäftes, Wahlfähigkeit zu Beamtenſtellen der
Geſellſchaft u. ſ. w.
Die Zinsverſchreibungen können auch ausgegangen ſein:
c) Von Gemeinden und heißen dann Gemeindeobligationen.
Sie ſind entweder Obligationen von Landgemeinden oder Stadt-
obligationen. Jene haben ſo wie die Obligationen kleinerer und
mittlerer Städte das Meiſte mit den Privatobligationen gemein.
Die Obligationen großer Städte, wie z. B. Wiener, Pariſer,
Londoner Stadtobligationen, dagegen haben meiſtens die Formen
von Staatsobligationen.
d) Oder von Staaten und heißen dann Staatsobligationen
St. Schuldſcheine, St. Papiere, franz. fonds publics, effets
publics, engl. stocks)1).
A. Arten der Staatsobligationen2). Dieſelben ſind
verſchieden nach der Art der Anleihen. Hiervon aber hat man
folgende:
1) gegenſeitig aufkündbare, mit landüblichen Zinſen und getrenn-
ter Tilgung und Verzinſung;
2) gegenſeitig unaufkündbare, unter dieſen aber wieder
a) ſolche, deren Tilgung und Verzinſung vertragsmäßig
beſtimmt und außerhalb der Willkühr der Contrahenten
geſetzt iſt, nämlich:
α) entweder Anleihen mit feſten Tilgterminen, ge-
trennt von der Verzinſung,
β) oder Anleihen mit feſten Tilgterminen, verſchmol-
zen mit der Verzinſung (Zeit-, Leibrenten, Ton-
tinen, Lotterieanleihen)3);
b) ſolche, deren Verzinſung in jährlichen Renten beſteht
und deren Tilgung blos durch Aufkauf aus dem freien
Verkehre Statt findet (immerwährende Renten)4);
3) einſeitig vom Staate aufkündbare (auch Renten genannt)5).
B. Negociation und Formen der Staatsanleihen
und Obligationen. Die Staatsanleihen werden entweder auf
Subſcription oder auf dem Wege der eigentlichen Negoziirung ver-
wirklicht, in welchem lezteren Falle der Staat die vortheilhafteſten
Anerbietungen annimmt. Die Obligationen lauten aber entweder
auf den Inhaber oder auf namentlich angeführte Perſonen. Im
lezteren Falle heißen ſie Inſcriptionen, weil ſie nämlich ſämmt-
lich in einem großen Buche aufgeſchrieben ſind, und jedesmal auf
einen anderen Beſitzer in demſelben umgeſchrieben werden, wenn
ſie an eine andere Perſon abgetreten werden. Zur Erleichterung
der Ueberſicht, der Zins- und Tilgoperationen, und aus polizei-
lichen Rückſichten werden ſämmtliche Obligationen eines Anleihens
in Reihen (Serien) und dieſe in einzelne Nummern abgetheilt.
C. Verzinſung und Tilgung der Staatsanleihen.
Die Zinſen der Staatsſchuld werden terminweiſe erhoben, und man
kann ſich zuweilen und in manchen Staaten auch an andern Plätzen
als in der Hauptſtadt, wo die Tilg- und Zinskaſſe iſt, ausbezahlen
laſſen. Bei jeder Zinszahlung gibt man eine von den Quittungen
(Coupons), welche den Obligationen beigegeben werden, hin, und
ſie werden erneuert, wenn ſie alle abgegeben ſind, ohne daß das
Anleihen anheim bezahlt wurde. Zuweilen erlaubt ſich ein oder der
andere Staat mit Einwilligung der Gläubiger eine Herabſetzung
der Zinſen (Zinſenreduction). Zur Anheimzahlung der Schul-
den haben die Staaten außerordentliche und ordentliche Quellen.
Die lezteren ſind planmäßig berechnet und bilden die Grundlage
der Tilgplane, wozu eigene Tilg- oder Amortiſationskaſſen
eingerichtet und beſonders verwaltet werden. Die Tilgung geſchieht
entweder in beſtimmten voraus ſtipulirten Terminen oder, wo dieſe
nicht einberaumt ſind, wie z. B. bei den immerwährenden Renten,
in der Art, daß die Tilgkaſſe durch Commiſſaire aus freier Hand
Aufkäufe an Obligationen macht. Im erſten Falle werden die
anheim zu bezahlenden Obligationen durch das Loos beſtimmt.
Die Ziehung, welche nach Serien und Nummern geſchieht, geht
der Zahlung immer einige Monate vorher.
Unter Wechſel (franz. Lettre de Change, ital. Cambio,
engl. Bill of Exchange) verſteht man eine, den Namen Wechſel
ausdrücklich führende und darum unter beſondere Rechts- und
Prozeßgeſetze geſtellte ſchriftliche unverzinsliche Urkunde, welche
die von Jemanden übernommene Verbindlichkeit ausgedrückt ent-
hält, zu einer gewiſſen Zeit an beſtimmten oder unbeſtimmten Orte
eine Geldſumme ſelbſt oder durch einen Anderen an eine zweite
Perſon auszubezahlen1). Das Wechſelinſtitut an ſich bietet fol-
gende Hauptmomente der Betrachtung:
A. Entſtehung des Wechſels. Er verdankt ſie den mit
ihm verbundenen manchfachen Vortheilen im Handel und Verkehre,
nämlich nicht blos als Erleichterungsmittel der Zahlungen, als
Mittel zur ſchleunigen Benutzung des Kredits, als Urkunde von
der größten Sicherheit im Handel, und als Gegenſtand eines ge-
winnreichen Handels, ſondern auch wegen ſeiner Bequemlichkeit,
für jeden Reiſenden2).
B. Perſonen des Wechſels. Es kommen im Wechſel drei
Perſonen vor, nämlich der Wechſelausſteller (Zieher, Traſſant,
Tireur), der Wechſelkäufer (Inhaber, porteur, beziehungs-
weiſe auch Remittent, Präſentant) und der Wechſelzahler (Be-
zogene, Traſſat, beziehungsweiſe auch Acceptant)3).
C. Erforderniſſe und Umlauf des Wechſels. Der
Wechſel ändert ſeine Geſtalt nach den verſchiedenen Stadien ſeines
Umlaufes, und die ſich einſtellenden Erforderniſſe ſind, weil von
ihnen ſeine Rechtsgiltigkeit abhängt, von äußerſter Wichtigkeit.
Man unterſcheidet am beſten folgende Stadien des Umlaufs:
α) wann ihn der Ausſteller übergibt4); β) wann er von der Hand
eines Käufers in die des anderen übergeht5); γ) wann er beim
Bezogenen präſentirt wird6); δ) wann er vom Bezogenen bezahlt
(honorirt) wird7).
D. Arten des Wechſels. Die Wechſel ſind verſchiedener
Art: α) je nach den darin genannten Perſonen8); β) nach der
Zeit, wann ſie bezahlt werden müſſen9); γ) nach der Uebernahme
derſelben10); δ) nach der merkantiliſchen Urſache der Zahlungs-
pflicht des Bezogenen11); ε) nach dem Orte der Fälligkeit der Zah-
lung12); ζ) und nach der Menge der ausgeſtellten Exemplarien13).
E. Aechtheit und Verfälſchung des Wechſels. Man
unterſcheidet die ächten, falſchen, d. h. ſchon falſch ausgeſtellten,
und die verfälſchten, d. h. während ihres Umlaufs trügeriſch
veränderten Wechſel14).
Unter Anweiſung (Aſſignation) verſteht man eine den Namen
Anweiſung, aber nicht Wechſel, führende Urkunde von der
übrigen Form eines Wechſels1).
Aber Handelsbillets ſind Scheine zwiſchen Handelsleuten,
worin die durch einen Kauf zugezogene Schuldſumme von dem
Käufer anerkannt und die Zahlung nach Ablauf einer Friſt (nöthi-
genfalls unter Wechſelſtrenge) verſprochen wird. Sie verdanken
ihre Entſtehung dem Handel, ſind aber jetzt auch ohne Handels-
geſchäft und unter Nichthandelsleuten gebräuchlich2). Es gibt
deren in Deutſchland3), Frankreich4) und England5) verſchiedene
Arten, und es iſt überhaupt in jedem Lande die beſondere Geſetz-
gebung darüber zu ſtudiren.
Die Effectenkunde iſt die Kenntniß von den verſchiedenen
Arten und Verhältniſſen der aufgeführten Verſchreibungen in den
[471] verſchiedenen Ländern. Sie muß, wenn ſie vollſtändig ſein ſoll,
nicht blos die verſchiedenen Verhältniſſe der Actiengeſellſchaften
und Actien, Staatsſchuldverhältniſſe und Staatsobligationen, wech-
ſelgeſetzlichen und wechſelgebräuchlichen Verhältniſſe der Länder,
ſondern auch diejenigen Privat- und Gemeindeobligationen und
Actien aufzählen und ihren Verhältniſſen nach erklären, welche im
Handel vorkommen1).
Die Gegengabe im Handel iſt nichts als der Handelspreis (§. 56-
61.). Derſelbe richtet ſich nicht blos nach den Regulatoren des Preiſes
im Allgemeinen, ſondern iſt auch ebenſo verſchiedener Art als die Han-
delsobjecte. Insbeſondere werden, obſchon das Geld das allgemeine
Handelsmittel iſt, die Preiſe nicht immer in Geld bezahlt. Viel-
mehr je ausgedehnter das Handelsgeſchäft iſt, um ſo weniger ge-
ſchehen die Zahlungen zwiſchen den Handelsleuten ſelbſt unmittelbar
in Baarem. Deshalb iſt es unrichtig und hat ſchon viele falſche
Schlüſſe verurſacht, wenn man bei dem Ausdrucke Preis blos
einen Geldpreis dachte. Der Preis der Waaren muß übrigens,
wenn ſie aus der Hand des Kaufmannes bezogen werden, beſtehen:
a) aus dem Einkaufspreiſe, den derſelbe ausgelegt hat; b) aus
den Handelsunkoſten verſchiedener Art; c) aus den Zinſen des im
Waarenpreiſe vorausgelegten Capitals; d) aus dem die Waare
betreffenden Antheile an dem Zinſe des ganzen allgemeinen Hand-
lungskapitals, und e) aus dem entſprechenden Theile des Gewerbs-
gewinnes des Handlungsunternehmers.
Entweder wird der Preis der Waaren ſogleich nach Empfang
derſelben in den üblichen Umlaufsmitteln bezahlt oder die Zahlung
wird mit Einverſtändniß des Verkäufers hinausgeſchoben oder ſie
geſchieht durch gegenſeitige Abgleichung von Forderungen und
[472] Schuldigkeiten, oder endlich ſie geſchieht durch Umſchreiben in
einem gemeinſchaftlichen Buche unter Zugrundelegung eines baaren
gemeinſchaftlichen Fonds.
Die Bezahlung geſchieht entweder vor, oder zur, oder nach
der Zeit der Fälligkeit, wie ſie im Handel angenommen iſt. Der
erſte Fall geſtattet dem Zahler einen Zinſenabzug für die Zeit,
um welche er zu frühe bezahlt. Dieſer Zinſenabzug heißt Rabatt
oder Disconto1). Der lezte Fall aber berechtigt den Empfänger
zu einer Zinsforderung für die Zeit, um welche zu ſpät bezahlt
worden iſt. Der Schuldner macht ſeine Zahlung ſelbſt oder durch
einen Commiſſionär; ebenſo kann ſie auch der Gläubiger in Em-
pfang nehmen laſſen. Der Commiſſionär braucht dazu eine Voll-
macht, wenn er nicht durch Anweiſung, Wechſel oder Billet dazu
autoriſirt iſt. Auf die geleiſtete Zahlung erfolgt eine Quittung.
Die Verſchiebung der Zahlung ſetzt den Kredit voraus, d. h.
das Zutrauen auf den Willen und das Vermögen des Schuldners
eine freiwillig eingegangene Verpflichtung oder verſprochene Leiſtung
zu erfüllen1). Der Geldkredit iſt nur eine beſondere Art des-
ſelben, und der Handelskredit iſt jenes hohe Zutrauen der Han-
delsleute unter einander in Bezug auf alle Verſprechungen, Lei-
ſtungen und Geſchäfte, welches dem Handel eigenthümlich iſt und
als lezte Grundlage dient. Der Kredit iſt entweder perſönlicher
(auf den Willen) oder hypothekariſcher (auf ausgeſetztes Ver-
mögen). Deshalb unterſcheidet man auch chirographiſche (hand-
ſchriftliche, Buch-, Current-) und hypothekariſche Schulden2).
[473] Jene Schulden ſind im Handel gewöhnlich unter den Kaufleuten
bis zur Abrechnung und ſie beruhen auf dem kaufmänniſchen Kre-
dite. Dem Handelsmanne muß daher viel an deſſen Erhaltung
gelegen ſein und er findet die Mittel dazu in der pünktlichen
Führung ſeiner Handlung, in ſoliden Geſchäften und Geſchäfts-
verbindungen, ſo wie durch genaue Erfüllung ſeiner Verbindlich-
keiten3). Es werden für die Buchſchulden im Handel keine Zinſen
bezahlt, aber für die anderen.
Es werden viele Baarzahlungen erſpart, wenn man gegenſeitig
im Handel die Schulden und Forderungen abgleichen kann. Denn
es bedarf in dieſem Falle höchſtens der Zahlung des Schuldreſtes.
Es treten, da man im Handel dieſes Mittel benutzt, hauptſächlich
zwei Fälle ein, nämlich a) das Compenſiren (Abrechnen, Ab-
gleichen), wenn zwei Handelsfreunde ihre gegenſeitigen Forderun-
gen, jeder ſeinerſeits zuſammenrechnen, dann gegenſeitig aufheben
und einen etwaigen Reſt ausbezahlen; b) das Scontriren(Ris-
contro, Contrapoſition, Ueberweiſung, Viremens), wenn eine
ſolche, aber natürlicherweiſe complizirtere, Abrechnung unter meh-
reren Handelsfreunden geſchieht, welche gegenſeitig im Schuldner-
und Gläubigerverhältniſſe ſtehen1).
Man verſteht unter den Girobanken1) Bankanſtalten, wobei
einzelne Theilnehmer Metallgeldſummen in vollwichtigen inländiſchen
Münzen, oder Barren oder ausländiſche Goldſtücke gleich Barren
gerechnet in einer gemeinſchaftlichen Kaſſe aufbewahren, mit dem
Zwecke, die Zahlungen anſtatt in Baarſchaft, durch bloßes Ab-
und Zuſchreiben in dazu beſtimmten Rechnungsbüchern zu machen.
[474] Das Weſentliche iſt alſo die Aufbewahrung und Unveränderlichkeit
der Geldmünzen und Barren. Obſchon ſie von den Zettelbanken
(§. 330.) weſentlich verſchieden ſind, ſo findet doch auf ſie die
allgemeine Anſicht der Banken Anwendung. Die Entbehrlichkeit
der Baarzahlungen, die Sicherheit der Münzen gegen Verſchlech-
terung, der höhere Werth des Bankgeldes2) gegen das Courant-
geld, und der aus dieſen Umſtänden entſtehende Gewinn3) für die
Bankglieder hat ihre Entſtehung veranlaßt4). Sind ſie nun
ſchon in allen bisher erwähnten Beziehungen ganz von den Zettel-
banken verſchieden, ſo ſind ſie es nicht weniger in Bezug auf ihre
Verfaſſung. Denn jedes Mitglied bekommt für ſeine Einlage
(Mise) keine Actie, ſondern in dem großen Bankbuche ein Folio
zur Aufzeichnung der Einlage, der Ab- und der Zuſchreibungen
eröffnet; die Umſchreibung, beziehungsweiſe die Zahlung, geſchieht
nur auf perſönlichen Conſens des Eigenthümers; die Bankgeſell-
ſchaft iſt eine geſchloſſene, welche Gewinn und Verluſt unter ſich
theilt, während bei Zettelbanken die Actien- und Noteninhaber
verſchiedene Intereſſen und Rechte haben5). Weil das Element
der Girobank die Unveränderlichkeit und Bereithaltung des Bank-
fonds iſt, ſo entſprechen ihrem Weſen auch keine anderen Opera-
tionen, als das Umſchreiben (Giriren) und das Deponiren und
Verwahren von Depoſiten, weßhalb ſie auch Depoſitobanken heißen6).
Und die oberſten Grundſätze ihrer Politik ſind die Unverletzlichkeit
der Depoſiten, Bewahrung eines ſtetigen Werthes und Curſes des
Bankgeldes und durchgreifende ſtrenge Geſchäftscontrole7).
Die beſondere Handelslehre gibt einen ſyſtematiſchen Un-
terricht von den verſchiedenen Arten des Handels. Es gibt zwar
eine große Anzahl von verſchiedenen Handlungsunternehmungen,
allein ſie laſſen ſich dennoch ſehr leicht nach den Objecten, Sub-
jecten und Wegen, auf welchen ſie betrieben werden, logiſch
ordnen.
Der Waarenhandel iſt der Handel mit Waaren (§. 320. a.) im
Gegenſatze des Geldes und der Effecten. Die Anzahl der Unter-
arten iſt außerordentlich groß; ſo daß hier eine Darſtellung derſel-
ben nicht wohl thunlich, ſelbſt wenn ſie auch meiſtens, wie nicht
der Fall iſt, einen wiſſenſchaftlichen Charakter hätten. Er kann
im Allgemeinen nur ein Handel mit Urerzeugniſſen und Kunſt-
erzeugniſſen ſein. Die Manchfaltigkeit dieſer beiden iſt aber er-
ſtaunlich groß1).
Mit Geldhandel bezeichnet man das Eintauſchen einer Geld-
ſorte gegen eine andere und das Vertauſchen der Lezteren gegen
[476] eine dritte des Gewinnes willen. Das Geld iſt dabei Waare und
Tauſchmittel1). Wer dieſen Handel treibt, heißt in der Regel
Banker(Banquier) und muß die genaueſten Kenntniſſe in der
Geldlehre und Geldkunde haben. Das Geld hat als Waare auch
ſeinen Preis, man nennt ihn nur Curs. Derſelbe richtet ſich nach
den oben (§. 58. und 59.) angegebenen Preisregulatoren, nur in
beſonderer Anwendung auf die Geldſorten und folglich nach allen
in der Geldſorte und in der Außenwelt gegebenen Umſtänden,
welche auf jene Preisregulatoren von Einfluß ſind. Man erfährt
den Geldcurs aus den Geldcurszetteln, d. h. aus gedruckten
obrigkeitlich beglaubigten Anzeigen über denſelben an einem Han-
delsplatze. Um dieſe zu verſtehen, muß man die unveränderliche
und die veränderliche Valuta unterſcheiden und jene zum
Voraus ſchon kennen. Jene iſt der Geldwerth, nach der üblichen
Währung ausgedrückt, nach welchem, da er ſtets gleich bleibt, die
Summe Geldes einer anderen Währung, um die man jenen Geld-
werth kaufen kann, bemeſſen wird. Die veränderliche Valuta iſt
dieſe leztere Geldſumme einer anderen Währung, die alſo nach
obigen Regulatoren Abweichungen erleidet. Blos dieſe Leztere wird
im Curszettel angezeigt, die Erſtere muß ſupplirt werden und iſt
auch in den verſchiedenen Handelsplätzen verſchieden2). Die Werth-
und Preisgleichheit zweier Münzſorten heißt Pari; ſind ſie wirklich
gleich, ſo ſagt man, ſie ſtehen al Pari, im andern Falle aber,
entweder die Eine ſtehe über, oder ſie ſtehe unter Pari3). In
dieſen Fällen findet im Handel auch das Agio und der Disconto
Statt (§. 345. Note 2.).
Der Actienhandel1) iſt diejenige Art des Effectenhandels,
wobei man Actien gegen andere Effecten oder Geld eintauſcht oder
[477] einkauft, um ſie wieder mit Gewinn abzuſetzen. Er entſtand im
17ten Jahrhunderte, als die Handelscompagnien einen ſehr hohen
Schwung hatten und für das wichtigſte Mittel zu ungeheuerer
Bereicherung angeſehen wurden. Der Gewinn beim Actienhandel
hängt, ſo wie der Verluſt, von denjenigen Umſtänden ab, welche
Schwankungen im Curſe der Actien zur Folge haben. Der Curs
der Actien richtet ſich aber nach den allgemeinen Preisregulatoren
(§. 58. u. 59.), nur ſind es mehrere Umſtände, welche das Urtheil
über jene Preisregulatoren beſtimmen, namentlich iſt es der Werth
der Actien, welcher nach vielen Verhältniſſen und Ereigniſſen ver-
ſchiedenes Fallen und Steigen erleidet und daſſelbe im Curſe her-
vorbringt2). Um den Curs aber beurtheilen zu können, muß man
den Nominalwerth, d. h. diejenige Summe kennen, auf welche
die Actie lautet. Nach dieſer wird der Stand al Pari, über und
unter Pari beſtimmt3). Die Curszettel machen denſelben unter
Vorausſetzung des Nominalwerthes bekannt. Die Handelsge-
ſchäfte mit Actien ſind übrigens dieſelben wie im Staatspapier-
handel (§. 349.).
Der Staatspapierhändler1) kauft Staatspapiere ein, und
wartet einen günſtigen Moment ab, um ſie wieder mit Vortheil
[478] verkaufen zu können. Es iſt indeſſen das Weſen des Staatspapier-
handels ſo umgekehrt worden, daß wohl bei weitem die größere
Anzahl der Handelsgeſchäfte bloße Spiele ſind, bei welchen nicht
an die reelle Lieferung der Papiere ſelbſt gedacht wird. Der
Staatspapierhandel iſt eigentlich eine bloße Uebertragung der Actien-
geſchäfte auf die Staatspapiere. Aber weil dieſe weit mehr Zu-
fälligkeiten darbieten, als die Actien, ſo iſt auch der Staatspapier-
handel mehr ausgebildet. Aller Gewinnſt und Verluſt hängt auch
hier von dem Curſe ab. Dieſer aber iſt ebenfalls nach den allge-
meinen Preisregulatoren zu bemeſſen (§. 58. und 59.). Auch hier
iſt, wie bei den Actien, der Werth, als Preisregulator, am
ſchwierigſten zu ermeſſen2). Aber zum Verſtändniſſe der Curs-
zettel muß man außer dem Nominalwerthe der Staatspapiere,
d. h. der Summe, auf welche ſie lauten, auch noch bei den Renten
den Realwerth bei der Negociation des Anleihens, d. h. diejenige
Summe kennen, welche von dem Uebernehmer des Anleihens an
den Staat für die Papiere bezahlt worden iſt. Das Pari, das
über und unter Pari kann nach dieſen beiden Sätzen berechnet
werden. Dieſer Cursſtand rührt aber bei Staatspapieren eben ſo
wenig, als bei Actien, immer von reellen Urſachen her, ſondern
iſt vielfach eine Folge der Operationen der Händler, welche in
ihren Geſchäften Alles aufbieten, um den Curs für ſich zu lenken.
Dies wird aber erſt an den verſchiedenen Geſchäften mit Staats-
papieren (auch mit Actien) klar. Man unterſcheidet nämlich
eigentliche 1) Kaufgeſchäfte, wobei ein wirklicher oder fingirter
Kauf oder Tauſch vorgeht3), 2) Verſatzgeſchäfte, wobei
Staatspapiere gegen Darleihen auf beſtimmte Zeit in Pfand gege-
ben werden, 3) Aſſecuranzgeſchäfte, wobei man ſich von einem
Anderen gegen eine Vergütung die Verſicherung geben läßt, daß
er, wenn bei der nächſten Ziehung ein Loos mit zu geringem Ge-
winnſte herauskomme, Einem eine noch liegende Nummer verſchaffe.
Der Gegenſtand des Wechſelhandels ſind die Wechſel, Anwei-
ſungen und Handelsbillets. Der Kürze und Gleichheit der Grund-
ſätze wegen ſpricht man am beſten blos vom Wechſelhandel, und
verſteht darunter den des Gewinnes willen betriebenen Ein- und
Verkauf von Wechſeln, Anweiſungen und Billets. Derſelbe mußte
mit dem Wechſelinſtitute ſogleich entſtehen. Das ganze Weſen
deſſelben beruht auf gegenſeitigen Handelsverhältniſſen, Schulden
und Forderungen und auf den Geldverhältniſſen zweier Handels-
plätze gegen einander1). Auch den Preis der Wechſel nennt man
Curs, Wechſelcurs, und verſteht demnach unter dieſem diejenige
Geldſumme, welche an dem einen Handelsorte bezahlt wird, um
dafür einen Wechſel zu erhalten, der ſeinem Inhaber das Recht
gibt, ſich an einem zweiten Orte eine gewiſſe Geldſumme anderer
oder derſelben Währung gegen denſelben von einer dritten Perſon
ausbezahlen zu laſſen2). So wenig es den Anſchein hat, ſo be-
ſtimmen doch auch die allgemeinen Preisregulatoren (§. 58. u. 59.)
den Wechſelcurs, und es iſt ſehr nothwendig, wenn man ſich
[480] richtige Einſicht in den Wechſelhandel verſchaffen will, daß man
auch hier dieſelben beſonders anwendet. Der Werth des Wechſels,
d. h. nicht die Wechſelvaluta, ſondern die Brauchbarkeit deſſelben
für die Zwecke des Inhabers, iſt ebenfalls hier am ſchwerſten als
Regulator des Curſes zu erklären3). Zum Verſtändniſſe des
Wechſelcurszettels iſt aber gerade ſo wie beim Geldcurſe die
Unterſcheidung der unveränderlichen und veränderlichen Va-
luta erforderlich4), weil blos die Leztere in demſelben angegeben
iſt. Der Wechſelcurs ſteht al Pari, wenn er der Nominalvaluta
im Wechſel gleich iſt, ſonſt aber entweder über oder unter dem-
ſelben5). Je nach ſeinem Stande ſind die Wechſelhandels-
geſchäfte zu betreiben. Es gibt aber hiervon folgende Arten:
1) gewöhnliche Kaufs- und Verkaufsgeſchäfte, wobei ein Wechſel
eingetauſcht wird, den man ſich hernach vom Traſſaten oder einem
Giratar bezahlen läßt; 2) das Discontiren von Wechſeln, d. h.
das Ankaufen eines Wechſels vom Inhaber, wobei ſich dieſer einen
Abzug (Disconto) gefallen läßt6), und der Gewinnſt des Discon-
tirenden in dem Mehrbetrage einer ſpäteren vollen und höheren
Bezahlung des Wechſels beſteht; 3) die Arbitrage, d. h. das
urſprünglich vom Wechſel ausgegangene, ſpäter aber auf den an-
deren Effectenhandel auch übergegangene, bereits (§. 349. N. 3. d.)
beſchriebene ſehr complicirte Geſchäft; 4) die Wechſelreiterei,
d. h. das gefährliche unrechtliche Geſchäft, wobei man Wechſel auf
Einen ausſtellt und verkauft, die dadurch entſtehende Forderung
des Traſſaten mit dem Erlöſe einer neuen auf ihn geſtellten Tratte
tilgt und ſo fortfährt, um ſich ohne freies Borgen die Capitalien
Anderer nutzbar zu machen7).
Der Handel, von der Seite der Subjecte betrachtet, iſt ent-
weder als von einem Einzelnen, oder von einer Geſellſchaft oder
von Staaten betrieben anzuſehen. Der Einzelhandel wird ent-
weder vom Handelsunternehmer ſelbſt für eigene Rechnung betrieben,
und heißt dann Eigen- oder Proprehandel1), oder er wird gegen
Vergütung und Erſtattung der Auslagen für die Rechnung und aus
Auftrag Anderer von einer Mittelsperſon geführt und heißt dann
[Commiſſionshandel]2). Diejenigen, welche die Aufträge er-
theilen, ſind die Committenten, und wer ſie erhält, iſt der
Commiſſionair. Dieſer führt ein Commiſſionsbuch zur Notirung
ſeiner Commiſſionsgeſchäfte. Wer von beiden Partheien die Ver-
kaufsgefahr übernimmt, der ſteht del credere, und die Rechnung
des Commiſſionairs über Unkoſten und Gebühren heißt Factura.
Der Commiſſionshandel iſt entweder Handel auf Lieferung oder
Handel auf Prämie. Bei jenem verſpricht der Commiſſionair die
Waare zu beſtimmter Zeit und beſtimmtem Preiſe zu liefern; bei
dieſem behält ſich der Committent vor, die Waare zur Lieferungs-
zeit auch nicht nehmen zu dürfen und bezahlt dem Commiſſionair
deßhalb zum Voraus eine Prämie3).
Unter Geſellſchafts- oder Compagniehandel verſteht
man denjenigen, welcher von mehreren Perſonen zugleich auf Ge-
ſammtrechnung mit Theilung des Verluſtes und Gewinnſtes betrie-
ben wird1). Die ſo verbundenen Perſonen bilden die Handels-
geſellſchaft oder -Compagnie. Die Dauer derſelben iſt ent-
weder zum Voraus beſtimmt oder nicht. Die Geſellſchaft ſteht
unter einem Directorium und führt, wenn ſie ſich öffentlich bekennt,
bei Unterſchriften einen eigenen Collectivnamen, den man nebſt den
anderen Wahrzeichen die Firma nennt, er mag in einem allge-
meinen Namen der Geſellſchaft oder in dem Namen eines Mitgliedes
mit dem Zuſatze und Compagnie beſtehen. Es gibt aber folgende
Arten von Handelsgeſellſchaften: 1) Gemeine (gewöhnliche,
offene) Geſellſchaften(sociétés générales, ordinaires on
collectives), wobei wirklich Mitglieder ſich zur Ausführung eines
Handelsgeſchäftes vereinigen, jedes derſelben ſeine Rechnung und
Antheil an Gewinn und Verluſt hat, ſelbſt mit thätig iſt, und ein
Mitglied ſeinen eigenen als Collectivnamen hingibt. 2) Gemäch-
liche (ſtille) Geſellſchaften(sociétés en Commandite,
Commanditen), wobei ein oder mehrere Theilnehmer blos ihre per-
ſönlichen Kräfte, dagegen ein oder mehrere Andere das Capital
beiſchießen; ſie ſind in der Regel in Betreff des Capitals und Be-
triebs mit einem Geheimniß umgeben und haben darum nicht viel
Kredit2). 3) Namenloſe (anonyme) Geſellſchaften(so-
ciétés anonymes), welche zwar eine von ihrer Unternehmung
gezogene Firma führen3), aber eigentlich aus lauter Commanditen
beſtehen, wobei, in der Regel auf Actien, Capitaliſten die gehöri-
gen Geldmittel zuſammenſchießen und nur mit dieſen Actien haften,
während die Leitung der Geſchäfte einem eigenen Directorium u. dgl.
mit beſoldeten Beamten übertragen iſt.
Betrachtet man die Staaten als Handel treibend, ſo ſind fol-
gende Handelsarten zu unterſcheiden: 1) der Binnenhandel,
welchen ein Volk innerhalb der Landes-Grenzen für und in ſich
treibt; 2) der Colonialhandel, welchen das Mutterland mit
den Colonien führt1); 3) der auswärtige Handel, welchen
ein Staat mit dem Auslande treibt. Der Leztere iſt entweder
Aus- und Einfuhr- oder Zwiſchenhandel. Die Bedeutung
des Erſteren liegt im Worte und es iſt Einer ohne den Anderen
nicht denkbar. Er heißt Activhandel, wenn ein Volk durch ſeine
Kaufleute ſeine Waaren zu einem fremden Lande ſchickt, dort Ver-
käufe und wieder Einkäufe macht; und Paſſivhandel, wenn ſich
ein Volk von einem andern die Waaren auf jene Weiſe bringen
läßt. Der Zwiſchenhandel iſt aber derjenige, welchen ein auslän-
diſcher zwiſchen zwei Staaten treibt. Bewegt ſich derſelbe durch
das Vaterland des Handelsmannes, dann iſt er für dies Land
Tranſit- oder Durchfuhrhandel; berührt er aber daſſelbe nicht,
dann iſt er eigentlicher Zwiſchenhandel im engern Sinne.
Der Handel zu Land iſt der älteſte, und war urſprünglich der
allgemeine Welthandel. Selbſt im Mittelalter reisten die Handels-
leute noch in Geſellſchaft als Karawanen1). Allein mit der ſtei-
genden Bildung und Induſtrie ward das Bedürfniß genaueren
Völkerverkehres lebhafter und mit der Erfindung der Schifffahrt,
des Compaſſes und der Entdeckung verſchiedener Wege auf Strömen
und Meeren trat an der Stelle des Landhandels allmälig der Han-
del zu Waſſer, insbeſondere jener zur See, als Welthandel hervor.
Der Karawanenhandel findet nur noch in Gegenden Statt, wo kein
anderer möglich iſt.
Die Kanäle, Flüſſe, Ströme, Seen und die See bilden zu-
ſammen auf der ganzen Erde ein Syſtem von Communications-
wegen für die ganze Menſchheit, worauf der Transport am ſchnell-
ſten, leichteſten und wohlfeilſten geſchieht. Der Seehandel insbe-
ſondere war anfänglich nichts als Küſtenhandel (Cabotage),
welcher auch heut zu Tage noch getrieben wird1). Die Schifffahrt hat
eine Menge eigenthümlicher Verhältniſſe. Die Schiffseigenthümer
heißen Rheder oder Mitrheder; ihr Verhältniß gegen einander
(Mit- oder Mederhederei) rührt davon her, daß Jeder Antheil
am Schiffe (ſeine Schiffsparte) hat2). Wenn ſie ihr Schiff
verpachten (verheuern), ſo heißt das Geſchäft Verheuerung
(Nolissement, Affrétement), die Rheder aber Verheurer und
die Pachter Befrachter. Der Befehlshaber des Schiffs, wenn
es zur See geht, heißt Patron oder Capitain3). Die Leute,
welche mit zu Schiffe gehen, um im Namen des Befrachters am
fremden Platze die Waaren zu verkaufen, heißen Cargo(Carga-
dores, Cargadeurs) und wer als der Erſte unter ihnen beſtellt
iſt, Supercargo4). Das verheuerte Schiff muß, wenn es zur
Seefahrt benutzt werden ſoll, folgende verſchiedene Urkunden mit
ſich führen: den Bielbrief, vom Schiffsbauer über den gehörigen
Bau des Schiffes ausgeſtellt; den Mählbrief, den Contract zwi-
ſchen dem Bauer und Rheder über die Qualität und den Bau des
Schiffes; den Meßbrief, obrigkeitliche Urkunde über die vor-
genommene Meſſung und den Tonnengehalt des Schiffes5); die
Muſterrolle, ein Verzeichniß der Schiffsmannſchaft (Beman-
nung) mit obrigkeitlicher Beglaubigung; die Certepartie
(Chartepartie), die Vertragsurkunde über die Verheuerung; die
Connoſſamente(Connaissements), die Frachtbriefe über die
geladenen Waaren; das Manifeſt, ein Hauptverzeichniß aller im
Schiffe enthaltenen Waaren; den Paß des Schiffes, und das
Tagebuch (Journal) des Steuermanns zur Aufzeichnung der
Schiffsvorfälle während der Fahrt.
Das Schiff iſt während ſeines Laufes vielen Unfällen ausge-
ſetzt. Alle dieſe unvorhergeſehenen, von der Verladung an bis zur
Ausladung eintretenden, Schäden und Unkoſten des Schiffes heißt
man Haverei. Die Seegeſetze ſind über ihren Inbegriff ſehr ver-
ſchiedener Anſicht. Im Allgemeinen gibt es aber folgende Arten:
a) Die ordinaire oder kleine Haverei (holländ. gemeene
Avarye), welche die gewöhnlichen Schiffsausgaben ohne nothwen-
dige Vorausſetzung eines Schadens begreift z. B. Lichter-, Feuer-,
Pfahlgeld, Lootſenlohn u. dgl.
b) Die extraordinaire Haverei, welche außergewöhnliche
Ausgaben und Schäden des Schiffs begreift. Sie iſt entweder
α) große Haverei (franz. Avarie commune), wozu jeder
Schaden und jede Schiffsausgabe wegen drohender Gefahr
gehört, die das Schiff und die Ladung gemeinſam treffen1).
Oder
β) particuläre Haverei, wozu nur jene Schäden und wegen
drohender Gefahr gemachten Ausgaben gehören, die entweder
das Schiff oder die Ladung allein treffen2).
Nehmen mehrere Eigenthümer an der Haverei Antheil, ſo
heißen ihre Beiträge das Werfgeld. Darüber wird von beeidigten
Perſonen (Dispacheurs) eine Rechnung (Dispache) aufgeſtellt.
Wegen dieſer Nöthen und Schäden der Schiffe iſt man ſchon
bedacht, und es gibt folgende verſchiedene Einrichtungen deßhalb1):
a) Die Bodmerei (engl. Bottomry, franz. Contrat à la
Grosse, holländ. Bodemery), d. h. das Geſchäft oder der Ver-
trag eines Gelddarleihens gegen Verpfändung eines Schiffes oder
ſeiner Ladung oder beider zuſammen in der Weiſe, daß das Capital
ſammt ſehr hohen Zinſen nach glücklicher Beendigung der Fahrt
erſtattet und aber im Falle des Unter- oder Verlorengehens der
verpfändeten Sache nichts verlangt, ſondern blos das Uebrig-
gebliebene vom Gläubiger (Bodmereigeber) in Beſchlag genom-
men werden darf. Die Schiffer (Bodmereinehmer) wenden ſich
[486] an ſolche Leute, die jenes Geſchäft treiben, im Falle, daß ſie nicht
an irgend ein Handelshaus auf ihrer Fahrt auf eine Kreditſumme
angewieſen (conſignirt) ſind und die conſignirte Summe nicht
hinreicht. Vom Contracte (Bodmereibriefe) werden drei Exem-
plarien (für den Schiffer, Rheder oder Befrachter, und Bodmerei-
geber) verfertigt2).
b) Die Großapanturey (engl. Respondentia), d. h. das
Geſchäft oder der Vertrag eines Darleihens gegen ſehr hohe Zinſen
zu einer Seeunternehmung, in der Art, daß der Schuldner nur
im Falle der glücklichen Beendigung der Fahrt und Unternehmung
das Capital zu erſtatten hat. Der Contract heißt Seewechſel
(Cambio marino)3).
c) Die Seeaſſecuranz (engl. Insurance. franz. Assécu-
rance), d. h. dasjenige Verſicherungsgeſchäft, wobei Jemand (der
Verſicherer, franz. Assécurateur, engl. Insurer) die bei einer
Seeunternehmung für einen Anderen möglicher Weiſe entſtehende
Gefahr gegen Vorausbezahlung einer, ein gewiſſes Procent des
Werthes der verſicherten Sache ausmachenden, Summe (Aſſecu-
ranzprämie) übernimmt. Die Urkunde über den Aſſecuranz-
vertrag heißt Police, und man hat dazu gedruckte Formularien1).
Iſt ein Unglücksfall geſchehen und erwieſen, ſo muß der Verſicherer
in der beſtimmten oder geſetzlichen Zeit Zahlung leiſten2). Will
der Eigenthümer der beſchädigten oder theilweiſe verlorenen Sache
den Reſt nicht mehr an Zahlungsſtatt nebſt einer beſtimmten Zulage
zur Vollheit der Verſicherungsſumme annehmen, ſo kann er ſie dem
[487] Verſicherer überlaſſen, d. h. abandonniren und dieſe Handlung
heißt Abandon. Er hat aber immer auf die volle Entſchädigung
Anſpruch3). Zum Behufe der Rettung der Ladung geſtrandeter
oder geſcheiterter Schiffe iſt das alte Inſtitut des Strandrechtes
ſehr dienlich, wonach den Rettern des Schiffes oder der Ladung
eine Belohnung (das Berglohn) gegeben werden muß, die nach
manchen Geſetzen ein Dritttheil des Geldwerthes der geretteten
Sache ausmachen darf4). Läßt der Verſicherer ſich ſelbſt noch von
einem Anderen gegen den Schaden verſicheren, der ihm aus ſeiner
Aſſecuranz erwachſen könnte, ſo nennt man dies Geſchäft die
Reaſſecuranz. Er haftet aber doch ſeinem Verſicherten5).
Zum Schutze gegen feindliche Anfälle dient das Convoy, d. h.
eine vom Staate beſtimmte Begleitung mehrerer Kauffahrteiſchiffe
durch Kriegsſchiffe, welche ein Geleitsgeld erhalten, das im
Geleitscontracte (Zeyn- oder Seynbriefe) angegeben iſt, oder
[488] die Admiralſchaft, d. h. eine die gegenſeitige und Geſammt-
ſicherheit bezweckende Verbindung mehrerer Kauffahrteiſchiffe, die
von einem gewählten Admirale geführt wird und in einem beſon-
deren Vertragsinſtrumente (Admiralitätspolice) beurkundet iſt1).
Die Leih-Gewerbslehre iſt die Lehre von der zweckmäßig-
ſten und vortheilhafteſten Weiſe, Vermögenstheile Anderen zur
Benutzung zu überlaſſen. Der Vortheil, welchen der Verleihende
(Rentner, Rentier) daraus bezieht, iſt in der Vergütung für die
erlaubte Benutzung (Rente) enthalten. Es können blos Grund-
ſtücke und Capital verliehen werden. Die Verleihungsarten von
Bergwerken, Grundſtücken, Forſten und Gewerksetabliſſements, bei
welchen theils Grund und Boden, theils Capital verliehen wird,
ſind bereits oben (§. 122. 209. 261. 313.) erwähnt und verglichen,
weil ſie dem Betriebe der entſprechenden Gewerbe angehören. Die
Rente aus der Verpachtung von Grundſtücken heißt Pachtzins.
Bei der Verleihung von Capitalien hat man aber jene von ſtehen-
dem, und jene von umlaufendem Capitale zu unterſcheiden
(§. 54. 55.). Von der Verleihung ſtehenden Capitals, z. B. von
Häuſern, Maſchinen, Büchern, Muſikalien u. ſ. w. (Vermie-
thung) bezieht man den Miethzins; von der Verleihung umlau-
fenden Capitals, nämlich von Vermögenstheilen, welche der Ent-
lehner verbraucht oder ausgibt, bezieht man die Zinſen und das
Geſchäft heißt Darleihensgeſchäft1). Unter dieſen lezten Leih-
geſchäften ſind die Gelddarleihen die wichtigſten, und wer ſie
zu ſeinem Gewerbe gemacht hat, der heißt vor allen anderen ein
Rentner, Capitaliſt, Banker.
Man wird ohne beſondere Nebengründe keinen Vermögenstheil
verleihen, wenn man in dem Zinſe nicht einen Erſatz für Auslagen,
[489] Verluſte u. dgl. und eine gewiſſe Vergütung für das Verzichten
auf den Gebrauch deſſelben, im Falle daß ihn der Entlehner ver-
braucht, oder den entſprechenden Antheil an dem Gewinnſte, wel-
chen der Entlehner aus deſſen productiver Verwendung bezieht,
empfängt. Es wird daher der Pachtzins und Miethzins ent-
halten müſſen: α) den Zins der Anſchaffungskoſten, β) eine Ver-
gütung der ſtets nothwendigen Koſten der Erhaltung; γ) einen
Erſatz für die allmälige aus dem Gebrauche hervorgehende Ver-
ſchlechterung; δ) eine Verſicherung für die etwaigen Unglücksfälle;
ε) eine Belohnung für die Mühe der Ausleihegeſchäfte; und η) eine
Wiedererſtattung der mit gerichtlichen Streitigkeiten verbundenen
Koſten u. dgl. Die Zinſen von Geldcapitalien haben nicht die-
ſelben Beſtandtheile. Der Erſte der erwähnten Beſtandtheile, wel-
cher dort auch nichts als der Zins für ein ausgelegtes Geldcapital
iſt, kann auch hier nichts anderes ſein, als die Entſchädigung für
das Verzichten auf deſſen eigene Verwendung; der zweite und dritte
Beſtandtheil fällt hier ganz hinweg, weil der Gegenſtand nicht in
specie zurückerſtattet wird1); die noch folgenden Beſtandtheile
bleiben aber auch hier beſtehen, nur hat man hier Mittel in der
Hand, den Satz der Sicherheitsprämie für Unglücksfälle zu
mildern2).
Es kann hier nur von der leihweiſen Anlage der Geldcapitalien
die Rede ſein, und es wird überhaupt als vorausgeſetzt betrachtet,
daß man das Capitaliſtengeſchäft einem Gewerbsbetriebe vorgezogen
habe1). Die ganze Aufmerkſamkeit des Geldcapitaliſten iſt eine
praktiſche, nach den ſpeziellen Fällen ſich richtende. Die Zwecke
deſſelben bei der Capitalanlage ſind: α) ein größtmögliches Ein-
kommen; β) die höchſte Sicherheit deſſelben und des Capitals;
γ) der Eingang der Zinſen in feſten Terminen; δ) die Verſicherung
der Erfüllung verſchiedener ſubjectiver Vortheile2). Dieſe Punkte
[490] ſind auch die Momente der Vergleichung verſchiedener Anlagsmetho-
den. Man kann aber wählen zwiſchen den Anlagen auf Privat-
obligationen, Actien, Gemeindeobligationen und Staatspapiere,
unter welchen Lezteren es, wie geſehen, verſchiedene Arten gibt
(§. 336.). Es gehören dazu die genaueſten Kenntniſſe von den
Verhältniſſen dieſer Perſonen, Geſellſchaften, Gemeinden und Staa-
ten, welche ihren Kredit beſtimmen3).
Die Umſatz-Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und Regeln
auf, nach welchen das Umſatzgewerbe (das Handels- und Leih-
gewerbe) als ein zuſammenhängendes Gewerbe geleitet werden ſoll,
um daraus den größten Vortheil zu beziehen1).
Die allgemeinen Erforderniſſe zum Betriebe des Umſatzgewerbes,
insbeſondere eines Handlungsgeſchäftes1), ſind zwar von denen der
anderen Gewerbe verſchieden, laſſen ſich aber doch unter den auch
dort aufgeſtellten Abtheilungen betrachten. Es gehören hierher:
1) Naturmittel. Dieſe ſind a) der Grund und Boden
für die Anlage der Gewerbsgebäude, von deſſen Lage und Beſchaf-
fenheit ſehr viel abhängt, weil jene auf den Abſatz, dieſe aber auf
die Güte der Waaren, z. B. Sicherung vor Feuchtigkeit, von
Einfluß iſt; b) die von der Natur dargebotenen Gewäſſer, die
[491] man als Transport- und Communicationswege benutzt, aber gerade
deßhalb auch zu den Verkehrsmitteln rechnen könnte, wenn man
die künſtlichen Bauten der Waſſerſtraßen nicht von den Gewäſſern
an ſich unterſchiede.
2) Verkehrsmittel. Der bei weitem größte Theil der all-
gemeinen Erforderniſſe zum Umſatzbetriebe beſteht in Verkehrsmit-
teln. Man hat hierher zu rechnen: a) den Abſatz, ohne welchen
der Handelsmann ſein Geſchäft gar nicht betreiben kann; b) die
Land- und Waſſerſtraßen im möglichſt beſten Zuſtande nebſt
den tauglichen Maſchinen und Anſtalten zur Weiterförderung der
Waaren auf denſelben2); c)Zeiten und Orte für beſondere
Zuſammenkünfte wegen der Abſchließung von Handelsgeſchäften,
als da ſind Wochen- und Jahrmärkte, Marktplätze für den großen
Welthandel mit Seehäfen, und Börſen3); d)Perſonen, welche
für Andere Handels- und Transportgeſchäfte übernehmen, nämlich
Mäkler und Commiſſionaire, Frachtfahrer und Spediteure4);
e) gute Maaße und Gewichte; f) gute Umlaufs- und Tauſch-
mittel, nämlich Metallgeld, Barren, Papiergeld, Wechſel u. dgl.;
und g) Kredit bei den Handelsfreunden.
3) Tüchtige und zuverläſſige Arbeiter. Man ſieht leicht
ein, daß ſie der Handelsmann nicht in dem Sinne und in der Aus-
dehnung braucht, wie die bisher genannten Gewerbsunternehmer.
Es gehört indeſſen zu den Dienſten des niederen Perſonales, wie
z. B. der Packknechte u. dgl., oft viele körperliche Geſchicklichkeit,
während die gewöhnlichen Commis ſich gleich durch Waarenkennt-
niß ſo wie durch äußeren Anſtand und Gefälligkeit empfehlen.
4) Hinlängliches Capital. Das Capital für die Umſatz-
geſchäfte hat folgende Beſtandtheile: a) die Waarenvorräthe
im weiteren Sinne des Wortes; b) die Geldvorräthe in der
Kaſſe; c) die Hilfsſtoffe, nämlich z. B. die Umhüllung der
Waaren, Schreibmaterialien u. dgl.; d) die Handlungsgeräth-
ſchaften verſchiedener Art; e) das Arbeitsvieh, z. B. zum
Transporte, für reiſende Diener u. dgl.; f) die Gewerbsge-
bäude und Magazine für die Waaren; g) die Reparaturkoſten
der Waaren, Geräthe, Geſchirre und Baulichkeiten; h) der Ar-
beitslohn in Geld und Natur; i) die Handlungsprivilegien.
5) Gewerbsfreiheit. Das Gewerbe des Capitaliſten be-
wegt ſich ganz frei und ſein Einkommen iſt nur in wenigen Staaten
einer Steuer unterworfen; die Beſchränkungen, welche das Hypo-
thekenweſen demſelben auferlegt, ſind nur zu ſeiner Sicherheit und
gegen ungerechte Bedrückungen der Schuldner gemacht, er kann
[493] ihnen aber entgehen, wenn er ſeine Capitalien in Actien und
Staatspapieren anlegt. Anders verhält es ſich mit dem Handel.
Dieſer iſt durch Ein- und Ausfuhrverbote und Zölle, welche eine
Menge läſtiger Controlmaßregeln nöthig machen, und ſelbſt auch
öfters noch durch Zunftverhältniſſe in den verſchiedenen Staaten
mehr oder weniger beſchränkt. Allein dieſe Beſchränkungen ſind
auch oft wieder von ſolcher Natur, daß von dem Handelsbetriebe
einer beſtimmten Art die ausländiſchen Handelsleute, ſelbſt auch
Inländer, unmittelbar oder mittelbar durch das Geſetz zurückge-
drängt werden und den Begünſtigten ein großer Vortheil zum
Schaden der Käufer und anderen Handelsleute geſchenkt wird.
Der Bevortheiligte wird daher aus eigenem Intereſſe die Erhaltung
ſolcher Beſchränkungen wünſchen, der Benachtheiligte ſie aber auf-
gehoben wiſſen wollen.
Beim Beginne eines Handlungsgeſchäftes macht dies der Un-
ternehmer durch Briefe (Oblatorien) bekannt. Blos bei einem
Handlungsgeſchäfte ſind ebenfalls die oben (§. 313.) erwähnten
Bewirthſchaftungsarten, nämlich die Selbſtverwaltung, Ver-
pachtung und Verleihung anwendbar. Die Verpachtung iſt
jedoch nur möglich, wenn zu einer Handlung ein hinreichendes
Capital an Gewerbseinrichtungen vorhanden iſt; es kann ſich aber
hier der Beweis vorfinden, daß Privilegien und eine Kundſchaft
als wahre Capitalien zu betrachten ſind, indem der Pachtzins,
wenn dieſe garantirt ſind, um ein Bedeutendes ſteigt. Gerade bei
einem Handlungsgeſchäfte gibt unter übrigens gleichen, oft auch
ungleichen, Umſtänden die Perſönlichkeit des Unternehmers und der
Diener den Ausſchlag zum Vor- oder Nachtheile des Geſchäftes.
Die Verleihung, blos vom Staate geübt, äußert ſich der Natur
der Sache nach bei Handlungsgeſchäften meiſtens in der Erthei-
lung von Handelsprivilegien, z. B. an Handelsgeſellſchaften, Bank-
geſellſchaften, und von Gerechtigkeiten, z. B. Apothekergerechtigkeit
auf einem Hauſe oder in einer Familie. Die Organiſation des
Betriebes iſt in dieſen verſchiedenen Fällen der Bewirthſchaftung,
ausgenommen die oberſte leitende Perſon, welche namentlich bei
Geſellſchaften verſchiedenartig berechtigt und verpflichtet iſt, nicht
weſentlich verſchieden; ſondern auch hierbei ſind die verſchiedenen
Stufen der Geſchäftsführer und Diener, nämlich Buchhalter,
Commis u. dgl. ziemlich allgemein gleich beſtellt. Je größer das
[494] Geſchäft iſt, deſto genauer iſt die Arbeit getheilt, nicht blos was
den Kauf und Verkauf, ſondern auch was die Magazinirung, die
Geſchäfte der Buchführung und die Geſchäftsreiſen anbelangt.
Ein Punkt, welcher jedem Handelsmanne und Geldcapitaliſten
unumgänglich iſt, beſonders wenn er ſich in größere Geſchäfte ein-
laſſen will, iſt:
1) Die Speculation. Sie erſcheint in dieſem Gewerbe als
dasjenige, was bei den anderen unter der Aufſchrift Verſuche
vorkam. Es iſt dazu aber ein ſolcher eigenthümlicher Geiſt nöthig
und die äußeren Verhältniſſe, wonach ſie vorgenommen werden
muß, ſind ſo manchfach und verſchieden, daß ſie als etwas rein
Praktiſches erſcheint, wobei aber das Glück nicht fehlen darf. Man
verſteht unter der Handelsſpeculation die aus der Vermuthung
eines zu machenden Gewinnes erfolgende Anſchaffung von Waaren
mit dem Zwecke, ſie um einen höheren, als den Ankaufspreis,
wieder fortzubringen. Sie findet in allen Handelsarten, und am
meiſten im Geld- und Effectenhandel Statt. Der ſolide Handels-
mann zieht ein dauerndes, ſicheres, auch ein geringeres Gewinnſt-
procent abwerfendes, Geſchäft mit ſolider Speculation dem Wagniſſe
vor, welches, wie das Spiel, einmal ſehr reich, aber ein ander-
mal wieder ſehr arm macht. Die zur Beſtimmung der Wahr-
ſcheinlichkeit in ihren verſchiedenen Graden durch die Vernunft
und Erfahrung aufgefundenen Gründe für und wider eine Unter-
nehmung heißt man Conjuncturen, die Zuſammenſtellung dieſer
Conjuncturen aber Calculation. Dieſe erſcheint unter zwei
Hauptbeziehungen, nämlich als ſolche beim Einkaufe, und ſolche
beim Verkaufe der Waaren1). Bei beiden und bei der Ausführung
der Speculation iſt aber die Berückſichtigung der Concurrenz in
der Lezteren ſelbſt von der größten Wichtigkeit und daher kommen
die verſchiedenerlei Machinationen der Speculanten, um ihre Mit-
bewerber zu entdecken, ihnen zuvorzukommen und der Gegenparthei
entgegen zu arbeiten2).
2) Die Wahl und Leitung der Betriebsart. Der Zweck
des Umſatzbetriebes iſt, durch ein Zuſammenhalten der verſchiedenen
Theile und Beziehungen des Gewerbes ſich die Benutzung aller
eintretenden Umſtände und vortheilhafte Verwendung aller, auch
der kleinen, Hilfsmittel zum größt möglichen Reinertrage zu
[495] erleichtern. Dieſer Zweck wird nun auf verſchiedenen Wegen nicht
blos nach der Art des Handelsgeſchäftes, ſondern auch nach der
Betriebsart erreichbar ſein. Es gibt zwei Hauptbetriebsarten des
Handels3), nämlich a) den Großhandel, wobei man die Waaren
zu großen Parthien einkauft und in großen Parthien (en Gros)
wieder verkauft. Der Unternehmer heißt Großhändler. b) Den
Kleinhandel, wobei man die Waaren in nicht ſehr großen Par-
thien einkauft, aber jedenfalls in kleinen Parthien (en Detail)
wieder verkauft4).
3) Das Inventarium (§. 314. 3.), d. h. das Verzeichniß
von den Waaren- und Geldvorräthen, von den Forderungen an
Handelsfreunde, von ſonſtigen beweglichen und unbeweglichen Han-
delsvermögen nach Taxation und von den Schulden an Handels-
freunde. Daſſelbe muß am Ende jedes Jahrs wenigſtens verfertigt
werden, damit der Handelsmann oder Capitaliſt, die Verwaltung
einer Handels- und Bankgeſellſchaft u. dgl. genau wiſſe, mit wel-
chem Vermögen jedes Jahr das Geſchäft begonnen werde. Es iſt
leicht begreiflich, daß ohne dieſes ein geordneter Umſatzbetrieb auf
die Länge nicht mit Glück fortbeſtehen kann.
Die Betriebsausgaben des Geldcapitaliſten ſind höchſt unbe-
deutend, ſo lange das Leihgeſchäft nicht ins Große getrieben wird
und die Eigenſchaften eines Bankgeſchäftes annimmt. Jene in
Leihgeſchäften mit beweglichen Gütern, z. B. Meubles, Biblio-
[496] theken u. dgl. haben die meiſten Poſten der Betriebsausgaben im
Handelsgeſchäfte. Man kann daher im Umſatzgeſchäfte folgende
Betriebsausgaben aufſtellen:
a) Für Anſchaffung und Unterhaltung des ſtehenden Capi-
tals an Gewerbsgebäuden, Geräthſchaften, Arbeitsthieren nebſt
Geſchirr, auszuleihenden beweglichen Gegenſtänden (das Geld aus-
genommen), Hausrath und Gerechtſamen, — und des umlau-
fenden Capitals an Waaren- und Geldvorräthen (wobei die
Verluſte durch Verderbniß und ſchlechtes Geld nicht zu vergeſſen
ſind). Die leztere Klaſſe von Ausgaben iſt beim Handelsmanne
eigentlich blos der Waarenpreis, Geld- und Effectencurs, den er
zu bezahlen hat. In dieſer Hinſicht kommt alſo Alles auf den
Einkauf an, der um ſo wohlfeiler geſchieht, je näher die Waaren
beim Producenten geholt werden, weil der Satz der Zwiſchenkoſten
niedriger ausfällt. Um ſich aber, wenn man beim Kaufe nicht
ſelbſt zugegen iſt, vor ſchlechten Waaren zu ſichern, hat man auch
einen Kauf auf Probe und Beſicht und einen ſolchen auf Nach-
ſtechen eingeführt1). Wohlfeile und gute Einkäufe macht man
oft bei Auctionen (Licitationen, Verſteigerungen), ſie mögen
freiwillig oder von Rechts- und Polizeiwegen geſchehen2).
b) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung des Ge-
ſchäftsperſonales in dem Bureau, in den Magazinen und auf
Reiſen. Im Allgemeinen kennt man hierbei das Syſtem des
Stücklohnes nicht, ſondern jenes der jährlichen, halb- oder
vierteljährlichen Beſoldung und Löhnung, entweder mit oder
ohne Koſt und Wohnung. Es iſt übrigens auch hier rathſam, da,
wo es auf die Anzahl der gemachten Geſchäfte ankommt, z. B. den
Reiſecommis, von jedem Geſchäfte ein Beſtimmtes neben der fixen,
übrigens mit Bezug auf dieſe Accidenzien berechneten, Beſoldung
zu verwilligen. Dies kann auf die Geſchäftsbeſorgung einen vor-
theilhaften Einfluß haben.
Die Betriebseinnahmen beſtehen beim Handelsgeſchäfte in den
Preiſen für die abgeſetzten Waaren, und beim Leihgeſchäfte in der
Rente und den mit ihr zuſammenhängenden Vergütungen. Von
beiden Summen müſſen die Ausgaben einer beſtimmten Periode
abgezogen werden, um den Reinertrag zu finden. Allein beim
Handel entſteht die Frage: a) Ob es nützlich ſei, die eingekauften
Waarenvorräthe auf Beſtellung liegen zu laſſen, oder ſie ohne
vorherige Beſtellung (auf Conſignation) an Handelsfreunde
(Commiſſionaire) zum Verkaufe zu verſenden; ſie kann nur nach
praktiſchen Verhältniſſen gelöst werden. b) Ob und in welchen
Fällen man Auctionen mit Vortheil anſtatt des Verkaufes aus der
Hand anſtellen kann; ſie ſind meiſtens in Anwendung bei großen
Waarenvorräthen, die ſchnell abgeſetzt werden ſollen und von einem
Einzelnen nicht übernommen werden können, bei Waarenmaſſen,
deren Erlös ſchnell eingehen ſoll, um in ein anderes Geſchäft ge-
worfen zu werden, und zuweilen auch bei Gütern, wozu unter den
Handelsleuten wenige, aber zerſtreute, Liebhaber vorhanden ſind
und welche man doch zu ordentlichem Preiſe abſetzen möchte.
Das Verhältniß zwiſchen Ausgaben und Einnahmen iſt um ſo
glücklicher, je mehr die Lezteren jene überſteigen. Der entgegen-
geſetzte Gang der Wirthſchaftsverhältniſſe führt endlich denjenigen
Zuſtand des Geſchäftes herbei, in welchem der Unternehmer ſeine
verfallenen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen kann. Tritt er
als Folge mißlicher Ereigniſſe ohne Verſchulden des Unternehmers
ein, ſo nennt man ihn Falliment (Fall, Fallissement); iſt er
aber im eigenen Verſchulden des Unternehmers gegründet, dann
wird er Bankerott (Bankbruch, Banqueroute) genannt. Be-
ſonders braucht man die Namen Fallit und Bankerotirer von
einem ſolchen Unternehmer immer in dieſem Sinne. Das Falli-
ment und der Bankbruch wird den Gläubigern ſchriftlich angezeigt,
und dieſe werden zuſammenberufen. Die urkundliche Auseinander-
ſetzung des Vermögensſtandes heißt man Status. Iſt die Zah-
lungsunfähigkeit blos eine unverſchuldete vorübergehende, ſo kann
der Schuldner eine obrigkeitliche Zahlungsfriſt (Moratorium,
Indult) anſprechen, und die ſchriftliche Ertheilung derſelben
durch die Obrigkeit heißt Anſtands- oder Indultbrief. Kann
Baumſtark Encyclopädie. 32
[498] er ſich, wenn er hierzu geſetzlich nicht befugt iſt, auch mit den
Gläubigern nicht auf einen Accord (Vergleich) verſtändigen,
dann wird das Falliment oder der Bankbruch gerichtlich öffentlich
erklärt, heißt dann Concurs und hat ein nach den Geſetzen ver-
ſchiedenes Proceßverfahren zur Folge1).
Die kaufmänniſche Buchhaltung, welche auch bei Leihgeſchäf-
ten angewendet wird, iſt, wie bereits oben (§. 79–82.) ſchon
dargethan wurde, entweder eine einfache oder eine doppelte1).
Es werden im Allgemeinen auch die daſelbſt erwähnten Haupt- und
Nebenbücher geführt. Allein jede Handlungsart hat außer dieſen
auch noch ihre beſonderen eigenthümlichen Bücher, nämlich a) das
Waarenſcontro zur chronologiſchen Aufzeichnung und Verrech-
nung der empfangenen und abgegebenen Waaren; b) das Wechſel-
ſcontro zur chronologiſchen Notirung aller eingenommenen und
ausgeſtellten Wechſel; c) das Kaſſenſcontro zu demſelben
Zwecke für die baaren Einnahmen und Ausgaben; d) das Bank-
ſcontro, zur Aufzeichnung der Ab- und Zuſchreibungen, welche
auf den Namen des Hauſes in den Büchern der Girobanken ge-
macht werden; e) das Waarencalculationsbuch, zum Auf-
zeichnen der gemachten Waarencalculationen; f) das Wechſel-
copirbuch, zur wörtlichen Abſchrift der Wechſel, weßhalb man
zwei, nämlich ein Trattenbuch und ein Rimeſſenbuch hat
und die Acceptation ſowie die Proteſtation bemerkt; g) das Han-
delsunkoſtenbuch, zur beſonderen Verrechnung der verſchiedenen
Auslagen der Handlung, deren Ergebniß man erſt monatlich in
das Kaſſabuch einträgt; h) das Briefcopirbuch; i) das Com-
miſſionsbuch, k) das Speditionsbuch, l) die Meßbücher,
welche Lezteren vier ſchon durch das Wort erklärt ſind; m) das
Contocorrentbuch, zur Aufſchreibung der Conti correnti2).
Mit einer genauen Buchhaltung iſt der jährliche Ertrags-
anſchlag einer Handlung oder eines Leihgeſchäftes nothwendig ver-
bunden. Da den Unternehmern aus eigenem Intereſſe Alles daran
liegen muß, zuverläſſige Buchführung zu beſitzen, und da die Hand-
lungsbücher bis zu einem gewiſſen Grade einen geſetzlichen Beweis
abgeben, ſo iſt die Verfertigung kaufmänniſcher Ertragsanſchläge
im Durchſchnitte mehrerer Jahre ſehr erleichtert. Mangeln dieſe
Mittel, dann iſt ein ſolcher Ertragsanſchlag von auch nur einiger
Sicherheit, um ſo unausführbarer, je ausgedehnter das Geſchäft
iſt. Denn, wenn man auch das Capital eines Handelsmannes
kennt, ſo kann man daraus nicht auf den Gewinn ſchließen, weil
die Perſönlichkeit des Unternehmers, ſein Speculationsgeiſt u. dgl.
in Verbindung mit vielen äußeren Verhältniſſen auf denſelben
wirkt. Bei den Leihgeſchäften iſt dieſes Verfahren zuverläſſiger,
mit alleiniger Ausnahme der Geldleihgeſchäfte, bei denen die Aus-
mittelung des Capitalbeſitzes an das Unmögliche grenzt, weil das
Wechſel-, Actien- und Staatspapiergeſchäft alle Mittel der Ver-
heimlichung beſitzt, und ſonach blos die auf geſetzmäßige Hypo-
theken ausgeliehenen Geldcapitalien zu ermitteln ſind.
Die Unternehmer aller bisher erörterten Gewerbe ſind darauf
bedacht, durch Hervorbringung, oder Umarbeitung, oder Umſatz
ſich ſelbſt und Anderen äußere ſachliche Güter zu verſchaffen,
welche man vorher nicht beſaß, alſo durch Aufopferung von Zeit,
Kraft und Vermögen überhaupt nicht vorhandene oder im Beſitze
anderer Menſchen und Gegenden befindliche Vermögenstheile zu
32 *
[500] erwerben. Die Dienſte (§. 41.) ſtimmen mit jenen gewerblichen
Thätigkeiten darin überein, daß auch ſie den Zweck des Erwerbes
ſachlicher Güter verfolgen, ſie unterſcheiden ſich aber von ihnen
weſentlich dadurch, daß ſie unmittelbar keine ſachlichen Güter
geben1), ſondern blos durch die Perſönlichkeit des Leiſtenden dem
Empfänger entweder einen wirthſchaftlichen oder einen per-
ſönlichen Vortheil verſchaffen. Man kann daher füglich wirth-
ſchaftliche und perſönliche Dienſtgewerbe unterſcheiden2).
Blos die Erſteren ſind Gegenſtand dieſes Abſchnittes der Kameral-
wiſſenſchaft, die Anderen aber nicht3). Zu denſelben gehören alle
wirthſchaftlichen Dienſte in den bürgerlichen Gewerben und in der
Hauswirthſchaft4), welche entweder in Gewerbsarbeiten, oder in
den Betriebsgeſchäften, oder in dem häuslichen Geſchäftsweſen
vorkommen. Einer weiteren Aufzählung bedarf es nicht, denn es
liegt nicht im Plane dieſer Schrift, ſie alle abzuhandeln5). Allein
es läßt ſich bei ihnen ebenfalls, wie bei den erwähnten Gewerben,
das Gewerbliche von der Betriebswirthſchaft trennen6).
Dieſe ſoll die Grundſätze und Regeln darſtellen, wonach die
verſchiedenen Gewerbsarbeiten und die hauswirthſchaftlichen Dienſte
geleiſtet werden müſſen, um vollkommene Producte zu liefern und
ſich die Arbeit ſo viel als möglich zu erleichtern und abzukürzen.
Es iſt daher ihre Aufgabe, den Zweck einer jeden ſolchen Arbeit
zu lehren, den Zuſammenhang derſelben mit den andern Geſchäften
zur Erreichung deſſelben Zieles zu zeigen, und die tauglichſten
Mittel und Wege anzugeben, wie man dazu gelangen kann. Da
die Mittel dafür der Körper, die Werkzeuge und Maſchinen, die
Wege dazu aber die menſchliche Thätigkeit zur Anwendung der-
ſelben ſind, ſo gehört in ihr Bereich die Erklärung der Werkzeuge
und Maſchinen, welche gebraucht werden, und des Hände- und
Fußwerkes bei der Arbeit. Man wird alſo ſo viele Abtheilungen
dieſes Hauptſtückes bekommen, als es wirthſchaftliche Dienſte
gibt. Dieſe aber laſſen ſich unter folgenden Klaſſen vollſtändig
darſtellen:
A.Gewerbsdienſte. Sie ſind:
1) Urgewerbsdienſte, nämlich in dem Bergbaue, in der
Feld-, Garten- und Forſtwirthſchaft, in der Viehzucht und in
der Jagd.
2) Kunſtgewerbsdienſte, nämlich in ſämmtlichen Gewerken.
Man muß aber bei ihnen diejenigen Gewerke, bei welchen Arbeits-
theilung eingeführt iſt und folglich jede Arbeit blos ein Theil der
Productionsthätigkeit iſt, von denjenigen unterſcheiden, wo jenes
nicht der Fall iſt und demnach die Arbeit des Dienſtleiſtenden die
Fertigung des ganzen Productes umfaßt.
3) Umſatzgewerbsdienſte, nämlich im Handel und im
Leihgeſchäfte.
B.Hauswirthſchaftsdienſte, wozu alle diejenigen zu
zählen ſind, welche in den oben genannten Geſchäften der Haus-
wirthſchaft vorkommen. Bei einer näheren Betrachtung dieſer
Dienſte zeigt ſich aber:
1) daß dasjenige, was die Wiſſenſchaft von den Gewerbsdien-
ſten lehren kann, in den einzelnen Gewerbslehren ſchon vorkommt;
2) daß die hauswirthſchaftlichen Dienſte einer wiſſenſchaftlichen
Faſſung nicht wohl fähig ſind; und
3) daß das Weſentliche und Eigenthümliche bei der Dienſt-
leiſtung, nämlich die Geſchicklichkeit und Fertigkeit, nur in der
Ausübung zu erlernen iſt.
Daher würde man an dieſem Orte Zeit und Raum verſchwen-
den, wenn man eine beſondere Darſtellung der Dienſtgewerbe hier
geben würde1).
Die Dienſt-Betriebslehre ſteht mit der werkmänniſchen, mit
der land- und forſtwirthſchaftlichen, bergmänniſchen, mit der Um-
ſatzbetriebslehre und mit der Hauswirthſchaftslehre im innigſten
Zuſammenhange, weil der Dienſtbetrieb vom Gewerbsbetriebe und
von dem häuslichen wirthſchaftlichen Bedarfe abhängt. Es hat
zwar den Anſchein, als könnte bei den Dienſtgewerben kein Betrieb
in dem bisher mehrmals genannten Sinne Statt finden, weil die
Manchfaltigkeit der Mittel, Geſchäfte, Ausgaben und Einnahmen
fehlt, welche bei den Gewerben vorkommt. Allein gerade, weil
man ſelten einen geordneten Betrieb bei den Arbeiterklaſſen findet,
deßhalb iſt auch der wirthſchaftliche Uebelſtand unter ihnen ſo
häufig, wie man bemerkt. In ſehr vielen Fällen bereiten ſich die
Arbeiter ſelbſt ihr Unglück, weil ſie die zu Gebote ſtehenden Mittel
zu ſeiner Abwendung unbenutzt laſſen und Schritte thun, welche
ihnen poſitiven Nachtheil bringen1).
Die Güter, welche zum Betriebe der Dienſtgewerbe nöthig
ſind, können unter wenige Nummern gebracht werden, denn ihre
Manchfaltigkeit iſt nicht ſo groß, wie bei den Stoffgewerben. Sie
ſind folgende:
1) Naturmittel. Sie beſtehen blos in den geiſtigen und
körperlichen Anlagen der Arbeiter und in der Manchfaltigkeit ihrer
Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten. Es liegt im Intereſſe des Ar-
beiters: a) daß er ſich von dem ganzen Gewerbe, in welchem er
entweder Meiſter werden will oder blos beſtimmte Arbeiten zu lei-
ſten gedenkt, Kenntniß verſchaffe1); b) daß er ſuche, in einem
verwandten anderen Gewerbe ſich ſo viel Kenntniß und Gewandt-
heit anzueignen, um im Stande zu ſein, im Falle der Noth von
dem Einen zum Andern überzugehen2).
2) Verkehrsmittel. Ohne das Vorhandenſein hinreichenden
Capitals und deſſen Anwendung in Gewerben, alſo ohne Concur-
renz von Gewerbsunternehmern3), iſt eine Beſchäftigung der
Arbeiter und deren Löhnung nicht möglich. Es liegt alſo im In-
tereſſe der Arbeiter: a) nicht blos der Erhaltung und Vermehrung
des Capitals nicht hemmend und zerſtörend entgegenzutreten4),
b) ſondern auch dieſelbe durch Arbeitſamkeit zu befördern, und
c) durch ihr Benehmen den Reitz der Capitalbeſitzer, ihr Capital
in Gewerben nutzbar anzulegen, zu erhöhen5).
3) Capital. Manche Arbeiten oder manche Lohncontrakte
ſind ſo beſchaffen, daß der Arbeiter ſein Capital an Werkzeugen
bis zu einem gewiſſen Grade ſelbſt verſchaffen und erhalten muß6).
Die Auslagen hierfür ſind wahre Capitaltheile, während auch die
Koſten der Unterhaltung der arbeitenden Familie, in ſoweit ſie
zur Erhaltung der Arbeitsluſt und -Kraft erfordert werden, als
Capitalauslagen angeſehen werden können, obſchon ſie anderſeits
auch als Verbrauchsgüter erſcheinen.
4) Freiheit des Betriebes. Auch einzelne Dienſtgewerbe
ſind in manchen Städten zünftig7), und ſchon die Zunftverfaſſung
der Gewerke ſteht dem freien Betriebe der Arbeiter entgegen
(§. 312. 5.). Allein außerdem gibt es in manchen Ländern, z. B.
in Großbrittannien, beſchränkende Geſetze über das Auswandern
und den Aufenthalt der Arbeiter im Auslande, welche den Arbeitern
ſehr zum Nachtheile gerathen8), und in den Fabriken ſelbſt Ge-
wohnheiten unter den Arbeitern, welche der freien Anſiedelung der
Neulinge Hinderniſſe in den Weg legen9).
Die Betriebsausgaben und Einnahmen ſind ſehr einfach. Jene
beſtehen, wenn der Arbeiter ſein eigenes Capital nicht zu halten
hat, blos in den Unterhaltungskoſten der Perſonen, die aber auch
für diejenigen Tage zu rechnen ſind, an welchen der Arbeiter aus
polizeilichen, Gewohnheits-, Krankheits- und ſtändigen Verkehrs-
gründen nicht beſchäftigt iſt1). Die Einnahmen beſtehen in Geld-
und Naturallohn (§. 68.). Haben ſich die Dienſtleiſtenden einer-
ſeits ſorgfältig vor Ueberliſtung mit ſchlechten Löhnungsſyſtemen
(§. 315. e.) zu hüten, ſo dürfen ſie aber anderſeits mit ihren
Forderungen auch nicht unbillig ſein, weil dies in der Regel mehr
ihnen als den Gewerbsunternehmern zum Nachtheile gereicht2).
Wenn ſich aber die Arbeiter gerade hierin auch nicht ſchaden, ſo
bereiten ſie ſich doch oft ein böſes Schickſal durch zügelloſe Lei-
denſchaften, welche zur Verſchwendung führen3). Die Einnahmen
werden von ihnen unklug gerade ſo verzehrt, wie ſie kommen, ohne
[505] Bedachtſamkeit und Vorſorge für die Zeiten der Arbeitsloſigkeit
und Arbeitsunfähigkeit, während die Arbeiter, unterſtützt von den
verſchiedenen Sparkaſſen, bei mäßigem genügſamem Leben Mittel
in der Hand haben, durch Zuſammenſparen kleiner Reſte ſich aus
dem Arbeiterſtande in jenen der kleineren Capitaliſten, wenn auch
nur zur Unterſtützung in Zeiten der Noth, zu verſetzen4).
Ein ſehr paſſendes Mittel, um ſich auf ſeine Pflichten in
Betreff der Betriebswirthſchaft periodiſch aufmerkſam zu machen,
hat der Arbeiter1) in der periodiſchen Berechnung des Reinertrages
ſeines Gewerbes. Dieſe iſt aber ohne Aufzeichnung der Ausgaben
und der Einnahmen nach einem ganz einfachen Syſteme nicht
thunlich. Man kann ſie jedoch beim Tag-, Wochen- oder viertel-
jährigen Lohne füglich auf die Ausgaben beſchränken, deren perio-
diſchen Betrag man blos mit der periodiſchen Löhnung zu ver-
gleichen hat, um den Reinertrag zu finden. Bei dem Stücklohne
und bei anderen zufälligen Einzeleinnahmen muß ſie ſich aber auch
auf dieſe erſtrecken. Zur Verfertigung von Voranſchlägen ohne
ſolche poſitive Daten gehört dagegen eine Berechnung des häus-
lichen Bedarfes im Einzelnen, welche aber ſehr große Schwierig-
keiten darbietet, und eine Vergleichung deſſelben mit dem Geſammt-
betrage des üblichen Lohnes2).
Die Gemeinden, von deren Wirthſchaft (§. 43.) hier die
Rede iſt, werden jetzt allmälig, nachdem ihr Weſen und ihre Be-
deutſamkeit für das Volks- und Staatswohl lange Zeit mißkannt
geweſen, von ihrer richtigen und wichtigen Seite betrachtet. Im
Mittelalter waren blos Städte die eigentlichen Gemeinden (Com-
munitates), und das Element, aus welchem ſie ſich ſelbſt, ihre
Verfaſſung und Verwaltung bildeten, waren die Kaufmanns- und
die Handwerksgeſellſchaften oder Gilden1), eine Thatſache, aus
welcher ſich erklären läßt, warum das ſtädtiſche Gewerbsweſen im
Gegenſatze des ländlichen der Inbegriff der Handelsgeſchäfte und
Kunſtgewerbe war. Sind dieſe Gemeinden auf dieſe Weiſe daher
als freie Vereinigungen zur Erzielung verſchiedener gemeinſamer
Zwecke zu betrachten, ſo dürfen die gemeinſchaftlichen Niederlaſ-
ſungen ähnlicher Art auf dem Lande, um eine Burg (Bürger,
Bürgerſchaften) u. dgl. ebenfalls nur als ſolche betrachtet werden.
Steigt man aber in jene tiefe Zeit hinab, wo ſolche Unterſchei-
dungen noch nicht vorhanden ſind, ſo findet man ſchon Genoſſen-
ſchaften, auf Stammgleichheit, Verwandtſchaft und anderen
Baſen beruhende gemeinſchaftliche Niederlaſſungen auf einem be-
grenzten Gebiete (einer Mark), welche ſich nach eigenen beſtimmten
Rechten im Innern und gegen Außen Schutz und Sicherheit ge-
währten (§. 7. 8.). Aus dieſen verſchiedenen kleineren ſtaatsähn-
lichen Verbindungen ging unſtreitig der größere Staatsverband
hervor. Die ſtädtiſchen Gewerbe und mit ihnen die ſtädtiſche Ver-
faſſung und Verwaltung entfalteten ſich theils unter dem Schutze
der Freiheit und Selbſtſtändigkeit, theils unter den Wohlthaten
manchfacher Gerechtſame und Privilegien zu einer Blüthe und zu
einem Reichthume, woraus ihre politiſche Bedeutſamkeit hervor-
ging, die ſie bei Staatsfragen mit den Hauptſtänden in den erſten
Rang ſtellte (§. 14. 20. 23.). So ſehr ſie anfänglich und längere
Zeit hindurch der Stolz der Staaten und Fürſten waren, ebenſo
erregten ſie ſpäter, als in der Wirthſchaft der Fürſten und Adeligen
der frühere Glanz und Reichthum der Armuth Platz gemacht hatte,
die Eiferſucht derſelben. Dieſe und das kräftigere nachdrückliche
[507] opponirende Auftreten des Bauernſtandes verurſachte allmälig nicht
blos, daß den Städten ihre Privilegien und Freiheiten genommen
wurden, und der Wohlſtand derſelben ſank, ſondern auch, daß mit
Verwiſchung des früheren gewerblichen Unterſchiedes neben den
Städte- auch Landgemeinden hervortraten. Beiden aber ge-
riethen dieſe und die nachfolgenden Veränderungen inſoferne zum
Nachtheile, als die Staatsgewalt, die Gemeinden zu Staats-
anſtalten machend, ſie auch ihrer Selbſtſtändigkeit beraubte, mit
Druck und Ungerechtigkeit zu ihren willkührlichen Zwecken benutzte,
und deren Verfaſſung und Verwaltung unter die Staatsvor-
mundſchaft ſtellte, unter welchem Titel Eingriffe in dieſelben
geſchahen, die vor dem Rechts-, Sittlichkeits- und Klugheits-
geſetze als gleich verwerflich erſcheinen2). Man glaubte ſich aber,
die perſönliche Schlechtigkeit einzelner Staats- und Gemeinde-
beamten abgerechnet, zur Anlegung jenes Zügels der Vormund-
ſchaft um ſo mehr berechtigt, als der Zweck der Gemeinden als ein
dem Staatszwecke entgegenwirkender erſchien3). In dieſem Stande
der Unterdrückung wanderten die Gemeinden aus dem vorigen in
dieſes gegenwärtige Jahrhundert, und das Maaß der Zerrüttung
des Gemeindeweſens wurde noch vollends gefüllt durch die verhee-
renden Kriege, welche die franzöſiſche Revolution geboren hat.
Der Aufklärung des jetzigen Zeitabſchnittes konnte dieſe Verirrung
von Wahrheit, Recht und Klugheit nicht entgehen. Man ſah die
Identität des Staats- und Gemeindezweckes ein und erkannte den
Wohlſtand der Gemeinden als einen Grundpfeiler des Staats-
wohles an. Die Wiedereinſetzung derſelben in ihre Selbſtſtändig-
keit als eine moraliſche Perſon mit beſtimmtem Eigenthume und
Rechte, und die Wiedererſtattung der alten Befugniſſe, inſoweit
ſie ſich mit dem Geiſte der Zeit vertragen, erſchien als das beſte
Heilmittel gegen die vielen Gemeindeübel. Das Königreich Preußen
ſchritt damit voran4) und es folgten nach einander mehrere andere
Staaten5). So weit gekommen, muß die Gemeindeverwaltung
nicht blos von allen altherkömmlichen Mängeln befreit, ſondern es
müſſen Grundſätze und Regeln von wiſſenſchaftlicher und praktiſcher
Begründung aufgeſtellt werden, woran ſich die ſelbſtſtändigen Ge-
meindebeamten in der Verwaltung des Gemeindevermögens und
Einkommens halten können6).
Die Mittel, welche den Gemeinden zum Bezuge eines Ein-
kommens zuſtehen, ſind von jenen der Privatleute inſoferne ver-
ſchieden, als jene nicht blos aus eigenem Grundbeſitze und Capitale,
ſondern auch aus verſchiedenen eigenthümlichen nutzbaren Gerecht-
ſamen und aus der Befugniß, von den Gemeindegliedern verſchie-
denen Grades Steuern (Umlagen) zu erheben, Einnahmen beziehen.
Man iſt darum in der Regel auch abgeneigt, in der Gemeinde-
wirthſchaft von einem Erwerbe zu ſprechen, — jedoch mit Un-
recht, denn die Merkmale des Erwerbs finden ſich auch bei ihr
vor (§. 45.), und ſogar eigener Gewerbsbetrieb, wie z. B. Land-
[509] und Forſtwirthſchaft, gehört in ihr Bereich. Der Lehre von der
Gemeinde-Erwerbswirthſchaft (Gemeindewirthſchaft im en-
geren Sinne), welche blos die Theorie von der beſten Benutzung
der Einkommensquellen der Gemeinde an ſich (§. 48.) lehrt, muß
dagegen die Gemeinde-Hauswirthſchaftslehre (Gemeinde-
Verwaltungslehre) gegenüber geſtellt werden, welche mit beſonderer
Beziehung auf den Gemeindehaushalt gerade dieſelben Gegenſtände
hat, wie die allgemeine Hauswirthſchaftslehre (§. 63.).
Die Gemeindebürger zuſammengenommen bilden als Gemeinde
eine moraliſche Perſon, welche auch Vermögen im oben angegebenen
Sinne (§. 39.) beſitzen kann oder wirklich beſitzt. Daſſelbe kann
in unbeweglichen Vermögenstheilen oder Gemeindeliegenſchaften,
in mancherlei Gerechtſamen oder Berechtigungen aus privatrecht-
lichen und polizeilichen Gründen, und in Activcapitalien beſtehen.
Die Gemeindeliegenſchaften ſind in der Regel Felder
und Gärten, Waldungen, bergmänniſche Beſitzungen und einzelne
Gebäude.
Die Gemeindefelder und Gärten ſind nach altem Her-
kommen entweder von der Gemeinde als moraliſcher Perſon oder
von den einzelnen Bürgern nach Vertheilung und insgeſammt ge-
meinſchaftlich zu nützendes Gemeindeeigenthum. Jenes wird zu-
weilen Gemeinde-, und dieſes zum Gegenſatze Almendgut
genannt1). Da die Bürger auf die Nutzung dieſes Leztern ein
herkömmliches Recht haben, ſo iſt ſie ihnen auch nicht zu entziehen,
ſo lange die Mehrzahl derſelben nicht dazu beſtimmt, und es iſt
alſo der Bewirthſchaftung durch die Gemeinde als moraliſche
Perſon nicht unterworfen2). Das Erſtere aber wird von der Ge-
meinde als Geſammtheit bewirthſchaftet und ſie hat die Wahl zwi-
ſchen den oben (§. 209.) erwähnten Bewirthſchaftungsmethoden3).
Ein für die Gemeinden ſehr paſſender Beſitz ſind die Wal-
dungen (§. 261.). Allein ſie müſſen nach forſtwirthſchaftlichen
Regeln bewirthſchaftet werden; beſonders ſind die Benutzungen der
Wälder für außerordentliche Ausgaben, indem man einen unzei-
tigen, zu ſtarken oder unregelmäßigen Hieb vornimmt, um das
Holz ſobald als möglich zu verwerthen, ſehr zu mißrathen. Bei
regelmäßigem Betriebe kommt die mit gehörigem Waldſchutze ge-
ſtattete Benutzung der Waldſtreu, Waldgräſer und Früchte den
berechtigten Bürgern oft ſehr zu Statten, während das Holzbe-
dürfniß der Gemeinde leicht befriedigt und der Gemeindekaſſe ein
bedeutendes Einkommen zu Theil wird. Von einer anderen als
von der Selbſtbewirthſchaftung iſt hier gar nicht leicht die Sprache.
Es finden ſich aber auf den Gemeindegütern häufig Stein-
brüche, Sand-, Kalk-, Lehm-, Mergelgruben, Torf-
moore u. dgl. mehr, deren Betrieb nicht Regal iſt und den Ge-
meinden vielen Nutzen gewähren kann. Auch bei dieſen Gemeinde-
beſitzungen iſt öfters, namentlich bei den Gruben, der Charakter
des Almendgutes maßgebend (§. 379.). Iſt dies aber nicht der
Fall, ſo ergibt ſich nicht ſelten, daß der pecuniäre Vortheil, wel-
chen die Gemeindekaſſe durch Fordern eines Preiſes für deren
Benutzung durch Gemeindeglieder beziehen könnte, das Hinderniß
keineswegs überwiegt, welche dadurch der Benutzung derſelben in
den Weg gelegt werden1). Man gibt ſie darum nach Umſtänden
lieber ganz frei. Im entgegengeſetzten Falle aber iſt dies nicht
nothwendig. Bei Steinbrüchen, Torfmooren u. dgl. iſt jedoch die
Frage über die Selbſtbewirthſchaftung und Verpachtung oder Ver-
leihung wichtig (§. 122.), denn ſie liegt gleich ſehr im Intereſſe
der Gemeindekaſſe wie des öffentlichen und bürgerlichen Wohles2).
In den Gemeinden gibt es auch zuweilen einzelne Gebäude,
welche zu einer beſtimmten Nutzung beſtimmt ſind, wie z. B. Lager-,
Kaufhäuſer u. dgl., oder derſelben, da ſie aufgehört hat, nicht
mehr dienen. Die Einnahmen aus jenen gehören unter II. Die
Lezteren aber werden, wenn ſie nicht einer anderen Verwendung
geweiht ſind, am beſten verpachtet, vorausgeſetzt, daß ihr Verkauf
nicht vortheilhafter befunden oder nicht durchgeſetzt wurde. Denn
ohne dies ſind ſie ein todtes Capital.
Es gibt eine ſehr große Anzahl verſchiedener Berechtigungen
der Gemeinden, welche größtentheils ihren Urſprung jener Zeit
verdanken, in welcher man die Städte durch Privilegien und nutz-
bare Vorrechte zu heben ſuchte. Sie ſind aber im Allgemeinen
von dreierlei Natur:
1) entweder rein privatrechtlich, d. h. ſolche, die auf ge-
wöhnlichem bürgerlichem Eigenthumsrechte beruhen, und es gehören
[512] z. B. hierher die Zehnt-, Gült-, Bodenzins- und andere Gefäll-
rechte1), die Jagd-, Fiſcherei- und Schäfereigerechtigkeiten2);
2) oder polizeirechtlich, d. h. ſolche, die auf dem den
Gemeinden vom Staate übertragenen Polizeirechte gegründet ſind
und man hat hierher z. B. zu rechnen die Marktrechte, Eichrechte
(von Eichanſtalten), Waagrechte, Waſenmeiſterei, Strafrechte3);
3) oder gemeinderechtlich, d. h. ſolche, welche ihnen kraft
eigenen Corporationsrechtes zukommen, wie z. B. die Gelder für
Bürgeraufnahme.
Es gibt auch noch Gemeinden, welche Activcapitalien beſitzen,
für deren Verwendung zu Gemeindezwecken keine beſtimmte Gele-
genheit vorhanden iſt. Ihre Anlage iſt von Wichtigkeit. Allein
[513] die leitenden Regeln dabei ſtimmen im Ganzen mit dem oben
(§. 362.) Geſagten überein. So viele Vortheile auch die Anlage
in Staatspapieren oder Actien haben kann, ſo wird man nicht in
jeder Gemeinde einen Sachverſtändigen finden, welcher die Leitung
dieſer Anlagsmethode übernehmen könnte; da nun aber die Ge-
meinde zugleich die Pflicht hat, ſo viel in ihren Kräften ſteht, die
Betriebſamkeit und den Wohlſtand der Gemeindeglieder zu beför-
dern, ſo iſt es auch aus dieſem Grunde nicht wohl zu billigen,
daß ſie ſolche Capitalien der Nutzanwendung in den Gewerben
entzieht. Sie kann daher die Verleihung derſelben an Bürger zum
Gewerbsbetriebe gegen ſichere Hypotheken um ſo mehr vorziehen,
als ſie alle Mittel und Vortheile in der Hand hat, ſich vor Ver-
luſten an Zinſen und Capital zu ſichern, und als eine Gemeinde
von ſo guten Vermögensverhältniſſen nicht leicht ſich in der Noth-
wendigkeit ſieht, die Capitalzinſen als Hauptdeckungsmittel ihrer
Ausgaben zu benutzen und darum jeden Indult zu verſagen.
Die Erörterung des Grundes und Maaßes der Beſteuerungs-
rechte der Gemeinde und der Steuerpflichten der Gemeindeglieder
iſt mit Schwierigkeiten verbunden1). Weil man ſich ehedem nicht
viel in Unterſuchungen darüber einließ, vielmehr immer den kurzen
Weg des Anhängens an die Staatsſteuern einſchlug, ſo ſind nach
und nach in der Gemeindewirthſchaft Gewohnheiten entſtanden,
deren Abſchaffung nach einem richtigen Grundſatze viele Hinder-
niſſe hat2). Die Gemeindezwecke erheiſchen ebenſo wie die Staats-
zwecke gewiſſe Ausgaben und dieſe dagegen beſtimmte Einnahmen.
Hierauf beruhet die Steuerpflicht der Gemeindeglieder überhaupt
und das Maaß derſelben, denn über die Befriedigung der Ge-
meindebedürfniſſe hinaus beizutragen ſind ſie nicht verpflichtet (§. 49.).
Dies iſt jedoch nur das allgemeine Geſetz der Steuerpflicht. Das
Prinzip zur Beſtimmung des Beitrages jedes einzelnen Mitgliedes
kann dem Rechte nach nur verlangen, daß ein Jeder im Verhält-
niſſe, als er an den Vortheilen des Gemeindeverbandes Antheil
nimmt, beitrage3). Dieſer Vortheil kann ſich nur auf die Perſon
nebſt den perſönlichen Rechten und auf das Vermögen nebſt den
Baumſtark Encyclopädie. 33
[514] Vermögensrechten erſtrecken. Da nun aber die Zwecke der Ver-
wendungen von verſchiedener Allgemeinheit und Beſonderheit ſind,
ſo entſtehen folgende drei Hauptfragen:
1) Welche Perſonen müſſen zu den Gemeindebedürf-
niſſen beitragen? — Darin, daß Einer Staatsbürger ſein kann,
ohne Gemeindebürger zu ſein, liegt der weſentliche Unterſchied der
perſönlichen Steuerpflicht für Staats- und jener für Gemeinde-
zwecke. Man unterſcheidet eigentliche Gemeindebürger, In-
ſaſſen (Schutzbürger, Schutzverwandte) und Ausmärker4).
Dieſe drei Klaſſen haben verſchiedene Rechte und Vortheile in der
Gemeinde, und müſſen ſämmtlich, aber nicht gleich viel, zu den
Gemeindebedürfniſſen beitragen. Nach dieſen Beziehungen iſt nun
die folgende Frage zu löſen.
2) Zu welchen Zwecken oder Ausgaben müſſen ſie
beiſteuern? — Aus Gründen des Rechts iſt Niemand zu einer
Aufopferung ohne eine entſprechende Gegenleiſtung verpflichtet;
denn das Recht iſt nur das Product eines gewiſſen Verhältniſſes
von Forderung und Leiſtung. Nimmt man aber die Leiſtungen
irgend eines Rechtsverbandes an, ſo folgt aus jenem Satze auch,
daß dieſer gerechten Anſpruch auf einen der Leiſtung entſprechenden
Beitrag zur Leiſtungsfähigkeit hat, inſoweit ohne ſolche Beiträge
die Leztere nicht beſtehen kann. Weil ſich aber die Beitragspflicht
auch nur auf dieſes Verhältniß ausdehnen darf, ſo folgt daraus,
daß auch jedes Gemeindeglied nur im Verhältniſſe der Vortheile,
die es aus dem Gemeindeverbande zieht, aus Rechtsgründen bei-
zutragen braucht. Die Gemeindebürger, Inſaſſen und Ausmärker
nehmen in verſchiedenen Graden an den Gemeindevortheilen An-
theil, ſeien es ſolche, welche die Gemeinde an ſich, oder ſolche,
welche ſie als eine mit einer gewiſſen Staatsgewalt bekleidete
Perſon gewährt; folglich haben ſie auch in verſchiedenem Grade
zu den Gemeindebedürfniſſen beizutragen5). Da nun aber dieſe
Vortheile nicht blos der Perſon, ſondern auch dem Vermögen zu-
kommen, ſo entſteht noch folgende Frage.
3) Mit welchem Vermögen iſt das Gemeindeglied
ſteuerpflichtig zu Gemeindebedürfniſſen? — Aus den bis-
herigen Gründen nur mit demjenigen, welches daſſelbe im Gemeinde-
verbande und in der Gemeindegemarkung beſitzt und genießt, denn
für Eigenthum, Beſitz und Genuß, dieſer mag aus- oder inmärki-
ſches Vermögen oder Einkommen betreffen, gewährt die Gemeinde-
verbindung Schutz6).
Aus jenen allgemeinen Grundſätzen erſieht man die Verſchie-
denheit der Beziehungen bei Umlage von Gemeindeſteuern im Ver-
gleiche mit jener der Staatsſteuern. Außer jenen Rechtsprinzipien
gibt es aber im Steuerweſen noch politiſche oder Klugheitsregeln,
welche aus nationalöconomiſchen Rückſichten fließen. Dieſelben ſind
zwar auch allgemein, aber ſie ſind die nämlichen, welche auch die
Finanzwirthſchaft beobachten muß, weßhalb ſie hier nicht erklärt
zu werden brauchen, wo es ſich blos um die Eigenthümlichkeiten
der Gemeindewirthſchaft handelt. Auch für dieſe Leztere können
zwar nur dieſelben Steuerobjecte mit Umlagen belegt werden,
welche man überhaupt, alſo in der Finanzwirthſchaft, beſteuern
kann, und die Beurtheilung einer Steuer an ſich beruht zwar
immer auf denſelben Prinzipien; allein ſchon jene allgemeinen
Grundſätze für Gemeindeumlagen gebieten der Gemeinde Modifi-
cationen und Abweichungen von der Staatsſteuerlehre. Denn bei
der Umlage von Gemeindeſteuern hat man vor Allem zu berück-
[517] ſichtigen: 1) daß man dabei die Gemarkungsgränzen nicht über-
ſchreite; 2) daß aber alle Gemeindemitglieder durch die Umlagen
zu den Gemeindebedürfniſſen beigezogen werden; 3) daß jedoch
jedes nur nach den Verpflichtungen der Klaſſe, wozu es gehört,
beitragen dürfe; und 4) daß ſtets berückſichtigt bleibe, daß vor
den Gemeinde- auch noch Staatsauflagen beſtehen, welche mit den
Erſteren die Bürgerlaſten erhöhen.
Die Gemeinde, als Staatsmitglied, darf überhaupt, alſo auch
in ihrem Umlagsweſen, nichts unternehmen, was den Staats-
finanzgeſetzen widerſpricht. Sie wird alſo für ſich ſchon darum,
und wegen der Aufſicht des Staats (§. 378.) ohne Staatserlaub-
niß keine neue Steuer umlegen dürfen. Auch ſchon ihr Verwal-
tungsintereſſe und die Einheit des Steuerweſens im ganzen Staate
erheiſcht, daß ſie ſich in ihrem Umlagsſyſteme an jenes des Staates
anſchließe, ſo weit es den Rechtsgrundſätzen der Gemeindebeſteuerung
nicht widerſpricht. Es kann ſich daher bei ihr nicht um die Auf-
ſtellung eines neuen Syſtemes, ſondern nur um die zweck- und
rechtmäßige Anwendung des im Staate angenommenen handeln.
Da es im Staate in der Regel und im Allgemeinen übereinſtim-
mend mit den Steuergrundſätzen Perſonal-, Vermögens- und
Genußſteuern gibt, ſo wird die Gemeinde zur Beſteuerung einer
jeden der genannten Klaſſen von Gemeindegliedern die paſſenden
unter ihnen zu wählen haben. Weil es aber gemeindebürgerliche,
einwohnerliche, ausmärkiſche und allgemeine ſtaatsbürgerliche (poli-
zeiliche) Vortheile gibt, nach welchen die Gemeindeglieder ſteuer-
pflichtig ſind, ſo müſſen auch hiernach die Gemeindeumlagen ge-
wählt werden.
Es iſt ein großer Mangel im Gemeindeſteuerweſen, daß man
noch nicht von der rückſichtsloſen Beſteuerung aller Gemeindeglieder
abkommen konnte, wodurch Mancher zu Zwecken beitragen muß,
die ihm keinen Vortheil geben, während eben dadurch Andere,
denen an der Erreichung jener Zwecke gelegen ſein muß, eine un-
verdiente Erleichterung bekommen. Es wird zwar in der Praxis
immer noch ſchwierig ſein, eine vollſtändige Trennung der Ausgaben
und Steuern nach obigen Rubriken zu Stande zu bringen. Indeß
kann dies nicht abhalten, die Sache ſo weit durchzuführen, als es
angeht. Es kommt, wenn nicht Localverhältniſſe dagegen ſind,
Alles auf die Wahl der Steuern an.
A. Von den Perſonalſteuern, ſeien ſie allgemeine oder
Klaſſenkopfſteuern, könnte man, was die Allgemeinheit der
Vertheilung anbelangt, allerdings zu ſtaatsbürgerlichen, einwohner-
lichen und gemeindebürgerlichen Zwecken oder Ausgaben Gebrauch
machen. Allein die Ungleichheit, womit ſie den Wirthſchaftszuſtand
der Einzelnen treffen, tritt ihrer Anwendung auch hier und um ſo
mehr entgegen, als dieſelbe in einer Gemeinde leichter als im
ganzen Staatsgebiete eingeſehen wird1).
B. Von den Vermögensſteuern kann man zu Gemeinde-
zwecken den bequemſten Gebrauch machen. Sie ſind entweder
Vermögensſteuern im beſonderen Sinne oder Einkommens-
ſteuern. Zu den Lezteren gehört die allgemeine Klaſſen-, die
Grund-, die Häuſer-, die Gewerbe-, die Beſoldungs- und die
Capitalienſteuer. Zuſammengenommen dienen ſie zur Erhebung der
Gelder für ſtaatsbürgerliche und einwohnerliche Zwecke. Will man
aber nur gewiſſe Klaſſen von Gemeindebürgern und Einwohnern
oder die Ausmärker für ihre beſonderen Gemeindevortheile beſteuern,
ſo hat man blos hiernach unter jenen Steuern die entſprechende
Gattung zu wählen2).
C. Von den Genußſteuern aber geſtatten einige blos
den Gebrauch zur allgemeinen, andere dagegen nur jenen zur
Klaſſen- oder Sozialbeſteuerung (§. 383. Note 5.). Die Genuß-
ſteuern ſind entweder Verbrauchs- (Conſumtions-, Verzehrungs-)
Steuern, wenn ſie nämlich auf Gegenſtände der Verzehrung um-
gelegt ſind3), oder Gebrauchsſteuern, wenn ſie für die Be-
nutzung gewiſſer öffentlicher Gemeindeanſtalten entrichtet werden.
In jenem Falle werden alle Verzehrenden, in dieſem Falle aber
nur diejenigen getroffen, welche Gebrauch von einer ſolchen Anſtalt
machen. Die Lezteren ſind ſehr manchfacher Natur und kommen
in den Gemeinden unter verſchiedenen Benennungen vor4).
Bei den Kopf- und Genußſteuern kann geradezu behufs der
Erhebung für die Gemeindezwecke ein Zuſchlag (Aufſchlag)
auf die Staatsſteuer gemacht werden. Bei den Vermögensſteuern
darf der Zuſchlag aber nur für das Vermögen oder Einkommen
gemacht werden, welches der Steuerpflichtige in der Gemeindemark
beſitzt oder aus einem in derſelben beſeſſenen Vermögen und daſelbſt
betriebenen bürgerlichen Gewerbe bezieht5).
Schon längſt hat die Erfahrung gelehrt, daß zu außerordent-
lichen Ausgaben, welche in dem Gemeindehaushalte zuweilen ent-
ſtehen, auch ſolche Einnahmen erforderlich ſind, wenn die Gemeinde
nicht hinlängliche Geldcapitalien im Vorrathe hat, über welche ſie
diſponiren kann. Unter den Quellen, aus welchen man ſolche
außerordentliche Einnahmen bezieht, iſt der Kredit der Gemeinden
eine der brauchbarſten (§. 343.). Die Benutzung deſſelben oder
das Contrahiren von Schulden durch die Gemeinden hat für ſie
denſelben Vortheil, wie die Staatsſchulden für den Staat, nämlich
die Vertheilung einer plötzlichen außerordentlichen Laſt, welche den
Gemeindegliedern zu drückend ſein würde, auf längere Zeit zum
Behufe allmähliger Deckung. Die Nachtheile des Schuldenweſens
auf den ganzen Gang des Gemeindehaushaltes ſtimmen aber auch
mit jenen der Staatsſchulden auf den Staatshaushalt ſo ziemlich
überein. Indeß herrſcht eine große Verſchiedenheit zwiſchen dem
Staate und den Gemeinden in Betreff der Grundlagen des Kredites.
[521] Zwar können dieſe auch nur auf dem Zutrauen zum Willen und
Vermögen der Gemeinden, ihre Schuldverbindlichkeiten zu erfüllen,
beruhen; allein die Folgerungen aus dieſem Grundſatze für die Wirk-
lichkeit ſind bei den Gemeinden andere als bei dem Staate. 1) Da
nämlich dieſer die höchſte Gewalt im Landesgebiete ausübt, ſo
gibt es über ihm keinen weltlichen Geſetzgeber und keinen weltlichen
Richter, ſo lange nicht poſitiv ein ſolcher kraft der Uebereinkunft
mehrerer Staaten oder des Staatsgrundgeſetzes beſtellt iſt. Es
ſteht demſelben aber außerdem für den Fall der Noth bei Zah-
lungsunfähigkeit außer dem Vergleichswege auch jener der geſetz-
gebenden Erklärung übrig, um ſeine Verbindlichkeiten (nicht zu
vernichten, ſondern) zu ſuſpendiren, bis er wieder im Stande iſt,
dieſelben zu erfüllen und die durch deren Suſpenſion Benachthei-
ligten zu entſchädigen. Dies iſt bei den Gemeinden nicht der Fall,
denn ſie ſtehen wie der einzelne Bürger unter dem Staatsgeſetz
und haben auf die geſetzwidrige Selbſthilfe verzichtet, ſind gericht-
lich zu belangen und unterliegen den Concursgeſetzen. 2) Deßhalb
und wegen des Hinblicks auf die weit größeren Hilfsmittel des
Staates aus einer blühenden Volksinduſtrie und endlich wegen der
Sicherheit, welche den Staatsgläubigern der Umſtand gewährt,
daß der Staat aus eigenem hochwichtigem Intereſſe der Erhaltung
ſeine Schuldverbindlichkeiten ſo lange als möglich erfüllen und
nach der Suſpenſion ſobald als möglich mit Entſchädigung wieder
beginnen muß, kann der Staat weit über den Werth ſeines Staats-
eigenthumes, ohne Hypotheke und blos gegen die Verſicherung
Schulden contrahiren, daß er zur Tilgung und Verzinſung die
Staatseinkünfte verwenden werde. Die Gemeinden genießen da-
gegen dieſe Wohlthat nicht, — doch höchſtens nur ausnahms-
weiſe1). 3) Aus jener größeren Unbeſchränktheit des Staates
ergibt ſich auch, daß derſelbe bei ſeinen Anleihen, deren Tilgung
und Verzinſung freiere Formen einführen kann als die Gemein-
den2). Da aber im Uebrigen, namentlich was das Verhältniß
der Staatsſchulden zu den Einkünften und Ausgaben anbelangt,
bei den Gemeinden blos in der Größe des Maaßſtabes eine Ver-
ſchiedenheit obwaltet, ſo reduciren ſich darin die Grundſätze der
Gemeinde- auf jene der Staatswirthſchaft3).
Die Gemeindehauswirthſchaft (§. 378. a.), das eigentlich
Praktiſche und nach beſonderen Gemeindeverhältniſſen auch Wan-
delbare der Gemeindewirthſchaft, hat zur Aufgabe, das Gemeinde-
vermögen zu erhalten, die Gemeindewirthſchaft im Zuſammenhange
zu behalten und das Gemeindeeinkommen der Verwendung zu den
beſtimmten Zwecken auf die wirthſchaftliche Weiſe nahe zu brin-
gen (§. 43.). Es ſind daher die hier folgenden Abtheilungen ihres
Objectes leicht zu rechtfertigen.
Die Verwaltung der Gemeinden, welche verſchiedene Dienſte
erheiſcht, iſt einem eigenen Organismus von Behörden zu über-
tragen, der im Allgemeinen einfach ſein muß, aber bei ſehr großen
Städten complicirter werden kann1). Im Allgemeinen iſt er aus
folgenden Behörden zuſammenzuſetzen:
1) Aus dem Bürgermeiſter (franz. Maire, engl. Major),
welcher, überhaupt mit der vollziehenden Gewalt bekleidet, dieſe
auch in der Gemeindewirthſchaft hat. Er leitet die Verwaltung
derſelben und bringt, was zu berathen und zu beſchließen, bei den
ihm beigegebenen Collegien und bei der Gemeindeverſammlung in
An- und Vortrag.
2) Aus dem Gemeinderathe, einem aus der Bürgerſchaft
gewählten Collegium, welchem unter Anderem auch die Berathung
[523] und der Beſchluß in Betreff der Wirthſchaftsangelegenheiten der
Gemeinde übertragen iſt, und ohne deſſen Uebereinſtimmung alſo
der Bürgermeiſter nichts beſchließen und anordnen kann.
3) Aus dem Bürgerausſchuſſe, einer Art von Gemeinde-
ſtänden, gewählt aus der Bürgerſchaft, welche an der Verwaltung
ſelbſt keinen Theil haben, aber dieſelbe controliren und den Anord-
nungen in Gemeindeangelegenheiten ihre Zuſtimmung geben müſſen.
Die Geſetze beſtimmen die Befugniſſe deſſelben verſchieden, aber
jedenfalls ſteht ihm die Beiſtimmung zu Veränderungen in den
Vermögensverhältniſſen der Gemeinden, bei Umlagen von Steuern,
bei Anordnungen im Gemeindeſchuldenweſen, und die Controle der
Gemeindehauswirthſchaft zu.
4) Aus dem Gemeindeverrechner, entweder Mitglied des
Gemeinderathes oder nicht, welcher die Einkünfte zu erheben, zu
verrechnen, nach Anweiſung zu den Ausgaben zu verabfolgen und
Rechnung abzulegen hat.
Außer dieſen allgemeinen Behörden gibt es aber auch noch:
1) Beſondere Gemeindediener für einzelne Zweige der Ge-
meindeverwaltung, z. B. in der Forſtwirthſchaft Förſter, Wald-
meiſter, deren Anſtellung bei großen Gemeindewaldungen ſehr
nützlich iſt.
2) Kanzlei- und Regiſtraturperſonale, z. B. Gemeindeſchrei-
ber u. dgl. — Bei den wichtigſten Verhandlungen in den Wirth-
ſchaftsangelegenheiten iſt aber die Gemeindeverſammlung,
deren Zuſammenberufung blos dem Bürgermeiſter zuſteht, zu be-
fragen, z. B. bei vorgeſchlagenen Veräußerungen oder Vertheilun-
gen von Gemeinde- und Almendgütern; zu allgemeinen Arbeiten,
z. B. bei Gemeindebauten, Reinigen von Gemeindebrüchen u. dgl.
mehr iſt es endlich gebräuchlich von ſämmtlichen Gemeindeeinwoh-
nern oder Bürgern, und ſelbſt die Ausmärker nicht abgerechnet,
Dienſte zu verlangen. Bei ſolchen außerordentlichen Umſtänden iſt
dagegen durchaus nichts einzuwenden, und der Bürgerſinn wird
auch wohl ſelten ſo fehlen, daß ſich die Gemeinde im Ganzen oder
ein Theil der Bürgerſchaft, z. B. derjenige, welcher Geſpann hat,
nicht dazu verſtünden. Aber ſolche Dienſte oder ein Dienſtgeld
ſämmtlichen Gemeindebewohnern oder Bürgern und Ausmärkern
als eine ſtändige geſetzlich ſchuldige Laſt von beſtimmter oder unbe-
ſtimmter Ausdehnung aufzubürden, muß, man mag ſie uneigentlich
als Steuern oder als eine Perſonallaſt anderer Art anſehen, in
beiden Beziehungen gleich verwerflich ſein, weil ſie durchaus un-
gleich auf die Familien- und Wirthſchaftsverhältniſſe der Bürger
wirkt (§. 385. Note 1.). Am ungerechteſten iſt die Vertheilung
[524] von Spann- und Handdienſten je unter diejenigen, welche Geſpann
haben oder nicht. Da aber durch ſie ohne Koſten der Gemeinde-
kaſſe große Arbeiten leicht vollführt werden können und es doch
zuweilen Einwohner gibt, welche lieber und auch leichter Dienſte
leiſten als Geld bezahlen, ſo kann man in ſolchen Fällen leicht den
Mittelweg wählen, bei ordentlichen und außerordentlichen Gemeinde-
arbeiten dieſer Art immer die freie Wahl zwiſchen perſönlichem
Dienſte und Geldbeiträgen zu geſtatten, aber dieſe Leztern als
Baſis anzunehmen, jedoch nicht in Form einer Kopfſteuer, ſondern
auf dem Wege der Repartition der angeſchlagenen Koſten der ganzen
Unternehmung nach irgend einem andern Vermögensſteuerfuße2).
Es ſtellen ſich hierbei verſchiedene für die Erhaltung der Ge-
meinden ſehr wichtige Fragen dar:
A. Ueber Räthlichkeit oder Mißräthlichkeit der Ver-
äußerung von Gemeinde- und Almendgütern. Da die Gemeinden
darnach ſtreben müſſen, ſich in Betreff des Einkommens ſo unab-
hängig als möglich zu machen, alſo ſichere Grundlagen deſſelben
zu erhalten; da aber ein Gemeindeverband, als ein kleineres
Gebiet, von weniger Menſchen bewohnt und mit nicht ſo verſchie-
denerlei Gewerben verſehen, als der Staat, ſich mit weit weniger
Sicherheit auf ein beſtändiges gleiches Einkommen aus Umlagen
und Gerechtſamen verlaſſen kann, um ſo weniger, als der Staat,
deſſen Einkünfte aus den Staatsgütern in der Regel bei Weitem
nicht für ſeine Ausgaben ausreichen, vorzüglich ſchon zum Voraus
hohe Steuern bezieht, deren Druck noch durch die Gemeinde-
zuſchläge erhöht wird; und da endlich überdies die Gemeinde nicht
[525] wenig zur Bewirthſchaftung von Gründen geeignet iſt (§. 379.
380.): ſo iſt die Erhaltung der Gemeinde- und Almendgüter als
Regel zu beobachten1).
B. Ueber die Vor- und Nachtheile der Vertheilung des
Gemeinde- oder Almendgutes zur Nutzung oder zu Eigenthum.
Was die Umtheilung von Gemeindegütern zur Nutzung unter die
Bürger, d. h. die Einführung neuer Almendgüter anbelangt, ſo
iſt ihre Räthlichkeit noch ſtreitig, obſchon die Umtheilung der be-
reits beſtehenden als etwas Herkömmliches den Bürgern ein Recht
gibt (§. 379.). Sie iſt es aber auch und noch in weit höherem
Grade bei der Umtheilung des Gemeinde- und Almendgutes unter
die Bürger als Eigenthum, denn es handelt ſich hierbei um eine
Entäußerung von Gemeindevermögen ohne einen Werthserſatz und
um eine Verzichtleiſtung der Gemeindekaſſe auf ein bedeutendes
Einkommen. Es ſpricht 1) für die Umtheilung zu Eigenthum vor
Allem die Entſtehung des Gemeindeeigenthums als Reſt der von
der Gemeinde ehemals occupirten Gemarkung, welcher von den
einzelnen Gliedern der Genoſſenheit (§. 378.) nicht in Beſitz ge-
nommen wurde2); ſodann der Umſtand, daß die Privatinduſtrie
in der Regel den wirthſchaftlichen Quellen mehr Vortheile abzu-
gewinnen vermag als eine Gemeinheit; ferner die Erfahrung, daß
der Eigenthümer aus Intereſſe ſein Gut beſſer bewirthſchaftet, als
der bloße Nutznießer; zudem die Rückſicht, daß dadurch dem Wohl-
ſtande der ganzen oder eines Theils der Bürgerſchaft in jeder
Beziehung aufgeholfen, die Bevölkerung gehoben und der Boden
weit beſſer derjenigen Bewirthſchaftung gewidmet werden kann, in
welcher er den größten Vortheil bringt3); und endlich die Mei-
nung, daß die wahre Conſolidirung der Gemeinden nicht ſowohl
auf dem Reichthume der Gemeindekaſſe, als vielmehr auf dem Wohl-
ſtande der Bürgerſchaft beruht und von dieſem das Volkswohl und
die Staatsſicherheit abhängt. Man wendet aber auch 2) gegen
dieſelbe ein vor Allem die unter A. erwähnten Rückſichten; dann
die Rückſicht, daß die Gemeindeverſammlung auf die Anſprüche
auf eine allmählige Weitervertheilung jenes Reſtes der Gemarkung
der Genoſſenſchaft verzichten könne; ferner die Betrachtung des
Gemeindevermögens als das Eigenthum einer ewigen moraliſchen
Perſon, worüber eine einzige Generation zum Nachtheile der noch
folgenden nicht ſo diſponiren dürfe und jedenfalls die ſpäter noch
eintretenden Gemeindebürger den von früher her ſchon aufgenom-
menen gegenüber benachtheiligt ſeien, indem ſie gleiche Laſten tra-
gen müßten, ohne gleiche Vortheile erhalten zu haben4); und
endlich die vielfältige Erfahrung, daß ſich nach der Vertheilung
[526] der Wohlſtand der Bürgerſchaft keineswegs gehoben, im Gegen-
theile die ganze Gemeinde bei der noch hinzutretenden Erſchöpfung
der Gemeindekaſſe, Vergrößerung der Armenklaſſe, Zunahme der
Armenunterſtützungen und Abnahme der Steuerfähigkeit immer
mehr geſunken ſeie5). Es iſt aus Gründen des Eintretens dieſer
verſchiedenen Wahrheiten in verſchiedenen Fällen eine allgemeine
Löſung der Frage nicht thunlich6).
C. Ueber die Auswahl der bei Contrahirung von Anleihen zu
verpfändenden Güter und Einkünfte. Zu Unterpfand dür-
fen öffentliche Gebäude, als Kirchen, Rath-, Pfarr-, Schul-
häuſer, Hoſpitäler, Waiſenhäuſer u. dgl. aus leicht einzuſehenden
Gründen auf keinen Fall verſchrieben werden. Ehe Almendgüter
dazu verwendet werden, hat man zuerſt Gefälle, Gerechtſame, dann
Gemeindegüter zu verpfänden, weil an den Erſteren der Bürger
ein Nutzungsrecht hat. Sind alle dieſe Pfänder erſchöpft, ſo hängt
die Wahl der zu verſetzenden Einkünfte eines Theils von den For-
derungen des Kredits, andern Theils von der Nothwendigkeit der-
ſelben für den Gemeindehaushalt ab.
D. Ueber die Räthlichkeit und Mißräthlichkeit des Ankaufs
von Gütern für die Gemeinde. Da die Nothwendigkeit keine Wahl
übrig läßt, ſo kann ſich's niemals darum handeln, ob in außer-
ordentlichen Fällen der Nothwendigkeit Ankäufe gemacht werden
ſollen, z. B. in Fällen von Peſt und Cholera der Ankauf von Ge-
bäuden zu Hoſpitälern, da man hierzu nicht wohl Privathäuſer
miethen kann. Sondern es handelt ſich um die zweckmäßige Ver-
wendung von diſponiblen Geldcapitalien der Gemeinde und um die
Benutzung einer günſtigen Gelegenheit, das Grundſtocksvermögen
der Gemeinde zu vergrößern7). Jedenfalls iſt die Anſchaffung von
Grundgütern aus den bei A. erwähnten Gründen der Anlage in
Staatspapieren, Actien oder Gemeindeobligationen vorzuziehen,
weil dieſe in allen Fällen mehr Unſicheres hat, — ſtets jedoch
vorausgeſetzt, daß dieſe Capitalien nicht zur Schuldentilgung oder
andern Gemeindeverbeſſerungen, z. B. Schulhäuſern, Kirchen,
Verbeſſerung der Schulfonds, Entwäſſerungen u. dgl. verwendet zu
werden brauchen (§. 382. 362.). Unter allen aber eignen ſich die
Waldungen vorzüglich zum Ankaufe von Gemeinden.
Während man in der Staatsfinanzwirthſchaft zwei Arten der
Erhebung der Staatseinkünfte hat, nämlich diejenige durch Staats-
beamte und jene durch Pächter, ſo gibt es in der Gemeindewirth-
ſchaft nur eine Methode der Erhebung, nämlich jene durch den
Gemeindeverrechner. Er erhebt das Einkommen jeder Art ſelbſt
oder durch ſeine Untergebenen, ausgenommen das Einkommen
beſonderer Stiftungsfonds, welche ihre beſonderen Verwalter
(Pfleger, Schaffner) haben. Die Erhebung geſchieht auf den Grund
[528] von Cataſtern, zu welchen das Staatsſteuerweſen die Form an-
geben muß. Man wird in den meiſten Fällen keine beſonderen
Cataſter für jede Art der Steuer aufzuſtellen brauchen, ausgenom-
men nach den Klaſſen der verſchiedenen Umlagen in Bezug auf die
dadurch zu deckende Ausgaben (§. 385.). Bei den Genußſteuern,
wobei keine Vorausbeſtimmung einer Steuerquote möglich iſt, bedarf
es auch des Cataſters nicht. Der Verrechner iſt aber für die Er-
hebung verantwortlich. Unter ihm ſteht auch die Gemeindskaſſe.
Es gibt in der Regel nur eine Gemeindskaſſe, doch die beſondern
Stiftungskaſſen ausgenommen. In Städten aber, welche ein
ſtaatsmäßig complicirtes Schuldenweſen haben, iſt die Trennung
der eigentlichen Gemeindekaſſe von der Schuldentilgungskaſſe, wie
ſie im Staate beſteht, ebenfalls und aus denſelben Gründen anzu-
rathen. Solchen Falls erhält Leztere auch aus dem Gemeinderathe
eine beſondere Verwaltung.
Die Zwecke der Verwendung des Gemeindeeinkommens ſind
entweder ordentliche oder außerordentliche, und es gibt dem-
nach auch eben ſo vielerlei Ausgaben. Der außerordentliche Auf-
wand kann von verſchiedener Art ſein und begreift jedenfalls alle
nicht laufenden Ausgaben, d. h. alle jene in ſich, welche zu ſolchen
Bedürfniſſen verwendet werden, die nicht jede Rechnungsperiode
wiederkehren; er iſt Folge von zu errichtenden beſonderen Gemeinde-
anſtalten, beſonderen Staats-, Gemeinde- und Naturereigniſſen,
und eben ſolchen Forderungen des Staats ſelbſt1). Der ordent-
liche Aufwand faßt alle laufenden Ausgaben in ſich. Allein die
außerordentlichen müſſen in irgend eine Rubrike der ordentlichen
Ausgaben fallen. Sie ſind in den Hauptrubriken folgende:
A.Für die Bewirthſchaftung des Gemeindevermö-
gens: 1) der Gemeinde- und Almendgüter; 2) der Gemeindewal-
dungen; 3) der verſchiedenen Gerechtſamen; 4) der Gemeinde-
activcapitalien.
B.Zur Entrichtung etwaiger Grund-, Staats-, Be-
zirks-, Lehenslaſten und dgl.: 1) Bodenzinſe, 2) Beede,
3) Zehenten, 4) Lehnszinſe, 5) Beiträge zu Bezirksbauten, z. B.
Dammbaugelder, 6) ſolche zur Bezirksſchuldentilgung, 7) Staats-
ſteuer u. ſ. w.
C.Für Umlage und Erhebung der Gemeindeſteuern,
für die Kataſterarbeiten und Materialien, Erhebungsgebühren u. dgl.
D.Für Tilgung und Verzinſung der Gemeindeſchuld,
wenn regelmäßige Tilgplane angenommen ſind.
E.Für die Gemeindepolizeiverwaltung: 1) Gewerbs-
polizei, z. B. für Haltung des Gemeindezuchtviehes, Wege, Straßen,
Brücken, Dämme inner- und außerhalb des Ortes; 2) Sicherheits-
anſtalten, z. B. Aufſichtsperſonale fürs Innere des Orts und für
die Gemarkung, Gaſſenbeleuchtung; 3) Geſundheitsanſtalten, z. B.
Hebammen, Hoſpitäler, Leichenhäuſer; 4) Marktaufſicht, z. B.
Maaß und Gewicht; 5) Armenweſen; 6) Feuerlöſchanſtalten;
7) Verſchönerungspolizei, z. B. für Anlagen, gerade Richtung der
Straßen u. dgl. m.
F.Für Kirchen- und Schulweſen, z. B. Kirchenmuſik,
Glöckner; Lehrer, Prüfungen, Preisaustheilungen u. dgl. mehr.
G.Für den Amts- und Staatsverband, z. B. Amts-
koſten bei der Rechnungsabhörung, Amtsbotenlohn, Conſcriptions-
koſten u. dgl.
H.Für die allgemeine Gemeindeverwaltung, z. B.
verſchiedene Gehalte und Taxen der Gemeindebeamten und Diener,
Verwaltungsmaterial, öffentliche Blätter und Verhandlungen.
Auch die Einnahmen ſind ordentliche oder außerordent-
liche. Die Erſteren beſtehen aus den im I. Abſchnitte behandelten
Rubriken, mit Ausnahme der Umlagen der Gemeinden, welche,
wenigſtens in Landgemeinden und kleinen Städten, in der Regel
zu den außerordentlichen gerechnet werden müſſen. Außerordentliche
Einnahmen können bewirkt werden aus einem angelegten Gemeinde-
ſchatze, durch Umlage von Steuern oder Erhöhung der ſchon be-
ſtehenden, durch Vorausnahme (Anticipation) von ordentlichem
Gemeindeeinkommen, durch theilweiſe einſtweilige Einſtellung
(Suſpenſion) der Zahlung des ordentlichen Gemeindeaufwandes,
durch Veräußerung von Gemeindevermögen und endlich durch Be-
Baumſtark Encyclopädie. 34
[530] nutzung des Gemeindekredits. Die Wahl unter dieſen außerordent-
lichen Quellen richtet ſich nach beſonderen Umſtänden1).
Was nun aber die Verwendung des Gemeindeeinkommens
anbelangt, ſo muß dabei nach dem oben (§. 383.) angegebenen
Grundſatze der Beitragspflicht einer jeden Klaſſe von Gemeinde-
gliedern verfahren werden. Es iſt daher nothwendig, ſo weit als
möglich die verſchiedenen Rubriken der Ausgaben, ordentliche und
außerordentliche, nach den Klaſſen der Gemeindeglieder zu ſcheiden,
welche Vortheile davon ziehen.
1) An den ſtaatsbürgerlichen und einwohnerlichen Gemeinde-
ausgaben haben nicht blos ſämmtliche Gemeindebürger, ſondern
auch alle nicht gemeindebürgerlichen Einwohner ihren Antheil zu
bezahlen. Es gehören hierher z. B. Staatsſteuern der Gemeinde-
Kriegscontributionen, die Ausgaben für diejenigen Beſtandtheile
der Rubrik E. des §. 390., deren Vortheile nicht einer beſondern
Klaſſe allein zukommen, wobei aber jeder Ausmärker, welcher Ge-
bäude in der Gemeinde beſitzt, als Einwohner anzunehmen iſt,
weil ihm dann die meiſten Anſtalten lezterer Art zu Gute kommen
wie z. B. die Feuerlöſchanſtalten.
2) An den gemeindebürgerlichen Gemeindeausgaben hat blos
die Gemeinde und die Bürgerſchaft zu tragen. Allein es ſollen erſt
Umlagen veranſtaltet werden, wenn das eigentliche Vermögensein-
kommen der Gemeinde nicht mehr zureicht. Es gehören hierher die
Rubriken A. B. G. und H.; die Rubrik C. fällt jeder betreffenden
Steuereinnahme ſelbſt zur Laſt, zu welcher Klaſſe ſie auch gehören
mag; die Beiträge zu D. richten ſich, da dieſe Ausgaben außer-
ordentliche Urſachen haben, was die Steuernden betrifft, nach dem
Grunde der Schuldencontrahirung, welche aus allen genannten
Zwecken nöthig geworden ſein kann, — und es kann alſo Fälle
geben, daß auch ſtaatsbürgerliche Einwohner und Ausmärker dazu
beiſteuern müſſen; die Rubrik F. iſt bei ungemiſchten Gemeinden
hierher zu rechnen, bei gemiſchten aber zerfällt ſie in Beiträge
jeder Confeſſion, während das Schulgeld eine Privatausgabe jedes
Einzelnen, der Kinder in die Schule ſchickt, iſt.
3) Die Ausmärker nehmen, wenn ſie Grundeigenthum beſitzen,
an allen allgemeinen Gemarkungsausgaben Antheil; als Hausbeſitzer
fallen ſie billig in die Klaſſe der ſtaatsbürgerlichen Einwohner.
4) Die geſellſchaftlichen oder Socialausgaben werden blos von
den Theilnehmern getragen, z. B. die Ausgaben für die Gemeinde-
ſtiere, Eber u. dgl., ſelbſt auch oft Ausgaben zu Confeſſionszwecken2).
Bleiben nach der Verwendung der Einnahmen noch Ueber-
ſchüſſe, dann werden dieſe am beſten für die nächſte Rechnungs-
[531] periode verwandt oder auch als diſponible Geldcapitalien (§. 388.)
behandelt. Man ſollte ſie niemals vertheilen, weil zerſplittert ihre
Wirkung in der Gemeinde ſchnell verloren geht, während man ſie
zuſammengehalten ſehr vortheilhaft verwenden kann und weil jeder
Gemeindeangehörige auf dieſe Art indirekt ſeinen entſprechenden
Antheil erhält, was nach dem Grundſatze des Rechts nicht durch
Vertheilung geſchehen würde3).
Zur Erreichung einer möglichſten Uebereinſtimmung der Ge-
meindeausgaben und -Einnahmen und zur Verhütung einer Ueber-
ſchreitung der Beſteuerungsbefugniß von Seiten des Bürgermeiſters
ſind Vorausbeſtimmungen der Ausgaben und Einnahmen für die nächſte
Rechnungsperiode nothwendig. Man nennt ſie Voranſchläge
(Etats). Dieſelben werden in einen allgemeinen (Generaletat,
Budget) und in beſondere (Spezialetats) Voranſchläge ein-
34 *
[532] getheilt. Dieſe geben, ein jeder für ſich, eine Vorausbeſtimmung
der Ausgaben und Einnahmen für die einzelnen Theile der Ver-
waltung und ſind in der Gemeindewirthſchaft um ſo nöthiger,
wenn eine Scheidung der Ausgaben und Einnahmen nach §. 391.
vorgenommen wird. Der Generaletat aber enthält die Reſultate
dieſer Spezialetats zum Behufe der Geſammtvergleichung des Auf-
wandes und Einkommens. In der Regel ſtellt man in den Etats
die Einnahmen vor die Ausgaben. Beide können entweder genau
oder nur annäherungsweiſe durch Schätzung gefunden werden; zur
erſteren Beſtimmung führen feſte Rechnungen, zur andern aber der
Befund der vorhergehenden Jahre oder Ueberſchläge. Der Ver-
gleichung halber iſt es gut, zum neuen Anſchlage immer den Anſatz
aus der vorigen Rechnungsperiode beizuſetzen. In die Etats kön-
nen nur die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben genommen
werden. Die außerordentlichen und die Socialausgaben und Ein-
nahmen bleiben davon ausgeſchloſſen. In den Spezialetats werden,
wie ſich von ſelbſt verſteht, die Deckungsmittel ganz beſonders be-
rechnet. Es werden jedoch die beſondern Inſtructionen und For-
mularien zu allen dieſen Etats von dem Miniſterium oder von den
Regierungscollegien angegeben1).
Auf den Grund des Generaletats hin werden die Einkünfte
verrechnet. Der Verrechner darf aber keine Rechnung bezahlen
ohne vorherige Decretur oder Anweiſung des Bürgermeiſters oder
Gemeinderaths oder der Staatsbehörde, je nachdem es das Ge-
meindegeſetz beſtimmt. Am Ende einer jeden Rechnungsperiode hat
der Gemeindeverrechner Rechnung abzulegen und die geſtellte Ge-
meinderechnung dem Gemeinderathe zur Prüfung vorzulegen, welcher
ſie, je nachdem es das Geſetz beſtimmt, entweder der Staatsbehörde
noch vorzulegen hat oder nicht. Es iſt klar, daß dabei alle Rech-
nungsbelege beigegeben und die Prüfungsbemerkungen (Reviſions-
notaten) beantwortet werden müſſen. Auch für alles dieſes hat
jeder Staat ſeine beſtimmte Normen und Formen.
Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalöconomie) iſt die
Lehre von der Volkswirthſchaft, d. h. von der Thätigkeit der Völker
zur Beiſchaffung, Erhaltung und Verwendung des Volksvermögens
(§. 31. 39.). Da nun eine Nation aus Einzelnen beſteht, dieſe
ſich auch wieder in beſonderen geſellſchaftlichen Verbindungen befin-
den können, und ſowohl die Einzelnen als die Geſellſchaften in der
Volkswirthſchaft mit thätig und aufopfernd ſind, ſo macht auch
ein Jeder nach ſeinem Mitwirken und nach ſeiner Aufopferung
gerechten Anſpruch auf einen verhältnißmäßigen Antheil am Pro-
ducte oder Reſultate der Volkswirthſchaft. Weil aber die Erhal-
tung und die Verwendung im Beſitze der Einzelnen geſchieht, ſo
muß auch unter dieſe eine Vertheilung Statt finden. Daher iſt
die Nationalöconomie die Lehre von der Beiſchaffung (Production,
Hervorbringung), Vertheilung (Distribution), Erhaltung und
Verwendung (Conſumtion) des Volksvermögens durch das Volk
ſelbſt. Die theoretiſche Frage, welche aber nicht auf Begriffen
und Abſtraction, ſondern auf Geſchichte und Erfahrung fußt, be-
trifft darin die Grundzüge des Völkerverkehrs und der National-
betriebſamkeit und die Grundſätze, wonach ſich Beide entfalten.
Die praktiſche Frage, welche auf jenen Verkehrs- und Betriebs-
geſetzen beruhet, iſt, ob und welcherlei Maaßregeln und Anſtalten
erforderlich ſind, um den Völkerverkehr und die Volksbetriebſamkeit
nicht zu hemmen, ſondern weiter zu fördern, damit das Volk zum
möglichſt hohen Grade von Wohlſtand gelange, und welches die
Klugheitsregeln für alle diejenigen Privat- und geſellſchaftlichen
Einrichtungen ſind, von deren Beſtande und Stiftung der allge-
meine Wohlſtand Impulſe empfängt. Man nennt den Theil der
Nationalöconomie, welcher die Erſteren abhandelt, den theoreti-
ſchen (Theorie des Volksvermögens, Volkswirthſchaftslehre im
[534] engern Sinne), und denjenigen, welcher die Andern erörtert, den
praktiſchen Theil (Lehre von der Volkswirthſchaftspflege oder
Wohlſtandsſorge, Gewerbspolizeiwiſſenſchaft). Man kann aber den
erſteren Theil wegen ſeines Inhaltes volkswirthſchaftliche
Gewerbs-, und den zweiten dagegen volkswirthſchaftliche
Betriebslehre nennen1). Denn jener betrachtet das Erwerbs-
und Gewerbsweſen der Völker aus dem Geſichtspunkte (nicht der
Vereinzelung, ſondern) des nationalen Zuſammenhanges und der
gegenſeitigen Einwirkung der bürgerlichen Erwerbs- und Gewerbs-
thätigkeit, als ein lebendigen Gemenges von Co- und Reaction der
Menſchen, und ſucht die Urſachen, Wirkungen und Folgen davon
zu erforſchen und zu erklären. Dieſem aber erſcheint jener Zuſam-
menhang als etwas Nothwendiges, deſſen Beſtande nicht blos nicht
entgegengewirkt, ſondern vielmehr jeder Vorſchub gelaſſen werden
muß, wenn die Völker ihrem Wohlſtande entgegengehen ſollen;
derſelbe hat daher zur Aufgabe, die Grundſätze und Maximen zu
lehren, wie jener ſelbſtſtändige Zuſammenhang des nationalen
Erwerbs- und Gewerbsweſens erhalten und befördert werden ſoll,
welche Maaßregeln und Anſtalten hierfür die beſten ſind, und wie
dieſelben am zweckmäßigſten eingerichtet und geleitet werden müſſen,
ſeien ſie von Privaten, Geſellſchaften, Gemeinden oder Staaten
angeordnet2).
Die Wiſſenſchaft von der Volkswirthſchaft iſt, obſchon man
ſie als die erſte Bedingung für die Erforſchung des Völker- und
Staatslebens betrachten muß, in ihrer jetzigen Geſtalt erſt ein
Erzeugniß der neueren und neueſten Zeit. Wenigſtens iſt ſo viel
gewiß, daß die neuern abendländiſchen Staaten und Völker darin
keinen wiſſenſchaftlichen Unterricht von den alten ſüdländiſchen
empfangen haben, ſondern die Grundſätze aus eigenen Erfahrungen
und Studien ſammelten. Hieraus und aus dem Wenigen, was
uns in den literariſchen Reſten aus der alten Zeit darüber zu-
gänglich wurde, zu ſchließen, daß die Alten davon ſo viel als
nichts gewußt oder gar geahnet hätten, muß als ein Fehlſchluß
erſcheinen1). Das älteſte orientaliſche Völkerleben iſt für uns noch
in ein ſehr tiefes Dunkel gehüllt, allein was wir von demſelben
wiſſen, das ermächtigt uns mehr zu der Annahme, daß ſie den
Volkswohlſtand auf eine tiefe nationale Weiſe zu befördern wußten.
Es iſt hierher jedenfalls das phöniziſche Volk, Babylonien,
Aegypten und Karthago zu rechnen2). Die Griechen, ein
Handelsvolk, hatten verſchiedene Einrichtungen zur Förderung des
Handels und der damit zuſammenhängenden Gewerbe, wovon man
auf das Vollkommenſte berechtigt iſt zu dem Schluſſe, daß ſie es
recht gut verſtanden, die Volksgewerb- und Betriebſamkeit ſo weit
zu unterſtützen, als es nach ihren nationalen Anſichten geſchehen
mußte3). Die auffallende Verſchiedenheit des Charakters der
Griechen und Römer geſtattet jedoch auch in dieſer Hinſicht wenig
Aehnliches und Gleiches. Als ein kriegeriſches und räuberiſches
Volk konnten dieſe nicht auf die friedliche Verwaltung ihrer Colonien
und eroberten Länder in dem Grade kommen, wie Phönizier und
Griechen; ihre ganze Eigenthümlichkeit war dem Gewerbsweſen
nicht ſo geneigt, wie jene Völker. Dennoch aber beſchäftigte ſich
bekanntlich ihre Geſetzgebung ſehr angelegen mit der Leitung des
Ackerbaues und des Handels, der zwei Gewerbe, welche ihrer
[536] Nationalität am meiſten zuſagten4). Die abendländiſchen
Völker, nach der großen Völkerwanderung, haben vor den Alten
neben dem Hervortreten und neben der eigenthümlichen Geſtaltung
des Gewerbsweſens auch das voraus, daß ſie, nachdem das ganze
Mittelalter vorübergegangen und viele gemeinſame Erfahrungen in
der Geſchichte angehäuft waren, wie auch aus vielen anderen
Dingen, ebenfalls aus der Staatsverwaltung eine Wiſſenſchaft
machten. Allein es dauerte bis dahin mehrere Jahrhunderte, von
denen man aber keineswegs ſagen kann, daß ſie keine volks- und
ſtaatswirthſchaftlichen Sätze gekannt hätten5). Denn wenn auch
bei den Schriftſtellern, wie Bodin, Klock, Becher, v. Lotz
u. A. (§. 29. Note 2 u. 3), welche ſo ſehr viel Unbrauchbares
und grundſätzlich Unrichtiges haben, das Praktiſche ihrer Zeit nicht
leicht von den gelehrten Theorien zu ſcheiden iſt, ſo ſchreitet man doch
bei v. Seckendorf und v. Schröder (§. 27. N. 2 u. 3) immer
parallel mit der Staatspraxis, während ſich in der Finanzverwal-
tung von Sully und von Colbert (§. 29. N. 4 u. 5) die prak-
tiſchen Erfahrungen erſt eigentlich zu einem Syſteme zu kryſtalliſiren
beginnen6).
Die Geſchichte ſchildert uns die Völker des Alterthums theils
als prachtliebend, theils als nach Gewinnſt durch Handel und
Colonien ſtrebend, theils als kriegeriſch. Es iſt daher nichts natür-
licher als die vorherrſchende Neigung der Perſer und Babylonier,
der Phönizier und Karthager, der Griechen und der Römer nach
Gold und Silber und nach Vermehrung des Geldes. Dies war
der Strebepunkt der Einzelnen ſo wie der Regirungen1). Dieſes
Streben war ſchon im Alterthume der Antrieb und die Veranlaſſung
zu vielen kriegeriſchen und Handelsunternehmungen und fand in
verſchiedenen Perioden durch analoge Ereigniſſe damals bereits
mehrmals Befriedigung. Es gehört hierher die Entdeckung Spa-
niens durch die Phönizier, der perſiſche Krieg Alexanders d. Gr.,
und die Eroberungen der römiſchen Republik im Oriente2). Nach
der Zerſtörung des römiſchen Reichs nahm auch in dieſer Beziehung
Europa ein anderes Ausſehen an. Die von den Römern bereits
ausgeſaugten Abendländer wurden von den Barbaren überſchwemmt,
und es mußten daher in Bezug auf Bevölkerung und Flächenaus-
[538] dehnung, um ſo mehr, wenn man die Zerſtörungswuth hinzurechnet,
die Menge von Gold und Silber und Geld ſehr verſchwinden2).
Was der ſo umgeſtalteten Bevölkerung Noth that, das waren feſte
Sitze; dies war der Strebepunkt ihrer Wanderung und das natür-
liche Ergebniß des niederen Grades ihrer Cultur. Daher fußte die
geſellſchaftliche Ordnung auf Ackerbau und Viehzucht, daher kam
das Naturalſteuerſyſtem, und dies Alles fand ſeinen Stützpunkt im
Chriſtenthume. Bei dieſem Syſteme konnten unſere Völker, wie
der natürliche Entwickelungsgang der Menſchheit zeigt, nicht ſtehen
bleiben, es veränderte ſich im Gegentheile die Cultur, die Bevöl-
kerung, das Gewerbsweſen und die Verfaſſung und mit dieſer die
Staatsverwaltung und Staatswirthſchaft4). Es mußten Mißver-
hältniſſe dadurch entſtehen; dieſe, für Viele in den Völkern drückend,
erregten einen Durſt nach allgemeinem Beſſerwerden und die ſelt-
ſamſte Miſchung der wilden Elemente des Abentheuers, der Kriegs-
luſt und wirthſchaftlichen und politiſchen Unzufriedenheit mit den
friedlichen und göttlichen der Religioſität trieb ſchon im erſten
Jahrtauſende der chriſtlichen Zeitrechnung unter den Bannern der
Kreutzzüge die abendländiſchen Völker nach dem fernen Orient.
Während von dort die Kunde von der gefundenen Befriedigung der
Einbildungskraft, des kriegeriſchen Muthes, der Mordluſt, Habſucht
und des religiöſen Durſtes ertönte, benutzte das Pabſt-, Kaiſer-
und Königthum von Europa dieſe Gelegenheit einer Art von Colo-
niſation immer mehr mit allen zu Gebote ſtehenden Mitteln. Herr-
ſchaft, Hof und Haus ward von Einzelnen zu Geld gemacht, um
zu wandern; die Päbſte ergriffen ſchlau alle unter dem Deckmantel
des Chriſtenthums anzuwendenden Mittel und Wege, um Geld zu
bekommen; die Naturalwirthſchaft der Staaten mußte der Geld-
wirthſchaft den Platz einräumen; die durch dieſe Auswanderungen,
unglücklichen Zurückkünfte und erwähnten Mißverhältniſſe erzeugte
Unſicherheit des Eigenthums und der Perſon machte den unbe-
kannten Beſitz von Gold, Silber und Geld ſehr wünſchenswerth;
die allgemeine immer ſteigende Münzverwirrung und das Hervor-
treten einer großen Erweiterung des Handels und Gewerbsweſens
veränderte den volkswirthſchaftlichen Zuſtand, beſonders kamen die
Städte und ſtädtiſchen Gewerbe in ſtaunenswerthe Blüthe und
wirkten wieder auf die Staatswirthſchaft zurück. Daher befanden
ſich die abendländiſchen Völker, wie ehemals die alten des Orients,
in einem Zuſtande des volks- und ſtaatswirthſchaftlichen Geld-
ſyſtems. Seine Macht auf die Gemüther, beſonders der Handels-
leute und Regenten, verſchaffte dem großen Columbus und Basco
de Gama die Geldmittel zu ihren Seefahrten. America und der
[539] Weg um das Vorgebirg der guten Hoffnung nach Oſtindien wurde
entdeckt. Die erſehnten Goldgruben waren ſo auch der abendlän-
diſchen Welt geöffnet und Aſien mit Europa und dies mit America
verbunden.
Auf die beſchriebene Art bereitete ſich ein Syſtem der Staats-
und Volkswirthſchaft vor, welches in der Entdeckung des Weges
um das Vorgebirge der guten Hoffnung eher einen Todesſtoß, als
ein neues Lebenselement hätte erlangen ſollen, wenn die Gemüther
und Geiſter nicht zu ſehr ſchon aus den andern Urſachen in ſeinen
einzelnen Grundſätzen befangen geweſen wären1). Dieſes Syſtem
iſt 1) das Handels- oder Mercantilſyſtem. Es betrachtet
das Geld, Gold und Silber als den wahren Reichthum2) und
bezieht hierauf alle Maximen und Anſtalten für die Förderung des
wirthſchaftlichen Wohlſtandes der Staaten und Völker, weßhalb es
auch den Dingen blos einen Werth beilegt, inſoferne und im Verhält-
niſſe, als ſie Geld eintragen. Die nächſte politiſche Folgerung hier-
aus, daß alſo alle bürgerlichen Gewerbe, welche Gold und Silber
hervor- und ins Land bringen3), das Land bereicherten, bewirkte eine
künſtliche Leitung und mißleitende Verkünſtelung der gewerblichen
Verhältniſſe der Völker ſowie auch eine ganze Politik, wodurch Gewalt
und Privilegium an die Stelle des Rechts und der Gleichheit,
Geld an die Stelle der eigentlichen Mittel zur Befriedigung der
Bedürfniſſe, außerordentliche Ungleichheit der Vertheilung des
Vermögens unter die Staatsangehörigen an die Stelle verhältniß-
mäßiger Ausgleichung, Handelsgeiſt und Mißtrauen an die Stelle
wahrer Sittlichkeit, Ehre und Zutrauens traten. In Frankreich
[540] namentlich war dieſer Zuſtand durch Schwäche, Leidenſchaftlichkeit
und Unmündigkeit der Könige ſowie durch die Herrſchaft der
Geiſtlichkeit, der Adels- und der Geldariſtokratie auf die höchſte
Spitze getrieben, ſo daß eine Anzahl philoſophiſcher Köpfe und
zugleich edler Männer auf den Gedanken geriethen, den gerade
entgegengeſetzten Staatszuſtand nach einem ſelbſt geſchaffenen Ideale
auf dem Wege der Reform hervorzurufen. So entſtand 2) das
phyſiocratiſche oder Landbauſyſtem4). Daſſelbe wollte die
natürliche Ordnung (Ordre naturel, Physiocratie) wieder her-
ſtellen, und ſtellte daher als Grundſatz auf, daß der Natur der
Sache nach nicht das Geld, ſondern vielmehr die wirklichen Be-
dürfnißmittel den Reichthum ausmachen, das Geld aber, an ſich
ungenießbar, blos ein Verkehrsmittel ſei. Je mehr man an jenen
Bedürfnißmitteln ſelbſt beſitze oder über je mehr davon man ver-
fügen könne, ſagt dieſes Syſtem, um ſo reicher ſei man zu nennen.
Da es nun aber der Stoff ſei, den man gebrauche und verzehre,
ſo verſchaffe uns blos die Natur und durch ſie dasjenige Gewerbe
den Reichthum, welches der Natur Güter abgewinne, und folglich
ſei blos der Erdbau (Landbau) productiv unter den Gewerben.
Neben manchen andern Folgerungen aus dieſen Prinzipien5) ging
aus dem Fundamentalprinzipe hervor, daß der Staat der bürger-
lichen Induſtrie keine künſtliche Richtung geben, ſondern ihren
natürlichen ungeſtörten Entwickelungsgang laſſen ſolle (Laissez
faire et laissez passer), wie ihn die Natur und der Verkehr
erſchaffe6). Obſchon dies ganze Syſtem viel zu idealiſch war, als
daß es in der Staatspraxis hätte verwirklicht werden dürfen, ſo
war doch ſeine Schärfe, Selbſtſtändigkeit und theilweiſe Natür-
lichkeit die Urſache vieler Aufſchlüſſe über die wahren Natur- und
Verkehrsverhältniſſe der Menſchheit und es bildete die Grundlagen
eines neuen der Wahrheit näher kommenden Syſtemes. Dies iſt
3) das Induſtrie- oder allgemeine Gewerbsſyſtem. Das-
ſelbe tritt jenen Beiden entgegen7) und ſtellt als Grundſatz auf,
die Natur ſei zwar die lezte Quelle aller Güter, aber die Arbeit
verſorge den Menſchen mit den Lebensgütern und mit einem ſolchen
Vorrathe von Vermögen, den er wieder zur Erweiterung ſeines
Erwerbes verwende (Capital)8). Weder die Einträglichkeit an
Geld, noch die bloße Sachlichkeit der Güter ſei das Weſentliche
für das Menſchenleben, ſondern überhaupt der Grad ihrer Noth-
wendigkeit zu den verſchieden wichtigen Zwecken der Menſchen oder
ihr Werth. Unter anderen Folgerungen9) geht als die charak-
teriſtiſchſte hervor, daß alle Gewerbe productiv ſind, welche neue
Werthe hervorbringen, und von Seiten des Staates ſämmtliche
[541] geſetzliche wirthſchaftliche Thätigkeiten, gleiche Ungeſtörtheit in
ihrer Entwickelung anzuſprechen haben. Dieſes Syſtem iſt das
jetzt in der Wiſſenſchaft herrſchende und geht jetzt allmälig immer
mehr in die Staatspraxis über, da es Mühe koſtet, die Wirkungen
des Mercantilſyſtemes allmälig auszugleichen. Allein auch in der
Wiſſenſchaft iſt es erſt in der Entwickelung begriffen.
Die volkswirthſchaftliche Gewerbslehre iſt die Wiſſen-
ſchaft von dem wirthſchaftlichen Erwerbe und von der Erhaltung
und Verwendung des Vermögens und Einkommens der Völker, als
genealogiſche und politiſche Einheiten einander gegenüber und als
Geſammtheiten verſchiedener einzelner und geſellſchaftlicher, wirth-
ſchaftlich thätiger Perſonen für ſich betrachtet. Sie betrachtet die
volkswirthſchaftliche Gewerbſamkeit, deren Zwecke und Reſultate
überhaupt (Allgemeine Grundſätze), und die volkswirthſchaft-
lichen Gewerbsklaſſen nach ihrer Entwickelung, gegenſeitigen Stel-
lung und Einwirkung in der Volkswirthſchaft, und nach ihrem
Antheile an der Förderung des wirthſchaftlichen Volkswohlſtandes
(Beſondere Grundſätze). In der allgemeinen volkswirth-
Baumſtark Encyclopädie. 35
[546] ſchaftlichen Gewerbslehre hat man aber, da ſie die wirthſchaftlichen
Thätigkeiten, Zwecke und Reſultate aus dem allgemeinſten Geſichts-
punkte zu Gegenſtänden hat, nicht blos den volkswirthſchaftlichen
Erwerb, ſondern auch die Hauswirthſchaft aus dem volkswirth-
ſchaftlichen Geſichtspunkte, zu betrachten, woraus ſich denn die
folgende Anordnung ihres Stoffes von ſelbſt ergibt (§. 40.).
Dieſer Theil der vorſtehenden Wiſſenſchaft unterſucht zuerſt die
Bedingungen, Vorgänge und Grundſätze des volkswirthſchaftlichen
Erwerbs überhaupt mit Bezug auf das Volk, Volksvermögen und
Volkswohl als Ganzes, und alsdann insbeſondere in Betreff des
Antheils, welchen die Einzelnen an den Quellen des Volksver-
mögens, an der volkswirthſchaftlichen Thätigkeit, am Volksver-
mögen und Volkseinkommen nehmen und empfangen. Das Erſtere
betrifft die Hervorbringung (Production), das Andere aber
die Vertheilung (Distribution) des Volksvermögens und -Ein-
kommens.
Die Beſtandtheile des Volksvermögens können nur dargeſtellt
werden, wenn der Begriff und die Arten der Güter beſtimmt und
unterſchieden ſind. Man ſupplire daher hier den §. 37. u. 38.
Was man unter Vermögen verſteht, ſehe man im §. 39. Unter
dem Volksvermögen (Vermögen des Volks) iſt daher alles Ver-
mögen in jenem Sinne zu verſtehen, welches ein Volk, als Collectiv-
begriff von Einzelnen und geſellſchaftlichen Vereinigungen, hat.
Alſo gehören in das Volksvermögen nicht blos ſachliche (kör-
perliche), ſondern überhaupt alle von einem Volke ausſchließlich
beſeſſenen Güter von Gebrauchs- und Tauſchwerth1). Und es
ſind demnach als Beſtandtheile des Volksvermögens aufzuzählen:
a) Das inländiſche Vermögen der Staatsbürger, Stiftungen,
Geſellſchaften, Gemeinden und des Staates.
b) Jede Forderung dieſer vier Arten von Perſonen des In-
landes an ſolche im Auslande2).
Es gehören daher in das Volksvermögen alle in dieſen beiden
Theilen enthaltenen unbeweglichen und beweglichen, ſachlichen Güter
von Gebrauchs- und Tauſchwerth als ausſchließlicher Beſitz einer
Nation und alle unkörperlichen Güter von denſelben Eigenſchaften3).
Der Grundſatz des phyſiocratiſchen Syſtems (§. 397. 2.) iſt,
obſchon es ihn nicht geradezu an die Spitze geſtellt und ausge-
ſprochen hat, doch zuletzt der, daß das Weſentliche des Ver-
mögens in der Materie liege1). Der letzte Grundſatz des Merkan-
tilſyſtems iſt ebenſo der, daß das Vermögen ſeinem Weſen nach in
Geld beſtehe2). Allein dies iſt offenbar unrichtig, weil man es,
wie ſchon im Begriffe von Gut liegt, nach dem Vortheile, welchen
die Güter für uns haben, ſchätzt und der Gebrauch, im gewöhn-
lichen Leben den Reichthum der Menſchen nach der Maſſe von
Geld, Grundeigenthum u. ſ. w. zu ſchätzen, darauf beruht, daß
man gleiche Gattungen von Vermögen vergleicht. Schätzte man
aber das Vermögen verſchiedener Perſonen, wenn es bei Einem
aus Staatspapieren, beim Andern aus Fabrikanlagen, bei einem
Dritten aus einem Handelsetabliſſement beſteht, ſo würde man ſich
gewaltig irren, wenn man dies nach dem Maaßſtabe der Materie
thäte. Das wahre Weſen des Vermögens beruhet alſo auf ſeiner
Nützlichkeit, d. h. überhaupt ſeiner Tauglichkeit für irgend eine
Nutzung (§. 39.). Der Grad dieſer Nützlichkeit für die Zwecke der
Menſchen wird Werth genannt3).
Da die Nutzung und die Nützlichkeit der Güter unter zwei
Beziehungen erſcheint, nämlich als unmittelbare und mittelbare
[550] (§. 39.), ſo bietet auch der Werth zwei Geſichtspunkte dar, unter
denen er betrachtet werden muß.
a) Nimmt man ihn als Grad der Nützlichkeit für den unmittel-
baren Gebrauch, ſo kann man ihn Gebrauchswerth (mehr oder
weniger Verbrauchswerth) nennen1).
b) Nimmt man ihn aber als Grad der Nützlichkeit für den
mittelbaren Gebrauch, dann dürfte man ihn zur Unterſcheidung
Erwerbswerth heißen. Da man aber die Güter mittelbar nützen
kann, entweder indem man ſie zu Hervorbringung neuer Güter
oder zum Eintauſchen anderer Güter verwendet, ſo erſcheint der
Erwerbswerth wieder unter zwei Beziehungen, nämlich als Grad
der Nützlichkeit für die Production (Schaffwerth) und als
ſolcher für den Tauſch (Tauſchwerth)2). Jener Schaffwerth
und obiger Gebrauchswerth werden zuſammen gewöhnlich Ge-
brauchswerth genannt, als Gegenſatz des Lezteren3).
Da, wie gezeigt iſt, das Weſen des Gutes und Vermögens
auf dem Werthe beruht, ſo kann auch nur dieſer den wahren
Maaßſtab deſſelben abgeben. Weil es aber zwei Arten des Werthes
gibt, ſo iſt auch ihre Tauglichkeit zur Meſſung des Vermögens
unterſucht worden. Man hat zur Vermögensmeſſung ſchon vor-
geſchlagen:
a) Den Gebrauchswerth. Allein bei näherer Betrachtung
der Mittel, welche behufs dieſer Schätzung zu Gebote ſtehen, und
des Erfolges, der dabei zu erwarten iſt, iſt nicht zu verkennen,
daß man in das Bereich unberechenbarer Größen kommt, weil der
Gebrauchswerth eine ſubjective Beziehung iſt, und demnach die
Schätzung des Vermögens eine ſolche des irdiſchen Glückes ſein
müßte. Deßhalb iſt eine Schätzung des Vermögens hiernach in
der Privat-, wie in der Volkswirthſchaft unausführbar1). Allein
ganz abgeſehen hiervon, ſo muß dieſe Schätzung grundſätzlich als
einſeitig erſcheinen, weil das Vermögen zu zwei Nutzungen (§. 402.)
verwendbar iſt2). Man darf alſo ſchon aus dieſem Grunde
b) den Tauſchwerth, als Schätzungsmaaßſtab nicht außer
Augen laſſen. Zudem iſt er auch darum noch wichtiger als der
Gebrauchswerth, weil er das Criterium des Vermögens iſt (§. 39.),
und jedenfalls den Gebrauchs- oder Schaffwerth vorausſetzt3).
Nach dem Tauſchwerthe kann man aber das Vermögen ſchätzen,
entweder indem man ihn an ſich nimmt4), oder indem man ſich,
[552] wie im gemeinen Leben geſchieht, dazu des Preiſes bedient5).
Weil nun aber der Preis, wie ſchon oben (§. 58. 59.) dargethan
iſt, noch von anderen Umſtänden als vom Tauſchwerthe abhängt,
ſo kann er auch nicht immer den Tauſchwerth anzeigen und es
bleibt demnach dieſer Leztere als der beſſere Maaßſtab zur Schätzung
des Vermögens übrig6).
Die wirthſchaftlichen Thätigkeiten der Menſchen haben zum
nächſten Zwecke die Erwerbung oder Vergrößerung des Vermögens.
Der Einzelne oder eine Geſellſchaft im Staate kann dieſe ſchon
zu Stande bringen, nicht blos indem er ſelbſt Güter ſchafft, ſon-
dern indem er ſie durch Leiſtungen materieller oder immaterieller
Art von Andern erwirbt. Eine Nation aber kann ihr Vermögen
nur vergrößern durch Hervorbringung (Production) neuer Werthe
im Sinne der Wirthſchaft, denn ſelbſt auch der Gewinnſt durch
Leiſtungen für andere Völker ſetzt Production im eigenen Lande
voraus. So erſcheint die Production als letzte Bedingung der
Volkswirthſchaft und des wirthſchaftlichen Volkswohles. Die wei-
tere Unterſuchung der Beziehungen der Production im Allgemeinen
iſt hier aus den §§. 50–52. zu ergänzen1).
Die einzelnen Zweige der wirthſchaftlichen Production der
Nationen ſind außerordentlich manchfaltig. Allein ſie laſſen ſich
leicht in eine überſehbare Ordnung bringen, welche zugleich ihren
Zuſammenhang zeigt. Dieſelbe iſt aus den §§. 41. u. 42. erſichtlich1).
Die Frage, welche von den verſchiedenen Gewerben und in
welchem Grade ſie zur wirthſchaftlichen Production mitwirken,
d. h. productiv ſind, iſt an ſich nicht von Bedeutung für das Leben;
denn der Einzelne, überhaupt jeder Gewerbtreibende, beurtheilt
ſie nach dem aus ihnen für ihn hervorgehenden Vortheile, unbe-
kümmert um die Vermehrung des Volksvermögens (§. 404.). Aber
ſie iſt wichtig für die Widerlegung der Anſichten des merkantiliſchen
und phyſiokratiſchen Syſtems1). Die Criterien der Productivität
der Gewerbe ſind bereits oben (§. 50–52.) angegeben. Indeß
ſind die Meinungen doch ſehr verſchieden, zwar jetzt nicht mehr
über die Productivität des Bergbaues, der Land- und Forſtwirth-
ſchaft, der Handwerke, Manufacturen und Fabriken, aber über
jene des Handels, der Leihgeſchäfte und der Dienſte2). Allein
man ſtreitet ſich leider auch hier, wie in manchen anderen Para-
graphen unſerer Wiſſenſchaft, größtentheils um das Wort. Der
erſte Zweck der wirthſchaftlichen Production iſt die Schaffung neuer
wirthſchaftlicher Werthe, der letzte aber die Conſumtion. Man
will Bedürfniſſe befriedigen und genießen, um den hohen Zweck
des Menſchenlebens ſo gut als möglich zu erreichen (§. 71. u. 72.).
Wollte man aber die Beförderung des letzten Zweckes als Criterium
der wirthſchaftlichen Productivität anſehen, ſo dürfte ſich ſchwerlich
eine rechtliche, ſittliche, überhaupt vernünftige und kluge Handlung
auffinden laſſen, welche nicht in irgend einer Beziehung productiv
wäre. Da die wirthſchaftliche Production blos die wirthſchaftlichen
Güter zu dieſem letzten Zwecke ſchafft und alsdann ihren Zweck
erfüllt ſieht, ſo will ſie alſo blos die hierzu nöthigen Vermögens-
theile in Bereitſchaft bringen und halten. Alle Gewerbe und Be-
ſchäftigungen, welche die Volkswirthſchaft mit Erfolg dieſen Zwecken
widmet, ſind alſo productiv, ſei es indem ſie geradezu neue Werthe
erſchaffen (§. 50.) und durch ihre Hilfsmittel dies befördern
(direct), oder die erzeugten Güter unter den (§. 52.) erwähnten
Bedingungen in die Hände des Conſumenten bringen, oder, her-
vorgegangen aus dem Prinzipe der Sparſamkeit, die Dauer der
Vermögenstheile verlängern (§. 70.) und bewirken, daß die Be-
dürfniſſe und Genüſſe in gleicher Vollſtändigkeit mit weniger wirth-
ſchaftlichen Mitteln befriedigt und erreicht werden (indirect).
[555] Hieraus ergibt ſich die Productivität des Handels, des Capitaliſten-
geſchäftes, der Gewerbs- und Hauswirthſchaftsdienſte bei einigem
Nachdenken von ſelbſt3). Unter den Geſchäften der Dienſtleiſtenden
anderer Art, z. B. der Gelehrten, Staatsdiener, Advocaten,
Künſtler u. ſ. w. werden ſich auch die wirthſchaftlich productiven
leicht herausfinden laſſen; ſolche Dienſte überhaupt für wirthſchaft-
lich productiv zu erklären iſt, wenn ſie auch das Glück des Lebens
noch ſo ſehr fördern, ſo gewiß unrichtig, als ſich ihre Geſchäfte
nicht immer auf wirthſchaftliche Verhältniſſe beziehen, ſondern alle
Lebensbeziehungen umfaſſen4).
Nicht das Vermögen allein, wie man öfters glaubt, iſt die
Quelle der wirthſchaftlichen Güter oder neuen Vermögens, ſondern
auch vieles Andere, was nicht in das Vermögen gehört. Die Güter-
quellen ſind oben §. 53. u. 54. zuſammengeſtellt1).
Die Wirkſamkeit der Güterquellen zu betrachten, iſt eine der
wichtigſten und intereſſanteſten Aufgaben der Volkswirthſchaftslehre.
Blos die Natur und der menſchliche Geiſt kann außer der Gott-
heit, jene Materielles, dieſer Immaterielles ſchaffen, d. h. aus
nichts hervorbringen. Das letzte Wie über das Walten der Natur
iſt unerforſcht, obſchon man ſchon manchfache Kräfte entdeckt hat,
durch deren Wirkung mit den Stoffen Veränderungen hervor-
gebracht werden, welche mit dem Schaffen neuer Stoffe oft die
auffallendſte Aehnlichkeit hat. Man theilt ſie, freilich nur nach
der Verſchiedenheit der erzeugten Producte, in organiſche und
unorganiſche Kräfte ein, je nachdem ſie die Gegenſtände des
Thier- und Pflanzenreichs oder jene des Mineralreichs hervor-
bringen. Ihre Wirkung iſt in verſchiedenen Theilen und Punkten
der Erde verſchieden; wenigſtens erblickt man die verſchiedenſten
organiſchen Gebilde verſchieden vertheilt und die unorganiſchen
Stoffe, von denen man nicht weiß, ob die Natur in ihrer Erſchaf-
fung immer noch fortfährt, ſind nicht überall vorhanden und zu
finden. Dieſe örtliche und periodiſche Veränderlichkeit in der Wir-
kung der Naturkräfte rührt von den verſchiedenen Verhältniſſen der
Gegenſeitigkeit der vorhandenen Naturkörper im weiteſten Sinne
des Wortes her, nämlich: von jenen der Himmelskörper, der Erde,
Erdkörper (Naturkörper im engern Sinne), der Luft, und des
Waſſers. So iſt die Productivität der Länder von der Natur
bedingt1).
Ohne Arbeit iſt für den Menſchen die Natur nutzlos. Deß-
halb iſt die Arbeit auch die weſentlichſte Bedingung des Menſchen-
lebens. Sie iſt die Urſache, warum der Wohlſtand der Völker
nicht blos von der Natur abhängt, ſondern auf minder glücklich
begabten Ländern die Menſchen geiſtig und wirthſchaftlich höheren
Glückes genießen als die Bewohner der von der Natur am reich-
lichſten verſorgten Gegenden. Alſo auch bei ungleichen Natur-
[558] geſchenken iſt die Entwickelung des Menſchen in geradem Verhält-
niſſe zu ſeiner Arbeit, und die Geſchichte lehrt auch, daß die Ver-
beſſerungen in der Arbeit neue Beweiſe und Urſachen von den
Fortſchritten der Menſchheit ſind1). Es werden aber zugleich
durch die Arbeit der Menſchen die rohen Naturproducte ſo durch
chemiſche und mechaniſche Einwirkung verändert und ihre Werthe
werden dermaßen durch ſie erhöhet, daß es oft ganz unmöglich iſt,
ſie wieder zu erkennen2). Es iſt alſo in dieſer Beziehung die
Arbeit die vorzüglichſte und eigentliche Quelle des Vermögens,
und Alles, was ihre Wirkſamkeit erhöht, ſteigert auch die Wohl-
fahrt der Völker. Da die Arbeit aber einen ſicheren Gegenſtand
haben muß, ſo iſt die erſte Bedingung der Erhöhung ihrer Wirk-
ſamkeit: 1) die Sicherheit des Eigenthums. Das Eigenthum
hat nur in der Arbeit ſeinen Urſprung, und ſollte dieſe auch blos
in jener der Beſitzergreifung und Vertheidigung des von der Natur
Dargebotenen beſtehen. So erwerben ſich die Völkerſtämme ihr
Eigenthum, ſo auch die Einzelnen ihre Antheile an dem gemein-
ſchaftlichen Gute. Die Geſchichte beweist dies eben ſo gründlich,
wie es aus Vernunftgründen angenommen werden muß. Wo man
ſich nun aber der körperlichen oder geiſtigen Producte ſeiner Arbeit
nicht mit Sicherheit erfreuen kann, da wird man auch nicht
arbeitſam ſein und keine Verbeſſerung in der Arbeit einführen3).
Alle Anſtalten und Thätigkeiten, welche die Sicherheit des Eigen-
thums bewirken, ſind daher Mittel zur Erhöhung der productiven
Wirkung der Arbeit. Die zweite Bedingung einer productiven
Wirkung der Arbeit iſt 2) die geiſtige Entwickelung. Ohne
das geiſtige Element, welches den Körper des Menſchen überhaupt
in Bewegung ſetzt und dieſer Lezteren ihre dem Zwecke entſprechende
Richtung vorſchreibt, kann es keine productive Arbeit geben. Die
Erfahrung zeigt, daß, ſo groß auch die körperliche Kraft ſein
mag, die Arbeitsunfähigkeit des Menſchen immer um ſo geringer
iſt und wird, nicht blos je geringer die Geiſtesanlagen an ſich,
ſondern auch je weniger ſie ausgebildet ſind und werden. Deßhalb
hängt die productive Wirkung der Arbeit, wie ebenfalls die Ge-
ſchichte zeigt, von allen jenen Anſtalten und Thätigkeiten ab, welche
die geiſtige Entwickelung der Menſchen befördern. Unter dieſen
beiden Bedingungen wird den Erfolg der Arbeit noch bedingen
3) die Anzahl und körperliche Geſchicklichkeit des arbei-
tenden Theiles der Bevölkerung. Dieſe Bedingung der nutzbaren
Wirkung der Arbeit kann niemals die zweite genannte erſetzen.
Wohl aber können wenige recht unterrichtete Arbeiter eben ſo viel
und noch mehr leiſten als viele gar nicht oder wenig unterrichtete.
[559] Es iſt daher für die productive Wirkung der Arbeit in der Volks-
wirthſchaft das Zahlenverhältniß zwiſchen denjenigen der Bevölkerung,
welche mit productiver Arbeit beſchäftigt, und denjenigen, welche
dies nicht ſind, äußerſt wichtig. Für dieſelben ſind daher alle
Umſtände, Anſtalten und Thätigkeiten förderlich, nicht ſowohl
welche die Volksmenge, als vielmehr welche die arbeitſame Bevöl-
kerung erhöhen und die unarbeitſame verringern, und einen ge-
ſunden, kräftigen, wohlgebauten Menſchenſchlag erzeugen und er-
halten4). Eine Hauptbedingung der productiven Wirkung der
Arbeit iſt 4) die Arbeitstheilung. Dieſelbe bietet zwei Be-
ziehungen dar, nämlich die rein volkswirthſchaftliche, indem
ſich die Gewerbs- und Geſchäftsklaſſen eines Volkes und der Völker
von einander ſcheiden, bis der Handel in ihre Mitte tritt, und
die mehr privatwirthſchaftliche, indem die verſchiedenen Ver-
richtungen eines und deſſelben Gewerbes von einander geſchieden
werden. Jene tritt in der geſchichtlichen Entwickelung der Menſch-
heit als Folge zunehmender Bildung und Bevölkerung und inſofern
außerhalb der Willkühr der Menſchen ein, als die Natur nach
ihrer verſchiedenen Reichlichkeit und Aermlichkeit ſie dazu zwingt.
Dieſe aber, eine Folge der menſchlichen Ueberlegung, die durch
Verkehrsverhältniſſe angeſpornt wird, erſcheint erſt bei einem ſehr
hohen Grade der gewerblichen Cultur5). Die Gründe der großen
Wirkung der Arbeitstheilung ſind nicht weniger klar als intereſſant.
a) Durch die unaufhörliche Ausübung eines einzigen Geſchäftes
nimmt nicht blos die körperliche Geſchicklichkeit und Fertigkeit,
ſondern auch die geiſtige Aufmerkſamkeit und das Nachdenken über
Erleichterungsmittel der Arbeit zu6). b) Es wird dadurch der-
jenige Zeitverluſt verhütet, welcher mit dem Uebergange von dem
einen zu dem anderen Geſchäfte und namentlich mit dem Wechſel
der Werkzeuge verbunden iſt; c) die zur Erlernung eines Geſchäf-
tes nöthige Zeit wird um vieles verringert, weil mit Zunahme der
Einfachheit der Operation die Schwierigkeit des Erlernens ver-
ſchwindet. d) Während des Erlernens wird auch weniger Material
zu Grunde gerichtet, weil bei der Erlernung eines ganzen Gewer-
bes verſchiedene Operationen vorkommen, in denen chronologiſch
nicht blos mehr rohes, ſondern auch ſchon theilweiſe verarbeitetes
Material aus Ungeſchicklichkeit und Unachtſamkeit verdorben wird,
als wenn Einer ſeine Aufmerkſamkeit auf eine Operation heftet.
e) Nach eingeführter Arbeitstheilung braucht ſich der Unternehmer
für Arbeiten, wozu verſchiedene Kraft und Geſchicklichkeit erfor-
dert wird, an Arbeitern von den erforderlichen Eigenſchaften
gerade nur ſo viele zu verſchaffen, als für jeden Proceß nöthig
[560] ſind, während, wenn ein einziger Arbeiter das Product vollenden
ſollte, derſelbe für die ſchwierigſten und müheſamſten Operationen
kräftig und geſchickt genug ſein müßte und alſo bei minder bedeu-
tenden Operationen deſſelben Gewerbes ein großer Theil der Kraft
und Geſchicklichkeit unbenutzt liegen würde7). Die lezte Urſache
eines hohen Arbeitserfolges iſt 5) die Verbindung der Arbei-
ten, d. h. nicht blos der Zuſammenhang dieſer verſchiedenen ge-
theilten Gewerbe in der Wirthſchaft der Völker und jener der
Operationen in den einzelnen Gewerben, ſondern auch die geſell-
ſchaftliche Vereinigung verſchiedener geiſtiger und körperlicher Kräfte
und Geſchicklichkeiten8). Denn der Erfolg muß dadurch bei vielen
Verrichtungen größer ſein, während manche ohne dies nicht aus-
führbar ſind9).
Was unter Capital zu verſtehen iſt, wurde oben §. 54. ſchon
gezeigt. Die verſchiedenen Arten deſſelben ſind bereits im §. 55.
unterſchieden1). Die Beſtandtheile des Capitales, wie es in den
bürgerlichen Gewerben vorkommt, ſind aus den §§. 121. 208. 260.
312. 364. erſichtlich und den Hauptrubriken nach im §. 55. 4. zu-
ſammengeſtellt. Allein dieſem bürgerlichen oder Privatcapi-
tale ſteht das Nationalcapital gegenüber. Die weſentliche
Eigenſchaft des Capitales einer phyſiſchen oder moraliſchen Perſon
im Vergleiche mit dem Verbrauchsvorrathe iſt die wirthſchaftlich
productive Anlage, d. h. jene, welche eine Vergrößerung des Ver-
mögens der Perſon erzielt. So wie nun das Capital der Einzel-
nen, Stiftungen, Geſellſchaften und Gemeinden nicht ohne genaue
Beſtimmung des Vermögens einer jeden dieſer Perſonen beſtimmt
werden kann, ſo iſt dies auch vom Nationalcapitale nicht möglich
ohne die Beſtimmung des Nationalvermögens. Da nun jene Be-
ſtandtheile des Begriffes einer Nation erwerben, d. h. ihr Ver-
mögen durch vorherige nutzbare Aufopferungen vergrößern können,
ohne das Nationalvermögen zu vergrößern, z. B. im Verkehre, im
Handel unter einander, ſo folgt auch daraus, daß nicht Alles,
was als Privat-, Stiftungs-, Geſellſchafts- und Gemeindecapital
erſcheint, ſondern nur dasjenige davon auch Beſtandtheil des
Nationalcapitals iſt, was als Capital das Nationalvermögen zu
vermehren beſtimmt iſt2). Allein es folgt daraus noch weiter,
daß zum Nationalcapitale noch mehr als der ſo eben bezeichnete
Theil der genannten Capitalien, nämlich auch noch dasjenige
Capital gehört, was die Nation, nicht als Inbegriff der Einzelnen
und Corporationen, ſondern als moraliſche Perſon beſitzt3). Sind
die Unterſcheidungsmerkmale und Beſtandtheile des Privat- und
Nationalcapitals auf dieſe Art aufgefunden und erklärt, ſo muß
natürlicher Weiſe auch die Entſtehung dieſer Capitalien verſchieden
befunden werden. Es liegt ſchon im Begriffe vom Capital, daß
es aus Erwerb urſprünglich vermittelſt der Natur und Arbeit und
aus Ueberſparen hervorgeht. Der materielle Theil des National-
capitals entſteht alſo durch Production, Sparſamkeit und An-
wendung zu productiven Geſchäften4), jener des Privatcapitals
aus Erwerb, Sparſamkeit und gewinnbringender Anlage5); der
[563] immaterielle aber entweder durch den Verkehr und eigene Thätig-
keit, z. B. Kundſchaften, oder durch geſetzliche Beſtimmungen und
Gewohnheiten, z. B. Privilegien, dingliche Rechte u. dgl.6) Das
Capital bildete ſich erſt, als der Menſch anfing, über ſeinen täg-
lichen Güterbedarf hinaus Vermögenstheile aufzubewahren, und
nehm natürlich immer mehr zu, je mehr die Bevölkerung und die
Bedürfniſſe mit der Verfeinerung zuerſt über das von der Natur
zur Erhaltung der Menſchen Gebotene und ſpäter über das mit
Hilfe der immer ſinniger werdenden Arbeit von der Natur in
größerer Menge Abgewonnene hinauswuchs. In demſelben Ver-
hältniſſe als nun die fortwährend erfinderiſchere Arbeitſamkeit in
Verband mit dem bereits geſchaffenen Capitale, in ihrer Anwen-
dung auf die Natur, den Anforderungen der Volksmenge und ſtei-
genden Cultur nicht mehr genügte, folgten Erzeugungen, Erfin-
dungen und Verbeſſerungen von Capital auf einander, ſo daß
endlich ein Zuſtand entſteht, in welchem das Capital für die Ge-
ſellſchaft nicht blos eine eben ſo nothwendige Güterquelle wie die
Natur, ſondern ſogar ein noch unentbehrlicheres als die Arbeit
allein iſt und ein Volk ohne die Combination dieſer drei Güter-
quellen gar nicht exiſtiren könnte7). Denn das Capital macht es
möglich, Dinge zu vollbringen und Güter zu erzeugen, welche ohne
daſſelbe nicht ausgeführt und nicht producirt werden könnten; es
erſpart in allen Gewerben auf die manchfachſte Weiſe menſchliche
Arbeit; es befähigt die Gewerbe, die Arbeit beſſer und ſchneller
auszuführen und wohlfeilere Producte bei gleicher, ja weit größerer
Güte, als durch bloße Menſchenkräfte, zu liefern; endlich — es
iſt das einzige Mittel, um die in einem auch nur etwas vorge-
ſchrittenen Volke nöthige Arbeit für alle Bedürfniſſe und Bequem-
lichkeiten des Lebens in Bewegung zu ſetzen. So wahr dies Alles
iſt, ſo iſt es doch in der beſonderen Anwendung auf eine beſtimmte
Art des Capitals, nämlich auf die Maſchinen, ſehr beſtritten8).
Es laſſen ſich in dieſer Hinſicht die nämlichen Unterſcheidungen
in Bezug auf das Volk und ſein Vermögen machen, welche oben
im §. 56. und §. 62. gemacht ſind. Nur iſt zu bemerken, daß ein
Volk nur durch Production ein reines Einkommen bezieht, da der
Gewinnſt im auswärtigen Handel auch nur mittelſt der eigenen
Production und productiven Mittel gemacht wird1). Die Berech-
nung des Volkseinkommens, ſo ſchwierig ſie auch iſt, erſcheint
immer als ſehr wichtig, weil ſie zu verſchiedenen Zwecken der
Staatsverwaltung gebraucht wird. Man hat dazu zwei Haupt-
methoden. Entweder rechnet man die erzeugten rohen Stoffe eines
Zeitabſchnittes zuſammen, ſchlägt die Werthserhöhung der ver-
arbeiteten durch die Gewerke zu, verbindet dieſe Summe mit jener
der Einfuhr aus dem Auslande, und zieht dann von dieſer ganzen
Maſſe den Lebensunterhalt aller wirthſchaftlich arbeitenden Fami-
lien, die Hilfsſtoffe, die Abnutzung des ſtehenden Capitals und die
Ausfuhr ins Ausland ab, — oder man rechnet das reine Ein-
kommen aller wirthſchaftlichen Arbeiter, aller Gewerbsunternehmer,
aller Grundeigenthümer und aller Capitaliſten zuſammen2). Das
Reſultat iſt in beiden Fällen das reine Einkommen, deſſen Größe
aber für ſich eben ſo wenig als der Wirthſchaftsüberſchuß ein
Kennzeichen des Volkswohlſtandes iſt3).
Wie im vorigen §. gezeigt iſt, hat die Größe des Einkommens
einer Nation gar keine beſondere Bedeutung zur Erforſchung des
wirthſchaftlichen Volkswohlſtandes, ſo lange man den Antheil nicht
erwägt, welchen die Mitglieder der Nation daran haben. Wer
zur Hervorbringung wirthſchaftlicher Güter mitwirkt, der hat
einen danach verhältnißmäßigen Anſpruch auf einen Theil des Pro-
ductes, und wer wirthſchaftlich unproductive Dienſte leiſtet, der
verlangt von dem Einkommen Anderer eine Belohnung. Außer
dieſen gibt es aber noch Perſonen, welche, ohne mitzuarbeiten,
erhalten werden müſſen, ſei es für früher geleiſtete oder ſpäter
noch zu leiſtende Dienſte u. dgl.1). Das erworbene Vermögen und
die producirten Güter vertheilen ſich daher in verſchiedenen
Theilen unter die Mitglieder der Nation. Dies iſt die Verthei-
lung2). Sie kann aber nicht gedacht werden, ohne daß die Güter
die Beſitzer und Eigenthümer wechſeln. Dieſe Veränderung ver-
urſacht der Güterumlauf (Circulation)3). Was man für die Gü-
ter, Nutzungen und Leiſtungen, welche man andern überläßt und thut
und welche alſo umlaufen, bekommt, iſt der Preis. Auf dieſem
Wege und mit dieſen verſchiedenen Hilfsmitteln kommt dem Ein-
zelnen ſein Einkommen zu, allein die Einkommenszweige ſind
verſchieden nach der Art und Anwendung der Güterquellen. Folg-
lich muß die Lehre von der Vertheilung der Güter oder von dem
Erwerbe der Einzelnen in der Volkswirthſchaft über dieſe drei
letzteren Verhältniſſe ſprechen.
Die Mittel, welche den Umlauf befördern, ſind das Geld und
der Kredit. Denn jenes iſt dasjenige ſachliche Gut, welches man
allenthalben anbringt und als Gegengabe für alle Güter, Nutzungen
und Leiſtungen gebrauchen kann, während dieſer die Verkehrsge-
ſchäfte erleichtert. Die nationalöconomiſchen Unterſuchungen über
das Geld beziehen ſich überhaupt auf deſſen Geſchichte, Werth
und Umlauf1). Die Entſtehung des Geldes überhaupt gehört in
die Urgeſchichte der Völker (§. 60.), als man ſchon ſo weit mit
der Theilung der Beſchäftigungen vorgeſchritten war, daß ſich ein
etwas lebhafterer allgemeiner Tauſch erhob. Doch beginnt der be-
deutendere Abſchnitt der Geſchichte des Geldes erſt mit der Ent-
ſtehung des Metallgeldes. 1) Geſchichtliches über das Me-
tallgeld. Obſchon man nicht beſtimmen kann, wann überhaupt
in der Geſchichte der Menſchheit das Metallgeld entſtanden ſei, ſo
zeigt doch die Geſchichte ſpäterer Völker und die geographiſch
ſtatiſtiſche Forſchung ſpäterer Zeit nicht blos, daß überhaupt nach
den Fortſchritten der Menſchen in der Civiliſation das Metall erſt
zu Geld gebraucht wird, nachdem vorher ſchon andere weniger
brauchbare Stoffe dazu gedient haben, ſondern auch, daß die
Völker mit der ſteigenden Lebhaftigkeit des Güterumlaufes unter
den Metallen nach einander ſtets dasjenige herauswählen, welches
der Schnelligkeit des Umlaufes am meiſten entſpricht2). 2) Werth
des Metallgeldes. Auch hier iſt die Unterſcheidung der zwei
Hauptbeziehungen des Werthes äußerſt wichtig. Das Metallgeld
dient als Umlaufsmittel und als Preismaaß, und nach dem
Grade ſeiner Tauglichkeit hierzu bemißt man die Höhe ſeines
Gebrauchswerthes. Dieſer doppelte Gebrauch des Geldes iſt
es, warum das Metall die meiſten Eigenſchaften hat (§. 327.),
[570] um als Geld verwendet werden zu können3). Die Lebhaftigkeit
des Güterumlaufes oder vielmehr die Urſachen derſelben erheiſchen
verſchiedene Leichtigkeit des Umlaufsmittels, um mit der geringſten
Mühe und mit dem wenigſten Zeitaufwande die größten Werthe
umzuſetzen. Daher kommt es auch, daß mit den Hauptperioden
im Steigen der Civiliſation auch immer eine neue Erſcheinung im
Geldweſen ſich herausſtellt, indem die Nationen ſtets das nächſt
werthvollere Metall als Umlaufsmittel gebrauchen4), ſich aber
auch zugleich nur eines Metalles als Hauptumlaufsmittels bedie-
nen und die andern blos als Ausgleichungsmittel von Bruchtheilen
oder kleineren Werthen benutzen. Denn ſo wie jedes Maaß, ſo
muß auch das Preismaaß eine möglichſt unveränderliche Einheit
ſein. Allein wenn auch die Wahl des Geldmateriales nach dem
Gebrauchswerthe getroffen iſt, ſo bleibt immer der Tauſchwerth
des Metallgeldes dasjenige Moment, woraus ſich eine große Menge
von Erſcheinungen im Völkerverkehre erklären läßt, weil ſeine
Veränderungen die Urſachen derſelben ſind. Derſelbe richtet ſich
nach der Menge von Schaffungsarbeit, welche auf das Geldmetall
und Metallgeld verwandt wurde5), und nach der Seltenheit oder
Menge, in welcher beide zu haben ſind6). Da dieſe Verhältniſſe
in verſchiedenen Ländern und Zeiten verſchieden ſind, ſo muß es
auch der Tauſchwerth des Metallgeldes daſelbſt ſein7). 3) Der
Umlauf des Metallgeldes. Derſelbe kann nur als die Folge
der Wirthſchaftsverhältniſſe der Völker betrachtet werden, weßhalb
ſich ſeine Lebhaftigkeit nach jener des allgemeinen Güterumlaufes
richtet. Je dichter die Bevölkerung, je raſcher die Production,
je größer der Reichthum und je höher die Manchfaltigkeit von
Gütern, Nutzungen und Leiſtungen iſt, deſto lebhafter und ſchneller
iſt der Geldumlauf. Kommt nun noch hinzu, daß verhältnißmäßig
wenig Geld vorhanden iſt, ſo muß unter übrigens gleichen Um-
ſtänden jedes Geldſtück ſchneller von Hand zu Hand gehen, wäh-
rend umgekehrt der Umlauf der Geldſtücke neben reißendem allge-
meinen Güterumlaufe abnehmen kann, ſobald ſich die Geldmenge
über den wahren Bedarf vermehrt. Aus dieſen Schwankungen
geht aber dann auch hervor, daß man weder die wirkliche
noch die erforderliche Geldmenge für eine Nation8) genau be-
ſtimmen kann, namentlich da man neben dem Metallgelde noch
andere Umlaufsmittel und andere Wege hat, gegenſeitige For-
derungen ohne Baarſchaft auszugleichen9).
Ueber die Natur und Arten des Papiergeldes iſt bereits oben
(§. 329.) abgehandelt. Die nationalöconomiſchen Fragen über
daſſelbe beziehen ſich auch auf die beim Metallgelde hervorgehobenen
Punkte1). Was zunächſt 1) das Geſchichtliche über das
Papiergeld anbelangt, ſo iſt nichts klarer, als daß es im Ent-
wickelungsgange der Volkswirthſchaft ohne Zwang und Erkünſtelung
nur dann von ſelbſt entſtehen wird, wenn das Metallgeld und die
andern (§. 413. N. 4.) genannten Umlaufsmittel für die Lebhaf-
tigkeit und Manchfaltigkeit des Verkehrs nicht mehr zureichend
ſind und wenn der Kredit im bürgerlichen Verkehre hoch genug iſt,
um das gehörige Vertrauen auf ein ſolches Inſtitut zu gewähren.
Allein, — auffallend genug — die Geſchichte des Papiergeldes
zeigt, daß es nicht eigentlich aus jenen Gründen, ſondern vielmehr
in der Abſicht creirt worden iſt, um den Geldverlegenheiten der
Regierungen abzuhelfen, und daß auch hier die Staaten für ihr
unzeitiges Eingreifen in das Verkehrsleben ſchrecklich beſtraft wor-
den ſind2). In Beziehung auf 2) den Werth des Papiergel-
des iſt es wichtig, den Gebrauchs- und Tauſchwerth zu unter-
ſcheiden. Der Erſtere richtet ſich nach dem Grade der Nothwen-
digkeit und Nützlichkeit deſſelben für den Verkehr aus den ſo eben
angegebenen Gründen ſeiner natürlichen zwangloſen Entſtehung und
nach der Meinung, welche unter dem Volke darüber herrſcht, ſo
wie auch nach der äußeren Beſchaffenheit des Papiergeldes3). Was
den Tauſchwerth dagegen anbelangt, ſo erſieht man bei dem Papier-
gelde gerade ſehr deutlich, daß es ohne Gebrauchswerth keinen
ſolchen gibt. Es muß alſo hierbei ausdrücklich gemerkt werden,
daß ſich der Tauſchwerth des Papiergeldes außer nach den Regu-
latoren ſeines Gebrauchswerthes auch noch nach der umlaufenden
Menge davon und nach den Werthsverhältniſſen des Metallgeldes
richtet4). Was endlich 3) den Umlauf des Papiergeldes be-
trifft, ſo gelten von ihm auch die im vorigen Paragraphen über
[577] den Geldumlauf gemachten Bemerkungen. Es iſt aber, da daſſelbe
für ſich keinen Werth hat, zu bemerken, daß ſein Umlauf vor
Allem vom Zutrauen, welches es genießt, und von dem Verhält-
niſſe deſſelben zum umlaufenden Metallgelde5) abhängig iſt. Wäh-
rend man jedoch nach den Rechnungen der daſſelbe ausgebenden
Anſtalt die wirkliche circulirende Menge deſſelben bis auf dasjenige,
was zu Grunde und etwa ins Ausland gegangen iſt, beſtimmen
kann, ſo iſt es aber bei ihm noch weit ſchwieriger als beim Metall-
gelde, anzugeben, welche Menge davon für den Verkehr nöthig iſt,
da man außer den beim Metallgelde dafür angegebenen Haltpunkten
noch wohl die Quantität des circulirenden Metallgeldes und den
Einfluß der Papiergeldemiſſion auf jene berückſichtigen muß6).
Was man unter Kredit1) verſteht, iſt im §. 343. ſchon ge-
ſagt. Hat er ſeine Grundlage in der Perſönlichkeit des Menſchen,
ſo heißt er Perſonal-, hat er ſie aber im Vermögen deſſelben,
dann wird er Realkredit genannt. Der Kredit vermehrt das
Volksvermögen nicht durch unmittelbare Production, aber er iſt
ein Beförderungsmittel des Güterumlaufs und bewirkt die produc-
tive Verwendung vieler Capitalien, dieſes, indem er die Capitalien
denjenigen zugänglich macht, welche ſie in ihren Gewerben anwen-
den wollen, und jenes, indem er nicht blos eine Menge von Geld
entbehrlich macht und ſeine Stelle als Umlaufsmittel weit leichter
vertritt, ſondern auch verſchiedene Einrichtungen in's Leben ruft,
welche den Güterumlauf erleichtern2). Lediglich dem Kredite ver-
danken die Banken, Anweiſungen und Wechſel, die Abrech-
nungen und Ueberweiſungen im Verkehre ihre Exiſtenz3).
Die verſchiedenen Einrichtungen, welche dem Kredite ihre Ent-
ſtehung verdanken und als Umlaufsmittel zu betrachten ſind, wur-
[583] den bereits oben erklärt. Es genügt daher hier, 1) wegen der
Banken auf §. 330. 333. u. 346., 2) wegen der Anweiſungen
und Wechſel auf §. 337. u. 338., und 3) wegen der Abrech-
nungen und Ueberweiſungen auf §. 334. zu verweiſen1).
Der charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen Werth (§. 402.) und
Preis beſteht darin, daß dieſer Letztere aus wirthſchaftlichen Gü-
tern beſteht, und im letzten Grunde eine Folge des Erſteren iſt1).
Der Gebrauchswerth bezeichnet ein Verhältniß der Güter über-
haupt zu den Neigungen, Wünſchen, Bedürfniſſen und Abſichten
der Menſchen im Allgemeinen; der Tauſchwerth dagegen, erſt
entſtanden durch das Zuſammenleben der Menſchen, iſt ein Ver-
hältniß der wirthſchaftlichen oder derjenigen Güter, welche in das
Vermögen oder in den ausſchließlichen Beſitz gehören, zu dem
Wunſche Anderer, dieſelben auch zu beſitzen. Jener iſt alſo ein
inneres, dieſer aber ein äußeres Verhältniß der Güter zum Men-
ſchen, während der Preis, ohne Tauſchwerth der Güter nicht
denkbar, aus einer Quantität wirthſchaftlicher Güter ſelbſt beſteht,
welche man im Verkehre für Güter, Nutzungen und Leiſtungen
hingibt oder bekommt2). Schon der Sprachgebrauch zeigt dieſen
nothwendigen Zuſammenhang des Preiſes und Tauſchwerthes, da
man, um jenen zu bezeichnen, auch den Ausdruck „werth“ ge-
braucht, der ſich blos auf den Tauſchwerth bezieht.
Die Umſtände, wonach ſich die Preiſe geſtalten, ſind bereits
oben (§. 58. u. 59.) angegeben. Alle Veränderungen der Preiſe
haben in einem oder mehreren derſelben zuſammen genommen ihren
Grund. Die eigentlich nationalöconomiſchen Unterſuchungen über
die Regulatoren der Preiſe gehen jedoch weiter, als dort geſchehen
iſt. Es ſind daher hier noch folgende Betrachtungen nachzutragen:
1) In Betreff des Gebrauchswerthes als Preisregulators
ergeben ſich aus jenen Vorderſätzen noch verſchiedene Folgerungen,
nämlich a) daß diejenigen Güter unter einer Klaſſe den ſtändigſten
Preis haben, deren Güte äußerlich zu erkennen iſt oder welche gar
nicht verfälſcht werden können; b) daß die Beglaubigung z. B.
durch Stempel, Fabrikzeichen u. dgl. auf den Preis großen Einfluß
äußert, weil man weniger Riſico übernimmt und der Mühe oder
Koſten der Verbürgung überhoben iſt; c) daß eine nicht leicht zu
entdeckende Verfälſchung, Betrügerei u. dgl. die Preiſe der ächten
Güter vertheuert; d) daß zwar Gegenſtände von ſehr kurzer Dauer
bei ſehr großer Nachfrage einen hohen Preis erlangen können,
aber ſelbſt, wenn ſie ein Einziger darbietet, deren Preis doch nicht
in allen Fällen frei in dem Willen des Anbietenden ſteht, weil er
durch jenen Umſtand Verluſten ausgeſetzt iſt; e) daß Gegenſtände
von langer Dauer und von ſolcher Beſchaffenheit, daß ſie nicht
wohl bald oder öfters Verbeſſerungen zu gewärtigen haben, den
conſtanteſten Preis behalten1).
2) In Betreff des Koſtenſatzes und Mitbewerbes als
Preisregulatoren gilt als Hauptſatz, daß ſich die Preiſe immer
mehr dem Koſtenſatze zu nähern ſuchen oder beſtändig um ihn
gravitiren. Denn je tiefer ſie unter die Koſten fallen, deſto mehr
nimmt das Angebot ab und zwar bis ſie wieder einen höheren
Stand haben; und je höher dieſelben über die Koſten ſteigen, alſo
je mehr ſie Gewinnſt gewähren, um ſo mehr ſteigt die Concurrenz
in einem ſolchen Gewerbe und um ſo größer wird das Angebot,
wodurch ſich der Preis wieder ſenkt. Dies findet Statt in der
Vorausſetzung, daß die Schaffungskoſten und die Werthsſchätzung
des Gutes gleich geblieben ſind, aber es iſt zu bedenken, daß die
Unternehmer darauf ſinnen, die Güter um weniger Koſten ſchaffen
zu können. Wenn dies in vielen Fällen geht, ſo iſt es aber in
manchen andern nicht möglich, das Angebot nach Belieben zu
ſtellen, weil die Productionsquellen und Verkehrsverhältniſſe es
nicht geſtatten2), und der Begehr ſo ſchwankend ſein kann, daß
[586] er eine beſondere Behutſamkeit im Angebote verurſacht. Sinken
nun aber die Schaffungskoſten bei gleichbleibender Concurrenz, ſo
kommt der aus dem noch gleichbleibenden Preiſe entſtehende größere
Gewinn dem Anbietenden ſo lange zu, bis jenes unter den Be-
gehrenden bekannt wird; je wichtiger aber das Gut für's menſch-
liche Leben iſt, um ſo mehr ſind die Begehrenden in der Hand der
Anbieter. Steigen jedoch die Koſten bei gleicher Concurrenz, ſo
werden die Anbietenden auch ihren Preis zu erhöhen ſuchen; ob
und wie weit ſie dies vermögen, das hängt wieder von der Wich-
tigkeit des Gutes für das menſchliche Leben ab3). Die Concur-
renz wirkt übrigens bei der Preisbildung dann vorzüglich mit, wenn
ſowohl Angebot als Nachfrage unter Viele getheilt iſt.
3) In Betreff der Zahlfähigkeit als Preisregulators iſt
als allgemeinere Regel anzuſehen, daß jede bedeutendere Preis-
erhöhung in ſich ſelbſt wieder den Grund zur Erniedrigung hat,
indem nämlich eine Anzahl oder Klaſſe von Bürgern wegen ihrer
relativen Zahlunfähigkeit, die dadurch entſteht, aus der Menge
der Begehrenden zurücktreten müſſen. Aber umgekehrt die relative
Zahlfähigkeit nimmt auch mit der Erniedrigung der Preiſe zu, da
eine Anzahl oder Klaſſe mehr zur Anſchaffung der betroffenen
Sache in den Stand geſetzt wird, dem Begehre beitritt und da-
durch wieder etwas in die Wagſchale für das Steigen des Preiſes
legt. Dieſe Erſcheinungen und ihre Wirkung auf die Zuſtände
der Begehrer und Anbietenden richten ſich aber ebenfalls nach dem
Grade der Unentbehrlichkeit und Entbehrlichkeit der Sache.
4) In Betreff des Tauſchmittels als Preisregulators haben
die in den §§. 413. u. 4:4. angegebenen Beſtimmgründe des Tauſch-
werthes von Metall- und Papiergeld einen der wichtigſten Einflüſſe
auf die Preisbildung. Jede Senkung des Tauſchwerthes des Geldes
hat eine Erhöhung der Preiſe, und umgekehrt jede Steigerung
deſſelben eine Erniedrigung der Letzteren zur Folge. Jenes geſchieht
alſo durch Zunahme der umlaufenden Menge von Metallgeld, durch
Abnahme der Schaffungskoſten der edeln Metalle, durch Erniedri-
gung des Gehaltes der Münzen, durch die Emiſſion von Papier-
geld (wegen der Steigerung der Menge von Umlaufsmitteln),
durch die Vermehrung des Letzteren, durch die Ausgabe von mehr
oder weniger erzwungenem Papiergelde, durch das Sinken des
Papiergeldes in der öffentlichen Meinung oder durch den Verluſt
ſeines Kredits, welcher durch verſchiedene Umſtände hervorgebracht
werden kann. Das Andere geſchieht aber durch die gerade ent-
gegengeſetzten Urſachen4).
Die Preisveränderungen ſind nun entweder vorübergehend oder
bleibend5), in Bezug auf ihre Dauer, dagegen entweder reell oder
nominell6) in Bezug auf ihre Urſachen. Im Ganzen aber richten
ſie ſich nach den Veränderungen in den Verhältniſſen der Bevöl-
kerung in quantitativer und qualitativer Hinſicht, nach politiſchen
und natürlichen Ereigniſſen, welche bei gleicher Bevölkerung die
Conſumtion erhöhen und erniedrigen, nach den Fortſchritten und
Stillſtänden im geſammten Gewerbsweſen, folglich nach der Zu-
und Abnahme des Volkswohlſtandes, und endlich nach den Ver-
änderungen im Geldweſen. Auf dieſen Hauptpunkten mit ſorg-
fältigem Eingehen ins Einzelne beruhen nicht blos die hiſtoriſchen
Unterſuchungen über die Veränderungen der Preiſe, ſondern man
kann auch bei genauer Scheidung der Preisveränderungen auf ihre
Urſachen zurückſchließen7). Allein das Eine wie das Andere iſt
erſtaunlich ſchwer.
Dieſe bisher gepflogenen Unterſuchungen beziehen ſich nicht
blos auf die Waaren im ſpeziellen Sinne, ſondern auch auf das
Metall- und Papiergeld, die Actien, Staatspapiere und Wechſel,
nur nennt man den Preis der Letzteren den Curs. Es iſt ſehr
belehrend und gibt der Lehre vom Curſe dieſer Dinge viele Gründ-
lichkeit, und beleuchtet die Lehre vom Preiſe von den verſchiedenſten
Seiten, wenn man die bisherigen Grundſätze auf ſie anwendet1).
Je nach den Beziehungen, unter welchen man die Preiſe be-
trachtet, kann man verſchiedene Arten unterſcheiden. Dieſer
Unterſchied iſt im §. 61. durchgeführt. Es bleibt hier noch blos
[590] in Bezug auf den Durchſchnittspreis eine Bemerkung zu machen.
Im §. 403. wurde unter den Maaßſtäben zur Schätzung des Ver-
mögens beſonders der Tauſchwerth am tauglichſten gefunden. Wenn
man für ihn einen ſchicklichen Ausdruck hätte, würde man der
Wahrheit am nächſten kommen. Der Durchſchnittspreis, mit ge-
nauerſter Sorgfalt berechnet, iſt wohl dazu grundſätzlich am brauch-
barſten. Der Preis iſt zwar allgemeinhin nicht der Ausdruck für
den Tauſchwerth, weil dieſer nicht das einzige Wirkende bei ſeiner
Bildung iſt. Allein bei dem fortwährenden Streben der Preiſe,
ſich an denjenigen Stand anzupaſſen, welcher dem Tauſchwerthe
entſpricht (§. 418. 2.), und bei der immer größern Ausgleichung
nicht blos der Marktpreiſe, ſondern auch der verſchiedenen Wirk-
ſamkeiten der Preisregulatoren, im Durchſchnittspreiſe, läßt ſich
leicht denken, daß dieſer einen Ausdruck bildet, welcher dem Tauſch-
werthe am leichteſten entſpricht. Freilich bleibt er als Mittel zur
Schätzung des Volksvermögens ſtets darum unvollſtändig, weil in
ihm die Wirkungen der andern Preisregulatoren neben dem Tauſch-
werthe nicht aufgehoben, ſondern nur immer mehr ausgeglichen
werden.
Das jährliche Volkseinkommen wird unter die Einzelnen nach
Maaßgabe der Mitwirkung zu deſſen Erzielung vertheilt. Wer und
inſoweit Jemand mit Hilfe der Naturkräfte producirt, der bezieht ein
Einkommen, welches man Naturrente nennen kann, das gewöhn-
lich aber Grundrente heißt; wer mit ſeiner Arbeit zur wirth-
ſchaftlichen Production mitwirkt, der bekommt die Arbeitsrente,
gewöhnlich Arbeitslohn genannt; wer die Production mit Capital
unterſtützt, der hat die Capitalrente, auch Zinsrente geheißen,
anzuſprechen; wer als Unternehmer eines Gewerbes ſich hinſtellt
und den ganzen Betrieb unter Zuſammenhalten aller drei wirth-
ſchaftlichen Güterquellen und mit Uebernahme des Riſico oder
Wagniſſes leitet, von dem ſagt man, er beziehe dafür ein eigenes
Einkommen, den Gewerbsgewinn (Gewinnſt, Profit). Man
bezieht dieſe Arten von Einkommen entweder aus eigener Anwen-
dung in einem ſelbſtſtändigen Gewerbe und dann kann man ſie
natürlich nennen; oder man bezieht ſie dafür, daß man einem
Andern Grundbeſitz, eigene Arbeitsfähigkeit und Capital zur
Nutzung überläßt und in dieſem Falle werden ſie ausbedungen
[591] genannt. Dasjenige Einkommen, welches man für die Mitwirkung
zur wirthſchaftlichen Production bezieht, heißt urſprüngliches;
dasjenige aber, welches man für nicht wirthſchaftlich productive
Unterſtützung Anderer, ſei es durch Dienſte oder Nutzungen, be-
zieht und welches man ohne eine Leiſtung empfängt, heißt man
abgeleitetes, da es nur aus dem urſprünglichen abgegeben
wird1).
In allen Gewerben wirkt die Productivkraft der Natur mehr
oder weniger zur Erzielung des Einkommens mit. In den Urge-
werben iſt es die gebundene Naturkraft im Grund und Boden, in
den Kunſtgewerben aber ſind es ungebundene Naturkräfte, welche
dazu wirkſam ſind. In ſämmtlichen aber verdankt der Gewerb-
treibende einen Theil ſeines Einkommens den Naturkräften, und
dieſer iſt die Naturrente (Grund-, Boden-, Landrente, welche
drei Namen die Meinung erweckt haben, als ob es blos in den
Urgewerben eine ſolche Rente gäbe)1). Vor der Ausbildung des
Eigenthums empfängt ſie der Benutzer, nach der Ausbildung des-
ſelben dagegen der Eigenthümer des Grund und Bodens und der
Benutzer der ungebundenen Naturkraft. Benutzt der Eigenthümer
dieſe Naturkräfte ſelbſt, dann wird das genannte Einkommen
Grundrente im eigentlichen Sinne (natürliche Grundrente) ge-
nannt; überläßt er ſie aber einem Andern zur Benutzung und
empfängt er hierfür eine Vergütung, ſo heißt dieſelbe Pacht-
zins (ausbedungene Grundrente). Dieſelbe läßt ſich nach einer
andern Beziehung in Sach- und Geldgrundrente unterſcheiden.
Jene beſteht in den als Rente gewonnenen Naturproducten ſelbſt,
dieſe aber in den für ſie erhaltenen Geldpreiſen2). Die Unter-
ſuchung über die Umſtände, wovon die Größe der Grundrente ab-
hängt, hat ſich alſo über dieſe verſchiedenen Arten derſelben zu
verbreiten. Es muß ſich a) die natürliche Sachgrundrente
nach der Beſchaffenheit des Bodens (§. 138.) und nach den Pro-
ducten richten, in welchen der Boden ſeiner Natur nach etwas
ertragen kann3). Dagegen richtet ſich b) die natürliche Geld-
[592]grundrente nach den Regulatoren der Sachgrundrente, nach den
mehrjährigen Durchſchnittspreiſen der bezogenen Producte und alſo
nach allen Umſtänden, welche den Preis der Producte beſtimmen4),
und man findet ſie, wenn man vom Rohertrage des Urgewerbes
den allgemeinen üblichen Zins des verwendeten Capitals, die Ab-
nutzung des ſtehenden und den ganzen Betrag des umlaufenden
Capitals und den üblichen Gewerbsgewinn in Abzug bringt5).
Aber c) die ausbedungene Grundrente oder der Pachtzins,
er werde ganz oder zum Theile in Geld und zum Theile in Na-
turalien entrichtet, iſt nichts als ein Preis für die geſtaltete
Bodenbenutzung und richtet ſich alſo nach den Preisregulatoren, näm-
lich nach dem Werthe der Nutzung, nach den zum Bezuge des
Ertrages zu machenden Koſtenauslagen, nach der Zahlfähigkeit des
Pachters, nach dem üblichen Pachtzinſe, nach den Concurrenzver-
hältniſſen, und nach dem Geldwerthe6). Faßt man alle dieſe
Umſtände zuſammen, ſo drängt ſich die Frage über das Verhältniß
der Größe der Grundrente zum wirthſchaftlichen Volkswohlſtande
von ſelbſt auf. Es ſteigt und ſinkt mit ihr der Preis des Grund
und Bodens in ſeiner verſchiedenen urgewerblichen Anwendung,
denn ſie iſt der Ausdruck für die Höhe des Schaff- und Tauſch-
werthes deſſelben. Sie ſteigt und ſinkt mit der Bevölkerung und
mit dem Volkswohlſtande, weil die Nachfrage nach Urproducten
ſich hiernach richtet und bewirkt, daß man entweder neuen weniger
ergiebigen Boden in Bearbeitung bringt oder bisher bearbeiteten
wieder liegen läßt. Man kann aber aus ihrer Höhe nicht immer
auf geſtiegenen und allgemein gleichen Volkswohlſtand zurück-
ſchließen, weil ſie auch Folge von bloßen Geldverhältniſſen ſein
kann und immer eine Erhöhung des Preiſes der Urproducte vor-
ausſetzt, welche den weniger begüterten Ständen die Exiſtenz
erſchwert.
Kein Gewerbe, weder ein wirthſchaftlich productives noch ein
unproductives, iſt ohne Arbeit denkbar, ſelbſt das Geſchäft des
gewöhnlichen Geldcapitaliſten und Grundeigenthümers, welcher
ſeine Güter verpachtet, nicht ausgenommen. Es gibt aber in jeder
Nation eine Klaſſe von Mitgliedern, welche in ihren Gewerben
ſelbſt arbeiten und eine andere weit größere, insbeſondere ſoge-
nannte arbeitende Klaſſe, welche Andern gegen Belohnung
(Lohn, Löhnung, Honorar) Dienſte leiſtet. Jene bezieht die Ar-
beitsrente, dieſe den Arbeitslohn, denn ohne einen ſolchen
der Arbeit entſprechenden wirthſchaftlichen Erfolg würden ſich die-
ſelben der Arbeit nicht unterziehen1). Man könnte jene die na-
türliche, dieſe aber die ausbedungene Arbeitsrente nennen und
kann auch einen Sach- und Geldlohn unterſcheiden. Auch hier
entſtehen die zwei Fragen, wonach ſich die Arbeitsrente und der
Arbeitslohn richten und in welchem Verhältniſſe ſie zum Volks-
wohlſtande ſtehen. a) Die eigentliche Arbeitsrente muß groß
genug ſein, um den Arbeiter in ſeiner Jugend, im arbeitsfähigen
Alter und im ſpäteren Alter, d. h. alſo jeden Arbeiter ſammt der
arbeitsunfähigen Familie zu erhalten. Daher richtet ſie ſich nach
der üblichen Lebensweiſe der arbeitenden Familien beſtimmten
Grades, welche nach Klima, Sitten und Gewohnheiten wechſelt,
— nach dem Preiſe der Lebensmittel, welche die entſprechende
Arbeiterklaſſe braucht, — nach den Zwiſchenzeiten, in welchen nicht
gearbeitet werden kann oder darf, — und nach den Auslagen zur
Erwerbung der zur betreffenden Arbeit erforderlichen Geſchicklich-
keit2). Es iſt aber b) der Arbeitslohn ein Preis für die ge-
leiſtete Arbeit und richtet ſich folglich nach dem Werthe der Arbeit,
nach den zur Erlangung und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und
Geſchicklichkeit nöthigen Koſten, nach der Zahlfähigkeit der Be-
gehrer (Lohnherrn), nach dem einmal marktüblichen Arbeitslohne,
nach den Concurrenzverhältniſſen, und nach den Geldverhältniſſen3).
[597] Es folgt hieraus, daß der Arbeitslohn in verſchiedenen Ländern,
Gegenden und Zeiten verſchieden iſt; daß ein hoher Arbeitslohn
die wirthſchaftlichen Zuſtände der arbeitenden Klaſſe verbeſſert,
und ein niederer verſchlimmert, Letzteres um ſo mehr, je größer
das Mißverhältniß zwiſchen dem Lohne und dem Bedarfe der
Arbeiterklaſſe iſt; daß ein hoher Arbeitslohn als ein Zeichen großen
Volkswohlſtandes erſcheint; und daß er auf den Preis der Dinge
einen entſchiedenen Einfluß ausübt, und zum Gewinne der Ge-
werbsunternehmer in umgekehrtem Verhältniſſe ſteht4).
Das Capital iſt eine dritte Güterquelle. Wird das ſtehende
Capital in Gewerben verwendet und ſoll es die Gewerbsführung
immer möglich machen, ſo muß es, da es ſich abnutzt, alſo nach
und nach ganz verſchwinden würde, jedenfalls durch ſeine Anwen-
dung einen Erſatz für die allmälige Abnutzung geben. Würde es
aber ſtets blos dieſen Erſatz liefern, ſo könnte die Production im
[600] Verhältniſſe zur ſteigenden Bevölkerung keine Fortſchritte machen,
da ſie fortwährend von der Möglichkeit der Ueberſparung abhängig
iſt. Es muß alſo aus der Capitalanwendung ein zweiter Satz
hervorgehen, der es möglich macht, neues Capital zu ſammeln,
um durch Gewerbserweiterungen und Verbeſſerungen dem ſteigenden
Bedarfe zu entſprechen. Wird umlaufendes Capital in Gewer-
ben verwendet, ſo gilt im Allgemeinen auch das Geſagte. Nur
kann ſich bei dieſem der Erſatztheil blos auf die Verzehrung von
Capital und die Verluſte an ſolchem bei der Production und wäh-
rend der Aufbewahrung beziehen. Wegen der Verſchiedenartigkeit
dieſer Erſatzſumme bei beiden Capitalien müſſen der Regel nach
beide Poſten zuſammen beim umlaufenden Capitale größer als beim
ſtehenden ſein. Was man alſo aus einer ſolchen Capitalanwendung
bezieht, das heißt man Capitalrente (natürliche Capital-
rente); dasjenige aber, was man dafür bekommt, daß man einem
Andern ein Capital zur Nutzung überläßt, wird Capitalzins
(ausbedungene Capitalrente) genannt1). In Bezug auf
die Dinge, woraus die Capitalrente und der Zins beſteht, iſt eben-
falls die Sachrente (der Sachzins) von der Geldrente (Geld-
zinſe) zu unterſcheiden. Die letzten Urſachen und Sätze derſelben
ſind zwar in dem Obigen angegeben, allein es bedarf auch hier
noch einer beſondern Unterſuchung, wonach ſich die Größe des
Einen und Andern richtet, und wie ſie ſich zum Volkswohlſtande
verhalten. Da man früher die Begriffe Geld und Capital nicht
gehörig ſichtete, ſo war man allgemein der Meinung, der Zinsfuß
richte ſich blos nach der Menge des vorhandenen Geldes2). Dieſer
Irrthum muß aus Folgendem klar werden: a) Die Capital-
rente richtet ſich alſo nach zwei Hauptregulatoren. Während
nämlich der Erſatzpoſten derſelben beim ſtehenden Capitale ſeinen
feſten Regulator in der allgemeinen Dauerhaftigkeit des Capitals
hat, ſo bleibt für die Regulirung des Ertragspoſtens nur die
größere oder geringere Nothwendigkeit der Capitalvergrößerung zum
Behufe der Erweiterung der Production übrig; dieſe aber ſpricht
ſich in der Nachfrage nach den Gewerbsproducten des Capitals aus
und äußert ſich folglich im Preiſe derſelben3). Beim umlaufenden
Capitale richtet ſich der Erſatzpoſten in der Rente nach der Größe
der Capitalauslage ſelbſt und nach der Anzahl der Perioden, in
welchen der allmälige Erſatz Statt findet, während der Ertrags-
poſten ſich nach denſelben Regulatoren wie beim ſtehenden Capitale
und nach der Länge der Zeit richtet, in welcher die Rente eingeht,
weil vorausgeſetzt werden muß, daß, wenn ſie früher eingegangen
wäre, das Capital und die Rente wieder neuerdings productiv
[601] angewendet worden wären4). b) Der Capitalzins dagegen er-
ſcheint wieder als Preis der Nutzung von ſtehendem und umlau-
fendem, und beim Letzteren wieder von Sach- und Geldcapital.
Er richtet ſich nach dem Werthe des Capitals, nach den Koſten
ſeiner Anſchaffung und Erhaltung, nach der Zahlfähigkeit des
Entlehners, nach dem üblichen Zinsfuße ſelbſt, nach den Concur-
renzverhältniſſen und nach dem Wechſel im Geldweſen5). Es iſt
aus dieſen Sätzen leicht erſichtlich, daß ein bleibend niedriger
Zinsfuß allgemeinhin ein Zeichen hohen Volkswohlſtandes und
großer geſetzlicher Sicherheit iſt6). Denn er ſteigt beim Mangel
an Letzterer und bei unzureichendem Angebote von Capital für den
Begehr darnach. Allein man kann darum aus ſeiner Höhe und
Niedrigkeit nicht gerades Wegs auf geſunkenen und geſtiegenen
Volkswohlſtand ſchließen. Denn in ſich erſt, aber raſch entwickeln-
den Ländern, wo die Menge von Natur- und Arbeitskräften ſo
außerordentlich groß iſt, daß man nicht Capital genug zu ihrer
Verwendung hat und wo deßhalb die Capitalrente ſehr hoch iſt7),
da ſteigt der Zinsfuß bei hohem Wohlſtande; und ſelbſt in alten,
gewerblich ſehr ausgebildeten, Ländern bei hohem Wohlſtande
können vorübergehende Verhältniſſe reeller und nicht reeller Art
die Nachfrage nach Capitalien und den Zinsfuß ſteigern und Ver-
änderungen im Geldweſen andere Unregelmäßigkeiten im Zinsfuße
hervorbringen.
Eine andere Rente als aus der Productivkraft der Natur,
aus Arbeit und Capital kann es nicht geben. Der Ertrag, den
ein Gewerbe gibt, kann nur aus dieſen drei Quellen fließen. Je-
des Gewerbe muß aber, wenn es fortbetrieben werden ſoll, dem
Grundeigenthümer, Arbeiter und Capitaliſten, inſoweit er mit
ſeiner Güterquelle mitwirkt, ſeine entſprechende Grundrente, Löh-
nung und Verzinſung geben. Der Unternehmer eines Gewerbes
vereinigt dieſe Güterquellen, und muß aus dem rohen Einkommen
deſſelben den Grundeigenthümer, Arbeiter und Capitaliſten befrie-
digen, Letzteren, indem er ihm den Zins für das ſtehende und
jenen für das umlaufende Capital nebſt dieſem Letzten ſelbſt bezahlt.
Inſoweit er jene Perſonen in ſich ſelbſt vereinigt, d. h. ſelbſt mit-
arbeitet und die Fonds liefert, gilt das Bisherige auch von ihm.
Wenn ihm nun nach Bezahlung oder Abzug aller jener Poſten,
die er zuſammen Gewerbsauslagen nennt, nichts mehr übrig bliebe,
ſo hätte er keinen wirthſchaftlichen Grund, ſich den Unternehme-
geſchäften zu unterziehen, denn er würde dabei nicht einmal leben
können. Der Unternehmer wird daher auf einen Ueberſchuß über
[604] ſeine Gewerbsauslagen (den Gewerbsgewinn) Anſpruch machen,
der, mit Beziehung auf ſeinen Stand modifizirt, gerade die Ver-
gütungen, welche als Regulatoren der Arbeitsrente (§. 423. a.)
angegeben ſind, und eine Entſchädigung für das etwaige Miß-
glücken ſeiner Unternehmung zu den letzten Beſtimmgründen hat1).
Die Größe des Gewerbsgewinnes wird ſich alſo nach dem Preiſe
der gelieferten Producte oder geleiſteten Dienſte in geradem Ver-
hältniſſe, und nach der Größe der Capitalauslagen, zu zahlenden
Grundrente, Arbeitslöhne und Capitalzinſen ſowie nach der Con-
currenz der Unternehmer in jedem Gewerbszweige in umgekehrtem
Verhältniſſe richten2). Aus dieſen Regulatoren ergibt ſich von
ſelbſt, daß mit dem ſteigenden Volkswohlſtande der Gewerbsgewinn
ſinkt, weil der Arbeitslohn, die Grundrente und die Concurrenz
ſteigen. Allein man kann deßhalb nicht auch immer aus niederem
Gewerbsgewinnſte auf hohen Volkswohlſtand ſchließen, denn es
können auch vorübergehende Urſachen eine Erhöhung jener drei
Punkte bewirken. Die Gründe vom Sinken des Gewerbsgewinnes
ſind die entgegengeſetzten.
Entſprechend den §§. 397. a. und b. hat die volkswirthſchaft-
liche Hauswirthſchaftslehre die Erhaltung und Verwendung des
Volksvermögens und -Einkommens zum Gegenſtande. Nach dem
Inhalte der allgemeinen Hauswirthſchaftslehre (§. 63.) hat ſie
daher folgende Punkte zu unterſuchen.
In Bezug auf die Volkswirthſchaft laſſen ſich alle Mitglieder
einer Nation in die zwei Stände der Zehrer (Conſumenten) und
der Erzeuger (Producenten) ſcheiden, und zwar ebenſo in Bezug
auf eine beſondere Gattung oder Art von Producten, wie auch in
Beziehung auf alle Producte der Volksbetriebſamkeit. Blos Con-
ſumenten ſind nur jene Mitglieder der Geſellſchaft, welche, ohne
wirthſchaftlich productiv zu ſein (§. 406.), mit dem Volkseinkom-
men erhalten werden, nämlich die wirthſchaftlich unproductiven
Dienſtleiſtenden, Kinder, Greiſe, Kranke, Arme u. dgl. Die
übrigen leiſten der Production einen Vorſchub, welcher mit ihrer
Conſumtion im Verhältniſſe ſteht. Der Grundeigenthümer kann
[606] kann blos ſeine Einnahme an Grundrenten, der Arbeiter die ſei-
nige durch Arbeitsrenten, der Capitaliſt die ſeinige durch Capital-
renten und der Gewerbsunternehmer jene durch die Gewerbsge-
winnſte verzehren, wenn man Einnahmen durch Schenkung, Be-
trug, Spiel u. ſ. w., die blos den entſprechenden Einnahmen ande-
rer entzogen ſind, abrechnet. Je größer daher die Zahl der wirk-
lichen bloßen Conſumenten in wirthſchaftlicher Hinſicht und der
Conſumenten, welche der Geſellſchaft auch ſonſt gar keine Vortheile
gewähren, iſt, um ſo weniger wird die Volkswirthſchaft im Stande
ſein, ſich zu heben, zum Theile weil der Production um ſo mehr
Hände entzogen und zum Theile weil das Ueberſparen zur Capital-
anlage vermindert wird1).
Die Menſchen verhalten ſich, was ihre Fortpflanzung anbe-
langt, nicht anders als die Thiere. Man ſieht die Menge der
Letzteren ſich vermehren, wann und wo ihnen die Natur und ihr
Inſtinkt genug Nahrung gibt und verſchafft. So einfach dies auch
iſt, ſo ſuchte man doch früher die Gründe der Zu- und Abnahme
der Bevölkerung in mehr zufälligen Ereigniſſen, wie z. B. in
Kriegen, Fehljahren, Hungersnoth, Zunahme der Heilkunſt, in
Staatsmaaßregeln zur Vermehrung der Bevölkerung u. dgl. mehr.
Allein die Geſchichte und Statiſtik zeigt, daß Gründe, wie die
drei erſteren, zwar local und kurz periodiſch die beſtehende Bevöl-
kerung verringern können, daß die ärztliche Kunſt in ihren Fort-
ſchritten das menſchliche Leben leidlicher und länger macht, und
daß die Maaßregeln der Regirung, als da ſind Beförderung oder
Erſchwerung der Verehelichung, des Aus- und Einwanderns wenig
oder gar nichts fruchten. Und dabei iſt immer nicht erklärt ge-
weſen, warum trotz aller jener Ereigniſſe die Bevölkerung bis jetzt
immer im Steigen begriffen war, und unbekümmert um Regi-
rungsmaaßregeln beſtändig ihren natürlichen Verlauf behielt. Ein
unabänderliches Naturgeſetz gibt auch der Bevölkerung ihren Lauf.
Sie ſteigt und fällt mit der Abnahme der Sterblichkeit und Zu-
nahme der Geburten, und mit der Zunahme der Erſteren und
Abnahme der Letzteren. Der Geſchlechtstrieb und die Annehmlich-
keiten des Familienlebens beſtimmen den Mann und das Weib zur
[607] Begattung, ſobald jener erwacht und ſobald die Ausſicht vorhan-
den, daß ſie und die Erzeugten mit ihrem Erwerbe an Exiſtenz-
mitteln leben können. Fülle an kräftigen Lebensmitteln vermehrt
die Geſchlechtsluſt und die Zeugungskraft; aber wenn auch alle
Männer und Weiber von einem beſtimmten bis zu einem beſtimmten
Alter vermögend und fruchtbar wären, ſo würde doch jedes Weib
in jenem Zeitraume jährlich nur ein Kind gebären können. Die
Laſterhaftigkeit, leichtſinnige Verheirathung, Unfruchtbarkeit,
Zwillings- und Drillingsgeburten ſind gegen dieſe Geſetze nur Aus-
nahmen. Die Menſchen vermehren und vermindern ſich daher
natur- und verkehrsgeſetzlich nach der Zu- und Abnahme der
Lebensmittel. Oder jede Nation ſteht mit ihrer Bevölkerung in
geradem Verhältniſſe zur wirthſchaftlichen Production, d. h. zu der
Größe und Vertheilung des jährlichen Volkseinkommens. Alles,
was dieſe befördert und hindert, erhöht und erniedrigt die Be-
völkerung. Darum iſt die Bevölkerung ſeit den älteſten Zeiten
trotz vieler periodiſcher ungünſtiger Ereigniſſe bis jetzt geſtiegen,
und iſt in jenen Ländern am größten, wo eine reichliche Natur die
Production begünſtigt, wo Sicherheit des Eigenthums und der
Perſon, die geiſtige Entwickelung, Geſchicklichkeit, Arbeitstheilung
und Arbeitsverbindung die productive Wirkung der Arbeit am mei-
ſten erhöhen, wo das meiſte Capital am zweckmäßigſten verwendet
iſt, wo der Güterumlauf durch Geld und Kredit am beſten beför-
dert wird, wo die Preiſe der Lebensmittel am niedrigſten, und
wo die Einkommensarten, nämlich Grundrente, Arbeitslohn, Ca-
pitalzins und Gewerbsgewinn am beſten und freieſten vertheilt ſind.
Wo die entgegengeſetzten Verhältniſſe obwalten, da wird ſie auch
am kleinſten ſein1). Die Bevölkerung richtet ſich daher beſtändig
nach dem Conſumtionsvorrathe, und dieſer wächst mit immer
neuer Capital- und Arbeitsanwendung auf die Natur. Dieſes
Gleichgewicht bleibt aber nicht ohne Unterbrechung, es gibt viel-
mehr vorübergehende Ereigniſſe, welche den Conſumtionsvorrath
im Verhältniſſe zur beſtehenden Bevölkerung, und welche die Letztere
im Verhältniſſe zu jenem übermäßig verringern, z. B. landwirth-
ſchaftliche Mißjahre, und verheerende Krankheiten. So erſchütternd
und traurig ſie auch ſind, ſo hat die Erfahrung doch gezeigt, daß
nach ihnen die Bevölkerung wieder raſcher zunimmt.
Die Verzehrung oder Conſumtion1) iſt das Gegentheil von
der Production, alſo nichts anderes als eine theilweiſe oder gänz-
liche Vernichtung der Brauchbarkeit der Güter, woraus eine Ab-
nahme oder ein gänzlicher Verluſt ihres Tauſchwerthes hervorgeht.
Entweder geht ſie mit Wiſſen und Willen der Menſchen durch ſie
ſelbſt oder ohne dies durch die zerſtörenden Kräfte der Natur vor
ſich. Sie iſt alſo immer eine körperliche Veränderung des Gutes;
in jenem Falle reicht es unter Vorausſetzung eines vernünftigen
Willens Vortheile dar, im letztern aber nicht (Gebrauch, Ver-
brauch, Zerſtörung)2). Jeder Ge- und Verbrauch iſt alſo
productiv im weiteſten Sinne, aber nicht in wirthſchaftlicher Be-
deutung. Wirthſchaftlich productiv dagegen iſt nur diejenige
Conſumtion, welche einen neuen wirthſchaftlichen Werth ſchafft.
Der Gegenſtand dieſer Art von Conſumtion iſt das Capital, und
ſie ſelbſt iſt Production. Wirthſchaftlich unproductiv iſt die-
jenige Conſumtion, welche keinen neuen wirthſchaftlichen Werth
hervorbringt. Ihr Gegenſtand iſt der Verbrauchsvorrath und ſie
ſelbſt iſt die reine Conſumtion. Die Nützlichkeit Beider wird nach
[609] den Zwecken, nach Art und Menge der gewählten Mittel hierzu
und nach dem Erfolge bemeſſen. In Bezug auf die Perſonen kann
man die Conſumtion in Privat-, Geſellſchafts, Gemeinde- und
Staatsconſumtion eintheilen, und es iſt wichtig, unter den ein-
zelnen Arten derſelben die productive von der unproductiven zu
unterſcheiden. Die unproductive Conſumtion richtet ſich nach der
Art der Vertheilung des Volksvermögens und -Einkommens, nach
der gewohnten Lebensart der Volksklaſſen, nach den Gemeinde-
und Staatseinrichtungen und deren Koſten. Sie trifft nur das reine
Einkommen. Die productive dagegen erhält ihren Anreiz ſtets von
den wachſenden Bedürfniſſen (§. 46–49.) oder von dem Streben,
immer mehr zum Genuſſe verwenden zu können. Dieſes Streben
geht bis zum Luxus (§. 49.), der nicht an ſich verwerflich iſt, da
er ſo lange als ein Beförderungsmittel der Production angeſehen
werden muß, als er nicht Folge oder Urſache von Sittenverderbniß,
Erzeugniß ungleicher Gütervertheilung iſt und ſo weit getrieben
wird, daß er alle Sparſamkeit für edlere Zwecke vernichtet. Er
iſt ein natürliches Ergebniß des Zuſammenlebens der Menſchen und
ſeine Erſcheinung eine hiſtoriſche Nothwendigkeit3).
Der beſchränkte Blick auf das bürgerliche Leben und ſelbſt die
Geſchichte ſcheint zwar zu beſtätigen, daß ein beſtändiges Mißver-
hältniß zwiſchen der Production und Conſumtion exiſtire und daß
von Zeit zu Zeit daſſelbe unter ganzen Völkern mit einer Spaltung
hervortrete, die die Bevölkerung auf das ſchrecklichſte hinrafft.
Allein man würde, wenn man daraus auf ein beſtändiges Mißver-
hältniß dieſer Art in der Volkswirthſchaft ſchließen wollte, ſehr in
Irrthum gerathen; denn jene Erſcheinungen ſind Folgen des unzu-
friedenen unaufhaltſamen Weiterſtrebens der Menſchen, der un-
gleichen Gütervertheilung, momentaner Stockungen in den Erwerbs-
quellen und des Mangels an hinreichenden Mitteln und Wegen,
um dem Ueberfluſſe einer Gegend nach der anderen ärmeren ge-
hörigen Abfluß zu verſchaffen. Der Trieb zur Vervollkommnung
der Lebens- und folglich hauptſächlich der Wirthſchaftszuſtände iſt
Baumſtark Encyclopädie. 39
[610] im Menſchen ſo entſchieden, ſtark und tief, daß mit jedem Fort-
ſchritte in ſeiner Befriedigung wieder der Grund zu neuem Ver-
langen liegt. Es iſt daher nichts natürlicher, als daß ſich die
Production mit dem Begehren nach Conſumtion in geradem Ver-
hältniſſe erweitert und dann ihrerſeits wieder auf Ausdehnung des
Begehres wirkt. Hieraus ergibt ſich, als in der Natur der Men-
ſchen begründet, nothwendig ein Gleichgewicht zwiſchen Begehr
und Angebot oder Conſumtion und Production in der Volkswirth-
ſchaft als Regel, auf welcher bei jedem Volke die Stufe des Wohl-
ſtandes fußt. Periodiſche und locale Mißverhältniſſe als Ausnah-
men abgerechnet, ſo kann dieſes Gleichgewicht durch die Bevöl-
kerung andauernd nicht geſtört werden, weil dieſe ſelbſt mit der
Möglichkeit der Conſumtion, alſo mit der Production in geradem
Verhältniſſe ſteht. Da nun kein Volk mehr conſumiren kann, als
es zu produciren vermag, ſei es indem es ſeine eigenen oder durch
Eintauſch gewonnenen Erzeugniſſe verzehrt, und da ein ſolches auch
nicht mehr producirt, als es zu conſumiren wünſcht, indem näm-
lich ſeine Wünſche unendlich, aber die Productionsfähigkeit be-
gränzt iſt; ſo folgt auch, daß in einer Volkswirthſchaft Begehr
und Angebot im Ganzen genommen gleich groß ſind, ſo abweichend
ſie gegenſeitig auch auf einzelnen Märkten, in einzelnen Gegenden
und gewiſſen Perioden ſein mögen1).
Man kann von verſchwenderiſchen, habſüchtigen und geitzigen
Perſonen (§. 72.) und je nach dem Verhältniſſe der Einnahmen
[611] und Ausgaben von verſchiedenen Wirthſchaftszuſtänden der Einzel-
nen (§. 73.) für ſich reden. Aber alle dieſe Beſtimmungen ſind
bei einem Volke nicht anwendbar. Weil ſich die Volksbedürfniſſe
nach der Productionsfähigkeit und die Production nach den Be-
dürfniſſen richtet, ſo läßt ſich von keinem Volke an ſich ſagen, daß
es arm oder reich ſei, denn die nationale Genügſamkeit iſt eben
ſo wenig als bloße Tugendübung, wie der Luxus als Folge des
Sittenverderbniſſes anzuſehen, beide üben die Völker als Totalität
aus Nothwendigkeit. Von einem ſtändigen Mißverhältniſſe zwiſchen
Volkseinkommen und -Aufwand kann darum nicht die Sprache
ſein, obſchon ſie vorübergehend plötzlich übermäßig erhöht und ver-
mindert werden können. Vergleicht man aber die Völker wirth-
ſchaftlich mit einander, ſo ſtellt ſich eine große Verſchiedenheit der
Zuſtände heraus, nach welcher man die Grade des Volkswohl-
ſtandes bemißt. Eine genaue Unterſuchung darüber muß ſich über
alle bisher erörterten Verhältniſſe der Volkswirthſchaft ausdehnen.
Aeußerlich und weniger genau erkennt man den Grad des Volks-
wohlſtandes an der bleibenden Höhe der Grundrente und des Ar-
beitslohnes, an der andauernden Niedrigkeit des Zinsfußes und
Gewerbsgewinnes, an der Zunahme der Bevölkerung, an der Le-
bensweiſe des unteren und mittleren Standes, an der Aufklärung
derſelben, am Volkscharakter, an großen Privat- und geſellſchaft-
lichen Unternehmungen, und an der Leichtigkeit der Verwendung
für Staatszwecke1).
Die Producte des Bergbaues dienen zu den verſchiedenſten
häuslichen und techniſchen Zwecken als Rohmateriale. Die Wich-
tigkeit der unedlen Metalle, der Stein- und Braunkohlen, der
Erden, der Steine, Edelmetalle u. dgl. m. iſt ſo allgemein aner-
kannt, daß die Verwendung bedeutender Capitalien auf ihre Ge-
winnung für den Volkswohlſtand äußerſt nothwendig und nützlich
39 *
[612] erſcheint. Schon aus gewöhnlichen Urſachen iſt klar, daß alſo der
Bergbau auf die Edelmetalle nicht ſo wichtig iſt, wie jener auf
die unedeln und die andern roheren bergmänniſchen Producte. Der
Bau auf unedle Metalle und Mineralien kann ſogar wegen des
größeren Begehres darnach einen größeren Gewinn abſetzen als
jener auf edle Metalle, um ſo mehr, da die Verſendungskoſten der
Letztern gegen ihren Tauſchwerth ſehr gering ſind, und darum
die Concurrenz aller auswärtigen Länder auf dem Metallmarkte
weit mehr erleichtert iſt, als bei den unedeln1) und weil bei er-
heblichem Betriebe auf edle Metalle ſchon eine große inländiſche
Conſumtion erfordert wird, um dem jährlichen Erzeugniſſe im
Inlande Abſatz zu verſchaffen. Es gehört zum guten bergmänni-
ſchen Betriebe, worin ſich Deutſchland von jeher ausgezeichnet hat,
ſchon ein hoher Grad der Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften
und in der Mechanik. Es werden aber dazu ſo bedeutende Kräfte
erfordert, daß nur ungeheure Capitalien, wie ſie Einzelne nicht
leicht beſitzen, den erwünſchten Erfolg geben können, weßhalb er
ſich am beſten für Geſellſchaften eignet. Der Bergbau iſt eine
wohlthätige Erſcheinung, namentlich in ſonſt armen Gebirgsgegen-
den, weil er einem bedeutenden Theile der Bevölkerung nutzbrin-
gende Beſchäftigung gewährt. Indeſſen iſt er wegen der mercan-
tiliſchen Vorliebe für die Edelmetalle oft überſchätzt worden, und
auch zu weit getriebene Privatſpeculationen, aufgeweckt durch
großen momentanen Gewinn, können leicht fehlſchlagen, und das
Aufgeben von einzelnen oder ganzen Betrieben zur Folge haben,
wodurch viele Arbeiter brodlos und die betroffenen Gegenden ſehr
arm werden können, wenn die günſtigen Productions- und Abſatz-
verhältniſſe aufhören.
Die Landwirthſchaft iſt wegen ihres Einfluſſes auf Wohlſtand,
moraliſche Kraft und geſelliges Zuſammenleben des Volkes ſchon
im Anfange des Völkerlebens von der größten Wichtigkeit. Von
der Jagd gehen die mehr zerſtreuten Horden zur Thierzucht über
und dieſe zwingt ſie dann zu einem regelmäßigeren Ackerbaue. Von
Anfang iſt der Ertrag deſſelben ſehr ſpärlich, und erſt die Verbin-
[613] dung von Ackerbau und Thierzucht legt die Hauptgrundlage zur
Vervollſtändigung des Gewerbes. Sie gibt ſo das ſicherſte Ein-
kommen und die unentbehrlichſten Güter, und bildet den Kern der
Bevölkerung, nachdem ſie die verſchiedenen Stufen der Sclaverei,
Leibeigenſchaft und Hörigkeit durchwandert und allmälig eine freie
Ständeorganiſation begründet hat. Es ſind aber zu ihrem Betriebe
nicht ſo viele Arbeiter erforderlich, als ſie Menſchen mit ihren
Producten ernähren kann. Sie iſt für ihre Erzeugniſſe des Abſatzes
gewiß, obſchon er ſich mit mehr Erfolg für das Inland, als für
das Ausland eignet, weil mit der Entfernung die Schwierigkeiten
und Koſten der Verſendung wachſen. Ihr Intereſſe iſt dem der
übrigen Gewerbe nicht entgegengeſetzt, im Gegentheile ſie kann um
ſo weiter gedeihen, je blühender die andern Gewerbe ſind, weil
ſie in dieſen die meiſten Abnehmer für ihre zur Nahrung nothwen-
digen Erzeugniſſe findet. Da ihre nationalöconomiſchen Vortheile
hiervon, von der Betriebsart, von der Größe des Capitals und
von der Freiheit des Betriebs abhängen, ſo iſt die Frage beſonders
wichtig, ob die kleinen oder ob die großen Landgüter die
meiſte volkswirthſchaftliche Nützlichkeit haben; denn nach ihrer
Größe im Verhältniſſe zur Bevölkerung richtet ſich der Zuſtand der
Letzteren, die Vertheilung und Benutzung des Capitals1). Was
insbeſondere die Zweige der Landwirthſchaft anbelangt, ſo ſind die
Länder ſowohl in der Thierzucht, als im Feld- und Gartenbaue
verſchieden beſtellt. Das Verhältniß zwiſchen Acker-, Wieſen- und
Weidebau wird ſich nach dem Stande und Vortheile der Thierzucht
richten; der Erſtere erheiſcht die meiſte Arbeit, der Letztere die
wenigſten Koſten, aber gibt auch den geringſten Ertrag, weßhalb
ihm der Futterbau vorzuziehen iſt. Der Gartenbau zeigt ſich be-
ſonders in der Nähe von großen Städten ſehr vortheilhaft. Der
Weinbau insbeſondere iſt von den Zufälligkeiten der Witterung im
höchſten Grade abhängig, auch ſind die Bedingungen des guten
Ertrages des Acker-, namentlich des Futterbaues, jenen des
Weinbaues ſo entgegen, daß das Gedeihen Beider in hohem Grade
eine große Seltenheit iſt. Daher ſind diejenigen Gegenden am
beſten beſtellt, wo Beide mit einander in Verbindung getrieben
werden. Die Thierzucht erheiſcht nach ihrem vorherrſchenden Zweige
auch eine verſchiedene Einrichtung des Feldbaues. Bedeutende
Schaafs- und Pferdezucht kann nicht ohne große Weideſtrecken
mit Vortheil betrieben werden, während die andere Viehzucht mit
Stallfütterung der Weide gar nicht mehr bedarf2).
Die Wälder ſind ſchon in den früheſten Perioden der Ent-
wickelung des Menſchen, wenn er ein wildes herumſchweifendes
[615] Leben führt, eine der wichtigſten Nahrungsquellen deſſelben durch
die Jagd. Sie erſtrecken ſich, von der Natur geſäet und gepflan-
zet, über ungeheure Ebenen und Gebirge. Da auf ſie in der
frühen Zeit der Menſchengeſchichte gar keine Arbeit verwendet
wird, ſo bildet ſich der Begriff des Waldeigenthums ſehr ſpät aus
und iſt, wenn er entſteht, blos als Geſammteigenthum einer an-
ſäßigen Völkerſchaft zu betrachten, an welchem ein Jeder das
Hiebs-, Jagd- und Weiderecht ausübt, während ſchon längſt ein
Privateigenthum am Felde exiſtirt. Aus jener Vorſtellung von
einem Geſammteigenthume ging leicht der ſcheinbar nur wenig ver-
ſchiedene des Staatseigenthums hervor, während die Jagd und
Weide noch immer frei war. Nach einer ſolchen Metamorphoſe
der Ideen mußte es ein Leichtes ſein, daß die Könige die Wälder
kraft der Oberhoheit einſchloſſen und aus den Staatswäldern könig-
liche Bannforſte machten, in denen auch die Jagd den Unterthanen
unterſagt ward. Durch die Verleihung von Gegenden als Lehen,
durch die Belehnung mit Jagdgerechtigkeit, durch das allmälige
in den Hintergrundtreten der Lebensverhältniſſe, durch die Ausbil-
dung der landesfürſtlichen Gewalt und durch das Emporkommen
der Gemeinden entſtanden ſo nach und nach Privat-, Gemeinde-
und Staatswaldungen in den verſchiedenen Ländern. Erſt mit der
ſteigenden Bevölkerung, welche mehr Feldboden, Brenn- und Bau-
material nöthig machte, mit der Entwickelung der Gewerke, welche
Holz verarbeiten, und mit der Einſicht in die regelloſe Waldver-
wüſtungen mußte der Gedanke des Waldbaues entſtehen. Er wird
mit der Zeit immer wichtiger, je weniger andere Bau- und Brenn-
materialien man beſitzt, denn er liefert ein unentbehrliches Material
und ſoll es nachhaltig liefern. Er erheiſcht verhältnißmäßig weniger
Arbeit, aber ein um ſo größeres Capital, welches lange auf dem
Boden gebunden bleiben muß, ehe es ſich bezahlt und rentirt. Es
eignet ſich der Forſtbau nicht wohl für einzelne Perſonen (§. 261.).
Aber ſein Verhältniß zum Volkswohlſtande bietet manche ſchlimme
Seiten, weil der Geldreinertrag von der Höhe der Holzpreiſe ab-
hängt, bei nachläſſigem, blos auf ſchnellen Geldgewinn abzielen-
dem, Betriebe die Möglichkeit der Befriedigung des Holzbedürf-
niſſes immer mehr verſchwindet, und aus beiden Gründen leicht
hohe Holzpreiſe entſtehen können, die der Nation eine Plage ſind.
Da ſich hierin das National- und Privatintereſſe wenigſtens ſo
weit entgegenſtehen, ſo wird der Forſtbetrieb dann volkswirth-
ſchaftlich am günſtigſten ſein, wenn er nachhaltig iſt, wenn der
Holzpreis keinen der Conſumtion läſtigen Preis hat, und wenn
man den dazu tauglichſten Boden ſorgfältig auswählt (§. 257.).
[616] Der Holzhandel in das Ausland iſt bei guten Transportmitteln
(§. 258. 259.) ein ſehr einträglicher, er wird um ſo gewagter, je
größer die Concurrenz und je koſtſpieliger der Transport iſt. Denn
die größten Capitalien gehen oft aus dieſen Gründen in fernen
Gegenden großentheils und ganz verloren1).
Was der Menſch zuerſt von ſeinen gewonnenen Rohproducten
über ſeinen täglichen Bedarf anſammelte und aufbewahrte, war
blos Conſumtionsvorrath, oder wenigſtens Vermögen von unbe-
ſtimmtem Gebrauche. Erſt mit der Entdeckung der Wirkſamkeit von
gewiſſen Werkzeugen für die Geſchäfte der Jagd, Fiſcherei, Weide
und Feldarbeit und mit der erſten Theilung dieſer Beſchäftigungen
entſtand aus jenem Conſumtionsvorrathe das Capital. Einmal
vorhanden mußte es ſich wegen ſeiner großen und einleuchtenden
Wirkſamkeit bald und raſch vermehren, ſo wie die Bevölkerung
mit der Theilung der verſchiedenen Gewerbe. Aus der Bereitung
von Nahrungsmitteln und Werkzeugen ging zuerſt der Gedanke der
Verarbeitung roher Stoffe hervor, der ohne Capitalvorrath nicht
möglich iſt und die Gewerke hervorrief. Für ihre Entſtehung war
alſo Capitalvorrath und ein Theil von Bevölkerung nothwendig,
der bei den Urgewerben entbehrt werden konnte und folglich nicht
mit Vortheil beſchäftigt war. So entſtanden, entwickelten ſich die
Gewerke bis zu dem Stande in civiliſirten Nationen, und ihre Ent-
wickelung hing fortwährend von Capital- und Bevölkerungsüberſchuß
in den beſtehenden Gewerben ſo wie von der ſteigenden Wohlhaben-
heit und Cultur des Volkes ab. Die Gewerke ſind daher für die
Volkswirthſchaft äußerſt wichtig wegen der Vervollkommnung der
Güter für Production und Conſumtion, wegen der Beſchäftigung
und Unterhaltung eines großen Theils der Bevölkerung, wegen des
Verhältniſſes derſelben zu den Urgewerben und wegen des vortheil-
[617] haften Handels mit Gewerkswaaren nach dem Auslande. Sie ſind
alſo immer je nach dem Grade ihrer freien Ausbildung ein Beweis
von einem gewiſſen Grade von Volkswohlſtand und -Bildung, und
ihr Intereſſe geht mit dem der Urgewerbe Hand in Hand, da die
Bevölkerung Beider ſich wechſelſeitig den Abſatz ihrer Producte
verſchafft, um ſo mehr, je blühender ſie iſt. Es gibt nun Länder
und Gegenden, worin die Gewerksarbeit noch mehr gegen die
Urgewerbe im Hintergrunde ſteht, weil ſie entweder in der Ent-
wickelung noch ſo weit zurück oder weil ſie von der Natur beſon-
ders für die Letzteren begünſtigt ſind; ſolche, worin die Kunſt-
gewerbſamkeit die Urgewerbsarbeiten überflügelt, weil eine künſtliche
Leitung die Erſteren beſonders begünſtigte, oder die Natur mit
den Gaben für die Letztere ſehr ſpärlich verſehen iſt; und endlich
ſolche, worin beide Gewerbsarten in einem rechten Gleichgewichte
ſtehen. Am ſchlimmſten ſind die Zweitgenannten beſtellt, weil ſie
in Betreff der Urbedürfniſſe bei einer durch Gewerksweſen gehobe-
nen Bevölkerung vom Auslande, deſſen guten und Mißjahren ab-
hängen und in der Regel in einer Gebirgslage ſich befinden, wohin
der Transport der Urproducte ſehr ſchwer und koſtſpielig iſt. In
den beſten Verhältniſſen befinden ſich die Drittgenannten, weil ſie
in ſich ſelbſt alle Fonds zum Wohlſtande vereinigen. In ihnen
finden ſich jene von zwei Seiten geſchützten mittleren und kleineren
Gewerbsunternehmer, die zugleich für ihren häuslichen Bedarf
Landwirthſchaft treiben. In allen Dreien können ſich nicht blos
Handwerke, ſondern auch Fabriken und Manufacturen er-
heben, wovon die Letztern zwar entſchiedene Vortheile für die
Nationalwirthſchaft gewähren (§. 314. vrgl. §. 410. N. 8.), aber
doch nicht jene gleichmäßige Gütervertheilung und wohlhabende
Mittelklaſſe hervorrufen, welche den Wohlſtand allgemeiner machen
und namentlich eine Folge der freien Handwerke iſt, wo der
Meiſter zugleich auch als Arbeiter ſein Einkommen bezieht und mit
ſeinen Gehilfen die wirthſchaftlichen und ſittlichen Vortheile des
häuslichen Lebens genießt1).
In den erſten Zeiten des Verkehrslebens brachte blos das
zufällige Zuſammentreffen gelegenheitlich einen und den andern
Tauſch hervor, weil blos beſondere Neigung für eine Sache wirk-
ſam war. Erſt als ſich die verſchiedenen gewerblichen Beſchäfti-
gungen getrennt hatten wurde er eine Nothwendigkeit, indem jene
Trennung ohne dieſen nicht beſtehen konnte. Indem nun die Ge-
werbstrennung immer weiter ging, ſich die Bevölkerung mehr hob
und mehr auseinander zog, wurde auch die Nützlichkeit einer Art
von Geſchäften fühlbar, welche blos den Tauſch zwiſchen den Be-
ſitzern und Begehrern beſorgten. So wie nun Menſchen, natürlich
nicht ohne Vergütung, dieſem Geſchäfte ſich widmeten, war auch
der Handel entſtanden, und mußte immer um ſo nothwendiger
werden, je mehr ſich die Arbeiten und die Bevölkerung trennten,
je mehr neue Bedürfniſſe entſtanden und je mehr man durch ihn
ſelbſt mit den Producten, Gewerben, Künſten, Wiſſenſchaften und
Lebensweiſen anderer Nationen bekannt wurde. Sein Nutzen iſt
darum groß, aber doch iſt aus den Gründen ſeiner Entſtehung klar,
warum es kein Volk geben kann, das nichts als Handel treibt,
und daß Handelsvölker nur ſolche ſind, welche ſich vorzüglich durch
den Handel vor den andern auszeichnen, weil ihr Geiſt und die
Lage des Landes beſonders dazu geeignet iſt. Ohne ihn iſt der
Gewerbsbetrieb der Völker in civiliſirterem Zuſtande nicht denkbar.
Es bleibt 1) beim Binnenhandel die Koſtenerſtattung für die
Handelsgüter im Preiſe blos zwiſchen den Inländern. Er iſt daher
zwei inländiſchen Gewerbsklaſſen und -Capitalien zugleich förderlich
und iſt bei großer Blüthe Eines der ſicherſten Zeichen großen Volks-
wohlſtandes von langer Dauer. Das Handelscapital läuft faſt be-
ſtändig um, ſo daß eine und dieſelbe Summe jährlich mehrmals
umgeſetzt wird. Der Gewinn iſt zwar ſelten ſo groß, wie beim
auswärtigen Handel, aber ſicherer, weil das Wagniß weit geringer
iſt. Als ein Hauptzweig deſſelben iſt beſonders der Kleinhandel
wegen ſeiner Hilfe in der Gütervertheilung wichtig. Er erheiſcht
wenig Capital, bietet manchem Beſitzer kleiner Capitalien Gelegen-
heit zur Gewerbsunternehmung dar, greift in die Fugen des Groß-
handels unterſtützend ein, und erleichtert die Befriedigung der
[619] Bedürfniſſe nach Luſt, beſter Zeit und in kleinen Quantitäten.
2) Der auswärtige Handel verlangt weit mehr eigenthümliche
begünſtigende Umſtände zu ſeiner Entſtehung und ein ſehr bedeu-
tendes ſtehendes und umlaufendes Capital. Die Aus- und Einfuhr
befördert den Gewerbsfleiß und erleichtert den Gütergenuß. Er
bewirkt eine gegenſeitige Aushilfe unter den Ländern mit ihren
eigenthümlichen Producten. Alle Völker haben dabei dieſen Ge-
winn, obſchon ſeine Einträglichkeit durch manche Hinderniſſe unter-
brochen werden kann. Sehr wichtig iſt das Verhältniß zwiſchen
der Aus- und Einfuhr, um welches ſich der Irrthum des Merkan-
tilſyſtems dreht in der Lehre von der Handelsbilanz. Seine
Grundanſicht iſt, daß ein Volk einen Ueberſchuß der Ausfuhr über
die Einfuhr haben könne und daß hierin der Gewinn liege, welchen
eine Nation im auswärtigen Handel mache. Allein aus der Theorie
der Gegenſeitigkeit des Handels, nämlich daraus, daß kein Tauſch
und Handel ohne gegenſeitige Abtretung gleicher Tauſchwerthe
Statt finden kann, wenn man keine Ueberliſtung ſtatuirt, ergibt
ſich leicht, daß in der That kein ſolcher Ueberſchuß beſtehen kann,
ſondern Ein- und Ausfuhr dem Tauſchwerthe nach gleich ſind.
Ergeben die ſtatiſtiſchen Berechnungen doch einen ſolchen, ſo iſt
dies eine Folge davon, daß man bei der Zuſammenſtellung einen
Stillſtand annimmt, obſchon im Verkehre nie ein ſolcher exiſtirt,
daß viele Arten der Aus- und Einfuhr Statt finden, die man gar
nicht berechnen kann, und daß die Angaben über die beſtimmbaren
Punkte unrichtig ſind. Die Erſtattung der Gegengabe geſchieht
zudem auf ſo manchfache, Baarſendungen entbehrlich machende,
Arten (§. 341–345.), und zufällige Störungen ſind dabei ſo leicht
möglich, daß man ſich auf die Berechnungen der Aus- und Einfuhr
nicht verlaſſen kann. Nichts deſto weniger iſt die Erörterung des-
ſelben wegen des Einfluſſes auf das Gewerbsweſen ſehr wichtig;
allein die ſtatiſtiſchen Mittel reichten bis jetzt zu einer vollſtändigen
Kenntniß deſſelben nicht hin. Denn der Wechſelcurs, der ſich noch
nach andern Umſtänden als nach der bloßen Ein- und Ausfuhr
richtet, berechtigt noch nicht zu einem Schluſſe auf dieſe (§.
350.) und die Zollliſten ſind an ſich wegen Verheimlichung und
Ungenauigkeit unzureichend. 3) Der Zwiſchenhandel übt einen
mittelbar förderlichen Einfluß auf die Gewerbſamkeit des Landes,
welchem der Kaufmann angehört und wodurch der Waarenzug geht.
Er erheiſcht viele Capitalien, iſt aber leicht durch Hinderniſſe der
Abſperrung, Abgaben u. dgl. mehr zu unterbrechen. 4) Der Co-
lonialhandel iſt für das Mutterland und die Colonien bei freiem
Betriebe hauptſächlich darum ſehr vortheilhaft, weil er die Ver-
[620] mittelung zwiſchen einem in friſcher Jugendkraft und Entwickelung
befindlichen und einem gewerblich ſehr ausgebildeten ältern Lande
macht und durch Aus- und Einfuhr das Gewerbsweſen hebt1).
Das Leih- oder Rentgeſchäft iſt volkswirthſchaftlich von ſehr
großer Bedeutung, da es mit ſeinen Capitalien viele fruchtbare
Unternehmungen unterſtützt oder die Genüſſe erleichtert. Es kann
erſt nach entwickeltem Gewerbsweſen, das Capitalerſparungen mög-
lich macht, entſtehen. Seine Ausdehnung hängt von der Größe
des Capitalbeſitzes und von der Geſuchtheit der Capitalien in pro-
ductiven Gewerben ab und es fördert die Volkswirthſchaft am wei-
teſten, wenn die meiſten Capitalien in dieſen Letztern angelegt
ſind. Es gibt aber, beſonders in den Geldgeſchäften, leicht
Stockungen, welche den Producenten oder Rentnern ſehr viel
Schaden verurſachen können, indem der Zinsfuß entweder zu hoch
ſteigt, oder tief ſinkt.
In welcher Beziehung man auch (§. 372. 373.) die Klaſſe der
Dienſtleiſtenden betrachten will, wie ſie uns vom gemeinſten Arbeiter
[621] bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten erſchei-
nen, ſo müſſen ſie immer volkswirthſchaftlich als ſehr wichtig gelten.
Ihre Leiſtungen ſtehen mit dem Volkswohlſtande im unmittelbarſten
Zuſammenhange ſowohl in Betreff der Production als des Genuſſes,
und ihre ſtandesmäßige Exiſtenz iſt eine der wichtigſten Bedingungen
des Beſtandes der Staaten. Eine zu große Menge ſolcher Staats-
glieder ſenkt bei freier Concurrenz den Lohn und bringt dann Miß-
verhältniſſe zufolge von Nahrungsloſigkeit hervor, welche, wenn
der Bildungsgrad dieſer Klaſſe auch noch ſehr niedrig iſt, die
öffentliche und allgemeine Ruhe ſowie das Eigenthum auf das
Höchſte gefährden. Anderſeits aber dient die Lebensart und Be-
handlung der Arbeiter, beſonders in den Fabrikländern, öfters
dazu, eine ſchwächliche, unſittliche und geiſtig ganz verwahrloste
Bevölkerung zu creiren, ein Umſtand, der um ſo gefährlicher iſt,
je mehr die Gewerksarbeit die Oberhand über die Urgewerbe hat.
Niemals wird ſich in ſolchen Ländern eine gleichmäßige Güter-
vertheilung, und eben ſo wenig ein wohlhabender Mittelſtand von
Bedeutung herſtellen.
Die Aufgabe dieſes Theiles der Nationalöconomie iſt bereits
oben (§. 394.) erörtert. Obſchon derſelbe nicht bloße Staatswiſ-
ſenſchaft iſt, ſo gehört doch zum Theile ſein Gegenſtand unter die
Objecte der Staatsverwaltung, und es iſt nothwendig, den Grund-
ſatz feſtzuſetzen und feſtzuhalten, von dem die Regirung in der
Leitung der Volkswirthſchaft auszugehen hat. Derſelbe, ſo be-
ſtritten er auch iſt, ergibt ſich ſehr leicht aus dem Weſen und
Gehalte der Staatsverwaltung. Denn dieſe kann nur auf zwei
Hauptmaſſen Bezug haben, nämlich auf die Rechte und auf die
Güter (§. 37. 38.). Dieſe Scheidung rechtfertigt ſich von ſelbſt,
weil die Letzteren auch im Einzelleben der Menſchen vorhanden
ſein können, während die Rechte erſt ein Product des Zuſammen-
lebens der Menſchen ſind, aus welchem ſich das Rechtsgeſetz ergibt,
und weil die Rechte ſich nur auf Güter beziehen können. Was
den Erwerb, die Erhaltung und den Gebrauch von Rechten und
Gütern anbelangt, ſo ſtehen der Staat, als Totalität, die Ge-
[622] meinden, die Einzelnen, Geſellſchaften und Stiftungen einander
als ſelbſtſtändige Perſonen gegenüber. Jede derſelben verſchafft
ſich ihr Rechts- und ihr Gütergebiet. Die Thätigkeit und Sorge
für das ausſchließliche Gütergebiet von Tauſchwerth iſt die Wirth-
ſchaft, welche als Privat-, Gemeinde-, Volks- und Staatswirth-
ſchaft (Finanzwirthſchaft) erſcheint. Demnach hat die Staats-
gewalt objectiv drei Hauptrichtungen, nämlich die Juſtiz, Finanz,
und diejenige, welche ſich auf das Güterweſen der Einzelnen, Ge-
ſellſchaften, Stiftungen, Gemeinden und des Complexes dieſer
vier Letztern, nämlich des Volkes, bezieht und Polizei genannt
wird. In allen dreien tritt ſie oberaufſehend, geſetzgebend und
vollziehend auf. Die Strafgewalt ergibt ſich aus der Natur der
Geſetze und Menſchen von ſelbſt, wie die Strafe, als nothwendig,
und gehört allen drei Staatsgewalten im objectiven Betrachte an.
Die Polizei, ihrem wahren Begriffe nach und nicht in der zum
Theile nothwendigen zum Theile zufälligen Vermengung mit der
Juſtiz und Finanz genommen, hat keine Sorge für Rechte auszu-
üben, obſchon ſie beſtändig mit ſolchen eben ſo gewiß in Berührung
kommen muß, als in der bürgerlichen Geſellſchaft Güter und
Rechte nicht zu trennen ſind. Sie iſt vielmehr die nach den Prin-
zipien des Rechts, der Sittlichkeit und der Klugheit beſchränkte
Staatsſorge (entſpr. Staatsgewalt) für die Entwickelung und
Beförderung des Güterweſens der Nation nach ihren ſo eben ange-
gebenen Beſtandtheilen. Näher bezeichnet, ſie iſt die ſo begränzte
Staatsſorge für den Erwerb, die Vertheilung, Erhaltung und
Anwendung der Güter der Nation, als Geſammtheit der Einzelnen,
Geſellſchaften, Stiftungen und Gemeinden. Bringt man ihren
Inhalt nach den genannten Thätigkeiten in eine logiſche Ueberſicht,
ſo ergibt ſich eine Erwerbs-, Vertheilungs-, Erhaltungs- oder
Sicherheits- und eine Gebrauchspolizei. Führt man aber die lo-
giſche Trennung ihres Gehaltes nach den Objecten durch, auf
welche ſich dieſe Thätigkeiten beziehen, ſo ergibt ſich von ſelbſt eine
Polizei für die inneren Güter (Bildungs- und Sitten- und
Religionspolizei), für die wirthſchaftlichen äußeren Güter
(Wirthſchaftspolizei) und für die nicht wirthſchaftlichen
äußeren Güter, welche Einer von den genannten polizeilichen Thä-
tigkeiten anheim fällt, da ſie nur in ihrer Beziehung auf Bildung,
Geſittung, Sittlichkeit, Religion und Wirthſchaft Bedeutung haben,
weil das Weſen des Gutes in ſeiner Brauchbarkeit für die Men-
ſchenzwecke liegt. In jedem dieſer letztgenannten Zweige tritt die
Polizei als Erwerbs-, Vertheilungs-, Sicherheits- und Gebrauchs-
polizei auf, denn die entſprechenden Thätigkeiten der Nation beziehen
[623] ſich auf Bildung, Sitten und Religion, wie auf das Vermögen.
Die hier abzuhandelnde Volkswirthſchaftspflege (Gewerbspolizei)
iſt nichts anderes als die Wirthſchaftspolizei in Verbindung mit
demjenigen Theile der Bildungspolizei, der die gewerbliche Bildung
zum Gegenſtande hat. Sie ſteht alſo unter dem Prinzipe der Po-
lizei überhaupt, und dieſe unter dem letzten Grundſatze des Staats1).
Der Staat iſt eine hiſtoriſche Nothwendigkeit und umfaßt die Zwecke
der Menſchheit, aus einem Geſichtspunkte betrachtet, in welchem
ſie vom Einzelnen nicht erreichbar ſind. Wäre dies nicht, ſo würde
er nicht beſtehen. Die Staatsgewalt hat daher auch nur dort und
dann einzuſchreiten, wo und wann die Kräfte und der Wille der
Einzelnen nicht zuverläſſig iſt und nicht mehr zureicht, um einen
vernünftigen Zweck zu erreichen. Im Uebrigen ſteht dem Einzelnen,
zwar nicht Willkühr und Laune, ſondern rechtliche Freiheit zu.
Hieraus geht von ſelbſt hervor, daß die Wirkſamkeit des Staats
je nach dem Grade der Entwickelung der Nation verſchieden ſein
muß, und daß er in denjenigen Dingen am wenigſten einzuſchreiten
hat, worin vorausgeſetzt werden muß, daß der Einzelne, ohne
Andere zu beeinträchtigen, aus eigener Einſicht das Beſte wählt
und thut. Weil dies nun im Rechtsgebiete nicht zu erwarten ſteht,
ſo lange man eine Civiliſation nicht verwirklicht ſieht, für welche
kaum die Einbildungskraft Raum gibt, ſo wird der Staat auch
ſtets in jenem am meiſten einzuſchreiten haben. Am wenigſten wird
er dies bedürfen in den Wirthſchaftsangelegenheiten, in welchen
die eigene Einſicht und der Vortheil die Baſis bildet, auf welcher
ſich die Völker frei entwickeln. Hier reicht es hin, wenn er, mit
Geſtattung der Freiheit, nur einwirkt, wo Kraft, Einſicht oder
Willen der Einzelnen zur Erreichung eines guten Zweckes mangelt,
und es ſtehen demſelben, je nach der Natur der Gegenſtände, Hilfs-
anſtalten, Belehrung, Ermunterung, Hinwegräumung von Hinder-
niſſen, und, je nach der Dringlichkeit des Zweckes, auch Zwang
als Mittel zu Gebote2).
Die Benutzung der Naturkräfte zur rechten Zeit und in der
rechten Art iſt ein ſehr großer Gewinn für die Production, denn
ſie ſind dauernd, wie weder die menſchliche Kraft noch das Capital.
Es ſind aber noch ſo viele Seiten der Natur nicht erforſcht, daß
man von den Naturwiſſenſchaften und der Mechanik, ſo weit ſie
jetzt auch gediehen ſind, mehr als von jeder andern ſagen kann,
ſie ſeien Stückwerk. Jede neue Entdeckung und Erfindung von
Wichtigkeit verdient daher eine wirthſchaftspolizeiliche Anerkennung
und es iſt ein Verdienſt, dieſelben, ſei es durch Preiſe, Unter-
ſtützung mit Apparaten, zu Reiſen u. dgl. mehr zu befördern, und
zu verbreiten. Noch wichtiger ſind aber die Erfindungen, um die
[625] neu entdeckten phyſikaliſchen, chemiſchen und mathematiſchen Geſetze
in der Wirthſchaft productiv anzuwenden. So berührt z. B. die
Entdeckung der Elaſtizitätsgeſetze des Dampfes das Gewerbsweſen
nicht ſo nahe, wie die Erfindung der Dampfmaſchine.
Für die Beförderung der Arbeit iſt wichtig: a)die Sorge
für die rechtliche Sicherheit des Eigenthums und der
Perſonen, denn wo dieſe aus irgend was für Urſachen nicht be-
ſteht, da fehlen faſt alle wirkſamen Mittel der Gewerb- und Be-
triebſamkeit, als Arbeitsluſt, Capital, Kredit, guter Bürgerſtand,
Genuß u. dgl. b)Die Freiheit der Arbeiterklaſſe, alſo
Aufhebung der Sclaverei, Leibeigenſchaft und Hörigkeit (§. 67.)1).
c)Mittel zur Erhöhung ihrer Geſchicklichkeit, für die
verſchiedenen Gewerbe, mit der Rückſicht, daß die Arbeiter doch
wenigſtens zwei verſchiedene Geſchäfte erlernen. Es gehören hier-
her nicht blos die Elementar-, Induſtrie-, Real- und ge-
wöhnliche Gewerbsſchulen für Arbeiter und Handwerksleute,
ſondern auch die techniſchen Lehranſtalten und polytechniſchen
Inſtitute für alle verſchiedenen Gewerbe, in denen eine höhere
Bildung zu erlangen, die für den Fabrikanten, techniſchen Staats-
beamten u. dgl. nöthig iſt2). d) Die Begünſtigung der Errich-
tung von Kaſſen zur Unterſtützung untauglicher Arbeiter, deren
Wittwen, Waiſen und ſonſtigen Angehörigen3). e) Geſetzliche
Beſtimmungen über die Behandlung der arbeitenden Kinder
in den Fabriken, um ſie vor Mißbrauch, Mißhandlung, und gei-
ſtiger und ſittlicher Vernachläſſigung zu bewahren4). f) Ermun-
terung zur Einführung von guten Lohnſyſtemen (§. 312.
N. 2. §. 315. N. 3.) und zur Abſchaffung der verſchiedenen
Gewerbsmißbräuche (§. 375. 376.)5).
Der freie Verkehr ſchafft die Capitalien, beſonders jene von
Geld, von ſelbſt an die Orte, wo ſie ſich am beſten rentiren.
Zur Anſammlung von Capitalien dienen die Sparkaſſen1) und
Aufmunterung zur Sparſamkeit. Der Capitalumſatz und die Capi-
talanlage wird aber befördert durch gute Bankerottgeſetze und
zweckmäßige Einrichtung des Hypothekenweſens2). Was aber
die Art der Capitalanlage in Gewerben anbelangt, ſo ſteht dem
Staate nicht die Befugniß zu, hemmend einzuſchreiten3).
Das Münzweſen iſt ein Gegenſtand von der größten praktiſchen
Wichtigkeit, weil, wenn es hierin an Zuverläſſigkeit fehlt, der
[627] ganze Verkehr darunter leidet und nach Umſtänden erſchüttert wer-
den kann. Es ſteht daher nothwendig unter der unmittelbaren
Leitung der Regirung und unter ſtrengen Staatsgeſetzen1). Die
Sorge des Staats hat ſich nicht blos auf die inländiſchen, ſon-
dern auch auf die ausländiſchen Münzen zu erſtrecken. Es ob-
liegen daher (mit Bezugnahme auf §. 290. 328. und 413.) der
Münzgeſetzgebung beſonders folgende Punkte:
1) Die Münz-Aus- und Einfuhr. Man hat lange nach
den Grundſätzen des Mercantilſyſtems der Anſicht gehuldigt, daß
es in der Macht der Regirung liege, die Münzmenge zu beſtimmen.
Allein die Erläuterung des Geldumlaufs hat das Gegentheil ge-
zeigt, woraus hervorgeht, daß die Münzaus- und Einfuhrverbote
ihren Zweck nicht erreichen. Die einzige Aufſicht, welche der Staat
in dieſer Hinſicht zu führen hat, iſt die, daß er die eingehenden
ausländiſchen Münzen valvirt, d. h. ihren Werth beſtimmt und
durch Valvationstabellen bekannt macht, und daß er mit
benachbarten Staaten Verträge über ein gleichförmiges Münzſyſtem
abſchließt, um das Land vor dem Eingange ſchlechter Münzen zu
ſichern, welche die guten Münzſtücke aus dem Umlaufe treiben und
Falſchmünzerei verurſachen, ſobald ſie einen häufigen Umlauf haben.
In großen Staaten ſind dieſe Maaßregeln weit weniger nöthig als
in kleinen, weil ſie im Stande ſind, ein eigenthümliches Münz-
ſyſtem zu bewahren. Die kleinen und mittleren Staaten befinden
ſich in der Regel, was dies anbelangt, ſchlimm, wegen Mangels
an Selbſtſtändigkeit und wegen der Umgebung mehrerer Staaten
von reell und nominal oder blos reell verſchiedenen, aber nominal
gleichen Münzſyſtemen. Für ſie kann eine Münzvereinigung nur
vortheilhaft ſein.
2) Der eigene Münzfuß für das Inland. Derſelbe muß
Beſtimmungen enthalten über alle (§. 290.) erwähnten Münzver-
hältniſſe. a) Die Form und das Gepräge ſollen ſchön und gut,
die Größe aber nicht unbequem, nicht zu groß und nicht zu klein
ſein. b) Die Münzmetalle ſelbſt betreffend, ſo iſt (aus §. 413.)
klar, daß es in einem Lande thatſächlich keine zwei Münzmetalle
geben kann, die zugleich eigentliches Umlaufsmittel ſind, ſondern
daß vielmehr je nach dem Stande des Verkehrs blos Eines der-
ſelben wirkliches Tauſchmittel, ein anderes aber blos zur Aushilfe
beſtimmt iſt. Weil man dieſe Wahrheit nicht erkannte, weil man
meinte, ohne Einwirkung des Staats könne ſich kein feſtes Tauſch-
werthsverhältniß der Münzmetalle gegenſeitig bilden und weil man
eine andere als geſetzliche Beſtimmung deſſelben unter den Münzen
gegenſeitig nicht für möglich hielt, ſo gab man ſtaatsgeſetzliche
40 *
[628] Werthsverhältniſſe der Metalle an2). Allein für Gold und
Silber, welche im Weltverkehre ſich leicht ausgleichen, iſt dies
ganz unnöthig und darum ſchädlich, weil man auf längere Zeit
das Handelsverhältniß nicht treffen kann. Beim Kupfer iſt dies
nicht ſo der Fall, zum Theile weil es ſich auf den Metallmärkten
nicht ſo leicht vertheilt, wie die Edelmetalle und weil die Kupfer-
münzen neben goldenen und ſilbernen ſtets mehr den Charakter als
bloße Münzzeichen annehmen3). Was c) die Legirung anbelangt,
ſo hat der Staat in ihr zwar ein Mittel zu Münzverſchlechterung
in Händen, aber ſie erſcheint zur gehörigen Härte der Münzen
nothwendig4), ſie erſpart Reinigungskoſten, weil das Edelmetall
in der Regel nicht rein vorkommt, und bei Scheidemünzen geringer
Art von Silber dient ſie zur Vergrößerung des Münzſtückes, wäh-
rend bei ihnen ohnehin eine hohe Feinheit nicht ſo nothwendig iſt,
wie bei Grobcourant, da ſie im Inlande und immer mehr mit
Charakter als Münzzeichen circuliren, je kleiner ſie ſind. d) Der
Schlagſchatz und das Remedium müſſen geſetzlich beſtimmt
werden. Beide ſind nothwendig wegen der Münzfabrication, und
jener jedenfalls bei Scheidemünzen größer, als bei den andern.
Es iſt kein Grund vorhanden, keinen Schlagſchatz zu nehmen;
denn die Münze als Fabricat verurſacht Fabricationsarbeit und
-Koſten, folglich ſteigt ihr Tauſchwerth und es kann auch füglich
ihr Preis ſteigen. Sie muß als Münze, um nicht zu häufig ein-
geſchmolzen zu werden, mehr Tauſchwerth haben als das bloße
Metall und der Staat würde bei freier Münzung nicht blos ver-
lieren, ſondern auch dem Handel nicht einmal einen beſondern
Dienſt leiſten5). e) Bei der Stückelung, wovon auch das
Schrot abhängt, iſt es räthlich, ein bequemes Rechnungsſyſtem
zu wählen. Das Decimalſyſtem hat darum ſehr viel für ſich. Mit
ihr iſt auch zugleich die Währung gegeben. Sehr zweckmäßig iſt,
in Veränderungen wenig gegen nationale Gebräuche und Gewohn-
heiten ſich zu verſtoßen. Ein einmal angenommener Münzfuß iſt
möglichſt unverändert zu bewahren, weil Münzveränderungen immer
eine Reform oder Revolution im ganzen Verkehre zur Folge haben,
da ſich alle Preiſe verändern und die Geldcapitalwerthe nicht die-
ſelben bleiben. Am verwerflichſten ſind aber die geheimen, als
Finanzmaaßregel benutzten, Münzverſchlechterungen, weil ſie in jener
Hinſicht ganz zwecklos, aber für das Inland nur ſchädlich ſind,
indem ſie alles gute Geld aus dem Umlaufe vertreiben, den Inlän-
dern bei ausländiſchen Zahlungen Verluſte verurſachen, die Schuld-
ner auf Koſten der Gläubiger bereichern, das Zutrauen allgemein
untergraben und der Falſchmünzerei freies Feld machen6).
Die Aufſicht des Staats auf das Papiergeldweſen1) iſt zum
Theile nothwendig aus den im vorigen §. beim Münzweſen für die
Wirkſamkeit der Polizeigewalt angegebenen Gründen, zum Theile
aus beſondern im Papiergelde ſelbſt liegenden Urſachen; denn das
Papiergeld iſt leichter vermehrbar ohne bedeutende Koſten, es er-
ſcheint zugleich als ein Staatsfinanzmittel, das zu allem Miß-
brauche bereit liegt, und die Folgen eines im Curſe geſunkenen
oder entwertheten Papiergeldes ſind weit ſchrecklicher noch als die
der Münzverſchlechterungen, ſie bewirken aber, wenn die Letzteren
noch hinzukommen, zuſammen eine unbeſchreibliche Zerrüttung des
ganzen geſelligen Lebens bis in ſeine letzten Aederchen und Nerven2).
Die ganze Politik in Betreff des Papiergeldes iſt in dem Grund-
ſatze enthalten, demſelben ſeinen Gleichwerth mit dem Metallgelde
zu bewahren. Es iſt daher a) die Papiergeldemiſſion weder zu
geſtatten noch vom Staate ſelbſt vorzunehmen, wenn die Anfor-
derungen eines lebhaften Verkehres ſeinen Gebrauchswerth nicht
begründen, und alſo entweder bloße Gewinnſucht von Privaten
oder Geldverlegenheiten des Staates den Antrieb zur Emiſſion ab-
geben; b) die Menge deſſelben nicht nach dem zu erzielenden Ge-
winne der Emittenten oder nach den außerordentlichen Bedürfniſſen
des Staats, ſondern lediglich nach dem volkswirthſchaftlichen Be-
[630] darfe an Umlaufsmitteln zu richten und nicht mehr auszugeben3);
c) beſtändig offene Kaſſe zum Behufe der augenblicklichen Honori-
rung des präſentirten Papiergeldes zu halten und ſelbſt die falſchen
Scheine oder Noten einzulöſen; d) in der Stückelung deſſelben nie
ſo weit zu gehen, daß es die Scheidemünzen vertritt und eher ſelbſt
die geringſten Stücke des Grobcourant noch unvertreten zu laſſen;
e) die Form und das Gepräge deſſelben ſo unnachahmlich als mög-
lich zu machen; f) mit allen zu Gebote ſtehenden Mitteln dafür zu
ſorgen, daß das geſunkene Papiergeld ſo ſchnell als möglich einge-
zogen, und daß ihm wieder ſein wahrer Werth verſchafft werde4);
g) die Münzen und Barren, womit es eingelöst werden ſoll, in
demjenigen guten Zuſtande unverändert zu laſſen, in welchem ſie
bei der Papiergeldemiſſion waren, und wenn eine Münzveränderung
als unumgänglich erſcheint, dieſe öffentlich zu bewerkſtelligen und
auch das Papiergeldweſen danach neu zu reguliren5).
In Betreff der Kreditanſtalten, welche den Umlauf befördern,
iſt zu bemerken, daß auch ſie im Volke von ſelbſt entſtehen, wenn
ſich das Bedürfniß darnach zeigt. So hat der Staat: a) nachdem
[631] das Wechſelinſtitut entſtanden war, nur für ſtrenge Wechſel-
geſetzgebung und bindigen Wechſelprozeß zu ſorgen; b)
wenn ſich Anſtalten zum Abgleich von Forderungen und Leiſtungen
bilden, dieſelbe, nachdem die Statuten geprüft und genehmigt
ſind, in polizeiliche Aufſicht zu nehmen (§. 344.); c) wenn ſich
Geſellſchaften zu Bankanſtalten vereinigen, ihre Charte zur
Prüfung zu verlangen und blos mit den gehörigen Abänderungen
derſelben zu ſanctioniren, aber ſich vor der eigenen Unternehmung
oder Uebernahme einer Bankanſtalt zu hüten, weil ſich an ſich
ſolche Geſchäfte für den Staat nicht eignen, die Verführung zur
geheimen Benutzung ihrer Fonds als außerordentliche Quellen zu
groß iſt und die Folgen für den Staats- ſowie Volkshaushalt
äußerſt verderblich ſein können1). Der Staat beſchränkt ſich deß-
halb auf die bloße Beaufſichtigung dieſer Inſtitute entweder durch
ſelbſtgewählte Directoren oder durch bloße beigegebene Control-
beamte oder durch wöchentliche, monatliche, viertel-, halb- und
ganzjährliche Vorlagen des Rechnungs- und Kaſſenſtandes, um ſo
etwaigen Nachtheilen für das Volk vorzubeugen. Die Prinzipien,
wonach die Prüfung der Bankſtatuten vorgenommen wird, ſind jene
des Geldumlaufes, jene des Metall- und Papiergeldes, und des
Zweckes der Banken insbeſondere mit ſtetem Vergleiche zum Volks-
wohlſtande2). Die Verwaltung der Banken ſelbſt, von welcher
unter übrigens gleichen Umſtänden alles abhängt, geht nach den
oben (§. 330. u. 345.) angegebenen Grundſätzen vor ſich. Einer
beſondern Beachtung verdient aber die wichtige Maxime, daß ſich
dieſelben nicht auf Darleihen aus ihren Fonds an den Staat zu
tief einläßt, denn dies bringt die Banken ſehr leicht in Zahlungs-
verlegenheit, wie die Erfahrung zeigt und ganz natürlich iſt, da
die Regirung im Nothfalle nicht ſo ſchnell, als es die Bank er-
heiſcht, die Baarſchaft herbeibringen kann und daher leicht zu
außerordentlichen Bankrechten und Autoriſation von Gewaltsſtreichen
die Zuflucht nimmt3).
Die noch jetzt allenthalben eingeführte Maaßregel, daß man
von Seiten der Polizei gewiſſen Gewerben die Preiſe ihrer Pro-
ducte feſtſetzt, verträgt ſich mit den Grundſätzen der Gewerbsfreiheit
nicht. Am gewöhnlichſten iſt dies bei den Bäckern, Fleiſchern,
Bierwirthen u. dgl., überhaupt bei ſolchen Gewerben, welche die
gewöhnlichen Lebensbedürfniſſe liefern1). Daß die Polizei wegen
der Sicherheit vor ſchlechten Nahrungsmitteln eine Aufſicht hält,
iſt nothwendig. Aber die Aufſtellung ſolcher Polizeitaxen oder
Zwangspreiſe rühren aus der Zeit her, in welcher die ſtädtiſchen
und ländlichen Gewerbe ſtreng geſchieden und in den Städten be-
ſonders eine ſtrenge Zunftverfaſſung beſtand, welche, die freie
Gewerbsconcurrenz hindernd, und nur eine beſtimmte Meiſterzahl
zulaſſend, ein Monopol mit den nöthigſten Lebensbedürfniſſen ver-
anlaßte, das die Conſumenten, namentlich die niedere Klaſſe, ſehr
beeinträchtigte und ungleichförmige Preiſe verurſachte, ſo lange
die Polizei nicht zu einem gegenwirkenden Zwangsmittel dieſer Art
ihre Zuflucht nahm. Es konnte aber nicht fehlen, daß dieſe Taxen
ſelten recht, einmal zu hoch, ein andermal zu niedrig waren, da
man wenige zuverläſſige Mittel2) zu ihrer Feſtſetzung hat und die
Verhältniſſe ſich häufig verändern. Wäre die Concurrenz zwiſchen
Stadt und Land frei und das Zunftweſen aufgehoben, ſo müßten
dieſe Polizeiſchranken fallen und könnten es auch ohne Schaden.
Da dies nicht der Fall iſt und auch Erſtere deßhalb nicht völlig
eintreten kann, weil die ſtädtiſche Lebensweiſe einen höheren Ar-
beitslohn und Gewerbsgewinn als die ländliche nöthig macht, alſo
ſchon der Koſtenſatz der Producte dort höher als auf dem Lande
iſt, und folglich wenigſtens von ländlichen Producten beim Ein-
gange in die Städte eine verhältnißmäßige Ausgleichungsſteuer
entrichtet werden müßte, um die ſtädtiſchen Gewerbe zu ſichern:
ſo werden auch ſolche Polizeitaxen nicht leicht abgeſchafft werden
können3).
Diejenigen Einkommensarten, welche die Natur des Preiſes
haben, alſo die ausbedungenen Renten, ſind von ſolcher Natur,
daß man ſie auch, ſo wie die Waarenpreiſe geſetzlich fixiren kann.
In früheren Zeiten begann man auch mit polizeilichen Taxen hierin
und wandte ſie beſonders an: 1) Beim Arbeitslohne, um im
Intereſſe der Lohnherrn ein Höherſteigen deſſelben zu verhüten.
Dieſe Taxen ſind durchaus verwerflich, weil ſie dieſe zum Nach-
theile der Arbeiter bevortheilen, und ganz bei Seite ſetzen, daß
hoher Arbeitslohn des Landes Wohlſtand begründet; weil die
Dienſte ſo verſchiedener Art ſind, daß allgemeine Taxen nicht gut
ausgeführt werden können; und weil keine ſo kleine Concurrenz
von Arbeitern zu erwarten iſt, daß der Lohn zu hoch ſteigen wird.
2) Beim Zinsfuße, um die Borgenden vor Bedrückung zu ſichern
und dem Wucher entgegenzuarbeiten1). Die Gebote und Verbote
in dieſer Hinſicht zuſammengenommen heißen Wuchergeſetze2).
Der Wucher, erſt durch die Geſetze einer Definition fähig gemacht,
iſt aus ſittlichen Gründen verhaßt, und dieſe haben die Wucher-
geſetze noch mehr motivirt, als Gewerbsrückſichten. Von dem freien
volkswirthſchaftlichen Standpunkte aus betrachtet kann es keinen
Wucher geben, denn die verſchiedenſten Umſtände beſtimmen den
Zinsfuß ſo, wie den Preis, und das Verbot hoher Zinſen ſteht
daher unter demſelben Geſichtspunkte, wie das Verbot hohen Ar-
beitslohnes. Allein Mangel an Capitaliſten auf einzelnen Plätzen,
Hartherzigkeit und Gewiſſenloſigkeit derſelben, welche ihnen geſtat-
ten, einen Borgenden zu überliſten und von deſſen Noth ſo viel
als möglich Gewinn zu ziehen, ſind Gründe, aus welchen in ein-
zelnen Fällen übermäßig hohe Zinſen hervorgehen können, die man
[634] Wucherzinſen nennt3). Hieraus ergibt ſich, a) daß die gewöhn-
lichen Wuchergeſetze verwerflich ſind. Denn die Fixirung eines
Zinsfußes widerſpricht dem Verkehre, beeinträchtigt die Capitali-
ſten, beſonders die geringeren, verhindert manche Unternehmungen,
die ſehr einträglich ſein können und den Borgenden dazu vermögen,
gerne einen höheren Zins zu geben, und iſt nicht durchzuführen,
weil, namentlich den größeren Capitaliſten, die verſchiedenſten
Mittel zur Umgehung des Geſetzes zu Gebote ſtehen, und weil die
Verheimlichung vieler Geldgeſchäfte dadurch veranlaßt wird. Es
iſt vielmehr am zweckmäßigſten b) daß man die Concurrenz der
Capitaliſten ſo viel als möglich zu vermehren ſucht, daß man durch
allerlei Mittel das Borgen erleichtert4), daß man allen ſelbſtſtän-
digen Perſonen die Verwendung ihrer Capitalien ſobald als möglich
frei läßt, daß man mit dem Ausleihen möglichſt wenige Sicher-
heitsformalitäten verbindet, daß man die möglichſte Einfachheit,
Sicherheit, Klarheit und Leichtigkeit der Geldgeſchäfte einzuführen
ſucht, daß der Staat außer der Vermehrung der Concurrenz alle
andern Umſtände begünſtiget, die einen niedern Zinsfuß bewirken,
daß er ſchon im Jugendunterrichte über die Darleihegeſchäfte für
Aufklärung ſorgt und den Unfähigen die freie Verwaltung ihrer
Capitalien nicht überläßt. Nur hierin liegen die Mittel, um den
Wucher ſicher zu verhüten.
Zur Verhütung ſolcher zerſtörender Naturgewalten iſt nichts
zu thun möglich, aber zur Entkräftung oder Verhütung ihrer
ſchädlichen Wirkungen. 1) Zur Sicherung gegen Gewitterſchaden
dienen die Blitzableiter1), deren Anlage jedoch nicht erzwungen
werden kann, weßhalb Ermahnung, Unterricht und gutes Beiſpiel
an Staats- und Gemeindegebäuden die wirkſamſten gerechten Mittel
ſind, ſie zu verbreiten; ferner das Unterlaſſen aller Gebräuche und
Bauten, welche das Einſchlagen des Blitzes möglich machen2).
2) Bei Erdbeben kann man blos durch ſchleunige Verſuche zur
Rettung des beweglichen Eigenthumes und das Gebot des ſchnellen
Auslöſchens der Hausfeuer, um bei etwaigen Einſtürzen den Feuer-
ausbruch zu verhüten, ſichernd wirken. Das Verbot hoher Gebäude
in Gegenden, die einem ſolchen Unglücke ausgeſetzt ſind, iſt leicht
ein zu großer Eingriff in die Privatrechte. 3) Um gegen Hagel
zu ſichern, iſt es noch nicht mit der Erfindung von Hagelablei-
tern3) gelungen. Das Eigenthum iſt daher der Zerſtörung durch
dieſe Naturerſcheinung immer noch ſehr ausgeſetzt.
Es laſſen ſich die Maaßregeln zur Verhütung von Feuerſcha-
den1) in zwei Hauptgattungen theilen. 1) Die wirklichen Ver-
hütungsmaaßregeln beziehen ſich theils auf phyſiſche und che-
miſche Urſachen von Feuer2), theils auf den Bau der Häuſer3),
theils auf Anwendung von Anſtrichen und Ueberzügen der brenn-
baren Theile an Gebäuden4), theils auf Handlungen, welche
Feuersbrünſte bereiten können5). Dagegen betreffen 2) die Feuer-
löſchanſtalten die verſchiedenen Löſchmittel6), die Feuerge-
räthe7), das Feuerperſonale8) und die Löſchordnung9). Hierin
hat die Polizei einen ihrer weiteſten Wirkungskreiſe, ſie befiehlt,
belehrt, ermuntert, belohnt, ſtraft und zwingt, und zwar dies
Alles, weil die Gefahr eine allgemeine iſt, bei welcher die Maaß-
regeln von einem Centralpunkte ausgehen müſſen.
Gegen die Anſammlung vielen Waſſers in den Fluß- und
Strombetten, Teichen, Seen und Canälen iſt urſächlich kein Mit-
tel in menſchlicher Gewalt1). Was die Polizei hier zu thun ver-
mag, beſteht zum Theile in einer ſichernden Einrichtung der ver-
ſchiedenen Waſſerbauten2), in Maaßregeln zur möglichſt ſchadloſen
Ablaſſung des Waſſers bei bloßen Ueberſchwemmungen und Eis-
gängen3), und in Verſuchen zur Rettung der Menſchen und des
Eigenthums bei ſolchen Ereigniſſen und anderen Gefahren zu
Waſſer, als Stranden, Schiffbruch u. dgl.4).
Der Thierſchaden geſchieht entweder durch Thiere oder an
Thieren. a) Die ſchädlichen Thiere in Haus, Feld und Wald
nehmen zuweilen ſo überhand, daß oft ganze Ernten auf unge-
heuren Strecken zernichtet und für die Menſchen der empfindlichſte
Mangel verurſacht wird. Vereinzelte Maaßregeln helfen nicht, es
muß hier der Allgemeinheit wegen die Polizei einſchreiten durch
Befehlen von Vorbeugungs- und Vertilgungsmitteln1). Unter
demſelben Geſichtspunkte ſtehen b) die Thierkrankheiten, welche
entweder von Außen ins Land gebracht werden können2), oder im
Lande ſelbſt entſtehen und anſtecken3), oder blos epizootiſch (allge-
mein herrſchend, aber nicht anſteckend) ſind4). Ohne allgemeine,
von einem Centralpunkte geleitete Anſtalten ſind ſie nicht leicht ab-
zuhalten oder zu heilen.
Die Aufmerkſamkeit und Erfahrung der Einzelnen reicht mei-
ſtens nicht hin, um vor Raub, Diebſtahl und Betrug ſicher zu
ſein; die ſich mit ſolchen Handlungen beſchäftigenden Menſchen
überziehen oft planmäßig ganze Gegenden; ihre Aufenthaltsorte
ſind oft ſehr ſchwer zu finden; ihre Macht iſt zuweilen ſehr bedeu-
tend; es treten allgemeine Ereigniſſe ein, wobei ſie ſich beſonders
gerne einfinden. Aus dieſen und vielen andern Gründen iſt die
[639] Polizeiaufſicht hierin nothwendig. Die allgemeinen Polizeimaaß-
regeln in dieſer Hinſicht betreffen zum Theile die gefährlichen und
verdächtigen Perſonen ſelbſt1), zum Theile die beſonderen Gele-
genheiten und Plätze, wo ſie zu wirken pflegen2). Die Aufſicht
und vorkommenden Verhaftungen geſchehen durch die Polizeidiener
und Gendarmen.
Was aber die Maaßregeln gegen die beſondern Arten des
Diebſtahls anbelangt, ſo kann man ſie, wenn der Kürze halber
ein logiſcher Fehler verziehen werden dürfte, unter folgenden
Nummern betrachten. 1) Gegen Hausdiebſtähle ſichert die
Verpflichtung der Hausherrn und Familienvorſteher, niemals unle-
gitimirtes und mit ſchlechten Zeugniſſen verſehenes Geſinde anzu-
nehmen, in Ertheilung von Zeugniſſen bei deſſen Entlaſſung ſtreng
und gewiſſenhaft zu ſein; ferner die Anempfehlung der Schließung
der Häuſer, Magazine, Keller u. ſ. w. während der Nacht und
[640] bei Tag; Ordnungen für Geſindemäkler1); Beaufſichtigung der
Handwerksmeiſter und Geſellen, welche in die Häuſer und geheimen
Gemächer Eintritt haben müſſen, und namentlich polizeiliche Auf-
ſicht auf die Schloſſer, Schlüſſelentwendungen und Schlüſſelver-
käufe. 2) Gegen Felddiebſtähle ſichert man durch eine hinrei-
chende Anzahl tüchtiger Feldſchützen, und genaue Feldordnungen,
welche Beſtimmungen enthalten müſſen: über das Verrücken von
Gränzen, über das Begehen und Befahren der Felder und Gärten
nach und vor ſeiner beſtimmten Tagesſtunde gerade vor und zur
Leſe- und Erntezeit, über die Hamſter- und Maulwurffänger,
über die Aufſicht auf die Hirten, über das Aehrenleſen u. dgl.2).
3) Gegen Walddiebſtähle ergreift man ungefähr dieſelben Maaß-
regeln, und überläßt die Wache dem Forſtperſonale. Die Polizei
hat aber das Vorurtheil von der Nichtunſittlichkeit und Nicht-
ungerechtigkeit der Forſt- und Wilddiebereien zu bekämpfen, das
Begehen fremder Reviere mit Hieb-, Fang- und Schießinſtru-
menten zu verbieten, die nicht conceſſionirten Holz- und Wildpret-
händler zum Beweiſe des rechtmäßigen Erwerbs anzuhalten, ähn-
liche Legitimationen von den Holzſchnitzlern, Beſenbindern u. dgl.
zu verlangen, und mit Nachbarſtaaten über Gegenſeitigkeit der
betreffenden Geſetze Verträge zu bewirken3). 4) Gegen Poſt- und
Frachtdiebſtähle hat man folgende Mittel: Aufſicht auf Poſt-
güter und Paſſagiere, Errichtung von Paſſagierſtuben mit Wäch-
tern, Warnung der Reiſenden, Abhaltung unſicherer Leute beim
Ab-, Auf- und Umpacken, ſtrenge Ordnung im Beſteigen und
Ausſteigen aus den Poſtwagen, berittene Begleitung der Packwagen,
Abweiſung nicht gehörig verwahrter, addreſſirter und declarirter
Frachtſtücke, Ertheilung von Empfangs- und Cautionsſcheinen,
ſtationsweiſes Unterſuchen, Abwägen, Zählen und Vergleichen der
Packete mit den Packliſten und Declarationen, Eintragen der Packete
in die Poſt- und Frachtbücher, und in die Bücher der Austräger
zum Behufe der Beſcheinigung der Ueberlieferung, Nummeriren
und Stempeln der Päcke4). 5) Gegen Thierdiebſtähle ſichert
man durch die Verordnung, daß über jeden Thierkauf oder -Ver-
kauf ein beſonderer ſchriftlicher Kaufcontrakt von einer obrigkeit-
lichen dazu beſtellten Perſon (Gemeindeſchreiber, Polizeiämter)
ausgefertigt und beiderſeits unterſchrieben werde, daß jeder Kauf
ohne ein ſolches Inſtrument ungiltig ſei, daß die Verfälſcher be-
ſtraft werden, daß jeder Verkäufer den rechtmäßigen Beſitz des
Thieres nachweiſe, und daß man bei Ein- und Ausfuhr von Thie-
ren und auf Thiermärkten dieſelben Maaßregeln beſonders ſtreng
handhabe5). Solche Verträge ſind zugleich wegen Seuchen und
[641] Zolldefraudationen wichtig. 6) Gegen Funddiebſtähle dient die
Verordnung, daß derjenige, welcher einen gemachten Fund nicht
in einer gewiſſen Anzahl von Tagen bei der Polizei anzeigt, als
Dieb oder Diebshehler betrachtet wird. 7) Gegen Seeräuberei,
welche übrigens für Deutſchland weniger gefährlich, als für andere
Staaten iſt, müſſen Seeexpeditionen, diplomatiſche Verhandlungen
und die oben (§. 359.) angegebenen Mittel ergriffen werden6).
Der Betrug iſt öfters noch ſchwerer zu verhüten und zu ent-
decken als der Diebſtahl. Indeß kann die Polizei, wenn die Bür-
ger und andere Einwohner nicht ſelbſt auf der Hut ſind, hierin
nur wenig wirken. 1) Gegen Betrug in der Haus- und Ge-
werbswirthſchaft können die im vorigen §. unter 1. angegebenen
Maaßregeln dienen. Aber 2) gegen Betrug im Handel ſteht es
in der Macht der Polizei, durchgreifende Maaßregeln zu verordnen.
Um im Waarenhandel Betrug zu verhüten, ſo erſtreckt ſich die
Aufſicht auf die Qualität und auf die Quantität der Waaren.
Während in erſter Beziehung je nach der Schwierigkeit der Erken-
nung auf Märkten und Meſſen u. dgl. geſchärfte Aufſicht geübt
werden muß und ſonſt am meiſten durch Androhung von Strafen
zu wirken iſt, weil die Polizei nicht überall zugegen ſein darf und
kann; ſo hat ſie in der zweiten Hinſicht für gute und unverfälſchte
Maaße und Gewichte zu ſorgen, regelmäßig eine Meſſung und
Abwägung derjenigen öffentlich verkäuflichen Waaren vornehmen,
welche im Handel in gewiſſem Maaße und Gewichte verkauft wer-
den1), und beeidigte Meſſer und Wäger aufzuſtellen. Gegen den
Betrug im Effectenhandel ſichert hauptſächlich die Aufſicht auf
Börſen und die Behutſamkeit, den Privat-, Gemeinde- und
Staatsobligationen, den Actien, Wechſeln, Anweiſungen, Billets
und dem Papiergelde eine möglichſt unnachahmliche Form zu geben,
ſie mit Nummern, Stempeln u. dgl. Kennzeichen zu verſehen und
Baumſtark Encyclopädie. 41
[642] allen Handeltreibenden die größte Aufmerkſamkeit hierauf anzu-
empfehlen. Gegen Betrug im Geldhandel mit ſchlechten Münzen
iſt ein vorzügliches Münzweſen, ſo daß die Münzen nicht mit Vor-
theil, ohne erkannt zu werden, nachgemacht, verfälſcht und be-
ſchnitten werden können, das allerſicherſte Mittel. Gegen Einlaufen
ſchlechter Münzen muß ſich der Empfänger ſelbſt ſicher halten.
3) Der Betrug in Gewerken kann unendlich manchfaltig ſein.
In Gewerken, welche ein vom Eigenthümer geliefertes Material
verarbeiten, wie z. B. in Mühlen jeder Art, Bleichanſtalten,
Webereien, Färbereien, bei Kleidermachern, Waſchanſtalten u. dgl.
iſt der Betrug weit ſtrafbarer, als in ſolchen, welche für ſich ar-
beiten und Producte verkaufen, wie z. B. bei Gold- und Silber-
arbeitern, Uhrenmachern u. dgl. Je nach der Wichtigkeit des
Gewerbes und der Schwierigkeit der Entdeckung des Betrugs kann
die Polizei für ſolche Gewerke eigene Verordnungen erlaſſen2).
Dieſe geſchehen theils in böslicher Abſicht, theils aus Muth-
wille. Geſchärfte Aufſicht, Androhung von Strafen und Anem-
pfehlung der Verwahrung, wo ſie möglich iſt, ſind die Mittel
dagegen. Man muß die Orts-, Feld- und Waldfrevel, die
nicht in den Begriff von Diebſtahl gehören, hierher zählen. Solche
Verletzungen des allgemeinen Zutrauens verdienen die größten
Polizeiſtrafen und müſſen nach Umſtänden criminell behandelt
werden.
In früheren Zeiten iſt es üblich geweſen, die Schäden der
genannten Arten durch Collecten, Unterſtützung aus den Staats-
kaſſen, durch die Gnade des Landesherrn, durch Errichtung von
Lotterien und durch Ertheilung von Collectirbriefen (woher der
Name Brandbrief) zu decken. Aus ſo edelmüthigen Gründen
ſolche Unterſtützungen, wie ſie auch jetzt noch dargeboten werden,
auch immer fließen mögen, ſo ſind ſie doch in den wenigſten Fällen
zureichend und bieten keine hinreichende allgemeine Sicherheit dar,
während insbeſondere mit der Collectirerlaubniß mehr oder weniger
Unfug getrieben werden kann1). Es iſt daher ein ſchöner Zug des
neuern Volksgeiſtes, daß man ſich zu Anſtalten zu vereinigen ſucht,
welche die Verſicherung gegen ſolche Schäden vermöge Vertrags
beſtimmt möglich machen und es iſt Eine der erfolgreichſten Staats-
maximen, ſolche Aſſecuranz- oder Verſicherungsanſtalten
oder -Geſellſchaften nicht blos zu begünſtigen, ſondern auch
unmittelbar unter ſeinen Schutz zu nehmen. Es iſt zwar nicht zu
läugnen, daß ſolche Anſtalten die Zahl der Unglücksfälle, inſoweit
dieſe von Sorgloſigkeit und böslicher Abſicht der Menſchen, die
verſichert ſind, abhängen, vermehren können; allein ſie behalten
trotz eines ſolchen ſchmählichen Mißbrauchs ihren volkswirthſchaft-
lichen Werth, nicht, weil ſie den für das Volksvermögen verlorenen
Werth erſetzen ſollen, denn dies iſt nicht möglich, ſondern weil ſie
den außerordentlichen Schaden Einzelner auf Viele repartiren und
deſſen Tragung erleichtern. Entweder vereinigen ſich zum Behufe
gegenſeitiger Entſchädigung aus gemeinſamer Kaſſe die Intereſ-
ſenten eines Landes, einer Gegend oder einer Gemeinde und be-
zahlen verhältnißmäßige Beiträge; oder es tritt eine Geſellſchaft
von Perſonen zuſammen, um Andern eine Entſchädigung dieſer Art
gegen eine vorausbezahlte Summe (Prämie) zuzuſichern, ſo daß
Verſicherer und Verſicherte ganz verſchiedene Perſonen bilden; oder
endlich es vereinigen ſich Leute in eine Geſellſchaft dieſer Art eines
Theils, um ſich eintretende Schäden zu erſetzen und den periodiſch
ſich ergebenden Gewinn wieder unter einander zu theilen. Dieſe
letzteren Vereinigungen ſind aber im Ganzen von den erſteren nicht
verſchieden, außer in der Annahme, daß ſie den Kaſſenreſt als
Gewinn austheilen, während ihn jene in der Kaſſe behalten, was
41 *
[644] aber nur ein ſcheinbarer Unterſchied iſt, da im Falle des Gewinnes
jeder Theilnehmer an ſeinem jährlichen Beitrage um ſo weniger
bezahlt, wie bei jenen die jährlichen Beiträge nach dem Stande
des Kaſſenvorrathes geringer ausfallen können, wenn man nicht
auf dieſem Wege allmälig ein größeres Geſellſchaftscapital ſammeln
will, um es zinſend anzulegen. Bei der erſten Art werden die
Beiträge entweder jährlich bezahlt oder nur im Falle eines beſon-
deren Schadens2); bei der zweiten Art kann die Entſchädigung
auch entweder auf dieſe letzte Weiſe umgetheilt werden oder es
wird ein Sicherungscapital ein für allemal durch Actien gebildet
und dazu die jährliche Summe der Prämien geſchlagen. Der Be-
ſtand ſolcher Vereinigungen, namentlich der Actiengeſellſchaften,
beruhet auf der Wahrſcheinlichkeitsberechnung, daß unter einer
gewiſſen Anzahl von Dingen von beſtimmtem Geſammtgeldwerthe
in einer gewiſſen Zeit eine Menge theilweiſe oder ganz durch einen
Unglücksfall zerſtört werden kann. Denn vom Verhältniſſe der zu
zahlenden Entſchädigungen zu den jährlichen Einnahmen nach Abzug
der Verwaltungskoſten hängt Gewinn und Verluſt ab. Der Ver-
ſicherte bekommt eine Urkunde (Police), worin die Gegenſtände
der Aſſecuranz, ihr Werth, die Prämie, die Zeit der Verſicherungs-
nahme, die Bedingungen derſelben, der Name des Verſicherten
und die Unterſchrift der Verſicherer oder ihrer Firma angegeben
ſind. Die Geſchäfte werden von einem Directorium und Ausſchuſſe
geführt, welcher jährlich Rechnung abzulegen hat. Im Auslande
haben ſie Agenten. Die Statuten dieſer Verſicherungsanſtalten
enthalten Beſtimmungen über das Verfahren bei der Taxation der
zu verſichernden Objecte3), über die zur urſprünglichen Taxation
gehörigen oder von derſelben ausgeſchloſſenen ſpäteren Veränderun-
gen der Objecte, über Größe und Zahlungszeit der Prämie4),
über die Verbindlichkeit des Verſicherten zu Rettungsverſuchen,
über die Fälle des Verluſtes der Anſprüche auf Entſchädigung,
über das Verfahren nach geſchehenem Unglücke bei der Schätzung
des Schadens durch beeidigte Sachverſtändige, Ortsvorgeſetzte und
Agenten, über die Annahme der beſchädigten oder unbeſchädigt
geretteten Verſicherungsobjecte, über die Bezahlung des Erſatzes,
und über das Außerkrafttreten der Police.
Die einzelnen Arten von Aſſecuranzen tragen mehr oder we-
niger das Gepräge der im vorigen §. angegebenen Grundzüge.
a) Die Wetter- und Hagelaſſecuranzen, ſo wünſchenswerth
ſie auch ſind, konnten bisher nicht allenthalben feſten Boden finden,
um Wurzeln zu ſchlagen. Der Hagelſchlag hängt nicht vom Men-
ſchen ab, und iſt darum nicht überall gleich häufig und heftig,
alſo wird eine ſolche Aſſecuranz nur zu geringe Ausdehnung erlangen
können, als daß ſie leicht beſtehen könnte, ſei ſie eine gegenſeitige,
wie gewöhnlich, oder eine Actienverſicherung1). Es wird der
muthmaßliche Ertrag des Feldes nach einer beſtimmten Pflanzung
jährlich in Geld geſchätzt; die Prämie richtet ſich nach Lage des
Feldes und Reifungszeit der Pflanzung. b) Die Brandaſſe-
curanzen können am beſten beſtehen, denn der Feuerſchaden iſt
ein allgemein gleich möglicher, da er außer vom Blitze von noch
vielen geſellſchaftlichen Urſachen herrühren kann. Sie finden daher
am meiſten Theilnahme2). Sie ſind entweder Häuſer- oder
Mobiliaraſſecuranzen oder (ſeltener) Beides zugleich, zum
Theile Staatsanſtalten, zum Theile Privatunternehmungen, und
im erſten Falle bald mit erzwungenem bald freiem Eintritte. Die
Staaten könnten ſich nun allmälig mit Vortheil ſolcher Kaſſenver-
waltungen entſchlagen und mehr auf Stiftung einheimiſcher Feuer-
verſicherungsgeſellſchaften hinwirken. Die Grundzüge der Feuer-
aſſecuranzen ſtimmen mit obigen allgemeinen überein. c)Waſſer-
aſſecuranzen in ähnlichem Sinne gibt es nicht, aber Seeaſſe-
curanzen (ſ. §. 358.). d) Aſſecuranzen gegen Viehſterben ge-
hören zu den wohlthätigſten Anſtalten, deren ſich ein Land zu
erfreuen haben kann; denn ein einziges Unglück dieſer Art kann
einen Landmann wirthſchaftlich zu Grunde richten, während eine
ganz geringe jährliche Verſicherungsprämie, die er ſehr leicht ent-
richten kann, ihm Schadenserſatz zuſichert. Solche Aſſecuranzen
haben das Gute, daß ſie ſchon von Gemeinden errichtet werden
können. Es kommen die verſchiedenen Thiergattungen in verſchie-
[646] dene Klaſſen. Jeder Verſicherte läßt ſeinen ganzen Viehſtand auf-
nehmen. Im Uebrigen ſtimmen auch ihre Statuten mit den allge-
meinen im vorigen §. überein3). e) Um Aſſecuranzen gegen Raub,
Diebſtahl und Betrug nothwendig zu finden, muß die allgemeine
Sicherheit tief genug geſunken ſein, und doch erzählen Reiſende
von Spanien, daß die Räuberbanden ihre Agenten haben, mit
denen man Verſicherungsverträge gegen Prämien auf Geleite in
den Gebirgen und Wäldern abſchließt, ſo wie von London, daß es
daſelbſt Geſellſchaften gibt, welche Einem das Entwendete gegen
Entrichtung einer Prämie wieder verſchaffen.
Ein ſehr wichtiger Gegenſtand des volkswirthſchaftlichen Be-
triebes iſt die Größe der Bevölkerung. Man glaubte früher,
von Seiten des Staats je nach dem vermeintlichen Erforderniſſe
hierin hemmend oder erhöhend einſchreiten zu müſſen. Allein man
weiß jetzt, daß ſich dieſelbe nach natürlichen Gründen regulirt,
und daß das beſte Beförderungsmittel die Erhöhung der Production
iſt (§. 427.). Indeſſen iſt es in friſch ſich entwickelnden Ländern
[647] wichtig, die Bevölkerung durch Beförderung des Einwanderns
zu gründen; allein ſelten wird ſich ſo eine kernhafte Bevölkerung
bilden laſſen, da nicht die Guten und Beſſeren des Auslandes ihr
Vaterland gewöhnlich verlaſſen und die Aclimatiſirung und Gewöh-
nung an fremde Sitten ſchwer iſt1). Daß man aber ehedem das
Auswandern verhütete, das hängt mit den Leibeigenſchaftsver-
hältniſſen zuſammen und verträgt ſich mit den Grundſätzen freier
Staaten nicht2). Allein zur Sicherheit dient das Verlangen einer
Caution aus dem Vermögen der Auswanderer für den Fall der
Rückkehr auf ſo lange, bis die Anſiedelung als hinlänglich begrün-
det und eine Zurückkunft nicht mehr als wahrſcheinlich erſcheint;
das Verbot und die Beſtrafung des Werbens, wegen des möglichen
Betrugs; Belehrung über den Zuſtand der Ausgewanderten, um
gegen irrige Vorſtellungen zu ſichern. Da aber das Auswandern,
wenn es bedeutend iſt, nicht ohne reelle Gründe Statt zu finden
pflegt, ſo arbeitet man am beſten den Urſachen deſſelben entgegen3).
Der Genuß iſt der Zweck der Wirthſchaft. Es gibt aber auch
einen unvernünftigen und ſittenloſen Genuß des Vermögens und
Einkommens. Gerade wegen dieſes Gegenſatzes iſt es nun für
eine Regirung äußerſt ſchwer, in der Ergreifung von Maaßregeln
gegen unproductive Verzehrung das richtige Maaß zu treffen. Man-
gel an Aufmerkſamkeit würde zwar den geſunden Sinn der Mehr-
heit des Volkes nicht verderben, aber doch manche Einzelnen und
Familien ins wirthſchaftliche, von da in das ſittliche Verderben
führen, dem Staate oder den Gemeinden zur Unterhaltung über-
[648] weiſen und die allgemeine und öffentliche Sicherheit gefährden.
Der Geitzige iſt in der geſunden öffentlichen Meinung gebrand-
markt, wie der Verſchwender. Allein man hat früher geglaubt:
a) durch Luxusgeſetze den Genuß reguliren zu müſſen. Indeſſen
erſcheinen die Gebote über die Gegenſtände der Verwendung als
Eingriffe in das Privatleben, die der Staat nicht durchzuführen
vermag und ein Volk auf alle nur möglichen Weiſen umgehen kann,
abgeſehen davon, daß ſie ungerecht ſind1). Man verſprach ſich
aber in dieſer Hinſicht b) von den Luxus- oder überhaupt Ge-
nußſteuern eine beſondere zugleich für die Staatskaſſe wohlthätige
Wirkung. In erſter Beziehung ſind ſie, namentlich weil ſie, wie
die Luxusgeſetze, nur einzelne Genüſſe treffen, auch verwerflich;
einen erheblichen Vortheil vermögen ſie höchſtens für Gemeinde-
kaſſen, und nur dann für die Staatskaſſe hervorzubringen, wenn
ſie klein genug ſind, um den Luxus nicht zu beſchränken, und
deßhalb über die Erhebungskoſten einen Ueberſchuß geben2). Gegen
übermäßigen Luxus kann nur gewirkt werden c) durch die Volks-
erziehung, durch gutes Beiſpiel von oben, durch Ermunterung
und Gelegenheit zum Sparen, oder Sparkaſſen. Um aber der
ſitten- und ſinnloſen leidenſchaftlichen Verſchwendung zu begegnen,
dazu dienen: d) die Nüchternheits- und Mäßigkeitsvereine,
wie ſolche neuerlich in Großbrittannien und Nordamerika beſtehen3);
e) das Verbot der Glücks- oder Hazardſpiele um Geld, die
polizeiliche Aufſicht auf Ausſpielung anderer Gegenſtände, und die
Aufhebung der in jeder Hinſicht verwerflichen Staatslotterien;
f) die Beſchränkung im Ertheilen von Conceſſionen zu Wirths-
häuſern, Wein-, Bier- und Brandweinſchenken im Verhältniſſe
zur Bevölkerung der Orte; g) die Beſchränkung der ſogenannten
Luſtbarkeiten, ohne die gebührende Gelegenheit zur Erluſtigung zu
verhindern und die Volksthümlichkeit ſchulpedantiſch und neidiſch
zu unterdrücken.
Unter Theurung verſteht man denjenigen volkswirthſchaft-
lichen Zuſtand, worin die Preiſe der Lebensmittel zufolge eines
Mangels an Angebot und zufolge verſchiedener Geldverhältniſſe in
einem Lande oder Landestheile ſo geſtiegen ſind, daß bei dem
größten Theile der Bevölkerung entweder trotz der Geldvorräthe
oder aus Geldmangel Entbehrungen entſtehen, welche bis zur
ſchrecklichſten Noth (Hungers- und Holznoth) ſteigen können1).
Die Regirung hat in ſolchen Fällen die Pflicht, alle von ſelbſt im
Volke eingeſchlagenen rechtlichen Wege zur Abhilfe, z. B. Unter-
ſtützungsvereine, Collecten u. dgl. zu befördern, und ſelbſt ihrer-
ſeits für Entfernung der Noth zu ſorgen, da ſelten hierin die
vereinzelte Thätigkeit der Einwohner das allgemein Erſprießliche
zu erreichen vermag. Die Polizei hat für ſolche Ereigniſſe nur
zwei Mittel. Sie ſind a)Vorbeugungsmittel. Dieſe richten
ſich nach den Urſachen, aus denen die Theuerung entſtehen kann.
Als Gründe der Theuerung ſind folgende zu betrachten: Unfrucht-
barkeit des Landes, Mißwachs, Vernichtung der Producte durch
Naturgewalten, außerordentliche Conſumtion, wie z. B. in Kriegs-
zeiten, Zeiten allgemeiner Kriegsſpannung und Rüſtung, Störungen
der öffentlichen Sicherheit, z. B. Revolutionen, Aufſtände, in
ihrem Gefolge Sengen und Brennen, ſchlechter landwirthſchaft-
licher Betrieb, Unfreiheit des niedern Volks, unzweckmäßige land-
und forſtwirthſchaftliche Geſetzgebung, natürlicher Mangel an Com-
munication, an Märkten, Zunahme der Metallgeldmenge (natür-
liche Theurung); ferner Monopolien mit Lebensmitteln, Ein- und
Ausfuhrverbote, Erſchwerungen der Communication im Innern
[650] durch Binnenzölle u. dgl., bedachtes Zurückhalten und Aufkaufen
von großen Vorräthen durch Speculanten (Kornwucher), Un-
ſicherheit auf den Straßen, Marktzwangsrechte, Münzverſchlech-
terungen, Emiſſion zu vielen Papiergeldes und Sinken deſſelben im
Curſe (künſtliche Theurung). Der Hinblick auf dieſe Manchfal-
tigkeit von Theurungsurſachen zeigt, daß Menſchlichkeit, Gerech-
tigkeit, Sicherheit, ächte Wahrung der volkswirthſchaftlichen
Intereſſen der Nation und Förderung der Freiheit und inneren
Entwickelung des Gewerbsweſens die Vorbeugungsmittel der Re-
girung gegen die Theuerung ſind. Sie wirken zwar ſicher, aber
langſam und ſind nicht geeignet, einer augenblicklichen Theuerung
abzuhelfen2). Hierzu ſind b)Abhilfsmittel nöthig. Sie ſind
meiſtens local und temporell verſchieden. Allein als allgemeine
Mittel ſind anzuempfehlen: genaue ſtatiſtiſche Sammlungen über
den jährlichen Erwachs und ſein Verhältniß zur Bevölkerung,
Ermunterung der Gemeinden zu vorſorglichen geräuſchloſen Auf-
käufen und eigener Betrieb des Staats durch Agenten, Befreiung
des Aus- und Einfuhrhandels mit Lebensmitteln, Aufbewahrung
der eigenen Naturaleinnahmen des Staats. Zwangsmaaßregeln
gegen Privatleute, ſie mögen heißen wie ſie wollen, ſind nur bei
Hungersnoth u. dgl. anwendbar; denn nur bei wahrer Gefährdung
ſeiner Exiſtenz hat der Staat das außerordentliche Recht und die
Pflicht, die Rechte der Einzelnen bei Seite zu ſetzen, jedoch gegen
ſpätere Entſchädigung in beſſern Zeiten. Die Errichtung von
Sperren gegen Ausfuhr verurſacht nur größere Theuerung, weil
auch die Einfuhr dadurch gehemmt wird, inſoferne andere Staaten
Repreſſalien ergreifen.
Weil die Armuth ein Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und
Bedarf iſt, ſo kann ſie auch nur aus Gründen entſtehen, welche
jene unter dieſen erniedrigen oder dieſen über jene erhöhen1).
Der Ausdruck arm wird aber im Leben ſo unbeſtimmt gebraucht,
daß, wenn ſich die Volks- und Staatsſorge auf Alle erſtrecken
wollte, die ſo genannt werden, wohl kaum die Mittel zur Armen-
unterſtützung zuſammenzubringen wären und gerade durch dieſe
Letztere die Sorgloſigkeit und der Müſſiggang ebenſo vermehrt als
die allgemeine Sicherheit gefährdet würde. Man hat daher auch
gegen die Armenverſorgungsanſtalten überhaupt dies ſchon einge-
wendet, allein im Allgemeinen gewiß mit Unrecht, weil man dabei
die Gründe und Grade der Armuth und die hiernach entſprechenden
Anſtalten unterſcheiden muß. Blos Armuth und Mangel (§. 73.)
gibt einen wahren Anſpruch auf Unterſtützung, dieſe aber muß ſich
nach den Gründen der Armuth richten. Die allerbetrübendſten
Urſachen der Verarmung ſind der Müſſiggang, die Laſterhaftigkeit,
die Verſchwendung, wirthſchaftliche Ungeſchicklichkeit, leichtſinnige
Verheirathung und Erzeugung unehelicher Kinder; denn hier rächt
ſich die Schuld am Thäter durch immer zunehmendes Verderbniß
und Elend, und der Fluch geht auf die ſchuldloſen Kinder über.
Weniger erſchütternd für den Menſchenfreund iſt die Armuth, wenn
ſie den Menſchen unverſchuldet aus äußern Urſachen trifft, als da
ſind: Arbeitsloſigkeit zufolge der unendlich vielen Urſachen von
Gewerbsſtockungen, Preis- und Gewerbsveränderungen (Krieg,
Revolutionen, allgemeine Aufregung, Ländereiveränderungen, Ma-
ſchinen, Geldverhältniſſe), Verluſt des Vermögens durch beſondere
oder allgemeine Unglücksfälle, Verluſt von Unterſtützung durch Auf-
hebung von Klöſtern, körperliche und geiſtige Untauglichkeit zur
Arbeit, fehlerhafte Staatsmaaßregeln in der Leitung des Ge-
werbsweſens, erdrückende Abgaben, Gerichtswillkühr, ſchleppender
Gang im gerichtlichen Verfahren, hohe Sporteln, Rückſichtsloſig-
keit gegen die Familien eingeſperrter Verbrecher, Tyrannei u. dgl.
mehr. Die auf der Hand liegenden Mittel zu Verhütung dieſer
[652] Urſachen der Verarmung ſind ebenfalls zwar die ſicherſten, aber
ihrer Natur, die eine Verbeſſerung der bürgerlichen Geſellſchaft
bezweckt, iſt ein langſames Fortſchreiten eigen. Es gibt aber
außerdem noch Anſtalten, welche hierher zu rechnen und eine ſpe-
ziellere Beziehung zur Armuth haben, nämlich die Leihanſtal-
ten2), Lebensverſicherungsbanken3), Wittwen- und
Waiſenkaſſen4). Ihre Errichtung durch Privatvereinigung
unter Staatsaufſicht, oder, wenn dieſe fehlt, durch den Staat
ſelbſt iſt ſehr wohlthätig. Denn die Erſteren bieten in Nothfällen
Unterſtützung und die Letzteren ſichern nach dem Tode den Hinter-
laſſenen ein Vermögen oder Einkommen zu.
Es ſollte ſchon im Privatleben bei Ausübung der Wohlthätig-
keit regelmäßiger auf wahre Dürftigkeit und Würdigkeit geſehen
werden. Durch das Gegentheil wird die Armenpolizei ſehr er-
ſchwert. Es iſt daher vor Ertheilung irgend einer Armenunter-
ſtützung nothwendig, daß man über die Verhältniſſe der Perſon
gehörig unterrichtet ſei. Man überläßt deßhalb die Verſorgung
der Orts- und Hausarmen am beſten den Gemeinden, weil die
Gemeindebeamten über jene Verhältniſſe die genaueſten Kenntniſſe
haben müſſen. Ob nun Privatvereine, oder die Gemeinde aus der
Gemeindecaſſe oder eigenen Armenfonds, deren Stiftung ſehr zu
begünſtigen iſt, die Unterſtützungen gewähren, das hängt von localen
[654] Umſtänden ab. Der Staat muß ſich aber ſtets die Aufſicht vor-
behalten. Man hat übrigens in den Staaten je nach den Gründen
der Armuth und nach den Verhältniſſen der armen Perſonen fol-
gende verſchiedene Einrichtungen zur Verſorgung der Armen:
a)Armentaxen, d. h. geſetzlich gebotene Steuern zur Unter-
ſtützung der Armen. Dieſe Einrichtung hat ſich, namentlich in
England und Schottland, ſchlecht bewährt, aber nicht ſowohl an
ſich, als vielmehr wegen der ſchlechten Verwaltung in Betreff der
Dürftigkeit und Würdigkeit der Armen, wodurch meiſtens aus der
Unterſtützung eine Erniedrigung des Lohns zum Beſten der Fabrik-
herrn verurſacht und die Arbeiter zu Müſſiggängern, Verſchwen-
dern und Starrköpfen gemacht wurden1). b)Armencommiſ-
ſionen in Gemeinden zur Unterſtützung arbeitsloſer Armen von
Kraft und Geſchicklichkeit im Aufſuchen von Verdienſt und Beſchäf-
tigung. Dieſe Einrichtung iſt ſehr zweckmäßig, ſo wie die fol-
gende. c)Armenarbeiten, d. h. Beſchäftigung der Armen in
ihren eigenen Häuſern gegen Lohn, wozu man ihnen das Roh-
material liefert. Der Abſatz ſolcher Producte iſt erſchwert, weil
ſie die Concurrenz anderer nicht wohl aushalten können. Allein
Ausloſungen ſind um ſo mehr anzuempfehlen, als dadurch Gele-
genheit zu nützlichen Wohlthaten gegeben wird2). d)Arbeits-
häuſer, und zwar aus leicht einzuſehenden Gründen, ſowohl
freie als Zwangsarbeitshäuſer. Letztere gränzen an die
Straf- und Beſſerungsanſtalten und haben daher eine ſtrenge
Disziplin. Ihre Koſten ſind ſehr groß, ihre Ausdehnung muß
ſehr weit ſein, wenn ſie viel nützen ſollen; aber die Behandlung
und Beſchäftigung der Arbeiter, um ſie nach der Entlaſſung noch
arbeitſam zu erhalten, iſt ſehr ſchwer3). e)Armencolonien,
indem man Arme ſammt Familie auf einer Colonie ſich anſiedeln
läßt, ihnen das Capital zum Betriebe verſchiedener Gewerbe gegen
die Verpflichtung der Verzinſung und allmäligen Abzahlung übergibt
und ſie wegen Fleiß und Sittlichkeit genau unter Aufſicht hält4).
f) Bezahlung des Schulgeldes für arme Kinder aus den Gemeinde-
oder Stiftungskaſſen, damit ihnen der Unterricht wie Anderen
werden kann, oder Errichtung von Armkinderſchulen zur Er-
ziehung bis zu einem beſtimmten Alter ſo, daß ſie im Stande ſind,
durch eigenen Verdienſt zu leben, weßhalb auf Unterricht im Ge-
werbsweſen, Arbeitſamkeit, Sittlichkeit und ächte Religioſität hin-
gearbeitet werden muß. Sie ſind ohne eigene Fonds oder Do-
tirungen nicht zu erhalten. g)Waiſenhäuſer, ebenſo zur Auf-
ziehung, Erziehung und Gewerbsbildung von Waiſen, entweder
Gewerks- oder landwirthſchaftliche (ſogen. Wehrli-) Schulen,
[655] wovon die Letzteren den Vorzug verdienen, weil ſie vielfältiger
beſchäftigen und anregen, gefündere Arbeit gewähren und der
Sittlichkeit förderlicher ſind5). h)Rettungshäuſer, d. h. An-
ſtalten für Erziehung und Beſſerung der Kinder, welche wegen
Verbrechen verurtheilt ſind oder von liederlichen Eltern vernach-
läſſigt werden oder für deren Sittlichkeit notoriſch zu fürchten iſt
oder welche heimaths- und elternlos einem böſen Leben nachhän-
gen6). i)Armenhäuſer für die Unterhaltung arbeitsunfähiger
und kränklicher Armen. Sie müſſen noch neben der Haus-Unter-
ſtützung der Armen beſtehen, weil es Arme gibt, die auf letztere
Art nicht verſorgt werden können7). Alle dieſe Einrichtungen ver-
dienen die größte Aufmerkſamkeit des Staats, ſei es durch Unter-
ſtützung und Beaufſichtigung derſelben als Privat- und Vereins-
anſtalten, ſei es durch eigene Errichtung auf Staatskoſten.
Der Bergbau1) iſt in früheren Zeiten vielfach zu hoch ge-
ſchätzt worden und wird es, was ſehr begreiflich iſt, von den Berg-
leuten jetzt noch. Dieſe Ueberſchätzung hat aber die Folge gehabt,
daß die Staaten Bergbau mit Zubuße getrieben, ſchlecht rentirende
Privatbergwerke mit Capital unterſtützt, den Bergleuten allerlei
Freiheiten von Staatslaſten eingeräumt und andere Unterſtützungen,
als Holz und Lebensmitteln, auf allgemeine Koſten verabreicht
haben. Alle dieſe Unterſtützungen ſtoßen im Allgemeinen gegen die
Grundſätze der Gleichheit der Gewerbe vor dem Richterſtuhle der
Volkswirthſchaft und gegen jene einer vernünftigen Wirthſchaft
überhaupt an und ſind verwerflich2). Der Staat hat vielmehr
blos die Pflicht, den Bergbau zu unterſtützen, aber nicht auf
Koſten der übrigen Gewerbe und Einwohner und nicht, wenn er
nichts erträgt. Dieſe Unterſtützungsmittel laſſen ſich in folgendem
zuſammenfaſſen: 1) Unabhängigkeit des bergmänniſchen Be-
triebs vom Grundeigenthume, denn ein ausgedehnter und nach-
haltiger Betrieb iſt anders nicht möglich, weßhalb der Grundeigen-
thümer verpflichtet iſt, gegen Entſchädigung und billigen Antheil
an der Ausbeute demjenigen, welcher ſchürfen und bauen will, ſo
[657] weit abzutreten, als es zum Betriebe nöthig iſt. 2) Staatsauf-
ſicht auf den Grubenbetrieb zur Sicherung der Nachhaltigkeit des
Bergbaues, zur Verhütung von Raubbau, und zur Controle der
Rechnungen3). 3) Verhütung des beliebigen Anfangs von Berg-
bauten theils zur Sicherung der Grundeigenthümer, theils zur
Erhaltung guten Betriebs, weßhalb die (§. 122. L. a.) angegebe-
nen Vorſichtsmaaßregeln zu ergreifen ſind. 4) Befreiung des
Bergbaues von allen, denſelben weſentlich hindernden, Laſten, ohne
Begünſtigung vor andern Gewerben, nämlich beſonders vom Berg-
zehnten, deſſen Nachtheile für den Bergbau weit größer ſind, als
die des gewöhnlichen Zehntens in der Landwirthſchaft, wegen des
größern Capitals und Wagniſſes. 5) Begünſtigung und Beaufſich-
tigung von Knappſchaftskaſſen zum Behufe der Unterſtützung
arbeitsloſer und arbeitsunfähiger Bergleute4). Endlich 6) Grün-
dung bergmänniſcher Unterrichtsanſtalten, wenn der Bergbau
des Landes großer Erweiterung fähig iſt, weil ohne genaue berg-
männiſche wiſſenſchaftliche Kenntniſſe nichts Erſprießliches vom
Bergbaue zu erwarten iſt. Sonſt reicht Unterſtützung ausgezeich-
neter junger Männer zu Reiſen hin.
Die Wichtigkeit der Landwirthſchaft iſt in politiſcher Hinſicht
ſo anerkannt, daß es gar keiner beſondern Ausführungen bedarf,
ob der Staat verpflichtet ſei, auf ihre Förderung dieſelbe Aufmerk-
ſamkeit wie auf die der andern Gewerbe zu verwenden. Die
Landwirthſchaftspflege1) iſt einer der wichtigſten Gegenſtände
der Staatsgeſetzgebung und Verwaltung. Die Gegenſtände, worauf
ſich dieſe zu erſtrecken hat, ſind jene des Feld- und Gartenbaues
und der Thierzucht. Was die beiden Erſteren betrifft, ſo unter-
liegen der Staatsſorge folgende verſchiedene landwirthſchaftliche
Verhältniſſe.
A.Die Urbarmachungen (§. 139.). Wenn die Bevöl-
kerung zunimmt, erfolgt das Streben nach Urbarmachungen von
ſelbſt. Da nun außerdem dazu mehr oder weniger Capitalbeſitz
gehört, ſo werden ſie auch nur im Verhältniſſe des vorräthigen
Capitals vorgenommen werden. Daher hat ſich die Regirung ſorg-
ſam vor directen Ermunterungen zu hüten. Kleine Urbarmachungen
von Eigenthum erfolgen im Volke von ſelbſt, aber große, welche
viel Capital und organiſirte Leitung erfordern, können und dürfen
ohne Anzeige bei der Staatsbehörde und ohne deren Aufſicht nicht
vollführt werden. Denn ſie ſind auf die Staatszuſtände vom er-
folgreichſten Einfluſſe in Betreff des Klima, Geſundheitszuſtandes,
der Bevölkerung und des wirthſchaftlichen Wohlſtandes2), und
dürfen deßhalb nicht vom Privateigenthume abhängen, ſondern die
Eigenthümer großer nicht urbarer Strecken ſind verpflichtet, ihr
Eigenthum, wenn ſie es nicht ſelbſt urbar machen wollen, an die
Anderen gegen volle Entſchädigung abzutreten und die vom Staate
revidirten Plane der Urbarmachung ſind unter der Direction von
Staatsbehörden vorzunehmen.
B.Die gutsherrlichen Verhältniſſe. Freies erbliches
Grundeigenthum iſt das erſte Beförderungsmittel des landwirth-
ſchaftlichen Gewerbes (§. 409. 1. §. 208. 5.). Dieſes zu bewirken,
iſt alſo ein Hauptmittel der Erhöhung des Wohlſtandes und Pflicht
des Staats. Allein mit ihr collidirt die Pflicht, zur Sicherung
[659] geheiligter Privatrechte. Denn jeder Art von gutsbäuerlicher Be-
laſtung ſteht ein wohlerworbenes oder wenigſtens verjährtes guts-
herrliches Recht entgegen. Die hierher gehörigen bäuerlichen Laſten
ſind folgende: 1) das Handlohn, d. h. eine bei verſchiedenen Be-
ſitzveränderungen an den Gutsherrn zu entrichtende Abgabe in Pro-
centen des Gutswerths (Kauf- und Erbhandlohn). Daß das-
ſelbe für den Bauern wegen ſeiner ungleichen Erſcheinung, wegen
öfterer Veränderungen jener Art, wegen ſeiner Beträchtlichkeit im
Vergleiche zum Gutswerthe (5–10 %) ſehr drückend iſt und
ſeine Vermögensverhältniſſe und die darauf folgende Wirthſchaft
zu ruiniren vermag, iſt anerkannt, ebenſo daß es den Verkauf des
Gutes erſchwert und den Bauer zu Schulden zwingt, da er beim
Antritte des Gutes Capital nöthig braucht. Allein beide Parthien
ſind oft in Erwartung, daß ſich die Umſtände bei der Handlohn-
zahlung für ſie günſtig ſtellen würden, gegen die Ablöſung deſſelben
eingenommen. Können ſie ſich dazu verſtehen, ſo geſchieht die Ab-
löſung, indem man vorher aus ſo langer Zeit her als möglich die
Erfahrungen zuſammenſtellt, wie oft im Durchſchnitte eine Kauf-
und eine Erbhandlohnzahlung eintritt und wie groß ihr Durch-
ſchnittsbetrag ausfällt. Dieſer Durchſchnittsbetrag zuſammen mit
dem dermaligen Werthe der unendlichen Reihe von Handlohnzah-
lungen in der Zukunft macht das Ablöſungscapital3). 2) Der
Zehnte, d. h. eine Abgabe des zehnten (auch fünften und dreißig-
ſten) Theiles der Producte des Feldbaues4). Er wird auf die
verſchiedenſten, oft ſehr drückende Arten erhoben; er iſt eine un-
gleiche Steuer, weil er vom Rohertrage bezogen wird, in welchem
je nach der Gutsklaſſe verſchiedene Koſtenſätze enthalten ſein können;
er verſchlingt um ſo mehr vom Reinertrage, je größer die Cultur-
koſten bei gleichem Rohertrage ſind: er iſt um ſo ſchädlicher, in
je kürzerer Zeit die Capitalauslagen wieder erſtattet ſein ſollen;
es wird durch ihn den Bauern die Luſt zu Urbarmachungen und
Vervollkommnungen der Cultur geraubt; er hindert alſo productive
Arbeits- und Capitalanwendung; durch die deßhalb erfolgende
Geringhaltung des Angebotes an landwirthſchaftlichen Producten
wird dem Sinken der Preiſe entgegengewirkt; die Zehntſtreitigkeiten
verurſachen vielen pecuniären und moraliſchen Schaden; die von
den Berechtigten dafür zu thuenden Leiſtungen zu Privat-, Ge-
meinde-, Staats- und Kirchenzwecke werden in der Regel nur
ſchlecht und nach vielen Zänkereien erfüllt; die Zehnterhebungs-
und Verwaltungskoſten verſchlingen einen großen, öfters den größten
Theil ſeines Ertrags; dieſer aber ſchwankt mit der Fruchtbarkeit
der Jahre5). Die Ablöſung deſſelben iſt daher ſehr wünſchenswerth,
42 *
[660] aber nicht ohne völlige Entſchädigung des Berechtigten und nicht
mit Zwang auf den Pflichtigen, ausgenommen, wenn derſelbe durch
ſeinen Nichtbeitritt dieſe nützliche Maaßregel auf einem größeren
Diſtrikte hinderte. Der Zehnte wird entweder durchſchnittlich von
vielen Jahren her ſeinem Ertrage nach berechnet oder, wenn das
Material dazu fehlt, durch Unpartheiiſche abgeſchätzt; der Reſt
nach Abzug der durchſchnittlichen oder geſchätzten Erhebungskoſten,
in Geld geſchätzt nach mehrjährigen Durchſchnittspreiſen, wozu die
Jahre ſorgfältig zu wählen ſind, bildet, nach der gewöhnlichen
Anſicht, wenn er nach einem gewiſſen Procente capitaliſirt iſt, das
Ablöſungscapital. Man könnte aber in der Ablöſungsrechnung auch
wie beim Handlohne verfahren, indem man den Durchſchnitt der
früheren Zehnterträge mit dem dermaligen Werthe der folgenden
unendlichen Reihe von Zehntzahlungen zuſammen, als abzutragendes
Capital betrachtete. 3) Die Gülten, d. h. unveränderliche Na-
turalabgaben der verſchiedenſten Art in kleinen Beiträgen (§. 7.
N. 6. §. 11. N. 5. §. 22. N. 9.). Sie ſind unbequem und läſtig,
ſo daß gegen deren Ablöſung von beiden Parthien in der Regel
nichts eingewendet wird. Die Ablöſung geſchieht ungefähr wie
beim Zehnten. 4) Frohnen, entweder Staats- oder gutsherr-
liche Frohnen (Roboten, Schaarwerke), d. h. gemeſſene oder un-
gemeſſene Hand- und Spanndienſte, zu leiſten an den Staat oder
Gutsherrn6). Sie hindern den Bauern in der Benutzung ſeiner
Zeit zu landwirthſchaftlichen Geſchäften; ſie verurſachen ihm ſchon
deßhalb Schaden; er muß aber auch oft zu ihrer Leiſtung eigenes
Geſpann halten, das er für ſein Feld nicht brauchte; er leiſtet
die Dienſte ungern und ſchlecht, und bedarf beſtändiger Aufſicht;
die Frohnen ſind daher von nationaler Trägheit und ſchlechter
Landwirthſchaft unzertrennlich; ſie ſchaden daher volkswirthſchaft-
lich weit mehr, als ſie privatwirthſchaftlich nützen. Deßhalb iſt
ihre Ablöſung eine Bedingung der Förderung des Gewerbsweſens7).
Zum Behufe derſelben zählt man die Frohntage zuſammen, ſchlägt
ſie, im Verhältniſſe als ſie weniger werth ſind denn die freien
Dienſte (§. 67. N. 1.), unter dem gewöhnlichen Taglohne an, und
zieht davon die ſchuldige Leiſtung des Berechtigten, z. B. an Koſt
u. dgl. in Geldwerth ab: was ſich ſo ergibt, iſt nach einem gewiſ-
ſen Procent zu capitaliſiren, um das Ablöſungscapital zu finden8).
Es gehören ferner hierher:
C. Die Servitute, insbeſondere die Weideſervitute, d. h.
die Laſt eines Feldes, daß ein Anderer mit ſeinem Vieh darauf zu
gewiſſen Zeiten Weide halten darf (§. 183.). Sie hindern den
Eigenthümer oder Beſitzer in der beliebigen Bewirthſchaftung des
Gutes und tragen viel zur Verderbung der Pflanzungen bei. Es
iſt daher mit einer bloßen Regulirung nicht viel gethan, ſondern
ihre Abſchaffung iſt unerläßlich. Die Schätzung des Capitalwer-
thes der Weidegerechtigkeit geſchieht entweder nach allgemeinen
Ertragsklaſſen, oder nach der Anzahl von Vieh, das darauf
Nahrung findet und nach der Länge der Weidezeit (§. 463. N. 8.)1).
D.Die Gebundenheit der Landgüter, d. h. derjenige
Zuſtand, kraft deſſen ſie nach Staats- oder Familiengeſetzen nicht
getheilt, ſondern nur als Ganzes verkauft und vererbt oder ver-
ſchenkt werden dürfen, weil man glaubt, daß eine Verkleinerung
derſelben dem Staate oder der Familie nachtheilig ſei2). Es iſt
oben (§. 432. N. 1.) gezeigt, welche Vortheile die mittleren und
kleinen Landgüter vor großen in der Volkswirthſchaft gewähren.
Läßt der Staat dem Gewerbsbetriebe freien Lauf, führt er keine
Beſteuerung des Bodens ein, die den kleineren Grundeigenthümern
unerſchwinglich iſt, und hütet ſich derſelbe überhaupt vor Maaß-
regeln, welche den mittleren und kleineren Bauern Laſten auf-
legen, die ſie nicht wohl tragen können, ſo wird die Theilung des
Grundeigenthums ihren regelmäßigen Gang gehen, und die Bevöl-
kerung muß ſich darnach einrichten. Ebenſo wird der ackerbauende
Theil der Nation auf die Erhaltung größerer Landgüter von ſelbſt
verfallen, wenn es ihr zuträglich erſcheint. Die Feſtſetzung eines
Minimums oder Maximums iſt deßhalb nicht weniger verwerflich,
als Geſetze, welche der einen oder andern Klaſſe den Ankauf oder
Verkauf von Grund und Boden ganz verbieten; denn ſie ſind Ein-
griffe in die Privatrechte ohne Noth und müſſen bald da bald dort
den Privatintereſſen entgegen ſein3).
E.Die Zurundung der Landgüter (Arrondirung). Die
Vortheile der zuſammen in einer Fläche neben einander liegenden
Grundſtücke für den Landwirth ſind anerkannt und leicht einzu-
ſehen, weil die Nachtheile des Gegentheiles klar erſcheinen. Die
Bewirkung einer ſolchen Zuſammenlegung (auch Ackerumſatz,
Schiftung genannt) iſt daher ein ſehr wohlthätiges, aber an ſich,
[664] wegen vieler Folgen und wegen mancher Vorurtheile ſchwieriges
Geſchäft4). Wo Wieſen, Weiden und Aecker in verſchiedener
Lage vorkommen, da kann ſie auch jedesmal nur jede dieſer drei
Klaſſen beſonders treffen; faſt unmöglich wird ſie oft, wenn es in
der Gemarkung recht verſchiedene Bodenklaſſen hat. Nur die Mi-
norität einer Gemeinde kann, wenn ſie dagegen iſt, zur Theilnahme
an der von der Majorität beſchloſſenen Maaßregel gezwungen werden.
Es folgt dann Klaſſifizirung der Flur, Schätzung der Grundſtücke
der Einzelnen, geometriſche Flurtheilung, Vertauſchung, zuweilen
mit baaren Ausgleichungen, Verlegung der Wohnungen und Er-
neuerung der Unterpfandsbücher auf einander, nach obrigkeitlich
geprüften und genehmigten Planen5).
F.Die Gemeinheitstheilungen, d. h. zum Theile Auf-
hebung gegenſeitiger Weideſervitute der Gemeindeglieder (engl.
Enclosure, Einhängung), zum Theile die Vertheilung der Gemein-
degüter, beſonders der öden Gemeindeweiden unter die Gemeinde-
glieder (§. 388. B., wo die Vor- und Nachtheile derſelben ver-
glichen ſind)6). Es iſt nicht das Intereſſe der großen Viehbeſitzer,
beſonders der Schaafzüchter, welches der Ausführung dieſer Maaß-
regel Hinderniſſe in den Weg legt, denn dieſe können bei der Thei-
lung durch Einrichtung einer Weidearrondirung befriedigt werden;
ſondern vielmehr der Streit über den Theilungsmaaßſtab hat viele
Hinderniſſe verurſacht. Es iſt zum Wundern, daß man, wohl blos
zufolge des Spieles der Partheien, den allernatürlichſten und rück-
ſichtslos gerechteſten Theilungsmaaßſtab, nämlich 1) das rechtliche
Verhältniß der Bürger zur Gemeinde nicht überall annahm, da er
doch mit dem Nutzungsrechte genau zuſammenfällt und die bisherige
Nutzung keinen gerechten Theilungsgrund abgeben kann, ſo billig
es auch ſcheint, der Reicheren wegen eine ungleiche Vertheilung
vorzunehmen7). In der That beruhen die noch übrigen vorge-
ſchlagenen und zum Theile auch angewendeten Maaßſtäbe blos auf
der letzteren Maxime. Sie ſind folgende: 2) der Viehſtand der
Intereſſenten, — jeweilig etwas Zufälliges und im Durchſchnitte
ſchwer zu ermitteln; 3) der Durchwinterungsmaaßſtab, d. h. die
Menge von Vieh, welches der Berechtigte nach ſeinem eigenen zu
ſchätzenden Futtererwachſe durchwintern kann, — erſchwert durch
die Klaſſifizirung, Meſſung und Ertragsſchätzung der Felder eines
Jeden, und für grundbeſitzloſe Bürger unbrauchbar; 4) die Größe
des Grundbeſitzes, — ohne Klaſſifizirung nicht brauchbar, als Er-
tragsmaaßſtab wegen des Capitals und der Arbeit unzureichend;
5) die Beiträge zu den Gemeindebedürfniſſen, — nicht ausführbar,
wegen der verſchiedenen Arten von Steuern8).
Endlich ſind noch hierher zu rechnen:
G.Die Verſicherungs- und Kreditanſtalten. Wegen
den Erſteren iſt ſchon oben das Nöthige berührt (§. 455. 456. L. a.).
Von ſehr großer Bedeutung ſind aber die Letzteren, d. h. Anſtalten
(Kaſſen, Inſtitute, Vereine), in welchen die durch Mißverhältniſſe
irgend einer Art, beſonders aber durch zu wohlfeile Preiſe der
Producte, die mit den Capitalauslagen in Mißverhältniß ſtehen
und den landmänniſchen Kredit ſchwächen, bedrückten Grundeigen-
thümer zu billigen Bedingungen Capital aufnehmen können1). Der
Kreditverein tritt in's Mittel zwiſchen den Grundeigenthümern und
Capitaliſten, ſtellt in ſeinem Namen den Capitaliſten die Schuld-
briefe aus und haftet mit dem Geſammtbetrage der verpfändeten
Grundſtücke aller einzelnen Mitglieder für Verzinſung und Capital-
zahlung; er läßt ſich von jedem Schuldner eine hypothekariſche
unter ihrem Werthe geſchätzte Grundverſicherung geben, und bezieht
von ihm die Zinſen, darf aber demſelben nicht aufkündigen, wenn
der Capitaliſt vom Vereine ſein Capital verlangt; es ſtehen ihm
gegen nachläſſige Verſäumung der Zinszahlung Zwangsmittel zu
Gebote: derſelbe führt die Geſchäfte und genaue Rechnung, wofür
die Koſten auch aus den Zinſen genommen werden, und hat alſo,
bei gehöriger Beobachtung des Wirthſchaftsganges der Mitglieder,
immer genaue Einſicht in die Verhältniſſe der Letzteren zum Vereine2).
H.Die landwirthſchaftlichen Vereine3). Sie ſind an-
erkannt eines der mächtigſten Mittel, das landwirthſchaftliche Ge-
werbe zu heben. Allein die Erfahrung hat auch gezeigt, daß ſie,
ſchlecht geleitet, oft nicht nur keinen Nutzen, ſondern ſogar Scha-
den brachten. Es iſt bei ihnen nicht mit Muſterwirthſchaften
und Muſtergütern, die ſie als Pachtungen oder als Eigenthum
beſitzen, eben ſo wenig mit großen landwirthſchaftlichen Gär-
ten gethan, in welchen die größte Manchfaltigkeit von Pflanzen
zu finden iſt; ſondern dieſe Vereine müſſen ſich unter den Bauern-
ſtand mengen, Verſuche im Kleinen vormachen, wenn ſie erprobt
ſind, die Bauern der verſchiedenſten Gegenden ermuntern, ſie im
Freien auf größerem Felde nachzumachen, indem man ihnen die
[667] Saat u. dgl. verabreicht, gedruckte Formularien zur leichten Be-
richterſtattung mitgibt, und für den Fall des unverſchuldeten Miß-
lingens die Uebernahme eines Theiles vom Schaden, aber für den
Fall beſondern Gelingens Prämien zuſagt. Es ſind daher jähr-
liche öffentliche Preisaustheilungen, mit bloßer Rückſicht
auf das praktiſch Wichtige und nicht auf Seltenheiten und Curioſes,
von dem erheblichſten Nutzen. Davon ſind aber Preiſe für popu-
läre Schriften, und eben ſolche Vereinsblätter durchaus nicht
ausgeſchloſſen. Auch ſind es die Vereine, von welchen die Beför-
derung der verſchiedenen landwirthſchaftlichen Zweige im Einzelnen
ausgehen muß und wofür die landwirthſchaftliche Erfahrung die
Leitungsregeln an die Hand gibt.
I.Die landwirthſchaftlichen Unterrichtsanſtalten.
Sie ſind, in ihrer jetzigen Ausdehnung in einzelnen Ländern, zwar
großartig, aber auch nur für die Bildung großer Gutsbeſitzer ein-
gerichtet. In Deutſchland thut aber der Unterricht für die klei-
neren Gutsbeſitzer Noth, und jene Anſtalten werden nutzlos ſein,
ſo lange nicht der Schullehrerſtand einen eigenen paſſenden
landwirthſchaftlichen Curs auf ſeinen Seminarien durchgemacht
haben muß, um den Sontagsſchulen und ländlichen Ge-
werbsſchulen die Landwirthſchaft zu einem Hauptgegenſtande des
Unterrichts zu machen, — und ſo lange in den Städten keine
Gewerbsſchulen, worin auch Landwirthſchaft gelehrt werden
ſoll, beſtehen.
Die Beförderung der Viehzucht hängt insbeſondere ab von den
(§. 463. B.) erwähnten Maximen und Anſtalten, inſoweit ſie die
Viehzucht berühren, z. B. Vieh- oder Blutzehnten, Handlohn in
Thieren u. dgl.; ferner die (§. 464.) erörterten Fragen, weil ſie
auf die Letztere von Einfluß ſind; und endlich ebenſo die im vori-
gen §. angeführten Punkte mit Bezug auf Thierzucht. Die land-
wirthſchaftlichen Vereine haben auch hierin einen ſchönen Wirkungs-
kreis; ſie müſſen mit Unterſtützung von Seiten des Staats die
Thierraſſen nach den Regeln der Thierzucht, die oben mitgetheilt
ſind, und durch Ermunterung verſchiedener Art zu verbeſſern ſuchen.
Die Forſte verdienen als die Quellen Eines der nöthigſten Be-
dürfniſſe um ſo mehr die Aufſicht des Staats, als nicht mit der-
ſelben Zuverſicht allgemeinhin erwartet werden kann, daß die Wirth-
ſchaft der Einzelnen mit dem Volksintereſſe dabei in demſelben
Einklange ſein und verbleiben werde, wie bei der Landwirthſchaft
(§. 433.). Die Staatsaufſicht in gewerblicher Beziehung muß
daher ſtets um ſo nothwendiger erſcheinen, je mehr ſich Waldungen
im Privatbeſitze befinden1). Dieſelbe bezieht ſich aber nach der
Natur der Sache auf folgende Punkte:
A.Die Urbarmachungen und Forſtbetrieb. Dieſe ſind
land- und forſtwirthſchaftlich zugleich ſehr wichtig, denn von dem
Verhältniſſe des Feldbodens zum Waldboden hängen die Fortſchritte
der landwirthſchaftlichen Cultur und der Bevölkerung ab, es iſt
nicht gleichgiltig, welcher Boden zu der einen oder andern Cultur
verwendet wird (§. 257.) und die Rodungen haben einen entſchie-
denen Einfluß auf den klimatiſchen Zuſtand, Waſſervorrath und
die Urbarkeit der Länder. Haben ſie in dieſen Beziehungen zu-
[669] weilen einen günſtigen Einfluß, ſo ſind doch ſchon öfters Erfahrungen
vom Gegentheile gemacht worden. Die Rodungen könnten wegen
beſonderer Privatvortheile ſo häufig und an Stellen, die für Feld-
bau untauglich ſind, vorgenommen werden, daß das Land einem
Holzmangel entgegenginge; anderſeits aber könnte durch Ankäufe
von Grundeigenthum in todte Hände, für welche ſich Forſtwirth-
ſchaft ſehr eignet, ſo viel Feld in Wald umgewandelt werden,
daß die Bevölkerung von daher Schaden erlitte. In den Händen
der Privaten und Gemeinden könnte eine ſo ungeregelte Wald-
wirthſchaft entſtehen, daß für ſpätere Zeit ein empfindliches Miß-
verhältniß zwiſchen Holzbegehr und Angebot bereitet würde. Es
iſt daher nichts natürlicher, als daß der Staat die Rodungen,
Anlage von Waldungen und die Forſtbetriebswirthſchaft nicht in
die Willkühr der Einzelnen, Gemeinden, Corporationen und Stif-
tungen legt, für die beiden Erſteren die Staatserlaubniß, für die
Letzteren aber die Vorlage und Staatsgenehmigung der Betriebs-
plane befiehlt, und, um einen ſchädlichen Einfluß der Forſtbeamten
zu verhüten, genaue Beſtimmungen über die Fälle der Genehmi-
gung und Nichtgenehmigung feſtſetzt2).
B.Die Waldſervitute in der oben (§. 260. 5.) angegebenen
verſchiedenen Ausdehnung. Da ſich manche dieſer Gerechtſame bei
gehöriger Regulirung ohne Schaden mit dem Waldbetriebe ver-
einigen laſſen und dabei der Viehzucht in manchen Gegenden durch
Mäſtung, Streu und Gras ein großer Vorſchub geleiſtet wird, ſo
iſt es vor Allem wünſchenswerth, daß ſie wenigſtens in der Aus-
übung geregelt und unter polizeiliche Aufſicht geſtellt werden. In
ſehr vielen Fällen aber wird die Ablöſung beſſer ſein. Man be-
dient ſich dabei, nur nach der Eigenthümlichkeit der Forſtwirth-
ſchaft, derſelben Mittel, wie bei der Ablöſung landwirthſchaftlicher
Servitute3).
C.Die Gebundenheit der Forſte. In dieſer Beziehung
verhält ſich die Forſtwirthſchaft gerade entgegengeſetzt zur Bevöl-
kerung, wie die Landwirthſchaft. Ohne Forſtgründe in großer
Flächenausdehnung iſt ein nachhaltiger, das nöthige Holzquantum
ſichernder, Betrieb des Waldbaues nicht möglich, und die Wahr-
ſcheinlichkeit der regelmäßigen Befriedigung des Holzbedürfniſſes
nimmt in demſelben Verhältniſſe ab, als die Zerſtückelung der
Waldflächen zunimmt. Zudem wird durch letztere die Rodung und
die Anſchaffung von Forſteigenthum den Privaten erleichtert, wäh-
rend durch die Gebundenheit der Waldungen dieſelbe erſchwert
und die Anſammlung von Waldeigenthum in den Händen moraliſcher
Perſonen erleichtert wird. Dieſe muß daher Regel bleiben und
[670] eine Theilung der Forſte kann ohne Staatserlaubniß nicht Statt
finden, dieſe aber darf ohne genügende Sicherung vor Schaden im
Waldbetriebe nicht ertheilt werden.
D.Die Unterrichtsanſtalten. Es iſt nicht wünſchenswerth,
daß ſich viel Waldbeſitz in Privathänden befinde, ausgenommen in
großen Maſſen. Dies aber iſt ſelten thunlich und mit dem Privat-
intereſſe vereinbar. Aber gerade für die Verwaltung der Staats-,
Gemeinde-, Corporations- und Stiftungswaldungen iſt nichts
Heilſames zu erwarten, wenn es keinen gründlich gebildeten
Forſtbeamtenſtand gibt. Hierzu aber ſind Forſtſchulen unumgänglich
nothwendig4).
Die Staatsaufſicht auf die Jagd beſteht im Wildbann, d. h.
in der ſtrengen Feſthaltung der Jagdregeln durch das Geſetz, we-
gen der Hege- und Jagdzeit.
Der nothwendige Verband der Kunſtgewerbe mit den Urgewer-
ben (§. 434.) und die Vortheile, welche ſie unmittelbar für das
Menſchenleben hervorbringen, machen die Gewerksinduſtrie einer
beſondern Aufmerkſamkeit der Regirung und der bürgerlichen Ge-
ſellſchaft würdig. Sie ſind jedoch auch ſchon überſchätzt worden
und namentlich iſt dies der Grund der verſchiedenen Maaßregeln
des Mercantilſyſtems zur Förderung des Gewerksweſens (§. 397.
N. 3.), als da ſind: Hervorrufen aller möglichen Gewerke, um im
Inlande Alles zu produciren, Begünſtigung durch Privilegien,
Errichtung von Zünften, Vorſchüſſe aus der Staatskaſſe, Prämien
auf die Anlegung neuer Etabliſſements, eigene Etabliſſements auf
Staatskoſten u. ſ. w. Der natürliche Gang der Entwickelung des
Gewerbsweſens zeigt, daß es ſolcher künſtlicher Hervorlockungen
nicht bedarf, weil das Volk in ſolchen Dingen von ſelbſt auf das
Vortheilhafteſte verfällt, und daß dieſelben inſoferne ſchädlich ſind,
als ſie die natürliche Anlage von Arbeit und Capital hemmen, und
oft an die Hervorbringung von Dingen wenden, die man vom
Auslande wohlfeiler und beſſer erhalten kann und folglich das In-
tereſſe der Conſumenten (Urgewerbsleute) jenem der Gewerksleute
aufzuopfern. Es muß auch hier das allgemeine polizeiliche Prin-
zip (§. 438.) feſtgehalten werden. Nach dieſem aber erſtreckt ſich
die Leitung der Gewerke von Seiten des Staats auf folgende
Punkte:
A.Die Gewerbsfreiheit. Dieſe iſt zwar der allgemeinſte
Grundſatz der ganzen Gewerbspolizei, weil ſich nach ihr die Ge-
werbs- und Bevölkerungsverhältniſſe am natürlichſten und zwang-
loſeſten geſtalten. Hier aber muß ſie beſonders erwähnt werden,
weil ſie von jeher in den Kunſtgewerken am wenigſten gehandhabt
wurde, da bei ihnen der Zunftzwang eingeführt iſt (§. 312. 5.).
Es iſt ſehr natürlich, daß das meiſte Große in der Volkswirth-
ſchaft durch Vereinigungen hervorgebracht wird. Die Geſchichte
beſtätigt dies auch auf jedem Blatte, am meiſten aber im Mittel-
alter durch die Handels- und Handwerksgenoſſenſchaften
und die Hanſeverbindungen, und in unſern Zeiten durch die
Actiengeſellſchaften. Der charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen
jenen und den jetzigen Geſellſchaften dieſer Art iſt darin zu finden,
[672] daß das Ausſchließungsſyſtem im Geiſte der damaligen, das Um-
faſſungs- und Freiheitsſyſtem im Geiſte der jetzigen Zeit liegt.
Es kommt dazu, daß noch jetzt jene Zünfte und Gilden, obſchon
nicht in der alten Schroffheit mit dieſem neuern Gewerbsgeiſte und
mit dieſen freien Geſellſchaften in Concurrenz ſtehen. Allein ſie
ſind mit dem Prinzipe der Verkehrsfreiheit unverträglich und deß-
halb bedeutenden Modificationen zu unterwerfen. Sie hatten bei
ihrer Entſtehung im Mittelalter außer dem Zwecke der politiſchen
Reaction (damals der bedeutendſte, jetzt aber völlig nichtig, aus-
genommen in den momentanen Vereinigungen der Arbeiter unſerer
Zeit), noch die beſondern wirthſchaftlichen der Sicherheit des
Unterhalts der Handwerksklaſſe, der Erhaltung und Erhöhung der
Gewerkskunſt, und den moraliſchen der Pflege der Sittlichkeit und
des Gemeinſinnes der Meiſter, Geſellen und Jungen. Allein ſo
gut auch dieſe Zwecke an und für ſich waren, ſo liegt doch wenig-
ſtens in jetziger Zeit in den dazu angewendeten Mitteln zum Theile
unmittelbarer Schaden, zum Theile aber auch der Fehler, daß ſie
die vorgeſetzten Zwecke nicht ganz erreichen. Denn 1) was die
Sicherheit des Unterhaltes anbelangt, ſo ſpricht gegen die
Zunftſatzungen der Umſtand, daß ſich der Abſatz der Gewerkspro-
ducte aus verſchiedenen Urſachen bei einem Meiſter ſehr erweitern
kann und in Modehandwerken immer erweitert, indem er bei an-
dern ſinkt und ganz verſchwindet, daher auch die Feſtſetzung einer
beſtimmten Meiſterzahl die Sicherheit ihrer Unterhaltung nicht
bewirkt, und, wenn auch vielleicht einmal für die Gegenwart, doch
nicht für die Zukunft. Die Beſchränkungen der Erwerbung des
Meiſterrechtes erreichen wegen der vielen Mißbräuche dabei ihren
Zweck nicht und ſchaden noch inſoferne, als ſie die Concurrenz ver-
mindern, woraus nicht ſelten Verſchlechterung, ſtets aber Ver-
theuerung der Producte hervorgeht. Was 2) die Erhaltung und
Erhöhung der Geſchicklichkeit anbelangt, ſo iſt bei manchen
Gewerken die Lehrzeit zu lang, der Unterricht mangelhaft, die
Behandlung der Lehrlinge ſchlecht, der Gewerbswechſel erſchwert,
die Einführung von Maſchinen gehindert, und das Wandern zwar
nützlich, aber die Prüfung durch das Meiſterſtück unzureichend und
zu viele Partheilichkeit vorherrſchend, ſo daß geſchickte Männer
verdrängt, dagegen viele ungeſchickte zugelaſſen werden. 3) Die
moraliſchen Zwecke ſind ohne Zweifel ſehr gut, allein der er-
wünſchte Gemeinſinn geht in einem verwünſchten Corporationsgeiſt
über und manche Mittel dazu, als Abhaltung der unehelichen
Kinder und Juden vom Handwerke, ſinnloſe und unſittliche Ge-
bräuche der Bruderſchaft, Oppoſitionsgeiſt u. dgl., widerſprechen
[673] denſelben. Aus dieſen Gründen iſt die Aufhebung, d. h. eine
ſolche Umgeſtaltung der Zünfte nach dem Geiſte der Zeit, daß man
ihnen ihre ſchädlichen Einrichtungen nimmt, rathſam. Man kann
aus ihnen freie Gewerksvereine mit den guten Zunft- und noch
anderen Satzungen machen, wobei die freie Concurrenz Wohlfeil-
heit der Waaren, Erhöhung der Gewerkskunſt durch Nacheiferung
und Güte der Erzeugniſſe bewirkt. Die daher gefürchtete über-
mäßige Beſetzung der Gewerke, nachläſſige Vorbereitung dazu,
Unterdrückung der kleineren Unternehmer (Handwerker) durch die
größeren (Fabrikanten), unchriſtliche Vernachläſſigung des leiblichen
und geiſtigen Wohles der Geſellen und Jungen u. dgl. mehr wird
durch die Concurrenz ſelbſt, durch Beibehaltung der Lehr- und
Wanderjahre, durch ſtrenge Prüfung und durch Gewerbskaſſen u. dgl.
verhütet. Was aber insbeſondere die Unterdrückung der Handwerke
anbelangt, ſo ſind manche derſelben durch Fabriken nicht zu ver-
drängen, es gibt andere Erwerbszweige, die man ergreifen kann,
die Zünfte haben gegen die Unterdrückung der Einzelnen auch nichts
vermocht, die Producentenklaſſe darf nicht auf Koſten der Conſu-
menten ſo bereichert werden und die augenblickliche Arbeitsloſigkeit
Weniger kann nicht die allgemeine Richtſchnur für Staatsmaaß-
regeln geben, die den größten Theil der Bevölkerung in oft ſehr
empfindlichen, Nachtheil bringen. Uebrigens iſt es durchaus un-
klug, ſo veraltete und in die Fugen der bürgerlichen Geſellſchaft
eingeroſtete Schrauben plötzlich und mit Gewalt herauszureißen.
Es ſind vielmehr allmälig mildernde, auflöſende und rüttelnde
Mittel die beſten, weil ſie die entſtehenden Nachtheile für Einzelne
weniger empfindlich machen1).
Ein fernerer Gegenſtand der Gewerksleitung des Staates ſind:
B. Die Gewerksrechte und Gewerksprivilegien. Wird
in der Gewerksproduction Jemanden ein Privilegium ertheilt, ſo
entſteht dadurch eine Beengung der freien Concurrenz, mehr oder
weniger eine Beeinträchtigung der Rechte Anderer, und ein Nach-
theil für die Conſumenten, welche einen Monopolpreis bezahlen
müſſen. Aus dieſen Gründen iſt das neue ſtaatswirthſchaftliche
Syſtem dem Grundſatze nach gegen ſolche Privilegien. Von dieſem
Grundſatze weichen aber die jetzigen Staaten theilweiſe noch ab,
indem ſie ſich ſelbſt gewiſſe Gewerkszweige, wie z. B. die Münz-,
Pulver-, Salpeter-, Tabakfabrication als Vorrechte vorbehalten
und indem ſie einzelnen Bürgern wenigſtens auf einige Zeit Ge-
werksvorrechte ertheilen. Erſteres geſchieht aus überwiegenden
Gründen der öffentlichen und allgemeinen Sicherheit oder aus
ſtaatsfinanziellen Urſachen, welche in der Finanzwiſſenſchaft näher
zu unterſuchen ſind. Letzteres aber begreift die Geſetze und Privi-
legien gegen den Nachdruck1) und die Erfindungspatente
(Brevets d'invention, Patents of Invention)2). 1) Wollte
man den Nachdruck, als öffentliche Vertheilung des einem Anderen
Gehörigen, mit dem Eigenthumsrechte des Schriftſtellers oder Künſt-
lers an ſeinem geiſtigen Producte als ein Unrecht erklären, ſo würde
man ſich irren, denn dieſes geiſtige Eigenthumsrecht iſt nichts als
die Autorſchaft, die ihm Niemand entziehen kann, und hat er
ſeine Gedanken und Erfindungen veröffentlicht, ſo ſteht Jedem
deren Benutzung zu Gebote. Eben ſo ſehr aber fehlt man in der
Vertheidigung des Nachdrucks von der rechtlichen Seite damit,
[675] daß das gekaufte Exemplar, als Eigenthum des Käufers, von die-
ſem beliebig vervielfältigt werden dürfe, denn dies, wie jede Hand-
lung, iſt nur dann geſtattet, wenn Niemand dadurch in ſeinen
wohlerworbenen Rechten gekränkt wird. Eine ſolche Kränkung
findet aber beim Nachdrucke Statt, denn der Autor hat ein Recht
auf alle diejenigen Vortheile, welche ihm aus ſeinem Verfaſſer-
eigenthume an ſeinem unter Anwendung von Arbeit hervorgebrachten
Erzeugniſſe im Verkehre erwachſen können. Beſtünde dieſes Recht
nicht, ſo müßte alle nützliche Arbeit unterbleiben. Er kann dieſe
Vortheile an einen Andern abtreten, ſei es als Geſchenk oder gegen
Vergütung. Wer nun aber ein Druckwerk nachdruckt, der kränkt,
da er es ohne Erlaubniß und Entſchädigung des Verfaſſers thut,
denſelben in ſeinen Rechten und, wenn dieſer ſie an einen Verleger
abgetreten hat, dieſen Letzteren, jedenfalls aber beide zugleich,
wenn, wie gewöhnlich, der Verfaſſer ſein Product nicht als Eigen-
thum, ſondern nur Auflagenweiſe an den Verleger gegeben hat.
Deßhalb iſt ein geſetzliches Verbot, Beſtrafung des Nachdrucks
mit und ohne Nennung des Autors oder unter verfälſchtem Au-
tornamen, und Schadenserſatz unumgänglich nothwendig. Wäre
es dies aber auch nicht, ſo erſcheinen Privilegien gegen den Nach-
druck gewerbspolizeilich nicht blos billig, ſondern nöthig, weil nur
dann in Erfindungen, Schriftſtellerei und Kunſt Leiſtungen und
Unternehmungen möglich ſind, wenn der Unternehmer des Erſatzes
ſeiner Auslagen ſammt Gewinn gewiß iſt. Dies iſt aber beim
Nachdrucke nicht möglich, und die Erfahrung zeigt, daß eine Menge
der nützlichſten Entdeckungen deßhalb gar nicht veröffentlicht werden.
Der wahre Begriff der Concurrenz hört auf, wenn die Verbreiter
einer Erfindung, die eine ungeheuere Anzahl ausmachen können,
mit den ſehr ſeltenen Erfindern in gewerblichen Conflickt kommen;
denn ſie kann nur unter den Verbreitern einerſeits, und unter den
Erfindern anderſeits Statt finden. Aus dieſen Gründen zerfallen
die Vertheidigungsgründe des Nachdrucks, als wie: man müſſe
Gewerbsfreiheit, freie Concurrenz geſtatten, und derſelbe befördere
die Verbreitung nützlicher Kenntniſſe, als ganz nichtig in ſich ſelbſt.
Es folgt aber hieraus, daß der Ausdruck Privilegium in dieſen
Fällen ganz ungeeignet iſt, da der Staat keine Concurrenz beengt,
ſondern vielmehr die Erfinder u. dgl. blos gegen die Uebermacht
der Verbreiter in ihren natürlichen Rechten ſchützt. 2) Daſſelbe
gilt auch von den Erfindungspatenten, d. h. von den ſchrift-
lichen Staatsurkunden, welche Einem auf mehrere Jahre, leider
in der Regel nicht ohne hohe Taxen und Gebühren, ſo daß er den
natürlichen Rechtsſchutz erſt noch beſonders theuer erkaufen muß,
43 *
[676] die ausſchließliche Benutzung einer Erfindung geſetzlich zuſichern,
unter der ausdrücklichen Bedingung, daß nach Ablauf jener Zeit
ſeine Erfindung allgemein benutzt werden könne. Unbekümmert um
die Zweckmäßigkeit der Erfindung ertheilt ſie der Staat nur unter
der Bedingung der Depoſition einer genauen Beſchreibung der Er-
findung an den ſich Meldenden, ſei dies der Erfinder ſelbſt oder ein
Anderer, der das Nutzrecht geſetzlich von jenem erworben hat, und
beſtraft die dem Patente Zuwiderhandelnden und die Erſchleicher
oder Betrüger um Erfindungen, nach geſchehener Anzeige. Die
Beſtimmung der Geltungszeit des Patentes muß vom Patentnehmer
ausgehen, weil er allein berechnen kann, wann ihm ſeine Auslagen
und ſein Gewinnſt erſtattet ſein werden und weil, wenn er ſeine
vielleicht ſehr nützliche Erfindung nicht veröffentlichen wollte, ihn
der Staat nicht dazu zwingen darf3).
C.Gewerksvereine. In ſolche können an jedem Orte die
Zünfte verwandelt werden. Zudem aber ſind Centralvereine noth-
wendig und nützlich, und ihnen zuſammen ſind die verſchiedenen
Ermunterungsmittel, als da ſind, Austheilung von Preiſen, Kunſt-
und Gewerbsausſtellungen, Ankauf und Verloſung der ſchönſten
und werthvollſten Erzeugniſſe auf Actien, Modellſammlungen,
Maſchinen- und Handwerkzeug-Sammlungen, in die Hand zu legen.
D.Unterrichtsmittel. So wie die gelehrte Bildung, ſo
bedarf auch die Gewerksbildung einer Organiſation von Elementar-,
Mittel- und Hochſchulen (ſ. §. 440.).
Die Leitung des Handels hat mehr Schwierigkeiten als die
jedes andern Gewerbszweiges. Darum hat man es in manchen
Staaten vorgezogen, in den Haupthandelsplätzen Collegien von frei
gewählten Gliedern des Handelsſtandes (Handelskammern) zum
Behufe der Berathung in beſondern Fällen der Handelsgeſetzgebung
zu bilden. Was aber die verſchiedenen Handelsarten ſelbſt anbe-
langt, ſo bieten ſie ſich in folgenden verſchiedenen Beziehungen als
Gegenſtände der Staats- und Volksſorge dar:
I. Der Waarenhandel kann 1) ohne gute und gleiche
Maaße und Gewichte nicht gedeihen (§. 323. 324. 453.). Der
Staat muß daher für ein bequemes, wenigſtens im Lande gleich-
förmiges, und unveränderliches Maaß- und Gewichtsſyſtem Sorge
tragen, deßhalb die Urmaaße von einer feſten Größe nehmen und
ſorgſam aufbewahren. 2) Das Zunftweſen iſt beim Handel noch
mehr zu verwerfen, als bei den Gewerken, weil es mehr oder we-
niger ein Monopol begründet. 3) Die Monopolien aber ſind
verwerflich, da ſie die Monopoliſten auf Koſten der Conſumenten
begünſtigen, die Handelsbetriebsgeſchäfte lähmen, den Gewerbseifer
unterdrücken, und die größere volkswirthſchaftliche Vortheilhaftigkeit
eines Handelsgeſchäftes wegen Verbots der Concurrenz verhindern.
II. Der Effectenhandel iſt ſchon ſeit mehr als hundert
Jahren der Aufmerkſamkeit der Regirung im höchſten Grade wür-
dig. Denn, während er für ſich einerſeits der nützlichen Beſchäf-
tigung viele Hände und Capitalien entzieht, iſt er wegen der in
ihm Statt findenden übertriebenen Speculationen äußerſt häufig
der Grund nicht blos wirthſchaftlicher und geiſtiger Zerrüttung
Einzelner, ſondern ganzer Familien (§. 348–350.). Man mag
über die rechtliche Natur der Papiergeſchäfte beliebiger Meinung
ſein2), ſo bleibt ſo viel gewiß, daß es der Staat nicht ungeſtraft
dulden ſollte, wie einige Wenige blos aus ihrem Privatintereſſe
Intriguen, auch der ſchändlichſten Art, zu Hilfe nehmen und, in-
dem ſie den Curs der Papiere heben oder herabdrücken, Tauſende
in Verluſt und Armuth verſetzen.
III. Der Geldhandel, größtentheils Folge der Lebhaftigkeit
der andern Handelsarten, bedarf keiner andern Aufſicht, als jener
auf ein gutes Münzweſen.
IV. Der Einzelhandel bedarf in der Eigenſchaft als Eigen-
handel keiner beſondern Staatsſorge, aber als Commiſſionshandel
bedarf er einer Garantie über die Perſonen und Geſchäftsführung
der Commiſſionaire. Da nun die Mäkler die öffentlichen Commiſ-
ſionaire ſind, ſo iſt eine Mäklerordnung unumgänglich.
V. Der Geſellſchaftshandel oder eine große Handels-
geſellſchaft (§. 352. 3.) hat Alles dasjenige für ſich, was über-
haupt Vereinigungen von Perſonen und Capital zu großen Ge-
werbsunternehmungen für ſich haben, nämlich leichte Betreibung
großer Geſchäfte, Bezug großer Vortheile, bequeme Deckung der
Verluſte, Errichtung großer koſtſpieliger Anſtalten u. dgl. Allein
deßhalb, wie früher geſchah, ſie durch ausſchließliche Privilegien
zu begünſtigen, widerſpricht dem Prinzipe der Gewerbsfreiheit und
der Wirthſchaftspolizei und verurſacht dem Lande alle Nachtheile
der Monopolien (§. 469. I. 3.), und eine Abziehung der Capitalien
und Arbeitskräfte von ihrer natürlichen Anwendung, was natürlich
in manchfacher Hinſicht nachtheilig iſt. Die Geſchäftsverwaltung
bekommt alle Schaden, welche aus der Adminiſtration einer mo-
raliſchen Perſon durch Beamte und Diener verſchiedenen Grades
erwachſen können, nämlich Verſchwendung, Unordnung, Nachläſ-
ſigkeit, aus Mangel an Controle beſonders in fernen Ländern,
[679] Eigennutz und Bereicherungsſucht der Angeſtellten, Veruntreuung
und große Schulden. Am ſchrecklichſten aber ſind die Folgen für
das Land, in welchem die Geſellſchaft ihre Geſchäfte macht, wenn
ihr auch die Staatsverwaltung deſſelben überlaſſen iſt, denn ihr
letztes Prinzip iſt der Monopolsgeiſt, nach ihm muß ſich alles
Gewerbsweſen erzwungen richten, es tritt rückſichtsloſe Ausſaugung
durch Naturalabgaben und Geldſteuern an die Stelle eines erträg-
lichen Steuerſyſtems, Willkühr an die Stelle der Gerechtigkeit in
der Gerichts- und Polizeipflege, Vernachläſſigung der geiſtlichen
und ſittlichen Cultur der Unterthanen folgt von ſelbſt und im
Gefolge von dieſen Verhältniſſen alles wirthſchaftliche und häus-
liche Elend bis zu häufigen Hungersnöthen und verheerenden Krank-
heiten1). Dies hat die Erfahrung bewährt und mit Recht iſt man
gegen das Ertheilen ſolcher Privilegien jetzt in hohem Grade ab-
geneigt. Thun ſich Handelsgeſellſchaften von freien Stücken auf,
ſo wird ihnen der Staat nach Prüfung der Statuten und mit
Erhaltung völliger Handelsfreiheit ſeine Genehmigung nicht ver-
ſagen können.
VI. Der Binnenhandel iſt hier als Klein- und Großhandel
zu betrachten. Wenn derſelbe gedeihen ſoll, ſo iſt die Errichtung
von Wochen- und Jahrmärkten und die Aufhebung aller
Binnenzölle und Abſchließungen zwiſchen Provinzen in jedem
Lande nöthig. Die Meſſen und Börſen mit eigenen Meſſen-
und Börſenordnungen ſind nur in größeren Handelsſtaaten und
Handelsſtädten erforderlich. Ein lebhafter Binnenhandel mit er-
leichterter Communication macht ſie durchaus weniger weſentlich.
Eine beſondere Aufmerkſamkeit der Regirung erheiſcht der Trödel-
und Hauſirhandel gegenüber dem Kramhandel, allein weit
mehr in ſicherheitspolizeilicher als gewerbspolizeilicher Hinſicht
(§. 451.). Denn beide ſind an ſich ſo ehrliche Handelsgeſchäfte
als alle andern, ſie verſchaffen der ärmeren Klaſſe ihren Bedarf
an Kleidern u. dgl. wohlfeil, erſparen ihnen die Beziehung von
Märkten und die damit verknüpften Auslagen, befördern (nament-
lich der Trödelhandel) die Sparſamkeit in allen Ständen, und
halten die zu ſchnelle unproductive Conſumtion auf. Der öftere
mehr oder weniger allgemeine Eifer gegen den Hauſirhandel insbe-
ſondere iſt in der Regel Folge des Brodneides der Krämer, weil
der Hauſirer, zufrieden mit geringem Gewerbsgewinne, ſeine Waa-
ren zum Vortheile der Käufer wohlfeiler gibt. Dieſe Vortheile
des Hauſirhandels ſind entſchieden, und am meiſten bei zerſtreuter
Lage der Wohnplätze; die Nachtheile deſſelben in ſicherheitspolizei-
licher Hinſicht ſind blos möglich; derſelbe muß aber von ſelbſt
[680] verſchwinden, je mehr ſich die Bevölkerung auf dem Lande ver-
dichtet und ſich dann Krämer anſetzen, wie auch die Erfahrung
der letzten paar Jahrzehnte zeigt. Ein Verbot des Hauſirhandels
iſt daher ungerecht, unnütz und dazu noch faſt unausführbar, und
es bleibt die Garantie gegen Sicherheitsſtörung dadurch vermittelſt
des Gebots der Löſung von Hauſirpatenten, aber dann unnach-
ſichtige Strenge gegen die Nichtpatentiſirten das paſſende polizei-
liche Mittel in Betreff deſſelben2). — Für die Kleinhändler bedarf
es keiner weiteren Bildung als des Elementar- und niederen
Gewerbsunterrichts, mit welchem der Lehrling zugleich ſeine
Lehrzeit verbinden kann. Zur Bildung des Großhändlers ſind aber
größere Handelsſchulen nothwendig, weil ſie einen Grad von
Wiſſenſchaftlichkeit erfordert (§. 440.).
VII. Der Zwiſchenhandel iſt begreiflicher Weiſe mit dem
Binnenhandel ſehr nahe verbunden. Für beide, beſonders aber in
einem Lande, das dieſen beſitzt, ſind 1) Poſt-, Fracht- und
Speditionsanſtalten im höchſten Grade vortheilhaft. Allein
der Staat braucht ſich um deren Errichtung nicht zu bekümmern,
weil, wenn ſie ein einträgliches Geſchäft abgeben können, ſich ſchon
von ſelbſt Leute dazu veranlaßt finden. Auffallend iſt es, daß man,
während hierüber in Betreff der beiden Letztern und der Fahrpoſt
kein Zweifel mehr obwaltet, in Betreff der Brief- und Packpoſt
noch das Vorurtheil hat, blos der Staat könne die erforderliche
Garantie gegen Verletzung des Briefgeheimniſſes und wegen der
ſichern Ueberlieferung gewähren, blos er vermöge die Anlage der
Poſtcurſe zu machen und die Verbindung mit dem Auslande zu
erhalten. Einiges Nachdenken zeigt das Gegentheil hiervon. Fer-
nere Mittel zur Hebung des ſehr nützlichen Zwiſchenhandels ſind
2) die Freihäfen, d. h. Häfen, die frei von Einfuhrzöllen ſind;
3) die Niederlagen (Packhöfe, Lagerhäuſer, Entrepôts): 4) die
Privatlager(Entrepôts fietifs), d. h. die Einrichtung, daß
der Kaufmann die eingehenden Waaren in ſein eigenes Lager unter
der Verantwortlichkeit niederlegen darf, daß er, wenn ſie nicht
werden aus dem Lande gehen, den Einfuhrzoll bezahlt. 5) Die
möglichſte Abgabenfreiheit deſſelben, da durch Tranſitozölle
nichts bewirkt, als zum Beſten der Staatskaſſe der Zwiſchenhandel
erſchwert, oder gar zuletzt dem Lande entzogen wird. Bei Anlage
der Straßen- und Brückengelder, Waſſerzölle, Hafengelder u. dgl.
iſt daher der Tranſitohandel ſorgfältig zu bedenken, wenn man aus
finanziellen Gründen ihn nicht ganz frei laſſen kann. Beſtehen
aber Ein- und Ausfuhrzölle und inländiſche Conſumtionsſteuern
für eingehende Waaren, ſo ſind die Tranſitogüter denſelben nicht
[681] unterworfen. Man hat daher die Rückzölle(Draw-backs),
d. h. die Zurückzahlungen der entrichteten Eingangszölle, wenn
die Güter ganz oder theilweiſe das Land wieder verlaſſen, ange-
ordnet und faſt eben ſo bequem gefunden, wie die genannten Nie-
der- und Privatlager.
VIII. Der Colonialhandel iſt ſchon im Alterthume von
hoher Bedeutung geweſen. Die Colonien der Phönizier und
Carthager waren aus Handelsintereſſe geſtiftet. Für die Grie-
chen waren ſie mehr eine freiwillige Ableitung der Bevölkerung,
obſchon der Handel damit in Verbindung ſtand. Die Römer ver-
pflanzten in ihre eroberten Ländereien kraft beſtimmter Staats-
beſchlüſſe Inländer, zu kriegeriſchen Zwecken oder zur Verſorgung
Armer und Entfernung Unzufriedener. Der Urſprung der abend-
ländiſchen neueren Colonien liegt im Streben nach Handelsgewinn,
und erſt in der neueſten Zeit haben unſere Staaten angefangen,
Armen- und Verbrechercolonien anzulegen. Der Beſitz fremder
Producte um geringen Preis, das Acclimatiſiren der Erzeugniſſe
anderer Erdtheile, das Monopol des Colonialhandels, hiermit die
Eröffnung von Productions- und Reichthumsquellen, politiſche
Kraft und Anſehen waren die Triebfedern zum Erwerbe von Co-
lonien. Aus dieſen Urſachen entſprang eine Colonialpolitik, welche
das Ausſchließungsſyſtem auf die Spitze trieb, indem aller Handel
der Colonien mit fremden Ländern ſtreng unterſagt und denſelben
gewiſſe Productionszweige ge- und verboten wurden, ſo daß das
[682] Mutterland allein allen Gewinn aus denſelben zu ziehen und für
ſeine Producte einen vortheilhaften Abſatz zu erhalten ſuchte. Die-
ſes Ausſaugungsſyſtem, verbunden mit unerhörtem Schleichhandel
und ungeheuerem Verwaltungsaufwande ward ſo weit getrieben,
bis endlich Nordamerica den Befreiungskrieg begann und ſiegreich
vollendete. Dieſes welthiſtoriſche Ereigniß machte zuerſt darauf
aufmerkſam, daß die Colonien ein ſehr unſicherer Beſitz ſind, in-
dem mit der Zunahme der Bildung und Selbſtſtändigkeit, mit dem
Gefühle des Beginnes einer Nationalität, und mit dem Steigen
des Reichthums der Drang nach Unabhängigkeit nothwendig in den
Coloniſten von ſelbſt entſtehen muß; und dann zeigte daſſelbe, daß
das Mutterland bei freiem Handel mit den Colonien und möglichſt
ſelbſtſtändiger Verfaſſung und Verwaltung derſelben aus ihnen
einen weit größeren Vortheil bezieht, während es anderſeits alle
Verwaltungskoſten erſpart. Hiernach hat ſich nun die neuere Co-
lonialpolitik ganz zu ändern angefangen1).
IX. Der auswärtige Handel. Dieſer Gewerbszweig iſt
es, in welchen die Staaten von jeher am meiſten fördernd und
hindernd eingegriffen haben. Die verſchiedenſten mercantiliſchen
Einrichtungen beſtehen noch jetzt mit allen den künſtlichen Richtun-
gen, welche ſie in der ganzen Volksinduſtrie hervorgebracht haben.
Eine plötzliche Aufhebung derſelben müßte die größte Verwirrung
und manchfaltiges Elend hervorrufen, weil eine Menge von ge-
ſchehener Arbeit und gemachten Capitalauslagen verloren gehen,
viele Capitalien aus Etabliſſements herausgezogen werden, eine
Menge von Unternehmern in Geſchäfts-, und eine Unzahl von
Arbeitern in Brodloſigkeit gerathen müßten und überhaupt ſämmt-
liche Preisverhältniſſe ſich verändern und Mißverhältniſſe zwiſchen
Bedarf und Anſchaffungsvermögen entſtehen würden. So unver-
nünftig nun eine plötzliche Verwirklichung des Wunſches nach
Handelsfreiheit ſchon in dieſer, und nebenbei erſt noch in ſtaats-
finanzieller Hinſicht ſein würde, ſo ſehr verlangt die Staatsklugheit,
nach den beſondern Staatszuſtänden allmälig durch einen weiſen
Mittelweg dem Ziele der Handelsfreiheit, das übrigens in unſern
Staaten nie verwirklicht werden wird, immer näher zu kommen.
Denn der freie Handel findet nicht blos diejenigen Zweige auf,
worin der einheimiſchen und ausländiſchen Bevölkerung der größte
Dienſt geleiſtet wird, weil der Handelsmann ſich durch die Nach-
frage nach Producten beſtimmen läßt; ſondern er weißt zugleich
der inländiſchen und ausländiſchen Gewerbſamkeit die natürlichſten
und vortheilhafteſten Anlagsarten für Arbeit und Capital am ſicher-
ſten und ungezwungenſten an. Es bedürfen daher folgende Gegen-
[683] ſtände einer beſondern Aufmerkſamkeit der auswärtigen Handels-
politik: 1) die Ein- und Ausfuhrprämien2) zur Begünſtigung
des Ein- oder Ausfuhrhandels mit gewiſſen Gewerbsproducten, alſo
eigentlich zur Begünſtigung gewiſſer Arten von producirenden Ge-
werben. Können ſolche Gewerbe die Concurrenz des Auslandes
nicht ertragen oder bedürfen ſie, um angefangen zu werden und
beſtehen zu können, ſolcher Begünſtigungen, dann iſt dies ein
ſicheres Zeichen, daß weder Zeit noch Umſtände für ſie ſind. In
dieſem Falle iſt die Bewilligung von Prämien an ſich und als Be-
raubung des größten Theils der Bevölkerung zu Gunſten von
Wenigen, die es dazu auch nicht verdienen, ganz verwerflich, in
jedem andern Falle aber wären ſie es noch mehr. Einmal bewil-
ligte Prämien dürfen aber nicht plötzlich aufgehoben werden, weil
dadurch die auf ſie hin gemachten Etabliſſements bis zum Unter-
gange Noth leiden würden. 2) Die Handelsconſulate in den
Haupthandelsplätzen des Auslandes. Sie ſind ein weſentliches,
äußerſt nützliches Beförderungsmittel des auswärtigen Handels,
als Unterſtützung der inländiſchen Kaufleute an fremden Plätzen
und zum gegenſeitigen Verſtändniſſe der Regirungen in Handels-
ſachen. 3) Die Handelsverträge mit auswärtigen Staaten3).
Bezwecken und bewirken ſie auf irgend eine Art die Erleichterung
und Befreiung des gegenſeitigen Handels, ſo können ſie nur för-
derlich ſein. Haben ſie, wie früher, die Ausſchließung gewiſſer
Artikel oder anderer Länder vom Handel zum Zwecke, ſo ſind ſie
verwerflich. Unter dieſem letzteren Geſichtspunkt kann es aber
nicht gerechnet werden, wenn die Einfuhr von Gegenſtänden, die
zu Regalien gehören, verſagt, von den eingehenden Waaren die
im Lande gewöhnliche Conſumtionsabgabe verlangt, und gewiſſe
bisher durch Einfuhrzölle mercantiliſch geſchützte Gewerbe fernerhin
auch noch durch Eingangsabgaben geſchützt werden4). 4) Die
Ein- und Ausfuhrzölle. Da der erſte Grund des Mercantil-
ſyſtems für die Anlage von ſolchen Zöllen, nämlich die Bewirkung
einer günſtigen Handelsbilanz, auf einer ganz falſchen Anſicht
vom auswärtigen Handel beruht (§. 435. 2), ſo bedarf es hier
keines Beweiſes, daß deßhalb keine Zölle angelegt werden ſollen
und daß, wenn dies geſchieht, das wahre Handelsgleichgewicht ge-
ſtört wird, indem für jede erſchwerte oder verbotene Aus- und
Einfuhr entſprechend eine Ein- und Ausfuhr abnimmt oder ganz
ſtockt. Da ferner der zweite Grund für die Erhebung der Zölle,
nämlich um einen bedeutenden, ja den größten Theil der Staats-
einnahmen aus ihnen zu ziehen, erſt in der Finanzwiſſenſchaft er-
örtert werden kann, ſo bleibt hier nur der dritte Grund derſelben,
[684] nämlich Schutz und Begünſtigung des inländiſchen Gewerbsweſens
und Leitung der vaterländiſchen Conſumtion hier zu erwägen übrig.
a) Die Ausfuhr von Urproducten wird durch Zölle erſchwert,
entweder um die Kunſtgewerbe, welche ſie verbrauchen, zu begün-
ſtigen (z. B. Wolle, Haare, Flachs, Hanf, Gold und Silber,
andere Metalle, Taback u. ſ. w.) oder aus Furcht vor einem Man-
gel an ſolchen, die zu den gewöhnlichen Bedürfniſſen gehören (z. B.
Vieh, Getreide). Erſteres iſt eine ungerechte Benachtheiligung
der einen Gewerbsklaſſe zum Vortheile der andern, indem dadurch
aus unverhältnißmäßigem Angebote eine bedeutende Erniedrigung
der Preiſe veranlaßt wird, ſo daß nur zwiſchen Verluſt und Ver-
laſſen des betreffenden Urgewerbes die Wahl übrig bleibt, alſo im
günſtigſten Falle eine Mißleitung von Arbeit und Capital erfolgt.
Aus dem zweiten Grunde gingen die Korngeſetze5) hervor. Die
Erſchwerung der Kornausfuhr hat aber jedenfalls die ſo eben an-
gegebenen Folgen für die Gewerke und die genannten Nachtheile
für den Feldbau, welcher im günſtigen Falle dann dem Wieſen-
und Weidenbaue für Erweiterung der Viehzucht weichen muß (wenn
die Viehausfuhr nicht auch erſchwert iſt), ſo daß die beabſichtigte
Wohlfeilheit des Getreides nicht nur nicht erreicht wird, ſondern zu-
folge der erſchwerten Ausfuhr Getreidemangel entſtehen kann. Die-
ſelbe, als Maaſregel gegen Getreidemangel betrachtet, iſt in getreide-
reichen Ländern ganz unnöthig und jedenfalls ſchädlich; in Ländern
von weniger günſtiger Getreideproduction, aber von der Lage und
Beſchaffenheit, daß Getreide leicht eingeführt werden kann, gilt
dies ebenfalls; in Ländern endlich, denen auch dieſe letzte Wohlthat
fehlt, bleibt freilich blos die Wahl zwiſchen Erſchwerung der Korn-
ausfuhr und den oben (§. 459.) erwähnten Mitteln. Ob bei der
Wahl der Erſteren die Kornausfuhr permanent oder blos momentan
und wie ſehr erſchwert werden ſoll, bedarf einer beſondern ſorg-
ſamen Erwägung nach den ſpeziellen Verhältniſſen. Im erſten
Falle wird bei einem gewiſſen Preiſe die Ausfuhr entweder ganz
unterſagt oder ſie bleibt geſtattet, aber der Ausfuhrzoll ſteigt mit
dem Preiſe. b)Die Einfuhr von Urproducten wird erſchwert,
um die Urgewerbe zu begünſtigen. Dies begründet für dieſelben ein
Monopol zum Nachtheile der Conſumenten und der Gewerke, und
erleidet daher alle Einwendungen gegen dieſes (§. 469. 3.). Der
Einfuhrzoll erhöht den Waarenpreis. Wenn die Urproducenten die
Concurrenz der Ausländer nicht ertragen können, ſo kann dies von
Mängeln im Gewerbsbetriebe, von äußern Hinderniſſen oder von
geringer Wirkſamkeit der Natur herrühren, weßhalb man vorerſt
die beiden erſteren Hinderniſſe heben muß, während beim dritten
[685] Mangel die Frage entſteht, ob die betreffenden Gewerbe wichtig
genug ſind, um einen ſolchen Schutz zu verdienen. Insbeſondere
gehören hierher die Getreideeinfuhrzölle, welche bloß nach
dieſen Sätzen zu beurtheilen ſind. Führt man ſie ein, ſo beſtimmt
man in der Regel, daß der Zoll im Verhältniſſe des Sinkens der
Preiſe ſteigt. Allein alle dieſe künſtlichen Leitungen (a u. b) ſind
mit ſo vielen Schwierigkeiten verbunden und deßhalb ſo ſelten
treffend, daß der natürliche Weg der Handelsfreiheit immer der
vorzüglichere bleiben wird, ſo lange nur irgend andere Mittel zur
Beſeitigung einer Gefahr vorhanden ſind. c) In Anſehung der
Aus- und Einfuhrzölle von Gewerkswaaren gilt gerade das
bisher Geſagte, nur ſtellt ſich das Verhältniß zwiſchen den Kunſt-
und Urgewerben umgekehrt, aber die Conſumenten leiden jedenfalls
auf der einen oder andern Seite. Dient ein Gewerkserzeugniß
einem andern Gewerke wieder als rohes Material, dann wirkt der
Zoll, wie jener auf Urproducte6). Es geht aber aus dieſen
ſämmtlichen Erörterungen hervor, a) daß Handelsfreiheit der na-
türlichſte und nützlichſte Zuſtand der Länder iſt, da die Länder von
der Natur wechſelſeitig ſchon auf einander wegen ihrer eigenthüm-
lichen Erzeugniſſe angewieſen ſind; b) daß das Abhaltungs- oder
Prohibitivſyſtem, d. h. das Verbot aller Einfuhr oder die verbots-
ähnliche Erſchwerung derſelben, mit Ausnahme von Gütern, die
dem innern Gewerbsbetriebe als Rohmaterial dienen, in der Ab-
ſicht, im Lande alle Productionszweige hervorzurufen, ſchon dem
Zwecke nach, dann aber auch wegen ſeiner Koſtſpieligkeit, des
Schleichhandels und der ſchlimmen Folgen auf die Sittlichkeit des
Volkes, durchaus verwerflich iſt (ſ. oben 1 u. 3); c) daß mäßige
ſchützende Zölle, wenn ſie bisher beſtanden, Gewerbe im Lande
hervorgerufen und erhalten haben, noch behalten werden müſſen,
um ſie allmälig, ohne die Unternehmer in plötzlichen Schaden zu
ſetzen, erniedrigend aufzuheben.
X. Der Landhandel bedarf, wenn er die für den Volks-
wohlſtand nöthige Blüthe erreichen ſoll, guter Landſtraßen1)
und Brücken2). Ihre Errichtung obliegt, wenn ſie nicht Privat-
unternehmung von Geſellſchaften, wie jetzt allein in England bei
einigen Straßenzügen, ſind, dem Staate und den Gemeinden. Bei
ihrer Anlage iſt von Wichtigkeit ihre Richtung (Trace, Zug),
ihre Bauart, ob Steinwege, oder Pflaſter, oder Eiſenbahnen3),
die Erhaltung in gutem Stande, weßhalb ein Straßenbauperſonale
erfordert wird, und die Hinſtellung verſchiedener Nebenanſtalten an
Straßen, als Weg- und Meilenzeiger, Wehren u. dgl.
XI. Der Waſſerhandel oder die Schifffahrt hängt zu-
nächſt ab 1) von dem Vorhandenſein der natürlichen Waſſer-
ſtraßen, nämlich der Meere mit ihren verſchiedenen Unterſtützungs-
anſtalten, als Leuchtthürmen, Feuertonnen, Baken, Baien, Flag-
gen und Lootſen, Häfen mit eigener Polizei, Deichen, Krahnen
u. dgl., der Flüſſe und Ströme in möglichſt fahrbarem Zuſtande,
mit Leinpfaden, Ueberwinterungshäfen u. dgl.; 2) von der Errich-
tung künſtlicher Waſſerſtraßen oder Kanäle, wo dieſelben
nothwendig oder nützlich, von einem lebhaften Handelszuge begün-
ſtigt, nach der Art des Bodens leicht anzulegen, und gut mit
Waſſer zu verſehen ſind4); 3) von der möglichſten Befreiung der
Schifffahrt von hemmenden Abgaben und Gerechtſamen anliegender
Städte, nämlich Waſſerzöllen5), Stapel- und Umſchlags-
[688]rechten6). 4) Von der Erhaltung der freien Concurrenz unter
den Schiffern des eigenen Landes und des Auslandes, alſo von
Aufhebung der Schiffergilderechte und Prohibitiv-Schiff-
fahrtsgeſetze7). Endlich 5) von der Errichtung von Seeaſſe-
curanzen, ſtrenger Aſſecuranzrechte und Regulirung des Strand-
rechtes (§. 358.).
Die Staatswirthſchaftslehre (Finanzwiſſenſchaft) iſt die
Wiſſenſchaft von der Wirthſchaft des Staats (§. 44.), d. h. die
wiſſenſchaftliche Darſtellung der Grundſätze und Maximen, nach
welchen der Staat, gegenüber dem Volke, ſein für ſeine Bedürf-
niſſe nöthiges Einkommen auf eine die Bürgerrechte und den Volks-
wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe am ſicherſten, vollſtän-
digſten und wenigſt koſtſpieligen erwerben, zu den Zwecken des
Staatshaushaltes am ſicherſten bereit halten und inſoweit verwen-
den ſoll, als die Verwendung in das Gebiet der Wirthſchaft ge-
hört (§. 40. I. N. 2.). An dieſer Wiſſenſchaft hat ſich mehr als
an jeder andern gezeigt, nicht blos wie ſchwer ſich eine ſolche aus
der Praxis hervorbildet, ſondern auch wie unumgänglich dieſer
Entwickelungsgang iſt und wie unpaſſend theoretiſche Erörterungen,
ſogenannte wiſſenſchaftliche Begründungen, ſich im Staatsleben
darſtellen. Dieſelbe iſt vorherrſchend praktiſch und es iſt zu wün-
ſchen, daß ſie ſich immer mehr in dieſer Weiſe befeſtige1). Ein
Blick auf das Alterthum findet zwar keine finanzwiſſenſchaftlichen
Baumſtark Encyclopädie. 44
[690] Werke, noch weit weniger als über die Volkswirthſchaft, aber es
ſcheint doch auch hier Behutſamkeit nöthig zu ſein, ehe man, wie
bisher aus wiſſenſchaftlichen Gründen geſchah, jenen Staatsmän-
nern ſo geradezu faſt alle finanzielle Einſicht abſpricht. Auch hierin
ging Alles einen rein nationalen Weg, und es ſollte, wenn wir
bei den alten Völkern finanzielle Mißgriffe bemerken, uns zuerſt
die unüberſehbare Menge von Fehlern der ſpäteren Regirungen in
dieſer Beziehung wenigſtens im Urtheile mild machen, wenn wir
auch wirklich das zur Beurtheilung ihrer Finanzſyſteme Nöthige
wüßten2). Was den Weg anbelangt, welchen ihre Finanzgeſchichte
nahm, ſo iſt er von dem der ſpätern Völker nicht verſchieden,
denn auch bei ihnen finden wir ein Dienſt-, Domänen- und Na-
turalabgaben-, Regalien- und Geldſteuerſyſtem auf einander folgen,
aber ſo viel als nur möglich an die Volkscharaktere anſchließen.
In jedem dieſer Syſteme treten bei ihnen dieſelben Verwaltungs-
arten, wie in den ſpäteren abendländiſchen Staaten auf und ein
Blick auf die Steuerſyſteme jener und unſerer ſpäteren Zeiten iſt
wenigſtens in keinem Falle geeignet, unſere Regirungen bei den
weit größeren und manchfaltigeren zu Gebote ſtehenden Hilfsmit-
teln, als ſie die Alten hatten, in ein beſonders glänzendes Licht
zu ſtellen. Was die abendländiſchen neueren Staaten vor den
Alten beſonders hochſtellen ſoll, das iſt der Umſtand, daß dieſelben
aus dem Finanzweſen auch eine Wiſſenſchaft gemacht haben. Wie
dies allmälig geſchah, iſt bereits oben (§. 7 folg.) überſichtlich
gezeigt und es geht daraus hervor, daß erſt mit dem Smith'ſchen
Syſteme (§. 31. 397.) die Finanzwiſſenſchaft beginnt3). Allein
wunderlich muß es immer ſcheinen, daß man an einer ſolchen
Wiſſenſchaft, für welche man geradezu aus der Geſchichte ſchöpfen
muß, wenn etwas wahrhaft praktiſch Erſprießliches geleitet wer-
den ſoll, durch Ausſpinnung der Smith'ſchen Prinzipien fort-
cultivirte, anſtatt, worauf A. Smith ſelbſt genug verweist, ihr
durch eine Bearbeitung der Finanzgeſchichte4) eine praktiſche
feſte Baſis zu geben. Denn die wahre Finanzwiſſenſchaft kann nur
aus der Finanzgeſchichte mit beſtändigem Entgegenhalten der na-
tionalöconomiſchen Prinzipien, aber nicht blos durch das Streben,
dieſe allein in die Finanzwiſſenſchaft überzutragen, welches von
jeher geſcheitert iſt, geſchaffen werden5). Sie bildet mit der
Nationalöconomie und Statiſtik die Haupthilfswiſſenſchaft
für die Finanzverwaltung6), während die philoſophiſche und poſi-
tive Staatswiſſenſchaft und die Gewerbslehre nur die
Linien ziehen, nach welchen die Letztere die finanzwiſſenſchaftlichen
Sätze auszuführen hat.
Die Staats-Erwerbswirthſchaftslehre oder Finanz-
wiſſenſchaft im engeren Sinne (auch Finanzwirthſchaftsl.) lehrt blos
die theoretiſchen Grundſätze des Staatserwerbes an ſich, ohne
Rückſicht auf den Zweck der Verwendung der Staatseinkünfte, auf
die Aufſtellung eines Syſtems der Finanzverwaltung oder auf den
Zuſammenhang der einzelnen Zweige derſelben.
Man hat es vielfach verſucht, der Finanzwirthſchaft unum-
gängliche Geſetze zu Grunde zu legen und nahm ſie von verſchie-
denen Seiten her, von wo ſie dictatoriſch verlangt werden, aber
deßhalb mit dem Finanzprinzipe im geradeſten Widerſpruche ſtehen.
So hat man vereinzelt bei verſchiedenen Schriftſtellern folgende
Grundſätze aufgeſtellt gefunden: 1) Den Grundſatz der unbeding-
ten Gerechtigkeit, kraft deſſen jede Finanzmaaßregel abſolut
verwerflich erſcheint, welche nur im Geringſten den Einzelnen in
ſeinem Rechtsgebiete ſtört1). Allein eine ſolche Forderung, ſo
nothwendig ſie auch ſcheint, iſt unmöglich zu erfüllen; denn Un-
gleichheiten und Unregelmäßigkeiten in der Vertheilung der Staats-
laſten und Erhebung des Staatseinkommens ſind unvermeidlich,
bei zu kleinlicher Berückſichtigung jedes Einzelnen iſt keine Sicher-
heit vorhanden, daß der Staatszweck der Geſammtheit nicht leide,
und die Finanzwirthſchaft bringt die letzten zur Staatsexiſtenz
unerläßlichen Mittel herbei, weßhalb leicht und oft der Fall ein-
treten muß, daß der Einzelne ſeine Rechtsanſprüche dem Allgemei-
nen aufopfern muß2). 2) Den Grundſatz der Volkswirth-
ſchaft, d. h. Schonung der Quellen des Wachsthums des Natio-
nalvermögens, Zweckmäßigkeit und Sparſamkeit in den Finanz-
anlagen3). Allein das Finanzprinzip, nämlich dem Volkseinkom-
men Theile für öffentliche Zwecke zu entnehmen, ſteht in directem
Widerſpruche mit dem Grundſatze der Nationalöconomie. Dieſer
würde, in ſeiner vollen Ausdehnung angewendet, überhaupt for-
[694] dern, daß der Volkswirthſchaft keine der Güterquellen geſchmälert
oder ganz entzogen werde, damit die Production nicht leide, fer-
ner daß durch die Finanzmaaßregeln keine Gewerbsklaſſe vor der
andern benachtheiligt oder bevortheilt werde, ferner daß die Fi-
nanzgeſetze keine ungleichmäßige Gütervertheilung begünſtigen oder
veranlaſſen, dann daß ſie der Gewerbsfreiheit nicht in den Weg
treten, und endlich daß durch die Finanzanſtalten die Conſumtion
nicht erſchwert oder beſchränkt werde. Allein ein Blick auf die
Finanzverwaltung zeigt, daß ſchon durch die beſte Beſteuerung des
Reinertrags die Capitalanſammlung und Conſumtion gehemmt und
wegen Mangel an Genauigkeit in der Ermittelung der Steuer-
objecte eine Gewerbsklaſſe oder ein Bürger vor dem andern begün-
ſtigt, durch Verausgabung des Staatseinkommens, ſelbſt bei der
kleinlichſten Sparſamkeit, in die Vertheilung des Volkseinkommens
eingegriffen wird, daß das Aufgeben des Betriebes mancher Ge-
werbszweige, z. B. der Domänenwirthſchaft, der Forſtwirthſchaft
u. dgl., wodurch der Staat die Gewerbsfreiheit mehr oder weniger
hemmt, in den meiſten Fällen unthunlich iſt4). 3) Den Grund-
ſatz der Wohlfeilheit, d. h. möglichſt geringen Aufwand für die
Staatszwecke und Lieferung der Staatsvortheile für den Bürger
um den möglichſt billigen Preis5). Allein dieſe Forderung iſt kein
Grundſatz, ſondern eine bloße Maxime, bei welcher der Finanz-
verwaltung noch ein ſehr weiter Spielraum gelaſſen wird6). Und
durch den manchfaltigen Anſtoß, welchen die übrigen Prinzipien in
der Wirklichkeit erleiden, entſteht eine Neutraliſirung, ſo daß ſie,
beim wahren Lichte betrachtet, nur als Maximen erſcheinen können,
von denen in beſonderen Fällen abgewichen werden darf7). Auf
dieſe Weiſe geſellt ſich dann nothwendig zu jenen drei Maximen
noch 4) jene der Sicherheit, nicht blos in Beziehung auf das
ſchon im Beſitze des Staats befindliche Vermögen und Einkommen,
ſondern auch in Betreff der nationalöconomiſchen Güterquellen,
deren Nachhaltigkeit, ſchon nach dem Finanzintereſſe, möglichſt be-
wahrt werden ſoll.
Nach den ſo eben angegebenen Maximen iſt die Zweckmäßigkeit
der verſchiedenen Arten des Staatserwerbs zu beurtheilen, allein
man hat ſich in deren Beurtheilung vor einem theoretiſchen Ab-
ſprechen, ohne Hinblick auf die praktiſchen Staatsverhältniſſe, zu
hüten. Denn es kann Manches nationalöconomiſch ſeine Richtig-
keit, aber doch unberechnete Hinderniſſe im praktiſchen Staatsleben
haben. Die Finanzgeſchichte zeigt, daß die Art der Befriedigung
der Staatsbedürfniſſe mit der Ausdehnung dieſer Letzteren und mit
der Entwickelung des Volks- und Staatslebens wechſelt. Ehe man
alſo über die Vorzüge der einen oder andern Methode abſpricht,
müſſen wenigſtens dieſe Umſtände erwogen werden. Man unter-
ſcheidet folgende verſchiedene Arten des Erwerbs und Einzugs der
Staatseinkünfte:
A. In Betreff des Erwerbs iſt die Verſchiedenheit vorhanden,
daß die Staaten entweder aus Gewerbsbetrieb oder aus dem
Beſteuerungsrechte oder aus der Benutzung ihres Kredits
Einkünfte beziehen. Die erſte Art, am ausgedehnteſten in noch
[696] wenig entwickelten Staaten zu finden, ſetzt voraus, daß der Staat
jedenfalls Arbeit, Grund und Boden und ein eigenes ſtehendes
Capital gewerblich anwendet, indem er entweder mit den Bürgern
frei concurrirt oder ſie von Gewerben, die er ſich allein zu wirth-
ſchaftlichem Vortheile vorbehalten hat (Finanzregalien), aus-
ſchließt. Die zweite Art, ſchon eine höhere Culturſtufe des Staats
vorausſetzend, unterſcheidet die Staatswirthſchaft weſentlich von
der Privat- und Gemeindewirthſchaft (§. 383.), und hat das Ei-
genthümliche, daß ſie kein ſtehendes Capital und keinen Grund und
Boden braucht, ſondern blos Arbeit zur Erhebung und Verwaltung
nöthig hat, die Staatseinkünfte blos als umlaufendes Capital oder
Conſumtionsvorrath in Circulation erhält und die freie Concurrenz
im Gewerbsweſen nicht ſtört. Die dritte Art endlich, erſt bei
der höchſten Ausbildung des Staatsweſens im Gebrauche, hat das
Gute, daß ſie nur dort Einkünfte erhebt, wo ſich Vermögen in
hinreichender Menge angeſammelt findet, und hat im Uebrigen die
Vortheile der zweiten Art. Man könnte hiernach in Verſuchung
gerathen, die Erſte für unbedingt für verwerflich zu erklären und die
Letzte unter allen Dreien vorzuziehen. Aber um die durch die
Letzte eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, bedarf man
immer eine der beiden erſteren Arten, und die erſte Art iſt ſehr
häufig aus polizeilichen und ſtaatsrechtlichen Gründen nicht nach
Belieben zu entfernen. Das Nähere darüber wird im nächſten
Buche erörtert.
B. In Betreff des Einzugs gibt es ein Natural- und ein
Geldwirthſchaftsſyſtem, je nachdem der Staat ſeine Einkünfte in
Natur oder in Geld erhebt. Das Erſtere iſt von der oben ge-
nannten erſten Erwerbsart unzertrennlich und findet ſich zuweilen
auch bei der zweiten Art. Der Staat verwickelt ſich dadurch in
alle Müheſeeligkeit, Koſten und Gefahren der längeren Aufbe-
wahrung und macht daher ſein Einkommen und die Befriedigung
ſeiner Bedürfniſſe im höchſten Grade unſicher, was bei dem Geld-
ſyſteme nicht der Fall iſt. Es wird aber natürlich dabei voraus-
geſetzt, daß der Verkehr ſchon ſo weit gediehen und der Gebrauch
des Geldes ſo allgemein iſt, daß man das Letztere einführen kann.
In dieſem Falle zerfällt die gewöhnliche Einwendung für das
Naturalſyſtem, daß der Bürger leichter in Natur als in Geld
Abgaben bezahle, ganz als unhaltbar und mit dem Staatsvortheile
nicht übereinſtimmend, in ſich ſelbſt.
Sämmtliche Urgewerbe des Staats ſind von der Art, daß er,
frei mit den Bürgern, Geſellſchaften und Gemeinden concurrirend,
ſie mit eigenem Vermögensfonds an Boden, Gebäuden, Geräth-
ſchaften, privatrechtlichen Gerechtſamen, Güter- und Geldvorräthen
(Betriebsfonds) betreibt. So wenig es auch den Anſchein hat,
ſo übt der Staat dennoch wegen des in der Regel ſehr ausgedehn-
ten Betriebes und wegen der Menge von verkäuflichen Producten,
worin ihm leicht nicht Jemand nahe kommt, eine Art von Monopol
aus. Jedenfalls wird durch das Staatseigenthum der National-
wirthſchaft ein bedeutender Fonds entzogen, und es liegt im Staats-
intereſſe, alsdann die Gewerbsfreiheit zurückzuhalten, ſo lange der
Staat ganz oder größtentheils durch dieſe eigenen Einkommens-
quellen vom Volke unabhängig iſt. Allein aus dieſen Gründen er-
ſcheint dieſer Gewerbsbetrieb im Allgemeinen noch nicht für ver-
werflich, weil es auf den Staatszuſtand ankommt. Die Befriedi-
gung der Staatsbedürfniſſe iſt nur in früheren Zeiten durch dieſe
Erwerbsquellen allein möglich, und dieſer Zuſtand verleiht ſicher-
lich der Regirung eine große Unabhängigkeit von der Nation, die
aber leider zu leicht auch in Unbekümmertheit übergehen kann.
Mit dem ſteigenden Staatsbedarfe ſchleichen ſich die Steuern und
Schulden von ſelbſt ein, und ſetzen die Regirung in immer größere
Abhängigkeit vom Volke, das ſtets mehr ſeinen rechtlichen Anſpruch
auf allſeitige Beförderung ſeines Wohles (die wahre Volksſou-
verainetät) geltend macht.
Der Staat kann eigene Bergwerke beſitzen und dieſelben be-
treiben. Der Bergbau bietet mehrere Verſchiedenheiten von den
andern Gewerben dar. Nämlich die Grundrente gelangt nicht an
[698] den Grundeigenthümer, da der Bergbau nicht vom Grundeigen-
thümer abhängt; derſelbe iſt an eine beſtimmte Oertlichkeit fixirt,
man iſt nicht im Stande, nach freiem Willen die Ausbeute zu ver-
mehren, da er nur das von der Natur Gegebene fördert; der Be-
trieb iſt nicht ſo theilbar, das nöthige Capital nicht ſo klein, die
Nothwendigkeit, einſtweilen Verluſte zu tragen, nicht ſo ſelten und
unbedeutend und die erforderliche Bildung nicht ſo gering, daß ein
Jeder ſich demſelben widmen könnte1). Aus dieſen Gründen der
Verſchiedenheit ergibt ſich ſogleich, daß der Staatsbergbaubetrieb
nicht wie der eines jeden andern Gewerbes betrachtet oder verwor-
fen werden kann, beſonders da es ſich dabei um die Lieferung von
ſehr nothwendigen und nützlichen Producten handelt (§. 431.).
Es concurrirt daher in dieſen Fragen ſchon das finanzielle mit dem
nationalöconomiſchen Prinzipe. Die finanzielle Klugheit mißräth
den Fortbau von Bergwerken, welche keinen Gewinn geben, das
nationalöconomiſche aber, mehr den Rohertrag in Betracht ziehend,
mißräth blos denjenigen, welcher das Product nicht ſo wohlfeil,
als das Ausland, liefert, es gebietet die Erwägung, daß beim Fort-
betriebe alsdann das Capital doch inländiſche Arbeit beſchäftige,
dagegen beim Verlaſſen der Grube größtentheils verloren gehe,
und daß ſie nach einiger Zeit der Zubuße wieder mit Ausbeute ge-
baut werden2) könne und zeigt Fälle, in welchen der Fortbetrieb
ſelbſt mit Verluſt einige Zeit nothwendig iſt (obigen §.). Es iſt
daher ein Unterſchied zu machen zwiſchen dem Bergbaubetriebe ohne
finanziellen Gewinn und ſolchem mit Verluſt3), und es bleiben
alſo für den erſten Fall immer noch die Fragen über die beſte
Betriebsart zu beantworten. 1) Gegen den Selbſtbetrieb
wendet man ein: die Verwerflichkeit alles monopoliſtiſchen Drucks,
die größere Zweckmäßigkeit des Privatbetriebs, die vortheiligere
Verwerthung der Producte durch Privatunternehmer, die Ueber-
häufung des Staats mit vielen Nachtheilen eines großen Geſchäfts-
details und Aufwandes, die Luſt der Staatsbergbeamten nach Ver-
ſuchen und Bauten, die keinen Nutzen, aber Schaden bringen,
und die aus der übertriebenen Werthſchätzung der Edelmetalle her-
vorgehende falſche Meinung der Staaten, daß der Betrieb auch
ohne Gewinn der Metalle ſelbſt willen fortgeſetzt werden müſſe4).
Allein die beiden letzten Gründe verlieren in unſere Zeit alle
Kraft; die genannte Ueberhäufung kann zwar nicht geläugnet wer-
den, allein zur Verhütung von Monopolien und Uebervortheilungen
beim Verkaufe ſo wie zur Erleichterung des Berghandels ſind die
Berghandlungen ſehr zweckdienliche Inſtitute; bei dem Staatsberg-
baue findet wegen des Baues mehrerer Bergwerke eine Combination
[699] und Ausgleichung Statt, welche die Einträglichkeit der Capitalien
zuſammengenommen und die Möglichkeit des ſchadloſen Fortbaues
weit mehr ſichert, als dies in Privathänden bei jener Vereinzelung
der Fall iſt5). 2) Für die Verpachtung hat man geltend ge-
macht: das Verſchwinden obiger Nachtheile des Selbſtbetriebs und
die Befreiung eines umlaufenden Capitals, welches der Staat
früher in den Bergbau verwendete, aber jetzt anders nutzbringend
anwenden kann. Allein ſie iſt nur anwendbar, wo ſich Kenner,
Liebhaber und Capitaliſten für ſolche Unternehmungen finden, je-
denfalls nur bei Bergwerken, von deren Ertrage man hinreichende
ſichere Kenntniß und Vermuthungen hat, und bei kleinen verein-
zelten Betrieben6). Aus dieſen verſchiedenen Erörterungen möchte
ſich nun ergeben, daß die meiſten Umſtände 3) für die Verlei-
hung an Gewerkſchaften (§. 122.) ſprechen, denn dieſe Me-
thode vereinigt die Vortheile des Staats- und Privatbetriebs,
indem der Staat die Oberaufſicht behält, den Betrieb leitet, Frei-
kuren vorbehält, die für ihn brauchbaren Metalle zu einem be-
ſtimmten Preiſe den Gewerkſchaften abnimmt, und zuweilen auch
für die großen Capitalauslagen ſorgt, wofür er mehrere Abgaben,
als Zehnten, Stollenneuntel, Rezeß- und Quatembergelder, Poch-
und Hüttenzins u. dgl. bezieht7). Welche dieſer Betriebsarten
man aber auch wählen mag, ſo wird darnach die Wirthſchaft an-
dere Regeln zu befolgen haben. Nämlich a) bei dem Selbſtbe-
trieb darf nur nach den bergmänniſchen Grundſätzen und Regeln
verfahren werden. b) Bei der Verpachtung iſt die Fertigung
des Pachtcontraktes das Wichtigſte, und es iſt dazu nothwendig
ein Pachtanſchlag, eine vollſtändige bergmänniſche Beſchreibung
des Bergwerkes ſammt ihrem Zugehör, eine Ermittelung des Er-
trags im Durchſchnitte mehrerer Jahre, eine Wahrſcheinlichkeits-
berechnung der Dauer des Bergwerkes oder die Ermittelung der-
jenigen Periode, innerhalb welcher der Pachter ſein Capital ſammt
Zins erſtattet haben kann, und Beſtimmungen über Quantität und
Qualität des Pachtzinſes8). c) Bei der Verleihung (Admo-
diation) entſchlägt ſich der Staat der Gemeinſchaft mit dem ſpezi-
ellen Geſchäftsdetail. Die wichtigſten Punkte ſind die geſchärfte
Aufſicht und die verſchiedenen Leiſtungen der Gewerkſchaft, deren
Abſchaffung, weil ſie den Ertrag bedeutend und unverhältnißmäßig
ſchmälern, immer wenigſtens wünſchenswerth iſt9).
Landgüter (Domänen, Kammergüter, Kaſten- und Chatoull-
güter, oder wie man ſonſt, ohne weiter zu unterſcheiden, dieſelben
nennt) beſitzt der Staat als Eigenthum oder ſie ſind unter dem
Vorbehalte des Letztern vom Fürſten den Staatsdomänen zur Ver-
waltung einverleibt (§. 207.). Sie erſcheinen der Finanzwirth-
ſchaft als etwas Gegebenes, mit welchem ſie zu wirthſchaften hat,
um daraus den möglichſt großen Vortheil zu ziehen. Die Unter-
ſuchung, welche hier darüber Statt finden ſoll, hat ſich daher
über die beſte Bewirthſchaftungsart derſelben zu verbreiten. Da
aber mit denſelben verſchiedene Gerechtſame verbunden ſind, ſo
ſcheidet man die Fragen in zwei Hauptabtheilungen, wie folgt1).
A.Bewirthſchaftung der Staatslandgüter ſelbſt. Es
gibt auch verſchiedene Arten derſelben, und die haben Manches
gegen und für ſich (§. 209.). 1) Die Selbſtbewirthſchaftung
auf Staatsrechnung hat als Nachtheile gegen ſich: den geringen
Ertrag und großen Aufwand als Folge des Mangels an Aufſicht
und Intereſſe der Beamten für den Betrieb und der Unthunlich-
keit, die Verwalter für alle Fälle und Ereigniſſe mit nöthigen und
genügenden Verhaltungsbefehlen zu verſehen, ferner die Auslage
[702] eines großen Capitals aus der Staatskaſſe, das Unterbleiben oder
wenigſtens unſorgſame Leiten nöthiger Verbeſſerungen von Seiten
der Verwalter oder aus Mangel an Capital zur gehörigen Zeit
und die völlige Unthunlichkeit der Adminiſtration kleiner vereinzelter
Güter. Sie iſt daher nur noch bei Gütern, deren Ertrag meiſtens
aus Gefällen beſteht, bei Domänen, die eines größern Capitals
zur Wiederherſtellung ihres guten Zuſtandes bedürfen, als ein
Privatwirth aufwenden könnte, bei Muſtergütern, und bei Gütern,
die den landesherrlichen Hofhalt umgeben, angewendet2). 2) Für
die Zeitpacht ſpricht im Allgemeinen die Beſtimmtheit des Ein-
kommens für die Staatskaſſe, die Befreiung des Staats von allen
Einzelheiten der Bewirthſchaftung und Gefällerhebung, ſo wie
außerdem von allen Nachtheilen der Selbſtverwaltung und die
Sicherheit der Staatskaſſe vor allen ſchlimmen Wechſelfällen des
Ertrags. Dagegen aber wird eingewendet die Häufigkeit und
Leichtigkeit der Gutsverſchlechterung durch die Zeitpächter, der
Ausſchluß der Staatskaſſe von den Vortheilen, welche dem Unter-
nehmer durch günſtige Verhältniſſe im Reinertrage bereitet werden,
und die leicht mögliche Bedrückung der Gutsunterthanen durch die
Pächter, wenn dieſe zugleich die bäuerlichen Leiſtungen zu empfan-
gen haben3). Da bei jener Meinung ein guter, bei dieſer aber
ein ſchlechter Betrieb vorausgeſetzt wird, ſo kommt dabei offenbar
alles auf den Pachtcontrakt an (§. 209. N. 3.). Es bleibt aber
dann noch die Frage übrig, ob die Spezial- (Separat-)
Pacht, d. h. in einzelnen Gütern und Parzellen, oder die Ge-
neralpacht, d. h. in großen Gütercomplexen mit allem Zugehöre
an Gerechtſamen und Gewerkseinrichtungen vorzuziehen ſei. Für
dieſe ſprechen die Vortheile großer Landgüter (§. 432.), die
größere Fähigkeit großer Gutspächter zur Ertragung von Unglücks-
fällen ohne Staatsremiſſionen und die beſondere Vereinfachung der
Staatsdomänenverwaltung; dagegen aber wird geltend gemacht
die geringere Concurrenz der Pächter für ſo große Güter, daher
der Verluſt der aus großer Concurrenz erfolgenden Steigerung des
Pachtzinſes, die Schwierigkeit der Trennung und Aufhebung der
bäuerlichen Laſten, der dem Pachter gegebene Spielraum zur Aus-
übung ſeiner Gewalt und Laune auf die Unterthanen, die Unaus-
führbarkeit einer gleichen Sorgfalt für alle, beſonders die entfern-
teren, Gutstheile und die Ungegründetheit der Hoffnung auf die
leichtere Ertragung von Unglücksfällen durch Generalpächter. Für
die Spezialpacht ſpricht aber geradezu das Verſchwinden aller Be-
ſorgniſſe wegen der Generalpacht, der Vortheil kleiner Landgüter
für den Volkswohlſtand, beſonders bei ſtarker Bevölkerung und
[703] geeigneter Lage der Grundſtücke. Es kommt alſo Alles auf beſon-
dere Umſtände an, und es dürften auch hier die bereits (§. 379.
N. 3.) angegebenen Beziehungen entſcheiden. 3) Die Erbpacht
gegen Entrichtung eines jährlichen Zinſes (Kanons) und eines
Erbbeſtandgeldes beim Erbantritte hat große Vorzüge, weil der
Erbpachter ſein Gut gerade ſo wie ſein Eigenthum behandelt und
der Staat, frei von den Mängeln und Läſtigkeiten der eigenen
Verwaltung, einen ſichern feſten Zins bezieht, bei der Verſicherung,
daß das Gut mit Wiſſen des Pachters nicht verſchlechtert wird.
Es wird aber gegen ſie auch eingewendet: die zu große Beſchrän-
kung des Erbpachters in der Behandlung des Gutes, der Verluſt
des Dispoſitionsrechtes über das Gut auf Seiten des Staats, die
Entbehrung des Vortheils aus der möglichen Steigerung des Pacht-
zinſes nach Ablauf der Pachtzeit bei der Zeitpacht, die nothwen-
dige Verzichtung des Staats auf die Theilnahme an dem aus
irgend einem Grunde geſteigerten Gutsertrage, und der Schaden,
welcher für die Staatskaſſe aus einem unveränderlichen Kanon
hervorgeht, wenn der Geldwerth ſinken und der Preis der Güter
ſteigen würde5). Allein dieſe Einwendungen ſind zum Theile that-
ſächlich unrichtige Behauptungen und zum Theile von der Art,
daß ihnen im Erbpachtsvertrage ſehr leicht begegnet werden kann6).
4) Die Erbzinsverleihung, d. h. Ueberlaſſung des vollſtändigen
erblichen Eigenthums der Nutzung am Gute unter Vorbehalt des
Obereigenthums, zu deſſen bloßer Anerkennung eine ſich nicht nach
dem Gutsertrage oder üblichen Pachtzinſe richtende Abgabe (Erben-
zins) jährlich bezahlt werden muß. Sie iſt finanzwirthſchaftlich
nicht zu vertheidigen, obſchon ſie aus vielen andern Gründen Aner-
kennung verdienen könnte. 5) Die Gewährsadminiſtration,
ein Mittelding zwiſchen Pacht und Selbſtbetrieb, indem der Guts-
übernehmer an den Staat eine feſte Summe bezahlt, und gewiſſe
Capitalauslagen und Laſten übernimmt, dafür aber am Reinertrage
einen gewiſſen Antheil bezieht und über die Bewirthſchaftung des
Guts, nur Hauptveränderungen abgerechnet, frei dispinoriren kann.
Die Vortheile dieſes Betriebs für den Staat, nämlich Sicherheit
und Feſtigkeit des Einkommens, Befreiung von mehreren Laſten,
Theilnahme an der Ertragserhöhung zufolge des geſchickten Betriebs
des Gewährsadminiſtrators und anderer Umſtände, Verringerung
des Verluſtes in Unglücksfällen und Sicherung vor Gutsverſchlech-
terung, ſind ſo groß, daß es nicht leicht Concurrenten für eine
ſolche Uebernahme gibt7).
B.Bewirthſchaftung der Gutsgefälle und Gerecht-
ſame (§. 463.). Dieſelbe richtet ſich ganz nach der gewählten
[704] Betriebsart der Domänenwirthſchaft. In manchen Fällen haben
aber die Staaten faſt oder ganz ausſchließlich ſolche zu beziehen
und anzuſprechen. Die Gefälle, beſonders die Zehnten, ſind dabei
am wichtigſten. Es iſt hierbei die Selbſterhebung die mühe-
ſeeligſte und koſtſpieligſte Verwaltungsart, deßhalb ſuchte man ihr
auszuweichen, und nahm entweder zur Verpachtung auf dem
Wege der Verſteigerung oder zu einer Abfindung mit den Be-
treffenden über eine jährliche durchſchnittliche Geſammtleiſtung
ſeine Zuflucht8).
Daß der Staat zum Betriebe der Forſtwirthſchaft vorzüglich
geeignet iſt, wurde bereits (§. 261.) gezeigt. Die Staatsforſte
unterliegen deßhalb, alſo in letzter Analyſe, wegen ihrer eigenen
Natur, ganz andern Grundſätzen als die Landgüter. Was nun:
A.Die Hauptnutzung betrifft, ſo ſpricht 1) für die Selbſt-
verwaltung die Natur des Waldeigenthums, die Sicherheit des
Genuſſes der Vortheile günſtiger Verhältniſſe für den Waldbau
und die Verwerthung der Producte deſſelben, die Wichtigkeit der
Forſtwirthſchaft für den Volkswohlſtand und die Seltenheit der
gehörigen techniſchen Kenntniſſe, wenn ſich der Staat nicht der
Bildung eigener Forſtleute annimmt, die Abwendung der Nachtheile
zu hohen Holzpreiſes für das allgemeine Wohl, welche von Pri-
vaten nicht zu erwarten iſt, und die Unthunlichkeit einer ſolchen
Beſchränkung der Pächter, wie es die Wirthſchaftspolizei er-
heiſchte1). Dieſelbe wird darum ſtets der ſicherſte Weg ſein. Nichts
deſto weniger hat aber 2) die Verpachtung derſelben für ſich:
das Hinwegfallen eines bei der Selbſtbewirthſchaftung nothwendi-
gen, lange Zeit ſich nicht rentirenden, Capitalvorſchuſſes und ſon-
ſtigen Wirthſchaftsaufwandes aus der Staatskaſſe, da dies dann
Baumſtark Encyclopädie. 45
[706] Alles der Pachter auszulegen haben würde, wenn nur nicht immer
ein bedeutendes Staatsforſtperſonale zur Beaufſichtigung des Be-
triebes der Pachter nothwendig und vom Staate zu beſolden wäre2)
und wenn ſich nur Privaten von ſolchem Capitalbeſitze und den
ſonſtigen erforderlichen Eigenſchaften fänden. Jedenfalls wäre aber
bei Privaten nur die Vererbpachtung anzuwenden. Allein eine
Verpachtung an Gemeinden würde wohl alle Vortheile der Pacht
darbieten, eine für den Waldbau ſich eignende Perſon zum Pachter
haben, und die nothwendigen wirthſchaftspolizeilichen Garantien
gewähren, welche ein Privatmann nie gewähren kann, beſonders
da der Staat ſich das Oberaufſichtsrecht über die Gemeindewirth-
ſchaft vorbehält und alſo auch die Anſtellung tüchtiger Gemeinde-
förſter befehlen kann (§. 380.). — Was aber
B. Die Nebennutzungen, namentlich die Jagd, anbelangt,
ſo eignet ſich für ſie die Zeitpacht unter Vorausſetzung der
Staatsoberaufſicht auf den regelmäßigen Betrieb der Jagd am
allerbeſten3).
Zum Behufe der ungeſtörten Ausübung der Staatsgewalt hat
der Staat verſchiedene Hoheitsrechte (Regalien), welche ſich
aus ſeinem Weſen ſelbſt ergeben und poſitiv in verſchiedenen Staa-
ten auch verſchieden beſtellt ſind. In objectiver Beziehung ſind es
die Juſtitz-, Finanz- und Polizeihoheit, in ſubjectiver dagegen die
oberaufſehende, geſetzgebende, vollziehende (mit der richterlichen)
Gewalt. Man nennt ſie weſentliche (höhere, innere). Die
[707] Finanzhoheit iſt das weſentliche ausſchließliche Recht und die ent-
ſprechende Pflicht des Staats, für die Herbeiſchaffung und Ver-
waltung der zu den Staatsbedürfniſſen nöthigen wirthſchaftlichen
Einkünfte zu ſorgen. Unter andern Mitteln, dieſes Recht und
dieſe Pflicht zweckmäßig auszuüben und zu erfüllen, hat es den
Fürſten und fürſtlichen Beamten zum Theile beliebt, zum Theile
gut geſchienen, ſich das ausſchließliche Betriebsrecht gewiſſer Ge-
werbe zuzueignen, und jedesmal ſuchte man dieſes Ausſchlußrecht
mit Gründen des Volkswohlſtandes, der allgemeinen Sicherheit
und der Unzulänglichkeit der Privatkräfte zu begründen. Dieſe
verſchiedenen Vorrechte, auf die verſchiedenſte Art entſtanden1),
nennt man auch Hoheitsrechte oder Regalien, aber unweſent-
liche (niedere, äußere, nutzbare) oder Finanzregalien zum
Unterſchiede von den Erſteren. Sie erſcheinen für die Staats-
erwerbswirthſchaft, ebenſo wie die Staatsforſte und -Landgüter,
als etwas Gegebenes, das auf die möglich beſte Art benutzt werden
ſoll. Dieſelben ſind zum Theile Regalien in Urgewerben (Berg-
werks-, Forſt-, Jagd- und Fiſchereiregal), deren Bewirthſchaf-
tung nach den (im §. 477. u. 479.) vorgetragenen Regeln geſchieht
und alſo hier nicht mehr erörtert zu werden braucht, hauptſächlich
aber Regalien in Kunſt-, Umſatz- und Dienſtgewerben, wie ſie in
den folgenden Abſchnitten abgehandelt werden.
Unter den verſchiedenen zum Hüttenweſen gehörenden Ge-
werken iſt keines für ſich allein zu betrachten, weil ſie ſämmtlich
mit dem entſprechenden Bergbaubetriebe unmittelbar zuſammen-
hängen und gerade die Combination dieſer Gewerke mit dem ei-
gentlichen Bergbaue den Ertrag des Letztern erhöht. So iſt es
der Fall beim eigentlichen Hüttenweſen (§. 279. b. 280.) und bei
den Siedewerken (§. 284.). Allein für ſich und als trennbar von
dem eigentlichen Bergbaue angeſehen unterliegen ſie ganz andern
Grundſätzen in der Beurtheilung, als dieſer. Denn ſie ſind Ge-
werke, demnach in der Production, wenn ſie auch local ſind, doch
nicht ſo von der Natur abhängig wie der Bergbau, vorausgeſetzt,
daß gehörige Capitalien, Arbeiter und Abſatzgelegenheiten vorhan-
den ſind, und endlich ſind ſie bei weitem nicht mit dem Wagniſſe
verbunden, wie jener. Ihr jährlicher Ertrag, folglich auch ein
45 *
[708] Pachtanſchlag, läßt ſich unter Annahme gewiſſer Wirthſchaftsver-
hältniſſe, Betriebseinrichtungen und -Methoden wie von jedem an-
dern Gewerke berechnen. Daher eignen ſie ſich, beſonders die
Siedwerke (ſ. auch §. 477. N. 6.), in hohem Grade zu Verpach-
tung, und der Staat muß dann aus ihnen alle diejenigen Vor-
theile beziehen, welche bisher ſchon einige Male als Folgen der
Verpachtung zuſammengeſetzter und koſtſpieliger Gewerbe angeführt
wurden. Da wo die Verpachtung nicht Statt finden kann, aber
auch die Verleihung ſammt dem Bergwerke nicht ausführbar iſt,
wird die Selbſtverwaltung nach den techniſchen und werkmänniſchen
Betriebsregeln geleitet.
Weit mehr noch als bei den Hütten- und Siedewerken gilt
dies bei den Salpeterſiedereien, denn dieſe ſind an keine
Oertlichkeit geknüpft, erheiſchen weder großes Capital noch beſon-
dere techniſche Kenntniſſe, ſie ſind des Abſatzes auf den verſchie-
denſten Wegen gewiß, und können alſo von jedem Privatmanne
betrieben werden. Die Verpachtung iſt deßhalb um ſo mehr
anzurathen, als dieſes Gewerke ſelten in einer ſehr bedeutenden
großen Ausdehnung getrieben werden kann1).
Was aber die Vorſichtsmaaßregeln bei der Verpachtung ſolcher
Gewerke anbelangt, ſo iſt hierbei die Gefahr vor Verderbniß u.
dgl. nicht in dem Lichte zu betrachten, wie bei den Landgütern,
denn, was an Realitäten mit verpachtet wird, iſt Capital und
muß in nutzbarem Stande erhalten werden, und der Staat kann
zur Controle einen eigenen Commiſſair im Etabliſſement er-
halten (§. 213.).
Wie wichtig das Münzweſen und wie nöthig deßhalb iſt, daß
es unmittelbar unter der Leitung der Regirung ſtehe, iſt bereits
(§. 442.) gezeigt. Ebenſo iſt dargethan, welche Anforderungen
die Gerechtigkeit und der Volkswohlſtand an die Münzen machen.
Es folgt aus alle dem, daß der Staat das Münzweſen nicht als
eine Finanzquelle anſehen darf und es in dieſer Eigenſchaft keinen
Platz mehr in der Finanzwiſſenſchaft findet1). Die Finanzverwal-
tung hat vielmehr daſſelbe nur noch als ein Geſchäft zu betrachten,
worin ſich Ausgaben und Einnahmen ausgleichen, und nur geſtrebt
[709] werden muß, bei Lieferung möglichſt vollkommener Producte den
Aufwand immer mehr zu verringern. Glücklicherweiſe findet ſich
auch in faſt allen chriſtlichen Staaten Europas das Münzgeſchäft
im Budget nicht mehr als eine Reinertragsquelle. Allein es iſt
begreiflich, weßhalb nichts deſto weniger das Münzweſen einen
wichtigen Gegenſtand der Finanzwiſſenſchaft macht. Es handelt
ſich um gute Münzen, Verringerung der Verwaltungsgeſchäfte und
Herabſetzung der Münzkoſten (des Präge- oder Schlagſchatzes).
Die Erhebung dieſer Letztern geſchieht auf verſchiedene Arten,
nämlich zuweilen ſchon beim Ankaufe des Metalls, indem der
Staat kraft Verkaufsrechtes oder beſonderer Vertragsartikel mit
den inländiſchen Bergwerken daſſelbe unter dem Concurrenzpreiſe
acquirirt, — eine volkswirthſchaftlich und rechtlich verwerfliche
Methode, da ſie einer Bürgerklaſſe ohne Grund zum Vortheile der
Geſammtheit etwas entzieht —, in der Regel aber erſt bei der
Fabrication, indem die Münzſtätte, wenn es erlaubt iſt, daß jeder
Privatmann darin für ſich ſein Metall nach Geſetzesvorſchrift aus-
münzen laſſen darf, demſelben um ſo weniger freies Metall als er
gebracht hat, in den Münzen zurückgibt, als der Schlagſchatz be-
trägt, oder indem ſie, wenn jenes nicht geſtattet iſt, folglich der
Staat ſelbſt das Metall ankauft und ausmünzt, von jedem Abneh-
mer der Münze den betreffenden Schatz bezahlen läßt. Daß das
Verzichten auf den Schlagſchatz volkswirthſchaftlich kein Nutzen iſt,
wurde ebenfalls weiter oben ſchon gezeigt; allein hier braucht nun
kaum noch erwähnt zu werden, daß es einen Verluſt für die
Staatskaſſe verurſachte, der ganz ohne Erfolg bliebe. Es kann
ſich alſo hier blos noch darum handeln, ob der Selbſtbetrieb
des Münzweſens oder die Verpachtung der Münzfabrication unter
der ausdrücklichen Bedingung der Staatscontrole die vorzuziehende
Bewirthſchaftungsart ſei. Die Münzverwaltung iſt ſehr koſtſpielig,
denn ſie erheiſcht ein großes koſtbares ſtehendes Capital, große
Beſoldungen für die Beamten und viele andere Auslagen. Sie
aus der Staatsverwaltung, ſo weit als ohne Schaden für die
Münzen möglich iſt, hinwegzubringen, kann daher nur zu wünſchen
ſein. Man hat daher die Verpachtung aus dieſen Gründen und
darum angerathen, weil dann der Staat noch ein reines Einkom-
men beziehe. Allein dies Letztere ſoll er nicht, weil die Münzung
kein auf Gewinn zu betreibendes Staatsgewerbe iſt2), und die
Controlirung iſt dabei mit vieler Mühe und Koſten verknüpft, —
ja wohl ſelbſt unmöglich. Alſo iſt die Verpachtung in dieſer Art
noch verwerflicher als die Selbſtverwaltung. Allein eine Verpach-
tung oder Vergebung der Münzung an Privaten unter Staats-
[710] controle, gegen eine gewiſſe Zahlung von Seiten der Regirung,
iſt ein ſehr paſſender, die Regirung der Münzgeſchäfte, ſelbſt,
wenn ſie will, der Metallkaufgeſchäfte überhebender, und die Mün-
zung ſehr verwohlfeilernder Ausweg, denn die Privatinduſtrie weiß
dergleichen Anſtalten und Geſchäfte immer ſparſamer als der Staat
einzurichten und zu vollführen3). Will man dieſen Weg nicht ein-
ſchlagen, ſo bleibt blos die Selbſtadminiſtration übrig. Dieſe aber
hat ſich in der neueren Zeit auch ſehr bedeutend verwohlfeilert4).
Auch gewiſſe Handelsgeſchäfte hat ſich der Staat ausſchließlich
(als Staatsmonopolien) vorbehalten. Der Grund dafür iſt
hauptſächlich darin zu ſuchen, daß der Staat die Gegenſtände des
Monopols mit einer Steuer belegen will. Weil er ſich aber das
Monopol angeeignet hat, ſo floß das Fabricationsregal mit dem-
ſelben in Eins zuſammen. Es gehört hierher:
1) Das Pulvermonopol (Schießpulverregal), kraft deſſen
der Staat allein befugt iſt, Pulver zu fabriciren und zu verkaufen
oder beide Geſchäfte an beſtimmte Perſonen zu vergeben und die
Pulvereinfuhr zu verbieten1).
2) Das Branntweinmonopol, d. h. das ausſchließliche
Recht des Staats, Brennereien zu halten und den Branntwein
auszuſchenken oder beides an beſtimmte Perſonen zu verleihen2).
3) Das Tabacksmonopol (Tabacksregie), kraft deſſen
der Staat allein das Recht des Tabacksbaues, der Tabackbereitung
und des Tabackverkaufs im Lande hat, oder, wenn er es Andern
geſtattet, dieſelben der läſtigſten Controle unterwirft3).
4) Das Salzmonopol (Salzregal), vermöge deſſen der
Staat jedem In- und Ausländer das Salzſieden und den Salz-
handel im Innern des Landes verbieten kann und nur gewiſſen
Leuten die Befugniß dazu ertheilt4).
Die Selbſtverwaltung dieſer Monopolien iſt mit vielem Detail,
großer Mühe und ſehr großem Koſtenaufwande verbunden. Sie
ſelbſt aber haben alle böſen Folgen des Monopols im höchſten
Grade (§. 469.), und ſind Gewerbe, welche ohne allen Zweifel
von den Privaten beſſer und weniger koſtſpielig, als vom Staate,
getrieben werden können und deren Reinertrag gut zu veranſchlagen
iſt. Es iſt daher ihre Verpachtung ohne beläſtigende Aufſicht, wo
es nur immer thunlich iſt, höchſt wünſchenswerth. Die Sicher-
heitspolizei hat in Betreff des Gebrauches des Schießpulvers viele
Mittel zur Verhütung von Gefahr, und der Staat kann wegen
Pulvermangels nicht in Verlegenheit kommen, denn je mehr die
Pächter abſetzen, um ſo mehr produciren ſie. Dieſer und die an-
deren Artikel werden von der Privatinduſtrie wohlfeiler geliefert.
Allein man wendet ein, daß ein ſo großes Einkommen, wie aus
der Selbſtverwaltung dieſer Monopolien, für die Staatskaſſe auf
andere Art nicht bezogen werden könne5). Aber bei ſolchen Fragen
darf die Entſcheidung nicht blos nach der finanziellen Rückſicht ge-
geben werden, weil die volkswirthſchaftliche wichtiger und auch
ohnedies eine Beſteuerung ſolcher Gegenſtände möglich iſt (ſ. unten
§. 499.). Jedoch man macht beſonders beim Salzmonopole den
Einwand, daß es für den Volkswohlſtand äußerſt nützlich ſei, im
ganzen Lande einen gleichförmigen Salzpreis zu erhalten und daß
dies vorzüglich durch die Salzſteuer, wenn der Staat die Regie
nicht habe, erſchwert werde, weil die Koſten der Verſendung, die
Haltung der Magazine und der Pachtzins einen weit größeren
Aufwand begründen müſſe, als die Regiekoſten des Staats betrü-
gen, und der deßhalb und durch die Steuer ſteigende Salzpreis
die Conſumtion des Salzes und den Steuerertrag vermindern, ſo
wie die Luſt zum einſchwärzen vergrößern werde6). Allein, wo
dies der Fall iſt, bleibt die Salzregie das Vortheilhafte7), übri-
gens iſt in der That nicht einzuſehen, warum zwar in dem eigent-
lichen Salinenweſen der Private wohlfeiler8), aber bei der Ver-
ſendung des Salzes u. ſ. w. theurer wirthſchaften ſoll, als der
Staat. Es iſt vielmehr eine Verwohlfeilerung des Salzes durch
[712] den Debit auf Privatwegen zu erwarten9), ohne daß darum der
Staat ſeine Salzſteuer aufzugeben nöthig hat, welcher wirklich an
ſich Vorzüge nicht abzuſprechen ſind.
1) Staatscapitalien und deren Anlage ſind ſeltener als
Staatsſchulden. Auch ſtimmt alle ſo weit getriebene Einnahme-
erhöhung des Staates, daß ſich vorhergeſehene Ueberſchüſſe in der
Staatskaſſe befinden und anſammeln, mit dem Weſen der Staats-
wirthſchaft nicht überein, denn dieſe hat blos die Staatsbedürf-
niſſe zu befriedigen, und der Privatinduſtrie die Capitalanſammlung
zu überlaſſen, da der Staat ſicher ſein kann, daß die Capitalien
dort die vortheilhafteſte Anwendung finden. Alſo ſind alle auf jene
Weiſe entſtehenden Staatscapitalien geradezu, und die Capital-
anſammlungen, wenn ſie auch durch außerordentliche Einnahmen,
z. B. Entſchädigungen u. dgl., entſtehen, um ſo mehr verwerflich,
als ſich in allen Staaten Mängel genug vorfinden, zu deren Ab-
hilfe man außerordentliche Ueberſchüſſe anzuwenden weiſe thut.
Es verſteht ſich indeſſen von ſelbſt, daß Capitalanſammlungen zu
beſtimmten Staatszwecken, die längere Zeit fortlaufende Ausgaben
[713] erheiſchen, z. B. zum Behufe der Unterſtützung der Bürger bei
Ablöſung drückender Gewerbslaſten, Zehnten u. dgl., hierunter
nicht begriffen ſind, da ſie mehr als laufende Ausgaben erſcheinen
und nicht unproductiv angewendet werden. Doch hat man Anga-
ben, daß kleinere Staaten, namentlich Kantone der Schweitz,
bedeutende Schätze beſitzen, und es entſteht natürlich hier die Frage
über ihre beſte Anlage1), wenn gerade keine Landesverbeſſerungen
thunlich oder nöthig ſein, was indeß kaum einmal der Fall ſein
dürfte. Man hat die Wahl zwiſchen der Anlage im Auslande und
jener im Inlande. Letztere iſt wegen der den Bürgern und Ge-
werben dadurch zu leiſtenden Unterſtützung vorzuziehen, wenn der
Staat nicht mit Beſtimmtheit auf die Zinseinnahmen rechnet;
denn ſonſt würden ſich mit ſeinem Budget Zinsrückſtände nicht ver-
tragen und ſtrenge Maaßregeln zur Eintreibung derſelben die
Schuldner mehr in Verlegenheit ſetzen, als Privatgläubiger. Die
Darleihen an Gemeinden eignen ſich daher vorzüglich hierzu und
auch die Errichtung von Kreditkaſſen (§. 465.) gehört hierher.
Die Anlage im Auslande, in Staatspapieren und ausländiſchen
Actien u. dgl. entzieht dem Inlande die Nutzung der Capitalien in
der Induſtrie und ſetzt den Staat mehr Verluſten aus.
2) Unternehmungen von Banken durch den Staat, um
daraus Gewinn zu ziehen, ſind dem Weſen und der Wirthſchaft
des Staates zuwider, compliziren die Staatsverwaltung, entziehen
den Bürgern die Gelegenheit der freien Capitaliengeſchäfte, und
ſind für die Regirung in außerordentlichen Geldverlegenheiten zu
verführeriſch, von ihrer Gewalt Gebrauch zu machen (§. 444.).
3) Die Staatslotterien ſind aber als ein Bankgeſchäft zu
betrachten, welches der Staat zum Regale erhoben hat. Es gibt
verſchiedene Arten der Ausübung deſſelben, nämlich das Lotto
(die Zahlenlotterie, Lotto di Genua), die Lotterie (Zahlen-
lotterie) und die Spielbanken (Hazardſpiele)2). Sie ſind
ſämmtlich ſchon wegen der Beförderung des wirthſchaftlichen und
ſittlichen Verderbens eines bedeutenden Theils der Bevölkerung im
höchſten Grade verwerflich, ſie ſind es aber eben ſo, als Mittel
zur Vernichtung nicht blos aufgeſparten Vermögens, ſondern der
Luſt zur Sparſamkeit überhaupt, als Gelegenheiten, der Volks-
betriebſamkeit Arbeitskräfte und Capital zu entziehen. Ihre allge-
meine Abſchaffung iſt alſo Eines der wichtigſten Bedürfniſſe, be-
ſonders jetziger Zeit3). Wo ſie noch nicht aufgehoben ſind, da iſt
ihre Verwaltung ſo unſchädlich als möglich zu machen. Durch
eine Verpachtung des Lotto, des allerverderblichſten unter die-
ſen Spielen, weil es wegen des geringen Einſatzes den Aermſten
[714] zum Spiele Gelegenheit gibt, am meiſten die Einbildungskraft
verrückt, Müſſiggang und Laſterhaftigkeit verbreitet, würde der
Staat ſeine unſelbſtſtändigen Unterthanen in die Netze und Fall-
ſtricke der Pachter und ihrer Agenten überliefern. Hier iſt es
wirklich begründet, daß der Staat aus polizeilichen Gründen den
Spielbanker macht, und doch lehrt die tägliche Erfahrung auch
hier die traurigſten Vorfälle. Eine Verpachtung der Lotterie
iſt, ſo wie ſie ſelbſt, weniger gefährlich, weil hier alle jene Um-
ſtände nicht in ſolchem Grade obwalten. Die Spielbanken in
großen Städten und Badeorten können billig verpachtet werden
und ſie ſind auch unter ſämmtlichen Anſtalten dieſer Art die un-
ſchädlichſten. Allein ohne Staatsaufſicht dürfen ſie nicht ge-
laſſen werden.
Unter den Dienſtgewerben hat ſich der Staat nur die Poſt-
anſtalt1) als Regale zugeeignet und verbietet kraft des Letztern
einem jeden Andern die Haltung der Poſtanſtalt, ſo wie in gewiſſer
Ausdehnung die Benutzung anderer Transportangelegenheiten. Die
Wichtigkeit der Poſten für den Volkswohlſtand und das Staats-
leben bedarf keiner weiteren Auseinanderſetzung, ſie iſt der für die
[715] Regalität dieſes Gewerbes angegebene Grund, aber hat in ihrem
Gefolge zugleich die Vortheile eines bedeutenden Staatseinkommens
daraus. Man unterſcheidet die Fahr-, Pack- und Briefpoſt.
Man iſt jetzt allgemein für die Selbſtverwaltung der Poſten,
indem man glaubt, die Zwecke und Eigenſchaften einer guten
Brief-Poſtanſtalt könnten im Falle der Verpachtung nicht er-
reicht werden, wenn dies auch bei der Fahrpoſt und gewiſſer-
maßen bei der Packpoſt möglich ſei. Die Anforderungen an eine
Briefpoſtanſtalt ſind folgende: 1) Schnelligkeit der Ueberlie-
ferung, von der nicht wohl zu erweiſen ſein möchte, daß ſie blos
oder am beſten der Staat erreiche. Denn die Mittel dazu, als da
ſind, zahlreiche Poſtcurſe, Abſendung der Briefe auf kürzeſtem Wege,
ſchnelle Weiterbeförderung auf den Stationen, und ſchnelles Aus-
geben der Briefe iſt auch Privaten möglich2). 2) Sicherheit
und Garantie der Ueberlieferung und Bewahrung des Poſtgeheim-
niſſes. Damit will man in der Regel für die Selbſtverwaltung
Alles beweiſen. Aber die Verzeichnung der aufgegebenen Gegen-
ſtände (Inchartirung, Einſchreibung in die Poſtcharte), die
Verſendung einer Abſchrift derſelben mit den Effecten, die Ver-
gleichung dieſer beiden, die genaue Verpackung, hinreichende Be-
wachung der Poſten und Wagen und die ſtrenge Controle der Poſt-
offizianten kann auch von Privatunternehmern geſchehen. Ver-
ſicherungen und Verſendungen weit ſchwierigerer Art, durch Pri-
vaten beſorgt, beweiſen dies. Die Geſchichte der Bewahrung des
Poſtgeheimniſſes von Seiten der Staaten iſt keineswegs ein glän-
zender Spiegel von Treue und Glauben, während, wenn die Poſt
in Privathänden zu Betrug u. dgl. benutzt würde, wenigſtens kein
Grund zur Milderung der Unterſuchung und ſtrengen Beſtrafung
ſolcher Verbrechen aufzufinden ſein würde3). 3) Wohlfeilheit
des Transports, welche auch von Privaten in demſelben Grade,
wie vom Staate, erreichbar iſt, da mit der Verwohlfeilerung des
Transports auch die Häufigkeit des Gebrauchs der Poſt zunimmt
und dieſe einträglicher macht. Wenigſtens haben unſere Staaten
dieſe Eigenſchaft ihrer Poſtanſtalt noch nicht zum Schaden der
Staatskaſſe auf die Spitze getrieben4). 4) Möglichſte Einheit
in der Anordnung und vollſtändige Combination der
Curſe. Hiervon hängt die Erreichung der obigen Erforderniſſe
ab, ſie iſt alſo die weſentlichſte Eigenſchaft der Poſtanſtalt. Es
liegt jedoch nichts mehr im Intereſſe der Privatunternehmer der
Poſten in verſchiedenen Provinzen und Ländern, als dieſes, denn
die Benutzung und Einträglichkeit hängt davon ab. Bei der Ver-
pachtung müßte die Uebereinkunft der Pächter in dieſen Punkten
[716] bedungen werden, und die Regirung müßte ſchon wegen des allge-
meinen großen Intereſſes der Poſten ihre auswärtigen Verbindun-
gen zur Beförderung des Poſtverbandes mit dem Auslande auf-
bieten5). Außer dieſen Anforderungen an eine Poſtanſtalt iſt ein
weſentlicher Grund für die Selbſtverwaltung derſelben durch den
Staat noch in der Einträglichkeit derſelben für die Staatskaſſe
zu ſuchen. Der Staatsaufwand für dieſelbe iſt aber höchſt bedeu-
tend und es läßt ſich, wenigſtens was das Gewerbliche anbelangt,
mit Gewißheit vorausſetzen, daß er in Privathänden geringer wer-
den müßte. Je höher aber derſelbe iſt, um ſo weniger kann der
Tarif ſinken und um ſo mehr wird die Benutzung der Poſt er-
ſchwert. Die Verpachtung der Poſt iſt alſo wohl an ſich thunlich
und könnte erheblichen Nutzen für den Verkehr hervorbringen,
während ſie dem Staate Aufwand und Verwaltungsmühe erſparte,
ohne ihm ein Einkommen zu entziehen6). Allein es kann mit ihr
nach der Theorie nicht immer und überall ſogleich vorgeſchritten
werden. Denn ein Hinderniß können die angränzenden Staaten
ſein, inſoferne ſie nicht auf dieſelbe Grundlage die Poſt organi-
ſirten; ferner der Umſtand, daß das Poſteinkommen auf anderem
Wege wirklich nicht ſo leicht und ſchadlos erhoben werden könnte;
und endlich die Erſcheinung, daß der Staat die Poſtanſtalt wie
Münze und Straßen betrachtete, als eine Anſtalt, an der kein
Gewinn gemacht werden darf, ſondern blos die baaren Auslagen
vergütet werden müſſen7). Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß
der Staat nach möglichſter Ermäßigung der Tarife ſtreben und die
Benutzung anderer Transportanſtalten ſo wenig als thunlich er-
ſchweren ſoll8).
Staatsſteuern (Steuern, Schatzungen) ſind Abgaben der
Staatsunterthanen an den Staat zufolge der allgemeinen und
gleichen Bürgerpflicht und nach dem Maaßſtabe ihrer Vermöglich-
keit umgelegt1). Das Recht des Staats, Steuern zu erheben
und die Pflicht der Unterthanen, ſolche zu entrichten, fließen Beide
[718] aus der Staatshoheit (§. 438.), d. h. dem Rechte und der Pflicht
der Regirung, die Staatsangelegenheiten und die dazu nöthigen
Mittel zu beſorgen und der Theilnahme der Staatsbürger an den
Vortheilen des Staatsverbandes2). Dieſe Berechtigungen und
Verpflichtungen ſind allgemein, nach rechtsphiloſophiſchen und
chriſtlichen Prinzipien für alle Bürger gleich, und die oberſten
Maximen der Finanzwirthſchaft (§. 474.) machen der Letztern die
möglichſte Schonung der Volkswirthſchaft zur Pflicht, aber dieſe
liegt im finanziellen Prinzipe ſchon von ſelbſt, da bei Mangel an
dieſer Schonung die Finanzquellen ſelbſt verſiegen könnten. Es
ergeben ſich daher folgende Grundgeſetze der Beſteuerung:
A. Das Geſetz der Allgemeinheit (alle Staatbürger ſind
mit ihrer Vermöglichkeit der Steuerpflicht unterworfen). Daſſelbe
erſcheint in doppelter Beziehung, nämlich als ſubjective (per-
ſönliche) und objective (ſachliche) Allgemeinheit3).
B. Das Geſetz der Gleichheit (alle Staatsbürger ſind mit
ihrer Vermöglichkeit gleicher Steuerpflicht unterworfen). Es folgt
auch, abgeſehen von obigen Prinzipien, aus dem Geſetze der Allge-
meinheit, denn mit dem ungleich ungetheilten Theile der Steuer-
hauptſumme iſt gegen das Letztere gefehlt. Dieſes Geſetz kann
doppelt ausgelegt werden. Man kann es ſo verſtehen, daß die zu
erhebende Steuerſumme bei allen Staatsbürgern (numeriſch) gleich
ſein müſſe, — und ſoviel folgt aus dem Geſetze der ſubjectiven
Allgemeinheit —; man kann es aber auch ſo auslegen, daß die
durch die zu erhebende Steuer auf die Zuſtände eines jeden
Staatsbürgers entſtehende Wirkung (paſſiv) gleich ſein müſſe, —
und ſoviel ergibt ſich aus dem Geſetze der objectiven Allgemeinheit.
Erſteres iſt die abſolute (ſubjective, numeriſche), Letzteres die
relative (objective, paſſive) Gleichheit4).
C. Das Geſetz der Größe (alle Staatsbürger ſind nur, aber
beſtimmt, zur Deckung des ſtreng berechneten Staatsbedarfes ſteuer-
pflichtig). Daſſelbe folgt daraus, daß der Staat, als moraliſche
Perſon, blos Bedürfniſſe zu befriedigen hat (§. 49.), daß der
Staatsbürger blos zu wirklichen vernünftigen Staatszwecken mit-
zuſteuern verpflichtet iſt, und daß eine Verweigerung der Steuer
in dieſer Größe den Staat in ſeinen Pflichten hemmen würde5).
D. Das Geſetz der Volkswirthſchaft (alle Staatsbürger
ſind mit den möglichſt geringen Störungen in ihren wirthſchaft-
lichen Erſtrebungen der Steuer zu unterwerfen). Daſſelbe folgt
aus der Pflicht des Staates, den Bürgern in ihren ſämmtlichen
vernünftigen Erſtrebungen die möglichſte rechtliche Freiheit und,
wo es die Wichtigkeit des Zweckes und die Mangelhaftigkeit der
[719] Kräfte der Einzelnen fordert, Unterſtützung angedeihen zu laſſen
(§. 474. 2). Die beſtmögliche Löſung des Widerſpruchs zwiſchen
dem Finanz- und dieſem nationalöconomiſchen Prinzipe iſt die Auf-
gabe der Finanzwirthſchaft auch im Steuerweſen6).
Nach den Erörterungen des vorigen Paragraphen kann es nur
vier Hauptklaſſen von Steuern geben, nämlich a) ſolche, die blos
nach den Subjecten oder Perſonen umgelegt ſind (Perſonal-
ſteuern); b) ſolche, die das bloße Vermögen zum Objecte haben
(Vermögensſteuern); c) ſolche, welche vom Einkommen erhoben
werden (Einkommensſteuern); und d) ſolche, die ſich an die
Genüſſe anſchließen (Genußſteuern). Da man aber ſonſt in der
Praxis und in der Wiſſenſchaft andere Eintheilungen hat, ſo ver-
dienen ſie mit dieſer verglichen zu werden. Man theilt ſie nämlich
auch ein: 1) nach den Steuerobjecten in Real-, Induſtrial-
Baumſtark Encyclopädie. 46
[722] und Perſonalſteuern1), je nachdem ihnen blos das Vermögen
ohne perſönliche Thätigkeit oder mehr die perſönliche Erwerbung
und der daraus fließende Genuß, als der bloße Beſitz, unterworfen
iſt. Die ſchwachen Füße dieſer logiſchen Unterſcheidung fallen ſo-
gleich in die Augen; 2) nach der Art der Umtheilung in Ver-
theilungs- (Repartitions-) und Quotitätsſteuern(Impôts
de repartition et de quotité), je nachdem eine gewiſſe zu erhe-
bende Geſammtſteuerſumme auf die Steuerpflichtigen umgetheilt
oder blos von Jedem eine gewiſſe Quote erhoben wird, aus deren
Addition man die Geſammtſteuerſumme erſt erwartet; 3) nach der
Erhebungsart in directe und indirecte Steuern, je nachdem
ſie derjenige ſogleich zahlen muß, den ſie treffen ſoll oder je nach-
dem ſie Einer vorauslegend bezahlt und ſich dann von demjenigen,
den ſie treffen ſoll, wieder erſtatten läßt2). So verſteht man aber
in der Praxis dieſe Wörter nicht, wo man die Perſonal-, Ver-
mögens- und Einkommensſteuern directe, die Genußſteuern aber
indirecte nennt3), obſchon es an Beiſpielen leicht klar zu machen
iſt, daß es auch directe Genußſteuern gibt4). Ein Streit hierüber
iſt ein bloßer Wortſtreit, aber er muß leider erwähnt werden, weil
von directen und indirecten bald in der einen, bald in der andern,
bald in noch andern Bedeutungen5) geſprochen wird.
Die Perſonalſteuern1), ſie mögen einen ſpeziellen Namen und
Charakter haben, wie ſie wollen, ſind grundſätzlich unrichtige
Steuern. Denn blos das Prinzip der ſubjectiven Allgemeinheit,
abſoluten Gleichheit und der Größe iſt dabei beobachtet, während
jenes der objectiven Allgemeinheit, relativen Gleichheit und der
Nationalöconomie ganz vernachläſſigt iſt, indem die Steuer, nu-
meriſch gleich, blos nach Perſönlichkeit, ohne die geringſte Rück-
ſicht auf Vermögen und Wirthſchaft, umgelegt wird. Die zu ihrer
Vertheidigung unterſchobene Rückſicht, daß jeder Menſch gewiſſen
Alters und drüber ein beſtimmtes Einkommen erwerbe oder erwer-
ben könne, iſt ſpätere Erfindung2). Man unterſcheidet aber zwei
Arten. Entweder wird die Steuer blos nach der Perſönlichkeit,
ohne Rückſicht auf den Standpunkt des Pflichtigen in der Geſell-
ſchaft, ganz gleich auf Jeden gelegt (Kopfſteuer), oder ſie
wird mit Rückſicht auf die Abſtufung der Stände in verſchiedenen
Quoten erhoben (Rang- oder Klaſſenſteuer)3). Weder die
Perſon an ſich noch der Rang geſtattet einen Schluß auf ein be-
ſtimmtes Einkommen. Drum ſind dieſe Steuern auch in dem letz-
teren Prinzipe ungegründet4). Es läßt ſich indeß nicht läugnen,
daß ihre Erhebung äußerſt mühe- und koſtenlos iſt, daß eine Kopf-
ſteuer in erſt friſch ſich entwickelnden Ländern, wo der Arbeitslohn
wegen der großen Nachfrage darnach hoch ſteht, auf die untere
Klaſſe weniger Druck übt, als in jedem andern Lande, und daß
ſie daſelbſt dann auch einen beträchtlichen und höheren Ertrag gibt,
als ſonſt und ſpäter. In dieſen Ländern tritt dann auch der Fall
ein, daß die Kopfſteuer von dieſer Arbeiterklaſſe auf jene der Lohn-
herrn übergewälzt werden kann, ein Umſtand, der die Kopfſteuer
zugleich zu einer indirecten Steuer auf die Reichen macht. Allein,
wenn dies auch der Fall iſt, — was aber in vielen andern Län-
dern nicht ſo ſein wird, wo die Concurrenz der Arbeiter ſehr groß
iſt, — ſo bleibt gegen dieſe Steuer immer der Vorwurf, daß der
Arme zur Vorauslage der Steuer der Reichen angehalten iſt. Als
Hauptſteuer und an ſich wird ſie daher immer verwerflich ſein,
aber als eine Aushilfsſteuer zur Ausgleichung der Steuerlaſt zwi-
46 *
[724] ſchen Stadt und Land in kleinen Quoten wird ſie ihre ſchädliche
Wirkung weniger äußern.
Die auf das Vermögen überhaupt umgelegte oder Vermö-
gensſteuer1) iſt den erſten Steuergeſetzen entgegen (§. 486. N. 4.
Nr. 3. N. 6. Nr. 1.). Sie iſt aber von jeher gerade mit dem Ge-
gentheile, nämlich mit ihrer Allgemeinheit, mit ihrer Gleichheit-
lichkeit, mit der Größe ihres Ertrages, mit der Leichtigkeit der
Umlage und Erhebung und mit ihrer nicht blos gering nachthei-
ligen, ſondern ſogar ſehr vortheilhaften Wirkung auf die Privat-
und Volkswirthſchaft angeprieſen und vertheidigt worden. Daß ihr
die beiden erſten Eigenſchaften nicht gebühren, ergibt ſich aus der
angeführten Stelle. Die Größe des Ertrags derſelben kann aber
um ſo weniger, wenn ſie auch wirklich beträchtlich wäre, für ihre
Einführung entſcheiden, als alle folgenden Eigenſchaften derſelben
in der That nicht exiſtiren. Denn die Schätzung des Vermögens
und die Beſteuerung deſſelben nach einer einmaligen Schätzung iſt,
vorausgeſetzt, daß man alle Mittel und Wege, wie nicht, dazu
habe und kenne2), dennoch unbrauchbar und ungerecht, weil der
Werth des Vermögens zu wandelbar, und Vermögen von gleichem
Geldwerthe nicht an ſich von gleichem Gebrauchs- und Tauſchwerthe
iſt (§. 486. N. 4. Nr. 2.). Ergibt ſich hieraus von ſelbſt die größte
Schwierigkeit der Umlage, ſo kann ihre ſchädliche Wirkung in
volkswirthſchaftlicher Hinſicht unzweifelhaft ſein, beſonders da ihre
[725] Nichtübereinſtimmung mit den Steuergeſetzen der Allgemeinheit und
Gleichheit nach Obigem unzweideutig iſt.
Mit dem Hinblicke auf die Verwerflichkeit und Unausführbar-
keit der Vermögensſteuer und auf die Nothwendigkeit der Be-
ſteuerung des Einkommens kam man auf den Vorſchlag einer
allgemeinen Einkommensſteuer1), mittelſt welcher überhaupt
alles Einkommen der verſchiedenſten Art, welches ein Bürger be-
zieht oder verdient, beſteuert werden ſoll. Man fand dieſe Steuer
um ſo empfehlenswerther, als ſie ſchon in ihrem Namen das Geſetz
der Allgemeinheit als ihr Grundgeſetz verräth, als das Geſetz der
Gleichheit offenbar in ihrer Anlage ſchon liegt, da ja auf alles
Einkommen eine gleiche Steuer umgelegt wird, als das Geſetz der
Größe gewiß realiſirt wird, indem dieſe Steuer ein beträchtliches
Einkommen für die Staatskaſſe bewirkt und endlich als ſie dem
Geſetze der Volkswirthſchaft in hohem Grade entſpricht, weil ſie
die Steuerſumme auf einmal erhebt, nicht die läſtigen Schätzungs-
maaßregeln wie andere Steuern erheiſcht, und blos vom wahren
reinen Einkommen nach Abzug aller Ausgaben für das Gewerbe
und Familienleben erhoben wird. Allein faſt keine dieſer Unter-
ſtellungen iſt wirklich wahr. Denn die Ausmittelung des reinen
Einkommens in jener Art iſt eine reine Unmöglichkeit2), weil die
paſſenden Wege und zuverläſſigen Mittel dazu ganz fehlen. Kann
dies nicht bezweifelt werden, ſo iſt eine nothwendige Folge, daß
der Steuer manches Einkommen entgeht, und manches zu hoch
geſchätzt, alſo gegen das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit
gefehlt wird. Das Letztere und das Geſetz der Volkswirthſchaft
wird durch ſie vernachläſſigt, indem das aus verſchiedenen Quellen
fließende Einkommen ganz gleich beſteuert wird (§. 486. N. 4. Nr. 2.
und N. 6. Nr. 4.), und bei der Schätzung jede Sicherheit mangelt,
ob denn auch wirklich blos das reine und nicht das rohe Einkom-
men beſteuert werde (i. a. §. N. 4. Nr. 3.). Denn die Schätzung
ſoll allgemeinhin geſchehen. Wollte man aber eine Spezialſchätzung
der verſchiedenen Klaſſen von Reineinkommen vornehmen, ſo wäre
weiter kein Vortheil im Vergleiche mit der Steuerumlage nach den
verſchiedenen Einkommenszweigen zu erreichen, und die allgemeine
Einkommensſteuer beſtünde nur dem Namen nach3).
Nach dieſen Bemerkungen über die Unausführbarkeit einer all-
gemeinen Einkommensſteuer, ohne Eindringen in die einzelnen Ein-
kommensverhältniſſe der Bürger, ergibt ſich die Nothwendigkeit der
Beſteuerung der verſchiedenen Einkommensarten, wenn ſie mit den
Steuergrundſätzen in Einklang ſteht, von ſelbſt. Das Streben der
[728] neueren Staaten geht auch dahin, allein die dazu eingeſchlagenen
Wege ſind meiſtentheils fehlerhaft. Die allgemeinen und Haupt-
mängel der neueren Steuerverfaſſung, ganz abgeſehen von den ört-
lichen und eigenthümlichen eines jeden Landes, ſind folgende: 1)
der Mangel an Uebereinſtimmung mit den veränderten Gewerbs-,
Verkehrs-, und Zeitverhältniſſen, weil ſie nämlich in Zeiten gege-
ben wurde, nach welchen ſich dieſe drei durchaus umgeſtaltet ha-
ben1). 2) Der faſt durchgängige Mangel an Rückſicht auf die
Natur und Quelle des Einkommens und die daher rührende wirk-
lich mehr abſolut gleiche Beſteuerung, weil das verſchiedenartigſte Ein-
kommen mit ganz gleichem Steuerprozente belegt und dieſes auch
bei den verſchiedenſten Maſſen von Einkommen gleich iſt2). 3) Der
Umſtand, daß ſchon der Anlage nach und durch die veränderten
Verhältniſſe die Einkommensſteuern eigentlich von Anfang bereits
Vermögensſteuern waren, oder es allmählig mehr geworden und
es noch ſind3), 4) die zum Theile höchſt unvollkommene, zum Theile
ganz unterlaſſene Berückſichtigung des für den Bürger und ſeine
Familie nothwendigen Lebensunterhaltes, deſſen Abzug vom reinen
Einkommen unumgänglich iſt, wenn die Steuer nicht ungleich und
antinationalöconomiſch ſein ſoll4). 5) Der Mangel an einer gehöri-
gen Trennung der verſchiedenen Einkommenszweige zum Behufe
der Beſteuerung, und an der erforderlichen Berückſichtigung der
Wirkung derſelben und der entſprechenden Einkommensſteuer auf
den Volkswohlſtand5). Aus dieſem Allen ergibt ſich, wenn man
die Grade der Steuerlaſt in verſchiedenen Ländern vergleicht6),
daß nicht die Höhe der Steuern, ſondern vielmehr ihre Umlage
die manchfachen Klagen verurſacht, wo den Letzteren ein reeller
Grund und nicht blos Einbildung und gefliſſentliche Uebertreibung
zu Grunde liegt.
Der Urgewerbſteuer ſind die Land- und Forſtwirthe und
die Bergbauer mit dem Reinertrage ihrer Gewerbe unterworfen,
[730] ohne einen Unterſchied zwiſchen der Grundrente, Capitalrente und
dem Gewerbsgewinnſte zu machen. Die Schätzung geſchieht nach
den gewöhnlichen Regeln der Ertragsſchätzung bei dieſen Gewer-
ben. Wer in der Landwirthſchaft ſein Eigenthum bewirthet, iſt
für den ganzen reinen Gewerbsertrag ſteuerpflichtig; wer aber den
Boden gepachtet hat, iſt zu einem Abzuge des üblichen Pachtzinſes
vom Ertrage berechtigt. Die beſondere Rückſicht iſt jedoch nur zu
nehmen nothwendig, wo das Pachtſyſtem häufig iſt oder als Regel
erſcheint und kurze Verpachtungen kleiner Stücke, wenn ſie in der
Gegend notoriſch eine Ausnahme bilden, können nicht berückſichtigt
werden. Dieſe Steuer hat die meiſte Aehnlichkeit mit der gewöhn-
lichen Grundſteuer1), welche man wegen ihrer verſchiedenen An-
lagsmethoden nur als die Steuer vom Grund und Boden bezeich-
nen kann2). Die Leichtigkeit der Schätzung, die Unerſchöpflich-
keit der zu Grunde liegenden Einkommensquelle, die Thunlichkeit
einer ſehr ſtarken Belaſtung3), die Offenheit aller Veränderungen
mit derſelben, die leichte Möglichkeit einer Verfolgung derſelben
durch die Steuer, der hohe Ertrag dieſer Abgabe und die Einfach-
heit und verhältnißmäßig geringe Koſtſpieligkeit der Umlage und
Erhebung haben dieſe Steuer zur beliebteſten und Hauptſteuer bei
den Regirungen gemacht. Trotz dem aber iſt ſie in den meiſten
Staaten ganz fehlerhaft angelegt. Man hat folgende Anlagsme-
thoden: 1) Nach der Flächenausdehnung des Bodens. Allein
ſo iſt ſie eine Vermögensſteuer der ſchlechteſten Art, weil von der
Bodenfläche auf den Ertrag nimmermehr geſchloſſen werden kann,
da außer der Güte des Bodens noch eine Menge anderer Umſtände,
die zum landwirthſchaftlichen Gewerbe gehören, auf denſelben von
Einfluß ſind4). Dieſe Steuer widerſpricht daher allen Steuer-
grundſätzen. 2) Nach der natürlichen Güte oder Productionsfä-
higkeit des Bodens. Allein von ihr findet kein richtiger Schluß auf
den Ertrag deſſelben Statt, da das Capital, die Bewirthſchaftung und
die ſonſtigen äußern Verhältniſſe den Letzteren ſo beſtimmen, daß
das Ergebniß oft umgekehrt iſt, d. h. ſchlechterer Boden einen beſ-
ſern Ertrag gibt als guter5). 3) Nach dem Capitalwerthe
des Bodens, wodurch dieſe Steuer eine ganz gewöhnliche Vermö-
gensſteuer vom Grund und Boden wird, folglich auch alle Fehler
und Nachtheile der Letzteren hat. Dieſen Capitalwerth glaubt man
auf zwei Methoden zu finden, nämlich durch Capitaliſirung
des ermittelten durchſchnittlichen Reinertrages oder durch den durch-
ſchnittlichen Kaufpreis, da man vorausſagte, daß derſelbe ſich
nach dem Werthe des Bodens genau richte6). Allein die Erſtere,
eigentlich ganz unnöthig, nachdem man den Reinertrag kennen ge-
[731] lernt hat, gibt darum den Capitalwerth nicht richtig, weil der Rein-
ertrag nicht blos aus Grundrente, ſondern auch aus Gewerbs- und
Capitalgewinn beſteht; der Andere iſt aber unbrauchbar dazu, weil
die manchfachſten Umſtände den Preis beſtimmen. (§. 420.) 4) Nach
der Pachtrente, weil man von dieſer geradezu auf den Reiner-
trag ſchließen zu können wähnte. So hat dieſe Steuer etwas von
der Natur einer Ertragsſteuer, alſo nicht die Mängel einer Ver-
mögensſteuer. Allein eine genaue Betrachtung des Weſens der
Grundrente (§. 422.) zeigt die Unrichtigkeit dieſer Meinung ganz
genau und zudem iſt die Grundrente nicht der ganze landwirth-
ſchaftliche Reinertrag, da dieſer auch Capital- und Gewerbsgewinn
enthält7). 5) Nach dem Rohertrage des Bodens, weil man
davon auf den Reinertrag ſchließen zu können glaubte. Allein die
Fehlerhaftigkeit dieſer Methode geht ſchon aus den allgemeinen
Erörterungen der Steuergrundſätze (§. 486. St. 4. Nr. 3.) hervor,
da der für gut gehaltene Schluß ganz unrichtig iſt8). 6) Nach
dem mittleren Reinertrage unter Vorausſetzung der landüb-
lichen Bewirthſchaftungsweiſe9). Dieſe Methode entſpricht unter
ſämmtlichen am meiſten den Steuergrundſätzen, wenn ſie richtig
ausgeführt und dabei nicht gegen die Letztern und die Folgeſätze
aus denſelben gefehlt wird. Auf dieſe Art durchgeführt iſt die
Grundſteuer eine landwirthſchaftliche Urgewerbſteuer. Allein man
iſt ſchon in Betreff der Reinertragsſchätzung, obſchon ſie von eini-
gen Staaten mit großem Erfolge bis ins Einzelne vollführt wurde,
noch verſchiedener Meinung10).
Der Kunſtgewerbſteuer ſind die Reinerträge aller derjeni-
gen im Staate von Bürgern getriebenen Gewerbe, welche die Roh-
ſtoffe veredelnd verarbeiten, alſo aller Gewerke unterworfen. Sie
hat das Eigenthümliche, daß der Grund und Boden als Erwerbs-
quelle bei dieſen Gewerben meiſtens eine untergeordnete mittelbare
Rolle ſpielt. Die Veranſchlagung iſt bei dieſen Gewerben wegen
der größeren Verſteckheit der Quellen und Hilfsmittel an ſich ſchon,
aber mehr noch wegen ihrer Manchfaltigkeit weit ſchwerer als bei
den Urgewerben, wo die Haltpunkte meiſtens offen da liegen. Dieſe
Steuer bildet einen Zweig der gewöhnlichen Gewerbſteuer1),
welcher aber in unſern Staaten außer den Handwerken, Manufac-
turen und Fabriken auch noch die Arbeiterklaſſe und der Handels-
ſtand und ſelbſt die Producenten (§. 492. Nr. 3.) unterworfen ſind,
indem man dieſe zuſammen den Grundeigenthümern gegenüber
ſtellte. Wie viele Mängel dieſe ſchon im Allgemeinen hat2), iſt
bereits gezeigt (§. 491. Nr. 5.), allein die Methoden der Schätzung
des Einkommens und der Steuerumlage, die bei der Letzteren ge-
bräuchlich ſind, verdienen, als anwendbar auch bei der Kunſtge-
werbſteuer, einer beſondern Betrachtung. Man hat zwei Metho-
den, nämlich jene der Patentiſirung und jene der eigentlichen
Gewerbſteuer. Die Patentſteuer3), welche ſich zunächſt an
die ertheilte Befugniß zum Betriebe eines Gewerbes der genannten
Art anſchließt, wird nach Klaſſen bezahlt, die nach der vermuth-
lichen Ausdehnung des Gewerbes feſtgeſetzt ſind, und in welche
man ſich durch die Löſung eines Patentes und jährliche Steuer-
zahlung als Gewerbsberechtigten gleichſam einkauft. Sie hat die
Unnöthigkeit des Eindringens in die beſondern Gewerbsverhält-
niſſe, die Ungehindertheit des Betriebs, überhaupt die möglichſte
Druckloſigkeit für den Unternehmer, die Begünſtigung völliger Ge-
werbefreiheit und die große Einfachheit in der Steuerverwaltung für
ſich. Gegen dieſelbe aber ſpricht die Unhaltbarkeit der Schätzungs-
[735] norm für den Ertrag, da man dieſen in ein gerades Verhält-
niß mit der Bevölkerung des Wohnortes ſetzt, alſo die Willkühr-
lichkeit der Klaſſifizirung und der Steuerſätze, und die daher fol-
gende Steuerungleichheit, da bei den meiſten Gewerben das ange-
nommene Verhältniß zwiſchen Ertrag und Ortsbevölkerung gar
nicht exiſtirt. Die Gewerbeſteuer dagegen ſucht dieſen letzteren
Fehler zu vermeiden, indem ſie das aus Naturkräften, Kapital,
Arbeit, Abſatz und Lebensweiſe ſich entwickelnde Gewerbseinkommen
rein und ſo genau als möglich durch die Steuer zu erfaſſen ſtrebt.
Man hat darum folgende Arten angewendet, um das reine Ein-
kommen zu treffen: a) die Umlage nach dem Gewerbscapitale,
ſowohl dem ſtehenden, w. z. B. Mahlgänge, Webſtühle, Keſſel,
Brennhelme und dgl., als auch dem umlaufenden w. z. B. Ver-
brauch an Rohſtoffen, Menge der Arbeiter u. dgl.4). Allein dieſe
Umlage iſt einſeitig und ungleich, weil mehr als Capitalanlagen
die Betriebſamkeit des Unternehmers und der Abſatz das reine Ein-
kommen bei dieſen Gewerben beſtimmen und das umlaufende Ca-
pital ungleich ſchwerer als das ſtehende zu ermitteln iſt, folglich
bei gleichem ermitteltem Capitale der Reinertrag doch höchſt ver-
ſchieden ſein kann. b) Die Umlage nach dem muthmaßlichen Ab-
ſatze und Umſatze. Allein die Ermittelung des Abſatzes iſt nur
durch gewaltige Eingriffe in die Betriebswirthſchaft, z. B. Ein-
ſicht der Bücher und dgl. möglich, dagegen ein Schluß auf deſſen
Größe von der Größe und Bevölkerung des Wohnorts der Unter-
nehmer in den meiſten Fällen grundfalſch. Um aber vom Capital-
umſatze auf den Reinertrag zu ſchließen, iſt nicht blos die Er-
mittelung ſeiner Häufigkeit, ſondern auch der Größe des umlau-
fenden Capitals und des jedesmaligen Zinsprocentes beim Umſatze
nöthig, und von dem gewonnenen Produkte die Abnutzung des ſte-
henden Capitals, die Umſatzkoſten und das ſonſtige umlaufende Ca-
pital abzuziehen, — ein unreichbares Ideal von Ertragsſchätzung.
c) Die Umlage nach dem auf dieſe verſchiedenen Haltpunkte und
beſonderen Gewerbsverhältniſſe in Verbindung ermittelten durch-
ſchnittlichen Gewerbsreinertrage, die beſte, obſchon mit mehr
Mühe und Schwierigkeiten verbundene Methode. Sie iſt noch
nicht praktiſch in Anwendung, aber ſie würde der obigen Kunſt-
gewerbſteuer am nächſten führen, wenn man außer den gewöhnli-
chen Wirthſchaftsausgaben den nothwendigen Lebensbedarf der Fa-
milie des Unternehmers im Durchſchnitte und die Zinſen der Ge-
werbsanleihen in Abzug brächte, und die betreffenden Veränderun-
gen jedes Jahr nachtrüge. Es findet aber bei der Anlage dieſer
[736] Gewerbſteuer in der Praxis mehr oder weniger eine Klaſſifica-
tion Statt.
Der Handelſteuer, welche jedoch in der Praxis immer
noch ein Zweig der Gewerbſteuer, und nach der Methode derſel-
ben umgelegt iſt, ſind die Reinerträge der verſchiedenen Handels-
gewerbe und Schifffahrtsgeſchäfte zu unterwerfen. Man kann zu
ihrer Anlage die bei der Gewerbſteuer erwähnten Methoden eben-
falls anwenden, allein ſie unterliegen hier derſelben Kritik. Nur
mit dem Unterſchiede, daß man bei Kleinhandelsgewerben (aber
nicht beim Großhandel u. A.) von der Ortsbevölkerung mit mehr
Sicherheit auf den Abſatz und von dieſem auf den Betrieb und
Gewinn ſchließen kann, als bei den Kunſtgewerben, und daß man
bei der Ermittelung des Durchſchnittsertrages je nach der Natur
des Handelsgeſchäftes mehr das Wagniß berückſichtigen muß.
Die Leihgewerbſteuer umfaßt das reine durchſchnittliche
Einkommen aller derjenigen Bürger, welche aus der Verleihung
[737] von Grundſtücken und Capitalien (umlaufenden, und ſtehenden) ein
Gewerbe machen. Die in dieſe Gewerbsklaſſe gehörenden Gewerbe
ſind für die Beſteuerung in der Praxis ganz zerſplittert. Die
Grundeigenthümer und Verpachter ſollen von der Grundſteuer ge-
troffen werden; verſchiedene Leihgeſchäfte mit ſtehendem Capital
und Conſumtionsgegenſtänden, z. B. Leihanſtalten für Mobilien,
Bücher, Muſikalien unterliegen der Gewerbſteuer; die Gefällberech-
tigten, z. B. Zehntherrn ſind zum Theile gar keiner, zum Theile
einer Grundgefällſteuer unterworfen; die Hausbeſitzer ſind beſon-
ders hausſteuerpflichtig; und wegen der Geldcapitalſteuer ſtreitet
ſich die Praxis mit der Theorie, während ſie von Erſterer als un-
ausführbar anerkannt iſt. Bei ſo vielen Gegenſtänden, die offen-
bar unter ein Prinzip gehören, herrſcht eine ſolche Manchfaltig-
keit von Anſichten, Umlagsmethoden und Steuerſätzen. Sie muß
die größte Ungleichheit zur Folge haben. Eine nähere Betrach-
tung zeigt dies ganz klar. 1) Das reine Einkommen aus verpach-
tetem Grundeigenthume wird auf eine müheloſe Art bezogen, weß-
halb ſeine höhere Beſteuerung, abgeſehen von allen Rechts- und
politiſchen Gründen, als eine billige Forderung der übrigen, be-
ſonders Gewerbe betreibenden, Bevölkerung erſcheint. Es iſt aber
bei einem ſcharfen Blicke auf das Weſen der Grundrente leicht er-
ſichtlich, daß durch eine ſolche Steuer nicht blos dieſe, ſondern
auch Capitalrente getroffen wird, da ſehr ſelten, wo das Pacht-
ſyſtem eingeführt iſt, blos Grund und Boden ohne Capital ver-
pachtet wird. Daß man dabei den üblichen Pachtzins zu Grunde
legt, verſteht ſich um ſo mehr von ſelbſt, als dieſe Steuer nur in
Ländern, wo Pachtungen häufig ſind, in Anwendung kommt (§. 492.).
2) Wer durch die Beziehung von Gefällen am Ertrage des Grund
und Bodens Antheil nimmt, erſcheint wenigſtens wie ein Verpach-
ter, ja er bezieht ſein Einkommen ſehr oft in bedeutender Maſſe,
wo die Art des Erwerbs einer ſolchen Berechtigung ſchon ganz
verwiſcht, und nie von einem Eigenthume an dem pflichtigen Boden
die Rede geweſen iſt. Eine Gefällſteuer (Dominicalſteuer,
ſogenannt im Gegenſatze der Grund- oder Ruſticalſteuer) von
höherem Satze als die Grundſteuer iſt daher eine rechtliche wie
auch billige Forderung1). 3) Die Häuſer ſind ein Nutzcapital
(§. 55. N. 1.) und Leihcapital. Sie eignen ſich daher und nach
ihrer Natur in hohem Grade zur Beſteuerung, beſonders in Städ-
ten, wo ſie häufig mit großem Vortheile, theils im Ganzen, theils
in Abtheilungen, theils mit Mobilien, theils ohne ſolche vermiethet
werden. Die Häuſerſteuer2) iſt auf die verſchiedenſte Art ſchon
angelegt worden. a) Die Anlage nach der Grundfläche iſt nicht
Baumſtark Encyclopädie. 47
[738] paſſend, um den Ertrag der Wohnhäuſer zu beſteuern; denn, wenn
gleich nicht zu läugnen iſt, daß die Lage eines Hauſes demſelben
verſchiedenen Werth gibt und die Miethe höher ſtellt, ſo kann man
doch von der Grundfläche allein weder auf den Capitalwerth noch
auf den Ertrag der Häuſer ſchließen, und beſonders irrig iſt die Mei-
nung, man könne den Hausertrag mit der Rente des beſten Acker-
landes von der Grundfläche des Hauſes gleichſetzen, da hier jeden-
falls das Baucapital, die innere Einrichtung, die Ortsbevölkerung
u. dgl. gänzlich unberückſichtigt bleiben würde3). b) Der Anlage
nach dem Capitalwerthe und Kaufpreiſe der Häuſer kann
mit den entſprechenden Abänderungen das ſchon (§. 492. Nr. 3.)
Geſagte entgegengeſtellt werden, weil beim Häuſerkaufe außeror-
dentlich viel von der individuellen Neigung der Käufer abhängt,
und alſo der durchſchnittliche Kaufpreis, wenn er irgendwo auch
leicht zu ermitteln wäre, nicht als ein dem Miethsertrage ſolcher
Häuſer überhaupt entſprechendes Capital erſcheint4). c) Die An-
lage nach den Beſtandtheilen der Wohnungen z. B. nach An-
zahl der wohnbaren Räume, Stockwerke, Fenſter, Heerde, Schorn-
ſteine, Thüren hat das für ſich, daß man aus der Größe und Ein-
richtung des Hauſes auf den Reichthum des Beſitzers oder Be-
wohners mit ziemlicher Sicherheit ſchließen kann, aber ob auch
ebenſo auf den Ertrag, — das muß im Allgemeinen verneint wer-
den, wenn es auch an einzelnen Orten der Fall ſein möchte. Am
meiſten läßt ſich leicht in dieſer Hinſicht für die Zimmer und Stock-
werke als Steuernorm ſagen, aber alle ſonſtigen Normen, denen
man Thür-, Fenſter-, Heerd- u. dgl. Steuern zu verdanken
hat, ſind begreiflicherweiſe ganz untauglich und verurſachen nicht
blos einen außerordentlichen Druck auf die niederen Klaſſen in
wirthſchaftlicher Hinſicht, ſondern ſie können auch, [weil] man die
Anlage ſolcher Theile an den Häuſern wegen der Steuer unter-
läßt, in Betreff des Geſundheitszuſtandes ſehr verderblich werden5).
Endlich d) die Anlage nach dem Miethzinſe hat in der Theorie
ohne Zweifel am meiſten für ſich, weil man nach Abzug der Un-
terhaltungskoſten und allmähligen Abnutzung den wirklichen durch-
ſchnittlichen Reinertrag der Häuſer am ſicherſten treffen würde6).
Allein, ganz unanwendbar in Orten, wo Hausmiethen ſelten ſind,
alſo auf dem Lande und in Landſtädten, hat dieſe Methode ſelbſt
an den anderen Plätzen Schwierigkeiten wegen der Auffindung je-
nes mittleren Miethsertrages ſowie wegen der Aufſtellung einer
auch nur einigermaßen ſichern Norm für die beiden Abzüge vom
Rohertrage. Die beſte Häuſerſteuer wird aus dieſen Gründen alſo
diejenige ſein, wobei man eine den ländlichen und ſtädtiſchen Ver-
[739] hältniſſen möglichſt entſprechende Combination aller dieſer Metho-
den, mit Ausnahme der ganz verwerflichen anwendet. Noch ſind
aber 4) die Geldcapitalien oder Capitalien im engeren Sinne zu er-
wähnen, auf deren Reinertrag oder Zins nach den gehörigen Abzügen
man aus theoretiſchen Gründen eine Steuer gelegt wiſſen will, weil
man darin eine Ungerechtigkeit findet, daß Grund- und Arbeits-
rente, aber nicht die leicht zu erwerbende Capitalrente beſteuert
werde. Die Capitalienſteuer7) hat inſoweit die Theorie für
ſich, um ſo mehr, wenn in den Gewerbſteuern auch die Zinſen der
Betriebscapitalien mitbeſteuert werden, aber auch um ſo weniger,
wenn man dort dieſe Zinſen als Abzüge abrechnet. Allein, wenn
man auch zugeben muß, daß einer ſolchen Steuer der durchſchnitt-
liche Zinsfuß jeder Provinz zu Grunde gelegt werden kann, ſo ſteht
dieſer Steuer die Unmöglichkeit der Ausmittelung des Capitalei-
genthums, die mit der Größe des Letztern und der Ausdehnung
der Capitalgeſchäfte des Beſitzers zunehmende Leichtigkeit und Un-
entdeckbarkeit der Verheimlichung, die Unergründlichkeit der Arten
dieſe Steuer zu umgehen, die Leichtigkeit der Abwälzung dieſer
Steuer auf die ſchuldenden Gewerbsunternehmer, unter den läſtig-
ſten Bedingungen, die Verdrängbarkeit der Capitalien in das Aus-
land und die Abhaltung der ausländiſchen vom Inlande, die da-
her unvermeidliche Steuerungleichheit, und der unausweichliche
Druck auf die kleinen Capitaliſten, welche ſich der Steuer nicht
wie die großen in Wechſel-, Actien- und Staatspapiergeſchäften
entziehen können, in ihrer Ausführung ganz entgegen, ſo daß alle
Verſuche ſie einzuführen ſcheitern und auf die Induſtrie ſchädlicher
wirken, als die vermeintliche Steuerfreiheit der Capitaliſten8).
Die Dienſtgewerbſteuer endlich trifft das am müheſamſten
errungene, und, was die Erſparniſſe zur Sicherung der Dienſtlei-
ſtenden in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, ſowie der Familie nach
dem Tode deſſelben anbelangt, unſicherſte reine Einkommen. Es
iſt daher höchſt fehlerhaft, daß man die dienſtleiſtende Klaſſe mit
den eigentlichen Unternehmern in gleiches Steuerverhältniß ſetzt.
Hierzu ſteuerpflichtig erſcheinen alle Dienſtleiſtende vom gemeinſten
Arbeiter bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten,
unter der Vorausſetzung, daß nach Abzug des ſtandesmäßigen Le-
bensunterhaltes für den Diener und ſeine Familie nach Durch-
ſchnittsſätzen noch ein reines Einkommen übrig bleibt. Man hat
aber noch näher die Privat- und die Staatsdienſtleiſtenden
zu unterſcheiden. Die Beſteuerung der Erſteren, oder, wie man
ſonſt ſich ausdrückt, des Arbeitslohnes erſcheint als gerecht,
wenn ſie das reine Einkommen trifft1), wenn der richtige, d. h.
niedrigſte Steuerſatz gewählt, und wenn die Umlagsmethode zweck-
mäßig iſt2). Die Andere oder Beſoldungsſteuer3) darf mit
jener dem Grundſatze nach nicht verwechſelt werden, denn das
rechtliche Verhältniß der Staatsdiener zum Staate, zugleich als
Geſetzgeber und Dienſtherrn, iſt ein ganz anderes, als jenes zwi-
ſchen dem Arbeiter und Lohnherrn4), die Anſtellungen und Ver-
ſetzungen der Staatsdiener gehen nach andern Geſetzen und Rück-
ſichten als nach freier Concurrenz vor ſich und die Fixirung und
Auszahlung der Beſoldungen geſchieht mit möglichſter Anpaſſung an
die ſtandesmäßigen Bedürfniſſe der Staatsdiener, ſo daß die po-
litiſche oder finanzielle Frage nur diejenige iſt, ob die Beſol-
dung der Staatsdiener hoch genug iſt, um einen ſteuerbaren rei-
nen Ueberſchuß über jene möglich zu machen, und ob es nicht beſ-
ſer ſei, die Umlags- und Erhebungskoſten einer ſolchen Abgabe zu
erſparen, indem man die Beſoldungen ſo hoch ſtellt, daß eine Steuer
nicht mehr erhoben werden kann. Während alſo jeder Staats-
diener mit ſeinem als Staatsbürger bezogenen Einkommen und
für ſeine Genüſſe wie jedes andere Staatsglied ſteuerpflichtig iſt,
ſo wird die Beſteuerung ihrer Beſoldung ſtets aus demſelben Ge-
ſichtspunkte zu betrachten und unnöthig ſein, wie die Beſteuerung
der Staatskaſſe, ſie muß aber um ſo mehr als ungerecht erſchei-
nen, als der Staat ſeinem Beamten die Belohnung, welche er als
Geſetzgeber und contrahirender Dienſtherr denſelben unter der Be-
dingung zugeſagt hat, daß ſie ſeinem Dienſte ihre Kräfte aus-
[742] ſchließlich widmen müſſen, ohne Schmälerung zu verabreichen ver-
bunden iſt5).
Die Steuern, welche von den Genüſſen erhoben werden, unter-
ſcheiden ſich weſentlich von den genannten dadurch, daß ſie eine
perſönliche und ſachliche Beſteuerung zugleich ſind, indem durch ſie
nicht blos Theile des Einkommens entzogen, ſondern immer die
Genüſſe etwas erſchwert werden. Je mehr ſie nun Perſonal- und
Vermögensſteuern, je weniger ſie Reinertragsſteuern ſind, um ſo
weniger ſtimmen ſie mit den Steuergeſetzen überein. Je mehr ſich
aber annehmen läßt, daß ſie blos das reine Einkommen treffen,
um ſo vorzüglicher ſind ſie, und haben unſtreitig den Vorzug vor
den andern Steuern, wenn ſie nicht mit läſtigen Formen der Er-
[743] hebung verknüpft ſind. Es gibt zwei Klaſſen davon, nämlich ſol-
che, welche der Staat von denjenigen, welche Staatsanſtalten be-
nutzen, im Verhältniſſe dieſer Nutzung erhebt (Gebrauchsſteu-
ern), und ſolche, welche er von den mehr oder weniger nothwendi-
gen Verzehrungen und Genüſſen der Bürger überhaupt im Ver-
hältniſſe dieſer erhebt (Verbrauchs- oder Verzehrungs-,
Zehr- oder Conſumtionsſteuern, auch indirecte Abgaben
genannt).
Die Gebrauchsſteuern1) ſind verſchiedener Art. Entweder
lehnen ſie ſich an beſtimmte Handlungen im bürgerlichen Verkehre,
oder ſie werden bei Erlaubnißertheilungen und Verleihungen ande-
rer Art von Seiten des Staats erhoben, oder bei der Annahme
der Dienſte der Staatsbehörden bezahlt, oder für die Benutzung
anderer materieller Staatsanſtalten entrichtet. Sie ſind folgende:
1) Stempelſteuern, erhoben, indem der Staat zu gewiſſen Ein-
gaben bei den Behörden und zu Ausfertigungen dieſer Letztern ge-
ſtempeltes Papier, wobei der Stempel in verſchiedenen Beträgen
(Klaſſen- und Gradationsſtempel je nach der Wichtigkeit
der Urkunden oder nach der Größe der darin ausgeſprochenen Sum-
men geſetzlich vorgeſchrieben iſt. Wer ſolches Papier verkauft,
der bezahlt die Steuer voraus, alſo iſt ſie indirect. Nicht über-
einſtimmend mit den Steuergrundſätzen ſind ſie bei großer Mäßig-
keit der Anſätze, Stempelfreiheit der Armen und Ermäßigung der
Umgehungsſtrafen eine Abgabenart, die ſich durch Kleinheit der
Quoten unempfindlich erhält, durch Gewohnheit weniger läſtig iſt,
und einen nicht geringen Beitrag zu den Staatsbedürfniſſen ab-
wirft2). 2) Eintrags- oder Regiſtergebühren, Abgaben für
die vom Staate als zur Gültigkeit von Privatverträgen erforder-
lich erklärten Urkunden und Eintragungen in Bücher. Ganz den
Steuergrundſätzen entgegen, ſind dieſelben als bloſe Forderungen
der Willkühr des Staats zu betrachten, da ſie an ſich zur innern
Gültigkeit eines ſolchen Geſchäftes unnöthig ſind. Sie ſind um
ſo verwerflicher, wenn ihr Betrag unmäßig hoch und die Umge-
hungsſtrafen bedeutend ſind, und erſcheinen ſtets als ein ſehr er-
hebliches Hinderniß des Verkehrs3). 3) Taxen für die Erthei-
lung von Patenten zu Anſtellungen, Standeserhöhungen und Ge-
werbsbetrieben (Conceſſionen und Erfindungspatenten), und von
Dispenſationen verſchiedener Art. Sie gehören gar keinem der
Steuerprinzipien an, im Gegentheile ſie fallen meiſtens auf das
[744] Vermögen und ſind als Hinderniſſe in manchen Beziehungen des
bürgerlichen und Gewerbslebens zu betrachten, aber auch Verhü-
tungsmittel gegen Petitionsunweſen. 4) Sporteln bei Gerich-
ten und Verwaltungsbehörden. Es iſt nicht ungerecht, von dem
dieſe Behörden in Anſpruch Nehmenden einen verhältnißmäßigen
Beitrag zur Erhaltung derſelben und desfalſigen Anſtalten zu er-
heben, wenn auch beſſer wäre, dafür gar nichts zu entrichten. Alſo
an ſich läßt ſich von rechtlicher Seite nichts gegen ſie einwenden,
und die politiſche Frage iſt nur die über die Erhebungsart und
Höhe derſelben; denn dadurch werden ſie läſtig und ein Hinderniß
für Aermere, dieſe Behörden, die für Alle vorhanden ſind, in An-
ſpruch zu nehmen. Die Meinung, daß ſie immer als Vermögens-
ſteuern zu betrachten ſeien, iſt nicht richtig; denn es kommt ſehr auf
die zu verhandelnde Frage und äußere Umſtände an4). 5) Stra-
ßen-, Weg-, Brückengelder, Waſſerzölle, und was derglei-
chen hierher gehört. Dieſe Abgaben können mit den Steuergrund-
ſätzen in Einklang gebracht werden Das Geſetz der Volkswirth-
ſchaft verlangt möglichſte Freiheit des Verkehrs, alſo müſſen dieſe
Gelder nicht ſo hoch ſein, daß ſie die Benutzung ſolcher Anſtalten
verhindern (§. 472.). Das Geſetz der Größe erheiſcht, da der
Staat mit ſolchen Anſtalten kein Gewerbe treibt, daß er ſich nicht
mehr als den zur Erhaltung dieſer Anſtalten nöthigen Aufwand
durch ſolche Abgaben vergüten laſſe5). In manchen Staaten trägt
eine ſolche Steuer nicht einmal ſoviel ein, weßhalb es erklärlich
genug iſt, daß ſolche Dinge nicht überall der Privatinduſtrie über-
geben werden können. Das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit
findet bei derlei Anſtalten am gerechteſten die Anwendung, daß
vorerſt alle diejenigen, welche ſolche Anſtalten benutzen, im Ver-
hältniſſe, als ſie den Erhaltungsaufwand nothwendig machen hel-
fen, zur ihrer Unterhaltung relativ gleichviel beitragen, und dann,
daß, wenn noch ein Reſt ungedeckt bleibt, alle Staatsbürger, weil
ſämmtlichen ſolche Einrichtungen mittelbaren Nutzen bringen, zu
deſſen Deckung mitwirken. Aus keinem Grunde aber ergibt ſich,
daß der Staat die Benutzung ſolcher Anſtalten ganz frei zu geben
und auf eigene Koſten möglich zu machen verpflichtet ſei. Nur
dann möchte die Räthlichkeit einer ſolchen Befreiung anzuerkennen
ſein, wenn man, nachdem ein Abgabennachlaß beſchloſſen iſt, keine
drückendere Steuer dazu hat, oder wenn, ohne jene Abſicht, für
ſolche Gelder eine weniger drückende Erſatzſteuer eingeführt wer-
den kann. Allein bei kluger Mäßigkeit ſolcher Steuern werden
ſich ſolche Fälle ſelten finden6).
Gegen keine Gattung von Steuern iſt ſo viel ſchon geſtritten
worden, wie gegen die Verbrauchs- oder Conſumtionsſteu-
ern1), und gerade in jetziger Zeit gehört dieſer Streit zu den
wichtigſten, theils weil die unteren Volksklaſſen ihre Laſten zum
[746] Nachtheile der höheren und reicheren abzuſchütteln ſtreben, theils
weil ſich die Wünſche nach Verkehrsfreiheit lauter als jemals er-
heben. Allein, muß man zugeſtehen, daß dieſe Steuergattung ſo
wenig als eine andere nicht ohne Laſt denkbar iſt, und darf aus
den Bedürfniſſen unſerer Staaten geſchloſſen werden, daß die Con-
ſumtionsſteuern ganz unentbehrlich ſind2), ſo kann man bei ruhiger
vorurtheilsfreier Ueberlegung dieſelben bei weitem nicht in dem
Grade drückend, ſchädlich und an ſich fehlerhaft finden, als ander-
wärts von ihnen behauptet wird. Man wendet gegen ſie ein: die
Unmöglichkeit einer Vorausberechnung ihres Ertrags für die Staats-
kaſſe, die daher rührende Unſicherheit der Einnahmen der Letzteren,
die Koſtſpieligkeit und Schwierigkeit der Erhebung, ihren böſen
Einfluß auf die Moralität, die Unthunlichkeit einer gleichen Be-
ſteuerung je nach dem Verhältniſſe des Reichthums und der Dürf-
tigkeit, die Unbrauchbarkeit der Verzehrung als Maaßſtab des Ein-
kommens, die Unausweichlichkeit der Beſteuerung des Capitals, der
nothwendigſten Bedürfniſſe und des rohen Einkommens mit allen
ihren ſchädlichen Folgen für die Induſtrie, die daher rührende
unerträgliche Bedrückung der Armen, den ſchädlichen Einfluß der
Verſchiebung der Steuerzahlung bis zur Verzehrung auf den Ver-
kehr, auf die Gütervertheilung und auf die Preiſe der Artikel,
die Hemmniſſe für den regelmäßigen Fortgang der Betriebſamkeit
je nach der Art der Erhebung, die bei dieſer Art der Beſteuerung
den Bürgern gelaſſene Wahl zwiſchen dem Beitrage oder Nichtbei-
trage zu den Staatsbedürfniſſen, und den Umſtand, daß, wo ſie
eingeführt ſind, der Bürger mehr als einfach, beſteuert wird.
Allein der im Ganzen wenig veränderliche Stand der Conſumtion
läßt die Staatskaſſe um ihre Einnahme nicht in Ungewißheit. Die
koſtſpielige und ſchwierige Erhebung kann nicht geläugnet werden,
allein die in manchen Staaten und bei einzelnen Steuern in dieſer
Hinſicht getroffene Einrichtung, welche dieſen Vorwurf in hohem
Grade verdienen dürfte, kann nicht dieſen Steuern überhaupt zu-
geſchrieben werden. Die Immoralität, als Folge dieſer Steuern,
iſt nicht nothwendig ein Ergebniß derſelben überhaupt, ſondern
vielmehr ihres zu hohen Betrages, der den Betrug vortheilhaft
macht, aber auch bei andern Steuern kommt dieſer vor. Von der
Verzehrung läßt ſich im Durchſchnitte allerdings auf ein im ge-
raden Verhältniſſe mit ihr ſtehendes Einkommen ſchließen; um nun
alle Bürger möglichſt relativ gleich zu beſteuern, muß man die zu
beſteuernden Artikel richtig wählen und dazu ſteht eine große Anzahl
zu Gebote; die Wahl iſt faktiſch hie und da ungünſtig, aber bei
der beſten Einrichtung ſind da und dort Ungleichheiten unvermeid-
[747] lich und nur in äußerſt ſeltenen Fällen iſt zum Theile jener be-
drückte Zuſtand der ärmeren Klaſſe in dem Grade vorhanden, als
er von den Gegnern dieſer Steuern ausgemahlt wird. Jede Steuer,
die das Capital verringert und die Befriedigung der Bedürfniſſe
erſchwert, iſt allerdings verwerflich; allein daraus, daß eine ſolche
auf die Conſumtion gelegt wird, folgt jenes noch nicht, es kommt
vielmehr auf den Steuerartikel und die Höhe der Steuer an. Es
iſt wahr, wer die indirecte Steuer lange vor der Verzehrung vor-
auszahlt, der läßt ſich im Preiſe des Artikels auch die Zinſen ſeiner
Vorauslage mitbezahlen und ſo ſteigt derſelbe; allein dieſe lange
Vorausbezahlung iſt in der Steueranlage zu vermeiden und keines-
wegs eine von ihr unzertrennliche Begleiterin der Verbrauchſteuern.
Uebrigens ſteigt der Preis dieſer Artikel nur um ſo viel höher
zufolge der Verbrauchsſteuer, und alles andere Steigen deſſelben
iſt Folge von anderen Urſachen. Irgend ein Hemmniß iſt jede
Steuer für den Verkehr und die Gewerbſamkeit, alſo iſt dies bei
den Verbrauchsſteuern auch unvermeidlich; allein abgeſehen davon,
daß es bei dieſer Frage am meiſten auf die gewählte Umlags- und
Erhebungsmethode ankommt, ſo iſt nicht zu läugnen, daß eine andere
Erhebung derſelben Summen, welche jetzt durch die Verbrauchsſteuern
bezogen werden, weit mehr und weit größere Nachtheile auf den
Verkehr und die Induſtrie ausüben würde, als es jetzt geſchieht.
Daran ſind gerade die Umſtände Schuld, welche fernerhin noch
als ſchädliche Eigenheiten der Verbrauchsſteuern angeführt wurden.
Nämlich die Zahl der Contribuenten iſt größer, die Steuerquote
äußerſt klein und wird nur allmälig erhoben, gerade indem der
Pflichtige Genußausgaben macht, bei nicht abſoluten Bedürfniß-
artikeln kann ſich jeder je nach Art und Größe der Conſumtion
ſelbſt beſteuern und die ganze Steuerſumme, welche er jährlich zu
bezahlen hat, wird nicht auf einmal erhoben, was, da es gerade
auf dieſe Art geſchieht, die Steuerzahlung ſehr erleichtert.
Es gibt abſolute und relative Bedürfnißartikel und Luxus-
gegenſtände, welche der Verbrauchsſteuer unterworfen werden kön-
nen. Die Wahl muß auch auf alle drei zugleich fallen, weil es
nur auf dieſem Wege möglich iſt, die untere, mittlere und höhere
Klaſſe der Staatsangehörigen gleichmäßig zu beſteuern. Allein die
Verbrauchsſteuer von abſoluten Bedürfniſſen hat ſtets gegen ſich,
daß von den Letztern nicht auf ein reines Einkommen geſchloſſen
werden kann, daß dieſelben vielmehr als erſte wirthſchaftliche Aus-
lagen erſcheinen, die im Preiſe der Producte, Nutzungen und Lei-
ſtungen nothwendig erſtattet werden müſſen, daß folglich eine ſolche
Steuer Alles andere vertheuert, von der Arbeiterklaſſe nur voraus-
bezahlt, ſpäter aber ihr von den Lohnherrn, periodiſche und locale
Ausnahmen abgerechnet, wieder erſtattet wird, und daß ſie die
Befriedigung der Bedürfniſſe erſchwert. Dies Alles findet bei der
Beſteuerung der anderen Bedürfniſſe und des Luxus nicht Statt,
ſie beſchränkt, wenn ſie hoch geſpannt iſt, höchſtens den Genuß.
Es iſt daher Grundſatz, durch das Verbrauchſteuerſyſtem ſowohl
dies Letztere als auch die Erſchwerung der Bedürfnißbefriedigung
zu verhüten. Dies iſt aber nur möglich durch die kluge Auswahl
der Artikel1), durch Mäßigkeit der Steueranſätze, dadurch, daß
man die Steuer möglichſt kurz vor dem Verbrauche erhebt und
durch thunlichſte Einfachheit und Wohlfeilheit der Erhebung2).
Allein dies Alles iſt Sache der Finanzpolitik, welche ſich zu dieſem
Behufe ſtreng an die Statiſtik des Landes halten muß.
Das Verbrauchsſteuerſyſtem beſteht daher aus drei Hauptſteuer-
gattungen, nämlich Acciſen, Zöllen und Luxusſteuern. Sie
erſcheinen hier nicht von ihrer nationalöconomiſchen Seite (§. 458.
IX. 4.), allein bei einem guten Steuerſyſteme muß in dieſem an
ſich, ſo wie zwiſchen der nationalöconomiſchen und finanziellen
Rückſicht dieſer Steuergattungen ein ſorgfältiger verſtändiger Zu-
ſammenhang beobachtet werden. — Unter die Acciſe, d. h. Ver-
brauchsſteuern von inländiſchen Fabrikaten, rechnet man ziemlich
allgemein folgende Abgaben: 1) Die Mahlſteuer (Mehl- oder
Brodacciſe), welche ſich durch die Allgemeinheit, leichte Ausglei-
chung, den hohen Ertrag bei geringem Anſatze, und die Leichtigkeit
der Erhebung in Städten ſehr, auf dem Lande aber gar nicht
empfiehlt1). 2) Die Schlachtſteuer (Fleiſchacciſe) hat als
ſtädtiſche Staatsſteuer dieſelben Gründe um ſo mehr für ſich, als
das Fleiſch kein abſolutes Bedürfniß, wie Brod, iſt und je nach
ſeiner Qualität eine Stufung der Steuerſätze und höhere Be-
ſteuerung der höheren Conſumenten möglich macht, aber als Steuer
auf dem Lande hat ſie dieſe Vortheile nicht2). 3) Die Bier-
ſteuer (Bieracciſe) trifft ein Gewerbsproduct, deſſen Güte und
Quantität im Belieben des Brauers liegt, der aber von der Nach-
frage darnach in der Production beſtimmt wird. Es eignet ſich
das Bier um ſo mehr zur Beſteuerung, weil es an ſich nicht als
abſolutes Bedürfniß erſcheint und doch allgemein in großer Quan-
tität conſumirt wird3). 4) Die Branntweinſteuer (Brannt-
weinacciſe) hat noch weit mehr Gründe für ſich, als jene, weil
der Branntwein in der That als ein, ſogar ſchädlicher, nicht noth-
wendiger Genußartikel erſcheint, deſſen Conſumtion aber ſehr be-
trächtlich iſt und wegen der verſchiedenen Feinheit der Branntweine
und Liqueurs Abſtufungen der Steuerſätze in mehrfacher Hinſicht
geſtattet4). 5) Die Weinſteuer (Weinacciſe) von Obſt- und
[750] Traubenwein erſcheint noch weniger als eine Bedürfnißſteuer und
eignet ſich auch wegen der verſchiedenen Qualität des Weines
ſehr zur Conſumtionsſteuer, aber in einer Hinſicht findet eine Ver-
ſchiedenheit Statt, nämlich ſeine Güte und Menge hängt nicht
vom Belieben des Producenten ab und ſein Gebrauchs- und Tauſch-
werth ſo wie ſein Preis nimmt mit ſeinem Alter zu, Umſtände,
wodurch deſſen Beſteuerung ſehr erſchwert wird5). 6) Die Ta-
backsſteuer trifft in keiner Hinſicht ein wahres Bedürfniß, aber
ſie kann ein bedeutendes Einkommen gewähren, wo der Verbrauch
des Tabacks allgemein iſt, und wirkt in keinem Falle an ſich
drückend6). Endlich 7) die Salzſteuer iſt eine der geeignetſten
Zehrſteuern, wegen des ausgedehnten Salzverbrauchs im Hauſe,
in der Viehzucht, Landwirthſchaft und in den Gewerken, wegen
des geringen Bedarfs für die einzelne Perſon, wegen der geringen
Gewinnungskoſten, die einen bedeutenden Steuerzuſchlag geſtatten,
ohne Druck auf den Conſumenten, und endlich wegen der leichten
koſtenloſen Erhebung. Die Einwendungen gegen dieſelbe betreffen
ſie, mit Ausnahme des Umſtandes, daß ſie alle Familien blos nach
ihrer Größe beſteuert, alſo die Armen härter trifft, als die Rei-
chen, nicht an ſich, ſondern nur ihre vermeintliche oder auch wirk-
liche Höhe und die gleiche oder auch nur um Weniges verſchiedene
Beſteuerung und Preishöhe des Koch-, Vieh-, Dung- und Ge-
werksſalzes. Hiergegen ſind aber ſehr leicht Maaßregeln zu
ergreifen7).
Das Zollweſen iſt von ſeiner nationalöconomiſchen Seite
bereits (§. 471.) erörtert. Aber, iſt es ſchon in jener Beziehung
Einer der ſchwierigſten Gegenſtände der Staatsverwaltung, ſo wird
es noch weit verwickelter, indem die finanzielle Rückſicht, nämlich
die Erhebung eines Einkommens aus der Beſteuerung der Conſumtion
ein- und ausgehender Waaren, noch hinzutritt. Aber die Wiſſenſchaft
vermag, weil die Verhältniſſe der Länder zu verſchieden ſind,
hierin nicht viel mitzuſprechen. Die Auswahl der zollbaren Waa-
ren, Bildung des Tarifes und Anlage der Zolllinien iſt lediglich
Gegenſtand der Finanzpolitik. Allgemeine wiſſenſchaftliche Sätze
klingen hier immer hohl und ungenügend.
Es iſt leicht einzuſehen, daß unter den Acciſen und Zöllen
ſchon Luxusſteuern im allgemeinen Sinne enthalten ſind. In
beſonderer Bedeutung verſteht man unter ihnen die directen Luxus-
ſteuern, z. B. für das Halten von Dienern, Equipagen, Luxus-
Pferden, Hunden, Wappen u. dgl. Mit Ausnahme der Hundſteuer,
nur in großen Staaten von Bedeutung, erſcheinen ſie als die am
wenigſten drückenden Abgaben.
Der Staatskredit oder Kredit des Staats (§. 343.) iſt eine
der wichtigſten Einkommensquellen des Letztern, welche, da ſie auf
[752] dem Zutrauen zum Staate beruhet, der ſorgſamſten Pflege bedarf1).
Die neueren und neueſten Staatsregirungen haben von demſelben
einen außerordentlich großen Gebrauch gemacht, ſo daß man eines
Theils viele Erfahrungen über die beſte Art der Benutzung des-
ſelben gemacht und andern Theils die größte Aufmerkſamkeit nöthig
hat, um die beſten Mittel und Wege zu finden und anzuwenden,
wie derſelbe erhalten und die durch deſſen Benutzung entſtandenen
Laſten und Uebelſtände entfernt werden können2).
Die verſchiedenen Arten der Benutzung deſſelben laſſen ſich
folgendermaßen zuſammenſtellen:
A.Zwangskreditgeſchäfte, d. h. Benutzung des Staats-
kredits unter Ausübung von mehr oder weniger Zwang. Es ge-
hören hierher:
I. Die Benutzung der bei den Staatskaſſen niedergelegten
Cautionsgelder und anderen Depoſiten, ja auch der Sum-
men in der Spar-, Leih-, Stiftungs-, Gemeindekaſſen u. dgl. Da
die Erſteren doch bezahlt werden müſſen und in großen Staaten
erhebliche Summen ausmachen, ſo ſteht ihrer Benutzung, wenn
der Staat ſie regelmäßig landüblich verzinst und zu ihrer Zeit
anheimzahlt, gar nichts entgegen. Aber gewaltſame Eingriffe in
die genannten Kaſſen ſind als Ungerechtigkeiten, als Störungen
der allgemeinen Sicherheit und Untergrabungen des Kredits durch-
aus verwerflich.
II. Die Bewirkung von Ausgaberückſtänden, der natür-
lichſte und kürzeſte Weg, Schulden zu machen, aber unvereinbar
mit einer gerechten und klugen Staatswirthſchaft, weil ſie auf ge-
waltiger Täuſchung aller derjenigen beruht, die an den Staat zu
fordern haben, weil ſie einen großen Theil der Letzteren in Ver-
legenheit ſetzt und, einmal begonnen, nach und nach die Finanz-
verwaltung in unerträgliche Unordnungen verſetzt.
III. Die Erhebung von Zwangsanleihen, indem man von
den Reichen oder von Geſellſchaften oder Gemeinden u. dgl. oder
von allen Staatsbürgern Darleihen erzwingt. Allein der Zwang
verträgt ſich mit dem Zutrauen nicht, und dieſe Anleihen ſind,
abgeſehen hiervon, ſelbſt wenn die einſtige Verzinſung und Heim-
zahlung verſprochen wird, ſchon deßhalb verwerflich, weil niemals
eine vollſtändige Entſchädigung Statt findet.
IV. Die zwangsweiſe Emiſſion von Kreditpapieren, näm-
lich entweder von Gutſcheinen (franz. Bons. engl. Bills. im
Deutſchen auch Schatz- und Treſorſcheine genannt) oder von
Papiergeld. Was das Letztere anbelangt (§. 414. u. §. 443.),
ſo geht ſchon aus ſeiner Natur hervor, daß es, als Staatseinkom-
[753] mensquelle benutzt, den Keim von einer tiefen Zerrüttung der
Volks- und Staatswirthſchaft in ſich trägt und es kommt dem
Staate ſchwer an, die Mittel zur Honorirung deſſelben immer in
Bereitſchaft zu halten, während, wenn er ſie bereit hält, ihm die
Mittel zur vortheilhaften Benutzung der Capitalien nicht ſo gut
zu Gebote ſtehen, wie den Privatbankern, und, wenn er das bei-
ſtrömende Papiergeld nicht honoriren kann, ſein Kredit ſinkt und
der Volkswohlſtand untergraben wird. Die Gutſcheine dagegen,
für welche Zinſen bezahlt werden und welche ausgegeben werden in
der Abſicht, ſie in der nächſten Zeit, z. B. innerhalb eines Jahres,
wieder einzuziehen, erſcheinen, wenn treu an der Verzinſung und
Einziehung gehalten wird, als ein ſehr bequemes Mittel, unter
Erſparniß an Baarſchaft Ausgaben zu decken, denen man nicht
ausweichen kann. Ihre erlaubte Summe wird durch ein Geſetz
beſtimmt, und alle bedeutendere europäiſche Staaten haben ſie im
Gebrauche.
V. Die zwangsweiſe Anticipation, indem nämlich der
Staat von ſeinen Unterthanen die Steuern, welche ſie in der näch-
ſten Finanzperiode erſt zu entrichten hätten, ſchon zur Verwendung
in der jetzigen voraus erhebt. Außer einem großen Drucke auf
die Steuerpflichtigen und den öftern ſchädlichen Folgen für das
Gewerbscapital derſelben verurſachen die Anticipationen unaus-
weichlich Unordnung in der Finanzwirthſchaft und ein baldiges
Vertrocknen der vornehmſten Einkommensquellen des Staats.
B.Freie Kreditgeſchäfte des Staats, d. h. Benutzung
des Staatskredits kraft beſtimmter Verträge mit Gläubigern. Sie
ſind folgende:
I. Zwangsloſe Anticipitationen, d. h. Voraufnahmen
von Staatseinkünften bei Pächtern von Steuern oder Domänen
oder Regalien gegen Zinſen und unter der Zuſicherung der Befug-
niß, ſich bei der Fälligkeit der betreffenden Einnahme bezahlt zu
machen. Außer den Nachtheilen der Zwangsanticipationen haben
ſie auch noch den, daß der Staat enorme Zinſen entrichten muß
und die Finanzverwaltung nach und nach ganz in die Hände dieſer
Pächter geräth1).
II. Eigentliche Staatsanleihen (§. 336.). Jeder Schuld-
ner, und am meiſten der Staat in jener Eigenſchaft wegen ſeiner
großen ordentlichen und außerordentlichen Bedürfniſſe, ſucht ſich
ſchon im Anleihensvertrage ſeine Verbindlichkeiten zur Verzinſung
und Tilgung, beſonders bei großem und ſteigendem Betrage der
Schuld, ſo viel als möglich zu erleichtern. Aus dieſem Streben
gingen geſchichtlich folgende Arten von Staatsanleihen hervor:
1) Gegenſeitig aufkündbare Staatsanleihen mit getrenn-
ter Tilgung und Verzinſung, ſo wie ſie im gewöhnlichen Leben
auch vorkommen. Sie können den Staat durch die Kündigung von
Seiten des Gläubigers in die größte Geldverlegenheit verſetzen und
dem Gläubiger durch die Kündigung von Seiten des Staats, be-
ſonders bei großen Summen, höchſt unangenehm ſein. Man fand
daher ein ſehr angenehmes Gegenmittel, nämlich 2) die Annui-
täten (Zeitrenten, engl. Annuities), wobei eine beſtimmte Anzahl
von Jahren eine jährliche Rente an den Staatsgläubiger bezahlt
wird, welche außer dem feſten Zinſe für das jedesmal noch ſtehende
Anleihenscapital auch noch einen Theil des Letztern ſelbſt enthält,
ſo daß, wie der Zinsbetrag bei gleichbleibendem Zinsfuße eben
wegen der allmäligen Abzahlung des Capitals ſinkt, im nämlichen
Verhältniſſe der Tilgbetrag der Rente und mit ihm die Schnellig-
[755] keit der Tilgung zunimmt. Der Staat ſeinerſeits und der Gläu-
biger anderſeits glaubte aber auch, was Verzinſung und Tilgung
anbelangt, noch durch den Unterſchied zwiſchen der wirklichen und
wahrſcheinlichen Lebensdauer der Gläubiger Gewinn zu machen,
und ſo entſtanden 3) die Leibrenten (franz. Rentes viagères,
engl. Life Annuties), nämlich Annuitäten, welche ſo berechnet
ſind, daß durch Bezahlung der beſtimmten Rente die Schuld nach
Ablauf der wahrſcheinlichen Lebensdauer des Gläubigers ſammt
Zinſen getilgt iſt. Lebt nun der Letztere wirklich länger, ſo muß
ihm der Staat mit Schaden die Rente bis zum Tode fortbezahlen
und jener gewinnt; ſtirbt er aber früher, ſo erliſcht auch die
Rentenzahlung und der Staat gewinnt. Jedoch ſo ganz vereinzelt
war es ſchwerer, Gläubiger auf dieſe Anleihensart zu finden, als
wenn ſich Geſellſchaften dazu vereinigten, und zudem mußte der
Ertrag ſolcher Anleihen auch größer ſein. Daher verfiel man auf
4) die Tontinen, d. h. Leibrenten für eine ganze Gläubigergeſell-
ſchaft, die aus verſchiedenen Altersklaſſen beſtehen kann, mit der
Einrichtung, daß die Geſellſchaft als moraliſche Perſon den ganzen
Rentenbetrag für die Schuld bezieht, folglich, wenn ein Mitglied
nach dem andern ſtirbt, immer die perſonell ledig gewordene Rente
wieder dem Reſte der Geſellſchaft zufällt, bis ſie endlich ganz aus-
geſtorben iſt2). Bei dieſen drei letztgenannten Anleihensarten aber
gibt der Staat ganz aus der Hand, den Zinsfuß, wenn er indeſſen
ſinken ſollte oder wenn jener in den Stand käme, Anleihen zu ge-
ringeren Zinſen aufnehmen zu können, herabzuſetzen. Bei den
Annuitäten verrechnen ſich oft die Gläubiger und die kleinen Be-
träge der Renteinnahme ſind ihnen zum Behufe der Capitalanſamm-
lung nicht angenehm. Bei Leibrenten und Tontinen verliert in der
Regel der Staat, weil die Lebensdauer der Rentner wirklich größer
zu ſein pflegt, als die Wahrſcheinlichkeit lehrt. Wegen dieſer und
der früher angegebenen Unbequemlichkeiten verfiel man auf neue
Einrichtungen der Staatsanleihen, und es gingen endlich noch
folgende drei Arten hervor, nämlich 5) die Lotterieanleihen,
d. h. ſolche, wobei der Staat die Zinszinſen oder einen Theil der
Zinſen oder ſelbſt einen Theil des Capitals zurückhält, um daraus
einen Fonds zu bilden, welcher in verſchiedene Gewinnſte abgetheilt
wird. Entweder bezahlt derſelbe die Zinſen jährlich aus oder
ſchlägt ſie zum Capital einer jeden Obligation (Loos genannt).
Im erſten Falle wird blos das Capital ſammt den Gewinnſten, im
zweiten aber das Capital und der Zins für die ſämmtlichen rück-
ſtändigen Jahre ſammt den Gewinnſten ausbezahlt, wie es die
vorher geſchehene Verlooſung jedesmal anzeigt, ſo daß der ge-
48 *
[756] ringſte Bezug des Gläubigers im erſten Falle aus dem bloßen
Capitale, im zweiten dagegen aus dem Capitale ſammt rückſtändigen
Zinſen, aber alle höheren Bezüge aus dem Einen oder Andern
ſammt dem auf das Loos gefallenen geringeren oder höheren Ge-
winnſte beſteht. Für die Gläubiger als Mittel der Capitalanſamm-
lung und als Weg zu großen Gewinnſten ſehr paſſend, haben die-
ſelben aber für den Staat keinen andern Vortheil, als daß er
leichter Anleihen zuſammenbringen kann, während er dagegen die
freie Verfügung über Capital und Zinſen aufgibt und leicht dabei
verlieren kann, wenn die Wirklichkeit der Berechnung nicht ent-
ſpricht. Dieſen und den anderen Unbequemlichkeiten und Nach-
theilen ſind 6) die Renten nicht ausgeſetzt, welche jetzt am allge-
meinſten üblich ſind. Der Staat verſpricht nämlich denjenigen,
welche ihm Geld leihen wollen, eine jährliche Rente und beurkun-
det dies Verſprechen mit einem auf die Capitalſumme von 100
(Nominalwerth) geſtellten Papiere, oder er frägt, wie viel er
für eine Zahlung von 100 Capital an Rente und Nominalwerth
verſchreiben müſſe. Er bietet dieſe Papiere, welche ihren Beſitzern
jedenfalls dieſes Capital ſichern, aus und die Capitaliſten geben
ihm für ein jedes entweder gerade jene 100 oder weniger oder
mehr (Realwerth), überhaupt nur ſo viel, als ſie im Privat-
verkehre Geld ausleihen müßten, um die verſprochene Rente als
Zins zu bekommen. Iſt die Tilgung dieſer Anleihen vertragsmäßig
vorausbeſtimmt oder ſind ſie vom Staate einſeitig aufkündbar, ſo
heißt man ſie geradezu Renten mit Angabe des Prozents. Hat
aber auch der Staat auf die Aufkündigung verzichtet, und ſich
nur vorbehalten, nach ſeinem Belieben und Vermögen dieſe Obli-
gationen aus dem Verkehre einzeln frei aufzukaufen, ſo heißen ſie
immerwährende Rente (franz. Rentes perpétuelles, engl.
Perpetual Annuities). Der Staat hat dabei alle Freiheiten in
Betreff der Verzinſung und Tilgung, aber er kann verlieren, wenn
die Obligationen im Curſe höher geſtiegen ſind, als der Realwerth
beträgt, welchen er von Capitaliſten dafür empfangen hat. Allein
ſtieg der Preis, weil der allgemeine Zinsfuß gefallen iſt, alſo für
eine Rente auch ein größeres Capital bezahlt werden kann, ſo ſteht
ihm auch das Mittel der Zinsreduction zu Gebote3).
Wenn der Staat ein Anleihen contrahiren will, ſo kommt das
Meiſte auf die Unterhandlung dabei an. Was 1) die Arten der
Unterhandlung betrifft, ſo verdient die Methode der Subſcription,
wobei Liſten zu letzterem Zwecke aufgelegt werden, in die ſich die
einzelnen Capitaliſten ſammt ihren Miſen einzeichnen, keineswegs
von jener der Negoziation oder Adjudication, wobei der Re-
girungsbevollmächtigte mit einigen ſich dazu meldenden Bankern,
die ihre Anerbietung entweder verſchloſſen oder offen machen, un-
terhandelt und dem Meiſtbietenden den Zuſchlag gibt (das Anlei-
hen adjudicirt), den Vorzug. Denn das letztere Verfahren iſt
für den Staat müheloſer, ſicherer und ſchneller. 2) Die Bedin-
gungen und Garantien für Staatsanleihen betreffend, ſo be-
ziehen ſich Erſtere hauptſächlich auf die Termine der Lieferung von
Seiten des Bankers, auf den Adjudicationscurs (Uebernahmspreis
oder Realwerth), auf die Geldart, worin das Anleihen geliefert,
verzinst und getilgt werden ſoll, die Art des Anleihens, ſeine in-
nere Einrichtung, die Art und Termine der Verzinſung und Til-
gung; beſondere Garantien anderer Staaten ſind nur in ſeltenen
Fällen nöthig und räthlich, der Hypotheken aber bedarf es nicht,
weil die Staaten zur Verzinſung und Tilgung gewiſſe Staatsein-
künfte oder die Ueberſchüſſe der Einnahmen über die Ausgaben an-
weiſen und ein befriedigender Blick auf die Finanzverwaltung mehr
Sicherheit darbietet, da in den meiſten Staaten die Schul-
den mehr betragen, als ſie zur Hypotheke anzubieten vermöchten.
In Bezug auf 3) die beim Anleihen zuzulaſſenden Perſonen
hat man ebenfalls einem Ausſchließungsſyſteme folgen und die
Ausländer davon abhalten zu müſſen geglaubt. Allein die Sache
finanziell betrachtet, ſo möchte die möglichſt freie Concurrenz dem
Staate am leichteſten billige Bedingungen ſichern, während, wenn
man ſie nationalöconomiſch, d. h. aus dem Geſichtspunkte des
Geldumlaufs nimmt, an ſich klar iſt, daß der Staat überhaupt
gar kein Hinderniß der freien Concurrenz in den Weg legen kann,
weil der Negoziant aus allen Capitalmärkten her das Geld bezieht,
und daß es immer beſſer iſt, wenn der Staat durch Anleihen der
einheimiſchen Induſtrie ſo wenig als möglich Hände und Capitalien
entzieht1). 4) Die Zeit für die Negoziirung eines Staatsanlei-
hens iſt ſehr wichtig. Denn je mehr durch beſondere Ereigniſſe
[758] Capitalien vorräthig oder diſponibel geworden ſind und je mehr
ſich der Wechſelcurs gegen das Ausland zu Gunſten des Staats
geſtellt hat, um ſo vortheilhafter werden die Bedingungen und das
Anleihen ſelbſt ſein2). 5) Endlich iſt der Zweck des Anleihens,
nämlich ob ſeine Verwendung wirthſchaftlich productiv oder unpro-
ductiv iſt, für deſſen Negoziation von hoher Bedeutung. Denn der
Kredit des Staats wird hiernach wirklich oder blos in der Meinung
der Capitaliſten ſteigen oder ſinken, nach dieſem aber richten ſich
die Bedingungen, unter denen der Staat ſein Anleihen auszu-
geben vermag.
Wird nun ein Staatsanleihen contrahirt, ſo ſtellt der Staat
ſeinem Negozianten die Hauptſchuldverſchreibung oder Ge-
neralobligation aus. Dieſer zieht dann von ſeinen verbündeten
Capitaliſten, die Antheil am Anleihen nehmen, die Darleihen ein.
Zu dieſem Behufe werden in England, Frankreich und andern
Ländern Papiere (Certificate) ausgegeben, worauf man die
Termine der Einzahlung, die ſtreng feſtzuhalten ſind, aufgezeichnet
hat; ſie heißen, ſo lange das Anleihen nicht geſchloſſen iſt, Scrip;
da aber zuweilen für ein Hundert, welche der Capitaliſt zahlt,
verſchiedene Renten und Capitalien verſchrieben und verſchiedene
Papiere ausgegeben werden, ſo ſtellt man ſie zum Behufe der
Veräußerung doch ſämmtlich zuſammen und ein ſolcher Geſammt-
betrag heißt Omnium; curſirt und hat, wenn das Anleihen geſucht
iſt, einen Curs über Pari (§. 349.); das Prozent, um welches er
über Pari ſteht, heißt Bonus. In Deutſchland werden für die in
der Generalobligation ausgeſprochene Summe Partialobliga-
tionen von verſchiedenem Werthe ausgegeben. Dieſe werden aus
verſchiedenen Gründen in Reihen (Serien) nach Buchſtaben,
und dieſe wieder in Nummern abgetheilt. Die Obligationen lau-
ten entweder auf den Inhaber (au porteur), d. h. ſie enthalten
nicht den Namen eines beſtimmten Gläubigers, oder ſie enthalten
den Letztern. Im letzten Falle heißen ſie Inſcriptionen, weil
ſie und jede Beſitzveränderung in ein großes Buch eingeſchrieben
werden. Letztere Methode iſt in Deutſchland nicht üblich.
Die Verzinſung der Staatsſchuld iſt eine heilige Pflicht des
Staats, nicht blos, weil er ſie vertragsmäßig verſprochen hat,
ſondern weil er auch ſelbſt den Schutz des Rechts und Volkswohl-
ſtandes als Staat, ſo weit er in ſeiner Gewalt ſteht, zu gewähren
verpflichtet iſt. Der Staat muß den Zins ſeiner Schulden mit
voller Sicherheit, in ſeiner verſprochenen Größe und Geldſorte
ohne öffentliche und geheime Schmälerung, zur bedungenen Zeit
und am beſtimmten Orte den ſich meldenden und zu ſeinem Bezuge
berechtigten Gläubigern ausbezahlen. Zur Erleichterung und Con-
trole der Zinszahlung ſind die Quittungen dafür (Coupons) den
Obligationen ſchon beigegeben, ſo daß ſie der Inhaber nur einzeln
für jeden Zinstermin (franz. fin) an die zahlende Kaſſe abzugeben
braucht. Die Verzinſung geſchieht, wenn ſie nicht zum Capitale
geſchlagen wird, viertel- oder halbjährlich entweder in der Haupt-
ſtadt oder auch in Provinzialſtädten oder gar auf ganz fremden
Börſen. Wenn ſich der Curs der Staatspapiere wegen des Sinkens
vom allgemeinen Zinsfuße ſehr hoch geſtellt hat, oder wenn der
Staat ein Anleihen zu geringerem Zinſe, als das ältere einen
bezahlt, bekommen kann, ſo kann er eine Zinſenreduction vor-
nehmen, d. h. den älteren Gläubigern geringere Zinſen unter der
Freiſtellung der Wahl anbieten, ob ſie ihr Capital lieber ausbezahlt
haben wollen. Unter dieſen Bedingungen erſcheint ſie durchaus
nicht als eine Ungerechtigkeit, wofür man ſie ſonſt ſchon im Allge-
meinen oder dann erklären wollte, wenn der neu angebotene Zins
unter dem durchſchnittlichen ſtehe1).
Die Pflicht des Staats, die Steuerlaſt der Unterthanen bald
und möglichſt zu vereinigen; die Forderung der Klugheit, daß er
ſich die Verwaltung ſo leicht und einfach mache, als es ohne
reellen Schaden in den Staatszwecken geſchehen kann; und der
Schuldvertrag fordern vom Staate die Tilgung ſeiner Schulden.
Eine theilweiſe oder gänzliche eigenmächtige Vernichtung oder
[760] Streichung oder Nichtanerkennung früher contrahirter Schulden,
eine Erklärung der theilweiſen oder völligen Zahlunfähigkeit, eine
ſolche Einſtellung der Schuldzahlungen auf immer oder unbeſtimmte
Zeit (d. h. ein theilweiſer oder vollſtändiger Staatsbankbruch)
zerſtört mehr oder weniger ſeinen Kredit und den Volkswohlſtand1).
Er iſt nur durch gehörige Sorge für die Tilgung (Amortiſation)
ſeiner Schulden hiervor zu bewahren. Durch dies neue Renten-
ſyſtem bei Staatsanleihen haben ſich die Regirungen die Tilgung
ſchon ſehr bequem gemacht. Doch hat jeder Staat bei der Schul-
dentilgung folgende Punkte in Erwägung zu ziehen. 1) Die
Quellen zur Schuldentilgung. Sie ſind entweder außerordentliche
oder ordentliche. Jene ſind nicht genügend, wo die Tilgung termin-
weiſe zum Voraus beſtimmt iſt und geſchehen muß. Man mag alſo noch
ſo ſehr überzeugt ſein, daß die Anwendung ordentlicher Tilgmittel
wenig oder gar keine reelle, ſondern nur eingebildete Wirkung habe,
ſo viel muß man eingeſtehen, daß dieſe Anſicht nicht allgemein
praktiſch ausführbar iſt. Die Verwendung jährlicher beſtimmter
Einkünfte des Staats (½-2% der betreffenden Staatsſchuld)
zur Tilgung vermittelſt einer eigenen, beſonders operirenden, Tilg-
oder Amortiſationskaſſe iſt das Weſentliche der Tilgplane,
welche auf den Geſetzen der Zinszinſen beruhen und wonach die
Zeit beſtimmt werden kann, innerhalb welcher eine Schuld getilgt
ſein muß, ebenſo wie die Größe des Tilgfonds, um bei gegebenem
Zinsfuße die Schuld in beſtimmter Zeit tilgen zu können2). Iſt
die Schuld auf einen beſtimmten Tilgfonds geſetzt, ſo heißt ſie
fundirt (franz. Dette fondée, engl. Funded Debt); iſt ſie es
nicht, ſo heißt ſie ſchwebend (franz. Dette flottante, engl.
Floating Debt). 2) Die Größe des Tilgfonds. Je größer der-
ſelbe iſt, deſto ſchneller geht die Tilgung unter übrigens gleichen
Umſtänden von Statten. Allein der Volkswohlſtand verträgt nicht
wohl eine ſo große Laſt, als ein Tilgfonds, z. B. von 2% für die
Schulden der meiſten europäiſchen Staaten nöthig machte. 3) Die
Zeit der Tilgung. Sie ſteht mit der Größe des Tilgfonds und
bei gleichem Tilgfonds mit der Größe des Zinſes der Schuld in
umgekehrtem Verhältniſſe. Blos die Friedenszeit iſt zu einer
wirkſamen Schuldentilgung günſtig3). 4) Die Mittel der Schul-
dentilgung. Sie muß in demſelben Umlaufsmittel geſchehen, worin
die Schuld contrahirt und die Tilgung verſprochen iſt, ohne offen-
bare oder geheime Schmälerung, — dies verlangt das Recht, die
Staatsklugheit und namentlich der Staatskredit4). Endlich 5) die
Arten der Schuldentilgung. Die ſchwebende Schuld, z. B.
Gutſcheine, Bons, Bills, Schatzkammerſcheine, wird zur beſtimmten
[761] Zeit baar bezahlt und eingezogen, oder in fundirte Schuld ver-
wandelt, oder zum Theile ſo, zum Theile ſo behandelt. Die Pa-
piergeldſchuld wird am beſten nur auf die erſte Methode getilgt.
Iſt das Papiergeld aber bedeutend im Curſe geſunken, ſo kann der
Staat daſſelbe, da die Entſchädigung Aller, welche daran verloren
haben, unmöglich iſt, außer auf die bereits (§. 443. N. 4.) ge-
nannten zwei andern Methoden auch noch hinwegſchaffen, indem er
es gegen verzinsliche Staatsobligationen einlöst, bis ſich der Curs
des Reſtes wieder gehoben hat, — eine Methode, wodurch ſich
aber der Staat eine enorme Schulden- und Zinslaſt aufladet5).
Die fundirte Schuld wird getilgt entweder durch freien Aufkauf
der Obligationen auf der Börſe durch Regirungscommiſſaire oder
durch Heimzahlung der Schuldcapitalien nach dem Tilgplane, wie
ſie das Loos bei der deßhalb Statt findenden Ziehung trifft.
Die Staats-Hauswirthſchaftslehre oder Finanzverwal-
tungslehre (§. 44. §. 473. a.), der eigentlich praktiſche Theil der
Staatswirthſchaftslehre, deſſen Maximen nach den beſonderen
Staatsverhältniſſen wandelbar ſind, lehrt die Leitung des Finanz-
weſens als eines Ganzen, die Zuſammenhaltung aller einzelnen
Zweige der Staatswirthſchaft, das Bereithalten der Staatsein-
künfte zu den Staatszwecken und die Verwendung derſelben, inſo-
weit ſie die Finanzwirthſchaft angeht (§. 386. a.).
Die Finanzverwaltung iſt das tiefſte Lebenselement der ganzen
Staatsverwaltung. Ihre innere Perſonalorganiſation iſt zwar in
den einzelnen Staaten verſchieden, aber im Ganzen doch folgende.
An der Spitze derſelben ſteht:
1) Das Finanzminiſterium, oberſte Central- oder Ge-
neral-Centralbehörde. Daſſelbe erſcheint daher in zwei Be-
ziehungen, nämlich da es außer der poſitiven Leitung ſeines eigenen
Verwaltungsreſſorts noch eine negative Wirkſamkeit auf die Ge-
ſchäftskreiſe aller anderen Miniſterien inſoweit ausübt, als dieſe
wegen der materiellen Mittel für ihre Zwecke auf das Finanz-
miniſterium zurückkommen müſſen, das, wenn es dieſelben geſtattet,
in allen Einrichtungen eine Controle ausübt. Daher kommt es,
daß das Finanzminiſterium die größte Verantwortlichkeit unter
ſämmtlichen Miniſterien trägt und die meiſten ſpeziellen Geſchäfte
zu beſorgen hat. Denn es hat neben der oberſten geſetzgebenden
und vollziehenden Leitung des Domänen-, Regalien-, Steuer-
und Staatsſchuldenweſens, kurz aller Quellen des Staatseinkom-
mens, und der ganzen Staatshauswirthſchaft (deren Gegenſtände
in den folgenden Hauptſtücken näher bezeichnet werden ſollen),
[763] auch noch die Controle über die Geſetzmäßigkeit der Verwendung
in allen Zweigen der Staatsverwaltung. Unter demſelben ſtehen:
2) Die Spezial-Centralbehörden, d. h. die Behörden
für einzelne Hauptzweige der Finanzverwaltung, nämlich für die
Bergwerke, Domänen, Forſte, einzelne Regalien, z. B. Münz-
und Poſtenweſen, für die Steuerverwaltung, für die Staatsſchuld.
Sie ſind in den verſchiedenen Staaten verſchieden co- und ſub-
ordinirt und haben verſchiedene Geſchäftskreiſe. Jedenfalls aber
erſcheinen ſie wieder als Centralbehörden für
3) Die Unterbehörden eines jeden dieſer beſondern Fächer,
welche entweder reine Finanzbehörden in Einem dieſer genannten
Felder oder gemiſchte ſind, welche zugleich unter andern Mini-
ſterien ſtehen1).
Zu dem Staatsvermögen gehören hauptſächlich nicht blos die
Bergwerke, Domänen und Forſte des Staats, ſondern auch die
verſchiedenen mit denſelben verbundenen Gerechtſame gutsherrlicher
Natur und die Finanzregalien. In der Staatshauswirthſchafts-
lehre iſt daher die Frage über Veräußerung oder Nichtveräußerung
dieſer Vermögenstheile abzuhandeln, denn ihre Löſung hängt von
beſondern Landes- und Staatsverhältniſſen ab.
Ueber die Veräußerung der Staatsdomänen herrſchen
zwei Hauptanſichten. Für die Veräußerung derſelben führt man
an: daß ihre Verwaltung koſtbar ſei, daß der Ertrag bei der Ver-
pachtung derſelben nicht ſo groß ſei, als wenn ſie von Eigenthü-
mern bewirthſchaftet würden; daß kleine Landgüter immer volks-
wirthſchaftlich mehr Vortheile als große gewährten (§. 431. N. 1.)
und eine Zerſchlagung hauptſächlich nur bei einer Veräußerung
zu Eigenthum den rechten Erfolg habe; daß alſo die Nation nicht
blos den ſonſtigen Mehrertrag, ſondern auch noch den jetzigen We-
nigerertrag verliere; daß folglich durch die Beibehaltung die Ent-
wickelung der Volkswirthſchaft und des Volkswohlſtandes gehemmt
werde, folglich die Productenpreiſe nicht auf die ſonſtige Tiefe
ſinken könnten; daß der Staat als Landwirth ein gefährlicher Con-
current der Bürger ſei, und folglich leicht ſein Intereſſe dem der
Nation voranſetzen könnte; daß die Domänen im Beſitze des Staats
keineswegs die Bürgerlaſten erleichtern, weil dieſe beſtimmt um
das Defizit in der Production für die Staatskaſſe wüchſen; und
endlich, daß man den Erlös aus dem Domänenverkaufe zu verſchie-
denen Staatsverbeſſerungen, z. B. Schuldentilgung, Ablöſung von
Grundlaſten, Fundirung landwirthſchaftlicher Kreditanſtalten nütz-
licher anwenden könne. Gegen die Veräußerungen führt man
aber an: daß der Domänenbeſitz die Abgaben verringere, die Re-
girung vom Volke unabhängiger mache, mehr Anhänglichkeit an
dieſelbe erwecke, ein ſicheres Einkommen gewähre, als Hypotheke
dienen könne, den übeln Eindruck der Steuererhebung verhüte, die
Staatsrechnungen einfacher und klarer mache, eine Verpachtung
in kleinen Parthien zu Erbe zulaſſe, welche ſo gut wie als Pri-
vateigenthum erſcheine, und alle Vortheile der zerſchlagenden Ver-
äußerung gewähre; daß die angeführten Beſorgniſſe nur von einer
[765] Regirung zu machen ſeien, die überhaupt die Volkswohlfahrt nicht
vor Augen habe; daß man wohl zwiſchen Staatsdomänen und Land-
gütern des Landesfürſten unterſcheiden müſſe, daß der Gewinn des
Pachters das ſteuerbare Einkommen vermehre, daß der Erlös aus
dem Verkaufe ſchnell verſchwinde und deſſen nutzbare Anwendung
ſehr precär ſei; daß man Domänen zu Muſterhöfen haben müſſe;
daß Domänen dort, wo eine Zerſtückelung des Grundbeſitzes nach-
theilig werden könnte, ein Vorbeugungsmittel ſeien; daß das Ein-
kommen aus denſelben mit der Preiserhöhung der Bodenerzeugniſſe
ſteigen könne. Allein es läßt ſich gegen beide Anſichten im Einzel-
nen wieder ſo viel entgegnen, daß ſich am Ende als Reſultat die
allgemeine Unlösbarkeit dieſer Fragen ergibt, und daß man zum
Behufe ihrer Entſcheidung in einem beſtimmten Lande die Ver-
hältniſſe des Volkswohlſtandes, der Induſtrie, der Bevölkerung,
der Fortſchritte des Volkes in beiden, das Verhältniß der Bevöl-
kerung und des Domänenbeſitzes zum ganzen urbaren und nicht ur-
baren Flächeninhalte des Landes, und deſſen Beſchaffenheit berück-
ſichtigen muß, denn davon hängt die Nachfrage nach Ländereien,
der Stand ihrer Preiſe, die erforderliche Größe der Landgüter,
und die Art der Bodenbenutzung ab1).
Was die verſchiedenen Gefälle und andern gutsherrlichen
Gerechtſame anbelangt, ſo iſt es Pflicht des Staats, durch Er-
klärung ihrer Ablösbarkeit mit gutem Beiſpiele voran zu gehen,
und dieſelbe beim Domänenverkaufe zur Bedingung zu machen.
Auch über die Veräußerung der Staatswaldungen herr-
ſchen zwei verſchiedene Anſichten1). Gegen dieſelbe führt man
den abſoluten Werth des Holzes, die Nothwendigkeit einer natio-
nalöconomiſchen nachhaltigen Waldwirthſchaft, die möglichſte Ent-
fernung zu hoher Holzpreiſe, die Verhütung von Holzwucher, als
polizeiliche Zwecke an, welche nicht erreichbar werden könnten,
wenn die Wälder und die Waldwirthſchaft nicht im Beſitze des
Staats ſeien; außerdem aber legt man ein beſonderes Gewicht auf
die Vortheile, welche die Staatskaſſe aus der mit der Bevölkerung
[766] ſteigenden Einnahme aus der Forſtwirthſchaft ohne Mühe und grö-
ßere Aufopferung beziehe, ſo wie auch darauf, daß der Staat aus
der Veräußerung nicht einmal erheblichen Nutzen beziehen werde,
da für große Waldflächen die Concurrenz der Käufer gering und
bei kleinen Parzellen ein nachhaltiger Betrieb nicht gut möglich
ſei. Die Anſicht für die Veräußerung derſelben läugnet geradezu
die ſo eben angeführten Behauptungen, ſo wie auch den Satz, daß
der Staat für das Holzbedürfniß der Nation Sorge tragen müſſe,
und behauptet dagegen, der Reinertrag der Waldungen müſſe nach
ihrer Veräußerung größer ſein, das in den Staatswaldungen
ſteckende fixe Capital müſſe nach derſelben beſſer angewendet wer-
den können, der Vortheil der Privateigenthümer erfordere es ſchon,
daß ſie ſich die nöthigen Forſtkenntniſſe erwerben, und einen nach-
haltigen Betrieb einführen, der Staat habe blos die Oberaufſicht auf
dieſes Gewerbe, aber nicht die Pflicht, der Nation das Holz zu
liefern, er enthebe ſich durch die Veräußerung der Waldungen vie-
ler Verwaltungsmühe und Auslagen, und vereinfache ſeine ganze
Verwaltung. Allein eine genaue nationalöconomiſche und polizei-
liche Unterſuchung (§. 433. 467. 479.) ſtellt die Wichtigkeit der
für die Beihaltung der Staatswaldungen als Staatseigenthum
angeführten erſten Gründe außer allen Zweifel; dagegen aber er-
gibt ſich aus ihr auch als Reſultat, daß nicht blos der Staat,
ſondern namentlich auch Gemeinden für die Waldwirthſchaft taug-
liche Perſonen ſind, und folglich aus jenen Gründen an ſich allein
die Unveräußerlichkeit der Staatswaldungen noch keineswegs2),
ſondern blos folgt, daß dieſelbe nicht in Privathände kommen ſoll-
ten. Erſtere Folgerung wird aber ſtets dadurch gerechtfertigt wer-
den können, daß ſelten die Gemeinden-, Stiftungen und dgl. zu
Waldkäufen das erforderliche Capital vorräthig haben, und der
Staat auch nach der Veräußerung ein Forſtperſonale zur Oberauf-
ſicht über die Privat-, Gemeinde- und Stiftungswaldungen und
deren Bewirthſchaftung halten muß, wenn nicht ſelbſt hier polizei-
liche Gefahr befürchtet werden ſoll3). Erſcheint nun deßhalb die
Veräußerung der Staatswaldungen im Allgemeinen keineswegs als
wünſchenswerth, ſo kann dennoch in der Wiſſenſchaft darüber nicht
entſchieden werden, ſondern es iſt in jedem beſondern Lande, wo
die vorſtehende Frage aufgeworfen wird, in Erwägung zu ziehen:
die Größe des vorhandenen unbedingten Waldbodens, ihr Verhält-
niß zum Bedarfe des Volkes bei nachhaltiger Bewirthſchaftung,
die Reſultate der Vergleichung der früheren und jetzigen Durch-
ſchnittspreiſe des Brenn-, Bau- und Werkholzes, (denn nach dem
Preiſe kann man auf das Holzbedürfniß ſchließen), die bisherige
[767] und jetzige Vertheilung der ganzen Waldfläche des Landes unter
den Staat, die Gemeinden, Stiftungen, Corporationen und Pri-
vaten, die übliche Bewirthſchaftung der Wälder durch die vier
Letzteren, die daher rührenden Zuſtände der Waldungen derſelben,
und der von ihnen beibehaltene Holzpreis. Das Reſultat genauer
Unterſuchungen und Vergleichungen in Betreff dieſer Punkte muß
nothwendig für oder wider die Veräußerung ſprechen4).
Was die Waldgerechtſame und dergleichen betrifft, ſo gilt hier
dasſelbige, was die Volkswirthſchaftslehre in Betreff ihrer Regu-
lirung und Ablöſung fordert, als Regel. Auch hier ſoll der Staat
ein gutes Beiſpiel geben.
Die eigentlichen Finanzregalien, nämlich Regalien, welche nicht
kraft des Oberaufſichtsrechtes ſich in den Händen des Staats be-
finden, oder als wirkliche weſentliche Staatshoheiten zu betrachten
ſind, verdanken ihre Entſtehung entweder einem ſogenannten Ober-
eigenthumsrechte, oder grundherrlichen Verhältniſſen, oder ſie ſind
Gewerbsbetriebe, welche, obgleich als für den Volkswohlſtand ſehr
wichtig erkannt, indeſſen von dem Volke aus Mangel an Capital
u. dgl. nicht ergriffen, und deßhalb, oder ſolche, welche blos des
finanziellen Gewinns wegen vom Staate angeeignet wurden. Als
ein Ausfluß des Kriegshoheitsrechtes wurde ſeit der Erfindung des
Schießpulvers das Salpeterregal betrachtet. Ein Finanzregal iſt
das Münzweſen nie mit Recht geweſen, und auch jetzt nicht mehr
als ſolches anerkannt. Finanzregalien zufolge eines gewiſſen Ober-
eigenthumsrechtes ſind das Bergwerks-, das Jagd-, Fiſcherei und
[768] Salzregal. Die zwei mittleren ſind aber auch als Ausflüſſe der
Gutsherrlichkeit zu betrachten, ſowie das früher behauptete, aber
jetzt entſchieden verworfene Forſtregal. Als Regalien aus Ver-
kehrs- und Wohlſtandsrückſichten ſind das Poſt- und das Lotterie-
regal angeführt worden. Aus rein finanziellen Gründen wurden
die Monopolien mit Taback, Salz, Schießpulver, Branntwein und
dgl. regaliſirt, obſchon man ſie auch ſchon aus andern Rückſichten
z. B. der öffentlichen und allgemeinen Sicherheit, der Bedürfniß-
befriedigung u. dgl. vertheidigt hat. Mit dem Hinwegfallen der
Gründe der Regalität muß dieſe ſelbſt ein Ende nehmen. 1) Das
Münzregal wird daher immer als ein unveräußerliches anzuſe-
hen ſein. 2) Das Salpeterregal iſt durchaus unnöthig, denn ab-
geſehen davon, daß die Salpeterſiederei ein von Jedermann betreib-
bares Geſchäft iſt, ſo folgt aus der Kriegshoheit ſonſt nichts, als
daß der Staat das Kriegsmaterial herbeiſchaffen muß. Da dies
aber die Finanzverwaltung angeht, ſo tritt ſie mit der Verpflich-
tung auf, jenes ſo wohlfeil als möglich und mit der geringſten
Störung der Volksbetrieb- und Gewerbſamkeit zu thun. Zu dieſem
Zwecke iſt die Regaliſirung der falſche, und nur Freilaſſung des
Gewerbs der rechte Weg1). Daſſelbe gilt von dem mit dieſem in
Verbindung ſtehenden Pulverregal. 3) Das Bergwerksregal
rührt aus den Zeiten her, wo man Gold und Silber ihrem Werthe
nach noch überſchätzte, und deßhalb um ſo mehr durch rechtsge-
lehrte Diſtinktionen dem Staate ein Obereigenthumsrecht über das
unter der Erdoberfläche Befindliche zuſchreiben zu müſſen glaubte,
als es den Einzelnen an Capital zum Betriebe des Bergbaues
fehlte. Weil aber nun der erſte und dieſer letzte Grund gänzlich
verſchwunden iſt, und bei genauer hiſtoriſcher und ſtaatsrechtlicher
Unterſuchung der Begriff eines ſolchen Obereigenthums ganz hin-
wegfällt, zudem aber die Staaten ſelbſt immer mehr einſehen, wie
wenig ſich Gewerbsbetrieb im Allgemeinen für ſie eignet, ſo iſt
nicht mehr daran zu zweifeln, daß man auch dieſes Regal nach
und nach aufgeben, und den Bergbau der Privatinduſtrie unter
Staatsoberaufſicht überlaſſen wird. 4) Das Jagd- und Fiſche-
reiregal ſteht unter demſelben Geſichtspunkte, um ſo mehr, als
es jetzt nichts als die Verjährung für ſich hat. Denn das alte
moſaiſche, römiſche und deutſche Recht iſt weit davon entfernt, ein
ſolches Recht zu geſtatten2). Dem Staate ſteht ſeiner Natur nach
hierbei nichts als das Wildbannrecht zu. 5) Das Salzregal iſt,
was ſeine Entäußerlichkeit anbelangt, nicht wohl vom Salzmo-
nopole getrennt zu betrachten. Denn der wichtigſte Grund, den
man jetzt für ſeine Erhaltung geltend macht, iſt das Monopol,
[769] welches nicht ohne das Regal beſtehen könne, und die Vortheile
allein habe, daß der Staat im ganzen Lande einen gleichförmigen
Salzpreis erhalten und die Salzſteuer erheben könne. Kraft des
Obereigenthums kann dies Regal nur Beſtand haben, inſoferne
dieſer unrichtige Rechtsbegriff ein poſitives Geſetz iſt, es zerfällt
mit ihm. Die Salzbereitung als Gewerbszweig bedarf, um be-
trieben zu werden, des Staatsbetriebs und der Regaliſirung nicht,
ebenſo wenig der Salzhandel einer Monopoliſirung. Ueber das
fernere Beſtehen des Salzregals und Monopols entſcheidet daher
die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Erhaltung eines gleichför-
migen Salzpreiſes und der Erhebung einer guten oder beſſern Er-
ſatzeinnahme für die Salzſteuer. Auch dies bleibt der Zeit und
den Fortſchritten in der Finanzverwaltung anheimgeſtellt; denn
ſo iſt die Frage rein praktiſch. 6) Das Lotterieregal beruht
auf dem ſeinen Vorderſätzen widerſprechenden Schluſſe, daß, weil die
Lotterie dem Volke ſchädlich ſei, der Staat ſie allein halten dürfe.
Seine Aufhebung und das Verbot der Glückſpiele um Geld iſt da-
her gleiche Forderung des wirthſchaftlichen wie des ſittlichen Wohles
einer Nation. Daran iſt bereits kein Zweifel mehr. 7) Ueber die
Entäußerung des Poſtregals hat in mehreren Staaten die öffent-
liche Meinung und Staatsklugheit ſchon zum Theile entſchieden.
Blos die Briefpoſt wird noch als Regal für unabweislich erklärt.
Allein die Gründe für und wider ihre Verpachtung, ſo wie die
Löſung der Frage, ob das reine Einkommen aus demſelben durch
eine beſſere Einnahme erſetzt werden könne oder nicht, müſſen auch
hier entſcheiden. 8) Das Tabackmonopol ſcheint, mit Ausnahme
des weiter nicht mehr zu erwähnenden Branntweinmonopols, offen-
bar am wenigſten für ſich zu haben. Denn es hat alle Einwürfe
gegen das Monopolweſen im höchſten Grade gegen ſich, indem es
hemmend in ein Urgewerbe, Kunſtgewerbe und in den Handel zu-
gleich einſchreitet3).
Die Verwaltung der verſchiedenen Einkommensquellen im Ein-
zelnen ſelbſt, oder die Elementarverwaltung iſt in den ver-
ſchiedenen Staaten ebenfalls ſehr abweichend eingerichtet.
I. Die Domänenverwaltung iſt verſchieden complicirt, je
nach der Art der Bewirthſchaftung, alſo darnach, ob das Syſtem
der Selbſtadminiſtration oder jenes der Verpachtung und welche
Art der Letzteren eingeführt iſt. Im Allgemeinen gehört, außer
den techniſchen Wirthſchaftsgeſchäften, in ihr Bereich die Verfer-
tigung der Inventarien, und Aufſtellung der Dienſt- und Gefäll-
kataſter, jene der Präſtationsregiſter über die ſtändigen und un-
ſtändigen Gefälle, der Regiſter über die Hand- und Spanndienſte
und Dienſtgelder, der Ertragsanſchläge mit allen Spezialtaxatio-
nen, Protocollen und Rechnungsauszügen, die Fertigung der Pacht-
contracte für Domänen und Gefälle, nämlich Zehnten, und endlich
der Geldgefäll- und Naturalhebregiſter. Die Verrechnung macht
entweder eine jährliche, Trimeſtral- (am Schluſſe jedes Quartals)
oder monatliche Einſendung des Rechnungsſtandes an die Central-
behörde nothwendig1).
II. Die Staatsforſtverwaltung fußt auf dem Prinzipe
der Selbſtadminiſtration und muß alſo in die Einzelheiten der Forſt-
wirthſchaft eindringen. Man unterſcheidet daher auch die innere
Forſtverwaltung (das eigentlich Wirthſchaftliche) und die äußere
(die Forſtdirection, nämlich die F. Hoheit, F. Geſetzgebung, F.
Gerichtsbarkeit, und formelle F. Einrichtung). Die Verwaltungs-
geſchäfte treffen daher zum Theile die techniſchen Behörden (ſtati-
ſtiſche Revierüberſichten, Waldregiſter, Klaſſifications- und Taxa-
[771] tionsregiſter, allgemeine und periodiſche Nutzungsplane, Aufnahme-
und Fällungsregiſter u. ſ. w.) zum Theile die Finanzbehörden
(Forſtnaturaletat zum Behufe eines Forſthauptgeldetats, mit den
Spezialetats und Nachweiſungen). Die Verrechnung geſchieht
durch die Forſtcaſſirer und Forſtrechner, welchen entweder der Na-
tural- und Geldertrag, oder beſſer jener allein übertragen iſt, in
welchem letzteren Falle der Geldertrag einer andern Kaſſenverwal-
tung zugetheilt wird. Die Förſter führen ihr Materialmanual, wel-
ches von den Oberförſtern controlirt wird, weßhalb dieſe ein eige-
nes Controlbuch über Materialeinnahme und Ausgabe führen.
III. Die Regalienverwaltung iſt in den verſchiedenen
Staaten nach ihren einzelnen Zweigen verſchiedenen Verwaltungs-
behörden zugetheilt. Das Münz-, das Berg-, Hütten- und Salinen-
weſen und die Poſtanſtalt bilden jedoch jedes für ſich öfters eine
beſondere Verwaltung. 1) Die Berg- und Hüttenverwaltung
iſt meiſtens ſo eingerichtet wie die Forſtadminiſtration. Die Ein-
künfte fließen entweder aus dem eignen Bergbaubetriebe, oder aus
Abgaben von Gewerkſchaften und Eigenlehnern. Von jedem ein-
zelnen Bergwerke müſſen Spezialetats- und Natural- und Geld-
rechnungen zur Feſtſtellung der Generaletats und Rechnungen ge-
fertigt werden. Es gibt Quartal- und Jahresrechnungen. 2) Die
Münzverwaltung iſt eigentlich kein Finanzverwaltungszweig,
ſondern die etwaigen Einkünfte ſind für die Staatskaſſe nur mehr
zufällig. 3) Die Poſtverwaltung ſteht unter einer mehr oder
weniger ſelbſtſtändigen, zuweilen dem Miniſterium der auswärtigen
Angelegenheiten zugetheilten Oberbehörde oder Direction, welche
die Poſtcurſe zu beobachten und zu fördern, die Tariffe und Taxen
zu beſtimmen, und die untere Verwaltung zu controliren hat. Iſt
die Poſt in Lehen gegeben, ſo verbleibt dem Staate nur die Poſt-
geſetzgebung, Polizei, Gerichtsbarkeit und die Strafrechtspflege.
IV. Die Steuerverwaltung iſt natürlicher Weiſe je nach
dem herrſchenden Steuerſyſteme und nach den Methoden der An-
lage ſehr verſchieden eingerichtet und hat verſchiedene Geſchäfte
in ihrem Reſſort. Da man in der Praxis die Eintheilung der
49 *
[772] Steuern in directe und indirecte allgemein angenommen hat, ſo
muß ſich die Erörterung über die Steuerverwaltung auch billig
daran halten. Die Geſchäfte derſelben zerfallen in zwei Haupt-
zweige nämlich:
A. Die Cataſtergeſchäfte. Bei den verſchiedenen 1) di-
recten Steuern (Grund-, Gefäll-, Häuſer- und Gewerbſteuer)
betreffen ſie die Anlage oder Aufnahme der Cataſter und die Evi-
denthaltung derſelben, d. h. die Erhaltung derſelben in vollſtändig
brauchbarem Stande durch Ab- und Zuſchreiben der jedes Jahr
im Beſitz- und Einkommensſtande vorgehenden Veränderungen. Die
Cataſter ſind entweder gebundene Bücher mit beſondern Journalen
zum Nachtrage jener Veränderungen, oder ſie beſtehen aus zuſam-
mengelegten Steuerzetteln, aus deren Zahl man die unbrauchba-
ren ausſtoßen und leicht erneuern kann. Bei den 2) indirecten
Steuern betreffen ſie die Anlage und Fertigung der Tariffe, wozu
eine außerordentliche Manchfaltigkeit von verſchiedenen Geſchäften
und praktiſchen Rückſichten gehört, welche von der Wiſſenſchaft
nicht wohl zu erörtern ſind, aber ſich nach der Verſchiedenartigkeit
der Steuern, Steuerobjecte und Anlagsmethoden richten.
B. Die Einzugsgeſchäfte. An die Erhebung der Steuern
macht man im Allgemeinen die Forderungen, daß die Normen und
Formen derſelben feſt, aber zugleich möglichſt einfach ſeien, über
den Steuerbetrag kein Zweifel herrſchen könne, die Hebungstermine
ſich möglichſt an die Perioden der Zahlfähigkeit der Pflichtigen
anpaſſen, der Einzug und die Verrechnung möglichſt controlirt und
ſo wohlfeil als möglich ſei, und endlich, daß geſetzlich mit Rück-
ſicht auf die Schonung des Gewerbsbetriebs und Lebensunterhal-
tes genau beſtimmt ſei, worauf ſich die Zwangsbeitreibung der
Steuer mit ihrem Beſchlage ausdehnen darf1). Man hat auch
hiernach die Methoden der Erhebung überhaupt zu beurtheilen.
1) Die Erhebung durch Corporationen oder Gemeinden oder
Landſtände wurde beſonders mit der ſchonenderen Wirkung der-
ſelben auf die Pflichtigen, und mit der größeren Vollſtändigkeit
des Einzugs vertheidigt. Allein dieſe gefällige Seite einer ſolchen
Erhebungsart muß dagegen verſchwinden, daß von jenen Erhebern
die Gewalt leicht mißbraucht wird, die Gemeindebeamten ſchon
mit ihren Hebgeſchäften ſehr überladen ſind, und in ihrem Inte-
reſſe liegt, überall zuerſt die Gemeindebeiträge zu erheben, daß der
Staat leicht die Ueberſicht über die Größe der Steuerlaſt, und den
aus der Größe der Steuerfonds fließenden Steuermehrertrag ver-
liert, daß dadurch eine Ungleichheit der Steuervertheilung entſteht,
nebenbei aber der Staat an Erhebungskoſten nicht gewinnt, und
[773] dagegen jene Erheber zu ihrem eigenen Nachtheile leicht um Vor-
ſchüſſe angeht, welche eine Verſchuldung derſelben zur Folge haben
können. 2) Der Erhebung durch Steuerpächter iſt bereits durch
die Geſchichte der Stab gebrochen, ſo daß ſie nur als ſeltene Aus-
nahme angewendet wird. Man hat ſie zwar damit vertheidigen
zu können geglaubt, daß der Staat auf dieſe Art ein ſicheres zu-
verläßiges Einkommen ohne Ausfall habe, daß die Pächter nicht
blos die Erhebung wohlfeiler beſorgen, ſondern auch der Zunahme
der Erwerbsquellen zum Behufe der Beſteuerung mehr nachſpüren
können, als die Regirung, daß der Staat eine nähere Einſicht in
die Grade bekomme, bis zu welchen eine Steuerhöhung getrieben
werden könne, und daß er nicht blos ſeine Finanzverwaltung ſehr
vereinfache, ſondern auch an den Steuerpächtern eine ergiebige
außerordentliche Einkommensquelle beſitze. Allein es muß an die-
ſen Anſichten ſogleich die Blosſtellung der Steuerpflichtigen bei
dieſer Erhebungsmethode auffallen, welcher gegenüber durch ſie der
verderblichſte fiscaliſche Geiſt die kräftigſte Nahrung findet; die
Ausfälle in der Steuerhebung werden von den Pächtern in der
Pachtſumme ſchon berechnet, und die Begünſtigung der Antizipa-
tionen durch das Pachtſyſtem iſt ein Uebel, das die Finanzen zer-
rüttet. 3) Es bleibt daher die Erhebung durch die Staatsbe-
amten ſelbſt um ſo mehr der beſte Weg, als er die Nachtheile
der beiden andern nicht hat, und vielmehr die angeblichen Vor-
theile des Pachtſyſtems ſehr gut in ſich vereinigen läßt2). Auf
dieſe Methode ſollen daher in der Regel die directen und indirec-
ten Steuern erhoben werden. Für den Einzug der Erſteren wer-
den beſondere Heberollen oder Hebregiſter nach den Cataſtern
und deren Veränderungen gefertigt, wonach derſelbe geſchieht. Für
die Beitreibung der Andern aber werden andere und weit manch-
faltigere Einrichtungen nothwendig. Man unterſcheidet hier die
eigentlichen Hebgeſchäfte, welche bei den verſchiedenen Ge-
brauchsſteuern, Acciſen, Zöllen und Luxusſteuern nach Natur und
Anlage außerordentlich von einander abweichen, und die Hebcon-
troleinrichtung oder das Zettelweſen, d. h. die Einrichtung,
daß in dem den Einnehmern übergebenen paginirten oder numerir-
ten Buche auf der einen Seite die Declaration und auf der an-
dern die zu löſenden, abzuſchneidenden und dem Steuerentrichter
einzuhändigenden Scheine oder Quittungen enthalten ſind3).
V. Die Staatsſchuldverwaltung hat wegen der Forde-
rung des Kredits, daß zur Verzinſung und Tilgung der Staats-
ſchuld beſondere Plane entworfen und ſpezielle Einkünfte ausge-
ſetzt werden müſſen, eine Trennung von den übrigen Zweigen der
[774] Finanzverwaltung nöthig gemacht. Ihre Geſchäfte erklären ſich
leicht nach der Natur der Staatsanleihen, Verzinſung, Tilgung
und Speculation mit Staatspapieren. Denn nach dieſen Verhält-
niſſen ſind ſie verſchiedenartig, verſchieden ſchwer und wichtig.
Der Staatsaufwand kann zum Behufe ſeiner Abtheilung von
verſchiedenen Seiten genommen werden. In Bezug auf ſein Ein-
treten iſt er ordentlich und auſerordentlich (§. 390.), und,
wenn man ſo weit gehen will, der Erſtere nach Beſtimmtheit oder
Unbeſtimmtheit der Größe ſtändig und unſtändig. In Betreff
ſeiner Allgemeinheit für den ganzen Staat oder ſeiner Beſonder-
heit für einzelne Gebietstheile und Gegenſtände allgemein und
beſonder, in Hinſicht darauf, ob er für das allgemeine Staats-
dienerperſonale oder für die Gegenſtände der Verwaltung und folg-
lich auch für das Staatsgewerbsperſonale gemacht wird Perſo-
nal- und Realaufwand. Da jedoch alle dieſe Eintheilungen
nur gewiſſe Beziehungen des Staatsaufwandes herausheben, ſo
können ſie zu einer Ueberſicht deſſelben bis ins Einzelne nicht wohl
dienlich ſein. In Uebereinſtimmung mit der Praxis kann man
ihn zu dieſem Behufe folgendergeſtalt eintheilen:
A.Verfaſſungsaufwand, nämlich für den Regenten
(Präſidenten) oder die ſogenannte Civilliſte, für die Ständever-
[775] ſammlungen und für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Staats
als Mitglied einer Staatenverbindung.
B.Verwaltungsaufwand, den man am beſten nach den
Miniſterialdepartements eintheilt, nämlich in jenen für das
I. Juſtitzdepartement, — Miniſterium, Gerichte und Ge-
richtshöfe, Gefängniſſe, Strafanſtalten.
II. Polizeidepartement oder Dep. des Innern, Mini-
ſterium oder Miniſterien, Kirchenſachen, Unterrichtsangelegenheiten,
Sicherheitspolizei, Geſundheitsweſen, Wirthſchaftspolizei.
III. Militairdepartement — Miniſterium, Truppenſold,
Naturalverpflegung, Pferdefutter, Bekleidung, Bewaffnung, Kaſer-
nen, Remonte, Artillerie, Genieweſen, Sanitätsweſen, eigene Ge-
richtsverwaltung.
IV. Politiſches Departement oder Dep. der auswär-
tigen Angelegenheiten — Miniſterium, Geſandtenbeſoldung,
Reiſe- und Einrichtungskoſten, außerordentliche Miſſionen, Kuriere,
Geſchenke u. ſ. w.
V. Finanzdepartement — Miniſterium und ſeine Bran-
chen, allgemeine keinem der obigen Departements zugehörige Staats-
anſtalten, eigentlicher Aufwand für den Finanzhaushalt, Ausgaben
für allgemeine Staatsverbindlichkeiten. (Nämlich wenn A nicht
beſonders herausgehoben wird, ſo kommt es hierher, denn dieſes
Departement hat jenen Aufwand unter ſich.)
Die Finanzverwaltung hat über die Größe des zu machenden
Staatsaufwandes nicht weiter zu entſcheiden, als ſo, daß ſie über-
all das Prinzip der Sparſamkeit mit Energie anwende. Ihre
Grundſätze und Regeln bei Beſtimmung deſſelben ſind alſo keine
andern, als jene der allgemeinen Wirthſchaftslehre (§. 71. 73. 74.).
Mehr als dies kann die Wiſſenſchaft hierüber nicht ſagen, denn
das Ausgabenweſen iſt lediglich Sache der Praxis. Nach dieſen
Prinzipien iſt der Staatsaufwand mit unaufhörlicher Rückſicht auf
die praktiſchen Staatsverhältniſſe feſtzuſetzen1).
I. Den ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben
müſſen auch ſolche Einnahmen entſprechen. Die Einkünfte erſter
[776] Art beſtehen aus einer Combination der Ergebniſſe der verſchiede-
nen Staatsgewerbe mit einer beſtimmten durch Steuern zu erhe-
benden Summe, welche aber nicht blos auf den wirklichen ſtreng
berechneten Bedarf allein beſchränkt zu ſein braucht, ſondern wohl
dieſen um Einiges überſchreiten muß, theils um unvorhergeſe-
hene Fälle zum Voraus zu bedenken theils um einen angemeſ-
ſenen Reſervefonds (nicht Staatsſchatz) zu erhalten1). Für
die außerordentlichen Einnahmen ſind außerordentliche Quel-
len (Reſſourcen) nöthig. Man hat dazu verſchiedene, nämlich
die Bildung eines Staatsſatzes2), die Erhöhung der Staatsabga-
ben3), die Veräußerung von Staatseigenthum4) und die Benu-
tzung des Staatskredits (§. 501. 502.)5). Während aber das erſte
Mittel als durchaus unbrauchbar, das Dritte aber nur als zufäl-
lig erſcheint, ſo wird in der Regel nur zwiſchen den beiden andern
die Wahl bleiben, aber unter ihnen auch nur nach praktiſchen Ver-
hältniſſen getroffen werden können.
II. Eine ſehr wichtige Frage iſt die über die Ausſcheidung ge-
wiſſer Gattungen von Aufwand aus dem allgemeinen als be-
ſondere Laſt einzelner Landestheile und die Verpflichtung der
Letztern, ſie mit beſonderen Einnahmen zu decken (Spezialiſirung),
ſo wie jene über die Ausſetzung beſonderer Fonds für ſpezielle
Zwecke (Dotation). Was 1) die Spezialiſirung betrifft, ſo
könnte mit Recht nur in den Fällen davon die Rede ſein, wenn
und ſo lange neu acquirirte Gebietstheile mit den alten in Betreff
der Verwaltung noch nicht aſſimilirt ſind6), oder wenn für eine
Provinz (einen Kreis u. dgl.) Einrichtungen und Anſtalten beſte-
hen und errichtet werden, die ganz ausſchließlich ihr allein zukom-
men und nützlich ſind; in jeder andern Beziehung iſt ſie von recht-
licher Seite verwerflich, denn eine bloſe Eintheilung des Landes-
gebietes zum Behufe der Erleichterung der Verwaltung ſchließt die
Provinzen, Kreiſe und Bezirke nicht ſo gegenſeitig gleichſam indi-
vidualiſirt ab, wie ſich die Gemeinden einander gegenüberſtehen,
bei denen eine ſolche Spezialiſirung nothwendig iſt (§. 378. 391.).
Von der politiſchen Seite betrachtet hat man ſie aber ſchon ver-
theidigt, indem man als von der Centraliſirung nicht dargereichte
Vortheile derſelben die größere Klarheit des Grundes der Steuer-
pflicht, des Nutzens der Staatsausgaben, die Gewährleiſtung einer
verſtändigeren Gleichheit der Steuervertheilung, einer leichtern Ver-
hütung der Ueberlaſtung der Unterthanen, und einer zweckmäßige-
ren Anwendung der Steuereinkünfte, die größere Einfachheit und
Ueberſichtlichkeit der Verwaltung, die größere Generaliſirung der
Geſchäfte der Centralbehörden und als Folge hiervon die beſſere
[777] Vollführung derſelben anführte. Allein ein Rückblick auf die frü-
her erörterte Steuerlehre und eine unbefangene Anſicht der wirk-
lichen Staatsverhältniſſe muß zeigen, daß die erwähnten Vortheile
auf ganz andern Urſachen als auf der Spezialiſirung beruhen und
beim Centraliſationsweſen ebenſo gut zu erreichen ſind, das noch
zu alle dem die Einheit des Staats erhält, die durch die Spezia-
liſirung im höchſten Grade gefährdet wird7). 2) Die Dotatio-
nen anbelangend, ſo zerſplittern ſie ohne Zweifel die Verwaltung,
erhöhen den Verwaltungsaufwand, erleichtern die Verſchwendung
und Verſchleuderung, bewirken Verluſte an den Fonds, und er-
ſchweren die Controle und Ueberſicht. So ſpricht die Erfahrung,
leider noch täglich, denn überall beſtehen noch ſolche Dotationen.
Allein ihrer Abſchaffung ſtehen die manchfaltigſten Staatsrückſichten
entgegen. Bei der Staatsſchuld iſt ſie ein nothwendiges Erforder-
niß der ungeſtörten Wirkſamkeit des Zins- und Tilgfonds8).
III. In Betreff des Perſonalaufwandes oder der Be-
amtenbeſoldung iſt der Staat in ſeiner doppelten Eigenſchaft
(§. 495.) den Staatsdienern gegenüber verpflichtet,
1) den aktiven Dienern eine ihrem Stande angemeſſene hin-
reichende (§. 423.) Beſoldung zu geben. Ueber ihre Regulirung
beſtehen verſchiedene Anſichten. Früher beſtanden ſie größtentheils
in Naturalien, jetzt aber ſind die ausſchließlichen Geldbeſoldungen
zur Regel gemacht9).
2) Den untauglich gewordenen Dienern einen ebenſo ent-
ſprechenden Ruhegehalt zu verabreichen, der ihnen nicht als Gnade,
ſondern als Recht zuſteht. Es beſtehen in dieſer Hinſicht manch-
fache Anordnungen in den einzelnen Staaten10).
3) Die Witwen und Waiſen derſelben ſo ſicher zu ſtellen,
daß der Staatsdiener wegen der Zukunft der Erſteren nach ſeinem
Tode hinlänglich geſorgt ſieht. Es dienen hiezu Witwen- und Wai-
ſenkaſſen, errichtet aus freiem Zuſammentritte beſtimmter Catego-
rien von Staatsdienern, oder geſtiftet und zum Theile auch unter-
ſtützt vom Staate. (§. 460).
Zum Behufe der Begründung, Darſtellung und Vergleichung
iſt eine Ueberſicht der Staatseinnahmen und -Ausgaben nothwendig.
Dazu dienen die Voranſchläge (Etats) für die beſtimmte Fi-
nanzperiode (Etats- oder Finanzjahr). Man unterſcheidet
dem Umfange nach die Spezialetats, d. h. von einzelnen Ele-
mentarverwaltungen, benannt nach den Gegenſtänden, die Haupt-
etats, d. h. theils für Hauptzweige der Verwaltung, theils für
geographiſche Verwaltungsbezirke, und den Hauptfinanzetat
(das Staatbudget), d. h. für die Geſammteinnahme und Aus-
gabe des Staats, zum Theile das Product, zum Theile die Quelle
jener genannten. Die Form derſelben iſt in den einzelnen Staa-
ten verſchieden. Die Begründung derſelben geſchieht durch die
einem jeden Verwaltungszweige zu Grunde liegenden ſpeziellen
Papiere und allgemeinen Ueberſichten. Zur Erläuterung des
[780] Budgets dienen die den Etats beigefügten Erläuterungsproto-
colle und das beigegebene Notabilien- oder Etatsbuch1).
Der Entwurf der Etats wird von den entſprechenden Behörden,
das Budget aber vom Finanzminiſterium gemacht, das auch auf
deſſen Erfüllung ausſchließlich wacht. Die Einnahmen unterliegen
ganz ſeiner Dispoſition, die Ausgaben der einzelnen Departements
blos ſeiner Controle. Jeder Departementschef oder Vorſtand eines
Miniſteriums bekommt auf die Staatskaſſe einen gewiſſen Kredit,
über den er geſetzlich in ſeiner Verwaltung disponirt, und er iſt
hierin nur ſo weit beſchränkt, als Ueberſchreitungen der für die
Perioden durch periodiſche Repartitionsetats beſtimmten Summe
nicht erlaubt ſind. In wiefern jeder Vorſtand über dieſe Repar-
titionsetats frei oder bedingt verfügen darf, hängt von beſonderen
Beſtimmungen ab. Disponirt der Finanzminiſter allein über die
Staatskaſſe, ſo muß ſich jeder andere Chef ſeine Anweiſungen von
demſelben realiſiren laſſen. Die Sanction des Budgets geſchieht
in Repräſentativſtaaten durch das gleichlautende Finanzgeſetz, das
ebenfalls vom Finanzminiſter entworfen wird.
Zur Einſicht in das Verwaltungsweſen während des Finanz-
jahres werden, von den untern Behörden wechſelſeitig vorbereitend
bis zur höchſten, monatlich Situationsetats gefertigt, welche
die Einnahmen und Ausgaben des entſprechenden Monats im Ver-
gleiche mit den früheren, und den ſich ergebenden Kaſſenbeſtand
anzeigen. Den Hauptſituationsetat macht die Staatshaupt-
kaſſenverwaltung, den Haupt-Staatshaushalts-Situations-
etat aber die Staatsbuchhalterei, bei welcher das ganze Detail
der Bruttoeinnahmen und ſämmtliche Ausgaben immer nach Be-
lieben in Büchern eingeſehen werden kann2).
Die materielle Verwaltung der Einkünfte und die Nachweiſun-
gen geſchehen durch die Kaſſen und Kaſſenverwaltung. Die
Anzahl der Kaſſen ſoll nicht zu groß ſein; ſie ſind auf einen ohne
beſondere Vollmacht nicht zu überſchreitenden Etat geſtützt. Blos
auf die Hauptkaſſe dürfen die zur Dispoſition befugten Behörden
Anweiſungen zur Realiſation geben, welche auch nur jene un-
mittelbar ſelbſt realiſirt oder auf Anweiſung durch Elementarkaſſen
realiſiren läßt, aber nur auf ihre eigene Rechnung und zum Ab-
zuge von ihrem Beſtande. Die bei den Kaſſenfunctionen obwalten-
den Formen ſind in den Staaten ganz verſchieden1). Die äußere
und innere Sicherheit der Kaſſen wird einſeits durch Geſetze
und Inſtructionen für die Beamten, anderſeits wegen der Geſchäfts-
ſicherung durch Cautionen der Beamten und durch periodiſche, auch
außerordentliche Reviſionen gepflegt, welche ſich auf die ſpeziellſte
Vergleichung des Kaſſenſtandes beziehen und von einem Protocolle
begleitet werden. Die Controle des Kaſſendienſtes iſt von der
größten Wichtigkeit. Die Reſultate der Kaſſenverwaltung werden
am Ende des Jahres durch Rechnungen beurkundet, mit deren
Ablieferung bei Strafe der geſetzliche Termin feſtgehalten werden
muß. In mehreren Staaten werden (mehr zu ihrer Erläuterung)
von den entſprechenden Verwaltungsbehörden Reviſionen vorge-
nommen2).
Was das Rechnungsweſen (die Comptabilität) anbelangt,
ſo beruht es auf folgenden Hauptgrundſätzen. Jedes Jahr macht
für ſich ein Ganzes. Daher wird für dieſe zwölf Monate, d. h.
über die darin Statt gehabt habenden Einnahmen und Ausgaben
ein Abſchluß ausgearbeitet. Es geht jedoch weder Einnahme noch
Ausgabe vor ſich, wie man ſich's denkt, ſondern es wird oft nach
den zwölf Monaten erhoben und ausgegeben, was während der-
ſelben hätte eingenommen und verausgabt werden ſollen. Daher
geht das Rechnungsjahr, d. h. nicht jenes gewöhnliche auf 12
Monate, ſondern jenes auf den völligen Abſchluß der Einnahmen
und Ausgaben für das Zwölf-Monat-Jahr einige Zeit nach und
liefert endlich den zweiten förmlichen und gänzlichen Rech-
nungsabſchluß (finalen und definitiven Abſchluß). Derſelbe
muß alle Einnahmen nach Verſchiedenheit der Quellen und ihrer
Kaſſen, jede Ausgabe mit Bezeichnung der Zwecke und der ſie
[782] machenden Kaſſe genau, die Erſtere nach den Hauptetats, die
Letztere nach den Miniſterialdepartements, angeben. Die Zeit des
Abſchluſſes iſt verſchieden nach der innern Verwaltung. Er ſelbſt
muß durch ein Geſetz ſanctionirt ſein; ſo lange er es nicht iſt,
bleibt die Rechnung ungeſchloſſen.
In manchen Staaten (beſonders mit Repräſentativverfaſſung)
werden von den Departementschefs Rechenſchaftsberichte über
die Verwendung ihrer Einnahmen nach geſetzlichen Bedingungen
zur Vorlage (vor die Ständeverſammlung) verlangt. Sie enthal-
ten im Detail die Darſtellung des Verwaltungsganges und Stan-
des und die Begründung etwaiger Abweichungen von den geſetz-
lichen Beſtimmungen. Der Rechenſchaftsbericht des Finanzminiſters
muß aber außer der Darſtellung ſeiner Verwaltung zugleich eine
urtheilende Auseinanderſetzung aller Einnahmequellen in Betreff
ihrer Natur, Benutzung, möglichen Erweiterung und Nachläſſe, ſo
wie eine ſolche vom ganzen Staatsaufwande und den Mitteln zu
ſeiner Verringerung enthalten. Hieran reiht ſich dann von ſelbſt
die Begründung des Staatsbudgets, welches derſelbe vorlegt.
Dieſes Syſtem ſieht die hauswirthſchaftlichen Geſchäfte eines jeden Gewerbes
fälſchlich als merkantiliſch an, und vergißt, daß ſowohl der Handel als das Rent-
geſchäft auch ihr eigentlich Hauswirthſchaftliches haben, ſo wie ihr Techniſches.
Er findet an der Kameralwiſſenſchaft drei Haupttheile, nämlich die rationale,
die poſitive und die praktiſche Kameraliſtik.
Die erſte theilt er in:
Die zweite iſt das Studium der poſitiven Geſetzgebung.
Die dritte enthält die kameraliſtiſche Geſchäftstheorie, das eigentliche Kameral-
prakticum (zuſammen reinpraktiſche Gegenſtände), dann die bürgerliche,
die Straßen- und Waſſerbaukunſt (zuſammen praktiſch-mathematiſche Ge-
genſtände).
Dieſes Syſtem kennt nicht den Unterſchied zwiſchen Privat- und öffentlicher
Wirthſchaft, nicht den Charakter der Volkswirthſchaftslehre, daher die nichts ſagende
Eintheilung der Nationalökonomie und der Mangel an Wörtern, um die eigentlich
Leztere von der Finanz zu unterſcheiden; auch nach ihm muß die Sicherheit blos der
Wirthſchaft wegen erhalten werden, was offenbar unrichtig iſt; es rechnet
die Mathematik zwar zu den Hilfswiſſenſchaften, aber einen Theil derſelben, nämlich
obige Arithmetik doch zu den Hauptwiſſenſchaften; es trennt poſitive und praktiſche
Kameraliſtik, obſchon ſie zuſammen in die Praxis gehören; es macht einen Unter-
[49] ſchied zwiſchen rein praktiſcher und praktiſch-mathematiſcher Kameraliſtik, der nichts
bedeutet an ſich, und mißkennt, daß die Baukunſt ſelbſt ihre Theorie hat und
eigentlich blos in die Technologie gehört.
Nach Brard betragen die Koſten eines Bohrverſuches von 100 par. Fuß
Tiefe 1000 Thlr. oder 4000 frs., nach Fars ein Bohrloch von 100 Toiſen Tiefe
in England 5712 frs., alſo für 100 par. Fuß 952 frs. oder 238 Thlr.; nach
v. Langsdorff in Deutſchland bei feſtem Geſteine auf
100 Fuß Tiefe 2599 fl. rhein.
200 " " 3486 fl. "
300 " " 4394 fl. "
400 " " 5308 fl. "
500 " " 6226 fl. "
600 " " 7150 fl. "
700 " " 8080 fl. "
Ueber das Eggen und Walzen vorzüglich Thaer engl. Landwirthſch. I. 214.
Koppe Unterricht. II. 83., die in Note 3 des §. 142. cit. Schriften. Block Mit-
theilungen. I. 6. 12. Schnee Landw. Zeitung. IX. 332. und über Ackerbeſtellung
im Allgemeinen IX. 180. Man unterſcheidet das gerade- und krummlinige, und
bei jenem wieder das zwei-, vier- und ſechszähnige Eggen, je nachdem man blos
nach der Länge, nach der Länge und Quere, und nach dieſen beiden und noch ein-
mal nach der Länge das Feld übereggt. Die Wahl hierin trifft man nach der Art
und vorherigen Bearbeitung des Bodens. Man bedient ſich dazu am beſten der
Pferde, weil es ſchneller geht als mit Ochſen, deren Geſchwindigkeit ſich zu jener
der Pferde ungefähr dabei wie 2:4 verhält. Das Arbeitsmaaß im Eggen wechſelt
nach der Art deſſelben, nach der Art und Vorrichtung des Bodens, nach der Form
des Feldes, nach der Art der Zugthiere, nach der Breite und Schwere des Inſtru-
ments ſo wie des Ackers. Iſt die Diagonale der Egge 8', und die Breite des
Feldes 3° 2', alſo die Länge des preuß. Morgens 56° 2' 5'', ſo läuft dieſelbe
rund 169° (3x56° 2' 5'') lang bei einmaligem Ueberfahren, und braucht dazu,
wenn man 1000° auf 1 Stunde rechnet \frac{169}{1000} Stunden oder 10½ Minuten,
und, wenn man 4½ Minuten fürs Umwenden und Putzen rechnet, ¼ Stunde
Zeit, folglich für 4 Morgen bei einmaligem Uebereggen 1 Stunde mit zwei Pferden.
Man kann daher in einem Tage
von 12 Stunden 48 Morgen 1 mal und 8 Morgen 6 mal übereggen.
11 " 44 " " " 7,3 " " "
10 " 40 " " " 6,6 " " "
9 " 36 " " " 6, " " "
8 " 32 " " " 5,3 " " "
7 " 28 " " " 4,6 " " "
Unter der großen Anzahl von Pflügen iſt der belgiſche oder Schwerzi-
ſche der beſte. J. N. Schwerz, Anleit. zur Kenntniß der belg. Landw. I. 81.
Deſſelben landw. Mittheilungen. I. 160. Wo man den Pflug nicht anwenden
kann, wird das Land umgegraben; die Größe der Leiſtung richtet ſich unter übrigens
gleichen Umſtänden nach der Feſtigkeit des Landes und der Tiefe des Grabens. Ein
Mann vermag umzugraben in einem Arbeitstage
v. 9 Stunden v. 10 Stund. v. 11 Stund.
in zähem Thonboden 7° ̺͆ 7½° ̺͆ 8¼° ̺͆
in zähem Lehmboden 9° ̺͆ 10° ̺͆ 11° ̺͆
in zähem Sandboden 11¼° ̺͆ 12½° ̺͆ 13¾° ̺͆
Nach dem Bisherigen ſind die Ausdrücke Dreiſchpflügen (Dreiſch = mehr-
jährig öde gelegenes Land), Brachpflügen, Sturzpflügen, Wendepflügen, Rühr-
pflügen und Saatpflügen leicht erklärbar. Das Pflügen iſt daher verſchieden ſchwer
nach der Art des Bodens (Klay-, Lehm- und Sand-Boden) und des Pflügens
ſelbſt. In gleicher Zeit arbeiten überhaupt dabei 2 Pferde ſo viel als 3 Ochſen.
Man vermag mit ihnen an einem Tage von 7–10 Stunden Arbeitszeit pflügen
auf Klayboden auf Lehmboden auf Sandboden
in der Dreiſchfurche 0,03 bis 1,30 pr. M. 0,66 bis 1,66 pr. M. 1,51 bis 2,00 pr. M.
in der Brachfurche 1,08-1,35 " 1,52-1,94 " 1,77-2,33 "
in der Wende-, Rühr-
und Sturzfurche 1,40-2,00 " 1,75-3,00 " 2,10-3,00 "
in der Saatfurche 1,24-1,77 " 1,55-2,22 " 1,86-2,60 "
Die engliſche Beſchickung iſt = 70 Pfd. Kupfer, 19 Pfd. Zink (granulirt)
50 Pfd. Kohlenſtaub. Lampadius räth folgende Beſchickung:
No. I. = 33⅓% Kupfer, 66⅔% Galmey.
No. II. = 30 " " 36 " " und 34% alt. Meſſing.
No. III. = 40 " " 60 " "
No. IV. = 38 " " 62 " "
Zu Mengepreſſe (beſtes Meſſing) = 60 Pfd. Lauterberger Garkupfer, 80
Pfd. Galmey, 20 Pfd. Kohlenſtaub.
Zu Tafelmeſſing (ordinair. Meſſing) = 35 Pfund Mengepreſſe, 40 Pfund
Lauterberger oder Mansfelder Garkupfer, 27 Pfd. Abfallmeſſing, 60 Pfd.
Galmey und 25 Pfd. Kohlenſtaub.
Zu Stückmeſſing (ſchlechteſtes) = 40 Pfd. Gekrätzkupfer von Fr. Marien-
Seigerhütte, 100 Pfd. Gekrätz von Meſſingmachern, 50 Pfd. Galmey,
10 Pfd. altes Meſſing, 15 Pfd. Kohle.
Das natürliche Werthsverhältniß richtet ſich nach den verſchiedenen pro-
ducirten Mengen dieſer Metalle auf der Erde. Das merkantiliſche aber nach
dem Zu- und Abfluſſe derſelben von einem Erdtheile oder Lande in ein anderes,
und das geſetzliche iſt durch den Münzfuß der Länder beſtimmt. Flörke Münz-
kunſt. S. 290. Galiani, Della Moneta. II. 10.Buſe Geldkunde. I. 48. Buſſe
Kenntniſſe und Betrachtungen. I. S. 68. smith, The science of Money. I. Book.
9. ch. §. 11. p. 211. Wheatley Essay. p. 116.Klüber, das Münzweſen. 199.
204. Meine Verſuche über Staatskredit. S. 93. 101. 132., wo auch noch mehr
Literatur angegeben iſt. Man findet das merkantiliſche Werthsverhältniß
a) aus dem Preiſe des ungemünzten Goldes und Silbers, b) aus den Courantpreiſen
der Münzen gegen Barren (d. h. gegen ungemünzte Metallſtangen), indem man
den Kettenſatz zu Hilfe nimmt, z. B.
a) ? Mark fein Silber = 1 Mark fein Gold.
1 M. f. Gold = 204 Thlr. preuß. Cour.
7 Thlr. preuß. Cour. = 12 fl. im 24 fl. Fuße.
24 fl. = 1 Mark fein Silber.
7x24:12x204 = 1:x = 1:14icefrac{96}{164}
b) ? Mark fein Silber = 1 Mark fein Gold.
1 M. f. Gold = 38,72 Friedrichsd'or.
1 Friedr. d'or = 5,66 Thlr. preuß. Cour.
14 Thlr. = 1 Mark fein Silber.
14:5,66x38,72 = 1:x = 1:15,6542
Das geſetzliche Werthsverhältniß findet man aus der Proportion
v:V = 1:x
worin v = dem Werthe, wozu die feine Mark Silber, und V = demjenigen,
wozu die feine Mark Gold, in einer beſtimmten Münzſorte ausgemünzt oder geſetz-
lich angenommen wird. Z. B. a. 1793 wurde der Werth des brabanter Thalers
geſetzlich auf 2 fl. 42 kr. im 24 fl. Fuße tarifirt, und der Ducate auf 5 fl. 24 kr.,
der Souverain d'or auf 16 fl. taxifirt (Cleynmann Materialien. S. 377.). Die
Mark fein Silber wurde zu 16,01 fl. und die Mark fein Gold in Ducaten zu
270,27 fl., in Souv. d'or aber zu 367,35 fl. ausgeprägt; folglich entſtehen für dieſe
Fälle folgende Proportionen
16,01:270,27 = 1:x = 1:16,88
16,01:367,36 = 1:x = 1:22,94
| im Jahre: | im Ackerbaue: | im Handel, Manufactur u. ſ. w. | Reſt | ||||
| England | 1811 | — | 34,7 | — | 45,9 | — | 19,4 |
| 1821 | — | 33,0 | — | 47,8 | — | 19,6 | |
| 1831 | — | 27,7 | — | 43,1 | — | 29,8 | |
| Wales | 1811 | — | 56,2 | — | 27,7 | — | 16,1 |
| 1821 | — | 50,6 | — | 28,5 | — | 20,9 | |
| 1831 | — | 43,9 | — | 26,9 | — | 29,2 | |
| Schottland | 1811 | — | 31,3 | — | 42,1 | — | 36,8 |
| 1821 | — | 29,2 | — | 42,8 | — | 28,3 | |
| 1831 | — | 25,2 | — | 51,3 | — | 33,5 | |
Ueber dieſe äußerſt nützlichen Geſellſchaften ſ. m. die herrliche Schrift:
v. Beaumont und v. Tocqueville America's Beſſerungsſyſtem. Aus d. Franz.
überſ. von Julius. Berlin 1833. S. 266. 432. und die dort angegebenen Schrif-
[649] ten. Jeder Eintretende verpflichtet ſich ſchriftlich zur Enthaltſamkeit von jedem
branntweinartigen Getränke. Im J. 1831 beſtanden in Nordamerica 2597 bekannt
gemachte Vereine dieſer Art und zählten 1,200,000 Mitglieder; es ſollen aber deren
gewiß 3000 ſein. Der erſte Verein dieſer Art entſtand a. 1813 in Boſton. Zufolge
dieſer Vereine ſollen in Nordamerica a. 1831 ſchon 1000 Brennereien und 3000
Schenken geſchloſſen worden ſein. Daß ſie aber in ſolchen Ländern nothwendig ſind,
erſieht man aus der ſtatiſt. Angabe, daß der Branntweinverbrauch jedes Einwohners
im Durchſchnitte war:
In England a. 1825–1827 = 2 Berl. Quart = etwa 1 Maaß 5icefrac{3}{10} Bech. n. Bad.
Im vereinigt. Königreiche a. 1829 = 5 — — = — 3 — 8icefrac{4}{10} — — —
In Irland 1826–1829 = 6 — — = — 4 — 6⅒ — — —
In Van Diemens Land = 11 — — = — 8 — 4icefrac{6}{10} — — —
In den vereinigten Staaten
von N. A. 1829 = 24 — — = — 18 — 4icefrac{6}{10} — — —
In Neu-Süd-Walis = 27 — — = — 20 — 7icefrac{6}{10} — — —