NAchdem der ge-
rechte GOTT un-
ſer geliebtes Vater-
land Teutſcher Na-
tion abermahl hin
und wieder/ um unſerer groſſen
Suͤnden willen/ mit ſeiner ge-
rechten Zorn-Ruthe heimgeſu-
chet/ und die ſchwere Straff der
Peſtilentz zugeſchicket/ welche
bereits viel tauſend Menſchen
hingeraffet; So ſeynd deßwe-
gen alle umliegende Obrigkei-
)( 2ten
[]Vorrede.
Ordentli-
che Fuͤr-
ſorge.ten nicht nur ernſtlich bemuͤhet/
ihre Unterthanen zu wahrer
Buſſe und andaͤchtigem fleiſſi-
gen Gebet eifrigſt anzumahnen/
ſondern auch gute Fuͤrſorge zu
thun/ damit ſolche anſteckende
Seuche nicht muthwilliger und
frevelender Weiſe in die noch
reinen Oerter getragen werden
moͤchte: zu ſolchem Ende auch
wohlgefaſſete Collegia Sanitatis
verordnet/ und mit weiſen/ ge-
lehrten und verſtaͤndigen Leuten
beſetzet/ welche ſowol der reiſen-
den Perſonen als auch uͤber-
ſchickter Kauffmañs-Guͤter we-
gen/ treue und gute Obſicht tra-
gen/ und alles nach Muͤglichkeit
verhuͤten helffen.
Ob dieſes wol eine loͤbliche
Sache/ wordurch vielmal ſolche
Seuche abzuhalten/ und ein
oder
[]Vorrede.
oder anderer Ort durch die Gna-
de GOttes verſchonet werden
kan: So bezeuget doch die taͤg-
liche Erfahrung/ daß alle unſe-
re Fuͤrſorge/ Muͤhe und Arbeit
vergebens/ wann GOtt mit ſei-
ner Straff kommen/ und uns
ſeine boͤſe Kinder zuͤchtigen will/
weßwegen auch faſt jederman
fuͤr ſolcher Peſtilentziſchen
Kranckheit furchtſam iſt/ auch
Mittel und Wege ſuchet/ der-
ſelben zu entfliehen/ oder aber
ſich und die ſeinigen mit dienli-
chen Præſervativ-Mitteln zu
verſehen.
Es wollen aber gleichwol vielPeſt wird
von vielen
fuͤr un-
muͤglich zu
curiren
gehalten.
Leut/ auch gelehrte und beruͤhm-
te Medici ſelbſt/ auf dieſer Mey-
nung beharren/ daß niemand
die Peſtilentz curiren koͤnne/
noch auch daß einiger Medicus
)( 3ein
[]Vorrede.
ein ungezweiffelt Mittel wider
ſolche Peſtilentz-Kranckheit ha-
be/ vorwendende: Es ſey die
Peſtilentz eine ſonderbare Straff
und Heimſuchung Gottes/ und
ſolle man nur alle Artzney-Mit-
tel ungebrauchet laſſen/ indeme
man ja ſehe/ wie ſolche Seuche
keiner Artzney weiche/ ja auch
der meiſte Theil ſolcher Kran-
cken/ auch Pfarrherren/ Medi-
cos, Barbirer ꝛc. ꝛc. ſelbſt/ ja
offt am allererſten weg ſterben
muͤſten.
Solcher Meynung faͤllet
auch bey M. Martin Hammer/
Schoͤnburgiſcher Herꝛſchafft Su-
perintendent, in ſeiner 9. Peſti-
lentz-Predigt/ in folgenden
Worten: Wormit man ſich in
dieſer Seuche præſerviren und
curiren kan/ muͤſſen wir nicht
ex
[]Vorrede.
ex Galeno, Hippocrate, Paracel-
ſo, und andern fuͤrnehmen Me-
dicis lernen/ ſondern aus heili-
ger Goͤttlicher Schrifft ſtudi-
ren: Denn es bezeugen viel
fuͤrtreffliche Medici, daß/ ob
man wol bey allen gifftigen
Kranckheiten Alexipharinaca ha-
be/ womit dem Gifft zu begeg-
nen; ſo hat ihm doch GOtt der
HERR allein das Alexiterion
gleichſam vorbehalten/ und uns
Menſchen verborgen/ ut ma-
lum hoc peculiare DEI flagel-
lum eſſe agnoſcamus,daß nem-
lich maͤnniglich ſpuͤre/ es
ſey dieſe Seuche ein beſon-
dere Ruthe GOttes/ damit
er/ wann es die Welt wohl ver-
dienet/ in groſſem Ernſt ſie zu
zuͤchtigen pflege; dahero auch/
)( 4(wann
[]Vorrede.
(wann GOtt ſtraffen will) die
fuͤrnehmſten und beſten Experi-
menta wenig oder gar nichts
helffen muͤſſen. Dieſem faͤllet
noch bey Cunradus Geſnerus l. 1.
Epiſt. ult. Remedia certa adver-
ſus peſtem nulla habemus; forte
\& non placet DEO, ut contra
flagellum ſuum, peccatis debi-
tum, ullum certum præſidium
habeamus. i. e.Wir haben
wider die Peſt keine gewiſ-
ſe Artzney: vielleicht ge-
faͤllet es auch GOtt dem
HERRN nicht/ daß wir
wider ſeine/ auff unſere
Suͤnde gehoͤrige Peitſche
und Ruthe/ einige Huͤlff
und Schutz haben ſollen.
Und Johann Crato von Crafft-
heim
[]Vorrede.
heim Part. II. ſeiner Ordnung
der Præfation ſaget alſo: Be-
ſchließlichen aber ſoll ich
bekennen/ daß allein bey
GOTT dem Allmaͤchti-
genvera Antidotus pe-
ſtilentialis contagionis
iſt/ und keinem Menſchen
recht bewuſt. Endlichen
ſchreibt auch D. Michael Doͤ-
ring/ Breßlauer Phyſicus, nach
Franciſci Ulmenſ. Meynung
lib. 3. de Occultis in re Medicâ
facultatibus c. 8. Daß ob zwar
zu Peſtzeiten etliche Artz-
neyen helffen/ ſo ſey doch
darauff weder zu bauen
noch zu trauen/ ſondern
ſeyen alle ungewiß. Auch
)( 5Johan-
[]Vorrede.
Johannes Hartmannus: In pe-
ſtis iræ Divinæ flagelli ſeveriſſi-
mi curatione: Tam felix nemo
unquam fuit ꝛc.Es iſt nie-
mand jemals ſo gluͤcklich
geweſen/ der ſich haͤtte
ruͤhmen doͤrffen/ daß er die
Peſt/ welche GOttes
ſcharffe Zorn-Ruthe iſt/
mit einer beſondern und
gewiſſen Artzney vertrei-
ben koͤnte.
Naͤchſt dieſen Autoribus koͤn-
ten noch viel andere mehr ange-
fuͤhret werden/ welche alle ob-
beſchriebener Meynung beyfal-
len. Wir aber wollen es unter
ſolchem Verſtand nehmen/ daß
kein Univerſal-Mittel wider die
Peſtilentz zu finden/ damit allen
und
[]Vorrede.
und jeden geholffen werden
koͤnte; jedoch iſt auch nicht zu
laͤugnen/ daß gar vielmahl die
Artzneyen durch Seegen GOt-
tes gar viel ausgerichtet haben/
und erfahren wir ja taͤglichen/
daß bey vielen hundert ja tau-
ſend Perſonen privatim die Artz-
neyen ſehr viel gutes gewuͤrcket/
und ihre ſtattliche Krafft ſehen
laſſen. Auch wiſſen wir ja/
daß der Gebrauch der Artzney-
Mittel in der Noth GOtt zu
Ehren gereichet; ſintemalen da-
durch ſeine vaͤterliche Guͤte und
Fuͤrſorge gegen uns Menſchen
geoffenbaret und mehr erkannt
wird/ als wenn er ſtaͤts ohne
Mittel helffen wolte. Rode-
rich à Caſtro de Peſte ſchreibt:
Peſtis quidam ex natura ſua
morbus eſt lethalis, pluresque de
medio
[]Vorrede.
medio tollet, niſi adhibitis con-
venientibus remediis, homines
auxilio artis Medicæ diligentiſſi-
mè ac citò reſiſtant. Das iſt:
Die Peſtilentz iſt zwar ihrer
Natur nach eine gefaͤhrlich
und toͤdtliche Kranckheit/
welche den meiſten Theil
der Krancken hinraffet/
aber durch bequeme Mit-
tel und Huͤlff der Artzney-
Kunſt kan man ihr ſchon
widerſtehen/ wofern man
nur moͤglichſten Fleiß an-
wendet/ und beyzeiten dar-
zu thut. Und wie es nun
Mittel gibt/ welche dieſer oder
jener Peſt gleichſam ſpecialiter
entgegen und recht appropiat
ſeyn/ alſo iſt es auch nicht alle-
mal
[]Vorrede.
mal unmoͤglich/ die Peſt zu cu-
riren/ denn es kan ja noch heut
zu Tage durch fleiſſiges Gebet
und Nachſinnen ein- oder der an-
der Medicus ſowol als Galenus,
Simplicius, Ruffus oder Monta-
gona auch die Gnad von GOtt
haben/ einige gute Huͤlffs-Mit-
tel zu erlangen/ und zu ergruͤn-
den/ und obwol dermalen noch
kein ſolch ſpecificum remedium
vorhanden/ welches wider alle
Peſtilentzen gut ſey/ ſo iſt dan-
noch durch Ubung/ fleiſſiges ſtu-
diren und experimentiren ſo viel
erlanget worden/ daß viel tau-
ſend/ welche die Peſtilentz-
Kranckheit bereits am Halß ha-
ben/ errettet werden koͤnnen.
Wir wollen uns aber bey die-
ſer Diſputation nicht weiter auff-
halten/ oder deßwegen in Sor-
gen
[]Vorrede.
gen ſtehen/ ſondern nur gelehr-
ter Leut Schrifften anfuͤhren/
welche deßwegen viel Arbeit an-
gewendet/ um den Menſchen in
Contagion-Zeiten kraͤfftiglich
die Hand zu bieten; wie deßwe-
gen zu leſen Unzeri tract. de lue
Peſtif. Fabricius de Peſte. Mer-
curialis lection. de Peſte. Herlicii
Conſil. Polit. Phyſ. Hornigii tr.
de Peſt. Fracaſtor. de Morb. con-
tag. Nicol. Maſſa Tr. de Peſt.
Panſa Conſ. antipeſt. Tabernæ-
mont. de Peſt. Octav. Robertus
de Febr. Petech. und noch viel an-
dere mehr/ bey welchen die aus-
erleßneſte Huͤlffsmittel beſchrie-
ben worden/ derer mich auch gu-
tes Theils bey Aus fertigung die-
ſes kleinen Tractaͤtleins bedie-
net habe.
Ob ich wohl nicht der Mey-
nung
[]Vorrede.
nung bin/ gelehrten und erfahr-
nen Medicis damit Unterwei-
ſung zu geben/ und gern geſte-
he/ daß wann ſich ſolche die Muͤ-
he geben wolten/ von dieſer Ma-
teri zu ſchreiben/ uns ein weit
beſſeres Licht auffſtecken wuͤr-
den; Allein iſt auch unſtreitig/
daß viel Medici jetziger Zeit am
Leben/ welche noch niemalen bey
ſolcher gefaͤhrlichen und ſchnel-
len Kranckheit practicirt/ und
wann es dann die Noth erfor-
dert/ daß man ſolche bey einreiſ-
ſender Peſtilentz-Kranckheit be-
ruffet/ ſo will es auch manchem
ſchwer fallen/ ex tempore die be-
noͤthigte Medicamenta zu ordi-
niren/ zumalen offt ſolche wi-
der einander ſtreitende Sympto-
mata unterlauffen/ daß der Me-
dicus kaum Augen genug/ aller
)( )(Orten
[]Vorrede.
Orten zuzuſehen/ welches dann auch
ein Mit-Urſach iſt/ daß Anfangs der
Peſt ſo viel prave Leut hinſterben
muͤſſen/ zu geſchweigen der Wund-
aͤrtzte/ welche man bey der Peſt-
Kranckheit ebenfalls nicht erman-
geln kan: Und da ſiehet man denn
erſt/ was ſolches fuͤr experimentirte
Leut/ darunter bey guten und geſun-
den Zeiten das Maul groͤſſer als die
Wercke ſeyn/ und die ihre gute Zeit
lieber bey dem Brettſpiel/ als bey ei-
nem nuͤtzlichen Buch zu leſen an-
wenden. Sonderbar aber will auch
vonnoͤthen ſeyn/ daß bey ſolchen ge-
faͤhrlichen Zeiten auch ein jeder
Haußvater (ſonderbar welche auff
dem Land und vom Medico und Apo-
theken weit abgelegen) nicht nur die-
ſer ſchnellen uñ gefaͤhrlichen Kranck-
heit wegen ein wenig unterrichtet
werde/ ſondern auch ſich zu Zeit der
Noth mit bedoͤrffenden Præſervativ-
und Huͤlffmitteln verſehen kan/ weil
es offtmal bey dieſer Kranckheit die
Zeit nicht zugeben will/ erſt etlich
Stunden weit nach dem Medico zu
lauf-
[]Vorrede.
lauffen/ und ſich deſſen Raths zu be-
dienen. In dieſer guten Intention
hab ich die Feder ergriffen/ beygehen-
den Unterricht von der jetztma-
len uͤber Teutſchland ſchweben-
den gefaͤhrlichen Seuche der
Peſtilentz/ zu jedermans Nutzen/ in
Teutſcher Sprach zum Druck zu be-
foͤrdern/ und ſolches mit vielen herr-
lichen und approbirten Huͤlffmitteln
in allerley benoͤthigten Recepten be-
ſtehend/ mittheilen wollen; Der ge-
neigte Leſer laſſe ihm dieſe mein ge-
ringe Arbeit nicht mißfallen/ der ich
denſelben der Goͤttlichen Fuͤrſorge/
mich aber zu derer guten Gunſten
treulichen empfehlende/ verharre
Jederman/ nach Standes Gebuͤhr/
zu dienen verbundener
Franckfurt am Mayn/
den 16. Nov. 1713.
D. Joh. Jacob Braͤuner/ Med.
43jaͤhriger Pract.
WIrd dem Geſundheit-liebenden
Leſer vermeldet/ daß bey dem
Autore dieſes Buͤchleins (welcher
allhier zu Franckfurt am Mayn am
Roßmarckt unter den Neuen Haͤu-
ſern wohnhafft) zu bekommen iſt:
Ein herrlich und fuͤrtrefflich Expe-
riment, beſtehet in einem Electuario
oder Latwerg/ ſo wider dieſe gefaͤhr-
liche Peſt-Kranckheit præſervativè \&
curativè bey letzter Leipziger und
Halliſcher Contagion in Sachſen von
viel tauſend Menſchen mit groſſem
Nutzen gebrauchet und gut befun-
den worden/ und wird jedem/ der es
verlanget/ zu halb und gantzen
Pfunden/ jedes Pfund um 60. Kr.
uͤberlaſſen.
ES wird allhier nicht zuVor-Be-
richt von
der Peſt.
fragen vonnoͤthen ſeyn/ was die
ſo genannte Peſt oder Peſtilentz
fuͤr eine Kranckheit iſt? weil
uns ſolche nicht allein in H. Schrifft/ ſon-
dern auch die bereits uͤber Teutſchland ſchwe-
bende Gefahr und Erfahrung zur Gnuͤge be-
lernet: Aus H. Goͤttlicher Schrifft erſehen
wir 2. Sam. c. 24. ℣. 15. wie der Engel/ der
Verderber des Volcks/ 70000. Seelen in
dreyen Tagen durch die Peſtilentz geſchlagen.
Procopius Cæſarienſis lib. Il. de bello Perſi-Groſſe
Peſt zu
Conſtan-
tinopel
und an-
dern Or-
ten.
co ſchreibt/ daß bey Regierung Kaͤyſer Ju-
ſtiniani zu Conſtantinopel ein ſolche groſſe
Peſtilentz graſſirt/ an welcher offt in einem
Tag 5000. biß 10000. Menſchen hingefal-
len. Ritius lib. 3. Francor. Regum meldet/
daß im Jahr Chriſti 1438. die Menſchen
mit einer ſolchen Peſt befallen worden/ an
welcher ſie 3. Tage in einem tieffen Schlaff
Age-
[2]DasI.Capitel.
gelegen/ und hernach ſo haͤuffig hingeſtorben/
daß kaum der dritte Theil Menſchen uͤbrig
blieben: Auch ſchreiben die Hiſtorici, wie im
Jahr Chriſti 1125. der dritte Theil menſch-
lichen Geſchlechts von der Peſtilentz wegge-
raffct: Auch iſt uns noch in guter Gedaͤcht-
nuͤß/ wie eine groſſe Anzahl Menſchen vor
32. Jahren zu Wien/ Prag/ Dreßden/ Leip-
zig/ Hall/ in Thuͤringen/ und andern Orten
Teutſchlandes von der Peſt auffgefreſſen/
und ihr Leben endigen muͤſſen.
Es iſt aber ſolche Peſt-Kranckheit eigent-
lich eine von den drey Haupt- und
Landſtraffen Gottes/ womit ſolcher aus
gerechtem Zorn uns Menſchen wegen uͤber-
haͤuffter Suͤnden heimzuſuchen und abzu-
ſtraffen pfleget/ dennoch aber wird ſolche von
dem Koͤniglichen Propheten David/ nemlich
unter dem Krieg und theurer Zeit/ fuͤr die
leidlichſte und gelindeſte gehalten/ und er-
waͤhlet/ da er in angezogenem Capitel ſaget:
Es iſt beſſer in der Hand des HErrn als in
den Haͤnden der Menſchen ſterben. Ariſto-
teles 1. Problem. ſect. 7. ſaget: Daß die
Peſt nicht allein ein gifftige Schwachheit
ſondern fuͤr die gifftigſte unter allen gifftigen
Kranckheiten zu halten waͤre. Und wenn
wir Teutſchen das Wort Gifft brauchen/ ſo
verſtehen wir nicht? gutes/ ſondern eine hoch-
Iſt anſte-
ckend.ſchaͤdliche Sache: So auch iſt ſolches ein
anſteckend Gifft/ weil man taͤglich ſiehet/
daß
[3]Vor-Bericht von der Peſt.
daß die jenigen/ welche ſich beyzeiten weit von
dem Ort/ da die Peſt graſſiret/ hinweg be-
geben/ davon gefreyet ſeyn/ hingegen aber
die/ welche ſolchen Krancken beywohnen/ an-
geſtecket/ und gemeiniglich hinſterben/ jedoch
geſchiehet es auch nicht allezeit/ ſintemal et-
liche die Peſt natuͤrlicher Weiſe verurſachen
und bekommen/ da ſie ſie wol ſonſt niemal
bekommen haͤtten: wie denn ſolches zu ge-
ſchehen pfleget/ wenn ſie mit den Inficirten
oder ſonſt zu frey umbgehen/ die gifftige Aus-
daͤmpffung bey ſolchen Krancken durch den
Athem in ſich ziehen ꝛc. und heiſſet alſo/ wer
ſich in die Gefahr gibt/ der kommet in der
Gefahr umb/ Syr. 3. v. 26. Alſo folget/ daßWie man
der Gefahr
auswei-
chen kan.
wer der Gefahr ausweichet/ auch wol
ſein Leben friſten und erhalten koͤn-
ne. Und iſt alſo die Warheit/ daß die Peſt
ein anſteckende Seuche iſt/ ja eine ſolche/ wel-
che mit anſtecken unter allen Kranckheiten/ ſo
jemals unter den Menſchen geweſen/ ihres
gleichen nicht hat/ wiewol ſie auch eine Zeit
mehr als die ander/ item einen Menſchen mehr
und eher als den andern/ nachdem die vergiffte
Qualitaͤt ſtarck und grimmig/ auch ſolcher
Qualitaͤt vehiculum, vermittelſt welches ſie
von einem zum andern propagiret und fort-
geſetzet wird/ dick/ duͤnn/ ſpiritualiſch und
dergleichen iſt/ anſtecket und vergifftet.
Weiters iſt die Peſt eine abſonderli-Peſt iſt ei-
ne abſon-
che und eigene Kranckheit/ denn ob
A 2ſchon
[4]DasI.Capitel.
derliche
Kranck-
heit.ſchon an einem Peſt-Patienten vielerley
Schwachheiten/ als Fieber/ ſtaͤtiges Wa-
chen/ Hauptwehe/ Wahnwitz/ Erbrechen/
Durchlauff/ Geſchwaͤr/ Flecken/ und andere
Dinge mehr geſpuͤret werden/ ſo beſtehet
dennoch die Eigenſchafft und Natur der Peſt
in ſolchen nicht/ ſondern ſolches ſind nur
Symptomata oder Zufalle/ welche ſich als-
bald mit der Peſt erzeigen/ oder doch noch
hernach kommen/ fuͤr ſich ſelbſt aber keine
Peſt machen/ noch den Menſchen in Leib-
und Lebens-Gefahr ſetzen/ geſtalt wir dann
ſehen/ daß offtmal das Fieber/ der Roth-
lauff ꝛc. ſehr gering ſind/ die Patienten aber
nichts deſto weniger hinweg ſterben/ deſſen
anders nichts als die Peſtilentzialiſche Gifft
ein Urſach iſt.
Es wollen auch einige der Meynung ſeyn/
weil bey andern morbis acutis auff die Dies
Critici geſehen wird/ daß die Peſt auch ſol-
che Eigenſchafft habe/ daß ſie gemeiniglich
zwiſchen dem viert- und neunten Tag ein
Ende mit dem Patienten mache/ welche aber
druͤber lebeten/ mehrentheils wieder auff-
kommen ſolten/ wie Fab. Paul. l. 1. prælect.
Marc. p. 330. meldet. Solches iſt zwar ſo
viel leichter zu glauben/ weil erſtlich die Peſt
als eine geſchwinde Kranckheit ſich alſo anzu-
laſſen pfleget/ daß man biß an den neunten
Tag (weñ der Patient ſo lange lebet/) leicht-
lich das Facit machen/ und was daraus wer-
den
[5]Vor-Bericht von der Peſt.
den will/ abnehmen kan/ ſintemal was nicht
den fuͤnfften geſchicht/ den ſechſten/ und was
nicht den ſechſten/ den ſiebenden/ und ſo fort-
an biß an den neunten Tag incluſivè geſche-
hen kan/ auch gemeiniglich geſchiehet/ weilen
eben der gefaͤhrlichſte dies criticus der ſieben-
de Tag unter ſolchen Tagen begriffen/ und
der neunte Tag den ſiebenden/ die Criſin be-
treffende/ ſo nahe verwandt und gleich iſt/
als kein einiger anderer/ wie Galenus de dieb.
decret. 2. c. 8. davon ſchreibet. Dahero auch
ohn Zweiffel Thucydides ihm den ſiebenden
vorgeſetzt hat/ da er ſaget: Die Leibs-Kraͤff-
te thaͤten der Kranckheit wider Verſehen ſol-
chen Widerſtand/ daß die meiſten den neun-
ten und ſiebenden Tag erſt ſtuͤrben/ anzu-
deuten/ daß offtermal wol mehr den neunten
als den ſiebenden die critiſche Veraͤnderung
empfunden werde. Geſtalt denn auch das
gemeine Volck (hieſiger Orten inſonderheit)
faſt bey allen Kranckheiten nur auff den neun-
ten Tag ſiehet/ und nicht eher/ es ſey denn
ſolcher fuͤrbey/ Hoffnung ſchoͤpffet/ dargegen
des ſiebenden faſt nie gedacht wird. Braſa-
vola ſchreibet in Comment. Aphoriſm. lib. 2.
Aphoriſm. 24. Wir haben im Jahr 1528.
erfahren/ und wol 600. mal in acht genom-
men/ daß faſt alle/ die an der Seuche kranck
gelegen/ den ſechſten Tag geſtorben
ſeyn.
WIe aber die Peſt fortgepflantzet
wird/ und eines das ander anſte-
cke/ davon waͤren vielerley Urſachen
anzufuͤhren; Sonderlich wird die
Vergifftung der Lufft fuͤr eine Urſache gehal-
ten/ darzu die Obere/ als das Geſtirn/ die
Cometen/ die Finſternuͤſſe/ ꝛc. Gelegenheit
geben. Unter den Untern aber præſentiren
Mittags-
Wind.ſich erſtlich die Winde/ und bezeuget es die
Erfahrung/ daß die Sund- und Weſtwin-
de viel ſchaͤdlicher und vergiffteter Kranck-
heiten Urſach geweſen ſeyn; Inſonderheit
thut ſolches der Sud oder Mittagswind;
Nebel und
Regen-
wetter.2. Die Nebel/ inſonderheit wenn ſie ſtincket
ſeyn/ und offtauff einander folgen. 3. Con-
tinuirlich Regenwetter/ welches nicht allein
durch ſeine Langwuͤrigkeit eine Faͤule erreget/
bevorab wenn es darbey warm iſt/ auch al-
lerley alten und zerlegenen Unrath auffruͤh-
Veraͤnde-
rung des
Gewit-
ters.
Erdbeben.ret. 4. Unnatuͤrliche und unzeitige Veraͤn-
derung des Gewitters/ indem es kalt iſt/ wenn
es warm/ und warm/ wenn es kalt ſeyn ſoll.
5. Erdbeben/ bevorab wenn ſie groß ſeyn/
denn ſolche faſt nicht ohne groſſen boͤſen
Rauch/ ſchaͤdliche Daͤmpff und gifftigen
Geſtanck abgehen. 6. Groſſe ungewoͤhnli-
che Menge der jenigen Thiere/ ſo aus einer
Faͤu-
[7]Unterricht von der Peſt.
Faͤulung wachſen/ als da ſeynd Heuſchre-
cken/ Wuͤrme/ Kaͤfer ꝛc. wie Paulus Oro-
ſius gedencket/ daß einsmals in Africa wegen
der ſehr viel Heuſchrecken und Wuͤrm eine
groſſe Peſt entſtanden waͤre/ derer der H.
Auguſtinus lib. 3. de C. D. c. 31. eine An-
zahl von 80000. Menſchen nennet/ die umb-
kommen ſeyn ſollen; und zwar daß in einer
einigen Stadt/ Utica genannt/ von 30000.
jungen Soldaten nicht 10. uͤbergeblieben.
7. Daͤmpff/ Schwaͤden oder Lufft/ ſo etwaIn Hoͤh-
len ver-
haltene
Daͤmpffe.
eine geraume Zeit in Hoͤhlen/ Tieffen/ oder
andern Orten gleichſam verſchloſſen gewe-
ſen/ und immittelſt eine boͤſe Natur gewon-
nen/ und nun mit der aͤuſſerſten Lufft ſich zu
vermiſchen freyen Paß bekom̃en. 8. Still-Stillſte-
hende
Waſſer
und ſtin-
ckende
Moraͤſt.
ſtehende Moraͤſt und ſtinckende Waͤſſer/
Pfuͤtzen oder Suͤmpff/ welche wegen Man-
gel der Bewegung in ſich ſelbſt faulen.
9. Todte Aeſer/ ſo entweder auff der Gaſſen
ſterben/ oder auff ſolche hingeworffen wer-
den/ und ſo lang liegen bleiben. 10. TodteTodte
Coͤrper.
Menſchen-Coͤrper/ wenn ſolche bey Belaͤge-
rungen/ in Feldſchlachten und Scharmuͤtzeln
lange unbegraben liegen bleiben. Woraus
abzunehmen/ wie und auff was Weiſe die
Peſtilentz von der Luͤfft cauſirt und verurſa-
chet werden koͤnte. Es will aber Hierony-
mus Mercurialis lect. de Peſtil. c. 7. nicht zu-
geben/ daß die Lufft ſeminarium Peſtilentia
in ſich begreiffe/ und zu einem Gifft werden
A 4moͤ-
[8]DasII.Capitel.
moͤge/ ſondern ſie werde nur tuͤchtig gema-
chet/ in denen Leibern/ die hierzu diſponirt
ſeyn/ ein Gifft zu erregen/ und zwar dieſes
darum/ weil nach Ariſtotel. 25. l. problem.
20. Meynung die Lufft voller Feuer ſey/ das
Feuer aber alles Gifft von ſich treibe; wenn
aber die Lufft gifftig waͤre/ ſo wuͤrde weder
Thiere noch Menſchen leben koͤnnen/ weil
nichts ohne die Lufft leben kan/ ſondern ſol-
che ſtaͤts einhauchen muß. Ob nun wol die
Lufft viel zu Verderbung der menſchlichen
Leiber thut/ ſo geſchiehet ſolches doch nicht
allzeit und auff dieſe Manier alleine/ ſondern
es haͤlt die Lufft auch wol ſelbſt peſtilentziſche
Seminaria in ſich/ denn wenn dieſes nicht
waͤre/ wovon wolten manche ſo geſchwind
dahin fallen/ und in ſo wenig Stunden
ſterben.
Damit man aber deſto beſſer wiſſen moͤge/
ob die Peſt von einer vergiffteten
Lufft oder von andern Urſachen her-
ruͤhre; So hat man Achtung zu geben/
1. Ob ſich die Voͤgel/ welche ſonſt ſich ge-
woͤhnlich auff der Ebene auffzuhalten pfle-
gen/ die Berge und Hoͤhen ſuchen/ hingegen
die ſich in der Hoͤhe auffhalten/ herunter auff
die Ebene kommen. 2. Wann die Voͤgel/
die ſich in Gemaͤchern befinden/ oder ſonſt
mit mehrer Anzahl oder wider die Gewohn-
heit ſterben. 3. Wenn ſolche ihre Neſter
und Jungen verlaſſen. 4. Wenn ſich gar
wenig
[9]Unterricht von der Peſt.
wenig oder aber allzuviel Spatzen einfinden.
5. Wenn die Voͤgel wider ihre Gewohnheit
des Nachts hin und wieder fliegen/ und
ſchreyen. 6. Wenn die Woͤlffe heulen.
7. Wenn es ſo viel Fliegen/ Muͤcken und
Maͤuſe gibt/ daß man ſich ihrer faſt nicht er-
wehren kan. 8. Wenn Brod/ Eyer/ Obs/
friſch Fleiſch ꝛc. in der natuͤrlichen Lufft bald
corrumpirt/ ſchimmlich und faul wird. 9.
Wenn das Waſſer/ ſo ein Weile an der
Lufft geſtanden/ obenher entweder blaulecht
oder gelb wird. 10. Wenn Schaaf und
Vieh/ ſo des Morgens geweydet wird/ er-
krancket und umbfaͤllet/ ꝛc.
Warum aber bey ſo vergiffteter Lufft nichtWarum
nicht alle
Menſchen
von ſolcher
Lufft an-
geſteckt
werden.
alle Menſchen angeſteckt werden/ da ſie doch
alle ſolcher genieſſen muͤſſen? darauff wird
geantwortet: Daß ſolche Vergifft- und Un-
reinigkeit zweyerley iſt/ als Totalis und Par-
tialis; Totalis iſt/ wenn die gantze Subſtantz
der Lufft verderbt/ gleich wie ein Apffel oder
Birn durchaus faul oder untauglich wird.
Partialis, wenn ſie nicht durchaus/ ſondern
nur an einem Ort/ und zwar an unterſchied-
lichen/ aber etwas fern von einander entle-
genen Orten verdorben iſt; dafern nun die
gantze Lufft gantz und gar in ihrer Subſtantz
verderbt waͤre/ ſo muͤſte folgen/ daß alles/ was
ſich ſolcher Lufft gebrauchete/ unfehlbar ſter-
ben muͤſte; iſt ſie aber nur Partialis, ſo wer-
den nur die jenige allein darnieder geleget/
A 5wel-
[10]DasII.Capitel.
welche Antheil von ſolcher vergiffteten Lufft
bekommen haben.
Gleich wie nun auff ſolche umſchweiffen-
de Lufft ſelbſt geſehen werden muß/ alſo ſeynd
offtmal ſolche Umſtaͤnde Urſach daran/ daß
ein- oder der ander dem peſtilentzialiſchen Gifft
entgehet: dann auch hilfft bey Menſchen
ſehr viel/ daß er eine gute Diæt beobachtet/
und der auſſerlichen Lufft ſich um ſo viel we-
niger theilhafft zu machen/ daheim bleibet.
Endlich auch widerſtehet ſolchem Gifft eine
gute præſervirende Artzney/ wenn ſolche ei-
nem jeden nach ſeinem Alter/ Temperament
und Natur gegeben wird. Hingegen iſt
auch bekannt/ daß je freyer die Lufft/ je ge-
ſunder und beſſer ſolche iſt/ und weniger Ge-
Warum
die Lufft
in Staͤd-
ten ſelten
rein iſt.fahr mit ſich fuͤhret. Und iſt unſchwer zu
erſinnen/ warum die Lufft in Staͤdten ſelten
rein ſey/ nemlich/ weil ſich ſolche ihrer Frey-
heit nicht gebrauchen kan; denn wenn ſie
auch gantz rein in die Stadt kommet/ ſo wird
ihre Natur doch ſehr bald und leichtlich ver-
aͤndert/ von allerley unreinen Duͤnſten/
Daͤmpffen und Schwadem/ zu welchem die
Schlachthaͤuſer/ Metzger und Gerbhaͤuſer/
Cloacken/ Allmenten/ Antauchen/ Miſthauf-
fen/ Kerſelplaͤtz/ Winckel/ Gaͤnſe-Hund-
Schwein- und Viehſtaͤlle/ groſſen Anlaß ge-
ben/ worzu noch kommet/ daß viel unſaubere
Leut den Harn oder wol gar ſ. h. Menſchen-
koth auff die Gaſſe ſchuͤtten. So auch ſeynd
offt
[11]Unterricht von der Peſt.
offt Frembde/ die in einer Stadt anlangen/
Urſach/ daß die geſunde Lufft verunreiniget
wird/ wenn ſolche allbereit inficirt ſeyn/ oder
doch an ihren Kleidern/ Waaren ꝛc. den
Gifft mit bringen. Nicht aber allein die
Frembde/ ſondern auch Inheimiſche/ da des
Volcks gleichſam viel in einander ſtecket/ wie
denn das gemeine Volck ſonderlich uͤber ei-
nen Hauffen in den engen Gaſſen/ und wohl
etliche Familien in einem Gemach beyſam-
men wohnen/ welche hernach einander deſto
eher anſtecken/ und der Seuche Gelegenheit
geben ſo ſehr uͤberhand zu nehmen.
UNter allen/ wordurch die Peſt fort-
gepflantzet wird/ iſt nicht eine der
geringſten Urſachen/ die Forcht/Durch
Forcht/
Schroͤ-
cken/ Ein-
bildung/
Schrecken und Einbildung/
denn durch die Einbildung koͤnnen viel un-
verhoffete Ding zuweg gebracht werden. So
auch kan ein durch Furcht und Schrecken ab-
gemattet Hertz ſolchem Gifft ſchwer wider-
ſtehen; denn weil die natuͤrliche Waͤrm ſehr
geſchwaͤchet iſt/ und die lebhafften Geiſter
haͤuffig zum Hertzen/ daſſelbe zu erhalten/ ey-
len
[12]DasIII.Capitel.
len/ leichtlich geſchehen kan/ daß wann ſie auch
nur das geringſte von der Peſt gefangen/
deſſen boͤſe Qualitaͤt ſo bald dem Hertzen mit-
theilen/ und die Peſt verurſachen; und weil
kein Menſch auff Erden lebet/ den nicht etwa
in ſeinem Leben (er ſey was Condition er
immer wolle) dergleichen ankommen ſolle/ ſo
laß ich ein jeden ſelbſt davon judiciren. Der
groͤſte Schroͤcken iſt ungezweiffelt dieſer/ wel-
cher von der Peſtilentz entſtehet/ ja er iſt groͤſ-
ſer als die Kranckheit ſelbſt; denn die Er-
fahrung bezeuget es/ daß die/ ſo die Peſt von
Schroͤcken bekommen/ eher als andere dahin
ſterben. Offt hoͤret einer nur in Geſellſchafft
von diſcu-
riren/oder ſonſt etwas von der Peſt reden/ und
erſchuͤttert ſich daruͤber/ daß er gleich die Peſt
uͤberkommet. Andere/ wenn ſie etwa einen
von Anſe-
hen der
Krancken/von der Peſt Krancken uͤber die Gaſſe nach
dem Lazareth tragen ſehen/ oder einen Tod-
ten/ der an ſolcher Seuche geſtorben/ wer-
den im Augenblick von der Peſt uͤberfallen.
Andere werden angeſteckt/ wenn ſie den Ge-
ruch von einem Todten empfinden. Wenn
ein Menſch etwas von Peſtilentziſchem
Schwadem und Geſtanck in Mund bekom-
an Spei-
ſen/met/ oder etwa an einem Eſſen ein Eckel
hat/ kan eben ſo leicht und noch leichter die-
ſe Kranckheit am Halß haben. Ja nur das
das bloſſe
Anden-
cken.bloſſe Andencken derer an der Peſt lie-
gender krancken Perſonen/ ſonderlich naher
Anverwandter/ kan die Kranckheit zuwege
brin-
[13]Bericht von der Peſt.
bringen. Solche Einbildung kan nun
ſo viel mehr Krafft haben/ wenn der Menſch
wegen allzuvieler Unreinigkeit im Leib darzu
ditponirt iſt/ dieweil ſolche unreine Feuchtig-
keiten leichtlich in ein Gifft degeneriren koͤn-
nen. Es muß ja die Peſtilentziſche SeucheWovon
offt die
Peſt ihren
Anfang
nimmet.
einen Anfang haben/ und an einem Ort ent-
ſpringen/ und wo ſie entſpringet/ (dafern
die Lufft nicht Urſache iſt) ſo ſeynd gemeinig-
lich unreine Corpora in ſolchem Hauſe/ die
auch alles unrein und ſaͤuiſch halten/ wie
man denn erfahren/ daß in ſtinckenden Gaͤß-
lein die Seuche ihren Anfang gemachet/ wel-
che ſonſt zu andern Zeiten vor andern leer
ausgangen. Mancher bekom̃t die Peſt vom
Anhauchen oder Schnauffen eines andern/
der die Peſt hat. Offter iſt die Einbildung
ſo groß/ daß ſich der Menſch fuͤr einem
Brieff entſetzt/ der wol 50. Stund weit von
einem inficirten Ort kommen. Andere/ wel-
che mit jemand geſſen haben/ welcher ſchon
eine Zeit an der Peſt geweſen/ und wieder ge-
ſund worden/ hat gleichwol von einer im-
magination die Peſt bekommen.
Nach vorher beſchriebener immaginationAndere
Urſachen
welche an-
ſtecken/ als
oder Einbildung ſeynd noch andere Urſachen
fuͤrhanden/ wordurch der Menſch angeſteckt
werden kan/ als 1. durch die Kleidung; denn
D. David Herlicius P. II. c. 10. Conſilii Po-
litico-Phyſici ſchreibet alſo: Die Bette/ auffKleider
und Bett.
welchen jemand an der Peſt geſtorben/ oder
kranck
[14]DasIII.Capitel.
kranck gelegen/ ſoll man fuͤr allen Dingen
meyden/ ſich auch nicht frefeler Weiſe auff
ſolche legen/ noch der Verſtorbenen Kleider
angreiffen/ oder in ſein Hauß bringen/ dann
hierdurch manch Hauß vergifftet und die
Menſchen umbs Leben bracht worden. De-
rowegen zu erinnern noͤthig/ daß man ja der
Verſtorbenen Kleider und Bett-Gewandt
nicht von den Oertern/ da er geſtorben/ an
reine Oerter trage/ oder auff dem Kraͤmpel-
marckt feyl haben laſſe. Vielmal haben
auch geſunde Leut das Peſt-Gifft an ihren
Kleidern hangen/ und ſtecken damit Geſun-
de an/ ſie aber hleiben unverletzt. Dem
Geld will auch auffgebuͤrdet werden/ daß
ein Gifft daran klebe/ aber es iſt auch eine
Einbildung/ wer dennoch deſſen ſicherer ſeyn
will/ kan das Geld in Eſſig legen und wa-
ſchen/ die Brieff aber wohl raͤuchern laſſen-
Kirchen-
gehen.Viele ſeynd auch der Meynung/ daß man
ſolcher Zeit die Kirchen nicht beſuchen ſolle/
weil vielerley Schwaden von der Menge der
Leute allda ausgelaſſen und von Geſunden
eingeathmet werde; allein dieſe Meynung
will kein Statt finden: denn bekannt iſt/ daß
allzeit die Kirchen mit gutem Raͤucherwerck
verſehen/ auch obenher Fenſter und Lufftloͤ-
cher geoͤffnet werden/ wordurch ſolcher
Schwaden ausrauchen kan. Sonſt auch
belernet uns unſer Chriſtenthum/ daß wir uns
von keiner Urſach wegen der Verſammlung
Chriſt-
[15]Bericht von der Peſt.
Chriſtlicher Gemeinde in der Kirchen entzie-
hen ſollen/ dann in ſolcher Verſammlung iſt
GOtt der HErr ſelbſt mitten unter ihnen/
Matth. 8. v. 20. Wie ſolten wir uns denn
foͤrchten koͤnnen? Unter den Perſonen/ wel-Wie einer
fuͤr dem
andern
mit der
Peſt an-
griffen
wird.
che leichter als andere angeſteckt werden/ wol-
len einige auch ein Unterſcheid machen/ und
ſagen/ daß die Sanguinei und Cholerici oder
Biloſi viel eher als Phlegmatici und Melan-
cholici die Peſt an ſich bekommen: deßglei-
chen die/ welche im Neu- oder Vollmonden
gebohren/ ſollen jederzeit mehr in Gefahr der
Peſt als andere gelebet haben. Ebener ge-
ſtalt werden auch die Knaben/ Jungfrauen
und Juͤnglinge eher als alte Leut/ doch ehe
Weibs-Perſonen als die Manns-Perſonen/
die ſchwangern Weiber eher als andere Wei-
ber uͤberfallen. Deßgleichen auch muͤſſen
die Faullentzer/ Muͤſſiggaͤnger/ die auff der
Baͤrenhaut liegen/ viel eher an Tantz/ als
die/ welche nach Gelegenheit der Kraͤfften et-
was arbeiten. Auch werden die Arme eher
als die Reichen/ die Freſſer/ Saͤuffer und
Brandwein-Bruͤder eher/ als die ſich maͤſſig
halten/ und die Forchtſame eher als die Be-
hertzten angegriffen. Von allen dieſen Ur-
ſachen waͤre allhier vonnoͤthen etwas weit-
laͤuffiger zu handlen/ weil es aber der Platz
allhier nicht leyden will/ kan es biß zu ande-
rer Gelegenheit verſparet werden. Indeſſen
bleibt es darbey/ daß die Peſt allezeit die Ort
ſuche/
[16]DasIV.Capitel.
ſuche/ wo die meiſten Leut wohnen/ denn gleich
wie ab concluſionem aëris oder wegen ver-
ſchloßner und gefangener Lufft in einem Hauß
manchmal ein gantze Familia an der Peſt
dahin faͤllt/ weilen ſolche Lufft mit Peſtilen-
tziſchen Duͤnſten erfuͤllet und beſudelt iſt. Al-
ſo gehet es auch in den Staͤdten/ welche volck-
reich/ und die Gaſſen und Straſſen eng/ und
die Lufft dannenhero mehr gefangen iſt/ dann
daſelbſt die Peſtilentziſche inquinamenta
leichtlich aus gantzen Haͤuſern/ in gantze Gaſ-
ſen/ ja gantze Staͤdte ſich ausbreiten koͤnnen/
dahero wird auch geſehen/ daß die Staͤdte
mehr als die Doͤrffer damit geplaget werden.
WEnn ſich die Peſt an einem Ort in
Staͤdten oder auff dem Land ein-
geſchlichen/ ſo werden Anfangs ge-
meiniglich etliche Patienten ſterben/
eher man noch weiß/ daß ihre Kranckheit ei-
ne Peſtilentz geweſen iſt/ und ein Medicus,
der ohn dem an kein Peſt gedacht/ oder noch
von keiner gehoͤret/ ſolche fuͤr keine Peſtilen-
tziſche Symptomara anſiehet. Derowegen
wenn man ſiehet/ daß etliche Menſchen ſchnell
ihren Geiſt auffgeben/ ſoll man zwar fuͤrſichtig
handlen/ und nicht alsbald ein Peſtilentz aus-
ſchreyen/ und dadurch Stadt und Land in
Ge-
[17]Bericht von der Peſt.
Geſchrey bringen/ ſondern aus folgenden
Zeichen abmercken/ daß die Peſt fuͤrhan-
den ſey.
Wann nun jetztgemeldter Zeichen eines
oder mehr ſich in Sterbenslaͤufften erzeigen/
kan man gewiß ſeyn/ daß etwas fuͤrhanden
iſt/ und darff man ſich nicht auff gute Anzei-
gung des Harns und Puls verlaſſen/ denn
ſich ſolche gemeiniglich in ſolcher Zeit gut er-
zeigen/ da doch der Menſch in hoͤchſter Ge-
faͤhrlichkeit ſeines Lebens ſtehet; derowegen
ſoll man ohn Zeit-verſaͤumen ſich gutes Raths
Wie der
Puls in
der Peſt
zu judici-
ren.und Huͤlff bedienen. Obwol der Puls bey
einigen Inficirten wegen der gelinden Hitze
gantz natuͤrlich ſcheinet/ und doch den Pa-
tienten ploͤtzlich dahin wirfft/ jedennoch aber
giebt ſolcher auch gute Nachricht/ die Peſt zu
erkennen/ wenn entweder uͤbernaturlicher
Schlaf oder unnatuͤrlich Wachen und Phan-
taſiren vermerckt wird: Sonderlich wenn
der Puls an Schlaffenden gewaltig ſchlaͤget/
alſo wenn dieſer genannten zweyer Zeichen
eines fuͤrhanden/ man unfehlbar es fuͤr eine
Peſt halten moͤge. Den Urin betreffende/
ſo ſiehet mancher bey den Peſt-Behaffteten
ſo
[21]Bericht von der Peſt.
ſo ſchoͤn/ als wenn er von den geſundeſten
Menſchen kommen waͤre: die Urſach hievon
ſchreibet Thom. Jordan. de Peſt. phæn. tr. 1.
Es begibt ſich aber/ daß manchmal der Kran-
cke von dem Gifft uͤberwunden wird/ und
ſtirbt/ ehe eine ſtarcke empfindliche Faͤulung
entſtehen kan: dieweil dieſes Gifft ſpecificâ
quadam malitiâ aus angebohrner Feind-
ſchafft den Spititibus cordis zuwider iſt/ und
offt weniger mit den viſceribus zu ſchicken
hat; daher auch der Urin geringe Anzeigung
geben kan.
Fuͤrnemlich aber gibt ſich die Peſt durchDie drey
Haupt-
ſtuͤck/ wo-
mit ſich die
Peſt zu er-
kennen
gibt.
3. Haupt-Characteres zu erkennen/ als durch
Beulen/ Blattern und Flecken. Die Beu-
len ſind nichts anders als rothlechte Ge-
ſchwulſten/ mit einer Entzuͤndung/ ſo hart
in der Haut zu ſitzen pflegen/ ſpannen/ und
wenn man darauff druͤckt/ wiederbauſchen/
halten ſich ſehr in Glandulis, als unter den
Achſeln/ hinter den Ohren/ am Halß/
Bruſt ꝛc. je hoͤher und ſcheinbarer ſolche aber
ſeyn/ je beſſer iſt es. Sonſt werden ſie auch
Druͤſen oder Peſtilentz-Druͤſen genennet.
Woher es aber komme/ daß die Bubones
und Beulen meiſtens unter den Achſeln und
Heil-Druͤſen erſcheinen/ und ſich herfuͤr thun/
wird fuͤr die Urſach gehalten/ 1. weil dieſe
Oerter des Leibs vor andern ſo herauswaͤrts
liegen/ weich und feucht. 2. Weilen ſie ei-
ne ſcharffe Hitz/ oder mordacem ardorem \&
B 3pro-
[22]DasIV.Capitel.
proportionatam cum humido corrupto pe-
ſtis materiam haben. 3. Weil die fuͤrſich-
tige Natur das Gifft/ damit es nicht dem
Hertzen ſchade/ von ſich treibet. 4. So ha-
ben auch die Bruſt und Achſen mit den Heil-
Druͤſen eine groſſe Sympathiam und conſen-
ſum oder Verwandtſchafft/ daher die dorten
geſammlete Materi leichtlich auch ad inguina-
ria flieſſen kan/ und dieſes geſchiehet nun/
wenn die Peſtilentziſche Materi an das Hertz
will; wofern ſie aber das Haupt angreiffet/
gibt es gemeiniglich Schlier und Carfunckel
hinter den Ohren und am Halß/ bißweilen
auch wol in der Gurgel und Halß.
Die Blattern und Carfunckel/ ſonſt auch
das Perſiſche Feuer genannt/ haben ein ver-
branntes Blut/ welches keinen guten Eyter
wie die Beulen oder Bubones gibt/ und ſeynd
brennende Geſchwulſten mit einer ſchwartzen
Kruſten/ freſſen weit um ſich/ und fallen
darnach breit aus/ ſehen aͤuſſerlich umher
Wovon
ſolche
kommen.blau/ dahero Galenus gewolt/ es ſeyen ſolche
Blattern ein morbus compoſitus ex tumore
\& ulcere; anfangs jucken ſie etwas/ ſeynd
klein/ und wachſen allgemach/ ſo ſie aber nicht
wachſen/ iſt es deſto beſſer/ dann ſolches ver-
bleibt ob defectum Expultricis facultatis \&
materiæ copiam quæ interiora rurſus petit \&
cor necat, und ſo man ſie unterftehet auff-
zukratzen/ werden ſie ſehr erzuͤrnet/ und ſchmertz-
hafft/ erſcheinen ſonſt an allerley Orten des
Leibs/
[23]Bericht von der Peſt.
Leibs/ nach dem der gifftigen Materi viel an
einem oder andern Ort ſich befindet/ oder
ein Glied ſchwach iſt; kommen von ver-
branntem gifftigen Blut her/ das entweder
durch ſeine Ungeſtuͤmme dahin faͤllet/ oder
vermittelſt der natuͤrlichen Staͤrcke getrieben
wird: je roͤther ſie ſeyn/ je beſſer es iſt/ denn
die gruͤnen/ gelblechten und blauſcheinenden
ſind ſorglich; und je weiter ſolche vom Her-
tzen/ je mehr Hoffnung zu ſchoͤpffen.
Die Flecken/ Petechiæ genannt/ werdenPetechiæ
oder Fle-
cken.
von der Natur/ wenn ſie noch ſtarck genug
getrieben/ nicht eben allemal criticè, denn
gleich im Anfang der Schwachheit kein ve-
ra criſis erfolgen mag/ weilen alsdenn die
Facultas concoctrix ihr Ampt noch nicht ver-
richtet/ auch nicht allemal ſymptomaticè,
ſondern medio quodam modo \& motu;
kommen ſonſten nicht allein in einer vaporo-
ſa materia, ſondern â parte tenuiore humo-
ris putreſcentis \& corrupti her; und hindert
nicht/ daß ſie offtmalen leichtlich verſchwin-
den/ denn ſolches auch die Roͤthel oder mor-
bili thun/ wie auch nicht/ daß ſie nicht ſchwaͤ-
ren/ jucken oder auffſchwellen/ denn auch die
vitiligo und andere Flecken ſolches nicht
thun/ die doch nicht weniger von humori-
bus herruͤhren.
Ob man wol nicht argumentiren ſoll/ daßWie man
von ſol-
chen Zei-
chen
wann an den Orten/ wo man ſolche Zeichen
findet/ eine Peſt ſey/ ſonderlich wenn in der
B 4Stadt
[24]DasIV.Capitel.
ſchlieſſen
ſoll.Stadt oder nahe auff dem Land umher noch
nichts davon geſpuͤret worden/ ſo ſoll den-
noch/ wenn anderwaͤrts die Peſt graſſirt/ ein
Medicus keiner einigen Schwachheit trauen/
ſie ſey wie ſie wolle/ denn ſie leichtlich etwas
von den Peſtilentziſchen Schwaden und Lufft
an ſich zu nehmen pflegen. Derowegen wenn
zu ſolcher Zeit Beulen aufffahren/ ſeynd ſie
mehrentheils Peſtilentziſch zu halten: meh-
rentheils/ ſage ich/ und nicht allzeit/ denn es
auch wol moͤglich/ daß in Peſtzeiten Beulen
aufffahren koͤnnen/ die doch nicht Peſtilen-
tziſch ſind. Man mercket aber bald/ wenn
ſie einer gifftigen Art ſind/ denn andere Sym-
tomata und boͤſe Zufaͤlle nicht lang auſſen
bleiben. Und ob es ſchon auch Rothlauffs-
Beulen waͤren/ ſo nimmet doch der Argwohn
bald ein End/ alsbald der Rothlauff an Bei-
nen oder ſonſt ausſchlaͤget. Mit den Car-
bunckeln und Blattern aber iſt der Handel
etwas unrichtiger/ doch ſoll man nicht ſo
bald ein Peſt ſchlieſſen/ wenn/ wie oben ge-
dacht/ die umliegende Gegend und Stadt
noch nicht inficirt iſt. Die Petechiæ aber/
welche aller Orten des Leibs ſich erzeigen/
(doch wenigſtentheils im Angeficht) werden
auch unterſcheiden 1. von den Klautern/ tu-
Unter-
ſcheid un-
ter den
Flecken.berculis ac ulceribus, denn in dieſen iſt die
Haut etwas erhaben/ in Petechiis ſind es
nur bloſſe Flecken. 2. Von andern Flecken/
als lentigine und dergleichen entſcheidet ſie
die
[25]Bericht von der Peſt.
die Geſtalt/ Groͤſſe/ und das Fieber/ wel-
ches meiſtentheils mit ihnen iſt. 3. Von
den Floͤhflecken/ welche meiſtentheils ein
Puͤnctlein in der Mitten haben/ da die Floͤh
hin gebiſſen/ ſeynd ſie auch zu unterſcheiden/
denn ſo man den Flecken gleich druͤcket/ er
ſich doch nicht verliehret/ ſo auch erſcheinen
Floͤhflecken im Angeſicht. Warum aber ſol-
che Peſtflecken nicht ſowol am Angeſicht als
auff der Bruſt und Rucken geſehen werden/
wird fuͤr die Urſach gehalten/ weil das Hertz/
ſo mit dem Peſtilentz-Gifft am meiſten bela-
den/ die boͤſe Materi in die naͤchſt angelege-
ne Oerter des Leibs treibet/ welches vornen
die Bruſt und der Ruͤcken ſeyn; daß ſolche
aber nicht ins Angeſicht kommen/ verhindert
naturæ debilitas \& diſtantia loci. Mercuria-
lis cap. 7. tr. de maculis.
Es folget aber auch nicht/ daß ein jeder ſoSind
nicht alle-
mal Pe-
ſtis.
die Peſt bekommet/ etwas von dieſen dreyen
Stuͤcken haben muͤſſe/ denn es geſchiehet
offtmalen/ daß der von der Peſt erkranckete
Patient von uͤbereyletem Gewalt des Giffts
dahin ſtirbt/ ehe noch ſolche Zeichen ausbre-
chen: oder es iſt auch wol der Natur Krafft
und Staͤrcke bey den Krancken ſo gering/ daß
ſie das Gifft auff ſolche Weiſe nicht auszu-
treiben vermag; auch ſchreibt Paracelſus tr.
de Peſte cap. 1. alſo: Mercke/ daß zwey Pe-Peſtilentz
iſt zweyer-
ley.
ſtilentzen ſeyn/ eine die ſich inwendig vollen-
det/ die ander dringet heraus; die inwendi-
B 5ge
[26]DasIV.Capitel.
ge gibt keine aͤuſſerliche Zeichen/ allein in-
wendig ſchnelles Hauptwehe und derglei-
chen/ die ander ſetzt ſich auswendig/ an die
Ohren/ unter die Achſeln und Schlichten.
Ob nun wol ſchnelles Hauptwehe/ Froſt/ Hi-
tze/ darneben entweder groſſer uͤbernatuͤrli-
cher Schlaff/ Verruckung der Sinne und
Phantaſcyen/ geſpuͤret werden/ ſo ſoll man
doch nicht gleich ſchlieſſen/ wenn ſolche Zei-
chen graſſante Peſte an einem Menſchen ge-
ſpuͤret werden/ daß es darum flugs Peſtis ſey.
Dann bey ſchwangern Weibern/ auch bey
Weibsbildern/ wenn ſie ihre Menſes ſollen
uͤberkommen/ oder die Eryſipelate laboriren/
i. e. die Rothlauff an einem Glied haben/
kommen offtmals auch ſolche Zeichen. Dar-
bey iſt aber ſonderlich Peſtis zu erkennen/
wenn entweder uͤbernatuͤrlicher Schlaff oder
unnatuͤrliches Wachen und Phantaſeyen/
ſonderlich wenn der Puls an Schlaffenden
gewaltig ſchlaͤget/ und vorgenannter dreyer
Zeichen eines fuͤrhanden ſeyn/ ſo mag man
ſolches kecklich fuͤr eine Peſt erkennen. Man
thut bey ſolchen Umſtaͤnden aber allzeit beſ-
ſer/ man ſage es den Patienten nicht/ ſon-
dern bilde ihnen nur ein/ daß es nicht Peſtis
waͤre/ damit er deſto beſſer Hertz habe/ ſo der
Cur vortraͤglicher iſt.
Offtermalen/ und ſonderlich bey dem An-
fang ſolcher Kranckheit/ hat es das Anſehen/
als ob kein Gefahr fuͤrhanden/ aber deßwe-
gen
[27]Bericht von der Peſt.
gen ſoll man doch mit Gebrauch der Artzney-
Mitteln nicht nachlaſſen. Denn anfaͤnglich
iſt das Hertz am ſtaͤrckſten/ und jaget ſolchen
gifftigen Feind von ſich/ darbey ſich Patient
und Medicus einbilden/ ſie haͤtten gewonnen/
weil aber der gifftige Feind nicht auff ein-
mal genugſam durch den Schweiß ausge-
trieben werden kan/ pfleget ſolcher wol zum
andern auch drittenmal anzuſetzen: Wenn
nun ſolcher geſtalt das Hertz angegriffen
wird/ iſt es nicht mehr ſo ſtarck/ ſolchen
groſſen Widerſtand wie das erſtemal zu
thun/ weil die Spiritus vitales ziemlich ver-
lohren/ derhalben ſoll auch der Medicus mit
der Cur nicht inhalten/ noch ſolchen Zeichen
trauen/ und auff die Criſin warten/ denn es
kan ein ander alte Seuche/ womit der Pa-
tient ſonſt behafftet iſt/ leichtlich in eine Peſt-
Seuche verwandelt werden. Panſa Conſ.
antipeſt. 3. quæſt. 75.
WEnn einer hohen Obrigkeit dasObrig-
keitliche
Fuͤrſorge.
Ampt der Fuͤrſorge/ ihre Untertha
nen in gutem Wohlſtand zu erhal-
ten/ oblieget/ ſo will auch die Nothwendig-
keit erfordern/ bey graſſirenden Peſtzeiten/
dieſer Seuch fuͤrzukommen/ und ſo viel moͤg-
lich
[28]DasV.Capitel.
lich von ihren Staͤdten zu befreyen/ daß ſol-
che nicht durch Verwahrloſung mit andern
angeſteckt werden/ allda werden naͤchſt dem
Exercitio Pietatis aus Obrigkeitlichen Mit-
teln ſolche Perſonen erwaͤhlet/ welche auff
Reiſende/ deren Waaren und Guͤter an den
Lands-Graͤntzen und Thoren der Staͤdte gu-
te Obſicht haben/ daß von inficirten Orten
keine verdaͤchtige Menſchen noch Sachen ein-
gelaſſen werden. Inſonderheit wird beſtel-
Collegium
Sanitatis.let ein Collegium oder Officium Sanitatis,
der Anzahl nach Gelegenheit des Orts und
Volcks benahmet werden/ zuſamt einem oder
mehr Medicis oder ordinari Phyſicis, welche
Krafft habenden Befehls alles/ was zu ſol-
chem hochnuͤtzlichen und heylſamen Werck
dienlich iſt/ alles dahin richten/ wie durch
Goͤttliche Huͤlff die aͤuſſerliche Gefahr und
annahende Infection moͤge verhindert und
auffs weiteſte abgetrieben/ oder da ja ſolche
allbereit eingezogen/ und ſich in etwas mer-
cken laſſen/ hinwiederum auffs ſchleunigſte
durch bequeme Artzney-Mittel und andere
gute Rathſchlaͤge moͤge gedaͤmpffet und aus-
geloͤſchet werden. Wie denn dahin ſonder-
lich geſehen wird/ daß auffs eheſte allerhand
Perſonen und taugliche Diener angenom-
men werden/ derer ſich ſolch Collegium Sa-
nitatis zu treuen Dienſten augenblicklich be-
dienen koͤnne. Und dieweil bey ſolchem Ampt
und Dienſt nicht allein groſſe Beſchwerlich-
keit/
[29]Von Obrigkeitlicher Fuͤrſorge.
keit/ ſondern ſolche auch unterweilen Leib und
Leben in Gefahr ſetzen muͤſſen/ ſolle an ſolchen
kein Unkoſten geſparet/ ſondern durch gebuͤh-
rende Freygebigkeit zu hoͤherm Fleiß auffge-
mundert werden.
Es werden aber zu gluͤcklicher FortſetzungWas fuͤr
Perſonen
zum Col-
legio Sani-
tatis be-
ſtellt wer-
den.
ſolches fuͤrhabenden Wercks Perſonen un-
terſchiedenen Standes erfordert/ in ſonderheit
aber Medicos, Apothecker/ verſuchte Wund-
aͤrtzte/ Beyſteher/ Huͤter allerley Sachen/
Schreiber ꝛc. Manns- und Weibs-Perſo-
nen/ welche den Krancken warten/ und entwe-
der verdaͤchtige oder auch inficirte Oerter
und Sachen ſaͤubern; item Kranckentraͤger/
Zutraͤger/ Todtengraͤber/ und dergleichen
Perſonen mehr.
So auch ſeynd ein oder mehr HoſpitaͤlerHoſpitaͤ-
ler.
oder Lazareth-Haͤuſer vonnoͤthen/ die nicht
nahe beyſammen ſtuͤnden/ ut contagium
unius Hoſpitalis minimè ad aliud traduci
poſſit, damit das Gifft nicht leicht von einem
Hauſe zum andern gebracht werden koͤnne/
ſolche arme Leut dahinein zu bringen/ die
Wohlhabigen aber koͤnnen ſich darzu ihrer
Vorwerg und Gaͤrten bedienen/ weil es ſehr
vortraͤglich/ wenn ſolche Krancke auſſerhalb
den Staͤdten in einer freyen Lufft curirt und
begraben werden koͤnnen. Und wenn die
Peſt erſtlich in ein Hauß kommen iſt/ ſoll
man alsdann dieſe inficirte Leut alsbald her-
aus und in ſolche Haͤuſer bringen/ ſo koͤnten
ſolche
[30]DasV.Capitel.
ſolche Leut ſich bißweilen ein wenig auswit-
tern/ und in der Lufft umher gehen/ anbey
aber muͤſten ſolche Leut getreue Waͤrther ha-
ben/ die ihnen die Nothwendigkeit zutruͤgen
und reicheten/ damit ſelbige keinen Man-
gel leyden.
Wenn auch jemand von einem inficirten
Ort unumgaͤnglich reiſen muͤſte/ ſo ſoll man
ihn an dem geſunden Ort zuruͤck halten/ und
einen Ort anweiſen/ allwo ſolcher etwa 15.
24. oder nach Befinden wol gar 40. Tage
ſtill liegen bleibe/ hernach ſeine bey ſich ha-
bende Sachen fleiſſig durchſehen laſſen/ da-
mit in ſolchen kein Gifft verborgen/ an die
freye Lufft bringen/ und alsdenn/ wenn alles
richtig befunden worden/ in die Stadt laſ-
ſen. Hierbey aber will auch vonnoͤthen ſeyn/
ſolche Perſonen mit aller Nothdurfft zu ver-
ſehen/ und in waͤhrendem Inhalten allzeit
gute Artzney reichen laſſen. Inſonderheit
ſoll man ſich aber der Krancken treulich an-
nehmen/ als welche ohne das mehr als andere
dieſem Jammer pflegen unterworffen zu ſeyn.
Damit auch alles ordentlich gehalten wer-
de/ ſo ſollen die Præfecti Sanitatis von Tag
zu Tag ein Verzeichnuß der inficirten Haͤu-
ſer und der darinnen gefaͤhrlich liegenden Per-
ſonen machen und bringen laſſen/ aus wel-
chen folgender Nutzen entſtehet: Daß die
Præfecti Sanitatis gruͤndlich wiſſen koͤnnen/
was es mit der Seuche fuͤr eine Beſchaffen-
heit
[31]Von Obrigkeitlicher Fuͤrſorge.
heit habe/ und ob ſelbige ab- oder zunehme.
Item daß auch den Krancken eher und beſ-
ſer mit zuſchicken des Medici und der Wund-
aͤrtzte in Zeiten kan geholffen werden. Und
fuͤrnehmlich durch dieſes Mittel die Seuch
im Anfang gedaͤmpffet und abgewendet wer-
den/ ſintemal ſonſten wegen ihrer vielen Un-
achtſamkeit/ geringes Vertrauen gegen die
Medicos, oder auch aͤuſſerſtes Armuths/ die
Seuche alſo einreiſſen und groſſen Schaden
zu thun pfleget/ daß es Anfangs faſt niemand
recht gewahr werden kan.
Iſt derohalben eine Obrigkeit um ihrerWas fuͤr
Medici
und Chy-
rurgi zu
beſtellen.
treuen Vorſorg willen hoch zu ruͤhmen/ um
der Lieb und vaͤterlichen Fuͤrſorg willen/ ſo ſie
gegen ihre Unterthanen thut/ und ſonderlich
hoch zu achten/ wann ſie ſich nach wohler-
fahrnen und geuͤbten Medicis und Wund-
aͤrtzten umſiehet/ ſolche annimmet/ und mit
ehrlichen und ſtattlichen Beſoldungen un-
terhaltet.
Anbey muß auch eine Ordnung unter denOffentli-
che Zu-
ſammen-
kuͤnfft ſind
zu vermei-
den.
Buͤrgern und Inwohnern gemacht werden/
daß ſie die oͤffentliche Zuſammenkuͤnfften/
Schauſpiele/ Gaſtereyen/ Zechen/ Hochzei-
ten/ Taͤntze/ Jahrmaͤrckte/ Schulen/ und ge-
meine Badſtuben meyden/ dieweil kein ge-
ringe Gefahr darbey/ daß unter ſolcher An-
zahl Leut nicht etwa ein oder ander inficirte
Perſon gefunden werde/ welche das Gifft
weiter ausbreiten. Sonderlich iſt in vielen
Staͤd-
[32]DasV.Capitel.
Auff die
Doͤrffer
ſpatzieren
wird ver-
dotten.Staͤdten die leidige Gewohnheit/ daß das
ledige gemeine Volck/ Mann- und Weibs-
Perſonen/ an Sonn- und Feyertagen aus
der Stadt auff die Doͤrffer und in die Zech-
haͤuſer lauffen/ allwo denn allerhand Uppig-
keit getrieben und vielerley Volck unter ein-
ander kommet/ durch welche auch ſehr ſolche
Seuche fortgepflantzet wird/ derohalben
wohl gethan waͤre/ wenn man ſolchen Hand-
wercks-Geſellen und ledigen Dienſt-Geſind
ſolch Auslauffen gantz abſtellete.
Auch iſt vonnoͤthen/ daß eine Obrigkeit in
Peſtilentzzeiten bald im Anfang mit allerley
Nothdurfft an Victualien und Lebensmitteln
verſorge/ dieweil die umliegenden Nachbarn
ihren Unterthanen die Zufuhr hernach gemei-
niglich hart verbieten/ wenn denn eine Stadt
mit den groͤſten Nothwendigkeiten verſor-
get/ ſo koͤnnen hernach die Arme und Kran-
cke deſto beſſer verpfleget werden.
Dieweil auch die Reichen gemeiniglich zu
ſolcher Zeit aus der Stadt fliehen/ und den
Armen/ welchen ſie ſonſt Chriſtlicher Schul-
digkeit nach ihre Hand oͤffnen ſolten/ huͤlff-
loß zuruͤck laſſen/ ſo will denenſelben gebuͤh-
ren/ noch vor ihrer Abreiſe etwas von Kern/
Rocken/ Gerſten/ Wein und Bier/ Geld/
Holtz/ und allerhand Victualien zuruͤck zu laſ-
ſen/ davon man den armen Krancken zur
Zeit der Noth austheilen koͤnne. Die be-
nachbarte und geſunden Orte ſolten billig der-
glei-
[33]Von Obrigkeitlicher Fuͤrſorge.
gleichen thun/ und denen Nothleydenden zu
Huͤlff kommen/ weil ſie nicht wiſſen/ wenn
an ſie der Reihen auch kommen werde.
Es iſt auch vonnoͤthen/ auff die MetzgerMetzger/
Becker
und Bier-
brauer ſol-
len kein
muthwil-
lige Theu-
rung ma-
chen.
fleiſſig acht zu geben/ damit ſolche kein un-
reines Vieh ſchlachten/ deßgleichen auff Be-
cker und Bierbrauer/ daß ſolche kein muth-
willige Theurung einfuͤhren. Die Apothe-
cken ſind noͤthig zu viſitiren/ ob auch ſolche
Materien vorhanden/ damit der Peſt Wi-
derſtand zu thun. Auff die Wundaͤrtzte iſt
ebenfalls ein wachſames Auge zu halten daß
ſie auch ſolche in der That ſeyn/ welchen Na-
men ſie fuͤhren/ auch ob ſolche mit Pflaſtern
und Salben der Nothwendigkeit nach ver-
ſehen ſeyn.
Item iſt auch hoch vonnoͤthen/ daß eineGaſſen
wie ſolche
von Un-
rath und
Vieh zu
ſaͤubern.
Loͤbl. Obrigkeit durch ihre Diener Vorſe-
hung thue/ damit aller Unluſt/ Stanck/ Un-
flat/ Moder/ Miſthauffen/ von den Straſ-
ſen/ ſonderlich in engen Gaͤßlein/ ausgereini-
get werden. So ſoll man auch todte Ae-
ſer/ Katzen/ Hund/ Schwein/ Ratzen/ Gaͤn-
ſe ꝛc. davon die Menſchen ſonderlich corpo-
ra impura \& ad morbos prædiſpoſita, leicht-
lich angeſteckt und vergifftet werden/ inſon-
derheit Gaͤnſe und Schwein auch den Miſt
von den Straſſen abſchaffen. Die Barbie-
rer ſollen auch kein Blut von Aderlaſſen/ noch
von Gifft abgenommene Pflaſter fuͤr die
Thuͤr oder auff die Miſthauffen ſchuͤtten/
Cnoch
[34]DasV.Capitel.
noch die Nacht-Geſchirre auff den Gaſſen
ausledigen/ durch welche gute Verordnung
viel Unheyl abgeſchaffet und verhuͤtet wer-
den kan.
So iſt auch vonnoͤthen/ daß man in Pe-
ſtilentzzeiten Kuͤhe/ Ziegen/ ſtinckende Boͤ-
cke/ Katzen/ Hunde/ Gaͤnſe/ Enten ꝛc. aus
der Stadt bringe/ in welcher rauhen Wolle/
Federn und Haar ſich der Gifft/ wie auch im
Beltzwerck/ gern anhencket/ weil nun ſolche
Thier in den Haͤuſern hin und her lauffen/ ſo
kan leichtlich geſchehen/ daß ſolch Gifft von
einem Hauß zum andern getragen wuͤrde;
Und iſt auch eine hochloͤbliche Verordnung/
wo man in einer Stadt ſolch Vieh an Kuͤ-
hen/ Schweinen und Gaͤnſen nicht duldet/
und auff den Gaſſen umlauffen ſiehet/ ſon-
dern ſolches vor den Thoren zu halten Ver-
ordnung machet. Wenn die Gefahr hefftig
iſt/ ſo will auch nicht rathſam ſeyn/ daß die
Badſtuben geoͤffnet werden/ nicht nur we-
gen der Zuſammenkunfft vielerley Volcks/
ſondern auch/ weil gemeiniglich ſolche Leut
ins Bad gehen/ welche ſchon die Seuch am
Halß haben/ und ihnen in ſolchen Huͤlff durch
ſchwitzen und ſchrepffen ſuchen wollen/ ſich
alſo zu den Geſunden nahen/ und ſolche/ ehe
Badſtu-
ben ſind
verdaͤch-
tig.man es ſich verſiehet/ zugleich anſtecken. So
auch iſt bey ungeſunder Lufft das Baden oh-
ne dem ſchaͤdlich/ indem durch die Schweiß-
loͤcher die gifftige Lufft ſich eindringen kan.
Auch
[35]Von Obrigkeitlicher Fuͤrſorge.
Auch kommen an ſolchem Ort die ſchaͤdli-
chen Duͤnſt hauffenweiſe zuſammen/ und er-
wecken allerley Ungemach. So ſeynd ohne
dem/ wie gedacht/ die groſſe Verſammlun-
gen ſchaͤdlich; Inſonderheit aber ſoll bey
ſolchen gefaͤhrlichen Zeiten in Sommerzeit
das Baden verbotten werden/ damit die Hi-
tze des Leibs nicht allzuviel vermehret/ noch
indem die Schweißloͤcher eroͤffnet/ die boͤſe
Lufft deſto ehender eindringen kan.
Ein Loͤbl. Obrigkeit ſoll auch ernſtlich dar-Kraͤmpel-
marckt ab-
zuſchaffen.
an ſeyn/ zu verhuͤten/ daß zu ſolcher Zeit kein
Kraͤmpelmarckt mit Kleidern/ Betten/ Bett-
gewandt ꝛc. gehalten werde/ noch daß ſolche
iemand umtrage oder verkauffe/ ſondern al-
les zuvor wohl auswittere; ſich auch huͤte/
daß kein geſtohlen Gut gekaufft werde/ da-
mit man nicht Suͤnde mit Suͤnde haͤuffe.
An einigen Orten pfleget man all ſolch Ge-Ob man
inficirt
Geraͤth
verbren-
nen ſoll.
raͤthſchafft vor dem Thor mit Feuer zu ver-
brennen/ welches in inficirten Haͤuſern gefun-
den wird/ ſolches iſt wol eine Sache/ wo-
durch man das Gifft am ſicherſten abſchaffet/
und waͤre wol zu thun/ wenn es gleich An-
fangs/ ehe viel Haͤuſer inficirt ſeyn/ jedoch
alſo gethan wuͤrde/ damit den armen hinter-
laſſenen Waiſen ſolcher Schade aus dem ge-
meinen Saͤckel wieder erſetzt werden moͤch-
te: wenn aber die Seuche allbereit ausge-
breitet/ will ſich ſolches nicht mehr wohl thun
laſſen/ weil dadurch den Wuͤrthſchafften ein
C 2groſ-
[36]DasV.Capitel.
groſſer Schaden zuwachſen ſolte. So auch
muͤſte man beſorgen/ daß viele ihr Geraͤth
verbergen/ und hernach damit doppelt Un-
heyl anrichten koͤnten. Panſæ. Conſ. anti-
peſt. 2. c. 3. ſchreibt: Ob wol etliche rathen/
daß man das unreine Gewand und Geraͤth
verbrennen ſoll/ jedoch weil mancher vor ſol-
chem Geſtanck ein Abſcheu haben moͤchte/ daß
er daruͤber allein aus Forcht und Eckel die
Seuch an Halß bringen koͤnte/ ſo iſt am be-
quemſten/ daß man ſolche Sachen der Infi-
cirten nicht lange im Geſtanck liegen laſſe/
ſondern alsbald waſche/ und ein Zeitlang an
den Lufft haͤnge. So halten auch einige da-
fuͤr/ daß ein ſolches unreines Kleid des Ver-
ſtorbenen innerhalb 20. Tagen von ſeinem
Gifft/ an die Lufft gehenckt/ genugſam koͤn-
ne gereiniget werden. Und dieſe des Panſæ
Meynung ſcheinet auch in Rechten gegruͤn-
det zu ſeyn/ cum nemo rei ſuæ dominio pri-
vandus l. ſi privatus, ff. Qui \& à quib.
ES wird faſt niemand an inficirten
Orten angetroffen/ welcher/ da es
ihm moͤglich waͤre/ nicht gern ſein
Leben ſalviren und ausweichen wolte/ ſo auch
von
[37]Ob und wer die Peſt fliehen ſoll.
von den Reichen zu geſchehen pfleget/ und
wird auch nicht fuͤr gut gehalten/ ſich ſelbſt
in Gefahr zu begeben/ wenn man ſolcher ent-
fliehen kan. Dieſes Privilegii der Peſt/ nem-
lich des Ausweichens/ haben ſich nicht nur
eintzlechte und etwa privat-Perſonen/ ſon-
dern gantze Koͤnigl. und Fuͤrſtliche Hofhal-
tungen/ ja gantze Univerſitaͤten/ nicht ohne
groſſen Nutzen gebrauchet. Ja es hat die
Seuche gantze Reichstage turbirt/ wie wir
denn heutiges Tages ein Exempel haben/ daß
ſich das gantze Reichs-Collegium um derer
Sicherheit von Regenſpurg ab und nach
Augſpurg verleget.
Es iſt aber ſolch Ausweichen dennoch nicht
jedweden ohn Unterſcheid zu erlauben; deñ
es ſind viele Ampts und Beruffs wegen zu
bleiben verbunden/ ſonderheitlich welche den
Krancken Huͤlff und Rath ſchaffen koͤnnen/Welchen
das Flie-
hen ver-
botten iſt.
als da ſeynd die Seelſorger/ Medici, Regen-
ten oder Vorſteher der Gemeinde/ das Dienſt-
Geſind/ und welche einer Gemeinde um Lohn
dienen/ alſo auch Apothecker/ Barbierer/
Schulmeiſter/ Waͤchter/ und gemeine
Stadt-Diener.
Erſtlich ſind die Diener Goͤttliches WortsAls Pfarꝛ-
herren.
ſonderlich verbunden/ denn ſolche ſollen/ koͤn-
nen und doͤrffen nicht von ihren Schaͤfflein
fliehen/ und ſie in der Noth verlaſſen/ die-
weil man ihrer zu Peſtzeiten am meiſten be-
darff/ dem Volck den Zorn GOttes zu ver-
C 3kuͤn-
[38]DasVI.Capitel.
kuͤndigen/ zu rechter Buß ſie zu ermahnen/
die Sterbkunſt zu lehren/ mit nothwendigem
Troſt zu verſehen/ die Sterbende mit dem
H. Nachtmahl zu verſorgen/ und durch un-
ablaͤßlich Gebet den barmhertzigen GOtt
wieder zu verſoͤhnen/ auch nach Gelegenheit
ihre Pfarrkinder zu ihrem Ruhbettlein beglei-
ten zu helffen.
Die Medici oder Doctores der Artzney/ wie
auch Barbierer und Apothecker/ ſollen ſo
leichtlich ihre Gedancken nicht auff die Flucht
ſetzen/ ſondern bedencken/ daß ſie GOtt dar-
um in ſolchen Stand geſetzt/ damit ſie den
Geſunden bey Geſundheit erhalten helffen/
den Krancken aber ſeynd ſie vielmehr obligirt
zur Seiten zu ſtehen/ weil ſolche des Artztes
am meiſten benoͤthiget. Denn was waͤre
diß fuͤr ein Handel/ daß der Artzt auswei-
chen ſolte/ da man ſeiner am meiſten benoͤ-
thiget waͤre? Denn wenn du zu ſolcher Zeit
nicht zu bleiben gedacht haͤtteſt/ waͤre beſſer
geweſen/ daß du an ſtatt des continuirten
Studii Medici ein Pfefferkraͤmer worden waͤ-
reſt. Im Fall aber ein Loͤbl. Obrigkeit be-
ſondere Peſt-Medici beſtellet/ die ſowol Spi-
taͤler und Lazareth/ als auch die andern Kran-
ckenhaͤuſer zu beſuchen haben/ ſo ſeynd die
uͤbrige ſo gar hart nicht verbunden/ ſondern
moͤgen/ wenn ſie ſich ja ſo ſehr fuͤrchten/ nebſt
den ihrigen ausweichen/ doch daß ſolches mit
Bewilligung der Obrigkeit geſchehe/ auff
wel-
[39]Ob und wer die Peſt fliehen ſoll.
welcher Erfordern ſie ſich wieder herbey ma-Ordinari
beſtellte
Medici
bey einer
Stadt
ſind ge-
nauer ver-
bunden.
chen ſollen/ bevor/ ſo wegen Abſterbens Man-
gel an Medicis erſcheinen will. Und gleich
wie die ordinari beſtellten und beeydigten
Medici einer Stadt denen andern vorgezo-
gen werden/ alſo gebuͤhret ihnen auch fuͤr
andern Fuß zu halten/ es ſey die Noth ſo groß
als ſie wolle/ denn wer vor andern Lohn ge-
nieſſet/ der ſoll auch fuͤr andern arbeiten. In-
ſonderheit aber und fuͤr allen ſollen die Sti-
pendiarii bey gemeiner Stadt ſtehen/ und
Fuß halten; ſolches iſt nicht allein billig/ ſon-
dern es erfordert es auch die Danckbarkeit/
die ſie gegen gemeiner Stadt ſchuldig ſeyn.
Jemehr aber die Medici zu bleiben ange-
ſtrengt ſeyn/ um deſtomehr ſollen auch Pa-
tienten ihrer Belohnung wegen Sorge tra-
gen. Und was hier von Medicis geſagt wor-
den/ iſt auff ſolche Weiſe auch von Apothe-
ckern/ Wundaͤrtzten/ Hebammen ꝛc. zu ver-
ſtehen/ als auff welche einer Obrigkeit in
Sterbenslaͤufften ernſtliche Auffſicht zu ha-
ben geziemet/ damit ſie erheiſchender Noth-
durfft nach bey der Hand bleiben/ auff daß
die arme Krancke nicht verſaͤumet werden.
Und da ſolcher einer wider das Gebott der
Obrigkeit ausweichet/ kan er auch am Leben
geſtrafft werden. Vincent. Caroc. de loc. \&
conduct. citante Phil. March. de bell. div.
part. 1. c. 8. n. 5.
Gleichermaſſen ſollen auch Obrigkeit und
Fuͤrſteher der Gemeinde nicht ausweichen/ es
waͤre denn derer Zahl ſo groß/ daß man wol
einen Ausſchuß daraus machen koͤnte/ und
einem oder dem andern/ welcher ſchon der Ge-
meinde lange Zeit fuͤrgeſtanden/ vergoͤnnet
werden/ geſuͤndere Lufft zu ſuchen/ doch der-
geſtalt/ daß ſolcher wo moͤglich in der Naͤhe
verbleibe/ damit er dannoch fuͤr die Noth-
leydende in der Stadt mit ſorgen helffe/ und
ſolche von auſſenher mit Proviant verſorgete/
weilen doch die Ort um der Infection willen
geſcheuet/ und deßwegen die Zufuhr der Vi-
ctualien verringert wird.
Die Dienſtbotten ſind ebenmaͤſſig ihren
Herren gleichſam als Kinder ihren Eltern
verbunden/ in allen Noͤthen/ und alſo auch
wo Peſtilentz-Gefahr vorhanden/ beyzuſprin-
gen/ und ſie nicht zu verlaſſen; jedoch ſo ſind
etliche/ inſonderheit Handels-Bediente/ auch
Kuͤnſtler und Handwercks-Geſellen/ welche
auch anſehnlicher Leut Kinder ſeyn/ und nur
ihre Profeſſion beſſer zu erlernen/ und die
Welt zu ſehen/ ausgezogen/ keines weges ver-
bunden/ in Peſtilentz-Zeiten zu bleiben/ ſon-
dern wohl befuget/ ihr Heyl anderwaͤrts und
bey reiner und geſunder Lufft zu ſuchen/ es
waͤre dann Sach/ daß ſie ſich expreßè, auch
in Contagion-Zeit/ bey ihren Herren zu blei-
ben verbunden haͤtten.
Hingegen finden ſich auch Leut/ wenn ſieWie ſich
Dienſt-
botten in
der Peſt
gegen ihre
Herren/
in Sterbzeiten von GOtt heimgeſuchet wer-
den/ welche treue Dienſtbotten an Knechten
und Maͤgden um ſich haben/ die ihnen in ih-
rer Noth Tag und Nacht treulich beyſtehen/
und mit ihrer Leibs- und Lebens-Gefahr
huͤlffliche Hand bieten; wenn aber ſolcher
einer treuen Dienſt-Geſindes wieder erkran-
cket/ und von ſolcher Seuche angegriffen
werden/ ſo laſſen theils ſolche liegen/ verder-
ben und ſterben/ oder wiſſen nicht wie bald
ſie ſolche aus dem Hauſe verſtoſſen und huͤlff-
loß wegſchaffen ſollen/ da doch manchem ſein
Hauß weit und groß genug iſt/ daß ſie ſol-
chen Krancken wol im Hauß behalten und
wieder verpflegen laſſen koͤnten. Dieſe fol-
gen dem Exempel des Hauptmanns zu Ca-
pernaum nicht/ da doch die natuͤrliche Bil-
lichkeit erfordert/ die jenige in Leibs-Schwach-
heit nicht zu verlaſſen/ die ihnen zuvor treu-
lich und fleiſſig gedienet haben. Wer aberauch Her-
ren gegen
die Dienſt-
botten ver-
halten ſol-
len.
ein ſolch krancken Dienſtbotten wegen Enge
des Raums in ſeinem Hauß nicht haben kan/
auch in Sorgen ſtehet/ daß er die uͤbrigen
auch anſtecken moͤchte/ und alſo genoͤthiget
iſt/ ſolchen in ein Spital oder Lazareth brin-
gen zu laſſen/ derſelbe ſoll nicht dencken/ daß
er nun deſſen aus dem Hauß loß ſey/ und nicht
vonnoͤthen waͤre/ ferner nach ihm zu fragen;
Nein! ſeine Schuldigkeit iſt gleich ſo groß
als vorhin/ und ſoll ihm doch an gebuͤhrlicher
C 5Pfleg
[42]DasVII.Capitel.
Pfleg und Wartung nichts ermangeln laſ-
ſen/ ſondern allzeit ein wachſames Aug auff
ihn halten/ zeitlich nach ihm fragen laſſen/ und
troͤſten/ damit ihm an zeitlichen Mitteln
nichts gebreche/ weil man doch wol weiß/ daß
es in ſolchen Kranckenhaͤuſern alſo hergehet/
daß es wol beſſer ſeyn moͤchte.
Es ſeynd endlich auch die Schulmeiſter
verbunden/ daß ſie nicht nach ihrem Gefal-
len ausweichen doͤrffen/ dennoch aber/ wenn
ſolche an ihre Stelle einen andern/ ſo dienlich
iſt/ ſtellen/ oder ſo in Peſt-Zeiten/ wie wol
billig erlaubt waͤre/ die Schulen/ gantz be-
ſchloſſen waͤren/ ſo kan bey ſolcher Bewand-
nuͤß ein Schulmeiſter wol ſeine Sicherheit
ſuchen.
ES beſtehet die Diæt und Maͤſſigkeit
nicht nur in Eſſen und Trincken/ ſon-
dern vielmehr in Lufft/ Speiß und
Tranck/ Schlaffen und Wachen/ Ubung und
Ruhe/ Erfuͤll-Erledigung des Leibs/ und den
Affecten und Bewegung des Gemuͤths.
Die Lufft ſoll beſtehen in remotione mali
fœtoris \& poſitione boni odoris, ſoll dero-
wegen frey von Suͤmpffen/ boͤſen Daͤmpf-
fen/ Miſthauffen/ Cloacken/ Schwein/ End-
ten
[43]Wie man ſichpræſerviren ſoll.
ten und Gaͤnſeſtaͤllen/ auch trocken und kalt
ſeyn/ und da etwa ſolche Dinge oder aber
ſtinckende Nebel die Lufft verfaͤlſchen/ ſoll
man ſie mit Feuer von Wachholder corrigi-
ren. Es wird auch nichts auff Erden zu
Reinigung des vergiffteten Luffts beſſers ge-Was der
Schweffel
fuͤr Wuͤr-
ckung dar-
zu hat.
brauchet als der Schweffel/ welcher als ein
mineraliſch Hartz und warhaffter irdiſcher
Balſam aller Faulnuͤß und Gifft widerſte-
het/ und deßhalber auch aus mitwuͤrckender
Krafft und Tugend ſeines ſauerlechten
Dampffs die Lufft und alle Unſauberkeit zu
reinigen und zu verzehren vermag/ wie alle
Erfahrne davon werden bekennen muͤſſen.
Derohalber alle Medici, welche den Spi-
taͤlern/ Lazareth oder Kranckenhaͤuſern fuͤrge-
ſetzt ſeyn/ ſich befleiſſigen ſollen/ daß der
Schweffel-Rauch oder Dampff/ welchem in
dieſer Sucht nichts zu vergleichen/ gebrau-
chet werde.
Fuͤr die Naſe zu halten/ auch innerlich zu
gebrauchen/ dienet folgender
Das Rauchwerck wird ſonſt gemeiniglich
componirt aus Gehoͤltz/ als aus Wach-
holderholtz/ Cypreſſenholtz/ Paradißholtz/
Rhodiſerholtz/ Santelholtz ꝛc. Aus Rin-
den/ als Zimmet/ Caſſia/ Thimian/ Citron-
und Pomerantzenſchalen. Aus Fruͤchten/
als Lorbeer/ Wachholderbeer/ Cypernuͤſſe/
Naͤgelin/ Muſcatnuͤſſen ꝛc. Aus Stau-
den/ als Roſmarin/ Cretiſchen Diplam/
Stabwurtz/ Wermuth ꝛc. Aus Blaͤt-
tern/ als Wermuth/ Lavendel/ Yſop/ Cret-
Diptam/ Lorbeerblaͤtter/ Meliſſen/ Poley/
Raute/ Salbey/ Majoran/ Baſilien/ Schaff-
ripp/ Toſten/ Quendel ꝛc. Von Blumen/
als Roſmarin/ Roſen/ Roͤmiſchen Camillen/
Graß-Naͤgelin/ Arabiſch Stoͤchasblum/
Ringelblumen/ Caͤltiſchen Spickblumen ꝛc.
Aus Gummi und Lachrymis, als Benzoe/
Myrrhen/ Weyrauch/ Maſtix/ Ladani/ Sto-
rax ꝛc. auch aus koſtbaren Sachen/ als Bi-
ſam/ Ambra/ Zibeth.
Aus dieſen und dergleichen nun werden
dreyerley Rauchwerck gemacht/ als Pulver/
Zeltlein und Kertzen. Auff folgende
Præſervi-
rend
Rauch-
Pulver.Manier koͤnnen bereitet werden die
Ein anders fuͤr geringe Leut.
Zu Winterszeit iſt Schwefel und Campf-
fer mit Weyrauch und Maſtix recht vermi-
ſchet ſehr nutzlich/ denn die Campffer ein ſon-
derbare Krafft wider die Faͤulung hat.
Die Zeltlein und Kuͤchlein aber werden
auff nachfolgende Weiſe bereitet.
Zerreib es alles unter einander zu einer
Maſſa, aus ſolcher formire kleine Zeltle in/ und
laß ſie trocknen/ wenn man einen Rauch von-
noͤthen/ leget man derer eins oder zwey auff
ein Glutpfanne/ ſo geben ſolche im Zimmer
einen angenehmen Rauch/ und veraͤndern
den boͤſen Lufft.
Loͤſe alles in Roſen-Julep/ ſo viel vonnoͤ-
then/ auff/ thue zu
Mache daraus kleine Zeltlein.
Noch folgen einige Formulen von Rau-
cher-Kertzlein/ von welchen nach Belieben zu
gebrauchen.
Mit angefuͤhrten Formulen/ unter welchen
man/ welches beliebig/ erwaͤhlen kan/ hat man
zur Præſervation ſattſame Raucherwerck/ da-
mit ſollen die jenige Gemaͤcher/ welche taͤg-
lich im Gebrauch ſeyn/ alle Tage wohl be-
rauchert und keines uͤbergangen werden/ da-
mit koͤnnen die unreinen Duͤnſte zerſtaͤubet
und die Lufft corrigirt ſeyn. Die Gemaͤcher
aber/ welch ordinari gebrauchet werden/ kan
man oͤffter beraͤuchern/ dieweil ſolcher in den-
ſelbigen gar bald verflieget.
Es pflegen auch einige mit ſtinckenden Sa-
chen zu rauchern/ als mit Toback/ brennen-
den Lunden/ und dergleichen uͤbel riechenden
Sachen/ in Meynung/ damit den boͤſen Lufft
zu veraͤndern; wie dann beobachtet/ daß
in letzter Peſtilentz zu Leipzig man auff daſi-
gem
[51]Vonpræſervirenden Artzneyen.
gem Rathhauß/ als an einem ſonſt unge-
woͤhnlichen Ort/ haͤuffig Toback geſchmau-
chet: Ich kan aber nicht glauben/ daß ſol-
cher Geruch den ſchwachen und krancken Pa-
tienten dienlich ſeyn kan/ ſondern daß die Le-
bens-Geiſter durch ſolchen Geſtanck vielmehr
geſchwaͤchet werden.
NAch dem wir in vorigem Capitel der
præſervirenden Rauchwerck fuͤr
Arm und Reiche Meldung gethan/
ſo ſoll auch allhier fortgefahren und
der innerlichen præſervirenden Medicamen-
ten gedacht werden. Anfaͤnglich der Rei-Reiche
Leut wol-
len all zeit
den Vor-
zug in Me-
dicamen-
ten haben.
chen ihre Mittel betreffende/ ſo finden ſich ei-
nige/ welchen keine Artzney/ die wolfeil ſeyn/
und eben auch gute Huͤlff thun/ gebrauchen
wollen/ ſondern halten davor/ was nicht viel
Geld koſte/ das werde auch nicht viel helffen
oder Krafft haben; oder ob ſie ſchon an der
Krafft und Tugend auch nicht zweiffeln/ ſo
wollen ſie doch fuͤr den Armen einen Vorzug
haben/ und mit etwas anders bedient ſeyn.
Manche/ ob ſie ſchon wiſſen/ daß bey den je-
nigen/ ſo taͤglich antidota brauchen/ der Gifft
nicht leichtlich hafften mag/ auch da ſie uͤber
Zuverſicht befallen werden/ ſicherer und ſchleu-
D 2niger
[52]DasVIII.Capitel.
niger zu curiren ſeyn/ ſo ſind ſie doch/ wie
Panſa Conſil. antipeſtif. 1. cap. 10. ſchreibet/
ſolche karge Filtz/ daß ſie nichts auff ihren
Leib wenden/ ſtehen derowegen in groͤſter
Gefahr/ und kommen ſelten davon/ dieweil
ſie die rechten Geſellen ſeyn/ die in ſolcher Ge-
legenheit die Cur verſaͤumen/ und vor Geitz
und ſchinden an die heylſame Cur nicht ge-
dencken/ vielweniger daß ſie ſelbige brauchen/
derowegen man ſie hernach in nomine Do-
mini mit dem ſi bona dahin wandern laſ-
ſen muß.
Andere (ſchreibt Panſa ferner) die zuvor
etwas zur Fuͤrſorge gebrauchet haben/ die
koͤnnen gar leichtlich und mit halbem Theil
der Artzney curirt werden/ und moͤgen wohl-
habige Leut/ damit die Natur einerley Artz-
neyen nicht gewohne/ und daſſelbe mehr fuͤr
Speiß denn Artzney gebrauche/ einen Tag
nach dem andern/ nach gereinigtem Leib durch
ordentliche Purgantia, des Morgens nuͤch-
tern von dem nachbeſchriebenen Guͤlden
Ey/ ſo in Apothecken muß zugerichtet wer-
den/ zur Præſervation einer Haſelnuß groß
einnehmen/ und alſo eſſen/ vor andern ge-
meinen Beſchreibungen zu erwaͤhlen/ die Be-
reitung iſt folgende.
℞. Ein friſch gelegtes Ey/ mache an bey-
den
[53]Vonpræſervirenden Artzneyen.
den Enden ein Loͤchlein drein/ und blaſe das
Weiſſe heraus/ was darinn ledig wird/ das
fuͤlle wieder mit ſo viel gantzem Saffran/ als
eingehen kan/ und mache es mit einer andern
Schale feſt wieder zu/ damit nichts ausrie-
chen kan/ und brate das Ey bey gelindem
Feuer oder am warmen Ofen ſo lang/ biß es
beginnet ſchwartz zu werden/ worbey denn
fleiſſig in acht zu nehmen/ daß das Ey nicht
zu heiß ſtehe/ und der Saffran verbrenne:
nehm denn die Materi aus dem Ey/ und
trockne ſie voͤllig/ daß ſie im Moͤrſel wohl kan
geſtoſſen werden/ und mache ein Pulver dar-
aus/ zu ſolchem thue ſo viel weiſſen Senff/
als das ander alles wieget/ hernach nehm
pulveriſirte
Miſche es alles wohl im Moͤrſer/ und letz-
lich thue darzu Theriac/ ſo viel als obige
Stuͤck alle wïegen/ und ſtoß es alles noch
einmal/ und miſche es 3. Stunden lang/ da
du denn allemal etwas von Limonien-Sy-
D 3rup/
[54]DasVIII.Capitel.
rup/ ſo viel als noͤthig iſt/ beyfuͤgen muſt/ daß
es ein Electuarium werde.
Dieſes Electuarii fuͤrnehmſter Gebrauch
iſt in Peſt-Zeiten und Præſervation vor Gifft.
Es treibt gewaltig den Schweiß/ und mit
demſelben den Gifft von Hertzen/ zur Circum-
ferenz, beſchuͤtzet das Hertz/ und zertreibet die
gifftigen Schaden.
Zerſchneid und zerſtoß/ und ziehe mit
Wachholder-Spir. die Eſſentz heraus/ denn
evaporir den Spir. bis zur Honig-dicke/ thue
hinzu
Miſche es zu einer Latwerg/ zu Præſervi-
rung/
[55]Vonpræſervirenden Artzneyen.
rung/ die Doſ. ℈j. ad ℈ij. zu der Cur aber
muß von ℈ß. ad ʒij. genommen werden.
Zerſchneid und zerſtoß alles groͤblecht/ und
gieß daruͤber
Stell es zuſammen an warmen Ort/ ruͤt-
tel es taͤglich 3 mahl/ denn deſtillir es in Baln.
wer es zu der Præſervation gebrauchen will/
der ſoll davon einen Loͤffel voll/ zur Cur aber
3 Loͤffel voll nehmen.
Es iſt auch ein fuͤrtrefflich Præſervativ,
wann man Malvaſier uͤber Ambra gieſſet/
und zuweilen einen halben Loͤffel voll davon
trincket.
Die Wohlhabigen moͤgen auch/ wann ſieZaͤltlein
im Mund
zu neh-
men.
ausgehen/ ein baar von folgenden Mund-
Zaͤltlein auf der Zung gemaͤhlig zergehen
laſſen.
So dienen auch in Peſt-Zeiten zu præſer-
viren folgende
Mache alles zu ſubtilen Pulver von ſol-
chem Pulver/ nehm ʒij. beſpreng ſolches mit
Zimmet und Angelick-Oel aa. gutt. j.
Mit Tragant-Schleim in Roſenwaſſer
auffgeloͤſet/ mache Zaͤltlein.
Auf andere Manier werden noch beſchrie-
ben
Mache und miſche alles zu ſubtilen Pul-
ver/ von ſolchen nimm ʒij.
Mit Tragant-Schleim in Roſenwaſſer
auffgeloͤſet/ mache Zaͤltlein.
Die Rotulæ Liberantis werden mit Zu-
cker in aqua quadam appropriata diſſolvirt/
von den Speciebus confectionis Liberantis
bereitet/ deren Beſchreibung dieſe:
Dieweil denn/ wie zu ſehen/ dieſe beyde
Compoſitiones von Hertz-Hirn- und Ma-
genſtaͤrckenden/ inſonderheit aber von ſolchen
ingredientibus, welche von allen autoribus
und vornehmen Medicis, ſo von der Peſt ge-
ſchrieben/ wider dieſe boͤſe gifftige Seuche
ſonderlich geruͤhmet werden/ beſtehen; ſo iſt
gantz kein Zweiffel/ daß ſie beydes dem Peſt-
Krancken ſelbſt nuͤtzlich und gut ſeyn/ wie
denn auch die Confectio liberantis inſonder-
heit von dem loͤblichen Collegio Medicorum
zu Augſpurg in ſeinen Pharmacopolien alſo
angeruͤhmet wird.
Mit genugſamen Acetoſ. citri mache eine
Latwerg.
Von dieſer Latwerg ſoll man ein Quintel
oder etwas mehr/ da es vonnoͤthen/ mit Car-
dobenedicten-Waſſer eingeben.
Dieſe Species ſoll man alle zart ſtoſſen/ und
mit ℔iij. rein verſchaumten Honig zu einer
Latwerge machen/ davon Morgens nuͤchtern/
ehe man aus dem Hauß gehet/ einer Caſta-
nien groß eingenommen.
Diejenigen/ ſo geringeren Vermoͤgens
ſeyn/
[60]DasVIII.Capitel.
Præſervi-
rende Mit-
tel fuͤr
Arme.ſeyn/ ſolche theure Medicamenta zu bezahlen/
denen kan man zur Præſervation bereiten fol-
genden
Zerſtoß alles groͤblecht/ miſche es unter-
einander/ gieß eine halbe Maaß Wein-Eſſig
daran/ davon zuweilen einen Loͤffel voll zu
trincken.
Mache es mit Eſſig oder beſſer mit Oxi-
mell zu einer Latwerg/ davon Morgens
nuͤchtern ʒj.zu nehmen.
Alles wohl zerſtoſſen/ untereinander ver-
miſchet/ und mit Honig zu einer Latwerg
gemachet.
℞. Honig ℔ij. gieß ein wenig Waſſer
darein/ laß es wohl ſieden/ und ſchaum es ab/
weil es warm iſt/ und ſo es ein wenig erkuͤh-
let/ ſo thue darzu
Mache aus allen ein Latwerg/ davon nim̃
alle Morgen/ oder nur neben andern Stuͤ-
cken Wechſel-weiſe/ einer Caſtanien groß.
Es iſt fuͤr arme Leut auch gut/ wenn ſie nur
Wachholderbeer in Eſſig uͤber Nacht ein-
weichen/ und deroſelben des Morgens etliche
eſſen. Etliche gebrauchen nur den Knob-Was von
Knod-
lauch zu
halten.
lauch/ wiewol ſolcher von etlichen verworffen
wird/ hingegen Quercetan. in peſt-alexic.
kan ſeine Tugend nicht ſowol fuͤr ſich ſelbſt/
als
[62]DasVIII.Capitel.
als auch aus Dioſcoride, Celſo, Æginata,
Hippocrate, Galeno, Virgilio, D. Ambro-
ſio und Perſio nicht genugſam ruͤhmen. Sen-
nert. lib. 4. cap. 7. de febr. ſchreibt: Zwieb-
len und Knoblauch ſeynd zwar als ein Medi-
camentum nutzlich/ ſie geben aber kein gut
Nutriment, derowegen man ſie auch im Leib
in keiner groſſen Quantitaͤt wie die Speiſen/
ſondern wie Artzneyen gebrauchen ſoll: aͤuſ-
ſerlich haͤnget man ſolche in die Haͤuſer/ weil
ſie allen boͤſen Dunſt hefftig an ſich ziehen
ſollen. Iſt alſo der Knoblauch theils Bau-
ren ihr beſter Theriac/ wie ingleichem die
Aronswurtz oder Zehrwurtz/ die gleichfalls
fuͤr den Gifft dienet/ und ſtatt des Imbers
offt von ihnen gebrauchet wird.
Das Saͤchſiſche Gifft-Pulver/ das man
ſonſt das Churfuͤrſten-Pulver nennet/ und
vor dieſem fuͤr ein heimliche bewaͤhrte Kunſt
vor alle Gifft iſt gehalten worden/ ſoll unter
allen fuͤr der vornehmſten Stuͤcken eines ge-
braucht werden/ ſo zwar nicht viel koſtet/ deſ-
ſen Beſchreibung iſt folgende.
Die Wurtzeln aber ſollen alle zwiſchen
dem 15. Aug. und 13. Septembr. gegraben
und klein zerſchnitten werden/ thue alles in
einen verglaſſirten Hafen/ gieß zwey zwerch
Finger hoch Eſſig druͤber/ verdeck und ver-
papp das Gefaͤß mit einem Teiglein von
Meelund Eyerklar gemacht/ bey lindem Feuer
zu ſieden/ abzuſeihen/ auszudrucken/ und zu
einem Pulver zu machen/ davon Morgens
ein paar Meſſerſpitz voll/ allein trocken oder
in warmen Bier einnehmen.
Alles klein geſtoſſen und zerſchnitten/ und
in ein Maaß guten Brandwein geleget/ und
darzu gethan
Laß ein Zeit beyſamm ſtehen/ davon Mor-
gens ein Loͤffel voll zu trincken.
Euſſerlich kan man ſich mit obgemeldtem
Gifft-Eſſig beſtreichen/ und Angelickwurtz/
Zittwer/ Callmus und Biebenellwurtz bey
ſich tragen/ und davon wechſelweiſe etwas in
Mund nehmen. In den Kleidern dienet
ein Buͤſchlein Baldrianwurtz bey ſich zu ha-
ben: So kan man auch ein durchbohreten
Knopff
[64]DasVIII.Capitel.
Knopff von Wachholderholtz in Haͤnden tra-
gen/ in welchem ein Schwaͤmmlein mit Ro-
ſen Eſſig/ oder Wein-Eſſig/ oder oben ge-
meldlen Gifft-Eſſig getuncket/ und offt dar-
an riechen/ wenn man mit andren Leuten um-
gehen muß.
Nehm auch Theriac ʒij. Saffran und
Campffer/ aa. gr. x. vermiſche es zu einem
Saͤlblein mit ein wenig Roſen-Eſſig/ damit
ſchmiere dich ums Hertz.
Gieß darauff Himbeer-Safft/ der zu ſau-
rem Eſſig worden/ ſoviel vonnoͤthen/ miſche
es wohl/ und laß am warmen Ort wohl ver-
bunden ſtehen/ biß es die Tinctur ausgezo-
gen/ dann filtrire es/ und behalt es zum Ge-
brauch.
Wenn/ ſo bald man einen Anſtoß von der
Peſt vermerckt/ man deſſelben ein paar Loͤffel
voll entweder mit Theriac oder Diaſcorid.
Fracaſt. ʒj. vermiſchet/ einnimmet/ bekraͤffti-
get der Autor in ſeinen Conſil. p. m. 393. daß
nichts bewaͤhrters zu finden ſeyn ſoll.
Gieß darauff guten Roſen-Eſſig/ daß er
4. Finger hoch daruͤber gehet/ laß es mit ein-
ander wohl vermachet an einem warmen Ort
ſtehen; deſſen Nutz und Gebrauch iſt wie
des Timæi.
Zerſtoß und ſchneid alles groblecht/ thue
es in ein glaſen Kolben/ gieß darauff guten
alten weiſſen Wein ℔vj. wenn es genug ge-
weichet/ ſo deſtillir es im Sand in MB. biß
auff die Troͤckne ab/ aber in Schnabel haͤn-
ge Saffran/ Campffer aa. ʒß. Myrrhen ʒj.
und verwahr ſolch Waſſer wohl.
Es dienet in allen Kranckheiten/ die eine
Malignitaͤt bey ſich haben/ auch in der Pe-
ſtilentz iſt es gut/ ſowol zu præſerviren als
auch zu curiren; man kan auch damit Pul-
ver und ander Wider-Gifft eingeben/ und
den Schweiß befoͤrdern. Doſ. 2. biß 3. Loͤf-
fel voll.
Wenn alles zur infuſion bereitet/ ſo gieß
daruͤber
Laß uͤber Nacht ſtehen/ am Morgen de-
ſtillir es aus der Aſche biß auff die Trockne.
Dieſes Waſſer iſt von groſſer Wuͤrckung/
und kan man es in Peſtzeiten in ordinari
Tranck/ Bier/ Suppen und dergleichen biß
zu beliebiger Saurigkeit vermiſchen/ es be-
foͤrdert einen unbeſchreiblichen Schweiß/
und loͤſchet den Durſt.
Gieß darauff Malvaſier-Wein ℔ij.
Hernach deſtillir es durch ein Mar. Baln.
Es dienet in Peſtzeiten zu præſerviren 1 Loͤf-
fel voll/ in der Cur aber kan man 2. oder 3.
Loͤffel voll nehmen/ und wol damit ſchwitzen.
Vereinige es zuſammen zu einem Balſam.
Das Muſcat-Oel kan man mit Rauten-An-
gelick- oder Citronwaſſer waſchen/ biß es
weiß wird.
Zerſtoß es miteinander/ thue ein wenig
Wein darzu/ laß es durch ein Sieb lauffen/
daß es ſo dick wie Brey wird/ denn loͤſe von
feinem Zucker ℔iiß. ℥iij. in genugſamen
Waſſer bey gelindem Feuer auf/ und thue
abgeſchaͤumt Honig ℔iij. darzu/ laß es wohl
kochen/ biß das Waſſer abgerauchet/ darnach
thue das Teiglein von Feigen darbey/ und
die Nuß/ auch
Miſche es wohl mit einem hoͤltzern Spa-
tel/ thue es hernach von Feuer/ ruͤhr es/ bis es
kalt worden/ denn miſche zulezt die Pulver
auffs beſt darunter/ und thue noch darzu
Miſche alles nach der Kunſt zu einer
Latwerg.
Dieſes Electuarium iſt in letzter Franck-
furter Peſt ſehr gebrauchet worden/ da dann
ſolche ſowol in Præſervirung/ als auch in Hei-
lung der Peſt viel gethan hat.
Es iſt dieſes Electuarium corrigirt wor-
den/ und annotirt/ daß der runde Galgan/
Haſelwurtz/ Florentiner Veyelwurtz/ rothe
Roſen/ bereiteter Lerchen-Schwamm/ Spec.
Liberantes, Terbenthin und Theriac wohl
ausgelaſſen werden koͤnnen/ dieweilen die an-
E 3dern
[70]DasVIII.Capitel.
dern zuſammen geſezte Stuck zu einem Gifft-
Mittel genugſam waͤren.
℞. Gereinigte Knoblauch-Zehen No. xx.
Zerſtoß und thue es in ein alembic, gieß wol-
rectificirten Brandwein darauff/ daß ſolcher
vier quer Finger hoch daruͤber gehet/ deſtillir
es in MB durch oͤffters cohibiren/ und thue
immer neue Knoblauch-Haͤuptlein darzu/ in
der letzten deſtillation aber thue im Hals des
alembici in ein Tuͤchlein Campffer ʒj. de-
ſtillir es wie zuvor/ ſo haſt du ein herrlich
Elixir.
Es iſt ein trefflich Elixir und Præſervativ
in der Peſt/ und kan man alle Morgen einen
Loͤffel voll entweder allein/ oder in Cardbene-
dicten-Waſſer oder Ehrenpreiß-Waſſer ein-
nehmen. Nichtweniger kan es auch wider
Colic und Mutter-Beſchwerde/ wenn vorher
clyſtirt worden/ gebrauchet werden.
Incidir die Campffer/ ſo ſolvirt ſie ſich
gleich ohne Feuer/ denn hang in einem Saͤck-
lein guten Saffran ℈ß. hinein/ ſo farbt ſich
der Brandwein/ behalt es in wohlverſchloſſen
Glaß.
Es hat trefflichen Nutzen in der Peſt/ ſo
wol
[71]Vonpræſervirenden Artzneyen.
wol zu præſerviren/ als zu heilen; treibt den
Schweiß/ ſtaͤrckt das Haupt und Hertz/ hilfft
auch wider Zipperlein. Doſ. iſt von gr. vj.
ad ℈j. in Hertz-Waſſer oder ſonſt beliebigen
liquore.
Extrahir ihn mit den beſten Brandwein/
der rectiſicirt iſt/ und ziehe ihn ab/ dann
nimm
Ziehe die Tinctur mit eben dem Spiritus
aus/ und abſtrahir ihn wiederum/ miſche die-
ſen Extract mit den Theriac-Extract, und gieß
die eſſentificirte Oel daran/ welche vorher
filtrirt ſeyn muͤſſen/ und circulir ſie wohl bey
gelindem Feuer.
Dieſes Geheimnuͤß wuͤrckt in der graſſi-
renden Peſt/ und andern anſteckenden
Kranckheiten/ mit Wunder/ ſo wohl in
Præſervirung/ als auch in Austreibung des
angeſteckten Giffts. Doſ. in der Præſervi-
rung etliche Tropffen/ zu der Cur aber von
℈j. ad ℈ij.in Wein/ Roſen-Eſſig/ Lachen-
Knoblauch-Waſſer ꝛc.
Die erſten Species pulveriſir/ den Saffran
laß gantz/ laß es 6 Wochen beyſammen in
der digeſtion ſtehen/ colir es durch ein Tuch/
und heb es auf zum Gebrauch. Doſ. von
℈j. ad ʒj.
In Peſtilentziſchen gifftigen Fie-
bern/ ja in der Peſtilentz ſelbſt/ iſt es ein
herrlich Purgir-Mittel/ ingleichen auch in
affectu Hypochondriaco und Mutter-Be-
ſchwerden/ iſt es eine rechte beruͤhmte und
heilſame Artzney.
Zucker in Roſenwaſſer und Saurampff-
waſſer auffgeloͤſet/ q. s. oder ℥viiij. mache
daraus Morſellen.
Waſche den Zucker ab/ und ſchneide alles
klein/ thue darzu
Mit Zucker q. s. in Zimmetwaſſer ſolvirt/
mache nach der Kunſt daraus Morſellen.
Pilulæ Peſtilenziales D. Reineſi.
Mache alles nach der Kunſt mit Peſt-Eſ-
ſig zu einer Maſſa.
Die Species pulveriſir beſonders/ dann
miſche alles wohl in einem Moͤrſer/ und
formire nach der Kunſt Pillen.
Solche ſtaͤrcken die Gedaͤchtnuß/ ſchaͤrffen
das Geſicht/ und geben allen Gliedern
Krafft/ ſtillen das Grimmen/ laxiren/ neh-
men die Rohigkeit hinweg/ und die Faulung/
vertreiben die Penſtilenzialiſche Kranckhei-
ten. Sie treiben auch den Schweiß/ ſo/ daß
es etliche an ſtatt einer Panacea gebrauchen.
Zu Præſervirung gebrauchet man alle Tage
eins; zur Heilung aber acht oder zehen/ in ei-
nem bequemen Waſſer/ und ſoll der Krancke
darauff ſchwitzen.
Etliche nennen ſie Pilulas Jeſu, oder Ema-
nuelis, damit derer Name verborgen bleibe.
Miſche es/ davon alle zwey Stund zwey
Loͤffel voll zu nehmen.
Man miſchet erſtlich den Campffer ſamt
den Olitaͤten mit dem Theriac in einem Moͤr-
ſer gar wohl/ und laͤſt es alſo in einen Kol-
ben/ der ziemlich groß iſt/ thun/ gieſſet her-
nach obgemeldten Spiritus daruͤber/ verma-
chet es wohl/ und laͤſſet es alſo 8. Tage lang
digeriren/ alsdann deſtillirt man dieſem li-
quorem ab per MB. bis der Theriac am Bo-
den trocken bleibt; Unter den Spiritum aber/
ſo heruͤber geſtiegen/ vermiſchet man corre-
cten Salpeter-Geiſt ℥ß. und faͤrbt es mit ʒj.
des
[76]DasVIII.Capitel.
des beſten Saffrans/ und verwahret es wohl-
vermachet zum Gebrauch.
Not. Durch dem Spir. Nitr. correct. wird
verſtanden/ welcher aus geſchmoltzenen Nitro
mit Bolo armena deſtillirt/ und darnach in
MB. Ignis lento mit eben ſo viel Spir. Vini
Hiſpan. der zum zweytenmahl abgezogen und
rectificirt iſt/ vermiſchet.
Es iſt ein trefflich Peſt-Mittel Doſ. ℈j.
ad ʒj. in bequemen Vehiculo.
Dieſes iſt ein vortrefflich Mittel die giff-
tigen und Peſtilentzialiſchen Kranckheiten zu
heylen. Wo man auch bey den Kindern die
Maſern oder Pocken vermuthend iſt/ ſo treibt
dieſes dieſelben gewaltig aus. Es dienet ei-
nem jeden Alter.
Allhier wollen wir mit den præſerviren-
den Artzney Mitteln ein Zeit einhalten/ und
weiter beſehen/ was bey dieſer graſſirenden
Seuche zu erinnern ſeyn wird.
WEnn nun ein rechtſchaffener Chriſt
mit vorbeſchriebenen Præſervation-
Mitteln zur Genuͤge verſehen/ ſo
iſt fuͤr allen Dingen vonnoͤthen/ bey anna-
hender Peſt mit einem andaͤchtigen Gebet
GOtt den himmliſchen Artzt von Hertzen an-
zuruffen/ in folgendem
OStarcker und gerechter GOtt! in deſ-Peſt-Ge-
bet.
ſen allmaͤchtigen Hand allein unſer gan-
tzes Leben und Zeit beſtehet/ du haſt uns nicht
nur gedrohet/ mit Krieg/ Hunger und Pe-
ſtilentz um unſerer Suͤnde willen heimzuſu-
chen/ ſondern auch bereits den Wuͤrg-En-
gel
[78]DasIX.Capitel.
gel in unſer geliebtes Teutſche Vaterland
ausgeſandt/ mit dem Rachſchwerdt auff uns
zu ſchlagen/ und mit der ſchaͤdlichen Seuche
der Peſtilentz heimgeſuchet/ und uns deinen
Zorn und Gewalt ſo empfindlich zu erkennen
gegeben/ und unſer Miſſethat fuͤrgeſtellet.
Ach ja HERR/ wir haben es wol verſchul-
det: Aber wir heben unſer Hertz und Haͤnde
in Himmel zu dir/ und ſchreyen dich an/
HErr hilff uns/ wir verderben! Erbarm
dich uͤber uns GOtt unſer Helffer und Artzt!
vergib uns unſer Suͤnd und Miſſethat/ um
deines heiligen Namens willen; Du wilt
ja den Tod des Suͤnders nicht/ ſondern daß
er ſich bekehre und lebe; darum ſo laß uns
arme Suͤnder fuͤr dir Gnade finden/ und
nicht zu ſchanden werden. Mit dieſem un-
ſerm Gebet liegen wir fuͤr dir/ nicht auff ei-
nige unſer Gerechtigkeit/ ſondern auff deine
groſſe Barmhertzigkeit; O HErr hilff uns
von dieſem Strick des Jaͤgers/ und von der
ſchaͤdlichen Peſtilentz die im Finſtern ſchlei-
chet/ behuͤte uns fuͤr dem Grauen des Nachts/
und fuͤr den Pfeilen die des Tages fliegen.
O HErꝛ der du allein in ſolcher Gefahr bewah-
ren kanſt/ laß den Wuͤrg-Engel bey uns fuͤr-
uͤber gehen; laß uns leben/ daß wir dich lo-
ben/ und deinen allerheiligſten Namen an-
ruffen/ denn wer will dir in der Hoͤlle dan-
cken? Dafern du aber je das Ziel unſers
Lebens alſo geſtecket haſt/ und es dein Will
iſt
[79]Von fernern Verhalten der Geſ.
iſt in deine Hand zu fallen/ und an dieſer
Plag das zeitliche Leben zu enden/ wolan/ ſo
geſchehe dein Wille/ wende nur deine Gnad
nicht von uns/ ſondern laß uns in aller Ge-
dult das Creutz tragen/ beſtaͤndig im wah-
ren Chriſtlichen Glauben verbleiben/ ſeliglich
einſchlaffen/ und am lieben Juͤngſten Tage
mit allen Auserwaͤhlten wieder aufferſte-
hen/ damit wir alſo dich unſern GOtt und
Vater ſamt deinem geliebten Sohn und
Heiligen Geiſt in ewiger Glori und Herrlich-
keit loben und preiſen moͤgen/ Amen.
So iſt auch in ſolchen Zeiten vonnoͤthen/Wie man
ſich gegen
ſich ſelbſt
zu verhal-
ten hat.
daß einer in ſeinem Hertzen zweyerley in acht
nehme/ nemlich: Daß er nicht zu kuͤhn und
keck ſey in ſeinem Hertzen/ und ohne Furcht
des HErrn lebe/ und ihm felbſt nicht ſo gar
viel zutraue/ denn es kan ein Menſch mit die-
ſem Gifft nach Verhaͤngnuͤß GOttes bald
angeſteckt werden/ darbey ſoll er ſein Hauß
beſchicken/ und all ſeine Unordnung in Rich-
tigkeit bringen/ damit nach ſeinem Tod un-
ter ſeinen Kindern und Erben kein Streit
noch Zanck entſtehe/ auch gegen die ſo ſich in
ſolcher Zeit gegen ihm dienſtbar bezeiget/ auch
Medicos, Barbierer und Apothecker/ und die
ſeiner gepfleget und gewartet/ alſo belohnen/
damit er ſie/ wenn er ihrer wieder beduͤrffte/
willig und bereit finden moͤge/ und ſeiner Un-
danckbarkeit wegen nicht huͤlffloß gelaſſen
werde.
So iſt es auch ein boͤſer und heutiges Ta-
ges gemeiner Gebrauch/ daß viele/ ſonderlich
wohlhabende Leut/ zu ſchleckhafften Dingen
allzuſehr geneiget ſeyn/ und offt nicht wiſſen/
was ſie ihnen fuͤr ſeltſame Speiſen aufftra-
gen und bereiten laſſen ſollen/ da doch man-
ches weder zur Saͤttigung noch zu der Ge-
ſundheit dienen kan/ ſondern dem Leib viel-
mehr Schaden zufuͤget. Iſt derowegen nicht
allein in Peſtilentz-Zeiten ſondern allzeit nutz-
lich und heylſam/ den Leib nicht mit ſo viel
ſeltzamen Speiſen zu beladen/ ſondern bloß
allein mit 2. oder 3. Speiſen vergnuͤget ſeyn.
Es iſt auch in Peſtilentz-Zeiten ſicherer und
beſſer/ daß man mehr wache als ſchlaffe/ ſon-
derlich denen/ welche ſchon mit der Seuch
behafftet ſind; denn bey vielem ſchlaffen ſeynd
die Kraͤffte muͤſſig/ ruhig und traͤg/ und nicht
bereit oder geſchickt dem Gifft zu begegnen.
Alſo ſollen die/ die ſchon mit der Peſt beladen/
den erſten Tag und Nacht/ ja ſo lang das
Gift nicht vom Hertzen abgewendet/ (welches
aus der Ungedult abzunehmen iſt) von allem
Schlaff abgehalten werden; denn es iſt toͤdt-
lich/ weil der Schlaff dem Gifft ſtatt gibt/
daß es mit der natuͤrlichen Waͤrm zum Her-
tzen zuſchlaͤget/ und ſelbiges alſo einnimmt
und beſitzet/ daß es ſchwerlich davon wieder
abgetrieben werden kan. Da man ſich aber
keiner gifftigen Materi, die zum Hertzen wei-
ter ſchlagen moͤchte/ zu beſorgen haͤtte/ ſoll
man
[81]Von fernern Verhalten der Geſ.
man nur 3. oder 4. Stunden ſchlaffen/ biß
zu der andern Nacht/ alsdenn wird der na-
tuͤrliche Schlaff wieder geſtattet und zuge-
laſſen. Den Mittags-Schlaff wollenſonderlich
im Mit-
tags-
Schlaff.
etliche als ein uͤberaus ſchaͤdliche Sache dar-
um verwerffen/ weil durch denſelben viel
Daͤmpff und Feuchtigkeiten ſich hinauff zum
Hirn ziehen/ und daſſelbe befeuchten/ auch
weil ſolcher kurtz und unvollkommene Schlaff
nicht genug iſt/ daß die Dauungen bey dem-
ſelben moͤchten vollkommenlich verrichtet
werden. Es iſt aber auch nicht gantz zu
ſchlieſſen/ den Mittags-Schlaff zu vermey-
den/ denn er iſt in Peſtzeiten den jenigen
nicht ſchaͤdlich/ welche entweder alt/ oder deſ-
ſen gewohnt ſeyn/ doch ſoll ſolcher nicht ſo
gar bald nach dem Eſſen und Trincken fuͤr-
genommen/ ſondern ein Weil hernach/ nach
der Regul:
Poſt paſtum ſtabis aut paſſus mille meabis,
auff und ab ſpatzieret werden.
Damit auch die Geſundheit beſſer erhal-Ein maͤſ-
ſige Leibs-
Ubung iſt
zulaͤßlich.
ten werde/ ſo kan man ſich in Peſtzeiten ei-
ner Leibs-Ubung nach eines jeden Qualitaͤt
und Weſens bedienen/ und eine freudige zu-
gelaſſene Kurtzweil/ reiten/ fahren/ mit Bal-
len ſpielen/ ſpatzieren gehen ꝛc. eine Bewe-
gung machen/ jedoch daß er in allem nicht
zuviel thue/ denn wenn man zu ſolcher Zeit
froͤlich und guter Ding ſeyn wolte/ moͤchte
es das Anſehen haben/ als ob man in Epi-
Fcuri-
[82]DasIX.Capitel.
curiſcher Sicherheit beharren und die Zorn-
Ruthe Gottes nicht achten wolte/ darum ſoll
man unter der maͤſſigen und unmaͤſſigen
Freude einen Unterſcheid halten. Denn die
unziemliche unchriſtliche Freude/ mit unmaͤſ-
ſigem ſauffen/ buhlen/ ſpringen und tantzen/
auch andere unziemliche Sachen/ ſind verbot-
ten; denn dadurch wird das Gewiſſen be-
ſchweret/ und da ein ſolcher unverſehens mit
ſo gifftigem Pfeil in ſeiner Suͤnde angetrof-
fen wird/ kan es leichtlich heiſſen: Qualem
te invenio, talem de judico.
Es iſt auch bekannt/ daß jederman ſein
Gefaͤß/ wenn er darinn eine Speiß kochen
will/ oder daraus er iſſet und trincket/ waͤ-
ſchet und ſauber haͤlt/ die Gefaͤß ſeines Leibs
aber zu reinigen wird von den meiſten un-
achtſamer Weiſe verwahrloſet/ ſo doch zu
Fruͤhlings- und Herbſtzeiten durch eine dien-
liche Purgation gar noͤthig geſchehen koͤnte;
du ſprichſt aber/ ich fuͤhle nichts/ ſo darff ich
auch nichts einnehmen: aber dieſe indicatio
iſt manchmal falſch; mancher fuͤhlet keine
Beſchwerung im Kopff/ da doch alles Ubel
aus dem Kopff in die Glieder herunter faͤl-
let/ mancher iſſet und trincket wohl/ und den-
noch hat er ein verſchleimten Magen/ oder der
Tod ſitzet ihm wol allbereit auff der Zunge.
Gleich wie nun fuͤrnemlich des Jahrs zwey-
mal die Purgationes vonnoͤthen ſeyn/ alſo
ſind ſie auch viel nothwendiger in der Peſti-
lentz-
[83]Von fernern Verhalten der Geſ.
lentz-Seuche: da ſoll man den Leib rein hal-
ten/ damit der Gifft deſto weniger anfallen
und ankleben koͤnne: Denn gleich wie man
alles im Hauſe und Zimmern fein ſauber hal-
ten ſoll/ wie in ſterbens-gefaͤhrlichen Zeiten
hoch vonnoͤthen/ alſo ſind auch die innerſten
Gebaͤu des Menſchen noch noͤthiger rein ge-
halten zu werden/ welches nicht allein durch
Maͤſſigkeit/ ſondern auch durch bequeme Pur-
gantia geſchehen kan. Wie nun einer mehr
ſchaͤdliche Feuchtigkeiten einſammlet als der
ander/ alſo will auch bey einem ein ſtaͤrckere
Purgantz als bey dem andern vonnoͤthen ſeyn.
Und ob ſich ein oder der ander im Herbſt und
Fruͤhling ſchon purgirt haͤtte/ ſo iſt doch von-Wenn es
geſchehen
ſoll.
noͤthen/ daß er ſich in ſchwebender Sterbens-
Gefahr alle 8. Tage oder wenigſtens alle 14.
Tage purgiere. Es gibt derer aber viel/ die
ſich ſelbſt eine Purgantz zurichten/ ob aber
das Uberlaͤſtige damit aus ſeinem Leib ausge-
fuͤhret werde/ ſtehet im Zweiffel/ darinn ſoll
man Rath bey einem verſtaͤndigen Medico
ſuchen/ welcher die Natur des Menſchen ver-
ſtehet/ und der Sache weder zu wenig noch
zu viel thut. Denn ob du gleich ein Recept
haſt/ das dir ein- oder zweymal dienlich ge-
weſen/ ſo folget darum nicht/ daß es ein an-
dermal auch muß nuͤtzlich ſeyn/ dieweil offt
etwas anders zuſchlagen kan/ und dein Natur
ſich in etwas geaͤndert hat/ dein Alter/ und die
Zeit/ ſowol die Gelegenheit des Wetters kan
F 2alſo
[84]DasIX.Capitel.
Und zu
welcher
Zeit.alſo beſchaffen ſeyn/ daß deine vorige Artzney
nicht das jenige verrichtet/ was ſie vonnoͤ-
then/ oder vormals mag gluͤcklich ausgerich-
tet haben/ darum muß dieſelbe entweder ge-
aͤndert/ oder wol gaͤntzlich hindan und an
der ſtatt ein andere geſetzet werden. Man
nehm ſich aber in acht/ und laſſe ſich von kei-
nem Land-Betrieger nicht purgieren/ wel-
chen von der hohen Obrigkeit das Hand-
werck gantz und gar ſolle niedergeleget wer-
den/ dieweil ſolche viel Leut von unbeſcheide-
ner Artzney um das Leben bringen.
Wenn alſo gemercket wird/ daß ohne Ge-
brauch eines Pharmaci oder laxirendes Artz-
ney-Mittel es in die Laͤnge nicht gut thun/
ſondern etwa ein Schwachheit einfallen wol-
te/ muͤſte man unter zwey Boͤſen das ge-
ringſte waͤhlen/ und ein Solutivum brauchen/
ſo nicht ſtarck/ ſchnelltreibend oder hefftig iſt/
und koͤnnen von gelinden und leicht-treiben-
den Sachen gebrauchet werden die Geiß-
molcken/ Engelſuͤß/ Manna/ Caſſia/
Rhabarber/ Lerchenſchwamm/ Sen-
netblaͤtter/ Diaprunum ſolutivum, Diaca-
tholicum, Catharticum imperiale, Diaſena,
Pilulæ Peſtilentiales \&c. Unter dieſen iſt
der Lerchenſchwamm der gemeineſte/ und ei-
ne gute Artzney zu allen Gliedern/ er wider-
ſtrebt dem Gifft/ treibt den Schleim und
Galle/ und reiniget inſonderheit die Bruſt/
derhalben gut fuͤr Engbruͤſtige zu gebrau-
chen.
[85]Von fernern Verhalten der Geſ.
chen. Die Peſtilentz-Pillen/ ſo von
Aloes/ Myrrhen und Saffran bereitet
werden/ einer Erbs groß und mit einem Gold-
blaͤtel uͤberzogen/ machen ſicher fuͤr aller Ge-
fahr der Peſtilentz/ wenn ſolche alle Wochen
einmal vor dem Eſſen gebrauchet werden.
Doſ. ʒj. ad ℈iv. auch mehr nach Gelegen-
heit des Alters; die unter 14. Jahren ſind/
haben mit einem halben Quintel genug/ ſol-
che bereitet man alſo:
Wer den Schleim zugleich von der Bruſt
abfuͤhren will/ der thue weiſſen Lerchenſchwam̃
darzu/ ſo iſt es ein recht Bezoardicum, ein
Conſervans und Præſervans vitam à morbis
\& veneno.
Wolten aber die zaͤhe/ ſchleimige/ grobe/Wie man
mit dem
Antimo-
nio vomi-
ren ſoll.
dicke/ rotzige Feuchtigkeiten durch ſolche Mit-
tel nicht weichen/ muͤſte man zu erbrechen-
machenden Artzneyen ſchreiten/ und das præ-
parirte und corrigi[r]te Antimonium, welches
alle boͤſe Feuchtigkeiten von allen Gliedern
erſtlich in Magen zu ſich locket/ dieſelbige deñ
gewaltig/ ſamt denen ſo ſich im Magen an-
gehenckt/ oder feſt geſetzt/ durch das Brechen
auswirfft/ offt mit groſſer Verwunderung
F 3an-
[86]DasIX.Capitel.
anzuſehen. Es muß aber ein verſtaͤndiger
Medicus wohl gedencken/ wann/ wie und
wo er es geben will/ gibts auch ſelten in der
Subſtanz, ſondern mehrentheils in gutem
Wein/ Malvaſier/ oder auch in Brandwein/
bey 4. oder 5. Gran infundirt und abgelaͤu-
tert/ und iſt der Spir. Vini ein herrlich cor-
rectorium. Es ſey auch das Antimonium
præparirt auff welcherley Art es wolle/ ſo halt
ich das Infuſum allzeit beſſer als die Subſtanz.
Nach dem Erbrechen ſoll der Magen/ ſo nun
ſchwach/ wiederum mit kraͤfftigen ſauerlichten
Fleiſch- oder Huͤnerbruͤhen und dergleichen/
ſo bald Nahrung beybringen/ geſtaͤrckt wer-
den. Zu Ausfuͤhrung ſchaͤdlicher Materi/
damit ſich das Peſtilentzialiſche Gifft vermen-
gen kan/ dienen folgende Purgantia.
Loͤſe ſolches in genugſamen Decocto von Ta-
merinden auff/ ſeihe es/ und thue darzu
M. F. Potiuncula.
M. F. Potio. S. Laxier-Tranck.
ET was genauere Wiſſenſchafft aberWas bey
graſſiren-
der Peſt zu
beobach-
ten.
von der Peſt zu haben/ ſo ſeynd un-
terſchiedene Schwachheiten/ die der
Peſt am naͤheſten verwandt ſeyn. Ferovan-
tus gedencket derer 4. welche ſich der Peſt am
naͤheſten vergleichen/ unter welchen die erſte
das Fleckenfieber genannt wird/ welches ebenWas fuͤr
Kranck-
heiten der
Peſt nahe
kommen.
ſo gefaͤhrlich als die Peſt ſelbſt iſt/ und viel
Menſchen umbringet. Die zweyte Schwach-
heit ſeynd die Purpeln/ ſo gleichſam eine
Kranckheit der Kinder iſt/ durch welche viel
zum Grab befoͤrdert werden. Die dritte iſt
ein Fieber mit einem faſt unleidlichen Haupt-
ſchmertzen/ welches anſteckend/ und den Men-
ſchen gleich wie die Peſtilentz umbs Leben
bringet. Die vierte und letzte ſind die aus
der Faͤule entſtandene Fieber/ welche gleich-
falls anſtecken/ und wie die Peſtilentz Gefahr
des Todes erregen. Dieſe vier Kranckhei-
ten ſeynd mit der Peſt in naher Verwandt-
ſchafft/ und haben ſolche Patienten keine Si-
cherheit mit der Peſtilentz des Sterbens we-
gen zuvor/ wiewol die rothe Ruhr und Hun-
gariſche Kranckheit/ wenn ſolche hart anſe-
tzet/ denen andern im anſtecken gar wenig zu-
vor geben wird.
Es ſind auch alle Phyſici und Medici ein-
ſtimmig/ daß in Peſt-Zeiten kein Wind ſo
ſchaͤdlich als der Mittags-Wind ſey/ und
zwar darum/ weilen er warm und feucht/ und
dahero zu Erregung der Faͤule und daher ent-
ſpringenden boͤſen Fiebern am bequemeſten.
Dahero von den Medicis gerathen wird/ fuͤr
ſolchen Wind oder Lufft/ Fenſter/ Thuͤr und
Thor zuzuſchlieſſen. Gleichwie aber die Peſt
von dem meridionaliſchen climate am erſten
oder meiſten ihren Aus- und Fortgang hat/
oder aufs wenigſte von denſelbigen doch vor
andern fovirt wird/ alſo ſtreichet und ſchlei-
chet ſie von den Orten hinweg/ und wandert
gegen der Sonnen Untergang/ oder nach
Weſten/ wie Plinius Hiſtor. lib. 7. cap. 50.
ſchreibt: Man hat wahr genommen/ daß die
Peſt allezeit von den mittaͤgigen Orten nach
der Sonnen Niedergang wandere/ welche
Worte inſonderheit Mercurial. de Peſte c.
20. allegirt/ welcher auch darbey ſchreibt:
Dixi vobis, Auſtros eſſe eos, qui peſtes ad-
vehant; ut Jure ſcriptum ſit, à Plinio lib. 7.
c. 50. obſervatum eſſe, \&c. i. e. Ich habe
euch geſaget/ die Suͤdwinde ſeyen diejenige/
welche die Peſt herbey fuͤhren/ daß alſo Pli-
nius im 7. Buch am 50. Capitel recht und
wohl geſaget: man habe wahr genommen/ ꝛc.
daß auch die Peſt von Mittag gegen Abend
ſich zu wenden pflege/ iſt mit vielen Peſten zu
erweiſen.
Ob aber die Peſt bey naͤchtlicher Zeit ge-Auch iſt
die Nacht
nicht ſo ge-
faͤhrlich
als der
Tag.
faͤhrlicher als am Tage graſſire/ davon ſchreibt
Herlicius P. II. Conſil. Politico-Phyſici de
Peſte cap. 1. Wer reiſen muß/ kann es bey
Nacht ſicherer thun/ als bey Tage/ ausge-
nommen/ wenn der Mond voll iſt/ zu wel-
cher Zeit beſſer iſt bey Tag/ als in der Nacht
wandern/ und ſonderlich ſoll man acht ha-
ben/ daß der Mondſchein den Menſchen im
Schlaffe nicht beruͤhre/ weil er zu der putre-
faction oder Faulung geſchickt mache. Denn
unangeſehen derſelbe zu vielen groſſen Be-
ſchwerungen und unnachlaͤſſigen Fluͤſſen Ur-
ſach giebt/ hat er uͤber das dieſes noch hinter
ſich/ daß wider faſt aller Medicorum Mey-
nung die Nacht zur Zeit der Peſtilentz nicht
ſo gefaͤhrlich als der Tag ſey.
So iſt auch die natuͤrliche Furcht in Peſt-Furcht
giebt auch
viel Urſach
zum Ster-
ben.
Zeiten eine groſſe Mit-Urſache/ warum ſo
viel Leute jaͤhling wegſterben. Denn wenn
ein Menſch etwan in Geſellſchafften oder
ſonſt von der Peſt/ und was derer anhaͤn-
gig/ diſcuriren und reden hoͤret/ ſo er ſchuͤttert
er ſich/ und befindet ſich bald darauff uͤbel.
So hat man auch Exempel/ daß einige die
Peſt bekommen/ wenn ſie ſolche Peſt-Kran-
cke uͤber die Gaſſe tragen ſehen: oder wann
einer den Geruch von einem todten Coͤrper
an ſich ziehet/ ſo kann er ebenmaͤſſig alsbald
die Peſt an Halß haben. Auch wird einer
bald angeſtecket/ wann er etwas von Peſti-
F 5lenzi-
[90]DasX.Capitel.
lenziſchen Geſtanck oder Schrecken in ſich
hauchet/ oder etwa an einem Eſſen oder Ge-
traͤnck ein Grauen empfunden. Item/ wenn
ein Menſch einen andern anruͤhret/ von wel-
chem er Gedancken ſchoͤpffet/ daß er inficirt
ſey. Auch mancher/ wenn er allzuſehr an die
Peſt gedencket/ und derſelben nachſinnet/
und ſich ſolchen uͤbelen und erbaͤrmlichen Zu-
ſtand zu Hertzen ziehet/ kann ebenergeſtalt
durch immagination die Peſt bekommen:
Denn man hat Exempel/ daß einem/ den ein
Brieff von einem inficirten Ort/ wol dreyſſig
Meilweges fern entlegen/ zu Handen kom-
men/ ſich vor ſolchen dergeſtalt entſetzt/ daß
er bald angefangen einen Schauer und Mat-
tigkeit zu verſpuͤren/ und in ein Erbrechen zu
gerathen: derowegen auch an vielen Orten
zu Peſt-Zeiten die Brieff 24 Stund in freye
Lufft geleget und beraͤuchert werden. Iſt
alſo die Peſt nichts anders/ als eine geſchwin-
de/ anklebrichte und maligniſche Qualitaͤt/ ſo
da leichtlich durch Anhafftung von einem
Menſchen zum andern kan transferirt wer-
den/ ſo entweder aus Anhauchen/ oder
durch Angreiffen gifftigen Geraͤths und der-
gleichen/ kan mitgetheilet werden. Iſt alſo
die Peſt ein Morbus communis, oder gemei-
ne Kranckheit/ alſo/ wenn ſie vermittelſt eines
Contagii graſſirt/ ſtecket ſie auch insgemein
viele an/ dahero das Anſtecken gleichſam der
Character Peſtis genennet wird. Solches
aber
[91]Was beygraſſirender Peſt ꝛc.
aber geſchiehet entweder immediatè und ohn-
mittelbar/ da ein Leib ohne Mittel-Ding den
andern beruͤhret/ und ihme alſo das Peſtilen-
ziſche Gifft mittheilet/ oder mediatè, wenn
die Peſt vermoͤge des Zunders fortgepflan-
tzet wird.
Es werden die Menſchen auch von derAuf wel-
cherley
Art die
Menſchen
ſonſt an-
geſteckt
werden.
Peſt angeſtecket durch die Bett/ auf welchen
jemand an der Peſtilentz geſtorben/ oder
kranck gelegen: derowegen ſoll man dieſelbe
vor allen Dingen meiden/ ſich nicht freveler
und dummkuͤhner weiſe darauff legen/ wie
auch der Verſtorbenen Kleider nicht leichtlich
gebrauchen/ angreiffen/ und in ſeine Ver-
wahrung nehmen/ weil die Erfahrung be-
zeuget hat/ daß dadurch manch Hauß und
Menſch vergifftet und um ſein Leben bracht
worden. Dann die Peſt hafftet gern an
Wolle/ Seide/ Flachs/ Hanff/ Federn/ lei-
nen Geraͤth und dergleichen/ darum ſoll man
ſie nicht an vergifften Orten hohlen/ noch zu
ſich bringen/ auch ſeine eigene offt beraͤu-
chern. Nicolaus Maſſa, Medicus Venetia-
nus, Tract. 2. de Peſte cap. 1. beſchreibt ein
gantz Regiſter ſolcher Kauffmanns-Waa-
ren/ die das Gifftlang behalten koͤnnen/ item/
die gar kein Gifft an ſich ziehen: Des fuͤr-An wel-
chen Waa-
ren ein
Verdacht
iſt.
nehmſten zu gedencken/ ſo ziehet am meiſten
das Gifft an ſich allerley Wolle/ Fellwerck/
oder Thier-Haͤute: alles Peltzwerck/ Hanff/
Flachs/ Garn/ Zwirn/ Seide/ Tuch/ Bar-
chen/
[92]DasX.Capitel.
chen/ Bomeſin/ Tapethen/ Buͤcher/ Federn/
Leinwand/ Saͤcke/ Stricke/ Decken und
Koͤrbe/ welchen allen aber von andern wider-
ſprochen werden will.
Endlich auch haben einige Menſchen
Furcht fuͤr dem Geld/ ſolches anzuruͤhren/
wenn es aus inficirten Orten oder Haͤnden
kommet/ davon ſchreibt Panſa in 2. conſ. an-
tipeſt. in der 4. Frage. Es thun diejenige
nicht recht/ ſo die Schreiben und Muͤntzen/
welche von inficirten Orten kommen/ nicht
wollen angreiffen/ denn obſchon von etlichen
Medicis ſtatuirt wird/ daß der Gifft im
Schreiben ſich verbergen koͤnne/ und hernach
andere anzuͤnden: ſo halte ich doch dafuͤr/ daß
die Perſon etwa uͤber der traurigen Bott-
ſchafft/ ſo im Brieff geſtanden/ ſich zu ſehr
commovirt/ und alſo aus Schrecken ſey
commovirt worden/ oder ſeynd andere Sa-
chen bey dem Brieff geweſen/ oder iſt wol
der Bott vergifftet geweſen/ und hat den
Gifft an ſeinen Kleidern haben koͤnnen.
So aber jemand leichtlich einen Grauen haͤt-
te/ der kan das Geld in Eſſig legen/ und ab-
waſchen/ den Brieff aber mit Myrrhen raͤu-
chern. Mercurialis de Peſte c. 12. haͤlt die-
jenige fuͤr einfaͤltig/ welche ſich fuͤrchten/ die
Muͤntz anzugreiffen; hingegen ſo ſcheuen ſich
gleichwol einen Weg wie den andern in Peſt-
Zeiten Geld anzunehmen von denen/ ſo an
der Peſt gelegen/ oder ſolche Seuche im Hau-
ſe
[93]Was beygraſſirender Peſt ꝛc.
ſe haben. Kan derowegen nicht ſchaden/ ſol-
chen Leuten die Furcht zu benehmen/ daß ſie
ſolche Muͤntz in Eſſig werffen/ oder abwa-
ſchen.
So auch werden in Contagion-ZeitenWas bey
dem Kir-
chengehen
zu beob-
achten.
von vielen die Kirchen geſcheuet/ weil in ſol-
chen manchmahl mehr als auf den Gaſſen
Gelegenheit gegeben wird/ die Peſt zu bekom-
men: als von wegen mancherley Athem des
vielen Volcks/ davon viel vermiſchete wider-
waͤrtige Duͤnſte entſpringen/ welche wenn ſie
mit der vereinigten Lufft vermiſchet/ und von
einem oder andern/ welcher allbereit darzu
diſponirt iſt/ angezogen worden/ geſchwind
anfaſſen. Zum andern/ daß mancher in der
Kirch angefteckt wird/ deſſen iſt kein geringe
Urſach die immagination, ſo er faſſet/ indem
er etwa dem Prediger ſo lang von der Peſti-
lenziſchen Seuche predigen oder beten hoͤret/
oder dieſes oder jenes Menſchen/ der ohn-
laͤngſt an dieſer Seuch gelegen/ anſichtig
wird/ und uͤber ſolchen erſchricket; Noch
vielmehr aber thut dieſes viel zu ſolchem Un-
heil/ daß mancher Menſch/ der die Peſt am
Leib traͤgt/ freventlich unter die Leut gehet/
und ſich noch unter die Geſunden ſetzet/ und
ſie alſo anſtecket/ worbey zu mercken/ daß beſ-
ſer ſey/ einen Sitz in der Kirche an niedrigen
Ort/ als wegen auffſteigender Duͤnſte auf
dem Laͤter oder Porkirchen zu haben. Ob
nun wohl in Peſt-Zeiten nichts ſicheres/ als
alle
[94]DasX.Capitel.
alle Gelegenheiten des anſteckens zu vermey-
den/ ſo entſtehet doch auch die Frage/ ob ein
geſunder Menſch/ und der ohne dem furcht-
ſam/ mit gutem Gewiſſen die Kirche meyden
ſoll? welche zu beantworten allhier denen
Herren Theologis uͤberlaſſe.
Item ſeynd die Naturen unterſchiedlich/
denn einer wird von der Peſt leichtlich ange-
ſteckt/ ein anderer aber gar nicht. Denn gleich
wie einerley gutes dem andern nicht gut iſt/
alſo kan auch einerley ſchaͤdliches dem andern
nicht ſchaͤdlich ſeyn/ ob ſchon der Gifft menſch-
licher Natur durchaus zuwider: Die Na-
turen ſind mancherley/ die Geſchicklichkeit
und Diſpoſition des Hertzens iſt nicht einer-
ley/ und die Nahrung/ die die Menſchen un-
ter einander brauchen/ iſt ungleich/ darzu iſt
an manchem Ort ein gar friſche geſunde
Lufft/ allda man ſelten erfaͤhret/ daß Peſtis re-
giert habe; derohalber auch etliche wegen
eines geringen Schadens und Entſatzes oder
Furcht dahin gehen/ da hingegen andere/ die
ihnen den Tod wuͤnſchen/ und alles thun/
was ihnen den Tod und Gifft bringen mag/
im geringſten nicht verletzt werden/ ſondern
zu jederzeit geſund bleiben. Daher kan eine
Peſt entſtehen/ welche allein die Kinder auff-
reibt/ ein andere kan entſtehen/ welche die al-
lerſtaͤrckeſten Maͤnner wegraffet: ein ande-
re Peſt kan entſtehen/ welche allein die
Schwaͤcheſte angreiffet. Panſa Conſ. Anti-
peſtif.
[95]Was beygraſſirender Peſt ꝛc.
peſtif. 2. quæſt. 8. Philibertus Marchin. in
problem. 2. de Peſte ſchreibt: Daß etliche
von der Peſt angefallen werden/ etliche aber
nicht/ iſt die Urſach/ daß etliche weite Schweiß-
loͤcher und Leibs-Gaͤnge haben/ alſo daß die
Peſtilentziſche Lufft eher bey ihnen penetri-
ren kan; auch weilen in etlichen viel boͤſe
Feuchtigkeiten ſich ſammlen/ welche hernach
je laͤnger je mehr einer Giffts-Quantitaͤt theil-
hafftig werden.
Denn auch ſchadet die Peſt insgemein denJunge
Leut wer-
den insge-
mein am
erſten an-
geſteckt.
jungen Knaben/ Juͤnglingen und Maͤgdlein
leichter als andern Leuten/ und werden ge-
meiniglich leichter angeſteckt/ wegen ihrer
groſſen natuͤrlichen Waͤrme/ ſo ſie in ſich ha-
ben/ wodurch ſie eines ſtarcken Einhauchens
und an ſich ziehens der Lufft bedoͤrffen/ mit
welchem viel boͤſes vermiſchet iſt. Item weil
wegen ihres feuchten und warmen Tempe-
ramems eher eine Faͤulung entſpringet/ ſo zu
der boͤſen gifftigen Kranckheit Anlaß giebet:
denn auch/ weilen ſie ſich nicht im Eſſen und
Trincken maͤſſiglich zu verhalten wiſſen/ ſon-
dern zu ſich nehmen/ was ihnen geluͤſtet/ auch
der Veneri zu zeitlich opffern. Endlich/ die-
weilen ihre Leiber luͤfftig/ und die Glieder
nicht wie bey den Alten zuſammen gefallen/
ſondern raͤumig/ und nach Nothdurfft von
einander unterſchieden liegen/ daher das Peſt-
Gifft ſich in ihnen deſtomehr regen und den
Leib durchdringen kan. Letztens bleiben ſol-
che
[96]DasX.Capitel.
che Juͤnglinge und Maͤgdlein ſelten daheim/
und kommen vor andern offtmalen an ein
Ort/ da beſſer geweſen/ daß ſie davon blie-
ben waͤren.
So auch iſt zu mercken/ daß die muͤſſigen
Leut leichter als andere angeſtecket werden/
weil ſie in ihren Leibern viel cruditaͤten und
Feuchtigkeiten ſammlen/ welche die natuͤrli-
che Waͤrme alſo ſchwaͤchen/ und der Glieder
Krafft einſchlaͤffern/ daß ſie wider das Peſti-
lentziſche Gifft ſo viel bey weitem nicht ver-
moͤgen/ als wenn ſie ſich eines Exercitii oder
Ubung maͤſſiglich gebraucheten. So wer-
den auch die/ welche lange nuͤchtern ſeyn/ eher
als die g[e]ſſen und getruncken haben/ inficirt
werden. Darum ſollen die Leut in Peſtzei-
ten nicht nuͤchtern ausgehen/ ſondern wenig-
ſtens Morgens fruͤhe Brod und Butter eſ-
ſen; die aber gutes Vermoͤgens ſeyn/ kan ein
guten Trunck Wein/ darinn etwas von Car-
dobenedicten/ Tauſendguͤldenkraut/ Angelick-
wurtz/ Pimpinellwurtz/ Citronſchalen/ Wer-
muth und dergleichen gelegen/ darauff thun/
oder andere obgemeldte Præſervative ge-
brauchen.
Endlich auch iſt bekannt/ daß die arme
Leue viel eher als die Reichen von der Peſt
angegriffen werden: warum ſolches aber ge-
ſchiehet/ beantwortet die geſunde Vernunfft/
dann es mangelt den Armen ſowol bey ge-
ſunden als krancken Zeiten an allen Orten;
und
[97]Was beygraſſirender Peſt ꝛc.
und obwol ein Menſch nicht klagen ſoll/ wenn
er geſund iſt/ ſo ſtecket er doch voller Sor-
gen/ wie er die jenige Mittel zu Handen
ſchaffe/ dadurch er ſolche ſeine Geſundheit er-
halten moͤge/ und wie er ſeinen Leib fuͤr
Kranckheiten præſervire; und weil ſolche die
Armen nicht/ oder doch ſchwerlich zuwege
bringen koͤnnen/ die Reichen aber ihre Medi-
dicos, Barbierer/ Apothecker und andere
Huͤlffmittel zur Hand haben/ ſo iſt kein
Wunder/ daß ſolche Arme leichter als die
Reichen inficirt werden. So eſſen und trin-
cken die Armen auch allerley/ es mag ihnen
ſchaͤdlich oder nutzlich ſeyn/ und ſammlen viel
Boͤſes in ſich/ dahingegen die Reichen Ge-
legenheit haben/ eine rechte Diæt zu gebrau-
chen. Je mehr nun ſchaͤdliche Materi in Leib
geſammlet wird/ je ſchleuniger ſoll man ſol-
che auspurgiren/ welches aber die Armen
wenig zu Sinn faſſen/ und alſo auch deſto
geſchwinder angeſteckt werden.
Daß aber auch die Weibsbilder ehe alsUnd
Weibs-
Perſonen
ehe als die
Maͤnner.
die Manns-Perſonen angeſtecket werden/ ver-
urſachet/ weil ſie duͤnnere/ poroſiſche und wei-
chere Leiber haben/ durch welche die vergiffte
Lufft leichter eindringen kan. So ſind ſie
auch der Leibs-Beſchaffenheit nach insge-
mein ſchwaͤcher als die Maͤnner; auch wei-
len ſie mehr uͤberfluͤſſige Feuchtigkeiten bey
ſich haben/ welche gleichſam der Zunder ſind/
ſo das anſteckende Gifft an ſich ziehen. Und
Gwei-
[98]DasX.Capitel.
weilen ſie vielfaͤltig der Verſtopffung des
weiblichen Fluſſes unterworffen/ da alsdenn
ſolch verſtopfftes Gebluͤt gar leichtlich eine
boͤſe Natur gewinnet/ und von dem Peſti-
lentziſchen Gifft inficirt wird. Letztens auch/
weil ſie wie die Kinder den Gemuͤths-Affe-
cten/ als Furcht/ Zorn ꝛc. mehr als erwach-
ſene Manns-Perſonen ergeben/ und andern
mehrern Schwachheiten unterworffen ſeyn.
Schwan-
gere ſind
der Peſt
auch ſon-
derlich
unter-
worffen/So werden die ſchwangern Weiber auch
leichter als die andern mit der Peſt inficirt/
Urſach/ weilen ſie von wegen ſchwerer Leibs-
buͤrde ſchwaͤcher und matter ſeyn: auch weil
es uͤber die halbe Zeit kommet/ und das Kind
waͤchſet/ dero Athem je laͤnger je ſchwacher/
das Einhauchen der Lufft aber groͤſſer wird/
da denn zugleich mit der groſſen Menge der
in ſich gezogenen Lufft viel boͤſes in Leib kom-
men kan. Auch weilen wegen Verhaltung
des monatlichen Gebluͤts die boͤſe Materien
und Feuchtigkeiten im Leib gleichſam fer-
mentiren/ ebuliren oder jaͤhren und auffwal-
len. Bey den ſchwangern Weibern iſt auch
wie auch
Leibs-
frucht.die Frucht ſelbſt ein Theil/ und ſagt Galen.
1. aphor. 4. daß die Leibsfrucht ihrer Mutter
alſo anhange/ wie eine Frucht dem Baum/
und dieſes bezeuget auch die Vernunfft. Iſt
derowegen kein Wunder/ wann eine Mutter
oder ſchwangere Frau mit der Peſt uͤberfal-
len wird/ daß gleichſam auch die Frucht im
Leib part davon habe/ und in nicht geringe
Ge-
[99]Was beygraſſirender Peſt ꝛc.
Gefahr geſetzet werde. Denn indem die Na-
tur ſehr ſorgfaͤltig iſt/ wie ſie die Frucht neh-
re/ mehre/ und mit Vollkommenheit ehre/
dannenhero ſie denn ihr allerley humores und
ſpiritus zukommen laͤſt/ koͤnnen mit ſolchen
gar leicht peſtiferi halitus vermiſchet werden/
zumalen weilen der uterus zu ſolcher Zeit hi-
tziger iſt als andere Glieder/ und deßwegen
mehr an ſich ziehet. Nichts deſtoweniger
ſind Exempla bekannt/ daß wenn eine ſchwan-
gere Frau mit der Peſt inficirt worden/ die
Geburtsſtunde bald darauff kommen/ und
das Kindlein geſund zur Welt gebohren wor-
den. Alſo iſt es hingegen auch gar wol moͤg-
lich/ daß die Peſt/ wo ſie bald dieſes bald je-
nes Glied anfaͤllet/ die Baͤrmutter am erſten
anfalle/ und dem zarten Kindlein den Gar-
aus mache/ welches/ weilen es alsdann vom
Gifft bald abgetrieben wird/ zum oͤfftern die
Mutter verſchonet/ und bey dem Leben laͤſt.
WEnn in anſehnlichen und volckrei-Von der
Peſtilentz-
Pfarrher-
ren Ampt.
chen Staͤdten die Peſt einreiſſen
will/ ſo werden gemeiniglich Paſto-
G 2res
[100]DasXI.Capitel.
res Peſtilentiarii oder Peſtilentz-Pfarrherren
von der Obrigkeit auffgenommen/ welche in
zwey Claſſes abgetheil[e]t werden/ davon etli-
che nur zu denen Inficirten/ die in der Stadt
in Haͤuſern liegen/ die andern aber zu den je-
nigen/ ſo in die Spitaͤler/ Lazareth oder Peſt-
haͤuſer gebracht worden/ beſtellet werden.
Von den letztern aber zu reden/ iſt die Fra-
ge: Ob es genug ſey/ daß ein beſtellter Pe-
ſtilentz-Pfarrherr nur allein in das Lazareth
komme/ wenn er geruffen wird/ oder ob ſol-
cher mehrmal und zwar taͤglich die Krancken
beſuchen ſoll? Allhier hat es wol das An-
ſehen/ als ob es genug waͤre/ wenn er nur al-
lein zum Krancken gienge/ wenn er geruffen
wuͤrde/ um alſo der Gefahr deſto beſſer zu
entgehen/ und nicht ſo leicht in Leib- und Le-
bens Gefahr gerathen moͤchte. Es will ſich
aber doch nicht thun laſſen/ und iſt nicht ge-
nug/ ſondern er ſoll ſich taͤglich auffs wenigſt
einmal daſelbſt hoͤren/ finden und ſehen laſ-
ſen/ aus Urſachen/ weil faſt taͤglich neue Kran-
cke in ſolche Lazareth gebracht werden. Item
weil die Seuche mit den meiſten Krancken
bald den Garaus machet/ wodurch mancher
arme Menſch an Troſt-Mangel dahin ſter-
ben muß. So auch nimmet ein Patient im
Lazareth ihm nicht gern das Hertz/ einen
Pfarrherrn zu ſich ruffen zu laſſen/ theils weil
er meynet er mache ihm beydes die Beruffe-
ne und Beruffende zuwider/ theils auch wei-
len
[101]Von Peſtilentz-Pfarrherren.
len er ſelne Lebens-Gefahr nicht ſo weit be-
dencket/ theils weilen er auch in ſeiner Kranck-
heit ſo beaͤngſtiget und in Forcht lieget/ daß
er auff ſolche geiſtliche Seelen-Artzney nicht
ſinnen kan. So auch iſt des Pfarrherrn oͤff-
tere Gegenwart vonnoͤthen/ weil in ſolchen
Haͤuſern unterſchiedene Religions-Ver-
wandte angetroffen werden/ bey welchen Fleiß
anzukehren/ ſie auff den rechten Weg zu brin-
gen. So auch finden ſich offtmal viel gott-
loſe ruchloſe Perſonen unter ſolchen Krancken/
welche weder nach GOtt und ſeinem Wort
fragen/ und alſo viel weniger eines Pfarr-
herren begehren werden/ zu ſolchen ſoll ein
Lazareth-Pfarrherr fleiſſig gehen/ und ſich be-
muͤhen/ durch Schaͤrffung des Geſetzes/
Warnung und Lehre/ aus des Teuffels Stri-
cken zu befreyen/ und derer ſonſt verlohrne
Seel zu erretten/ dieweil an ſolcher weit mehr/
als den Leib mit noͤthiger Diæt und Medicin
zu verſorgen/ gelegen. So auch haben die
Lazarethmeiſter und ihre Bediente nicht al-
lemal Zeit und Gelegenheit denſelben zu ruf-
fen/ oder thun es nur nach ihrem Gefallen/
oder vergeſſen es gar/ wie bey ſolchen Leuten
vielfaͤltig zu geſchehen pfleget. Endlich auch
wird durch des Pfarrherrn Fleiß/ der Perſo-
nen/ die zum Krancken warten beſtellet/ ihr
Fleiß auch erwecket/ auffgemuntert und ver-
mehret/ wenn ſie ſehen daß die Principal-
Warter/ als Pfarrherr/ Medici und Barbie-
G 3rer
[102]DasXI.Capitel.
rer ihr Ampt fleiſſig/ ſorgfaͤltig und treulich
verſehen/ und alſo mit guten Exempeln vor-
leuchten.
Am Ende des IV. Capitels iſt etwas mit
wenigem der Schulen und Schulmeiſter ge-
dacht worden/ ſonderlich ob ſolche in gefaͤhr-
lichen Peſtzeiten gar zu beſchlieſſen waͤren/
weil es beſſer gethan ſcheinet/ wie Hieron. in
Epiſt. ſaget: Melius eſt neſcire aliquid, quam
cum periculo diſcere, i. e.Es iſt beſſer man
weiß ein theil nicht/ als daß man es mit Ge-
fahr lerne. Weßwegen D. Joh. Evvig c. 6.
vom Ampt einer weiſen Obrigkeit in Peſt-
zeiten alſo ſchreibt: Was ſolte ich von den
Schulen/ in welchen die Knaben zuſammen
kommen/ anders ſagen/ denn daß es durch-
aus zu rathen/ und faſt noͤthig ſcheine/ ſo wir
die Fortpflantzung des Giffts verhuͤten wol-
len/ daß die Schulen/ welche nicht koͤnnen
an ein bequem Ort geleget werden/ eine Zeit
zugeſchloſſen bleiben/ und lieber mit gerin-
germ Nutz und Frucht die Jugend daheim
unterwieſen werde/ als daß ſie mit groſſer
Gefahr unter den Hauffen gehe/ denn es pfle-
gen die jungen Knaben unterſchiedenen Al-
ters dieſem Ungluͤck mehr als alte Leut unter-
worffen zu ſeyn/ deßwegen auch gelehrte Leut
gerathen/ man ſolle die Knaben ein Zeitlang
von den vergiffteten Oertern in fremde Lan-
de verſchicken. Obwol von vielen vorneh-
men Geiſtlichen nicht gebilliget wird/ daß
man
[103]Wie ſich einMedicuszu verhalten.
man die Schulen ſolcher Zeit beſchlieſſen
ſoll/ ſo muß man dennoch in Peſtzeiten et-
was nachgeben/ weil jede Eltern gerne ih-
re Kinder fuͤr ſolcher Seuche bewahren
wollen.
Was die Medicos anlanget/ welche inMedicus
wie ſich
ſolcher in
Peſtzeiten
zu verhal-
ten.
Peſtzeiten beruffen werden/ davon fallen
unterſchiedene Meynungen/ davon einige
gedencken/ wie nicht vonnoͤthen waͤre/ die
qualificirteſte Medicos, ſondern nur die
ſchlechteſte in Peſtzeiten zu gebrauchen/ aus
Urſachen/ weilen ſolche leichtlich durch die-
ſe Seuche hingeriſſen werden/ und durch
den Verluſt ſolcher Leute dem gemeinen
Beſten mehr Schade/ als durch viel ande-
rer Tod zugefuͤget werden kan. So auch
wegen hoher Stands-Perſonen und ande-
rer/ von welchen die fuͤrnehmen Medici ge-
ehrt/ geliebt/ und Raths gefraget werden/
ſich nicht gern bey den inficirten Perſonen
gebrauchen laſſen. Auch weilen nach Hi-
pocratis Lehre die toͤdtlich darnieder Liegen-
de Deo \& prognoſtico zu uͤberlaſſen/ und
doch kaum der dritte oder vierte Theil der
Krancken auffkomme/ und das Gluͤck man-
chen mehr als die Artzney helffe/ welche ſo
vielmehr glaublich/ weil man wider die
Peſt kein recht ungezweiffeltes pacificum re-
medium habe/ oder da ſchon eines ſey/ ſo ſey
es doch allein GOtt bekannt.
Es iſt aber dennoch ſehr viel an einem
Medico gelegen/ welchen die von der Peſt
inficirte Krancke unter die Haͤnde gegeben
werden/ und wird auch viel von ihm erfor-
dert/ und zwar/ daß er ein exemplariſcher
gottsfuͤrchtiger exercirt und erfahrner Mann
ſey/ einen guten Wandel fuͤhre/ der auch in
Abweſenheit des Pfarherren/ oder ſonſt im
Fall der Noth denen Krancken auf alle Wege
troͤſtlich und ermahnend zuſprechen kan/ daß
er ein nuͤchtern und maͤſſig Leben fuͤhre/ und
alſo mit gutem Verſtand bey ſolcher hochge-
faͤhrlichen Seuche ſeine Antidota und Artz-
neyen ordne/ daß er nicht ein bloſſer Empiri-
cus oder Recepten-Schreiber ſey/ ſondern al-
ſo erfahren/ daß er ſich in der Schwachheit/
welche er zu curiren hat/ wie auch in ihre Ei-
genſchafft und Natur/ auch zuſchlagende
Kranckheiten richten/ und ſeine Cur loͤblich
auszufuͤhren wiſſe. Er ſoll auch ſo geuͤbet
ſeyn/ und ſeinen gantzen methodum curandi
auf dieſe zwey Fulcra der Artzney-Kunſt/
nemlich Rationem \& Experientiam ſetzen/
welches/ ob er es treffe/ daher eher wird abzu-
nehmen ſeyn/ wenn er die Urſachen der
Kranckheit wird zu ſagen und zu erklaͤren
wiſſen: auch wenn er weiß/ woher die
Kranckheit ihren Urſprung genommen/ und
in was fuͤr einem Stand und gradu ſich ſol-
che jetzo befinde? ob ſie zu curiren ſey oder
nicht/ deßgleichen wenn er ſeinen Krancken
zu
[105]Wie ſich einMedicuszu ꝛc.
zu rechter Zeit die Artzney ordnet/ und ande-
re Geſchicklichkeiten mehr: Ingleichen ſoll er
auch nicht nachlaͤſſig oder verdroſſen ſeyn/
ſondern ſeine Patienten/ auf Erſuchen/ fleiſſig
bey Tag und Nacht bedienen; und dem/
welchen er vermeinet aufzubringen/ wie auch
denjenigen/ an deſſen Geneſung gezweiffelt
wird/ einen wie den andern beſuchen/ und
keinen ſeines Amts Huͤlffe nicht verſagen.
Doch iſt er auch nicht verbunden/ Tag und
Nacht bey dem Patienten in Perſon zu ver-
bleiben/ bevorab wenn er der Patienten mehr
zu beſuchen hat. So ſoll er auch/ ſein gut
Gewiſſen zu erhalten/ keinen Patienten ver-
wahrloſen oder verſaͤumen/ auch um eigen
Nutzens willen wegen Gabe oder Geſchenck
den Krancken auffhalten.
Dieſes ſeynd alſo die fuͤrnehmſte Quali-Anfangs
der Peſt
ſterben ge-
meiniglich
viel Me-
dici.
taͤten und Requiſita, welche ein Medicus, der
denen an der Peſt liegenden Patienten be-
dient ſeyn will/ an ſich haben muß: woraus
leicht abzumercken/ daß es mit angehendem
Alter wegen Unvermoͤglichkeit und ſonſt an-
dern/ die den Kopff nicht viel an das Stu-
diren geſtreckt/ ausgerichtet iſt. Es beler-
net uns aber bey ſolchen Peſt-Zeiten die Er-
fahrung/ daß gemeiniglich anfangs viel Me-
dici hinſterben. Es iſt aber nicht conſe-
quens, daß ſolche allemahl drauff gehen; und
daß dieſerwegen andere ſich nicht an derer
Platz ſtellen ſollen: denn es iſt des Medici
G 5Acker
[106]DasXI.Capitel.
Acker und Pflug/ davon er ſeine Nahrung
ſuchen muß/ und alſo nicht zu zweifflen/ wenn
die Patienten oder andere in ihren Namen
ſich mit gebuͤhrender Verehrung zu rechter
Zeit einſtellen/ daß wenig Medicos zu finden/
die ſich ihme zu dienen enthalten werden.
Es iſt auch nicht zu laͤugnen/ daß unter
denen Medicis ein groſſer Unterſcheid/ weß-
wegen derjenige verſtaͤndig handelt/ welcher
nicht den naͤheſten fuͤr den beſten haͤlt/ noch
einen wie den andern achtet/ ſondern die
Wahl liebet; viel ſeynd aber der Meynung/
die Wahl beſtehe allein im Alter/ und werden
die alten den jungen allzeit fuͤrgezogen/ wei-
len dafuͤr gehalten wird/ daß ſie wegen viel
der Jahre groͤſſere Wiſſenſchafft in der Artz-
ney erlangt/ auch mehr ſtudirt und geleſen
als die juͤngere; Andere aber bedienen ſich lie-
ber den jungen Doctoren/ weilen ſie in der
Neuen Medicin, wie ſolche bis auf den heu-
tigen Tag erfunden oder erlernet worden/ in
allen beſſer als die alten geuͤbt ſeyn/ weilen
ſie auch freudiger und mit weniger Verdruß
als die alten die Cur verrichten: weilen ſie
auch ein beſſer Gedaͤchtnuͤß haben/ und weſ-
ſen ſie der Schwachheit wegen im Anfang
von den Krancken ſeynd berichtet worden;
ſind alſo ſcharffſinniger/ weil ſie alles koͤnnen
beſſer als die Alten im Gedaͤchtnuͤß behalten.
Die Sach aber zu entſcheiden/ ſo wird dafuͤr
gehalten/ wenn neben den alten wohlgeuͤbten
auch
[107]Vom Amt derMedicorumin Peſt ꝛc.
auch ein junger Medicus gebrauchet wird.
Dieſes waͤre alſo eine gute Meynung/ wenn
es nur die alten leiden moͤchten. Aber wie-
viel werden doch gefunden/ die ſo voller Neid
ſtecken/ daß ſie ſelbſt nicht ſehen/ was zu ih-
rer Ehr dienet/ weniger was die Chriſtliche
Liebe erfordert. Da fuͤrchten ja ſolche Neid-
Hammel/ es bekomme ein junger Medicus
auch ein Stuͤck Brodt/ und werde von gu-
ten ehrlichen Leuten geliebet und gefoͤrdert:
da er doch zuruͤck dencken ſolte/ wie wohl
es ihm gethan/ da er noch ein junger Doctor
war.
Nun iſt auch in Sterbens-Laͤufften unterWie ordi-
nari Peſt-
Medici be-
ſtellt wer-
den.
andern ein loͤbliche Ordnung/ und zwar nicht
eine von den geringſten/ daß ein oder der an-
dere gewiſſe Medicus zu den Peſtſuͤchtigen
beſtellt wird/ den andern aber Befehl geben
wird/ ſich der inficirten Haͤuſer zu enthalten/
damit durch das untereinander-lauffen von
ſolchen das Peſtilentz-Gifft nicht aus den
unreinen in die reine Haͤuſer getragen wer-
de. Es finden ſich aber bey ſolcher Verord-
nung andere Medici nicht wenig beſchweret;
dieweil ihnen in ihrer Creation in Kaͤyſerli-
chen Namen Macht und Freyheit gegeben
worden/ wo und wann ſie wollen Artzneyen
zu verordnen; auch weil es in Peſt-Zeiten
wenig andere Kranckheiten giebt/ und alſo der
Verdienſt gar gering ſeyn wuͤrde. Dafern
aber ein ander Medicus, ſo von der Obrig-
keit
[108]DasXI.Capitel.
keit expreſſe beſtellet worden/ nicht anzutref-
fen/ und unterdeſſen ein anderer begehret
wuͤrde/ ſo waͤre leicht zu erachten/ daß die-
ſer mit gutem Gewiſſen ſich abſentiren und
auſſenbleiben koͤnte/ zumal wenn er ſonſt in
geringer Praxin ſtuͤnde.
So wird auch insgemein dafuͤr gehalten/
daß ein Medicus, der von der Obrigkeit be-
ſoldet wird/ keinen Lohn von Patienten neh-
men ſoll/ er habe gleich eine Kranckheit was
es fuͤr eine ſey/ doch darffe er das wol anneh-
men/ was man ihm aus freyem Willen ge-
be: denn offt ſchaͤmen ſich die Patienten oder
dero Verwandte/ wann ſie gar nichts geben
ſolten; woraus aber erfolget/ wann ein Me-
dicus dasjenige/ was ihm offerirt wird/ an-
nehmen doͤrffte/ ſo wuͤrde aus dem Geben und
Nehmen bald eine Gewohnheit werden: Es
beſtehet aber nur in dem/ wann die Obrig-
keit ihm mit ſolcher Geſtalt accordiret hat/ daß
er von andern nichts nehmen ſoll. Solches
Accords aber ungeachtet/ mag er dennoch die
offerirte Verehrung annehmen/ wenn ſol-
ches nach erlangter Geſundheit geſchiehet.
Es iſt aber allhier nicht vonnoͤthen/ gar viel
von dieſer Materi zu eyfferen/ weil nicht viel
Oerter gefunden werden/ da man den Me-
dicis ſo viel/ als ſie zu ihrem jaͤhrlichen Aus-
kommen vonnoͤthen haben/ zur Beſoldung
giebt/ vielweniger/ daß ſie ihre Bibliothec
verbeſſern/ oder ihre Kinder redlich verſor-
gen/
[109]Vom Amt einesordinari Phyſici.
gen/ noch weniger aber/ daß ſie etwas zu ei-
nem Schatz zuruͤck legen ſolten. Doch kan
der/ welcher eine ordentliche Jahrs-Beſol-
dung hat/ denen Armen viel leichter etwas
ſchencken/ als derjenige/ welcher alles aus ſei-
nem Verdienſt anſchaffen muß.
Nun werden/ wie bekandt/ bey anſehnli-Amt eines
Stadt-
Phyſici.
chen Staͤdten ordinari Phyſici oder Medici
benennet/ und um eine gewiſſe jaͤhrliche Be-
ſtallung angenommen/ daß ſie alles/ was in
ſelbigem Gebiet zu der Leibes-Geſundheit der
Menſchen erſprießlich iſt/ mit Fleiß erwegen
ſollen: die Nothdurfft der Gebuͤhr anzu-
bringen und anzuordnen/ die Apotheker er-
heiſchender Nothdurfft nach viſitiren/ un-
tuͤchtige Perſonen und Artzneyen abſchaffen
zu helffen/ auf ihr und anderer Thun/ ſo ſich
der Artzney anmaſſen/ ſonderlich aber auf die
hochwichtige Compoſitiones oder Theriaca,
Mithridatii \&c. ernſtlich acht haben/ und al-
les treulich und fleiſſig verrichten/ zu welchem
Ende ſie als Ordinarii angenommen wer-
den. Nun iſt allhier die Frage/ ob ein ſol-
cher auch fuͤr einen Ordinarium tauge/ der
ſich in Peſt-Zeiten nicht gebrauchen laſſen
wolte? worauff kurtze Antwort erfolget: da-
fern er ſich gantz bey keinen Patienten finden
laſſen wolte/ ſie ſeyen Perſonæ publicæ oder
privatæ, ſo tauget er ſimpliciter nicht darzu.
Wenn aber ein ſolcher Ordinarius nur allein
die inficirte nicht beſuchen wolte? ſo ſollen
ſie
[110]DasXI.Capitel.
ſie eben darzu nicht verbunden ſeyn/ ſondern
koͤnnen auf der Barbirer Bericht/ auf ge-
nugſame eingenommene Relation, von Hauß
aus mit treuem Rath einſtellen und beyſprin-
gen; wann er aber keine Patienten beſuchen
und den Lohn nur vergeblich einnehmen wol-
te/ waͤre ſolcher nur fuͤr einen halben Medi-
cum zu halten.
Daß aber ſonderlich Medici beſtellt wer-
den/ die allein zu den mit Peſt inficirten
Krancken und in ſolche Haͤuſer gehen/ in an-
dere Haͤuſer aber und zu andern Krancken
nicht kommen doͤrffen/ iſt eine recht loͤbliche
Verordnung/ dieweil es denen/ ſo nicht eben
an der Peſt kranck liegen/ beſchwerlich ſeyn
ſolte/ und zumal/ wenn ſie ſich fuͤr der Peſt
fuͤrchten/ wenn kein anderer Medicus zu ha-
ben waͤr/ als die taͤglich mit inficirten Leu-
ten zu thun haͤtten. So waͤre es auch ei-
ner in Sterbens-Gefahr befindlichen Stadt
hoch ſchaͤdlich/ wenn nicht von Obrigkeit
wegen etliche wackere und wohlverdiente Me-
dicos, welche man noch lange gebrauchen
konte/ zuruͤck gehalten und geſparet wurden.
So iſt es auch gut/ weil ein Peſt Medicus
weiß/ daß er zu keinen andern Krancken/ als
die mit Peſt inficirt/ gehen darff/ derſelbe ſich
deſto mehr auf gute Artzney-Mittel befleiſ-
ſige/ und ſeinen Patienten damit deſto treu-
licher zu dienen.
Wo aber an einem Ort bey graſſirenderWie weit
ein Medi-
cus ſchul-
dig/ auf
des Infi-
cirten Be-
gebren zu
erſcheinen.
Seuche keine abſonderliche Peſt-Medici be-
ſtellet/ allda kan eine Obrigkeit keinen Me-
dicum befehlen/ daß er in inficirte Haͤuſer
gehen ſoll/ iſt auch nicht ſchuldig/ auf der Pa-
tienten Begehren zu erſcheinen/ wenn es ihm
nicht gefaͤllig iſt. Es iſt zwar hierin ein
Unterſcheid/ ob ein Medicus von privat Per-
ſonen oder von der Obrigkeit zu erſcheinen
erſuchet worden; denn von dieſer haͤtte er
noch ſeinen ordentlichen Beruff/ von jenen
ſolchergeſtalt nicht/ aber gleichwol wenn der
Medicorum viel beyſammen/ ſo kan ſie ſelbi-
ge mit berechtigtem Fug nicht alle heiſſen/ in-
ficirte wider ihren Willen zu beſuchen.
Wolte aber ein oder der andere ſich um ge-
buͤhrenden Sold/ oder auch nur um die Re-
compens, ſo er von den Patienten zu gewar-
ten hat/ beſtellen laſſen/ dem ſtehet es frey/
und ſind die andern alsdann wohl entſchul-
diget/ wenn ſie ſich fuͤr andere Patienten/ ſo
nicht an der Peſt liegen/ zu dienen ſparen;
iſt ihnen auch fuͤr keine Zagheit/ ſondern viel-
mehr fuͤr eine Fuͤrſichtigkeit zu deuten/ ihrer
und der ihrigen Perſon/ auch anderer nicht
inficirter Sicherheit zu rechnen. Denn wann
ein Medicus gebunden waͤr/ zu allen Kran-
cken zu gehen/ ſo waͤre er in ſchlechterer Con-
dition als ein Schuſter und Schneider/ weil
ein ſolcher von keiner privat Perſon gezwun-
gen werden kan/ daß er ihm Schue oder ein
Kleid
[112]DasXI.Capitel.
Kleid machen muͤſſe; wenn es ſich aber be-
gaͤbe/ daß kein Stadt-Medicus ſich gebrau-
chen laſſen wolte/ ſo koͤnte die Obrigkeit nach
Frembden trachten/ und ſolche alſo remuneri-
ren/ daß ſie ſich ihres Fleiſſes hernach fuͤr den
Inheimiſchen zu erfreuen haͤtten; wenn aber
keine auslaͤndiſche zu bekommen/ ſo koͤnte die
Obrigkeit ihre anweſende zwingen nach laut
der geiſtlichen Rechte: Ein Medicus iſt ſchul-
dig zu artzneyen/ ſonſt begehet er ein Todfuͤn-
de/ und iſt nach dem Goͤttlichen Geſetz/ wenn
der Krancke ſtirbt/ als ein Todtſchlaͤger an-
zuklagen/ weilen der jenige toͤdtet/ welcher ei-
nen vom Tod/ wenn er kan/ nicht errettet.
Wann es ſich aber begaͤbe/ daß ein Kran-
cker nicht leyden wolte/ von dem Medico be-
ſuchet zu werden/ ſo ſey der Medicus den-
noch verbunden/ zu dem Krancken zu gehen/
und ihn mit nothwendigen Artzney-Mitteln
zu verſehen/ weil ein ſolcher Patient einem
Furioſo oder Wahnwitzigen gleich zu ach-
ten. Aber es geſchiehet ſelten/ und wo es
geſchiehet/ ſo hat es bey dem Patienten ge-
meiniglich ein Urſach/ und iſt die Gelegenheit
des Patienten zu beobachten. Denn man-
cher Patient moͤchte wolgern einen Medicum
haben/ weil ihm aber das Vermoͤgen fehlet/
ſo hat er nicht das Hertz einen requiriren zu
laſſen. Ein anderer wolte gern eines Medici
Rath pflegen/ aber der verdammte Geitz will
ihm nicht zulaſſen/ den Medicum zu lohnen/
ohn-
[113]Vom Ampt einesMedici.
ohnerachtet er doch von GOtt an zeitlichem
Vermoͤgen geſegnet iſt. Mancher auch iſt
etwa aus gewiſſen Urſachen dem Medico
nicht hold/ oder hat ſonſt kein gut Vertrau-
en zu ihm: Mancher aber iſt von Schwach-
heit ſo eingenommen/ daß er nicht allerdings
bey gutem Verſtand iſt/ und ſonſt fuͤr Unge-
dult und Mattigkeit nicht weiß wie ihm iſt:
wird alſo dafuͤr gehalten/ daß man dem letzten
und erſten koͤnne und ſolle ohne remuneration
dienen/ den andern aber ſoll man durch red-
liche Leut erinnern laſſen/ was es fuͤr ein teuff-
liſch Werck um den Geitz ſey/ und wie uͤbel
der ſeiner Seelen pflege/ der ſeinen Leib nicht
gebuͤhrlich verpflegen mag/ darinnen die See-
le wohnet/ ita ut cauſa remota tollatur effe-
ctus, und der Medicus einen freyen Zutritt
gewuͤnne. Dieſes alles laͤſſet ſich wol pra-
cticiren/ wenn nur ein Medicus an ſolchem
Ort wohnet/ wo ihrer aber mehr ſeyn/ ſo
haben ſie zuzuſehen/ daß keiner dem andern
bey deſſen Patienten oder Kunden Ein-
trag thue.
Es begibt ſich auch zum oͤfftern/ daß einOb ein
Medicus
ſeine Se-
ereta duꝛch
den Apo-
thecker zu
machen
obligat iſt.
Medicus ein oder das ander Secretum hat/ da-
mit eine gewiſſe Kranckheit zu curiren/ ſo iſt
die Frage/ ob es ihm auch erlaubt iſt/ ſolches
ſein Medicament oder Kunſtſtuͤck ſelbſt zu be-
reiten/ und in benoͤthigtem Fall den Kran-
cken zu geben; dieſem aber widerſetzen ſich
die Apothecker/ vorwendende/ wenn ein Medi-
Hcus
[114]DasXI.Capitel.
cus ſelbſt Medicamenta bereitete/ ſo wuͤrden
ihnen ihre Waaren ſo viel laͤnger liegen blei-
ben/ auch deſto weniger Geld loͤſen/ und ih-
re Nahrung gewinnen/ wuͤrden auch in ih-
rem Ampt traͤge und nachlaͤſſig werden: ſo
auch wuͤrde es zwiſchen ihnen und den Me-
dicis leichtlich Unwillen und Mißverſtand
erregen/ da ſie doch den Patienten zu Nutz
und beſten vielmehr friedlich beyſammen le-
ben und freundliche correſpondenz pflegen
ſolten. Und dieweil auch durch ſolches præ-
pariren zuweilen wol allzuſehr auff den Ei-
gennutz geſehen wird/ weßwegen auch in fuͤr-
nehmen Staͤdten deßhalben ein ſonderliche
Ordnung gemacht worden/ wie aber ſolche
gehalten werden/ iſt am heitern Tage. Deñ
erſtlich iſt zu ſehen auff der Apothecker Hoch-
tragenheit/ daß die/ welche der Medicorum
rechte Hand ſeyn ſollen/ groſſen theils der-
malen ihnen mehr einbilden/ als der Medi-
cus ſelbſt/ und auff ihr groß gewonnen Gut
ſich verlaſſende/ die Doctores gern als ihre
Knechte gebrauchen wolten. Zu dem ſo
Apothe-
cker greif-
fen denen
Medicis
ein.weichen ſolche auch von ihrem Ampt ab/ und
greiffen dem Medico nach ſeiner Nahrung/
fertigen faſt allen Patienten/ die etwas an
ihnen begehren/ nach eigenem Gefallen Me-
dicamenta, ordiniren Purgantia ins Gelag
hinein/ es mag der Patient leben oder ſter-
ben/ ſonder einige Recepta, woraus erhellet/
wie wenig die Medici von ihnen geachtet wer-
den.
[115]Vom Ampt einesMedici.
den. Zu dem ſo iſt ja einem Medico erlaubt/
ſeine Secreta zu bereiten/ und ſeinen Patien-
ten in ehrlichem Preiß zu reichen/ ſo auch da-
her zu erweiſen/ weil ihme/ wenn er den gra-
dum Doctoris erlanget/ Krafft Kaͤyſerl. Pri-
vilegien/ alle Gewalt zu artzeneyen/ und in der
Medicin zu thun/ wie er es in ſeinem Gewiſ-
ſen zu verantworten getrauet. Und wann
er es nicht thun ſondern andern zu bereiten
ſeine Secreta geben muͤſte/ ſo waͤren es nicht
mehr Secreta, welches offt mehr Schaden als
Nutzen bringen wuͤrde. So auch wendetWarum
der Medi-
cus ſeine
Secreta
nicht com-
municirt.
offt ein Medicus ein groß Theil ſeines Ver-
moͤgens auff ein ſolch Experiment, wie ſolte
ſolcher hernach gehalten werden koͤnnen/ es
ſo ſchlechter dings einem Apothecker anzuver-
trauen/ welches von ſeinen Geſellen oder Jun-
gen bald anderswo ausgebreitet werden wuͤr-
de. Ingleichem waͤre es auch der Doctor-
Wuͤrde disreputirlich und ſchimpfflich/ an-
dern und geringern ſeine durch Studia erhal-
tene Secreta gemein zu machen/ und haͤtte al-
ſo nur ſtudirt/ damit er dem Apothecker ei-
nen Gewinn zubringen koͤnte. Und warum
ſolte der Nutzen von ſolchen Secretis nicht
mehr dem Medico als dem Apothecker ge-
buͤhren? Denn auch iſt ein Medicus ſolche
aus Handen zu geben nicht verbunden/ die-
weil nicht allzeit zwiſchen dem Medico und
Apothecker eine gute Harmonia, wie ſolche
billig ſeyn ſolte/ ſondern beſorget/ daß quid
H 2pro
[116]DasXI.Capitel.
pro quo, dieweil offt in einem arcano ſolche
Sachen enthalten/ welche dem Apothecker
annoch unbekannt/ und durch Chymiſche
Handgriffe bereitet werden muͤſſen/ zu wel-
chen ſich oͤffters die Apothecker-Geſellen die
Muͤhe nicht gerne machen/ ſelbige vorgeſchrie-
bener Ordnung nach zu bereiten.
Dieweil es aber bey Ausgebung der Me-
dicamenten/ ſonderlich was Secreta ſeyn/ bey
der Doctorn ihrer Freyheit verbleibet/ ſo fra-
get es ſich/ ob ſolchen auch erlaubt iſt/ einem
Patienten zu ſeinen Beulen/ Schlieren oder
Schwaͤren Pflaſter und Salben zu geben?
Gleich Anfangs duͤncket mich/ ich hoͤre ſchon/
wie ſich die Barbierer daruͤber beſchweren/
und ihnen die einfaͤltige Einbildung machen/
als ob es ihnen allein gebuͤhrete/ und daß nie-
mand mehr als alleine die Wundaͤrtzte mit
Pflaſtern/ Salben und dergleichen umgehen
und uͤberlegen doͤrfften. Aber ein ſolcher muß
wiſſen/ was es in dieſem Puncto mit den Do-
ctoribus und Barbierern vor eine Gelegen-
Privilegia
Docto-
rum.heit habe: Die Doctores haben/ vermoͤge ih-
rer Kaͤyſerl. Privilegien/ Macht zu allen
Kranckheiten/ ſie ſeyen innerlich oder aͤuſ-
ſerlich/ und alſo zu offnen Schaͤden alles zu
rathen/ zu ordiniren/ und zu geben/ was nur
den Patienten immer nutzlich und heylſam
iſt/ alſo daß ihnen hierinn kein Oberer/ als
der ſie principaliter zu Doctorn gemacht/ und
zwar nur in denen Dingen/ welche nicht wi-
der
[117]Vom Ampt einesMedici, \&c.
der das Gewiſſen lauffen/ einzureden. Wie
unverſchaͤmt denn nun die Barbirer und an-
dere Untere ſeyn/ die ſich ein ſolches unter-
nehmen/ iſt leicht zu ermeſſen. Wenn es ei-
nem Medico gefallen wolte/ die Pflaſter ſelbſt
zu uͤberlegen und zu verbinden/ welche Obrig-
keit wuͤrde ein Wort darwider reden/ noch
von Rechtswegen darwider reden koͤnnen?
aber weil es ſeiner Reputation und Doctor-
lichen Ehr nicht gemaͤß/ ſolche Servitia in der
Wund-Artzney zu verrichten/ ſo ſind die
Barbierer als Diener darzu beſtellt/ wie ſol-
ches der uralte Arabiſche Medicus Avenzoar
bezeuget/ da er ſpricht; Non eſt Medici ho-
norati manibus operati, ſed ſuis miniſtris
officio relicto, medicinâ \& cibo ægrotanti-
bus auxilio eſſe, i. e. Es ſtehet einem repu-
tirlichen Medico nicht zu/ Hand-Arbeit zu
verrichten/ ſondern ſolche ſeinen Dienern zu
uͤberlaſſen/ und den Krancken mit der Artz-
ney wie auch Speiß und Tranck zu verſehen.
Darum machet auch Hippocrates einen Unter-
ſcheid zwiſchen einem Medico und Chirurgo,
da er in ſeinem Jure jurando ſaget: Neque
enim calculo laborantes ſecabo, ſed vires
Chirurgiæ operariis ejus rei faciendæ locum
dabo. Das iſt: Ich will auch keine ſo am
Blaſenſtein ſchneiden/ ſondern ſolches die
jenige/ die ſich dergleichen Handwuͤrckung
ergeben/ verrichten laſſen. Wenn aber dem
alſo/ ſo wird ein Medicus wenig Ehre davon
H 3ha-
[118]DasXI.Capitel.
haben/ wenn er alles verbinden/ und die Haͤnd
an garſtige ſtinckende faule Schaͤden oder in
Peſtzeiten ſelbſt anlegen wolte.
Noch iſt auch an den Medicum die Frage
zu thun/ wenn er zweyerley Peſtkrancke Pa-
tienten hat/ davon einige arm/ und nicht zah-
len koͤnnen/ die andern aber vermoͤgend/ und
ihm guten Lohn geben koͤnnen/ ob er die er-
ſten verlaſſen und um des Lohns willen al-
lein zu den Reichen gehen darff? Dieſe
Frage beantwortet ihm ſein Gewiſſen; Ob
wol nicht ein jeglicher vergebens zum Kran-
cken gehet/ wenn die Kranckheit ſchon weder
gefaͤhrlich noch anſteckend iſt/ zu geſchwei-
gen wo allererſt die Peſt zum Fenſter heraus
ſiehet: Aber nicht allein die Chriſtliche Lie-
be/ ſondern auch ſein Ampt/ darein ihn Gott
geſetzet/ erfordert von ihm/ daß er Huͤlffe/
Gunſt und Kunſt genieſſen laſſe/ allen die de-
rer benoͤthiget/ ſie ſeyen arm oder reich. Es
iſt auch die Billigkeit/ daß er das Leben ei-
nes krancken Menſchen errette/ als Geld oder
Gelds werth allein zu gewinnen ſuche/ gibt
ihm auch ein groͤſſern Ruhm/ den Armen ver-
gebens zu dienen/ als dem Reichen ums
Geld; denn es ſoll bey dem Medico kein An-
ſehen der Perſon ſeyn/ denn ſonſt verbergen
ſie das ihnen von GOtt verliehene Talen-
tum: und wenn ſie ſolches den Armen zu
thun ſich weigern/ koͤnnen ſie von der Obrig-
keit darzu angehalten werden. Vor allen
aber
[119]Vom Ampt einesMedici, \&c.
aber iſt ein Stadt-Phyſicus und Medicus
Ordinarius, die Armen ſowol vergebens/ als
die Reichen um ihre Belohnung/ ſchuldig
zu curiren.
Wenn aber einen Medicum beduͤnckt/ daßMedicus
ſoll ſeinen
Patienten
nicht
muthwil-
lig verlaſ-
ſen.
bey dem Inficirten alle Medicin umſonſt an-
gewendet werden/ und nichts mehr als der
Tod zu gewarten iſt/ ſo hat er eben nicht
vonnoͤthen/ mehr vergebliche Muͤhe und We-
ge zu machen/ und ſich in mehrer eigene Ge-
fahr darbey ſetzen; aber dennoch muß ein
Unterſcheid gehalten werden/ und ſoll man
ſehen/ ob der Patient des Medici ferner be-
gehret oder nicht/ denn begehret er ſeines fer-
nern Beſuchens/ ſo kan er ſich deſſen nicht
wol weigern/ weil es ihm zu einer boͤſen Nach-
rede gereichen moͤchte/ ob haͤtte er muthwil-
lig den Patienten verabſaͤumet: begehret
aber der Patient oder deſſen Befreunde ſei-
nes fernern Beſuchens nicht/ ſo ſoll er doch
ohn ihren Conſens nicht auſſen bleiben/ wei-
len es ſich offt zutraͤget/ daß ein Medicus
vermeynet/ es ſey alle Huͤlff vergebens/ der
Patient dennoch ſich wieder erholet/ und ge-
ſund wird/ hernach ſolches Medici ſpottet.
Endlichen wenn der Medicus ſchon ſaͤhe und
wol merckete/ daß alles fernere artzneyen ver-
geblich/ ſo iſt es dem Patienten dennoch nuͤtz-
lich/ indem er ſich ſeines Medici Gegenwart
freuet/ und noch immer auff Geneſung hof-
fet; ſonderlich wenn der Patient der Unko-
H 4ſten
[120]DasXI.Capitel.
ſten nicht achtet/ ſo hat auch der Medicus dar-
uͤber nicht zu ſorgen.
Wie es aber mit der Zahlung oder Be-
lohnung des Medici eine Bewandnuß habe/
darzu gibt es unterſchiedene Leut/ indeme mir
offt und/ noch kuͤrtzlich allhier/ da ich meinen
Lohn/ ſo doch gantz billig war/ nach des Kran-
cken Geneſung forderte/ dieſe Antwort be-
kam: Ich haͤtte gemeynet/ der Herr Doctor
waͤre nur aus Hoͤfflichkeit zu mir kommen/ in
meiner Kranckheit mich zu beſuchen; da ich
doch zu zweyenmalen von der Patientin Ehe-
mann ordentlich requiriret worden. Ein
anderer/ welchen ich mit taͤglichen Viſiten
fuͤnff Wochen lang bedienet/ war ſo erkant-
lich/ daß er mir fuͤr meinen Lohn und noch
mit Unwillen 15. Batzen auff den Tiſch le-
gete. Und noch ein anderer gab die Ant-
wort/ er koͤnte Medicos genug haben/ welche
mit 5. Kr. fuͤr eine Viſite vergnuͤget waͤren.
Alſo findet man grobe Leut/ die dafuͤr halten/
es ſey ein Medicus ſchuldig maͤnniglich um-
ſonſt zu dienen/ oder doch um das jenige/
was ihm der Patient aus freyem Willen zu-
ſtellen will. Mit den Armen hat es ein an-
dere Bewandnuß/ da es heiſſet: Pauperem
gratis \& fideliter curare debet. Die aber/
welche geſund und ſtarck ſeyn/ von denen
mag er billig ſeinen verdienten Lohn fordern.
Und damit ein jeder wiſſe/ was er ſeinem
Medico ſchuldig zu geben ſey/ ſo iſt faſt je-
des
[121]Vom Ampt einesMedici. \&c.
des Orts von Obrigkeits wegen eine Ver-
ordnung gemachet/ und fuͤr den erſten Gang
30. xr. fuͤr den andern aber halb ſo viel ge-
ſetzt worden; wenn er aber extraordinari
Muͤhe gehabt/ oder groſſe Gefahr ausge-
ſtanden/ oder die Zeiten weit anders als da-
mahl/ wenn dieſe Ordnung gemachet wor-
den/ ſo koͤnte auch billig ein beſſerer Lohn ge-
fordert werden.
Nun wollen wir auch mit wenigen erin-Wund-
Aertzte ihr
Ampt/ wie
weit ſol-
chen in der
Peſt erfor-
dert wird.
nern/ was zu der Wund-Aertzte und Bar-
birer Amt in Peſt-Zeiten und ſonſt erfordert
wird. So iſt heutiges Tages der Verrich-
tung wegen unter denen Medicis und Chi-
rurgis ein Unterſcheid/ wie oben bereits erin-
nert worden. Es iſt aber ein Wund-Artzt
der Natur Diener/ auch wol Defenſor und
Auxiliarius, oder Helffer/ der das geſchaͤdigte
Glied wieder gebuͤhrender maſſen zurecht
bringen/ und denen Zufaͤllen wehren kan.
Darum ſollen ſolche in Peſt-Zeiten allezeit
bey der Hand haben eine ſolche Materiam und
Zeug/ die da zu Salben/ Pflaſtern und Uber-
ſchlaͤgen dienlich iſt: ſollen auch gleichfalls
mit guten Inſtrumenten verſehen ſeyn/ und
jedesmahl Lancetten/ Laß-Eiſen zum Aderlaſ-
ſen/ Scheermeſſer zum Auffſchneiden/ und
wohlverſehen Bind-Zeug und dergleichen
bey ſich haben/ ſelbiger ſich in Zeit der Noth
zu bedienen; weiter aber ſollen ſolche nicht
gehen/ und den Patienten Purgier- und
H 5Schweiß-
[122]DasXI.Capitel.
Schweiß-Traͤncke geben. Denn es ſeynd
Wund-
Aertzte
ſollen kei-
ne inner-
liche Mit-
tel den
Krancken
geben.einige Barbier/ ſo bald ſich nur jemand auſ-
ſer oder in Peſt-Zeiten klaget/ alsbald fertig/
ihre Schweiß-Traͤncker und Purgier im
Mund zu fuͤhren/ und ihres Gefallens zu
ordnen/ und wenn ſie hernach ſ. h. den Karn
(ſo zu reden) in Dreck geſchoben/ hernach erſt
den Patienten rathen/ ſich eines Medici zu
bedienen; der hernach ſolchen wieder heraus
ziehe/ wie wol offt allzulang gewartet iſt/ und
dem Krancken mit etlichen Schauffeln voll
Erde das Maul geſtopffet wird. Viel ſol-
cher Bartbutzer aber ruͤhmen ſich wohl/ daß
ſie in dieſem Studio ſo weit als ein Doctor
kommen/ die Complexion des Menſchen zu
verſtehen/ welches auch bey ein oder dem an-
dern paſſiren koͤnte. Wenn aber Doctores
in ſolcher Stadt wohnen/ ſo gebuͤhret es ih-
nen dennoch nicht/ weil Purgiren und
Schweiß-treiben zu den innerlichen Artzneyen
Laſſen ih-
nen auch
nicht gern
eingreif-
fen.gehoͤret. Gleichwie nun ein Barbier wuͤn-
ſchet/ daß man ihnen die Land-Curen allein
uͤberlaſſe/ und alle Æmulation und Wider-
willen verhuͤtet werde; deſto mehr aber iſt
ſolches zu beobachten/ wann eine Obrigkeit
ihnen ſolches expreſſe verboten hat. Im
Fall aber ein Medicus ſchwer oder gar nicht
zu bekommen/ ſo koͤnte hierinnen nothfalls
einem verſtaͤndigen Barbier nachgeſehen
werden: doch daß ſolcher dieſe Mittel/ wel-
che von Antimonio, Mercurio, Diagrydio,
Scom-
[123]Vom Ampt einesMedici \&c.
Scommonio, Troch. Alhand. \&c. bereitet/
und von ſtarcker und gefaͤhrlicher Wuͤrckung
ſind/ derer ſollen ſie ſich nicht bedienen/ da-
mit er nicht etwan/ wann er andere heilen
will/ ſein eigen Gewiſſen verwunde/ welches
in ſolchen Faͤllen gar leicht geſchehen kan.
Die andern aber/ denen ſelbſt genug bewuſt/
daß ſie in der Artzney-Kunſt wenig erfahren/Was ſol-
che darun-
ter ſuchen.
ihnen auch nicht gebuͤhret/ ſich etwas zu un-
terfangen/ deß ihres Amts nicht iſt/ haben
ſolches vielmehr in Obacht zu nehmen/ da ſie
ſich weder von dem Geld-Geitz/ um etwas
mehrers zu gewinnen/ oder von dem Ehr-
Geitz/ um geſehen zu ſeyn/ und den Namen
zu haben/ als ob ſie neben ihren Bart-butzen
auch gewaltige Doctores ſeyn/ da doch man-
cher Metzger mehr Hirn an ſeinem rothen
Kamſol hat/ als ſolche vorwitzige Geſellen zu
den innerlichen Artzneyen in allen ihren Koͤpf-
fen verfuͤhren laſſen.
Was in Peſt-Zeiten faſt am allernoth-Auf die
Apotheker
iſt in Peſt-
Zeiten ſon-
derlich zu
ſehen.
wendigſten/ iſt daß man ein wachſames Au-
ge auf die Apotheken richte/ damit ſolche die
vom Medico verordnete Artzneyen alſobald
verfertige/ auch ſolche Medicamenta, wann
ſolche nicht allbereit friſch und gut præpari-
ret fuͤrhanden/ fuͤr allen andern/ ſo gut und
friſch ſeyn/ bereite. So vlel dieſen Puncten
betrifft/ wird offt in Apotheken ſehr gefeh-
let/ und daruͤber geklaget/ wann bey ſolchen
gifftigen anſteckenden Kranckheiten ein Artz-
ney
[124]DasXI.Capitel.
ney des Morgens in aller fruͤh geordnet wird/
ſelbige bisweilen erſt zu Mittag/ oder wohl
gar erſt auf den Abend zu erhalten iſt/ ſo bil-
lich von einer Obrigkeit zu beſtraffen. Denn
auch bald anfangs dieſer Seuche bey einem
Menſchen periculum in mora iſt/ zu geſchwei-
gen/ wann ſie ſchon ein/ zwey oder mehr Ta-
ge gewaͤhret/ der Patient entweder den
Schaden verſchweiget/ oder weilen er ſonſt
zum Medico oder Apotheker nicht gelangen
Sollen die
Recepta
eyligſt fer-
tigen.koͤnnen: Derohalben die Apotheker/ ſie ſeyn
eigentlich zum Lazareth beſtellet oder nicht/
ſich fleiſſig fuͤrſehen oder huͤten ſollen/ daß ſie
niemand verkuͤrtzen/ zumal wann ein Re-
cept mit citò oder citiſſimè bezeichnet iſt.
Solchem koͤnnen ſie aber ſo viel mehr ein Ge-
nuͤgen thun/ wann ſie keine Unkoſten ſparen/
(geſtalten ſie ſolche zu ſparen auch keine Ur-
ſach haben/ ſintemahlen unter denenjenigen/
welche wegen der inficirten Krancken bemuͤ-
het ſeyn/ niemand mehr Geld gewinnet/ und
mit minderer Gefahr reich wird als eben der
Apotheker/ welche fein daheim bleiben/ wohl
leben/ und ihnen das Geld continuè zutra-
gen laſſen; da hergegen Medici, Barbirer ꝛc.
den Gifft mehrentheils um ein geringes
Schandgeld/ als etwa halben Gulden oder
halben Thaler ſelbſt entgegen gehen/ allerley
Dampff und Geſtanck einnehmen/ und viel
andere Ungelegenheit mit Seufftzen und Le-
bens-Gefahr ausſtehen muͤſſen) genugſame
und
[125]Vom Ampt der Apotheker ꝛc.
und tuͤchtige Geſellen zu bekommen/ die ih-
nen helffen/ und die Patienten unverzuͤglich
befoͤrdern. Im ubrigen ſo iſt den Apothe-Keine Me-
dicamenta
ordiniren.
kern ſo wenig als auch den Barbirern erlaubt
nach ihren Gefallen einige Artzneyen/ es ſeyn
purgirend- oder Schweiß-treibende Sachen
zu geben; und zwar in Peſt-Zeiten den Pa-
tienten zu verordnen/ oder ohne von einem
verſtaͤndigen Medico gegebene Recepta zu
bereiten. So es nun den Wund-Aertzten
nicht gebuͤhret noch nachgelaſſen/ die doch et-
licher maſſen Medici moͤgen genennet wer-
den/ wieviel weniger wird es dann den Apo-
theker erlaubt ſeyn. D. Panſæ in ſeiner Hauß-
Apothek cap. 3. ſchreibt dieſe Worte: Uber
dieſes ſoll kein Apotheker Gifft ohne Vor-
wiſſen des Medici verkauffen/ oder andere
Artzneyen/ ſo die Menſes treiben/ verdaͤchti-
gen Perſonen zukommen laſſen/ auch keine
purgirende Artzney/ wie denn ſolches die A-
potheker im taglichen Gebrauch haben/ daß
ſie denen Leuten geſchaͤrffte Pillen/ purgiren-
de Magen-Pulver/ Purgier-Traͤncke und
andere Sachen/ vor dieſe/ bald fuͤr eine an-
dere Kranckheit ausgeben: darbey ſehen ſie
doch gern/ daß der Medicus in ihre Officin
alles ſchreibe/ wollen auch wol mit ihm ex-
poſtuliren/ wenn er ihm nicht alles commu-
niciren will. Nun frage ich dich bey ſolchem
Verhalten/ wie ſoll ſich denn ein Doctor ehr-
lich aufffuͤhren/ und ſeiner Studien erfreuen
koͤnnen/
[126]DasXI.Capitel.
koͤnnen/ oder ſeine Nahrung gewinnen/ wann
Denen
Medicis
nicht in
ihr Ampt
greiffen.ihm ſo ſchaͤndlich von unwiſſenden Apothe-
kern eingegriffen wird/ muß er ſich nicht ſei-
nes habenden Rechts bedienen/ und ſelbſt
nach den Materialien greiffen/ ſeinen Pa-
tienten benoͤthigte Medicamenta zu machen:
worbey er ſich auch nicht zu beſorgen hat/ daß
ſein Patient mit dem ſchaͤdlichen quid pro
quo um ſein theures Geld verſehen wird.
Denn wenn der Medicus ſich die Muͤhe neh-
men will/ die Artzney fuͤr ſeine Patienten ſelbſt
zu verfertigen/ ſo iſt er vergewiſſert/ daß ſie in
wahrer Treue bereitet ſeyn: Erſtlich mit gu-
ten Materialien/ zum andern recht nach
dem Recept/ und nicht quid pro quo, drit-
tens auch nach dem vorgeſchriebenen Ge-
wicht/ und das alles/ damit er bey ſeinen
Patienten Huͤlff verſchaffen/ ehrlichen Lohn
verdienen/ auch einen guten Namen darbey
erhalten moͤge. Solche und dergleichen
Puncta werden in Apotheker-Ordnungen
gefunden/ und zum Theil im Druck gegeben;
wenn aber auch nur uͤber ſolche Ordnungen
gehalten wuͤrde. Soll alſo ein jeder Apo-
theker ſein Gewiſſen wohl bedencken/ und da-
fuͤr halten/ daß es nicht ein gering Ding ſey/
Leib und Leben einem zu vertrauen; es iſt oh-
ne dem die Artzney meiſtentheils widerwaͤrtig
zu gebrauchen/ und deßwegen deſto fleiſſiger
als dasjenige/ was beydes dem Medico und
dem Apotheker gebuͤhret/ in Acht zu nehmen/
damit
[127]Vom Ampt der Apotheker ꝛc.
[d]amit ſie deſto beſſern Schutz wider die Un-
[d]anckbaren in ihren Beruff/ und wider die
[b]etruͤglichen Kuͤh-Aertze und Landfahrer ha-
ben moͤgen.
Rodericus à Caſtro ſchreibt unter andern
alſo: Pharmacopæus praxin Medicam non
exerceat, ſed conſulentes ad Medicum diri-
rigat: das iſt: Ein Apotheker ſoll nicht ſelbſtVermah-
nung an
die Apo-
theker.
artzneyen/ ſondern die Rathfragende zu de-
nen Medicis weiſen; und zwar iſt ſolches an
und fuͤr ſich ſelbſt billich/ denn es hat beydes
der Medicus und der Apotheker ein beſonders
Ampt: Gleichwie nun der Apotheker nicht
gern ſehen wuͤrde/ daß der Medicus ſelbſt die
Artzneyen præparirte/ und ihm alſo in ſein
Ampt fiele/ wiewol der Medicus als Director
ſolches oberwehnter maſſen noch wol Macht
haͤtte/ alſo kan ein Apotheker auch leicht er-
meſſen/ daß der Medicus ſich uͤber ſeine Artz-
neyen (das doch gantz ohne Grund iſt/ wei-
len er ordentlicher Weiſe nicht darauff ſtu-
dirt/ noch die Freyheit zu artzneyen durch
die gewoͤhnliche vorhergegangene Examina
erlanget hat) billich offendirt befinde/ und
Urſach habe/ den gehabten Favor gegen ſol-
che Apotheker enger zuſammen zu ziehen/ um
ſich ſeines Schadens anderwaͤrtlich zu er-
hohlen.
GLeichwie es nothwendig iſt/ daß in
Peſt-Zeiten die Krancken mit ab-
ſonderlichen Pfarrherren/ Medicis,
und Barbirern/ wie oben gemeldet/ verſehen
Abſonder-
liche Heb-
ammen
ſollen in
Peſt-Zei-
ten beſtel-
let wer-
den.werden/ eben ſo nothwendig iſt es auch/ daß
die Weiber/ ſo mit der Peſt inficirt/ auch ihre
beſondere Hebammen haben. Sintemalen
einerley Motiven und Bewegnuͤſſe/ und alſo
rei identites ein ſolches erfordern/ nemlich
damit/ wenn die andere Hebammen verſcho-
net bleiben/ gebaͤhrende Weiber ſich dieſer
ohne Furcht und Schaden der von denjeni-
gen/ ſo ſonſt mit Peſt inficirten umgehen/
leichtlich entſtehen/ und weit um ſich greiffen
kan/ in ihren Kindsnoͤthen gebrauchen kan/
weßwegen auch Obrigkeiten ſchoͤne und loͤb-
liche Ordnungen gemachet/ und ſonderlich
mit Eyd und Pflicht beleget/ daß ſolche/ wenn
ſchwangere Weiber in den inficirten verſchloſ-
ſenen Haͤuſern und die Zeit ihrer Geburt her-
zu ruckt/ oder auch ſonſt durch goͤttliche Ver-
haͤngnuͤß/ durch Staͤrcke der Kranckheit die
Leibes-Frucht von ihnen getrieben werden
Wie ſich
ſolche zu
verhalten.ſolte/ ſolchen ſchwangern Weibern in der
Noth beyſpringen/ Huͤlff und Rettung
thuen/ damit die andern Hebammen ver-
ſchonet/
[129]Vom Ampt der Hebammen ꝛc.
ſchonet/ und fuͤr denſelbigen niemand Ab-
ſcheu habe/ ſondern andere Weiber ſolche ſi-
cherer und ohne Furcht gebrauchen moͤchten.
Solche Hebammen ſollen auch darbey er-
mahnet werden/ daß ſie ſich allzeit daheim
finden laſſen/ innenhalten/ und unter denen
Leuten nicht umher lauffen/ auch auf Erfor-
deren alsbald/ es ſey bey vermoͤgenden oder
unvermoͤgenden Leuten/ erſcheinen/ und ihren
beſten Verſtand nach der Gebaͤhrerin mit
Huͤlff beyſpringen.
Wann denn ſolche Weiber entbunden/
ſoll ſie alſobald Anordnung thun/ daß das
neugebohrne Kindlein durch den beſtellten
Peſtilentz-Pfarrherrn getaufft/ und davon
nicht verabſaͤumet werde/ damit in ſolchen
Sterbens-Laͤufften nicht zu verziehen/ weil
es bald um ſo ein zart Kindlein gethan ſeyn
moͤchte.
Ob man wohl vorgemeldte Perſonen al-An gemei-
nen Be-
dienten
will es zu
Peſt-Zei-
ten man-
geln.
leſamt wohl beſtellet hat/ ſo will es doch auch
offtmahl an geringem Geſindel/ als Kran-
ckenwaͤrter/ Todten-ankleidende/ Todten-
graͤber/ und dergleichen Volck fehlen; Ob
nun wohl dergleichen geſunden werden/ ſo
iſt es doch gemeiniglich ein liederlich/ unbarm-
hertzig/ faules/ traͤges/ meiſt aber verſoffen
und diebiſch Geſindel/ weil die Rechnung
leicht zu machen/ daß ſich ſolche ſonſt nicht zu
dieſem Ampt gebrauchen laſſen wuͤrden/ es
Jſey
[130]DasXII.Capitel.
ſey denn/ daß ſelbige durch Armuth und Hun-
ger darzu ermahnet werden.
Wenn ſich nun b[e]giebt/ daß noch fromme
Kranckenwarter zu finden/ ſo iſt es damit
noch nicht ausgemachet/ ſondern es muͤſſen
ſolche auch auff ihr eigene Perſon gute Ob-
acht haben/ und der Mittel ſich bedienen/ wel-
che zu Præſervation ihrer Geſundheit von-
noͤthen/ fleiſſig gebrauchen/ damit ſolche nicht
allein ſo lang GOtt will/ ihr Leben friſten/
ſondern auch ihren Krancken deſto langer
auffwarten und dienen koͤnnen. D. Herlicius
Herlicii
Regeln/
wie ſich
Krancken-
warier
verhalten
koͤnnen.Part. II. Conſil. Polit. Phyſic. cap. 11. hat fuͤr
ſolche folgende Regeln zu beobachten fuͤr rath-
ſam gehalten: Daß wenn ſie ſich zufoͤrderſt
mit GOtt nach ſeinem Befehl verſoͤhnet/
1. In dem Gemach/ darinn der Krancke lie-
get/ offt die Fenſter auffthun/ ob ſchon der
Winter fuͤrhanden/ und ſonderlich wenn man
den Wind von Mitternacht haben kan. Sol-
len ſich 2. auch huͤten/ daß die Lufft von dem
Krancken nicht gegen ihm wehe; und wenn
3. der Krancke in obern Gemaͤchern lieget/
daß man Treppen zu ihm ſteigen muß/ ſo ſoll/
der zu ihm will/ erſt vor der Kammer an der
Lufft ruhen/ damit er den Athem nicht ſo
ſtarck an ſich ziehen muͤſſe/ wenn er zu dem
Krancken kommet. 4. Soll auch ein jeder
der zu den Krancken gehen will/ ſich zufoͤrderſt
des Stulgangs/ Harns und alles Unraths
entledigen; auch 5. nicht nuͤchtern ſolche be-
ſuchen.
[131]Vom Ampt der Kranckenwarter.
ſuchen. Soll auch 6. offt aus dem Gemach
gehen/ und friſche gute Lufft ſchoͤpffen. 7.
Auch ſo offt man in des Krancken Gemach
gehet/ ſoll man ſich vorher mit gutem ſcharf-
fen Roſen-Eſſig an den Pulßadern/ in Naß-
loͤchern und an Haͤnden netzen. 8. An gruͤ-
ne Raute riechen/ auch Zitwer/ Lorbeer/ Di-
ptam oder Angelick kauen. 9. Nicht viel
mit dem Krancken reden/ daß er nicht durch
ſeinen Athem beſchaͤdiget werde. 10. Wer
die Krancken beſuchen muß/ ſoll bißweilen
des Morgens ein halb Quintel guten The-
riac zu Sommerzeit in Saurampff-Waſſer
zu Winterzeit aber in Wein zertrieben zu ſich
nehmen und genieſſen; oder 11. andere Sa-
chen brauchen. Wenn der Krancke redet/
ſollen ſie 12. ihren Mund allzeit beſchloſſen
halten. 13. Sollen auch vor ſeiner Speiß/
wovon der Krancke genoſſen/ als auch fuͤr
deſſen gebraucheten Geſchirr einen Eckel ha-
ben. 14. Da es moͤglich/ ſollen ſie alle Ta-
ge ihre Kleider aͤndern/ und die vorige aus-
luͤfften/ ſich auch fleiſſig fuͤr des Krancken oder
Abgeſtorbenen Kleidern huͤten/ weil der ver-
gifftete Dunſt ſich in ſolchen lange Zeit ver-
borgen haͤlt. 15. So ſollen auch ſolche
Kranckenwaͤrter zuvor den Leib von allen boͤ-
ſen Feuchtigkeiten reinigen/ ſonderlich mit den
oben beſchriebenen Peſtilentz-Pillen/ und we-
nigſt die Woche einmal einen Schweiß-
tranck thun und einnehmen. Sie ſollen 16.
J 2auch
[132]DasXII.Capitel.
auch Kuͤchlein unter die Zung zu nehmen ha-
ben; Item Naſen-Saͤlblein brauchen/ oder
Kraͤuter fuͤr den Mund halten/ ſonderlich gruͤ-
ne Raute/ oder Pomambra, Gifft-Knoͤpff-
lein oder Schwaͤmmlein/ daran ſie riechen/
auch des Morgens ein Loͤffel voll Meerrettich
mit Saltz und Saffran genoſſen/ ſoll ein
approbirt Præſervativ ſeyn. 17. Sollen des
Morgens ihre Kleider auch des Tages offt
gantz wohl durchraͤuchern laſſen. 18. Den
Mund auch offt mit einem Decocto oder
Wein ausſpuͤlen. 19. Sollen ſich auch al-
ler Maͤſſigkeit gebrauchen/ und mit Freſſen
und Sauffen nicht uͤberladen. 20. Vom
warmen Brod und warm Waſſer in etlichen
Becken in die Stub zu ſtellen/ iſt oben be-
reits gerathen. Wenn 21. ein Menſch an
der Peſt geſtorben/ ſoll ein groß Flam̃ Feuer
von Wachholderholtz in dem Zimmer ge-
macht werden/ auch ander gut Rauchwerck
anzuͤnden. 22. Die Kranckenwaͤrter ſollen
ſtaͤts/ wo es moͤglich iſt/ ein brennend Wachs-
liecht in Handen haben/ und fuͤr den Mund
halten/ wegen Verzehrung der boͤſen Duͤn-
ſte. 23. In die heimlichen Gemach der
Krancken auch Geſunden ſoll ungeloͤſchter
Kalck geſchuͤttet werden/ auch kan man aller-
hand wohlriechende Kraͤuter daherum ſtreuen.
24. Die Prediger und Medici ſollen ſich nicht
lange in des Krancken Gemach auffhalten/
und ſich fuͤr dem Schweiß/ Geſtanck der
Stul-
[133]Vom Ampt der Kranckenwarter.
Stulgaͤnge und Urins verwahren. 25. Sol-
che Kranckenwaͤrter ſollen auch die Præcepta
Medicorum in acht nehmen/ daß ſie den
Krancken alles verrichten/ eingeben und ge-
brauchen/ wie es vom Medico und Barbie-
rer verordnet worden; denn wenn des Me-
dici Verordnung nicht in omnibus \& per
omnia gehalten wird/ ſo muß der Krancke
untergehen/ und iſt die Schuld dem Medico
nicht zu geben. 26. Sie ſollen dem Patien-
ten auch ein froͤlich Hertz machen/ ihn troͤ-
ſten/ und alle Furcht des Todes benehmen:
auch ernſtlich und fleiſſig fuͤr ihn beten/ denn
das Gebet iſt in dieſer Sucht die beſte Artz-
ney. 27. Im Gegentheil aber/ da kein Hoff-
nung mehr uͤbrig/ das Leben zu behalten/ ſo
ſoll man ihm ſolches zu verſtehen geben/ da-
mit er/ wo Unrichtigkeit fuͤrhanden/ ſeinen
Willen erklaͤre/ auch mit geiſtlichen Mitteln
verſorget werde. 28. Die Stulgaͤng und
Harn ſollen ſo weit es muͤglich von des Kran-
cken Kammer wegbracht werden an ein ſol-
chen Ort/ da der Geſunde keinen Schaden
davon leyden moͤchte. 29. Sollen den Pa-
tienten auch ermahnen/ daß wenn er mit ſei-
nem Pfleger oder mit jemand anders rede/
ſeinen Mund von ihm abhalte/ und ſolchen
nicht unvernuͤnfftig anhauche; auch ſein Bett
nicht ploͤtzlich auffdecke/ damit vom Dampff
und Schweiß die Geſunden nicht vergiff-
tet werden; der Krancke ſoll auch andern
J 3nicht
[134]DasXII.Capitel.
nicht ſtarck ins Angeſicht ſehen/ und die Ge-
ſunden nicht muthwillig beſchmeiſſen. 30.
Die Schlaffkammer der Krancken ſoll rein
gehalten werden/ man ſoll ſolche auch mit
wohlriechenden Waſſern offt beſprengen/ die
Better und Leylacken ſoll man mit wohlrie-
chenden Kraͤutern beſtreuen.
Wenn die Nothwendigkeit erfordert/ daß
der Pfarrherr/ Medicus, Barbierer/ Nota-
rius, oder andere/ ſo den Patienten beſuchen
wollen/ ankommen/ ſoll vorher das Gemach
geluͤfftet/ berauchert und beſprengt werden/
anbey auch verhuͤten/ daß der Lufft von dem
Krancken nicht nach ſolchen Leuten gehe/ ſon-
dern daß der Lufft von den Geſunden nach
dem Krancken gehe. Auch ſetze man zwi-
ſchen den Krancken und Beſucher Raucher-
Kertzen/ oder Wachsliechter; Item kan man
ein Flacker-Feuer und Rauch ins Zimmer al-
ſo machen/ daß durch ſolche der gute Geruch
von den Raucher-Kertzlein nicht vertrieben
werde. So auch thut man an dem Ort/ da
es nicht gegen den Krancken wehet/ ein oder
zwey Glaßſcheiben aus. Dieſes ſeynd die
fuͤrnehmſte Stuͤck/ welche Warter und
Warterin in Obacht zu nehmen.
Ob nun wol/ wie oben gedacht/ jeder
moͤglichſt fuͤr der Peſt ausweichen ſoll/ die-
weil ſolche Krancke zu beſuchen kein Gang
zum Tantz oder zu einer luſtigen Gaſterey iſt/
ſo ſollen auch ſolche Perſonen ſich beobach-
ten/
[135]Vom Ampt der Kranckenwarter.
ten/ und mercken/ daß ſie GOtt in fleiſſigemchen wol-
len.
Gebet ernſtlich als das koͤſtlichſte Præſervativ
anruffen. 2. Ihren Mund zuvor mit kraͤff-
tigen Waſſern/ ſo mit Ringelblum-Rauten-
Angelick- oder andern bequemen Eſſig ver-
miſchet/ ausſpuͤlen/ und etwa rothe Myr-
rhen/ Citronſchalen/ Wachholderbeer/ An-
gelick/ Pimpinell oder Zitwer kauen/ oder
Præſervativ-Kuͤchlein/ Latwergen/ ꝛc. einneh-
men. 3. Daß ſie fuͤr allen leiblichen Din-
gen wochentlich etliche Laxier-Peſt-Pillen ge-
brauchen/ damit den Unrath des Leibs aus-
zufuͤhren/ auch zu rechter Zeit den Leib vom
faulen Gebluͤt durch Aderlaſſen und Schrepf-
fen ꝛc. entladen. 4. Daß ſie die Haͤnde/ das
Angeſicht/ die Pulsadern an Schlaͤffen und
Haͤnden/ mit kraͤfftigen Eſſigen und andern
bequemen Waſſern/ item mit ſonderlich hier-
zu bereiteten Salben oder Balſamen anſtrei-
chen. 5. Daß ſie Wachholder- oder Pomam-
bræ-Knoͤpff mit nuͤtzlichen hierzu bereiteten
Salben/ Valſam/ auch andern wider die Peſt
bereitete Sachen gefuͤttert/ bey ſich haben/ und
ſittſam bißweilen daran riechen. 6. Sich
auch ſo viel muͤglich fuͤr dem Dunſt/ Athem
und Schweiß der Krancken bewahren. 7.
Auch der Amuleten/ derer an ſeinem Ort ge-
dacht wird/ fleiſſig am Halß tragen; ſich 8.
auch nicht allzulang bey den Patienten auff-
halten.
Es werden zu Peſtzeiten von niemand
J 4groͤſſere
[136]DasXII.Capitel.
Der jeni-
gen Ampt/
ſo die Tod-
ten anklei-
den.groͤſſere Bubenſtuͤck ausgeuͤbet/ als von de-
nen/ welche die Todten bekleiden ſollen. D.
Herlicius im Erſten Theil ſeines Conſilii Phy-
ſici, welchem dieſer Diebsſtuͤck nicht wenig
fuͤrkommen/ ſchreibt davon alſo: Zum an-
ziehen und bekleiden der Todten ſoll man ge-
treue und nicht leichtfertige loſe diebiſche
Weiber oder Maͤnner nehmen/ ſondern die
getreu ſind/ und ſich mit einer ziemlichen Be-
ſoldung begnuͤgen laſſen: denn gemeiniglich
wollen ſolche Leut nicht nur einen ziemlichen
Lohn an Geld/ ſondern auch des Verſtorbe-
nen Kleider haben/ ja ſie doͤrffen auch wol
noch mehr Kleider darzu begehren. Und
ſchreibt ein gewiſſer Medicus davon alſo:
Sind ge-
memiglich
diebiſches
Volck.Groͤſſere Bubenſtuͤck hab ich mit Peſt-Infi-
cirten nie geſehen/ als etliche von denen uͤben/
welche die an der Peſt verſtorbenen Menſchen
ſaͤubern/ reinigen/ anziehen/ und in Sarg brin-
gen ſollen/ und halte ich das Sprichwort
wahr ſeyn: Occaſio facit furem, Gelegen-
heit machet Dieb; ſolches findet bey ſolchen
Leuten ſtatt/ bevorab wo ſie nebſt den Wart-
weibern etwa Meiſter im Hauß ſind/ wie ich
mich erinnere dergleichen loſen Vetteln einer/
die nach Abſterben einer Perſon alſobald der-
ſelben Hembder/ die ſie fein beyzeiten geſtoh-
len und verwahret/ angezogen. Etliche ſeynd
ſo leichtfertig/ was ſie nicht ſtehlen koͤnnen/
groͤblich zu begehren/ und bilden ihnen ein/
es gehoͤre alles ihnen/ was der Todte an ſei-
nem
[137]Vom Ampt der Kranckenwarter.
nem Leib getragen/ auch die guͤldene Ring/
und ſolten ſolche noch ſo viel werth ſeyn.
Waͤre alſo gut/ wenn ſolchen Leuten von
Obrigkeit eine Verordnung gemacht wuͤrde/
ihnen ein gewiſſes zu geben/ wofern derglei-
chen Leut genugſam zu bekommrn waͤren.
Wann alſo ein von der Peſt angegriffe-Was nach
Abſterben
des Kran-
cken zu
thun.
ner Krancker einen ſeligen Abſchied genom-
men/ und zu ſeinem Ruhbettlein bracht wer-
den ſoll/ auch bereits beerdiget worden/ ſo
ſoll die Warterin das Bett/ darauff der
Krancke geſtorben/ alſobald abziehen/ von
einander trennen/ und die Leylacher waſchen/
in die Lufft auffhencken/ die Federn aber gantz
und gar weg thun: das Stroh/ darauff der
Todte geſtorben/ auch zu bequemer Zeit aus-
raumen/ an einem ſichern Ort anzuͤnden und
verbrennen/ allen Unrath aus dem Hauſe weg
tragen/ Stub und Kammer/ darinn der Tod-
te geſtorben/ fein ausrauchern/ die Stub et-
liche Tage nach einander einheitzen/ oder wol
gar mit Kalck ausweiſſen laſſen. Das Spañ-
bett/ Tiſch und Baͤncke/ auch alles ſchwartz
Geraͤth/ ſo in der Kammer und Stub iſt/
darinn der Todte gelegen/ damit er gerieben
oder getroͤcknet worden/ beyſeit zu thun/ allen
Haußrath an Zinn/ Kupffer/ Meſſing/ ja al-
les anders in guten Beſchließ thun/ damit
Diebe kein Gelegenheit finden/ ihre Dieberey
auszuuͤben/ und die jenige/ ſo etwa noch im
Hauß bleiben/ ſamt dem Vieh nach Noth-
durfft verſorgen.
Uber alles/ ſo in Peſt-Zeiten beobachtet
wird/ hat eine Obrigkeit ihre gewiſſe Haͤu-
ſer/ Lazareth/ ꝛc. worein die Dienſt-Geſinde/
oder andere/ auch Frembde/ in Sterbens-
Laͤufften gebracht werden/ und daſelbſt mit
noͤthiger Verpflegung unterhalten; weil
aber in ſolchen Haͤuſern vielerley Geſinde
vonnoͤthen/ ſo ordnet die Obrigkeit einen ge-
wiſſen Pfleger oder Haußvatter/ welcher auf
alles ein wachſames Auge haben/ und der
Verordnung nachzuleben hat. Weil nun
an einem ſolchen Mann viel gelegen/ ſo ſoll
ein ſolcher erwaͤhlet werden/ welcher eines
frommen/ ehrlichen Lebens und Wandels
ſey/ der inn- und auſſer dem Lazareth jeder-
man/ inſonderheit den Krancken/ guten freund-
lichen Beſcheid gebe/ ſolche nicht anſchnarre/
und furchtſamer mache/ als ſie bereits ſeyn.
Denn es ſeynd Exempel/ daß mancher ſich
fuͤr der Peſt/ die er bereits am Hals gehabt/
nicht ſo ſehr entſetzt/ als er erſchrocken iſt/
wenn man ihm geſaget/ daß er nach dem La-
zareth/ oder Peſthauß getragen werden ſolte.
Daß er auch die Logiamenter/ darinnen die
Krancken liegen/ alſo rein und ſauber halte/
damit die Pfarrherren/ Doctor und Barbi-
rer/ ſo dahin kommen/ kein Grauſen empfa-
hen. Die Krancken ſoll er des Tages etliche
mahl beſuchen/ zu fleiſſigem Gebet/ auch Ge-
brauch der Artzney treulich ermahnen/ ihnen
einen guten Muth machen/ und fleiſſig zuſe-
hen/
[139]Ampt des Lazareth-Pflegers ꝛc.
hen/ ob auch etwas ein oder dem andern man-
gele/ ſich fein gedeckt laſſen/ und alſo bezei-
gen/ daß ſie Hoffnung zu ihrer Geſund heit
machen koͤnnen: Auch wohl beobachte/ daßAmpt der
Lazareth-
Pfleger.
ſolche Krancke zu rechter Zeit mit der von
Obrigkeit geordneter Speiß und Tranck
verſehen werden: Daß er auch/ wann etwa
des Krancken Freunde/ Herr oder Frau ſol-
chen Patienten etwas an Geld/ oder Speiß
und guten Traͤncklein zu einer Labung ſchi-
cken/ ihme ſolches treulich und unbezwackt
gereichet werde: oder ſo der Patient ſelbſt et-
was Geld/ und etwas verlangete/ ſo ihm
nuͤtzlich waͤre/ ſolches treulich entweder ſelbſt
anſchaffe/ oder durch die Seinigen reichen
laſſe. Wenn der Krancke auch einen Pfarr-
herrn begehrete/ er zu ſelbigem ungeſaͤumt
ſchicke/ und deſſen Begehren gebuͤhrlich an-
bringen laſſe. Auch daß er leinen Geraͤth
genug bey Handen habe/ auf ſolches/ ſo offt
es die Noth erfordert/ den Krancken rein zu
legen/ welches die Cur nicht wenig facilitirt
und erleichtert. Wenn ſich auch der Patient
wegen Schwachheit und zufallenden Unver-
ſtandes halber nicht recht halten koͤnte/ ſoll
ſolcher Haußvatter nicht ungedultig auf den
Krancken werden/ oder andere Sachen fuͤr-
nehmen/ ſondern allzeit die Freundlichkeit
und Sanfftmuth gegen ſolche gebrauchen/
und ſie zu ſtillen ſuchen: Soll ſich auch zu
Verhuͤtung aller Unordnung nicht mit Wein
uͤber-
[140]DasXII.Capitel.
uͤberladen; ſondern wann nach dem Willen
GOttes einer der Patienten mit Todt ab-
gangen/ er ſolchen von Stund an von den
uͤbrigen/ ſo noch im Gemach liegen/ abſon-
dern/ und zu rechter Zeit gebuͤhrlich zur Erden
beſtatten laſſen: Auch ſoll er allzeit bey den
uͤbrigen Patienten einen Aufwarter halten/
der acht habe/ daß nicht etwa von einem
Aberwitzigen den andern Krancken Schaden
zugefuͤget werde: So ſoll er ſich auch nach
Moͤglichkeit enthalten/ und nicht aus dem
Peſthauſe gehen/ damit er andern geſunden
Leuten keine Furcht einiage/ und groͤſſer Un-
heil anrichte. Obwohlen auch alle Krancke/
welche ins Peſthaus bracht werden/ von den
abſonderlich beſtellten Leichſchreibern auff-
zuzeichnen ſeyn; ſo ſoll dennoch der Pfleger
des Kranckenhauſes aller zu ihm gebrachte
Namen/ Profeſſion, Heimat/ Alter/ auch
deſſen Eltern Namen/ und wo er vorher ſich
bey einem Herrn auffgehalten/ treulich in ein
gewiß Buch einſchrieben/ und da er nach
GOttes Willen mit Todt abgehen ſolte/ den
Tag und Jahr darzuſchreiben/ damit/ wann
uͤber kurtz oder lang nach ſolchem gefraget
werden moͤchte/ man alsdann gute Nach-
richt davon erhalten koͤnne. Endlichen/ daß
er dieſes und andres mehr/ ſo in ſolcher Ord-
nung nicht klaͤrlich vermeldet/ ſo etwa nach
Zeit/ Ort und Gelegenheit vonnoͤthen waͤre/
treulich beobachte/ auch ſeine zugegebene
Waͤr-
[141]Ampt der Todtengraͤber.
Waͤrter/ Waͤrterinne/ Siechenknechte alſo
auf die armen Krancken beſcheide/ nachdem
es jedes Beruff und Dienſt erfordert/ ſo lieb
ihnen allen GOttes Gnade und Hulde zu
erlangen iſt.
Zum Beſchluß dieſes Capitels haben wirWas fuͤr
Todten-
graͤber zu
beſtellen.
noch mit wenigen zu betrachten/ wie die an
der Peſt verſtorbene Todte zur Erden beſtat-
tet werden; weil ſolches aber durch den or-
dentlich beſtellten Todtengraͤber bey groſſem
Sterben nicht verrichtet werden kan/ ſon-
dern andere/ die zu ſelbiger Zeit das Ampt
verrichten/ auffgenommen werden/ ſo hat die
Erfahrung gelernet/ daß unter ſolchen Leu-
ten ſich allerhand Buben eingeſchlichen/ wel-
che allerhand Schelmſtuͤcke angeſtellet/ und
Dieberey veruͤbet/ daß man gantze Tractaͤt-
lein von ſolchen beſchreiben koͤnte: derohal-
ben ſehr noͤthig/ auf ſolche ein wachend Auge
zu haben/ derowegen E. E. Rath der Stadt
Leipzig 1607 publicirten Peſt-Ordnung mit
dieſen Worten bezeuget: So ſoll er (der
Todtengraͤber) welcher nemlich der Princi-
pal und Meiſter unter den andern/ und deß-
wegen vor alles/ ſo unter ihnen bey ſolchem
Ampt fuͤrlaͤufft/ Red und Antwort geben:
ſich auch aller Buͤberey und Betrugs/ derer
ſich die Todtengraͤber ſonſt in ſolchen Laͤuff-
ten/ ihres ſchnoͤden Gewinſts halber/ wider
die Chriſtliche Liebe und ihr Gewiſſen/ zu ge-
brauchen pflegen/ nicht allein fuͤr ſich/ ſon-
dern
[142]DasXII.Capitel.
dern auch fuͤr ſein Weib und Kinder/ enthal-
ten. D. Herlicius Conſ. Polit. Phyſ. I. Theil
Boßhei-
ten einiger
Todten-
graͤber.cap. 1. ſchreibt: Inſonderheit muß hierauff
gute Achtung geben werden/ daß unter den
Todtengraͤbern keine Schelme oder Diebe
einſchleichen/ welche die Lebendigen [t]odt ſchla-
gen und berauben/ oder/ wenn ſie noch nicht
halb todt ſind/ dieſelbe ſtracks zu den Todten
hinein werffen/ darnach Kiſten und Kaſten
auffbrechen/ und alſo gleich greulichen Dieb-
ſtahl/ Mord und Raub begehen. Wann
dann die verordnete Herren ein wachend Au-
ge darauff haben/ ſo ſcheuen ſich ſolche Moͤr-
der und Diebe. Man lieſet/ daß etliche
Todtengraͤber in der Peſt die Todten in den
Graͤbern auffs Angeſicht geleget/ damit alſo/
wie ſie meynen/ das Sterben nicht bald auf-
hoͤre: ſolche Schelmen ſolte man alsbald oh-
ne Urtheil und Recht umbringen/ und auf
das Rad legen.
Das gemeine Laſter aber/ ſo die Todten-
graͤber in Peſtzeiten begehen/ iſt meines Er-
achtens dieſes/ daß ſie nemlich allerley Pra-
ctiquen brauchen/ die Leut ums Geld zu brin-
gen/ indem ſie ſelbige ſehr uͤbernehmen/ denn
bißweilen fordern ſie expreſſe fuͤr dem Grab-
lohn mehr/ als ihnen gebuͤhret/ und iſt ihnen
ein gemachter Handel/ daß man ihnen/ wie
auch den Schreinern fuͤr den Sarg ꝛc. in ſol-
cher letzten Ehr und Dienſt-Bezeugung
nichts/ oder doch wenig abzubrechen pfleget/
da
[143]Ampt der Todtengraͤber ꝛc.
da ſie aber bedencken ſolten/ daß mancher
nichts zu ihnen ſaget/ oder abbricht/ bey an-
dern aber ihrer deſto uͤbeler gedencket/ und
fuͤr leichtfertige Leut ausſchreyet. Bißwei-
len/ wenn Perſonen fuͤr ihre Todten gern ein
Grab allein/ oder an einen beſondern Ort
gemachet haben wollen/ weigern ſie ſich zum
hoͤchſten/ mit Vorwenden/ wie unmoͤglich
es ſeyn koͤnne; fullet man ihnen aber die Gur-
gel mit einer Flaſche Wein/ ſo kan es bald
geſchehen: ja/ es iſt ihnen manchmahl auch
mit 3. oder 4. Maaß Wein nicht gedienet/
ſondern es muͤſſen Thaler/ Goldgulden/ oder
Ducaten verehret ſeyn/ welches Geld wohl
abgeſtohlen/ und eine rechte Dieberey heiſſet.
Bißweilen uͤbernehmen ſie auch Leut/ wenn
ſie etwa einen Dienſtboten/ ſo verſtorben/
oder einen Frembden bey Nacht abzuhohlen
haben/ und da iſt erſtlich ein beſonderer Lohn
fuͤr das Grab zu machen/ ein beſonderer fuͤr
den Todten abzuhohlen/ ein beſonderer den
Todten in den Sarg zu legen/ welchen Lohn
ſie hier Einleg-Geld nennen: Einen beſon-
dern Lohn fuͤr den Meiſter/ einen beſondern
Lohn (ſo ſie Trinckgeld nennen) fuͤr die Traͤ-
ger oder Knechte: darbenebſt wird noch von
ihnen gefordert ein oder mehr Leib Brodt/ ja
auch Fleiſch/ und dieſes Brodt und Fleiſch
muß mit einer Flaſchen Wein convojirt wer-
den: und dafern jemand ſolch Proviant zu
geben ſich weigert/ machen ſie ſich noch wohl
unnuͤtz
[144]DasXII.Capitel.
unnuͤtz darzu/ und fordern den Werth an
Geld dafuͤr/ welcher allzugroſſen Anforde-
rung und unbilligen uͤbernehmen die Obrig-
keit billig beyzeiten vorkommen ſolte.
Wie ſich aber ſolche Todtengraͤber gebuͤh-
rend verhalten ſollen/ beſtehet in folgendem:
Daß ſie 1. ihren Dienſt/ zu welchem ſie ſich
begeben haben/ treulich und fleiſſig ausrichten/
und bedencken/ daß/ ob ſchon ihr Ampt allhier
fuͤr den Menſchen veraͤchtlich/ und geſcheuet
wird/ es gleichwol ein gottſelig und Chriſt-
liches Werck iſt. Sollen ſich 2. auch zuͤch-
tig und ſtill verhalten/ der Todten Leichnam
ehrlich angreiffen/ und ins Grab legen/ als
die dereinſt mit der Seel wieder vereiniget
werden ſollen. Auch 3. niemand uͤber die
Gebuͤhr uͤbernehmen. 4. Die todten Leich-
nam nicht berauben/ auch niemand/ wer der
auch ſey/ geſtatten. 5. Die Begraͤbnuß
nicht auffſchieben/ es muͤſſe denn aus Befehl
der Obern und aus erheblichen Urſachen ge-
ſchehen. 6. Keine Zauberey oder aberglau-
biſches Fuͤrnehmen weder an Todten noch
Lebendigen gebrauchen. 7. Nichts unchriſt-
liches/ unehrbares und ungebuͤhrliches den
Verſtorbenen oder Lebendigen zu Nachtheil/
Gefahr oder Schaden ſich unterwinden/ noch
ihren Zu- oder Angehoͤrigen zu thun verhaͤn-
gen oder nachſehen. 8. Auch einem jeden
verſtorbenen Menſchen in ſein eigen Grab
(es waͤre denn wegen Menge der Begrabe-
nen
[145]Ampt der Todtengraͤber.
nen nicht mehr moͤglich/ oder von der Ob-
rigkeit ein anders verordnet) welches ſeine
rechte Laͤnge/ Breite und Tieffe habe/ legen/
und mehr darein nicht begraben. 9. Sich
nach Moͤglichkeit enthalten unter Leut zu ge-
hen/ damit niemand durch ihre Gegenwart
erſchroͤckt werde. 10. Allen Betrug und
Falſch/ und was dißfalls zu Erregung groͤſ-
ſeren Sterbens Urſach geben koͤnte/ fuͤr ſich
und die ihrige vermeyden. Und 11. da ſie
an einem oder dem andern das geringſte ſpuͤ-
ren und vermercken wuͤrden/ daß mit Zau-
berey oder andern unrichtigen verbottenen
Haͤndeln/ durch teuffliſchen Antrieb/ jemand
was fuͤrzunehmen ſich unterſtuͤnde/ ſolches
ohne einigen Verzug mit allen Umſtaͤnden
der Obrigkeit/ oder ihren Verordneten/ an-
melden/ und zu erkennen geben.
Es iſt auch an einigen Orten der Gebrauch/Ob es wol
gethan
ſey/ wenn
alle Peſt-
Be[d]iente
ein gewiſ-
ſes Zeichen
truͤgen.
daß man alle Perſonen/ geiſtlich und weltli-
che/ welche ſich in Peſtzeiten gebrauchen laſ-
ſen/ mit einem gewiſſen Zeichen bemercke/
damit andere/ welchen ſolche auff der Gaſſe
oder ſonſt begegnen/ ausweichen koͤnnen/ und
in keine Furcht gerathen moͤchten. Viel aber
widerſprechen ſolcher Verordnung/ und ſa-
gen/ wie es ſich nicht wohl ſchicken wuͤrde/
wenn man die Pfarrherren/ Doctores, Bar-
bierer und anſehnliche Leute alſo bezeichnen
ſolte; ſo auch wuͤrde es vielmehr als ſonſt
einen Schrecken verurſachen/ wenn jemand
Kfurcht-
[146]DasXIII.Capitel.
furchtſames ſolchen Gezeichneten ohngefaͤhr
oder ploͤtzlich auffſtoſſen ſolte. Waͤre alſo
beſſer/ daß ſolche Peſt-Bediente nicht viel un-
ter ander Leut kaͤmen/ ſondern ſich nach Moͤg-
lichkeit einhielten.
WEnn es ſich nun begaͤbe/ daß ein oder
ander/ welcherley Condition und
Geſchlecht er ſey/ mit dieſer Peſt-
Seuche angefallen wuͤrde/ ſo ſoll
ſolcher fuͤr allen Dingen auff ſeiner Seelen
Heyl acht haben/ ſich mit ernſtlicher Reue
uͤber ſeine Suͤnde und rechtſchaffener Buß
zu GOtt bekehren/ und zu Verſicherung ſei-
nes Glaubens den Seelſorger zu ſich bitten/
ſeine Suͤnde beichten/ und die heiligen Sa-
cramenta empfahen/ hernach auch den leib-
lichen Artzt zu ſich bitten laſſen/ der ihm mit
ordentlichen Medicamenten/ welche zu wieder
Erlangung ſeiner Geſundheit dienlich/ an
Handen gehe/ auch gutem Rath gern folge/
und verordnete Medicin ordentlich gebrau-
che/ auch ſo viel moͤglich ohne Verzug mit
einem Chirurgo, wenn der Medicus deſſen noͤ-
thig erachtet/ rede/ ſich auch mit Leuten/ die
ſeiner pflegen/ verſehe/ und ſein Geld oder
Gut
[147]Allerhand eroͤrterte Umſtaͤnd ꝛc.
Gut nicht hoͤher als ſeine Geſundheit oder
Leib und Leben achte: ſeine Kranckheit auch
nicht 2. oder 3. Tage verheele/ wie von man-
chen muthwillig zu ihrer eigenen Verwahr-
loſung zu geſchehen pflegt/ auch zugleich mit
ſich andere Leut ins Verderben bringet: Deñ
es gibt vielerley Leut/ die ſolches thun/ und
wenden ihre groſſe Noth fuͤr/ wegen Abgang
der Nahrung und Lebens-Erhaltung. An-
dere meynen/ daß ihr Ausgehen nichts zu be-
deuten habe/ und miſchen ſich trotziglich in
die Kirch und unter andere Leut: Etliche ſtel-
len ſich friſch/ in Meynung es heimlich zu
halten/ lachen/ und ſind froͤlich/ trincken mit
andern einen guten Trunck Wein/ damit es
ja niemand mercken ſoll/ daß ſie ſo hart dar-
nieder gelegen haben/ oder daß ſie wol gar
noch nicht an ihrem Schaden geheylet ſeyn/
ſagen wol/ wer es nicht wiſſe/ dem ſchade
es auch nicht. Andere gehen muthwillig un-
ter die Leut/ ſelbigen nur ihren Schaden an-
zuhencken/ damit ſie derſelben deſto eher ledig
werden wollen/ oder vi transplantationis loß
werden koͤnnen. D. Johann Ewig im Buch
vom Ampt der Obrigkeit cap. 9. ſchreibt:
So einer vor der beſtimmten Zeit ohne Er-Krancke
ſollen ohn
Erlaub-
nuß nicht
aus den
Peſthaͤu-
ſern ge-
hen.
laubnuß aus dem Hauſe gehen wird/ und
ſich unter den Hauffen anderer Leut miſchen/
der ſoll von neuem wiederum im Hauß ver-
ſchloſſen bleiben/ als ihme zuvor die Zeit des
Innenbleibens anbefohlen worden/ und ſoll
K 2uͤber
[148]DasXIII.Capitel.
uͤberdas nach der Willkuͤhr mit Geld geſtrafft
werden. Wann derjenige/ ſo zuvor an der
Peſt gelegen/ und kaum wieder friſch wor-
den/ auszugehen ſich unterwinden wird/ der
ſoll der hoͤchſten Undanckbarkeit beſchuldi-
get/ und aller Gutthaten/ die ihm haͤtten er-
zeiget werden ſollen/ beraubet/ und uͤberdas
mit laͤngerer Einſchlieſſung im Zwang gehal-
ten werden. Aber wenn er dieſer Zeit die
Peſt noch am Halß hat/ und dieſe That aus
freveliſchem Muthwillen und Buͤberey be-
gehen wird/ daß er unter die Leut gehet/ der
ſoll aller ſeiner Guͤther/ wann er keine Kin-
der hat/ als ein Straſſen-Rauber verluſtiget/
und dem Hencker uͤberantwortet werden.
Es gibt auch ſolche halßſtarrige Leute/ die/
ob ſie ſchon ſehen/ in was Noth und Gefahr
ſie ſtecken/ dennoch die von GOtt verliehene
Artzney-Mittel nicht gebrauchen wollen/ und
ſagen/ die Peſt ſey ein ſonderbare Straff
GOttes/ worwider keine Mittel verfangen;
ſo auch ſterbe der Menſch doch nicht fuͤr ſei-
ner beſtimmten Zeit; und bezeuge es die taͤg-
liche Erfahrung/ daß die wenigſte von der
Peſt wiederum geneſen/ ſondern die meiſten/
ob ſie ſchon Mittel gebraucheten/ dennoch dar-
an ſterben. Obwohl in heiliger Schrifft ſte-
het/ der Menſch ſeine beſtimmte Zeit habe/
und die Zahl ſeiner Monden bey GOtt ſte-
hen/ der hat ein Ziel geſetzt/ welches der Menſch
nicht uͤbergehen kan. Aber man muß ein
Unter-
[149]Allerhand eroͤrterte Umſtaͤnd ꝛc.
Unterſchied vom Ziel das GOtt geſetzt/ und
zwiſchen dem/ ſo ſich offtmalen ungefaͤhr er-
eignet/ zu machen wiſſen/ in gemeldtem
Spruch iſt nur von dem natuͤrlichen Lebens-
Ziel geredet/ welches der Menſch erreichet/ es
geſchehe auch wann es wolle/ ſo weiß doch
GOtt ſchon zuvor/ daß er auf ſelbige Zeit hat
ſterben ſollen/ da er geſtorben iſt/ nicht als
wenn GOtt eben allemahl daſſelbe Ziel und
kein anders haͤtte haben wollen. Aus die-
ſem/ was allhier geſaget wird/ ſiehet man
ja/ was es mit des Menſchen Ziel fuͤr eine
Beſchaffenheit habe/ nemlich/ daß er es ihm
wohl durch Mittel verkuͤrtzen oder verlaͤngern
koͤnne/ und alſo viel an den Mitteln/ die er
brauchet/ und an deſſen Geſchicklichkeit/ der
ſolches zu brauchen verordnet/ gelegen ſey.
Viel gebrauchen auch darum keine Artzney/
weil ſie davor halten/ es ſey nur ein bloß Gluͤck/
wenn einer von der Peſt wieder aufkomme.
Solches iſt wohl wahr/ daher/ wann er ei-
nem ungeſchickten Artzt unter die Hand kom-
met. So viel aber das Gluͤck der Medico-
rum betrifft/ beſtehet daſſelbe in zweyen Stuͤ-
cken/ nemlich in dem Seegen des Allmaͤch-
tigen/ als des obriſten Artzts/ und denn in
fleiſſigem Studieren: Wer denn ſich um die-
ſe beyde ernſtlich bemuͤhet/ und derer faͤhig
wird/ der kan wohl ein gluͤckhaffter Doctor
und Artzt genennet werden. Alſo ein Kran-
cker/ der doch ſonſt die Mittel fuͤglich haben
K 3kan/
[150]DasXIII.Capitel.
kan/ wann er meynen wolte/ es werde ihn
GOTT doch wohl geſund werden laſſen/
wann er ſchon keinen Doctor oder Artzney
gebrauchete/ derſelbe wird ihm weit zu kurtz
thun/ und fuͤr einen/ der GOttes Mittel fre-
ventlich verachtet/ angeſehen werden.
Manchem Patienten auch gilt es alles
gleich/ wo ſie Huͤlff ſuchen/ viel lauffen aus
Unverſtand zu den heilloſen Juden-Aertzten/
da ſie doch wohl wiſſen ſolten/ was ſolche fuͤr
eine falſche Liebe gegen die Chriſten tragen/
und wann es ihnen moͤglich/ alle mit einem
Trunck Waſſer ertraͤncken wurden: Was
ſolche fuͤr Curen thun/ erfahren wir aus derer
Practica. Ich halte es fuͤr unvonnoͤthen/ all-
hier mehrers von dieſer Materie zu gedencken/
weil ihm doch der gemeine Mann ſo lange
Jahr darwider nicht einreden laſſen will.
So gehet auch ja nicht gern ein Juden-Artzt
zu einem Krancken/ wann er weiß/ daß ſol-
cher an der Peſt darnieder lieget/ bevorab/
wo eine gantze Gemeinde Juden wohnet.
Offt beſuchet auch der Juden-Artzt den kran-
cken Chriſten/ in Meynung/ die Kranckheit
ſey nicht ſo gefaͤhrlich/ wann er aber den Zu-
ſtand gewahr wird/ bleibt er aus/ worauf
hernach die Krancken genoͤthiget werden/ ei-
Ein
Chriſtli-
cher Medi-
cus dienet
nit gern/nen Chriſtlichen Medicum zu beruffen. Ich
meines Theils wolte mich bedencken/ zu ſo ei-
nem Juden Freund alsbald zu kommen/ ſon-
derlich ſo ich andere Chriſtliche Patienten zu
beſu-
[151]Allerhand eroͤrterte Umſtaͤnde ꝛc.
beſuchen haͤtte: Dieweil aber zu Zeiten derwo zuvor
der Jud
geweſen.
Patient nichts darvon weiß/ ſondern von
deſſen Freunden ein Juden-Artzt beruffen
worden/ waͤre es noch einiger maſſen zu ent-
ſchuldigen. Indeſſen aber dennoch/ ſolte
man dem Krancken vorſtellen/ wie thoͤrlich
er gethan/ ſich einem ſtinckenden garſtigen
Juden zu vertrauen/ die doch uns Chriſten/
ſamt unſerm Erloͤſer/ nach deſſen Namen wir
uns nennen/ taͤglich verfluchen und verma-
ledeyen/ ja man koͤnte auch noch drohen/ daß
man ihm deßwegen ſeinen Beicht-Vatter
uͤber den Halß ſchicken wolte/ welcher ihn
vermahnen ſolte/ ſich ein ander mahl ſolcher
Juden-Aertzte zu entaͤuſſern.
So iſt auch zu erinnern/ wann es ſich be-Man ſoll
auch nicht
zwey Peſt-
Sieche zu-
ſam̃en in
ein Betth
legen.
gebe/ daß zwey inficirte Krancke in einem
Hauſe waͤren/ man ſolche nicht zuſammen in
ein Betth legen ſolte/ deßgleichen auch in
Peſt-Haͤuſern: Weil bekandt iſt/ daß ſolche
Kranckheit die Entfernete anſtecket/ wie viel
mehr wuͤrde es nicht auch geſchehen/ wann
zwey in einem Betth ligen. Und dafern ein
oder der ander im Betth ſterben ſolte/ konte
der ander darob ein ſolchen Schroͤcken em-
pfahen/ davon er/ da er ſonſt wohl aufkom-
men waͤre/ endlich auch ſein Leben daruͤber
einbuͤſſen.
Wann alſo ein Krancker bereits an derWie der
Krancke
in der
Diæ[t] le-
ben ſoll.
Peſt liget/ und ſich dem Medico und Chi-
rurgo unter die Hand anvertrauet/ ſo erfor-
K 4dert
[152]DasXIII.Capitel.
dert es bey dem Patienten/ daß er auch in
Speiß und Tranck ein gute Lebens-Ord-
nung halte: Zuforderiſt allen boͤſen Lufft ver-
meide/ ſich wohl inhalte/ auch nicht allerley
Speiſen eſſe/ welche ihn nur geluſten/ ſon-
dern welche ihm von ſeinem Medico erlaubt
werden. Obwohl die Eſſens-Luſt bey den
Krancken offt ſehr gering iſt/ ſo ſoll er doch
ſolche brauchen/ welche das Hertz ſtaͤrcken und
leicht zu verdauen ſeyn: Zart wohl ausgeba-
cken weiß Brodt/ junge Huͤhner/ ſaͤuerlich
mit unreiffen Weinbeeren/ auch mit Eßig/
Citronen/ Limonien/ Pomerantzen/ Johan-
nis-Beer- oder Saurampff-Safft/ zugerich-
tet. Deßgleichen alles gelind und friſche Fleiſch
von Laͤmmern/ Kaͤlbern/ Kuͤtzen/ Schoͤpfen/
jungen Hirſchen und Rehen/ wegen ſeiner Ei-
genſchafft mit dienlichen Kraͤutern/ Wurtzel
und Fruͤchten ausgeſotten/ wiewohl ſolche
und dergleichen Speiſen zu dieſer Zeit mehr
gebraten als gekocht dienen: Da man dann
zum Gebratens auſſetzen kan/ Weichſel-Muß
in Eßig zerrieben/ Brunnkreſſen/ Capern mit
Eßig/ Pomerantzen/ Citronen/ und Granat-
Aepffel-Kern mit Zucker/ rothe Ruben/ mit
Eßig und Coriander bereitet; kleine Grau-
pen Gerſten/ weich geſotten/ nachmahls duꝛch-
geſtrichen/ und den durchgeſtrichenen Gerſten-
Schleim mit Huͤhner-Copaun- oder anderer
Fleiſch-Bruͤhe und ein wenig Eßig oder Li-
monien-Safft vermiſchet/ in Rind-Fleiſch-
oder Huͤhner-Bruͤhe gekochet/ und ſaͤuerlecht
ge-
[153]Allerhand eroͤrterte Umſtaͤnd ꝛc.
gemacht/ Huͤhner-Bruͤhe mit Eyer-Dottern/
Krafft-Bruͤhlein und Zimmer-Rinde/ friſche
Eyer/ zuvor in Bruñ-Waſſer geleget/ Galler-
ten/ geſtoſſen Suͤpplen von wilden Feld- und
zahmen Huͤhnern/ Capaunen/ ꝛc. ſauerlechte
Haber-Muͤßlein/ Brod-Breylein/ von Wei-
ne/ Waſſer/ Brodt und Zucker gemachet.
Schuͤſſel-Mueſel/ und andere allerhand leich-
te Speiſen mehr. Von Speiſen ſo ſchaͤdlich/Verbotte-
ne Spei-
ſen.
ſind aber verbotten: Duͤrꝛ oder geraͤuchert
Fleiſch/ Kuh-Fleiſch/ Schwein-Fleiſch/ Kut-
telfleck/ Geluͤng/ Gekroͤß/ Kalbs-Koͤpff/ aller-
hand Schwaͤmme/ Gaͤnſe/ Storcken/ Endten/
rohes Obſt/ allerley Arten Mandeln ꝛc. Und
obſchon etliche die welſchen und Haſel-Nuͤß
als ein ſonderlich gut Ding wider diß Gifft
ruͤhmen/ ſo ligen ſie doch ſehr lang im Magen/
und ſeynd ihnen wegen uͤbler Verdauung nit
wenig beſchwerlich; auſſer den kleinen Hech-
ten/ Faͤhren/ Grundeln/ ſind alle Fiſche un-
dienlich; Kraut/ harte Eyer/ alles Gebackens/
Waſſer-Voͤgel/ Wachteln/ rohe Milch/ ſind
undienlich; in Sum̃a/ alle grobe/ rohe/ zaͤhe/
geraucherte/ harte/ geſaltzene/ und zu ſtarck ge-
wuͤrtzte Sachen ſeynd ſchaͤdlich. Der Tranck
kan in Bier-Landen wol ein gut lindes/ abge-
legenes/ lauteres Bier ſeyn/ welches nicht all-
zuviel Heffen hat/ doch ſind die geſottene Ger-
ſten-Waſſer am dienlichſten. Der Wein iſt/
ſo lang die groſſe Hitz und Weh-Tagen im
Haupt anhalten/ gantz ſchaͤdlich/ wann aber
die Gefahr weg/ und die Hitz ziemlich nach-
K 5gelaſ-
[154]DasXIII.Capitel.
gelaſſen/ der Patient Pflegmatiſch oder
Melancholiſcher Natur/ kan bisweilen ein
Truͤncklein gelinden Wein/ mit Roſen Ger-
ſten/ Brod oder ſchlecht abgeſotten Waſſer
vermiſchet/ auch Citron/ Pomerantzen/
Granaten- oder Quitten-Wein/ wenn kein
Leibs-Verſtopffung fuͤrhanden/ dazu ge-
goſſen werden. Von ſtaͤrckenden und an-
dern Traͤncken wird an ſeinem Ort gedacht
werden. Der Patient ſoll ſich nicht ſo ſehr
im Bett hin- und her werffen; ſich maͤſſig
und moderat im ſchlaffen und wachen halten/
wiewohl in den erſten zween Tagen das
Wachen dienlicher als das Schlaffen iſt.
Soll ſich auch nicht den Leib allzuviel anfuͤl-
len/ die Auslehrung alſo in Obacht neh-
men/ daß man (in den plethonicis und ca-
cochimicis corporibns zuforderſt) zu rech-
ter Zeit Ader laſſe/ purgire/ ſchwitze/ den
Leib bey taͤglicher Oeffnung erhalte/ auf die
gewoͤhnliche Evacuationes, als der guͤlden
Aderfluß/ alte Schaͤden/ Fontanellen und
weibliche Monat-Reinigung/ gute Achtung
geben/ und ſelbige in ihrem gebuͤhrenden
Eſſe erhalte. Alle ſtarcke Gemuͤths Be-
wegungen/ als da ſeynd Sorg/ Bekuͤm-
mernuͤß/ Traurigkeit/ Zanck/ Zorn/ ꝛc.
fliehen/ nicht nur zu Wiedererlangung vo-
riger Geſundheit/ ſondern auch weil der Pa-
Ob man
dem
Kranckentient nicht weiß/ wie langer leben werde.
Obwohl des Weintrinckens oben einiger
maſſen gedacht worden/ ſo iſt doch vonnoͤ-
then/
[155]Allerhand eroͤrterte Umſtaͤnde ꝛc.
then/ etwas mehrers davon zu erinnern/auch
Wein ge-
den darff.
dieweil befunden worden/ daß die an ſolcher
Seuche liegende Krancke oftmal mehr nach
Wein ſchreyen/ als da ſie geſund geweſen
ſeyn: ſonderlich wenn ſolche des Weins ge-
wohnt geweſen. Ja auch kleine Kinder be-
gehren oft in ſolcher Kranckheit Wein/ wel-
chen ſie doch bey geſunden Tagen ſonſt nicht
verlanget haben. Dahero wird billig dafuͤr
gehaltten/ er ſey einem an der Peſt krancken
Menſchen nicht ſchaͤdlich/ ob er ihm auch
gleich nicht gar zu nutzlich ſey. Aber vieler
fuͤrtrefflich Gelehrten Meynung nach/ iſt
der Wein ſo wohl manifeſtis qualitatibus,
als occutâ vi, wider die Peſt gut/ in Fab.
Paulin. in prælect. Marc. Præfat. lib. 2.
Denn weil er/ wie genugſam bekannt/ die-
ſe alle Leibs-Kraͤffte ſchwaͤchet/ ſo erhaͤlt ſel-
bige der Wein/ und erſtattet ſie wieder/ wie
Hippocrates und Galenus Aph. 2. aph. ij. ſa-
get: Es ſey leichter mit dem Tranck als mit
der Speiſe ſich zu erquicken/ und giebt Gu-
lenus daſelbſt dem Wein das Lob/ daß er
geſchwinder und mehr als andere Ding neh-
re/ deßwegen man auch den Wein in Ohn-
machten brauchet. Denn er die natuͤrliche
Waͤrme ſtaͤrcket/ mehret/ und wegen ſon-
derlicher Verwandſchafft/ ſo er mit dem
menſchlichen Leib hat/ reine gute Spiritus
machet. Damit aber das ſtetige Wein trin-
cken keine unnatuͤrliche Hitze errege/ das ſtaͤ-
tige
[156]DasXIII.Capitel.
tige Waſſer trincken auch keine Cruditaͤten
verurſache/ ſoll einen Tag um den andern/
Wein und Waſſer zu trincken/ erlaubt wer-
den. So ſchreibt auch Celſus lib. vj. daß der
Wein einem Peſt Krancken wohl zuzulaſſen
ſey/ weilen er allem Gifft wieder ſtehet/ nun
kann niemand laͤugnen/ daß die Peſt ein
Gifft ſey/ ja ſo vieler andern Gifften Natur
an ſich nehme. Dannenhero auch wider den
gifftigen Schmertzen warmer Wein gebrau-
chet wird/ dahero denn Galenus Epid. 6.
Hyppocr. cent. 5. wider den Gifft und giff-
tiger Thier Biß gewaͤrmten Wein gebrau-
chet/ da er ſaget: Es kommen zuweilen giff-
tige Schmertzen von Gifften und gifftigen
Thieren/ ſo entweder ſchaͤdlicher Weiß oder
Peſtilentzialiſcher Lufft im Leib entſprungen/
von welcher dieſe Mittel/ Milch/ Knob-
lauch/ warmer Wein/ Eßig und Saltz ge-
ſaget ſeyn. So kann der Wein auch faſt zu
allen Antidotis, inſonderheit aber zu dem
Theriac und Mithridat; So bezeugen auch
viel andere/ daß der Wein in ſpecie wider
die Peſt nutzlich ſey. Plinius poſtremo lib.
23. naruralis hiſtor. cap. 2. ſpricht vom
Wein alſo: In peſtilentia quoque adpere-
grinationibus vim magnam auxiliandi ha-
bens dicitur.
Hergegen auch ſeynd nicht wenig/ die dem
Peſt-Krancken den Wein durchaus nicht
zulaſſen wollen/ als Thomas Jordanus de
peſte
[157]Allerhand eroͤrterte Umſtaͤnde ꝛc.
peſte Phœnom. tract. 1. cap. 19. da er aus-
truͤcklich ſchreibt/ daß in der Peſt zu ſelbiger
Zeit/ da er ſeinen Tractat geſchrieben/ die-
jenige alle umkommen/ welche Wein getrun-
cken/ ſeine Wort ſeyn zu Teutſch dieſe: Es
iſt nie eine Schwachheit geſehen worden/
darinnen die Patienten mehr nach Wein
verlanget/ als in dieſer/ alſo/ daß ſie ſich
auch wiſſentlich/ verſtaͤndlich und gern dem
Tod ergeben/ wenn ſie nur Wein haben
moͤgen/ und Tabernemontanus in ſeinem
Peſt-Regiment p. 32. der Wein ſoll als ein
ſchaͤdlich Gifft vermiedet werden. Denn er
das Gifft ſchnell zum Hertzen fuͤhret/ daß die
Krancke unverſehens dahin ſterben. Man
unterſcheidet aber ſo wohl unter der
Schwachheit als unter den Wein ſelbſt.
Die Schwachheit belangend/ iſt die Peſt
entweder mit einem Fieber oder ohne daſſelbe
begleitet/ wofern ſie ohn Fieber iſt/ mag
der Wein wohl eben ſo viel nicht ſchaden/
wenn er nur nicht ſo ſtarck und in ſo groſſer
Quantitaͤt gebrauchet wird. Iſt ſie aber mit
einem Fieber/ wie zum meiſten theil geſchie-
het/ ſo hat man in acht zu nehmen/ ob es
ſey ein Febris intermutens oder continua,
Item ob es wenig oder ſehr hitzig ſey/ des-
gleichen ob die Humores, davon das Fieber
eutſprungen/ crudi oder cœti, und ob die
Kraͤffte gering oder noch ziemlich gut ſeyn/
und ob die Schwachheit noch im Zu- oder
im
[158]DasXIII.Capitel.
im Abnehmen: Iſt alſo auch auf die Wahl
in Wein zu ſehen/ je ſtaͤrcker der Wein/ je
mehr er nutrirt und nehret/ je mehr er aber
auch in das Haupt ſteiget/ die Fiebriſche Hitz
vermehret/ oder den Durſtergroͤſſert. Ins-
gemein iſt ein duͤnner waͤſſerichter Wein in
den Fiebern der beſte/ viel ſeynd/ die dafuͤr
halten/ dem Patienten den Neckar Wein
zuzulaſſen/ weil er duͤnner/ als andere/
aber es heiſt nach dem alten Sprichwort/
Necker Wein/ halb Wein/ Francken Wein
Krancken Wein/ Rhein Wein/ reine
Wein/ jedoch findet man unterweilen Rhei-
niſche Wein die plus Rheni quam vini in
ſich haben.
Was das Bier trincken anlanget/ ſo
wird ſolches auch von vielen Patienten in
Peſt-Zeiten verlanget/ ſolches kann auch
wohl denenjenigen erlaubet werden/ welche
es von Natur gewohnet/ und darbey erzo-
gen ſeyn: Es ſoll aber ſolches wohl gebrauet/
und mittelmaͤſſigen Alters ſeyn/ und nicht in
ſo groſſer Quantitaͤt noch zu kalt getruncken
werden/ ſo wird es keinen Schaden brin-
gen/ ſonderlich wenn in ſolchem Bier Car-
dobenedicten/ Knoblauch/ Alant/ Schaf-
garben/ Wacholder/ Lorbeer und andre
wider die Peſt beruͤhmte Mittel geſotten ſeyn/
oder wenn aufs wenigſte ein Stuͤck gelb ge-
roͤſtet Brod/ oder gebrannt Hirſchhorn/
oder beydes zuſammen drein geworffen iſt.
Jedoch
[159]Allerhand eroͤrterte Umſtaͤnde ꝛc.
Jedoch waͤre beſſer/ man hielte ſich in ſol-
cher Kranckheit an beſſer Getraͤnck/ bevorab
in den erſten Tagen/ dahero auch Theodo-
rus Tabernamontanus im andern Theil ſei-
nes Peſt-Regiments alſo ſchreibt: Der
Wein ſoll als ein ſchaͤdlich Gifft vermieden
werden/ denn er das Gifft ſchnell zum Her-
tzen fuͤhret/ daß die Krancken unverſehens
dahin ſterben/ derowegen ſoll ſich maͤnnig-
lich dafur huͤten/ deßgleichen auch vor dem
Bier/ doch moͤgen die Krancken/ die das
Bier gewohnet/ nach dem fuͤnfften oder
ſechſten Tag/ wohl ein Truͤncklein duͤnn/
wohl geſottenes Bier gebrauchen. Im er-
ſten Theil/ da er von der Præſervativ redet/
ſchreibt er: Alle Bier die truͤb und nicht wohl
gekocht ſeyn/ ſind ungeſund/ und machen
ein boͤs faul Gebluͤt.
Nun haben wir auch noch zu uͤberlegen/Waſſer/
ob es der
Patient
trincken
kann.
ob man dem Patienten Waſſer zu trincken
geben kan/ davon ſchreibt D. Varvvig, Koͤ-
nigl. Daͤniſcher Leib-Medicus, in ſeinem Be-
richt wider die Peſtilentz alſo: Dieſen/ welche
die Peſt mit Schrecken anſtoſſet/ iſt nuͤtzlich
und gerathen/ daß ſie ſo bald/ wann ſie er-
ſchrocken ſeyn/ einen groſſen Trunck kaltes
reines Waſſer zu ſich nehmen/ oder guten
friſchen Wein/ oder aber ausgedruͤckten Po-
merantzen-Safft/ oder deſtillirt Waſſer von
Saurampffer/ Cardbenedicten/ Kreſſen-
Waſſer ꝛc. auf daß das Hertz erfriſchet/ die
groſſe
[160]DasXIII.Capitel.
groſſe Hitz gedaͤmpffet/ und zu den aͤuſſern
Gliedern wiederum moͤge getrieben werden:
wie auch den ſchwangern Frauen/ wann ſie
erſchrecken/ daſſelbige gerathen iſt/ auf daß
ſie keine Mißgeburt uͤberkommen. Alſo hat
Hippocrates in den peſtilentibus Conſtitu-
tionibus kalt Waſſer geben/ ſeptimo Epid.
Ægroto. Galenus haͤlt davor/ das einfache
Waſſer und die Aderlaß ſeyen in Fetribus
acutis die zwey groͤſte Mittel. Fracaſtorius
rathet das kalte Waſſer ebenmaͤſſig/ jedoch
mit Saurwaſſer oder Citronen-Safft; de-
nen aber/ ſo in bluͤhender Ingend/ und ſtarck
genug ſind/ und daſſelbe vertragen koͤnnen.
Hingegen verwerffen ſolch Waſſer-trin-
cken andere gantz/ und ſchreibt Unzerus de
lue peſtifera lib. 3. c. 11. alſo: Etliche ruͤh-
men einen ſtarcken Trunck Waſſer ſehr/ de-
nen wir doch keinen gaͤntzlichen Beyfall ge-
ben koͤnnen. Denn obſchon der Durſt die
Fiebriſche Hitze durch deſſen Kaͤlte wol ge-
loͤſchet/ ſo ſchwaͤchet es doch den Magen nicht
wenig/ und machet/ daß das Gifft innerlich
deſto mehr anklebt/ auch daͤmpffe es den
natuͤrlichen Balſam/ der doch ohe das Noth
leidet/ zerſtreuet die reinen Spiritus, verur-
ſachet cruditaͤten/ und allerley Verſtopffun-
gen/ oder beſchweret den Leib und die Na-
tur/ in anderer Weiſe/ daß ſie den Gifft nicht
widerſtehen kan.
Es dienet aber das kalte Waſſer-trincken
nicht erſprießlicher/ als da der Patient deſſen
ſonſt wohl gewohnet iſt/ der auch nicht gar
alt/ noch am Magen/ Lung und Leber Man-
gel hat: auch da das Waſſer an ſich ſelbſt
rein/ wohlſchmeckend/ und zuvor geſotten/
geſchaumt/ gantz im Anfang (wenn nur nicht
viel cruditaͤten im Leib ſind/ oder in ſtatu der
Schwachheit/ wenn die Dauung geſchehen/
und der Durſt/ Appetit und Aufwallen der
humorum groß/ denn alſo werden die vi-
ſcera deſtoweniger von der Kaͤlte verletzt/ und
geſchicht die Oeffnung durch das Erbrechen/
durch den Schweiß/ Urin und Stuhlgang
deſto leicht- und reichlicher. Nur iſt zu mer-
cken/ daß/ wann ſolche evacuation geſchehen/
der Krancke ſich im Bett wohl zudecke/ den
Schweiß folgen laſſe/ und da zu befoͤrchten/
es werde das Waſſer ein oder andern Glie-
dern ſchaden/ man denſelben mit andern ge-
buͤhrenden Mitteln/ wie es denn mit in und
aͤuſſerlichen geſchehen kan/ beyſpringe.
Was aber das Saurwaſſer/ ſonderbarSaurwaſ-
ſer.
das Schwalbacher/ anlangt/ ſo gedencket de-
rer Tabernamontanus, daß ſolche in Peſizei-
ten ein heilſamer Tranck ſeyn/ denn ſie behuͤ-
ten fuͤr Faͤulnuß/ und wo Faͤulung vorhan-
den/ ſo verzehren ſie dieſelbige/ und ſind ſon-
derlich die Saurbrunnen zu langen/ Schwal-
bach die fuͤrnehmſten/ unter welchen der
Weinbrunnen den Primat behaͤlt/ wie auch
Lder
[162]DasXIII.Capitel.
der zu Braubach/ Andernach/ und faſt alle
Saurbrunnen in der Wetterau/ und ſolten
alle Menſchen zu ſolchen Saurbrunnen in
Sterbzeiten ſich gewoͤhnen.
Wird alſo dafuͤr gehalten/ daß man an
ſtatt der einfachen Brunnenwaſſer mit viel
groͤſſern Nutzen ein Saurwaſſer/ ſo aber
friſch und ohnlaͤngſt geſchoͤpfft/ auch wohl
verwahrt ſeyn muͤſte/ brauchen koͤnte: Und
ob man wohl nach ihren ingredientien oder
mineralien einfachen Krafft ſolche conſide-
rirt/ wie ſich nicht eben ein ſolche Tugend in
ſelbigen wider die Peſtilentz oder andere giff-
tige Schwachheiten befindet/ welche ab ap-
propriato \& ſpecifico remedio herkomme/ je-
doch gleichwol offt viel in mixto iſt/ ſo ſich in
ſimplici nicht befindet/ und dahero gleichſam
eine quinta natura, wie Scaliger redet/ entſte-
het; Alſo bezeuget die taͤgliche Erfahrung/
daß viel Saurwaſſer zu unterſchiedlichen
gifftigen Kranckheiten gut und nuͤtzlich fun-
den worden/ welches denn von dem Schwal-
bacher Saurwaſſer deſto leichter geglaubet
werden kan/ weil es unterſchiedliche Minera-
lien/ als Vitriol/ Agdſtein/ Schwefel/ Sal-
peter/ ꝛc. in ſich haͤlt/ die ſonſt wider die
Peſt mit groſſem Nutzen gebrauchet werden
koͤnnen.
GEvor wir zu denen Huͤlffs-Mitteln
greiffen/ wollen wir noch einige
nothwendige Fragen eroͤrtern/ von
ſolchen Umſtaͤnden/ welche bey inficirten Pa-
tienten zu beobachten/ und zwar (1) des Pa-1.
Ruhe.
tienten Ruhe betreffende: ſo wird ſolche ei-
nem Krancken treulich gerathen/ weil er durch
das viele Bewegen den Leib noch mehr erhi-
tzet/ und die Kraͤffte/ die billich ſtarck ſeyn/
und dem Gifft widerſtehen ſollen/ geſchwaͤ-
chet/ und alſo dem Gifft freyer Zugang zum
Hertzen und andern Gliedern gemachet wird.
So wollen auch einige Medici (2) die Pa-2.
Schlaff.
tienten vom Schlaff bey Anfang der Kranck-
heit abhalten/ und ſeynd hieruͤber ungleicher
Meynung/ und ob ſolche wol der Zeit nach
nicht einig/ ſo faͤllet dennoch der Schluß da-
hinaus/ daß man den Krancken/ bey Anfang/
vom Schlaff abhalten ſoll. Jedennoch haͤlt
man fuͤr ungereimt/ alle Peſt-Patienten an
einerley Zeit des Enthaltens des Schlaffs zuUnter-
ſcheid un-
ter dem
Schlaffen.
binden/ ſondern fuͤr rathſamer zu achten/ et-
was beſſer auf die Umſtaͤnde zu ſehen/ ob der
Krancke des vielen Schlaffens gewohnt oder
nicht/ ob er ſehr krafftloß/ oder ob er noch bey
L 2ziem-
[164]DasXIV.Capitel.
ziemlichen Kraͤfften/ ob er etwa etliche Zeit
zuvor ſchon mehr/ als ihm erſprießlich iſt/ ge-
wachet/ und nicht ſchlaffen koͤnnen/ ob er
groſſe Hauptſchmertzen gehabt oder nicht/ ob
er ſchon ein oder mehr antidota gebrauchet
oder nicht/ item/ ob er alt oder jung. Nach
welchen Umſtaͤnden ein jeglicher Medicus ſei-
nen Patienten 12/20 oder 24 Stund/ ja
auch gantze Tag vom Schlaff abhalten kan/
und nur etwas wenigs ſchlaffen laſſe/ aber
allzeit zu rechter Zeit wieder auffwecken/ und
iſt zu mercken/ daß der Patient den Mund
unterwaͤhrenden Schlaffen nicht unter dem
Deckbett habe/ damit ihm die gifftigen
Schwaͤren keinen Schaden zufuͤgen koͤnnen:
Warum
man den
Patienten
anfangs
nicht will
ſchlaffen
laſſen.Die Urſach aber/ warum man den Patien-
ten/ wann ihn die Peſt anſtoͤſſt/ nicht will an-
fangs ſchlaffen laſſen/ ohnerachtet er doch
ſchlaͤffrig iſt/ iſt dieſe/ weilen im Schlaffen
die natuͤrliche Waͤrme ä circumferentia ad
centrum, das iſt/ von auſſen des Leibs innen-
werts zu ſich begiebet/ und alſo das Peſtilen-
ziſche Gifft dem Hertzen naͤher zugezogen und
in die Adern getrieben wird/ dahero es den
Krancken leichtlich erwuͤrgen kan. Durch
das Wachen aber (welches doch auch nicht zu
lang aneinander waͤhren muß/ weil dadurch
der Leib erhitzt/ und die Spiritus ſehr reſolvirt
werden) iſt die natuͤrliche Waͤrm mehr ge-
gen auſſen zu/ da ſich doch das Gifft und ſeine
boͤſe Daͤmpffe auch daſelbſt befinden/ und
wegen
[165]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
wegen deß ſie weit von dem Hertzen/ nicht ſo
bald und leichtlich ſchaden.
Es ſollen ſich die Patienten zu PeſtzeitenSoll ſich
fuͤr Zorn
huͤten.
ſonderlich fuͤr Zorn huͤten/ denn von dem Zorn
werden ſelbige erhitzet/ und iſt nicht anderſt/
als wenn man Schweffel ins Pulver ſchuͤt-
tete/ und ins Feuer ſtieſſe/ angeſehen daß da-
durch das Gifft ſich in alle Glieder ausbrei-
ten und den Menſchen deſto eher ums Leben
bringen kan. Soll anbey ein gut VertrauenGutes
Vertrau-
en gegen
den Medi-
cum ha-
ben.
und Zuverſicht gegen ſeinen Medicum haben/
wodurch die Cur gewaltig befoͤrdert wird/
denn man ſiehet/ daß die Krancken durch ge-
faſſeten Wahn und gutes Vertrauen gegen
den Medicum (bevorab der gluͤckhafft iſt)
wiederum zu ihrer vorigen Geſundheit ge-
langen. Roder. à Caſtro in Medico-Polit. lib.
3. c. 12. ſchreibt: Des Patienten geſchoͤpfftes
Vertrauen thut viel zu ſeiner Heylung/ denn
viel ſind nur ſelbigen wegen wieder geſund
worden; Zwar etliche auch wol/ weilen ſie
aus ſolchem guten Vertrauen ſich in allem
nach dem Willen und nach der Verordnung
des Medici recht gehalten/ aus ſolchem Ver-
trauen ſeynd/ wie Plinius ſchreibt/ auch ih-
res Wunſches gewaͤhret worden. DerMe-Was der
Medicus
fuͤr Mit-
tel am An-
fang ge-
brauchen
ſoll.
dicus hingegen ſoll fuͤrſichtig mit dem Pa-
tienten verfahren/ denn einige tractiren den
Patienten anfangs mit gar gelinden Mit-
teln/ weil ſie noch nicht wiſſen koͤnnen/ wie
ſich die Kranckheit anlaſſen/ und was fuͤr Zu-
L 3faͤlle
[166]DasXIV.Capitel.
faͤlle ſie mit ſich fuͤhren werde: weil auch Ga-
len 2. de loc. aff. ſchreibt/ man ſoll nicht al-
ſobalden ſtarcke ſondern gelinde Mittel brau-
chen. Andere aber trauen den gelinden Mit-
teln ſo viel nicht/ daß ſie einen ſo groſſen
Stein heben ſolten/ ſondern wollen/ man ſoll
alſobald mit recht kraͤfftigen und ſtarcken
Mitteln dem Gifft entgegen arbeiten/ weil
man es mit einer ſolchen Kranckheit zu thun
habe/ die geſchwind und durchdringend iſt:
geſtallen ſie nicht etwan unter die acutos,
auch nicht per acutos, ſondern acutiſſimos
morbos von allen gezehlet wird/ und offtmal
dem Menſchen ſeinen Reſt gibt/ ehe er von
den gelinden Mitteln an die ſtaͤrckere kom-
met. Auch weilen alle Kraͤffte alſobald Noth
leyden/ denen aber nicht ſowol mit terreſtre-
tiſchen Artzneyen (welche langſam von der
Natur digerirt werden) als mit ſpirituoſi-
ſchen/ da das bloſſe Corpus von der Forma,
in welcher die Krafft der Artzneyen beſtehet/
ſeparirt iſt/ geholffen werden kan/ und iſt ſol-
cher ſpirituoſiſchen Artzneyen deſtomehr von-
noͤthen. Und weil auch das Gifft ſelbſt nichts
anders als ein Dunſt/ exhalation oder ſpiri-
tus iſt/ dahero hart gegen hart erfordert
wird. Auch weilen ſich das Gifft nicht al-
lein in die Viſcera, Adern und Glieder offt-
malen tieff verbirget/ ſondern auch in den-
ſelben bevorab aber deren zaͤhen uͤberfluͤſſigen
Feuchtigkeit hart anſchl[aͤ]get. Und endli-
chen/
[167]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
chen/ weilen das Gifft/ ſo man durch den
Schweiß auszutreiben vermeynet/ ſelten
durch ſelbigen fortgehet/ man brauche denn
ſtarcke Schweißtreibende Sachen. Und
auch ſo nehmen die wenigſten Patienten gern
offt Artzneyen ein: was wuͤrde denn alſo ge-
ſchehen/ wenn ſie mit gelinden Mitteln an-
fangen und immer mit ſtaͤrckern fortfahren
ſolten.
Was nun den erſten Einwurff betrifft/ den
kan man leichtlich nachgeben/ daß die purgi-
rende Sachen mehrentheils/ wo nicht allzeit/
gelind ſeyn ſollen/ und ſolches mit den ſpe-
cial-Gifft-treibenden Mitteln/ aber es hat ein
andere Gelegenheit und Meynung. Was
aber Galeni Meynung betrifft/ ſo redet er
nur von denjenigen Kranckheiten/ welche Ver-
zug leyden/ und nicht ſo leichtlich Gefahr
bringen.
Warum aber auch die Artzneyen im An-Warum
offt An-
fangs kei-
ne Mittel
anſchla-
gen wol-
len.
fang der Kranckheit offtmal nicht anſchlagen
wollen/ ſolches hat dreyerley Urſachen/ 1. weil
der Gifft etwa ſo ſtarck/ daß er vielmehr die
Artzneyen bezwinge/ als daß er von ihnen be-
zwungen werde. So iſt 2. auch der Man-
gel am Medico, indem ſelbiger entweder nicht
wiſſe noch verſtehe/ daß die Kranckheit die
Peſt ſey/ oder aber Anfangs zu gelinde oder
doch ſolche Mittel/ die wie man ſagt/ entre
deux ſind/ gebrauchen/ dadurch die Seuche
Uberhand gewinnet/ und den Meiſter ſpielet.
L 43. Auch/
[168]DasXIV.Capitel.
3. Auch/ weilen die Patienten bißweilen un-
gehorſam ſind/ dem Medico und andern/ ſo
es treulich mit ihnen meynen/ und die Grau-
ſamkeit der Schwachheit beſſer bedencken/
nicht in allem der Gebuͤhr folgen/ ſondern
den Handel gering halten/ und wol nicht mey-
nen/ daß es mit ihnen Noth haben werde/
oder nicht glauben/ daß es die Peſt ſey/ ſon-
dern dafuͤr nur von dem Medico und Barbi-
rer gehalten wird/ und ſie alſo um Gewinſts
willen uͤberreden wolten.
Offtermalen wird auch einer mit der Peſt
befallen/ der vorher keine Præſervativ-Mit-
tel gebrauchet/ und ob er auch ſolche ſchon ge-
brauchet haͤtte/ doch keinen Nutzen darbey
empfunden. Nun iſt bekannt/ daß arme
Leut gern Mittel braucheten/ wenn ſich dero
Vermoͤgen ſo weit erſtreckete; Es haben
ſolche aber nicht vonnoͤthen deßwegen fuͤr
Koſten zu ſorgen/ ſondern doͤrffen nur die
Muͤhe nehmen ſelbige zu holen/ als da ſind
Angelica/ Bibenell/ weiſſe Diptam/ Bal-
drian/ Wachholderbeer ꝛc. viel verſaͤumen ſie
aber muthwilliger weiſe/ gehen dahin/ ach-
ten ihrer ſelbſt nicht/ wenn nun ſolche unver-
ſehens von der Peſt uͤberfallen werden/ und
zuvor weder purgirt noch Adergelaſſen/ ſo hat
man wahrzunehmen/ ob viel Cruditaͤten vor-
handen/ die eine Purgation beduͤrfftig/ deß-
gleichen wie es mit dem Gebluͤt ſowol quo-
ad quantitatem bewandt/ ob eine Aderlaͤß
von-
[169]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
vonnoͤthen. Man purgiere nun/ oder laß
zuvor Ader/ ſo muß bey Zeit ein Schweiß-
treibende Artzney geben und nicht lange damit
gewartet werden/ auff gehaltenen Schweiß
ſollen alsbald kraͤfftige Hertzſtaͤrckungen er-
folgen. Was weiter zu thun iſt/ ſoll an ſei-
nem Ort unter den Medicamenten erinnert
werden. Im Fall aber allerley Præſervati-
va gebrauchet waͤren/ und ſo viel gleichwol
nicht operirt haͤtten/ daß die Peſt ausgeblie-
ben waͤre/ iſt anders nichts als ſtaͤrckere Gifft-
treibende Mittel nebſt Confortativen an
Hand zu nehmen/ und damit friſch anzu-
halten.
Es iſt aber allhier die Frage/ ob man denWelche
Mittel zu
gebrau-
chen all-
hier gera-
then wer-
den.
Patienten Galeniſche oder Chymiſche Medi-
camenta gebrauchen darff? Beyde ſind nicht
zu verwerffen; weil es aber viel Leute gibt/
welche fuͤr den Chymiſchen Artzneyen furcht-
ſam gemacht werden/ koͤnnen bey den Gale-
niſchen bleiben; Ich laſſe jeden bey ſeiner
Meynung/ ſage auch nicht/ daß alle Chymi-
ſche Artzneyen unverwerffig ſeyn/ doch aber
muß man bekennen/ daß offt ſo wenig mit
ſtarcken Chymiſchen Sachen als mit gelinden
Galeniſchen Mitteln ausgerichtet wird: wenn
ſie aber beyderſeits genugſam in Kranckhei-
ten probirt und bewaͤhrt erfunden werden/ ſo
hielt ich es mehr mit den Chymiſchen als Ga-
leniſchen/ fuͤrnemlich weil ſolche viel eher als
andere penetriren und durchdringen koͤnnen;
L 5auch
[170]DasXIV.Capitel.
auch weil die wenigſten Thell der Chymi-
ſchen den Patienten leicht/ der meiſte aber der
Galeniſchen tàm propter quantitatem quàm
qualitatem ſchwer einzunehmen ſind. Je-
dennoch koͤnnen die Chymiſchen Artzneyen
ſchwerlich die voͤllige Peſt-Cur verrichten/
wenn nicht von einem gelehrten und verſtaͤn-
digen Medico auch andere Sachen gebrau-
chet werden.
Es wollen aber einige nicht alle/ ſondern
nur nachgeſetzte Chymiſche Artzneyen zulaſ-
ſen: und wo der ſtarcken Chymiſchen Artz-
neyen gedacht wird/ man eben nicht die ſtar-
cken Mercurialiſchen/ Antimonialiſchen/ und
andere ſtuͤrmeriſche Artzneyen/ welche die Na-
tur uͤbern Hauffen werffen/ verſtehen ſoll.
Was aber fuͤr Chymiſche Medicamenten in
der Peſt zugelaſſen/ ſind fuͤrnemlich Tarta-
rus Vitriolatus, Sal Eſſentiale, oder Cremor
Tattari, ſamt deſſen Cryſtallo, Magiſterio,
Spiritu, terra foliata, \&c. deßgleichen aller-
ley Extracta, Eſſentiæ, Salia, Tincturæ, Spi-
ritus, Pulveres, und was des Dings mehr/
ſo von dem Scammonio, Colocynthite, Mer-
curio, Antimonio \&c. durch die Medicos heu-
tiges Tages bereitet/ oder doch zum wenigſten
ordiniret wird. Andere Chymiſche Medica-
menta aber/ als Extracta, Salia, Olea, Eſſen-
riæ aus der Angelica, Zedoaria, Junipero,
Roremarino, Meliſſa, Scordio, Camphora,
Myrrha, Succino \&c. præparirt/ ſamt den
Flori-
[171]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
Floribus Sulphuris, Spiritu Sulphuris acido,
Elixire Proprietat. Paracelſi, kraͤfftig deſtillir-
ten Waſſern/ und dergleichen/ welche un-
ten an ihrem Ort beſchrieben werden/ ſeynd
wol zuzulaſſen/ wenn nur die Verordnung
von einem rechtſchaffenen Medico geſchiehet.
Die Zeit betreffende/ wenn man den Kran-Man ſoll
ohne Zeit-
verſaͤumen
nach der
Huͤlff
greiffen.
cken zu Huͤlff kommen ſoll/ ſo ſind viel der
Meynung/ daß man unverzuͤglich und ohne
Zeit-verſaͤumen dem Ubel ſteuren muͤſſe.
Obwol Patienten gefunden werden/ welche
ſagen: Es iſt noch Zeit genug/ wenn nur die
24. Stunden noch nicht fuͤruͤber; aber/ wenn
die Peſt immer einerley Gattung waͤre/ ſo
koͤnte man leicht erkluͤgelen/ wie viel Zeit er-
fordert werde/ biß man ſagen koͤnne/ es ſey
nun zu ſpat Artzneyen zu gebrauchen: ſie iſt
aber ſo mancherley/ daß es nicht moͤglich;
denn manchen uͤberfaͤllt dieſe Seuche ſo grim-
miglich/ daß er nicht 12. geſchweige denn 24.
Stund erlebt; manche kommt ihn ſo gelind
an/ daß auch die am 3. oder 4. Tage erſt ge-
gebene Artzneyen genugſam gefruchtet haben.
Daß aber gerathen wird/ man ſoll innerhalb
24. Stunden zur Huͤlff greiffen/ geſchiehet
aus folgenden Urſachen: Weil die Leut vor-
hin allzu ſicher ſeyn/ auch weil eines Men-
ſchen Hertz ſchwaͤcher als des andern iſt/ und
derowegen ihn das Gifft/ welches am erſten
und meiſten nach dem Hertzen dringet/ wol in
gar wenig Stunden hinrichten kan. Weil
auch
[172]DasXIV.Capitel.
auch das Gifft manchmal ſo geſchwind ver-
faͤhret/ daß es nicht allererſt die Humores an-
greifft/ ſondern alsbald nach dem Hertzen ey-
let/ und ohne Verurſachung einiger Faͤulung
oder Fiebers ſtracks zu ruiniren pfleget. So
dienen auch forderſamſte Medicamenta, weil
das Gifft im erſten Anlauff noch nicht ſo ſehr
zugenommen/ alſo daß ihm Anfangs mehr
Widerſtand/ als wenn man gewartet haͤtte/
geſchehen und angethan werden kan. So
ſind endlich am Anfang die Kraͤffte auch noch
dauerhafft/ und koͤnnen das Schwitzen ſamt
andern Mitteln beſſer vertragen. Alſo heiſt
es bey dieſer Seuche: Principiis obſta; und
ſchreibt Panſa Conſil. antipeſt. c. 14. Und
magſt du dein halbes Kopffſtuͤck/ den Urin
ſchauen zulaſſen/ wol ſparen. Aber da hoͤret
man offt die Patienten ſagen: Ich will heut
noch zuſehen; Wilt du aber nicht treuem
Rath folgen/ und verſteheſt die Sach beſſer/
ſo helff dir nachmals ſelbſt. Soll derohal-
ben ſchon in der 4. Stunde/ oder ſo bald
der Menſch etwas fuͤhlet/ Rath und Huͤlf-
fe ſuchen.
So gibt es auch viel Leut/ welche Gewohn-
heit haben/ wenn ihnen oder den ihrigen et-
was anſtoͤſſet/ daß ſie augenblicklich/ auch wol
zu Peſtzeiten/ uͤber des Coleri Haußbuch oder
den Gabelkofer lauffen/ oder ein Kraͤuter-
duch auffſchlagen/ und was ſie duͤnckt/ daraus
brauchen/ und bilden ihnen ein/ es ſey gar ge-
nug/
[173]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
nug/ ſolche Schwachheit damit zu curiren;
aber ſie finden ſich betrogen/ denn wenn man
an ſolchen Buͤchern genug haͤtte/ ſo thaͤten
die Eltern an ihren Kindern thoͤricht/ fuͤr ſel-
bige ſo viel Koſten auffs Studiren zu wen-
den: ſo finden ſich auch in ſolchen Buͤchern
ſo viele Lateiniſche/ Griechiſche/ Arabiſche und
andere Terminos, darauff ſich nicht der ze-
hende verſtehet/ und alſo leichtlich ſich ſelbſt
betriegen kan. So gehoͤret auch viel darzu/
ſich recht auff die Doſi, Maaß und Gewicht
der Artzney zu verſtehen/ wie iſt denn alſo ein
Krancker verſorget? So dienen auch nicht
alle Artzneyen allen Menſchen/ ſondern ſie
muͤſſen nach des Krancken Natur/ Comple-
xion, Alter/ Sexu, Gelegenheit/ ꝛc. gerichtet
werden; denn die Jungen anderſt als die Al-
ten/ die Weibs-Perſonen anderſt als die
Manns-Perſonen/ einer ſo hitziger der ander
kalter Natur iſt/ zu tractiren und zu verpfle-
gen. Weiters/ ſo iſt die Peſt auch nicht ei-
nerley Gattung/ der ohalben auch unmoͤglich
auff einerley Manier zu curiren: Denn an-
derſt iſt ſie zu curiren/ wenn ſie erſt anfaͤhet/
anderſt/ wenn ſie ſchon ein Weil gewaͤhret/
anderſt/ wenn ſie allein iſt/ anderſt aber/ wenn
noch andere Zufaͤlle mit anwandeln. So
kan auch ein jeder Menſch nicht allerley Artz-
neyen wider die Peſt gebrauchen/ denn einer
ſcheuet Pulver/ ein anderer Traͤncke/ ein an-
derer Pillen/ ein anderer Latwergen; dieſer
kan
[174]DasXIV.Capitel.
kan nicht ſuͤſſe/ jener nicht bitter Ding ein-
nehmen. Derohalben muͤſſen ſolche nach des
Patienten Beſchaffenheit vom Medico ordi-
nirt werden/ weniger iſt auch ſolchen Leuten
bekant/ wenn und wie ſtarck der Patient zu
cu[rri]ren ſey/ oder durch was fuͤr Medica-
menta es geſchehen muͤſſe/ entweder wie ſol-
che purgiret/ oder wie und wo der Aderlaß
anzuſtellen ſey. Sind alſo die in Artzney- und
Kraͤuter-Buͤchern befindliche Artzneyen/
eins der nicht darauf ſtudiret hat/ und des
Krancken Leibs Beſchaffenheit verſtehet/
lauter nichts/ als ſcharffe ſpitzige Meſſer in
den Haͤnden der jungen Kinder.
Nun moͤchte wohl einer fragen/ wie es
doch die armen Bauren machen/ die weder
Doctor noch Barbirer haben/ oder die Artz-
neyen nicht bezahlen koͤnnen? darauf folget
die Antwort: Wenn man nicht kann wie
man will/ ſo muß man wollen wie man
kann. Und unterdeſſen ſo viel zuwege brin-
gen/ als moͤglich iſt/ und werden Chriſtli-
che/ fromme Medici und Barbirer bey den
Armen auch gern etwas uͤbriges thun. Zu-
dem ſo ſind viel wolfeile Sachen/ zu einen
oder andern Peſt-Zuſtand zu bekommen.
Und hat der liebe GOtt ſich noch nie antheure
und koſtbare Sachen binden laſſen/ ſondern
ſeinen Segen ſo bald zu einem geringen
Haus-Mittel als zu einem koſtbaren Medi-
cament gegeben. So lieget es auch nicht al-
lein
[175]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
lein an den leiblichen Mitteln/ ſondern viel-
mehr an den geiſtlichen/ denn das fuͤrnehm-
ſte das liebe Gebet iſt/ und wenn GOTT
will/ ſo kann auch nur ein Pflaſter von Fei-
gen helffen.
Endlichen fraget es ſich auch/ ob einerUberfluͤſ-
ſiger Ge-
brauch deꝛ
Artzney-
en.
auch mit Uberfluß der Artzneyen zuviel thun
koͤnne? darum ſoll man einen Unterſcheid un-
ter den Naturen und Artzney-Mitteln hal-
ten. Denn wie Panſa conſil. antipeſtif. 3. in
der 18. Frag ſchreibet: was ſtarcke Naturen
und erwachſene Leut ſeynd/ denen mag man
wohl eine Artzney oft zweyfach eingeben.
Denn gleich wie mancher gar ſtarcke Pur-
gantien haben muß/ und dieſelbe wohl ver-
tragen kan/ alſo kan eben ein ſolcher die
Schweiß-treibende Mittel in groſſer Quan-
titaͤt vertragen/ als andere/ die ſchwaͤchrer
Natur ſeyn. Denn ſo man ſchwachen Natu-
ren und der Jugend ſo viel auf einmal einge-
ben ſolte/ moͤchte man dieſelbe allzuſehr uͤber-
treiben/ die innerſte Waͤrme erſticken/ und
alſo gantz und gar darnieder werffen/ und
gebrauchet man erſtlich ein Mittel das gut
iſt/ und erwartet hierauf der Operation.
Wird deßwegen ein verſtaͤndiger Medicus
ſonder einziges erinnern von ſelbſt Ziel und
Maaß zu halten roiſſen.
Dieweil nun wie oben gedacht ein groſſerWas bey
Cur der
Jung-
frauen zu
Unterſcheid der Naturen iſt zwiſchen
Manns- und Weibs-Perſonen/ ſo iſt auch
wie-
[176]DasXIV.Capitel.
Acht zu
nehmen
iſt.wiederum zwiſchen Weibern und Jung-
frauen mit der Cur ein Unterſcheid zu ma-
chen/ die Jungfrauen betreffende/
dieweil bey denen/ die erwachſen ſind/ ge-
meiniglich im Anfang der Kranckheit ihre
Monatliche Reinigung herfuͤr bricht/ wel-
che eineſonderliche Vermuthung giebt/ daß
die Natur alsbald im Anfang des Giffts
gewonnen geben will/ und das Gebluͤt nicht
mehr an ſich halten kan/ ſo wil ihnen oblie-
gen/ daß ſie von Stund an/ wenn ſie etwas
im Haupt oder Gliedern verſpuͤren/ oder/
welches ihnen am meiſten begegnet/ wenn
ſie in eine unverſe hene Furcht gerathen ſeyn/
daß man ihnen ein oder ander gelindes
Schweiß-Traͤncklein/ Schweiß-Latwerg/
oder Puͤlverlein warm gebrauchen/ und ſo
lang darauf ſchwitzen laſſen/ bis ein ziemli-
cher Schweiß erfolget/ worauf man alſo-
fort wiederum anhalten kan. Wofern ſie
aber ihrer Reinigung wegen Mangel befin-
den/ daß ſie ſich auf den Knien/ und hinten
auf dem Geſaͤß des dicken Fleiſches Schroͤpff-
Koͤpffe ſetzen lieſſen/ und ziemlich dicht hau-
en/ darbey auch folgendes der gelindern La-
xativen/ als præp arirten Weinſtein/ laxi-
rende Quetſchen-Lattwerg/ ausgezogene
Roſinen gebraucheten. Im Fall auch nur die
geringſte Verſtopffung des Stuhlgangs
vorhanden/ nicht vergeſſen/ dennoch aber
mit ſtarck treibenden Mitteln/ die die Mo-
nats-
[177]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
nats Reinigung befoͤrdern ſollen/ der Zeit
noch einhalten/ weil ſolcher Gaſt gar gut zu
laden/ aber wieder boͤß zu vertreiben iſt.
Viel Jungfrauen auch ohne dem/ und wann
ihnen ſchon ſonſt nichts ſehlet/ gantz kranck
und matt daran darnieder liegen. Sonder-
lich weil mehr daran gelegen/ daß man auf
das Gifft/ als auf die Menſes ſehe/ in Be-
trachtung/ daß jenes mehr urgirt/ und vor
allen Dingen gedaͤmpfft werden muß. Die
uͤbrigen aber/ welche reines Leibs/ und kurtz
vorher ihren Monat-Fluß gehabt/ koͤnnen
das Schroͤpffen auf den Knien allein gebrau-Wie ſol-
che Cur
fuͤrzuneh-
men.
chen/ dieweilen bey ihnen gemeiniglich die
gifftige Beulen um die Scham und am di-
cken Fleiſch ſich herfuͤr zu thun pſlegen. Wel-
ches alles mit halb wachſenden Jungfrauen/
ſo uͤber 12. Jahr ſind/ in Acht zu nehmen iſt/
und nach Ermeſſung der gegenwaͤrtigen
Kraͤfften zu verrichten. Iſt alſo jederzeit da-
hinzu ſehen/ daß man mit den Jungfrauen
in dergleichen nicht leichtlich Theriac/ Mi-
thridat/ guͤlden Ey-Latwerg/ und derglei-
chen hitzige Sachen/ ſondern an deren ſtatt
vielmehr das Diaſcordium Fracaſtori, wel-
ches ohne groſſe Bewegung der humoren
dem Gifft wiederſtehet/ und der Faͤulung
wehret/ oder ander dergleichen Mittel ge-
brauche. D. Daniel Sennertus de Fobr. lib. 4.
c. 8.
So iſt auch nothwendig zu eroͤrtern/ wie
ſich eine ſaͤugende Frau/ ſo an der Peſt lie-
get mit ihrem Kindlein zu verhalten hat/ denn
ſolches iſt in Wahrheit keine geringe Sorge/
wenn ſie noch Kinder ſaͤugen/ und mit der
Peſt uͤberfallen werden/ dieweil ſie ihre mei-
ſten Gedancken dahin richten/ ob ſie ſolche
fort trincken/ oder abſtoſſen ſollen? dero-
wegen ſie auch alſobald bey dem Medico,
Heb-Ammen ꝛc. Raths erholen wollen.
Welches gewißlich eine ſchwere Frage: denn
rathet man ihnen/ daß ſie das Kindlein nicht
ferner ſaugen laſſen ſollen/ ſo bekuͤmmern ſie
ſich erſtlich um das Kind/ und erbarmet ſie
es/ bevorab/ wenn es noch gar jung iſt/
und von ſeiner Mutter nicht mehr trincken
ſoll: ſo machet die verhaltene Milch in
Bruͤſten auch nicht wenig Ungelegenheit/
dann die Hitz dadurch im Leib vermehret/
durch den Schmertzen aber/ welchen ſolche
verhaltene Milcherreget/ das Hertz und fuͤr-
nehmſte Glieder ſehr krafftloß werden: Raͤ-
thet man ihnen aber das Kind fort ſaugen zu
laſſen/ ſo trincket es nichts anderſt/ als ei-
ne boͤſe/ hitzige/ gifftige Milch/ daher es
nothwendig auch kranck werden muß/ und
weilen ſeine zarte Natur dem Peſt-Gifft
nicht zu wiederſtehen vermag/ es waͤre denn
beſagtes Gifft uͤber die maſſe gering/ oder
wolte GOtt der HErr das Kind ſonderlich
erhalten/ in augenſcheinliche Todes-Gefahr
geſtuͤrtzt
[179]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
geſtuͤrtzt wuͤrde. Ja ſagett mancher/ das
Kind iſt ſeiner Mutter Artzt/ und iſt ja beſ-
ſer/ man laſſe das Kind ſterben als die Mut-
ter/ ja/ wenn ja eines ſterben ſoll/ ſo iſt es
um vieler Urſachen willen freilich beſſer/ es
ſterbe das Kind als die Mutter. Wie waͤre
es aber meine kluge Plappertaſche/ wenn
man ſie beyde erhalten koͤnte? wie dann/
ſolte es wohl ohnmoͤglich ſeyn? O nein/
wenn nur die Kranck heit nicht ohne das ſchon
die Oberhand hat/ daß weder Artzney noch
anderſt was mehr helffen kan. Sonſt die-
net in ſolchen Proceß, daß ſo bald es immer
moͤglich/ das Kindlein von der krancken
Mutter genommen/ und indeß einer andern
Saͤugerin anvertrauet werde/ oder da es
bereits 3. 4. 5. oder mehr Monat alt/ und
nicht matt/ mit Schar Waſſer oder gefot-
ten Waſſer/ von Waſſer und Milch/ oder
von Waſſer/ Hirſchhorn/ und guten Ca-
nari Zucker/ ꝛc. trincken. Der Mutter aber
waͤre zu ordiniren einige junge Huͤndlein/
anzulegen/ wordurch ſie der Schmertzen und
Ungelegenheitentgehen koͤnte/ oder auch ſich
von einer andern Frauen außſaugen lieſſe/
die gern den Pfennig verdienen/ oder wenn
ſolche auch nicht auffzubringen/ daß man
allerley nutzliche Milch-vertreibende Mittel
anordnete/ derer die Medici gern an Han-
den geben werden.
Wann aber Kinder von unterſchiedenem
Alter von der Peſt angriffen/ ſo ſoll man
ſolchen nicht insgemein einerley Artzney ver-
ordnen/ dieweil ſie unterſchiedener Comple-
xion ſeyn/ auch unterſchieden an Jahren;
auch etliche noch ſaugen/ andere aber nicht
mehr angeleget werden: denen Saͤuglingen
wird entweder durch der Mutter Einneh-
men/ oder auch durch ihren ſelbſt innerlichen
oder aͤuſſerlichen Artzney-Gebrauch geholf-
fen. Die Muͤtter koͤnnen gar offt ihrer Kind-
lein Artzt ſeyn/ wann ſie ſelbſt nur wollen/
und diejenigen Artzneyen gebrauchen/ derer
Zweck man gern an Kindern ſehen wolte/
ja/ welche man gern den Kindern ſelbſt ein-
gaͤbe/ wann ſie ſolche nur brauchen und ein-
nehmen koͤnten/ welches alles vermittelſt der
Milch bey denen Kindern geſchehen kann.
Wann nun ein ſaugend Kind von der Peſt
inficirt waͤre/ koͤnte man ihm von dem Ma-
giſterio Corn. Cerv. Perlarum. Lap. Bezoard.
or. Unicorn. Vero. Bezoardico minerali, Spe-
cier. liberantis, Spec. de hyacinth. pulv. mar-
chion. \&c. etwas/ entweder in einer aqua
appropriata, oder in einem warmen Bruͤh-
lein/ oder in Milch/ (doch derer nicht viel/
wann ein Fieber oder Hauptwehe fuͤrhan-
den) oder in Krafftwaſſer eingeben. Er neh-
me nun dieſe oder dergleichen Mittel/ oder
nehme ſie nicht/ ſo iſt doch nuͤtzlich und gut/
daß dje Mutter/ oder welche das Kind ſau-
get/
[181]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
get/ von Gulden Ey/ Diaſcordio, Fracaſt.
Mithridat. \&c. gebrauche/ jedoch nicht ſelbſt
darauff ſchwitze/ ſondern nur das Kind offt
anlege/ wann es warm zugedeckt/ nach Ge-
legenheit ſeine Krafft und Staͤrcke ſchwitzen
laſſe. Aeuſſerlich koͤnnen allerhand Epithe-
mata oder Uberſchlaͤge/ in Form der Hertz-
Stirn- und Pulß-Saͤcklein/ wie an ſeinem
Ort aufgezeichnet zu finden/ auch nach Noth-
durfft allerley kraͤfftige Hertz-Stirn-Pulß-
und Schlaff-Saͤlblein bey die Hand ge-
bracht werden.
Die aber keine Saͤuglinge mehr ſind/ koͤn-
nen etwas ſtaͤrckere Medicamenta, und zwar/
wann ſie eckelt ſeyn/ gebrauchen/ welche kei-
ne oder doch gar wenig Geruch oder Ge-
ſchmack haben/ unterdeſſen man ihnen aber
allerley Peſt-Mittel in- und aͤuſſerlich bey-
bringt/ muß man nicht ihrer allergemeineſten
Beſchwernuͤß/ nemlich der Wuͤrm/ vergeſ-
ſen/ ſondern denenſelben ſtetigen Abbruch
thun. Denen unter 8. oder 10. Jahren aber
muß der Schweiß mehr eingezogen werden/
und auch mit den Schroͤpffen verſchonen.
Dieſen aber/ welche gar vollblutig und ſtar-
cker Natur ſeynd/ kan man darzu noͤthigen.
D. Jodocus Willichius lobt zum Schwitzen
ſehr das Einhorn mit Agdſtein und Saur-
waſſer/ oder Mutter-Milch zu geben/ und
will/ daß man gedacht Waſſer offtmahl zu
trincken wie nicht weniger auf die Windeln
M 3acht
[182]DasXIV.Capitel.
acht habe/ damit ſie offt rein geleget werden
koͤnnen.
Wie aber mit den ſchwangern Frauen
umzugehen/ ſo ſind ſolche in Peſtzeiten am
uͤbelſten dran/ ſintemahl es am meiſten uͤber
ſie und ihr Kindlein gehet: dahero auch Hip-
pocrates 5. Aphor. 30. ſagt: Wann ein
ſchwanger Weib mit einer geſchwinden
Kranckheit uͤberfallen wird/ ſo iſt es toͤdtlich/
und zwar darum/ weil kein Diæt anzuſtellen/
noch Aderlaſſen/ Schroͤpffen/ und andre Artz-
neyen ſich alſo gebrauchen kan/ daß ſolche
nicht etwa der Mutter oder Kind ſchaden
und zuwider ſeyn. Man kan ſolche aber
gleichwol nicht gantz Huͤlff-loß laſſen/ ſon-
dern mit ſolchen Mitteln/ die beydes das
Gifft von Hertzen treiben/ und dann [auch]
Mutter und Kind ſtaͤrcken/ beyſpringen.
Die Mut-
ter betref-
fende.Was die Mutter anlanget/ ſoll ſie an einem
Ort liegen/ da ſie allzeit eine wohl tempe-
rirte Lufft an ſich ziehe/ ſich auch fleiſſig fuͤr
langwaͤhrenden Hunger und Durſt huͤten/
haben ſich auch fleiſſig zu huͤten fuͤr allzu-
groſſer und hefftiger Leibs-Bewegung.
Wann nun eine ſchwangere Frau ſich
nach ordentlichen Reglement/ wie in unſerm
Weiber- und Kinder-Artzt angewieſen/ ver-
halten wird/ und aber uͤber alle ſolche fleiſſi-
ge angewandte Fuͤrſorge ſich ein oder der an-
dere unverhoffte Zufall/ wodurch fruͤhzeiti-
ger Abgang der Frucht/ oder ander gefaͤhr-
licher
[183]Eroͤrterung unterſchiedener ꝛc.
licher Schade zu beſorgen ſeyn moͤchte/ er-
aͤugnen wuͤrde: So kan man ein geroͤſtet
Brodt in Himbeer-Rauten-Scordien-
Holder- oder Roſen-Eſſig geweichet/ nuͤch-
tern eſſen. Welſche Nuͤſſe in dergleichen Eſ-
ſig geweichet/ oder in der Aſchen/ wie Caſta-
nien gebraten/ ſind auch nicht zu verachten.
Item/ im Sommer die Blaͤtter von gruͤnen
Scabioſen/ Saurampffer und Rauten in
Eſſig genoſſen. Im Winter aber ſind Fei-
gen/ Tormentil/ Pomrantzen-Schalen/
welſche Nuͤß und Rauten klein geſtoſſen/ mit
Honig und Saltz vermiſchet/ zur Lattwerg
gemachet/ und einer Haſelnuß groß davon
genommen/ noch nuͤtzlicher/ wem uͤber dieſe
erzehlte Stuͤck/ Wacholderbeer/ Kuͤmmel/
Coriander/ Alandwurtz/ Angelickwurtz ꝛc.
in Eſſig gebeitzt/ darzu zu thun beliebt/ der
wird nicht uͤbel thun. So dienen auch einer
ſchwangern Frau nachbeſchriebene
Pulveriſir alles/ miſche es/ und mit Zu-
cker/ der in Meliſſen- und Roſenwaſſer auff-
geloͤſet mache Morſellen.
Oder bereite folgende
Mache aus allen nach der Kunſt Mor-
ſellen/ davon der Frau offt einige genieſſen
laſſen.
Oder auch nachbeſchriebene
Mit Syrup. Conſerv. Citti. q. s. F. Ele-
ctuarium.
Es werden auch nicht undienlich ſeyn fol-
gende
Weiſſen Zucker in Roſenwaſſer auffgeloͤ-
ſet/ miſche es zu einer Conſerv. in Zaͤltlein.
Auch kan man einer ſchwangern Frau Ro-
tuli liberantes No. j. ad ij. zu nehmen/ ver-
ordnen/ die es aber noch koͤſtlicher und beſſer
haben wollen/ koͤnnen gebrauchen folgende
Zucker in Saurampff-Waſſer auffgeloͤſet/
M 5das
[186]DasXIV.Capitel.
das genug iſt/ mache daraus nach der Kunſt
Zaͤltlein.
So wird auch von D.Schiller folgend
Electuarium nicht nur fuͤr ſchwangere/ ſon-
dern auch fuͤr andere Weiber dienlich gefun-
den:
Mit ſauren Citron-Syrup/ das genug
iſt/ mache eine Lattwerg/ taͤglich einer Caſta-
nien groß zu nehmen.
Oder auch folgend
Miſche es alles zu einem Pulver: Sol-
ches kan in einem Suͤpplein/ weichem Ey/
oder Granat-Citron- oder Limonien-Safft
eingenommen werden.
Sonſten dienet ſchwangern Weibern:
Roſen-Saurampffer-Borragen-Zucker/
eingemachte Johannis-Beer/ oder Berbis-
beer/ eingemachter Zittber/ eingemachte In-
dianiſche Nuß/ und dergleichen/ dieſe ſtaͤrcken
nicht allein die Mutter/ ſondern auch die
Frucht im Leibe.
Aeuſſerlich laſſe man ſie alle Morgen den
Leib ſalben mit folgendem
Mach aus allem ein weich Saͤlblein.
Damit wohl vorn vom Nabel an biß
zu Ende des Leibs ſchmieren/ ſo wohl auch
auf dem Rucken/ unter dem Guͤrtel und al-
lenthalben/ dann vermittelſt ſolches ſchmie-
rens werden die Mutter-Bande geſtaͤrckt
und feſt gemachet/ darinne die Frucht biß zu
ihrem rechten natuͤrlichen Fortgang getragen
wird.
Es iſt auch bey uns Teutſchen ein groſſer
Irꝛthum/ daß wir vermeinen/ wann ein an
der Peſt ligender Patient nicht eine Bad-
heiſſe Stube habe/ und das Gifft mit aller
Gewalt außſchwitzete/ ſo koͤnne er nicht ge-
neſen: Da doch dem Patienten/ der an einer
ſolchen hitzigen Schwachheit liget/ ohnedem
heiß genug iſt. So wird auch in allzuheiß-
gemachten Zimmern/ gemeiniglich bey ſolcher
Kranckheit vermehret/ und der Schlaff ver-
mindert. So iſt auch leicht zu glauben/ daß
der Patient daran ſehr matt werden muß/
welches an einem Geſunden zu beobachten/
wann man ihn allzuſehr in ein heiſſes Zim-
mer ſperren wolte. Dieweil aber in einem
kalten Logiament die Schweiß-Loͤcher an
dem Angeſicht und andern Gliedern/ die der
Patient nicht gedeckt hat/ verſtopfft bleiben/
wordurch das Peſtilentziſche Gifft im̃er mehr
und mehr verſtaͤrckt wird/ ſo iſt rathſam/
auch allhier die Mittel-Straß zu ergreiffen/
und das Zimmer nur laulecht waͤrmen/ auch
zu Zeiten einen lieblichen Rauch darein zu
machen.
Weilen auch kein einig proprium oderWie man
die Artz-
ney-Mit-
tel in der
Peſt geben
ſoll.
ſpecificum Antidotum wider die Peſt/ ſie ſey
welcher Natur ſie wolle/ gefunden wird/ ſo
iſt zwar diß die Frage nicht/ ſondern ob ein
oder die ander Artzney/ welche ſonſt fuͤr an-
dern wider die Peſt beruͤhmt iſt/ ohn Unter-
ſcheid allen Peſt-Krancken/ ſie ſeyn jung oder
alt/ Manns- oder Weibs-Perſonen/ ſtarcker
oder ſchwacher Natur ꝛc. nuͤtzlich oder gut zu
gebrauchen? Hierauf iſt kuͤrtzlich die Ant-
wort: Daß der Bezoar/ Einhorn/ geſiegel-
te Erde/ und dergleichen kuͤhlende Gifft-Mit-
tel gar wohl und ohn allen Unterſcheid zu al-
ler Zeit gebraucht werden koͤnnen. Die Thi-
riaca/ Mithridatium/ gulden Ey/ und welche
mehr dieſer Gattung ſeynd/ nicht gar zu wohl
als jene/ dieweil ſie ſehr hitzig in das Gebluͤt
treiben: Doch iſt dieſes dabey zu mercken/
daß obwohlen jede ſolche Artzney wider dieſe
Kranckheit ſehr erſprießlich iſt/ wider ein und
andern Zufall und Symptoma aber nicht ſo
fuͤglich gebrauchet werden kan. E.g. Wann
die Hitz und der Durſt groß/ ſo werden die
hitzige Antidota nicht ſo nuͤtzlich ſeyn/ als die
kuͤhlende: Wann eine Leibs-Verſtopffung
da iſt/ ſo wird hingegen die Terra ſigillata,
Bolus armenus, und dergleichen/ nicht uͤber-
fluͤſſig gebraucht werden doͤrffen/ ꝛc. daß man
alſo einen delectum nach Erforderung beydes
der Schwachheit und der Symptomatum ha-
be/ wie nicht weniger um dieſer und dann
um
[190]DasXV.Capitel.
um anderer Urſachen und Umſtaͤnd wegen
die Doſin der Artzney zu mindern und zu
mehren/ ander Artzneyen mehr darzu/ oder
wann es ein compoſitum iſt/ darvon thu[t]
corrigire/ und an Staͤrcke/ Geſchmack und
Geruch veraͤndere.
ES begibt ſich offtmahl/ daß die guͤ-
tige Natur die uͤberfluͤßigen Feuch-
tigkeiten durch den Schweiß hin-
wegtreibet/ welches eine Anzeige herꝛlicher
Unter-
ſchiedene
Art des
Schweiſ-
ſes/ ſo
ſelbſt kom-
met.und guter Staͤrcke iſt; bißweilen aber kom̃t
auch ein Schweiß/ welcher nicht durch die
Criſin oder durch die Krafft der Natur aus-
getrieben wird/ ſondern ein Symptoma oder
boͤſe Zufall iſt/ wie an dem Engliſchen
Schweiß/ deſſen faſt alle Medici, ſo von
der Peſtilentz geſchrieben haben/ gedencken.
Gleichwie aber bey Peſt-Krancken der ge-
machte Schweiß eine hoch-nothwendige
Sache iſt/ wann derſelbe zu ordentlicher
Zeit und auf gewiſſe Maß fuͤrgenommen
wird/ ſo will allhier gefraget werden/ ob man
auch an einem Tage zugleich den Schweiß
treiben und aderlaſſen kan? welches auf ge-
wiſſe Maſe zulaͤßlich/ denn bey einem Geſun-
den/
[191]Wie der Schweiß zutractiren.
den/ da man nur præſerviren will/ kan es
wohl geſchehen; wiewohl es auch eben nicht
hoch vonnoͤthen iſt. Bey Inficirten aber
wann es vonnoͤthen/ muß es mit guter Vor-
ſichtigkeit geſchehen/ dieweil alle Patienten
beyde Stuck nicht zugleich außſtehen koͤn-
nen. Die nun zu Morgens oder zu Mit-
tags-Zeit von der Peſt-Seuche angeſtoſſen
werden/ denen kan man alsbald ein Alexi-
pharmacum, oder Schweiß-treibend Mit-
teleingeben/ und gegen Abend/ wenn nem-
lich der Schweiß gehalten/ und die Natur
durch duͤnne/ vielmehr zu kraͤfftigen als zu
ſaͤttigen gerichtete Speiß/ oder durch Artz-
neyen vielmehr geſtarcket/ zur Ader laſſen/
und ſo es die Kraffte zulaſſen wolten/ koͤnte
nach Mitternacht abermal eine Schweiß-
treibende Artzney gebrauchet werden.
Wie ſich aber ein jeder in ſolcher Peſt-ZeitDer Pati-
ent ſoll un-
geſaumt
nach dem
Schweiß
trachten.
zum Schweiß in Bereitſchafft halten ſoll/
ſo thut ſolcher recht und wohl/ daß ſo bald
ſich ein oder mehr Zeichen der Peſt ereignen/
man ſich GOTT dem himmliſchen Artzt be-
fehlen/ hernach nicht lang deliberiren und
rathſchlagen/ welchen Tag und was fuͤr Mit-
tel man gebrauchen will/ noch erſt durch den
Urin bey dem Medico fragen laſſen/ was ei-
nem fehle/ ſondern vielweniger warten/ wie
ſich die Kranckheit anlaſſen werde/ alsbald
und ohne Verzug ein Alexipharmacum oder
Artzney wider den Gifft/ die man denn nicht
aller-
[192]DasXV.Capitel.
allererſt/ wenn man ſie bedarff/ aus der Apo-
theck holen/ ſondern zu ſolcher gefaͤhrlichen
Zeit jedesmal in ſeinem Hauß in Bereitſchafft
haben ſoll/ damit zu Tag und Nacht/ wenn
man entweder ſelbſt oder die ſeinigen nach
Gottes Willen angegriffen wuͤrde/ und man
ihrer in Eyl benoͤthiget waͤre/ alsbald an der
Hand habe/ und nicht erſt darnach lauffen
doͤrffe/ gebrauchen und einnehmen; denn die
Kranckheit leydet keinen Verzug/ wer ihr zu-
vor kommen will/ der thut es in wenig Stun-
den/ ſonſt nimmet der Gifft das Hertz ein/ und
wird man ihr hernach/ wenn viel Stunden
verfloſſen/ wenig Abbruch thun koͤnnen.
Es ſeynd aber ſolche Antidota oder Gifft-
und Schweißtreibende Artzneyen mancher-
ley/ als Latwergen/ Pulver/ Waſſer/ Eſſig/
Traͤncke/ Oel/ Balſam/ Pillulen/ Elixir, Ex-
tracta, Saltz/ Magiſteria, Stein/ Wurtzeln/
Saamen/ Spiritus, Safft/ Kuͤchlein/ Zaͤlt-
lein/ ꝛc. Die gemeineſte/ uͤblichſte und be-
ruͤhmteſte Electuaria aber ſind/ Theriaca An-
dromachi, Theriaca communis, Theriaca
Diateſſenon, Mithridatium Democratis, Ele-
ctuarium de Ovo, Diaſcordium Fracaſtori,
Antidotus Matthioli, von welchen man nach
Gelegenheit des Alters/ des Medicamenti
Doſis der
Schweiß-
treibenden
Mittel.und des Menſchen/ etwas eingeben kan; als
von der Theriaca Andromachi und Mithridat
Erwachſenen ʒj. Jungen halb ſo viel/ als ʒß.
von den uͤbrigen Latwergen aber ʒij. Sonſt
gibt
[193]Wie der Schweiß zutractiren.
gibt es noch hin und wieder andere Schweiß-
treibende Sachen/ derer an ſeinem Ort Mel-
dung gethan werden wird.
Offtmal begibt es ſich/ daß bey graſſiren-Weñ ihm
einer ein-
bildet/ ob
ſey er an-
geſteckt/
der Peſt ihm einer eine Einbildung machet/
als ob er angeſteckt waͤre/ und fuͤhle/ daß ihm
an einem Ort des Leibs etwas wehe thaͤte/
oder iſt nahe an ein inficirtes Ort kommen/
oder hat von der Peſt diſcuriren hoͤren/ und
ſich daruͤber entſetzt/ ꝛc. Ob nun wol/ wann
ein ſolcher Menſch vorhiñ unreines Leibs/ und
ein Cacochymicus iſt/ eine feine Purgation
zu Benehmung der boͤſen Materi/ darinnen
der Gifft mehrentheils ſeine Reſidentz hat/
vor allen Dingen gebrauchet werden ſolte/
nichts deſtominder iſt doch viel beſſer/ er legeob er auch
ſchwitzen
ſoll.
ſich nieder/ nehme ein Schweißtreibende Artz-
ney alsbald ein/ und ſchwitze wohl damit/
wodurch das Gifft vom Centro des Leibs ab-
gehalten/ oder wo es bereits die Poſſeſſion
genommen haͤtte/ von demſelbigen ad cir-
cumferentiam getrieben werden moͤge; denn
das Gifft kommt offtmal verdeckt auffgezo-
gen/ weßwegen man ihm nicht trauen darff.
Denn auch kan man die Schweißtreibende
Artzney alſo zurichten/ daß ſie keines weges
ſchade/ der Menſch ſey auch naturirt und be-
ſchaffen wie er wolle/ wenn er nur einen
Schweiß halten kan und will; dann ein ſol-
cher Schweiß iſt auffs wenigſte fuͤr ein Præ-
ſervativ zu halten/ wann es ja/ da noch keine
NPeſt
[194]DasXV.Capitel.
Peſt fuͤrhanden waͤre/ als ein Curativ nicht
paſſiren ſolte. So iſt es auch in Peſtzeiten
dem Menſchen nicht ſchaͤdlich/ ob er gleich
nichts fuͤhle/ zu Zeiten einen Schweiß zu
halten; denn es iſt beſſer prævenire als præ-
veniri, denn welchen es offt zu artzneyen zu
fruͤhe ſeyn duͤncket/ der kommet offt zu ſpat.
Es begibt ſich auch wol/ daß ein inficirter
Patient mit einem Erbrechen beladen wird/
und zugleich einen Durchfall empfindet/ und
dannoch auch zum ſchwitzen angehalten wer-
den ſoll: ſolches aber ſcheinet eines theils un-
gereimt/ weil es widerwaͤrtige Bewegungen/
indem die Natur das Gifft unten und oben
ausfuͤhret/ und gleichſam ſcheinet/ ob wolte
man ſelbiges durch Schweißtreibende Mit-
tel wieder zuruͤck ruffen/ da es dann noth-
wendig dem Hertzen naͤher kommen und den
Patienten in groſſe Gefahr ſetzen wuͤrde.
Item auch weilen ein jede ſolche Bewegung
dem Patienten genugſam zu thun gibt/ ſo
koͤnte geſchehen/ daß durch die dritte ſelbigem
gar aus der Welt geholffen wuͤrde. Wer
Wie auff
die Urſa-
chen zu ſe-
hen.aber ſiehet/ woher gedachte zwey freywillige
Evacuationes herruͤhren/ der wird auch bald
ſehen/ welcher geſtalt ſich ſolche nebſt der drit-
ten dulden moͤgen. Denn es iſt die Natur/
die ſolche Ding verurſachet/ und dem Gifft
Widerſtand zu thun ſuchet/ und in ſolchen
wird der Patient vieler ſchaͤdlichen Feuchtig-
keiten entladen. Ja die groſſe Unreinigkeit
ſelbſt
[195]Wie der Schweiß zutractiren.
ſelbſt iſt es auch/ welche ſich im Magen/ in den
erſten Adern und benachbarten Gliedmaſſen
geſammlet/ angeleget/ und das Gifft ſo heff-
tig gemachet hat/ daß es oben und unten ſei-
nen Ausgang ſuchet/ ob es zwar durch ſolche
Bewegung denſelben nicht allzeit ſo richtig
findet/ ſondern zufaͤlliger weiſe manchmal
auch wol naͤher zum Hertzen getrieben wird/
darum weilen gedachte excretiones nicht al-
lemal criticæ ſondern offtmal ſymptomaticæ
ſeynd; dahero je mehr man befindet/ daß ſie
criticæ ſind/ je laͤnger kan man denſelben nach-
ſehen/ und mit der Stopffung einhalten:
Im Fall aber der Patient matt wuͤrde/ weil
ſie zu lang anhalten/ muß man mit guter Ma-
nier zu einer und andern Bewegung thun/
inſonderheit aber dem Erbrechen wehren.
Waͤre auch zu befuͤrchten/ daß das Gifft
durch ſymptomatiſche Bewegung etwan
dem Hertzen zu nahe komme/ ſo waͤre mit den
Schweißtreibenden Artzneyen deſto balder
fortzufahren/ oder das Hertz mit andern Ale-
xipharmacis und Cordialibus zu defendiren/
wiewol ſich auch beydes zugleich gar fuͤglich
verrichten laͤſſet/ zumalen wenn eine groſſe
Menge gifftiger Materi durch das Erbrechen
oder den Stulgang allbereit von ſich ſelbſt
weg gangen.
Wann man nun dem Patienten eineWie man
den Pati-
enten zum
Schweißtreibende Artzney beybracht hat/ ſoll
man ihm den [Mund] mit ein wenig Eſſig ſitt-
N 2ſam-
[196]DasXV.Capitel.
Schweiß
ſchicken
ſoll.ſamlich warmlecht ausſpuͤhlen laſſen/ ſolchen
aber nicht mit gar zu ſchweren Decken bela-
den/ damit er nicht wegen allzugroſſer Un-
leydlichkeit die Decken von ſich werffe/ und
zu entbloͤſſen genoͤthiget werde/ auch ein gut
Hertz einſprechen/ und hernach/ doch daß er
nicht ſchlaffe/ ſtille liegen laſſen. Wolte er
aber immittelſt/ und ehe der Schweiß recht
gehalten/ matt werden/ ſo koͤnte man ihm et-
was von Rofen/ oder Saurampffer/ oder von
einer andern Conſerva, item von Johannes-
Traͤubel/ Citron/ Granat-Safft ꝛc. bißwei-
len in Mund geben; liebliche Rauchwerck
thun auch viel darbey/ derohalben man von
einem Theriacaliſchen Eſſig auff gluͤende Zie-
gelſtein gieſſen und ſonſt andere gute wohl-
riechende Sachen gebrauchen kan. D. Da-
niel Sennert will/ man ſoll beneben ſolchen
die Species liberantis oder ander dergleichen
in einem Buͤchslein haben/ und bißweilen
von ſolchen einſchnupffen/ damit auch das
Gifft deſto leichter aus dem Leib getrieben
werde. Etliche hoͤlen ein neugebacken warm
Brod aus/ und fullen die Luͤcke mit einem
halben Loth Theriac/ legen es auff den Na-
bel/ da denn das Brod den Gifft an ſich zie-
het. Etliche legen Rettich in Scheiben zer-
ſchnitten unter die Arm/ Heyldruͤſen/ und an-
dere emunctoria, item unter die Fußſohlen.
Weilen aber durch die naſſen und feuchten
Sachen das Gifft bißweilen hinein getrie-
ben
[197]Wie der Schweiß zutractiren.
ben wird/ bevorab wenn ſie nicht wohl warm
auffgeleget werden/ oder ſo lang auff dem Leib
liegen/ biß ſie erkalten/ als tragen manche mehr
Belieben an den Hertz-Pulß- und Schlaff-
Saͤlblein; auch wird recommendirt fol-
gender
In unverhofftem Fall der Schweiß nichtWenn der
Patient
nicht
ſchwitzen
kan.
fort wolte/ ſoll man einen gewaͤrmeten und
mit Naͤgelin und Zimmet geſtreueten Brod-
Deckel von Rockenbrod auff den Bauch le-
gen/ oder zwey Flaſchen mit warmen Waſſer
fuͤllen/ und eine an den Bauch die ander un-
ter die Fuͤſſe/ ſo warm es der Patient leyden
kan/ legen.
Wolte auch die eingenommene Schweiß-So die
Schweiß-
treibende
Artzney
wieder
weg ge-
brochen
wird.
treibende Artzney bey dem Patienten nicht
bleiben/ ſo ſoll man ſolchen den Mund mit
friſchem Eſſig noch einmal ausſpuͤhlen laſ-
ſen/ eine Schnitte geroͤſtet Brod/ ſo mit Naͤ-
gelin geſtreuet/ oder gebraten Muſcaten-
nuß fuͤr den Mund halten/ auch den Magen
mit einer Schnitte geroͤſteten Brod/ ſo mit
N 3Eſſig
[198]DasXV.Capitel.
Eſſig befeuchtet/ oder ein Saͤcklein voll Wer-
muth/ Krauſemuͤntz ꝛc. gemacht/ und in al-
tem Wein oder Eſſig gekochet/ verwahren/
oder einen Laß- oder Schrepffkopff mit einem
Wachsliecht auff den Nabel ſetzen. Wuͤrde
er aber gedachte Artzney gleichwol von ſich
brechen/ ſo ſoll man ihm dergleichen oder ein
andere noch einmal eingeben/ und wie zuvor
procediren.
Wann er nun ſchwitzet/ ſoll man ihm den
Schweiß ſonderlich unter dem Angeſicht offt
abwiſchen/ auch an Limonien/ Citronen/ Him-
beer-Eſſig/ Roſenwaſſer und dergleichen rie-
chen laſſen: auch kan man Tuͤcher in Roſen-
waſſer oder Eſſig eingenetzt an das Bett haͤn-
gen/ und wenn ſie trocken ſeyn/ wieder an-
feuchten.
Nachdem nun der Patient genugſam ge-
ſchwitzet/ welches nicht ſowolnach der Stund
als nach den Kraͤfften und Menge des
Schweiſſes zu judiciren iſt/ ſoll man ihm den
Leib uͤberall mit ſaubern trocknen und war-
men Tuͤchern fleiſſig abwiſchen/ ihn noch ein
Weil im Bett jedoch trocken liegen laſſen/
damit aber das Gifft nicht wieder in Leib wal-
le/ keine Lufft an ihn kommen laſſen: darauff
gebe man ihm etwas kraͤfftiges/ leicht und
wohldauendes zu eſſen/ als Fleiſch-Suͤpplein/
Muͤeslein/ weich geſottene Eyer/ ꝛc. unter
welchen bißweilen ein ſauerlecht Speißlein
ſeyn kan/ nicht auff einmal gar viel/ wiewol
dieſe
[199]Wie der Schweiß zuractiren.
dieſe Krancken auch ſelten viel Appetir ha-
ben/ ſondern wenig und deſio oͤffter/ denn
allhier iſt noͤthig/ daß die Kraͤffte geſtaͤrcket
werden. Wie bald nach gehaltenen Schweiß
wieder der ander Schweiß fuͤrzunehmen/
ſolches iſt bey einer Stund nicht ſo gewiß zu
definiren/ ſondern es muß der Medicus des-
wegen Rath gefraget werden/ welcher des
Patienten Alter und Natur/ wie auch die
Groͤſſe der Schwachheit und Beſchaffenheit
ſamt andern Umſtaͤnden conſideriren wird/
denn es offtmal mit zwey- oder dreymaligem
Schwitzen/ bisweilen auch nur mit einem
einigen genug iſt.
Wann aber ein Patient ſtetig in groſſerWenn deꝛ
Patient
ſtetia in
groſſer
Hitz lie-
get/ ob
ſolcher
auch
ſchwitzen
darff.
Hitze lieget/ ſo wollen einige Bedencken tra-
gen/ ob man Hitze mit Hitze vermehren ſol-
te/ es iſt aber zu wiſſen/ gleich wie man offt-
malen den Durchlauff durch Purgatio zu cu-
riren pfleget/ allhier die Peſtilentziſche Hitze/
ſo neben dem Schweiß entſtehet/ gar wohl
vertrieben werden kan/ nur daß man allzeit
gute Hertz-ſtaͤrckende Mittel beyhanden ha-
be/ denn es iſt die erſte Hitze nichts anderſt/
als eine Ebullition oder Auffgehrung/ und
zwar iſt ſolche/ wie Panſa Conſil. antipe-
ſtif. 3. quæſt. 3. unterſcheidet/ zweyerley/
perfectiva \& corruptiva, die perfectiva wird
verurſachet von der natuͤrlichen Waͤrme/
nachdem nemlich der Uberfluß abgeſondert
worden. Denn gleich wie der Moſt durch
N 4Huͤlff
[200]DasXV.Capitel.
Huͤlff der angebohrnen Waͤrme ſo wohl
durch Beyſtand der aͤuſſern den groben Uber-
fluß/ als die Hefen zum theil abſondert/ und
zu Grund fallen laͤſt/ das uͤbrige aber/ wel-
ches zu Gaͤſcht wird/ uͤber ſich austreufft/
und in der Mitte des Faſſes einen wohlge-
ſchmackten reinen Wein behaͤlt/ alſo geſchie-
het es auch mit des Inficirten Blut/ welches
durch die natuͤrliche und umſtehende Waͤr-
me gereiniget und abgeſondert wird/ zum
theil durch den Stuhlgang/ zum theil auch
durch den Schweiß. Wann nun der Gifft
alſo gantz und gar aus dem Blut hinweg iſt/
ſo ruͤhret das Werck von der Natur her/ und
laͤſt die Kranckheit nach. Die Ebullitio cor-
ruptiva aber wird von der angebohrnen
Waͤrme zwar auch vollbracht/ doch in un-
natuͤrliche verwechſelt/ das Ende aber iſt
nichts denn Faͤulung und Corruptio. Denn
ob wohl allerley Uberfluß auch in dieſer Ebul-
lition ausgetrieben wird/ ſo iſt doch ſolche
Expulſio allein ſymptomatica, und geſchieht
nur wegen des haͤuffigen Giffts/ der ſich al-
lein im Leib nicht kan auffhalten/ ſondern
heraus fallen muß. Und kan alſo der Ebul-
litione perfectiva durch Unachtſamkeit/
leichtlich eine corruptiva entſtehen.
Es iſt auch bey einfaͤltigen Leut gen im Ge-
brauch/ ja ein groſſer Aberglaub eingeriſſen/
daß ſie dem Patienten/ welcher in groſſen
Schweiß gelegen/ und von Anfang der
Kranck-
[201]Wie der Schweiß zutractiren.
Kranckheit alles Bett-Geraͤth und Hemme-halten
ſoll.
ter nicht abwechſeln wollen/ ſondern ſolche
wie Saͤue in ihrem Wuſt liegen laſſen/ in
Meynung/ es ſchlage ihnen die Feuchtigkeit
der neu-gewaſchenenen Leilacher und Hem-
meter in Leib/ und vermehre ihnen ihre
Kranckheit/ ſolches aber iſt eine loſe und ſchaͤd-
liche Meynung/ denn jeder/ der ſolches ſie-
het/ wird bekennen muͤſſen/ daß auch einen
geſunden Menſchen/ wenn er 3. oder 4. Wo-
chen ein Hemmet an hat/ elendiglich iſt/
derowegen wenn er ein friſches anlegen ſoll/
ihme wohl wird. Iſt es denn wahr/ daß der
Inficirten Bett-Gewand auch geſunde Leut
anſtecken kan? wie ſolte denn dem Patien-
ten ſelbſt darbey nicht Schaden geſchehen
koͤnnen? und ſein eigen unrein Lager und
Bett-Gewand/ ſo er ſtetig um ſich hat/ nicht
Ungelegenheit zufuͤgen/ indem der gifftige
boͤſe Schweiß/ ſo in ſolchen Hemmeden und
Leilachen ſteckt/ ſich wieder in des Patien-
ten Leib ziehet? fuͤrchtet man/ es ſchlage die
Feuchtigkeit des neu-gewaſchenen Tuchs
den Krancken in Leib/ ey ſo kan man es ja an
der Sonne/ Feuer oder Lufft truͤcknen/
warm machen/ und mit Maſtix/ Myrrhen
und Agdſtein beraͤuchern/ darnach kan man
es brauchen/ ſo wird keine Feuchtigkeit ſcha-
den. Beſorget jemand dadurch eine Ver-
neuerung der Kranckheit/ ſo kan ſolche hier-
durch boͤſer nicht werden/ verneuert ſie ſich
N 5aber
[202]DasXV.Capitel.
aber allgemach in Geſundheit/ was wolte
man mehr begehren? darum ſollen fromme
Leute wiſſen/ daß in gifftigen und anfalligen
Kranckheiten nichts ſchaͤdlichers ſey/ als
wenn der Patient die gantze Kranckheit durch
in ſeinem unſaubern Bett-Gewand liegen
muß.
Es bilden ihnen auch viel Leut ein/ daß
durch Schwitzen in Peſt-Zeiten der gantze
Handel ausgerichtet waͤre. Mercurialis ruͤh-
met lib. de Peſtil. c. 25. das Schwitzen uͤber
die maſſen/ und lehret den Schweiß zu be-
foͤrdern/ ein Gerſten-Waſſer mit Feigen
und Viol-Pulver in ziemlicher Menge ein-
zutrincken/ aber es iſt mit ſolchem Schwitzen
nicht allein gethan/ noch der Patient gene-
ſen/ denn wenn deme alſo/ wie waͤren die-
jenige ſo uͤbel daran/ welche von Natur gar
nicht ſchwitzen koͤnnen/ man fange auch mit
ihnen an/ was man immer wolle/ zum an-
dern ſetzt ſich das Gifft nicht allemal in die
Seroſitaͤten/ welche ſonſt allein durch den
Schweiß ausgefuͤhret werden/ ſondern auch
in die dicke Feuchtigkeiten/ und in zaͤhen/
ſchleimmigen Unrath/ Item in das Blut/
ſo in den Adern iſt/ ꝛc. Und wenn auch ſchon
in Anſehung des Peſt-Giffts ein Schweiß
zu halten/ vonnoͤthen/ wird ſolches doch
durch andere Symptomata und contra indi-
cantia leichtlich verhindert. Endlich iſt eben
ſo viel vonnoͤthen der Natur zu geben als zu
nehmen/
[203]Wie der Schweiß zutractiren.
nehmen/ das iſt/ die Natur mit kraͤfftigen
Mitteln zu ſtaͤrcken/ als ſie des Giffts zu
entledigen.
Nun iſt unter einigen die Frage/ welchesOb Ader-
laſſen/
Purgiren
oder
Schwi-
tzen den
Borzug
habe.
von den dreyen/ als Aderlaſſen/ Purgiren
und Schwitzen bey Inficirten am erſten fuͤr-
zunehmen iſt? welche Frag alſo beantwor-
tet wird/ wenn es nicht gar im Anfang iſt/
oder wenn eine ſo groſſe Cacochymia oder
Plethora vorhanden/ daß der Patient da-
von in viel groͤſſere Gefahr/ als durch un-
terlaſſen Schwitzens geſtuͤrtzt werden moͤch-
te/ ſo ſoll man fuͤr allen Dingen den Schweiß
befoͤrdern.
Wenn aber die Patienten in keine wegeWenn
gantz kein
Schweitz
zu erhal-
ten iſt.
zum Schweiß zu bringen waͤren/ ſo ſoll
man ſie damit ungeplaget laſſen/ und nur
fein warm zudecken/ und inſonderheit die
Fuͤſſe warm halten/ denn auch per inſenſi-
bilem tranſpirationem der Duͤnſten ſich viel
verzehren und weggehen/ ob ſchon nicht ein
Tropffen den andern jaget. Doch kan man
ihnen noch uͤber das/ warme Ziegelſtein mit
Eſſig oder Wein beſprengt/ und in ein Tuch
gewickelt/ oder Flaſchen mit heiß ſiedenden
Waſſer in die Seiten und zun Fuͤſſen legen.
Denn wie oben gemeldet/ iſt es mit langen
groſſen und beſchwerlichen Zudecken nicht
ausgemachet/ und kan man mit ſolchem den
Patienten ſo ſehrerhitzen/ und gantz und gar
erſticken/ wie Panſa Conſ. antipeſt. 3. q. 5.
von
[204]DasXVI.Capitel.
von einem ſolchen Empirico in Boͤhmen
ſchreibt/ der einen jungen von Adel/ dem er
ein Bett uͤbergeleget/ gantz und gar erſticket
hat. Immittelſt muſt man mit Hertz-ſtaͤr-
ckenden und Gifft-treibenden Mitteln fleiſ-
ſig anhalten/ und ſo viel thun/ als moͤg-
lich iſt.
GLeichwie wegen des Purgirens in
Ob Ader-
laſſen bey
Peſt-kran-
cken dien-
lich iſt.Peſtzeiten bey den Gelehrten des
Streits kein Ende/ alſo iſt es auch
mit dem Aderlaſſen bewandt: dahero Mat-
thias Unzerus de lue peſtif. lib. 3. c. 1. wohl
hat ſagen doͤrffen: Utinam hic ram concors
omnium Medicorum eſſct ſententia, quam
longè diſcors, \& diametraliter quaſi inter ſe
pugnans eadem reperitur, ſanè publicæ opti-
mè videretur conſultum ſaluti, \& procul du-
bio non exiguus numerus corum adhuc ſu-
perſtes eſſet, quos damnanda, ſummeque de-
teſtanda hæc diſcordia, nefariè ivit perdi-
tum: Es brauchen aber die/ welche das Ader-
Argumen-
ta derer/ ſo
die Ader-
laͤß billi-
gen.laſſen nuͤtzlich halten/ folgende Argumenta:
Als er ſtlich/ weil zu groſſen Kranckheiten groſ-
ſe Mittel vonnoͤthen/ weil demnach das A-
derlaſſen ein groſſes Mittel ſey/ ergo, ſo koͤn-
ne
[205]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
ne man aderlaſſen. So auch/ weil die Ader-
laͤß die vom Gebluͤt allzugroſſe Leibs-Erfuͤl-
lung mindert/ und alſo auch die Peſtilentz-
Hitze vermindert: Weil auch bey Peſtzeiten
ſich die Natur ſelbſt durch das Naſenbluten
des Gebluͤts entlediget/ darum ſolle man der
Natur nachfolgen/ weil ſie uns nachdruͤck-
lich zeiget/ was man thun ſoll. So auch/
weil die Aderlaͤß der Faulung und Verſtopf-
fung widerſtehet: Item/ weil es nicht ſo leer
abgehen wird/ daß mit dem Gebluͤt/ ſo aus
den Adern lauffet/ auch nicht etwas von dem
Peſt-Gifft mit heraus kommen ſolte. Wei-
len ſich auch Galenus ſelbſt uͤber Hippocratem
verwundert/ daß er dem Peſt-krancken Cri-
toni kein Ader oͤffnen laſſen/ jedoch denſel-
bigen hernach wieder entſchuldiget/ weil er
(Hippocrates) nicht beyzeiten waͤre geruffen
worden: weil auch man Exempel hat/ daß
das Aderlaſſen an Peſt-krancken Leuten ſehr
wohl bekommen: geſtalten denn Minadojus
de abuſu non ſangv. mittendi c. 14. ſchreibt/
daß in der Venetianiſchen Peſt viel durch
das Aderlaſſen vom Todt errettet worden/
und dieſer Meynung wird von vielen gelehr-
ten Scribenten Beyfall geben/ daß in der
Peſt kein heilſamer Mittel ſey/ als zeitige
voͤllige Aderlaͤß; ſo ſchreibt auch Andr.
Langner, part. 2. prompt. de Peſte, der ſich
inficirt befindet/ ſoll von Stund an ihm ein
Ader oͤffnen laſſen/ und ſich bey Leib nicht
ſelbſt
[206]DasXVI.Capitel.
ſelbſt verkuͤrtzen/ denn ſo 15 Stund voruͤ-
ber/ ſey hernach mißlich zu helffen.
Die aber das Aderlaſſen widerſprechen/
gebrauchen folgende Argumenta: Als weil/
wie die Schrifft ſelbſt bezeuget/ des Leibes Le-
ben in ſeinem Blut iſt: Auch weil die von
der Kranckheit ohnedem geſchwaͤchte Kraͤffte
von dem Aderlaſſen noch mehr geſchwaͤchet
werden/ und ob ſie ſchon noch nicht ge-
ſchwaͤchet waͤren/ oder abgenommen haͤtten/
ſo kan es aber noch geſchehen/ alſo daß man
nicht nur auf die gegenwaͤrtige/ ſondern auch
auf die zukuͤnfftige Schwaͤche und Abneh-
men zu ſehen: welches Galenus in acht ge-
nommen/ da er dieienige Medicos lobet/ wel-
che in der Peſt zu Rom/ bey Kaͤyſer Com-
modi Regierungs Zeiten/ der geringen Kraͤf-
te halber von allen Aderlaſſen abgeſtanden/
lib. de cib. bon. \& mal. ſucc. desgleichen c. 4.
de ſcarif. \& hirud. Item/ dieweil auch die
Natur die boͤſe gifftige humores aus dem
inwendigen Leib zu dem aͤuſſern zu treiben
durch Aderlaſſen verhindert wird: da doch
ein Medicus vielmehr dahin ſehen/ und das
boͤß austreiben ſoll/ wo die Natur hin incli-
nirt/ und auszutreiben begehret. Hippocrat.
1. aphor. 21. 6. morb. vulgar. ſect. 2. part. 28.
Denn ſonſten die boͤſe Feuchtigkeit im Leib
wieder zuruͤck gehet/ und den Menſchen offt
alſo am allererſten toͤdtet/ wie man an den
Flecken ꝛc. wann ſolche wieder einſchlagen/
klaͤr-
[207]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
klaͤrlich ſiehet/ Palmar. c. 23. de Febr. peſt.
Dann auch/ weilen in den Kranckheiten/ wo
die Natur nicht vollkommen Meiſter ſeyn
kan/ kein Aderlaſſen nuͤtzlich: Nun iſt aber
eine ſolche die Peſt. Gvil. Marquis dec. pe-
ſtif. probl. 6. Dieweil auch das Gifft nie
mehr ſchadet/ als wenn es aufgeruͤttelt wird/
Gal. 2. de Sympt. cauſ. c. 7. wie ſolches aus-
druͤcklich an denen zu ſpuͤren/ welche etwa zur
Peſtzeit erſchrecken/ oder in eine jaͤhlinge
Furcht gerathen/ ſolches geſchicht aber bey
dem Aderlaſſen: Eben wie ein Waſſer/ dar-
ein Aloe gethan wird/ bittrer wird/ wenn
man es beweget/ als wenn man es ſtill ſte-
hen laͤſt. Und weil auch die Peſt eine boͤſe
Qualitaͤt iſt/ nun aber die Aderlaß nicht die
Qualitaͤt/ ſondern nur die Quantitaͤt ringert.
Fallop. c. 11. lib. de med. purg. Auch iſt
die Aderlaß kein Remedium wider die Faͤu-
lung/ darinnen doch die Peſt ſo offt beſtehet/
ſondern es ſeynd hier andere vonnoͤthen/ als
Purgiren/ Erbrechen/ Harn und Schweiß
zu treiben.
Dieweil die Galle in der Peſtzeit vielmehrWeñ man
den Peſt-
Krancken
aderlaſſen
ſoll.
loſe Haͤndel mit Mehrung der Hitze/ Schaͤrf-
fe der humoren/ geſchwinder execution ꝛc. an-
ſtifften kan/ wenn ſie des Bluts (welches
mit ſeinem humido radicali ſie ſonſten im
Zaum haͤlt) beraubet wird. Und endlich/
dieweil/ wenn das Aderlaſſen in der Peſt
vonnoͤthen/ gleich im Anfang und erſten Ta-
ge
[208]DasXVI.Capitel.
ge fuͤr die Hand zu nehmen iſt: Nun ge-
ſchehen aber alsdann wider aller Medicorum
Gutachten zwo groſſe Auslehrungen auf ein-
mal/ nemlich Schweißtraͤnck und Aderlaſ-
ſen/ welches die Patienten in aͤuſſerſte Kraͤff-
ten/ Verluſt und Noth bringen kan. Da-
hero in Betrachtung ſo vieler Rationen mit
dieſem auch ein groſſe Anzahl gelehrter Me-
dicorum, welche um Kuͤrtze willen allhier
nicht citirt werden. Welches aber ſolche
Faͤlle und Bedingungen ſeyn/ darinnen man
ohngeſcheut aderlaſſen moͤge/ ſoll in nachfol-
genden angezeiget werden.
Denn es ſind die wenigſten/ welche den
Patienten in der Peſt das Aderlaſſen ſimpli-
citer rathen und verbieten werden/ ſonder[n]
die meiſten werden immer etwas zu excipi-
ren haben; etliche zwar nur die Kraͤffte/ wie
Mercurialis, etliche nur das Alter/ wie Andr.
Langner. und ſo fortan. Kuͤrtzlich aber da-
von zu kommen/ ſo iſt wohl zu mercken/ daß
peſtis aut alius totius ſubſtantiæ morbus,
quâ talis eſt, weder Purgier noch Aderlaß er-
forderte/ ſondern man hat auff die unter-
ſchiedliche Materi und Umſtaͤnde zu ſehen.
Dann Erſtlich iſt die Peſt entweder gantz
einfach und alleinig/ oder es iſt ein vitium
ſanguinis, oder boͤß Gebluͤt darbey. Wo je-
nes/ da dienet keine Aderlaͤß/ denn das Gifft
ſtehet in einer verborgenen Qualitaͤt/ und hat
deßwegen vielmehr der Specificorum Alexi-
phar-
[209]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
pharmacorum oder ſonderlicher Gifft-trei-
bender Mittel vonnoͤthen. Wo aber dieſes/
da kan man ſich der Aderlaß nach Beſchaf-
fenheit des gedachten vitii bedienen. Zum
Andern/ ſo iſt die Peſt entweder inwendig
im Leib entſprungen/ oder es hat ſie der Pa-
tient aͤuſſerlich durch anſtecken/ inficirte Sa-
chen anruͤhren/ vergifften Lufft an ſich ziehen/
oder dergleichen bekommen: Wo bey je-
mand das Gebluͤt/ es ſey in quantitate oder
qualitate, unrichtig/ ſchuldig/ ſo kan ein Ader-
laß wol Platz haben: wo aber dieſes/ ſo muß
man ſie bleiben laſſen/ dann ſonſt das Gifft
im Leib vielmehr zum Hertzen geleitet werden
moͤchte. Drittens/ wofern zwar noch kein
ſonderlich vitium im Gebluͤt iſt/ jedoch aber
etwan ein ſtarck faulecht Fieber ſich anſpin-
nen wolte/ durch welches der Patient nicht
weniger als durch die Peſt ſelbſten in Gefahr
geſetzt werden koͤnte/ oder das Gebluͤt jaͤhling
an ſolchem Ende und Ort des Leibs/ da es
fuͤr ſich Schaden erwecken oder doch die Cur
hindern moͤchte/ getrieben wird/ iſt nach Ge-
legenheit auch wohl ein Aderlaß zu billigen.
Die Zeit aber/ wenn ſolche Oeffnung geſche-Zu welcher
Zeit man
Aderlaſ-
ſen ſoll.
hen ſoll/ kan ſo gar eigentlich nicht geſagt wer-
den; etliche wollen/ daß es innerhalb 24.
Stunden geſchehen ſoll/ andere aber mit mir
der Meynung/ je eher je beſſer/ wenn es ja
ſeyn muß/ jedoch daß man ſehe/ was das Al-
ter/ die Gewohnheit Ader zu laſſen/ die Staͤrck
Ooder
[210]DasXVI.Capitel.
oder Kraͤffte des Leibs dulden moͤgen: deß-
gleichen daß man dem Patienten zuvor An-
tidora oder Alexipharmaca, das iſt/ ſolche
Artzneyen/ die das Gifft durch den Schweiß
austreiben/ imgleichen auch Hertzſtaͤrckende
Mittel darauff eingebe.
D. Johan. Faber in ſeiner Information von
Peſt-Fiebern erinnert alle/ ſo die Aderlaß zu
verrichten haben/ mit folgenden Worten:
Ich kan allhier die Aderlaͤſſer/ Barbirer und
Bader unermahnet nicht laſſen/ daß ſie ihr
Gewiſſen nicht zu weit ſpannen/ und alſo nicht
in allen Kranckheiten alſobald unerwogen/ ob
es nutz oder gut/ nur zu Aderlaß rathen/ auch
das Gebluͤt in ſolcher Menge herauſſer zapf-
fen/ daß man eine Kuh damit traͤncken koͤnte/
ſondern ſollen wohl in acht nehmen/ daß die
Kraͤfften die fuͤrnehmſte inrention zur Ader-
laß/ das Gebluͤt ein Schatz des Lebens ſey/
und daß ſie ihre Unbedachtſamkeit/ oder auch
Unerfahrenheit/ indem ſie offt mit dem Ge-
bluͤt das Leben herauſſer laſſen/ vor GOtt
verantworten muͤſſen/ und zu beſorgen/ daß
mancher ſeiner Seelen Unheyl und Verdam̃-
nuß werde verurſachen. Sintemal die taͤgli-
che Erfahrung mit ſich bringet/ daß die giff-
tige Qualitaͤt dieſes Fiebers (peſſimi moris)
alsbald dem Hertzen zudringet/ und ſelbiges
einnimmet/ Mattigkeit des gantzen Leibs ver-
urſachet/ und durch die Aderlaß der Leib noch
mehr geſchwaͤchet/ das Gifft dem Hertzen zu-
ge-
[211]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
gezogen wird. Dahero denn die jenige/ wel-
che ihnen in dieſem Anliegen Adergelaſſen/ ſo
auch ſtarck und blutreich geweſen/ mehren-
theils geſtorben/ oder in ſolche Schwachheit
gerathen/ daß ſie ſich ſchwerlich mehr haben
erholen koͤnnen/ deren Exempel ich viel erzeh-
len koͤnte wenn ich wolte/ und nicht beſor-
gen muͤſte/ daß ſie etlichen verdrießlich fuͤr-
kommen wuͤrden.
Ich zweiffle nicht/ es werden dißfalls mich
allhier viele (welche ſich auff dieſe Kranckheit
verſtehen wie der Eſel auff die Leyer) in dem
Maul herum ziehen/ und ſagen/ dieſe Mey-
nung waͤre nicht alſo/ ſie haͤtten vielen gelaſ-
ſen/ ſeyen auch viel davon kommen. Ant-
wort: Es ſeyn auch viel geſtorben/ und moͤch-
te ich wol einen hoͤren/ der nur etliche mit Na-
men nennete/ die davon kommen/ welchen die
Aderlaß geholffen haͤtte/ bey denen welche die
Ungariſche Kranckheit gehabt/ und nicht nur
die bloſſen Worte gebrauchete; \& poſito
ſed non concedo: Es ſey aus vielen nur ei-
ner durch die Aderlaß geſtorben/ wie wird er
ſolchen Tod bey GOtt verantworten koͤn-
nen? ꝛc.
Unter denen/ welche in Peſtzeiten dasWeñ Fle-
cken/ Beu-
len und
Blattern
vorhan-
den/ ob
man Ader-
Aderlaſſen zugeben/ ſind ſie ebenfalls auch
noch nicht einig/ ob man den Krancken auch
laſſen ſolte/ wenn allbereit Flecken/ Blattern
und Beulen vorhanden/ denn etliche probi-
ren alsdenn die Aderlaß darum nicht/ weilen
O 2da-
[212]DasXVI.Capitel.
laſſen
darff?dadurch das Gebluͤt und mit demſelben zu-
gleich auch das Gifft/ ſo ſchon auswendig
am Leib oder doch zum wenigſten zwiſchen
Fell und Fleiſch ſtecket/ wie derum in Leib hin-
ein gezogen wird/ dadurch denn die innerli-
chen Glieder/ als Hertz/ Lung/ Leber/ ꝛc. daſ-
ſelbe deſto eher aufffangen/ und der Menſch
alſo leichtlich ums Leben kommen kan/ zu ge-
ſchweigen daß auch der Medicus, oder wer
Author des Aderlaſſens iſt/ nicht ductum na-
turæ, wie er nach dem methodo medendi
billig ſolte/ obſerviret. Zu dem ja auch die
Aderlaͤſſe/ wenn Frantzoͤſigte Schliere und
Beulen ſich ereignen/ welche doch dem Leben
bey weitem nicht ſo bald als die Peſtilentzi-
ſche ſchaden/ verbotten wird/ Fallop. c. 30.
de Morb. Gall. Andere hergegen ſehen da-
hin/ ob auch der Leib voller Gebluͤts/ ob die
Kraͤffte noch ziemlich ſtarck/ und ob durch
das Aderlaſſen kein Abnehmen deſſelben zu be-
foͤrchten? und zwar verwahren ſie ſich mit
behutſam gehen ſo wohl/ daß ſie auch noth-
wendiger Umſtaͤnde halber ja ein Ader zu oͤff-
nen rathſam halten/ die herfuͤr gebrochene
Beulen und Blattern mit an ſich ziehenden
Mitteln/ als Ventoſen/ Pflaſtern ꝛc. aͤuſſer-
lich verwahren/ damit das Gifft durch Ader-
laſſen ja nicht wieder in Leib lauffe. Sennert.
[8] Febr. l. 4. c. 8. Joh. Varvvich im Bericht
wider die Peſtilentz pag. 92. welcher aber die-
ſe Cautelen darbey ſetzt/ wenn die Beulen bald
blau/
[213]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
blau/ bald roth erſcheinen/ ſoll man ſich des
Aderlaſſens und Schrepffens gaͤntzlich ent-
halten/ denn ſolches iſt ein Zeichen/ daß die
Natur ihren Platz ſchon eingenommen/ und
vor dem ſchleichenden Feind wohl verwahret/
auch ſelbſt den Gifft der Peſtilentz mit Ge-
walt auszutreiben unternommen hat. De-
rohalben ſoll man der Natur bald auswen-
dig bald inwendig zu Huͤlff kommen/ und
mit einem bewaͤhrten Antidoto und ſtarcken
Cataplaſma ſchaͤrffen helffen.
Wenn ich allhier nicht der Aſtrologia zuWas im
Aderlaſ-
ſen vom
Calender
und Laß-
Maͤñlein
zu halten.
nahe rede/ ſo muß ich auch etwas erinnern/
nemlich/ ob man auch zuvor den Calender
durchblaͤttern/ oder nach dem Aderlaß Maͤñ-
lein/ in ſolchen/ wenn man in Peſtfaͤllen Ader-
laſſen ſoll/ ſehen? Die Antwort folget bald:
Es ſeyn etliche Leut ſo einfaͤltig/ daß ſie keine
Ader oͤffnen laſſen/ wie groß auch die Noth
ſey/ es finde ſich dann auff einen Tag im Ca-
lender ein gutes Zeichen/ oder es ſtehe der
Mond in dieſem oder jenem Viertel. Und
zwar waͤre dieſe Einfalt den gemeinen Leuten
noch einiger maſſen zu uͤberſehen/ aber es fin-
den ſich auch Idioten und Bartſcherer/ die es
entweder aus grobem Unverſtand/ oder auch
uͤbermaͤſſigen Witz herruͤhrende/ mit ſolchen
einfaͤltigen Leuten halten wollen. Daß aber
bey der Peſt/ und andern gefaͤhrlichen Kranck-
heiten/ nicht auff den Calender zu ſehen/ leh-
ret die Noth ſelbſt; denn eine ſolche Kranck-
O 3heit
[214]DasXVI.Capitel.
heit zuweilen wol in 3. oder 4. Tagen/ ja
in einem Tage das Leben ausloͤſchet/ wer
nun ſich nach des Calenderſchreibers Tage
und Zeichen richten wolte/ der wird offt den
Kuͤrtzern ziehen muͤſſen. Uber dieſes darff
man auch dieſem nicht (zu geſchweigen in
der Peſt ſelbſt) der Calenderſchreibern alle-
mal folgen/ denn ſie wol mehrmalen unzei-
tige Warheiten und ungereimte Dinge ge-
ſchrieben und fuͤrbracht/ welche vielmehr la-
chens als lobens werth geweſen. Daß aber
die Finſternuͤſſen/ Viertheil des Monds/ ſo-
wol auch deſſen Zuſammenfuͤgen/ Gegen-
fchein/ wie nicht weniger Soliſtitia, æquino-
ctia, ortus Syrii, arcturi, occaſus plejadum
\&c. vor andern groſſe Krafft und Aenderung
in den Schwachheiten verurſachen/ hat die
Erfahrung Hippocratem, Galenum, der
l. qui optimus Medicus ſit Philoſophus, und
andere mehr erinnert/ und alle Medicos ge-
lehret. Im uͤbrigen bleibt es demnach dar-
bey/ daß die Noth den Regeln der Calender
vorgehe/ als welche ſich nach dem Menſchen
und nicht nach den Geſetzen richtet/ auch kei-
nen Feyertag hat; alſo daß man in dieſer
und dergleichen Kranckheiten vielmehr auff
Galenum als Calendarium zu ſehen hat.
Nun wollen wir auch gantz wenig mel-
den/ was bey den inficirten Perſonen im Ader-
laſſen fuͤr ein Unterſcheid zu halten. Dann
ſo wohl unter denjenigen/ welche die Aderlaß
bey
[215]Vom Aderlaſſen in Peſt-Kr.
bey allen Inficirten/ als auch denen/ welche ſieaderlaſſen
ſoll.
kennen/ dann bey welchem ſie das proprium
indicans venæſectionis befindet/ fuͤr rathſam
achten/ ſeynd noch etliche/ welche allein die
gar alte und gar junge Perſonen excipiren
und ausnehmen; die Alte zwar/ weilen ſie
wenig Gebluͤt haben/ trucken/ kalt und
ſchwach von Kraͤfften ſeyn. Galen. lib. de
rat. cur. pro S. M. c. 9. \& 13. comm. 4. de
vict. acut. tr. 19. Die Junge aber/ weil ſie
hitziger/ feuchter/ weicher und duͤnner Natur/
auch wegen ihrer verzehrenden Hitze mehrer
Nahrung/ und folgends auch mehrers Ge-
bluͤts vonnoͤthen/ zudem weilen ihre Leiber
noch ſtreng wachſen/ und dann weilen ſie die
Aderlaͤß gemeiniglich ſcheuen. Hippocr. lib.
de vict. acut. ſ. 1. aphor. 14. \&c. Aber in das
Regiſter derer/ welche obſchon auch des pro-
prium venæſectionis indicans nicht wol ader-
laſſen doͤrffen/ gehoͤren ebener Geſtalt alle an-
dere duͤrre und verzehrte Leute/ ſchwangere
Weibs-Perſonen/ und welche ihre Monat-
Reinigung haben; deßgleichen welcher Leib
mit uͤberfluͤſſiger Feuchtigkeit beladen/ fer-
ner/ welche zeitlich Ohnmachten oder die gul-
den Ader haben/ fuͤr der Aderlaß ſich ſehr
fuͤrchten und entſetzen/ zeitlieh und ſehr ſchwi-
tzen/ im Anfang ſich hefftig wurgen/ bluten/
einen ſtarcken Durchlauff haben ꝛc. Ich ſa-
ge aber ebener Geſtalt/ denn offtmahlen mehr
den contraindicantibus als den indicantibus
O 4nach-
[216]DasXVI.Capitel.
nachzuſehen/ geſtalten denn wohl Kindern
von 2. oder 3. Jahren wie Avenzoar, Aver-
roës, Fernelius ſammt andern bezeugen/ und
Alten von 70. Jahren wie Raſes zu geben/
deßgleichen wohl Schwangern 2. à 3. mahl
nuͤtzlich zur Ader gelaſſen worden/ derowegen
jederzeit ein erfahrner Medicus hierinn um
Rath gefrager werden kan. Welche Ader
aber zu oͤffnen vonnoͤthen erachtet werden/ hat
auch ſeinen Unterſcheid.
Denn wann eine Aderlaß nur um des
præſervirens wegen gerathen wird/ oder zwar
ſchon zur Cur vonnoͤthen waͤre/ doch aber
weder Beul/ Blatter/ Fleck oder Striem ſich
noch nicht mercken laͤſſet/ ſo iſt keiner groſſen
Wahl vonnoͤthen/ ſondern bleibt gemeinig-
lich bey denen Adern/ welche man ſonſt zu
laſſen gewohnet iſt. Sonſten aber/ wann
einer allbereit von der Peſt uͤberfallen waͤre/
und Beulen/ Blattern/ ꝛc. ſich ſehen laſſen/
und des Aderlaſſens vonnoͤthen/ ſo hat es
ein andere Meynung/ und gilt gar nicht gleich/
welche Ader gelaſſen werde: ſondern es muß
nach aller Medicorum Meynung eine vor der
Wie ſolche
erwaͤhlet
werden.andern erwaͤhlet werden. Und dieweil das
Leben fuͤrnehmlich an dreyen Orten/ nemlich
in den 3. Principal-Gliedern des Menſchen/
ſich aufhaͤlt/ als im Gehirn/ im Hertzen/ und
in der Leber/ ſo muß man in Acht nehmen/
welchem Glied das Gifft am naͤheſten/ und
nach demſelben die Aderlaß anzuſtellen/ ſon-
ſten
[217]Vom Aderlaſſen in Peſt-Kr.
ſten das Gifft unvorſichtiger Weiſe vielmehr
in Leib und naher zum Hertzen getrieben wer-
den moͤchte.
Wann ſich nun eine Blatter/ Beule/
oder ander Zeichen am Halß/ oder bey den
Ohren/ ꝛc. herfuͤr thut/ ſo iſt es die Ader an
der Stirn und Naſen/ oder die Haupt-Ader
am Arm/ oder zwiſchen dem Daumen und
Zeiger/ an der Hand zu laſſen vonnoͤthen.
P. Droëtus in Conſil. novo de Peſt. ſchreibt:
Es lieſſen gelaͤhrte Wund-Aertzte auch wohl
die aͤuſſerliche/ als am Halß/ wie er ſelbſt mit
Nutzen erfahren habe. Erzeiget ſich etwas
unter dem Geſicht/ ſo laſſe man die Ader un-
ter der Zunge. Erzeiget ſich aber etwas an
der Stirn oder Kihn/ ſo ſchlage man die Ader
unter der Zunge. Kommt aber ein Zeichen
auf den Schultern/ oder auf dem Nacken/
ſo laſſe man die Leber-Ader/ oder die Salva-
tellam, welche zwiſchen dem Gold- und klei-
nen Finger zu finden. Guilhel. Budæus ſchreibt
hiervon alſo: Wo die benandten Blattern
am Leib auffahren/ es ſey auf der Bruſt oder
am Rucken/ ſo ſolle durchaus kein Ader ge-
oͤffnet/ ſondern am naͤchſt-gelegenen Orte/
derivationis ergò, geſchroͤpffet und Koͤpff ge-
ſetzt werden. Bricht etwas unter den Armen
oder Achſeln herfuͤr/ ſo laſſe man am Arm die
Median-Ader. Erzeiget ſich aber etwas un-
ter den Lenden/ bey dem Gemaͤcht/ Knyebuͤ-
gen/ oder an den Beinen und Fuͤſſen/ ſo iſt
O 5an
[218]DasXVI.Capitel.
an einer der naͤheſten zweyen Adern vor dem
Knoten/ oder die Ader bey der groſſen Zaͤhen
zu laſſen nuͤtzlich. Erzeiget es ſich aber an
den Lenden/ ſo laſſe man an den Fuͤſſen/ bey
der kleinen Zaͤhen. Kommt aber etwas an
beyden Seiten/ muß man auch nach derſel-
ben Gelegenheit an beyden Seiten mit der
Aderlaß nachſetzen; und daß beyde Aderlaß
nicht zugleich geſchehen/ kan eine Stund dar-
zwiſchen eingehalten werden. Darbey all-
wege vor dem Laſſen/ dem Patienten etwas
von Perlen/ Corallen/ Hirſch-Creutz- und
Eichorn mit Wein oder Cardobenedicten-
Waſſer geben/ und ſonſt alles nach Ermeſ-
ſung der Kraͤffte anſtellen.
Wann es ſich aber begibt/ daß der Bar-
bier ein oder die ander Ader nicht zu ſehen be-
kommen koͤnte/ oder ander Urſachen wegen
nicht zu treffen waͤre/ ſo muß man in ſolchem
Fall die naͤchſt darbey ligende nehmen; wel-
ches an den Armen um ſo viel fuͤglicher ge-
ſchehen kan/ weil die drey groſſe Adern da-
ſelbſt eine ſolche Gemeinſchafft haben/ daß es
faſt gleich gilt/ welche man laſſe/ maſſen hier-
von D. Guilhel. Budæus von der Peſt im 3.
Cap. ſchreibt: Es iſt allhier nicht ſo groß
Achtung zu geben nothwendig/ welche Ader
und auf welcher Seite dieſelbe zu oͤffnen noͤ-
thig ſey/ denn der Menſch noch zur Zeit nicht
ungeſund/ und flieſſen nicht allein die Haupt-
und Leber-Ader aus einem Ramo her/ auf der
andern
[219]Von Aderlaſſen in Peſt-Kr.
andern Seiten iſt von der Haupt- und Miltz-
Ader eben daſſelbe zu verſtehen/ ſondern wer-
den auch alsbald durch die Median-Ader
wieder aneinander gehefftet/ und in ein Ader
oder tubum gebracht/ wie man augenſchein-
lich und zum theil aͤuſſerlich ſehen kan; und
wird ohne das auch die innerliche Ader vena
porta genannt/ mit der aͤuſſerlichen venâ ca-
vâ in der Leber/ an unterſchiedlichen Orten/
per anaſtomaſin connectiret und zuſammen
gehefftet/ inmaſſen ſolches Archangelus Pi-
tolhomini in ſeinen prælectionibus anatomi-
cis, Romæ editis, klaͤrlich beſtaͤtiget/ daß alſo
eitel Fabelwerck und ungereimt Ding iſt/
was etliche hochvermeſſene Calender-macher
von ſo groſſer hochnothwendiger Erwaͤhlung
der Adern erdichten und fuͤrgeben/ damit ſie
ihnen bey dem gemeinen Mann ein beſon-
ders Anſehen und groſſen Namen machen
wollen.
Nun iſt noch zu wiſſen vonnoͤthen/ aufOb man
auf der
afficirten
Seite
aderlaſſen
ſoll.
welcher Seiten man dem Patienten laſſen
ſoll/ wenn er ſich nur auf eine Seite klaget?
davon ſchreibet Joh. Kornthavver, die Ex-
perientia cum rationibus conjuncta giebt mir
das/ daß ich an der andern Seite laſſen ſolle/
da einem nicht wehe iſt/ dieweil dadurch das
Gebluͤt von dem angeſteckten Ort/ gleichwie
das Holtz oder Stroh vom Feuer hinweg
gezogen wird. Derowegen aber ſchreibt D.
Panſa cap. 24. ſeines Conſilii Phlebotomici,
wie
[220]DasXVI.Capitel.
wie auch im 8. Capitel ſeines Conſil. 3. An-
tipeſtif. alſo: An welchen Orten das Gebrech
oder das Zeichen naͤher ſich angeben wuͤrden/
an derſelben Seiten ſoll man auch Ader oͤff-
nen/ es ſey an Haͤnden/ Fuͤſſen oder Arme/
darum ſoll ſich der Meiſter huͤten/ daß er an
der geſunden Seite dem Krancken nicht laſ-
ſe/ denn wenn er ihm an der geſunden Sei-
ten/ da ihm nichts fehlete/ die Ader oͤffne-
te/ ſo wuͤrde eins mit dem andern vergifftet
werden/ welches zwar ohne groſſe Lebens-
Gefahr/ oder dem Tode ſelbſt nicht geſche-
hen mag. Quercetanus ſchreibt in peſt. alexic.
cap. 6. alſo: In ſolchem gefaͤhrlichen Fall
und Zuſtand muß man ſich vorſehen/ daß
man an dem Ort und Seiten/ wo ſich der
Patient klaget/ und ein oder ander Chara-
cter erſcheinet/ zur Ader gelaſſen werde.
Denn die Aderlaß ſo auf der andern Seiten
geſchicht/ nichts/ oder doch gar wenig nutz/
und kan auch der Patient keine Erleichterung
davon empfinden. Item bald darauf bezeu-
get er dieſes mit andern/ und zwar nicht ge-
ringen Mediois, da er ſpricht; Et hoc eſt
celebriorum Medicorum Decretum.
Es ſind auch viele in der Meynung/ wenn
man einem Krancken Ader laͤſſet/ daß man
ſo viel Blut lauffen laſſen muͤſſe/ bis das
ausrinnende Blut eine andere Farb zeigete.
Allein es wuͤrde bey manchem uͤbel ablauffen/
wenn man ſo lange bluten laſſen wolte/ und
wuͤrde
[221]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
wuͤrde mancher Patient ſeinen Geiſt aufge-
ben muͤſſen/ eher man ſehen wuͤrde/ daß ſich
des Bluts Farb veraͤnderte. Denn es fruch-
tet auch wenig/ auf die Conſiſtenz oder Farb
zu ſehen. Dann wenn man mercket/ daß ſo
viel Blut gelauffen/ als die Kraͤffte entra-
then koͤnnen/ und die Groͤſſe der Schwach-
heit erfordert/ hat man nicht noͤthig auf
was mehrers zu ſehen/ ſondern kan die Ader
nur verbinden.
Wenn eine ſchwangere Frau an der PeſtOb man
auch
ſchwan-
gern Wei-
bern
Ader laſ-
ſen darf.
lieget/ ſo fraget es ſich/ ob man derſelben
ſonder Beſchaͤdigung der Leibs-Frucht
Ader laſſen koͤnte? Ob nun wohl Hyppo-
crates aphor. 30. S. 5. ſchreibt/ daß ein
ſchwanger Weib unrichtig komme/ wenn
man ihr eine Ader oͤffnet/ ſonderlich wenn
das Kind ſchon groß ſey. Deſſen Galenus in
commento die Urſach giebt/ nemlich weil
das Kind durch Aderlaſſen feiner Nahrung
beraubet wuͤrde/ und ſolcher gleichwohl um
ſo vielmehr beduͤrffe/ je groͤſſer und ſtaͤrcker
es waͤre/ und andere Urſachen mehr: Es iſt
aber allhier des Hyppocratis Aphoriſmus
auf gewiſſe Maſſe und Weiſe zu verſtehen/
und nicht freventlich/ ſondern mit verſtaͤn-
digem Nachſinnen zu practiciren.
Nichts deſtoweniger/ wenn nur die In-
dication venæſectionis vorhanden/ und die
Kraͤffte noch nicht abgenommen/ kan einer
ſchwangern Frauen eben ſo nuͤtzlich als andern
eine
[222]DasXVI.Capitel.
eine Ader geoͤffnet werden. Denn man ſehe
ja/ daß durch Aderlaſſen ihrer viel zu rechter
Zeit die Frucht in dieſe Welt gebohren/ wel-
che ſonſt wegen Menge des Gebluͤts/ von
welchem die Frucht erdaͤmpfft und erſtickt
werden kan/ zu unrechter Zeit dieſelbe braͤch-
ten. So giebt es auch die Erfahrung/ daß/
wenn Blut-reiche Weiber/ indem ſie ſchwan-
ger ſind/ zu rechter Zeit Aderlaſſen/ die Kin-
der nicht leichtlich ſo grindig werden/ als
ſonſt. Zu dem fordert die Natur ſelbſt eine
Aderlaß/ indem das Gebluͤt zuweilen bey
den Schwangern durch die Naſe/ bißwei-
len durch die Venas hæmorrhoidales, biß-
weilen per Cervicem uteri ausbricht/ wel-
ches Galenus wohl ſelbſten obſervirt/ wie
l. 6. de loc. aff. c. 5. Item comm. 60. ſ. 5.
aphor. Ferner ſo ſtehen die Schwangere
ſamt ihrer Frucht zur Zeit eines morbi acuti
(wie die Peſt vor allen andern iſt) in keiner
geringen Gefahr/ wie aphor. 31. ſ. 5. zu le-
ſen/ und ob die Aderlaß ſchon einer Frucht
ſchadet/ ſo iſt es doch beſſer/ es gehe die
Frucht allein drauf/ wofern/ ſo wider Ver-
hoffen eines von beyden drauf gehen muͤſte/
und es anderſt nicht ſeyn koͤnte/ als zugleich
auch die Mutter; Uber das darf man den
Schwangern ja auch ein gelindes Solutivum
geben/ warum denn nicht eine kleine Ader-
laß geſtatten/ bevorab wann ſie im fuͤnfften
oder ſechſten Monat geſchehen kan/ und
darne-
[223]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
darneben die Erfahrung bezeuget/ daß nicht
allein in dem mittelſten/ ſondern auch erſten
und letzten Monat eine Aderlaß ſehr erſprieß-
lich geweſen. Derowegen ob ſchon das
Peſt-Gifft an und vor ſich ſelbſt kein Ader-
laß erforderte/ ſo kan ſie ſo wohl bey den
Peſt-Suchtigen als bey andern Schwan-
gern in denen Faͤllen zugelaſſen werden.
Auf was Art aber ſolches Aderlaſſen ge-Wie oft
das
Aderlaſ-
ſen geſche-
ben ſoll.
ſchehen ſoll/ daruͤber fallen wiederum unter-
ſchiedene Meynungen/ wie nemlich man auf
einmal nicht ſo viel Blut lauffen laſſen ſolle/
und beſſer waͤre/ man verrichtete die Ader-
laß auf etliche mal. Dieſem entgegen aber
lehren andere/ daß man es nicht auf vielmal/
ſondern auf einmal thun ſolte. Denn was
man auf einmal thun koͤnne/ waͤre nicht von-
noͤthen/ auf zwey- oder dreymal zu verrichten.
Zudem ſo endigte ſich vielmehr eine
Schwachheit und verhalte ein und ander
Symptoma, wannn ihr die Cauſa auf einmal
benommen wurde. Aber dieſes mag wohl in
præſervatione, und wo keine Hindernuͤß ge-
ſpuͤret wird/ zugelaſſen werden. Sonſt
aber/ wenn die Schwachheit eine groſſe
Aderlaß erfordert/ die Kraͤffte aber ſchwach
ſind/ eine laſſitudo phlegmonoſa vorhanden
iſt/ der Patient bald ohnmaͤchtig wird/ und
die Aderlaß der revulſion nicht aber der
ſchlechten vacuation halber vorgenommen
worden/ iſt rathſamer/ daß man partitis
vici-
[224]DasXVI.Capitel.
vicibus oder auf unterſchiedliche mahl die
Aderlaß verrichte/ jedes mahl aber deſtowe-
niger flieſſen laſſe. Wie bald aber die unter-
ſchiedliche mahl auf einander folgen ſollen:
ſo iſt in boͤſen Fiebern und gifftigen Kranck-
heiten dienſam/ daß es beyzeiten und zwar in
wenig Stunden geſchehe/ wenn die Menge
des Gebluͤts und deſſen ſtarcken Anfluß zur
Hefftigkeit der Kranckheit groſſe Anleitung
giebt. Sonſten aber und wenn es um der
Revulſion willen allein zu thun/ und der An-
fluß des Gebluͤts nicht ſo ſtarck/ kan wol laͤn-
ger gewartet werden.
Wenn aber inficirte Weibs-Perſonen/
ihre monatliche Reinigung nicht haben/ ſo
iſt die Frag/ ob ſolche zuvor ſchwitzen/ oder
aderlaſſen ſollen? Es iſt zwar allhier zu un-
terſcheiden/ unter denen/ welche alle Monat
obwol nicht eben auf den Tag/ wann ihnen
die Peſt anſtoͤſſet/ ihre Reinigung haben;
und unter denen/ welche deſſen unnatuͤrliche
Verhalt- oder Verſtopffung eine zeitlang er-
litten/ und noch in beſagter ihrer Kranckheit
leiden. Bey jenem mag man es/ und wie
ſonſt gewoͤhnlich/ halten/ bey dieſem aber iſt
zuvor vorzunehmen: Erſtlich/ woher die
Verhaltung ruͤhre? zum andern/ ob ſie lang
gewaͤhret? drittens/ ob ſie ſchon vor der
Kranckheit Beſchwernuß gemacht habe/ oder
allererſt in der Kranckheit ausdruͤcklich an-
gefangen? Der Verhaltung iſt entweder die
Gebaͤhr-
[225]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
Gebaͤhr-Mutter ſelbſten oder aber der gantzeUrſach ſol-
cher Ver-
haltung.
Leib ein Urſache: Die Gebaͤhr-Mutter zwar/
wann ſie das Blut nicht auffnimmet/ oder
ſo ſie es gleich auffnimmet/ daſſelbe nicht wie-
derum austreibt. Der gantze Leib iſt aber
ſolcher Verhaltung ein Urſache/ die weil er
kein Blut dahin ſchicket/ entweder/ weil des
Bluts wenig vorhanden/ oder weil es gar
zu dick iſt/ oder weil es anderſt wohin von
den Adern der Mutter abgehalten wird/ wie
denn ſolche Abwendung leichtlich in Kranck-
heiten und Schmertzen des Leibs/ und auch
des Gemuͤths (als in Traurigkeit und Furcht)
zu geſchehen pfleget. Wenn Uterus oder
Mattix das Blut nicht annimmet/ und der
Mangel an ihr ſelbſten iſt/ ſo ſind entweder
die Adern ſo ſehr verſtopfft/ oder zu trocken:
Und diß geſchiehet entweder wegen einer gro-
ben zaͤhen Feuchtigkeit/ die ſich in die Adern
leget: oder wegen einer Geſchwulſt: oder aus
uͤbriger Fettigkeit: oder wann die Mutter
aus ihrer Stelle kommen/ und verrucket wor-
den: oder wann die Mutter gar verhaͤrtet:
oder ſo die Adern darinn gar zu eng und
klein ſind/ welche dem Blut ſeinen Ausgang
hindern: wann auch des Bluts im Leib we-
nig iſt/ entweder von Natur/ als in gar
Magern und Trocknen/ oder von langwie-
riger Kranckheit/ oder wegen vorgegange-
nen hefftigen Blutens/ davon die Monatzeit
ſich hernach verſetzt/ oder ſo das Blut in
PMilch
[226]DasXVI.Capitel.
Milch verwandelt wird/ oder zur Nahrung
der Frucht im Mutterleib gereichet/ ſo darff
man es weder durch Artzney noch durch Ader-
laſſen foͤrdern. Bißweilen wird durch die
viele Bewegung/ auch durch geringe Diæt,
oder durch Hunger das Blut verzehret/ deß-
wegen entweder die Menſes gar nicht flieſſen
koͤnnen/ oder gar zu wenig/ welche man
gleichwol nicht hefftiger foͤrdern darff. Bis-
weilen wird das Blut durch das Naſenblu-
ten gemindert/ bisweilen auch durch die Se-
des, welches die Foͤrderung der ordentlichen
Reinigung auch verhindern kan. Wann
man wenig oder gar keine Bewegung hat/
ſo verhaͤlt ſich das Blut gleichergeſtalt:
auch kan es zuruͤck bleiben wegen unmaͤſſigen
Aderlaſſens und Schroͤpffens: auch beſtehet
es Alters halber/ dennoch bey einer eher als
bey der andern; allwo man es auch nicht fer-
ner befoͤrdern ſoll: Bey etlichen kommet es
zwar natuͤrlicher Weiſe alle Monat/ bey etli-
chen einen Monat um den andern: bey etli-
chen alle 6 Wochen/ auch natuͤrlicher Weiſe:
bey etlichen haͤlt der Blutfluß laͤnger an/ bey
etlichen bleibt er innerhalb 3 Tagen auſſen/
auch natuͤrlicher Weiſe; Unnatuͤrlicher Wei-
ſe aber kommt er alle 14 Tage/ wegen Men-
ge oder Schaͤrffe des Gebluͤts.
Wann derohalben ein Medicus, ohn wel-
ches Rath ein ſolche Weibs-Perſon nichts
thun ſoll/ die Verhaltung vor eine Urſach
der
[227]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
der Hitze/ Hefftigkeit der Kranckheit/ oderzu verhal-
ten.
ſonſten fuͤr ein Magis urgens erkennet/ ſoll
vor allen Dingen die Ader/ welche am dien-
lichſten erachtet wird/ geoͤffnet/ und darauff
bald ein Schweiß-Mittel/ darbey Cordialia
ſeyn/ gegeben werden/ inſonderheit wann die
Weibs-Perſonen blutreich/ denn alſo wird
die Vollbluͤtigkeit benommen/ der Schweiß
mit groͤſſern Nutzen gefoͤrdert/ denen einreiſ-
ſenden Faͤulungen gewehret/ und die Ver-
ſtopffung auffgehoben werden. Es kan auch
nach Erfordern erſtlich eine univerſal Eva-
cuation etwa am Arm/ und nach hierauff er-
folgtem Schweiß eine particularis an den
Fuͤſſen/ da die Roſen-Adern ſich befinden/ ge-
ſchehen. Sonſten wann die Weibs-Per-
ſonen nicht blutreich ſind/ noch die Verhal-
tung lang gewaͤhret/ noch einige Beſchwer-
nuß davon empfunden worden/ ſo iſt D. Pan-
ſæ Meynung/ daß ſie den erſten Tag/ wann
ſie der Gifft zu Mittag ankommen/ ſchwitze;
den andern Tag fruͤhe die Roſen-Ader laſſe/
und Nachmittag wieder ſchwitze. Greiffe
ſie aber das Gifft mehr gegen Morgen an/
ſoll ſie Vormittag ſchwitzen/ Nachmittag
die Roſen-Ader laſſen/ den folgenden-Mor-
gen ſoll ſie wieder ſchwitzen: dann wofern
man nicht das verhaltene Gebluͤt aus fuͤhren
wird ſo kan es durchaus zu Gifft werden;
daher ein Gifft den andern anſtecket/ alſo daß
man zweyen Feinden kaum genugſamen
P 2Wider-
[228]DasXVI.Capitel.
Widerſtand mit Schwitzen allein wird thun
koͤnnen: denn das verhaltene Menſtrum iſt
an ihm ſelber ein Gifft/ darneben nichts de-
ſtominder gelinde und nach Gelegenheit ſtaͤr-
ckere Clyſtirlein zuweilen vonnoͤthen thun.
Dieweil ſich aber auch ein freywilliges Na-
ſenbluten bey den voͤlligen Weibs-Perſonen
und Manns-Perſonen zutragen kan/ ſo bey-
de vollbluͤtig ſeyn; Iſt das Blut in ziemli-
cher Menge ausgefloſſen/ ſo laſſe man es in
den erſten dreyen Tagen allein beym Schwi-
tzen bleiben; waͤr aber des ausgelauffenen
Bluts wenig/ ſoll man dennoch Ader laſ-
ſen/ jedoch nur in den Vollbluͤtigen/ und
nicht allein alsbald im Anfang aderlaſſen/
wie vorgemeldt/ ſondern auch ſchwitzen.
Wann aber ſolche monatliche Reinigung
bey inficirten Weibes-Perſonen im Anfang
der Kranckheit kommet/ ſo halten einige da-
fuͤr/ daß es bey den Patienten gute Hoff-
nung zur Beſſerung mache/ aber ſolches fol-
get nicht bey allen/ ſonderlich wenn ſie matt
ſeyn/ und die Kranckheit ſchon eine Weile
gewaͤhret/ auch der Fluß gar ſtarck gehet:
Dieſes aber/ wenn das verbrannt Gebluͤt viel
zu Verurſachung der Kranckheit gethan/ oder
als ſelbe ankommen/ hinderlich geweſen/ daß
ſie nicht ſo bald ihre tempora vollenden/ und
ad declinationem kommen koͤnnen. Deßglei-
chen wenn die Kraͤffte noch fein beyſammen/
der Fluß zu rechter Zeit ſich einſtellet/ nicht
uͤber
[229]Vom Aderlaſſen in Peſt ꝛc.
uͤber die gewoͤhnliche Zeit anhaͤlt/ allgemaͤh-
lig gehet/ und ſonſten auch die Perſonen nicht
ſehr darnieder zu werffen pfleget: wie dann
Weibs-Perſonen gefunden werden/ welche
ſich auch faſt jedesmahl/ wenn ſolche Mo-
nat-Reinigung kommen will/ zu Bettlegen
muͤſſen/ da ſie hergegen andern nichts/ oder
doch gar wenig zu thun giebt.
Endlichen giebt es auch Perſonen/ wel-Wie de-
nen zu
thun/ die
gar nicht
aderlaſſen
doͤrffen.
che gar nicht aderlaſſen doͤrffen/ all-
wo ſolches das Schroͤpffen guten Theils
vertretten muß/ oder an ſtatt des Aderlaſ-
ſens gebraucht werden/ wie nachgehends mit
mehren angezeiget werden ſoll. Sonſten
wann es nur um die von den uͤbrigen oder
entzuͤndeten Gebluͤt entſprungene Hitz zu
thun/ kan man noch andere viel Artzneyen/
derſelben zu ſteuren/ erlangen: Im uͤbrigen
wird der Garten-Hahnenfuß/ als ein
wunderbarliches Experiment gehalten/ ſo der
Patient auf die Seite/ wo die Peſt iſt/ ſie ſey
am Arm/ Ohr/ oder andern obern Theil des
Leibs/ zwiſchen dem Daumen/ und dem Zeig-
Finger an der Hand; wo ſie aber am Schen-
ckel/ zwiſchen die groſſe Zaͤhen binden ſoll/ ſo
werde die Blatter aufflauffen/ welche er aus-
raͤumen laſſen ſolle/ ſo werde er geneſen. vid.
Andræ Lagner part. 2. ſeines Promptuarii
von der Peſtilentz. An ſtatt der Aderlaß kan
man auch ſowol Jungen als Alten Hirudi-
nes oder Egel anſetzen/ damit ſie das Gifft
P 3ſtarck
[230]DasXVI.Capitel.
ſtarck ausziehen; daß ſie aber deſto lieber an-
faſſen/ ſoll man den Ort mit ein wenig Wein
anfeuchten.
Des Schroͤpffens auch mit wenigem zu
gedencken/ ſo wird ſolches von allen Medicis
zum guten Theil fuͤr eine vicariam venæ ſe-
ctionis oder Vice-Aderlaß gehalten; doch
ſchreibt Minadois de abuſu non ſanguin. mit-
tend. c. 14. Bey welchem Patienten man
vermittelſt des Schroͤpffens das Gifft aus-
zuziehen vermeynet/ ſelbiger ſeyen viel geſtor-
ben/ andere aber/ welchen man vor dem
Schroͤpffen Adergelaſſen/ waͤren davon kom-
men. Es ſeynd aber andere hierinn nicht
gleicher Meynung/ welcher Widerſinnigen
allhier nicht gedencken will/ ſondern vielmehr
beſtaͤttigen helffen/ daß bey Blutreichen das
Schroͤpffen guten Nutzen bringet: und iſt
den Krancken eine groſſe Beyhuͤlffe/ welche
den Medicum entfernet. D. Panſa ſchreibt
cap. 34. Conſilii Phlebetomici alſo: Dieſes
muß ich um beſſerer Nachricht willen/ weil
der Krancke offt den Medicum nicht allzeit
alsbald erlangen kan/ oder anderer Urſachen
halben Aderlaſſen einſtellen muß/ auch erin-
nern/ daß ich vor meine Perſon (doch einem
andern Medico nichts fuͤrzuſchreiben) zu je-
derzeit/ wenn jemand vergifftet/ lieber wolte
zum Schroͤpffen/ beydes den voͤlligen/ ſowol
auch den blutreichen/ als auch den unreinen
Coͤrpern/ als zum Aderlaſſen rathen: Und
daß
[231]Vom Schroͤpffen in Peſt ꝛc.
daß ein jeder beyzeiten/ ehe er mit dieſer Pla-
ge angegriffen/ wo er blutreich/ aderlaſſen/ wo
er aber ſonſten im Leib gar unrein/ ſich pur-
giren ſolte. Und im Fall der Gifft ſolchen
præſervirten Perſonen noch mals zuſetzen wuͤr-
de/ ſo achte ich dafuͤr/ daß ſchroͤpffen bey-
des im Anfang/ ſowol auch wenn ein giffti-
ges Zeichen auffgeſchoſſen/ am bequemſten
ſey: beſonders wenn die Haut deſto tieffer
eroͤffnet/ moͤchte es die Aderlaͤß wol vertret-
ten/ und muͤſſe die uͤbermaͤſſige Hitze durch
andere Mittel/ wenn hier das Schroͤpffen
zu ſch wach/ benommen werden. Und obwol
ein hefftiger Schmertz an dem preſthafften
Glied oder um daſſelbe gefuͤhlet wuͤrde/ wel-
ches den Laßkopff nicht zulaſſen moͤchte/ ſo
kan ſolches an dem naͤchſten Ort dabey ge-
ſchehen/ damit das verderbte Blut ausgezo-
gen werde. Und dieſes Mittel waͤre umb
dreyerley Urſachen willen vorzuſchlagen:
1. Weil ſchroͤpffen nicht ſo ſehr ſchwaͤchen
kan/ als Aderlaſſen. 2. Weil durch ſchroͤpf-
fen das Blut nicht ſo hefftig kan beweget/
und alſo deſſen Menge ſanffter als durch A-
derlaſſen abgeholffen werden/ die Bewegung
aber/ wie oben gedacht/ zugleich das Blut
von dem Gifft beweget/ und weiter ausge-
ſireuet. 3. Auch weil die Laßkoͤpfflein dieſe
Art haben/ daß ſie an ſich ziehen/ ſo kan da-
durch der Gifft neben dem Blut ausgezogen/
oder zum wenigſten heraus gegen die Haut
P 4ge-
[232]DasXVI.Capitel.
gelocket werden/ daß hierauff das eingenom-
mene Antidotum den Gifft deſto leichter und
ſtaͤrcker austreiben koͤnne/ es ſey gleich vor-
hin etwas auffgrfahren oder nicht. So iſt
uͤber diß bey jungen Leuten und Schwangern
Aderlaſſen ſorglicher denn das ſchroͤpffen.
Zum Beſchluß dieſes Capitels wollen wir
noch kuͤrtzlich uͤberlegen/ was gelehrte Leute
in Peſtzeiten von dem Blaſen ziehen ge-
halten. Denn ſo bald ſich an des Inficirten
Leib eine Druͤſe oder Beule auffwirfft/ pfle-
gen die meiſten Barbirer alsbald zum Bla-
ſen-ziehen zu eylen/ ob ſolche ſchon nicht wiſ-
ſen noch verſtehen/ ob/ wenn/ wo und wie
ſolch Mittel fuͤrzunehmen/ da ihnen doch wohl
anſtehen wuͤrde/ ihnen auch in allwege ge-
buͤhrete/ daß ſie (als welche auff die inner-
liche Kranckheiten oͤffter ſo viel Verſtand ha-
ben als der Eſel auff der Laute zu ſpielen) we-
gen unterſchiedener Zeichen und mancherley
Zufaͤllen/ einen oder mehr Medicos conſulir-
ten und zu Huͤlff nehmen; denn zu geſchwei-
gen/ ob die Veſication (vermittelſt des Eu-
phorbii oder Spaniſchen Muͤcken bevorab)
allzeit rathſam ſey? wird noch unter vorneh-
men Medicis diſputirt.
Gerhardus Columba Diſput. Med. de Febr.
peſt. cog. \& cur. lib. 2. c. 7. \& ſeq. vernei-
net ſolches gar um folgender Urſachen willen/
als/ weil ſie durch den Schmertzen/ welchen
ſie verurſachen/ die Kraͤfften mercklich ſchwaͤ-
chen/
[233]Vom Blaſenziehen in Peſt ꝛc.
chen/ die man doch billig bey dieſer Kranck-
heit beyſammen haben ſolte; auch weil die
Cantharides \&c. mit ihrer viergradigen Waͤr-
me die Hitze des Fiebers/ ſo bißweilen bey der
Peſt iſt/ vermehren/ da man doch vielmehr
kuͤhlen ſolte. Galen. lib. 10. Meth. c. 10.
\& lib. 11. Method. c. 9. Daß ſie aber im
4. Grad hitzig und trucken ſeyen/ bezeugen
ferner Paulus lib. 7. c. 3. Plin. lib. 29. c. 4.
und inſonderheit Ardoynus lib. 4. de Venen.
c. 1. wiewol Avicenna ſolche im 3. Grad
warm ſchreibt. So auch weil ſie mit ihrer
gifftigen Qualitaͤt das Gifft im Leib vielmehr
vermehren/ als heraus ziehen; daß ſie aber
einer gifftigen Qualitaͤt ſeyn/ iſt aus Dioſco-
rid. l. 6. c. 1. Avicenn. lib. 4. fen. 6. tract. 2.
c. 2. \& 3. Galen. lib. 3. Simpl. c. 23. Item
4. Sim. c. 19. \&c. zu ſehen. Auch weilen/ in-
dem ſie die dickere Feuchtigkeiten durch das
Geaͤder/ welches unter den Armen oder Uch-
ſen und an den Heyldruͤſen iſt/ zur Haut zie-
hen/ ſelbige auch durch die Enge der Venarum
capillarium fuͤhren/ und alſo eine groͤſſere
Verſtopffung und groͤſſere Faͤulung verurſa-
chen/ weil die Tranſpiration gehemmet wird:
Denn daß die obſtructio oder Verſtopffung
die fuͤrnehmſte und meiſte Urſach der Faͤu-
lung ſey/ lehret Galenus 11. Meth. c. 4. 1. diff.
Feb. c. 3. \& lib. de inæqual. intemper. c. 7.
Endlich auch/ weil Galenus, Paulus, Aëtius,
Oribaſius und Celſus zwar ſonſt in vielen
P 5Schwach-
[234]DasXVI.Capitel.
Schwachheiten/ aber in Peſtilentzialiſchen
Fiebern niemalen der Veſication ſich bedinet.
Wider dieſe Argumenta nun lehnen ſich
Hercules Saxonia de Uſu Veſicat. \& de Phœ-
nigmis und Marcellus Copra libr. de morbo
pandemico auff/ und zwar ſolcher geſtalt:
Erſtlich/ die Veſicantia verurſachen keinen
Schmertzen/ oder doch wenig/ und da ja
Schmertzen ſich ereignen/ ſeyn ſolche nicht der
Veſicantium oder Blaſenziehenden Artzneyen
Natur/ ſondern der Ungeſchicklichkeit deren/
welche ſolche aufflegen/ zuzuſchreiben. Fer-
ner ob die Veſicantia ſchon hitzig und ſcharff
ſeyn/ vermehren ſie dennoch nicht das Fie-
ber/ weil ſie die Arterias (die jenige Adern/
darinn ſich die Geiſter befinden) nicht beruͤh-
ren. So auch ziehe das auswendige Gifft
ſuæ ſubſtantiæ ſimilitudine das inwendige an
ſich/ dahero das inwendige durch das aͤuſſere
nicht vermehret werden koͤnte. So muͤſſe auch
die Veſicantia erſt nach gethaner Purgation
und Aderlaß/ als welche die grobe Feuchtig-
keiten mindern und benehmen/ erſt gebrauchet
werden. Endlichen laſſe Paulus gleichwol die
Veſicatoria in dem Peſtilentziſchen Fiebern zu/
Was bey
dem Bla-
ſenziehen
zu beob-
achten.lib. 2. c. 36. Aber auff alle dieſe Einwuͤrffe
kan abgenommen werden/ daß man in Bla-
ſen-ziehen mit Verſtand handlen/ und mit
den Cantharidibus, Euphorbio, und andern
gar zuſtarcken gifftigen Sachen nicht ſo ſehr
eylen ſoll: und obwolen nicht alle Veſicato-
ria
[235]Vom Blaſenziehen in Peſt ꝛc.
ria ſo groſſen Schmertzen erregen/ noch eben
eine jede abtractio oder Anziehung durch
Schmertze/ ſondern auch durch Hitze/ den-
noch Achtung gebe/ wie die Kraͤffte/ das
Alter/ die Beſchaffenheit des Leibs ꝛc. be-
wandt ſey/ ſich nach denſelben richte/ und
wo die Veſicatoria von Cantharidibus \&c.
ja vor noͤthig erachtet werden/ daß man ſel-
bige mit Alexipharmacis vermiſche/ auch
nicht brauche/ wenn ein Fieber/ oder groſſe
Hitze/ oder Durchlauff/ oder Mattigkeit
und Ohnmachten fuͤrhanden; daß man
ſich ihrer auch bey den Hecticis oder verzeh-
renden kalten Coͤrpern/ wie nicht weniger
in principio acceſſionis oder paroxyſmi ent-
halte. Und dann/ wann die Blaſe nun ge-
zogen/ und vorhanden/ mit Abziehung der
epidermidis oder Haͤutleins/ deßgleichen mit
erſter Aufflegung des Leinwands/ um die
Blaſe zu trucken/ gantz gemaͤchlich verfahre/
und nicht/ wie etliche Toͤlpel vermeynen/ je
groͤſſer der Schmertz/ je beſſer die Feuchtig-
keiten heraus kommen/ nach dem Sprich-
wort: Ubi dolor ibi fluxus, daß die Pa-
tienten Mordio ſchreyen/ und fuͤr
Angſt vergehen moͤch-
ten.
DIe Gelehrte halten dafuͤr/ daß/ wie
bißweilen die Peſt einen Leib/ deſ-
ſen Magen und Bruſt voller Un-
rath ſtecket/ bißweilen aber einen reinen er-
greiffet/ alſo kan zwar zu Benehmung des
beſagten Unraths/ darinnen ſich offtmahl das
Peſtilentziſche Gifft aufhaͤlt/ und daher leicht-
lich Fieber erreget werden koͤnnen/ ein Vomi-
torium nicht ſchaden. Aëtius tetr. 2. ſerm. 1.
c. 95. Paul. l. 2. c. 36. de re medica. Toubert.
c. 17. de Peſt. u. a. m. weilen es viel leichter
iſt/ denſelben durch den Halß oder Mund/ als
durch den Stuhlgang auszufuͤhren/ aber es
muß nicht durch antimonialiſche/ mercuria-
liſche oder andere dergleichen gifftige ſtarcke
Mittel geſchehen/ ſondern durch gelinde/ ob-
ſchon jene an ein- oder dem andern wohl aus-
geſchlagen/ iſt ſolches doch ungefehr geſche-
hen/ und darauf kein Rechnung zu machen.
Iſt derowegen ſolch Experiment eben derje-
nigen eines/ von welchen Hyppocrates in ſei-
nem erſten aphorismo ſagt/ daß es gefaͤhr-
lich/ und das judicium oder Urtheil davon
Worinnẽ
einige das
Erbrechen
fuͤr gut
achten.ſchwer ſey. Und diejenigen/ welche ein Er-
brechen bey Peſt-inficirten Patienten fuͤr gut
achten/ thun ſolches fuͤrnemlich aus folgen-
den
[237]Vom Erbrechen/ Purgieren/ ꝛc.
den Urſachen/ weilen man faſt keine Peſt ſie-
het/ da nicht ein Eckel oder Erbrechen bey ſey/
nun ſey es ja keine ungereimte Sache/ ein
Erbrechen durch ein ander Erbrechen zu cu-
riren/ damit die Materia, derer ſich die Na-
tur ohnedem zu entledigen unterſtehet/ gemin-
dert/ und aus dem Weg geraumet werde;
auch weilen durch das Erbrechen die Beu-
len/ Blattern/ ꝛc. deſto eher und lieber zu der
Hauth heraußkommen. Dann auch nach
Cardani Lehre/ das Gifft wieder an dem Ort
heraus zu fuͤhren/ da es hinein kommen/ weil
nun das Gifft gemeiniglich durch den Halß
in Leib gezogen werde/ ergò ſo ſolte es auch
wieder durch dieſen Weg heraus bracht wer-
den; und endlich/ dieweil zu Austreibung
vieler andern Gifft mehr/ ein herꝛlich Ding
iſt/ wie beym Mercuriali de venen. \& morb.
venenoſ. deßgleichen bey andern hin und
wieder zu leſen/ auch die Chymici des Tur-
bir. mineral. oder den Mercurium præcipita-
tum. Alphanus c. 31. lib. de peſte, wie auch
den Vitriolum rectificatum ſehr ruͤhmet/ als
welcher oben und unten purgirt/ Angel. Sa-
la. tr. 1. c. 9. \& 2. ſ. 1. \& de peſte curat Al-
phanus c. 31. l. de peſte, deßgleichen thun
viel andere mehr; denn Quercetanus alex. l. 2.
c. 7. ſchreibt: Die von dem Antimonio oder
Spießglaß bereitete Erbrechen-machende
Artzneyen ſeyn wider die Peſtilentziſche Fie-
ber und alle febres epidemicas gut/ bekraͤff-
tiget
[238]DasXVII.Capitel.
tiget ſelbiges auch mit vielen Experimenten/
welche ihn in ſeiner Hoffnung (wie er ſaget/)
niemahls betrogen. Matthioius ſchreibt/ es
ſeyen in der Peſt/ ſo Anno Chriſti 1592. in
gantz Boͤhmen graſſirt/ ſehr viel erhalten wor-
den/ welche nur gran. iiij. Antimonii Hya-
cynthini und ʒj. Antidoti liberantis im An-
fang der Schwachheit gebrauchet.
Hergegen aber ſchreibt Mindirerus, es
ſey keiner jemahls durch Erbrechen von der
Peſt errettet worden/ weil das Erbrechen in
der Peſtilentziſchen Kranckheit ein Symptoma
ſey/ und keine Criſis; und andere beruͤhmte
Authores mehr. Wie wollen aber allhier
bey der meiſten Meynung fallen/ gleich an-
fangs gedacht worden. Denn auch Maſſa-
rias diſput. 2. l. 2. \& cap. 45. Saxoniæ ra-
thet/ wann man befindet/ daß das Erbrechen
von der Natur erreget wird/ man ſich der
uͤberfluͤſſigen ſchleimigen Materie zu entſchuͤt-
ten wohl ein Erbrechen zuwegen bringen doͤrff-
te. Valeſius l. 7. c. 4. und Minder. c. 14. de
peſt. beantworten aber dieſe Meynung/ ſa-
gende: Wo ein Eckel und Erbrechen iſt/ ein
groſſer Eckel und Erbrechen erreget werden
muͤſſe/ und obſchon bißweilen ein Erbrechen
durch ein ander Erbrechen gleichwie ein
Durchlauff mit mehrerm Purgieren geſtillet
und curirt wird/ geſchiehet ſolches nicht per
ſe, ſondern per accidens, wegen der vielen
boͤſen Materie/ ſo im Leib verſammlet. In
der
[239]Vom Erbrechen/ Purgieren/ ꝛc.
der Peſt aber findet ſich ſolches nicht in allen
Leibern/ dennoch aber iſt ein Erbrechen da/
und hier iſt kein Brech-Mittel vonnoͤthen/
ſondern vielmehr auf die gifftige Qualitaͤt zu
ſehen/ welche/ weil ſie ſpiritualis, und in dem
Hertzen am meiſten ſteckt/ keinesweges durch
Erbrechen außgefuͤhret werden kan. Eben
ſo wenig iſt zu Beantwortung des andern
Einwurffs darum ein Erbrechen zu erregen/
damit die Characteres peſtis, als Beulen/ ꝛc.
deſto lieber und eher zu der Haut heraus-
kommen moͤgen: Denn wer will denn ſa-
gen/ ob auch ſolche Characteres ſich aͤuſſer-
lich werden ſehen laſſen? wie viel Peſtilentz
ſeyn/ da ſie/ man unterſtehe ſich auch die-
ſelbe heraus zu bringen/ wie man wolte/
niemalen erſcheinen? Und wenn ſolche auch
heraus kommen/ waͤre doch das Erbrechen
die wenigſte Urſach deren/ ja auch durch Aus-
lehrung des Leibs wird vielmehr Urſach ge-
geben/ daß die Materi/ welche nun mehr durch
Beulen ꝛc. heraus will/ per revulſionem wie-
derum in Leib zuruͤck gehe/ und erſt rechte
loſe Haͤndel anhebet. Joan Villa real. lib. 2.
c. 3. de morbo ſuffocante ſaget: Es hat mit
der Peſtil. Gifft ein andere Gelegenheit/ als
mit denen/ welche dem Menſchen in Eſſen
und Trincken beygebracht werden/ denn dieſe
beſtehen in einer lieblichen/ dicken und mate-
rialiſchen Subſtanz, welche gelinder ſind/ im
Magen liegen/ und wol Verzug leiden/ weil
ſie
[240]DasXVII.Capitel.
ſie nicht eher ihre Wuͤrckung verrichten/ ſie
werden denn von dem Calido innato auffge-
muntert/ und kan derowegen fuͤglich aus
dem Magen bracht werden: Mit dem Pe-
ſtilentz-Gifft aber verhaͤlt es ſich anderſt/ ſin-
temal ſolches als mehr vaporiſch denn mate-
rialiſch/ mit groſſer Geſchwindigkeit/ wenn
es auch nur das duͤnneſte Luͤfftlein vehiculo
l[o]co hat/ in den Leib/ oder in die Lufft- und
Blut-Adern hinein wiſchet/ welches ſubtile
Luͤff[t]lein vom Erbrechen nicht/ ſondern durch
den Schweiß ꝛc. wiederum heraus gebracht
werden kan.
Nachdem bishero der Erbrechen machen-
den Urſachen wegen gedacht worden/ ſoll
auch billig angefuͤhret werden/ wie ſich infi-
cirte Krancken/ mit dem Purgieren unter ſich
zu verhalten haben. Ob man ſolche aber zu
ſolcher Zeit ſicherlich gebrauchen ſolle/ iſt
noch unter den Gelehrten ein groß Diſputat,
und welche dem Purgiren wiederſprechen/
gebrauchen folgende Urſachen/ und ſagen/
daß faſt keine Purgation geſchiehet/ daß der
Leib davon nicht ewas Kraͤffte verliehre/ daß
auch durch purgiren die boͤſe Feuchtigkeit
noch mehr bewegt werde/ und das Gifft à
circumferentia ad centrum, i. e. zum Her-
tzen treibet. So koͤnte ſolche auch gar leicht-
lich ſchaͤdliche Durchlauff/ Bauch-Fluͤſſe/
die ohndem in peſtilentziſchen Fiebern/ ſon-
derlich in unreinen Leibern/ gemein ſeyn/
auch
[241]Vom Erbrechen/ Purgiren ꝛc.
auch groſſen Durſt/ Eckel fuͤr Speiſe/ Grim-
men/ ꝛc. verurſachen. So ſey auch das pe-
ſtilentziſche Gifft ſo ſubtil/ daß es durch keine
Purgationem Deiectoriam ausgefuͤhret wer-
den kan/ dieweil es bald das Hertz einnimmt/
und in demſelben ſtabilirt/ daraus es durch
keine Purgation gebracht werden kan. Auch
weil das purgiren der Natur in ihrer Criſi
und Austreibung hinderlich iſt/ dieweil
auch in den purgirenden Artzneyen gemeinig-
lich ein Gifft verborgen lieget/ auch weil die
gelehrte Medici ihnen das Purgiren nicht
wollen gefallen laſſen. Hippocrat. aphor. 24.
in acutis morbis rarò utendum eſt purganti-
bus, i. e. in groſſen und hefftigen Kranck-
heiten ſoll man gar ſelten purgirende Sachen
gebrauchen. Und Crato in ſeiner Ordnung
von der præſervation, auch Sennert. de Fe-
brib. l. 4. c. 8. ſchreiben: Es kan das Semi-
narium peſtis durch keine purgirende Medi-
camenten ausgetrieben werden/ und Panſa
conſ. 3. antipeſt. c. 10. Es iſt gantz gefaͤhr-
lich im Anfang der Infection der Krancken
mit Purgantibus anzugreiffen/ welches der
diebiſchen Land-Betrieger beſte Kunſt iſt/
ruͤhmen ſich noch deſſen/ wiſſen mehr nichts
denn purgiren/ noch glaubt man ihnen/
welche mit ihrem Betrug und Mord was
anders verdient haͤtten. Quercct. alex. l. 2.
c. 7. Man purgire gleich zeitlich oder lang-
ſam/ gelind oder ſtarck/ ſo iſt doch allwege
Qgroſſe
[242]DasXVII.Capitel.
groſſe Gefahr dabey/ und gemeiniglich ge-
gen der allererfahrneſten Medicorum Mey-
nung der Tod fuͤr der Thuͤr.
Denenjenigen aber/ welche zu dem Pur-
giren rathen/ die thun es aus folgenden Ur-
ſachen/ als dieweil nach Hippocrat. Lehre/
extremis morbis, extrema remedia gebuͤh-
ren/ auch weil unmoͤglich waͤre/ daß nicht
ſo viel boͤſe ſchleimige/ galliſche Materia und
Unrath im Leib ſeyn ſolte/ welcher nicht pur-
girens vonnoͤthen haͤtte. So koͤnte es auch
unmoͤglich ſeyn/ wenn ſo viel boͤſe Materie
aus dem Leib purgiret wuͤrde/ daß auch nicht
ein Theil des Giffts mit ausgefuͤhret werden
ſolte. So auch werde ja das Purgiren von
ſo viel vornehmen Medicis approbiret und
gut geheiſſen. Wir wollen es aber mit denen
halten/ welche bey inficirten Krancken das
Purgiren nicht eben verachten/ ſondern zu
rechter Zeit/ und auf gewiſſe Manieren/
Weiſe und Maß verrichten/ wie in folgen-
den erhellet.
Wenn es endlich zur Reſolution kom-
men/ daß das Purgiren bewilliget wuͤrde/
ſo finden ſich wieder neue dubia, ob man ſich
der Purgier alsbald bedienen/ oder ob man
ſo lang warten ſoll/ bis vorher die Materia
præparirt iſt? denn ſo man alsbald purgiren
wolte/ waͤre es wider den Methodum me-
dendi, welcher will/ daß man die boͤſe Ma-
terie zuvor koche/ præparire oder bereite/ und
zu
[243]Vom Erbrechen/ Purgiren/ ꝛc.
zu der Ausfuͤhrung geſchickt und tuͤchtig ma-
che. Thut man aber dieſes/ ſo leidet ja der
peſtilentziſche Gifft keinen ſolchen langen
Verzug. Weil es eine gifftige Materie/ die
das Hertz beſeſſen/ und nicht viel Zeit zu ko-
chen oder præpariren zulaͤſſet. So will auch
Galenus lib. 1. de diff. Febr. daß man pur-
gire/ dieweil die Kraͤffte noch beyſammen/
und das peſtilentziſche Gifft die Furcht des
Hertzens noch nicht uͤbereilet/ denn je mehr
die Kranckheit zunimmet/ oder je laͤnger ſie
waͤhret/ je mehr die Kraͤffte abnehmen/ und
von dem Gifft uͤberwunden werden. So
koͤnte auch durch Zuſchlagung eines Bauch-
Fluſſes/ oder der Beulen und Blattern ꝛc.
die nothwendige Purgation verhindert wer-
den/ daß ſolches hernach die Natur nicht
ausſtehen koͤnte. Uber dieſes auch ſo kan ja
die Natur alle von der Peſt herruͤhrende Faͤu-
lung nicht recht auskochen oder uͤberwinden/
dannenhero beſſer gethan/ daß man ſolche
bey Zeiten aus dem Wege ſchaffe. Beſſer iſt
es ja auch/ daß man ſolches thue/ ehe ſie ſich
im Leibe ſetze/ und etwa ein vornehm Glied
einnehme/ und noch mehr faule und boͤß wer-
de/ auch das Fieber darauf wachſe. Endli-
chen wofuͤr wird es nutz ſeyn/ diejenige
Evacuation zu erwarten/ welche erſt in con-
ſiſtendi vigore geſchehen will? da doch alle
Judicia, welche von der Peſt geſchehen/
mehr zum Tode als zum Leben zielen. Da-
Q 2hero
[244]DasXVII.Capitel.
hero auch Menandus lib. 13. epiſt. 1. dieje-
nige lieber hoͤret/ welche ehe im Anfang der
Peſt/ ſo bald immer nur geſchehen kan/ al-
lerley evacuationes an Hand zu nehmen. Je-
dennoch aber ſo will die boͤſe Materie nach
Hippocr. Meynung zuvor præparirt/ und
von der Natur zahm gemachet ſeyn. Hinge-
gen wenn man gleich von Anfang der
Kranckheit purgiren wolte/ ſo wuͤrde die na-
tura regitiva zu ſehr niedergeworffen. Sin-
temal ihr ohne daß der Peſt-Gifft ſo hart zu-
ſetzet. Man ſoll aber die Natur mehr ſtaͤr-
cken als ſchwaͤchen. Hierauf folget nun der
Schweiß/ daß wofern der inficirte Leib
voller uͤberfluͤſſiger boͤſer Feuchtigkeit ſteckt/
und ſolche an der empfangenen Peſt Urſach
ſind/ ſoll man auf die Concoction und Præ-
paration derſelben nicht warten; Im Fall
aber keine ſo groſſe Menge beſagter Materie
vorhanden/ das Gifft auch etwa anderwert-
lichen herkommen/ und der Medicus nicht
alſobald geruffen worden/ ſoll man das
Purgiren ſo lange aufſchieben/ bis der Gifft
durch Krafft der Gifft-treibenden Artzneyen
gantz gedaͤmpffet/ zumalen weil auch der ge-
ringſte Peſt-Gifft durch purgirende Artzneyen
auffgeruͤttelt werden kan/ daß der Patient/
welcher zuvor noch haͤtte koͤnnen davon kom-
men/ alsdann allererſt recht erkrancket/ und
den Geiſt auffgeben wird.
Endlichen/ und zum Beſchluß/ ſo wirdOb ſtar-
cke oder
gelinde
Purgantia
zu ge-
brauchen.
auch noch geweiffelt/ ob man gelinde oder
ſtarcke purgirende Mittel erwehlen ſoll. Et-
lichen aber gefallen dieſe/ andern aber jene/
denn weil die ſtarcken offtmal nur bewegen/
aber nicht ausfuͤhren/ zuweilen aber auch
gar zuviel wuͤrcken; So geſchiehet es auch/Ratio von
gelinden
Purgir-
Mitteln.
daß durch gelinde/ die boͤſe Feuchtigkeiten
nur auffgeruͤhret/ geſchaͤrfft/ und neben
dem Gifft aͤrger und boͤſer gemacht werden/
geſchiehet aber dieſes/ ſo bekommen ſie eine
gifftige Natur und Eigenſchafft/ und werf-
fen die noch uͤbrig gelaſſene wenige Kraͤffte
vollend darnieder/ welche/ wenn ſie im
Bauch kommen/ boͤſe/ gefaͤhrliche Durch-
laͤuff und dergleichen/ wie denn ſolche Kran-
cke dergleichen Affecten ohne des mehr als an-
dere unterworffen/ erregen. Je ſtaͤrcker aber
die Purgier iſt/ um ſo vielmehr wird das
Gifft/ welches um und an den aͤuſſern Leib
hafftet/ mehr in den Leib gezogen. Nun
ſind auch die ſtarck purgirende Artzneyen oh-
ne dem nicht ohne Gifft/ daher nothwendig
folget/ daß der Gifft/ ſo zuvor ſtill gelegen/
durch mehrern Zuſatz geſtaͤrcket/ und ge-
faͤhrlich auffgeruͤhret werde. So kan ohne
dem kein Medicus wiſſen/ ob die Natur
auch zum unten aus purgiren geneigt ſey;
daher weniger Schade von gelinden Pur-
gier-Mitteln/ als von den ſtarcken Sachen
zu befuͤrchten iſt. Und was werden die
Q 3auff-
[246]DasXVIII.Capitel.
auffgeruͤhrte boͤſe Feuchtigkeiten nicht erſt
thun/ dieweil ohne dem alle ſtarcke Purgan-
tia das Hertz offendiren. So auch ſind un-
ſere Naturen durch unordentliches Leben alſo
geſchwaͤchet/ daß auch diejenige Artzneyen/
welcher ſich Hippocrates, Galenus, Aëtius,
Avenzoar zu ihrer Zeit bedienet/ uns viel zu
ſtreng und gifftig ſeyn wuͤrden. So ſehen
wir ja auch/ wenn bey etlichen Peſt-Patien-
ten die gifftige Humores ohne das in dem
Haupt und andern Gliedern in einer ſolchen
Bewegung ſeyn/ daß ſich einige ſelbſt ums
Leben bringen. Was ſolte alſo nicht geſche-
hen koͤnnen/ wenn ſtarcke Purgantia gebrau-
chet wuͤrden. Iſt alſo beſſer/ daß man durch
gelinde Mittel etwas von boͤſen Feuchtigkei-
ten noch im Leib laſſe/ als daß man durch
ſtarcke zwar alles Boͤſe ausfuͤhre/ aber die
Natur und Kraͤffte alſo ruinire/ daß ſie ſich
nicht wiederum erhohlen koͤnnen. So hat
man ja auch nicht noͤthig dasjenige durch
ſtarcke Mittel zu verrichten/ was man mit den
gelinden ausrichten kan.
Ungeachtet dieſem allen aber/ ſo ſind doch
etliche/ welchen die ſtarck-purgirende Artz-
neyen mehr als die gelinden gefallen wollen/
mit Vorwenden: weil der gifftige humor,
ſo bald immer moͤglich/ auszutreiben waͤre/
welcher ſich von einem linden und geringen
Mittel wegen ſeiner ſtrengen boͤſen Qualitaͤt
nicht werde zwingen laſſen: Auch weil die
Peſt
[247]Vom Erbrechen/ Purgiren/ ꝛc.
Peſt eine groſſe hefftige Kranckheit iſt/ der-
gleichen Kranckheiten aber einen groͤſſern heff-
tigen Widerſtand und Artzney erforderten/
allwo die geringen nichts verfangen wuͤrden:
Weil man auch Exempel hat/ daß ſtarcke
Artzneyen viel/ die gelinden aber nichts/ ge-
fruchtet haben: Dann auch waͤren nicht we-
nig beruͤhmte Medici, die mehr vom Ge-
brauch der ſtarcken/ als vom Gebrauch der
gelinden Mittel gehalten haben: Als Jo-
hann. Herculanus, welcher nach langen di-
ſputiren endlich ſchlieſſet: Die Artzneyen von
Scammoneo ſeyn viel fruchtbarer als die ge-
linden; denn dieſe dem Hertzen nicht ſo bald
zu Huͤlff kommen/ noch das Boͤſe fluͤchtig
machen. Avenzoar. 3. teiſir tr. 3. cap. 4. der
eine Latwerge vom Euphorbio, und eine Artz-
ney von Tauben-Miſt/ Lerchenſchwamm/
Aloe/ Nießwurtz/ Schwertel/ Coliquinten/
und dergleichen verſchreibt. Fallopius und
Heurnius, welche den Gebrauch des Euphor-
bii gleichfalls ruͤhmen/ und fuͤr ein gut Gifft-
Mittel achten. Martin. Henrici, welcher
q. 13. rom. 1. ausdruͤcklich ſchreibt: Derje-
nige/ welcher die Peſt-Cur mit linden und
geringen Mitteln anzugreiffen vermeinet/ der
thut thoͤrlich.
Damit aber dieſer Streit beygeleget wer-Was aus
beyden Ra-
tionen zu
ſchlieſſen.
de/ ſo haben beyde Theil ſtarcke Argumenta,
aber bey einer jeden Complexion, Alter/ ꝛc.
da ſchicken ſich weder allzeit die ſtarcke/ noch
Q 4allzeit
[248]DasXVII.Capitel.
allzeit nur die gelinde/ ſondern man muß
alle Umſtaͤnde/ derer ſchon offt Meldung ge-
ſchehen/ betrachten/ und nach Befinden der-
ſelben den Handel anſtellen/ denn bißweilen
thun die gar gelinde/ als die Manna, Flores
Caſſiæ, Pulpa Tamarindorum, Mechoacana,
Cremor Tartari, Criſtalli Tartari \&c. genug;
bißweilen hat man ſtaͤrckere/ als das Rha-
barbari, Agaritium, Fol. Sennæ, Rad. Jalop-
pa, \&c. bißweilen nach etlicher Meynung
der allerſtaͤrckeſten/ als des Scammonii, Dia-
grydi, troch, alhandal. Antimoni \&c. vonnoͤ-
then: doch iſt zu bedencken/ ob dieſe letztere
an und fuͤr ſich ſelbſt ſicherlich gebraucht wer-
den koͤnten. Es meldet zwar Panæus lib. 21.
Chirurg. daß es viel aus ihrer ſelbſt eigenen
Erfahrung ruͤhmen/ dieweil es aber von de-
nen Medicis zu Paris einhellig verworffen
worden/ als wolle er es gleichfalls uͤbergeben
und auslaſſen.
Wann es dann mit dem Purgiren ſo eine
gefaͤhrliche und zweiffelhaffte Sache/ ſo iſt ja
beſſer gethan/ ſolches nach Moͤglichkeit gar
zu unterlaſſen/ und da ja vonnoͤthen waͤre/
wegen Verſtopffung etwas zu thun/ ſo hat
man ja Suppoſitoria oder Zaͤpfflein/ desglei-
chen Clyſtier/ welche ihren Effect und Wuͤr-
ckung bald erreichen/ und in einem Tag
offtmahl repetirt und applicirt werden koͤn-
nen.
Was aber das Clyſtiren anlangt/ ſo be-Clyſtiren/
zu was ſol-
ches dien-
lich iſt.
zeugen die alleraͤlteſte und fuͤrtrefflichſte Me-
dici, daß faſt keine Kranckheit ſey/ wider wel-
che das Clyſtiren nicht nuͤtzlich waͤre/ com.
ad aphor. 2. lib. 18. daher auch Renodæus
in inſtit. pharmaceut. lib. 5. cap. 5. ſchreibt/
daß das Clyſtiren dienete in Hauptwehta-
gen/ in Augentrieffen/ und andern Augen-
Maͤngeln/ in engen Athem/ und Bruſt-
Kranckheiten/ in Auffblaͤhung des Leibs/ in
Nieren-Entzuͤndung/ in Verſtopffung der
Kroͤß Adern/ in Harn-Verhaltung ꝛc. Die-
ſes ſind aber nur die wenigſten erzehlt/ wor-
wider das Clyſtiren remediren koͤnte/ wie
denen Medicis practicis ſelbſt bewuſt iſt. UndWie man-
cherley der
Clyſtier
ſeyn.
iſt des Clyſtirens mancherley/ denn etliche er-
weichen/ etliche reinigen/ etliche vertreiben
die Winde/ andere ziehen zuſammen; andere/
welche gleichſam zuſammen leimen; andere/
welche die Schmertzen ſtillen; andere/ welche
ſtaͤrcken/ und Kraͤffte geben; andere/ welche
purgiren; andere/ welche ſtopffen.
Dieweil aber ſelten einer mit der Peſt be-
fallen wird/ der nicht zugleich etwas in- oder
an ſeinem Leib empfinde/ darzu ein oder an-
der Clyſtir nicht nutzlich ſey/ ſo kan ein jeder
leicht erkennen/ daß diejenige die Sach kei-
neswegs verſtehen/ welche das Clyſtiren ver-
achten/ oder daß ſolches den an der Peſt-lie-
genden zuſtatten kommen koͤnte/ und laͤug-
nen wollen/ daß man ſolche Mittel gar wohl
Q 5an
[250]DasXVII.Capitel.
an ihnen brauchen koͤnne; noch weniger einen
Grund hat/ wenn ſie ſagen/ es erfolge auf
manch Clyſtiren ein Grimmen/ [Contractur]
oder Laͤhme/ oder wohl gar der Tod: denn
kein Grimmen oder Laͤhme wird erfolgen/ es
ſey dann/ daß ein Clyſtir viel zu kalt applici-
ret wuͤrde/ oder die boͤſe Materi nur auff-
geruͤhret/ nicht aber ausgefuͤhret/ vielweniger
kan es den Tod verurſachen/ es muͤſſe dann
gar wunderlich/ ſeltzam und gantz ungeſchickt
damit umgegangen werden; moͤglich iſt es
zwar/ daß der Tod darauff folgen kan/ aber
daran iſt das Clyſtier ſo wenig ſchuldig/ als
die Schlag-Uhr an deſſen Todt/ der um 11
oder 12 Uhr geſtorben/ denn was kan die
Uhr darzu/ ob es ſchon geſchlagen hat/ wenn
der Patient ohne das ſchon ſeinen Geiſt geben
muß. Es ſeynd ja die Clyſtier keine Mittel
wider den Tod/ ſonſten wuͤrden ſie manchen
ſehr angenehm ſeyn/ ſondern ſie thun offt ſo
viel guts/ als andere Mittel auch in den ober-
ſten Gliedern/ deſſen ſich keiner verwundern
darff: Nur iſt zu bedauren/ daß ſich ein Pa-
tient ſolche nicht (ohne ſonderbare Inſiru-
menta) ſelbſten appliciren kan: darum ver-
richten ſolches gemeiniglich die Apotheker-
Geſellen/ gegen gebuͤhrende Verehrung/ wel-
ches auch fuͤr ihr Ampt und accidentale zu
achten; doch finden ſich auch Weiber/ wel-
che die Clyſtirer denen Weibs-Perſonen fein
beyzubringen wiſſen. Dieweil ſolches nun/
wie
[251]Vom Purgiren/ Clyſtiren/ ꝛc.
wie geſaget/ des Apothekers Ampt iſt/ als
ſeynd etliche der Meynung/ ſolche muͤſten die
Clyſtier auch bey krancken Peſtſuͤchtigen ap-
pliciren/ deſſen ſie ſich aber oͤffter aus Furcht
weigerten: ſo ſoll man keinen darzu noͤtigen/
welcher furchtſam iſt/ ſondern weil Barbier-
Geſellen doch ohnedem zum Krancken gehen/
kan man ſolche gar leichtlich unterweiſen/ daß
ſelbe die Application verrichten muͤſſen: ſonſt
aber/ wo man gar niemand finden koͤnte/ ſo
iſt es derjenige billich zu thun ſchuldig/ deſſen
Ampt es iſt/ und der es zu andern Zeiten
nicht wol leiden wuͤrde/ daß ihm ein ander
ſein Accidenz oder Verehrung fuͤr der Naſe
wegziehe. Die Formul aber Clyſtier zu be-
reiten/ kan man machen e. g.
Koche alles in Gerſtenwaſſer/ dieſer Cola-
tur nehm ℞. ℥x.
Miſche alles zu einem Clyſtier/ in rechter
Waͤrm zu geben. Dieſes Clyſtier iſt darum
von ſo vielen ingredientien anher geſetzt/ da-
mit ein jeder/ nachdem ihm beliebt/ die Wahl
daraus alsbald haben kan.
Wenn einem ſchwindelt/ und es fuͤr den
Augen umher laͤufft/ ſo mache man folgend
Vermiſche es durcheinander/ und laß ihm
eine Stund vor dem Nach-Eſſen appliciren.
Ein ander Clyſtier/ wenn ein Bauch-
fluß kommet.
Noch ein Clyſtier/ ſo Blaͤhungen fuͤrhanden:
Will man aber ein Clyſtier fuͤr junge Kin-
der machen/ ſo gebrauch folgendes
Laß zuſammen zergehen/ thue darzu
Rothen Candel-Zucker ʒij.
Gelb von Ey No. j.
Saltz par.
Miſche es/ ſo iſt es ein Clyſtierlein.
ES wird die Peſt-Kranckheit niemalVon aller-
hand Zu-
faͤllen bey
Peſt Kran-
cken.
allein kommen/ ſondern mit noch gar
viel andern ſchweren Kranckheiten
begleitet werden/ daß offt ein Medicus nicht
weiß/ auff welch Symptoma er zu erſt ſeine
Augen und Gedancken hinwenden ſoll/ denn
es werden gemeiniglich alle fuͤnff Sinne/ als
Ge-
[254]DasXVIII.Capitel.
Gehoͤr/ Geſicht/ Geſchmack und Geruch/
am meiſten aber das Fuͤhlen durch lauter
Schmertzen/ bißweilen aber verkehrt/ und in
eine Unempfindlichkeit verwandelt/ angegrif-
fen. Unter allen Symptomatibus aber iſt
das Hauptwche am gemeinſten; nebſt die-
Beneñung
mancher-
ley Sym-
ptomaten.ſem findet ſich auch bißweilen ein Nieſen/
Schwindel/ Wahnwitz/ Verruckung
der Sinne oder Vernunfft/ uͤbermaͤſ-
ſiges Wachen/ allzuviel Schlaffen/
groſſe Unruhe/ Naſenbluten/ Halß-
Geſchwaͤr/ Heiſerkeit/ Erbrechen/
Schlucken/ Eckel/ ſtinckender Athem/
Undaͤuen und Schwachheit des Ma-
gens/ Engbruͤſtigkeit/ Hertzdruͤcken/
Hertzzittern/ ungewoͤhnlicher Hu-
ſten/ unleidlicher Durſt/ Ohnmach-
ten/ Seitenſtechen/ Grimmen/ Durch-
lauff/ Verſtopffung des Stulgangs/
Wuͤrm/ Gelbſucht/ beſchwerliche Hitz
und Entzuͤndung/ und andere mehr;
Wiewol nun mancherley Symptomata, Ac-
cidentia und Zufaͤlle bey den Krancken ſich
herfuͤr thun/ ſo ſolte man ſich verwundern/
woher doch die Peſt ſo vielerley und zwar et-
liche ſolche Zufaͤlle habe/ welche einander gantz
entgegen und zuwider ſeyn? Als da einer
groſſen Schmertzen empfindet/ ein anderer
gantz keinen fuͤhlet/ ſondern unempfindlich
iſt: dieſer muß viel wachen/ ein anderer
ſchlaͤffet zu viel: dieſen geluͤſtet allerley/ ei-
nem
[255]Von alllerhand zuſchlagend. ꝛc.
nem andern eckelt dafuͤr: einer hat groſſenWarum
doch ſolche
Sympto-
mata ſo
contrar
ausfallen.
Durſt/ da doch jenen nicht einmal duͤrſtet:
einer muß offt zu Stul gehen/ ein anderer
iſt gar verſtopfft/ ꝛc. Der ſoll aber wiſſen/
daß ſolches alles von der Beſchaffenheit der
angebohrnen Natur und Complexion der
Menſchen/ ſo dann auch von der in ſeinem
Leib ſich befindenden boͤſen Materi oder Peſt-
Zunder/ und von der Art/ welche GOtt der
graſſirenden Peſt ertheilet und eingepflantzet/
deßgleichen von dem Verhalten der Patien-
ten in der Diæt, und Gebrauch der Mittel/
auch von der Abwartung und Bedienung/
vor andern Umſtaͤnden herkomme/ wie nach-
gehends wird geſagt werden.
Es finden ſich bißweilen im Anfang dieſerPeſt-Beu-
len/
Schlieren.
Kranckheit Bubones, Beulen oder Schlie-
ren/ bißweilen aber kommen ſolche etliche Ta-
ge nach angefangener Kranckheit an der Infi-
cirten Leibern herfuͤr/ aber unter den Armen
und an den Heyldruͤſen/ oder auch an den
Schenckeln bey dem Gemaͤcht/ laſſen ſich ſol-
che gemeiniglichen antreffen/ welche in der
Cur auff mancherley Manier tractirt werden.
Wann man alles zuſammen faſſet/ ſo ſie-Wie die
Schlieren
oder Peſt-
Beulen zu
curiren.
het man in Heylung derſelben erſtlich auff das
inwendige Gifft/ von welchein ſie ausgetrie-
ben werden/ und denn auff die Beulen ſelbſt.
Dem Gifft wird durch Schweißtreibende
und andere Mittel mehr/ davon oben gedacht
worden/ widerſtanden: die Beulen ſelbſt
wer-
[256]DasXVII.Capitel.
werden durch Blaſenziehen/ Schroͤpffkoͤpff
auffſetzen/ ſchroͤpffen/ Erweichungen/ anzie-
hende und andere benoͤthigte Handgriffe tra-
ctirt. Vom Blaſenziehen iſt im vorigen Ca-
pitel gehandelt: auch iſt hier ferner zu wiſ-
ſen vonnoͤthen/ daß daſſelbe durch Aufflegung
gewiſſer Artzneyen/ ſo bald der Patient etwas
ſpuͤret/ beobachtet werde/ derer Mittel ſeyn
einige gar ſtarcker/ etliche mittelmaͤſſiger Art/
etliche von beyden unterſchieden; gar ſtarcke
ſind/ welche man von den Cantharidibus,
von Euphorbio, \&c. præparirt/ als folgender
Mittelmaͤſſige ſeynd folgender
Oder folgenden
Wofern der Schmertz zu groß wer-So der
Schmertz
groß iſt.
den wolte/ beſtreichet man die Gegend herum
mit dem weiſſen Campffer-Saͤlbel/ und weñ
die Blaſe zeitig/ wie ſie ſeyn ſoll/ ſo ſchneide
ſie auff/ ziehe das Haͤutlein gemaͤchlich ab/
Diachylon-Pflaſter/ friſche Butter darauff/
denn ſolche lindern den Schmertzen; etliche
legen uͤber den friſchen Butter ein Koͤhlblat.
Betrifft es junge Kinder/ ſo gebraucheUberſchlag
fuͤr Kin-
der.
man ſicherlich Feigen/ Taubenkoth/ Eibiſch-
wurtz/ mit etwas Hartz und Lilien-Oel zu ei-
nem Pflaſter gemacht/ und lege es uͤber/ ſolches
ziehet das Gifft gar fein ohne alle Schwaͤ-
chung der Kraͤffte aus.
Betrifft es arme Leut/ ſo koͤnnen ſolcheFuͤr arme
Leut.
hartgeſottene Eyerdotter mit Saltz vermi-
ſchet/ oder Bechkalck/ alt Schmeer/ Sauer-
teig und Vitriol zu einem Pflaſter vermiſchet
aufflegen.
D. Sennert haͤlt das Blaſenziehen/ dasBlaſen-
ziehen be[y]
Schroͤpffen/ oder oͤffnen mit einer Lancet/ fuͤr
Rdas
[258]DasXVIII.Capitel.
den Beu-
len und
Schlieren.das nuͤtzlichſte Remedium, damit das Gifft
nicht allein heraus daͤmpffe/ ſondern auch die
gifftige Peſtilentziſche Humores und Feuch-
tigkeiten einen rechten freyen offenen Paß zu
flieſſen haben moͤchten: denn/ ſpricht er/ von
ſo wenigem ſchroͤpffen und geſchwinden oͤff-
nen ein geringer Schmertz zu befoͤrchten.
Zu Stillung der Schmertzen an
den Peſt-Beulen wird geruͤhmet ein
Pflaſter von Feigen/ Weitzen und Viol-
wurtz/ wohl unter einander geſtoſſen/ und
auffgeleget; Oder von friſchen Tobackblaͤt-
tern und Garbenkraut zuſamt den Wurtzeln
und ein wenig Saltz/ zuſammen geſtoſſen;
Oder eines/ ſo von gepulvertem Pech und
kleinen Roſinlein zuſamm geſtoſſen/ gema-
chet iſt.
Kindern und weichen Leuten den
Schmertz zu ſtillen/ kan man gepulver-
te Camillenblumen/ Reinfahren/ Ibiſchwurtz
und Scabioſenblaͤtter mit friſchem Milch-
ram zu Pflaſter machen/ und ſtuͤndlich ver-
neuet/ uͤberlegen.
Wann nun das Apoſtem oder Beule er-
oͤffnet/ ſo ſchneidet man in die auffgelegete
Pflaſter einen Creutzſchnitt/ daß das Gifft
Lufft habe/ und exſpiriren oder ausdaͤmpffen
koͤnne.
Wann vonnoͤthen iſt/ die Beule zu er-
weichen und zeitig zu machen/ ſo brauche
man im Anfang etwas gelinde Mittel/ als
da
[259]Allerley Zufaͤlle in der Peſt ꝛc.
da iſt das Emplaſtrum Diachyllon cum \& ſi-und zu er-
weichen.
ne Gummis, Emplaſtrum de Meliloto, Empl.
de Mucilagin, das Zwiebel-Pflaſter mit Mi-
thritat oder Theriac/ Saffran und ein we-
nig Venediſcher Seiffe zugerichtet. Wol-
ten ſolche Dinge aber ihre Operation nicht
thun/ ſo gebrauche man ziehende Pfla-
ſter/ als von Gummi Ammoniaco, Hartz/
Pech und Lilienoͤl vermiſchet/ warmlecht uͤber
zu legen: hieher dienet auch der Hanenfuß/
Knoblauch/ Senff/ Sauerteig/ Tauben-
miſt/ ꝛc. Es zeitiget ſonſt auch ſehr wohl fol-
gendes
Dafern man aber bey ſolchen ſtarcken
Pflaſtern in der Beule ein Stechen oder Buͤ-
cken ſamt mehrerer Hitze vermercken ſolte/ ſo
thue man ſolche beyſeiten/ und lege dargegen
ſolche auf/ welche beydes erweichen und lin-
dern/ als einen gebratenen Zwiebel/ mit But-
ter/ oder Capaͤunen-Schmaltz/ oder Theriac
vermiſchet. Waͤre alsdann die Beule zu
hart und widerſpaͤnſtig/ ſo ſind alsdann die
Blaſen zu ziehen nothwendig. Derowegen/
wann es nur die Noth leiden mag/ man
jetzt-gedachte weichende und attrahirende
Sachen zuvor verſuchen ſoll.
Zum reinigen dienet eins von folgenden
Oder Fleiſchleim mit Roſen-Honig/
Myrrhen und Aloe zu einem Saͤlblein ge-
miſchet: Oder gewaſchen Terbentin/ Roſen-
Honig aa. ℥iß. mit Gerſten-Mehl/ ſo viel
man bedarff zu einem Salbel. Nimm Ter-
bentin 3. Theil. Eyerdotter 1. Theil/ mit ein
wenig Roſen-Oel vermiſchet. Oder fol-
gend
Wer ein herꝛliche Salb/ welche allen
Unrath/ Geſtanck und Eiter wegnimmt/ be-
reiten oder haben will/ bedien ſich folgendes
Wann nun die Wunde genugſam ge-Wie die
Wunde
zu heilen
iſt.
eytert und gereiniget iſt/ kan man ſolche hei-
len/ darzu nimmet man Terpenthin/ Roſen-
Honig aa. ℥j. Myrrhen/ Fleiſchleim/ Oliba-
ni aa. q. s. und machet ein Pflaſter daraus.
Oder folgend
Nota. Alle Salben und Pflaſter ſollen
warmlecht applicirt werden/ damit beydes/
das Gifft nicht wieder zuruckweiche/ und die
Materia des Geſchwaͤrs nicht haͤrter werde.
2. Daß man nach Eroͤffnung der Beulen
nichtsdeſtoweniger die weiche Pflaſter zur
Außfuͤhrung des Eyters uͤberlege. 3. Daß
man auch die Wunde an der Beule nicht ſo
bald zuheile/ ſondern eine geraume Zeit offen
laſſe/ damit alles Gifft wohl herauſſer kom-
me. 4. Daß auch bey Eroͤffnung der Beule
zugeſehen werde/ damit keine Ader/ Nerve
oder Arterien verletzt werden.
Nach Tabernamontani[Meinung]/ ſchreibt
ſolcher in ſeiner Hauß-Apotheck/ p. 74. ſeq.
Es ſollen die Apoſtema oder Peſtilentz-Beu-
len nicht wie andere gemeine Geſchwaͤr ge-
heilet werden/ wie etliche ungeſchickte Aertzte
und Eſels-Chirurgi thun/ die ohn alles ver-
nuͤnfftige Bedencken mit ihrer Schmier-
Buͤchſe
[263]Allerley Zufaͤlle in der Peſt ꝛc.
Buͤchſe daher wiſchen/ und mit ihrer Kut-
ſchen-Schmiere mehr verderben/ denn gut
iſt. Wann du nun die Beule mit einer Flie-
ten oder Lancett eroͤffnet haſt/ ſo laß wol lauf-
fen/ damit das gifftige Gebluͤt heraußkom-
me; wenn das geſchehen/ ſo nimm ein friſch
Ey/ klopff es mit 2. Loͤffel voll Roſen-Oeles
durcheinander/ netze einen Meiſel darein/ le-
ge es in die Wunde/ das ſtillet den Schmer-
tzen/ ſo es aber zu viel bluten wolte/ daß
man eine Schwachheit oder Ohnmacht ver-
muthen ſolte/ ſo nehm das Weiſſe vom
Ey/ vermiſche darunter Poli armeni ʒj. weiſ-
ſen Weyrauch/ Drachen Blut. aa. ℈j. Tor-
mentill-Wurtz/ Aloe epat. aa. gr. 10.
darein netze ein Meyſel/ und lege es in die
Wunde.
Wann nun ſolch Bluten und Schmertz
geſtillet/ ſo dienet uͤberzulegen folgend
Denen welche nicht von Vermoͤgen ſeyn/
bereite folgend
Oder nimm Zwiebel/ hoͤhle ſolche ein
wenig aus/ fulle darein Theriack ℥ß. brate
es in warmer Aſche/ und lege es wie obiges
uͤber.
Oder nimm eine gedorrete Krotte/ legeGedoͤrre-
te Krotte
zu ge-
brauchen.
ſie in Wein/ bis ſie weich wird/ binde es
uͤber die Beule/ iſt ein oft probirt Experi-
ment. Es wird die Krott alſo gedoͤrret/
man ſtecket einen ſpitzigen Stecken durch de-
ren Kopff/ und ſtecket ſie auf an der Sonne/
bis ſie doͤrre iſt.
Wenn nun wie oben gemeldet/ das
Saͤlblein mit dem Ey und Roſen-Oel einen
Tag in die geoͤffneten Beul eingeleget wor-
den/ ſo brauchet man folgenden Tag fol-
gend Eyter-Saͤlblein/ ſo wird ſich dieEyter zie-
hend
Saͤlb-
lein.
gifftige Materie in zweyen Tagen zu Eyter
ziehen/ das bereitet man alſo/ ℞. Terpen-
tin ℥j. gelbes von einem halben Eyer Dot-
ter/ Roſen-Oel ℥ß. vermiſche es/ und lege
es mit Myſſeln ein/ und eines der vorge-
ſchriebenen Pflaſter druͤber. Wenn es nun
wohl zu Eyter bracht worden/ ſo gebrauchet
R 5man
[266]DasXVIII.Capitel.
Reini-
gend Saͤl-
bel.man zum reinigen folgend Saͤlblein/ ℞. Ger-
ſten-Mehl das genug duͤnckt/ Terpentin ℥j.
Roſen-Honig ℥j. mache daraus ein duͤnn
Saͤlblein/ das gebrauche hernach wie vori-
ges in die Oeffnung/ thue auch das ander
Pflaſter hinweg/ und lege uͤber nach beſchrie-
benes
Wenn nun die Beule genug geeytert/ und
ſich wohl gereiniget hat/ ſo brauche folgend
Saͤlb-
[267]Allerley Zufaͤlle in der Peſt/ ꝛc.
Saͤlblein/ das machet friſch Fleiſch wach-
ſend/ und dienet fuͤr Arme und Reiche.
So ſich aber faul Fleiſch in der Beule
zeigete/ kan die Reinigung ſtaͤrcker gema-
chet werden/ dazu auch das Unguent. Ægy-
ptiacum, und Unguent. Apoſtolorum die-
nen kan.
Man ſoll auch/ wie oben bereits gemel-
det das Geſchwuͤr nicht ſo bald zugehen laſ-
ſen/ damit keine Gifftigkeit zuruͤck bleibe.
Wenn es aber an der Zeit iſt/ daß man das
Geſchwuͤr ſchlieſſen ſoll/ ſo thut man das
ander Pflaſter hinweg/ und gebraucht fol-
gendes
Dieſes waͤre alſo eine ſichere Art zu der
Cur in Schlieren und Beulen/ wir wollen
aber forſchen/ und noch andere Symptomata
zu Handen nehmen/ als
Die Peſtilentz-Blattern/ zinn Blat-
tern/ Carbunckeln/ Carbunculi, Carbones
und Anthraces genannt/ erſcheinen gemei-
niglich mit den Apoſtemen oder Beulen/ ha-
ben aber keine benannte oder gewiſſe Oerter
wie die Beulen/ ſondern entſpringen faſt an
allen Oertern des Leibes/ als nemlich auf dem
Haupt/ Bruſt/ Rucken/ Armen/ Schen-
ckeln/ auch an der Scham/ auch auf der
Mannes Ruthen/ auch an andern Gliedern
mit einer Geſchwulſt/ Stechen und ſcharf-
fen brennenden Schmertzen/ wie der
Schmertz
[269]AllerleySymptomatain der Peſt ꝛc.
Schmertz vom Brand des Feuers: Bey
der Cur ſehen etliche/ wenn die Natur ſolche
ſucceſſivè und mit geraumer Zeit die Zeiti-
gung bringet/ halten dafuͤr/ man muͤſſe der-
ſelben folgen/ und gleichſam nur dahin ſehen/
wie die Beulen zur Zeitigung kommen:
denn/ ſagen ſie/ wenn man mit Veſicatoriis,
Schroͤpffen und Aufhauen eine Oeffnung
vornehmen wolle/ ſo erfolge darauff nicht al-
lein ein groſſer Schmertz/ ſo darnach ein
Urſach einer groͤſſern Entzuͤndung/ und
Schwaͤchung der Kraͤfften ſey/ ſ[o]ndern das
von der Natur heraus getriebene und ſtill-lie-
gende Gifft/ wann es beweget werde/ vermi-
ſche ſich mit den Spiritibus und humoribus,
und lauffe wieder zum Hertzen.
Etliche aber/ weil die Peſtilentziſche Ma-Unterſchie-
dene Mey-
nungen
von derer
Eroͤff-
nung.
teri hartnaͤckigt/ und nicht leichtlich zu Eyter
zu bringen iſt/ halten davor/ man muͤſſe nicht
allein Suppurantia und Eyter-ziehende Sa-
chen brauchen/ oder die Zeitigung erwarten;
ſondern dem Gifft einen Ausgang/ wie er
ihm ſelbſt ſuchet/ machen/ und hernach vol-
lend zeitigen/ denn ſonſten nicht weniger zu
fuͤrchten/ daß er wiederum den Spiritibus und
humoribus mitgetheilet werde/ eher es zur
Zeitigung gelange: Anderer [Meynung] iſt/
wann man ſpuͤret/ daß das meiſte Gifft all-
bereit aus den Beulen/ ſo koͤnne man wol die
Concoction, ob ſie ſchon nicht ſo vollkom-
men/ wie in andern Beulen und Geſchwul-
ſten/
[270]DasXVIII.Capitel.
ſten/ erwarten/ und ihn zu Huͤlff kommen:
waͤren aber die Beulen nicht genug heraus/
und das Gifft von der Natur entweder we-
gen ihrer Mattigkeit/ oder wegen ſeiner
Menge nicht genugſam ausgetrieben/ oder
da es ſchon mehrentheils in den Beulen waͤ-
re/ und aber wegen ſeiner Groͤſſe der Beu-
len ſehr gemehret wuͤrde/ daher die Febriſche
Hitze und andere Zufaͤlle nicht allein nicht ab/
ſondern wol zunehmen/ ſey keineswegs zu ge-
warten/ ſondern man ſoll mit dem Aufthun
eilen.
Es ſeyn nun ſolches Beulen oder Carbun-
ckeln/ ſie ſeyn von Farb oder Groͤſſe/ wie ſie
wollen/ ſoll man nebſt fleiſſigem Gebrauch
der innerlichen Medicamenten/ ſonderlich der
Schweiß-treibenden/ erſtlich etliche Vento-
ſen um die Gegend herum/ da ſie ſich erzei-
gen/ anſetzen/ darnach auch wol gar und
ziemlich tieff ſchroͤpffen/ damit die Peſtilen-
tziſche Feuchtigkeiten und das verderbte boͤſe
Gehluͤt heraus komme: wenn dieſes geſche-
hen/ ſo waſche man den Ort mit warmen
Waſſer von Oliven oder andern mit dem
halben Theil Wein-Eſſig vermiſchet/ wohl
ab/ und lege folgend Pflaſter alsbald warm
druͤber.
Oder mache ein ſolch Pflaſter/ welches die
Schaͤrffe der gifftigen Feuchte mildert/ und
reutet die Blatter gleich im Anfang aus/ und
iſt offt probat gefunden folgend ℞. Zwey
Wein-ſaure Granat-Aepffel/ oder in derer
ſtatt einen ſauren und ſuͤſſen: die zerſchneid
in Stuͤcken/ und ſiede ſie in ſtarcken weiſſen
Wein-Eſſig/ ſo viel dich duͤnckt genug zu
ſeyn/ die ſiede ſo lang/ biß du kanſt die Gra-
nat-Aepffel zu Mueß druͤcken: ſolches Mueß
lege uͤber wie ein Pflaſter/ ſo warm es zu lei-
den iſt/ und erfriſche es wieder alle 4 Stun-
den: Aber rings um die Blatter herum ſoll
[man]Unguent. Populeon zu einem Defenſiv
ſchmieren. Oder welches beſſer iſt/ ſo nehm
folgend
Die Armen nehmen Cotula fœtidia oder
Krottendill/ ſtoſſen es zu Mueß/ und legen es
um die Blatter herum/ das verhuͤtet weitern
Brand/ und loͤſchet/ aber es muß offt erfri-
ſchet werden/ denn es trocknet gar bald/ und
verdorret. Man kan auch nehmen eichene
Kohlen/ und zu Pulver ſtoſſen/ durch ſieben/
mit Honig zu einem Saͤlblein machen/ auf
ein Tuch ſtreichen/ und uͤber die Blatter le-
gen/ es thut ſo viel als eine ſehr koͤſtliche
Artzney.
Auch iſt ein ſonderliches Experiment fol-
gend ℞. Safft von Wallwurtz/ von Sca-
bioſen/ Taubenfuß-Safft aa. 6. Loͤffel voll/
Linſen-Mehl/ Gerſten-Mehl/ aa. 3. Loͤffel
voll/ vermiſche es untereinander/ und lege es
Pflaſter-weiſe uͤber/ und erfriſche es offt/ ſol-
ches iſt ein offt probat gefundenes Mittel.
Folgendes iſt auch in Zinnblattern ein
ſehr koͤſtlich Pflaſter. ℞. Friſche Wallwurtz/
Scabioſenkraut aa. ℥ß. Salpeter ℥ß. gelbes
von einem friſchen Ey/ temperir ſolche Stuͤck
wohl durcheinander/ im Moͤrſer/ daß es wie
ein Pflaſter werde/ und leg es uͤber die
Blatter/ es thut ſo viel als eine ſehr koſt-
bare
[273]AllerleySymptomatain der Peſt ꝛc.
bare Artzney. Es dienet allhier ſonderlich
auch das
Miſche alles durcheinander/ und mache
daraus ein Pflaſter.
Wann die Blatter nun ein Ruͤffen ge-
wonnen hat/ ſo huͤte dich/ daß du dieſelbe
nicht hinweg thuſt/ ſondern laß ſie ſelbſt ab-
fallen/ und lege ſolches zu befoͤrdern uͤber/ nach-
folgend
Laß mit Waſſer zu einem dicken Brey ſie-
den/ mache darnach mit friſcher ungeſaltzener
Butter ein Pflaſter darauff/ das lege uͤber
die Ruͤffen/ ſo wird es ſich bald maturiren/
und zum abfallen ſchicken.
Wann das geſchehen/ ſo ſchmier die Ruͤffe
alle Tag etiiche mahl mit folgendem Saͤlb-
lein.℞. Schwein-Schmaltz/ mit friſchem
Waſſer rein gewaſchen/ ℥j. gelb vom Ey/
No. j. weiß Mehl/ ʒj. Miſche es alles. Es
iſt nichts koͤſtlichers/ aber doch heilfam zu ge-
brauchen.
Wann eine harte verbrannte Ruͤffe oder
Kruſt um die Wunde iſt/ ſo beſtreichen etli-
che ſolche ſo lang mit friſcher ungeſaltzener
Butter/ unter welche etwas von weiſſem
Streu-Zucker gemenget/ bis ſie gaͤntzlich ab-
nimmet. Es verrichtet ſolches auch nach-
folgendes
Oder ℞. Ungeſaltzen Schwein-Schmaltz
℥ß. Eyerdotter/ Weitzen-Mehl aa. ʒj. mi-
ſche es/ und leg es uͤber. Oder ℞. Gepuͤl-
verte Eibiſchwurtz ℥iß. Ochſenzungwurtz ℥ß.
Boxshorn-Saam/ Leinſaam-Mehl aa. ℥iß.
Koche es zuſammen mit ungeſaltzener Butte
zu einem Pflaſter.
Wann nun ſolche Rufe herab iſt/ ſo brau-
che das Saͤlblein/ ſo oben von der Beulen
zu reinigen geſchrieben/ oder das Unguentum
de Apio, oder das Unguentum de melle Ra-
ſis, welches fuͤrtrefflich gut iſt/ und lege das
obgemeldte Pflaſter von Diachyllon daruͤber/
biß es ſich genug gereiniget hat.
Den Kindern unter 6. Jahren ſoll manWie Kin-
der zu tra-
ctiren.
geringere Artzney gebrauchen/ doch moͤgen
ſie die gemeldten Artzneyen mit dem Tauben-
fus/ Schwartz- oder Wallwurtz wohl ge-
brauchen/ und uͤber die Blatter legen/ deßglei-
chen auch die Pariß-Krautblaͤtter; das Pi-
cken aber mit der Flieten ſoll man unterlaſ-
ſen/ dann die Kinder ſind zu ſchwach darzu.
Auch mag man ein friſche Lilienwurtz zu
Mues ſtoſſen/ und Kindern Pflaſter weiſe
uͤberlegen/ auch ein friſch Wullkraut Blatt
druͤber binden. Es dienet den Kindern auch
ſehr wohl folgend Pflaſter. ℞. Baumnuß-
kern und Blaͤtter/ Gerſtenmeel/ klein Roſi-
nel/ friſche feiſte Korbfeigen/ aa. ſtoß es mit
einander klein/ ſied es in Waſſer zu dickem
Mues/ thue Roſen und Wullblum-Oel dar-
zu q. ſ. und leg es Pflaſterweiſe uͤber.
Es werden noch zum Uberfluß einige guteWie der
groſſe
Brand
und Hitze
bey Car-
bunckeln
zu begeg-
Mittel angefuͤget/ ſo wider den Schmertz
und brennen der Carbunckeln oder Zinnblat-
tern dienen; Als den Kindern ſoll man ohn
unterlaß neben den aͤuſſerlichen Artzneyen zu-
weilen ein Loͤfflein voll Ringelkrautwaſſer
S 2mit
[276]DasXVIII.Capitel.
nen/ fuͤr
Kinder.mit 2. Theil Scabioſenwaſſer vermiſchet zu
trincken geben/ biß die Blatter geheylet. So
ſchreibt auch Tabernamontanus, daß der edle
Saphirſtein die Natur habe/ den Carbun-
ckel oder Zinnblatter zu toͤdten/ wenn man
einen Circul damit um die Blatter reiſſet/
und eine gute Weile gegen die Blatter uͤber
haͤlt/ ſo ſoll ſolcher nicht allein die Blatter
toͤdten/ ſondern auch verhuͤten/ daß ſolche
nicht weiter um ſich freſſe.
Den erwachſenen Menſchen ſoll man alle
Wochen zweymal folgendes Traͤncklein ge-
ben/ ſo lang man an der Carbunckel oder
Zinnblatter heylet/ das treibet alle gifftige
Materi zum Schaden heraus/ und foͤrdert
die Heylung: ℞. Scabioſenkrautwaſſer/
Ringelblumen- und krautwaſſer/ aa. ℥iß. zer-
reib darein Schleſier geſie gelte Erde ʒj. und
gebs wie obgedacht. Oder nehm Safft von
Ringelkraut und von Scabioſen/ jedes drey
Loͤffel voll/ und gebs zu trincken. Man ſoll
ihnen auch in ihren Suppen und Speiſen
Ringelkraut gebrauchen/ und gepulvert Sca-
bioſenkraut-Wurtzel in ihre Speiſen vermi-
ſchen. Wann auch Ohnmachten oder
Schwachheiten anwandelten/ ſoll man Per-
lenwaſſer oder die (mit Unrecht alſo genann-
ten) manus Chriſti Taͤfflein gebrauchen.
Will nun jemand die Proba haben/ ob al-
les Peſtilentziſche Gifft aus den Beulen und
Blattern heraus gezogen ſey/ der kan nach
An-
[277]AllerleySymptomatain der Peſt ꝛc.
Andreas Langners Prompt- de Peſte part. 2.voͤllig vom
Gifft ge-
reiniget
ſey.
Anleitung einer iungen Heñe die Federn hin-
ter dem Strauß glatt wegrupfftn/ und ſie
mit bloſſem Steiß auff die Blatter ſetzen/
ſtirbt die Henne auff der Blatter/ ſo iſt noch
mehr Gifft fuͤrhanden/ allwo hernach die all-
bereit verſchriebene Mittel zu gebrauchen:
bleibt ſie aber lebendig/ ſo iſt der Gifft alle
weg/ und der Menſch gereiniget. Davon
ſchreibt auch Calpar Kegler in ſeinem
Peſt-Regiment/ und ſetzet noch darzu:
Oder ſetze der lebendigen Tauben oder Hen-
nen ſo viel auff/ biß eine lebendig bleibt/ ſo
biſt du ſicher/ daß alles Gifft ausgezogen iſt.
Wann ſolcher geſtalt der Patient zu ſei-Wie man
mit den
abgenom-
menen
Pflaſtern
und Uber-
ſchlaͤgen
von Peſt-
Schaͤden
verfahren
ſoll.
ner voͤlligen Geſundheit gelanget/ ſo ſoll man
unter der Cur mit den gebrauchten Medica-
menten/ als abgenommenen Pflaſtern und
Salben/ nicht fahrlaͤſſig verfahren/ und ſol-
che in den Zimmern umher liegen laſſen/ oder
wie etliche thun/ auff die Gaſſe werffen; ſo
ſoll man ſolche auch nicht in die heimlichen
Gemaͤcher thun/ ſondern kurtz zu ſagen im
Feuer verbrennen/ damit durch ſolche kein
neues Ungluͤck angerichtet werde.
Es pflegen auch in Peſtzeiten bey ein oderWie die
kleinen
Blattern
zu euri-
ren.
den andern kleine Blaͤtterlein auffzuſchieſſen/
gleich wie aber die groſſen Blattern ihrer
Groͤſſe wegen nicht deſto gefaͤhrlicher ſeyn/
alſo ſeyn die kleinen ihrer kleinen Proportion
halber nichts deſto geringer zu achten/ dero-
S 3wegen
[278]DasXVIII.Capitel.
wegen traue man ſolchen nicht/ und verſaͤu[-]
me ſich in der Cur/ denn ſie koͤnnen den Men-
ſchen ſo bald als auch die groſſen ums Leben
bringen. Was nun dieſer ihre Cur oder
Heylung anlanget/ iſt nechſt der inwendigen
Cur/ welcher oben bey Heylung der Beulen
oder Schlieren gedacht worden/ vonnoͤthen/
daß man vor allen Dingen die Blaͤtterleln
oͤffne/ und dem Gifft Lufft mache/ welches
durch anſetzen der Ventoſen ohne Verletzung
der Haut/ item durch gelindes Schroͤpffen/
und denn durch Aufflegung des gedachten
Zwiebel-Pflaſters mit Theriac/ geſchehen
kan. Im uͤbrigen aber/ wann ſie groͤſſer und
zu Carbunckel werden wolten/ kan mit ſol-
chen/ wie gelehrt/ procedirt werden.
Wann die an der Peſt liegenden Patien-
ten mit groſſer Hitze befallen werden/ welche
von Entzuͤndung der Spirituum und allerley
humores im Leib entſtehet/ ſo ſoll man ſolche
abwehren durch Oeffnung des Leibs/ ſolches
geſchehe nun durch gelinde Purgier-Traͤnck-
lein/ Puͤlverlein ꝛc. oder Clyſtier/ ſo kan es
auch durch Aderlaß geſchehen/ wenn kein
contra indicans prævalens fuͤrhanden. Son-
ſten iſt auch gut/ die Arm und Bein oben
herab mit Tuͤchern/ nachdem es der Patient
leyden mag/ zu beſtreichen/ auch kraͤfftige
Hertzſtaͤrckungen und durſtloͤſchende Mittel/
derer aller an ſeinem Ort gedacht wird/ ge-
brauchen/ auch die Fuͤſſe wol mit Eſſig und
Saltz
[279]AllerleySymptomatain der Peſt ꝛc.
Saltz reiben/ darnach Raute/ Wachholder-
beer/ Rockenbrod/ mit Eſſig durch einander
geſtoſſen/ unter die Fußſohlen binden/ oder
nur eine Schnitte nach der andern (wann
nemlich eine 3. oder 4. Stunden gelegen/
dann ſie bald uͤbel zu riechen anfahen) von
einem ſchwartzen Rettich mit ein wenig Saltz.
Item geſchnitten Peterſilli oder Brunnkteß
mit Saltz auffzulegen/ und innerlich mit Him-
beerlaubwaſſer oder Saurampffwaſſer von
der Terra ſigillata zu trincken geben.
DIeweilen in dieſer vergiffteten ge-
faͤhrlichen Seuche noch viel und
mancherley Zufaͤlle einfallen/ wollen
wir ſolche nach und nach durchgehen/ und
betrachten/ wie man ſolchen mit gebuͤhrenden
Huͤlffsmitteln begegnen ſoll. Unter dieſen
findet ſich gewoͤhnlichen ein
Solcher entſpringet dieſes Orts von
Feuchtigkeit und Duͤnſten/ die entweder
durch das Geaͤder oder aus dem Magen und
S 4unter-
[280]DasXIX.Capitel.
untergebenen Gliedern und Gefaͤſſen nach
dem Haupt ſteigen/ und entweder mit ihrer
Menge daſſelbe aͤusdehnen/ oder mit ihrer
intemperie und Schaͤrffe die Meninges und
das Pericranium zupffen und aͤngſten. Hier-
wider gehoͤren nun die Mittel/ welche ſonſt
insgemein gebrauchet werden/ als Aderlaſſen/
wenn das Gebluͤt ſchuldig/ Clyſtiren/ Zaͤpff-
lein brauchen/ laxiren/ ſchroͤpffen/ ꝛc. da der
boͤſen Materi zu viel/ von welchen/ wann ſie
fuͤglich zugelaſſen werden koͤnnen/ oben ge-
ſagt worden. Zur revulſion dienet das Rei-
ben mit leinen Tuͤchern unterwarts. Nach
den evacuantibus \& revellentibus wird fol-
gender Uberſchlag mit Nutzen gebrauchet:
℞. Roſenoͤhl ℥iiij. Frauenmilch ℥ij. Eſſig ℥ß.
vermiſche es durch einander/ netze zweyfache
Tuͤchlein darinn/ und lege es laulecht uͤber
die Stirn und Schlaͤff/ ſo bald es trocken
worden/ kan man es wieder erfriſchen. Oder
nehm Roſenoͤhl/ ℥j. Violoͤhl/ Frauenmilch/
aa. ℥ß. guten Wein-Eſſig ℥ß. vermiſche und
gebrauch es wie das vorige; wenn es aber
im Winter iſt/ ſo gebrauchet man an ſtatt des
Roſenoͤhls das Camillenoͤhl/ oder folgenden
Oder nimm Gerſten-Mehl/ 2. Hand-
voll/ Fenchel-Kraut/ Safft und Roſen-Oel/
das genug iſt/ temperire es durcheinander/
ſtreiche es auf ein Tuch/ und lege es warm
uͤber die Stirn und Schlaͤff: Die Blaͤtter
von Weinreben/ ſo friſch zerſtoſſen und uͤber-
geleget/ ſeyn auch ein gut Mittel/ es muß aber
offt wiederholet werden. Der ſchwartze Ret-
tich/ deſſen ſchon oben gedacht worden/ nach
der Laͤnge geſchnitten/ mit Saltz und Eßig
angemacht/ und entweder an der Schlaͤff/
oder in den Nacken/ oder unter die Fußſoh-
len aufgeleget/ ziehet die Malignitaͤt an ſich.
Etliche Artzneyen ziehen die hitzige
Schwadem vielmehr an ſich/ als daß ſie ſel-
bige zurucktreiben und kuͤhlen ſollen/ als da
iſt die Camphora, das Sedum majus, Aloë
Armenicana, deſſen Safft mit Weiber-Milch
die Hitze ſehr daͤmpffet.
Sennertus lib. 4. c. 16. de Febr. beſchrei-
S 5bet
[282]DasXIX.Capitel.
bet folgende Oxyrrhodina oder Stirn-Uber-
ſchlaͤge/
Oder:
Oder:
Es wird die Roſenholtz-Wurtz/ ſonſt
Rhodiſer-Holtz-Wurtz genannt/ hoch ge-
ruͤhmt/
[283]AllerleySymptomatain der Peſt/ ꝛc.
ruͤhmt/ wann man ſolche zerſtoſſen mit Ro-
ſen-Waſſer uͤberleget/ denn ſolche lindert
nicht allein den Schmertzen/ ſondern ſtaͤrcket
auch das Haupt/ e. g.
Oder auch folgenden
Es iſt bey dieſen aͤuſſerlichen Mittel zu
beobachten/ daß/ wann die vapores erſt an-
fangen auffzuſteigen/ jedoch das Haupt noch
nicht erfuͤllen/ oder da die Hitz zu groß/ daß
ein Wahnwitz zu befuͤrchten/ man viel beſſer
thue Repellentia zu gebrauchen/ jedoch daß
der Leib zuvor gereiniget ſey. Denn auf dieſe
Weiſe werden die viæ eng/ und das Hirn
gekuͤh-
[284]DasXIX.Capitel.
gekuͤhlet/ daher es die Daͤmpffe nicht ſo
leichtlich an ſich kommen laͤſt. Etliche appli-
ciren die Repellentin nicht dem Haupt/ ſon-
dern dem Hals/ damit die Duͤnſte nicht
durch die Adern deſſelben fortkommen moͤ-
gen; wenn aber die Duͤnſt und Feuchtigkei-
ten das Haupt und Hirn ſchon eingenom-
men/ oder die Feuchtigkeiten ſo hitzig und
duͤnn nicht ſeyn/ ſo ſeynd die Repellentia und
Refrigerantia (bevorab allein gebraucht)
ſo nutzlich nicht/ denn zu befuͤrchten/ die
humores moͤchten dick gemachet/ und dem
Hirn garzu ſehr einverleibet werden/ dahe-
ro denn Schlaff-ſuͤchtige Kranckheiten boͤſe/
und auf die Lung fallende Fluͤſſe/ ſamt an-
dern Dingen entſtehen koͤnnen/ weßwegen
der mittelmaͤßige Anodina als Dill/ Camil-
len Blumen/ Holder/ Steinklee/ Beto-
nien/ Pfirſich-Kern/ ꝛc. allzeit darbey zu
gebrauchen.
Wann der an der Peſt-liegende Kran-
cke zuviel ſchlaͤffet/ welches dann kommt von
kalten groben und dicken Duͤnſten/ ſo iſt ſol-
ches in der Peſt ſehr ſchaͤdlich/ da muß man
den Patienten nach Moͤglichkeit davon ab-
Wie ſol-
cher abzu-
halten.halten/ dieweil ſich den Schlaffenden das
Gifft deſtomehr zum Hertzen nahet/ und
ihm oft zu reden/ zupffen/ rupffen und mit
Tuͤchern
[285]AllerleySymptomatain der Peſt/ ;c.
Tuͤchern reiben und binden/ darzu dienen
denn die Zaͤpfflein oder Clyſtier von Hiera
picra, damit die Materia vom Haupt unter
ſich zu ziehen/ die Fußſolen ſoll man ihm wohl
mit Saltz und Eßig reiben und ſtaͤrcken/
Wein-Eßig und friſchen Poley fuͤr die Na-
ſe halten. Oder man kan ein Stuͤcklein Bie-
bergeil in ein Tuͤchlein binden/ in Eßig tun-
cken/ fuͤr die Naſe halten. So koͤnte auch
folgende Baͤhung bisweilen gebrauchet wer-
den: ℞. Betonien/ Salbey/ Schluͤſſel-
blum/ Raute/ Camillen/ Wohlgemuth/
Maͤyen-Blumen/ Steinklee-Blumen/ je-
des eine Hand voll/ mache ſolche Species in
2. Saͤcklein/ ſiede ſie in Wein/ Eſſig und
Waſſer/ aa. und lege immer eines nach dem
andern Wechſels-Weiſe warm uͤber das
Haupt/ und continuire damit eine Stund
lang/ darnach trockne das Haupt mit war-
men Tuͤchern wieder ab.
Man kan den Patienten auch das Haar
vom Kopf zum theil abſchneiden/ und ihm
gebrauchen folgende
Nach Gebrauch deſſen/ gebe man dem
Patienten etwas bisweilen ein Loͤffel voll von
folgender
Daß man den Patienten nieſen mache/
iſt nicht undienlich/ welches fuͤglich mit ge-
pulverten Maͤy-Bluͤmlein geſchehen kan/
wolte aber das Wachen noch nicht folgen/
ſo koͤnte man auch bey der 1. und 2. Verte-
bræ ſchroͤpffen/ Item hinter den Ohren Bla-
ſen ziehen/ weilen doch ohne daß die Natur
ſich criticè durch die parotidos ſolvirt und
loͤſet.
Wenn es ſich aber begiebet daß der Kran-
cke uͤbermaͤſſig wachet und
hat/ und die Hitze das Hirn allzuſehr ein-
genommen/ oder wann die Schmertzen all-
zu groß/ oder die Feuchtigkeiten allzuſehr von
der Hitze vertrocknet ſeynd/ dahero denn die
meiſten Medicamenta welche den Schmer-
tzen ſtillen/ auch den Schlaff zu wege brin-
gen. Wenn man diejenige Medicamenta,
welche den Schmertzen ſtillen/ und die Hitz
lindern/ gebrauchet/ ſo kan man folgenden
Uberſchlag bereiten/ als ℞. Roſen-Oel/ ℥ij.Cur.
Wein-Eſſig ℥ß. Eyer No. ij. das Weiſſe
davon/ temperir es wohl durch einander/
und lege es mit einem zweyfachen Tuch uͤber
die Stirn/ und beyde Schlaͤffe/ oder
℞. Magſamen Haͤupter/ No. v. ſtoß ſolche
zu reinen Pulver/ und temperir ſolche mit
friſchen Eyer-Weiß/ und ein wenig Roſen-
Waſſer wie ein Pflaſter/ und ſtreich es auf
ein
[288]DasXIX.Capitel.
ein Tuch/ und leg es obgemeldter maſſen
uͤber. Roſen-Kuchen mit Roſen-Eſſig und
Hollerbluͤth waſſer beſprengt/ uͤber das Haupt
geleget/ thut gar wohl. So das Wachen
lange waͤhret/ und die Hitz gar groß iſt/ ſo
gebrauch folgenden
Zarten Leuten und Kindern ſoll man kein
Opium brauchen/ weil es ihnen ihr Lebtag an
dem Gedaͤchtnuͤß ſchadet. Den Kindern
ſchmieret man die Schlaͤff mit Roſen- und
Viol-Oel/ oder mit dem Populeum Saͤlb-
lein; den alten und erwachſenen aber ſalbet
man die Schlaͤff/ Naßloͤcher und die Soh-
len an den Fuͤſſen mit folgendem Saͤlblein:
Darneben iſt auch ein Fußbad gut/ von
Reblaub/ Weidenlaub/ Lattichkraut/ und
Magſamen-Haͤuptern/ des Abends die
Schenckel darinnen gebadet/ und mit den
Kraͤutern von den Knyen unten hinab geſtri-
chen
[289]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
chen/ und gerieben. Ehe aber der Krancke
einſchlaͤffet/ ſo geb ihm Lattichwaſſer ℥iv. mit
Magſamen-Syrup ℥iß. vermiſchet zu trin-
cken/ das bringt den Schlaff bald. Man
kan den Krancken auch an 6. Theil Man-
deln/ und einen Theil weiſſen Magſaam ge-
machet/ ein Mandel-Milch zu trincken geben.
Oder mache folgend
Folgende Saͤlblein ſind auch nuͤtzlich zu
den Schlaͤffen/ Bulſen und Naßloͤchern.
Wer ſtarcke Mittel bedarff/ den kan
man von Extracto Croci Specier. Diambræ,
das iſt/ laudano opiato oder Opi Thebaico
3. 4. 5. à 6. gran. darzu thun/ wem ein Buͤſch-
lein beliebet/ laſſe bereiten folgenden
Auch nimm Magſamen-Haͤupter mit
dem Saamen No. iij. ſtoſſe ſie/ thue hernach
Dillwaſſer ℥ß. darzu/ und noch ſo viel Ro-
ſenwaſſer als vonnoͤthen/ mache einen Brey
daraus/ und lege es auf die Stirn.
Man kan auch innerlich eine Mandel-
Milch gebrauchen/ darbey die vier kuͤhlenden
Samen/ ſamt dem weiſſen Magſamen mit
Gerſtenwaſſer/ Borragenwaſſer/ und Vio-
lenwaſſer geſtoſſen/ bereiten/ und den Pati-
enten davon trincken laſſen. Oder auch
folgend
Miſche alles zu einer Latwerg.
Miſche alles zu einem Traͤncklein.
Wann der Peſt-krancke Menſch phan-Phanta-
ſia oder
Wahn-
witz.
taſiret/ oder wahnwitzig iſt/ allda die-
nen die Artzney-Mittel/ welche bey dem
Hauptwehe verzeichnet ſind/ denn ſolche Zu-
faͤlle pflegen gemeiniglich mit den Haupt-
ſchmertzen zu kommen; als von ſcharffen boͤ-
ſen Duͤnſten/ oder von einem duͤnnen gal-
lichten humor, welche das Hirn eingenom-
men. Und wenn die Univerſalia, ſo viel ſich
thun laͤſſet/ gebrauchet werden/ ſo hat man
revellentia und repercutientia vonnoͤthen/ als
Clyſtieren/ reiben/ ſchroͤpffen/ (zwar auf den
Schultern erſtlich/ darnach immer abwerts
biß auf die Knye) Blaſen-ziehen ꝛc. und
wenn dieſe Ding alle nicht verfangen wol-
len/ ſo nehmen etliche eine warme Kalbs- oder
Hammels-Lung/ oder an derer ſtatt eine
ſchwartze Henne oder Taube/ ſo in der Mit-
ten entzwey geſchnitten/ und legen ſie auf die
Stirn/ oder das beſchorne Haupt. Auch
kan man den Krancken geben Scorzonern/
Conſerven-Zucker/ Conſerva von Ochſen-
T 2zung-
[292]DasXIX.Capitel.
zung-Bluͤmlein/ und von Borragen-Bluͤm-
lein; deßgleichen von Meliſſen-Bluͤmlein/
und Citronat-Rinden. Morgens und A-
bends zu gebrauchen ſoll man nehmen von
folgenden
Man ſoll auch dem Krancken Ochſen-
zungen- und Borragen-Blaͤtter bey ſeiner
Speiſe kochen/ und ihre Wurtzeln in das
Trincken legen. Der Tranck ſoll ſeyn ein
Waſſer/ darin etlich mahl gluͤend Gold ge-
loͤſchet worden; wenn kein Hitz vorhanden/
ſoll man den Wein damit miſchen.
Es iſt auch gut dieſes Oxyrrhodinum:
Miſche alles.
In Hitz und Wahnwitz hab ich folgend
Traͤncklein zum oͤfftern mit groſſem Nutzen
gebrauchet:
So ſich aber bey den krancken MenſchenWenn der
Patient
gar raſend
wuͤrde.
die Sinne verrucketen/ daß ſolcher gar ra-
ſend oder taubſuͤchtig wuͤrde: ſo ſoll man
ſolchen Patienten erſt alles Haar abſcheren/
und ihm darnach folgende Artzneyen uͤber
das Haupt ſchlagen/ und Roſen-Eſſig und
Roſenwaſſer durcheinander vermiſchet in die
Naſe laſſen.
Darnach halt den Krancken ſtill in einem
finſtern Gemach/ und geb ihme Mandelmilch
zu trincken/ ſo mit geſottenem Ochſenzungen-
oder Boretſchwaſſer gemacht/ mache ihm
auch ein Fußwaſſer von Weidenlaub/ Reb-
laub/ weiſſen Seeblumen und Magſaam-
Haͤuptern.
Wann bey den Peſt-Krancken ein Na-
ſenbluten kommet/ ſo kan man Anfangs
nicht ſo bald ſchlieſſen/ ob ſolches ihm gut
oder ſchaͤdlich ſey/ denn es iſt nicht allzeit gut/
iſt auch nicht allzeit boͤſe oder ſchlimm/ dero-
halber muß man acht haben/ ob der Patient
davon Linderung bekommet/ oder ob er ſchwaͤ-
cher wird/ befindet er Leichterung und Erqui-
ckung davon/ ſoll man es bluten laſſen/ und
nicht bald ſtopffen/ doch auch nicht zuviel lauf-
fen laſſen/ ſondern darbey die Staͤrck und
Kraͤffte des Patienten erwegen; boͤß iſt es
allein/ wann der Krancke ſich uͤbel davon be-
findet/ und keine Linderung des Haupt-
ſchmertzens/ der Hitz und dergleichen verfpuͤ-
ret/ ſondern vielmehr ſchwaͤcher wird; da
Wie ſolch
bluten zu
ſtillen.ſolches nun geſchiehet/ muß man nicht lang
nachſehen/ ſondern ihne mit binden der Glie-
der ſtarck zuziehen/ auch die Finger mit Ne-
ſteln binden/ auff das Geſaͤß/ Kniekehl/
Schroͤpffkoͤpffe ſetzen/ in die Haͤnde auch
Herrgottsbaͤrtlein-Wurtz oder Taͤſchelkraut
der-
[295]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
derſelben Seite/ wo das Blut aus der Naſe
rinnet/ geben/ daß es darinn erwaͤrme/ und
henck ihm einen Blutſtein an den Halß/ oder
einen rothen Jaſpis/ und geb ihm auch einen
in die Hand auff der Seite da er blutet/ haͤn-
ge ihm auch ein Pater noſter von Carneolen
um den Halß/ und auch eins um die Hand
an der Seiten da es blutet. Das Moos ſo
auff den Todtenkoͤpffen waͤchſet/ ſoll ein ſon-
derbar Experiment fuͤr alle Blutfluͤſſe ſeyn/
wann man ſolches in der Hand haltet: dar-
nach nehm breit Wegreichwaſſer und ſtar-
cken Eſſig/ jedes gleich viel/ netze ein zwey-
fach Tuch darinn/ leg es aͤuſſerlich uͤber die
Leber/ inwendig in die Haͤnde/ und unten an
die Fußſohlen/ haſtu das Waſſer nicht/ ſo
nehm das gruͤne Kraut oder Blaͤtter des
Wegreichs/ ſtoß es wohl/ feuchte es mit Eſ-
ſig/ und ſchlag es alſo uͤber/ es thut gleich viel.
Nachfolgende Artzneyen ſtreich auf ein Tuch:
Miſche alles/ daß es wie ein Brey wird/
ſtreich es auff ein Tuch/ lege es dem Mann
auff die Teſticul, den Weibern aber neben die
Scha am/ und erneue es offt.
Die Armen nehmen Kreide und Gyps/
ſtoſſen und legen es uͤber. So iſt auch gut
auff die Stirn zu ſchlagen folgend Anacol-
lema oder
Miſche es.
Wann inwendige Artzneyen vonnoͤthen
ſeyn/ kan man gebrauchen folgenden Tranck.
Miſche ſolches/ in zweymalen zu geben.
In gefaͤhrlichem Halß- oder Naſenbluten
wird geruͤhmet das Compoſit. Sperniolæ
Crolli, in Taͤſchelkraut-Waſſer einzugeben
gr. 3. oder 5. und dafuͤr gehalten/ daß es
wegen etlicher ſeiner ingredientien/ ſo zugleich
wider die Peſt dienen/ als Myrrhen/ Saff-
ran
[297]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
ran und Campffer ſonderlich nutzlich ſeyn/
oder folgend
Es iſt auch der an der Peſt liegende Pa-Braͤun im
Halß.
Boͤſe Haͤl-
ſe.
tient in nicht geringer Lebens-Gefahr/ wenn
ſolcher mit der Braͤune befallen wird/ man
nennet es insgemein boͤſe Haͤlſe/ Brand-
ſchrunden/ Auffriſſe und Geſchwulſt der Zun-
ge/ ſolches wird durch die auffſteigende
hitzige Daͤmpff verurſachet/ da dann præ-
miſſis univerſalibus vonnoͤthen/ daß der Pa-
tient den Mund ſtaͤtig und offt mit Gerſten-
oder einem friſchen Brunnwaſſer mit dem
vierten Theil Eſſig vermiſchet waͤſche und
ausſpuͤle/ die Zung auch wohl mit einem
Zungenſchaͤberlein oder blechen Loͤffel abſcha-
ben und putzen laſſen. Und wenn jetzt er-
wehnte Zufaͤlle der Zunge und des Halſes
groß/ kan man die Braͤun-Ader unter der
Zung oͤffnen laſſen: Zu oben gedachtem
T 5Ger-
[298]DasXIX.Capitel.
Gerſtenwaſſer koͤnte auch der Safft von ge-
ſtoßnen Krebſen gethan werden/ und den
Halß offt damit gegurgelt. Sonſt kan man
auch zur Braͤune brauchen folgend
Iſt ein ſtaͤrckeres vonnoͤthen/ ſo kan folgen-
des dienen:
Zum ordinari Tranck nimm ein MaaßTranck
fuͤr ordi-
nari in der
Braͤune.
Brunnen-Waſſer/ und laß 2. Loth gerei-
nigten Salpeter darin zergehen/ klopffe auch
Spir. Nitri ʒß. und ſchwenck es fein unter
einander/ ſo hat man einen guten Kuͤhl-
Tranck/ welcher auch in hitzigen Fiebern ein
ſonderlich appropriatum iſt/ denn der Sal-
peter in dieſen Kranckheiten nicht genugſam
zu loben/ weil ſie Sulphuriſcher Art und der
Nitrum in ſeinem innerſten Weſen/ ebenfals
ein ſulphuriſcher Geiſt iſt/ welcher der
ſchwache Sulphur von ſich treibet/ denn er
es nicht leiden kan. D. Joh. Agricola in Chi-
rurgia parva. tract. 7.
Demnach ſoll man den Hals mit ſuͤß
Mandel-Oel/ (ſo von gantzer Eigenſchafft
darzu dienſtlich geachtet wird) und Vitriol-
Oel wohl reiben/ hernach warm uͤberlegen
folgends
Wenn aber die Braͤune oder das Hals-
Geſchwaͤr in declinatione, ſo koͤnte man
gebrauchen nachfolgendes
Miſche alles zu ein Gurgel-Waſſer.
So ſoll man auch das Geſchwaͤr zu zer-
theilen und zu verzehren ſtets im Munde hal-
ten folgende
Mit ſuͤſſen Mandel-Oel q. ſ. mache daraus
ein
Etliche gebrauchen zum gurgeln folgendGurgel-
Waſſer.
Waſſer/ ℞. ein Schwalben-Neſt mit al-
len/ ſiede es in einer Maß Waſſer/ den
vierdten Theil ein/ ſeihe es durch/ und thu
darbey Maulbeer-Safft. ℥iiiß. und gurgel
den Hals alle viertel Stund warm damit/
nach dem Gurgeln ſalbe dem Patienten mit
einem Federlein die Kehl und den Hals wohl
mit Schwalben-Oel. Man kan auch einUber-
ſchlag.
Schwalben-Neſt zu Pulver ſtoſſen/ und
darzu 2. Loth Eibiſch-Wurtzel Mehl thun/
und in ein Waſſer zu einen Brey ſieden/ dar-
nach ferner darzu thun Honig 3. Loͤffel voll/
Lilgen-Oel 6. Loͤffel voll/ und darnach noch
ein wenig ſieden/ dann auf ein Tuch ſtrei-
chen/ und auswendig warm um die Kehl le-
gen/ und taͤglichen zweymal erfriſchen.
Item wenn die Zunge gleichſam ver-Wenn die
Zung ver-
brant/ ge-
ſchwollen
und auff-
geſchrun-
den iſt.
brant/ geſchwollen/ auffgeriſſen und voller
Schrunden iſt/ ſo dienet uͤber vorbeſagte
Mittel wohl/ daß man ſelbige oft mit ei-
nem friſchen Huͤner-Schmaltz/ ſo in Bru-
nellen oder Hinbeer-Waſſer etlich mal ab-
gewaſchen/ ſalbe/ oder man nehme friſche
einge-
[302]DasXIX.Capitel.
eingeſaltzene Butter/ waſche ſolche wohl mit
Roſen-Waſſer/ und vermiſche ein wenig
Penidien-Zucker darunter/ und ſchmier die
Zunge oft damit/ ſolches dienet fuͤr alte und
junge Leut.
Wenn die Duͤrrung der Zung gar zu
groß iſt/ ſo nimm Roſen-Oel. ℥j. weiß
Wachs ℥ß. laß ſittiglich zuſammen ſchmel-
tzen/ und kalt werden/ dann waͤſche es oft
mit weiß Roſen-Waſſer/ und ſalbe oft die
Zung damit.
Es dienet auch wohl jungen Kindern/
wenn man nimmet kleine Provintz-Pflaͤum-
lein/ ℥j. ſchwartze Bruſt-Beerlein/ ℥ß.
ſiede ſolche in einer Echt-Maß Roſen-Waſ-
ſer zum vierdten Theil ein/ ſeihe es/ und gib
ihm etlich mal in einer Stund ein paar Loͤf-
fel voll ein/ kan man der Provintz-Pflaͤum-
lein nicht haben/ ſo nehme man an deren
Stelle ſaure Zwetſchen/ von den Kernen
gereiniget. Es dienen auch darzu die weiſſe
Spaniſche Zwetſchen. Sonſten gebe man
den Kindern Mandel-Milch genug zu trin-
cken/ mit Candel-Zucker ſuͤß gemachet. Die
Armen nehmen die mittlere Rinde von einer
Linde zerſchnitten/ legens in ein Waſſer/
und thun darein den ſechſten Theil Wein-
Eſſig/ davon wird ein Schleim/ den ſollen
ſie oft auf die Zunge ſtreichen/ und allweg
den Mund zuvor gurgeln mit Waſſer daraus
die Pferd getruncken/ und ihren Geiffer
darein
[303]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
darein fallen laſſen/ es iſt eine ſchlechte Artz-
ney/ und doch ein gewiß Experiment.
In der auffgeriſſenen Zung gebrauchen
etliche auch dieſes
Wann die Zung geſchwollen/ ſo gebrau-Zungen-
geſchwulſt
zu heilen.
che darwider folgend
Oder nimm Eibiſchkraut-Waſſer/ oder
Pappeln- von Winter-Roſenwaſſer/ mit
ein wenig Zucker ſuͤß gemachet/ waſche und
ſpuͤle die Zunge wohl damit. Oder mache
folgend
Koche alles in halb Waſſer halb Wein/
ſeihe es/ und thue darzu
Miſche es/ damit die Zung fleiſſig zu
waſchen.
Es kommet auch zuweilen vom Halß-
Geſchwaͤr/Anguina genandt/ alſo daß der
Halß zugeſchweller/ darzu laͤſſet man alſobald
die 2. Adern unter der Zung/ und gurgelt den
Halß offtmahl mit folgendem
Darbey kan man das vorbeſchriebene Ca-
taplaſma brauchen/ und auswendig um den
Halß legen.
Uber alles findet ſich noch bey dem Pa-
tienten offtermahl ein ſtarckes Erbrechen/
ſolches
[305]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
ſolches kommet zuweilen von uͤberfluͤſſigerDeſſen
Urſach
und Cur.
Feuchtigkeit des Magens/ bißweilen iſt nicht
nur die bloſſe Menge ſolcher Feuchtigkeiten/
ſondern die gifftige Qualitaͤt/ ſo den Magen
immer zupffet/ oder auch eine ſcharffe Galle
ſchuldig: Im Fall das Gifft den Magen
noch nicht beruͤhret haͤtte/ ſondern beſagte
Menge der humoren ein Urſache des Bre-
chens und Wuͤrgens waͤre/ ſo bedarff es ſo
bald kein Stopffens/ dann wann ſolche weg
iſt/ ſo hoͤret das Brechen wol von ſich ſelbſt
auf; Ja wenn die humores zahe und dick
ſeyn/ hilfft man ihnen noch mit dem Oximelle
ſimplici oder Scyllitico fort. Die Gall und
dero Schaͤrffe wird durch das Decoct. hor-
dei c. Sem. melonum Syr. acetoſ. \& Nymph.
c. aq. bugloſ. violar. \& ſimil. temperirt:
Man kan auch und darff des Rhabarb. ʒj.
zuvor einnehmen/ hat das Gifft den Magen
ſchon eingenommen/ ſo kan man zwar etwas
weniges zuſehen/ dann auch durch das Bre-
chen viel Boͤſes weggehet; folgends aber/ da-
mit die Kraͤffte nicht entgehen moͤchten/ ſol-
che Dinge gebrauchen/ welche/ indem ſie den
Magen ſchlieſſen/ zugleich auch den Gifft
ſteuren: als den Syrup von Limonien/ von
unzeitigen Trauben/ von Portulac/ von trock-
nen Roſen/ den Safft von ſauren Citronen/
oder deſſen Syrup/ Himbeer-Safft/ Bre-
beris-Safft/ Maulbeer-Safft/ und andere
mehr.
Mancher Patient kan auch nichts in ſei-
nem Magen behalten/ ſondern er bricht alle
Artzney-Mittel wieder heraus; es iſt aber
nicht allemahl das Gifft/ ſondern auch ein
angebohrner Widerwille/ oder ein ſonderba-
re und von hefftigen Brechen und herab-
fallenden Fluͤſſen entſtandene Bloͤdigkeit/ des
Magens ein Urſach: Ob nun ſchon die ein-
genommene Artzney zum andern/ dritten und
vierdten mahl wieder weggienge/ ſoll man an
der Huͤlff dennoch nicht verzagen/ ſondern
Mit waꝛm
Brodt zu
curiren.ein neubackenes Brodt nach der Breite ent-
zwey ſchneiden/ und in der Mitte des auff-
geſchnittenen Brodts ein Theil Broſamen
heraus nehmen/ daß ein Loch werde/ darein
ſoll man Malvaſier gieſſen/ oder guten Wein/
mit ein wenig des beſten Brandweins/ und
guten Theriac vermiſchet/ dieſes Brodt ſoll
man alſo wohl warm auf den Leib und uͤber
den Nabel legen/ darauff ſoll der Krancke et-
liche Stunden ſchwitzen/ und den Schweiß
offt abtrocknen: wann dieſes uͤbergelegte
Brodt kalt worden/ ſoll man mit der uͤbrigen
Helfft gleich alſo verfahren/ und dieſelbe uͤber-
legen/ diß Mittel kan man oͤffter gebrauchen
und wiederhohlen/ da man aber alſo neuge-
backen Brodt nicht haben koͤnte/ ſo nehm
man ander Brodt/ das nicht ſo ſehr altbacken
iſt/ und waͤrme daſſelbe in der Ofen-Roͤhre/
da der Krancke lieget/ damit ihm deſto waͤr-
mer gemachet werde/ und er deſto leichter
ſchwitzen
[307]Von allerhand Zufaͤllen.
ſchwitzen moͤge: Das in Wein geweichete
Brodt kan man auch mit pulveriſirten Co-
rallen/ Muſcat-Nuß/ Muſcat-Blumen/
Spec. diarrh. Abbat. aromat. roſ. liberant.
\&c. beſtreuen. Ebenmaͤſſig dienet auch das
Empl. de Cruſtæ panis, de baccis lauri.
Oder folgend
Etliche nehmen gepuͤlvert Paradißholtz
ein/ wie ſie moͤgen/ und wenn dieſe Ding
alle nicht helffen wollen/ ſo ergreiffet man
das laudanum opiatum, und giebt deſſen etwa
2. oder 3. gran mit Granaten- oder Johan-
nes-Traubel-Safft ein. Etliche legen einen
warm gemachten Ziegelſtein/ mit Roſen-Eſ-
ſig und weiſſen Wein beſprengt/ in einem
doppelten Tuch auf den Magen; etliche thun
ſolches durch Saͤcklein von Tormentilwurtz/
Zittwer/ Wermuth/ rothe Roſen/ Muſcat-
Nuß ꝛc. Etliche laſſen den Patienten 9. a 10.
Troͤpfflein Spir. Sulphur. mit Granaten- und
Corallen-Safft einnehmen; nicht wenig thut
auch darbey/ wenn man dem Patienten ein
gut Hertz zuſpricht/ und die eingenommene
U 2Artz-
[308]DasXIX.Capitel.
Artzneyen durch Ableitung der Gedancken
aus dem Sinn redet; ſonſten wird durch
Clyſtieren nicht wenig ausgerichtet/ als durch
welches die Materi fich abwaͤrts fuͤhren
laͤſſet.
So haben auch der meiſte Theil Patien-
ten einen Widerwillen fuͤr den bittern Artz-
neyen/ darum ſolche auch mehrmalen durch
Erbrechen wieder von ſich geben/ dennoch
aber gibt man ihnen/ wenn ſie an der Peſt
liegen/ ſolche/ weil ſie wegen ihrer Bitter-
keit eine eroͤffnende und durchdringende
Krafft an ſich haben/ auch weil ſie die Ver-
ſtopffung als eine Urſach vieler Kranckheiten
nicht wurtzeln laſſen/ und weil ſolche der Faͤu-
lung/ ſo zu Empfaͤngnuß des Giffts befoͤr-
derlich und bequem iſt/ ſteuren. Doch kan
man die bittern Sachen auch mit Zucker und
dergleichen miſchen/ damit ſie den Patienten
nicht alſo ſehr zuwider ſeyn/ oder nach einge-
nommener bittern Artzney ein ſuͤſſe Confe-
ction darauff eingeben/ den Geſchmack des
Mundes zu verſuͤſſen/ und anmuthig zu
machen.
Es kommet auch bey Peſt-Krancken offt-
mal ein Schlucken/ welches einige fuͤr ein
Symptoma der Peſt halten; ob nun wol das
Schlucken nicht fuͤr ein ſehr werthen Gaſt
gehalten wird/ ſo iſt dennoch am boͤſeſten/
wann bey den Patienten ein Erbrechen vor-
her gangen iſt. Es kommt aber das Schlu-
cken
[309]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
cken bey den Peſt-Patienten von boͤſen giff-
tigen ſcharffen Humoren her/ welche den Ma-
genſchlund immer zupffen/ und gleichſam ei-
ne Convulſion deſſelben verurſachen; denn
weilen der Magenſchlund kein muſculus iſt/
noch auch nicht muſculoſus, ſo kan der
Schlucken nicht eigentlich eine Convulſion
genennet werden.
Wenn nun einen Peſt-Krancken ſolchCur der
Schlu-
ckens.
Schlucken ankommet/ ſo ſoll man ſolchem
von Stund an Muͤntz- oder Balſam-Sy-
rup ℥j. mit Orientaliſchem Bolo/ mit Och-
ſenzungen- oder Borragen-Waſſer verruͤhrt
auff einmal eingeben; oder geb ihm ge-
pulverte Krauſemuͤntz ʒj. mit ſaurem Gra-
nat-Safft zu trincken: Iſt die Hitz groß/ ſo
gib ihm Magſaamen-Syrup ℥j. mit Muͤntze
oder Balſamwaſſer ℥ij. oder ℥iiß. zu trin-
cken/ darneben ſchmier ihm den Magen mit
Dill- oder krauſen Balſam-Oel/ oder mit
ſuͤſſen Mandel-Oel/ laß auch ein Waſſer ſie-
den von Hirſchzungen/ ein Stuͤcklein Zim-
met/ und ein wenig Dillſaam; gedeſtillrt
Hirſchzungenwaſſer iſt auch ſehr gut/ zuwei-
len ein Truͤncklein davon gethan.
D. Sennert. brauchet die kuͤhlende Saam-
Milch/ vitriolirte Roſen-Conſerv, endlich
auch das Laudanum Opiatum mit dem de-
ſtillirten Corall- und Dill-Oel/ oder in Man-
gel des Laudani das Philonium oder den The-
U 3riac/
[310]DasXIX.Capitel.
riac/ und wenn dieſe Ding alle nicht helffen
wollen/ ſo laͤſt er flammende Schrepffkoͤpff
auff den Magen (andere auff den Ruͤcken)
ſetzen. Sonſt hoͤret der Schlucken auch auff/
wann ein Nieſen darauff kommt/ Hippocr.
6. Aphor. 13. Ariſtor. problem. ſect. 33.
probl. 1. 5. \& 17. wiewol ſolches dennoch
nicht allzeit geſchicht/ entweder weil das
Schlucken ſo ſtarck/ oder das Nieſen nicht
Critiſch ſondern Symptomatiſch iſt/ daß der
Schlucker nicht à repletione ſondern ab ma-
nitione entſprungen.
Wann ſich Engbruͤſtigkeit oder
ſchwerer Athem und Keuchen mercken
laͤſſet/ ſo von boͤſen gifftigen Duͤnſten kom-
men/ die zu der Bruſt ſteigen/ oder vom
Haupt flieſſen/ und andere boͤſe Materi/ die
ſich um die Bruſt ſammlet/ dienen die Taͤff-
lein Diapenidion, Diacreos ſimplex, Diatra-
gacanthi, Poͤnidienzucker/ Candelzucker/ Ro-
ſinen-Latwerg/ die Bruſt-Latwerg Lohoch
ſanum, Suͤßholtz-Syrup/ Scabioſen-Sy-
rup/ davon ſoll man den Krancken jezuweilen
zu gebrauchen geben; Bolus armenus iſt ſehr
dienlich mit Suͤßholtz-Syrup temperirt ein-
geben: es dienet auch die Scabioſen-Con-
ſerva, item Conſerva von Scorzoneren/ deß-
gleichen Scabioſen-Waſſer/ Hufflattich-
Waſſer/ Morgenſtern- und Bocksbart-
Waſſer: Iſt der Stulgang verſtopfft/ ſo
gebe man ihm Caſſia Fiſtel/ ausgezogen mit
Huff-
[311]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
Hufflattich oder obgemeldeten Waſſern ei-
nem zu trincken.
So gibt es auch bißweilen druͤcken umBruſt-
und Hertz-
druͤcken.
den Magenſchlund/ ſo die gemeinen Leut
Hertzdruͤcken nennen/ ſolches kommet von
uͤberhaͤufften boͤſen Daͤmpffen/ von allzugroſ-
ſer Hitze/ von einer gifftigen verderbten Ma-
teri/ welche das Hertz und den Magenſchlund
moleſtirt/ es zittert auch daher bißweilen das
Hettz/ klopffet und bebet/ wider ſolches alles
koͤnnen die offtgemeldete General-Remedia
gebrauchet werden/ ſo viel ſich will thun laſ-
ſen/ darneben kan man den Krancken auch von
folgendem Pulver geben.
Iſt aber ein Hertzzittern in der Hitze fuͤr-Hertzzit-
tern.
handen/ ſo miſche ein Loͤffel voll ſauren Limo-
nien- oder Citronen-Syrup darunter/ und
auch ſo viel des Waſſers von deſtillirtem Li-
monien-Syrup/ oder geb dem Patienten ein
paar Manus Chriſti cordiales Taͤfflein in ein
U 4Loͤffel
[312]DasXIX.Capitel.
Loͤffel voll der oben gedachten Waſſer zerrie-
ben. Die præparirten Perlen mit obgemeld-
ten Hertzwaſſern einem ein wenig eingenom-
men/ hilfft trefflich wohl/ ſolches thut auch
das bereitete Beinlein aus dem Hirſchen-Her-
tzen/ damit aber bey einigen Materialiſten ein
groſſer Betrug vorgehet. Die bereitete Co-
rallen geben/ vertreibt auch ſolch zittern: die
Armen koͤnnen die Manus Chriſti Kuͤchlein
gebrauchen/ und Conſerven-Zucker von Ro-
ſen/ Roſinarinbluͤmlein/ Saurklee/ Ochſen-
zung/ Borragen und Hertzblumen/ darzu
dienen auch alle Artzneyen/ ſo unter dem Ti-
tul Ohnmachten zu finden ſeyn.
Wann in der Peſt zufaͤlliger Weiſe ein
Huſten anſtoͤſſet/ ſeynd deſſen fuͤrnemlichen
vrererley Urſachen/ denn entweder ent-
ſpringet er von einem Haupt-Fluß/ oder
von einem Geſchwaͤr/ eines aus den Inſtru-
menten/ welche zum Athem noͤthig und dien-
lich ſeyn: oder von einem Apoſtemate, ſo in
denſelben ſich findet/ oder von einem Empye-
mate, Hipp. ibid. Am meiſten aber erreget
ſich ein Huſten von der warmen und trocke-
nen intemperie oder Entrichtung/ ſo von den
groſſen Peſtilentziſchen Entzuͤndungen ent-
ſteht/ welche/ wenn ſie durch vielgemeldte
generalia und ſpecialia Medicamenta benom-
men werden/ ſo muß auch der Huſten nach-
laſſen/ zumalen wann man die appropriata
darneben gebrauchet. Die Generalia ſeynd
Pur-
[313]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
Purgiren und Aderlaſſen/ die Specialia aberCura.
alles was feuchtet und kuͤhlet; die appro-
priata ſeynd/ welche der Lufftroͤhr/ Lungen
und andern Vaſis oder Inſtrumentis ſpiritua-
libus eigentlich wohl bekommen/ als: Bruſt-
beerl/ Extract von Suͤßholtz/ Violen-Con-
ſerva, Diapenidium, Diacodium, Diatraga-
canthum frigidum, cum \& ſine bolo, pulvis
anonymus Auguſtanorum, weiſſen Ruͤben-
ſafft-Zucker/ und dergleichen mehr.
Nun werden auch von den Peſt-Patien-Ohn-
machten/
wovon
ſolche
kommen/
ten zum oͤfftern von Schwaͤchung der leben-
digen Geiſter Ohnmachen erreget/ oder ſolche
entweder erſtickt/ oder zerſtreuet und gerin-
gert/ oder in andere Wege von Peſtilentzi-
ſchen gifftigen Daͤmpffen offendirt werden.
Wann nun eine ſo geſchwinde Ohnmacht
erfolget/ ſoll man nach Tabernamontani
Meynung den Patienten erſtlich bey der Na-wie ſie ab-
zuwenden.
ſen und Ohren zupffen/ in das Angeſicht Ro-
ſenwaſſer ſprengen/ darunter etwas Wein
gemiſchet. Friſch Poley-Kraut mit Him-
beer-Holder- und dergleichen Eſſig vor die
Naſe gehalten/ ſtillet die Ohnmachten bald;
etliche geben den Patienten/ ſo bald es ſeyn
kan/ ein Quintlein Orientaliſchen Boli mit
etlichen Loth Borragen- oder Ochſenzungen-
waſſer/ und etwas Citronen-Safft darunter
gemiſchet/ zu trincken. Eben auff ſolche Ma-
nier koͤnte man auch des Orientaliſchen Be-
zoars 10. 12. oder mehr Gran/ item des Ma-
U 5giſterii
[314]DasXIX.Capitel.
giſterii Corallorum, Perlarum, bereitet Edel-
geſtein/ als des Smaragds/ geben. Man
kan auch davon bereiten laſſen gute
Miſche alles/ davon Loͤffelweiſe zu geben.
Oder folgende
Man hat auch gute Mittel/ daß man bey
den Patienten des Ruͤpffens und Naſenzuͤpf-
fens nicht vonnoͤthen hat/ wie dann abſonder-
lich dienet folgend
Da ſich auch bey den Patienten gewoͤhn-Groſſer
Durſt/
wie ſol-
cher zu
ſtillen.
lichen ein groſſer Durſt einfindet/ kan nicht
gezweiffelt werden. Damit man aber ſelbi-
gem widerſtehe/ ſo kan man alle diejenige
Medicamenra, welche wider die groſſe Hitze
verordnet/ allhier auch gebrauchen/ zuma-
len durch das Nitrum præparatum, Lapis
Pruncllæ oder præparirten Salpeter die Hitz
und Durſt gewaltig gelegt werden. Sonſt
ſoll der Patient den Mund oft waͤſchen/ und
ſolchen mit friſchem Brunnen-Waſſer/
darunter ein wenig Eßig vermiſchet/ aus-
waſchen. Man gebe ihm auch ein Brod-
oder Gerſten-Waſſer mit Limonien/ oder
Citronen-Hinbern-Erdbeern-Johanns-
Traͤublein oder Eſſig-Syrup/ darbey etli-
che Tropffen Spiritus Vitrioli zu angenehmer
Saͤure/ und laß ihn bisweilen einen guten
Trunck thun. Dann es iſt gewiß/ wann
man dieſen Patienten das Trincken wehret/
und ihnen zwar oft/ doch jedesmal wenig/
als damit der Durſt nicht geloͤſchet werden
mag/ zu trincken gibt/ iſt es eben ſo viel/
als wenn man ein Loͤffel voll Waſſer in ein
ſtarck Feuer ſchuͤttet. Der Safft von ſau-
ren
[316]DasXIX.Capitel.
ren Granaten/ mit Saurampffer/ Weg-
wart/ Endiven/ oder Hinbeer-Blaͤtter-
Waſſer loͤſchet den Durſt uͤber die maſſen
wohl/ ſolches thut auch das deſtillirte Meer-
Linſen Waſſer/ und von Nacht-Schatten;
Ferner gebrauch der ſauren gedoͤrrten Kir-
ſchen/ der kleinen Provintz-Pflaͤumlein/
und mit friſchem Waſſer abgewaſchene
ſaure Zwetſchen/ darnach lege ſolche in Ro-
ſen-Waſſer/ und iß davon. Dazu dienen
auch ſaure Pomerantzen und Lemonien zu
Scheiblein geſchnitten/ in eine Schuͤſſel ge-
leget/ und wohl unten und oben mit Zucker
beſtreuet/ giebt es einen Syrup/ davon zu-
weilen ein Loͤffel voll zu nehmen/ oder nimm
ein Maß friſch Brunnen-Waſſer/ darein
thu einen Schoppen geringen Wein/ Ro-
ſen- und Viol-Syrup. aa. ℥iij. vermiſch es
durch einander/ und trinck jederweilen einen
ſtarcken Trunck davon. Der Arme kan ein
Maß friſch Brunnen-Waſſer nehmen/ und
8. Loͤffel voll guten Wein-Eßig darein thun/
und trincken.
Im Fall man aber Bedencken habe/
daßvon vielem Trincken der Leib auffgetrie-
ben werden moͤchte/ ſo kan man Harn-trei-
bende Mittel darneben brauchen/ geſtalten
denn der Spir. Vitrioli ſolches ohne dem ver-
richtet. Unzerus lobet in tr. de lue peſtif.
l. 3. c. 13. folgende 2. Julepp.
Unter welche kan gethan werden
M. exquiſitè in vicem.
Der ander iſt dieſer
Miſche alles unter einander zu einen Syrup.
Es ſoll auch die Hitze und Durſt ge-
waltig daͤmpffen folgender
Wolte man die Durſt-loͤſchende Sachen viel
mit Zucker vermengen/ ſo iſt es nicht dien-
lich/ denn der Zucker vermehret den Durſt
vielmehr/ ehe er ſolchen verringert/ Cry-
ſtallen im Mund gehalten/ oder von einem
ſuͤſſen Granaten genoſſen oder Haus-Wurtz
und Burtzel/ davon die Haͤutlein abgezogen/
auf die Zung geleget/ oder in friſch Brun-
nen-Waſſer geweichet/ und mit Zuthun ei-
nes wenigen Salpeters-Saltzes den Mund
damit gewaſchen/ iſt auch nutzlich/ wie in-
gleichen der flehſamen Schleim.
Nun fraget es ſich aber/ ob auch ein Pa-
tient von allzugroſſem Durſt ſterben koͤnne?
dieſes bejahet Altimanus, und ſpricht: Es
ſterben wohl bisweilen Leut vom Durſt/ un-
terſtehet ſich auch ſolches mit Galeni Worten
de Symptom. cauſis 7. zu beweiſen/ da er ſa-
get/ daß etliche/ nachdem ſie geſaltzen Waſ-
ſer getruncken/ in einem Durchlauff gera-
then/ und ſolch Beiſſen und Wehe davon
empfunden/ daß ſie geſtorben. Aber ob ein
Menſch von groſſen Durſt verſchmachten
kan/
[319]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
kan/ und wie der Hunger leichter als der
Durſt zu ertragen/ ſo hat es Altimanus nicht
troffen/ deßwegen er denn nicht unbillig von
Mercuriali taxirt wird/ ſintemal Galenus
nicht meldet/ daß ſie vom Durſt/ ſondern
wegen des Bauch-Fluſſes Schmertzens/
und im Trincken begangenen Irrthums ge-
ſtorben ſeyn.
Wenn in der Peſt-Zeit ein Patient mitWenn
Gicht und
Grimmen
bey der
Peſt.
Grimmen und Darm-Gichter angegriffen
wird/ ſo ſind zwar dieſe beyde einander ſo
nahe verwand/ daß wie Avicenna bezeuget/
ſie nur das Bett unterſcheidet/ und oft ſich
eine in die andere verwandelt. Derowegen
werden ſie allhier auch zuſammen genommen/
daß ſie aber unter die Symptomata Peſtis,
oder Zufaͤlle der Peſt zu rechnen/ bezeugen
nicht allein die alten/ ſondern auch unter-
ſchiedene neue Autores. Und kommen dieſe
Zuſtaͤnde gemeiniglich von einer ſcharffen/
galliſchen/ gifftigen Materie her/ welche
auszufuͤhren/ nicht nur die Chalagoga Me-
lanagoga und dergleichen Gall-treibende
Mittel/ ſondern auch die Bezoardica und
Gifft treibende Artzneyen fleiſſig in Clyſti-
ren ſo wohl als in andern formis geſucht und
gebrauchet ſeyn wollen/ davon aber hin und
wieder allbereit Meldung geſchehen/ und
kan nach Eigenſchafft des humoris peccantis
biloſi eine Aenderung vorgenommen werden.
Es thut auch ſelten gut/ wenn die Na-
tur zwey wiedrige Bewegungen hat/ und
der Patient einen Durchlauff bekommt/ der
doch vorhin Flecken hat? Jedoch wofern
es keine blaue/ ſchwartze/ oder ſonſt dunckel-
farbene Flecken/ ſondern nur leibfarb oder
roth ausſehen/ der Durchlauff auch nicht
groß iſt/ ſo kan man der Natur in etwas
nachſehen/ und mit den alterantibus nur fort-
fahren; im Fall er aber ſo ſtarck werden wol-
te/ daß der Patient matt davon wuͤrde/ muß
man ein abwaſchend und bequemes Clyſtier
brauchen/ auch ſo bald darauff mit den Gifft-
treibenden Artzneyen anſetzen/ welche zugleich
eine Natur zu ſtopffen haben: als da ſind
die Terra ſigillata, Bolus armena, \&c. Aus-
wendig kan man das Emplaſtrum de Cruſta
panis oder de Baccis lauri mit alten Theriac
und Ouitten-Oel ꝛc. aufflegen/ auch Quitten-
Wein oder Safft trincken.
Es iſt aber bekandt/ daß ihrer viel/ welche
neben der Peſt auch einen Durchlauff be-
kommen/ dahin ſterben/ als wird auch der-
ſelbe/ wann er kommt/ von dem Patienten
nicht unbillich gefuͤrchtet. Es iſt aber un-
ter ſolchem Durchlauff und Bauchfluͤſſen die-
ſes Orts dieſer Unterſcheid/ daß etliche alſo-
bald im Anfang und Zunehmen der Peſt ſich
eraͤugnen/ etliche aber wenn die Kranckheit
nun wiederum abnimmet/ oder wenn die
Dauung der boͤſen humoren geſchehen iſt:
jene
[321]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
jene werden fuͤr hochſchaͤdlich und toͤdtlich/
dieſe aber fuͤr nuͤtzlich gehalten/ daher Celſus
lib. 1. c. ult. ſaget: Man ſoll in der Peſt
einigen Durchlauff weder erregen/ noch wenn
er von ſich ſelbſt kommen/ ſtopffen: Doch
iſt vonnoͤthen gute acht zu geben/ daß/ wann
die Natur ſchon zu rechter Zeit ſich der boͤ-
ſen Materie entlediget/ nicht etwan per ac-
cidens und zufaͤlliger weiſe derſelbe laͤnger an-
halte/ als er ſonſten thaͤte oder thun ſolte/
wie gar leichtlich geſchehen kan. Taberna-
montanus ſchreibet: Wenn in dieſer Seuche
ein Bauchfluß kommet/ ſo ſoll man ſolchen
uͤber ein baar Tage nicht lauffen laſſen/ als-
dann ſoll man dem Krancken Syrupi Pantha-
leonis ℥iiij. mit einer Bruͤhe drey oder vier
Stunden nach dem Nacht-Eſſen eingeben/
das nimmet alle Schaͤdlichkeit/ auch die
Schluͤpffrigkeit der Gedaͤrm hinweg/ und
wird der Stuhlgang darauff feſt: Den fol-
genden Tag waͤſchet man den Maſt-Darm
mit folgendem Clyſtier ab.
Darnach gib dem Krancken alle Mor-
gen und Abend/ eine viertel Stund allwege
Xvor
[322]DasXIX.Capitel.
vor dem Eſſen/ einer gemeinen Caſtanien
groß/ von folgender
Die Armen koͤnnen nehmen gepuͤlverte
Schaffgarben mit Roſen-Zucker/ Kuͤnger-
ten-Waſſer/ aa. einen Loͤffel voll oder drey
getruncken/ hilfft wohl: ſolches thut auch
das gediſtillirte Rockenbrodt-Waſſer/ auch
das deſtillirte Waſſer von jungen Eichen-
laub/ Morgens und Abends ℥j. ſchwer da-
von getruncken.
Begiebt es ſich aber/ daß von uͤbermaͤſſi-
ger Hitz und Troͤckne eine groſſe und lang-
waͤhrende Verſtopffung des Leibs verurſa-
chet wuͤrde/ da iſt nichts erſprießlichers/ als
daß man nicht lange warte/ ſondern ſo bald
der Leib etwas laͤnger/ als er ſoll/ verſtopfft/
ſo iſt anfangs ein lindes Clyſtierlein gut;
wenn
[323]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
wenn aber dieſes nichts verfangen wolte/ ſoll
man ein anders/ und zwar etwas ſtaͤrckers/
gebrauchen/ wie derer vielerley angemercket
[werden]. Nach dieſem gebe man dem Pa-
tienten zeitlich laxirende Speiſen/ als Zwet-
ſchen/ Roͤſinlein/ ꝛc. wie droben angezeiget
worden. Will aber einer lieber eine milde
Purgation brauchen/ ſo nehm Zwetſchen ℥iß.
oder Zwetſchen-Lattwerg mit einer zieſer
Erbsbruͤhe zertrieben nuͤchtern warm ein/
und faſte 4 Stunden darauff.
Ausgezogene Caſſien-Fiſtul ℥j. oder guteGelind-
purgiren-
de Mittel.
Manna ℥iß. gleichfalls eingenommen/ iſt
ſehr gut/ und purgiret linde: Das thut auch
der Aloes-Extract/ mit Roſenwaſſer vor dem
Naͤcht-Eſſen in einer Oblat verſchlucket. Es
verrichtet ſolches auch purgirender Roſen-
Syrup/ oder der purgirende Violen-Sy-
rup/ wie auch der Syrupus Diaſireos, deren
jeden auf einmal ℥iij. in einer Bruͤhe einge-
nommen: Oder nimm Sennetblaͤtter ℥j.
Engelſuͤß ʒij. Wegwertwurtz/ weiſſen Ing-
ber/ alles klein geſchnitten aa. ʒj. Kleine Ro-
ſinen ℥ß. ſiede ſolches in Schotten ℔j. laß
den Drittel einkochen/ vermiſche darunter Ro-
ſen- oder Violen-Syrup ℥j. und gibs warm
zu trincken. Die Armen nehmen eine Hand
voll Bingelkraut/ und ſieden es in einem
Haͤflein mit Fleiſchbruͤhe/ trinckens warm/
und purgiren ſaͤn fftiglich.
Wenn bey den Peſt-Krancken die Wuͤrm
im Leib fortgehen/ hat man daruͤber ſein ſon-
derbares Bedencken/ denn an ſich ſelbſt iſt
es gut/ wenn ſich ſolch Ungeziefer ſelbſt aus
dem Leib begiebt/ er ſey nun kranck oder ge-
ſund/ am andern Theil aber iſt es bey den
Patienten/ die mit der Peſt behafftet/ ein boͤ-
ſes Zeichen/ und eine Anzeigung/ daß die Pu-
trefaction oder Faulung nun ſo groß/ daß
ſich ſolch Ungezieſer/ ſo doch aus faulen hu-
moribus waͤchſet/ nicht laͤnger allda im Leib
auffhalten mag/ geſtalten man dann ſiehet/
daß offtmahl bey denen/ ſo nunmehr/ wie man
im Sprichwort ſaget/ auf dem letzten Loch
pfeiffen/ auch die Laͤuſe vom Haupt lauffen.
Wie ſolche
fort zu
treiben.Dafuͤr gebe man dem Krancken rohen Li-
monien-Safft/ Bortzelkraut oder Wegtritt-
Waſſer aa. ℥iß. zu trincken. Die Armen
nehmen ſo viel Saurach oder Erbſellen-Saft
und trincken es mit gemeldtem Waſſer. Das
gediſtillirte Waſſer von ſauren Safft der Li-
monien ℥ij. oder ℥iiß. getruncken/ vertreibt
die Wuͤrm gewaltiglich ohne Schaden aus:
ſolches thut auch Schlehenbluͤh- und Pfer-
ſichbluͤhwaſſer/ und der Conſerv-Zucker von
groſſen Naͤgelein/ ſtetig gegeſſen. Pferſich-
laub geſtoſſen/ mit Eſſig befeuchtet/ und uͤber
den Nabel geſchlagen/ hilfft wohl. Deßglei-
chen thut auch die Geißraute/ Ruta capraria
genannt/ in bitter Mandel-Oel geroͤſtet/ und
uͤber den Nabel gelegt. Burtzelkraut-Safft in
Waſſer
[325]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
Waſſer geſotten/ und davon ℥iiß. mit Baum-
Oel ℥j. getruncken. Burtzelkraut-Safft ℥iij
getruncken/ treibt allerhand Wuͤrm aus: die-
ſes thut auch die Wein-Raute in Waſſer ge-
ſotten/ wie oben gedacht. Item Haußwurtz-
Safft mit ℥j. Wein getruncken; Item/ bit-
ter Mandel-Oel getruncken ℥iiß. thut auch
gut.
Wider die Gelb-Sucht/ ſo in der
Peſt-Seuche/ oder oft nach derſelben zu
kommen pfleget/ geb dem Patienten folgend
Erfordert nun die Nothdurfft den Leib
zu erweichen/ ſo mache folgendes ſanfftes
Manna ℥j. oder ſo viel Caſſien Fiſtul
Der Arme nehme Eſels-Miſt/ Mj. und
gieß daruͤber einen Becher oder 10. Loth
Schell-Wurtz Waſſer/ zerreib es/ und laß
drey Stunden weichen/ darnach druck es
durch ein Tuch/ zerreib darein Theriac. ʒj.
gibs zu trincken/ und laß ein paar Stunden
darauf ſchwitzen.
Wenn die Krancken nicht an einem Ort
bleiben koͤnnen/ und immer unruhig ſeyn/ ſo
kommt ſolches von Schaͤrffe des Giffts/ und
daß daſſelbe das Hertz begehret anzugreiffen/
darwider brauche das Peterlin Waſſer/
oder geb ihm oft ein wenig bereiteten weiſſen
Agdſtein mit Roſen- oder Ochſen-Zungen-
Waſſer/ gib ihm auch taͤglich der gerechten
Terræ ſigillatæ des Tages zweymal ʒj. mit
℥ij. Saurampff-Waſſer und ℥j. Meliſſen-
Waſſeꝛ zu trincken/ die Wohlhabigen koͤnnen
Orientaliſchen Bezoar gr. vj. mit Meliſſen-
und Ampffer-Waſſer einnehmen. Iſt aber
eine Verſtopffung des Stuhlgangs darbey/
ſo ſind gelinde Clyſtier dienlich/ darneben
ſoll man das Hertz aͤuſſerlich mit Scorpion-
Oel ſalben/ und das Hertz-Waſſer zum
Uberſchlag und Puls-Saͤcklein/ wie oben
gemeldet/ gebrauchen.
Wem aber bey dieſer Kranckheit einWider
verlohr-
nen Eſ-
fens Ap-
petit
Unwillen zur Speiſe/ und der Eſſens Appe-
tit waͤre verlohren/ ſo ſuchet man ſolchen
wieder zu erwecken durch folgend
Die Speiſen koche ihm ſauerlecht mit
unzeitigen Trauben oder Kreuſelbeer Safft.
Andre nehmen ſaure Lemonien und Pome-
rantzen/ darzu ſind auch dienlich Suͤlſen
vom Saurampffer mit Eſſig/ desgleichen
von Johannis Traͤublein/ Saurach und
ſauren Kirſchen bereitet. Es bringen auch
den verlohrnen Appetit die geſaltzene Lemo-
nien/ und die Capern mit Eßig gemachet.
Weme aber der Magen ſehr ſchwach
waͤre/ daß er nichts verdauen koͤnte/ auch
alles wieder von ſich erbrechen muͤſte/ wel-
ches kommt von einer boͤſen daͤmpffigen
Feuchtigkeit/ ſo ſich im Magenverſammlet/
muß die Natur ein wenig geholffen werden/
X 4mit
[328]DasXIX.Capitel.
mit einer Feder in Oel getunckt/ und in
Hals geſtoſſen/ oder nimm Lattig/ ſiede
ſolchen in Waſſer/ nimm davon ℥j. und
thue darzu Baum-Oel/ Eſſig/ Syrup/
jedes ein paar Loͤffel voll/ vermiſche es durch
einander/ und trincke es laulecht/ uͤber eine
Weil noͤthige dich zum Erbrechen/ doch
nicht zuviel/ weil ſolches die Natur ſchwaͤ-
chet/ und nach dem Erbrechen ſo ſtaͤrck den
Magen wieder mit folgenden
Oder nimm einen Boden von einem
Brett/ ſo wie ein Schild geſchnitten/ roͤ-
ſte es auf gluͤenden Kohlen/ beſpreng es mit
gutem Eſſig/ reib ein wenig Deymant/ Ro-
ſen/ Muſcaten und Maſtix gepuͤlvert darein/
ſchlage es in ein Tuch/ und lege es warm
uͤber den Magen. Schmiere auch den Ma-
gen
[329]Von allerhand Zufaͤllen ꝛc.
gen mit Quitten-Roſen- und Maſtix-Oel/
und gib dem Patienten Saurach/ Johan-
nis Traubel und Quitten Lattwerg zu eſſen.
Empfindet der Patient ein Seiten-Seiten-
Stechen.
Stechen an den Rippen/ Pleurites ge-
nannt/ ſo auch in dieſer Seuche offt anwan-
delt/ ſo ſetze Schroͤpff-Koͤpfflein an den
ſchmertzhafften Ort/ und laß tieff hauen/
damit das gifftige Gebluͤt wohl auslauffen
kan/ und gib dem Patienten gepuͤlvert Car-
dobenedict Saam/ ʒj. mit Cardobenedicten
Waſſer ℥iiß. ein zu trincken/ auch iſt der
Marien oder Veh-Diſtel Saam mit ſeinem
Waſſer auch gut zu gebrauchen/ Camillen-
Blum Waſſer ℥iiß. ad ℥iij. getruncken/ iſt
nicht zu verbeſſern/ den Kindern geb man
weniger. Die Armen ſieden Camillen in
Waſſer/ und trincken Morgens/ Mittags
und Nachts/ jedesmal einen guten Trunck
davon. Ihr Tranck ſoll ſeynein Suͤßholtz-
Waſſer mit Gerſten und Roſinlein/ oder
eine Mandel-Milch/ die ſie auch zu Suͤp-
lein und Breylein nuͤtzlich gebrauchen koͤnnen.
Iſt Verſtopffung des Stuhlgangs darbey/
ſo gib ihm purgirenden Viol-Syrup ℥iij.
mit obgemeldtem Waſſer ein/ oder Man-
na ℥iß. oder ausgezogene Caſſien Fiſtel ℥j.
Sonſt ſeynd auch dienlich Penidien-Zucker/
Suͤßholtz-Safft/ und was oben bey dem
Huſten geſaget worden.
Bekommet auch der Patient eine uner-
X 5traͤgli-
[330]DasXIX.Capitel.
Hitze und
Entzuͤn-
dung.traͤgliche Hitze und Entzuͤndung/ ſo laſſe ihm
Arm und Bein oben herab mit warmen
Tuͤchern ſtreichen/ ſo viel er es leiden mag/
und geb ihm ſolche Hertz-Staͤrckungen/
wie oben bey den Ohnmachten und Hertz-
Klopffen gemeldet worden/ und laß ihm die
Fuͤß wohl mit Saltz und Eſſig reiben. Dar-
nach nimm Rauten/ Wacholder Beer/ und
Broſam von Rocken-Brod/ ſtoß mit Eſſig
durch einander/ und binde es ihm um die
Fußſohlen/ es ziehet die groſſe Hitz heraus/
und giebt gute Krafft; Man ſoll dem Kran-
cken auch Terra ſigillata ʒj. mit Saurampf-
fer Waſſer und Hinbeer-Laub Waſſer ein-
geben/ iſt der Leib verſtopfft/ ſo gebrauche
ſanffte Clyſtier mit Caſſien Fiſtel und Veyel
Oel bereitet.
Nun folget oft nach dieſer Kranckheit/
daß der Menſch groſſen Schmertzen am
Ruͤcken/ Schenckeln/ Schienbein und der
Fuͤß empfindet/ darwieder gebrauch folgend
Noch iſt uͤbrig ein Zuſtand/ welcher nichtPetechien
oder Peſti-
lentz-Fle-
cken.
nur ein ſondern auch offt unter der Peſt-
Kranckheit mit anwandelt/ ſolches ſeynd Lin-
ſen oder Peſtilentz Flecken/ welches warlich
nicht ein geringer Zuſtand iſt/ und kraͤfftig
genug/ wenn man den Patienten mit der
Waͤrm und Schweiß verabſaͤumet/ allein
den Tod zu bringen/ und ſind ſolche Flecken
eben ſo gifftig als die Peftilentz ſelbſt/ auch
anſteckend/ darum ſo bewahre den Krancken/
daß er an keine Lufft komme/ ſonſt iſt es ey-
lend um ihn geſchehen/ wie ich denn bey ſol-
cher Kranckheit/ als mich in Wien auffge-
halten/ viel Exempel eines ſchnellen Tods er-
fahren habe; dieſem zu begegnen/ bereite fuͤr
den Patienten folgendes
Siede ſolche Stuͤck in Gerſtenwaſſer ℔iij.
und laß den dritten Theil einſieden/ wirff
darzu Zucker ℥ij. und ſeihe es/ Doſ. ℥ij. Mor-
dens und Abends zu trincken/ und wohl dar-
auff ſchwitzen; continuire damit/ und zer-
reib allemal Boli armeni ʒj. darein/ gebrauch
es alſo jedesmal warm/ biß die Flecken gar
heraus kommen und vergehen. Zum ordi-
nari Tranck kan man dem Patienten ein
Waſſer von Feigen/ Fenchel/ Anieß/ Bruſt-
beer und Gerſten ſieden.
Dieſe Species mache alle unter einander zu
zartem Pulver/ und vermiſche ſie unter den
Theriac ſamt dem Scorpion-Oel/ ſetz es an
ein
[333]Artzneyen in Peſtzeiten ꝛc.
ein warmen Ort/ zu fermentiren. Doſ. fuͤr
einen Mann einer Caſtanien groß/ in Quit-
ten- oder Citronfafft/ oder in Citronwaſſer/
oder warmen Eſſig/ und ſchwitze darauff ein
paar Stund/ wer aber ſchon inficirt iſt/ der
nehm ſolche taͤglich dreymal/ und ſchwitze
darauff/ nachdem es die Kraͤffte ertragen koͤn-
nen.
Von dieſem Electuar. kan man zu præ-
ſerviren alle Morgen einer Haſelnuß groß
nehmen/ ſonſt aber in andern obgemeldten
Schwachheiten ʒß. ad ʒj. darauff laß den
Patienten ein Truͤncklein Citronwaſſer thun/
mit ein wenig Granat-Safft vermiſchet/ und
darauff fleiſſig ſchwitzen.
Welche die Krancken in Peſtzeiten viſiti-
ren oder beſuchen muͤſſen/ die bedienen ſich
des Morgens fruͤhe/ ehe ſie ausgehen/ einer
Butterſchnitte/ mit friſcher Raute/ ſo wohl
gewaſchen/ und ein wenig Theriack/ koͤnnen
dar-
[335]Artzneyen in Peſtzeiten ꝛc.
darbey auch ein geſchelte Welſche Nuß und
eine Feige genieſſen/ auch ein Stuͤcklein Zit-
werwurtz oder Diptam im Mund halten/ ſo
ſeynd ſolche gut præſervirt/ und naͤchſt Gott
24. Stund ſicher fuͤr der Peſtilentz.
Dieſes vermiſche zu einer Latwerg/ ge-
brauch es wie obiges/ und geb ein Loͤffel voll
Hollerbluͤht-Eſſig darauff zu trincken Oder
nehm nur friſche Wachholderbeer/ leg ſie uͤber
Nacht in Eſſig/ und laß alle Morgen 5. oder
6. davon eſſen/ ſo iſt man mit GOtt ſicher.
Wenn die Wurtzeln alle recht pulveriſirt/
ſo miſche alles im Moͤrſer/ thue Citronſafft
q. v. darzu/ und mache davon ein zarte Lat-
werg/ davon nehm alle Morgen temp. Peſt.
einer Bohnen groß in Mund/ ſolches behuͤ-
tet fuͤr dem Gifft. Iſt aber der Menſch
ſchon inficirt/ ſo geb davon ʒj. oder mehr/
nach Krafft der Perſon/ mit Saurampffer-
waſſer oder gutem Eſſig ein/ ſonderlich wenn
groſſe Hitz darbey/ kommt es aber mit Kaͤl-
te/ ſo vermiſche die Latwerg mit Ehrenpreiß-
oder Cardbenedicten-Waſſer/ und laß den
Patienten wohl drauff ſchwitzen.
Stoß alles durch einander zu einer Lat-
werg/ thue es in ein zinnern oder Porcellin
Buͤchslein/ dieſe dienet ſchwangern Frauen/
Kindern und alten Leuten/ davon geb man ei-
nem Kind 1. gutt. einem Alten ʒij. in Ampf-
fer/ Scabioſenwaſſer/ oder alten weiſſen
Wein/ und ſoll 3. a 4. Stund drauff nuͤch-
tern ſeyn/ und das wochentlich ein oder zwey-
mal zu nehmen/ nachdem die Lufft unrein iſt.
Wenn aber einer inficirt waͤre/ ſo geb man
ihm von dieſer Latwerg ʒij. und Theriac ʒj.
wol unter einander in Ampffer- oder Sca-
bioſenwaſſer gemenget/ und laß ihn 4. oder
5. Stund ſchwitzen/ ſo er aber ſchwach oder
ohnmaͤchtig werden wolte/ ſo geb ihm einen
Loͤffel voll Roſenzucker/ mit Ochſenzungen-
waſſer ausgezogen. D. Stocker.
℞. Vom beſten Brandwein ℔j. ſolvi-
re darinnen Kampffer ʒvj. ℈j. in dem Som-
mer/ in Winter ℥j. gr. 40. haͤnge in ein
duͤnnes ſaubers Tuͤchlein gebunden guten
Saffran gr. xij. darein/ verſtopff das Glaß
wohl/ und es muß auch den fuͤnfften Theil
ledig ſeyn/ ſo faͤrbt ſich der Spiritus Vini
ſchoͤn hoch Rubin roth/ davon nimmet man
etliche Tropffen zum Gebrauch.
℞. Scorzoneren Wurtz/ q. v. Macerir
es in einem Waſſer/ exprimir alsdann den
Safft/ clarificir ſelbigen/ und laß ihn bis
zur rechten Dicke eveperiren/ hernach wird
die Tinctur oder Eſſenz extrahirt/ Doſ. iſt
gutt. 20. ad 30. in einem Vehiculo, gleicher
Art
[350]DasXX.Capitel.
Art kan man es auch mit Tormentil/
Schwalben-Wurtz ꝛc. machen.
Folgen unterſchiedene kraͤfftige
Eſſige/ ſo in Peſtilentz-Zeiten
dienlich ſeyn.
℞. Peſtilentz-Wurtz/ Tormentil-Wurtz/
Zittber-Wurtz/ Schwalben-Wurtz/ Ange-
lick Wurtz/ Citron- und Lemonien Schalen/
Wein-Raute/ Galgant/ Scordien/ aa.
℥ß. Wacholder-Beer ℥iiij. alles groblecht
zerſtoſſen/ untereinander vermiſchet/ in ein
weit Glaß gethan/ und guten Wein-Eßig
℔. x, daruͤber goſſen/ und auffbehalten.
Folgen allerhand bewaͤhrte
Peſt-Pulver.
Vermiſche alles auffs ſubtileſte zu Pulver.
Vermiſche alles zu zartem Pulver. Doſ. ʒj.
Miſche alles wohl pulveriſirt. Doſ. ʒij.
Miſc. Doſ. ʒj.
Miſche es in 6. gleiche Theil/ eins auf
einmahl zu nehmen.
Folgen allerhand bewaͤhrte
Waſſer undSpiritus.
Zur Præſervation fuͤr eine erwachſene
Perſon gutt. 3. 4. ad 5. auf ein Schnittlein
Brodt/ oder in einem Trunck warmen
Wein/ Bier/ Fleiſch- oder Huͤnerbruͤhe fal-
len laſſen. Einem Kind aber von 3. 4. ad 10.
Jahren 3. Tropffen gleichergeſtalt gebrau-
chen.
Will man zu Leuten gehen/ kan man
Troͤpflein 2. unter die Naſe ſtreichen/ oder in
ein Tuͤchlein fallen laſſen/ und offt daran rie-
chen/ es præſerviret den Menſchen 24 Stun-
den. Waͤre aber ein Menſch bereit mit der
Seuche behafftet/ ſoll man ihm/ ehe 24.
Stunden vergehen/ einen Loͤffel voll dieſes
Gifftwaſſers eingeben/ entweder fuͤr ſich oder
in einem Trunck Saurampffwaſſer/ Sca-
bioſen- oder Cardbenedictenwaſſer.
Kommet die Peſt mit Froſt/ ſo geb es in
einem Trunck warmen Wein/ und laß den
Patienten/ wann es die Kraͤffte leiden wol-
len/ im Gemach hin und wieder fuͤhren eine
viertel Stund lang/ hernach warm zugedeckt/
ein Stund oder laͤnger darauff ſchwitzen/ dar-
nach ein friſch Hemd anlegen. In waͤhren-
den
[373]Artzneyen in Peſtzeiten ꝛc.
den ſchwitzen ſoll man den Patienten keinen
Durſt leyden laſſen/ ſondern von einem oben
geordneter Traͤncke genieſſen laſſen. Zu meh-
rer Vergewiſſerung ſeiner Geſundheit kan es
der Patient des andern Tages wiederholen/
hernach mit Rath eines Medici eine gelinde
Purgier oder Aderlaß zu Handen nehmen.
Zerſchneid und zerſtoſſe es/ ziehe mit gu-
tem Brandwein eine Tinctur heraus/ gieß
die Tinctur all zuſammen/ mache ein gantz wei-
ches Extract, zu ſolchem thue gepulvert
Folgen nun auch unterſchiedene
Præſervativ-Morſellen und ande-
re Zaͤltlein.
Mache alles zu einem Pulver/ ſtoß mit
gutem Theriac im Moͤrſer wohl unter einan-
der/ formire daraus kleine Kuͤchlein/ davon
alle Morgen ℈j. zu nehmen/ darauff trinck
ein Glaß voll Cardobenedicten-Wein/ ſo
biſt du dieſen Tag ſicher fuͤr der Peſt.
℞. Weiſſen Mag-Saam/ Hanff-
Saam/ Pferſig-Kern/ bitter Mandeln/
eines jeden ſo viel als des andern/ ſtoß un-
ter einander/ und thue auch ein wenig Wey-
rauch darzu/ ſo viel als eines von vorgedach-
ten Stuͤcken waͤget/ und auch ſo viel klein
geſtoſſen Raute/ gieß Wein-Eßig darzu/
und Roſen-Oel/ daß es gleich einer Salb
werde/ dieſes ſoll man warm machen/ auf
ein Tuch ſtreichen/ und uͤber Stirn und
Schlaff binden/ und wenn es kalt worden/
wiederum erwaͤrmen.
℞. Gemein Speiß-Saltz/ ſo groß als ein
Hennen Ey/ thu es in ein Pfaͤnnlein/ doͤrr
es wohl auf einer Gluth/ bis es graulecht
wird/ laß wieder kalt werden/ klopff das
Weiß von zwey Eyern darunter/ und gieß
vier Eß-Loͤffel voll Baum-Oel darzu/ ruͤhr
es untereinander/ laß ob einen kleinem Feuer
auffſieden/ darnach tunck reinen Hanff
darein/ und binde es alſo warm uͤber Stirn
und Schlaͤff etliche mal.
Dieſe vier vorgeſchriebene Recepten ver-
moͤgen gar viel wider die Peſt/ denn dieſelbe
helffen nicht allein davon denen/ die bereits
inficirt ſeyn/ ſondern ſie præſerviren und be-
wahren auch den Leib vor boͤſer Lufft und ver-
derblichen anſteckenden Seuchen.
ALlhier hat der geneigte Leſer den Beſchluß
dieſes Tractaͤtleins/ und wird in vorge-
henden zur Gnuͤge Materie angetroffen ha-
ben/ wie man ſich in dieſer gefaͤhrlichen
Kranckheit/ ſo wol curativè als præſervativè
zu
[391]Beſchluß dieſes Tractaͤtleins.
zu verhalten hat. Es moͤchte aber ein oder
der ander auf die Frage fallen/ warum aber
mehr inficirte Leut ſterben/ als wiederum
auffkommen? ſolches beantwortet uns Mar-
tinus Panſa in 1. cap. conſil. antipeſtif. 1. al-
ſo: Wir wenden uns zu den natuͤrlichen Ur-Warum
mehr
Krancke
an der Peſt
ſterben/
als wieder
auffkom-
men.
ſachen/ warum die inficirte Perſonen alſo in
groſſer Menge und groſſer Anzahl dahin ſter-
ben? Erſtlich iſt das groſſe Erſchroͤcknuͤß/
Kleinmuͤthigkeit und Schwermuͤtigkeit der
Krancken/ welcher/ ſo bald er mit der giffti-
gen Seuche angegriffen wird/ nicht anders
vermeynet/ als es ſey ihm dieſelbe zum Tod
aufferleget: laͤſſet demnach alle Mittel fah-
ren/ und iſt alſo ſeines Verderbens ſelbſt Ur-
ſache: So iſt auch der ſchaͤndliche Verzug
und Hinlaͤſſigkeit der Krancken ein nicht ge-
ringe Urſache; als der nicht zu rechter Zeit
Huͤlff ſuchet: ſondern ſiehet zu/ und erwartet
mit hoͤchſten Schaden/ was es ferner mit
ihm vor einen Ausgang nehmen werde:
Schicket erſt den Urin zum Doctor, und will
ſich bey ſelbigem ſeines Leibes Zuſtand er-
kundigen/ welches doch nicht allezeit aus dem
Waſſer erforſchet werden kan/ will geſchwei-
gen daß ſolche unbedachtſame Leut mit ihrem
Urin tragen nicht allein die Medicos, ſondern
auch ſich ſelbſt vergifften koͤnnen.
Zu dieſem kommet auch der Patienten Un-
bedachtſamkeit/ daß ſolche vorhero ſelbſt/ oh-
ne vorher gepflogenen Rath/ an ihrem Leib
B b 4kuͤnff-
[392]DasXX.Capitel.
kuͤnſteln/ und ihnen ſelbſt rathen wollen/ und
auff ein Experiment ſo gar veſt verlaſſen/ da
er doch weder auff die Artzney/ ſo er einnim-
met/ noch auff andere Umſtaͤnde keine verſte-
het. So iſt auch nicht eine geringe Urſach
zum Tod/ wenn er in ſchwebender Gefaͤhr-
lichkeit allerhand verbottene Mittel ergreiffet/
und zu alten Segenſprecherin/ Juͤdenaͤrtzt/
Henckern und Schindern lauffet/ ſolchen eher/
wider Gottes Gebott/ Glauben zuſtellt/ denn
bey gottsfoͤrchtigen und erfahrnen Aertzten
Huͤlffe verlanget. Uber dieſes auch ſo iſt
die Einfalt der armen Krancken ſo groß/ daß
ſolche als blind auff den Jahrmaͤrckten zu
den Marckſchreyern/ Wurtzelkraͤmern und
Land-Betriegern lauffen/ und allerley
Schmiererey von ſolchen um ihr gut Geld
kauffen/ wordurch mancher nicht nur ums
Geld/ ſondern auch zugleich mit um Leib und
Leben bracht wird. Unter andern iſt nicht
ein geringe Urſache die unreinen Logiamen-
ter/ und wann inficirte Geraͤth und Kleider
nicht gebuͤhrend gereiniget werden/ daher
ſich der Gifft zu Zeiten verliehret/ aber auff
ein andere Zeit ein noch groͤſſer Ubel anrichtet.
So iſt auch die Schuld einigen Patienten
zuzumeſſen/ welche unordentlich mit der Artz-
ney umgehen. Es ſey aber der Peſt Urſache
wie ſie wolle/ ſo muͤſſen fuͤr allen Dingen die
Leiber/ ſo nicht angriffen werden/ und aber
vor der Peſt wollen geſichert ſeyn/ von ihrem
Un-
[393]Beſchluß dieſes Tractaͤtleins.
Unflat und ſcheußlichen Uberfluß nach Noth-
durfft gereiniget werden. Denn es iſt keinAlle Leiber
der Men-
ſchen ſam̃-
len Unrath
bey ſich.
einiger Menſch auff Erden/ er lebe ſo maͤſſig
als er wolle/ ſo ſammlet er doch taͤglichen ei-
nen Uberfluß/ der ſich hernach in Gliedern
und Adern haͤuffet/ und ob wir es gleich nicht
allemal fuͤhlen/ dermaſſen einlagert/ daß
hieraus leichtlich eine Kranckheit erwachſen
kan. Dieſen des Herrn Panſæ oberzehlten
Urſachen kan auch mit angefuͤget werden/
daß das Peſtilentzialiſche Gifft ſo ſtarck iſt/
und ſtreng/ daß es die Kraͤffte des Hertzens
zerſtoͤhret/ ehe man ſeiner recht gewahr wird.
Zu dem auch wohnen offters die Leut wegen
theuren Haußzinſes in engen Gaͤßlein und Lo-
giamenten uͤber einen Hauffen/ daß es nicht
fehlen kan/ es muͤſſen ſolche Ausdaͤmpffun-
gen der Krancken/ und ihrer ſchlechten Abwar-
tung willen/ eines das ander anſtecken/ allwo
es dann gemeiniglich an Mitteln fehlet/ daß
ſolche Leute ihre ordentliche Medicamenta
nicht gebrauchen oder bekommen koͤnnen/ und
alſo eher als andere dahin ſterben muͤſſen.
Nicht weniger werden auch viel von des Me-
dici Unverſtand und Unfleiß verwahrloſet/
und dem Tod in Rachen geſchicket/ woruͤber
ſolche aber ſchwere Verantwortung zu ge-
warten haben.
Nun aber werden auch viele in Peſtzeiten
inficirt/ welchen es an guter Gelegenheit/ Ab-
wartung/ ordentlichen Medicamenten/ auch
B b 5an
[394]DasXX.Capitel.
an dem geſchickteſt- und gelehrteſten Medico
nicht ermangelt/ und gleichwol ſterben muͤſ-
ſen. Es dienet aber zu wiſſen/ daß kein Me-
dicus unter allen Menſchen zu finden iſt/ der
allen Krancken helffen moͤge/ ſintemal allein
zu helffen ein Reſervatum Dei iſt/ oder ein
ſolches Ding/ welches GOtt ſeiner Macht
vorbehalten hat/ daher er auch ſagt: Ich bin
der HErr dein Artzt; als wolt er ſagen: Ich
bin der rechte perfecte und vollkommeneſte
Medicus, der/ wenn er will/ allein helffen
kan. So ſind die Medici Menſchen/ das
iſt/ ſolche/ an welchen dergleichen Perfection
vom Fall Adams her keines weges zu finden.
So halten ſich nicht alle Patienten wie ſie
ſollen/ wie ſolte denn ein Medicus (ob er
ſchon mit ſolchem Verſtand von GOtt be-
gabet waͤre) alle erretten koͤnnen. Item ſo
adminiſtriren die Kranckenwaͤrter/ welche dar-
zu verordnet ſeyn/ ihr Ampt gar unfleiſſig/
und leben des Medici Verordnung ſehr
ſchlecht nach/ daß ſie den Krancken die Artz-
neyen ordentlich reichen ſollen. Dann auch
uͤbereylet offtermal die Kranckheit den Pati-
enten und Medicum, alſo daß die præſcri-
birten Mittel nicht bald oder geſchwind ge-
nug gereichet/ und ihre gehoͤrige Wuͤrckung
verrichten kan. Inſonderheit weil viel/ die
die Peſt bekommen/ ſolches verhaͤlen/ biß das
Hertz und Spiritus allzuſehr eingenommen/
daß keine Rettung mehr zu finden iſt. Iſt
alſo
[395]Beſchluß dieſes Tractaͤtleins.
alſo allhier nicht allein agentis fortitudo ſon-
dern auch patientis diſpoſitio zu conſideri-
ren/ und ſich derohalben nicht ſo ſehr zu ver-
wundern/ daß kein Medicus zu finden/ der
allen helffen koͤnne/ viel weniger ſeyn darum
die Artzneyen oder der Artzt zu verachten/ wie-
wol mancher den Doctorem oder Medicum
veracht/ und uͤber ihn klaget/ damit er ihm
nicht ſeine gebuͤhrliche Belohnung geben
darff.
Wann ſich aber begiebt/ daß ein ſolcherWie man
ſich nach
erlangter
Geſund-
heit zu
verhalten.
an der Peſt gelegener Patient wieder zu ſei-
ner vorigen Geſundheit gelanget/ ſo ſoll ſich
ſelbiger zufoͤrderſt zu GOtt den himmliſchen
Artzt wenden/ und ihm dafuͤr hertzlich danck-
ſagen. Sollen auch ihre Nachbaren und gu-
te Freunde/ welche noch mit dieſer Plage be-
hafftet/ mit Beſuchung/ Pflegung/ War-
tung/ Troſts und ſonſt bedient ſeyn/ diewei-
len ſie ſolches faſt ohne Gefahr thun koͤnnen.
Sollen ſich auch nach Obrigkeitlicher Ver-
ordnung eine Zeitlang einhalten/ und andere
noch geſunde Haͤuſer und Perſonen vermey-
den/ nicht alle Winckel auslauffen/ noch ih-
nen einbilden/ (nach der gemeinen Leut Mey-
nung) er koͤnne nunmehr die Peſt nicht mehr
bekommen/ weil er ſie einmal ausgeſtanden
habe. So ſoll er ſich auch mit Fleiß huͤten/
daß ſie andern nicht Forcht und Schroͤcken
einjagen/ welches nichts anders waͤre/ als
wann ſie ihren Neben-Menſchen die Kranck-
heit
[396]DasXX.Capitel.
heit mit Fleiß an Halß werffen wolten. In
Speiß und Tranck ſollen ſie ſich fein maͤſſig-
lich halten/ und die jenigen Speiſen/ welche
dieſe Kranckheit erregen/ ernſtlich vermeyden/
auch wenigſt in 14 Tagen nicht an den Lufft
gehen. Nun iſt zwar wahr/ daß die jeni-
gen/ welche die Peſt uͤberſtanden haben/ ſol-
che nicht ſo bald wieder bekommen/ als an-
dere/ welche noch nicht daran gelegen/ aber
dannoch ſollen ſie nicht freveln/ noch ſich muth-
willig in Gefahr begeben/ ſondern dennoch
uͤber den andern oder dritten Tag ein Præ-
ſervativ-Mittel einnehmen/ und das Gemach/
Kleider und Bette ein Zeitlang ungebrauchet
laſſen/ in welchen er kranck gelegen iſt.
Wann aber ein krancker Menſch an der
Peſt ſeinen Geiſt und Leben auffgiebet/ ſo ſoll
man ihm alsbald ein Stuͤck warm Brod an
den Mund an die Naßloͤcher legen/ oder in
deſſen Mangel ein Stuͤck Brod in einem
Waſſer erwallen laſſen/ und weil es noch
warm/ dem Sterbenden fuͤr den Mund hal-
ten/ wenn er aber verſtorben/ ſeine Augen und
Mund zuthun/ wo ſolche nicht allbereit zu
ſeyn/ das Brod hernach von ihm nehmen/
(aber nicht mit den Haͤnden anruͤhren) ver-
deckt/ tieff in das Erdreich vergraben/ ihn ſaͤu-
bern und reinigen/ das Sterb- oder Kleider
an- und vorige ausziehen/ das Gemach raͤu-
chern/ und etlich Tage nach einander aushei-
tzen/ hernach auffs neue mit Kalck ausweiſſen
laſſen/
[397]Beſchluß dieſes Tractaͤtleins.
laſſen/ den Sarg ohnverzuͤglich verfertigen/
und den Todten darein legen/ die Betten ab-
ziehen/ und was zu waſchen iſt/ waͤſchen/ und
ein Zeitlang hoch in Lufft haͤngen/ das
Stroh/ darauff der Krancke verſtorben/ auff
freyem Feld anzuͤnden/ aber nicht in flieſſend
Waſſer werffen/ damit es nicht andere Leut
inficire. Herlic. Conſil. Politico-Phyſic. Part. I.
cap. 8. und Part. 2. c. 13. An einigen Or-Ob es
recht ge-
than/ der
Verſtor-
benen Bet-
ten und
Kleider zu
verbren-
nen.
ten pfleget die Obrigkeit alle Betten/ worauff
Peſt-Krancke geſtorben/ mit Feuer zu ver-
brennen/ ob aber ſolches zu verantworten/ wi-
der der Eigenthums oder Beſitzer willen ſol-
ches zu thun/ iſt etwas bedencklich/ ſonder-
lich wenn ſolchen nicht von Obrigkeit oder
gantzen Gemeinde dafuͤr gebuͤhrende Satisfa-
ction gegeben wird. Sondern vielmehr ſoll
man durch darzu beſtellte Perſonen auſſer-
halb der Stadt ſolche ſaͤubern/ reinigen/ klopf-
fen/ fuͤrſichtiglich berauchern; auff dieſe
Weiſe ſoll man auch mit den Kleidern/ De-
cken/ Matratzen/ Leinen Gewand/ und andern
dergleichen verfahren/ und nicht wie offt ge-
ſchehen iſt/ armer Wittwen/ oder hinterlaſ-
ſener Kinder/ vorſetzlich in ſolchen Verluſt
ſtuͤrtzen/ und ohne Noth um das ihrige
bringen.
So pfleget man auch/ ſo bald der MenſchWie man
das Gifft
im Kran-
cken-Zim-
mer ein-
geſtorben/ oder wol weil er noch in letzten
Zuͤgen lieget/ einen Zuber voll laulecht Waſ-
ſer/ ſo keinen Dampff mehr von ſich gibt/
(dann
[398]DasXX.Capitel.
fangen
ſoll.(dann ſich ſonſt das Gifft damit vermenget/
im Gemach austheilet/ und leicht von den
Umſtehenden eingeathmet werden kan) nahe
bey ihm zu ſtellen/ oder in etlichen Gefaͤſſen
im Gemach hin und her zu ſetzen/ zuvor aber
weich Brod darein zu legen/ dann ſich offt
begeben/ daß das Gifft war zum theil ins
Brod bracht/ zum theil wie ein blauer Zun-
der ſich auffs Waſſer geleget/ wordurch die
Umſtehende verſchonet blieben: ſolch Waſ-
ſer ſoll man hernach/ wenn es ein Weil ge-
ſtanden/ ungeruͤttet an ein Ort/ da niemand
zu ſchaffen hat/ gegoſſen werden. Dieſes
alles iſt fleiſſig zu beobachten/ inſonderheit
was vom Athem der Sterbenden gemeldet
worden. Denn ich achte dafuͤr/ ſchreibt
Vor dem
Braden
der Ster-
benden ſoll
man ſich
huͤten.Herlitius im 13. Cap. daß der vergifftete A-
them am ſtaͤrckeſten und gefaͤhrlichſten ſey/
wenn der Menſch jetzund ſtirbt/ denn wenn
der Verſtorbene noch warm iſt/ gehet die rech-
te Subſtantia des Giffts am meiſten von dem
Menſchen; Urſach iſt der verſchloſſene giff-
tige Spiritus, derſelbe bricht erſt mit dem letz-
ten Dampff aus dem Menſchen herfuͤr/ als
der keine Temperatur und Erhaltung mehr
hat/ indem der Athem ausgehet/ ſondern rau-
chet und daͤmpffet fuͤr ſich ſelbſt/ und gehet
in die naͤchſte aͤuſſerſte Lufft deſſelben Ge-
machs/ wo der Krancke lieget/ bleibt auch
naͤchſt bey dem Krancken in der Lufft ſchwe-
bend: Ja man ſiehet vielmals eigentlich/ wie
ein
[399]Beſchluß dieſes Tractaͤtleins.
ein dicker Dampff/ der ſich zuſammen haͤlt/
von dem ſterbenden Menſchen ausgehet. Und
wer will es nicht dafuͤr halten/ daß derſelbe
Dampff/ ſo er nicht in den naͤchſten Men-
ſchen kommen kan/ ſich anhencke/ anklebe/ und
in den Kleidern/ Betten/ Decken/ einlege/ de-
rowegen ſoll man ſolche Gemach wohl raͤu-
chern mit ſolchem Raucherwerck/ wie oben
zur Gnuͤge bedeutet worden.
Wenn nun alles vorbeſchriebener maſſenWie Zim-
mer und
Gewand
des Ver-
ſtorbenen
zu reini-
gen.
beobachtet/ auch der Todte gebuͤhrend zur
Erden beſtattet worden/ ſo ſoll man das
Bett/ Zimmer und Leinwand/ ſamt den ge-
braucheten Kleidern/ ſaubern und reinigen:
Die Perſonen aber/ denen ſolches aufgetra-
gen wird/ ſollen ſich vorher mit guten Præ-
ſervations-Mitteln verſehen/ hernach den
Mund mit einem reinen Tuch verbinden/ da-
mit ſie nicht allen gifftigen Braden einhau-
chen; hernach mit Beſemen alles zum fleiſ-
ſigſten auskehren: Nach dieſem ſollen ſie alle
Fenſter zuthuen/ und in das Gemach ein
Kohlfeur tragen/ und mit darauff geſtreue-
ten Rauchwerck/ wo moͤglich/ einen gantz na-
tuͤrlichen Tag darinne raͤuchern; den fol-
genden Tag aber alle Fenſter wieder oͤffnen/
damit die Lufft frey und ungehindert in ſel-
big Zimmer gehen kan. Unterdeſſen ſoll man
alles mit dem ſchaͤrffeſten Eſſig abwaſchen/
und die Waͤnde/ wie gemeldet/ uͤberweiſſen
laſſen. Die im Zimmer befindliche Buͤcher
ſoll
[400]DasXX.Capitel.
ſoll man eben alſo reinigen/ und ſamt dem/
was Papier iſt/ beraͤuchern/ und hernach auf-
geſchlagen an die freye Lufft geleget werden.
Zum Schluß hat noch erinnert werden
ſollen/ daß man auch nicht ſo gar geſchwin-
de mit dem Verſtorbenen zu Grab eylen ſoll/
auch ſoll man ſolche nicht uͤber die Gebuͤhr
liegen laſſen/ ſintemahl die Lufft nichts mehr
verderben/ noch die Peſt erregen kan/ als
eben/ wenn die Todten-Coͤrper ſo lang un-
begraben liegen bleiben. Bey uns Teut-
ſchen pfleget man die Todten am dritten Tag
zu begraben/ welches aber in Peſtilentz-Zeiten
etwas zu lang/ doch muß man auch nicht ſo
geſchwind eylen/ und die Menſchen/ wenn ſie
noch warm ſeyn/ hinunter ſcharren/ weil Ex-
empel fuͤrhanden/ daß etliche fuͤr todt gehal-
ten und begraben werden/ die doch nicht recht
todt ſeyn/ ſondern nur in Ohnmacht liegen/
und erſt in den Graͤbern erſticken und verder-
ben muͤſſen.
Der fromme und gerechte GOtt wolle
unſer geliebtes Vaterland Teutſcher Nation
wieder mit gnaͤdigen Augen anſehen/ und
ſeine uͤber uns ausgeſteckte Zorn-Ruthe von
uns abwenden/ uns aber in ſolcher Chriſtli-
chen Bereitſchafft alſo erfinden laſſen/ daß wir
mit Freuden und Verlangen erwarten
moͤgen ein ſeliges
ENDE.
ENDE.