Dem
Durchleuchtigen/ Hochgebornen
Fuͤrſten und HERRN/
HERRN
Leopold Ludwig/
Pfaltzgrafen bey Rhein/ Hertzogen in
Baͤyern/ Grafen zu Veldentz/ ꝛc.
Seinem Gnaͤdigen Fuͤrſten und Herꝛn/
Wuͤnſchet von dem Hertzog deß Lebens/ JEſu Chriſto/
gluͤckſelige Regierung/ langes und gutes Leben/ ſampt allem
Fuͤrſtlichen Segen in irꝛdiſchen und himmliſchen Guͤtern/ hie
zeitliches und dort ewiges Wolergehen/
Vnterthaͤnig Gebets gefliſſener
Johann Conrad Dannhawer/ der Heil. Schrifft
Doctor, Profeſſor bey der Univerſitaͤt Straßburg/ und
daſelbſt deß Kirchen-Convents
Præſes.
DAß und warum ein glaubiger/ außer-
waͤhlter/ rechtſchaffener Chriſt einem edlen/
lebendigen/ fruchtbahren und geſegneten
Baum vom Heil. Geiſt in den Schrifften
der Propheten und Apoſteln verglichen wor-
den/ ſonderlich in dem erſten Pſalm Davids;
Daſſelb und darum hat der teutſche Prophet und beſte
A 2.Außleger
[]DEDICATIO.
Außleger der H. Schrifft Lutherus in etlichen Commentarien
und Schrifften ans helle Tags-Liecht gelegt/ und angezeigt/ daß
der Glaub der innerliche Safft ſey/ auß welchem die edlen Glau-
bens-Fruͤchte entſpringen/ und daher den Glauben ſelbſt einem
Baum verglichen/ auß welchem alle Tugenden als Fruͤchte ge-
zeuget und gezielet werden. Seine Wort lauten alſo Tom. 1.
lat. in Ep. ad Galat. pag. 449. f. 2.
Spiritus h. l. non Spiritum S. ſignificat ſed ſpiritualem homi-
nem, ut ſit antit heſis, opera carnis, fructus ſpiritus. Caro arbor mala,
proferens ſpinas \& tribulos: ſpiritus arbor bona, proferens uvas \&
ficus. Item carnis opera, non fructus: Spiritus fructus, non opera
vocat. Cur hoc? nempe quod opera carnis non ſint utilia, quia ſpinis
\& tribulis nemo frui poteſt, ſed ſunt opera mala, tantum nocentia.
At opera Spiritus proſunt \& frui illis poſſumus in æternum, ſunt fi-
cus \& uvæ terræ promiſſionis, rectè ergo fructus nomine commen-
dantur. Das iſt: Geiſt bedeutet allhier nicht den heiligen Geiſt/ ſondern
den geiſtl. Menſchen/ damit ein Gegenſatz ſey zwiſchen den Wercken deß
Fleiſches und den Fruͤchten des Geiſtes. Das Fleiſch iſt ein arger Btum/
ſo Dorn und Diſteln traͤgt/ der Geiſt aber iſt ein guter Baum/ ſo Trauben
und Feigen bringet. Jene nennet er nicht Fruͤchte/ ſondern Wercke deß
Fleiſches; dieſe Fruͤchte und nicht Wercke deß Geiſtes: Warum das? nem-
lich daß die Wercke deß Fleiſches kein nuͤtz ſeyn/ weiln niemand der Dornen
und Diſteln genieſſen kan/ ſondern ſind boͤſe und nur ſchaͤdliche Wercke.
Aber die Wercke deß Geiſtes nutzen und koͤnnen wir derſelben in Ewigkeit
genieſſen/ ſind Feigen und Trauben deß gelobten Landes/ werden derohal-
ben recht und wol Fruͤchte genennet. Tom. 3. lat. in Eſa. 61. p. 429. Et vo-
cabuntur in ea fortes juſtitiæ, plantatio ad glorificandum \& vocabuntur arbores
juſtitiæ \& plantatio Domini in gloriam. Eſt pulcherrima figura, quæ con-
tinet inſignem conſolationem, quod Chriſtiani, coram Mundo con-
tempti, neglecti, infirmi; coram DEO ſint ceu paradiſus \& jucundiſ-
ſimæ arbores, quæ de die in diẽ propagentur \& uberius proveniant
\& fructificent. Mundus habet etiam hortos ſuos, in iis ſunt arbores
injuſtitiæ, ergo non ſunt conferendæ cum Chriſtianis. Præterea hoc
etiã hæc ſimilitudo ſignificat, quod Chriſtianus non fit ſed naſcitur;
non paratur humanis viribus ſed plantatur manu divinâ. Chriſtus
enim hortulanus eſt, \& Chriſtiani ſunt opera meræ gratiæ, qui per
verbũ eradicantur ex horto Mundi, \& transferuntur de Mundo in a-
liam
[]DEDICATIO.
liam vitam. Quod autem addit, Plantatio Domini in gloriam ſignificat
ſacrificium Chriſtianorum, quod non mactabunt pecudes ſed glori-
ficabunt factorem ſuum. Sunt enim arbores, in quarum ſingulis foliis
hæ literæ ſunt ſcriptæ, Ago tibi gratias Domine, confiteor tibi Domine \& c.
Das iſt: Es werden die Gerechten/ Baͤume der Gerechtigkeit/ und Pflan-
tzen deß Herꝛn zum Preiſe/ genennet. Jſt eine ſehr ſchoͤne Figur oder Wort-
blum/ welche groſſen Troſt in ſich haͤlt/ daß die von der Welt verachte/ ver-
laſſene/ ſchwache Chriſten vor GOtt wie ein Paradieß und als die luſtig-
ſten Baͤume ſeyn/ welche von Tag zu Tag fortgepflantzet/ und alſo deſto
reichlicher herfuͤr wachſen und Frucht bringen. Die Welt hat auch ihre
Gaͤrten/ aber in denſelben ſind Baͤume der Ungerechtigkeit/ derowegen
ſind ſie mit den Chriſten nicht zu vergleichen. Uber diß bedeutet auch dieſe
Gleichnuͤß/ das ein Chriſt nicht gemacht/ ſondern geboren/ nicht durch
menſchliche Kraͤffte bereitet/ ſondern durch Goͤttliche Hand gepflantzet
wird. Dann Chriſtus iſt der Gaͤrtner/ und Chriſten ſind lauter Gnaden.
Werck/ welche durchs Wort aus dem Garten der Welt außgewurtzelt
und von der Welt in ein ander Leben verſetzet werden. Daß er aber hinzu
ſetzet Pflantzen deß HErꝛn zum Preiß/ bedeutet der Chriſten Opffer/
daß ſie nicht Vieh ſchlachten/ ſondern ihren Schoͤpffer preiſen werden/
dann es ſind Baͤume/ auff welcher jeglichen Blaͤttern dieſe Wort geſchrie-
ben: Jch dancke dir HERR/ Jch preiſe dich HERR/ und
dergleichen.Tom. 1. Isleb. p. 13. f. 2. Chriſtus ſagt: Ein boͤſer
Baum traͤgt keine gute Fruͤchte. Ein guter Baum traͤgt keine boͤſe Fruͤchte.
Nun iſts offenbar daß die Fruͤchte nicht den Baum tragen/ ſo wachſen
auch die Baͤume nicht auff den Fruͤchten/ ſondern die Baͤume tragen die
Frucht/ und die Fruͤchte wachſen auff den Baͤumen. Wie nun die
Baͤume muͤſſen ehe ſeyn dann die Fruͤchte/ und die Fruͤchte machen nicht
die Baͤume weder gut noch boͤſe/ ſondern die Baͤume machen die Fruͤchte:
Alſo muß der Menſch in der Perſon zuvor fromm oder boͤſe ſeyn/ ehe er
gute oder boͤſe Werck thut/ und ſeine Werck machen ihn nicht gut oder
boͤſe/ ſondern er macht gute oder boͤſe Werck. Tom. 4. Witt. p. 95.
Es ligt aber alles darin/ daß man verſtehe/ was er gute oder boͤſe Baͤume
und Fruͤchte heiſſet/ dann es iſt bald geſagt/ das iſt eine Feige/ oder eine
Diſtel/ ein guter Apffel/ oder ſaure Schlehen/ und mit den Augen und
Vernunfft leicht zu ſehen und verſtehen. Aber da es Chriſtus hinzeucht/
iſt es unmuͤglich ohn allein durch geiſtlichen Verſtand nach Gottes Wort/
zu oͤrtern; Dann wir haben droben gehoͤret/ wie dieſelbigen falſchen
Lehrer bringen ſolchen Schein und glatte Wort/ daß die Ver-
A 3nunfft
[]DEDICATIO.
nunfft nicht vermag zu richten/ noch ſich kan dafuͤr huͤten/ ja es iſt eben
ſolche Lehre und Leben/ die aus der Vernunfft gewachſen und ihr gemaͤß
iſt/ und uns natuͤrlich wolgefaͤllet/ weil ſie von unſerm Eigenthum und
Wercken lehret/ ſo wir verſtehen und vermoͤgen. Das heiſt aber kuͤrtz-
lich/ ein guter Baum/ ſo gute Fruͤchte bringet/ der da lebt und ſein Leben
und Wandel fuͤhret nach Gottes Wort/ rein und lauter. Alſo ſind dieſe
Wort (an ihren Fruͤchten ſolt ihr ſie erkennen) zum Wahrzeichen geſetzet/
und zum Ziel geſteckt/ darnach man ſie richten und kennen kan. Wer-
den wir aber betrogen/ ſo iſts niemand dann unſere Schuld/ dann er hat
uns nicht in Zweiffel gelaſſen/ ſondern duͤrꝛ und klar abgemahlet/ koͤnnet
ihr ſie nicht urtheilen (ſpricht er) fuͤr den ſchoͤnen Schaffs-Kleidern/ ſo
mercket nun auff ihre Fruͤchte und Wercke/ ob die rechtſchaffen und gut
ſind? Ja (ſprichſt du) wie kenne ich dieſelbigen? moͤgen doch dieſelbigen
auch wol triegen. Antwort: Du weiſt ja was Gottes Gebot ſind/ da
ſihe ob ſie nach denſelbigen gehen. Dann ich wil dir gewiß Buͤrge dafuͤr
ſeyn/ daß kein Rottengeiſt kommen wird/ er ſolls ſo verſigeln und ein
Stanck hinter ſich laſſen/ daß man ſehe/ daß der Teuffel da geweſen ſey:
und iſt auch noch nie kein falſche Lehr und Ketzerey auffkommen/ ſie hat
das Wahrzeichen mit ſich gehabt/ ſo er hie zeiget/ daß ſie andere Werck auff-
geworffen haben/ dann GOtt geboten und verordnet hat. Daß nun die
Welt verfuͤhret wird/ kommt nirgend her/ dann daß ſie der tollen Ver-
nunfft folget/ und laͤſſt Gottes Wort unter der Banck liegen/ achtet nicht/
was er gebeut/ ſperret dieweil die Augen auff nach den Larven/ wo ſie nur
etwas ſeltzams ſihet. Tom. 12. Witt. p. 327. Wo die Lehre unrein und
falſch iſt/ kan der Glaub nicht recht und rein ſeyn/ wo der Glaube nicht
recht iſt/ da koͤnnen keine gute Fruͤchte oder gute Werck ſeyn/ ſie gleiſſen
wie ſie wollen/ wie der HErꝛ ſagt Matth. 12. Setzet den Banm und ſeine
Fruͤchte gut/ oder ſetzet den Baum faul und ſeine Fruͤchte faul. Und cap.
7. Ein guter Baum bringet gute Fruͤchte/ ein boͤſer Baum bringet boͤſe
Fruͤchte. Es iſt alles um die Lehre zu thun/ wo die recht iſt/ ſo iſt alles
recht/ Glaube/ Werck/ Leben/ Leyden/ gute und boͤſe Tage/ Eſſen/ Trin-
cken/ Hungern/ Duͤrſten/ Schlaffen/ Wachen/ Gehen/ Stehen/ ꝛc. Wo
die Lehre nicht recht iſt/ da iſts umſonſt/ alles verlohren/ und alles gaͤntz-
lich verdammt/ Werck/ Leben/ Leyden/ Faſten/ Beten/ Allmoſen/ Kap-
pen/ Platten und was der Paͤbſtlichen Kirchen Heiligkeit mehr iſt. Tom.
1. Isleb. p. 160. f. 2. Daß aber der Glaub den Wercken wird fuͤrgezogen/
iſt das die Urſach: Der Menſch zuvor ehe er gute Werck thut muß er
gerecht ſeyn/ ſonſt thut er kein gut Werck/ dann es ſtehet alles unbeweg-
lich/
[]DEDICATIO.
lich/ alles das nicht aus dem Glauben kommet/ iſt Suͤnde/ Rom. 14. die-
ſe Gerechtigkeit geſchiehet allein durch den Glauben/ dann der Glaub iſt
der Anfang dieſer Gerechtfertigung. Das gehet alſo zu/ wann Gott den
Menſchen etwas verheißt oder zuſagt/ als Seligkeit (dann der da glaubt
und wird getaufft ꝛc. Marc. 16.) und/ der Menſch erwartet ſolche gewiſſe
Zuſagung/ wirfft ſein Gemuͤth und Sinn darauff/ glaubet kraͤfftiglich/ es
ſey ihm um ſeinet willen geſchehen/ ſtehet in ſolcher Zuſagung Gottes ſo
feſt/ daß er gaͤntzlich daran keinen Zweiffel hat/ dann ſo er zweiffelt/ ſo iſt es
aus/ wie droben geſagt. Et ib. p. 161. Es iſt unmuͤglich/ wo der Glaub
recht iſt/ daß die Fruͤchte oder Werck nicht ſolten folgen/ das iſt aber wahr/
der Menſch zuvor ehe er gute Werck thut/ muͤſſe er gerecht ſeyn/ dieſe Ge-
rechtigkeit wuͤrcket allein der Glaub. ib. Tom. 1. Isleb. p. 172.
Kein Werck iſt boͤſe/ daß den Menſchen moͤge verdammen/
auch keins ſo gut/ das den Menſchen moͤge ſelig machen/ ſon-
dern allein der Glaub macht uns ſelig/ und der Unglaub ver-
dammet uns. Alſo machet einen niemand fromm/ dann der
Glaube/ und nichts machet einen boͤß/ dann der Unglaube/
daher ſagt auch der HErꝛ/ daß der Baum abgehauen ſol wer-
den: Er ſpricht nicht man ſol die Fruͤcht abhauen. Darum
Werck der Liebe machen mich nicht fromm/ ſondern allein
der Glaube/ in dem ich dieſe Werck thue und dieſe Fruͤchte
trage. Alſo muͤſſen wir an dem Glauben anfahen. Der
Pabſt aber faͤhet an den Wercken an/ und heiſt gute Werck
thun/ daß man fromm werde/ gleich als wann ich zum Baum
ſpreche/ wilt du ein guter Baum werden/ ſo hebe an und trage
Aepffel/ gleich als moͤg ich Aepffel tragen ehe ich ein Baum
ſey/ ſondern ich muß ſagen/ wilt du Aepffel tragen/ ſo hebe an
und werde ein Baum/ alſo muß der Baum ſeyn zuvor/ ehe er
Fruͤchte gewinnet.
Wie es nun ein groſſer Unverſtand und Unſinn/ ein blin-
der Jrꝛthum und Thorheit waͤre/ wann irgend ein Gaͤrt-
ner oder Gartenmann wolte Fruͤchte bauen vor der Pflan-
tzung deß Baums/ oder auch zeitige Fruͤchte von den areolis
Laͤndern oder Boden erfordern/ und hoffen/ ehe und dann er
den
[]DEDICATIO.
den Baum recht auffgerichtet/ geſetzt und befeſtiget. (Sintemahl
der erſte Ertz-Gaͤrtner der Allmaͤchtige GOtt in ſeinem Para-
dis und Luſt-Garten zu erſt die Baͤum gepflantzet/ daß ſie aller-
hand Fruͤchte und Obſt tragen/ machen und gebaͤren ſollen/
ein jeder nach ſeiner Art) Alſo wuͤrde auch der jenige geiſt-
liche Garten-Mann und Lehrer der Kirchen das ὕςερον πρότερον
ſpielen/ das hinderſt zum forderſten handeln/ und wie man ſagt/
die Pferde hinter den Wagen ſpannen/ wañ er wolte gute Werck
heiſchen/ ohn vorhergehende Gruͤndung deß wahren Glaubens:
jederman/ wer dergleichen ſihet und hoͤret/ wůrde fragen/ ob ſol-
cher Mann noch bey geſunden Sinnen?
Dennoch hat dieſe letzte und aͤlteſte Welt/ nachdem ſie ein-
mahl in ihrem hohen Alter ins delirium gerathen und ange-
fangen zu fabeln/ aus unzeitiger Liebe/ einen ungoͤttlichen/
fleiſchlichen/ hoͤchſtgefaͤhrlichen Religions-Frieden neben an-
dern neuen Fuͤnden und Mahometiſchen Zwangs-Mitteln/
auch dieſen Fund der umgekehrten Gartnerey auff die Bahn
zu bringen ſich nicht entbloͤdet. Nicht genug war es daß
man deß HErꝛn Gebet das heilige Vatter Unſer verkehret/
die Bitt ums taͤgliche Brodt/ darunter auch der Frieden be-
griffen/ der Bitt um die Heiligung deß Goͤttlichen Namens/
Vermehrung ſeines Reichs und Erfuͤllung ſeines Willens
vorgeſetzet/ und im Werck ſelbſt alſo beten und ſagen gelehrt:
Dein Nam iſt ſchon geheiliget/ dein Reich iſt kom-
men/ dein Will iſt geſchehen/ das iſt/ wir ſind hei-
lig und vollkommen/ duͤrffen keiner Suͤnden
Vergebung noch Schutz fuͤr Anfechtung mehr/
gib nur Brodt und Fried zu unſern Zeiten. Wie
ſolchen Faulwitz ſchon zu ſeiner Zeit wahrgenommen und ent-
decket der theure Lutherus Tom. 6. Witt. im Betbuͤchlein f. 129.
Sondern es wollen auch die Fruͤchte der Gerechtigkeit deß
wahren
[]DEDICATIO.
wahren Chriſtenthums und gute Werck zuvor exigirt und er-
friſchet werden/ ehe man die Gerechtigkeit ſelbſt/ den Grund
deß wahren Chriſtenthums/ die Wurtzel der rechten guten
Werck deß wahren ſeligmachenden Glaubens erbauet/ be-
ſaͤfftiget/ dargeſtellet/ dermaſſen befeſtiget und verwahret/
daß er durch keinen widrigen Wind/ Sturm und Wetter
luck und wanck gemacht werden koͤnne. (o) Solcher Art
ſind noch heutigs Tags die Homiliæ und Predigten aus Ba-
bylon/ ſo nach und nach/ und ſonderlich Jeremiæ Drexelii
des beruͤhmten Lojoliten Schrifften außgeflogen/ auch die
Poſtillen und muͤndliche Predigten der Reformirten/ (welche
zeitlich gemerckt/ wie gut es ſey und dem Abgott-Bauch wol
thue/ von dem Decreto abſoluto und andern verhaßten Leh-
ren auff der Cantzel zu ſchweigen/ und hingegen mit den mo-
ralien dem gemeinen Volck die Ohren zu krauen) und wie
wollens doch an jenem ſtrengen Gerichts-Tage verantwor-
ten unſere Drexelianiſche Affen/ die mit ihren moralien und
guten Wercken auff der Cantzel ſo viel zu ſchaffen haben/ daß
ſie der ſtarcken Speiß deß Glaubens druͤber vergeſſen/ laſſen
ihre Zuhoͤrer immer an der Milch ſaugen und carnis privio
laboriren, wollen keinen falſchen Lehren und Lehrern weh
thun/ ſondern lieber die bewaͤrte Mittel den Grund deß Glau-
bens recht zu legen und fůr aller widerwaͤrtigen Sophiſterey
zu verwahren/ daͤmpffen/ und demnach das Cantzel-Diſputi-
ren/ elenchiren/ durch wolflieſſende conſequentias (welche
Gegentheil erkennen muß/ und nicht vergebene Außflucht ſu-
chen/ mit jenem der die Articul ſeiner Verjicht geſtanden/ und
doch die conſequentz deß Richters; Ergo ſoltu vom Leben
Achter Theil. Bzum
[]DEDICATIO.
zum Tod hingerichtet werden/ nicht paſſiren laſſen) den Eiſſen
recht zu ruͤhren/ nicht allein fuͤr ſich ſelbſt Scheu tragen/ ſon-
dern auch andern verleiden/ in Summa/ die Fruͤchte erzwin-
gen wollen/ ehe ſie den Baum gnugſam gepflantzet/ geruͤttelt
und geſchuͤttelt/ oder auch die geſunde Fruͤchte recht abgebrochen
und abgeſchelet; da doch um ſo viel ſtaͤrcker und eyfferiger
ob dem Glauben/ der einmahl den Heiligen fuͤrge-
geben/ zu kaͤmpfen waͤre/ als groͤſſern Schaden der Jrꝛ-
thum deß Glaubens der Chriſtlichen Kirchen zu thun pflegt;
Wovon abermahl Lutherus zuhoͤren:
Tom. 1. lat. p. 396. Malum fidei in optimis moribus facit hæ-
reticos, ſu perbos, ſchiſmaticos, quos ſcriptura proprie im pios
Hebr. Reſchaim vocat. Mali mores, peccatores faciunt ſalva fi-
de, ſaltem aliorum, h. e. non impugnant fidem, etſi etiam ſciunt ſe
non habere \& debere, ideo ſunt facilè curabiles. Malum autem
fidei, mox etiam criminatur \& perſequitur fidem aliorum, ut ſuam
ſtatuat. Das iſt: Das boͤſe deß Glaubens machet Ketzer/
hoffaͤrtige Sectirer/ welche die Schrifft Gottloſe/ auff Hebreiſch
Reſchaim neñet. Boͤſe Sitten machen Suͤnder ohn Verletzung
deß Glaubens auffs wenigſt der andern/ das iſt/ ſie fechten den
Glauben nicht an/ ob ſie ſchon wiſſen/ daß ſie ſelbigen nicht haben
oder haben ſollen/ derohalben ſind ſie ja leicht zu recht zu bringen.
Aber das boͤſe deß Glaubens ſchaͤndet und verfolget auch gleich
anderer ihren Glauben/ damit er den ſeinen beſtaͤtige.(o)Haut
Uber-
[]DEDICATIO.
(o)
ſtultè ſapiunt. Dieſe Leute ſind nicht einfaͤltig! Solcher maſ-
ſen ſchonen ſie ihres Hirns/ entledigen ſich ſchweren Laſtes/ die
controverſien und Religionsſtreitigkeiten eigentlich und nicht
bloß von hoͤrſagen/ oder mit fremden Augen/ zu erkundigen/
gruͤndlich und kraͤfftig zu widerlegen/ aus allen Bibliſchen
gnugſam außgewirckten Texten das rechte Marck per locos
proprios aus zu ſaugen und in Troſt- und Tugend-Lehren zer-
flieſſen zu laſſen: ſuchen unterdeß Menſchen-Tag und Pfaf-
fen-Ruh/ treiben die moralia, ruͤhmen die blinde idiotiſche Wi-
dertaͤufferiſche Einfalt/ wollen die Leute fromm machen ohn
die rechte Wurtzel der Froͤmmigkeit; ut vulgo placerent quas fe-
ciſſent fabulas.(*) Kompt endlich an ſtatt eines fruchtbaren
B 2wir
[]DEDICATIO.
(*)
Baums und deſſen Fruͤchte nichts anders herauß als faul
Zuͤndholtz/ ſo bey Nacht einen Schein von ſich gibt/ ohne Le-
ben/ Safft und Krafft; anſtatt der wahren Marck-Kern- und
Hertzens-Tugen den lauter Affenwerck/ ſo in der bloſſen imita-
tion der Heiligen beſtehet (ſo machts Mahometh/) uͤberreden
die Leut/ Chriſti Evangelia ſeyen myſteria und Geheimnuͤſſen/
ſo ſchwer zu verſtehen/ der Alcoran gehe leichter ein; Sol-
cher maſſen iſt im Pabſithum der eingeflochtene und blinde
Glaube ein Heiligthum worden: So hat man das ſchwere
Predigen gering/ das zur Augenfuͤll angeſehene leichte Meſ-
ſen-
[]DEDICATIO.
ſen-Werck groß gemacht und hoch erhoben/ unterdeß weltli-
che Prælaturen verwaltet/ und durch die blinde Lieb die Kloͤſter/
der Faulkeit zum Vortheil/ ſampt koͤſtlichen Baſiliken erbauet.
Sic charitas ædificabat!
Mittelſtraß die beſte was! Nach dem der Sathan jen-
ſeit aus der ſcienz ein Inflat oder Unflat gemacht/ und die edel-
ſte Diſputir-Kunſt ſchaͤndlich mißbraucht/ ſo legt er ſich
jetzt auff die ander Seite/ und wil die Chriſtenheit von der
rechten purificirten Wiſſenſchafft ab- und zur blinden Liebe
wenden/ und wie oben erwehnet/ lehren die Fruͤchte bringen
ohn den Baum. Darum das Mittel zu erwaͤhlen/ den
Wurtzel-Safft- und Kraffthabenden Glauben feſt zu pflan-
tzen/ und aus deſſen lebendiger Bewegung das menſchliche
Hertz zu aͤndern und zu erneuern/ den liebreichen Glauben
und glaubreiche Lieb zu befoͤrdern/ in dieſen letzten gefaͤhrli-
chen Zeiten/ hochnoͤthig.
Weil ſo gethanes Mittel zu treffen ich mir ſonderlich in
dieſer Catechiſmus-Lehr (deren vorigen Theil ich gern beſſer
poliren/ limiren, auß feylen und ſchleiffen moͤchte/ wo Zeit und
Muß es zulaſſen wolten) hab laſſen angelegen ſeyn/ zu aller-
forderſt den rechten wahren Glauben gruͤndlich zu ſetzen/ und
folgends aus demſelben beydes fructus Evangelicos \& legales
heilſame/ ſafftige/ Evangeliſche Troſt- und Gott wolgefaͤllige
nůtzliche Zucht- und Tugend-Fruͤchten zu erzielen: Als laſſe
ich zu gleichem End dißmahl auch dieſen achten Theil herauß
kommen/ fuͤrnemlich dem Teutſchen Chriſtlichen patrioten
und Biedermann damit zu dienen/ denſelben nicht immer an
der Milch hangen zu laſſen/ ſondern auch ſtarcke Speiſen fuͤr
zu tragen/ wider alle Anfechtungen ſich (nicht nur zu naͤhren/
ſondern auch/ zu wehren. Chriſtus (ita Auguſt. tractat. 98. in Joh.)
crucifixus \& lac ſugentibus eſt, \& cibus proficientibus, das iſt: der
gecreutzigte Chriſtus/ iſt eine Milch-Speiſe den Saͤuglingen/ und auch zu-
gleich eine ſtarcke Speiſe den gewachſenen. Gleich wie in der Natur/
vermittelſt der concoction in dem menſchlichen Leibe/ die zarte
flieſſende Milch in hartes/ dickes und ſattes Fleiſch ver-
wandelt wird: Alſo ſoll es auch auff gewiſſe Weiſe in der geiſt-
lichen Seelen-nahrung geſchehen. Darum ſich deſto weniger
zu verwundern/ daß dieſer gegenwaͤrtige achte Theil/ wie
B 3auch
[]DEDICATIO.
auch die vorigen den Namen der Catechiſmus-Milch
getragen und behalten/ dieweil dieſe ſtaͤrckere Speiß aus der
Milch erwachſen und durch einen leichtern methodum der
Gleichnuͤſſen/ Exempeln/ ſonderlich aus den Schrifften Lu-
theri (mit welchen ich dieſe Predigten gewůrtzet und durch-
geſpicket/ als in denen ich mehr Geiſt/ Liecht/ Nachdruck/
Safft und Krafft als in allen Drexeliis, Granatenſibus, Schere-
ris, Scultetis, Neubergeris, \&c. gefunden) herauß gezogen wor-
den/ und daſſelb in Teutſcher verſtaͤndlicher Mutterſprach/
abermahl nach dem Exempel Lutheri/ deſſen hocherleuchteten
Mannes Worte ich hie mir eigen mache die er fuͤhret/ Tom.
7. Witt. l. von guten Wercken pag. 67. f. 2. Wolte Gott ich
haͤtte einem Laͤyen mein Lebenlang mit allem mei-
nen Vermoͤgen zu der Beſſerung gedienet/ ich wol-
te mir genuͤgen laſſen/ Gott dancken/ und gar wil-
lig darnach laſſen alle meine Buͤchlein umkom-
men. Jch wil einem jeden die Ehre groſſer Ding
hertzlich gerne laſſen/ und mich gar nicht ſchaͤmen/
Teutſch dem ungelehrten Laͤyen zu predigen und
ſchreiben/ wiewol ich deſſelbigen wenig kan/ duͤnckt
mich doch/ ſo wir bißher und fort mehr uns deſſel-
bigen gefliſſen haͤtten und wolten/ ſolte der Chri-
ſtenheit nicht eines kleinen Vortheils mehrer Beſ-
ſerung zugewachſen ſeyn/ dann aus den hohen groſ-
ſen Buͤchern undQuæſtionenin den Schulen unter
den Gelehrten allein gehandelt.
Daß aber unter E. Fuͤrſtl. Gn. meines gnaͤdigen
Fuͤrſten und Herꝛn Hochloͤblichſten Nahmen/
ich dieſe meine einfaͤltige Gedancken/ uͤber das vierte Stuͤck
deß Chriſtlichen Catechiſmi/ publiciren und außfliegen laſſe/ da-
zu hat mich bewogen und gleichſam magnetico tractu gezogen
theils
[]DEDICATIO.
theils Dero hochberůhmte brennende Eyfer in Fovirung der
Lauterkeit in Religions- und Glaubens-Sachen/ die Raritaͤt
der ſolidirten Erkantnůß/ und Rettung der reinen und ge-
ſunden Lehr/ und derſelben Gegenwehr/ ſonderlich aber die
hertzliche und beſtaͤndige Devotion in Ubung der wahren
Gottſeligkeit und darauß flieſſenden rechten Gottesdienſt/
alſo daß der nicht irren ſolte/ welcher (was von den Chriſtloͤbl.
Kayſern/ Conſtantino M. Euſebius l. 4. vit. Conſt. c. 17.
ſchrifftlich hinterlaſſen (ἐν τοῖς βασιλέιοις) in ipsâ eum regiâ for-
mam Eccleſiæ conſtituiſſe, ac (ἐυχὰς ἐνθέσμους) preces ordi-
narias cum univerſâ aulâ ibi congregatâ ad Deum fudiſſe:
Er hab in ſeinem Koͤniglichen Schloß die Form einer
Hauß-Kirch angerichtet/ und daſelbſt taͤgliche Bett-
ſtunden ſampt allem ſeinen Hoffgeſind gehalten;
Und was von Theodoſii deß juͤngern Hoffhaltung Socrates
erzehlet l. 7. hiſt. c. 22. ſein Koͤniglich Hauß ſey einem
Cloſter/ (ἀσκητηρίῳ) darin man heilige und Gottes Wort ge-
maͤſſe Ubungen gepflogen/ aͤhnlich geweſen) von Ew.
Fuͤrſtl. Gnaden wol regulirten Hoff/ und in denenſelben
florirenden Gottesdienſt/ ruͤhmen/ ſagen und ſchreiben wuͤr-
de. Jn zuverſichtlicher Hoffnung/ es werde dieſe gegenwaͤr-
tige geringe Papierne Beylag daſelbſt nicht unwillkommen
ſeyn koͤnnen/ wo Gottſeligkeit wohnet/ und dero Jnſtrumenta
oder Ubungs-Mittel genehm gehalten/ und namentlich auch
die vorigen Theil der Catechiſmus-Milch/ geleſen werden.
Theils aber auch die unverdiente gnaͤdige Fuͤrſtl. Affection/
die gegen meiner unwuͤrdigſten Perſon eine lange Zeit bißher
geleuchtet/ in vielfaͤltigen gnaͤdigen Begruͤſſungen/ auch
ſchrifftlichen eigenhaͤndig/ und in Lateiniſcher Sprach con-
cipirten monumenten, ſampt/ durch dero Herꝛn Hoffpredi-
ger und Dienern/ mehrmal bezeugten Verlangen zu einiger naͤ-
hern Præſentz/ Conjunction und Geſpraͤch (welches letztere
die-
[]DEDICATIO.
dieweil mein Alter und obliegende einheimiſche Ampts-geſchaͤfft
nicht zulaſſen wollen) als hab bey Ewr. Fuͤrſtl. Gn.
ich auff Ezechiels Wagen (welcher typus in gegenwaͤrtigen ach-
ten Theil und in demſelben verfaſſten Apoſtoliſchen Außgang in
die gantze Welt hinauß/ dilucidirt und im Werck ſelbſt darge-
ſtellt wird) hiemit erſcheinen/ und mit dem Geiſt/ der mir aus
Gnaden von Chriſto gegeben iſt/ meine geringfuͤgige Præſentz
leiſten wollen.
Ubergebe alſo Ewr. Fuͤrſtl. Gnaden hiemit in
tieffſter Reverentz und unterthaͤniger Neigung beſagten achten
Theil/ Deroſelben zu Beharrung in angefangener Fuͤrſtl. Gnad
und maͤchtigen patrocinio mich gaͤntzlich ergebend/ auch fle-
hentlich und inniglich bittend/ die Goͤttliche Allmacht/ wolle
Ewr. Fuͤrſtl. Gnad. Perſon/ Fuͤrſtl. Gemah-
lin/ Fuͤrſtl. junger Herꝛſchafft und Fraͤulinen/
ſampt gantzem hohen Stammen/ mit immerwaͤh-
renden leiblichen Segen in irꝛdiſchen/ geiſtlichen in himmli-
ſchen Guͤtern/ erfreuen/ und das Fuͤrſtliche Hauß unter ſich
wurtzeln/ und uͤber ſich Frucht tragen laſſen; zu fernerer un-
terthaͤnigſter Schuldigkeit/ in ſtarcker Gebets-Pflicht unauß-
ſetzlich bleibender
Ewr. Fuͤrſtl. Gn.
Den 31. Martii
Anni 1666.
unterthaͤniger Fuͤrbitter
und
Diener.
St. Johann. Capitel. 19. v. 34/ 35/ 36/ 37.
DEr Kriegs-Knechte einer oͤffnet ſeine (deß
HErꝛn JEſu) Seiten mit einem Speer/
und alsbald gieng Blut und Waſſer herauß. Vnd
der das geſehen hat/ der hat es bezeuget/ und ſein
Zeugnuͤß iſt wahr: Vnd derſelbige weiß/ daß er
die Warheit ſaget/ auff daß auch ihr glaubet.
Dann ſolches iſt geſchehen/ daß die Schrifft erfuͤl-
let wuͤrde/ ihr ſolt ihm kein Bein zerbrechen. Vnd
abermahl ſpricht ein ander Schrifft: Sie werden
ſehen in welchen ſie geſtochen haben.
Vnd in der 1. Epiſt. St. Joh. Cap. 5. v. 7/ 8/ 9.
DRey ſind die da zeugen im Himmel: Der
Vater/ das Wort/ und der H. Geiſt: und
die drey ſind eins. Vnd drey ſind/ die da zeugen
Achter Theil. Aauff
[2]Die erſte
auff Erden/ der Geiſt/ und das Waſſer/ und das
Blut/ und die drey ſind beyſammen. So wir der
Menſchen Zeugnuͤß annehmen/ ſo iſt Gottes
Zeugnuͤß groͤſſer. Denn Gottes Zeugnuͤß iſt das/
daß er gezeuget hat von ſeinem Sohn: Wer da
glaubet an den Sohn Gottes/ der hat ſolches
Zeugnuͤß bey ihm.
GEliebte in Chriſto. Was Chriſtus/ der geiſtliche
Seelen ja Blut-Braͤutigam/ ſeiner ſo theur erkaufften
und erworbenen Sulamithin/ der Chriſtlichen Kir-
chen/ ja einer jeglichen glaubigen Seelen gantz freund-
lich zugemuthet und geſagt Cantic. 8, 6. Setze mich
wie einen Siegel auff dein Hertz/ und wie ei-
nen Siegel auff deinen Arm. Gleich wie eine ehrliche/ keuſche/ lieb-
habende Braut und Hertzens-Freundin ihres Braͤutigams Geſchenck/ Ge-
maͤhld feyrlich hoch und werht haͤlt/ deſſen Ring/ Arm-Band/ Bildnuͤß/ ſtaͤ-
tig an ihrem Hertzen/ auff der Bruſt/ an Armen und Fingern traͤgt/ ſeiner
(*) lib. de
Finib.nim̃er zu vergeſſen; Ein danckbarer diſcipul ſeines Meiſters/ von dem er
was rechtſchaffens gelernet (wie Cicero (*) von den diſcipuln und jungen
Schuͤlern Epicuri ſchreibt/) wie ein Vaſall, ein Soldat/ ein Hoff-Diener/
Characterem Regium (Aug. lib. 1. contra Creſcon. cap. 30.) den Gna-
den-Pfennig/ das Bildnuͤß/ Bruſt-Bild und Bruſt-Schild/ an ſeiner
Bruſt nah beym Hertzen pflegt zu tragen/ damit zu prangen/ und ſeine un-
terthaͤnige aflection und beſtaͤndiges Gedaͤchtnuͤß bezeugt. Alſo ſpricht
der HErr ſeine Braut um ſolchen gebildeten Siegel auch an; Setze
mich/ ſagt er/ ſonderlich me ſignatum, mich in meiner traurigen und
ſcheutzlichen ſignatur, figur und poſitur, in welcher ich von meinem Va-
ter
[3]Predigt.
ter im Himmel verſigelt/ von meiner Mutter der Juͤdiſchen Synagogâ
auff Erden bezeichnet/ mich den Verſigelten durch die Geiſſeln/ und Spoo-
ren verwundeten/ wolbezeichneten/ blutruͤnſtigen/ erbaͤrmlich zugerich-
teten Blut-Braͤutigam; Setze feſt wie ein liebſten Siegel-Ring/ ge-
treueſten Finger-Ring/ wie ein koͤſtliches Arm-Band/ wie ein Bruſt-
Bild auff/ ja in dein Hertz hinein. Jener aberglaubige abentheurer
und blinde Papiſt Alex. Urſinus ein Roͤmiſcher Cardinal hats letz ver-
ſtanden/ von dem Cornelius à Lap. (*) ſchreibet/ daß er hab pflegen ein(*)
In Com-
ment. ad
1. Joh. 5.
p. 548.
ehrnes crucifix auff der bloſſen Bruſt zu tragen/ welches mit ſtachelichen
Naͤgeln verſetzet war/ das habe er ihm oͤffters ins Fleiſch oder Haut ge-
truckt/ daß das Blut herauß gefloſſen/ der Meynung/ den gecreutzigten
HErꝛn Chriſtum durch deſto groͤſſere Schmertzen aus Liebe in ſein Hertz
hinein zu drucken. Alſo jene Carthaͤuſerin Beatrix (*) hat ihr ſelbſt die(*) apud
Guilhelm.
Wael. in
Coron.
vulnet.
p 28.
Haͤnde durchloͤchert und durchſtochen/ dem verwundeten Chriſto aͤhnlich
zu werden: Wann nun dieſelbe wiederum etwas geheilet/ hat ſie ſie ge-
woͤhnlich alle Freytage wieder erfriſchet/ und mit einem ſpitzigen eiſſern
Nagel auffs neue durchſtochen. Aber μάτην, fruſtrà vergebens! der
HErꝛ forderts nicht alſo/ auffs Hertz/ ja ins Hertz ſag ich/ da will er
wohnen/ da ſoll man mich hinein ziehen; Gib mir mein Sohn dein
Hertz/ ſagt er Prov. 23, 26. als mein Sacrarium, Tempel/ Schul und
Bet-Hauß
Nim mich in dein Arme/Daß ich warmeWerd von Gnaden.
in die Arm wie Simeon/ mein innigliche Lieb in ſtaͤtem Gedaͤchtnuͤß zu er-
halten. Sit Chriſtus ſigillum in fronte, ut ſemper confiteamur; in
corde, ut ſem per diligamus; in brachio, ut ſemper operemur, ut,
ſi fieri poteſt, tota ejus ſpecies exprimatur in nobis, ſchreibt Am-
broſius. (*)
Was/ ſag ich/ der himmliſche Braͤutigam Chriſtus ſeiner lieben
glaubigen Geſpons zugemuthet/ das hat ſie die außerwehlte Braut/
die Chriſtliche Kirche und eine jede glaubige Seele ihr auch je und al-
lezeit hertzlich laſſen angelegen und befohlen ſeyn/ ihre beſtaͤndige Liebe/
ihre hertzliche devotion und Andacht/ ihr glaubiges Andencken zu bezeu-
gen/ nicht allein aͤuſſerlich den Blut-Braͤutigam in allerhand figuren,
Gemaͤhlden/ Bildnuͤſſen/ crucifixen, das iſt/ Chriſti Leyden und Sterben/
ihro wol eingebildet/ ihre Stirn und Bruſt mit dem H. Creutz gezeichnet/
Tertull. l. 2. ad Vxorem c. 5. cum lectulum, cum corpuſculum tuum ſi-
gnas \&c. Prudent. Fac cum vocante ſomno caſtum petit cubile, frontem locum-
que cordis crucis figura ſignet. D. Lutherus: deß Morgens ſo du aus dem Bette
faͤhreſt/ ſoltu dich ſegnen mit dem H. Creutz.
laͤngſt zuvor ehe das Antichriſtiſche Papſtthum in ſeinem Schwang und
hoͤchſten grad auffgekommen/ und ſo hoch geſtiegen. Ibi omninò, in
de Verb.
Apoſt. L. 8.quo membro erubeſcitur, (ſcil. in fronte) figatur (crux) unde non
erubeſcitur, ſagt Auguſtinus, das iſt/ an dem Ort/ wo man die
Schamhafftigkeit ſpuͤren laͤſſet/ nemlich der Stirn/ ſoll man das Creutz
machen/ und bezeichnen/ dadurch anzuzeigen/ daß man ſich deß Creutzes
Chriſti nicht ſchaͤme. Sondern auch innerlich das von St. Paulo fuͤr
Augen gemahlte crucifix Gal. 3/ 1. daß Chriſtus eine Geſtalt in uns ge-
winne. Sonderlich aber und fuͤrnemlich hat die glaubige Kirch dieſen
ſolchen Einſatz durch das ſignaculum Sacramentale das Sacramentli-
che Sigel/ und in ſpecie die Verſieglung deß H. Leibs und Bluts Chriſti
erzeigt/ als deß edelſten Liebes-Pfands/ deß ſtaͤrckſten Liebes-Bands/
der reicheſten Liebes-Hand ſeinen Tod zu verkuͤndigen/ excolirt und ge-
uͤbet/ ſo offt ein glaubige Seel zum Tiſch deß HErꝛn gegangen/ und da-
ſelbſt den Leib Chriſti in ſein Hertz geſetzt/ und daſſelbe mit ſeinem Blut be-
ſprenget. Ja gar deßwegen ein ſonderbar Mahl-Feſt und Siegel-Feur
auff den hohen und gruͤnen Donnerſtag/ als dem Tag/ da der HErꝛ das
hochwuͤrdige Abendmahl geſtifftet/ daſſelbe zu continuiren biß er wieder
komme/ befohlen.
Darum dann auch aus Chriſtlich loͤblicher devotion und Andacht
unſere Chriſtliche L. Obrigkeit bewogen worden/ juͤngſthin ſolches Gruͤn-
donnerſtaͤgige Sigel-Mahl-Feſt hochfeyerlich jetzt und ins kuͤnfftig zu bege-
hen/ und ſich alſo anderen Kirchen/ ſonderlich den Saͤchſiſchen/ von
welchen das Evangelium ausgangen/ zu conformiren/ damit wuͤrck-
lich bekennen/ was in unſer Augſp. Confeſſion enthalten/ Artic. 15.
Von Kirchen-Ordnung/ von Menſchen gemacht/ lehrt
man die jenige halten/ ſo ohne Suͤnd moͤgen gehalten werden/
zum theil zu guter Ordnung in der Kirchen dienen/ als gewiſſe
Feyr/ Feſt-Tage und dergleichen. Welche Andacht wir auch
billich zu ſecundiren fuͤr bequem und genehm halten/ mit Luſt und Freude
ſolche Gottesdienſt exerciren und uͤben/ ob gleich derſelbe mit etwas Muͤ-
he und Beſchwerligkeit moͤchte begleitet ſeyn/ dem HErꝛn zu Ehren/
dem wir auch Muͤhe gemacht mit unſeren Suͤnden.
Zu welchem Ende/ und ſolche devotion zu ſtaͤrcken/ wollen wir jetzt
und ins kuͤnfftig das Signaculum Sacramentale \& memoriale, welches
in abgeleſener Wunder-Geſchicht uns zu betrachten vorkomt/ mit GOtt/
erklaͤren. Fuͤr diß erſte mahl ſeind wir entſchloſſen ſtill zu ſtehen allein bey
dem erſten Phænomeno, der heilwerthen Quellen/ aus welcher Waſſer
und Blut in die H. Sacramenta gefloſſen. Nemlich der heiligſten
und heilſamſten Wunde der eroͤffneten Seiten. Dieſelbe nun
alſo zubetrachten/ daß Gottes Ehre befoͤrdert/ wir im Glauben erbauet und
in unſer Seelen erquicket werden/ bitten wir den himmliſchen Vater um
ſeines guten H. Geiſtes Wuͤrckung/ Gnad und Segen/ Amen.
OB nun zwar wol das Wort der Wunden im Text nicht auß-
getruckt ſtehet/ ſo gibts doch die ὑπόνοια per ſe, der effect oder
Wuͤrckung zeugt von ſeiner Urſach und Urſprung/ der Waſ-
ſer- und Blut-Fluß von der Quell/ die Beſchreibung deß actus oder
Mißhandlung deß Kriegs-Knechts (ἔνυξε τῇ λόγχῃ, er hat geſtochen
mit einem Speer) redet von einer geſtochenen Wunde/ dadurch
das continuum ſolvirt/ durch einen moͤrderiſchen Stich und Stoß.
Es war vulnus laterale, ein Seiten-Wund/ ein rothe friſche
Wund. An welcher Seit aber? Der rechten oder lincken? Koͤnnen wir
eigentlich nicht wiſſen: Wiewol wir die alte tradition Cyrilli de vul-
nere cordiali ſiniſtro, es ſey ein Hertz-Stoß oder Hertzens-Wund ge-
weſen auff der lincken Seiten/ nicht allerdings verwerffen wollen/ der
Stratiot hab wollen exploriren und erblicken/ ob der HErꝛ wahrhafftig
tod ſeye/ darum hab er das principium vitæ, oder die Quelle deß Le-
bens angreiffen wollen/ auff daß/ ſo er noch nicht gar tod waͤre/ er ihm
die Schmertzen verkuͤrtzen moͤchte mit dieſem Hertz-Stich oder Stoß.
Dem aber zu wider/ bezeugt der Evangeliſt klar im vorhergehenden v. 33.(*) referen-
te Eraſm.
Schmid/
in h. l. p.
757.
Er ſey ſchon geſtorbengeweſen. Darum jener Chriſtliche Mahler
und Controfeter Lucas Cranachius, (*) der teutſche Apelles, ihm recht
gethan/ daß er dem Bildnuͤß Chriſti oder gemahlten crucifix (welches
noch jetzo zu Wittenberg in anteriore cœnobio Auguſti auffgehebet und
zu finden) auff keiner Seiten die Wunde machen wollen/ welcher auch
deßwegen/ da er gefragt worden/ geantwortet: Er wolle warten biß die
Gelehrten hieruͤber eins werden/ als von welchen er noch nichts gewiſſes
vernehmen koͤnnen: Bey welcher Antwort wir es auch laſſen bewenden.
Es ſey nun die Seit geweſen/ welche es wolle/ die rechte oder lincke/
ſo iſt ſie doch vulnus apertum \& hians, eine eroͤffnete/ geſpaltene/ fri-
A 3ſche/
[6]Die erſte
ſche/ blutrothe Wund/ wie es auch Lutherus gedolmetſcht/ ein eroͤffne-
te Wunde/ deßgleichen auch Auguſtinus der mit dem lateiniſchen Inter-
(*) Aug.
Tract. 120.
in Johann.prete fuͤr ἔνυξε, geleſen ἤνοιξε, aperuit, daher ſchreibt (*) er: Vigilanti
verbo uſus eſt Evangeliſta, non dicit percuſſit vel vulneravit, ſed
aperuit, ut illîc quodammodo vitæ oſtium apertum intelligere-
(*) vid. Ri-
vet. ad Eſa.
cap. 53.
pag. 453.
\& D. Gerh.
ad l. Epiſt.
Petr. pag.
299.
confer
Sennert.
inſtit. Me-
dic. p. 165.
Luc. 1, 78.mus. Es war nicht nur vibex oder μώλωψ, (*) eine geſchlagene Beul
oder Schwuͤl/ wie in ſolchem general-Verſtand auch bißweilen das
Wort/ Wund/ genommen wird. Wiewol der livor darauff gefolgt/
dahin Eſaias c. 53, 5. geſehen mit dem Wort [...], welches bedeutet
livorem, ulcus, aut apoſtema. Die andaͤchtigen lieben Alten haben
ihre ſchoͤne Gedancken von dieſer eroͤffneten Wunde gehabt/ und dieſelbe
feneſtram \& perſpectivam amoris divini, i. e. der inbruͤnſtigen Liebe
Gottes Fenſter und Thuͤr genennet/ dadurch man in die viſcera miſeri-
cordiæ oder in das innerſte hinein ſehen koͤnnen und erkennen die hertz-
liche Barmhertzigkeit Gottes.
Es war vulnus exochicum quantitate, das iſt/ eine von den
fuͤnff groſſen Wunden/ die vor andern die L. Chriſtliche Kirch hoch ge-
feyrt/ davon wir noch ſingen:
Hilff uns HErꝛ GOtt aus aller Noth/Durch dein heilig fůnff Wunden roth!
Als nemlich die Beſchneidungs-Wund/ die Geiſſel. Wund/ Cron-
Wund/ die vier ſpitzige Naͤgel. Wunden/ nicht nur in beyde Haͤnde/ ſon-
dern auch in beyde Fuͤſſe/ abſonderlich dieſe groſſe Speer-Wund.
Welche war I. Vulnus paradoxum Dei vulnerati,eine Goͤtt-
liche oder Gottes Wund. O wie ſeltzam und ungereimt ſcheint
dieſes der Vernunfft. Dann was kan derſelben thoͤrichter und aben-
theurlicher vorkommen/ als vulnus Dei oder Deus vulneratus, ein
Gottes-Wund/ daß GOtt ſolle verwundet ſeyn? Das iſt ein Wort/
daruͤber die Vernunfft zur Naͤrrin worden. Als Alexander M. der ſich
ſelbſt fuͤr einen Gott auffgeworffen/ nicht mehr Philippi ſondern Jovis
Sohn wolte heiſſen/ und mit goͤttlicher reverentz verehret werden/ und er
aber einsmahls durch eine occaſion mit dem Pfeil verwundet worden/
ſagt
[7]Predigt.
ſagt er: (*) Amici, hunc planè cruorem, mortalium \& non Deorum(*) apud
Plutarch.
in ejus
vita.
munera ſpargunt, das iſt/ dieſes mein Blut uͤberweiſet mich/ daß ich
ein ſterblicher Menſch/ und nicht Goͤttliches Geſchlechts ſeye/ die
Wund macht mich ſchamroth und beweiſt/ daß ich ein ſterblicher Menſch
ſeye. Ein verwundeter und gecreutzigter GOtt iſt den Juden eine Aerger-
nuͤß/ den Heyden eine Thorheit geweſen/ daran ſie ſich geſtoſſen/ darum
auch Paulus/ da er von einem gecreutzigten GOtt und HErꝛn der Herꝛ-
ligkeit gepredigt/ fuͤr einen Narren gehalten worden/ daher jener wilde
Heyd und Jndianiſche Koͤnig Attabaliba ſagt/ er wolle lieber an dieap. Benzon
Sonn die nimmer ſterbe/ als an einen gecreutzigten und geſtorbenen Gott
glauben/ wie die thoͤrichte Chriſten thun. Nun den Heyden iſts beſſer zu-
verzeihen: Aber es haben auch die ſo genanten Chriſten/ ſo ihrer fleiſchli-
chen Vernunfft allzuwol getrauet/ der alte ungeſchickte Prælat und Pa-
triarch Neſtorius, und zu unſer Vaͤter Zeiten Zwinglius/ und deſſelben
Schuͤler/ welche die allæoſin, das iſt/ ein verbluͤmte Wechſel-Red/ er-
dacht/ und das jenige Leyden und Sterben/ ſo von dem Sohn Gottes
und HErꝛn der Herꝛligkeit außgeſprochen worden/ allein auff das
Fleiſch Chriſti gezogen. GOtt verzeihe es einem noch lebenden Hollaͤn-
diſchen Calviniſten Nahmens Samueli Mareſio, der in ſeinen wider
mich außgelaſſenen Stricturis per ſarcaſmum Hohnsweiſe das eigene
Blut Gottes nennet/ ἰχὼρ Homeri, das iſt/ ein Goͤtter und Goͤ-
tzen Blut/ davon Homerus der Poët gedichtet: Sein verwegener
Schluß iſt dieſer; So wenig wahr iſt/ was der Poët Homerus gedichtet
von dem Blut der Goͤtter/ ſo wenig ſey auch dieſes wahr/ daß von GOtt
wahrhafftig ohne Wort-blum koͤnne geſagt werden/ er habe ſein eigen Blut
vergoſſen. Der HErꝛ ſchelte dich Sathan! Nun die Naͤrrin die
Vernunfft mag durch ihr Gitter lachen und hoͤnen/ ſo lange ſie wolle/ es
wird einmahl das Lachen werden theur! Es iſt und bleibet ewig wahr/
was hie unſer Hiſtori bezeugt/ dann wer iſt hie angeſtochen worden? Chri-
ſtus. Nach welcher Natur? Ob nach der Menſchlichen allein? Ja wohl!
Das glaubt Caiphas/ Pilatus/ Neſtorius/ das iſt kein Myſterium,
kein Geheimnuͤß oder Glaubens/ Articul/ dann was iſt das ſeltzames oder
uͤbernatuͤrliches/ wann eine Menſchliche Natur oder bloſſer Menſch ver-
wundet wird? geſchichts doch im Krieg taͤglich. Wehe uns wann al-
lein die Menſchliche Natur gelitten/ und Blut vergoſſen haͤtte/ ſo waͤre die
Suͤnde der Menſchen nicht ſattſam gebuͤſt/ und der ſtrengen Rach-Gerech-
tigkeit nicht genug geſchehen/ als welche ein unendliche Straff erfordert.
Sondern der Sohn Gottes ſelbſt/ Gott von GOtt muſte ſich verwunden
laſſen.
[8]Die erſte
laſſen. Den der bußfertige Hauptmann ſelbſt mit Fingern gedeutet ſpre-
chend Matt. 27/ 54. Warlich dieſer (ſc. Gecreutzigte und Verwundete)
iſt Gottes Sohn.Hoc fundamentum fidei, diß iſt die Grundfeſte
deß ſo wohl Apoſtoliſchen als Nicæniſchen Symboli. Jſt eine lebendige
Quell unerſchoͤpfflichen Troſtes/ keine Neben-Lehr/ die durch Schul-
Gezaͤnck erweckt worden/ dero wir wol koͤnten entuͤbriget ſeyn/ und ſie/ als
zur Seligkeit unnoͤhtig beyſeit und hindan ſetzen. Wir ſprechen mit Pau-
lo 1. Cor. 15. So der Sohn Gottes nicht wahrhafftig verwundet worden/
gelitten und geſtorben/ ſo iſt unſer Glaub eitel und nichts/ ſo faͤllt
das fundament und Grund deſſelben. Was kan der Menſch ge-
ben/ damit er ſeine (ich will geſchweigen meine und eines andern) Seel
erloͤſe? Matth. 16/ 26.
II. Vulnus à Deo inflictum,ein Wund Gottes von Gott
gehauen. Was iſt abermahl fuͤr der Vernunfft wunderlicher/ was
koͤnnt ihr ungereimter paradoxer fuͤrkommen als ein Wund von dem al-
lerliebreichſten Vater ſeinem allerliebſten einigen Sohn geſchlagen! Wie
ſolt es ein liebreicher Vater uͤber ſein liebflammendes Hertz bringen koͤn-
nen/ daß er von ſich ſelbſt ſeinem Sohn ſolte die Gurgel abſchneiden?
Geſchichts in der Welt/ ſo iſts ein monſtrum. Was Abraham wollen
thun/ das hat er aus Gehorſam gegen GOtt thun muͤſſen: Was Jeph-
tha gethan/ das war ein recht monſtrum ἀϛοργίας, ein barbariſche wilde
unmenſchliche That. Aber daß der allerheiligſte Vater/ der hoͤchſte Gott-
Vater/ der niemand zu Gehorſam ſtehen darff/ ſeinen allerliebſten/ ein-
gebohrnen Sohn ſoll ſchlagen/ verwunden/ ja gar toͤdten/ und noch darzu
tugendlich und wolgethan haben/ das iſt ja der Vernunfft unglaublich.
Es hat zwar in der Paſſions-Handlung der Teuffel das ſeine gethan/ der
Menſch das ſeine/ GOtt der HERR aber auch das ſeine/ die alte Pa-
radiß-Schlang hat ihm hie den grimmigen Verſen-Stich gegeben/ und
ſeinen grimmigen Zorn uͤber dieſem Schlangen-Tretter außgegoſſen und
Joſeph. l. 3.
Bell. c. 8.erkuͤhlet. Der Menſch der λογχοφόρος oder Speeren-Reuter/ der Blut-
Wut- und Schlut-Hund iſt deß Teuffels Werckzeug in dieſer ungeheuren
That geweſen/ der hat auch deß unſchuldigen todten Leichnams nicht ver-
ſchonen wollen/ ſondern mit ſeinem Speer tanquam ad metam darnach
thurnieret und gezielet/ gerad als wuͤrde er ein Ritter-Danck dadurch
gewinnen/ und der ſchnoͤden abtruͤnnigen Tochter Zion ein Augen-Luſt
erwecken. Aber dieſer Speeren-Reuter iſts nicht allein/ omnes nos
ſumus ejusmodi crudeles λογχοφόροι, wir ſuͤndliche Menſchen ſeynd
ſaͤmptlichen ſolche/ die dem unſchuldigen HErꝛn Chriſto ſo viel Wun-
den
[9]Predigt.
den geſchlagen/ ſo viel Wund-Riß verurſacht/ als viel Suͤnden wir be-
gangen. Chriſtus iſt um unſer Miſſethat willen verwundet/Eſa. 53, 5.
conf. Zach.
13, 5.
Act. 4, 25.
und um unſer Suͤnde willen zerſchlagen Eſa. 53. Was hat
aber der liebe GOtt und ſeine goͤttliche Hand dabey gethan? Hat er
connivo oculo mit geſchloſſenen oder blintzlenden Augen dieſer tragœdi
bloß zugeſehen? O nein! Das kan er nicht/ es faͤllt ja von dem Haupt
der ſeinigen kein Haar ohn ſeinen Willen.An decrevit ut fa-
ceret, oder aber hat ers alſo beſchloſſen zu thun? wie zwar CalvinusCalvin. ad
Joh. 19.
pag. 578.
uͤber das 19. c. Johannis gloſſirt. Nihil, ſpricht er/ FECERUNT
impii Chriſti carnifices, niſi quod illius (Dei ſc.) manu \& conſi-
lio decretum eſſet. Antwort: Non juſſu, non decreto prædeter-
minante, er hats zwar beſchloſſen/ aber nicht durch ein bloſſen urſaͤchlichen
unwiderſtreblichen vorzihlenden Raht-Schluß/ φε̃υ τῆς ἀσεβει̃ας! ſolte
nicht einem grauſen/ dergleichen horrenda von GOtt zu gedencken/ ge-
ſchweigen zu ſagen! Sondern judicio conſequenti ſeine Gericht zu uͤben.
Ein Dieb/ wann er vor den Richter gefuͤhrt das Urtheil deß Todes anhoͤ-
ren muß/ ſo iſt er ja ſelbſt Urſach an ſeiner Straff/ dazu ihn der Richter
vermoͤg der Gerechtigkeit verdam̃t/ welcher es wol lieber anders ſehen
moͤchte. Er der Richter iſt eigentlich nicht Urſach ſeines Todes/ er
ſpricht nur das Urtheil/ uͤbergibt ihn dem Scharffrichter/ und laͤſt ge-
ſchehen/ daß dieſer an ihm das Gericht außwuͤrcke. Alſo dieweil Chriſtus
unſer Leiſt-Buͤrg alle unſere Wunden und Schulden auff ſich genom̃en/
fuͤr uns zur Suͤnde/ und unter die Ubelthaͤter gerechnet worden/ und alſo
unſere Suͤnde auff ſich ſelbſt getragen/ als das Lamb Gottes zur Schlacht-
Banck/ da hats geheiſſen/ den Buͤrgen muß man wuͤrgen! Schwerdt
mache dich auff uͤber den Mann der mir am naͤchſten iſt! es iſt dir Pontio
Pilato, Herodi, dem Speer-Reuter verhaͤngt und zu gelaſſen/ zu thun
nach euerm frechen Willen. Act. 4, 27. \& 28. Sie haben ſich ver-
ſamlet uͤber dein heiliges Kind JEſu/ welchen du geſalbet
haſt/ Herodes und Pontius Pilatus/ mit den Heyden und
dem Volck Jſrael/ zuthun was deine Hand/ und dein Rath
zuvor bedacht hat/ daß geſchehen ſolt. Was dein Hand und
Raht zuvor bedacht/ nicht daß ſie es thun ſollen/ ſondern daß es geſchehen
ſolt. Actio diſplicuit, paſſio grata fuit.
Jſt das dritte Paradoxum, nemlich III. Vulnus medicinale, es iſt
ein heilſame Wunder-Wund/ eben ſo wunderſeltzam und abentheur-
lich als die vorige. Erſtlich/ eine Heyl-Wunde Eſa. 53/ 6. Quis fando
audivit, wo iſt das jemahln erhoͤrt worden/ daß Wund durch Wund
Achter Theil. Bkoͤnne
[10]Die erſte
koͤnne geheilet werden? Die Chirurgi oder Wund Aertzt haben allerhand
Mittel/ dadurch ſie die Wunden curiren und heilen/ es werden deren auch
etliche in der Schrifft gedacht als/ deß Gebaͤnds Syr. 27/ 23. der Salben/
Wund-Balſam/ Wund-Salben Jerem. 51/ 8. Wein und Oel Luc. 10.
Das uͤbrige uͤberlaſſen wir den Medicis, und weiſen die Sach in die
(*) confer
D. Sennert
Inſtit. Med.
lib. 5. part.
2. ſect. 2.
cap. 7. pag.
994.Barbir-Stuben. (*) Daß aber Wunden durch Wunden ſolten geheilet
werden/ iſt nie geſehen/ nie erhoͤrt worden. Hie aber verhaͤlt ſichs warhaff-
tig alſo. Wir ſind von Natur voller Wunden Eſa. 1. Unſere erſte Eltern
ſind unter die Moͤrder gefallen Luc. 10. (in ſenſu accommodatitio) der-
ſelben Wund-Wehe iſt uns allen angebohren/ wir ſchlagen uns dieſelben
ſelbſt/ wie Cleopatra durch ihre Schlang ſich ſelbſt gebiſſen und getoͤd-
(*) vid.
Gottfr.
Roͤm.
Mon. part.
4. p. 39.tet. (*) Wir ſind gleich den Ἀυτοφόνοις oder ſelbſt Moͤrdern: Ein jegli-
che Suͤnde iſt wie ein ſcharff Schwerdt/ und verwundet daß
niemand heilen kan. ſagt Syr. 21/ 4. Wir thuns offt aus lauter
Muthwillen gleich den Marck-Schreyeren/ die die Guͤte ihrer Wund-
Salben zu probiren/ ſich ſelbſt jaͤmmerlich ſtechen/ hauen/ ritzen. Und ſind
ſolche Wunden ſtinckende/ garſtige/ heßliche/ ſcheutzliche Wunden Pſ. 38/ 6.
Es ſind ſchmertzliche Wunden/ ob mans gleich anfangs nicht alſobald
ſpuͤhrt/ wie der jenige verwundete/ der noch in der furi begriffen/ den
Schmertzen nicht alſobald fuͤhlt/ aber das Nachwehe folget. Es ſind
Jer. 15, 18.
cap. 30, 12.
Syr. 21, 4.toͤdtliche WundenNum. 21. die unheilbar ſindJerem. 15. Kein
Artzney/ kein Wund-Kraut weder Nicotiana noch Serpentina mag da
etwas verfangen. Wie koͤnnen und ſollen ſie dann geheilet werden? An-
ders nicht/ als per luitionem, ſie muͤſſen mit gleicher Muͤntz bezahlt und
alſo außgebuͤſſet werden/ Wund um Wund/ ſo lautet das uralte Goͤtt-
liche Talions-Gericht Exod. 21, 25. Wer Menſchen-Blut vergeuſt/
deß Blut ꝛc.Gen. 9. Welches die Weiber Lamechs aus dem natuͤrli-
chen Recht wol erkant/ und deßwegen ſich gefoͤrchtet es werde dem La-
mech auch nicht beſſer ergehen. Darob ſpricht ihnen der Lamech zu und
ſagt: Jch hab einen Mann erſchlagen mir zur Wunden/
und einen Juͤngling mir zur Beulen.Gen. 4, 23. Als wolt er ſa-
gen: Was habt ihr Weiber euch deßwegen viel zu bekuͤmmern und zu be-
foͤrchten/ daß vermoͤge goͤttlicher Dreuung (v. 15.) dieſer meiner That hal-
ben unſer gantzes Geſchlecht moͤchte geſtrafft werden? Jch hab es auff mein
Verantwortung gethan/ ſchlegt einer mir deßwegen eine Wunde oder
Beule/ er ſoll gewißlich zehen dafuͤr bekommen/ Haut fuͤr Haut heiſt
es. Solte nun die geſchlagene und ſelbſt gemachte Suͤnden-Wund ge-
buͤſſet und außgewetzt werden/ ſo muſte der Sohn Gottes verwundet
wer-
[11]Predigt.
werden/ Tauſch-weiſe/ rantzions weiſe an unſer ſtatt/ Wechſels-
weiſe/ Chriſtus iſt um unſer Suͤnde willen verwundet Eſa.
53/ 5. Er hat die Suͤnden an ſich/ die Blut-Schulden in ſich gezogen
und geſogen/ wie die Naturkuͤndiger dergleichen ſchreiben von einem Vo-
gel Rupica genennet/ der/ wann er an einen ictericum oder gelbſichtigen
Menſchen angehalten und gedruckt werde/ ſo werd er auch mit der Gelb-
ſucht angeſteckt/ davon er ſterben muͤße/ dem Menſchen zur Geſundheit.
Von Eduardo einem Koͤnig in Engelland liſet man/ daß als derſelbe imRoderic.
de Reb.
Hiſp.
Treffen mit einem vergiffteten Pfeil verwundet worden/ die erfahrnen
Medici gehalten/ es koͤnne die gifftige Wund durch kein ander Mittel
curirt werden/ es ſeye dann daß jemand mit dem Mund das Gifft heraus
ſauge. Deß Koͤnigs Diener hoͤren zwar und vernehmen ſolchen Rath
der Aertzte/ aber keiner wolte ſelbigen vollziehen/ und ſich an die Wund
machen. Was geſchicht? Da der Koͤnig ſchlaͤfft/ macht ſich ohn eini-
ges abſcheuen ſeine Gemahlin die Koͤnigin ſelbſt zum Bett/ und ſaugt aus
groſſer Lieb gegen ihrem Herꝛn dem Koͤnig/ das Blut heraus/ daß ſie druͤber
ſterben muͤſſen/ der Koͤnig aber erhalten worden. Gleicherweiß geſchichts
alsdann/ daß/ wie uns ein frembde Schuld in Adam all verhoͤnet/ alſo
auch ein frembde Huld in Chriſto all verſoͤhnet; Daß Chriſti Wunden
unſerige Wunden heilen und uns zur Geſundheit verhelffen. GleichwieAp. Valer.
M. l. 1. c. 8.
conf, Ho-
dom. Calv.
pag. 1032.
dorten/ da einer den Jaſonem Pheræum mit dem Schwerdt verletzet/ er
dadurch zufalls durch ſolchen Hau von einer ſonſt unheilſamen vomic
oder Geſchwer befreyet/ geſund und heil worden. Alſo hat das paſſions
Schwerdt/ welches Pilatus und ſeine Scherganten uͤber Chriſtum feind-
lich außgezogen/ gezucket und ihn geſchlagen/ unſere Suͤnden-Geſchwer
heilen und zum beſten gereichen muͤſſen.
Jn reflexion und Anſehung ſolcher heilſamen Seelen cur, ſolches
Gifft-Heils/ haben die lieben Alten den Wunden Chriſti herꝛliche/ ſchoͤne
und troſtreiche elogia ertheilet/ und genennet/ Apothecam,Heil-Wun-
den/ Heil-Balſam fuͤr die Suͤnde/ Vulnus eſt, quod Chriſtus accepit;
ſed medicina eſt, quam effudit, ſchreibt Ambroſius. Das iſt/ Eine
Wund hat zwar Chriſtus empfangen/ aber lauter heilſameAmbr. in
Pſal. 118.
Artzney iſt heraus gefloſſẽ. Gleichwie der edle Balſamſtock wañ man
ihn ritzet und gleichſam verwundet/ ein koͤſtliches Balſamoͤhl und bewehrte
Wund-Salb von ſich flieſſen laͤſt. Alſo iſt aus Chriſti Wunden ſein Blut/
als der warhafftige alleredelſte Balſam/ zu Heilung unſer ſchweren Gewiſ-
ſens-Wunden heraus gefloſſen. Die gottſeligen Alten haben hiebey das(*) Jm Ev.
Denckm.
p. 222.
Gleichnuͤß deß Pelicans gebraucht/ davon wir anderswo. (*) Es iſt das
B 2Blut
[12]Die erſte
Blut aus Chriſti Wunden/ Panacea, ein All-Artzney und Heil-
vid. Theol.
conſc. pag.
307.Pflaſter uͤber alle Schaͤden wie verzweiffelt boͤß ſie immer ſeyn moͤgen.
Die alten nennens ferner einen geſunden Heil-Brunnen aus dem
Propheten Zach. 13.
Eine Heil-Bruſt/ Vulnus uber matris.
Einen Heil-Felſen/Petræ foramina vulnera Chriſti, in his
[B]ernh.
Serm. 61.
In Cantic.paſſer nidum ſibi, \& turtur domum invenit: in his columba ſe tu-
tatur, \& ſecura circumvolantem intuetur accipitrem. Das iſt/ die
Felß-Loͤcher oder Stein-Ritzen bedeuten die Wunden Chriſti/ in welchen
die Voͤgel ihre Naͤſter/ und die Turtel-Taub ihr Hauß findet/ in denſelben
wird das Taͤublein beſchuͤtzet/ und ſihet ohne Gefahr den Raub-Vogel
herum fliegen. Jn dieſen ſicheren Felß-Loͤchern und Stein-Ritzen/ da-
rein ſich ein verſcheuchtes Taͤublein ein angefochtene Seele verſtecket/
kan daſſelbe alle Wetter und Raub-Voͤgel trutzen und ſicher darin bleiben
Cant. 2, 14. Einen Heil-Mund/ daraus Fuͤrſpruch/ Verthaͤdi-
gung und Erquickung entſpringet/ als welches beſſer redet/ dann das
Aug. in 1.
Ep. Joh.
c. 2.Blut Abel: Tot ora, quot vulnera, quibus cauſæ noſtræ patrocine-
tur, iſt Auguſtini Gleichnuͤß/ da er die Wunden deß HErꝛn JEſu einem
troͤſtlichen Fuͤrſprechers-Mund vergleicht/ ſo viel Wunden/ ſo
viel redende Munde/ die uns bey GOtt vertretten: Dar-
um/ ſagtAuguſtinus,fuͤrchte dich nicht andaͤchtige Seele/
da haſtu einenadvocatenund Fuͤrſprecher/ der wirds auß-
richten/ daß du die Sache nicht verliereſt: Verlaͤſt ſich ein
Menſch
[13]Predigt.
Menſch in dieſer Welt auff einen beredten Fuͤrſprecher? Ey
ſo traue du dieſem/ du wirſt nicht zu Grund gehen. Ein Heil-
Port/ ein Lebens-Thuͤr/ oſtium vitæ, ſo nennets abermal Auguſti-
nus: (*) vigilanti verbo uſus eſt Evangeliſta, non dicit percuſſit(*) Tract.
120. in
Joh.
Memora-
bilis hiſt.
de Vraca.
vid. im
Denckm.
p. 222.
vel vulneravit, ſed aperuit, ut illic quodammodo vitæ oſtium
apertum intelligeremus, das iſt/ der Evangeliſt ſagt nicht/ der
Kriegs-Knecht habe Chriſtum geſchlagen oder verwundet/
ſondern eroͤffnet/ daß wir daher etlicher maſſen verſtuͤnden/
es ſeye die Lebens-Thuͤr eroͤffnet.
Diß iſt alſo das Signaculum vulneris in corde, das Siegel und
Denckzeichen der Wunden Chriſti. Aber was iſt Dencken ohne Gedan-
cken und Andacht/ was Andacht ohne Anblicken und Schau? Worauff
Zacharias gedeutet Cap. 12/ 10. Sie werden mich anſehen/ wel-
chen jene zuſtochen haben. Jene zu vorderſt die alte Schlang Tra-
gœdiarcha der Sathan/ deß allerheiligſten Schlangen-Tretters aller-
gifftigſte Verſen-Stecher; darnach ſeine organa und Werckzeug durch
welche er geſtochen; der Stratiot, der ſein ſtachelicht Speer in Chriſti
Seit umgekehrt/ der gantze Schwarm und Schwahl der grimmigen
und raſenden Tod-Feinde die ihn zerſtochen/ Lanceâ \& Linguâ, nicht
nur mit dem Speer/ ſondern auch der Zungen/ und ſonderlich noch heu-
tiges Tags/ die ihn zu ſtechen mit ihren gifftigen Zungen kein Scheu tra-
gen. Wer iſt unter uns/ wann er hoͤrt von dieſem wuͤtenden Bluthund
dem Kriegs Knecht/ der ſich erkuͤhnet Chriſti Seiten anzuſtechen/ daß er
nicht ſolt druͤber eiffern/ und wann derſelbige boͤſe Bub noch lebendig unter
uns herumgienge/ der nicht ſolt ihn anſpeyen und vermaledeyen? Und wir
gedencken nicht/ daß viel ſolcher Geſellen unter uns her wohnen und herum
gehẽ/ ſonderlich die blaſphemanten und Gottes-Laͤſterer. Wer iſt der nicht
erſchrickt/ wann er leſen ſolte/ wie die Puritaner oder Bildſtuͤrmer vorzei-
ten mit dem crucifix umgangen? Nach demſelben/ als einer Scheibe/ in
die Wett geſchoſſen ꝛc. Und doch geſchicht ſolches noch taͤglich an den
Menſchen als imagine crucifixi, der das Ebenbild deß gecreutzigten Chri-
ſti an ſich traͤgt/ und ſehen laͤſt/ ſo offt er mit außgeſpañten Armen auffrecht
ſtehet/ wann derſelbe durch aller hand falſche calumnien und Laͤſterungen
mit der Zungen als einem gedoppelten Spieß nnd zweyſchneidigen
Schwerdt angedaſtet/ durchſtochen und geplaget wird? Bernhardus
vergleicht ſolche calumnianten oder Laͤſter-Zungen einer Lantzen oder
Spieß/ der in einem Stich ihrer drey verwundet oder toͤdtet; den Ver-
leumbdeten/ den Hoͤrenden/ und den Verleumbder ſelbſt; ja er haͤlt auch
B 3dafuͤr
[14]Die erſte
dafuͤr/ es ſeye die Calumnia greulicher und blutduͤrſtiger als der Speer/
damit Chriſto die Seit eroͤffnet worden/ Fodit enim hæc quoque Chri-
(*) in Ser-
mone de
Triplici
cuſtod.ſti corpus, \& membrum de membro, nec jam exanime fodit; ſed fa-
cit exanime fodiendo, wie Cypriani Wort lauten/ (*) das iſt/ die Laͤ-
ſter-Zung greifft auch Chriſti Leib an in ſeinen geiſtlichen Gliedmaſſen/
ſticht nicht in den todten Leib/ ſondern toͤdtet den lebendigen Leib. Con-
trà im Gegentheil werden ſehen Sie/ das iſt/ (1.) Oculo pœnitenti, mit
bußfertigen traur-thraͤnenden Augen/ die rechten Marianer/ denen auch
per συμπάϑειαν ein Schwerdt und Speer durchs Hertz gehet. Chriſti
todtes Hertz hat der Speer getroffen/ aber Mariæ lebendiges Hertz hats
empfunden/ welche ein Bild der Chriſtlichen Kirch auch in dieſem Stuͤck
geweſen. O ſelige Hertzen/ die ſich bewegen laſſen im Anblick ſolcher Wun-
den (wie dem Hauptmann unter dem Creutz im Anblick ſolcher Mordthat
grauſet/ und noch viel Volcks an ihre Bruſt geſchlagen Matth. 27/ 54.)
auch mit ihnen an die Bruſt ſchlagen/ und ſprechen: In me, in me
lancea, in me configite tela Luc. 23, 48. Die toͤdlich verwunde-
ten ſollen ſeufftzen Jerem. 5/ 52. Darum ſihe/ die Zeit kompt/
Vide ho-
minem,
quem cru-
cifixiſti,
vide
vulnera,
quæ infli-
xiſti, vide
latus, quod
transfixi-
ſti, quoniã
per te, \&
propter te,
apertum
eſt, \& ta-
men intra-
re noluiſti.
Auguſtin.
Lib. 2. de
Symb. c. 8.
conf. Luth.
enim in
Theol.
conſc. p.
165.ſpricht der HErꝛ/ daß ich ihre Goͤtzen heimſuchen wil/ und
im gantzen Land ſollen die toͤdlich verwundten ſeufftzen. O
unſelige verfluchte Hertzen/ die ſolcher maſſen nicht ſeufftzen wollen/ ſon-
dern perizomata Adami, Feigen-Blaͤtter auff die Wunden legen/ die die
purulentias oder den Eyter aus ihren eignen Suͤnden- und Seelen-
Wunden nicht außbeitzen/ ſondern wol gar per cauterium durch Brand-
mahl ſich eniſchmertzen/ das iſt/ welche ihre Miſſethat unterſtehen zu be-
maͤntlen und zu entſchuldigen/ oder behauben/ oder gar das Gewiſſen be-
taͤuben. Sie werden am juͤngſten Tag ſehen mit nidergeſchlagenen Au-
gen/ und ſprechen/ wehe uns; Aber auch recht uns!
Accideret utinàm inter nos, quod Caſp. Sanctius ad Eſa. 53. cap. memorat
ex Payva, ſcribens: Quod Payva dicit Lib. 4. in defenſione Tridentinæ fidei,
non longè à principio: Plurimi ex Africanis judæis, ejuratâ parentum ſuo-
rum religione, relictis opibus, quas habuere copioſiſſimas in patriâ, \& loco
atque ordine, quem apud ſuos habuerunt ampliſſimum, amplexos fuiſſe Chri-
ſtiana ſacra, adductos tùm toto hoc Eſaiæ capite, tùm maximè hoc loco, quem
nunc verſamus. Nam cum illos ſæpius interrogaret Payva, quid eos in eo ca-
pite adeò torſerit, ut negare non potuerint, vera eſſe, quæ de Chriſto Jeſu Dei fi-
lio à Chriſtianis traduntur, illud repetebant ſemper, Muchàh Elohìm umehu-
nèh, i. e. percuſſus Deus \& humiliatus. Quid verò? ibid. Ipſe autem vul-
neratus eſt propter iniquitates noſtras, attritus eſt propter ſcelera noſtra.
Nos quidem, inquit Judæorum nomine Propheta, Deum ab illo uſque adeò
fœdè
[15]Predigt.
fœdè graviterque percuſſo, propter ipſius merita pœnas illas exegiſſe arbitraba-
mur, ſed noſtra ille non ſita, quia nihil unquam impium admiſit, ſcelera luebat;
à noſtra ille leprâ leproſus fuit; à nobis ille labem illam fœdam contraxit; nos
illum vulneravimus, quia noſtra illi peccata cauſam tanti doloris, tanti crucia-
tus materiam attulerunt. confer Hermenevt. ſacr. p. 513.
Sie werden ſehen (2.) Oculo fideli, mit glaubigen Augen.
Jſts Hertz recht wund/ ſo ſuchts Huͤlff und Heyl/ wo aber? Wo ſollen
wir dann fliehen hin/ da wir moͤgen bleiben? Sollen wirs machen wie
Ephraim/ von dem Oſeas der Prophet c. 5, 13. ſchreibt: Da Ephraim
ſeine Kranckheit/ und Juda ſeine Wunden fuͤhlete/ zog
Ephraim hin zuAſſur,und ſchicket zum Koͤnige zu Jareb:
Aber er kunte euch nicht helffen/ noch eure Wunden heilen.
O der ſollen wir uns dahin begeben/ wohin die Blinden im Papſtthum/ da
man die Leute herum narret/ die armen Marianer von einem Mariæ-Goͤ-
tzen zum anderen/ die nicht wiſſen ob ſie der H. Jungfrau Mariæ Bruͤſten
Jm Papſtthum (ſchreibt Lutherus Tom. 2. Isleb. p. 166. f. 1.) hat man
von ihm (Chriſto) viel anders geprediget/ und uns die wir getaufft waren/ zu
dem Manne mit Geſetzen und allerley guten Wercken bringen wollen/ und Chri-
ſtum uns fuͤr gemahlet/ gleich als were er ein grimmiger Tyrann/ ein wuͤtender
und geſtrenger Richter/ der viel von uns forderte/ und gute Werck zu Bezahlung
fuͤr unſere Suͤnden uns aufflegete. Wie dann diß ſchaͤndliche und laͤſterliche Bild
oder Gemaͤhlde anzeiget von dem juͤngſten Tage/ da man gemahlet hat/ wie
der Sohn fuͤr dem Vater niederfaͤllet und kniet/ und zeiget ihm ſeine Wunden/
und St. Johannes und Maria bitten Chriſtum fuͤr uns am juͤngſten Gerichte/
und die Mutter weiſet dem Sohn ihre Bruͤſte/ die er geſogen hat. Welches
aus St. Bernhards Buͤcheren genommen iſt/ und iſt nicht wol geredt/ gemahlet
oder gemachet geweſen von St. Bernhardo/ und man ſolte noch ſolche Gemaͤhl-
de weg thun denn man hat damit die bloͤden Gewiſſen geſchroͤcket/ und den Leu-
ten eingebildet/ daß ſie ſich fuͤr dem lieben Heylande fuͤrchten und fuͤr ihm fliehen
ſolten/ gleich als wolt er uns von ihme weg treiben/ und ſolte unſere Suͤnde
ſtraffen. Das macht denn/ daß man nicht gerne zu ihm gehet/ denn wenn ſich
mein Gewiſſen fuͤrchtet/ ſo iſts gnug hinweg geſtoſſen/ ich bedarff denn keines
Jaͤgers/ Leit-Hundes/ oder Jagt-Hundes/ Mahlers oder Treibers/ daß ich von
ihme gejagt wuͤrde/ ſondern mein Hertz und ſchwach Gewiſſen fleuget von deme
ſelbſt weg/ da ich mich fuͤr fuͤrchte/ die Furcht und Schrecken ſtoſſet und treibet
mich ab/ daß ich nicht bey ihme bleibe.
oder deß HErꝛn JEſu Wunden zu ihrem Heyl oder cur der Seelen er-
greiffen wollen? daher ſich einer unter ihnen (nach langem Zweiffel ver-
nehmen
[16]Die erſte
nehmen laͤſt/ er wiſſe/ was er thun wolle/ er woll mit ſeiner rechten Hand
der Mutter Bruͤſte/ mit der Lincken deß Sohns Wunden ergreiffen/ und
die Milch mit dem Blut vermiſchen:
Lac Matris miſcere volo cum ſanguine Nati,Non poſſum Antidoto nobiliore frui.
Jch kan/ ſpricht er/ kein beſſere Seelen-Artzney finden. O Blindheit!
O Thorheit! Wo dann hin: Wo Huͤlff/ wo Raht? Dahin wollen wir
uns verfuͤgen/ wo die von den gifftigen Schlangen toͤdtlich verwundete
Jſraeliten in der Wuͤſten Num. 21. zu der auffgerichteten Schlangen/
dem verwundeten HErꝛn JEſu am Creutz/ den ſoll man im Glauben
bruͤnſtiglich anſchauen/ ſeine uns heilſame Wunden/ da findet man das
rechte Gifft-Heil wider den vergifften toͤdtlichen Schlangen-Biß der
Suͤnden. En hîc λύτρον καὶ ἀντίλυτρον, hie rantzion, hie Vergebung!
Hie Apothec und Seelen-Artzney/ darum nehmets an/ ergreiffts/ ap-
plicirt dieſelbe. Hie koͤſtlicher Wund-Balſam!
Jſts Hertz wund/ ſo wird es lechtzend und durſtig. Hieher/ hie iſt die le-
bendige Quell/ ſchoͤpffet hie erquickendes Troſt-Waſſer mit Freuden!
Hie ſind die ſicherſte Felß- und Stein-Ritzen-Loͤcher/ darauff und darinn
man ſicher ſeyn kan vor aller Gefahr Cant. 2, 14. Drum hieher geflogen
und gezogen/
Gleich wie ſich feinEin VoͤgeleinJn hole Baͤum verſteckt/Wanns truͤb hergeht/Die Lufft unſtet/Menſchen und Vieh erſchroͤckt:Alſo HErꝛ ChriſtMein Zuflucht iſt/
Die
[17]Predigt.Die Hoͤle deiner WundenWann Suͤnd und TodMich bringt in Noht/Hab ich mich drein gefunden.
Hie os paracleticum! hie iſt der rechte Fuͤrſprechers Mund/ zu dem
muͤſſen wir fliehen/ Gnad und Huͤlff zu ſuchen/ ſonderlich wanns zum
letzten Stuͤndlein komt/ da unſer Mund nichts mehr ſpricht/ da wirds
der Mund der eroͤffneten Wunden deß HErꝛn JEſu thun.
Aber ich wil doch nicht verzagen/ ich will gedencken HErꝛ JEſu an deine
Wunden roth/ die werden mich erhalten. Jch hab zwar ſchwerlich ge-
ſuͤndigt/ das Gewiſſen betruͤbet/ das thut mich plagen und nagen/ aber
darum will ich noch nicht verzagen/ HErꝛ du wirſt helffen durch deine
heilige fuͤnff Wunden roht.
Hie iſt die Thuͤr zum Leben/ darum laſt uns hinein gehen! auff daß wir
vom Tod zum Leben hindurch dringen.
Sie werden ſehen (3.) Oculo cordis gratomit danckbaren
Augen. Dann wie kans anders ſeyn? Wie ſolte wol ein Menſch/ ſolch
ſteinern Nabaliſch Hertz haben/ ein ſolch wildes Tiger-Gemuͤth/ das von
Tigern geſogen und erzogen/ wann es dieſes alles recht bedenckt und zu
Hertzen nimt/ daß es nicht ſolt fuͤr Lieb wund und kranck werden/ dancken/
lieben und loben/ ſingen und ſagen:
Nach dir iſt mirGratioſa cœli roſaKranck und glůmment/Mein Hertz durch Liebe verwundet!
Vnd daher aus Lieb ſolcher Liebes-Flam̃ willig ſeyn/ alles zu lieb und zuge-
fallen thun/ was ein ſolcher hochverdienter Blut-Braͤutigam wuͤnſchet
und begehret/ lieben und leyden. St. Paulus trug die ſtigmata Chriſti
gern an ſeinem Leib Gal. 6/ 17. Warum nicht auch ein jeder Chriſt/ die
ſo blutige/ ſo unblutige Stich? Davon Syrach ſagt c. 27/ 28. Wer
heimlich ſticht/ verwundet ſich ſelbſt. Ein glaubiger Chriſt/ laͤſt
ſolche Stich gedultig auff ſich loß gehen/ er gedenckt/ ſtich immer hin/ der
Achter Theil. Cletzte
[18]Die ander
letzte und beſte Stich muß mir doch bleiben/ minima non ſentit ſua, dum
illius (Chriſti) vulnera intuetur, ſpricht abermahl Bernh. Serm. 61.
Und wie ſolt hingegen der edelſte Braͤutigam unſer Seelen/ nicht auch
wiederum brennen gegen ſolcher Seelen? Die ſolcher maſſen ſihet/ fuͤh-
let/ entzuͤndet/ gedenckt und dieſes ſignaculum auff das Hertz truckt;
Daß er nicht auch wiederum gedencken ſolt/ wie er Eſ. 49. zu Zion ſpricht:
Kan auch ein Weib ihres Kinds vergeſſen? Vnd ob ſie ſchon
deſſelben vergeſſe/ ſo wil ich doch dein nicht vergeſſen/ denn
ſihe in meine Haͤnd hab ich dich gezeichnet/ Jch wil dich als
ein Pitſchafft und Siegel-Ring halten Hagg. 2. Wirſtu in agone
mir zuruffen mit dem Schaͤcher: memento,HErꝛ gedenck mein;
So wil ich dein gedencken und ſagen/ heut/ das iſt/ zu ſeiner Zeit/ in dei-
ner letzten Stunden/ wann du wirſt haben uͤberwunden/ ſo ſoltu in Krafft
meiner Wunden/ bey mir ſeyn/ und meine Herꝛligkeit ſehen/ im Pa-
radeiß/ wundloß aber nicht mundloß/ ſondern mich ruͤhmen gantz heilig/
vollkoͤmmlich/ immer und ewiglich/
Hilff uns HErꝛ JEſu aus aller Noht/Durch dein heilig fuͤnff Wunden roht/
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Es iſt auſſer allem Zweiffel Pe-
tra Sinaica, der Sinaiſche Wunder-FelßExod. 17.
in der Wuͤſten Raphidim, aus welchem/ nachdem Moſes
denſelben mit ſeinem Wunder-Stab geſchlagen/ Waſſer
gefloſſen/ ein heiterer und herꝛlicher typus geweſen auff
Chriſtum den HErꝛn und deſſen Begengnuͤſſen. Maſſen St. Pau-
lus 1. Cor. 10/ 6. außtruͤcklich ſchreibt/ Ταῦτα τύποι ἐγευνήϑησαν, was ſich
mit dem natuͤrlichen Felſen begeben/ das ſey uns zum Fuͤrbilde ge-
ſche-
[19]Predigt.
ſchehen. Dann was anlangt den geiſtlichen Felſen/ der mit gefolgt/
und damahls oben auff dem Felſen geſchwebt/ der iſt Chriſtus ſelbſt geweſt
ohne Wort-Blum. Der leibliche Felß war zwar der typus, und das Bild/
aber der geiſtliche Felß der ſie begleitet war antitypus res ipſa, die bedeu-
tete Perſon ſelbſt/ anders als Calvinus, Beza, Piſcator und Rivetus ge-
ſchwaͤrmet/ um im Pauliniſchen Spruch einen Behelff und Schein ihrer
Sacramentlichen Metonymiæ zu haben.
Gleich wie nun (I.) derſelbe Felß immutabilis \& inex pugnabilis
baſiseine unendliche und unuͤberwindliche Grundfeſt gewe-
ſen/ ein refugium und Zuflucht der Gembſen Pſ. 104. ein Neſt gewe-
ſen oder ſeyn koͤnnen der Adler/ ein Berg-Schloß da man ſicher wohnen/
da man ſich in Gefaͤhrligkeiten hin ſalviren mochte; ſo feſt/ ſtarck und un-
uͤberwindlich/ daß kein Maulwerff es miniren/ kein Pfeil erreichen/ kein
Sturm-Wind ruiniren/ kein Platz-Regen uͤber ſchwemmen koͤnnen. Al-
ſo iſt auch Chriſtus ein unuͤberwindlicher Felß/ wider den die Pforten der
Hoͤllen nichts vermoͤgen/ Matth. 16. unſer Zuflucht fuͤr und fuͤr Pſ.
90. Zuri Pſ. 19. unſer Hort/ wol dem der auff dieſen Felſen baut ꝛc.
Es war (II.) Ein Felß der mit dem Stab Moſis geſchla-
gen ward/ dann ſolte Waſſer heraus gehen/ Menſchen und Viehe zu-
erlaben und zuerquicken/ ſo muſte ihn Moſes ſchlagen/ ritzen/ oͤffnen/ zer-
ſchoͤllen und zerbrechen/ Platz machen. Alſo der hierinne vorgebildete Felß
Chriſtus wurde geſchlagen und zerſchoͤllet vom bley-ſchweren hart-trucken-
den Stab deß Treibers/ deß Stabs wehe/ durch alle inſtrumenta
paſſionalia: die Baͤnde/ Geiſſel/ die ſchmertzhaffte dornene Cron/ das
Creutz/ ſtachelichte Naͤgel/ das Schwerdt das der HErꝛ uͤber ihn
gezuckt/ ſonderlich der Speer/ die haben ſein koſtbares heilſames Blut
machen haͤuffig und mildiglich heraus quellen und flieſſen zu unſerer geiſt-
lichen Labſal und Erquickung.
(III.) Petra aquifluaein Waſſerquellender Felß/ ſintemahl
aus dieſem natuͤrlichen Felſen/ den Moſes geſchlagen/ das Waſſer mira-
culosè uͤber und wider alle Natur heraus geſpritzt- Dann nachdem er
vom Stab geſchlagen worden/ haͤtte man ſich ehe der Feur-Funcken/ als
Waſſer-Tropffen verſehen ſollen: Aus einem rauhen/ harten und duͤrren
Felſen Waſſer/ ἐξ πετρᾶς ἀκροτόμου ſchreibt der weiſe Mann Sap. 11. non
ex radicibus petræ, nicht aus den Wurtzlen der Felſen/ da es auch
bißweilen Ritzen gibt/ ſondern aus der Hoͤhe deß Felſen/ der noch nicht ge-
riſſen/ ſondern unzerſchoͤllt geweſen Pſal. 78/ 15. heraus gefloſſen/ nicht
tropffen-weiß/ ſondern Bach-See- und Stroms-weiſe/ aqua copioſiſ-
D 2ſima,
[20]Die ander
ſima, limpidiſſima, dulciſſima, davon Menſchen und Viehe/ alle lech-
zende abgemattete Seelen erquicket und erlabet worden. Wie im 78. Pſ.
ſteht v. 15. Er (der HErꝛ) reiß die Felſen in der Wuͤſten/ und
traͤncket ſie mit Waſſer die Fůlle/ und ließ Baͤche aus den
Felſen flieſſen/ daß ſie hinab floſſen wie Waſſer-Stroͤme.
Alles in Krafft deſſen der damahl auff dem Berg geſtanden und in einem
ſond rbahren euſſerlichen Zeichen Moſi erſchienen. Joſeph. l. 3. c. 1.
Lauter ϑει̃α, lauter miraculaund unerhoͤrte Wunderthaten!
Zwar Philo der ſonſt gelehrte/ hie aber blinde Jud macht ein natuͤrlich
Werck hieraus/ tichtet/ es ſey das Waſſer vorhin in Bereitſchafft da
geweſen inwendig verborgen/ ſo hernach mit Gewalt heraus gebrochen
aus heimlichen Adern/ dem aber David widerſpricht Pſ. 114/ 8. Der
GOtt Jacob/ ſagt er/ wandelte den Felß in Waſſer-See/
und die Steine in Waſſer-Brunnen.Joſephus ſchreibt/ Eos
inopinato ſpectaculo fuiſſe attonitos, ſie haben ſich vor ſolchem bloͤtz-
lichen Außguß entſetzt. Warum das? Weil es ein uͤbernatuͤrlich ſeltzam
Wunderwerck geweſen. Alſo iſt auch miraculosè und wunderbahrer
Weiß uͤber und wider alle Natur von dem Felß Chriſto gefloſſen Waſſer
und Blut/ nicht allein das verbluͤmte Lebens-Waſſer der heilig Geiſt/
davon Joël geweiſſaget c. 3. der wuͤrcklich außgegoſſen worden Act. 2.
zu Troſt und Erquickung aller geiſtlichen Hirſch-durſtigen Seelen/ die
nach friſchem Waſſer lechtzend und begierig ſind/ ſondern auch natuͤrliches
eigentliches Waſſer und Blut/ welche in die H. Sacramenta gefloſſen:
wie es Auguſtinus Tract. 15. in Joh. kurtz und nervos gefaſt/ De la-
tere Chriſti in cruce pendentis Sacramenta Eccleſiæ fluxerunt.
Sind die jenigen ſignacula, ſigna und Sacramenta, Siegel und
Mahlzeichen/ davon wir als einer raren aber hochtroͤſtlichen materia
neulich und ins kuͤnfftig/ mit GOtt Leben und Geſundheit/ zu tractiren
vorgenommen/ veranlaſſet (wie auch neulich angezeigt) durch die neue
Chriſt-loͤbliche Anſtalt deß neuen Sacraments-Feyrs/ deß Feſts der Ein-
ſetzung deß H. Abendmahls auff den Gruͤnen Donnerſtag gelegt/
und daher fuͤr nuͤtzlich und erbaulich gehalten die Lehr von den Sacra-
menten/ dero Weſen und Art/ heilwerthen Krafft und Tugend etwas
weitlaͤufftiger zu deduciren. Naͤhermahl ſeynd wir ſtill geſtanden bey
der Theoria und Schau der Quelle/ Ader und Urſprung/ daraus Waſ-
ſer und Blut in die H. Sacramenta gefloſſen. Jetzo wollen wir mit der
hiſtoria dieſes Waſſer-Guſſes und Blut Fluſſes das fundament legen
der gantzen uͤbrigen tractation. Der Vater deß Liechts wolle uns/ um
JEſu
[21]Predigt.
JEſu Chriſti willen/ mit dem friſchen lebendigmachenden Waſſer ſeines
H. Geiſtes miltiglich begieſſen/ Amen.
BElangend demnach M. L. die Hiſtoriam effluxus,die Hiſto-
ri von dem Waſſer- und Blut-Guß aus der eroͤffne-
ten Seiten Chriſti/ ſo iſt dieſelbe wol werth/ daß wir ein
Wort nach dem andern erwegen und behertzigen/ wie dieſelbe von dem
liebſten Schoß-Juͤnger Chriſti dem H. Evangeliſten Johanne gefaſſet
worden. Der Kriegs-Knechte einer oͤffnet ſeine Seiten mit
einem Speer/ und alsbald gieng Blut und Waſſer heraus.
(1.) Einer von den Kriegs-Knechten/ ὁ δει̃να, ungenant und un-
bekant. Jm Papſtthum zwar wird viel Abentheur von dieſem Kriegs-
Knecht fabulirt/ und fuͤrgegeben er hab Longinus geheiſſen/ undvide Sten-
gel. de Re-
liq. p. 165.
wiewol er blind geweſt/ hab er doch nach der Seiten Chriſti ſo ſcharff
zielen/ und dieſelbe treffen koͤnnen; Er ſey von dem außgefloßnen Blut/
ſo ihm in die Augen geſpritzt/ curirt/ und leiblich/ auch im Augenblick geiſt-
licher Weiß ſehend und bekehrt worden; Er hab etwas von dem Blut
mit einem Schwammen auffgefaſt und in ein Buͤchslein außgetruckt/
daſſelbe nacher Mantua gebracht/ woſelbſt ers verſteckt und vergraben/ es
ſeye aber nach viel hundert Jahren wiederum gefunden worden/ und wer-
de noch als ein koͤſtlich Kleynod und Heiligthum heutigs Tags gezeigt und
venerirt. Fragſtu/ unde hæc nænia? Wo ſich dieſe Erzehlung her-
ſchreibt? So wuͤrde ſich nichts anders finden/ als die blinde credulitaͤt
und Einfalt. Die hiſtori gedenckt der λόγχη im griechiſchen Grund-
Text/ das heiſt/ ein Speer. Aus dieſer λόγχῃ haben die thum̃en blinden
Muͤnchen einen Longinum getichtet. Es wird/ ſagten ſie/ gedacht einſen/
der es geſehen und davon gezeugt. Ergò ſey dieſer Longinus derſelbe
Zeug geweſen/ der ſehend worden. Jn der ſchmertzlichen Creutzigungs-
Tragœdi mit Chriſto wird gedacht eines Hauptmanns/ der geiſtlicher
Weiß erleuchtet und bekehret worden/ Ergò iſt der Longinus derſelbe.
O Næniæ, \& nugæ! Sind das nicht ungeſchickte Maͤhren/ deren ſich(*) An 34.
n. 131.
(*) in A-
pocal. 1, v.
7. p. 162.
(α) de qui-
bus Joſe-
phus lib. 3.
Bell. c. 8.
Baronius (*) ſelber geſchaͤmet/ wiewol er deßwegen von andern deſerirt/
und von Alcaſar dem Jeſuiten (*) einen Haar-rupff leiden muͤſſen.
St. Johannes ſchreibt mehr nicht/ als ει῟ς τῶ ςρατιωτῶν, vielleicht einer von
den λογχοφόροις (α) Pilati, ein Speer-Reuter oder Pickenirer/ ein
verzweiffelter Boͤßwicht und Bluthund/ der ſich mit dem Tod Chriſti
nicht begnuͤgen laſſen/ ſondern auch an ſeinem todten Leichnam ſeinen
Muth erkuͤhlen/ und bey der ſchnoͤden Tochter Zion der Juͤdiſchen Syna-
C 3gog
[22]Die ander
gog einen Ritter-Danck verdienen wollen. (2.) Nun was hat er gethan?
ἔνυξε [...] πλεῦραν, er hat Chriſti Seit geoͤffnet mit einem Speer/
conſequenter in die Seit geſtochen/ er hat ihn nicht bloß beruͤhrt/ oder
mit einem ſtumpffen inſtrument geſchlagen/ ſondern ſcharff hinein ge-
ſtoſſen und geſtochen/ wohin aber? Auff die rechte oder lincke Seiten?
adhuc ſub judice lis eſt, wiewol (*)Cypriani ſentenz wir nicht
verwerffen wollen.
(3.) Ἐυϑὺς, alsbald/ heiſt nicht nur ſtatim alsbald/ ſondern auch rectà
grad heraus/ nicht krumb/ als wann es nur waͤre um den Leib geklebet (4.)
ἐξῆλϑεν, gieng herauß/ ſprang heraus wie ein friſch Felß Waſſer aus
einer lebendigen Quellen/ wie das Blut nach der Ader-laͤß aus einem fri-
ſchen geſunden Leib; Alſo auch hie aus einem geſunden unverweßlichen
Leib/ heraußgeſprungen nicht wie ein todtes faules Blut tropffen-weiſe ge-
ronnen/ der am Leib angehenckt kleben blieben. Das griechiſche Wort
ἐξέλευσις wird geleſen von jenem gichtbrichtigen patienten Marc. 2/ 12.
der da er von Chriſto heil worden/ mit Freuden daher geſprungen/ gleich
wie jener von Mutter-Leib lahme Mann/ welchen Petrus geſund gemacht
alſo/ daß er nicht nur gehen und ſtehen konte/ ſondern wie Lucas meldet
Act. 3, 8. Er wandelte und ſprang. Jſt alſo das Blut heraus ge-
ſprungen/ wie ein lebendig Waſſer aus einem Roͤhr-Brunnen. (5.)
Waſſer und Blut/ nemblich warhafftig Waſſer und Blut/ eigent-
lich was GOtt und die Vernunfft Waſſer und Blut heiſt/ und zwar iſts
gefloſſen abſonderlich/ daß es Johannes eigentlich von einander unter-
ſcheiden koͤnnen. War demnach kein gemengt Waſſer/ kein blutfarb
gefaͤrbtes Waſſer/ kein ſerum, kein ichor ſanies oder Blut-Eyter/ ſon-
dern ein abgeſonderter ungemengter Zeug; Auff daß dieſe Geſchicht die-
nen koͤnne dem Zeugnuß/ wohin ſie von St. Johanni hernach applicirt
und angezogen worden.
Prudent. περὶ ςεφαν.Hic cruor effuſus fluxit \& inde latex!
Dieſes iſt nun (II.) Hiſtoria certa,ein gewiſſe bewaͤhrte un-
gezweiffelte Geſchicht/ keine ungegruͤndete/ verkuͤnſtelte Tandmaͤhr/
fama ἀδέςποτος oder bloſſe tradition. Von paͤpſtiſchen Wundern und
dero traditionen hat man groſſe Urſach zu zweifflen: Zum Exempel/conf.
Corn. à
Lap. ad
Ep. Pauli
pag. 10.
Baron.
Ann. 69.
n. 11.
wann von St. Pauli Martyrio wird außgeſagt und geglaubt/ nachdem
derſelbe zu Rom enthauptet worden/ ſeye nicht allein/ an ſtatt deß Bluts/
ſchneeweiſſe ſuͤſſe Milch aus dem Strumpff heraus geſprungen/ ſondern
es habe auch das abgeſchlagene Haupt drey Spruͤng gethan/ und wo es
hin geſprungen/ da ſeyen Quell-Bruͤnnlein entſtanden von hellem Waſ-
ſer/ die man noch heutigs Tags zu Rom ſehen und koſten koͤnne/ als koͤſt-
liche Lipſana und Heiligthum; Wers glauben wil der glaub es/ ſteht
jederman frey. Aber hie kein ſolche nænia, ſolch altvetteliſche fabel, ſon-
dern Himmelfeſte Warheit/ welche St. Johannes nicht erticht/ ſondern
davon gezeuget/ als einer warhafftigen Geſchicht/ die er mit gewaltigen
Worten bejachtzet und beſtaͤtiget/ er ſagt/ ſein Zeugnuͤß ſeye wahr:
Er ſey teſtis Epopta \& ἀυτόπιςος, er habs nicht vom hoͤr-ſagen/ ſon-
dern mit ſeinen Augen ſelbſt geſehen/ die koͤnnen ihn nicht betriegen/ teſti
oculato uni plus creditur, quam decem auritis: Er ſeye teſtis ϑεό-
πνεευςος, er wiſſe daß er die Warheit ſage/ nemlich ex ϑεοπνεύσει,
aus Goͤttlicher Eingebung/ er ſey ein authoriſirter und canoniſirter/ von
Chriſto dem HErꝛn ſelbſt als ein aus und vorerwehlter/ verſiegelter
Zeug/ Act. 1, 8. cap. 10, 39. Joh. 15, 27. Er ſey ſeiner Sachen ſo gewiß/
daß er auch einen Engel im Himmel außforderen moͤchte: Und deßwe-
gen teſtis hypoſtaticus ein ſtandthaffter Zeug. Er woll niemand verfaͤh-
ren oder betruͤgen/ ſondern ſein Zeugnuß mit ſeinem Blut druͤber verſiglen.
Haͤtte Johannes wollen mit Fleiß luͤgen/ es weren deren noch uͤbrig ge-
weſt/ die unterm Creutz geſtanden/ die ihn haͤtten zu ſchanden machen
koͤnnen. Er legt ſelbſt ſein creditiv auff/ alles ſeiner narration und Er-
zehlung einen credit zu machen/ auff daß was er geſehen/ wir auch glau-
ben moͤchten: Seine hiſtoria ſolle ſeyn baſis, ein Grund deß ſeligma-
chenden Glaͤubens/ auff welchen die Kirch erbauet Eph. 2/ 20.
Und weil er ſolche hohe gewaltige Wort braucht/ ſo muß etwas hoͤhers
und mehrers in dieſer hiſtori verborgen ligen/ nemblich das Sacrament-
liche Geheimnuͤß. Davon ins kuͤnfftig.
Daher iſts auch (III.) Hiſtoria Thavmatologica ſeu miracu-
loſa,
[24]Die ander
Calvin. ad
Johan. 19.
pag. 582.loſa, von einem unerhoͤrten paradoxo und Wunder-Geſchicht. Zwar
Calvinus will nichts draus gehen laſſen. Naturale eſt, ſchreibt er/ dum
coagulatur ſanguis, rubore amiſſo, fieri aquæ ſimilem; notum etiam
eſt in membrana præcordiis vicina aquam contineri, das iſt/ es ge-
ſchehe natuͤrlich alſo/ daß das Blut/ wann es zuſammen rinnet/ die rothe
Thom.
Barthol.
de latere
Chriſt.
aperto.
p. 23. \&
200.Farb verliere und gleich wie Waſſer werde. Bekant ſeye es auch/ daß in
der membrana nahe beym Hertz etwas Waſſers ſich auffhalte. Wohin
dann auch gehet ein neuer Daͤniſcher Anatomicus, der mit aller Macht
will erhaͤrten und uns bereden/ als ſey es hie gantz natuͤrlich hergan-
gen. Deme aber ſtarck widerſpricht (1.) die experienz und Erfah-
renheit. Natuͤrlicher und ordentlicher Weiſe/ wann ein todter Leichnam
da ligt erſtorben/ ſo iſt entweder das Blut coagulirt/ geronnen/ erkaltet/
gefroren/ ſteht gantz geluͤppt wie ein Gallerend ſtill/ und wann etwas
heraus gehet/ ſo geſchicht doch ſolches nicht ἐυϑὺς, alsbald/ nicht per
ἐξέλευσιν, durch ein Außſprung. Hie aber aus dem todten/ verbliche-
nen/ außgebluteten/ abgematteten aber unverweßlichen Leichnam Chri-
ſti/ ſpringt/ quillet/ ſpritzt heraus Waſſer und Blut abſonderlich/ di-
verſis ἀυλοῖς \& limitibus, durch unter ſchiedlich und verſchiedliche Gaͤng/
daß eins von dem andern unterſchieden und erkennet werden moͤchte.
Quis talia fando audivit? Wer hat dergleichen jemahl gehoͤrt und erfah-
ren? Es ſtreitet dawider (2.) Aſſeveratio Johannis,die gewaltige
Bejachzung und Bekraͤfftigung deß H. Apoſtels/ der ſein Zeug-
nuͤß ſo ſtarck befeſtiget/ und ſein credit ſo wol verwahrt: redet hievon als
von einer unglaublichen Sachen/ beſorgend er moͤchte kein credit finden/
es moͤchte dieſes als ein uͤbernatuͤrliches Geſchick und Geſchicht nicht wol-
len geglaubt werden. Waͤr es natuͤrlich hergangen/ was haͤtte es ſolcher
ſtarck betheurten Bejachzung bedoͤrfft? Er zeigt darneben an/ es ſeye kein
ἐ [...]πιςητὸν, ſondern πιςὸν, man muͤſſe es glauben wider die Vernunfft/ auff
daß ihr auch glaubet/ ſagt er/ das was man ſonſt unglaublich haͤlt.
(3.) Suffragium venerandæ Antiquitatis, die Einſtimmung der werthen
antiquitaͤt/ die ins gemein dieſen Blut-Fluß mit dem andern im Gar-
ten am Oel-Berg verglichen. Ambroſius in Luc. 23. In corporibus
noſtris ſanguis poſt mortem congelaſcit, ſed hoc loco adhuc fluidus
eſt. Theophilactus in h. l. Judæi, inquit, mortuum corpus con-
tumeliâ afficere conantur, ſed contumelia illis in miraculum ver-
titur. Anderer jetzo zu geſchweigen.
Es iſt aber auch ferner und (IV.) Hiſtoria terrifica,eine ſchreck-
haffte Geſchicht: Dann es iſt geſchehen/ auff daß die Schrifft (nem-
lich
[25]Predigt.
lich die Weiſſagung Zachar. 12/ 10.) erfuͤllet wuͤrde: Sie werden ſe-
hen in welchen ſie geſtochen haben. Johannes accommodirts
auff die gottloſen ſichern Welt-Kinder Apoc. 1, 7. die in ihrer Sicherheit
toll dahin gehen/ fuͤr Gottes Zorn/ Hoͤll und ewigem Tod nicht erſchre-
cken/ ſie werdens ſehen/ nemblich cum terrore, wie es geſehen ha-
ben mit Schrecken/ Zittern/ Zetter und mordio (h. e. mors Dei) der
Hauptmann und die bey ihm waren/ der an ſeine Bruſt geſchlagen Luc.Luc. 23, 48.
it. Matth.
27, 54.
Marc. 15, 39
Act. 2, 37.
23. (Actor. 2. κατενύγησαν, eadem radix vocis) gleichwie der Speer
Chriſto ins Hertz getrungen/ ſo ſey auch das Wort als ein Speer in ihr
Hertzgangen/ daß ihnen das Hertz im Leib geblutet fuͤr Furcht. Man
hat die Exempel und experienz von der Cruentatione cadaverum der
Blut-Guͤſſe derer Leichnam/ die ermordet und erſchlagen worden/ wann
man eine verdaͤchtige Perſon zum Leichnam gefuͤhrt/ daß/ wann er war-
hafftig der Thaͤter iſt geweſen/ in anſehen und Gegenwart ſolches Moͤr-
ders der Leichnam anfangen Blut zu ſchwitzen/ und gegen den Thaͤter ge-
ſpritzt ihn ſchamroth zu machen/ das Gewiſſen auffzuwecken und ihm
eine Angſt ein zu jagen: Natuͤrlicher Weiſe zwar geſchicht ſolches nicht/
dann es findet ſich zwiſchen beiden/ dem ertoͤdten Leichnam und Moͤrder/
keine συμπάϑεια; natuͤrlicher Weiß fleucht das Blut vielmehr vor ſeinem
Feind/ als daß es ſich ſolte zu ihm nahen; keine natuͤrliche ſympathi hat
da einige Statt und Platz/ naturalia apud omnes eadem, was natuͤr-
lich zugehet/ das findet ſich bey allen auff einerley Weiß/ und warum
geſchicht ſolches nicht auch in Gegenwart deß Scharffrichters/ wann er
einen Ubelthaͤter enthauptet? Warum nicht ein ertoͤdter Ochs/ Schaf ꝛc.
in Gegenwart deß Metzgers/ ubi eadem ratio; Aber es iſt dieſe δει̃ξις eine
von den ϑείοις und uͤbernatuͤrlichen Begegnuͤſſen/ dadurch die Goͤttliche
providenz manchmal einen heimlichen Mord laͤſt offenbahren. Wann
dann dergleichen actus und prob vorgehet/ ſolte nicht der Thaͤter druͤber
erbleichen/ erſtarren/ erſchrecken und zetter mordio ſchreyen? Ja es
iſt bißweilen auch alſo geſchehen. Dem allem ſey wie ihm wolle/ ſo iſt
doch ein ſolche ἁιματόδειξις und Blut-Zeugnuß erſchroͤcklich. Nach-
dem die Juden Actor. 2. von Petro eines Gottes-Mords uͤberzeugt
worden/ ſo erſchrecken ſie; Wie der Speer Chriſto ins Hertz gangen/
ſo gehet ihnen Petri Wort-Speer durchs Hertz. Alles uns zu einem
Exempel und Beyſpiel/ dann wir alle mit einander ſolche ſtratioten und
Moͤrder ſind/ die wir mit unſern Suͤnden Chriſtum angeſtochen/ oder
ſolchen Speer-Stich verurſachet/ peccata noſtra Chriſti lanceæ.
Die Gottslaͤſterer ſonderlich fuͤhren einen heßlichen Namen Heb. 6. v. 6.
Achter Theil. Dund
[26]Die ander
und heiſſen ἀναςαυρου̃ντες, Wider-Creutziger/ als welche mit ihren Zungen
als gifftigen Speeren/ nicht nur ihren Neben-Menſchen Chriſti Glied-
maſſen anſtechen/ verleumden/ das mehr ſchmirtzet und ſchmertzet/ als
lanceæ ictus oder Speeren-Stich; Sondern auch ſein Blut und Sa-
cramenten laͤſteren/ und zwar thut man das Chriſto der nicht mehr am
Creutz hanget/ ſondern nunmehr ſitzet im Thron Gottes/ und daſſelb
wiſſentlich/ gewohntlich/ ſchaͤndlicher und unverantwortlicher als die
Kriegs-Knechte Pilati, die ihne den HErꝛn in dem tieffſten Stand ſei-
ner Niedrigung unwiſſend angegriffen. Wer kan ohne Schrecken/ ohne
Beben und Erblaſſen/ leſen oder hoͤren/ was jener Boͤſewicht unter drey
(*) davon
beſihe Ca-
tech. Milch
part. 1. p.
391.Spielern zu Williſau in der Schweitz gethan/ (*) der mit einem Dolche
in Himmel hinauff geſtochen/ und geſagt/ er woll ihn dem Sohn Got-
tes in den Leib werffen. Nun eben ſolches thun in Warheit alle verteuf-
felte blaſphemanten und Gottslaͤſterer/ dann ob es mit der ſcharffen
Zungen/ oder einem ſcharffen Pfeil geſchicht/ iſt eben eins. Wer wolt
ſich hieruͤber nicht entſetzen noch erſtarren? Sin? Wo ſolcher Schrecken
nicht folgt/ O weh! O zetter mordiò! O der ſchrecklichen Stimm am
juͤngſten Tag! wann Chriſtus der HErꝛ alle unbußfertige Hoͤllen-Kinder
anſprechen wird/ und ſagen: (ap. Auguſt. L. 2. de Symb. ad Catech.
c. 8.) Ecce hominem, quem crucifixiſtis; Ecce Deum \& homi-
nem, in quem credere noluiſtis! videtis vulnera quæ inflixiſtis?
agnoſcitis latus, quod pupugiſtis? per vos, propter vos latus
apertum eſt, \& tamen intrare noluiſtis. Das iſt: Schaut jetzt
an den Menſchen/ welchen ihr gecreutziget; Seht an den
Gott-Menſchen/ an welchen ihr nicht glauben wollen! Se-
het ihr die Wunden/ die ihr mir geſchlagen/ erkennet ihr
die Seit/ in die ihr geſtochen? Von euch und um euers
Heils willen iſt dieſe Seit geoͤffnet worden/ und ihr habt
doch in dieſelbe nicht wollen hinein gehen. Da wird alsdann
wahr werden/ was der Prophet geſagt/ ſie werden ſehen/ das iſt/ ſie
werdens erfahren was ſie gethan mit ewigem Ach und Wehe/ zetter und
feuriò, Ja Amen! Das iſt gewißlich wahr.
Endlich iſt es auch V. Hiſtoria dulcis \& ſolatiflua,eine ſuͤße
und troſtflieſſende Geſchicht. So viel Tropffen deß Waſſers und
Bluts/ ſo viel Fluͤſſe und Guͤſſe himmliſches Troſtes/ ſo viel fluenta ſo-
latiorum und Troſt-Quellen/ ſo viel Liebes-Seile/ die von der eroͤffneten
Seiten herab flieſſen/ uns zu derſelben zu zihen/ und wahr zu machen das
Verheiſſungs-Wort Chriſti/ welches er geſprochen Joh. 12/ 32. Jch
wann
[27]Predigt.
wann ich erhoͤhet werde von der Erden/ ſo wil ich ſie alle zu
mir zihen.Duo fluenta, duæ funes, dieſe zween Fluͤſſe ſind zwey
Liebes-Seile/ wormit uns der HErꝛ zu ſich leitet und zihet. Qui neſcit
viam ad mare, quærat amnem comitem, heiſt es auch wol hier. Jch
wil ſie zihen/ ſagt der HErr.Sie/ nemblich die Bußfertige
und Glaubige/ werden ſehen/ in welchen jene/ die Gottloſen
geſtochen haben mit Speeren und mit Zungen; die Frommen werden
ſehen gar mit andern Augen/ als die gottloſen Beltals-Kinder und rohe
Suͤnden-Knecht/
Nemlich abermals (I.) Per theoriam pœnitentialem, mit einer
bußfertigen Reu-Schau/ mit traurigen und thraͤnenden Augen. Jſts
nicht alſo? Wann eine Rott und Karten-Spiel von Moͤrdern und
Straſſen-Raͤubern in hafft gerathen/ zum Rad verdampt worden/ und
aber deß Richters Sohn aus groſſer Lieb und Mitleiden/ ſich der Juſtiti
ſelbſt præſentiren und darſtellen wolte zur Buͤrgſchafft/ ranzion und
interceſſion, die juſtitia ließ es gelten/ er wuͤrde ad ſupplicium zum
Raben-Stein und Hoch-Gericht hinaus gefuͤhrt in anſehen der Moͤrder/
die ſolcher tragœdi beywohnen; wuͤrde auch ein ſolcher Ubelthaͤter ein
ſolch unbeweglich Pardel und Tiger-Hertz haben/ wann er der Rad-
Stoͤß anſichtig wird/ daß ihm nicht das Hertz druͤber blute/ daß nicht alle
Stoͤſſe ihm auch ſein Hertz treffen ſolten und er Blut druͤber weinen
moͤchte? daß er nicht ſagen ſolte/ O weh mir! Der Stoß gebuͤhrt mir/
ich habs verdient! O behuͤte GOtt/ daß ich ja nimmer zur Suͤnde mich
verleiten laſſe/ daß ich dieſelbe flihe als ein Schlang. O Menſch bedenck
dein Suͤnde groß/ welch ein unermeßliches Ubel die Suͤnde ſey/ derenthal-
ben der Sohn Gottes von unermeßlicher Majeſtaͤt/ ſolche Marter und
Qual uͤbertragen und außſtehen muͤſſen? Daß auch GOtt der HErꝛ
ſeines einigen Sohns nicht geſchonet/ nur darum daß uns Moͤrdern moͤg
aus dem Rachen deß ewigen Todes geholffen werden. Ach daß der Wolff
leben moͤge/ muſte das Lamb herhalten.
Sie die Frommen werden ſehen (II.) Per theoriam fidei in latus,
tanquam feneſtram amoris, mit einer rechten Glaubens-Schau in
die eroͤffnete Seiten als in ein offenes Liebes-Fenſter. Momus der Goͤt-
ter Spoͤtter (wie die Poëten von ihm getichtet) ſol vorzeiten geſagt haben/
es mangle dem Menſchen nichts/ als ein Hertzens-Fenſter; Aber wozu?
Was wird man ſehen? Warhafftig nichts flaͤtigs/ ſondern in ein wuͤſte/
ſtinckende Moͤrder- und Todten-grub wuͤrde man hinein ſehen. Aber hie
ſteht offen das helle Fenſter deß allerheiligſten Hertzens JEſu Chriſti voller
D 2Gnad
[28]Die ander
Gnad und Warheit/ hic aulam voluit Rex Amor eſſe ſuam; hîc ὑπερ-
ἐκπερι [...]εύουσα χάρις, hie wohnt die uͤberſchwenckliche Gnade Gottes/ da-
durch alle Suͤnden uͤberſchwemmet und erſaͤufft werden: Ob ſchon ein
einiger Bluts-Tropffen Chriſti gnung haͤtte ſeyn moͤgen/ alle Suͤnde der
Menſchen damit außzuſoͤhnen/ ſo hat ſich doch allhie die Goͤttliche Lieb
Stroms-weiß wollen ergieſſen/ auff daß kein Bluts-Tropffen in ſeinem
H. Leib uͤberblieb/ den er nicht uns und fuͤr uns mittheilen moͤchte. Zum
Exempel/ wann ein Koͤnig ſeinen rebelliſchen Unterthanen ἀμνηςείαν,
perdon und Ablaß verhieſſe/ mit der condition, ſie ſolten ſeiner hieruͤber
geoffenbahrten Zuſag Glauben zuſtellen/ ſie aber woltens nicht glauben/
nicht annehmen/ nicht herzu tretten/ wie Joſephs Bruͤder/ nicht trauen;
Er aber der fromme und guͤtige Herꝛ thaͤt eins/ ließ ihm ſelbſten ein Dol-
chen oder Rapir in Leib/ ins Hertz hinein ſtechen/ daß das Blut mildig-
lich und reichlich heraus flieſſete/ und ſagte hierauff: Hîc oſtium cordis
apertum! Hie ſehet ihr mein Hertz/ wie es gegen euch walle und offen
ſtehe/ ach ſo glaubt doch/ daß ich euch lieb hab/ daß wies mir von Hertzen
geht und Ernſt iſt/ auch ihrs zu Hertzen nehmet/ und mir von Hertzen
trauet. Alſo ſpricht auch hier der groſſe liebreichſte Himmels-Koͤnig uns
an/ deutet auff ſeine eroͤffnete Hertzens- und Seiten-Wund/ ſagend:
En latus apertum! Schaut hinein durch mein eroͤffnete Seiten in mein
liebflammendes Hertz hinein/ ihr ſeyd unſchuldig nicht an dieſem Blut/
ſondern in dieſem Blut/ mein Blut/ nicht Rach-ſondern ranzion-
Blut/ ſey uͤber euch und euren Kindern! Kommet her und trin-
cket mein Blut/ auff daß ihr das Leben habet in euch Joh. 6. kommet her/
lechtzend und duͤrſtet/ mit ſo groſſem Durſt/ als die Kinder Jſrael gedur-
ſtet in der Wuͤſten/ als begierig ſie getruncken von dem friſchen Felſen-
Waſſer. Joſephus ſchreibt von ihnen/ ipſo ſpectaculo recreabantur,
ſie haben das Felſen-Waſſer/ als ein friſchen/ guten und kuͤhlen Trunck
magna voluptate, mit heiſſer Luſt und Begierde getruncken/ es hieß
damahl bey ihnen/ optimum potus condimentum ſitis, Durſt iſt der
beſte Keller. Alſo faſſet auch dieſes Heil-Waſſer und Blut auff/ wie
Gideon/ in eure Hertzens-Schalen/ und trincket ſoteria veſtra, auff
eure Seelen Geſundheit! davon aber ins kuͤnfftig.
(III.) Per theoriam obſequioſam ad imitationem, mit gehor-
ſamer Nachfolge/ ſie werden ihn auch ſehen mit gehorſamen Augen/ ihme
nachſchauen als ein exemplar der patienz, wann man auch muß
Zungen-Stich hoͤren und leiden/ ſo gedencke man/ was Chriſto begegnet
dem Haupt/ das muͤſſen auch ſeine Chriſten leiden als Glieder: Und
ſon-
[29]Predigt.
ſonderlich auch beſorgen von feindſeligen/ vergaͤllten und rachgierigen Leu-
then/ daß ſie ihren Zorn und Rach nach dem Tode außſtoſſen/ als die
Schlut-Hunde an den Todten ſich raͤchen und ihren durſtigen Muth kuͤh-
len moͤchten/ an unſchuldigen Perſonen/ die ſich nicht mehr verantwor-
ten koͤnnen. Jch ſag/ an unſchuldigen Perſonen/ oder die ſich ir-
gend durch menſchliche Schwachheit geirret; Denn ſonſten die gruͤnd-
liche und bekantliche Warheit ſagen im Fall der Noth/ da Gottes Ehr in-
tereſſirt/ oder ein guter Name muß errettet werden/ iſt nie verbotten ge-
weſen/ wann hæreditaria odia ſich hervor thun. De mortuis nil ni-
ſi benè ſagt man ſonſt/ von todten und verſtorbenen Leuthen ſoll man
nichts als gutes reden/ nemblich de mortuis non redivivis, wann man
ſie ſchlaffen laͤſt. Wann aber Simei den David nach Sauls Tod ein
Blut-Hund ſchilt/ und im Gegenthell deß Sauls tyranniſche Stuͤck
und Tuͤck gut heiſſen wuͤrde/ da iſt apologia von noͤthen/ daß ein jeder
ſein Glimpff und Ehre rette ſo gut uñ beſcheidentlich er kan und mag. Dañ
ſonſt wann der H. Geiſt dem Saul parentirt/ ſo lautets nicht wol. Alle
Hiſtorien ſind vindices der Tyranney Juliani, Neronis \&c. von un-
ſchuldigen rede ich/ welche hier an ihrem HErꝛn JEſu einen Troſt zu
nehmen/ der auch unſchuldig gelitten/ er hat durch ſeine allerheiligſte Ge-
dult unſere Gedult conſecrirt und geweihet/ und wie es dazumahlen ſei-
ner heiligen Seelen im Paradiß nichts geſchadet/ ſein ſeliger Stand und
Ruhe nicht turbirt worden/ ob gleich ſein Leichnam am Creutz mit dem
Speer angeſtochen und verhoͤnet worden: Alſo wirds auch ſolchen die
da nach ihrem Tod von boͤſen Zungen angeſtochen werden/ nicht ſchaden
an ihrer Seelen Seligkeit/ dann Chriſtus wird ſie vertretten.
So werden ſie endlich und (IV.) ſehen per Theoriam indagatri-
cem quietis,mit Ruh-forſchenden Augen. Es wird alsdann
auch mancher Creutz-patient mit David wuͤnſchen Pſal. 55/ 7. O haͤt-
te ich Fluͤgel wie Tauben/ daß ich floͤge und etwa bliebe!
Sihe ſo wolt ich mich ferne weg machen/ und in der Wuͤſten
bleiben: Jch wolt eylen/ daß ich entrinne fuͤr dem Sturm-
Winde und Wetter. Wo aber hin lieber David? Dahin/ wo Ruhe
iſt: wo mich meines Heylands guͤldne Liebes-Seile zihen wird. Wo etwa?
Jn die Felß-Loͤcher und Stein-Ritzen ſeiner Wunden Cant. 2, 14.
Nun Davids Wunſch ſol unſer Wunſch ſeyn; Gleich wie ſich fein ein
Voͤgelein ꝛc. Jn die Ritzen deiner eroͤffneten Wunden HErꝛ JEſu/ da-
hin wil ich flihen/ zu entflihen/ auff zu flihen: Flihen in die
ſichere Stein-Ritzen/ allwo die Seelen-Feind nicht hin kommen koͤnnen/
D 3wo
[30]Die ander
wo das Wetter uns nicht verderben oder beſchaͤdigen kan; entflihen al-
lem Ungemach; Durch einen ſeligen Tod auffflihen in die beſtaͤndi-
ge μονὰς, in die ſichere Wohnunge und ſtoltze Ruhe/ die uns Chriſtus
durch ſeinen Zug und Flug zum Vater erworben. Trahe me poſt te ò
dulciſſime Jeſu! Er der HErꝛ gebe uns ein ſolchen ſeligen Zug und froͤ-
lichen Flug/ ein ſeligen Glaubens-Zug in ihn/ dermahleins ein froͤlichen
Todes-Flug nach und zu ihm/ zur ewigen/ beſtaͤndigen/ unwandelbaren
Ruhe/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Von einer erſchrecklichen/ recht
tragiſchen/ aber auch gerechten Geſchicht und Gericht/
Straff/ Schlag und Plag/ welche der gerechte eifferige
GOtt deſignirt/ geuͤbet und ergehen laſſen an dem Volck
zu Bethſemes/ leſen wir 1. Sam. 6. Dann als das
groſſe Heiligthum/ hochtroͤſtliche Geheimnuͤß der Bunds-Laden/ der
H. Wohnunge Gottes/ aus der Hand und Land der Philiſter wieder
zuruͤck kommen/ an beſagten Flecken Bethſemes angelendet: Und
aber hierauff das Volck von allen Enden und Orthen der Nachbarſchafft/
in hellem Hauffen mit ungeſaͤuberten Fuͤſſen zu gelauffen/ dieſes Kley-
nod und Geheimnuͤß entbloͤſſet/ erſuchet/ mit fuͤrwitzigen Augen hinein
geſchauet (reù baaròn, videbant intimè in arcam) betaſtet und an-
geruͤhret/ nicht mit gebuͤhrlicher reverenz und Andacht/ ſondern aus
verwegenem Frevel und Allfentzerey mit ungewaſchenen Haͤnden zur
Unzeit/ alles wider Gottes klare Ordnung und Verbot/ da dergleichen zu
thun bey Leib und Lebens Straff verboten geweſt Num. 4, 15. So
ergrimmet der Zorn deß HErꝛn/ verhengt Θεόπεμπτον κακὸν, wie es
Joſephus nennet/ eine gifftige anſteckende Peſtilentz/ davon 50000. und
70. Perſohnen jaͤmmerlich hingerafft und umkommen/ und alſo Beth-
ſemes ein Bethabel, die Sonn-Wonn- und Wohlſtatt/ in ein Jammer-
Tod- und Leichſtatt/ in ein Todten-Grab und Gerner verwandelt worden.
Ob nun wol dieſes ſo ſtrenge und entſetzliche/ heilige und gerechte
Gericht/ daß um eines einigen Anblicks willen ſo viel 1000. Menſchen in
einer ſo kurtzen Zeit ums Leben kommen/ der gantzen Welt zu einem Ex-
emplar/ Schroͤck-Bild und Scheu-Saal repræſentirt und dargeſtellet
worden/ daß wir an frembdem Schaden ſollen witzig werden/ mit den
goͤttlichen Geheimnuͤſſen deß Glaubens und namentlich auch mit den
Myſteriis Sacramentorum, oder Sacramentlichen Geheimnuͤſſen
nicht ſchertzen/ dieſelbe nicht irreverenter tractiren/ allzu curiosè mit
ungewaſchenen Haͤnden nicht angreiffen/ nicht allzu tieff ohne das Liecht
deß goͤttlichen Worts es wagen hinein zu ſchauen: Sondern ihnen mit
tieffſter reverenz, devotion und Andacht begegnen.
Phil. Melanchton in præfat. ad Tom. 4. Witteb. Lutheri pag. 5. thut
hievon folgende Erinnerung: Man ſihet/ ſpricht er/ wie der Teuffel durch liſti-
ge kuͤhne Schwetzer/ die dem Papſt anhangen/ als durch den Sidonium und ſeines
gleichen/ Paͤpſtlich Abgoͤtterey wiederum einzufuͤhren arbeit. Dagegen ſollen
wir verwarnet ſeyn/ daß wir nicht verblendet werden durch falſchen Schein
und Sophiſterey/ und hernach in grauſame Straff fallen/ denn es GOtt un-
leidlich/ daß die Menſchen ſeine Wort verachten/ und wollen ſelbſt religion ma-
chen/ ihres gefallens/ und wiewol in vielen Exempeln die Straff fuͤrgemahlet
iſt/ als in Achab/ Achas/ Nabogdonoſor und andern/ ſo wil ich doch allein
dieſes Exempel Pompeji jetzund erzehlen/ der ein ſehr loͤblicher/ zuͤchtiger/ guͤ-
tiger/ ehrlicher Fuͤrſt geweſen iſt/ und hat Sieg und gut Gluͤck gehabt/ biß
auff dieſen letzten Stoltz: Da er gen Jeruſalem kam/ und hat nu von der Ju-
den alt Herkommen und religion viel gehoͤrt/ und ſahe daß es viel ein andere Lehre
war/ denn die Heydniſche/ (denn die Juden tichten nicht viel Goͤtter/ billich-
ten nicht unnatuͤrliche Vnzucht ꝛc. wie die Heyden) da wolte er den Tempel
auch ſchauen/ und ſehen/ was doch darinnen were/ ob auch Bilder oder andere
Zeichen darinn ſtunden. Nun ſagte man ihm/ daß GOtt dieſe Ordnung gemacht
hette/ daß allein der Hoheprieſter in den letzten heimlichen Chor gehen ſolt/ und
ſonſt kein Menſch auff Erden. Dieſes hielt er fuͤr fabuln, und gieng fort in den-
ſelbigen heimlichen verbotenen Ort/ und ſchauet/ was darinnen war/ nu iſt die-
ſelbige Zeit nichts darinn geweſen/ denn der Kaſte/ darinn Moſes Taffeln gele-
gen ſind im vorigen Tempel/ ſind mit demſelbigen Tempel verbrandt. Bald
nach dieſem Stoltz iſt die Straff gefolget/ als Pompejus wiederum mit groſ-
ſer Herꝛligkeit zu Rom ankommen iſt/ hat er ſich wider Julium anhetzen laſſen/
und iſt der grauſam Krieg zwiſchen ihnen beyden/ Julio und Pompejo erreget/
darinn viel hundert tauſend Mann umkommen/ und ewige Verenderung deß
Reichs gefolget/ und iſt Pompejus in der Flucht auff dem Meer jaͤmmerlich ge-
toͤdtet worden/ nicht fern von dem Land Judæa, da er das Land Judæa und den
Tempel im Geſicht gehabt hat. Wie wol nun dieſe zeitliche Straff/ noch nicht
die fuͤrnehme und ewige Straff iſt/ darinn erſt GOtt ſeinen gerechten Zorn in
Ewigkeit erzeiget/ wider alle die ſich nicht bekehren/ gleichwol wil GOtt auch
in dieſem Leben die Straffen anfahen/ zu Erzeigung ſeiner Gerechtigkeit/ und
zum
[32]Die ander
zum Exempel den andern. WiePompejushernach ſchroͤcklich gefallen iſt/
nachdem er in dieſen heimlichen verbottenen Ort gangen iſt; Alſo ſind
viel hoher Leuth gefallen/ und werden fallen/ die ſo kuͤhn ſind/ daß ſie
in ſolche Heimligkeit Gottes hinein dringen/ wollenReligion,Lehre/
und Gottesdienſt machen aus eigner Weißheit/ wider Gottes Wort/
ſtaͤrcken und machen Abgoͤtterey/ und ſuchen hernach Schein undSophi-
ſmata,die Luͤgen und Laͤſterung zu ſchmuͤcken/ die offt ſo ſchoͤn gefaͤrbet
ſind/ daß viel Leuth betrogen werden/ und ſchwer wird den Betrug
anzuzeigen.Sic Melanchton.
So iſt doch dieſe tragiſche Hiſtori und Goͤttliches geſtrenges Gericht
nicht obliquabile, und dahin zuverdrehen/ zuverkruͤmmen und zufol-
tern/ als waͤre alle ἐποϖτεία, alle An- und Einſchau ſolcher Geheimnuͤſſen/
ohne Beding und Unterſcheid bloß verbotten/ als doͤrfften wir Chriſten
auch im neuen Teſtament die Geheimnuͤſſen unſer religion, namentlich
auch die Sacramenta Eccleſiæ allerdings nicht penetriren/ ſo weit uns
der Finger deß H. Geiſtes fuͤhret/ ſondern bloß in ſuperficie, wie der
Storch den Brey-Topff/ beruͤhren/ nicht intimè anſchauen/ nicht for-
ſchen. Diſtingue tempora \& concordabit Scriptura, moͤgen wir
nicht uneben auch hie ſagen. Es iſt jetzt nicht mehr um die Zeit/ da die
Geheimnuͤſſe bedeckt und ἀπρόσιτα ſeyn muͤſſen/ ſondern nachdem das ve-
lum templi, der Fuͤrhang zu dem Heiligthum zerriſſen/ Platz und Raum
gemacht hinein zugehen/ ein Zutritt zu nehmen zum Gnaden-Stuhl
Hebr. 4/ 10. erlaubet und gegoͤnnet. Dann es hat uns GOtt der
HErr JEſum Chriſtum vorgeſtellet als den Gnaden-Stuhl/ πρὸς
ἔνδειξιν zur Anzeig und oͤffentlichen Schau/ und daſſelbe ἐν τῷ νῦν καιρῷ,
in der jetzigen gnadenreichen Zeit deß N. Teſt. Rom. 3/ 25. Nicht allein
aber das/ ſondern alle andere Evangeliſche Geheimnuͤß/ die von ewi-
Rom. 16, 25.
Eph. 3, 4.
\& 5.
cap. 6, 19.gen Zeiten verſchwiegen geweſt/ nun aber durch den H. Apo-
ſtel geoffenbahret und kund gemacht Rom. 16. Darinnen
uns Chriſtus ſich ſpiegelt mit auffgedecktem Angeſicht 2.
Cor. 3/ ult. gebuͤhrlich und beſcheidentlich zubeſchauen. In ſpecie ſchauen
auch in die Sacramentliche Geheimnuͤß.
Wann wir dann auch zur Folge der Weiſſagung Zach. 12. anfan-
gen zu ſehen/ in welchen jene mit gifftigen ſpitzigen Worten/ der
Roͤmiſche Kriegs-Knecht aber mit ſeinem Speer geſtochen/ ſeine hei-
lige Seite eroͤffnet/ daß Waſſer und Blut heraus gefloſſen. Wann wir/
ſag ich/ ſolche Schau angefangen/ beſchauet 1. die Wunde als die Quell/
und 2. die Hiſtori deß Waſſer- und Blut-Fluſſes. So folgt nun die dritte
Ἐποϖτεία \& Theoria oder Schau deß Sacramentlichen Geheimnuͤſſes/
als
[33]Predigt.
als um welches willen und daſſelbe recht eigentlich und deutlich wol ein-
zubilden dieſer Text erwehlt und erſehen worden. Dißmahl bleiben wir
bloß allein in der generalitaͤt/ zuvernehmen erſtlich/ quid Myſterium,
oder was eigentlich das WortMyſterium, deſſen in H. Schrifft
ſo offt gedacht wird/ ſeye und heiſſe? Darnach/ quod hîc myſte-
rium, daß hie unter dieſer Schal ein Wunder-Kern nemlich die H. Sa-
cramenten N. Teſt. verborgen ligen. Hievon dißmahl nuͤtzlich zu hand-
len/ wolle der HErꝛ mit der Gnade ſeines H. Geiſtes allerſeits kraͤfftig
beywohnen/ Amen.
WAs eigentlichmyſterium,oder Geheimnuͤß ſey und
heiſſe/ davon wir ſo viel/ dick und offt hoͤren/ aber wenig
verſtehen/ das hat niemand deutlicher/ heller und runder er-
klaͤrt/ als unſer theure Lutherus/ in der Rand-Gloß uͤber Epheſ. 5/ 32.
Uber die Wort/ das Geheimnuß iſt groß.Myſterium, ſagt er/
oder Geheimnuß iſt ein groß/ heilig und verborgen Ding/
das man nicht ſehen kan/ ſondern glauben muß/ daß doch
von auſſen ſeine Bedeutung hat. Es iſt ein euſſerliche ſichtbare
Schal/ in welcher ein verborgener unſichtbarer Kern liget. Es gibts die
induction, Einfuͤhrung und Anzihung aller derer Schrifften/ in wel-
chen deß Worts myſterii gedacht wird/ Dan. 2/ 19. heiſt Nebukadnezars
Traum ein myſterium, ſacramentum,ein verborgen Ding/ da un-
ter dem im Traum erſchienen und ſichtbaren Coloſſo, deſſen Haupt
guͤlden ꝛc. verborgen gelegen die vierte groſſe Welt. Monarchia und Koͤ-
nigreich/ wie es Daniel erklaͤrt/ bey Matth. 13/ 11. Heiſſen die jenige pa-
rabolæ, die der HErꝛ producirt/ myſteria regni cœlorum, die para-
bol vom Samen und Seemann/ vom Senff-Korn/ vom verborgenen
Acker-Schatz/ von dem koͤſtlichen Perlin und Fiſcher-Netz/ darunter
groſſe Geheimnuͤſſe verdeckt und verborgen gelegen. Deßgleichen Apoc.
1. ult. myſterium ſeptem ſtellarum, das Geheimnuß der ſieben Ster-
nen/ durch welche ſieben Biſchoͤffe in Aſiâ bedeutet worden. Alſo 2. Theſſ.
2. nennet St. Paulus ſeine Weiſſagung vom Antichriſt ein myſterium;
Stellet uns den Roͤmiſchen Papſt vor/ ſampt ſeinem gantzen Glantz/
Stat und Standt/ curiâ Hoff und Pracht/ und mahlt ihn ab mit ſei-
nen lebendigen Farben/ als Prochriſtum, als einen Stadthalter Chri-
ſti/ dafuͤr er angeſehn ſeyn wil/
Juxta c. ſatis diſtinct. 96. Papa à nemine judicati poteſt, quia à Con-
ſtantino M. Deus appellatus eſt.
der ſich als ein Gott geberdet/ und ſich erhebet uͤber GOtt und was
Gottes iſt/ uͤber den σε [...]αςὸν (Auguſtum) ſelber/ deſſen Haupt er
(*) in anat.
demonſtr.
5. n. 231.ſeyn wil/ wie ſein Schmarotzer Tannerus von ihm ſchreibt. (*)
nach Anleitung deß Roͤmiſchen Ceremonial muß der Kaͤyſer dem Papſt
die Fuͤß kuͤſſen/ Stegreiff halten/ deß Papſts Stul auff ſeiner Schul-
ter tragen/ ſampt ſeinen kraͤfftigen Luͤgen und luͤgenhafften Wunder-
thaten/ und dergleichen. Wiltu wiſſen/ was unter dieſem Deckel fuͤr
ein Wildpret verborgen lige? Nemlich der Antichriſt. Eben ſo mah-
let auch der Geiſt Gottes deß Antichriſts ſein rothe Braut von Babylon
ab/ præſentirt dieſelbe als eine Mutter aller Hurerey Apoc. 17, 7.
als eine Koͤnigin und Herꝛſcherin uͤber alle paͤpſtiſche Koͤnigreich/ in
ihrer πολλῇ φαντασίᾳ, habit, proceſſion, monſtrantzen/ Meßgewandt/
Gepraͤng und pomp, Scharlacken/ Roſinroth ꝛc. Traͤgt aber an ihrer
Stirn geſchrieben/ den Namen myſterium. Was wird durch dieſe
Reuterin anders verſtanden als die Roͤmiſche Kirch? Wohin dann
auch gehoͤrt das Geheimnuͤß der Ehe Eph. 5. Adam und Eva war
Mann und Weib/ aus deß ſchlaffenden Adams Seiten wird ein Weib
erſchaffen/ da er erwacht/ ſteht ſie da/ mit ihme una caro ein Fleiſch:
das myſterium oder Geheimnuͤß/ ſo hierunter verborgen/ entdecket St.
Paulus/ es ſeye der andere Adam/ Chriſtus/ und ſeine liebe
vertraute Geſpons/ die Chriſtliche Kirch/ welche gleichſam/ da
er am Stamme deß Creutzes geſchlaffen/ aus ſeiner eroͤffneten Seiten
hervor kommen und gebauet worden/ hernach nach ſeiner Aufferſtehung
zu ihm gezogen/ und mit derſelben ein geiſtlicher Leib worden. Solche
Bewandnuͤß hat es auch mit dem myſterio ſacramentali: Unter der
Schalen deß Waſſers liegt das groſſe Geheimnuͤß der H. Tauff; unter der
Schalen Brodts und Weins der Leib und Blut Chriſti. Chryſoſt. hat die
πάϑη, qualitaͤten und Eigenſchafften eines myſterii oder Geheimnuͤßes/
daſſelbe noch deutlicher zuverſtehen/ zuſam̃en gefaſt (Homil. 19. in Ep. ad
Rom.) in dieſe definition: Μυςήριον ἐνταῦθα ἐγνοούμενον καὶ ἀπόῤῥητον λέγων, καὶ
πολὺ
[35]Predigt.
πολὺ μὲν τὸ ϑαῦμα, πολὺ δὲ τό παράδοξον ἔχον; Myſterium ſic inco-
gnitum \& arcanum dicens, quod multum admirationis, \& mul-
tum paradoxi habet. (*)
Er nennets 1. Αγνοούμενον, ein geheim/ verborgen/ uner-
kaͤntlich/ unempfindlich und unſichtbarliches Ding/ ὑπ ὲρ-
νου̃ν καὶ κατάληψιν: unerkaͤntlich gar nicht abſolutè, und ohne Unter-
ſcheid bloß dahin/ ſondern dunckel und unerkaͤndtlich in und vor unſern
ſinnlichen und Vernunffts-Augen/ gleichwie es dort bey der ἀγγελοφάνεια
oder Engliſchen Erſcheinung 2. Reg. 6. hergangen/ daß Gehaſi
der Diener Eliſæ die feurige Roß und Wagen der H. Engel mit den rohen
unerleuchteten leiblichen Augen nicht erſehen koͤnnen/ biß ihm die Augen/
durch von Eliſa erbettene goͤttliche Erleuchtung/ auffgangen/ da ers als-
dann hell und klar geſehen. Alſo koͤnnen auch die Glaubens-Geheimnuͤß
mit Vernunffts/ weniger mit euſſerlichen ſinnlichen Augen nicht/ doch
wol mit den Augen deß Glaubens/ der ein Grundveſt iſt deſſen was man
nicht ſihet/ geſehen und gemercket werden.
2. Ἀπόῤῥητον \& ineffabile, ein ſolch geheim und verborgen Ding/
daß wie es mit Sinnen und Gedancken nicht kan erreicht/ alſo mit dem
Munde oder mit Worten nicht kan angezeigt und außgeſprochen werden.
Ineffabile ſag ich/ aber nicht negativè, als ſolt es gantz nicht außgeſpro-
chen werden koͤnnen/ Chriſtus lehrt anders Matth. 10/ 26. ſeq. da er zu ſei-
nen Juͤngern ſpricht: Es iſt nichts verborgen/ daß nicht offenbar
werde/ und iſt nichts heimlich/ daß man nicht wiſſen werde:
Was ich euch ſage im Finſternuͤß/ das redet im Liecht/ und
was ihr hoͤret in das Ohr/ das prediget auff den Daͤchern.
Sondern τῷ φαύλως ἔχειν, weil es hoch und ſchwer iſt davon zu reden
und außzudeuten. Darum muß man ſobriè und religiosè gar behut-
ſam und vernuͤnfftig davon reden und handeln/ analogicè ad fidei re
gulam, daß kein Wort an der Glaubens-regul anſtreiche. Unauß-
ſprechlich iſt auch ein myſterium, dieweil kein menſchliche Zung es per-
fectè gnugſam und vollkommen außſprechen kan/ gleichwie den Ver-
ſtand und Krafft deß Namens Jehovàh, doch aber ſo viel in dieſer ſterb-
lichen Unvollkommenheit geſchehen kan; dann warum hats GOtt ge-
offenbaret/ als daß mans nennen und erkennen ſol?
3. Παράδοξον, oder vor der Vernunfft unglaublich/ thoͤricht und
veracht. Maſſen von den Heyden die Beſchneidung der Juden genen-
net worden/ πράγμα γελώμενον παρὰ πολλοῖς, ein laͤcherlichs Ding.
Daher das Sacrament der H. Tauff ſo gar veracht/ daß (wie Lutherus
E 2berich-
[36]Die dritte
berichtet Tom. 4. Jen. p. 420.) dieſelbe von den Wider-Taͤufferen
genennet worden ein Hunds-Bad/ die Taͤuffer Bad-Knecht; Das
Sacrament deß H. Abendmahls ward vorzeiten genennet Thyeſtæa cœ-
na, ein Menſchen-Freſſerey/ Beza nennets Κρεωφαγίαν das Fleiſch-freſ-
ſen. (*) aber μωρὸν Θεου̃ σοφώτερον, ſprechen wir mit Paulo 1. Cor. 1/ 25.
4. Θαυμάσιον ein gantz ſeltzam und wunderbares Ding/
daruͤber man ſich billich zu verwundern hat/ und zu ruffen/ Ὠβάϑος! O
welch eine Tieffe! Es geht doch in den myſteriis naturæ und Ge-
heimnuͤſſen der Natur alſo her/ daß man ſich muß begnuͤgen mit dem ὅτι,
bloß zu wiſſen daß ein Ding ſey/ aber das διότι kan man nicht allhier er-
forſchen/ alle innere Urſachen und qualitates occultas nicht penetriren.
Daher Auguſtinus ſchreibt/ da er zum erſtenmahl den Magnet-Stein
geſehen/ cum primum vidi, ferreum annulum ſuſpendi, inhorrui,
quis iſtam vim lapidis non ſtuperet?Er hab ſich hefftig darob
entſetzet/ da er geſehen/ wie ein eiſſerner Ring damit auff-
gehaben worden/ dann wer wolte ſich nicht uͤber ſolche Krafft
eins Steins verwundern. ὠβάϑος! Weniger haben wir zu ver-
wundern/ wann wir in uͤbernatuͤrlichen himmliſchen Glaubens-Geheim-
nuͤſſen nicht tieffer hinein kommen und ergruͤnden koͤnnen/ und alſo bey
dem bloſſen ὅτι bewenden laſſen muͤſſen.
Daß aber nun (welches der andere Umſtand) unter unſerer Hi-
ſtori ſolch Geheimnuͤß verborgen lige/ ein ſo gethanes jetzt beſchriebenes
myſterium, daſſelbe iſt zwar mit klaren Worten nicht benahmſt noch
außgedruckt/ doch aber in den Umſtaͤnden per ἀγχίνοιαν leichtlich zufin-
den. Und daſſelbe (I.) in analogiâ ſtyli Spir. S.in der Vergleichung
derer in H. Schrifft uͤblichen Red deß H. Geiſtes Arten/ als
deſſen Gewonheit iſt/ ſeine Wort durch euſſerliche Zeichen zu declariren/
deß Glaubens und glaubwuͤrdige Sachen zu evidentificiren/ clarificiren/
liechter und leichter zu machen. Gleichwie etwan ein kunſtreicher Mah-
ler
[37]Predigt.
ler auch thut/ wann er ein obſcuren finſtern und ſchattichten Wald wil
abmahlen/ ſo braucht er wiewol ſchwartze doch helle und ſcheinbare Far-
ben dazu. Wo ihr nicht Zeichen und Wunder ſehet/ ſo glaubet ihr nicht/
ſprich[t] unſer Heyland zu dem Koͤnigiſchen Joh. 4/ 48. Jſt aber auch der
Menſchen Vernunffts. Art ins geſampt/ welche etwas zubegreiffen Zei-
chen erfoͤrdert. Sonderlich thut es der H. Geiſt in den Geheimnuͤſſen
von Chriſto/ der der Stern und Kern iſt der gantzen H. Schrifft/ ſeine
Perſon/ Menſchwerdung/ Gutthaten/ merita, Fruͤchten ſeind allenthal-
ben mit Worten in H. Schrifft auffgezeichnet/ weil es aber hohe tieffe
myſteria ſind/ ſo ſind dieſelben mit gewiſſen Zeichen/ parablen und ty-
pis oder ænigmatiſchen Zeichen begleitet/ bezeichnet und fuͤrgebildet wor-1. Cor. 13,
12.
den. Das Opffer Chriſti in der gantzen liturgia deß Alt. Teſtaments/
unter Abrahams Opffer und Saamen das Opffer deß Meſſiæ; Unter
der Jacobs-Leiter/ Er Chriſtus als der Weg/ die Warheit und das Leben;
Unter Joſephs gantzer politis und Lebens-Lauff/ der Standt der Ernie-
drigung und Erhoͤhung Chriſti; Unter Moſis feurigen Buſch das Ge-
heimnuͤß der incarnation und Menſchwerdung deß Sohns Gottes. (*)(*) Hieruͤ-
ber beſihe
D. Luthe-
rum Tom.
1. Isleb. p.
304. f. 2. \&
ſeqq.
Unter dem Oſter-Lamb deß Alt. Teſtaments Chriſtus das rechte Oſter-
Lamb/ wie auch unter dem Bild der erhoͤhten ehrnen Schlangen; Un-
ter dem Manna und Himmel-Brod Joh. 6. Unter Joſuæ groſſem
Sieg und Verſtoͤrung der Stadt Jericho/ auch calcation der fuͤnff Koͤ-
nige; Unter Davids Hirten-Stab und Pfleg; Unter Salomons
majeſtaͤt/ glori und Herꝛligkeit/ unter Eliæ Himmelfahrt/ Eliſæ Tod-
ten-Erweckung/ Oſeæ Heurath/ Jonas im Wahlfiſch/ Daniel im Loͤ-
wen-Graben. Alſo ob ſchon in der Evangeliſchen hiſtoria die beyden
Sacramenten/ dero Krafft/ Safft und Tugend/ mit klaren Worten
beſchrieben Matth. 26. und 28. Cap. So hat doch der goͤttlichen provi-
denz belieben wollen/ auch mit euſſerlichen Zeichen deß Waſſer- und
Blut-Fluſſes ſie bezeichnen. Wie durch die Arch Noah die H. Tauff;
durch Melchiſedechs Mahl das H. Abendmahl vorgebildet worden; Alſo
auch die H. Tauff unter der Wolcken-Tauff/ Manna-Speiß und Fel-
ſen-Trunck.
(II.) Ex hypotheſi miraculi. Und das um ſo viel deſto glaub-
licher/ dieweil dieſer Fluß ein rares und klares uͤbernatuͤrliches Wun-
derwerck geweſt. Nun haben alle miracul und Wunder Chriſti ihre ge-
heime geiſtliche Bedeutung der inneren geiſtlichen miraculen ſo an der
Seelen geſchehen/ und durch die leibliche bedeutet worden/ und um dero
willen dieſe angeſehen geweſt. Die Heilung deß Auſſatzes hat gedeu-
E 3tet
[38]Die dritte
tet auff die geiſtliche Abwaſchung vom ſchnoͤdeſten Greuel der Erb-Suͤn-
de/ welche iſt der geiſtliche Auſſatz/ damit wir Menſchen angeſtecket und
vergifftet. Da der HErꝛ Chriſtus die Tauffel von den Beſeſſenen auß-
getrieben/ wurde damit angedeutet die geiſtliche Außtreibung durch den
kraͤfftigen Loͤß-Schluͤſſel; Da er die Stummen und Sprachloſen redend
gemacht/ ſollen wir dabey mercken/ wie der in geiſtlichen Sachen von
Natur ſtumme und thumme Menſch/ empfaͤngt die himmliſche Sprach
zu reden/ und aus kindlichem Vertrauen zu ruffen/ Abba lieber Vater;
Der geiſtlich Taube hoͤret ἄῤῥητα Evangelia die unaußſprechliche Wort
von den Evangeliſchen Wolthaten die kein Ohr gehoͤret/ 1. Cor. 3. Die
Blinden ſind leiblich aber auch geiſtlich ſehend und erleuchtet worden.
Die Erweckung deß allbereit verſtorbenen todten/ ja ſchon ſtinckenden La-
zari, war ein helles Zeichen nicht allein der geiſtlichen Aufferſtehung aus
dem geiſtlichen Suͤnden-Tod/ ſondern auch der Vernunfft unglaͤublichen
Geheimnuͤſſes der Aufferſtehung von den Todten am juͤngſten Tag.
Weil dann auch unſer fuͤrhabende Waſſer- und Blut-Fluß geweſt ein
uͤbernatuͤrliches miracul, (dann ja uͤber und wider alle Natur/ aus einem
abgematteten/ todten/ entſeelten Leichnam/ diverſis ἄυλοις abſonderlich
ungemengt/ nicht geſtocket und gefroren/ nicht ſtill geſtanden oder an-
geklebet/ nicht getropffet/ ſondern heraus gequollen/ geſprungen/ wie
das Blut aus der Ader eines geſunden Ader-Laͤſers/ wie ein leiblich Waſ-
ſer aus einem friſchen ſpringenden Brunnen) als hat ja billich etwas ſon-
derbars/ und ein groſſes Geheimnuͤß dadurch deſignirt/ bezeichnet und
angedeutet werden ſollen. Was aber anders als das offt beneñte Geheim-
nuͤß der H. Sacramenten?
Es iſt gewiß (ſchreibt D. Lutherus in Poſtill. domeſt. p. 157.) und wird es nie-
mand koͤnnen leugnen/ daß es unnatuͤrlich iſt/ daß ein verſtorbener Leib ſchweiſſen
oder bluten ſol. Denn bald das Blut erkaltet/ fleuſt es nicht mehr/ ſondern ſto-
cket. Aber hier haben wir einen ſonderen Todten-Coͤrper oder Leib/ darum
gehet es anders mit ihm/ denn mit anderen. Fleiſch und Blut iſt er/ eben wie
unſer Leib/ und ſtirbt/ aber weil ſein Fleiſch und Blut ohne Suͤnde iſt/ ſtirbet
er doch alſo/ daß auch im Tod ein Anzeigung deß Lebens bleibe. Da ſonſt das
Blut ſo bald erkaltet und ſtocket/ bleibt es ins HErꝛn Chriſti Leib fein warm und
lebendig/ daß/ ſo bald die Seiten geoͤffnet iſt/ es dahin ſpringet/ als wenn man
ſonſt einem geſunden die Ader oͤffnet. Das wil Johannes daß wirs fleiſſig
ſollen mercken/ und die rechte Art draus lernen/ welche unſers lieben HErꝛn
Chriſti Blut hat/ nemlich daß es fleußt/ lebet und ſeine Wůrckung hat/ auch
nach dem Tod. Sic Luth. in h. l.
(III.) In digito indice Johannæo, oder am allerklaͤreſten finden
wir
[39]Predigt.
wir das myſteriumin den wichtigen/emphatiſchen/ hochbe-
theurten und ernſthafften Worten St. Johannis. Zwar vor
den Augen der Vernunfft hat es kein beſonder Anſehen/ der Kriegs-Knecht
und alle das Volck/ das unter dem Creutz geſtanden/ habens fuͤr ein un-
gefaͤhrliches Ding angeſehen/ daran nicht viel gelegen/ haben etwan ge-
dacht/ was ſols wol zu bedeuten haben/ wann Waſſer und Blut aus
einem verblichenen Leichnam rinnet? Gleichwie aber viel dergleichen
actus paſſionales vorgangen/ die durch goͤttliche Providenz und dire-
ction hohe Geheimnuͤß haben ſollen andeuten/ zum Exempel das Fuͤſſe
waſchen Joh. 13/ 7. war alſo beſchaffen/ daß dazumahl Petrus nicht
verſtanden noch gewuſt was es bedeutet/ wie ers erſt hernach erfahren/
daß nemlich der Menſch in der H. Tauff zwar ſchon von Sũnden abge-
waſchen/ doch weil er aus der Bad-Stub in die unflaͤtige Welt wieder ge-
hen und darinn ſeine Fuͤße beflecken muß/ der taͤglichen Reinigung durch
die Erneurung von noͤthen ſey/ Caiphas zerriß ſeinen Rock/ dacht aber
nicht/ daß es den Riß deß Fuͤrhangs im Tempel/ conſequenter die Auff-
hebung der Wand/ dadurch das Heiden- und Judenthum unterſchieden
geweſen/ bedeutet. Herodes laͤſt Chriſto ein weiſſes Kleid anzihen zum
Spott/ die goͤttliche Pronœa macht ein Ehren-Kleid daraus/ es muß
ihm dienen zu einem Zeugen ſeiner Unſchuld/ der Hohenprieſterlichen
Wuͤrde und Koͤniglichen Adels; Pilatus meynt er wolle Chriſto gar
weh thun in ſeiner inſcription oder Creutz-Titul/ aber die goͤttliche all-
waltende πρόνοια richtets dahin/ daß Pilatus ein Prophet werden muͤſ-
ſen/ und andeuten daß Chriſtus ein Koͤnig werde ſeyn nicht nur der He-
breer/ ſondern auch der Griechen und Lateiner. Alſo hatte zwar unſer
Waſſer- und Blut-Fluß anfaͤnglich und von auſſen ein ſchlechtes Anſe-
hen/ niemand dachte damahls an eine hoͤhere Deutung und geheimen
Verſtandt. Allein Johannes aus ungezweiffelter Erregung deß H.
Geiſtes/ der ſihet durch dieſe perſpectiv auff ein weiters und tieffers/ und
fuͤhrt deßwegen gar wichtige/ emphatiſche/ durchtringende/ bedenckliche/
viel und ernſte Wort und ſchreibt (1.) oportere,es hab ſo muͤſ-
ſen ſeyn/ auff daß die Schrifft erfuͤllet wuͤrde deß Propheten
Zachariæ, er habe laͤngſt viel hundert Jahr zuvor auff dieſe Geſchicht
gedeutet/ ſie werden ſehen/ nicht wie ein Kuhe ein neu Thor ꝛc. (2.)
Factum eſſe,es ſeye warhafftig ſo geſchehen/ er ſey deſſen ein ſtand-
haffter Zeug/ er wiſſe nicht nur fuͤr ſich ſelbſt aus der inneren Verſiglung
deß Geiſtes/ daß er die Warheit rede/ ſondern er ſey ἀυτόπτης ein
ſolcher Zeug/ der es auch ſelbſt mit eignen Augen geſehen. Were es
ihm
[40]Die dritte
ihm bloß um den credit zu thun geweſt/ haͤtte er ſolchen betheurten Bejach-
zung nicht bedoͤrffet/ als der nicht muthwillig luͤgen weder koͤnnen noch wol-
len/ die unter dem Creutz und neben ihm geſtanden/ haͤtten ihn bald ſcham-
roth machen koͤnnen/ haͤtte er fablen wollen. Es ſolte (3.) auch ſo
ſeyn/ auff daß ihr glaubet/eſſe non [...]πιςητὸν ſed πιςὸν, es ſeye my-
ſterium fidei ein Geheimnuß deß Chriſtlichen Glaubens. Er truckt (4.)
hierauff das Sigel/ und ſchreibt/ es hab Chriſtus nach ſeiner Auffer-
ſtehung/ ſeine Wundmahl ſeinen Juͤngern gezeigt/ nicht ohne gefaͤhr/
ſondern diß Geheimnuß damit zu verſiglen/ Joh. 20/ 27.
Jſt alſo außgemacht und erhaͤrtet daß/ was wir vom myſterio ge-
ſagt/ kein Tand-Maͤhr/ tradition oder eiteles Sinn-Bild und Gedicht/
kein frembde/ weit geſuchte/ mit Haaren herzu gezogene/ ungegruͤndete/
verkuͤnſtelte und poëtiſche Allegori, ſondern myſterium ein Geheim-
(*) Poſtill.
dom. p.
157.nuß ſey. Es iſt kein ungefaͤhrlicher Handel/ (*) (iſt D. Lutheri
ernſtliche Vermahnung) es hat etwas beſonders deuten/ wuͤrcken
und außrichten ſollen/ daß der HErꝛ alſo in die Seiten ge-
ſtochen/ und Blut und Waſſer heraus gefloſſen iſt. Darum
huͤte dich/ daß du nicht thuſt/ wie rohe Leuth gemeiniglich pfle-
gen und gedencken: Was gehets mich an/ was aus deß
HErꝛn Chriſti Seiten gefloſſen iſt/ mir gnuͤgt daß ich weiß/
daß er am Creutz geſtorben ſey. Alſo gedencke ja nicht: Son-
dern dem H. Geiſt zu Ehren/ und dir zum Troſt/ hoͤre mit
Fleiß/ was doch ſolcher Handel mit ſich bringe/ welchen Jo-
hannes ſo treulich anzeiget/ und Zacharias ſo lang zuvor
geweiſſaget hat. Bißher Lutherus. Was aber eigentlich in ſpecie
fuͤr ein Geheimnuß darunter verborgen/ das laͤſt ſich jetzo nicht außfuͤhren/
die Zeit leidets nicht/ und iſt dieſe materia einer ſonderbaren Predigt wol
werth.
Lutherus erklaͤrts (*) von der lebendlgmachenden Krafft deß Leibs
und Bluts Chriſti auch nach dem Tod. Es ſey zwar Chriſtus war-
hafftig geſtorben wie wir/ aber ſein verſtorbenes Fleiſch ſey
nicht verweſet/ hab die lebendigmachende Krafft behalten/
gleichwie auch deß HErꝛn Chriſti Schlangentretende Bein
und Schenckel nicht ſolten gebrochen werden. Aber das iſt
nicht gnug. Geliebt es GOtt mit naͤchſtem wollen wir aus Luthero ein
mehrers vernehmen/ und anzeigen Myſterium Sacramentale. Gnug
iſts dißmahl zu wiſſen in genere, daß einmahl ein myſterium und groſſes
Geheimnuß hier verborgen lige.
Jſt dem alſo/ und begreifft dieſer Effluxus ein groſſes/ heiliges/ ver-
borgen und uͤbernatuͤrliches myſterium in ſich/ ſo muß daſſelbe auch als
ein ſolchs groß Heiligthum von uns angeſehen/ angenommen und tra-
ctirt werden. Jſt derowegen I. ein Arcanum ſed revelatum, ein ge-
offenbartes Geheimnuͤß. Was nun der Geiſt Gottes gebloͤſſet und ent-
decket/ das ſollen wir nicht bedecken. Daſſelbe iſt nicht mehr verſigelt/
ſondern eroͤffnet durch das Lamb. Gleichwie vor Lutheri Zeiten nie-
mand recht eigentlich gewuſt/ was und wer der Antichriſt ſeye/ was und
wer durch die Babyloniſche Hur verſtanden werde? (Hinc tot deliquia
Patrum.) Aber nachdem durch Luthers Geiſt die ἀποκάλυψις erfolgt/ ſo
ſtehet es heiter und hell gnug fuͤr Augen/ wann man nur nicht conni-
viren und mit ſehenden Augen blind ſeyn wil/ wie im Papſtthum/ da
man den Wald fuͤr den Baͤumen nicht ſehen kan.
Es iſt zwar II. Ἀγνοούμενον, unbekant und unſcheinbar/ aber nicht
fuͤr den Augen deß Glaubens. Der Glaub erfordert auch eine Wiſſen-
ſchafft. Johannes ſagt/ ut credatis, ich ſchreibe und bezeug ſolches/
auff daß ihrs glaubet/ es ſeye alſo ein Glaubens-Articul/ und deßwe-
gen geoffenbaret/ daß man den Glauben daraus ſtaͤrcken ſolle/ wie unſer
Catechiſmus lautet/ da im vierdten Stuͤck gefragt wird/ wozu dienen die
Sacramenta? Antw. daß ſie den Glauben in uns erwecken
und ſtaͤrcken ſollen ꝛc. Kan man die Sach nicht ergruͤnden/ ſo
muß man doch die Wort/ durch welche die Sach entworffen worden/
erkennen lernen. Hinweg fides implicita und blinder Koͤhlers-Glaub
im blinden Papſtthum! Daruͤber D. Lutherus manche Klag gefuͤhrt/
ſonderlich in ſeinem kleinen Catechiſmo/ in der Vorred/ da er ſagt/ was
ihne dazu getrieben und gezwungen habe/ die Chriſtliche Lehre in ſolch
kleine/ ſchlechte/ einfaͤltige Form zu ſtellen: Die klaͤgliche elende
Noth/ ſagt er/ ſo ich neulich erfahren habe/ da ich auch ein
viſitatorwar. Hilff lieber GOTT/ wie manchen Jammer
hab ich geſehen/ daß der gemeine Mann doch ſo gar nichts
weiß von der Chriſtlichen Lehre/ ſonderlich auff den Doͤrf-
feren/ und leider viel Pfarꝛherꝛn faſt ungeſchickt/ und un-
tuͤchtig ſind zu lehren/ und ſollen doch alle Chriſten heiſ-
ſen/ getaufft ſeyn/ und der heiligen Sacrament genieſſen/
koͤnnen weder Vater unſer noch den Glauben/ oder Zehen
Achter Theil. FGebot/
[42]Die dritte
Gebot/ leben dahin wie das Vieh/ und unvernuͤnfftige
Saͤue.
Zuvor/ nemblich vor Luthero, (ſchreibtLutherusſelbſtTom. 7. Wit-
teberg. p. 478.) hat niemand gewuſt/ was das Evangelium/ was Chriſtus/
was Tauffe/ was Beicht/ was Sacrament/ was der Glaube/ was Geiſt/
was Fleiſch/ was gute Werck/ was die Zehen Gebot/ was Vater Vnſer/
was Beten/ was Leiden/ was Troſt/ was weltliche Oberkeit/ was Eheſtandt/
was Eltern/ was Kinder/ was Herꝛ/ was Knecht/ was Frau/ was Magd/ was
Teitffel/ was Engel/ was Welt/ was Leben/ was Tod/ was Suͤnde/ was
Recht/ was Vergebung der Sůnden/ was GOtt/ was Biſchoff/ was Pfarꝛ-
herꝛ/ was Kirche/ was ein Chriſt/ was Creutz ſeye? Summa/ wir haben gar
nichts gewuſt/ was ein Chriſt wiſſen ſol/ alles iſt durch die Papſt-Eſel ver-
dunckelt und unterdruckt.
Es iſt auch III. Ἄῤῥητον, ein unaußſprechliches Geheimnuͤß/ nicht
bloß dahin/ ſondern ſchwerlich recht außzuſprechen und außzulegen/ daß
es maͤnniglich auch die einfaͤltigen Jdioten faſſen und begreiffen moͤgen.
Mancher frater ignorantiæ oder ignaviæ, der/ wann er hinter ſolche
Geheimnuͤßreiche Text kompt/ ſo beruͤhret er allein ſuperficiem, ſpringt
daruͤber hin/ wie der Han uͤber die gluͤenden Kohlen/ leiſtet dem Text keine
Gnuͤge. Oder prediget das allein wovon die Voͤgel auff den Taͤchern
ſingen. Aber was ſagt Chriſtus? Matth. 10/ 27. Was ich euch
ſage im Finſternuͤß/ das redet im Liecht. St. Paulus ſagt von
ſich ſelbſt Act. 20, 27. Er habe nicht verhalten/ daß er nicht ver-
kuͤndiget haͤtte alle den Raht Gottes. Und wiederum ſchreibet er
Tob. 12, 8.Rom. 11/ 25. Jch wil euch nicht verhalten dieſes Geheimnuͤß.
Der Koͤnige und Fuͤrſten Raht/ ſagt der Engel Raphael/ und
Heimligkeit ſol man verſchweigen; aber Gottes Werck
ſol man herꝛlich preiſen und offenbahren. Trolle dich derowe-
gen du Geiſt der Finſternuͤß mit der lateiniſchen liturgia und Meß-Ampt/
als einem verdeckten Eſſen/ davon der Idiot und Ley ſo viel verſteht als
ein Kuh.
Welches myſterium iniquitatis der erleuchtete Paulus geſe-
hen und widerlegt/ eh es außgebruͤtet/ zur Geburt kommen und jung
worden/ 1. Cor. 14. allwo ſo viel argumenta als Worte der H. Apoſtel
hier wider anfuͤhret/ und laſſen ſich dieſelbe kurtz in dieſe Schluß-Rede
zuſammen faſſen: Welcher Gottesdienſt barbariſch/ unnuͤtz/
unſin-
[43]Predigt.
unſinnig/ der iſt ein Greuel. Nun ein ſolcher iſt dieſer lateiniſche
in den Leyen unverſtaͤndlicher Sprach/ geuͤbte Gottesdienſt. Vnnuͤtz
iſt er zur Erbauung/ zur Beſſerung/ zur Ermahnung/ zum Troſt/ der
Ley kan nicht Amen dazu ſagen; barbariſch iſt er untentſch und un-
verſtaͤndiglich/ gleich einem Poſauniſten und Laͤrmen-Blaͤſer/ Pfeiffer
oder Harpffen Schlaͤger/ einem Organiſten ohne Text/ der ohne SinnCatechiſ.
Milch
p. 1. p. 537.
daher phantaſirt/ er redet in den Lufft. Nicht weniger iſt ein ſolcher
Dienſt unſinnig/ ein Ley oder Unglaͤubiger wuͤrde er nicht ſagen/ ihr
ſeyd unſinnig? Zum Exempel/ wann man auff hieſigen Schwoͤr Tag
vom Geruͤſt herab den Muͤnſter-Brieff in Hiſpaniſcher Sprach wolt able-
ſen/ wuͤrde man nicht ſagen/ der Mann iſt toll? Sprichſtu es ſey gnug daß
es der Prieſter verſteh/ obs gleich der Ley nicht verſtuͤnde. Wie aber/ wañ
der Prieſter ein Schalck waͤre/ und taͤuffte ins Teuffels Namen? Wie man
dergleichen Exempel findet/ daß es geſchehen. Wie wann dein Advocat
ein ſupplication machte an die Obrigkeit/ und daſſelbe nicht anders/ als
in frembder dir unbekanter Sprach/ wuͤrde es dir nicht ſuſpect vorkom̃en?
Wuͤrdeſtu trauen? Jch meine nicht. Hingegen fordert der Apoſtel Rom.
12/ 1. λογικὴν λατρει̃αν einen vernuͤnfftigen Gottesdienſt.
Jſt es IV. und endlich auch παράδοξον, φρικτὸν, als ein un-
glaͤubliches entſetzliches Geheimnůß. Wem aber? Dem fleiſch-
lichen Blut/ der Vernunfft/ den Hunden und Schweinen/ denen die-
ſes Heiligthum nicht gehoͤrt; aber hingegen den Glaubigen iſt es ein
hochfeyrliches Werck/ das man preiſen und verkuͤndigen ſoll. Von
Rudolpho I. dem Roͤmiſchen Kaͤyſer liſet man in Hiſtorien/ (*) daß(*) vide
Juſt. Lipſii
Monita
Polit. III.
Exempl. 4.
pag. 9.
er/ als er noch nicht auff Kaͤyſerlichen Thron erhoben/ ſondern mehr
nicht damals/ als ein Graff von Habſpurg war/ ſeine pietaͤt in vielen
Stuͤcken von ſich leuchten laſſen: Sonderlich/ als er einsmals mit et-
lich wenig der ſeinigen auff die Jagd geritten/ da wegen Regen Wetters
der Weg und Pfad ſehr verwuͤſtet war; Sihe/ da begegnete ihm ein Prie-
ſter mit der Hoſtien/ ſo er einem Krancken zureichen willens/ und zwar
gieng der Prieſter zu Fuß/ da nun dieſes der in ſeiner Maß from̃e Graff Ru-
dolphus geſehen/ hab er ſich dermaſſen hieruͤber bewegt/ daß er non ſine
indignatiuncula aliquâ halb zornig vom Pferd herunter geſprungen/
ſagend: Me vehi, Te, qui Servatorem meum portas, pedibus ince-
dere? indecorum vel impium ſit: conſcende \& equum hunc cape.
Das iſt: Jſt das nicht ein Schande/ ja wol gar ein Gottloſigkeit/ daß
ich reute/ und du Prieſter/ der du doch hier in der Hoſtien meinen Hey-
land traͤgeſt/ ſolt zu Fuß gehen? Setze dich ohn Verzug auffs Pferd und reu-
F 2te da-
[44]Die vierdte
te dahin: Welches der Prieſter gethan/ er aber der fromme Herꝛ ſeye
gantz demuͤtig mit entbloͤſtem Haupt nachgefolget/ biß an das Hauß/ wo
der Krancke inne war; Hat ihn auch hernach eodem habitu alſo zu
Pferd wieder zuruͤck in ſein Hauß fuͤhren laſſen. Nun das war der
Sachen um etwas zu viel gethan/ die fallacia à non causâ ut causâ,
floſſe aus irrendem Gewiſſen. Haͤtte Er der Chriſtliche Kaͤyſer ſolch
Liecht von dem Sacramentlichen Geheimnuͤß gehabt/ wie wir heutigs
Tags haben/ wie viel inniglicher wuͤrde er ſich druͤber erfreuet und deſſen
ſich getroͤſtet haben? Wie viel mehr ſollen wir verbunden ſeyn ad myſteria
colenda ſolche Geheimnuͤß hoch theur und werth zu halten/ auch ceremo-
nia genuflexionis mit aͤuſſerlichen Geberden/ Ehr erbieten/ Knie biegen/
demſelben begegnen. Jſt zwar ein adiaphorum und Mittelding/ aber
Undanck hab dem Calviniſchen Geiſt/ der uns auch dieſe ceremoni auß-
geblaſen/ da doch unſere Augſpurgiſche Confeſſion im 15. Articul/ von
Menſchlichen Kirchen Ordnungen lehret/ daß man die jeni-
gen halten ſolle/ ſo ohne Sůnde moͤgen gehalten werden/
und zu guter Ordnung in der Kirchen dienen/ als gewiſſe
Feyer-Feſtag und dergleichen.
Gnug fuͤr dißmahl/ der HErꝛ entzuͤnde in uns ein flammende ὄρεξιν
und eyffrige bruͤnſtige Begierd/ daß wir auch auffs wenigſt mit denen zu
Athen ſagen Act. 17, 32. Wir wollen dich weiter (und mit mehrern fre-
quenz) hievon hoͤren/ nicht nur hoͤren/ ſondern auch unſern Glauben
draus ſtaͤrcken und vermehren/ uns zu Troſt/ und Gott zu Ehren/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Wann ihr nicht haͤttet
mit meinem Kalb gepfluͤget/ ihr haͤttet mein
Raͤtzel nicht troffen/ ſagt Simſon der edle Son-
nen-Mann/ der theure Held Jud 14/ 18. zu ſeinen
Braut-Geſellen den 30. Philiſtiſchen Juͤnglingen/ die
ihm bey ſeiner Hochzeit auffzuwarten verordnet geweſen. Dann
als
[45]Predigt.
als er ſein Hochzeitlich Ehren- und Freuden-Feſt celebrirt mit der
Philiſterin zu Timnath/ und nach loͤblicher Lands-Art ſeinen Braut-
Geſellen ein tieffſinniges Raͤtzel fuͤrgelegt/ mit Weitungs-Weiſe
angefuͤgter Zuſag/ er wolle/ wo ſie es errathen/ ihnen ſchuldig ſeyn zu
lieffren 30. Hembder und Feyr-Kleyder/ darauff geſagt: Raͤther
lieber Raͤther rathet/ was iſt das? Speiß gieng vom Freſſer/
und Suͤſſigkeit vom Starcken: Als ſie nun dieſem Raͤtzel mit
vielem Kopffbrechen ſieben Tag nachgeſunnen/ und doch nichts erſinnen
koͤnnen/ biß ſie endlich durch die Braut die ſolution und Deutung her-
aus gelocket/ und daher auff den ſiebenden Tag Simſon fuͤr die Augen
getretten und geſagt: Was iſt ſtaͤrcker dann der Loͤw/ was iſt
ſuͤſſer denn Honig? Als wolten ſie ſagen/ du haſt aus einem todten
Loͤwen-Aaß Honig geſſen/ das bedeut es: So hat hierauff Simſon ſie
mit dieſen Verweiß-Worten angeſprochen: Wann ihr nicht haͤt-
tet mit meinem Kalb gepfluͤget/ ihr haͤttet mein Raͤtzel nicht
troffen/ das iſt/ haͤttet ihr die Deutung nicht von meinem Weib her-
aus gelocket/ haͤtte ſie es nicht verrathen/ ihr haͤttets nimmer errathen.
Jhr Tuͤck/ euer Gluͤck. Jn der H. Sprach ſtehet das Wort Charaſch,
welches Lutherus gedolmetſcht durch das teutſche Wort pfluͤgen. Jſt
ein Gleichnuͤß genommen von dem Acker-Werck/ gleichwie ein Baurs-
Mann ordinariè durch pfluͤgen und ackern ſein Brodt aus der Erden
heraus hauet/ oder wol extraordinariè im Acker einen Schatz findet/
ſonderlich in den Orthen/ da groſſe Schlachten geſchehen; von dem kan
man ſagen/ haͤtte er nicht gepfluͤget und ihm es laſſen ſaur werden/ haͤtte
er nicht ſein Kalb oder Ochſen angeſpannen/ ſo haͤtte er den Schatz nicht
gefunden: Alſo haͤttet ihr Philiſter nicht ſo lang an meinem Weib gear-
beitet/ [u]m die Bedeutung zuerforſchen/ ihr haͤttet es aus eurem Kopff
nicht erſponnen.
Alles uns zur Lehr/ Exempel und Beyſpiel/ wie wir auch die ænig-
mata Biblica oder Bibliſche Raͤtzlen tractiren 1. Cor. 13/ 13. Wie wir den
Schatz im Acker ergraben Matth. 13. den Kern in der Schal heraus
bringen ſollen. Chriſtus unſer Blut- Braͤutigam/ da er auch ſein Hoch-
zeit gleichſam am Creutz gehalten/ da ihn ſein Mutter die juͤdiſche Syna-
gog mit Dornen gekroͤnet und am Creutz gethroͤnet/ da die ſtoltze Tochter
zu Zion ihm den Korb gegeben/ er die feindſelige Philiſterin/ das iſt aus
dem Heydenthum eine Geſpons erwehlet/ und ſie mit ſeinem goͤttlichen
Blut erworben/ hat er auch ein ænigma reale ein thaͤt- und wuͤrckliches
Raͤtzel der gantzen Welt fuͤrgelegt in ſeinem Waſſer- und Blut-Fluß/
F 3alſo
[46]Die vierdte
alſo lantend: Liebe Raͤcher rathet was iſt das? Lebendiges Waſ-
ſer quillet aus der Wunden; Spritzendes Blut fleuſt aus ei-
nem todten Leib. Was bedeut das?
Wollen wir nun wiſſen/ wie wir ſollen ſolch Geheimnuͤß forſchen/ ſo
gehoͤrt dazu μελέτη, ἐρέυνησις, meditatio das pfluͤgen/ forſchen/ nach-
dencken/ der Gebrauch deß Simſoniſchen Kalbes Chriſti ſeiner Braut/
der glaubigen außerwehlten Kirch/ deß himmliſchen Sonnen-Manns
JEſu Chriſti/ ſo durch die Propheten und Apoſtel gefuͤhrt und regiret
wird. Wann wir dann neulich gewieſen/ was myſterium oder Ge-
heimnuͤß eigentlich ſey in der generalitaͤt/ und daß ein ſonderbares groſſes
Geheimnuͤß in dem wunderbaren Waſſer- und Blut-Fluß verborgen lige/
ſo folgt anjetzo in ſpeciedas Sacramentliche Geheimnuͤß der
beyden Sacramenten Neuen Teſtaments. Hievon dißmahl frucht-
barlich zulehren und zu hoͤren/ wolle GOtt der himmliſche Vater ſeines
H. Geiſtes Gnad reichlich beſcheren/ Amen.
DAß nun in dieſer Wunder-Hiſtori myſterium Sacramentale
ein Sacramentliches Geheimnuͤß/ als der ſuͤſſe Kern in
der euſſerlichen Schalen verborgen lige/ das lehret uns
I. Eccleſia Vet. Teſt. Prophetica typicè,die glaubige Kirch
Altes Teſtaments/ durch deroſelben von GOtt unmittelbar erleuch-
tete Propheten Moſen und Zachariam/ deren jener Exod. 12. Daß
das Oſterlamb/ deſſen fata und ceremonien, wie es damit ſolte gehalten
werden/ umſtaͤndlich aus Gottes Mund beſchrieben/ es habe daſſelbe
muͤſſen geſchlachtet und erwuͤrget/ und alſo auffgeopffert werden/ her-
nach das Fleiſch gegeſſen/ mit dem Blut die Pfoſten beſprenget/ zu einer
ſalva guardi wider den Wuͤrg-Engel/ und alſo ein Opffermahl cele-
briret werden muͤſſen: Daß/ ſag ich/ dieſes Oſter- und Opffermahl ein
typus und Vorbild auff ein ander Oſter- und Opffermahl im N. Teſt.
gedeutet/ iſt unleugbar. St. Paulus deutet mit Fingern drauff 1. Cor. 5/ 8.
da er ſpricht: Wir haben auch ein Oſterlamb/ das iſt Chriſtus
fuͤr uns geopffert. Und Hebr. 11/ 28. Durch den Glauben
hielt Moſes die Oſteren und das Blutgieſſen/ auff daß/ der
die erſten Geburten wuͤrgete/ ſie nicht treffe. Wir ſingen davon:
Hie iſt das rechte Oſt erlamb ꝛc.
Woraus dieſe Schluß- Red folgt: Das Oſterlamb war nicht nur ein
Opffer/ ſondern auch ein Opffermahl/ das Blut war nicht nur ein ranzi-
on-Blut/ ſondern auch ein ſalva-guardi-Blut/ ein Spreng-Blut/ damit
die
[47]Predigt.
die Pfoſten der Thuͤren beſprenget worden zur Sicherung fuͤr dem Wuͤrg-
Engel. Nun das rechte Oſterlamb Chriſtus (1. Cor. 5.) iſt nicht nur
am Creutz gehangen/ geſchlachtet/ geopffert und in heiſſer Lieb gebraten
worden/ ſondern auch antity picè Gegenbilds-Weiß das Opffermahl ge-
weſt/ mit ſeinem Fleiſch mit dem Mund warhafftig gegeſſen/ und ſein
Blut das rechte Beſpreng Blut zu Reinigung/ Verſuͤhnung und ἀσυλία
getruncken. Ergò und derowegen iſt der Leib Chriſti am Creutz/ ſein Ro-
ſinfarbes Blut ein Sacramentliches Opffermahl geweſt/ und durch das
vergoſſene Blut bedeutet worden. Da haben wir neben dem Leib das
Sacramentliche Blut/ das eine Sacrament deß N. Teſtaments. Mo-
ſis Geiſt zeuget davon/ wie er ſelbſt im Glauben paſcha gehalten/ und
auff das Abendmahl deß Meſſiæ gezielt Hebr. 11/ 28. Alſo hat er auch
den Jſraeliten ſolches in ſeiner Catecheſi fuͤrgetragen und fuͤrtragen laſ-
ſen. Ja nicht nur Moſis Geiſt/ ſondern der H. Geiſt ſelbſt der in Chri-
ſto gewohnt/ der hat es hieher gedeutet und gezogen Matth. 26/ 28. mit
der einzigen weitaußſehenden vocula, γδ, eſſet/ DANN das iſt der
Leib/ der fuͤr euch geopffert; trincket/ dann das iſt das Blut
fuͤr euch vergoſſen/ iſt alſo das Sacramentlich Mahl ein Opffermahl/
Eſſen und Mahl ſind correlata. Haͤtte Samuel dem Saul ein Schul-
ter von dem uͤberbliebenen Opffer gereichet/ 1. Sam. 9/ 24. ihn mit dieſen
Worten angeſprochen/ nimm hin und iſſe/ dann das iſt die Schulter
die dem HErꝛn gehebet und gewebet worden. So wird er es nicht haben
anders verſtanden/ als/ diß iſt ein Opffermahl/ oder ein Stuͤck von dem
Fleiſch das geopffert worden.
Der ander Geiſt oder Prophet/ der im Alt. Teſt. hievon gezeuget/
und auff das Sacrament der Tauff gedeutet/ heiſt Zacharias/ wel-
cher nachdem er mit ſeinen hellen und hocherleuchten Prophetiſchen Au-
gen viel hundert Jahr zuvor von dieſem Seiten-Stich geweiſſaget Cap. 12/
10. Sie werden ſehen/ in welchen ſie geſtochen haben/ ſo
komt er alsbald darauff Cap. 13. und ſpricht: Zu derſelben Zeit wer-
de das Hauß David/ und die Buͤrger zu Jeruſalem ein frey-
en offnen Brunnen haben wider die Suͤnde und Vnreinig-
keit. Sihe/ ſagt Lutherus (ε), wie fein haͤngt der Prophet den(ε) in Po-
ſtill. Dom.
pag. 158.
Seiten-Stich und Brunnen zuſammen/q. d. die andern/ die
den HErꝛn Chriſtum mit ſtachelichten Worten/ mit einem Speer in
die Seiten geſtochen/ die werden dencken/ ſie haben Chriſto eine groſſe
Schmach zugefuͤgt; Aber der Wunderweiſe GOtt/ der aus Finſternuͤß
Liecht/ aus Tod Leben/ aus dem Mord ein Heiligthum/ aus den Wun-
den
[48]Die vierdte
den ein Theriac und Artzney bereiten kan/ der wird auch aus der Wunden
Chriſti ein Heil-Brunnen/ ein lebendige Ehren-Quell machen/ er wird
ſie durch den Speer-Stich laſſen eroͤffnen/ ſo wird alsdann heraus flieſſen
lauter Heyl-Waſſer/ lauter heilig Weyh-Waſſer/ oder rein Bad-Waſ-
ſer/ dadurch der Menſch von ſeinem Suͤnden-Wuſt und Unrath ſol
gereiniget werden: Das wird das geiſtliche Hauß David haben/ beſi-
tzen/ brauchen biß ans Ende der Welt. Was iſt das anders/ als das
heilige Tauff-Waſſer? Deſſen ſeligmachende Krafft aus der Quellen
gefloſſen/ von dero St. Paulus zeuget Rom. 6/ 3. wir ſeyen in und
auff den Tod Chriſti getaufft/ ſein Tod ſey unſer Tauff-Quell
worden. Bißher das aͤltere Kalb/ die Kirch deß Alten Teſtaments im
Fuͤrbild.
Mit der Prophetiſchen Kirchen Alten Teſtaments/ ſtimmet zu II.
Eccleſia Apoſtolica N. T.die Apoſtoliſche Kirch deß N. Teſt.
vermittelſt deß himmliſchen Adlers/ deß H. Evangeliſten und Schoß-
Juͤngers Johannis/ der mit ſeinem hocherleuchten Adlers-Aug da-
mahl weiter und tieffer als jemand gekommen/ mit ſeinem Apoſtoliſchen
Zeug- und Zeig-Finger klar darauff gedeutet und geſchrieben 1. Epiſt. 5/ 6.
Dieſer iſts/ der da koͤmt mit Waſſer und Blut/ JEſus Chri-
ſtus/ nicht mit Waſſer allein/ ſondern mit Waſſer und
Blut/ und der Geiſt iſts/ der da zeuget/ daß Geiſt War-
heit iſt. Es hat unſer liebe Heyland/ der edelſte Gaſt/ ſeiner Chriſten-
heit verſprochen/ ob er gleich gen Himmel gefahren/ ſo woll er doch wieder
kommen/ und ſie nicht Waͤyſen laſſen Joh. 14/ 18. Wie er nun
im Alten Teſtament πολυτρόπως und auff mancherley Weiſe erſchienen
in unterſchiedlichen habiten, Geſtalten/ figuren, in Geſtalt eines Bil-
gram und Wander-Gaſtes/ in Geſtalt eines Kaͤmpffers/ eines Kriegs-
Oberſten mit entbloͤſtem Schwerdt/ eines Schreibers Ezech. 9. und der-
gleichen: So ſagt Johannes/ er ſey nunmehr gekommen/ als ein Blut-
Braͤutigam weiß und roth in der paſſion in hellem weiſſen Waſſer/ und
Roſinfarben Blut/ und ſo werde er auch immer kommen in dem habit,
in welchem er ſich am Creutz erzeigt/ erſchienen/ ſich præſentirt und ſei-
ner Braut dargeſtellet; iſt der habit in welchem er kom̃t in perpetuo
præſenti, und kommen wird biß ans Ende der Welt/ ſo lang die Kirch
waͤret/ biß er kommen wird in gloriâ. Waſſer und Blut iſt derſelbe ha-
bit. Welcher nichts anders iſt noch ſeyn kan/ als das Tauff-Waſ-
ſer/ Sacramentlich Blut unter und mit dem geſegneten Wein. v. 8.
ſagt Johannes: denn drey ſind/ die zeugen ꝛc. Sihet abermahl
zuruͤck
[49]Predigt.
zuruͤck auff den effluxum am Creutz. Gleichwie in vorhergehendem
verſicul, da er ſagt: Drey ſind die da zeugen im Himmel/ Er
einen Blick thut auff die Theophaniam Jordanicam, auff die Goͤttliche
Erſcheinung am Jordan/ da der Vater vom Himmel herab gezeuget/
diß iſt mein lieber Sohn; das ſelbſtaͤndige Wort/ das Menſch
worden/ von ſich ſelbſt in der Tauff gezeugt/ er ſey der/ der kommen iſt
alle Gerechtigkeit zu erfuͤllen; der H. Geiſt/ der in Geſtalt der
Tauben gezeuget/ daß diß der Meſſias ſey/ auff welchem er der Geiſt ge-
ruhet: Alſo ſeyen auch drey auff Erden: er ſihet am Creutz auch drey
irꝛdiſche Zeugen/ das Waſſer/ das Blut/ und den Geiſt Johannis
als deß Dolmetſchen/ der ſtummen und thaͤtlichen cerimoni. Jſt das
Zeugnuͤß (welches am Stamm deß Creutzes evidentiſſimè auffs aller-
helleſte gezeuget/ von Chriſti ſeiner hertzlichen Lieb/ aus welcher alle ſein
Thaten und Leyden/ Dienſt und Verdienſt gefloſſen; wie ein jeder hu-
mor deß menſchlichen Leibs ein Zeug iſt deſſen was im Leib verborgen ligt/
das Blut zeuget in der Aderlaͤß von deß Leibs geſunden oder ungeſunden
conſtitution, die Thraͤnen ſind Zeugen eines verwundeten Hertzens:
Alſo auch Waſſer und Blut allhie geben Zeugnuͤß und zwar ein Sacra-
mentliches Zeugnuͤß. Es iſt Teſtimonium catholicũ Subjecto \& tem-
pore, ein allgemeines immerwehrendes Zeugnuͤß/ dann Johannes ſagt
in ſeiner Epiſtel/ die er Catholicam nennet 1. Epiſt. c. 2. Jch ſchreib
euch Vaͤtern/ euch Juͤnglingen/ euch Kindern/ nicht nur denen
die damahl zu ſeiner Zeit gelebt/ ſondern auch uns/ mir und dir. Derglei-
chen allgemeines aber und im̃erwehrendes/ im̃ergruͤnendes Zeugnuͤß kan
keines ſeyn/ als das Sacramentliche. Teſtes in cruce ſunt teſtes ca-
tholici in perpetua luce. Bißher haben wir Chriſtum geſucht im Tem-
pel ſeines Vaters Hauß/ jetzt wollen wir ihn ſuchen unter ſeinen Geferten
und Verwandten. Nemblich
III. Folgt Eccleſia ſuccedanea,die nachfolgende (als der
Apoſtoliſchen Mutter-Kirchen Tochter) Chriſtliche Kirch/ die liebe
antiquitaͤt/ derer Lehrer ſo nach dem Apoſtoliſchen ævo nach und nach per
ſeculorum volumina ſuccedirt/ und dieſes Geheimnuͤß alſo (wie wir)
gedeutet. Da ſich gleich vornen an findet der heilige Martyr Cyprianus
Lib. de Unitate Eccleſ. cap. 5. er nennet dieſes Creutz miracul, cœle-
ſtia Sacramenta, himmliſche Sacramenta.
Deßgleichen Ambroſius der Gottsgelehrte und beredte Biſchoff zu Mey-
land Lib. 3. de Spir. S. cap. 11. ſchreibet alſo von dieſem Geheimnuͤß:
Es haben ſich hie am Creutz drey Zeugen erzeigt/ unter welchen das Waſ-
ſer uns abwaͤſchet/ das Blut uns erloͤſet.
Ferners Gregorius Nyſſenus in orat. contrà Judæ. gehet mit ſeiner
Erklaͤrung auch dahin: Er ſchreibt/ es werde hie erfuͤllet was zuvor gebildet
worden/ dieweil durch das hie bedeutete Tauff-Waſſer/ und Gemeinſchafft
deß Bluts/ wir geweihet und zu GOtt gezogen werden.
Auguſtinus Tract. 15. in Joh. fuͤhrt folgende außgetruckte Wort hievon:
Aus der eroͤffneten Seiten ſind die heilſamen Sacramenta der Kirchen ge-
floſſen.
Sonderlich aber redet ſehr ſchoͤn und nachdencklich hiervon
der edle Guldenmuͤndige Lehrer Johann. Chryſoſtomus: Hinc,
ſchreibt
[51]Predigt.
ſchreibt/ er (ſcil. ex effluxu aquæ \& ſanguinis) myſteria ſumunt initium,
ut cum ad horrendum poculum accedis, tanquam ab ipſo Domini
latere bibiturus accedas. das iſt/ Es ſoll uns nicht anders zu Siñ
und Muth ſeyn/ wann wir zum Tiſch deß HErꝛn gehen/ als
hebten wir unſern Mund an Chriſti Wund.Hom. 1. ad
Corinth. ὁ ἐν ποτηρίῳ ὄν, ἐκει̃νο ἐνὶ τὸ ὑπὸ πλευρᾶν ῥε̃υσαν. Denen ex re-
centi Eccleſiâ wir beyfuͤgen unſern lieben ſeligen Vater Lutherum, als
Patrum Patrem, als den Vater uͤber alle menſchliche Vaͤter/ uñ beſten Auß-
leger der H. Schrifft/ in ſeiner Poſt. Dom. p. 158. da er den Vaͤtern bey-
faͤllt/ urgirt mit Auguſtino das Wort oͤffnen/ anzuzeigen/ daß damahl
die Thuͤr deß Lebens geoͤffnet/ dadurch die H. Sacramenta in die Kirche
hinein gefloſſen/ ohn welche man zum Leben nicht kan eingehen: Er lobt
Chryſoſtomum, der ſagt/ die heiligen Sacramenta haben hie ih-
ren Vrſprung/ darum ſoltu/ wann du zum heiligen Kelch ge-
heſt/ alſo hinzu gehen/ als wolteſtu dem HErꝛn Chriſto aus
ſeiner Seiten trincken: Gibt hierauff den Sacrament-Schwaͤrmern
einen Haarrupff/ ſolchen Spruch (ſind ſeine Wort) fuͤhren die
Sacrament-Schwermer nicht/ ſo ſie doch ruͤhmen/ die gan-
tze alte Kirch habe ihre Meynung gehalten/ daß im Nacht-
mahl nur Brodt und Wein/ und nicht der Leib und das
Blut Chriſti ſey. Aber wie reimet ſich ſolches mitChryſo-
ſtomo?Dann ſo blind und tolle koͤnnen ſie nicht ſeyn/ daß
ſie doͤrffen ſagen/ daß aus der Seiten Chriſti Wein gefloſſen
ſey/ wie ſie doch ſagen/ daß man im Nachtmahl nicht das
Blut Chriſti/ ſondern nur bloß Wein trincke/ ſo dochChry-
ſoſtomusſagt: Wer zu dieſem Kelch woͤlle gehen/ ſolle alſo
hinzu gehen/ als wolle er dem HErꝛn Chriſto aus ſeiner Sei-
ten trincken/ da wird man je nicht Wein/ ſondern ſein Blut
finden. Jſt alſo Chryſoſtomus nicht Calviniſch geweſen. Summa
ſummarum durch den Waſſer-Fluß wird verſtanden das reine Waſſer
unſerer Reinigung Hebr. 10. durch das Blut per ſynecdochen das
gantze Sacrament deß H. Abendmahls. Maſſen auch das gantze Abend-
mahl das Brodtbrechen von den alten Kirchen-Lehrern geneñet worden.
Auguſtinus l. 3. de Conſ. Evang. nennet das gantze Sacrament das
Sacrament deß Brodts.
Nun M. L. ἑυρήκαμεν, wir haben den Schatz im Acker gefunden
Matth. 13. den Kern in der Schalen erwiſcht/ wir haben die Nuß abge-
ſchelet/ und den Kern gewonnen/ wiewol noch nicht gar. Plus ultrà!
G 2Das
[52]Die vierdte
Das Raͤtzel iſt zwar etlicher maſſen errathen/ aber noch nicht gar außge-
wuͤrckt. Wollen wir/ wie wir dann ſollen/ auch den Kern recht brau-
chen und zu Nutz machen/ ſo ſtehen uns da zu einem Exempel (1.) Phi-
liſtei Illices,die Juͤnglinge der Philiſter/ die in ſieben Tagen keine
Ruhe gehabt/ nicht davor geſchlaffen/ ſondern Pflug-Arbeit und Muͤhe
gehabt/ biß ſie hervor gegracht und heraus gegraben/ was ſie geſucht.
Und wollen wir dieſe als Unbeſchnittene zu einem Exempel uns nicht fuͤr-
ſtellen/ ſo ſtehen uns doch vor Augen die Juͤnger Chriſti als ſcrutatores
Matth. 13/ 11. welche daſelbſt den HErꝛn gefragt und geſagt: War-
um redeſtu zu ihnen durch Gleichnuͤſſe? Sie forſchten da er
allein war Marc. 4/ 11. Darum er auch ihnen geantwortet: Euch
iſts gegeben/ das Geheimnuͤß deß Reichs Gottes zu wiſſen/
conf.
Luc. 8, 10.
videEv.
Denckmal
p. 183.euch als eiffrigen Forſcheren/ denen aber drauſſen/ den faulen und un-
achtſamen Schuͤlern wiederfaͤhret es alles durch Gleichnuͤſſe/ und bleibt
ihnen der Kern in der Schal ſo lang beſchloſſen/ biß ſie auch Anmuth be-
kommen um den inneren heilſamen Verſtandt ſich zubewerben. Sind
die Juͤnger Chriſti nicht gnug uns auffzumuntern/ ſo bedencke man den
H. Engel deß Liechts/ der in Juͤnglings-Geſtalt erſchienen im Grab
Chriſti tanquam παρακύψας, als ein fleiſſiger Student/ den geluͤſtet in
das Geheimnuͤß gnau hinein zuſchauen/ daſſelb/ ſo weit und tieff muͤglich/
zuergruͤnden und aus zu ſtudiren/ ob ihm gleich die Frucht und der Nutzen
dergleichen Geheimnuͤß nichts angangen/ ſeine Augen ſehen ſich nicht
ſatt. Wie viel mehr wil uns ſolches gebuͤhren/ die Geheimnuͤß Chriſtli-
cher religion zuſchauen/ hinein zu ſchauen/ ſo viel Gottes Wort ent-
deckt und geoffenbahret.
Aber was thut im Gegentheil die thumme und ſtumme letzte Welt?
Wo ſind ſolche Forſcher/ Epopten und Schauer/ wo findet man die En-
gelgleiche edle Chriſten/ die ſich um die heilwerthe Erkaͤntnuͤß wie an-
derer alſo auch der Sacramentlichen Geheimnuͤß viel bekuͤmmern und
bewerben? Junge Leuth/ die ſolten ihre Freude daran haben in Got-
tes Geheimnuͤſſen zu ſtudiren/ weiln ſie in der H. Tauff initiati, und
zu ſolchem Zweck/ zum Verſtandt und Gebrauch ſolcher Geheimnuͤß
geweyhet worden/ ſonderlich ſoltens thun die edelſten ingenia, die ſich
mit Handarbeit nicht doͤrffen nehren/ Zeit und Weil gnug haͤtten ſol-
chem ſtudio abzuwarten: aber ſie machen ihnen ſelbſt ſo viel zuthun/
mit den Geheimnuͤſſen der Natur/ mit den Arcanis der Policeyen/ daß
dem HERRN Chriſto und ſeinem Evangeliſchen Geheimnuͤß nichts
zum Nachdencken uͤberbleibt/ man verliebt ſich in die Magd/ und laͤſſet
die
[53]Predigt.
die edelſte Koͤnigin fahren/ ja mauſen lieber in der Finſtere/ uͤben ſich lie-
ber in myſteriis nocturnis in den Nachtwercken der Venus Spielen und
andern Wercken der Finſternuͤß. Was gibts endlich fuͤr Leuth? Hey-
dentzente Galliones, verfuͤhriſche Syncretiſten/ Wehrloſe Apoſtaten
und Mamelucken/ animalia gloriæ. O wie wahr hat Paulus geſchrie-
ben 1. Cor. 1/ 26. Nicht viel weiſe nach dem Fleiſch/ nicht viel
edle ſind beruffen/ ja wir ſetzen auch hinzu/ nicht viel unedle/ auch
nicht viel von den Studioſis Theologiæ ſelbſt/ die aus der Frembde hieher
kommen/ und ſo frembd bleiben/ und frembd wieder hinweg ziehen/ daß
ſie die Profeſſores Theologiæ ſelbſt nicht kennen/ oder ſie anzuſprechen
gewuͤrdiget/ oder bleiben immer nur in ſuperficie, ſtudiren nur oben hin/
die nicht anders in die Geheimnuͤſſen penetriren/ als der Storck die
Brey/ das Myſterium ihrer ignoranz und Traͤgheit fuͤr ein Heiligthum
und ruhmwuͤrdige ſimplicitaͤt außgebende. Was gibts endlich? Aſinos
qui myſteria portant, non intelligentes, Eſel die das Heiligthum tra-
gen und nicht verſtehen/ gleich dem ſteinern Eſel im Muͤnſter der Meß
macht. Von den alten iſt nicht zu ſagen/ ſo wol Mann als Weibsbilder/ wie
ein ſeltzames Wildpret iſt der Kaͤmmerer der Koͤnigin Candaces in Mo-
renland? wie ein wunderſeltzamer Diamand/ die Koͤnige aus Reich Ara-
blæ? Dem meiſten eckelt fuͤr dieſer loſen Speiß; Ach koͤnten wir nur die
jungen gewinnen? Dann es finden ſich leider der jungen Leuth die ehe
ſchwoͤren und fluchen lernen/ die Sacrament bey hunderten heraus
werffen/ als ſie dieſelbe verſtehen/ von denen man aus der Epiſtel Judæ
verſ. 10. ſagen mag: Dieſe laͤſteren/ da ſie nichts von wiſſen.
Was wollen wir vom gemeinen Poͤbel ſagen? Man ſagt ins geſampt und
wil ſich entſchuldigen/ Si myſteria, ergò non ſcrutanda, ey ſinds Ge-
heimnuͤſſen/ das iſt ſolche hohe unbegreiffliche Sachen/ ſo ſol man ja
darinn nicht zu viel gruͤblen oder zu hoch ſteigen/ ſondern es nur einfaͤl-
tig dahin glauben. Umkehrt! Eben darum/ dieweils hohe und ſchwe-
re Sachen ſeynd/ ſol man deſto mehr Fleiß anwenden/ ſie zu verſtehen.
Ἄκρον λάβε καὶ μέσον ἔξεις. Wuͤrſtu es gleich auffs hoͤchſt bringen/ ſo
wird dir doch das meiſte zuruͤck bleiben/ das du nicht verſtehen wirſt/ ſon-
dern der hoͤhern Himmels-Schul uͤberlaſſen muͤſſen. Nichts iſt in der
Natur ſo ſchwer daß man nicht unterſteht zu begreiffen wenns Geld
gibt: Wuͤſte jemand ein vergrabenen Schatz in ſeinem Hauß/ er wuͤrde
Tag und Nacht graben und gruͤnden/ und nicht nachlaſſen biß ers gefun-
den. Das Lieb geſcheh dem edlen Wort Gottes auch. Der Evangeli-
ſche Glaubens-Schatz iſt nicht zeitlich/ nicht ſchaͤdlich/ ſondern hoͤchſt
G 3troͤſt-
[54]Die vierdte
troͤſtlich und nuͤtzlich. Ja ſpricht man/ wir koͤnnen ja ſolche Geheim-
nuͤß nicht begreiffen und verſtehen/ dann der natuͤrliche Menſch
verſtehet nicht/ was deß Geiſtes Gottes iſt/ es iſt ihm eine
Thorheit und kans nicht begreiffen/ was wolten wir uns deñ
1. Cor. 2,
14.zihen und bemuͤhen? 1. Cor. 2/ 14. Antwort: Es ſagt aber der Text
deß Apoſtels auch ferner verſ. 15. Der geiſtliche (Menſch) ergruͤn-
dets alles; Und im 10. verſ. Welche Wort nicht muͤſſen uͤberhuͤpfft
werden/ ſonſt zihet man die Schrifft an/ wie jener Matth. 4. Wahr iſt
es der natuͤrliche Menſch ihm gelaſſen/ ohne Gottes Wort und daraus
eingenommenen Erleuchtung/ verſtehet nicht was deß Geiſtes Gottes iſt:
Wir aber ſollen als Chriſten/ recht geiſtliche Menſchen ſeyn/ und aus
Gottes Wort uns erleuchten laſſen Matth. 4. Ja ſprichſtu/Rem
ſcio, modum ignoro. ô aſylum ignorantiæ! Mich ſaͤttiget die Sach
etlicher maſſen zu verſtehen/ wann ich gleich den modum und die Weiſe/
wie es mit einem und andern Geheimnuͤß hergehet/ nicht verſtehe. Jch
begehre kein Quomodiſt oder Nicodemiſt zu werden. Jch glaub/ daß
ich erwehlt bin zum ewigen Leben/ ob ich gleich nicht weiß wie? Bloß
oder bedingt? Das gehoͤrt in die Schul. Jch glaub/ daß der Leib Chri-
ſti im Sacrament zu gegen ſeye/ wie aber? Analogiſch/ geiſtlich oder
leiblich? Darum hab ich mich nicht zu bekuͤmmeren. Antw. Nicht iſt erſt-
lich das quomodo bloß dahin/ ohn Unterſcheid davon zu reden/ ver-
dammlich/ ſonſt muͤſte auch die hochgebenedeyte Mutter unter den Wei-
bern/ die Jungfrau Maria eine verdammliche Frage dem Engel Gabriel
fuͤrgelegt haben/ da ſie geſagt: Wie kan das zugehen? Jhr Sohn Chri-
ſtus ſelbſt muͤſte nicht recht daran geweſen ſeyn/ wann er die Phariſeer
alſo fraget: Wie nennet ihn denn David im Geiſt einen HERRN?
Matth. 22/ 43. Die Gottſelige Teſſalonicher muͤſten ſich verſtoſſen ha-
ben/ wann ſie St. Paulo die Frag von der Ordnung derer/ ſo in der
Aufferſtehung der Todten werde vorgehen/ abgeleget/ wie? Und in was
Ordnung ſie gefraget/ 1. Theſſ. 4. Das Quomodo iſt zweyerley/ ein
Lehrbegieriges/ und ein fuͤrwitziges; ein Quomodo ſenſus, und
vid. Refor.
Salv. p. 684.Quomodo veritatis: ein wie deß Verſtandes/ da man begehrt
zu wiſſen/ wie es zuverſtehen/ was geoffenbaret worden? Und ein wie
der Warheit/ da man die Warheit der Offenbarung ſelbſt in diſ-
putat zihet; Als/ wann zum Exempel gefragt wird: So Chriſtus
gen Himmel gefahren/ wie ſein Leib im Sacrament gegenwer-
tig ſeyn koͤnne? Obs geſchehe durch einen deſcenſum und
herab ſteigen? Da ſpricht man billich mit Durando (deſſen Wort
auch
[55]Predigt.
auch in Reſponſ. ad Epiſt. Cardin. Petronii vom Koͤnig Jacobo in En-
geland gelobt worden p. 399.) Verbum audimus, motum ſentimus,
modum neſcimus, præſentiam credimus. Das iſt/ das Wort hoͤ-
ren wir/ deß Hertzens Bewegung empfindet man/ die Art
und Weiſe verſtehen und begreiffen wir nicht/ doch glauben
wir die warhafftige Gegen wart. Und dahin verſtehen wir auch
die daſelbſt allegirte monita der alten Kirchen-Lehrer. Gleichwie kluͤg-
len und gruͤblen wollen in Sachen/ davon in Gottes Wort kein Offen-
bahrung fuͤrhanden/ dabey weder Krafft noch Safft/ weder warm noch
kalt/ weder Troſt/ noch Erbauung zu erholen/ ſuͤndlich und uͤbel gethan
heiſſet: Alſo iſt im Gegentheil recht und wol gethan/ ja noͤthig (ſaltem ne-
ceſſitate expedientiæ) fragen/ Quomodo? Jn Sachen/ ſo in der
Fund-Grube der H. Schrifft zu forſchen uns fuͤrgelegt/ daraus Troſt
und Erbauung zuerwarten/ dadurch der Jrꝛgeiſt/ der gern im finſtern
manſſet/ und im truͤben fiſchet/ ans Liecht gebracht/ Warheit und Luͤ-
gen/ Nacht und Tag von einander unterſchieden werden moͤgen und
ſollen. Jn maſſen dann auch an Nicodemo die Frag ſelbſt bloß dahin
nicht/ ſondern die vermeſſene definition derſelben/ und blinde Vernei-
nung deß Goͤttlichen Geheimnuͤſſes von Chriſto geſcholten worden. Dañ
wann er ſagt: Wie kan ein Menſch gebohren werden/ wenn erJoh. 3, 4.
alt iſt? So iſts eben ſo viel/ als ſagt er/ es iſt unmuͤglich/ daß ein alter
Mann koͤnne wieder gebohren werden. Der HErꝛ wuͤrdiget ihne den-
noch einer Antwort auff das quomodo, und zeiget die Art und Weiſe
an/ wie die geiſtliche Widergeburt geſchehe/ nemblich wie der Wind blaͤſ-
ſet empfindlich im Wort-Schall/ unempfindlich in dem Krafft-Knall.
Auff welche Weiß auch St. Paulus die weiſen Meiſter zu Corintho
(auff dero Quomodo er ihnen geantwortet) abgefertiget/ ſcheltend nicht
ſo wol die Frag an ihr ſelbſt/ als die fragende Meiſterloſe Vernunfft 1.
Cor. 15. Wie werdẽ die Todten aufferſtehen? ꝛc. Du Narꝛ was1. Cor. 15,
35. ſq.
du ſaͤeſt/ wird nicht lebendig/ es ſterbe dañ. Jn maſſen dann auch
die Capernaiten fragen/ wie kan uns dieſer ſein Fleiſch zu eſſenJoh. 6, 52.
geben? Johan. 6. Wie kan das wahr ſeyn? Sprichſtu/Scrutator
majeſtatis opprimetur à gloriâ,wer ſchwere Ding forſchet/ dem
wirds zu ſchwerProv. 25, 27. Antwort: Erſtlich ſtehets nicht alſo im
hebraͤiſchen Text/ der lateiniſch Text ſoll bey uns nicht Avthentiſch ſeyn/
ſondern eigentlich lautets im Hebraͤiſchen alſo: vechekàr kebhodàh
kabhàd, i. e. inveſtigatio gloriæ illorum gloria,Goͤttliche Ehr
forſchen bringet Ehr/Lutherus dolmetſchts/ wer ſchwere Ding
forſcht/
[56]Die vierdte
forſcht/ dem wirds zu ſchwer. Verſteht ſich allein von fuͤrwitzigem
Forſchen/ vom vanitaͤtiſchen Gruͤblen τ [...] ἀνεξιχνιάςων ὁδῶν, Rom. 11 33.
der ungeoffenbarten/ unerforſchlichen/ unbegreifflichen Wege der Gerich-
te Gottes/ daruͤber einen der Schwindel ankompt/ daß wenig Nutzen
bringt denen die da forſchen: wie jene Juͤngling zu Amberg nach einem
Schatz gegraben/ da keine Spur vorhanden geweſt/ und nichts als blei-
che Naſen und toͤdtliche Schrecken davon gebracht. Contrà wann ein
vid. part. 4.
Lact. Cat.
pag. 30.
(*) ex præ-
fat. Tom.
4. Witt.
Lutheri
pag. 5.Berg-Knapp nach ſeinem Beruff und Ordnung hinunter faͤhrt und
forſcht wo ein Spur vorhanden/ das iſt recht. Es wil Salomo abwar-
nen von dem Forſchen/ das GOtt nicht geoffenbart/ wie Pompejus (*),
deſſen Exempel bereits droben iſt allegirt worden. Nun ein jeder wags
auff ſein Abentheur/ es wird ein mancher in der euſſerſten Finſternuͤß frie-
ren nach dem Liecht und Feuer/ das er hat haben koͤnnen. Es ſeind er-
ſchreckliche Wort deß Sohns Gottes/ die er dem Engel oder Biſchoff der
Gemein zu Laodiceâ (der ſich eingebildet er ſey reich im Glauben und Er-
kaͤntnuͤß Gottes/ er habe gar ſatt/ er doͤrffe nichts weiters) laſſen
Apoc. 3, 15.entbieten: weil du lau biſt/ weder kalt noch warm/ werde ich
dich außſpeyen aus meinem Mund. Jſt ein Gleichnuͤß genom-
men von dreyerley Suppen/ einer Eißkalten Supp die der Natur zu wi-
der/ und Grimmen im Leib mache; Einer warmen geſaltznen und ge-
ſchmaltznen Suppen die dem Magen annehmlich: Und dann einer lauen
ungeſaltznen ungeſchmaltznen Suppen/ die der Medicus irꝛgends einem
purganten ordnet/ da geſchichts bißweilen daß er ſich wuͤrgen und auß-
ſpeyen muß. So ſolls auch dem gehn/ der ſich mit der bloſſen generalitaͤt
und ungnugſamen Gnugſamkeit ſaͤttiget. Darum ſetzt der HErꝛ alsbald
hinzu/ Apoc. 3, 19. ζήλωσον, eiffere/ ſtrebe nach den beſten Gaben daß
du weiſſageſt/ auff daß alle das Volck deß HErꝛn weiſſage/ das iſt/ zuneh-
me nicht nur de charitate in charitatem, ſondern auch de claritate in
claritatem, von einer Klarheit zur andern.
Das ſuchen und forſchen aber machts nicht aus/ ſondern wann der
edle Schatz gefunden/ ſo wird auch (2.) erfordert Epoptia oculo fidei,
die Glaubens-Schau mit heiligen/ wol purificirten und gereinigten
Augen/ nicht mit groben/ fleiſchlichen Corydons oder Kalbs-Augen/ der
Spengler muß da aus den Augen gewiſcht werden; mit Johannis Au-
gen/ mit rechten einfaͤltigen Tauben-Augen.
Lutherus Tom. 2. Isleb. pag. 149. f. 1. uͤber das 6. Cap. Joh. ſchreibt al-
ſo: Dieſes ſind eitel naͤrriſche/ tolle und unverſtaͤndige/ ſeltzame Reden fuͤr
den klugen und weltweiſen Leuthen/ und werden die Juden Chriſtum als fuͤr un-
ſinnig/
[57]Predigt.
ſinnig/ toll und thoͤricht gehalten haben. Dann was hat es fuͤr ein Anſehen/
und wie ſoll es lauten und klappen/ daß dieſer arme/ einfaͤltige Mann aufftritt/
und darff fuͤrgeben/ fuͤr ſo klugen Leuthen/ und ſonderlich fuͤr den Juden/ und
ſprechen: Er wolle ein Speiſe geben/ welche ſoll die Leuthe im ewigen Leben er-
halten? Geredet eine ewige Speiſe/ es laut gleich/ als wenn auff dem Marck
ein Teriac-Kraͤmer ſpreche zum Bauren/ er wolt ein Teriac und Artzney verkauf-
fen/ wer die brauchte/ der ſolte nimmermehr kranck/ noch geſchoſſen und ver-
wundet werden/ ſein Teriack ſolte fuͤr den Tod helffen? Deſſen wuͤrde jederman
ſpotten. Alſo redet auch allhie von einer ewigen Speiſe/ gar eine arme Perſon/
ja ein Bettler/ denn Chriſtus hat nicht eines Fußbreit eigenes gehabt/ wenns
doch irgends ein groſſer Koͤnig ſagete/ ſo haͤtts doch ein wenig ein Anſehen. Nu
ſagt er/ es iſt nichts mit dem/ ſo alle Menſchen und auch die gantze Welt vermoͤ-
gen/ Jch/ ich wil euch eine andere Speiße geben/ ſo ewig bleiben ſoll. Darum
ſo allhie auch ich ſelber alſo geſagt: Woher mit dem Narren/ haſtu auch einen
groͤſſern Narren gehoͤrt/ ein Bettler der nicht eines Hellers werth hat/ wils beſſer
machen/ denn alle Kayſer/ Koͤnige und Fuͤrſten auff Erden/ er wil ewige Guͤter
geben/ der doch keine leibliche Guͤter hat. Aber es gehoͤrt zu ſolchem Wort
Glaube. Et mox f. 2. ejuſd. pag. Das iſt der Vernunfft gar ein toll Ding/ da
Chriſtus ſaget: Jch wil der Geber/ Becker/ Brauer/ und Ackermann/ ja die
Speiße ſelber ſeyn/ und mich ſelber zum Brodt geben/ alleine ſehet daß ihr eſſet.
Es ligt an dem Wort/ Eſſen und Speiße/ daruͤber ſich die Schwermer zancken/
aber es hatte ſchaͤndlich und naͤrriſch gelautet/ gleich als wenn du ſageſt/ ſo du
wilt ewig leben/ ſo muſtu meinen Leib eſſen/ und mein Blut trincken/ wuͤrdeſtu
allhie nicht ſprechen? Ey binde ihn an mit Ketten/ wer weiß was ihm widerfah-
ren iſt. Ita Luther.
Sancta ſanctis, munda mundis! Die Philiſter haben wir aber-
mal zu Vorgaͤngern: Dann daß in einem todten Aaß oder Rumpff
des Loͤwens Jmmen einniſten/ daß ſich ein Bienen-Schwarm da hin-
ein ſolte ſetzen/ iſt paradox, unglaublich/ uͤber und wider die Natur der
Bienen/ die ſind ſonſt wol ſo katzenreine und pfuffpfey/ daß ſie keinen
Geſtanck leyden koͤnnen. Plinius (*) ſchreibt: Crabrones carne veſcun-(*) Lib. 2.
cap. 21.
tur, ſed apes nullum corpus attingunt, quæ mortuis ne floribus qui-
dem, non modo corporibus inſidunt: Doch aber dieweil ſolches von
einem geglaubten Mann/ von einem warhafftigen Bidermann/ nem-
lich dem Simſon/ bejachtzet worden geſchehen ſeyn/ crediderunt, ſo
haben ſie es geglaubt/ ohne einigen diſputat oder Zweiffel. Solcher ge-
ſtalt ſollen wir mit faͤhigen Hertzens- und Glaubens-Augen die Geheim-
nuͤß unſerer religion in Gottes Wort gegruͤndet anſchauen/ ohn einigen
Zweiffel empfangen und ergreiffen/ zum Exempel/ die warhaffte Gegen-
wart und Vereinigung deß H. Geiſtes mit dem Waſſer/ des Bluts mit
dem geſegneten Wein. Hier iſt das Fleiſch/ das iſt/ grobe fleiſchli-
che Kalbs-Auge nichts nutz/ hie iſt Glaubens-Einfalt vonnoͤthen.
Achter Theil. HMan
[58]Die vierdte
(*) vid.
Spondan.
ad An. 62.
n. 56.Man laſſe immerhin den gottloſen Spoͤtter Julianum (*) unſerer Ein-
falt lachen/ ſpotten und ſagen/ die Chriſten kommen immer mit ihrem cre-
do auffgezogen; es wird doch zu letſt heiſſen/ Galilæus vicit. Man laſ-
ſe immerhin ſpotten und lachen den Calviniſten Bergium mit ſeiner Pa-
ſtet/ deren er die Vereinigung des Fleiſches Chriſti/ mit dem geſegneten
Brod verglichen. Wir ſprechen mehr nicht/ als/ der Herr ſchelte dich
du Sathaniſches Laͤſtermaul!
Noch nicht genug iſt die ἐποπτει̃α, ſondern es iſt auch (3.) nothwendig
Veſtis nuptialis,das Hochzeitliche Ehren- Feſt- und Feur-
Kleid. Gleichwie Simſon den Philiſtiſchen Juͤnglingen ſeinen Braut-
Geſellen/ nach Sitt und Gewonheit der Orientaliſchen Voͤlcker/ verehret
neue Feur-Kleider/ zum Hochzeitlichen Feſt oder Feyr zierlich; Alſo be-
ſchencket und begabet uns auch der himmliſche Braͤutigam Chriſtus/ mit
vid. Ev.
Denckm.
p. 785.dem ſchoͤnen neuen Feur-Kleide/ ſo weiß und roth/ ſeines leidendes und
thuendes Gehorſams/ welches wir in der H. Tauff anziehen/ iſt das inne-
re Kleid deß Glaubens und der zugerechneten Gerechtigkeit JEſu Chriſti;
Das ſoll aber auch hervor leuchten und ſich ſehen laſſen durch das aͤuſſerli-
che Kleid eines heiligen unſtraͤfflichen Wandels in Chriſtlichen Tugen-
Coloſſ. 3,
10. 12. 14.den/ dazu St. Paulus vermahnet Coloſſ. 3. Ziehet den neuen Men-
ſchen an/ der da verneuert wird zu der Erkantnuͤß/ nach dem
Ebenbilde deß/ der ihn geſchaffen hat. So ziehet nun an/
ſpricht er ferner/ als die Außerwehlte GOttes/ Heiligen und
Geliebten/ hertzliches Erbarmen/ Freundlichkeit/ Demuth/
Sanfftmuth/ Gedult/ und vertrage einer den andern/ und
vergebet euch untereinander/ ſo jemand Klag hat wider den
andern; Uber alles aber ziehet an die Liebe/ die da iſt das
Band der Vollkommenheit.
Wie nun der Lumpen-Mann und Unflath/ der im unſaubern gar-
ſtigen wuͤſten Kleid bey dem Geheimnuͤß deß Abendmals erſchienen/
in examine verſtummen muͤſſen/ auch deßwegen hinauß geſtoſſen wor-
den Matth. 22. Wie die jenigen vor denen die Thuͤr verſchloſſen/ die
drauſſen ſind (ô durum verbum, Extrà!) Marc. 4/ 11. Denen das
was ſie vermeynt zu haben/ genommen/ und ſie in die ewige Blindheit
und Finſternuͤß verſtoſſen werden. Alſo im Gegentheil/ wer da hat/
dem wird gegeben/ daß er die Fuͤlle habe Matth. 13/ 12. wer hat/
zu haben begehrt und darnach ſtrebt die Weißheit GOttes zuerlangen/
dem wird gegeben/ zu verſtehen die herꝛliche Geheimnuͤſſe/ der wirds
auch mit Freuden genieſſen cum ſumma jucunditate. Wer war froͤher/
als
[59]Predigt.
als die Philiſter/ da ſie das Raͤtzel errathen? (nam quod difficilius quæ-
ritur, dulcius invenitur, ſagt Auguſtin. in Pſ. 105.) der ſoll die Fuͤl-
le haben. Wann? Alsdann/ wann die myſteria alle werden offen
ſtehen/ und klar leuchten/ wann die Spiegelſchau in ein Augenſchau von
Angeſicht zu Angeſicht/ wann das dunckle Wort in ein klares holdſeliges
himmliſches Geſpraͤch wird verwandelt werden: Dazu helff uns
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Gleichwie alle Humores und
Feuchtigkeiten/ ſo auß dem Menſchlichen Leibe herauß
flieſſen/ Zeiger und Zeugen ſind der innerlichen Leibs con-
ſtitution oder Beſchaffenheit/ der affecten, paſſionen des
Gemuͤths/ Sinns und Sitten/ darauß kluge Medici und
Naturkuͤndiger in ihrer Cur vernuͤnfftige conjecturen und Muthmaſſun-
gen ſchoͤpffen und faſſen. Zum Exempel das Harnwaſſer zeuget von des
Menſchen Geſund- oder Kranckheit/ auß deſſen ſediment, hohen oder nie-
dern Farben/ merckt man die grad zu- oder abnehmen der Kranckheit: Jn
der Aderlaͤß zeuget das Blut und deſſen qualitæt von deß Menſchen tem-
perament und deſſen innern diſpoſition des Haupts/ der Leber/ und ande-
rer viſcerum: Deßgleichen die Thraͤnen eines weinenden ſind teſtes vul-
nerati cordis, Zeugen eines verwundeten Hertzen/ ſie deuten an daß das
Hertz betruͤbt und verwundet: Die Muttermilch/ damit ſie ihr Kind
ſaͤuget und nehret/ zeuget von der ςοργῇ oder Muͤtterlichen affection und
Bluts-Lieb/ damit ſie ihr Kind einet und meynet: Der Schweiß/ ſon-
derlich der uͤbernatuͤrliche blutige Schweiß/ der rothe Safft/ der dem
H 2edlen
[60]Die fuͤnffte
edlen Kelter-Tretter von Bazra,JEſu von Nazareth/ durch die zar-
teſten poros ſeines allerheiligſten Leibes haͤuffig herauß getrungen/ zeuget
von uͤbernatuͤrlicher Hitze: ich ſag/ von uͤbernatuͤrlicher Hitze/ dann
ſonſt natuͤrlicher weiſe/ wann der Menſch erſchroͤckt/ wann ihm angſt und
bang iſt/ wann er zittert und zaget/ ſo ſpritzt das Blut/ wann man gleich
den Leib oͤffnete/ nicht herauß/ ſondern es gehet zuruͤck/ und laufft dem
principio vitæ dem Hertzen zu/ davon der Menſch erblaßt/ wird weiß wie
ein weißgewaſchen Tuch/ auch wol gruͤn und gelb; Dieſer ſo uͤbernatuͤr-
liche blutige Schweiß war ein Zeug des uͤbernatuͤrlichen ſymptomatis,
der Hitze/ durch welche derſelbe diſtillirt und herauſſer gepreßt worden/
nemlich die Hitz von den Flammen des Hoͤlliſchen Feurs.
Alſo iſt auch der uͤbernatuͤrliche Waſſer-Guß und Blut-Fluß/ ſo auß
der eroͤffneten Seiten/ des gecreutzigten uñ geſtorbenen Herꝛn Jeſu von
Nazareth/ herauß geſpruͤtzet und geſprungen/ ein Zeiger und Zeug gewe-
ſen/ eines ſonder- und wunderbaren Todes/ ein uͤbernatuͤrlicher Zeug ei-
nes uͤbernatuͤrlichen myſterii, einer lebendigen Quell mitten im Tod/ ei-
nes allmaͤchtigen und ſiegreichen Todes. Gleichwie Simſon in ſeinem Tod/
und durch ſeinen Tod etlich tauſend Philiſter getoͤdtet/ nidergeſchlagen/
und hiedurch ſeinem Volck den Kindern Jſrael Fried/ Heyl/ ein ſicheres
und ruhiges Leben erworben; Alſo hat auch Chriſtus durch ſeinen Tod/
uns ſeinen Reichs-Genoſſen vor allen geiſtlichen Feinden Fried und Ruhe
geſchafft/ und dieſelbe gedaͤmpffet/ Er hat durch ſeinen Tod die
Macht genommen dem/ der des Todes Gewalt hat/ das iſt/
dem Teuffel/ und hat erloͤſet die/ ſo durch Furcht des Todes
in dem gantzen Leben Knechte ſeyn muſten Hebr. 2.
Es war ein wunderlicher Krieg/Da Tod und Leben rungen:Das Leben behielt den Sieg/Es hat den Tod verſchlungen/ ꝛc.
Es war beſagter Blut- und Waſſer-Fluß ein Zeug/ daß Chriſti Tod ge-
weſen ein Firmungs-Tod/ dadurch das neue Teſtament/ als durch
des Teſtatoris Tod/ bekraͤfftiget und befeſtiget worden/ wie Hebr. 9/ 17.
der Apoſtel ſagt: Ein Teſtament wird feſt durch den Tod/ an-
ders hat es noch nicht Macht/ wann der noch lebet der es ge-
macht hat; Ja Zeug eines lebendig-machenden und alſo recht Goͤtt-
lichen Todes. Gleich wie der todte Mann/ der in des verſtorbenen Eli-
ſæ Grab geworffen worden/ durch Anruͤhrung deß todten Leichnams leben-
dig worden 2. Reg. 13, 21. Alſo auch Krafft dieſes Todes Chriſti ſeind die
Todten
[61]Predigt.
Todten erweckt/ die Graͤber haben ſich auffgethan/ und ſind die er-
ſtandene ins ewige Leben eingangen durch den getoͤdteten Hertzog des
Lebens/ der ein unvergaͤngliches Weſen herfuͤr gebracht/
2. Timoth. 1/ 10.
Jſt eben das jenige Teſtimonium miraculoſum, myſticum, Sa-
cramentale, Evangelicum, das jenig Wunder-Geheimnuͤß reiche/ Sa-
cramentliche/ Evangeliſche Zeugnuͤß/ davon die drey Zeugen/ das iſt/
das Waſſer/ das Blut/ und der H. Geiſt durch Johannem ge-
zeuget/ damahl am Creutz/ und noch zeugen werden/ biß der HErꝛ/ der
jetzt im Waſſer und Blut erſcheint/ in himmliſcher glori erſcheinen wird.
Jſt das jenige ἓν, objectum \& ſcopus,das einige/ der einige Zweck/
darauff die Zeugen abgerichtet/ davon Johannes ſchreibt/ drey ſind die
da zeugen auff Erden/ und εἰς ἓν, ſie ſind beyſammen/ ſie zeugen
zuſammen/ ſie ſtimmen uͤberein.
Jſt die jenige Zeugen-Auſſag/ das Wort/ davon ſie alle drey
einmuͤthiglich ſagen/ zeugen und drauff deuten. Wir wollen M. L. diß-
mal zu verhoͤr ſitzen/ oder dieſe Zeugen andaͤchtig und auffmerckſam ver-
hoͤren/ was und wovon ſie ſagen/ und wohin ſie zihlen. Der Vater des
Liechts wolle uns mit dem Liecht und Gnad ſeines H. Geiſtes um JEſu
Chriſti Willen hiezu miltiglich erſcheinen/ Amen.
SO iſt nun/ meine Liebſten/ das Zeugnuͤß oder Res teſtata, ob-
jectum \& ſcopus, der Zweck nach welchem alle die Zeugen zihlen
und abgerichtet ſind/ die Auſſag/ daruͤber ſie alle drey einmuͤthig-
lich einſtimmen und ſymphoniſiren/ oder uͤbereinkommen I. ἕν
τι, eins/ ein einig/ unverſchiedenlich/ unzertrennliches/ von allen andern
Zeugnuͤſſen oder Worten abgeſondertes Wort/ verbum harmonicum
\& ſymphonicè univocum, ein ordentlich zuſammen klingend und ſtim-
mendes Wort/ davon es heiſt/ Os unum omnium Prophetarum ca-
tholicum, es iſt gleichſam ihrer aller ein Mund und Zung/ kein zwey-
muͤndiges oder zweyſinniges Wort/ immer eins/ nimmer gezweyt; Ein
allgemeines Wort/ gleichwie auch dieſe teſtes catholici und allgemeine
Zeugen ſind/ von welchen auch dieſe Epiſtola Catholica, oder recht Ca-
tholiſche Epiſtel St. Johannis verlautet; Und alſo verbum perpe-
tuum \& conſtans ein ewig beſtaͤndig Himmelfeſtes Wort/ ſo nicht verge-
het/ wann gleich Himmel und Erden vergehen/ ſondern bleibet/ dauret
und waͤhret zu allen Zeiten/ an allen Orthen/ bey allen Menſchen.
Gleich wie der him̃liſche Vater und Sohn GOttes eins feind und bleiben
H 3Joh.
[62]Die fuͤnffte
Joh. 10. 30. immer eins/ nim̃er gezweyt/ in welchem Verſtand das Unum
das einige David nennet/ Pſal. 27. Eins bitte ich vom Herrn/ das
iſt/ perpetuò ich bitte und bette allezeit um dieſes einig nothwendige/ daß
ich daſſelb immer behalten und ſtaͤtigs genieſſen moͤge. Menſchen Wort
iſt ein bloſſer Schall/ der mit dem Wind verſchwindet; Sathans Wort-
Kunſt iſt æquivociren/ ſein Wort iſt einzuͤngig aber zweyſinnig/ zum
Exempel/ das Paradiß-Wort der Schlangen Gen. 3, 5. Euer Augen
werden auffgethan/ und ihr werdet wiſſen/ was gut oder boͤß
iſt/ war zwar nur ein Mund und Wort/ aber zweyerley Verſtand/ nem-
lich entweder von einer heiligen/ gluͤcklichen/ erfreulichen/ ergoͤtzlichen Wiſ-
ſenſchafft/ wie es Eva verſtanden/ oder von einem ungluͤcklichen/ trauri-
gen/ verderbten/ ſchand-ſchaͤdlich und ſchmaͤhlichen Wiſſen/ deſſen man
ſich zu ſchaͤmen/ ſc. de ſenſu peccati \& mortis, vom fuͤhlen des boͤſen
Gewiſſens/ und Fuͤhlung des Todes/ ſie werden in ihrem Gewiſſen erfah-
ren/ was Suͤnde ſey und wuͤrcke/ nemlich den Tod/ wie es die Schlang
verſtanden. Conſequenter
II. Ἓν ἀγαθὸν ſive bonum,eine gute/ annehmliche und er-
goͤtzliche Auſſag/ Johannes ſagt nicht/ ἀνθ᾽ ἑνὸς, ſondern εἐς ἓν, nicht
wider uns/ wie Himmel und Erden wider die Kinder Jſrael gezeuget
Deut. 31, 28. Sondern εἰς ἓν uns zu Troſt: keine traurige Auſſag/ Zei-
tung oder aviſo vom Tod und Noth/ ſondern vom Leben und Segen.
Dieſes Zeugnuͤß-Wort iſt nicht Litera occidens, der toͤdtende Buchſtab
des Geſetzes/ der Handſchrifft/ ſo wider uns iſt Coloſſ. 2/ 14. kein mit
Blut beſchriebener Brieff/ dergleichen Haman vom Koͤnig Ahaſvero
außgewuͤrcket wider die Juden/ denſelben durch die Blutſchreiber faſſen
und auff ſetzen/ durch Laͤuffer-Botten/ Zeiger und Zeugen allenthalben in-
timiren und außruffen laſſen/ de nece catholica judæorum, beſagend
den allgemeinen Juden-Mord/ auff einen Tag Eſther. 3. Sondern dieſes
iſt und bleibt ein guter Bott/ ein gutes Wort/ das guͤtige Wort Got-
tes/ wie es der Apoſtel nennet Hebr. 6. Johannes iſt ein guter Mann/
derowegen bringt er auch ein gute Bottſchafft/ wie von Ahimaaz zu leſen
2. Sam. 18/ 27.
III. Ἓν verum,ein unfalſches recht wahres Wort. Eſa.
43/ 9. das von dem bewaͤrtheſten und canoniſirten Zeugen der Warheit
dem H. Evangeliſten Johanne bejahet und bekraͤfftiget worden/ welches
er empfangen droben auff dem H. Berg/ auß dem Mund GOttes des
Vaters ſelbſt gehoͤrt Matt. 17/ 5. 2. Petr. 1. der es auß der eroͤffneten Seiten
Chriſti geſogen und gezogen/ die fluenta ſapientiæ, und in ſeinem Evan-
gelio
[63]Predigt.
gelio auffgeſchrieben Joh. 3. Daß GOtt die Welt alſo geliebt/
daß Er ſeinen eingebohrnen Sohn fuͤr ſie dahin (in den ſchmaͤh-
lich und ſchmertzlichen Creutz-Tod) gegeben: der da ſein Epiſtel geſchrie-
ben/ getrieben von dem H. Geiſt. Der Teuffel leugt als ein Teuffel und
widerſpricht dem Munde GOttes freventlich und unverſchaͤmt/ wann
Gott draͤuet/ ihr werdet des Todes ſterben/ ſo ſagt er Lò thamoth,
nicht todt/ ihr werdet mit nichten des Todes ſterben. Maſſen er noch
heutigs Tags manchen Suͤnden-Knecht uͤberredt/ non morieris, wags
drauff/ es wird den Hals nicht gelten. Aber der Luͤgen-Geiſt betreugt.
Hingegen GOttes Wort das iſt und bleibt die Warheit/ es kan nicht lie-
gen Pſal. 27.
Aber IV. Verbum obſcurum, inevidens, myſticum, parado-
xum,ein dunckeles/ unerdenckliches/ fuͤr der Vernunfft aben-
theurliches und unglaubliches Wort/ des verborgenen GOttes
der im duncklen wohnet/ das kein erſchaffene Vernunfft erſinnen oder
erdencken kan/ das der natuͤrliche Menſch nicht verſtehen kan/ das der Ver-
nunfft thoͤricht fuͤrkommt; und deßwegen bezeugens beweiſens vonnoͤ-
then hat/ es heiſt da demonſtrandi. Zwar das Wort des Geſetzes/
welches in die Tafflen unſerer Hertzen und Gewiſſen/ der Gedancken/
die ſich untereinander verklagen und entſchuldigen Rom. 2/ 15.
mit eiſernen Griffelen in unſer aller Hertzen geſchrieben/ iſt wol auch ein
heiliges/ ein einiges/ ewiges/ unwandelbares Zeugnuͤß/ iſt an ſich ſelbſt
gut/ wahr/ himmelfeſt/ wer das Geſetz thut/ der ſoll leben; aber es iſt
evident, klar und offenbar/ unwiderſprechlich/ es bedarff kein zeugens
und beweiſens/ iſt mit Sonnen-Strahlen ins Hertz geſchrieben und ge-
trieben/ conſcientia mille teſtis, es ſteht gleichſam wie ein Kriegs-Heer
wider uns Pſal. 50. Eſa. 59. Unſere Suͤnden antworten wider
uns/ wir fuͤhlen unſeren Prediger/ dem David ſchlaͤgt ſein eigen Hertz
2. Sam. 24. Da der Herr die Phariſeer ſchamroth gemacht Joh. 8.
ihnen zugemuthet/ wer unſchuldig iſt/ ſoll den erſten Stein auffheben/ ſo
meldet die Hiſtorien/ ſie waren ὑπὸ τῆς συνειδήσεως ἐλεγχόμενοι, von
ihrem Gewiſſen uͤberzeugt. Der Syllogiſmus conſcientiæ (Sap. 4, ult.)
iſt juſt/ Sonnenklar/ buͤndig und bindet ſo hart und ſtarck/ als kein
Hencker-Strick: Wer ſeinen Bruder ermordet/ ſein Blut vergeuſt/ deſſen
Blut ſoll wider vergoſſen werden Gen. 9, 6. Nun ich Cain hab meines
Bruders Blut vergoſſen. Ergò! und ob ers gleich λόγῳ ἔξῳ aͤuſſerlich mit
dem Mund nicht geſtehen wil/ ſo kan ers doch nicht laͤugnen im Hertzen;
da aber der ſchlaffende Thuͤr-Hund auffgewacht/ und auß dem nagenden
Wurm
[64]Die fůnffte
Wurm ein feuriger Drach worden/ ſo wil er verzweifflen/ O/ ſagt er/
meine Suͤnd iſt groͤſſer/ als daß ſie mir koͤnt vergeben werden. Deßglei-
chen geſchach von den Bruͤdern Joſephs Gen. 42, 21. da Joſeph das
rauch herauß gekehrt/ und ſeine Bruͤder in arreſt genommen/ da be-
kennen ſie erſt/ was ſie viel Jahr zuvor begangen/ ſagen ſie/ das haben
wir an unſerm Bruder verſchuldt. Jhr Syllogiſmus iſt dieſer:
Wer ſeinen Bruder bindet/ in ein Grub wirfft/ da kein Waſſer innen
iſt/ der wird billich wiederum gebunden und ins Gefaͤngnuͤß geworffen.
Nun wir ſind ſolche ꝛc. Ergò iſt der juſtiti gemaͤß/ daß einer unter uns
ohne Barmhertzigkeit/ und nahmentlich Simeon ſolches leide. David
bekennt vor Nathan/ er ſeye ein Mann des Todes/ der Syllogiſmus
in ſeinem Gewiſſen lautet alſo: Welcher reiche Mann einem armen
Mann ſein einiges Schaaf ſtihlt/ der iſt des Todes ſchuldig/ dieweil er ihn
um ſein ſtuͤck Brodt und ſein Leben bringet; Jch David bin ſelbiger/
ich hab ſolches gethan. Item, wer ſich am Waſſer verſuͤndiget/ der ſoll
billich im Waſſer geſtrafft werden. Nun ich Jonas hab nach Waſſer
gegangen/ und wider GOttes Befehl mich darauff begeben. Ergò em-
pfang ich auch meine gebuͤhrende Straff in demſelbigen. Judas der
Verraͤther Chriſti ſchlieſt alſo: Wer unſchuldig Blut verrathen/ der hat
ſein Hals verwuͤrckt. Jch habs gethan/ ergò Strick zu. Ein ſolch evi-
dent Wort iſt das nicht/ darauff Johannes hie deutet mit ſeinem εἰς ἓν.
Was dann.
V. Verbum Evangelii unum, harmonicum, ſymphonicum,
ein einiges zuſammenſtimmendes hochtroͤſtliches Wort/
davon alle Propheten zeugen/ Act. 10, 43. ein gutes Wort/ ein Lebens-
Wort/ das heiſt/ nolo mortem peccatoris,ich begehre nicht den
Tod des Suͤnders. Alſo hat GOtt die Welt geliebt/ ꝛc.
ein Honigſuͤſſes Wort/ welches auß dem erwuͤrgten Loͤwen vom Stam-
me Juda/ und ſeinem Tod außgefloſſen; Nemlich eben das Wort/
welches St. Johannes mit vielen wiederholten ernſthafften Worten inti-
mirt und geoffenbart/ alſo lautend: Drey ſind die da zeugen ꝛc.
Was zeugen ſie dann/ wovon/ was iſt die Auſſag das contentum,
der Jnnhalt? Antw. Daß iſt das Zeugnuͤß/ das GOtt gezeu-
get hat von ſeinem Sohn/ wer an den Sohn glaubt/ der
hat ſolch Zeugnuͤß in und bey ihm/ wer an den Sohn GOt-
tes nicht glaubt/ der macht GOtt zum Luͤgner/ dann er
glaubt nicht an das Zeugnuͤß/ das GOtt von ſeinem Sohn
gezeuget: daß iſt aber das Zeugnuͤß/ daß Er uns das ewige
Leben
[65]Predigt.
Leben gegeben/ welches iſt in ſeinem Sohn: Wer den Sohn
hat/ der hat das ewige Leben/ und wer den Sohn nicht hat/
der hat das ewige Leben nicht: Solches hab ich euch geſchrie-
ben/ die ihr glaubet an den Nahmen des Sohns GOttes/
auff daß ihr wiſſet/ daß ihr das ewige Leben habt/ und daß1. Joh. 5. v. 9.
10. 11. 12. 13.
ihr glaubet an den Nahmen des Sohns GOttes. 1. Johan. 5.
Sind viel Wort/ ſind wiederholte Wort/ ſind deutliche Wort/ koͤnnen
aber in folgenden Syllogiſmum Evangelicum, als in eine guldene Ket-
te/ damit Gott der Herr uns Menſchen geziert/ gar wol zuſammen ge-
loͤtet/ gefuͤget/ gegleichet und gefaſſet werden: Alle der jenige Mann
(an welche Johannis Catholica Epiſtola geſchrieben worden.) Welchervid. Broch-
mand. in
Ep. Jac.
p. 23.
in ſeinem geaͤngſtigten/ zerſchlagenen/ zerknirſchten/ geiſtduͤrfftigen/ Chur-
waſſer-begierigen/ Blutdurſtigen Hertzen und Gemuͤth/ glaubet an den
Sohn GOttes/ den Erſt- und Eingebohrnen/ conſequenter allerliebſten
Sohn GOttes/ ſeinen einigen und eigenen Sohn/ den er fuͤr uns dahin
gegeben Rom. 8/ 32. an den Nahmen des Sohns GOttes/ das iſt/
an alles das/ was im Evangelio von Jhm/ ſeiner Perſon/ Ampt/ Tu-
genden/ Thaten/ meriten, Buſſen und Wolthaten geruͤhmet und ge-
prießen/ ſonderlich daß in ſeinem Nahmen (und keinem andern frembden
Nahmen/ er heiſſe Maria/ Franciſcus/ oder dein eigner Nahm/ Buß
und Verdienſt) uns Menſchen das Heyl gegeben/ darinnen wir
ſollen ſelig werdenActor. 4, 12. den Nahmen des Sohns
GOttes/ in welchem das Leben iſt/ als im Hertzen des Lebens/ in
des Lebens Quell und Wurtzel/ als in dem Todten-Buͤrgen und Todten-
Wuͤrger/ der durch ſeinen lebendigmachenden Siegs-Tod/ dem Tod all
ſein Macht genommen/ und das Leben/ und ein unvergaͤng-
lich Weſen ans Liecht gebracht 2. Tim. 1/ 10. Den Sohn/ von
dem der Vater gezeuget muͤndlich vor ſeinem Tod dreymal/ am Jordan
Matth. 3/ 17. zu Jeruſalem in einer Donnerſtimme Johan. 12/ 28. auff
dem H. Berg bey ſeiner Verklaͤrung/ da Er von ſeinem Creutz und Todten-
gang Sprach gehalten: Jn ſeinem Tod/ da Er ſeinen Sohn wuͤrcklich in
Tod hinein gegeben mit unerhoͤrten ſymptomatibus als Glocken/ daß
die Sonne erſchwartzet/ die Erde gebebet/ die Felſen zerſprungen/ die Graͤ-
ber ſich auffgethan/ ſonderlich mit dem uͤbernatuͤrlichen Waſſer und Blut-
Fluß: Nach ſeinem Tod mit den himmliſchen χαρίσμασι und Gaben deß
Geiſtes/ den feurigen Pfingſt-Zungen. Alſo/ alſo hat Gott ſeinen
Sohn gegeben!
Wer nun/ ſag ich/ an dieſen Sohn und ſeinen Nahmen glaubet/
Achter Theil. Jden-
[66]Die fůnffte
denſelben alſo erkennet/ bejachtzet alle das wahr ſeyn/ was im Wort deß
H. Evangelii von Jhm geprediget wird/ denſelben ihme applicirt/ zueig-
net und einet/ und damit wirs in einem Gleichnuͤß verſtehen/ wer Jhn mit
bekuͤmmertem Hertzen/ wie ein Mutter Zach. 12/ 10. anſihet/ in welchen jene
geſtochen haben/ wer verwundet von der hoͤlliſchen Schlangen/ dieſe rothe
ehrene Schlange anſiehet mit glaubigen Augen/ auff daß er lebe Num. 21, 8.
Wer mit gehorſamen Hertzens-Ohren hoͤret ſein ſuͤſſes Evangelium/
weit uͤber alle Muſic oder Lebens-Ergoͤtzlichkeiten/ wer da riechet den Ge-
ruch deß Lebens zum Leben/ wer ſchmecket und koſtet das guͤtige Wort Got-
tes/ das erquickende Manna und kraͤfftige Himmel-Brod Joh. 6. Wer
gruͤſſet/ kuͤſſet/ mit Simeoniſchen Glaubens-Armen umfanget/ zu ſich zie-
het/ auffs Hertz/ ins Hertz/ zu Hertzen trucket und annimmet/ (dergleichen
kein Teuffel thun kan/ er glaubt aber mit zittern) der hat das Leben/ das
rechte/ wahre/ geſunde (non eſt vivere, ſed valere, vita,) das rechte rich-
tige Leben. Hie in dem natuͤrlichen Leben iſt kein Freud ohne Leyd/ kein
Leben ohn Tod/ kein Honig ohn Gall/ ob ſchon darin uns auch was guts
begegnet/ ſo iſt es doch entweder gegenwaͤrtig oder vergangen/ oder zu-
kuͤnfftig; Jſt es gegenwaͤrtig/ ſo iſt es unbeſtaͤndig; Jſt es vergangen/
vid.
D. Dietr.
in Sapient.
part. 1.
p. 453.ſo iſt es nichts mehr; Jſt es zukuͤnfftig/ ſo iſt es ungewiß. Dort aber
das gantz heilige Goͤttliche Leben/ das him̃liſche Freud- und Glori-Leben/
das ewige Leben und allen deſſen Segen in himmliſchen Guͤtern/ Auguſti-
nus ſpricht davon c. 35. Soliloq. Intra ô anima in gaudium Domini
Dei tui, ubi ſunt magna \& inſcrutabilia \& mirabilia, quorum non
eſt numerus, das iſt: Gehe ein liebe Seele/ gehe ein in die Freude deines
Herrn/ in das Hauß deß Herrn deines GOttes/ darin ſind groſſe un-
erforſchliche Wunder/ deren keine Zahl iſt. Habet, habet, der hats/
es iſt ihm ſchon gegeben/ in der Ewigkeit/ da er in das Buch des Lebens
auffgezeichnet worden/ er hats jetzund ſchon nicht allein in ſpe und in der
Hoffnung/ ſondern auch in progevmaſi, in dem Genuͤß und Vorſchmack:
rara hora parva mora!
Wer in noͤthen bet und ſingt/Dem wird ſein Hertz recht guter Ding/Der Geiſt bezeugt/ daß ſolches freyDes ewign Lebens Vorſchmack ſey.
Gleichwie ein Kind in Mutter-Leib das hat das Leben/ aber es iſt
nicht offenbar. Alſo ſagt Johannes 1. Ep. cap. 3/ 2. Meine Lie-
ben/ wir ſind nun GOttes Kinder/ aber es iſt noch nicht er-
ſchienen/ was wir ſeyn werden: Wir wiſſen aber wenn es
erſchei-
[67]Predigt.
erſcheinen wird/ daß wir Jhm gleich ſeyn werden/ denn wir
werden Jhn ſehen wie Er iſt.Habet in judicio, Er iſt vom Tod
zum Leben hindurch getrungen Joh. 5/ 24. Er wirds haben dermaleins
nach ſeiner Aufferſtehung vollkommlich/ denn wer in Gott lebet/ der wird
auch gewiß aufferwecket werden zum ewigen Leben.
Bißher der erſte Satz/ Fides quæ creditur, der geglaubte Glaub/
oder das was uns im Evangelio zu glauben fuͤrgehalten wird. Der an-
dere Satz begreifft in ſich Fidem quæ credit, den glaubenden Glau-
ben.
Davon S. Paulus ſagt/ 2. Tim. 1/ 12. Jch weiß/ an welchen
ich glaube/ und bin gewiß/ daß Er mir kan meine Beylage
bewahren biß an jenen Tag. Und ſtehet dieſer andere Satz in die-
ſen Worten: Wer an den Sohn glaubt/ der hat ſolch Zeugnuͤß
in ihm/ auff daß ihr wiſſet/ nicht nur daß ihr das ewige Leben
habet/ ſondern auch daß ihr an den Nahmen des Sohns
GOttes glaubetper ſcientiam reflexam. Das weiſſeſtu lieber
Menſch/ und kanſt deſſen gewiß ſeyn/ nicht nur auß der allgemeinen Ver-
heiſſung deß Glaubens/ den GOtt jederman fuͤrhaͤlt und darrei-
chetAct. 17, 31. ſchenckt Er uns den Baum (Chriſtum) warum nicht
auch die Frucht/ das iſt den Glauben? Sondern auch daß Er dir ſingula-
riter deine einzele Suͤnde vergeben/ den Glauben geben wolle/ und alſo die
port des Lebens auffgeſchloſſen. Dann
Der Menſch fuͤr GOtt wol ſelig iſt/Dem ſein Sůnd iſt vergeben.
Nun ſagt der Herr ſelbſt Eſa. 43/ 25. Jch/ ich tilge deine
Ubertrettung um meinet willen/ und gedencke deiner Suͤnde
nicht. Und David Pſal. 103/ 2. Lobe den HErꝛn meine Seele/
und vergiß nicht was Er dir guts gethan hat. Glaubſtu das
oder nicht? So nicht? So machſtu GOtt zum Luͤgner/ das ſey fern.
Glaubſt es? So haſtu was du glaubeſt: die aſſumtion macht der inner
Hertzen-Zeug/ mit dem der Geiſt GOttes durch ſein Wort zeuget/ und ſagt
mit dem Vater des Monſuͤchtigen Marc. 9/ 24. Lieber HErꝛ/ ich
glaube! mit den Blinden Matth. 9/ 28. Ja HErꝛ/ wir glauben/
oder mit dem Kaͤmmerer auß Morenland/ ich glaube daß JEſus
Chriſtus GOttes Sohn iſtAct. 8, 37.
Ergò, folgt der gewaltige Schluß/ unverwehrlich und unumgaͤng-
J 2lich:
[68]Die fuͤnffte
lich: So hab ich das ewige Leben/ es iſt mir gegeben/ und wann ich in die-
ſem Augenblick ſterben ſolte/ ſo bin ich gewiß ein Kind des ewigen Lebens.
Amen, Amen! Dieſer Syllogiſmus iſt das τὸ ἔν, die unauffloͤßliche gul-
dene Kett/ daran der Gnaden-Pfenning haͤngt/ dadurch du dich verſichern
kanſt der Goͤttlichen Huld und Gnad/ damit Gott der Herr alle ſeine
außerwehlte Kinder regalirt/ ziert und adelt.
Aber ὠ βάθος, O Abgrund! ὠ παράδοξον, ô myſterium, O ein
unglaubliches Geheimnuͤß-volle Zeugnuͤß/ welches im verborgen waͤre ver-
blieben/ in dem Liecht ἀπροσίτῳ, da Gott wohnet/ waͤre der Fall nicht ge-
ſchehen/ ſo waͤre der Sohn GOttes nicht geſtorben/ nicht dahin gegeben
worden/ kein Engel/ kein Menſch haͤtte davon die geringſte Wiſſenſchafft
oder Erkantnuͤß bekommen/ darum die Engel geluſtet hinein zu ſchauen/
koͤnnen ſich nicht gnugſam hieruͤber verwundern.
Ja freylich (I.) παράδοξον, ein vor der Vernunfft unglaubli-
ches Geheimnuͤß. Es denck doch ein Menſch/ ob es nicht ſeiner Ver-
nunfft wunderſeltzam und abentheurlich vorkomme 1. Cor. 2/ 14. daß der
Zach. 13.Sohn GOttes/ der Mann/ der Gott am naͤchſten iſt/ das Zorn-Schwerdt
ſolle leyden/ fuͤr uns die wir deßwegen ſeine Feind geweſen/ daß er dahin
in den Tod gegeben worden von ſeinem liebreichen Vater/ ehe gebe ein Va-
ter ſich ſelbſt fuͤr ſeinen Sohn/ (gleichwie David fuͤr Abſalon ihm den Tod
gewuͤnſcht/) alsdaß er ſeinen einigen Sohn fuͤr andere/ und zwar ſeine
Feind und Widerwaͤrtige/ gleichſam hinſchlaͤudern ſolte.
Es hat zwar Abraham ſeinen Sohn/ ſeinen einen einigen lieben/ aber doch
ſuͤndlichen Sohn/ und nicht fuͤr ſeine Feind/ ſondern ſeinem hoͤchſten
Freund/ ſeinem Gott im Himmel zum Gehorſam hingegeben/ auffopf-
fern und ſchlachten wollen; Dergleichen auch Jephta gethan. Man hat
exem-
[69]Predigt.
exempla barbariſcher/ monſtroſer/ unmenſchlicher Raben-Vaͤter/ die
ihre Kinder dahin geſchleudert/ zum Exempel die Molocholatræ, oder
Molochs-Knecht/ ſo dieſelbe dem verdampten Goͤtzen Moloch auffgeopf-
fert/ wohin auch gehoͤrt Thren. 4, 10. Es haben die barmhertzigſten
Weiber ihre Kinder ſelbſt muͤſſen kochen/ daß ſie zu eſſen haͤt-
ten in dem Jammer der Tochter meines Volcks. Manche
Gottes vergeſſene Zatz und leichtfertige Schand-Hur exponirt ihr Kind/
oder moͤrdet es wol gar; Aber das thut ſie nicht fuͤr ihre Feinde/ ſondern
fuͤr ſich ſelbſt/ die Schande zuverdecken/ oder der Obrigkeitlichen Straff
zuentgehen/ Haut fuͤr Haut gibt der Mann fuͤr ſein Leben/ und alſo auch
Kindshaut; Aber um eines Feindes willen/ davon wird nicht leichtlich
ein Exempel in der Welt ſeyn/ daß ein Vater ſeinen ſo frommen/ ſeinen
ſo lieben Sohn (und alſo Summum bonum pro infeſtiſſimo peccatore)
ohne ſchonen gleichſam dahin geworffen. Rom. 5/6. Chriſtus iſt fuͤr
uns Gottloſen geſtorben; Nun ſtirbet kaum jemand um deß
Rechts willen/ um etwas gutes willen doͤrffte vielleicht je-
mand ſterben. Darum/ ſagt er ferner ib. verſ. 8. preiſet GOtt
ſeine Liebe gegen uns/ daß Chriſtus fuͤr uns geſtorben iſt/ da
wir noch Suͤnder waren. Kurtz/ es ſtarb das Schaaf fuͤr
den Wolff.
Ω Βάθ [...]! ſprechen wir ferner/ ja (II.) παραδοξώτερον, noch ſeltza-
mer lautet Funus Dei mortui, daß der Unſterbliche geſtorben/ das Leben
ſelbſt den Tod geſehen. Dann wann hier in dieſer unſerer Hiſtori deß
getoͤdteten Chriſti/ von eines bloſſen Menſchen Tod gehandelt wuͤrde/ und
alſo nur ein bloſſer Menſch geſtorben waͤre/ ſo doͤrffte es nicht viel verwun-
derns/ Pilatus/ Herodes/ Neſtorius glauben ſolches auch/ das waͤre kein
hohes Geheimnuͤß nicht. Daß aber es heiſt/ Gott iſt geſtorben/ und
wie der Prophet Zachar[i]as redet/ Sie haben geſtochen in den
Mann/ der GOtt am naͤchſten iſt/ oder wie Petrus den Juden
freymuͤndig vorruckt Act. 3, 15. Jhr habt den Fuͤrſten des Lebens
getoͤdtet:hoc παραδοξώτερον, daß iſt ein Wunder-Geheimnuͤß/ da die
gantze Natur uͤber erſtarret und erſchrocken iſt; eine Tragœdia, ſo mit
Waſſer und Blut beweinet worden.
Es iſt aber dieſes Wunder-Geheimnuͤß (III.) πιςὸςλόγ [...], ein theu-
res Wort/ wol werth/ daß man es begierig annehme/ und ihme ohne ei-
nigen Zweiffel Glauben zuſtelle. Paulus der theure Apoſtel ſtreicht es
mit gewaltigen/ herꝛlichen Worten herauß 1. Tim. 1/15. Daß iſt je ge-
wißlich wahr/ und ein theuer werthes Wort/ daß JEſus
J 3Chri-
[70]Die fuͤnffte
Chriſtus kommen iſt in die Welt die Suͤnder ſelig zu machen.
Das iſt ein Himmelfeſtes Wort/ Himmel und Erden ſollen eher verge-
hen/ als ſelbiges. Menſchen Wort hat bezeugens beweiſens noͤthig/ aber
das Wort GOttes iſt ſo edel/ ſo theur/ ſo himmelfeſt wahr/ daß man ohne
ferneren Beweiß demſelben ſoll Beyfall geben/ bevorab weil es Johan-
nes ſo wol betheurt und verwahret/ wider maͤnniglich inſtantzen und Ein-
reden repetitis verbis, mit offt wiederholten Worten/ die ſonſt einer
tavtologi gleich ſcheinen/ wann es nicht die Nothdurfft erfordert/ alldieweil
unſer Hertz ſo gar ſchuͤchtern/ bloͤd/ wandelbar/ zaghafft/ ſolche hohe Ge-
heimnuͤſſen zu glauben. Was auß dem Geſetz geſagt und gepredigt wird/
das admittirt unſer Hertz/ und nim̃t es alſobald an; Aber die Evangeliſche
myſteria und Geheimnuͤß wollen nicht ein/ man hoͤrt zwar taͤglich davon
und iſts gewohnt/ wie der Muͤller des Beutels/ aber wanns zum Treffen
kommt/ wann der Sathan den gantzen obberuͤhrten ſyllogiſmum in di-
ſputat zeihet/ da ſtoßt ſichs/ da weiß man ſich faſt nicht zu helffen/ derowe-
gen hat man ſo vieler Zeugen und ſtarckes Zeugnuͤſſes von noͤthen; dazu
kom̃t auch aller H. Maͤrtyrer Blut/ der jenigen Zeugen dieſer Goͤttlichen
Warheit/ ſo ſolch Zeugnuͤß mit ihrem Blut des ſchmaͤhligen Maͤrtyr-
Tods zu unterſchreiben/ nicht unterlaſſen. Es iſt ſolches durch ein dop-
pelten Eyd Ezech. 33. bekraͤfftiget/ durch unerhoͤrte Wunder/ ja durch die
heiligen Sacramenta. Quæ frons contra tot teſtes? Wer wolte ſich
nun erkuͤhnen ſolch Zeugnuͤß zu verlaͤugnen/ oder zu widerſprechen allen
Propheten/ die hievon Zeugnuͤß geben/ allen Apoſteln/ allen Maͤrtyrern?
Si credis præmiſſis, ergò \& concluſioni. Wer wolte die Goͤttliche
Verheiſſung/ die mit ſo vielen Zeugen und Zeugnuͤſſen confirmirt/ nicht
willig annehmen/ und darauff ſich auffs gewiſſeſt verlaſſen? Quid tibi
promiſit Deus, O homo mortalis, quia victurus es in æternum; non
credis? Crede, crede, pluſquam eſt, quod fecit, quàm quod promi-
ſit. Quid fecit? mortuus eſt pro te. Quid promiſit? ut vivas
cum illo. Incredibilius eſt quod mortuus eſt æternus, quam ut æter-
num vivat mortalis, jam quod incredibilius eſt tenemus, ſchreibt
Auguſtinus in Pſal. 148. das iſt/ Was hat dir GOtt verheiſſen/
O du ſterblicher Menſch? Das hat Er dir verheiſſen/ daß du
in Ewigkeit leben ſolt. Glaubſtu das nicht? Ach glaube
es/ glaube es doch! Dann es iſt das noch mehr was Er ge-
than hat/ als das Er verheiſſen hat. Was hat Er gethan?
Er iſt geſtorben fuͤr dich. Was hat Er verheiſſen? Daß du
mit Jhm leben ſolt. Es iſt viel unglaublicher/ daß der/ ſo
ewig
[71]Predigt.
ewig iſt/ geſtorben ſey/ als daß der/ ſo ſterblich iſt/ ewig leben
ſolle. Jetzo haben wir das/ ſo unglaublicher iſt. Warum ſol-
ten wir dann das ander nicht auch erlangen?
O das glaub ich gar gern wol und feſt/ ſpricht ein ſicheres Welt-
kind/ Heuchler und Maul-Chriſt! O das iſt ein lieber angenehmer Glaub/
ein ſuͤſſes Evangelium/ was darff ich mich viel bekuͤmmern/ iſt GOtt fuͤr
meine Suͤnd geſtorben ſo mag ich immer leben/ wie ich wil/ es iſt ſchon al-
les vergeben/ und noch dazu richtig das ewige Leben. Aber hoͤre du gar-
ſtiges Epicuriſches Maſt-Schwein/ meynſtu daß Chriſtus dein Suͤnden-
Knecht/ daß Er dein Sau-Leben/ dein Huren-Leben/ dein Sauff-Leben
habe mit ſeinem Blut canoniſirt/ balſamirt und geweyhet? Daß Er fuͤr
ſeine Feind geſtorben/ iſt in ſenſu diviſo zu verſtehen/ darum daß ſie nicht
mehr ſeine Feinde ſeyn und bleiben ſollen. Haſtu nicht gehoͤrt/ in was Her
tzen der Glaube wohne? Jn heilgewuͤrdigten/ heilbegierigen Hertzen und
Gewiſſen: den Armen wird das Evangelium gepredigt. Weiſt
du nicht/ was St. Paulus ſagt Rom. 8/13. Wo ihr nach dem
Fleiſch lebet/ ſo werdet ihr ſterben muͤſſen; wo ihr aber durch
den Geiſt des Fleiſches Geſchaͤffte toͤdtet/ ſo werdet ihr le-
ben.
(IV.) Πάσης ἀϖοδοχῆς ἄξιον. Jſt es ſo ein theures werthes Wort/
ſo iſts freylich auch annehmens und ergreiffens werth. So uns GOtt
ſo freundlich gruͤßt/ warum wolten wir Jhm nicht auch wiederum mit
freundlichem Wider-Gruß begegnen/ und mit Maria ſprechen: Mir
geſchehe wie du geſagt haſt; Auch Danck haben und dabey bleiben/
und in ſeinem Reich unter Jhm leben/in luce \& cruce. Aber wer
acht ſolches/ wer glaubt ſolchem theuren Wort und Zeugnuͤß? Ja wie
der
[72]Die fuͤnffte
der Teuffel auch/ ſine applicatione \& fructu. Man hoͤrts wol alle
Sonntag/ aber ohne Verſtand/ Nachſinn und affecten, man bekuͤmmert
ſich/ wie die Weiber in der paſſion, uͤber Chriſtum/ und nicht uͤber ſich
ſelbſt. Nun ſolche haben ihren ſentenz, wer nicht glaubt/ der macht
Gott zum Luͤgner/ er ſtoͤßt ſeine Gutthaten von ſich/ und ſtehet ihm ſelbſt
fuͤr dem Liecht. Nun welche Hoͤll iſt heiß genug/ ſolche Boßheit zu buͤſſen?
Darum ſolls ſeyn (V.) Verbum πάσης συ [...]θηρήσεως ἄξιον, ein
Wort ſo auff hebens und behaltens werth. Dazu ſich ein jeder
ſoll ermahnen laſſen. Tene quod habes,behalte was du haſt/ haſtus
einmal angenommen/ O ſo hebe es fleiſſig auff/ gebrauche dich deſſen
wider alle Cacangelia der Jrꝛgeiſter/ und dero anteſignani des leidigen
Sathans/ der ſpinnt auß dem Geſetz einen contrari ſyllogiſmum, oder
Schluß-Red/ er luxirt damit unſer guldene Kett/ trennt und macht
ſie loß/ ſein ſyllogiſmus iſt dieſer: Der jenige Menſch/ der das Geſetz
nicht erfuͤllet/ oder haͤlt alles was in dem Geſetz GOttes geſchrieben ſteht/
der iſt verflucht/ er iſt des ewigen Todes ſchuldig (dann der Suͤnden
Sold iſt der Tod.) Nun O Menſch/ du biſt derſelbe/ du erfuͤlleſt nicht
allein das Geſetz nicht/ ſondern widerſtrebeſt ihm auch. Ergò ſo biſtu
vermaledeyt und deß ewigen Todes ſchuldig. Hierinnen nun der Sa-
chen zu helffen/ ſo muß man die majorem limitiren auß dem Evangelio
per [...]είκειαν, mit dem niſi:Es ſeye dann/ daß ein anderer den
Fluch auff ſich genommen/ tauſch- und buͤrgs-weiſe ein καθάρα worden/
und den Fluch in einen Segen verwandelt/ wie Jonas der ein κάθαρμα
oder Außwuͤrffling worden fuͤr ſeine Gefaͤrten/ die erhalten worden vom
Ungewitter/ nachdem man ihn ins Meer geworffen; Es ſey dann/ daß
ein anderer den Tod fuͤr mich gelitten/ buͤrgsweiſe und wuͤrgsweiſe paſ-
ſivè \& activè, und alſo den Fluch des Geſetzes von mir abgewendet. Alſo
hieß es bey unſerm Großvater Adam/ morte morieris, du wirſt deß To-
des (ewig) ſterben/ limita ex Evangelio,es ſeye dann/ daß ein
Schlangentretter/ ein geſegneter Weibs-Same fuͤr den Vater ſterbe/ und
ſich in Verſen ſtechen laſſe/ und ſein Blut vergieſſe. Weil nun von einem
ſolchen die Verheiſſung vorhanden/ ergò chavah, getroſt/ nicht todt/ ſon-
dern leben.
Der Calviniſche Jrꝛgeiſt fecht die minorem den Nachſatz an/ Iu-
xirt/ negirt und muß dieſelbe negiren/ alldieweil er das καθολικὸν fidei
nicht wil paſſiren laſſen/ ob er gleich ſagt/ er glaube auch/ ſo kan ers doch
conſequenter nicht ſagen. Ein Koͤnig verſpricht ſeiner Hoff-Burſt/
ſeinen Hoff-Junckern allerhand Lehen und gute Tag/ hats aber die Mey-
nung/
[73]Predigt.
nung/ es ſey ſolches von etlichen wenigen zuverſtehen/ ſo kan ja keiner mit
ungezweiffelter Warheit ſagen/ Ergòmir. Alſo weil nach Calviniſcher
(*) Lehr das Evangelium nicht allen Menſchen καθολικῶς gemeynt mit
Ernſt/ GOtt hat die Welt/ das iſt etliche wenige/ geliebet: Wer wolt(*) conf.
Sal. Refor.
pag. 455. \&
464.
nun in ſeinem Gewiſſen ſicher aſſumiren koͤnnen/ ergòmich/Gott hat
auch mich geliebet/ Er wil auch mir den Glauben geben. Scultetus in
ſeiner Poſtill uͤber das Evangelium von Simeon pag. 71. ſagt/ wer ſe-
lig ſterben wil/ der muß ſich bearbeiten und bitten/ daß ihm
von GOtt ein Antwort werde/ daß Chriſtus warhafftig ſein
Heyland ſey/ und glauben/ der Glaub ſey ein Gabe Gottes/
die Verheiſſung ſeye den Glaubigen zugeſagt. Aber wie ſoll
oder kan einer zuverſichtlich bitten eine Gutthat die ihm nirgend zugeſagt?
Zum Exempel/ wann einer GOtt wolte bitten um ſo groſſe Weißheit/
wie Salomo gehabt. Biſtu außerwoͤhlt/ ſo iſt nicht viel betens vonnoͤ-
then/ es wird ſchon kommen; Biſtu aber unter den Verworffenen/ ſo
hilfft das beten nichts. Endlich geht ſolcher Calviniſche Jrꝛglaub hinauß
auff ein zweifflendes gerath wol.
Jſt auch das gerath wol des Paͤbſtiſchen Jrꝛgeiſts/ der uns die
Kett miteinander genommen/ und alles auff gerath wol hinauß geſpielt/
und im Gegentheil ein Zweiffel-Strick an Hals geworffen. Majorem
negirt Benedictus Juſtinianus, (*) da er hieruͤber alſo ſchreibt: Johan-(*) ad h. l.
pag. 236.
vid. Goëb.
conc. 3. in
Att. 6. Aug.
Conf. pag.
446.
nes dicit, qui credit in nomen filii, an quia ſola fides vitam parit
æternam? minimè gentium. Treibt auff die Werck und deroſelben
Uberlaͤnge/ aber was fuͤr Werck? Kinder-Werck/ die im Feur der Anfech-
tung nicht beſtehen; ſelbſt erdachte neue erdichtete Werck/ die GOtt der
Herr nirgends befohlen/ damit man endlich fuͤr GOttes ſtrengem Ge-
richt nicht beſtehen kan/ viel weniger Himmel und Seligkeit verdienen.
Wann ich reich waͤr (ſchreibt Luth. Tom. 1. Isleb. pag. 500. fol. 2.) und wolte
einem Knecht oder einer Magd Hauß und Hoff/ Acker und Grunde/ und ande-
re Erb-Guͤter auß Gnaden geben/ welches ich ihm ſonſt nicht ſchuldig waͤre: und
er ſpraͤch ich wils nicht auß Gnaden und Barmhertzigkeit haben/ ſondern wil
dir es bezahlen/ wils abverdienen/ daß er einen Recht-Spruch dazu haͤtte/ waͤre
der nicht unſinnig? Alſo wenn einer eine Tochter haͤtte/ und gebe ſie mir auß
Gnaden/ und ich fuͤhr zu und ſpreche: die Weiſe gefaͤllt mir nicht/ ich wils beſ-
ſer machen/ ich wils verdienen/ daß ich ſie nicht auß Gnaden kriege/ ſondern
mit Recht/ und wolte dieſe Gnade außſchlagen. Eben den Weg nimmet man
ihm auch fuͤr/ die Welt wil unſerm Herrn GOtt mit Recht den Himmel auge-
winnen/ ihm abverdienen und abkauffen/ da Er doch laͤſſet außſchreyen durch
die gantze Welt/ Er wolle es uns umſonſt geben/ und ſpricht/ Jch wil euer GOtt
ſeyn/ auß Gnaden wil ichs euch geben/ auß Gnaden und umſonſt wil ich euch
Achter Theil. Kſelig
[74]Die fuͤnffte
ſelig machen/ wie St. Paulus Eph. 2. ſagt/ ich wil mirs nicht laſſen angewinnen.
So machet nicht andere Goͤtter/ erfindet nicht ſolche Dinge die ihr ſelbſt thut/
das treibet dieſe Predigt hie auch und ſpricht; Hebt nicht an mit euren guten
Wercken/ laſſet mich uͤber euch erbarmen. Es iſt wol ein Schand/ daß man uns
das ſoll vorwerffen/ daß wirs nicht umſonſt annehmen/ ſondern noch verdienen
wollen/ und noch GOtt zu geben gedencken/ dem/ der uns alles reichlich darrei-
chen wil. Solche Narren ſeynd wir/ daß wir geben wollen/ da wir nehmen
ſollen. Der Bettler koͤmmet hie zum gewaltigen Koͤnige und bettelt alſo/ daß er
nicht wil das Allmoſen umſonſt von ihm nehmen/ ſondern ihm irgend vier Heller
oder Laͤuſſe dafuͤr geben. Alſo iſt die Welt auch toll und thoͤricht/ ſie wil dem
geben der alles gegeben hat/ und von dem ſie alles empfangen ſolte/ und wenn ſie
dem Neheſten etwas geben ſoll/ da wil ſie nichts geben/ ſondern ihme nur neh-
men. So weit abermal Luther.
Die aſſumption iſt auch ungewiß/ Becanus (*) laͤßt folgende Wort auß
der Feder flieſſen: Certitudo fidei non habetur, niſi de re divinitus re-
velata. Unde, ſi Deus alicui divinitus revelaret, ſe ipſe remittere
peccata, is haberet certitudinem fidei de ſuâ juſtificatione, quod con-
tigit Magdalenæ, Paralytico, Zachéo, Latroni. Contra, quibus
non revelat, non poſſunt habere hanc certitudinem. At quis no-
ſtrum eſt, cui revelavit? Seine Meynung iſt/ es koͤnne die Gewißheit
deß Glaubens/ daß ein Menſch gantz gewiß glaube/ ſeine Suͤnd ſeyen
zhm vergeben/ er ſeye gerechtfertigt/ nirgend anders woher genommen
werden/ als auß Goͤttlicher Offenbahrung/ welche keinem von uns heu-
tigs Tags gedeyet. Und wird endlich die Concluſion in ein ἀπόνοιαν re-
ſolvirt/ mit dem fulmine ſacro, dem Donnerſtrahl deß Tridentiniſchen
Concilii dermaſſen verwahrt/ daß niemand von ſolchem zweiffeln darff.
Can. 14. pag. 59. Si quis dixerit hominem à peccatis abſolvi, ac juſti-
ficari ex eo, quod ſe abſolvi ac juſtificari certò credat \&c. anathema
(*) conf.
Hodom.
Papæ part.
2. pag. 136.
\& 140.ſit. (*) Welchem Tridentiniſchen Donnerſtrahl wir entgegen ſetzen
anathema Paulinum, und alſo Strahl gegen Strahl/ der Strahl auß
Trident muß mit dem Strahl auß Galatia vertrieben werden/ da Pau-
lus ſagt/ Gal. 1/8. So auch wir/ oder ein Engel vom Himmel/
euch wuͤrde Evangelium predigen/ anders denn das wir euch
gepredigt haben/ der ſey verflucht. Darum laß fahren/ laß fah-
ren eigne ſelbſt erwehlte Heiligkeit/ ſie mag in letſten Zuͤgen den Stich
nicht halten/ das Gewiſſen muß immer zappeln und gedencken; Ja woher
weiß ich daß dieſe meine ſelbſt erwehlte Werck GOtt dem Herrn gefal-
len? Jch finde ſie nirgend befohlen. Ja es iſt wahr/ ſchreibt Luthe-
(*) Tom.
2. Isleb.
p. 279. f. 2.rus (*), es iſt verlohren/ wo GOtt nicht am letſten Ende zu
Huͤlffe kommen iſt/ und daß man nicht im Glauben an Chri-
ſtum
[75]Predigt.
ſtum geſtorben iſt. Jch halte es dafuͤr/ daß viel Leuth in den
Kloͤſtern und ſonſt geglaubt haben/ und Chriſtum ergriffen
haben/ und dahin gerathen/ daß ſie geſagt haben: Ach mein
lieber HErr JEſu Chriſte/ du biſt mein Heyland/ und ha-
ben verzweiffelt an ihrem heiligen Leben und guten Wercken/
damit ſind ihr viel erhalten worden. Vnd es iſt eine gute
Weiſe geweſen/ daß man den Sterbenden hat ein hoͤltzern
crucifixfuͤr gehalten/ oder in die Hand gegeben/ daran ſie ſich
deß HErꝛn Chriſti Leidens und Sterbens erinnert und ge-
troͤſtet haben. Aber die andern die auff ihre gute Werck ge-
pocht haben und ſtoltz geweſen ſind/ die ſind in einen ſolchen
Himmel gefahren/ da es ziſch et und brennet/ denn ſie ſind
abgezogen worden von Chriſto/ und haben ſeinen Tod und
Leiden ihnen nicht eingebildet/ daß ſie dadurch leben ſolten.
Jm gegentheil ſchaue in die eroͤffnete Wunden/ ſihe an in welchen jene ge-
ſtochen haben/ aber nicht zu bloſſer Augenſchau den Hiſtoriſchen Glau-
ben allein zu verſichern/ ſondern bedenck dein Suͤnden groß/ aber auch den
Heyland groß/ der dich der gnaͤdigen Vergebung verſichert.
Lutherus Tom. 1. Lat. Jen. pag. 341. f. 2. concionem habet, Quomodo Chri-
ſti paſſio ſit meditanda? ex quâ hæc excerpimus: Primò plerique hominum ſic
Chriſti paſſionem meditantur, ut graviter iraſcantur Judæis, \& Judæ peccatum
multis modis execrentur, ac præterea nihil faciant. Sic enim illi ſunt ſoliti, \&
aliorum quoque hominum calamitates deplorare, \& accuſare illos, qui non meri-
tis attulerunt injuriam. Verùm hoc rectius diceretur, Judæ ac Judæorum impro-
bitatem, quàm Chriſti paſſionem meditari. Secundò, collegerunt quidam varia
commoda, quæ ex diligentiori meditatione paſſionis Chriſti proveniant. Hinc
illud Alberti vulgò jactatur: Satius eſſe Chriſti paſſionem ſemel \& obiter in vita
meditari, quàm ſi per totum annum ſingulis diebus jejunes, aut totum Pſalmo-
rum librum evolvas, \&c. Eſt autem hac \& ſimilibus aliis ſententiis effectum,
ut ceu cœci homines, verum uſum paſſionis Chriſti nunquam ſint aſſecuti.
Tertiò, condolent quoque Chriſto, \& queruntur de ejus innocentia, ac deflent
eum, quemadmodum mulierculæ illæ Hieroſolymitanæ Luc. 23. quas repre-
hendebat Chriſtus, ut ſe ſuosque deflerent liberos. Quibus haud diſſimiles
ſunt concionatores illi, qui iſta ratione paſſionem tractant, ut in mediâ ferè
narratione hiſtoriæ, in hos excurrant locos: Quomodo ſuis in Bethania vale-
dixerit Chriſtus? Quantis doloribus diſcruciata ſit Maria? \& in ſimiles alios,
in quibus conſiſtunt longius, eisque immorantur. Hinc quoque factum
eſt, quod in tot horas, cum narrarent paſſionis hiſtoriam, res ſit extracta,
neſcio an dormiendi, an vigilandi causâ. Quartò, Hi ergò verè \& rectè
Chriſti paſſione peccata ſua cernunt, \& illo conſpectu peccatorum exterrentur,
quorum conſcientia ſeu in deſperationem labitur. Porrò ille metus \& terror
inde naſcitur, quod vides in hâc Chriſti paſſione, vehementem iram \& conſtan-
K 2tem
[76]Die fuͤnffte
tem Dei in peccatores ſeveritatem, qui noluit in gratiam unigeniti ſui Filii impu-
nitos peccatores ac liberos demittere, niſi eos ſua morte redimeret Filius. Id
quod Eſaias quoque confirmat cap. 53. Propter peccata populi mei percuſſi eum.
Qui ergò de nobis peccatoribus fiet, cum dilectus filius adeò duriter tractetur ac
percutiatur? neceſſe eſt ineffabilem \& planè intolerabilem iram ac ſeveritatem
eſſe, cui ſe opponere tanta perſona coacta ſit, \& ad quam placandam \& ſedan-
dam, Dei filius paſſus ac mortuus ſit. Et ſanè ſi quis hic diligenter expendat
ipſum Dei filium, qui eſt æterna Patris ſapientia, pati, graviter, ſat ſcio, exterre-
bitur. Quintò, hoc quoque animo tuo inſoulpes, neque dubitabis, quin tu quo-
que ex illorum ſis numero, qui Chriſtum ita excarnificant, \& cruci affigunt. Pec-
cata enim tua conjecerunt eum in illos cruciatus. Atque ſic quoque S. Petrus
Act. 2. Judæos, ceu Tonitru quodam perterrefecit, cum inquit ad omnes, qui
aderant: Vos eum crucifixiſtis. Tria igitur millia hominum eâ voce conterriti,
quid igitur faciemus Fratres? ad Apoſtolos dicebant. Ergò cum clavos infixos
manibus Chriſti cernis, cogita illos clavos eſſe tua opera; cum Coronam ſpineam,
cogita eam eſſe malas \& impias tuas cogitationes \&c. Sextò, ubi igitur Chriſtum
unâ ſpinâ pungi vides, tu cogita te meritum, ut millies gravius \& ſæpius pungere-
ris. Vbi clavis perfoſſas manus ac pedes cernis, cogita te longè majores meritum
cruciatus. Hæc Luther.
Troͤſte dich mit dieſem Evangelio du angefochtenes Hertz/
(*) Tom.
2. Isleb.
pag. 332.
fac. 2.und auß dieſem Troſt (ſind abermahl Lutheri (*) ſchoͤne und kraͤffti-
ge Wort) welchen du in dem haſt/ daß du weiſt/ daß GOtt
ſeinen Sohn fuͤr dich in Tod gegeben/ und dir geſchencket
hat/ da ſolt du andere und mehrargumentaußſpinnen: nem-
lich/ zum erſten/ daß dein Kranckheit/ und daß du dich laͤſſeſt
duͤncken GOtt zoͤrne mit dir/ iſt ein empfindlich Ding/
der Glaub ſoll aber nicht an dem hangen/ das man empfindet
oder fuͤhlet/ ſondern an dem/ das unempfindlich/ und wie
es Paulus nennet/ unſichtbar iſt/ oder wie er oben geſagt
hat/ das man gleich als durch ein Spiegel und im tuncklen
Wort ſihet. Dazu dienen nu die heiligen Sacrament/ die
Tauff und das Nachtmahl deß HErꝛn Chriſti/ und der H.
Geiſt/ der in deinem Hertzen iſt und ſagt/ Jch glaub an JE-
ſum Chriſtum/ ſolche Wort wuͤrdeſtu nicht ſagen/ es haͤtte
ſie denn GOtt mit ſeinem Finger/ und durch den heiligen
Geiſt in dein Hertz hinein geſchrieben. Ob auch wol (ich
(*) in Sa-
rept. p. 52.
fol. 2.brauche deß alten frommen Theologi Joh. Mattheſii (*) Wort) in der
Heiligen Glauben Fehl und Gebrechen mit unter laufft/ ſo
ſihet doch unſer getreuer GOtt auff das/ ſo der Glaube er-
greiffet/ oder darum er ſehnlich girret/ ſtoͤnet und ſeuffzet/
daß ers gern ergreiffen und vollkom̃lich haben wolte. Nem-
lich
[77]Predigt.
lich auff ſeinen Sohn und wahres Wort/ und nimbt alſo den
ungerechten ſchwachen und kleinglaͤubigen Menſchen auß
Gnaden an/ allein um ſeines Sohnes Blutes und Fuͤrbitt
willen/ der fuͤr uns ſeinem GOtt vollkommlich geglaubt und
gehorſamet/ und uns ſeine Gerechtigkeit und Warheit ſchen-
cket und zurechnet. Jhr kennet lieben Freunde unſer Gleich-
nuͤß/ unſer Glaub iſt ein Kinderfingerlein/ das Wort iſt
die Krafft und ſtarcke Hand Gottes: Wenn nun unſer
ſchwacher Finger/ die ſtarcke Hand Gottes ergreifft/ ſo gen-
gelt uns GOtt an ſeiner Hand/ und wir lauffen in frembder
Krafft an Gottes Hand/ welche unſerm ſchwachen Finger
Krafft und Staͤrcke gibt/ wie ein junges Kindlein an ſeiner
Mutter Hand lauffet. Ein Riß haͤlt ein Ring darinn ein
Edelgeſtein ſtehet/ veſter denn ein Kind von ſieben Jahren/
dennoch iſt und bleibt es ein Demant/ es halt ihn Jaſabeam
oder der Schuͤler Samuel. So weit Mattheſius.
Drum O lieber Chriſt
Huͤt dich fuͤr der Menſchen Geſatz/Davon verdirbt der edle Schatz/Das laß ich dir zu letze/
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Sihe den Regenbogen an/
und lobe den/ der ihn gemacht hat/ deñ er hat ſehr
ſchoͤne Farben: Sind Worte deß weiſen Mannes Sy-
rachs in ſeinem Zucht-Buch Cap. 43/12. Sihe an (dañ
er anſchauens wol werth) aber nicht wie ein unvernuͤnfftig
Viehohne Verſtand/ ſondern als ein vernuͤnfftiger Menſch/ das edle ſchoͤne
meteoron und Lufft-Spiel/ den Regenbogen/ ſihe an und betrachte ſei-
ne materi, darauß er beſteht/ die feuchte/ tauichte/ finſtere/ hole und ſub-
K 3tile
[78]Die ſechſte
tile Wolcke/ betrachte ſeine runde und von den gebrochenen Sonnen-
ſtrahlen gewoͤlbte figur, ſeine liebliche ſchoͤne Farben/ damit er pranget:
Betrachte den Meiſter/ der ihn gemacht/ der iſt der rechte Thavman-
der und Wunder-Mann/ der groſſe Wunder-GOtt/ auß deſſen Be-
trachtung auch Plato in Thaete dieſe ſchoͤne machinam Thavmantis
filiam genennet: Sonderlich bedencke deſſelben finem Zweck und End-
urſach/ ſeine natuͤrliche Bedeutung/ nemlich fruͤh/ den Fruͤheregen und
(*) juxta
Scaligeri
Exerc. 8.
ſect. 12.Segen/ auff den Abend ſerenitaͤt und ſchoͤn Wetter (*)/ wie die Gelehr-
ten davon halten/ benigniſſimum cœli prodigium, wie ihn Macro-
bius nennet. Daher als Auguſtus mit ſiegreichen Waffen im Tri-
umph zu Rom eingezogen/ und ein Regenbogen in Geſtalt einer Cron
die Sonne umgeben/ jederman daſſelbe fuͤr ein gut omen, Gluͤck-Fried-
und Freudenzeichen gehalten und außgedeutet.
Sihe aber fuͤrnemlich mit erleuchteten hocherhabenen Glaubens-
Augen dieſen ſchoͤnen Bogen/ und ſeine uͤbernatuͤrliche Bedeutung/
wie der H. Geiſt in ſeinem Wort denſelben beſchrieben und recommen-
dirt/ nemlich als ein gewiſſen Zeugen der Hulde Gottes/ als einen Zeu-
Pſal. 89, 38.gen in den Wolcken/ der gewiß iſt Pſalm. 89. Einen Bund-
Gnad- und Bild-Zeugen: Ein Bund-Zeug/ der das gantze
Menſchliche Geſchlecht/ alle Noah-Kinder verſichern ſoll/ daß keine all-
gemeine verderbliche Suͤndfluth mehr uͤber die gantze Welt ergehen werde;
Ein Gnaden-Zeug/ damit unſer Gnaden-Koͤnig JEſus Chriſtus
ſein Cron und Thron/ als mit einem Koͤniglichen Wappen geziehret
Apoc. 4, 3.
\& cap. 10, 1.Apoc. 4, 3. Ein Bild-Zeug anderer dreyfachen Sacramentlichen
Zeugen/ in welchen Chriſtus kommen im Waſſer und Blut. Dann
gleich wie ſonderlich drey Farben an dem Regenbogen ſich ereignen/ die
gelbe Feur-Farbe/ die Ritz- und Roſin-rothe Blut-farb/ und die dunckel-
gruͤne Waſſer-farb; Alſo iſt erſchienen die heilſame Gnade Gottes/ und
erſcheinet noch auff den heutigen Tag in dem gelben Pfingſt-Feur deß H.
Geiſtes/ der durch den Geiſt deß Predig-Ampts zeuget und lehret; in dem
dunckel-gruͤnen Tauff-waſſer; im rothen Roſinfarben Blut deß H. Abend-
mahls. Welche drey Zeugen eben die Sacramenta deß Neuen Teſt. in
weiterem Verſtand ſind/ deren Art/ Natur/ Tugend/ Zweck und Ampt/
St. Johannes der Evangeliſt in abermahl abgeleſenen Worten/ als in
ſede propria Doctrinæ Sacramentalis fuͤr Augen geſtellt/ ſprechend:
Drey ſind die da zeugen ꝛc.
Wir haben E. L. juͤngſthin fuͤrgetragen τὸ ἕν, das Einige/ den
jenigen einigen Zweck/ wohin dieſe drey Sacramentliche Zeugen zihlen/
davon
[79]Predigt.
davon ſie ihre Zeugnuͤß in der Chriſtlichen Kirchen abgelegt/ nemlich
Unum Evangelicum, ſymphonicum, harmonicum, Unum verum
bonum, das guͤtige Wort GOttes/ aber uns von Natur dunckel/ unbe-
kant/ paradox und unglaublich/ und deßwegen wir beduͤrffig ſeyen guter
bewerther Zeugen/ die uns daſſelbe anzeigen/ uns anleuchten/ daß es
glaubwuͤrdig gemacht werde/ daſſelbe verſiglen und verſicheren. Folgt
nun die Conſideration der Zeugen ſelbſt in ihrer qualitaͤt und bonitaͤt/ in
ihrer Guͤte/ Tugenden/ Fruͤchten und Nutzbarkeiten/ ſo wol die drey im
Himmel/ als die drey auff Erden/ die uns erſcheinen als Teſtes Optimi
ac Evangelici, das iſt/ uns/ als gůtige/ annehmliche und will-
kommene Gaͤſte an und vorkommen. Von denſelben nun diß-
mal ins gemein nutzlich und aufferbaulich zu lehren und zu hoͤren/ wolle
der Vater deß Liechts uns von oben herab mit dem Liecht/ Krafft und
Gnad ſeines Heiligen Geiſtes um JEſu Chriſti willen mildiglich erſchei-
nen/ Amen.
GLeichwie nun das heilige Evangelium/ welches der Sohn GOt-
tes auß dem Schoß ſeines Himmliſchen Vaters uns gekramet
und mit ſich vom Himmel gebracht/ das τὸ ἓν, der Scopus, ein guͤ-
tiges Wort iſt/ ein Wort deß Liechts/ ein Wort der Verſoͤhnung/
ein Wort der Gnaden/ deß Lebens/ deß Friedens/ der Freuden/ und alſo
ein liebliches/ hochtroͤſtliches/ annehmliches/ theures/ treues und neues
Wort iſt und heiſt; Alſo ex correlatione ſind auch die Botten/ Zeu-
gen und Zeiger/ die das Evangelium bewaͤhren/ beſcheinen und glaub-
wuͤrdig machen ſollen/ Teſtes optimi, Evangelici, gute/ heilſame und
annehmliche Botten. Ahimaaz iſt ein guter Mann/ergòbringt
er auch gute Bottſchafft/ ſpricht David 2. Sam. 18. Wir kehrens
um/ die Bottſchafft/ davon unſere Zeugen Anzeig thun/ iſt koͤſtlich und
gut/ heilſam und troͤſtlich/ darum ſo ſind auch die Zeugen gleicher Art.
Jſt eben das/ was der Prophet Eſaias gemeynet Cap. 52/7. worauff
er im Geiſt geſehen/ und uͤber die Fuͤſſe der Apoſtel und Friedens-Botten/
die die Evangelia in der gantzen Welt herum getragen/ ſich inniglich er-
freuet/ wie lieblich/ ſagt er/ ſind die Fuͤſſe der Botten/ die da
Friede verkuͤndigen/ gutes predigen/ Heil verkůndigen/ die
da ſagen zu Zion/ dein GOtt iſt Koͤnig. So lieblich/ ſo willkomm
als die Fuͤſſe der Poſt-Reuter/ ſo auff Ahaſveri Verguͤnſtigung die Koͤ-Eſth. 8, 10.
nigin Eſther und Mardochai außgefertiget/ dem Juͤdiſchen Volck gleich-
ſam ein jubilæum zuverkuͤndigen/ Heil/ Leben/ Liecht/ Freud und Won-
ne/ Freyheit und Raach an ihren Feinden zu intimiren; ſo lieblich iſt auch
die
[80]Die ſechſte
die χαρ [...] μεγάλη und groſſe Freude/ welche die Evangeliſche Zeugen/ drey
himmliſche und drey trꝛdiſche verkuͤndigen/ dieſelbe verſieglen und verſiche-
ren. Und zwar in ſpecie ſo ſind die Sacramentliche Zeugen
I. Evcharii \& Gratiani,huldreiche Zeugen/ die von lanter
Gnad/ Vergebung der Suͤnden/ άμνηςείᾳ predigen/ zeugen und ſagen.
Moſes zeuget auch/ ſeine Geſetz-Tafflen ſind Zeugnuͤß-Tafflen Exod. 31, 18.
Aber O ein harter und ſtrenger/ ein ſcharffer und grimmiger Zeug/ der
nichts kan als donnern/ blitzen/ ſtrahlen/ zoͤrnen/ eiffren/ ſchelten/ ſtraffen/
verfluchen/ er iſt ἀνιλέως ohne Barmhertzigkeit/ Hebr. 10/28. Wann je-
mand das Geſetz Moſi bricht/ der muß ſterben ohne Barm-
hertzigkeit. Zetter und mordiò ſchreyt er uͤber alle die nicht halten al-
les/ was im Geſetz geſchrieben ſteht. Sein Buch iſt ein toͤdtender Buch-
ſtab/ ein Blut-Gerichts-Urtheil Brieff/ er erhebt ein ſolches Geſchrey an/
daruͤber Himmel und Erden erzitteren/ in ſeinem Valet-Lied Deut. 32.
rufft er zetter/ das iſt/ cœlum \& terram, Himmel und Erden an/ zu zeu-
gen/ uͤber ſein halsſtarriges Volck.
Moſes (ſchreibt Luth. Tom. 5. Witt. pag. 249. fac. 2.) thut hie wie ein
rechter Moſes und Geſetz-Prediger/ daß er nicht viel vaͤterlich locket/ ſondern
ſchilt/ ſtrafft/ eiffert und zoͤrnet uͤber ihrer groſſen Vndanckbarkeit/ redet eitel
brennende/ feurige Wort/ draͤuet allenthalben mit einem Allmaͤchtigen ſtarcken
GOtt/ deß Haͤnden niemands entgehen noch entfliehen werde: damit zeigt er
an die Art deß Geſetzes/ nemlich/ daß es die Suͤnde zeiget/ das Gewiſſen er-
ſchroͤcket/ und daß ohne Gnade und Barmhertzigkeit durchs Geſetze niemand fuͤr
GOtt kan fromm werden/ daß auch nicht zu wagen ſey mit einer ſolchen groſſen
Majeſtaͤt/ durch unſere bettliſche elende Wercke zu handlen/ oder dem Feuer mit
Strohhaͤlmern zu begegnen. Mercket auff ihr Himmel/ ich wil reden/ und
die Erde hoͤre die Rede meines Mundes. Er/ (Moſes) ruffet Himmel und
Erden/ und alle Creaturen an/ zu zeugen/ als in einer groſſen Sache/ welche
nicht zeitliche Guͤter/ nicht ein Koͤnigreich oder Fuͤrſtenthum/ nicht ein Hauß/
Hoff/ Gold oder Silber/ ſondern eim jeglichen das hoͤchſte und beſte belanget/
nemlich GOtt/ den Brunn alles guten/ mit allem ewigen und zeitlichen Heil/
mit Himmel und Erden und allen Creaturen/ entweder zu haben/ oder ewig
(welches ſchrecklich iſt) zuverlieren und zuentberen. Ja welche Sache nicht be-
langet den Kayſer/ nicht Fuͤrſten oder Herꝛn zuverſuͤhnen/ ſondern GOtt die
ewige Majeſtaͤt gnaͤdig zu haben/ hie und dort wol zufahren/ oder in GOttes
Vngnaden/ in ewigem verzagen an allem Goͤttlichen und Menſchlichen Troſt/
ohne alle Huͤlffe oder Rettunge/ ewig und ohne unterlaß zu ſterben und zu ver-
derben. Jn ſolcher groſſen Sache/ ſolt noch wol klein Zeugnuͤß oder kleine Zeu-
gen zu wenig ſeyn/ da muͤſten noch wol her tretten/ die ſchoͤne/ hohe/ weite Him-
mel/ mit der edlen Sonne/ mit dem Mon/ mit allen Sternen; da muͤſte noch
wol die Erde mit allem ihrem Gewaͤchſe/ mit allen Voͤglen/ mit allen Thieren
kommen/ und das groſſe weite Meer mit allen ſeinen Fiſchen/ und alles was
ſich
[81]Predigt.
ſich darinne reget/ und ihrem GOtt wider die Gottloſen Zeugnuͤß geben/ ſeine
ewige Goͤttliche Ehre und Gerechtigkeit erretten/ und ſein Vrtheil beſtaͤtigen.
Das gehet auch alſo/ wenn das Stuͤndlein kom̃t/ daß GOtt der Herr wider die
Veraͤchter auffwachet/ und ſich nimmer wil vergeſſen oder verachten laſſen/ ent-
faͤllet ihnen ploͤtzlich alle ihr Muth/ werden in ihrem Hertzen und Gewiſſen ſo
gantz verſtuͤrtzt/ bloͤde/ traurig/ und zaghafft/ daß ſie nicht anders fuͤhlen/ denn
daß nicht allein GOtt/ ſondern Himmel/ Erden/ Laub und Graß/ alle Creaturen
mit ihnen zoͤrnen/ ſie uͤberzeugen/ anklagen und verdammen.
Moſes thut wie ein rechter Moſes/ fuͤhrt lauter brennende feurige Wort
von Gott/ als einem verzehrenden Feur/ dem mit den Strohalmen unſe-
rer Wercke nicht zubegegnen/ es trifft die Sach nicht einen groſſen Welt-
Koͤnig zu verſoͤhnen/ ſondern die groſſe Majeſtaͤt GOttes an. Er ergei-
ſtert das Gewiſſen/ das kan nicht anders/ als mitzeugen/ ja dazu ſagen/
und darauff zagen und verzagen/ und anders nicht dencken/ als Himmel
und Erden ſeyen ihm zu wider. Der Sathan ſchiert zu/ und ſagt/ Strick
zu/ er ſpricht zu Juda/ du haſt ἀθῶον αἷμα oder unſchuldig Blut dir auff
deinen Hals und Gewiſſen geladen. Ergò Fluch/ Zorn/ Ungnad und
Verdamnuͤß/ da iſt kein beſſer Rath/ als lauffe zum Strick/ erhencke dich
ſelbſt. Wie man dergleichen exempla auch unter uns gehabt/ die durch
dieſes harte Zeugnuͤß erſchroͤckt/ dem ewigen Tod durch Selbſt-Mord in
Rachen hinein gefallen. Solcher maſſen zeuget Moſes/ alſo iſt das Ge-
ſetz durch Moſen gegeben/ Joh. 1/17.
Dieſem Zeugen nun zugegen hat Gott der Herr in ſeinem
Evangelio/ ein anders holdſeliges Gnaden-Zeugnuͤß geſtifftet/ ſo von
Gnad/ von Vergebung/ von ἀμνηςείᾳ prediget/ ſolches bekraͤfftigen drey
Zeugen im Himmel/ und drey auff Erden. Der Vater im Himmel
ſagt/ nolo, ich begehre nicht den Tod des Suͤnders/ Er iſt barm-
hertzig und gnaͤdig/ gedultig und von groſſer Guͤte/ ſo hoch
der Himmel uͤber der Erden iſt/ laͤſſet Er ſeine Gnade walten
uͤber die ſo Jhn fuͤrchten/ ſagt David Pſal. 103. Das Wort/ dasPſal. 103.
v. 8. \& 11.
Fleiſch worden iſt/ iſt voller Gnad und Warheit/ von deſſen Fuͤl-
le wir empfangen Gnad um Gnad/ Er iſt der Gnadenthron/ zu
dem man mit Freudigkeit hinzu tretten darff; Der Geiſt der Gna-
den laͤßt durch den Geiſt auff Erden die abſolution und amneſtian, Ver-
geſſung und Vergebung der Suͤnden anbieten/ Er prediget das Wort der
Verſoͤhnung und ſagt σώϑητε, laßt euch doch helffen/ Er ſagt/ καταλ-
λάγητε, laſſet euch verſoͤhnen mit GOtt/ 2. Cor. 5. Es iſt je gewiß-2. Cor. 5,
20.
lich wahr/ und ein theur werthes Wort/ daß JEſus Chriſtus
kom̃en iſt in die Welt/ die Suͤnder ſelig zu machen 1. Tim. 1/15.
Achter Theil. LDer
[82]Die ſethſte
Der Geiſt iſts/ der da zurichtet das edle Heil-Bad der Widergeburt/ wel-
ches gleichſam brennet und gewaͤrmet iſt von den Flammen der Goͤttli-
Tit. 3, 4.chen Liebe. Es iſt erſchienen die Freundlichkeit und Leutſelig-
keit GOttes unſers Heylandes/ nicht um der Werck willen
der Gerechtigkeit/ die wir gethan hatten/ ſondern nach ſei-
ner Barmhertzigkeit machte Er uns ſelig/ durch das Bad der
Widergeburt und Erneuerung des H. Geiſtes; Welchen Er
außgegoſſen hat uͤber uns reichlich/ durch JEſum Chriſt un-
ſern Heyland/ auff daß wir durch deſſelben Gnad/ gerecht
und Erben ſeyen deß ewigen Lebens/ nach der Hoffnung/
das iſt je gewißlich wahr. Von dem Sacramentlichen Blut zeu-
get St. Paulus/ wann er Hebr. 12. ſpricht: Das Blut der Be-
Hebr. 12,
24.ſprengung rede (κρείτ [...]ονα) beſſer/ als Abels Blut. Es nim-
met der H. Apoſtel/ in einer holdſeligen ϖ [...]σωποποι [...]α oder Perſon-Gedicht
ein Gleichnuͤß von weltlichen Malefiz-Gerichten/ da zween Redner wider
einander receſſiren; Der Fiſcal oder Anwald klagt und legt Zeugnuͤſſen
ein/ berufft ſich auff Zeugen; Der Advocat oder Fuͤrſprech/ thut dem
Beklagten das Wort/ ſo gut er vermag/ kan er nicht weiter/ ſo bitt er um
Gnade: Alſo fuͤhrt Paulus das Blut Abels und das Blut des Goëls
ein. Abels Blut/ oder vielmehr die juſtitia, durch Abels Blut bedeu-
tet/ ſchreyet um Rach wider ſeinen Bruder und deſſen Mordthat; Aber
Chriſti Blut uͤberſchreyet ihn/ ſeine Advocaten- oder Fuͤrbitt-Stimme
dringet fuͤr jene hinauff in Himmel; jener klaget/ peccavit; dieſer ſpricht/
ego lui, ich hab dafuͤr bezahlt/ hie iſt das λύτρον und Loͤſe-Gelt: Jener
ſchreyet/ er hat das Urtheil des Todes verwuͤrcket; dieſer hingegen/ wer
wil verdammen? Es iſt nichts verdammlichs an denen/ die
da ſind in Chriſto JEſu Rom. 8/1. Jener ruffet um Rach; dieſer
erzeiget Gnad und Vergebung: Jener/ deine Suͤnde ſind groͤſſer/ als daß
ſie koͤnnen vergeben werden; dieſer/ wo die Suͤnde maͤchtig iſt/ da
iſt die Gnade noch viel maͤchtiger/ [...]ερεκϖ [...]α Rom. 5/20.
Jener/ ich appellir an dein eigen Gewiſſen/ da ſind und liegen mille te-
ſtes und tauſend Zeugen verborgen/ die ſind alle wider dich; dieſer/ ein ei-
niger Blutstropff Chriſti geſchweiget ſie alle. Jener ſpricht/ hie iſt die
Handſchrifft deß Gewiſſens/ der Chirographus wider dich lautend/ die
laͤßt ſich nicht außkratzen; dieſer antwortet/ ſie ſeye durchſtrichen mit
dem Blut Chriſti/ und alſo bezahlet/ die Forderung ſeye unkraͤfftig:
Jener berufft ſich auff die juſtitiam und Goͤttliche Gerechtigkeit; dieſer
aber laufft ad thronum gratiæ, zu dem frey offenen Gnadenſtuhl/ allwo
er
[83]Predigt.
er wider die ſtrenge Juſtiti gnaͤdige interceſſion ſuchet/ und auch erlanget.
Nun wer gewinnets endlich? Das Blut Chriſti/ das ſchreyet und
redet beſſer.
Nicht nur ſind dieſe Zeugen Evcharii, ſondern auch II. Ἐυϖ [...]ά-
κλη [...]ι, Troſt-Zeugen/ hochtroͤſtliche Zeugen/ deren glaubige Kinder
GOttes/ wann ſie gleich Gnad und Vergebung erlangt/ doch in aller-
hand Truͤbſalen hoch benoͤthiget ſind. Dann dabey bleibts hie in dieſer
Zeit/ verbum Lucis, eſt verbum Crucis, wer mit Chriſto erben wil/
der muß auch mit leiden. Das befrembdet zwar manchmal glaubige
Chriſten/ Jſt der HErꝛ mit mir/ warum begegnet mir dannJud. 6. v. 12.
\& 13.
ſolches? ſagt dorten Gideon Jud. 6. Dazu ſchlagen ſich dann die ley-
digen Troͤſter/ Jobs Weib und Freund/ die quaͤlen/ aͤngſten und beſtri-
cken das Gewiſſen mit folgendem Syllogiſmo: Welcher Menſch von
Gott verlaſſen/ ſo ſchroͤcklich heimgeſucht worden/ Haabe/ Nahrung/
Geſundheit/ Freyheit/ Ehr und Wuͤrde/ alles verlohren/ und wie ein armes
Marter-Bild in ſterquilinio in der Aſchen geſeſſen/ der muß ein ſchwerer
Suͤnder/ und kein Gnaden-Kind GOttes ſeyn/ Gott iſt ſchroͤcklich uͤber
ihn erzoͤrnet und ergrimmet/ er iſt ihm gram und abhold/ bey demſelben
hat er keine Gnade zu hoffen/ er muß ſich ſchwerlich verſuͤndiget haben/
dann Ungluͤck waͤchſet nicht auß dem Acker/ Job. 5/5. das
iſt/ (nach Lutheri Gloß) der Menſch verdienet ſolches mit Suͤnden/
ſonſt kaͤme es ihm nirgend her/ ſintemal Truͤbſal und Creutz dem Men-
ſchen nicht ohne gefehr und plumpsweiſe zufaͤllet. Ein ſolcher biſtu/ O
Job/ der Tag redet/ der Augenſchein bezeugts/ dein Gewiſſen bejachzets.
Darauff macht der Sathan die Concluſion, Ergò deſpera, darum
verzage/ Strick zu! Aber O troſtreiche Zeugen/ die das Gewiſſen wie-
der auffrichten/ drey im Himmel/ mein Zeug/ ſagt Job/ iſt im
Himmel/ der zeuget/ daß ich ſchlecht und recht ſeye/ ich bin nicht un-
ſchuldig ratione perſonæ, in meiner Perſon als ein arm ſuͤndliches
Adams-Kind/ aber ratione cauſæ, mein Sach iſt gut: Denn was hab
ich den Chaldeern Leids gethan/ daß ſie mich beraubet/ meine Kamehl weg-
genommen? Am Sathan hab ich mich wol ſchwerlich verſuͤndiget: pec-
cata inconſcientiæ, Schwachbeiten und Fehler ſind auch da. Aber wie
dem allem/ mein Goël lebt noch/ ein Mittler-Engel unter vielJob. 33.
tauſend/ deſſen hab ich Zeugen im Himmel/ den GOtt alles Troſtes/
der mir das Zeugnuͤß gegeben/ ich ſey ſchlecht und recht/ anders als der
Sathan calumnirt/ mein Goël und Paracletus, der auß Bluts-Lieb
mich vertretten/ der gibt mir viel ein ander Zeugnuͤß/ deſſen ich mich zu
L 2getroͤ-
[84]Die ſechſte
getroͤſten hab/ ſein Geiſt den Er mir in mein Hertz gegeben/ ſpricht mir in
meinem Gewiſſen ein kraͤfftig Zeugnuͤß ein. Viel heller erzeigen ſich dieſe
Troſt-Zeugen im Neuen Teſtament/ da wir noch drey Troſt-Zeugen hin-
Act. 4, 36.zu ſetzen/ nemlich den Geiſt deß Miniſterii, die Barnabas Act. 4, 36. die
Habacuc, die den Befehl haben mich zu troͤſten/ Troͤſtet/ troͤſtet mein
Volck/ redet mit Jeruſalem freundlich Eſa. 40/1. und Erquickung
zu ſchoͤpffen auß dem immer eroͤffneten Troſt-Brunnen der H. Tauff/ den
edlen Troſt-Balſam des Bluts Chriſti anzuſtreichen. Gleichwie der
Engel Chriſtum im Garten am Oelberg in der Todes-Angſt getroͤſtet und
geſtaͤrcket/ nicht nur muͤndlich geſagt/ wie dorten Gabriel/ Chaſak, chaſak
ſey getroſt! Sondern auch wuͤrcklich/ thaͤtlich/ empfindlich/ haͤndlich
Artzt-Treu an ihm erwieſen/ das Griechiſche Wort wird geleſen Deut.
32, 43. [...]νι [...]χυσάτωσ [...] [...]τ [...] πάντες ὑοὶ Θε [...], wie es die LXX. Interpp. gege-
ben/ das iſt/ es haben ihm alle Kinder GOttes einen Troſt zu-
geſprochen/ alſo wirds geleſen Luc. 22/43. [...]νι [...]χύων, der Engel ſtaͤrcket
ihn. Es wird geleſen von der Speiß-Staͤrckung Act. 9, 19. da von St.
Paulo ſtehet/ daß da er drey Tage und drey Nacht gefaſtet/ und ſich abge-
mattet/ hab er Speiß zu ſich genommen κα [...] [...]νί [...]χυσεν und ſich geſtaͤrcket/
die Speiſe war ſeine Artzney. Das thut auch der Geiſt auff Erden/ er
troͤſtet muͤndlich mit Worten/ thaͤtlich mit den beyden Sacramenten/ er
komt daher im Nahmen Chriſti mit Waſſer und Blut/ mit Waſſer er-
quickt er/ mit dem Blut heilt er die Wunden deß Gewiſſens/ O eine ſuͤſſe
Engelſpeiſe! Pſal. 78/25.
Nicht nur ſind dieſe Zeugen [...]ν [...]άκλητοι, ſondern auch III. ἔυπιςοι
[...] ἀξιόπιςοι, fideles oder treue/ warhafftige/ redliche/ unpaſſionirte
uncorrumpirte Zeugen. Es gibt auch Zeugen in der Welt/ ſie ſind
aber darnach/ wie die Welt treuloß iſt/ alſo auch ihre Kinder. Der un-
ſchuldige Naboth/ Suſanna/ Stephanus/ und andere Maͤrtyrer habens
erfahren. Chriſti falſche Zeugen ſind todt/ aber ihr Geiſt lebet noch. Es
gibt ſtumme Zeugen/ die ihre Partey/ wanns an die Bundriemen geht/
ſtecken laſſen/ werden Mammelucken/ halten weder Stich noch Strich.
Petrus war ein ſolcher Zeug/ der ſich groſſer Streich außgethan/ und gar
ein Maͤrtyr oder Blut-Zeug zu werden/ ſich vermeſſen ließ gegen ſeinem
Herrn; aber da es dahin komt/ daß er zeugen ſoll/ verlaͤugnete und
verachtete er ſeinen Meiſter/ thut als wann er Jhn nie geſehen/ wil mit der
Sprach nicht herauß. Das Gewiſſen wil auch bißweilen zeugen/ aber
es iſt ihm nicht allzeit zu trauen. Mancher freveler verwegener Menſch
berufft ſich und trutzt auff ſein Gewiſſen/ und iſt nichts gemeiners/ als/
ich
[85]Predigt.
ich kan bey meinem guten Gewiſſen bejachzen/ daß mir unrecht geſchehe/
ja/ ich wil mit dieſem meinem Gewiſſen fuͤr dem Juͤngſten Gericht erſchei-
nen/ und denckt nicht/ was fuͤr ein Schalck in ſeinem Hertzen wohnt/ nem-
lich der Selbſt-Betrug/ und die Conſcientia erronea, oder der blinde
Jrꝛthum in ſeinem Hertzen/ der ihn verfaͤhret und verfuͤhret. Doͤrffte
man manchem Gewiſſens-Bocher die Warheit ſagen/ man doͤrfft ihn viel-
leicht bald ſchamroth machen. Saul berufft ſich auff ſein Gewiſſen/ er
der Heuchler wolte nicht unrecht haben. Aber ſo keck iſt David nicht/ er
ſupplicirt um Vergebung der verborgenen Fehler: Paulus auch nicht/
drum ſagt er: Jch bin mir wol nichts bewuſt/ aber darin bin ich
nicht gerechtfertiget/ der HERR aber iſts/ der mich richtet
1. Cor. 4/4.
So ſind es auch IV. Teſtes fœderales,Bunds-Geyſſel/
Bunds-Zeugen/ teſtes obſides. Die H. Tauff heiſt ein Bund deß
guten Gewiſſens mit GOtt. Bunds-Geyſſel muͤſſen redlich ſeyn/
und Glauben halten/ nicht außweichen/ ſondern feſt ſtehen. Moſes hat
auch einen Bund auffgerichtet/ geſtifftet und beſiebnet Exod. 24. einen
Altar auffgerichtet/ der die hohe Goͤttliche Majeſtaͤt bedeutet/ dargegen hier-
uͤber 12. Saͤulen/ ſo die Staͤmme Jſrael angezeigt; Er hat dem Volck das
Geſetz-Buch oder Inſtrumentum fœderale vorgelegt und vorgeleſen/ da
Gott der Herr auff ſeiner Seit verſprochen/ er woll ihr Gott ſeyn/ ſie
ins Land Canaan fuͤhren/ mit allem Segen erfuͤllen/ ſchuͤtzen und ſchir-
men/ und thun alles/ was man von einem Gott hoffen und wuͤnſchen
mag: Das Volck im Gegentheil laͤßt ſich oͤffentlich und einhellig hoͤren/ ſie
wollen der Stimme des Herrn gehorchen: Er Moſes/ bezeichnets/ ver-
ſigelts/ beſiebnets mit dem Opffer-Blut/ damit er beyderſeits/ mit der
Helffte den Altar/ mit der andern Helffte die Seulen beſprenget und ſagte:
Diß iſt der Bund/ oder das Blut deß Bunds/ das iſt/ teſtis \&
obſes. Aber O des elenden Bunds Zufallsweiſe! da es zum Treffen
kommen/ war niemand daheim/ Moſes verhieſſe das Land Canaan/ aber iſt
ſelbſt nicht hinein kommen/ warum? Die Bunds-Bedingung auff
Seiten des Volcks iſt nicht gehalten und vollzogen worden. Darum hat
Gott der Herr einen andern Bund geſtifftet im Neuen Teſtament
Jerem. 31. fœdus Sacramentale, den Bund des guten Gewiſſens/ den
Bund des Neuen Teſtaments/ und hat denſelben mit feines Sohns eige-
nem Blut bezeichnet: darin Gott der Herr verſpricht das himmliſche
Erb Canaan/ aber mit der condition, die heiſt crede in Chriſtum, glaub
an Chriſtum/ hingegen der Taͤuffling gelobt/ er woll glauben biß ans End/
Chriſti
[86]Die ſechſte
Chriſti vollkom̃enen Gehorſam ihme appliciren. Gleichwie ein irꝛdiſcher
natuͤrlicher Vater ſeine Haab und Nahrung unter ſeine Kinder (allerhand
prælegata außgenommen) alle gleich außtheilet/ und daß ſie ſaͤmptlich zu-
gleich ſeine Erben ſeyn ſollen: Wann er aber mit groſſem Hertzenleyd er-
fahren muß/ daß einer oder der ander auß dem Geſchirꝛ ſchlaͤgt/ den Va-
ter laͤſtert/ ſchlaͤgt/ durch Blutſchand ſtinckend macht/ wie Ruben/ in
der Gefaͤngnuͤß nicht ranzioniret ꝛc. So macht der Vater im nachgehen-
den Willen ein Teſtament/ laͤßt die ungehorſamen Kinder darinnen auß/
gedencket ihrer nicht/ wann ſie hernach in Armuth/ in Bettelſtab gera-
then/ ſo ſagt er/ fahr hin du boͤſes Kind/ du haſt dir dein Ungluͤck ſelbſt
gekaufft/ wie gerungen/ ſo gelungen/ an deinem Blut und Armuth hab
ich keine Schuld. Trutz daß ein ſolcher Vater ſeines ſo gefaßten billig-
maͤſſigen Teſtaments halben ſolte ſyndicirt/ angeklagt/ oder mit Recht be-
langet werden koͤnnen. So hats auch in geſundem Verſtand mit dem
Goͤttlichen vorhergehenden und folgenden Willen ſeine Beſchaffenheit/
und lautet GOttes Vaͤterliche Teſtament alſo: Wer da endbeharꝛlich
glaubet an Chriſtum/ der iſt nicht bloß dahin/ ſondern mit Beding in Chri-
ſto/ und um Chriſti willen ein außerwehlt Chur-Kind und Erbe des Him-
melreichs. Abraham/ Jſaac/ Jacob/ David/ Paulus ꝛc. iſt der jenige/
der beharꝛlich glaubet. Ergò iſt Abraham/ Jſaac ꝛc. nicht bloß dahin/
ſondern mit Beding in Chriſto/ um deß mit Glauben angenommenen
Chriſti willen/ ein außerwehltes Chur-Kind GOttes und Erb deß Him-
mels/ er iſt auffs aller inniglichſte geliebt/ und prædeſtinirt zum ewigen
Leben. Jn dieſer Schluß-Red begreifft der erſte Satz in ſich GOttes
Vorſatz und Gnadenreichen Rathſchluß; der andere die Vorſchau GOt-
tes; der dritte die Gnadenwahl ſelbſt. Contrà wer allerdings nicht/
oder doch nicht beharꝛlich glaubt/ ſondern alle Glaubens Mittel von ſich
ſtoͤſſet/ GOttes wolmeynendes Vaͤterliches Hertz nicht erkennen/ ſeine
holdſelige Menſchen-Lieb verachten/ ſein hertzliches Mitleiden und Hennen-
glucken nicht hoͤren/ ſeinem Goͤttlichen Eydſchwur zuwider ſich ſelbſt muth-
williger Weiſe in die Suͤnd/ auß der Suͤnd in den Tod ſtuͤrtzen wuͤrde/ uͤber
den hat er auff ſolches Abſehen ein ſtrenges und rechtmaͤſſiges Urtheil ab-
gefaßt/ welches Er der Sohn GOttes/ mit klaren duͤrren Worten außge-
ſprochen/ und geſagt: Wer mir nicht glaubt/ der iſt ſchon ge-
richt/ ſein facit iſt ihm in der Ewigkeit gemacht/ er iſt zum Tod und ewi-
gen Verdamnuͤß verworffen. Nun ſeind Saul/ Judas Jſcharſoth/
Julianus ꝛc. die jenige/ die nicht beharꝛlich geglaubet; Ergò ſind ſie
nicht bloß/ ſondern in reflexione vor- und anſehen ſolches Unglaubens
ent-
[87]Predigt.
enterbet und verworffen. Der erſte Satz iſt abermal das decretum re-
probationis der Zorn-Schluß; der ander erhellet auß der ewigen Vor-
ſchau; der dritte begreifft die bedingte Zorn-Verwerffung. Trutz/ daß je-
mand ſo gethanes Teſtament ſolte ſyndiciren/ ſich daruͤber zu beklagen (ob
er auch gleich wolt) von rechtswegen erkuhnen koͤnte? Er iſt ein unpar-
theyiſcher gleich gnaͤdiger Vater/ der die ſubſtantz deß Vaͤterlichen Erbes
ſeinen Kindern gleich/ einem wie dem andern/ wiewol irgend einem vor dem
andern/ auß lauter Gnaden einem vorauß/ in etlichen accidental-Gaben
und Guͤtern gegoͤnnet. Jener Vater in dem Blut-Bad zu Theſſaloni-
chen/ als ſeine zween Soͤhne auch in der Rotel und Zahl waren/ derer die
zum Tod verurtheilt worden/ hatte zwar von den Henckers-Buben ſo viel
Gnad erbeten/ daß er moͤchte die Wahl haben/ einen von beyden Soͤhnen
zu ſalviren und beym Leben zu erhalten/ der ander aber muſte dran/ da
wehlet der Vater lang/ kunt keine Chur oder Wahl finden/ einer war ihm
ſo lieb/ als der ander/ biß nachdem er den Scharff Richtern die Zeit zu
lang gemacht/ ſie das Urtheil exequirt. Solte dieſer irꝛdiſche Vater auß
bruͤnſtiger Blut-Lieb keine bloſſe Wahl finden koͤnnen unter ſeinen zween
Soͤhnen/ daß er einen uͤbergangen/ und den andern allein ſalvirt haͤtte;
und aber der Vater aller Barmhertzigkeit/ oder der da iſt reich von Barm-
hertzigkeit/ der ſolte unter uns Menſchen eine ſolche bloſſe Chur und Unter-
ſcheid gemacht haben/ nach welcher etliche bloß zum ewigen Leben erkohren/
die andern rein und bloß dahin dem ewigen Tod in Rachen geſchoben?
Welch Chriſtlich Hertz wird und kan ſich deſſen bereden laſſen? Wie Abra-
ham ſeinen Bund beſiebnet/ beſchworen/ und mit ſieben Laͤmmern bezeugt
Gen. 20, 28. Alſo ſeynd auch hier bey dieſem Bund ſieben Zeugen/ der
Vater/ welcher auß lauter Gnaden das Kind/ den Taͤuffling zu Gna-
den annimmt; der Sohn/ in welchem als dem Churfuͤrſten die Wahl
geſchehen; der Geiſt/ der es durch den Geiſt deß miniſterii geoffenbah-
ret Eph. 1. durch die Tauff werden wir zu H. Churkindern GOttes/ im
H. Abendmal geſtaͤrcket. Lauter treue Zeugen/ die bey uns ſtehen im
geiſtlichen Malefiz-Gericht/ halten/ außdauren/ begleiten/ in foro juſtifi-
co, in agone, in extremo judicio.
Summa/ die drey Zeugen/ welche uns Johannes ſo hoch recom-
mendirt/ ſind keine Moſaiſche/ harte/ ſtrenge/ unvertraͤgliche Geſetz-
Zeugen/ die Sacramenta gehoͤren nicht in das erſte Stuͤck unſers Cate-
chiſmi/ ſind appendices und ſigilla deß andern Stuͤcks vom Glauben/ te-
ſtes Evangelici, Evparacletici, Evpiſti, dafuͤr ſollen wir ſie anſehen und
halten/ getroſt und mit Freuden hinzu gehen/ dieſelbengebrauchen und
genieſ-
[88]Die ſechſte
genieſſen/ hie iſt die arca teſtimonii der Gnadenſtuhl Exod. 25, 17. \& 22.
Jſt demnach einer von den Paͤbſtiſchen Grundſtuͤrtzenden Jrꝛthumen/
wann die Patres Tridentini Seſſ. 6. can. 21. auß Chriſto einen neuen Le-
(*) conf.
Hodom.
Pap. part. 1.
pag. 1027.
Gal. 1, 8.giſlatorem und Geſetzgeber machen/ der ein neues Geſetz im Neuen Teſta-
ment auff die Vahn gebracht/ das alte Geſetz vermehrt/ ſonderlich die præ-
cepta Sacramentalia zu halten eingeſetzt/ wie Becanus davon fabulirt
Tract. de Lege \& Evang. c. 5. q. 1. n. 3. (*) Das widrige haben wir
vernommen/ und bleiben dabey/ ja wann auch ein Engel vom Him-
mel kaͤme/ und anders lehren wolte/ ſolte er alsanathemaver-
worffen werden. Der Zweck dieſer Zeugen geht nicht dahin/ daß wir
uͤber Moſes Geſetz-Werck noch andere uͤberlangende neue Evangeliſche
Geſetz er fuͤllen ſolten. Sondern daß wir glauben 1. Joh. 5/10. dem Evan-
gelio Joh. Cap. 19/35. Sind alſo dieſe Zeugen Ehren werth/ rechte gul-
dene Zeugen/ Herolde/ Botten und willkommene Gaͤſte/ die nichts koſten/
die uns nicht uͤber dem Hals ligen/ bettlen und Gelt herauß preſſen/ ſondern
himmliſche Schaͤtz und Guͤter mit bringen.
Ein jeglich fromm Chriſten-Menſch (ſo lautetLutheriſchoͤne Vermah-
nungTom. 6. Witt. pag. 586. f. 1.) thue ſeine Augen auff/ und laß ſich mit den
Roͤmiſchen Bullen/ Siegel und der Gleißnerey nicht irren/ bleib daheim in ſei-
ner Kirchen/ und laß ihm ſein Tauff/ Evangelium/ Glaub/ Chriſtum und GOtt/
der an allen Orthen gleich iſt/ das beſte ſeyn/ und den Pabſt bleiben/ einen blinden
Fuͤhrer der Blinden. Es kan dir weder Engel noch Pabſt ſo viel geben/ als dir
GOtt in dein Pfarꝛ gibt: ja er verfuͤhret dich von den Goͤttlichen Gaben/ die du
umſonſt haſt/ auff ſeine Gaben/ die du kauffen muſt/ und gibt dir Bley ums Gold/
Fell ums Fleiſch/ Schnur um den Beutel/ Wachs ums Honig/ Wort ums Gut/
Buchſtaben um den Geiſt/ wie du fuͤr Augen ſiheſt/ und wilts dennoch nicht
mercken/ ſoltu auff ſeinem Pergamen und Wachs gen Himmel fahren/ ſo wird
dir der Wagen gar bald zubrechen/ und du in die Hoͤlle fallen/ nicht in GOttes
Nahmen. Laß dirs nur eine gewiſſe Regel ſeyn/ was du vom Pabſt kauffen
muſt/ das iſt nicht gut/ noch von GOtt/ denn was auß GOtt iſt/ das wird nicht
allein umſonſt geben/ ſondern alle Welt wird darum geſtrafft und verdammt/
daß ſie es nicht hat wollen umſonſt auffnehmen/ als da iſt das Evangelium und
Goͤttliche Werck. Solch Verfuͤhrerey haben wir verdienet um GOtt/ daß wir
ſein heiliges Wort/ der Tauff-Gnade verachtet haben/ wie St. Paulus ſagt/
GOtt wird ſenden/ eine kraͤfftige Jrrung allen denen/ die die Warheit nicht ha-
ben auffgenommen zu ihrer Seligkeit/ auff daß ſie glauben/ und folgen der Luͤgen
und Buͤbereyen/ wie ſie wuͤrdig ſind.
O edle Zeugen/ O guͤldene Zeugen/ O liebliche holdſelige Botten/
der annehmlichen und willkommenen Gaͤſte! Solte doch ein Menſch
denſelben biß an der Welt-Ende nachziehen/ und ſie ſuchen/ wann wirs
nicht vor der Thuͤren haͤtten. O ſuͤſſe Liebe wie reichlich ſchenckeſtu dein
Gunſt/
[89]Predigt.
Gunſt/ wie hat doch Gott uns Menſchen ſo lieb! der uns nicht allein
ſeinen Sohn gegeben/ ſondern durch denſelben auch den H. Geiſt/ wel-
cher zu uns komt und Zeugnuͤß gibt im Waſſer und Blut. Aber wie wer-
den dieſe Zeugen von dem groſſen Welt-Hauffen empfangen? veraͤchtlich
ſchaͤnd- und ſchaͤdlich gnug! Alle Teſtes veritatis oder Zeugen der War-
heit ſind von anbeginn vor der ſchnoͤden Welt verachte Zeugen geweßt/
ſonderlich teſtes veritatis Divinæ, die Zeugen der Goͤttlichen Warheit/
am meiſten teſtes veritatis Evangelicæ, die Zeugen der Evangeliſchen
Warheit. Die Vernunfft wil nichts davon hoͤren/ daher muͤſſen die
Botten derſelben martyres werden/ der Zeugen Danck iſt ein blutiger
Schlafftrunck. Ach GOtt vom Himmel ſih darein/ wie we-
nig ſind der Heiligen dein/ die den Bund mehr achten als
Opffer/ die dieſe Evangelia recht erkennen! dieſe Zeugen ſind in der
Welt frembde Goͤtter/ man wil dieſelbe nicht gebuͤhrlich annehmen/ beher-
bergen/ ſich inniglich druͤber erfreuen/ mehr als uͤber alles Zeitliche/ man
wil auch nicht dem Evangelio wuͤrdiglich leben und wandeln. Der
Schlangen Zeugnuͤß gilt mehr (du wirſt nicht deß Todes ſterben/)
als GOttes Zeugnuͤß; Welt-Kinder leben als ob ſie mit dem Tod ein
Bund und mit der Hoͤllen einen Verſtand gemacht haͤtten. Was iſts
dann Wunder/ wann man dieſe Zeugen nicht hoͤren wil/ daß GOtt an-
dere Zeugen und Zeichen ſchicket/ Zorn-Zeugen/ Grimm-Zeichen. Wann
jene ſchweigen muͤſſen und kein rechte Audientz erlangen koͤnnen/ ſo muͤſ-
ſen die Steine reden: hart wider hart/ Hagelſtein wider ſteinerne Nabals-
Hertzen/ wider Pharaoniſche Verhaͤrtung.
Damit wir naͤher ad hypotheſin kommen/ moͤgen wir auch wolJob. 38, 22.
fragen/ und widerholen die Frag/ welche GOtt der Herr dem lieben
Job vorgelegt/ auß ſeinem Majeſtaͤtiſchen Wetter-Geſpraͤch ihn angeſpro-
chen/ unter andern geſagt: Haſtu geſehen/ wo der Hagel her-
komt? Haſtu in mein Zeug-Hauß/ und darin unter meinen Zorn-
Waffen/ nicht auch geſehen den Hagel? Weiſtu/ wodurch mein Zorn-
Schatz gemehret wird/ auß was Urſachen er entſtehe/ qua intentione ich
ihn verhenge? Job verſtummet/ kan nicht antworten. Aber der Geiſt
GOttes loͤſet das Raͤtzel auff Eſa. 28/1. Weh der praͤchtigen Lands-
Cron/ den Trunckenen von Ephraim/ deren die von Wein
taumlen: Sihe ein ſtarcker und maͤchtiger vom HErꝛn/ wie
ein Hagel-Sturm/ wie ein Waſſer-Sturm/ wie ein ſchaͤd-
lich Wetter/ wird maͤchtiglich einreiſſen/ und ins Land ge-
laſſen mit Gewalt/ daß die praͤchtige Cron der Trunckenen
Achter Theil. Mvon
[90]Die ſechſte
von Ephraim mit Fuͤſſen zertretten werde/ die Blum ihrer
lieblichen Herꝛligkeit verwelcket gleich wie das unzeitige Obs
von der Sonnen/ welches verdirbt/ wann mans noch an
ſeinen Zweigen hangen ſihet/ wehe dir! Das Hagelwetter ſoll dir
ein boͤſes omen ſeyn: Wie viel Waſſer viel Voͤlcker bedeuten Apoc. 17, 15.
Alſo Hagelſtein bedeutet einen maͤchtigen gewaltigen Feind/ der wird ein-
reiſſen/ alles niderſchlagen und zutretten. Damal war es Salmanaſ-
ſer/ der dieſe Weiſſagung wahr gemacht. Wer zu unſern Zeiten der ſeyn
werde/ das weis Gott/ man traue dem Wetter nur nicht zu wol. Ein-
mal die Goͤttliche Gerechtigkeit geht mit Ungluͤck ſchwanger/ ich rede mit
der Schrifft Sophon. 2, 2. Woher aber? fragt und ſagt Gott? Von
der Trunckenheit/ iſt zwar auch von der leiblichen Trunckenheit zu ver-
ſtehen/ es iſt der talion gemaͤß/ daß Mißbrauch deß Weins mit Mangel
und Verderbung deß Weins geſtrafft werde; aber fuͤrnemlich die Ge-
muͤths-Trunckenheit/ das Daumeln wie ein Trunckener daumelt/ der
hat keinen rechten Sinn und Gedancken/ irret und ſtoſſet ſich/ wancket und
fallt/ von einer Seiten zur anderen/ dergleichen man offt ſihet daher duͤr-
meln/ ihr Hertz wird ſteinhart wie Nabals/ welches auff die Truncken-
heit folgt/ Jrꝛthum und dero effecta. Der Geiſt GOttes erklaͤrts mit
Exempeln der Gottloſen/ die nicht koͤnnen voll werden vom Zeitlichen/
aber ab Goͤttlichen myſteriis ein Abſcheuen haben/ denſelben nicht ſo tieff
nachdencken/ ja ſo verteuffelt ſeyn/ daß ſie dieſelbe mit Fuͤſſen tretten und
von ſich ſtoſſen/ oder doch nicht achten/ doͤrffen wol ſagen: Mir kommen
dergleichen Grillen nie in Sinn/ ich glaub einfaͤltig/ laſſe das ſcrupuli-
ren anſtehen/ ich moͤchte mich ſonſt verwirren/ ich denck der Sach nicht
ſo weit nach. Antw. Diß iſt die ſchoͤne Frucht deß vermeynten einfaͤl-
tigen Glaubens! Diß ſind Worte eines ſicheren Menſchen/ der ſich weit
achtet von boͤſen Tagen/ wird alt bey guten Tagen/ und erſchrickt kaum
ein Augenblick fuͤr der Hoͤllen/ der mit dem Tod einen Bund/ und mit
der Hoͤllen einen Verſtand gemacht/ der ſich von der Schlangen narren
laͤßt mit der perſuaſion, er werde mit nichten deß Todes ſterben. Jſt
eben ſo viel geredet/ als einer ſagen moͤcht/ ich bekuͤmmere mich um keine
Apotheck/ ich frage nicht viel nach dem Hirſchhorn/ Bezoar und derglei-
chen. Diß ſind Wort eines Heydniſchen Gemuͤths/ das kem Troſt hat
noch begehrt/ und in der Welt lebet ohne Gott/ ohne Grund deß Tro-
ſtes nach dieſem Leben; Diß ſind Wort eines verſtockten Nabals-Bru-
ders/ deme nach geſchehener Abigails-Predigt das Hertz ſteinhart wird.
Ja es ſind Wort eines Viehiſchen Menſchen/ bey dem keine vernuͤnfftige
refle-
[91]Predigt.
reflexion fuͤrhanden; der nicht gedencket daß die Seel unſterblich ſey;
dem nicht groß daran ligt/ wie ſie nach dem Tod verſorget werde. End-
lich heiſts animula, vagula, blandula, quæ nunc abibis in loca? Fahrt
die Seel in die Hoͤll/ fiat! es geſchehe alſo wie Gott wil/ fahrt ſie in den
Himmel/ fiat! Jch begehre eben deßwegen keine Verſicherung. Wel-
che Art der Sicherheit eine iſt von den allerverdammlichſten Suͤnden.
O Menſch ſchaffe deine Seligkeit mit Forcht und Zittern;
ſelig iſt der Menſch/ der ſich ſtets fuͤrchtetProv. 28, 14. Ringe
darnach/ daß du eingehen moͤgeſt durch die enge Pfort. Was
gebe der reiche ſichere ſorgloſe Schlemmer drum/ daß er eine einige
Stund Moſen und die Propheten hoͤren moͤcht/ und darauß ein antido-
tum wider die Furcht deß ewigen Todes ſchoͤpffen? Es wird die Zeit kom-
men/ da ſolch Spotten und Lachen wird werden theur/ und ſolche ſichere
Heydniſche Welt-Kinder auß dem Buch der Weißheit werden heulen
muͤſſen: O wir Narren! Wie heilſam und gut waͤre ſolchen ruchloſen
und brandmaͤligen Gewiſſen/ der geiſtliche Hunger/ und nach einem
ſchmertzlichen/ wehethuenden Seelen-Hatz ein bruͤnſtiger Hirſch-Durſt
nach der lebendigen Quellen/ welche ich ihnen von Hertzen wuͤnſche.
Woher iſt kommen der Hagel in Egypten? Exod. 9, 8. ex ignorantiâ,
auß muthwilliger Unwiſſenheit/ wie der weiſe Mann ſagt Sap. 16, 16.
Die Gottloſen/ ſo dich/ O HErꝛ/ nicht kennen wolt en/
ſind durch deinen maͤchtigen Arm geſteupt/ daß ſie durch un-
gewoͤhnliche Regen/ Hagel/ Gewaͤſſer/ den ſie nicht ent-
gehen kunten/ verfolget/ und durchs Feuer auffgefreſſen
wurden. Fragſtu woher der Hagel im Land Canaan? Antwort/ die-
weil ſie das ſanffte Friedens-Wort deß H. Evangelii nicht annemen
wollen/ dieweil ſie die Friedens-Botten und Zeugen von ſich gewieſen/
Joſ. 10, 11. Was iſts dann Wunder? ſag ich noch einmal: ja viel mehr
iſt ſich zuverwundern uͤber die Goͤttliche μακροϑυμίαν und Langmuth/
daß Er uͤber andere die Straffen bereits außgegoſſen/ unſer aber/ die wirs
eben ſo grob gemacht/ noch ſo lang verſchonet/ und uns ſaͤuberlich tra-
ctirt/ wie einer der ein Cryſtallin Glaß ſchwencken und waſchen wil/ ge-
mach und fein ſaͤuberlich damit umgeht/ daß ers nicht zerſtoſſe: Alſo
tractirt und handelt mit uns der getreue himmliſche Vater/ O ein ge-
dultiger/ langmuͤtiger GOtt! Jedoch ſollen wir uns durch frembde
Exempel warnen laſſen/ und dadurch gewitziget werden Luc. 13/2. zu ver-
wundern iſt ſich/ daß der Herr der Menſchen verſchont/ und laͤſt ſeinen
Zorn außgehen uͤber die Erden-Gewaͤchs oder das unvernuͤnfftige Vieh;
M 2aber
[92]Die ſechſte
aber er ſchlaͤgt auff den Sack/ und meynt den Eſel. Pharao war ein Ty-
rann/ und hatte ſein Hertz verhaͤrtet/ noch dennoch da GOtt der Herr
mit Hagel und Sturm auff ihn zugeſchmiſſen/ ſo wird er muͤrb/ er confi-
tirt/ er deprecirt Exod. 9. unter uns wil dergleichen nicht erſcheinen/ es
ſind die neuliche Buß-Predigten ſchon vergeſſen/ man fahrt einen Weg
fort in der Sicherheit/ als den andern/ das Sauffen und Schwelgen/
Jaͤhlen und Schreyen/ das Hagelſchlechtige Fluchen und Schwoͤren und
andere Suͤnden gehen noch in vollem Schwang. O GOtt behuͤt/ daß
nicht der volle Schutt bald folgen muͤſſe!
Unterdeß hat dennoch Jſrael GOtt zum Troſt Pſal. 73.
der Jſrael/ der rechtſchaffens und reines Hertzens iſt/ das durch den Glau-
ben gereiniget; der im Goſen/ in GOttes Ordnung bleibt/ der ſich ſehnet
nach der liberation der Kinder GOttes Rom. 8. den da durſtet nach den
Heilbruͤnnlein Jſraelis/ der hat GOtt zum Troſt/ den gehen die Zorn-
Exempel nicht an.
Der Teuffel ohmet dem H. Geiſt nach/ aber er verkehrts/ dann die harten
verſtarreten und rohen troͤſtet er mit Verheiſſung; aber auff die nidrigen/ bloͤden
und ſchwachen dringt er mit GOttes Zorn und Bedraͤuungen. Da wil denn
hoch vonnoͤthen ſeyn/ daß wir den H. Geiſt vom boͤſen Geiſt ſcheiden und ſondern/
und daß wir wiſſen/ daß es nicht deß heiligen/ ſondern deß boͤſen Geiſtes Einge-
ben ſey/ der auß einem guͤtigen/ gnaͤdigen und barmhertzigen GOtt/ einen ungnaͤ-
digen Richter und einen zornigen Hencker machen wil/ denn die H. Schrifft redet
alſo von GOtt/ im hundert und dreyzehenden Pſalm: daß er hoch ſitzt/ aber auff
das nidrige ſihet im Himmel und auff Erden/ und das nidrige erhoͤhet: der Teuf-
fel aber ſpricht/ daß GOtt die Hoͤhe anſehe/ und hoͤher hebe/ die nidrigen aber ni-
driger mache und verderbe. So fechte uns nu der Teuffel in den hoͤchſten Arti-
ckeln deß Glaubens an/ oder in kleinen Suͤnden/ ſo ſollen wir gedencken/ daß
wir entweder ſolche Gedancken alle auß dem Sinn ſchlahen/ oder aber/ ſo wir je
ichtes gedencken wollen/ daß wir das Widerſpiel gedencken von Chriſto/ als nem-
lich: daß uns GOtt gnaͤdig und barmhertzig ſey/ und das ewige Leben um Chriſti
willen geben habe ꝛc. und ſollen gedencken/ daß ſolche herꝛliche Verheiſſung uns
angehen/ und uns zum beſten geſchehen ſind/ wenn wir durch die Suͤnde erſchroͤckt/
uns nach GOttes Gnade und Barmhertzigkeit ſehnen. Sind ſehr troͤſtliche
WortLutheri Tom. 5. Witt. p. 280. f. 1.
Sondern Troſt hat er contra mundum in mundo,Gott weiß immer
einen Daniel zu erwecken/ der die Suſannam/ das iſt/ Unſchuld/ ver-
tritt und ans Liecht bringt. Troſt in foro conſcientiæ innerlich im Ge-
wiſſen/ wie jener Bergmann (*)
Troſt in agone in den letſten Todes-Zuͤgen/ Troſt am zukuͤnfftigen lieben
Juͤngſten Tag/ da der gerechte Richter dem/ der uͤberwindet/ wirdApoc. 2, 17.
geben calculum album oder ein gut Zeugnuͤß/ das wird Er thun/
dann treu Er iſt/ O ein getreuer GOtt! Amen.
GEliebte in Chriſto. So lang die Welt ſtehet/ ſo
lang die Sonn leuchtet/ ſo lang die Tag des Himmels
gewaͤhrt/ und ſich in ihrem Circul herum gewaͤltzt/
iſt niemal keine ſo herꝛliche/ oͤffentliche/ perſoͤnliche
hochfeyrliche Θεοφάνεια, und Offenbarung deß Drey-
Einigen GOttes geſchehen und vorgangen/ als die je-
M 3nige/
[94]Die ſiebende
nige/ ſo da geſchehen bey der Tauffe Chriſti am Jordan; fleiſſigſt/ har-
monicè und einſtimmend auffgezeichnet von allen vier H. Evangeliſten
Matth. 3. Marc. 1. Luc. 3. Joh. 1.
Solche war nun I. Θεοφάνεια monadica,ein ſonderbare Goͤtt-
liche Erſcheinung/ in ſolcher ſolennitaͤt und Umſtaͤnden hat ſie ihres
gleichen nicht. Es hat ſich zwar GOtt der Herr viel und mancherley
Weiſe im Alten Teſtament geoffenbahret/ und iſt auß ſeinem unſichtba-
ren Liecht herauß gegangen Hebr. 1/1. der Sohn GOttes iſt offt erſchienen
den Patriarchen/ Propheten und anderen heiligen Maͤnnern GOttes/
aber nur in einem Menſchlichen Schema und zeitlichen Schatten-Leib/
nicht in angenommener perſoͤnlich vereinigter Menſchlichen Natur ſelbſt/
er hat ſich allein und abſonderlich/ ohne Mit-Erſcheinung der andern zwo
Perſonen ſehen laſſen. Einmal zwar Dan. 7. da dem Fuͤrſtlichen Pro-
pheten Daniel GOtt der Vater erſchienen in Geſtalt deß Alten auff einem
Thron/ zu dem gebracht worden einer/ gleich eines Menſchen Sohn; der
feurige Strahl/ der vom Strohm außgangen/ hat den H. Geiſt figurirt
und gebildet/ alles aber allein im Traum/ im Prophetiſchen Geſicht/ im
Geiſt/ und nicht αὐτοϖ [...]σώϖως in eigener Perſon/ perſoͤnlich. So iſt zwar
auch auff dem H. Berg dergleichen Erſcheinung fuͤrgangen/ da der Va-
ter in der Stimm/ der Sohn in ſeiner verklaͤrten Menſchlichen Natur/ der
H. Geiſt in Geſtalt einer leuchtenden Wolcken ſich hoͤren und ſehen laſſen
Matth. 17. aber dieſelbe Erſcheinung war privat und geheim/ geſchehen in
Gegenwart allein 6. Perſonen/ drey himmliſcher Zeugen/ Chriſto/ Moſe
(*) juxta
Chemnit.
in harm.
pag. 2, 8.
licet con-
trarium
teneat
Eraſmus
Schmid ad
Matth.
p 59. ſq.
(α) Tom. 2.
Iſleb. in
c. 1. Joh.
p. 460. f. 2.und Elia/ und drey irꝛdiſcher Petro, Jacobo und Johanne; Chriſtus
wolte dieſelbe ſtill und verſchwiegen gehalten haben biß nach ſeiner Auffer-
ſtehung; Hie aber gieng es her ſolenniſſimè, hoͤchſt-feyrlich und oͤffent-
lich. Darum mag ſie auch genennet werden
II. Θεοφάνεια panegyrica \& ſolenniſſima, die geſchehen in groſ-
ſer weitlaͤufftiger Verſamlung. (*) Jn Gegenwart der himmliſchen
Heerſcharen/ als welche allezeit das Angeſicht deß Vaters im Himmel
ſchauen/ ja deß leidigen Teuffels ſelbſt. (Es iſt da/ ſagt Lutherus (α),
der him meliſche Chor aller Engel/ die da huͤpffen/ ſpringen/
und froͤlich uͤber dem Werck ſind/ auch ſiehet der Himmel
weit offen.) Der dannenhero occaſion genommen bald darauff Chri-
ſtum in der Wuͤſten zu verſuchen/ und Jhm dieſe Offenbarung diſpu-
tirt/
[95]Predigt.
tirt/ ſagend: du biſt zwar oͤffentlich proclamirt fuͤr einen Sohn GOttes/
aber O deß elenden Gottes Sohns/ der ſeinen Hunger nicht buͤſſen und
ſtillen kan/ mach auß Steinen Brodt und beweiß/ daß du der Sohn GOt-
tes ſeyeſt: Wo nicht? So kanſtu leichtlich ermeſſen/ daß was ſich dort am
Jordan begeben/ ein bloß Geſpenſt/ Spiegelfechten/ Abentheur/ Phantaſi
und Verblendung geweſen. Sonderlich aber iſt dieſer actus geſchehen in
Verſamlung deß gantzen Volcks/ welches hinauß gegangen zur Tauff Jo-
hannis/ auß dem gantzen Juͤdiſchen Land und allen Laͤndern am Jordan/
die gantze Stadt Jeruſalem Matth. 3/5. τότε v. 15. zu der Zeit kam auch
JEſus auß Galilaͤa an den Jordan zu Johanne/ daß Er ſich von ihm
tauffen lieſſe. [...]ν [...]κείναις ἡμέραις, das iſt/ zu derſelbigen Zeit/ ſagt
Marcus Cap. 1. v. 9. [...]ν τ [...] βαπ [...]ι [...]ϑ [...]α [...] ἅπαν [...]α λαὸν, das iſt/ da eben
auch ſich alles Volck tauffen ließ/ wie Lucas redet Cap. 3/21. warum
bey ſo groſſer Verſamlung? Auff daß Chriſtus offenbar wuͤrde in
Jſrael Joh. 1/31.
III. Θεοφάνεια Evtactica, darum der Herꝛ Chriſtus auch durch
dieſe feſtivitaͤt ſolenniter inveſtirt und dem Volck Jſrael/ als der groſſe
Prophet præſentirt und vorgeſtellt worden. Dann wie nach altem Ge-
brauch der Hebreer/ dero Rabbini, Doctores und Lehrer haben muͤſſen mit
gewiſſen ceremonien oͤffentlich durch Gebet und Hand-Aufflegung/ mit
Begleitung gewiſſer Wort/ inaugurirt werden (*)/ dergleichen auch noch(*) conf.
de his Nic.
Serar. Rab-
bin. c. 21.
pag. 190.
ſq.
(β) Tom. 2.
Iſleb.
p. 421.
in Chriſtlichen Kirchen und Schulen uͤblich/ daß oͤffentliche Doctores,
Lehrer/ Prediger/ Pfarꝛherꝛn ordinirt und durch Wort und Gebet einge-
weyhet werden. Alſo (ſchreibt Lutherus (β)) iſt auch Chriſtus all-
hier als der groſſe Prophet eingeweyhet/ als der Biſchoff und
Ertz-Hirtordinirt/ als der groſſeDoctorund Koͤnig von
Jſrael geſalbet und gekroͤnet worden: ſein Brabevta und Promo-
tor der himm iſche Vater hat Jhm das Pareth/ oderDoctor-Huͤtlein
und Cron auffgeſetzt/ nemlich den H. Geiſt/ und oͤffentlich procla-
mirt/ zweymal/ (mit dem Anhang/ ſo auß dem Pſ. 2. und Matth. 17. zu wi-
derholen und beyzufuͤgen dieſen ſeinen Sohn einig und allein zu hoͤren und
zu ehren/ zu wiſſen und zu kuͤſſen) einmal in tertiâ perſonâ,dieſer iſts ꝛc.
Und dann in ſecundâ perſonâ.du biſt mein Sohn ꝛc. Solches
war auch noͤthig/ dann der Herr Chriſtus war noch obſcurus und un-
bekant/ Johannes kante Jhn von Angeſicht noch nicht/ von dem auch der
albere Scheps Nathanael mit Verwunderung geſagt: Was kan auß
Nazareth guts kommen?
Dieſe Wort (ſchreibtLutherusin der Außlegung hieruͤber (*)) redet
Nathaniel auß keinem boͤſen Hertzen/ wie denn die Wort Chriſti hernach anzei-
gen/ da Er ihme das groſſe Lob gibt/ er ſey ein rechter warhafftiger Jſraeliter/ in
dem kein falſch iſt. Weil denn dem alſo iſt/ ſo muß man auch ſeine Wort nicht
uͤbel deuten/ als wenn ſie ein ſtoltzer Phariſeer/ oder ſonſt Annas oder Caiphas
zum Herrn geredet haͤtte/ denn da warens eitel teuffliſche gifftige Wort/ und
dieſe haͤtten geſagt/ was redeſt du von Nazareth? Biſtu toll und thoͤricht? Si-
heſt du nicht daß wir Herren ſind/ und wir Gewalt haben die Schrifft außzule-
gen? Da waͤre es Gifft geweſen/ denn ſolche Leuthe verachteten Chriſtum/ und
redeten ſolches auß hohem Stoltz und Verachtung Chriſti/ als ſprechen ſie/ was
meyneſtu/ wer iſt der Chriſtus? Denn darnach die Perſon iſt/ darnach lauten auch
ihre Wort/ und darnach verſtehet man auch ihre Reden. Gleichwie auch eine jeg-
liche Glocke ihren eignen Klang und Thon hat: Alſo redet hie dieſe Wort Natha-
niel/ als ein frommer und einfaͤltiger guter Mann/ der den Worten Moſi und
der Propheten glaubet/ und redet ohne arge Liſt und Boßheit auß gutem einfaͤlti-
gen Hertzen daher/ und auß einer Verwunderung/ ey ſoll uns dann ſo viel guts
von Nazareth kommen/ wer haͤtte darauff gedacht? Es ſind Wort/ damit ſich ein
Menſch verwundert/ und fuͤr groſſen Freuden und Wunder ſolche Wort redet:
Ey lieber iſts wahr/ daß Er ſolte von Nazareth ſeyn.
Jſt eben auch IV. die jenig Θεοφάνεια ἀξ [...]ομνημόν [...], die jenige
Erſcheinung/ darauff Johannes mit Fingern gedeutet/ repetirt/ zu
ruͤck beſchauet/ und der gantzen Chriſtlichen Kirchen hoch und wol recom-
mendirt/ wann er in ſeiner hochbedencklichen Zeugen-Sag und Zeugen-
Verhoͤr/ darauff gedeutet und geſagt: Drey ſind die da zeugen ꝛc.
nemlich eben dieſelbe die dazumal am Jordan erſchienen/ ſich ſehen und hoͤ-
ren laſſen. Jrre laſſen wir uns hie nicht machen durch etliche Dubitantios,
die von der avthentia dieſes Texts gezweiffelt/ weil er in etlichen alten ex-
emplaribus (dergleichen auch eines Luthero Anfangs an die Hand kom-
men) nicht zu finden/ und endlich von Arrianern und Photinianern auß-
vide D.
Gerhard.
pecul.
diſp. in
1. Joh. 5.gekratzt worden. Das widrige iſt nunmehr dermaſſen beſchienen und be-
kraͤfftigt/ daß kein vernuͤnfftiger Menſch mehr zweifflen kan/ und bekennen
muß/ es ſeyen Wort de textu, bevorab weil nicht allein lang vor Luthero
in der teutſchen Bibel Cobergers/ ſondern auch in dem heutigen Photinia-
niſchen N. T. zu Rachau Anno 1630. getruckt/ dieſelb zu befinden. Wir
ſchicken uns mehr zu beſchauen das groſſe Geſicht Exod. 3. Wir haben
naͤchſt beſchauet und behertziget Teſtium bonitatem, dieſer Zeugen Guͤte/
Treue/ Freundlichkeit/ Leuth- und Holdſeligkeit. Folgt/ daß wir ſie ab-
theilen in zwey Choreas und Reyhen; Jn der erſten dißmal bedencken/
Teſtium cœleſtium Nobilitatem \& auctoritatem, den Adel/ die aucto-
ritaͤt/ Hoheit und Wuͤrde der drey oberſten Zeugen im Himmel. Dieſer
hohen himmliſchen Zeugnuͤß und Zengenſag recht heiliglich und heilſam-
lich
[97]Predigt.
lich beyzuwohnen und zu verhoͤren/ wolle Er der erſte Zeug durch den An-
dern den dritten beſchehren/ daß es ohne Frucht nicht abgehe/ Amen.
SO ſind nun die jenige Zeugen/ welche St. Johannes in vorha-
benden Worten producirt und eingefuͤhrt/ Erſtlich nominati
\& ordinati, benamſte/ titulirte oder mit Namen beſchriebene
Zeugen. Derer erſte iſt und heißt der Vater/ ein Vater uͤber
alle Vaͤter/ Epheſ. 3/15. ſintemal mit Warheit niemand ſagen kunte von
Chriſto/ diß iſt mein Sohn/ und zwar der eingebohrne Sohn/ alsJoh. 1, 14.
die erſte Perſon der Gottheit. Wir ſind auch Kinder GOttes/ aber Fin-
del-Kinder/ angewuͤnſchte Gnaden-Kinder/ vielgebohrne Kinder.
Jſt Lutheri Wort Tom. 2. Iſleb. p. 435. f. 1. GOtt/ ſagt er/ hat ſonſt
viel Soͤhne und Kinder/ aber nur einer iſt der Eingebohrne/
von dem das geſaget wird/ daß alles durch ihn gemacht ſey;
die andern Soͤhne ſind nicht das Wort/ durch welches alle
Ding gemacht ſind/ ſondern ſind geſchaffen durch dieſen ein-
gebohrnen Sohn/ der gleich mit dem Vater Schoͤpffer
Himmels und der Erden iſt. Die anderen allzumal wer-
den Soͤhne durch dieſen eingebohrnen Sohn/ welcher unſer
HErꝛ und GOtt iſt/ und heiſſen wir vielgebohrne Soͤhne;
dieſer aber iſt allein der eingebohrne Sohn/ den er in der
Gottheit von Ewigkeit gezeuget hat. Keiner unter uns iſt der
Eingebohrne/ welchen Gott der Herr/ ſein eigner und einiger Vater/
angeſprochen und begruͤßt mit dieſen Worten: Du biſt mein Sohn/Pſal. 2, 7.
heute hab ich dich gezeuget; Welcher auch iſt und heißt der andere
Zeug/ ὁ Λόγ [...], das Wort/ nemlich der eingebohrne Sohn GOttes/
durch welchen alles gemacht/ was gemacht iſt/ das Wort das Fleiſch
worden/ der Eingebohrne/ das Schoß-Kind Joh. 1. Wortheißt Er
auff eine ſolche Weiſe/ das kein Menſchliche Vernunfft begreiffen/ kein
Wort außſprechen kan. Jn uns und in unſerem Menſchlichen Ver-
ſtand finden wir etlicher maſſen eine analogiam und Gleichfoͤrmigkeit.
Gleichwie der menſchliche Verſtand der vernuͤnfftigen unſterblichen See-
len/ in ſich ſelbſt und in ſeiner eigenen Schoß/ einen concept, Gedan-
cken und Bild formirt/ ſo von den Philoſophis genennet wird verbum
mentis, λόγ [...] ἔσω, ein Gemuͤths-Geburt/ oder Sinnbild/ welches
iſt ein geiſtliches/ unſichtbares/ lebendiges/ ſubtiles/ im Gemuͤth und
deſſen Schoß der Gedaͤchtnuͤß bleibendes/ und dazu kraͤfftiges Weſen/
durch welches der Menſch aͤuſſerlich alles wuͤrcket/ thut und verwaltet/
was er innerlich gedacht/ geordnet und geſchafft: Alſo iſt auch der Sohn
Achter Theil. NGOttes
[98]Die ſiebende
GOttes (nach Ablaß aller Haͤffen natuͤrlicher anklebender und Menſchli-
cher imperfection auß Verſtands-Bloͤdigkeiten) von ſeinem Vater als
der Sprecher gebohren/ iſt das Bild ſeines Weſens Hebr. 1/3. geiſtlich/
unſichtbar/ aber ein ſelbſtaͤndig Perſoͤnliches Weſen/ nicht fluͤchtig/
nicht zufaͤllig oder unbeſtaͤndig/ ſondern perſoͤnlich. Der dritte Zeug iſt
der Geiſt Spiritus ſpiratus, der heilige außgeblaſſene Geiſt; dann darum
und heißt Spiritusein Geiſt/ nicht ſo wol ratione eſſentiæ, weil er ein
weſentlicher Geiſt iſt/ ſintemal auch der Vater auff dieſe Weiſe ein Geiſt
heißt; auch nicht ſo wol ratione virtutis activæ, oder wegen der wuͤrcken-
den Krafft/ ſintemal auch der Sohn deß Vaters Krafft iſt; Sondern
ratione virtutis paſſivæ, weil er vom Vater und Sohn auff eine Goͤttli-
che unbegreiffliche Weiſe geblaſen und gehauchet wird: welches Geheim-
nuͤß Chriſtus uns ſelbſt gleichſam abgemahlet Joh. 20. da Er ſeine Juͤn-
Joh. 20, 22.ger angeblaſen/ und mit dieſem aͤuſſerlichen actu des Anhauchens/ das
ewige Blaſen deß H. Geiſtes bezeugen wollen; und ſind doch dieſe zwey
Wort und Geiſt nicht Schatten/ Geſpenſt und zufaͤllige Geſtalten/ ſon-
dern es ſind (II.) fuͤrs ander Teſtes propriè dicti, oder eigentlich ver-
ſtandene Zeugen/ nicht verbluͤmter Weiſe/ wie Waſſer und Blut
Zeugen heiſſen/ wie Himmel und Erden zu Zeugen angeruffen werden
Deut. 32. Eſa. 1. wie Abraham dem Abimelech ſieben Laͤmmer darſtellt
zum Zeugnuͤß Gen. 21, 30. Gleicher Weiſe werden auch die Steine ge-
braucht von Laban Gen. 31, 52. von Joſua Joſ. 24/27. die Bunds-Lade
Exod. 25.
v. 16. \& 22.
conf.
Num. 17, 4.heißt ein Lade deß ZeugnuͤſſesExod. 25. die ſteinerne Tafflen/ darauff
Gott das Geſetz geſchrieben und Moſi gegeben/ heiſſen Tafflen deß Zeug-
nuͤſſes Exod. 31, 18. das Geſetz-Buch heißt ein Zeugnuͤß 2. Reg. 11, 12.
alſo auch dorten der rechte Schuhe Ruth. 4/7. ſondern eigentlich (wie
dann kein einige ration kan allegirt werden/ warum wir vom Buchſta-
ben abweichen ſolten) perſoͤnliche Zeugen. Omnis teſtis eſt perſona, vel
perſonalis, ein jeder eigentlich alſo genannter Zeug iſt eine Perſon/ das iſt/
nicht ein Schatten und Traum/ nicht Gedicht und Geſicht/ nicht Larve
(*) Luth.
Tom. 2.
Iſleb.
pag. 205.
fac. 2.und (*) Geſpenſt/ nicht zufaͤlliges/ wandelbares accidens, Glied oder
Stuͤck; Sondern lebendige/ vernuͤnfftige/ ſtandhaffte/ ſelbſtaͤndige/
ungetrennte/ unmittheilbare/ von andern unterſchiedene wuͤrckende
Perſon/ unterſchieden in aͤuſſerlichen Zeichen/ innerlichen Wuͤrckun-
gen/ dann das iſt definitio perſonæ. Kurtz/ eine Perſon iſt ein vollkom-
mene/ lebendige/ vernuͤnfftige andern oder mehrern nicht gemeine ſub-
ſtantz und Weſen. Ob nun zwar die Goͤttliche Natur eine vollkommene
ſubſtantz und Weſen/ lebendig und vernuͤnfftig iſt/ dennoch iſt ſie keine
Perſon/
[99]Predigt.
Perſon/ dieweil ſie dem Vater/ Sohn und H. Geiſt gemein iſt: der Vater
aber/ der Sohn und H. Geiſt ſind Perſonen/ dieweil ſie vollkommen/ le-
bendig/ vernuͤnfftig/ und nicht vielen gemein ſeyn/ denn es ſind nicht viel/
die der Vater/ oder der Sohn/ oder der Heilige Geiſt genennet werden.
Ein andere Perſon iſt der Vater der gebaͤret/ ein andere der Sohn der bey
dem Vater in ſeinem Schoß gebohren worden; ἄλλ [...] ϖ [...]άκλητ [...], ein
andere Perſon iſt der H. Geiſt: der Vater erſcheinet in der lebendigen
klaren Stimm/ dieſelbe war eine machina communis, ein gemeines
Werck und Gemaͤcht aller dreyen Perſonen/ aber allein der Vater erzeigt
ſich in dieſem Zeichen; der Sohn erſcheint in ſeiner zarten Menſchheit/
dieſelbe war ebenmaͤßig ein gemein Werck aller dreyen Perſonen/ aber Er
der Sohn ſteht allein in derſelben mercklichen Natur ſichtbarlich da; deß-
gleichen der H. Geiſt in der Tauben Geſtalt. Und dieſe Zeugen alleſamt/
der Vater ſagt/ das iſt mein Sohn; der Sohn/ als der Candida-Matt. 3, 16.
Marc. 1, 10.
Luc. 3, 21.
tus ſteht da am Ufer und betet/devovirt ſich und gelobet allen Willen
GOttes zu erfuͤllen/ als ein treuer Zeug ſeinen Vater zu verklaͤren/ und ſei-
ne Lehr mit Miraculen zu beſtaͤtigen/ zu zeigen und zu zeichnen mit Wun-
derwercken/ zu kommen mit Waſſer und Blut; der H. Geiſt/ der durch
die Propheten weiland geredet/ und bezeuget/ daß im Namen JEſu/ alle
die daran glauben/ Vergebung der Suͤnden empfahen ſollen/ der zeugt in
præſenti, reipſa \& incubitu \& μονῇ, er fladert und vagirt nicht daher/
ſondern bleibt und bezeugt/ daß dieſer ſey Chriſtus/ der Geſalbte ohne Maß/vid. Brent.
ad Luc.
pag. 488.
die jenige Perſon/ von welcher alle Propheten zeugen; ſtellt ſich dar/ daß
er hinfort zeugen und Chriſtum verklaͤren wolle mit Worten/ Wercken und
Wundern Joh. 16.
Es ſind aber dieſe benamſte Perſoͤnliche Zeugen oder warhafftige
Perſonen/ nicht gemeine/ ſchlechte/ unanſehnliche/ irꝛdiſche Perſonen/ ſon-
dern perſonæ Nobiliſſimæ, die drey/ die ihres gleichen nie geſehen/ von
welchen die Sacramentliche irꝛdiſche Zeugen/ Predigampt/ Tauff und
Abendmahl/ all ihr autoritaͤt/ Liecht/ Glantz/ Krafft/ Tugend und Nach-
truck ſchoͤpffen/ empfangen und haben/ und alſo/ Nobiles, Nobiliores,
Nobiliſſimi, Edle/ Edlere/ die Aller-Edleſte Zeugen.
I. Teſtes Nobiles in poſitivo,Edle Zeugen/ edle Horte/ edle
Felßen/ darauff man bauen kan/ und das darum/ dieweil deroſelben drey
ſind. Ternarius hat je und allezeit eine perfection bedeutet/ τρὶς πάντη
omne trinum perfectum, daher ſagt man aller guter Ding ſind drey.
Dann warum werden mit dem ternario oder dreyer Zahl bezeichnet alle
Ding/ die vollkommen ſeyn? Warum bedeut bey den Hebreern die
N 2drey-
[100]Die ſiebende
dreyfache Widerholung den Superlativum, wann ſie etwas gar hoch mit
Worten erheben wollen/ ſo widerholen ſie deſſen Namen dreymal. Jerem. 7.
Hie iſt der Tempel des HErꝛn/ dreymal/ das iſt/ der herꝛlichſte
Tempel. Eben darum wird der Name/ Herr/ dreymal wiederholet in
dem Prieſterlichen Segen Num. 6. deßgleichen das τρισάγιον, Heilig/
Heilig/ Heilig/ Eſa. 6. drey Zeugen erſcheinen auff dem H. Berg/
drey Apoſtel ſind die epoptæ, oder Zuſeher. Tres faciunt collegium,
ſagt man in Schulen. Wo kompt ſolches alles her/ anders/ als weil das
hoͤchſte/ edelſte/ fuͤrtrefflichſte Collegium auß dreyen Perſonen beſteht?
vid. in E-
piſt. hiſtor.
Cluver.
pag. 417.Daher jene Orientaliſche Churfuͤrſten drey Kayſer auff dem Thron wol-
ten geſetzt haben/ den Conſtantium, Tiberium und Heraclium, auff
daß gleich wie ſie eine heilige Drey-Einigkeit glauben/ dieſelbe auch auff
dem Kayſerlichen Thron repræſentirt und abgebildet werde; war gut
gemeynt/ wiewol gemelten Churfuͤrſten ihre Wahl uͤbel bekommen. Es
kan auch wol ſeyn/ daß man bey Beſtellung und Formirung unſerer hieſi-
gen Repub. und dero unterſchiedlichen Dreyer-Herren auff diß Geheim-
nuͤß eine reflexion gehabt. Beſteht nun alle Warheit in zweyer/ wie viel
mehr in dreyer Zeugen Munde; wie es dann alſo ſeyn ſoll; Soll/ ſag ich/
dann bey Menſchen triffts nicht allzeit ein/ es ſoll zwar ſo ſeyn/ aber es ge-
ſchicht nicht allzeit/ Daniel bringt eine ſtarcke inſtantz von den zween alten
Schaͤlcken und Suſannaͤ-Bulern/ deren Zeugnuͤß nicht uͤbereinſtimmet/
einer ſagte unter der Eichen/ der ander unter der Linden. Wie?
wann aber ſolche drey Zeugen in der Welt koͤnten gefunden werden/ die
gantz und gar eins waͤren/ nicht nur ein Hertz/ Sinn/ Mund und Willen/
ſondern auch eins Weſens; wuͤrde man nicht ſagen koͤnnen? Je einiger/
je gewiſſer/ unitiſſimi veraciſſimi. Nun was wir in der Welt nicht
finden/ das finden wir hie in dieſem myſterio, da dieſe drey Zeugen
(nicht allein zuſammen ſtimmen εἰς ἓν, ad teſtificandum filium Dei,
ſondern auch) ἓν, ſie ſind auch eines/ ſie reden ex uno ore \& corde, auß
einem Hertzen und Mund/ ſie ſind nicht nur eines Hertzens/ Gemuͤths/
Sinn/ affect, Willen/ Mund und Wort/ ſondern auch einer Natur und
Weſen?
Lutherus ſchreibt Tom. 2. Iſleb. p. 439. f. 2. Es ruͤhmen die Juden und
Tuͤrcken/ daß ſie das rechte Volck GOttes ſind/ weil ſie nur einen GOtt anbeten/
laͤſtern und ſchmaͤhen uns Chriſten/ als Goͤtzendiener und unſinnige Narren/
die drey Goͤtter anbeten. Es iſt nicht wahr; ſie reden uns ſolches in den Ruͤ-
cken zu bey ihren Schuͤlern/ wiſſen nicht was ſie ſagen/ ſind Blinde und Blinden-
leiter. Wir ſagen und bekennen beſſer dann ſie/ daß nicht mehr dann ein GOtt
ſey/ der gegen der Creatur zurechnen alles geſchaffen hat: weiter ſagen wir/
daß
[101]Predigt.
daß wir Chriſten nicht gnug dran haben/ wie der Schoͤpffer zu halten und zu
rechnen ſey gegen der Creatur/ ſondern wir wiſſen und lehren auß der Schrifft/
was GOtt in ſich ſelber iſt/ ja daß Er ſein Goͤttlich Weſen bey ſich ſelber hat.
Da bekennen wir/ daß der einige Herr/ Konig/ GOtt und Schoͤpffer durch ſei-
nen Sohn ſich alſo abgemahlet und zu erkennen gegeben hat/ daß es in der Gott-
heit alſo ſtehet/ daß das Wort wird geſprochen durch den Vater/ und der H. Geiſt
(wie man ſaget/) darein williget/ das ein gedrittes iſt/ und doch in ſich ſelbſt nur
eines gegen der Creatur zu rechnen. Daher ſagt Auguſtinus und andere alte
Lehrer: Opera Trinitatis ab extrà ſunt indiviſa, das iſt/ die Werck der H. Drey-
faltigkeit ſind von auſſen unzertheilet/ der Vater/ Sohn/ Heiliger Geiſt iſt ein
einiger Schoͤpffer/ nicht drey gegen der Creatur: So weit kommen Juden/
Heyden und Tuͤrcken. Wir ſollen aber GOtt nicht allein anſehen/ von auſſen
in ſeinen Wercken/ ſondern Er wil auch erkannt ſeyn/ was Er inwerts iſt/ in-
wendig iſt ein einig Weſen/ und drey Perſonen/ der Vater/ Sohn/ Heiliger Geiſt/
nicht drey Goͤtter/ beten derhalben nur einen GOtt an. Wie gehets denn zu?
Vnaußſprechlich iſts/ die lieben Engel koͤnnen ſich nicht gnugſam daruͤber ver-
wunderen fuͤr Freuden/ und wird ins Wort gefaßt und fuͤrgeprediget. Wenn
wir den ſchwartzen/ garſtigen/ unflaͤtigen/ ſtinckenden Maden-Sack abgele-
get haben/ wollen wir es mit den lieben Engeln ſehen/ unſere ewige Freude und
Seligkeit daran haben/ und der Juden/ Heyden/ Tuͤrcken widerſpotten/ die
uns jetzt fuͤr Kloͤtze halten/ als die nicht wiſſen noch verſtehen/ daß nur ein GOtt
ſeye. Hæc D. Luth.
II. Nobiliores in comparativo, quia cœleſtes,Edlere Zeu-
gen/ darum dieweil ſie ſind himmliſche Zeugen. Johannes ſagt
[...]ν τῷ [...]ρανῷ, ſind Zeugen im Himmel. Was Himmliſch iſt/ das iſt all-
zeit beſſer/ als was irꝛdiſch iſt; und je hoͤher der Himmel iſt/ je hoͤher auch
die himmliſche Zeugen/ doch einer vor dem andern/ wie auch ein Him-
mel iſt uͤber den andern. Es waren zwar fuͤrtreffliche Zeugen die zween
hiezu außerwehlte Maͤnner/ Moſes und Elias auff dem H. Berg/ die
in ihren glorificirten herꝛlichen Leibern erſchienen/ als obſides merito-
rum Chriſti \& reſurrectionis ad vitam æternam, als gewiſſe Geyſel
und Buͤrgen deß Verdienſts und Aufferſtehung Chriſti zum ewigen ſeligen
Leben; Maſſen ſie auch mit dem Herrn Sprach gehalten von ſei-
nem Außgang zum Creutz und Tod. Die Engel/ die da gezeugt von
Chriſti Geburt/ Aufferſtehung/ Himmelfahrt ꝛc. ſind auch himmliſche
Zeugen/ die allzeit im Himmel ſeynd/ das Angeſicht deß himmliſchen
Vaters ſehen/ nunquam fallaces, die koͤnnen auch nicht triegen/ dann
ſie ſind in der Warheit beſtanden/ und deßwegen die Firmungs-Cron er-
langt/ und ſo feſt behalten/ daß ſie wie nimmer ſterben/ alſo auch nimmer
N 3ſuͤn-
[102]Die ſiebende
ſuͤndigen koͤnnen. Diß ſind ja edle Zeugen. Aber hie in unſerm Text
werden gelobt Zeugen immenſum nobiliores, ſo unermeßlich unver-
gleichlich Hoͤher ſind als Menſchen und Engel/ die Zeugen in dem Him-
mel/ der hoͤher iſt als alle Himmel/ da kein Engel/ weniger Menſche
(außgenommen der Menſch Chriſtus) jemal eingelaſſen worden/ der
Himmel uͤber alle Himmel/ hoͤher als alle Himmel/ von wel-
chem die Tauff Johannis gekommen/ da wohnet der Vater im Himmel/
der Sohn der im Himmel war Joh. 3/13. der H. Geiſt vom Himmel
herab geſandt Actor. 2, 2. zu Anzeig deſſen hat ſich am Jordan der Him-
mel auffgethan/ und ſind dieſe drey Zeugen in himmliſchem habit er-
ſchtenen/ der Vater in einer himmliſchen Donner-Stimm (wie auch ge-
ſchehen Joh. 12.) der Sohn in ſeiner himmliſchen/ unſuͤndlichen/ unſterb-
lichen/ allerheiligſten Menſchlichen Natur/ als der himmliſche Adam/ in
dem Tempel/ in welchem alle Fuͤlle der Gottheit leibhafftig woh-
net Coloſſ. 2/9. der H. Geiſt in einem himmliſchen Gemaͤch und Ge-
vid.
Chemnit.
Harm.
pag. 249.ſchoͤpff. Der Vater oͤffnet den Himmel/ und zeuget/ daß nunmehr der
Himmel uns offen ſtehe/ ohn Jhn (Chriſto) wars alls verſchloſſen; der
Sohn GOttes ſteht da/ als die Himmels-Leiter/ der iſt und weißt uns
Weg und Steg zum Himmel; der H. Geiſt/ der Jacob getroͤſtet/ troͤ-
ſtet auch allhie ex Gen. 28. Hie iſt der Himmel offen/ hie iſt die Porte deß
Himmels/ doch per auditum; wer in Himmel kommen wil/ der hoͤre
meinen Sohn/ ſagt der himmliſche Vater. Darum ſind auch dieſe
Zeugen
III. Nobiliſſimi, quia Divini,die Aller-Edelſte Zeugen/
dieweil ſie ſind Goͤttliche Zeugen. Gott iſt das hoͤchſte edelſte Gut; al-
ſo was Goͤttlich iſt/ kan nichts anders/ als das edelſte und beſte ſeyn. Die-
ſe Zeugen ſind Goͤttliche Zeugen/ nicht drey Goͤtter/ ſondern drey Goͤttli-
che Perſonen/ worauff St. Johannes klar dentet verſ. 9. So wir der
Menſchen Zeugnuͤß annehmen/ ſo iſt GOttes Zeugnuͤß
groͤſſer/à minori ad majus. Bey Menſchlichen Gerichten und da-
ſelbſt einlauffenden Zeugnuͤſſen/ je groͤſſer/ edler/ herꝛlicher/ fuͤrtrefflicher/
ſtandhaffter die Perſon iſt/ die da zeuget/ je mehr wird das Zeugnuͤß re-
ſpectirt/ je mehr gilt auch ſein Wort und recommendation, ein Wort gilt
mehr/ als ſonſt hundert. Haman war ein grandis, ein groſſer Mann/
und das Fac totum am Koͤniglichen Perſianiſchen Hoff/ er bringet bey
ſeinem Koͤnig Ahaſvero wider die Juden an/ es ſey ein abſonderlich ſtol-
tzes hoffaͤrtiges Volck/ ſeyen Sonderlinge/ haben ihren ſonderbaren Got-
tesdienſt/ es ſey unleidentlich/ Ahaſverus ſolle ihm erlauben/ ſo woll ers
mit
[103]Predigt.
mit Stumpff und Stihl außrotten/ und damit/ auß Mangel deroſelben
Contributionen, dem Koͤniglichen fiſco nichts abgehe/ ſo woll er den
Verluſt erſetzen mit 10000. Centner Silbers/ und ſolchen auß den con-
fiſcirten Guͤtern der Juden erheben. Eſth. 3/8. \& 9. Aber dem zugegen
tritt ein anderer/ hoͤherer und Edlerer Zeug ins Mittel/ nemlich die Hertz-
beliebteſte/ und hoͤchſt-betruͤbteſte Koͤnigin Eſther/ die bezeugt das Wider-
ſpiel/ und beweißt/ daß Haman der Schalck ſeye/ der dem Koͤnig nach
Scepter und Kron trachte (wie in Apocrypho Eſth. zu leſen) das gilt!
das tringt durch! Eſtheræ ſuada penetrantior erat, die ſtich; dem groſ-
ſen Hanſen und Hoff-Schrantzen ſeine alteza hinweg. Weil nun auch
hie Goͤttliche Zeugen fuͤrhanden/ ſo ſind ſie die allerfuͤrnemſten/ Gott
Vater als die Warheit ſelbſt/ der Sohn als der treue und warhafftige Zeug/
und der Geiſt der Warheit/ der antiquus Dierum der aͤlter iſt/ als alle
alte Braͤuch und Baͤuch/ alle Patres und Patriarchen/ alle ſucceſſiones
und antiquitaͤten/ archiven und annales: derſelbe ſagt/ das iſt mein
Sohn/ den ſolt ihr hoͤren/ warum tobet ihr wider dieſen ſo hoch und feſt ge-
ſetzten Koͤnig zu Zion/ und redet ſo vergeblich/ warum lehnet ihr euch auff
und rathſchlaget wider Jhne? Pſal. 2/2. Jch hab Jhn von Ewigkeit
gezeugt/ der ehe geweßt/ als alle euere intentiones, machinationes, con-
ſilia, Rathſchlaͤge/ Fuͤnde und Vorhaben: darum was tobet ihr Narren/
hie ſteht ein Zeug/ der ehe geweßt/ als ihr alle miteinander mit allen euren
Liſten und Anſchlaͤgen. Der H. Geiſt der forſchet die Tieffe nicht allein
deß Menſchlichen Hertzens/ derer ſo wol Feinden als Freunden/ ſondern
auch deß Hertzens GOttes/ weiß am allerbeſten wie Gott der Herr ge-
gen uns affectionirt. Er iſt αὐτὸς ἔφα! Καὶ αὐτὸ τὸ πν [...]μα DER-
SELBJGE Geiſt gibt Zeugnuͤß unſerem Geiſt/ daß wir
GOttes Kinder ſind; ja derſelbige hilfft unſerer Schwach-
heit auff/ Er ſelbſt vertritt uns gewaltiglich mit unaußſprechlichen
Seufftzen Rom. 8. Und ſind dieſe Zeugen nicht bloſſe Wort-Zeugen
(wie die Menſchliche und Engliſche) ſondern (weil wir leben vom Muͤnd-
lichen Wort GOttes/ das auß GOttes Mund flieſſet) Werck-Zeugen/
thaͤtliche Zeugen/ die was ſie gezeuget auch werckſtellig gemacht/ wuͤrcklich
deß himmliſchen Vaters Lieb/ die Bruͤderlich Bluts-freundl[i]che Erloͤſung
Chriſti/ die lebendigmachende Krafft deß H. Geiſtes offeriren und darbie-
ten/ und deßwegen Teſtes fundamentales unſers Glaubens/ uͤber-Him-
mel-feſte Gruͤnde/ Hort und Felßen.
Solche Zeugen ſind dieſe drey himmliſche/ edle/ edlere/ und Goͤtt-
liche allerbeſte und edelſte Zeugen/ auff welche die Lehr Chriſti gebauet/
und
[104]Die ſiebende
und unſer Glaub beruhet/ ſo herꝛlich und uͤber-himmelfeſt iſt derſelbe ge-
gruͤndet/ wer kan zweifflen? Jn ſolcher Geſtalt iſt uns dieſer Grund ge-
offenbahret/ O ſelige Leuthe! O uͤber-ſeliger Johannes/ die oder der ſolch
theatrum und ſpectacul am Jordan zu ſchauen gewuͤrdiget worden.
Quid hoc ad nos? ſpricht oder gedenckt mancher Menſch/ was gehet aber
uns diß an? Uns geſchicht keine ſolche Erſcheinung nicht mehr/ Gott
hat unſer als der letſten Spaͤtlinge vergeſſen; wann ſich der Himmel auch
uͤber uns auffthaͤte/ wann deß Vaters Stim̃ auch in unſern Ohren erſchal-
lete/ der Sohn im ſichtbaren Fleiſch noch heutigs Tags erſcheinete/ der
H. Geiſt in Geſtalt der Tauben uͤber uns ſchwebete/ ſo koͤnten oder wolten
wir glauben. Antw. O digito compeſce labellum, O Menſch lege den
Finger auff den Mund! Laß ſolche Wort und Gedancken fahren; Au-
guſtinus nennt dieſe Gedancken und Einwuͤrffe ſuperbiſſimas, \& peri-
culoſiſſimas, die allerhoffaͤrtigſte und gefaͤhrlichſte Einfaͤll. Ja waswaͤr
es/ wann du gleich damahl dieſem actui beygewohnt/ wuͤrdeſtu davon
glaubiger oder froͤmmer worden ſeyn? Jch zweiffle! die Phariſeer und
Schrifftgelehrten/ haben dieſes ſpectacul auch mit fleiſchlichen Augen ge-
ſehen/ unterdeß den Rath GOttes wider ſich ſelbſt verachtet; Und darff
wol ſeyn/ daß es etliche fuͤr ein Zauberey und Teuffels-Geſpenſt außge-
ſchrien/ was ſich damals am Jordan begeben.
Haͤtte Er (der Herr Chriſtus) den Juden ein Zeichen vom Himmel gege-
ben/ ſo haͤtten ſie Jhn einen Zauberer geheiſſen. Denn ſo die groſſe Wunder-
werck/ als Teuffel außtreiben/ Todten aufferwecken/ und andere Miracul, die
ſonſt niemand thun kan/ denn GOtt ſelber/ nicht helffen/ dabey ſie doch greiffen
muſten/ Er waͤre ein anderer Mann/ denn ander Leuthe/ was ſolten dann die
Zeichen in der Lufft oder vom Himmel bey ihnen gegolten haben? Die ſo groß
nicht ſeyn koͤnten. Denn ob Er ſchon einen ungewoͤhnlichen neuen Stern haͤtte
ſcheinen laſſen/ oder ſonſt etwas gethan/ ſo haͤtten ſie geſaget: Ey der Teuffel hat
ſein Spiel alſo in der Lufft. Die Gottloſen glauben nicht/ man mache es mit
ihnen wie man wolle/ ſo ſinds Diſtel-Koͤpffe/ die nur ſtechen und kratzen/ das
iſt/ alles laͤſtern und ſchaͤnden. Sic optimè Lutherus Tom. 2. Isleb. p. 485. f. 2. in
cap. 2. Joh. 1.
Ja der Teuffel ſelbſt iſt nicht fern von dannen geweßt/ aber er macht ein
Geſpoͤtt drauß. Derowegen ſelig ſind/ die nicht ſehen und
doch glauben.Myſteria fidei ſunt ἀόρα [...], Hebr. 11. Der Glaub
iſt deſſen das man nicht ſihet. Doch was damal geſchehen ſicht-
barlicher Weiſe/ das geſchicht noch taͤglich unſichtbar und geiſtlicher
Weiſe in der Predigt deß Worts Gottes/ ſonderlich in der H. Tauff/ da
dieſe drey Zeugen erſcheinen und zugegen ſeyn/ wann der Menſch getaufft
wird/
[105]Predigt.
wird/ im Nahmen Gottes deß Vaters/ deß Sohns/ und deß
H. Geiſtes. Da die Stimme vom Himmel erſchollen Joh. 12/30.
So antwortete der HErr JEſus und ſprach: Dieſe Stim̃ iſt nicht
um meinen Willen/ ſondern um euren Willen geſchehen/
alſo auch die Stimm die am Jordan erſchollen. Der Vater haͤlt uns
den Himmel noch alle Tag offen/ ſo offt das hohe heilige Werck der Tauff
gehalten wird/ und ſagt wuͤrcklich als ein Jmmer-Vater: Diß
Kind iſt mein lieber Sohn/ mein liebe Tochter/ ich nim̃ ſie an Kind-
ſtatt an um und von wegen meines einigen eingebohrnen natuͤrlichen
Sohns willen/ der Macht gibt Kinder Gottes zu werden allen die an ihn
glauben; Chriſtus zeuget biß ans Ende der Welt/ er kom̃t taͤglich mit
Waſſer und Blut; der H. Geiſt iſt ein ewiger Zeug.
Von der Zukunfft Chriſti (ſind abermalLutheriuͤber die maſſen ſchoͤ-
ne und troͤſtliche WortTom. 2. Isleb. p. 471. f. 1.) da war der Himmel feſt zu-
geſchloſſen/ uñ regirte der Teuffel gewaltiglich; aber durch Chriſtum und in Chri-
ſto iſt der Himmel wieder auffgeſperret/ und ſehen die Chriſten den Himmel nu
offen/ und hoͤren Gott den himmliſchen Vater ſtets mit ihnen reden/ und die lie-
ben Engel ohn unterlaß auff und ab zu uns fahren. Denn das Wort (diß iſt mein
geliebter Sohn/ redet der himmliſche Vater noch immer mit uns/ hoͤret nicht auff
biß auff den juͤngſten Tag ſolches zu reden/ und wird der Himmel nicht zugeſper-
ret: Kom̃eſt du zur Tauffe/ oder nimmeſt du das Abendmal/ oder holeſt du die ab-
ſolution, oder wenn man prediget/ ſo ſiehet der Himmel offen/ und wir hoͤren die
Stimme deß himmliſchen Vaters/ und kommen dieſe Werck alle auß dem Him̃el/
und iſt der Him̃el uͤber uns offen/ denn GOtt redet mit uns/ und regiert uns/ ſor-
get auch fuͤr uns/ und ſchwebet Chriſtus uͤber uns/ aber unſichtbarlicher Weiſe.
Vnd ob gleich eiſerne und ſtaͤhlene Wolcken uͤber uns waͤren/ und den Him̃el gar
bedeckten/ ſo hinderts uns doch nichts/ wir hoͤren dennoch GOtt vom Himmel mit
uns reden/ und wir ſchreyen und ruffen zu ihm/ da erhoͤret und antwortet er uns/
und wir hoͤren ihn wieder/ wenn er mit uns redet/ in der Tauffe/ im Abendmal/
in der Beicht/ und in ſeinem Wort/ durch derer Mund/ die das Wort dem Volck
verkuͤndigen/ und ſtehet der Himmel uͤber uns offen/ wie auch St. Stephan
den Himmel offen ſihet/ in den Geſchichten der Apoſtlen Cap. 7.
Et mox ead. pag. Tom. cit. Wo nun die Chriſtliche Kirche iſt/ und das
Goͤttliche Wort rein geprediget/ und die Sacrament gehandelt werden/ mit
treuem Fleiß aus dem Wort Gottes; es auch gehoͤret und mit glaubigem Hertzen
angenommen/ und die Articul unſers Chriſtlichen Glaubens unverfaͤlſcht getrie-
ben werden/ daſelbſt ſtehet der Himmel weit offen/ und iſt nicht mehr zugeſchloſ-
ſen. Zuvor war der Himmel wol zu/ ehe dann Chriſtus Menſch ward/ aber
nun iſt er wieder auffgethan/ dieweil das Kindlein JEſus gebohren iſt/ und die
Engel den Hirten deß Nachts fuͤr der Stadt Bethlehem von dem Kindlein pre-
digen und ſagen: Sihe wir verkuͤndigen euch groſſe Freude/ euch iſt geboh-
ren Chriſtus der Heyland/ und ſingen drauff/ Ehre ſey GOtt in der Hoͤhe/ Frie-
de auff Erden/ und den Menſchen ein Wolgefallen ꝛc. Vnd von der Zeit an ſte-
Achter Theil. Ohet
[106]Die ſiebende
het der Himmel offen/ und wir gehoͤren (wie S. Paulus zun Epheſern am an-
dern Capitel ſagt) auch unter die Buͤrgerſchafft der Eugel. Vnd zun Philip-
pern am 3. Capitel ſpricht St. Paulus: Wir ſind Buͤrger und Haußgenoſſen der
Heiligen/ und iſt unſer Buͤrgerſchafft nicht weltlich noch irꝛdiſch/ ſondern droben
im Himmel/ von dannen wir erwarten deß Heylandes JESV CHRJSTJ ꝛc.
daſelbſt iſt die Stadt und das rechte Hieruſalem/ da wir Mitbuͤrger der Engel
ſind und Haußgenoſſen/ und Landſaſſen derer ſo im Himmel wohnen/ und dariñ
handlen und wandlen/ die Engel ſehen herab auff uns/ und wir ſehen wieder
hinauff zu ihnen. Das wil Chriſtus ſagen/ ihr ſeyd nun himmliſche Buͤr-
ger/ und habt nun euer Buͤrgerſchafft droben im himmliſchen Jeruſalem/ und
ſeyd in der Gemeinſchafft der lieben Engel/ die ohn unterlaß zu euch auff und
abfahren. Nun iſt Himmel und Erden ein Ding worden/ und iſt eben ſo viel/
als ſaͤſſet ihr droben/ und die lieben Engel dieneten euch/ denn ihr ſeyd ein
Leib mit ihrem Herrn/ ſie warten auff euch/ ſie reden mit euch/ und ihr
mit ihnen/ und fuͤhret alſo einerley Rede/ ſingen unſerm HERRN GOTT/
Gloria in excelſis Deo, das ſinget ihr auch/ daß ihr zu den groſſen Gnaden
kommen ſeyd/ daß ihr Gottes Kinder und Erben/ und Mit-Erben ſeines lieben
Sohns/ deß heiligen Geiſtes und aller Guͤter theilhafftig worden ſeyd. Das
heiſt warlich nicht den Himmel zugeſchloſſen ſeyn/ ſondern es iſt Thuͤr und
Schloß hinweg gethan/ und ohn unterlaß offen geſtanden/ ob ich gleich mit den
leiblichen Augen das nicht ſehe/ wie ein Kuhe ein Thor anſihet/ das ſchadet
nicht/ ſo ſehe ichs doch mit meinen geiſtlichen Augen deß Glaubens/ das iſt
mir lieber/ denn wenn ichs mit meinen leiblichen Augen ſehe. Et pag. ſeq. 472. f. 1.
Alſo ſehen wir noch den Himmel offen/ ja wir wohnen ſelbſt im Himmel: Dann
ob wir wol etlicher Weiſe in der Welt leben/ ſo ſind wir doch geiſtlich angeſchrie-
ben im Himmel/ unter die himmliſchen Buͤrger/ und haben unſern Wandel all-
da fuͤr GOtt mit unſerm Gebet/ im Glauben und im Goͤttlichen Wort/ auch in
den Sacramenten, wandlen in der Liebe gegen dem Raͤchſten/ wachſen im Wort
und Erkaͤntnuͤß Chriſti/ nehmen auch zu in alle dem/ was uns von noͤhten iſt
zum ewigen Leben. Das iſt unſer himmliſcher Wandel/ welchen der Glaub
hie anfaͤhet/ und iſt unſer Wohnung und Wandel im Himmel/ leben allda wie
Buͤrger/ ob wir gleich mit dem Leibe noch auff Erden ſind/ welcher denn hie in
dieſem Leben durch das Creutz und den zeitlichen Tod muß gepantzerfeget wer-
den. Hæc rurſus D. Lutherus.
Allein ligts an dem Glauben/ daß wir recht anſchauen/ wie Johannes mit
geiſtlichen Augen ſich uͤber diß Geheimnuͤß hertzlich und inniglich erfreuet/
mit Verwunderung geiſtlicher Weiſe in ſeinem eigenen Hertzen auffge-
ſprungen/ gleich wie er unter dem Hertzen ſeiner Mutter auffgehupfft.
Jch kan Chriſtum (ſind abermal Wort Lutheri Tom. 2. Isleb. p. 471. fac. 2.)
von Angeſicht zu Angeſicht mit meinen leiblichen Augen nicht ſehen/ und wenn
ich ihn gleich auff dieſe Weiſe ſehen koͤnte/ wie St. Stephanus ihn geſehen hat/
ſo were mirs doch nicht ſo gewiß/ als wann ich ihn im Glauben ſehe. Dann
da darff ich meinen Mund auffthun/ und mit hertzlichem Vertrauen beten und
ſagen: Vater unſer der du biſt im Himmel; item ſprechen: du lieber GOtt ſey
mir gnaͤdig/ und erhoͤre mich um deines lieben Sohns JEſu Chriſti Willen;
Vnd
[107]Predigt.
Vnd koͤnnen denn ſo gewiß beten/ gleich als waͤre GOtt fuͤr unſeren Augen ge-
genwaͤrtig. Ja wenn man GOtt im Glauben ſthet/ ſo iſt das geiſtliche Geſicht
gewiſſer/ dann das leibliche ſehen/ und ich wolte mir auch nicht ein ander Ge-
ſicht wuͤnſchen/ die Vrſach iſt dieſe/ daß der Teuffel die Kunſt kan/ und mir
leichtlich ein Geplerꝛ und Geſpaͤnſt fuͤr meine leibliche Augen machen/ daß ich
meynete ich ſehe etwas gewiß/ das ich doch nicht ſehe; item, daß ich meynete
es were ein ſchoͤner Engel/ und were doch ein Kohl-ſchwartzer Teuffel/ wie denn
der Exempel viel vorhanden ſind. Machet er ſich doch zu GOtt im Evangelio/
da er Chriſtum in der Wuͤſten verſuchte/ und fuͤrgab/ er ſolte fuͤr ihm niderfal-
len und ihn anbeten. Aber alſo kan er die geiſtlichen Augen deß Glaubens nicht
betriegen/ denn da verlaͤſt man ſich/ und hanget an dem Goͤttlichen Wort/ und
durch das Wort ſihet mans/ und laͤſt ihm kein Geplerꝛ fuͤr die Augen machen/
denn das Wort iſt gewiß. Sonſt ſind unſere leibliche Augen viel zu tunckel/
ſolche ſchoͤne Geiſter die Engel zu ſehen/ der Glaub aber ſihet ſo ſcharff/ daß er
durch Wolcken und durch den Himmel/ ja auch unſerm Herrn GOtt in ſein
Hertz ſihet: dieſes ſehen wollen wir haben.
Dieſem Johannis Exempel nach ſollen wir auch (1.) anſchauen
und erkennen die H. Drey-Einigkeit/ als das Fundament uñ Grundfeſt
unſers Heyls/ mit Athanaſio bekennen und ſagen: Wer da wil ſe-
lig werden/ der muß vor allen Dingen den rechten Chriſtli-
chen Glauben haben/ drey Perſonen in einer Gottheit/
und einen GOtt in drey Perſonen ehren. Der Sathan iſt die-
ſem/ wie allen andern Geheimnuͤſſen deß Glaubens/ gram und abhold/
were es bey ihm geſtanden/ er haͤtte ſolchen Glauben laͤngſt ruinirt/ auff-
gehoben und in die Vergeſſenheit gebracht. Die Juden haben ſich druͤ-
ber geaͤrgert/ die Heyden und heutige Tuͤrcken haltens fuͤr eine Thorheit/
(*) wir muͤſſen aſſociatores und Abgoͤtter ſeyn/ als die wir an drey Goͤt-(*) Alcor.
azoar. 82.
ter glauben. Die alten Arianer und Photinianer widerfechten denſelben
auffs hefftigſt. Die Arminianer wollens fuͤr kein Glaubens-Articul hal-
ten/ ſchelten Athanaſium als einen Freveler/ der ſein Symbolum mit ſol-
chen vermeſſenen Worten intonirt/ wer da wil ſelig werden ꝛc.
Die Syncretiſten wollens fuͤr keinen cotholicum articulum halten. Ei-
ner und zwar der principal gibt fuͤr/ Es habe dieſe Lehr mehr Safft und
Krafft nicht/ als die Frag/ von der Tauff Johannis ob ſie vom Himmel
ſey? Doͤrffens auch wol halten mit jenem Griechiſchen Kaͤyſer Manue-
le Comneno, der nicht leyden wolt/ daß man die Saracener und andere
die die Drey-Einigkeit leugnen/ ſolte verbannen und verdammen/ dann
ſagt er: Es iſt ja der Gott/ an den ſelbige glauben/ ein wahrer Gott. Ja
alle unſere faule ignoranten haltens auch mit: Vnſer alte blinde faule
Adam mag auch nicht von dem Himmel viel hoͤren und wiſſen; Drey
Perſonen ſind ihnen frembde Goͤtter/ wanns hoch kommt/ ſo bleibts da-
O 2bey/
[108]Die ſiebende
bey/ daß man eben ſagen kan/ es iſt nur ein GOtt/ und drey Perſonen/
was aber ein Perſon ſey und heiſſe/ und wie ſolches zu erweiſen/ und was
wir von ſolchem Glauben an die H. Drey-Einigkeit fuͤr Safft und Troſt
davon haben und ſchoͤpffen ſollen/ da iſt altum ſilentium, da ſchreckt
man die Gemuͤther/ mit dem Knaͤblein welches Auguſtinum in die Schul
gefuͤhrt; Jn dem daß er unterſtanden das groſſe Meer in ein kleines
Gruͤblein zu gieſſen und faſſen/ grad als wuͤrde das Stuͤck-wiſſen/ durch
die Unmuͤgligkeit vollkommelich zu begreiffen auffgehoben.
Da doch ſolches Auguſtinus Epiſt. 205. hypobolimæa, in einem ſol-
chen Brieff/ der nicht aus Auguſtini ſondern frembder Hand und Sinn
auffs Papier geklittert worden/ ſolches referirt von Hieronymi Seel/
die Auguſtinum abgehalten zu forſchen ſolche Ding/ die in Gottes
Wort klar nicht geoffenbart. Was geht aber das an die Wiſſenſchafft
deſſen und ſo viel uns geoffenbart? Maſſen dann eben daſelbſt Hiero-
nymi Seel viel Sachen von der H. Dreyfaltigkeit ſubtil und hell ent-
deckt haben ſoll. (*)
Man weis gar wol/ daß niemand das διότι erreichen wird/ aber vom ὅτι
ſteht geſchrieben Hebr. 11/6. Wer zu GOtt kom̃en wil/ der muß
glauben/ daß er ſey/ und denen die ihn ſuchen ein Vergelter
ſeyn werde. Es iſt ja dieſe Offenbahrung am Jordan nicht verge-
bens oder den Gaͤnßen geſchehen. Ignoti nulla cupido, wovon man
nichts weiß/ nach dem iſt niemand begierlich heiß. Zwar zu GOtt wil
jederman kommen/ aber gar wenig wollen ihn recht erkennen/ die Welt
hat ihre beliebte und ihr gar bekañte Dreyfaltigkeit/ die heiſt:
Ambitioſus honos, \& opes, \& fœda voluptas:Hæc tria pro trino Numine mundus habet.
Das iſt:
Darum auch der ſchnoͤden Welt/ GOtt der HErꝛ zur Rach uͤber den
Halß ſchickt drey ſchaͤdliche Reuter Apoc. 6. \&c. Es bleibt dabey/ ohne
dieſe Erkantnuͤß kan niemand ſelig werden/ dann das iſt das ewige
Leben/ daß ſie dich (O Vater) der du allein wahrer GOtt
biſt/ und den du geſand haſt/ JEſum Chriſtum erkennen/
ſagt Chriſtus Joh. 17/3. Ohne dieſe Erkantnuͤß kan niemand GOtt
im Himmel recht ehren/ dann wer den Sohn nicht ehret (als ei-
nen gleich wahren GOtt mit dem Vater) der ehret den Vater auch
nicht/ der ihn geſand hat/ ſagt er abermahl Joh. 5/23. Darum
hat Lutherus den Rath gegeben/ wann man beten wolle/ ſollen wir un-
O 3ſere
[110]Die ſiebende
ſere Sinn/ Hertzen und Gedancken an den Jordan wenden und uns dero
daſelbſt geſchehenen Goͤttlichen Offenbahrung andaͤchtig erinnern.
Wir ſollen (2.) hierauß ſchoͤpffen Fidei ἀσφάλειαν \& fiducialem
λαβὴν, die Glaubens-Verſicherung/ und zuverſichtliches An-
nehmen/ auff dieſer drey Zeugen Zeugnuͤß unſern Glauben veſt gruͤn-
den und bauen/ wie Johannes gethan. Niemand wird genieſſen koͤnnen
den Safft und Krafft/ Frucht und Troſt/ ſo auß glaubiger Erkantnuͤß er-
waͤchſet/ denn wer von rechtem Hertzen dieſen Articul glaubt/ der hat zu-
forderſt die ἀσ [...]λειαν und Gewißheit/ da iſt allem Zweiffel und Ver-
zweifflen gerathen; der kan nicht nur den Papſt und Paͤpſtiſche Kirch/
mit aller ihrer antiquitaͤt/ ſondern auch die Engel im Himmel provoci-
ren und herauß fordern/ wann ſie gleich Wunder und Zeichen thaͤten/ ſo
ſcheinbar/ daß auch die Außerwehlten ſolten verfuͤhret werden. Den
ſolt ihr hoͤren/ ſagt der himmliſche Vater/ was nun Chriſtus nicht ge-
ſagt/ wovon weder Vater noch H. Geiſt zeugen/ das mag man von dem
Becirck der jenigen Ding/ die zu glauben noͤthig/ getroſt außſchlieſſen.
Was darffs/ moͤcht jemand ſagen/ daß man ſo viel dicentes
von dieſen Zeugen macht/ wer wolts nicht glauben? Antwort: Es
darffs gar wol/ dann fuͤrs ein wiſſen wir/ daß wenig ſelig werden Luc. 13/
(*) Chry-
ſoſt. ſerm.
40. ad pop.
Antioch.
Tom. 5.
p. 297.23. Daher Chryſoſtomus (*) der eyfferige Biſchoff und Lehrer/ eins-
mahls zu ſeinen Zuhoͤrern zu Antiochiâ geſagt: Quot eſſe putatis in ci-
vitate noſtrâ, qui ſalvi fiunt? Infeſtum quidem, quod dicturus ſum,
dicam tamen! vix poſſunt in tot millibus centum inveniri, qui ſal-
ventur, quin \& de his dubito. Das iſt: Jhr lieben Leuthe/ wie viel
meynet ihr wol/ daß in unſerer StadtAntiochiaſelig werden?
Es iſt zwar ein ſehr unangenehmes Wort/ doch wil ichs und
muß es ſagen: Vnter ſo viel tauſenden werden kaum hun-
dert ſelig/ ja ich zweiffel noch faſt an denſelbigen. Aber warum
ſolches/ was iſt die Urſach? ἀπιςία, [...] ἀπειϑία, der Unglaub. Sie wollen
fuͤrs ander dieſen Mann nicht ſehen/ in welchen jene geſtochen haben/
wollen ihn nicht annehmen mit Glauben/ andere wiſſen nichts von ihm/ ja
wollen nichts wiſſen/ wagens mit ihrer Seligkeit auff gerath wohl/ ſagen/
ſie bleiben beym Buchſtaben/ ut litera ſonat, bekuͤm̃ern ſich wenig um den
rechten eigentlichen Verſtand deß Buchſtabens/ und deſſen Behabung/
halten darvor/ wann einer ſchon in Glaubens-Sachen nicht viel verſteht/
wann er nur ſo euſſerlich erbar und ehrlich lebt/ ſo koͤnne er doch ſelig wer-
den/ er mag zu einer Religion fallen/ wohin er woll/ Streitſachen in der
Religion ſeyen nur ein unnuͤtz Pfaffen-Gezaͤnck/ ſey nicht noͤthig/ daß ſich
jeder-
[111]Predigt.
jederman damit belade. Wann wir uns umſehen/ ſo ſchreibt ſich war-
hafftig dieſer Wahn nirgend anderswo her/ als auß dem Tuͤrckiſchen Al-
coran und deſſen Urſprung/ ſind alſo hierinn unſere Atheiſten gut Tuͤrcki-
ſten. Was iſts dann Wunder/ daß uns GOtt den Tuͤrcken auff den
Halß ſchickt? Man darff ſolcher Lehr drittens auch zum Unterſcheid der
falſchen verfuͤhriſchen Zeugen. Ein jegliche religion, ſie ſey ſo ſchlimm/
als ſie wolle/ die hat ihre Zeugen und Lehrer darauff ſie ſich berufft; an ſtatt
der drey himmliſchen Zeugen/ die in der Lufft ſchwebende Jrrgeiſter/ denen
St. Judas die Flader-Geiſter und verfuͤhriſche Lehrer vergleicht. Jm
Papſtthum gelten gar viel in dem Beeirck der Zeugen/ die Patres und
Matres, Jgnatius/ Franciſeus/ Brigitta/ ꝛc. deren Zeugnuͤß iſt bey ih-
nen hoch gehalten: da doch ſolche Zengen nicht allzeit uͤberein ſtimmen/
und nach Menſchen-Biſam riechen; Ja es wird gar deß Vaters der Luͤ-
gen/ deß Teuffels Zeugnuͤß und Rath erſucht. Sonderlich muͤſſen die
Beſeſſene hierzu ihre Dienſt leiſten/
Bekant ſind die Fragen/ die man den Beſefſenen fuͤrhaͤlt: wer der ein-
wohnende Geiſt ſey und wie er heiſſe? Wer ſeineComplicesund Geſel-
len? Auß waß Vrſach er in dieſes Neſt gezogen? welchen Engel oder
Heiligen er am meiſten fuͤrchte? welche heilige Worter am meiſten ſcheue?
welcher Teuffel in der Hoͤll ſein aͤrgſter Feind ſey? welchen Teuffel-Ban-
ner er erwoͤhle/ der ihm wehe thue? welcher Geiſt ſeinprincipalund O-
berfuͤrſt/ der ihm zu gebieten hab? Alſo iſt es nichts neues im Papſtum/ die
Teuffel in den Beſeſſenen vermeinter Weiſe zur Antwort auff Fragen/ dadurch
allerhand Aberglauben beſtaͤtiget werden moͤchten/ anzuhalten/ und zu zwin-
gen. Damit vor Zeiten Dominicus der Patriarch und Stiffter deß Prediger-Apud Al-
phonſ.
Fernand.
concert.
prædicat.
An. 1213.
Ordens ſeinem Roſario, oder neu auffgebrachten Roſen-Krantz einen Schein uñ
Anſehen machen moͤchte/ zwinget er die Teuffel/ daß ſie auß den Beſeſſenen
ſchreyen muſten: Hoͤret zu ihr Chriſten/ ſagten die Teuffel/ wasDominicus
unſer grauſamer unerſaͤttlicher Feind und Verfolger/ von Maria und
ihrem Roſen-Krantz verkuͤndiget und geſagt hat/ das iſt allzuwahr/
und ihr ſolt wiſſen/ daß wegen euers Vnglaubens euch ein groſſe Straff
und Vngluͤck bevorſtehe/ wo ihr nicht indeſſen ſeinen Thaten und Wor-
ten Glauben werdet zuſtellen. Es ſey euch kund/ daß viel glaubige
Chriſten wider alles Recht ſelig werden/ die da in ihrer letzten Todes-
Stund Mariam angeruffen. Vnd als er ferner angehalten zu fragen/ welchen
Heiligen im Himmel ſie am meiſten fuͤrchten? und ſie aber mit der Sprach nicht
alsbald herauß gewolt/ ſo rufft er die Jungfrau Mariam an/ in Krafft deß H.
Roſen-Krantz/ ſie wolte die Teuffel zu Red und Sprach und Auſſag der Warheit
treiben. Worauff ſie die glorwuͤrdigſte Jungfrau/ begleitet mit mehr als hun-
dert Englen/ erſchienen/ mit einer guldenen Ruth auff die beſeſſene Perſon/ ſo
von funffzehen tauſend Teufflen eingenommen geweſt/ geſchlagen und geboten/
ſie ſollen die Warheit auſſagen/ auff alle die Fragen/ die ihnen Dominicus fuͤr-
hielt/ da haben ſie anfangen hell laut zu ſchreyen: O du Feindin der Teuffel/
O du
[112]Die ſiebende
O du Verdammerin derſelben/ die uns zu Spott bringet/ warum biſtu
vom Himmel kommen/ daß du uns quaͤleſt? Hierauff außgeſagt/ was Do-
minicus begehrt zu wiſſen/ unter andern auch dieſe Wort von ſich hoͤren laſſen:
Vber das bekennen wir auch/ aus hoͤchſter Noth gezwungen/ daß kei-
ner der jenigen hoͤlliſche Schmertzen fuͤhlen doͤrffe/ die ſich im beten an
ſeinem Roſen-Krantz fleiſſig geuͤbet. Als der Teuffel in einem Beſeſſenen
(α) Ann.
713. n. 11.
(*) Ann.
1384 n. 4.
conf. 1308
n. 1.ſich geruͤhmet/ er ſey ein Befoͤrderer Philippi, hat Baronius (α) dabey ange-
merckt/ daß man darauß erkenne und hoͤre/ wer da ſey ein Befoͤrderer und Vr-
heber der Kaͤtzeriſchen Fuͤrſten. Bzovius (*) erzehlet/ daß ein Prieſter auff ein
Zeit nach vielen Beſchwoͤrungen den Teuffel endlich dahin getrieben/ daß er frey
herauß geſagt/ nicht Clemens ſondern Urbanus beſitze mit Recht und Fug den
Paͤpſtiſchen Stuhl/ dann/ ſagt er/ Jch und andere haben angeſtifftet/ daß
die Frantzoͤſiſche Cardinaͤl einen anderen/ der ſich nur alſo genennet/ er-
wehlet/ welche Ding bey vielen Vrſach geweſt/ daß ſieUrbanobeyge-
Ap. Tur-
ſellin.
lib. 2. hiſt.
Lauret.
cap. 7.pflichtet/ und ſich unterthaͤnig erzeigt. Nachdem im Jahr 1489. zu Loreto
von einer Weibs-Perſon/ ſo mit ſieben Teufflen beſeſſen geweſen/ der letſte und
aller hartnaͤckigſte Geiſt/ Arctus genennet/ durch den Exorciſten und Teuffels-
Banner außgetrieben/ und er im Nahmen der Mutter Gottes gefragt worden/
was St. Loret fuͤr ein Orth ſey? Hab er geantwortet/ diß ſey der Gottes-Ge-
baͤhrerin Kammer und Gemach/ darin ſie nach dem Engliſchen Gruß den
Sohn Gottes empfangen/ und mit mehrerm bejachzet/ er muͤſte hiemit die War-
heit ſagen. Worauff der fuͤrwitzige Teuffels-Banner noch ferner an dieſen Ar-
ctum geſetzt/ ut ex mendacii patre verum exſculperet, daß er aus dem Vater der
Luͤgen die Warheit erpreßte/ zu erforſchen wo und in welchem Eck und Stell ge-
melter Kammer die Jungfrau Maria den Gruß empfangen? Deſſen wurde er
auch berichtet. Item zur Zugab hat er durch ebenmaͤſſigen Teuffels-Bann und
Zwang bekennet und außgeſagt/ es ſeye dieſe Cell oder Gemach der Mutter Got-
tes/ ehe und dann dieſelbe von Nazareth außgewichen/ den Carmeliter Ordens-
(*) Part. 2.
Anatom.
A. C. de-
monſtr. 9.
§. 135.
(β) Part. 2.
Anat. A.C.
demonſtr.
9. §. 133
confer Bel-
larm. lib. 2.
de Imag.
cap. 12.
Quid?
quod ipſe
\&c.
Eſa. 8, 19.
2. Reg. 1, 3.
Marc. 3, 29.Leuthen zur Pfleg und Verſorgung vertrauet worden. Der Jeſuit Tannerus (*)
indem er erweiſen will/ daß die Teuffel bey dem Grab Chriſti/ oder anderer
Heiligen Graͤber/ vertrieben und gequaͤlt werden/ ſchreibt er alſo: Wann wir
uns ſelber nicht wolten Glauben zuſtellen/ ſo ſollen wir doch dem Teuffel
und ſeinen Englen glauben/ welche ſo offt ſie von den Beſeſſenen außge-
trieben werden/ gleich als ſtuͤnden ſie vor dem Richter-Stuhl Chriſti/
erzittern und erſchreck ich bruͤllen/ und hoͤchſt betrauren/ daß ſie den je-
nigen gecreutziget/ den ſie foͤrchten.Thuanus (β) bringt ein gantz Regiſter
auff allerhand abentheurlichen Fragen/ welchePetrus Cottonus von dem Teuf-
fel/ der ein Maͤgdlein/ Hadriana Fraxinéa genannt/ zu Pariß Anno 1604. beſeſ-
ſen/ geforſcht unter andern/ welches in der H. Schrifft das helleſte Zeugnuͤß ſeye/
daraus das Fegfeur und Anruffung der Heiligen zu erweiſen? Wir ſagen hiezu/
pfui der Greuele! Soll nicht ein Volck ſeinen Gott fragen? Jſt dann kein
Gott mehr im Him̃el/ daß ihr hingehet zu fragen Baal-Sebub den Gott
zu Ekron? Soll man von der Finſternuͤß ein Liecht anzuͤnden? Hat uns dann
unſer erſte Mutter nicht genug gewitziget/ da ſie ſich in ein gefaͤhrlich Geſpraͤch
mit der Paradiß-Schlangen eingelaſſen? St Paulus hat nicht vergebens beſor-
get 2. Cor. 11/3. Daß nicht/ wie die Schlang Hevam verfuͤhret mit ihrer
Schalck-
[113]Predigt.
Schalckheit/ alſo auch der glanbigen Sinne verrucket werden/ von der
Einfaͤltigkeit in Chriſto. Wiſſen wir nicht was der Teuffel im Sinn hat?
Der mit Chriſto nimmer uͤbereinſtimmen/ noch ihm ſelber und ſeinem Reich zu
Schaden/ die Menſchen etwas gutes lehren/ ſondern als ein abgeſagter Seelen-
Feind/ alles zu ihrem ewigen Vntergang richten werde/ und dahin trachten/ daß
er durch Luͤgen und Argeliſt ſie von der Einfaͤlti gkeit in Chriſto abfuͤhre. Es
hat ja Chriſtus der Herr die Teuffel/ wann ſie reden wollen/ betraͤuet und heiſ-
ſen ſtumm ſeyn: Vnd da einsmals der Teuffel ein Lehrer ſeyn wolte/ und einen
Apoſtel verweſen/ ja Chriſto einen Fuchsſchwantz ſtreichen/ ſchreyend und ſpre-
chend: Du biſt Chriſtus der Sohn GOttes/ ſo zwingt er ihn nicht fort die
Warheit zu bekennen/ ſondern betraͤuet ihn und laͤßt ihn nicht reden/ der ſchnoͤde
Luͤgen-Geiſt ſolt ſein Apoſtel nicht ſeyn/ welcher wann er gleich nicht luͤget/ ſo
truͤget er doch/ und ſuchet durch die Auſſag der Warheit ſeinen Vortheil im Luͤgen-
Reich zu beſtaͤtigen/ und den Menſchen den Wahn beyzubringen/ als waͤr er mit
Chriſto eins und hielte gute Freundſchafft mit demſelbigen/ conſequenter waͤre
Chriſtus nicht der verheiſſene groſſe Schlangen-Feind und Schlangen-Tretter/
Chriſtus ſteh in gutem Verſtand mit dem Beelzebub/ durch den er auch andere
Teuffel außtriebe. Dergleichen da der Wahrſager-Geiſt von St. Paulo und
ſeinem Collega zeugen wollen/ ſagend: Dieſe Menſchen ſind Knechte GOt-
tes deß Allerhoͤchſten/ die euch den Weg der Seligkeit verkuͤndigen/ ſo
that es Paulo wehe/ er geſchweigt ihn bald/ wil ihn nicht laſſen reden/ weniger
zwingt er ihn zu reden.
Wir halten uns im Gegentheil feſt an Zeugen/ die weder luͤgen noch
truͤgen koͤnnen/ an das Drey-Einige Zeugnuͤß der drey himmliſchen Zeu-
gen/ wie daſſelb in H. Schrifft erſchallet. Wir muͤſſen aber auch in der
Schaal unſerer Hertzen den jenigen Troſt-Tau/ der auß dem himmliſchen
Zeugnuͤß und influentz flieſſet/ wol faſſen und auffheben/ dieſe edle Zeugen
und Gaͤſte nicht von uns ſtoſſen/ ſondern Wohnung machen laſſen
Joh. 14. und ihre holdſelige Freundſchafft mit Freuden annehmen. O derconf. Lact.
c. part. 4.
pag. 268.
ſeligen Freundſchafft/ deren ein glaubiger Menſch hiedurch theilhafftig
wird! Hie amicitiæ teſſera! Joh. 15, 15. ſagt der Herr/Jhr ſeyd
meine Freunde/ ſo ihr thut was ich euch gebiete: Jch habe
geſagt/ daß ihr Freunde ſeyd/ dann alles was ich hab von
meinem Vater gehoͤret/ hab ich euch kund ge[than]n. Solte
dann dieſes ein geringes ſeyn/ daß wir GOttes Freunde heiſſen? Da
ligts alles an (ſchreibt Lutherus Tom. 7. Jen. Germ. pag. 105. fac. 2.)
wie wir allzeit ſagen/ daß es alſo von oben herab komme von
dem Vater/ durch Chriſtum/ und durch Jhn wieder hinauff
gehe. Denn der Sohn kom̃t von dem Vater herunter zu
uns/ und henget ſich an uns/ und wir hengen wiederum
uns an Jhn/ und kommen durch Jhn zum Vater. Denn
Achter Theil. Pdarum
[114]Die ſiebende
darum iſt Er Menſch worden/ und gebohren von der Jung-
frauen Maria/ daß Er ſich ſolte unter uns mengen/ ſehen
und hoͤren laſſen/ ja auch fuͤr uns ſich creutzigen und toͤdten
laſſen/ daß er uns alſo zu ſich ziehe/ und an Jhm halte/ als da-
zu geſandt/ daß Er die/ ſo an Jhn glauben wuͤrden/ hinauff
zoͤge zum Vater/ wie Er in dem Vater iſt. Dieſe Ketten
hat Er gemacht zwiſchen Jhm und uns/ und dem Vater/
und uns drein geſchloſſen/ daß wir nun in Jhm ſind/ und Er
in uns iſt/ gleich wie Er im Vater/ und der Vater in Jhm iſt.
Durch ſolche Einigkeit und Gemeinſchafft/ iſt unſer Suͤnd
und Tod abgethan/ und haben dafuͤr eitel Leben und Selig-
keit. Sonderlich fleußt hierauß Troſt wider alle falſche Zeugen/ die
manchmal wider einen Unſchuldigen auffſtehen/ ſein gut Gericht und
Zeugnuͤß/ ſo er bey der Erbaren Welt erlanget/ abzuſchneiden. Deß laſ-
ſe ſich ein frommer Chriſt nicht befrembden/ weil es ſeinem unſchuldigen
Herrn Chriſto auch nicht anders ergangen. Hat Jhm nicht der Luͤg-
ner der Sathan ſein himmliſches Zeugnuͤß/ das vom Himmel herab er-
ſchollen/ in diſputat gezogen und geſagt: Ey biſtu GOttes Sohn? Das
bilde dir nicht ein; Die Stimme vom Himmel iſt ein bloſſes Spiegelfech-
ten geweßt/ daſſelbe Zeugnuͤß gilt nicht. Drum wirds gewißlich der Sa-
than Chriſti Gliedmaſſen auch nicht ſchencken/ und wiſſen allerley falſch
Gezeugnuͤß wider ſie auffzubringen. Jnnerlich in unſerm Buſen haben
wir auch einen Zeugen/ Teſtimonium conſcientiæ, das Zeugnuͤß deß
Gewiſſens/ welches bißweilen falſch zeuget; Der Menſch iſt ihm ſelbſt biß-
weilen allzu ungnaͤdig/ das Gewiſſen ſchreyt/ wie Cain: Meine Suͤnd
ſind groͤſſer/ als daß ſie mir koͤnnen vergeben werden/GOtt
wendet ſein gnaͤdiges Angeſicht von mir/ ach ich bin verdampt! Aber dawi-
der iſt gut das him̃liſche Goͤttliche Zeugnuͤß/ da der himmliſche Vater ſagt:
nolo, nolo,Jch wil nicht verdam̃en/ hab ich euch meinen Sohn
geſchenckt/ warum ſolt ich mit Jhm nicht alles ſchencken?
Der Sohn ſagt: Jch tilge deine Sůnde Eſa. 43. Kommet her zu
mir alle ꝛc. Matth. 11. Der H. Geiſt gibt Zeugnuͤß unſerm
Geiſt/ daß wir GOttes Kinder ſeyen Rom. 8/16. Er ſpricht durch
ſeinen außerwehlten Ruͤſtzeug St. Paulum: Das iſt je gewißlich
wahr/ und ein theur werthes Wort/ das JEſus Chriſtus kom-
men iſt in die Welt/ die Suͤnder ſelig zu machen 1. Tim. 1/15.
Jn der Welt gehts ungleich mit Zeugen und Zeugnuͤſſen her/ da
wird gefehlt ſo wol in exceſſu, als in defectu, da blaſet man durch com-
men-
[115]Predigt.
mendatitias und Lob-Brieff die Leuth auff/ daß ſie groͤſſer ſcheinen als ſie
in der Warheit ſind/ auß affecten und blinder Gunſt/ quiſquis amat ra-
nam, ranam putat eſſe D[i]anam; In defectu fehlt Jeſabel/ die wider den
unſchuldigen Naboth gar ein falſches Zeugnuͤß außblaſen laſſen/ deßglei-
chen thun die alten Schaͤlcke wider die keuſche Suſannam. Stephanus/
wie auch viel andere H. Maͤrtyrer/ haben leiden muͤſſen/ daß falſche Zeu-
gen wider ſie auffgetretten und verklaget. Die Phariſeer ſuchten Gele-
genheit den JEſum von Nazareth auß dem Mittel zu raͤumen/ und that ih-
nen wehe/ daß ſie ſolche Gelegenheit nicht finden kunten/ ſpinnten dero-
wegen auß ihnen ſelbſt/ wie die gifftige Spinnen/ falſche ſuſpiciones, ſetz-
ten Pilato ein Floch ins Ohr/ mit dem Wort/ Er werde deß Kayſers
Freund nicht bleiben: Pilatus achtet die Warheit nicht/ die Ratio
ſtatus tringt vor/ und muſte der unſchuldig Verklagte mit unerweißlichen
falſchen Zeugnuͤſſen belegte JEſus ans Creutz. Nun der falſchen Zeu-
gen gibts viel in der Welt/ allerley heimtuͤckiſche Suſurranten, ein ſeitige
Informanten, Gifftgaͤllige Calumnianten, ſchaͤdliche Incendiarii und
Mordbrenner/ deß Teuffels Apoſtel. Dawider aber iſt gut Jobs Spruch/
Stephani Himmels-Schau/ Davids Wunſch; Job ſagt: Mein Zeug
iſt im Himmel. Er ſteht mir zur Rechten/ mich zu retten/ gedenckt
Stephanus. David wuͤnſcht Pſal. 86/17. HErꝛ thue ein Zeichen
an mir/ daß mirs wol gehe (reiß mich den Calumnien auß den Zaͤh-
nen herauß) daß es ſehen die mich haſſen/ und ſich ſchaͤmen muͤſ-
ſen/ daß du mir beyſteheſt/ HErꝛ/ und troͤſteſt mich/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Jn was Habit/ KleidungApoc. 11, 3.
und Liberey/ und zu was Zweck und End die beyden
theuren Zeugen der Warheit/ die H. Maͤnner/ deren
die Welt nicht werth geweſen; die beſtaͤndige groß-
muͤtige Glaubens-Helden und Widerſprecher deß
Antichriſts/ die Blut-Zeugen JEſu Chriſti angethan
P 2geweßt
[116]Die achte
geweßt/ auffgezogen und Johanni erſchienen/ in der Offenb. Joh. cap. 11/3.
Nemlich in Saͤcken/ verſtehe nicht nach dem Buchſtaben/ in Weydt- oder
Korn-Saͤcken/ ſondern nach Art der Schrifft/ in ſchlechten nachguͤltigen
Traur- und Leid-Kleidern/ nach dem Exempel der dreyen Elias; deß
erſten deß Thesbiten/ der in rauchen ungegerbten Fellen einher gan-
gen/ die Lenden mit einem Ledern Guͤrtel umguͤrtet getragen; deß andern
der im Geiſt und Krafft Eliæ erſchienen/ Johannis deß Taͤuffers/
der auch in einem rauchen Camelhaͤrigen Zeug/ ſo mit einem Ledern Lenden-
Guͤrtel umguͤrtet war/ in ſeiner Wuͤſten herum gewandert; Wie auch Lu-
therideß dritten teutſchen Eliæ/ der in einer rohen und ſchwartzen
Muͤnchs-Kutten Anfangs ſeine theſes wider den Ablaß angeſchlagen.
Ja nach dem Exempel deß treuen warhafftigen Zeugen uͤber alle Zeugen/
deß groſſen Propheten Chriſti/ der ſo bald Er gebohren/ in die σπάργανα und
zerriſſene Hader-Lumpen eingewickelt/ folgends in dem Hoff Herodis mit
einem weiſſen Narren-Kleid verſchimpfft/ im Richthauß Pontii Pilati
mit einem alten abgeſchabnen/ abgetragenen Purpur-Mantel verhoͤnet
worden. Alles zu dem End/ daß ſie mit ſolchem Auffzug und Liberey ſeyen
und gehalten werden/ als
(I.) Indices diſtinctivi \& ſeqveſtri Babylonicæ nymphæ,
Zeiger und Widerleger deß praͤchtigen Huren-Schmucks/
der Roͤmiſchen Widerchriſtiſchen Tochter Babylon. Gleichwie dieſe
μ [...] πολλ [...]ς ϕαν [...]ασίας, das iſt/ in vielem vanitaͤtiſchen Gepraͤng Act. 25, 23.
im guldenen Stuͤck/ Scharlacken und Roſinroth/ mit Gold/ Edelgeſtein
und Perlen Apoc. 17, 3. auffgezeichnet/ dero Zeug und Weibel der Roͤmi-
ſche Pabſt in einer dreyfachen guldenen Cron/ die Cardinaͤl in ihren rothen
koͤſtlichen Purpur-Galeren; Die uͤbrige Cleriſey in ihren Proceſſionen
und Umgaͤngen/ in Caroſſen/ auff Caballen/ in herꝛlichem comitat und
pomp daher ſtutzen/ ja der gantze Goͤtzendienſt in Koͤniglichem Kirchen-
Chriſti
Auffzug
vid. Luth.
Tom. 2.
Iſleb.
pag. 409.
Luc. 17.
v. 20. \& 21.Pracht/ Meßgewand und dergleichen/ prangen. Alſo im Gegentheil die
Zeugen der Warheit ziehen auff nach dem Exempel ihres Haupts in
ſchlechtem geringen unanſehnlichen Habit/ damit ſie wuͤrcklich und thaͤtlich
bezeugen/ wahr ſeyn/ was Chriſtus ihr prodromus geſagt: Das Reich
Chriſti komme nicht mit aͤuſſerlichen Geberden; ſeiner
Braut Schmuck ſey inwendig.
(II.) Illices pœnitentiæ,Traur-Angſt- und Buß-Pre-
diger/ die ihres Hertzens affect, Angſt/ Schrecken/ Trauren/ ſo ſie auß
Betrachtung der Furcht deß Goͤttlichen Zorns uͤber die gottloſe Welt con-
cipirt/ hiemit zu erkennen geben/ dieſelbe auffzuwecken und zu ermuntern/
daß
[117]Predigt.
daß ſie gleich den Niniviten/ mit Angſt-Saͤcken ſich verhuͤllen/ Buſſe thun/
ſich bekehren von den boͤſen Wegen/ und vom Frevel der Haͤnde/ auff daß
es auch Gott reue/ und von ſeinem grimmigen Zorn ſich wende.
(III.) Vaſa gloriæ,Ehren-Gefaͤſſe. Sintemal Gott/ der
Gott iſt und nicht Menſch/ jederzeit ſeinen groͤſten Pracht und Macht
in minimis creaturis in den geringſten Geſchoͤpffen und Wercken erzeigt/
in das jenige/ was vor der Welt veracht/ ſeine beſte Schaͤtze und Gaben
gelegt; Wer war verachter als das JEſus-Kind/ das in zerriſſenen
Windlen gewickelt da gelegen/ davon wir ſingen:
Der Sammet und Seiden ſein/War grob Heu und Windelein.
Und war doch derſelbe der Tempel der gantzen Goͤttlichen Fuͤlle/ das rechteCol. 2, 9.
gazophylazium aller himmliſchen Schaͤtze und Guͤter. Alſo ſeyen ſie
auch teſtacea vaſa, die ihren Schatz in irꝛdiſchen Gefaͤſſen tragen/ je ſchwaͤ-
cher der Werckzeug/ je groͤſſer der Schatz und die Tugend: Dann der
Herr wil in den Schwachen maͤchtig ſeyn und ſeine Krafft erweiſen.
Jn was ſchlechtem Habit und credit, ſag ich/ in was geringer Li-
berey und Auffzug/ und zu was Zweck und End beſagte Zeugen der War-
heit angethan und auffgezogen; Eben das iſt auch der jenige Habit/ in wel-
chem die drey Sacramentliche Zeugen St. Johannis ſich her fuͤr gethan
und noch thun. Sie zeugen auff und durch Erden; der Herr JEſus
Chriſtus am Creutz nacket und bloß komt zu uns mit Waſſer und Blut be-
kleidet und verhuͤllet/ in geringen ſchlechten Elementen/ das iſt ſein Pracht/
auch damit ſeinen Gottesdienſt und Sacramenta zu unterſcheiden/ von
dem Schmuck der rothen Braut zu Babylon/ deren Abgott Maozim in
der Monſtrantz und Meßgewanden gezieret/ mit Edelgeſtein/ Gold/ Sil-
ber und Perlen/ illic luxus \& faſtus, hîc fletus \& gemitus. Der
Zweck iſt maͤnniglich zur Buſſe zu locken mit dieſem Traur-Habit/ dabey
kein luxus und aͤuſſerliches Prangen Platz hat/ zur Goͤttlichen Traurig-
keit; Auch den Geiſt ſamt Waſſer und Blut zu recommendiren/ als ſolche
Ehren-Gefaͤße/ in welchen unterſchiedlich groſſe Schaͤtz und Gnaden-Ga-
ben in himmliſchen Guͤtern beygelegt. Alles auff Art und Weiſe/ wie wir
ferner zu vernehmen haben. Wir haben neulich uns in den Himmel er-
ſchwungen/ und daſelbſt notirt und beſchauet Primam choréam teſtium
nobiliſſimorum, das Erſte gedritte der alleredelſten himmliſchen Zeu-
gen; jetzt wollen wir uns herab ſencken auff die Erden/ und beſchauen alte-
ram Triadem teſtium (κα [...] ὄψιν) viliſſimorum,den andern Reyen
P 3der
[118]Die achte
der aller geringſten und nachguͤltigſten Zeugen auff Erden.
Dort auctorem und Urheber der H. Sacramenten/ hie miniſtros \& or-
gana, die Werck-Zeugen; Dort teſtes perſonales, Perfoͤnliche Zeugen/
hie zween figuratos, reales \& mutos, figuͤrliche/ wuͤrckliche und zum theil
ſtumme/ wiewol ſie den dritten Zeugen als Dolmetſchen mit ſich bringen/
den Geiſt/ der da erklaͤrt/ was jene bedeuten. Der Herr wolle uns auch
zu dieſem Spectacul und Glaubens-Schau mit dem Liecht und Gnad ſei-
nes werthen H. Geiſtes kraͤfftig anleuchten und einſcheinen/ Amen.
SO ſind nun in der andern Choréa die Zeugen/ welche St. Jo-
hannes/ ſein Evangelium zu beſtaͤttigen/ producirt und einge-
fuͤhrt/ drey unterſchiedliche benamſte (1.) der Geiſt/ verſtehe
nicht den hohen/ obern/ himmliſchen/ Goͤttlichen Geiſt/ den Geiſt
der GOtt ſelbſt iſt vom Vater und Sohn außgangen/ als welcher unter
die himmliſchen Zeugen gehoͤrt/ den St. Johannes klar von dem Geiſt auff
Erden unterſchieden/ durch das Epitheton und zugeſetzten Namen San-
ctus,der H. Geiſt; und dann durch die angedeutete correlation deß
Geiſtes der da zeuget/ und deß Geiſtes von deme gezeuget wird. Der
Geiſt/ nemlich GOtt der H. Geiſt/ der zeuget/ daß Geiſt/ das iſt/
der ſub-ordinirte Unter-Geiſt/ Warheitſeye. Auch nicht ein Eng-
liſcher Geiſt/ als welcher kein πολυϖράγμων, ſein Ampt iſt ſchuͤtzen/ und
nicht zeugen. Darum nachdem er bey Cornelio dem Hauptmann ſein
Bottſchafft abgelegt/ hat er hierauff denſelben an Simon Petrum gewie-
ſen/ der habe Wort deß Lebens/ den ſoll er hoͤren/ und vernehmen was
der Geiſt durch ihn zeugen werde. Viel weniger ein boͤſer Geiſt/ der
leidige Teuffel und Vater der Luͤgen/ welchem Chriſtus das Zeugen und
Apoſtel-Ampt verbotten und heiſſen ſtumm ſeyn/ auch wann er gleich die
Warheit ſagen ſolte/ auch wann er gleich als ein Engel deß Liechts erſchei-
nen wuͤrde Luc. 4. Sondern Geiſt heißt metonymicè,ein geiſtli-
cher Mann/qui omnia judicat, ein Prophet/ Apoſtel/ Lehrer/ Predi-
ger/ die wir noch heutigs Tags die Geiſtlichen nennen/ als deß Geiſts
organa mit χαρίσμασι und Ampts-Gaben deß Geiſtes außgeruͤſtet. Und
wird in ſolchem Verſtand nicht allein von Paulo 1. Tim. 4/1. da er von
verfuͤhriſchen Geiſtern/ das iſt/ Lehrern propheceyet/ ſondern auch
von Johanne unterſchiedlich mal in beſagtem Verſtand geleſen 1. Joh. 4/
1. ſq.Glaubt nicht einem jeglichen Geiſte/ das iſt/ Lehrer. Und
gehoͤren demnach in dieſen Reyhen zu vorderſt der groͤſte/ ſo von Weibern
gebohren/ Johannes der Taͤuffer/ der nicht in die ferne hinauß geweiſ-
ſaget/ ſondern mit Fingern gezeiget und gezeuget von dem gegenwaͤrtigen
Lamb
[119]Predigt.
Lamb GOttes Joh. 1/7. Sihe das iſt GOttes Lamb/ welches
der Welt Suͤnde traͤgt. Nach demſelben/ die vorerwehlte Zeu-
gen/ die H. Apoſtel/ Luc. 24/48. Sonderlich Johannes der H. Evan-Luc. 24, 48.
conf.
Act. 1, 8. 22.
cap. 2, 32.
cap. 10, 39.
cap. 22, 15.
geliſt/ welcher gemma in hoc annulo: das Edelgeſtein in dieſem Ring
geweſen Joh. 19/35. cap. 21/24. Und dieſen allen nach alle warhafftige/
getreue/ ſubordinirte/ mit χαρίσμασι und Gaben deß Geiſtes außgeruͤ-
ſtete/ bewaͤhrte Doctores und Lehrer der Kirchen/ das miniſterium
und Predigampt heißt nicht vergebens das Ampt deß Geiſtes/ 2. Cor.
3/6. der da (neben dem Waſſer und Blut) zeugen und bleiben wird
ewiglich ſo lang und viel der Herr kommen wird Joh. 14/16. Son-
derlich aber in articulo abſolutionis, wann er im Ampt ſtehet der Abſo-
lution, als dem hoͤchſten Gipffel deß Evangelii/ daſſelbe in particulari zu
appliciren. Die Blum und der Außſchuß unter ſolchen Zeug-Geiſtern/
ſind die jenige Lehrer oder Geiſt-Zeuge/ die mit ihrem Blut und Tod dem
Evangelio ſind zu ſtatt kommen.
(2.) Aqua,das Waſſer/ iſt der ander irꝛdiſche Zeug. Nicht
ein jedes gemeines bloſſes Waſſer/ als welches die hohe prædicata nicht
ſuſtiniren kan/ welche dieſem Waſſer beygelegt werden/ als da ſind/ das
Waſſer deß neuen Bundes eines guten Gewiſſens mit GOtt/ das Tauff-
Waſſer/ das Waſſerbad im Wort/ Eph. 5/26. Und (3.) das Blut/
ſc. JEſu Chriſti deß N. Teſt. im Wein deß H. Abendmals außgeſpendet/
das Kleinod mit dem Buͤchſel ſo zu reden: Gleichwie unter dem Waſſer
auch das contentum, der mit dem Waſſer vereinbarte Geiſt zu verſtehen/
alſo in dem Blut das continens der Wein/ ſynecdochicè das gantze
Sacrament deß Abendmals: Gleichwie in der uralten Kirchen das gantze
Sacrament/ Sacramentum calicis ab una parte denominirt/ und doch
damit das gantze Sacrament verſtanden worden. Daß aber deß Blutsvid Aug.
Lib. 4. de
Doctr.
Chriſt.
c. 21. adde
Caſaubon.
ad Baron.
pag. 523.
allein/ und nicht auch deß Weins gedacht worden expreßè, iſt ohn Zweif-
fel geſchehen/ dieweil hiemit der Geiſt GOttes als præſagus, dem Calvi-
niſchen Jrꝛgeiſt hat vorbiegen wollen/ und ſeine Fuͤnd widerlegt/ ehe er ſie
außgebruͤtet/ oͤffentlich hiemit anzuzeigen/ daß nicht bloß im Sacrament
der Wein/ ſondern auch zugleich das Blut auff Erden ſey/ und alſo zeuge
wo es iſt/ nemlich auff Erden. Dieſe drey zeugen nun/ zween wuͤrcklich
und thaͤtlich/ der dritte aber muͤndlich/ als der Interpres und Anzeiger/ zu
was Ende Waſſer und Wein fuͤrhanden.
Dieſe drey Zeugen ſag ich/ ſind II. Teſtes viliſſimi κα [...] ὄψιν, dem
aͤuſſern Augenſchein und Augenfall nach ſchlechte/ unedle/ geringe und
nachguͤltige Zeugen/ terrei irꝛdiſche Zeugen/ ſo weit von den vorigen
himm-
[120]Die achte
himmliſchen Zeugen unterſchieden/ als der hohe Himmel ſelbſt von der un-
terſten Erden. Quid terrâ vilius? Welches Element iſt tieffer/ nide-
rer/ ſchwaͤrtzer/ groͤber/ garſtiger/ unflaͤtiger und daher geringer/ als die
Erd? So gar daß man ſie pflegt mit Fuͤſſen zu tretten. Wann GOtt
der Herr unſern ſtoltzen hochmuͤtigen Vater Adam demuͤtigen/ und ihme
ſeine nichtige Gebrechlichkeit/ und geringen Urſprung fuͤr Augen ſtellen
wollen/ ſo ſagt Er: du biſt Erd!Gen. 3. Du haſt dir nichts einzubil-
den/ du biſt kein Engel deß Liechts/ der unmittelbar auß nichts erſchaffen;
Sondern Erd iſt dein Urſprung. Jch bin Erd und Aſch/ ſagt dort
der demuͤtige Abraham Gen. 18. Eben ſolcher Art/ Adel und Herkommen
ſind auch dieſe drey Zeugen. Lehrer und Prediger heiſſen teſtacea vaſa
2. Cor. 4/7. Wir tragen/ ſagt der Apoſtel/ ſolchen Schatz in irꝛ-
diſchen Gefaͤſſen: Der Geiſt/ oder die χαρίσμα [...] die in ihnen woh-
nen/ tragen ſie in ihrem Leib/ als gebrechlichen Toͤpffen oder Kruͤgen.
Sie zeugen in loco terræ auff der Erden ( [...]ν γῆ, pro, [...]ὰ γῆς, per terram
Matth. 5, 35. Rom. 5, 9. Coloſſ. 2, 18. per terrena organa, per terrenam
2. Tim. 4,
13.linguam, chartam, membranam, calamum, κήρυγμα 1. Cor. 2/14.)
alles iſt irꝛdiſch/ Joh. 3/12. Zung und Papier/ Dinten und Federn. Eben
alſo auch das natuͤrliche irꝛdiſche Waſſer an ſich ſelbſt (kein ſonſt koſtbares/
diſtillirtes/ oder Roſen-Waſſer) das iſt und komt auß der Erden/ nicht
pur und lauter/ ſondern mit Erden vermengt/ in terrenos alveos recepta,
wird ſchlecht und gering geachtet/ Waſſer koſt nichts/ uſus communis
aquarum. Auch das Blut/ iſt nicht nur ratione continentis vini, we-
gen deß Weins/ in welchem das Blut begriffen/ eines Erden-Gewaͤchſes
deß irꝛdiſchen Weinſtocks/ gering/ ſondern auch das contentum oder
das Blut Chriſti/ iſt eine Frucht der Erden Eſa. 4/2. ſo auß irꝛ-
diſchor Speiſe generirt/ auff die Erd vergoſſen und da getretten worden/
dahin Paulus alludirt Hebr. 10/29. da er draͤuet ſchwere Straff dem je-
nigen/ der den Sohn GOttes mit Fuͤſſen tritt/ und das Blut
des Teſtaments unrein achtet/ durch welches er gereiniget iſt.
Gleichwie das Blut Abels/ von der Erden zu GOtt geſchryen/ Gen.
4, 10. Alſo ſchreyet das Blut Chriſti von der Erden/ vom Oehl-Berg/
von der Schaͤdelſtaͤtt Hebr. 12/24.
Conſequenter ſeinds Teſtes ſenſibiles, quia terrei,fuͤhlbare
Zeugen/ die als aͤuſſerliche Elementa koͤnnen geſehen/ beruͤhrt oder em-
pfunden werden. Daher heißt das Sacrament/verbum viſibile,
ein fichtbares real-Wort [...]vox ſigni Exodi 4, 8. Dann dieweil
es allzuwahr/ was Chriſtus ſagt Joh. 4/48. Wann wir Menſchen
nicht
[121]Predigt.
nicht Zeichen und Wunder ſehen/ ſo glauben wir nicht. Das
H. Evangelium iſt per ſe ſo koͤſtlich/ ſo warhafftig/ daß es billich als Got-
tes unfehlbare Wort/ von allen Menſchen ſolte angenommen/ und fuͤr
wahr und klar gehalten werden: aber die Unart Thomæ klebt uns allen
an/ wir ſind Thomiſten/ ahnen dem Thomæ nach/ welcher auch nicht
ohne fuͤhlen glauben wollen/ daher ſagt er Joh. 20/25. Es ſeye denn/
daß ich in ſeinen (Chriſti) Haͤnden ſehe die Naͤgelmahl/ und
lege meine Finger in die Naͤgelmahl/ und lege meine Hand
in ſeine Seiten/ wil ichs nicht glauben.Manus noſtræ ocula-
tæ ſunt, credunt quod vident. Wolan ſo hat der fromme GOtt
ex abundanti per συγκατάβασιν ſich ſo tieff zu unſer Schwachheit und
Unverſtand herab gelaſſen und bequemet/ daß er uns von Anbegin in al-
len ſeinen Verheiſſungen/ im̃er ſichtbahre begreiffliche ſigna und elemen-
ta angehengt/ mit denſelbigen ſein Wort begleitet/ evident und glaublich
gemacht; Den Abel ſeiner Gnaden verſichert durch Feuer vom Himmel/
Neah durch den Regenbogen/ Abraham durch die Beſchneidung/ die
Jſraeliten durch das Oſterlamb/ Gideon durch das Zeichen deß Taues/
Hißkiam durch den Ruͤckzug/ da der Schatten am Zeiger zehen Stuf-
fen zuruͤck gangen 2. Reg. 20. die Hirten zu Bethlehem gewieſen auffLuc. 2, 12.
das Zeichen der Windlen und Krippen/ und ſo fort an. Alſo auch all-
hier/ was ſind die aͤuſſerliche fuͤhlbare Sacramenta anders/ als gleichſam
ſichtbarliche Wort? Wie Auguſtinus (*) davon redet/ Quid ſunt aliud(*) Lib. 19.
contrà
Fauſt. c. 16.
confer c. 11.
Tract. 80.
in Joh. de
catechiz.
rud. c. 28.
corporalia Sacramenta, niſi quædam quaſi verba viſibilia? Grego-
rius Nyſſenus (α) vergleichts mit den geſtibus und Geberden/ damit
man die Tauben lehren kan.
Conſequenter [...]ϖρόσιτοι oder gemaͤhe/ freundliche/ er-
traͤgliche/ leuthſelige/ anmuthige Zeugen/quaſi homogenei
\& conſanguinei, die wir wol vertragen koͤnnen/ deren wir gewohnt.
Achter Theil. QSchroͤck-
[122]Die achte
Schroͤcklich und unertraͤglich war die Sinaiſche Erſcheinung/ welche die
Heb. 12, 21.Kinder Jſrael nicht ertragen konten/ und deßwegen Moſen gebeten/ er
woll mit thnen reden; Schroͤcklich die Erſcheinung Moſis in ſeinem ſtrah-
lenden Antlitz/ da er als ein Welt-Sonne geleuchtet und geglaͤntzet/ ohne
Decke von den Kindern Jſrael nicht konte angeſchauet werden; Schroͤck-
lich das draͤuende Zorn-Zeichen deß blinckenden Cherubiniſchen
Schwerts. Aber contrà uͤber alle maſſen troͤſtlich und erfreulich die Θεο-
ϕάνεια und Erſcheinung der H. Dreyfaltigkeit auff dem heiligen Berg/
davon Petrus ſolche Freude geſchoͤpfft/ daß er allen Welt-ſplendor und
Herꝛligkeit benrlauben/ und an der Staͤtte bleiben wollen; Lieblich und er-
freulich die Θεοϕάνεια Jordanica die Erſcheinung am Jordan: der Va-
ter erſcheint in einer anmutigen Stimme/ der Sohn in ſeiner zarten
Menſchlichen uns verwanten bruͤderlichen Natur/ der H. Geiſt in einer
holdſeligen Tanben-Geſtalt. Ita \& teſtium in terra, die Lehrer erſchei-
nen auff der Cantzel vor uns in anmutiger Menſchen-Stimm/ ſind un-
ſere Verwanten und Bekanten/ wir ſind dero converſation gewohnt/ ſie
ſeynd unſere commilitones, ſo mit uns in einem Spittal kranck liegen/
welche mit ſtreiten/ mit leiden/ mit beten/ mit glauben. Solte GOtt En-
gel auffſtellen/ wir koͤnten deren Majeſtaͤt und Himmels-Glantz nicht ver-
tragen/ wie viel weniger das Angeſicht Gottes/ der da heiſt ein verzehrend
Feur. Was iſt gemeiner und gebraͤuchlicher als Waſſer/ damit wir taͤg-
lich umgehen/ daſſelb trincken/ uns damit baden? Das Blut Chriſti
waͤre zwar horrificum anzuſehen/ wie auch ſein Fleiſch/ wann ſie uns
unmittelbar ohne Decke und Fuͤrhang ſolten zu eſſen und zu trincken gege-
ben werden/ wir wuͤrden Scheu tragen davon zu eſſen: Aber ſo ſinds
zwar ϕρικτὰ μυςήρια Schreck-Zeichen den Gottloſen/ den Unwuͤrdigen/
die den Tod dran eſſen; aber den Frommen und Glaubigen ϕρικτὰ quia
Geneſ. 28.honorabilia, Ehrwuͤrdige Zeichen/ in welchem Verſtand auch die Leiter
Jacobs und der Orth/ da ihm dieſelb erſchienen/ genennet worden/ Ha-
noràh heilig und hochwuͤrdig. Und demnach
III. Teſtes precioſiſſimi, die koͤſtlichſten Zeugen. Wie ſchlecht nun
dieſe Zeugen vor den Augen der ſtoltzen Welt erſcheinen/ ſo koͤſtlich/ edel
und hoch ſind dieſelben fuͤr Gott/ und allen heiligen Engeln und glaubigen
Seelen/ wann ſie nicht nur von auſſen/ ſondern auch von innen angeſehen
werden/ wann wir den Fuͤrhang abzihen/ und bedencken was drunter ver-
borgen lige/ wann wir die Schal auffthun und ſehen den Kern/ den Bal-
ſam im Buͤchslein/ das Kleynod in ſcrinio, da werden wir erſtarret und
beſtuͤrtzt/ die Engel geluͤſtet hinein zu ſchauen/ und koͤnnen ſich nicht ſatt ſe-
hen.
[123]Predigt.
hen. Schlechter Mundſchall/ Dinten und Federknall thuts freylich nicht/
der Diener am Wort oder Prediger iſt nichts 1. Cor. 3. utisein1. Cor. 3, 7.
Menſchenkind. Es iſt weder der da pflantzt/ noch der begeuſt
etwas/ ſondern GOtt/ der das Gedeyen gibt. Schlecht Waſ-
ſer/ Brod und Wein thuts nicht; ſondern es iſt ein andere Krafft drunter
verborgen/ durch dero Tugend die Sacramenta zeugen und uͤberzeugen.
Der Prediger ſteht da auff der Cantzel gar in anderer Krafft und Nach-
truck/ als Cicero zu Rom in ſeinem Buͤrgermeiſter-Sitz/ als Tertullus
der Redner fuͤr Felix: Da war nichts/ als der Vernunffts-Geiſt und
Menſchliche ſuada zu hoͤren. Hie aber der Geiſt Gottes/ der durch den
Mund deß Predigers redet/ er iſt Gottes Mund und StimmeJer. 15, 19.
Joh. 1, 23.
Benz. l. 2.
pag. 243.
Læl. Biſc.
l. 6. c. 12.
Jerem. 15. Jener Jndianer phantaſi kan hie Warheit ſeyn. Wie
dann die Jndianiſchen Hiſtorien berichten/ daß die armen elenden Leuthe
in die Gedancken kommen/ die Brieffe und Buͤcher koͤnnen reden/ oder
haben eine ſonderliche Goͤttliche Krafft in ſich/ darum ſie zugelauffen/ die
Ohren zu denſelben gehalten/ ob ſie auch etwas darauß vernehmen koͤn-
ten; Oder haben gemeint die geſchriebene Brieffe haben heimliche ver-
borgene Augen/ daß ſie alles ſehen/ und denen ſo damit umgehen/ koͤnnen
erzehlen und anzelgen. Item Waſſer iſt verbunden mit dem H. Geiſt/
auß Waſſer und Geiſt/ ſagt der HErꝛ Chriſtus/ muͤſſe die Wider-
geburt geſchehen. Da thut der Prediger nichts zu/ als daß er dem Herꝛn
Chriſto die Handleyhet. Der Kelch im H. Abendmahl iſt ein κοινωνία
und Gemeinſchafft deß wahren Bluts Chriſti 1. Cor. 10. der Diener iſt
mehr nicht als diſpenſator und Haußhalter/ der den Schatz außtheilt.
Die Papiſten geben fuͤr/ daß ſolches durch die conſecration geſchehe/ dann
wann dieſe fuͤnff Wort/ Hoc eſt enim corpus meum, dann das iſt mein Leib/ uͤber
das Brod von einem Meßprieſter außgeſprochen werde/ alsbald werde in einem
Augenblick das Brod in den Leib Chriſti verwandelt. Deßgleichen wann dieſe
Wort/ Hic eſt enim ſanguis meus, dann das iſt mein Blut/ uͤber den Wein auß-
geſprochen werden/ ſo werde von Stund an derſelbige in das Blut Chriſti ver-
wandelt: Daher ſie dann Creatores Creatoris ſui, das iſt/ Schoͤpffer ihres
Schoͤpffers ſeyn wollen/ welches vor Chriſtlichen Ohren einen ſeltzamen Klang
gibt. Aber es ſtehet nicht bey den Prieſtern/ daß ſie Sacramenta machen/ ſo
wenig als ſie dieſelbe einſetzen koͤnnen. Dann die Prieſter oder Prediger ſeynd
nicht Sacramentmacher/ ſondern Diſpenſatores und Außtheiler der Scheim-
nuͤſſen Gottes/ wie St. Paulus davon geſchrieben in ſeiner 1. Epiſt. an die Co-
rinth. am 4. Cap. dafuͤr halte uns ſederman/ nemlich fuͤr Chriſtus Diener/ und
Haußhalter uͤber die Geheimnuͤſſen Gottes. Gleichwie man auch von den A-
poſteln nicht lieſet/ daß ſie die Sacramenta oder weſentliche Stuͤck derſelbigen/
es ſey gleich bey der Tauff oder dem H. Abendmahl/ gemacht/ ſondern daß ſie
dieſelbe adminiſtrirt und außgetheilet/ wie es der HErꝛ Chriſtus gemacht und
Q 2ver-
[124]Die achte
verordnet hat. Die Calviniſten aber geben fuͤr/ daß der Glaub den Leib und
Blut Chriſti in dem H. Abendmahl gegenwaͤrtig mache: Dann wann ein Chriſt
zum Tiſch deß Herrn gehe/ ſo muͤſſe er mit dem Glauben ſich uͤber ſich ſchwin-
gen/ und damit den HErꝛn Chriſtum oben im Himmel/ zur rechten Hand ſeines
himmliſchen Vaters ergreiffen/ dadurch er ihm im H. Abendmahl gegenwaͤrtig
werde. Nun iſt es weniger nicht/ wann man das H. Abendmahl wuͤrdiglich
empfahen wil/ ſo muß man daſſelbige in alle Weg mit glaubigem Hertzen empfa-
hen. Aber wie der Vnglaub den Leib und Blut Chriſti im H. Abendmahl nicht ab-
weſend machet/ ſonſten wuͤrden die Vnwuͤrdigen ihnen ſelbſten nicht das Gericht
eſſen und trincken koͤnnen/ wie St. Paulus lehret in ſeiner 1. Epiſtel an die Cor.
am 11. Cap. Alſo macht auch der Glaub den Leib und Blut in dem H. Abendmahl
nicht gegenwaͤrtig/ wie dann darinnen nicht nur ein ſolche Gegenwart iſt/ die
durch den Glauben geſchicht/ ſondern vom Abendmahl deß HErꝛn wird in die-
ſem Articul gelehret/ daß wahrer Leib und Blut Chriſti/ warhafftig unter der
Geſtalt Brods und Weins im Abendmahl gegenwaͤrtig ſey/ und außgetheilet
und genommen werde. Darvon dann ein alter Lehrer mit Nahmen Leo hat ge-
ſchrieben: Hoc ore ſumitur, quod corde creditur, das iſt/ in dem H. Abend-
mahl wird mit dem Mund empfangen/ was mit dem Hertzen geglaubt wird:
die Gegenwart aber deß Leibs und Bluts Chriſti in dem H. Abendmahl macht
anders nichts/ dann die Ordnung und Einſetzung unſers HErꝛn Chriſti ſelbſten/
dieweil er zu dieſem End das H. Abendmahl eingeſetzt/ und es ſolcher Geſtalt
in ſeiner Chriſtenheit zu halten befohlen hat/ daß er mit ſeinem wahren Leib
und Blut/ unter der Geſtalt Brods und Weins/ wie dieſer Articul davon re-
det/ gegenwaͤrtig ſeyn woͤlle. Darum auch allwegen die Wort der Einſetzung
deß H. Abendmahls bey der Communion oͤffentlich und verſtaͤndlich werden
vorgeleſen/ zu einem Anzeigen/ daß man dieſer Ordnunge Gottes begehre nach-
zukommen/ und dieſelbe bey der Communion in allen Stuͤcken wolle obſervirt
und in acht genommen haben. Ita Goëbel.in der fuͤnfften Predigt uͤber den
zehenden Articul der Augſpurg.Confeſſ. p. 705. ſq.
Alles gemaͤß der Goͤttlichen Weiſe/ die er je und je gehalten. Welt-Pracht
beſtehet in aͤuſſerlichem groſſem Gepraͤng und gleiſſendem Auffzug/ in dem
ſich die Koͤnigin Berenice ſehen laſſen/ inwendig iſt nichts flaͤtiges/ ſon-
dern ein ſtinckender Maden-Sack verborgen. Paͤpſtiſche monſtranz
hat ein groß ſplendenz und Anſehen/ die blinden Leuth muͤſſen niderknien
und dafuͤr anbeten/ inwendig iſts nichts/ als ein Brod-Goͤtz. Aber hinge-
gen die Goͤttlichen myſteria haben aͤuſſerlich ein ſchlechts Anſehen/ doch
bleibt es darbey was David ſingt Pſal. 45. Gloria Fil æ Regis ab intus,
der Schmuck der Koͤniglichen Tochter glaͤntzt inwendig. Schlecht Waſ-
ſer thuts nicht/ ſondern das Wort und der Glaub/ unter und mit dem
Wort Gottes wird ein fuͤrtrefflicher Schatz offerirt und angebotten/ den
faßt und ergreifft der Glaub/ nimbt zu ſich das Heiligthum/ welches gleich-
ſam im Wort eingefaßt/ ſolches iſt das Haupt-Stuͤck im Sacrament.
Ambroſius Lib. 4. de Sacram. c. 4. redet ſehr kraͤfftig davon/ wann er
ſagt: Das Wort Chriſti bereitet dieſes Sacrament. Welches Wort
Chri-
[125]Predigt.
Chriſti? Das jenige/ welches alles gemacht hat. Der HErꝛ hat es ge-
heiſſen ſo iſt der Hunmel worden. Der HErꝛ hat es geheiſſen/ und es
ſeynd die Meer worden. Der HErꝛ hat es geheiſſen/ und es ſeynd alle
Creaturen worden. Daher ſiheſtu/ wie kraͤfftig und thaͤtig das Wort
Chriſti ſeye. Jſt dann ſo groſſe Krafft in dem Wort deß HErꝛn JEſu/
daß durch deſſelben Wuͤrckung die jenigen Dinge entſtanden/ die zuvor
nichts geweſen ſeynd; Wie viel mehr wird es dieſes ins Werck ſetzen
koͤnnen/ daß Brod und Wein im H. Abendmahl bleib/ was es war/ und
doch (durch Sacramentliche Vereinigung) in etwas anders verwandelt wer-
de. Der uhralte gottſelige Maͤrtyrer Juſtinus redet ſehr nachdencklich ebenApolog. 2.
von dieſer materi, er ſagt: Wir empfangen Brod im H Abendmahl/ nicht
als gemein Brod/ ſo empfangen wir auch das Trincken in demſelben
nicht als gemein Trincken: Dann zu gleicher Weiſe/ wie durchs Wort
Gottes der ewige Sohn Gottes unſer Heyland JEſus Chriſtus Menſch
worden/ und um unſerer Seligkeit willen Fleiſch und Blut an ſich hat/ ſo
ſeynd wir auch gelehret worden/ daß durch den Segen Goͤttlichen Worts
eine ſolche Speiſe un H. Abendmahl entſtehe/ durch welche unſer Blut
und Fleiſch auch mit geiſtlicher Verwandlung ernehret wird/ ja welche
deß HErꝛn JEſu/ der Menſch fuͤr uns worden/ ſein Fleiſch und Blut ſel-
ber ſey. Sihe da frommes Hertz/ wie der alte reine Lehrer Geheimnuͤß mit
Geheimnuͤß/ das Werck der perſoͤnlichen Vereinigung/ mit dem Werck der Sa-
cramentlichen Vereinbahrung vergleiche. Gottes Wort bracht jene mit ſich;
Gottes Wort bringt dieſe auch mit ſich. Jn jener ſind zwey unterſehiedene;
Der Sohn Gottes/ und Menſchliche Natur: Jn dieſer ebener maſſen/ Brod
und Wein/ Leib und Blut Chriſti. Jene zwey ſeynd durch deß Worts Gottes
Krafft beyeinander; Dieſe ſollen auch dergeſtalt beyeinander ſeyn/ daß das
Brod den Leib Chriſti/ und der Wein das Blut Chriſti bey ſich habe/ doch mit
dem Vnterſcheid/ daß jene zwey unauffloͤßlich beyeinander ſeyn/ dieſe aber nur
im Gebrauch deß H. Abendmahls einander gegenwaͤrtig ſich erzeigen. Jene
werden perſoͤnlich mit einander verbunden; Dieſe Sacramentlich. Jn jener
geſchicht keine weſentliche Veraͤnderung/ gleichwol wird der Leib und Seel Chri-
ſti in groſſen hohen Stand geſetzt. Jn dieſer ſoll auch keinen Platz haben/ gleich-
wol empfanget das Brod und der Wein einen hohen Beruff/ wie St. Irenæus
davon redet (*)/ daß es nemlich den Leib und das Blut deß HErꝛn JEſu bey(*) Adverſ.
hæreſ. IV,
34.
ſich habe. Hat das Wort Gottes ſolche operation und Wuͤrckung/ ſo kan es
ja nicht ſeyn/ daß ſolch Wort/ welches zu dem Ende da iſt/ daß es Brod und
den Leib deß HErꝛn Sacramentlich mit einander vereinige/ den Leib Chriſti
oder auch ſein Blut bey ſich hab/ und ſeye aber der Leib Chriſti nicht auch bey
dem Brod/ oder das Blut Chriſti bey dem Wein. Ita D. Dorſch. b. m.in
Schrifftmaͤſſiger Betrachtung der Baſeliſchen Predigtpag. 133.
Denn ſonſten iſt fides quæ credit der glaubende Glaub nicht de eſſentia
Sacramenti, gehoͤrt nicht zum Weſen ſondern zur Frucht und Nutzen deß
Sacraments. Durch das Wort werden die Elementa ſeparirt/ con-
ſecrirt/ geweyhet/ ſie bekommen ein neue vocation und Beruff/ dadurch
ſie etwas hoͤhers zu bedeuten und zu geben erhoben werden. Die Elemen-
Q 3ta
[126]Die achte
Luther.
Tom. 5.
Witt. p.
233. fac. 2.
(*) Tract.
80. in Joh.ta werden in Gottes Wort verfaßt. Mundi eſtis, non quia loti eſtis.
ſed propter verbum, quod locutus ſum vobis, ſagt Auguſtinus (*),
das iſt/ ihr ſeyd rein/ nicht dieweil ihr gewaſchen ſeyd/ ſondern wegen deß
Worts/ das ich zu euch geredet hab.
Gleichwie (damit wirs mit einem Gleichnuͤß adumbriren) die Jſraeliten
in der Wuͤſten/ ſo von Schlangen gebiſſen worden/ kein Pflaſter noch
Sap. 16.Kraut geheylet/ ſondern allein das Wort/ nicht Dracontéa noch Serpen-
tina, das Schlangen-Kraut/ ſondern ſie haben die Goͤttliche Krafft deß
1. Cor. 3, 6.Worts bekommen. Alſo vermag auch Feder/ Waſſer/ Wein/ fuͤr ſich ſelbſt
nichts/ ſondern das Wort ſo mit und dabey iſt. Und das iſts was Augu-
ſtinus ſagt: Accedat verbum ad elementum \& fiat Sacramentum.
Diß iſt nun alſo Chorea terrena, der undere Reyen der drey Zeugen
auff Erden/ in ſolcher poſitur und figur, in ſolcher Liberey und Bild will
Chriſtus bey uns erſcheinen/ taͤglich/ ſtandhafftig/ ewig/ biß er wieder kom-
met/ ſo hats ihm gefallen/ er iſt GOtt und nicht Menſch. Wird uns fuͤr-
Joh. 19, 35.
\&
1. Ep. 5, 13.geſtellt ad ſenſum \& cultum. Der Glaub iſt der ſcopus,auff daß ihr
glaubet/ ſagt Johannes/ und demnach begegnet dieſer choréa.
(I.) Vero ſenſu \& conceptu, daß wann wir das groſſe Werck
Gottes/ das Ampt deß Geiſtes anſehen/ beywohnen/ uns deſſen bedienen/
wir freylich nicht mit Kalbs-Augen ohne Verſtand/ ſondern einen rechten/
gewiſſen/ warhafften/ wohlgegruͤndeten Verſtand und concept davon
faſſen/ ſonderlich wohin ſie zielen: als ſolche Zeugen/ die zwar auff der Er-
den zeugen/ aber zum Himmel hinauff leiten und fuͤhren/ ſie ſeynd gleich-
ſam drey Luciferi und Morgenſterne/ certi ſolis indices, die vor der
Sonnen vorher lauffen. Wo dieſe drey Zeugen unverhindert und ohn-
verfaͤlſcht zeugen/ da wohnt GOtt/ da ſcheinet die Sonne der Gnaden/
da iſt Gottes Hauß/ Heil/ Leben und Seligkeit.
Quanquam ipſe Jacob (ita Lutherus in Geneſ. cap. 28. pag. 90. fac. 1.) ſolus
hic adeſt, \& præter cum nemo alius, ut diſcamus ibi eſſe Eccleſiam Dei, ubi ver-
bum Dei ſonat, ſive in mediâ Turciâ, ſive in Papatu, ſive in inferno. Sermo
Dei enim eſt, qui conſtituit Eccleſiam, is eſt Dominus omnium locorum. Ubi-
cunque illud auditur, ubi Baptiſmus, Sacramentum altaris, \& abſolutio, ad-
miniſtrantur, ibi certò ſtatue \& conclude: Hîc certè eſt domus Dei. hîc eſt
apertum cœlum. Sicut autem verbum, ita \& Eccleſia nulli loco alligata eſt.
Non eſt dicendum: Romæ eſt Pontifex Maximus, Ergò ibi eſt Eccleſia. Sed
ubi
[127]Predigt.
ubi Deus loquitur, ubi eſt ſcala Jacob, ubi Angeli aſcendunt \& deſcendunt, ibi
eſt Eccleſia, ibi aperitur regnum cœlorum.
Hîc ſcala Jacobi Gen. 28. hîc ala cordis ſurſum tendentis, hic cur-
rus Eliæ, da iſt die rechte Jacobs-Leiter/ der himmliſche Elias-Wagen/
durch deſſen Zeug und Zug man zum Himmel gefuͤhret wird.
(II.) Firmo aſſenſu, daß wir ſie annehmen mit feſtem unge-
zweyfelten Beyfall/ wider alle Pforten der Hoͤllen/ die ſich wieder die-
ſe Lehr ſetzen/ deren der Sathan ſampt ſeinen Jrꝛ-Flader- und Schwindel-
Geiſtern gefaͤhr/ welche er geſandt dieſe Leiter abzuwerffen. Wann er
gleich laͤſt predigen von Chriſto/ daß er uns den Himmel erworben: ſo
kan er doch die Brucken/ die Leyter nichtleiden/ hat deroweren erweckt ſei-
ne himmliſche Propheten/ ſeine Flader-Geiſter und Schwaͤrmer/ ſeine
Enthuſiaſten und Phantaſten/ die Quaͤcker und Gecken/ die von lauter
Geiſterey ſchwermen/ von Offenbahrung deß him̃liſchen Vaters/ Engli-
ſchem Geſpraͤch/ viſionen uñ Traͤnmen/ aber die Bruͤck werffen ſie ab. (*)
Der Papſtiſche Jrꝛ Geiſt nim̃t dem Geiſt ſeine inſtrumenta weg/ durchin Enchi-
rid. p. 43.
den Jeſuiten Coſterum, der ſchreibt: Chriſtum noluiſſe ſuam Eccleſi-
am
[128]Die achte
am pendere à chartaceis ſcriptis, nec membranis ſua myſteria com-
mittere, Chriſti Meynung ſey nicht geweſen/ ſeine Kirch an Papier und
Pergament anzuhencken. Eben derſelbe Geiſt nimbt Brod und Wein
hinweg/ laͤſt nichts da/ als die ſpecies, zimmert ſelbſt Himmels-Leytern/
Himmels-Waͤgen und Fluͤgel/ wann es ihm aber geht wie Icaro, ſo klag
er niemand an/ als ſeine eigene Thorheit. Alſo auch der Calviniſche
Geiſt nimbt den Schatz hinweg/ gibt uns nur die Huͤlſen/ heiſt uns hin-
auff gaucklen gen Himmel/ da wir doch taͤglich bitten/ adveniat regnum
tuum, dein Reich komm zu uns herab: waͤre kein ander argument die
Gegenwart deß Bluts Chriſti zu erweiſen/ ſo waͤre diß arguments gnug/
daß St. Johannes ſchreibt das Blut zeuge auff Erden. Setzen ihm dero-
wegen dieſen gegenwaͤrtigen Spruch entgegen/ in welchem Sonnen-klar/
ja mit Sonnen-Strahlen die Wort ſtehen/ Blut zeuget und iſt auff Er-
den. Wo es zeuget da iſt es auch: ſo lang er mir dieſe Wort nicht auß-
kratzt und außwiſcht/ ſo lang wird ſein Vernunffts-Gunſt und Geſpunſt
bey mir nichts gelten.
(III.) Acceſſu fiduciali, daß wir uns an dieſe drey Zeugen veſt
halten wider alle falſche Zeugen/ mit Hertzens Freud und Wonne/ mit
David fuͤr dieſer Bunds-Laden her tantzen/ huͤpffen und ſpringen.
(*) Tom. 4.
Witteb.
p. 597.
fac. 1.Dann (ſagt Lutherus (*)) wo du ſolchen Glauben ſo ſtarck
und gewiß fuͤhleteſt/ weñ du dieAbſolutionhoͤreſt ſprechen/ ſo
koͤnteſtu fuͤr groſſer Freude ungeſprungen und ungetantzt
vom Prieſter nicht gehen. Alſo auch im Sacrament deß Al-
tars/ da dir gegeben wird der warhafftige Leib und Blut un-
ſers HErꝛn JEſu Chriſti/ da ſolteſtu auch zu lauffen und fuͤr
Freuden ſpringen/ und ſolten ſich die Leuthe drum dringen/
weil ſie den HErꝛn Chriſtum ſelbſt da hoͤren reden. Wie man
(ita ibid. Luth. f. 2.) vonMonica S. AuguſtiniMutter lieſet/ da
ſie einmahl zum hochwuͤrdigen Sacrament deß Leibs und
Bluts Chriſti gieng/ kam ſie in ſo tieffe Gedancken/ da ſie
deß HErꝛn Chriſti Gnade und Wolthat betracht/ daß ſie
dauchte/ ſie ſtuͤnd gar empor uͤber der Erden/ ſchrye uͤber
laut/ laſt uns vollend hinauff gen Himmel fahren. Sol-
cher Chriſten ſind viel mehr geweſt/ auch junge Jungfrauen/
als St. Agatha/ Hagnes/ welche ſo froͤlich zum Kaͤrcker
gieng/ als wuͤrde ſie zum Tantz gefuͤhret. Ey liebe Aga-
tha/ Agnes kanſtu das heiſſen zum Tantz gehen/ wenn
du ins Gefaͤngnuͤß und zum Tod gefuͤhret wirſt? Solche
Leuthe
[129]Predigt.
Leuthe ſind die Chriſten/ die ſo froͤlich werden/ daß ſie den
Teuffel/ mit allem ſeinen Schrecken und Toben/ verach-
ten und trotzen. Bißher Lutherus. Darum/ laſt uns hinzuHeb. 4, 16.
tretten mit Freudigkeit zu dieſem Gnaden-Stuhl/ auff daß
wir Barmhertzigkeit empfangen/ und Gnade finden auff die
Zeit/ wenn uns Huͤlffe Noth ſeyn wird/ ſprechen wir mit dem
Apoſtel Hebr. 4. und uns deſſen verſichern/ daß die drey Zeugen wer-
den fuͤr uns ſtehen und zeugen/ wider alle falſche Anklag deß Teuffels
und ſeiner Braut/ in uns zeugen daß der Geiſt warhafftig ſey/ ne-
ben uns zeugen in letzten Zuͤgen/ wann der Mund nicht mehr zeugen
und reden kan/ nach uns zeugen nach dieſem Leben/ daß wir ein froͤ-
lich Echo und Nachſchall hinterlaſſen bey der erbaren Welt/ viel mehr aber
in der Ewigkeit.
Wir muͤſſen aber auch dieſen Sacramentlichen Zeugen begegnẽ/ (IV.)
Cultu congruo,mit gebuͤhrenderreverentzund Ehrerbietung.
Wie man ſonſten in der ſchnoͤden Welt dieſe Sacramenta tractirt/ wie
ſie evileſcirn (nam conſueta vileſcunt) gleichſam mit Fuͤſſen getret-Heb. 10, 29.
ten/ geſchaͤndet und mißhandelt werden/ davon klagt niemand als die
gantze Welt/ ſtraffts aber auch niemand als die gantze Welt. Dem Naͤch-
ſten werden die Sacramenta angeflucht/ das heiſt mit Fuͤſſen getretten:
GOtt hat ſolch Fluchen am Leben zu ſtraffen gebotten Lev. 24, 14. Fuͤh-
re den Flucher hinauß fuͤr das Lager/ ſagt der HErꝛ zu Moſe/ und
laß alle/ die es gehoͤrt haben/ ihre Haͤnde auff ſein Haupt le-
gen/ und laß ihn die gantze Gemeine ſteinigen.Ludovicus IX.vid.
Reichs-
Abſchied
de Anno
1495. 1500.
und 1530.
Koͤnig in Franckreich hat gebotten/ dem der ein Gottes-Schwur ſchnellen
laͤſt/ ein gluͤend Eiſen auff die Leffzen zu legen/ damit das Glied gezeichnet
werde/ durch welches man ſich verſuͤndigt. Aber es mangelt der Glo-
cken am Stempffel oder Kluͤpffel/ es mangelt an nichts/ als an der exe-
cution. Wie im Gegentheil die Sacramenta geehrt werden im Papſt-
thum (dann unſer Lutheriſche Gottesdienſt iſt/ nach der Gegener Sage/
gar ein abgeſchmackte religion, iſt kein Glantz oder Zierd dabey) mit
was Pracht die monſtranz geſchmuͤcket/ wie ſich daſelbſt die Weißheit
muß rechtfertigen laſſen/ welche hiſtrionia und tragœdi in der Meß ge-
ſpielet werde (iſt Toleti Wort/) das iſt offenbar. Wie auch mit was
koſtbaren Gefeß nicht nur groſſe Herꝛn/ ſondern auch wol kleine Herꝛn
ihre Kindſchencken begehen/ daß offt druͤber der arme Baurs-mann
Waſſer- und Blut-Thraͤnen/ Waſſer und blutigen Schweiß vergieſ-
ſen muß/ davon redet der Tag ſelbſt. Jſt aber auch ein Zeichen einer
Achter Theil. Rgroſſen
[130]Die achte
groſſen ignoranz und Unglauben. Hie hat kein Pracht Platz/ ſondern
Buß und Trauren. Das Kind erſcheinet als ein ſuͤndlich Adams-Kind/
verlohren und verdammet/ als ein Außſaͤtziger im Seelen-Bad/ dabey
man nicht Urſach find zu lachen und zu zechen/ zu jubiliren und thurnie-
ren/ ſondern trauren/ klagen/ flehen und ſuppliciren. Das H. Abend-
mahl iſt ein Todten-Mahl/ darum Saͤck und Leid-Kleider demſelben beſ-
ſer anſtehen/ als weltlich Gepraͤng. Sameas der redliche patriot ſolt
(*) vid. Jo-
ſeph. L. 14.
c. 14.ſolchen Pracht-Hanßen eine lection leſen/ wie er Herodi geleſen (*).
ϕεῦ [...] ἀσεβείας! der beſte Gottesdienſt beſtehet (1.) in elogio gratiæ
Divinæ, in dem Lob Gottes/ der ſolche groſſe Gnaden-Schaͤtz uns ſuͤnd-
lichen Menſchen zum beſten/ in ſo ſchlechte Gefaͤß legen wollen und daher
ihne den HErꝛn erhebenExod. 15. dem Juͤdiſchen Jungfraͤulein von
Nazareth/ ihr Magnificat und Lob-Liedlein nachſingen/ das Mein
Seel erhebt den HErꝛn ꝛc. diß iſt der beſte Krantz/ damit man
ihn zieren und verehren kan; wie der Prieſter die hoſtiam erhebt/ oder
der Papſt auff einem Seſſel daher getragen und empor gehoben/ daß ihn
jederman ſehen kan. (*)
(2.) In oblatione ad martyrium, Blut fuͤr Blut. Gleichwie
Chriſtus bloß am Creutz gehangen/ aber mit Waſſer und Blut als ſeiner
Librey daſelbſt erſcheinen wollen/ dem ſollen wir mit bitterm Thraͤnen-
Waſſer und mit Maͤrtyrer-Blut begegnen. Chriſti Maͤrtyr-Blut ſol
uns
[131]Predigt.
uns dazu anfriſten. Als der Roͤmiſche Kaͤyſer Julius erſtochen wor-
den/ und 23. Wunden empfangen/ und Marcus Antonius die Roͤmiſche
Buͤrgerſchafft gar beweglich angeredet/ daß ſie deß entleibten Cæſaris
Feind und Todſchlaͤger verfolgen ſolten/ hat er/ da andere Urſachen/ die
er eingefuͤhrt/ nichts hafften und außrichten wolten/ deß entleibten Kaͤy-
ſers blutiges Kleid/ welches an vielen Orten durchſtochen war/ erhoben
und der Buͤrgerſchafft gezeigt/ und damit dieſelbe wider deß Kaͤyſers Feind
in Harniſch gebracht. So dann nun deß Kaͤyſers blutigs und durch-
ſtochen Kleyd die Roͤmiſche Buͤrgerſchafft bewegt: Ey wie vielmehr
ſoll der Anblick des gecreutzigten Chriſti/ als welchen deine/ meine/ und1. Petr. 5.
unſer aller Suͤnden an das Creutz gebracht/ und ſeinen allerheiligſten
Leib ſo jaͤmmerlich verwundet/ eine ſtarcke Feindſchafft bey dir erwecken/Eſa. 53.
derſelben mit allem Ernſt zu widerſtreben? Das Gedaͤchtnuͤß Chri-
ſti deß Gecreutzigten/ ſoll billig in uns creutzigen alle Suͤnd
und Laſter/ ſagt der H. Bernhardus. Wir haben noch nicht auffs
Blut gefochten/ GOtt der HErꝛ iſt zart und ſaͤuberlich mit uns bißher
umgangen/ GOtt behuͤt fuͤr dem Tuͤrcken-Sebel/ der Blut fordert und
ſaufft. Wiewol unterdeß (3.) in martyriis incruentis, an unblutigen
Maͤrtern kein Mangel geweſen/ wir tragen unſern aͤrgſten Feind im Bu-
ſen/ denſelben ſollen wir daͤmpffen/ creutzigen/ toͤdten/ hoc eſt marty-
rium, und das muß ſeyn. Wer einen gifftigen und liſtigen Sathan hat
zur Rechten ſtehen/ der auff alle ſeine Gaͤng Achtung gibt/ und ſucht zuver-
klagen und falſch zu zeugen/ das Geſchoß zu laden/ und andern geben ab-
zutrucken/ der hat Teuffels genug. Aber iſt GOtt fuͤr uns/ wer kan uns
ſchaden? Huͤt dich fuͤr boͤſer That/ der Luͤgen geſchicht wol Rath/ deren
ſind mehr die fuͤr unſere Unſchuld zeugen/ ſechs Zeugen fuͤr einen/ Trutz
dem Teuffel! GOtt allein in der Hoͤhe die Ehre!
Ey ſo dancket dann alle GOtt/ der ſolche groſſe Dinge
thut/ der ſolch Gedaͤchtnuͤß geſtifftet ſeiner Wunder/ der
gnaͤdige und barmhertzige HErꝛ: Er gebe/ daß wie er uns
begegnet/ und zu uns kommen mit Waſſer und Blut/ wir
auch mit Thraͤnen-Waſſer/ und ſo es Noth/ mit Auffopffe-
rung unſers Bluts/ Blut fuͤr Blut begegnen: Er wolle die-
ſer Zeugen Ampt unverfaͤlſcht bey uns erhalten/ daß ſie in
und fuͤr uns ſtehen/ auch neben uns begleiten/ und nach
uns zeugen mit erwuͤnſchtem Nachſchall/
Amen.
GEliebte in Chriſto. Es iſt auſſer allem Zweiffel der
edle Wunder-Traub vom Bach Eſcol/ welchen die
Kundſchaffter deß Lands Canaan/ mit ſich zuruͤck ins La-
ger Jſrael gebracht und beygelegt/ beſchrieben Num. 13, 24.
ein Hieroglyphicum, ein geiſtliches Zeichen und Geheim-
nuͤß-reicher typus geweſt/ auff einen andern koͤſtlichern Wein-Trauben/
die Trauben Copher in den WeingartenEngaddi Cantic. 1, 14.
der iſt Chriſtus JEſus der Meſſias/ der ſich ſelbſt und ſeine Perſon
einem Weinſtock verglichen Joh. 15/1. deſſen Leib die ſuͤſſe ſafftige
Traub iſt/ darauß das edle Trauben-Blut gefloſſen.
Dann gleicher Weiſe wie I. Quoad ſortem \& fatum, jener der
Traub auß Eſcol/ im gelobten Honig und Milch-flieſſenden Land Cana-
an gewachſen/ abgeſchnitten/ herauß genommen/ an einen Stecken an-
geknuͤpfft/ und alſo hangend von zween Maͤnnern/ deren einer vor/ der
ander nachgangen/ daher getragen worden/ nicht auß Noth der Groͤſſe/
als waͤre er ſo ungeheur groß und ſchwer geweſen/ daß er von einem Mann
allein nicht haͤtte moͤgen getragen werden/ ſondern wegen ſeiner Zaͤrtlig-
keit/ ſeiner zu ſchonen/ damit er nicht unterwegs zertruckt/ verſehrt und
zerquetſcht/ ſondern gantz haͤtte moͤgen angebracht und gelieffert werden.
Alſo auch Chriſtus die herꝛliche ſchoͤne Frucht der Erden Eſa. 4/1.
iſt auß dem Land Canaan abgeſchnitten/ auß dem Land der Lebendi-
gen außgeriſſen worden Eſa. 53/9. und wie Daniel 9. redet/ auß-
gerottet worden; Er iſt ans Holtz/ an die Creutz-ſtangen und Stecken
angehefftet und angehengt/ und iſt hernach in alle Welt hinauß getragen
worden/ von zweyerley Art der Traͤger und Kundſchaffer: Duobajuli
ſunt duo teſtamenta; præeunt Judæi, ſequuntur Chriſtiani; ſalutem
(*) Serm.
100. de
ſempore.hi ante conſpectum ſuum gerunt, illi poſt dorſum; hi obſequia præ-
ferunt, illi contemnunt, wie Auguſtini (*) bedenckliche Wort hievon
lauten/
[133]Predigt.
lauten/ das iſt/ die zween Traͤger der Trauben bedeuten zwey
Teſtament/ der voran geht/ deut auff die Juden/ als die den
heilflieſſenden Trauben mit dem Ruͤcken anſehen und ver-
achten; der aber nachfolget/ deutet auff die Chriſten/ als
welche das Heil vor ſich anſchauen/ und gehorſamlich nach-
folgen. Und ſolche Traͤger ſind je und alle Zeit geweſen die Geiſt-
Zeugen auff Erden/ das iſt Lehrer und Prediger/ als exploranten oder
Kundſchaffer deß himmliſchen Canaans/ die davon auß Gottes Geiſt
ruͤhmen und ſagen/ und den gecreutzigten Chriſtum durch die Predigt in
die Ohren und Hertzen hinein tragen. Wiewol mit groſſem Unterſcheid/
etliche tragen poſt tergum, die da ſagen und nicht thun/ etliche an-
te faciem, die mit ihrem Exempel der Gemeine wol vorſtehen und vorge-
hen/ ſagen und thun zugleich.
Gleichwie II. Quoad virtutem ſigillarem, jener Traub ein Zei-
chen und Siegel geweſt/ ein arrha und Hafftgab/ die Angab vor der gan-
tzen Summa der Freude die noch folgen ſolt/ dadurch ihre Hoffnung ver-
ſigelt/ ihr Glaub geſtaͤrckt werden ſolte/ daß ein ſolches Land ſey/ wie Gott
verſprochen/ ein Land da alles vollauff/ und gut Trauben-Blut in-
nen iſt Deut. 32, 14. Sie ſagen Num. 13, 28. wir ſind ins Land kom̃en/
da Milch und Honig innen fleuſt/ und diß iſt ihre Frucht/Ze
piriah, diß iſt das Trauben-Blut! Das ſind die Erſtlinge/ die arrha.
Theodoretus quæſt. 24. in Num. mitti eos ſcribit: ἵνα ϖ [...]μαϑόντες [...]
γῆς [...] ἐυκαρπίαν, [...]ϑ [...]μήσωσι μεταλαχει῀ν [...] ἐπαιν [...]μένων καρϖῶν. ὀκν [...]ν [...]ες [...]
[...]αὶ ὀκλ [...]ζον [...]ες μηδεμίαν ἔχωσι παραίτησιν κολαζόμενοι, i. e. ut cum prænoſ-
ſent fertilitatem terræ, conſequi tam uberes fructus optarent, alioqui dubitantes \&
claudicantes absque ullâ excuſatione plecterentur.
Damit ihren Glauben zu ſtaͤrcken/ ein appetit Luſt und Verlan-
gen zu erwecken/ ſie zu locken und anzufriſten/ daß ſie es wagen/ und ſich
durchſchlagen ſollen. Alſo iſt auch die edle Weintraub Chriſtus/ ſein
allerheiligſter und ſeligſter Leichnam/ voll ſuͤſſes Trauben-Blut/ iſt das
Sacramentliche Siegel/ die arrha, das zeuget auff Erden: die explo-
ratores und geiſtliche Kundſchaffter/ die in der H. Schrifft das himm-
liſche Canaan durchreiſen/ und von demſelben Bericht erſtatten/ ſo viel
in Gottes Wort geoffenbaret 1. Cor. 3. die legen den Schatz fuͤr Augen/
und ſagen: diß iſt die Frucht deß Lands/ diß iſt das Trauben-
Blut/ die ϖ [...]γ [...]σις, werdet ihr glauben und ritterlich ringen/ ſo werdet
ihr durch Tod und Leben tringen zur vollkommenen Herbſt-Erndt/ und
deroſelben Uberfluß und Genuß.
Wie III. Quoad virtutem organicam, dieſer Traub nicht nur
ein Siegel/ ſondern auch ein kraͤfftig und thaͤtig ſafftig organum ϖ [...]γέυ-
σεως geweſt/ daran man kraͤfftiglich ſchmaͤcken koͤnnen/ wie lieblich? Ohn
Zweiffel da ſie den Trauben angebracht/ hat man ihn nicht bloß Wunders
halben angeſchauet/ ſondern gepreßt/ zerknirſcht/ dargereicht und verſucht/
ſo weit es reichen koͤnnen/ wie ſuͤſſe und lieblich ſolſcher Moſt ſchmecke:
Alſo iſt auch dieſer edle Traub Chriſtus/ unter der Preß deß Goͤttlichen
Zorns dermaſſen zerquetſche worden/ daß ſein Gewand mit Weinbeer-
Blut gewaſchen; ja er ſelbſt als der pocillator, der kommen iſt und
kommet mit Waſſer und Blut/ welches er am Creutz auß ſeinen Bruͤſten
herauß flieſſen laſſen/ nicht nur Waſſer/ ſondern welches bedencklicher
auch Blut/ hat ſolches in die Sacramenta flieſſen laſſen/ daß wir davon
erquicket ſchmaͤcken wie freundlich und lieblich der HERR
ſeye? Schmaͤcken das guͤtige Wort Gottes/ die himmli-
ſche Gaben und die Kraͤfften der kuͤnfftigen Welt Hebr. 6/4.
daß wir hie moͤgen ſchmaͤcken die Suͤſſigkeit im Hertzen/ und duͤrſten ſtaͤts
nach ihm/ hiß wir dort Stroms-weiſe werden getraͤncket werden. Al-
les auff Art und Weiſe/ wie wir anjetzo mit mehrerm vernehmen wer-
den. Daß wir neulicher Zeit mit einander tractirt der drey himmliſchen
Zeugen nobilitaͤt; deßgleichen der drey irꝛdiſchen Zeugen vilitaͤt. Die-
ſes mahl wollen wir vor uns nehmen deroſelben actuoſitaͤt/ efficaciam \&
virtutem organicam, die Krafft/ Tugend und zeugliche Wuͤrckung/ ſo
begriffen in unſers Chriſtlichen Catechiſmi Frag: Wozu dienen die
Sacramenta? Antwort. daß ſie den Glauben in uns erwe-
cken und ſtaͤrcken ſollen ꝛc. Der HErr verleihe uns dazu ſeines
H. Geiſtes Gnad und reichen Segen/ Amen.
DAß nun dieſe drey Zeugen auff Erden nicht Teſtes ἅεργοι, oder
faule/ todte/ ohnmaͤchtige/ krafftloſe/ bloß redende Zeugen ſeyen/
ohne Nachtruck/ wie Welt-Zeugen manchmahl bloſſe Wort-
Zeugen ſind/ verba ſunt. Die weder Krafft noch Nachiruck haben/ und
ob ſie ſchon etwas thun und außrichten/ ſo iſt es doch nur moralis \& rhe-
torica efficacia, nachdem ein jeder affectionirt/ corrumpirt/ beredet
und eingenommen worden/ nachdem er ein Abſehen hat/ nachdem er wol
oder uͤbel wil/ ſo zeugt er von einer Perſon ſchrifftlich und muͤndlich/
und nachdem einer Leuth fuͤr ſich hat/ nachdem wuͤrckets auch/ ungewiß
auff gerath wol/ man wird offt betrogen/ und kom̃t das Frewel-Reuel
hernach/ darum auch St. Paulus auff ſolche Lob-Brieff und lite-
ras
[135]Predigt.
ras commendatitias nicht viel gehalten 2. Cor. 3/1. derer er nicht begehrt/
ſondern ſich auff den effect die ſpecimina und das Werck ſelbſt/ ſo von
ſeinem Meiſter zeuget/ beruffen/ auch 1. Cor. 2/11. angezeigt/ daß ein jeder
ſeinen beſten Zeugen in ihm ſelbſt hab/ der Geiſt deß Menſchen weiß/
was in dem Menſchen iſt/ wann er ſich ſelbſt mit dem rechten Fuß
meſſen/ und deſſen proportion bedencken will. Daß aber hie gewiß und
unfehlbahr lebendige/ kraͤfftige/ thaͤtige/ wuͤrckende Zeugen/ die durchtrin-
gen mit ſtarckem Nachtruck/ zu verſtehen ſeyen/ das erhellet erſtlich durch
den Geiſt/ das iſt geiſtlichen Lehrern/ nicht nur darum/ weil der Geiſt ein
kraͤfftig Wort fuͤhret/ ſondern auch der Prediger ſelbſt/ ſein Predigt durchs
Wort conſecrirt und weyhet. Das Wort Gottes/ welches der Predi-
ger auff ſeinem Mund und Feder fuͤhrt/ das heiſt λόγια ζῶντα ein leben-
diges Wort Act. 9, 17. Es iſt eine Krafft Gottes ſelig zu
machen/ alle die daran glauben Rom. 1/16. es wird verglichen mit
einem Blitz und Doñerſtrahl/ mit einem kraͤfftig durchtringenden frucht-
bringenden Regen und Thau/ dadurch man bekehret wird vom Fin-
ſternuͤß zum Liecht/ von der Gewalt deß Sathans zu GOtt
Act. 26, 18. daher Paulus ein Salvator oder Heyland Rom. 11/14. Re-
generator ein geiſtlich widergebaͤrender Vater Gal. 4/19. geneñet wird.
Das Wort wird verglichen einem zweyſchneidigen Schwert. Dazu
kom̃en die Exempla der wunderbaren converſionen, und kraͤfftigen Be-
kehrungen/ daß zum Exempel der Fiſcher Petrus 3000. Seelen erſchrecket
und erwecket/ Ciceronis Geiſt haͤtte ſolches nim̃ermehr erhalten koͤnnen/
wañ er auch das iñerſte Marck ſeiner ſuadæ oder Wohlredenheit haͤtte an-
gewendet: daß Paulus der Teppich-macher ſo viel tauſend und abermahl
tauſend Seelen zum Himmelreich erleuchtet und gewonnen/ Felicem er-
ſchroͤckt/ der Gefangene den Faͤnger im Gewiſſen geaͤngſtiget Act. 24, 25.
Conf. 1. Cor. 14, 25. Ein vortreffliches Exempel fuͤr andern haben wir
an dem alten hochbegabten Lehrer Auguſtino, der auß dem Gotteslaͤſterli-
chen Jrꝛſah deß Manichæiſmi durch dieſes Wort bekehret worden/ auff
Art und Weiß wie er ſelbſt in ſeinen offenhertzigen Bericht-buͤchern beken-
net: Er ſchreibt/ daß er von Rom gen Meyland kom̃en/ die Rhetoricam
oder Redkunſt andere zu lehren/ bey welcher Gelegenheit er dem Ambro-
ſio zugehoͤret/ keines Wegs darum/ daß er von ihm lernen wolte/ ſondern
nur allein damit er ſeine Beredſamkeit vernehmen/ und mit deß Fauſti
Redens-Art vergleichen moͤchte. Dabey es dann der Allerhoͤchſte alſo
geſchickt/ daß indem er auff die Wort fleiſſig acht gegeben/ auch zugleich
die Sachen ſelbſt/ und die himmliſche Warheit/ davon Ambroſius re-
dete/
[136]Die neunte
dete/ ſein Hertz je mehr und mehr/ nach und nach/ zuerleuchten angefan-
gen. Worauff er immer mehr und mehr Zweiffel in ſeinem Hertzen em-
pfunden/ ob er auch noch endlich wuͤrde die ſeligmachende Warheit fin-
den und antreffen. Daruͤber ſeine Mutter/ ſo ihme zu Waſſer und Land
nachgefolget/ hertzlich erfreuet worden/ in Hoffnung/ es werde ſich die
Zeit ſinden/ da dieſer in Suͤnden erſtorbene Sohn/ ſeines Heylands
Stimme hoͤren koͤnte/ wie der zu Nain Luc. 7. Juͤngling ich ſage dir ſtehe
auff/ damit er wieder lebendig gemacht/ zu reden anfangen/ und ſeiner
Mutter wieder gegeben werden moͤchte. Und als er alles in Glaubens-
Sachen genau bewieſen haben wollen/ habe ihm Ambroſius geweiſet/
wie man dem Wort Gottes und ſeiner Warheit die Ehre geben/ ſeine
Vernunfft gefangen nehmen/ einfaͤltig glauben/ und an der ſeligmachen-
den Lehre Gewißheit nicht zweifflen muͤſſe. Da es dann endlich nach
unzaͤhlichen Hindernuͤſſen ſeines guten Vorhabens ſo weit kommen/ daß
ungeachtet alles fleiſſige Zureden deß Alipii und Nebridii zuvor verge-
bens geweſen/ und die ſchaͤndlichen Wolluͤſte ihn immer zu ruͤck gehalten/
er doch endlich durch die Furcht deß Todes und deß juͤngſten Gerichts zu
anderen Gedancken gebracht worden. Und nach vielem Einwenden
ſeiner Vernunfft den Weg der Warheit allein auß Gottes Wort ſuchen
lernen/ welches ihm recht zu Hertzen gegangen; Alſo daß er ſich hoͤchlich
verwundert und erfreuet uͤber deß beruͤhmten Victorini Bekehrung. Da-
her er auch anfuͤhret die hertzliche Freude uͤber die Wiederkunfft deß verlohr-
nen Sohns/ und Wiederbringung deß verirreten Schaͤffleins. Es hat
ſich aber nach vielen Hinternuͤſſen und Querhoͤltzer/ ſo im Weg gelegen/
begeben/ daß er eine Stimme gehoͤrt/ ſagend: Tolle, Lege, das iſt/
nimm und liſe. Darauff er alsbald die heilige Schrifft auffgeſchlagen/
und eben die Wort St. Pauli (deren Anfang iſt: Weil die Stunde
da iſt auffzuſtehen) gefunden/ Rom. 13. Laſſet uns erbarlich
wandlen/ als am Tage/ nicht in Freſſen und Sauffen/
nicht in Kammern und Unzucht/ nicht in Hader und Neid/
ſondern ziehet an den HErꝛn JEſum Chriſt/ und wartet
deß Leibs/ doch alſo/ daß er nicht geil werde. Worauß er ein
neues Liecht in ſeinem Hertzen empfunden/ und alſo zu dem lebendigen
GOtt einig und allein durch ſeines allerheiligſten Worts/ welches
iſt eine Krafft Gottes ſelig zu machen alle/ die daran glau-
ben Rom. 1. Nachtruck und ſelige Wuͤrckung/ gnaͤdiglich bekehret wor-
den: nicht ohne ſonderbare Hertzens-Freude ſeiner lieben Mutter/ der
Monica, welche zuvor ſo viel Jahr vor ſeine Bekehrung den Allerhoͤch-
ſten
[137]Predigt.
ſten hertzlich angeruffen/ alſo/ daß auch einsmahls ein Biſchoff/ welchen
ſie um ſein Gebet vor ihres Sohns Bekehrung erſucht/ zu ihr geſagt:
Impoſſibile eſſe, ut filius tantarum lachrymarum periret, Es ſeye
unmuͤglich/ daß ein ſolcher Sohn/ um deſſen willen ſo viel aͤngſtliche
Thraͤnen im Gebet zu GOtt vergoſſen ſind/ koͤnte verlohren werden.
Richterus erzehlt in axiom. Eccleſ. p. 162. ein denckwuͤrdiges Exempel
ſolcher kraͤfftigen Wort-Bekehrung ex Simone Pauli. Jch hab/ ſchreibt dieſer/
vor etlichen Jahren einen gar verwegenen gottloſen Menſchen gekant/ welcher
nimmer zur Kirchen gieng/ nimmer deß Herrn Nachtmahls gebrauchte/ nim-
mer etwas gutes redete und thaͤte/ ſondern ſchroͤcklich fluchte/ und wie ein Teuf-
fel lebete/ und fuͤrnemlich die Prediger verfolgte und laͤſterte. Wie nun ein
fremb der Prediger an demſelbigen Orthe predigen ſolte/ ſprach er/ er wolle den
neuen Pfaffen auch mit hoͤren. Darauff gieng er in die Kirchen und hoͤrete pre-
digen. Der Prediger aber handelte die Geſchicht von St. Pauli Bekehrung/
und vermahnete die Zuhoͤrer/ ſo jemand mit St. Paulo ein Verfolger und Laͤſte-
rer geweſen/ oder auff andere Art mit ihme gefallen waͤre/ auch mit ihm auff-
ſtehen/ und mit nichten die Buß biß ans Ende ſparen wolte. GOtt waͤre gnaͤ-
dig/ nicht den Vnbußfertigen/ ſondern denen die da Buſſe thaͤten. Thaͤte je-
mand warhafftige Buſſe/ ſo erlangte er gewißlich Vergebung der Suͤnde/ nach
dem theuren und hohen Ende GOttes Ezech. 33. So wahr als ich lebe/ ſpricht
der Herr Herr/ ich habe kein Gefallen am Tode deß Gottloſen/ ſondern
daß er ſich bekehre von ſeinem Weſen und lebe. Nach Erklaͤrung dieſes Eyds
Gottes/ widerlegte der Prediger die Laͤſterunge Cains/ meine Suͤnde iſt groͤſſer/
denn daß ſie mir kan vergeben werden. Sprach darauff auß Auguſtino: du laͤu-
geſts Kain/ du laͤugeſts/ denn Gottes Barmhertzigkeit iſt groͤſſer/ als aller
Suͤnder Elend. Weiter that der Prediger hinzu/ wenn du Buſſe thuſt/ und
alsdenn der Teuffel oder dein Gewiſſen zu dir ſpricht: deine Suͤnden ſind groͤſ-
ſer/ denn daß ſie dir koͤnnen vergeben werden/ ſo antworte unverzagt und mit
keckem Muth: du laͤugeſt Teuffel/ du laͤugeſt; du laͤugeſt Gewiſſen du laͤu-
geſt/ Gottes Barmhertzigkeit iſt groͤſſer/ denn aller Suͤnder Elend. Da dieſer
mit Fleiß auffmerckte/ was geſagt ward/ ruͤhrete ihm der Geiſt Gottes (wel-
cher durch das Wort/ ſo geprediget und geredet wird/ kraͤfftig iſt) das Hertze/
daß er bekehret ward. Denn ſo bald die Predigt zum Ende war/ ſprach er zu
einem von ſeinen guten Freunden/ der damahls bey ihm ſtund in der Kirchen:
GOtt ſey gelobet/ daß ich in die Kirche kommen bin/ und habe predigen gehoͤrt.
Jch wil mein Leben beſſern/ und dieſer Predigt gedencken/ ſo lang ich lebe/ und
wenn ich ſterben muß/ wil ich mich damit troͤſten. Wie er heim kam/ ſchrieb
er die Summam der Predigt in ein Buch/ und hatte ſie ſtaͤts bey ſich/ und als
er kurtz hernach kranck ward/ und ſterben mußte/ hatte er dieſelbe Predigt biß in
den Tod fuͤr ſich/ laß darinnen/ teoͤſtete ſich damit/ empfieng deß Herrn
Nachtmahl/ und ſtarb ſeliglich.
Daß aber auch das heilige Tauff-Waſſer ſolche Krafft hab/ wie wir
davon im Catechiſmo bekennen/ da gefragt wird: Worzu dienen
die Sacramenta?item,Was wuͤrcket die Tauff? Antw.
Achter Theil. SDaß
[138]Die neunte
Daß ſie als gewiſſe Siegel und Zeichen den Glauben in uns
erwecken ꝛc. in welchen die Erloͤſung und Gemeinſchafft
Chriſti dargegeben und mit getheilet wird;item,die Tauff
wuͤrcket Vergebung der Suͤnden/ ſie erloͤſet vom Teuffel
und Tod/ und gibt die ewige Seligkeit ꝛc. Sie iſt das Bad
der Widergeburt/ dadurch uns GOtt ſelig macht Tit. 3/5.
Das Waſſerbad im Wort das uns reiniget Eph. 5/26. ohne
welches niemand ins Reich Gottes kommen kan Joh. 3/5.
Darum rufft Petrus Act. 2. Laßt euch tauffen! Laßt euch helf-
fen undcuriren durch dieſes Heyl-Bad. Was die Heyl-Baͤder/ e. g.
das Marggraffen-Bad/ das Wild-Bad/ Saurbronnen-Bad/ Hub- und
Sultz-Bad und dergleichen/ und was die mineraliſche Spiritus darinnen
wuͤrcken/ das erfaͤhret und hats erfahren mancher gebrechlicher patient:
Wie viel mehr dieſes Seelen-Bad? Jn und durch welches wuͤrcket der
Geiſt/ der da lebendig macht/ Joh. 6/63. 2. Cor. 3/6. davon die
Chriſtl. Kirch ſingt:
Das Aug allein das Waſſer ſiht/Wie Menſchen Waſſer gieſſen;Der Glaub im Geiſt die Krafft verſteht/Deß Blutes JEſu Chriſti/ ꝛc.
Daß aber auch der dritte Zeug/ das Blut ſo un H. Abendmahl ſamt dem
Leib Chriſti zu trincken gereichet wird/ nicht zur bloſſen Augen- und Sin-
nen-weyd (wie jenes Kaͤyſers Heliogabali Mahlzeit/ die er ſeinen Schma-
rotzern zugerichtet) ſondern kraͤfftig und thaͤtig durch dieſelbe himmliſche
Guͤter mitzutheilen/ angeſehen ſey/ das erhellet daher/ dieweil nicht bloß
Brodt und Wein/ nicht Schalen ohne Kern/ nicht Schatten ohne Leib/
nicht Seckel ohne Gelt/ nicht Faß ohne Wein/ nicht Bein ohne Marck/
ſondern das lebendigmachende Fleiſch und H. rantzion-Blut gehalten
wird; Joh. 6/54. Wer mein Fleiſch iſſet/ und trincket mein
Blut/ der hat das ewige Leben/item:das Blut das reini-
get von Suͤnden 1. Joh. 1.
Mit was Stirn? mit was Mund? mit was Hertzen darff der
Calviniſche Jrꝛgeiſt ſchreiben: Caro Chriſti nihil prodeſt,Mein
Fleiſch nutzt nichts/ verſtehe/ lebendig zu machen durch leib-
liche Nieſſung/ ſo laut die Gloß der Herborniſchen Bibel. Contrà
ſchreibt Auguſt. caro ſepulta prodeſt, quidni comeſta? Tract. 27. ad
Joh. ſo das todte und begrabene Fleiſch Chriſti uns heilſam iſt und nuͤtz-
lich/ warum nicht das gegeſſene Fleiſch? Ja tua caro, dein Fleiſch
O ſuͤnd-
[139]Predigt.
O ſuͤndlicher Menſch/ iſt nichts nutz/ dein fleiſchliches ſuͤndliches Hertz iſt
kein nuͤtze/ dein natuͤrliche ja Tuͤrckiſche Vernunfft (der Tuͤrck haͤlt uns
Chriſten fuͤr Narren/ als fraͤſſen wir unſern GOtt/ ſind das nicht tolle
Hund/ ſol man die/ ſo ihren GOtt freſſen/ nicht todt ſchlagen? ſagt er.)
dein Fleiſch vom Fleiſch gebohrn/ iſt nichts nutz zu und in Goͤttlichen Ge-Hodom.
Calvin.
pag. 3278.
heimnuͤſſen dieſelbe zu begreiffen; nicht mein Fleiſch vom Geiſt gebohrn/
wie Lutherus wohl diſtinguirt inter carnem abſolute \& carnem
meam Tom. 2. Isleb. in hæc verba p. 207. f. 1. (*)
Es ſind II. Teſtes organici \& diaconici, werckzeugliche Zeugen/
ſie ſind die vehicula und inſtrumenta, der Gnaden-Wagen Gottes/
darauff er ſeine himmliſche Schaͤtz einfuͤhret und darbietet/ und haben
alſo die Art der Werckzeuge an ſich. Gleichwie die Feder eines Schrei-
benden nicht muͤſſig iſt/ ſondern reverà und warhafftig mit wuͤrcket im
ſchreiben: Alſo ſind auch die Diener deß Worts Gottes auß und von ſich
ſelber nichts/ Es iſt weder der da pflantzet/ noch der begeußt et-
was/ ſondern GOtt der HErꝛ der das Gedeyen gibt. Wie in gleichem
Elias ſein Opffer mit Waſſer begoſſen/ aber GOtt ließ Feur vom Him̃el
fallen. Wer iſt Paulus? Wer iſt Apollo? Diener ſind ſie.
1. Cor. 3. v. 5. Der Prediger muß vor Chriſto/ welcher mit Waſſer und
Blut erſcheinet/ ſein Pareth abzihen und ſagen: Jch bin nicht Chriſtus/
ich gib mich nicht dafuͤr auß/ als waͤr ich etwas groſſes/ wie Simon der
Zauberer ſeyn wolte Actor. 8, 9. Doch aber iſt er etwas in ſeiner Ord-
nung/ ein Diener/ ein Mitarbeiter/ er pſtantzet und begeußt organicè,
vid. Re-
form. Salv.
p. 3241.dienſtlich doch wuͤrcklich. Nicht iſt er nur bloß ein Bott oder Brieff-
Traͤger der nur bloß verkuͤndiget/ ſondern Engel und Apoſtel: (*)
von Paulo ſpricht der HErrAct. 9, 15. Dieſer iſt mir (σκεῦ [...] [...]κλε-
κτὸν) ein außerwehlter Ruͤſtzeug/ daß er meinen Nahmen tra-
ge fuͤr den Heyden/ und fuͤr den Koͤnigen und fuͤr den Kin-
dern
[141]Predigt.
dern Jſrael. Und Act. 26, 18. Jch ſende dich unter die Hey-
den/ auffzuthun ihre Augen/ daß ſie ſich bekehren von dem
Finſternuͤß zu dem Liechte/ und von der Gewalt deß Sa-
thans zu GOtt/ zu empfahen Vergebung der Suͤnde/ und
das Erbe/ ſampt denen die geheiliget werden durch den
Glauben an mich. Das H. Tauff-Waſſer das reiniget/ und waſchet
die Suͤnde ab Act. 22, 16. nicht metonymicè und verbluͤmter Weiß/ ſon-
dern ex elevatione ſupernaturali, auß einer uͤbernatuͤrlichen Erhe-
bung/ davon Petrus ſagt: Das Waſſer macht uns ſelig in der1. Pet. 3, 21.
Tauffe/ nicht das Abthun deß Vnflaths am Fleiſch/ ſondern
der Bund eines guten Gewiſſens mit GOtt. Nicht durchs
Waſſer allein/ das thuts freylich nicht/ ſondern durchs Waſſer und Geiſt.
Deßgleichen/ das geſegnete Brodt nehret/ der Wein/ mit dem Blut Chri-
ſti vereiniget/ traͤncket geiſtlicher doch warhafftiger Weiß. Gleichwie
die Ganßgeiſſel/ die Feder/ auß eigner Bewegung von ſich ſelbſt nicht
ſchreiben kan/ wo ſie nicht elevirt wird durch den Schreiber; es muͤßte ein
Feder lang auff dem Tiſch ligen/ biß ſie ein gelehrt-ſinniges carmen, oder
ein wol ſtyliſirte Epiſtel ſolte ſchreiben. Die Feder deß Hamans kunt
von ſich ſelber nicht den Juden das Leben abſchreiben; ſondern der
Schreiber/ der die Feder braucht/ der hats gethan: Alſo auch der Pre-
diger/ das Tauff-Waſſer/ bloß Brot und Wein/ abſonderlich wuͤrcken
nichts Himmliſches; wann ſie aber von dem Geiſt Gottes erhoben/ ſo
wuͤrcken ſie kraͤfftiglich/ alsdann thut der Diener Gottes Wunder/ er be-
kehrt von dem Finſternuͤß zum Liecht/ er gebieret wider/ er heißt deßwegen
Heyland/ er diſtribuirt das Brod deß Lebens/ traͤgt gleichſam den Leib
Chriſti in ſeiner Hand; deßgleichen ſchlecht Waſſer thuts freylich nicht/
ſchlecht Eſſen und Trincken thuts auch nicht/ nullus effectus nobilior
ſuâ causâ; ſondern wann ſolche euſſerliche Elementen und inſtru-
menten mit dem Geiſt/ mit dem lebendigmachenden Fleiſch und Blut
vereinbaret/ gereichet werden/ ſo laſſen ſie ihre Krafft mercken. Gleichwie
drittens/ Schreiber und Feder eine Handlung verrichten/ es iſt beyder ein
einige unverſchiedene action und Wuͤrckung. Der Schreiber ſchreibtvide
Darmſtatt.
in Fund.
deduct.
p. 445.
nicht vor oder nach der Feder/ aber auch nicht neben abſonderlich/ ſonſt
waͤren es zwo Schrifften/ ſondern mit/ und durch die Feder: Alſo
auch der Lehrer und Prediger/ der Diener am Wort Gottes/ der wuͤr-
cket auch auff Erden/ durch die Erden/ das iſt durch irꝛdiſche Mittel und
Werckzeug/ durch ſeine Zung/ Werckzeugs-Weiſe/ nicht nur Begleitungs-
Weiſe. Ψιλῇ ἐϖινοίᾳ laͤßt ſichs wol mit Gedancken unterſcheiden/ aber
S 3nicht
[142]Die neunte
nicht realiter; im heiligen Gebrauch und Ubung ſelbſt/ ſind es unzertheil-
te und unverſchiedene Mittel ſolchen Glauben in uns zu erwecken und zu
mehren/ daher das Predig-Ampt genennet wird das Ampt deß Gei-
Matth. 10,
20.
1. Cor. 15,
10.ſtes 2. Cor. 3/8. der Mund Gottes Jerem. 15/19. Johannes
eine ruffende Stimme Gottes Joh. 1/23. Die Hand deß Taͤuf-
fers eine Hand deß mitwuͤrckenden Chriſti Joh. 3/22. Marc. 16/ ult. Das
Waſſer in der H. Tauff iſt ein Gottes Waſſer/per aquam Eph. 5. da-
durch GOtt wuͤrcket/ davon wir ſingen in dem ſchoͤnen Lied/ Chriſt un-
ſer HErꝛ zum Jordan kam ꝛc. Das Blut zeuget auff Erden
unitèvereinbarter Weiſe/ durch die Gemeinſchafft deß Junerlichen
mit dem Euſſerlichen/ deß Him̃liſchen mit dem Jrrdiſchen/ deß Kernen mit
der Schalen. Feuer und Schwert ſind zwey Ding im gluͤenden Schwert;
der haue aber und die Wund ſind unverſchiedlich eins: Alſo Geiſt und
Waſſer ſind in ihrer Natur zwey Ding/ aber haben eine untheilbare Wuͤr-
ckung. Was nun GOTT zuſammen gefůget hat/ ſol der
Menſch nicht ſcheiden. Gleichwie auch vierdtens/ die Wuͤrckung
der Schreibfeder iſt eine/ nach der Erhebung und Gebrauch deß Schrei-
bers abgemeſſene Handlung/ ſie waͤret nicht allzeit/ ſondern hoͤrt wieder
auff/ ſo bald der Schreiber auffhoͤrt derſelben zu gebrauchen; alldieweil
der Schreiber ſie auffhebt/ anſetzt/ Buchſtaben figurirt/ ſo ſchreibt ſie/
ſonſt weder zuvor/ noch hernach/ bleibt ſonſt ein Feder/ wie ſie zuvor war.
Jud. 3, 20.Gleichwie Ehud/ da er das Wort Gottes gehabt an den Koͤnig Eglon/
vor und nach geblieben/ wer er war/ ſc. ein Unterthan/ aber jetzt in actu
legationis, da er als ein Geſandter von Gott kam/ war er ein Werckzeug
Gottes/ ſein Hand und Schwert/ war Gottes Hand und Schwert.
Gleichwie der wunderthaͤtige Stab Aarons Gottes Stab geheiſſen und ge-
weſen/ ſo lang durch denſelben Wunder geſchehen: Auſſer der Goͤttlichen
elevation aber war er ein bloſſer gemeiner Stab. Alſo iſt das Waſſerbey
der H. Tauff und dero thaͤtlichen Handlung ein heiliges inſtrument und
Werckzeug der gnaͤdigen Widergeburt/ in/ mit/ und durch welches ſolche
verrichtet wird: nach der Tauff-Handlung iſt/ und bleibts ein gemeines
Waſſer/ wie zuvor. Gleichwie der Teich Siloah oder der Jordan 2.
Reg. 5. durch welchen vorzeiten Wunder geſchehen/ ſind nunmehr
nicht beſſer als andere gemeine Waſſer. Man ſchuͤttet das Tauff-Waſſer
auß/ nach vollendetem Gebrauch/ anders nicht als ein ander gemein Waſ-
ſer/ man betets nicht an. Wie die Schweiß Tuͤcher der Heiligen/ der
Schatten Petri, der Saum am Kleyd deß HErꝛn Chriſti/ damahl in
actu Wunder gethan/ was gehet aber das die Sacra Lipſana oder heu-
tige
[143]Predigt.
tige Heiligthum an/ wann auch gleich einer ein Stuͤcke von dem Kleid
Chriſti oder Schweiß-Tuch/ warhafftig haben und beſitzen ſolte? So
wenig es folgt/ der Jordan hat vorzeiten den Auſſatz gereiniget/ ergò hat
er noch heutigs Tags ſolche heilwerthe Krafft/ und iſt deßwegen religiosè
zu verehren; ſo wenig laͤſt ſichs auch ſchlieſſen von der olims. Krafft auff
die nunc. Krafft. Es bleibt bey der Regul: Sacramenta extra uſumconf. Ho-
doſ. p. 721.
Lact. Cat.
p. 1. p. 167.
\& 170.
non ſunt Sacramenta, auſſer dem rechten in Gottes Wort vorgeſchriebe-
nen Gebrauch ſind Sacramenta keine Sacrament. Brauchſtu nicht das
Element/ ſo haſtu auch kein Sacrament. Welcher maſſen ein Hand-
wercksmann wann er Zeugnuͤß ablegen muß vor dem Richter/ ſo heißt er
alsdann ein Zeug/ hat er außgezeugt ſo iſt er auch kein Zeug nicht mehr.
Es ſeynd III. Teſtes fructifici,Fruchtwuͤrckende Zeugen.
Diß iſt die rechte heilige Fruchtbringende Geſellſchafft. Der Ter-
minus ad quem, der auff ſolche operation folgt/ iſt ins gemein deß Glau-
bens Ende/ der Seelen ewiges Heyl und Seligkeit. Daher ein Lehre[r]
oder Kirchen-Diener in gewiſſer Maß ein Salvator, ein Heyland oder
Seligmacher mag genennet werden. St. Paulus ſagt zu dem jungen
Biſchoff Timotheo, 1. Tim. 4/16. Wo du ſolches thuſt/ (ſc. was
ich dir befohlen hab) wirſtu dich ſelbſt ſelig machen und die dich
hoͤren. Deßgleichen macht uns GOtt ſelig durch die Tauff/ als das
Bad der Widergeburt Tit. 3/5. Was wuͤrcket die Tauff? Sie
wuͤrcket Vergebung der Suͤnden/ ſie erloͤſt vom Teuffel und
Tod/ und gibt die ewige Seligkeit. Das H. Abendmahl bringt
uns den rechten Ablaß der Suͤnden/ Dann was nußt ſolch eſſen
und trincken? Das zeigen uns dieſe Wort an/ fuͤr euch ge-
geben/ nemlich daß uns im Sacrament Vergebung der
Suͤnden/ Leben und Seligkeit durch ſolche Wort gegeben
wird.In ſpecie ſo empfangt der Menſch χάρισμα χαρισμάτων, die
Quell aller Gnaden-Gaben den H. Geiſt ſelbſt Gal. 3/2. Jm Hauß Cor-
nelii fiel der H. Geiſt auff alle/ die dem Wort zuhoͤrenAct. 10, 44.
Durch die H. Tauff ſchencket der him̃liſche Vater und verſetzt den Taͤuff-
ling in ſeine Kind- und himmliſche Erbſchafft/ wir werden hiemit in
die Gewehr geſetzt/ ſolche Herꝛligkeit/ die man ſolte an der
Welt Ende auff den Knien mit bloſſen Fuͤſſen abholen/ wie
Lutherusredet. Chriſtus ſchenckt das Kleyd ſeiner Gerechtigkeit/Tom. 2.
Isleb.
pag. 425.
fac. 2.
dann wie viel euer getaufft ſind/ die haben Chriſtum JEſum
angezogen Gal. 3/27. ja den H. Geiſt ſelbſten: Laſſe ſich ein jegli-
cher tauffen auff den Nahmen JEſu Chriſti/ zu Vergebung
der
[144]Die neunte
der Suͤnd/ ſo werdet ihr empfahen die Gab deß H. Geiſts/
ſagt und rathet Petrus Act. 2, 38. quod quantum ſit bonum carendo
diſcent damnati, wie uͤberſchwenglich hoch und edel dieſe Gab (deß H.
Geiſts) ſey/ werden erfahren in der Ewigkeit/ die derſelben werden entra-
then muͤſſen. Daher kommt heiligmachende/ gerechtmachende/ leben-
digmachende Gnade und Krafft. Das H. Abendmahl iſt der rechte
Artzney-Theriak und Lebens-Balſam. Wir arme Adams-Kinder ſo
bald wir unſer ſuͤndlich Adams-Fleiſch und Blut empfangen/ in unſern
ſuͤndlichen Adamiſchen Empfaͤngnuͤß und Geburt/ ſo bald empfangen wir
auch mit die Suͤnde/ und werden theilhafftig alles Adamiſchen Jammers
und Elends; Alſo im Gegentheil/ wann wir theilhafftig worden deß Leibs
und Bluts Chriſti im heiligen Abendmal wuͤrdiglich/ ſo werden wir auch
zugleich theilhafftig aller Gnaden-Schaͤtz/ ſo GOtt in Chriſtum und in
ſein theures Verdienſt gelegt/ vermittelſt der Gemeinſchafft ſeines gegen-
waͤrtigen Leibs.
O ein edler Traub von Eſcol! Wollen wir aber deſſelben genieſſen/
ſo iſt von noͤthen/ daß mans zum Mund halte. Das iſt der Glaubens-
Mund/ dadurch wir dero Suͤſſigkeit/ erquickenden Safft koſten und ge-
nieſſen. Wer einem den Baum ſchenckt/ der ſchenckt zugleich auch deſ-
ſen herꝛliche Frucht Rom. 8. Darum entſtehet das Sacrament nicht auß
dem Glauben/ ſondern der Glaub auß dem Sacrament. Daher Gottes
Wort und die Sacramenta auch von Unglaubigen koͤnnen theils ange-
hoͤrt/ theils empfangen werden/ der Glaub oder Unglaub gibt und nim-
met der ſubſtantz deß Sacraments nichts/ wiewol die allein die heilſame
Frucht deſſelben genieſſen/ die es mit wahrem Glauben empfangen;
Gleichwie eine ſafftige/ kraͤfftige/ nahrhaffte Speiß zwar nicht ihre Krafft
und Safft vom Munde deſſen/ der da iſſet/ erholet/ jedoch demſelben
nicht nutzet/ wo er mit dem Munde nicht iſſet. Der Balſam hat ſeine
wohlriechende Tugend nicht von der Naſen/ doch wann der Menſch den
Schnuppen hat/ ſo kan er deß Geruchs zur Staͤrckung ſeiner Lebens-
Geiſterlein nicht genieſſen. Das Sacrament beſtehet nicht in dem event
deß Glaubens auff gerath wohl/ das waͤre ein Abentheur; ſondern auff
dem Himmelfeſten Wort Gottes. Es kan geſchehen/ daß ein
Menſch das gantze Sacrament habe/ und doch darbey einen
verkehrten Glauben habe/ ſchreibt Auguſtinus Lib. 3. contra Do-
natiſt. c. 14. Wann eine Manns-Perſon einer Jungfrauen in oͤffent-
licher Chriſtlicher Verſamlung den Trau-Ring auff die Ehe außtruͤcklich
gibt/ und die Jungfrau denſelben auff das Wort/ daß es ein Trau-
Ring
[145]Predigt.
Ring ſeyn ſol/ annimt/ ſo iſt es eine Ehe/ ob ſchon die Jungfrau kein rich-
tiges Hertz zu der Manns-Perſon haͤtte/ ſondern Untreu gegen ihm zu
veruͤben gedaͤchte. Alſo wann ein heimlicher Heuchler getaufft wird/ ſo
uͤberkompt er die wahre Goͤttliche Tauffe/ dadurch GOtt ihm ſeine Gnade
offeriret; weil er aber kein richtiges Hertz hat/ ſo ſuͤndiget er wider GOtt/
gleich wie die Jungfrau wider ihren Braͤutigam mit ihrem unrichtigen
Hertzen ſuͤndiget.
Derowegen O Menſch/ bring hieher den Mund deß Glaubens/
wiltu deß Glaubens Fruͤchte genieſſen? Allen die es glauben/ ſteht in
unſerm Catechiſmo/ und wiederum/ das Wort fuͤr euch fordert
eitel glaubige Hertzen. Wird alſo erfordert (1.) verus ſenſus \&
conceptus,der rechte erleuchtete Sinn und Verſtand deß Sa-
craments/ auff daß wir recht davon dencken/ ſinnen/ reden/ æſtimiren
und halten/ wie wir die Sacramenta anſehen ſollen/ nicht wie ὄνοι μυςήρι-vid. Luth.
Tom. 3.
Witteb.
p. 38.
ον, wie der Eſel der das Heiligthum traͤgt/ oder wol gar Meß macht oh-
ne Verſtand/
Oſeas Schadæusin der Beſchreibung deß Muͤnſters allhierpag. 57.
berichtet hievon alſo: Gegen der Cantzel uͤber in der Hoͤhe/ da die Adelichen
Schild hangen/ am Vmgang bey den Fenſteren findet man im Capital einer
Seulen in Stein gehauen ein Eſel/ ſo Meß machet/ dem andere wilde Thier zu
Altar dienen/ deßgleichen tragen die Baͤren und Saͤu ein Heiligthum/ darauff
ein Fuchs ligt/ dieſelben tragen auch Kertzen und Weyhkeſſel; die Außlegung iſt
Reimens Weiſe/ durch D. Johann Fiſchart genant Mentzer/ in Truck gegeben
worden/ darinn unter andern ſteht:
Et mox:
Sondern wie es im Wort klar geoffenbahret zu finden. Der natuͤrliche
Menſch ihm ſelbſt gelaſſen/ verſtehet auch hie nicht was deß Geiſtes Got-
tes iſt/ er kan ſich darein nicht finden/ daß ein armer Pfarꝛherꝛ und Pre-
diger/ nicht von hohem Adelichem oder Fuͤrſtlichem Geſchlecht/ etwan ein
Schumachers/ Schneiders oder Schmidts Sohn/ ſol ſolche groſſe Ding
Achter Theil. Tthun/
[146]Die neunte
thun/ zwar dienſtlich/ aber doch wuͤrcklich. Solt nicht auch mancher
ſtoltzer Geiſt und hoher Welt-Fratz ſagen: Wie ſolt uns dieſer wei-
ſen/ was gut iſt? Pſ. 4. Wie ſol uns dieſer ſelig machen? Wie kan
Waſſer ſolche groſſe Ding thun? Aber/ μωρὸν Θε [...] σ [...]φώτερον! Gottes
Thorheit iſt weiſer als aller Menſchen Klugheit.
Die Lehrer der Kirchen habens um beſſers Verſtaͤndnuͤß willen gar
wol erklaͤrt mit dem Exempel Gideons Jud. 7/20. Diß iſt ein wunder-
bare Ruͤſtung geweßt; Gideon war willens ſeine Feinde verzagt und er-
ſchrocken zu machen/ er gedachte ſie zu ſchlagen und zu verjagen. Was
konten nun die Poſaunen mit den ledigen Kruͤgen und Facklen ihm darin
groß helffen? Dann mit Poſaunen und mit Trommeten macht man die
Soldaten nicht verzagt: Sondern erwecket ihnen vielmehr dadurch den
Muth/ daß ſie mit Freuden zum Streit hinan eilen: Wie dann der
Poët ſagt:
Aere ciére viros, Martemque accendere cantu.
Das iſt/ mit Pfeiffen und Trommlen pflegt man das Kriegs-Volck hertz-
hafftig zu machen. So fuͤrchtet ſich auch kein tapfferer Kriegsmann fuͤr
dem Liecht/ ſondern hat viel lieber Luſt dazu/ auff das er beym Liecht oder
bey brennenden Facklen in der Nacht moͤge koͤnnen frey um ſich ſehen/
und ſeinen Feind deſto baß erkennen. Wo hat mans auch ſonſt/ auſſer
dieſer Hiſtori/ geleſen oder gehoͤrt/ daß jemahls ein Kriegs-Heer were uͤ-
berwunden worden/ mit ledigen Kruͤgen oder mit Toͤpffen? Ariſtopha-
nes gibt wol den Rath/ daß man mit alten Toͤpffen wider die Nacht-Eulen
ſtreiten ſol/ weil ſie durch das Gethoͤn und Gepraſſel derſelben/ wenn
man ſie zerbricht/ koͤnnen verſchuͤchtert werden/ wo man ſie an einem Orth
nicht leiden wil. Aber wider Menſchen mit ſolchen Waffen zu kriegen
ſcheinet faſt laͤcherlich. Und wenn heut zu Tag ein Feld-Herꝛ alſo
wolte auffgezogen kommen/ wie der Gideon/ der wuͤrde gewißlich mit
ſeinem Vorhaben/ außgelacht und außgeſpottet werden. Wir aber
muͤſſen und ſollen uns nicht unterſtehen/ GOtt den HErrn in ſei-
nen Wercken außzulachen. Denn die Goͤttliche Thorheit iſt viel kluͤger/
als aller Menſchen Weißheit/ ſagt Paulus 1. Cor. 1. das iſt/ wenn gleich
die Goͤttliche Wercke fuͤr unſeren Gedancken ſcheinen/ als weren ſie thoͤ-
richt angefangen/ ſo gerathen ſie doch viel beſſer/ als die allerkluͤgeſten
Anſchlaͤge und Geſchaͤffte der weiſeſten Menſchen. Denn wann GOtt
ſeinem Volck helffen wil/ ſo beweiſet er offt ſeine Macht am ſtaͤrckeſten
durch die geringſten und ſchwaͤchſten Mittel. Wenn GOtt eine Ruthe
haben
[147]Predigt.
haben wil/ damit er ſich an ſeinen Feinden raͤche/ ſo kan er bald einen
Baum dazu finden. Diß war eine Figur auff die lieben Apoſtel und an-
dere/ die zum H. Miniſterio deß Sohns Gottes gehoͤren. Denn ſie mu-
ſten mit Chriſto gleich an der Spitze ſtehen/ zu kaͤmpffen wider den Sa-
than und wider die arge Welt. Da ſind nun die Waffen ihrer Ritter-
ſchafft nicht fleiſchlich ſondern geiſtlich/ und doch maͤchtig fuͤr
GOtt/ zuverſtoͤren die Befeſtungen/ die Anſchlaͤge und alle
Hoͤhen/ welche ſich erheben wider das Erkantnuͤß Gottes
2. Cor. 10. Sie haben auß Gottes Ruͤſt-Kammer empfangen die Pano-
pliam oder Ruͤſtung/ dadurch ſie ſtarck worden ſind in dem HErꝛn
und in der Macht ſeiner Staͤrcke Eph. 6. Es haben die H. Apo-
ſtel die Poſaune deß Evangelii an ihren Mund geſetzt/ und ſo ſtarck damit
geblaſen/ daß der Schall ihrer heilſamen Lehre iſt durch alle Welt gedrun-
gen/ und in alle Lande außgegangen/ laut deß 19. Pſalmen. Mit den
hohen Wunder-Gaben deß H. Geiſtes/ welche GOtt reichlich uͤber ſie
außgegoſſen/ haben ſie in der Welt geleuchtet/ als rechte hellbrennende
Facklen und ſchoͤne Liechter. Wie dann Chriſtus zu ihnen ſpricht Matth. 5.
Jhr ſeyd das Liecht der Welt. Nun zuͤndet man nicht ein
Liecht an/ und ſetzet es unter einen Scheffel/ ſondern man
ſtellets auff einen Leuchter/ daß es den allen leuchten moͤge/
die im Hauſe ſind: Alſo laßt ihr auch euer Liecht leuchten
fuͤr den Menſchen/ daß ſie euere gute Werck ſehen/ und euren
Vater im Himmel preiſen. So hat es auch den Apoſtelen nicht
an Kruͤgen gemangelt/ darinn ſie ihre jetzt gedachte Facklen und Liechter
getragen. Denn ihr Leib war wie ein Krug und Gefaͤß deß H. Geiſtes
nach dem Außſpruch und Zaugnuͤß St. Pauli/ der da 2. Cor. 4. ſagt:
GOtt hat einen hellen Schein in unſere Hertzen gegeben/
daß durch uns entſtuͤnde die Erleuchtung von der Erkant-
nuͤß der Klarheit JEſu Chriſti. Wir haben aber ſolchen
Schatz in irꝛdiſchen Gefaͤſſen/ auff daß die uͤberſchwengliche
Krafft ſey Gottes und nicht von uns. Nun haben die 300.
Mann deß Gideons ihre Gefaͤſſe und Kruͤge nicht gantz behalten; Son-
dern ſie haben ſie alle nach einander zubrochen/ da ſie wider ihren Feind
ſiegen wolten. Alſo ſind auch den H. Apoſteln ihre Kruͤge und Huͤtten
deß Leibes durch den zeitlichen Tod/ mit vorhergehender mancherley
Marter zerbrochen worden. Aber in dem allen haben ſie recht geſieget/
und weit uͤberwunden/ um deß Willen/ der ſie geliebet hat.
Rom. 8. Sic ille.
(2.) Firmus aſſenſus,ein kraͤfftig Jawort und Beyfall/
zu meyden der Kaͤtzer Hauffen/
Liecht und Finſternuͤß/ Tag und Nacht zu unterſcheiden/ nicht allein der
Sacrament-Schwermer und Fladergeiſter/ der himmliſchen Propheten/
der Widertaͤufferiſchen Enthuſiaſten und Phantaſten/ die ſolchen euſſer-
lichen Elementen alle Krafft verſagen/ ſolche Zeugen nicht wollen laſſen
auffkommen. Dabey wir uns aber nicht weiter auffzuhalten/ als einem
Geſchmeiß/ dafuͤr uns GOtt der HErr bißher behuͤtet/ und die auß uns
eroͤſet worden. Fuͤrnemlich aber haben wir zu meiden dort den Cal-
viniſchen Jrꝛgeiſt/qui dividit conjungenda, der da ſcheidet was
GOtt zuſammen gefuͤget/ den Geiſt vom Prediger/ und Waſſer/ den Leib
vom Brod/ den Wein vom Blut Chriſti. Und was wil Scultetus in
ſeiner Poſtill am vierdten Sontag des Advents/ wañ er nicht diſtinctivè
ſondern ſeparativè pag. 29. redend/ in dieſe Wort außbricht: Zu wuͤn-
ſchen were es/ daß dieſer Vnterſcheid der Prediger und deß
HErꝛn Chriſti von vielen wol bedacht wuͤrde/ ſie wuͤrden
gewißlich die Lehr vom heiligen Wort und Sacramenten
beſſer verſtehen. Viel einfaͤltige Leuth ſind deſſen beredet/
der Prediger koͤnne ihnen in der Ohrenbeicht die Suͤnde
vergeben/ im Tauff koͤnne er ihre Kinder abwaſchen von
Suͤnden/ im Nachtmahl gebe er ihnen den Leib Chriſti im
Brod verborgen. Viel anders lehret Johannes/ welchem
wir in Reformirten Kirchen mit einhelligem Mund und
Hertzen nachreden/ und ſprechen: Wir Prediger koͤnnen
nicht die Suͤnde vergeben/ GOtt iſts der ſie vergiebet; Wir
Prediger tauffen mit Waſſer/ Chriſtus aber tauffet mit dem
Geiſt; Wir Prediger geben euch im Nachtmahl das heilige
Brodt und den geſegneten Wein/ dadurch der Leib erquickt
wird/ Chriſtus aber reichet euch dar ſeinen gecreutzigten Leib
und vergoſſenes Blut/ das iſt/ durch die glaubige Gedaͤcht-
nuͤß
[149]Predigt.
nuͤß ſeines fuͤr uns geereutzigten Leibes/ und ſeines fuͤr uns
vergoſſenen Bluts/ troͤſtet/ erquickt und ſtaͤrckt er unſere
Seelen. Was wir Prediger geben/ das faſſet der Mund
und Hand: Was Chriſtus gibt/ das faſſet allein das glau-
bige Hertz. So weit Scultet.
Auff der andern Seiten den Paͤpſtiſchen Jrꝛgeiſt. Dann gleich wie jener
der Calviniſche dem Glauben zu viel zumeßt/ als werde durch denſelben
das Sacrament gemacht/ der Glaub ſey die Seel deſſelben/ das Sacra-
ment ſelbſt hab keine eigentliche Krafft und Wuͤrckung/ faſt auff die Weiß
wie Davids Pſalter-Spiel und deſſen Klang den Teuffel von Saul nicht
vertrieben/ ſondern das glaubige Gebet Davids/ damit das Spiel beglei-
tet worden/ hat erſt dieſem die Krafft gegeben: oder wie die Tuͤrcken-
Glock/ zwar die Zeit deß Gebets bezeichnet/ aber keine Glaubens-Krafft
nicht hat. Contrà ſagen wir/ der Glaub macht allhie keine Gegenwart/ ſon-
dern er findet eine/ dar auff er ſich gruͤndet/ die er ergreiffet. Muß demnach
der Leib und das Blut Chriſti eher Sacramentlicher Weiſe in dem appli-
cations-Mittel ſich befinden/ ehe der Glaub ſolche in Sacramentlicher
Geſtalt ergreiffe/ und ihme zueigne. Die Goͤttliche gnadenreiche Gegen-
wart gehet auff die glaubige Seel/ nicht ohne/ ſondern durch Mittel.
Alſo thut der Paͤpſtiſche zu wenig/ der kom̃t auffgezogen mit ſeinem opereita fulmi-
nant Tri-
dentini
ſeſſ. 7.
can. 8.
conf. Ho-
dom. pap.
p. 2, p. 435.
operato, Sacramenta N. Teſt. operari ex opere operato ſine fidei
organo, gibt fuͤr/ die Sacrament deß N. Teſt. wuͤrcken auch ohne den
Glauben als Werckzeug/ faſt wie ein Artzney operirt bey dem der ſchlaͤfft
oder kein Glauben daran hat: Daß ein gut Werck/ als wie die Opffer
im Alten Teſtament geweſen/ oder ein Gottesdienſt/ wann er allein ver-
richtet werde/ es geſchehe gleich mit was Andacht es wolle/ um deß
Wercks und der Verrichtung willen dem Menſchen zum beſten komme/
T 3die
[150]Die neunte
die Gnade Gottes zu erlangen/ und die Vergebung der Suͤnden zu erwer-
ben. Der Calviniſche Geiſt wil eſſen ohne Speiß/ der Papiſtiſche wil
eſſen ohne Mund. Daß dem alſo/ gibt die praxis bey ihnen/ in dem ſie
Meß halten auch fuͤr die Abweſenden/ oder gar Verſtorbene/ fuͤr die Ke-
tzer/ die nichts um ihr Meß-machen wiſſen. Jſt der alte Cains Jrꝛthum/
der auch ſein Opffer verrichtet ex opere operato, ohne rechte Andacht/
ohne Glauben ꝛc. Das widrige lehrt unſere AugſpurgiſcheCon-
feſſion im 13. Articul/ da wir bekennen: daß die Sacrament einge-
ſetzt ſind/ nicht allein darum/ daß ſie Zeichen ſeyen/ dabey
man euſſerlich die Chriſten kennen moͤge/ ſondern daß es
Zeichen und Zeugnuͤß ſeynd Goͤttliches Willens gegen
uns/ unſern Glauben dadurch zuerwecken und zuſtaͤrcken:
Derhalben ſie auch Glauben fordern/ und denn recht ge-
braucht werden/ ſo mans im Glauben empfaͤhet/ und den
Glauben dadurch ſtaͤrcket. Wolte GOtt wir haͤtten auch in dieſem
Stuͤck unter uns keinen Saurteig uͤbrig auß dem Papſtthum/ ſonderlich
deß operis operati, da der falſche Wahn und Einbildung bey vielen der-
maſſen eingewurtzelt/ daß wann ſie nur ſo nach Gewonheit offt in die Kirch
kommen/ oder bey dem H. Abendmahl ſich einfinden/ es geſchehe mit was
Andacht es woll/ ob ſchon der Gehorſam nicht folget/ und man ſich wenig
beſſert im Leben und Wandel/ wann nur das Werck alſo hin verrichtet
werde/ ſo ſey man gewiſcht und getraͤnckt/ man ſtehe bey GOtt gar wol.
Und iſt dieſer Jrꝛthum bey krancken Leuthen ſehr gemein/ die hoͤren offt
nicht gern von groſſen præparatorien/ von Erkantnuͤß der Suͤnd/ von
der Buß/ von der Beicht/ von dem rechten ſelbſt pruͤffen; Laſſen ſich be-
duncken es ſey gnug/ wann man nur bloß dahin das Abendmahl empfange/
wie ein Artzney die fuͤr ſich ſelbſt operire und fruchte.
Es wird endlich (3.) erfordert Fiducialis acceſſus,der glaubige
Zutrit. Gleich wie an einem Koͤniglichen Kroͤnungs-Tag/ wann man
einen Brunnen mit weiſſen und rothen Wein laͤßt lauffen/ da laufft jeder-
man zu/ keiner iſt gern der letſte und euſſerſte. Solte der Weintrauben/
den die Kundſchaffer auß dem gelobten Land mit ſich gebracht/ nutzen/ er-
quicken/ Vorſchmack cauſiren/ appetit machen/ ſo mußte man ihn auß-
trucken/ ſaugen und trincken. Alſo muß man hier auch Troſt und
Erquickung auß dem Geheimnuͤß und deſſen Vortrag zur Seelen-Artzney
herauß ſaugen/ und daſſelb wider die auch wuͤrckende Zeugen/ ſo wi-
der uns ſeynd. Der Sathan als teſtis efficax, der zeugt wider die
Suͤnde Menſchlicher Schwachheit/ macht auß einer Wartz einen Berg/
auß
[151]Predigt.
auß einer Muck ein Elephanten/ etwan ein ungerades Wort/ das deutet
er auffs aͤrgſte aus/ da es etwan nicht ſo boͤß gemeint geweſen. Sonder-
lich muͤſſen die Peripatetici mit den breiten Fuͤſſen herhalten/ denen wie
dorten der Sathan dem Prieſter Joſua zur Rechten geſtanden/ und ſeineZach. 3, 1.
Unreine (das iſt Menſchliche Fehler) hoch auffgemutzet/ und deßwegen
verklaget; deme zu gegen zeuget der Geiſt deß HErꝛn von Vergebung
der Suͤnden/ laͤßt ihm die unreinen Kleider abnehmen/ und ſagt: Si-
he ich habe deine Suͤnde von dir genommen/ und dich mit
Feyr-Kleidern angezogen.Conſcientia mille teſtis,das boͤſe
Gewiſſen/ O das iſt ein ſtarcker Zeug/ das bringt den Verraͤther Ju-
dam dahin/ daß er zum Strang greifft auß Verzweifflung. Dem zuge-
gen zeuget ein anderer Zeug/ das iſt die H. Tauff/ welche Petrus nen-
net den Bund eines guten Gewiſſens mit GOtt. Das H. A-
bendmahl heiſt convivium Euchariſticum, quia chariſticum, ein Lie-
bes-Mahl/ ein Verſoͤhnungs-Mahl. Wann Joſeph ſeine Bruͤder ga-
ſtirt/ ſo koͤnnen ſie darauß leichtlich abnehmen/ daß Gnad und Vergebung
fuͤrhanden/ daß er ihrer/ an ihm Joſeph/ veruͤbten Mißhandlung vergeſſen.
Die gottloſe Welt die iſt auch ein beſchwerlicher luͤgenhafftiger Zeug/ die
manchen Bidermann beſchmitzt und zu Keſſel hauet: Groſſe Leuth die ha-
ben ihren Doeg; Keuſche Suſannæ die haben ihre unzuͤchtige Verlogene
Buhler; Der fromme Mardochai ſeinen gehaͤſſigen Haman/ als welcher
einen bitteren Haß gefaſſet wider Mardochai/ daß er ihm nicht gnug Ehr
angethan/ aporheiſirt und vergoͤttert/ Haman denckt ſich deßwegen an
ſeiner gantzen Freundſchafft zu raͤchen/ verleugt ihn heimlich bey Ahaſve-
ros dem Koͤnig/ der nur ein einiges Ohr hatte/ welchs mit einſeitiger in-
formation eingenom̃en/ er ſetzt die arme Juden in ein diffidenz und boͤß
credit bey dem Koͤnig. Solche tragœdi ſpielen auch die Paͤpſtler/ ſonder-
lich die Jeſuiten mit uns: Sleidanus erzehlt/ daß als die proteſtirende
Staͤnde in Teutſchland ihre Geſandten zu Carolo V. in Italien abgefer-vid. Slei-
dan. Lib. 7.
tiget/ um ihre proteſtation und Gegen-verantwortung wider das Decre-
tum zu Speyr/ bey ihme dem Kaͤyſer einzubringen/ hab der Landgraff dem
Michaëli Cadeno ein wohlverfaſtes Buͤchlein/ darinn kuͤrtzlich die Sum̃
der Chriſtlichen Lehre begriffen war/ daß er ſolches dem Kaͤyſer einhaͤndi-
gen ſolte/ gegeben. Was geſchicht? Cadenus uͤberliefferts dem Kaͤy-
ſer/ da er eben zur Kirchen gieng/ der Kaͤyſer gibt es einem beyweſen-
den Biſchoff auß Hiſpanien/ daß ers ſolte durchſehen/ was es were
oder in ſich hielte: dieſem kommen ohngefehr vor die Wort Chriſti/ dieLuc. 22.
er zu ſeinen Juͤngern geſprochen/ damit er ſie von weltlicher Herꝛſchafft
und
[152]Die neunte
und herꝛſchender Gewalt abgemahnet/ dann das ſeye nicht ihres Ampts/
ſondern Reges Gentium oder weltliche Koͤnige gebrauchen ſich ſolches
Gewalts. Als nun der Biſchoff dieſes nur ſo oben hin geleſen/ bringet
er beym Kaͤyſer an/ als ob darinn der Chriſtlichen Obrigkeit das Jus gla-
dii benommen were/ und allein den Heydniſchen und unchriſtlichen Koͤ-
nigen und Herꝛn ſolches geſtatte. Waͤre derwegen beſagtes Buͤchlein
nach dieſes Biſchoffs Urtheil mit Feur zu illuminiren geweßt. Hie iſt
Rom. 8, 31.nun abermahl Zeug wider Zeug. Jſt GOtt fuͤr uns/ wer mag wider uns
ſeyn? Wol dem der mit Warheit ſagen kan: Mein Felß/ mein Burg iſt
GOtt der HErr/ was koͤnnen mir Menſchen thun? Recht wird doch
recht bleiben.
Jch frage nicht darnach (ſchreibt Lutherus in Tom. 3. Witt. in Pſ. 45. p. 37.
f. 2.) was die Welt/ ſondern was die Chriſten/ ſagen/ was die Kirche/ was
die Engel/ was GOtt ſelbſt von mir ſaget/ und achte viel groͤſſer eines einigen
Chriſten Zeugnuͤß/ daß meine Lehre und Leben Goͤttlich und recht ſeye/ denn
wenn viel Welt viel Laͤſter-Wort auff mich tichten. Denn auch die Vernunfft
das fuͤr ein Tugend und Lob haͤlt/ wenn boͤſe Leute einem feind ſind/ und uͤbel
von ihn reden: Wiederum das fuͤr ein Lob rechend ſey/ wenn fromme Leuthe
ein Gefallen an einem haben/ denn kein groͤſſer Schelt-Wort/ denn wenn mich
ein boͤſer Menſch lobet. Derhalben ſollen wir nicht achten/ was die Welt/ oder
unſer Gewiſſen/ ſondern was GOtt/ die Engel und Heiligen von uns halten/
das iſt der rechte Geruch und warhafftige Ehre. Et ibid. p. 38. f. 1. So iſt das
nu gewiß (es tobe und raſe die Welt wie ſehr ſie wolle) erſtlich daß ich getaufft
bin/ darnach daß ich auch das Evangelium hoͤre/ und lieb habe/ ſo die Kirche
lehret und bekennet/ ich ſehe auch daß Beſſerung deß Lebens dem Wort folget/
wiewohl noch unvollkoͤmmlich. So hoͤre ich auch daß die Chriſten einander
troͤſten/ von aller Lehre/ Leben/ Weſen/ und allem ſo in der Welt iſt/ recht richten
und urtheilen koͤnnen/ welches kein Juriſt, kein Medicus, kein Gelehrter/ und in
Summa kein Weltweiſer thun kan/ daß er von ſeinem Leben urtheilen moͤch-
te/ wie es fuͤr GOtt ſtehe. Allein ein Chriſt kan es gewiß wiſſen/ welches Leben
GOtt gefalle. Dieſe Weißheit iſt ein ſolcher groſſer Schatz/ daß man ihn nicht
hoch gnug achten kan. Et mox ibid. Es iſt groſſer Nutz deß Worts Gottes/ daß
einer erſchrockene Gewiſſen/ und betruͤbte geaͤngſtete Hertzen durch dieſe Lehre
troͤſten und ſtaͤrcken kan. Dieſe Wolthat iſt mehr werth/ denn aller Welt Ge-
walt und Reichthum. Denn nichts auff Erden kan ein geaͤngſtet Gewiſſen
nur ein Augenblick auß Faͤhrligkeit einer taͤglichen und geringen/ wil ſchweigen
von einer Tod-Suͤnden/ erledigen. Ein Chriſt aber kan es thun/ welcher ge-
wiß ſagen kan/ daß GOtt gefalle/ ſo wir feſt glauben/ daß er uns auß Gnaden
durch Chriſtum Suͤnde vergibt: Ja allein ein Chriſt kan von dieſen Artickeln
lehren/ nemlich/ von Vergebung der Suͤnden/ wie und wodurch man einen
Menſchen der groſſe Anfechtung hat/ oder in Todesnoth ligt/ deß ewigen Le-
bens gewißlich vertroͤſten ſol/ die Hoͤlle zuſchlieſſen/ den Himmel auffſchlieſſen/
und den rechten Wege weiſen/ darauff man auß dem Tod ins Leben hindurch
tringe.
[153]Predigt.
tringe. Denn er hat das Wort Gottes/ auß welchem dieſer Troſt herkommt.
Man achtet aber jetzt dieſen Schatz gantz gering/ das macht/ daß man deß lieben
Worts uͤberdruͤſſig wird/ das man immer treibet und prediget. Die Wort koͤn-
nen wir zwar wol nachſprechen/ aber daß ſie im Hertzen ſollen hafften und leben/
das wil nirgend hernach/ das iſt aber nicht gut/ dann daher komts/ daß die Er-
kaͤntnuͤß Chriſti vertunckelt wird/ und die ſelige Lehre nun nicht mehr hoch und
werth geachtet wird/ die Barmhertzigkeit und Gutwilligkeit Chriſti/ in unſern
Hertzen auch fuͤr gering gehalten wird. Daß wir alſo nicht allein der Wolthat/
welche wir von Chriſto haben/ ſondern auch deß Jammers und Vngluͤcks/ da-
von wir durchs Wort erlediget ſind/ vergeſſen. Solchem fuͤrzukommen/ hat
Gott offt dem Volck Jſrael befohlen/ daß ſie der ſchweren Laſt/ und deß groſſen
Jammers/ den ſie in Egypten erlitten hatten/ und der groſſen Wolthat/ daß er
ſie darauß errettet hatte/ nicht ſolten vergeſſen. Denn wenn man deß Jam-
mers und Vnglůcks vergißt/ ſo iſt das Gedencken der Wolthat ſchon dahin. Da-
her ſehen wir jetzund auch nicht/ was fuͤr unſaͤgliche Wolthaten wir durch das
Evangelium empfangen haben/ in waſerley Finſternuͤß/ graͤulichen Jrꝛthumen
und boͤſem Gewiſſen/ wir unter dem Papſtthum gelebt haben. Daß nu auch
wenig Leuthe wiſſen/ was fuͤr ein groſſer Schatz es ſeye/ ein einig betruͤbt Ge-
wiſſen recht troͤſten/ ſtaͤrcken/ lehren/ und alſo unterrichten/ daß der Tod ins Le-
ben/ die Suͤnde in Gerechtigkeit/ der Sathan in Gott/ verwandelt werde/ das
macht/ daß man das liebe Wort gering achtet. Der heilige Geiſt aber wolte
gern/ daß wir es hoch und werth hielten/ daher preiſet und lobet er hie den Ge-
ruch der Kleyder Chriſti ſo herꝛlich/ daß ſeine Kleyder ein Geruch deß Lebens ha-
ben und geben/ dadurch alle ſo das Evangelium hoͤren/ und mit Glauben an-
nehmen/ ein rechten beſtaͤndigen Troſt empfahen. Daß alſo ein betrůbt Ge-
wiſſen/ ſo mit der Suͤnde und dem Tod ringet/ nichts lieblichers noch froͤlichers
hoͤren kan/ denn von dieſem Geruch der Kleyder Chriſti/ durch das muͤndliche
Wort/ von einem Bruder/ der ihn fertig und kraͤfftig/ durchs Wort ſtaͤrcken
und troͤſten kan. Welche aber frey ſicher dahin leben/ die fragen darnach nichts/
denſelbigen iſt dieſe Lehre ein Geruch zum Tode/ welche den Glaͤubigen ein Ge-
ruch iſt zum Leben. Hæc ille.
Sed \& militaudum, kaͤmpffen und ſtreiten muß man auch. Die
Jſraeliten mußten zuvor ſtreiten und das gelobte Land einnehmen/ ehe ſie
den vollen Herbſt erlangt Num. 13. uns zum Beyſpiel. Sonſten
wann wir nicht eyfern und ſtreiten wollen wider die Laſter/ Suͤnden und
Untugenden/ darinn der groͤſte Hauff erſoffen ligt; So ſtreitet der Herꝛ
wider ſein Volck/ bagojim durch die Heyden Zach. 14. Er ziſcht dem
Tuͤrcken/ als der Ruthe und Geiſſel uͤber ſeine boͤſe Kinder/ er ſteupet
ſie ohne ſchonen. GOtt gebe durch ſeinen Geiſt/ recht bußfertige
heilbegierige Hertzen/ und gebe Zeugnuͤß unſerm Geiſt/
daß wir Kinder Gottes ſeyen/
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Gleichwie der gerechte und eyffe-
rige Gott/ der ſich niemahl unbezeugt gelaſſen/ ſonder-
lich mit und in drey unterſchiedlich ominoſen und boͤß be-
deutenden θείοις, Zorn-Zeichen und Zeugen/ ſein Goͤttliches
Mißfallen und grimmigen Zorn/ uͤber alles Gottloſe We-
ſen und Ungerechtigkeit der Menſchen/ geoffenbaret und entdeckt/ im
Geiſt deß Windes/ in ungewoͤhnlichen groſſen Gewaͤſſern/
und ſeltzamen Blut-Guͤſſen.
(1.) Jm Geiſt deß Windes/ als ſeiner Goͤttlichen Sturm-Glock/
damit er Pharao und ſein Heer im rothen Meer erſchroͤckt/ die Raͤder an
den Waͤgen abgeſtoſſen/ und mit Vngeſtuͤmme geſtuͤrtzet Exod. 14, 24.
cap. 15, 10. wor auff Pharao und ſeim Heer der Garauß gemacht wor-
den. Deßgleichen im groſſen ſtarcken Wind auff dem Berg Horeb/ der
die Berge zerriſſen/ die Felſen zerbrochen/ und ein Vorbot geweſen der er-
ſchroͤcklichen confuſion und ruin deß Koͤnigreichs Jſrael/ dann wer vom
Schwert Haſael deß Koͤnigs in Syrien entrunnen/ vom Schwert Jehu
getoͤdtet worden 1. Reg. 19. und wer dieſem entgangen/ der iſt dem
Schwert Eliſæ zu theil worden. Was der ungeheure Wind/ der An. 1630.
vor der Verſtoͤrung der Stadt Magdeburg vorher gewuͤtet/ die Kirch-
Thuͤrn nach einander herunter geſchmettert/ die Waſſer- und Wind-
Muͤhlen abgeblaſen/ das hat bald hernach beſagte Stadt mit Ach und
Wehe/ aͤuſſerſtem Jammer und Hertzenleyd erfahren.
(2.) Jn groſſen/ ungeheuren/ ungewoͤhnlichen Gewaͤſſern/ Waſ-
ſer-Guͤſſen und Fluͤſſen/ Stroͤmen und Stuͤrmen/ in Waſſer-Wellen
und Wogen/ und deroſelben Wuͤten und Brauſen/ ſo ſich anfangs er-
zeigt kurtz vor der allgemeinen Suͤndfluth/ da es 40. Tag nach einander
geregnet und gewachſen/ und die letſte Buß-Friſt gegoͤnnet/ biß alle Brun-
nen und Tieffen/ alle Fenſter deß Himmels außgebrochen/ uͤber alle Berg
hinauff
[155]Predigt.
hinauff gewachſen/ und allen lebendigen Odem getoͤdtet. Was das
groſſe ungewoͤhnliche Gewaͤſſer mitten im Sommer Anno 1661. naͤchſtvid. D. O-
lear. von
der wun-
derlichen
Guͤte Got-
tes p. 622.
625.
dem erſchienenen Cometen/ und neulich Anno 1663. portendirt/ das
hat nicht allein der Prophet Eſa. cap. 7/7. und cap. 17/12. cap. 24/2.
verkuͤndiget/ nemlich das Wuͤten und Getuͤmmel/ das Brauſſen und
das Einreiſſen groſſer Menge der Voͤlcker/ viel Waſſer/ viel Voͤl-
ckerApoc. 17, 15. Sondern wir haben nun den gewiſſeſten interpretem
vor Augen/ nemlich den Koͤnig von dem Thraciſchen Aſſyrien/ der einreiſ-
ſet im teutſchen Juda/ uͤberſchwemmet und verherget/ Er breitet auß
ſeine Fluͤgel/ daß ſie dein Land/ O Jmmanuel/ fuͤllen ſo weit es
iſt/ wie der Prophet redet Eſa. 7/8.
(3.) Jm Blut/ Blut-Regen/ Blut-Bruͤnnen und Baͤchen.
Maſſen ein ſolcher Blut-Strohm durch gantz Egyptenland gangen/ daExod. 7, 25.
der edle ſonſt fruchtbare Fluß Nilus, ſamt allen ſeinen Baͤchen/ Brun-
nen und Suͤmpffen in Steine und Holtz eingefaßt/ in Blut verwandelt
worden (αἱμαλυθρῶδες, Sap. 11, 7.) in ſchwartz/ unflaͤtig/ garſtig/ ſtin-
ckend/ gelibbert Blut/ davon die Fiſch geſtorben/ die Leuth die es trincken
muͤſſen (weil kein anders Trinck-Waſſer in gantz Egypten anzutreffen ge-
weſen) das ſchmertzliche Grimmen im Leib bekommen/ und davon ſter-
ben muͤſſen/ wie Joſephus zeuget Lib. 2. cap. 5. geſchach theils in talio-
nem, zur gleichen Vergeltungs-Straff/ auff daß weil ſie geduͤrſtet nach
der Jſraeliten Blut/ ſie auch gnug Blut ſauffen muͤſſen/ daß ihnen die
Seel druͤber außgangen; theils zu einem omine und Zeichen deß Blut-
Bads im rothen Meer/ ſo bald darauff erfolgt. Welches ſchroͤcklichvide
Theatr.
Europæ.
p. 670.
Blut-Bad/ auff die Verwandlung deß Waſſers im Stadtgraben zu Luͤ-
tzen in Meiſſen/ bey gemelter Stadt erfolgt/ in dem Haupt-Treffen
Anno 1632. darinn viel tauſend und abermahl tauſend Mutter-Soͤhne
im Blut erſtickt/ und nahmentlich auch Guſtavus Adolphus der Edle
Held ſelbſt ſein Koͤnigliches Leben eingebuͤßt/ davon redet die Hiſtori/ bey
etlichen auch noch lebenden die experienz.
Gleichwie/ ſag ich/ der gerechte eyffrige GOtt bißweilen ſeine ſtrenge
Gerechtigkeit/ und grimmigen Zorn wider die ſchnoͤde gottloſe Welt/ in
beſagten drey Zorn-Zeichen und Zeugen bezeugt und bezeichnet/ daß er
kein Stroh-Butz/ und ſeine Wort kein thumme Donnerſtrahlen ſeyen/
nemlich in Winden/ Waſſer und Blut; Alſo hat auch der gnaͤdi-
ge und barmhertzige HErꝛ Pſ. 111/4. jenen entgegen drey andere
Zeugen geſtifftet und geordnet/ die da beſtaͤndig zeugen ſollen/ ſeinen
Außerwehlten und Glaubigen/ von Gnad und Vergebung der Suͤn-
V 2den/
[156]Die zehende
den/ deren ſind auch drey/ der Geiſt der himmliſche Pfingſt-
Wind/ der durch das Lehr- und Predig-Ampt/ ſonderlich in der heiligen
abſolution kraͤfftig und thaͤtig iſt; die edele gnadenreiche Suͤndfluth/
davon David im 29. Pſalm geweiſſaget/ das geiſtliche Seelen-Bad/
das Waſſer-Bad im Wort/ das Waſſer der Widergeburt; und
dann das Sacramentliche Blut Chriſti im H. Abendmahl/ das da rufft
κρείτ [...]ονα viel beſſer/ als das Blut Habel Hebr. 12/24.
Wir haben euer Lieb neulich vorgetragen dieſer drey Zeugen auff Er-
den vilitaͤt/ wie auch activitaͤt und wuͤrckende Krafft/ ſoll anjetzo folgen
Trinunitas, deroſelben Drey-Einigkeit/ ihre Dreyheit nach der
Zahl/ und doch holdſelige Einigkeit und Symphony. Hievon jetzmahlen
ein mehrers nutzlich und erbaulich zu handlen/ wolle der HErr mit dem
Liecht und Gnad ſeines heiligen Geiſtes miltiglich erſcheinen/ Amen.
SO ſind nun der Zeugen auff Erden/ gleichwie auch deren im
Himmel/ der Zahl nach drey/ nicht mehr noch weniger/ ſo viel
nemlich der Allerhoͤchſte zu einem rechtſchaffenen und guͤltigen
Zeugnuͤß geordnet und erfordert Num. 35, 30. Den Todtſchlaͤger
ſol man toͤdten nach dem Mund zweyer Zeugen; Ein Zeug
allein ſol nicht antworten uͤber ein Seel zu toͤdten.Deut. 17, 6.
auff zweyer oder dreyer Zeugen Mund ſol ſterben wer deß
Todes werth iſt/ aber auff eines Zeugen Mund ſol er nicht
ſterben.Deut. 19, 15. Es ſol kein einzeler Zeuge wider jemand
aufftretten/ uͤber jemands einer Miſſethat oder Suͤnde/ es
ſey welcherley Suͤnde es ſey/ die man thun kan; Sondern in
dem Munde zweyer oder dreyer Zeugen ſol die Sache beſte-
hen. Wird exemplificirt von Eſaia cap. 7. der ſeinen Brieff beſtaͤti-
get mit zweyen getreuen Zeugen/ dem Prieſter Vria und Zacharia; iſt
widerholt im neuen Teſtament Matth. 18/16. 1. Tim. 5/19. da ein Ael-
teſter oder Prediger ſo fern hierinn privilegirt worden/ daß man wider
denſelben keine Klag annehmen ſol/ auſſer zweyer oder dreyer Zeugen/ die-
weil man auff niemand mehr als dieſe pflegt zu luͤgen. Dieſem allen ge-
maͤß hat GOtt der HErꝛ/ als ein GOtt der Ordnung/ drey getreue Gna-
den Zeugen/ die in circo juſtificationis, in dem Standt-Recht oder Be-
circk der Rechtfertigung fuͤr GOtt fuͤr uns ſtehen ſollen/ geordnet. Nu-
bes teſtium ein gantzer Hauff von Zeugen/ iſt zwar honoraria, aber nicht
Hebr. 12, 1neceſſaria, ehrlich aber nicht noͤthig/ drey ſind gnug. Contrà ein einzeler
Zeug wird ſimpliciter verworffen; unus teſtis, nullus teſtis, ein Zeug
iſt
[157]Predigt.
iſt kein Zeug/ unus teſtis proficit, non ſufficit, ſagen die JCti oder
Rechts-gelehrten/ ſo gar auch wann gleich einer [...] ἀυτοϕώρῳ deß Ehe-
bruchs oder Diebſtahls ergriffen wuͤrde/ ſo wird er vom Richter nicht ge-
hoͤrt/ in Ermanglung anderer Beweißthum. Jſt auch die Urſach/ warum
kein Beichtvater das/ was ihm zu treuen Ohren deponirt und beygel eget
worden in der Beicht/ auſſagen und alſo das Predigampt proſtituiren/
ſondern ſigillo confeſſionis beſchlieſſen ſoll. Wie gut waͤr es/ wann groſ-
ſe Herꝛn und Richter der einſeitigen information, ohn weiter nachfor-
ſchen/ nicht ſo leicht glaubeten? Was groß Unheil koͤnte manchmal ver-
mitten bleiben? Doëg der ſuſurrant wuͤrde mit ſeinem mißdeuten/ Abime-
lech und das gantze collegium Sacerdotum in falſchen Argwohn und
diffidenz zu ſetzen/ nicht haben koͤnnen auffkom̃en; Der boͤſe Bub Ziba
wuͤrde mit ſeiner Luͤgen wider Mephiboſeth nichts haben außgerichtet
2. Sam. 16/4. Haman wuͤrde mit ſeiner Mord-Glock haben muͤſſen ver-
ſtummen: und ſo wuͤrde mancher Bidermann bey Ehren und gutem
Leumuth und credit bleiben/ wann die einzelen Zeugnuͤß gedaͤmpfft wuͤr-
den. Das wuſte der liebe GOtt/ darum hat er die Evangeliſche War-
heit mit drey Zeugen und Zeugnuͤſſen bezeichnet/ auff daß auch dieſe Sa-
che beſtehe auff dem Munde und thaͤtlicher Auſſag dieſer Zeugen.
Sinds nun drey Zeugen/ ſo ſinds conſequenter Teſtes Diviſi,
verſchiedene abgeſonderte und abſonderliche Zeugen/ gleichwie auch der
Vater/ der Sohn/ der H. Geiſt/ drey unterſchiedliche realiter verſchiede-
ne Perſonen/ (alius paracletus,) und ſind demnach von einander unter-
ſchieden (1.) Aqua à ſanguine, das Waſſer von dem Blut. Waſſer-
Zeug iſt ein beſonderer und anderer Zeug/ als das Blut/ und ſollen dieſe
beyde nicht vermiſchet und eingemenget werden. Wahr iſt es zwar/ was
wir ſingen:
Das Aug allein das Waſſer ſiht/Wie Menſchen Waſſer gieſſen;Der Glaub im Geiſt die Krafft verſteht/Deß Blutes JEſu Chriſti:Vnd iſt fuͤr ihm ein rothe Fluth/Jn Chriſti Blut gefaͤrbet ꝛc.
Jſt eben das/ was St. Petrus 1. Ep. 1/2. [...]αντισμὸν ἅιματ [...] nennet/Heb. 9, 14.
\& 21.
vid. Ho-
doſ. p. 773.
die Beſprengung deß Bluts Chriſti in der Tauff/ dadurch der Bund
geſchihet mit GOtt im N. Teſtam. Dann ja freylich wo Chriſtus ſelbſt
iſt/ da iſt auch ſein Blut præſentiâ gratioſa, mit gnaͤdiger Gegenwart/
er iſt auch jetzo [...]κ ἀναίματ [...], nicht ohne Blut/ auff welche Weiſe fein
V 3Leib/
[158]Die zehende
Leib/ ſein Seel/ ſein Gottheit auch gegenwaͤrtig in der H. Tauff: Aber
κατὰ τάξιν, nach Goͤttlicher Ordnung ſo iſt das Blut nicht im Waſſer
Sacramentaliter, Sacramentlicher Weiß/ in Sacramentlicher Ver-
einigung; Das Blut iſt eigentlich nicht das himmliſche Ding/ ſondern
Spiritus ex quo, der Geiſt Gottes auß welchem wir ſind widergebohren
worden/ der HErꝛ ſagt nicht wir muͤſſen widergebohren werden
auß Waſſer und Blut/ ſondern auß Waſſer und Geiſt.
Es ſeynd (2.) unterſchiedene Ding/ Sanguis ab aquâ, das Blut
vom Waſſer. Dann ob zwar wol vermuthlich und glaublich ſeyn mag/
Chriſtus hab den ſtarcken Orientaliſchen Wein/ auch im Sacramentli-
chen Kelch/ gemiſcht mit friſchem lauterem Waſſer nach Lands-Arth/
laut der alten tradition, welche Cyprianus mordicus verfechtet/ und da-
her Bellarminus das crama, das iſt/ die Vermiſchung deß Waſſers unter
dem geſegneten Wein fuͤr ein ſolche Nothwendigkeit haͤlt/ ut ſine gravi
(*) Lib. 4.
de Euch.
cap. 10.
(α) In po-
ſtill. do-
meſt. p. 158.
f. 2.peccato nequeat omitti (*), das iſt/ daß beſagte miſculenz ohne ſchwe-
re Suͤnde nicht koͤnne unterlaſſen werden/ ſo iſt es doch merè Adiapho-
rum, ein purlauteres Mittel-Ding/ wie D. Lutherus davor haͤlt (α)/ da-
her iſt es kommen/ ſchreibt er/ daß man im Nachtmahl deß
HErꝛn den Kelch mit Waſſer hat vermiſchet/ ſintemahl
Blut und Waſſer mit einander auß deß HErꝛn Chriſti Sei-
ten gefloſſen iſt. VndCyprianusfichtet hart daruͤber/ daß
man ſolches Miſchen/ als ein ſondern Befelch Chriſti/ nicht
ſol unterlaſſen/ und ſind dieArmenierals Kaͤtzer druͤber ver-
dam̃t worden. Aber weil Chriſtus ſolches nicht befohlen/ und
im Nachtmahl mehr nicht ſichet/ deñ daß Chriſtus den Kelch
genommen/ und ihn den Juͤngern gegeben hab/ iſt es un-
noth/ daß man ſo ein noͤthiges Gebott drauß mache.
Jch falle der Meynung zu/ (ſchreibt abermahl Lutherus Tom. 7. Witteb.
p. 394. f. 1.) daß man lieber lauter Wein zubereite/ ohne Vermiſchung deß Waſ-
ſers/ denn je die Bedeutung mir nicht gefaͤllt/ die Eſaias am erſten Cap. ſchreibt/
ſo er ſpricht/ dein Wein iſt gemiſcht mit Waſſer/ auch darum daß der lauter un-
gefaͤlſcht Wein/ huͤbſch bedeut die lautere Reinigkeit Evangeliſcher Lehre. Da-
zu daß auch nichts anders fuͤr uns vergoſſen iſt/ denn allein das lautere Blut
Chriſti unvermiſcht mit unſerm/ welches Bluts Gedaͤchtnuͤß hie wir begehen
und halten/ alſo daß nicht beſtehen mag der Traum deren/ die da ſprechen/ Es
werde hiemit bedeut die Vereinigung Chriſti mit uns/ ſo wir doch an ſolchem
Orth der Gedaͤchtnuͤß mit nichten pflegen/ auch ſind wir Chriſto nicht ehe verei-
nigt worden/ denn da er ſchon ſein Blut vergoſſen hatte. Denn ſo dem anders
waͤre/ ſo muͤßte auch unſer Blut mit dem Blut Chriſti fuͤr uns vergoſſen/ be-
gangen werden. Doch wil ich wider unſer Freyheit kein aberglaͤubiſch Geſaͤtz
ein-
[159]Predigt.
einfuͤhren/ es wird auch Chriſtus nicht viel auff die Sach geben. Jſt dazu nicht
wuͤrdig/ daß man darum ein Hader anfahe/ es iſt zu viel gnug darum geſtritten
worden/ von der Roͤmiſchen und Griechiſchen Kirchen; dergleichen ſie auch viel
ander Ding vergebens geſtritten haben. Daß aber etliche dawider auff brin-
gen/ es ſey ja Blut und Waſſer auß der Seiten Chriſti gefloſſen/ bewehrt nichts/
denn daſſelbig Waſſer bedeut ein anders/ denn ſie durch das eingemiſcht Waſſer
wollen bedeut haben/ ſo iſt auch daſſeldig Waſſer nicht vermiſcht geweſen mit
dem Blut. Vber das ſo beweißt Figur auch gar nichts/ ſo beſtehet das Exem-
pel auch nicht. Darum ſol dieſe Menſchliche Erſtudung frey gehandelt wer-
den/ wie man wil.
Jſt deßha ben viel weniger gelaſſen als gethan/ ſonderlich in unſeren Lan-
den/ dem typo mehr gemaͤß/ dann ja nicht Blut und Waſſer untereinan-
der gemenget/ ſondern Waſſer und Blut abſonderlich/ diverſis viis auß
Chriſti eroͤffneten Seiten gefloſſen.
(3.) So iſt auch unterſchieden Spiritus ab utroque, der Geiſt
beydes vom Waſſer und Blut. Vnd iſt allhie ein groſſer mercklicher Un-
terſcheid wohl zu beobachten unter dem Geiſt und den anderen beyden
Zeugen. Der Geiſt/ das iſt/ der Lehrer und Prediger/ der iſt ein ſelbſtaͤn-
dige/ lebendige und redende Perſon; Waſſer und Blut aber ſind keine
Perſonen nicht/ ſie reden nicht eigentlich in ungebluͤmtem Verſtandt:
Jener zeuget vielmehr durch Gehoͤr als durch die Schan/ ſein Stimm iſt
mehr teſtis audibilis, als viſibilis, ein hoͤrlicher als ſichtbarer Zeug/
und hat das gehoͤrte Wort ein gewaltige energian und kraͤfftige Wuͤr-
ckung Rom. 10. Gleichwie der Wind zwar gehoͤret wird/ aber man
ſihet ihn nicht/ man weiß nicht von wannen er kom̃t Joh. 3. Die-
ſe aber ſind teſtes viſibiles \& tactibiles, ſichtbare/ augenſcheinliche/
handgreiffliche Zeugen; Jener zeuget bloß mit Worten/ iſt eigentlich kein
ſigillum oder Sigel; Dieſe aber ſind Sigel und Zeichen/ wie wir im Ca-
techiſmo bekennen.
Darum dann auch nicht mehr als zwey Sacramenta deß Neuen
Teſtaments ſind. Ob wohl drey ſind/ die da zeugen/ ſo ſind doch nicht
mehr als zween ſichtbare Sigel/ Zeichen und Sacramenta/ und daſſelb
excluſivè, zwey allein/ außſchließlich/ mehr Sacramenta hat Gott
nicht geoffenbahrt. Nun ſagt St. Paulus Gal. 3/ 15. Verachtet man
doch eines Menſchen Teſtament nicht/ weñ es beſtaͤtiget iſt/
und thut auch nichts dazu. Wann einem zween Acker teſtirt und
vermacht worden/ ſo darff er nicht noch fuͤnff andere Acker hinzu thun/
und eigenthaͤtlicher weiß ihme verſchreiben laſſen. Paulus weiß von keinen
mehr/ 1. Cor. 10/ 2. ſagt er: Vnſere Vaͤter ſind alle durchs
Meer gegangen/ und ſind alle unter Moſen getaufft mit der
Wol-
[160]Die zehende
Wolcken/ und mit dem Meer; und haben alle einerley geiſt-
liche Speiſe geſſen/ uñ haben alle einerley geiſtlichen Tranck
getruncken/ Und cap. 12/ 13. Wir ſind durch einen Geiſt alle zu
einem Leibe getaufft/ wir ſeyen Juden oder Griechen/ Knech-
te oder Freyen/ und ſind alle zu einem Geiſt getraͤncket. Es
ſind ihr auch nicht mehr Sacramenta in der erſten Mutter- und Milch-
Kirch practicirt worden Act. 2, 38. 1. Cor. 11. 25. mehr ſind nicht noͤthig/
natura in non neceſſariis non abundat, multò minus gratia, quæ
non eſt ſerva humanæ curioſitatis, zwey ſind genug zum geiſtlichen Le-
ben und deſſen Friſtung/ die Geburt und Bekleydung/ die Nahrung und
Artzney. Jn der H. Tauff geſchicht die Geburt zum geiſtlichen Leben/ und
zugleich die Kleydung/ dannſo viel getaufft ſind/ die haben Chriſtum an-
gezogen: Jm H. Abendmahl wird der Menſch geſpeiſet und geheilet.
Es iſt zwar nicht ohn/ in der Apologia oder Schutz-Red der Augſp.
Confeſſ. art. 13. werden drey Sacramenta genennet/ Tauff/ Abend-
mahl und Abſolution; aber in weitlaͤufftigem Verſtand. Die Wort lau-
ten alſo pag. 89. f. 2. So wir Sacrament nennen die aͤuſſerliche
Zeichen undceremonien,die da haben Gottes Befehl/ und ha-
ben ein angeheffte Goͤttliche Zuſage der Gnaden/ ſo kan man
bald ſchlieſſen/ was Sacrament ſeynd. So ſeynd nun rechte
Sacrament/ die Tauff und das Nachtmahl deß HERRN/
dieAbſolution:Denn dieſe haben Gottes Befehl/ haben auch
Verheiſſung der Gnaden/ welche deñ eigentlich gehoͤret zum
neuen Teſtament. Welche Wort (ſo ohn Zweiffel ihr Abſehen auff
unſere drey irꝛdiſche Zeugen gehabt) nicht allein mit Beding und nicht ca-
tegoricè außgeſprochen worden/ von welcher Art zu reden man in den
Schulen ſagt/ conditio nil ponit in eſſe. Jſt eben eine ſolche Weiß zu
reden/ als wann einer ſagte: So ich alles den Engliſchen Gruß nennen
wolte/ ſo offt die Engel in H. Schrifft gruͤſſen/ ſo wuͤrde nicht nur das Ave
Maria, (welches im Papſtthum κατ᾽ ἐξοχὺν der Engliſche Gruß heiſſet)
ſondern auch das Ave Daniel der Engliſche Gruß genennet werden. Wer
wolt darauß ſchlieſſen/ daß mehr als ein Engliſcher Gruß in der Chriſtli-
chen Kirchen ſeye? Nicht allein/ ſag ich/ ſind beſagte Wort bedings Weiſe
außgeſprochen/ in weiterem Verſtand/ da ſonſt/ wann man von den Sa-
cra-
[161]Predigt.
cramenten in engerm Verſtand reden wolt/ die Apologia mehr nicht als
zwey Sacrament agnoſcirt und erkennet/ dann ſo lauten die folgende
Wort. So man alle Ding wolte mit ſo herꝛlichem Titul/
Sacrament nennen/ darum/ daß ſie GOttes Wort und
Befehl haben/ ſo ſolt man billich fuͤr allen andern das Gebet
ein Sacrament nennen: Dann da iſt ein ſtarcker GOttes
Befehl/ und viel herꝛlicher Goͤttlicher Zuſage/ es haͤtte auch
wol Urſache. Denn wenn man dem Gebetſo groſſen Titul
gebe/ wuͤrden die Leuthe zum Gebet gereitzt. Auch koͤnte
man die Allmuſen unter die Sacrament rechnen.Itemdas
Creutz und die Truͤbſalen der Chriſten/ denn die haben auch
GOttes Zuſage. Wer ſihet nicht hierauß/ daß die Apologia auff dem
weitern Verſtand nicht begehrt zu beſtehen/ ſondern den engern ihr vorbe-
halten?
Ob nun wol ſolcher maſſen dieſe erſtbenamſte drey irꝛdiſche Zeugen/
drey verſchiedene und unterſchiedene Zeugen ſind/ ſo faſſet ſie doch der
Schoß-Juͤnger in einen Reyen/ Kreiß und Bezirck gar genau zuſammen/
und ſchreibt (wie etliche alte Exemplaria, ſonderlich die lateiniſche Vul-
gata, und teutſche anno 1483. getruckt/ eben in dem Jahr da Lutherus
gebohren worden/ dahin lauten:) Et hi tres unum ſunt, dieſe drey ſind
eins/ oder wie beſſer alle Griechiſche Exemplaria leſen/ εἰς τὸ ἕν εἰσιν, ſie
ſind in eins/ ſie ſind auff eines gerichtet/ ſie zihlen zu einem Zweck/ oder
wie es Lutherus gedolmetſchet/ beyſammen/ iſt alles recht/ und in ge-
ſundem Verſtand der Glaubens-Regul gemaͤß.
Ἕν εἰσιν, ſie ſind eines/non eſſentiâ, non ὁμοουσίᾳ, nicht der
Natur und Weſen nach/ in welchem Verſtand die drey him̃liſche Zeugen
Eins ſind und heiſſen; nicht alſo! dann bey den drey irꝛdiſchen Zeugen/
gibts ἄλλο καὶ ἄλλο, ein anders Weſen iſt der Geiſt/ ein anders das Waſ-
ſer/ ein anders das Blut. Sondern ἕν εἰσι, Eines ſind ſie/ τάξει, der
Ordnung nach/ dieweil ſie von einem Urheber und Stiffter geordnet/
der uns durch dieſe drey vereinbarte Zeugen zu ſich ziehen wil/ durch ſeinen
Sohn/ der deßwegen mit Waſſer und Blut kommen. Eines ſind ſie/
dieweil ſie in einer Form harmonicè zuſammen ſtimmen/ nach der tabu-
latur deß Goͤttlichen Worts/ ἑνικῶς, ſicut in muſicâ τριφώνῳ, wie in ei-
ner dreyſtimmigen Muſic/ drey Stimmen lauten/ und iſt doch ein Ge-
ſang. Sie ſind beyſammen ἅμα καὶ ὁμου̃, ſie zihlen auff einen Zweck und
End/ εἰς τὸ ἓν, auff das einige Evangelium von Chriſto/ dem Anfaͤnger
und Vollender unſers Glaubens: Eins effectu veritatis, in dem Grund
Achter Theil. Xder
[162]Die zehende
der Warheit/ daß man feſt drauff bauen kan. Wann ſonſt zween oder
drey Zeugen nicht zuſammen ſtimmen/ ſo gelten ſie nichts/ der Richter ver-
wirfft (und zwar billich) ihr Zeugnuͤß/ wie Daniel gethan/ der das divide
practicirt/ die zween alten Schaͤlck voneinander gethan/ abſonderlich ver-
hoͤrt/ und gefragt den Umſtand/ Ubi? Wo? Da ſie nun nicht gleich ein-
getroffen/ der eine geſagt/ ſub χίνῳ, der ander ſub πρίνῳ, der eine unter
der Eichen/ der ander unter der Linden geſagt/ hat er ſie verworffen und
verſtrickt/ daß die ſtinckende Schand-Luͤgen an Tag kommen. Aber hie
dieſe unfere Sacramentliche Zeugen ſind ἅμα καὶ ὁμου̃, ſie ſtehen fuͤr einen
Mann.
Conſequenter 2. ἕν indiviſibile,eine unzertheilte Einigkeit.
Zwar de facto in Eccleſiâ preßâ, kan einige Sonderung und Theilung
wol fuͤrgehen. Unter dem dicken finſteren Pabſtthum vor Luthero
iſt es ſo weit kommen/ daß allein der eine Zeug das Waſſer in der Tauff
geblieben/ das Blut im H. Abendmal geraubet worden/ der Antichri-
ſtiſche Geiſt geredet; da war aqua ſine ſanguine \& ſpiritu, da war Waſ-
ſer ohn Blut und Geiſt; Aber de jure von Rechts wegen nach Goͤttli-
cher intention und Ordnung ſollen ſie beſtaͤndig beyſammen ſeyn/ zuſam-
men ſtimmen und zeugen/ nach GOttes Befehl und Willen ſollen ſie
(moraliter loquendo) nicht von einander geſchieden/ ſondern in der
Chriſtlichen Kirch immer und ewig/ beſtaͤndig und taurhafft in der Ubung
Eccleſ. 4,
12.bleiben/ biß daß der HErꝛ wieder kommet/ zum allgemeinen Ge-
richt der Lebendigen und der Todten: Niemand ſoll ſich geluͤſten laſſen/
bey Vermeydung ewiger Straff/ dieſe dreyfache Schnur zu brechen/ auff-
zuheben und zu aͤnderen. Dir O Calvine gebuͤhrt nicht das Blut auß
dem Abendmal/ quantum in te zu rauben/ von der Erden außzumu-
ſteren/ und allein außſchließlich in Himmel ſetzen. Hie cavirt Johannes
und ſagt: Nicht mit Waſſer allein/ welches allerſeits bekaͤntlich
auff Erden iſt und zeuget/ SondernNB.mit Waſſer und Blut
zugleich. Dir Pabſt (wann du auch gleich ein Engel waͤreſt) ziemet
nicht/ das Blut Chriſti ſampt dem Kelch den Layen zu rauben/ und den-
ſelben noch darzu ſynodicè in zweyen conciliis, hoc tamen non obſtan-
te, halsſtarriglich und durſtiglich zu obfirmiren und beſtaͤtigen; dein Ge-
dicht von der concomitantz wird dein Sacrilegium nicht ſchuͤtzen an je-
nem Tag/ mit deren als einer Larv und Nebel-Kapp du dein myſterium
iniquitatis oder Geheimnuͤß der Boßheit unterſteheſt zu bedecken/ und der
Einfalt zu mißbrauchen/ vorgebend/ der Leib Chriſti ſey nicht ex ſangue
ohne Blut/ Ergò wer den Leib Chriſti im H. Abendmal in und mit dem
Brodt
[163]Predigt.
Brodt empfaͤngt/ der empfaͤngt auch zugleich das Blut/ wann ers nur
empfaͤngt/ es iſt im Brodt ſo viel als im Wein/ was wil man mehr? Aber
ſolcher Weiſe moͤchteſtu auch folgern: Chriſti Leib iſt nicht ohne Seel/
oder ohne Gottheit/ Ergò ſo iſſet man auch die Seel oder die Gottheit;
item der Leib Chriſti wird nicht außgeſpendet ohne den Prieſter/ Ergò
wird auch der Prieſter mit gegeſſen/ ſampt der Monſtrantz und Altar.
Weiſeſtu nicht/ was die H. Jungfrau Maria erinnert Joh. 2/ 5. Was
Er euch ſaget/ das thut; Nun ſagt Er nicht nur/ eſſet/ ſondern auch
trincket/ ſchreibet damit vor nnd befihlt nicht nur rem, die Sach oder
Artzney ſelbſt/ ſondern auch modum, die Weiß wie man ſie genieſſen ſoll.
St. Paulus ſonderts ab 1. Cor. 10/ 16. Der geſegnete Kelch/ iſt der
nicht die Gemeinſchafft des Bluts Chriſti? Er ſagt nicht/ und
des Leibs Chriſti zugleich; Das Brodt/ das wir brechen/ iſt das
nicht die Gemeinſchafft deß Leibs Chriſti? Er ſagt nicht/ und
deß Bluts Chriſti zugleich; ſonſt moͤchte ein Patient, dem der Medicus
ein Traͤncklein verordnet zu trincken/ und ein Oel zu ſalben/ wann dieſer
das Oel trincket/ und mit dem Tranck ſich ſalbet/ ſich einbilden es gelte gleich/
er hab einerley Nutzen davon; jederman wuͤrde dencken/ ein ſolcher Patient
fable/ oder ſey toll und thoͤricht. Wann nun gleich (ſind Lutheri
Wort *) alles Laub und Graß/ alle Sternen am Himmel/ und(*) Tom. 6.
Witteb.
pag. 162.
f. 2.
Sand-Koͤrnlein am Meer in Ewigkeit rufften und ſchryen/
es iſt unter einer Geſtalt ſo viel als unter beyden/ ſo wuͤrde
damit kein Hertz zu frieden geſtellt/ ſondern das Gewiſſen
uͤberſchreyet ſolches alles/ und ſpricht gewaltiglich alſo: Lie-
ber/ du ſageſt mir viel/ es ſey unter einer Geſtalt ſo viel/ als
unter beyden/ GOttes Wort ſtehet dennoch da/ und ordnet
mir gleichwol beyder Geſtalt zu brauchen/ und Er weiß ohn
Zweiffel beſſer denn ihr alle/ ob unter einer Geſtalt ſo viel ſeye/
als unter beyden/ dem nach befihlet Er beyder Geſtalt zu brau-
chen. Was ſoll ein arm Gewiſſen wider ſolch GOttes Wort/
Befehl und Ordnung ſagen/ weil das nicht hilfft/ daß unter
einer Geſtalt ſo viel ſey/ als unter beyden? Denn ich ſetze
es/ daß unter einer Geſtalt tauſendmal mehr waͤre/ denn
unter beyden/ ja wann gleich unter beyder Geſtalt nichts
waͤre/ und unter einer Geſtalt waͤre alles/ was hilffe mich
das? Da bleibet gleichwol GOttes Wort von beyder Ge-
ſtalt/ und fraget nichts darnach/ wie viel oder wenig ich un-
ter einer oder beyder Geſtalt rechne/ und muß ein arm Ge-
X 2wiſſen
[164]Die zehende
wiſſen ſagen/ Lieber/ es iſt nirgend ſo viel unter einer Ge-
ſtalt/ als unter beyden/ nemlich/ unter einer Geſtalt iſt allein
die Helfft der Wort GOttes oder ſeines Befehls/ aber unter
beyder Geſtalt/ ſind die Wort GOttes beyde und gantz.
Lieber/ es gilt nicht ſo die Wort GOttes auß den Augen thun/
und dieweil mit Gedancken kluͤglen/ wieviel unter einer oder
beyder Geſtalt ſey/ es heißt/ wer auß GOtt iſt/ der hoͤret
GOttes Wort/ das Wort/ das Wort ſag ich/ muß man
mehr anſehen/ denn das gantze Sacrament/ mit allem das es
iſt und vermag/ denn am Wort ligts gar/ und wo es ſolt
ſcheidens und wehlens gelten/ ſo ſolt man ehe das gantze Sa-
crament laſſen fahren/ denn einen einigen Buchſtaben oder
Titul von den Worten verlaſſen. Nu fragen ſie aber nichts
nach dem Wort GOttes/ und dichten dieweil ein gantz Sa-
crament im halben Sacrament/ denn ſie ſind GOttes Ver-
aͤchter und ſeines Worts Laͤſterer. BißherLutherus.
3. Ἓν [...]λογητὸν \& benedictum,Ein geſegnets gedrittes.
Der Herr ſpricht auch das benedicite uͤber dieſe drey Zeugen/ und ver-
ſpricht Segen und alles gutes/ ſo durch und von denſelben in unſere Her-
tzen und Gewiſſen flieſſen ſoll. Matth. 18. ἐὰν συμφωνήσωσι, wo zween
oder drey eins werden in meinem Nahmen ꝛc. Das iſt/ auß mei-
nem Befelch/ zu meiner Ehr/ Chriſtlich und rechtſchaffen/ da hat man
ſich der Erhoͤrung und Gewaͤhrung/ Heil/ Segen und Beſtaͤndigkeit zu
troͤſten.
Wie wir nun M. L. dieſe Trinunitaͤt recht glauben/ recht faſſen muͤſ-
ſen/ in ſenſu \& conceptu vero, die ϑέσιν und den Verſtand der Wort/
was es ſeye/ wann Johannes ſagt/ dieſe drey ſind eins/ damit uns der
Apoſtel nicht unteutſch ſeye; Alſo muͤſſen wir auch dieſe dreyfache Sym-
phoni uns fuͤrſtellen als ein Muſter der rechten Chriſtlichen Einigkeit/ in
allen nicht nur collegiis, Zuͤnfften und Nachbarſchafften/ Haußhaltun-
gen/ drey ſchoͤne Ding/ ſagt Syrach/ cap. 25/ 1. ſind/ die beyde
GOtt und den Menſchen wolgefallen; Wenn Bruͤder eins
ſind/ und die Nachbaren ſich lieb haben/ und Mann und
Weib ſich miteinander wol begehen. Obrigkeit muß wehren und
Gott ſeyn/ Aaron Lehren und Mund ſeyn/ das Volck nehren/ ſich lehren
und wehren laſſen/ das ſind drey ſchoͤne Ding. Sonderlich zu dieſen ge-
genwaͤrtigen ſchweren Laͤufften/ da man mit dem Erbfeind zu thun/ da iſt
der Syncretiſmus politicus oder Buͤrgerliche Noth-Frieden wol erlaubt/
da
[165]Predigt.
da muß das Reich nicht mit ſich ſelbſt uneins ſeyn Matth. 12/ 25.
Gleichwie wann in irgend einer Stadt/ da allerhand Religionen eingeni-
ſtet/ eine Feurs-Brunſt außgeht/ Juden und Heyden/ Calviniſten und
Papiſten/ Groß- und Klein-Hans ohne Unterſcheid zulauffen und helffen
loͤſchen/ Noth bricht Eiſſen/ ein jeder gedenckt
Nunc tua res agitur, paries cum proximus ardet.
Breñt meines Nachbars Wand/ ſo iſt mein Hauß das nechſt am Brand.
Doch muß man ſich der Goͤttlichen Warheit nichts begeben/ wann kluge
Welt-Leuth den Syncretiſmum hoͤher treiben wollen/ und ſich beduͤncken
laſſen/ jetzt ſey es Zeit/ daß man etwas weiche/ naͤher zuſammen trette auch
in der Religion, das ſey die pœna litis,Gott der Herr hab deßwegen
den Tuͤrcken erweckt/ daß er ſoll zufalls die Religionen eins machen/ und
unter einen Hut bringen/ dahin ſolte man jetzt arbeiten in den Reichs-
Verſamlungen. Alſo laͤßt ſich vernehmen Brigtmannus in Apocalypſi
Apocalypſews p. 82. Der Tuͤrck werde die Ubiquitarios mit den Re-
formirten eins machen/ und den Religions-Streit mit dem Saͤbel ent-
ſcheiden. Da ſagen wir nein zu/ die Schlangen-Feindſchafft iſt ἄσπον-
δος, ewig unverſoͤhnlich allweil Schlang Schlang bleibt/ ſo wird Unfried
und Unruh nicht auffhoͤren: der Herr Chriſtus ſagt/ Er ſey nichtMatth. 10.
kom̃en Frieden zu ſenden auff Erden/ ſondern das Schwerdt.
Wir kehrens um und ſprechen: Der Syncretiſmus iſt die Wurtzel und
das Ey/ darauß der Mahometiſche Alcoran entſproſſen und außgebruͤtet
worden. Summa/ Fried und Warheit ſind zwo Schweſtern/ die laſſen
ſich nicht trennen: Fried ohne Warheit/ Symphoni ohne Tabulatur
iſt ein Katzengeſchrey/ wann Eva und Schlang/ Huren und Buben/
wider Gott ſich miteinander vereinbaren und paren/ ſo iſt das Schwerdt
vonnoͤthen/ das Mund-Schwerdt der Elenchus; wie auch wann in
einer Policey/ Verraͤther und Conſpiranten, untreu Geſind in der
Haußhaltung/ in geheim zuſammen halten/ dem gemeinen Beſten
Schaden zu thun/ ſo iſt alsdann Catonis deß klugen Roͤmers Rath der
beſte/ welcher ſervos variarum nationum, ſein Geſind und Knecht
von unterſchiedlichen Nationen geſamlet und gedingt; Fragt man wa-
rum das? Ne in damnum Domini ſui conſentirent, auff daß ſie
nicht eins wuͤrden/ mir ihrem Herꝛn ſeine Guͤter zu veruntreuen/ ant-
wortete er. Man lobt zwar manchmal ſeine gute ſtille ſanfftmuͤtige
Leuth/ die wann ſie gleich ſehen und ſpuͤren/ wann und wo es unrecht
hergehe/ dennoch doͤrffen ſie mit der Sprach nicht herauß/ conniviren/
X 3laſſen
[166]Die zehende
laſſen fuͤnff grad ſeyn: Warum? Um der lieben Einigkeit willen/ ja um
dem ſelbſt Genieß und Vortheil/ hilff du mir/ ſo hilff ich dir/ du mir dort/
ich dir hie. Da leiden dann die drey/ Alethea, Conſcientia, \& Gloria
Dei, Warheit/ Gewiſſen/ und GOttes Ehre noth. Solche Freund-
ſchafft iſt GOttes Feindſchafft.
Vm welcher Urſach willen wir auch nicht Chriſt-Bruͤderlich com-
municiren koͤnnen und ſollen/ mit denen die heterodoxi ſind/ und im
Grundſtuͤrtzenden Jrꝛſahl begriffen. Nam quæ non conveniunt in
uno tertio, non conveniunt inter ſe; qui non conveniunt in ſym-
phoniâ trium teſtium, etiam inter ſe non debent eſſe ſymphoniaci.
Jn dem Synodo zu Charenton in Franckreich/ anno 1631. gehalten/ hat
ſich zwar das Syrenen-Geſang hoͤren laſſen/ da die verſamleten Lehrer der
Reformirten folgends Decret abgefaßt: Cum Eccleſiæ Confeſſionis
Auguſtanæ conveniant cum aliis Reformatis, in principiis \& pun-
ctis fundamentalibus Religionis, ſtatuit Synodus, fideles dictæ
Confeſſionis poſſe nullâ præmiſſa abjuratione opinionum, quas te-
net contrariarum fides dictarum Eccleſiarum noſtrarum, admitti ad
cœnam: das iſt/ weil die Kirchen AugſpurgiſcherConfeſſionmit
andern Reformirten in dem Fundament derReligionuͤber-
ein kommen/ ſo hat derSynodusbeſchloſſen/ es koͤnnen dieſel-
be/ ohne Abſag und Verſchwoͤrung der Meynungen/ die un-
ſere Kirchen fuͤhren/ als Glaubige zum Tiſch des HErꝛn von
uns zugelaſſen werden. Aber die offenhertzigen Schweitzer zu Zuͤrch/
die haben ſich anders und redlicher erklaͤrt/ in einem Schreiben an das all-
hieſige Kirchen-Convent, darinnen ſie bekennen/ daß ſie den jenigen/ wel-
che ſie ſtudirens halben hieher geſchickt/ verbotten haben/ in der hieſigen
Kirchen zu communiciren/ dann/ ſchreiben ſie/ unſere Knaben ha-
ben nicht einerley Glauben mit euch/ warum ſolten ſie dann
aͤuſſerlich mit dem Werck bezeugen/ das ſie doch inwendig im
Hertzen nicht glauben?
vide von der Gevatterſchafft der Tauff-Zeugen/ ob ſie denen die im Grund
deß Glaubens uneinig/ zu zulaſſen/ in Reform. Salve p. 587.
Darum waͤre das beſt/ man ſtimmete die abgeloffene Saͤiten und heulen-
de Pfeiffen recht zuſammen/ und kaͤme in der Auſſag der drey ſo wol trꝛdi-
ſchen als himmliſchen Zeugen recht zuſammen/ ſo waͤre alsdann ein ſolche
ſymphony und Muſic lieblich zu hoͤren.
Weniger koͤnnen wir communiciren und geiſtliche Bruͤderſchafft
pflegen mit den Papiſten/ als die nicht allein das Blut Chriſti den Layen
entzie-
[167]Predigt.
entziehen/ tantâ ferociâ, und daſſelb mit ſolcher wilden Hefftigkeit/ daß
wann auch durch die Erſtattung deß Kelchs koͤnte unter beyden Religio-
nen Fried gemacht werden/ doch ihre geiſtliche Camarim mit Haͤnd und
Fuͤſſen wehren wuͤrden/ wie (*) der Polniſche Cardinal Stanislaus Hoſius(*) l. de ex-
preſſ. Dei
verb. p. 60.
gethan; ſondern auch die Zahl der Sacramentlichen Zeugen auß eigen-
thaͤtlichem Frevel gemehrt/ mit dem Zuſatz noch anderer fuͤnff Sacramen-
ten/ als nemlich der Buß/ der Firmung/ (die ſoll wuͤrdiger ſeyn als die
Tauff/ laut (α) deß geiſtlichen Rechts) der Ehe/ der letſten Oehlung/ und(α) diſt. 5.
de conſecr.
can. 3.
vide hodo-
mor. Spir.
cap. Pſant.
10. p. 446.
der Prieſterweyhe/ deren Elenchus und Widerlegung auff andere Zeit
und Gelegenheit verſparet wird.
Unſere Welt-Kinder/ ja Belials-Kinder und Sacrament-
Schaͤnder/ extendirens noch weiter uͤber die Sieben hinauß/ wir wiſſen
leider gar zu wol und beklagens/ daß man die Sacramenta auch bey uns
mehrt/ und uͤber-Tuͤrckiſch und uͤber-Heydniſch dem Nechſten an den Hals
zu ſeinem Verderben flucht/ mit Stern- und Blut-Sacramenten um ſich
wirfft/ bey hunderten ja viel tauſenden/ ſo ſchroͤcklich/ daß der Himmel
ſich entferben/ die Sonn erſchwartzen/ und der Erdboden hieruͤber erzittern
ſolte/ und alle Creaturen erſchuͤttern. Welcher Tuͤrcken-Saͤbel iſt
ſcharff genug ſolchen Frevel zu ſtraffen? O Hoͤll-wuͤrdige Suͤnden!
Wann der λογχοφόρος und Kriegs-Knecht Chriſti Blut/ der Mariæ
und Johanni ins Angeſicht geſpien; Wann ein Bettler das Brodt/ das
ihm zum Allmoſen gegeben worden/ ſeinem Neben-Bettler ins Maul
ſtoſſen und ſagen wolte: Friß daß dirs Hertz abſtoſſe/ daß du daran erwur-
geſt ꝛc. Wann ein Maleficant mit dem Gnaden-Scepter ſeinen armen
Mit-Suͤnder wolte um die Ohren ſchlagen; wuͤrde man nicht erſchrecken
und ſagen/ einem ſolchen Boͤßwicht koͤnte man nicht genug Straff und
Marter anlegen/ welcher Tuͤrcken-Saͤbel kan ſcharff genug ſeyn ſolches
zu ſtraffen? Welch Hoͤlliſch Feur iſt heiß genug?
Unterdeſſen contentiren und ſaͤttigen wir uns gar wol mit den zwey
Sacramenten/ bitten/ weil es wil Abend werden/ Gott wolle ſie erhal-
ten. Die uͤbrigen compenſiren und ſuchen wir in der H. Schrifft/ und
in dem Chriſtlichen Catechiſmo und deſſen Geheimnuͤſſen/ die Firmung
ſuchen wir in dem H. Abendmal/ als dem Sacramento Confirmatio-
nis; die Buß beym Beichtſtuhl und Loͤßſchluͤſſel; in der Ehe als einem
myſterio und Geheimnuͤß Eph. 5. die innigliche hertzliche Liebe Chriſti
mit ſeiner Geſpons/ die er liebt/ als ſein eigen Fleiſch/ vertraͤgt ihre næ-
vos, pfleget ihr; die leiſte Oehlung in dem Freuden-Oehl deß H. Geiſtes/
durch welchen wir begleitet durch das finſtere Todes-Thal in das rechte
Vater-
[168]Die eilffte
Baterland Pſal. 23. Mein getreuer Hirt und Wuͤrth bereitet fuͤr mir einen
Tiſch/ ſalbet mein Haupt mit Oehl; Die Prieſterweyhe in der rechten/ in
GOttes Wort fundirten/ Chriſtlichen/ Apoſtoliſchen Ordination. Dann
ſo alle Creatur GOttes geſegnet wird durch das Wort und Gebet/ viel-
mehr das Miniſterium wird geweyhet und geheiligt durch Wort und Ge-
bet/ und dem alten Apoſtoliſchen ritu der Hand-Aufflegung: Damit iſts
gnug/ ferners Anſchmierens iſt umſonſt. Hiemit auch gnug fuͤr dißmal.
Der Herr geb/ daß was bißher fuͤrgetragen worden/ viel Nutzen und
Frucht bringen moͤge/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Jn den alten bewaͤhrten Roͤmi-
ſchen Hiſtorien und Geſchichten finden und leſen wir
von einem dreyfachen Schul-Methodo, Schul-Form
oder Lehr/ dreyer Mittel/ Arten und Weiſe/ nach und in
welchem die zarte herwachſende/ ſonderlich Adeliche Ju-
gend aufferzogen/ geuͤbet/ und zu Erlernung guter Kuͤnſten/ auch loͤbli-
chen Sitten und Tugenden/ entzuͤndet und angefriſtet worden: So ge-
ſchehen I. Per ſcripturas,durch SchrifftlicheMonimentenund
Buͤcher/ darin ſonderlich ihrer Majorum ruͤhmlich und redliche Thaten
auffgezeichnet geweſen/ in welchen ſie ſich erſpieglen ſolten: Wer ſich
hierin nicht geuͤbet/ den hat man fuͤr einen un- und keinnuͤtzen Menſchen
außgeruffen/ und Sprichwortsweiſe von ihm geſagt: Neque literas ne-
(*) conf.
Eraſmi
Adag.
p. 138.que natare didicit, (*) das iſt/ Er kan weder ſchwimmen noch
ſchreiben/ er iſt weder zu ſieden noch zu braten.
II. Per picturas,durch allerhand Bilder und Gemaͤhlde/
darinnen die herꝛliche loͤbliche Thaten ihrer Majorum Eltern und Groß-
Eltern abgeriſſen und abgemahlet worden: Sonderlich hat man die
edle Jugend fuͤr die arcus Triumphales, Triumph-Boͤgen und Siegs-
Bilder
[169]Predigt.
Bilder gefuͤhrt/ darin der Majoren Victorien, Ritterliche Wehr und
Waffen/ reiche Beuten und anathemata, anſehnliche Kriegs-Schaͤtze/
mit lebendigen Farben außgeſtrichen/ und damit die Jugend ad imitatio-
nem zur tugendlichen Nachfolge angeſpohrt.
III. Per figuras \& ſignaturas,durch ſonderbare Figuren
und ſichtbare Mahlzeichen/ in anſehen derer Sie gleicher geſtalt ih-
rer Ampts-Pflicht/ Gebuͤhr und anſtaͤndigen Tugenden zu erinneren.
Wohin ſonderlich gehoͤrt die Toga prætextata, das purpur-rothe Ehren-
Kleid/ ſo man den jungen Edlen Knaben zum Unterſcheid angezogen/ daß
Sie darbey ſich der verecundiæ, deß Schamroths/ als der Tugend ei-
gentlicher Liberey/ und der Jugend beſten Schmucks und Zierraths im-
mer erinnern ſolten/ fuͤr Schmach und Schand ſich huͤten/ damit Sie ih-
rem Edlen/ beruͤhmten/ Nahmhafften/ und alten anſehnlichen Geſchlecht
kein Schandflecken anhengen. So dann auch hat man ihnen auff die
Bruſt geſetzt auream bullam, (*) ein guldene Bull oder Knopff/ for-(*)vid.
Macrob.
l. 1. Saturn.
cap. 6.
mirt wie ein Hertz/ von lauterm clarem und feinem Gold/ nicht von Queck-
ſilber oder Schlacken der Metall/ ſondern von dem feinſten Gold/ zur An-
zeig der hertzhafften Großmuͤtigkeit/ daß ihr Hertz ſeyn ſoll ein ſtaͤt-beſtaͤndi-
ges/ rein-lauteres/ unfalſches/ immerglaͤntzendes/ und alſo recht guͤldenes
Hertz.
Wo? M. L. in welchem Gaden oder Laden findet man Scham-
roth feil? daß wirs kauffen/ anziehen und in demſelbigen uns ſchaͤmen
moͤchten? Wann wir unſere Kinder-Zucht/ die Chriſtlich ſeyn ſolte/
compariren und vergleichen mit dieſer Heydniſchen Roͤmiſchen/ aber
weiſen und vernuͤnfftigen diſciplin, und deroſelben Schul-Methodi.
Wir ſind ja alle/ ſollen und wollen ſeyn getauffte/ außerkohrne/ Edelſte
Kinder GOttes/ auß Gott der Quell alles Adels und Wuͤrde wi-
der und von neuem gebohren. Wo ſind dann die ſcripturæ? Wo be-
fleißt man ſich die Hiſtorien unſerer Chriſtlichen Majoren und Glaubens-
Helden zu leſen/ in den Annalibus Eccleſiæ, martyrologiis und Helden-
Buͤchern? Wie viel ſind deren die weder ſchreiben noch leſen/ weder
ziffren noch rechnen koͤnnen/ oder koͤnnen wollen? Man ſolt wol finden/
auch bißweilen unter dem Adel/ die ihren eignen Nahmen nicht recht
correct ſchreiben koͤnnen? Hat jemand von Herren Stands-Perſonen
oder auch dem Adel/ den Edelſten ſtudiis recht nachgeſetzt/ gruͤndlich die
heilſamen freyen Kuͤnſte/ oder auch die Theologi gefaßt/ ſo mag er wol
ein phœnix und Meerwunder heiſſen. Wo ſind die Triumph-Boͤgen
und Siegs-Bilder/ die picturen und Gemaͤhlde rerum præclarè geſta-
Achter Theil. Yrum?
[170]Die eilffte
rum? Wir haben deren wenig; mehr aber/ im Augenſchein/ der Helden
in Fuͤllerey/ ſchwelgen/ freſſen/ ſauffen/ fluchen/ Gotts-laͤſtern/ raßlen/ ſpie-
len/ rauffen/ ſchlagen/ das ſind unſere Triumph/ das ſehen die jungen Af-
fen/ und ahnens nach. Wo ſind unſere prætextæ und Tugend-Kleider/
ſonders der purpurfarbe Schamroth? Er iſt verblichen/ die Impudicitia
und Schamloſigkeit ſihet der Jugend mit allen Augen herauß/ die ſich nicht
ſchaͤmet der frembden/ Frantzoͤſiſchen/ affentheurlichen Verſtellungen in
Kleideren/ Paſamenten/ Neſtlen und Banden/ deren unſere loͤbliche Vor-
fahren ſich geſchaͤmet/ und ſich viel zu gut geduͤnckt dergleichen Abenthenr
nachzuaͤffen: darum man ſich nicht zu verwundern/ wann GOtt uͤber
ſie ſchickt eben die/ welchen ſie ſolche Spiel wollen nach thun/
daß Sie ſie ſtraffen muͤſſen/ 2. Macc. 4, 16. Wie lang iſt es/ daß
man auch Fuͤrſtliche junge Herren in gemein wollen Land-Tuch gekleidet?
deſſen Moniment zu Ebendorff bey Chemnitz in Meiſſen zu ſehen/ allda
die Kleider der jungen Herren von Sachſen/ welche Kuntz von Kauffun-
gen auß dem Schloß Altenburg entfuͤhret/ ſo ſie damals angehabt/ in der
Kirchen hangen/ ſo nur von ſchlechtem Land-Tuch ohn alle Sammet und
ſeidene Schnuͤr gemacht. Wer traͤgt dergleichen heutigs Tags? Wo
iſt die guͤldene Bull hinkommen/ das recht guͤldene Hertz der alten Teut-
ſchen Standhafftigkeit/ die unſincerirte/ reine/ lautere/ hell-leuchtende
Redlichkeit? Bulla Nulla, ſie iſt zur Nulla worden/ und wil ſich faſt nicht
mehr mercken laſſen.
Unterdeſſen aber hat unſer liebe Heyland Chriſtus/ der groſſe Pro-
phet und Rabbi/ unſer einige Meiſter/ vom Himmel herab an intimirten/
recommendirten Lehrern/ in ſeiner Chriſt-Schulen nichts erwinden laſ-
ſen/ Er hat auch dieſen dreyfachen Schul-Methodum offentlich profi-
tirt, mit ſeinem Exempel conſecrirt und geweyhet/ als welcher auch mit
der Schrifft geredet/ dieſelbe erfuͤllet/ und ſeine Außerwehlte Edelſte
Kinder GOttes darin zu forſchen und zu leſen angewieſen Joh. 5, 39.
Sonderlich aber auch die Schrifften ſeines Schoß-Juͤngers Johannis/
der deßwegen vielmal den Befehl bekommen zu ſchreiben/ der Chriſti ma-
Joh. 20, 30.gnalia und Heroiſche Thaten/ nahmentlich auch dieſen edlen/ E. L. abge-
leſenen Text geſchrieben und auffgezeichnet. Er der Herr ſelbs hat uns
einen ſchoͤnen Triumph. Bogen auffgerichtet durch das Creutz/ und ſich
uns fuͤr Augen gemahlet/ daß wir da auch beſchauen und bedencken ſollen
ſeinen Creutz-Krieg und Creutz-Sieg/ Krafft welches Er die Wercke des
Teuffels zerſtoͤret/ dem ſtarcken gewapneten Rieſen ſein Pallaſt ruinirt/
die Macht dem Tod genommen Hebr. 2, 14. ja auß allen ſeinen und unſern
Fein-
[171]Predigt.
Feinden einen Triumph gemacht/ Coloſſ. 2, 15. Damit wir auch durch
den Glauben uͤberwinden und ſeinen Fußſtapffen folgen. Er iſt ſelbs un-
ſer Toga prætextata und purpurfarbes Chriſten-Kleid worden/ der Rock
der Gerechtigkeit/ den wir in der H. Tauff anziehen/ welches beſtrichen/
beſprengt und geferbet mit dem heilſamen Safft des edlen cocci und
Coccus vel est frutex, cujus granum \& per ſeipſum rubræ tincturæ ido-
neum eſt, \& ſi purpuræ colori adjungatur, eum inſigniter acuit, \& veluti accendit,
uti oſtendit Plin. l 21. c. 8. Vel est vermiculus, qui è dicti jam fruticis grano, piſi
aut lentis figura, naſcitur, ejuſdemque foliis adhæret, uti docet Iſidorus, rubo-
remque inſignem, aut per ſe, aut purpureo additus efficit, eumque vermiculum
vocant Arabes Carmen, aut chermes, aut, ut lib. 3. hiſt. Turcicæ ait Chalcondylas,
κρήμησιν.
Carmaſin-rothen Wurms/ der ans Creutz gehengt worden/ welcher Safft
auß ſeiner eroͤffneten Seiten in die H. Sacramenta gefloſſen/ aber auff
gefaßt werden ſoll in bulla cordis aureâ, in der guldenen Hertzens-Bull/
darin der Glaube wohnet koͤſtlicher als das vergaͤngliche Gold/
1. Petr. 1, 7.
Und diß iſt eben auch die jenige ſchoͤne Figur und ſignatur, das Sa-
cramentliche Sigel und Zeichen/ damit der groſſe Creutz-Prophet uns
nicht allein ein [...]ογραμμὸν fuͤrſtellen wollen/ daß wir folgen ſollen ſeinen
Fußſtapffen in Lieben und Leiden/ ſondern auch den Glauben in uns erwe-
cken und ſtaͤrcken ſollen \&c. Allermaſſen wie vor dieſem zu ſolchem End
abgeleſener Text und Hiſtori eingerichtet worden; da wir beſchauet die
Quell oder Wund/ darauß das Waſſer und Blut in die Sacramenta ge-
floſſen; die Hiſtori deſſelben Blut- und Waſſer-Fluſſes erlaͤutert; darauff
das Sacramentliche Geheimnuß angedeutet; das officium und Zeugen-
Ampt; die drey Zeugen uns zu Hertzen gezogen; dero Guͤte/ die dem aͤuſ-
ſerlichen anſehen nach gering und irꝛdiſch/ aber weil ſie geſtifftet worden
von den drey Himmliſchen/ Hoͤchſten/ Edelſten Zeugen/ herꝛliche und edle
Zeugen; els die kraͤfftigſte/ als die Uni-Diviſi, daß ein Unterſcheid ſey
unter dem Geiſt/ und unter den ſichtbaren Sacramenten/ deren nur zwey
ſeyen. Als wollen wir die angezettelte Web vollends außwuͤrcken und
außarbeiten/ und das leiſtere officium Teſtium ſignificativum zu be-
trachten vor uns nehmen/ dieſelbe E. L. fuͤrſtellen als Teſtes ſignantes \&
obſignantes, davon unſer Chriſtliche Catechiſmus/ in der Frag/ warzu
dienen die Sacramenta? lehret/ daß Sie ſeyen gewiſſe Sigel und Zeichen
von Gott dem Herrn ſelbſt eingeſetzt \&c. Der Herr wolle mit der
Gnaden-Krafft des H. Geiſtes uns noch ferner beyſtehen/ Amen.
Ob nun wol das Wort Zeichen/ von den beyden Sacramenten
des Neuen Teſtaments/ in H. Schrifft und in unſerm Text und Hiſtori/
mit klaren außgetruckten Buchſtaben außgeſprochen nicht befindlich; So
gibts doch die διάνοια und der Verſtand Sonnenklar zuerkennen/ daß
wirs nothwendig alſo verſtehen muͤſſen/ und zwar (1.) in dem Wort Zeu-
gen/ daß die Sacramenta Zeugen genennet werden; nun iſt ein jeder
Zeug ein Bezeichner deſſen/ was unbekant und verborgen. Alle Creatu-
ren/ auffs wenigſt ein Weintraub/ ſeind Zeugen und Zeichen der unſicht-
barn Gottheit Rom. 1, 20. dadurch GOttes unſichtbares Weſen erkant/
und ſeine unerſchoͤpffliche Guͤtigkeit geſchmecket wird. Daß Chriſtus
aufferſtanden von den Todten/ iſt geheim und verborgen/ kein Menſch
hats geſehen/ aber die zwoͤlff beglaubte bewaͤhrte Zeugen habens bejachzet/
und bezeichnet mit Worten und Thaten/ Wir ſind deſſen alle Zeu-
gen/ ſagt dort Petrus Act. 2, 32. Gleichwie der Regenbogen iſt der
Zeug in den WolckenPſal. 89, 38. und zugleich ein Zeichen/ welches
Gott der Herr dargeſtellt/ daß Er die Erde mit der Suͤndfluth nim-
mermehr verderben wolle/ Geneſ. 9, 12. Gleichwie das rothe Seil der
Rahab ein Zeug und Zeichen geweſen Joſ. 2, 21. Der Altar mitten in
Egyptenland wird ein Zeichen und Zeugnuß dem HErꝛn
ZebaothEſai. 19, 20. Gleichwie die Propheten und Apoſtel Zeugen
und Zeichen zugleich geweßt/ Jonas wird ein Zeichen genennet Matt. 12.
Auch Chriſtus der treue Zeug iſt zum Zeichen geſetztLuc. 2. Alſo
ſind auch die heiligen Sacramenta zeichnende Zeugen/ und zeugende Zei-
chen.
Es bringet ſolchen Verſtand mit (2.) Analogia Sacramentorum
Vet. Teſtamenti,Die Vergleichung mit den Sacramenten
deß alten Teſtaments/ die Beſchneidung wird außtrucklich ein
Zeichen genennet Gen. 17, 11. da Gott zu Abraham ſpricht: Jhr ſolt
die Vorhaut an euerem Fleiſch beſchneiden/ daſſelb ſoll ein
Zeichen ſeyn des Bundes zwiſchen mir und euch. Deßglei-
chen vom Sacrament des Oſterlam̃s ſagt Gott der HerrExod. 12, 13.
Das Blut (des Oſterlambs) ſoll euer Zeichen ſeyn/ an den
Haͤuſern/ darin ihr ſeyd/ daß wann ich das Blut ſehe/ fuͤr
euch uͤber gehe/ und euch nicht die Plage widerfahre/ die
euch verderbe/ wann ich Egyptenland ſchlage. Um ſo viel
nun heller/ klarer/ gewiſſer und ſtandhaffter die Sacrament des Neuen
Teſtaments ſind/ um ſo viel mehr haben ſie auch neben dem Zeug-
Ampt/ das Zeichen-Ampt zuverrichten: Sie ſind ſo wol Bunds-Zei-
chen/
[173]Predigt.
chen/ als jene. Schleußt ſich derowegen abermal hierauß/ daß die Sa-
cramenten Neuen Teſtaments ſeyen/ bezeichnende Zeugen/ und zeugende
Zeichen.
Es gibts auch (3.) Definitio ſigni,die Beſchreibung was ei-
gentlich ein Zeichen ſey.Signum eſt, ſchreibt Auguſtinus (*),(*) Lib. 2.
de Doctr.
Chriſt.
c. 1. conf.
μυςηριοσ.
p. 132. \&
ſeq.
quod præter ſpeciem, quam ſenſibus ingerit, aliud aliquid ex ſe in
cogitationem venire facit, das iſt/ Ein Zeichen iſt ein ſolches
Ding/ dadurch man als durch einperſpectivetwas anders
verborgenes ſehen mag. Zum Exempel/ den Rauch ſihet man/
aber das Feur nicht/ dennoch iſt der Rauch die Anleitung/ darauß man
das Feur conjecturiren und muthmaſſen kan: Alſo auch daß unter den
aͤuſſerlichen Elementen und ſichtbaren Zeichen des Waſſers und Bluts/
das hohe uͤbernatuͤrliche Sacramentliche Geheimnuͤß verborgen liege/
iſt droben in der dritten und vierdten Predigt weitlaͤufftig deducirt wor-
den.
Dazu kompt noch (4.) Symphonia Eccleſiæ priſcæ \& novæ,die
Ubereinſtimmung der ſo wol alten als neuen Kirch. Dann
in dem general-Verſtand ſind wir allerſeits eins/ daß die Sacramenta
Zeichen ſeyen/ mit allen denen die den Chriſtlichen Nahmen fuͤhren. Pa-
piſten/ Calviniſten/ Widertaͤuffer/ Photinianer/ Arminianer machen hie
keinen Streit/ was ſag ich den general-Verſtand anlangt. Zeugnuſſen
deſſen jetzo auß ihren Schrifften einzufuͤhren/ iſt nicht unſer Vorhaben.
Und iſt alſo unſer Chriſtliche Catechiſmus hierin wolgegruͤndet/ wann
wir antworten auff die Frag: Warzu dienen die Sacramenta?
Sie dienen darzu/ daß ſie den Glauben in uns erwecken und
ſtaͤrcken ſollen/ und uns der gnadenreichen Zuſag GOttes in
Chriſto verſichern/ als gewiſſe Sigel und Zeichen/ von
GOtt dem HErꝛn ſelbſt eingeſetzt ꝛc.
Gleichwie es aber nicht genug iſt in genere und nur ins gemein hin
bekennen/ ich glaub an einen Gott/ welches auch die Juden/ Heyden
und Tuͤrcken ſagen: Einem Sohn iſt nicht genug/ daß er weiß und ſa-
gen kan/ Jch hab einen Vater/ ſondern du muſt auch wiſſen wer dein
Vater ſey/ ob er ein ehrlicher Biderman oder nicht? Wie heißt er? iſt
er auch Vaͤterlich gegen dir geſinnet? Alſo iſt auch zum Seligma-
chenden Glauben nicht genug/ ins gemein hin bekennen und ſagen: Jch
glaub an GOtt/ ich glaub an Chriſtum/ daß er GOtt ſeye ꝛc.
Dann ſolchem bloſſen Wortlaut nach/ glaubens und ſagens auch alle
Schwaͤrmer/ Photinianer/ Arianer und andere/ ſondern man muß
Y 3auch
[174]Die eilffte
auch eigentlich wiſſen und bekennen/ Quis ſit wer er ſey? Die Catechiſmi
ſind gleich einer Gold-Maſſæ, in deren vielerley figuren koͤnnen gepraͤgt
werden/ welche aber eigentlich guͤltig/ das muß man auß der Erklaͤrung der
Catecheten und Lehrern vernehmen. Alſo auch und gleicher geſtalt muͤſ-
ſen wir allhier/ in der Lehr von den Sacramenten/ nicht in der confuſen
general-Bekantnuß bleiben/ ſondern weiter gehen per omnia cauſarum
genera, erklaͤren und anzeigen/ was es dann eigentlich fuͤr Zeichen ſeyen/
und wie ſie anzuſehen? Nemlichen
I. Ratione originis ſigna Divina,Goͤttliche/ willkuͤrliche/
hochgewuͤrdigte/ Edle/ von GOtt dem HErꝛn ſelbſt eingeſetzte/
und daher gantz unfehlbarlich gewiſſe Sigel und Zeichen. Die Natur
hat auch ihre Zeichen/ Rauch iſt ein Zeichen des Feurs/ gute und nuͤtzliche
Frucht iſt ein Zeichen eines guten Baums/ Milch iſt ein Zeichen der Muͤt-
terlichen Treu/ Thraͤnen zeugen von einem betruͤbten verwundeten Her-
tzen/ Urin zeuget von der geſunden oder ungeſunden Leibs-Conſtitution,
und ſo fortan: Alles von der Natur/ die Bedeutung iſt natuͤrlich/ un-
ſchwer/ apud omnes eadem, wer es ſiehet/ der faͤllet gleich auff die Gedan-
cken/ was drunter verborgen liege. Der Will deß Menſchen bezeichnet
ſich auch mit willkuͤrlichen Worten und Wercken/ und ſonderlich hat die
Roͤmiſche Kirch/ auß eigenem Willen und Andacht/ das Oehl in drey
Sacramenten/ in der Firmung/ in der Prieſter-Weyhe und Letſten Oeh-
lung eingemenget/ eine beſondere Bedeutung angedichtet/ als Zeichen ſon-
derbarer Goͤttlichen Gnad; Aber ohne Goͤttliche Weyhe. Solcher Art
ſind die Sacramentliche Zeichen gar nicht. Waſſer/ Brodt und Wein
ſind nicht von der Natur dazu geordnet/ daß ſie von GOttes Huld/ Gnad
und Vergebung der Suͤnden zeugen und zeichnen ſollen/ der natuͤrliche
Menſch verſtehet es nicht/ es iſt ihm eine Thorheit/ wann er davon hoͤrt/
er lacht der armen Narren der Chriſten/ daß ſie ſolche Stockfiſch ſeyn/
und ſolche unglaubliche Sachen glauben. Aber die naͤrriſche Vernunfft
mag deſſen lachen/ ſo ſinds und bleibens doch Goͤttliche Zeichen/ conſecrirt
(*) Lib 4.
Adverſ.
c. 34.und geweyhet durch GOttes Wort/ und wie Irenæus (*) redet/ dazu be-
ruffen von GOtt/ als die einen hohen Goͤttlichen Beruff be-
kommen/Gott hat ſie zu ſolchem End abgeſondert und außerwehlt/
daß es groſſe Heiligthum ſeyn ſollen. Wie dann unſer Catechiſmus ſehr
wol antwortet auff die Frag/ Was iſt die Tauffe? Sie iſt nicht ein
ſchlecht Waſſer/ ſondern in GOttes Wort verfaßt und mit
GOttes Wort verbunden: Es iſt gleichſam eingefaßt mit GOttes
Wort/ wie ein koͤſtliche Monſtrantz/ darin das Heiligthum verfaßt/
wie
[175]Predigt.
wie es Lutherus (*) erklaͤrt. Jtem/ Was iſt das H. Abendmal?(*) Tom. 5.
Witt. pag.
233. f. 2.
Es iſt der wahre Leib und Blut JEſu Chriſti/ mit Brodt und
Wein uns Chriſten zu eſſen und zu trincken/ von Chriſto dem
HErꝛn ſelbſt eingeſetzt.
II. Ratione materiæ ſind es Signa hypoſtatica,ſatte und fe-
ſte Zeichen/ coͤrperliche/ leibliche/ ſichtbare/ fuͤhlbare elementa, nicht
meteora κατ ἔμφασιν, fluͤchtige/ nichtige Geſpenſt/ bloſſe Bilder ohne
Weſen/ wie die Traͤume ohne Schatten ohne Coͤrper/ keine bloſſe acci-
dentia ſine corpore zufaͤllige qualitaͤten deß Brodts/ ohn Brodt. GOtt
der Herr ſpielt nicht ſolcher geſtalt mit uns die Blindemaͤuß. Ex dua-
bus rebus \&c. ſagt Irenæus: in Sacramento veritatis nihil falſi eſto.
Sondern es ſind ſtand- und daurhaffte/ unfluͤchtige/ beſtehende elementa
und Zeichen/ die man fuͤhlen/ begreiffen/ faſſen/ ſehen/ riechen und ſchme-
cken kan. Dann dieweil wir Menſchen die ſchoͤne Tugend an uns ha-
ben/ daß wir auch GOtt im Himmel/ der ewigen Warheit ſelbs/ ſeinen
bloſſen Worten nicht glauben/ wann wir nicht Zeichen und Wunder ſe-
hen/ ſo laßt ſich per συγκατάϐασιν der Hoͤchſte herab/ und hat uns ſeine
Gnad ſichtbar gemacht/ daß wir Sonnenklar ſehen und handgreifflich fuͤh-
len/ riechen und ſchmecken ſollen/ wie lieblich und freundlich der Herr
ſey. Soll Abel glauben/ daß ſein Opffer GOtt angenehm/ ſo muß
ſichtbarlich Feur vom Himmel herab auff daſſelbe fallen; Soll Noah
glauben/ daß kein allgemeine Suͤndfluth den Erdenkreiß uͤberſchwemmen
werde/ ſo muß ihm GOtt den Regenbogen in die Wolcken ſetzen/ zum
Zeichen ſeiner Huld: ſoll Gideon glauben/ ſo muß der Thau auff die Woll
deß Fells fallen: Alſo daß auch wir glauben/ hat uns GOtt ſichtbare Zei-
chen geordnet und vorgeſetzt. Gregorius Nyſſenus (*) erklaͤrts mit ei-(*) Lib. 12.
contra
Eunom.
ner ſchoͤnen Gleichnuß/ von den Tauben/ denen muß man mit ſtummen
geſtibus und Geberden/ mit Deuten und Finger-ſpieglen begegnen/ die-
weil die Wort-Stimm bey ihnen vergeblich und nichts vermag: Alſo weil
unſere Vernunfft in Goͤttlichen Sachen taub iſt/ ſo wollens die Wort nicht
allein außrichten/ es gehoͤren auch muta ſigna darzu/ und werden die Wort
begleitet mit ſtummen Zeichen.
III. Ratione formæ ſinds Signa imaginativa, oder Bild-Zei-
chen. Wie ein Bild ſein Prototypum und Ertz-Bild anzeigt: ein Gleich-
nuß præſentirt obſcur und etwas dunckel auff der mappa; noch heller im
Spiegel/ als ein lebendiges Bild/ das ſich regt und bewegt; am allerhell-
ſten erzeigt ſichs an einem Sohn/ in welchem der Vater eigentlich getrof-
fen/ ſo wol in lineamentis, als Sitten/ Geberden/ Reden und Thaten.
Alſo
[176]Die eilffte
Alſo ſind auch die Sacramentliche Zeichen ſolche imagines rerum con-
tentarum, Bilde der jenigen Dinge/ die in denſelben begriffen. Auguſti-
(*)Epiſt.
23.nus ſchreibt (*): Si Sacramenta ſimilitudinem non haberent, earum
rerum, quarum ſunt Sacramenta, omninò Sacramenta non eſſent.
das iſt/ Wann die Sacramenta nicht auch eine Bildnuß und
Gleichheit haͤtten/ der jenigen Sachen/ darauff ſie deuten/
ſo weren ſie gar keine Sacramenta. Kan derowegen die Calvi-
niſche analogi deß Brod-Brechens allhier kein Platz nicht haben/ weil ſie
kein Zeichen oder Bild deß gebrochenen Leibs Chriſti iſt/ Sintemal
Chriſti Leib nicht ſolte gebrochen werdenJoh. 19, 36. Die Sach
in ſpecie etlicher maſſen zu erlaͤutern/ ſo war zum Exempel die Beſchnei-
dung der Abweltzung der Schand Aegypti/ dadurch abgebildet worden alle
die Unflaͤtherey/ Abgoͤtterey und Aberglauben/ damit die Jſraeliten in Egy-
pten angeſtecket worden: darum Joſua/ der Hertzog deß Juͤdiſchen
Volcks/ da er verſchafft/ daß die Kinder Jſrael/ die auß Egypten gezogen/
beſchnitten wurden/ geſagt: cap. 5. Heut hab ich die Schand Egy-
pti von euch gewendet: Dahero derſelbe Ort genennet worden Gil-
gal/ das iſt/ ein Abweltzung/ oder Abwendung. Alſo ſolte auch ins
kuͤnfftig der rechte Gilgaliſt der Meſſias deßwegen JEſus heiſſen/ der
durch ſeine zugelaſſene Beſchneidung uns gereiniget von dieſer Egypti-
ſchen Welt Koth und Unflath/ daß nun nichts mehr verdammlichs iſt/ an
denen/ die in Chriſto JEſu ſind Rom. 8. Das Oſterlamb hat gantz ei-
gentlich und lebendig præſentirt den gantzen actum paſſionalem, die blu-
tige Paſſions-Tragœdi des Meſſiæ: Gleichwie das Oſterlamb rein/
unbefleckt/ außerkohren auß der gantzen Herd/ vier Tag zuvor zur Opffer-
Schlacht in Prob dargeſtellet worden/ gebunden auff den Schragen ge-
legt/ geſchlachtet/ auff eim geſpitzten Pfahl in der Form eines Gecreutzig-
ten gehangen/ elevirt, in die quer und laͤnge gehebet und gewebet/ gegen
allen vier Orthen der Welt; ſein Blut vergoſſen/ die Pfoſten und
Schwellen der Thuͤren damit beſprenget/ endlich am Feur gebraten und
gegeſſen worden. War alles ein helles Bild/ darinnen die Altvaͤter/ als
in einem Spiegel/ haben ſehen koͤnnen die gantze Paſſions-Hiſtori/ ſo mit
dem Meſſia vorgehen und geſchehen werde in der Fuͤlle der Zeit/ ſo klar
haben ſie es hiedurch verſtehen koͤnnen/ als weren ſie damit und dabey
geweſen/ und unter dem Creutz Chriſti geſtanden. Haͤtte Chriſtus wol-
len/ daß noch im Neuen Teſtament ſolche Bildung in der Paͤbſtiſchen
Meß ſolte geſpielt werden/ haͤtte Er das Bild deß Oſterlambs nicht ſollen
auffheben/ ſondern behalten. Deßgleichen iſt das Tauff-Waſſer ein ſchoͤ-
nes
[177]Predigt.
nes Zeich-Bild auff den H. Geiſt/ durch welchen wir widergebohren
werden/ der iſt der Cryſtall-clare Strom/ welcher außgehet von der Quell
dem Vater/ und dem Brunnen dem Sohn/ Apoc. 22, 1. Das Waſ-
ſer erſaͤuffet das Unziffer/ Wuͤrm/ Kaͤffer/ Raupen. Wie durch das
Waſſer der Suͤndfluth alles erſaͤufft worden; Alſo ſoll auch der alte
Adam/ die Suͤnde/ erſaͤufft werden/ dentet ſonderlich auff das Bild der
immerſion und deß Eindunckens ins Waſſer/ in die Tieffe (woher der
Nahmen und das Wort Tauffe entſprungen) da in unſerm Catechiſmo
gefragt wird: Was bedeut ſolch Waſſertauffen? Es bedeut/
daß der alte Adam in uns ſoll erſaͤufft werden ꝛc. Wie Chriſtus
getruncken vom Waſſer auff dem Weg/ in den Creutz-Bach hineinge-
ſenckt/ und wieder ſein Haupt empor erhoben Pſal. 110. Alſo ſollen wir
auch in den Tauff-Bach geſenckt/ mit Chriſto begraben werden in den
Tod/ aber wieder hervor kommen als ein Neuer Menſch/ der in Ge-
rechtigkeit und Reinigkeit vor GOtt lebe/Rom. 6. Welches
vor dieſem in der Erſten Kirchen huͤpſch angedeutet wurde mit der Cere-
moni deß Eintauchens ins Waſſer/ welche unſer ſel. D. Lutherus(*)
wuͤnſcht behalten zu ſeyn.
Das Waſſer reiniget/ es verſoͤhnet Exod. 40, 31. es erfriſchet/ ma-conf. de hic
Μυςηρ.
pag. 349.
ſqq.
chet lebendig und fruchtbar das duͤrre Erdengewaͤchs; Solches und der-
gleichen wuͤrcket auch der H. Geiſt in der H. Tauff. Nicht weniger auch
finden ſich ſchoͤne Zeichen und Bilder im H. Abendmal: Dann das
Brodt/ ſo auß der Erden waͤchſt/ das ſtaͤrckt deß Menſchen Hertz.
Achter Theil. ZPſal.
[178]Die eilffte
Pſal. 104, 15. wird mit demſelben vereinbaret/ und in Safft und Krafft
verwandelt/ davon der Menſch das natuͤrliche Leben erhaͤlt; Alſo iſt auch
der Leib Chriſti das Edle himmliſche Manna/ ein rechtes cordial und
Hertzſtaͤrckung/ dadurch werden wir gantz genan mit Chriſto vereiniget/
iſt ein gewiſſes Zeichen/ Anzeig und Zeugnuß/ daß wir immer in Jhm le-
(*) Kirchen
Agend.
Argent.
p. 164. ſeq.ben und bleiben ſollen (*). Deßgleichen wie der Wein/ als das Gewaͤchs
deß Weinſtocks/ deß Menſchen Hertz erfreuet und froͤlich macht/ den dur-
ſtigen traͤncket und erquicket/ auch mit ihm vereinigt in Blut verwandelt
wird; Alſo auch das Blut deß HErꝛn Chriſti im Hochwuͤrdigen Abend-
mal/ das gibt Er uns zu trincken/ zu einer gewiſſen Anzeig und Zeugnuß/
und zur Staͤrckung und Fuͤrderung ſeines Lebens in uns.
IV. Ratione finis, Was die End-Urſach belanget/ ſo ſind die
H. Sacramenta (1.) Signa mnemonevtica,Denck-Bilder und
Denck-Maͤhler der Geheimnußreichen Wunder GOttes. Die Be-
ſchneidung war ein Memotial und Denckmahl/ dabey die Jſraeliten ſich
deß gnaͤdigen Bunds GOttes in allen Begebnuͤſſen troͤſten ſolten: Wie
David gethan/ da er dem unbeſchnittenen Goliath unter Augen getretten.
Das Oſterlamb war ein Memorial und Denckmahl/ dabey die Jſraeli-
ten ſich erinnern ſolten/ wie alle Erſtegeburt der Egypt[e]r geſchlagen worden/
ſie aber hatten ἀσυλίαν \& ſalva-guardiam, waren ungeſchlagen ohn eini-
gen Schaden davon kommen/ daß bey ihnen kein Hund gemucket. Alſo
im N. Teſt. iſt die H. Tauff ἐπηρώτημα, der Bund eines guten Gewiſſens/
daß der arme Menſch GOttes deß HErꝛn Bundgenoß worden/ welcher
Glauben haͤlt ewiglich/ deſſen wir uns zu Jhm zuverſehen haben/ wie ſich
die Juden auff der Roͤmer Bund verlaſſen. Die Betrachtung Brods
und Weins im H. Abendmal/ iſt ein Denckzeichen des Opffers und Opf-
(*) Straß-
burg. Kir-
chen-Ordn.
p. 164. \& ſq.fermahls Chriſti; maſſen unſere hieſige Kirchen-Ordnung (*) ſehr wol
erklaͤrt die Wort Chriſti: So offt ihr das thut/ ſolt ihr mein da-
bey gedencken/ das iſt/ dieweil ich mich euer angenommen/
und euer Suͤnde auff mich geladen hab/ wil ich mich ſelbs fuͤr
die Suͤnde in den Tod opfferen/ mein Blut vergieſſen/ euch
Gnad und Vergebung der Suͤnden erwerben. Jtem/ Was
bedeut das H. Abendmahl? Es bedeut die ἀγάπας reales,die
Liebes-Mahlzeiten: Dann zu gleicher weiſe/ wie auß vielen
Beerlein zuſammen gekaͤltert/ ein Wein/ und auß vielen
Koͤrnlein ein Mehl gemahlen/ ein Brodt und Kuchen geba-
chen wird; Alſo ſollen wir alle/ ſo durch den Glauben Chri-
ſto eingeleibet ſind/ durch bruͤderliche Liebe/ um Chriſtus
unſers
[179]Predigt.
unſers Heylands Willen/ der uns zuvor ſo hoch geliebet hat/
alle ein Leib/ Tranck/ Kuchen und Brod werden/ und ſol-
ches nicht allein mit laͤren Worten/ ſondern mit der That
und Warheit. Daher die lieben Alten diß Sacrament ein Sacrifi-
cium genennet/ das iſt/ ein Opffer/ und ſolches metonymicè in figuͤr-
lichem Verſtand/ dieweil es uns erinnert deß einigen wahren Opffers un-
ſers wertheſten Heylands JEſu Chriſti fuͤr uns: Wie wir gleicher maſ-
ſen auff den H. Oſtertag ſagen koͤnnen/ Heut dieſen Tag iſt Chriſtus von
den Todten aufferſtanden/ verſtehen aber damit ſo viel/ daß wir uns Heut
erinnern der vor dieſem geſchehenen ſiegreichen Aufferſtehung Chriſti.
Sæpè ita loquimur, ſchreibt Auguſtinus (*), ut Paſchâ propinquan-(*) Epiſt.
23. ad Bo-
nifac.
te dicamus, craſtinam vel perendinam eſſe Domini paſſionem, cum
ille ante tàm multos annos paſſus ſit, nec omninò niſi ſemel paſſio il-
la facta eſt. Nempe, ipſo die Dominico dicimus, hodie Dominus
reſurrexit, cum ex quo reſurrexit, tot anni tranſierunt. Sic nonne
ſemel immolatus eſt Chriſtus in ſeipſo, \& tamen in Sacramento non
ſolum per omnes paſchæ ſolennitates, ſed omni die populis immo-
latur. Das iſt/ Es iſt Chriſtus nur einmal (nemlich in ſeiner Paſſion)
geopffert worden/ und doch werde Er in dem H. Sacrament/ fuͤr dem
Volck noch Taͤglich auffgeopffert; Nemlich in memoriâ noſtrâ, wie be-
ſagter Auguſtinus (*) ſich ferner erklaͤrt/ in memoria noſtra ſit omni(*) in Pſal.
20.
anno, quoties paſcha celebratur, nunquid toties Chriſtus occiditur?
Non, ſed anniverſaria recordatio repræſentat, quod olim factum
eſt, \& ſic nos facit moneri tanquam videamus. Worauß hernach die
groben ungeſchickten Muͤnchen im Pabſtum ein unblutiges Meß-Opffer
gedichtet und geſponnen. Unſere Apoſtatæ, wann ſie uͤber Tertullia-
num, Cyprianum und andere Alte Lehrer kommen/ und leſen da das
Wort Sacrificium, ein Opffer/ ſo meynen ſie wunder was ſie gefunden/
und wie die Paͤbſtiſche Religion in Patribus fundirt ſeye: Dencken
nicht was groſſe Eſel die alten Schul-Lehrer geweſen/ welche dieſe Rheto-
ricam nicht recht verſtanden.
(2.) Signa Prognoſtica,Hoffnungs-Zeichen/ad ſpem fu-
turorum bonorum (*), dabey man ſich zuerinnern und Hoffnung zu(*)Auguſt.
in Enchi-
rid. c. 66.
machen auff die zukuͤnfftigen Guͤter. Die Beſchneidung ſolte Hoffnung
erwecken der gaͤntzlichen Außtilgung der Suͤnden. Alſo iſt auch die
Tauffe dazu geordnet/ zur vollkommenen Widergeburt und Hervorbrin-
gung eines gantz neuen Menſchen/ der in Gerechtigkeit und Reinigkeit fuͤr
GOtt ewiglich lebe/ Matt. 19, 28. Das Oſterlamb/ und das H. Abend-
Z 2mal/
[180]Die eilffte
mal/ ſollen den Menſchen ſtaͤrcken in der Hoffnung zur ſeligen Him-
mels-Taffel/ dermaleins das Himmel-Brodt zu eſſen in dem Reich
GOttes.
Nicht weniger auch (3.) Signa ϖροσφερόμευα, Schatzreiche
Kernhaffte Gab-Zeichen/ Mittel-Zeichen und Inſtrument, in/ durch
und mit welchen die Gab ſelbs mitgetheilet/ und præſenter ἐν κοινωνίᾳ
empfangen wird. Und diß iſt der Haupt-Unterſcheid der Sacramen-
ten Alten und Neuen Teſtaments; dort war nur umbra futurorum bo-
norum,ein Schatten der zukuͤnfftigen Guͤter/ das bonum cœ-
leſte, das himmliſche Gut ſahen ſie πόῤῥωϑεν, von ferne abweſend: An der
Beſchneidung hat man gedencken ſollen an den Meſſiam, der auß dem be-
ſchnittenen Samen gezeuget/ und ſelbſt auch beſchnitten werden ſolte;
nunmehr aber in der Tauff wird Chriſtus ſelbſt angezogen/ auffs genaue-
ſte vereinbaret/ und der Taͤuffling in den Edlen Weinſtock eingepfropfft:
Am Lambfleiſch hat man ſollen die Gedancken erheben zur Betrach-
tung deß kuͤnfftigen Meſſiæ/ der da ſoll geſchlachtet und gecreutziget werden;
Aber hie haben wir die κρείττονα und beſſere Guͤter! Hie iſt das rechte
Oſterlamb/ ὡς ἐν κοινωνίᾳ, ου᾽χ ὡς ἐν τύϖῳ, 1. Cor. 10. in der Gemein-
ſchafft und nicht nur Bildsweiß. Jm alten Teſtament war es noch ein
fern und weitgelegenes Schau-Eſſen im duncklen Vorbild deß Juͤdiſchen
Oſterlambs; Nun aber der Herr geſagt: Diß iſt mein Leib ꝛc. So
iſts πάχα ἡμῶν, unſer Chriſten Oſterlamb/ welches Hie/ Hie/
nicht nur dem Glauben/ ſondern auch warhafftig leiblich gegenwertig/
ſonſt waͤre ja kein Unterſcheid unter dem Schatten und Coͤrper/ unter dem
A. und N. Teſtament.
Hie M. L. iſt ein groß Chaſma befeſtigt! hie hebts/ hie ſtoßt es ſich!
in der Schul Calvini wil man von ſolcher κοινωνίᾳ oder leiblich-gegenwaͤr-
tigen Gemeinſchafft weder wiſſen noch hoͤren: Hie lauter analogiæ, tro-
pologiæ, Teuſchereyen/ Gauckeleyen/ Deuteleyen! Die præſentz iſt nur
ein Sinnbild/ ein gemuthmaßte abweſentliche Gegenwart/ ein gegenwaͤr-
tige Abweſenheit. Analogia eſt forma Sacramentorum juxta Be-
(*)vid.
Hodom.
Cal v. pag.
3168. ſeqq.zam (*). Auff welche Weiſe mir auch gegenwaͤrtig iſt/ mein Freund in
Indiâ, oder wie Bucanus das Gleichnuß fuͤhrt/ ein abweſender Eheman
iſt bildsweiß auch ſeinem Weib zugegen. Die Schrifft heißt das nicht
præſens und gegenwaͤrtig/ was nur in Gedancken gegenwaͤrtig/ ſondern
es heißt μέλλον ein kuͤnfftiges Hebr. 10, 1. c. 11, 13. Solche Gegenwart iſt
nicht Sacramentlich/ dieweil es auch auſſer dem Sacrament ſeyn kan/ es
laufft wider unſer Gebet im Vater Unſer/ da wir beten: Dein Reich
kom-
[181]Predigt.
komme zu uns/ Nicht/ wie es Beza uͤbel außlegt (*)/ daß wir durch den(*) ad Mat.
26. pag. m.
145. conf.
Hodom.
Calv. pag.
3186. ſq.
Glauben hinauff klettern/ und Chriſtum droben ſuchen und ergreiffen.
Endlich iſt dieſes Zeichen auch ſigillare ein Siegel-Zeichen/ welches
weil es einer ſonderbaren Predigt wol wuͤrdig und werth/ wollen wir daſ-
ſelb auff naͤchſte Verſamlung ſparen.
Hie wird uns/ meine Liebſten/ als Chriſti Juͤngern und Sacrament-
Schuͤlern/ fuͤrgelegt die rechte Edle Didactic und Lehr-Kunſt/ die wir be-
greiffen und faſſen ſollen. Zu derſelben wird nun erfordert 1. Sancta
ſciendi ὅρεξις, eine heilige Brunſt und Begierde/ zu lernen und
zu verſtehen das/ was Gott geoffenbaret. Unſere Vernunfft iſt
von Natur Heydniſch/ Juͤdiſch/ Tuͤrckiſch: Solte ein Heyd oder Tuͤrck in
unſere Kirchen kommen/ die Sacramentliche Handlung und œcono-
miam ſehen/ ſo wuͤrde er Wundershalben der Chriſtlichen Abentheurer
zwar lachen und ſpotten/ aber auch (wie dort die Geſandten der Fuͤrſten
von Babel gefragt/ nach dem Wunder/ das im Lande geſchehen war
2. Chron. 32, 31.) fragen/ was iſt das? Was bedeut das? Warum tauf-
fen die Leuth ihre Kinder mit Waſſer/ warum gibt man einem jeden ein
Hoſtien zu eſſen/ und ein Trunck mit Wein zu koſten? Wie viel mehr wir
Chriſten/ wir ſollen fragen nach den Wundern GOttes? Gott der
Herr befiehlt durch Joſua den Kindern Jſrael/ daß Sie ſollen
zwoͤlff Steine auffheben auß dem Jordan/ nach der Zahl der
Staͤmme der Kinder Jſrael/ daß ſie ein Zeichen ſeyen/ und
ein Denckmal deß mit trocknen Fuͤſſen geſchehenen Durch-Joſ. 4, 6.
gangs im Jordan/ auff daß/ wann die Kinder nachmals ihre
Vaͤter fragen werden/ was thun dieſe Steine da? ſie ih-
nen antworten/ und ſagen wie das Waſſer deß Jordans ab-
geriſſen ſey fuͤr der Lade deß Bunds deß HErꝛn/ da ſie durch
den Jordan gieng/ daß dieſe Steine den Kindern Jſrael ein
ewig Gedaͤchtnuͤß ſeyen. Alſo wil auch Gott der Herr ſolch
Fragen und Antworten von uns haben/ weil Er ſeine Sacramentliche
Zeichen und Denckmal nicht vergebens geordnet/ man ſoll auch fragen
und Begierde haben zu wiſſen/ was es bezeichne und bedeute? Unſer
Catechiſmus gibt gute Anleitung hierzu/ darin wird auch gefragt: Was
bedeut ſolch Waſſertauffen ꝛc. Anders als manche Sau-Chri-
ſten/ die zum Sacrament als die Sau zum Trog gehen/ gantz ſtupidi,
muthwillens wollen ſie es nicht wiſſen/ ob man gleich Jahr und Tag da-
von prediget/ ſingt und ſagt/ ſie achten der Werck deß Herrn nicht;
Z 3gehen
[182]Die eilffte
gehen nur auß Gewonheit dahin: Solche aber ſind nicht werth/ daß ſie
Chriſten ſollen genennet werden.
Zu ſolcher heilſamen Didactic und Lehrkunſt gehoͤrt (2.) Ex interro-
gatione reſponſio,eine richtige Antwort auff die Frag/ daß ein
lehrbegieriger Sacramentſchuͤler/ dieſe hohe Geheimnuſſen von den Sacra-
menten und deren Bedeutung recht verſtehen/ und auch mit klaren deutli-
chen Worten außſprechen lerne/ nicht per tormenta verborum, oder per
diſtinctionum portenta, ſondern nach dem Exempel Chriſti/ alles mit der
H. Schrifft und durch dieſelbe erklaͤre/ durch ſchoͤne picturen und figuren
das dunckele und ſchwere erlaͤutere. Dieweil der Menſchliche Verſtand al-
ſo beſchaffen/ daß er ohne Bilder/ figuren und Gleichnuſſen nichts verſte-
hen und begreiffen kan/ ſo muß man hierin demſelben zu huͤlff kommen/ die
hohen Sachen lactificiren/ liechter und leichter machen: zum Exempel/
das kuͤndlich groſſe Geheimnuß/ von der incarnation und Menſchwerdung
deß Sohns GOttes/ kan nicht leichter und beſſer gefaſſet werden/ als durch
die figur und Vergleichung mit einer Hochzeitlichen Vermaͤhlung und Ehe-
lichen Vereinigung/ darauff Chriſtus ſelbs deutet in der parabol Matt. 22.
alſo condeſcendirt auch GOtt der H. Geiſt und komt dem Menſchlichen
Verſtand zu huͤlff in aͤuſſerlichẽ ſymbolis und Zeichen der Sacramenten ꝛc.
3. Reſponſi aſſenſus \& cuſtodia,der Beyfall/ Bejahung und
Verwahrung der geſchehenen Antwort/ daß man alles/ was in GOttes
Wort und demſelben gemaͤß gelehret wird/ von den ſonſt unbegreifflichen
Sacramentlichen Geheimnuſſen/ willig annehme und demſelben Beyfall
gebe/ obs wol uͤber und wider unſere Vernunfft; auch dieſen Edlen Schatz
fleiſſig verwahre und darob halte/ wider die συλαγωγίαν oder Schatzraub
der alſo genañten Reformirten/ denen laſſen wir ihre in H. Schrifft unge-
gruͤndete figuren, analogien und Zeichen/ abſonderlich deß Brod-bre-
chens/ als bloſſe Schatten ohne Coͤrper/ als leere Huͤlſen ohne Kern/ die
den Hunger eines glaubig-begierigen Chriſten nimmer ſtillen/ ſind gleich
jener Mahlzeit/ welche Heliogabalus einsmals ſeinen Hoffſchrantzen zu-
bereiten/ und allerley von Metall/ Holtz und dergleichen geſchnitzelte/ gedraͤ-
hete und gegoſſene tractamenten vorſetzen laſſen/ deren ſie aber nicht genieſ-
ſen koͤnnen/ ſondern nichts als eine bloſſe Augenweid und Magenlaͤre da-
von getragen. Daß wir auch ob ſolchem Edlen Schatz halten/ wider die
Paͤbſtiſche faſcination und Verblendung/ wider ihre multiplication und
Dichtung vieler Sacramenten/ die doch in GOttes Wort nicht conſecrirt
und geweyhet ſind.
4. Ex aſſenſu \& cuſtodiâ anagogia, daß wir in Anſehung und
Betrach-
[183]Predigt.
Betrachtung der ſichtbaren leiblichen Zeichen/ uns hinauff erſchwingen/
zu den him̃liſchen Dingen/ die allhier bezeichnet und gereichet werden/ ſur-
ſum corda! nicht an den bloſſen aͤuſſerlichen Elementen und Zeichen han-
gen bleiben/ ſondern den geiſtlichen himmliſchen Kern und edlen Seelen-
Schatz/ der darinnen verborgen/ ergreiffen. Ea demum eſt, ſchreibt Au-
guſtinus (*), miſerabilis animæ ſervitus, ſigna pro rebus accipere, \&(*) lib. 3. de
Doctrina
Chriſt. c. 5.
ſupra creaturam corpoream oculum mentis, ad hauriendum Numen
æternum, levare non poſſe, das iſt/ das ſey ein elende ſervitut und
Dienſtbarkeit der Seelen/ wann dieſelbe nur die bloſſen Zeichen/ ohne die
Sach und den Kern ſelbſt empfangt/ und ſich nicht mit dem Gemuͤths-
Aug uͤber die leibliche Creatur/ zu GOtt ſelbſten hinauff erſchwingen mag.
Hierauff folget 5. ex anagogiâ ſolida fidei confirmatio, daß durch
ſolche glaubige Gemuͤths-Erhebung das Hertz feſt gemacht und bekraͤfftiget
wird/ als durch die gewiſſe von GOtt geweyhete Sigel und Zeichen/ da-
rauff man ſich getroſt und ſicher verlaſſen kan. Andere Menſchen-Zeichen
ſind offtmals lugenhafft und betruͤglich/ auff die man ſich nicht zuverlaſſen
hat/ ſolcher Art ſind die erdichtete Paͤbſtiſche Sacramenten/ die ſind unge-
wiß/ ſie haben die rechte Weyhe nicht/ es mangelt ihnen am Wort und
Verheiſſung: Hie aber unfehlbarliche ἀσφάλεια und Gewißheit! Ligt nur
daran/ daß mans alles wol ins Hertz hinein mahle/ und mit guͤldenen
Buchſtaben drein ſchreibe/ als das ſchoͤnſte troͤſtlichſte Gemaͤhld: War-
von Lutherus (*) gehalten und geſagt: Wer hie Luſt haͤtte/ Taffeln(*) Tom. 5.
Jen. G. in
Pſ. 111. pag.
211. f. 2.
auff den Altar laſſen zu ſetzen/ der ſolte laſſen das Abendmahl
Chriſti mahlen/ und dieſe zween Vers/ Der Gnaͤdige und
Barmhertzige HErꝛ/ hat ein Gedaͤchtnuß ſeiner Wunder ge-
ſtifftet/ mit groſſen guͤldenen Buchſtaben umher ſchreiben/
daß ſie fuͤr den Augen da ſtuͤnden/ damit das Hertz dran ge-
daͤchte/ ja auch alſo die Augen/ mit dem Leſen/ GOtt loben
und dancken muͤßten. Denn weil der Altar dazu geordnet iſt/
daß man das Sacrament drauff handlen ſolte/ ſo koͤnte man
kein beſſer Gemaͤhlde dran machen. Gideon war kleinmuͤtig/ ehe
ihn der Herr geſtaͤrcket durch das aͤuſſerliche Zeichen deß Feurs/ dadurch
ſein Opffer verzehret worden Jud. 6, 17. Hiſkias war anfangs kleinlaut/
daß er wieder ſolte geſund werden/ aber da ihm GOtt das Zeichen erſchei-
nen laſſen/ daß der Schatten am Zeiger zehen Stuffen hinter ſich zuruck
gegangen/ wer war da muthiger/ als Hiſkias? 2. Reg. 20, 9. Alſo ſind auch
die H. Sacramenta Staͤrckungs-Mittel und Zeichen unſers ſchwachen
und krancken Glanbens.
Es ſoll endlich auch dazu kommen 6. Ex fidei firmatione Gratitudo,
daß wir Gott dem Herrn um ſeine heilſame Gnaden-Mittel hertzlich
Lob und Danck ſagen/ weil Er uns ſo hoch beſeliget und begnadet/ nicht al-
lein mit ſeinem lieben Wort und daran hangenden Sacramentlichen Si-
geln und Zeichen in unſern Vaͤtern begabet/ ſondern auch bißher noch un-
ter uns im rechten vigor erhalten/ daß wir noch ſagen koͤnnen ἔχομευ.
Aber wie dancken wir? Gemeinlich/ ſagt Lutherus Tom. 2. Iſleb.
p. 233. gehet es alſo zu: Wolthat oder Gutes vergeſſen wir
bald/ aber an das Boͤße/ wenn uns jemands Leid thut/ da
gedencken wir allezeit an/ Zorn und Ubel vergeſſen wir nicht
bald. So gedencken wir auch nicht heutigs Tags/ an die
Wolthat und Guͤte GOttes/ ſo wir im Evangelio haben/ ſo
wir doch unvergeſſen ſeyn ſolten/ wie es uns unter dem Pabſt-
tum gangen waͤre. Dieſe Verachtung und Vergeſſenheit
der Gůter GOttes hat der HErꝛ Chriſtus wol geſehen/ und
darum das Sacrament deß Abendmals zur Gedaͤchtnuͤß ge-
geben/ und ſeinen Leib und Blut daſelbſt eingeſetzt/ daß Er er-
innerte wie Er uns von Suͤnden/ Tod/ Teuffel und Hoͤllen
erloͤſet haͤtte. Daher auch alle unſere SacramentEuchari-
ſtiæſind/ daß man an die Wolthat GOttes (danckbarlich) ge-
dencke und ihrer nicht vergeſſe. Wann wir im Gegentheil beden-
cken Juden/ Heyden und Tuͤrcken/ gantz Orient und Morgenland/ wie
vor Zeiten auch daſelbſt die wahre Kirch GOttes/ die rechte Signa \& no-
tæ, Merckmal und Denck-Zeichen derſelben florirt, daß es nunmehr al-
les dahin und verlohren/ daß ſie/ wenn ſie ihre Geiſtliche Seelen-Noth ver-
ſtuͤnden/ wol auß dem 74. Pſ. heulen und klagen ſolten:
Vielmehr aber haben ſolches zu beklagen und klagens auch/ wo ſie nur frey
ſichere Gelegenheit haben die Nicodemiſten im Pabſtum ꝛc. Und
ſolche Danckbarkeit ſollen wir erweiſen wie in æſtimatione cordis in
Hochſchaͤtzung dieſer theuren Gnade im Hertzen mit Verwunderung/ im
Munde mit Ruͤhmen und Preiſen; alſo auch in opere, und in dem
heiligen Wandel durch Toͤdtung deß Suͤndlichen Fleiſches/ dann wers
glaubt/ deß Hertz iſt Freuden voll/ doch er ſich auch ruͤſten ſoll/ dem
Herrn
[185]Predigt.
Herrn nachzufolgen/ dann Er wird vor Fleiſch und Blut ſein Him-
melreich verſperren. Den rechten methodum und ſpecimen, wie das
danckbare Lob GOttes anzuſtellen/ lehret der H. Geiſt Pſal. 111. GroßPſal. 111, 4.
ſind die Werck deß HErꝛn/ wer ihr achtet/ hat eitel Luſt da-
ran/ Er hat ein Gedaͤchtnuͤß geſtifftet ſeiner Wunder/ der
gnaͤdige und barmhertzige HErꝛ! Sind lauter hertzliche feurige
Wort/ ſchreibt Lutherus (*) eines danckbaren Hertzen/ als ſpreche er:(*) Tom.
5. Jen. pag.
204 \& 207.
Ach/ wie biſtu ſo ein gnaͤdiger barmhertziger GOtt/ der du uns auß ſo gar
grundloſer Barmhertzigkeit/ ohn unſer Verdienſt/ das Oſterfeſt (welches
er in dieſem Pſalm ſonderlich meynet) geſtifftet haſt/ zum Gedaͤchtnuͤß
deiner Wunder/ die du an uns in Egypten gethan haſt/ auff daß wir dein
ja nicht vergeſſen oder von dir kommen/ O wie treulich haſtu uns damit ge-
meynet! Darum Halleluja/ lobet den Herrn/ dancket Jhm von Her-
tzen. Aber daß es ein rechter hertzlicher gruͤndlicher Danck ſey/ und nicht
mit dem Maul ſage/ Deo gratias, und mit dem Hertzen ſagen/ Non eſt
Deus: Es iſt Kunſt/ und des Heiligen Geiſtes Kunſt/ von Hertzen dan-
cken oder Deo gratias ſagen. Und wer es ſagen kan von Hertzen/ fuͤr
den darffſtu nicht ſorgen/ daß er ſtoltz/ ſtoͤrrig/ wuͤſt und wilde ſey/ oder wi-
der GOtt mit ſeinen Guͤtern thue; Thut ers aber/ ſo wiſſe daß er leugt/ ſo
weit ſein Maul/ ſo tieff ſein Hals iſt/ wann er GOtt danckt/ oder Deo
gratias ſpricht. Es iſt eine zwiefaͤltige Undanckbarkeit/ dazu eine Luͤgen/
Laͤſterung und Spott. Gleich als wann ein Lehen-Mann zu ſeinem
Lehen-Herꝛn ſpreche: Jch dancke euch/ und weiß/ daß ihr das Gut mir ge-
liehen und gegeben habt; Thaͤt aber mit ſolchem Gut dieweil wider den
Lehen-Herꝛn/ das aͤrgeſt ſo er koͤnte/ waͤre das nicht ein feiner Danck und
Bekaͤntnuͤß? Mit dem Maul bekennet ers fuͤr deß Herꝛn Gabe/ mit der
That faͤhret er/ als waͤre er ſeines Herꝛn Ober-Herꝛ/ und haͤtte alles von
ihm ſelber: Gleichwie auch ein Dieb oder Raͤuber moͤchte dancken/ dem
er geſtohlen oder geraubt haͤtte/ das waͤre nichts anders/ dann zum Scha-
den geſpottet. Gnug fuͤr dißmal/ der HErꝛ gebe/ daß wir dieſe Didacti-
cam Chriſti wol lernen/ beſſer practicirn und uͤben/ am beſten
genieſſen hie zeitlich und dort ewiglich/
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Jacobs Hertz/ unſer Hertz! So
moͤgen wir wol ſagen und urtheilen/ von der Hiſtori und
Wunderſpiel/ welches die Goͤttliche Providentz mit ihme
dem heiligen Patriarchen Jacob/ und ſeinem Sohn Jo-
ſeph/ geſpielet/ beſchrieben Gen. 37. und 45. Da Jacobs
Hertz uns gleichſam anatomirt, beſchrieben und fuͤrgeleget wird
Als I. Ein Troſtloſes/ betruͤbtes/ wehmuͤtiges Hertz.
Nachdem er ſeinen Sohn Joſeph verlohren/ und in die conjectur oder
Wahn geſetzet worden/ ein boͤſes/ wildes/ reiſſendes Thier habe ihn zerriſ-
ſen und gefreſſen/ nichts mehr uͤbrig gelaſſen/ als ſeinen blutigen bunten
Rock; Ach ſagt er/ nun werde ich mit Hertzenleyd hinunter fahren in die
Gruben/ zu meinem Sohn! Ach der ſchweren Suͤnde/ was hab ich alter
Narꝛ gedacht/ daß ich das theure depoſitum, meinen liebſten Sohn/ alſo
hinauß geſchleudert und verliederlicht? Daß ich den Knaben ohn comi-
tat und ſicher Geleit oder Gefertſchafft/ ohn Wehr und Waffen von mir
gelaſſen/ und alſo in die Rapuſ gegeben? Jch bin das wilde reiſſende
Thier/ ich bin ein Moͤrder an ihm worden: O Wehmuth/ O bitter
Wermuth!
II. Als ein Troſtduͤrfftiges und begieriges Hertz. Kein
Hirſch ſchreyet in der Hatz und Jagt ſo durſtig und ſehnlich nach friſchem
Waſſer/ keine Perlingebaͤrende Meer-Schnecke ſeufftzet ſo hefftig nach
dem kuͤhlen Himmels-Thau/ kein Krancker rufft ſo aͤngſtiglich nach der
Artzney/ als Jacob damal nach den lebendigen Troſt-Quellen Jſraelis:
Zwar ſeine Kinder/ Soͤhn und Toͤchter/ tretten herzu und troͤſten ihn/
aber dieweil es leidige Troͤſter/ und Wolcken ohne Waſſer geweßt/ wolt
er ſich nicht troͤſten laſſen. War alſo
III. Ein Troſtſtreitendes und ſchwachglaubiges Hertz.
Es erſchallen zwar in ſeinen Ohren bona nova, ſeine Soͤhne bringen
ihm das froͤliche Evangelium/ Joſeph lebe noch/ und ſey ein groſſer Herꝛ/
er
[187]Predigt.
er laſſe ihn gruͤſſen/ und entbieten im Namen deß Koͤnigs Pharao/ er ſolle
hinab zu ihm ziehen/ er wolle ihn verſorgen mit ſeinem gantzen Hauß/ er
wolle ihm zeigen/ daß er noch lebe/ und Sohns-Treu an ihm erweiſen/ er
wolle ihn in der Schmaltzgruben des Lands Goſen einlogiren/ und ihm
das Marck im Lande zu eſſen geben. Aber das wolte ihm dem Jacob
nicht in Sinn/ er ſchuͤttelte gleichſam den Kopff/ ſein Hertz gedacht
viel anders/ [...]in Hebraic.)
Lutherus ita commentatur in Geneſ. cap. 45. pag. 160. fol. 2. Videor mihi
veram ejus vocis vim \& finem aſſecutus ex obſervatione \& collatione exemplo-
rum Scripturæ Sanctæ. Puto enim ſignificari geſtum uſitatum, quando capite
moto, aut oculis renuentibus, oſtendimus rem incredibilem narrari, \& cor no-
ſtrum alieniſſimum eſſe ab iis, quæ à fide abhorrere, \& prorſus impoſſibilia vi-
dentur; den Kopff ſchuͤtteln und Humb ſagen/ ey es iſt Narrentheidung/ es wird
nichts darauß. Hoc propriè ſonat (Pug) aliena cogitare, \& diverſum ſtatuere
ab eo, quod narratur. Rabbi Salomon ad hanc explicationem admodum propè
accedit, ſic enim interpretatur: Cor ejus abiit, \& non credidit verbis filiorum,
h. e. longè aliter ſentiebat, es gieng ihm nicht ein. Ego libenter ſic redderem:
nihileſcebat cor ejus, vel nihili faciebat, er achtets nicht. Sicut Habac. 1. dici-
tur, Taphug Thoràh, ablata eſt lex, Wo iſt Recht in der Welt? Hie iſts nicht.
Sic Lum.
er wolts nicht glauben/ ſprach vermuthlich: Ach GOtt es iſt nicht muͤg-
lich/ daß Joſeph noch leben ſolte/ Menſchen find Luͤgner/ der Vogel Fama
iſt betruͤglich/ es ſind mehr als 20. Jahr daß ich ſeiner ermangle/ zu dem
hat er niemahl kein Brieff an mich abgehen laſſen. Darum Nein! Nein!
Es iſt nichts/ man wil mir eine vergebene Hoffnung machen.
Aber auch IV. Ein Troſtſiegendes Hertz/ ein hoch getroͤſtetes
und erfreuetes Hertz. So bald er neben den Worten auch geſehen die
herꝛliche Præſenten, damit ihn Joſeph regalirt, nemlich neben andern die
wolzugeruͤſtete Reißwaͤgen/ darauff er ſolte abgeholet werden/ ſo wird der
Geiſt Jacobs wieder lebendig und ſagt/ gnug! gnug! Jch hab gnug/Gen. 45, 28.
daß mein Sohn Joſeph noch lebet/ ich wil hin und ihn ſehen/
ehe ich ſterbe; Nun ſchoͤpff ich friſche Lufft/ ich bin hertzlich erquicket und
erfreuet: Hie Siegel und Pfand/ Wagen und Roß/ die mich abholen/
der Glaub iſt mir in die Hand gefallen/ was wil ich nunmehr weiters?
Jacobs Hertz unſer Hertz/ ſag ich noch einmal/ ſeines Hertzens-
bild iſt unſers Hertzens Vorbild! Dann ja auch/ wann ein Chriſt ſeinen
himmliſchen Joſeph/ Chriſtum/ verlohren/ nicht nur durch ſchwere/ aͤr-
gerliche/ bannige Laſter und Greuel/ ſondern auch durch Saum- und
Fahrlaͤſſigkeit/ wie Joſeph und Maria; Wann man ſeine Gnad und
Liebe im Hertzen nicht mehr ſpuͤrt/ ſondern er wird in einen grauſamen
A a 2ver-
[188]Die zwoͤlffte
verwandelt/ ja wann er gleichſam im Hertzen todt iſt/ da erhebt ſich Zorn
und groſſe Noth ſo mannigfalt/ da wird einem ſolchen bang nach Troſt:
Job hat alles verlohren/ aber ſeinen Goel noch behalten/ alldieweil der ge-
blieben/ und er noch ſagen koͤnnen: Jch weiß daß mein Erloͤſer im
Hertzen lebt/ ſo hats keine Noth; Wann aber ein Hertz ſeinen edelſten
beſten Schatz verlohren/ da hebt ſich groſſe Noth/ da wil man ſich nicht
troͤſten laſſen/ Welt-Troſt/ Heyden-Troſt moͤgen nicht hafften noch durch-
dringen/ es iſt der rechte Balſam und Troſt-Safft nicht/ Vernunfft wi-
der den Glauben ficht/ und ob ſchon Evangelia fuͤrgebracht werden/ Chri-
ſtus lebe noch! So wil doch der Glaub wancken/ und ſagt: Ja droben
im Himmel lebt Er/ aber in mir nicht/ ich ſpuͤre kein Glauben/ wie die Ex-
empel hochbetruͤbter und mit hoͤlliſchen Anfechtungen behaffter Perſonen
bezeugen: Biß die ſichtbare Zeichen erſcheinen/ biß Siegel und Brieffe
fuͤrhanden/ biß der Glaub in die Hand kompt/ und die individual-appli-
cation geſchicht. Wann ihr nicht Zeichen und Wunder ſehet/
ſo glaubet ihr nicht Joh. 4/ 48.
Darum dann auch GOtt der HErꝛ/ per συγκατάϐασιν, ſich ſo tieff
zu uns herab gelaſſen/ und Siegel und Brieffe gegeben/ unſern Glauben
zu unterſtuͤtzen/ daß wir ja nicht zweiffeln: Nemlich eingeſetzt das Sigil-
lum Sacramentale,ſichtbare in die Augen leuchtende gewiſſe
Siegel und Zeichen/ die uns der Goͤttlichen Huld und Gnade verſi-
chern/ wovon unſer Chriſtliche Catechiſmus verlautet/ und auff die Frag/
Worzu dienen die Sacramenta? Antwortet/ daß ſie uns der
Gnadenreichen Zuſag GOttes in Chriſto verſichern/ als ge-
wiſſe Siegel und Zeichen/ von Chriſto dem HErꝛn ſelbſt ein-
geſetzt. Welche Materi und Glaubens-Punct von den Sacrament-
lichen Siegeln/ auß vorhabendem Text abzuhandlen noch reſtirt/ da-
mit wir auch dieſe unſere Sacramentliche Predigten obſigniren und be-
ſchlieſſen wollen. Der Vater deß Liechts gebe dazu ſeines H. Geiſtes
Gnadenreichen Segen und Gedeyen/ um unſers HErꝛn JEſu Chriſti
Willen/ Amen.
OB nun wol abermal nicht alle Sacramenta in H. Schrifft/ mit ſo
vielen klaren außgedruͤckten Worten/ Sigilla und Siegel genen-
net werden/ ſo bringts doch auff dem Ruͤcken mit ſich 1. Die Διά-
νοια, und der Verſtand. Das Sacrament der Beſchneidung/
deſſen Mahlzeichen Abraham an ſeinem Leibe getragen/ wird hell und klar
ein Siegel der Gerechtigkeit genennet/ Rom. 4, 11. So nun ein
finſteres Mahlzeichen des alten Teſtaments/ dieſes herꝛliche Prædicat
fuͤhrt
[189]Predigt.
fuͤhrt und traͤgt/ wie vielmehr ein Liecht- und Tag-Zeichen im neuen Teſta-
ment? Das Sacramentliche Blut deß Oſterlambs wird uns beſchrie-
ben/ nicht nur als ein bloſſes Zeichen/ ſondern als ein Verſicherungs- und
Siegelmaͤſſiges Zeichen/ ein Salva guardia, in Anſehung deſſen der
Wuͤrg-Engel fuͤruͤber hupffen muͤſſen: Und ſo wird auch die Tauffe nicht
vergebens/ ein Bund deß Gewiſſens mit GOtt/ genennet von Petro/ das1. Pet. 3, 21.
iſt/ ein Bund-Zeichen/ ein Siegel und Anzeig/ daß GOtt und Menſchen
mit einander pacificirt und in einen Bund getretten/ welcher durch die
Tauffe als Siegel verſichert worden. Maſſen die Juden dorten einen
Bund mit GOtt gemacht Nehem. 9, 38. Da ſteht: Und in dieſem allen
machen wir einen Bund und ſchreiben/ und laſſens unſere Fuͤrſten/ Levi-
ten und Prieſter verſieglen. Sonderlich in den Worten der Einſetzung
deß heiligen Abendmahls: Diß iſt das Blut deß neuen Teſtaments/ q. d.
das iſt das rothe Siegel/ dadurch das neue Teſtament verſiegelt/ darin
uns Vergebung der Suͤnden/ Heyl/ Leben/ ja ein gantz himmliſch Koͤnig-
reich legirt und vermacht/ und durch den Tod und Blut Chriſti bekraͤff-
tiget worden. Dann Teſtament und Siegel ſind correlata. Gar uͤber
alle maſſen ſchoͤne Gedancken fuͤhrt hievon unſer ſelige Vater D. Lu-
therus, in Außlegung deß 6. cap. Johannis (*) da Chriſtus auff ſein(*) Tom.
2. Iſleb. p.
149. f. 2.
Fleiſch und Blut deutend ſagt/ GOtt der HErꝛ hab auff ſein Fleiſch und
Blut ſein Siegel gedruckt/ und bezeichnet/ daß es ſoll ein Siegel-Zeichen
ſeyn/ uns zuverſichern: Denſelbigen hat GOtt der Vater ver-
ſiegelt/ ſagt Chriſtus daſelbſt. Das iſt (ſind Lutheri Wort hieruͤ-
ber) abentheurlich und ſeltzam geredet/ daß GOtt habe den
Sohn/ ſo Menſch iſt/ oder dieſe Speiße und der Kornmei-
ſter/ der Becker/ Kellner und Vorrath iſt/ JEſum Chri-
ſtum/ zum Siegel gemacht/ den meyne ich/ den wil ich/ da
hat GOtt ſein Siegel auffgedruckt/ und ſeine Brieffe uͤber
gegeben/ daß Er der ſey. Es iſt aber eine Hebraica phraſis,
daß unſer HErꝛ GOtt auch ein Fingerreiff/ Pitſchier und
Siegel am Daumen habe/ damit Er zuſiegelt/ wann Er
Brieffe ſchreibet und außſchicket. Solchs Siegel ſoll Chri-
ſtus ſeyn/ und kein anderer/ verwirfft und verdammet damit
alle andere Siegel. Das iſt ein ſtarck Wort/ welches auß
der maſſen weit um ſich greiffet/ daß wer da wil ewiglich le-
ben/ der muͤſſe dieſe Speiſe haben/ welche der Sohn gebe/
und in dem Sohn der da verſiegelt iſt ſich finden laſſen:
Sonſt wo er den nicht hat/ ſo wird er deß ewigen Lebens feh-
A a 3len.
[190]Die zwoͤlffte
len. Dann allhie iſt das Siegel und Zeugnuͤß darauff ge-
druckt.
Es gibts und weiſets auß 2. Nomen Teſtis noſtræ indigentiæ
congruus,der Name eines Zeugen/ welches Wort zu extendiren
iſt/ als weit unſere indigentia und Duͤrfftigkeit ſich erſtreckt/ ſo weit als der
H. Geiſt nicht bezielt und einzeucht. Es iſt leider der Unglaub uns allen
angebohren/ was das uns allen angeborne Geſetz ſagt/ und unſer eigen Ge-
wiſſen bezeugt/ das glaubt man leichtlich/ daß nemlich/ wer Mord/ Blut-
ſchand und andere Greuel begeht/ verflucht ſeye/ das bedarff keines Be-
weiſens/ conſcientia mille teſtis ſagt ja darzu/ den Zeugen die Hand-
ſchrifft/ die wider uns iſt/ tragen wir alle im Buſen. Daß aber GOtt der
himmliſche Vater ein allmaͤchtiger Vater/ der Sohn GOttes uns von
Suͤnden und Tod erloͤſet/ per λύτρον mortis \& ſanguinis, daß der H.
Geiſt uns ſoll wiedergebaͤhren/ und durchs Wort und Sacramenta zu ſich
ins Himmelreich ziehen wolle; Jtem/ daß keine Suͤnde ſo groß/ GOttes
Gnade ſey noch ſtaͤrcker/ das wil ja nicht ein/ Vernunfft wider den Glau-
ben ſicht/ ſie gedenckt/ ja es wird uns viel zugeſagt/ aber wie bin ich deſſen
gewiß? Manus noſtræ oculatæ ſunt, credunt quod vident, ſegnius
irritant animos demiſſa per aures, quam quæ ſunt oculis ſubjecta
(*) Horat.
in arte.fidelibus, ſagt der heydniſche Poet/ (*) Augen-Licht iſt uͤber Ohren-
Gericht. Item, eſt avis in dextrâ melior, quam quatuor extra, die
Vernunfft wil GOtt nicht glauben/ und auffs kuͤnfftige trauen. Da
laͤßt ſich zwar hoͤren das geſchriebene Evangelium: Alſo hat GOtt die
Welt geliebt/ ꝛc. und dergleichen Abfolution Spruͤche. Aber da wanckt
der Glaube/ und fragt/ wie bin ich in individuo gewiß/ daß dieſer Goͤttliche
Send-Brieff auch mich angehe? Mein Suͤnd ſind allzuſchwer und groß/
ich fuͤhl wol ehe das widrige bey mir. Dazu koͤmpt das Goͤttliche Jura-
ment/ und theure Eydſchwur Ezech. 33. aber das wil auch nicht penetri-
ren.
Hieronymus Epiſt. 46. ad Ruſtic. dicit: Ideò jurat Deus, ut ſi non credimus
promittenti, credamus ſaltem pro ſalute noſtra juranti: Das iſt: Darum ſchwe-
ret GOtt/ daß/ wann wir Jhm nicht glauben/ wann Er uns was verſpricht/ wir
Jhm doch nur glauben/ wann Er um unſer Seligkeit willen ſchweret. Jtem
Auguſtinus in Pſal. 88. Hoc promiſit Deus, hoc dixit Deus, ſi parum eſt, hoc jura-
vit Deus: Quia ergò non ſecundum merita noſtra, ſed ſecundum illius miſeri-
cordiam firma eſt promiſſio, nemo debet cum trepidatione prædicare, unde non
poteſt dubitare, das iſt: GOtt hats verſprochen/ GOtt hats geredt/ iſts noch zu
wenig/ GOtt hat auch geſchworen: Weil dann nun nicht nach unſerm Verdienſt/
ſondern nach ſeiner Barmhertzigkeit die Verheiſſung gewiß iſt/ ſo ſoll niemand
mit Furcht und Zittern verkuͤndigen/ deſſentwegen ex nicht kan zweiffeln.
Darum ſo iſt vonnoͤthen/ ein gantz gewiſſes Siegel/ das nicht fehlen
kan/ ein Zeugnuͤß uͤber alle Zeugnuͤß/ das hoͤchſte/ beſte/ gewiſſeſte/ helleſte
und kraͤfftigſte Zeugnuͤß/ beneficia ſunt ampliſſimæ interpretationis,
ſo hoch es kan getrieben werden/ was in menſchlichen contractibus am
allerkraͤfftigſten beſtehen kan. Es ſolte wol ſo ſeyn/ ein Mann/ ein Mann/
ein Wort/ ein Wort/ daß Ochſen bey den Hoͤrnern/ und Maͤnner bey dem
Wort erkannt wuͤrden/ bevorab wann man einen Schwur dazu gethan:
Aber es iſt leider unter uns ſo weit kommen/ daß man bloſſen Worten nicht
trauen darff/ Ja-Wort/ kein Wort. Quæ lex ad id præſtandum nos,vid. Grot.
de jure bel.
p. 245. ſq.
quod alicui promiſimus, obligat? ſagt Seneca L. 5. de benef. c. 10.
Verſprechen iſt Edelmaͤnniſch/ halten iſt Baͤuriſch. Stultus non intel-
ligit verba honoris, ſagte jener. Wann aber verſiegelte Brieffe und
Urkund koͤnnen auffgewieſen werden/ ſo hats mehrere Krafft/ und iſt man
der Sach beſſer verſichert/ ob wol auch dieſe koͤnnen durchloͤchert und nicht
gehalten werden; doch in foro juſtitiæ, wo man die juſtitiam noch laͤßt
regieren/ ſo gilt ſolcher contract, ſo laͤßt ſich Siegel und Brieff nicht diſ-
putiren, der Richter ſpricht das Urtheil darnach/ das man feſt halten
muß. Dann wer Siegel und Brieff von ſich gibt/ der uͤberlieffert dar-
durch ſein jus ad rem der andern Parthey in die Hand/ er faͤngt ſich ſelbſt
und macht ſich ſelbſt verhafftet/ der gibt ein helles/ ſichtbares/ groſſes und
kraͤfftiges/ ein individual in der Hand habendes Zeugnuͤß von ſich/ er gibt
dem andern ſein Recht und ſchwoͤret in die Hand/ daß wann ers nicht hal-
ten wolte/ deßwegen fuͤr Gericht actionirt werden koͤnte. Nun ein ſolch
hohes und helles/ ein ſolch kraͤfftiges und ſtandhafftes Zeugnuͤß/ wird auch
erfordert in foro juſtificationis, im geiſtlichen Stand-Recht fuͤr GOtt:
Wann da ein armer Suͤnder und Goͤttliche Gerechtigkeit zuſam̃en tretten/
die Gedancken ſich untereinander verklagen und entſchuldigen Rom. 2, 15.
ſo gehoͤrt das allerhelleſte Zeugnuͤß/ ſichtbar und ſcheinbar/ das allergroͤſte
Zeugnuͤß/ groͤſſer als das innere Gewiſſens-Zeugnuͤß/ das jenes uͤber-
ſchreyt/ das beſſer rufft/ als das Blut Abels; das allerſtandhafftigſte/
das vor der hohen Goͤttlichen Majeſtaͤt/ und ſeinem flammenden Gerichts-
Stuhl/ ſich nicht darff entſetzen/ das einer in der Hand hat/ juris colla-
tivum, contra omnes inſtantias. Ein ſolches iſt nun Sigillum Sacra-
mentale, das Zeugnuͤß deß Sacramentlichen Waſſers und Bluts/ das
iſt das helleſte/ quia viſibile, alldieweil es ſichtbar/ iſt das groͤſte/ iſt das
ſtaͤrckeſte/ dieweil es individualiter mich angeht; dann ich binja getaufft
fuͤr mich und keinen andern/ da habe ich den Geiſt/ das Pfand meines
Erbs ſelbſt empfangen. Der Prediger ſagt: Nimm hin/ das iſt der Leib/
das
[192]Die zwoͤlffte
das iſt das Blut/ fuͤr dich (in individuo) gegeben/ vergoſſen/ ꝛc. Da
wird einem glaubigen Communicanten das Recht in die Hand gegeben/
und alſo aller Zweiffel außgeſchloſſen.
Hierzu komt ferner 3. Suffragium antiquæ Eccleſiæ das Zeugnuͤß
(α) Lib. 3.
contra Eu-
nom.
(β) de Ca-
tech. rud.
c. 26.
(γ) Lib. de
Pœnitent.
(δ) ad 1. Pet.
3, 21.der Kirchen. Der alte Lehrer Baſilius (α) nennets σφαγίδα ἀνεπιχείρητον,
ein undiſputirlich Siegel; Auguſtinus (β) ſagt/ es ſeyen die Sacramenta
viſibilia rerum Divinarum ſignacula, ſichtbare Siegel der unſichtbaren
Goͤttlichen Dinge. Deßgleichen nennet Tertullianus (γ) die Tauffe/
Fidei obſignationem. Und Oecumenius (δ) ſagt: Baptiſmus eſt ar-
rhabo \& pignus bonæ conſcientiæ in Deum, es ſeye die Tauffe gleich-
ſam ein Gottespfenning und Pfand deß guten Gewiſſens gegen Gott.
Damit dann unſer Chriſtliche uralte Catechiſmus mit zuſtimmet/ als die
wir keinen neuen/ ſondern den alten/ ja aͤlteſten Catechiſmum haben/ in der
Frage: Worzu dienen die Sacramenta? ꝛc. wie droben bereits gemeldt.
Sollens nun gewiſſe Siegel ſeyn/ ſo muͤſſen wir nicht nur an der
Frage/ an ſit? hangen bleiben/ ſondern abermal weiter gehen/ und auch
verſtehen τ [...] τί ἐςι? Was es dann fuͤr Siegel ſeyen/ was ihre Na-
tur/ Art und Eigenſchafft? Wie dieſelbe auß dem ſeminario cau-
ſarum entſtehen? Und gleichwie Chriſtus ein Raͤtzel auffgegeben und
gefragt Matth. 21/ 25. Woher iſt die Tauffe Johannis/ vom
Himmel oder von den Menſchen? Alſo fragen wir auch
I. De origine, woher die Sacramentliche Siegel ihren Adel/ Stiff-
tung empfangen? Wer hat ihnen ſolche Siegel-Krafft eingedruckt und
gepraͤget? Die Phariſeer haben Chriſto nicht koͤnnen ohne Anſtoß antwor-
ten; Wir aber antworten und ſind gewiß/ daß ſie ſind vom Himmel herab/
der HErꝛ der allmaͤchtige Gott iſt der Verſiegler/ dann ſie ſind von
Gott dem Herrn ſelbſt eingeſetzt. Zwar der Roͤmiſche Pabſt/ der
Menſch der Suͤnden handelt auch mit Siegeln/ wil auch ein Siegel-
Stiffter und Siegel-Kraͤmer ſeyn/ hat ſein Siegel und Brieff/ Wachs
und Bley/ damit er ſeine Ablaß-Brieff verſiegelt/ und hernach ums Geld
feil bietet und verkaufft. Aber wer hat ihm ſolche Macht gegeben? Wo
iſt die Weyhe? Wo Wort? Wo Verheiſſung? Hinweg mit ſolchen.
Andere geheiligte Siegel haben wir hie von GOtt dem Herrn/ der hat
ſein Signaͤt auffs Waſſer und Geiſt/ auffs Fleiſch und Blut Chriſti ge-
druckt/ und hat zugleich ſeine Verheiſſung angehengt/ damit wir wiſſen/ wo-
cõf. Aleth.
vind. p. 73.
ſq.zu ſie uns dienen ſollen. GOtt der HErꝛ traͤgt an ſeinem Daumen auch
ein Pitſchier/ damit Er ſein Siegel-Bild auffdruckt. Ein Siegel iſt kein
Spiegel: Ein Spiegel darff keiner Anzeig der Perſon/ ſo ſich ſpiegelt/ ein
wol-
[193]Predigt.
wolgetroffenes Controfet bedarff kein indicem per ſe oder Zeiger/ als-
bald leuchtet dem Schauer das Bild in die Augen: Aber Siegel muß
Wort haben. Wann gleich einer Chriſti verſiegelten Grabſtein angeſe-
hen/ haͤtte er ohn Anzeig doch nicht unfehlbar gewußt/ daß Chriſtus darin
vergraben und verſiegelt/ ſondern es waͤre irgend (wie in Davids Grab)
ein reicher Schatz daſelbſt. Alſo auch wann ein Heyd die Beſchneidung
geſehen/ er haͤtte es vielmehr als ein μυσαρίαν Abentheur außgelacht/ als fuͤr
ein myſterium und hohes ſonderbares Geheimnuͤß gehalten. Darum
heißt es ein gewiß Siegel-Zeichen/ von Gott dem Herrn ſelbſt einge-
ſetzt/ der ſein Bild darauff gedruckt/ daß es beglaubt/ ſtaͤt und feſt gehalten
werde.
II. Die materia ſigillarisoder Siegel-Zeug iſt auch ſolidirt
und ſtandhafft. Soll ein Secret und Siegel außdauren/ ſo muß das
Bild in eine ſtarcke daurhaffte Materi gepraͤgt werden: Jn Wind laͤßt
ſich nicht verſiegeln/ der bald verſchwindet/ Wachs daurt auch nicht allzu-
lang; Aber was in Edelgeſteine (e. g. in Jaſpis Exod. 28, 11.) in Gold
gegraben wird/ wie dort in das guldene Stirnblat Aaronis Exod. 28, 36.
das haͤlt feſt/ und wird nicht leicht verdruckt oder außgeloͤſcht. Alſo iſt
auch die Materi allhie ὑποςατικόν τι, ein beſtaͤndig daur- und waͤhrhaffter
Zeug/ welcher iſt nicht nur das bloſſe Tauff-Waſſer/ nicht bloß Brod und
Wein/ ſondern der immerwaͤhrende und immerbleibende Geiſt GOttes/
das unſterbliche unzerſtoͤrliche Fleiſch Chriſti/ und ſein αἷμα ἄφϑαρτον,
ſein unvergaͤnglich und unverweßlichs Blut/ das immer ſchreyet τὰ κρείτ-
τονα, Joh. 6, 56. hic character indelebilis!
III. Forma ſigillaris,die Form und Weſen beſteht mit ei-
nem Wort/in Sacramentali, fœderali, neceſſariâ \& mutuâ obli-
gatione,in der allgewaltigſten/ rechtlichen Pfands-Pflicht/
ſo da entſtehet ex juris collatione, in der gewiſſen Bindlichkeit und recht-
lichen Pflicht/ Krafft welcher ein jeder/ der Siegel und Brieff von ſich
gibt/ verbunden und gefangen/ er muß halten/ und daſſelbe nothwendig/
undiſputirlich/ bindlich/ alſo daß/ wann eine Parthey nicht ſolte oder wolte
Glauben halten/ ſie deßwegen actionirt und fuͤr Recht koͤnte angeklagt
werden. Kan am beſten erklaͤret werden in Exempeln/ als Jerem. 32, 10.
Achter Theil. B bwird
[194]Die zwoͤlffte
wird beſchrieben ein Kauff-Contract, den Jeremias mit ſeinem Vettern
Hananeel getroffen/ ihm einen Acker zu Anathot abgekaufft/ um ſieben Se-
ckel und zehen Silberlinge/ ein inſtrumentum publicum \& ſolenne, mit
zugezogenen Zeugen durch den dazu verordneten Notarium (einen Schrei-
ber/ der dazu von dem Magiſtrat avthentiſirt, [...] ſcribere fecit(*)
laſſen auffrichten und verſiegeln nach Landes-Brauch; derſelbe Brieff
hat nun ſo viel operirt, daß weder der Verkaͤuffer den Acker/ noch der
Kaͤuffer das Geld wieder kunte zuruͤcke ziehen; dann dieſer hat jenem/ und
jener dieſem jus ad rem \& in re conferirt, daß es nothwendig muſte ge-
halten werden. Jn gleichem ſagt unſer Heyland Chriſtus Matth. 13, 44.
Das Himmelreich ſey gleich einem verborgenen Schatz im
Acker/ welchen ein Menſch fand und verbarg ihn/ und gieng
hin fuͤr Freuden uͤber dem ſelbigen/ und verkauffte alles was
er hatte/ und kauffte den Acker. Dieſer Acker nun iſt nichts an-
ders als das Himmelreich auff Erden/ die Chriſtliche Kirche/ der Schatz
darin iſt Chriſtus ſampt ſeinem Verdienſt/ ſein Leib/ Fleiſch und Blut im
H. Abendmahl. O ein theurer koͤſtlicher Schatz! fuͤr dem alles ander
fuͤr σκύϐαλα, fuͤr Koth und nichts zu achten/ hieruͤber iſt ein feſtes und un-
diſputirliches inſtrument auffgerichtet im Evangelio/ die ſtipulatio cum
Deo. Jtem die Hiſtori von der Hure Rahab iſt auch ein klares Exem-
pel/ dadurch dieſer Punct zu erlaͤutern/ Joſ. 2, 12. ſeqq. beſagte Rahab be-
herberget die Jſraelitiſche Kundſchaffter/ und halff ihnen darvon: Der-
ſelben nun auch eine Gutthat zu erweiſen/ verſprachen ſie ihr die ἀσυλίαν
und Sicherheit vor dem Schwerdt/ doch mit der condition, daß ſie das
rothe Seyl/ an welchem ſie dieſelbe durchs Fenſter hernieder gelaſſen/ ſolte
in das Fenſter knuͤpffen an ihrem Hauſe/ und alle die ihrige/ die darinnen
ſind/ ſollen nicht getoͤdtet werden. Wann nun dieſem allem nach die eine
Parthey nemlich die Kundſchaffer/ es nicht gehalten/ ſondern meineydiger
Weiſe gebrochen haͤtten/ ſo haͤtte ſie die Rahab hoͤchſte Fug gehabt/ die
juſtitiam zu imploriren, Himmel und Erden zu Zeugen anzuruffen/ ſie
wuͤrden haben muͤſſen treuloſe Leute ſeyn; contra haͤtte die Rahab die
condition nicht erfuͤllt/ ſo waͤre ihr recht geſchehen/ und haͤtte ſich nicht zu
bekla-
[195]Predigt.
beklagen gehabt. Alſo richtet Gott der Herr einen Bund mit uns
auff mit condition, er verſpricht uns die ἀσυλίαν und Sicherheit vor dem
ewigen Tode Ezech. 33. Es ſolle uns nichts ſcheiden von der Liebe GOt-
tes Rom. 8. doch daß wir die Mittel brauchen/ das rothe Seil ſeines Bluts/
wie Rahab.
Es ſtellet ſich Gott dir ins Recht/ und ſagt Eſai. 1, 18. Kommet/
laßt uns miteinander rechten. Und Mich. 6, 3. ſagt er: Was
hab ich dir gethan mein Volck/ und womit hab ich dich belei-
digt/ das ſage mir? O ein frommer und getreuer Gott! Er macht
ſich ſelber anheiſchlich/ und wil ſagen/ ſolte es per impoſſibile durch die
Unmuͤglichkeit geſchehen/ daß ich nicht halte/ ſo iſt erlaubt zu appelliren
ad juſtitiam immutabilem, zu der unwandelbaren Gerechtigkeit GOt-
tes/ ſo gewiß und Himmel-feſt iſt meine Zuſag. Alſo Gen. 24. da Eleazar
um die Rebecca geworben/ tretten auch zuſammen Jſaac und Rebecca/
jener verſpricht dieſer die Ehe durch ſeinen Knecht Eleazar/ nachdem der
contract gemacht/ der conſens und Ja-Wort erhalten/ da zog derſelbe
hervor inſtar ſigilli, zu einem Ehe-Pfand/ Braut- und Mahl-Schatz/
guͤldene und ſilberne Kleinodien und Kleider/ und gab ſie der Rebecca/ da-
mit er ſie als mit einem Trau- und Siegel-Ring ſubarrhirt und verbun-
den Gen. 24, 52. das muß nun feſt und unverbruͤchlich gehalten werden/
wo nicht? ſo kompt via juris da recht zu huͤlff.
Gleicher geſtalt nun verſpricht GOtt der Herr alles in der heili-
gen Tauffe/ was Er im alten Teſtament in der Beſchneidung verſpro-
chen/ Oſe. 2, 19. ſeqq.Jch will mich mit dir verloben in Ewig-
keit ꝛc. er wolle nemlich eines Taͤufflings GOtt ſeyn/ alles das jenige
geben/ was irgends ein Volck von ſeinem Gott wuͤndſchen moͤge: του̃το τὸ
κεϕάλαιον τ [...] πάντων ἀγαθῶν, ſagt Chryſoſtomus. Jch wil ſeyn dein
Bunds-GOtt/ Vaͤterlicher Erb-GOtt/ Gaſt-GOtt/ dein Heyl GOtt/
dein Patron- und Schutz-GOtt/ dein ſehr groſſer Lohn. O wol deſſen der
Herr ein GOtt iſt! Da kan und ſoll der Menſch gewiß trauen/ dasEph. 1, 14.
cap. 4, 30.
Siegel und Pfand ſolcher Zuſag iſt der H. Geiſt/ als das Pfand des
Erbs/ damit der Taͤuffling verſiegelt wird/ als mit einer arrha, das iſt
ein ſolcher Hafft- und Gottes-Pfenning/ der nicht als eine bloſſe Gabe und
præſent anzuſehen/ das wieder koͤnte zuruͤck genommen werden/ wann die
B b 2Ver-
[196]Die zwoͤlffte
Verheiſſung geleiſtet; Sondern arrha irrevocabilis, ein unwiederruff-
lich Pfand/ ſo lang der Menſch Glauben haͤlt: Dann es obligirt ſich der
Taͤuffling auch/ er wolle GOttes Volck/ Kind und Geſpons ſeyn/ er wol-
le treu verbleiben/ er wolle ritterlich kaͤmpffen/ lauffen/ Glauben halten.
(*) ad 1. Pet
3. pag. 293.Daher glaublich/ was Cornelius à Lapide (*) berichtet/ daß vor Zeiten
die jenige/ ſo den Chriſtlichen Glauben angenommen und ſich tauffen laſ-
ſen/ oͤffentlich hinauff gen Himmel geſchauet/ und ihr rechte Hand uͤber ſich
in die Hoͤhe gerecket/ in beyſeyn der Zeugen ein Eyd geſchworen; welchen
Eyd der Taͤuffling hernach mit ſeiner Hand unterſchrieben/ und mit ſei-
nem Ringe verſiegelt/ daß es in gewiſſe Tafflen auffgezeichnet worden.
Er wolle als ein geiſtlicher Ritter das Sacramentum militare halten/
welches dieſes iſt: Se omnes pro Imp. caſus, quoad vitam profude-
rint, perlaturos; item, Salute Cæſaris ſibi nihil fore antiquius, pro
nomine ejus ne patri quidem parcituros eſſe; eoſdem inimicos ami-
coſque habituros. Das iſt: Er wolle fuͤr ſeinen Herrn alles außſte-
hen/ und wann es auch das Leben koſten ſolte/ ja fuͤr ſeinen Namen und
Ehre wolle er auch ſeines eignen Vaters nicht ſchonen/ deſſen Feind ſey
auch ſein Feind/ wie auch Freund ſein Freund. Und daher kompt noch ei-
gentlich das Wort/ Sacrament/ welches Tertullianus auß der Roͤ-
(*) ad mar-
tyr. cap. 3.miſchen Policey entlehnt/ und in die Kirch gebracht/ Vocati ſumus (*),
ad militiam jam tunc, cum in Sacramenti verba reſpondimus, ſchreibt
er in ſeinem Buch an die Maͤrtyrer/ damit er ſie getroͤſtet/ und geſagt/ daß
ſie ſich nicht ſollen laſſen befrembden/ weil ſie ſchon damals zum Kampff
und Streit beruffen worden/ da ſie das heilige Sacrament angenommen.
Alſo verhaͤlt ſich es auch in dem Sacrament deß Oſterlambs und H.
Abendmahls/ darinnen der Bund erneuert wird/ und mit einem epulo
chariſtico oder Liebes-Mahl beſtaͤtigt/ doch daß wir ſeiner dabey gedencken
und dancken ſollen/ als ein Siegel auffs Hertz drucken Cant. 8, 6. wie ein
Bruſt-Bild und Bruſt-Schild/ wie eine Braut und trauter Freund thut/
in der Signatur ſeines Creutz-Tods/ Waſſer und Bluts.
Fragen wir IV. Quo fine?Zu was Zweck und Ende dieſe
Sacramentliche Siegel dienen? Wozu ſie geordnet/ und was ſie
nutzen? So wird geantwortet ad ἀσφάλειαν fidei,Sie ſind gewiſſe
Siegel und Zeichen/ die den Glauben in uns erwecken und
ſtaͤrcken ſollen. Dann das iſt auch der Zweck eines verſiegelten Brief-
fes/ daß je eine Parthey der andern Glauben halt. Jn ſpecie ſind die
Sacramentalia Sigilla (1.) Mnemonevtica præteritæ ἀμνηςείας, Ge-
daͤchtnuͤß-Siegel/ daß die Suͤnde vergeben/ in die Tieffe des Meeres
ver-
[197]Predigt.
verſenckt/ ja zugeſiegelt ſind Dan. 9, 24. zu welchem End/ nach Goͤttlicher
Intention, Chriſti Grabſtein verſiegelt; auff Seiten zwar der Feind/ da-
mit nicht irgends die Juͤnger kaͤmen/ und ſeinen Leichnam ſtehleten/
Matth. 27, 66. Aber auff Seiten GOttes/ daß die Suͤnde hiemit begra-
ben und verſiegelt/ bedeckt/ todt und ab ſeyn ſoll. Dahin und zu ſolchem
Zweck iſt angeſehen das Sacrament der H. Tauffe/ wie Paulus lehret
Rom. 6, 4. Wir ſind mit ihm (Chriſto) begraben durch die
Tauffe in den Tod.Contradaß wir auch allezeit daran ge-
gencken/ ſolches thut zu meiner Gedaͤchtnuͤß/ meinen Tod zu
verkuͤndigen/ ſetz mich als einen Siegel auff dein Hertz.vid.
Cornel. à Lap. ad Hagg. p. 629.
(2.) Sigilla ſignificantia præſentis gratiæ,Anzeig-Siegel
der gegenwaͤrtigen Liebe und Gnade GOttes. Es ſind keine
fulmina und ſchroͤckliche Mord-Brieffe/ wie Jeſabels und Hamans1. Reg. 21, 8.
Eſth. 3, 12.
Siegel/ die auch ihre Brieffe verſiegelt/ aber zum Tode und nicht zum Le-
ben: Hie aber zum Leben/ hie ἀσυλία, in ſolchem Verſtand/ wie Darius
Danielis Loͤwen-Grube verſiegelt Dan. 6, 17.
(3.) Sigilla excitantia bonæ ſpei,Hoffnungs-Zeichen/ ſol-
che Siegel/ die in uns erwecken ſollen eine lebendige Hoffnung auff kuͤnff-
tiges Erbe der ewigen Seligkeit. Gleichwie der jenige Siegel-Ring den
Alexander M. da er in den letſten Zuͤgen lag/ einem ſeiner getreuen
Kriegs-Oberſten/ dem Perdiccæ uͤberreicht/ gute Hoffnung zur Koͤnigli-
chen Cron gemacht. Alſo weil auch in den heiligen Sacramenten nichts
anders wir empfangen/ als die arrham, das Pfand/ die Angabe/ die pri-
mitias und Erſtlinge der himmliſchen Kindſchafft/ die Verſieglungs- und
Verſicherungs-Gabe/ in der Tauff den H. Geiſt/ in dem H. Abendmahl
den Leib und das Blut Chriſti; So iſt das die ungezweiffelte Hoffnung/
es werde das vollkommene Erbgut und Koͤnigreich ohnaußbleiblich fol-
gen.
Nun meine Liebſten/ wers annimmt/ der verſiegelts daß
GOtt warhafftig ſey/ ſagt Johannes der Taͤuffer Joh. 3, 33. Jſt
eine ſchoͤne Gleichnuͤß genommen von einer ſchrifftlichen verſiegelten Ur-
kund und Quittantz: Ein ereditor, der von ſeinem Schuldner richtig be-
zahlt wird/ der gibt eine Quittantz von ſich und verſiegelt ſie/ und bekennet
wuͤrcklich/ daß dieſer Mann/ der ihn befriediget/ ein wahrer/ ſtandhaffter
und redlicher Bidermann ſey/ der Glauben gehalten. Ebener maſſen/
wer dieſen Sacramentlichen Siegel in der Qualitaͤt annimmt/ wie er
auß GOttes Wort præſentirt worden/ der thut Gott dem Herrn die
B b 3hoͤch-
[198]Die zwoͤlffte
hoͤchſte Ehre an/ und gibt ihm Zeugnuͤß/ daß Gott warhafftig ſey. Die
arrham und Angabe deß Geiſtes haben wir zwar ſchon empfangen/ die
ϖρόγ [...]σιν, den Vorſchmack und den Gottspfenning: das beſte aber/ das
noch kein Aug geſehen/ das ſteht uns noch auß. Demnach wann wirs
als ein Praͤſent annehmen im Glauben/ der unſichtbare Ding glaubt/ ſo
verſiegeln wir GOttes Warheit. Ach ſo laßt uns nun herzu lauffen zu
dieſem Gnadenthron/ und mit groſſer Begierde annehmen ſolch Gnaden-
reich Siegel und Pfand! Aber was geſchicht? Das/ was Johannes
Joh. 3, 32.klagt in vorgedachtem Ort: Niemand faſt nimmt ſein Zeugnuͤß
an; Jn der Tauffe zwar ziehen ſie alle Chriſtum an/ aber es waͤhrt nicht
lang/ machens wie die Saͤu/ die bald nach der Schwemme im Koth ſich
wieder waͤltzen: Zum Tiſch des Herrn kommen zwar viel/ aber als
Heuchler/ die die Warheit GOttes mit der That verlaͤugnen.
Es iſt nicht genug den Schatz haben/ wir muͤſſen auch wiſſen und
recht verſtehen/ was uns Gott gegeben/ ignoti nulla cupido. Derowe
gen
[199]Predigt.
gen iſt vonnoͤthen (I.) Lumen ſigilli,ein helles Liecht zu erkennen ſol-
chen theuren Gnaden Schatz. Solche Geheimnuͤß-reiche Siegel und
Zeichen ſind nicht mehr verborgen/ ſondern auffgeſchloſſen und entbrochen
von dem Loͤwen deß Geſchlechts Juda Apoc. 5, 5. was uns zum Troſt hie-
von in GOrtes Wort geoffenbaret/ das muͤſſen wir forſchen/ es wird doch
noch viel verſpart werden muͤſſen in die hoͤchſte Schul droben im Him-
mel; unſer Wiſſen iſt Stuͤckwerck/ aber auch das Stuͤckwerck muͤſſen
wir wiſſen; wir ſehen durch einen Spiegel und dunckeles Wort/ aber da-
rum muß man die Augen nicht zuſchlieſſen. Ein Diſcipul ſoll zwar ſei-
nen Meiſter nicht reformiren/ oder eigenſinniger Weiſe deſſelben Lehr ver-
werffen/ aber auch kein fauler Schluͤngel ſeyn/ ſondern fragen/ multa ro-
gare, rogata tenere \&c. ein Schuͤler muß nicht immer in der untern
Claſſe ſitzen bleiben/ und nur allein lernen/ wovon die Voͤgel auff den Daͤ-
chern ſingen/ ſondern auch δ [...]ύσκωλα, ſchwere Sachen/ δ [...]ύσκωλα τὰ καλὰ.
Zu welchem Ende auch vor dieſem dieſer Text erwehlet worden/ eine ſchwaͤ-
re doch hochnothwendige hochtroͤſtliche Materie/ aber verhoffentlich der-
maſſen lactificirt, daß es auch die Einfaͤltigen verſtehen koͤnnen.
Hierauff muß folgen (II.) Aſſenſus tenaciter \& conſtanter ap-
prehendens, daß wir uns dieſe Siegel nicht nehmen noch verderben laſ-
ſen. Wers glaubt/ der muß es auch verſiegeln/ er empfindets in ſein
Hertz gedruckt/ daß Gott warhafftig iſt/ er muß auch Beyfall geben/ und
dieſen edlen Schatz nicht nehmen laſſen von den Jrꝛgeiſtern/ dort der Pa-
piſten/ die dem Brieffe das Siegel abgezwackt: Bellarminus iſt ſo ver-
meſſen und unverſchamt/ daß er ſchreiben doͤrffen: (*) Comparatio illa,(*) in præf.
Tom. 3. \&
l. 1. de ſacr.
c. 14. conf.
Hod. noſtr
Phant. 10.
pag 410. \&
432.
qua verbum diplomati, Sacramentum ſigillo confertur, tàm inepta
eſt, ut nihil ineptius fingi queat, es ſey eine ungereimte thoͤrichte Ver-
gleichung/ wann man das Wort GOttes einem Obrigkeitlichem oder
Koͤniglichem diplomati, und die Sacramenta dem daran gehaͤngtem
Siegel vergleichen wolle/ es koͤnne nichts ungereimters erdacht werden.
Urſach/ er ſiehet/ daß die Sigillatio und ἀσφάλεια fidei nicht beyſam-
men ſtehen/ darum muß dieſe Krafft den Sacramenten entzogen werden.
Hie deß Calviniſchen Jrꝛgeiſts/ der von Siegeln viel pralet/ aber ohne
Brieff; Es lehren zwar die recentiores, es ſeyen die Sacramenta ſigil-
la, aber ſine literis, Siegel ohne Brieff/ Glauben ohne Wort/ iſt Seelen-
Mord; es iſt kein verbum catholicum allgemein Wort da/ deſſen ſich
ein jeder Suͤnder troͤſten koͤnte: Wen verſichern ſie/ und was? Alle die es
annehmen? O Nein! Wann gleich einer tauſendmal getaufft wuͤrde/
ſo waͤre es keine rechte Tauffe/ wann er nicht auch innerlich waͤre getaufft.
Jtem
[200]Die zwoͤlffte
Jtem fuͤr wen iſt das Blut Chriſti vergoſſen? Fuͤr viel (Außerwaͤhlte)
nicht fuͤr alle Communicanten: Summa/ wer ein abſolut Außerwaͤhlter
iſt/ der darff deß Siegels nicht/ wer ein abſolut verworffener iſt/ dem iſt
(*) ad Matt.
26. p. 147.der Siegel nichts nutz. Piſcator (*) ſchreibt in ſeiner Herborniſchen
Bibel/ Chriſtus habe nicht fuͤr alle Menſchen/ ſondern fuͤr
viele (nemlich ſeine Außerwaͤhlten) ſein Blut vergieſſen laſ-
ſen. Drum auch nicht allen das heilige Abendmahl nuͤtz iſt:
Dann wo einer nicht Theil hat am Gut/ und daſſelbige nicht
durch den Glauben beſitzt/ dem wird auch kein Brieff und
Siegel uͤber daſſelbige von GOtt gegeben. Darum man ſich
huͤten ſoll/ und nicht Gemeinſchafft haben mit ſolcher irrenden Kirchen/
dann die Sacramenta ſind ſigilla διακριτικὰ \& diſtinctiva, Unterſchei-
dungs-Siegel/ dadurch die wahre Kirche von der falſchen unterſchieden
wird. Die Beſchneidung war gleichſam ein Zaum/ darin GOtt das
Juͤdiſche Volck gefuͤhret/ damit ſie von den Heydniſchen Voͤlckern unter-
ſchieden/ und mit ihnen nicht vermenget wuͤrden/ wie Chryſoſtomus da-
von geurtheilet (*)
Sollen auch den Jrꝛglaubigen weder die Sacramenta geben/ noch von ih-
nen annehmen/ auſſer dem Nothfall in der H. Tauffe/ Piſc. ad 1. Cor. 10, 18.
Welche die Opffer eſſen/ ſind die nicht in der Gemeinſchafft des Altars?
Es haben ſich die Schweitzer zu Zuͤrch viel redlicher erklaͤrt/ als die Frantzo-
ſen zu Charenton, jene wollen (laut eines Schreibens deß gantzen Zuͤr-
(*) vid.
Straßb.
Kirchen-
Ordn. pag.
50.chiſchen Miniſterii an den Kirchen-Convent zu Straßburg (*) daß die
jenigen/ welche ſie ſtudirens halben hiehero geſchickt/ in der hieſigen Kir-
chen nicht communiciren ſollen/ dieweil ſie nicht einerley Glauben von den
Sacramenten mit uns haben; Dieſe wollens zulaſſen? Jch ſage auſſer
dem einigen Nothfall der Tauffe/ als welche man auch/ wann es die un-
umgaͤngliche Nothwendigkeit erfordert/ und kein reiner Prediger vorhan-
den/ von einem ſonſt Jrꝛglaubigen/ ohne Verluſt der Seligkeit empfan-
gen kan/ wann nur die ſubſtantia und weſentliche Stuͤcke derſelben be-
halten werden.
Quæ ſententia jam olim in Eccleſia contra Affricanos obtinuit, quorum
vota in Concil. Carthag. legas in operibus Cyprian. edit. Gelaſii p. m. 405. to-
tam hiſtoriam apud Euſeb. L. 7, 2. \& ſq. confer Cyprian. L. 7, 2. Ep. 6. L. 6, 12.
L. 2. Ep. 1. L. 4. Ep. 7. Repetendæ hîc diſputationes Auguſtini contra Donatiſt næ-
vos
[*199[]]Predigt.
vos Africanos in hæreſin vertentes in Libris de Baptiſmo per tot. Ubi L. 1. 2.
inter alia: Si quem forte coëgerit extrema neceſſitas, ubi Catholicum, per quem
accipiat, non invenerit, \& in animo pace Catholicâ, per aliquem extra uni-
tatem Catholicam poſitum acceperit, quod erat in ipſa Catholica unitate accepturus,
ſi ſtatim etiam de hac vita migraverit, non niſi eum Catholicum deputamus. Ut o-
lim in Veteri Teſtamento corrupto licet miniſterio, Deo filii nati ſunt; Ita \&
per hæreticum miniſterium iidem Deo hodiè quoque naſci poſſunt.
III. Applicatio fiducialis. Wers verſigelt/ der halte ſich auch
dran mit aller Macht/ wider alle tentationes, wider Moſis Schrifft/ wi-
der deß Gewiſſens Handſchrifft/ wider deß Teuffels ſchwartz Regiſter/
damit er dich zur Verzweifflung leiten will/ und folgender geſtalt ſchlieſſet:
Alle der Menſch/ ſo ſich ſchwerlich an ſeinem Schoͤpffer verſuͤndiget/ der
iſt unaußbleiblich ein Kind deß ewigen Tods; Ein ſolcher Menſch biſt du/
Ergo. Dem muß man den (ſonſt nach dem Geſaͤtz guͤltigen/ aber nach
dem Evangelio unbuͤndigen) Vorſatz begraͤntzen/ limitiren und umbſtoſ-
ſen alſo: Alle der Menſch/ der ſich ſchwerlich verſuͤndiget/ und deme die
Suͤnde nicht vergeben/ der iſt deß ewigen Todes: Nun bin ich zwar ein
Menſch/ der ſich ſchwerlich verſuͤndiget/ aber die Suͤnd iſt mir vergeben/
aus lauter Gnad durch JEſum Chriſt/ deſſen hab ich drey bewaͤhrte und
unfehlbare Zeugen/ den Geiſt in der Abſolution, das Waſſer in der heili-
gen Tauff/ das Blut in dem Sacrament deß Abendmahls/ Chriſti
Wort/ Tauff und Nachtmahl/ dient wider allen Unfall. Darum nicht
Tod/ ſondern Leben/ hie ſind Siegel und Brieff dafuͤr/ die nimmer fehlen/
darauff man ſich gewiß verlaſſen kan/ dann ſie ſind von Gott geordnet. Auff
Menſchen-Siegel und Brieff iſt ſich nicht zuverlaſſen/ der pergamentine
Mammon iſt laͤngſt ein Mammeluck worden/ darum man auch nicht
mehr borgen und außleihen kan/ man ſihet manchen an fuͤr einen Bider-
mann/ im Außgang befindet man/ daß er ſey ein Lumpenmann. Hie
aber lauter Gewißheit! Dann der veſte Grund GOttes beſtehet/ und
hat dieſen Siegel/ der HErr kennet die Seinen/ 2. Tim. 2/ 19. Das iſt der
GOttes-Pfenning/ der uns verſichert der Gnade GOttes und deß ewi-
gen Lebens. * Darum laß abfallen/ wer nicht bleiben will/ der
HErr kennet die Seinen; Laß zweifflen von der Gnaden-Wahl/ die kei-
ne ſatte Fundamenta haben; Laßt Pabſt und Tuͤrcken toben und wuͤ-
ten/ wuͤrgen und toͤdten/ ſie koͤnnen mir doch mein himmliſch Erb nicht
nehmen/ ſie koͤnnen mich nicht zweymahl toͤdten/ GOtt kennet die Sei-
nen/ Niemand wird mich auß ſeiner Hand reiſſen/ dann GOtt kennet
ſeine Schaaf mit Namen. Aber es ſteht auch dabey 2. Tim. 2/ 19. Es
trette ab von der Ungerechtigkeit/ wer den Namen Chriſti nennet: Dar-
um ſo ſihe zu/ daß du auch beſteheſt ſtandhafft im Glauben. Adam iſt
gefallen im Paradiß/ Judas in Chriſti Schul/ Ergo. wer da ſtehet/ ſehe
wol zu/ daß er nicht falle. Waͤr Jechonia ein Siegel-Ring an meiner
rechten Hand/ ſo lieb und werth als Zorobabel/ Hagg. 2/ 24. So wolt ich
ihn doch herab reiſſen/ Jer. 22/ 24. Darum wer in der Gnaden-Schooß
und ἀσυλίᾳ bleiben will/ der nehme die regulam pacti der Kundſchaff-
ter in acht/ er knuͤpffe feſt den rothen Faden an die Hertzens-Fenſter/ und
bleibe im Hauſe Rahab/ das iſt/ in der Kirchen/ und halte ſich an dieſe drey
Zeugen/ ſo wird ihn der Wuͤrger nicht ruͤhren.
IV. Mit welchem Vermoͤgen ich auch dieſen Text anjetzo obſignire
und verſigle/ mit demuͤthigſtem Danck/ gegen der Hoͤchſten Majeſtaͤt
GOttes/ fuͤr alle die Gnad und Geiſt/ fuͤr das ςόμα καὶ σοφίαν, fuͤr Kraͤfften
Leibs und Gemuͤths/ es iſt ja HErr dein Geſchenck und Gab/ Leib/ Seel
und alles was ich hab/ in dieſem armen Leben/ daß ichs gebrauch zum Lo-
be dein/ zu Nutz und Dienſt deß Naͤchſten mein/ darzu haſt du mir Gnade
geben. Wir dancken dir auch/ O HErr/ umb dieſen edlen Sigel-Schatz
ſelbſten/ daß wir ihn noch unverſehrt und unverruckt haben/ mit Bitt/ er
wolle uns dieſes palladium und trifolium der drey Zeugen ferner erhal-
ten/ daß ſie uns behuͤten/ an unſerm Ende/ wann wir heimfahren auß
dieſem Elende/ daß ſie uns verſprechen fuͤr dem ſtrengen
Richter-Stuhl Chriſti/ daß wir deren
genieſſen in Ewigkeit/
AMEN.
Deß vierdten Stuͤcks deß Catechiſmi
Matth. 28. und Marc. 16. Cap.
DEr HErꝛ JEſus ſprach zu ſeinen Juͤngern:
Mir iſt gegeben aller Gewalt/ im Him̃el und
auff Erden/ darum gehet hin in alle Welt/ und
prediget das Evangelium allen Creaturen/ und
machet mir zu Juͤngern alle Voͤlcker/ und tauffet
ſie in dem Nahmen deß Vaters/ und deß Sohns/
und deß H. Geiſtes/ und lehret ſie halten/ alles was
ich euch befohlen hab: Wer da glaubt und getauffet
wird/ der wird ſelig; wer aber nicht glaubt/ der wird
verdamt werden. Vnd ſihe/ Jch bin bey euch al-
le Tag/ biß an der Welt Ende.
GEliebte in Chriſto. Es iſt ein alte/ bekante/ auch
heilſame und in einer jeden groſſen Policey/ Koͤnig-
reich/ Fuͤrſtenthum/ Herꝛſchafft/ nothwendige Wei-
ſe/ zu gewiſſen Zeiten nach erheiſchender Noth/ allge-
meine Comitia, Parlamenta, Reichs-Land- und
Herꝛn-Taͤge/ Verſamlungen und einhaͤllige Raͤthe
anzuſtellen/ außzuſchreiben und zu halten/ auch deßwegen allerhand receß
und Abſcheide außfertigen zu laſſen. Der Heyden auſſer der Buͤrger-
ſchafft Jſraelis zu geſchweigen/ ſo leſen wir in H. Schrifft hin und wieder
von ſolchen comitien, die Moſes angeſtellt/ und nach ihme Joſua Cap. 18.
c. 23. und c. 24. Die gantze Gemeine Jſrael Judic. 20/ 1. Samuel
1. Sam. c. 7. item c. 11. und c. 12. Der Koͤnig David 2. Sam. 5/ 1.
1. Chron. 14, c. 29. c. 30. Salomon 1. Reg. 8. Hiskias 2. Chron. 30.
Jojada deß jungen Koͤnigs Joas getreuer Vormund 2. Reg. 11, 4. Dañ
*) D. Rein-
king in der
Bibl. pol.
L. 2. ax. 23.
Difficile
eſt invitis
canibus
venatum
ire.es iſt (wie ein beruͤhmter Chriſtlicher Politicus fchreibt *) ſehr viel
daran gelegen/ wann ein groſſer Herꝛ und Regent etwas
wichtiges vornimmet und anfaͤhet/ daß er ſeiner Staͤnde
einhelligen Willen und Beyfall hat/ weil es ſehr ſchwer faͤllt/
wie man im Sprichwort ſagt/ mit unwilligen Hunden das
Wild zu hetzen und zu fangen. Alles zu dem Ende angeſehen/ daß
das gemeine Beſte in ſeinem Weſen und Flor bleibe/ durch nutzliche refor-
mationes in geiſtlichen und weltlichen Sachen/ die Wunden/ ſo irgends
in der Policey geſchlagen worden/ geheilet/ guter Rath wider kuͤnfftigen
Unrath geſchoͤpfft/ Buͤndnuͤſſen auffgerichtet/ gute Ordnungen geſtiff-
tet/ Beyſteuren geſamlet/ gute Geſetz gegeben/ der Eyd/ dadurch Ober- und
Unterkeit vinculirt werden/ abgeleget/ viel Koͤpffe unter einen Hut ge-
bracht/ daß endlich der Allerhoͤchſte der Gott aller Goͤtter geehret werde/
daß der Herr das centrum calculorum, oder der Zweck aller zuſammen
getragenen Stimmen/ Raͤthen und Thaten ſey/ daß es alles geſchehe
El Jehováh,zu dem HErꝛn Jud. 20/ 1.
Gleichfoͤrmige und in gewiſſen Stuͤcken aͤhnliche comitia, oder Koͤ-
niglicher Reichstag/ wird uns auch in dem vierdten Hauptſtuͤck un-
ſers
[203]Predigt.
ſers Chriſtlichen Catechiſmi/ und in abgeleſenen Worten repræ-
ſentirt und dargeſtellt/ welchen der aufferſtandene Oſter-Koͤnig JEſus
Chriſtus zuvor intimirt und gleichſam außgeſchrieben/ ja ſelbſt außge-
ruffen Matth. 26/ 32. Jch werde den Hirten ſchlagen/ und dieMarc. 14,
28.
Matth. 28,
10.
Schaafe werden ſich zerſtreuen/ wenn ich aber aufferſtehe/
will ich fuͤr euch hingehen in Galileam. Auch folgends außruf-
fen laſſen durch den Oſter-Engel Matth. 28/ 7. und Marc. 16/ 7. der zu
den Weibern geſprochen: Gehet hin und ſagets ſeinen Juͤngern
und Petro/ daß er fuͤr euch hingehen wird in Galilea/ da wer-
det ihr ihn ſehen/ wie er euch geſaget hat. Nun wir wollen
eine heilige Berg- und Wahlfart fuͤrnehmen/ zu hoͤren und zu ſehen/ was
Wunders bey dieſem herꝛlichen Reichstag deß Ehren-Koͤnigs Chriſti
JEſu vorgangen. Er der Herr oͤffne uns durch die Gnadenreiche
Beywohnung deß H. Geiſtes unſere Augen/ daß wir kluͤglich ſchauen/
und heilſamlich erbauen/ Amen.
SO iſt nun M. L. zu allervorderſt der Comitiarcha,der Reichs-
HErꝛ und Kirchen-Stiffter/ der dieſen Koͤniglichen Ehren-
Tag gehalten/ der von den Todten wieder aufferſtandene Ehren-
Koͤnig JEſus Chriſtus/ nachdem er allbereit die Knechts-Geſtalt auß-
gezogen/ nicht mehr unter den Menſchen/ wie zuvor im Stand ſeiner Er-
niedrigung/ gewohnet im Elend/ Schwachheit/ Leiden und Kummer/ ſei-
nen Juͤngern die Fuͤß gewaſchen/ zu Tiſch gedienet/ eingeſchenckt/ das
Liecht gebutzt (*)/ ſondern in ſeine Herꝛligkeit eingegangen: dieſer ſonſt(*) juxta
Luther.
Tom. 1.
Isleb.
p. 117.
unſichtbare erſcheinet in (κατ᾽ ὀικονομίαν) ſichtbarer Geſtalt/ gemaͤher und
freundlicher Naͤherung zu ſeinen Juͤngern. Er erſcheinet aber als ein
glorwuͤrdiger triumphirender Siegs-Fuͤrſt/ der mit ſeinem Tod des Todes
Stachel/ die Suͤnde/ und dero Krafft das Geſetz uͤberwunden.
Gleichwie die Midianiter (ſind unſers Lutheri Wort Tom. 5.
Witt. p. 265.) ſich mit ihrem eigen Schwerd mußten toͤdten/
bedeut das/ daß der Tod der Chriſtum wolt erwuͤrgen/ eben
mit demſelben Wuͤrgen/ ſich ſelbſt erwuͤrget hat. Deñ Chri-
ſtus iſt aufferſtanden/ und hat den Tod in ſeinem Tod ver-
ſchlungen: Alſo die Suͤnde auch/ die auff ihm lagen/ wol-
ten ihn zum Tod verdammen/ und deß Todes Stachel
ſeyn/ aber ſeine Vnſchuld war zu groß/ und verdampt die
Suͤnde durch Suͤnde Rom. 8. daß die Suͤnde ſich ſo an ihm
verſuͤndigt hat/ daß ſie muß ſterben und todt ſeyn. Das
C c 2Geſetz
[204]Die erſte
Geſetz trieb ihn auch/ und macht ihn zum Suͤnder/ weil er
darunter war/ und muſte nach dem Geſetz verflucht ſeyn/
wie alle erhengte Gal. 3. Aber weil es kein Recht zu ihm hatte/
und er nichts ſchuldig war/ geſchach ihm unrecht/ und treibt
er nu wider das Geſetz/ daß es Suͤnd und Vnrecht hat/ und
muß auch ſterben. Bißher Lutherus.
Und ſolchen gewaltigen Sieg mit einem dreyfachen Triumph be-
ſchloſſen/ in der Majeſtaͤtiſchen Hoͤllenfahrt/ da er den Geiſtern im Ge-
faͤngnuͤß eine real-Siegs-Predigt gethan/ außgezogen die Fuͤrſtenthuͤm
und Gewaltigen/ und ſie ſchau getragen oͤffentlich/ und einen Triumph
Coloſſ. 2.
15.
Apoc. 1, 18.auß ihnen gemacht durch ſich ſelbſt Col. 2. die recht guͤldene Himmels-
Schluͤſſel der Hoͤllen und deß Todes reportirt Apoc. 1. auch die Welt
uͤberwunden/ und ſolchen Sieg in der herꝛlichen Aufferſtehung geoffen-
bahret/ in welcher er Pilatum und deſſen Scharwacht/ die das Grab be-
wacht/ ſampt den Hohenprieſtern und dem gantzen juͤdiſchen Volck/ der-
maſſen ergeiſtert und zu ſchanden gemacht/ daß ſie wie Rauch vom Wind
vertrieben/ wie Wachs vom Feur zuſchmeltzet Pſal. 68/ 3.
Da Chriſtus ſtarb (ita D. Lutherus Tom. 3. Witt. in Pſ. 68. pag. 11. f. 2.)
thaͤt GOtt als ſchlieff er/ und ſehe nicht die wůtenden Juden/ ließ dieſelben ſich
ſtaͤrcken und ſamlen/ und die armen Jůnger flohen und zerſtreueten ſich. Da
nun die Juden meyneten ſie haͤtten gewonnen/ Chriſtus laͤg nu darnider/ da
wacht GOtt auff/ und weckt Chriſtum auff von Todten/ da wendet ſichs Spiel
gar um/ da ſamlen ſich die Jůnger/ da zutrennen ſich die Juden/ etliche in Gna-
den/ die ſich zum Glauben begaben/ etliche in Vngnaden durch die Roͤmer ver-
ſtoͤret. Jn ſolch Gericht und Weſen ſahe der Prophet/ und fuͤr groſſem Vn-
muth uͤber der Juden Triumphiren/ in Chriſtus Tod und der Jůnger Flucht/
hebt er an/ und ſpricht: Ey es ſey gnug der Gottes Feinde růhmen und trium-
phiren/ es ſtehe GOtt auff/ und kehre das Blat um/ wecke Chriſtum auff von
den Todten. Er braucht zwo ſchoͤner Gleichnůſſen/ vom Rauch und Wachs/
der Rauch vom Wind/ das Wachs vom Feur/ vergehet; darinn der heilig Geiſt
angezeigt/ welcher iſt ein Wind und Feur Luc. 3. Denn Spiritus heißt ein Wind/
damit GOtt uns anblaͤſet/ und macht geiſtliche Menſchen auß uns. Dieſer
Wind und das Feur iſt nach Chriſtus Aufferſtehung in die Welt vom Himmel
kommen/ und durchs Evangelium die Welt bekehret. Nu iſts ja ſchmaͤhlich/
daß ſolche groſſe Feinde werden dem Rauch und Wachs vergleichet/ die doch
meynen ſie wollen Himmel und Erden beſtreiten. Der Rauch gehet ůber ſich/
macht ſich eigenwillig in der Lufft/ thut als wolt er die Sonne verblenden/ und
den Himmel ſtuͤrmen. Was iſts aber? Kompt ein kleines Windlein/ ſo verwebt
ſich und verſchwindet der breit-praͤchtig Rauch/ daß niemand weiß/ wo er bleibt.
Alſo alle Feinde der Warheit/ habens groß im Sinn/ thun greulich/ zu letſi
ſind ſie wie der Rauch wider den Wind und Himmel/ der auch in ihm ſelbſt ohn
Wind verſchwindet. Alſo das Wachs iſt ſchwer und hart/ gleich einem Stein
oder
[205]Predigt.
oder Holtz/ aber fuͤr dem Feur zuflieſſet es wie das Waſſer/ ja verzehret ſich und
verſchwindet. Alſo alle Feinde der Warheit/ wann ſie anfahen und in ſchwang
kommen/ find ſie wichtiger/ ſchwerer und veſter anzuſehen/ deñ der Felß Chriſtus
ſelbſt/ kompt aber dazu das Feur Goͤttlichs Worts und Geiſts/ ſo iſts auß mit
ihnen/ gnaͤdiglich ſo ſie wollen/ ungnaͤdiglich ſo ſie nicht wollen. Darum (ita
idem Tom. 7. Jen. p. 227. ad diſcipulos ſuos in cap. 16. Joh.) laſſet euch den
Muth nicht nehmen/ und verliehret eueren Troſt nicht/ ſondern ſeyd nur getroſt
und unerſchrocken/ denn ich ſage euch/ das Spiel iſt ſchon gewonnen/ doͤrffet
nicht ſorgen/ daß ich euch wolle dahin ſchicken/ da ihrs muͤßtet wagen auff Aben-
theur/ und in Gefahr ſtehen/ ob ihr verlieren oder gewinnen wuͤrdet: Es
iſt nicht hievon zu reden/ als ſolte man erſt angreiffen und ein Treffen thun/
ſondern der Sieg iſt ſchon da/ und alles erobert/ allein daß ihr unverzaget
und feſte dran haltet.
Were er im Tod geblieben/ ſo were es ihm eben gegangen als einem Bru-
der/ der ſeinen Bruder auß der Waſſersnoth erretten wolte/ und aber
von dieſem zugleich mit hinab gezogen und verſencket worden: Darum er
nicht nur von dem Bach auff dem Weg getruncken/ aber nicht ertrun-
cken; nicht nur in unſere Seelen-Noth mit uns geſuncken/ aber nicht
verſuncken/ ſondern kraͤfftiglich aufferſtanden/ und uns auß den Baͤchen
Belial und Hoͤllen Rachen herauß gezogen/ und lebendig herfuͤr kom̃en.
Da Cajaphas (ſind Lutheri Wort *) Gottes Sohn Chriſtum(*) Tom.
12. Witt.
p. 336.
gecreutziget hatte/ da hatte ers gemacht wie er wolte/ und der
Teuffel meynte/ er haͤtte nu das rechte Liecht außgeloͤſcht.
Ja wol außgeloͤſcht/ da ſteht er auff von den Todten/ ſendet
den H. Geiſt/ und zuͤndet ein ſolch Liecht an/ daß die gantze
Welt voll Liecht ward/ von Morgens biß gen Abend/ und
der Teuffel gedachte der ſchoͤne Gott zu bleiben/ ward er ge-
offenbahret ein heßlicher Teuffel/ Cajaphas mit dem Juden-
thum verſtoͤrt und zu nicht iſt worden. Jch bin der Lebendi-
ge/ ſagt er Apoc. 1, 18. Jch war zwar todt/ aber ſihe ich bin leben-
dig von Ewigkeit zu Ewigkeit; Jch bin Jm̃er-Vater/ Jm̃er-Koͤ-
nig/ Jmmer-Haupt der Kirch. Ein ſterblicher Menſch kan der Kir-
chen Haupt nicht ſeyn/ dann gleichwie (α) die Kirch lebt ohn unterlaß/(α) Luth.
Tom. 7.
Witteb.
p. 157.
ſo muß auch ihr Haupt ohn unterlaß leben/ und nicht mehr ſterben koͤn-
nen. War nichts mehr uͤbrig/ als die glorwuͤrdigſte Himmelfahrt
und Erhoͤhung zur Cron/ Thron/ und rechten Hand Gottes/ von dan-
nen er gleichſam ſeinen erworbenen/ errungenen und erfochtenen Raub
außgetheilt/ und alles in allem erfuͤllet/ auch ſeiner Chriſtlichen Kirchen
geſchencket/ dieſelbige mit geiſtlichen Gaben und Segen beſeliget/ und da-
mit das werthe Predigampt geſtifftet.
Dieſer erſtgebohrne von den Todten/ ein Fuͤrſt der Koͤ-
nige auff Erden/ erſcheinet leiblich und ſichtbarlich/ in was Geſtalt/
Habit und ſituation? Das koͤnnen wir eigentlich und fuͤr gewiß nicht
ſagen: Wiewol habitus myſticus, ſein geiſtlicher Habit von oben an
biß unten auß/ gantz praͤchtig in einem Hohenprieſterlichen Schmuck
præſentirt und fuͤrgeſtellt worden St. Johanni in ſeiner Offenbah-
rung/ dem er eben faſt in der Form erſchienen/ in welcher er auch im
Traum Alexandro M. dem ſiegreichen Welt-Monarchen ſich erzeigt/
(*) Lib. 9.
Antiq.
cap. 8.
1. Chron.
c. 29. verſ. 1.
2. ſeqq.dieſen zu vorhabendem Krieg und Sieg angefriſtet/ wie Joſephus (*) da-
von ſchreibt/ die auſpicia vocationis (θέιαν πομπὴν, ut Joſeph. loquitur)
damit anzudenten. Von dem Koͤnig David leſen wir 1. Chron. 29. als
er ſeinen letſten Reichstag gen Jeruſalem außgeſchrieben/ und dazu alle
Oberſten in Jſrael/ nemlich die Fuͤrſten der Staͤm̃e/ die Fuͤrſten der Ord-
nunge/ die auff den Koͤnig warten/ erfordert/ und denſelben ſeinen Sohn
Salomo/ welchen GOtt vor allen ſeinen Soͤhnen erwehlet/ daß er ſitzen
ſolte auff dem Stuhl deß Koͤnigreichs deß HErꝛn uͤber Jſrael/ zu einem
kuͤnfftigen Regenten ſeinen Reichs-Raͤthen und Staͤnden recommen-
diret/ da die Schrifft meldet/ daß ohnerachtet ſeines hohen Alters/ der
Koͤnig auff ſeinen Fuͤſſen geſtanden/ und den Staͤnden zu Ehren und
reſpect die herꝛliche Koͤnigliche propoſition ſtehend gethan. Ob auch
Chriſtus hie dergleichen gethan/ und ſtehend ſeinen Vortrag den Juͤn-
gern angezeigt/ iſt nicht geoffenbart. Etliche halten dafuͤr/ er hab An-
fangs in der Hoͤhen in der Lufft uͤber ſeinen Juͤngern geſchwebet/ von wel-
chen er in der Hoͤhe geſehen worden/ (ὤφθη ἐϖάνω) und als etliche/ die ſei-
ner Erſcheinung nicht gewohnt waren/ gezweiffelt und fuͤr ein Geſpenſt
gehalten/ ſo hab er ſich zu ihnen herab gelaſſen/ ſeye zu und unter ſie getre-
ten Matth. 28/ 18. mit ihnen freundlich geredet/ ohn Zweiffel wie in den
D. Gerh.
Harm.
Evang.
cap. 12.
pag. 473.
Matth. 26,
31. ſeq.vorigen Erſcheinungen/ ſie ſollen ſich nicht foͤrchten/ es ſeye kein Leibloſes
Geſpenſt fuͤrhanden/ er ſey es ſelbſt/ der zwar todt geweßt/ aber wieder
lebendig worden: Wie er nun ihnen zugeſagt/ er wolle eigentlich und
warhafftig nach ſeiner Aufferſtehung in Galilæâ (allwo ſeine Juͤnger et-
was ſicherer ſeyn/ und unverſtreuet ſich ſamlen wuͤrden/ als zu Jeruſa-
lem) erſcheinen. Darum ſo bald er aufferſtanden/ er ſeinen Koͤnigli-
chen Reichstag laſſen intimiren/ durch ſeine Boten die H. Engel
Matth. 28/ 7. und durch ſeine Juͤnger ib. v. 10. und Juͤngerinnen die
Gottſeligen Weiber Marc. 16/ 7. zu denen er geſprochen: Gehet hin und
verkuͤndigt es meinen Bruͤdern/ daß ſie gehen in Galileam/ daſelbſt wer-
den ſie mich ſehen/ verſtehe auff eine ſonderbahre herꝛliche/ doch gantz gnaͤ-
dige
[207]Predigt.
dige und freundliche Weiſe. Was er zugeſagt/ hat er auch wuͤrcklich
geleiſtet/ nachdem ſeine Juͤnger von Jeruſalem auß/ (da ſie 8. Tag nach
Chriſti Aufferſtehung verharret Joh. 20/ 26.) ſich erhoben/ in Galileam
gezogen/ hat er da ſie geſegnet/ (*)
und voͤlligen Abſchied von ihnen genommen/ Luc. 24/ 51.
Der ſpecial und ſonderbare Orth aber/ da der HErꝛ ſich erzeigt
und nieder gelaſſen/ war ein Berg in Galilæâ, dahin JEſus ſie beſchie-
den hatte Matth. 28/ 16. Welcher aber? Drey ſind ſonderlich beruͤhmete
und nahmhaffte Berge in der Galileiſchen Landſchafft gelegen/ als Car-
mel der Gruͤn-Berg/ Hermon der Schnee-Berg/ Thabor der Gold-
Berg. Fragt ſich welchen unter dieſen der HErꝛ zu ſeinem Feſt und
Zweck erwehlt? Gantz vermuthlich iſt es geweßt der ſchoͤne/ hohe/ und
runde Berg Thabor/ als welcher mitten in Galilea gelegen/ zuvor
mehrmalen von dem HErꝛn beliebet worden/ ſonderlich (wie man auß
alter tradition gemeiniglich dafuͤr haltet) zu ſeiner Verklaͤrung und Vor-
ſtellung (da der himmliſche Vater außtruͤcklich befohlen: Den ſolt ihr
hoͤren) verordnet als einem præludio und Vorſpiel ſeiner allgemeinen
Welt-Verklaͤrung/ die durch das Evangelium in aller Welt geſchehen
ſolte/ und bey dieſem Gefeſt den Anfang genommen/ laut deß 50. Pſalm/Pſ. 50, 1. 2.
da es heißt: GOtt der HErꝛ der Maͤchtige redet/ und ruffet
der Welt/ von Auffgang der Sonnen biß zum Niedergang/
auß Zion bricht an der ſchoͤne Glantz GOttes. Da er auchconf. D.
Chemnit.
Harm.
cap. 50.
p. 657.
ſeine Wahlſtatt auffgeſchlagen/ da er ſeine Juͤnger erkoſen/ und dem
Volck als kuͤnfftige allgemeine Welt-Doctores fuͤrgeſtellet/ wie zu leſen
Matth. 5/ 1. Marc. 3/ 13. Luc. 6/ 13. ſeq.
St. Petrus nennet dieſen Berg einen heiligen Berg 2. Petr. 1/ 18. we-
gen der heiligen Offenbahrung deß Allerheiligſten/ ſo auff dieſem Berg
geſchehen. Diß war der Berg/ auff welchem er ſeine Majeſtaͤt/ Macht
und Gewalt uͤber alle Reich der Welt geoffenbaret/ trutz dem vermeyn-
ten Gott dieſer Welt/ dem Sathan/ der Chriſtum auff einen hohen Berg
gefuͤhrt/ von dannen ihm alle Reich der Welt gezeigt/ und unverſchaͤmt
gelogen/ außgeben und geſagt: Luc. 4/ 6. Dieſe Macht wil ich dir alle
geben/ und ihre Herꝛligkeit/ denn ſie iſt mir uͤbergeben/ und ich gebe
ſie welchem ich wil; ſo du nun mich wilt anbeten/ ſo ſoll es alles dein ſeyn.
Mentiris nequiſſime Sathan! O Sathan du ſchaͤndliches Luͤgenmaul/
du leugſt! wil der HErꝛ allhie ſagen. Was du mit vollen Backen von
dir außgeblaſen/ das ſtinckt nach einer Hoͤlliſchen Luͤgen: Hie ſtehe ich/
und ſage mit Warheit/ nicht dir/ ſondern mir iſt gegeben aller Gewalt
im Himmel und auff Erden: Hie ſtehet der groſſe Monarch/ der Him-
mel und Erden beſitzt/ erfuͤllet und beherꝛſchet: Hie der himmliſche
Barack; Gleichwie jener der Held Barack vorzeiten (Judic. 4/ 6.) auff
dem Berg Thabor einen delect und Muſterung gehalten/ zehen tauſend
Mann Außſchuß erwehlt/ zum Streit wider Siſſera/ welchen der HErꝛ
ſampt ſeinem Heer herzu gezogen an das Waſſer Kiſon/ unten am Berg
Thabor/ ihn gleichſam als ein Fiſcher die Fiſch in das Netze ſeines Goͤtt-
lichen Gerichts gezogen/ und gefangen bekommen: Alſo hat dieſer der
glorwuͤrdigſte Held/ JEſus von Nazareth/ auff beſagtem Berg einen
Außſchuß unter ſeinen Juͤngern gemacht/ daß ſie wider den hoͤlliſchen
Siſſeram und ſein Heer außzihen/ mit Verheiſſung/ er wolle hinzu zi-
hen/ die noch ferne ſind/ und ſie unter den Unglauben gefangen neh-
men/ auff daß er ſich aller erbarmen/ und zu ſeinem vivario und Be-
halter/ der Chriſtlichen Kirchen/ befoͤrdern und bringen moͤchte. Hie iſt
der edle Cedern-Baum auffgerichtet geſtanden/ davon Ezechiel geweiſ-
Ezech. 17.
v. 22. 23. 24.ſaget Cap. 17. da der HErꝛ geſprochen und geſagt: Jch wil von
dem Wipffel deß hohen Cedern-Baums nehmen/ und oben
von ſeinen Zweigen ein zartes Reiß brechen/ und wils auff
einen hohen gehaͤufften Berg pflantzen: Nemlich auff den
hohen Berg Jſrael wil ichs pflantzen/ daß es Zweige gewin-
ne und Fruͤchte bringe/ und ein herꝛlicher Cedern-Baum
werde/ alſo daß allerley Voͤgel unter ihme wohnen/ und al-
lerley Fliegendes unter dem Schatten ſeiner Zweige bleiben
moͤge: Vnd ſollen alle Feld-Baͤume erfahren; Daß ich der
HErꝛ den hohen Baum geniedriget/ und den niedrigen
Baum
[209]Predigt.
Baum erhohet habe/ und den grůnen Baum außgedoͤrret/
und den duͤrren Baum gruͤnend gemacht habe. Hie iſt der edle
Stein/ davon dem Koͤnig Nebukadnezar getraͤumet Dan. 2. der vom
Berg herab geriſſen/ zu einem groſſen Berg worden/ der die gantze Welt
erfuͤllet/ und am juͤngſten Tag den ungeheuren Coloſſum aller Monar-
chien und Koͤnigreichen dieſer Welt/ in ſeinen Fuͤſſen werde zuſchmette-
ren/ zermalmen und zerſchlagen. Ja ein rechter Magnet-Stein/ der al-
le eiſerne Hertzen zu und an ſich/ vermittelſt deß Evangelii zu zihen/ und
empor zu erheben verſprochen.
Zu was Zweck und Ende mag dieſer apparat und Erſcheinung ſeyn
angeſehen geweßt? Zu ſeines groſſen Nahmens Ehre/ ſo auß dem Sieg
erwachſen/ den er wider alle unſere Feinde/ Suͤnd/ Tod/ Teuffel und Hoͤlle
erhalten/ denſelben wolle er nun perſequiren und fortſetzen/ nicht wie
mancher unerſaͤttlicher Bluthund/ wann er eine Schlacht oder belaͤgerte
Stadt gewonnen und eingenommen/ alles nieder macht und metziget/ was
er anwifft/ welches Habacuc Cap. 1. nennet/ richten und trucken nach
der Tyrannen Art/
D. Lutherus erklaͤrts Tom. 5. Witt. p. 342. das heißt er (der Prophet) hie
richten und druͤcken nach ſeiner Art/ das iſt/ nach keinem Geſetz/ ſondern wie
es geſinnet iſt/ und wie es ihm dunckt. Denn alſo pflegen zu thun die Wuͤte-
rich/ wenn ſie den Sieg haben/ da iſt keine Barmhertzigkeit/ kein Recht/ kein
Gottesfurcht/ kein Billigkeit/ kein Gedult/ kein Erkantnuß eigener Suͤnde
und verdienter Straff/ ſondern nur wie die wilden Woͤlffe/ dem boͤſen/ zorni-
gen Willen nach/ das Muͤthlein gekuͤhlet/ und ſich auffs allergreulichſt gero-
chen. Et ibid. p. 343. Frevel iſt der Titul aller Kaͤyſerthum auff Erden/ ſon-
derlich die ſich mit Krieg auffbrechen/ wie ſie denn auch der 75. Pſalm/ Raube-
berge nennet/ darum ſie auch wiederum zu letſt muͤſſen verſtoͤret werden/ wie
Babylon und Roma geſchehen iſt/ daß St. Auguſtin wol und fein ſpricht: Was
ſind groſſe Kaͤyſerthum anders/ denn groſſe Raͤuberey? Aber GOtt braucht
dennoch alſo ihres Frevels/ daß er dadurch ſtraffe/ welche er wil. Mox ead.
pag. f. 2. pergit: Welchem Gut/ Ehre/ und allerley Gluͤck nach ſeinem Sinne
zuſchlaͤgt/ der kan nicht auffhoͤren zu praſſen/ zu trotzen/ zu ſtoltzen/ zu toben/
biß Vngluͤck komme und wehre ihm/ wie man ſpricht: Gut macht Muth/
Muth macht Hochmuth/ Hochmuth macht Armuth/ Armuth aber wehe thut/
wehe thun ſucht wieder Gut/ das iſt der Welt Lauff in ihrem Reyff und Kreys/
und der Menſchen Arth/ da wird nichts anders auß. Deß nim̃ ein Exempel auß
der naͤheſten Auffruhr unter den Bauren. Denn das leidige Exempel billig in
Ewigkeit zu gedencken/ und nimmermehr zu vergeſſen iſt. Da es den Bauren
gerieth/ was ſie wolten/ hilff GOtt/ welch ein Trotz/ Stoltz/ Ruhm/ Pracht
und aller Muthwill und Vbermuth war da/ da war kein hoͤren noch ſehen mehr/
kein Maß noch weiſe/ ſondern mit dem Kopff hindurch/ oben auß und nirgend
an: Wiederum daſſelbige Vngluͤck/ wie matt/ verzagt und zu nicht macht es
Achter Theil. D ddie
[210]Die erſte
die Oberherren/ welche zuvor eitel Loͤwen-Hertzen hatten/ da war kein Muth noch
Ruhm/ ſondern eitel Flucht und Zagen. Aber nu ſichs Rad gewendet hat/ und
die Oberherren obliegen und Gluͤck haben/ die Bauren aber erſchlagen ſind/ da iſt
abermal kein Maß noch Weiſe auff beyden Seiten/ die Oberherren wiſſen nicht/
wie ſie ihren Muth gnugſam kuͤhlen ſollen; die Bauren ſo verzagt/ daß ſie nicht
wiſſen was ſie thun ſollen/ GOtt gebe daß nicht ein aͤrgers drauß komme/ daß
beyde Herren und Vnterthanen zu ſcheitern gehen.
Nicht zum Tod/ ſondern zum Leben; nicht zum Gericht/ ſondern zum Fri-
den; nicht zur Verſtoͤrung/ ſondern zur Samlung und Auffrichtung ei-
nes neuen Koͤnigreichs: Seinen Majeſtaͤtiſchen Ehren-Sitz zur Rech-
ten Gottes zu manuteniren und zu befeſtigen/ darzuſtellen was Eſaias
Cap. 11. geweiſaget von den Zeiten deß Meſſiæ/ es werde die Erde voll
werden von Erkaͤntnuͤß deß HErꝛn/ wie das Meer voll Waſſers/ das iſt/
alle Welt hoͤret das Evangelium von Chriſto reichlich/ und lernen GOtt
darinnen erkennen. Solcher Weiſe zu reden (ſind Lutheri Wort
in Habac. cap. 3. Tom. 5. Witt. p. 358.) muß man gewohnen/
denn ſie heiſſen das/ EHREN VOLL/ wenn man allent-
halben von GOtt ſingt/ predigt und ſagt/ gleich als wenn
man vom groſſenAlexanderoderJulio Cæſareſagte/ alle Welt
ruͤhmet die Helden/ und ihr Lob erſchallet an allen Oertern/
von ihren groſſen Thaten. Das heiſt nu/ gleichwie das Meer
voll Waſſers iſt/ alſo ſol die Welt voll ruͤhmens werden von
dem HErꝛn Zebaoth/ das iſt/ ein ſolch ruͤhmen/ das nicht
einem Bach voll Waſſers gleich ſey/ welchen man außtrock-
nen oder abſchroͤcken kan/ ſondern dem Meer voll Waſſer
gleich/ welchs niemand außtrocknen noch abgraben kan: Al-
ſo ſol dieſe Ehre und Ruhm von GOtt ſo maͤchtig gehen in
allen Landen/ daß ihn niemand ſchweigen noch hindern kan.
Philipp. 2.
v. 9. 10. 11.Wahr zu machen was St. Paulus von Chriſto geruͤhmet Phil. 2. Gott
hab ihn erhoͤhet/ und einen Nahmen gegeben/ der uͤber alle
Nahmen iſt/ daß in dem Nahmen JEſu ſich beugen ſollen al-
le der Knie/ die im Himmel und auff Erden/ und unter der
Erden ſind/ und alle Zungen bekennen ſollen/ daß JEſus
Chriſtus der HErꝛ ſey/ zur Ehre Gottes deß Vaters. Dar-
um er dann ſeinen Juͤngern zu vorderſt die regalia ſeiner Goͤttlichen/ ih-
me nach ſeiner Menſchheit mitgetheilten und geſchenckten Majeſtaͤt/
Gtori und Herꝛligkeit/ intimirt/ ihr Predigampt hiemit fundirt/ gruͤn-
det und ſtifftet/ ihnen eine anſehnliche Legation und Bottſchafft/ mit
gewiſſer inſtruction und credentz-Brieffen/ an die gantze Welt auffge-
tragen
[211]Predigt.
tragen und befohlen/ das Evangelium deß Friedens zu predigen. Auff
daß/ wer ſolchen Frieden wuͤrde mit Glauben und Danck annehmen/ Frie-
de haben und genieſſen ſolte/ den Frieden der hoͤher iſt/ als alle Vernunfft:
Wer ſich aber boßhafftig und Muthwillig widerſetzen wuͤrde/ denſelben
zum Schemel ſeiner Fuͤſſe niederlegen/ zerſchmeiſſen und zu Boden werf-
fen/ daß er deß Auffſtehens vergeſſen werde. Alles nach dem Exempel
der Kinder Jſrael/ denen der HErꝛ dieſen Befehl ertheilt: Deut. 20.Deut. c. 20.
v. 10. 11. 12.
\& 13.
Wenn du fuͤr eine Stadt zeuchſt/ ſie zu beſtreiten/ ſo ſoltu
ihr den Friede anbieten: Antwortet ſie dir friedlich und thut
dir auff/ ſo ſol alle das Volck/ das drinnen funden wird/ dir
zinßbar und unterthan ſeyn; Wil ſie aber nicht friedlich mit
dir handlen/ und wil mit dir kriegen/ ſo belagere ſie: Vnd
wenn ſie der HErꝛ dein GOtt in deine Hand gibt/ ſo ſoltu
alles/ was maͤnnlich drinnen iſt/ mit deß Schwerts Schaͤrffe
ſchlagen.
Welches ſind aber in dieſem ſo herꝛlichen Reichstag die Aſſeſſores,
Beyſitzer/ Beyſteher/ Auffwarter und Zuhoͤrer geweßt? Wie haben ſie
ſich erzeigt? Die jenige die dazu beſcheiden worden/ zu vorderſt die eilff
Juͤnger Matth. 28/ 16. beyneben noch andern mehrern als fuͤnffhundert
Bruͤdern/ wie St. Paulus bezeugt 1. Cor. 15/ 6. deren zwar die Evan-
geliſten außtruͤcklich nicht meldung thun/ doch auch dieſelben nicht auß-
ſchlieſſen. War alſo conventus ſolenniſſimus, ein recht Volckreiches
Kirchen-Convent und hohes Feſt/ dabey beſagte Juͤnger ſich haͤtten ſol-
len inniglich erfreuen/ das Placet und Amen zu ſprechen/ ruffen Gluͤck
zu dem Koͤnig zu Zion! Hoſianna dem Sohn David!
Beza (ita Bertram ad Matth. 28. p. 842.) opinatur, Evangeliſtam ſcripſiſſe,
ου᾽ δὲ ἐδίςασαν, neque dubitarunt, ex quo poſtea Librariorum culpâ factum fuerit,
οἱ δὲ ἐδίςασαν. Verùm non tàm audacter, abſque ulla urgente neceſſitate, cor-
rigendus Sacer codex, præſertim cum (ut ipſe Theodoretus teſtatur) in omnibus
veteribus codicibus ſcriptum reperiatur; οἱ δὲ ἐδίςασαν. Huic etiam ſcriptioni
omnes Interpretes adſentiuntur: Syrus quoque Metaphraſtes vetuſtiſſimus,
[...] [...] [...] [...], ex iis autem quidam dubitarunt.
Aber die groben ignoranten verſtarren und verſtummen/ da ſie den
HErrn ſahen/ fielen ſie zwar fuͤr ihm nieder/ aber etliche zweifflen
(Matth. 28/ 17.) ob es der HErꝛ ſelbſt were in eigener Perſon/ oder ein
himmliſches Geſpenſt/ das ihnen erſchienen/ ſie kunten ſich in dieſes un-
verhoffte Werck nicht ſchicken.
Nun was ihnen den Juͤngern dazumahl abgangen und geman-
D d 2gelt/
[212]Die erſte
gelt/ das gebuͤhret uns zu erſetzen. Wir werden hiemit auch geladen auff
den heiligen Kirch-Berg/ dann der HErꝛ hat verſprochen/ wann er wer-
de erhoben werden/ wolle er alle zu ſich zihen: zu dem End/ daß wir uns
zihen laſſen/ eine offtwiederholte heilige Wahlfahrt in den affecten un-
ſerer Hertzen anſtellen/ auff dieſen heiligen Berg/ da Chriſtus der HErr
wohnen/ und ſich durch ſein leuchtendes Wort verklaͤren wil; certatim
dahin lauffen auß der Sodoma dieſer Welt/ unſere Seele auff dieſem
Berg zu erretten/ an das Weib Loths gedencken/ und ja nicht zuruͤck ſe-
hen. Aſcendamus, da laßt uns hinauff ſteigen! Unde, inquis, poſ-
ſum? qui funes, quæ machinæ, quæ ſcalæ? Gradus affectus eſt: iter
tuum voluntas, amando aſcenditur, negligendo deſcenditur, ſtans
Auguſt. in
Pſalm. 85.in terra in cœlo es, ſi Deum diligis, ſind ſchoͤne Wort Auguſtini deß
Kirchen-Lehrers/ das iſt/ wo kan ich aber da hinauff ſteigen?
Wo ſind die Mittel/ Seyle/ Stege oder Leyteren hierzu?
der Tritt/ Staffel oder Steg iſt der bruͤnſtigeaffectdeß Her-
tzens; dein Reiß iſt der Will/ durch Lieb und Verlangen dar-
nach ſteigt man hinauff/ durch Verachtung ſteigt oder faͤllt
man herab/ wenn du gleich noch auff der Erden ſteheſt/ und
aber GOTT liebeſt/ ſo biſtu dadurch droben im Himmel.
Man muß im Gegentheil dem Sachan und ſeiner Braut laſſen der Welt
Raub. Berg/ darauff er manchen verfuͤrth und verfaͤhrt/ ut lapſu gra-
viore ruat, daß er deſto tieffer in den Abgrund hinab falle; man muß laſſen
die ſieben Berge/ darauff die Babyloniſche Dame wohnet/ und ihre Lehen
anßtheilt/ die Goͤtzen-Berge/ darauff die Blinden im Papſtthum/ und na-
mentlich in der Nachbarſchafft den Ottilien-Berg/ da die Sehende blind/
und die Blinden gantz verblendet werden/ und alſo vergebens in groſſer
hitziger Brunſt ſich ermuͤden; oder auch den naͤchſt dieſer Stadt gelege-
nen colliculum oder Buͤhel/ da die groſſen Maßen außgeſchenckt/ und
das Volck/ wann es ſich toll und voll gefreſſen und geſoffen/ auffſtehet zu
ſpielen/ GOtt im Himmel und ſeinem Sabbath zu Trotz und Hohn: wie
der abtruͤnnige Salomon gethan/ auff dem Oehl-Berg/ gegen dem Tem-
pel zu Jeruſalem uͤber/ ein Goͤtzen-Hauß erbauet/ und ſolches Chamos
dem Greuel der Moabiter/ und Molech dem Greuel der Am̃oniter zu Eh-
1. Reg. 11, 7.
2. Reg. 23,
13.ren/ 1. Reg. 11. Das voͤllige complement eines allgemeinen Welt-Zugs
ſolte damahl angehen/ da Chriſtus ſeine Juͤnger außgeſandt/ und ſoll taͤg-
lich waͤhren biß ans Ende der Welt.
Hingegen uns verfuͤgen auff den H. Berge Gottes/ und daſelbſt
ſuchen nicht mehr den todten Chriſtum/ ſondern den aufferſtandenen
Oſter-
[213]Predigt.
Oſter-Fuͤrſten und Hertzogen deß Lebens/ und die Hoffnung unſer ſeligen
Aufferſtehung drauff gruͤnden/ wie Lutherus (*) hiezu ſchoͤne Anleitung
gegeben (*)
Vernunfft nach richten/ wie ich ſehe und verſtehe/ ſo bin ich verlohren/ aber ich
hab einen hoͤhern Verſtand/ denn die Augen ſehen und Sinne fuͤhlen/ den mich
der Glaube lehret. Denn da ſtehet der Text/ der heiſſet/ reſurrexit, er iſt auff-
erſtanden/ und nicht fuͤr ſich/ ſondern um unſern willen/ daß ſeine Aufferſte-
hung unſer iſt/ und wir in ihm auch aufferſtehen/ und nicht im Grabe und Tod
bleiben ſollen/ ſondern mit ihm auch leiblich einen ewigen Oſtertag halten. Sic
Lutherus hactenus.
Suchen nicht Chriſti deß HErꝛn ſeinen Rock/ ſondern ſeinen Leichnam/
und zwar wie derſelbe nunmehr in Gloriâ, von himmliſcher Glory und
Herꝛligkeit leuchtet/ auff daß/ wo ſein Leib iſt/ ſich auch ſamlen ſollen die
geiſtlichen Adler. Die Welt kehrt es um und agirt Pilati Kriegs-Knech-
te/ bewirbt ſich vielmehr um ſeinen Rock/ um die Kirchen-Guͤter/ fette
Præbenden/ und geiſtliche Einkommen/ die ihnen von rechtswegen nicht
gebuͤhren; als um Chriſti ſo perſoͤnlichen Leib und deſſen Majeſtaͤt recht
zu erkennen/ ſo geiſtlichen Leib der Chriſtlichen Kirchen. Suchen ſollen
wir den HErꝛn Chriſtum nicht in irgend einem vice-Rege und ſichtbaren
Stadthalter/ deſſen er als ein Allmaͤchtiger/ Allwiſſender/ Allgegenwaͤrti-
ger HErꝛ nicht bedarff; Sondern in ſeinem von ihm geſtiffteten Predig-
ampt/ welcher Stifftunge ſich das herꝛſchende Papſtthum/ die Roͤmiſche
Hierarchey und Cleriſey mit Warheit keines Wegs nicht ruͤhmen kan/
ſondern ein anderer Abgott iſts/ der das Papſtthum geſtifftet/ nemlich der
Teuffel/ wie ſolches D. Lutherus mit unbeweglichen unwidertreiblichen
Gruͤnden erwieſen/ in ſeiner Schrifft/ wider das Papſtthum zu Rom/ daß
es vom Teuffel geſtifftet/ Tom. 7. Witteb. p. 587. \& ſqq.
Vbi inter alia: Es iſt das Papſtthum nicht geſtifftet von der weltlichen
Obrigkeit/ und wann ſie es gleich gethan haͤtte/ ſo were es doch vom Teuffel/ Vr-
ſach iſt dieſe/ denn weltliche Obrigkeit hat ſolches nicht macht in dem Reich Got-
tes zu thun. So haben wir gehoͤrt droben/ daß Kaͤyſer Phocas Meynung frey-
lich nicht geweßt ſey/ ein ſolche Gewalt in die Kirchen zu ſetzen/ kans auch nicht
thun. Er hat vielleicht gemeynet/ der Biſchoff zu Rom ſolt allein ein Superatten-
dent ſeyn/ der auff die Lehre und Leben der Kirchen Acht haͤtte um Gottes Willen/
wie das Nicæniſch Concilium geordnet hatte. Denn auff aller Kirchen und Bi-
ſchoffe Lehre und Leben in der gantzen Welt Acht haben/ iſt ein unmuͤglich Ding.
Summa/ der Papſt wills auch ſelbſt nicht leiden/ daß ers ſolt vom Kaͤyſer haben/
ſondern die Kaͤyſer und Koͤnige ſollen von ihm die Kronen und Koͤnigreiche ha-
ben/ das iſt eins/ und mercks wol/ Papſtthum iſt nicht vom Kaͤyſer/ und kan auch
nicht vom Kaͤyſer kommen/ der Papſt wills auch nicht von ihm haben. Zum an-
dern/ ſo iſt das Papſtthum auch nicht von geiſtlicher Oberkeit kommen/ das iſt/
von der Chriſtenheit und Biſchoffen in der gantzen Welt/ oder von den Concilien,
ſie koͤnnens auch nicht thun/ und habens nicht Macht/ ja wenn man die Hiſto-
rien recht anſiehet/ ſo findet man ſchier keinen Biſchoff noch Kirchen in der gan-
tzen
[215]Predigt.
tzen Welt/ die den Papſt mit Willen angenommen/ ſondern haben faſt alle Bi-
ſchoffe und Kirchen ſich dawider geſetzt und gewehret. Wie auch biß auff den
heutigen Tag die Biſchoffe und Kirchen gegen gantz Orient den Papſt nicht ange-
ſehen haben/ und noch nicht anſehen/ drum er zumahl ungezwungen laͤſtert und
leuget/ daß er von Gott ſey geſetzt uͤber alle Kirchen in der gantzen Welt/ welches
doch GOtt nicht geredt noch gethan hat/ auch nicht thun wil/ macht alſo auß
Gott einen Lůgner/ und auß allen Kirchen Ketzerthum durch ſeinen boͤſen Geiſt.
Was darffs (faͤhrt Lutherus fort) viel? Der Papſt ſelbſt wills nicht haben/ daß
er von den Concilien oder geiſtlicher Oberkeit der Chriſtenheit ſey geſetzt/ und
zuͤrnet drum/ ey wie bruͤllet/ tobet/ wůtet und ſpruͤet er/ recht als einer/ der mit
viel tauſend Teuffeln beſeſſen ſey/ in ſeinen Decreten diſt. 16. 19. 21. \&c. und de
Elect. c. Significaſti. Sic iterum Luth.
Hierauff haben die rechten Sucher die Verheiſſung/ daß er der geſuchte
HErꝛ ſich werde finden laſſen/ ſie mit reichem geiſtlichen Segen in himm-
liſchen Guͤtern erfuͤllen.
Und/ wann wir ihn alsdann recht gefunden/ getroſt und zuverſicht-
lich ohne einigen Zweiffel demſelben vertrauen/ als der alle weltliche
Reichs-Taͤge und geiſtliche Concilien, alle Raths. Verſamlungen in ſei-
ner Gewalt hat/ und herꝛſchet/ auch mitten unter ſeinen Feinden/ maſ-
ſen in unterſchiedlichen Herꝛn-Taͤgen und concilien geſchehen/ in dem
Concilio zu Trident/ auff dem Polniſchen Reichstag Anno 1587. gehal-
ten/ wie davon bey Piaſecio (*) zu leſen. Anderer Exempel zu geſchwei-(*) in
Chron.
p. 57.
gen. So ſchmertzlich weh es Chriſti abgeſagten Feinden den Phariſeern
und Hohenprieſtern gethan/ daß ſie hoͤren muͤſſen/ der gecreutzigte Jeſus
ſey von den Todten aufferſtanden/ lieber haͤtten ſie die fam oder Zeitung
gehoͤrt/ er waͤre im Grab verfaulet und verweſen: So wehe hat es auch
der Roͤmiſchen Cleriſey gethan/ daß Chriſti Evangelium/ und davon
lautende Augſpurgiſche Confeſſion gleichſam wieder lebendig worden/
und bißher beſtanden: Darum heißt es hie/ Reſurrexit, Chriſtus und
ſein Wort waren todt/ ſie ſind aber wieder lebendig worden; contra im
Gegentheil ſind die jenige geſtorben und ewig verdorben/ die dem Kind
nach dem Leben getrachtet.
Ja was noch mehr/ nicht nur weltliche Concilia, Raͤth und Ver-
ſamlungen/ ſo da zuſammen gekommen wider den HErꝛn und ſeinen
Geſalbten/ ſondern auch gar die Pforten der Hoͤllen und des Todes zu tru-
tzen/ und zu triumphiren in dem/ der todt war und wieder lebendig worden/
die Schluͤſſel der Hoͤlle und deß Todes/ zum froͤlichen Siegs-Zeichen/ in
ſeiner Hand traͤgt. Sie (die Feinde der Warheit) ſchreibt D. Lutherus
abermahl Tom. 6. Witteb. im Troſt-Brieff an Hartmuth von Cronberg
pag. 379.
[216]Die erſte
pag. 379. draͤuen uns mit dem Tod. Wenn ſie ſo klug we-
ren/ als thoͤricht ſie ſind/ ſolten ſie uns mit dem Leben draͤuen.
Es iſt ein ſpoͤttlichs ſchimpfflichs Draͤuen/ daß man Chri-
ſtum und ſeine Chriſten mit dem Tod ſchroͤckt/ ſo ſie doch
Herren und Siegmaͤnner deß Tods ſind. Gleich als wenn
ich wolte einen Mann damit erſchroͤcken/ daß ich ihm ſein
Roß auffzaͤumet/ und ihn drauff reiten lieſſe. Aber ſie glau-
ben nicht/ daß Chriſtus aufferſtanden von den Todten/ und
ein Herr deß Lebens und deß Todes ſeye/ er iſt bey ihnen noch
im Grabe/ ja noch in der Hoͤllen/ wir aber wiſſen/ trotzen und
ſind freudig/ daß er iſt aufferſtanden/ und der Tod nichts
mehr ſey/ dann ein Ende der Suͤnde und ſein ſelbſt. Dann
das Leben in dieſem Fleiſch klebt noch an und in den Suͤn-
den/ und kan nichts ohne Suͤnde ſeyn deß Fleiſches halben.
Darum ſchreyet der angefangen Geiſt in uns/ komme Tod
und juͤngſter Tag/ und mache beyde der Suͤnde und deß
Tods ein Ende/ Amen. wie St. Paulus Rom. 7. \& 8.
ſchreibet.
Er der HErꝛ JEſus ſelbſt wolle uns durch den Fluͤgel unſers Glau-
bens/ dermal eins hinauff zu ſich zihen/ in ſeinen hohen Himmels-Berg/
zu der triumphirenden Panegyri und Verſamlung aller Außerwehlten
Himmels-Printzen/ ihme fuͤr ſeine Treu und uͤberſchwengliche Guttha-
then zu dancken/ zu loben und zu preiſen/ gantz vollkoͤmmlich/ gar heiliglich/
immer und ewiglich/ Amen.
Videatur Kriſis D. Lutheri von deß Papſts Concilio, ſonderlich
dem Tridentiniſchen/ Tom. 7. Witteb. p. 576. \& ſqq.
GEliebte in Chriſto. Es iſt zwar die jenige Frag/ wel-
che die Juͤnger deß HErꝛn JEſu/ kurtz vor ſeiner Him̃el-
fahrt/ ihme fuͤrgeleget und geſagt: HErꝛ wirſtu auffAct. 1, 6.
conf.
D. Brent.
ad h. l. p. 11.
\& D. Gerh.
Harmon.
cap. 13.
p. m. 502.
dieſe Zeit wieder auffrichten das Reich Jſrael?
ein Anzeig geweßt groſſer Menſchlicher Schwachheit/
und zwar (1.) derruditaͤt oder Vngeſchickligkeit/ daß ſie bißher
noch nicht ſo viel in Chriſti Schul proficirt und gelernet/ was es fuͤr ein
Gelegenheit habe und ferner haben werde mit dem Reich Chriſti/ es wer-
de kein fleiſchlich irꝛdiſch Welt- ſondern geiſtlich Himmel-Reich ſeyn/ und
ſich demnach mit ihren fleiſchlichen Gedancken/ Traͤumen und Einbil-
dungen geſchleppt/ von einem irꝛdiſchen Welt-Reich und guldener Zeit/
deren ſie erwarten ſolten/ und einer ſonderbaren Erloͤſung deß Volcks
Jſrael/ von dem hart-truckenden Roͤmiſchen Joch Luc. 24/ 21. da ihnen
doch der Herꝛ ſo offt und vielmahl dieſen falſchen Wahn benom̃en Matth.
20/ 25. einsmahls ſie zu ſich beruffen und geſprochen: Jhr wiſſet/ daß
die weltliche Fuͤrſten herꝛſchen/ uñ die Oberherꝛen haben Ge-
walt/ ſo ſol es nicht ſeyn unter euch. Und da ihn den HErꝛn
ſelbſt das Volck/ ſo er geſpeiſet Joh. 6/ 15. wolten zum Koͤnig auffwerffen/
da entwiech er ihnen auff den Berg alleine.
(2.) Dertimiditaͤt und uͤberenzigen Forchtſamkeit/
wo dachten ſie/ gnug Wehr und Waffen/ Macht und Zeug zu nehmen/
aller Welt Reich zu bekriegen/ zu ſtuͤrmen und zu erobern? Wie lang ſie
unterdeſſen noch Friſt und Zeit wuͤrden haben/ ein anſehnliches Kriegs-
heer auff die Bein zu bringen/ ſuccurs Huͤlffsmittel und Nachtruck zu-
ſchaffen/ und alſo das Werck ſchleunig anzugreiffen/ alle Heyden und
heidniſche Herꝛſchafften unter den juͤdiſchen Gewalt und Bottmaͤßigkeit
zu bringen und zu zwingen?
(3.) DerCurioſitaͤt und deß Fuͤrwitzes/ der da ſorget fuͤr das/
was deß Ampts nicht iſt/ und nicht ſorget fuͤr das/ dazu einen ſein Pflicht
verbindet. Fragen haͤtten ſie ſollen/ was ihnen bey Geſtalt der Sachen
zu fuͤrdern und zu thun/ mit was Ampt und Dienſt ſie dem HErꝛn ſolten
auffwarten? So fragen ſie von dem/ das ſie nichts angegangen/ von der
Zeit/ wann die neue gehoffte Herꝛligkeit deß neuen Reichs werde erſchei-
nen und angehen? Darum ſie auch von Chriſto ihrem HErꝛn/ nicht
zwar verworffen und ſcharff geſcholten/ ſondern ein gelinde correction
famt hellem Unterricht bekommen; er ſagt: Es gebuͤhrt euch nicht
zu wiſſen Zeit oder Stunde/ welche der Vater ſeiner Macht
fuͤrbehalten hat/ ſondern ihr werdet die Krafft deß H. Gei-
ſtes empfangen/ welcher auff euch kommen wird/ und wer-
det meine Zeugen ſeyn zu Jeruſalem/ und in gantzJudéaund
Samaria/ und biß an das Ende der Welt. Er wil ihnen zu
verſtehen geben/ die Krafft deß Geiſtes/ und nicht deß Fleiſches muͤſſe es
thun/ durch den ſtarcken Stein- und Maurbrecher/ meines Macht-
Worts und durchtringenden Zeugnuͤſſes wird es geſchehen/ durch
maͤchtige Waffen fuͤr GOtt/ davon St. Paulus ſchreibt 2. Cor. 10.
Die Waffen unſer Ritterſchafft ſind nicht fleiſchlich/ ſon-
dern maͤchtig fuͤr GOtt zu verſtoͤren die Befeſtungen/ da-
mit wir verſtoͤren die Anſchlaͤge/ und alle Hoͤhe/ die ſich
erhebet wider das Erkaͤntnuͤß Gottes.
Ob nun zwar dieſe Frag der noch albern und ungnugſam berichte-
ten Juͤnger und Schuͤler Chriſti/ mit eingefuͤhrten Schwachheiten be-
hafftet geweſen/ ſo iſt ſie doch nicht allerdings zu verwerffen/ und dienet
uns zur Spur und Forſchung/ was damals deß juͤdiſchen Volcks (wie-
wol auß blindem und irrendem Gewiſſen) hoͤchſtes und ſehnlichſtes An-
ligen geweßt? Nemlich/ ein neues Reich/ davon die Propheten alten
Euſeb. Lib.
de vit. Con-
ſtant. \&
Auguſtin.
Epiſt. 156.
Lib. 10.
Civ. D.
c. 27.
conf.
Boxhorn.
Hiſt. Univ.
pag. 27.Teſtaments geweiſſaget/ darauff ſie in Goͤttlichen Verheiſſungen ver-
troͤſtet worden/ davon zur ſelben Zeit die allgemeine Sag und Frag ge-
weßt/ nicht nur unter den Juden/ ſondern auch drauß unter den Hey-
den/ gar zu Rom ſelbſt/ nicht ſo wol auß den Oraculis Sibyllinis oder der
Sibyllen Weiſſagungen/ wie zwar Euſebius und Auguſtinus dieſelbe
hieher gezogen: Als auß der Hiſtori/ welche Suetonius in Auguſto er-
zehlet auß deß Kaͤyſers Auguſti Chronic-Schreibern/ Nahmens Julio
Maratho, auß welchem man Bericht erlangt/ daß wenig Monat zuvor/
ehe Auguſtus an die Welt gebohren worden/ das Oraculum oͤffentlich
ſich
[219]Predigt.
ſich habe vernehmen und hoͤren laſſen: Regem Pop. Rom. Naturam
parturire, das iſt/ die Natur gebaͤre oder bringe hervor einen Koͤnig deß
Roͤmiſchen Volcks. Woruͤber der Rath zu Rom dermaſſen erſchrocken/
daß er beſchloſſen/ es ſolle keiner/ der im ſelben Jahr gebohren wird/ auff-
erzogen werden. Weil nun Chriſtus immer von einem ſolchen neuen
Reich deſſen Geburt oder Ankunfft geprediget/ und nicht undunckel ihnen
zu verſtehen gegeben/ er ſelbſt ſey derſelbe neugeborne Koͤnig der Juden;
als zeigen ſie der gantzen juͤdiſchen nation deſideria und bruͤnſtig Verlan-
gen an/ und wuͤnſchen daß die converſion deß alten Roͤmiſchen Reichs/
in ein neu weltliches Meſſias-Reich moͤchte dermaleins geſchehen/ und
mit vollem Liecht anbrechen. Wie geſagt/ in der Sach ſelbſt haben ſie
nicht geirret/ aber in den Umſtaͤnden und Verſtand der qualitaͤt deſſel-
ben Reichs haben ſie ſich verſtoſſen. Jſt ihnen in gewiſſer Maß ergan-
gen/ wie unſerer erſten Mutter Eva/ die zwar wol gewußt und geglaubt/
daß der verheiſſene Held und Schlangen-Tretter werde Gott und Menſch
ſeyn/ der Jehovah und groſſe HErꝛ/ und doch zugleich auch ein Weibes-
Samen/ aber in dem Umſtand der Mutter hats gefehlt/ ſie hat nicht
gewußt/ daß daſſelbe Weib/ von welchem der Herr Meſſias ſolte geboh-
ren werden/ eine unberuͤhrte Jungfran ſeyn wuͤrde.
Und eben dieſes ſo eiffrig und ſehnlich verlangte Reich/ iſt eben auch
der Scopus Comitiorum,der Zweck deß Koͤniglichen Reichs-
Tags JEſu Chriſti geweßt/ ein ſolches kraͤfftiges Ampt zu ſtiff-
ten/ dadurch dieſes ſein Reich erweckt/ auffgerichtet/ erweitert
und befeſtiget werden ſolte. Welcher Zweck jetzt auch unſer Thema iſt/
davon E. L. mit mehrerm zu berichten/ ut poſtremum in executione
ſit primum in intentione, ehe und dann das Reich ſelbſt werckſtellig
gemacht werde/ wird weißlich eine idéa, Form und Geſtalt deſſelben/ als
in einem Sinnbild/ vorgetragen. Daß nun auch dieſer Fuͤrtrag ſeinen
heiligen Zweck erreiche/ und zur ſeligen Erbauung gedeye/ wolle uns der
Vater deß Liechts mit dem Liecht/ Krafft und Gnad ſeines H. Geiſtes umRegnum
Potentiæ
eſt quaſi
primum
mobile,
ſub quo
regnum
Gratiæ
contrario
ordine
progredi-
tur.
JEſu Chriſti willen miltiglich erſcheinen/ Amen.
SO iſt nun M. L. der Zweck und Ziel/ wohin der HErꝛ Chriſtus
mit dieſem ſeinem Reichs-Tag ſein Abſehen gerichtet/ die Auff-
richtung eines neuen Koͤnigreichs in der Welt/ eines
Himmelreichs auff dem Erdboden/ und zwar nicht fuͤrnem-
lich das allgemeine Macht-Reich/ als welches vorhin geweßt/ mit der
Erſchaffung der Welt angefangen/ dazu er der Herr Chriſtus
E e 2auch
[220]Die ander
auch erhoben worden durch den Majeſtaͤtiſchen Sitz zur Rechten Gottes/
(*) conf.
Catech.
Milch.
5. Theil.
p. 1250.
ſqq.
vid L. Cat.
part. 5.
p. 1222.
\& p. 1272.davon aber allhie eigentlich nicht gehandelt worden/ iſt anderswo (*) ge-
ſchehen. Sondern ſein holdſeliges Gnaden-Reich hie in der ſtreitenden
und wallenden Kirchen/ ſo da beſteht in Vergebung der Suͤnden/ der Ge-
rechtigkeit die fuͤr GOtt gilt/ in der Ruhe eines guten Gewiſſens/ in al-
lerhand ſo Ampts-ſo heiligmachenden Gaben deß H. Geiſtes/ in Fried
und Freud im H. Geiſt/ davon folgende Spruͤche lauten/ Matth. 22/ 2.
Das Himmelreich iſt gleich einem Koͤnig ꝛc. Rom. 14/ 17. Das
Reich Gottes iſt nicht Eſſen und Trincken ꝛc. Coloſſ. 1/ 12.
Danckſaget dem Vater der uns tuͤchtig gemacht hat ꝛc.
Der Prophet Daniel nennet dieſes Reich/ das Reich deß Himmels
Dan. 2/ 44. da er ſagt: Zur Zeit ſolcher Koͤnigreiche/ wird
GOtt vom Himmel ein Koͤnigreich auffrichten/ das nim-
mermehr zuſtoͤret wird/ und ſein Koͤnigreich wird auff
kein ander Volck kommen; Es wird alle dieſe Koͤnigreiche
zumalmen und verſtoͤren/ aber es wird ewiglich bleiben.
Und iſt dieſes Reich nichts anders/ als die gantze werthe Chriſten-
heit/ heißt in der H. Schrifft das Reich Chriſti Eph. 5/ 5. Apoc. 12, 10.
wird dem Reich der Welt/ deß Sathans und deß Antichriſts entgegen
geſetzt/
worauff folget das edle Glori-Reich in der triumphirenden Kirchen.
Er der HErꝛ JEſus hat daſſelbe weder erkaufft/ noch durch weltli-
chen Schwertſtreich gewonnen/ oder durch Wahl deß Volcks erlangt/
noch auch ererbt durch einige Nachfolge/ wie zwar etliche der Meynung
geweßt/ es habe ihm erblich gebuͤhrt/ als dem Sohn Davids/ die juͤdi-
ſche Cron ſeye von rechtswegen an ihn kommen; aber die Roͤmer ſagten
nein darzu/ die juͤdiſche Cron waͤre laͤngſt verlohren/ und gefallen in
Jechonia und Zedekia den letſten Koͤnigen/ das Scepter mußte von
Juda entwendet werden und bleiben/ davon die Chriſtliche Kirch ſinget:
Hallucinantur, qui Chriſtum Regem Judæorum temporalem ex jure hæ-
reditario concipiunt. vide M. Anton. de Dom. Lib. 5. de Rep. Eccleſ. cap. 1. con-
tra Gretſer. Tom. 2. defenſ. Bellarm. L. 5. c. 4. pag. 1147. confer Lact. Catech.
part. 5. p. 1017.
Sondern gleichwie Moſes auff Goͤttlichen Befehl eine neue Policey un-
ter dem Volck Gottes auffgericht/ als er ſie auß dem Egyptiſchen Dienſt-
Hauß herauß gefuͤhrt/ und ein neu Regiment durch neue Geſetz und
Ordnungen angefangen/ darinn GOtt der HErꝛ unmittelbar Koͤnig
geweſen/ Moſes der Cantzler/ Joſua und die Richter die Dictatores
und Feld-Obriſten oder Reichs-Marſchalcken/ der groſſe Rath ein
Koͤnigliches Parlament, Kammer- und Hoff-Gericht præſentirt: Al-
ſo hat Chriſtus auch ein ſolches neues Reich (die Politici nennen es
regnum Heroicum, dergleichen der fluͤchtige Trojaner Ænéas in Italia
erhebt) gegruͤndet und befeſtiget/ welches ihm unmittelbar auff ſeiner
Schulter gelegen/ und keines vice-Regis oder Stadthalters nicht be-
doͤrfftig geweßt. Es iſt der Papſt (ſchreibt Luth. Tom. 6. Witt.
p. 580.) nicht ein Stadthalter Chriſti im Himmel/ ſondern
allein Chriſti auff Erden wandelend/ der Chriſtus im Him-
mel/ in der regirenden Form/ darff keines Stadthalters/
ſondern ſitzt/ ſihet/ thut/ weiß und vermag alle Ding. A-
ber er darff ſein in der dienenden Form/ als er auff Erden
gieng/ mit arbeiten/ predigen/ leiden und ſterben: So
kehren ſie es um/ nehmen Chriſto die himmliſch regirende
Form/ und geben ſie dem Papſt/ laſſen die dienende Form
gantz untergehen. Es iſt auch laͤcherlich und kindiſch/ daß
der Papſt auß ſolchem verblendten/ verkehrten Grund ſich
ruͤhmet in ſeinemDecretal Paſtoralis,er ſey deß Kaͤyſerthums
ein ordentlicher Erbe/ ſo es ledig ſtuͤnde. Wer hat es ihm
gegeben? Hats Chriſtus gethan/ da er Luc. 22. ſagt: Die
Fuͤrſten der Heyden ſind Herren/ ihr aber ſolt nicht ſo ſeyn?
Hats ihm St. Peter auffgeerbet? Mich verdreußt/ daß
wir ſolch unverſchaͤmt/ grobe/ tolle Luͤgen muͤſſen im geiſt-
lichen Recht leſen und lehren/ dazu fuͤr Chriſtlich Lehre
halten/ ſo es doch Teuffliſche Luͤgen ſeynd. Er hengt ſein
Reich nicht an ein Nagel/ wie weltliche Herren offtmal thun/ ſondern
es liegt ihm auff ſeinem Halß. Er iſt gleichſam der ſtarcke Atlas der den
Himmel traͤgt/ dann ſeine Herꝛſchafft wird ligen auff ſeiner
Schulter/ ſagt Eſa. 9.
Quis, ait Tertull. L. contra Judæos, omnium Regum inſigne poteſtatis ſuæ
humero præfert, \& non in capite Diadema, aut in manu ſceptrum? Sed ſolus Rex
novus novorum ſeculorum, Chriſtus Jeſus, novam gloriam, poteſtatem \& ſubli-
mitatem ſuam in humero extulit, crucem ſcilicet, ut ſecundum Davidis pro-
Pſal. 95, 10.
juxta Se-
ptuag.phetiam exinde regnaret.
Dieſen Spruch (ſchreibt Lutherus in Eſa. 9. Tom. 5. Witt. p. 267.) mahlet
man alſo/ wie das Kindlein Chriſtus traͤgt das Creutz auff ſeiner Schulter/ da
er von GOtt zu Maria geſandt wird. Vnd wiewohl es nicht gnugſam zeigt/
ſo gefaͤllet mir doch ſolch Gemaͤhlde nicht uͤbel/ um der Einfaͤltigkeit willen.
Denn es trifft ja etwas und fehlet nicht gar. Zum erſten iſts offenbar gnug/
daß man den weltlichen Koͤnigen ihr Koͤnigreich anders mahlet/ nicht auff die
Schulderen/ ſondern die Crone auffs Haupt/ den Apffel in die lincke Hand/
den Scepter in die rechte Hand. Was ſolches bedeut/ laſſen wir jetzt fahren.
Chriſten-Koͤnigreich/ ſind ſeine Chriſten/ wie 1. Petr. 2. ſagt/ Jhr ſeyd das
Koͤnigliche Prieſterthum und Eigenthum. Item, Pſal. 2. Jch wil dir die Heyden
zum Erbe geben; und der Spruͤche viel mehr ſeynd. Solch Koͤnigreich mahlet
ihm Jeſaia auff die Schultern: Zu erſt darum/ daß er uns und unſer Suͤnde
auff ſich geladen/ und am Stamm deß Creutzes getragen hat/ und noch taͤglich
traͤgt/ in allen unſeren Gebrechen/ wie 1. Petr. 2. ſagt: Er trug unſer Suͤnd
an ſeinem Leibe auff dem Holtze. Vnd Johan. 1. Sehet das iſt Gottes Lamb/
das der Welt Suͤnde traͤgt/ und Luc. 10. traͤgt der Samariter den halb todten
Menſchen auff ſeinem Thier. Item. Er iſt der Hirte/ der das verlohrne Schaff
auff ſeiner Schulter wieder heim bringt/ das iſt/ das Creutz/ ſo man dem Kind-
lein Chriſto auff die Schulter machet.
Neben dem aber bedeut dieſes Gemaͤhld auch ſeine unmittelbarliche Herꝛ-
ſchafft und Regierung/ er wil von keinem Unter-Koͤnig oder Papſt nichts
wiſſen/ in gantzer H. Schrifft ſteht davon nirgends nichts geſchrieben:
Er hat zwar ſeine Diener als Werckzeuge geordnet/ durch welche er/ ver-
mittelſt ſeines Worts/ kraͤfftiglich wuͤrcket/ aber er ſelbſt iſt das fac totum,
allenthalben gegenwaͤrtig/ penetrirt und tringet allenthalben durch/
wie wir ins kuͤnfftig mit mehrerm vernehmen werden.
Jſt eben das jenige Reich/ welches die Propheten Alten Teſtaments
zuvor von ferne geſehen und verkuͤndiget/ und im Nahmen Gottes ver-
heiſſen/ ſonderlich der alte Greiß und Patriarch Jacob in ſeinem letſten
valet- und Schwanen-Geſang/ da er geweiſſaget von dem theuren Hel-
den auß dem Stamme Juda/ der nach entwendetem leiblichen aͤuſſerli-
chen Scepter/ werde ein neues Reich anheben/ und dem werden
die Voͤlcker anhangen/Geneſ. 49, 10. Bileams Spruch geht
auch dahin Num. 24, 17. Es wird ein Stern auß Jacob auff-
gehen/ und ein Scepter auß Jſrael auffkommen/ und
wird zuſchmettern die Fuͤrſten der Moabiter/ und verſtoͤren
alle
[223]Predigt.
alle Kinder Seth. Denen folget Eſaias Cap. 2/ 3. 4. Es wird/
ſagt er/ zur letſten Zeit der Berg/ da deß HErꝛn Hauß iſt/ ge-
wiß ſeyn/ hoͤher denn alle Berge/ und uͤber alle Huͤgel erha-
ben werden/ und werden alle Heyden dazu lauffen/ und viel
Voͤlcker hingehen und ſagen: Kommt/ laßt uns auff den
Berg deß HErꝛn gehen/ zum Hauſe deß Gottes Jacob/ daß
er uns lehre ſeine Wege/ und wir wandlen auff ſeinen Stei-
gen. Denn/ von Zion wird das Geſetz außgehen/ und deß
HErꝛn Wort von Jernſalem: Vnd er wird richten unter
den Heyden/ und ſtraffen viel Voͤlcker/ da werden ſie ihre
Schwerter zu Pflugſcharen/ und ihre Spieſſe zu Sicheln
machen/ dann es wird kein Volck wider das ander ein
Schwerd auffheben/ und werden fort nicht mehr kriegen.
Und abermahl Cap. 52/ 7. Wie lieblich ſind auff den Bergen
die Fuͤſſe der Botten/ die da Friede verkuͤndigen/ guts predi-
gen/ Heil verkuͤndigen/ die da ſagen/ dein GOtt iſt Koͤnig.
Deßgleichen Daniel Cap. 2/ 44. GOtt wird vom Himmel ein
Koͤnigreich auffrichten/ das nimmermehr zuſtoͤret wird/ und
ſein Koͤnigreich wird auff kein ander Volck kommen/ es wird
ewiglich bleiben. Und wiederum Cap. 7/ 3. ſq. Der Prophet
Amos vertroͤſtet auch von ſolchem Koͤnigreich c. 9/ 11. Zur ſelbigen
Zeit/ ſpricht der HErꝛ/ wil ich die zerfallen Huͤtten Davids
wieder auffrichten/ und ihre Luͤcken verzaͤunen/ und was
abgebrochen iſt/ wieder auffrichten/ und wil ſie bauen/ wie
ſie vorzeiten geweßt iſt. Bekant iſt auch der troͤſtliche Anſpruch an
die Tochter Zion/ von ihrem Koͤnig und deſſen Reich/ bey dem Pro-
pheten Zachar. c. 9/ 9. Du Tochter Zion freue dich ſehr/ und
du Tochter Jeruſalem jauchtze/ ſihe dein Koͤnig kommt zu
dir ꝛc. David hat manche ſchoͤne Tage-Weiß und Helden-Lied hievon
getichtet und geſungen/ ſonderlich Pſal. 72/ 8. Er (der himmliſche ſtar-
cke Sions-Koͤnig) wird herꝛſchen von einem Meer biß an das
ander/ und von dem Waſſer an/ biß zur Welt Ende. Pſ. 89.
Es wird auffgehen ein ewige Gnad/ Jch hab einen Bund
gemacht mit meinen Außerwehlten/ ich hab David meinem
Knecht geſch woren/ Jch wil dir ewiglich Samen geben/
und deinen Stuhl bauen fuͤr und fuͤr ꝛc.
Welches Reich auch in den typis und Fuͤrbildern deß Hebreiſchen
Reichs/ der barmhertzigen Koͤnige in Jſrael/ præfigurirt und fuͤrgemah-
let
[224]Die ander
let worden/ ſonderlich in dem Gnaden-Reich deß Koͤnigs Salomons/
(*) im 5.
Theil der
Catech.
Milch.
p. 1222.
\& ſqq.davon zu andern Zeiten droben (*) außfuͤhrlich und abſonderlich gehan-
delt worden. Nach welchem ſich nicht nur die Glaubige im Alten Teſt.
ſo offt/ ſo inniglich geſehnet und Verlangen getragen/ und manche An-
fechtung uͤber dem langen Harren außgeſtanden/ alſo daß die Propheten
gnug zu thun gehabt/ ſie zu troͤſten. Lutherus ſchreibet wol hievon/ in
der Vorrede uͤber den Propheten Habacuc/ Tom. 5. Witt. p. 337. f. 1.
Es iſt/ ſpricht er/ dieſer Habacuc ein Troſt-Prophet/ der das Volck ſol ſtaͤr-
cken und auffhalten/ daß ſie nicht verzweifflen an Chriſtus Zukunfft/ es ſtelle
ſich wie ſeltzam es woͤlle. Darum braucht er auch alle Kunſt und Stuͤcke
die dazu dienen/ daß der Glaube veſt bleibe in ihrem Hertzen von dem verheiſ-
ſenen Chriſto/ und predigt alſo: Es ſey wohl wahr/ daß um ihrer Suͤnde Wil-
len/ das Land vom Koͤnige zu Babylon werde muͤſſen verſtoͤret werden/ aber
doch ſolle darum Chriſtus und ſein Reich nicht auſſen bleiben/ ſondern es ſolle
auch der Verſtoͤrer/ der Koͤnig zu Babylon/ nicht viel Gluͤcks davon haben/ und
auch untergehen. Denn es ſey Gottes Werck und Art alſo/ daß er helffe/
wenn es Noth thut/ und komme mitten in der rechten Zeit/ und wie ſein Lied
ſinget/ Er gedenckt an Barmhertzigkeit/ wenn Truͤbſal da iſt/ und wie man
ſpricht/ wenn der Strick am haͤrteſten haͤlt/ ſo bricht er. Gleichwie wir auch
muͤſſen die Chriſten mit Gottes Wort auffhalten/ zum juͤngſten Tage/ obs wol
ſcheinet/ daß Chriſtus vaſt verzihe und woͤlle nicht kommen/ als er auch ſelbſt
ſagt/ daß er kommen werde/ wenn man am wenigſten denckt. Et ibid. pag.
præced. 336. f. 1. \& 2. Da die Zeit herbey kam/ daß Chriſtus und das neue Te-
ſtament kommen ſolte/ wie die Propheten alle hatten geſagt/ und das Volck
darauff gerichtet/ da thaͤt GOtt/ wie ſeine Goͤttliche Art iſt/ und ſtellet ſich
eben/ als ſolt nichts drauß werden/ und laͤßt ſich ſehen/ als wolt er zum Luͤgner
werden in allen Propheten/ und verwuͤſtet Land und Leuthe durch die Aſſyrer und
Babylonier/ da muͤſſen dann die Propheten herhalten und geſtrafft werden/
als die nicht auß GOtt/ ſondern auß dem Teuffel geredet haben/ weil das Werck
und Erfuͤllunge ihrer Wort/ viel anders und gleich widerſinniſch gehet/ denn
das Volck verſtanden hatte. Deß nim dieſes Exempel: Da das Volck im Lan-
de ſaß/ und Koͤnige und Fuͤrſten hatte/ und warteten nu/ und gaffeten auff den
Meſſiam und ſein neues Koͤnigreich/ davon die Propheten ſo praͤchtig geredt/
und das Volck vertroͤſtet hatten/ eben da ſie am ſicherſten ſind/ und meynen es
hat kein Noth/ und Chriſtus werde kommen/ ſo komt der Koͤnig zu Aſſyrien/
und gewinnet das gantze Land/ und fuͤhret alles Volck weg in Aſſyrien. Wie
fein iſt da Chriſtus und ſein Koͤnigreich kommen/ meynſtu nicht/ daß da viel wer-
den geſagt haben/ nun glaube der Teuffel einem Propheten mehr/ es ſind allzu-
mahl Buben und Luͤgner in der Haut? Denn wir harreten darauff/ es ſolte
gut werden/ (wie Jeremias von ihm ſagt) ſo wirds aͤrger; Wir meyneten
es ſolte Friede ſeyn/ ſo iſts eitel Vngluͤck/ haben ſie uns nicht fein betrogen mit ih-
rem Weiſſagen von dem Meſſia? Doch war noch eine Hoffnung da/ daß der
Stamm Juda blieb im Lande/ und GOtt Jeruſalem wunderbarlich erhielt durch
den Koͤnig Jehißkia/ da ſtund noch die Hoffnunge/ Chriſtus ſolt kommen in ſol-
cher
[225]Predigt.
cher Zeit und Friede. Aber da verderbts unſer HErꝛ GOtt doch gantz und gar/
daßer auch Juda und Jeruſalem ließ verſtoͤren/ viel aͤrger denn Jſrael/ und da
ſie auff Chriſtum harren/ komt der Koͤnig von Babylonien/ und machts aͤrger
mit Juda/ denn der Koͤnig zu. Aſſyrien hatte mit Jſrael gemacht. Lieber/ wer
ſolte da fuͤrder den Propheten glauben? Was nu fuͤr Hoffnung mehr da/ da das
Land gantz verderbt und wuͤſte war/ Koͤnige/ Fuͤrſten/ Prieſter/ Propheten und al-
les weg war/ alleine die Ackerleuthe im Lande blieben/ und frembde Heydniſche
Fuͤrſten im Lande regirten/ wie ſie wolten? Heißt das Chriſtum kommen/ und
ein neu/ groß/ maͤchtig Koͤnigreich anfahen/ das in aller Welt ſolt herꝛſchen? Ja
wol es heißt Koͤnigreiche verderben und verwuͤſten. Sihe da/ ſolch Werck Got-
tes verſtunden ſie nicht/ denn es iſt dem Fleiſch und Vernunfft unmuͤglich zu ver-
ſtehen/ daß da ſolle Leben anfahen/ da das Leben endet/ und da Ehre kommen/
da Schande komt/ und da Koͤnigreich werden/ da Gefaͤngnuͤß wird: denn es iſt
zu gar wider und uͤber Sinn/ Brauch und Erfahrung aller Welt. Aber GOtt
thut nicht anders/ und kan nicht anders thun/ wie die Schrifft von ihm ſagt
1. Reg. 2. Der HErꝛ toͤdtet und macht lebendig/ Er ſtoͤßt in die Hoͤlle/ und fuͤhret
gen Himmel/ Er macht arm/ und macht reich/ ꝛc. So weit Lutherus.
Daß auch daher Salome/ die Mutter der Kinder Zebedei dieſen
Wunſch an HErꝛn Chriſtum abgehen laſſen Matth. 20/ 21. Laß die-
ſe meine zween Soͤhne ſitzen in deinem Reich/ einen zu deiner
Rechten/ und den andern zu deiner Lincken. Sondern auch die
blinden Phariſeer zur Zeit Chriſti/ die vor den Baͤumen den Wald nicht
haben ſehen wollen Luc. 17/ 20. Wann komt/ ſagen Sie/ das
Reich Gottes? Und wiewol daſſelbe in Zeiten deß neuen Teſtaments
erſchienen/ und aber den verhofften ſplendor oder falſcheingebildeten
Glantz nicht von ſich leuchten laſſen/ ſo habens die unartige Juden/ die
die Kinder deß Reichs ſeyn ſolten/ hinweg und von ſich geſtoſſen. Ja es
iſt auch von dieſem neuen Koͤnigreich/ etwas auſſer dem juͤdiſchen Land/
nicht allein in Arabia erſchollen/ dadurch die Weiſen auß Morgenland
veranlaßt worden/ eine Wahlfarth nach Jeruſalem zu thun/ und da-
ſelbſt zu ſuchen den neugebohrnen Koͤnig der Juden; Sondern auch im
Roͤmiſchen Reich und zu Rom ſelbſt kund worden/ daß auß Morgen-
Landein Scepter werde auffgehen/ zu Kaͤyſers Auguſti Zeiten werde die
Natur mit einem neuen Roͤmiſchen Koͤnig ſchwanger gehen. Welches
auch der Sohn Gottes in der Fuͤlle der Zeit/ durch den H. Engel Gabriel
der Jungfrauen Mariæ geoffenbaret Luc. 1/ 32. ſq.GOtt der HErꝛ
wird ihm (dem Sohn deß Hoͤchſten/ den du gebehren wirſt) den
Stuhl ſeines Vaters Davidsgeben/ und er wird ein Koͤnig
ſeyn uͤber das Hauß Jacob ewiglich/ und ſeines Koͤnigreichs
wird kein Ende ſeyn. Solches auch hernach an und eingerichtet/
Achter Theil. F fgeſtiff-
[226]Die ander
geſtifftet/ und in vollen flor und vigor geſetzt. Jſt anfangs von Chriſti
Vorlaͤuffer Johanne dem Taͤuffer/ von Chriſto ſelbſt und ſeinen 70. Juͤn-
gern/ ſonderlich aber den zwoͤlff außerwehlten Boten/ erſtlich im juͤdiſchen
Land/ folgends in der gantzen Welt/ intimirt und gleichſam außgeblaſen
Matth. 3, 2.
cap. 4, 17.worden/ mit dieſen Worten: Thut Buß/ glaubet dem Evange-
lio/ das Himmelreich iſt nahe herbey kommen. Und daſſelbe
in abgeleſenen unſern Text-Worten intendirt/ und dahin gezihlet in
ſeinem Vor- und Oſter-Geſpraͤch/ welches er mit ſeinen Juͤngern/ in un-
terſchiedlichen Erſcheinungen nach ſeiner Aufferſtehung/ gehalten/ und
Act. 1, 3.geredet von dem Reich Gottes/ und deſſen Staat/ Art und Beſchaffen-
heit/ darauff das Evangelium vom Reich Gottes (Marc. 1/ 14. cap. 4/ 11.)
anzukuͤnden befohlen. Alles zu dem Ende/ daß ihm hie auff Erden auß
allen nationen und Voͤlckern ein Reich und Gemeinde geſamlet werde/
die mit ihm herꝛſche und lebe in alle Ewigkeit.
Pulchrè Iſidorus Peluſiota L. 2. Epiſt. 192. ὁ Θειώτατος του πατρὸς λόγος,
καὶ τὸ θεῖον ἑαυτου̃ κήρυγμα βασιλείαν καλεῖ, ὡς ὠδῖνον τὸν τ [...] ου᾽ρανῶν βασιλείαν.
h. e. Diviniſſimum Patris verbum, divinam quoque ejus prædicationem regnum ad-
pellat, utpote cœlorum regnum parturiens.
Chriſti Zweck M. L. iſt und ſol auch ſeyn unſer Zweck. Den meynet
er/ wann er Matth. 6/ 33. ſagt: Trachtet am erſten nach dem Reich
Gottes/ und ſeiner Gerechtigkeit. Es ſind dreyerley Reich in
Gottes Wort geoffenbaret/ nemlich/ das ſchnoͤde Welt- das ſchaͤdliche
Hoͤll- und das edelſte und ſeligſte Himmelreich Gottes und ſeines Chriſti.
Da hat der Menſch die Wahl/ eines unter dieſen dreyen zuerkieſen. Das
erſte iſt zwar ein Reich/ das ſeiner ſubſtantz nach gut/ und daher von
GOtt geſtifftet und geordnet/ aber dermaſſen durch den Zufluß der Erb-
Suͤnd/ der ſuͤndlichen Staats-ration, der Welt phantaſien, der Flei-
ſches-Luſt/ Augen-Luſt und hoffaͤrtiges Lebens/ vergifftet und verderbet/
daß es dannenhero in H. Schrifft den wildeſten/ ungeheureſten und
grimmigſten Beſtien verglichen wird. Daſſelb iſt zwar Chriſto von dem
Volck Joh. 6/ 15. ja gar vom Sathan ſelbſt Matth. 4. angetragen wor-
den/ aber der HErꝛ ſchlaͤgt es auß. Das ander iſt das Reich deß Sa-
thans/ darinn wir Chriſten Gaͤſte ſind/ und in ſolcher Herberge ligen/ da
der Wirth ein Schalcks-Wirth iſt/ ſein Hauß hat das Mahlzeichen oder
Schild uͤber der Thuͤr/ und heißt/ zum Mord und zur Luͤgen. Dann
ſolch Zeichen und Wapen hat ihme Chriſtus ſelbſt uͤber ſeine Thuͤr und
an ſein Hauß gehengt/ da er ſpricht/ Er ſey ein Moͤrder und Luͤ-
gner;
[227]Predigt.
gner; Ein Moͤrder den Leib zu erwuͤrgen; Ein Luͤgner die Seele zu ver-
fuͤhren/ das iſt ſein Handel und ſein Thun. Das dritte iſt das jenige/
welches uns der Mund aller Warheit/ Chriſtus der treue und warhaff-
tige Zeug und Zeiger recommendirt/ und zu einem Zweck unſerer Be-
gierden darſtellet. Nach dieſem/ ſagt er/ trachtet mit inbruͤnſtigen affecten,
uñ mit groſſer angelegener Sorgfalt. Nemo noſtrum dicat (ſind Augu-
ſtini (*) Wort) jam ſe inveniſſe veritatem: ſic eam quæramus,(*) contra
Epiſt.
fund c. 3.
vid. Theol.
Conſc.
Tom. 1.
pag. 448.
ſq.
quaſi jam ab utriſque neſciatur; ita enim diligenter \& concordi-
ter quæri poterit, ſi nulla temeraria præſumptione inventa \& cog-
nita eſſe credatur. Das iſt/ Niemand ſpreche/ er habe die
Warheit ſchon erſchoͤpffet und gefunden: Laßt uns dieſelbe
vielmehr alſo ſuchen/ als ob wir noch nichts davon wuͤßten/
dann alſo wird man fleiſſig und einmuͤtig forſchen koͤnnen.
Die Warheit (als von welcher Chriſti Kirch den Nahmen hat/ daß es
ſey ein Kirch der Warheit/ und Er der HErꝛ Chriſtus ein Koͤnig der
Warheit) ligt in einem tieffen Brunnen und Abgrund verborgen/ ſie wil
erſucht und erſchoͤpffet ſeyn. Jhr doͤrfft derſelben nicht fern nachreiſen/
und koſtbare Wahlfarthen deßwegen anſtellen/ die fuͤr GOtt geltende Ge-
rechtigkeit und Ablaß der Suͤnden/ zu Rom bey den Kirchſchwellen der A-
poſtel Petri und Pauli/ bey St. Jacob zu Compoſtell in Hifpania/ zu St.
Loret oder Einſiedel bey der lieben Frauen/ ſuchen; Sondern das Reich
Gottes komt zu dir/ der HErr traͤgt dir ſeine Gerechtigkeit/ Heil und
Seligkeit entgegen/ darum lehrt er dich beten und ſagen: Zukomme
uns dein Reich/ es komme/ Er komme mit ſeinem Reich/ Geiſt und
Macht/ wohne beyde in uns/ ja mitten unter uns/ wie es geſchehen in dem
Laͤndlein Goſen Exod. 8, 22. daſſelbe mit gnaͤdigen Augen angeſehen und
geſegnet; Er komme aber mit ſeinem Liecht und Geiſt/ unſere Hertzen
durch den Glauben zu erleuchten; Er komme und zihe uns zu ſich/ dieweil
uns ja die Federen zu ſtumpff/ ja noch nicht gewachſen/ Krafft welcher
wir uns ſelbſt auß eignen Kraͤfften in den Himmel hinauff erſchwingen
moͤchten; Er ſchick uns/ wie Eliæ/ vom Himmel herab ſeinen feurigen
Engliſchen/ mit Gnaden-Schaͤtzen wolbeladenen Wagen entgegen/
welcher iſt das werthe miniſterium, lade uns auff/ und zihe uns zu
ſich empor.
So ſollen wir das Reich Gottes ſuchen/ und nicht anders; Maſ-
ſen auch St. Pauli Erinnerung dahin verlautet Rom. 10/ 6. 7. 8.
Sprich nicht in deinem Hertzen/ wer wil hinauff gen Him-
mel fahren? Das iſt nichts anders/ denn Chriſtum herab
F f 2holen;
[228]Die ander
holen; Oder/ wer wil hinab in die Tieffe fahren? Das iſt
nichts anders/ denn Chriſtum von den Todten holen: Aber
was ſagt ſie? Das Wort iſt dir nahe/ nemlich in deinem Munde/
und in deinem Hertzen.
Trachtet am erſten/ ſagt der HErꝛ/ nach dem Reich Gottes/
wie jener Chriſtliche Edelmann/ Hartmuth von Cronenberg/ deſ-
ſen recht Chriſt-adeliche Wort wuͤrdig ſind/ daß ſie nimmer vergeſſen
wuͤrden/ und in die Taffel der ewigen Gedaͤchtnuͤß eingeſchrieben werden
moͤchten/ auß einem Antwort-Brieff auff Lutheri miſſive in Tom. 6.
Witt. p. 381. f. 2. Jch bin/ ſpricht er/ deß gewiß/ daß mein Adel
und Reichthum/ und ob ich auch gleich von der edelſten Kaͤy-
ſerlichen Geburt der Welt gebohren/ auch ob ich ein Herꝛ al-
ler Reiche und Reichthum der gantzen Welt were/ ſo iſt
ſolches doch alles fuͤr einen Schatten und ein Nichtigkeit zu-
rechnen gegen dem warhafftigen Adel und Reichthum deß
allergeringſten Chriſten/ der in den HErꝛn Chriſtum recht
glaubt/ und mit gantzem Hertzen in GOtt vertrauet. Denn
unwiderſprechlich iſts wahr/ alle Menſchen/ die ſolche gna-
denreiche Verheiſſungen hoͤren/ und Chriſto veſtiglich glau-
ben/ dieſelben ſind warhafftig recht edel und reich/ dieweil
ſie deß ewigen himmliſchen Reichs verſichert/ denn durch den
einigen Glauben in Chriſtum/ werden wir warhafftig edel
und reich/ in unzerſtoͤrlicher him̃liſcher ewiger Weiſe. Deß-
halb wir die zeitlich/ irꝛdiſch/ vergaͤngliche Ehre und Reich-
thumb/ die uns von dem warhafftigen him̃liſchen ſo weit ab-
fuͤhren/ billich verachten ſollen. Chriſtus iſt uns in demſel-
bigen billich ein Exempel/ der verſchmaͤhet hat allen Reich-
thum und Herꝛſchung der Welt/ und derſelbigen aller keins
haben wollen. So weit beſagter Edelmann.
Aber da hebts gar ſtarck/ virtus poſt numos, heißts bey den Welt-
Kindern/ ſamlet euch erſtlich einen reichen Schatz in der Welt/ das
Reiche Gottes komt wol hernach. Ja hinder ſich hinauß! Verluſt deß
him̃liſchen Erb-Reichs komt hernach und die Außſtoſſung in die euſſerſte
Finſternuͤß/ wie Chriſtus gedraͤuet Matth. 8/ 12. Die Kinder deß
Reichs werden außgeſtoſſen in das Finſternuͤß hinauß/ da iſt
Heulen und Zaͤhnklappen. Und Matth. 21/ 43. Darum ſag ich
euch/ das Reich Gottes wird von euch genommen/ und den
Heyden gegeben werden/ die ſeine Fruͤchte bringen.
Wolte GOtt daß nicht auch die jenigen/ die naͤhere Juͤnger deß
HErꝛn Chriſti/ Lehrer und Prediger ſeyn ſollen/ ehe und vielmehr ihnen
das Reich Chriſti/ als ihr eigen Hauß/ angelegen ſeyn lieſſen und beobach-
ten/ ehe und vielmehr der geiſtlichen Braut Chriſti/ als ihrer leiblichen
Braut pflegten! Aber die ex perientz und der Augenſchein bezeugt/
was ihnen in ihren ſtudiis am erſten und mehrſten angelegen geweſen/
daß junge Leuth/ wann ſie kaum fruͤhe Morgens die vocation zur Can-
tzel bekommen/ ſie nachmittag um ein Hauß-Poſtill alsbald ſich umſehen/
dieſe koſt oͤffters gar viel zu binden/ das Pergament iſt zu theur/ und muß
gleich jederman wiſſen/ daß ein ſolcher (ὁ δεῖνα) das donum continen-
tiæ nicht hab. Jm Papſtthum iſt man dieſem Zweck-Fehler zu begegnen/
auff das andere extremum, nemlich das Eheverbot hinauß geſchlagen/
dadurch uͤbel aͤrger gemacht worden. Ein fuͤrtrefflich ſchoͤnes Exempel
und Beyſpiel ſolches Forſchens nach dem Reich Gottes haben uns die
Weiſen auß Morgenland hinderlaſſen/ als primitiæ gentium, die
Erſtlinge der Heyden/ die freylich ihnen nichts eher und mehr haben laſ-
ſen angelegen ſeyn als das Reich deß neugebohrnen Koͤnigs der Juden
zu erforſchen/ ſeine Reichs-Genoſſen zu werden. GOtt geb ſeinen Geiſt
und Krafft/ daß wir auch in derſelben Fußſtapffen tretten/ und endlich den
ſeligen Sprung thun auß dem Reich der Gnaden in das Reich der ewigen
und unwandelbahren Herꝛligkeit/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Es ſeynd ja herꝛliche und merck-
wuͤrdige elogia oder Lob-Spruͤche/ damit der ſonſt Gott-
loſe/ aber zu ſolchem Loben und Segnen von Gott dem
Herꝛn erweckte Prophet Bileam der Sohn Beor/Num. 23.
\& 24.
(der Mann dem die Augen geoͤffnet ſind/ der
Hoͤrer Goͤttlicher Rede/ der deß Allmaͤchtigen Offenbahrung
ſihet/ dem die Augen geoͤffnet werden/ wenn er nieder kniet
F f 3Num.
[230]Die dritte
Num. 24, 3. ſq.) gezieret/ gebenedeyet und geſegnet das Jſraelitiſche
Volck/ als es im Moabiter Land im Gefilde Moab/ jenſeit dem Jordan
gegen Jericho/ ſich gelagert/ und in ſchoͤner holdſeliger Ordnung da
Num. 24,
5.gelegen: Wie fein/ ſpricht er/ ſind deine Huͤtten Jacob/ und
deine Wohnung Jſrael. Er ruͤhmet daſſelbe
1. Als ein beſonders Koͤnigreich/ das von ſchlechtem Urſprung
und Anfang ſich weit und breit werde außſtrecken/ wie ſich die Baͤche auß-
ibid. v. 6.breiten/ wie die Gaͤrten an den Waſſern/ wie die Huͤtten die
der HErꝛ pflantzet/ wie die Cedern an den Waſſern. Wer
cap. 23, 10.kan zehlen den Staub Jacob und die Zahl deß vierdten
Theils Jſrael? Ein Koͤnigreich das beſonder wohnen/ und nicht
unter die Heyden gerechnet oder eingemiſchet werde/ rein von Abgoͤtterey
und falſchem Gottesdienſt/ dann wie aber dieſer Prophet ſagt Num. 23,
vid. ibid.
Luther.
gloſſ.
marg.21. Man ſihet keine Muͤhe in Jacob und keine Arbeit in Jſ-
rael/ der HErꝛ ſein GOtt iſt bey ihm/ und das Drometen
deß Koͤnigs unter ihm.
2. Als ein geiſtliches und unſichtbares Reich/ deſſen Weſen/
Geſtalt und Herꝛlichkeit mit leiblichen Augen nicht koͤnne beſchauet wer-
den. Jch ſehe ihn wohl/ ſagt er Num. 23, 9. von der Hoͤhe
der Felſen/ und von den Huͤgeln ſchau ich ihn; Aber den in-
neren geiſtlichen Pracht und Schoͤne dieſes Volcks/ dazu mußte er ha-
ben andere erhoͤhte und geiſtliche prophetiſche Augen/ ſeine Augen wur-
den ihme geoͤffnet ſolche uͤbernatuͤrliche Geheimnuͤß zu ſchauen: Son-
derlich mercket er an dieſem Volck ein phænomenon, ein ſchoͤnen Au-
gen-Luſt/ der auß dieſem Volck ſol entſpringen/ ein him̃liſcher Jacobs-
Stern/ und Seepter/ ſo auß Jſrael auffkommen/ und zu-
ſchmettern wird die Fůrſten der Moabiter/ und verſtoͤren al-
le Kinder SethNum. 24, 17.
3. Ein wallendes/ ſtreitbares und ſieghafftes Reich/
welches auß Egypten außgezogen mit groſſer Krafft Num. 23, 22. Gott
hat ſie auß Egypten außgefůhret/ ſeine Freudigkeit iſt wie ei-
nes Einhorns.cap. 24, 8. \& 9. Er wird die Heyden ſeine Ver-
folger freſſen/ und ihre Gebeine zumalmen/ und mit ſeinen
Pfeilen zuſchmettern: Er hat ſich niedergelegt wie ein Loͤwe/
und wie ein junger Loͤwe/ wer wil ſich wider ihn aufflehnen?
ib. verſ. 18. \& 19. Edom wird er einnehmen/ und Seir wird
ſeinen Feinden unterworffen ſeyn/ Jſrael aber wird Sieg
haben/
[231]Predigt.
haben/ auß Jacob wird der Herꝛſcher kommen/ und umbrin-
gen was uͤbrig iſt von den Staͤdten.
Sind eben alle die jenige Qualitaͤten/ und wie St Lucas ſein Wort
fuͤhret/ τὰ ϖρὶ τῆς βασιλεῖας του̃ Θεου̃, die Sachen/ Arten und Umſtaͤnde
deß Reichs GOttes Act. 1, 3. in welchen uns GOtt der H. Geiſt das
Reich deß Meſſiæ in H. Schrifft abgemahlet/ und fordert auch von uns
erleuchtete/ geoͤffnete/ geiſtliche Glaubens-Augen/ zu ſehen den ſchoͤnen
Augen-Luſt deß Reichs Chriſti/ der ſonſt vor der blinden Vernunfft und
geblendeten Welt nicht geſehen und vermercket werden kan. Jnmaſſen
E. L. anjetzo fernerer Bericht hiervon ertheilet werden ſol. Daß aber
ſolcher zur Ehre deß groſſen Ehren-Koͤnigs und gewaltigen Reichs-
Herꝛn/ auch zu unſer ſeligen Erbauung gereichen moͤge/ wolle er der Herꝛ
ſelbſt die Augen unſer Hertzen auffthun/ und durch ſeinen H. Geiſt gnaͤ-
dig ein- und anleuchten/ Amen.
BElangend nun M. L. τὰ ϖερὶ τῆς βασιλεῖας Θεου̃, die jenige quali-
taͤten/ Arten/ Um und Zuſtaͤnde deß Reichs Chriſti/ davon dervid.
D. Gerh.
Harmon.
c. 3. p. 299.
\& p. 503.
Herꝛ in den 40. Tagen nach ſeiner Aufferſtehung/ mit ſeinen
Juͤngern Sprach gehalten/ ſo ſeynd zwar dieſelbe καϑ᾽ ἓν, eines nach dem
andern nicht beſchrieben worden Joh. 21/ 25. Jedoch hat Gott der H. Geiſt
dieſelbe in ſeinem Wort gnugſam entworffen/ und uns erinnert deſſen/
was Chriſtus damahl gelehrt/ und berichtet daß dieſes Reich Chriſti/ wel-
ches er zu erbauen und auffzurichten dazumahl fuͤrgenommen/ ſeye
I.Ein geiſtliches Reich/ dem weltlichen entgegen geſetzt. DannMatth. 27,
11.
Joh. 18, 37.
1. Tim. 6, 13.
vide diffe-
rentiam
inter Re-
gem Hero-
dem \& Re-
gem Chri-
ſtum, in-
dicatam
Tom. 1.
Isleb. p. 27.
(*) ita D.
Luther.
Tom. 7.
Witteb.
p. 244. f. 2.
ſo lautet das gute Bekaͤntnuͤß JEſu Chriſti/ ſo er vor Pontio Pilato ab-
gelegt: Jch bin/ ſprechend/ zwar ein Koͤnig/ aber mein Reich
iſt nicht von dieſer Welt. Jch bin ein Koͤnig/ aber nicht ein welt-
licher/ uͤber die Welt bin ich zwar/ und in der Welt Koͤnig/ in dem ich
darinn ein Reich pflantze/ das ewig waͤren ſol; aber nicht von der Welt/
ſondern ein geiſtlicher him̃liſcher Koͤnig/ deſſen Reich vom H. Geiſt ge-
pflantzet/ zur geiſtlichen Himmels-Freud geordnet/ beſtehet auß lauter
geiſtlichen Rechten und Freyheiten/ conſequenter regnum illocale, ein
Reich ſo an keinen gewiſſen Orth gebunden.
Das Reich (*) Gottes komt nicht mit einer euſſerlichen Weiſe/ und
wird niemand ſagen/ ſihe da oder hie iſt es/ denn nehmet wahr/ das
Reich Gottes iſt innwendig in euch. Mich wundert/ daß ſolche ſtarcke
klare Spruͤche Chriſti ſo gar fuͤr Faſtnachts-Larven gehalten werden/
von dieſen Romaniſten. Auß welchen klaͤrlich jederman verſteher/ daß
das
[232]Die dritte
das Reich Gottes (ſo nennet er ſeine Chriſtenheit) iſt nicht zu Rom/ auch
nicht an Rom gebunden/ weder hie noch da/ ſondern wo da innwendig
der Glaube iſt/ der Menſch ſey zu Rom/ hie oder da. Alſo/ daß es er-
logen und erſtuncken iſt/ und Chriſto als ein Luͤgner widerſtrebt/ wer
da ſagt/ daß die Chriſtenheit zu Rom/ oder an Rom gebunden ſey. Vber
das (ſic pergit pag. 245. f. 1.) ſo hat er Matth. 24. gleich verkuͤndiget die
Verfuͤhrung/ die jetzt unter der Roͤmiſchen Kirchen Nahmen regieret/ und
ſagt/ viel falſcher Chriſten und Propheten werden in meinem Nahmen
kommen/ und ſagen/ ſie ſeyen Chriſtus/ werden viel verfuͤhren und Zei-
chen thun/ daß ſie auch die Außerwehlten moͤchten verfuͤhren: Darum
ſo ſie euch werden ſagen/ ſihe/ hie in den Haͤuſſern iſt Chriſtus/ ſolt ihrs
nicht glauben/ ſihe/ da drauſſen in der Wuͤſten/ ſolt ihr nicht hinauß ge-
hen; Nehmet war/ ich habs euch verkuͤndiget. Solt nu das nicht ein
grauſamer Jrꝛthum ſeyn/ daß die Einigkeit der Chriſtlichen Gemeine/
von Chriſto ſelbſt/ auß allen leiblichen und euſſerlichen Staͤdten und Oer-
tern gezogen/ und in die geiſtlichen Oerth gelegt/ wird von dieſen Traum-
Predigeren unter die leibliche Gemeine/ welche von Noth muß an Staͤdt
und Oerth gebunden ſeyn/ erzehlet. Wie iſt es muͤglich? Welche Ver-
nunfft mag es begreiffen/ daß geiſtliche Einigkeit und leibliche Einig-
keit ein Ding ſey? Viel ſind unter den Chriſten/ in der leiblichen Ver-
ſamlung und Einigkeit/ die doch mit Suͤnden ſich auß der geiſtlichen Ei-
nigkeit ſchlieſſen. Darauß folgetita mox ib.) und muß folgen/ daß gleich-
wie unter der Roͤmiſchen Einigkeit ſeyn/ nicht Chriſten macht/ alſo muß
auſſer derſelben Einigkeit/ nicht Ketzer noch Vnchriſten machen/ und
wil hoͤren/ wer mir des wil auffloͤſen. Denn was Noth iſt zu ſeyn/ das
muß einen rechten Chriſten machen/ macht es aber nicht einen rechten
Chriſten ſo muß es nicht Noth ſeyn: Gleichwie es mich nicht einen rech-
ten Chriſten macht/ ich ſey zu Wittenberg oder zu Leipzig. Nu iſts klar/
daß die euſſerliche Einigkeit Roͤmiſcher Verſamlung/ macht nicht Chri-
ſten/ ſo macht ihre Euſſerung gewiß auch keinen Ketzer oder Abtruͤn-
nigen. Vnd ferner ſchreibt erib p. 245. f. 2. das iſt wolwahr/ daß gleich-
wie der Leib iſt ein Figur und Bild der Seelen/ alſo iſt auch die leibliche
Gemeine ein Fuͤrbild dieſer Chriſtlichen geiſtlichen Gemeine/ daß gleich-
wie die leibliche Gemeine/ ein leiblich Haupt hat/ alſo auch die geiſtliche
Gemeine ein geiſtlich Haupt hat. Wer koͤnte aber ſo unſinnig ſeyn/ der
da wolt ſagen/ daß die Seele muͤßte haben ein leiblich Haupt? Das we-
re gleich als wenn ich ſpreche/ ein lebendig Thier můßte an ſeinem Leib
auch ein gemahlet Haupt haben. Alſo ſagt St Paulus Coloſſ 2. daß un-
ſer Leben ſey nicht auff Erden/ ſondern mit Chriſto in GOtt verborgen.
Denn ſo die Chriſtenheit were ein leibliche Verſamlung/ ſo koͤnte man ei-
nem jeglichen an ſeinem Leib anſehen/ ob er ein Chriſt/ Tuͤrck oder Jud
were; Gleich als ich kan an ſeinem Leib anſehen/ ob er ein Mann/ Weib
oder Kind/ ſchwartz oder weiß ſey.Itemin weltlicher Verſamlung kan
ich ſehen/ ob er zu Leipzig oder zu Wittenberg/ hie oder da/ mit andern
verſamlet iſt; Aber gar nicht ob er glaub oder nicht. Darum hab das
feſte/ wer nicht irren wil/ daß die Chriſtenheit ſey ein geiſtliche Verſam-
lung
[233]Predigt.
lung der Seelen/ in einem Glauben/ und daß niemand ſeines Leibs hal-
ber werde fuͤr einen Chriſten geachtet/ auff daß er wiſſe/ die natuͤrliche/
eigentliche/ rechte/ weſentliche Chriſtenheit ſtehe im Geiſt/ und in keinem
euſſerlichen Ding/ wie das mag genennet werden. Denn alle andere
Ding mag haben ein Vnchriſt/ die ihn auch nimmermehr einen Chri-
ſten machen/ außgenommen den rechten Glauben/ der allein Chriſten
macht/ darum heiſſet auch unſer Nahme Chriſtglaͤubigen. So weit
Lutherus.
Seine Form/ Geſtalt und Staats-ration iſt alles geiſtlich. Wiewohl
ſich das Reich Gottes etlicher maſſen vergleicht einem irꝛdiſchen Reich/ in
dem als in einer Figur und Bild jenes uns abgemahlet worden/ aber
auff eine unbegreifflich hoͤhere und edlere Weiſe. Jn einem irꝛdiſchen
Reich befindet ſich der Koͤnig/ deß Koͤnigs Majeſtaͤt/ territorium oder
Bottmaͤßigkeit/ Grund und Boden/ von Leuthen und Reichs-Genoſſen/
und dero politevmate oder Buͤrger-Recht und Buͤrgerlichen Freyhei-
ten/ bewohnet und angefuͤllet/ Thron/ Scepter/ regalia, Herꝛlichkeit und
Gerechtigkeiten/ Geſetz/ Ordnungen und ſtatuta, Hoff-Kammer- und
Blut-Gerichte/ Aempter und Beampten/ armatur, Kriegs-Verfaſſun-
gen/ conſilia und Raͤth/ arcana und geheime Staats-Sachen/ privi-
legien und Freyheiten/ Hoff- und reſidentz Stadt/ intraden, Reich-
thum/ Schaͤtz und Guͤter/ beneficien, Geſchenck und Gaben/ ꝛc. An die-
ſen Stuͤcken mangelt dem Reich Chriſti nichts: Der Koͤnig iſt Chriſtus
der einige Sohn Gottes/ ſein territorium gehet uͤber die gantze Welt/
Er herꝛſchet von einem Meer biß zum andern Pſalm. 72. ſeine
Majeſtaͤt iſt uͤberſchwaͤnglich groß und leuchtet von Goͤttlicher Allmacht/
Allwiſſenheit/ Allgegenwaͤrtigkeit/ unermaͤßlichen Reichthum und Herꝛ-
ligkeit; Salomons Thron wie koͤſtlich er auch geweſen/ iſt hie nichts.
Zu Joſeph ſagte der Koͤnig Pharao: Du ſolt uͤber mein Hauß
ſeyn/ und deinem Wort ſol all mein Volck gehorſam ſeyn/
allein deß Koͤniglichen Stuhls wil ich hoͤher ſeyn denn
du. Hie lautet es anders/ Gottes Thron iſt (kein ander/ ſondern)
ein einiger Thron. Sein Scepter iſt Gottes Wort/ dadurch er weiß-
lich regirt/ Eſa. 53.
Dann (iſt Lutheri Erklaͤrung hieruͤber Tom. 5. Witt. p. 287. f. 2.) da
Chriſtus kam/ und wolt in ſein Ampt tretten/ da fand er alles gantz verwirret/
zuruͤttet und verderbt von den falſchen Lehrern/ und war unmuͤglich anzuſehen/
daß den Sachen kunte gerathen und geholffen werden/ doch hat er mit ſolcher
Weißheit ſein Ampt gefuͤhret/ daß es in allen Dingen wol und gluͤckſelig iſt von
ſtatten gangen: Denn er nicht mit Gewalt oder Zwang mit den Leuthen gefah-
ren/ noch mit Stuͤrmen und Poltern ſeine Feinde angegriffen/ noch ſich in fremb-
Achter Theil. G gde
[234]Die dritte
de Sachen und Regiment eingeflochten/ ſondern ohn alle Rumor/ Zuruͤttung
und Empoͤrung/ und ohn jedermanns Schaden/ fein ſtill und friedlich gepre-
digt/ mit groſſer Gelindigkeit und Freundligkeit die Leuthe zu ihm bracht/ daß
ſie ihn gerne angenommen/ und mit Sanfftmuth und Gedult die Feinde uͤber-
wunden/ und alſo fein richtig hindurch gangen/ ſein Ampt außgefuͤhret/ und
die Chriſtenheit gebauet/ und erhalten wider den Teuffel und alle Welt. Alſo
iſt in dem Wort (mein Knecht wird weißlich regiren) angezeigt/ wie er durch
die Predigt deß Evangelii ſolt regiren; Es iſt aber zugegen geſetzt beyde Moſi
Regiment und anderer Lehrer/ die da auch wollen die Gewiſſen regiren/ ſind a-
ber hefftige und ſtuͤrmiſche Lehrer/ fahren nur mit gebieten und treiben/ draͤuen
und ſchrecken/ damit ſie die Leuthe weiter von ſich ſcheuchen und jechen: Aber
Chriſtus (wil er ſagen) ſol ſeyn ein ſolcher Prediger/ der da weißlich/ das iſt/ mit
Bernunfft und ſaͤuberlich mit den Armen Gewiſſen (durch die Geſetze und Werck-
treiber erſchroͤckt und geplagt) faͤhret/ die irrenden/ ſchwachen/ verlohrnen Suͤn-
der/ nicht fuͤr den Kopff ſtoͤſſet oder von ſich treibet/ ſondern freundlich und guͤt-
lich zu ſich locket/ ſamlet und leitet/ troͤſtet/ auffrichtet und heilet/ und erloͤſet
uns alle von Suͤnden/ Tod und der Hoͤlle/ mit keiner andern Gewalt/ denn
dadurch/ daß er uns gibt das Wort deß Lebens/ dadurch wir/ (ſo dran glaͤuben)
Gottes Kinder und ſelig werden. Das kan nicht anders/ denn eine Goͤttliche
Weißheit und Klugheit ſeyn/ ſo ſolch Ding außrichtet/ und auff ſolche Weiſe/
da es aller Welt unmuͤglich iſt. conf. eod. Tom. pag. 196. f. 2.
Seine regalia und Gerechtigkeiten ſeynd im Evangelio geoffenbahret/
und gehoͤret ſonderlich hieher ſein jus cardiarchicum oder Hertz-herꝛſchen-
de Krafft/ als deſſen Reich iſt in uns/ er herꝛſchet (bekirbo) mitten im
(*) im 5.
Theil Cat.
Milch
p. 1263.Hertzen/ mitten unter ſeinen Feinden/ laut deß 110. Pſalmens/ wie ſol-
ches droben (*) beſchrieben worden. Pharao/ Rehabeam und andere
Tyrannen moͤgen irgend die euſſerliche locomotiv bezwingen/ aber das
Hertz muͤſſen ſie wol ungemeiſtert laſſen; Abſalon kan die Hertzen ſtehlen
durch Fuchsſchwantz-ſtreichen/ aber ſolche Hertzen/ die ohne das ſchon
mit der Auffruhr ſchwanger gangen: Aber auff ſolche Weiſe durch das
kraͤfftige Wort Gottes die Hertzen und Gewiſſen beruͤhren/ bewegen/ be-
herꝛſchen/ wie Chriſtus gethan/ das muͤſſen ſie wol anſtehn laſſen. Sein
Geſetz und Ordnung iſt in den Zehen Geboten und der Chriſtlichen Hauß-
Taffel begriffen; Seine arcana regiminis ſind auß der Evangeliſchen
Hiſtori zuerholen; Sein Rath iſt unbegreifflich/ aber in eventu oder in
der That ſelbſt merckſam gnug; Seine Aempter und Beampten ſind in
der Epiſt. an die Eph. 4. Cap. benamſet; Seine armatur wird in gemel-
ter Epiſt. Cap. 6. beſchrieben; Sein Krieg und Sieg/ hat manch ſtoltzer
Tyrañ mit Schmertzen erfahren; Sein Hoff und Koͤnigliche reſidentz
iſt ſeine liebe Kirch; Der Schatz und Reichthum ſeiner Gnade iſt un-
erſchaͤtzlich. Das πολίτδυμα oder Buͤrger-Recht beſtehet in der geiſtli-
chen
[235]Predigt.
chen σεισαχθείᾳ und Schulden-Ruhe/ das iſt/ in der Freyheit von deß
Geſetzes Zwang und Fluch/ in der ἀσυλίᾳ Ablaß und Vergebung der
Suͤnden/ in moderation ſeiner Straff-Ruthen/ in reicher Außgieſſung
der geiſtlichen ſeligmachenden Gaben Gottes deß H. Geiſtes ſelbſt/ als
der edelſten Quell-Gabe. Bey weltlichem Regiment ligt viel an dem
ſpiritu informante, an einem klugen Mann/ der das gantze Regierungs-
Weſen traͤgt und fuͤhrt: Jn dieſem unſerm geiſtlichen Reich Chriſti/ iſt
der edelſte und beſte ſpiritus informans \& influens, GOtt der heilige
Geiſt/ darum man um deſſen Liecht/ Krafft und Gnad ſonderlich zu be-
ten hat. Summa/ Gottes Reich (ich brauch Lutheri Wort) da-
durch Chriſtus regieret ůber alle Glaͤubigen/ und ſie als ein
getreuer Koͤnig beſchirmet/ ſtraffet/ beſoldet/ leitet/ weiſet ꝛc.
Sie wiederum gaͤntzlich auff ihn vertrauen/ ſeine vaͤtterliche
Zucht und Straff williglich annehmen/ und ihm allent-
halben in Gehorſam folgen ꝛc. Jſt nicht weltlich oder zeit-
lich/ ſondern geiſtlich/ ſtehet auch nicht in Eſſen oder Trin-
cken/ noch keinem euſſerlichem Dinge/ ſondern nur in Ge-
rechtfertigunge/ Befriedigunge und Troͤſtunge deß Men-
ſchen Hertzen und Gewiſſen. Derhalben iſts nicht anders/
denn Vergebung und Wegnehmung der Sůnden/ durch
welche das Gewiſſen beflecket/ betruͤbet/ und verunruhiget
wird. Denn gleich als ein weltlich/ zeitlich Reich darinnen
ſtehet/ daß die Leuthe mit Ruhe leben/ und friedlich ſich mit-
einander nehren moͤgen ꝛc. Alſo gibet Gottes Reich ſolche
Ding geiſtlich/ und zerbricht der Suͤnden Reich/ und iſt
nichts anders denn ein Vertilgunge und Vergebung der
Suͤnden. GOtt regieret in den Hertzen/ in dem/ daß er
Friede/ Ruhe/ Troſt ꝛc. darinnen machet durch ſein
Wort/ gleich als die Suͤnde das Widerſpiel. Jn dem er-
zeiget GOtt ſeine Herꝛligkeit und Gnade in dieſem Leben/
daß er von den Menſchen die Suͤnde hinnimmet und ver-
gibet/ ſolchs iſt ein Reich der Gnaden; Wenn aber die
Suͤnde mit ihrem Hoffgeſinde/ dem Teuffel/ Tod/ Hoͤl-
len ꝛc. den Menſchen gar nicht mehr wird anfechten/
alsdenn wirds ſeyn ein Reich der Glorien und vollkomme-
nen Seeligkeit.
II.Ein unſichtbares Reich. Ein Geiſt kan mit fleiſchlichen
Augen nicht geſehen werden/ wiewol man ſeine Wuͤrckung/ Werck und
Gg 2Geſchaͤffte
[236]Die dritte
Geſchaͤffte mercken kan: Solte dort der Diener deß Propheten Eliſæ
2. Reg. 6. den himmliſchen ſuccurs der heiligen Engel/ die feurige Roß
und Wagen/ welche die Stadt Dothan uͤmgeben und geſchuͤtzt wider die
Macht der Syrer/ ſehen/ ſo mußte Eliſa fuͤr ihn bitten um Oeffnung
und Erleuchtung der Augen. Alſo iſt auch das Reich Chriſti ein unſicht-
bares Reich/ daſſelbe zu ſchauen/ tuͤgen fleiſchliche leibliche Vernunffts-
Augen nichts/ Glaubens-Augen werden erfordert. Dann/ ſagt der
conf. Luth.
Tom. 2.
Isleb. pag.
262. ſqq.HErꝛ Luc. 17/ 20. Das Reich Gottes kommt nicht mit euſſer-
lichen Geberden/ das iſt/ Pompen/ Pracht/ Phantaſien. Die leib-
liche Augen haben zwar JEſum von Nazareth zu Jeruſalem ſehen ein-
reiten/ hette aber das Wort Gottes (ſonderlich durch den Propheten
Zachar. Cap. 9/ 9. Sihe/ O Tochter Zion/ dein Koͤnig koͤmt
zu dir/ ein Gerechter und ein Helffer/ arm/ und reitet auff
einem Eſel ꝛc.) nicht fuͤrgeleuchtet und angezeigt/ wer/ was/ wie/ und
zu was End derſelbe Auffzug geſchehe/ ſo wuͤrde er keinen gratulanten ge-
habt haben/ niemand wuͤrde ihm das Hoſianna zugeruffen haben: Das
Aug deß Glaubens hat muͤſſen auffs Wort ſehen/ und durch das Wort
als eine perſpectiv, das groſſe Geheimnuͤß dieſes einreitenden Gnaden-
Koͤnigs faſſen. Alſo ſehen wir wol mit leiblichen Augen ein euſſerliche
Gemeine/ aber daß es eine Gemeine und Reich Chriſti/ und deſſen in-
neren geiſtlichen Seelen-Schmuck/ das ſehen allein die Sonntags-Kin-
der/ das iſt/ die Kinder deß Liechts/ die auß Gottes Wort hievon Liecht
und Unterricht empfangen. Darum heiſts/ Jch glaube eine eini-
ge Chriſtliche Kirch/ nicht ich ſchaue ſie.
Alſo (ſchreibt Lutherus Tom. 7. Witt. p. 172.) beſchließ ich/ daß die Chriſt-
liche Kirche ſey nicht an irgend eine Stadt/ Perſon oder Zeit gehafftet/ und ob
wol der ungelehrte Hauffe/ der Papſt/ mit ſeinen Cardinaͤlen/ Biſchoffen/
Pfaffen und Moͤnchen ſolchs nicht wil verſtehen/ noch Warheit laſſen ſeyn/ ſo
ſtehet doch feſt bey mir/ Er Omnes, auch die Kindlein auff der Gaſſen/ mit dem
gantzen Hauffen der Chriſtenheit/ in aller Welt/ und tretten zu mir wider die
gefaͤrbte und erdichte Kirche deß Papſts und ſeiner Papiſten. Fragſtu aber/ wie
das zugehe? Antworte ich kuͤrtzlich/ alle Chriſten in der Welt beten alſo/ ich
glaub in den H. Geiſt/ eine heilige/ Chriſtliche Kirche/ Gemeinſchafft der Hei-
ligen. Jſt der Artickel wahr/ ſo folget drauß/ daß die heilige Chriſtliche Kirch
niemand ſehen kan noch fuͤhlen/ mag auch nicht ſagen/ ſihe hie oder da iſt ſie.
Dann was man glaͤubt/ das ſihet oder empfindet man nicht/ wie St. Paulus
Hebr. 11. lehret. Nu halt ſie gegen einander/ die heilige Kirche Chriſti/ und die
tolle Kirche deß Papſts. Die heilige Kirche Chriſti ſpricht alſo: Jch glaube ei-
ne heilige Chriſtliche Kirche. Die tolle Kirche deß Papſts ſpricht alſo: Jch ſe-
he eine heilige Chriſtliche Kirche. Jene ſpricht/ die Kirche iſt weder hie noch da;
Dieſe ſpricht/ die Kirche iſt hie und da. Jene ſpricht/ die Kirche liegt an keiner
Per-
[237]Predigt.
Perſon; Dieſe ſpricht/ die Kirche ligt am Papſt. Jene ſpricht/ die Kirche iſt
nicht auff ein zeitlich Ding gebauet; Dieſe ſpricht/ die Kirch iſt auff den Papſt
gebauen. Wie dunckt dich Murnar/ ſeyd ihr nicht feine Geſellen? Wie fein
legt ihr die Schrifft auß? Et ibid. diſputans contra Murnarum pag. 171. f. 2.
Sprichſtu/ were das nicht ein feine Stadt/ ſo geiſtliche Mauren/ geiſtliche
Thuͤrn/ geiſtliche Buͤchſen/ geiſtliche Roß und alles geiſtlich were? Vnd iſt dein
endliche Meynung/ die Chriſtlich Kirch moͤg nicht ohn leiblich Stadt/ Raum
und Guͤter beſtehn. Antworte ich lieber Murnar/ ſol ich um der ration Willen
die Schrifft leugnen/ und dich uͤber GOtt ſetzen? Warum antworteſtu nicht
auff meine Spruͤche? Als/ Non eſt reſpectus perſonarum apud Deum; Et,
regnum Dei intra nos eſt. Et, regnum Dei non venit cum obſervatione, nec
dicent, Ecce hîc aut illîc eſt, und Chriſtus Joh. 1. Was auß dem Geiſt geboh-
ren iſt/ das iſt Geiſt. Jch meyne je/ du heiſſeſt das Reich Gottes die Chriſt-
liche Kirche/ oder uns/ in welchen GOtt lebt und regiert? Wie ſol ich denn dei-
ner Vernunfft folgen/ und Chriſtum laͤugnen/ der hie klaͤrlich ſpricht/ es ſey
kein Stadt/ Raum/ noch euſſerliche Weiſe am Reich Gottes/ und ſey nicht hie
noch da/ ſondern ein Geiſt in unſerm inwendigen. Du aber ſageſt/ es ſey hie
und da. Was ſagſtu zu St. Stephan Act. 8. Der oberſt Gott wohnet nicht
in gebaueten Staͤdten: Lieber laß deine Vernunfft hie ſehen/ und mach auß
dem Non, ein Etiam, und ſprich Gottes Hauß ſey auch in gebaueten Staͤdten.
Vnd Jſaias am 66. welchen S. Stephan einfuͤhrt/ ſpricht: Wo iſt der Raum/
da ich wohne? Wo iſt das Hauß/ das ihr mir machet? Lieber Jſaias weiſtu
das nicht? Murnar wird dirs wol ſagen. Es iſt zu Rom/ oder wo der Papſt
und Chriſten ſeynd. Nein ſpricht er/ mein Geiſt wohnet in einem armuͤtigen/ de-
muͤtigen Geiſt/ der mein Wort ehret. Wie duͤnckt dich Murnar? Jch meyn
du reiteſt nun auch fein einher/ mit deiner Kirchen auff leiblichen Pferden/ Staͤd-
ten und Thuͤrnen? Sihe da/ dein beſtes Stuͤck in deinem Buͤchlein/ wie fein
triffts mit der Schrifft? Darum laß dein Vernunfft ſchlaffen/ und zeig mir
einen Buchſtaben in der Schrifft/ daß zeitlich Raum/ Stadt oder Gebaͤu zur
Kirchen gehoͤren/ ſo wil ich nicht mehr fordern/ und bald folgen.
Rurſus Tom. 4. Witt. p. 536. (uͤber die Epiſtel am S. Michaels Tag) hac
de re ſic ſcribit: Hie nennet er zweyerley Reich/ und iſt doch einerley Reich/
eines/ dadurch er in dieſem Leben regiret/ da er eine Decke fuͤr die Augen zeucht/
daß wir ihn nicht ſehen/ ſondern muͤſſen glaͤuben; Das ander/ das wir nicht
mehr glaͤuben/ ſondern fuͤr Augen ſehen werden: Sonſt iſt es und wird gantz
ein Ding ſeyn/ das wir jetzt predigen und glaͤuben/ das werden wir alsdenn ge-
genwaͤrtig ſchauen. Denn das Predigen und Glaͤuben muß auffhoͤren/ und die
Decke abgethan werden/ alſo/ daß wir alsdenn mit den lieben Englen/ deß
Goͤttlichen Anſchauens ewig ſelig ſeyn/ welches wir allein im Hoͤren und Glau-
ben haben. Darum wird auß dieſem/ welches iſt ein Reich deß Worts und
Glaubens/ ein ander Reich werden/ da wir nicht mehr werden hoͤren und glaͤu-
ben/ ſondern GOtt den Vater und Chriſtum fuͤr Augen ſehen/ wie Chriſtus
Matth. am 18. ſaget/ daß jetzt die lieben Englen ſchauen allezeit das Angeſicht
ſeines Vaters im Himmel: Jetzt aber muͤſſen wir uns die Augen blenden laſſen/
und allein durch Glauben und Wort uns fuͤhren und leiten/ und ſind
dort allbereit in demſelbigen Reich deß Himmels/ alle die da getaufft
ſind/ und glauben/ daß Gottes Sohn uns iſt gleich und Menſch worden. Al-
G g 3ſo
[238]Predigt.
ſo iſt beydes einerley Reich/ und wird doch zweyerley Reich genennet/ darum
daß es in dieſem Leben noch nicht klar und hell fuͤr Augen auffgedeckt iſt/ ſondern
allein mit den Ohren gehoͤrt/ und im Hertzen geglaubt wird/ und heißt alſo
Chriſti Reich/ das ihm der Vater befohlen hat zu regiren/ in ſeiner Menſchheit
auff Erden/ durch das Evangelium/ das Himmelreich oder Gottes Reich/ wie
er ſeinen Apoſteln und Juͤngern befihlet/ da er ſie außſendet/ und ſpricht: Ge-
het hin und prediget/ daß ſie Buſſe thun/ dann das Himmelreich iſt fuͤr der
Thuͤr ꝛc. und alſo die Apoſteln ſolch Himmelreich zu uns bringen. Wie brin-
gen ſie es? Sehe ich doch nichts davon/ und wie ſol ichs faſſen? Alſo/ wie du
hoͤreſt ſie predigen/ daß du dich laͤſſeſt tauffen/ und glaͤubeſt an den Sohn Got-
tes/ der fuͤr dich Menſch worden und geſtorben/ ſo biſtu ſchon ungezweiffelt im
Himmelreich/ und iſt kein Mangel daran/ ohn daß du warteſt/ biß er ſichtbar-
lich daher zu dir komme/ da wirſtu deñ muͤſſen ſagen: Sihe ich bin ſo lange/
von dem an/ als ich bin getaufft worden/ im Himmel geweſen/ und habe es
nicht gewußt/ ohn daß ichs habe hoͤren predigen/ und mit dem Glauben ein we-
nig gefaßt/ nun ſehe ichs/ daß es bereit laͤngſt geſchehen und vollendet iſt. Hac-
renus Lutherus.
III.Ein wallendes und ſtreitendes Creutz-Reich. Gei-
ſter/ ſonderlich die Engliſche Himmliſche/ heiſſen nicht vergebens/ Zeba-
oth/ das iſt/ Heerſchaaren/ Gottes Heerlager/ ſtarcke Helden/ dieweil ſie
zum immerwaͤhrenden Kampff/ Streit und Sieg wider die hoͤlliſchen
Geiſter/ und dero Macht zum Widerſtandt geordnet. Alſo iſt auch das
Reich Chriſti ein ſolch geiſtliches Reich/ welches da immer zu Feld ligt/
wider alle geiſtliche und leibliche Feind/ wallet von einem Orth zum an-
deren/ auß Egypten durchs rothe Meer in die Wuͤſten/ auß der Wuͤſten
ins Land Canaan/ auß dem Land Canaan in die Babyloniſche Gefaͤng-
nuͤß/ von dannen wiederum heim in den vorigen Erbſitz: Alſo im
Neuen Teſtament auß Jeruſalem in alle Welt/ auß dem Morgenland
gegen Mittag/ von Mittag gegen Abend/ von Abend gegen Mitter-
nacht/ allenthalben im exilio. Gleichwie das Haupt Chriſtus ſelbſt
hie in der Welt ein Gaſt und Pilgram geweſen/ von einem Orth zum
andern gewandert/ immer im Kampff geſchwebt/ Hunger/ Kummer/
Marter/ Creutz und Todt außgeſtanden: Alſo iſt auch ſein geiſtlicher
Leib und Reich/ ein wall-ſtreitendes Creutz-Reich/ ligt der Roͤmiſchen
Beſtien in den Klauen/ allerhand Ungemach/ Verfolgung/ Jammer
und Noth unterworffen. Sintemahl euſſerlich Gluͤck/ Ruhe und Si-
cherheit der Chriſtlichen Kirchen niemahl gut/ ſondern zufaͤlliger Weiß
immer ſchaͤdlich und nachtheilig geweſen.
IV.Ein maͤchtiges/ gewaltiges/ ſieghafftes Reich/
ſchroͤcklich wie die Heerſpitzen. Es gehet eine Weile uͤberzwerch her/ bund
uͤber
[239]Predigt.
uͤber Eck/ und hat das Anſehen es werde alles untergehen/ aber endlich
behalt doch die Rechte deß HErꝛn den Sieg. Wer ſich an dieſes Reich
Chriſti reibt/ und daſſelbe zu ruiniren/ gedenckt/ der verſtoßt den Kopff/
und wird an ihme wahr/ was Heliodorus der Kirchen-Raͤuber/ ja jeder-
man/ erfahren/ beklagen und bekennen mußte/ auß deſſen augenſchein-2. Maccab.
3, 29.
licher Wunder-Straff/ darinn man oͤffentlich die Rechte deß HErꝛn
mercken mußte/ und er ſelbſt bekennet 2. Macc. 3/ 39. Es iſt GOtt
kraͤfftiglich an dem Orth/ und der ſeine Wohnung im Himmel hat/ ſihet
drauff/ und rettet/ und die ihn beſchaͤdigen wollen ſtrafft er/ und ſchlaͤgt
ſie zu todt. Es machts (ſpricht Lutherus Tom. 5. Witt. in cap. 3.
Habac. pag. 353.) GOtt zumahl wunderlich/ Er ſpricht/
man werde der Tyrannen lachen/ und ſie ſitzen doch ſo feſte/
und ſind zumahl tieff gewurtzelt/ wie Jeremia ſpricht.
Gleichwie er im 2. Pſalm auch ſpricht/ daß GOtt lache und
ſpotte der Heyden/ Fuͤrſten und Koͤnige/ ſo ſich wider ſeinen
Chriſtum ſetzen: Heißt das ihr gelacht und geſpottet/ wenn
ſie maͤchtig obliegen/ daß ſie Chriſtum creutzigen/ alle ſeine
Juͤnger verfolgen und toͤdten? Sie aber bleiben gleichwol
im Lande und ihrer Gewalt. Ja darum hoͤret Glaube da-
zu/ es ſind Glaubens-Predigt/ die nicht darlegen/ das ſie
ſagen/ ſondern zukuͤnfftig verbeiſſen wider das/ ſo fuͤr Au-
gen gehet und ſtehet. Chriſtus Evangelium iſt nie an kei-
nen Orth ſtaͤrcker gangen/ denn da mans am wenigſten wolt
leiden; Denn da das Stuͤndlein kam/ giengen die Tyran-
nen unter/ und das Wort (und Reich Gottes) bleib auff dem
Plan.
V.Ein unuͤberwuͤndlich/ unzerſtoͤrlich/ ewig-beſtaͤn-
diges Reich/ gleichwie auch was geiſtlich/ unſterblich iſt und unver-
gaͤnglich. Zu Petro ſagt unſer werthe Heyland Matth. 16/ 18. Auff
dieſen Felſen wil ich bauen meine Gemeine/ und die Pfor-
ten der Hoͤllen ſollen ſie nicht uͤberwaͤltigen/ der Hoͤllen
Pforten/ das iſt/ alle Hoͤlliſche Weißheit und Macht der Tyrannen
und falſchen Verfuͤhrer: Sintemahl bey den Hebreern die kluge Gericht
und Urtheil unter den Pforten der Stadt/ die ſonſt auch ſtarck befeſtiget
waren mit Thuͤrnen/ Rieglen und Schloͤſſern/ gehalten worden/ dannen-
hero Chriſtus dieſe Art zu reden entlehnet. Muͤglich iſt es/ daß ein und
die ander particular-Kirch oder Gemeind abſonderlich/ wann ſie ſelbſt
ihre Veſtung verrahtet/ durch ſuͤndlichen Abfall auffgibt/ und dem Feind
in
[240]Die dritte
in die Hand lieffert/ durch die hoͤlliſche Pforten/ gifftige liſtige Rathſchlaͤg
und Gewalt/ uͤberweltiget worden/ und hat die Roͤmiſche Kirch deßwe-
gen kein abſolut privilegium auffzuweiſen. Daß aber allerdings kei-
ne Kirch/ Gemeine und Reich Chriſti dauren/ daß Chriſtus jemahl ein
Koͤnig ohne Reich ſeyn und bleiben ſolte/ das iſt bloß unmuͤglich/ welches
der H. Geiſt durch den Propheten Zachariam c. 12, 3. angedeutet: Jch
wil Jeruſalem machen zum Laſt-Stein allen Voͤlckern/ alle
die denſelben wegheben wollen/ ſollen ſich dran zuſchnei-
den/ denn es werden ſich alle Heyden auff Erden wider ſie
(*) Hiero-
nym. in
cap. 12.
Zachar.verſamlen. Hieronymus der beruͤhmte (*) Kirchen-Lehrer meldet in
Erklaͤrung dieſer Wort/ daß bey den Juden in Staͤdten und Flecken hin
und wieder der Gebrauch geweſen/ daß auff den Plaͤtzen und Gaſſen groſ-
ſe Steine/ gleichwol von unterſchiedenem Gewicht/ gelegen/ mit denen
ſich junge Geſellen und Maͤnner geuͤbt/ und ihre Leibs-Kraͤffte probirt/
haben dieſelbe auffgehoben und fort getragen/ und alſo oͤffentlich ſehen
laſſen/ was ſie mit ihrer Staͤrcke koͤnten außrichten: Es habe ſich aber
bißweilen begeben/ daß einer/ der von geringen Kraͤfften geweſen/ ſich un-
terſtanden einen ſehr groſſen/ oder den allergroͤſſeſten Stein zu bewegen
und fortzutragen/ und der habe ihm an ſeinem eignen Leib groſſen Scha-
den zugefuͤget/ ja wol gar das Leben druͤber einbuͤſſen muͤſſen: Und dahin
oder auff ſolche Gewonheit ſehe der Prophet/ oder der Geiſt Gottes in
angezogenen Worten; Alſo daß diß die Meynung ſey: Wie einer der
ſich vermiſſet einen groſſen Muͤhlſtein von ſeiner Staͤtte zu tragen/ ſich
gemeiniglich klemmet/ oder an ſeinem Leib gebrechlich wird/ wo er nicht gar
das Leben laſſen muß: Alſo muß es gehen denen/ die die wahre Kirch Got-
tes von ihrer Staͤtte wollen wegheben und außrotten/ ſie greiffen eine ſol-
che Laſt an/ daruͤber ſie zu Boden gehen und umkommen muͤſſen.
Es iſt VI. und in Summa/ ein rechtes neues Reich/ wovon
(α) in Joh. 1.
Tom. 2.
Isleb.
p. 407.Lutheri (α) Gedancken dieſe ſind: Es ſolte ein groſſe treffliche
Verenderung geſchehen/ nicht ungleich der Suͤndfluth/ da
auß der alten Welt eine neue ward; Denn das Geſetz ſampt
dem juͤdiſchen Prieſterthum und Reiche ſolten abgethan/ und
durchs Evangelium ein neue Welt angericht werden/ daß
hinfort nicht allein die Juden/ ſondern alle Voͤlcker auff Er-
den ſolten Gottes Volck heiſſen und ſeyn. Diß neue Reich
ſolte nu Johannes anfahen/ GOtt hat ihme den Befehl ge-
geben/ und das Ampt zu predigen und zu taͤuffen ihm auff-
gelegt/ wie Lucas der Evangeliſt mit vielen Worten anzei-
get:
[241]Predigt.
get: Es ſeye deß HErꝛn Wort geſchehen zu Joanne dem
Sohn Zacharie/ der macht die Enderung. An ihme hoͤret
das Alte Teſtament auff/ und faͤhet ſich das Neue an/ er
prediget nicht mehr das Geſetze Moſi/ ſondern lehret von
der Gnade/ die durch Chriſtum kommen ſolte/ darauff er bal-
de eine Tauffe anrichtet/ denn es war etwas neues und groſſes
vorhanden/ welches die Juden gar ſehr verdroß. Es ſtun-
den die Juden hart und feſte darauff/ ruͤhmeten auch gar
herꝛlich und ſprachen: Wir ſind AbrahæSamen/ Fleiſch
und Blut/item,Gottes Volck/ dem GOtt verheiſſen hat
denMeſſiam,und zum Wahrzeichen/ ſo haben wir das Geſetz/
Moſen/ die Propheten/ den Tempel/ die heilige Stadt/
den Gottesdienſt/ von GOtt durch Moſen geſtifftet und
geordnet/ die Beſchneidung/ wohnen auch im Lande Ca-
naan/ das GOtt unſern Vaͤtern und uns ihren Nachkom-
men verheiſſen hat/ darinnen ewiglich zu wohnen.Item,
hatten groſſe Herꝛligkeit/ dergleichen kein Volck auff Erden
nie gehabt/ wolten derhalben alleine Gottes Volck ſeyn/ die
da ſelig wuͤrden/ und ſonſt niemand/ ſie wuͤrden dann zuvor
Judengenoſſen. Dieſen Wahn und Ruhm/ darauff die Ju-
den nun funffzehen hundert Jahre geſtanden ſind und noch
ſtehen/ wolte GOtt zur ſelbigen Zeit endern und zu Boden
ſtoſſen/ Chriſtus wolte ihnen die Ehre und Herꝛligkeit neh-
men/ ſpricht/ daß dieſes alles (droben erzehlet) laͤnger nicht
hat waͤhren ſollen/ denn biß auff Johannem/ da ſolt es ein
Ende haben: Vnd ſolte dagegen anfahen das ewige ſelige
Reich Chriſti/ davon der ander Pſalm ſinget: Heiſche
von mir/ ſo wil ich dir die Heyden zum Erbe geben/ und
der Welt Ende zum Eigenthum. Daß nun hinfoͤrder nicht
die Juden allein/ die ein klein gering Haͤufflein waren/ ge-
gen allen Voͤlckern auff Erden zu rechnen/ und einen klei-
nen engen Winckel in Judea inne hatten; Sondern/ wie zu-
vor/ auch alle Heyden Gottes Volck ſeyn ſolten/ und alſo das
Reich Chriſti durch das Evangelium gepflantzet und außge-
breitet werden in aller Welt/ darinnen Chriſtus Koͤnig und
HErꝛ waͤre.
Et mox Luth. ibid. fac. 2. ſic pergit: Einer auß den Rabinen hat geſchrie-
ben/ daß zur Zeit Meſſiæ Hieruſalem ſo weit/ breit und lang ſeyn ſolte/ daß
Achter Theil. H hſeine
[242]Die dritte
ſeine Mauren reichen ſolten biß an der Welt Ende/ ſo herꝛlich groß ſolte die
Stadt ſeyn. Aber wie iſt das muͤglich/ daß die gantze Welt ein einige Stadt
ſolt werden? Es muͤſſen ja Baͤche/ groſſe und kleine Waſſer/ Waͤlde/ Felder/
Aecker/ Awen/ Gaͤrten/ Wieſen/ Berge und Thal ꝛc. ſeyn/ wo wolten ſonſt die
Leute Speiſe/ Kleydung und allerley/ ſo zu Erhaltung dieſes zeitlichen Lebens
dienet/ nehmen? Woher und wo von ſolte das Viehe leben/ wann nicht Graß
und allerley Fuͤtterung jaͤhrlich wuͤchſen? ꝛc. Darum hats die Meynung
nicht/ daß das leibliche Hieruſalem ſo groß ſolte werden/ welches 40 Jahr
nach der Aufferſtehung Chriſti alſo zerriſſen und geſchleifft ward durch die Roͤ-
mer/ daß kein Stein auff dem andern bliebe/ ligt auch noch in der Aſchen-
Sondern das geiſtliche Hieruſalem/ das iſt/ das Reich Chriſti/ ſolte außge-
breitet werden in alle Welt durchs Evangelium (welches erſtlich auß dem leib-
lichen Hieruſalem außgangen iſt/ Eſa. 2. Micheæ 4.) das iſt auch geſchehen/
daß das Evangelium iſt gepredigt/ und dadurch das Reich Chriſti ſehr groß er-
bauet/ an allen Orten unter dem Himmel/ daß es nu langet und reichet biß an der
Welt Ende. Darinnen wir auch durch Gottes Gnade und Barmhertzigkeit
Buͤrger ſind und wohnen haben die Biblia/ hoͤren das ſelige Evangelium Chri-
ſti/ und heiſſen Chriſten von ihm/ ſind ſeine Bruͤder/ und aller ſeiner ewigen
him̃liſchen Guͤter Mit-Erben: Jn ſolchen him̃liſchen Mauren der Stadt Jeru-
ſalem wohnen wir auch/ und ſind alle Staͤdte auch hinein-geſchloſſen/ die da
Gottes Wort hoͤren und haben daſſelbige Buͤrger-Recht. \& poſt pauca ibid. Das
wolte aber den Juden nicht eingehen/ ſondern ſtunden hart darauff/ daß das irꝛ-
diſche Hieruſalem ſolte deß Meſſiæ Sitz und Wohnung ſeyn. Wie denn die Apo-
ſtel ſelbſt noch in dem fleiſchlichen Wahn ſteckten/ nachdem Chriſtus allbereit vom
Tode aufferſtanden war/ als wuͤrde der Meſſias ein weltlich Reich haben/ und
wenn er keme/ ſo wuͤrde er mit groſſer Pracht und Herꝛligkeit kommen/ als ein
Kaͤyſer/ und alle Welt unter ſich zwingen mit Gewalt/ und auß den Juden
eitel Fuͤrſten und Herren/ und auß den Heyden lauter Knechte machen. Alſo
verſtunden ſie die Spruͤche in den Propheten/ die von dem Reich Chriſti gantz
herꝛlich weiſſagten. Wie ſie ſich denn noch zur Zeit unterein ander troͤſten und
ermahnen/ ſagende: Lieben Bruͤder harret auff den Meſſiam/ der wird gewiß-
lich kommen/ wie er uns verheiſſen iſt/ und das alt Hieruſalem wieder bauen/
das Geſetz/ Prieſterthum/ Tempel/ Gottesdienſt von neuem anrichten ꝛc. wol-
len alſo daß Reich Meſſiæ ſpannen und binden an das irꝛdiſche Hieruſalem/ da-
rinn er wohnen ſol/ auß demſelbigen die Juden in alle Welt ſenden/ die zu groſ-
ſen Herren zu Rom/ Babylon/ Conſtantinopel ꝛc. machen/ daß ſie allda herꝛ-
ſchen ſollen/ Schaͤtze/ Gold und Silbergen Jeruſalem bringen/ welches ihres
Meſſiæ (wie ſie traͤumen) deß großmaͤchtigſten Koͤnigs und Herrn uͤber alle
Welt/ Hofflager ſeyn ſol/ und er da ein herꝛlich Frauen-Zimmer haben/ laut
deß 45. Pſalms. Da ſol er ſitzen/ wie vorzeiten Salomon/ die Juden daſelbſt
ab- und zu reiten/ Zoll/ Zinß und Schoß allenthalben von Heyden einbringen.
Alſo wolten ſie es haben/ und kehreten ſich nichts dran/ daß auch geſchrieben
ſtunde mit klaren Worten/ Meſſias ſolt leyden und ſterben: Wie ſie denn noch
verharren in dem Wahn und Aberglauben nun biß in das funffzehen hundert
Jahr/ und haben indeß kein Zeichen von GOtt gehabt/ daß er ſich ihrer haͤtte
angenommen/ und ſie auß ihrer Feinde Gewalt errettet wie zuvor/ ſondern
Hieruſalem ſampt dem Tempel iſt nun zerſtoͤret/ und ſie haben ſint der Zeit kei-
nen
[243]Predigt.
nen Propheten gehabt. GOtt laͤſſet ſie ſitzen/ ohn allen Troſt verlaſſen/ noch
hilffts nicht/ je haͤrter ſie GOtt ſtrafft/ je verſtockter werden ſie/ und troͤſten ſich
noch immer damit/ daß ſie Abrahams Samen und Gottes Volck ſind. Biß-
her abermahl D. Luth.
Gleichwie nun dieſer Vortrag der qualitaͤten und Eigenſchafften
deß Reichs Chriſti in unſern Hertzen anzuͤndet ein helles Liecht/ da-
durch wir verſtehen lernen/ Theils die rechte Art und Bewandtnuͤß deß
Reichs Chriſti/ daß es zwar ein rechtes und warhafftes Reich ſey/ ein
Reich/ wie Chriſtus unter Pilato bekennet/ der veritaͤt und nicht der
vanitaͤt; Keln Traum-Reich/ wie das guͤldene Bild/ welches dem Koͤ-
nig Nebucadnezar im Schlaff erſchienen; Weniger ein bloſſes Schema,
und phantaſtiſches/ utopiſches/ blos eingebildetes ideal-Reich/ derglei-
chen der Sathan dem HErꝛn Chriſto auff dem Berg in einem Hui und
Augenblick oſtentirt und in der Lufft fuͤrgemahlt: Sondern/ wie geſagt/
ein wahr- und ſtandhafftes Reich/ mit jetztbemelten qualitaͤten afficirt/
ein geiſtliches/ unſichtbares/ unter dem Creutz verborgenes/ wallendes/
immer ſtreitendes Reich/ kein aureum ſeculum und guͤldene Gluͤck-
zeit/ davon den alten und neuen Chiliaſten getraͤumet/ welche prophe-
zeyen/ daß Chriſtus/ nachdem der Antichriſt vertilget/ und alle Ju-
den bekehrt/ der Sathan mit Ketten auff 1000. Jahr angebunden wor-
den/ vor dem juͤngſten Tag wider werde auff die Welt kom̃en/ die Gottloſen
alle mit einander/ die auff der Erden ſeynd/ vertilgen/ die glaubige verſtor-
bene/ ſonderlich die heilige Maͤrtyrer/ wiederum aufferwecken/ und mit ih-
nen uñ denen/ ſo noch lebendig ſeynd/ ein irrdiſch/ leiblich/ ſichtbarlich Reich
auff Erden auffrichten/ mit ihnen darinnen in allerley leiblichen Wolluͤſtẽ
leben und regiren tauſend Jahr/ und wañ die tauſend Jahr vollendet/ da
werde dann erſt der juͤngſte Tag kom̃en/ und die allgemeine Aufferſtehung
von den Todten erfolgen. Vorzeiten ſind in deren Meynung geweſen die
Widertaͤuffer/ ſo im 17. Artickel der Augſpurgiſchen Confeſſion deßwe-(*) vid
Wigelian.
Poſtill.
part. 1.
p. 232.
(α) quorũ
verba cita-
ta ſunt in
Hod. Calv.
p. 3328.
(β) Lib. 7.
cap. 24.
gen verdamt/ ſonderlich die zu Muͤnſter Anno 1535. die Wigelianer (*)/
unter den Reformirten Piſcator, Alſtedius (α), ſampt andern Schwaͤr-
mern/ Paracelſiſten und Roſen-Creutzern/ deren Bau auff lauter Sand
ſtehet/ auff etlich Apoſtoliſche traditionen, darauff ſich Papias, ſo der erſte
Verfuͤhrer deren unter den Kirchen-Vaͤtern geweßt/ beruffen; Auff der
Sybillen Weiſſagung/ darauff ſich Lactantius (β) gezogen; Auff der
Poëten Carmina, auff welche andere geſehen; auff ſonderbare Offen-
bahrungen/ Eingebungen/ Goͤttlichen Beruff; Auff Traͤume/ Geſichte/
himmliſche apparentzen; Auff etliche Apocalyptiſche Zahlen/ die ſie doch
H h 2jaͤm-
[244]Die dritte
jaͤmmerlich durch einander trianguliren/ quadrandiren/ drehen/ daͤh-
nen/ zerren/ einer ſo/ der ander ſo/ ohn einige beſtaͤndige Gewißheit; auff
narrichte allegorien, nichtige conſequentzen/ ſo mit einander anders
nichts ſeynd/ als Sandſaͤule und hoͤltzerne Falleyſen/ wie auß ihren
Schrifften offenbar. Welch Chriſtlich Hertz wil aber hierauff ſeinen
Glauben bauen und gruͤnden/ weil je die wider die Schrifft/ ungewiß/
poëtiſche Gedicht/ betruͤglich/ nichtig/ und mit einem Wort/ ein recht
Fabel-Werck/ wie es Hieronymus nennet/ ſo da ſtracks ſtreitet wider die
Art deß Reichs Chriſti/ Mein Reich/ ſpricht Chriſtus Joh. 18. iſt
nicht von dieſer Welt: Welches Zeugnuͤß Paulus 1. Tim. 6. nen-
net/ τὸν καλὴν ὁμολογίαν, ein gut Bekaͤndnuͤß/ ſein Reich ſey inn-
wendig Pſal. 45. beſtehe nicht im Eſſen und Trincken Rom. 14. es
komme nicht mit euſſerlichen Geberden Luc. 17. Es ſey ein ewi-
ges Reich ohn Ende Dan. 7. Luc. 1. Gottes Wort mahlt uns den Zu-
Hiob. 7.ſtand der Heiligen viel anders fuͤr/ daß ſie nemlich auff dieſer Welt im-
mer muͤſſen im Streit ſeyn/ viel Truͤbſal außſtehen/ weinen und heulen
Joh. 16. Und ſolches wird ſeyn am ende der Welt Matth. 24. Jhr
Freud aber werd ſeyn/ wo? Auff Erden? O Nein! Wann gleich der
Sathan angebunden wuͤrde/ und dazu die Kirch von euſſerlichen Fein-
den geſichert/ dennoch innerhalb wuͤrde das ſuͤndliche Fleiſch und Blut
nicht feyren: Sondern im Himmel Matth. 5. Gottes Wort berichtet
auch/ daß in der naͤchſten Zukunfft deß HErꝛn/ (deren prognoſtica ſich
jetzt ſchon erzeigen/ und in anſehen derſelben Chriſtus uns erinnert Luc.
21/ 28. Wann dieſes anfaͤhet zu geſchehen/ ſo ſehet auff/
und hebet euere Haͤupter auff/ darum daß ſich euere Erloͤ-
ſung nahet: Und Marc. 13/ 23. Wenn ihr ſehet daß ſolches ge-
ſchicht/ ſo wiſſet/ daß es nahe fuͤr der Thuͤr iſt.) allererſt die
Glaubigen ſollen aufferweckt werden/ nemlich am juͤngſten Tag Joh. 6/
39. da die Himmel vom Feuer zergehen werden mit groſſem
Krachen/ die Element fuͤr Hitze zerſchmeltzen/ und die Erd/
und die Werck/ die drinnen ſind verbrennen/ 2. Pet. 3. Wo
ſolten dann die Heiligen auff der Welt regiren? Um deß Willen ſich
unſere heutige ſyncretiſche Irenici ſo ſehr bewerben/ und alsdann aller-
erſt ihren Zweck gewinnen werden/ wann ſie dem Spruch Gen. 3, 15. Jch
wil Feindſchafft ſetzen ꝛc. werden die Augen außgekratzt haben. Rech-
te Chriſten ſind Exulanten und Frembdling in der Welt/ der Sathan
kan ſie nicht leiden/ ſie muͤſſen immer ſtreiten/ hie wider die Reitzungen der
falſchen gifftigen irrigen Lehrer/ dort wider das ſuͤndliche Leben; Sathan
heißt
[245]Predigt.
heißt ein Fuͤrſt dieſer Welt/ welche iſt (*) ein Reich der Suͤnde und(*) Sunt
verba Lu-
theri
Tom. 6.
Witteb.
p. 40.
Ungehorſam. Das ſol aber den frommen gar ein groſſes
Elend und Gefaͤngnuͤß ſeyn/ wie dennfiguriret iſt vorzeiten
durch die Kinder von Jſrael in Egypten/ die da mußten daſ-
ſelb Land mit groſſer Arbeit und Jammer bauen/ und doch
nichts davon haͤtten/ denn daß man ſie dadurch zu toͤdten
gedacht: Alſo wer dem Teuffel unterthan dienet in Suͤn-
den/ muß viel leiden/ ſonderlich im Gewiſſen/ und doch zu
letzt den ewigen Tod damit verdienet. Nu ſind wir alle in
dieſem Reich/ alſo lang biß das Reich Gottes kommet/ doch
mit Vnterſcheid. Denn die Frommen ſind alſo darinn/
daß ſie taͤglich mit den Suͤnden fechten/ und deß Fleiſches
Luſt/ der Welt Reitzen/ deß Teuffels Eingeben/ ſtetig und
feſtiglich widerſtreben: Denn wie fromm wir ſeynd/ ſo wil
doch je die boͤſe Luſt in uns mitherꝛſchen/ und wolt gern al-
leine herꝛſchen und uͤberhand haben. Alſo fichtet Gottes
Reich mit deß Teuffels Reich ohn unterlaß/ und dieſelben
werden darum behalten und ſelig/ daß ſie alſo in ihnen ſtrei-
ten wider deß Teuffels Reich/ um Gottes Reich Willen zu
vermehren.
Endlich aber folgt der Sieg nach dem Krieg: Die Chriſtliche
Kirch (ſind abermahl Lutheri (α) Gedancken/ uͤber die Wort Michæ 5.(α) Tom. 8.
Witteb.
pag. 499.
fac. 2.
Ja die uͤbrigen auß Jacob werden unter den Heyden bey vielen Voͤlckern
ſeyn/ wie ein Loͤwe unter den Thieren im Wald/ wie ein junger Loͤwe ꝛc.)
ligt gleichwie der arme Lazarus fuͤr deß Reichen Thuͤr in
groſſer Verachtung/ Haß/ Armuth/ in der hoͤchſten Gefahr
und Elend. Wenn nun die Chriſten anſehen ſolches alles/
und betrachten es nach Menſchlichem Gutduͤncken/ ſo ach-
ten ſie es nicht anders/ denn die Chriſtliche Kirche werde zu
truͤmmern gehen. Denn wie kan ſo ein klein Haͤufflin ſo
viel Feinden/ der Welt/ und allen Teufflen gleichen Wider-
ſtand thun. Aber der Prophet troͤſtet uns/ es werde kom-
men/ daß die Chriſtliche Kirche den Sieg erlange/ wie der
Loͤwe unter den andern wilden Thieren/ und wie ein junger
Loͤw unter den Schafen. Dieſer Sieg und Triumph wird
nicht zuwegen gebracht Menſchlicher Weiſe/ denn daſelbſt
gewinnet/ der da ſtaͤrcker iſt/ und ſeinen Widerſacher ver-
mag zu daͤmpffen. Aber weil die Chriſtliche Kirche wird im
H h 3Schein
[246]Die dritte
Schein uͤberwunden/ erlanget ſie den Sieg/ nicht mit Waf-
fen oder Menſchlicher Macht/ ſondern in der Herꝛligkeit
deß Namens ihres Gottes/ das iſt/ in dem Worte/ das da
allmaͤchtig iſt/ und ewig bleibet.
Auch wird ſie ein Himmelveſtes beſtaͤndiges Reich ſeyn und bleiben. Die
Roͤmer vorzeiten praleten auch mit der æternitaͤt ihres Reichs/ lieſſen ſich
vid. Chri-
ſteid. Act. 1.
p. 544. ſq.
conf. Ba-
ron. ann.
169. n. 9.
Luther.
Tom. 1.
Isleb.
p. 421. ſq.bereden/ Rom und das Roͤmiſche Reich koͤnne und werde nim̃ermehr un-
tergehen/ war ihnen deßwegen nicht zu leiden/ wann die Chriſten immer
und immer von ihrem neuen Chriſt-Reich redeten/ das war ihnen ver-
daͤchtig// lieſſen ſich beduncken/ Sie die Chriſten giengen mit einer Empoͤ-
rund oder Auffruhr ſchwanger. Sie haben ein Glock gehoͤrt/ aber nicht ge-
wußt in welchem Dorff. Wahr iſt es/ das Roͤmiſch Reich ſolte ein unuͤber-
wuͤndlich und daurhafftes Reich ſeyn/ und waͤhren (wiewol zu letſt in groſ-
ſer Schwachheit) biß an juͤngſten Tag/ laut der Prophetiſchen Weiſſagung
Danielis; Aber wann am letſten Tag alle Welt-Reich werden vergehen/
wie die Waſſer-Blaſen/ verſchwinden und zu nicht werden; Da wird unſer
Chriſten-Reich erſt recht angehen/ floriren uñ leuchten im̃er und ewiglich.
Theils aber auch erkennen lernen den groſſen Unterſcheid zwi-
ſchen dem allerſeligſten Reich Chriſti/ und andern Welt-Reichen.
Wir bekennen auch in der Augſpurgiſchen Confeſſion Artic. 14. Ein
Kirchen-Regiment/ nicht ein bloſe lautere Kirchen-ſervitut, Kirchen-
Sclaverey/ eines jeden Welt-Herꝛn Fuß-Tuch/ ſondern ein real- und
warhafftiges Regiment/ das ſeinen Koͤnig hat/ deſſen regalia, Gerechtig-
keiten/ Scepter/ Schwerd/ Statuta, Ampt-Leuthe (ἡγούμενοι προεςώτες,
das iſt/ Fuͤrſteher. 1. Tim. 5, 17.) und Zweck hat: Nicht aber ein
weltliches Gnad. herꝛliches/ nicht ein Papſt-Monarchiſches/ viel weni-
ger ein Sathaniſch-Tyranniſches/ ſondern ein geiſtliches Regiment/
nach der Form deß Reichs Chriſti abgemeſſen: wie dieſes geiſtlich iſt/
alſo iſt auch das Regiment geiſtlich/ daß der Gewalt der Kirchen-Die-
ner ſeye nicht weltlich/ ſondern geiſtlich/ und beſtehe darinn/ daß die
Lehrer und Prediger in der Kirchen auß Gottes Befehl und Ordnung
das Evangelium predigen/ Buß und Vergebung der Suͤnden verkuͤndi-
gen/ den bußfertigen Suͤndern an Gottes Statt und auß ſeinem Be-
felch die Suͤnde vergeben/ den Unbußfertigen aber auß gleichem Be-
felch und Ordnung ihre Suͤnden vorbehalten/ daß ſie im Namen Got-
tes deß Vaters/ deß Sohns und deß H. Geiſts die Kinder tauffen/ die
Chriſten communiciren/ und denſelben das hochwuͤrdige Abendmahl
reichen/ die unbußfertige laſterhaffte Suͤnder excommuniciren/ und
vom
[247]Predigt.
vom Tiſch deß HErꝛn abmahnen/ als die kein Theil am Reich Gottes
haben 1. Cor. 6. Gal. 5. Und ſich ins gemein auch ſonſt befleiſſigen/ daß1. Cor. 6, 9.
10.
Gal. 5, 19.
20. 21.
1. Cor. 14,
40.
es in der Kirchen Gottes allenthalben ἐυ [...]ημόνω [...] κατὰ τάξιν, ehrlich
und ordentlich zugehe/ wie St. Paulus erfordert 1. Cor. 14. darauß gu-
ter Maſſen abzunehmen/ was zwiſchen dem weltlichen und dem geiſtlichen
Regiment fuͤr ein Unterſchied ſey. Dann das weltliche Regiment hat
zu thun mit weltlichen Haͤndlen/ was deß Menſchen Hab und Gut/ Weib
und Kinder/ Leib und Leben anbelanget: Das geiſtliche Regiment aber
hat zu thun mit geiſtlichen Sachen/ was die Seel und das Gewiſſen be-
trifft. Darum es kein Land/ Stadt oder Hauß-Regiment/ ſondern ein
Kirchen-Regiment genennet wird.
Die Welt iſt (ita Lutherus Tom. 4. Witr. pag. 335.) ein Reich der Vnge-
rechtigkeit/ Blutdheit/ Jrrthumbs/ Suͤnden/ Todts/ Gottslaͤſterung/ Verzweif-
felung und ewiger Verdamnuͤß. Kurtz/ ſie iſt deß Teuffels Reich. Vnd dage-
gen iſt das Reich Chriſti/ ein Reich der Gerechtigkeit/ Liechtes/ Gnaden/ der
Vergebung der Suͤnden/ Friedes/ Troſtes/ ewigen Lebens und Seligkeit.
Alſo reitzet und treibet/ ja ſol uns reitzen und treiben dieſer Vortrag/
zuvorderſt zu kluger reflexion und Beſinnung/ ob wir auch in dieſem
Reich Chriſti ſeyen oder nicht? Das Reich Gottes iſt nicht auß/ ſondern
in uns Luc. 17. im Hertzen. Der euſſerliche Glaſt einer ſonderbaren
Geiſtligkeit und Zierath von geiſtlichen Ampts. Gaben/ macht das Hertz
nicht gewiß/ es kan ein Liecht/ Kleyd oder Larv ſeyn/ darunter ſich der
ſchwartze hoͤlliſche Geiſt verbirget. Es ſind (ſchreibt Lutherus (*)) auch(*) Tom.
4. Witteb.
p. 434.
alle Gaben/ ſo du haſt ohne Glauben/ ſie ſeyen nu geiſtlich
oder leiblich/ als da iſt/ Weißheit/ Verſtand der Schrifft/
mancherley Sprachen/ euſſerliche Gerechtigkeit und Heilig-
keit/ Geſchickligkeit zu reden/ Gewalt/ Schoͤnheit/ Reich-
thum/ und dergleichen/ nichts anders/ deñ ein rechter Werck-
zeuge der teuffliſchen und hoͤlliſchen Tyranney/ damit du
dem Sathan dienen/ und ſein Reich foͤrdern und mehren
muſt. Je weiſer und froͤmmer du biſt ohn Erkandnuͤß und
Glauben Chriſti/ je hefftiger du verfolgeſt die rechte Lehre/
laͤſterſt und verdammeſt ſie fuͤr Kaͤtzerey und Teuffels-Luͤgen.
Nimbſt dagegen Jrrthum und Luͤgen an/ fuͤr Gottes Wort/
und verfechteſt ſie fuͤr Warheit/ haſſeſt und wirſt von Her-
tzen feind alle denen/ ſo Gottes Wort rein lehren/ hoͤren und
bekennen/ ja verdampft ſie als Verfuͤhrer und Kaͤtzer/ und
meyneſt du thuſt recht und wol daran.
Groſſer Kirchen-Pracht/ damit die rothe Dam von Babylon pranget/
und mit ihrem Spiegel der euſſerlichen Heiligkeit/ einen groſſen Theil der
Welt geblendet und verzaubert/ ſol uns vielmehr ſuſpect und verdaͤchtig
ſeyn/ als anmuthig vorkommen/ und bedencken daß das Himmelreich
komme/ erſcheine und zeige/ nicht wie Berenice μετὰ πολλῆς φαντασίας,
mit vielem euſſerlichen Gepraͤng/ Gefeſt/ ceremonien, Pompen; Son-
dern ἄνευ παϱατηϱήσεως nicht mit euſſerlichen Geberden. Jener Par-
meno (beym Terentio (α)) gibt den albern Juͤnlingen eine feine Lehr/
(α) Terent. in Eunuch. Act. 5. ſcen. 4.—— Quomodo adoleſcentulusMeretricum ingenia \& mores poſſet noſcere,Maturè ut cum cognoverſt, perpetuò oderit.Quæ dum foris ſunt, nihil videtur mundius,Nec magis compoſitum quicquam, nec magis elegans,Quæ, cum amatore ſuo cum cœnant, liguriunt.Harum videre ingluviem, ſordes, inopiam,Quàm inhoneſtæ ſolæ ſint domi, atque avidæ cibi,Quo pacto ex jure heſterno panem atrum vorent.Noſſe omnia hæc, ſalus eſt adoleſcentulis.
Damit ſie ſich von unzuͤchtigen Huren nicht moͤgen verleiten laſſen/ ſollen
ſie ſich nicht am euſſerlichen glatten Spiegel/ Geſtalt/ und Kleyder-
Pracht vergaffen/ ſondern bedencken/ was fuͤr ein garſtiger Wuſt und
Unluſt darunter verborgen liege. Jſt eine Lehr/ die uns allen giltet/ da-
mit man ſich auch an der rothen Hur zu Babylon nicht vergaffe und ver-
fuͤhren laſſe. Jm gegentheil aber uns nicht aͤrgern an dem euſſerlich-
armen verachteten dunckeln Reich Chriſti/ und ja nicht die Weiſſagung
wahr machen/ daß ſich ab Chriſto und ſeinem Reich viel werden aͤrgern/
(*) Tom. 5.
Witteb.
in h. l.
p. 288.Eſa. 53. Das Wort (ſpricht Lutherus (*)) das er hie gebraucht/
ſich aͤrgeren/ heißt eigentlich ſich alſo ſtellen/ als gegen ei-
nem Ding/ darob man einen Eckel und Grauen hat. Maſ-
ſen dann die Stoltzen unter dem Papſtthum/ wenn ſie bey unſerer Luthe-
riſchen Kirchen-religion, und dero ceremonien, keinen ſonderbaren
euſſerlichen Glantz ſehen/ ſagen/ es ſeye die Lutheriſche religion eine ab-
geſchmackte Religion.
Wie? Moͤcht jemand ſagen/ iſt denn die Kirch Chriſti ein Banck-
oder Winckel-Kirch? Wie zwar Gegentheil laͤſtert/ der Jeſuit Sche-
rer in einer paſſions-Predigt pag. 133. Jhr (der Lutheraner) Kirch war
mit einer Nebelkappen angezogen/ ihr Evangelium war ein
Banck-Evangelium/ ihr Wort war ein Liecht einer finſtern
Latern
[249]Predigt.
Latern unter die Boͤtting oder Metzen geſetzt/ ihrePrædican-
tenwaren Winckel-Prædicanten; ubi angulus, ibi ſordes,wo
ein Winckel iſt/ da wirfft man gemeiniglich allen Vnflath
hin/ da muſtu das reine Evangelium nicht ſuchen/ gleichwie
auch nicht unter den Baͤncken/ denn da findeſtu ehe Maͤuß
und Ratten/ und alle Vnſauberkeiten/ als das purlauter
Wort Gottes: Die rechte Kirch laͤßt ſich in kein Winckel ein-
ſperren/ oder verdunckeln. Alſo redet Scherer: Antwort:
Wie aber und wo war die Kirch Noah? War es nicht ein wincklicher
Kaſten? Wo ſtacken die Propheten zur Zeit Eliæ/ die Obadias verpflegt?
Jn der Hoͤlen; Wo das vom Drachen verfolgte und verjagte Weib?
Jn der Wuͤſten; Darum Mittelſtraß die beſte! das Reich Chriſti iſt
kein Roͤmiſch/ Venetianiſch/ weltlich Pracht-Reich/ aber auch nicht
allzeit ein Winckel- und Wuͤſten-Reich: Sondern ſie erſcheinet in ihrem
Jungfraͤulichen erbaren Ehrenſchmuck wiewol ſie bißweilen gleich dem
Mond verfinſtert wird. Jhr Schmuck iſt inwendig/ mit herꝛlichen ſchoͤ-
nen Worten wird der Schmuck der geiſtlichen Braut in Davids Braut-
Lied/ Pſalm. 45. gezieret: Aber (ita Lutherus (*)) wenn du deine(*) Tom. 3.
Witteb.
pag. 36.
f. 2.
Augen und Ohren frageſt/ ſo werden ſie viel anders ſagen.
Denn die Kirche in der Welt iſt nicht ein Geruch deß Lebens/
welcher Vnehre und Tod zu Lohn wird/ alſo daß ſie kein
Freude/ ſondern lauter Schwermuth und Hertzleyd/
Schwachheit/ Verzweifflung/ in Summa/ auſſerhalb
Schwert und Verfolgung/ inwendig Furcht und Angſt
hat/ das iſt der Schmuck und die Geſtalt der Kirchen/ wenn
du ſie von auſſen anſehen wilt/ ſo iſt ſie alſo geſtalt/ daß du
nichts/ denn Tod und Hoͤll an ihr ſehen kanſt. Dagegen
laͤßt ſich die Welt anſehen/ als ein Paradiß und koͤſtlicher
Luſt-Garten/ da eitel Ehre und Freude innen iſt. Wider
ſolche graͤuliche Geſtalt und erſchroͤckliche Ergernuͤß/ iſt diß
Lob deß H. Geiſts von noͤthen/ daß die Kirche nach Myrꝛhen
Aloes und Kezia rieche. Denn alles das/ was an der Kir-
chen iſt/ wird allzuſchaͤndlich verſpeyet/ gelaͤſtert und ver-
flucht/ darum iſt dieſer Vers allerding geiſtlich/ dein Kley-
der ſind eitel Myrꝛhen ꝛc. So verhalt ſichs auch mit dem Ergernuͤß/
auß Mangel der euſſerlichen felicitaͤt/ Gluͤck und vollauff. Es ſind der
Leuth viel/ welche wañ ein wenig ſchwere Jahr und Zeiten vorgehen/ daß
etwan Mangel an Eſſen/ Trincken/ Wein/ Brodt/ Fleiſch ꝛc. vorfaͤllet/ al-
Achter Theil. J iſobald
[250]Die dritte
ſobald an die Fleiſch-Toͤpffen im Papſtthum gedencken/ doͤrffen wol ſagen
und klagen/ ich hab von meinem Vater und Großvater gehoͤrt/ daß vorzei-
ten alles in dem Papſtthum von Eſſen und Trincken ꝛc. alles vollauff/
und alſo ein guldene Zeit geweſen: Aber ſeit D. Luther auffkommen/ ſo
findet ſich allenthalben Mangel/ man findet weder Wachtelen noch Fleiſch
mehr. Aber es iſt diß ein rechte Egyptiſche Fleiſchtoͤpfferey/ ſo Gotts-
laͤſterlich und falſch. Dann einmal die Brodtfuͤlle und Fleiſchtoͤpffen
machen nicht Gottes Volck/ wahre Kirch und rechten Glauben/ ſonſt haͤt-
ten die Juden/ als ſie auſſer Egypten in der Wuͤſten Sin waren/ nicht
koͤnnen Gottes Volck und die wahre Kirch ſeyn/ noch den rechten Glau-
ben haben; Die Egypter aber im Gegentheil haͤtten muͤſſen Gottes Volck
ſeyn/ und den rechten Glauben haben/ dann die hatten auch vollauff. Was
iſt aber ungereimter als diß? Die Brodfuͤlle und Fleiſchtoͤpffen gehoͤren
in Egypten/ und haben ſolche gemeiniglich die Gottloſe/ wie zu ſehen Job.
21. Pſal. 37. Jerem. 12. Habac. 1. Aber die Frommen ſind gemeinig-
lich in dem wilden wuͤſten Dornbuſch Sin/ wie zu ſehen Joh. 16/20.
Act. 14, 22. \&c. Und ſo iſts gangen weil die Kirch auff der Welt gewe-
ſen/ gehet auch noch ſo/ und wird ſo gehen/ ſo lang ſie auff der Welt ſeyn
wird/ ſo lang die Welt ſeyn wird.
Wir muͤſſen (ſic optimè, ut ſemper, Lutherus Tom. 6. Witteb. p. 594.)
die Adams-Kinder und alle Menſchen theilen in zwey Theil/ die erſten zum Reich
Gottes/ die andern zum Reich der Welt. Die zum Reich Gottes gehoͤren/ das
ſind alle Rechtglaubigen in Chriſto und unter Chriſto. Nu ſihe/ dieſe Leuth doͤrf-
fen keines weltlichen Schwerts/ noch Rechts/ und wenn alle Welt rechte Chri-
ſten (das iſt) Rechtglaubigen weren/ ſo were kein Fuͤrſt/ Koͤnig/ Herꝛ/ Schwerd
noch Recht noth oder nuͤtze. Denn wozu ſolts ihnen? Dieweil ſie den heili-
gen Geiſt im Hertzen haben/ der ſie lehret und macht/ daß ſie niemand unrecht
thun/ jederman lieben/ von ſederman gerne und froͤlich unrecht leyden/ auch
den Tod. Wo eitel unrecht leyden/ und eitel recht thun iſt/ da iſt kein Zanck/
Hader/ Gericht/ Richter/ Straff/ Recht noch Schwerd noth. Darum iſts
unmuͤglich/ daß unter den Chriſten ſolte weltlich Schwerd und Recht zu
ſchaffen finden: Sintemal ſie viel mehr thun von ihnen ſelbſt/ denn alle
Recht und Lehre fordern moͤgen/ gleichwie Paulus 1. Tim. 1. Dem Gerechten
iſt kein Geſetz gegeben/ ſondern den Vngerechten. Warum das? Darum
daß der Gerechte von ihm ſelbſt alles und mehr thut/ denn alle Recht forderen.
Aber die Vngerechten thun nichts rechts/ darum duͤrffen ſie deß Rechts/ das
ſie lehre/ zwinge/ und dringe wol zu thun. Ein guter Baum darff keiner Leh-
re noch Rechts/ daß er gute Fruͤchte trage/ ſondern ſein Natur gibts/ daß er
ohn alles Recht und Lehre traͤgt/ wie ſein Art iſt. Denn es ſolt mir gar ein naͤr-
riſcher Menſch ſeyn/ der einem Apffel-Baum ein Buch machte voll Geſaͤtz und
Rechts/ wie er ſolt Aepffel und nicht Dornen tragen/ ſo er daſſelb beſſer von
eigener Art thut/ denn ers mit allen Buͤchern beſchreiben und gebieten kan. Al-
ſo
[251]Predigt.
ſo ſind alle Chriſten durch den Geiſt und Glauben aller Ding genaturt/ daß ſie
wol und recht thun/ mehr denn man ſie mit allen Geſetzen treiben kan/ und duͤrf-
fen fuͤr ſich ſelbſt keins Geſetzes noch Rechts. Zum Reich der Welt/ oder unter das
Geſetz gehoͤren alle/ die nicht Chriſten ſind: Denn ſintemal wenig glauben/ und
das weniger Theil ſich haͤlt nach Chriſtlicher Art/ daß es nicht widerſtrebe dem
Vbel/ ja daß es nicht ſelbſt uͤbel thue/ hat GOtt denſelben/ auſſer dem Chriſtlichen
Stand und Gottes Reich/ ein ander Regiment verſchafft/ und ſie unter das
Schwert geworffen/ daß/ ob ſie gleich gerne wolten/ doch nicht thun koͤnnen ih-
re Boßheit/ und ob ſie es thun/ daß ſie es doch nicht ohne Furcht/ noch mit Friede
und Gluͤck thun moͤgen: gleichwie man ein wild boͤß Thier mit Ketten und Ban-
den faßt/ daß es nicht beiſſen noch reiſſen kan nach ſeiner Art/ wiewol es gerne
wolt/ deß doch ein zahm koͤrre Thier nicht bedarff/ ſondern ohn Ketten und Band
dennoch unſchaͤdlich iſt. Denn wo das nicht were/ ſintemal alle Welt boͤſe/
und unter tauſend kaum ein rechter Chriſt iſt/ wuͤrde eins das ander freſſen/ daß
niemand koͤnt Weib und Kind zihen/ ſich nehren und GOtt dienen/ damit die
Welt wuͤſte wuͤrde: Darum hat Gott die zwey Regiment verordnet/ das Geiſt-
liche/ welches Chriſten und fromme Leuth macht/ durch den H. Geiſt unter Chri-
ſto; Vnd das Weltlicht/ welchs den Vnchriſten und Boͤſen wehret/ daß ſie euſ-
ſerlich muͤſſen Fried halten/ und ſtill ſeyn ohn ihren Danck.
Wenn nun (ſic pergit Idem ibid p. 595. f. 1.) jemand wolt die Welt nach
dem Evangelis regiren/ und alle weltliche Recht und Schwert auffheben/ und
fuͤrgeben/ ſie weren alle getaufft und Chriſten/ unter welchen das Evangelion
wil kein Recht noch Schwert haben/ auch nicht noth iſt/ lieber rathe/ was wuͤr-
de derſelb machen? Er wuͤrde den wilden boͤſen Thieren die Band und Ketten
auffloͤſen/ daß ſie ſederman zuriſſen und zubiſſen/ und daneben fuͤrgeben/ es
weren feine/ zahme/ koͤrre Thierlein/ ich wuͤrde es aber an meinen Wunden wol
fuͤhlen: Alſo wuͤrden die Boͤſen unter dem Chriſtlichen Namen der Evangeli-
ſchen Freyheit mißbrauchen/ ihre Buͤberey treiben und ſagen/ ſie ſeyen Chriſten
und keinem Geſetz noch Schwert unterworffen/ wie jetzt ſchon etliche toben und
narren. Demſelben muͤßt man ſagen/ ja freylich iſts wahr/ daß Chriſten um ihr
ſelbſt willen keinem Recht noch Schwert unterthan ſind/ noch ſein beduͤrffen.
Aber ſihe zu/ und gib die Welt zuvor voll rechter Chriſten/ ehe du ſie Chriſtlich
und Evangeliſch regirſt/ das wirſtu aber nimmermehr thun/ denn die Welt und
die Menge iſt und bleibt Vnchriſten/ ob ſie gleich alle getaufft und Chriſten heiſ-
ſen. Aber die Chriſten wohnen (wie man ſpricht) fern voneinander/ darum
leidet ſichs in der Welt nicht/ daß ein Chriſtlich Regiment gemein werde uͤber
alle Welt/ ja noch uͤber ein Land oder groſſe Menge/ denn der Boͤſen ſind immer
viel mehr/ denn der Frommen: Darum ein gantz Land/ oder die Welt ſich unter-
winden mit dem Evangelio zu regiren/ das iſt eben/ als wenn ein Hirt in einen
Stall zuſammen thaͤte/ Woͤlff/ Loͤwen/ Adler/ Schaafe/ und ließ jegliches
frey unter dem andern gehen und ſpraͤche/ da weidet euch/ und ſeyd fromb
und friedſam untereinander/ der Stall ſtehet offen/ Weide habt ihr gnug/ und
Hund/ Keule doͤrfft ihr nicht foͤrchten. Hie wuͤrden die Schaf wol Friede hal-
ten/ und ſich friedlich alſo laſſen weiden und regiren/ aber ſie wuͤrden nicht lauge
leben/ noch kein Thier fuͤr dem andern bleiben. Darum muß man dieſe bey-
de Regiment mit Fleiß ſcheiden/ und beydes bleiben laſſen/ eins das fromb macht/
das ander das euſſerlich Friede ſchafft/ und boͤſen Wercken wehret/ keins iſt ohn
J i 2das
[252]Die dritte
das ander gnug in der Welt; Denn ohn Chriſtus geiſtlich Regiment kan nie-
mand fromb werden fuͤr GOtt durchs weltlich Regiment/ ſo gehet Chriſtus Re-
giment nicht uͤber alle Menſchen/ ſondern allezeit iſt der Chriſten am wenigſten/
und ſind mitten unter den Vnchriſten. Wo nu weltlich Regiment oder Geſetz
allein regirt/ da muß eitel Heucheley ſeyn/ wenns auch gleich Gottes Gebot
ſelber weren. Denn ohn den H. Geiſt im Hertzen/ wird niemand recht fromb/
er thue wie feine Werck er mag: Wo aber das geiſtlich Regiment allein regirt
uͤber Land und Leuthe/ da wird der Boßheit der Zaum loß/ und Raum gegeben
aller Buͤberey/ denn die gemeine Welt kans nicht annehmen noch verſtehen. Biß-
her Lutherus.
So? Daß wir dadurch uns anfriſten zum ſchuldigen Danck/ fuͤr
den hohen Uber-Roͤmiſchen Adel/ in welchen wir erhoben/ daß uns Chri-
ſtus errettet von dieſer gegenwaͤrtigen argen Welt Gal. 1/4. Er heißt
(*) ita D.
Luther.
in h. l.
Tom. 5.
Witteb.
pag. 333.
f. 2. p. 334.
f. 2.gegenwaͤrtige arge Welt (*) gegen der Welt/ ſo kommen
und ewig ſeyn wird. Darnach nennet er ſie auch arg dar-
um/ daß alles/ ſo in dieſer gegenwaͤrtigen Welt iſt/ deß
Teuffels Gewalt und Boßheit unterworffen iſt/ als dem der
drinn regiert und herꝛſchet/ als ihr gewaltiger Printz und
Gott. Daher ſie auch deß Teuffels Reich heiſſet/ denn ſie
erkennet GOtt nicht/ ja verachtet/ haſſet/ laͤſtert und
ſchaͤndet ihn/ und handelt ungehorſamlich wider alle ſein
Wort und Werck ꝛc. Jn ſolchem Reich ſind alle Adams-
Kinder/ und ſeinem Herꝛn und Koͤnige/ das iſt dem Teuf-
fel/ unterworffen.Et pag. 334. f. 2. pergit:St. Paulus die
Welt wol ein arge Welt nennen mag/ denn wo ſie am aller-
froͤmbſten und beſten ſeyn mag/ da iſt ſie am alleraͤrgſten.
Jn den werckheiligen/ vernuͤnfftigen und gelehrten Leuthen/
wil ſie am allerfroͤmbſten und beſten gebahren/ und iſt doch e-
ben daſelbſt zweyfaͤltig boͤß. Jch wil jetzt der groben fleiſch-
lichen Laſter/ ſo wider die ander Tafel gehen/ nicht geden-
cken/ darinn die Welt gantz und gar erſoffen iſt/ als da ſind
Vngehorſam gegen den Eltern und Oberkeit/ allerley Vn-
zucht/ Hurerey/ Ehebruch/ Geitz/ rauben/ ſtehlen/ verfor-
theilen/ ſcharren/ kratzen/ neiden/ haſſen/ liegen/ triegen/
morden/ hoch herfahren/ ſchwelgen/ andere untertru-
cken ꝛc. Welche wol groß und greuliche Laſter und Suͤn-
de ſind/ doch gleichwol gering/ wenn man ſie gegen denen
haͤlt/ davon droben geſagt iſt/ nemlich gegen der Heuchler
und Werckheiligen Gerechtigkeit und Weißheit/ damit ſie
wider
[253]Predigt.
wider die erſte Tafel ſuͤndigen. Der weiſe ſchoͤne Teuffel/
der die Leuthe zu geiſtlichen Suͤnden treibt/ welche man nicht
fuͤr Suͤnde/ ſondern fuͤr eitel Gerechtigkeit haͤlt und verthaͤ-
diget/ der iſts/ der den groͤſten Schaden thut/ gar viel mehr/
denn der ſchwartze Teuffel/ der die Leuthe allein zu den gro-
ben fleiſchlichen Suͤnden treibet/ die ſo kaͤndlich ſind/ daß ſie
auch Tuͤrcken und Heyden fuͤr Suͤnde erkennen moͤgen. So
weit Lutherus.
Und uns verſetzt in das Erbtheil der H. im Liecht. Danck/ ſag ich/ nicht
mit bloſſem Mund/ ſondern im Werck ſelbſt mit dem unterthaͤnigen Ge-
horſam/ als rechtſchaffenen Chriſtlichen Reichsgenoſſen geziemet. Daß
wir beyneben auch das welt- und geiſtliche Kirchen-Regiment wol lernen
unterſcheiden/ und nicht in einander mengen/ oder dieſes durch jenes gar
toͤdten und daͤmpffen/ und dergeſtalt reſtringiren und beſchneiden/ daß
faſt nichts mehr als der bloſſe Nahm davon uͤberbleibt. An manchem
Orth/ ſchreibt ein fuͤrnehmer (*) Theologus,iſt der Gewalt deß(*) Du.
Conr. Gœ-
bel. in Aug.
Conf.
p. 968.
Predigampts ſo genau eingezogen/ daß man nicht ůber ein
Seil an einer Glocken/ nicht uͤber ein Pfeiffen an einer Or-
gel/ nicht uͤber ein Fußſchemel an einem Kirchenſtuhl/ nicht
uͤber ein Stein an einem Grab zudiſponiren hat/ wo bleibt
dann das Kirchen-Regiment? So findet man auch wol der
jenigen/ die esdiſputiren/ wann nur ein Meßner oder Vor-
ſinger oder Organiſt dergleichen zubeſtellen oder abzuſchaf-
fen/ ob ein Prediger in einer Kirch auch darum wiſſen/
oder daruͤber gehoͤrt werden ſolle? Wo bleibt das Kirchen-
Regiment? So iſts nichts ungewoͤhnliches/ daß man dem
Predigampt fuͤrſchreibt/ ſonderlich bey den Leichpredigten/
was er predigen/ was er fuͤr einThemaoder Text nehmen/
wie ersappliciren odertractiren ſol. Wo bleibt dann das Kir-
chen-Regiment? EinemDoctori Medicinæmuß man darum
trauen/ wann er den Leib zucuriren einReceptin die Apo-
theck ſchreibt/ da iſt niemand/ der ihm begehrt Ordnung
zu geben/ und zwar billich/ dann es iſt ſeinerProfeſſion,es
ſteht ihm zu: warum muß man dann einem Prediger fuͤr-
ſchreiben/ was er fuͤr einconceptformiren ſolle? Das ſteht
nicht einem jeden Witzbeutel/ ſondern dem Kirchen-Regi-
ment zu. Noch aͤrger iſt es/ wann man erſt ein Maß dazu
legen wil/ wie lang es waͤhren/ oder wie bald man einMate-
J i 3riam
[254]Die dritte
riam,oder auch wol eine Predigtexpediren undabſolviren ſol-
le. Wo bleibt alsdann bey ſolchen Leuthen das Kirchen-
Regiment? Der jenigen zugeſchweigen/ die es nicht gern
hoͤren/ daß man oͤffentliche Suͤnd und Laſter/ die Vnzucht/
Hoffarth/ die uͤbermachte Leichtfertigkeit und Vppigkeit
oͤffentlich ſtraffe/ oder der Widerſacher/ es ſeyn gleich die
Calviniſten und Papiſten/ mit Nahmen gedencken ſolle/ wo
bleibt abermahl das Kirchen-Regiment? Wann ein jeder
ſein Meiſterſchafft in der Kirchen uͤben wil? Anderer Vrſa-
chen weiter zugeſchweigen/ was ſonderlich die Eheſachen/
die Buchtruckerey und dergleichen anbelangt/ ſo an vielen
Orten diePoliticiallein zu ſich reiſſen/ ſo es doch auſſerhalb
fori,davon nicht von noͤthen allhie viel Wort zu machen/ o-
der mit dergleichen Sachen/ die maͤchtigodiosund verdrieß-
lich ſeynd/ ſich laͤnger auffzuhalten. Aber wie es im Papſt-
thum nicht recht geweſen/ daß die Pfaffenſub prætextuund
unter dem Schein deß Kirchen-Regiments alles zu ſich geriſ-
ſen/ und die weltliche Obrigkeit auch in den Stůcken/ die ih-
nen von Rechtswegen gebuͤhrt/ haben außgeſchloſſen/ wel-
ches einPapocæſareaiſt/ da die Pfaffen der weltlichen Obrig-
keit nach Scepter/ Cron und dem Schwert trachten/ wie es
noch auff den heutigen Tag nicht zu verantworten/ wann
ein Prediger den einen Fuß auff der Cantzel den andern auff
dem Rathhauß haben wil: Alſo iſt es eben ſo wenig Recht/
wann die weltliche alles das jenige an ſich reiſſen/ was vor
GOtt und von Rechts wegen nicht ihnen/ oder doch nicht
allein/ ſondern auch dem Kirchen-Regiment zuſtaͤndig iſt/
dann das iſt einCæſaropapéa,da diePoliticiund Weltlichen
nach dem Kirchen-Regiment trachten/ welches GOtt eben
ſo wenig/ oder noch viel weniger als das erſte leyden kan.
Wie er dann ſchwere Exempel an den Koͤnigen ſelbſtſtatuirt/
wann dieſelbe zu weit in das geiſtliche Regiment greiffen
wollen/ wie davon 2. Chronic. 26. zu leſen iſt. Dieweil dann
GOtt der HERR der Kirchen in geiſtlichen Sachen ſo wohl
ein Kirchen-Regiment/ als den Weltlichen in weltlichen
Sachen eingeraumbt/ ſo ſol man auch ein jeden Stand bey
ſeiner Gerechtigkeit verbleiben laſſen.Sic ille.
Weil aber es heißt/ Regnum Lucis eſſe Regnum Crucis,Liecht-
Reich/ Creutz-Reich/ ſo muͤſſen wir uns auch/ als getreue Reichs-
genoſſen/ dem Creutz-Joch willig unterzihen. Nichts (wir brauchen
wiederum Lutheri Wort (*)) lieblichers were im Himmel und(*) è Tom.
6. Witteb.
pag. 389.
f. 1. \& 2.
Erden/ denn das Wort ohne Creutz/ aber es wuͤrde der Luſt
nicht lang bleiben/ ſintemal die Natur nicht vermag eitel
Freude und Luſt tragen die laͤnge/ wie man ſpricht/ der
Menſch kan alles wol erleiden/ ohn gute Tage/ und muͤſ-
ſen ſtarcke Bein ſeyn/ die gute Tage ertragen ſollen. Dar-
um hat GOtt uns auch dieſen ſuͤſſen lieblichen Schatz ein
wenig gewuͤrtzt/ und mit Eſſig und Myrꝛhen ſcharffſchmaͤ-
ckig gemacht/ daß wir ſein nicht uͤberdruͤſſig wuͤrden. Denn
ſauer machet eſſen/ ſpricht man: Alſo macht auch Vnge-
mach auff Erden/ daß unſer Hertz deſto froͤlicher/ friſcher/
und immer durſtiger wird nach dieſem Schatz. Denn ſein
Krafft wird dadurch geſchmeckt und erkundet/ wie er das
Hertz in GOtt troͤſte. Alſo gibt ihm auch Salomon den
NamenProv. 9. vinum mixtum,da die Weißheit ſpricht:
Kommt/ und trinckt den Wein/ den ich euch gemiſchet habe.
Vnd Pſalm. 91. Calix in manu Domini meri vini plenus mix to.
Ey lauter Wein iſt/ der die Seelen truncken macht/ aber
doch mit Leyden gemiſcht/ daß er ſchmackhafftig bleibe.
Der Knecht iſt nicht beſſer/ denn ſein Herꝛ (ita Luther eod. Tom. pag.
præced. 388. f. 2.) haben ſie mich verfolget/ ſie werden euch auch verfolgen. Ein
fauler unnuͤtzer Knecht wer mir das/ der auff einem Sammet Polſter ſitzen wolt
und wol leben/ da ſein Herꝛ darauſſen hungerte/ arbeite/ und ſtritte wider ſeine
Feinde: Ja ein thoͤrichter Kauffmann were das/ der ſein Gold und Silber
darum von ſich werffen/ und nicht haben wolt/ daß es in groben unſaubern
Saͤcken und Beuteln/ und nicht in ſchoͤner Seiden oder Sammet gebunden we-
re: Oder wuͤrde ſeinem Schatz darum feind/ daß er ſchwer und nicht ſo leicht/
als ein Feder were/ ſo doch die Natur deß Schatzes/ daß er ſchwer ſey/ und je
groͤſſer/ je ſchwerer/ und der auch nicht iſt/ der Gold und Silber in ſchoͤnen
Saͤcken und Beuteln zufuͤhret/ ſondern in ſchwartzen/ groben/ und unſaubern
Tuch/ das ſonſt niemand gerne am Leib truͤge. Alſo iſts und haͤlt ſichs mit un-
ſerm Schatz auch/ der iſt warlich groß/ theur/ koͤſtlich und edel/ aber wir muͤſ-
ſen ihn fuͤhren in Vngemach und Leyden/ das iſt ſein Laſt/ und ſeine unſaubere
Saͤcke/ darinnen er verborgen ligt. Wer nu dieſen Schatz wolt oͤffentlich her-
tragen in ſchoͤnen Saͤcken/ das iſt/ wer ein Chriſt ſeyn wil/ und wil herꝛlich
gehalten ſeyn/ Luſt und Ehre/ und gute Freunde davon haben/ und wil nicht
veracht ſeyn/ Vnluſt/ Schande/ Schade/ und Feinde davon haben/ was
ſucht er anders/ denn daß er wil deß Schatzes beraubt ſeyn? Traͤget ihnen zu
herꝛlich
[256]Die dritte
herꝛlich und oͤffentlich/ und zu ſcheinbarlich; So doch dieſes Schatzes Art iſt/
daß er unter Schand/ Schaden/ und Leyden wil verdeckt ſeyn/ wie in einem
rußigen Beutel oder Sack/ auff daß ihn die Welt nicht erkenne und raube. Et
ibid. p. 390. f. 2. ſcribit: Diß Leben iſt nicht ein Leben/ ſondern eine Mord-
Grube/ dem Teuffel unterworffen/ wie Chriſtus ſpricht/ daß er ſey ein Fuͤrſt
der Welt/ und Joh. 8. ſpricht er/ daß er ſey ein Moͤrder von Anfang/ und ein
Luͤgner. Wenn wir nu auff Erden leben wollen und muͤſſen/ ſo muͤſſen wir uns
auch deß erwegen/ daß wir Gaͤſte ſind/ und in ſolcher Herberge ligen/ da der
Wirth ein Schalcks-Wirth iſt/ und ſein Hauß hat das Mahlzeichen oder Schilt
uͤber der Thuͤr und heißt/ zum Mord und zur Luͤgen. Denn ſolch Zeichen und
Wapen hat ihm Chriſtus ſelbſt uͤber ſeine Thuͤr und an ſein Hauß gehaͤngt/ da er
ſpricht/ er ſey ein Moͤrder und ein Luͤgner: Ein Moͤrder den Leib zu erwuͤrgen;
Ein Luͤgner die Seele zu verfuͤhren/ das iſt ſein Handel und ſein Thun/ ſo haͤlt
er Hauß/ ſo gehets in dieſer Herberge zu/ da wird nicht anders auß/ und wer
ſeins Geſinds iſt/ der muß ihm dazu helffen/ wer aber ſein Gaſt iſt/ der muß
ſolches warten und wagen. Sonderlich moͤrdet er die am liebſten/ die Chriſtus
Wort in ſeinem Gaſthoff wollen handlon/ denn die ſind ihm nicht zu leyden/ ſie
machen ihm ſeinen Gaſthoff verdaͤchtig/ und verrathen ihn/ daß er Moͤrder
und Luͤgner ſey.
So nicht? Wir alsdann das adveniat Regnum tuum anſtim-
men und uͤben/ nemblich die ander Bitt/ im H. Vater unſer/ zukomme
dein Reich; Jenem ſagen wir billig ab/ nach dieſem ſehnen wir uns kluͤg-
lich/ und daſſelbe duͤrſtiglich mit hefftigen Begierden und Sehnen:
Dann der Paß/ das Graͤntz-Hauß/ die Pfort zu dieſem Reich iſt enge
und ſtarck befeſtiget/ wer hinein wil/ muß Gewalt anlegen/ Matth. 11/12.
ſagt Chriſtus: Die Gewalt thun/ reiſſen es (das Himmelreich) zu ſich.
Lutheri Gedancken uͤber dieſe andere Bitt ſind herꝛlich und heilſam in
Tom. 6. Witteb. p. 39. f. 2. Diß andere Gebet/ ſpricht er/ demuͤ-
tiget uns/ daß wir bekennen oͤffentlich/ daß Gottes Reich noch
nicht kommen ſey zu uns/ welchs/ ſo es mit Ernſt bedacht
wird/ und gruͤndlich gebetet/ erſchroͤcklich iſt/ und ein jeg-
lichs frommes Hertz billig betruͤben/ und faſt kuͤmmerlich
bewegen ſol/ denn darauß folget/ daß wir noch verſtoſſen im
Elend/ und unter grauſamen Feinden ſind/ beraubt deß al-
lerliebſten Vaterlands. Der Schade iſt unſer/ daß wir im
Elend und frembden Landen/ unter ſo groſſen Feinden ge-
fangen ligen. Denn ſo es ſchroͤcklich und klaͤglich were/ wenn
eins zeitlichen Fuͤrſten-Kind/ oder ein gantz Land/ unter dem
Tuͤrcken gefangen/ wiel Schmache und Leidens/ zu letſt auch
den ſchaͤndlichſten Tod leyden mußt; wie viel mehr iſt das er-
baͤrmlich zu klagen/ daß wir unter den boͤſen Geiſtern/ in die-
ſem
[257]Predigt.
ſem Elend ſeyn/ und allerley Faͤhrligkeit Leibs und Seele/
zu letſt auch den ewigen Tod/ alle Augenblick gewarten muͤſ-
ſen/ daß einem moͤcht billich fůr ſeinem eigenen Leben mehr/
denn fuͤr hundert Todten grauen/ ſo er es recht anſche. Bi-
leams Wundſch war es zwar/ da er ſagt: Meine Seele muͤſſe ſterben deß
Todes der Gerechten und mein End ſeye wie dieſer End/ Num. 23, 10.
Jſt auch noch heutigs Tags manches Jrꝛgaͤngers (der mit falſcher Reli-
gion behafftet/ und endlich gedencket auff gut Lutheriſch zu ſterben/ und al-
lein auff Chriſti ſeines Erloͤſers Verdienſt/ Blut und Tod abzutrucken)
Troſt und Hoffnung. Aber es heißt nicht alſo; Wer wol ſterben wil mit
den Gerechten/ der muß auch mit ihnen leben; Wer Chriſti Reichsgenoß
wil ſeyn in der Ewigkeit/ der muß in der Zeit den Anfang machen/ ſonſt
ſuͤndiget er auff Gnad. Und woher hat er Siegel und Brieff/ daß ihm
alsdann ſo viel Raum und Friſt werde gegoͤnnet ſeyn/ ſich eines andern
zu bedencken/ daß ihn das letſte Nun nicht urploͤtzlich werde uͤberfallen?
Bloß ſagen/ man wolle auff Chriſti Verdienſt abdrucken/ gilt nicht. Je-
ne Propheten ſagten auch Herr/ Herr/ aber weil ſie nicht thun den
Willen deß Vaters im Himmel/ das iſt/ nicht recht gruͤndlich glauben
Joh. 6/29. weil ſie ihnen an den HErꝛn Chriſtum nicht recht gruͤndlich
und fruchtbarlich zu glauben haben laſſen angelegen ſeyn/ ſo hat Er ſie auch
noch nie erkannt Matth. 7.
Gnug fuͤr dißmal/ wir ſchlieſſen mit dem Koͤnig David auß der
1. Chron. 30/10. Gelobet ſeyſtu HErꝛ GOtt Jſrael/ dir gebuͤhrt
die Majeſtaͤt und Gewalt/ Herꝛlichkeit/ Sieg und Danck:
Denn alles/ was im Himmel und auff Erden iſt/ das iſt dein:
Dein iſt das Reich/ und du biſt erhoͤhet uͤber alles zum Ober-
ſten: Dein iſt Reichthum und Ehre fuͤr dir: Du herꝛſch eſt
uͤber alles/ in deiner Hand ſtehet Krafft und Macht/ in dei-
ner Hand ſtehet es/ jederman groß und ſtarck zu machen. Nu
unſer GOtt wir dancken dir/ und ruͤhmen den Nahmen dei-
ner Herꝛlichkeit/ in Ewigkeit/ Amen.
WJe aber? Wenn ich beweiſet/ daß wir (Evangeliſche) bey der rechten
alten Kirchen blieben/ ja daß wir die rechte alte Kirche ſind/ ihr (Pa-
Achter Theil. K kpiſten)
[258]Die dritte
piſten) aber von uns/ das iſt/ von der alten Kirchen abtruͤnnig worden/ ein
neue Kirche angericht habt/ wider die alte Kirche? Das laß uns hoͤren.
Erſtlich/ wird das niemand laͤugnen koͤnnen/ daß wir ſo wol/ als die Pa-
piſten/ herkommen auß der heiligen Tauffe/ und Chriſten auß derſelben ge-
nennet ſind. Nun iſt die Tauff nicht ein neues/ noch zu dieſer Zeit von
uns erfunden/ ſondern es iſt eben dieſelbe alte Tauffe/ die Chriſtus einge-
ſetzt/ darin die Apoſtel und erſte Kirche/ und alle Chriſten hernach/ biß da-
her getaufft ſind/ haben wir nun dieſelbige Tauffe/ der erſten alten (und
wie im Symbolo ſtehet/ Catholica, das iſt/ der gantzen Chriſtlichen) Kir-
chen/ und ſind eben in derſelben getaufft/ ſo gehoͤren wir gewißlich in die ſelbe
alte und gantze Chriſtliche Kirche/ die mit uns gleich/ und wir mit ihr gleich
auß einerley Tauffe herkom̃en/ und iſt der Tauffe halben kein Unterſcheid.
Die Tauffe aber iſt das fuͤrnemſte und erſte Sacrament/ ohn welche die
andern alle nichts ſind/ wie ſie bekennen muͤſſen. Darum koͤnnen uns die
Papiſten nicht mit Warheit eine andere oder neue Kirche ſchelten oder
ketzern/ weil wir der alten Tauffe Kinder ſind/ ſo wol als die Apoſtel ſelbſt/
und die gantze Chriſtenheit/ Epheſ. 4. einerley Tauffe. Zum andern/
wird das niemand laͤugnen/ daß wir das heilige Sacrament deß Altars ha-
ben/ gleich und eben wie es Chriſtus ſelbſt eingeſetzt/ und die Apoſteln her-
nach/ und die gantze Chriſtenheit gebraucht haben/ und eſſen und trincken
alſo mit der alten und gantzen Chriſtenheit/ von einerley Tiſch/ und empfa-
hen mit ihnen daſſelb einerley Sacrament/ und haben darin nichts neues
noch anders gemacht/ derhalben wir mit ihnen einerley Kirchen/ oder wie
St. Paulus 1. Cor. 11. einerley Leib/ einerley Brod ſind/ die wir von
einerley Brod eſſen/ und einerley Kelch trincken. Darum uns die Pa-
piſten nicht koͤnnen Ketzer ſchelten/ ſie muͤſſen zuvor Chriſtum/ die Apo-
ſteln/ und die gantze Chriſtenheit Ketzer ſchelten/ wie ſie denn auch in
der Warheit thun/ denn wir ſind mit der alten Kirchen einerley Kirchen/
in einerley Sacrament. Zum dritten/ kan das niemand laͤugnen/
daß wir die rechten alten Schluͤſſel haben/ und ſie nicht anders brau-
chen/ dann zu binden und zu loͤſen die Suͤnde/ ſo wider GOttes Gebott
geſchehen/ wie ſie Chriſtus eingeſetzt/ die Apoſtel und gantze Chriſtenheit
gebraucht hat/ biß daher; Haben alſo einerley Schluͤſſel und Brauch mit
der alten Kirchen/ darum wir eben dieſelbe alte Kirche oder je drinnen
ſind. Denn wir machen keine neue Schluͤſſel/ machen nicht neue Ge-
ſetze/ ſchlieſſen damit auch nicht Koͤnige und Herren auß und in ihre welt-
liche Herꝛſchafften/ ſondern allein die Suͤnder auß und in das Himmel-
reich/ gleichwie die alte Kirche gethan hat auß Befehl deß Herrn/
das
[259]Predigt.
das uns die Papiſten abermal faͤlſchlich anliegen/ ja die alten Kirchen
Apoſteln/ und Chriſtum ſelbſt in uns ketzern und laͤſtern. Zum vierd-
ten/ kan das niemand laͤugnen/ daß wir das Predigampt und GOttes
Wort/ rein und reichlich haben/ fleiſſig lehren und treiben ohn allen Zu-
ſatz/ neuer/ eigener/ Menſchlicher Lehre/ gleichwie es Chriſtus befoh-
len/ die Apoſtel und gantze Chriſtenheit gethan. Wir ertichten nichts
neues/ ſondern halten und bleiben bey dem alten GOttes Wort/ wie es
die alte Kirche gehabt/ darum ſind wir mit derſelben die rechte alte Kir-
che/ als einerley Kirche/ die einerley GOttes Wort lehret und glaubet;
Darum laͤſtern die Papiſten abermal Chriſtum ſelbſt/ die Apoſtel und
gantze Chriſtenheit/ wenn ſie uns neue und Ketzer ſchelten. Denn ſie
finden nichts bey uns/ denn allein das alte der alten Kirchen/ daß wir
derſelben gleich/ und mit ihr einerley Kirchen ſind. Zum fuͤnfften/
kan das niemand laͤugnen/ daß wir der Apoſtel Symbolon/ den alten
Glauben der alten Kirchen/ allerding gleich mit ihr halten/ glauben/
ſingen/ bekennen/ nichts neues drinnen machen noch zuſetzen/ Damit
wir in die alte Kirche gehoͤren/ und einerley mit ihr ſind. Darum laͤßt
uns diß Stuͤck auch nicht von den Papiſten mit Warheit geſcholten wer-
den/ als Ketzer oder neue Kirche. Denn wer mit der alten Kirchen
gleich glaubet/ und gleich haͤlt/ der iſt von der alten Kirchen. Zum
ſechſten/ kan das niemand laͤugnen/ daß wir mit der alten Kirchen ein
gleich Gebet/ daſſelb Vater Unſer haben/ kein neues noch anders ertich-
ten/ dieſelben Pſalmen ſingen/ mit eintraͤchtigem Munde und Hertzen
GOtt loben und dancken/ gleichwie es Chriſtus gelehret/ die Apoſtel
und alte Kirche ſelbſt gebraucht/ und uns dem Exempel nachzuthun be-
fohlen. Und die Papiſten hinfuͤr abermal uns nicht koͤnnen ketzern/ noch
neue Kirchen ſchelten/ ſie muͤſſen Chriſtum zuvor ſelbſt ſchelten/ ſamt
ſeiner lieben alten Kirchen ꝛc. Zum ſiebenden/ kan niemand laͤug-
nen/ daß wir mit der alten Kirchen lehren und halten/ man ſolle die welt-
liche Herꝛſchafft ehren/ und nicht verfluchen noch zwingen dem Pabſt
die Fuͤße zu kuͤſſen. Solchs haben wir auch nicht auffs neu ertichtet/ ſon-
dern St. Petrus 2. Petr. 2. verflucht die/ ſo ſolchs neu erfinden und
kuͤnfftig thun wuͤrden/ und St. Paulus Rom. 13. ſtehet bey uns/ und
die alte und gantze Chriſtenheit/ daß wir hierin auch nicht neue Ding ſeyn
oder heiſſen moͤgen/ wie die Papiſten GOtt ſelbſt in uns laͤſtern/ ſondern
ſind und gehoͤren in die alte/ heilige/ Apoſtoliſche Kirche/ als die rech-
ten Kinder und Glieder derſelben. Denn wir unſer Oberkeit/ es ſey
Kayſer oder Fuͤrſten allzeit auffs treulichſt gehorſam zu ſeyn gelehret/
K k 2ſelbſt
[260]Die dritte
ſelbſt auch alſo gethan/ und hertzlich fuͤr ſie gebettet. Zum achten/
kan niemand laͤugnen/ daß wir den Eheſtand loben und preiſen/ als ein
Goͤttliche/ geſegnet/ und wolgefaͤllig Geſchoͤpffe und Ordnung/ zur Leibs-
frucht und wider die fleiſchliche Unzucht/ und haben den nicht auffs neu/
von uns ertichtet/ auch nicht den Brauch deſſelben auß uns auffs neu er-
dacht/ viel weniger/ als neue Lehrer/ verbotten; ſondern gleichwie den
GOtt von anbegin geſchaffen/ Chriſtus beſtaͤtigt/ die Apoſtel und alte
Kirch geehret und gelehret haben/ in derſelben alten Regel und GOttes
Ordnung ſind wir blieben/ und damit der alten Kirchen aͤhnlich/ ja eben
derſelben recht artige Glieder ſind/ daß man hie ſihet/ wie die Papiſten
abermal faͤlſchlich uns Neuerung aufflegen. Zum neunten/ kan nie-
mand laͤugnen/ daß wir eben daſſelb Leiden (wie St. Petrus ſagt) das
unſere Bruͤder in der Welt/ haben/ da verfolget man uns an allen Or-
ten/ da erwuͤrget/ ertraͤnckt/ erhenckt/ und legt uns alle Plage an/ um
deß Worts willen/ und gehet uns gleich wie der alten Kirchen/ und ſind
in dem derſelben uͤber die maſſen gleich/ daß wir wol moͤgen ſagen/ wir ſind
die alte rechte Kirche/ oder je ihre Mitgenoſſen/ und gleiche Geſellen im
Leiden/ denn wir ſolches nicht ertichten auffs neue/ ſondern fuͤhlens wol.
Ja wir ſind (wie dieſelbe alte Kirche auch) dem Herrn Chriſto ſelbſt
am Creutze gleich/ da ſtehet fuͤr dem Creutze/ Hannas und Caiphas/
ſampt den Prieſtern/ und laͤſtern den Herrn dazu/ uͤber das ſie Jhn
gecreutzigt haben/ gleich wie uns der Pabſt/ Cardinaͤl und Muͤnche ver-
urtheilt/ verdampt/ ermordet und unſer Blut vergoſſen haben/ und laͤ-
ſtern uns noch dazu. Da ſtehen die Kriegsleute/ das iſt/ der weltlichen
Herꝛſchafft zum Theil/ und laͤſtern uns auch; Dazu auch der Schalck
der lincke Schaͤcher/ Heintz Wolffbuͤttel ſampt den ſeinen/ den GOtt
ſchon verurtheilt in Banden zur Hoͤllen gehenckt hat/ muß ſeyn laͤſtern
auch dazu thun/ daß diß Stuͤck als ein alt Zeichen der alten Kirchen/ reich-
lich an uns geſehen wird. Zum zehenden/ kan niemand laͤugnen/ daß
wir nicht wiederum auch Blut vergieſſen/ morden/ hencken/ und uns raͤ-
chen/ wie wir wol offt haͤtten thun und noch koͤndten; Sondern wie Chri-
ſtus/ die Apoſtel und alte Kirche gethan/ dulden wir/ vermahnen und bit-
ten fuͤr ſie/ auch oͤffentlich in der Kirchen/ in den Litanien und Predigten/
aller Dinge/ wie Chriſtus unſer Herr gethan und gelehret/ die alte Kir-
che auch alſo/ daß wir hierin auch alle deß alten Weſens der alten Kirchen
uns halten.
Weil nun die Papiſten wiſſen/ daß wir in allen ſolchen Stuͤcken/
und was der mehr ſind/ der alten Kirchen gleich ſind/ und mit Warheit
die
[261]Predigt.
die alte Kirche heiſſen moͤgen (denn ſolche Stuͤcke nicht neue ſind/ noch
von uns erfunden) iſts Wunder/ warum ſie uns ſo unverſchaͤmt/ doͤrf-
fen beliegen und verdammen/ als die von der Kirchen gefallen/ und ei-
ne neue Kirche angerichtet haben/ ſo ſie doch nichts neues an uns finden
moͤgen/ das nicht in der alten und der rechten Kirchen zu der Apoſteln
Zeiten gehalten ſey. Daß ich fuͤr wahr achte/ diß ſey die Zeit/ davon
Daniel 7. ſagt/ der Alte/ Antiquus dierum, ſatzt ſich nachdem das
kleine Horn außgelaͤſtert hatte/ und das Gericht gehalten/ denn die vorige
alte Kirche leuchtet wieder herfuͤr (wie die Sonne nach den Wolcken/
hinter welchen doch dieſelbe Sonne war/ aber nicht helle) und das Laͤſter-
Horn wil untergehen/ und alles ein Ende werden/ wie daſelbſt ſtehet/
und das Werck ſich zeigt/ davon hie nicht Zeit zu handeln. Aber jemand
moͤcht ſagen/ es fehlet noch an einem/ nemlich am Faſten/ denn ihr Ketzer
faſtet nicht (ſprechen ſie) Ach HErꝛ GOtt/ iſt ein Stuͤck an uns von
der alten Kirchen/ ſo iſts leider die Faſten; iſt ein Stuͤcke an den Papi-
ſten von der neuen Kirchen/ ſo iſts daß ſie nicht faſten/ und im Sauſe le-
ben/ auch auff den Faſttagen/ ehe dann auff den Feyrtagen/ ja wir faſten
nicht allein/ ſondern leiden (mit St. Paulo) Hunger/ welches wir wol
an unſern Pfarꝛherꝛn/ ihren Weiblin und Kindlin taͤglich ſehen und an-
dern viel Armen/ denen der Hunger auß den Augen fihet/ kaum das Brod
und Waſſer haben/ und dazu Finger nacket gehen/ kein eigens haben/ der
Bauer und Buͤrger gibt nicht/ der Adel nimmet/ daß unſer wenig ſind/
die etwas haben/ und doch nicht allen helffen koͤnnen. Da ſolten Stifft
und Kloͤſter zu dienen/ ſo geitzen die andern/ muß alſo Lazarus Hungers
ſterben/ deß lachen die Papiſten/ aber damit zeugen ſie/ daß wir die al-
te Kirche/ die von den Teuffels-Kindern den Spott zum Schaden lei-
den.
Hiermit haben wir nun beweiſet/ daß wir die rechte alte Kirche ſind/
mit der gantzen heiligen Chriſtlichen Kirchen ein Coͤrper und eine Gemei-
ne der Heiligen. Beweiſet nun auch ihr Papiſten/ daß ihr die rechte al-
te Kirche oder ihr gleich ſeyd. Aber das koͤnnt ihr nicht thun/ ſondern
ich wil beweiſen/ daß ihr die neue falſche Kirche ſeyd/ die immer von der
alten rechten Kirchen abtruͤnnig/ deß Teuffels Hure und Schule wird.
Erſtlich bleibt ihr nicht bey der erſten alten Tauffe; Denn ihr habt euch
auffs neue viel andere Tauffe ertichtet/ und lehret/ die erſte Tauffe ſey
durch Suͤnde hernach verlohren/ man muͤſſe genug thun durch eigen
Werck/ ſonderlich durch Kloͤſterey werde man ſo rein/ als gienge einer
auß der Tauff Chriſti/ daher ihr die Welt voll Kirchen und Kloͤſter ge-
K k 3macht.
[262]Die dritte
macht. Und diß Stuͤcke/ Satisfactio Gnugthuung/ iſt der Anfang
und Urſprung/ Thuͤr und Eingang zu allen Greueln im Pabſtthum:
Gleichwie in der Kirche die Tauffe der Anfang und Eingang iſt/ zu al-
len Gnaden und Vergebung der Suͤnden/ denn wo die Tauffe nicht iſt/
da hilfft Sacrament/ Schluͤſſel und alles nichts: wo die Gnugthuung
nicht entſtanden waͤre/ ſo waͤre Ablaß/ Wallfarth/ Bruͤderſchafft/ Meſ-
ſe/ Fegfeur/ Kloͤſterey/ Stiffte/ und das mehrer Theil aller Greuel nicht
erfunden/ und das Pabſtthum nicht ſo dicke und fette worden. Dar-
um haben ſie dieſelbe wol eine Tauffe in ihrer Kirchen genennet/ die
viel Tauffen/ Sacrament und Vergebung der Suͤnden/ ja auch hohe
Heiligkeit gewuͤrcket hat. Das iſt die Eigengerechtigkeit/ die Werckhei-
ligkeit/ davon wir viel geſchrieben. Wer hats euch befohlen? Oder wo
ſtehets geſchrieben? Wo findet ihr in der alten Kirchen/ daß ihr ſolche
neue Tauffe und Heiligkeit ertichten moͤget? Wer iſt hie Ketzer/ Abtruͤn-
nig und neue Kirche? Zum andern/ habt ihr das Ablaß in alle Wolt
getrieben als eine Tauffe/ ja als eine Suͤndfluth/ das Suͤnde abwaſche/
daß kein Winckel iſt in der Welt/ da euer Ablaß nicht hin verkaufft oder
gegeben iſt/ alle Welt voll Siegel und Brieffe. Wer hats euch befoh-
len? Oder wo ſtehets geſchrieben? Wo findet ihrs in der alten Kirchen/
daß ihr ſolche neue Tauffe und Abwaſchung der Suͤnden moͤget ſtifften?
Wer iſt hie die ketzeriſche neue Kirche? Seyd ihrs nicht die Huren-Kirche
deß Teuffels? Zum dritten/ habt ihr das Weyhwaſſer und Saltz
nicht allein in alle Kirchen/ ſondern auch in alle Winckel getrieben/ als ei-
ne Abwaſchung (oder Tauffe) der Suͤnden/ auch groſſe Zauberey darin
gelehret/ wie Diſtin. 3. Aquam ſale, beweiſet. Wer hats euch befoh-
len? Wo ſtehets geſchrieben? Wo findet ihrs in der alten Kirchen oder
Einſetzung der Apoſteln? Wer iſt hie die neue abtruͤnnige Kirche?
Zum vierdten/ habt ihr Wallfahrten geſtifftet/ zu verdienen Ablaß
oder Vergebung der Suͤnden/ welchs/ weil es ohne Schluͤſſel-Ampt ge-
ſchicht/ durch eigen Verdienſt/ iſts auch eine neue andere Tauffe oder
Abwaſchung der Suͤnden. Wer hats euch befohlen? Wo ſtehets geſchrie-
ben? Wo findet ihrs in der alten Kirchen/ daß ihr ſolche neue Verge-
bung oder Tauffe ſollet ſtifften? Wer iſt hie die neue abtruͤnnige Kirche?
Zum fuͤnfften/ habt ihr Bruͤderſchafften geſtifftet/ ohne Zahl/ ſo viel/
daß ihr auch alle Welt voll Siegel und Brieffe gemacht/ alles zu Ablaß
und Vergebung der Suͤnde/ und zu Verdienſt/ welches allein der heiligen
Tauffe und Sacrament-Ampt iſt. Wer hats euch befohlen? Wo ſte-
hets geſchrieben? Wo findet ihrs in der alten Kirchen/ daß ihr ſolche neue
Ver-
[263]Predigt.
Vergebung oder Verdienſt ſtifften moͤget? Und wer kans erzehlen/ wie
mancherley neue Weiſe ihr auffs neue ertichtet habt/ die Suͤnde zu ver-
geben/ um Geld oder um eigen Verdienſt? Wer iſt hie die neue Kirch
mit neuen Lehren und Sacramenten/ davon weder Chriſtus/ Apoſtel/
Schrifft/ noch die alte Kirch nichts gewußt haben? Zum ſechſten/
wer wil erzehlen alle die greulichen Neuerung/ die ihr ertichtet habt/ in dem
Hochwuͤrdigen heiligen Sacrament des Leibs und Bluts Chriſti? Wer
hats euch befohlen? Wo ſtehets geſchrieben? Wo findet ihrs in der alten
Kirchen? Daß ihr erſtlich diß Sacrament/ der gantzen Kirchen neh-
men und rauben moͤget/ und allein die eine Geſtalt laſſen/ und das gantze
allein den Prieſtern zueigen? Zum andern/ dazu auch dieſelbige eine Ge-
ſtalt/ nicht den Glauben zu lehren und mehren/ ſondern in ein Werck
des Gehorſams der Kirchen zu verkehren. Zum dritten/ das gantze
Sacrament/ (wo es anders alsdenn ein Sacrament iſt) nicht zum Ge-
daͤchtnuß Chriſti/ von ihm oͤffentlich zu predigen/ und ihm fuͤr ſein Ley-
den zu dancken/ ſondern zu einem Pfaffen-Opffer und eigen Verdienſt
eines boͤſen Buben/ den andern zu verkauffen/ und ins Fegfeuer den
Seelen mitzutheilen/ und fuͤr alle zeitliche Noth/ wie einen Heydniſchen
Goͤtzendienſt/ ja wie einen ſchaͤndlichen Grempelmarckt/ auff das aller-
greulichſt und laͤſterlichſt/ verwandelt/ damit Chriſtus Gedaͤchtnuß
(dazu ers doch geſtifftet) geſchweiget und außgetilget habt. Und wenn
ihr ſonſt ſo eine reine Kirch waͤret/ als der Apoſtel ſelbſt/ und noch viel
reiner/ ſo macht euch doch diß einige greuliche/ ſchreckliche Stuͤcke/ wel-
ches ihr auß des Teuffels Rath/ auffs neue ertichtet habt/ zur neuen/
abtruͤnnigen/ ketzeriſchen Kirchen/ ja zur Ertz-Huren des Teuffels/ und
zur Hoͤlliſchen Schulen. Denn es iſt diß Stuͤcke ſo verzweiffelt/ grund-
loß boͤſe/ daß es in dieſem Leben keine Zunge außreden/ kein Hertz begreif-
fen kan/ biß daß der juͤngſte Tag erſcheine. Leſet/ ſamlet/ klaubet alle
das boͤſe zuſammen/ ſo der Teuffel mit euch allen wider uns ertichten
kan/ und luͤget tauſendmal ſo viel dazu/ dennoch wirds nicht ein klein
Splitterlin werden gegen dieſem Balcken/ daran nicht einer/ ſondern ohn
Zweiffel alle Teuffel und alle aͤrgeſten Buben in ſechs hundert Jahren
gezimmert haben/ das iſt der rechten Stuͤcken eins/ das Chriſtus einen
Greuel heißt in heiliger Staͤtte. Darum nicht allein wir von euch ſollen
und muͤſſen fliehen/ als von dem groͤſten Zorn GOttes/ ſondern Himmel
und Erden entſetzt und ſcheidet ſich fuͤr ſolcher Mordgruben: denn diß
Stuͤck laͤßt nicht allein keine Kirche bleiben/ ſondern macht das aͤrgſte
Stanckgemach des Teuffels drauß/ das auff Erden iſt. Der Tuͤrcke/
Tartern/
[264]Die dritte
Tartern/ Juden ſind weit nirgend ſo eine boͤſe Moͤrdergruben/ als die
Paͤbſtliche Kirche in dieſem Stuͤcke/ denn ſie verlaͤugnen allein Chriſtum/
und kehren den Ruͤcken gegen Jhm/ aber dieſe nehmen Jhn hierin fuͤr ſich/
verſpeyen/ verſpotten/ laͤſteren/ beſudeln und martern Jhn/ und ſpielen ein
viel greulicher Paſſion mit Jhm/ weder Jhm leiblich von Juden geſchah.
Ja gehet nun hin/ ruͤhmet euch die heilige Kirche/ von der wir gefallen
ſind. Der Teuffel bleibe bey euch in ſolcher Kirchen/ und alle die ſo
Heintzen ſeyn wollen. GOtt behuͤte uns dafuͤr/ wie Er denn uns gnaͤ-
diglich herauß geriſſen hat/ dafuͤr Jhm Lob und Danck ſey in Ewigkeit.
Zum ſiebenden/ wer hats euch befohlen/ dieſe Neuligkeit zu machen?
Daß ihr neue Schluͤſſel/ ja zween falſche Dieterich geſchmiedet habet/ da-
mit ihr nicht Suͤnde vergebt oder behaltet/ wie die alte Schluͤſſel thun/
bey uns und in der gantzen alten Kirchen/ ſondern ſtifftet auffs neue
Suͤnde und Mord/ da ſonſt keine ſind/ in euer neuen abtruͤnnigen moͤrde-
riſchen Kirchen/ damit daß ihr mit untraͤglichen/ unzehlichen Geſetzen/ die
Chriſtlichen Gewiſſen faͤhet und bindet/ ſchroͤcket und toͤdtet/ in Eſſen/
Trincken/ Kleidern/ Staͤtten/ Tagen und dergleichen aͤuſſerlichen Din-
gen/ die Chriſtus frey gebotten/ Col. 2. und die alte Kirch alſo gehalten/
ohn alle Suͤnde und Gefahr/ dazu Koͤnige und Fuͤrſten abgeſetzt/ als waͤ-
ret ihr GOtt ſelbſt. Wer iſt hie abtruͤnnig und neue Kirche? Der
Teuffel bleibe in dieſem Gottslaͤſterlichem/ moͤrdiſchem/ ſuͤndlichem/ ver-
derblichem Stuͤcke bey euch/ der bleibet auch bey euch. Wir ſind wieder
zur alten Kirchen kommen/ GOtt Lob und Danck. Zum achten/
wer hat euch befohlen/ uͤber der alten Kirchen Weiſe/ und wider Chri-
ſtus Befehl/ anders zu predigen/ denn Er befohlen hat? Matth. ult.
Gehet hin und lehret ſie halten/ was ich euch befohlen habe/ ſpricht nicht/
was euch recht und gut duncket. Johan. 14. Der Heilige Geiſt wird
euch alles lehren und erinnern/ was ich euch geſagt. Jhr aber habt alle
Kirchen und Schulen ſo voll euers Drecks/ das iſt/ Menſchen-Lehre und
Luͤgen geſchmiſſen/ und Koͤckens ſo voll geſpeyet/ daß (wie Jeſaias ſagt)
kein Raum mehr da iſt/ und wolt noch die Kirche geruͤhmet ſeyn. Und
diß Stuͤck iſt neben der Winckel-Meſſe auch der aͤrgſten Greuel einer/ deß
Schaden und Plage nicht außzugruͤnden noch zu zehlen iſt/ damit ihr
eine neue Kirche dem Teuffel gebauet/ und demſelben damit gedienet/
daß es iſt eitel Seel-Moͤrderey worden/ und der rechte Kinder-Freſſer
Molech/ der nicht die Seelen (wie jener Molech) der Kinder ſelig wer-
den laͤßt/ ob ſie leiblich verbrand worden/ ſondern wiederum den Leib eine
kleine Zeit lebendig laͤßt/ und die Seele verbrand ewiglich. Jch kan fuͤr
Schrecken
[265]Predigt.
Schrecken nicht viel an den Jammer der unzehligen/ falſchen/ abgoͤtti-
ſchen/ moͤrderiſchen Lehren im Pabſtthum/ das iſt/ in einer neuen ſchoͤnen
Kirchen gedencken. Zum neunten/ wer hat euch befohlen dieſe freve-
le Neuerung zu machen in der Kirchen/ die ein geiſtlich Reich iſt/ daß ihr
ein leiblich Haupt ſetzt/ und nennet es den Allerheiligſten? So doch kein
ander Haupt ſeyn kan/ denn ein geiſtlichs/ welchs iſt Chriſtus? Diß iſt
der dritte aͤrgſte Greuel in euer allerheiligſten/ ja allerhoͤlliſchten neuen Kir-
chen. Denn die alte Kirche weiß nichts davon/ iſt bey ihrem Haupt
blieben/ gleichwie wir. Daß es aber deß Teuffels eigen Geſchaͤfft iſt/ und
kommen ſolte um der Suͤnde willen/ das weiß ſie/ und hats verkuͤndigt
klaͤrlich 2. Theſſ. 2. Der Menſch der Suͤnden/ und Kind deß Verderbens/
wird ſich ſetzen in den Tempel GOttes/ und ſich ſtellen/ als ſey er Gott.
Dann er laͤßt ſich auch von euch nennen/ irꝛdiſchen Gott/ ſo hat auch Da-
niel geſagt/ er wuͤrde die alte Kirche/ und Gott ſeiner Vaͤter verachten/
und einen andern neuen Gott und neue Kirchen (die ihm ſeinen neuen
Gott helffen ſtaͤrcken) ſtifften. Wer hat nun eine abtruͤnnige Kirche?
Habens die Alten und wir/ ſo bey dem alten rechten Haupt blieben ſind/ und
den neuen Teuffels-Kopff fliehen und meiden? Oder ſinds die/ ſo den neuen
Teuffels-Kopff anbeten/ die Fuͤſſe kuͤſſen/ von ſeinen zween Fingern ſich ſe-
gnen laſſen/ ſeine Lehre uͤber das Wort GOttes haben/ und das alte rechte
Haupt nicht mit einem Kniebeugen ehren/ auch wol nimmer an ihn geden-
cken/ und ſeines Segens/ den Er mit ſeinem gantzen Leib und Blut uns
erworben/ nicht achten. Aber dieſer Greuel iſt gar zu greulich/ daß wenig
davon reden nichts hilfft/ und doch recht davon reden/ keiner Engel Zun-
gen gnug iſt. Was GOttes eigen Mund Greuel nennet/ das muß ein
groͤſſer Greuel ſeyn/ denn alle Zungen reden koͤnnen Zum zehen-
den/ wer hat euch befohlen/ dieſe neue Abgoͤtterey auffzurichten/ daß ihr
Heiligen-Dienſt ſtifftet/ Heiligen canoniſirt/ Faſteltaͤge und Feyer-Taͤge
ſetzt ſie zu ehren/ gleich als waͤren ſie Gott ſelbſt/ daß man auff ihr Ver-
dienſt ſich verlaͤſſet und vertroͤſtet/ mehr denn auff Chriſtum ſelbſt/ und
auff alle ſein Blut und Verdienſt/ welchen ihr zum Richter uns fuͤrgebil-
det habt/ den wir durch ſeiner Mutter und aller Heiligen Verdienſt und
Fuͤrbitt/ ſampt unſerm heiligen Dienſt/ verſoͤhnen und Gnade erwerben
muͤſſen; daß euer Kirche in dieſem Stuͤcke/ nichts anders iſt worden/
denn der Heyden Kirchen/ die Jovem, Junonem, Venerem, Dianam,
und andere verſtorbene Menſchen anbeteten/ und wie die Roͤmer ein
Pantheon in ihrer Stadt Rom/ alſo habt ihr auch ein Pantheon in der
Kirchen gebauet/ das iſt/ aller Teuffel Kirchen. Das werdet ihr nicht
Achter Theil. L lfinden
[266]Die dritte
finden in der Apoſtel Schrifft/ noch in der jungen Kirche hernach/ die vor
Zeiten auch der Heiligen Bilder nicht leiden wolt/ und viel Bluts druͤber
vergoſſen iſt/ ſchweige/ daß ſie ſolten die Heiligen anbeten oder anruffen/
das allein Gott gebuͤhret. Zum eilfften/ wer hat euch befohlen/ dieſe
Neuerung zu machen/ daß ihr den Eheſtand verdampt/ laͤſtert/ und verur-
theilt ihn unrein/ und untuͤchtig zum Gottesdienſt? Habt ihr das von
den Apoſteln/ oder von der erſten alten Kirchen? Ja freylich/ denn St.
Paulus ſagt 1. Tim. 4. daß ihr kuͤnfftig kommen wuͤrdet/ die ſich vom
Glauben und alten Kirchen abtrennen und verlauffen wuͤrden/ als eine
rechte Teuffels-Hure/ die wuͤrde vom Teuffel ſolche Lehre empfahen/ und
predigen wider den Eheſtand/ und doch ſelbſt in falſcher Heuchel-Keuſch-
heit/ das iſt/ in allerley Unzucht leben. Dieſe Neuerung ſehen wir mit
ihren edlen Fruͤchten/ daß euch die Erde nicht laͤnger tragen wil/ und
Gott mit ſeinem Gericht angefangen drein zu greiffen/ und ſolche neue hei-
lige Kirche zu weihen zum hoͤlliſchen Feuer hinein/ und wird ſich nicht ab-
wenden laſſen/ das wiſſen wir GOtt Lob. Zum zwoͤlfften/ wer hat
euch befohlen/ ſolche Neuerung zu machen/ daß ihr mit dem weltlichen
Schwerdt regiert und krieget/ und das am meiſten braucht unſchuldig
Blut zuvergieſſen? Habt ihrs geſehen/ ihr ſcharffſichtigen Fledermaͤuſe/
daß die Apoſtel oder alte Kirche mit Schwerdt bezwungen/ oder mit
Krieg die Kirche gemehret haben? Wo kommet ihr denn her/ die ihr euch
ruͤhmet/ Erben auß der alten Kirchen/ und uns die neuen abtruͤnnigen
Kirchen ſcheltet/ die wirs mit der alten Kirchen halten/ und auß derſelben
herkommen/ ihr aber auß der verlauffenen Teuffels-Huren/ euer neuen
moͤrderiſchen Luͤgen-Kirchen herkommet. Es ſind noch viel mehr der
neuen Stuͤcke/ als Fegfeuer/ Heiligthum/ Kirchen weihen/ und deß Ge-
ſchwuͤrms/ gantze Drecket/ und Dreckenthal/ und ſonſt unzehliche Buͤ-
cher voll eitel neuen Fuͤndlin/ da die alte Kirch nichts von gewußt/ noch
die Apoſtel. Denn wer kan die Menge dieſes Sands/ oder Dreckes/ ja
Gifft und Teuffels-Luͤgen alle erzehlen? An dieſen ſey es dißmal gnug/ zu
beweiſen/ wie ſchaͤndlich die Papiſten durch ihre Heintzen luͤgen/ wenn ſie
uns die neue abtruͤnnige ketzeriſche Kirche ſchelten/ ſondern ſolchs ihr ver-
lipt Schwerdt durch ihr ſelbſt Hertz gehet/ und ſich erfindet/ daß ſie die alte
Kirche/ und ihren alten Braͤutigam/ als ein Ertzteuffels-Hure verlaſſen/
abtruͤnnig worden/ und nicht allein ketzeriſch (denn das Wort iſt zu geringe
und zu ehrlich ſolcher Schand-Buben) ſondern die Wider-Chriſtiſche/
und GOttes Widrige/ ja die ſich uͤber GOtt erhebt (wie ihr Braͤutigam
im Himmel auch thun wolt) deß Teuffels letſte und ſchaͤndlichſte Braut
iſt.
[267]Predigt.
iſt. Wir aber/ weil wir alle ſolche Teuffeley und Neuerey meiden und
fliehen/ uns wieder zu der alten Kirchen/ der Jungfrauen und reinen
Braut Chriſti halten/ ſind wir gewißlich die rechte alte Kirche/ ohn alle
Hurerey und Neuerey/ die biß auff uns daher blieben/ und wir auß derſel-
ben kommen/ ja wiederum auffs neu von ihr gebohren ſind/ wie die Gala-
ter von St. Paulo. Bißher Lutherus.
GEliebte in Chriſto. Von dem loͤblichen Chriſtlichen Kay-vid. hiſtor.
ap. I. Lipſ.
in Monit.
polit. c. 15.
p. 185.
ſer Rudolpho I. leſen wir/ daß/ nachdem er Ottogarem
den Boͤhmiſchen Koͤnig/ auffs Haupt und auß dem Feld
geſchlagen/ und dieſen durch milde Underhandlung deß
Pfaltzgrafen Ludwigs Churfuͤrſten/ ſo weit gebracht/ daß
er die Oeſterreichiſche Land/ welche er zwar erheurathet/ aber dero Verluſt
verwuͤrckt/ in dem daß er ſeine Gemahlin/ Frau Margarethen ein Oeſter-
reichiſche Hertzogin/ von ſich geſtoſſen/ allerdings zu quittiren und dem
Roͤmiſchen Reich abzutretten/ Boͤhmen aber und Maͤhren/ von dem
Kayſer Rudolpho zu Lehen empfangen muͤſſen: Wiewol darneben ge-
betten/ daß er den Eyd der Treu und Lehens-Pflicht dem Kayſer unter
ſeinem Gezelt/ und nicht vor jederman leiſten moͤchte; daß/ ſag ich/
hierauff der Kayſer dem Koͤnig zwar nichts abgeſchlagen/ und nur die
Fuͤrſten zu dieſem actu der Huldigung zugelaſſen/ aber da der Koͤnig vor
dem Kayſer auff den Knien ſaß/ fiel das Gezelt/ welches mit Fleiß alſo ge-
macht war/ urploͤtzlich rings um auff den Boden/ da ſahe jederman/ ſo
wol die Boͤhmen/ als die Kayſeriſchen/ wie der Kayſer in ſeiner Majeſtaͤt
ſaß/ und die Chur- und Fuͤrſten um ihn/ und wie der ſtoltze Koͤnig von
L l 2Boͤhmen
[268]Die vierdte
Boͤhmen mit bloſſem Haupt vor ihnen auff den Knien lage. Ottogaro
thaͤt dieſe Schmach wehe/ er dorffte ſich aber keines Zorns annehmen/
ſondern zog mit ſeinen Leuten wieder heim.
Was nun in und bey dieſem ſpectacul leiblicher Weiſe geſchehen/
und ſich zugetragen/ das hat auch in geſundem Verſtand/ auff gewiſſe
Maß und Weiſe/ ohne einzige Gefaͤrd/ unſer Ehren-Koͤnig Chriſtus
JEſus gethan/ und einen ſolchen hochfeyrlichen actum gehalten/ in wel-
chem Er nach gewonnenem Koͤniglichem Sieg/ das Koͤnigliche Gezelt/
die edle Sonnen-Huͤtte/ davon David Pſal. 19. geſungen/ (ἐσκήνωσεν
[...]ν ἡμῖν Joh. 1.) unter welchem ſeine Goͤttliche/ ihme nach dem Fleiſch ge-
gebene Majeſtaͤt/ bißher verborgen geweſen/ auffgethan/ ſeinen Goͤttlichen
Pracht herfuͤr ſcheinen laſſen/ und wie Coloſſ. 2/15. der Apoſtel hievon
redet/ außgezogen die Fuͤrſtenthum und Gewaltigen/ und ſie
Schau getragen oͤffentlich/ und einen Triumph auß ihnen
gemacht durch ſich ſelbſt/ und alſo wuͤrcklich erzeigt/ wie hoch Jhn
ſein Gott und Vater erhoͤhet/ und Jhme einen Nahmen gegeben/
der uͤber alle Nahmen iſt/ Phil. 2/10. So ſchmertzlich jene Schau
dem Boͤhmiſchen Koͤnig in die Augen geſtochen/ ſo ungern er dem Kayſer
zu Fuß/ zu Flehen und Lehen gefallen; So wehe hat es auch dem uͤber-
waͤltigten/ ſtoltzen hoͤlliſchen Geiſt gethan/ daß er vor dieſem ſo hoch-geadel-
ten Menſchen-Sohn muͤſſen die Knie biegen/ und oͤffentlich zu Spott
werden. Nicht allein aber er/ ſondern auch ſein gantzes feindſeliges
Heer/ welches der Herr Chriſtus/ als ein unuͤberwindlicher Held/ zum
Schemel ſeiner Fuͤſſe geleget. Welches alles wir hie noch nicht gantz
heiter/ hell und klar/ ſondern im Spiegel und dunckeln Wort ſehen und
glauben muͤſſen/ doch geht der Glantz von ſeinen Haͤnden und Wercken/
conf. Luth.
in cap. 4.
Habac.
Tom. 5.
Witteb.
p. 363.wie Habac. 4. redet/ daß Himmel und Erden voll werden ſeines Lobs.
Julianus ſahe zwar den nicht/ der ihn gedruckt/ aber ſeine ſchwere Hand
empfand er mit Schmertzen/ und mußte bekennen/ es hab der Galileer ob-
geſieget.
Es iſt aber noch ein ander/ und zwar das letſte Spectacul obhanden/
im Juͤngſten Gericht/ da die vollkommene helle und maͤnniglich in die Au-
gen leuchtende [...]πιφάνεια, und Erſcheinung deß groſſen GOttes geſche-
hen/ das Gezelt gaͤntzlich auffgehoben/ und da alle vernuͤnfftige Creaturen
augenſcheinlich werden ſehen/ welch ein groſſer Herr der demuͤtigſte
JEſus von Nazareth worden/ ſeye und ſeyn werde in Ewigkeit/ und wie
wahr er von ſich ſelbſt/ kurtz vor ſeiner Himmelfarth außgeſagt: Mir iſt
gegeben aller Gewalt im Himmel und auff Erden. Welche
Wahr-
[269]Predigt.
Wahr- und Auſſage dißmal das thema iſt/ davon E. L. mit mehrem zu
berichten/ und darauß das fundament und den Grund der jenigen legiti-
mirten Legation und Bottſchafft/ die der Herr durch ſeine Juͤnger an
die gantze Welt abgehen laſſen/ zu erkennen/ davon ſie allmaͤchtigen allge-
waltigen Schutz und Schirm/ wider alle geiſtliche und leibliche Feinde
ſchoͤpffen/ und zugewarten haben ſolten. Er der Herr/ dem alle Ge-
walt gegeben/ wolle auch uns die gewaltig-durchdringende Krafft deß
H. Geiſtes beſchehren/ damit wir auch anjetzo nuͤtzlich und erbaulich moͤ-
gen lehren und hoͤren/ Amen.
SO iſt nun Anfangs das fundament und der Macht-Grund/
auff welchen die fuͤrhabende Legation und Bottſchafft deß Glor-
wuͤrdigſten Ehren-Koͤnigs JEſu Chriſti beruhet/ durch welchen
ſie gefoͤrdert und außgerichtet worden/ ein hohe unvergleichlich
groſſe und Goͤttliche Gab/ damit er regalirt und verehret worden. Da-
bey wir zu bedencken haben/ erſtlich die Gab ſelbſt/ folgends den Geber
ſolcher Gab/ die [...]όσιν oder Gebung des Gebers/ ſo dann [...] ᾧ ſubje-
ctum cui, wem nemlich ſolche Gab verehret worden.
I. Die Gab/ deren ſich JEſus von Nazareth hie mit Fug und
Recht anmaſſet/ heiſſet ἐξ [...]σία, Gewalt/ die jura, regalia, Krafft/ Ma-
jeſtaͤt/ Gerechtigkeiten: Mir iſt Gewalt gegeben/ wie es Lutherus
gedolmetſcht. Das Griechiſche Wort heißt nicht roh bloß und allein einevide de va-
riis acce-
ptionibus
vocis
ἐξ [...]σίας,
Eraſm.
Schmid.
ad h. l.
p. 378.
Licentz und Erlaubnuͤß/ auctoritaͤt und Obrigkeit/ juriſdiction, Gebieth
oder Bottmaͤſſigkeit/ Freyheit und Gerechtigkeit/ Recht und Fug zu einem
Ding: Sondern weil allhie von einer Goͤttlichen ἐξ [...]σία und Gewalt ge-
handelt wird/ wie der gantze zuſammen Fluß deſſen/ was noch weiter an-
hengt/ und in dieſer Erklaͤrung folgen wird/ außweiſet; Und aber in
GOtt/ die Goͤttliche Tugenden ἐξ [...]σία [...]μύαμις, Recht und Macht
ſich nicht trennen laͤſſet/ wie bey bloſſen ſterblichen Menſchen ſolcher Un-
terſcheid bißweilen erſcheinet: (Daß/ zum Exempel/ ein mancher Koͤ-
nig ein Rechtlichen Anſpruch an eine frembde Cron hat/ es mangelt ihm
aber an Macht und Krafft dieſelbe zu gewinnen; Ein anderer hat Macht
und Krafft/ ein frembde Cron an ſich zu bringen/ er hat aber kein titulum
juris und Gerechtſame dazu.) Aber hie iſt ἐξ [...]σία καὶ [...]μύαμις, Recht und
Macht unverſchiedenlich eins Luc. 4, 36. Er gebeut mit Macht
und Gewalt. Ein ſolcher Gewalt/ von dem aller anderer Gewalt de-
pendirt/ denn Er gab ſeinen Juͤngern Macht und Gewalt/ uͤber alle
Teuffel/ ſteht Luc. 9/1. durch welchen Er allen Unteren Gewalt/ Herꝛ-1. Cor. 15,
24.
ſchafft/ Obrigkeit kan und wird auffheben Apoc. 5, 12. Das Lamb das
L l 3erwuͤr-
[270]Die vierdte
erwuͤrget iſt/ iſt wuͤrdig zu nehmen Krafft/ und Reichthum/
und Weißheit/ und Staͤrcke/ und Ehre/ und Preiß/ und Lob.
Es iſt ein herꝛlicher/ Majeſtaͤtiſcher/ allzeit durchdringender/ Treugebie-
tender/ Teuffels-bannender/ Meer-ſtillender Gewalt. Wil ein Koͤnig
in ein frembd Land Bottſchafften außſenden/ um auß demſelben etliche ge-
fangene Sclaven loß zu machen/ ſo muß er warhafftig mit maͤchtigem
Recht/ und gerechtſamer Macht außgeruͤſtet ſeyn/ ſonſt wuͤrde er einen
Fehler ſchieſſen. Da GOtt der HErꝛ Moſen und Aaron abgefertiget/
an den Koͤnig Pharao begehrt/ er wolle ſein bißher betraͤngtes Volck quit
und loß geben/ und außziehen laſſen/ ſo laͤßt Er ihm ſagen/ wer Er ſeye/
nemlich der Jehovàh, der ſelbſtweſende/ Ewige/ Allmaͤchtige Herr und
GOtt Jſrael/ und zeiget ihm/ ja laßt ihn wuͤrcklich fuͤhlen in allerhand
Wunder-Plagen/ was und wie viel Er vermag. Alſo wann auch Chri-
ſtus eine Bottſchafft an die gantze Welt/ und Fuͤrſten der Welt abgehen
laſſen wollen/ und den Gefangenen eine Erloͤſung verkuͤndigen/ ſo aucto-
riſirt Er ſeinen Credentz-Brieff/ und befeſtiget denſelben mit Anzeig und
Benamſung ſeiner gerechtſamen Gewalt. Und weil alſo Gewalt und
Recht concurriren und zuſammen flieſſen/ ſo folgt per ſe darauß/ daß ail-
hie ein gerechte Macht verſtanden werde. Der Sathan als ein Fuͤrſt der
Welt/ ſampt ſeinem Stadthalter dem Pabſt zu Rom/ uͤber auch groſſen
Gewalt auff Erden/ aber das Recht hat er nicht/ es mangelt ihm an der
Gerechtſame ſeines veruͤbten Gewalts. Was iſt die gantze Welt an-
(*) vid.
Luther.
Tom. 5.
Witteb.
p. 302. f. 2.ders/ als ein groſſe Buben-Schul (*)/ darin es immer mehr ungerech-
te und gottloſe Regenten gegeben/ als fromme und gerechte? Hat das
Koͤnigreich Jſrael einen frommen Koͤnig gehabt an Joſia/ ſo hats im
Gegentheil zehen boͤſe Koͤnig gehabt. Darum hat GOtt einen gerech-
ten Koͤnig eingeſetzt auff ſeinem H. Berg Zion/ der gerecht richten
und regieren wird/ Recht und Gerechtigkeit anrichten auff
Erden Jerem. 23.
Luther. Tom. 5. Witteb. pag. 303. f. 2. erklaͤrets und ſagt: Dieſe zwey
Woͤrtlein/ Recht und Gerechtigkeit/ lieſeſtu ſehr offt beyſammen in der Schrifft/
als im Jeſaia am 9. Auff dem Thron David und ſeinem Koͤnigreiche/ daß Ers
zurichte und ſtaͤrcke mit Gericht und Gerechtigkeit/ von nun an biß in Ewigkeit/
da er auch von dem Koͤnigreich Chriſti redet. Wir Teutſchen ſagens alſo auß/
recht richten; Die Juden redens mit zweyen Woͤrtern auß/ und meynen doch
nicht mehr/ denn daß wir ſagen/ Gerechtigkeit: Aber es werden dadurch bedeutet
dieſe zwey Stuͤck/ laß vom boͤſen/ und thue guts. Denn das ſind die zwey Stuͤck/
die zu der Gerechtigkeit gehoͤren/ und dieweil nicht mehr ſind/ denn dieſe zwey
Stuͤcke/ ſo gebraucht ſich die Schrifft dieſer zweyer Woͤrter/ Judicium und Ju-
ſtitia, durchs Gericht oder Recht ſtrafft GOtt/ das iſt/ er thut hinweg was boͤß
iſt/
[271]Predigt.
iſt/ durch die Gerechtigkeit macht Er/ daß die Leuthe fromm ſind/ erhaͤlt und be-
ſchirmet die Vnſchuld.
Dieweil auch groſſe Macht ohne Weißheit eine todte Macht iſt/ ein groſ-
ſer cyclops ohne Augen und Liecht. Dann was iſt ein Koͤnig ohne Ver-
ſtand/ als ein groſſer Narꝛ aller Narren/ der in Koͤniglichen Wuͤrden ſitzt/
als ein Scherg? Solte Adam ein Herꝛ uͤber alle Thier ſeyn/ und ſie be-
herꝛſchen/ ſo mußte er auch weiß und klug ſeyn/ ihre Naturen/ Arten und
Nahmen gantz eigentlich zu unterſcheiden/ zu gebrauchen/ und ein jedes
Thier zu ſeinem Zweck zu richten. Das wußte Salomon wol/ darum er
um Weißheit gebeten/ ſolch groſſes Volck zu regieren. Nun hier iſt mehr
denn Salomon/ ein ſolcher Koͤnig/ der die Weißheit ſelbſt iſt/ der ſoll und
wird kluͤglich regieren und fahren Jerem. 23. Er wird (*) Harniſch/(*) ita Lu-
ther. in h. l.
Tom. 5.
Witteb.
p. 303. f. 1.
Schwerter/ Buͤchſen/ Bogen und Spieſſe laſſen liegen;
Er wird eine ſonderliche Weiſe anfahen/ die Leuthe fromm
zu machen/ nicht mit dem Rad oder Galgen/ ſondern mit
oder durch das Evangelium; Er wird die Leuthe faſſen/ da-
bey ſie am beſten zu faſſen ſind/ nemlich bey dem Hertzen/ und
nicht bey dem Halſe/ auff daß ſie ſich willig unterthun/ und
ihm gerne folgen.
2. Παντεξ [...]σία, Allgewalt/ Vollmacht/ allwaltende
Krafft. Mir/ ſagt Er/ iſt gegeben aller Gewalt. Es gibt viel
ἐξ [...]σίας und Herꝛſchafften/ Obrigkeiten/ Gewaltigen unter Englen und
Menſchen/ aber es ſind lauter gemeſſene Stuͤckwerck/ es ſind nur erſchaf-
fene Strahlen/ die auß der unendlichen unergruͤndlichen Quell der Goͤttli-
ehen Majeſtaͤt und Allmacht flieſſen und herfuͤr ſcheinen: Keiner Crea-
tur im Himmel und auff Erden iſt jemal aller Gewalt/ und alſo ungemeſ-
ſene Vollmacht geben und mitgetheilet worden. Hie aber ungemeſſene
ungetheilte unhalbirte Vollmacht/ ein ewiger Gewalt Dan. 7/14.
Und in ſpecie belangend gegenwaͤrtigen Zweck deß HErꝛn/ ſeine Hertz-
bewegende/ lebendigmachende und Richterliche Macht/ Krafft welcher
durch das Evangelion und die Sacramenta die Menſchen widerge-
bohren/ geiſt- und leiblicher Weiß lebendig/ geſund und ſelig gemacht/ im
Gegentheil die Unglaubige verdam̃t werden ſollen/ das Juͤngſte Gericht
geſchehen/ dazu ein Hertz-forſchende und Hertz-bewegende/ ja zwingende
Macht erfordert wird.
3. [...]ϒπεϱεξ [...]σία, πάντων ἐξ [...]σία, oben und uͤberſchwebende
Vollmacht und gebietende Gewalt/ in und uͤber Himmel
und Erden/ uͤber alle himmliſche und irꝛdiſche Kraͤfften und Gewalt:
dann
[272]Die vierdte
dann das heißt Macht haben im Himmel und auff Erden/ Himmel und
Erden beſitzen Gen. 14, 22. c. 24, 3. 1. Chron. 30, 11. 12. Eſdr. 5, 11. Dan.
6, 27. Matth. 11, 25. Act. 17, 24. uͤber alle himmliſche und irꝛdiſche Crea-
turen herꝛſchen/ Pſal. 8/7. ſeqq. 1. Cor. 15/27. Er iſt geſetzt zur Rech-
ten GOttes im Himmel uͤber alle Fuͤrſtenthum/ Gewalt/
Macht/ Herꝛſchafft/ und alles was genannt mag werden/
nicht allein in dieſer Welt/ ſondern auch in der zukuͤnffti-
gen. Und hat alle Ding unter ſeine Fuͤſſe gethan/ und hat
Jhn geſetzt zum Haupt der Gemeine uͤber alles/ ſagt Paulus
conf. Phil.
2, 10.
Joh. 17, 2.
Hebr. 2, 8.Epheſ. 1, 21. ſq.Jhm ſind unterthan die Engel und die Gewal-
tigen/ und die Kraͤfften 1. Petr. 3/22. So weit hats noch kein Mo-
narch gebracht/ daß er ein Herꝛ were worden uͤber den gantzen Erden-
kreiß. Viel iſt es/ wanns wahr iſt/ was von deß Koͤnigs in Hiſpaniâ
(*) vid.
Lanſ. orat.
pro Hiſp.
pag. 303.
conf. Lact.
Cat. part. 5.
pag. 1250.Bodmaͤßigkeit (*) außgegeben worden/ es ſeye dieſelbe zehenmal groͤſſer
und weiter/ als das Tuͤrckiſche Kayſerthum/ ſein Gebieth erſtrecke ſich wei-
ter/ als das Roͤmiſche Reich/ da es im hoͤchſten flor unter Kayſer Tra-
jano geſtanden/ ja die Sonn gehe uͤber das Spaniſche Gebiet nie unter:
Und wann auch der Koͤnig in Hiſpanien mit ſeiner affectirten Monar-
chia es ſo hoch geſpannen und gebracht haͤtte/ als hoch er geſinnet geweſen/
ſo waͤr es doch mehr nicht geweſen/ als eine groſſe Macht uͤber ein Puͤnct-
lein der gantzen Welt/ wann mans haͤlt gegen der groſſen Himmels-
Kugel. Hie aber iſt ein ſolcher Koͤnig/ uͤber alle Koͤnig groß/ deſſen
Grund und Boden iſt der gantze Erdboden/ der da herꝛſchet von ei-
nem Meer biß an das ander/ und von dem Waſſer an/ biß an
der Welt Ende Pſal. 72/8. Dem auch der Himmel und alles himm-
liſche Heer/ ſampt der Hoͤllen/ und darinnen gefangnen Geiſtern/ unter-
worffen.
Und alſo 4. Ἐξ [...]σία ϑεικὴ, eine Goͤttliche Macht/ Majeſtaͤt
und Herꝛligkeit/ welche Gott der Herr/ auſſer Jhm und ſeiner Perſon/
keiner Creatur/ conſequenter auch dem Pabſt nicht/ geben wil. Dienſt-
weiß mag der Diener deß Worts/ als ein Haußhalter der Geheimnuͤſſen
GOttes/ abſolviren und Suͤnde vergeben/ und wie die Schrifft (α) redet/
wuͤrcket der Herrin manu diſcipulorum, das iſt/ durch die Hand
der Juͤnger/ als Werckzeuge/ aber Er ſelbſt der oberſte Schluͤſſel-Herr/
der auß eigner Goͤttlicher Krafft und Macht die Suͤnden erlaſſet/ iſt allein
der Sohn GOttes/ der hochgelobte Gott in Ewigkeit/ wiewol ihm dieſer
Gewalt von ſeinen abgeſagten Feinden hat wollen diſputiret werden/
Matth. 9. Jſt alſo zugleich dieſe Macht keine ruhende Macht/ wie man
von
[273]Predigt.
von einem zeitlichen Koͤnig ſagt/ er ſeye maͤchtig/ ob er ſchon ſtill ſitzt/ und
nichts thut; ſondern eine wuͤrckende Macht und ſtaͤtige Thaͤtigkeit/ die
ohn unterlaß im ſchwang gehet und wuͤrcket/ dann Gott ruhet nicht/ Er
wuͤrckt ohn unterlaß/ wie Chriſtus ſagt Joh. 5. Mein Vater wuͤrckt
bißher/ und ich wuͤrcke auch.
5. Ἐξ [...]σία fundamentalis,ein Grund-Gewalt/ darauff diePoteſtas
fontalis,
vid. Luth.
Tom. 2. Iſ-
leb. pag.
446. ſqq.
gantze fuͤrhabende Legation und Geſandſchafft/ ja die gantze Chriſtliche
Kirch einig und allein beruhet: Eine ſolche beurkundigte Goͤttliche Voll-
macht/ auff welche ſeine Juͤnger ſich getroſt und unverzagt verlaſſen ſollen/
nicht erſchrecken vor den ſtarcken Voͤlckern/ groſſen und veſten Staͤdten/
Riſen und Enacks-Kindern/ vor deß Sathans Veſtungen und Hoͤhen
der Vernunfft/ dawider ſie werden zu ſtreiten haben; ſondern vielmehr
ein friſchen Muth faſſen/ und mit Caleb ſprechen: Laßt uns hinzie-
hen/ und das Land einnehmen/ dann wir moͤgen es uͤberwaͤl-
tigenNum. 13, 31. Mit Joſua/ der HErꝛ iſt mit uns/ fuͤrchtet
euch nicht fuͤr ihnen/ der Herr iſt der Felß/ Eck- und Grund-Stein
ſeiner Kirch/ dieſer Felß (ſchreibt Lutherus *) ſtehet mitten im(*) Tom. 1.
Isleb. pag.
107. f. 2.
Meer/ da gehen die Wellen her und ſtuͤrmen/ blitzen/ toben
und wuͤten dawider/ als wolten ſie den Felß umſtoſſen/ aber
er beſtehet wol/ denn er iſt wol gegruͤndet; ſie aber fallen da-
hin/ und quetſchen ſich dran ab. Und das meynet auch der Herr
in dem Woͤrtlein [...]ν, euntes ERGO,darum gehet hin in alle Welt/
das ſoll euch ein Paß- und Geleits-Wort ſeyn/ Mir iſt gegeben ꝛc.
Darum ſo wagts drauff/ ihr ſollt ein Himmel-veſten Ruͤcken an mir allzeit
finden und haben.
II.Wer iſt aber der ſo groſſe und mildreiche Geber? Wer
anders/ als der Vater deß Liechts/ von dem alle gute vollkom-
mene Gaben flieſſen/ der Alte/ zu welchem deß Menſchen Sohn
gebracht worden/ der gab Jhm Gewalt/ Ehre und Reich/ daß
Jhm alle Voͤlcker/ Leuthe und Zungen dienen ſolten/ ſeine
Gewalt iſt ewig/ die nicht vergehet/ undſein Koͤnigreich hat
kein EndeDan. 7, 14. Denſelben hat auch Chriſtus kurtz vor ſeinem
Leiden um ſolche Herꝛligkeit gebeten und angeſprochen Joh. 17/5. Nun
verklaͤre mich du Vater bey dir ſelbſt/ mit der Klarheit/ die
ich bey dir hatte/ ehe die Welt war. Doch wird in dieſer colla-
tion, als in einem Werck ad extra, Sohn und Heiliger Geiſt nicht auß-
geſchloſſen: Ein jede Perſon hat der mitleren unter ihnen dieſe Cron auff-
geſetzt/ die mitlere aber hat ſie allein getragen. Der Vater iſt die Quell
Achter Theil. M maller
[274]Die vierdte
aller Goͤttlichen idiomaten, Tugenden/ Kraͤfften/ und Herꝛligkeiten;
Der Sohn GOttes iſt der Braͤutigam/ der ſeine Braut/ die in ſeinen
Schoß auff- und angenommene Menſchliche Natur/ mit ſolcher Majeſtaͤt
dotirt/ regalirt und verehrt/ als mit einem ſeiner Hoͤchſt-Koͤniglichen
Majeſtaͤt ziemenden Braut- und Mahl-Schatz. Er iſt geſalbet wor-
den ohne Maß mit dem Geiſt und KrafftAct. 10, 38. Welches
auch die Antwort iſt auff die Juͤdiſche Frag Matth. 21/23. da Jhn die Ho-
henprieſter und Elteſten gefragt: Auß waßer Macht thuſtu das?
Und wer hat dir die Macht gegeben/ daß du ſolches thuſt?
Marc. 11/28. Antwort/ Mein Vater hat mir ſolche Gewalt ge-
geben/ Gericht zu halten/ Joh. 5.
III. Die Δόσιν betreffend/ oder die Art und Weiſe ſolcher
Gebung/ ſo iſt dieſelbe/ wie das Wort ſelbſt ſolchen Verſtand mit ſich
bringt/ keine Raubung/ ſondern freye Goͤttliche/ beſtaͤndige Gnaden-
Schenckung. Er/ als Menſch hat ſolche hohe Wuͤrde nicht Erbs-
weiſe/ wie ein Erſtgebohrner Sohn von ſeinem Koͤniglichen oder Fuͤrſt-
lichen Vater das Reich bekomt; nicht Kauffs-weiſe/ wie Simon der
Zauberer die Krafft Wunder zu thun St. Petro abhandlen wollẽ Act. 8, 19.
Viel weniger Raubs-weiſe/ auch nicht Verdienſts-weiſe/ ſondern
Geſchencks-weiſe gewonnen: Anders/ als der Sathan und ſeine
Creaturen/ Antiochus, Alexander, der Antichriſt/ die Gott dem
Herrn/ ſo viel an ihnen geweſen/ die Deiformitaͤt und Goͤttliche Ma-
jeſtaͤt geraubet/ unbefugter Weiſe an- und auff ſich gezogen/ Chriſtus
aber hats nicht fuͤr ein Raub gehalten GOTT gleich ſeyn.
Phil. 2, 9.Ein Gnadenſchenck/ ſag ich/ ἐχα [...]ίσα [...], ſagt St. Paulus/ Jhm iſt
der Nahmen uͤber alle Nahmen auß Gnaden gegeben worden/ iſts
auß Gnaden/ ſo iſts nicht auß Verdienſt: Sintemal Er mit
dieſer Majeſtaͤt belehnet worden im erſten Augenblick der Perſoͤnlichen
Vereinigung/ von welcher Er noch nicht Jhme ſelbſt ichtwas verdienen
koͤnnen/ und hat allbereit ſolcher Majeſtaͤt und Gewalt ſich gebraucht/
und derſelben Strahlen herfuͤr ſcheinen laſſen vor ſeiner Erhoͤhung/ im
Matth. 21,
19.tieffſten Stand ſeiner Erniedrigung/ da der Feigenbaum auff ſein Wort
muͤſſen verdorren/ alle Seuchen und Kranckheiten auff ſein Gebott wei-
chen/ die Erde muß auff den Tag ſeiner Aufferſtehung die Graͤber oͤffnen/
die Todten herauß geben/ die Waſſer und Wellen muͤſſen ſich auff ſein
Matth. 17,
27.
Luc. 5, 6.
Matt. 3, 16.Draͤu-Wort legen/ die Fiſch im Waſſer muͤſſen Jhm den tribut entge-
gen tragen/ ſie muͤſſen ſich in groſſer Anzahl ins Petri Netz ſamlen/ der
Himmel muß ſich auffthun und gleichſam frolocken uͤber ſeiner Tauff/ die
Sonne
[275]Predigt.
Sonne muß ihre Strahlen zuruͤck ziehen/ und ihren Schoͤpffer am CreutzLuc. 23, 45.
betrauren. So dergleichen ſpecimina potentiæ und kraͤfftige Zeichen
ſeiner Allmacht ſich im tieffſten Grad ſeiner Erniedrigung herfuͤr gethan/
was wird allererſt geſchehen/ und noch geſchehen ſeyn/ nachdem Er zur
Rechten GOttes erhaben/ und in den voͤlligen Gebrauch ſeiner Majeſtaͤt
geſetzt worden? Jch ſag/ ein beſtaͤndiges Gnaden-Geſchenck/
welches Er allzeit gehabt/ beſeſſen/ und ſo offt Er gewolt/ deſſen ſich ge-
braucht. Seinen Juͤngern hat Er auch Gewalt gegeben/ und Macht
uͤber alle Teuffel/ und allerhand Seuche zu heilen Luc. 9/1. Aber es war
precaria poteſtas, eine bloß erbettene Macht/ ſie muſtens erbetten: auch
hatten ſie ſolche Gab nicht beſtaͤndig im Beſitz/ konten deroſelben nicht ge-
brauchen/ ſo offt ſie wolten/ ſondern ſie muſtens erbetten: St. Petrus
macht einen groſſen Unterſcheid zwiſchen ſeinem und deß HErꝛn JEſu
Gewalt/ Act. 3, 12. Jhr Maͤnner von Jſrael/ ſagt er/ was wundert
ihr euch daruͤber? Oder was ſehet ihr auff uns/ als haͤtten
wir dieſen (Lamen) wandeln gemacht/ durch unſere eigene
Krafft und Verdienſt?precariòGebetts-weiſe durch den Heroi-
ſchen Wunder-Glauben an den Nahmen deß HErꝛn JEſu/ hatibid. ꝟ. 16.
Er dieſem gegeben dieſe Geſundheit fuͤr eueren Augen. Aber
auff dem Meſſiâ hat der Geiſt der Goͤttlichen Krafft beſtaͤndig geruhet/
in Jhm wohnet alle Fuͤlle der Gottheit leibhafftig. Alſo habenCol. 2, 9.
Chriſti Juͤnger den Beruff von Chriſto gehabt. Es ſpricht der HErꝛ:
Warlich ſo ihr Glauben habt/ als ein Senff-Korn/ ſo moͤ-
get ihr ſagen zu dieſem Berge/ heb dich von hinnen dorthin/
ſo wird er ſich heben/ und euch wird nichts unmuͤglich ſeyn.
Haͤtte nun einer von den Zuhoͤrern Chriſti/ der kein ſpecial-Befehl und
Verheiſſung gehabt/ Wunder zu thun/ auch den wunderthaͤtigen Glau-
ben nicht gehabt/ ohne ſolchen Glauben und Gebet ſich an ein Berg ma-
chen wollen/ und mit gebietenden Macht-Worten den Berg anreden/
Berg/ ich gebiete dir/ daß du dich erhebeſt von dannen dorthin: Was
wuͤrde er außgericht haben? Nichts/ Hohn und Spott waͤre der Lohn
geweſen. Wo ein Goͤttlicher/ gebietender und unerbetener Gewalt fuͤr-
handen/ da muß es durchdringen/ da muß alles brechen ohne Wider-
ſtand. Darum ſo bleibt den Juͤngern uͤbrig ein erbetener Gewalt/ der
ſo wenig erblich/ als die erbetene Weisheit Salomonis an Rehabeam
gerathen.
Und iſt alſo IV. dieſe Gab zwar der Perſon Chriſti gegeben worden.
MIHI,Mir/ ſagt der HErꝛ/ iſt gegeben aller Gewalt/ und nicht
M m 2dir/
[276]Die vierdte
dir/ du leidiger Sathan; Dieſer iſt ſo frech und unverſchaͤmt/ daß er ſich
Luc. 4, 6.
\& 7.ſolches Gewalts anmaſſen/ und zu Chriſto ſelbſt ſagen doͤrffen: Dieſe
Macht wil ich dir alle geben/ und ihre Herꝛligkeit/ denn ſie iſt
mir uͤbergeben/ und ich gebe ſie/ wem ich wil Luc. 4. Aber er
leugt pro more, nach ſeiner Weiſe: nicht auß Gnaden/ ſondern Gericht-
licher Verhaͤngnuͤß hat er ein groſſe Macht in der Welt/ GOtt hats ihm
gegeben/ das iſt/ zugelaſſen/ geſtattet und erlaubt/ ein Gewalt uͤber alle er-
ſte Geburt in Egypten dieſelbe zu wuͤrgen/ uͤber den lieben Job/ denſelben
zu plagen: Aber wie geſagt/ nicht auß Gnaden/ nicht allen Gewalt im
Himmel und auff Erden/ dergleichen Vollmacht Chriſto allein begegnet.
Auch nicht dir/ du Stadthalter (nicht Chriſti/ ſondern) deß Drachen
Roͤmiſcher Biſchoff/ der du dir allen Gewalt im Himmel auff Erden
von deinen Clienten geben laſſen und angenommen/ aber in Warheit nie-
(*) Tom. 7.
Witteb.
pag 252.
conf. ibid.
pag. 428.
\& p. 611.mal gehabt. Die Roͤmiſche Tyrannen (ſchreibt Lutherus *) ha-
ben wol wider das Evangelium geſtritten/ auß der gemeinen
Gewalt ein eigene zu machen/ aber Chriſtus Wort iſt blie-
ben/ da Er ſagt/ die Gewalt der Hoͤllen ſollen nichts dawi-
der vermoͤgen: Were es nun auß Goͤttlicher Ordnung ge-
weſen/ ſo haͤtte es GOtt nicht laſſen/ es waͤre einmal erfuͤllet
worden/ denn Er ſpricht/ daß nicht ein Titul noch Buchſta-
ben ſoll nachbleiben/ es muß erfuͤllet werden. Aber Roͤmi-
ſcher Gewalt iſt noch nie ein Buchſtab erfuͤllet/ uͤber die gan-
tze Chriſtenheit. Es hilfft auch nicht/ daß man ſagt/ es ſey
nicht der Roͤmer/ ſondern der Ketzer Schuld/ daß nicht erfuͤl-
let werde. Ketzer hin/ Ketzer her/ was Goͤttliche Ordnung
und Zuſagen iſt/ vermoͤgen die Pforten der Hoͤllen nicht weh-
ren/ noch hindern/ ſchweige denn die Ketzer/ Er iſt wol ſo ſtarck/
daß Er es erfuͤllen kan und wil/ ohn aller Ketzer Danck. Die-
weil Er es denn nie gethan hat/ und laͤſſet es noch unerfuͤllet/
unangeſehen ſo groſſen Ernſt/ Fleiß/ Muͤhe und Arbeit/
Liſt und Schalckheit dazu/ die die Roͤmer dabey gethan ha-
ben/ iſts/ hoff ich/ gnugſam beſchloſſen/ was deß Pabſts Ge-
walt iſt/ fuͤr andern Biſchoffen und Pfarꝛherꝛn/ iſt Menſch-
lich und nicht Goͤttlich Ordnung. Chriſtus Reich iſt durch
die gantze Welt allzeit geweſen/ wie im andern und 19. Pſalm
ſtehet; Es iſt aber nie kein Stund gantz unter dem Pabſt ge-
weſen/ Trotz der anders ſage. Weil aber Chriſti Perſon auß
zweyen Naturen beſtehet/ und demnach alles/ was von dieſer Perſon auß-
geſagt
[277]Predigt.
geſagt wird/ entweders von beeden/ oder von einer Natur verſtanden wer-
den muß/ ſo muß nothwendig auch die jenige Natur/ nach welcher ihm ſol-
che δόσις und Beſchenckung geſchehen/ bezeichnet und angemeldet werden.
Warlich nicht nach der Goͤttlichen Natur iſt ſolch Geſchenck geſchehen/
als welche ſo hoch/ ſo edel/ ſo reich und maͤchtig von Natur durch die ewige
Geburt/ daß ihr nichts in der Zeit koͤnte auß Gnaden gegeben und geſchen-
cket werden.
Lutherus (Tom. 7. Jen. in Joh. 16. ſuper verba: Alles/ was der Vater hat/ iſt
mein/ pag 209) ſchreibt: Es ſind alles hohe Wort/ denn Er redet allhie auff ſei-
ne Weiſe/ nicht von den Creaturen/ ſondern von dem hohen unaußforſchlichen
Weſen in der Gottheit: Was der Vater hat/ (ſpricht Er) das hab ich auch/ und
was ich habe/ das hab ich nicht geſtohlen/ noch geraubet/ gekaufft oder erworben/
ſondern iſt von Ewigkeit mein eigen/ und doch meines Vaters/ daß/ wie Er iſt
Allmaͤchtig und Ewiger GOtt/ alſo bin ichs auch/ und alle Herꝛlichkeit und
Majeſtaͤt/ die Er hat/ die habe ich auch/ nicht geſchenckt noch zu Lehen/ oder auß
Gnaden/ ſondern von Natur und von Ewigkeit/ daß es alles mein eigen iſt/ ohn
allein/ daß Er der Vater iſt/ und ich der Sohn bin. Eben alſo redet Er auch
Joh. 5. Gleichwie der Vater das Leben hat in Jhm ſelber/ alſo hat Er dem
Sohn gegeben/ das Leben zu haben in Jhm ſelber ꝛc. Daß Ers eben ſo gantz und
voͤlliglich/ und in Jhm ſelbſt von Natur oder Geburt hat/ als der Vater/ und
kein Vnterſcheid iſt/ ohn daß Er vom Vater gebohren iſt. Alſo machet Er ſich
dem Vater aller Dinge gleich/ und eigent Jhm zu dieſelbige Majeſtaͤt/ Gewalt
und Macht/ die man keiner Creatur/ weder Menſchen noch Engel geben kan.
Denn was wir und alle Creaturen haben/ koͤnnen wir nicht ſagen/ daß es unſer
eigen ſey/ oder von Natur haben/ ſondern muͤſſen bekennen/ daß es ſeine Gnade
und Gabe ſeye/ umſonſt und ohn unſer Verdienſt geſchenckt. Er aber nimt alles
zu ſich/ das der Vater hat/ und ruͤhmets als ſein erblich und eigen Gut/ welches
Er nicht doͤrffte ſagen/ der Vater auch nicht leiden wuͤrde/ wann Er nicht rechter
warhafftiger GOtt waͤre.
Jn einem Erb-Koͤnigreich/ zum Exempel in Franckreich/ iſt der junge
Delphin der Erſtgebohrne Sohn deß Koͤnigs/ ein Koͤnig von Natur/
und hat ſolche Wuͤrde von ſeinem Vater nicht auß Gnaden/ ſondern erb-
lich empfangen: Solte aber beſagter Koͤnig (in Mangel eines natuͤrli-
chen Erben) einen von ſeinen Unterthanen ſo hoch adlen und begnaden/
daß er ihm ſein gantz Koͤnigreich/ Majeſtaͤt/ Wuͤrde/ Cron und Thron
uͤbergeben wolte/ ſo waͤre dieſer ja ein Koͤnig/ haͤtte alle Koͤnigliche Maje-
ſtaͤt und Wuͤrde/ aber nicht durch die Natur/ ſondern auß Gnaden. Ja
gleichwie Ahasverus dem zwar wolverdienten Juden Mardochai laſſen
anziehen Koͤnigliche Kleider/ ihme eine Koͤnigliche Cron laſſen auffſetzen/
ein Koͤniglich Pferd unter den Leib gegeben/ und in der Stadt Suſan
durch Haman laſſen herum fuͤhren/ und ſagen: Alſo wird man dem
M m 3Mann
[278]Die vierdte
Mann thun/ den der Koͤnig gern ehren wolte; Und iſt doch einen Weg
als den andern Mardochai deß Koͤnigs Unterthan geblieben/ und dem
Koͤnig nicht gleich worden. Alſo iſt Chriſti Fleiſch und Menſchliche
Natur ſo hoch erhoben und geadelt worden/ daß ihr alle Goͤttliche Majeſtaͤt
und Herꝛlichkeit gegeben und gegoͤnnet worden/ aber ἐχα [...]ίσα [...], auß
Gnaden; auff welches auch der HErꝛ ſelbſt mit Fingern gedeutet/ da
Er Joh. 5/27. geſagt: Der Vater hat dem Sohn Macht gege-
ben das Gericht zu halten/ darum/ daß Er deß Menſchen
Sohn iſt. Da dann das Woͤrtlein ὅπι nicht urſaͤchlich/ ſondern be-
nennlich zuverſtehen/ das iſt/ Chriſtus hat die Macht Gericht zu halten
empfangen/ nicht darum/ dieweil Er eines Menſchen Sohn; Dann auff
ſolche Weiſe muͤßte ein jeder Menſchen-Sohn gleichen Gewalt empfan-
gen haben; Sondern es wird allein benennet und beſtimmet die jenige
Natur/ nach und in welcher Er ſolchen hohen Adel empfangen: Ja gar
Menſchliche Haͤnd und Fuͤſſe benamſet/ unter welche Er alle Creaturen ge-
leget Pſal. 8. und Pſal. 110. Wohin dann gehoͤrt die uralte Theologiſche
Regul/ apud Theodoretum: Ὅσα ἡ γ [...]φὴ λέγ [...], ὁ [...] ἕλαϐεν ὁ [...]ὸς, κα [...]
ἐδοξάοϑη, [...]ὰ τ [...] ἀν [...]θϱωτότη [...]α [...] λέγ [...], [...] Θεότη [...], das iſt/ was die
Schrifft ſaget/ das die Perſon Chriſti empfangen/ dadurch ſie gebeſſert
und erhoͤhet worden/ verſtehet ſie nach ſeiner Menſchheit/ nicht nach ſeiner
Gottheit. Davon zeugen die groſſen unerhoͤrten Miracul und Wunder-
Joh. 2, 11.
Luc. 8, 46.
Act. 10, 38.werck/ ſonderlich in den drey kraͤfftigen Macht-Zeugnuͤſſen Joh. 2. Luc. 8.
Act. 10. Jm erſten wird beſchrieben das Wunderwerck bey der
Hochzeit zu Cana in Galilea/ da das Waſſer in Wein verwandelt
worden/ ein groſſes Zeichen der Goͤttlichen Allmacht/ das erſte Zei-
chen/ das Chriſtus gethan/ und dadurch ſeine nach der Menſchheit mit-
getheilte Herꝛlichkeit geoffenbahret; welches freylich nicht das erſte ge-
weßt nach der Gottheit/ ſintemal Er vor ſeiner Menſchwerdung viel hohe
und herꝛliche Miracul nach der Gottheit/ davon in Buͤchern deß alten Te-
ſtaments zu leſen/ verrichtet/ und ſeine Herꝛlichkeit dadurch erwieſen/
darum bleibts/ daß ſolch Wunder nach der Menſchlichen Natur geſche-
hen. Jm andern wird erzehlet die heilſame wunderthaͤtige Cur an
dem armen Blutfluͤſſigen Weib/ welche ſeines Kleides Saum
angeruͤhrt/ da wendet ſich der HErꝛ und ſagt: Jch fuͤhle (verſtehe nach
der Menſchheit/ nach welcher Er eigentlich gefuͤhlet) daß eine Krafft
ἐϖ᾽ ἐμ [...], von mir/ das iſt/ von meinem fuͤhlbaren empfindlichen Fleiſch/
außgangen. Jm dritten wird ſeine Salbung geruͤhmet/ wie Er
geſalbet worden/ (verſtehe abermal nach der Menſchlichen Natur/
als
[279]Predigt.
als welche ſolcher Salb-Gabung alleine faͤhig geweſen) mit dem Heili-
gen Geiſt und Krafft/ durch welche Er herum gangen/ wol-
gethan und geheilet/ dann GOtt war mit Jhm. Und kam da-
her/ weil Er der Mariæ Sohn/ JEſus von Nazareth/ mit Gott verein-
baret geweßt/ viel auff eine andere hoͤhere Weiß/ als der ewige Sohn GOt-
tes mit Chriſti Juͤngern vereinbaret geweßt (durch welche Er auch mira-
cula und Wunder gethan) nicht nur als durch ein bloß organum und
Werckzeug/ ſondern auch als in ſeinem eignen Tempel/ in dem die Fuͤlle
der Gottheit leibhafftig gewohnet. Und ſo mußt es auch ſeyn/ ſolte an-
ders die Menſchliche Natur/ als eine Mitwuͤrckerin/ zur Erloͤſung deß
Menſchlichen Geſchlechts gebraucht werden.
Jſt dem alſo/ moͤchte jemand ſagen/ iſt Chriſti Macht-Reich ſo groß/
weit und breit/ ſtarck und unuͤberwindlich/ wie kompt es dann/ daß deß
Sathans Macht ſo groß/ daß er ſo viel victorien je und je erhalten wider
die arme Chriſtenheit/ daß ſeine Vottmaͤſſigkeit viel weiter ſich erſtreckt/ als
Chriſti? Solte man die Welt in der mappa außzirculn und abmeſſen/
die groͤſte Welt-Portion wuͤrde dem Sathan zufallen/ Chriſto wuͤrde das
wenigſte uͤberbleiben. Antw. O der armen Macht! Eines zwar ſelbſt
angemaßten groſſen Welt-Herꝛn/ aber in der Warheit armen/ unmaͤchti-
gen/ gefangenen und mit Ketten der Finſternuß angebundenen Sclaven/
der weiter nicht gehen noch thun kan/ als der/ ſo ihm verhengt/ Maß/ Ziel
und Gewicht ſetzet. Es gehet offt uͤberzwerch daher/ und ſcheinet/ der
Teuffel ſeye Meiſter worden: aber in fine videtur cujus toni, tandem
eſt Rector in orbe Deus, im außkehren findet ſichs/ Gott bleibet doch
Richter und HErꝛ auff Erden. Daß der groͤſte Hauff der Menſchen
dem Sathan dienet/ daß er ſo viel Land und Leuth mit ſeiner Finſternuß
erfuͤllet/ das iſt kein Zeichen der Unmacht Chriſti/ ſondern gerechte Ge-
richt und Verhengnuͤß/ der dem Sathan verhengt/ mit ſolchen kraͤfftigen
Jrꝛthumen zu ſtraffen/ weil man die reine Warheit ſo verachtet: Gleich-
wie der Wuͤrg-Engel in Egypten durch GOttes Verhengnuͤß groſſenExod. 12,
29.
Schaden gethan/ und alle erſte Geburt geſchlagen/ aber Fried und Si-
cherheit/ Liecht und Wohnung war in den Wohnungen der Kinder Jſrael:
Dort war der Platz/ darauff der Sathan tyranniſirte/ viel groͤſſer und
weiter/ als der jenige Raum/ da die Kinder Jſrael gehauſet; Alſo hat der
hoͤlliſche Seelen-Moͤrder/ durch Goͤttliche Verhengnuͤß uͤber die jenigen/
ſo Chriſtum nicht wollen zu einem Koͤnig haben/ groͤſſer Gewalt/ die ſind
gemeiniglich die Erſtgebohrne/ das iſt/ die edelſte in der Welt: Sein
Gnaden-Reich iſt zwar nicht in der gantzen Welt/ aber ſein Macht-Reich
iſt
[280]Die vierdte
iſt ein allgemeines/ gehet uͤber den gantzen Erdboden/ iſt auch mitten unter
ſeinen Feinden.
Endlich wird auch gedeutet auff die Zeit/ wann Jhme Chriſto/
nach der Menſchlichen Natur/ ſolche hohe Excellentz und Majeſtaͤt/ be-
ſchehret worden: Nicht allererſt jetzt/ nachdem Er von den Todten auffer-
ſtanden/ ſondern ἐδόϑη, ſie iſt Jhm gegeben worden/ ſchon allbereit zuvor
in ſeiner Salbung; Jn der Empfaͤngnuͤß und erſten Nun der Perſoͤn-
lichen Vereinigung/ da hat Er alsbald die Majeſtaͤt/ oder den Beſitz der
allgewaltigen Macht bekommen/ wiewol Er ſich der vollkommenen
Ubung derſelben im Stand ſeiner Niedrigung enteuſſert/ und doch bißwei-
len die Strahlen derſelben/ in allerhand miraculis und Wundern/ herfuͤr
leuchten laſſen.
Das iſt M. L. was St. Petrus allen fleiſſigen und Lehr-begierigen
Schrifft-Schuͤlern/ die da acht haben auff das feſte Prophetiſche Wort/
zugeſagt/ es ſoll ein hell-leuchtender Morgen-Stern in ihren duncklen Her-
tzen auffgehen/ das ſoll ihr præmium und Lehr-Lohn ſeyn: Sie ſollen ih-
ren Gnaden-Koͤnig und deſſen hochtroͤſtliche Regalia recht lernen erken-
nen/ an welcher Erkaͤntnuͤß das ewig-ſelige Leben hafftet. Denn hie ſe-
hen wir die Strahlen ſeiner Koͤniglichen Majeſtaͤt zu welcher Er erhaben/
was fuͤr einen maͤchtigen Koͤnig wir an Jhm haben/ keinen weltlichen/
ſterblichen und eng-geſpannenen/ ſondern einen ſolchen Potentaten und
Monarchen/ dem alles/ das iſt/ alle Creaturen/ unter ſeine Menſch-
liche Hand gegeben/ und nichts außgenommen/ ohn ſich
ſelbſt/ wie die Epiſtel an die Hebreer ſpricht c. 2, 8. Er herꝛſchet uͤber die
gantze Welt/ welche iſt ein recht ungeſtuͤmmes Meer/ da ſich die Verfolger
wider die Chriſtliche Kirche/ als groſſe Waſſerwogen und Wellen/ erhe-
ben/ dieſelbe ſtillet der gerechte Herꝛſcher in der Furcht GOttes/ daß ſie
das arme Chriſt-Schifflin nicht muͤſſen untertrucken. Und wie dieſes
Liecht die Goͤttliche Warheit offenbaret/ und zuverſtehen gibt/ was unſer
Chriſtliche Catechiſmus meynet/ und verſtehet durch dieſen Macht-
Spruch/ Mir iſt gegeben aller Gewalt ꝛc. Alſo entdeckt daſſelbe
im Gegentheil die Finſtere deß Jrꝛthums/ und darauß folgender ſchnoͤder
Ehren-Raub/ da Chriſti Menſchliche Natur/ ſeine von der inwohnenden
Gottheit mitgetheilte Ehre/ Majeſtaͤt und gleichſam Braut-Schmuck/
abgeſprochen/ verneinet und entzogen worden.
Es ſind deren je und allzeit geweßt/ die ſich erkuͤhnet/ dieſen groſſen
HErꝛn GOttes Sohn zu ſtuͤrtzen von ſeinem Thron/ nicht nur Pabſt
und Tuͤrck/ ſondern auch Calvinus und ſeine Angehoͤrige/ deren Laͤſter-
Wort
[281]Predigt.
Wort wir anderswo (*) angezogen. Sonderlich ſchreibt Calvinus ad(*) Ho-
dom. Cal-
vin. Spirit.
phant. 8.
pag. 1515.
ſeqq.
Conſen-
tiunt Pa-
pæi pro-
ducti in
Hodom.
Pap. Phant.
8 pag. 36.
ſq.
Joh. 5, 22.
Act. 7. Simplex ſenſus eſt, Chriſto traditam eſſe omnem poteſta-
tem, ut in carne, in quâ humiliatus fuerat, regnet PATRIS VICE,
ſitque illi SECUNDUS; das iſt/ dieſes iſt die einfaͤltige Mei-
nung/ es ſeye Chriſto aller Gewalt gegeben/ auff daß er im
Fleiſch/ in welchem er ernidriget war/ herꝛſche an Statt deß
Vaters/ und alſo nach ihm der nechſte waͤre. Aber alſo muͤßte
man Chriſtum/ als Dominum vicarium, einen ſolchen HErꝛn/ der deß
wahren Herrn Stell vertritt/ anruffen. Nein; Chriſtus ſagt:
Der Vater hat alles Gericht dem Sohn uͤbergeben/ auff
daß alle den Sohn ehren/ wie (καθὼς) ſie den Vater ehren.
und ſol da kein vicariat geſtattet werden. Unus eſt Chriſtus, \& Deus
perfectus, \& homo perfectus, quem adoramus cum Patre \& Spiritu
UNA ADORATIONE, in una verbi hy poſtaſi, quæ \& ipſi hypo-Damaſc.
Lib. 3. de
orthod.
fid. cap. 8.
ſtaſis facta eſt, ſchreibt Damaſcenus, das iſt/ es iſt ein einiger Chri-
ſtus/ zugleich vollkommener GOtt/ und vollkommener
Menſch/ welchen wir anruffen mit dem Vater und hei-
ligen Geiſt/ mit einer einigen Anruffung/ in der einigen
Perſoͤnlichkeit deß ewigen Worts/ welche auch ihm (dem
Menſchen/ oder der Menſchlichen Natur) eine Perſoͤnlichkeit
worden iſt. Und dieſem nach hat Piſcator in ſeiner Teutſchen ver-
gifften Herborniſchen Bibel dieſe Gloß allhie angeſchmiert (Lehr 7.)
Es werde allhie nicht verſtanden die Allmacht Chriſti/ dañ
allmaͤchtig ſeyn/ ſey weit ein anders/ als Gewalt haben:
Sintemahl viel in der Welt groſſen Gewalt haben/ und
ſind drum nicht allmaͤchtig. Worauß per ſe folgt/ daß auch
Chriſto dem HErꝛn nach ſeiner Menſchlichen Natur/ die Goͤttliche Ehr
deß Anbetens nicht gebuͤhr/ und alſo ihm kein ſolcher Nahm/ Titul/ gerecht-
ſame auß Gnaden gegeben worden ſey/ daß in demſelben die Knie biegen
ſollen die Creaturen/ im Himmel/ auff Erden/ und unter der Erden.
Danæi Wort (*) lauten hievon alſo: Verflucht iſt der Mann/(*) in
Exam. Lib.
Chemn.
c. 29. p.
1449.
welcher ſein Vertrauen auff einen Menſchen ſetzet/ und
haͤlt Fleiſch fuͤr ſeinen Arm Jerem. 7. Nun iſt das Fleiſch
Chriſti ein wahres Fleiſch/ und der Menſch Chriſtus
ein wahrer Menſch: Welcher aber mit einem Gottes-
dienſt einen Menſchen/ er ſey wer er wolle/ anbetet
oder anruffet/ der ſetzt ſein Vertrauen auff den/ wel-
chen er dergeſtalt anruffet und anbetet ꝛc. Deme ſetzen wir ent-
Achter Theil. N ngegen
[282]Die vierdte
gegen das Argument/ deſſen Vorſatz der Sathan auß dem Liecht der Na-
tur genommen/ wann er Luc. 4/67. zu Chriſto geſagt: Dieſe Macht
(der gantzen Welt) und ihre Herꝛligkeit iſt mir uͤbergeben/ und
ich gebe ſie/ welchem ich wil/ ſo du nun mich wilt anbeten/ ſo
ſol es alles dein ſeyn. Alle die Natur/ deren alle Macht und Reich
der gantzen Welt gegeben iſt/ dieſelbe iſt deß anbetens werth: Wie aber
der Sathan faͤlſchlich aſſumirt/ und von ſich ſelbſt gelogen/ als waͤr
ihm ſolche Macht gegeben; Alſo ſteht hie die ewige Warheit ſelbſt/
und ſagt: Mir/ mir und nicht dir/ meine Menſchliche Natur iſt die
jenige Natur/ deren ſolche Macht gegeben; Wer kan nun die conclu-
ſion den Schluß und dero Fluß verſperren? Nun es wird zu ſeiner
Zeit zu verantworten ſtehn. Gleichwie wer den Sohn Gottes nicht eh-
ret/ der ehret auch den Vater nicht; Alſo auch wer deß Sohns angenom-
menes Fleiſch nicht ehret/ wie ſie ſol nach der H. Schrifft geehret werden/
der ehret den Sohn nicht/ und wird deßwegen ein harten Standt außzu-
ſtehen haben.
Wie auch deß Papſts Schmarotzer und Fuchsſchwaͤntzer/ (*)
welche demſelben allen dieſen Gewalt/ den ſie ſonſt Chriſti Menſchlichen
Natur abgenommen/ ſo viel an ihnen eingeraumet/ ja er der Papſt ſel-
ber ihm ohne Stirn und Schen angemaſſet: Nicht nur das/ ſondern
auch Kaͤyſer und Koͤnige uͤber Chriſtum hinauff ſetzen/ (α) auff daß ihr
Abgott der Papſt/ der deß Kaͤyſers gebietender Herꝛ ſeyn wil/ durch den
Kaͤyſer auch uͤber Chriſtum erhaben werde.
Wir verwundern uns/ und erſtarren viel mehr uͤber dieſem ſo groſ-
ſen Geheimnuͤß/ und ſprechen auch mit deß Meſſiæ Großvater/ dem Koͤnig
David Pſal. 8/5. Was iſt der Menſch/ daß du ſein gedenckeſt/
und deß Menſchen Kind/ daß du dich ſein annimmeſt? Ach
der arme Enoſch, der euſſerſt verſchmaͤchſte JEſus von Nazareth/ den
die Kriegs Knechte mit Fuͤſſen getretten/ und ihm ſeine Haͤnde durchgra-
ben/ daß du ihn/ O Gott/ zu einem ſo groſſen HErꝛn gemacht uͤber
deiner Haͤnde Werck/ und alles unter ſeine Fuͤſſe gethan! Was bin
ich? Was/ (*) iſt mein Hauß? Daß du mich biß dahin bringeſt: Es(*) ita πα-
[...]ϕϱά [...]
verba Da-
vidis 1. Pa-
ral. 17.
Lutherus
Tom. 8.
Jenenſ.
pag. 158.
iſt ja zu hoch und zu herꝛlich Ding/ daß du mir verheiſſeſt/ daß mein
Hauß/ mein Sohn (mein Bruder) ſolle dahin kommen/ daß er in
deinem eigen ewigen Reich ſitzen/ Herꝛ und Koͤnig ſeyn ſol! Herr
Gott wohin bringeſtu mich? Er David kans fuͤr groſſem Wun-
dern nicht ſagen/ und nennets/ biß dahin/ wohin? Mein lieber Gott/
ſol ich/ das iſt/ mein Fleiſch und Blut/ dir gleich ſitzen/ in deinem ewi-
N n 2gen
[284]Die vierdte
gen Reich? So wird mein Fleiſch und Blut/ mein Sohn (Bruder)
und dein Sohn/ rechter warhafftiger GOtt ſein muͤſſen/ der dir gleich
ſitzet. Ach GOtt wo bringeſt du mich hin! Derowegen getroſt meine liebe
Juͤnger/ und dero Nachfolger/ ſeit gutes Muths/ greifft euer legation
und Bottſchafft mit Helden- und Freuden-Muth an/ es ſol euch gelingen.
Trutz dir/ du maͤchtiger Geiſt/ O Sathan/ mit aller deiner Furi und
Sturm/ ein Woͤrtlein/ ſo auß dieſes Herꝛn Mund gangen/ ſol dich matt
machen/ ja faͤllen.
Er (der Sathan) weiß wol/ ſchreibt Lutherus (*), daß ein Verßlein im
Pſalter ſteht/ der heißt? Ex ore infantium \& lactentium fundaſti virtutem, ut
aboleas inimicum. Du haſt einen ſtarcken Grund gelegt/ durch den Mund der
jungen Kinder und Saͤuglingen/ auff daß du deß Feindes und Raͤchers ein Ende
macheſt. Dieſer Vers draͤuet ihm nicht allein Betruͤbnuͤß und Elend/ ſondern
auch daß er zu nicht werden ſol. Vnd daſſelbige nicht durch groſſe Gewalt/
welches ihm doch ein Ehre waͤre/ ſondern durch ammaͤchtige Seuglinge/ da kein
Krafft innen iſt. Das beiſt und thut dem maͤchtigen ſtoltzen Geiſt recht wehe/
daß ſein groſſe Gewalt/ ſein ſchrecklich Toben/ ſein wuͤtende Rache/ ſol ohn
Gewalt durch kindiſche Schwachheit zu Boden geſtuͤrtzt werden/ und ſolls nicht
wehren koͤnnen. Da laßt uns zu helffen/ und mit Ernſt zu thun. Wir ſind
die jungen Kinder und Saͤuglingen/ ſo ſchwach ſind/ und laſſen die Feinde
maͤchtig und gewaltig uͤber uns ſeyn/ daß ſie von ihrem Ding reden und thun
was ſie wollen/ wir aber muͤſſen ſchweigen unſer Ding/ und leyden/ als koͤn-
ten wir nichts reden oder thun/ wie die jungen Kinder/ nicht wie die Gewalti-
gen Helden und Rießen. Aber doch redet GOtt dieweil durch unſern Mund ſein
Wort/ das ſein Gnade preiſet. Das iſt ein ſolcher Felß und veſter Grund/ daß
die hoͤlliſche Pforten nichts darwider vermoͤgen. Wo das bleibt und gehet/ da
geſchichts zu letſt/ daß auch der Feinde etliche bekehret werden/ die deß Teuffels
Schuppen waren. Wenn nun ihm ſolche Schuppen abgeſtreiffet werden/ durchs
Wort Gottes/ ſo wird er bloß und matt/ ſo gehets denn/ wie dieſer Vers ſagt/
daß er deß Feindes und Raͤchers ein Ende machet/ das iſt ein froͤlicher Sieg und
Vberwindung/ die ohn Schwerd und Fauſt geſchicht/ darum ſie auch dem
Teuffel wehe thut. Wider die groſſe Gewalt deß Teuffels (ſic idem Tom. 4. Witt.
in der Predigt von JEſu Chriſto pag. 318.) mit allen ſeinen Englen/ und der Welt
mit aller ihrer Macht und Krafft/ iſt uns Noth/ daß wir einen Herꝛn haben/ der
auch ſtarck und maͤchtig ſey. Das iſt nu dieſer JEſus Chriſtus/ welchen ich
hie im Glauben bekenne/ und auch mit der That fuͤhle und erfahre/ daß ſeine
Gewalt nicht auß iſt/ noch ein Ende hat/ ſondern dem Teuffel Manns gnug
iſt/ ob er wol die Chriſtenheit hat angegriffen und geplagt von Anfang der Welt/
und noch taͤglich/ noch hat er ſie muͤſſen ſtehen laſſen/ und doch wol ſo zornig
iſt/ daß/ wo er kunt/ lieſſe er keinen Tauffſtein in der Chriſtenheit bleiben. Wie
er denn in der Tuͤrckey hat zuwegenbracht/ da er keine Tauffe/ kein Evangelium/
kein Sacrament/ kein Predig-Stuhl/ keinen Chriſtum hat bleiben laſſen/
und gerne die gantze Chriſtenheit auch ſo verſtoͤret und verwuͤſtete: Denn ſo
feind iſt er ihr/ daß er nicht kan ruhen/ biß ers alles rein außrottet/ und wuͤrde
es
[285]Predigt.
es auch nicht laſſen/ wo wir nicht dieſen HErꝛn haͤtten/ der ihm wehret und
ſteuret. Darum greiffet er uns ſo an/ beyde mit Gewalt durch Tyrannen/
und mit Liſt durch Rotten und falſche Lehre/ verſuchet alle Kunſt und Wege/
daß er uns von Chriſto bringe. Nu weren wir viel zu ſchwach/ ihm zu wider-
ſtehen oder uns zu wehren/ wider ſeine Gewalt oder Tuͤcke/ und koͤnten nicht ei-
ne troͤſtliche Gedancken von Chriſto behalten/ die er nicht koͤnte außblaſen/ viel
leichter denn der Wind ein Liechtlein außblaͤſet/ und eitel teuffeliſche Gedancken
ins Hertz ſetzen. Daß aber noch die Tauffe/ Kirche/ Predigampt/ und rechter
Verſtand von Chriſto etwa bleibet/ das iſt nicht Menſchliche Krafft und Ver-
moͤgen/ ſondern iſt lauter Gewalt dieſes unſers HErꝛn/ die kein Kaͤyſer/ kein
Koͤnig auff Erden vermoͤcht/ ſondern er durch ſeine Allmaͤchtige Goͤttliche
Krafft ſelbſt thun muß. \& ibid. p. 317. fac. 2. Sihe daher heiſſet er nun mein
HErꝛ/ weil ich hie taͤglich ſitze in Fahr deß Todes/ und in deß Teuffels Rachen/
und muß ihm herhalten/ daß er mich zuplagt mit allem Vngluͤck/ und endlich
ermordet. Item ich ſtecke taͤglich in Suͤnden/ unter boͤſen Leuthen und
Rotten-Geiſtern/ dazu mein eigen Gewiſſen mich ſchroͤcket und bloͤde machet ꝛc.
Daß ich nimmer keinen Friede habe/ und wo es in deß Teuffels Macht ſtuͤnde/
und wir keinen HErꝛn haͤtten/ der ihm zu maͤchtig waͤre/ ſolt er bald ein Ende
mit uns machen. Aber unſer Herr/ ſagt Lutherus anderswo (*)/ hat auch(*) Tom. 7.
Jenenſ.
p. 99. f. 2.
Stahl und Eiſen im Kopff/ und Marck in Faͤuſten und Beinen/ daß ers kan
außſtehen/ wie er bereit an vielen gethan hat/ die den Kopff an ihm abgelauf-
fen und zubrochen haben/ und noch zubrechen ſollen/ aber den unſeren unzubro-
chen laſſen. Hæc hactenus ille.
Trutz dir Welt/ und aller deiner Macht/ wo ſie am hoͤchſten iſt/ iſt ſie gleich
einer krafftloſen Schweins-Blaß/ ſie kan/ ich wil nicht ſagen/ dem Wind
und Meer/ ſondern einer einigen Peſt-Druͤſſen nicht wehren/ daß ſie dem
groͤſten Potentaten nicht koͤnte das Leben nehmen. Trutz dir
Canutius Angliæ Rex ſalutatus ab aulicis miniſtris Aequorum aquarum-
que Dominus, ut ſive refelleret mendaces aſſentantium voces, ſive uſurparet aſ-
ſumptum ſuperbè imperium, ſolium ſuum ad littus creſcentis in æſtum maris,
ſtatui juſſit. Tum regio accinctus paludamento, ſceptroque minax, Tu, in-
quit, (α) mare, meæ es ditionis: \& Terra in quâ ſedeo, mea est. Tibi pro meo(α) Guſt.
Cambden.
in Brit.
injungo imperio, ne in terram meam aſcendas, neque has tui Domini veſtes ſedem-
que madefacias. Si faxis, non impune erit, juſſus meos recuſare. Non audiit re-
gios juſſus ſuo intumeſcens more Mare: ſubitoque in terram acceſſu, ſine
ulla regiæ poteſtatis reverentia ſolium veſtesque Canuti fluctu ſuo adſperſit:
plura auſurum, ſi Rex obſtinatæ juſſionis imperia uſurparet. Ille verò ſubito
reſiliens, ò ſtultam Regum, ait, arrogantiam! ò vani conatus impotentem ſpiritum!
dum ſibi in maria \& aquas poteſtatem aſſumunt, quæ ſolius imperio Numinis ſub-
ſunt, ſolius Dei nutum \& voluntatem ſequuntur, conf. Neuhuſ. Sacr. Fatid.
Lib. 2. cap. 33. p. 396.
Papſt und Tuͤrck/ und deinen Gebotten/ ſo fern ſie Chriſtum nach ihrer
blinden Vernunfft/ wollen lehren ſein Regiment recht kluͤglich fuͤhren!
N n 3Jhr
[286]Die vierdte
Jhr komt viel zu ſpat mit eurer Witz/ die erſt fuͤr tauſend Jahrẽ jung wor-
den/ hie iſt der Koͤnig zu Zion/ den GOtt der Herr ſein Vater heut/
das iſt/ von Ewigkeit gebohren/ der alle euere Conſilia und An- und Rath-
ſchlaͤg weiß/ und euch in die Karten hinein ſchauet/
Hie iſt der dem alle Macht und Recht gegeben/ er wird kluͤglich fahren und
nicht anſtoſſen/ Er wirds wol machen.
Ligt nur am Glauben/ daß wir ſolche Goͤttliche Macht/ und die
Hand Gottes/ zu dero Rechten Chriſtus erhoben worden/ durch welche
er auch ſein Regiment offt heimlich und wunderlich fuͤhrt/ erkennen und
ihm endlich vertrauen/ daß wir in unſerer Schwachheit/ Ohnmacht und
Maͤnglen/ ſo in unſerẽ Chriſtlichen Ampts-Geſchaͤfften anflchtet/ daß auch
mancher in ſeinem Lehr Ampt klagen moͤchte auß Eſa. 49/4. und ſagen:
Jch arbeitet vergeblich/ und brachte meine Krafft umſonſt
und unnuͤtzlich zu/ wiewol meine Sache deß HErꝛn/ und
mein Ampt meines Gottes iſt: Daß wir/ ſag ich/ getroſt dieſen
ſo Allmaͤchtigen/ Allgewaltigen HErꝛn anflehen und bitten/ er wolle
nach ſeiner alten Weiſe in den Schwachen maͤchtig ſeyn (dann wo
Schwachheit/ da Gebet/ wo Gebet/ da erſcheinet Goͤttliche Krafft) und
uns nach ſeinem Willen gemeſſene Macht/ Krafft und Staͤrcke verlei-
hen/ und durch uns außrichten/ ſonderlich in unſerm Lehr-Ampt/ was
wir auß eignen Kraͤfften nicht vermoͤgen/ ſein Macht/ unſer Macht/
ſein Krafft/ unſer Schild/ dadurch wir ritterlich ringen/ durch Tod
Rom. 8, 1.und Leben zu ihm tringen. Jſt Chriſtus fuͤr uns/ wer kan wider uns
ſeyn? Jch kan oder vermag alles durch den/ der mich maͤchtig machet/
Phil. 4, 13.Chriſtus/ ſpricht St. Paulus Phil. 4. Quantæ fiduciæ vox eſt! facit
Chriſtus omnipotentes, qui in ſe ſperant, ſchreibet Bernhardus uͤber
dieſe Wort/ das iſt/ O ein ſtarck Glaubens-Wort/ Chriſtus macht die je-
nigen allmaͤchtig/ die ihme vertrauen! Darum ſo ſeye dann der HErr
unſer Huͤlffe und Schild: Unſer Huͤlffe/ wegen unſer angebohrnen
Schwachheit; Unſer Schild/ gegen unſere Feinde und ſo mancherley
Pfeile deß Teuffels/ und der Menſchen/ dawider macht ſich GOtt uns
zum Schilde/ und faͤhet ſolche gifftige Geſchoß auff/ wendet ſie ab/ daß ſie
nicht ſchaden koͤnnen. Er der Herr iſt unſer feſte Burg/ die nicht kan
geſtuͤrmet werden:
Wol nun allen/ die auff ihn trauen. GOtt aber aller Gna-Pſal. 2, 12.
1. Pet. 5, 10.
de/ der uns beruffen hat zu ſeiner ewigen Herꝛligkeit in Chri-
ſto JEſu/ derſelbe wird auch/ die eine kleine Zeit leyden/ voll
bereiten/ ſtaͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤnden. Demſelbigen ſey
Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Es iſt auſſer allem Zweiffel einem
Reiſenden oder Pilgram ein groſſer Troſt und Freud/
Epiſtola ſalvi conductûs,ein ſicheren/ undiſpu-
tirlichen/ unverwerfflichen Geleits-Brieff zu
haben/ darinn ihme Paß und Repaß zugefagt worden/
wann derſelbe von redlicher und kraͤfftiger Hand ge-
ſchrieben/ und einen Nachtruck haben kan: Viel ein groͤſſeren Troſt
aber gibt der conductus ſelbſt/ wann der/ der das ſichere Geleit ſchrifftlich
zugeſagt/ ſelbſt in eigener Perſon gegenwaͤrtig Gefertſchafft leiſtet/ und
auß treuem Hertzen/ mit kraͤfftiger Huͤlff/ den beſagten Reiſigen beglei-
tet/ da heißts jucundus comes pro vehiculo, ein annehmlicher/
redſpraͤchiger/ freundlicher und getreuer Geferth/ iſt an Statt einer
Gutſchen oder Saͤnffte. Der junge Tobias weiß das Gluͤck/ welches er
genoſſen von ſeinem Gefaͤrten Raphael/ nicht gnugſam zu ruͤhmen/ er
ſagt
[288]Die fůnffte
ſagt Tob. 12. Wie koͤnnen wir ihm die groſſe Wolthat/ die
er an mir gethan hat/ vergelten? Er hat mich geſund hin
und wieder bracht/ hat das Gelt ſelbſt bey Gabel geholet/
hat mir zu dieſem Weibe geholffen/ darzu hat er den boͤſen
Geiſt vertrieben/ und ihre Eltern erfreuet/ ja mich ſelbſt
hat er errettet/ da mich der groſſe Fiſch freſſen wolt/ und
hat dir wieder geholffen zu deinem Geſichte/ und hat
uns uͤber die maſſen viel gutes gethan/ wie koͤnnen wir ihm
denn ſolche groſſe Wolthat vergelten? Wie uͤbel were St. Pau-
lo gerathen worden/ als 40. juͤdiſche Maͤnner ſich verbannet und ver-
ſchworen/ weder zu eſſen/ noch zu trincken/ biß ſie ihn Paulum getoͤdtet/
wann ihn der Roͤmiſche Oberhauptmann nicht mit zwey hundert Kriegs-
Knechten und ſiebentzig Reutern convoyrt und begleitet haͤtte? Act.
23, 23. Jch ſage aber einen recht ſicheren/ undiſputirlichen/
unverwehrlichen Geleits-Brieff/ ſo von kraͤfftiger Hand geſchrie-
ben worden. Dann wie ſonſt offtmals in der Welt Geleits-Brieff
angeſehen und reſpectirt werden/ nicht allein von undiſciplinirten
frechen Soldaten/ ſondern auch von den heiligen Leuthen/ bey denen
man Treu und Redligkeit (wann ſie ſich verlohren haͤtte) ſuchen und fin-
den ſollte/ der Paͤpſtiſchen Cleriſey/ das hat der heilige Maͤrtyrer Jo-
hann Huß zu Coſtnitz erfahren/ da man KaͤyſersSigiſmundi Ge-
leits-Brieff durchloͤchert/ fuͤrgegeben/ es habe der Kaͤyſer wider die hoͤ-
here Obrigkeit deß Papſts/ dergleichen Sicherheit zu ertheilen/ nicht
Macht gehabt/ es gehe dieſelbe nicht wider gerechtlichen/ ſondern unge-
rechten und gewaltſamen Proceß; Nun ſey Huß rechtlich zum Feur
und Tod verdammet worden: Da doch beydes nicht wahr und recht ge-
weſen. Papſt hat von Rechts wegen kein Recht uͤber den Kaͤyſer/ und
ſicher Geleit iſt ein aſylum und Schutz nicht wider gewaltſamen unbilli-
chen Proceß/ als wofuͤr der Kaͤyſer ohne das auch ohne Schutz-Brieff zu
ſeyn verpflichtet; Sondern auch wider den Welt-gerichtlichen Proceß
ſelbſt/ ſonderlich in geiſtlichen Sachen/ deren Entſcheidung allein auß
Gottes Mund und Wort zuerwarten. Darum dann auch die prote-
ſtirende Staͤnde ihre Urſachen/ warum ſie in dem Tridentiniſchen Con-
cilio zuerſcheinen nicht verbunden/ in einer damahl außgegangenen oͤf-
fentlichen apologiâ oder Schutz-Schrifft kund gemacht/ ohnangeſehen
der ſalvus conductus oder ſicheres Geleit verſprochen worden waͤre:
Deßgleichen ſind auch die conductores oder Geleits-Reuter und Geleits-
Gefaͤrten ſelbſt nicht allzeit Manns genug/ ihren Clienten oder Reiß-
Gefaͤrten gnugſam zu bewahren. St. Paulus hatte redliche Leuthe/ die
ihn begleitet/ nemlich Gajum und Ariſtarchum, wie ſie aber wider Ge-
walt nicht haben koͤnnen durchtringen/ iſt in den Apoſtoliſchen Geſchich-
ten zu leſen cap. 19, 29.
Solcher Gefahr und Furcht ſind die Juͤnger deß Herrn Jeſu/
denen in die gantze Welt hinauß/ als Schafen unter die Woͤlffe/ zu reiſen
und wandern befohlen worden/ von Chriſto ihrem Koͤnig und HErꝛn
ſelbſt/ nicht allein mit einer ſtarcken Verheiſſung/ Jch bin bey euch/
biß an der Welt Ende/ ſondern auch durch wuͤrckende gegenwaͤrtige
Begleitung ihres HErꝛn ſelbſt/ uͤberhoben und befreyet geweſen/ als
wovon St. Marcus c. 16/20. außtruͤcklich berichtet/ ſchreibend: Sie
(die Juͤnger) giengen auß/ und predigten an allen Orthen/
und der HErꝛ wuͤrckete mit ihnen/ und bekraͤfftiget das Wort
durch mitfolgende Zeichen. Nicht allein aber ſie/ ſondern auch die
gantze wallende und ſtreitende Kirche auff Erden/ biß ans Ende der
Welt.
Jſt der jenige kraͤfftige und hochtroͤſtliche Macht-Spruch/ den wir
anjetzo in einfaͤltiger Erwegung eines jeden/ in demſelben begriffenen
Worts/ außzufuͤhren und zu retten fuͤrgenommen. Der Herr ſeye mit
uns/ und gebe dazu ſeines guten Geiſtes Gnad und Segen/ Amen.
VNd/ ſagt der Herr/mir iſt nicht nur aller Gewalt gege-
ben/ im Himmel und auff Erden/ Krafft welcher ich
euch beruffen und geheiſſen hingehen/ Juͤnger machen/ taͤuffen/
lehren/ und befehlen/ alles was ich euch befohlen hab/ ſondern ſeyd auch
deſſen verſichert/ daß ich euch nicht werde Waiſen laſſen/ ich
werd mit und bey euch ſeyn/ mit walten/ mit ſchalten/ mit wuͤr-
cken: So gewiß jenes iſt ſo gewiß auch dieſes/ ein Wort hengt an dem
andern Kettenweiß/ an der Macht die Gegenwart/ und an der Gegen-
wart die Macht; Was waͤre Macht ohne gegenwaͤrtige huͤlffliche exe-
cution und Vollzihung der Macht? Was waͤre bloſſe Gegenwart ohne
Macht/ Krafft und Gewalt? Was nutzt mich mein Patron, wann er
weit von dannen? Und weſſen bin ich gebeſſert/ wann derſelbe nahe bey
mir/ und doch mit ſeiner Macht nicht durchtringen kan? Sihe/ ſagt
er/ nota benè, mercks wol. Die Verheiſſung/ die ich allhie thue/ ſol
nicht nur auff der Zungen ſchweben/ ſondern ſie ſol auch alſo werckſtellig
Achter Theil. O ogemacht
[290]Die fuͤnffte
gemacht werden/ daß mans mit Augen ſehen/ in der Erfahrung fuͤhlen/
und gleichſam mit Haͤnden wird greiffen koͤnnen.
Jch/ der Gott-Mann und Mann-Gott/ wil der conductor
ſeyn der Geleitsmann. Denn ſo dieſer Titul und Recht einem weltli-
chen Potentaten wol anſtehet/ wann er die Landſtraſſen ſauber haͤlt/ und
wo nicht ſelbſt in eigener Perſon/ doch durch ſeine darzu verordnete Gleits-
Reuter/ die frembde Gaͤſte/ Kauffleuth/ und ſonſt Reißige/ vor Straſſen-
Raͤubern und Freybeuteren ſchuͤtzet und ſchirmet: ſo wil ich auch
hieran nichts ermanglen laſſen/ ſondern in eigener Perſon euch und eue-
re Juͤnger und Juͤngers-Juͤnger begleiten/ beywohnen/ beſchirmen/ und
daſſelbe nach beyden Naturen/ ſo wol der Menſchlichen als der Goͤttli-
chen. Dann es ja wahr und Himmelveſt/ was von Chriſto dem Herꝛn
in H. Schrifft wird außgeſprochen und geruͤhmet/ daſſelb muß noth-
wendig entweders von beyden/ oder doch von einer oder der andern
Natur verſtanden werden/ quia ἐξ ὧν καὶ ἅϖερ, dieweil er auß beyden
Naturen beſtehet. Nun iſt die Majeſtaͤt der Allgegenwart Chriſti ein
ſolches Goͤttliches regale und Ampts-Ehr/ welche der Sohn Gottes nach
der Goͤttlichen Natur durch die ewige Geburt empfangen/ aber wie mit
anderen attributen, Goͤttlichen Eigenſchafften und Tugenden/ alſo auch
mit dieſer ſeiner Majeſtaͤt/ ſeine Menſchliche Natur auß Gnaden verehrt/
begabt und gezieret.
Jſt ein ſolches regale, das aller weltlichen Kaͤyſer und Koͤnige
regalia und axiomata majeſtatis weit/ weit uͤbertrifft/ in welchem
Stuͤck es ihme dem HErꝛn Chriſto kein weltlicher Potentat jemahl
nach/ viel weniger vorgethan. Was geb ein mancher Koͤnig drum/ daß
wie ſeine Macht ſich weit und breit erſtreckt/ er auch allenthalben zuge-
gen ſeyn koͤnte?
Koͤnige haben lange Haͤnd/ koͤnnen weit um ſich greiffen/ aber es ſind
frembde/ nicht ſeine eigene Haͤnde; Darum er Vicarios, Stadthalter/
Beampte und Diener haben muß/ und durch dieſelbe in die Ferne regiren.
Wie die Abweſenheit eines Regenten/ Fuͤrſten und Herꝛn von ſeinen Vn-
terthanen/ leichtlich Vnrath cauſiren oder Anlaß zum boͤſen geben koͤnne/ hat
(*) Lib. 2.
Bibl. polit.
cap. 40.
p. 104.D. Reinking (*) gar wol demonſtrirt/ und mit Exempeln erwieſen. Als Mo-
ſes auff dem Berg Sinai von Gott erfordert/ um das Geſetz zu empfahen/
und darauff. 40. Tag und 40. Nacht verzihen muͤſſen/ hat in ſeiner Abſentz ſich
gleich das Volck wider Aaron geſamlet/ wolten Goͤtter gemacht haben/ und brin-
gen den Hohenprieſter Aaron mit zum Kaͤlber-Tantz Exod. 32, 1. Als der Afia-
tiſche Koͤnig Alexander, Antiochi deß Edlen Sohn/ auſſer Reichs in Cilicia
war/
[291]Predigt.
war/ etliche daſelbſten revoltirte Staͤdte wieder zum Gehorſam zu bringen/ ruͤ-
ckete ſein Schweher Ptolemæus Koͤnig in Egypten/ in ſein Koͤnigreich/ unterm
Schein guter Freundſchafft/ entfuͤhrt ihm ſeine Gemahlin die Cleopatram, und
gabe ſie einem andern/ beſetzte alle Staͤdte/ die ihn als Freund eingelaſſen/ und
verjagte Alexandrum von Land und Leuthen 1. Macc. 11/14. Wie hochſchaͤdlich
es dem Koͤnig Philippo II. in Hiſpanien geweſen/ daß er bey deme ſich erregenden
Auffſtande in den Niderlanden/ auff vielfaͤltiges Anmahnen und Erinnern ſeiner
natuͤrlichen Schweſter/ der Margaritæ Hertzogin zu Parma Gouvernantin, nicht
einmal perſoͤnlich ſich dahin erheben und mit ſeiner Koͤniglichen auctoritaͤt/ dar-
mit er viel uͤbels verhuͤten koͤnnen/ ins Mittel tretten wollen/ ſolches fuͤhret Fa-
mianus Strata in ſeiner Niderlaͤndiſchen Beſchreibung Lib. 2. im Eingang/ weit-
laͤufftig auß mit vielen ſtattlichen motiven.
Dergleichen aber bedarff Chriſtus keinſen. Der Papſt zwar maſſet ihm
einigen vicariatum pro-Regium zu/ er wil Chriſti Stadthalter auff Er-
den ſeyn/ aber eben damit verraͤth er ſich ſelbſt/ und erfuͤllet den characte-
rem deß Antichriſts. Dann Ἀντί [...]ις [...] heißt in griechiſcher Sprach ei-
ner/ der Pro-Chriſtus, Vice Rex, und Chriſti Stadthalter ſeyn und
heiſſen wil. Jch/ ſagt Chriſtus/ aber wil ſeyn und heiſſen der jenige/ davon
Eſaias geweiſſaget/ er werde Jmmanuel/ das iſt/ GOtt mit uns
heiſſen: Er war zwar auch im alten Teſtament/ GOtt mit ſeinem glaubi-
gen Volck nach der Gottheit; hie aber iſt ihm etwas neues zugelegt/ und
demſelben ein neuer Nahm gegeben/ anzuzeigen/ daß er auff ein neuere
Weiſe/ als zuvor/ gegenwaͤrtig ſeyn werde/ nemlich auch nach ſeiner holdſe-
ligen Menſchlichen Natur/ nach welcher er auch unſer Bruder und Jm-
manuel worden: Die unmittelbare Gottheit koͤnnen wir/ als ein verzeh-
rendes Feur/ nicht vertragen: damit er aber als der Sohn Gottes in ſei-
nem eignen Tempel/ dariñ er leibhafftig wohnet/ das iſt/ der Menſchlichen
Natur/ allenthalben koͤnte und moͤchte von ſeinen Glaubigen angebeten
werden/ ſo mußte dieſelbe auch allenthalben gegenwaͤrtig ſeyn. Darum
dann auch dieſes/ bey uns ſeyn/ zum anbeten nothwendig erfordert.
Dann es ja Himmelveſt/ und wird vom Gegentheil den Reformirten
ſelbſt geſtanden/ es koͤnne kein Natur angebeten werden/ ſie ſeye dann
allgegenwaͤrtig: die Menſchliche Natur iſt anbetlich worden. Ergò, iſt ſie
auch allgegenwaͤrtig. Der Nachſatz iſt klar gegruͤndet Phil. 2, 9. ſeq.
GOtt hat ihn erhoͤhet/ und hat ihm einen Namen (ἐχαϱίσατο
auß Gnaden) gegeben/ der uͤber alle Namen iſt/ daß in dem Na-
men JEſu ſich beugen ſollen aller der Knie/ die im Himmel
und auff Erden/ und unter der Erden ſind. Ja nach welcher
Natur Chriſtus von ſeinen Juͤngern oͤrtlich abgeſchieden/ und von dero
beyſeyn ſie eines ſonderbaren Troſts beduͤrfftig und begierig geweſen nach
O o 2der-
[292]Die fuͤnffte
derſelben iſt er auch ihnen gegenwaͤrtig geblieben. Und gehoͤret dieſes un-
ter die wahre paradoxa deß Evangelii, unter ſolche Glaubens-Geheim-
nuͤß/ die von der Vernunfft nicht koͤnnen zuſammen gereimet werden/ und
ſind doch vom H. Geiſt zuſammen geſetzt worden. Als wolt er ſagen:
Jetzt werd ich zwar ein Abſchied von euch nehmen/ und meine ſichtbare
Gegenwart euch entzihen/ aber ſeyd getroſt/ ich wil euch darum nicht
Waiſen laſſen/ ich wil nichts deſto weniger bey euch ſeyn und bleiben/ biß
an der Welt Ende/ und daſſelbe nach meiner euch verbruͤderten Menſch-
lichen Natur/ in anſehen deren ihr Troſtes noͤthig habt/ dann ſonſt von
Gegenwart der Goͤttlichen Natur kein Zweiffel geweſen/ derſelben haben
auch die Glaubigen im alten Teſtament genoſſen: Aber im neuen Teſta-
ment heiſts/ κρ [...]ττονα ἀγαθὰ, beſſere Guͤter/ nemlich die Gegenwart
auch deß Fleiſches.
Euch/ ſagt er/ ich bin bey Euch: verſtehet zwar unmittelbar und
fuͤrnemlich/ ſeine damahl anweſende Juͤnger/ die er als Schaf unter die
Woͤlff hinauß geſand/ aber nicht außſchließlich: Es heißt auch allhie/
was ich euch ſage/ das ſag ich allen ! Jch bitte nicht allein
fuͤr euch/ ſondern auch fuͤr die/ ſo durch ihr Wort an mich
glauben werden Joh. 17/20. Jch meyne alle die/ ſo da nach und
nach leben/ und wallen werden biß an der Welt Ende. Gleichwie ich
mein Abendmahl eingeſetzt und geſtifftet/ nicht nur fuͤr euch/ meine naͤch-
ſte und lebende Juͤnger/ ſondern auch fuͤr die/ die da leben werden biß ans
Ende der Welt/ welches ja von euch meinen nechſten Juͤngern nicht kan
geſagt werden/ ſondern wann ihr euern Lauff werdet vollendet haben/ ſo
werdet ihr dem alten Bund nach auch ſterben muͤſſen. Summa/ alle die
jenige Bilgram und Wall-Bruͤder verſtehet er/ die ſolcher ſeiner ſtaͤth-
waͤrenden Gegenwart/ in allerhand Faͤllen/ Trangſalen/ Verfolgungen/
werden benoͤthiget ſeyn: Nun ſeyd ihr Juͤnger nicht allein dieſelben. So
lang der Sathan wuͤten/ und die Welt aͤngſten wird/ welchen Leuthen
und ſo lang der Wolff den Schafen wird nachſtellen/ denſelben und ſo
lang wil ich meine Gegenwart leiſten/ und kraͤfftiglich zu Huͤlff und Troſt
kommen/ verſtehe exochicè,fuͤrnemlich/ nicht außſchließlich.
Dann der HErꝛ auch herꝛſchen wird mitten unter ſeinen Feinden/ bekir-
bò mitten in ihren Hertzen/ die er wenden und richten wil/ wie es ihme
gefaͤllt. Daher mancher Tyrañ die Krafft ſeiner gegenwaͤrtigen rechten
Hand empfinden/ und endlich bekennen und ſagen muͤſſen/ Galileer du
haſt obgeſieget!
Jch bin/ ſagt er ferner. Wie bin/ in præſonti? Hab ich doch/
moͤcht
[293]Predigt.
moͤcht jemand gedencken/ zu andern Zeiten gehoͤrt/ Chriſtus ſey nicht
ehe in den vollkommenen Gebrauch ſeiner mitgetheilten Goͤttlichen Ma-
jeſtaͤt der Allgegenwaͤrtigkeit getretten/ als da er zur rechten Gottes erhoͤhet
worden/ auff daß er alsdann allererſt alles in allem erfuͤllete? Nun
war er damahl/ als er unſere [fuͤr]rhabende Wort außgeſprochen/ noch
auff Erden ſichtbarlich bey ſe[inen] Juͤngern. Aber wie lang? Hat er
nicht alſobald auff dieſe W[eiß] ſich in die Hohe geſchwungen/ iſt er nicht
gleich drauff gen Himm[el] gefahren/ und zur Rechten Gottes geſetzt? Hat
er anderswo von de[m][ ][t]odten Toͤchterlein Jairi mit Warheit ſagen koͤn-
nen/ das Maͤgdl[ein] ſchlaͤfft/ und iſt nicht geſtorben/ dieweil alſobald es
wiederum ſolte lebendig werden; Warum ſolte der HErꝛ nicht auch
allhie mit Warheit haben ſagen koͤnnen/ Jch bin/ weil er die Wort
kaum außgeredet/ und alſobald darauff ſich in ſeinen Majeſtaͤtiſchen
Ehren-Sitz und deſſen Gebrauch erhoben. Jſt es nicht eben der Herꝛ/
der Exod. 3. zu Moſe auß dem feurigen Buſch geſagt: Jch bin der ich
ſeyn werde?
Bey euch/ ſagt der HErꝛ/ Jch bin bey euch. Was das fuͤr
ein Beyſeyn ſeye/ und dadurch verſtanden werde/ zeigen an alle die je-
nige H. Schrifften/ in deren deß Goͤttlichen Beyſeyn/ oder Gegen-
wart gedacht wird/ nemlich ein gnaͤdige und thaͤtige/ oder gnad-wuͤrcken-
de/ oder wuͤrck-gnaͤdige Gegenwart/ die Krafft/ Leben und Segen von
ſich flieſſen laͤßt. Die Creatuͤrliche oder bloß Menſchliche Gegenwart iſt
offt mehr nicht/ als eine adeſſentia otioſa, ein bloſes/ muͤſſiges und ohn-
maͤchtiges Beyſeyn/ ſo deme/ bey dem man iſt/ weder kalt noch warm
gibt. Was nutzts den armen verwundeten Mann bey Jericho/ der un-
ter die Moͤrder gefallen/ daß der Prieſter und Levit ihn auff der Straß li-
gend angetroffen/ bey derſelben Staͤtt gekommen/ und ihn angeſehen/
aber ohne Troſt und Huͤlffe fuͤruͤber gangen? Hingegen aber belangend
die Goͤttliche Gegenwart/ wird kein Orth oder Zeugnuͤß H. Schrifft koͤn-
nen angezogen werden/ da von dem Goͤttlichen Beyſeyn gehandelt wird/
daß dieſelbe nicht allezeit mit kraͤfftiger Wuͤrckung begleitet waͤre/ entwe-
ders den Gottloſen zur Straff/ oder den Gerechten zum Wolthun/ Leben
und Segen/ Schutz und Schirm. Wo auch die Goͤttliche Wuͤrckung
nicht geſpuͤret wird/ da ſagt die Schrifft/ GOtt ſey auch nicht da zugegen/
ob er wol/ was die bloſſe ἀδιαςασίαν und adeſſentz anlangt/ allzeit unver-
aͤnderlich den Creaturen zugegen. Ein klares Exempel deſſen leſen wir
1. Reg. 19, 11. ſq. da ſteht: Der HErꝛ gieng fuͤruͤber/ und ein
groſſer ſtarcker Wind/ der die Berge zureißt/ und die Felßen
O o 3zubrach
[294]Die fuͤnffte
zubrach fuͤr dem HErꝛn her/ der HErꝛ aber war nicht im
Winde: Nach dem Winde aber kam ein Erdbeben/ aber
der HErꝛ war nicht im Erdbeben/ und nach dem Erdbeben
kam ein Feur/ aber der HErꝛ war nicht im Feur. Wie? war
dann der allgegenwaͤrtige HErꝛ/ der von ſich ſelbſt ruͤhmet Jerem. 23/24.
Bin ichs nicht der Himmel und Erden fuͤllet/ dem Wind/
dem Erdbeben nicht zugegen? Freylich was d[as] bloſſe Beyſeyn anlangt/
aber die rechte Goͤttliche Gegenwart hat ſich alein im ſtillen ſanfften
Sauſen ſpuͤren laſſen/ als in welchem Elias vermeickt/ daß er in dem-
ſelben auff eine ſonderbare troͤſtliche Weiſe wuͤrcklich vorhanden geweßt/
darum auch von dieſer Gegenwart allein/ das Jn- und Beyſeyn koͤnnen
außgeſprochen werden. Deßgleichen wann der Meſſias am Creutz ge-
klagt uͤber das Verlaſſen ſeines Gottes/ geſprochen/ mein Gott/ mein
Gott warum haſtu mich verlaſſen? So meynet er damit nicht
eine Entfrembdung ſeines Goͤttlichen Weſens/ ſintemahl durch die Paſ-
ſion der perſoͤnlichen Vereinbarung in Chriſto nichts abgangen/ das
perſoͤnliche Band iſt unverſehrt und unzertreñt geblieben: Aber weil die
influentz und Einfluß Goͤttlicher Huͤlff/ lebendigen Troſtes/ innerli-
chen Hertzens-Erguickung/ zuruͤck gehalten worden/ darum nennet ers
Eccleſiæ
caput ſe-
paratum
eſt à cor-
pore, viſi-
one non
præſentiâ.
Auguſtin.
in Pſal. 50.ein Verlaſſen und abſentz oder Abweſenheit. Weil nun Chriſtus all-
hie mit ſeinen Juͤngern einen freundlichen valet gehalten/ und/ als ein
guter Freund vom andern/ einen liebreichen Abſchied genommen/ und
doch ſein Beyſeyn zugeſagt/ ſo iſt demnach dieſes Beyſeyn ein gnad-wuͤr-
ckendes/ und liebthaͤtige Gegenwart geweſen/ als eines Geleitsmannes/
der Jacob auß Labans Hauß in ſein Heimat und Vaterland/ ſeine deß
Jacobs Kinder durchs rothe Meer und wilde Wuͤſten ins gelobte Land
gefuͤhret/ und deß Nachts in einer Feuer-Seul/ deß Tags in einer Wol-
cken-Seul fuͤrgeleuchtet; Der ſich gefuͤget zu den Juͤngern/ ſo nach E-
mauß geſpatziret/ und holdſelige Geſpraͤche mit denſelben gehalten: Als
eines Feld-Obriſtens/ der mit/ vor/ und unter ſeinem ſtreitenden Heer
krieget und ſieget; Eines Vaters und Hauß-Herꝛn/ der in und bey ſei-
nen Kindern wohnet/ in und unter denſelben wandlet/ ſie verpfleget und
verſorget; Eines Mittlers und Advocaten, der ſeiner Parthey ſtarcken
Beyſtand leiſtet/ mit und fuͤr ſie bittet/ und fuͤr ſie trittet; Eines Hirten/
der auch im finſtern Thal ſeine Schaͤflein weidet und ſchirmet; Eines
freygebigen Wirthes und Gaſtes zugleich/ der fuͤr der Thuͤr ſtehet/ an-
klopffet/ eingehet/ und das Abendmahl haltet mit dem/ den er ſeiner gnaͤ-
digen Gegenwart gewuͤrdiget/ und dieſer mit ihm/ ſonderlich geſchicht
ſolches
[295]Predigt.
ſolches im Hochwuͤrdigen Sacrament/ dem theuren Liebes-Pfand/ da er
ſeinen Glaubigen ſein Leib und Blut zu eſſen und zu trincken gibt/ und
alſo bey ihnen iſt/ daß er auch in ihnen iſt und wuͤrcket/ mit denſelbigen
durch den Glauben ſo genau vereinbaret wird/ daß was ſeinen Angehoͤ-
rigen wiederfaͤhrt/ er es nicht anders annimmet und empfindet/ als wann
es ihm ſelbſt in eigner Perſon wiederfahren. Wovon Lutherus Auß-
bund ſchoͤne Gedancken fuͤhrt uͤber das 6. Cap. Johan.
Tom. 2. Isleb. p. 200. f. 2. Alſo ſind wir auch/ ſpricht er/ mit Chriſto
in einen Leib und Weſen kommen und vereiniget/ daß was mich guts oder boͤſes
angehet/ das gehet ihn auch an. Wenn ich dich ſchlage/ oder dir leid thue/ oder
dich ehre/ ſo ſchlage ich Chriſtum/ oder thue Chriſto ſelbſt Leid oder Ehre/ denn
was einem Chriſten geſchlhet/ das geſchihet Chriſto ſelbſt: Er ruͤmpffet die Na-
ſe druͤber/ der Zahn beiſſet die Zunge nicht/ es fuͤhlets der gantze Leib/ und wenn
man eine Hand oder Fuß verletzt/ ſo gehet der Wehetag durch den gantzen Leib/
ja wenn man dir ein Haar außrauffet/ ſo fuͤhlets der Leib. Summa wer die
Chriſten ſchlaͤget oder in Thurn wirfft/ der wirfft deß HErꝛn Chriſti Leib ſelbſt
in Thurn/ denn die Chriſten ſind ſeine Gliedmaß/ er nimmet ſich ihrer an/ und
iſt unluſtig daruͤber/ gleich als waͤr es ihm widerfahren. Wie dann im Pro-
pheten Zacharia am andern Capitel geſagt wird/ wer euch anruͤhret/ der
greiffet mir in meinen Augapffel. Vnd in den Geſchichten der Apoſteln/
ſagt der HErꝛ Chriſtus zu Saul/ der die Chriſten plagete/ Saul/ Saul/ was
verfolgſt du mich? Item im fuͤnff und zwantzigſten Capitel Matthæi ſtehet klaͤr-
lich/ was ihr einem auß den geringſten der meinen thut/ das habt ihr mir gethan.
Es iſt aber dieſe Vereinigung verborgen/ und ſcheinet nicht fuͤr der Welt/ ſon-
dern das Gegenſpiel ſehen wir/ daß die Gottloſen Biſchoͤffe mit uns alſo um-
gehen/ gleich als nehme weder GOtt noch Menſch ſich unſer an/ und waͤre keine
Einigung zwiſchen Chriſto und uns. Aber der Glaube ſihets und lernet Chri-
ſtum erkennen/ in einem unſichtbarlichen Leben und Weſen/ nicht auß der Ver-
nunfft/ und findet ſich dennoch die Beweiſung/ daß viel frommer Leuthe ſind/
die mit aller Demuth und Freudigkeit Chriſtum und Gottes Wort bekennen/
wider die Luͤgen predigen/ und daruͤber ihren Leib und alles fahren laſſen. Dieſe
Gleichnuͤß hat der HErꝛ Chriſtus darum ſetzen wollen/ daß er wohl geſehen
hat/ es wuͤrden ſich falſche Lehrer finden/ als die Arianer und andere/ die
auß dem Glauben eitel Gedancken/ und nur ein Spiegelfechten machen wuͤr-
den/ wie etliche fuͤrgeben/ daß wir mit Chriſto vereiniget ſind voluntate, mit
dem Willen/ wie zweene gute Freunde mit einander eins ſind. So haͤtten wir
auch einerley Willen und Sinn mit Chriſto/ daß er droben im Himmel ſey/ und
wir hienieden auff Erden. Aber wenn ich auſſerhalb einer Stadt gefangen und
angegriffen wuͤrde/ was huͤlffe mir denn der/ ſo innwendig in der Stadt iſt? Ob
er wol gleich mit mir geſinnet/ oder meinguter Freund iſt. Darum iſt das nur
eine euſſerliche Einigkeit/ oder Legalis unitas, wie es die Juriſten nennen/ da
man die Willen/ die ſonſt widerwaͤrtig waren/ mit einander vereiniget/ und iſt
gar ein ander Ding von dieſer Einigkeit Chriſti und der Glaubigen/ denn ſol-
ches iſt gar eine weltliche conventio. Mit dieſer Einigkeit iſts alſo gethan/ daß
Chriſtus
[296]Die fůnffte
Chriſtus in mir/ und warhafftig ein Leichnam mit uns iſt/ daß er gewaltiglich
mit ſeiner Krafft und Staͤrcke bey uns haͤlt/ ſo nahe kommet/ und iſt kein Freund
bey dem andern. Bißher Lutherus.
Summa/ der alle die Treue/ die ein guter Hertzens-Freund ſeinem-Freund/
erweiſen kan und erweiſen wil.
Belangend den modum præſentiæ,die Art und Weiſe ſol-
vide refor-
mirt Salve
p. 809.
ſqq.cher Gegenwart/ iſt dieſelbe/ als ſchwer zuverſtehen von Gottes-gelehr-
ten Theologis und Lehrern folgender maſſen erleutert und erleichtert wor-
den/ und angezeigt (1.) negativè die Sage was nicht? Da man ſagt/
was dieſelbe nicht ſeye? Die Goͤttliche Allgegenwart iſt eigentlich nicht
die immenſitaͤt und Unermaͤßligkeit ſelbſt; Sintemahl GOtt der HErꝛ/
ehe und dann er die Welt erſchaffen/ ein unermeßlicher GOtt geweſen/
aber nicht allgegenwaͤrtig/ weil damahl noch keine Welt oder Creatur ge-
weſen/ bey deren er zugegen ſeyn koͤnnen. Jſt doch die Welt ſelbſt nicht
unermeßlich/ wie ſolte dann folgen/ daß alle die Natur/ die der gantzen
Welt gegenwaͤrtig iſt/ unermeßlich ſeyn muͤſſe? Nun aber lehren und
wiſſen wir von keiner andern Gegenwart/ als der Goͤttlichen Gegenwart
in ihrem eigentlichen Verſtand/ wann wir ſagen/ ſie ſeye der Menſch-
lichen Natur in Chriſto mitgetheilet. GOtt iſt nicht raͤumlich in den
Creaturen/ ſondern ſie ſind Leben und Weben in ihm. (2.) comparati-
vè in der Figur und Bildnuͤß deß Blitzes: Jn der Weimariſchen Bi-
bel ad Dan. 10, 6. wird diß Geheimnuͤß in dem concept eines Blitzes
erklaͤrt; wie der Blitz in einem Augenblick ſcheinet von einem Ende der
Welt biß zum andern Matth. 24/27. Alſo iſt auch Chriſtus nicht allein
nach ſeiner Goͤttlichen/ ſondern auch nach ſeiner Menſchlichen Natur
allen Orten gegenwaͤrtig. (3.) Argumentativè, durch die Schluß-Red
von dem geringern zum hoͤheren: Vermag ein Klang der Glocken/ oder
eines Menſchen-Leibes Stimme ſo viel/ daß dieſelbe/ ſo an einem Orth
iſt/ nemlich in dem Mund deß Lehrers/ in vier/ fuͤnff/ oder zehen tauſend
Ohren in einem Augenblick zumal iſt; Wie ſolte dann GOtt nicht auch
eine Weiſe wiſſen/ wie der Leib Chriſti zumal an ſo viel tauſend Orthen
gegenwaͤrtig ſeyn koͤnne/ da das H. Abendmahl gehalten wird? Quod
natura poteſt intentionaliter, id multo magis poteſt naturæ creator
(*) conf.
Auguſtin.
Epiſt. 3.
ad Voluſ.realiter (*).
Alle Tage/ ſagt der HErꝛ/ er wil nicht nur uͤber Nacht bleiben/
wie ein frembder Gaſt/ ſondern Jmmer-Vater ſeyn und bleiben/ ſein
Gnaden-Reich ſol nimmer vergehen/ er wolle immer eine (wiewol nicht
ſichtbare und hell in die Augen-leuchtende/ ſondern unſichtbar) Kirche
und
[297]Predigt.
und Gemeind erhalten/ die ihme von Hertzen mit wahrem Glauben die-
nen werd/ die Pforten der Hoͤllen ſollen ſie nicht uͤberwaͤltigen. Er wil
nicht nur eine zeitlang/ wanns wol gehet/ ſondern auch wann die Wellen
und Waſſerwogen beginnen uͤberhand zu nehmen/ wann man das Schiff
fuͤr gantz verlohren dahin geben wil/ ob es gleich ſcheinen wuͤrde/ er ſchlaffe/
ſo werde doch ſein Hertz wachen/ er werde bißweilen laſſen ſincken/ aber
nicht verſincken.
Es muͤſſen (ſagt Luth. Tom. 7. Witt. pag. 531.) immerdar Heiligen auff
Erden ſeyn/ und wenn die ſterben/ muͤſſen andere Heiligen leben/ von Anfang
biß zu Ende der Welt/ ſonſt waͤre der Articul falſch: Jch glaube eine heilige
Chriſtliche Kirche/ Gemeine der Heiligen/ und muͤßte Chriſtus luͤgen/ da er
ſagt/ Jch din bey euch biß zu der Welt Ende. Lebendige Heiligen/ (ſag ich)
muͤſſen immerdar auff Erden ſeyn/ ſie ſeyn wo ſie koͤnnen/ und haͤtte Chriſtus
Reich ein Ende/ und waͤre niemand/ der das Vater unſer betet/ den Glauben
bekennet/ getaufft wuͤrde/ zum Sacrament gienge/ abſolvirt wuͤrde ꝛc.
Alle Tage/ das iſt/ einen Tag nach dem andern/ ſo lang wir heut um das
taͤglich Brodt bitten/ ſo lang es heut heiſſet/ und daſſelb biß an der Welt
Ende. Auch (ſind Caſp. Creutz. Wort (*)) zur letſten ſchwer-(*) Tom. 9.
Witteb.
pag. 499.
ſten Zeit der Welt/ wenn alle Regiment uͤber einen Hauffen
fallen wollen/ und die Kirche am ſchwaͤchſten/ zum hoͤchſten
getruckt/ und von allem Menſchlichen Schutz und Bey-
ſtand verlaſſen iſt/ da wil er ſelbſt Vater und Mutter ſeyn/
und ſich ſeiner Kirche auffs herꝛlichſt und treulichſt anneh-
men: Sie im Leib (wie eine Mutter ein Kind) tragen und
nehren/ das iſt/ durchs Wort deß Evangelit zeugen/ troͤ-
ſten/ ſtaͤrcken/ mehren/ und fuͤr und fuͤr erhalten/ wider alles
Wuͤten und Toben deß Teuffels/ und der Welt. Biß kein
Zeit und Tag mehr ſeyn wird/ biß er alle ſeine und derſeinigen Feinde un-
ter ſeine Fuͤſſe legen wird. Diß ſol der termin ſeyn/ da er alsdann ſein
Reich und deſſen dunckele und unſichtbare Regierung ſeinem Vater uͤber-
antworten/ und alsdann unmittelbar ſeyn wird alles in allem/ biß in E-
wigkeit. Welcher Welt-Koͤnig und Herꝛ hat dergleichen jemahl mit
Warheit von ſich ſagen und ruͤhmen koͤnnen? Ach die armen Schweins-
Blaſen/ wie bald ſind ſie zerriſſen und gebrochen worden/ wann man
nur mit einer kleinen Guffen oder Nadel darein geſtochen? Heut Koͤnig/
morgen todt!
Der beſte Interpres und Außleger deſſen allen/ was jetzt der Laͤnge
Achter Theil. P pnach
[298]Die fuͤnffte
nach intimirt und angebracht worden/ iſt die gantze werthe und bewaͤhr-
te Kirchen-Hiſtori/ auß dero Sonnenklar erſcheinet/ wie und mit was
groſſem Nutzen und Troſt der wallenden ſtreitenden Kirche Chriſti/ der-
ſelbe ihr beygewohnt/ und wider ihre Feinde und Verfolger ſie gewaltig
geſchuͤtzet/ geſtaͤrcket und erhalten biß auff dieſen Tag: ob es gleich biß-
weilen geſchienen/ als ſchlieff er im Schiff/ und achtet deß S[t]urms
nicht; So hats doch geheiſſen/ es ſchlaffen nicht alle/ die die Augen zu-
halten. Warhafftig zwar hat er geſchlaffen/ unterdeß aber Wind und
Wellen dermaſſen moderirt/ daß ſie nicht haben koͤnnen uͤberwaͤltigen/
ſondern das Schiff hat ein und andern Sturm außgeſtanden und abge-
ſchlagen: waͤre es beym Sathan allein geſtanden/ das Schiff waͤre im er-
ſten Sturm und Anfall alſobald ruinirt zu truͤmmeren gangen: Biß er
der Herr durchs Gebet auffgeweckt/ die fortun und das Ungewitter
gaͤntzlich geſtillet. So bald der HErꝛ gen Himmel gefahren/ ſind ſei-
ne Juͤnger außgegangen zu predigen πανταχ [...], an allen Orthen/
Marc. 16/20. Sie giengen auß/ und predigten an allen Or-
then/ und der HERR wuͤrckete mit ihnen/ und bekraͤfftiget
das Wort durch mitfolgende Zeichen. Stephanus der H.
Maͤrtyrer ſtehet fuͤr dem Blut-Gericht zu Jeruſalem/ aber ſein Herr/
Vorfechter und Patron Chriſtus ſteht bey geoͤffnetem Himmel/ zur Rech-
ten Gottes/ nicht weit darvon/ ſondern naͤchſt bey ihm. Dann wann
Gott ſich offenbaren wil/ ſo iſt ihme der Himmel nahe und alle Ding.
Paulus wird verfolgt von den Juden/ Chriſtus ſtund bey ihm im Laͤger
und troͤſtet ihn: Zu Rom lag er in Banden von maͤnniglich verlaſſen/
aber der HErꝛ ſtund bey ihm und ſtaͤrcket ihn. St. Johannes ſolte die
fata und ſymptomata Eccleſiæ, der Chriſtlichen Kirchen Zuſtand/
Leiden/ Ungemach/ Verfolgung beſchreiben/ und davon prophezeyen
in ſeiner Offenbarung; Aber allem Aergernuͤß/ diffidentz und Schre-
cken vorzukommen/ erzeigt ſich der HErꝛ in einer herꝛlichen Geſtalt/ und
wandelt mitten unter den ſieben Leuchteren oder Kirchen in Aſia, zube-
zeugen weſſen ſich ſeine glaubige Gemein zu ihme zuverſehen hab. Er ver-
ſiegelt die ſeinigen; Er verſtoͤret alle Veſtungen und Hoͤhe/ die
ſich aufflehnet wider ſein Erkaͤntnuͤß; Er geſchweiget die Heid-
niſche oracula, tringt mit dem Geiſt ſeines Mundes durch/ beſtaͤtiget das
Wort mit Wundern und Zeichen/ herꝛſchet und ſieget mitten unter ſeinen
Feinden. Und ob wol die Kirch nicht lang Jungfrau geblieben/ ſondern
einen Schwarm/ ein Sect/ ein Kaͤtzerey uͤber die ander entſtanden/ ſo hat
doch der HErꝛ durch ſeinen Geiſt/ vermittelſt ſeines Worts/ und nach
Gottes
[299]Predigt.
Gottes Wort regulirten Conciliis, dem Jammer zeitlich abgeholffen/Mortua eſt
beſtia, \&
tranquilli-
tas rediit.
Hieron. in
Dial. orth.
\& Lucif.
c. 7.
(*) Tom. 7.
Witteb.
pag. 488.
f. 2.
und den Jrꝛſal entdecket und zuruͤck getrieben/ daß er ſich durch ſeine ſo
blutige/ ſo unblutige Zeugen der Warheit niemahl unbezeuget gelaſſen.
Summa es ſey ſo widrig und uͤbel in der Kirchen hergangen als es
wolle/ ſo hat doch Chriſtus unter der ſichtbaren falſchen Kirchen/ eine ver-
borgene unſichtbare Kirch erhalten/ die man geglaubt/ und nicht allzeit
ſehen koͤnnen. Wovon Lutherus (*) alſo ſchreibet: Dieſelbige hei-
lige Kirche iſt nu die heilige Staͤtte deß Greuels/ denn da hat
GOTT mit Macht und Wunder erhalten/ daß dennoch un-
ter dem Papſt blieben iſt: Erſtlich die heilige Tauffe; dar-
nach auff der Cantzel der Text deß H. Evangelii in eines
jeglichen Landes Sprache; Zum dritten die heilige Verge-
bung der Suͤnden/ undAbſolution,beyde in der Beicht und
oͤffentlich; Zum vierdten das heilige Sacrament deß Altars/
das man zu Oſtern und ſonſt im Jahr den Chriſten gereicht
hat/ wiewol ſie geraubt haben die eine Geſtalt; Zum fuͤnfften
das Beruffen oderordiniren zum Pfarꝛ-Ampt/ Predig-
Ampt/ oder Seel-Sorge/ die Suͤnden zu binden und loͤ-
ſen/ und in ſterben und auch ſonſt zu troͤſten/ denn bey vielen
der Brauch iſt blieben/ daß man den ſterbenden das Crucifix
fuͤrgehalten/ und ſie erinnert deß Leidens Chriſti/ darauff
ſie ſich laſſen ſolten. Zu letſt auch das Gebet/ als Pſalter/
Vater unſer/ der Glaub und Zehen Gebot:Itemviel gu-
ter Lieder und Geſaͤng/ beyde Lateiniſch und Teutſch. Wo
nu ſolche Stuͤcke noch blieben ſind/ da iſt gewißlich die Kir-
che und etliche Heiligen blieben/ denn es ſind alles die Ord-
nung und Fruͤchte Chriſti/ außgenommen den Raub der ei-
nigen Geſtalt/ darum iſt hie gewißlich Chriſtus bey den ſei-
nen geweßt/ mit ſeinem heiligen Geiſt und in ihnen den
Chriſtlichen Glauben erhalten. Wiewol es alles iſt ſchwaͤch-
lich zugangen/ gleich wie zur Zeit Elias/ da ſieben tauſend
ſo ſchwaͤchlich erhalten worden/ daß Elias ſelbſt meinet/ er
waͤre allein ein Chriſt. Denn ſo gewaltig als Chriſtus hat
muͤſſen erhalten die Tauffe/ wider ſo viel Exempel der Werck
und Secten/ und den Text deß Evangelii/ und die andern
obgenanten Stuͤcke/ wider ſo mancherley Neben-Lehre/ von
Heiligen/ von Ablaß/ ꝛc. Alſo gewaltig hat er muͤſſen erhaltẽ
die Hertzen/ daß ſie ihre Tauffe/ Evangelium ꝛc. nicht ver-
P p 2lohren
[300]Die fůnffte
lohren noch vergeſſen haben/ bey ſo viel aͤrgerlichem Weſen;
hat auch gar ſtarck muͤſſen vergeben/ und durch die Finger ſe-
hen/ wo ſeine Chriſten zuweilen gefallen und betrogen wor-
den ſind/ wie er St. Petro und den Apoſteln hat muͤſſen ver-
geben ihr Verleugnen/ ſonderlich aber hat er muͤſſen ſeiner
armen Kirchen zu gut halten/ daß ſie ohn ihren Willen hat
entberen muͤſſen/ als mit Gewalt ihr geraubt/ die eine Ge-
ſtalt deß Sacraments/ und wenn ſie gleich ihr gantzes Leben
waͤren verfuͤhrt geweßt/ hat Er ſie doch am Ende herauß ge-
riſſen/ wie auß einem Feur: Als/ St. Bernhard/ Grego-
rius/ Bonaventura/ wie vorzeiten auch die Koͤnige Jſrael
und Juda/ ſo im Leben boͤſe waren; Er bekennet ſelber/ daß
es faͤhrliche Zeit ſeyn wuͤrde/ und der Greuel alles verwuͤſten/
und ſeine Außerwehlten ſolten verfuͤhrt werden; Aber weil
ſie die Außerwehlten ſind/ ſind ſie die Kinder der Gnaden/
und muß ihnen keine Suͤnde ſchaden/ ſie ſeyen wie groß/ viel
oder lang ſie immer ſeyn moͤgen/ ihr Heiland Chriſtus iſt
groͤſſer und mehr/ denn alles/ der iſt fuͤr ſie heilig blieben/ wo
ſie Suͤnder ſind worden. Biß hieher Lutherus.
Dem Allerhoͤchſten ſey Ehre in der Hoͤhe und ewiger Danck geſagt/
der ſeiner Kirchen und ſeinem Volck/ ja einer jeden glaubigen und auß-
erwehlten Seelen/ ſolchen gewaltigen/ getreuen/ gemaͤhen/ und holdſeli-
gen Geleitsmann/ immerwehrenden Hertzog/ Fuͤhrer und Patronen
beſcheret hat. Ligt alles am Glauben. Wie dann die Lehr von der Allge-
genwart Chriſti nach ſeiner Menſchlichen Natur/ nicht ein Werck oder
Gutthat iſt/ die man glauben/ annehmen und halten moͤg oder nicht/ ſon-
dern einer von den hohen und hochtroͤſtlichen Articuln unſers Glaubens.
Vnd ſihe/ ſagt der Herr/ uͤberſihe oder uͤberſchaͤle es nicht/ es iſt
hieran hoch und viel gelegen/ ſo wohl als wann Johannes der Taͤuffer
auff Chriſtum deutend/ geſagt: Sihe/ diß iſt Gottes Lamb/ das der
Welt Suͤnde traͤgt. Wir haben nicht empfangen den (politi-
ſchen) Welt-Geiſt/ der nach ſolchen Geheimnuͤſſen nicht viel fraget/
ſondern den Geiſt auß GOtt/ daß wir wiſſen koͤnnen (wann
wir nur nicht Muthwillens nicht wiſſen wollen/ was wir ſollen) was
uns von GOtt gegeben iſt/ welch einen herꝛlichen Koͤnig wir ha-
ben an Chriſto. Wiewohl der Sathan dieſen Articul ſchaͤndlich diffa-
mirt/ und ſo verhaßt gemacht/ daß faſt kein Schelt-Wort uͤbrig/ damit
er denſelben nicht angeſpyen und vermaledeyet. Er nennet die eingebil-
dete/
[301]Predigt.
dete/ getraͤumte/ und falſch beſchriebene Ubiquitaͤt/ eine Mutter aller
Jrꝛthuͤmb. Unſer weyl. Schul-Rector allhier/ Joh. Sturmius, (an-
derer zugeſchweigen) nennet dieſelbe Mammoſam Dianam, eine Melck-
Goͤttin/ hæreticam matronam, eine ketzeriſche Matron. Und was deß
Geiffers und holhippens mehr iſt.
Alles auß blindem Verſtand und gifftigen Calumnien, wider ſo vielfaͤl-
tiges proteſtiren/ daß wir durch die Allgegenwart deß Fleiſches Chriſti
gar nicht eine wunderliche ungeheure/ abentheurliche unerm ßliche Auß-
ſpannung/ Außſtreckung Außfolterung deß Leibes Chriſti verſtehen/ ſon-
dern wie oben vermeld/ fulguream præſentiam, eine Blitz-Gegen-
wart.
Nun es ſeye dieſes Evangelium denen/ deren Hertzen der Gott
dieſer Welt verfinſtert/ ein Ge[er]uch deß Todes zum Tode. Uns aber
ein Geruch deß Lebens zum Leben/ den wir zuvorderſt recht riechen und er-
ſchmecken muͤſſen. Darnach darob halten/ uns nicht irre machen laſ-
ſen von widrigen Jrꝛ geiſtern/ die frech widerſprechen/ und in die Welt
hinauß ſchreiben/ ſonderlich Scultetus, (*) der ſagt: Es ſeye offen-(*) Jn Po-
ſtill. am
Tag der
Himmelf.
p. 388.
bar/ daß die jenigen groͤblich irren/ welche lehren/ ſitzen zur
rechten Hand Gottes/ heiſſe nicht allein herꝛſchen/ ſondern
auch mit dem Leib uͤberall ſeyn. Wie deme zu begegnen/ folgende
Schluß-Red bindet: Alle das WO der rechten Hand Gottes/ iſt ein
allenthalbenes WO/ als welche allenthalben iſt: Das WO der erhoͤ-
heten Menſchlichen Natur/ iſt das WO der rechten Hand Gottes/ dann
da ſitzt ſie. Ergò.
Chriſti Menſchliche Natur iſt ein uͤber-Engliſche Natur Hebr. 1. Ergò.
Dieſe Gloß ſagtScultetusweiter/ wird nirgends in der heili-
gen Schrifft gefunden/ ja ſie iſt derſelben zuwider/ ſintemal
dieſe bezeuget/ daß Chriſtus nicht uͤberall/ ſondern im Him-
mel zur Rechten Gottes ſitze/; Zugeſchweigen daß ſolches
Gedichte von der Allenthalbenheit deß Leibes Chriſti/ auch
unſere Glaubens-Articul umſtoſſe/ in welchen wir bekennen/
Chriſtus ſeye gen Himmel gefahren/ und von dannen wird
er wieder kommen/ und richten die lebendigen und die todten.
Antwort: Jſt beydes wahr/ er iſt auffgefahren/ daß er alles erfuͤlle; Er
wird wieder kommen per [...]πιφάνειαν παϱ [...]σίας, durch die Offenbahrung
ſeiner Gegenwart. Lutherus conciliirts mit dem Articul von der Him-
(*) Tom. 1.
Isleb.
pag. 157.
f. 2,melfahrt (*): Es iſt/ ſpricht er/ leichtlich geſagt und verſtanden/
daß der HERR iſt gen Himmel gefahren/ und ſitzt da zur
Rechten Hand Gottes/ es iſt aber ein todt Wort und Ver-
ſtand/ wenn es nicht mit dem Hertzen gefaſſet wird. Darum
muß man ſein Auffahrung in Himmel und ſitzen/ laſſen ein
thaͤtig und kraͤfftig Ding ſeyn/ das immerdar im ſchwang
gehe/ und nicht gedencken/ daß er dahin ſey gefahren/ und
da oben ſitze/ und hie regiren laſſe; Sondern darum iſt er
hinauff gefahren/ daß er da am meiſten kan ſchaffen und
regiren. Denn wenn er auff Erden waͤre blieben ſichtig-
lich fuͤr den Leuthen/ haͤtte er nicht ſo viel moͤgen ſchaf-
fen/ denn es haͤtten nicht alle Leuth bey ihm ſeyn koͤnnen
und gehoͤren/ darum hat er ein ſolche Weiſe angefan-
gen/ daß er mit allen zu ſchaffen hab/ und in allen re-
gire/ daß er in allen predige/ und ſie es alle hoͤren/ und er
bey allen ſeyn kan. Darum huͤt dich/ daß du dir nicht al-
ſo gedenck eſt/ daß er jetzund weit von uns kommen ſey/ ſon-
dern gerad Widerſinnes/ da er auff Erden war/ war er uns
zu fernen/ jetzund iſt er uns nahe. Aber das kan die Ver-
nunfft nicht faſſen/ wie es zugehe. Darum iſt es ein Ar-
tieul deß Glaubens/ da muß man die Augen zuthun/ und
nicht der Vernunfft folgen/ ſondern mit dem Glauben faſ-
ſen. Denn wie kan das die Vernunfft begreiffen/ daß da ein
Menſch ſeye wie wir/ und alle Leuthe ſehe/ und alle Hertzen
erkenne/ und allen Glauben und Geiſt gebe? Oder daß er
da oben im Himmel ſitze/ und doch bey uns und in uns ſey/
und uns regire? Darum laß dein Duͤnckel daheim und ſag
alſo:
[303]Predigt.
alſo: Das iſt die Schrifft und Gottes Wort/ das iſt un-
maͤßlich hoͤher/ denn alle Vernunfft und Verſtand. So
weit Lutherus.
Was unſer Lehr von der Allgegenwaͤrtigkeit deß gantzen Chriſti/ und alſo
auch nach deſſelben angenommen Menſchheit anlangen thut/ iſt dieſelbe ſo gar
nicht wider die Augſp. Confeſſion, daß ſie viel mehr in dem dritten Articul der-
ſelben gegruͤndet/ und ſtattlich außgefuͤhret iſt. Denn in bemeltem dritten Ar-
ticul wird bekennet/ daß Chriſtus Gott und Menſch ſitze zur Rechten Got-
tes/ut perpetuo regnet, \& dominetur omnibus creaturis,daß er ewig regire/
und herꝛſche uͤber alle Creatur. Weil nun aber unleugbar/ und die Calvun-
ſten ſelbſt bekennen muͤſſen/ Chriſtus ſey auffgefahren gen Himmel/ nach ſeiner
angenommenen Menſchlichen Natur;Item Chriſtus ſeye geſetzt worden
zur Rechten Gottes/ nach der Menſchlichen Natur/ weil er nach ſeiner Goͤtt-
lichen Natur/ die Rechte Gottes ſelber iſt/ und nach derſelben nicht erſt in der
Zeit zur Rechten Gottes hat koͤnnen geſetzt werden: Alſo ſchlieſſen wir hierauß
unwidertreiblich/ daß Chriſtus auch nach dieſer ſeiner Menſchlichen Natur re-
giere und herꝛſche uͤber alle Creatur. Sonſten wo dieſes geleugnet/ und von den
Calviniſten geſtritten wird/ ſolche Herꝛſchung und Regierung uͤber alle Creatur/
gebuͤhr Chriſto allein nach ſeiner Goͤttlichẽ Natur/ ſo muß folgen/ daß die Menſch-
heit Chriſti mit ihrem Auffahren gen Himmel/ und ſitzen zur Rechten Gottes/
erſt in der Fuͤlle der Zeit erlanget/ und zu wegen gebracht habe/ daß Chriſtus
nach ſeiner Goͤttlichen Natur uͤber alle Creaturen herꝛſche und regiere. Wel-
ches nach [...] Regul Leonis, die Arianiſche Ketzerey mit ſich auff dem Rucken traͤget.
Bleibet demnach nochmalen unwiderſprechlich wahr/ daß Chriſtus nicht nach ſei-
ner Goͤttlichen/ als welche von Ewigkeit hero/ mit Gott dem Vater/ uñ Gott dem
H. Geiſt/ in gleicher Majeſtaͤt/ Ehre und Gewalt/ geweſen wahrer GOtt hoch-
gelobet in Ewigkeit/ ſondern nach der Menſchlichen Natur ſich geſetzt habe zur
Rechten Gottes/ auff daß er alſo (wie die Augſpurgiſche Confeſſion redet)
auch nach dieſer Natur uͤber alle Creatur herꝛſche und regire. Nun aber
verrichtet Chriſtus ſolches ſein Herꝛſchen uͤber alle Creaturen nach der angenom-
menen Menſchheit/ nicht abweſend/ ſondern gegenwaͤrtig. Dann ſonſten re-
girte er nicht nach Arth der Rechten Gottes/ ſondern nur auff Menſchliche Weiſe/
welches laͤſterlich zuhoͤren/ viel weniger zu glauben iſt. Hæc nervosè D. Hutter.
in Calviniſtâ Aulicopolit. pag. 226. ſq.
Er iſt zwar der edle Herr/ der uͤber Land gezogen/ unterdeſſen ſeinen
Knechten ſeine Guͤter eingethan/ mutatione ſtatûs non præſentiæ, doch
nicht die Gegenwart ſelbſt entzogen/ ſondern allein ſeinen Staat und
Stand geendert: Sonſt wuͤrde folgen/ es waͤre auch Gott der Vater
ſelbſt (von deme gleicher Geſtalt außgeſagt worden Matth. 21/33. Er
ſey uͤber Land gezogen) nicht gegenwaͤrtig geblieben. Daher wir
auch von demſelben wallen 2. Cor. 5. und alſo nicht bey ihm ſind/ das
iſt/ nicht der offenbaren/ ſichtbarlichen converſation und Beywohnung
deſſel-
[304]Die fuͤnffte
deſſelben genieſſen/ noch nicht im gegenwaͤrtigen/ uͤberſeligen/ himmliſchen
Schauen/ ſondern im Glauben wandlen/ in der Hoffnung/ in der ve-
ſten Zuverſicht an ſeine gnaͤdige Verheiſſung der kuͤnfftigen himmli-
ſchen Guͤter/ πεϱιπατ [...]μεν wandlen von einer Schrifft zur andern/
von Moſe in die Pſalmen/ von den Pſalmen in die Propheten in die
Evangeliſten und Apoſtel herum ſpatziren/ in denſelben als in einer
Land-Taffel beſchauen die verheiſſene himmliſche Wohnung/ und ſind
deß kuͤnfftigen Beſitzes derſelben ſo gewiß/ als wann wir ſie ſchon fuͤr Au-
gen ſehen/ Ja und Amen. Es ſagt zwar der Herr/Armen habt
ihr allezeit/ aber mich nicht/ verſtehe ὃν τρόπον, auff ſolche ſicht-
bare Weiſe/ wie ihr ihn habt geſehen gen Himmel fahren/ als auff
welche Weiſe er allererſt am juͤngſten Tag wieder erſcheinen wird: Und
iſt alſo die diſtinction oder der Unterſcheid zwiſchen der præſentz und
dero modo, und ſichtbaren Weiſe/ kein Vernunffts-Gedicht/ ſondern
von den Engeln ſelbſt angezeigt durch beſagte Wort/ ὃν τϱόπον, auff dieſe
Weiſe/ ſie leugnen nicht die Gegenwart des Leibs Chriſti/ als haͤtte der
Herr durch ſeine Himmelfahrt ſeiner Kirch die Gegenwart ſelbſt gaͤntz-
lich entzogen/ ſondern allein die [...]πιφάνειαν παϱ [...]σίας, wie St. Paulus re-
det 2. Theſſ. 2. die ſichtbare Erſcheinung und Offenbarung ſeiner Ge-
genwart. Gleichwie der Engel deß HErꝛn dem Propheten Bileam
gegenwaͤrtig widerſtanden/ er war warhafftig zugegen/ weil er aber nicht
alſobald ſich ſichtbar erzeigt/ ſo ſagt die Schrifft/ ihm ſeyen die Au-
gen geoͤffnet worden: Gleichwie die himmliſche Heerſcharen ſich
ſchon gegenwaͤrtig gelaͤgert hatten um die Stadt Dothan/ aber alsdann
ſind auff das Gebet Eliſæ ſeines Dieners Augen geoͤffnet worden/ da ſie
ſichtbar in Geſtalt feuriger Roß und Wagen ſich erzeigt: gleichwie der
HErꝛ mitten unter ſeinen Juͤngern/ ſo nach Emaus gewandert/ getretten/
Sihe im 5.
Theil der
Catechiſ.
Milch
p. 1160.
ſqq.weil er aber ſich [...]ν ἑτέϱᾳ μορϕῇ, nicht in eigner/ ſondern frembder unbekan-
ter Geſtalt erzeigt/ ſo ſind ihnen die Augen gehalten geweßt/ hernach aber
auff den Abend in der Herberg/ nachdem er ſich in eigner Geſtalt ſichtbar-
lich erwieſen/ ſind ihnen die Augen auffgangen. Alſo iſt Chriſtus mit und
bey uns alle Tag/ biß an der Welt Ende/ warhafftig aber nicht ſichtbar/
weil er noch in frembder Geſtalt/ im Wort und Sacramenten/ mit und
bey uns iſt/ und ſo fern ſind uns unſere fleiſchliche/ ſuͤndliche/ ſterbliche
Augen geſchloſſen. Aber am letſten Abend/ wann wir werden in der him̃-
liſchen Herberg einkehren/ ſo wird er (ſo zureden) die Larv ablegen/ und
jeine bißher geweſene Gegenwart ſcheinbar machen/ ſo werden wir ihn ſe-
hen/ wie er iſt/ von Angeſicht zu Angeſicht.
Nicht allein haben wir uͤber dieſem hochtroͤſtlichen Geheimnuͤß/ der
gnadenreichen Gegenwart/ veſt zu halten/ ſondern auch in glaubiger Zu-
verſicht veſt an daſſelbe uns zu halten/ wie Jacob in ſeiner gefaͤhrlichenvid. Ca-
techiſm.
Milch
4. Theil.
pag. 1175.
Wahlfahrt und Wanderſchafft gethan/ gleichſam ein Schloß gebauen/
auff ſeinen Geleits-Brieff/ den er vom HErꝛn empfangen Gen. 28, 15.
Jch bin mit dir/ ſagte der HErꝛ zu ihm/ und wil dich behuͤten/
wo du hin zeuchſt/ und wil dich wieder herbringen in diß
Land: Dann ich wil dich nicht laſſen/ biß daß ich dir thue
alles/ was ich dir geredt habe. Auff dieſen Geleits-Brieff wagt
ers getroſt und ſagt: HErꝛ/ der du zu mir geſagt haſt/ zeuchGen. 32. 9.
\& 11.
wieder in dein Land/ und zu deiner Freundſchafft/ ich wil
dir wol thun/ errette mich von der Hand meines Bruders/
von der Hand Eſau/ dann ich fuͤrchte mich fuͤr ihm. Und
uns derſelben troͤſten im Leben und Tod/ im finſteren tieffen Todes. Thal/
in allerhand Unfall und Truͤbſal auß dem Pſal. 124. ſprechen: Wo derPſal. 124.
verſ. 1. 2. 3.
4.
HErꝛ nicht bey uns waͤre/ ſo ſage Jſrael/ wo der HErꝛ nicht
bey uns waͤre/ wann die Menſchen ſich wider uns ſetzen/
ſo verſchluͤngen ſie uns lebendig/ wenn ihr Zorn uͤber uns
ergrim̃et: Gelobet ſey der HErꝛ/ daß er uns nicht gibt zum
Raub in ihre Zaͤhne. Und auß Zephan. 3, 15. Der HErꝛ der
Koͤnig Jſrael iſt bey dir (du Tochter Zion/) daß du dich fuͤr kei-
nem Vngluͤck mehr fuͤrchten darffeſt. Duͤnckt dich ſchon/ der
HErꝛ ſey nicht bey dir/ er helffe dir nicht/ ſtehe dir nicht bey ꝛc. So iſts
nur dein Duͤncken. Von dem alten Einſidler Antonio ſchreibt der be-
ruͤhmbte Lehrer Athanaſius, daß er einsmahls in ein ſchweren Kampff
gerathen/ und von den boͤſen Geiſtern uͤbel geſchlagen worden/ alſo daß er
endlich angefangen zu winſeln und zu klagen: Ubi eras, bone JESU?
ubi eras? Wo wareſtu/ lieber JEſu/ wo wareſtu? Darauff ihm dieſe
Antwort vom HErꝛn Chriſto ſol gegeben ſeyn worden/ LieberAntoni,
ich habe dich nicht verlaſſen/ ſondern ich bin hinder der Wand
geſtanden/ hab deinem Kampff zugeſehen/ und habe dir ge-
holffen/ daß du von unſaubern Geiſtern nicht uͤberwaͤltiget
worden. Wie im Winter es ſcheinet/ als ob die Sonne am allerwet-
teſten von uns ſeye/ da ſie doch in perigeo orbis Eccentrici, auff die ein
und viertzig tauſend/ ſechs hundert/ und vier und zwantzig teuiſcher Mei-
len der Welt naͤher iſt/ als im Sommer; Alſo wann wir dencken/ Chri-
ſtus die Sonne der Gerechtigkeit/ ſeye fern von uns/ iſt er am aller nech-
ſten bey uns/ und hilfft uns.
Jſt ſolcher Glaub recht/ ſo wird auch gewiß das Leben ſchlecht zu
GOtt im Himmel gerichtet; auß guten Sinnen von dieſem Articul/ wer-
den auch quillen gute andaͤchtige Bitten und heilſame Sitten/ es wird ein
glaubige Seel auch trachten nach dem/ was droben iſt/ nemlich wo
das Wort iſt (gleich als wie der Blitz in der Lufft ſpfelet) blitzet und
leuchtet/ Matth. 24/27. Dann gleich wie der Blitz außgehet
vom Auffgang/ und ſcheinet biß zum Nidergang/ alſo wird
auch ſeyn die Zukunfft deß Menſchen Sohns/ oder vielmehr
die Gegenwart (in Græco eſt παϱ [...]σία.) der HErꝛ ſagt/ Es wer-
den ſolche ſchroͤckliche Zeiten/fata, ſymptomata, Policey- und
Kirchen-Faͤll/ und Zuſtaͤnd ſich begeben/ es werden falſche Chriſten und
Propheten aufftretten und ſagen/ hie iſt Chriſtus/ da iſt Chriſtus.
ubi aſylum? Wo ſollen wir Chriſten uns deñ hinwenden? Dahin wo
Hort/ wo Wort/ wo Zuflucht/ wo Leben/ wo das Aaß iſt/ da ſam-
len ſich die Adler: Wo Chriſti Reich iſt/ da iſt auch Chriſtus der Koͤ-
nig ſelbſt. Jſt eben das/ was wir in dieſen letſten grenlichen Zeiten er-
fahren haben/ und noch erfahren/ da freylich falſche Propheten in der
Menge auffgetretten/ und Chriſti Nahm und Titul zu ſich geriſſen. Die
Reformirten laſſen ſich beduͤncken/ ſie ſeyen der rechte Flor und Außſchuß
der Chriſtlichen Kirchen/ da koͤnne man Chriſtum am beſten und gewiſ-
ſeſten antreffen: Die Papiſten ſagen/ hie iſt Chriſtus zu St. Loret durch
ſeine Heiligen gnaͤdig/ zu Compoſtell/ in den Muͤnchs-Kammern/ in
dem Idolo Lauretano, in eremo, in Feld- und Wald-Kirchen/ zu Ein-
ſidel/ auff dem Ottilien-Berg ꝛc. item in ciborio in dem Sacrament-
Haͤußlein/ hîc Deum adora! flecte genua! Lapis hic venerabilis
hoſpite Chriſto!
Wo iſt er dann? Wo ſollen wir ihn finden? ibi, ubi fulgur cœleſte (*)/
daſelbſt wo das himmliſche Liecht deß Goͤttlichen Worts erſcheinet/ nicht
wo die feurige Jrꝛwiſch/ und meteoriſche ſchieſſende Sternen ſich erzeigen
zu verfuͤhren/ ſondern wo beſagter phoſphorus, helle Morgenſtern und
leuchtendes Liecht ſcheinet mitten in der finſtern Nacht/ ſchroͤcklich und
doch auch lieblich; Es ſeynd nicht nur die Sinaiſche Blitz entſetzlich ge-
weßt/ ſondern es iſt auch der Blitz ein lieblicher Augenluſt/ und himmli-
ſches Feurwerck/ wann er bloß leuchtet/ und in der Lufft ſpielet/ und nicht
zugleich einen Strahl mit ſich bringet: ſo war ja der Engliſche Oſter-
Blitz
[307]Predigt.
Blitz anmuthig zuſehen Matth. 28/3. Sind lauter ſolche prædicata,
die dem theuren lieben werthen Wort Gottes eignen: Wo nun daſſelbe
nicht allein ſchroͤcket und wecket/ ſondern auch troͤſtet und erquicket/ da iſt
Chriſtus gewißlich gegenwaͤrtig anzutreffen. Es wird das Hertz ſeinen
Schatz ſuchen in ſeinem eigenen Tempel und Schatz-Hauß/ in welchem
alle Schaͤtze der Weißheit verborgen ligen/ und die Fuͤlle der Gottheit
leiblich gewohnet/ nemlich in der angenommenen Menſchlichen Natur/
in und von derſelben alles gutes bitten und erlangen.
D. Lutheri Gedancken hievon ſind uͤber die maſſen ſchoͤn/ ſo er fuͤhrt
Tom. 2. Isleb. in c. 2. Joh. pag. 488. f. 2. Chriſti Leib/ ſpricht er/ iſt der rechte
Tempel da GOtt nu wohnen und ſeyn wil/ und alle andere Tempel gehoͤren hier-
ein in den Tempel/ das iſt/ in die Menſchheit Chriſti/ ſo er von der Jungfrau
Maria an ſich genommen hat/ derſelbige Leib war Gottes Tempel/ ſein Schloß
und Pallaſt/ ſein Koͤniglicher Saal/ welches wol zu mercken iſt. Wie an den
Tempel zu Jeruſalem/ der nu auffhoͤren ſol/ GOtt ſich gebunden hatte/ nicht um
ſeinet Willen/ ſondern um deß Volcks Willen/ damit ſie einen gewiſſen Orth
haͤtten/ da ſie wuͤßten GOtt zu finden: Darum er auch ſonſt nirgend ſeyn wol-
te/ und wer ihn anruffen und fuͤr ihn kommen wolte/ der mußte gen Hieruſa-
lem in Tempel kommen/ oder ja ſein Angeſicht dahin kehren/ er waͤr an welchem
Orth der Welt er wolte/ denn zu Hieruſalem da war der Tempel und Wohnung
Gottes. Aber jetzt im Neuen Teſtament hat GOtt ein andern Tempel zuge-
richt/ da GOtt wohnen wil/ das iſt die liebe Menſchheit unſers Hernn
JEſu Chriſti/ da wil ſich GOtt finden laſſen/ und ſonſt nirgend/ nennet Chri-
ſti Leib Gottes Tempel/ darinne GOtt wohnet/ auff daß auff Chriſtum aller
unſer Hertzen und Augen gerichtet ſeyn moͤchten/ und wir ihn allein anbeteten/
der da ſitzt zur rechten Hand Gottes im Himmel/ wie wir bekennen in unſerm
Chriſtlichen Glauben ꝛc. Daß wir nu nicht mehr lauffen ſolten auff die Berge
oder gruͤnen Thaͤler/ wie die abgoͤttiſchen Juden und Heyden gethan haben/ und
allda GOtt ſucheten und anbeteten: Denn da wuͤrden wir GOtt nicht finden/
ſondern wer GOTT anruffen wil/ an welchem Orth er nur in der Welt ſeyn
mag/ der ſol ſein Angeſicht gen Himmel zu Chriſto kehren/ und alſo durch
Chriſtum den rechten warhafftigen Tempel/ zu GOTT kommen. Denn
Chriſtus iſt der rechte Gnadenſtuhl/ bey dem eitel Gnade/ eitel Liebe/ eitel
Freundlichkeit gefunden wird/ ſonſten wer auſſer Chriſto GOtt ſuchen wil/
der findet einen GOTT/ wie im Moſe ſtehet/ der da iſt ein verzehrend Feur.
Wer nu fuͤr GOtt tretten/ mit ihm handlen/ und ihn anruffen wil/ der ſol wiſ-
ſen/ daß er nu an keine gewiſſe Staͤdte mehr gebunden iſt/ wie im Alten Te-
ſtament er im Tempel zu Hieruſalem allein zu finden war/ ſondern wo nur Leu-
the ſind durch die gantze Welt/ die da ſagen von Hertzen/ Herr JEſu Chriſte/
der du warhafftiger GOtt und Menſch/ und fuͤr uns geſtorben biſt/ und ſitzeſt
zur rechten Hand Gottes/ in deinem Nahmen bitte ich/ daß GOtt der himmliſch
Vater mir gnaͤdig ſey. Oder die da ſprechen/ Vater unſer der du biſt im Him-
mel/ um deines lieben Sohus Willen bitte ich dich ꝛc. der findet gewiß GOtt/
er darff nicht gen Hieruſalem/ nach Rom/ oder zu St. Jacob lauffen. Er hat
Q q 2Gott
[308]Die fuͤnffte
GOtt bey ſich daheim in dem HErꝛn Chriſto. Darum wer da ſelig werden wil/
und einen gnaͤdigen GOtt haben/ und bey ihm erlangen was er begehrt/ der kehre
ſein Hertz und Augen gen Himmel/ und ſehe auff Chriſtum/ der da ſitzt zur rechten
Hand Gottes. Wer auch GOtt wil dienen/ ihn finden und gewiß antreffen/ der
komme nur zu dieſem geiſtlichen und rechten Tempel Chriſto/ fuͤr dem falle er ni-
der/ allda bete er/ und glaube an ihn. \& mox p. 489. f. 1. So denn nu jemand auſ-
Coloſſ. 2.ſer Chriſto GOtt ſuchen wird/ der wiſſe/ daß er Gottes feilet: Denn ſo vor-
zeiten Gottes gefeilet/ die auſſerhalb Hieruſalem ihn geſucht haben/ vielmehr
werden jetzt unrecht anlauffen/ die auſſerhalb Chriſto Gott ſuchen/ dann in Chri-
ſto wohnet die Fuͤlle der Gottheit/ und ohne Chriſto iſt kein GOtt/ wie die Tuͤr-
cken und Juden thun/ die werden gar keinen Gott finden und verderben/ denn
da iſt keine Huͤlffe auſſerhalb Chriſto. Darum iſt diß Stuͤck auß der maſſen
troͤſtlich/ daß der Herr ſeinen Leib einen Tempel Gottes nennet/ als darin-
nen nu GOtt ſtets wohnen und ſeyn wolle/ und ſonſt nirgend. Hactenus Lu-
therus.
Es wird der Chriſt ſich fuͤrchten fuͤr der allſchauenden Naͤherung und
Gegenwart deß allgemeinen Richters der lebendigen und der todten/ und
(wie Iſidorus Peluſiota redet) wird ſeyn/ πάντων κακῶν ϑεϱάπεια, ἡ τ [...]
χϱις [...] παντοπαϱ [...]σία, aller Suͤnden præſervativ die Allgegenwart Chri-
ſti. Es ſagt der Oſter-Engel nicht vergebens zu den Weibern/ die JE-
ſum im Grab geſucht/ er iſt nicht hie/ was ſucht ihr den Lebendigen bey den
Todten? Chriſtus laͤſt ſich nicht in Gnaden finden/ bey denen die noch in
Suͤnden todt ſind/ und noch nicht geiſtlicher Weiß aufferſtanden.
Hertzliche Lieb Gegen-Lieb werden einander begegnen/ dann wo Lieb iſt/
da iſt und wohnet man gern beyſammen/ und wo man gern beyſammen
iſt/ da wohnet auch die Lieb. Darum Salomon Sap. 8. beſchloſſen/
ihme die Weißheit zu einer Geſpielin zu nehmen πρός συμβίωσιν, ſie ſol
ſein Stub-Geſell und Tiſch-Genoß ſeyn/ dann ich weiß/ daß ſie mir gu-
ten Raht geben wird/ und ein Troͤſter ſeyn in Sorg und Traurigkeit.
Dieſelbe Weißheit iſt nichts anders/ als Chriſtus JEſus/ den uns der
Vater zur Weißheit gemacht/ deren Begleitung und Beywohnung Jo-
ſeph in ſeiner Hafft und Gefaͤngnuͤß erfreulich genoſſen. Lutherus ſtellt
(*) Tom. 1.
Isleb.
p. 477.uns zum Exempel ſolcher Liebe fuͤr Augen Mariam Magdalenam (*):
Der Herr/ ſpricht er/ hatte ſieben Teuffel von der Maria
außgetrieben/ darum konte ſie ſolcher groſſen Wohlthat
nicht vergeſſen. Dazu war ſie deß HErꝛn Wirthin/ und
der HErꝛ ihr ſteter und liebſter Gaſt/ der bey ihr offt einkeh-
ret und herberget/ daß alſo Chriſtus und Maria beyde der
Wohlthat/ und der taͤglichen Gemeinſchafft halben an ein-
ander gerathen waren in eine Brůderſchafft/ nicht allein irꝛ-
diſcher Weiſe/ ſondern auch geiſtlich. Darum iſt ihr Hertz
voll
[309]Predigt.
voll Lieb zu dem HErꝛn/ und kan nicht anders dencken/
traͤumen/ reden/ denn alſo: Haͤtte ich nur den Mann/ mei-
nen allerliebſten Gaſt und HErꝛn/ ſo waͤre mein Hertz zu-
frieden. Es thuts noch heutigs Tags alſo/ wenn ein Menſch
von dem andern Wohlthat empfangen hat/ und ſonder-
lich wenn langwirige Gewonheit/ alte Geſellſchafft und
Freundſchafft mit zuſchlaͤgt/ die wird ſo feſte/ daß/ wenns
dermaleins ſol geſcheiden ſeyn/ ſo thuts auß der maſſen we-
he. Das geſchihet natůrlich alſo. Aber neben ſolcher irꝛ-
diſcher Liebe/ iſt auch hie in der Maria eine geiſtliche Liebe
zu dem HErꝛn/ daß ſie ihn ſo herꝛlich bruͤnſtig lieb hat/ und
ihm nachgefolget iſt/ ihm gedienet/ und Gut und Ehre/ Leib
und Leben/ und alles was ſie hat/ an ihn geſetzt. Wer nu
diß Exempel liſet oder hoͤret/ der ſol ſich bey der Naſen neh-
men/ und in ſeinen Buſſen riechen/ und ſein Hertz erfor-
ſchen/ ob es auch ſo brenne von ſolchem Feur und Hitz der
Liebe gegen Chriſto. Denn wir alleſampt auch groſſe uͤber-
ſchwengliche Wohlthaten von GOtt empfangen haben/ wie
St. Paulus ſaget Tit. 3. Daß uns erſchienen ſey die Freund-
lichkeit und Leuthſeligkeit Gottes unſers Heylandes/ nicht
um der Werck Willen der Gerechtigkeit/ die wir gethan
hatten/ ſondern nach ſeiner Barmhertzigkeit macht er uns
ſelig ꝛc. Vnd was fuͤr Wolthaten empfahen wir noch taͤg-
lich von ihm? Er gehet mit uns auch alſo um/ wie er mit die-
ſer Maria umgangen iſt/ wir leſen/ predigen/ hoͤren ſein hei-
liges Wort/ er iſt ſo ein gemeiner Gaſt bey uns/ und herber-
get taͤglich bey uns/ doch geiſtlich/ als er bey Maria geweſen
iſt und beherberget hat. Ja er iſt mehr bey uns/ denn ſo zu
rechnen haben wirs viel klaͤrer und heller/ denn ſie es ge-
habt hat/ und hat von uns nicht allein ſieben/ ſondern hun-
dert tauſend Teuffel außgetrieben. Solches ſage ich iſt uns
widerfahren/ und widerfaͤhret uns noch taͤglich/ dennoch
ſind wir nicht ſo fromb/ als dieſe Maria Magdalena; Denn
keiner unter uns hat Chriſtum ſo lieb/ und ſo ein hitzig/
bruͤnſtig Hertz zu ihm/ als ſie gehabt hat. Darum wenn
unſer einer diß Exempel liſet oder hoͤret/ ſol er billich die Au-
gen niederſchlagen/ und ſchamroth werden. Denn unſer
Vndanck barkeit kan mit keinen. Worten gnugſam außgere-
Q q 3det
[310]Die fuͤnffte
det werden. Ja/ moͤchteſtu ſagen/ Maria hat gut machen
gehabt/ ſie hat den HErꝛn bey ihr gehabt perſoͤnlich und leib-
lich/ und er iſt ihr Gaſt geweſen/ darum hat ſie ihn leicht
koͤnnen lieb haben; So er auch bey mir perſoͤnlich und leib-
lich mein Gaſt waͤre/ wolt ich ihn auch lieb haben/ und ihm
alles gutes thun/ gleichwie ſie. Antwort: was wers denn
mehr? Wenn er ſchon perſoͤnlich bey dir/ und leiblich dein
Gaſt waͤre? Jch meine ja du wuͤrdeſt ihn lieb haben/ wie die
Phariſeer ihn geliebet haben/ dieſelben hatten ihn auch per-
ſoͤnlich/ und er war leiblich ihr Gaſt/ aß das Brodt mit ih-
nen/ dennoch ſtachen ſie auff ihn/ wie die gifftigen Ottern
und Schlangen. Das Evangelium aber zeiget uns an/
daß Maria den HErꝛn JEſum hat lieb gehabt/ nicht
um ſeiner geelen Haar willen/ auch nicht um ſeiner
Perſon noch um ſeiner leiblichen Gegenwart Willen al-
lein/ ſondern ſey an ſeinem Munde gehangen/ und ha-
be ſeiner Rede zugehoͤret. Daſſelb Wort/ das ſie von ihm
gehoͤrt hat/ iſt das Feur geweßt ihrer Liebe/ davon ſie in ih-
rem Hertzen gebrandt hat. So man nu hie die Rechnung
machen ſolte/ ſolte das Feur der Liebe in unſern Hertzen viel
groͤſſer ſeyn/ denn es in Maria geweßt iſt. Denn wir hoͤren
jetzt ſeine Rede viel reichlicher und klaͤrer/ denn ſie gehoͤrt
hat. Sie hat ſeine Rede etwa ein Jahr/ oder kaum ein hal-
bes Jahr gehoͤret/ wir aber haben nu ſein Evangelium zehen
Jahr gehoͤret/ und thun dennoch eben/ als haͤtten wir ſol-
chen Schatz allezeit gehabt/ und als waͤre es keine Gabe oder
Geſchenck/ daß uns das Wort zu dieſer Zeit ſo reichlich gege-
ben iſt/ ſo gar faul/ traͤg und laͤſſig ſtellen wir uns zu dem
lieben Wort. Bißher abermahl Lutherus.
Ey ſo laß kommen/ was nicht auſſen bleiben wil/ es kan uns doch
nichts ſcheiden von der Liebe Gottes/ weder Truͤbſal oder Angſt/ oder Ver-
folgung/ oder Hunger/ oder Bloͤſe/ oder Faͤhrligkeit/ oder Schwert:
Dann in dem allen uͤberwinden wir weit/ um deß Willen/ der uns ge-
liebet hat. Kommt Erdbeben/ Ungewitter/ Verfolgung/ und aller
Jammer/ ſo kan ein Chriſt getroſt ſagen (wie vorzeiten die zu Antio-
chia) ςῆτε, χϱιςὸς μεθ᾽ ἡμων, ſtehet feſt/ dann Chriſtus iſt mit und bey
Pſ. 46. v. 1.
ſqq.uns; Und auß dem 46. Pſalmen: GOtt iſt unſer Zuverſicht
und Staͤrcke/ eine Huͤlffe in den groſſen Noͤthen/ die uns
troffen
[311]Predigt.
troffen haben; Darum fuͤrchten wir uns nicht/ wenn gleich
die Welt untergienge/ und die Berge mitten ins Meer ſuͤn-
cken/ wenn gleich das Meer wuͤtet und wallet/ und von ſei-
nem Vngeſtuͤm die Berge einfielen: Dennoch ſol die Stadt
Gottes fein luſtig bleiben mit ihren Bruͤnnlein/ da die heili-
gen Wohnungen deß Hoͤheſten ſind; GOtt iſt bey ihr drin-
nen/ darum wird ſie wol bleiben/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Daß durch das wunderſeltzameEzech. 1, 4.
Geſicht/ welches einmals dem gelſtreichen Mann Got-
tes und Propheten/ Ezechiel/ an Waſſerfluͤſſen Baby-
lon/ bey eroͤffnetem Himmel erſchienen/ welches er ſelbſt
der Laͤnge nach beſchrieben und abgemahlet/ gleich im
Anfang ſeiner Weiſſagung/ ein himmliſches Geheimnuͤß ange-
deutet und bezeichnet worden/ das haben ſo wol die Juͤdiſche Rabiner/
als Chriſtliche Lehrer und Leſer gefunden: Jene zwar gar druͤber ver-
ſtummet/ und beſagtes Geſicht mit ſtillſchweigen uͤbergangen und uner-
klaͤrt gelaſſen;
Dieſe aber in viel und mancherley Meynungen Sinn und Gloſſen ſich
gezweyet. Welche alle hie beyzubringen und auff die Prob zu ſtellen un-
noͤthig/ es heißt auch an dieſem Orth/ ſo viel Koͤpff/ ſo viel Sinn; Wir
bleiben billich bey der gemeinſten/ leichteſten/ und der Glaubens Regul
gemaͤſſeſten Erklaͤrung/ nach welcher dieſer Geheimnuͤß-reiche Eze-
chiels-Wagen/ von der Gnaden-Fuhr deß Reichs Chriſtiim Neuen
Teſtament/ und dero Befoͤrderung gedeutet worden.
Bey deren uns dann zu bedencken fuͤrkomt I.Der groſſe Ma-
jeſtaͤtiſche Fuhrmann/ der oben uͤber dem Wagen auff einem Sa-
phirnen Thron geſeſſen/ gleich einem Menſchen geſtalt/ mit flammendem
Richterlichen Feuer/ den Gottloſen zum Schrecken; aber auch mit dem
Glantz eines Regenbogens/ den Glaubigen zum Troſt/ um und um gezie-
ret. Diß war das Anſehen der Herꝛligkeit deß HErꝛn/ das iſt/
deß ewigen Sohns Gottes/ der auff den Thron Gottes erhoben/ in
Menſchlicher Geſtalt von Goͤttlicher Herꝛligkeit geleuchtet/ mit der Glori
und Klarheit/ die er hatte bey ſeinem Vater/ ehe die Welt war.
II.Den Wagen. Den zeigen die wunderſeltzamen Raͤder
an/ dieſelbe Raͤder waren wie ein Tuͤrkis/ und waren alle viere/
Ezech. 1,
16, 17, 18.eins wie das ander/ und ſie waren anzuͤſehen/ als were ein
Rad in dem andern. Wenn ſie gehen ſolten/ konten ſie in alle
ihre vier Oerther gehen/ und dorfften ſich nicht rum lencken/
wenn ſie giengen. Jhre Felgen und Hoͤhen waren ſchroͤcklich/
und ihre Felgen waren voller Augen um und um/ an allen
vier Raͤderen. Was mag dieſes Raͤderwerck wol bedeuten? Anders
nichts als die inſtrumenten, Gefaͤß und ſchrein deß Evangeliſchen Gna-
den-Schatzes/ der im Neuen Teſtament im Wort und Sacramenten/
in alle vier Orth der Welt herum gefuͤhrt und getragen worden/ deſſen
inſigne und Wappen der Himmel-blaue Tuͤrkis/ zeugend von dem him̃-
liſchen Buͤrg-Recht/ dahin dieſe Fuhr getrachtet:
Die harmoni und Einmuͤtigkeit der Lehr erzeigte ſich in der Verſchren-
ckung und Gleichheit der Raͤder; Derſelben ſublimitaͤt in der Hoͤhe der
Felgen; Weißheit in den vielen Augen/ deren die Felgen voll geweßt.
III.Die Laſtbare Thiere/ und die Roſſe/ ſo an dieſen Wa-
ibid. v. 6,
7, 8, 9, 10,
11. ſqq.gen angeſpannen geweßt/ und denſelben begleitet/ deren waren vier/
und unter ihnen eines geſtalt wie ein Menſch/ und ein jegli-
ches hatte vier Angeſichte und vier Fluͤgel/ und ihre Beine
ſtunden gerade/ aber ihre Fuͤſſe waren gleich wie runde Fůſ-
ſe/ wie ein hell glatt Ertz: Vnd hatten Menſchen Haͤnde
unter ihren Fluͤglen/ an ihren vier Orthen/ denn ſie hatten
alle vier ihre Angeſichte und ihre Fluͤgel/ und dieſelben Fluͤ-
gel
[313]Predigt.
gel war je einer an dem andern: Vnd wenn ſie giengen/
dorfften ſie ſich nicht rumb lencken/ ſondern wo ſie hingien-
gen/ giengen ſie ſtracks fuͤr ſich: Jhre Angeſichte zur rechten
Seiten der viere/ waren gleich einem Menſchen/ und Loͤwen;
Aber zur lincken Seiten der viere/ waren ihre Angeſicht
gleich einem Ochſen und Adler: Vnd ihre Angeſicht und
Fluͤgel waren oben her zutheilet/ daß je zween Fluͤgel zuſam-
men ſchlugen/ und mit zween Fluͤglen ihren Leib bedeckten.
Sie giengen aber wohin der Wind ſtund/ und lieffen hin
und her wie ein Blitz. Solche Thiere/ die den Laſt deß Gnaden-
Schatzes in der gantzen Welt herum tragen muͤſſen/ ſind zuvorderſt die
heiligen Apoſtel und zwoͤlff Botten/ und ſolchen nach in gewiſſer Maß und
Ordnung alle deroſelben getreue Nachfolger im Predigampt/ denen wol
anſtehet Menſchliche Freundlichkeit und Leuthſeligkeit/ eyffriger Loͤwen-
Muth/ himmliſche Weißheit und Adler-Schau/ Ochſen-Gedult/ Treu
und Arbeitſamkeit: Jhre Fluͤgel ſollen immer außgeſpannen und bereit
ſeyn zu treiben das Evangelium/ doch daß ſie nicht nur auff ihre Lehr/ ſon-
dern auch auff ſich ſelbſt Achtung geben/ mit Fluͤglen gleichſam ihre
Schwachheit und Gebrechlichkeit bedecken/ und nicht andern zur Aerger-
nuͤß oͤffnen: Die Haͤnd mit den Fluͤglen ſind bereit-willig maͤnniglich zu
dienen: runde und flammende Fuͤſſe/ hurtig und eyffrig ihre Dienſte auß-
zurichten: Der gewaltige lebendige Wind/ der das gantze Raͤder- und
Fuhrwerck getrieben/ iſt niemand anders/ als der H. Geiſt.
Alles zu dem Zweck und End/ daß die gantze Welt der Ehre Gottes
voll/ und ſeine Herꝛlichkeit allenthalben außgebreitet/ und alſo der Nah-
me Gottes geheiliget werde; Aber auch daß das Reich Chriſti zu uns kom-
me/ ſchickt uns Gott ſelbſt einen Gaſt-Wagen vom Himmel herab.
Wir uns ſelbſt gelaſſen waͤren wol hienieden blieben/ haͤtten uns in die
Hoͤhe nimmermehr erſchwingen koͤnnen. Wol dem der ſich auff dieſen
Gnaden-Wagen laͤßt auffſetzen/ und denſelben mit reverentz und Ehrer-
bietung annim̃t/ deſſen Hauß ſoll geſegnet werden/ wie das Hauß Obed-
Edom 2. Sam. 6/11. contrà verflucht und vermaledeyt das Land und die
Stadt/ die dieſen reichen Gnaden-Schatz mit der ſchnoͤden repuls abwei-
ſet/ deme ſoll ein Wetter zu Lohn werden/ das Gethoͤne deß Allmaͤchtigen
ſoll ihn ſchroͤcken/ und der Donner treffen: ſolche Veraͤchter ſoll ein Rau-
ſchen der groſſen Waſſer/ das iſt/ vieler Voͤlcker und Kriegs-Heer/ zu ih-
rem zeitlichen und ewigen Verderben erſchroͤcken/ auff den Wagen Pha-
Achter Theil. R rrao
[314]Die ſechſte
rao ins rothe Schwefel-Meer/ in Abgrund und Verdamnuͤß ſollen ſie
hinunter fahren und gerathen.
Laßt uns Meine Liebſten dieſer Himmels-Fuhr/ und der Goͤttlichen
Bottſchafft mit devotion, reverentz und Danck begegnen/ und nun-
mehr auch betrachten/ die Deſignation der Koͤniglichen Botten/ welche
Chriſtus der Herr außgefertiget/ das Evangelium in aller Welt zu pre-
digen/ auff daß wir beſagter Fuhr reichlich und nutzbarlich genieſſen moͤ-
gen/ hie und dort/ Amen.
GLeichwie groſſe Herren/ Koͤnige und Potentaten/ wann ſie ein
allgemeine Solennitaͤt/ Feſt/ Feyr/ Freyheit außſchreiben laſſen/
dazu ihre Botten und Laͤuffer brauchen/ die ſie aller Ende und
Orth außſchicken/ ſolche Koͤnigliche Gutthaten kund und offenbar zu ma-
chen. Da der Gottſelige Koͤnig Hißkias ihm vorgenommen/ das
zuvor lang unterlaſſene Paſſah- und Oſter-Feſt wiederum zuerfriſchen
und anzurichten/ ſchrieb er Land-Brieff auß/ beſtellete/ daß ſolches außge-
ruffen wurde durch gantz Jſrael/ von Berſeba an/ biß gen Dan/ daß ſie
kaͤmen Paſſah zu halten dem HERRN dem GOTT Jſrael
zu Jeruſalem/ denn es war lang nicht gehalten: Vnd die
Laͤuffer giengen hin mit den Brieffen/ von der Hand deß Koͤ-
niges und ſeiner Oberſten/ durch Jſrael und Juda/ auß dem
Befehl deß Koͤniges 2. Chron. 30, 5. 6. Es laͤßt auch der Koͤnig
Ahaſveros die Evangelia/ und froͤliche Bottſchafft der Juͤdiſchen Erloͤ-
ſung/ von der Tyranney ihres Ertzfeinds deß Hamans/ durch reitende
Botten auff jungen Maͤulern außtragen und verkuͤndigen Eſth. 8/10.
Der Koͤnig Cores/ da er den gefangenen Juden wiederum die Freyheit
gegoͤnnet/ laͤßt er ſolche ſeine Koͤnigliche Gnad außſchreyen/ außſchreiben
und ſagen: So ſpricht Cores der Koͤnig in Perſen: Der
HERR der GOTT vom Himmel hat mir alle Koͤnigreich
in Landen gegeben/ und Er hat mir befohlen Jhm ein Hauß
zu bauen/ zu Jeruſalem in Juda: Wer nun unter euch ſei-
nes Volcks iſt/ mit dem ſey ſein GOTT/ und er ziehe hin-
auffgen Jeruſalem/ und baue das Hauß deß HERRN/ deß
GOttes Jſrael ꝛc. Eſdr. 1/2.
Alſo hat auch unſer Ehren-Koͤnig Chriſtus JEſus/ der HERR
der Herꝛligkeit/ ſeine Laͤuffer und Botten außgeſendet in alle Welt/ ſeine
Evangelia oder froͤliche Bottſchafft/ und das groſſe Hall- und Jubel-Feſt
deß Neuen Teſtaments/ allenthalben außzublaſen und zuverkuͤndigen.
Dißmal
[315]Predigt.
Dißmal bleiben wir allein ſtehen bey der deſignation, Benahmſung und
Darſtellung ſolcher Legaten und Botten/ welche und wer ſie geweſen?
Dieſelbe werden in unſerm Text intimirt und angezogen mit einem einzi-
gen Wort/ DER JUNGER/ der HErꝛ JEſus ſprach zu
ſeinen Juͤngern/ gehet hin in alle Welt. Juͤnger ſind Men-
ſchen/ und nicht Geiſter; die heiligen Engel reſigniren das Predigampt
den Menſchen/ und namentlich der Engel/ der Cornelio erſchienen/ demAct. 10, 5. 6.
Apoſtel Petro/ Sende/ ſagt er/ Maͤnner gen Joppen/ und laß
fordern Simon/ mit dem Zunahmen Petrus/ der wird dir
ſagen/ was du thun ſolt.
Καὶ τί λέγω [...] Ἱερ [...]ῖς? [...]τε ἄγ [...]ελ [...] ἐργάσα [...]ϑαί τι δμύατ [...]ἰς τὰ
[...]εδόμ [...]α [...]ὰ Θε [...]: ἀλλὰ πα [...]ὴρ καὶ [...]ὸς καὶ ἅγιον πνεδμα πάν [...] ὀι [...]-
νομ [...]ῖ; ὁ [...] Ἱεϱ [...]ς [...] ἑαυτ [...] [...]ανε [...]ει γλώτ [...]αν, καὶ [...] ἐαυ [...] παϱέχει χεί [...].
Inquit Chryſoſtomus Homil. 85. in Joh.
Die boͤſen Geiſter haben zwar auch wollen Apoſtel ſeyn/ und von Chriſto
zeugen/ Jch weiß wer du biſt/ ſagte er dorten zu JEſu von Nazareth/
nemlich du biſt der Heilige Gottes: Aber der Herr hat ihm das
Handwerck bald nidergelegt/ ihn bedrohet und geſagt/ verſtumme/
Luc. 4/34. Und wehe uns Menſchen/ wann dem Sathan das predigen
ſolte erlaubt werden/ wie offt wuͤrde er ſich in einen Engel deß Liechts ver-
ſtellen/ und Seelen-moͤrderiſche Luͤgen/ unter dem Schein der Warheit/
auff die Bahn bringen? Darum ὁμοιο παθεῖς ἄνθϱωποι, ſolche Menſchen
erwehlt worden/ die da ſind wie wir/ die verſucht wie wir/ und andern ih-
ren Bruͤdern auß ihren eigenen Hertzen/ affecten und Erfahrung predi-
gen und troͤſten koͤnnen.
Nun heiſſen und ſind Juͤnger Chriſti ins gemein alle ſeine Diſcipu-
li, Schuͤler/ Nachfolger/ die er gelehrt/ und ſie ſich haben lehren laſſen/
wie in ſolchem Verſtand das Wort zu leſen Luc. 14/26. Joh. 8/31. cap. 13/35.
cap. 15/8. Ja alle Chriſten ohn Unterſcheid Act. 11, 26. Dieſe alle
zwar ſind von dieſem Befehl nicht bloß außgeſchloſſen/ ſonderlich neben
den Eylff Apoſteln/ die dieſem offterwehnten Reichs-Tag des HErꝛn
Chriſti beygewohnt/ deren waren mehr/ dann 500. Bruͤder auff einmal
1. Cor. 15. welche damal Chriſtum nicht allein geſehen/ ſondern auch ſeine
Befehls Wort angehoͤrt/ und dieſelbe auff ſich ziehen koͤnnen und ſollen/
wie ſie dann auch ohn Zweiffel gethan. Chryſoſtomus der beruͤhmte
alte Lehrer/ haͤlt dafuͤr (*)/ unter den 120. Perſonen/ die nach der Himmel-(*) Homil.
3. ad Act.
farth Chriſti/ mit den Apoſteln gen Jeruſalem zuruͤck gangen/ und auff die
Verheiſſung des H. Geiſtes gewartet/ ſeyen auch die ſiebentzig Juͤnger ge-
R r 2weßt/
[316]Die ſechſte
weßt/ Luc. 10/1. Wohin auch gehoͤren die verſam̃lete und bekehrte Juden
und Judengenoſſen/ auß allen Nationen unter dem Himmel/ die ohn
Zweiffel hernach daheim gekramet/ was ſie zu Jeruſalem auff dem Pfingſt-
Feſt gekaufft und eingenommen. Die Kirchen-Hiſtori bezeugt/ daß viel
derſelben/ als Apoſtoliſche Maͤnner und Gefaͤrthen/ die groſſen Apoſtel
gleichſam abgeloͤſet/ und an dero Statt getretten/ ja wol gar neue Kirchen
gepflantzt und auffgerichtet: niemand ſage/ ſie haͤttens von ſich ſelbſt und
vid. Chri-
ſteid. Act. I.
Phænom.
3. p. 133. ſqq.ohne Beruff gethan und gewagt. Solche ſind geweßt/ Joſeph mit dem
Zunahmen Barſabas oder Barnabas, Silas oder Sylvanus, Timotheus,
Lucas, Marcus, Titus, Judas Barſabas, Ariſtarchus, Cajus Secun-
dus, Tychicus, Trophimus, Artemas, Philippus der Evangeliſt/
Epaphroditus, der Kaͤmmerer der Koͤnigin Candaces in Morenland/
Apollo, Zenas, Clemens, Joſeph von Arimathia, Creſcens, Lucius
Cyrenæus, Rufus, Maternus, Pantænus, Frumentius, Aquila,
Priſcilla, Andronicus, und Junias, welche zween St. Paulus ſonderlich
lobt/ tanquam [...]πισήμ [...]ς [...]ν τοῖς Ἀποςόλοις, als beruͤhmte unter den
Apoſteln/ die vor ihm geweſen und gelehrt Rom. 16/7. Derer aller/ ſo
wol die Bibliſche als Kirchiſche Hiſtori/ mit groſſen Ehren gedenckt.
Was St. Paulus von Timotheo ſagt/ da er im Nahmen ſeiner und
deß Bruders Timothei an die Gemeine zu Corintho geſchrieben: Wir
ſind Bottſchafften an Chriſtus Statt/ denn Gott vermah-
net durch uns 2. Cor. 5/20. daſſelbe iſt auch von allen andern Apoſtoli-
ſchen Maͤnnern zuverſtehen. Ja ein jeder Chriſt iſt ſchuldig/ wo er kan
und mag/ einen andern Menſchen auß dem Finſternuͤß zum Liecht zu be-
foͤrdern/ und ihme das Evangelium zu predigen/ denſelben im Nothfall zu
tauffen/ und zu abſolviren. Maſſen dann hievon die Apoſtoliſche Ge-
ſchichten bezeugen. Auguſtinus erzehlt eine Hiſtori/ daß zween Maͤnner
in einem Schiff beyſammen geweſen/ deren einer den andern getaufft/
und darnach von dieſen ſey abſolvirt worden. Welche Hiſtoria Augu-
(*) In ter-
tia parte
Decreti de
Conſecrat.
diſt. 4. c. 36.
Sanctum
eſt Bapti-
ſma.ſtini in jure Canonico, (*) angezogen/ und nach allen Umſtaͤnden be-
ſchrieben worden.
Lutherus Tom. 7. Witteb. pag. 603. f. 1. ſchreibt: Daß ſie (die Papiſten)
deß St. Peters ſehr ungewiß ſind/ und die Kirche erſtlich weder von St. Peter/
noch St. Paul gepflantzet iſt/ ſondern von den geringſten Juͤngern/ Aquilâ und
anderen/ ſo zu Rom gewohnet/ auch wol da gebohren ſind/ wie ſie in allen Lan-
den wohneten/ Act. 2. Sie ſagen alleſampt/ St. Paulus ſey bekehret daſſelbe
Jahr/ darinnen Chriſtus gelitten und aufferſtanden iſt/ eodem Anno Aſtronomi-
co non legali, nemlich Chriſtus habe gelitten den 25. Martii, und Paulus ſey
hernach bekehret den 25. Januarii, wie es im Calender ſtehet/ da iſt das Jahr noch
nicht
[317]Predigt.
nicht herum. Das ſey ſo oder nicht/ ſo kans doch nicht weit davon ſeyn/ vielleicht
kaum ein Jahr. Hierauß folget/ daß die Roͤmiſche Kirche hab das Evan-
gelium und Glauben gehabt 27. Jahr/ ehe St. Paul oder St. Peter gen Rom
kommen ſind: Vnd meine Meynung wil gewiß werden/ daß Aquila und andere
mehr Rom. 16. genennet/ zu Jeruſalem auff die groſſen Feſt gezogen/ die Apo-
ſtel daſelbſt gehoͤret/ und mit ſich gen Rom das Wort heim gebracht haben.
Denn St. Paulus ſpricht Rom. 16. daß Andronicus und Junias ehe Chriſten ge-
weßt/ denn St. Paulus/ ſo muͤſſen ſie daſſelbe Jahr deß Leydens Chriſti/ bald
nach Pfingſten zu Jeruſalem/ glaubig worden ſeyn/ und das Wort unterwegen
erſtlich den Juden hin und wieder gepredigt/ und alſo beruͤhmte Apoſtel worden
ſeyn/ ſolten wol von den 3000. ſeyn/ die durch St. Peters erſte Predigt bekeh-
ret ſind/ Act. 2. Nu iſt von dem Jahr des Leydens Chriſti/ biß auffs ander Jahr
Neronis, 27. Jahr/ da Paulus gen Rom kommen iſt Act. 28. daher ruͤhmet er
den Glauben der Roͤmer/ Rom. 1. den er doch nicht gepflantzet hatte. Hiemit
wills werden/ daß der Roͤmiſchen Kirchen erſte Stiffter und Biſchoͤffe oder Pre-
diger ſind/ St. Paulus Vettern/ Andronicus und Junias. Wo wil der Pabſt
ſolch Zeugnuͤß von St. Peter bringen? Vnd iſt glaublich/ daß die 27. Jahr uͤber/
auch etliche Chriſten/ jung und alt getaufft und geſtorben/ die erſten Heiligen zu
Rom/ zum Herrn Chriſto gen Himmel gefahren ſind/ die weder St. Peter
noch St. Paul geſehen haben. So weit Lutherus.
Darum dann auch keines wegs bloß außzunehmen/ und allhie zu
excipiren ſind/ alle getreue Nachfolger der Apoſtel/ Lehrer/ Prediger/
Seelſorger/ biß auff den heutigen Tag/ grad als gieng dieſer Befelch ſie
allerdings nichts an: Sie ſind ja auch und ſollen ſeyn/ ihnen iſt befohlen
Chriſto ihrem HErꝛn Juͤnger zu machen/ das Evangelium zu predigen/
zu tauffen/ und lehren zu halten alles/ was der HErꝛ befohlen: Chriſtus
hat ſeine gnadenreiche kraͤfftige Gegenwart verſprochen biß ans Ende der
Welt; Wem aber? Ob allein denen Juͤngern und Apoſteln/ ſo dazumal
gegenwaͤrtig geweſen/ als der HErꝛ dieſes Gebott und Auffbott auß ſei-
nem Munde erſchallen laſſen/ die ihn ſelbſt mit leiblichen Augen geſehen
und gehoͤrt? O nein! Dann dieſe wuͤrden ja nicht leben biß ans Ende
der Welt/ ſie haben ihren Lauff laͤngſt vollendet. Derowegen ſo betrifft
dieſer Anſpruch auch uns auff den heutigen Tag/ die wir im Lehr-Ampt
begriffen/ und Bottſchafften heiſſen an Gottes Statt/2. Cor. 5. Gleich-1. Cor. 11,
26.
wiel weil St. Paulus geſchrieben an die Corinthier/ man ſolle bey der
Nieſſung deß H. Abendmahls ſeinen Tod verkuͤndigen/ biß daß er kom-
met/ darauß vernuͤnfftig und wol kan geſchloſſen werden/ daß die Stiff-
tung deß H. Abendmahls/ und alſo auch der Befehl/ trincket alle dar-
auß/ nicht bloß und allein auff die damal anweſende Corinthier/ conſe-
quenter auch auff die Juͤnger Chriſti/ die der erſten Einſetzung gegenwaͤr-
tig beygewohnt/ zu ziehen und zu deuten/ als welche ſo lang nicht wuͤrden
R r 3im
[318]Die ſechſte
im Leben bleiben/ biß daß der HErꝛ wieder kommen wird zum Juͤngſten
Gericht: Alſo weil er auch ſeine Zuſag hie außgeſtreckt biß auff das End
der Welt/ ſo wil er auch in ſeinen Gebotts-Worten verſtanden haben/
nicht bloß und allein die anweſende Juͤnger und Apoſtel/ ſondern auch
alle deroſelben getreue Nachfolger im Wort/ ſonderlich die jenige/ auff
welche das Ende der Welt kommen wird.
Sprichſtu/ es koͤnne ja auff uns heutigs Tags dieſer Anſpruch
Chriſti nicht außgedaͤhnet werden/ ſonſt wuͤrden wir auch verbunden ſeyn
hinauß zu gehen in alle Welt/ in die neue Welt/ in Americam und In-
dien, denſelben auch das lautere und reine Evangelium zu predigen.
Weßwegen die Papiſten uns Hohn ſprechen/ auff ſordern und ſagen:
wenn wir einen rechten Beruff haͤtten unſers Ampts/ ſo wuͤrden wir auch
dem Gebott Chriſti gehorchen/ die blinde Abgoͤttiſche Heyden lehren und
bekehren/ und unſer Liecht auch unter den Barbariſchen Voͤlckern leuchten
laſſen: Gleich ihnen/ deren Moͤnche und Lojoliten es in die ferne wa-
gen/ und groſſe Thaten gethan in der neuen Welt/ viel tauſend Seelen be-
kehrt/ und die Wunden und Schart/ die Luther in Europa der Roͤmiſchen
Kirchen gehauen/ durch die Menge der bekehrten barbariſchen Voͤlcker/
wiederum außgewetzt und erſetzt.
Wir antworten eben das/ was Chriſtus der HErꝛ dem Sathan
geantwortet/ da er Jhm zugemuthet/ er ſolle von der Zinnen des Tempels
ſich herab laſſen/ auſſer der Ordnung gehen/ der Stegen und Leitern ſich
nicht bedienen/ ſondern ein freyen Lufft-Sprung wagen: Den beſchlaͤgt
der HErꝛ mit der Schrifft und ſagt/ Es ſtehe geſchrieben/ du ſolt
GOtt deinen HErꝛn nicht verſuchen. Alſo auch wann uns wil
zugemuthet werden/ wir ſollen ohne Federn uͤber Meer fliegen/ ohn den
Comme-
[319]Predigt.
Commeat der jenigen Inſtrumenten und Mittel/ ſo zu ſolcher Reiß
von noͤthen/ ſonderlich der Apoſtoliſchen Gab frembder Sprachen/ mit
ſolchen Barbariſchen Leuthen zu reden; Ja wir ſollen uns gar den unge-
heuren Menſchen-Freſſern zur Speiß dargeben/ und uns ſelbſt ihnen auff
die Fleiſchbanck darlieffern/
Unterdeß daheim unſern ordentlichen Beruff/ und die Kirchen/ dazu wir
beruffen/ laſſen leer ſtehen: Waͤre das nicht eine unverantwortliche Ver-
ſuchung Gottes? Sollen wir auch darum ins Waſſer ſpringen/ und in
Gefahr Leibs und Lebens begeben/ weil etliche Waghaͤlß auff gerathwol
ſich hinein ſencken? Das heiſſet uns Gott nicht! Wir finden hie in Eu-
ropa ſo viel zu ſchaffen/ zu heilen und zu pflantzen/ daß wir in die Ferne in
Americam noch nicht reichen moͤgen.
Das Evangelium/ ſagt Lutherus Tom. 7. Witteb. p. 358. f. 2.
ſolt billich in aller Welt geprediget werden/ woran iſt der Feil?
Nicht am Evangelio/ denn es recht und warhafftig/ nůtzlich
und ſelig iſt: Es feilet aber an Leuthen/ die dazu tuͤglich ſind/
wo man die nicht hat/ iſt es beſſer geſchweigen/ denn gepre-
digt/ denn es wird doch verfaͤlſcht und ſchaͤdlich gepredigt.
Die Apoſtel ſelbſt haben zuvor im Juͤdiſchen Land/ und ſolgends/ nachdem
ſie mit ſonderbaren Apoſtoliſchen Pfingſt-Gaben/ ſonderlich der Gab der
frembden Zungen und Sprachen außgeruͤſtet/ in die Heydenſchafft hin-
auß wandern muͤſſen. Die Herren Patres der Societæt thun das Wi-
drige! haud ſtultè ſapiunt, ſie ſind keine Narren/ wo ihre Wahr nichts
gilt/ wo ſie den wachſamen Hund daheim finden/ da wollen ſie nicht an-
beiſſen/ kommen nicht zu uns armen Ketzern mit ihren miraculen, da
ſie
[320]Die ſechſte
ſie zu allervorderſt Ehre einlegen ſolten/ fliegen ohne deß ohne Federn/
das iſt/ ohne Wiſſenſchafft der Sprachen in die neue Welt/ oder werden
vielmehr/ als die muͤſſige uͤberfluͤſſige Hummeln/ auß ihren Cloͤſtern auß-
geſtoſſen/ damit ſelbige mit ſo vielen unnuͤtzen nicht uͤberhaͤufft wuͤrden:
Sind gleich den jenigen Aertzten/ welche auß der Stadt/ da die Peſt
graſſirt/ auß- und in andere Land ziehen/ da ſie mit ihrerfalſchen Artzney
leichter zu zukommen getrauen/ allwo man ſie noch nicht kennet. Der
Allerhoͤchſte wolle unſere Evangeliſche Fuͤrſten und Potentaten erleuch-
ten/ daß ſie die Rigel der Hindernuͤſſen abſtoſſen/ gute Seminaria und
Schulen anſtellen/ darin auch frembde und Barbariſche Sprachen
erlernet/ heilſame organa und Perſonen auffziehen/ und denſelben
einen guten Vorrath ſamlen/ und andere Mittel verſchaffen/ dadurch
nicht nur die wilden in der neuen Welt/ ſondern auch Tuͤrcken und Ju-
den/ vermittelſt der commercien erſucht/ und gewonnen werden.
So ſolte wol der unſerigen Arbeit mehr geſegnet/ und den Paͤbſti-
ſchen Auffſchneidern und Hohnſprechern nicht viel nachgegeben wer-
den.
Sonſt iſt und bleibt ein jeder Biſchoff/ Lehrer und Pfarrer (actu primo
\& habitu wegen der allgemeinen Kirchen-Sorg/ dazu ein jeder verbun-
den) ein allgemeiner Welt-Lehrer/ Waͤchter/ Warner und Auffſeher/ nach
der Vermahnung deß H. Apoſtels Act. 20, 28. So habt nun acht
auff euch ſelbſt/ und auff die gantze Herde/ unter welche euch
der H. Geiſt geſetzt hat zu Biſchoffen/ zu weiden die Gemei-
ne Gottes/ welche Er durch ſein eigen Blut erworben hat.
Wiewol actu ſecundo ein jeder an ein gewiſſes Kirchſpiel/ und Schaaf-
ſtall oder Herd gewieſen.
Exochicè aber/ unmittelbar und fuͤrnemlich ſind hie die angeſpro-
chene/ erwehlte und beruffene Juͤnger/ deß HErꝛn Chriſti bewaͤhrte Zeu-
gen/ geheime/ beſtaͤndige Schuͤler und Gefaͤrten/ welche Er geordnet/ daß
ſie bey Jhm ſeyn ſolten Marc. 3/14. Sie außgeſendet/ und daher
mit dem Namen deß Apoſtolats/ oder der Apoſtel geadelt/ Luc. 6/13.
Jn eigenem und engerem Verſtand alſo genante/ und mit ſonderbaren
Apoſtoliſchen Gaben bezeichnete Apoſtel/ welchen Apoſtoliſchen Namen
zwar analogicè auch andere gefuͤhrt/ als/ Barnabas Act. 14, 14. Andro-
nicus und Junias Rom. 16/7. Epaphroditus Phil. 2/25. Aber in ei-conf. 2.
Cor. 8, 23.
nem gemeinern und weiteren Verſtand/ weil ſie von den Apoſtelen geord-
net worden/ ihren Abgang zuerſetzen/ und Kirchen zu pflantzen und auffzu-
richten. Welcher eigengenanten zuvor zwoͤlff geweſen/ weil aber Judas
Jſchariot ein Mammeluck worden/ iſt ſein Stell hernach durch Mat-
thiam erſetzt/ und derſelbe mitgezehlt und zugeſellt/ und alſo der Sacer duo-
denarius aſſis, der heilige Schilling/ oder das Dutzet ſo zu reden/ die
zwoͤlffte runde Zahl ergaͤntzt worden/ und alſo werden muͤſſen/ wie Petrus
ſagt Act. 1, 21. So muß nu einer unter dieſen Maͤnnern/ die bey
uns geweſen ſind die gantze Zeit uͤber/ welche der HErꝛ JE-
ſus unter uns iſt auß- und eingegangen/ von der Tauffe Jo-
hannis an biß auff den Tag/ da Er von uns genommen iſt/
ein Zeuge ſeiner Aufferſtehung mit uns werden. Dann
gleichwie die zwoͤlff Soͤhne Jacobs/ die jenige Patriarchen und Ertzvaͤ-
ter geweſen/ durch welche der Same Jſrael vermehret worden/ wie
Sand am Meer/ ſo unzehlich viel als Sterne am Himmel: Alſo hat der
ewige Sohn Gottes Jhme auch zwoͤlff Soͤhne Jſrael/ und der Ankunfft
nach Juden (auff daß auß Zion anbreche der ſchoͤne Glantz Gottes/ und
das Heil von den Juden kaͤme: Maſſen dann auch von niemand anders/
als Juden/ juͤdiſchen Propheten/ Evangeliſten/ Apoſteln/ der canon bi-Duodecim
fontes Do-
ctrinę Apo-
ſtolicæ Hi-
eron. ad
Fabiol.
confer Ter-
tull. L. 4.
cõtra Mar-
cion c. 24.
item Brent.
ad Act. 1.
pag. 41.
Apoc. 21, 14
Eph. 2, 20.
blicus oder die H. Schrifft beſchrieben worden) als Juͤnger außerkoh-
ren/ als Patriarchen und Ertzvaͤter deß geiſtlichen Jſraels/ ſeiner Kir-
chen im neuen Teſtament/ durch welche ſie vermehrt worden/ wie der
Thau auß der Morgenroͤthe. Diß ſind die zwoͤlff Zeugen der Evange-
liſchen Warheit und deß Neuen Teſtaments. Diß ſind die zwoͤlff Waſ-
ſerbrunnen in Elim/ durch welche das duͤrre/ lechzende und durſtige Hey-
denthum erquicket Exod. 16. Diß ſind die zwoͤlff Gruͤnde der Stadt
Gottes/ an welchen die Namen der Apoſtel geſchrieben Apoc. 21. als auff
dero Grund-Lehr die Chriſtliche Kirche erbauet worden Eph. 2. Diß
ſind die zwoͤlff Kundſchaffter deß gelobten Lands; Die zwoͤlff Schellen an
Achter Theil. S ſdem
[322]Die ſechſte
dem Hohenprieſterlichen Rock/ wie ſie von Juſtino Martyre (in Dialog-
Tryph.) verglichen worden.
Jſt dem alſo/ und hat Gott der Herr ihrer zwoͤlff erwehlt/ die ſei-
ne Herd in aller Welt weyden ſolten? Wie hat dann der Pabſt/ als ver-
meynter Stuhl-Erb Petri/ durch ein unertraͤglich monopolium gleich-
ſam auß einem Schilling einen Pfenning muͤntzen/ den Zwoͤlffer in den
Einſer verwandlen/ und ihme die gantze Herde allein appropriren und
zueignen doͤrffen/ auß dem faͤlſchlich gedeuteten und boͤßlich gedraͤheten
Spruch Chriſti zu Petro/ weide meine Schaafe:
Vber welchen Anſpruch Lutherus (*) ſchreibt: Hie iſt deß Pabſts
Clem. 3. extra de elect. c. Significaſti,dieſe Gloſſe/ mir ſind die Schaafe Chri-
ſti in St Petro befohlen/ da der Herr ſpricht/ weide meine Schaafe/
und macht kein Vnterſcheid zwiſchen dieſen oder jenen Schaafen/ auff daß
ein jeder wiſſen ſoll/ daß er nicht in ſeinen Schafſtall gehoͤre/ ſo er Pe-
trum und ſeine Stuhl-Erben nicht erkennet/ fuͤr ſeine Hirten und Mei-
ſter. Wenn ich nu hie fraget/ was haben denn die andern Apoſtel alle/
ſonderlich St. Paulus geweidet? Da wird der groſſe Fortz deß Pabſt-
Eſels vielleicht ſagen/ daß ſie vielleicht Ratten/ Maͤuſe und Laͤuſe/ oder
wenns gut wird/ Saͤu geweidet haben/ auff daß allein der Pabſt-Eſel/
der Schaͤffer/ und alle Apoſtel Saͤu-Hirten bleiben. Ja was iſts aber/
da Chriſtus nicht zu St. Peter/ ſondern zu allen Juͤngern ſprach/Marc. ult.
Gehet hin in alle Welt/ und predigt das Evangelium aller Creatur? Da
ſind ja die Schafe Chriſti nicht allein St. Petern/ ja nicht den Apoſteln al-
lein/ ſondern auch den 72. Juͤngern befohlen: Hie muſtu den Meiſter
und Hirten aller Schaafe hoͤren/ und den Text recht verſtehen. Denn es
ligt an einem guten Außleger: Spricht man/ wie du droben gehoͤrt haſt/
daß Felß heiſſe der Pabſt/ darauff bauen/ heiſſe ihm gehorſam ſeyn/ bin-
den heiſſe/ Kaͤyſer/ Koͤnige/ und alle Welt fangen; Du muſt in deß Hei-
ligſten VatersDecretennicht Lateiniſch/ Griechiſch/ Ebreiſch/ ſondern die
neue Roͤmiſche Sprache lernen und verſtehen/ wie auch droben Jungfrau
Paula Tertiusdem Kayſer/ und dem Reich/ die Wort/ frey/ Chriſtlich/
Deutſch/ auff ſein Roͤmiſch außgelegt. Alſo iſt nu Roͤmiſch hie die Mey-
nung: Gehet hin/ das iſt (du Peter gehe allein hin) in alle Welt (das iſt/
gen Rom) und prediget (das iſt/ ſetze einen Pabſt/ der Gott und Herꝛ ſey)
aller Creatur (das iſt/ der Macht habe uͤber Biſchoff/ Kayſer und Koͤnige/
uͤber Himmelreich und Erdreichc. omnes.) Wer da glaubt/ das iſt/ wer
dem Pabſt gehorſam iſt) und getaufft wird (dem Pabſt die Fuͤſſe kuͤſſer)
der wird ſelig (bleibt unverdampt) wer nicht glaubt (nicht gehorſam iſt)
wird verdampt (iſt ein Ketzer.)Et eod. Tom. pag. 604. f. 1. Jch muß grob
Exempel geben dem groben Eſel: Wenn Kayſer Carol ſpreche zu ſeiner
Hauptmann einem/ als in Braband oder Flandern/ ich befehl dir meine
Leuthe/ ſihe wol zu daß ſie geſchuͤtzt werden/ und jederman recht geſchehe/
und dencke daß es meine Land und Leuthe ſind/ nicht deine Leuthe/ mir
denen du thun wolteſt/ was dich geluͤſtet/ wie ſie offt pflegen. Dagienge
der
[323]Predigt.
der Hauptmann hin/ und ruͤhmet ſich/ Keyſer Carol haͤtte ihmindiſtinctè
alle ſeine Leuthe befohlen/ und wolte dadurch Hauptmann ſeyn/ ſo weit
als Kayſer Carol Herꝛ waͤre/ in Hiſpanien/ Jtalien/ Germanien ꝛc Vnd
doch wol wuͤßte/ daß Kaͤyſer Carl viel andere Hauptleut haͤtte/ waͤre das
nicht ein lieblicher gewuͤnſchter Hauptmann? Alſo ein jeglicher Fuͤrſt und
Herꝛ/ wenn er zu ſeiner Amptleuthe einem ſpreche; Jch befehle dir meine
Leuthe oder Vnterthanen/ ſihe zu und halt wol hauß/ und dencke daß
nicht deine/ ſondern meine Land und Leuthe ſind/ ſo wolt derſelb Ampt-
mann uͤber alle Leuthe deſſelben Fuͤrſten ſeyn?Itemein jeglicher Pfarꝛ-
herꝛ/ wil mich auch ſetzen/ ich bin Prediger der Kirchen zu Wittenberg/
nu muß ich mich dieſes Befehls annehmen/ da Chriſtus ſpricht: Weide
meine Schafe. Denn es trifft alle Prediger und Pfarꝛherꝛ in der gantzen
Welt ſaͤmptlich und ſonderlich. Weil aber mein HErꝛ Chriſtus nicht
haͤtte unterſchiedlich zu mir geſagt: Weide meine Schafe zu Wittenberg/
ſondern frey dahin/ weide meine Schafe/ ſo wolt ich zufahren/ und in al-
ler Welt die Schafe Chriſti mir dienſtbar machen/ und Herꝛ uͤber ſie ſeyn/
unangeſehen/ daß Er viel andere Prediger hin und wieder haͤtte. Was
ſolt man mir hie thun? Mit Ketten und Stricken muͤßte man zulauffen
und ſagen/ ich waͤre raſend/ toll und thoͤricht worden. Alſo ob wol der
Pabſt-Eſel weiß/ oder ja wiſſen ſoll/ daß Chriſtus nicht St. Peter allein/
ſondern zwoͤlff Apoſtel und St. Paul/ als ſeine Amptleuthe in die Welt
geſandt hat/ ſeine Schafe zu weiden/ doch faͤhret er zu/ und deutet die
Wort Chriſti auff St. Peter alleine/ weil Chriſtus nicht unterſchiedlich
ſagt/ weide meine Schafe zu Rom. Denn Chriſtus kunte auch nicht ſo
unterſchiedlich reden/ ſonſt haͤtte es gelautet/ als waͤren allein zu Rom
Chriſten/ und nirgend mehr/ und St. Peter nicht allein der Kirchen zu
Rom Apoſtel iſt/ ſondern auchCappadociæ, Aſiæ, Ponti, Bythiniæ \&c.Noch
wil der unſinnige Narꝛ und Pabſt-Eſel den Apoſtel St. Peter allein ha-
ben/ und ſein Stuhl-Erbe allein ſeyn/ dazu alle Schafe in der Welt al-
lein haben/ die St. Peter nicht gehabt/ und wenn er ſie gleich gehabt haͤt-
te/ das unmuͤglich iſt/ und die andern Apoſtel mit Chriſto/ nein dazu ſa-
gen/ dennoch nicht der einige Biſchoff zu Rom St. Peters Erbe ſeyn mag.
Bringe her Ketten/ Stricke/ Feſſel und Stock/ wir haben hie einen raſen-
den/ unſinnigen Narren/ den Pabſt-Eſel. BißherLutherus.
Uber ſolche zwoͤlff Zeugen muͤſſen wir St. Pauli nicht vergeſſen/
deß zwar Supernumerarii, aber nichts deſto minderer und geringer/ als
die groſſen Apoſtel/ deſſen wir weyland Heyden uns ſonderlich zuerfreuen
haben.
Von dem Lutherus in ſeiner Predigt (*) von der Bekehrung St. Pault(*) Tom.
12. Witteb.
pag. 350.
f. 2.
ſehr wol geſchrieben: Es hat unſer lieber HErꝛ Chriſtus JEſus/ ein ſolch Mi-
racul und Wunder an Paulo geuͤbet und bewieſen/ da Er ihn ſelber in eigner Per-
ſon vom Himmel herab zum Apoſtel-Ampt berufft und ordinirt/ welches ſonſt
keinem Apoſtel geſchehen. Daher ſich denn Paulus auch billich und mit recht/
S ſ 2in
[324]Die ſechſte
in der Epiſtel an die Galater ruͤhmet/ daß er nicht von Menſchen/ auch nicht
durch Menſchen/ ſondern durch JEſum Chriſt zum Apoſtel beruffen/ derhalben
auch keinem/ auch Petro und den andern Apoſteln/ nicht hat wollen weichen.
Denn er hat den rechten Lehrer hie auff dem Wege/ da er gen Damaſcon reiſet/
ſelbſt gehoͤret und ſtudiret/ was er predigen und lehren ſolte/ und daß er zu ei-
nem Prediger und Lehrer deß Evangelii/ nicht allein den Juden/ ſondern und
fuͤrnemlich den Heyden beruffen waͤre. Darum ſo iſt das ein ſehr ſchoͤner und
herꝛlicher Beruff geweſen/ weit uͤber der andern Apoſtel Beruff/ denn auch ſein
Beruff ſich ferner erſtrecket hat/ und weiter gangen iſt/ denn der andern Apoſtel/
daß er predigen ſolte unter den Heyden. Deß ſollen wir uns nu freuen und troͤ-
ſten/ auch GOtt dancken/ der uns Heyden als heute/ ein ſolchen herꝛlichen Apo-
ſtel Paulum beruffen und geſandt hat/ wie er ſelbſt diß bezeuget zu Timotheo/ da
er ſagt: Er ſey geſetzt ein Prediger und Apoſtel/ ein Lehrer der Heyden/ im
Glauben und in der Warheit. Darum ſo iſt der liebe Paulus unſer Apoſtel/
wiewol auch andere Apoſtel alle unſere Apoſtel ſeyn/ denn ſie alle zugleich eine
Lehre von Chriſto empfangen/ und gelehret haben: So iſt doch Paulus unſer
Apoſtel/ denn er iſt gen Rom kommen/ hat da das Evangelium vom Glauben in
Chriſtum JEſum reichlich gepredigt und gelehrt/ iſt auch da enthaupt worden.
Ob aber St. Petrus hinkommen/ und zu Rom geweſen ſey/ das weiß ich nicht.
Sie ruͤhmen hoch und viel von ihren beyden Leiben/ die wollen ſie haben zu Rom/
weiſen zwey Haͤupter/ und ſagen es ſeynd Petri und Pauli Haͤupter: Jch weiß
es nicht/ ich hab es nicht geſehen; Das weiß ich aber/ daß der heilige Paulus der
fuͤrnemſt unter allen Apoſteln da geweſen/ geprediget und gelehret hat/ darnach
fragen ſie aber wenig/ ja wol gar nichts. Wir aber/ die wir den rechten Leib
Pauli haben/ ja nicht allein Pauli/ ſondern auch Petri/ und deß HErꝛn Chriſti
ſelber/ fragen nach den todten Leiben zu Rom nichts/ denn wir haben den rechten
Leib und Geiſt Pauli in ſeinen heiligen Epiſteln/ deß ruͤhmen wir uns/ und dan-
cken GOtt/ daß wir ihn haben: Sie aber zu Rom fragen nichts darnach/ ſon-
dern ruͤhmen und tragen ſich mit den Haͤuptern Petri und Pauli/ weiſen die/ und
halten ſie fuͤr Heiligthum/ ſo es doch nicht ihre Haͤupter/ ſondern hoͤltzerne
Haͤupter ſeyn/ etwan von einem ungelehrten Schnitzer gemacht und zugericht/
die weiſen ſie fuͤr groß Heiligthum/ das doch eitel Narrenwerck iſt; Vnd wenn
ſie gleich die rechte beinerne Haͤupter haͤtten/ die ſie nicht haben/ ſo ſind ſie ihnen
eben ſo viel nuͤtze/ als dem Altar darauff ſie ſtehen/ welcher darum nichts heili-
ger oder beſſer iſt/ denn ein ander Altar. Aber das iſt das rechte Heiligthum/
daß wir nicht allein Paulum und ſeine Epiſteln/ ſondern auch die Propheten und
Apoſtel/ ja den HErꝛn Chriſtum ſelbſt haben in der Schrifft/ da leſen und ſtudi-
ren wir inne/ die hoͤren wir mit uns reden/ die haben Leib und Seel gehabt/ das
iſt gewiß: So haben wir auch ihren Geiſt/ daß wir die Schrifft verſtehen/
denn wenn ich in der Kirchen Predigt hoͤre/ ſo hoͤre ich Petrum und Paulum/ ja
wenn ich in meinem Stuͤblein oder Kaͤmmerlein leſe/ was ſie geſchrieben und ge-
lehret haben/ da hoͤre ich ſie noch alle Tag predigen und mit mir reden/ denn ſie
nichts anders gelehret und geprediget/ denn eben das/ das ſie auch geſchrieben
haben. Das hoͤren wir noch heutiges Tages mit unſern Ohren/ und verneh-
mens mit unſern Hertzen/ was ſie fuͤr Weißheit und Geiſt gehabt haben/ das iſt
uns nuͤtz und gut; was hilfft michs ihren Leib und Haͤupter haben und ſehen? Zu
Grund nichts. So weit Lutherus.
Belangend dieſer zwoͤlff Botten Stand und Staat/ in welchem ſie
Chriſtus der Herr angetroffen/ ſo warens dem Gebluͤt und Geſchlecht
nach/ beſchnittene/ gebohrne Juden/ gleichwie auch der Herr den Ca-
nonem der H. Schrifft/ durch niemand anders als Juden abfaſſen laſ-
ſen/ als von welchen das Heyl unter die Heyden ſolte außbrechen. Undvid. Luth.
Tom. 7.
Witteb.
p. 513. f. 2.
zwar nicht von den Edelſten und freyen Juden/ ſondern den nachguͤltig-
ſten Maͤgd-Soͤhnen/ von den verachteten Galileern/ auß dem Stammen
Aſer/ Naphthali/ Sebulon. Arth ließ von Arth nicht/ ſie waren nicht
nur pugnaces \& ſtrenui, ſtrenge und muthige Streiter (*)/ ſondern(*) Teſte
Joſepho
Lib 3. bell.
c. 2.
auch ἀσύμϐολοι, Sonderlinge/ und gleichſam Katzenrein/ die nicht gern
mit Heyden umgangen/ ſondern ſich derſelben ſo viel muͤglich enteuſſert/
ſoliti
So gar daß dem allbereit erleuchteten Apoſtel Petro noch dieſer rancor
und Schwachheit angehangen/ daher er ungern in Cornelii deß Roͤmi-
ſchen Hauptmanns Behauſung ſich erhebt/ er muſte erſt durch ein ſon-
derbare viſion dazu bewogen werden Act. 10, 28. ſagt er: Jhr wiſſet/
wie es ein ungewohnet Ding iſt einem Juͤdiſchen Mann/
ſich zuthun/ oder kommen zu einem Fremdlingen; Aber
GOtt hat mir gezeiget/ keinen Menſchen gemein oder un-
rein zu heiſſen.
Jhren Qualitaͤten nach/ hat Chriſtus außgeſandt nicht ſpitzfindige/
ſcharff- und tieffſinnige Philoſophos, nicht beſchwetzte und Zungenferti-
ge Oratores, nicht Roͤmiſche Raths-Herren/ nicht Fuͤrſtliche oder Koͤ-
nigliche Perſonen/ nicht Kriegs-Herren und Feld-Obriſten/ nicht groſſe
Rieſen und Giganten, ſondern albere/ ſchlechte/ vor der Welt verachtete
und geringſchaͤtzige Diſcipul und Juͤnger/ dieſe ſolten die gantze Welt un-
ter das ſuͤſſe Joch JEſu Chriſti bringen/ und auß dem Heydenthum ein
Chriſtenthum machen. Es waren ungelehrte Idioten und Leyen/
ἀγ [...]μματοι Act. 4, 13. Ἰδιῶται τῷ [...]ό [...]ῳ 2. Cor. 11/6. uͤbel-beredte unge-
ſchickte Leuth/ recht grobe Hoͤltzlin/ auß welchen ſchwer geweßt ein polites
und artiges Bild zu ſchnitzlen: Wiewol dazumal nicht mehr allerdings
rohe/ als die in Chriſti privat- und Hauß-Schul um etwas ſubigirt und
gehobelt worden; Jedoch warens μαθηταὶ lehrbegierige Juͤnger/ die Chri-
ſtum gern gehoͤrt/ und wo ſie bißweilen angeſtanden/ und ihnen etwas
ſeltzam und abentheurlich fuͤrkommen/ denſelben gefragt/ und erkundiget
wie eins und das ander zuverſtehen/ maſſen ſie auch ſchon zuvor etliche
S ſ 3tyro-
[326]Die ſechſte
tyrocinia und Probſtuͤck abgelegt/ im Juͤdiſchen Land gelehrt und gepre-
diget vom Reich Gottes/ ihre Predigten mit herꝛlichen Miraculen beſtaͤ-
tigt/ ſo gar daß ihnen auch die Teuffel unterthan worden und weichen muͤſ-
ſen Luc. 10/17. Aber Menſchliche Schwachheit iſt ihnen ſehr angeklebt/
der Glaub war manchmal gar klein/ Chriſtus gibt ihnen den Namen
ὀλιγοϖίςων oder Kleinglaͤubigen/ ſonderlich damal als Chriſtus gefangen/
zum Tod verurtheilt/ ja gar ans Creutz geſchlagen worden/ da entfiel ih-
nen das Hertz/ da verkrochen ſie ſich/ wurden ſchuͤchter und bloͤd/ ſie dach-
ten/ nun iſts auß/ wir hoffeten Er ſolte Jſrael erloͤſen/ ſprachen die
zween Emaus-Juͤnger Luc. 24/21. aber nun iſt unſer Hoffnung in Brun-
nen gefallen.
D. Lutheri (*) Gedancken ſind dieſe: Weil Chriſtus ſelbſt perſoͤnlich bey
(*) Tom 7.
Jenenſ. in
Joh. 14.
p. 47.ihnen war/ und ſie ſahen/ wie Er ſich ſo gewaltig beweiſet in dem Volck/ mit
Predigen und Wunderen/ daß ſie alle Auffſehen auff Jhn haben mußten/ und die
Hohenprieſter und Oberſten ſelbſt ſich mußten fuͤrchten und ſorgen/ wo ſie Jhn
angriffen/ moͤchte ſich das gantze Volck wider ſie erregen/ die Apoſtel/ ob ſie wol
arme geringe Leuthe waren/ waren doch ohne Sorge und Furcht/ giengen da-
hin/ als muͤßten ſich ehe die andern fuͤr ihnen fuͤrchten. Denn ſie dachten weil
uns dieſer Mann lebet/ ſo hat es kein Noth/ Er kan uns wol ſchuͤtzen und ret-
ten ꝛc. Daher war auch St. Peter ſo ein trefflich kuͤhner Mann/ und unerſchro-
ckener Apoſtel/ daß er ſich darbeut und vermiſſet/ mit Chriſto auch in Tod zu ge-
hen/ ob Jhn gleich die andern alle verlaͤugneten/ und ſleng auch an ſolches mit
der That zubeweiſen; Als die Juden Chriſtum wolten fahen/ ſtellt er ſich ſo
bald zur Gegenwehre/ und faͤhet an mit dem Schwerdt drein zuſchlagen/ unge-
ſcheuet/ daß der Hauffe groß/ und mit Waffen geruͤſtet zu ihnen kommen war.
Vnd Summa/ ſo lang ſie Chriſtum bey ſich hatten/ duͤrfften ſie ſich nichts beſor-
gen/ waͤren auch wol fuͤr jederman ſicher blieben. Nu aber Chriſtus ihnen ver-
kuͤndigt/ daß Er muß von ihnen ſchelden/ zeigt und weiſſagt Er ihnen zuvor/ daß
es ihnen viel anders/ denn biß daher/ gehen werde/ und nu dazu kommen/ daß
ihr Hertz mit Schrecken und Zagen verſucht werde/ wie es denn geſchach/ als Er
hinweg war/ ſo ſchaͤndlich/ jaͤmmerlich und aͤrgerlich hingerichtet/ da entfiel ih-
nen bald das Hertz/ daß ſie ſich fuͤr Furcht verſchloſſen und verſteckten/ und nicht
herfuͤr durfften. Denn es war auch ein gar zu ſchroͤcklicher/ ſcheutzlicher Fall/
daß der Chriſtus/ ſo zuvor gefuͤrchtet und ſchroͤcklich war/ allen Rath-Herren
und Prieſtern zu Jeruſalem/ der wird ploͤtzlich ſo ſchwach/ und ſo gar verlaſſen/
daß er kompt in die Haͤnd ſeiner Feinde/ die ihn handlen auffs alleraͤrgeſte/ und
deß ſchaͤndlichſten Tods dahin richten. Da iſt nicht mehr der Chriſtus/ der die
Todten auffweckt/ die Kaͤuffer und Verkaͤuffer auß dem Tempel ſtieß/ und ſo
wundert/ daß ſich jederman dafuͤr entſetzt: Sondern ſo ſchwach und veracht/
als der aͤrgeſt elendeſt Menſch auff Erden/ den jederman mit Fuͤſſen tritt/ und die
allergeringſten ihn anſpeyen. Das war je weit und tieff gefallen/ von der vo-
rigen herꝛlichen Geſtalt/ daß die lieben Juͤnger/ als die auch noch ſchwach im
Glauben/ und ſolche Puͤffe nicht mehr erfahren hatten/ mußten ſorgen und za-
gen/ O wo wollen wir nu bleiben? Er iſt unſer Troſt und Trotz geweßt: Der iſt
nu
[327]Predigt.
nu dahin/ und haben niemand mehr/ der uns ſchuͤtzen oder beyſtehn koͤnte/ jetzt
ſind unſere Feinde ſtarck und maͤchtig/ wir aber ſchwach und verlaſſen von aller
Welt ꝛc.
Sonderlich iſt ihnen die φιλοϖϱωτεία, die ſchaͤndliche Ehrſucht/ ſo hart an-
gewachſen geweßt/ daß ſie ſchwerlich darvon abzutreiben. Weil ſie auß
grobem fleiſchlichen concept einen ſolchen Meiſter und Meſſiam ihnen
eingebildet/ der ein weltlich Reich erwecken/ und ſie zu groſſen Welt-Herren
und reichen Prælaten machen/ und nunmehr die Quæſtio an ſit? in ih-
ren Gemuͤthern außgemacht geweßt/ ſo fragen ſie von dem Vorzug/ wer
unter ihnen der Pabſt/ und alſo der groͤſte ſeyn wuͤrde/ und daſſelbe zur
hoͤchſten Unzeit/ da ihnen der Herr die Fuͤß gewaſchen/ und ein Bey-
ſpiel der Lieb fuͤrgemahlet/ das H. Abendmahl als ein Liebes-Pfand einge-
ſetzt/ da der HErꝛ Chriſtus mit Todes-Gedancken umgangen/ und mit
hoͤchſter Betruͤbnuͤß umfangen geweßt/ da machen ſie Jhm ein ſolchen
Unluſt und Hertzenleyd.
Ob nun wol dieſe zwoͤlff Maͤnner grobe/ unartige und untaugliche
ſubjecta von Natur/ ja nichts und nichtig geweſen/ ſo hat doch GOtt
der da ruffet dem das nicht iſt/ daß es ſey Rom. 4/17. Wunder an
ihnen gethan. GOtt der HErꝛ/ ſchreibt St. Paulus/ der da heißt2. Cor. 4, 6.
das Liecht auß der Finſternuͤß herfuͤr leuchten/ der hat einen
hellen Schein in unſere Hertzen gegeben/ daß durch uns ent-
ſtuͤnde die Erleuchtung von der Erkaͤntnuͤß der Klarheit
GOttes/ in dem Angeſicht JEſu Chriſti. Jn weltlichen pro-confer
Theolog.
Conſc.
pag. 725.
ſqq.
Juſtin.
L. 12.
motionibus heißt es/ Digniſſimus, der Wuͤrdigſte von qualitaͤten ſoll
vor andern in Churen und Ampts-Wahlen bedacht werden: Darum
auch Alexander M. als er kurtz vor ſeinem End gefragt wurde/ welchen
er zu ſeinem Succeſſoren und Nachfolger in der Koͤniglichen Regierung
deſigniren und ernennen wolle? geantwortet/ Digniſſimum den Wuͤr-
digſten. Jſt auch von dem ordinari Beruff im Predigampt zuverſte-
hen/ daß man in der Wahl den Wuͤrdigſten vorziehe/ der zum Zweck naͤ-
her zihlen und ſchieſſen kan/ als ein anderer/ und ja keinen Vogel ohne Fe-
dern auff die Cantzel fliegen laſſen/ auch die mores, Sitten und Lebens-
Lauff anſehe; Keinen tadelhafften und aͤrgerlichen Menſchen zum Fuͤr-
bild der Herd fuͤrſtelle/ die Haͤnde lege niemand bald auff/ ſagt
Paulus zu Timotheo 1. Tim. 5, 22. Was Chriſtus gethan an ſeinen
Juͤngern/ ſonderlich auch an Matthæo dem Zoͤllner und groſſen Suͤnder/
den er vocirt und beruffen/ an Petro/ den er nach ſeinem ſchweren Fall
revocirt, und wiederum ihm ſeine Schafe vertraut/ das iſt ein extra-
ordinari
[328]Die ſechſte
ordinari Werck/ geſchehen von dem/ der extraordinari Gaben nehmen
und wiedergeben kan/ und iſt in kein Exempel der Nachfolg zu ziehen. Hie
aber kehrt ſichs um/ und erzeigt ſich das Widerſpiel/ Indigniſſimi die Un-
wuͤrdigſten werden erwehlt/ auff daß Gott der Herr allein die Ehre
habe und behalte. Weltliche Potentaten brauchen auch manchmal zu
ihren Geſandten/ die ſie an groſſe Herren abfertigen/ ſchlechte und unan-
ſehnliche Moͤnche/ Capuciner und Ordens-Leuth/ es ſind aber gemeinlich
die ſpitzigſte Welt-Koͤpff/ die geuͤbteſte liſtigſte Inſtrumenten deß Welt-
Geiſtes/ mit dem dono impudentiæ begleitet/ und alſo zu ihres Princi-
palen weltlichem Zweck gar bequem und abgerichtet. Hie lauter unge-
ſchickte Leuth/ die nichts flaͤtigs mit ſich zu ihrem Beruff gebracht/ als ihre
grobe Einfalt/ und einfaͤltige Grobheit; Wil der Geiſt Gottes ſie brau-
chen zu ſeinem Zweck/ ſo muß er ſie hoblen/ formiren/ poliren und berei-
ten/ wie er ſie haben wil.
Ein ſchoͤne holdſelige Wunder-Geſchicht leſen wir im 4. Buch Mo-
ſis am 17. Capitel von dem gruͤnenden Stecken Aarons/ der HERR
redet mit Moſe und ſprach/ ſage den Kindern Jſrael/ und
nim̃ von ihnen zwoͤlff Stecken/ von jeglichem Fuͤrſten ſei-
nes Vaters Hauß einen/ und ſchreib eines jeglichen Nah-
men auff ſeinen Stecken/ aber den Nahmen Aaron ſoltu
ſchreiben auff den Stecken Levi/ dann je fuͤr ein Haupt ihrer
Vaͤter Hauß ſoll ein Stecke ſeyn/ und lege ſie in die Huͤtten/
deß Stiffts fůr dem Zeugnůß/ da ich euch zeuge: Und wel-
chen ich erwehlen werde/ deß Stecken wird gruͤnen. Und
Moſe redet mit den Kindern Jſrael/ und alle ihre Fuͤrſten
gaben ihm zwoͤlff Stecken/ ein jeglicher Fuͤrſt einen Ste-
cken/ nach dem Hauße ihrer Vaͤter/ und der Stecke Aaron
war auch unter ihren Stecken: Und Moſe legt die Stecken
fůr den HERRN in der Huͤtten deß Zeugnuͤß: Des Mor-
gens aber da Moſe in die Huͤtten deß Zeugnuͤß gieng/ fand er
den Stecken Aaron deß Haußes Levi gruͤnen/ und Bluͤt auff-
gangen/ und Mandlen tragen. Auß dieſer Hiſtori haben die lie-
ben Alten eine geſchickte und ungezwungene allegori gezogen/ und dieſe
Enderung des Stabes in ein gruͤnenden fruchtbaren Mandelbaum/ auff
das Miniſterium und Predigampt ſonderlich der H. Apoſtel gezogen:
ſo unmuͤglich nach der Natur Lauff es iſt/ daß ein todter/ duͤrrer und ohn-
kraͤfftiger Stab/ ploͤtzlich ſolt in einen Mandelbaum verwandelt wer-
den; So unmuͤglich war es auch/ daß ſolche grobe Galileer/ Fiſcher
und
[329]Predigt.
und Idioten ſolten hocherleuchte Welt-Doctores werden/ und ſolche edle
Fruͤchte tragen/ deren wir noch heutigs Tags genieſſen. Aber bey GOtt
iſt alles muͤglich! Chriſti Juͤnger waren todte duͤrre Staͤb/ ohne Geiſt/
Safft und Krafft/ aber durch die Wunder-Krafft deß Geiſtes Chriſti/
ſind ſie ploͤtzlich auff den H. Pfingſt-Tag dergeſtalt transformirt worden/
daß ſie die edelſten Pfingſt-Fruͤchten getragen/ und in denſelben bezeuget/
daß ſie die rechte außerkohrne Apoſtel und Juͤnger Chriſti ſeyen/ die GOtt
der Herr zu ſolchem hohen Ampt beruffen: Trotz dem Core und ſeiner
Rott/ Trotz den falſchen Apoſteln und ihren Nachkommen. An ihren
Fruͤchten ſolt ihr ſie erkennen/ die geben den Außſchlag/ welche rechte
Juͤnger Chriſti ſeyen. Davon aber ins kuͤnfftig mit mehrerm.
Auß welchem wir ſehen/ ja greiffen wahr ſeyn/ was St. Paulus ge-
ſchrieben 1. Cor. 1/27. ſqq.Was thoͤricht iſt vor der Welt/ das hat
GOtt erwehlet/ daß Er die Weiſen zu Schanden machet:
Und was ſchwach iſt fuͤr der Welt/ das hat GOtt erwehlet/
daß Er zu Schanden machet/ was ſtarck iſt: Und das Unedel
fuͤr der Welt/ und das Verache hat GOtt erwehlet/ und das
da nichts iſt/ daß Er zu nicht machet/ was etwas iſt/ auff daß
ſich fuͤr Jhm kein Fleiſch ruͤhme. Jſt der uralte und immer ge-
uͤbte methodus deß Allmaͤchtigen Schoͤpffers aller Ding/ der auß nichts
etwas macht/ und zu Befoͤrderung ſeines Gnaden-Reichs nicht braucht
groſſer Herren Soͤhn/ Fuͤrſten/ Grafen/ Edlen/ die ſich zu gut zu ſolchem
Dienſt duͤncken (wiewol wir auch deren beym Evangelio etliche gehabt/De Princi-
pe Georgio
Anhaltino
videnda
Præfatio
Philipp.
Melancht.
ad Tom. 7.
Witteb.
Lutheri.
die ſich in dieſen Karren ſpannen laſſen/ aber waren raritaͤten und ſchwar-
tze Tulipen) ſondern vom Pflug/ von der Handwercks-Stadt/ von gerin-
ger Ankunfft erwehlt Er/ was vor der ſtoltzen Welt veracht iſt. Jm
Pabſtum/ wie bekandt/ prangt man mit groſſen Herren-Soͤhnen/ mit ab-
getheilten Fuͤrſten/ Grafen/ Herren/ die laſſen ſich zu Cardinaͤlen/ Bi-
ſchoffen und Prælaten gebrauchen/ ihren Stand und Staat deſto herꝛli-
cher zu fuͤhren/ und iſt ihnen nicht ſo wol um den Dienſt Chriſti/ als um
fette Pfrunden und Einkommen zu thun: Durch welches Mittel auch
nicht allein das Pabſtum auff den Beinen erhalten/ ſondern auch von
unſrigen groſſen gebohrnen Herren/ dahin viel verleitet und abgelocket
worden.
Chriſtophorus Beſoldus in ſeinen motiven c. 5. pag. 138. jactirt: Es ſeynd
bey ihnen (den Lutheranern) die Prædicanten nicht in einem hohen reſpect, ſo gar/
daß keiner vom Adel/ oder deren gleichen Stand-Perſonen/ ſich in ſolchen Orden
begeben; und ein Adeliche Dame fuͤr einen groſſen deſpect halten wuͤrde/ wann
man ihr eines Prædicanten Ehe anbieten thaͤt. Da hingegen bey den Catholi-
Achter Theil. T tſchen
[330]Die ſechſte
ſchen die Prieſter vor andern geehrt werden: Ja Fuͤrſten/ Grafen/ Herren/ und
vom Adel/ ſolcher Vrſach wegen/ ſich nicht ſchaͤmen Prieſter zu werden: Weil
ſelbigen dieſes hohe Ampt und Gewalt/ von unſerm Heyland Chriſto anver-
traut worden. Ita Beſoldus Apoſtata.
Nun dieſe alle haben ihren Lohn dahin. Wer der Apoſtel Succeſſor
und getreuer Nachfolger ſeyn wil/ deſſen Lohn heißt Maͤrter-Cron. Dar-
um ſich niemand an der Prediger Perſon/ Urſprung/ Herkommen/ und
anderen Menſchlichen Gebrechen aͤrgern ſoll. Sondern vielmehr
GOtt im Himmel inniglich dancken/ mit Chriſto auß Matth. 11/25. ſpre-
chen: Wir preiſen Dich Vater und HErꝛ Himmels und der
Erden/ daß Du ſolches den Weiſen und Klugen verborgen
haſt/ und haſt es den Unmuͤndigen offenbaret. Und wiederum
Joh. 17/6. Die jenige ſelbſt/ die GOtt der Herr ſo hoch gewuͤrdiget/
daß Er ſie auß dem Staub der Erden erhoben/ und zu ſolchem hohen Ampt
beruffen/ ſollen immer zuruͤck gedencken/ wer ſie geweßt/ und wie ſo gar
von Natur ungeſchickt ſie ſeyen dieſen Laſt zu tragen/ immer ſagen mit
Paulo/ πϱὸς ταῦτα τίς ἱκανὸς? Wer iſt hiezu tuͤchtig? Niemand! Und
uns zur gehorſamen Folg ruͤſten/ auff daß wann der Herr auch uns rufft/
wie ins gemein unſern vorigen ſuͤndlichen Stand zulaſſen/ in die Fußſtapf-
fen Chriſti zu tretten; Alſo inſonderheit ein und den andern zum Predig-
ampt beruffet/ wir uns nicht ſperren/ nicht Fleiſch und Blut zu Rath fra-
gen/ vom Zoll-Banck auffſtehen/ auch unſere Untuͤchtigkeit und Unwuͤr-
digkeit nicht anſehen oder fuͤrwenden/ ſondern gedencken/ wer da ſchickt der
mache auch geſchickt (hat Er doch Bileams Eſelin redend gemacht) und
dem HErꝛn Chriſto folgen/ von demſelben gern lernen/ nachſinnen und
nachſtreben/ biß wir auch zur Vollkommenheit gelangen. Gedenckt an
das Weib Loth! Gedenckt an Jonas/ wie uͤbel es ihm außgeſchlagen/ da er
vor dem Herrn geflohen! Junge Leuth/ bey denen es heißt/ Dulce bel-
lum inexpertis, tringen ſich ins Predigampt/ ſie jucket darnach/ folgen
zwar gern/ wann ſie dahin gelangen moͤgen/ wo ſie mit ihren fleiſchlichen
Gedancken und affecten hin zihlen/ wann man ſie in auream meſſem,
auff einen guldenen Boden ſetzt: Solt aber einer hingefuͤhrt werden/ wo
er nicht hin wil/ da es ſchmal hergeht/ da Widerwaͤrtigkeit zu befahren/ da
ruͤmpfft der alte Adam die Naſen/ er wil nicht dran: Es wartet aber der
Wahlfiſch auff ihn/ der wird ihn geſchlacht und muͤrb machen. Endlich
auch deſſen uns troͤſten/ daß gleichwie Chriſtus mit ſeiner Juͤnger Schwach-
heiten Gedult gehabt/ und nicht alſobald ſie verſtoſſen/ ſondern auffgerich-
tet/ ihre blinde irrende Gewiſſen erleuchtet/ alſo werde Er auch unſere Ge-
brech-
[331]Predigt.
brechligkeit mit Langmuth tragen/ und immer je laͤnger je mehr lehren/ ſtaͤr-
cken und vollbereiten/ auff daß es gleich und recht getheilet ſey/ daß wir ha-
ben die confuſion und Unehr/ Er aber allein habe die Ehr/ jetzt und zu ewi-
gen Zeiten/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Heut iſt dieſe Schrifft er-
fuͤllet fuͤr eueren Ohren! Spricht Chriſtus der groſ-
ſe Prophet/ unſer liebſte Heyland und Seligmacher Luc.
4/21. Da Er einsmals auff einen Sabbath/ zu Naza-
reth in der Schulen/ das ihm uͤberreichte volumen oder
Buch deß Propheten Eſajaͤ auffgeſchlagen/ herum ge-
worffen und gerathen auff die Wort Eſa. 61/1. Der Geiſt des HErꝛn
iſt uͤber mir/ darum hat mich der HErꝛ geſalbet/ er hat mich
geſandt den Elenden zu predigen/ die zubrochen Hertzen zu-
verbinden/ zu predigen den Gefangenen eine Erledigung/
den Gebundenen eine Oeffnung/ zu predigen ein gnaͤdiges
Jahr deß HErꝛn/ und einen Tag der Rache unſers GOttes/
zu troͤſten alle Traurigen. So ſetzt Er ſich/ bricht in dieſe denck-
wuͤrdige Wort auß/ und ſagt: Heut iſt dieſe Schrifft erfuͤllet fuͤr
euren Ohren: Jch bin derſelbe Geſalbte deß Herrn/ der Geiſt Got-
tes hat ſichtbarlich uͤber mir in Geſtalt der Tauben am Jordan geruhet;
Jch bin geſandt zu predigen das Evangelium/ und das Jubel- und Hall-
Jahr deß N. Teſtaments zuverkuͤndigen ꝛc.
Was Er damals von ſich wuͤrcklich außgeſprochen/ das ſpricht Er
auch in unſerm Text von ſeinen Juͤngern/ da Er ſie angeredet/ und zu pre-
digen das Evangelium in aller Welt außgefertiget: Heut iſt auch die
Schrifft erfuͤllet in eueren Ohren/ die von euch und euer Geſandſchafft
lang zuvor geweiſſaget. Was der getreue und warhafftige Gott/ der
Glauben haͤlt ewiglich/ ſo klar/ ſo verbluͤmter Weiſe/ zugeſagt/ durch den
T t 2Mund
[332]Die ſiebende
Mund ſeiner Propheten im Alten Teſtament/ das hat Er wol redlich ge-
halten/ ſein Wort gleichſam auß langem Schlaff auffgeweckt durch Chri-
ſtum/ der durch ſeinen maͤchtigen Anſpruch die alte Verheiſſungen wuͤrck-
lich gemacht/ indem Er ſeine Juͤnger angeſprochen und geſagt: Gehet
hin in alle Welt. Der Koͤnig und Prophet David ſinget und tichtet
Pſ. 19. v. 1. 2.
3. 4. 5.von den Himmeln/ die die Ehre GOttes erzehlen Pſal. 19. Was
durch ſolche Himmel/ und deroſelben Erzehlung/ Sage/ Rede/ Stimme
und Schnur verſtanden werde/ nemblich die H. Apoſtel/ das haben wir zu
ander Zeit in Erklaͤrung deſſelben hell und klar erwieſen. Wiederum ſingt
Pſalm. 68,
v. 12. 13. 14.
15. 28.David Pſal. 68/12. ſqq.Der HErꝛ gibt das Wort mit groſſen
Schaaren der Evangeliſten/ die Koͤnige der Heerſchaaren
ſind untereinander Freunde/ und die Hauß-Ehre theilet den
Raub auß: Wenn ihr zu Feld ligt/ ſo glaͤntzets als der Tau-
ben Fluͤgel/ die wie Silber und Gold ſchimmern/ wenn der
Allmaͤchtige hin und wieder unter ihnen Koͤnige ſetzt/ ſo wird
es helle wo es dunckel iſt. verſ. 28. Da herꝛſchet unter ihnen
der kleine Benjamin/ die Fuͤrſten Juda mit ihren Hauffen/
die Fuͤrſten Sebulon/ die Fuͤrſten Napht hali. Wen mey-
net David hiemit? St. Paulus ſoll hie Interpres und Außleger ſeyn
Epheſ. 4/8. 12. Er iſt auffgefahren in die Hoͤhe/ und hat das
Gefaͤngnuͤß gefangen gefuͤhrt/ und hat den Menſchen Ga-
ben gegeben: Hat etliche zu Apoſteln geſetzt/ etliche aber zu
Propheten/ etliche zu Hirten und Lehrern. Wer ſind die Schaa-
ren der Evangeliſten/ der Reyßige Zeug/ als die Evangeliſten/ die von
Chriſti Krieg und Sieg/ Triumph und Ruhm geſchrieben/ verkuͤndiget
und allenthalben außgebreitet? Wer ſind die Koͤnige der Heerſchaaren
anders/ als die Apoſtel/ die geiſtliche Streiter und Kaͤmpffer JEſu Chri-
Phil. 1, 27.
2. Tim. 4.ſti/ dero Waffen nicht fleiſchlich/ ſondern maͤchtig fuͤr GOtt/
zuverſtoͤren die Befeſtungen/ die Anſchlaͤg und alle Hoͤhe/
die ſich erhebet wider das Erkaͤntnuͤß Gottes 2. Cor. 10/4. De-
ren Tauben-Fluͤgel/ wann ſie zu Feld gelegen/ wie Gold und Silber ge-
ſchimmert/ und von himmliſcher Gaben Gnaden-Glantz alles erleuchtet;
Matth. 19,
28.Die endlich ſitzen werden auff zwoͤlff Stuͤhlen/ und richten die zwoͤlff Ge-
ſchlecht Jſrael.
Diß iſt der Harniſch und die Waffen/ damit unſer HErꝛ GOtt ſeine
Glaubigen ruͤſtet/ wider den Teuffel und die Welt/ nemlich/ das Wort gibt
Er ihnen in den Mund/ den Muth/ das iſt/ den heiligen Geiſt/ in das Hertz/
mit ſolcher Ruͤſtung greiffen ſie an unerſchrocken und froͤlich alle ihre Feinde/
ſchlagen
[333]Predigt.
ſchlagen und uͤberwinden ſie mit alle ihrer Gewalt/ Weißheit und Heiligkeit.
Solche Krieger waren die Apoſtel am Pfingſt-Tag/ die tratten auff zu Jeruſa-
lem wider deß Kaͤyſers und der Hohenprieſter Befehl/ und ſtelleten ſich/ als waͤren
ſie eitel Goͤtter/ und die andern alle eitel Heuſchrecken/ giengen mit aller Krafft
und Freude hindurch/ als waͤren ſie truncken/ wie denn etliche ihren Spott
drauß hatten/ und ſprachen ſie waͤren voll ſuͤſſes Weins ꝛc. Aber St. Peter
zeigte an auß dem Propheten Joel/ daß ſie nicht voll Weins/ ſondern voll deß
H. Geiſts waͤren/ und ſchlaͤgt darnach mit ſeinem Schwerdt um ſich/ das iſt/ er
thut ſeinen Mund auff/ prediget und ſchlaͤgt dem Teuffel drey tauſend Seelen ab
auff einmal ꝛc. Luth. Tom. 3. Witteb. p. 12. f. 2.
Wer ſind die Fuͤrſten Juda? Die Donner-Kinder Jacobus und
Johannes; Wer ſind die Fuͤrſten Sebulon und Naphthali? Die Ga-
lileer oder Juͤnger auß Galilea gebuͤrtig; Wer iſt der kleine Benjamin?
St. Paulus der edle Benjaminit/ klein von Perſon/ ἐλάχις [...], der juͤng-
ſte und geringſte unter den Apoſteln/ wie er ſich ſelbſt auß Demuth nen-
net 1. Cor. 15/9. Aber groß von Worten und Thaten; weyland ein reiſ-
ſender Wolff/ der Morgens den Raub gefreſſen/ St. Stephanum auff
die Fleiſchbanck gelieffert und verſchlungen; Aber hernach als ein zah-
mes Schaf/ ja Hirt ſelbſt und Haußhalter uͤber die Geheimnuͤß Gottes/
den Raub außgetheilt/ wie ſein Uhr-Ahn Jacob von ihm geweiſſaget
Gen. 49, 27. Der Prophet Jeremias propheceyet von Fiſchern und
Jaͤgern Cap. 16/16. Sihe ich wil Fiſcher außſenden/ ſpricht
der HErꝛ/ die ſollen ſie fiſchen; Und darnach wil ich viel Jaͤ-
ger außſenden/ die ſollen ſie fahen/ auff allen Bergen/ und
auff allen Hůglen/ und in allen Stein-Ritzen. Wer ſind dieſe?
Es ſind die außerwehlte Menſchen-Fiſcher und Menſchen-Jaͤger/ An-
dreas/ Petrus ꝛc. Matth. 4/19. Der Herr verſpricht durch den Mund
deß Propheten Obadiæ verſ. ult.Es werden Heylande herauff
kommen auff den Berg Zion/ das Gebuͤrge Eſau zu richten.
Wer ſind dieſe Heylande? Die H. Apoſtel/ die auff dem Berg Sion ſich
verſamlet/ von dannen außgangen in die wilde und ungeheure Berge
Eſau zahm gemacht/ ihren Unglauben geſtrafft/ und ſie zur ewigen Se-
ligkeit befoͤrdert/1. Tim. 4/16.
Was nun/ ſag ich/ der warhaffte Gott zugeſagt/ das hat Chriſtus
auff ſeinem letſten Reichs-Tag werckſtellig gemacht/ durch ſein kraͤfftiges
Wort/ Anſpruch und Beruff/ damit Er ſeinen außerkohrnen Juͤngern
befohlen zu leiſten das/ was der Geiſt Gottes laͤngſt zuvor von ihnen ver-
ſprochen. Welcher gnaͤdige Anſpruch auch das thema iſt/ davon
T t 3anjetzo
[334]Die ſiebende
anjetzo mit mehrerm ſoll gehandelt werden/ der Herr verleihe dazu ſeines
werthen Heiligen Geiſtes Gnad und Segen/ Amen.
ES iſt aber der jenige Anſpruch und Beruff/ deſſen der Herr ſei-
ne außerkohrne Juͤnger gewuͤrdiget und begnadet/ geweßt 1. Ein
auſſerordentlicher und unmittelbarer. 2. gnaͤdig-willkuͤrlicher.
3. heiliger und rechtmaͤßiger. 4. ernſthaffter/ gewiſſer und gewiß-machen-
der. 5. kraͤfftiger und kraͤfftig-machender. 6. ein hochtroͤſtlicher Anſpruch
und Beruff. Der HErꝛ JEſus SPRACH zu ſeinen Juͤn-
gern.
War I.Ein auſſerordentlicher unmittelbarer Beruff.
Gleichwie GOtt der HErꝛ zuvor πολυμερῶς καὶ πολ [...]ϱόϖως, manchmal
und mancherley Weiſe geredt hat zu den Vaͤtern/ durch die Propheten/
und am letſten in dieſen Tagen zu uns geredt durch den
Sohn/ welchen Er geſetzt hat zum Erben uͤber alles/ ſchreibt
Paulus Hebr. 1/1. Alſo hat Er auch die Propheten und H. Maͤnner
Gottes/ durch welche Er zu den Vaͤtern und ſonderlich dem Juͤdiſchen
Volck geredet/ auff mancherley Weiſe als heilige Maͤnner Gottes ſelbſt
angeredet/ und zum H. Predigampt beruffen/ Theils bloß unmittel-
bar/ ohn eintziger Engliſcher oder Menſchlicher Creatur Zuthun und
Anzeig/ durch einen Goͤttlichen/ perſoͤnlichen/ klaren/ ungezweiffelten An-
ſpruch/ deſſen ſie die angeſprochene in ihrem Hertzen mit Goͤttlicher Ge-
wißheit dermaſſen verſichert geweſen/ daß auch St. Paulus einen Engel
im Himmel herauß fordern doͤrffen/ ſo derſelbe ein ander Evangelium/ als
er der unmittelbar erleuchtete und beruffene Apoſtel geprediget/ zu predi-
gen ſich unterſtehen ſolte.
Waͤre es ohne ſolches innerliche Liecht und Verſiglung geweßt/ nimmer-
mehr wuͤrde Abraham ſein eigen Fleiſch und Blut angegriffen/ und ſei-
nen Sohn Jſaac haben begehren zu ſchlachten; Nimmermehr wuͤrde
Oſeas ein Huren-Weib gefreyet; Nimmermehr wuͤrde Ezechiel Gerſten-
Kuchen/ mit Menſchen- oder Kuͤh-Miſt gebacken und gegeſſen haben
Ezech. 4/15. Welcher maſſen auch GOtt der HErꝛ Moſi/ Eſajaͤ/ St.
Paulo auff dem Weg nacher Damaſco/ ſichtbarlich erſchienen/ ſie muͤnd-
lich angeſprochen/ und das hohe Ampt ihnen auffgetragen/ oder iſt doch
das Wort deß HErꝛn ohnmittelbar in ihren Hertzen erſchollen. Das
ſelb-
[335]Predigt.
ſelbſtaͤndige Wort Gottes der ewige Sohn Gottes hat die Propheten an-
geredet in eigener Perſon/ durch Traͤume und Geſichte auff mancherleyvid. D.
Quiſdorp.
anuot. ad
Johan. 1.
pag. 143.
confer
Gen. 32. 18.
cum
1. Reg. 18, 31.
Weiſe Num. 12, 6. Es ſind zwar exempla raptuum, ſolche Exempel
fuͤrhanden/ da GOtt der HErꝛ (vielleicht ohne Wort) durch ein Goͤttli-
chen afflat, Anhauchen/ und heimlich verborgenen Antrieb/ manchen
Mann Gottes zu einer und andern heroiſchen und ſonderbaren That/ jetzt
und da an einem gewiſſen Ort zuverrichten/ angefriſtet; Aber nicht wol
ehe/ als nachdem derſelbe ſchon zuvor ſeinen Goͤttlichen Wort-Beruff
und Credentz-Wort empfangen. Maſſen der Geiſt deß HErꝛn den
Propheten Eliam bald da/ bald dorthin genommen und getrieben 1. Reg.
18, 18. 2. Reg. 2, 16. Auch Philippum/ nachdem er ſeine Bottſchafft bey
dem Kaͤmmerer der Koͤnigin Candaces abgelegt/ hinweg gerucket/ daß er
zu Aßdod gefunden worden/ Act. 8, 39. Wohin auch gehoͤren die Engliſche
Erſcheinungen und Antrieb/ damit ſie an ein und andern Ort zu kommen
geruffen und gleichſam bewuncken worden/ zum Exempel/ Philippus nach
Gaza/ da ihm folgends der Geiſt Gottes befohlen/ ſich dem Wagen vorer-
wehnten Kaͤmmerers zu naͤheren Act. 8, 26.
Theils auchextraordinarièauſſerordentlich/ ohnmittelbar/
was die Wahl und den Beruff anlangt/ doch durch mittelbare oder ſonſt
merckliche notification, Eroͤffnung und Anzeig der zuvor geſchehenen
Goͤttlichen Wahl und Beruff. Aaron wurde von Gott zum Hohen-
prieſterthum unmittelbar erkoſen und herfuͤr gezogen/ aber Moſes ſein
Bruder mußt ihn intimiren/ recommendiren und oͤffentlich vorſtellen
Exod. 28, 1. 1. Chron. 24, 13. Hebr. 5. Gott der Herr iſt ſelbſt derje-
nige geweßt/ der Matthiam zum entledigten Apoſtel-Ampt beruffen/ Er
hat aber ſolchen Beruff angezeigt/ entdecket und geoffenbaret durch das
Loß/ HERR/ ſpricht die Chriſtliche GemeinAct. 1, 24. aller
Hertzenkuͤndiger/ zeige an/ welchen Du erwehlet haſt unter
dieſen zweyen/ daß einer empfahe dieſen Dienſt und Apoſtel-
Ampt/ davon Judas abgewichen iſt; Und ſie wurffen das
Loß uͤber ſie/ und das Loß fiel auff Matthiam/ und er ward zu-
geordnet den eilff Apoſteln. Saul wird zwar/ nachdem er durch
die himmliſche Offenbahrung angeſprochen/ und von Chriſto vorerwehlet
worden/ daß er ſeyn ſolte ein außerwehlter Ruͤſtzeug/ Chriſti Namen
zu tragen fuͤr den Heyden/ und fuͤr den Koͤnigen/ und fuͤr den Kindern
von Jſrael Act. 9, 15. So iſt er zwar zu Anania dem Pfarꝛherꝛ zu Da-
maſco gewieſen worden/ nicht daß er allererſt von demſelben beruffen/ ſon-
dern durch ſein Handaufflegen geheilet/ wieder ſehend gemacht/ und mit
den
[336]Die ſiebende
den Gaben deß H. Geiſtes gezieret werde/ wie Lucas meldet Act. 9, 17.
Ananias gieng hin und kam in das Hauß/ und leget die Haͤn-
de auff ihn/ und ſprach: Lieber Bruder Saul/ der HERR
hat mich geſandt/ der dir erſchienen iſt auff dem Wege/ da du
herkameſt/ daß du wieder ſehend/ und mit dem H. Geiſt er-
fuͤllet werdeſt. Nicht iſt hie mit ſtillſchweigen zu uͤbergehen/ die ſonder-
liche gemaͤhe/ hold- und leuthſelige Weiſe und Art/ durch welche der
Herr den jungen Samuel zu ſeinem Dienſt erwecket/ die Stimm und
Art zu reden deß Hohenprieſters Eli an ſich genommen/ alſo daß Samuel
nicht anders gemeynt/ als ruffe ihm ſein Herꝛ der Eli/ da doch Gott der
Herr ſelbſt unmittelbar ihme geruffen/ wie die Hiſtori außweiſet/ und
der Laͤnge nach zu leſen 1. Sam. 3.
Zu letſt/ zu letſt aber iſt der ewige Sohn Gottes ſelbſt erſchienen
in ſeiner angenommenen Menſchlichen Natur/ und Jhme gewiſſe Bot-
ten/ Geſandten und Werber außerſehen/ erwehlt und zum Apoſtolat
beruffen und ordinirt (ἐπόιησε) Er ordnete die zwoͤlff/ Marc. 3/13.
Damit Er den auſſerordentlichen unmittelbaren Beruff geſchloſſen/ und
ſeinen Goͤttlichen Mund verſigelt/ daß wir nunmehr uns von dergleichen
unmittelbar beruffenen Apoſteln/ Propheten/ Lehrern und Predigern
nicht ſollen traͤumen laſſen/ ſondern bey der Ordnung bleiben/ die Er ein-
mal geſtifftet/ und durch die zwoͤlff Patriarchen deß Neuen Teſtaments/
als allgemeine Kirchen-Vaͤter/ die allenthalben wo ſie Kirchen gepflantzt/
ſucceſſores und Nachfolger beſtellet/ das folgende ordentliche Predig-
ampt auffgerichtet.
Es war II.Ein gnaͤdig und willkuͤrlicher Anſpruch. Er
der HERR ruffte/ welche Er wolte/ Marc. 3/13. Verſtehe auß
lauter unverdienter Gnad/ ohne vorhergehende Werck/ Verdienſt und
Heiligkeit. Jnmaſſen auch Paulus bekennet Gal. 1/15. GOTT ha-
be ihn von ſeiner Mutter Leibe außgeſondert/ und beruffen
durch ſeine Gnade. Jederman laſſe hie ſeinen Fuͤrwitz/ niemand
frag warum Er eben dieſe und nicht andere/ warum Er eben die grobe
nachguͤltige Galileer und Fiſcher/ und nicht vielmehr die gelehrte Rab-
binen zu Jeruſalem/ zu ſolcher ſeiner fuͤrhabenden Werbung außerkohrn?
Auch ſoll uns nicht bekuͤmmern/ warum doch Chriſtus zuvor den Ju-
das Jſcharioth unter die Zahl ſeiner geheimen Juͤnger gezogen/ und ih-
me den Beutel vertranet/ von dem Er doch zuvor gewußt/ daß er ein Dieb
ſeyn werde/ Jhn ſeinen Meiſter verrathen/ und die Hoͤll an Jhme verdie-
nen?
[337]Predigt.
nen? Hie Hand auff den Mund! ὠ βάθος! O welch eine Tieffe! Stat
pro ratione voluntas: Es hat alſo und nicht anders dem HErꝛn gefal
len/ was Er gethan/ das hat Er gethan auß Willkuͤhr und freyer Wahl/
was geht es dich an? Er rieff zu ſich/ welche Er wolte.
III.Ein heiliger Anſpruch und rechtmaͤſſiger Beruff/
als der gefloſſen auß dem Mund deß Allerheiligſten/ gerochen nach dem
heiligen Salb-Oehl/ damit der HErꝛ geſalbet worden/ nemlich nach
dem H. Geiſt: Angeſehen zu einem heiligen und heiligmachenden End/
durch heilige Mittel/ in heiliger Form/ Art und Weiſe/ alles recht/ richtig/
juſt/ nach Ordnung der Regul Goͤttlichen Willens/ per caſus rectos,
Nominativum \& Vocativum. Er nennet ſie nicht allein mit Nah-
men und Nachnahmen/ τούτους γὰϱ Ἀϖοςόλους ὀνόμασε Luc. 6/ 13. ſondern Er
locket ihnen auch/ und ruffet ſie zu ſich Marc. 6/ 7.
IV.Ein ernſthaffter/ gewiß- und gewißmachender An-
ſpruch. Es hat der HErꝛ zuvor ſchon zwoͤlff Juͤnger fuͤr andern auß-
geſondert/ geordnet und dem anweſenden Volck vorgeſtellet/ dazumal/ da
Er auff einen Berg gegangen/ die fuͤrhabende Wahl mit andaͤchtigem
Gebet zu GOtt angefangen/ in welchem Gebet Er die gantze Nacht ver-
harret/ folgends da es Tag worden/ morgens fruͤhe die Wahl und Beruff
fuͤrgenommen/ endlich mit den neuerwehlten Juͤngern den Berg hinab
gangen auff einen Platz-Feld/ und der anweſenden Menge deß Volcks/
dieſelbe als kuͤnfftige Welt-Lehrer præſentirt und dargeſtellt; Maſſen
ſolchen actum umſtaͤndlich St. Lucas beſchrieben und auffgezeichnet imLuc. 6, 12.
\& ſqq. vid.
D. Chemn.
Harm.
Evang.
cap. 50.
pag. 657.
678.
6. Capitel. Daß nun uͤber dieſes der HErꝛ beſagte ſeine vorerwehlte
und beruffene Juͤnger (außgenommen Juda Jſcharioth) wiederum an-
geſprochen/ gefordert/ und durch ein widerholtes gedoppeltes Wort beruf-
fen/ das iſt freylich nicht ungefehr geſchehen/ ſondern ſie dadurch in ihrem
Beruff zubekraͤfftigen und beſtaͤtigen. Es ſolten die Juͤnger an Chriſti
Befehl nicht zweifflen/ es ſey groſſer Ernſt/ und nicht Schertzwerck.
Das Wort deß Herrn/ (ſchreibt Lutherus Tom. 3. Jenen ſ. von dem wie-
derholten Beruff deß Propheten Jonaͤ/ pag. 215. fac. 2.) iſt darum geſchrieben/ daß
wir mercken/ wie nichts fuͤrzunehmen iſt ohn Gottes Wort und Befehl: Denn
der erſte Befehl Gottes war zu nichte worden/ durch Jonas Vngehorſam/ da-
rum wo es GOtt nicht von neuem haͤtte gebotten/ haͤtte Jona nicht gewuͤßt/ ob
ers thun ſolte/ ja es ſolte ihm wol gangen ſeyn/ wie es den Kindern Jſrael gieng
Num. 14. die auch zum erſten nicht wolten ſtreiten/ auß Gottes Befehl; Dar-
nach wolten ſie von ihnen ſelbſt/ und wurden druͤber geſchlagen. So gar iſts
nichts und eitel Vnrecht/ was Menſchen auß eigener Wahl und freyem Willen/
ohn Gottes Befehl und Wort fuͤrnehmen.
V.Ein kraͤfftiger/ maͤchtiger und gewaltig-durchtrin-
gender/ doch nicht gewaltſamer nothzwingender Anſpruch: Kein
bloſer/ lebloſer/ ohnmaͤchtiger Wortſchall/ ſondern ein ſolches Wort/ wel-
ches die Folge in den Hertzen ſeiner Juͤnger unverwaͤgerlich gewuͤrcket.
Jch ſage/ doch nicht gewaltſamer und Zwangs-weiſe; Der HErꝛ hat
zwar erzehlter maſſen/ durch ſein Macht-Wort/ kraͤfftig in ſeinen Juͤngern
gewuͤrcket/ aber dieſelbe nicht ſiderirt/ erſtarret/ oder der maſſen erſchroͤcket
und gezwungen/ daß ſie bloß (wie die Enthuſiaſten und Schwaͤrmer von
ſich fuͤrgeben) folgen muͤſſen/ denn auff ſolche Weiſe waͤre es kein tugend-
ſamer Gehorſam geweſen. Zwang iſt keine Tugend. Der ſchnauben-
de Saul wurde durch ein kraͤfftige Stimme deß HErꝛn beruͤhrt und zu
Boden geſchlagen/ es wurde ihm ſchwer wider den Stachel zu lecken/ den-
noch gibt er zuverſtehen/ daß (ob er wol haͤtte koͤnnen) er doch nicht gewolt/
der himmliſchen Erſcheinung unglaubig oder ungehorſam zu ſeyn Act.
26, 19. Wehe ihm/ ſo er anders gewolt haͤtte! 1. Cor. 9/ 16. Jch muß
das Evangelium predigen/ ſagt er daſelbſt/ nicht fatali, ſondern
morali neceſſitate, ex metu pœnæ auß Furcht der Straff/ die ſonſten
ohnaußbleiblich gefolgt waͤre. Nimmer haͤtte Jonas dem HErꝛn/ der
ihn beruffen/ den Ruͤcken kehren/ und deſſelben Befehl außſchlagen koͤn-
nen/ wenn ihn GOtt der HErꝛ mit aͤuſſerſter Macht/ gewaltſamer Weiß
zu ſeinem Dienſt und Werbung haͤtte zwingen/ und gleichſam bey den
Haaren herzu ziehen wollen. Nicht allein aber iſt dieſer Anſpruch fuͤr ſich
ſelbſt kraͤfftig und thaͤtig geweßt; Sondern er hat auch Krafft gemacht/
und Macht gegeben/ daß auff das Pfingſt-Feſt bald hernach gantz andere
Maͤnner auß den Juͤngern worden/ als ſie zuvor geweſen. Es hats der
HErꝛ nicht bloß bey dem aͤuſſerlichen Wort-Beruff bewenden laſſen/
ſondern denſelben begleitet mit herꝛlichen chariſmatibus, und hohen Apo-
ſtoliſchen Ampts-Gaben/ ſie angezogen mit der Krafft auß der Hoͤhe/ wie
wir in folgender Predigt mit mehrerm hoͤren werden.
Endlich VI. war dieſer Anſpruch und Beruff auch ein Hochtroͤſt-
licher Beruff/ behafftet mit lieblichen anmuthigen Verheiſſungen.
Von allem Wort Gottes/ das auß ſeinem Munde kom̃t/ iſt und bleibt
wahr/ was Chriſtus Matth. 4. davon geruͤhmt/ der Menſch lebe nicht
allein vom Brod/ ſondern von einem jeden Wort/ das durch
den Mund GOttes gehet: Ein jedes Wort GOttes iſt ein Wort
deß Lebens/ deß Troſtes/ der Erquickung: Was GOtt der HErꝛ geben-
tet/ das begleitet Er auch mit troͤſtlichen Verheiſſungen/ denen zu gut/ wel-
che ſolchem Gebot gehorſamlich nachkommen. Darum dann auch die
Juͤnger
[339]Predigt.
Juͤnger Chriſti auff ſolches ſo kraͤfftige/ gewiſſe und unfehlbare Wort deß
HErꝛn/ als ein Wort und Anſpruch deß Allmaͤchtigen GOttes/ gebanet
und getrauet/ der Goͤttlichen Stimme nicht ungehorſam geweſen/ dem
Mund deß HErꝛn ſich nicht widerſetzt/ ihr Fleiſch und Blut uͤberwun-
den: Wir hoͤren hie von keinem Widerſpruch/ es geſchach auch allhie/
was St. Marcus ſchreibt Cap. 3/ 13. Der HErꝛ rieff zu ſich welche
Er wolte/ und die giengen hin zu Jhm/ wie auch ſich Mattheus
nicht lang geſperꝛt und geſaumet/ ſondern alsbald vom Zoll auffgeſtanden
und gefolget. Nicht allein haben ſie ſolchen kraͤfftigen Beruff bey ſich
empfunden und angenommen/ ſondern auch ſchon ſich in ihrem Hertzen
verſichert/ daß was ſie hinfort in ihrem Ampt fuͤrgenommen/ geredet und
gethan/ das ſeye auß Gott gethan/ ihr reflexion manchmal zuruͤck auff
ſolchen Anſpruch gehabt/ ſonderlich wann es truͤbſelig/ kuͤmmerlich und hin-
derlich wollen hergehen/ und gehoffet zu dem/ der ſie geſchickt/ werde ſie
auch geſchickt machen; Der ſie geſandt/ werde ſie auch nehren/ und allem
Unfall wehren. Diß Wort war ihr Liecht/ Credentz- und Geleits-
Brieff/ ihr Troſt-Brieff:
Die Schiffleuth von Tyro richteten ſich nach dem Baͤren-Geſtirn und
Himmliſchen Heer-Wagen; Die Egyptier nach ihrem Pharus und
Nacht-Liecht; Die Hollaͤnder nach ihrem Compaß: Der Apoſtel Leit-
Stern war das heilige Wort ihres Beruffs/ ihrer Fuͤſſen Leuchte und
Liecht Pſal. 119. Auff dieſen ihren Geleits-Brieff zogen ſie auß/ gleich-
ſam wie ſie gangen und geſtanden; ſie beworben ſich nicht zuvor um einen
anſehnlichen/ und offenen allenthalb guͤltigen Wechſel von Gold oder
Silber/ bedorfften deßwegen auch keine Taſchen/ zur Wegfarth und Auff-
enthalten deß Geltes/ beſchwerten ſich auch nicht mit uͤbrigen Kleidern/
Roͤcken und Schuhen/ waren auch keines Steckens zur Wehr noͤthig/ al-
les nach ihres HErꝛn inſtruction Matth. 10/ 9. Sondern ſie gedach-
ten/ der HErꝛ der ſie angeſprochen/ beruffen/ und in ſeine Beſtallung
auffgenommen/ werde auch fuͤr ſie ſorgen und Nothdurfft ſchaffen.
O gluͤckſelige Apoſtel/ moͤchte jemand ſagen/ Juͤnger und
Schuͤler/ denen ein ſolcher hoher/ edler und unmittelbarer Beruff wieder-
fahren/ welche der ewige Sohn Gottes ſelbſt ſichtbarlich und ohne Mittel
in ihr Lehr-Ampt eingewieſen/ die haben wol angreiffen moͤgen mit Freu-
den/ das Werck dazu ſie der HErꝛ hat beſcheiden! Aber was gehet uns
U u 2das
[340]Die ſiebende
das an auff den heutigen Tag? Der unmittelbare Beruff hat laͤngſt ex-
pirirt/ Chriſtus rufft in dieſer Zeit keinen mit Nahmen; Sondern aller
Beruff geſchicht durch Menſchen/ durch Menſchliche Churen und Wah-
len. Wie kan ich meinem Lehr-Ampt deß Goͤttlichen Beruffs in meinem
Hertzen gewiß und geſichert ſeyn? Wahr iſt es freylich/ zu letſt hat Gott
der HErꝛ durch Chriſtum ſeinen Sohn geredet und beruffen/ und damit
den unmittelbaren Beruff geſchloſſen: Darum uns auch der Fanatico-
rum, der Schwaͤrmer/ der himmliſchen Propheten/ der Quaͤcker/ der En-
thuſiaſten und anderer Phantaſten Einbildungen/ Traͤume/ Goͤttliche
Geſpraͤch/ Entzuckungen/ gantz verdaͤchtig ſoll fuͤrkommen. Sintemal
wie droben gehoͤrt/ auch den ungezweiffelten heiligen Maͤnnern Gottes
dergleichen Bewegungen nicht begegneten/ ſie ſeyen dann zuvor aͤuſſerlich
durch das Wort Gottes beruffen geweßt/ alles um ſo viel deſto weniger/
weil beſagter raptus, Entzuckung/ raſen/ zittern und beben/ violenter
und gewaltſamer Weiſe geſchicht/ und deß Sathans Pythonibus (die ih-
rer ſelbſt nicht maͤchtig) gleicher/ als den Bewegungen deß Goͤttlichen
Geiſtes/ als welcher den Menſchen nicht ſiderirt/ und mit Gewalt zu pre-
digen dringet: Daher Lutherus in der Rand-Gloß (ad 1. Cor. 14.) wol
obſervirt/ da er ſagt: Etliche meynen/ weil ſie den Verſtand
und deß Geiſtes Gaben haben/ ſollen ſie niemand weichen
noch ſchweigen/ darauß dann Secten und Zwitracht folgen;
Aber St. Paulus ſpricht hie/ ſie ſollen und moͤgen wol wei-
chen/ ſintemal die Gaben des Geiſtes in ihrer Macht ſtehen/
ihr nicht zu brauchen wider die Einigkeit/ daß ſie nicht ſagen
doͤrffen/ der Geiſt treibe und zwinge ſie. Unterdeß aber gehet
uns an der Divinitaͤt oder Goͤttlichkeit unſers heutigen Beruffs nichts
ab/ der ſubſtantz und Weſen nach iſt der mittel- und unmittelbare Be-
ruff ein Ding/ einer ſo wol Goͤttlich/ als der ander/ aber in der Helle und
Grad iſt der Unterſcheid: Daß uns jener nicht ſo hell und klar in die Au-
gen leuchtet/ auch mit ſolchen hohen Ampts-Gaben begleitet iſt/ wie die-
ſer. Gleichwie nicht nur Aaron/ der unmittelbar von GOtt/ durch
Moſis Anzeig/ zum Hohenprieſterlichen Ampt beruffen/ ſondern auch ſei-
ne Soͤhn in ihm/ die noch in ſeinen Lenden geſteckt/ und vermittelſt der
Geburt erblich von Aaron herkommen/ eines Goͤttlichen Beruffs ſich zu-
erfreuen gehabt/ Aaron ward abgeſondert/ daß er geheiliget
wuͤrde zum Allerheiligſten/ er und ſeine Soͤhne ewiglich/ zu
raͤuchern fuͤr dem HERRN/ und zu dienen/ und zu ſegnen in
dem
[341]Predigt.
dem Nahmen deß HERRN ewiglich/ ſtehet 1. Chron. 24, 13. und
2. Chron. 29, 11. ſagt der Koͤnig Hißkia zu den Leviten: Euch hat der
HErꝛ erwehlet/ daß ihr fuͤr Jhm ſtehen ſolt/ und daß ihr ſei-
ne Diener und Raͤucher ſeyd. Gleichwie nicht nur Moſes/ Saul/
David/ die GOtt der HErꝛ unmittelbar geadelt/ und durch ſeinen Goͤtt-
lichen Anſpruch in die Koͤnigliche Wuͤrde geſetzt; Sondern auch die/ ſo
vermittelſt der Geburt/ Wahl/ oder andere rechtmaͤſſige Wege/ zur Obrig-
keitlichen Stelle erhaben werden/ das Wort deß Herrn geſchicht zu ih-
nen und ſagt: Jhr ſeyd allzumal Goͤtter und Kinder deß Hoͤch-
ſten Pſal. 82/ 6. Joh. 10/ 34. Ja gleichwie nicht nur Adam und Eva
in den Vater und Mutter-Stand geſetzt worden/ wann der Herr un-
mittelbar ſie anſpricht und ſagt: Seyd fruchtbar und mehret euch/
das iſt/ zeuget Kinder/ werdet ihre Vaͤter und Muͤtter; Sondern es ge-
het das Segen-reiche Wort/ welches GOtt der HErꝛ einmal außgeſpro-
chen/ auff- und uͤber alle die Adams-Kinder/ ſo ſich in den Eheſtand bege-
ben. Alſo haben ſich auch nicht nur die heiligen Apoſtel/ ſondern auch de-
ro ſucceſſores und Nachfolger im Lehr-Ampt ebenmaͤſſig eines Goͤttlichen
Beruffs zu ruͤhmen und zugetroͤſten. Darum St. Paulus zu den mit-
telbar beruffenen Aelteſten der Gemeine zu Epheſo geſagt: Der Heilig
Geiſt hab ſie zu Biſchoffen geſetzt/ zu weiden die Gemeine
GOttesActor. 20, 28. St. Paulus dedicirt ſeine Epiſtel an die Co-
rinthier der Gemeine zu Corintho/ nicht nur in ſeinem/ ſondern auch
Soſthenis und Timothei Namen 1. Cor. 1/ 1. und 2. Cor. 1/ 1. als wel-
che durch ordentliche Mittel beruffen worden/ und ſchreibt in ſeinem und
ihrem Nahmen zugleich; Wir ſind Bottſchafften an Chriſtus
Statt/ denn GOtt vermahnet durch uns/ 2. Cor. 5/ 20. wor-
auß billich kan und ſoll geſchloſſen werden: Welche Perſon auff ſolche
Art und Weiß/ wie die Aelteſte und wie die Biſchoffe der Gemeine zu
Epheſo/ und mittelbar durch Menſchliche Ordnung/ Mund und Hand
ſind beruffen worden/ die ſind vom H. Geiſt zu Biſchoffen geſetzt/ die ſind
Bottſchafften und rechtmaͤſſige Legaten an GOttes Statt ꝛc. Aſſu-
mire nun ein jeder rechtmaͤſſige Biſchoff/ Pfarꝛherꝛ und Seelſorger/ und
ſage in ſeinem Hertzen; Jch bin ſolcher maſſen beruffen/ und alſo per
portam Scripturæ, das iſt/ durch die rechte Thuͤr der H. Schrifft in
Chriſti Schaffſtall eingegangen. Ergò iſt mein Beruff ein Goͤttlicher
Beruff.
Wozu dann kom̃t die gratia und Anmuth der Zuhoͤrer/ die einer
vor dem andern fuͤr den Augen und Ohren deß Volcks findet/ welche auff
U u 3eine
[342]Die ſiebende
eine Perſon ſtimmen/ dieſelbe gern hoͤren/ und durch deſſelben Dienſt
reichlich erbauet werden: Das iſt ein Werck und Segen von Gott.
Ohngefaͤhr iſt es nicht geſchehen/ daß Johannes der Taͤuffer/ fuͤr den Au-
gen und Ohren ſeiner Zuhoͤrer/ ſolche groſſe gratiam und Anmuth ge-
habt/ daß ihn nicht allein Herodes ſelbſt gern gehoͤrt/ ſondern auch das
Luc. 3, 2.gantze Volck ihm turmatim zugeloffen/ mit Andacht und Anmuth ihn ge-
hoͤrt/ ſeiner Ermahnung Folg geleiſtet/ und ſich weiſen laſſen; diß waren
motus Divini digiti Divini,GOtt trieb und bewegete alſo die Hertzen.
Alſo wann noch auff den heutigen Tag ein Chriſtliches Auditorium per
majora, durch die mehreren Stimmen/ ein ſonderbare affection, Luſt
und Begierd zu einer oder andern Perſon gewinnet/ iſt daſſelbe die ſon-
derbare Gnad/ die GOtt gibt fuͤr den Augen der Menſchen: Und iſt
alsdann (cæteris paribus) wahr das Sprichwort/ vox Populi, vox
alnia DEI! Volcks-Stimm/ GOttes-Stimm! Hierauff deutet Pau-
2. Cor. 3, 1.
ſqq.lus/ wann er 2. Cor. 3. ſagt: Beduͤrffen wir/ wie etliche/ der
Lobe-Brieff an euch/ oder Lobe-Brieff von euch? Jhr ſeyd
unſer Brieff in unſer Hertz geſchrieben/ der erkant und gele-
ſen wird von allen Menſchen/ die ihr offenbar worden ſeyd/
daß ihr ein Brieff Chriſti ſeyd/ durch unſer Predig-Ampt/
zubereitet/ und durch uns geſchrieben/ nicht mit Tinten/
ſondern mit dem Geiſt deß lebendigen GOttes. Auch iſt die
iteratio und Wiederholung deß Beruffs/ und Befoͤrderung zu hoͤherer
Staffel oder Stell/ eine gute Anzeig/ daß es dem lieben GOtt mit ſeinem
Beruff ein rechter Ernſt ſey. Wann endlich die gute Gaben deß Gei-
ſtes/ in einem Menſchen liegen und erſcheinen/ und alſo der innerliche
Beruff (davon mit naͤchſtem) conſpirirt und mit dem aͤuſſerlichen Be-
ruff uͤbereinſtimmt/ ſo iſt das Hertz ſeines Goͤttlichen Beruffs um ſo viel
deſto mehr vergewiſſert.
Wie? wann aber in der promotion die caſus obliqui vorſchla-
gen? Wann es krum und ungrad hergeht/ daß ein und andere Perſon dem
Predig-Ampt wird auffgetragen/ oder vielmehr auffgetrungen (per geni-
tivum neceſſitudinis, Dativum ſimoniæ, accuſativum calumniæ,
ablativum violentiæ) auß Anſehen der nahen Frenndſchafft/ Geſchenck
und Miedlohn/ calumnien und unverſchuldete Beſchmitzung eines an-
dern/ oder durch Gewaltſamkeit? Jn ſolchem Fall muß man unter der
ſubſtantz, und unter dem anklebenden Mißbrauch/ wol unterſcheiden;
Jener iſt GOttes/ dieſer Menſchen-Werck/ (gleichwie ein Baſtart ſeiner
Natur und ſubſtantz nach ein Creatur GOttes iſt/ ob gleich dieſelbe
durch
[343]Predigt.
durch unehelichen Beyſchlaff maculirt worden) und heißt ein ſolcherSerpens
venit in
paradiſum
ſine voca-
tione. Bo-
nifacius
VIII. in-
travit ut
vulpes, re-
gnavit ut
Leo, mor-
tuus eſt ut
canis.
Beruff zwar unrechtmaͤßig/ aber nicht unguͤltig: Wie man vor und zu
Zeiten Chriſti/ mit der Hohenprieſter Wahl und Einſatz geſpielt/ und
durch was manchen krummen Sprung/ ein und anderer zu ſolcher Wuͤr-
de befuͤrdert worden/ iſt bey Joſepho zu leſen: dennoch hat Cajaphas als
Hoherprieſter geweiſſaget/ und nicht von ſich ſelbſt den Rath GOttes auß-
geſprochen: St. Paulus da er gehoͤrt daß derjenige der befohlen ihn auffs
Maul zuſchlagen/ Ananias der Hoheprieſter geweſen/ hat er ſich an ihm
nicht vergreiffen wollen. Dann/ ſagt er/ dem Oberſten deines
Volcks ſoltu nicht fluchenAct. 23, 5. Daher dann auch alles/ was
anjetzo von dem Apoſtoliſchen Beruff fuͤrgetragen worden/ wie ins gemein
allen Chriſten/ die in einem gewiſſen durch GOttes Wort geweyheten
Stand leben/ und darein durch ordentliche Mittel getretten/ alſo inſon-
derheit dem Predig-Ampt dienen ſoll
(I.) Ad Ἀσφάλειαν, zur Verſicherung ihres Goͤttlichen
Beruffs.GOtt iſt ein GOtt der Ordnung/ was auß und nach
der Ordnung gehet/ das gehet auß GOtt ſelbſt. Die Chriſtliche auß
dreyen Staͤnden beſtehende Kirch/ iſt Chriſti Braut und Hauß-Ehr/ die
den Raub außtheilt: Wen nun dieſe durch ihre ſuffragia und Stim-
men/ oder ihren Conſiſtorialiſchen Außſchuß/ erwoͤhlet/ berufft und fuͤr-
ſtellt zu einem Lehrer und Seel-Sorger/ der hat an der Divinitaͤt und
Goͤttlichen Ordnung ſeines Beruffs nicht zu zweifflen/ ob er gleich von
einem Paͤbſtiſchen Weyh-Biſchoff/ weder geweyhet/ noch geſalbet wor-
den/ Gottes Wort und Gebet iſt ihm Weyh genug/ als wodurch alles ge-
heiligt und geweyhet wird. Trotz dem Pabſt/ Cardinaͤlen/ Moͤnchenconf. Luth.
Tom. 1. Iſ-
leb. pag.
396. item
Tom. 2.
Iſleb. pag.
266. \& 269.
f. 2.
und Meß-Prieſtern/ von denen die H. Schrifft weder weiß/ noch dieſelbe
weyhet: Dann da St. Paulus die unterſchiedlichen Kirchen Aempter
benamſet Epheſ. 4/ 11. ſagt er: Der HERR habe etliche zu Apo-
ſteln geſetzt/ etliche zu Propheten/ etliche zu Evangeliſten/
etliche zu Hirten und Lehrer. Und 1. Cor. 12/ 28. GOTT hat
etliche geſetzt in der Gemeine auffs erſte die Apoſtel/ auffs an-
der die Propheten/ darnach die Wunderthaͤter/ darnach die
Gaben geſund zu machen/ Helffer/ Regierer/ mancherley
Sprachen; Haͤtt er billich deß vermeynten hoͤchſten Haupts/ deß
Pabſts/ nicht vergeſſen ſollen/ aber altum ſilentium! Davon weiß der
Apoſtel nichts! Summa Pabſt/ Cardinaͤl/ Meß-Pfaffen und Moͤnchen
iſt lauter ſolch Kraut/ das der Himmliſche Vater nicht gepflantzt.
Gleicher Unart ſind auch die himmliſche Propheten/ Schwaͤrmer/ Wi-
dertaͤuffer/
[344]Die ſiebende
dertaͤuffer/ Quaͤcker/ und andere Phantaſten/ die ohn Beruff/ Gaben
und Ordnung einſchleichen/ nicht oͤffentlich/ wie der H. Geiſt/ vom Him-
mel herab fliegen; Sondern wie die Blindſchleiche/ wie Fieder-Maͤuſſe
im finſtern mauſſen/ wie die Schlange/ die ins Paradiß daher geſchlichen
Joh. 3, 20.kommen. Dieſe meynt der HErꝛ/ wenn Er ſagt: Wer arges thut/
der haſſet das Liecht/ daß ſeine Werck nicht offenbar und ge-
ſtrafft werden: Und wenden doch darbey groſſe Heiligkeit fuͤr/ denn ſie
gehen einher in Demuth und Geiſtlichkeit der Engel/ deſſen ſie doch nie
keines geſehen haben/ und ſind ohn Urſach auffgeblaſen/ in ihrem fleiſch-
lichen Sinn/ wie der Apoſtel redet/ Coloſſ. 2/ 18.
Videndus in ejuſmodi Fanaticos graviter invectus noſter D. Lutherus
Tom. 5. Jen. p. 551. \& ſqq.
(II.) Ad humilitatem,zur Demuth. Dann dieweil dein
Beruff auß freyer Chur und Wahl deß Beruffers gefloſſen/ und Er dich
auß Gnaden fuͤr andern fuͤrgezogen/ ſo haſtu die geringſte Urſach nicht
zu ſtoltziren/ ſondern ſolt immer gedencken/ was St. Paulus erinnert
1. Cor. 1/ 28. Das Unedel fuͤr der Welt/ und das Verachte/
hat GOTT erwehlet/ und das da nichts iſt/ daß Er zu nicht
machet/ was etwas iſt/ auff daß ſich fuͤr Jhm kein Fleiſch
ruͤhme. Und 1. Cor. 4/ 7. fragt der H. Apoſtel: Wer hat dich fůr-
gezogen? Was haſtu/ das du nicht empfangen haſt? So du
es aber empfangen haſt/ was ruͤhmeſt du dich denn/ als der es
(*) Tom. 7.
Jenenſ.
pag. 112. f. 2.nicht empfangen haͤtte?Lutheri Gedancken (*) auff die Frag Ju-
daͤ (nicht deß Jſcharioths) Joh. 14. ſind dieſe. Was iſts denn/ daß Du
dich uns wilt offenbahren/ und nicht der Welt?
Jſt faſt/ ſagt er/ die Frage/ als ſolt er ſagen: Sollen denn wirs
allein ſeyn/ gelehrt/ klug/ heilig und ſelig? Was wil die Welt dazu ſa-
gen? Sollen denn ſo viel hochgelehrter/ trefflicher/ heiliger Leuthe/
Prieſter/ Phariſeer/ und der beſte Kern deß gantzen Volcks/ welches doch
GOttes Volck heißt/ und ſo viel trefflicher Anſehen haben/ denn wir ar-
me Bettler/ allzumal nichts und verdampt ſeyn? Was ſind wir gegen
ihnen/ denn als lauter nichts? Solteſtu nicht den hohen Leuthen dich
offenbaren/ bey denen das Regiment/ Gewalt/ Ehre/ und dazu groſſe
Heiligkeit und Gottesdienſt iſt/ und da es zu hoffen waͤre/ daß es von
ſtatten gehen werde/ was ſolten wir elende Leuthe außrichten? Wir wer-
den der Sachen viel zu ſchwach ſeyn. Das iſt eben die Frage/ da ſich
noch alle Welt an ſtoͤßt/ Gelehrt/ Vngelehrt/ Heiligen und Suͤnder. Was
iſt es dann (ſpricht die Welt) um dieſe neue Predigt? Jch ſehe da nichts
ſon-
[345]Predigt.
derlichs/ ſinds doch eitel verachte Leuthe/ verlauffene Buben und Bet-
telvolck/ ſo an dieſer Lehre hangen. Wenn ſiheſtu/ daß groſſe Herren/
Koͤnige/ Fuͤrſten/ Biſchoffe etwas davon halten? Darum muß es mit ei-
ner Bratwurſt verſigelt ſeyn. Das iſt das groͤſte Argument/ und die
ſtaͤrckſte Vrſach/ warum unſer Evangelium nicht ſoll recht ſeyn/ wenn es
wahr waͤre/ ſo haͤtte es GOtt wol andern Leuthen offenbaret. Warum
ſollens die hohen Haͤupter nicht wiſſen/ die da koͤnnen und ſollen die Welt
regieren undreformiren? Die ſoltens thun/ ſo moͤchte es von ſtatten ge-
hen. Nu iſt es wahr/ es iſt ja etwas/ und wir woltens auch ſelbſt gerne/
ſo waͤren ſie auch gerne fuͤr die Leuthe gehalten/ die es thun ſolten/
ſind der Andacht voll/ nnd haͤtten gerne die Ehre und Ruhm/ daß ſie es
gethan haͤtten/ haben auch Ehre/ Gewalt und Gut genug/ daß es ſchei-
net/ als ſolten und koͤnten ſie es allein thun. Aber GOtt ſagt nein dazu/
ſie ſollens nicht thun/ ihr armen Fiſcher und nackete Bettler/ ihr ſolt es
thun/ nicht Hannas/ Caiphas/ und das Prieſterthum/ ſo doch im Ampt
ſitzen/ die Gewalt/ Macht und Recht haben. Darum muͤſſen und ſollen
wir uns deß troͤſten/ die wir ſolche hoͤren und ſelbſt fuͤhlen/ daß wir nichts
ſind/ und muͤſſen bekennen/ daß wol andere Leuth fuͤrhanden ſind/ die
uns nicht lieſſen die Schuh wiſchen: Aber Chriſtus faͤhret daher/ fragt
nach niemand/ er ſey groß/ heilig/ gelehrt/ als er wolle/ und deutet ſelbſt/
wen er dazu erwehlet und haben wolle. BißherLutherus.
Und ſtehet dieſe Demuth ſonderlich wol an den Matthæis, Paulis, Pe-
tris, Auguſtinis, Hieronymis, die irgends in ſchwere Suͤnden-Faͤll ge-
rathen/ und dennoch durch uͤberſchwengliche groſſe Guͤte und Barmher-
tzigkeit GOttes wiederum begnadet/ und ins Lehr-Ampt geſetzt worden.
Jhr Suͤnden-Fall/ ihr Fleiſches-Pfahl! Dient nicht allein zur beſtaͤndi-
gen Demuth/ ſondern auch zu mehrerm Eiffer in Staͤrckung der Bruͤ-
der: Ein Vollhuͤgel kan von der Weinfuͤlle erbaulich nicht predigen:
Wer im Geitz erſoffen/ kan wenig bauen/ da heißts: Artzt hilff dir ſelber!
i re, ſequar, gehe zuvor hinwerts/ ich wil dir folgen/ ſagt der junge Krebs
zum alten; Verſtehe/ ſo lang der Prediger in ſolchem Suͤnden-Stand
bleibt und verharret: Kehrt er aber um/ wird zahm/ und wie Paulus auß
einem Wolff in ein Schaff verwandelt/ ſo kan er als ein verſuchter Fech-
ter/ der zuvor wol gepantzerfegt/ dem Teuffel durch die Spiß-Ruthen
geloffen/ und denſelben lernen kennen/ von den Wunden der Seelen wi-
der die Laſter/ die er begangen/ deſto kraͤfftiger predigen/ und andere
warnen.
(III.) Ad obedientiam conſtantem,zu ſchuldigem und
beſtaͤndigem Gehorſam/ den Goͤttlichen Beruff nicht nur mit tieff-
ſter reverentz und Ehrerbietung anzunehmen/ ſondern auch in demſelben
Achter Theil. X xunauß-
[346]Die ſiebende
unaußſetzlich zuverharren. Jonas mußte ſeine Flucht von dem Ange-
ſicht deß Herrn/ in dem Hoͤllen-Bauch deß Wallfiſches ſchmertzlich buͤſ-
ſen/ ſich darinnen mortificiren und muͤrb machen laſſen: Jener Prophet
zu Bethel wird vom Loͤwen erſchlagen/ weil er ſich von ſeinem Beruff ab-
locken laſſen; Mancher fuͤrchtet ein Loͤwen/ und ſpricht mit jenem Fau-
len/ es iſt ein Loͤwe drauſſen/ ich moͤcht er wuͤrget werden auff
der GaſſenProv. 22, 13. faͤllet aber erſt einem Loͤwen in Rachen: Man-
chem iſt kein Sattel gerecht/ er blitzt von einem Ort zum andern/ endlich
gerathet er in Ungluͤck/ und kom̃t die allzuſpate Nach Reu. Unter ſol-
che Refugas und Fluͤchtige gehoͤren nicht nur/ die den Ort und Stand/
ſondern auch die Muͤhe und Arbeit deſſelben meiden/ ihr talent vergraben/
das Schwerdt deß Geiſtes in der Scheiden behalten/ damit ſie ſich nicht
verhaßt machen/ Menſchen-Tag ſuchen/ und ſich ſelbſt allzuzeitlich rude
doniren oder feyrabend machen.
(IV.) Ad gratum amplexum,zur Erweckung ſchuldiger
Danckbarkeit. Zuhoͤrer ſind ſchuldig nicht nur zu bitten/ um recht-
ſchaffene Seelen-Waͤchter/ nach der Vermahnung Chriſti/ Matth. 9/ 38.
Bittet den HERRN der Ernde/ daß Er Arbeiter in ſeine
Ernde ſende. Dann es iſt mit den Predigern nicht alſo beſchaffen/
als wie mit den Gaͤnſen in Schottland/
Sondern auch wann ſie ſolche erlangt/ auß Goͤttlicher Gnad/ dafuͤr auch
inniglich zu dancken/ damit nicht das Predig-Ampt ſampt dem Wort wie-
der von ihnen genommen werde/ wegen ſchnoͤder Undanckbarkeit/ wel-
ches ein ſchroͤcklicher Jammer. Denn wenn Gott ſein Wort weg-
(*) ita
Lutherus
Tom. 2.
Witteb.
p. 416.nim̃t/ (*) ſo iſt kein Jrꝛthum ſo (groß und) grob/ der Teuffel
geht damit hindurch. Deß Mahomets Anfang iſt auch
grob genug geweßt/ aber weil Gottes Wort nicht da war/ iſt
dennoch ein falſch ſchaͤndlich Reich darauß worden/ wie wir
ſehen. Haͤtte der Muͤntzer auch Gluͤck gehabt/ und GOtt
uns waͤre ungnaͤdig geweſen/ waͤre es ſo wol ein Tuͤrckiſch
Reich
[347]Predigt.
Reich worden/ als deß Mahomets worden iſt. Summa es
iſt kein Funck ſo klein/ wann GOtt zuͤrnet/ und den Teuffel
drein blaſen laͤſſet/ es kan ein Feur drauß werden/ das die
gantze Welt verzehre und kein Menſch loͤſchen kan.
Schließlich iſt der Troſt groß und unaußſprechlich/ den ein ange-
fochtenes Hertz/ wie im Predig-Ampt/ alſo auch in andern Staͤnden/
ſchoͤpffen kan auß der Betrachtung ſeines Goͤttlichen Beruffs/ wider den
Loͤwen/ der ihn in ſeinem Ampt anbruͤllet und erſchroͤcket/ ein Loͤwen-Muth
zu faſſen Prov. 28, 1. David ſpricht zu einem ſolchen Pſal. 91/ 13. Auff
Loͤwen und Ottern wirſtu gehen/ und tretten auff junge
Loͤwen und Drachen. Mein Kind/ ſpricht Syrach Cap. 10/ 31. ſq.
in Widerwertigkeit ſey getroſt/ und trotze auff dein Ampt/
dann wer an ſeinem Ampt verzagt/ wer wil dem helffen?
Jacob der H. Patriarch fuſſet auff dieſen Grund/ in ſeiner fuͤrhabenden
Reyß/ da er vernommen/ daß ſein grimmiger Bruder Eſau/ mit 400.
Mann feindlich ihm entgegen gezogen/ GOtt/ ſagt Jacob/ weil du zuGen. 32, 9.
mir geſagt haſt/ zeuch wieder in dein Land und zu deiner
Freundſchafft/ darum errette mich von der Hand meines
Bruders. Auff Chriſti Beruff/ der zu Petro geſagt/ komm her/
wagts Petrus und geht auff dem Waſſer daher Matth. 14/ 19. Wer da
ſtehen wil (ſind Herꝛn Mattheſii Wort (*)) auff breitem Fuß/(*) Conc. 3.
ad Syr. cap.
22. pag. 147.
cõfer The-
ol. Conſc.
part. 2. Di-
al. 3. quæſt.
9. pag. 728.
\& ſqq.
auß- und fußhalten/ der ſteure ſich auff zwo Seulen/ nemlich
auff Gottes Wort/ und ſein Beruff: HErꝛ GOtt diß iſt
dein Wort/ und du haſt mich durch meine Eltern/Præce-
ptores,in dieſe Kirchen (Regiment/ Haußſtand) beruffen zu
dieſem heiligen Ampt; Jch wil dir außhalten; Jch glaube
dir und traue dir. Du haſt geſagt/ ſeye keuſch/ ſey getreu.
Nun wil ich nicht wider Ehre thun/ nicht ſtehlen/ und ſolt ich
bettlen gehen/ und wann ich gleich Herren und Frauen/ Koͤ-
nig und Kaͤyſer ſolte zu Feinden bekommen/ ſo wil ich doch
thun was recht iſt/ wie Joſeph/ GOtt wird mein Unſchuld
ſchon an Tag bringen/ und mein Lohn ſeyn: Wil mein
Kirch (Herꝛſchafft/ Unterthanen) der ich diene/ meine Treue
und Fleiß nicht erkennen/ und achtet meine Muͤhe und Fleiß
gar gering/ und fuͤr nichts/ ſo wil ich doch GOtt in ſeinem
Wort und meinem Beruff dienen und außhalten/ und laſſe
mich von den zweyen Seulen auch der Hoͤllen Pforten nicht
reiſſen. Bißher Mattheſ.
Bey allen Voͤlckern werden die Legati und Geſandten ἄσυλοι und fuͤr
heilig gehalten/ wann ſie ſich gebuͤhrlich als Geſandten in ihren Schran-
cken behaben/ ſoll ihnen von niemand kein Leid geſchehen/ und ob es ge-
ſchehe/ nicht ungerochen bleiben: Daher mehrmal auß Verſchimpffung
der Legaten, groſſe Blutſtuͤrtzende Krieg erwachſen/ die Ammoniten
2. Sam. 10,
4.mußtens theur genug bezahlen und buͤſſen/ daß ſie Davids Geſandſchafft
verhoͤnet/ denſelben den Bart halb abſcheren laſſen/ die Kleider auch halb
abſchneiden biß an den Guͤrtel/ und dieſelbe mit ſolchem Schimpff wiede-
rum zuruͤck geſchickt/ ſie ſeynd deßwegen dem Koͤnig David zu einer offe-
vid. Sy-
ſtem. Polit.
Wolffg.
Heideri
p. 510. \&
ſqq.nen Fehde/ in die gewaffnete Fauſt gelauffen. Die ſchoͤne Stadt Corin-
thus wird ruinirt und verherget/ weil ſie der Roͤmer Geſandten nicht ge-
buͤhrlich reſpectirt. Eben ſo heilig haͤlt GOtt ſeine Geſandten.
GOtt gebe durch ſeinen Geiſt/ daß ein jeder in den Schrancken
ſeines Beruffs treulich und gehorſamlich wandle/ ſtrecke auß ſein arbeit-
ſame Hand/ und greiff an das Werck mit Freuden/ dazu einjeden GOtt
hat beſcheiden/ in ſeinem Beruff und Stand/ biß er ſeinen Lauff vollendet/
und die Ehren-Cron gewinne/ das Kleinod erjage/ welches uns fuͤrhaͤlt die
himmliſche Beruffung GOttes in Chriſto JEſu/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Eine denckwuͤrdige Wunder-
Geſchicht beſchreibt der uralte Hiſtoricus Moſes
Num. 17. von einem gruͤnenden Stab Aaro-
nis/ der hernach zum ewigen Gedaͤchtnuͤß/ in der
Stiffts-Huͤtten/ beygelegt und auffgehoben worden:
Wie nemlich/ nachdem die Rott Core/ Dathan und
Abiram ſich empoͤrt/ und um das Prieſterthum mit Aaron geeiffert/ Mo-
ſes auff Goͤttlichen Befehl zwoͤlff Stecken von einem jeden Fuͤrſten/ und
ſeines
[349]Predigt.
ſeines Vaters Hauſe/ genommen/ und jegliches Nahmen auff ſeinen
Stecken geſchrieben/ in die Huͤtten deß Stiffts fuͤr das Zeugnuͤß geleget/
mit angehengter Zuſag/ daß welchen der Herr erwehlen werde/ deß
Stecken werd gruͤnen in derſelben Nacht. Num. 17, 6. ſqq.Moſe re-
det mit den Kindern Jſrael/ und alle ihre Fuͤrſten gaben ihm
zwoͤlff Stecken/ ein jeglicher Fuͤrſt einen Stecken/ nach dem
Hauſe ihrer Vaͤter/ und der Stecke Aaron war auch unter
ihren Stecken. Und Moſe legt die Stecken fuͤr den HErꝛn
in der Huͤtten deß Zeugnuͤß. Deß Morgens aber/ da Moſe
in die Huͤtten deß Zeugnuͤß gieng/ fand er den Stecken Aa-
ron deß Hauſes Levi gruͤnen/ und die Bluͤet auffgangen/ und
Mandlen tragen.
Dieſen gruͤnenden Stab Moſis haben zwar etliche von den Lehrern/
und Namentlich Bernhardus (*), allegoricè und verbluͤmter Weiß ge-(*) Homil.
2. ſuper
miſſ.
deutet auff Chriſtum/ den Mann Zemah/ Zach. 6/ 12. die edle
Jungfrauen-Blum/ ſo wol wegen ſeiner Ankunfft auß der Wurtzel und
Stumpff Jeſſe/ und alſo auß dem verdorreten Stab/ als auch ſeines
Hohenprieſterlichen Ampts/ und folgender ſiegreichen Aufferſtehung hal-
ben/ indem Er auch am Stamme des Creutzes/ als ein Scherb verdorret/
und aber am dritten Tag wiederum herꝛlich herfuͤr gegruͤnet/ wie Grego-Joh. 12, 24.
(α) Lib. 14.
Moral.
c. 29.
rius M. (α) die Gedancken gehabt.
Wir bleiben bey dem unmittelbaren buchſtaͤbigen Verſtand/ und
deutens/ wie es auch GOtt ſelbſt gedeutet/ auff das werthe Miniſterium
Lehr- und Predig-Ampt/ als welches mit dieſem Wunder-Stab
in unterſchiedlichen Stucken und Tugenden uͤbereinkompt. Es iſt die-
ſer Stab auſſer Zweiffel nicht von einem Bier- oder Pflaum-Baum ab-
gehauen/ ſonſt wuͤrde er Bieren/ und nicht Mandlen getragen haben:
Zuvermuthen iſts/ es haben die Fuͤrſten ihre Regiments-Staͤb von die-
ſem Holtz deß Mandel-Baums gehauen/ eò quod hæc arbor vigilan-
tiæ ſymbolum, als einem Zeichen der Wachſamkeit. Der Mandel-
Baum bluͤhet am erſten im Fruͤhling/ er wacht am erſten auff auß dem
kalten Winter/ daher heißt er ſchakèd, vigilans,der wackere Stab/
Jerem. 1/ 10.
Gleichergeſtalt muͤſſen auch die jenigen/ die ſich/ wie zu andern Aemptern/
alſo auch zum Predig Ampt diſponiren/ wachſam/ munter und wacker
ſeyn/ klug und fuͤrſichtig/ dann ſie haben einen wachſamen und unver-
X x 3droſſe-
[350]Die achte
droſſenen Loͤwen/ der um ſie herum gehet/ ſie und ihre Herd zuverſchlin-
gen/ uͤber welche ſie zu Biſchoffen geſetzt. Nicht nur als ein Zeichen der
Wachſamkeit/ ſondern auch der Gedult: Dann wie der Mandel-Baum
am erſten herfuͤr bluͤhet/ alſo muß er auch am erſten und meiſten leiden/
Wind/ Schnee/ Regen/ Hagel und Schloſſen uͤber ſich ergehen laſſen;
Alſo auch wer GOtt dem HErꝛn in ſeinem Weinberg treulich und redlich
dienen wil/ der muß auch manch unſtaͤt Aprillen-Wetter verſuchen/ und
manchen rauhen Wind ihm laſſen unter die Augen wehen; Jn der erſten
Kirch ſind die Biſchoffe und Seelſorger die erſten geweßt/ die man ge-
ſucht und zur Marter gezogen.
Sonderlich aber vergleicht ſich der weyland duͤrre/ nunmehr gruͤ-
nende Stab/ mit der vocationund Beruff zum Predig-Ampt/
auß Goͤttlicher Gnad und Freyheit. Core/ Dathan und Abiram ließen
ſich beduͤncken in ihrem Sinn/ das Hohe-Prieſterthum ſtuͤnde ihren ei-
nem/ wegen beywohnenden qualitaͤten und Hohenprieſterlichen Tugen-
den/ eben ſo wol an/ als Aaron und ſeinen Soͤhnen: Aber der freythaͤtige
GOtt laͤßt ihm ſein Recht nicht nehmen/ einen todten untuͤchtigen Stab
erwehlt Er/ und wandelt ihn in einen fruchtbaren/ bluͤhenden und tugend-
reichen Mandel-Baum/ macht auß nichts etwas/ auff daß ſich niemand
ruͤhme. Zeigt darneben an ἀσφάλειαν, die Gewißheit deß Goͤttlichen
Beruffs: die auffruͤhriſche Rott klagte Aaron an/ als waͤre er ἀυτόκλητος,
ein ſelbſt-beruffener und von Moſe auffgeworffener Hoheprieſter; Mo-
ſes hab die Perſon ſeines Bruders angeſehen/ und anß affecten gehan-
delt/ weil ihme das Hembd naͤher angelegen/ als der Rock: Es waͤren
wol andere begabte Maͤnner unter dem Volck geweſen/ die man zu ſol-
chem hohen Ampt haͤtte herfuͤr ziehen und brauchen moͤgen/ die Hiſtori
meldet Num. 16, 3. Sie verſamleten ſich wider Moſen und Aa-
ron/ und ſprachen zu ihnen: Jhr machts zu viel/ dann die
gantze Gemeine iſt uͤberall heilig/ und der HERR iſt unter
ihnen/ warum erhebt ihr euch uͤber die Gemeine deß HErꝛn?
Dieſen Streit und Neid entſchetdet der Herr/ durch dieſes miracul
und unerhoͤrte ſeltzame μεταμόρφωσιν, oder Verwandlung/ beweißt den
Goͤttlichen Urſprung/ dieſes dem Aaron anvertranten Ampts/ auß den
Ampts-Gaben/ damit ihn Gott gezieret/ und alſo den Adel deß Baums
auß ſeinen Fruͤchten. Gleichwie der duͤrre Stab in einen edlen Baum
verwandelt worden/ der ſeine Art mit ſeinen koͤſtlichen Gaben und Fruͤch-
ten zuerkennen gegeben; Alſo ſey auch der weyland untuͤchtige Aaron/
durch den Goͤttlichen Beruff/ ein anderer Mann worden/ mit hohen
herꝛli-
[351]Predigt.
herꝛlichen/ und ſeinem Ampts-Zweck gemaͤßen Gaben regalirt und be-
gabt: Er ſey nicht nur aͤuſſerlich durch den Finger Moſis angezeigt/ ſon-
dern auch innerlich durch den Finger GOttes beruffen/ mit ſchoͤnen Ga-
ben deß H. Geiſtes gezieret/ und tuͤchtig gemacht/ und damit zur Gewißheit
ſeines Goͤttlichen Beruffs beſtaͤtiget worden.
Weil dann auch die Juͤnger Chriſti weyland duͤrre/ untuͤchtige und
unnuͤtze Staͤbe geweſen/ von Natur und auß ſich ſelbſt/ viel zu untuͤchtig/
daß ſie das hohe Apoſtolat-Ampt tragen und außrichten ſolten: Aber
durch Goͤttliche Wunder-Gnad deß H. Geiſtes in einem Augenblick ver-
wandelt/ mit unerhoͤrten herꝛlichen Gaben/ auff das Pfingſt-Feſt/ rega-
lirt und begabet worden/ auch heilſame Fruͤchte getragen/ und damit hell
und klar den Adel und Urſprung ihres Beruffs erwieſen/ als haben wir
anjetzo zuvernehmen/ ihren inneren Beruff/ der Krafft auß der Hoͤhe/
damit ſie angezogen worden. Daß es nun nicht ohne heilſame Erbau-
ung geſchehen moͤge/ wolle Gott der Hoͤchſte Vater/ um Chriſti ſeines
geliebten Sohns Willen unſers Herrn/ uns auch hiezu mit der Krafft
auß der Hoͤhe/ ſeinem Heiligen Geiſt/ gnaͤdig beywohnen/ und in uns
wuͤrcken/ Amen.
DEUS res loquitur, ſchreibt Lutherus, GOttes Rede iſt kein
bloſes/ lebloſes und todtes Wort/ das in der Lufft verſchwindet/
ſondern es iſt das Werck und die Krafft allezeit dabey. Dicere
DEI eſt facere.GOTT ſprach in der erſten Schoͤpffung/ es
werde Liecht/ und es ward Liecht: So bald der Herr zu Adam
und Eva geſprochen/ ſeyd fruchtbar und mehret euch/ ſo bald war
ihnen auch gegeben die virtus prolifica, der Segen und die Krafft Kinder
zu gebaͤhren: Jch hab geſagt/ ihr ſeyd Goͤtter/ ſpricht GOTT
Pſal. 82. Das iſt/ ich hab durch mein kraͤfftiges Beruffs-Wort euch
mit Goͤttlichen Ampts- und Regenten-Gaben berathen. Daher Sa-
muel zu Saul dem weyland geweſenen groben Bauren und Eſels-Treiber
geſagt 1. Sam. 10/ 6. Der Geiſt deß HERRN wird uͤber dich ge-
rathen/ da wirſtu ein anderer Mann werden/ das iſt/ auß einem
ungeſchickten ungehobelten Bauren-Flegel/ wirſtu ein kluger/ politer/
Sitt- und tugendſamer Regent werden/ wie dann auch geſchehen/ und er
deſſen herꝛliche Proben gethan/ theils ſeiner Klugheit/ da er unter dem
Hauffen der Propheten/ als der Geiſt GOttes uͤber ihn gerathen/ geweiſ-
ſaget/ das iſt/ nach Art ſeines Ampts und Beruffs/ von Anſtalt und Fort-
ſuͤhrung eines loͤblichen Koͤniglichen Regiments/ Fuͤrſtliche Gedancken
in
[352]Die achte
in herꝛlichen Spruͤchen außgeſprochen/ alſo daß jederman hieruͤber ver-
ſtarren/ und ſich verwundern muͤſſen/ ſprechend: Was iſt dem Sohn
Kiß geſchehen? Jſt Saul auch unter den Propheten? 1. Sam.
10/ 11. Theils auch ſeines Heroiſchen Helden-Muihs und mann-
veſten Dapfferkeit/ damit er die Ammoniter angegriffen/ auffs Haupt ge-
ſchlagen/ und die Belaͤgerung der Stadt Jabes in Gilead belagert und
auffgeſchlagen: Dergleichen zwar von ihm nicht vermuthet worden von
etlichen loſen Leuthen/ die geſagt/ 1. Sam. 10/ 27. Was ſolt uns dieſer
helffen: Aber nach erhaltenem Sieg lautets anders/ dann da ſprach das
Volck zu Samuel: Wer ſind ſie/ die da ſagten/ ſolt Saul uͤber
uns herꝛſchen? Gebt ſie her die Maͤnner/ daß wir ſie toͤdten:
Saul aber ſprach/ Es ſoll auff dieſen Tag niemand ſterben/
denn der HERR hat heut Heil gegeben in Jſrael/ 1. Sam. 11/
12. ſq. Das war ein loͤbliche Sanfftmuth/ ſo in Baͤuriſchen Hertzen
nicht leichtlich zu finden. Alſo hat auch GOtt der HErꝛ den ſtam̃lenden
Moſen/ den unberedten Jeremiam/ ja den Kuͤh-Hirten Amos dergeſtalt
qualificirt/ daß groſſe Ding durch dieſelbe außgerichtet worden. Wann
dem Propheten Amos ſein nachguͤltig Herkommen fuͤrgeworffen/ und er
Amos 3, 8.in den Kuͤhe-Stall gewieſen worden/ was ſagt er? Der Loͤwe bruͤllet/
wer ſolt ſich nicht fuͤrchten? Der HERR HERR redet/ wer
ſolt nicht weiſſagen?
Gleichergeſtalt hat es auch allhie die Meynung/ wann der Herr/
dem alle Gewalt gegeben im Himmel und auff Erden/ ſeine Juͤnger/ die
Er zu ſeinen Werbern und Ehrenholden außerkohren/ angeſprochen und
geſagt: Gehet hin ꝛc. Gehet hin/ nicht nackend bloß/ und wehrloß/
ſondern angethan mit der Krafft auß der Hoͤhe/ mit herꝛlichen
und praͤchtigen anathematen, raritaͤten/ Beylagen/ Schaͤtzen und
Kleinodien/ damit die erſte neu-gepflantzte Apoſtoliſche Mutter und
Milch-Kirch gepranget/ nemblich zu ihrem Zweck und fuͤrhabenden Wer-
bung nothwendigen außerordentlichen Ampts- Bau- und Waltungs-
Gaben/ damit der HErꝛ/ nachdem Er ſie aͤuſſerlich zu ihrem Ampt und
Stand beruffen/ bald darauff auff das Pfingſt-Feſt dieſelben regalirt/
verehrt und gleichſam geſalbet. Niemand unter euch iſt tuͤchtig zu ſol-
chem hohen Werck/ auß und von ſich ſelbſt/ πϱὸς ταῦτα τίς ἱκανός; Wer
iſt hiezu tuͤchtig? So rufft/ ſo fragt/ ſo ſchreibt St. Paulus 2. Cor.
2/ 16. (1.) πϱὸς ταῦτα, hiezu/ zu dem Zweck. Wozu? Zu einem ſuͤſ-
ſen Geruch/ wovon er in kurtz vorhergehenden Worten geredet/ πϱὸς ἐυω-
[...]αν, GOtt dem Himmliſchen Vater den edlen Opffer-Geruch/ deß ei-
nigen
[353]Predigt.
nigen bewaͤhrten Soͤhn-Opffers JEſu Chriſti/ durch das Evangelum
und Sacramenta zu diſpenſiren/ den allerheiligſten Athem/ der vom Va-
ter und Sohn außgegangen/ den H. Geiſt/ der den Apoſteln und Juͤn-
gern Chriſti angehauchet worden/ auch andern anhauchen/ als ein leben-
dige Krafft/ deß Lebens zum Leben/ denen die ihn annehmen und da-
durch ſelig werden; contrà per accidens ein Geruch deß Todes zum
Tode denen/ die mit einem unſeligen Schnuppen behafft/ denen davor
eckelt/ denen deß Sathans Suͤnden-Geſtanck annehmlicher/ conſe-
quenter verlehren ſeynd. (2.) τίς ἱκανὸς? Wer iſt tuͤchtig hierzu? Wer
hat das heilige Rauchwerck/ gnugſame Specerey und heilſamen Balſam/
die koͤſtliche Salben das gantze Hauß Gottes zuerfuͤllen? Wer hat ἐυωδίαν
ſophiæ, den Geruch der himmliſchen ſeligmachenden Weißheit/ die Ge-
ſchicklichkeit das Wort recht zu theilen? Linguædie geſchickte Gotts-
gelehrte Zung/ daß er wiſſe mit den muͤden zu rechter Zeit zuEſa. 50, 4.
reden?Sanctimoniæ, den edlen Geruch eines heiligen/ exemplariſchen/
unſtraͤfflichen Lebens und Wandels. Habent enim \& mores ſuos
odores \& colores; colores in conſcientia, odores in famâ. (3.) τίς?
Wer iſt der Waghals? Wer iſt der Frevler? Der ſich dergleichen
præſumiren doͤrffte/ wañ er ſich recht mit ſeinem eigenen Fuß meſſen/ und
die proportion ſeiner Kraͤfften/ gegen dem Zweck abwaͤgen wil? Zwar
junge/ kuͤhne/ ungeuͤbte und unerfahrne freche Studenten/ wann ſie ihre
Lippen mit einem und andern Troͤpfflein auß den Bruͤnnlein Jſraelis be-
netzt/ wann ſie ein und andermal auff dem heiſſen Hoͤltzlein geſtanden/
wann ſie als Comœdianten nicht ihre eigene/ ſondern fremde Perſonen
agirt/ wann ſie durch ihr gut Mundſtuͤck favorem vulgi, und deß Poͤfels
Zeug-Finger gewonnen/ hic eſt, das iſt das Thier/ das ſo wol predigen
kan; Wann die Mutter der Kinder Zebedei darzu kom̃t/ und auß blin-
der Lieb ihre Soͤhn ſo hoch wuͤrdiget/ und erhebt einen zur Rechten/ den
andern zur Lincken Chriſti/ wann ein Patron und Promotor ſeinen paſ-
ſionirten calculum zulegt/ und ins Feld hinein lobet und auffblaͤſſet/ ſo
heißts alsdann/ Nos poma natamus! Jch oder dieſer iſt tuͤchtig genug/
tuͤchtiger dann andere/ ja in ſeinem Sinn der Allertuͤchtigſte. Was ſagt
aber St. Paulus dazu? (4.) ου῎τις, keiner/ ſagt er/ auch ich nicht/
2. Cor. 3. St. Paulus war ein junger Student von fuͤrtrefflichen natu-
ralien, hatte ein recht feuriges/ ſcharffes ingenium, ein leuffigen Kopff/
er hatte in ſeiner Heimath zu Tharſen die Encyclopædiam außſtudirt/
die Theologiam Moſaicam ſitzend zun Fuͤſſen Gamalielis ermeſſen/
dennoch ſagt er: Wir ſind nicht tuͤchtig Rath zu finden von uns2. Cor. 3, 3.
Achter Theil. Y yſel-
[354]Die achte
ſelber/ als von uns ſelber/ ſondern das wir tuͤchtig ſind/ iſt
von GOtt.
Unterdeſſen muß doch jemand tuͤchtig ſeyn/ ſoll Chriſti Reich befoͤr-
dert/ und ſein heilwerthes Opffer-Geruch in die gantze Welt außbrechen/
und Chriſto eine Gemeinde der Außerwehlten zum ewigen Leben gewon-
nen werden/ ſo muͤſſen ja vaſa odorifera, Rauchfaͤſſer ſeyn/ Biſem-
Knoͤpff/ heilſame Ehren-Gefaͤß/ deren Tuͤchtigkeit und Geſchicklichkeit
auß GOtt iſt: Dann daß wir tuͤchtig ſind/ das iſt von GOtt dem hei-
lig- und lebendig-machenden Geiſt/ den uns Chriſtus ſelbſt ange-
haucht/ welcher uns tuͤchtig gemacht hat zu fuͤhren das Ampt
des Neuen Teſtaments/ als das Ampt des Geiſtes. Von mir
und meiner Gnad/ wil der Herr zu ſeinen Apoſteln ſagen/ werdet ihr
ſeyn/ was ihr ſeyn werdet/ die Salbung der Gaben meines Geiſtes wird
euch alles lehren. Wil ein Potentat Geſandten und Bottſchafften auß-
ſenden/ ſo muß er ſolche qualificirte und tuͤchtige Maͤnner außerleſen/ bey
vid. Phil.
Polit.
Syſtem.
Wolffg.
Heideri
p. 469.denen man in der Fremde mit Ehren beſtehen mag: Und werden dazu
ſonderliche Tugenden erfordert/ unter welchen Fides,die Treu und
Redlichkeitexcellirt/dann ein gottloſer Bott bringet Un-
gluͤck/ aber ein treuer Werber iſt heilſam/ ſagt Salomo Prov.
13, 17. Und wiederum cap. 25, 13. ſagt der weiſeſte Koͤnig: Wie die
Kaͤlte des Schnees zur Zeit der Ernde/ ſo iſt ein getreuer
Botte dem/ der ihn geſandt hat/ und erquickt ſeines Herꝛn
Seele. Wann im Gegentheil ſolche Unflaͤter abgefertiget werden/ die
wegen ihrer veruͤbten Untugenden leiden muͤſſen/ ſo hat der Herꝛ/ der ſie
abgeſandt/ Schimpff davon.
Megabyzus deß Perſianiſchen Koͤnigs Darii Feld-Obriſter ſandte eins-
mals eine anſehnliche Legation von Perſianiſchen Herren/ an Amyntam der
Macedonier Koͤnig/ Amyntas gab ihnen guten Beſcheid/ dann er ſich vor Dario
forchte/ ſtellete auch ein treffliche Pancket an/ den fremden Gaͤſten zu Ehren/
und damit es deſto freudiger zugieng/ ließ er auch der Macedoniſchen Herren
Weiber und Toͤchter zur Taffel kommen. Anfangs hielten ſich die Perſianer
wol/ da ſie aber deß Weins zu viel zu ſich genommen/ griffen ſie nach den Wei-
bern und Jungfrauen/ und machten ſich alſo allzugemein mit ihnen/ daß es bald
nicht mehr zu leiden war. Der Koͤnig Amyntas mußte ſolches geſchehen laſſen/
dann er Megabyzum und Darium, den ſo maͤchtigen Monarchen/ nicht erzoͤrnen
wolte. Aber ſeinem Sohn Alexandro, einem freudigen Juͤngling/ that die
Schmach wehe/ bate man wolte dem Frauen-Zimmer einen Abtritt erlauben/
mit verſprechen/ ſie ſolten ſich wieder einſtellen/ welches nun die Perſianer zu
frieden waren: da fuͤhrte der junge Koͤnig die Weiber und Toͤchter auß dem Ge-
mach/ hieß ſie in ihre Gewahrſame gehen/ und an ihrer Statt thaͤt er ſchoͤnen
unbaͤrti-
[355]Predigt.
unbaͤrtigen Juͤnglingen Weiber-Kleider an/ gab ihnen lange Meſſer und Dol-
chen/ die ſie unter den Kleidern verborgen halten/ und wann die Perſianer ſie ſo
unzuͤchtig/ wie vorhin die Weiber und Toͤchter/ betaſten wuͤrden/ ſolten ſie ihnen
unverzagt die Meſſer oder Dolchen in die Leiber ſtoſſen. Da nun Alexander
dieſe alſo an ſtatt deß Frauen-Zimmers bey die Taffel fuͤhrte/ meynten die Per-
ſianer/ es waͤren Weiber oder Jungfrauen/ fielen uͤber die Juͤnglinge her/ kuͤß-
ten und begriffen ſie/ die ſtieſſen aber ihren Bulen die Dolchen in die Leiber/ daß
ihnen das Liecht verloſch/ und das Loͤfflen vergieng. Gottfr. part. 2. Hiſt. Chronic.
p. 35.
Alſo hat auch Chriſtus ſeine Juͤnger mit ſchoͤnen Tugenden begabt/
auß Idioten, Ungelehrten und Leyen/ Gottsgelehrte; Auß furchtſamen
Haſen/ großmuͤthige Loͤwen; Auß Stummen/ redende und lebendige ora-
cula, durch welche Chriſtus geredet; Auß Unheiligen/ heilige Maͤnner
GOttes gemacht/ die ihrem Herrn getreu geweßt biß in Tod/ und die
Maͤrter-Cron davon getragen. Summa/ er iſt der Beruffer/ der auß
nichts etwas gemacht Rom. 4/ 17.
Solche Gaben waren nun (I.) das heilige/ von GOtt angezuͤn-
dete/ unfehlbare Liecht der Weißheit/ in welchem die hohe alle Ver-
nunfft uͤberſteigende Geheimnuͤß her fuͤr gebrochen/ geoffenbaret zu unſerer
Seligkeit. Dann GOtt/ ſagt Paulus/ der da heißt das Liecht
auß der Finſternůß herfůr leuchten/ der hat einen hellen
Schein in unſere Hertzen gegeben/ daß durch uns entſtůnde
die Erleuchtung/ von der Erkantnuͤß der Klarheit GOttes/
in dem Angeſicht JEſu Chriſti. Das Liecht der Geſichte/
Traͤume und Weiſſagungen/ dergleichen bey St. Paulo/ Petro
und Agabo erſchienen/ ſo auch nach der Zeit der H. Apoſtel ein zeitlang ge-
leuchtet/ und mit denſelben nicht gleich allerdings verloſchen. Daher
die Glaubigen zu Samarien/ auff das Gebet der beyden Apoſtel Petri
und Johannis/ den H. Geiſt dergeſtalt ſichtbarlich empfangen/ daß Si-
mon denſelben mit Augen ſehen/ und um Gelt feilſchen koͤnnen Act. 8.Act. 8, 17.
Auff Cornelii Hauß-Geſind iſt der H. Geiſt gefallen/ gleichwie auch auff
ſie die Apoſtel/ ſcheinbarer Weiſe/ ohn Zweiffel auch in einem lieblichen
Feur-Thau/ holdſeligen Feur-Regen und Feur-Tauffe. Act. 10. SoAct. 10, 44.
cap. 11, 15.
bald die zwoͤlff Maͤnner zu Epheſo die Feur-Tauffe deß H. Geiſtes em-
pfunden/ fiengen ſie an mit fremden Sprachen zu reden/ und
zu weiſſagen/ wie Juſtinus Martyr in ſeinem Geſpraͤch mit dem Ju-
den Tryphone berichtet. Deßgleichen war dabey das Liecht dieAct. 19, 6.
Geiſter zu unterſcheiden; Daß zum Exempel St. Petrus dem Ana-
nia/ der dem H. Geiſt gelogen/ St. Paulus dem Zauberer Elymas, ins
Y y 2Hertz
[356]Die achte
Hertz hinein geſehen/ und ihre falſchmuͤtige Tuͤck verrathen Act. 5, 3. und
cap. 13, 9.
(II.) ςόμα, der wolberedte Mund/ da ſie mit ihrem Mund
geredet mancherley fremde/ ungeſtudirte Sprachen/ mit ziemender Wol-
redenheit/ ſolcher Wort/ die als Gottes Wort (ὡς λόγια Θεου̃) lauten/
nicht in klugen Reden Menſchlicher Weißheit/ ſondern in
Uberweiſung des Geiſtes und der Krafft/ auff daß der Glaub
beſtehe/ nicht auff Menſchen Weißheit/ ſondern auff Gottes
Krafft/ 1. Cor. 2, 4. ſq.
(III.) ϑυμὸς, der heroiſche groß-freye Helden-Muth/
durch deſſen Trieb ſie mit freyem Muth und freyem Munde getroſt die
Warheit geſagt/ und was deßwegen zu leiden geweßt/ willig außgeſtanden/
zur Maͤrter-Cron ſich gleichſam gedrungen/ und als zu einem Tantz froͤ-
lich geſprungen.
Luth. Tom. 7. Jenenſ. p. 96. f. 2. Gleichwie man lißt von den heiligen Maͤr-
terern/ wie ſie wider die Tyrannen/ Marter und Leiden getrotzet haben; Als
auch die jungen Jungfraͤulin/ Agnes und Agatha/ welche da ſie in Kaͤrcker und
zum Tod giengen/ waren ſie ſo getroſt und freudig/ daß ſie ſich lieſſen duͤncken/
und auch ruͤhmeten/ ſie giengen zur Hochzeit. Trauen liebe Tochter/ kanſtu die
Kunſt/ daß du in Kaͤrcker gehen/ und gekoͤpfft werden/ zum Tantz gegangen heiſ-
ſeſt/ ſo muß warlich da ſeyn ein ander Hertz/ Sinn und Muth/ denn die Welt
hat/ welcher kan in Wind ſchlagen Leib und Leben/ Adel und Freundſchafft/ und
alles was die Welt hat/ und darauff ſie trotzet; Alſo daß ſolcher Muth muß
gewißlich ſeyn allein deß H. Geiſtes Werck/ und deß himmliſchen Vaters hertz-
lich Gefallen/ wo ein ſolch Hertz iſt/ das da gewißlich und feſte ſchleußt/ und dar-
auff bleibet/ den Herrn Chriſtum wil ich nicht verlaſſen/ es zuͤrne darum/
wer nicht lachen wil/ ſondern um ſeinen Willen froͤlich leiden/ was ich kan.
Ita Luther.
Und dann (IV.)die wunderthaͤtige Hand/ ſo in unerhoͤrten
Zeichen und Wundern ſich hervorgethan/ dadurch die Krancken zeſund
gemacht/ ſo ſtarck und kraͤfftig/ daß/ da ſie auch von St. Paulo die
Schweiß-Tuͤcher und Koller uͤber die Krancken hielten/ die Seuche von
ihnen gewichen/ und die boͤſen Geiſter von ihnen außgefahren/ Act. 19, 12.
Darzu auch gehoͤret die außerordentliche Krafft/ gottloſe Leuthe zu ſtraf-
Act. 5, 5.
6. 13, 11.fen/ welche St. Petrus wider Anania und Saphira/ und St. Paulus ge-
gen Bar Jehu bewieſen/ und heiſſet dieſelbe Gabe [...]αμις ἐνεργημάτων.
Diß war die jenige Feur-Tauffe/ davon der Herr geweiſſaget Act.
1, 5. und auch herꝛlich und Majeſtaͤtiſch geleiſtet auff das Pfingſt-Feſt/ an
welchem GOtt der H. Geiſt/ in einem recht guͤldenen feurigen Regen/
ſich uͤber die H. Apoſtel ergoſſen/ ſie truncken gemacht/ nicht von Wein/
ſondern
[357]Predigt.
ſondern von ſeinen herꝛlichen Gaben: Die Funcken hat man damals
nur geſehen/ es iſt aber darauff erfolget eine anmuthige/ hochtroͤſtliche/
gnadenreiche Feuers-Brunſt/ ſo in der gantzen Welt geleuchtet und ge-
waͤrmet.
Diß war der innerliche Beruff/ welcher von dem aͤuſſerlichen Be-
ruff in dem unterſchieden/ daß jener von GOtt und Goͤttlichem Segen
dem Menſchen beſchehret/ dieſer wie auch die Wahl und ordination durch
Menſchen geſchicht: Jener iſt Goͤttlich/ und wann man ihn unverfaͤlſcht
laͤßt/ riecht er nach GOtt dem H. Geiſt/ πϱὸς ἐυωδ [...]αν, und gibt einen Ge-
ruch deß Lebens zum Leben 2. Cor. 2/ 16. Dieſer menſchelt manchmal/
ſtinckt nach Fleiſch und Blut/ ſonderlich wann die Chur und Beruff per
caſus obliquos daher rollet: Jener macht tuͤchtig/ dieſer macht richtig.
Wer die innerlichen Gaben deß Geiſtes hat/ der kan ſein Stell oͤffentlich
in der Kirch vertretten/ ſoll aber nicht ehe (um beliebter Ordnung willen)
biß er auch aͤuſſerlich beruffen werde/ und nach dem Exempel Chriſti/ ſich
deß Gebrauchs ſeiner Gaben entaͤuſſern/ biß ihn Zeit und Ordnung trifft:
Und wie der innere Beruff allein nicht genug/ ohne den aͤuſſerlichen/ zu
offener Ampts-Verrichtung/ dann wie ſollen ſie predigen/ wo ſie nicht ge-
ſandt werden? ſagt Paulus Rom. 10/ 15. Jch ſage/ (ſchreibt Lu-(*) Tom. 2
Witteb.
pag. 363.
therus*) wann ſolche Schleicher ſonſt kein Unthaͤtel an ih-
nen haͤtten/ und eitel Heilige waͤren/ doch diß einige Stuͤck/
(daß ſie ohngefordert und geſchlichen kommen) fuͤr Teuffels-Botten
ihm zeugen; Dann der H. Geiſt ſchleichet nicht/ ſondern
fleucht oͤffentlich vom Himmel. Alſo machts auch der bloſe aͤuſſer-
liche Beruff nicht auß/ ohne den inneren/ dann wo es an Gaben mangelt/
ſo wird der Zweck nicht erreicht.
Diß war die Salbung/ von lauter heiligem Balſam/ und rei-
nen Specereyen zugerichtet; Der koͤſtliche Balſam/ der H. Geiſt ſelbſt
und ſeine Gaben/ der vom Haupt Aaron/ das iſt/ Chriſto der geſalbet
worden ohne Maß/ mit unendlichen Gaben mehr/ als ſeine Geſellen/
herab gefloſſen auff ſeinen Ehrwuͤrdigen Bart/ das iſt/ dasconf. Lact.
Catech.
part. 6.
conc. 16.
pag. 195.
Predig-Ampt/ fuͤrnemlich die H. Apoſtel/ und auff ſein gantzes Kleid
der Chriſtlichen Kirchen. Diß iſt die Salbung/ davon St. Johannes
Y y 3geſchrie-
[358]Die achte
geſchrieben/ 1. Joh. 2/ 27. Von einer anderen aͤuſſerlichen/ leiblichen/
Prieſterlichen Salbung und Beoͤhlung/ wie auch Haar-ſchur/ weiß die
Schrifft nichts: GOtt ſelbſt hat ſolches nicht fuͤrgut und rathſam befun-
den/ dann Lev. 21. ſteht außtruͤcklich geſchrieben: Ein Prieſter ſoll
ſeinen Bart nicht abſcheren/ noch ein Blatten machen laſſen
auff ſeinem Haupt. Und in dem Concilio IV. Carthaginenſi,
an. 436. iſt im 44. canone decretirt worden: Clericus nec comam nu-
triat, nec batbam radat, das iſt/ ein Geiſtlicher ſoll bey ihnen kein
langes Haar ziehlen/ und den Bart nicht abſcheren laſſen;
wiewol in etlichen neuen Exemplaren/ wie auch in Summa Conciliorum
Caranz. das Woͤrtlein/ radat, außradirt und außgekratzt worden. Soll
nun bey den Papiſten ein gemeiner Prieſter ordinirt werden/ ſo muß der-
ſelbe durch ſeine ſieben Weyhen gehen/ wie in Pontificali Romano, an-
no 1582. getruckt/ zu befinden iſt: Darbey ſie einen gantzen Hauffen Ce-
remonien mit Chriſam und Oel/ mit ſchmieren und ſalben/ mit netzen
und ſcheren/ und anderem Gauckelwerck und Affenſpiel gebrauchen/ daß
man ſich daruͤber zuverwundern hat: Dergleichen weder in den Geſchich-
ten der Apoſtel/ noch in den Epiſtlen der heiligen Apoſtel/ noch in der uhr-
alten Chriſtlichen Lehrer Schrifften geleſen wird. Und geben uͤber das
fuͤr/ daß ein ſolche Prieſterliche Weyhe eigentlich davon zu reden ein Sa-
crament ſeye/ dadurch dem jenigen/ der ordinirt werde/ ein beſonderer
character indelebilis, oder ein unaußloͤſchlich Mahlzeichen in ſeine Seel
imprimirt werde/ welches nimmermehr außgeloͤſcht/ oder von einem ſol-
chen Menſchen koͤnne genommen werden.
Auß ſolchem innerlichen Beruff/ hat St. Paulus den Urſprung
ſeines Goͤttlichen Apoſtoliſchen Ampts erwieſen 2. Cor. 12/ 12. Daß er
nichts weniger (oder geringer) ſey/ denn die hohen Apoſtel
ſind/ denn/ ſagt er/ es ſind ja eines Apoſtels Zeichen unter
euch geſchehen/ mit aller Gedult/ mit Zeichen/ und mit
Wunder/ und mit That. Und Epheſ. 3, 2. ſq. ſagt er von ſeinem
Unctio eſt
ipſa colla-
tio χαρι-
σμάτων, die
Handfuͤlle
vid. D. Joh.
Schmidt
Conſcienz
Predigt
p. 692.Ampt der Gnade GOttes/ die ihm gegeben ſey/ durch Offen-
barung und Verſtand an dem Geheimnuͤß Chriſti. Dann
es ja nicht fehlen kan/ wer der auctor und Urheber iſt/ ſolcher ſchoͤnen und
vollkommenen Ampts-Gaben/ der muß auch der auctor und Urheber
ſeyn deß Beruffs/ zu deſſen Außrichtung ſolche Gaben mitgetheilet wor-
den: Nun iſt GOtt der HErꝛ/ der Vater deß Liechts/ von welchem alle
gute und vollkommene Gaben ihren Urſprung haben; Wo ſolche Gaben
ſind/
[359]Predigt.
ſind/ da iſt der Finger Gottes/ wo der Finger Gottes/ da iſt auch der
Beruff.
Ob nun wol dieſe Gaben/ nachdem ſie ihren Zweck erreicht/ und der
Glaube gepflantzt worden/ wiederum verloſchen und laͤngſt verſchwun-
den: Dann es gibt heutigs Tags keine Apoſtel nicht mehr/ und wann der
Roͤmiſche Biſchoff ein Apoſtel/ und Petri Stuhl-Erb in dem Apoſtolat
ſeyn wil/ und mangelt ihm doch an den Apoſtoliſchen Gaben/ ſo iſt ſolche
ſeine jactantz eben ſo abſurd und ungereimt/ als wann ein armer Bet-
ler ſich fuͤr reich wolte außgeben/ der doch nichts vermag/ oder der fuͤr ge-
lehrt und geſchickt wolt gehalten werden/ deme kein Kunſt und Wiſſen-
ſchafft beywohnet. Gleichwie nachdem die Kinder Jſrael in das Land
Canaan kommen/ und nicht mehr in der Wuͤſten herum gewandert/ das
Manna auffgehoͤret/ und nicht mehr vom Himmel gefallen; Alſo haben
auch ſolche außerordentliche Gaben auffgehoͤret. Zwar nach Goͤttli-
cher intention ſolte dieſes Gaben-Liecht (gleichwie das Opffer-Feur im
Alten Teſtament/ ſo erſtlich auff das Opffer Aarons gefallen) in der
Chriſtlichen Kirchen/ der ſubſtantz und Weſen nach/ unerloſchen fort-
gepflantzt und fovirt werden/ wiewol die unmittelbare Anhauchung deſſel-
ben auffgehoͤret/ Gottes Geiſt wolte hinfort durch das gepredigte Wort
handlen und wuͤrcken; Sprachen ſollen die Kirche zieren/ aber in den
Schulen erlernet; Geiſter ſollen durch die ordentliche edle Diſputir-
Kunſt entſchieden werden; Helden-Muth ſolte ſich her fuͤr thun/ ſo offt esconf.
D. Papp. in
Eſa. p. 67.
die Nothdurfft erfordert/ und die ordentliche Waͤchter-Hund einſchlaffen
wuͤrden; Die Gabe der Weiſſagung ſolte ſich beweiſen in Erklaͤrung der
dunckeln Spruͤche H. Schrifft/ ſonderlich wann dieſelbe durch der Jrꝛ-
geiſter neue Schwaͤrmereyen wollen angefochten werden; Zeichen und
Wunder ſolten geſchehen/ nemlich die rechte geiſtliche Wunder/ auff wel-
che die aͤuſſerliche und leibliche Wunder gezielt/ und jene zuerwecken ihr
Abſehen gehabt/ die geiſtlich-todte ſolten aufferſtehen/ die geiſtlich-blinde/
taube/ ſtumme/ ſolten ſehen/ hoͤren und reden. So ſolte es ſeyn/ und all-
zeit geblieben ſeyn: Aber es iſt beym SOLLEN verblieben/ das wollen
iſt nicht erfolget/ der Sathan hat die finſtere Nacht bald wiederum einge-
fuͤhrt/ in ſolcher Finſtern gemauſet/ und in derſelben allerhand Jrꝛwiſche
und Jrꝛgeiſter außgebruͤtet/ davon Barbarey/ Alber- und Aberglauben/ Ab-
goͤtterey/ Greuel uͤber Greuel entſtanden. Zwar an viſionen, Traͤumen/
Erſcheinungen/ vermeinten Wunderwercken iſt niemals kein Mangel ge-
weßt: Sie waren aber auch darnach/ St. Paulus nennet ſie kraͤfftige
Jrꝛthum/ verfuͤhriſche Wunder und Zeichen/ 2. Theſſ. 2, 10. ſq.
Aber wie dem allem/ ſo iſt doch die Analogia und gemeſſene Gleich-
foͤrmigkeit gemeldter Gaben etlicher maſſen uͤberblieben: Und ſind dem-
nach die ordentliche Ampts-Gaben ſtets bey und in der wahren Kirchen
Chriſti zu finden/ wiewol nicht in gleichem flor, frequentz und grad.
Es leuchtet ja heut zu Tag noch unter uns/ nachdem die Fackel deß Evan-
gelii wiederum Lohell brennt/ und von der alten Paͤbſtiſchen Unſauberkeit
gereiniget worden/ die Goͤttliche Weißheit in der Lehr/ rechter Abtheilung
2. Tim. 2,
15.
Gal. 6, 6.und Außlegung deß Goͤttlichen Worts/ auß den Grund. Sprachen/ die
Gabe wol zu lehren und zu unterrichten/ die Gabe zu widerlegen falſche Leh-
rer/ Rotten und Secten/ und die Geiſter (Luͤgen und Warheit) zu pruͤfen
und zu unterſcheiden auß dem Wort Gottes/ nach der Vermahnung St.
Tit. 1, 9.Pauli/ ja auch die Gabe zu weiſſagen/ das iſt/ die Prophetiſche Weiſſa-
gungen zuerklaͤren; Und wuͤrde unſerm theuren Luthero, wer ſeine
Propheceyung von Teutſchland/ mit der heutigen ſcheinbaren und trauri-
gen experientz vergleicht/ niemand leichtlich dieſelbe allerdings abſpre-
chen koͤnnen/ anders nicht als auff die Art und Weiſe/ wie auch der alte
Kirchen-Lehrer Athanaſius in der Kirchen-Hiſtori/ πϱοφητικὸς ἀνὴρ, ein
(*) vid.
Luther.
Tom. 7.
Jenenſ.
p. 206.Prophetiſcher Mann iſt genennet worden. (*) Die Wiſſen-
ſchafft ſo wol außlaͤndiſcher/ als in der Kirchen uͤblicher Sprachen/ die
gelehrte Zung weißlich und kluͤglich zu reden/ und doch nach eines jedwe-
dern Verſtand/ daß es jederman verſtehen kan/ und daſſelb mit ſolchen
Goͤttlichen Worten/ die als Gottes Wort lauten/ derſelben Regul ge-
maͤß: Nicht weniger auch ϑυμὸς, der heroiſche Helden-Muth/ der Eiffer-
Geiſt und freudige Muth/ im gewiſſen Grad/ mit aller Freudigkeit kluͤglich
und beſcheidentlich zu reden/ es treff Biſchoff oder Bader/ biß an den
Maͤrtyr-Platz/ es koſte Blut oder nicht. Exempla ſolcher Maͤrtyrer
und Zeugen JEſu Chriſti/ dadurch unſer Evangeliſche Lehr beſtaͤtiget
(α) conf.
noſtr. vale
Triumph.
pag. 145.
\& ſq.worden/ ſind anderswo allegirt und angezogen (α.) Wer darff ſagen/
daß es fehle an dem gluͤckſeligen Fortgang und kraͤfftigen Wuͤrckung?
Dann an ſtatt der aͤuſſerlichen ſichtbaren in die Augen leuchtenden mi-
raculen, erzeigen ſich unter uns die wunderlichen Bekehrungen/ die
geiſtlich-blinde werden ſehend/ die geiſtlich taube werden hoͤrend/ die geiſt-
lich-todten ſtehen auff/ ſteinerne Hertzen werden in fleiſcherne verwandelt/
alles in Krafft des geiſtreichen Worts GOttes.
Wann nun dem alſo/ und wir gleichſam greiffen muͤſſen/ daß ſol-
che Gaben noch unter uns im ſchwang gehen/ und im flor ſtehen/ durch
Gottes unverdiente Barmhertzigkeit/ ſo finden wir ja auch unter uns den
Characterem Divinæ vocationis,die klare Anzeig unſers/ wie-
wol
[361]Predigt.
wol mittelbahren/ doch Goͤttlichen Beruffs: Es legt Gott
der Herr bißweilen in die Natur Gaben/ die werden hernach in wolbe-
ſtellten Schulen je laͤnger je mehr excolirt, geuͤbet und vermehret/ und
folgends mit unterſchiedlichen Supernaturalien und Ampts-Gaben ge-
ſchmuͤckt und gezieret/ alles [...] μέτϱον τῆς χάριτος του̃ Χριϛου̃, nach dem
Maaß der Gnaden Chriſti/Epheſ. 4, 17. Wo ſolche Ampts. Ga-
ben ſich erzeigen/ da mag man wol ſagen: Hie iſt Gottes Finger!
Und dieweil niemand gewiſſer und ſicherer weiß/ was im
Menſchen iſt/ als der Geiſt des Menſchen/ der in ihm iſt/ alſo
kan auch ein jeglicher unpaſſionirt unpartheyiſch ſich ſelbſt pruͤfen/ mit ei-
genem Fuß meſſen/ von ſeinen beywohnenden Gaben urtheilen/ und dar-
auß den Adel/ Art und Urſprung ſeines Beruffs vernuͤnfftig ermeſſen.
Es hat (ſo kan ein Lehrer auch von ſich ſelbſt ohn uͤppigen Ruhm reden)
der liebe Gott (dem ſey allein Ehr und Danck) dieſe Ampts-Gaben mir
beſchehret/ dieſelbe gemehrt mit fruchtbarem Succeſs und Erbauung/ in
den Hertzen meiner Zuhoͤrer geſegnet! Das kan ja nicht ohngefaͤhr ſeyn
geſchehen/ Ein Menſch kan nichts nehmen/ es werde ihm dann
gegeben vom Himmel/ ſagt Johannes der Taͤuffer Joh. 3, 27. Die
Gaben kommen her von dem Vater des Liechts/ dem Geber aller gu-
ten und vollkommenen Gaben; Derſelbe gibt nicht ohn Ur-
ſach: Wen er tuͤchtig gemacht zum Predigampt/ den hat er auch dazu be-
ruffen; doch mit der Ordnung/ daß er auch des aͤuſſerlichen ordentlichen
Beruffs erwarte. Dona ſunt ſemina officiorum.
Trotz hie abermal allen denen die drauſſen ſind/ unſern Gegenern/
denen es entweders an der aͤnſſerlichen/ oder innerlichen Beruffung man-
gelt/ oder an beyden; Fanatici Fladder-Geiſter und Schwaͤrmer haben
keinen Beruff: Jrrigen Lehrern/ es ſeyen Papiſten oder Calviniſten/
mangelts am innerlichen Beruff/ ihre Salbe iſt verfaͤlſcht mit Wolffs-
Gifft/ die Mucken haben die gute Salbe verderbt; Jhr Liecht
iſt ein falſches Liecht der Jrꝛwiſche; Die Worte ſind argliſtige/ glatte/ ver-
fuͤhriſche/ dem Wort Gottes widrige/ gifftige Schlangen-Wort; Der
Muth iſt fleiſchlich/ die Miracul und Zeichen ſind Luͤgenhafftig/ angeſehen
Es muß/ ſchreibt Lutherus/ (*) nicht ſeyn ein ſolcher thum̃er Sinn/ Thurſt(*) Tom. 7.
Jenenſ. p.
96. f. 2.
oder Trutz/ als da iſt der tollen Kriegsleute und Waghaͤlſe/ die freudig dahin
tretten/ gegen die Schwerdter/ Spieſſe und Buͤchſen: Das iſt auch wol eine
Freudigkeit/ aber ein falſcher Troſt und Trotz/ dann er laͤßt ſich entweder auff ei-
gene Krafft/ oder auff eitel Ehre und Ruhm. Darum iſt wol da ein Geiſt/ aber
doch nicht ein rechter warhafftiger Geiſt. Dann der boͤſe Geiſt kan auch die
Leute auffblaſen/ keck und muthig machen/ wie man ſiehet an ſeinen Tyrannen
Achter Theil. Z zund
[362]Die achte
und Rotten/ welche ſind allzu freudig und trotzig: Es iſt aber nicht der Muth und
Trotz/ der da fuͤr GOtt recht und gut iſt. Chriſtus aber verheiſt zu geben einen
Geiſt/ der uns alſo muthig mache/ daß es heiſſe ein Goͤttlicher/ heiliger Muth
und Trotz. Darum ſoll er heiſſen/ ein rechtſchaffener warhafftiger Troſt und
Muth/ der nicht falſch ſey noch vergeblich/ noch auff ein ungewiß trotze/ ſondern
im Grunde rechtſchaffen/ und auff ſolch Ding ſich verlaſſe/ das da nicht fehlet
noch treuget. Die Welt hat ihren Trotz und Muth/ wann ſie Beutel und Kaſten
voll hat/ da iſt ſolcher Stoltz und Trotz/ daß der Teuffel nicht kunt mit einem rei-
chen Bauren umgehen. Ein ander trotzt auff ſein Adel und Gewalt/ Gunſt
und Ehre bey den Leuten. Jſt jemand klug oder weiſe/ der trotzt auff ſeinen
Kopff und reiſſet damit hindurch/ daß ihm niemand kan wehren/ und wil keiner
dem andern weichen/ wer etwa mehr Gewalt/ Ehre/ Kunſt/ Geld oder Gut hat.
Aber wann mans recht anſihet/ ſo iſts nichts/ dann ein Narren- oder Kinder-
Trotz/ der keinen Beſtand hat. Der Chriſtenheit aber Troſt und Trotz (ſo der
H. Geiſt machet) ſoll alſo ſeyn/ daß es beſtaͤndig/ und auß rechtem Grunde gehe/
und alſo/ daß es GOtt und ſeinen Engeln von Hertzen gefalle. So weit Luth.
des Antichriſts kraͤfftige Jrꝛthum zu beſtaͤtigen/ vor welchen St. Paulus
treulich gewarnet/ 2. Theſſ. 2.
Beyneben ſo haben auch ihre Lection allhie zu behalten/ die Vaſalli
und Gottes Lehen-Leute/ die Gott der Herr vor andern ſo hoch beleh-
net/ mit erſtermeldten Gaben außſtaffieret/ und angezogen mit der Kraſſt
auß der Hoͤhe/ daß ſie folgende drey Wort fleiſſig und beſtaͤndig in acht neh-
men: Accipe, Redde, Fuge,Nim̃ an/ gib wieder/ und meyde.
Gleichwie alle andere Guͤter und Wolthaten/ die uns Gott erzeiget/ mit
dieſen dreyen Worten uns anreden: Accipe beneficium; Redde de-
bitum; Fuge peccatum \& ſupplicium, das iſt/ Nim̃ dieſe Gutt hat
an/ gib hinwieder dein Gebuͤhr/ und meide ſo wol die ſuͤndli-
che Undanckbarkeit/ als die darauff folgende Straffe! Jſt al-
ſo die erſte Lection/ Accipe,Nim̃ dieſelbe an durch Gebet und or-
dentliche Mittel: Wen Gott in einen Stand beruffen/ daß er zufor-
derſt GOtt um ſeinen H. Geiſt anruffe/ die ordentliche Mittel gebrauche/
ἰδίαν [...]μύαμιν, das Pfund/ das ihm GOtt verliehen/ bey ſich ermeſſe/ wie
hoch es ſich erſtrecke/ GOtt nicht verſuche. Sonderlich im Lehr-Stand/
die das Ampt des Geiſtes fuͤhren wollen/ als junge angehende Studioſi
Theologiæ, daß ſie ſich ja nicht auff die faule Seite legen/ nicht Menſchen-
Tage ſuchen/ und ihnen ſelbſt allzubald Feyerabend geben/ nicht ihr Ta-
lent vergraben/ nicht/ wie es wol geſchicht/ wann ſie durch Traͤgheit dem
freygebigen und freythaͤtigen guten Geiſt/ nicht in guter Ordnung begeg-
net/ die Schuld auff GOtt legen/ als haͤtte er nicht gnug Gaben gegeben.
Es iſt von noͤthen ζήλωσις, der Eyfer/ ſtrebet/ ſagt St. Paulus/ nach
den beſten Gaben/ fleiſſiget euch der geiſtlichen Gaben 1. Cor.
12, 31.
[363]Predigt.
12, 31. Es iſt von noͤthen ἀναζωπήϱωσις, eine Auffmunterung und1. Cor. 12, 31
2. Tim. 1, 6.
Erweckung der Gaben/ wann die Flamme wil außgehen/ muß man
ſie wieder anblaſen; Gedencke nicht auff den Augen-Dienſt der Leute/
nur die Augen und Ohren zu fuͤllen mit Stuͤck- und Flick-Werck/ wie
Hieronymus von ſolchen Leuten klaget/ daß geweſen ſeyen die ihnen nicht
haben laſſen angelegen ſeyn/ wie ſie das Marck/ Kern/ Safft und Krafft
auß der Schrifft herauß ſaugen/ ſondern nur wie ſie dem Poͤbel die Oh-
ren mit allerhand lieblichen und wolklingenden Worten ohne Geiſt fuͤllen
moͤchten.
Das andere Stuͤck dieſer Lection heiſſet/ Redde,gibs wieder was
du empfangen/ mit Wucher und Danck! Gedenck von wem du es em-
pfangen haſt/ und warum? Dem Allerhoͤchſten zu Ehren/ dem Nechſten
zu Dienſt und Erbauung.
Von dem Ort/ da die Waſſer kommen/ da lauffen die Waſſer der Danckſagung
wieder hin/ damit ſie wieder herauß flieſſen. Wann dieſes Stroms Waſſer
anfahen wird ſtill zu ſtehen/ ſo wird es faul und ſtinckend werden: Hoͤret der
Danckſagung Lauff gantz auff/ und laufft nicht wieder zuruͤcke/ ſo wird nicht
allein nichts dem Vndanckbaren vermehret/ ſondern auch was er empfangen/
das wird ihm zum Verderben verkehret.
Daß einer dem andern diene/ ein jeglicher mit der Gabe/ die
er empfangen hat/ als die guten Haußhalter der mancherley
Gnaden Gottes/ nach der VermahnungPetri 1. Ep. 4, 10. und
das alles auß Liebe/ allen Rath GOttes offenbahren/ und wie du fuͤr GOtt
begehreſt zu beſtehen/ andere auch lehren. Wie geſagt/ alles auß Liebe/ nach
dem Exempel Pauli/ der ſagt: Wann ich mit Engels-Zungen
redete/ und haͤtte der Liebe nicht/ (das iſt/ wann die Liebe nicht das
Werck als eine Meiſterin fuͤhret/ und das geiſtliche Pfeiffenwerck richtet)
wann ich ſonſt gleich mit Menſchen- und Engels-Zungenæs Dodo-
næum
redete/ ſo waͤre ich ein thoͤnend Ertz/ und eine klingende Schel
le/ 1. Cor. 13, 1.
Das dritte Stuͤck dieſer Lection heiſſet/ Fuge.fliehe/ meide! diſ-
Z z 2ſeit
[364]Die achte
ſeit ſuperbiam die leidige Hoffart/ und Kunſt-Geſchwulſt/ den ſtincken-
den Gaben-Pracht: Dencke daß nichts von dir komme als Suͤnde/ von
GOtt aber komme alles was du haſt; Jenſeit Invidiam, den gifftigen
Neid/ mißgoͤnne deinem Nechſten ſeine hoͤhere Gaben nicht/ druͤcke ſie
nicht durch ungleiche unzeitige Urtheil/ daͤmpffe die Geiſter nicht/ der
Teuffel iſt ohne das guten Gaben feind/ ſie ſind ihm ein Dorn in den Au-
gen/ und ſind ſonderbar begabte Maͤnner duͤnne geſaͤet; Sprich vielmehr
mit Moſe: Wolte GOtt daß alle das Volck des Herrn weiſſaget!
Num. 11, 29. Fuge abuſum, huͤte dich vor dem ſchnoͤden Mißbrauch/
und Verunehrung deiner verliehenen Gaben/ welcher geſchicht/ wann
Prediger uͤbel leben und wol predigen/ ſo unterweiſen ſie Chriſtum/ wie er
einen der uͤbel lebet/ ſtraffen ſolle; Da muß man mit Verwunderung ſa-
gen: Jſt Saul auch unter den Propheten/ von dem der Geiſt Gottes ge-
wichen? 1. Sam. 19, 24.
Dieſe Lection gehet aber auch das gemeine Volck und Zuhoͤrer an/
die ſich in Betrachtung bißher geſchehenen Vortrags ſollen anfriſten laſſen
1. Zur gratulation, daß ſie ſich freuen/ allweil ſie die Gaben noch ſehen/
allweil ſie die Strahlen der Gnaden-Sonn noch ſpuͤren/ GOtt hertzlich
dancken. So lange dieſes palladium ſtehet/ ſo lang ſtehet die Chriſtli-
che Kirche.
2. Zur æſtimation, daß ſie ſolche Gaben nicht ſollen gering ſchaͤ-
tzen und halten/ nicht conculciren und verachten/ welche als Guͤter ex
Urania von dem Orient und Außgang auß der Hoͤhe herkommen/ alles
1. Reg. 9, 28.Ophiriſche Gold/ das Salomon abholen laſſen/ alle cantica terræ (*)
(*) vid.
Malvend.
l. 4. de An-
tichr. cap.
32.und Jndianiſche Schaͤtze weit uͤbertreffen. Eine ſchwere Suͤnde iſt es/
das Brod mit Fuͤſſen tretten/ noch ſchwerer die Gaben des H. Geiſtes
ſchaͤnden/ oder ab denſelben eckeln; Wer Brod mit Fuͤſſen tritt/ iſt keines
Biſſen Brodes werth/ was iſt dann der jenige werth/ der die himmliſchen
Gaben des H. Geiſtes verachtet? Wiewol auch in dieſer Schaͤtzung
1. Cor. 1, 12.Maaß zu halten/ die Gaben von den Perſonen/ die Kleinodien von den
Kaͤſtlein wol zu unterſcheiden/ nicht wie die zu Corintho gethan/ um der
Gaben willen die Perſonen vergoͤttern/ die πϱοσωϖοθαυμασία gebaͤret gar
bald die πϱοσωϖολατϱείαν, iſt lauter Greuel fuͤr Gott.
3. Zur conſervation, daß ſie ſolchen Schatz ſollen helffen erhal-
ten/ durch milde Stifftungen der Nothdurfft unter die Arm greiffen/ das
Gaben-Liecht nicht laſſen verloͤſchen/ durch Geitz und allerhand Politiſche
widrige Winde. Moſes muſte vor Zeiten wehren Exod. 36, 6. da es ſo
weit kommen/ das nicht nur die Maͤnner ihre beſte Kleinodien/ ſondern
auch
[365]Predigt.
auch die Weiber ihre außpolirte Pracht-Spiegel/ zum Schmuck des Hei-
ligthums/ der Stiffts-Huͤtten und Gottesdienſt haͤuffig beygetragen/ da-
mit ſie der Sachen nur zuviel thaten. Aber ſo fern iſt man heutiges Ta-
ges noch nicht entgroͤbet. Surdo fabula, es iſt doch eben/ als wann man
einem Tauben ein Maͤhrlein erzehlete/ man machet ein Gelaͤchter darauß:
Jſt hoͤchſt zubeſorgen/ es werde auff die groſſe Wolfeile/ groſſe Theurung/
gleichwie auff die ſieben gute Jahr in Egypten ſieben magere Jahr/ er-
folgen.
4. Ad ζήλωσιν meliorum donorum,zur eyffrigen Begierd
hoͤherer/ und GOTT wolgefaͤlligen heiligmachenden Ga-
ben: Ampts-Gaben gefallen Gott nicht abſolutè und bloßhin wol/ er
hat kein Gefallen an der Staͤrcke des Roſſes Pſal. 147, 10. Es koͤnnen
auch durch Goͤttliches Anleuchten die Bileami/ die Saules/ die Caiphaͤ
weiſſagen mit dem Munde/ im Hertzen einen Schalck verbergen; Gleich
den Schwanen von weiſſen Federn und ſchwartzer Haut/ uͤber welche Ge-
ſellen St. Judas in ſeiner Epiſtel das Wehe außgeſchryen: Sind ſie
gleich in der gantzen Welt bekannt und beruͤhmt/ ſo wird ſie doch der Herr
nicht kennen an jenem groſſen Gerichts-Tage. Dannenhero St. Pau-
lus/ als er einen gantzen catalogum der Ampts-Gaben voll geſchrieben/
zu Ende des 12. cap. der erſten Epiſt. an die Cor. ſchreibet: Jch wil euch
noch einen koͤſtlichen Weg zeigen/ ſtrebet nach der Liebe/ daß nem-
lich eure Weißheit bruͤnſtig ſey in der Liebe/ nach dem Eifer der Gottes-
furcht. Die Sprache aller Sprachen iſt/ daß wir anderer Sprachen
uns gern begeben/ und einig und allein dieſe lernen/ daß wir von gantzem
Hertzen ſprechen koͤñen: Abba lieber Vater! Wer dieſe Sprache kan/Rom. 8, 15.
der uͤbertrifft den Koͤnig Mithridatem/ welcher zwey und zwantzig Voͤlcker
unter ſich gehabt/ und mit einem jeglichen in ſeiner eigenen Sprache reden
koͤnnen: Aber die Sprache eines Chriſtglaubigen Hertzen hat er nicht ver-
ſtanden/ er hat nicht zu Gott ſagen koͤnnen/ Abba lieber Vater. GOtt
ſeye Danck/ daß wirs verſtehen/ und ſagen koͤnnen/ Ja Abba lieber Vater!
Wir ſchlieſſen mit Luthero/ (*) und ſprechen: Lieber Herꝛ Chri-(*) tom. 4.
Jn Vorred
uͤber Za-
char.
ſte/ gib uns deinen Geiſt und Gaben/ nicht zu unſerm Ruhm/
ſondern zu Nutz und Beſſerung der Chriſtenheit/ auff daß es
gleich und recht außgetheilet werde: Nemlich uns Schande
und Scham fuͤr unſere Suͤnde und Untugend/ Dir aber
Lob und Ehre/ Liebe und Danck/ fuͤr Deine unauß-
ſprechliche Gnade und Gaben in Ewigkeit/
AMEN.
DEm L. Luthero gehet es nach ſeinem Tode faſt
wie Moſi/ uͤber deſſen Leichnam der Laͤſter-Teuffel mit
dem Ertz-Engel Michael gezancket/ diſputiret/ wider ſei-
ne Laͤſterungen/ welche er wider ihn den theuren Mann
Moſen/ als einen entloffenen Buben und Moͤrder auß-
gegoſſen/ vindicirt, und ſeinen guten Namen gerettet:
So ſchilt/ ſo leugt/ ſo laͤſtert im Pabſtthum auff allen
Cantzeln/ in allen Schrifften/ wer nur reden und ſchreiben kan; Sonder-
lich iſt der Locus Communis, und gemeine Sag-Maͤhr im Pabſtthum/
von Lutheri und der Lutheriſchen Prædicanten unrechtmaͤſſigem Beruff/
welche ſie als unberuffene Woͤlffe außſchreyen/ und all ihr Kirchen-Ampt
vernichten.
Synodus Tridentina c. 4. de Sacram. Ord. decernit: In ordinatione Epiſco-
porum, Sacerdotum, \& cæterorum ordinum, nec populi, nec cujuſvis ſecula-
ris poteſtatis, \& Magiſtratus conſenſum, ſive vocationem, ſive authoritatem ita
requiri, ut ſine eâ irrita ſit ordinatio: quin potius decernit, eos, qui tantum-
modo à populo, aut ſeculari poteſtate, ac Magiſtratu vocati, \& inſtituti ad hæc
miniſteria exercenda adſcendunt, \&, qui eâ propria temeritate ſibi ſumunt,
omnes non Eccleſiæ miniſtros, ſed fures \& latrones, per oſtium non ingreſſos
habendos eſſe. Laurentius Forerus Lojol. in Manual. Luth. pag. 589. ſcribit: Cum
cœnam ſuam diſtribuunt (Lutherani,) non niſi panem \& vinum populo diſtribu-
unt, ſine ullo vero ſacramento: In pœnitentia non magis à peccatis abſolvunt,
quam ſi pſittacus illa abſolutionis verba pronunciaret, das iſt/ wann die Luthe-
raner/ oder Lutheriſche Prædicanten das H. Abendmal reichen oder außtheilen/
ſo theilen ſie dem Volck anders nichts mit/ dann Brod und Wein/ ohne einiges
wahres Sacrament. Jn der Buß oder Beicht abſolviren ſie ein Beicht-Kind
nicht mehr von ſeinen Suͤnden/ als wann ein Papagey oder Sittichlin die Wort
der Abſolution nachgeſprochen haͤtte.
Alſo iſt hie der Warheit zu ſteur/ und zum Unterricht der Einfaͤlti-
gen/ auch zur Gegenwehr der widrigen unverſchamten und verlogenen
Aufflage/ mit gutem ſatten Grunde zu begegnen/ dieſen Anhang beyzufuͤ-
gen fuͤr noͤthig erachtet worden.
Daß I. zuforderſt D. Martin Luther den innerlichen Beruff undvide vindi-
cias dono-
rum Luth.
in Aleth.
Victr. pag.
159 ſeqq.
Lutherus
contra A-
riel. h. e.
leonem, vi-
de tom. 3.
lat. p. 343.
conf. col-
lationem
cum Abra-
hami voca-
tione, ge-
ſtis, factis
ib. p. 376.
cum Sim-
ſone tom.
12. Witteb.
p. 268.
(*) tom. 2.
Jen. p. 455.
(†) Tom. 4.
Jenenſ. p.
540.
Salbung herꝛlich und anſehnlich gehabt/ davon zeugen 1. die hohe Heroi-
ſche Gaben/ damit ihn der Geiſt GOttes außgeruͤſtet/ ςόμα κ [...] σοφία,
Weißheit/ Mund/ Muth/ ſampt dem guten und heiligen Trieb deß
H. Geiſtes/ der ihn angezogen 2. Chron. 24, 20. gereitzet und geleitet
Actor. 16, 6. die weil/ ſind ſeine eigene Wort/ (*) mir GOTT den
Mund auffgethan hat/ und mich heiſſen reden/ dazu ſo kraͤff-
tiglich bey mir ſteht/ und mein Sache ohn meinen Rath und
That ſo viel ſtaͤrcker machet/ und weiter außbreitet/ ſo viel ſie
mehr toben/ und ſich gleich ſtellet als lache und ſpotte Er ihres
Tobens/ wie der ander Pſalm ſaget. An welchem allein
mercken mag/ der nicht verſtockt iſt/ daß dieſe Sache muß
Gottes eigen ſeyn/ ſintemal ſich die Art Goͤttliches Worts
und Wercks hie eignet/ welches allezeit dann am meiſten zu-
nimmet/ wann mans auffs hoͤchſte verfolget/ und daͤmpffen
wil. Darum wil ich reden (wie Eſaias ſaget) und nicht
ſchweigen/ weil ich lebe/ biß daß Chriſtus Gerechtigkeit auff-
breche wie ein Glantz/ und ſeine heylwertige Gnade wie eine
Lampe angezuͤndet werde. Du weiſt/ ſagt er abermal an einem
andern Ort/ (†) O GOtt/ daß ich mich ſelbſt zu ſolchem Ampt
und Werck/ wider den Pabſt und meine Feinde/ nicht einge-
drungen/ noch daſſelbige geſucht habe/ ſondern Du haſt mich
hinein bracht/ uͤber und wider meine Gedancken und Wiſſen/
durch ihr unruhiges Toben und blutduͤrſtiges Wuͤten.
Den Vnterſcheid-unter dem innerlichen und aͤuſſerlichen Beruff/ lehret
D. Luther an Chriſti Exempel Tom. 2. Iſleb. p. 407. da Chriſtus (ehe Er in ſein
Ampt trat/ anfieng zu predigen und Wunderzeichen zu thun) ſich vorhin von Jo-
hanne taͤuffen ließ/ darum muſte Johann der Taͤuffer fuͤr dem Herꝛn Chriſto her-
gehen/ daß Er nicht allein einen inwendigen heimlichen Beruff ſeines Ampts/
dazu er verſehen war/ ehe der Welt Grund gelegt iſt/ ſondern auch einen oͤffent-
lichen ſichtbaren Beruff haͤtte/ nemlich/ da ſich die Goͤttliche Majeſtaͤt offenba-
ret/ am Jordan uͤber ſeiner Tauffe: der ewige Vater gibt ſich zuerkennen durch
ſeine Stimme/ da Er ſpricht/ diß iſt mein lieber Sohn; So ſtehet der Sohn im
Waſſer; und der H. Geiſt faͤhret hernieder auff Jhn/ in leiblicher Geſtalt wie
eine Taube.
Den aͤuſſerlichen Beruff betreffend/ geſtehet Lutherus ſelbſt/ daß er kein
unmittelbahren Beruff gehabt. Jch habe noch nie/ ſchreibt er/ (*)(*) Tom. 2.
Jen. p. 444.
geprediget noch predigen wollen/ wo ich nicht durch Men-
ſchen bin gebeten und beruffen/ der ich mich nicht beruhmen
kan/ daß mich GOtt ohne Mittel vom Him̃el geſandt haͤtte.
Dar-
[368]APPENDIX.
Darum er auch nicht Noth gehabt/ aͤuſſerliche Wunder zu thun/
Wiewol es Wunders genug geweſt/ daß er der einige verachtete Moͤnch
dem Pabſt (der damals mundi ſtupor \& Regum terror, der Welt Wunder/ und
der Koͤnige Schrecken geweſen/ und mit ſeinem Bann Teuffel und Menſchen
bannen wollen/ auch es dahin brachte/ daß ihm niemand nichts einreden doͤrf-
fen/ wann er ſchon viel tauſend Seelen mit ſich zur Hoͤlliſchen Verdamnuͤß fuͤh-
ret/ nicht zu ihm ſagen: Papa quid facis? Pabſt/ was machſt du?) friſch unter
Augen getretten mit Schrifften/ den rechten Hertz-Puff geben/ und ſein Reich
zu gutem Theil mit ſeinem Feder-Stab zerſtoͤret. Jſt das nicht ein Moſaiſch
Zeichen und Wunder? daß er ſo viel maͤchtige Pharaones/ widerwaͤrtige Fein-
de gehabt/ die ihm heimlich und offentlich nach Leib und Leben geſtanden/ und er
doch biß an ſein ſeliges Ende vor ihnen verwahret blieben. Jſt das nicht ein
Moſaiſch Zeichen und Wunder? daß er das Werck der Reformation/ der ſo ge-
nannten Roͤmiſchen Kirchen/ mit Heroiſchem Helden-Muth angefangen/ und
gluͤcklich außgefuͤhret. Jſt das nicht ein Moſaiſch Zeichen und Wunder? daß er
das Evangelium auß dem Paͤbſtiſchen Finſternuͤß hell und klar herfuͤr gebracht/
viel Land und Leut dadurch auß der Paͤbſtiſchen Roͤmiſchen/ Leibes- und Gewiſ-
ſens-Dienſtbarkeit/ mit außgeſtrecktem Arm gefuͤhret/ und viel tauſend Seelen/
wider ſo vielfaͤltige Verfolgung/ wuͤtige und blutige Tyranney/ ſo viel grauſa-
mer Koͤnigen/ Monarchen/ Fuͤrſten und Gewaltigen/ zur ewigen Seligkeit er-
halten. Das waren viel groͤſſere Zeichen und Wunder/ als der Papiſten ertich-
tete Fabel-Wunder/ kindiſche Narren-Wunder/ Zauberiſche Geſpenſt-Wunder/
ins gemein Abgoͤttiſche Goͤtzen-Wunder. confer D. Olear. von der wunderlichen
Guͤte GOTTES lib 6. pag. 296. ſqq.
Lutherus ſchreibet von Unnothwendigkeit der Wunder Tom. 7.
Jenenſ. p. 206. f. 2. alſo: Nun die Apoſtel das Wort gepredigt/
und ihre Schrifft gegeben/ und nichts mehr zu offenbahren
iſt/ dañ was ſie geſchrieben haben/ darff Er (der H. Geiſt) kein
ſonderliche neue Offenbarung noch Miracul. Weil wir
nun die Weiſſagung vom letſten Regiment des Antichriſts
gewiß haben/ und bißher alſo ergehet (welches iſt ein gewiß
Zeichen der rechten Lehre) ſo iſt nun nicht mehr Noth/
Wunderwerck zu thun/ ſolche Lehre zu beſtaͤtigen: Dann
die-
[369]APPENDIX.
dieſelbigen ſind erſtlich darum gegeben/ daß durch ſolche mit-
folgende Zeichen (wie St. Marcus am letſten ſagt) die neue
Predigt der Apoſteln beſtaͤtigt wuͤrde. Wir aber haben dieſe
Predigt nicht neu gemacht/ ſondern eben dieſelbe alte beſtaͤ-
tigte Lehre wieder herfuͤr bracht/ wie wir auch kein neue
Tauffe/ Sacrament/ Vater Unſer/ Glauben gemacht/ ja
nichts neues in der Chriſtenheit wiſſen/ noch haben wollen/
ſondern allein ob dem alten (ſo Chriſtus und die Apoſteln hin-
ter ſich gelaſſen/ und uns gegeben) ſtreiten und halten. Aber
das haben wir gethan/ da wir ſolches alles gefunden/ durch
den Pabſt mit ſeiner Menſchen-Lehre/ verdunckelt/ ja mit
dickem Staube und Spinnweben/ und allerley Unziefers
Geſchmeiß behengt/ dazu in Koth geworffen und vertretten/
haben wir es/ durch GOttes Gnade/ wieder herfuͤr gezogen/
von ſolchem Geſchmeiß gereiniget/ den Staub abgewiſchet/
gefeget und ans Liecht bracht/ daß es wieder rein glaͤntzet/
und jederman ſehen kan/ was das Evangelium/ Tauffe/ Sa-
crament/ Schlůſſel/ Gebet und alles ſeye/ was uns Chriſtus
gegeben hat/ und wie man das ſeliglich brauchen ſoll. Zu ſol-
chem darff man keiner neuen Zeichen und Wunder/ weil es
am Anfang beſtaͤtigt/ jetzt aber wieder leuchtet und ſcheinet.
Wo aber eine neue Lehre auffgebracht wuͤrde (als des Maho-
mets geweſt) die ſoll man durch Zeichen und Wunder beſtaͤti-
gen (wieDeut. 18. gebotten iſt) und zwar das Pabſtthum und
ſeine Moͤncherey/ alſo beſtaͤtiget ſind/ aber durch den Teuffel/
wie St. Paulus zuvor von dem Antichriſt geweiſſaget hat
2. Theſſ. 2. daß GOtt ihnen ſchicken wird kraͤfftige Jrꝛthum/
und ſolche Prediger/ die da mit Wunder und Zeichen kom-
men (die doch des Teuffels Luͤgen geweſt ſind) und wie Chri-
ſtus ſelbſt ſagt/ ſolche Wunder und Zeichen geben/ dadurch
auch die Außerwaͤhlten (wo es moͤglich waͤre) moͤchten ver-
fuͤhret werden; Wie die geweſen ſind/ damit die Seelmeſſen/
Fegfeur/ Wallfahrten/ und Heiligen-Abgoͤtterey beſtaͤtiget
ſind/ das war eine neue Lehre (aber wider das Evangelium
Chriſti) darum muſte der Teuffel auch ſtarck ſeyn mit ſeinen
Zeichen/ das Evangelium zu unterdruͤcken/ und [...]ſolche ſeine
Luͤgen zu erhalten. Aber hiewider haben uns beyde/ Chri-
ſtus und die Apoſtel treulich gewarnet/ und zuvor geweiſſa-
Achter Theil. A a aget/
[370]APPENDIX.
get/ daß wir uns ſolches nicht ſolten aͤrgern laſſen/ und kei-
nen Wunderzeichen glauben/ noch annehmen/ wider dieſe
Lehre/ wann auch ein Engel vom Himmel ſolche Lehre und
Wunder ſichtiglich braͤchte. Alſo hat GOtt auch im Alten
Teſtament ernſtlich verbotten/ daß man keinen Propheten
ſolte hoͤren noch annehmen/ wie die Lehre/ die Er ihnen durch
Moſen gegebenDeuter. 12. Wann ein Prophet oder Traͤu-
mer (ſpricht Er) unter euch wird auffſtehen/ und gibt dir ein
Zeichen oder Wunder ꝛc.Hactenus Lutherus.
Aber von dem mittelbaren Beruff zeuget die ſehnliche Begierde der
aͤuſſerſt-beſchwerten Teutſchen Nation/ (deren gravamina am Tag lie-
gen) darunter ſie geruffen nach Huͤlffe/ nach Troſt/ nach Gewiſſens-Ruhe/
und wuͤrcklich geſagt mit jenem Macedoniſchen Mann: Komm hier-
auff und hilff unsAct. 16. Da konte nun die innerliche Liebes-Flam̃e
nicht feyren/ der Beruff der Chriſtlichen Liebe hat Lutherum gezwungen/
die von GOtt verliehene Gaben zu brauchen/ und mitzutheilen/ fuͤr GOtt
und ſeine Ehre zu eyffern/ nicht zugeben/ nicht ſchweigen/ wann der Name
GOttes gelaͤſtert wird Rom. 2/ 24. 1. Tim. 5/ 22. ſich fuͤrzuſehen und zu
warnen fuͤr den falſchen Propheten. Wann in einer Stadt eine Brunſt
außgehet/ lehret jederman die Chriſtliche Liebe Waſſer zu zutragen und zu
loͤſchen. Nun ſtunde zu Lutheri Zeiten Europa in einer geiſtlichen
Brunſt/ ja in Gefahr der ewigen hoͤlliſchen Brunſt: Lutherus hats mit
erleuchteten Augen geſehen/ Feuriò geſchryen/ und ſo viel an ihm Waſſer
zugetragen zum loͤſchen/ was hat er Unrechts hieran gethan? Als vor
Zeiten die canes Capitolini oder Wachthunde in dem Capitolio zu Rom/
da die feindſeligen Frantzoſen eingefallen/ geſchlaffen/ haben die Gaͤnſe
(ſo zur Stadt- und Tempel-Wacht nicht beſtellet geweſen) angefangen zu
ſchnadern/ und den Feind verrathen. Was hat dann Johann Huß die
Boͤhmiſche Ganß/ und Luther der Saͤchſiſche Schwan uͤbels gethan/ daß
da Biſchoͤffe und Seelen-Waͤchter ſchlaffende Hunde worden/ ſie auß
Liebe und Treu den Feind angemeldet und zu erkennen geben? Wann in
einer Stadt alle geſchworne und ordentlich beruffene Aertzte Zauberer wor-
den und Gifft-Moͤrder/ die an ſtatt heilſamer Artzney den armen Leuten
Gifft beybraͤchten/ es kaͤme aber uͤberzwerchfelds daher ein getreuer/ gewiſ-
ſenhaffter/ wiewol von gemeldter Stadt unberuffener Artzt/ der des Jam-
mers und Betrugs gewahr worden/ wuͤrde ihn auch jemand verdencken/
wann er die unſelige Leute warnete? Die Chriſtliche Liebe wuͤrde ihn da-
zu dringen. Nun iſt Lutherus auch gewahr worden des Seelen-Giffts/ da-
mit
[371]APPENDIX.
die armen Leute in der Chriſtenheit angeſtecket worden/ wie hat er dazu ſtill
ſchweigen koͤnnen/ ob er gleich kein Ordnungs-Beruff nicht gehabt hatte?
Lieb- und Noth-Beruff geht uͤber alle Ordnung. Gleichwie es nicht fol-
get/ wer durch einen ordentlichen Beruff in den Schaafſtall einſchleicht/
der iſt kein Wolff; Alſo folgt es auch nicht/ wer nicht durch den ordentli-
chen Beruff eingeht/ der iſt darum ein Wolff: Dort kan es geſchehen/ daß
ein Wolff den andern zur gemeinen Beute locket und einladet; hie daß
ein unberuffener Mann/ wann er hoͤret die Woͤlffe heulen und moͤrden/
hinzu lauffet/ und ſo viel an ihm den reiſſenden Woͤlffen ſteuret und weh-
ret. Hatte alſo an dem gemeinen Liebes-Beruff Lutherus genug gehabt.
Wann ein fremder Hirt eine Heerde Schaafe ſihet zerſtrenet in der Jrre
gehen/ ſo ſagt ihm abermal ſein eigen Hertz auß Gottes Wort/ den irren-
den Eſel (warum nicht auch Schaaf?) wiederum auff den rechten Weg
zu leiten. Wo nicht (ſchreibet er Tom. 1. Jen. p. 557.) auff hoͤren iſt
GOtt zu ſchaͤnden/ und ſeine Warheit zu unehren/ bin ich
und alle Chriſten ſchuldig/ an GOttes Ehr zu halten/ ob
gleich alle Welt/ ich ſchweige ein armer Menſch/ ein Cardi-
nal/ darob muͤſte zu ſchanden werden.
Doch hat es auch am aͤuſſerlichen Beruff nicht gemangelt/ als da ge-
weſen der wuͤrckliche Beruff zum Presbyterat oder Predigampt A. 1507.
nach Erheiſchung deſſen war er ſchuldig/ daß er ſolle lehren die Gemei-Mat. 28. 20.
ne halten/ was Chriſtus befohlen/ daß er die Heerde Chriſti
weiden/ und den Widerſprechern das Maul ſtopffen ſoll.1. Pet. 5, 2.
Tit. 1, 9. 11.
Zum Doctorat oder oͤffentlichen Schul-Lehr-Ampt A. 1512. in Antritt
deſſen er ſich eydlich verbunden/ daß er keine fremde aͤrgerliche verdammte
Lehre fuͤhren/ ſondern dieſelbige anmelden wolle. Worauff er ſich aber-
mal beruffen Tom. 1. Jen. p. 57. Daher heiligſter Vater/ iſt auff-
gangen ein ſolch groß Feur/ daß davon die gantze Welt/ wie
ſie ſchreyen und klagen/ entbrannt iſt/ vielleicht darum/ daß
ſie mir/ der ich doch ja auch durch E. H. Apoſtoliſche Authori-
taͤt/ ein Magiſter Theologiaͤ bin/ allein nicht gonnen/ die
Gewalt/ Recht und Freyheit zu haben/ in einer freyen oͤffent-
lichen Univerſitaͤt/ oder hohen Schule/ nach Weiſe und Ge-
wonheit aller Univerſitaͤten/ und der gantzen Chriſtenheit zu
diſputiren/ nicht allein vom Ablaß/ ſondern von viel hoͤ-
hern und groͤſſern Articulen/ nemlich/ von Goͤttlicher Ge-
walt/ Vergebung und Barmhertzigkeit: doch wie michs
nicht ſtoͤßt/ daß ſie mir ſolche Gerechtigkeit nicht goͤnnen/
A a a 2welche
[372]APPENDIX.
welche ich von E. H. Gewalt empfangen habe/ ſo ich doch ih-
nen muß goͤnnen/ wiewol ungerne/ viel groͤſſere Dinge/
nemlich daß ſie des Ariſtotelis Traͤume mitten unter die
Theologiamengen/ und eitel Luͤgen von Goͤttlicher Majeſtaͤt/
in ihren Diſputationen fuͤrbringen/ auſſer und wider die Ge-
walt/ von ihrer Heiligkeit gegeben.
Sprichſt du/ Lutherus hat beyneben auch geſchworen/ der Roͤmiſchen
Kirchen Gehorſam zu leiſten? Antwort: Jn billigen Schrifftmaͤſſi-
gen Dingen; Sonſt heißts man muß GOtt mehr gehorchen als
den Menſchen/in malè promiſſis reſcinde fidem. Wie? hat doch
D. Luther ſeinen Doctorat ſelbſt veracht/ fuͤr keinen Goͤttlichen Beruff/
ſondern fuͤr eine Cron der Hoͤlliſchen Heuſchrecken gehalten/ und daher/
da ihn der Pabſt in Bann/ der Kayſer in die Acht erklaͤrt/ und ihn alſo ex-
auctorirt und den Doctorat genommen/ weniger erſchrocken/ als wann
einem Eſel der Sack entfaͤllt Tom. 2. Jen. p. 106. Antwort/ der Do-
ctorat (gleichwie auch der Beruff) iſt zweyerley/ ein innerlicher/ ſo ge-
ſchicht durch die Salbung des H. Geiſtes/ davon Chriſtus redet Joh. 6/ 45.
und ein aͤuſſerlicher/ ſo von Kayſers oder Pabſts auctoritaͤt und Privile-
gien herruͤhren: jenen verachtet er nicht/ und kunt ihm auch derſelb durch
keine aͤuſſerliche Gewalt genommen werden; Dieſen aber/ ſo fern er vom
Pabſt herruͤhret/ als ein character beſtiæ, hat er billich ſo hoch nicht ge-
acht/ noch uͤber deſſen Verluſt ſich gekraͤncket. Nichtig iſt/ was Beſol-
dus (*) eingeſtreuet/ daß etliche ſich des Beruffs oderOrdination,ſo
D. Luther von den Catholiſchen zuvor empfangen/ bedienen;
Oder daßZvvinglius, Oecolampadius, Bucerus,auch andere/
von der Catholiſchen Kirchen abtruͤnnige/ und vermeynte
erſte Apoſtel dieſes neuen Evangelii/ recht geweihte Prieſter
geweſen/ vorgeben wollen. Aber ſolches iſt faſt laͤcherlich
zu vernehmen/ und eben eine ſolche Sache/ als wann ein
Amptmann ſeinem Herꝛn meineydig entloffen/ und alles
was er nur gekoͤnt/ Diebiſcher Weiſe mit hinweg genom-
men: Doch einen Weg als den andern/ jenigen Gewalt/
den er zuvor gehabt/ auch wider den Herꝛn ſelbſt gebrauchen
wolte. Neben deme der Luther und ſeines gleichen/ ob ſie
wol zuvor rechte Prieſter geweſt/ undpropter characterem in-
delebilemverblieben/ doch keine andereordiniren moͤgen/ auch
ſolche Macht von der Catholiſchen Kirchen niemal erhalten:
dann ſelbige allein (wie kundbar) den Biſchoffen gebuͤhrt.
So
[373]APPENDIX.
So hat auch der Luther die CatholiſcheOrdinationund Prie-
ſter-Weihe/ gar fuͤr nichts gehalten/ und auff das aͤuſſerſte
verachtet: Darum ſeltzam zu hoͤren/ daß die ſeinige ſich ſol-
cher behelffen wollen. Antwort/ kein Pabſt/ Biſchoff oder Præ-
lat iſt Luthers Herꝛ geweſt/ oder Luther derſelben Knecht; Sondern ſie
ſind und ſollen ſeyn Amptleute des groſſen Ertz-Hirten Chriſti/ deſſen die
Schaafe eigen ſind. Wer iſt Paulus? Wer iſt Apollo? Die-
ner ſind ſie/ durch welche ihr ſeyd glaubig worden/ und daſſel-
bige wie der HErꝛ einem jeglichen gegeben hat; Jch habe ge-
pflantzet/ Apollo hat begoſſen/ aber GOtt hat das Gedeyen
gegeben; So iſt nun weder der da pflantzt/ noch der da be-
geußt/ etwas/ ſondern GOtt/ der das Gedeyen gibt/ der aber
pflantzet/ und der da begeuſſet/ iſt einer wie der ander/ ſagt Paulus
1. Corinth. 3/ 5. ſqq. und cap. 4/ 1. Dafuͤr halte uns jederman/ nem-
lich fuͤr Chriſtus Diener und Haußhalter uͤber Gottes Ge-
heimnuͤß. Und Petrus 1. Ep. 5/ 1. ſqq. ſchreibt: Die Elteſten/ ſo
unter euch ſeynd/ ermahne ich der Mit-Elteſte und Zeuge der
Leiden/ die in Chriſto ſind/ und theilhafftig der Herꝛligkeit/
die offenbahret werden ſoll/ weidet die Heerde Chriſti/ ſo euch
befohlen iſt/ nicht als die uͤbers Volck herꝛſchen/ ſondern wer-
det Vorbilde der Heerde. Hat nun Lutherus dem Eigenthums-
HErꝛn Chriſto abgetragen/ und ſich ihm widerſetzt/ ſo mag er ein meiney-
diger transfuga ſeyn: Aber wie viel Waſſers wird den Rhein hinab lauf-
fen/ biß die Gegener ſolches werden auff ihn bringen? Hat er aber (wie
wahr) den untreuen ungerechten Roͤmiſchen Haußhalter verrathen/ und
ſich demſelbigen widerſetzt/ mit der Gewalt die ihm Chriſtus gegeben/ ſo
wird kein vernuͤnfftiger Menſch ihn deßwegen verdencken koͤnnen. Daß
kein (vermeynt) abgefallener Prieſter ordiniren koͤnne/ iſt ein unerwieſen
Poſtulat/ das widrige hat D. Hülſeman. in Tract. de miniſtr. ordin.
erhaͤrtet. Luther hat zwar veracht/ die Paͤbſtiſche Meß-Prieſter-Weihe/
nicht aber die Goͤttliche Pfarꝛ-Ordination durch Wort und Gebet/ ſo in
und unter dem Pabſtum zwar geſchehen/ aber auß Gott/ was die ſub-
ſtantz und das Weſen des Beruffs anlangt/ der auch dieſes gute unter
den boͤſen erhalten: gleichwie die Beſchneidung und Einweihung zum
Prieſterthum/ unter dem abtruͤnnigen Ehebrecheriſchen Juͤdenthum/ als
ein Werck GOttes geblieben.
Sprichſtu? Der jenige Biſchoff/ welcher D. Lutherum beruffen
und ordiniret hat/ iſt entweder ein Wolff geweſen/ oder ein rechter Hirte:
A a a 3Jſts
[374]APPENDIX.
Jſts ein rechter Hirte geweſen/ ſo iſt Lutherus ein Wolff worden/ in dem
er von dieſem rechten Hirten iſt abgefallen: Jſts aber ein Wolff geweſen/
der ſelbſt nicht recht beruffen/ ſo hat er Lutherum auch nicht recht koͤnnen
beruffen und ordiniren. Antwort: Beydes Hirt und Wolff/ gleich-
ſam Lycanthropus, ein Woͤlffiſcher Menſch! Ein Hirt war derſelbige
Ordinator nach der ſubſtantz ſeines Beruffs und Goͤttlichen intention;
Matt. 23, 2.
ſeqq.
Joh. 10, 1.
ſeqq.Ein Wolff wegen der obliquation und Mißbrauch. Gleichwie die
Phariſeer/ als ordentliche Hirten auff Moſes Stul geſeſſen/ und doch fuͤr
Woͤlffe und Moͤrder von Chriſto außgeſcholten worden. Daher Luthe-
rus von ſeinem Ordinatore als Hirten geordnet worden/ aber hat von
dem Wolff ſich geſchieden.
Sprichſt du? Hat Lutherus von der Roͤmiſchen Kirchen den
Gewalt/ oder das Schwerdt empfangen/ ſo hat er doch ſolche Gewalt von
ihr/ wider ſie zu brauchen/ nicht empfangen. Antwort: Wie jener
Kayſer Trajanus, Hoc pugione utere pro me, ſi rectè agam; contra,
ſi malè. Ein Waͤchter bekom̃t Befehl/ vom Rath einer Stadt/ ſeine
Wacht wol zu verſehen/ und fuͤr dem Feinde zu warnen; Wie? wann
aber der Rath ſelbſt mit Verraͤtherey umgienge/ ſolte er nicht die Buͤrger-
ſchafft wider den Rath ſelbſt warnen? Oder hat Thraſybulus unrecht
gethan/ daß er die Stadt Athen von der Tyranniſchen Obrigkeit befreyet?
Es iſt zwar eine ſchwere Anfechtung/ ſolcher Kirche ſich widerſetzen/ von
welcher man Wort und Macht empfangen; Aber was ſagt Lutherus
Tom. 7. Jen. pag. 179. f. 2.
Es iſt/ ſpricht er/ ein Argument/ das ihnen uͤber die Maß ſchwer zu
nehmen und außzureden iſt/ ja auch ſelbſt ſchwer wird auffzuloͤſen und zu
verlegen. Sonderlich ſo man ſo viel einraͤumen muß/ wie wir ihnen einraͤu-
men/ das wahr iſt/ im Pabſtum iſt Gottes Wort/ Apoſtel-Ampt/ und wir die
H. Schrifft/ Tauffe/ Sacrament und Predig-Stuhl/ von ihnen genommen ha-
ben/ was wuͤſten wir ſonſt davon? Darum muß auch der Glaube/ Chriſtliche
Kirche/ Chriſtus und der H Geiſt bey ihnen ſeyn/ was thue ich dann/ daß ich wi-
der ſolche/ als der Schuͤler wider ſeine Meiſter/ predige? Da ſtuͤrmen dann ſol-
che Gedancken ins Hertz/ nun ſehe ich/ daß ich unrecht habe/ O daß ichs nicht an-
gefangen/ und nie kein Wort gepredigt haͤtte! Dann wer darff ſich ſetzen wider
die Kirche? davon wir im Glauben bekennen: Jch glaube ein heilige/ Chriſtli-
che Gemeine ꝛc. Nun finde ich dieſelbige auch im Pabſtum; darum muß folgen/
ſo ich ſie verdamme/ ſo bin ich im hoͤchſten Bann/ verworffen und verdammt von
GOtt und allen Heiligen. Nun/ was ſoll man hie thun? ſchwer iſt es hie zu be-
ſtehen/ und wider ſolchen Bann zu predigen. Sollen wir aber uns ſolchs er-
ſchrecken laſſen/ und thun/ was ſie von uns haben wollen/ das iſt/ unſer Predigt/
ſo wir wiſſen/ daß ſie recht und Gottes Wort iſt/ widerruffen/ oder davon ab-
ſtehen/ ſo wuͤrde es uns gehen wie dem Propheten Jeremia/ und Gottes Wort in
uns
[375]APPENDIX.
uns einen Back-Ofen anzuͤnden/ davon das Hertz muͤſt zerſchmeltzen und ver-
brennen/ daß es kein Menſch ertragen koͤnte/ daß ich viel lieber wolte zehen mal
todt ſeyn/ dann ſolch Gewiſſen auff mir tragen/ dann ich doch deſſelben bald
ſterben muͤſte. Was iſt aber nun die Wehre/ und der Grund/ darauff wir moͤgen
beſtehen/ wider ſolch Ergernuͤß/ und unſern Trotz wider jene erhalten? Nichts
anders/ dann das Meiſterſtuͤck/ ſo St. Paulus gebraucht Roͤm. 9. und ſpricht/
es ſind nicht alle Abrahams Kinder/ die da von Abraham gebohren ſind; Es
ſind nicht alle Jſrael/ welche alſo heiſſen/ gleichwie man ſpricht/ es ſind nicht
alle Koͤche/ die da lange Meſſer tragen. Alſo ſind nicht alle die Kirche/ ſo den
Nahmen der Kirchen ruͤhmen und fuͤhren/ dann es iſt offt groſſer Vnterſcheid
unter dem Nahmen und Weſen. Alſo muͤſſen wir auch ſagen/ Jch glaube und
bin gewiß/ daß auch unter dem Pabſtum/ die Chriſtliche Kirche blieben iſt: Aber
dagegen weiß ich/ daß der groſſe Hauffe darunter/ ſo das Anſehen haben fuͤr al-
len/ die ſind es nicht/ als jetz und unſere Paͤbſte/ Cardinaͤl/ Biſchoͤffe/ ſind nicht
Gottes/ ſondern des Teuffels Apoſtel und Biſchoͤffe/ und ihr Volck nicht Gottes/
ſondern deß Teuffels Volck/ und doch etliche unter dem Hauffen ſind warhaffti-
ge Chriſten blieben/ ob ſie gleich auch mit in den Jrꝛthum gefuͤhret ſind (wie
Chriſtus zuvor geweiſſaget hat Matth. 24.) doch durch Gottes Gnade und Bey-
ſtand/ wunderbarlich erhalten. Darum gilts noch lange nicht/ daß ſie mit groſ-
ſem Pracht ruͤhmen und trotzen/ wir Pabſt/ Biſchoͤffe und was unter uns iſt/ ſind
die Chriſtliche Kirche/ dann wir ſind nach Chriſto genennet/ und ſind die Nach-
kommen und Erben der heiligen Apoſteln und Vaͤter/ darum thun wir auch billig
in Bann/ ſo ſich wider uns ſetzen/ und anders glauben oder lehren. Ja lieben
Herren den Namen goͤnnen wir euch wol/ aber laßt uns darnach ſehen/ ob ihr
auch der ſeyd und thut was ihr von euch ruͤhmet? Dann ſo heiſſen oder genen-
net werden/ und ſo ſeyn iſt zweyerley. Darum (ſag ich) muß man hie dieſen
Vnterſcheid halten und treiben/ auß St. Paulo/ daß nicht alle Gottes Volck/ oder
die Kirche ſind/ die alſo heiſſen. Bißher Lutherus.
Betreffend das groſſe hohe Werck der Reformation des Pabſtums/
und dazu gehoͤrigen Enderungen in der Kirchen/ ſo iſt daſſelbe Lutheri allein
eigen Werck nicht geweſen; Sondern Chriſtliche Obrigkeiten haben
auff ſeinen Rath/ den man auß ſeinen allenthalben außgeflogenen Schriff-
ten geſchoͤpffet/ und in Gottes Wort gegruͤndet befunden/ beſagtes edle
Werck mit groſſem Heldenmuth angegriffen/ und/ vermoͤg tragenden
Obrigkeitlichen Ampts/ ſo wol dazu befugt und berechtiget geweſen/ als
wol vorzeiten Joſias/ Hiskias und andere Chriſtliche Koͤnige und Kay-
ſer. Jſt nun dieſes Werck wol/ und alſo gerathen/ wie am Tag/ ſo iſt
ſolcher Succeß Goͤttlichem Gnadenreichen Segen zu zumeſſen geweſen.
Sprichſt du zu mir/ (ita ipſe Lutherus Tom. 5. Jen. pag. 76.) Wa-
rum lehreſt du mit deinen Buͤchern in aller Welt/ ſo du doch nur zu Wit-
tenberg Prediger biſt? Antwort: Jch habs nie gern gethan/ thue es
auch noch nicht gerne. Jch bin aber in ſolch Ampt erſtlich getrieben und
gezwungen/ da ich (ſagt er) Doctor der Heiligen Schrifft werden
muſte
[376]APPENDIX.
muſte ohn meinen Danck/ da fieng ich an als ein Doctor/
dazumal von Paͤbſtlichem und Kayſerlichem Befehl in ei-
ner gemeinen freyen Hohen Schulen/ wie einem Doctor
nach ſeinem geſchwornen Ampt gebuͤhret/ fuͤr aller Welt die
Schrifft außzulegen/ und jederman zu lehren/ habe auch al-
ſo/ nachdem ich in ſolch Weſen kommen bin/ muͤſſen drin-
nen bleiben/ kan auch noch nicht mit gutem Gewiſſen zuruͤck
oder ablaſſen/ ob mich gleich Pabſt und Kayſer druͤber ver-
banneten. Dann was ich habe angefangen als ein Doctor/
auß ihrem Befehl gemacht und beruffen/ muß ich warlich
biß an mein End bekennen/ und kan nun fort nicht ſchwei-
gen noch auffhoͤren/ wie ich wol gern wolt/ und auch wol ſo
muͤd und unluſtig bin/ uͤber die groſſe unleidliche Undanck-
barkeit der Leute. Wiewol/ wann ich ſchon kein ſolcher
Doctor waͤre/ ſo bin ich dennoch ein beruffener Prediger/
und habe die Meinen wol moͤgen mit Schrifften lehren.
Ob nun andere mehr ſolche meine Schrifften auch begehrt/
und mich darum gebeten haben/ bin ichs ſchuldig geweßt zu
thun/ dann ich mich nirgend damit ſelbſt eingedrungen/
und von niemand begehrt oder gebeten dieſelbigen zu leſen;
Gleichwie andere fromme Pfarꝛherꝛ und Prediger Buͤcher
ſchreiben/ und niemand wehren noch treiben zu leſen/ und
damit auch in aller Welt lehren/ und lauffen und ſchleichen
doch nicht/ wie dieſe loſe unberuffene Buben in frembde
Aempter ohn Wiſſen und Willen der Pfarꝛherꝛ/ ſondern
haben ein gewiß Ampt und Befehl/ der ſie treibet und zwin-
get. Und abermal ſchreibt erTom. Witteb. pag. 169. Jch
Doctor Martinus bin dazu beruffen und gezwungen/ daß
ich muſte Doctor werden ohne meinen Danck/ auß lauter
Gehorſam/ da habe ich das Doctor-Ampt muͤſſen anneh-
men/ und meiner allerliebſten Heiligen Schrifft ſchwoͤren
und geloben/ ſie treulich und lauter zu predigen und zu leh-
ren. Uber ſolchem Lehren iſt mir das Pabſtum in Weg ge-
fallen/ und hat mirs wollen wehren/ daruͤber iſts ihm auch
gangen/ wie fuͤr Augen/ und ſoll ihm noch immer aͤrger
gehen/ und ſollen ſich meiner nicht erwehren. Jch wil in
Gottes Nahmen und Beruff auff Loͤwen und Ottern gehen/
und den jungen Loͤwen und Drachen mit Fuͤſſen tretten/
und
[377]APPENDIX.
und das ſoll bey meinem Leben angefangen/ und nach mei-
nem Tode außgerichtet ſeyn. Sanct Johannes Huß hat
von mir geweiſſaget/ da er auß dem Gefaͤngnuͤß ins Boh-
merland ſchrieb: Sie werden jetzt eine Ganß braten (dann
Huß heiſt eine Ganß) aber uͤber hundert Jahr werden ſie ein
Schwanen ſingen hoͤen/ den ſollen ſie leyden/ da ſoll es auch
bey bleiben ob GOtt wil. Bißher Lutheri eigene Wort.
Fuͤrnemlich aber zeuget von Luthero der Geiſt der Weiſſagung/
von dem er legitimirt, auctorirt und bezeichnet worden/ und alſo durch
die rechte Thuͤr der H. Schrifft zum Schaaf-Stall eingegangen. Wo-
von zu andern Zeiten eine gantze Predigt/ auß dem 12. Cap. der Offenba-
rung Johann. abgelegt/ und hiemit dem Leſer zu gut in Druck verferti-
get worden.
Apocal. cap. 12. verſ. 1. ſeqq.
ES erſchien ein groß Zeichen im Himmel/ ein
Weib mit der Sonnen bekleidet/ und der
Mond unter ihren Fuͤſſen/ und auff ihrem
Haupt eine Crone von zwoͤlff Sternen: und ſie
war ſchwanger/ und ſchrey/ und war in Kindes-
Noͤthen/ und hatte groſſe Qual zur Geburt: und es
erſchien ein ander Zeichen im Himmel/ und ſihe ein
groſſer rother Drach/ der hatte ſieben Haͤupter/
und zehen Hoͤrner/ und auff ſeinen Haͤuptern ſieben
Achter Theil. B b bCro-
[378]APPENDIX.
Cronen/ und ſein Schwantz zog den dritten Theil
der Sternen/ und warff ſie auff die Erden: und
der Drach trat fuͤr das Weib/ die gebaͤhren ſolte/
auff daß/ wann ſie geboren hätte/ er ihr Kind fraͤſſe:
und ſie gebahr einen Sohn/ ein Knaͤblein/ der alle
Heyden ſolt weyden mit der eiſernen Ruthen/ und
ihr Kind ward entruckt zu Gott/ und ſeinem Stuhl.
Vnd das Weib entflohe in die Wuͤſten/ da ſie hat
einen Ort bereit von GOtt/ daß ſie daſelbſt er-
naͤhret wuͤrde/ tauſend zweyhundert und ſechzig
Tage.
GEliebte in Chriſto. Es iſt zwar ein uhralter
verjaͤhrter Gebrauch/ (oder vielmehr Mißbrauch)
Sitt- und gewoͤhnliches Herkommen/ daß man auff
dieſen heutigen als Martins-Tag/ die Martinalia,
das Martins-Feſt oder Martins-Nacht/ in der gantzen
Chriſtenheit/ mit Wein-ſchencken/ Zechen/ Schwaͤl-
gen/ poculiren, auch uͤppigem Freſſen und Sauffen/
pflegt zu celebriren/ feyren und begehen; deſſen Urſprung ſich ſchreibt von
einem heiligen Martino, der unter Kayſer Conſtantino und Juliano,
ein Chriſtlicher Soldat und Ritter geweßt/ hernach aber abgedanckt und
ein Biſchoff zu Touron in Franckreich worden: Wie derſelbe Zeit ſeines
Lebens allerhand Miracul gethan/ und gar etliche Todten aufferweckt/ alſo
ſeyen nach ſeinem Tode Anno 580. auß ſeinem todten und begrabenen
Leichnam/ etliche Waſſer- und Schweiß-Tropffen durch das Grab hin-
durch gedrungen/ und als man einen derſelben Tropffen in ein Geſchirꝛ
mit Wein trieffen laſſen/ ſey der gantze Wein davon geſegnet/ und dermaſ-
ſen vermehret worden/ daß man groſſen Uberfluß und Uberſchuß von
Wein ſpuͤren koͤnnen: Daher ſey es kommen/ daß man den H. Martin
fuͤr ein Wein-Patron gehalten/ und demſelben zu Ehren jaͤhrlich/ auff ſei-
(*) Baron.
Ann. 580.
num. 1.nen Nahmens-Tage/ gute Freunde einander mit neuen Martins-Wein
verehrt/ ſich im neuen Wein erluſtirt/ zu Zechen und zu Schwaͤlgen Gele-
genheit genommen/ als Cardinal Baronius davon zeuget. (*) Wie aber
dieſer
[379]APPENDIX.
dieſer Martins-Wein manchem bekommen/ und geſegnet worden/ das ha-
ben ſonderlich Anno 1179. unſere Landsleut/ die alte verſoffene teutſche
Soldaten/ in der Morgenlaͤndiſchen See-Stadt Joppe/ mit Ach und
Wehe/ Zetter und Mordio erfahren/ als welche uͤber ihrer Martins-Ganß
bey Nacht/ da ſie die Wachten nicht wol beſtellet/ von den Saracenern
uͤberfallen/ und mit blutigen Koͤpffen zur ewigen Nacht ſchlaffen geleget
worden.
Aber viel beſſere und mehr loͤbliche/ feyr-denck- und danckwuͤrdigere
Martinalia ſind uns armen Teutſchen ſonderlich auffgangen/ vor nun-
mehr faſt 200. Jahren/ nemlich Anno 1483. Da jung worden und geboh-
ren/ auff Martins-Abend/ ein Knabe/ der ein gewaltiger Held in bellis
Domini und Streiter JEſu Chriſti/ ein allgemeiner teutſcher Biſchoff
und Seelſorger worden/ durch welchen bey ſeinen Leb-Zeiten unſer Koͤnig
und Herr/ der Herr Zebaoth JEſus Chriſtus/ fuͤrtreffliche geiſtliche
Miracula gewuͤrcket/ die Geiſtlich-Blinde ſehend/ Stumme redend/ und
Taube hoͤrend/ ja auch die Todten lebendig gemacht; denen in Babylo-
niſchen Hafften und Kaͤrckern Gefangenen eine Erledigung/ den Gebun-
denen eine Eroͤffnung/ und alſo ein Jubel-Jahr des Herrn predigen
laſſen: Auß deſſen Sacris Lipſanis, das iſt/ ſeinen Geiſt- und Lehr-reichen
Schrifften und Buͤchern als Canaͤlen/ auch nach ſeinem Tode/ manche
lechzende Seele/ auß dem Wein-Keller des Himmliſchen Braͤutigams
den edlen Pfingſt-Wein geſchoͤpfft und genoſſen/ zum Troſt und Labſal
der Seelen/ und noch genieſſen. Fragſtu wer der iſt? Martin Luther
der iſts/ den Gott angefriſtet und außgeruͤſtet! durch ihn/ als einen theu-
ren Helden und letſten Propheten/ hat der groſſe und Wunderthaͤtige
Gott ſo gethane μεγαλεῖα wuͤrcken und außrichten wollen.
So nu die Jſraeliten jaͤhrlich und feyrlich ſich haben erinnern ſollen/
des Außzugs auß dem Dienſt-Hauſe Ægypti, geſchehen durch Moſen;
So die Juden jaͤhrlich und feyrlich haben ihr Purims-Feſt begangen/ und
ſich danckbarlich erinnert der Erloͤſung von der lanien und Blutbad Ha-
mans/ welches Feſt durch Mardochaj und Eſther verſchafft worden; Ja
auch hernach ihre Encænia und Kirch-Weihe celebrirt/ nach der greuli-
chen Verwuͤſtung Antiochi/ zum Andencken der Reformation des durch
Antiochum verunreinigten Tempels/ geſchehen durch den edlen Helden
Judam Maccabaͤum: So iſt ja nichts billiger/ als daß wir auch die Goͤtt-
liche magnalia, ſo uns Teutſchen begegnet/ in friſcher immergruͤnender
Gedaͤchtnuͤß behalten/ und unſere Chriſtliche Martinalia halten/ uns er-
innern des Gnadenreichen Außzugs auß dem Roͤmiſchen Egypten und
B b b 2Dienſt-
[380]APPENDIX.
Dienſt-Hauſe/ der Erloͤſung von der Seelen-lanien des Roͤmiſchen
Hamans/ der Reformation des Tempels/ ſo Gott der Herr durch Lu-
therum/ als einen theuren außerwaͤhlten Ruͤſtzeug/ vollzogen.
Zu welchem Zweck wir auch dißmal/ bey vorhabender Ordination
etlicher Martinianer und Luthers-Schuͤlern/ abgeleſenen Text erkoſen und
erwaͤhlt/ in demſelben E. L. vorzutragen/ dort zwar das groſſe Signum, Zei-
chen/ das ſchoͤne Bild/ das Prophetiſche Geſicht/ welches dem lieben Schoß-
Juͤnger Jeſu dem Prophetiſchen Evangeliſten Johanni in ſeinem Path-
mo erſchienen/ und im 12. Capitel auffgezeichnet; Hie aber das Signifi-
catum, die bezeichnete Bedeutung/ das Gegenbild und die Geſchicht/ die
durch das Geſicht angeſehen und gemeynt worden. Der Vater des
Liechts laß leuchten ſein Angeſicht uͤber uns/ und ſtehe uns bey mit der
Gnadenreichen Krafft ſeines H. Geiſtes/ um Chriſti Willen/ Amen.
SO iſt nun das groſſe Zeichen/ das ſchoͤne Bild und Geſicht/
welches unter andern St. Johanni erſchienen/ und ſeinen Pro-
phetiſchen Augen auß Goͤttlicher Offenbarung eingeleuchtet/ ge-
weſt (1.) Γκυὴ, ein Weib/ ein ſchwacher ohnmaͤchtiger Werck-
zeug/ aber ein hocherhabenes uͤber die Wolcken/ ja uͤber den Mond hin-
auff (den ſie mit Fuͤſſen getretten) und alſo uͤber alle irꝛdiſche Vanitaͤten er-
hoͤhetes Weib/ uͤber alle maſſen herꝛlich geziert und geſchmuͤckt/ nicht wie
die rothe Babyloniſche Braut/ mit Gold/ Silber/ Edelgeſtein und Schar-
lack/ ſondern dem ſchoͤnſten guͤldenen Stuͤck der Sonnen ſelbſt/ gekroͤnt
mit zwoͤlff Sternen/ als Edelgeſteinen/ als mit dem Jungfraͤulichen
Krantz/ wie ſie dann freylich auch erſchienen/ als
(2.) Virgo,eine keuſche/ zarte holdſelige Jungfrau/ der
Babyloniſchen Hure/ ihrer æmulantin è diametro opponirt und ent-
gegen geſetzt/ dann dieſe iſt eine Ertz-Hur/ jene aber wuſte von keinem
Mann/ wird allhie keinſen gedacht/ doch erſcheint ſie (3.) als Prægnans
\& mater genitrix,ein abentheurliches Weib/ eine keuſche un-
verſehrte Jungfrau/ und doch zugleich eine Gebaͤrerin und Mut-
ter/ die da auff ſchwerem Fuß geſtanden und ſchwanger geweßt/ auch mit
hefftig empfindlichen Geburts-Schmertzen und Qual zur Geburt gear-
beitet/ daruͤber geaͤchtzet und geſchryen/ ſonderlich darum dieweil ſie ange-
feindet/ und grimmigſt angefochten worden/ von einem feuer-rothen Dra-
chen/ einem ungeheuren monſtro von ſieben Haͤuptern/ und ſo viel Cro-
nen/ auch zwoͤlff Hoͤrnern und einem langen Drachen-Schwantz/ damit
er den dritten Theil der Sternen an ſich gezogen/ und auff die Erden ge-
worffen/ der wartete dem Weib wachſam auff den Dienſt/ in der Mey-
nung/
[381]APPENDIX.
nung/ daß ſo bald ſie des Kindes wuͤrde geneſen/ er daſſelbige freſſen und
verſchlingen wolle. Was die blinden Heyden von einer zuͤchtigen Jung-
frauen/ der Koͤniglichen Tochter Andromeda gedichtet/ und ſolch Ge-
dicht nicht auß den Fingern geſogen/ ſondern auß der Hiſtoria Jonæ, der
von einem Meer-Drachen verſchlungen worden/ gezogen/ das hat ſich hie
erzeigt/ eine grenliche vielkoͤpffige Meduſa iſt auß dem Meer herauß ge-
ſtiegen/ und dieſes Weib mit Feur und Waſſer angeſpyen/ und der Ge-
burt nach der Seelen getrachtet. Aber Trotz dem Drachen!
Sie iſt (4.) des Kindes geneſen/ ſie hat geboren einen
Sohn/ ein Knaͤblein mit Freuden/ ἄῤῥενα heiſts in ſeiner Sprache/ heiſt
ſo viel als ein Maͤnnlicher Knabe/ der nicht Knabe blieben/ ſondern
ein vollkommener Mann worden/ wie Adam Matth. 19. 4. ein ſolcher
Knab/ der gleich dem jungen Hirten-Knaben David/ einen Loͤwen und1. Sam. 17,
34.
Baͤren erſchlagen koͤnnen/ und wie David nicht nur ſeine anvertraute
Schaͤflein geweydet/ ſondern auch das Wild mit ſeinem Hirten-Stab
Wehe dermaſſen geſchlagen/ daß es die Flucht geben muͤſſen: Alſo iſt die-
ſes Kindes Ampt und Beruff auch geweſen zu weyden alle Heyden/ und
daſſelbe mit einer eiſernen Ruthe/ dergleichen die orientaliſchen Hirten
pflegten zu gebrauchen Jud. 3, 31. eiſerne Spieß und NaͤgelEccleſ.
12, 11. Endlich (Trotz abermal dem rothen Drachen!) verſchwunden
und entruckt worden zu Gott und ſeinem Stuhl/ ἔξω ϐελῶν! auß al-
ler Gefahr/ in die ἀσυλίαν und Himmliſche Freyheit.
Summa/ es iſt dieſes abentheurliche Wunder-Weib ein rechtes
controfet und Nach-Bild geweſen/ der hochgedeyeten Jungfrauen/ der
Mutter Gottes Mariæ. Dann ob ſchon dieſelbe eigentlich allhie durch
dieſes Weib/ nach dem Buchſtaben und Zweck des H. Geiſtes/ nicht kan/
noch ſoll verſtanden werden/ als dero Jungfrauen Wunder-Geburt neun-
tzig Jahr vor dieſer Offenbarung und Zeichen geſchehen/ und alſo Jo-
hanni als einem Propheten/ der kuͤnfftige/ nicht vergangene Sachen weiſ-
ſagen ſollen/ nicht erſcheinen koͤnnen: Jedoch ſo iſt ſie/ wie geſagt/ das
Exemplar und Muſter geweſen/ dero Figur und Geſtalt GOtt der Heilige
Geiſt/ in den Augen Johannis/ abgemahlet und abcontrofehet. Dann
ſie die zarte Jungfrau Maria/ mit Himmliſcher Klarheit umgeben/ in ih-
rem Magnificat ſich erſchwungen/ uͤber alle ſublunariſche Vanitaͤten/ ja
auch erhoben uͤber alle unter dem Mond ſchwebende Vanitaͤten/ mit
Chriſto/ den ſie in und unter dem Hertzen getragen/ gezieret/ mit den zwoͤlff
Sternen der Prophetiſchen Liechter geleuchtet/ ſie war in einer unerhoͤrten
conjunctur Jungfrau und Mutter zugleich/ die wie andere Muͤtter
B b b 3ſchwan-
[382]APPENDIX.
ſchwanger worden und mit Schmertzen gebohren/ dieſelbe hat der hoͤlliſche
Drach angefeindet/ und ſonderlich zu der Zeit der Maccabeiſchen Blut-
trieffenden Verfolgung/ die verhaſſte Meſſias-Geburt unterſtanden zu
hindern/ und durch Herodem dem Kinde nachgeſtellet. Aber das heilige
Kind JEſu iſt gebohren/ als ein El Gibbor und Held herauß gegangen
auß der Kammer ſein/ von dem im andern Pſalm geweiſſaget worden/
Er der hocherhabene Sions-Koͤnig/ werde die Heyden mit ei-
nem eiſernen Scepter zerſchmeiſſen/ zerpeitſchen und peini-
gen/ der iſt auch durch die Siegreiche Himmelfarth/ zu Gott ſeinem
Vater entruͤckt und entzuͤckt worden/ und auff GOttes Stuhl erhoben
ἔξω βελῶν. Jſt alſo/ wie geſagt/ Maria mit ihrem Kind JEſu ein Ex-
emplar und Vorbild geweſen dieſer Johanneiſchen Figur.
Was mag dieſem allem nach/ unter dieſem Vorhang und Propheti-
ſchen Figur/ das Significatum oder bedeutete Geheimnuͤß dieſes groſſen
Zeichens im Himmel/ jenes Bildes Gegen-Bild/ jenes Geſichts geoffen-
barte Geſchicht ſeyn? Was mag wol GOtt der H. Geiſt dadurch bedeu-
ten/ anzeigen und weiſſagen wollen? Wann und wo iſt dergleichen Zei-
chen geſchehen und wuͤrcklich gemacht worden? Wo und wann/ fragſtu?
Jm Him̃el/ gar nicht im Glori- und Paradiß-Himmel der Außerwaͤhlten/
allwo der Drach kein Statt und Platz hat/ ſondern conſequenter in dem
Gnaden-Him̃el der ſtreitenden Kirch auff Erden/ welche dem Him̃elreich
mehrmal verglichen wird. Fragſtu? Wann? Nach dem Laut der vorherge-
henden/ Prophetiſchen/ Johañeiſchen Geſichtern/ nachdem der Stern/ das
iſt/ der Roͤmiſche Biſchoff durch die groſſe Apoſtaſi vom Him̃el herab ge-
fallen/ εἰς τὰ κάτω, auff die Erde/ nachdem er den Brunnen des Abgrunds
eroͤffnet/ darauß ein ſcheußlicher/ ſchwartz und finſterer Rauch allerhand
Menſchen-Satzungen und Aberglauben außgangen/ und die Sonne der
Gerechtigkeit im Evangelio leuchtende verfinſtert; Nachdem die unnuͤtzen
fraͤſſigen Heuſchrecken allerhand Moͤnchs-Orden auß dem Rauch herfuͤr
gewimmelt/ und unſaͤglichen Schaden gethan; Nachdem die zween Zeu-
gen/ ſonderlich die zween letſten Feur-Zeugen/ Johann Huß/ und
HieronymusPragenſis, von dem Drachen getoͤdtet und verbrannt
worden/ und alſo im 14. ſeculo, da iſt der Umhang hinweg geruͤcket/ hell
und Spiegel-klar erſchienen/ das groſſe ſonderbare rare Zeichen der Wun-
der-Geburt/ nicht die ſo taͤglich in den Hertzen der Glaubigen/ ſondern vor
zweyhundert Jahren ſich herfuͤr gethan. Und namentlich:
I. Γμυὴ, Ein Weib/ das iſt/ die werthe Chriſtliche/ damal
ſtreitende Kirche/ und Geſpons JEſu Chriſti/ vor der Vernunfft nach
dem
[383]APPENDIX.
dem aͤuſſerlichen Anblick ſchwach/ Krafftloß/ verlaſſen/ dunckel und un-
ſcheinbar/ aber fuͤr den Augen GOttes und aller heiligen Engel hoch erha-
ben/ uͤber den Mond hinauff und alle unter-lunariſche Vanitaͤten/ ange-De calcati-
one Lunæ
vide Eraſm.
Schmid. ad
h. l.
zogen in der H. Tauffe mit der Gnaden-Sonn JEſu Chriſto Galat. 3.
mit den Sternen der zwoͤlff Propheten und Apoſtel/ als einem Jungfraͤu-
lichen Krantz gezieret/ wie ſie dann auch war
II. Virgo,eine heilige keuſche Jungfrau 2. Cor. 11, 2. und
doch zugleich auch eine Mutter/ wie Auguſtinus redet/ Virgo puritate
fidei, mulier charitatis viſceribus, das iſt/ eine reine unbefleckte Jung-
frau durch des Glaubens Reinigung/ eine Mutter durch hertzliche Liebe/
eine Mutter unſer aller Gal. 4. und zwar Mater prægnans, die da ſchwan-
ger iſt/ in Kindesnoͤthen/ groſſer Qual und Geſchrey/ per martyria, dar-
uͤber der Chriſtlichen Kirchen Angſt und Wehe worden/ daß ſie geſchryen/
geſeufftzet/ gewuͤndſchet die Entbindung/ wovon die planctus Eccleſiæ,
die Gravamina Germanicæ nationis, die omina, die Propheceyungen/
und unter denſelben ſonderlich der Boͤhmiſchen Martins-Ganß/ die auff
dem Scheiter-Hauffen geweiſſaget/ von einem Schwanen auff dem weiſ-
ſen Berge/ der werde der Welt ein letſtes Schwanen-Geſang ſingen/ und
werde nicht koͤnnen gebraten werden. Das war dem Sathan/ dem ro-
then Drachen nicht gelegen/ darum er
III. Als der Feur-rothe und Mord-brennende/ Blut-truncken und
Blutdurſtige hoͤlliſche Drach/ dieſem Weibe hefftigſt zugeſetzet/ in Hoff-
nung/ die Geburt zuverhindern/ oder das Kind zuverſchlingen: Die in-
ſtrumenta ſeiner Tyranney waren ſieben Haͤupter/ das iſt/ alle hoͤlliſche
Conſulenten, die ihrer Koͤpffe Witz und Liſt zuſammen getragen: Die
ſieben Cronen/ das iſt/ die Europaͤiſche Koͤnige/ und dero zwoͤlff Hoͤrner
gewaltige Potentaten/ durch welche der blut-trieffende Huſſitiſche Krieg
getrieben/ und durch des Drachen Schwantz der dritte Theil/ das iſt/ der
groͤſte Hauffe der Biſchoͤffe/ Prælaten und Hoͤlliſch-gelehrten Sophiſten/
die er an ſich gezogen/ und auff ſeine Seite gebracht/ auff Erden εἰς τὰ κάτω
geworffen worden. Aber Trotz dem gantzen hoͤlliſchen Heer/ was Gott
der Herr zuvor geſagt/ das muß penetriren! Es wird gebohren
IV. ὁ῎Αῤῥεν, der Knabe/ durch das heilige Goͤttliche Wort/ als
den unvergaͤnglichen Saamen/ wird in utero Eccleſiæ mitten in der
Kirchen/ in der Berg-Stadt Eißleben/ gebohren ein Knabe/ der kein
Knab geblieben/ ſondern ein groſſer Mann worden: Ein armer/ ſchwa-
cher und ohnmaͤchtiger Knabe von eignen Kraͤfften/ einer von den je-
nigen
[384]APPENDIX.
nigen unmuͤndigen Kindern/ davon der 8. Pſ. ſinget/ den der Roͤ
miſche Goliath/ als einen armen nachguͤltigen verlaſſenen Muͤnchen ver-
acht/ und vermeynt mit demſelben bald fertig zu werden; Aber durch Goͤtt-
liche Krafft ein rechter Helden-Knab/ in welchem Verſtand auch Jo-
ſna/ der 70. Jahr alt geweſen/ dennoch ein Knab und Diener GOttes
geheiſſen Exod. 33, 11. und ſcheinet es habe der Heil. Geiſt gar auff ſeinen
Namen alludiren wollen/ indem Er ihn ein Ἄῤῥεν nennet/ das kom̃t auffs
wenigſt alluſivè her vom Ἄρις, Mars, der war ein ſtreitbarer Held zu Athen/
den die blinden Heyden hernach vergoͤttert/ und unter die Planeten ge-
ſetzet/ von dem das ſtrengeſte Hals- und Blut-Gericht zu Athen den Na-
men bekommen/ Areopagus, Actor. 17, 22. von dem ἄῤῥεν herkom̃t/ das iſt
Martinus/ Martialis. Jſt alſo unſer liebe Saͤchſiſche Martinus durch
dieſen Ἄῤῥενα verſtanden worden.
V. Quod officium?Was ſoll ſein Ampt und Beruff ſeyn?
Er ſoll weyden/ Er ſoll geiſtlicher Seelen-Hirt werden/ und
wird nicht nur die zerſtreuete arme Schaafe Chriſti/ mit dem Stab ſanfft
wieder zur Heerde bringen/ ſondern er ſoll auch brauchen den Stab Wehe/
und damit weyden alle Heyden/ das iſt/ das gantze heydniſche und heyden-
zende Pabſtum/ welches laͤngſt zuvor von dem uhralten Apoſtoliſchen
Chriſtlichen Glauben a poſtaſirt, und in Heydniſche Blindheit/ grund-
ſtuͤrtzende Jrꝛthum/ Abgoͤtterey/ Aberglauben/ Heydniſche bacchanalia,
Sabbath-Schaͤndung/ molocholatri, in Heydniſche Ceremonien und
(*) in Lib.
de Apoſtaſ.
Rom. Ec-
cleſ.Kirchen-Gepraͤng geſuncken. Wie D. Nicol. Hunnius (*) Sonnen-
klar erwieſen.
VI. Quo inſtrumento?Durch was Mittel und Werck-
zeug? Ράϐδῳ σιδηϱᾷ, mit einer eiſernen Ruth/ mit dem eiſernen
Scepter und Hirten-Stab; Dadurch freylich nicht nach den Buchſtaben
ein recht eiſern materialiſch und metalliſches Scepter verſtanden/ ſon-
dern als in einem Prophetiſchen Geſicht/ in einem pur-lautern geiſtlichen
Werck/ eines geiſtlichen Hirten/ ein geiſtlicher verbluͤmter Stab/ der aber
ein ebenmaͤſſige Krafft hat/ ſo ſtarck/ maͤchtig/ unuͤberwindlich/ penetrant
und durchdringend ſeyn ſoll/ als ein eiſerner Hirten-Stab: Nemlich/
Hebr. 4, 12.das Schwerdt des Geiſtes/gladius [...]ςομος, das zweyſchneidi-
ge Schwerdt/ das auß dem Munde Chriſti gangen/ des Himmel-feſten
Jerem. 17, 1.ewigen Worts Gottes; So dann auch der eiſerne Griffel/ den Job
gewuͤndſcht/ Schephak Sópher Job. 5. und wie es der Geiſt Gottes ſelbſt
erklaͤrt/ calamus Apoc. 11, 1. die Feder/ davon Churfuͤrſt Friderich ei-
nen denckwuͤrdigen Traum gehabt. Mit einem Wort/ die zwar ohn-
mach-
[385]APPENDIX.
maͤchtige/ verachtete/ keines Hellers werthe/ aber ſcharff-knarrende/ ſpri-
tzende Ganß-Feder/ die voller Krafft des H. Geiſtes 2. Cor. 3. dann was
fuͤr der Welt veracht/ dadurch ſucht Gott ſein Pracht) damit dieſer von
GOtt außgeruͤſtete Martinus den Roͤmiſchen Loͤwen bezwungen/ die
Babyloniſche Ketten der Finſternuͤß auffgeſchmiſſen/ die Maozim geſtuͤr-
met/ die Bullas durchſtrichen/ die fulmina thumm gemacht/ den Antichriſt
durch den Geiſt des Mundes Chriſti geoffenbahret/ daß nichts mehr da-
von uͤber/ als ſimulachrum \& cadaver, das bloſſe Bild.
Nun Quo eventu?Wie iſts abgelauffen? Zwar auff ſeiten
deß Drachen/ und ſeiner Koͤpffe/ Cronen/ Hoͤrner und Schwantz/ hat
dem Luther ſollen der Proceß gemacht werden/ wie der Boͤhmiſchen Mar-
tins-Ganß: ihm wurde gedraͤuet als einer fetten Ganß/ der Pabſt hat ihn
geladen gen Rom/ da wolle er ihn illuminiren, dem Roͤm. Kayſer wird
zugemuthet auff dem Reichs-Tage zu Worms ihn zu toͤdten. Aber ἀσυλία,
himmliſche ſalva guardia! er lag da gleichſam im Rachen des wuͤtenden
Drachen/ aber eine feſte Burg war ſein GOtt/ er war im Himmel
Epheſ. 2, 6. in dem Schoß GOttes; Trotz/ daß ihm der Drach ein Haar
gekruͤmmet! Er war entruckt und entzuckt in ſeine feſte Burg/ davon er
ein ſchoͤn Schwanen-Lied geſungen in ſeinem Pathmo zu Wartenburg/
da ihn auch der Teuffel und ſeine Zauberer nicht erforſchen koͤnnen. Er
kompt endlich in die beſtaͤndige feſte Himmels-Burg/ wie er zuvor ſchon
im Himmliſchen geſeſſen/ alſo iſt er durch eine ſelige ἀνάλυσιν zu ſeinem
GOtt/ und zu dem Stul Chriſti des Sohns GOttes entrucket worden/
Apoc. 3, 21.
Das laß mir M. L. ein groſſes Zeichen-Bild und Geſicht ſeyn/ ein
groſſes μεγαλεῖον und herꝛliches Werck GOttes/ ein Wunder-Rath und
Wunder-That! Wer ſolches achtet/ der hat eitel Luſt dran. Wer beden-Pſal. 111, 3.
cket/ daß es ſeye I. Signum obſignativum, ein ſolches Siegel-Zei-
chen/ dadurch hell und klar die Goͤttliche Vocation und der Beruff D. Lu-
theri zum groſſen heiligen Reformations-Zweck auctorirt, und κατά πϱο-
φητείαν 1. Timoth. 4. deſignirt, bezeichnet/ und vom H. Geiſt geweihet
worden. Sintemal dieſe Schluß-Rede Himmel-feſt ſtehet/ und beſtehet
wider alle Pforten der Hoͤllen: So feſt/ als feſt auß den jenigen chara-
cteribus, Zeichen und Umſtaͤnden/ in welchen der Prophet Daniel die
vierte Monarcht beſchrieben/ zu ſchlieſſen iſt/ daß das Roͤmiſche Reich ſey
das heilige Reich/ darauff GOtt der Herr im Traum gedeutet: So
feſt auß dem Kenn- und Merck-Zeichen/ welche die H. Propheten von
dem kuͤnfftigen Meſſia bezeichnet/ zu ſchlieſſen/ JEſus von Nazareth ſey
Achter Theil. C c cderſelbe
[386]APPENDIX.
derſelbe Meſſias/ auff welchen beſagte Zeichen einig und allein zutreffen:
So feſt Johannes der Taͤuffer ſeinen Beruff auß dem Propheten Eſaia
40/ 3. bekraͤfftiget/ ſein Hertz und Gewiſſen vergewiſſern koͤnnen/ daß er zu
ſeinem Lehr- und Tauff-Ampt/ einen rechtmaͤſſigen Goͤttlichen Beruff ha-
be; Eben ſo/ laͤſſet ſich nunmehr kraͤfftig von Luthero ſchlieſſen: Die je-
nige Perſon/ von dero der H. Geiſt durch Johannem 1400.
Jahr zuvor geweiſſaget/ daß ſie nach dem gefaͤllten Stern/
rauchenden Abgrund verfinſterter Sonn der Warheit; den
außgeheckten Heuſchrecken/ den zween Zeugen der Warheit/
ſoll in der ſtreitenden Kirchen/ und von derſelben als einer
(wie wol unſichtbaren/ und fuͤr der Welt verborgenen) noch
Jungfraͤulichen Kirchen/ der Roͤmiſchen Kirch entgegen ge-
ſetzt/ ſoll mit Ach und Wehe/ mit Seufftzen und Wintzeln/
ſoll gebohren werden als ein Helden-Knab/ und rechter Mar-
tinus/ ein ſtreitbarer durch Gottes Krafft/ mit Mund und
Weißheit außgerůſtet/ ſoll ein maͤchtiger Streiter JEſu
Chriſti ſeyn; Der das Heydenzende Pabſtum weyden ſoll
mit dem Zungen-Schwerdt des Goͤttlichen Worts/ mit der
gluͤcklich durchdringenden Ganß-Feder: deme der Sathan
zwar mit Liſt und Gewalt geſucht und zugeſetzt/ aberfruſtrà
leer Stroh gedroſchen/ weil erin cœleſtibus,in Goͤttlicher
Verwahrung geblieben: Dieſelbe Perſon iſt vom Heiligen
Geiſt zu beſagtem groſſen herꝛlichen Werckcalculo Divino
auctorirt, vocirtund beruffen. Nun ſehe man ſich in allen Hi-
ſtorien um/ man nehme die experientz und event, als clarum in-
terpretem vor ſich/ und betrachte/ ob einige Perſon jemal in der
Welt geweſen/ von deren erzehlte prædicata alleſampt mit Warheit/
in allen Umſtaͤnden Spiegel-klar verificirt und im Werck geſchehen:
Was der Zweybruͤckiſche Berichter/ in ſeinem Bericht wider die Straß-
burgiſche Kirchen-Ordnung/ von Zwinglio daher geſudelt/ und dieſem die Ehre
der erſten Reformation und Offenbarung des Antichriſts zugeſchrieben/ daſſelb
hat weyland D. Pappus mit dem Loͤſch-Schwammen außgeloͤſcht/ in der war-
hafften und wolgegruͤndeten Widerlegung pag. 415.
Wer kan dann der concluſion ihren Guß und Fluß ſperren? So gehe
nun hin du gifftiger Froſch-Quaxer/ ſchreye und laͤſtere ferner/ Lutherus
ſeye ein lupus ἀυτόκλητος, ein ſelbſt-beruffener Wolff/ der ohne Goͤttlichen
Beruff eingeſchlichen!
II. Signum miraculoſum, rarum \& ſupernaturale,ein ſolch
Zeichen/ dergleichen nicht zuvermuthen geweßt/ und menſchlicher Weiſe
nicht
[387]APPENDIX.
nicht hat geſchehen koͤnnen. Taͤglich geſchicht die Geiſtliche Widerge-
burt/ darum iſts kein neues und ſonderbares Zeichen. Es haben zwar
Roͤmiſche Kayſer die Friderici, Henrici, Ludovici ſich an dem Roͤ-
miſchen Stul gerieben/ ſie haben dem Roͤmiſchen Pabſt ſeine Macht/ mit
eiſernen Ruthen/ Schwerdt/ Svieſſen und Geſchuͤtz unterſtanden zu bre-
chen und zu ſchwaͤchen/ aber es iſt ihnen ergangen wie einem/ der nach ei-
nem Geſpenſt ſchlaͤgt/ der Streich reflectirt, und thut ihm ſelber den
Schaden. Etliche gelehrte Englaͤndiſche Moͤnchen/ und unter denſel-
ben der beruͤhmte Schul-Lehrer Occam macht ſich gegen Ludovico Ba-
varo erbietig/ da er ihn mit dem Schwerdt wider den Pabſt wolte ſchuͤtzen/
ſo wolte er ihn mit der Feder defendiren. (*) Aber umſonſt! ihre Fe-(*) vid. Joh.
Læt. in
comp. hiſt.
pag. 451.
dern waren zu ſtumpff/ nicht genugſam gefuͤdert mit GOttes Wort/ es
mangelte ihnen an der rechten Dinten/ die heiſt ου᾽ μέλανι ἀλλὰ πνἐυματι
Θεου̃ 2. Corinth. 3. Auff Lutherum wurde dieſes Wunderwerck verſpart/
ut proſterneret Decimum calamo non eſſe Leonem, davon er ſelber
mit Grund der Warheit geſchrieben: (*) Jch weiß/ woher meine(*) tom. 2.
Jen. Germ.
fol. 71.
Lehre kompt/ und wer mich auffgerichtet hat/ dazu beweiſet
es auch das Werck gnugſam. Dann ob ich wol der kleinen
Zeichen keins gethan habe/ die wir/ wo es Noth waͤre/ viel-
leicht thun moͤchten/ ſo iſt doch das wol fuͤr ein groß Wunder
anzuziehen/ daß des Sathans hoͤchſter Kopff und groͤſſeſte
Macht/ das Pabſtum mit ſeinem Coͤrper/ einen ſolchen
Stoß durch mich empfangen hat/ den ihm keine weltliche
noch geiſtliche Gewalt/ je hat moͤgen beweiſen. So gehe nun
hin du ſchnoͤder verlogener Drachen-Schwantz/ und ſage/ Lutherus habe
keine Wunderwerck gethan.
III. Signum beneficum,ein gutthaͤtiges Heyl-wuͤrcken-
des Zeichen. O der unvergaͤnglichen groſſen Gutthat/ welche es
wuͤrcklich nach ſich gezogen! Dann wo waͤren wir hinkommen? Was
waͤren wir und die poſteritaͤt/ als arme Pfaffen-Sclaven/ die/ wie die
Blinden in der barbariſchen Gefaͤngnuͤß-Nacht liegen muͤſten/ ange-
ſchmiedet mit Ketten der Finſternuͤß. Man gedencke nur ein wenig zu-
ruͤck/ was unſere Vorfahren fuͤr Hirten gehabt/ was fuͤr zweyhundert Jah-
ren fuͤr Biſchoͤffe und Paſtores geweſen? ô paſtor! ô idolum! ohn-
maͤchtige ungeſchickte Goͤtzen-Hirten; ſie hatten Maͤuler/ und kunte keiner
eine foͤrmliche Predigt auff der Cantzel ablegen/ fraͤſſige Maͤuler/ greuliche
deg lubitores, darunter war einer Johannes III. mit dem Nach-Namen
Cappivorax der Kappenfreſſer/ wurde alſo genennet/ dieweil er als ein
C c c 2rechter
[388]APPENDIX.
rechter Bauch-Pfaff/ morgens fruͤhe niemand Audientz ertheilt/ ehe und
dann er zum Fruͤhſtuͤck einen Kappen/ oder geſottene Henne verzehret/
(*) de Ep.
Arg. p. 397.wie Guilmannus (*) erzehlet. Waren greuliche Woͤlffe/ die die armen
Schaafe geſchunden/ und durch ihr ultimum vale Geld herauß gepreſſt:
Ein ſolcher war Biſchoff Albrecht/ der hat den Butter-Pfennig und
Taxt erdacht/ wer in Faſt-Tagen Butter eſſen wolte/ muſte zuvor die li-
centz um gewiß Geld erkauffen/ durch welches Geld er hernach grob Ge-
ſchuͤtz erkaufft/ die man die Butter-Buͤchſen genannt. Biſchoff Gualter
von Geroltzeck ſchießt wider die Stadt Straßburg einen ſolchen ſtarcken
Bann-Strahl/ daß er nicht allein ihnen alle Sacramenta verbotten/ ſon-
dern auch der gantzen Cleriſey/ ſampt den Knaben/ ſo die Lateiniſche Spra-
che gelernet/ auß der Stadt außgebotten/ blocquirt hierauff die Stadt/ und
belaͤgert dieſelbe/ brennet ab/ pluͤndert in der Stadt Gebiet alles rein auß:
Graf von Habſpurg/ der hernach Roͤm. Kayſer worden/ nemlich Rudol-
phus I. kam der Stadt zu Huͤlffe/ und wird des Biſchoffs Heer von den
Buͤrgern der Stadt Straßburg in die Flucht geſchlagen/ bey dem Dorffe
Ober-Haußbergen genannt/ und ſind ſechs und ſiebentzig vornehme Ge-
fangene in die Stadt gebracht worden/ gebunden eben mit den Riemen
und Stricken/ die beſagter Biſchoff mit ſich in die Schlacht genommen/
der Meynung die Straßburgiſche Buͤrger damit gefaͤnglich zu binden/ iſt
geſchehen Anno 1260. Deßgleichen war Biſchoff Guilhelmus II. ein tol-
(*) referen-
re Guil-
manno ex
Wimphel.
in catal. E-
piſc. Arg.
p. 104.ler Kriegsmann/ (*) der hebt auch ſeine eiſerne Ruthe auff wider Straß-
burg/ faͤngt einen unnoͤthigen Krieg an/ wird aber auch gefangen/ und in
der Sacriſtey im Muͤnſter verwahrt. Doch hat er bey dem Concilio
zu Coſtnitz und Kayſer Sigiſmundo erhalten/ daß die Stadt Straßburg
in Kirch- und Reichs-Bann gethan worden/ und der Apoſtoliſchen Kam-
mer zu Außſoͤhnung 6000. fl. bezahlen muſte. Solche erbare Biſchoͤffe
hatten wir vor Zeiten zu Straßburg! Wie koͤnnen wir dann Gott im
Himmel gnug dancken/ der uns von ſolchen Schindern und Tyrannen
entlediget/ und zu dem einigen Ertz-Hirten unſerer Seelen JEſu Chriſto
verſamlet? Zu welcher Danckſagung uns Straßburger auch Lutherus
ſelbſt treulich vermahnet/ Tom. 3. Jen. fol. 103. L. Herren und Bruͤ-
der/ ſpricht er/ Jch bin bißhero hoch erfreuet/ und dancke Gott
dem Vater aller Barmhertzigkeit/ fuͤr die reiche Gnade/ die
er an euch gewand hat/ und euch zu ſeinem wunderbarlichen
Liecht beruffen/ und in die Gemeinſchafft alles Reichthums
ſeines Sohns JEſu Chriſti kom̃en laſſen/ daß ihr nun durch
ſein heylſames Wort erkennen und nennen moͤchtet mit froͤ-
lichem
[389]APPENDIX.
lichem Hertzen/ den rechten Vater/ der uns auß der greuli-
chen Finſternuͤß des Antichriſts erloͤſet/ und auß dem eiſernen
Ofen Egypti der Suͤnden und des Todes gefuͤhrt/ in das
weite/ ſichere/ freye/ rechte/ gelobte Land. So ſehet nun
hinfort zu/ daß ihr hinter euch gedencket/ was ihr geweſen
ſeyd/ und ſolcher groſſen Gnade und Barmhertzigkeit nicht
undanckbar erfunden werdet/ wie etliche ſchon thun/ und
Gottes Zorn wiederum erwecken/ ſondern bleibet/ uͤbet euch/
und nehmet taͤglich zu in derſelben Erkantnůß und Gnaden
JEſu Chriſti.
Weil dann nun ἐυεϱγεσία und ἐυχαριςία zwo Schweſtern ſind/ die
zuſammen gehoͤren/ ſo ligt uns derowegen ob/ zu danckbarem Feyr dieſes
Martins-Feſts (1.) in mente das Andencken/ achten/ ſchaͤtzen/ hoch und
werth halten/ das muͤndliche ruͤhmen; Eltern an ſtatt ſie ihre Kinder die
Karten lernen wechſeln/ und ſonſt Floͤh in Peltz ſetzen/ ſollen dieſe und der-
gleichen Hiſtorien denſelben wol einbilden/ daß ſie auch ihren Kindern und
Kinds-Kindern davon zu ſingen und zu ſagen wiſſen/ daß ſie bey Zeiten
lehren allem Heydenthum feind werden/ ablegen was nach dem Heydnt-
ſchen und Paͤbſtiſchen Saurteig ſtincket/ Heydniſche Blindheit/ Aber-
glauben/ Entheiligung des Sabbaths/ duelliren, Bacchus- und
Venus-Dienſt treiben/ Heydniſche Luſt-Seuche und Geilheit/ ꝛc. daß ſie
im Gegentheil Chriſtum lernen anziehen/ und ſich mit den zwoͤlff Ster-
nen kroͤnen/ weltliche Vanitaͤten conculciren und mit Fuͤſſen tretten/ ſon-
derlich heut dieſen Tag zubringen nicht mit freſſen und ſauffen/ nach Ge-
wonheit. Es ligt uns ob (2.) in opere, conſervatio theſauri, daß man
ſolchen Gnaden-Schatz erhalte/ Lutheri Feder/ Lutheri Geiſt/ ςόμα καὶ σο-
φίαν erhalte in ſeinen ſucceſſoribus, ſodalibus und Schuͤlern. Johan-
nes Marbachius p. m. allhier iſt der geweſt/ der von Lutheri Hand ſelbſt
zum Doctore creirt, der hat ſeinen Geiſt/ ſeine Feder/ ſein ςόμα in gewiſ-
ſem Grad mit ſich hieher gebracht/ der auff uns per ſucceſſionem auffge-
erbet/ und noch durch Gottes Gnade auff uns ruhet.
Dem Allerhoͤchſten ſey hertzlich Lob und Danck/ daß er noch allezeit
ſolche ſodales, Juͤnger und gefliſſene Schuͤler Lutheri/ ſolche Martinianer
beſchehret/ und mit Gaben des Geiſtes gezieret/ die die bella Domini fuͤh-
ren koͤnnen/ die mit dem Schwerdt des Geiſtes/ mit dem Stab Wehe/ der
eiſernen Ruth/ das heydenzende heutige Chriſtenthum angreiffen und
ſtraffen/ auff daß nicht der Koͤnig zu Zion in Harniſch gejagt/ ſein eiſern
Scepter zu ergreiffen Urſach habe/ und Stadt und Land wie die Toͤpffen
C c c 3damit
[390]APPENDIX.
damit zu ſchmeiſſen/ daß die Scherben davon fahren/ wie in vorigen Jah-
ren geſchehen. Jn maſſen dann ſolche Martinianer/ das iſt/ Martini
Lutheri Diſcipul und Schuͤler/ dißmal vor E. Chriſtliche Liebe erſcheinen/
nemlich fuͤnff junge gelehrte und fromme Maͤnner/ welche/ wie ſie allbereit
ihre ordentliche Vocation angetretten und verwaltet/ nunmehr auch nach
altem Apoſtoliſchem Brauch/ mit Chriſtlichen Ceremonien und Auffle-
gung der Haͤnde confirmirt, ſeparirt, und durchs Wort und Gebet con-
ſecrirt werden ſollen. Denſelben/ und uns allen/ wolle GOtt gnaͤdig
ſeyn/ und ſeinen Segen geben/ er wolle ſein Angeſicht mit vollem Schein
laſſen uͤber ihnen leuchten zum ewigen Leben:
DAß II. die Lutheriſche alſo genannten Praͤdicanten in einem
rechtmaͤſſigen/ ordentlichen/ mittelbaren/ Goͤttlichen
Beruff ſtehen/ iſt dannenhero klar/ weil ſie ἐυτάκτως καὶ ἐυχη-
μόνως, in Gottes Ordnung durch die Pfort der heiligen Schrifft in den
Schaafſtall eingetretten. Dann der heiligen Schrifft iſt gemaͤß/ daß die
vid. Theol.
Conſcient.
part. 2.
Dial. 3.
p. 1042.vernuͤnfftige/ zahme/ geiſtliche Schaaf/ nach der Regul des Goͤttlichen
Worts/ pro modo talenti, mit geuͤbten Sinnen von ihren Hirten urthei-
len/ ihre Stimme conferiren mit der H. Schrifft/ und fragen εἰ σύμ-
φονα, ob ſichs alſo verhalte? wie die zu Berrhoen gethan Act. 17/ 11.
folgends den Wolff fliehen/ deß guten Hirten Stimme folgen/ und wo ſie
dieſelbige finden/ ruffen und ſagen: Komm herauff und hilff uns/ Act. 16.
Hat eine Stadt oder Commun Macht anders woher einen getreuen/
frommen und bewaͤhrten Artzt zu beruffen/ im Fall die heimiſche geſchwor-
ne Aertzt ſolten als Zauberer und Gifft-Moͤrder befunden werden: wa-
rum ſolte die Chriſtliche Kirche der Menſchen Knecht ſeyn/ und ſich ſelbſt
gleicher maſſen nicht fuͤrm Seelen-Gifft verwahren?
Vide Gravamina, vota, ſuſpiria, planctus Eccleſiæ apud Alvar. Pelag. in
Lib. cui titulum fecit: Planctus Eccleſiæ, anno 1340. editum. Itemque vetuſta
poëmata anno 1552. ab Illyrico edita:Vide DEUS ultionum,Quod ſpelunca veſpillonumQuod in templum SalomonisSed arrepto gladio,Vide videns omnia,Facta eſt Eccleſia;Venit princeps Babylonis:Scelus hoc ulciſcere,Veni Judex gentium.
Kan eine belaͤgerte Stadt im Fall alle ordentliche Pfarꝛherꝛn und
Seelen Hirten in derſelben/ durch Peſt/ Hunger und dergleichen mit Tode
abgangen/ einen und den andern geſchickten Mann erwaͤhlen/ und beruf-
fen/ daß er ihnen Gottes Wort predige/ ſie troͤſie/ die Sacramenta reiche;
Warum ſolte dergleichen vernuͤnfftigen Schaafen/ im Fall ihre Hirten/
wie der Apoſtel redet Act. 20. auß ihnen ſelbſt waͤren greuliche Woͤlffe wor-
den/ zu thun verwehret ſeyn?
Ein jeder hat das Recht (ait Lutherus Tom. 7. Witt. p. 387. f. 2.) zu dienen
in dem Wort/ ja auch einem jeden iſt gebotten im Wort zu dienen/ ſo er ſiehet/ daß
entweder kein anderer fuͤrhanden iſt/ oder ſo die/ die vorhanden ſind/ unrecht leh-
ren/ als Paulus 1. Corinth 14. geſetzt hat/ damit die Tugend Gottes durch uns
alle verkuͤndiget werde/ wie wolte dann nicht vielmehr etwa eine gantze Gemei-
ne/ das Recht und diß Gebott auch haben/ daß ſie ſolch Ampt durch gemeine Wahl/
einem/ oder mehren/ an ihrer Statt/ befehlen moͤchte/ und dieſelbige den andern/
durch Mit-Willen derſelben/ auch weiter befehlen? Et mox ibid. Chriſtus ſagt
Matth. am 18. cap. Wo zween eins werden auff Erden/ warum es iſt/ daß ſie
bitten wollen/ daß ſoll ihnen widerfahren von meinem Vater/ der im Himmel iſt/
dann wo zween oder drey in meinem Namen verſamlet ſind/ da bin ich mitten
unter ihnen. So nun der einmuͤthige Wille dreyer oder zweyer in dem Namen
des Herrn alle Dinge vermag/ auch Chriſtus ſich ein Meiſter deſſelbigen
Wercks bekennet/ das dieſelben thun; Wie vielmehr ſollen wir glauben/ daß es
geſchehe/ oder ge[ſ]chehen werde durch GOtt/ der es annehmen wuͤrde/ und uns
darin ein Mittler ſeyn/ ſo wir in ſeinem Namen zuſammen kommen und beteten/
darnach alſo Biſchoff und Diener des Worts auß uns ſelbſt erwaͤhleten? Die-
weil wir ſchon von erſt alsbald wir getauffet werden/ ohn ein ſolche Wahl/ zu
dieſem Ampt gebohren und beruffen ſind. Vnd ſo wir deß ein Exempel begeh-
ren/ hie iſt Apollo/ von dem wir im Buch der zwoͤlff Botten Geſchicht am 18. cap.
alſo leſen/ daß er ohn alle andere Beruffung und Weyhe/ ſey kommen gen Ephe-
ſon, habe daſelbſt allein auß inbruͤnſtiger Hitz der Liebe geprediget/ auch die Ju-
den uͤberwunden gewaltiglich: Lieber ich bitte dich/ auß was Rechten hat er ſich
gebrauchet und underwunden dieſes Ampts des Wortes? Er hat ſich da keines
andern gebraucht/ dann des gemeinen/ und das allem Geſchlecht der Chriſten
frey iſt/ nemlich das geſchrieben iſt durch St. Paulum 1. Cor. 14. So einem/ der
da ſitzt/ eine Offenbarung geſchiehet/ ſo ſoll der erſte ſchweigen. Vnd 1. Pet. 2.
daß ihr verkuͤndiget ſeine Tugend. Vnd derſelbe Mann iſt nachmals auch ein
Apoſtel worden/ ohn alle andere Weyhe oder Ordnung/ und iſt alſo nicht allein
zum Predigampt kommen/ ſondern hat auch ſonſt viel Nutz geſchaffer bey denen/
die
[392]APPENDIX.
die da ſchon glaubig waren. Alſo iſt auch ein jeglicher Chriſt ſchuldig zu thun/
ſo er ſiehet/ daß man Mangel am Wort hat/ und er tuͤglich iſt dazu/ ob ihn ſchon
die Gemein nicht erfordert. Vielmehr/ ſo er von den Bruͤdern/ die ihm in den
Rechten gleich ſind/ oder von einer gantzen Gemein/ gebeten und erfordert wird.
Ein ander Exempel haben wir an St. Stephan und St. Philippo/ die allein zu
dem Ampt des Tiſches verordnet waren. Nichts deſtoweniger that St. Stephan
Wunder und groſſe Zeichen im Volck/ und diſputirte mit den Synagogen/ und
uͤberwand die Concilia der Juden/ mit dem Wort des Geiſtes; Philippus auch
ſo bekehret die Samariter/ zohr hin und her durch Aſcalon und Cæſarean, lieber
auß welchen Rechten? auß welchem Gewalt thaͤten ſie das? Sie waren je ge-
wißlich von niemand weder gebeten noch erfordert/ ſondern ſie haben das von
ihnen ſelbſt gethan/ und auß gemeinen Rechten/ dieweil ihnen eine Vrſache und
Zugang zu ſolchem fuͤrhanden kam/ und ſie ſahen/ daß das unwiſſende Volck
ihres Ampts nothduͤrfftig/ und des Worts beraubet war. Wie vielmehr wuͤr-
den ſie das gethan haben/ wann ſie gebeten/ es waͤrt von etlichen/ oder von einer
gantzen Gemeine/ dazu waͤren erfordert? Vnd der Verſchnitten/ der von Phi-
lippo bekehret ward/ iſt er ein rechter Chriſt blieben/ wie dann zu glauben iſt ohn
Zweiffel/ ſo hat er viel andere das Wort Gottes gelehret/ dieweil ihm gebotten
war zu verkuͤndigen die Tugend deß/ der ihn beruffen haͤtte von der Finſternuͤß
in ſein wunderbar Liecht: So er aber das gethan hat/ ſo iſt nach erfolgt/ auß ſel-
nem Wort oder Predigt/ der Glaube bey vielen/ dieweil das Wort Gottes nicht
leer wieder heim kommt. Auß dieſem Glauben iſt eine Kirche worden/ dieſelbi-
ge Kirch hat alsdann durch das Wort empfangen und erfuͤllet die Aempter zu
taͤuffen/ zu predigen/ und alle andere ſo oben erzehlet ſind. Vnd dieſes alles iſt
alſo durch denſelbigen einigen Verſchnittenen erfuͤllet worden/ durch kein anders/
dann durch das Tauff-Recht und ſeines Glaubens/ vorauß ſo andere nicht fuͤr-
handen waren/ die ſolches außrichten kunten. Bißh. Luth.
Solcher maſſen haben allhie unſere uhralte Straßburger/ nachdem
ſie der Roͤmiſchen Cleriſey/ Tyranney/ Schinderey/ Abgoͤtterey und Aber-
glauben muͤde worden/ und lang gnug Haber-Stroh fuͤr Ablaß freſſen
muͤſſen/ an den todten Beinen nagen/ truͤb/ ſtinckend ciſternen Waſſer
fuͤr die lebendige Quelle Jſraelis trincken; Nachdem die Cleriſey gar pu-
dendo (ſed panico) timore, ihren Schaafſtall quittirt und da von gelauf-
fen/ (*) um getreue Lehrer und Seelſorger flehentlich angehalten.
Es iſt dem Goͤttlichen Wort gemaͤß/ daß Moſes des Aarons Gott
ſey/ daß eine jede Chriſtliche Obrigkeit das Ober-Biſchoͤffliche Ampt/ und
alſo die Ober-Rund uͤber die Geiſtliche Waͤchter habe/ beſitze und uͤbe/ und
Krafft deſſen dieſelbe erwaͤhle/ beruffe und mit Chriſtlichen Ceremonien
ordiniren laſſe/ kan es ſeyn mit Zuziehung/ Rath/ Benennung/ Exami-
nation eines reinen Predigampts/ wie es dann auch ſeyn ſoll/ damit die
Obrig-
[393]APPENDIX.
Obrigkeit handle als eine Chriſtliche Obrigkeit/ Gewiſſenhafft und ordent-
lich/ conſiſtorialiter und repræſentativè, doch ohne Auffdrang und
Zwang deß gemeinen Haußſtandes. Kan es aber nicht ſeyn/ und iſt das
Predigampt cacodox, unrein und falſchglaubig; ſo hat die Obrigkeit al-
lein ihren Beruff ſo wol zu perſequiren Macht/ als die Biſchoͤffe in der
erſten bedraͤngten Kirche/ unter den Heydniſchen Kayſern/ ohne deroſel-
ben erholten conſens, haben koͤnnen die Kirchen allenthalben beſtellen.
Solcher maſſen haben Chriſtliche Fuͤrſten und Staͤnde des Reichs/ ohn-(*) teſtibus
Guilm. in
Amando
p. 69. item
Jod. Coc-
cio Lojol.
in Dagob.
c. 14. p. 125.
geacht der Roͤmiſchen Cleriſey Widerſpruch/ reine Lehrer und Prediger in
ihre Bottmaͤſſigkeiten gefuͤhrt; Auch hie zu Straßburg hat Dagobertus
Koͤnig in Franckreich/ den erſten Straßburgiſchen (*) Bi-
ſchoffAmandum eingeſetzt.
Es iſt Gottes heiligem Wort gemaͤß/ daß durch den geiſtlichen Stand/
durch Biſchoffe und Elteſten/ gewiſſe Perſonen zum Predig-Ampt be-
ruffen Tit. 1/ 5. zum Exempel unſer ſel. D. Joh. Marbachius durch Luthe-vide Tom.
12. Witt. p.
268.
rum ſelbſt/ von deſſen Hand er in Doctorem promovirt worden: Ande-
re ſind durch deſſen Schrifften und converſation erleuchtet auß Gottes
Wort/ von deme Martinus Bucerus allhie Lutheriſch genennet zu werden/
keine Scheu getragen; (*) Und wie inniglich hat Franc. Lambertus(*) vide
vindicias
D. Pappi
in Widerl.
des Zwey-
bruͤck. Ber.
p. 419. ſqq.
Avenionenſis Gallus, geweſener Minorit und Prædicator Apoſtolicus,
der eine Zeitlang hie zu Straßburg/ in ſeinem refugio, wie ers nennet/
ſich auffgehalten/ viel gute Commentarios uͤber die Propheten geſchrie-
ben/ gedanckt/ daß ihme Theils auß Leſung der Schrifften Lutheri/ Theils
auß ſeinem Munde/ da er zu ſeinen Fuͤſſen geſeſſen zu Wittenberg/ der helle
Morgenſtern auffgegangen. Wann ſie bey ſich befinden auß Gottes
Wort/ daß ſie bißher den Biſchoͤfflichen Gewalt mißbraucht/ ſolche Lehre
und Religion vorgetragen und geuͤbet/ welche St. Paulus als ſeinem
Evangelio widrig verflucht/ und daher den Paͤbſtlichen Saurteig abge-
than und ſchwinden laſſen/ und das allein lehren und bekennen/ uͤben und
thun wollen/ was Gottes Befehl gemaͤß/ erlaubt/ da ſie alsdann nicht von
neuem beruffen/ ſondern den alten/ den ſie in und unter der Roͤmiſchen
Kirche empfangen/ geſaͤubert/ und auß Woͤlffen rechte Hirten worden.
Solcher maſſen ſind/ Zeit der ſeligen Reformation/ viel hundert Kir-
chen in Teutſchland verſehen und beſtellet worden: Sachſen und Thuͤ-
ringen mit Luthero, Bugenhagio, Creutziger, Juſto Jona, Hierony-
mo Wellern, Friderico Myconio; Nieder-Sachſen mit Urbano Re-
gio; Pommern mit Rhodio; Heſſen mit Schnepfio, Cratone, Corvino;
Schwaben mit Brentio; Nuͤrnberg mit Veit Dietrich; Joachims-
Achter Theil. D d dThal
[394]APPENDIX.
Thal mit Mattheſio; Zu Straßburg waren Matthæus Zellius,(α)
Wolffg. Fabricius Capito, Caſpar Hedio, Symphorianus Pollio,
Antonius Firnius.
Und was hat Biſchoff Eraſmus allhie zu Straßburg/ wann er des
Stiffts St. Thomaͤ Verwaltung und Genieß der Lutheriſchen Schulen
gegoͤnnet/ und uͤberlaſſen/ davon auch drey Pfarꝛherren ſampt Diaconis
verpfieget werden/ anders gethan/ als daß er hiemit virtualiter ein Semi-
narium vocationis geſtifftet? Wiewol er deßwegen von den ſeinigen mit
ſcheelen Augen angeſehen worden. Aber das war Gottes Finger!
Collegii D. Thomæ (ita Guilm. in Eraſmo p. 450.) reditus in ſcholæ ſum-
ptum, quem in monaſterio Dominicanorum inſtituerant, ſenatui permiſit, mul-
tis improbantibus, quibus videbatur, illis ipſis alimenta ad tolerandam vitam,
quo-
[395]APPENDIX.
quoque elargiri, quorum facta \& doctrinam tanto opere abominatur, \& nulla
exceptione interpoſita, poſteritati haut tolerabile præjudicium generari.
Den gantzen Verlauff mit der Veraͤnderung in Religions-Sachen
zu Straßburg hat Sleidanus (*) folgender Geſtalt beſchrieben: Es leh-Lib. 6. ad
ann. 1528.
pag. 153.
reten die Kirchen-Diener zu Straßburg/ daß unter andern
Jrꝛthumen der Paͤbſtiſchen Lehre die Meß gantz gottloß/
und Goͤttlichem Namen zu hoͤchſter Schmach gereichte/ da-
rum man ſie abſtellen/ und den rechten Brauch des HERRN
Nachtmahls ſolte anrichten. Wo ſie ſolches mit Zeugnuß
H. Schrifft nicht koͤnnen darthun/ wolten ſie ſich laſſen ſtraf-
fen.Et mox pag. 154. ibid.Nach dem ſie mehr/ dann zwey
Jahr lang in ſolchem Handel geſtanden/ und die Kirchen-
Diener in taͤglichen Predigten hefftig anhielten/ die Buͤrger
auchſupplicirten,beruffte der Rath nach altem Brauch/ alle
die ſo in wichtigen Sachen zu erfordern/ biß in 300. zuſam-
men (die die Schoͤffel genannt werden) hielt ihn den gantzen
Handel vor/ und als ſie auff beyderley Weiſe viel Dings her-
fuͤr brachten/ zeigeten ſie an/ was fuͤr Gefahr vom Kayſer zu
gewarten/ wo ſie die Meß abſtelleten/ und wie ſchwerlich ſie
GOtt erzuͤrneten/ wo ſie daſſelbig nicht thaͤten/ ſetzeten alſo
ihnen eine Zeit/ ſich zu bedencken/ und begehrten/ daß ſie in
den Zuͤnfften zuſammen kommen/ und daruͤber ſolten rath-
ſchlagen/ damit man hernach/ wann ſie wiederum erfordert/
auß einmuͤthigem Rath und Willen/ etwas moͤchten be-
ſchlieſſen. Derhalben und als die Zeit vorhanden/ wurde
die Meß vom meiſten Theil verworffen/ und darauff am 20.
Tage des Hornungs fuͤr gut angeſehen/ daß man die Meß
ſolte abſtellen und unterlaſſen/ biß ſo lang die Wider-Par-
they bewieſe/ daß ſie GOTT ein angenehmer Dienſt waͤre.
Dieſen Beſchluß befahl der Rath/ in der Stadt und auff dem
Lande/ ſo weit ſich ihr Gebiet erſtreckt/ anzunehmen und zu-
halten/ thaͤten auch ſolches hernach dem Biſchoff ſchrifftlich
zu wiſſen.
Es iſt Gottes Wort gemaͤß/ daß durch die ſymphoni, conjunctur
und Zuſammenſetzung aller drey Staͤnde/ den Obrigkeitlichen/ Lehr- und
gemeinen Hauß-Stand/ die Wahl und Beruff fuͤrgenommen werde/ all
wo der Herr ſeine Gnadenreiche Verheiſſung angehefftet ἐὰν δύο εἰ
τρεῖς συμφωνήσωσι, Matt. 18, 19. Wo zween oder drey eins werden auff Er-
D d d 2den/
[396]APPENDIX.
den/ warum es iſt/ daß ſie bitten wollen/ das ſoll ihnen wiederfahren von
meinem Vater im Himmel/ wo zween oder drey verſamlet ſind in meinem
Confer D.
Papp. in
Aug. Conf.
pag. 226. \&
noſtr. The-
olog. Con-
ſciẽt. part.
2. Dial. 3.
p. 921. ſqq.Namen/ da bin ich mitten unter ihnen. Und ſolche Form der Wahl iſt
bißher in unſern Straßburgiſchen Kirchen uͤblich geweßt/ und noch.
Sprichſtu? Kein Beruff zur Kirchen ſey guͤltig/ juſt und recht-
maͤſſig/ ohne Biſchoffliche Weyhe/ der auſſer der Roͤmiſchen Kirch ohn
dependentz vom Apoſtoliſchen Stuhl geſchicht/ auſſer der Succeſſion
und Urſprung von den heiligen Apoſteln/ und dero ordentlicher Folge/ von
Biſchoff zu Biſchoff biß auff dieſen Tag; Und wer ſolcher maſſen nicht
beruffen/ der komm als ein Wolff daher/ er ſeye nicht zu hoͤren/ ſondern
bloß zu fliehen. Dann wie ſollen ſie predigen/ wo ſie nicht ge-
(*) in Epiſt.
ad Rom. c.
pag. 144.ſand werden?Rom. 10. Hinc patet (ſchreibt Cornel. à Lapid. (*))
neminem eſſe audiendum, niſi legitimè mittatur ad prædicandum
à DEO, ut ſatis patet ex Iſaia, quem citat hîc Apoſtolus. A DEO
inquam, vel proximè \& immediatè, \& tunc opus eſt miraculis, vel
ſignis ſupernatura libus, quibus is, qui mittitur, hominibus probet
ſe mitti à DEO; vel mediatè, ut nimirum mittatur à Chriſti vica-
riis \& ſucceſſoribus, ſcilicet Pontificibus \& Epiſcopis. Nun hat
ſich ſolches Beruffs und Folge allein die Roͤmiſche Kirche zu erfreuen/ die
(*) in ſei-
ner Poſtill/
uͤber das
Feſt der A-
poſtelthei-
lung p. 252.Lutheriſche aber gar nicht. Weil die Lutheriſchen (ſo laͤſtert der Je-
ſuit Scherer (*)) weder ohn Mittel/ noch durch Mittel beruf-
fen/ koͤnnen ſie ſich durchauß keines Beruffs ruͤhmen/ ſie ha-
ben keinen Beruff ohne Mittel von GOtt ſelbſt/ dann zu
unſern Zeiten/ ſagt Luther/ berufft uns unſer HErꝛ GOtt
zum Predigampt/ durch Mittel/ als nemlich durch Men-
ſchen; So muß auch ein ſolcher Beruff ohne Mittel/ wie
Lutherus anderswo ſagt/ durch Wunderwerck beſtaͤtiget
werden/ deren die Secten keines thun koͤnten. Sie haben
auch keinen Beruff durch Mittel der Menſchen/ dann dieſel-
ben Menſchen/ die andere beruffen/ und Haͤnde aufflegen
ſollen/ muͤſſen nothwendig Biſchoͤffe ſeyn/ die bey den Sec-
ten nicht zu finden. Luther der erſt Erfinder der neuen Lehr/
war je kein Biſchoff/ wie hat er dann andere zu Biſchoͤffen
und Prieſtern ordiniren und beruffen koͤnnen? Es iſt ein lau-
ter Spiegel-Fechten/ Augen-Geſpenſt/ Affenwerck und Lar-
ven-Weſen mit ihrer gantzen Superintendenterey undMi-
niſterio,da keine rechtmaͤſſigeVocatio,Beruff oder Sendung
zu ſuchen oder zu finden. So weit der Jeſuit. Es hat Beſol-
dus
[397]APPENDIX.
dus in ſeinen Motiven ſolche Succeſſion der Roͤmiſchen Kirchen allein
zugemeſſen/ Es bezeugen (ſagt er) die werthe Kirchen-Hiſtorien/
daß die H. hochſeligen Apoſtel/ und Juͤnger unſers HErꝛn
Chriſti/ vieler Orten Kirchen angeordnet/ ſo doch ſaͤmptlich
von der Roͤmiſchendependiret,und auff ſolche ihr Abſehen ge-
habt. Unter allen aber/ ſo von den Apoſteln ihren Anfang
genommen/ iſt nur noch allein die Roͤmiſche uͤbrig: Da hin-
gegen beydes inGræciâ,Aſia und Africa/ jenige die vor Zei-
ten ſich ſolch Apoſtoliſchen Anfangs beruͤhmt/ entweder gar
außgeloͤſcht/ oder doch oͤffters gantz zerſtoͤrt/ zumal jetziger
Zeit mit ſolchen Jrꝛthumen behafftet ſeynd/ welche die Luthe-
raner ſelbſt nicht approbiren/ oder ſolchem ſich beypflichten
wollen. So iſt (ita ibid. p. 105.) durch der Roͤmiſchen Paͤbſte
Abgeſandte/ gantzOccidentzum Chriſtlichen Glauben ge-
bracht worden; Es haben auch alle/ ſo ſich hierunter gebrau-
chen laſſen/ zuvor jeder Zeit von den Paͤbſten Erlaubnuͤß
und Gewalt hiezu erfordert. Es iſt kein (ibid. p. 111.) Regi-
ment oder Staat/ in der gantzen weiten Welt an zutreffen/ ſo
ſeineSucceſſionund Waͤhrſchafft/ ſeit unſers HErꝛn Chriſti
Himmelfarth/ ſo richtig erhalten: Da hingegen das Kay-
ſerthum ſich oͤffters geaͤndert/ und von den Roͤmern auff die
Griechen/ von ſolchen zu den Francken/ und endlich auff die
Teutſchen gelangt. So iſt in gleichem kein Koͤnigreich zu
benennen/ welches mit bewaͤhrtenHiſtoricisbeybringen koͤnt/
daß es ſo lang bey einem Volck geblieben. Darum/ ſpricht
Beſoldus (ibid. p. 127.) weiter/ alle andere neue oder Winckel-
Kirchen/ deren in dem angegebenencatalogo Teſtium veritatis
gedacht (alſo auch billig auch dieſe/ ſo von demZvvinglio,
Luthero,und andern auffgebracht) fuͤr falſch zu halten/ und
allen frommen Chriſten zu meiden/ jeder Zeit befohlen wor-
den. Zwar vornemlich darum/ weil ſolche keinen Beruff
von Chriſto/ und ſeinen H. Apoſteln/ haben koͤnnen; Son-
dern ſelbſten auffgeworffene/ oder eingedrungene Biſchoͤffe
und Prieſter haben. Einmal (ita mox p. 128.) es gilt kein Be-
ruff oder Ordnung der Prieſter/ ſo die Suͤnden zuvergeben/
oder vorzubehalten Macht haben/ auch das Hochwuͤrdigſte
Sacrament des Leibs und Bluts Chriſti/conficiren,opffern/
außtheilen koͤnnen/ welche nicht von Chriſto/ und richtiger
D d d 3Suc-
[398]APPENDIX.
Succeſſion der Apoſtel herruͤhren. Jnmaſſen auß dem 5.
Cap. der Epiſtel zun Hebr. zu ſehen/ da geſchrieben ſteht:
Keiner nimmt ihm ſelbſt die Ehre/ ſondern der beruffen wird
von GOtt/ gleichwie der Aaron. Alſo hat ſich auch Chri-
ſtus nicht ſelbſten erklaͤrt/ daß er Hoherprieſter wuͤrde; Son-
dern jeniger/ der zu ihm geredt hat: Du biſt mein Sohn/ heut
hab ich dich gezeuget. Wie er auch an einem andern Ort
vermeldet: Du biſt ein Prieſter in Ewigkeit/ nach der Ord-
nung Melchiſedech. Und in dem 10. cap. ꝟ. 15. zu den Roͤ-
mern/ ſagt der H. Apoſtel Paulus: Wie ſollen ſie predigen/
wann ſie nicht geſandt ſeyn? Wie dann geſchrieben ſteht:
O wie lieblich ſind die Fuͤſſe deren/ ſo den Frieden verkuͤndi-
gen ꝛc. Dahero dann unſer Heyland Chriſtus ſelbſten/ als
er nach ſeiner Aufferſtehung/ die H. Apoſtel zu predigen auß-
ſendet/ und ihnen die Schluͤſſel deß Himmelreichs gegeben/
ſich auff dieMiſſionoder Sendung ſeines allerheiligſten Va-
ters beruffen: Jndeme er Joh. 20. v. 21. ꝛc. andeutet: Gleich
wie mich mein Vater geſand hat/ alſo ſende ich auch euch.
Bißher Beſoldus.
Antwort: Sophiſterey/ Luͤgen und Trug! Nicht wahr/ daß ein
unberuffener Menſch allerdings nicht zu hoͤren ſey: Dann wie kan man
die Geiſter pruͤfen und unterſcheiden/ ſo man ſie nicht hoͤret: Spricht
doch der Herr ſelbſt/ daß durch einen unberuffenen Propheten/ einem
Volck die fruchtbarliche Bekehrung gedeyen moͤge. Jerem. 23/ 21. ſeqq.
Jch ſandte die Propheten nicht/ noch lieffen ſie? Jch redete nicht zu ih-
nen/ noch weiſſagten ſie: Dann wo ſie bey meinem Rath blieben/ und
haͤtten meine Wort meinem Volck geprediget/ ſo haͤtten ſie daſſelbe von ih-
rem boͤſen Leben bekehret. Und wer hat die Hirten zu Bethlehem beruf-
fen/ die Weyhnacht-Evangelia zu predigen/ ſolte man die Ohren vor ihnen
verſtopfft haben? Jch ſage/ Menſch/ dann wo der Teuffel ſelbſt redet/ ſoll
man die Ohren verſtopffen.
Wahr zwar/ daß ein jeder rechtmaͤſſiger Seelſorger muͤſſe von Gott
geſand ſeyn/ einen Goͤttlichen Beruff haben/ wie Aaron/ wie Chriſtus/
wie die Apoſtel/ veritate, non abſoluta paritate, dann Aaron/ Chriſtus
und die Apoſtel unmittelbar beruffen/ und die Succeſſion im Aaroniſchen
Stammbaum/ durch die Geburt erblich geſchehen/ welche Art des Be-
ruffs laͤngſt verloſchen. Aber nicht wahr/ (1.) daß derſelbe Beruff ein
Prælatiſcher/ Biſchoͤfflicher Beruff ſeyn muͤſſe: Wie/ wann der Hirte
ein
[399]APPENDIX.
ein Lycanthropus und Wolffs-Menſch waͤre/ der ſeines gleichen Woͤlf-
fe zur gemeinen Beute einladete/ oder dieſelben außſendete in den
Schaafſtall zu wuͤrgen? Solte nicht ein fremder/ redlicher/ Bidermaͤn-
niſcher Hirte doͤrffen warnen/ ob er gleich von beſagtem Lycanthropo
nicht waͤre eingeladen worden; Solte einem wachſamen Hunde verbot-
ten ſeyn/ alsdann zu bellen? Nicht wahr (2.) daß ſolcher Beruff noth-
wendig von Roͤmiſchen Prælaten/ oder dem Roͤmiſchen Stuhl dependi-
ren muͤſſe: Dann da werden ſich viel inſtantiæ finden/ der jenigen Chriſt-
lichen Kirchen/ die ſolche dependentz dem Roͤmiſchen Stuhl nicht geſte-
hen/ die alte Griechiſche/ Ruſſiſche/ Coſackiſche/ Polniſche/ Livoniſche/
wie in vale Triumph. pag. 309. erwieſen. Nicht wahr (3.) daß wo
kein ordentliche/ richtige/ unveraͤnderte Succeſſion von der Apoſtel Zei-
ten nicht zu erweiſen/ daß auch der Beruff daſelbſt unguͤltig: Sintemal
nicht nur viel Chriſtliche Kirchen groſſe hiatus und Lucken bekennen muͤſ-
ſen/ wann ſie ihren Stammbaum von den Apoſteln ziehen wollen. Uber
Bonifacium, als den erſten Ertz-Biſchoff zu Mayntz/ kan Serarius in
Moguntiacis zu richtiger Ordnung nicht kommen/ es gibt viel Lucken/
Trithemius in vita Maximi bekennet und beklagt/ quod Eccleſia Mo-confer Se-
rar. Lib. 2.
Mogunt.
c. 21. \& ſq.
guntina non habeat ſuorum hiſtorias Pontificum, nec ordinem eo-
rum rectè noverit, nec numerum. Uber Amandum, den erſten
Straßburgiſchen Biſchoff/ der zur Zeit Koͤnigs Dagoberti gelebt/ kan
Coccius nicht ſteigen/ In Galliá Chriſtiana à Fratribus gentellis Samarthanis
edita p. 106. S. Amandus primus fidei apud Argentinenſ. inſtitu-
tor \& Epiſcopus an. 346. interfuit cum aliis Antiſtitibus ſynodo
Agrippinenſi: qui longè alius eſt à S. Amando Aquitano Epiſco-
po Trajectenſi, quem tribus fermè ſæculis præceſſit. Beſoldus (α)(α) in mo-
tiv. cap. 5.
p. 105.
ſchreibt auß Crantzio, Es habe der H. Pabſt Gregorius Magnus,
Auguſtinum in Britanien geſandt/ welcher die Angel-Sachſen daſelbſt
bekehrt; Beyde Edualdi haben die Sachſen und Weſtphaler; Wilfri-
dus die Hollaͤnder/ Seelaͤnder/ Utrechter und Geldrer; S. Bonifacius
die Teutſchen und Frießlaͤnder; S. Chilianus die Francken; Amandus
die Brabander und Flandrer; Adalbertus und Benedictus die Un-
gern/ Boͤhmen und Polen; Anſcharius die Gothen und Dennemaͤr-
cker/ zum Chriſtlichen Glauben gebracht/ welche alle Religioſi oder Moͤn-
che/ und von den Paͤbſten außgeſand worden/ ita Beſoldus. Wer hat
aber zuvor/ von der Apoſtel Zeit an/ angezogenen Provincien das Evan-
gelium geprediget? Da iſt alles mauß ſtille. Wuͤrde alſo dem Roͤmi-
ſchen Stuhl ſelbſt hieran viel abgehen/ und daſſelbe gleich im erſten
Stamm-
[400]APPENDIX.
Stamm-Urſprung/ und Richtigkeit der Folge (Carantza in Summ.
concil. p. 13. in re tam perplexâ Lectoris arbitrio judicium permit-
tit. Linum, Cletum, Clementem, Anaclotum Epiſcopos urbis
fuiſſe, affirmat. at quo ordine ſederint, nec ſibi, nec Veteribus ſatis
conſtare, ſcribit Papyrius Maſſonius in Clemente. conf. Chriſteid.
p. 233.) Jtem an der homogeniſchen/ gleich-artigen/ unveraͤnderten
Waͤhrſchafft: So die Griechiſche Succeſſion vor interrupt und gebro-
chen zu halten/ weil der Griechiſche Patriarchal-Stuhl/ von unterſchied-
lichen Ketzern beſeſſen worden/ nach Bellarmini conſequentz; was wird
vom Roͤmiſchen Stul zu halten ſeyn/ davon Genebrardus ſchreiben
(*) conf.
noſt. Vale
Triumph.
pag. 308.doͤrffen/ daß viel Apoſtatici und Apotactici denſelben beſeſſen? (*)
Daß aber endlich III. auch der Beruff in der Roͤmiſchen Kirch/ ſo
fern derſelbe vom Roͤm. Pabſt/ nach ſeinen Auffſaͤtzen/ auſſer dem Wort
Gottes geſchehen/ nicht Goͤttlich und rechtmaͤſſig ſey; und daß dieſelbe
Cleriſey und Ordens-Leut/ nicht zur rechten Thuͤr des Schaafſtalls ein-
kommen/ iſt darauß klar/ dieweil derſelbe durch Gottes Wort nicht ge-
weyhet/ ſondern demſelben entgegen und zuwider. Von keinem Oecu-
meniſchen allherꝛſchenden Pabſt/ der ein ſichtbares Haupt der Kirchen
Chriſti ſey/ weiß die H. Schrifft ichtwas/ ſondern ſie weiſſaget vielmehr
von einem Wider-Chriſt/ der in der Kirche Gottes ſitzen/ herꝛſchen und
regieren werde/ auff ſolche Art und Weiſe/ wie der Pabſt ſitzt und regiert.
Meß-Prieſter ſchafft hat zwar viel Weyhen/ aber an der rechten Weyhe
auß Gottes Wort mangelt es: Die H. Schrifft wil neben und nach dem
einigen blutigen Verſoͤhn-Opffer/ von Chriſto verrichtet/ kein ander un-
blutig Opffer leyden: an ihren Fruͤchten ſolt ihr ſie erkennen/ Luͤgen und
Mord/ Sicherheit oder Verzweifflung/ das ſind ihre Fruͤchte im Pabſt-
(*) confer
Denckm.
p. 604. ſq.thum. (*) Moͤncherey hat ſeinen Urſprung von dannenhero/ woher ſich
alle Enthuſiaſten, himmliſche Propheten/ Mahometh und dergleichen
geſchrieben/ ſo auß auſſer-ordentlichem Goͤttlichem Beruff/ Entzuͤckung
und Eingebung geſchehen ſeyn ſoll/ ob gleich des Pabſts Confirmation
hernach gefolgt/ ut habeant ſimiles labra lactucas; Da doch ſolchen
ra ptibus und Bewegungen auſſer der H. Schrifft-Prob nicht zu trauen/
(*) in op.
de Div.
inſp. p. 17.
178. 306.
conf. The-
olog. Cõſc.
p. 730.wie Adrianus ab Adrianis (*) wol erinnert.
Was ſonſt von der Paͤbſtiſchen Pfaffen-Weihe zu halten/ davon mag auff-
geſchlagen und geleſen werden D. Lutherus in der Sermon/ wie man Diener
der Kirchen waͤhlen und einſetzen ſoll. Tom. 7. Witteb. fol. 377. \& ſeqq. Alle die/
ſchreibt er/ ſo nun genennet werden Prieſter/ werden allein durch Biſchoffs Ge-
walt/ ohn erſucht und ohn erlangte Wahl des Volcks/ daruͤber man ſie ſetzen wil/
geſchmiert und eingeſetzt/ ſo doch demſelbigen Volck/ dieweil es ein Volck GOt-
tes
[401]APPENDIX.
tes iſt/ am allermeiſten daran gelegen/ und darein zu ſprechen waͤre/ daß man
ihm gar niemand aufflegete ohn ſein eigen Wahl/ ſondern den ſolt allein der
Biſchoff beſtaͤtigen/ welchen ſie wol kenneten und beruffen haͤtten/ daß er ihnen
tuͤglich were. Nun aber alle die/ ſo geweihet werden/ die werden gemeiniglich
dahin geweihet/ auff ein gewiſſes/ alſo/ daß ſchier keiner weiß/ welches Volcks
er kuͤnfftig Prieſter werden ſoll/ darzu das mehrer Theil werden ſie allein auff Le-
hen geweihet/ daß ſie Meſſe opffern ſollen. So gar iſt es weit davon/ daß das
Volck wiſſen moͤchte/ welche Prieſter ihn doch der Biſchoff ſalbet. Et mox ibid.
Dieweil die Prieſterliche Verordnung oder Weihe erſtlich durch Zeugnuͤß der
Schrifft/ nachmals durch Exempel und Satzungen der Apoſteln/ allein dahin
geſtellet iſt/ daß man dadurch einſetzete dem Volck Diener im Wort Gottes (ich
ſagt von dem oͤffentlichen Ampt der Gemeine im Wort Gottes/ dadurch außge-
ſpendet werden die Geheimnuͤß Gottes) daſſelbige Ampt ſoll durch dieſe heilige
Ordnung eingeſetzt werden/ als ein Ding/ das uͤber alles ander in der Kirchen
das hoͤheſt und groͤſſeſt iſt/ in welchem alle Krafft des gantzen Stands der Kir-
chen begriffen iſt/ dieweil nichts in der Kirchen beſtehen mag ohn das Wort/ und
durch das einige Wort beſtehen alle Ding. Aber meine Papiſten laſſen ihnen
auch nicht traͤumen von dieſem Ampt/ wann ſie weihen oder Prieſter verordnen.
Was thun ſie dann? Fuͤr das erſte/ ſo ſind ſie alle miteinander geſchlagen mit
Blindheit/ wiſſen fuͤrwar nicht/ was da iſt weder das Wort/ noch das Ampt des
Worts/ vorauß die Biſchoͤffe ſelber/ welche die alſo weihen/ oder zu Prieſter ver-
ordnen. Wie moͤchte dann geſchehen/ daß ſie Diener des Worts einſetzeten mit
ihrem Weihen? Darnach an Statt der Diener des Worts weihen ſie Pfaffen/
die Meſſe opffern ſollen und Beicht hoͤren. Dann das meynet der Biſchoff da-
mit/ wann er ihnen den Kelch in die Hand giebet/ und befiehlet ihnen die Gewalt
zu ſegnen/ und zu opffern das Sacrament des Altars/ fuͤr lebendige und fuͤr
todte: Ja dieſe hohe Gewalt/ die ſie beruͤhmen/ es habe ſie nie kein Engel/ ja es
habe ſie auch die Mutter Gottes nicht/ und ſie ſelbſt ſind doch daneben unreiner/
dann die Hurer und die Moͤrder. Jtem/ das meynet auch der Biſchoff damit/ ſo er
ihn mit uͤberheiliger Geheimnuͤß einblaͤßt den H. Geiſt/ und ſie alſo zu Beicht-
Vaͤtern macht/ ſprechend/ nehmet hin den Heiligen Geiſt ꝛc. das iſt/ die Gewalt
Meſſe zu halten und Beicht zu hoͤren/ die man ſo faſt biß hieher hat preiſen muͤſ-
ſen. Et pag 380. f. 2. ſic pergit: So ſoll uns nun am erſten/ fuͤr einen unbeweg-
lichen Felſen beſtehen/ daß im Neuen Teſtament keiner Prieſter iſt oder ſeyn mag/
der außwendig geſalbet ſey/ ſind aber etliche/ ſo muͤſſens nur Larven und Oel-Goͤ-
tzen ſeyn/ dann ſolcher ihrer Vppigkeit haben ſie fuͤr ſich weder Exempel noch
Schrifft/ noch ein einiges Woͤrtlein in allen Evangelien/ in allen Epiſteln der
Apoſtel/ ſondern durch lauter Menſchenfund ſind ſie auffkommen und einge-
fuͤhrt/ wie etwan Jeroboam thaͤt im Volck Jſrael. Dann ein Prieſter/ vorauß
im Neuen Teſtament/ nicht gemacht/ ſondern geboren werden muß. Wird nicht
geweihet/ ſondern beſchaffen. Wird aber gebohren/ durch die Geburt des Gei-
ſtes/ auß Waſſer und Geiſt im Bad der Widergeburt. Deßhalben ſind gar al-
le Chriſten miteinander/ und alle Prieſter ſind Chriſten/ und ſey eine verfluchte
Rede/ wo man ſagen wolte/ ein Prieſter waͤre ein ander Ding/ dann ein Chriſt
iſt/ dann ſolches wird geredet ohne Gottes Wort/ nur auff Menſchen Lehre/ auff
alte Herkommen/ oder auff die Mennig deren/ die es alſo dafuͤr halten. Aber
Achter Theil. E e edie
[402]APPENDIX.
die Goͤttliche Schrifft/ damit wir unſer Gewiſſen/ daß alle und allein die Chri-
ſten Prieſter ſind/ wider die Geoͤhlten und Beſchornen ſchmuͤcken und ſtaͤrcken
ſollen/ ſind die/ du biſt ein Prieſter in Ewigkeit/ nach der Ordnung Melchiſedech
Pſaſ. 110. Chriſtus iſt weder beſchohren worden noch geoͤhlet/ daß Er dadurch
Prieſter wuͤrde/ darum auch einem jeden/ der Chriſto nachfolgen wil/ nicht ge-
nug iſt/ geoͤhlet werden/ daß er ein Prieſter ſey/ ſondern er muß viel ein anders
haben/ uͤberkompt er das/ ſo darff er der Schmier und Schur gar nichts. Daß
du ſiheſt/ wie laͤſterlich irren der Larven Weiher die Biſchoͤffe/ ſo ſie ſagen/ man
muͤſſe geoͤhlet und geweyhet werden/ ſonſt moͤge man nicht Prieſter ſeyn/ und ob
einer ſchon der allerheiligſt/ ja Chriſtus ſelbſt waͤre. Sagen wiederum durch
dieſe Dinge werde einer ein Prieſter/ ob er ſchon ein boßhafftiger und ſchaͤndli-
cher waͤre/ dann Nero und Sardanapal geweſen ſind. Daß aber (ita idem ibid.
p. 381. ulterius) das wol und Chriſtlich ſchlieſſe/ Chriſtus iſt Prieſter/ darum ſind
alle Chriſten Prieſter/ iſt offenbar auß dem 22. Pſalm: Jch wil verkuͤndigen dei-
nen Namen meinen Bruͤdern/ und wieder einmal: Darum hat dich GOtt geſal-
bet/ GOtt dein HErꝛ/ mit dem Oel der Freuden uͤber deine Mitgenoſſen. Daß
wir ſeine Bruͤder ſind/ geſchiehet nur allein durch die neue Geburt/ darum wir
auch Prieſter ſind wie Er/ wir ſind Soͤhne wie Er/ Koͤnige wie Er. Dann Er
hat uns ſampt Jhm in das Himmliſche Weſen geſetzt/ daß wir ſeine Genoſſen
und Erben ſollen ſeyn/ in welchem und mit welchem uns alle Ding geſchencket
worden ſind Roͤm. 8. Auch haben wir ſonſt noch viel dergleichen Spruͤche/ da-
durch wir mit Chriſto ein Ding genennet werden/ als ein Brod/ ein Tranck/
ein Leichnam/ ein Glied am andern/ ein Fleiſch/ ein Gebein auß ſeinen Beinen/
daß wir ja auch mit ihm alle Ding gemein haben. Alſo folget nun auch huͤpſch
herauß/ Chriſtus iſt der erſte Prieſter worden des Neuen Teſtaments/ ohn
Schur/ ohn Schmier/ dazu auch ohn das Prieſterliche Mahlzeichen/ und ohn
alle dieſe Larve Biſchoͤfflicher Weihe: Hat auch alle ſeine Apoſtel und Juͤnger
nicht durch ſolche Larven Prieſter gemacht/ darum nicht von noͤthen iſt/ einer
ſolchen Larven-Weihe/ und ſo ſie ſchon dabey iſt/ iſts doch nicht gnug/ daß du
Prieſter werdeſt/ ſonſt muͤſteſt du auch ſagen/ daß weder Chriſtus noch ſeine Apo-
ſtel Prieſter geweſen ſind. Damit du doch allenthalben ſeheſt/ wie war ich ge-
ſagt habe/ daß an keinem Ort ſo gar nicht Prieſter ſind/ dann eben da man zu
unſern Zeiten jetzt Prieſter weihet. Bißher abermal Lutherus.
GEliebte in Chriſto. Wann Chriſtus JEſus/
der Ertz-Hirt und Ertz-Biſchoff unſerer Seelen/
GOtt den Heiligen Geiſt unter andern einem Menſch-
lichen Finger vergleicht/ und ihn nennet den FingerMat. 12, 28.
Luc. 11, 20.
Gottes/ (iſt Menſchlicher/ figuͤrlicher und verbluͤm-
ter Weiſe außgeſprochen/ aber Θεοϖϱεϖῶς Gott-zie-
mender Weiſe zu verſtehen) ſo zielet und ſiehet er zwar
fuͤrnemlich und unmittelbar auff das damalige von ihm verrichtete herꝛli-
che Miracul und Wunder. Dann als Er von einem beſeſſenen/ armen/
blinden und ſtummen Menſchen einen Teuffel außgetrieben/ und aber
von ſeinen Gifft gaͤlligen Ertz-Feinden den Phariſeern und Schrifftge-
lehrten uͤbel hoͤren muͤſſen/ die ihn gelaͤſtert und geſagt/ Er treibe den Teuf-
fel anders nicht auß/ als durch Beelzebub den Oberſten der Teuffel:
Nein ſagt Er/ ihr thut mir unrecht/ ich treibe nicht durch den Teuffel den
Teuffel auß/ dann kein Teuffel treibt den andern auß/ ſonſt wuͤrde ſein
Reich nicht lang beſtehen; Sondern durch den Finger GOttes/ welcher
iſt der H. Geiſt/ durch den Wunderthaͤtigen/ Allmaͤchtigen/ Teuffels-ban-
nenden Finger/ der ſtaͤrcker und maͤchtiger iſt/ als der Oberſte der Teuffel:
Eben den jenigen Finger/ deſſen Krafft auch Jannes und Jambres/ die
ſchwartzen Weiſen und Zauberer in Egypten/ da ſie das dritte Miracul/
die Laͤuß-Plage nicht konten nachaͤffen/ erkant und bekant nolentes vo-
lentes, auß Zwang und Drang der Warheit erkennen/ bekennen und be-
jaͤhen muͤſſen: Diß ſey Gottes Finger!Exod. 8, 16. diß ſufflamen,
Arreſt/ Auffhalt und Hindernuͤß ſey ein klar Augenſcheinlich/ Handgreiff-
lich Anzeig und Zeugnuͤß der Allmacht des Gottes der Hebreer/ des Gei-
ſtes der hoͤher und ſtaͤrcker ſey/ als ihre Geiſter/ mit denen ſie conſpirirt
und gehalten.
Jedoch und beyneben in weiterm Verſtand und Nachdencken/ ſo ſi-
het und zielet der Herr auch auff die [...]ιακονίαν του̃ πνἐυματος, auff das
heilwerthe Predigampt/ das Ampt des Geiſtes 2. Corinth. 3. an/ in und
durch welches der Geiſt kraͤfftig und thaͤtig wuͤrcket/ auch beſchehret und
gegeben wird/ und zwar in ſpecie
I. Officium Chariſmaticum,auff des guten Geiſtes Ga-
ben-Ampt/ welches er in der Kirche fuͤhret und uͤbet. Dann gleichwie
ein Sinnreicher Kuͤnſtler/ ein Controfaͤher/ ein Mahler/ ein Gold-Arbei-
ter/ Seydenſticker/ Buch-Setzer/ auch Organiſt und Harpffenſchlaͤger/
mit ſeinen fertigen/ Kunſtreichen/ und gleichſam fliegenden Fingern/ ein
und das ander Kunſtſtuͤck/ eine ſonſt von Natur untuͤchtige materiam,
ihr ſelbſt gelaſſen/ fuͤr ſich nimbt/ dieſelbe alſo ſauber expolirt, außarbei-
tet/ beruͤhret und zieret/ daß das Werck gleichſam eine lebendige Geſtalt
gewinnet/ und den Zuſeher beluſtiget/ daß ihm das Hertz im Leibe druͤber
lachen moͤchte; Alſo hat der Herr Chriſtus auch auff den Pfingſt-Tag
die groben/ ungeſchliffenen/ unpolirten Galileer durch ſeinen Finger/ den
H. Geiſt alſo poliret/ gezieret und begabet mit chariſmatibus, als ein Or-
gel von unterſchiedlichen Pfeiffen/ daß ſie mit groſſer Luſt und Freude/
Hertz und Muth/ in allerhand fremden Sprachen die magnalia außge-
ſprochen: und der iſts auch/ der noch heutiges Tages Hirten/ Lehrer und
Prediger beſchehret/ ſie mit nothwendigen Gaben außruͤſtet/ ςόμα, σοφίαν
καὶ Θυμὸν μετὰ μέτρον τῆς χάριτος.
II. Officium hierographicum,auff ſein heiliges Schreib-
Ampt. Dann gleichwie der Herr einsmals Joh. 8. als ihm ein
Weib/ ſo im Ehebruch ἐϖαυτοφώϱῳ ergriffen worden/ fuͤrgeſtellt Jhn zu
verſuchen/ ſich gebuͤcket auff die Erden in den Staub geſchrieben/ was
aber? Da laßen wir unſern Vorwitz! Alſo iſt Er auch der groſſe Sópher
und Schreiber/ der durch ſeinen Finger/ den H. Geiſt/ nicht allein das Ge-
ſetz in die ſteinerne Taffel beſchrieben Exod. 31. ſondern auch das Evange-
lium in die fleiſcherne Taffel des Hertzens/ ου᾽ μέλανι ἀλλὰ πνἐυματι 2. Cor. 3.
Sonderlich aber III. auff das officium Anadicticum, auff ſein
Goͤttlich Zeug- und Lock-Ampt. Dann gleichwie abermal der
Finger eines Menſchen/ und Namentlich der Digitus index, der Zeig-
Finger/ oder der Menſch durch denſelben/ auff ein gewiß objectum oder
Perſon zeiget und locket/ denſelben indigitirt Proverb. 6, 13. Ein loſer
Menſch zeiget mit Fingern/ auch ein Stummer kan nicht anders/ und iſt
ſolches Zeigen in der Experientz gnug bekannt; Alſo iſt auch GOtt der
H. Geiſt der Zeig- und Lock-Finger/ mit welchem der Herr gewiſſe ſub-
jecta und organa an ſich ziehet/ auff dieſelbe deutet/ und in den Weinberg
der Chriſtlichen Kirchen berufft.
Jnmaſſen der Herr auch in ſeiner fuͤrhabenden Legation und
Werbung/ auff ſeine Juͤnger (χειϱοτονηθέντας) die er dazu geordnet/ mit
dem Finger GOttes/ dem H. Geiſt/ gedeutet/ dieſelbe mit herꝛlichen Ga-
ben
[405]Predigt.
ben gezieret/ und von andern Menſchen weit/ weit unterſchieden/ und ſie
zu ſich gelocket/ als ſeine außerwaͤhlte organa und Werckzeug/ ſein pecu-
lium und Eigenthum/ und zu denſelben ſeinen Juͤngern geſprochen/
Gehet hin ꝛc. Welche SUITAS, ſo zu reden/ oder Sein ſeyn/
auch das thema iſt/ davon dißmals ferner Bericht zu erſtatten. Der
Herr helffe durch ſeinen H. Geiſt/ Amen.
DAmit es nicht das Anſehen habe/ als haͤtte der Herr ein abſon-
derlichs Gefallen/ an den herꝛlichen bloſen Ampts- und Bau-
Gaben/ damit Er die Juͤnger und Evangeliſche Botten/ durch
ſeinen allmaͤchtigen Anſpruch/ außgeruͤſtet (davon in vor-
hergehender Predigt) und ſie deßwegen prangen/ und fuͤr die Liebſten
moͤchten gehalten werden/ ſich ruͤhmen und ſagen: Es ſind uns auch dieLuc. 10, 17.
Teuffel unterthan/ ſo ſetzt der Herr das Wort Seine darzu: Judas
Jſcharioth wurde auch dazu beruffen/ hat auch geprediget und groſſe
Wunder gethan/ aber er war nicht der Meinige/ darum ſagt der Herr
Luc. 10, 19. ſeqq.Sehet/ ich habe euch Macht gegeben zu tret-
ten auff Schlangen und Scorpion/ und ůber alle Gewalt
des Feindes/ und nichts wird euch beſchaͤdigen: doch darin
freuet euch nicht/ daß euch die Geiſter unterthan ſind/ freuet
euch aber/ daß eure Namen im Himmel geſchrieben ſind/ daßIn votivis
interdum
ponitur ὅτι
pro ἐὰν daß
fůr wann/
O daß ſie
weiſe waͤ-
ren/ h. e.
wann ſie
weiſe waͤ-
ren. Daß
in unſerm
Land Ehre
wohne h. e.
Wann in
unſerm Lãd
Ehre woh-
net ꝛc.
und wann ihr in der Zahl der Außerwaͤhlten/ und alſo mein Eigenthum
ſeyd: Der Herr hat nicht gefallen an der Staͤrcke des Roſſes/ noch an
jemands Beinen/ ſondern an denen die ihn fuͤrchten/ und auff ſeine Guͤte
warten. Es werden nicht alle die zu mir ſagen/ HErꝛ/ HErꝛ/
in das Himmelreich kommen/ ſondern die den Willen thun
meines Vaters im HimmelMatth. 7, 21. Jene Propheten und
Wunderthaͤter/ die da an jenem Tage pralen und ſagen werden Matth.
7, 22. HErꝛ/ HErꝛ/ haben wir nicht in deinem Namen ge-
weiſſaget? Haben wir nicht in deinem Namen Teuffel auß-
getrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viel Thaten
gethan/ die wollen auch fuͤr Juͤnger Chriſti gehalten werden; Aber was
ſagt der HErꝛ dazu? ibid. ꝟ. 23. Jch hab euch noch nie erkannt/
weichet von mir ihr Ubelthaͤter. Die bloſe Wiſſenſchafft blaͤhet
auff/ macht Unflaͤter/ aber die Liebe bauet/ Chriſtum lieb haben iſt (in der
Waag und Wahl) beſſer/ als alles Wiſſen. Daher ſagt Paulus:
Wann ich mit Menſchen- und Engel-Zungen redet/ und
haͤtte der Liebe nicht/ ſo waͤre ich ein thoͤnend Ertz/ oder eine
E e e 3klin-
[406]Die neunte
klingende Schelle. Und wann ich weiſſagen koͤnte/ und
wuͤſte alle Geheimnuͤß/ und alle Erkaͤntnuͤß/ und haͤtte allen
Glauben/ alſo/ daß ich Berge verſetzte/ und haͤtte die Liede
nicht/ ſo waͤre ich nichts.
Sind demnach die Seinen/ oder ſeine eigene Juͤnger ins gemein/
nicht allein wegen der Schoͤpffung und Vaͤterlichen Providentz, damit
er ſie bißher alimentirt, ernaͤhrt und erhalten/ und wie ein Henn ihre
Kuͤchlein unter ihren Fittigen bedecket; Wegen der ewigen Gnaden-
Wahl/ dadurch ihre Namen im Himmel geſchrieben ſind; Wegen der
theuren Erloͤſung/ weilen Er ſie/ wie alle andere Menſchen/ mit ſeinem
Goͤttlichen Blut theur erkaufft und erworben/ zu ſeinem peculio und Ei-
genthum/ auff daß ſie ſein eigen ſeyn/ und in ſeinem Reich unter ihm lebe-
ten; Nicht allein wegen der Heiligung/ geſchehen durch das Wort und
Sacramenten/ durch den H. Geiſt/ der ſie zu allem guten angetrieben/ von
welchem Trieb St. Paulus ſchreibt: Welche der Geiſt Gottes trei-
bet/ die ſind Gottes Kinder Rom. 8/ 14. durch welchen ſie auch mit
Chriſto vereinbart/ Gliedmaſſen worden an ſeinem geiſtlichen Leibe/ und
fruchtbare an Jhm dem edlen Weinſtock hangende Reben. Sondern
in ſpecie heiſſt Er ſie Seine Juͤnger/ als ſeine vorerwaͤhlte/ vorgeord-
nete (πϱοκεχειϱοτονημένοι Actor. 10, 41.) von ſeinem himmliſchen Vater
ihm geſchenckte und gegebene Scholaren Hebr. 2, 13. Was der HErꝛ
zu Jeremia geſagt/ Jerem. 1/ 5. Jch kandte dich/ ehe dann ich dich
in Mutterleibe bereitet/ und ſonderte dich auß/ ehe dann du
von der Mutter gebohren wurdeſt/ und ſtellet dich zum Pro-
pheten unter die Voͤlcker/ das hat Er hie auch zu ſeinen Juͤngern ge-
ſagt: Jhr habt mich nicht erwaͤhlt/ ſondern ich hab euch (auß und von der
Welt) gleichſam als Perlen und Diamanten unter dem groſſen ordentli-
chen Welt-Hauffen erwaͤhlt. Seine Juͤnger nennet Er ſie/ dieweil ſie
ſeine Apoſtel/ und keines andern ſeyn ſolten/ Zeugen ſeiner Ehre/ und
Werckzeug ſeiner Gnade/ von Chriſto/ zu Chriſti Ehr/ als Chriſtliche
Botten und rechte Chriſtophri außgefertiget. Jch habe euch geſetzt/
daß ihr hingehet/ und Frucht bringet/ und eure Frucht bleibe/ Joh. 13/ 16.
Wie die Pfeil in der Hand eines Starcken/ der ſie hinauß ſchießt zum
Ziel/ und gleichſam dazu prædeſtinirt und verordnet/ ſo ſind auch Chriſti
Juͤnger in ſeiner Hand ſolche vor- und außerwaͤhlte Pfeil geweßt/ die Er
in
[407]Predigt.
in die gantze Welt außfliegen laſſen. Es hatten auch die Heyden ihre
Apoſtolos, Botten und Juͤnger gehabt/ die ſie eben zu der Zeit/ als die
Apoſtel Chriſti in alle Welt außgegangen und geprediget/ auch außgeſandt/
die Leut in ihrer Heydniſchen Blindheit und Aberglauben zu ſtaͤrcken. (α)(α) juxta
Baron. an.
75. num. 6.
Von den Juden ſchreibt Juſtinus Martyr, daß ſie auch zu der Zeit/ da
Chriſti Juͤnger von Chriſto und ſeiner Aufferſtehung allenthalben gepre-
diget/ τινὰς ἐκλεκτου`ς ἄνδρας, etliche außerkohrne Maͤnner zugleich außge-
hen laſſen/ die das widrige verkuͤndigen und ſagen ſolten/ was von der
Aufferſtehung JEſu von Nazareth außgegeben werde/ das ſey eine pur
lautere Fabul und Tand-Maͤhr. Neben dem haben der Juden Hohe-v. Chriſt.
Act. 1.
Phæn. 2.
p. 68.
Prieſter und Oberſten auch ihre Apoſtolos und Juͤnger gehabt/ die ſie al-
lenthalben außgeſchickt/ auff welche Chriſtus gedeutet Joh. 13/ 16. da Er
ſagt/ der Apoſtel ſey nicht groͤſſer/ dann der ihn geſandt hat.
Ein ſolcher war der wuͤtende Saul/ der ſich zu ſo gethaner Bottſchafft
brauchen laſſen/ und Mord-Brieffe von Jeruſalem gen Damaſco getra-
gen/ die Chriſten zu verfolgen; nachdem er aber bekehret worden/ hat er
den Titul geaͤndert/ und ſich nicht mehr einen Apoſtel der Juͤdiſchen Cleri-
ſey/ ſondern einen Apoſtel JEſu Chriſti/ und alſo ſeinen Juͤnger genennet.
Seine Juͤnger heiſt Er ſie/ als ſeine in der Zeit auſſerordentlich
unmittelbar beruffene/ in ſeine geheime Hauß-Schul/ und gleichſam in
ſeinen innerſten Schoß gezogene/ geordnete/ geweihete/ angehauchte/ an-
geblaſene/ mit dem Geiſt Chriſti begabte/ verſiegelte/ geſalbte Scholaren.
Joh. 20, 21. ſeqq. ſprach der HErꝛ zu ihnen: Friede ſey mit euch/
gleich wie mich mein Vater geſandt hat/ ſo ſende ich euch/
und da Er das ſaget/ bließ Er ſie an/ und ſpricht zu ihnen:
Nehmet hin den H. Geiſt/ welchen ihr die Suͤnde erlaſſet/ de-
nen ſind ſie erlaſſen/ und welchen ihr ſie behaltet/ denen ſind
ſie behalten. Und 2. Cor. 1, 21. ſeqq. ſagt Paulus: GOtt iſts der
uns befeſtiget in Chriſtum/ und uns geſalbet/ und verſiegelt/
und in unſere Hertzen das Pfand/ den Geiſt gegeben hat.
Seine Juͤnger heiſt Er Sie/ dieweil Er ſie in Gnaden ken-
net und nennet/ der HErꝛ kennet die Seinen 2. Tim. 2, 19. Er nen-
net ſie mit Namen Joh. 10, 3. Bey den Roͤmern wars vor Zeiten einExod. 23,
17.
Eſai. 43, 1.
ſonderbar leutſeliges Gnaden-Zeichen/ wann zum Exempel der Kayſer
Auguſtus, deßgleichen auch hernach Trajanus, die Raths-Herren zu
Rom alle/ ohn aͤuſſerliche Anmahnung/ mit Namen gegruͤſſet/ und damit
bezeuget/ er wolle ihr Patron ſeyn/ ihrer nim̃er vergeſſen/ er woll ihr eigen
ſeyn/ und ſie ſolten auch ſein eigen ſeyn; Jn ſolchem Verſtand nennet der
HErꝛ
[408]Die neunte
HErꝛ auch ſeine Juͤnger die Seine: Seine aber auch wegen ſeiner
Nachfolge/ in ſeinen zween Fußſtapffen/ das iſt/ in Lieben und Leyden/
Joh. 13/ 35. Dabey wird man erkennen/ daß ihr meine Juͤnger
ſeyd/ ſo ihr Liebe untereinander habt. Diß ſoll der character,
das Kenn- und Merck-Zeichen ſeyn.
Seine Juͤnger heiſt Er ſie/ als ſeine zarteſt geliebte Scholaren, ja
liebe Freunde/ die Er geliebet biß ans Ende/ und auß Liebe viel Schwach-
heiten an denſelben geduldet. Joh. 13/ 1. ſtehet/ wie JEſus die Seinen
hatte geliebet/ die in der Welt waren/ ſo liebet Er ſie ans Ende. Und
wiederum Joh. 15/ 14. ſqq. ſagt der HErꝛ zu ihnen: Jhr ſeyd meine
Freunde/ ſo ihr thut/ was ich euch gebiete: Jch ſage hinfort
nicht/ daß ihr Knechte ſeyd/ dann ein Knecht weiß nicht was
ſein HErꝛ thut: Euch aber habe ich geſagt/ daß ihr Freunde
ſeyd/ dann alles was ich habe von meinem Vater gehoͤret/
hab ich euch kund gethan. Welche Er auch gantz holdſelig in ſeiner
Schul tractirt, hohe himmliſche Geheimnuͤſſen ihnen gantz einfaͤltig durch
Figuren und Gleichnuͤſſen vorgetragen/ das Schwere leicht gemacht/ und
condeſcenſivè gleichſam lactificirt.
Wo von H. D. Lutherus zu hoͤren Tom. 7. Jen. in cap. 16. Joh. p. 224. f. 2.
Es iſt/ ſpricht er/ hie gezeigt der freundliche Wandel/ und liebliche Geſellſchafft
des Herꝛn Chriſti mit ſeinen Juͤngern/ wie Er ſich gegen ihnen gehalten/ daß ſie
ſich ſehr wol mit Jhm vermocht haben/ und Er ſie gerne hoͤret mit Jhme reden/
und wol kunt leiden/ und auch alles zu gut halten/ als ſeinen lieben Juͤngern/ die
Jhn auch lieb hatten/ und ſich alles guts zu Jhm verſahen/ daß Er auch ja ſo einfaͤl-
tig/ und gleich kindlich mit ihnen redet/ wie Er ſiehet/ daß ſie reden. Wie Er dann
allenthalben im Evangelio gemahlet wird/ daß Er alſo redet und geberdet/ wie Er
Leute fuͤr Jhm hat: Wo Er ſoll ſcharff und ſpitzig ſeyn/ ſo kan Ers gar uͤber ſcharff
machen/ und wiederum wo Er ſoll und wil einfaͤltig ſeyn/ als bey ſeinen armen
einfaͤltigen Schuͤlern und Kindern/ ſo redet Er auch uͤber alle maß kindlich. Da
die Phariſeer Jhn meiſtern wollen und fragen/ warum Er diß oder jenes thue/ als/
daß Er ſeine Juͤnger laſſe die Aehren außrauffen am Sabbath/ oder warum ſie
mit ungewaſchenen Haͤnden eſſen/ Jtem/ da ſie mit der geſpitzten Frage an Jhn
ſetzen/ ob man dem Kayſer ſolle den Zinß geben/ da begegnet Er ihnen auch mit ſo
ſpitziger Antwort/ daß ſie darob zu ſchanden werden. Alſo wiederum/ wann
Er mit einfaͤltigen albern Leuten redet/ ſo redet und ſtellet Er ſich auch ſo einfaͤl-
tiglich/ als ein ander. Als/ da Er laͤſſet die Kindlein zu Jhm bringen/ hertzet
und kuͤſſet ſie/ und geberdet/ ſo kindlich mit ihnen/ daß auch die Juͤnger die anfuh-
ren/ ſo dieſelben zu Jhm brachten/ Er aber die Juͤnger wiederum ſtraffet/ wo ihr
euch nicht umkehret/ und werdet wie ſolche Kinder/ ſo koͤnnet ihr nicht ins Him-
melreich kommen. Summa/ die Kunſt kan Er allein fuͤr allen/ den Weiſen und
Klugen/ iſt Er allzuweiß und klug; Vnd wiederum mit den Kindern und Albern/
iſt
[409]Predigt.
iſt Er ja ſo kindiſch/ als wůſte Ers auch nicht beſſer. Alſo thut Er auch hie/ da
Er nicht zu thun hat mit den gifftigen/ ſpitzigen Schlangen/ die Jhn ſchaͤlcklich
ſuchen/ und Judas der Verraͤther auch hinweg iſt/ und ſitzet da bey ſeinen lieben
Juͤngern/ als einfaͤltigen unverſtaͤndigen Kindern/ die daher ſtottern/ lallen und
kackeln/ wie ſie es verſtehen/ kindelt und lallet Er auch mit ihnen. So weit
Lutherus.
Conſequenter ἄσυλοι, als Seineſemper-freye Scholaren, die
Jhm ſo lieb ſeyn ſollen/ als ſein zarter Aug-Apffel/ welchen keiner ohne
Rach betaſten ſoll. Sie werden zwar hinauß gehen muͤſſen unter die
Welt/ als die Schaaf unter die Woͤlffe/ als die Tauben unter die Raub-
Voͤgel/ aber durch ihres Meiſters Troſt/ den Er ihnen ſonderlich in der
letſten Valet-Predigt eingegoſſen und hinterlaſſen/ dergeſtalt verwahret/Joh. 14. 15.
16. 17.
und ſie der Liebe ſeines Himmliſchen Vaters/ und des Beyſtands des
H. Geiſts verſichert/ daß ſie von keinem Ungemach und Teuffels-Geſpenſt
erſchrocken/ ſondern durchgedrungen und den Sieg erhalten. Trotz der
ihnen ohn Goͤttliche Verhaͤngnuͤß ſolte Schaden zufuͤgen/ die ſalva guardi
iſt allzu ſtarck Pſal. 105/ 15. Taſtet meine Geſalbten nicht an/ und
thut meinen Propheten kein Leyd! Darum Er auch dieſelbe/ nach
ſeinem Abſchied von dieſer Welt/ ſeinem Himmliſchen Vater ſo hertzlich
und fleiſſig recommendirt/ in ſeinem Pathetiſchen Gebet Joh. 17/ 6. ſeqq.
auch gewuͤndſcht/ daß ſie eines ſeyen/ wie Er und der Vater/
und daß ſie vollkommen ſeyen in eines (ibid. ꝟ. 21. \& 23.)
Daß es alſo/ (ſind Lutheri (*) Gedancken) von oben herab komme/ von dem(*) tom. 7.
Jen. p. 105.
f. 2.
Vater/ durch Chriſtum/ und durch Jhn wieder hinauff gehe. Dann der Sohn
kompt von dem Vater herunter zu uns/ und haͤnget ſich an uns/ und wir haͤngen
wiederum uns an Jhn/ und kommen durch Jhn zum Vater. Dann darum iſt
Er Menſch worden/ und gebohren von der Jungfrauen Maria/ daß Er ſich ſol-
te unter uns mengen/ ſehen und hoͤren laſſen/ ja auch fuͤr uns ſich creutzigen und
toͤdten laſſen/ daß Er uns alſo zu ſich ziehe/ und an Jhm halte/ als dazu geſandt/
daß Er die/ ſo an Jhn glauben wuͤrden/ hinauff zoͤge zum Vater/ wie Er in dem
Vater iſt. Dieſe Ketten hat Er gemacht zwiſchen Jhm und uns/ und dem Va-
ter/ und uns drein geſchloſſen/ daß wir nun in Jhm ſind/ und Er in uns iſt/
gleich wie Er im Vater/ und der Vater in Jhm iſt. Durch ſolche Einigkeit und
Gemeinſchafft/ iſt unſer Suͤnd und Tode abgethan/ und wir dafuͤr eitel Leben
und Seligkeit haben/ ita Luther.
Gleichwie aber die Sonn ihre Strahlen nicht nur grad von oben
herab auff die Erden ſchießt/ ſondern ſie erweckt auch eine reflexion und
Widerſchein/ ſo von der Erden gegen der Sonn in die Hoͤhe zuruͤck gehet:
Alſo heiſt Chriſtus ſeine Juͤnger/ die Seine/ nicht nur darum/ dieweil
Er an ſeinem hoͤchſten Ort/ ſeinen Gnaden-Glantz auf ſeine Juͤnger herab
laſſen leuchten/ und ſie inniglich geliebt; Sondern auch reciprocè darum/
Achter Theil. F f fdieweil
[410]Die neunte
dieweil ſie Jhn wiederum treulich geeinet und gemeynet/ Chriſtum fuͤr ih-
ren Meiſter und HErꝛn erkennet und angenommen/ ſeine Lehre gruͤnd-
lich zu faſſen ihnen aͤuſſerſt laſſen angelegen ſeyn/ bey ſeinen Worten un-
außſetzlich geblieben/ und davon weder zur Rechten noch zur Lincken auß-
gewichen/ den characterem und Kenn-Zeichen des Ordens ſeiner Juͤn-
ger/ (den der HErꝛ ſelbſt vorgeſchrieben/ Joh. 8/ 31. So ihr bleiben
werdet in meiner Rede/ ſo ſeyd ihr meine rechte Juͤnger) wol in
Obacht genommen/ ſonderlich da ſie an fremden Schaden witzig worden/
und erfahren/ wies Jndæ dem verraͤtheriſchen Mamelucken/ der Chriſti
ſo Lieb- ſo Draͤu-Wort freventlich verlaſſen/ und in Wind hinauß ge-
ſchwungen und außgeſchlagen/ ergangen: Sie haben Jhm gefolgt ſeinen
Fußſtapffen/ und wie ſie denſelben/ als das Wort des Lebens mit Augen
geſehen/ mit Haͤnden betaſtet/ mit Ohren angehoͤret/ als einen Propheten
maͤchtig von Thaten und Worten/ (das iſt von heilſamer Lehr und heili-
gem Leben) fuͤr Gott und allem Volck Luc. 24, 19. erkannt ſeine Lehr/ Le-
ben/ Geiſt/ Sinn/ Affecten/ Sitten/ Tugenden/ Eingang und Außgang/
ihnen wol eingebildet/ im Gedaͤchtnuͤß behalten/ und durch Erinnerung
des H. Geiſtes auch demſelben in Lehr und Leben nachgefolget/ der maͤchtig
geweßt in Worten und Thaten/ in der edlen Conjunctur des Ampts und
heiligmachenden Gaben/ denſelben in ihren Mund geredet/ und ihren
Meiſter repræſentirt, der ihnen auß den Augen her auß geleuchtet/ durch
ihren Geberden/ Sitten und Tugenden ſich ſcheinbarlich erzeigt/ auß Lie-
be/ als Chriſti Angehoͤrige/ ihr Fleiſch gecreutziget/ ſampt den Luͤſten und
Begierden/ auß Chriſt-liebenden Hertzen hinauß gezogen/ das Evange-
lium geprediget/ geweiſſaget/ Wunder gethan/ Teuffel außgetrieben/ aber
alles auß der Liebe Chriſti/ zu Chriſti Ehr/ auß bruͤnſtigem Geiſt/ in rech-
ter Einfalt und Lauterkeit des Hertzens. Da Petrus ein lahm-gebornen
Menſchen wiederum gerad und lenckend gemacht/ ſagt er zum Volck:
Actor. 3, 12.
ſeqq.Jhr Maͤnner von Jſrael/ was wundert ihr euch daruͤber?
oder was ſehet ihr auff uns/ als haͤtten wir di ſen wandeln
gemacht/ durch unſer eigene Krafft und Verdienſt? Pauli
und Johannis Exempel koͤnnen hie allegirt werden/ auß denen zuverneh-
men/ mit was heiliger Treu und Chriſt-liebendem Eyfer/ ſie ihre chari-
ſmata und Ampts-Gaben angewendet/ und dieſelbe mit den heiligmachen-
den Gaben gleichſam gewuͤrtzt/ gezieret/ und Gott im Himmel geopffert.
Sie haben den HErꝛn alſo hertzlich geliebet/ daß ſie in ſeinen Anfechtungen
bey Jhm verharret/ ihrem HErꝛn getren geblieben biß in den Tod und
alle (außgenommen Johanne/ der doch auch nicht leer außgangen) mit ih-
rem
[411]Predigt.
rem Blut und Tod ihr Zeugnuͤß verſiegelt: und auch durch ſolche Liebe
alle Drangſal/ Verfolgung/ Noth und Tod uͤberwunden/ und deſſen ge-
wiß geweßt/ daß weder Tod noch Leben/ weder Engel nochRom. 8, 38.
ſeq.
Fuͤrſtenthum/ noch Gewalt/ weder gegenwaͤrtiges noch zu-
kuͤnfftiges/ weder hohes noch tieffes/ noch keine andere Crea-
tur/ ſie ſcheiden moͤge von der Liebe GOttes/ die in Chriſto
JEſu iſt ihrem HErꝛn.
Chriſti letſte Predigt geht dahin/ (ita Lutherus Tom. 7. Jenenſ. p. 103. f. 2.)
daß Er ſie deß gewiß mache daß ſie der Vater lieb habe/ und damit ſie bewege/
daß ſie Jhn (den HErꝛn Chriſtum) auch lieb gewinnen: Dann wer die Liebe zu
Chriſto nicht hat/ der kan des Teuffels und der Welt Boßheit nicht anßharren.
Als zum Exempel/ wann St. Paulus nicht auß Liebe/ die er zu Chriſto hat/ pre-
digte/ ſo wuͤrde er des Predigampts bald muͤde werden/ weil er daruͤber muſte
taͤglich ſo viel Fahr/ Verachtung/ Schmach und Laͤſterung/ und allerley Hertzleid
und Plage/ von dem Teuffel und der Welt leiden. Alſo auch die Chriſten/ ſo
da ohn unterlaß verfolgt/ verjagt/ geplagt/ und auffs greulichſte zumartert
wurden/ wie haͤtten ſie koͤnnen beſtehen und bleiben/ wann nicht ihr Hertz gewiß
geweßt were der Goͤttlichen Gnade/ und gebrandt haͤtte fuͤr der Liebe zu Chriſto?
Vnd wann St. Paulus ſolt jetzund predigen/ und ſehen wie die Welt ſo ſchaͤndlich
dafuͤr dancket/ dazu ſo mancherley Rotten unter denen/ ſo das Evangelium ge-
hoͤret haben/ entſtehen; Jtem die gifftigen Ertzboͤſen Tuͤcke des Pabſts und ſeiner
Schuppen/ ſolte er nicht bewegt werden zu ſagen: Nun predige der Teuffel der
Welt an meiner Statt. Dann wer wil das auff ſich laden/ wann er alles thut
und leidet/ den Leuten zu helffen/ und ſoll ihm dafuͤr ſo ſchaͤndlich laſſen in die
Haͤnde thun? Jch lieſſe es das Hertzleid haben/ ſpreche Fleiſch und Blut. Dar-
um gehoͤrt dazu/ daß ein Chriſt fuͤr allen Dingen wiſſe/ daß er einen gnaͤdigen
GOtt habe/ und dencke/ um Chriſti willen zu thun und zu leiden/ was ein
Chriſte thun und leiden ſoll/ und ſagen koͤnne/ was ich thue/ das thue ich meinem
Herrn zu Lieb und Dienſte. Sic ille.
Sie haben auch die Liebes-Flamme/ die in ihrem Hertzen gebrennet
gegen ihrem HErꝛn und Meiſter Chriſto/ gegen dem Nechſten außbre-
chen laſſen/ Juden und Heyden auß dem Finſternuͤß zum Liecht/ auß dem
Rachen des Todes in den Schooß der Goͤttlichen Gnaden/ auß der Hoͤlle
in den Himmel befoͤrdert/ und alſo auch damit bezeugt/ daß ſie Chriſti rech-
te und aͤchte Juͤnger ſeyen/ die ſein Gebott in acht genommen und erfuͤllet/
da Er ihnen Joh. 13 34. gebotten und geſagt: Ein neu Gebott gebe
ich euch/ daß ihr euch untereinander liebet/ wie ich euch gelie-
bet habe/ auff daß ihr einander lieb habet: dabey wird jeder-
man erkennen/ daß ihr meine Juͤnger ſeyd/ ſo ihr Liebe unter-
einander habt.
Alia munera mea habent vobiſcum etiam non mei (ita hunc locum παϱα-
φϱάζει Auguſt. Tract. 65. in Joh. 5.) non ſolùm naturam, vitam, ſenſus, rationem \&
eam ſalutem, quæ hominibus pecoribuſque communis eſt: verum etiam linguas
F f f 2ſacra-
[412]Die neunte
ſacramenta, Prophetiam, ſcientiam, fidem, diſtri butionem rerum ſuarum paupe-
ribus, \& traditionem corporis ſui, ut ardeant, ſed quoniam charitatem non ha-
bent, ut cymbala concrepant, nihil ſunt, nihil illis prodeſt. Non ergò in illis
quantum vis bonis muneribus meis, quæ etiam habere poſſunt non diſcipuli mei:
Sed in hoc cognoſcent omnes, quia mei diſcipuli eſtis, ſi dilectionem habueritis
ad invicem. Egregiè Cyrill. l. 9. in Joh. c. 14. contenderim non alia coronâ non
alio torque atque ſignaculo diſcipulos Chriſti cognoſci oportere, quàm à vincu-
lo charitatis.
Darum ſie endlich nach vollendetem ihrem Lauff/ im Himmliſchen Bra-
bevterio gekroͤnet und gethroͤnet/ weyland Creutz-Juͤnger/ nun mehr
Glori- und Kronen-Juͤnger worden/ und welches der Lieb und Gegen-
Liebe Zweck iſt/ und endliche Vollkommenheit/ die allerſeligſte Union und
geheimſte Vereinbarung GOttes des HErꝛn und des Menſchen/ durch
Chriſtum erlangt/ maſſen der HErꝛ ſelbſt gebeten und gewuͤnſcht Joh.
17/ 24. Vater ich wil/ daß wo ich bin/ auch die bey mir ſeyen/
die du mir gegeben haſt. Als Petrus einsmals den HErꝛn gefragt
und geſagt Matth. 19/ 27. Sihe/ wir haben alles verlaſſen/ und
ſind Dir nachgefolget/ was wird uns dafuͤr? ſo antwortet ihm
der Herr (ibid. ꝟ. 28. ſq.) Warlich ich ſage euch/ daß ihr/ die
ihr mir ſeyd nachgefolgt in der Widergeburt/ da des Men-
ſchen Sohn ſitzen wird auff dem Stul ſeiner Herꝛligkeit/
werdet ihr auch ſitzen auff zwoͤlff Stuͤhlen/ und richten die
zwoͤlff Geſchlechte Jſrael: Und wer verlaͤſſet Haͤuſer oder
Bruͤder/ oder Schweſter/ oder Vater/ oder Weib/ oder Kin-
der/ oder Aecker um meines Namens willen/ der wirds hun-
dertfaͤltig nehmen/ und das ewige Leben ererben.
Hie oͤffnet der HErꝛ die Art und Beſchaffenheit ſeiner Chriſt-Schul/
und ſtellet uns zur Lehre und Beyſpiel fuͤr Augen/ Ideam boni Doctoris
\& boni Diſcipuli, ein Muſter/ Form und Geſtalt eines rechten getreuen
und Ruhmwuͤrdigen Profeſſoris, Lehrers und Lehrmeiſters/ ſo dann auch
eines rechten from̃en und loͤblichen Diſcipuli, Studenten und Scholarn.
Chriſtus hat ſeine Juͤnger angefehen und angenommen/ als GOttes ſei-
nes Himmliſchen Vaters/ hat ſie zu ſich gezogen/ in Gnaden erkennet/ an
ihnen treulichſt gearbeitet/ zum rechten Zweck der Goͤttlichen Ehr einge-
richtet und erwaͤhlet/ inbruͤnſtig und hertzlich geliebet. Wo findet man
heutiges Tags Præceptores und Lehrmeiſter von gleicher Art? Magi-
ſtros vanitatis mundialis, non veritatis cœleſtis, deren viel/ die die Ju-
gend zu allerhand Vanitaͤten und weltlichen Eitelkeiten anziehen/ von
himmliſcher Weißheit aber entweders mauß-ſtill ſchweigen/ oder doch die-
ſelbe
[413]Predigt.
ſelbe mit gebuͤhrender dexteritaͤt nicht koͤnnen oder wollen voriragen: Die
lieber præſenten, Gaben und uͤbermachte Lehr-Gelder von ihren Diſci-
pulen auffheben/ als daß ſie dieſelbe ſelbſt/ als GOttes Gaben und theure
Beylagen/ ſonderlich die Armen/ halten und anſehen ſolten: Arme Kin-
der muͤſſen ihrer Armuth entgelten/ und in Außtheilung der præmien hin-
den an ſtehen. Mancher Orbilius meynt/ er wolle den Knaben die Kunſt
mit Streichen einſchlagen/ andet und ſtrafft ſchaͤrffer die ſolœciſmos
Grammaticæ, als die ſolœciſmos vitæ, wie Auguſtinus (*) an einem(*) Lib. 1.
conf. c. 9.
Ort klagt: Da er ſo viel muͤglich ihm dieſelbe eingieſſen/ und das Hertz im
Leib mit ihm theilen ſolte. Und was ſind heutige Schulen faſt anders/ als
Welt-Schulen/ dem Welt-Geiſt zu flatiren, der Welt zu gefallen/ die
Staats-Ration zu finden/ und ſich in allem derſelben bequemen? Rechte
Chriſt-Schulen ſind rar. Chriſto dem Herrn geths eben/ wie in ſcho-
lâ patriâ, in der Schul zu Nazareth/ da Er daheim geweßt/ Er iſt nicht
angenehm in ſeim eignen Vaterland/ wird außgeſtoſſen/ Er muß exuli-
ren, und iſt ein Fremdling in heutigen Schulen: Deſſen gruͤndliche Er-
kaͤntnuͤß wir jungen Leuten verleydet und verhaſſt gemacht: Die Furcht
GOttes ſolte der Weißheit Anfang ſeyn (in hebr. [...]) das Haupt oder
Hauptwerck/ das fac totum: Sie ſolte vor den ſtudiis vorher gehen/ als
Hertzogin und Fuͤhrerin; Sie ſolte dieſelbe begleiten/ reguliren, und end-
lich das Ziel und Zweck ſeyn: ſo wird dieſelbe auß der Acht gelaſſen/ und
denen ſonſt guten ingeniis die Kunſt als ein ſcharff Meſſer in die Hand
gegeben/ damit ſie/ gleich den unvorſichtigen Kindern/ ſich und andere ver-
wunden. Camilli didactron oder Lehr-Geld verdienen ſolche Lehrer/ die
die arme Jugend verrathen/ und dem Welt-Geiſt uͤbergeben.
Als Camillus der Roͤmiſche Feld-Herꝛ der Faliſcer Stadt belaͤgert/ war
ein Schulmeiſter in der Stadt Falerii (dann diß war ihr Name) der unterſtund
ſich ein verraͤtheriſch Stuͤck ins Werck zu richten/ und verhoffte dadurch bey dem
Roͤmiſchen Obriſten reichen Lohn zu bekommen. Er hatte der vornehmſten Buͤr-
ger Kinder in ſeiner Diſciplin/ die pflegte er Wochentlich vor die Stadt hinauß
F f f 3ſpatziren
[414]Die neunte
ſpatziren zu fuͤhren/ und ihnen einen Spiel-Tag zu geben. Jn waͤhrender Be-
laͤgerung fuͤhrte er eins Tags die Knaben/ ſeiner Gewohnheit nach/ wiewol nicht
zu der Pforten/ dafuͤr das Roͤmiſche Heer lag/ ſondern an der andern Seiten/
hinauß ins Feld/ nam einen weiten Vmſchweiff mit ihnen/ daß er gegen der Roͤ-
mer Laͤger kam. Da aber die Knaben nicht ferner wolten/ noͤthigt er ſie/ daß ſie
mit ihm durch die Wachten in das Laͤger gehen muſten. Hierauff begehrt er fuͤr
den Oberſten/ liefert ihm ſeine Schuͤler/ gab ihm zu erkennen/ wie ſolche der vor-
nehmſten Buͤrger Kinder waͤren/ welche/ ſo er ſie bey ſich gefangen behleite/ koͤnte
er die Stadt durch diß Mittel ohne Schwerdt-Streich bezwingen/ dann ehe ſie
ihre Eltern in des Feinds Hand lieſſen/ wuͤrden ſie ehe die Stadt uͤbergeben/ da-
neben thaͤt er des Lohns Meldung/ deſſen er ſich dann gewiß verſahe. Als Ca-
millus die Kinder ſahe/ und diß verraͤtheriſche Stuͤck des Schulmeiſters zu Ge-
muͤth zoge/ ergrimmet er uͤber den Boͤßwicht/ Ja/ ſagt er/ ich wil dir deine Be-
lohnung geben/ ließ ihm die Kleider vom Leibe reiſſen/ die Haͤnde auff den Ruͤcken
binden/ gab darnach einem jeden Buben eine friſche Ruthe in die Hand/ hieß ſie
tapffer auff ihren Præceptor zu ſchlagen/ und alte Schuld raͤchen. Darnach
befahl er den Knaben/ ſie ſolten ihren Eltern ſagen/ wie ſich alle Dinge verlauf-
fen/ und daß Camilli Meynung nicht waͤre/ die Stadt durch ſolche unerbare
Practicken/ ſondern mit Mannheit und ritterlicher Hand auffrichtig zuerobern.
Die Buben geiſſelten alſo den Verraͤther zur Stadt hinein.
O wie groß iſt Sathans Schul/ da Luͤgen und Mord profitirt und
gelehrt werden! Sie mag wol eine weite breite Untverſitaͤt genennet wer-
den/ die ſich uͤber die gantze Weit außbreitet.
Κακου̃ κόϱακος, κακὸν ὠὸν, wie der Meiſter/ ſo iſt und gerathet auch
der Schuͤler. Rechte Juͤnger Chriſti/ wo ſind die? Jch wil nicht ſagen
von denen/ die drauſſen ſind/ von den ſelbſt-gewachſenen Jrꝛgeiſtern/ die
ihre Kunſt/ ihre Gloſſen/ in und auß ſich ſelbſt ſaugen/ und fuͤr Lehren
Chriſti außgeben/ ſagen ſie ſeyen Apoſtel/ und ſinds nicht/ Apoc. 2, 2. von
der Geſellſchafft deren/ die ſich Jeſuiten/ oder Jeſu Juͤnger (κατ᾽ ἐξοχ [...])
nennen/ ſcilicet, wie Judas ein Freund Chriſti geweßt; Und andern
Affen/ die Chriſto folgen wollen in Wercken/ die Er nicht befohlen/ in
Wunder-Wercken/ in Verſoͤhnungs-Wercken/ in viertzig-taͤgigem Faſten/
und andern unnachthunlichen unmuͤglichen Wercken. Gleichwie von
Anbegin je und allezeit der unſelige/ Liecht-ſcheuende Geiſt der Finſternuͤß/
GOttes des Allerhoͤchſten und ſeines Worts/ Aff geweßt/ wo derſelbe ei-
ne Kirche gebauet und auffgerichtet/ iſt dieſer auch mit ſeiner Neben-Ca-
pell bald fertig geweßt; hat Gott der Herr ein einiges [...], ein oracu-
lum und Gnaden-Stul/ und gleichſam eine Cantzel geſtifftet/ von welcher
Er mit Moſe geredet und ſeinen Willen geoffenbaret/ ſo hat im Gegentheil
der Sathan hundert oracula, Goͤtzen-Haͤuſer/ und darin erſchallende Ant-
wortung der Goͤtter im blinden Heydenthum auffgerichtet; Hat der Va-
ter des Liechts ſeine Engel außgeſendet/ und mit Himmliſchem Glantz/ in
dem
[415]Predigt.
dem ſie erſchienen/ angezogen/ ſo hat ſich der ſchwartze Butz auch in einen
Engel des Liechts verſtellet und vermummet. Alſo hat der Sathan auch
die Apoſtel und Juͤnger Chriſti nachgeaͤffet/ und an ſtatt der wahren/ recht-
bezeichneten Apoſtel/ ſeine Apoſtolaſtros oder wilde Apoſtel in die Welt
außgeſtoſſen: Aber an ihren Fruͤchten ſolt ihr ſie erkennen!
Unter uns ſelbſt wo ſind die rechten Juͤnger Chriſti? Was ſind un-
ſere Studenten meiſten Theils/ als mundiales, Juͤnger des Weltgeiſtes/
der des hoͤlliſchen Geiſtes Bruder iſt? Welt- aber nicht Gottes-gelehrte
Leute/ fleiſchliche Welt- aber nicht geiſtliche Chriſt-Juͤnger/ Syncretiſten,
Gallioniſten, Statiſten, Atheiſten, und boͤſe Chriſten/ Welt Kinder/
ja offt Belials-Kinder und Juͤnger ſind ſie. Dann wer Chriſtus Geiſt
nicht hat/ der iſt nicht ſein/ Rom. 8/ 9. Wer nach dem Fleiſch lebe/ der
muß (verſtehe des ewigen Todes) ſterben. Judas Geſellen ſind es/ die
in der H. Tauffe Chriſto ihrem Herrn treu und hold zu ſeyn gelobet/
Jhm allein anzuhangen/ zu folgen in Liebe und Leyden/ Demuth und
Sanfftmuth von Jhm zu lernen/ ihr Fleiſch zu creutzigen/ ſampt den Luͤ-
ſten und Begierden: Aber kommen die Jahr des Verſtandes/ der Wille
wird frey gelaſſen; ſo gibts zeitlich abtruͤnnige Mamelucken/ die Chriſtum
verrathen/ verkauffen und verlaſſen/ mit der Welt unten und oben liegen.
Die rechte Juͤnger Chriſti hat Lutherus abgemahlet/ Tom. 2. Iſleb. p. 291. f. 2.
Jch hab (wil Chriſtus ſagen) zweyerley Juͤnger/ die Erſten glauben an mich/
ruͤhmen und hoͤren das Evangelium/ und ſagen/ das iſt die rechte Warheit/ und
ich halte ſie fuͤr groſſe treffliche Chriſten/ aber es liegt am bleiben. Darnach
ſind andere die hoͤrens/ aber wanns zum Treffen koͤmmet/ da ſpricht man/ ich
weiß auff meine Seele nicht/ ſoll ich diß und das um des Evangelij willen ver-
laſſen? Da ſind derſelbigen wenig/ die im Creutz und Verfolgung bey dem Ev-
angelio verharren? Wo findet man ſie/ die da beſtaͤndig bleiben? Da ſpricht nun
Chriſtus/ ſo ihr bleibet an meiner Rede/ ſo ſeyd ihr meine rechte Juͤnger: Wann
euch meine Lehr gefaͤllt/ ſo ſeyd ihr wolgeehrt/ und ihr wiſſet alles/ bleibet im
Creutz und Leyden bey der Lehr/ ſo ſeyd ihr meine Juͤnger. Meine Lehre aber iſt
nicht der Art/ daß man allein anfahe zu glauben/ und viel vom Evangelio ruͤh-
me/ und ich glaube es auch es ſeye bald angefangen/ aber wo ſind die Bleiber
und Verharrer/ daß man außſtehe und gedencke/ ey es gehe mir druͤber wie GOtt
wil/ bin ich nicht geſund/ ſo werde ich kranck/ bin ich nicht reich/ ſo bleibe ich
arm/ ich ſterbe oder lebe/ ſo bleibe ich doch bey Chriſto. Es gehee hie zu (ita ibid.
p. 293. f. 1.) gleich als wann im Lentzen/ an den Baͤumen alle Aeſte voller Bluͤte
ſtehen/ daß man gedenckt/ wo man doch mit allen Aepffeln und Birn hin wolle;
Aber kommet ein Regen oder Wind in die Bluͤthe/ ſo fallen ſie mit Hauffen ab/
daß wol das neunte Theil herab faͤllet/ und nur das zehende Theil ſchwerlich reiff
wird/ und etliche werden dazu Wurmſtuͤchig. Alſo (mox pergit ibid. f. 2.) haͤt-
ten das Evangelium auch die Juden gerne gehabt/ aber ſine cruce, und daß ſie
haͤtten moͤgen im Sauſe leben und frey ſeyn/ und niemand nichts geben/ noch je-
mands
[416]Die neunte
mands unterthan oder eigen ſeyn: Aber wann das Evangelium eine ſolche Leh-
re waͤre/ ſo wolte ich in einer Stunde die gantze Welt bekehren. Wann Chriſtus
einem jeden haͤtte einen Sack voll Goldguͤlden geſchenckt// dazu ein Schloß oder
Stadt geben/ wer ſolte nicht ſein Juͤnger geblieben ſeyn? Sie waͤren alle zuge-
lauffen/ wann Er nur einem tauſend Guͤlden gegeben/ ja wann Er einem jegli-
chen nur einen Guͤlden geſchenckt/ und haͤtte denſelbigen ihn mit Friede gebrau-
chen laſſen/ und einen freyen Zaum gelaſſen zu Hurerey und Ehbruch/ zu wu-
chern und ſtehlen/ und daß ſie keine Gefahr deßhalben leiden doͤrfften/ noch ſich
muͤſten fuͤrchten fuͤr dem Tode/ da waͤre Er ein feiner Koͤnig geweſen. Aber da
Er ſagt/ man wird dir feind ſeyn/ und du muſt gehaſſet werden um meinet willen/
die Welt wird euch laͤſtern/ ſchaͤnden und auch toͤdten um meinet willen/ und
nicht goͤnnen den biſſen Brods/ ſo ihr eſſet/ oder daß ihr einen Augenblick leben
moͤget/ und ſolches alles wird euch um meinet willen widerfahren. So ſpricht
dann Fleiſch und Blut/ es ſeye der Teuffel an meiner ſtatt ein Chriſt/ gehe du hin/
und ſey ein Chriſt/ es ſtincket hie zu ſehr/ es koſtet viel/ und gehoͤrt und gehet viel
zum bleiben/ daß man ſoll alles in die Schantze ſchlagen/ man ſpricht/ ich wil wol
anfahen/ aber ich werde nicht bleiben. Wer nun hie ein groſſen Muth hat/ und ein
Waghals iſt/ wil der HErꝛ Chriſtus ſagen/ derſelbige wird mein rechter Juͤnger
genennet werden.
Zwar gelehrte/ geſchickte und weiſe Leute/ Raͤthe und Redner/ ſollen
und werden in den Schulen aufferzogen/ daß ſie weiſſagen/ fremde Spra-
chen verſtehen/ die Hoff-Teuffel die Cantzel-Teuffel außtreiben.
Lutherus Tom. 6. Witt. p. 338. ſchreibt: Weil eine Stadt ſoll und muß
Leute haben/ und allenthalben der groͤſte Gebreche/ Mangel und Klage iſt/ daß an
Leuthen fehle/ ſo muß man nicht harren/ biß ſie ſelbſt wachſen/ man wird ſie auch
weder auß Steinen hauen/ noch auß Holtz ſchnitzen/ ſo wird GOtt nicht Wunder
thun/ ſo lange man der Sachen durch andere ſeine dargethane Guͤter entrathen
kan. Darum muͤſſen wir dazu thun/ und Muͤhe und Koſt daran wenden/ ſie ſelbſt
erziehen und machen. Dann wes iſt die Schuld/ daß es jetzt in allen Staͤdten
ſo duͤnne ſiehet von geſchickten Leuten/ ohn der Obrigkeit/ die das junge Volck hat
laſſen auffwachſen/ wie das Holtz im Walde waͤchſet/ und nicht zugeſehen/ wie
mans lehre und ziehe? Darum iſts auch ſo unordig gewachſen/ daß zu keinem
Bau/ ſondern nur ein unnuͤtz Gehecke/ und nur zum Feurwerck tuͤchtig iſt. Es
muß doch weltlich Regiment bleiben/ ſoll mann dann zulaſſen/ daß eitel Ruͤltzen
und Knebel regieren/ ſo mans wol beſſern kan/ iſt je ein wild unvernuͤnfftiges
Fuͤrnehmen. So laß man eben ſo mehr Saͤu und Woͤlffe zu Herren machen.
Et mox: Zwar wann kein andere Stuͤtz an den Sprachen waͤre/ ſolt doch uns
das billig erfreuen und anzuͤnden/ daß es ſo ein edle feine Gabe Gottes iſt/ damit
uns Teutſchen GOtt itzt ſo reichlich faſt uͤber alle Laͤnder heimſucht und begnadet.
Man ſihet nicht viel/ daß der Teuffel dieſelben haͤtte laſſen durch die hohen Schu-
len und Kloͤſter auffkommen. Ja ſie haben allezeit auffs hoͤheſt darwider geto-
bet/ und auch noch toben/ dann der Teuffel roch den Braten wol/ wo die Spra-
chen herfuͤr kaͤmen/ wuͤrde ſein Reich ein Fach gewinnen/ das er nicht koͤnte leicht
wieder zu ſtopffen. Weil er nun nicht hat moͤgen wehren/ daß ſie herfuͤr kaͤmen/
dencket er doch/ ſie nun alſo ſchmal zu haleen/ daß ſie von ihnen ſelbſt wieder ſol-
len
[417]Predigt.
len vergehen und fallen. Es iſt ihm nicht ein lieber Gaſt damit ins Hauß kom-
men/ darum wil er ihn auch alſo ſpeiſen/ daß er nicht lange ſoll bleiben. Dieſen
boͤſen Tuͤck des Teuffels/ ſehen unſer gar wenig/ lieben Herren. Darum liebe
Teutſchen/ laßt uns die Augen auffthun/ GOtt dancken fuͤr das edele Kleinod/
und feſt darob halten/ daß uns nicht wieder entzuͤckt werde/ und der Teuffel nicht
ſeinen Muthwillen buͤſſe. ibid. p. 339. Die Sprachen ſind die Scheiden/ darin-
nen diß Meſſer des Geiſts ſteckt; Sie ſind der Schrein/ darinnen man diß Klei-
nod traͤgt; Sie ſind das Gefaͤß/ darinnen man dieſen Tranck faſſt; Sie ſind
die Kemnot/ darinnen dieſe Speiſe ligt: Vnd wie das Evangelium ſelbſt zeigt
ſie ſind die Koͤrbe/ darinnen man dieſe Brod und Fiſche/ und Brocken behaͤlt.
Das weiß ich aber wol/ (ſchreibt Lutherus ferner ibid. p. 340. f. 2.) wie faſt der
Geiſt alles allein thut/ were ich doch allen Puͤſchen zu ferne geweßt/ wo mir nicht
die Sprachen geholffen/ und mich der Schrifft ſicher und gewiß gemacht haͤtten.
Jch haͤtte auch wol kunt fromm ſeyn/ und in der Stille recht predigen. Aber
den Pabſt und die Sophiſten/ mit dem gantzen Antichriſtiſchen Regiment/ wuͤr-
de ich wol haben laſſen ſeyn/ was ſie ſind; Der Teuffel achtet meinen Geiſt
nicht ſo faſt/ als meine Sprache und Feder in der Schrifft. Dann mein Geiſt
nim̃t ihm nichts/ dann mich allein. Aber die H. Schrifft und Sprachen machen
ihm die Welt zu enge/ und thut ihm Schaden in ſein Reich. Et p. 342. f. 2. Wir
ſind leider lang gnug im Finſternuͤß verfaulet und verdorben; wir ſind allzu-
lange gnug teutſche Beſtien geweſen. Laſſet uns einmal auch der Vernunfft
brauchen/ daß GOtt mercke die Danckbarkeit ſeiner Guͤter/ und andere Lande
ſehen/ daß wir auch Menſchen und Leute ſind/ die etwas nuͤtzlichs entweder von
ihnen lernen/ oder ſie lehren koͤnten/ damit auch durch uns die Welt gebeſſert
werde. Hactenus Lutherus.
Und wer auß Gott/ zu Gottes Ehr/ und nach Goͤttlicher Regul/
ſolche hohe Gaben angewendet/ derſelben in der Furcht GOttes/ Einfalt
und Lauterkeit ſeines Hertzens/ auß motiv des Glaubens und der Liebe
Chriſti/ ohne Welt-Danck und Eigenſucht recht gebraucht/ zieret ſeine
Ampts-Gaben mit heiligmachenden Gaben/ iſt maͤchtig λόγῳ κ [...] ἔϱγῳ in
Worten und Thaten wie Moſes Act. 7. glaubet auch/ daß Chriſtum lieb
haben beſſer ſey/ als alles wiſſen/ der iſt/ wie ein Wildpret/ alſo auch von
Gott erkannt 2. Tim. 2/ 19. und hertzlich geliebet/ der wird auch leuchten
an jenem Tage/ wie die Sterne am Himmel. Aber/ wie geſagt/ es iſt
Wildpret/ ſolche Leute ſind Perlin und Diamant/ und iſt keine Gefahr/
als ob/ wann die Welt noch laͤnger ſtehen moͤchte/ mehr gelehrte als from-
me Leute ſich erzeigen wuͤrden: Zwar Halb- und Seuch-Gelehrte/ Welt-
Gelehrte allzeit gnug/ aber recht GOttes-gelehrte Hertz-Juͤnger Chriſti/
wo wird man die finden? Zwar viel Schein-Fromme/ die aͤuſſerlich das
Anſehen haben einer ſonderbahren Gottſeligkeit/ aber man trette ſolchen
Leuten auff den Fuß/ da wird man den Drachen hoͤren Feuer ſpeyen/ und
Rach-Feur vom Himmel fordern. Tange montes \& fumigabunt.
Der ſicherſte und beſte Weg iſt in Chriſti Schul ſelbſt gegangen/
als deſſen Hoͤrung uns am Jordan vom Himmel herab hoch befohlen
worden/ nicht ſuchen Meiſter mehr/ und dero fremde Lehr/ dann JEſum
Chriſt in wahrem Glauben/ ihm mit gantzer Macht vertrauen: Die Fuͤr-
ſchrifft/ die er ſeinem Wort fuͤrgelegt/ zur Nachſchrifft wol in die Augen
und ins Hertz faſſen/ ſich befleiſſigen/ die characteres, Zuͤge und Striche
nachzumahlen/ die Fußſtapffen ſeiner Sitten und Tugenden/ die er in der
Evangeliſchen Hiſtori hinter laſſen/ betretten/ und den gantzen Lebens-
Lauff nach dieſem Muſter confirmiren und richten; Jhme nachahnen
in bruͤnſtiger Liebe/ hertzlicher Demuth/ Sanfftmuth/ Freundlichkeit/ Ge-
dult/ Gehorſam/ ja in der Creutzigung ſelbſt: Wie Er der Herr am
Creutz genagelt gehangen/ und ſich nicht regen oder wenden koͤnnen; alſo
muß ein Chriſt ſein Fleiſch creutzigen/ ſeinen freyen Willen zaͤhmen und
brechen/ denſelben alſo anbinden und zuruͤck halten/ daß er mit Haͤnden
niemand beſchaͤdige/ mit Augen ſich ſelbſt nicht aͤrgere/ mit den Fuͤſſen nicht
wandele auff dem Wege der Gottloſen. ꝛc. Solche ſind die rechte Juͤn-
ger Chriſti/ mit denen Er ſich/ und in Jhm dieſelbe mit ſeinem Vater ver-
einigen/ endlich zu ſich ziehen und beruffen wird/ auß der Welt in den Him-
mel/ auß dem exilio und Jammerthal ins Vaterland/ auß dem Lauff in
die Ruhe/ auß dem Krieg zum Sieg/ auß dem Leyden zur Freuden/ auß
dieſes zeitlichen Lebens Beſchwerlichkeit/ zur ewigen unwandelbaren ſeli-
gen Herꝛlichkeit. Dazu uns helffen wolle/ der es uns erworben und ver-
heiſſen/ Chriſtus JEſus unſer Herr und Meiſter/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Wann St. Paulus der außerwaͤhlte
Ruͤſtzeug Gottes 1. Corinth. 14/ 7. Meldung thut [...]ιαςολῆς τῶν
ϕθόγγων, des Unterſchieds der Stimmen/ die jenige
Ding/ ſchreibt er/ die nicht leben und doch lauten/ es ſey eine
Pfeiff oder eine Harpffe/ wann ſie nicht unterſchiedliche
Stim-
[419]Predigt.
Stimmen von ſich geben/ wie kan man wiſſen/ was gepfif-
fen oder geharpffet iſt? So deutet er zwar eigentlich in der πϱοτάσει,
im erſten Anblick und Vorſatz/ auff die lebloſe doch wol lautende Muſica-
liſche Jnſtrumenten/ Pfeiffen/ Harffen/ Poſaunen/ ſagt von denſelben
auß διαςολ [...] ϕθόγγων unterſchiedliche Stimmen/ Schall/ Hall/
und derſelben Gattung/ Melodyen/ Weiſen/ Arten/ Proportionen,
und dero Bedeutungen: Etliche klingen klar und hell/ andere ſchallen ob-
tus/ nieder und dunckel: Etliche ſpielen den Diſcant/ Alt/ Tenor/ andere
den groben tieffen Baß: Etliche gehen in einem froͤlichen/ andere in trau-
rigem Thon: Etliche ſind Luſt- und Tantz-Pfeiffen Matth. 11/ 17. etliche
Traur- Leyd- und Leich-Pfeiffen Matth. 9/ 23. etliche Poſaunen blaſen
ſchlecht dahin/ zur Verſammlung fuͤr die Stiffts-Huͤtten; andere blaſen
ein Klaret/ ſtarck und Alarma zum Feldzug/ Krieg und Streit/ Num.
10, 3. 4. Jhr ſolt mit der Trompeten trompeten [...] [...], taran-Num. 10, 9.
tariſabitis rubis, Ariæmont. Auß welcher Unterſchied entſtehet eine
liebliche ſymphonia, wann dieſelbe recht zuſammen geordnet und gerei-
met werden.
Jedoch ſo accommodirt der theure Apoſtel in der ἀϖοδόσει und Nach-
ſatz/ dieſe Figur auff das heilige Pfeiff- und Orgel-Werck des Heiligen
Geiſtes/ auff das werthe miniſterium und Predigampt/ als ein geiſtlich
Pfeiffer-Ampt Matth. 11. (*) und in demſelben auff die Propheten/ Leh-(*) officiũ
ϕωνικὸν,
φθογγικὸν,
ἀυλητικὸν,
nõ δεσπο-
τικὸν, βα-
σιλικὸν.
rer und Prediger der Chriſtlichen Kirchen: zeigt an [...]ιαςολ [...] ϕθόγγων,
die Zahl und Unterſchied der Stimmen/ Sprachen und Außſpruch dero-
ſelben/ daß derſelbe nicht einerley ſey. St. Paulus hatte eine geringe
und veraͤchtliche Rede/ 2. Cor. 10/ 10. im Gegentheil ſo war Apollo/ der be-
kehrte und gelehrte Jud/ diſert, wol und zierlich beredt/ von lieblicher/
zierlicher und anmuthiger Suada Act. 18, 24. Etlicher Wort blitzen/ an-
dere donnern/ wovon die zween Soͤhn Zebedei/ Jacobus und Johannes
den Titul und Namen bekommen/ Bnehargem, Donners-Kinder Marc.
3/ 17. οἱ μὲν ἄλλοι οἰκονομίαν ἤςρεψαν, ὁ δὲ Ἰωάννης τὴν ϑεολογίαν βϱοντᾷ,
ſagt Chryſoſtomus.
Nicht nur aber verſteht St. Paulus die bloſſe [...]ιαςολ [...] ϕθόγγων,
ſondern auch [...]ιαςολ [...] νοημάτων καὶ χαϱισμάτων, den Unterſchied der in-
nerlichen Sinnen/ concepten, Verſtands/ Gaben und Kraͤfften/ ſo in
ſolchen Stimmen als ſymbolis herfuͤr leuchten/ davon St. Paulus 1. Co-
rinth. 12/ 4. ſagt: Es ſind mancherley Gaben/ aber es iſt ein
Geiſt/ mancherley Aempter/ aber ein HErꝛ/ mancherley
Kraͤfften/ aber ein GOtt/ der da wircket alles in allem: ei-
G g g 2nem
[420]Die zehende
nem wird gegeben durch den Geiſt zu reden von der Weißheit/
einem von dem Erkaͤntnuͤß nach demſelben Geiſt/ einem an-
dern der Glaube in demſelbigen Geiſt/ einem Weiſſagung/
Geiſter unterſcheiden/ mancherley Sprachen/ Sprachen
außzulegen: das alles wuͤrcket derſelbige einige Geiſt/ und
theilet einem jeglichen ſeines zu/ nachdem er wil.
Nicht allein aber verſtehet er [...]ιαςολ [...] νοημάτων καὶ χαρισμάτων,
ſondern auch [...]ιαςολ [...] ἐνεϱγημάτων, den Unterſcheid der Wuͤrckungen/
Succeſſen, Expeditionen, Arbeiten/ Fruͤchten und Verrichtungen. Ei-
ner iſt ein Didacticus, maͤchtig zu lehren/ der ander maͤchtig zu widerle-
gen und widrigen das Maul zu ſtopffen/ der dritte zu ermahnen; Einer
iſt ein Barnabas und troͤſtet wol/ una vox plus indicat, altera plus in-
timat, eine Stimm zeigt wol an/ die andere dringt tieffer zu Hertzen/ einer
excitirt plauſus, der ander planctus: Hieronymus ſchreibt ad Nepo-
tianum, Docente te in Eccleſiâ, non clamor populi, ſed gemitus
ſuſcitetur, lachrymæ Auditorum laudes tuæ, er ſolle ſeinen Zuhoͤrern
Seufftzen und Thraͤnen herauß predigen/ verſtehet ſonderlich die Buß-
Thraͤnen und Buß-Seufftzen. Auß welchem allem eine ſchoͤne ſym-
phoni und Ordnung folgt/ wann die Sinnen/ Stimmen und Gaben/
wol zuſammen gereimet/ gegattet und geordnet werden.
Jſt eben das jenige/ was wir anjetzo noch bey den abgeſonderten
Botten des Herrn zu bedencken und zu vernehmen haben/ nemlich die
Anzahl/ Unterſcheid und Ordnung derſelben. Solches nun auch mit
reicher Aufferbauung zu lehren und zu hoͤren/ wolle der Herr ſeinen
H. Geiſt uns von oben herab beſchehren/ Amen.
ES hat zwar der Koͤnig David nicht uneben/ ſondern recht und
kluͤglich conjecturirt oder gemuthmaſſet/ da Ahimaaz ein getreuer
Soldat und Knecht Davids/ nachdem Abſalon und ſein gantzes
2. Sam. 18,
25.Heer auffs Haupt geſchlagen/ und er Abſalon an einer Eychen hangend
geſtorben/ ihme dem Koͤnige David die erſte Bottſchafft zu bringen/ und
ein gut Bottſchafften-Brod zu erlangen/ ſchnell und hurtig/ aber einig
und allein daher gelauffen: er muͤſſe eine gute Zeitung mit ſich bringen/
iſt er allein/ ſagt der Koͤnig/ ſo iſt eine gute Bottſchafft in ſei-
nem Mund.Conjecturirt und gemuthmaſſet/ ſag ich/ aber nicht
apodicticè unfehlbar gewiß gemacht/ ſchlieſſend auß einer Anzeig/ die ὡς
[...]πὶ τὸ πολὺ gemeiniglich/ aber nicht allzeit eintrifft; Gemeiniglich gehet
es zu Kriegszeiten alſo her/ wann das Volck turmatim, Hauffen weiſe
und
[421]Predigt.
und zerſtreuet auß der Schlacht herauß laufft/ dem refugio zu/ ſo bedeutet
es nichts guts/ ſondern daß die Schlacht verlohren: kompt aber einer al-
lein daher/ ſo iſt die Hoffnung eines beſſern da. Aber es trifft nicht allzeit
ein. Jener Prophet Ahia war allein in ſeinem Hauß/ da das Weib des
Koͤnigs Jerobeam zu ihm/ ihn zu Rath zu fragen/ gekommen/ aber er ſagt
zu ihr/ Jch bin zu dir geſandt ein harter Bott. Jonas wurde ei-
nig und allein von Gott nach Ninive abgefertiget; aber lapides loqui-
tur, er bringet boͤſe Zeitung mit ſich/ es ſeyen noch 40. Tag ſo werde Ni-
nive untergehen. Deßgleichen kan es auch geſchehen/ daß/ wo viel Bot-
ten außgeſendet werden/ dieſelben Evangelia mit ſich bringen. Gleich-
wie die Laͤuffer-Botten des Koͤnigs Ahaſveri außgeſandt in alle Land/ ein
allgemein lanien und Juden-Mord verkũndiget; Alſo haben die wuͤtendeEſth. cap. 3.
\& cap. 8.
Botten auff jungen Maͤulern/ die unverhoffte cataſtrophen und der Ju-
den Jubel-Feſt und Lebensfriſt außtragen und blaſen muͤſſen. Welcher
maſſen auch die Juͤnger Chriſti haben die Predigt vom Reich Gottes/ und
deſſen Evangelia nicht einzelen/ ſondern wie Anfangs bini \& bini, jeMarc. 6, 7.
Luc. 10. 1.
conf. Matt.
11, 2.
zween und zween als bewaͤhrte Zeugen/ Gehuͤlffen und Huͤter/ weil es
je beſſer zwey dann eins/ nach dem Außſpruch Salomons Eccleſ.
4, 9. alſo hernach in ziemlicher Anzahl/ begleitet von andern Apoſtoliſchen
Maͤnnern/ Barnaba, Juda, Sila, Luca und dergleichen/ in die gantze
Welt hinauß gebracht und befoͤrdert.
Es iſt aber auch bey dieſen heiligen Botten nicht ein geringer Un-
terſchied erſchienen: Zwar gar nicht in einiger herꝛſchenden Macht und
Gewalt. Da iſt einerley Botten-Recht/ Ampt und dienſtliche (nicht
Oberkeitliche) Schluͤſſel-Gewalt/ Wunderthaͤtige Macht und Beherꝛ-
ſchung uͤber die boͤſen Geiſter/ Matth. 18/ 18. Luc. 9/ 1. Einerley Wuͤrde
und Prærogativ uͤber alle andere Kirchen-Diener/ Biſchoͤffe und Hir-
ten/ ſo von ihnen geſetzt worden/ als die Vaͤter und Patriarchen/ die ſolche
Kinder und Nachfolger gezeuget. Sie waren alle untereinander gleich-
gewuͤrdigte Bruͤder Act. 12/ 17. 2. Pet. 3/ 15. St. Petrus nennet ſich ei-
nen Mit-Elteſten 1. Ep. 5/ 1. laͤſſet ſich von andern Apoſteln ſenden
Act. 8/ 14. und corrigiren/ wo er gefehlt/ Gal. 2/ 14. St. Paulus ein
Apoſtel/ nicht von oder durch Menſchen Gal. 1/ 1. ob er wol der
leiſte in dieſen Orden erwaͤhlet worden/ achtet ſich nicht weniger/ dann
G g g 3die
[422]Die zehende
die hohen Apoſtel geweſen 2. Cor. 11/ 5. cap. 12/ 11. Zwar anfangs ehe
und dann ſie vom H. Geiſt vollkoͤmmlich erleuchtet und geheiliget worden/
zanckten ſie ſich um den Primat, und wolte je einer hoͤher und gewaltiger
ſeyn/ als der andere/ und geſchach ſolch diſputat ſonderlich zur hoͤchſten
Unzeit bey angehender Paſſion des Herrn/ nach eingenommenem H.
Abendmahl/ da fiengen ſeine Juͤnger an zu fragen unter ſich ſelbſt/ und er-
hub ſich ein Zanck unter ihnen/ welcher fuͤr den groͤſten ſolte gehalten wer-
den; davon intonirt der Evangeliſt Lucas c. 22/ 24. in einem ſehr trauri-
gen und unanmuthigen Thon/ es war ϕιλονεικία, ein Zanck/ was fuͤr
ein Zanck? Zancken iſt per ſe nicht unrecht/ wird geſagt von GOtt ſelb-
ſten Jerem. 2/ 9. von dem Ertz-Engel Michael Ep. Jud. ꝟ. 9. von Jacob
Gen. 31, 36. deßgleichen Ampts-Zanck/ abgedrungener Noth-Zanck/ auß
erleuchtetem liebreichen Gemuͤth iſt nicht Suͤnde; Aber ſolcher Art war
dieſer Zanck nicht/ ſondern ein fleiſchlicher/ ſuͤndlicher/ aͤrgerlicher boͤſer
Zanck. Die rixatores waren Chriſti eilff diſcipul, dann der Verraͤther
war ſchon hinauß/ die jenige Juͤnger/ welche auß dem liebreichen Mund
ihres Meiſters damal ſo viel heilſame Ermahnungen zur Bruͤderlichen
Liebe/ ſampt der Demuth gehoͤrt und eingenommen/ nachdem Er ihnen
kurtz zuvor die Fuͤſſe gewaſchen zum Beyſpiel: Die als grobe (bellaces)
Galilaͤer haben ſolchen aͤrgerlichen Zanck/ auß blinden irrenden Gewiſſen
erhoben/ das war bey ihnen außgemacht/ Chriſti Reich werde ein Welt-
Reich werden/ mit weltlichen Wehr und Waffen zu bekriegen: da Chri-
ſtus einritt/ dachten ſie/ jetzt werde das Meſſias Reich offenbar werden
Luc. 19/ 11. der Herr hat kurtz zuvor von ſeiner glorification gepredigt
Joh. 13/ 32. einen Trunck drauff gebracht Luc. 22/ 18. daher entſtund der
paralogiſmus, der Schluß- und Gloß-Fehler/ eine Wurtzel des Zancks.
(2.) Quid pomum eridos? Welchs war der Zanck-Apffel/ die Narren-
Kappe/ oder nicht ſo gut? ſondern aſini umbra, ein Eſels-Schatten/
und nicht ſo viel/ nemlich umbræ ſomnum, MAJORITAS, der Traum
einiger Hoheit/ wer der nechſte am Koͤnig ſolte ſeyn/ der Cantzler/ der
Marſchall? Wie Chriſtus werde die Ordnung diſpenſiren? da dann
etliche den Vorzug haben wollen wegen der Blut-Freundſchafft/ als Ja-
cobus/ Alphei und Simon; andere wegen ihrer herꝛlichen Gaben und
Offenbahrungen/ als die der Verklaͤrung beygewohnet/ die Donners-
Kinder Jacobus und Johannes; andere wegen des Alters/ als Petrus
und Andreas/ ſonderlich Petrus/ fuͤr welchen auch der Zoll abgerichtet
worden. Zwar Baronius verkartet hie das Spiel. Dem zugegenſteht
ad ann. 34. n. 42. excipirt Petrum, wil nicht zugeben/ daß Petrus auch ſich
in den Handel geſchlagen/ von deſſen Primat kein Zweiffel geweſen/ der Vorzug
hab
[423]Predigt.
hab ihm undiſputirlich gebuͤhrt. Obſervatione dignum nunquam Apoſtolos de
primatu quæſtionem moviſſe, nec indignè tuliſſe Petrum reliquis præpoſitum;
verum haud æquanimiter tolerare potuiſſe, Jacobum \& Johannem apud Chri-
ſtum primos haberi.
hie ſine exceptione, es ſey ein Zanck unter ihnen entſtanden/ nemlich un-
ter allen denen welchen der Herr die Fuͤſſe gewaſchen/ und die dem
Abendmahl beygewohnt. Daruͤber eyfferten ſie! (3.) Quis auctor \&
tragœdiarcha? Wer der Stiffter und Urheber? Niemand anders als
der alte Mentmacher und Himmels-Stuͤrmer/ der erſte Paradieß-Staͤn-
cker war der Choragus, der dem Herrn Chriſto Matth. am 4. die Rei-
che der Welt gezeigt/ der blendet und faſcinirt auch die Juͤnger mit ſolcher
ſplendentz und Phantaſey/ was Chriſtus abgeſchlagen/ das ſuchen ſie:
er ſchieſſt die boͤſen fleiſchlichen Affecten/ Neyd/ Mißgunſt/ Hoffart/ und
zuͤndet den Zundel an/ erweckt und macht reg/ blaſet in die Funcken/
omnia ad diſcordiam ſerendam: er gedenckt ein geſtreutes Heer iſt
bald geſchlagen: den einen den Judam hatte er ſchon fort in ſeinen
Klauen/ dieſe Schaafe hat der Wolff auch Chriſto wollen auß der Hand
reiſſen. Biß hieher die ſtoltzen Willen! Chriſtus gebeut dem Winde/
ſo legt er ſich: Er ſagt: Jhr wiſſet/ daß die weltliche Fuͤrſten herꝛ-Matth. 20,
v. 25. \& ſeq.
ſchen/ und die Ober-Herren haben Gewalt/ ſo ſoll es nicht
ſeyn unter euch/ ſondern ſo jemand wil unter euch gewaltig
ſeyn/ der ſey euer Diener/ und wer da wil der vornehmſte
ſeyn/ der ſey euer Knecht/ gleich wie des Menſchen Sohn nicht
iſt kommen/ daß Er ihm dienen laſſe/ ſondern daß Er diene/
und gebe ſein Leben zu einer Erloͤſung fuͤr viele. Der Herr
ſteckt ihnen gleichſam zwey lumina und Liechter auff/ eins ad fugam zur
Flucht/ das ander ad ſequelam zur Nachfolge: βασιλεῖς ἔθνων, die Koͤ-
nige/ nicht nur heydniſche/ ſondern ins gemein alle weltliche Koͤnige in
regno potentiæ Matth. 24, 7. c. 25, 32. Luc. 7, 5. Joh. 11, 48. Act. 2, 5.
κατακυϱιἐυουσι, ſie herꝛſchen mit Pomp/ Pracht/ Gewalt/ ſtreng/ hoch-
muͤthig/ nicht mit Demuth/ Glimpff/ Liebe/ Sanfftmuth/ es heißt nicht nur
tyranniſch/ impiè herꝛſchen/ wie es zwar die Papiſten außlegen (Sinte-
mal auch Gott dem Herrn ſelbſt von den LXX. Dolmetſchen das
Wort κατακυϱίευειν beygeleget wird Jerem. 3/ 14. dem Herꝛn Chriſto (*)/
unſerm erſten Vater Adam Geneſ. 1, 28.) ſondern auch regieren und(*) Pſ. 72, 8.
Pſal. 110, 2.
wol regieren/ welches die Juͤnger und nichts anders geſucht. Vos au-
tem
[424]Die zehende
tem non ſie/ihr aber nicht alſo/ ſagt der Herr/ zur Nachfolge ſtellt
ου᾽χ ου̃τως, non ſolum modus negatur, ſed \& ipſa ſubſtantia rei, ſicut
Matth. 19, 8.
Er ſich zum Exempel dar/ Er ſeye ja der groͤſte von Majeſtaͤt/ Ampt und
Gaben/ und doch habe Er ſich gedemuͤtigt/ ſey worden ὡς [...]ιακονῶν, als ein
Diener/ der nicht nur das Welt-Reich und Herꝛſchafft abgeſchlagen
Matth. 4/ 10. Joh. 6/ 15. Luc. 12/ 14. ſondern auch ſeinen eigenen Juͤngern
die Fuͤſſe gewaſchen/ ihnen zum Vorbilde. Der groͤſte ſoll ſeyn als
der juͤngſte/ und der vornehmſte wie ein Diener/ dann welcher
Luc. 22, 27.iſt der groͤſte/ der zu Tiſche ſitzt/ oder der da dienet? Jſts nicht
alſo/ daß der zu Tiſche ſitzt? Jch aber bin unter euch wie ein
Diener Luc. 22. Hierauff haben ſich die Juͤnger Chriſti ergeben/ die
Wunden waren geheilet/ und ſind bald darauff vom H. Geiſt mit der
Krafft auß der Hoͤhe/ durch himmliſche Liebes-Flamm entzuͤndet/ mit der
Gnaden-Kron gezieret worden/ da ihnen die Welt und alles verleidet/ die
martyria ſind gefolgt/ ſie ſind der Welt gecreutziget/ mit blutigen Koͤpffen
ſchlaffen gangen; Nunmehr ſitzen und beſitzen ſie/ was ihnen Chriſtus
verſprochen.
Sondern es beſteht der Unterſcheid in mehr erleuchteten Sinnen
und Stimmen/ hoͤhern Gaben und Offenbahrungen/ Tugenden und
Kraͤfften/ ſtaͤrckern Wuͤrckungen/ Segen/ Succeſſen, Dienſt-Arbeiten/
1. Corinth. 15/ 10. Creutz/ Anfechtungen/ Fruͤchten und Verrichtungen/
alter und naͤhern Gemeinſchafft mit Chriſto/ der graduum und Ehren-
Staffeln/ St. Paulus gedenckt der hohen Apoſtel 2. Corinth. 11/ 5. deren
die fuͤr Seulen der Kirchen angeſehen werden Galat. 2/ 9. wie die Apoſtel
von den ſiebentzig Juͤngern ſich unterſchiedlich befunden/ alſo hat unter
den Apoſteln ſelbſt der Herr die drey/ Petrum/ Jacobum und Johan-
nem unterſchiedliche mal/ als auff dem heiligen Verg bey der Verklaͤ-
rung/ im Garten am Oelberg den andern vor und naͤher an ſich gezogen.
So wird eine Ordnung unter den Lehrern der Kirchen von St. Paulo
inſinuirt und klar angedeutet Eph. 4/ 11. Er (der Herr) hat etliche
zu Apoſteln geſetzt/ etliche aber zu Propheten/ etliche zu Ev-
angeliſten/ etliche zu Hirten und Lehrern. Und aber mal
1. Corinth. 12/ 28. ſqq. GOtt hat geſetzt in der Gemeine/ auffs
erſte die Apoſtel/ auffs ander die Propheten/ auffs dritte die
Lehrer/ darnach die Wunderthaͤter/ darnach die Gaben ge-
ſund zu machen/ Helffer/ Regierer/ mancherley Sprachen.
Sind ſie alle Apoſtel? Sind ſie alle Propheten? Sind ſie
alle
[425]Predigt.
alle Lehrer? Sind alle Wunderthaͤter? Haben ſie alle Ga-
ben geſund zu machen? Da dann die Apoſtel voran ſtehen/ als in
dem hoͤchſten Grad/ uͤber denen kein hoͤherer iſt/ und gleichſam den Reyen
fuͤhren/ nicht nur als die Vaͤter/ und aller andern Orten Urheber: Durch
ſie und von ihnen ſind Biſchoͤffe und Hirten geordnet/ ſie aber von keinem
andern und hoͤhern als Chriſto. Darum auch der Roͤmiſche Pabſt kei-
ne Apoſtel creiren und machen kan/ als welchen weder er/ noch ein ande-
rer Menſch die Apoſtoliſche Gaben/ zu geben und mitzutheilen vermag.
Petrus hat nie keinen Apoſtel erwaͤhlet/ gemacht/ beſtaͤtiget/ geſendet/ ge-
regieret/ daß doch haͤtte muͤſſen ſeyn/ ſo er von Goͤttlicher Ordnung ihrer Oberer
waͤre geweſen/ oder waͤren alleſampt Ketzer geweſen. Vber das moͤchten alle
Apoſtel ſaͤmptlich nicht machen St. Matthiam und St. Paul zu Apoſteln/ ſon-
dern muſten vom Himmel gemacht werden/ wie Act. 2. und 13. ſteht. Wie moͤcht
dann St. Peter allein uͤber alle ein Herꝛ ſeyn? und diß Nuͤßlein hat noch nie-
mand auffgebiſſen/ werden auch mir ſo gnaͤdig ſeyn ohn ihren Willen/ und daſ-
ſelb noch eine Weil wol gantz laſſen. ita Luth. Tom. 7. Witteberg. pag. 252. con-
fer ibid. p. 291.
Sondern auch als die jenige Urheber/ in welchen alle uͤbrige Kirchen-
dienſt/ das Biſchoͤffliche und Hirten-Ampt eminenter und einſchließlich
begriffen geweßt. Daher Matthiæ des Apoſtels Stelle ein Biſtum ge-
nennet worden Act. 1/ 20. auch Petrus neñet ſich ſympresbyterum, und
Johannes einen Presbyterum oder Elteſten Epiſt. 2/ 1. ohnangeſehen
Petrus der ϖϱῶτος genennet wird Matth. 10/ 2. der Erſte/ von ſeinem Al-
ter/ anders nicht als irgend ein Erſtgeborner Sohn in einer famili der
Erſte heißt/ ohne juriſdiction und herꝛſchenden Gewalt uͤber die andern
Bruͤder: oder als irgend der Decanus in einem Collegio der erſte heiſt
und ſitzt/ weil er tanquam os collegii das Wort fuͤhret. Wiltu Ur-
ſach wiſſen (*)/ warum Petrus zu erſt in das Grab gangen/(*) Luther.
Tom. 1. Iſ-
leb. p. 475.
f. 2.
und Johannes darnach gefolget ſey/ ob er ſchon ehe zum
Grabe kommen iſt/ dann Petrus/ ſo wiſſe daß Petrus aͤlter
geweſen iſt/ und am erſten von Chriſto beruffen. Dann alſo
ſols ſeyn in der Chriſtenheit/ daß einer den andern ſeines Al-
ters oder Gaben halben ehre/ wie St. Paulus lehret zun
Roͤm. am zwoͤlfften: Einer komme dem andern mit Ehrer-
bietung zuvor. Alſo haben die andern Juͤnger Petrum laſ-
ſen den groͤſſeſten ſeyn unter ihnen/ und ihm den Vorzug ge-
laſſen/ weil er der Elteſte unter ihnen/ und am erſten beruffen
war. Das Haupt aber uͤber alle iſt Chriſtus/ und zwar untheilbarlich
Achter Theil. H h hallein
[426]Die zehende
allein/ der kein Haupt unter ſich nicht leiden kan/ welches abermal Luthe-
rus (α) herꝛlich erwieſen. Ignatius der heilige Maͤrtyrer und Biſchoff
zu Antiochia wuſte dieſes wol/ und goͤnnete deßwegen den Apoſteln den
Vorzug gar gern/ ου᾽χ ὡς Ἀϖόςολος [...]ιατά [...]ομαι, ἀλλ᾽ ἐμαυτὸν μετϱῷ,
ſchreibt er in Ep. ad Tralenſ.
Solchem Apoſtoliſchen und hoͤchſten Grad ſind (in gewiſſer Ord-
nung und Grad 1. Timoth. 3/13.) ſubordinirt die uͤbrigen Aempter der
Kirchen/ als nemlich die Propheten/ von den Lehrern unterſchieden Act.1. Cor. 14,
25. ſeqq.
13/1. Evangeliſten ſo entweders die Evangeliſchen Hiſtorien beſchrie-
ben/ als Marcus/ Lucas/ oder muͤndlich allenthalben herum verkuͤndiget
Act. 21/8. 2. Tim. 4/5. Hirten/ ſo an ein gewiſſen Schaafſtall gebunden
geweßt/ 1. Pet. 5/3. durch welche zugleich die Biſchoffe zuverſtehen. Sin-
temal unter Biſchoffen und Hirten/ oder Elteſten in der Lehr damal noch
kein Unterſcheid gemacht worden/ ſie ſtehen beyde in einem Goͤttlichen
Grad und Stat/ und werden die Namen dergeſtalt verwechſelt/ daß wel-
che in einem Ort Biſchoffe heiſſen/ die heiſſen auch in einem andern Ort
Elteſten/ Act. 20/28. Tit. 1/5. 7. Phil. 1/1. 1. Pet. 5/1. ſqq. und pflegen die
Elteſten in der Ordination oder Prieſter-Weihe ſo wol die Hand auffzu-
legen/ als die Biſchoͤffe/ 1. Tim. 4/14.
Sic apud Luth. Tom. 7. Witteb. p. 391. f. 2. Paulus Speratus ſe Epiſcopum
vocavit in zu Jhla in Maͤhren. ipſe Luther ib. p. 392. eodem titulo dignatus eſt
Nicolaum Haußmann/ Biſchoffen zu Zwicken. Item Tom. 7. Witteb. p. 441.
D. Pomeranum vocavit Archiepiſcopum. conf. Tom. 2. Isleb. p. 353. Bey uns auff
heutigen Tag ſeynd die Superintendenten anders nichts/ dann was vor Zeiten
die Epiſcopi oder Biſchoͤffe ſeynd geweſen/ allein daß das eine Woͤrtlein von der
Lateiniſchen/ das andere aber von der Griechiſchen Sprache herkom̃t.
Solcher maſſen ſind auch unter den Lehrern die catechetæ begriffen gewe-
ſen/ denen damal zugeordnet worden andere Elteſten/ Theils als Zucht-
H h h 2Regierer
[428]Die zehende
Regierer/ Theils als Allmoſen-Pfleger/ Diaconi oder Helffer/ Act. 6/3.
wiewol auch dieſe bißweilen zugleich Elteſten und Evangeliſten geweſen
Phil. 1/1. 1. Tim. 3/2. 8. 9. 13. Wunder uͤber Wunder iſts/ daß die heilige
Schrifft und ſonderlich St. Paulus Eph. 4. und 1. Cor. 12. da er die Kir-
(*) vide
Luth. tom.
7. Witt. ad
h. l. p. 584.
f. 2.chen-Aempter erzehlt/ keines Pabſts/ keines Cardinals (*)/ keines Prie-
ſters oder Moͤnchen/ und dieſer vielfaͤltigen Secten/ Orden/ Staͤmme
und Staͤnde gedenckt/ wie dieſelbe Lutherus abgemahlet Tom. I. Isleb.
p. 243. \& ſeqq. Er der H. Apoſtel wuſte wol daß diß lauter Pflantzen
ſeyn/ die der Himmliſche Vater nicht gepflantzet/ und daß jetzt im Neuen
Teſtament keine Kirchiſche Prieſter vonnoͤthen ſeyn/ nachdem alle Chri-
ſten mit dieſem Namen geadelt worden. Gleicher Zucht und Brut ſind
auch die vielerley Orden der Widertaͤuffer/ deroſelben Bruͤder- und Ge-
ſellſchafften/ die Apoſtoliſche Taͤuffer/ die abgeſchiedene/ die ſchweigende/
betende/ verzuckte/ nackende/ die Huͤttiſche/ die Libertiner oder Frey-Taͤuf-
fer/ die heutigen Quaͤcker/ ꝛc. lauter Ottergezuͤcht und Teuffelsgeſchmeiß.
Wiewol hernach/ da ſich der Schaafſtall Chriſti begunte zu mehren/
auch die gradus von der Chriſtlichen Kirchen weiter unterſchieden und
erhoͤhet worden/ in Anſehen der Natur/ in welcher nach den unterſchiedli-
chen Gaben und Tugenden im Himmel und auff Erden erſcheinen; nach
dem Exempel der Kirch Altes Teſtaments/ da Prieſter von den Leviten
unterſchieden/ und jene von dem Koͤnig David in unterſchiedliche choros
und Ordnung abgetheilt worden 1. Chron. 24, 2. ſqq. doch alſo/ daß da-
rum der Biſchoff nicht maͤchtiger und praͤchtiger ſich duͤncken ſoll/ als der
de πολι-
τέιας τύϖῳ
vid. Luth.
Tom. 7.
Witt. p.
524. f. 2. ſq.Elteſte (*)/ der Superintendens (de quo Auguſt. L. 19. de Civ. D.
c. 19.) keine groͤſſere Krafft in Reichung der Sacramenten/ als ſein Ca-
plan haben ſolle.
Gleichwie nun auß vielen unterſchiedlichen Muſicaliſchen Stim-
men/ wann ſie zuſammen geſetzt und geſungen werden/ eine liebliche ſym-
phoni und reſonantz erwaͤchſt; So hat ſich auch eine ſolche harmoni-
ſche Ordnung erzeigt in dem Apoſtoliſchen Collegio, in welchem ein jeder
auß einmuͤthigem Sinn und Hertzen/ nach der Maß der Gaben/ die
Gott dargereicht/ das ſeinige gethan πρὸς τὸ συμφέϱον, zu Nutz und Er-
banung der gantzen Chriſtlichen Gemein. Ja wie auß vielen Soldaten/
und
[429]Predigt.
und deren unterſchiedlichen Aemptern/ Obriſten/ Capitainen/ Leutnant/
Corporalen/ ein gantz Kriegs-Heer zuſammen in eine Schlacht-Ordnung
geordnet/ im Feld ſtehet dem Feinde zu begegnen; Alſo gibt auch der
HErꝛ das Wort mit groſſen Schaaren Evangeliſten/ die Koͤ-
nige der Heerſchaaren ſind untereinander Freunde/ und die
Hauß-Ehre theilet den Raub auß/ wann ſie zu Feldeliegen/
ſo glaͤntzets wie der Tauben Fluͤgel/ die wie Silber und Gold
ſchim̃ern: Wann der Allmaͤchtige hin und wieder unter ih-
nen Koͤnige ſetzt/ ſo wird es helle wo es dunckel iſt: Die Saͤn-
ger gehen vorher/ darnach die Spielleute unter den Maͤgden/
die da paucken: Da herꝛſchet unter ihnen der kleine Benja-
min/ die Fuͤrſten Juda mit ihrem Hauffen/ die Fůrſten Se-
bulon/ die Fuͤrſten Naphthali/ Pſalm 68/12. 13. 14. 15. 26/28.
Jſts nun dieſem allem nach ein gutes omen und Liebes-Zeichen/
wann Gott der HErꝛ auß uͤberfluͤſſiger Guͤte viel Arbeiter in ſeine Ernde
außſendet/ ſo iſts billich/ daß man nicht allein dieſer Goͤttlichen Guͤte und
Fuͤrſorg mit Danck begegne/ ſondern auch/ wie es offtmal in der Welt her-
gehet/ der Viele nicht uͤberdruͤſſig werde/ und den groſſen Koſten ſich bethen-
ren und bereuen laſſe/ in fernerm Gegenhalt der viel tauſend unnuͤtzen
Heuſchrecken/ Moͤnchen/ Pfaffen/ Thumherren/ damit unſere Majores
beſchweret worden: Hundert faule Baͤuche hat man damal abſpeiſen
und fuͤllen muͤſſen/ da man jetzt kaum zehen erhalten kan. Jſt des geiſtli-
chen Gewalts halben unter den Kirchen-Dienern/ und Haußhaltern uͤber
die Geheimnuͤß GOttes/ kein Unterſcheid/ fo gilt es ja gleich/ es werde ei-
ne Perſon getaufft/ abſolvirt/ von einem Biſchoff oder Pfarꝛherꝛ/ Do-
ctor oder Helffer/ anders als in Geiſtlichen Rechten hievon ſententionirt
und geſchloſſen worden (*): Manus impoſitionis Sacramentum di-(*) Diſt. 5.
de conſec.
can. 3.
gnius eſt Sacramento baptiſmi, das iſt/ das Sacrament der Haͤnd-
Aufflegung (das iſt eben das Sacrament der Firmung) iſt wuͤrdiger/ dann
das Sacrament deß H. Tauffs. Deſſen dann im gemeldten canone die
Urſach angezeigt wird/ mit ſolchen Worten: De his, ſuper quibus ro-
gaſtis nos informari, id eſt, utrum majus eſſet Sacramentum, ma-
nus impoſitio Epiſcoporum, aut Baptiſmus? ſcitote utrumque ma-
gnum eſſe Sacramentum: Et ſicut unum à Majoribus fit, idem, à
ſummis Pontificibus, quod à minoribus fieri non poteſt, ita \& ma-
jori veneratione venerandum \& tenendum eſt, das iſt/ auff die Frage/
welches Sacrament groͤſſer ſey/ die Haͤnd-Aufflegung der Biſchoͤffe/ das
iſt/ die Firmung/ oder die H. Tauff/ ſeye zu wiſſen/ daß es zwar beyde groſſe
H h h 3Sacra-
[430]Die zehende
Sacrament ſeyen: Aber wie deren eins (nemlich die Firmung) von ei-
nem hoͤhern muͤſſe verrichtet werden/ als von einem Biſchoff oder Weih-
Biſchoff/ ſo von einem kleinern oder geringern (das iſt/ von einem jeden
gemeinen Meß-Pfaffen) nicht koͤnne verrichtet werden/ alſo ſey es in alle
Weg hoͤher zu halten. ſcil. Das Sacrament/ das Chriſtus eingeſetzt/ ſoll
ſo gut und wuͤrdig nicht ſeyn/ als welches einer von Menſchen geſtifftet.
Jſt ein Unterſcheid unter den Kirchen-Dienern/ der Talenten/ Gaben/
Kraͤfften/ Wuͤrden/ Arbeiten und Wuͤrckungen halben/ ſo iſts nicht recht/
wann man alle ohn Unterſcheid gleichſam uͤber einen Kamm ſcheeren wil/
vid. de lo-
co 1. Cor. 3.
elenchum
in Hod.
Calv. p. 19.
Salv. Ref.
p. 609. \&
ſeqq.und von keiner Option oder Wahl nicht wiſſen wil/ unter dem Apollo und
Cephas/ auß unvernuͤnfftigem Anzug der Wort St. Pauli 1. Corinth. 3/
4. ſqq. So einer ſaget/ ich bin Pauliſch/ der ander aber/ ich bin
Apolliſch/ ſeyd ihr dann nicht fleiſchlich? Wer iſt nun Pau-
lus? Wer iſt Apollo? Diener ſind ſie/ durch welche ihr ſeyd
glaubig worden/ und daſſelbige wie der HErꝛ einem jegli-
chen gegeben hat. So die Pfeiffen eines Spielmanns ungleich ſind
im Thon/ warum ſolte derſelbe nicht Macht haben eine fuͤr der andern zu
erwaͤhlen? So die Federn eines Schreibers ungleich gerathen oder ge-
ſchnitten worden/ warum ſolte der Schreiber nicht befugt ſeyn/ bald dieſe
bald jene Feder zu waͤhlen? Und ſtehet ſolche Wahl eben nicht allein bey
den Predigern untereinander ſelbſt/ da es manchmal nach dem Sprich-
wort heiſt: ἀοιδὸς ἀοιδῷ ϕθονέει, ein Pfeiffer neidet den andern/ ſondern
auch bey den Zuhoͤrern/ die nicht als ſtumme und thumme Gaͤnß da ſitzen/
ſondern auch ihren redlichen calculum beytragen moͤgen und ſollen.
Unterdeß aber ſollen die Diener der Kirchen ſelbſt uͤbereinander
unzeitiger Weiſe nicht eyffern/ der hoch begabte den gering-begabten nicht
verachten; Dieſer aber auch jenen nicht neiden/ ſondern ein jeder in ſei-
nen Schrancken ſich enthalten/ wuͤrcken/ thun/ arbeiten/ nach allen den
Kraͤfften/ die ihm Gott darreicht/ ſonderlich wol wuchern/ und viel Ta-
lenta erwuchern/ und ſtreben nach den beſten Gaben: Gleichwie auch
ein kuͤnſtlicher Pfeiffer oder Muſicant/ ſo offt neue Melodien/ Muſicali-
ſche inventiones und Phantaſien auffkommen/ nach der imitation trach-
de Epiſco-
pali officio
vid. Chri-
ſteid proth
p. 79.tet/ und ſich darin uͤbet. Einem Biſchoff/ Superintendenten/ Præſi-
denten liegt ob die Auffſicht/ Wacht und Runde/ wie auch die Erkundi-
gung der fremden Gaͤſte/ ihre Wahren die ſie mitbringen/ oder mit ſich
weg nehmen/ und dann die Viſitation und geiſtliche Muſterung uͤber
und unter den Waͤchtern. Biſchoff (ita Luth. Tom. 7. Witt. p. 151. f. 2.)
kompt
[431]Predigt.
kompt auch auß Griechiſcher Sprache/ den ſie nennen Epiſcopum, der
heiſſet auff Lateiniſch Speculator, auff Teutſch/ ein Wartmann oder
Waͤchter auff der Wart: Gleichwie man nennet einen Thuͤrner oder
Haußmann auff dem Thurn/ der da wachen und uͤber die Stadt ſehen
ſoll/ daß nicht Feur oder Feind Schaden thue. Hirten iſt je befohlen die
Schaafe auff die geſunde Weyde zu fuͤhren/ und zu traͤncken auß den
Quellen Jſraelis. Hat die Chriſtliche Kirche von Alters her einen er-
laubten Unterſcheid gemacht/ unter den Dienern der Kirch/ und dieſelbe
in gewiſſe gradus abgetheilt/ Ergo nemo paciſicus contra Eccleſiam, ſo
ſoll ſich auch keiner uͤber den andern bruͤſten/ und ihme ſolche Ordnung
mißfallen laſſen; Außgeſetzt/ was der Antichriſt hernach fuͤr einen Unrath
angerichtet mit ſeinen fieben Weyhen/ und deroſelben unſeligen Brute.
Es muß ein jeder Prieſter durch ſeine ſieben Weyhen gehen/ welche ſie-
ben ordines oder Weyhen ſie in ſolcher Ordnung erzehlen/ daß einer muͤße
(1.) ein Oſtiarius, das iſt ein Gloͤckner oder Meßner gleichſam ſeyn/ der
die Kirche auff und zu ſperren/ und der dem Prediger das Buch auffthun
ſolle. (2.) Lector, der ſoll leſen und ſingen/ das Brod und die neue Fruͤch-
te ſegnen. (3.) Exorciſta, der ſoll die Tenffel außtreiben. (4) Acoly-
tus, der ſoll die Kertzen tragen (daher ſie gemeiniglich ceroferarii ge-
nennt werden) Liechter anzuͤnden/ Wein und Waſſer zur Meſſe bringen.
(5.) Subdiaconus, der ſoll das Waſſer zum Altar-Dienſt zu richten/ dem
Diacono auff den Dienſt warten/ und ihme den Kelch und Paten zum
Opffer her geben/ die Oblaten auff den Altar luͤffern. (6.) Diaconus,
der ſoll zum Altar dienen/ tauffen und predigen. (7.) Presbyter, der
ſoll opffern/ ſegnen/ der Pfarꝛ vorſtehen/ predigen und tauffen. Es geben
zwar etliche fuͤr und phantaſiren/ wie Chriſtus ſelbſt durch alle dieſe ſieben
ordines ſeye auffgeſtiegen: dann am erſten ſey er Oſtiarius geweſen/ da
er die Kaͤuffer und Verkaͤuffer auß dem Tempel getrieben Luc. 19. Le-
ctor, da er auß dem Propheten Eſaia in der Schul zu Nazareth geleſen
Luc. 4. Acolytus, da er geſagt/ Jch bin das Liecht der Welt/ Joh. 8.
Subdiaconus, da er den Juͤngrrn die Fuͤſſe gewaſchen Joh. 13. Diaco-
nus, da er das H. Abendmahl außgetheilt. Presbyter, da er das heilige
Abendmahl conſecrirt/ und ſich ſelbſten auff dem Altar des Creutzes geopf-
fert. Aber das hat keinen Grund/ und koͤnte man auß den Worten und
Wercken Chriſti unzehlig viel ordines und Orden machen/ wann man
auß allem was Chriſtus gethan/ einen beſondern Orden machen wolte/ als/
daß er 40. Tag und 40. Nacht gefaſtet; Da er in Tempel gangen/ da er
mit den Gelehrten diſputirt/ da er die Todten auffgeweckt/ das gebe ja wun-
derliche
[432]Die zehende
derliche Orden. Zudem daß dieſelbige auff den heutigen Tag in dem
Pabſtum ſelbſten bey den Prieſtern nicht obſervirt und in acht genommen
werden/ dann das Ampt des Oſtiarii, Acolyti, Subdiaconi, verrichtet
gemeiniglich der Meßner/ bißweilen ſeine Magd/ ſein Weib/ ſein Knecht;
Das Geſang verrichten die Schuͤler/ welche allzumal hierzu nicht geweihet
ſeyn. Die exorciſmi oder Teuffels-Beſchwoͤrungen werden nicht von
denen/ die erſt die dritte/ ſondern die alle ſieben Weyhen erlangt/ verrich-
tet/ ſonderlich von den genannten Patribus den Jeſuitern/ die ſich des Auß-
treibens der Teuffel am meiſten beruͤhmen.
Summa/ es ſoll unter den Seelen-Hirten Chriſti/ kein Gezaͤnck
ſeyn/ wie unter den Hirten Abrahams und Loths. Jſt aber leider geſche-
hen/ und ſolch Gezaͤnck getrieben worden/ von dem Apoſtoliſchen ævo an/
biß hieher/ der Teuffel hat der Kirche keine Ruhe goͤnnen wollen: kaum
hat der venerabilis chorus Apoſtolorum die Augen zugethan/ ja noch zu
ihrer Zeit haben ſich her fuͤr gethan allerhand monſtra, gynecæum eridos,
ϕιλοϖϱωτεία in Diotrephe, die allenthalben oben ſchweben wie das Fett/
Sonn allein/ alles allein ſeyn wollen/ die andere nicht angeſehen/ nicht
angenommen/ haben ſie nicht Ja-Herren ſeyn wollen. πϱοσωϖοθαυμα-
σία, œcumenicus primatus, um den die zween Patriarchen zu Rom
und Conſtantinopel ſich lang gebiſſen: Ἀλλοτριοεϖισϰοϖία, um Nutzens
willen Schmeichler und Fuchsſchwaͤntzer/ Suſurranten, Ohrenblaͤſer/
daher/ als die Paͤbſte die fimbrias zu weit extendirt, eine παϖοϰαισαρία
und ὑϖεϱ [...]ασιλεία darauß worden/ daß ſie groſſen Herren inequitirt, ihre
Kronen conculcirt, und ſie mit Ruthen geſtrichen/ wie Henrico II. Koͤnig
(*) Gretſer.
L. 1. Aleth.
Spir. c. 7.
p. 56. con-
fer Cornel.
à Lapid.
ad Matth.
p. 112.in Engelland von 80. Moͤnchen/ von jedem drey Streich widerfahren (*).
Jſt ihnen ſo fern recht geſchehen/ weil ſie das Hefft auß der Hand gelaſſen/
man hats ſo wollen haben. Warum haben ſie den Pabſt ſo groß ge-
macht? Nun das iſt hin und Gottes Gericht uͤbergeben/ der Richter
wird ihnen das οὐχ οὕτως dergeſtalt einſchaͤrffen/ daß ihnen das Feuer uͤber
dem Kopff zuſammen ſchlagen wird. Nicht viel beſſer/ wiewol ſubtiler
iſts nach der Reformation hergangen/ da ſich Zanck und Zwitracht ohne
Zahl erzeiget/ theils pro ſancto denario, theils pro majoritate. GOtt
der HErꝛ hat durch Lutheri Dienſt/ wie andere ἀταξίας und Unordnun-
gen/ alſo auch ſonderlich den Greuel der Paͤbſtlichen Larven reformirt/ al-
les ſo viel muͤglich geweſt/ nach dem reinen Muſter und Exempel der er-
ſten Kirchen/ die æqualitaͤt wiederum erſtattet/ die Ordnung auch aller-
dings auffgehoben/ ϰατὰ πολιτείας τύϖον, bey Monarchien/ Chur- und
Fuͤrſtlichen Conſiſtoriis Superintendentes, bey Staͤdtiſchen Ariſto- und
Demo-
[433]Predigt.
Democratien Seniores oder Præſides geordnet/ als denſelben den Vor-
ſitz und direction nach Maß einer jeden Kirchen-Ordnung gegoͤnnet.
Dabey man es aller Orten ſollen bleiben laſſen. Haͤtte man je ſich wol-
len eifern/ ſo haͤtte es ſollen geſchehen uͤber die Laſter durch Diſciplin/ uͤber
und wider die falſche Lehr durch ſcharff diſputiren/ und/ wo es Lutherus ge-
laſſen/ fortſetzen ſollen. Aber bey ſolcher Arbeit war ſchlechte Reputation/
geringer Lohn zu hoffen/ vielmehr Spott und Hohn zu befahren/ viel
Muͤhe/ wenig Danck/ wie dann heutiges Tags das allerſchwerſte/ doch
heilſamſte Werck des ſubtil diſputirens in aͤuſſerſte Verachtung gebracht
worden/ unter dem Namen des verhaſſten Zanckens. Haut ſtultè ſa-
piunt! Das giebet gute faule Menſchen-Tage. Contrà iſt die alte
Mummſchantz herfuͤr kommen/ die majoritas, und ihre Frauenzimmer
ϕιλοϖϱωτεία, πϱοσωϖοθαυμασία, primatus Eccleſiæ, ἀλλοτριοεϖισϰοϖία,
ὀλιγαρχία, dominatio indirecta \& ϰαταϰυριότης τοῦ Κλήρου, S. tyrannis,
Papo-Kæſaria und was des Unzieffers mehr iſt. Dazu gekommen/ daß
man bißweilen Narren uͤber die Eyer geſetzt/ oder den Bock zum Garten-
mann gemacht/ alles indirectè durch das brachium ſeculare, durch mo-
no polia favorum, und inſinuiren zuwegen gebracht/ durch Unordnung/
Alfaͤntzerey und Eingriff in ein fremdes Ampt/ da irgend einer die Weyd
allein freſſen/ durch ungleichen Bericht den andern auß dem Sattel heben
wollen/ daß/ wie der Prediger das Geſchoß geladen/ der Magiſtrat ab-
ſchieſſen muͤſſen. Jſt alles nicht recht und Unkraut des boͤſen Feindes/
ſo er in den Acker geſaͤet/ darum getten und außreuten/ ſteuren und wehren
vonnoͤthen iſt.
Jſt endlich die Ordnung der Aempter in der Kirchen eine liebliche
ſymphonia, ſo hat man ſich derſelben inniglich zuerfreuen/ und zu bitten/
der Ertz-Hirt unſerer Seelen wolle dieſelbe erhalten/ und auff die poſteri-
taͤt fortpflantzen. Es iſt zwar ein jeder Chriſt auch ein geiſtlicher Prie-
ſter und Geſalbter GOttes/ wovon D. Lutherus (*) Lehrreichen Unter-(*) Tom. 7.
Wit. p. 289.
richt erſtattet; Aber der Gott der Ordnung wil auch Ordnung gehal-
ten haben unter denen/ die lehren und vorſtehen/ auff daß alles in der Ge-
mein ordentlich und zierlich verwaltet werde. Und dann endlich den Lohn
und Kron droben an jenem Tage erwarten/ hie keines andern ſich verſe-
hen/ als inwendig Angſt/ außwendig Furcht/ und wann man ſich an dem
Teuffel verſuͤndiget/ und der Welt die bittere Warheit ſagt/
nichts als Feindſchafft/ Verfolgung/ Undanck
in fine laborum.
GEliebte in Chriſto. Chriſt-kluͤglich hat vor Zeiten
der erſte Chriſtliche Kayſer Conſtantinus Magnus,
diſtinguirt und die Biſchoffliche Wuͤrde unterſchie-
den mit dieſen Worten/ wie dieſelbe von Euſebio Lib.
4. de vit. Conſtant. cap. 29. concipirt und gefaſſt
ſtehen: ὑμεῖς μὲν τῶν εἰσω τῆς ἐϰϰλησίας, ἐγῶ δὲ τῶν
ἐϰτὸς ὑϖὸ Θεοῦ ϰαθεστάμενος [...]ίσϰοϖος ἀν [...]ην. Jhr
meine liebe Biſchoͤffe/ Pfarꝛherren und geiſtliche Seelen-
Hirten ſeyd zwar Biſchoffe innerhalb der Kirchen; Jch aber
bin von GOtt beſtellet zu einem Biſchoff auſſer der Kirchen.
Jn welchen Worten er erſtlich bekennet den Urſprung ſeiner Vi-
ſchoͤfflichen Wuͤrden/ daß er ſie nicht von ihm ſelbſt/ ſondern auß GOttes
Gnad erlanget/ und deßwegen unter Gott ſeye/ der jenige Herr/ der
geſagt/ Jhme ſey gegeben aller Gewalt im Himmel und auff
Erden/ der habe ihm auch die Kayſerliche Kron und Thron/ Majeſtaͤt/
Macht und Gewalt/ ſonderlich auch eine von GOtt dem HErꝛn dependi-
rende Biſchoͤffliche Gewalt gegoͤnnet und eingeraumet/ deme er auch deß-
wegen zu ſeiner Zeit Rechenſchafft zu geben Pflicht-ſchuldig ſeye.
Widerlegt zum andern das Biſchoͤffliche monopolium der Ehrgei-
tzigen Cleriſey im Pabſtum/ die das Biſchoͤffliche Recht/ Wuͤrde und
Fuit Pontificis titulus Imperatori olim debitus, id quod è Tullii Orat. pro
domo ſuâ ad pontif. intelligas. Cum multa, inquit, divinitus Pontifices à majo-
ribus noſtris inventa, atꝙ inſtituta ſunt, tum nihil praclarius, quàm quod vos eoſ-
dem \& religionibus Deorum immortalium, \& ſumma Reipublica praeſſe voluerunt,
ut ampliſſimi \& clariſſimi cives Rempublicam benè gerendo Pontifices religionem ſa-
[p]ienter adminiſtrando, Rempublicam conſervarens. Confer Arniſæum in Tract.
de
[435]Predigt.
de Subj. \& Exempt. Cler. c. 1. pag. 16. Roſin. L. 3. Antiq. Rom. c. 22. p. m. 493.
Idem honor cum imperio à Chriſtianis imperatoribus ſuis ceptus (abſque aliquo
idololatriæ crimine: Neque enim, verba ſunt Baronii ad ann. 312. 100. veſtem ac
titulum ſumebant Pontificis maximi, ut more ipſorum, quod ſcribit Prudentius,
ſub terram alta ſcrobe merſi, necati in ſacrificio tauri ſanguinem excipientes at-
que ebibentes initiarentur, vel quod Jovi Capitolino, aliiſve Diis ſacra facerent:
hæc enim perfecta fuiſſet apoſtaſia, \& Chriſtianæ religionis abdicatio, nec aliquo
velamento diſſimulanda: ſed tantum, (quod ait Zoſimus) amictu oblato, eoque
accepto, Imperator titulum Pontificis Maximi uſurparet. Addit Spondanus ex
Zoſimo cauſas ſervati hujus tituli ad Ann. 312. 12. Quod ſic videretur Impera-
toriæ dignitati ſummus Pontificatus adjunctus, ut ſine illo Imperator eſſe non
poſſet; \& in eum facile ſenatus populuſque Romanus Gentilitiæ factionis con-
ſpiraturi eſſent, quem non viderent patria religione firmatum. Alia (pergit
Spond.) fuit etiam ejus ſuſcipiendi cauſa, quod ampliſſima eſſet illius Magiſtra-
tûs autoritas: qui poſſet comitia dirimere, Conſules abdicare, factaque reddere
irrita; decretis à ſenatu interdicere; ac fierentne bella, ex ejus arbittio pende-
ret; ideoque eam ſibi auctoritatem omnes Romani Imperatores perneceſſariam
judicarunt, ut ſummo religionis jure ſenatum in ipſos ſæpe moleſtum, obſequen-
tem in omnibus redderent. Nimirum modus ſacrorum mutatus eſt, manſit
axioma.) invaluit uſque ad Gratianum, ubi demptis ſumptibus ſacrificiorum, ac
ſtipendiis ſacerdotum, illud ſuperadditum eſt, ut Gratianus nomen reſpuerit
Summi pontificis, quod hactenus more Majorum (abſque tamen labe ipſorum
ſacrorum, eſt) Chriſtiani Impp. ob ſummam poteſtatis amplitudinem, retinue-
rant. Unde mox illud argutum in Gratianum ſcomma jactarunt: Si princeps
non vult appellari Pontifex Maximus, admodum brevi Maximus (nempe tyran-
nus prædictus) Pontifex fiet. ita Spondan. ad ann. 383. n. 3. Quid hîc Romanus
præſul? In tituli illius quaſi vacuam poſſeſſionem involavit (acuto Anteceſſoris
quondam noſtri D. Juſti Mejeri JCti judicio in tract. jur. publ. contrà Caſp.
Sciop. p. 22.) adde titulos, quos obſervavit Hug. Grot. in Lib. de Imper. Sum.
pot. circa ſacra pag. 12. Conſtantinus in antiquâ inſcriptione Religionis \& fidei
autor dicitur. Baſil. Imperator, Eccleſiam navem vocans Univerſalem, ejus ſibi
gubernacula ait à DEO concredita. Circumfertur \& nomine Eleutherii Roma-
ni vetus Epiſtolium, quo regem Britannum, Vicarium DEI vocat in regno ſuo,
agens de negotio religionis. Concilium Moguntiacenſe Carolum M. vocat ve-
ræ Religionis rectorem.
Namen an ſich und die geiſtliche Hierarchi gaͤntzlich und allein gezogen/
und den Magiſtrat die weltliche Obrigkeit bloß davon außgeſchloſſen.
Nein/ ſagt Conſtantinus/ nicht alſo/ Jch bin ſo wol ein Biſchoff/ als der
Pabſt zu Rom/ oder ein anderer/ der von den Roͤmiſchen Paͤbſten den
Biſchofflichen Stab gleichſam zu Lehen traͤgt/ alles was der Biſchoffliche
Nam/ Titul/ Natur und Eigenſchafft an und in ſich hat/ das gehoͤrt mir
auch zu. Jn der H. Schrifft bey den LXX. Dolmetſchen heiſt [...]ίσϰο-
ϖος oder Biſchoff ſo viel/ als ein Auffſeher oder Waͤchter/ Syr. 17 18.
ein Muſterer und Ober-Rund Num. 13/15. 1. Sam. 14/16. einen
Werck- oder Frohn-Vogt/ der auff die Arbeiter Achtung zu geben
J i i 2hat
[436]Die eilffte
hat 2. Chron. 34, 12. ſolche Aempter hat eine Obrigkeit alle zuvertretten als
Gottes Stadthalter auff Erden/ der nit nur von ſeiner Unterthanen Leib
und Guͤtern/ ſondern fuͤrnemlich dero Seel Rechenſchafft zu geben hat/
und wahr zu nehmen/ wie und mit was Milch dieſelbige ernaͤhret/ wie und
mit was Sorgfalt dieſelbe bewacht/ wie und auff was Weiſe die Diener der
Kirchen ihre Aempter verſehen und zieren: Dann ſonſt waͤre der Pabſt ab-
ſolute Meiſter/ und haͤtte niemands hoͤher uͤber ſich/ welche Meiſterſchafft
er doch niemal mit Beſtand und Grund der Warheit erweiſen koͤnnen.
Epiſcopi nomen (ita Ludov. de la Cerda adverſ. ſacr. cap. 105. n. 16. p. 175.)
ex Hieronymo \& Auguſtino apparet, quem Superintendentem explicant; Prior
tom. 7. Epiſt. ad Evagr. ſic ait: Epiſcopi nomen ſignificantius græcè dicitur, nam
ἐπισϰσϖοῦντες i. e. Superintendentes, unde Epiſcopi nomen tractum eſt. Poſterior
L. 2. de Civ. D. c. 19. Nomen Epiſcopatus eſt nomen operis non honoris: græ-
cum enim eſt atque inde deductum vocabulum, quod ille, qui præficitur, eis
quibus præficitur, ſuperintendit, curam ſcil. eorum gerens: ἐπὶ quippe ſuper,
σϰόϖος verò intentio eſt. Ergò ἐπισκοϖεῖν, ſi velimus Latinè, ſuperintendere,
poſſumus dicere, ut intelligat, non ſe Epiſcopum eſſe, qui præeſſe dilexerit, non
prodeſſe. Neque verò aliter Ambroſius, etiamſi ſuperinſpector reddat (in Lib.
de Sacerdot. dignit. c. 6.) quid aliter interpretatur Epiſcopus, niſi ſuperinſpector.
Lud. Vives ad Lib. 19. de Civ. D. hæc notat: Eſt (ſc. ἐπίσκοπος) vel ab ἐπισϰοϖέω,
quod eſt conſidero, vel ἐπισϰέϖτομαι, quod idem eſt \& viſitare. Unde illi
ἐπίσϰοϖσι [...]θηναῖ [...] εἰς [...] ἐπισϰόϖους πόλεις ἐπισϰέψαϑε τὰ πα [...] ἑϰά [...]οις
πεμπόμενοι, ο [...] δὲ ϕύλαϰες ἐκαλοῦντο, ο [...]ς οἱ [...]άϰονες ἁρμο [...]ὰς ἐλέγοντο, ut in-
quit Suidas, \& alibi explicui. Mittebantur enim ab Athenienſibus ad ſubditas
civitates, qui res illorum inſpicerent, \& hi vocabantur ἐπίσϰοϖοι, inſpectores vel
viſitatores \& obſervatores; Lacones nominabant Harmoſtos. In ſacris Literis
ἐπίσϰοϖος vulgò ſpeculator dicitur.
Drittens zeigt er auch an ſeine prælation, inſpection, Vorzug und
Auffſicht/ nicht nur auff die Kirchiſche Guͤter/ ſondern auch Kirchiſche
Perſonen (τῶν non ſolùm neutraliter, ſed \& maſculinè accipiendum)
Ja es gebuͤhrt mir/ wil er ſagen/ dieſer Titul fuͤrnemlich und eher als dem
Biſchoff zu Rom/ ihme und der gantzen Cleriſey hab ich Macht zu gebie-
ten/ Geſetz fuͤrzuſchreiben/ Concilia zu beruffen/ und andere geiſtliche
Actus zu begehen.
Extat nobile reſcriptum Conſtantini ad Athanaſium inquientis: Jam cum in
hoc negotio tanta ſit malitiæ importunitas, certum habeant, me ita decreviſſe,
atque hujus eſſe ſententiæ. ſi quid tale iterum moverint, non pro more Eccleſia-
rum, ſed pro legibus publicis memet meapte opera cauſæ cognitionem ſuſceptu-
rum. Hinc \& poſtea Imperator ad Euſebianos ſcribit: Ego ignoro, quid ſibi
velint iſta, quæ à veſtra ſynodo per tumultum \& tempeſtatem judicata ſunt, mihi
ſanè videtur, neſcio quo pacto, veritas per immodeſtiam opprimi, dum per ve-
ſtram contentionem, quam invictam cupitis, ea, quæ DEO placent, non conſide-
ratis.
[437]Predigt.
ratis. Sed erit divinæ providentiæ officium, explorare ſcelera iſtius contentio-
ſitatis \& explorata diſſipare, vobiſque clarè oſtendere, quantam in veſtro congreſ-
ſu veritatis curam habueritis, \& an veſtra judicia citra gratiam \& odium calculum
ſuum promiſerint. Quocirca feſtinanter ad meam pietatem accurrite, ut rerum
iſtarum excuſſam exactamque fidem coram me in præſentiâ ipſi præſentes docea-
tis. Et poſt: Quapropter vos meo prætorio ſiſtite, \& feſtinate huc quam ce-
lerrimè, certique ſitis, me omni opere ſtudioque anniſurum, ut ea, quæ ſunt le-
gis DEI, quam maximè inoffenſa illabefactaque ſerventur, quibus nullum nec
probrum nec infamia allini poſſit, profligatis ſimul \& contritis inimicis legis, qui
ſub ſpecie ſancti nominis multiplices \& diverſas blaſphemias afferunt. Ita Con-
ſtantinus.
Equidem Bellarminus L. 1. de Cler. c. 28. inſtat: Non ſine magnâ laude re-
ferre Ruffinum Lib. 10. hiſt. c. 2. \& poſt eum beatum Gregorium Lib. 4. Epiſt. 75.
vocem illam Conſtantini ad Epiſcopos: Vos Dij eſtis à ſummo DEO conſtituti,
æquum non eſt, ut homo judicet Deos. Ergò omninò abſurdum, ut ovis Impera-
tor) paſtorem ſuum quocunque modo judicare præſumeret. Reſp. M Anton.
de Dom. L. 6. de Rep. Eccleſ. c. 4. n. 50. p. 566. Id propter merè Eccleſiaſtica cri-
mina, puta hæreſes, \& ſimilia, dixiſſe eſt cenſendus; \& ut facilius eos ad concor-
diam revocaret, ut expeditius tractaretur cauſa fidei in concilio, impedimen-
tumque hoc criminationum privatarum amoveret. Si tamen ſe judicem eorum
incompetentem agnoviſſet, libellos accuſationum non accepiſſet, ſed eos ad pro-
pria Epiſcoporum tribunalia rejeciſſet. Quin imò Epiſcopi etiam ipſi eum mo-
nuiſſent, ne Epiſcoporum accuſatores audiret, eorumve libellos acciperet: qua
in re neque monitus fuit, neque reprehenſus. Hæc M. Anton. Eſt nimirum in
cauſa hæreſeos duplex judicium; Unum diſcretivum veritatis ad pleniſſimam
convictionem, quam convictus \& λ [...]γῳ ἔξ [...]profiteatur: alterum mere Politi-
cum \& coactivum. Prius à ſuo foro alienum judicat Conſtantinus M. non item
poſterius. Hæc verba (ſcil. Conſtant. M. cum dicit: Ad DEI ſolius judicium
reſervamini) manifeſtè indicant, quod non loquatur de judicio humano, ſed con-
ſcientiæ, quod ſoli DEO competit. Alioquin \& juriſdictione Papæ eximeret
Epiſcopos, quia dicit: à nemine judicari poteſtis. Sunt qui putant, ea verba
excidiſſe Conſtantino, ut majorem ſuam ergà Epiſcopos obſervantiam \& humili-
tatem declararet. Vinc. in conſil. Venet. c. 8. Quod autem alicui gratiosè con-
ceditur, non debet trahi in exemplum. c. quod alicui de R. I. in 6. Quicquid ſit,
unicum verbum totum hoc argumentum diruit: Conſtantini vocem non haberi
pro Evangelio, nec poſſe jus divinum facere. hæc Arniſæ. de Exempl. Cler. c. 3.
p. 35. Rurſus idem M. Antonius reſpondet p. 569. Si verum eſt iſta Conſtantinum
dixiſſe, cur facta ipſius dictis non reſpondent? vel igitur ex abundantiâ quadam
pietatis iſtud protulit, ſi tamen protulit; vel de ſolo judicio in cauſis propriè Ec-
cleſiaſticis \& ſpiritualibus illud intellexit: quod ex Cypriano aut audire ab aliis,
aut ipſemet diſcere potuerit, ita dicente: (in conc. Afric. de hæret. bapt.) Neque
enim quiſquam noſtrum Epiſcopum ſe eſſe Epiſcoporum conſtituit, aut tyrannico
terrore ad obſequendi neceſſitatem collegas ſuos adegit; quando habeat omnis
Epiſcopus pro licentia libertatis, \& poteſtatis ſuæ arbitrium proprium, tanquam
judicari ab alio non poſſit, cum nec ipſe poſſit alterum judicare: ſed expectemus
Univerſi judicium D. N. JEſu Chriſti; qui unus \& ſolus habet poteſtatem \& præ-
ponendi nos in Eccleſiæ ſuæ gubernatione, \& de actu noſtro judicandi. hæc rur-
I i i 3ſus
[438]Die eilffte
ſus ille. Adde quod religioſus imperator de debito paſtorum judicio magis lo-
quatur, quam de ſui juris abdicatione; dicebat enim in Concilio Nicæno, (teſte
Sozom. L. 1. 16.) ἥϰιςα χρὴ τοιούτους ἑαυτο [...]ς π [...]ρέχειν, ὡς πα [...] ἑτέρου ϰρίνεϑαι,
nequaquam Epiſcopi ita ſe debent gerere, ut ab alio judicentur. Poſſunt etiam
verba Conſtantini in ſenſu compoſito accipi, Paſtores quà tales \& dum ſunt ta-
les, non judicandos: at ſi paſtoritio ſe pede indignos fecerint. οὐ χρηῦαι (dicere
ſolebat Chryſoſtomus apud Theodoret. L. 5. c. 28.) τῆς μὲν τῶν ἱερέων ἀϖολάυειν
τιμῆς, τηὺ δὲ τῶν ἀληθῶν ἱερἑων μὴ ζηλοῦν βιοτηὺ, i. e. non decere eos ſacer-
dotali honore frui, qui verorum ſacerdotum vitam non imitentur, ſi officio re-
moto in ordinem Laicorum redigantur, an tunc judicare nefas?
So dann auch vierdtens den Unterſcheid deß inneren und
aͤuſſeren Gewalts. Jener ziele auff den inneren Gottesdienſt im
Predigen/ Rathen/ Straffen/ Sacrament-reichen/ Schluͤſſel-uͤbung/ den
Gebrauch deß Schwerdtes deß Geiſtes/ auß dem Mund Chriſti/ beſte-
hende; Jn dieſem allen begehrt Conſtantinus dem Predigampt keinen
Eintrag zu thun/ hat ſich vielmehr accommodirt den Mund des HErꝛn zu
fragen und zu hoͤren: dieſer habe fuͤr ſich alles/ was aͤuſſerlich zu deß Got.
Von Churfuͤrſt Johann Friderich zu Sachſen ruͤhmet Lutherus Tom. I.
Isleb. p. 274. daß er auch in hohen weltlichen Sachen nichts gethan/ er habe dann
zuvor os Domini auch conſulirt.
tesdienſts Ordnung/ Zucht/ Zierde/ Wolſtand und Unter-
halt gereichen mag. Alles nach Laut und Jnhalt Goͤttlicher inſtru-
ction Exod. 4, 16. da GOtt der HErꝛ zu Moſi ſpricht: Aaron ſoll dein
Mund ſeyn/ und du ſolt ſein Gott ſeyn. Davon dißmal wir et-
was mehr und gruͤndlich zu handeln entſchloſſen: der groſſe Eccleſiarcha
und Ertz-Biſchoff gebe Gnad/ daß es gedeye zu ſeiner Ehr und unſerer
Lehr/ AMEN.
SO erſcheinet nun fuͤr Er. Chriſtl. Liebe Par Impar, ein gleiches
ungleich/ und ungleiches gleich von zween Bruͤdern Mo-
ſe und Aaron. Erſtlich zwar Par nobile Fratrum, zween edle
Bruͤder/ gleich von Natur/ Stammen und Gebluͤt/ auß dem alten ehrli-
chen Geſchlecht der H. Patriarchen Abraham/ Jſaac und Jacob entſproſ-
ſen/ ſind beyde unter einer Mutter Bruͤſte gelegen/ und auch gleich in der
education, Aufferziehung und Zucht/ ſind beyde in Joſephs Schul/ darin
Pſ. 105, 22.er die Egyptiſchen Fuͤrſten unterwieſen nach ſeiner Weiſe/ und
die Elteſten Weißheit gelehret/ gleich in dem Beruff und Geſand-
ſchafft an Koͤnig Pharaonem/ in der Wuͤrde und Herꝛligkeit deß Goͤttli-
chen Ampts/ davon Pſal. 99/ 6. 7. Moſe und Aaron unter ſeinen
Prieſtern/ und Samuel unter denen/ die ſeinen Namen an-
ruffen/
[439]Predigt.
ruffen/ ſie rieffen an den HErꝛn/ und Er erhoͤret ſie: Er re-
det mit ihnen durch eine Wolcken-Seule/ ſie hielten ſeine
Zeugnuͤß und Gebote/ die Er ihnen gab. Gleich waren ſie in al-
lerhand fatis Zu- und Unfaͤllen/ Gluͤck und Ungluͤck/ Buͤrde und Wuͤr-
de/ Leben und Tod/ was einem begegnet/ daſſelbe auch dem andern/ die
Auffruͤhriſche Rott/ Core/ Dathan und Abiram hat ſich wider beyde/ als
zween rechte Creutz-Bruͤder duͤrſtiglich auffgebaͤumet. Gleich in Bruͤ-
derlicher Liebe/ Fried/ Vertranlichkeit und Harmoniſcher Zuſammenſe-
tzung zu einem Zweck der Goͤttlichen Ehre/ Heyl und Wolfarth deß ihnen
anbefohlnen Volcks zu ſuchen und gewinnen: Haͤtte Moſes ſeinen Bru-
der Aaron wollen drucken und zum Fuß-Tuch niederlegen: Oder haͤtte
Aaron zur Auffruͤhriſchen Rotte Core ſich ſchlagen/ und wider jenen ent-
poͤren wollen/ ſo waͤre auß dem lieblich-bruͤderlichen gleich/ ein feindſeliges/
aͤrgerliches und ſchaͤdliches ungleich worden.
Aber darneben Par Impar, zween ungleiche Bruͤder von Alter/ In-
genio, Art/ aͤuſſerlicher Geſtalt und Geſchicklichkeit: Moſes/ das feine
und außerleſeſte ſchoͤnſte Kind fuͤr GOtt Act. 7/ 20. hat Aaron in dem
uͤbertroffen/ daß er mehr Weißheit und Politiſche Prudentz in der Egypti-
ſchen Schulen erlernet/ laut der Außſag deß Stephani Act. 7/22. Moſes
ward gelehrt in aller Weißheit (nicht Zauberey und ſchwartzen
Kunſt/ durch welche ſeine Feinde Jannes und Jambres ihme widerſtan-
den 2. Tim. 3/8.) der Egypter/ und war maͤchtig in Wercken und
Worten; als Aaron/ deme im Gegentheil ein ſonderbare gratia und
Anmuth im Reden/ der Wolredenheit gegoͤnnet und beſchehret worden/
deren Moſes ermangelte. Ungleich auch in dem objecto ihrer vertrau-
ten Aempter/ jenem Moſi/ als dem Haupt lag der gantze Regiments-Laſt
auff dem Hals/ oder die Verwaltung eines Koͤniglichen AmptsDeu/.
33, 5. dieſer wartete der Hut des HErꝛn in der Stiffts-Huͤt-
ten/ im Tempel/ im Heiligthum/ mit opffern/ ſegnen/ lehren und unter-conf. The-
ol. Conſc.
pag. 893.
weiſen/ der Herr nennet ihn daher des Moſis Mund/ ſein wolbered-
ter Dolmetſch/ wie auch des gantzen Volcks heilſamer Rath-Mund/
erleuchter Lehr-Mund/ Syr. 45/21. eiffriger Straff-Mund/ ſuͤſſer
Troſt- und Roſe-Mund/ kraͤfftiger Segen-Mund/ ja auch ein
ſtarcker Sieg-Mund/Deut. cap. 17. ꝟ. 8. ſeqq.Wann eine Sa-
che (ſpricht der Herr daſelbſt zu Moſi) fuͤr Gericht dir zu ſch wer
ſeyn wird zwiſchen Blut und Blut/ zwiſchen Handel und
Handel/ zwiſchen Schaden und Schaden/ und was zoͤncki-
ſche Sachen ſind in deinen Thoren; So ſoltu dich auff ma-
chen
[440]Die eilffte
chen und hinauff gehen zu der Staͤtte/ die dir der HErꝛ dein
GOTT er waͤhlen wird/ und zu den Prieſtern/ den Leviten/
und zu dem Richter/ der zu der Zeit ſeyn wird/ kom̃en/ und fra-
gen: die ſollen dir das Urtheil ſprechen/ und du ſolt thun
nach dem/ das ſie dir ſagen/ an der Staͤtte/ die der HERR
er waͤhlet hat/ und ſolts halten/ daß du thuſt nach allem/ das
ſie dich lehren werden. Nach dem Geſetz/ das ſie dich lehren/
und nach dem Recht/ das ſie dir ſagen/ ſoltu dich halten/ daß
du von demſelben nicht abweicheſt/ weder zur Rechten/ noch
zur Lincken. Und wo jemand vermeſſen handeln wuͤrde/ daß
er dem Prieſter nicht gehorchet/ der daſelbſt in des HERRN
deines GOttes Ampt ſtehet/ oder dem Richter/ der ſoll ſter-
ben/ und ſolt den boͤſen auß Jſrael thun/ daß alles Volck hoͤre/
und fuͤrchte ſich/ und nicht mehr vermeſſen ſey. Und Hagg. 2, 12.
So ſpricht der HErꝛ Zebaoth/ Frage die Prieſter um das Ge-
ſetz.Malach. 2, 7. Deß Prieſters Lippen ſollen die Lehre bewah-
ren/ daß man auß ſeinem Munde das Geſetze ſuche/ dann er iſt
ein Engel des HErꝛn Zebaoth. Jn welchem Stand er auch als ein
Heiliger/ ein Außerwaͤhlter und abgeſonderter GOTTES/ billich Chr-
wuͤrdig ſeyn ſoll Exod. 28, 1. Du ſolt Aaron deinen Bruder und
ſeine Soͤhne zu dir nehmen/ auß den Kindern Jſrael/ daß er
mein Prieſter ſey. 1. Chron. 24, 13. ſtehet alſo: Aaron ward ab-
geſondert/ daß er geheiliget wůrde zum Allerheiligſten/ er und
ſeine Soͤhne ewiglich/ zu raͤuchern fuͤr dem HERRN/ und zu
dienen/ und zu ſegnen in dem Namen des HERRN ewiglich.
Ungleich ferner in der ὑϖεροχῇ, in der Obrigkeitlichen/ uͤbergebie-
tenden und Goͤttlichen Hoheit/ in Anſehung deren Moſes Aarons
Gott/ und ſo er Aarons/ wie vielmehr deß gantzen Volcks Gott genennet
worden. Wie Gott? Wie kom̃t Moſes der arme Schaafhirt und un-
beredte Stammler dazu/ daß er ein Gott/ und zwar ein Gott Aarons/
deß aͤlteren Bruders und kuͤnfftigen Hohen-Prieſters/ heiſſen ſoll? Sol-
te nicht Aaron hieruͤber geſtutzt und geſagt haben/ wie Jacob zu Joſeph
geſagt/ was iſt diß fuͤr ein Traum/ der dir getraͤumet?Geneſ.
37, 10. darum die Latina vulgata es verbeſſern wollen/ auff daß ſie die
Abſurditaͤt etlicher maſſen benehme/ und dem Heiligen Geiſt zu Huͤlff
komme/ indem ſie das Hebreiſche alſo verdolmetſcht: Tu eris ei in his,
quæ ad DEUM pertinent. Gerad als wann Moſes fuͤr Aaron opffern
ſolte/ da doch das widrige von Aaron zu leſen Hebr. 5. 1. Aber es bleibt da-
bey
[441]Predigt.
bey rund und gewiß/ Moſes ſoll Aarons Gott ſeyn/ nicht nur ein Legatus
und Geſandter an Gottes Statt/ wie auch Moſes in ſolchem Verſtand
Pharaonis Gott hieſſe Exod. 7, 1. ſondern wie es der Chaldeiſche Dol-
metſch Onkelos wol getroffen/ Tu eris ei [...] pro Principe, duce \&
Magiſtro, hyperepiſcopo, du wirſt Aarons Herꝛ/ Haupt/ Regent
und Richter ſeyn/ du wirſt ein Koͤnigliches/ Ober-Richtliches Ampt tra-
gen/ nicht nur uͤber das gantze Volck/ ſondern auch uͤber Aaron und die
gantze Prieſterſchafft oder Cleriſey. Deus non abſolutè τῇ ϕύσει, nichtvid. Doct.
Brent. ad
Exod. pag.
26.
ein unerſchaffener ſelbſt-weſender Jehovàh, nicht ein geborner Gott/ wie
der eingeborne Sohn GOttes/ auch nicht einer der auff den Thron Got-
tes zur Rechten Gottes auß Gnaden erhoͤhet worden/ wie Chriſtus nach
der Menſchlichen Natur; ſondern Lelohìm, pro vel à Deo, ein ge-
machter/ geadelter und geordneter/ benamter Ampts-Gott/
pro Deo,Gottes Statthalter und Cantzler/ad Deum ordinatus,
Divus \& Divinus homo. Nicht nur Ampts-Gott/ ſondern auch
Aarons Kirchen-Gott/ in der Gemeine Gottes Pſal. 82/1. und dieſer
nicht nur Patron/ Saͤug-Amme/ Deus tutelaris,Schild- und
Schutz-Gott/ Pſal. 47/10. ſondern auch mit-ſorgender Kirchen-
Pfleger/ Mit-Biſchoff/ in Sachen die ἐυταξίαν, gute Ordnung und
Statuten/ Churen/ Wahlen und Beruff der Kirchen-Diener/ ornat und
Zierrath/ Diſciplin und Zucht belangend. Aaron gibt den Mund und
Rath/ das Schwerdt des Geiſtes dazu; Moſes den Oberkeitlichen Glantz/
Scepter und Schwerdt der Hand. Moſes hat zwar ſelbſt nicht geopffert/
und dem Aaron in ſein Weichbild einen Eingriff gethan/ aber ſonſt was
Ceremonial-Geſetze/ Levitiſche liturgi, und den gantzen Gottesdienſt an-
langt/ ein- und abſetzen/ inveſtirn, einweyhen/ das hat alles Moſes gethan/
wie die gantze Juͤdiſche Kirchen-Agend mit Sonnenklaren Buchſtaben
bezeugt/ Exod. 30, 30. Joſeph. l. 3. c. 9. nennet ſolche Biſchoͤffliche Inve-
ſtitur πϱόστα ξιν τῆς ἱεϱοσ [...]ύης, die Verordnung des Prieſterthums. Nicht
nur Mit-Biſchoff/ ſondern auch Ober-Biſchoff/ als der ſeinem
Bruder Aaron zu gebieten hatte/ den er auch wegen ſeiner Kaͤlber-Goͤtzerey
auß heiligem Ampts-Eyfer geſcholten und geſtrafft; Er iſt von Aaron
ſelbſt fuͤr einen Herꝛn erkannt/ angenommen und genennet worden;
Mein Herꝛ/ ſagt er/ laß ſeinen Zorn nicht ergrim̃enExod. 32, 22.
Es iſt aber auch Moſes Numen harmonicum, ein ſolcher Gott/
der ſeiner Goͤttlichen Gewalt nicht abſolutè ſich gebraucht/ ſondern wie
Gott der Herr ſelbſt thut/ ſeine von ihm geſtifftete Ordnung in acht
nim̃t/ und auſſer dem aͤuſſerſten Nothfall darin nichts aͤndert/ auch ſeine
Achter Theil. K k kGoͤtt-
[442]Die eilffte
Goͤttliche Tugenden dergeſtalt moderirt, daß ſie ſich freundlich unterei-
nander kuͤſſen/ Gerechtigkeit und Weißheit/ Gewalt und Guͤte einander
holdſelig begegnen/ alſo hat auch Moſes der gedultigſte und ſanfftmuͤthig-
ſte Regent gethan. Conſequenter σέϐαϛος 2. Theſſal. 2. in hohem Re-
ſpect und Ehren zu halten/ ἄσυλος heilig und unverſehrlich/ und iſt an
demſelben ſich nicht zuvergreiffen.
Jſt M. L. der hohe Ehren-Titul/ mit welchem der Allerhoͤchſte und
Edelſte GOtt auß ſonderbarer Gnad alle Obrigkeiten und Regenten/
die Moſis Ampt tragen/ geadelt und gezieret/ maſſen ſie zu unterſchiedli-
chen mahlen in heiliger Schrifft mit dieſem herꝛlichen Namen beleget wer-
den/ Exod. 21, 6. item cap. 22. ꝟ. 8. 9. \& 28. da befohlen wird die Verbre-
conf. Pſal.
82, 1.chere Goͤttliches Geſetzes fuͤr die Goͤtter/ das iſt/ die weltliche Regenten
und Richter des Volcks zu bringen/ den Goͤttern ſoltu nicht flu-
chen/ und den Oberſten in deinem Volck ſoltu nicht laͤſtern
Exod. 22, 28. als an welche Gottes (der auß nichts etwas macht Prov. 4.)
Beruffs-Wort geſchehen/ deren Ordnung von GOtt dem Herrn
unmittelbar herkom̃t/ ob ſchon das τὸ δὲ τι, die deſignation und Bezeich-
nung dieſer oder jener Perſon auß Menſchlicher Wahl und Geburt ge-
floſſen/ die Perſonen ſeyen fuͤr ſich ſelbſt/ wer ſie wollen/ ſo iſt doch das Ampt
Goͤttlich/ radius divinæ Ma jeſtatis, character divinus haͤngt an ihnen/
ob ſchon bißweilen eine Sau ein guͤldenes Haarband traͤgt/ und einer da
ſitzt wie ein Scherg/ doch iſt die Ordnung von GOtt/ welches ſie auch
bekennen im Titul/ Wir von Gottes Gnaden/ wolte GOtt daß
Hand und Mund allzeit uͤberein ſtimmeten! Num. 27, 16. ſpricht Moſes
zu dem Herrn: Der HErꝛ/ der GOtt uͤber alles lebendige
Fleiſch/ wolte einen Mann ſetzen uͤber die Gemeine. Er
ſetzet Koͤnige ab/ und ſetzt Koͤnige ein/ ſagt Dan. c. 2, 21. Und
nach Außſag St. Pauli Rom. 13/ 1. So iſt keine Obrigkeit ohn
von GOtt. Und wird ſonderlich dieſe hohe Beadlung und Vereh-
rung der unerſchaffnen Weißheit/ dem ewigen Sohn GOttes zugeſchrie-
ben/ Prov. 8. ꝟ. 15. \& 16. allwo Er ſelbſten ſagt: Durch mich regie-
ren die Koͤnige/ und die Rathherren ſetzen das Recht/ durch
mich herꝛſchen die Fuͤrſten und alle Regenten auff Erden.
Wie demſelben alle Gewalt im Himmel und auff Erden von ſeinem himm-
liſchen Vater gegeben worden; Alſo auch inſonderheit ihm als dem Ertz-
Hirten und Ertz-Biſchoff unſerer Seelen/ der Biſchoͤffliche Unterge-
walt/ das Predigampt alſo zu beſtellen/ daß nach Goͤttlicher Regul und
Ord-
[443]Predigt.
Ordnung/ alles zur Goͤttlichen Ehr wol gerathe und außſchlage. Heydni-
ſche Koͤnig haben auch pflegen Goͤtter zu machen/ und ihre hohe Beampten
zu apot heiſiren und zu vergoͤttern/ gar vermuthlich der Koͤnig Ahaſve-
rus/ als der Ober-Gott/ nach Perſianiſchem Pracht/ hat Haman zu ei-
nem Unter-Gott erhoben/ fuͤr dem jederman die Knie biegen und die Fuͤſſe
kuͤſſen muſte. Der Roͤmiſche Pabſt als Deus Deorum, ein anderer Ju-
piter/ hat ihm ſelbſt auch die Macht genommen durch die Canoniſation
der Heiligen/ dieſelbe zu vergoͤttern/ und ihnen Goͤttliche Dienſt zu erzei-
gen/ verordnet. Aber woher kompt ſolchen Leuten dieſe Gewalt? Wer
hat ihnen ſolches hohe axioma und uͤber-regale gegeben? Chriſto aber
iſt/ wie aller Gewalt/ im Himmel und auff Erden/ alſo auch die Macht der
weltlichen Obrigkeit den Goͤttlichen Titul zubeſchehren/ daß ſie denſelben
als von Chriſto empfangen auch Chriſtlich zu Chriſti Ehr/ und ſeiner Kir-
chen Erbauung fuͤhren und zieren ſollen/ uͤbergeben. Weil ſie GOttes
Stell im Gericht vertretten Deut. 1, 17. Das Gericht-Ampt iſt Got-
tes. 2. Chron. 19, 6. ſpricht Joſaphat zu ſeinen Richtern: Sehet zu/
was ihr thut/ dann ihr haltet das Gericht nicht den Men-
ſchen/ ſondern dem HErꝛn/ und Er iſt mit euch im Gerichte/
Er ſtehet mitten unter euch/ut δραϛιϰὸς, Er ſihet euch ins Hertz hin-
ein/ Er haͤlt euch ſeine Wort fuͤr Augen/ Er zieret und ruͤſtet euch auß mit
guten Ampts Gaben/ Er beſitzet euer Gewiſſen/ und nim̃t gar genau war/
was und wie ihr richtet und urtheilt. Conſequenter ſeyd ihr vor andern/
und uͤber andere Menſchen außerkohrne/ Amps-geheiligte/ edle/ wuͤrdige/
werthe und gebietende Herren/ Ampts-Pfleg- und Schutz-Goͤtter/ Mit-
Biſchoͤffe in gewiſſen Schrancken. Jn gewiſſen Schrancken/ ſag
ich/ deß innerlichen und aͤuſſerlichen Kirchen-Gewalts: Der Prieſterliche
Gewalt beſtehet im Schwerdt deß Geiſtes/ daſſelbe recht und weißlich nach
der Regul Goͤttlichen Worts zu fuͤhren/ in Außſpendung der H. Sacra-
menten/ in execution deß Bund-Schluͤſſels/ in examine und ordina-
tion der Kirchen-Diener; Der Obrigkeitliche Gewalt in Beſtellung des
Kirchen-Dienſts/ heilſamen Kirchen-Ordnung und Statuten/ Zierrath
und Zucht. Kein Stand ſoll allhie gefaͤhrlichen Eingriff dem andern
thun: Der Koͤnig Uſias ſoll nicht opffern/ der Prieſter ſoll nicht herꝛſchen:
jener ſoll ſich nicht unterfangen dem Wort Gottes/ welches alle weltliche
Gewalt uͤbertrifft/ Ordnung zu geben/ das Schwerdt des Geiſtes zu ban-
nen und hindern/ die Predigten auß unordentlichen Affecten gewalſamer
Weiſe verurtheilen/ es waͤre dann/ daß ſie nicht ὡς λόγια Θεοῦ als Gottes
Wort tractirt, ſondern beweißlich mißgebraucht waͤren worden/ beweiß-
K k k 2lich/
[444]Die eilffte
lich/ ſag ich/ dann es auch hie heiſt/ Hab ich uͤbel geredt/ ſo beweiſe
es; Hab ich wol geredt/ was ſchlaͤgſt du mich?
Jnmaſſen nach Moſe alle Gottſelige/ gewiſſenhaffte und auffrich-
tige Potentaten/ Kayſer/ Koͤnige/ Fuͤrſten und Ober-Herren ſich ſolches
aͤuſſern Kirchen-Rechts angenommen/ Joſua/ David/ Salomon/ Jo-
1. Chron.
10, 22. con-
fer c. 23, 24.
2. Chron. 8,
15.ſaphat/ Joſias/ Hißklas. David und Samuel ſtiffteten die Huͤ-
ter am Hauſe des HErꝛn/ ſtehet 1. Chron. 10, 22. deßgleichen von
Salomon wird gemeldet 2. Chron. 8. Es ward nicht gewichen vom
Gebott deß Koͤnigs uͤber die Prieſter und Leviten an allerley
Sachen/ und an den Schaͤtzen/ nemlich zur Kirchen und Gottesdienſt
gehoͤrige. Nicht weniger von Joſaphat wird geruͤhmt 2. Chron. 17, 8.
\& 9. daß er im dritten Jahr ſeines Koͤnigreichs ſeine Fuͤrſten und mit ih-
nen die Leviten und Prieſter (derer Namen daſelbſt erzehlt werden) in die
Staͤdte Juda außgeſandt daſelbſt zu lehren/ und ſie lehreten in Juda/
ſagt der Text/ und hatten das Geſetz-Buch des HErꝛn mit ſich/ und
zogen umher in allen Staͤdten Juda/ und lehrten das Volck.
Jtem von Hißkia leſe 2. Chron. 29, 15. von Joſia cap. 35, 4. \& 10. De-
nen zun Zeiten des Neuen Teſtaments gefolgt Conſtantinus, Juſtinia-
Caroli M.
hyperepi-
ſcopen
prolixè de.
ducit D.
Dorſcheus
in collat.
ad concil.
Francof.
p. 1. p. 97.nus, Theodoſius, Gratianus, Honorius, Leo und andere/ deren Kir-
chen-Satzungen noch guten Theils fuͤrhanden und bekannt ſind. Die
haben alle ihre Obrigkeitlichen Rechte behauptet und geuͤbet/ unterdeß aber
dem Miniſterio und Predigampt die innere Kirchen-Verwaltung/ den
Geiſt des Mundes Chriſti/ Conſcientz-Raͤth und Mit Zucht vertrauet.
Conſcientz-Rath iſt per ſe nicht unrecht/ wann er gleich im Pabſtum
ſchaͤndlich und gefaͤhrlich mißgebraucht wird/ [...]εϱὸν γὰϱ βουλὴ. Jojada
der Hoheprieſter war des Koͤnigs Joas/ Zacharias deß Oziæ, Eliſa Jo-
ſaphats Conſcientz-Rath und Director. Alles mit Rath/ ſo reuet es
nicht nach der That/ mit Rath aber derer/ die das Gewiſſen auß Gottes
Wort unterrichten und leiten koͤnnen/ die da wiſſen nicht nur eine machi-
nam zu becircken/ ſondern auch außzuwuͤrcken. So anders? Sinite
mortuos ſuos mortuos ſepelire, ſchreibt Lutherus Tom. 2. Isleb. p. 368.
billig wird im Gegentheil nicht geachtet Caiphas das Spey-Maul/ und
Sergius der San-Ruͤſſel.
conf. The-
olog. Cõſc.
pag. 888. \&
ſeqq.Es haben aber auch jetzt-gelobte Regenten ihnen von Rechtswegen
die hyperepiſcopiam, das Ober- und Uber-Biſchoͤffliche Recht ange-
maſſet/ Joſua hat den Prieſtern gebotten Joſ. 3/8. Salomon hat den
Prieſter Abjathar exauctorirt und von ſeinem Ampt geſtoſſen 1. Reg. 2, 27.
St. Paulus hat dem Roͤmiſchen Kayſer ſolche Ehre aſſerirt Rom. 13, 1.
und
[445]Predigt.
und daher an denſelben appellirt Act. 25, 11. Ja der Ertz-Hirt und Bi-
ſchoff unſrer Seelen hat den Ober-Gewalt uͤber ſich/ in der Perſon deß
Kayſerlichen Land-Pflegers Pilati, recognoſcirt und erkannt Joh. 19/11.
Was die Pabſt-Monarchiſten einſtrenen/ iſt anderswo (*) beantwortet.(*) in Ho-
dom. Pap.
Phant. 2.
Wie aber alsdann/ moͤcht jemand hie fragen/ wann der Koͤnig/ Fuͤrſt/
Regent/ Oberherꝛ/ unglaubig und ein Ketzer waͤre/ ſolte demſelbigen eini-
ger Kirchen-Gewalt mit gutem Gewiſſen koͤnnen eingeraumet werden?
Antwort/ wie anders? Es iſt nichts neues/ die Perſianiſche Heydniſche
Koͤnige haben ja die Juͤdiſche Kirche/ wie geſchuͤtzet und verpflegt/ alſo
auch derſelben heilſame Ordnungen fuͤrgeſchrieben. Jn dem Brieff/ ſovide Chri-
ſteid. Act. 1.
Theatr. l.
phæn. 6.
p. 207. \&
ſeqq.
Koͤnig Arthaſaſtha dem Schrifftgelehrten Eſræ gegeben Eſdr. 7, 21. \&
23. ſteht unter andern auch dieſer Befehl: Jch Koͤnig Arthaſaſtha
habe diß befohlen ꝛc. Alles was gehoͤret zum Geſetz Gottes
vom Himmel/ daß man daſſelbig fleiſſig thue zum Hauſe
Gottes vom Himmel/ daß nicht ein Zorn komme uͤber deß
Koͤnigs Koͤnigreich und ſeine Kinder.Nohem. 11, 23. Es war
deß Koͤnigs Gebottuͤber ſie/ daß die Saͤnger treulich handel-
ten/ ein jeglichen Tag ſein Gebuͤhr/ und cap. 13, 7.
Wollen aber Regenten den Titul Gottes mit Ehren fuͤhren/ ſo wird
auch die harmonia der Obrigkeitlichen Tugend erfordert/ daß man ja
nicht die zwo Tugend-Schweſtern voneinander trenne/ die ἐξ [...]σίαν und
ἐυταξίαν, Gewalt und nutzliche Ordnung/ ſondern daß es in Kirchen-Ge-
ſchaͤfften alles [...]ημόνος [...] ἐυτάϰτως zierlich und ordentlich verwaltet wer-
de/ als zum Exempel/ im Beruff und Beſtellung deß Predigampts ſtehet
zwar die Poteſtaͤt und Gewalt bey dem Patrono der Kirchen undiſputir-
lich/ ſolt er aber mit denſelben bloß und thum̃ durchdringen wollen/ kein
Ordnung/ kein Examen, kein Ordination beobachten/ ſo wuͤrde er nicht
allein unſrer Gegner der Papiſten ſarcaſmos und Geſpoͤtt gleichſam fir-
men/ vorgebende/ es waͤre der Lutheriſchen Prædicanten-Beruff nicht koͤſt-
licher und heiliger/ als der Stadt Buͤttel/ Hundſchlaͤger/ Scharffrichter/
die man auch nach belieben um gewiſſen Lohn pflege zu dingen/ wie Luthe-
riſche Obrigkeit zu thun pflegt/ ſondern er wuͤrde eben ſo unvernuͤnfftig
handeln/ als der Fuͤrſt/ der nach ſeinem eignen Sinn und muthigen Wil-
len einen Stadt-Phyſicum ohne Zeugnuͤß einiger privilegirten Univerſi-
taͤt/ einen Balbirer/ Wund-Artzt/ Apothecker oder Heb-Amme/ ohne Prob
und Examen ſeinen Unterthanen wolte auffdringen: Er duͤrffte ehe fuͤr
einen rechtſchaffenen Artzt einen Marckſchreyer oder wol gar einen Zaube-
rer auffnehmen/ und nicht beſſer und Gewiſſenhaffter handeln/ als Jero-
K k k 3beam
[446]Die eilffte
beam der abtruͤnnige Jud/ der nach aller ſeiner Hertzens-Luſt von den ge-
ringſten und ungeſchickteſten deß Volcks die Hand gefuͤllt und zu den
Prieſtern der Hoͤhe gemacht; Nicht beſſer/ als die Roͤmiſchen Landpfle-
ger die Heyden/ die mit dem Juͤdiſchen Hohen-Prieſterthum/ als mit einem
Ballen leichtfertiger Weiſe geſpielt/ bald dieſen bald jenen zu und abge-
ſetzt. Als Conſtantinus der Roͤmiſche Kayſer/ der Macedonium den
Ketzermeiſter auff den Conſtantinopolitaniſchen Stuhl erhoben; Als
Mahometh II. der Tuͤrck nachdem er Conſtantinopel erobert/ Gennadio
Scholario den Patriarchen-Stab eingehaͤndiget/ deſſen nachfolgender
Sultan auch nach bloſſem Belieben den Patriarchat zu verwalten/ oder
vielmehr zu kauffen gegeben. Ebenmaͤſſige Beſchaffenheit hat es auch
mit der dimiſſion und Enturlaubung. Es werden (ſchreibt ein fuͤrneh-
(*) Conr.
Göbel. in
Aug. Conf.
uͤber den
14. Artic.
pag. 1008.
conf. ibid.
p. 1014.mer Theologus (*)) hoher und nieder Stands Obrigkeiten ge-
funden/ die ihre Prediger anders nicht/ als wie ihre Leibeige-
ne halten/ ſo lang ſie den Becher auffrecht tragen/ ſo lang iſt
man mit ihnen zu frieden/ ſo bald ſie aber dem Herodiſagen/
was nicht recht iſt/ ſo pflegt man ihnen einen Brieff in ein
ander Cloſter zu geben/ und ſie offtermahlen ohn alle wichti-
ge und erhebliche Urſachen/ mit allen Ungnaden abzuſchaf-
fen und fortzuſchicken. Aber das iſt durchauß der rechte or-
dentliche Weg nicht.
Und das iſt alſo das genannte warhaffte Jus Epiſcopale oder Bi-
ſchoͤffliche Recht/ jus inſtitutum, deſtitutum, reſtitutum, welches
zwar von Gott dem Herrn/ als dem Gott der Ordnung loͤblich ge-
ſtifftet/ wie auß jetzt abgelegtem Vortrag heiter und hell zu vernehmen ge-
weßt: Aber hernach durch ein abſcheulich monopolium vom Pabſt und
ſeiner Cleriſey der weltlichen Obrigkeit gaͤntzlich entzogen und geraubet
worden/ und alſo von dem Drachen dem edlen Adler (wie hefftig ſich auch
dieſer gewehrt durch die großmuͤthige Chriſtliche alte Kayſer) die Federn
außgerauffet/ und einer ſolchen heilſamen Goͤttlichen Ordnung/ eine
ſchaͤndliche und ſchaͤdliche ἀταξία und Unordnung entgegen geſetzt wor-
den durch folgende rapinas und Ehren Raub/ als
I. Per rapinam Deitatis, indem der Pabſt den Namen Goͤtter
auff ſich und ſeine geoͤhlte Cleriſey gezogen/ und alſo nicht Moſes/ ſondern
Aaron in Goͤttlichen Stand erhoͤhet worden.
Geſtalt dann gethan ſonderlich Gregorius, qui bonorum Paparum ultimus
\& malorum primus, deſſen Epiſtel ad Mauritium juri Canonico einverleibt in
Decreto Gratiani part. 2. cauſ. 11. q. 1. cap. Sacerdotibus p. 554. Sacerdotes divinis
eloquiis aliquando Dii vocantur, applica illis ad Deos Exod. 21. \& 22. ibid. citat
hiſto-
[447]Predigt.
hiſtoriam Conſtantini M. Dii vocati eſtis. E. non poteſtis ab hominibus judi-
cari. Perinde hîc faciunt Papæi ac legati Benhadadi, ſimulac audierunt hunc
ab Achabo (illicitè) fratrem vocari, ſtatim apprehenderunt hoc nomen. De de-
bito loquitur Cæſar, apud Soz. l. 1, 16. Nequaquam ſe Epiſcopi ſic gerere debent,
ut ab alio judicentur, ſequeretur aliàs à quovis Clerico Imp. poſſe judicari, quia
Magiſtratus inſtitutio non immediatè à DEO, ſed conſequenter demum per ho-
mines. Bellarm. contr. Barcl. c. 5. p. 76. Tanner. Tom. 2. diſp. 5. q. 5.
II. Per rapinam curæ \& Epiſcopes Eccleſiæ, indem er der
weltlichen Obrigkeit den aͤuſſerlichen Kirchen-Gewalt gaͤntzlich entzogen/
kein Gewalt zum Beruff und Wahl/ oder Beurlaubung/ uͤberlaſſen/ und
iſt der Obrigkeit nicht mehr uͤberblieben/ als Execution oder Vollzichung
deſſen/ was die Cleriſey beſchloſſen/ Debent Eccleſiam tueri non ut Do-vid. Theol.
Conſc. p.
879. ſeqq.
mini ſed ut miniſtri, neque ut judices, ſed ut executores, ſchreibt
Becanus Tom. 2. Opus. 8. p. 247.
III. Per rapinam ὑϖερθεότητ [...], Jndem der Pabſt uͤber alle Ampts.
Goͤtter ſich erhoben/ uͤber den σέ [...]αςον, Auguſtum den Roͤmiſchen Kayſer
ſelbſt/ deſſen und deß Roͤmiſchen Reichs Haupt er ſeyn wil/ der alſo den
Apoſtoliſchen characterem des Antichriſts klaͤrlich erfuͤllet.
Si Papa Sol eſt, Imperator Luna, juxta Innocentium Papam, Ergò Papa ſu-vide Bell.
de of. Prin-
cip. Chriſt.
L. 1. c. 5. ubi
Exemplũ
modeſtiæ
Monaſticæ
ſc. celebra-
tur in Mar-
tino, Dun-
ſtano.
(*) in com.
ad 2. Th. 2.
perior. Hinc locum Ultimum in hierarchia tenent Laici, ac inter illos reges \&
principes, notante Bell. L. 3. de Laic. c. 17. Baron. An. 57, 31. Longè præſtare Chri-
ſti Sacerdotes Regibus atque principibus. Unde conficit, ſacrificulum in menſa
communi \& menſæ officiis præferendum Regibus, exemplo S. Martini, Baronius
Anno 386, 31. Bellarm. Lib. 1. d. R. P. cap. 7. Juxta Moguntinos p. 158. Majeſtas
Chriſtiana eſt, cedere imperium Eccleſiæ, ſolium altari, diadema tiaræ, paluda-
mentum ſtolæ, gladium cruci, ſceptrum regni clavibus cœli, Laicum ſacerdoti,
Imperatorem Pontifici. Hinc (1.) exemptio à legib. civil. judiciis, tributis, jura-
mentis Bellarm. L. 1. de Cler. c. 28. Hinc (2.) oſculum pedum, quod Cornel.
à Lapid. (*) oſtendere vult ex Eſai. 49, 13. Annon, inquiens, amplius eſt, lingere pul-
verem pedum, quam pedes exoſculari? hic honor ergò Pontifici debetur tanquam
Hierarchæ. Item è Libr. Ceremon. præſcripto, Cæſar ut primum videt Papam,
detectus capite, genuflexus, tenet ſceptrum quoad Papa aſcendit, \& accepto fre-
no ducit; primum ferculum portat ad menſam Papæ, ſi Papa equitat, imperatorvid. Ἀντιχϱ.
pag. 795. \&
799.
debet ſellam portare, Baron. ad ann. 1162, 13. Spectaculum DEO \& hominibus
dignum!
IV. Auß dieſem angemaſſten ſo hohen Biſchoͤfflichen Kirchen-
Gewalt ſind (1.) entſprungen/ die fulmina ſacra, die H. Doñerſtraͤhl/
damit der Pabſt groſſe Herren in Bann gethan/ durch welche Bann-
Brieffe konten ſie die Koͤnige und Fuͤrſten zwingen und treiben/ wohin ſie
wolten/ ohn alles Widerſetzen und Gegenwehre. Es durffte ein gro-
ber Eſel auff der Cantzel Koͤnige und Fůrſten außfiltzen/ und
ſeine Luſt an ihnen buͤſſen nach allem Muthwillen/ und ſol-
ches
[448]Die eilffte
ches muſte dennoch gepredigt heiſſen/ es durffte niemand wi-
der einen ſolchen Brod-Wurm ſich mucken/ ſind Wort Luthe-
ri Tom. 5. Jen. p. 67. Was dem from̃en Kayſer Henrico IV. begegnet/
iſt vor dieſem Welt-kuͤndig geweſen: wolte er von dem Bann den ihm
Pabſt Gregorius VII. angelegt/ loß ſeyn/ und der Fuͤrſten des Reichs
Pflichten wieder genieſſen/ deren ſie befreyet geweßt/ ſo muſte er ſich auff-
machen mit ſeiner Gemahlin und Sohn/ und im kalten Winter mit we-
nig Dienern uͤber das Alpen-Gebuͤrge in Jtaliam ziehen/ kam in Anfang
deß 1077. gen Canoſſo, und nachdem er biß an den dritten Tag barfuß in
einem ſchlechten Haͤrinen Kleid ohn Speiß und Tranck/ in einem ſchlech-
ten Haͤrnen Kleid ohn Speiß und Tranck/ in groſſer Kaͤlte/ vor deß Pabſts
Pallaſt auffgewartet/ ward er endlich den 28. Januarij abſolvirt/ doch mit
dieſem Beding/ daß er ſich dem Pabſt in allen Dingen unterwerffen/
und ſich deß Kayſerlichen Gewalts im Reich nicht gebrauchen ſolte.
Deßgleichen iſt darauß entſtanden (2.) caſtigatio per virgam, der
Ruthen-Streich/ welchen Henricus II. Roͤmiſcher Kayſer und Hen-
ricus II. Koͤnig in Engelland/ außſtehen muſten. Maſſen hiervon Cor-
nelius à Lapid. ad Matth. 4. p. 112. ſelbſt erzehlet: Anno Archiepiſco-
pus Colonienſis Henricum II. Imperatorem pœnitentem duriſſimis
verberum plagis afflixit anno Domini 1056. Ita Henricus II. An-
gliæ Rex, quia occaſionem dederat cædis S. Thomæ (uti habet ejus
vita) Cantuarienſis Archiepiſcopi, pœnitens nudis pedibus venit
ad ſepulchrum S. Thomæ, ac in loco cædis ejuſdem proſtratus in
terram ad pedes Epiſcoporum ſcelus ſuum cum lachrymis confeſ-
ſus, ſcapulas nudavit, ab eiſque quinquies flagellationem ſuſcepit;
à ſingulis vero Monachis, qui numero erant 80. tres diſciplinæ ictus
ſubiit ſub annum Domini 1170. Quid nos delicati ad hæc! quo
abiit priſcorum pœnitentia? exclamat Corn. à Lapide ibid. Hâc de
cauſa (ita idem) Romæ Pœnitentiarii Pontificii virgam manu ge-
ſtant, tam quia ſunt Judices A poſtolici in tribunali conſcientiæ.
(3.) Der Fußtritt/ daß man gar den Kayſer mit Fuͤſſen getretten.
Zu Venedig ſoll diß widerfahren ſeyn Friderico Barbaroſſæ, da derſelbe in
St. Marx Kirchen eingehen wollen und auff die Erde geknyet/ dem Pabſt
nach altem Brauch den Fuß zu kuͤſſen. Der Pabſt tratt ihn mit einem
Fuß auff den Hals/ und hieß ſeine Cleriquen dieſe Wort auß dem Pſalm
ſingen: Auff Schlangen und Baſilißken wirſt du gehen/ und tretten auff
junge Loͤwen und Drachen. Diß verdroß den Kayſer/ wie billig/ ſagt
demnach zum Pabſt/ Non tibi ſed Petro, dieſe Demuth erzeige ich nicht
dir/
[449]Predigt.
dir/ ſondern dem Apoſtel Petro. Der Pabſt antwortet/ Et mihi, \&
Petro, ſo wol mir als dem Petro.
Pro fabula habet hanc narrationem Baronius ann. 1177. ſed poſt hunc For-
tunatus Ulmus Caſſinenſis monachus defendit ut veram. Martinus Del Rio
part. 2. Adag. S. pag. 93. ſcribit Pſalmum 91. ab Alexandro III. practicè fuiſſe ex-
poſitum, cum Venetiis calcans diceret hunc verſiculum, indicante Tyranni pa-
rem ferociæ vafriciem, ſe, Chriſto dante, pedibus premere.
Interfectio,Mord/ daß man gar venam Baſilicam die Koͤniglicheplures iſte
Zelus ha-
buit lau-
datores ait
Piaſec.
Chron.
p. 79.
Ader anzugreiffen keine Scheu getragen/ wie Achilles Harlæus im Par-
lament zu Paris/ bey dem Thuan geklagt/ l. 130. ſolches zu erweiſen/ ſind
Exempla obhanden/ ſonderlich jener Koͤnigs-Moͤrder in Franckreich/ deſ-
ſen Eifer ihrer viel/ auch der Pabſt ſelbſt hochgelobt.
Sie woltens aber auch nicht beſſer haben. Warum ſind ſie nicht
einig geweßt/ und den Pabſt das Divide alſo ſicher laſſen practiciren?
weil ſie die παῤῥησίαν den Muth zu reden und zu widerſprechen verlaſſen/
haben ſie hernach gar muͤſſen verſtummen; weil ſie das Hefft auß dervid. Theol.
Conſc.
p. 909.
Hand gegeben/ haben ſie das Schwerdt fuͤhlen muͤſſen; weil ſie nicht wol-
ten Haͤupter ſeyn/ ſo muſten ſie Fußtuch und ſtratores equorum oder
Lackeyen werden/ und iſt ihnen eben gangen wie jenem Eichbaum/ welcher
der Axt den Stiel von ſich gegeben/ und zuviel eingereumt/ biß ſie den
Banm ſelbſt angegriffen und gar gefaͤllet. Nun Chriſtus hat den Raben
in fremden Federn prangenden außgezogen/ der Pabſt hat ſchon ziemlich
Federn verlohren/ am Juͤngſten Tag werden ſie vollends außgerupfft wer-
den/ und er plut und beſchaͤmt da ſtehen. Dann es hat endlich Gott
der Herr ein Goͤttliches Einſchen gehabt uͤber die entſetzete Fuͤrſten und
Staͤnde des Reichs/ dieſelbe mit einer erwuͤnſchten Einſatz- und Wieder-
Erſtattung des verlohrnen Biſchofflichen Rechts berathen/ vermittelſt
deß heilſamen Paſſauiſchen Vertrags. (*) Und ſind alſo weltliche Obrig-
Achter Theil. L l lkelten
[450]Die eilffte
keiten die rechte Biſchoͤffe unſrer Evangeliſchen Kirchen/ und daher auch
vid. Theol.
Conſc.
pag. 869.
Reichs Ab-
ſchied de
Anno 1555.abgetheilte Herren/ wann die zu Admmiſtratoren eines und andern
Biſtums erwaͤhlet werden/ moͤgen ſie als Epiſcopi exteriores den aͤuſſer-
lichen Kirchen-Gewalt uͤben/ ob ſie gleich nicht innerhalb lehren und pre-
digen.
Lutheri Meynung hievon iſt dieſe Tom. 7. Witteb. pag. 573. f. 2. Wir drin-
gen nicht ſo ſtarck darauff/ daß ein Biſchoff fuͤr ſeine Perſon ſolche Biſchoͤffliche
Aempter außrichten muſte? Gantz hertzlich gern wollen wir/ auch fuͤr GOtt/
das auff uns nehmen/ und am Juͤngſten Gericht helffen tragen/ und verantwor-
ten/ daß ſie St. Valerii Exempel moͤchten nachfolgen. St. Valerius war ein
Biſchoff zu Hippon/ und kont der Sprach halben uͤbel predigen/ begehrt aber oͤf-
fentlich/ daß man jemand fuͤnde/ der an ſeine Statt predigen moͤchte: Da zogen
ſie St. Auguſtin herfuͤr/ und zwungen ihn/ daß er muſte Prediger ſeyn. O wie
froh war der Biſchoff St. Valerius/ daß er ſolchen Prediger hatte bekommen/
der ſich wehren kunte wider die Ketzer/ und die Kirchen mit rechter Lehre beſſern.
Wiewol/ da St. Auguſtin erfuhr/ daß die Biſchoͤffe in Griechenland darum
murreten/ daß ein Prieſter ſolt predigen an Biſchoffs Statt/ (dann zu der Zeit
noch blieben war/ die Gedancken/ das Predigen waͤre das hoͤchſte Ampt in der
Kirchen) renet es ihn/ und ſchreibt auch/ wo ers gewuſt haͤtte/ wolte er ſolch Pre-
digampt bey Leben ſeines Biſchoffs nicht angenommen haben. Eben ſo begeh-
ren wir itzt nicht mehr/ dann das die Biſchoͤffe oder Capitel/ wo ſie ja nicht ſelbſt
koͤnnen predigen/ oder Seelſorge außrichten/ daß ſie es doch wolten beſtellen/
durch andere tuͤchtige Perſonen/ oder wo ſie das auch nicht koͤnten/ doch ſo viel
leiden/ daß von der Kirchen/ mit ihrem Wiſſen und Willen/ tuͤchtige Perſonen ge-
ſucht und angenommen wuͤrden/ welche von ihnen geſchuͤtzt/ und nicht verfolgt
wuͤrden. Lieber was ſollen wir doch weiter einraͤumen/ oder mehr zugeben?
Jſt das nicht gnug nachgegeben?
Et mox ibid. pag. 574. f. 1. Was ſchadets nun unſern Biſchoffen/ daß ſie
ſolchem Exempel nach/ eitel Valerii wuͤrden/ und was ſie nicht kuͤnten/ doch durch
andere außrichten/ ſehen ſich um/ wo ſie ſolche Auguſtinos kriegten in ihren Kir-
chen/ und wo die nicht da waͤren/ huͤlffen dazu/ daß ſie in Schulen und Stifften
erzogen wuͤrden/ blieben ſie was ſie ſind/ haͤtten was ſie haben/ lieſſen ab vom
Verfolgen/ Morden/ Laͤſtern/ nehmen die erkandte Warheit an/ huͤlffen dazu/
daß Kirchen wol beſtellet wuͤrden. Muͤſſen doch (ſo ſpricht Lutherus ferner ibid.)
unſere weltliche Herꝛſchafften jetzt Noth-Biſchoͤffe ſeyn/ und uns Pfarꝛherꝛ und
Prediger (nachdem der Pabſt und ſeine Rott nicht dazu/ ſondern darwider thut)
ſchuͤtzen und helffen/ daß wir predigen/ Kirchen und Schulen dienen koͤnnen/ wie
Jeſaias ſagt/ Reges nutricii tui, Koͤnige ſollen hich naͤhren/ und Koͤnigin ſollen
dich ſaͤugen/ wie ſie dann vor zeiten all zu reichlich gethan/ und wo das Evan-
gelium ſie fromm gemacht hat/ noch thun. Vnd wo ſolche Biſchoͤffe und thum-
me Herren nicht ehelich ſeyn wolten/ moͤchten ſie ſo bleiben/ doch nicht Huren-
Weſen fuͤhren/ wuͤrden ſie ehlich/ moͤchten ſie von ihrem Einkommen fuͤr ihr Weib
und Kindlein erſparen/ das ſie doch jetzt ſchaͤndlich mit Huren und Buben ver-
thun/ koͤnten auch wol mit Bewilligung des Capitels/ ohn Abbruch des Stiffts
etwas ihren Kindlein zu wenden. Wolan/ es iſt ein Narren-Rath biß daher
gehalten/ und ich bin ein Narꝛ; Aber weils Gottes Rath iſt/ ſo iſts eines weiſen
Narren
[451]Predigt.
Narren Rath. Daß aber die Bettel-Kloͤſter abgehen/ das iſt nuͤtzlich und noth/
dann es iſt nicht gllein ein unchriſtlich Weſen/ ſondern auch eine ſchaͤndliche Nah-
rung/ daß ſie nichts eignes haben ſollen/ und den Leuten taͤglich auff dem Halſe
liegen/ und die Welt beſchweren. Wolte auch wol/ daß man die hohen groſſen
Kloͤſter/ die ohn Titul eines Biſchoffs/ Biſtum wol gleich ſind/ nicht alle zuriſſe/
ſondern zu Schulen machte/ wo es noth waͤre/ das huͤlffe dem armen Adel ſehr/
und wuͤrden nuͤtzliche Leute darauß/ da itzt eitel Baͤuche und Waͤnſte/ wie die
Ratten und Maͤuſe in den Scheuren ſich maͤſten. ita Luth.
Wie koͤnnen nun wir ins geſampt/ ſonderlich unſere Obrigkeiten/
Fuͤrſten oder Herren/ gnug dancken fuͤr dieſe groſſe Ehr und Hoheit/ da-
mit ſie von GOtt dem HErꝛn/ der Quellen alles Adels/ verehret worden/
viel hoͤher als der Fuͤrſten/ Grafen und Ritter Titul? Wie auch fuͤr das
angezuͤndete Liecht des Evangelit/ dadurch das Myſterium iniquitatis
beſchtenen und beſchaͤmet worden: daß nunmehr unſere Fuͤrſten und
Herren wiederum verjuͤngt wie ein Adler/ ihre Ehren-Gefaͤlle wieder be-
kommen/ fuͤr andern die noch leider unter dem Joch keuchen!
Ita Luth. Tom. 12. Witt. p. 244. f. 1. ſq. Da mahleten ſie ein groß Schiff/
das hieß die heilig Chriſtliche Kirche/ darin ſaß kein Laͤye/ auch weder Koͤnige
noch Fuͤrſten/ ſondern allein der Pabſt mit den Cardinaͤlen und Biſchoͤffen vorn
an/ unter dem Heiligen Geiſt/ die Pfaffen und Moͤnchen zum Seiten/ mit den
Rudern/ und fuhren alſo zum Himmel zu; Die Laͤyen aber ſchwummen im
Waſſer um das Schiff/ etliche erſoffen/ etliche zogen ſich zum Schiff an Stri-
cken und Seilen/ welche ihnen die heilige Vaͤter auß Gnaden und Mittheilung
ihrer guten Werck herauß worffen/ und ihnen holffen/ daß ſie nicht erſoffen/ ſon-
dern am Schiff klebend und hangend/ auch mit gen Him̃el kaͤmen/ und war kein
Pabſt/ Cardinal/ Biſchoff/ Pfaff/ noch Moͤnch im Waſſer/ ſondern eitel Laͤyen.
Solch Gemaͤhld war ein Bild und kurtzer Begriff ihrer Lehre/ was ſie von welt-
lichen Staͤnden hielten/ und iſt auch das rechte Bilde/ wie ſie es in ihren Buͤ-
chern hatten/ das koͤnnen ſie nicht laͤugnen/ dann ich bin auch ſolcher Geſellen
einer geweſen/ der ſolchs hat helffen lehren/ und alſo geglaubt/ und nicht anders
gewußt. Haben dazu die Laͤyen ſampt ihrem Stande verdammt gemacht/ ſo
fern/ daß am Tod-Bett ſich auch Fuͤrſten und Herren in Moͤnchs-Kappen laſſen
kleiden und begraben/ damit ſie ja friſch und frey Chriſtum verlaͤugneten/ und ihre
Tauffe/ und alle Sacrament verachteten/ und ihren weltlichen Stand verdamm-
ten/ und allen Troſt und Zuverſicht auff die heilige Kappe und Mittheilung der
guten Wercke deß Ordens ſetzten/ und alſo an ihrem Schiff und Strick hangend
gen Himmel fuͤhren/ ja ich meyne den Himmel/ da das hoͤlliſche Feur zu Fenſtern
außſchlaͤget. Jch habe geſehen mit dieſen Augen/ da ich bey meinem vierzehen-
den Jahr zu Magdeburg in die Schule gieng/ einen Fuͤrſten von Anhalt/ nemlich
deß Thum-Probſts und hernach Biſchoffs Adolffs zu Merſeburg Bruder/ der
gieng in der Barfuͤſſer-Kappen auff der breiten Straſſen um nach Brod/ und
trug den Sack wie ein Eſel/ daß er ſich zur Erden kruͤmmen muſte/ aber ſein Ge-
ſell-Bruder gieng neben ihm ledig/ auff daß der fromme Fuͤrſt ja allein/ das hoͤ-
heſt Exempel der grauen beſchornen Heiligkeit der Welt einbildete: Sie hatten
ihn auch ſo uͤbertaͤubet/ daß er alle andere Werck im Kloſter/ gleich wie ein an-
L l l 2der
[452]Die eilffte
der Bruder thaͤt/ und hatte ſich alſo zufaſtet/ zuwachet/ zueaſteyet/ daß er ſa-
he wie ein todtes Bilde/ eitel Bein und Haut/ ſtarb auch balde/ dann er ver-
mocht ſolchs ſtrenge Leben nicht ertragen. Summa/ wer ihn anſahe/ der ſchmatzt
fuͤr Andacht/ und muſte ſich ſeinesweltlichen Standes ſchaͤmen/ und ich halt/
daß noch viel Leute zu Magdeburg leben/ die es auch geſehen haben. Wann nun
jemand waͤre da geweßt/ der dem frommen Fuͤrſten von Chriſto und ſeiner Tauf-
fe recht geſagt und unterrichtet/ wie er wol haͤtte koͤnnen in ſeines Vaters
Hauß ſelig werden/ und haͤtte er ja nicht wollen ehlich werden/ dennoch einen
ſeligen Stand moͤgen fuͤhren/ mithelffen Land und Leute regieren/ und eines
frommen weltlichen Fuͤrſten Ampt treulich außrichten/ und darin GOtt einen
rechten Dienſt thun/ und beſſern Orden fuͤhren/ dann der Barfuͤſſer iſt/ darin man
anderer Leute Brod und Gut frißt/ mit eignen Wercken Chriſtum verlaͤugnet/
und die Welt durch verkauffte und falſche gute Werck zur Hoͤllen fuͤhret. Meyn-
ſtu nicht/ wo er ſolche Warheit haͤtte erkannt? Er wuͤrde die Kappen mit Fuͤſſen
getretten/ und angeſpeyt haben/ darin er ſich zu todt hat muͤſſen martern. Aber
er war in der Lehre gefangen der auffruͤhriſchen Laͤſterer/ die alle Staͤnde/ ſo Gott
geſtifftet und geordnet hat/ verdammen und verdammlich halten und machen;
dargegen ihren ſelbſt-erwaͤhlten verfluchten Stand alſo preiſen/ daß auſſer ihm
niemand moͤge ſelig werden. Darauff hatten ſie den frommen Fuͤrſten gefuͤh-
ret/ wie viel andere groſſe Herren mehr/ und thaͤt den Seel-Moͤrdern und Ver-
raͤthern faſt wol/ und kuͤtzelt ſie uͤber die maß/ daß ſie ſolch Wildpret und niedli-
che Bißlein in ihr Netz kriegten. Hiezu ſchwieg ſtill/ Pabſt/ Biſchoff/ Theolo-
gus/ Juriſt/ und alles was im geiſtlichen Ampt ſaß/ und ſolches wehren ſolt.
Wo nun die weltliche Staͤnde/ nach ſolcher Lehre und Exempel/ haͤtten wollen
allzumal ſelig werden/ und ſo toll waͤren worden/ daß ſie alle auß ihrem ver-
dammlichen Stande/ in einen ſeligen Stand und heiligen Orden getretten waͤ-
ren/ ſo waͤre die gantze Welt eitel Platten worden. Wanne lieben Kinder/
welch ein ſchoͤn Pflaſter waͤre das dem Teuffel geweßt? Bißher Lutherus.
Contra Georg. Duc. Saxon. ruͤhmet er ſich deſſen mit Warheit und ſagt:
Wann ich D. Luth. ſonſt nichts guts gethan und gelehrt haͤt-
te/ dann daß ich das weltliche Regiment/ oder die Obrigkeit
ſo erleuchtet und gezieret habe/ ſo ſolten ſie doch dieſes einigen
Stuͤcks halben mir dancken und guͤnſtig ſeyn/ weil ſie alle-
ſampt auch meine aͤrgſte Feinde wol wiſſen/ daß ſolcher Ver-
ſtand von weltlicher Obrigkeit unter dem Pabſtum nicht al-
lein unter der Banck gelegen/ ſondern auch unter allen ſtin-
ckenden lauſigen Pfaffen und Muͤnche und Betler Fuͤſſen
ſich hat můſſen druͤcken und tretten laſſen. Dann ſolchen
Ruhm und Ehre hab ich von GOttes Gnaden davon/ es ſey
dem Teuffel und allen ſeinen Schuppen lieb oder leid/ daß
ſeit der Apoſtel Zeit kein Doctor noch Scribent/ kein Theo-
logus noch Juriſt ſo herꝛlich und klaͤrlich die Gewiſſen der
weltlichen Staͤnde beſtaͤtiget/ unterrichtet und getroͤſtet hat/
als
[453]Predigt.
als ich gethan hab/ durch ſonderliche Gnade GOttes/ das
weiß ich fůrwar. Dann auch Auguſtinus und Ambroſius/
die doch die beſten ſind/ in dieſem Stuck mir nicht gleich hier-
innen ſind/ das ruͤhme ich mich GOtt Lob und Danck/ dem
Teuffel und allen meinen Tyrannen zu Leid und Verdrieß/
und weiß ſolcher Ruhm beyde GOtt und der Welt muß be-
kañt ſeyn und bleiben/ ſolten ſie auch toll und thoͤricht druͤber
werden.ita Luth. Daher als Churfuͤrſt Friderich der Weiſe genannt
den Tractat Lutheri/ von der weltlichen Obrigkeit/ und ihrer Wuͤrde und
Recht/ geſehen und geleſen/ iſt er vor Freuden auffgeſprungen/ ſeine Haͤnde
auffgehebt/ und ſeinem lieben GOtt von Hertzen Lob und Danck geſagt/
daß er nunmehr auß Gottes Wort wiſſe/ und deſſen verſichert ſeye/ daß er
auch in einem ſeligen Stand lebe/ und darinnen ewig ſelig werden koͤnne.
Allein dieſe Erinnerung muͤſſen wol in acht nehmen/ erſtlich Re-
gentes, die regierende Herren/ daß ſie nemlich nit ſeyen 1. ἄθεοι, die die Re-
ligion/ dadurch ſie erleuchtet worden/ nicht achten; Nicht Galliones, die
fuͤnff grad ſeyn laſſen/ und ſich um Religions-Streit wenig bekuͤmmern/
dencken/ wil GOtt ein GOtt ſeyn/ ſo mag Er ſein Wort ſelbſt befoͤrdern;
Nicht 2. ὑϖέρθεοι, nun ſie frey worden vom Joch/ und keinen Uber-Gott
nicht leiden wollen/ ſich ihrem eignen Stiffter/ dem hoͤchſten Herrn und
dem Wort Gottes nicht widerſetzen/ ne ſint ſimiles ei, qui apparitori
Conſulis non vult parere, vel Regiægro, qui medico non vult pare-
re. Wollen ſich nicht ſtraffen laſſen/ ſondern ein Crimen læſæ Majeſtatis
auß der Wort-Straffe machen/ dencken nicht an die Draͤuung/ ihr werdet
ſterben wie die Menſchen/ ad generum Cereris ſine cæde \&c. Oder ob
ſie je wollen ungeſtrafft in ſolchem ſtarcken dicken Unglauben ihre Hertzen
verhaͤrten wie ein Stein/ mit eiſernem Kopff durchgehen/ ſo werden ſie ein
anders deſcendite hoͤren muͤſſen/ daruͤber ihnen die Ohren gellen werden.
Es iſt (ſchreibt Lutherus Tom. 12. Witteberg. pag. 244. fac. 2.) einem Fuͤr-
ſten oder Koͤnige/ ſo in Herꝛſchafft oder Majeſtaͤt ſitzt/ keine Schande/ ſo er ge-
ſtrafft wird/ wo es geſchicht durch Gottes Wort und Ampt/ dann GOtt iſt ihr
Herr/ und ſie ſind nicht Engel/ und nicht ſo gar rein fuͤr GOtt. Aber das
heiſt die Herꝛſchafften verachten/ und die Majeſtaͤt laͤſtern/ wo man weiter faͤh-
ret/ und nicht die Perſon allein ſtraffet/ ſondern das Ampt laͤſtert/ und wil die
Herꝛſchafft und Majeſtaͤt nit laſſen ſeyn einen ſeligen/ guten Goͤttlichen Stand;
Sondern lehret/ daß er faͤhrlich/ unſicher/ verdam̃lich ſey/ und ſchreckt die Per-
ſon/ ſo drinnen ſind/ davon abe/ machet ihnen unruhige/ bloͤde und verzagte Ge-
wiſſen/ daß ſie ihrem Stande feind werden/ und auch verachten/ als einen un-
tuͤchtigen/ unangenehmen und verworffenen Stand fuͤr GOtt/ und ſich umſe-
hen und trachten nach einem andern/ und alſo ihren Goͤttlichen Beruff laſſen/
L l l 3oder
[454]Die eilffte
oder zum wenigſten mit boͤſem Gewiſſen drinnen bleiben/ und unwillig außrich-
ten. Vnd ſolchs iſt des Pabſts/ und ſeiner Gelſtlichen Lehre/ Glauben und
Werck/ wie gehoͤrt/ und wie taͤglich noch fuͤr Augen.
Sondern 3. Θεοὶ à Deo, per Deum, ad Deum, als die ihr Jus Goͤtt-
licher Weiſe als von GOtt/ durch GOtt und zu GOtt adminiſtriren,
(*) Luther.
Tom. 1. Iſ-
leb. p. 488.
f. 2.ſapienter weißlich. Es iſt (*) noch nie kein Reich mit Gewalt be-
ſtanden/ ſondern es muß ſich mit Weißheit ſchuͤtzen. Wird
man das Roͤmiſche Reich mit Gewaltregieren/ ſo wirds ein
Weſen ſeyn/ wie im wilden Walde/ unter den unvernuͤnffti-
gen Thieren/ da ein Thier das andre frifft/ da friſſt der Fuchs
den Haſen/ der Wolff den Fuchs/ den Wolff pflegt dann der
Baͤr zu zerreiſſen. Wie GOtt der HErꝛ ſelbſt nicht ſummo \& ab-
ſoluto jure herꝛſchet/ ſondern nach der Ordnung/ die Er einmal ſelbſt ge-
ſtifftet; So ſoll ſich kein Regent unterwinden ſummo jure (h. e. ſumma
injuria) nach freyem wilden Willen in Kirchen-Geſchaͤfften zu procedi-
ren, in beſchwornen und beeydigten Ordnungen zu diſpenſiren und zu
aͤndern/ ſondern Aarons Mund auch hoͤren und gelten laſſen: nicht ſchei-
den was GOtt der HErꝛ zuſammen gefuͤgt. Wann Bruder Aaron dem
Bruder Moſt wil Eingriff thun in ſein Weichbild/ und Gottes Mund
ſeyn ohn GOtt; Oder contrà wann Moſes wil GOtt ſeyn ohn Aarons
Mund/ ſo iſt beyderſeits gefehlt. Summa/ das ſeyn rechte Epiſcopi und
Biſchoͤffe/ die wie das Biſchoͤffliche Ampt außweiſet/ in allen Stuͤcken/
(*) vide
Catechiß-
Milch.
part. 3. p.
162. ſqq.Ordnungen und Tugenden ſich nach Gottes Wort richten. (*) Daß ſie
alſo ſeyen Dii ſereniſſimi \& illuſtriſſimi; die leuchten von Goͤttlichen
Tugenden als ſchoͤne hellglaͤntzende Sternen am Himmel/ andern zum
Exempel/ derer Hertzen zu gewinnen; Ludovici (der Leut Wieg oder
Schirm/ hinc Wieghauß quaſi Wach- oder Wohnhauß) Ritter bedeut ſo
(*) confer
Luth. tom.
5. Jen. p. 73.
fol. 2.viel als Retter. (*) Magnifici ſeynd ſie/ die nicht nur die Politiſche Frie-
densburg bauen/ nicht nur Hoſpitalia, der Witwen und Waiſen Pfle-
ger/ ſondern auch Tempel und Schulen bauen/ Himmel und Paradiß
bauen und beſſern/ als Dagobertus, Clodovæus, und andere gethan.
Tom. 5.
p. 71.Es haben viel Koͤnige und Fuͤrſten (ſind abermal Lutheri Wort) groſſe
herꝛliche Kirchen geſtifftet/ und Tempel gebauet. Vnd wann gleich noch ein Koͤ-
nig koͤnte von lauter Golde/ oder von eitel Smaragden und Rubinen eine Kir-
che bauen/ was waͤre alles ſolch groß herꝛlich Ding zu rechnen gegen einem rech-
ten frommen Gottsfuͤrchtigen Pfarꝛherꝛn oder Prediger? Derſelbige kan viel
tauſend Seelen helffen/ beyde zum ewigen Leben/ und auch in dieſem Leben: Dañ
er kan ſie durchs Wort zu GOtt bringen/ und tuͤchtige geſchickte Leute drauß ma-
chen/ Gott dienſtlich und ehrlich/ dazu der Welt heilſam und nuͤtzlich. Ein Kir-
che aber oder Tempel kan nicht einen Menſchen alſo zurichten/ ja ſie kan nichts
uͤberall helffen/ ſondern ſteht da und laͤßt ihr helffen/ und ſich ſchmuͤcken. Wer
iſt
[455]Predigt.
iſt aber der? Vnd wo ſind die Augen/ die ſolche Tugend an einem Herꝛn oder
Fuͤrſten ſehen moͤgen? Es ſcheinet und gleiſſet nichts/ und iſt ein gar gering Ding
anzuſehen/ einen armen frommen Pfarꝛherꝛ oder Prediger zu naͤhren oder ſchuͤ-
tzen; Aber eine Marmor-Kirchen bauen/ guͤldene Kleinod ſchencken/ den todten
Steinen und Holtz dienen/ das gleiſt/ das ſcheinet/ das heiſſen Koͤniglicht Fuͤrſt-
liche Tugenden. Wolan/ laß ſcheinen/ laß gleiſſen/ indeß thut mein ungleiſſen-
der Pfarꝛherꝛ die Tugend// daß er Gottes Reich mehret/ den Himmel fuͤllet mit
Heiligen/ die Hoͤlle pluͤndert/ den Teuffel beraubt/ dem Tode wehret/ der Suͤn-
de ſteuret/ darnach die Welt unterrichtet und troͤſtet/ einen jeglichen in ſeinem
Stande/ erhaͤlt Frieden und Einigkeit/ zeucht fein jung Volck auff/ und pflantzt
allerley Tugend im Volck/ und kurtz/ eine neue Welt ſchaffet er/ und bauet nicht
ein vergaͤnglich elendes Hauß/ ſondern ein ewiges ſchoͤnes Paradieß/ da GOtt
ſelbſt gern inne wohnet. Solches alles kan ſich theilhafftig machen ein from-
mer Fuͤrſt oder Herꝛ/ der ſolchen Pfarꝛherꝛ naͤhret oder ſchuͤtzet/ ja es iſt das gantze
Werck und alle dieſe Frucht ſein/ als hab ers ſelbſt gethan/ weil ohn ſein Schutz
und Koſt/ der Pfarꝛherꝛ nicht bleiben koͤnte. Darum iſt kein Goldberg noch
Silberberg in einem Lande/ dieſem Schatz zuvergleichen. Aber ſelig muͤſſen die
Augen ſeyn/ die ſolchs erkennen/ ja auch ſelig die Faͤuſte die ſolches thun koͤnnen.
Bißher Luth.
Daß ſie auch 4. ſich dargeben als ὑϖόθεοι, die mit Joſeph ſprechen
Geneſ. 50, 19. Jch bin unter GOtt/ ſeinem Goͤttlichen Wort und
Ordnung unterworffen; Und bedencken/ was der Herr gedraͤuet Pſal.
82/6. 7. Jch habe wol geſagt/ ihr ſeyd Goͤtter und allzumal
Kinder deß Hoͤchſten/ aber ihr werdet ſterben wie die Men-
ſchen/ und wie ein Tyrann zu Grund gehen. Wuͤrde ihnen
nun als Sacrilegis eine Maulſcheil vom Himmel herab/ wie Herodi
Act. 12. Ja wuͤrden ſie in der Hoͤllen empfangen werden/ wie Belſazer der
ſchoͤne Morgenſtern Eſai. 14. So moͤchten ſie damit vorlieb nehmen.
Schließlich haben auch Unterthanen ihre Lection mitzunehmen/
und dem lieben Gott zu dancken/ der ſie von dem unertraͤglichen Joch
deß Paͤbſt-Biſchoͤfflichen Stabs erloͤſet/ und die Gewiſſens-Freyheit wie-
der erſtattet/ und alſo wuͤrcklich bewieſen worden/ es ſeye viel beſſer unter
Koͤniglichem Scepter der angebohrnen weltlichen Obrigkeit/ als unter
dem fremden Biſchoffs-Hut zu leben; ob gleich das Sprichwort einLuth. tom.
12. Witt. p.
244. f. 2.
widriges lehren und bereden wolte: Und demnach ſich huͤten fuͤr der Cy-
clopiſchen Theomachia oder Gottes Krieg: auch wiſſen Magiſtratum
eſſe ἄσυλον (α); die Tragœdi der auffruͤhriſchen Rott Core ſoll jederman(α) confer
Theolog.
Conſcient.
part. 2. Sp.
dial. 3. pag.
864. ſqq.
erſchroͤcken/ und im Gegentheil Moſen und Aaron (wann ſie zuſammen
halten/ und je ein Stand dem andern ſeine auctoritaͤt/ ſalvâ gloriâ Nu-
minis \& Conſcientiæ ſerenitate rettet; Jener durch den Mund deß
Schwerds/ dieſer durch das Schwerdt deß Mundes/ ſein Ampt treulich
und ernſtlich fuͤhret) troͤſten wider alle Empoͤrung/ der Herr werde die-
ſes
[456]APPENDIX.
ſes fraternum vintulum nicht leichtlich auffbrechen laſſen/ ſondern als
einen Laſt-Stein ſetzen/ der ehe dem werde auff den Kopff fallen/ der ihn
Deut. cap.
1.erheben wolte/ als daß er ſich erheben lieſſe. Der Herr ſagt/ das Gericht
iſt mein/ darauff hat ſich ein Regent zuverlaſſen und feſt zu ſtehen/ als ein
Stein-Klippe oder Felß im Meer unbeweglich ſtehet/ da alle Bulgen/
Wogen und Waſſerwellen anſchlagen/ und ſich an dem Fels abquetſchen.
Gott iſt das Fundament und die Grundfeſte aller Gerichte und Obrig-
keit. Dieſer Text (ſagt Lutherus Tom. 1. Isleb. pag. 49 1. in h. l.) ſolte
mir lieber ſeyn/ dann 4000. Trabanten/ dann er erſtlich eine Maur und
Wehr der Regiment: darnach ein Troſt aller Fuͤrſten und from̃en Obrig-
keit. Wann ich ein Fuͤrſt waͤre/ der Text ſolte mir lieber ſeyn dann vier-
tauſend geharniſchter Trabanten/ welche wir auch wol muͤſſen haben/ aber
auff dieſen Text ſollen wir trauen und uns verlaſſen; als daß Gott
das Regiment hat zu ſich gefaſſt/ und ſpricht es ſey Sein. Aller Obrig-
keit Troſt/ Trotz/ Schrecken und Vermahnung iſt in dieſem Text/ der wird
ihn ſtarck genug ſeyn. Kurtz iſts geſetzt/ aber es reichet und greiffet uͤber-
auß weit um ſich/ und wer da ſoll oder wil in der Welt regieren/ der mag
ſich wol freuen dieſes Texts/ der ihm ſaget/ er fuͤhre einen Goͤttlichen
Stand/ Ampt und Beruff/ ſeye GOttes Diener und richte Goͤttliche
Werck auß/ Amen.
OBwol Anfangs dieſe vorgeſetzte Theſis primâ fronte ſcheinet/
als wuͤrden dadurch hohe Potentaten gefaͤhrlich angegriffen/ de-
ren man zu ſchonen haͤtte; Als die ſich deß Roͤmiſchen Pabſts
Soͤhne/ Patronen und Advocaten nennen laſſen/ und demſelben Schutz
zu halten/ beeydigt: waͤre der Pabſt der Antichriſt/ ſo muͤſten ſie deß Anti-
chriſts Soͤhne und Patronen heiſſen/ ja es wil dieſe ſo gethane Aufflag
und Anklag einer notori injuri und oͤffentlichen Schmach-Red gleich ſe-
hen. Wider welche doch fuͤr Lutheriſchen Theologen ſtattliche Apolo-
giæ und Schutz-Reden fuͤrhanden/ ſonderlich in der Verthaͤdigung deß
Saͤch-
[457]APPENDIX.
Saͤchſiſchen Augapffels/ c. 86. in vindiciis juris polit. Theolog. Lu-
ther. D. Carpzovii. Jedoch wil ich zum Uberfluß zufoͤrderſt auffs zier-
lich ſte hiemit proteſtirt haben/ daß ich nach dem Exempel St. Johannis
in ſeiner Epiſtel mit den menſchlichen hohen und niederen Stands-Per-
ſonen in individuo nicht zu thun haben wolle; Sondern vielmehr und
fuͤrnemlich mit dem Geiſt und Stat deß Antichriſts. Deme ja/ wann
ſichs befinden wird/ daß er ein boͤſer hoͤlliſcher Geiſt ſey/ man kein Fuchs-
ſchwantz zu ſtreichen/ ſondern ſcapham ſcapham um der lieben Warheit
Willen zu ſagen befugt. Hohe Potentaten haben ſolcher Aufflag/ wann
ſie auch gleich die Perſon deß Pabſts beruͤhren ſolte/ ſo wenig zu entgelten/
als wenig Jonathan ſeines unſinnigen Vaters Sauls/ oder Joſias und
Hiskias ihres Vaters des Abgoͤttiſchen Propheten-Moͤrders Manaſſis
zuentgelten haben. Es kan gar wol ſeyn/ daß ein groſſer Herꝛ einem boͤ-
ſen Menſchen Schutz haͤlt/ und demſelben vor Gewalt ſey. Folgt aber
darum nicht/ daß der Schutz-Herꝛ ein boͤſer Menſch ſey oder deſſelben
Boßheit zu entgelten habe/ dann ja auch GOtt der HErꝛ ſelbſt dem Bru-
der-Moͤrder Cain Schutz gehalten/ deßgleichen hat der Roͤmiſche Pabſt
ſelbſt die verhaͤrteten Juden/ wie dann auch die oͤffentliche Lupanaria
und Frey-Weiber-Haͤuſer mit Privilegien und Schutz-Freyheiten ver-
wahret/ ſolte darum er der Juͤdiſchen Gottslaͤſterungen/ welche ſie in ih-
ren Synagogen halten/ oder der Unzucht/ ſo in beſagten Haͤuſern fuͤrgehet
zu entgelten haben? Es wird ja kein Papiſt irgend einem Koͤnig oder Po-
tentaten/ der den Lutheranern oder Calviniſten unter ſeiner Bottmaͤßig-
keit die ἀσυλίαν und Schutz-Freyheit gegoͤnnet/ darum fuͤr einen Lutheri-
ſchen oder Calviniſchen Ketzer außſchreyen doͤrffen. Daß aber hie kein in-
juriæ notoriæ accuſatio oder Anklag einiger oͤffentlicher Schmach-Red
ſtatt haben koͤnne/ erſcheinet daher/ dieweil was ich hie thue/ ſo ich jemand
unrecht thaͤte/ das thaͤte ich auß uͤberwindlicher Unwiſſenheit/ wie Sanct
Paulus ſich auch entſchuldiget/ Act. 23/ 5. Lieben Bruͤder/ ich wuſte es
nicht/ daß es der Hoheprieſter iſt; Sintemal ich dermaſſen in meinem
Hertzen und Gewiſſen deſſen uͤberzeugt und uͤberwieſen bin/ daß dieſer Geiſt
ſey der Geiſt deß Antichriſts/ als gewiß ich bin/ daß JEſus von Nazareth
der wahre Chriſtus und mit dem H. Geiſt geſalbte Gottes ſey. Deßglei-
chen was ich hie ſage und thue/ das thu und ſage ich mit Beſtand der War-
heit non convitiandi conſilio, nicht der Meynung/ irgend einen Men-
ſchen damit zu ſchmaͤhen und zu laͤſtern; ſondern die unvorſichtige Schaaf
fuͤr dem Wolff zu warnen. Worin mich ja kein gerechter Richter/ und
redlicher Bidermann wird verdencken koͤnnen. Gleichwie nun St. Pau-
Achter Theil. M m mlus
[458]APPENDIX.
lus neben den andern Apoſteln mit einer kraͤfftigen/ unauffloͤßlichen
Schluß-Red dargethan/ daß JEſus von Nazareth ſey der verſprochene
Chriſtus/ Meſſias/ und Heyland der Welt/ in welcher der Vorſatz beſtan-
den auß lauter Prophetiſchen characteren Kenn- und Merck-Zeichen
deß alten Teſtaments: in dem Nachſatz auff den Augenſchein/ Erfahrung
und Hiſtori gedrungen/ darauß der maͤchtige Schluß entſtanden/ daß
JEſus ſey der verſprochene Chriſtus/ der JEſus von Nazareth und Ge-
ſalbte GOttes/ von dem Act. 10/43. alle Prophetenzeugen: Alſo im Ge-
gentheil wil ich den Geiſt des Widerchriſts mit ebenmaͤſſiger/ kraͤfftigen/ un-
widerſprechlichen/ unuͤberwindlichen Schluß-Red als mit einem Strick/
in welchem der Vorſatz die Prophetiſchen Kennzeichen begreiffet/ der
Nachſatz auff den Augenſchein und bewaͤhrte Kirchen-Hiſtorien fuͤhret/
gefangen nehmen und darthun/ daß der Geiſt deß Pabſts ſey der Geiſt deß
groſſen/ angedreueten/ hochſchaͤdlichen Antichriſts. Jch wil aber mit
Fleiß alle andere/ als dunckele/ verbluͤmte/ figuͤrliche Weiſſagungen deß
Propheten Daniels/ und der Johannitiſchen Himmliſchen Offenbah-
rung umgehen/ damit ſich Gegentheil deſtoweniger zu beſchweren habe/
und allein auß deß hocherleuchteten Propheten St. Pauli andern Epiſtel
an die Theſſal. im andern Cap. ſchlieſſen/ deſſen Wort alſo lauten/ ꝟ. 3. 4.
Der Tag des HErꝛn kom̃t nicht/ es ſey dann/ daß zuvor der
Abfall komme/ und offenbahret werde der Menſch der Suͤn-
den/ und das Kind deß Verderbens/ der da iſt ein Wider-
waͤrtiger/ und ſich erhebt uͤber alles/ das GOtt oder Gottes-
dienſt heiſſet/ alſo/ daß er ſich ſetzet in den Tempel Gottes/ als
ein Gott/ und gibt ſich fuͤr/ er ſey Gott; die klare unverbluͤmte
Kenn- und Merck-Zeichen herholen/ und dieſelbe durch die decem præ-
vid. diſpu-
tationem
noſtram de
probatio-
ne Spiri-
tuum, ubi
quid hîc
vox Spiri-
tus ſignifi-
cet, decla-
ratum eſt.dicamenta, wie man in der Schulen redet/ beßrer Ordnung halben fuͤh-
ren/ und alſo ſchlieſſen. Der Geiſt des Widerchriſts iſt ſeiner Subſtantz
und Weſen nach/ ein Geiſt/ der in einem gewiſſen Menſchen/ als
ſeinem Organo und Werckzeug wohnet/ denſelben leitet/ fuͤhret und treibt/
von deſſen Wuͤrckung er auch dieſes ſein Regiment und Gewalt empfan-
gen. Seinem Alter nach iſt er vielhundert-Jaͤhrig; Sintemal
nicht nur er der Geiſt/ ſondern auch ſein organum ſchon zu St. Johannis
Zeiten in der Welt geweſen/ deſſen Boßheit bey St. Pauli Leben/ wiewol
in myſterio heimlich (nicht nur typicè und Vorbilds Weiſe/ auff welche
Art man auch haͤtte ſagen koͤnnen/ daß er ſich zur Zeit Antiochi/ der aller-
ſeits bekanntlichen Figur und Vorbild deß Antichriſts erwieſen) gereget:
und wird doch allererſt ſeiner Furi ein End gemacht werden/ oder ſein
Ruͤſtzeug
[459]APPENDIX.
Ruͤſtzeug wird allererſt ein End nehmen durch die Erſcheinung der an-
dern Zukunff. Chriſti/ darauß nothwendig folgt/ daß dieſer Geiſt/ und deſ-
ſen Werckzeug allbereit uͤber 1600. Jahr alt/ welches von dem Geiſt deß
Antichriſts als einem unſterblichen genio leichtlich zu glauben/ aber von
ſeinem Werckzeug in und durch welchen er wuͤrcket/ anders nicht/ als von
einer Succeſſion in einem gewiſſen corpore, Stadt und Stuhl zuverſte-
hen. Gleichwie man von dem Vogel Phœnix ſchreibt/ daß er ſich ſelbſt
reſeminire, und ob wol der alte Vogel ſtirbt/ ein andrer ihm folget/ und
doch immer nur einer derſelben Art in der Welt anzutreffen: Ja/ wie man
ſagt von dem Koͤnig in Franckreich/ er koͤnne nicht ſterben/ weil immer ein
Koͤnig auff den andern folget: Alſo iſt der von gemeldtem Widerchriſti-
ſchen Geiſt bewohnte und getriebene Menſch allezeit einer in der Welt/
wiewol in unterſchiedlichen/ ſonderbahren auff einander folgenden Perſo-
nen. Der demnach ſein gewiß Alter gehabt/ ſein Embryon-Stand/ da
er noch gleichſam in Mutterleib gelegen/ ſein kindiſches/ ſein mannliches/
ſein hohes/ auff der Gruben gehendes Alter erlangt. Seine Qualitaͤten
zeiget Theils an ſein Name/ Theils ſein Nach-Namen. Er heiſt bey
St. Johann der Antichriſt/ welches Griechifche Wort beyderley Be-
deutung hat/ eines Wider- und eines Fuͤr-Chriſten/ einer ſolchen Perſon/
die Chriſti Vicarius und Statthalter heiſſen wolle/ und doch zugleich wi-
der Chriſtum ſich als ein Widerwaͤrtiger Feindſeliger ſetze: St. Paulus
nennet ihn ein Menſch der Suͤnden/ nicht nur fuͤr ſich ſelbſt boßhafftig/
ſondern auch der wie Jerobeam andere ſuͤndigen mache: Ein Kind deß
Verderbens/ gleichwie Judas/ der ſich und andere mit ſich ins ewige Ver-
derben richte: Ein ἄνομος, ein ſolcher/ der ſich keinem Geſetz/
Straff und Diſe iplin unterwerffen werde. Nach der Relation
wird er ſich erheben uͤber alles/ das Gott oder Gottes heiſſt/
ὑϖὲϱ πᾶν τὸ σέ [...]ασμα, und alſo uͤber den σε [...]αϛὸν, Auguſtum/ den Kayſer
ſelbſt. (Wie derſelb genennet wird/ Act. 25/21.) Seine Actiones,Ge-
ſchaͤfft/ Werck und Haͤndel/ werden ſeyn/ Wuͤrckungen deß
Sathans/ mit allerhand Luͤgenhafften/ kraͤfftigen Zeichen
und Wundern/ mit allerhand Verfuͤhrung zur Ungerechtig-
keit/ alles heimlich/in myſterio,durch Gleißnerey/ unter dem
Schein groſſer Heiligkeit und Heiligthum: gemeldte Ver-
fuͤhrung erklaͤret Sanct Paulus alſo/ 1. Timoth. 4/2. 3. durch die/ ſo
in Gleißnerey Luͤgen-Redner ſind/ und Brandmal in ihrem
Gewiſſen haben/ und verbieten ehelich zu werden/ und zu
meiden die Speiſe/ die GOtt geſchaffen hat/ zunehmen mit
M m m 2Danck-
[460]APPENDIX.
Danckſagung den Glaubigen/ und denen/ die die Warheit
erkennen. Er wird aber auch leiden muͤſſen eine geiſtliche Hafft
und Gefaͤngnuͤß. Zur Zeit Sanct Pauli und der erſten Kirchen/
wird er auffgehalten/ gezaͤhmet und gepreſſt werden/ daß er noch nicht
ſeinen Muthwillen voͤllig wird uͤben koͤnnen/ wann aber der/ der es auff-
haltet/ wird hinweg gethan werden/ ſo wird er loß und offenbahr er-
ſcheinen. Endlich aber durch den Geiſt deß Mundes Chriſti/ das iſt/
das Geiſtreiche/ kraͤfftige unuͤberwindliche Wort Gottes wird er (verſtehe
geiſtlicher Weiſe) umbracht werden/ und ſeinen Reſt/ oder letſtes End
nehmen/ durch die Erſcheinung der Zukunfft Chriſti JEſu. Wann
wirder aber offenbar werden? Nicht alſobald/ als er ſich reget/ ſondern
er wird als ein Tuͤckmaͤuſer in dem Geheimnuͤß verborgen liegen/ ſo lang
biß zwey Prognoſtica werden erfuͤllet werden. Nemlich eine allgemeine
und ſonderbare merckwuͤrdige apoſtaſiaoder Abfall; der Tag des
HErꝛn wird nicht kommen/ es ſey dann/ daß zuvor der Ab-
fall komme/ und alſo offenbaret werde der Menſch der Suͤn-
den/ deßgleichen muß zuvor hinweg gethan und auffgehaben
werden/ derjenige der ſeine Boßheit vorhin auff- und im Zaum gehalten/
alsdann wird der Boßhafftige offenbaret werden. Wo und in
was ſituation oder poſitur wird er ſich erzeigen? Er wird ſich ſetzen
in den Tempel Gottes/ verſtehe nicht abſonderlich in den Tempel
Gottes zu Jeruſalem/ der nim̃er kan und ſoll erbauet werden/ Matth. 23/38.
Sihe/ euer Hauß ſoll euch wuͤſte gelaſſen werden. Auch nicht in
einem neuen Tempel/ welchen irgend der Antichriſt ſelbſt erbauen moͤchte/
dann ein ſolcher Widerchriſtiſcher Tempel iſt nicht Gottes Tempel/ ſon-
dern Gottes Tempel heiſt geiſtlicher Weiſe die Chriſtenheit
1. Corinth. 3/17. So jemand den Tempel Gottes verderbet/
den wird Gott verderben/ dann der Tempel Gottes iſt heilig/
der ſeyd ihr. Er wird ſein Regiment in den Hertzen der Chriſten fuͤh-
ren/ daſelbſt feſt und unaußtreiblich ſitzen/ als ein Starcker/ Gewapneter
in ſeinem Pallaſt herꝛſchen/ und alſo ein Chriſt/ ja Haupt der Chriſten
ſeyn wollen. Sein habit, Geſtalt und Gebaͤrden werden Goͤttlich ſeyn/
Er wird ſich gebaͤrden als ein Gott/ Er wird ſich ſtellen und erzei-
gen als ein Gott/ alles in myſterio, heimlich/ unmerckſamer Weiſe unter
dem Schein und Glantz der Heiligkeit/ wird er ſich als einen Gott verehren
und anbeten laſſen: Dann wann er ſelbſt von ſich/ palàm und oͤffentlich
ruͤhmen/ außſagen und außblaſen wolte/ er waͤre ein Gott/ er waͤre Chri-
ſtus ſelbſt/ ſo wuͤrde er niemand leichtlich verfuͤhren koͤnnen/ er wuͤrde zu-
beſorgen
[461]APPENDIX.
beſorgen haben/ es moͤchte ihm gehen wie jenem naͤrriſchen Kayſer Cajo
Caligula, der ſich einsmals in der Geſtalt deß Abgotts Jupiter auff ſeinen
Thron geſetzet und geſpiegelt/ aber von einem Schuhmacher außgelachet
worden/ welcher/ als er um die Urſach ſeines Gelaͤchters gefragt/ was er
von Cajo hielte/ geantwortet/ μέγα παραλήϱημα, er iſt ein groſſer Ertz-
Narꝛ/ der vernuͤnfftige Leute bereden wil/ er ſey der Gott Jupiter. So
plumb und ſcheinbar wird der heilige Teuffel ſich nicht an Laden legen.
Man gehe nun auff den Augenſchein/ ſehe ſich mit unpartheyiſchen/
unpaſſionirten Augen und Affecten um/ forſche und ſuche in der Welt/
wo ein ſolcher Geiſt/ in einem gewiſſen organo und Werckzeug anzutref-
fen? warhafftig/ wer nicht ſehend blind ſeyn/ und mitten im Wald die
Baͤume nicht ſehen wil/ wer ſich nicht ſelbſt verblenden wil/ wie vor Zeiten
die Juden/ die ſich an der geringen Geſtalt deß JEſu von Nazareth ge-
aͤrgert/ und denſelben fuͤr keinen Meſſiam halten wollen: Alſo auch wer
ſich hie im Gegentheil nicht durch den aͤuſſerlichen Splendentz deß Roͤmi-
ſchen Pabſts wil verfuͤhren und verfaͤhren laſſen: der kan und muß noth-
wendig fallen auff den Roͤmiſchen Geiſt und ſeinen Ruͤſtzeug den Roͤ-
miſchen Pabſt/ als in und an welchem alle erſt-erzehlte categoriæ und
Merck-Zeichen mit Verwunderung Spiegel-gleich antreffen. Dann es
iſt ja ein unſterblicher Geiſt/ der in dem Roͤm. Pabſt wohnet/ dem er ſeine
Stifftung zuzuſchreiben. Entweder iſt des Pabſts Regiment von Gott/
oder von Menſchen/ oder von einem boͤſen Geiſt. Daß es von Gott
herruͤhre/ iſt biß dato noch nie gruͤndlich und mit Beſtand der Warheit er-
wieſen: die drey Figuren/ Fels/ Schluͤſſel und Schaaf-Hirt/ moͤgen ſol-
chen groſſen ungeheuren Laſt nicht tragen/ und muß ſich Gottes Wort all-
hie jaͤmmerlich martern und verdrehen laſſen; von deß Pabſts unfehlba-
ren Liecht in Erklaͤrung der H. Schrifft iſt noch groſſer/ bißher unaußdiſ-
putirter Streit blieben. Deßgleichen keinem Menſchen oder Menſchli-
cher Ordnung wollen Baronius und Bellarminus dieſen Gewalt Danck
haben. Sonſt koͤnte der Pabſt/ waͤre er von Menſchen geſetzt/ auch durch
und von Menſchen wiederum ſeines Regiments entſetzet werden. Wel-
ches die Roͤmiſche Curia nimmer geſtehen oder zulaſſen wird. Wem
bleibt dann der Urſprung beſagtem Regiment uͤber/ als dem/ der Chriſto
die Reich der Welt und dero Herꝛligkeit verſprochen/ welches offert, nach-
dem es Chriſtus abgeſchlagen/ der Roͤmiſche Pabſt mit Haͤnden und Fuͤſ-
ſen ergriffen. So hat derſelbe Pabſt viel hundert Jahr allbereit
erreicht/ die Leones, Urbani, Innocentii, \&c. ſind zwar geſtorben/
aber der Pabſt/ Pabſts Titul und Regiment ſind allezeit geblieben. Jn-
M m m 3maſſen
[462]APPENDIX.
maſſen dann mit ſolcher Succeſſion vom Gegentheil gepranget wird. Zu
Zeiten St. Pauli hat ſich dieſer Geiſt ſchon gereget/ wo aber/ und in wel-
cher Perſon? das zeigt der Apoſtel nicht an/ Urſach/ es war damal noch
ein ſtilles Geheimnuͤß/ der Saamen lag noch verborgen: Es iſt derſelbe
in ſeinen Kinder-Jahren mit Puppenwerck umgangen/ und hat mit Heyd-
niſchen Judenzenden Ceremonien/ Sitten und Kirchen-Gepraͤng/ wie-
wol damal auß guter Meynung als mit Docken geſpielt/ und allgemach von
der alten Jungfraͤulichen Einfalt der Apoſtoliſchen Kirchen abzuweichen
angefangen: iſt auch unter der Ruthen der Roͤm. Kayſer hart gehalten
worden/ daß er ſich (außgenommen etliche wenige actus, in welchen er
ſich gereget/ und zeitlich/ gleich einer Neſſel/ gebrennet/ damit anzeigend/
was auß dieſem Kraut ins kuͤnfftige werden wuͤrde/ ſonderlich in Pabſt
Victore) noch nicht oͤffentlich herfuͤr thun koͤnnen. Folgends hat er un-
ter den Chriſtlichen Kayſern ſich als ein Juͤngling in den Schrancken/
Zucht/ Demuth und Schamhafftigkeit gehalten/ da er noch gar zart und
unterthaͤnig mit groſſen Herren und Kayſern umgangen. Aber da Pho-
cas die Band auffgeloͤßt/ und ihn zu einem Oecumenico Papa, zu einem
Ober-Haupt uͤber alle andere Biſchoͤffe und Patriarchen erhoben/ da hat
er ſein maͤnnlich ἀϰμη [...] erreicht/ und iſt nach und nach je laͤnger je hoͤher ge-
ſtiegen/ biß er den Schluͤſſel zum Kloſter erlangt/ die hoͤchſte Haͤupter der
Chriſtenheit zum Schemel ſeiner Fuͤſſe gelegt/ Kronen und Koͤnigreich
außgetheilet und verſetzt/ durch den Bund-Schluͤſſel dieſelbe ihrer Ehren
und Wuͤrden beranbt/ und ſich alſo zum Koͤnig uͤber alle Koͤnige gemacht/
und alle characteres eines foͤrmlichen Tyrannen erfuͤllt. Da ſind etli-
chen groſſen Herren die Augen ein wenig auffgangen/ daß ſie geſehen/ was
ſie gethan/ und welch eine gifftige Schlange ſie biß dato im Buſen gewaͤr-
met. Nunmehr aber in dieſen letſten Zeiten iſt er veraltet und betaget/
und gehet faſt auff der Gruben/ inmaſſen dann auch nicht mehr (wie vor
Zeiten geſchehen) Juͤnglinge und junge Maͤnner/ ſondern alte Herren und
Luth. tom.
7. Witteb.
p. 570.Cardinaͤle auff den Paͤbſtiſchen Thron erhoben worden. Er iſt ja dem
Namen nach ein rechter Antichriſt/ das iſt Wider- und Fuͤr-Chriſt.
Ein Wider-Chriſt heimlich/ ein Fuͤr-Chriſt/ oder Chriſti angebohrner
Stadt-
[463]APPENDIX.
Stadthalter oͤffentlich. Er ſtreitet in der Warheit wider Chriſti Wort/
Geſetz und geiſtliche Gliedmaſſen/ und wil doch den Namen nicht haben/
auſſer daß er im Conſtantienſi Concilio ſich allzuhell verrathen/ mit ſei-
nem hoc non obſtante, daß er geſchloſſen/ daß ob ſchon Chriſtus das H.
Sacrament in zweyerley Geſtalt zu genieſſen geſtifftet/ deſſen ungeacht/
ſetzt und ordnet er daſſelb dem Laͤyen allein in einer Geſtalt zu gebrauchen.
Chriſti Stadthalter iſt ſein ordinari Titul/ gerad/ als waͤre Chriſtus ein
ſolcher ohnmaͤchtiger/ unwiſſender abweſender Koͤnig/ wie irgend ein welt-
licher Potentat/ der deßwegen eines Vice-Regis vonnoͤthen haͤtte. Er wil
gar Chriſti Corrival und Mit-Braͤutigam ſeyn/ inmaſſen dann allererſt
neulich (*) in Pabſts Innocentii Kroͤnung der Cardinal Medicæus ih-(*) apud
Laurent.
Bank. in
Rom. Tri-
umph.
me mit lauter Stimm in St. Peters Kirch zugeruffen: Innocentio X.
Univerſalis Matris Eccleſiæ ſponſo à Deo unicè electo feliciter! Zu
Teutſch: Gluͤck zuInnocentio X.dem von Gott einig erwaͤhlten
Braͤutigam der allgemeinen Mutter der Chriſtlichen Kir-
chen; dazu kompt die ἀνομία, daß er als Exlexkeinem Geſetz unter-
worffen/ von niemand ſich wil richten laſſen. Er iſt der verfuͤhri-
ſche Menſch der Suͤnden/ der (wie Jerobeam das Volck Jſrael) die
Chriſtenheit ſuͤndigen gemacht/ durch ſeinen letzen umgekehrten Decalo-
gum (der in hodomoriâ entdeckt worden) nicht allein fuͤr ſich ſelbſt mit
allerhand genial- und Stats-Suͤnden nothwendig behafft/ ſondern auch
wie Bellarminus contrà Barclajum ſich vernehmen laſſen/ auß Suͤn-
den Unſuͤnden/ und auß Unſuͤnden Suͤnden machen kan: Jch ſag genial-
und Stats-Suͤnden. Wir laſſen ſonſt wol gelten/ daß auch etliche Roͤ-
miſche Biſchoͤffe ihrer Perſonen halben/ feine Tugendliebende und Po-
litiſch fromme Leute geweſen/ wiewol dieſelbe wenige von andern Laſter-
hafften und aͤrgerlichen Paͤbſten in der Zahl weit uͤbertroffen werden:
Sonderlich im neunten ſeculo, da Baronius nicht Wort genug finden
kan/ der damaligen Unflaͤter und Stuhl-Erben Petri/ Boßheit/ Greuel
und Ergernuͤſſen außzuſprechen. Genebrardus nennet ſie apoſtaticos,
apotacticos, abtruͤnnige unordentliche Leut: unterdeſſen haͤnget dem Roͤ-
miſchen Pabſt ex ratione ſtatus, ſoll er anders feſt ſtehen bleiben/ ſolche
Boßheit an/ deren ſich kein vermeynter Stuhl-Erb Petri/ wie gern er
auch wolte/ entſchlagen kan/ nemlich die Paͤbſtiſche Tyranney/ Liſt und Ge-
walt/ ſeinen Geiſt und Stat zuerhalten. Wohin ſonderlich auch gehoͤret
die ὑϖερθεότης, die uͤber-Goͤttliche Hoheit/ indem er ſich uͤberhebt/ uͤber
alles was Gott und Gottesdienſt heiſt/ uͤber den Allerhoͤchſten Gott im
Himmel/ in deſſen Geſetz und Ordnungen/ in Eyden und verbottenen gra-
dibus
[464]APPENDIX.
D. Mülleri
Luth. De-
fenſ. c. 22.
p. 289. ſqq.
(*) in Ana-
tom. de-
monſtr. 5.
n. 131.dibus er unterſtehet zu diſpenſiren, uͤber die irꝛdiſche und von GOtt ſelbſt
genannte Goͤtter/ alle Koͤnige und hoͤchſte Welt-Potentaten/ ja uͤber den
σε [...]αϛὸν, uͤber den Auguſtum (Act. 25.) den Roͤmiſchen Kayſer ſelbſt/ als
der ſich durch den Jeſuiten (*) Tannerum das Haupt deß Roͤmiſchen
Reichs und Kayſer nennen laſſen. Dixi ergò \& adhuc dico, Ponti-
ficem eſſe CAPUT IPSIUS S. Rom. IMPERII, ac Chriſtianæ Ec-
cleſiæ Univerſæ: addo \& amplifico dictum, eſſe caput Romani
Imperatoris, omniumque \& ſingulorum Principum Imperii \&c.
Nach Anleitung deß Roͤmiſchen Ceremonien-Buchs ſoll der Kayſer ver-
bunden ſeyn ſich fuͤr dem Pabſt zu neigen/ ihme die Fuͤß zu kuͤſſen/ den
Stegreiff halten/ ſeine Schulter ſeinem Thron zu unterziehen/ an der Ta-
fel ihm die erſte Tracht auffzutragen. Wie jaͤmmerlich groſſe Herren
vor Zeiten tractirt/ mit Ruthen gezuͤchtiget/ gleichſam mit Fuͤſſen getretten
worden/ das iſt auß der Kirchen-Hiſtori gnugſam bekannt und klar zuer-
weiſen. Die Haͤndel dieſes Geiſts die er treibt/ ſind nach ſeiner Art Luͤ-
gen und Morden/ kraͤfftige (von Gott auß gerechtem Gericht ver-
hengte) Jrꝛthum/ Luͤgenhaffte Zeichen und Wunder/ Mor-
den und Lebensſtraff/ uͤber die/ ſo ſolche Luͤgen nicht glauben und Bey-
fall geben wollen. Er hat aber auch leyden muͤſſen vor Zeiten die Band
und Zwang der Roͤmiſchen/ Heydniſchen Kayſerlichen Majeſtaͤt/ durch
welche er in- und auffgehalten worden/ daß er nicht mit vollem Gewalt
außbrechen koͤnnen: Nachdem er aber loß worden/ und ab den Ketten
kommen/ hat doch die Goͤttliche Providentz ihn nicht in allem Muthwillen
graſſiren und wuͤten laſſen/ ſondern denſelben durch den Geiſt des Mun-
des Chriſti/ das iſt/ durch das kraͤfftige Wort Gottes/ vermittelſt Luthero
und ſeiner Paraſtaten offenbaren laſſen/ ſeinen letſten Reſt ſoll er aller-
erſt in der letſten/ Richterlichen und Majeſtaͤtiſchen Zukunfft JEſu Chri-
ſti bekommen/ und eine Endſchafft gewinnen/ weßwegen wir uns um ſo
viel deſto weniger verwundern/ oder auch verirren und aͤrgern koͤnnen/
daß das Roͤmiſche Pabſtum ſo lang beſtanden/ und noch ſtehet/ wann
wir bedencken/ daß Sanct Paulus von ſolchem Beſtand biß ans En-
de der Welt geweiſſaget/ und uns deß wegen nicht befrembden noch unge-
warneter Sach zur Erfahrung kommen. Solche vorermeldte Ent-
deckung und Offenbahrung iſt geſchehen/ nachdem ein groſſer
Abfall der Chriſtenheit vom uhralten Apoſtoliſchen Glauben vorgan-
gen/ nicht nur in Morgenlaͤndern/ durch den Mahometiſchen Alcoran/
ſondern auch gegen Abend durch allerhand Jrꝛthum/ Aberglauben/ Miß-
braͤuch und Greuel in der Lehr und Gottesdienſt/ welchs gruͤndlichſt/
Theils
[465]APPENDIX.
Theils auß dem Gegenhalt der alten Apoſtoliſchen/ und heutigen wider-
Apoſtoliſchen Kirchen/ theils auß der bewaͤhrten Kirchen-Hiſtori zuerwei-
ſen/ man an unſern Ort erbietig. Neben dieſem Abfall hat auch das (*)(*) vid.
Baron.
ann. 476.
n. 1.
ann. 475.
n. 2.
ann. 483.
n. 7.
ann. 567.
n. 15.
ann. 730.
4. 5.
Genebrard
l. 3. Chron.
p. 593. Sal-
meron. ad
2. Theſſ. 2.
diſp. 2.
(*) ſatis
diſt. 96.
Roͤmiſche Reich einen ſolchen Hertz-Stoß bekommen/ davon daſſelbe in
Orient gefallen/ in Occident zerſchellet/ und nunmehr nichts als Eiſen
mit Thon vermenget/ uͤbrig behalten/ daß daher der gekruͤmte Welt-Co-
loſſus auff ſchwachen Beinen ſtehet. Deß Pabſts Reſidentz iſt der
Tempel Gottes vor Zeiten geweſen/ nemlich die Hertzen der Glaubigen/ in
welchen er graſſirt/ und ſie nach ſeinem Willen abzurichten unterſtanden.
Er wills auch noch ſeyn/ angemaßtem Rechtswegen/ bey denen die auß
ſeinem Babylon außgangen/ und ob ſchon die heutige ſichtbare Roͤmiſche
Kirche nicht mehr Gottes Tempel iſt/ ſo iſt ſie es doch weiland geweſen/
und traͤgt den vorigen Nahmen/ wie Jeruſalem zun Zeiten Chriſti die H.
Stadt geheiſſen/ da ſie doch lange zuvor eine Ehebrecheriſche Art worden.
Hie ſitzt er/ hie herꝛſcht und regieret oder vielmehr wuͤtet er ohne maſſe.
Sein Goͤttlicher Habit/ Geberden und Geſtalt erzeigt ſich theils in dem
Nahmen/ den er (*) im geiſtlichen Recht fuͤhret. Papa à Conſtantino
Deus appellatus eſt, unde non poteſt judicari, weil der Kayſer Con-
ſtantinus den Pabſt mit dem Titul eines Gottes gewuͤrdiget/ kan er von
niemand zu Rede geſtellt oder verurtheilt werden. Confer Baron. ann.
800. n. 4. theils in dem/ denen hoͤchſten Potentaten auffgetrungenen und
angenommenen Fußkuͤſſen/ und Fußfall: ſonderlich in der ihme zugeleg-
ten Hyperduliâ und Uberdienſt/ durch welchen er uͤber alle himmliſche
Heiligen und Engel erhoben worden/ als welche ſich mit der bloſſen dulia
und Religions-Dienſt muͤſſen contentiren und begnuͤgen laſſen. Beſihe
Hodomoriam Papæam, Phantaſm. ſecund. da was hie Summariſch
zuſammen gezogen/ weitlaͤufftig außgefuͤhrt und erwieſen wird: Auch ſind
daſelbſt alle widrige Einwuͤrffe/ und ſonderlich die Schein-Argumenta
von einem andern abentheurlichen/ ad Calendas Græcas beſorglichen
Antichriſt/ auff den die Papiſten noch warten/ anders nicht als die Juden
auff ihren Meſſiam/ verlegt und abgelehnet ſind.
Was nun auß dieſer Rechnung fuͤr ein facit herauß komme/ wird
Chriſt-glaubigen Hertzen zum Nachſinnen geſtellt.
GEliebte in Chriſto. Was der Sathan an-
fangs geſucht eigenthumlich zu beſitzen/ zu beherꝛſchen/
und unter ſeine Gewalt zu bringen/ nemlich die gantze
Welt/ dero Reich und Herꝛligkeiten: das οἰϰητήριον,
das Fuͤrſtenthum/ oder der Fuͤrſtliche Ehrenſitz und
Lehen/ das ihm Gott der Herr eingeraumt/ gegoͤn-
net und beſchehret/ das war ihm zu enge und viel zu wenig; οἰϰ [...]μένη die
gantze Welt war ſein Zweck/ nach dero Beſitz er getrachtet: Maſſen dann
er auch ſich deſſelben angemaſſet/ und freventlich darauff getrotzt Luc. 4/5.
ſeq. Da er unſerm werthen Heyland alle Reiche der gantzen Welt gezeiget
und geſagt: Dieſe Macht wil ich dir alle geben/ und ihre Herꝛ-
ligkeit/ denn ſie iſt mir uͤbergeben/ und ich gebe ſie/ welchem
ich wil. Ja auch durch Goͤttliche Verhaͤngnuͤß (außgenommen der
kleinen Herde/ da Gott der Herr ſeine Kirche gepflantzt/ erhalten) al-
ſo ein Fuͤrſt und Gott dieſer Welt (de facto) ohne Recht und Fug wor-
den.
Was auß deſſen Trieb und Reitzung unſere erſte fuͤrwitzige/ Ehrgei-
tzige und hoffaͤrtige Mutter im Wunſch gehabt/ uͤber das herꝛliche Lehen
das ihr GOtt der HErꝛ eingegeben/ (laut Goͤttlichen Lehen-Brieffs/ der
alſo lautet: Erfuͤllet die Erden/ und machet ſie euch unterthan/
und herꝛſchet uͤber Fiſch im Meer/ uͤber Voͤgel unter dem
Himmel/ und uͤber alles Thier das auff Erden kreucht: Und
GOtt ſprach/ ſehet da/ ich habe euch gegeben allerley Kraut/
daß ſich beſaamet auff der gantzen Erden/ und allerley frucht-
bare Baͤume/ und Baͤume die ſich beſaamen zu euer Speiſe/
und aller Thier auff Erden/ und allen Voͤgeln unter dem
Himmel/ Gen. 1/28. ſeq.) nach hoͤherem Stande und Gut getrachtet/
GOtt dem HErꝛn ſelbſt wollen gleich ſeyn; Eine Garten-Baͤurin zu
ſeyn war ihr zu ſchlecht und geringe/ ſie wolte eine Goͤttin und gnaͤdige
Frau heiſſen uͤber alle Creaturen: Wornach dem ſtinckenden Geißbock
Alexandro
[467]Predigt.
Alexandro Magno, dem Griechiſchen Welt-Monarchen das Maul ge-
ſtuncken/ da Philippus der Macedoniſche Koͤnig/ ihm nicht mehr gut ge-
nug geweſen ſein Vater zu ſeyn und zu heiſſen/ ſondern er wolt ein irꝛdi-
ſcher Gott ſeyn/ und dafuͤr geehret und angeſehen werden/ unus pellæo
juveni non ſufficit otbis, eine einige Welt war in ſeinem Hertzen keine
Welt: Wann er gleich den gantzen Weltkreiß unter ſeine Bottmaͤßigkeit
gebracht und bezwungen/ haͤtte er ſich doch damit nicht begnuͤget/ tandem
ſarcophago contentus erat, endlichen hat er mit einem Fleiſchverzehren-
den Todten-Sarck ſich contentiren muͤſſen. Wornach der alſo genan-Hinc mo-
neta ap.
Luckium
p. 279. Hi-
ſpano non
ſufficit or-
bis. vid. ar-
cana Do-
min. Hi-
ſpan. p. 87.
te Rex Catholicus Koͤnig in Hiſpania/ gegraſet/ und ſeinem Titul ge-
maͤß eine allgemeine Welt-Monarchey auffzurichten in Sinn genom-
men. Ja wornach der Roͤmiſche Pabſt (nemlich die jenige Reiche der
Welt und dero Herꝛligkeit/ welche Chriſtus der Herr von dem Sa-
than zu Lehen zu bitten und zu empfangen/ recuſirt und abgeſchlagen) mit
beyden Haͤnden ergriffen/ und ſich der Welt Reich/ als gebuͤhrten ſie ihm
von rechtswegen freventlich angemaſſet/ und von ſeinen Fuchsſchwaͤn-
tzern ihm anmeſſen laſſen/ auch ſolche vermeynte Rechtſame mit ſeiner
dreyfachen Crone bezeuget/ und daher vorgeben/ als haͤtte er mehr Koͤnig-
reiche zu verſchencken/ wem er wolle/ und auß ſolcher Macht das Griechi-
ſche und Roͤmiſche Kayſerthum den Teutſchen um eines Fußkuſſes willen
entwendet; Nichts mehr wuͤnſchend/ als daß er auch in facto und Wercke(*) Conf.
Corn. Lap.
ad Zach.
p. 697. \& in
præf. ad
Prop. min.
vid. Luth.
Tom. 7.
Witt. p.
611. ſeqq.
Pſ. 2, 8.
ſelber ſolcher Herꝛligkeit/ wann ſchon (*) durch den Tuͤrcken-Krieg es ge-
ſchehen ſolte/ moͤchte habhafft werden/ und wuͤrcklich beſitzen.
Das alles hat Chriſtus der allerdemuͤtigſte Herr/ nachdem Er ſei-
nem Himmliſchen Vater gehorſam geweſen biß zum Tode deß Creutzes/
laut der Verheiſſung im andern Pſalm geſchehen/ da ſein Vater zu Jhm
geſagt: Jch wil dir die Heyden zum Erbe geben/ und der Welt
Ende zum Eigenthum/ hierauff in den Tagen ſeines Fleiſches/ kurtz
von ſeiner Marter und Tod muͤndlich gebeten Johan. 17/ 5. Ver-
klaͤre mich Vater bey dir ſelbſt/ mit der Klarheit die ich bey
dir hatte/ ehe die Welt war/ auch wuͤrcklich erlangt in ſeiner Erhoͤ-
hung/ da ihm auß Gnaden ein Nahmen/ Vollmacht/ Majeſtaͤt und eigen-
thuͤmlicher Beſitz gegeben worden/ daß in ſeinem Nahmen (JEſu)
ſich beugen ſollen alle die Knie/ die im Himmel und auff Er-
den/ und unter der Erden ſind/ und alle Zungen bekennen
ſollen/ daß JEſus Chriſtus der HErꝛ ſey/ zur Ehre Gottes
deß Vaters/ Philipp. 2/10. ſeq. Gleichwie aber GOtt der HErꝛ den
erſten Menſchen Adam nicht allein den Paradieß-Garten zu pflantzen/
N n n 2und
[468]Die zwoͤlffte
und zu bauen uͤbergeben/ nicht zum eigenthumlichen Beſitz/ ſondern zum
Genieß/ und dabey gewolt/ daß nach dieſem Exemplar und Muſter/ nach
und nach von ihm und ſeinen Kindern/ die er uͤber den gantzen Erdboden
außbreiten werde/ denſelben zwar theils eigenthumlich (in oppoſitione
aliarum creaturarum, non ipſius Creatoris) theils zum Genieß/ alles
Confer
Exod. 6, 8.
cum Levit.
25, 23.Gaſtweiſe/ auch der gantze Erdboden excolirt, geziert und auffgeraͤumet
werde: Alſo hat auch Chriſtus der Herr/ der ander Himmliſche Adam/
nachdem Er im werthen Juͤdiſchen Lande einen ſchoͤnen Kirchen-Garten
gepflantzt und auffgerichtet/ alſo daß durch die erſte Pfingſt-Predigt 3000.
Seelen gewonnen/ und zum Himmelreich erbauet worden/ ſeinen Juͤn-
gern den gantzen Erdboden/ die gantze Welt eingethan/ unter ſie außge-
theilt und befohlen/ ſie ſollen außgehen in alle Welt/ und predigen das Ev-
angelium; gar nicht zu dem Ende/ daß ſie auff weltliche irꝛdiſche Weiſe
allenthalben herꝛſchen/ oder einen unter ihnen hinterlaſſen ſolten/ der ein
œcumenicum \& Catholicum Papatum, ein allgemeines in ordentlicher
Succeſſion und Nachfolg immerwaͤhrendes Regiment anrichten/ daſſel-
be fuͤhren uͤber die gantze Welt/ und dieſelbe ihme impatroniren; Son-
dern nach dem Exemplar deß ſchoͤnen Paradieß-Gartens/ ſo im werthen
Lande ſich erhoben/ die Colonien in die gantze Welt außfuͤhren/ die Aegert
und Wildnuͤſſen außrotten/ und einen geiſtlichen Luſt-Garten nach dem
andern pflantzen/ die Chriſtliche Kirche uͤber den gantzen Erdboden auß-
breiten/ und alſo den Erdboden fuͤllen mit lauter Chriſt-Kindern/ und auß-
erwehlten Himmels-Buͤrgern.
Welches dann auch gegenwaͤrtiges Thema iſt/ nemlich das Apoſto-
liſche Kirchſpiel der heiligen zwoͤlff Botten/ der jenige Ort/ wohin ſie
haben ſollen reiſen und ziehen/ ihre Cantzeln auffſchlagen/ und ein allge-
meinen Luſt-Garten bauen/ dem Allerhoͤchſten zu Ehre/ und nach Goͤttli-
cher Intention zu aller ſterblichen Menſchen unſterblicher Seligkeit.
Daß dann wir nun hievon nuͤtzlich lehren und hoͤren/ heilſamlich bauen
und erbauen/ wolle Gott der Himmliſche Vater ſeines Heiligen Geiſtes
Segen und Gedeyen mildiglich verleihen/ Amen.
SO iſt nun das Apoſtoliſche Kirchſpiel oder Cantzel/
da ſie ihre Goͤttliche Bottſchafften abzulegen gehabt/ die Welt/
gehet hin in alle Welt/ ſagt der HErꝛ/ freylich nicht nur
Conf. ad S.
Pſal. Luth.
Tom. 3.
Witt. p. 12.
f. 2.abſtractivè in eine leere bloſe unbewohnte Welt/ beſtehend auß Erd und
Waſſern/ Bergen und Thaͤlern/ Aeckern und Wieſen/ Waldungen und
Wuͤſteneyen in die Araboth/ Pſal. 68. das iſt/ in viel Wuͤſtnuͤß/ in unge-
bahnten Wilden/ wuͤſten Wegen: Nicht nur/ ſage ich/ aber auch nicht
auß-
[469]Predigt.
außgeſchloſſen alle Welt ſo weit und breit der Himmel gehet: So weit der
breite GOttes Grund und Boden ſich erſtreckt/ darin begriffen lauter
edle Creaturen GOttes/ welche aber weil ſie der ſuͤndlichen Eitelkeit/ und
allem ſchaͤndlichen Mißbrauch der gantzen Welt unterworffen/ deß Fron-
dienſts gern quitt und loß waͤren/ ſich aͤngſtigen und ſehnen nach der Frey-
heit der Kinder GOttes; Unterdeß aber ſicut ſaltus per latrocinia in-
famatur, wie ein Moͤrder-Wald oder Forſt/ da viel Leute ermordet und
ums Leben kommen/ deßwegen einen uͤbelen Nahmen bekom̃t: So gehet
es auch der Welt-Creatur/ weil darin alle Laſter graſſiren und im Schwan-
ge gehen/ ſo redet man auch uͤbel von ihr/ und ſagt/ die Welt ſey grund-
boͤſe/ und liege im Argen/ als in einem Moraſt und garſtigen Sumpff
mitten drinnen. Sondern auch concretivè, das Menſchliche Geſchlecht
ſo in der Welt wohnet/ die jenige Welt/ welche GOtt der HErꝛ al-
ſo geliebet/ daß Er ihr ſeinen Sohn gegeben/ die Welt/ die im
Argen ligt/ deren Freundſchafft Gottes Feindſchafft iſt/ die ihr
ſelbſt gelaſſen/ ohne Goͤttliches Liecht und Gnade den H. Geiſt nicht kan
empfangen/ der Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt und hoffaͤrtigem Leben gaͤntz-
lich ergeben und darin erſoffen.
(Luth. in cap. 14. Joh. Tom. 7. Jen. p. 115. f. 2. mundi ideam proponit: Hie/
inquit, haſtu die Welt kurtz abgemahlet und beſchrieben/ was ihre Art iſt/ und
was von ihr zu halten iſt/ nemlich daß ſie Chriſtum nicht kan noch wil haben/
noch ſeine Wort halten/ das macht/ ſie hat ihre Liebe und Luſt anderswo/ wie
St. Johannes 1. Joh. 2. ſagt: Was in der Welt iſt/ das iſt Luſt des Fleiſches/
Luſt der Augen/ und hoffaͤrtig Leben. Das ſind die drey Stuͤcke/ ſo die Welt
regieren/ und gar zn eigen haben. Luſt deß Fleiſches heißt/ daß ſie allein ſuchet
und trachtet/ was dem Fleiſche wol und ſauffte thut/ wil keine Muͤhe/ Vnluſt
und Vngemach leiden/ wie doch dem Menſchen auffgelegt iſt/ daß er im Schweiß
ſeines Augeſichts ſich nehre/ das wil jederman uͤberhoben ſeyn/ ſuchet und trach-
tet wie er ſein loß werde/ und nach aller Luſt ſanfft lebe/ frey und ungezwungen
ſey. Et pag. ſeq. 116. Zum andern/ iſt auch die Luſt der Augen/ das iſt nichts an-
ders/ denn der Geitz/ welches Laſter jetzt iſt ſo gar weit eingeriſſen/ daß ſchier
vergeblich iſt/ dawider zu predigen. Jſt doch faſt niemand in keinem Stande
und Ampt/ er iſt ein Schinder/ ja ein offentlicher Stuhl-Raͤuber worden/ was
ſolten ſolche um Chriſtus willen thun? ſo nicht ihrem Nachbar einen Heller
umſonſt/ oder ungeſchunden geben und nachlieſſen. Das dritte iſt Hoffart deß
Lebens/ daß jederman dencket/ wie er hoch empor komme/ und uͤber die andern
herfahre. Jſt er ein Buͤrger/ ſo wil er Rittermaͤſſig ſeyn? Jſt er Edel/ ſo wil
er Fuͤrſten gleich fahren: Jſt er Fuͤrſt/ ſo wolt er gern Kayſer ſeyn/ und wenn
er das auch waͤre/ ſo lieſſe er ihm doch nicht genuͤgen.)
Deß Sathans Herberge/ da er den Meiſter ſpielet und Wirth iſt/
ſein Labyrinth/ Jrꝛgarten oder Jrꝛſaal/ und ſtinckender Bockſtall; Sein
Wuͤſteney und Wildnuͤß/ darinnen die Ohim und Zihim wohnen/ und
N n n 3die
[470]Die zwoͤlffte
die Feldgeiſter huͤpffen; Sein Pallaſt/ den er als ein ſtarcker gewaffneter
und geharniſchter Rieſe wol verwahrt/ mit Veſtungen und Hoͤhen/ mit
Riegeln und Bollwercken dermaſſen verſehen/ daß wo nicht ein ſtaͤrckerer
uͤber ihn kompt/ ihn uͤberwindet/ den Harniſch nim̃t/ und ſeinen Pallaſt
verſtoͤret/ ſo bleibt das ſeine mit Frieden: Wann St. Paulus Rom. 11/13.
ſchreibt: Es habe GOtt der HErꝛ alles beſchloſſen unter den
Unglauben/ oder unter die Suͤnde/ auff daß er ſich aller er-
barme/ ſo legt er das gantze Menſchliche Geſchlecht dar fuͤr Augen als
arme Gefangene/ die heulen und klagen/ dem Teuffel ich gefangen lag ꝛc.
da entlehnet der Apoſtel ein Gleichnuͤß von einem Fluß oder Meer/ darin
eine groſſe Menge Fiſche lebet und ſchwebet/ die ſind darin gleichſam be-
ſchloſſen/ daß ſie nit von ſich ſelbſt herauß koͤnnen/ biß ſie von den Fiſchern
ins Netz/ in Fiſchweiher/ ins Vivarium oder Behaltniß gezogen werden:
Von einem wilden ungeheuren Wald/ voll wilder grimmiger und ſchaͤd-
licher Thiere/ ſo auß ihren Neſtern zuſammen getrieben/ mit Jagt-Garn
allenthalben umgeben/ von den Jaͤgern gehetzt/ und in eines groſſen Herꝛn
Thier-Garten gebracht werden: Sonderlich aber von einem groſſen Ker-
cker/ Hafft oder Thurn/ darin viel Million tauſend boͤſer Buben/ (ſo zum
Strange/ Rad/ Schwerd/ Feuer-Tod allbereit verurtheilt und verdam̃t/
und ſtuͤndlich der Execution deß Urtheils gewaͤrtig ſeyn muͤſſen/) unter
den Reat und Pflicht deß ewigen Todes zwar eingeſchloſſ nan Feſſeln und
Ketten da liegen und auffgehalten werden/ gar nicht zu dem Ende/ daß die
ſtrenge Juſtitia an ihnen ſolte exequirt und vollzogen werden/ wie jener
Koͤnig in Dennemarck ſoll gethan haben/ da er viel Moͤrder und Straſſen-
raͤuber in ſeiner Bottmaͤſſigkeit geſpuͤrt/ und aber nicht erhaſchen und ins
Garn bringen koͤnnen/ hat er ſie durch folgende Liſt zur Stelle gebracht/ in
dem er ſich nemlich geſtellet/ als wolte er einen Krieg anfahen/ und deßwe-
gen allen boͤſen Buben wegen ihrer boͤſen Thaten Perdon geben/ ſo fern
ſie ſich nur willig zu ſeinen Dienſten einſtelleten: Worauff ſie dann herbey
kommen/ aber vom Koͤnige in Hafft genommen/ und zur gebuͤrenden
Straffe gezogen worden. Oder wie der hoͤchſte Koͤnig ſelbſt/ ſein abtruͤn-
niges/ verzweiffelt-boͤſes Juͤdiſches Volck/ auß allen Orten/ Ecken und En-
den der Welt auff das letſte Juͤdiſche Oſter-Feſt zuſam̃en nacher Jeruſa-
lem getrieben/ eingepackt und beſchloſſen gehalten/ daß es ſeine ſo vielfaͤltige
vorhergehende Draͤuworte erweckt/ dem Roͤmiſchen Hencker uͤbergeben/
und bey viel tauſenden wuͤrgen/ und in die Hoͤlle hinunter lieffern laſſen:
Nicht alſo! Sondern daß Er ſich aller/ niemand außgenommen/ erbarme/
und den Reichthum ſeiner Guͤte und Barmhertzigkeit uͤberfluͤſſig uͤber ſie
auß-
[471]Predigt.
außgieſſe/ ſonderlich iſt das Land Egypten/ wie daſſelbe zur Zeit Moſis und
und Pharaonis deß Tyrannen und Wuͤterichs geſtanden/ ein kleines
Bildlein und Kupfferſtuͤcklein geweſt/ in welchem der Macrocoſmus,
die gantze groſſe Welt/ und dero Stand figurirt und gebildet worden.
Egyptenland wurde einsmals ſo dick finſter/ daß mans faſt greiffen kun-
te/ ſie wurden als die Ungerechte/ der Finſternůß gebundene/ und
der langen Nacht Gefangene/ und als die Fluͤchtigen lagen
ſie unter den Daͤchern verſchloſſen/ fuͤr der ewigen Weißheit/
und da ſie meyneten/ ihre Suͤnden ſolten verborgen/ und un-
ter einem blinden Deckel vergeſſen ſeyn/ wurden ſie grau-
ſamlich zerſtreuet/ und durch Geſpenſte erſchroͤckt: Dann
auch der Winckel/ darin ſie waren/ kunte ſie nicht ohne Furcht
bewahren/ da war Gethoͤne um ſie her/ daß ſie erſchroͤcket und
ſcheußliche Larven erſchienen/ davon ſie ſich entſatzten: Das
Feuer vermochte mit keiner Macht ihnen zu leuchten/ noch
die hellen Flammen der Sternen kunten die elende Nacht
liecht machen: Es erſchien ihnen aber wol ein ſelbbrennend
Feuer/ voller Erſchroͤcknůß: Da erſchracken ſie fuͤr ſolchem
Geſpenſte/ das noch nichts war/ und dachten es waͤre noch
ein aͤrgers dahinden/ denn das ſie ſahen/ wie der weiſe Mann
der Laͤnge nach dieſen elenden Zuſtand beſchreibet/ Sap. 17/2. ſeqq. Wasvide Chri-
ſteid. Act.
1. Phœn. 1.
pag. 11. \&
ſeqq.
war nun in gleichem Stand die Welt zur Zeit der Apoſtel/ als ein lauter
leichtloſer Jrꝛſaal/ voller Jrꝛgeiſter und Geſpenſte? Das Liecht der Na-
tur war viel zu ſchwach ſie zuerleuchten/ da war nichts als lauter Confu-
ſion, Blindheit und Unwiſſenheit in Goͤttlichen Sachen/ verwahrt mit
dem Riegel eines ſtarcken feſten Unglaubens. Egypten war ein rechtes
groſſes Goͤtzen-Hauß ſo verblendet und geſchaͤndet/ daß ſie auch die unver-
nuͤnfftige Thiere/ die Katzen ꝛc. die lebloſe Creaturen/ Zwieblen und Knob-
lauch fuͤr Goͤtter verehret/ ihre Numina wuchſen ihnen in den Gaͤrten.
Wer wil beſchreiben und außſprechen das Heydniſche Goͤtzen-Werck Goͤ-
tzen-Tempel Hayn und Oracula, welche der Teuffel ihme ſelbſt zu Ehren/
dem Allerhoͤchſten Schoͤpffer zu trotz in der gantzen Welt geſtifftet/ und faſt
alle Creaturen/ bald hie bald dort vergoͤttert/ und wie St. Paulus Rom. 1/
23. ſeqq. redet: Sie haben verwandelt die Herꝛligkeit des un-
vergaͤnglichen Gottes in ein Bilde/ gleich dem vergaͤngli-
chen Menſchen/ und der Voͤgel/ und der vierfůſſigen und
kriechenden Thiere; So gar auch und ſo abſurd, daß man auch
die blinde Leute die Crepitus oder Winde deß untern Leibes/ die Blaͤſt/
ſo
[472]Die zwoͤlffte
ſo von deß Menſchen hindern Leib außgehen/ zu fuͤrchten/ beredet.
Ægyptii (ait Minutius Felix in Octavio) plerique vobiſcum non magis
Iſidem, quam Ceparum acrimonias, metuunt; nec Serapidem magis, quàm ſtre-
pitus per pudenda corporis expreſſos, extremiſcunt.
Egypten war eine Grundſuppe aller Laſter/ ſo auß Finſternuͤß fol-
gen/ die Abgoͤtterey begieiten/ und dem Haß der Warheit auff dem Fuß
nachfolgen. Wie man in der Welt/ ſonderlich zu Rom der kleinen Welt/
der geiſtlichen Egypten haußgehalten/ das hat St. Paulus der Laͤnge nach
erzehlet/ und ohne Scheu den Roͤmern fuͤrgeworffen Rom. 1/26. ſeq.Jh-
re Weiber/ ſagt er/ haben verwandelt den natuͤrlichen Brauch
in den unnatůrlichen/ deſſelbigen gleichen auch die Maͤnner
haben verlaſſen den natuͤrlichen Brauch des Weibes/ und
ſind aneinander entbrant in ihren Luͤſten/ und haben Mann
mit Mann Schande getrieben/ und den Lohn ihres Jrꝛ-
thums (wie es denn ſein ſolte) an ihnen ſelbſt empfangen: und
gleich wie ſie nicht geacht haben/ daß ſie GOtt erkenneten/
hat ſie GOtt auch dahin gegeben in verkehrten Sinn/ zu
thun eitel Laſter/ voll alles Unrechten/ Hurerey/ Schalck-
heit/ Geitzes/ Boßheit/ voll Haſſes/ Mordes/ Haders/ Liſts/
gifftig/ Ohrenblaͤſer/ Verleumder/ GOttes Veraͤchter/
Freveler/ Hoffaͤrtige/ Ruhmraͤtige/ Erfinder boͤſer Tuͤcke/
Schaͤdliche/ den Eltern ungehorſam/ Vnvernuͤnfftige/
Treuloſe/ Stoͤrrige/ Unverſuͤhnliche/ Unbarmhertzige/
die Gottes Recht wiſſen (daß die ſolches thun deß Todes wuͤr-
dig ſind) thun ſie es nicht allein/ ſondern haben auch Gefal-
len an denen/ die es thun. Ja es iſt ſo weit kommen/ daß man auch
vermeynet mit Laſtern/ dem Saturnaliſchen Menſchen-Mord/ Veneri-
ſchen Hurenſpiel die Goͤtter zu verſoͤhnen; Daß GOtt ein gerechter
vid. I. Lipſ.
L. 1. Satur.
c. 5. Chri-
ſtei. Act. 1.
phæn. 1. p.
15. \& pag.
49.GOtt/ und den Suͤndern feind ſey/ dieſelbe nicht ungeſtrafft laſſe/ das
haben ſie auß dem Liecht der Natur und Experientz erholet/ und deßwe-
gen allerhand placamina und Ver oͤhn-Opffer auß ihres eignen Hertzens-
Sinn geſponnen/ und gar ihrer eignen Kinder nicht geſchonet/ dieſelben
ihrem Abgott/ dem Syriſchen Moloch/ oder Roͤmiſchen Saturno, zu
ſchlachten/ und auffzuopffern ſich nicht entbloͤdet. Sonderlich iſt die lie-
be Warheit ſo verlaſſen/ oder vielmehr veracht und verlacht geweſen/ da-
rum Pilatus Chriſtum Spottsweiſe gefragt/ was iſt Warheit? Als
wolt er ſagen: O wiltu mit Warheit umgehen/ ſo biſtu verlohren/ Wil-
farth macht Freunde/ Warheit macht Feinde; Biſtu der Mann/ ſo mit
Warheit umgehet/ ſo iſts kein Wunder/ daß du gefangen und gebun-
den
[473]Predigt.
den hieher gefuͤhret biſt: Wiltu auff Erden leben/ ſo muſtu dich der War-
helt aͤuſſern. Alſo verſtehe ichs/ daß es ein Heydniſcher Poſſe ſey/ gere-
det auß einem frechen Gewiſſen. (*)(*) Sind
Wort Lu-
theri Tom.
1. Isleb. p.
451. f. 2.
Der Evangeliſt (ita Luth. ibid.) zeiget an/ daß die Welt ſo verboͤſet und
vergifftet ſey/ daß ehe ſie die Warheit unverdammet lieſſe/ ehe nehme ſie den Bar-
rabam und alle Vntugend und Laſter an/ ſo auff Erden moͤgen genennet werden.
Darum ſollen wir auß der Hiſtori deß Leidens Chriſti lernen/ was die Welt iſt/
daß wir uns nicht verwundern/ warum die Welt ſo arg und boßhafftig iſt.
Wunder iſts nicht/ daß Ehebruch/ Hurerey/ Diebſtal/ Mord und Todſchlag/ und
andere Laſter in der Welt ſeyn. Was iſt das Wunder? Weil die Welt alſo ver-
gifftet und verteuffelt iſt/ daß ſie die Warheit verdammen darff/ und ehe ſie die
Warheit zulieſſe/ eher lieſſe ſie alle Vntugend und Laſter zu. Das iſt ſo groſſe
und uͤbermachte Boßheit/ daß einen nicht ſoll Wunder haben/ daß Ehebruch und
Todſchlaͤge geſchehen/ auch ſich nicht verwundern/ daß GOtt Peſtilentz/ Krieg/
und andere greuliche Straffen uͤber die Welt ſendet. Die Warheit wollen ſie
nit allein nit zulaſſen/ ſondern verdam̃en ſie auch/ und ehe ſie ſich von ſolchem Fuͤr-
nehmen abkehren und abwenden/ ehe nehmen ſie den Teuffel ſelbſt an. Bißh. Luth.
Was unſere alte Teutſchen fuͤr Leute geweſen/ welche Blindlinge/
welche Suͤnden-Knechte/ welche wilde Unmenſchen/ davon hat man etli-
cher maſſen Nachricht beym Tacito von der Teutſchen Sitten/ und an-
dern Hiſtorien erlangt/ daß ſie wie noch/ tolle und wuͤtende Saͤuffer/ ver-
pichte Spieler und Raßler/ allerhand Aberglauben ergeben; die Norici
haben dem Tibellino, das iſt/ dem Tuͤfelin/ die Sachſen dem Jrꝛminſeul
(oder jedermans Seul/) die Tribocer und Elſaſſer dem Krutzmann ge-
dienet und Gottesdienſt erwieſen.
Nicht allein aber braucht der Herr das bloſſe Wort/ die Welt/
gehet hin in die Welt/ ſondern er ſetzt darzu/ ἅϖας, alle Welt/ gehet
hin in ALLE Welt/ an alle Ort und Ende der Welt/ alle ungeheure
Oerter/ die nicht gangheilig und ſicher ſind: Welches Wort als vox be-
nefica, als ein guͤtiges Wort Gottes/ freylich in keine Enge zu ſpannen/
ſondern weit weit hinauß zu thaͤnen iſt: und begreifft in ſich τὸ ϰαθολιϰὸν
loci, temporis \& ſubjectorum, alle Welt/ alle Welt-Alter/ alle Welt-Gaͤſte
und Einwohner. Zuvor war Gottes Kirche enge zuſammen gezogen in
dem Juͤdiſchen Lande/ da Gott der Herr gleichſam Feuer und Rauch
gehalten/ da man an ein gewiſſen Ort/ Zeit/ Perſon gebunden geweſen:
Jch bin/ ſagt der Herr ſelbſt/ nicht geſand/ denn nur zu den ver-
lohrnen Schaafen von dem Hauſe Jſrael/ Matth. 24. Nun-
mehr ſolte der Paß offen ſeyn zum Himmelreich/ der Fuͤrhang fuͤr dem Al-
lerheiligſten muſte zerriſſen/ die Riegel-Wand zwiſchen Juden und Heyden
auffgehoben werden/ und ſolte nun/ gleichwie in Adam dem erſten
Menſchen und Welt-Vater/ alle und jede Menſchenvirtua-
Achter Theil. O o oliter
[474]Die zwoͤlffte
liter, und hernach in Noah dem andern allgemeinen Welt-Vater/ zum
Reich Gottes beruffen geweßt/ anjetzo das Wort actualiter, formaliter,
ſolenniter, gantz feyerlich/ foͤrmlich und wuͤrcklich/ in aller Welt Winckel/
Wildnuͤſſen und Wuͤſteneyen erſchallen und außbrechen/ alle und jede
Adams-Kinder/ die ſich uͤber den gantzen Erdboden ergoſſen/ eingeladen
werden/ niemand außgeſchloſſen/ als wer ſich ſelbſt muthwilliger Weiſe
außſchlieſſet Pſal. 50/1. GOtt ruffet der Welt vom Auffgang
der Sonnen biß zum Nidergang. Und weil die Welt in vier groſſe
Haupt-Theil/ in Aſiam/ Africam/ Europam und Americam abgetheilt/ ſo
gehoͤren dieſelbe alleſampt hieher/ und iſt alſo das Wort ἅϖας, ALLE/ diſ-
tributivè anzunehmen und zu verſtehen. Ob gleich Ameriba vor Zeiten
unſern Europaͤiſchen Voͤlckern mag unbekant geweſen ſeyn/ und allererſt
durch Chriſtoph. Columbum/ Veſpucium/ und andere entdeckt und er-
funden worden; So iſt doch dieſelbe in andern Landen vor Zeiten/ nemlich
den Zeiten der Apoſtel/ genugſam bekant geweſt/ und haͤtte es gleichwol da-
zumal an Spur und Nachricht gemangelt/ ſo wuͤrde doch der Herr/ der ſie
geſand/ ſeinen reiſigen Botten wol Weg und Steg geoffenbahret/ und den
Paß eroͤffnet haben/ oder einen von den Apoſteln oder Apoſtoliſchen Maͤn-
nern/ ſo Gottes Beruff ohne Zweiffel nicht ungehorſam geweſen/ auff die
Weiſe/ wie er Philippum vom Wagen deß getaufften Mohren-Kaͤmmer-
lings hinweg gezuckt und nieder gelaſſen/ auch ſolcher maſſen jenen in ſol-
che wilde Ort gebracht und befoͤrdert haben/ wiewol es an veſtigien nicht
gemangelt.
vide Ho-
domor.
ſpir. Calv.
Phant. 9.
1856.Uber das gehet dieſes ALLE auch auff alle Alter und Geſchlecht der
Welt. Alle hundert Jahr/ ſagt man/ kom̃t eine neue Welt: Ein Ge-
ſchlecht vergehet/ das andere kom̃t/ ſagt Salomo Eccl. 1, 4. Alle
dieſe/ nicht nur damal ſchwebende/ ſondern auch noch folgende/ conſe-
quenter auch unſere gegenwaͤrtige Welt/ darinnen wir letſten
Spaͤthlinge begriffen/ ſind allhie gemeynet/ auff welche wo nicht ἀϖοϛολὴ,
doch ἐπιϛολὴ, wo nicht der Apoſtoliſche Fuß/ doch Brieff/ Stimme und
Wort/ penetriren und durchdringen ſolten. Uber das/ damit niemand
gedencken koͤnne/ als waͤre es allein von der Juͤdiſchen Welt und Bezirck/
oder allein de οἰϰουμένῃ, von der bewohnten Welt/ darin die zahme und
zierliche Voͤlcker begriffen/ gemeynt: So ſetzt er hinzu/ πάντα τὰ ἔθνη, alle
Voͤlcker/ die weiland auſſer der Buͤrgerſchafft Jſraelis/ frembde von
den Teſtamenten der Verheiſſung/ ohne Gott in der Welt geweſen.
Maſſen in ſolchem Verſtand die ἔθνη dem λαῷ, die blinde unbeſchnittene
Heydniſche/ dem Volck Gottes entgegen geſetzt werden/ Act. 26, 17. c. 15, 14.
alle Geſchlecht der Erden unter dem Himmel/ wilde und zahme/ Barbari-
ſche und Politiſche/ keine außgeſchloſſen/ nicht nur die Japhiten/ ſondern
auch die Chamiten/ ja auch dieſe letſte Welt-Nationen. Wovon die lie-
ben Propheten lange zuvor ſchoͤne Lieder geſungen/ Gen. 22/18. Durch
deinen Saamen ſollen alle Voͤlcker auff Erden geſegnet wer-
den/ Pſ. 19/4. ſeqq.Es iſt keine Sprache noch Rede/ da man
nicht ihre Stimme hoͤret/ ihre Schnur gehet auß in alle Lan-
de/ und ihre Rede an der Welt Ende ꝛc. Pſal. 72/8. Er wird
herꝛſchen von einem Meer biß ans andere/ und von dem Waſ-
ſer an/ biß zur Welt Ende. (ib. ꝟ. 17.) Sein Nahme wird
ewiglich bleiben/ ſo lange die Sonne waͤhret/ wird ſein Nah-
me auff die Nachkommen reichen/ und werden durch denſel-
ben geſegnet ſeyn/ alle Heyden werden ihn preiſen. Pſal. 87/4.
ſeqq.Jch wil predigen laſſen Rahab und Babel/ daß ſie mich
kennen ſollen/ ſihe die Philiſter und Tyrer ſampt den Mohren
werden daſelbſt gebohren: Man wird zu Sion ſagen/ daß al-
lerley Leute darin gebohren werden/ und daß Er der Hoͤheſte
ſie baue: Der HErꝛ wird predigen laſſen in allerley Spra-
chen/ daß der etliche auch daſelbſt gebohren werden. Eſat. 19/23.
Zu der Zeit wird eine Bahne ſeyn von Egypten in Aſſyrien/
daß die Aſſyrer in Egypten/ und die Egypter in Aſſyrien kom-
men/ und die Egypter ſampt den Aſſyrern GOtt dienen/ ꝛc.
Eſ. 49/12. Jch wil alle meine Berge zum Wege machen/ und
meine Pfad ſollen gebahnet ſeyn: Sihe dieſe werden von fer-
ne kommen/ und ſihe jene von Mitternacht/ und dieſe vom
Meer/ und jene vom Lande Sinim. Eſ. 55/ 5. Sihe du wirſt
Heyden ruffen/ die du nicht kenneſt und Heyden die dich nicht
kennen/ werden zu dir lauffen/ um des HErꝛn willen deines
GOttes/ und deß Heiligen in Jſrael/ der dich preiſe.Cap. 66,
18. ſeqq.Jch wil kommen/ und ſamlen ihre Wercke und Ge-
dancken/ ſampt allen Heyden und Zungen/ daß ſie kommen
und ſehen meine Herꝛligkeit: Und ich wil ein Zeichen unter
ſie geben/ und ihr etliche/ die errettet ſind/ ſenden zu den Hey-
den/ am Meer/ gen Jchul und Lud/ zu den Bogen-Schuͤtzen
gen Thubal und Javan/ und in die Ferne zun Jnſulen/ da
O o o 2man
[476]Die zwoͤlffte
man nichts von mir gehoͤret hat/ und ſollen meine Herꝛlig-
keit unter den Heyden verkuͤndigen. Jtem Zach. 8/22. ſeqq.Es
werden viel Voͤlcker/ und die Heyden mit Hauffen kommen/
zu ſuchen den HErꝛn Zebaoth zu Jeruſalem/ zu bitten fuͤr
dem HErꝛn: So ſpricht der HErꝛ Zebaoth/ zu der Zeit wer-
den zehen Maͤnner auß allerley Sprachen der Heyden/ einen
Juͤdiſchen Mann bey dem Zipffel ergreiffen/ und ſagen/ wir
wollen mit euch gehen/ denn wir hoͤren/ daß GOtt mit euch
iſt. Malach. 1/11. Vom Auffgang der Sonnen biß zum Nider-
gang ſoll mein Nahme herꝛlich werden unter den Heyden/
und an allen Orten ſoll meinem Nahmen geraͤuchert/ und
ein rein Speiß-Opffer geopffert werden; Dann mein Nah-
me ſoll herꝛlich werden unter den Heyden/ ſpricht der HErꝛ
Zebaoth.
Und damit nicht jemand einiger Zweiffel zu Gemuͤth fallen moͤchte/
ob auch ſinguli generum, nicht nur allerley/ ſondern alle und jede
Menſchen hie verſtanden werden/ ſo hat der Herr ſolchen Verſtand
nicht nur in dem Wort Welt und Voͤlckern eingeflochten; Sintemal
wann ein Koͤnig ſeinen Aertzten befehlen wolte/ ſie ſolten hinauß gehen in
ein gantzes Koͤnigreich/ Volck oder Land/ ſo mit der Peſt inficirt und an-
geſtecket waͤre/ ſo wirds niemand in unverkuͤnſteltem natuͤrlichen Verſtand
anders annehmen koͤnnen/ als es waͤren nicht nur von allerley Staͤnden
des Landes etliche/ ſondern alle und jede/ die es bedoͤrffen/ gemeynt und ver-
ſtanden; Sondern er hat es heller erlaͤutert und erklaͤrets ſelbſt/ durch das
Wort πᾶσα ϰτίσις, ALLE CREATUR/ verſtehe vernuͤnfftige und
Beruffsfaͤhige/ zum Himmelreich und ewigen Leben erſchaffene Crea-
turen/ und hat daher Franciſcus den Voͤgeln vergebens und naͤrriſch ge-
prediget: Verſtehe Menſchliche Creatur/ nicht Engliſche/ als die keiner
Tauffe zur Vergebung der Suͤnden bedarff: Viel weniger Sathaniſche
Creatur/ als die keiner Erbarmnuͤß in Ewigkeit gewuͤrdiget/ deren zu gut
der Sohn Gottes keine Engliſche Natur an ſich genommen/ aller Safft
Goͤttlicher Gnade iſt in denſelben außgetrocknet und verdorret/ einige Be-
gierde mit Gott dem Herrn zu verſoͤhnen/ die Suͤnde zu bekennen und
zu bereuen/ erzeigt ſich nicht in derſelben Gewiſſen. Verſtehe/ gantz und
nicht halbe Menſchliche Creatur/ nicht die Seele deß abge-
ſtorbenen Menſchen/ dann die Gerechten ſind allbereit im Reich Got-
tes/ bedoͤrffen keines Beruffs zu demſelben/ genieſſen wuͤrcklich und voll-
kommlich der jenigen Himmliſchen Schaͤtze und Guͤter/ ſo ihnen im Evan-
gelio
[477]Predigt.
gelio zugeſagt und verſprochen worden; Die verdam̃te Seelen die zur Zeit
Noah im Unglauben dahin geſtorben/ haben zwar eine Predigt gehoͤrt von
dem Hertzog des Lebens Chriſto/ in ſeiner ſiegreichen Hoͤllen farth/ aber da-
durch ſie nicht getroͤſtet/ ſondern ihre Qual vermehret worden/ dergleichen
Predigt nachzuthun/ der Herr ſeinen Juͤngern nirgends befohlen. Den
Todten wird zwar das Evangelium geprediget/ aber nicht den ewig-Tod-
ten in der Hoͤlle/ ſondern den geiſtlich-Todten auff Erden/ daß ſie geiſtlicher
Weiſe vom Suͤnden-Schlaff/ oder (welches gleichviel) Suͤnden-Tod
auffſtehen/ und zum ewigen Leben erhalten werden.
Jſt abermal auch von uns/ auff welche die letſte Zeit der Welt kom-
men/ zu deuten/ als die wir auch in Himmel wollen und begehren ſollen/
und ſo wol Gottes Creaturen ſind/ als die zun Zeiten der Apoſtel gelebt.
Und ſo hats auch St. Paulus verſtanden/ wann er Act. 17, 30. ſeq. ge-
ſchrieben: GOtt gebeut allen Menſchen an allen Enden Buſ-
ſe zu thun/ darum daß Er einen Tag geſetzt hat/ auff welchen
Er richten wil den Kreiß deß Erdbodens mit Gerechtigkeit/
durch einen Mann/ in welchem ers beſchloſſen hat; Wer nun
vor dieſem Mann und Richter wird erſcheinen muͤſſen/ dem wird die
Buſſe geprediget: Nun muß ohne Zweiffel ein jeder Menſch erſcheinen/
fuͤr dieſem Richter/ ſonſt wuͤrden die jenigen/ die bloß uͤbergangen und un-
bezeugt waͤren gelaſſen worden/ gute und guͤltige Entſchuldigung ihres
Unglaubens einwenden koͤnnen.
Wie aber? moͤchte jemand ſagen/ kommen doch keine ſolche un-
mittelbar von GOtt erleuchtete Apoſtel nicht zu uns auff den heutigen
Tag; Und ob ſchon wir Teutſchen an reinen und rechtglaubigen Lehrern
und Predigern keinen Mangel haben/ wer predigt aber das reine und rechte
unverfaͤlſchte Evangelium in der neuen Welt/ den Tuͤrcken/ und andern
Blinden/ theils uns noch unbekanten/ ungenannten/ ungewonnenen
Heyden? Antwort: Es bedarff keiner neuen Apoſtel/ die alten Apoſtel/
wie auch Propheten/ leben noch in ihren Schrifften/ die drauſſen ſind koͤn-
nen ſie haben und genieſſen/ werden von Juden und Chriſten in der gan-
tzen Welt herum gefuͤhret/ wer muthwilliger Weiſe die Ohren nicht ver-
ſtopfft/ kan ihre Stimme hoͤren reden. Wann der Mahomet ſeinen Al-
coran nicht mit dem Saͤbel verwahrt/ und alle Menſchliche Commercia
und Geſpraͤche in Religions-Sachen nicht haͤtte abgeſchnitten/ koͤnte viel-
leicht manche Seele dem hoͤlliſchen Drachen auß dem Rachen gezogen
werden: Aber es gehet den theuren Gaͤſten/ den Apoſteln und ihren
Schrifften nach ihrem Tod/ wie es ihnen ſelbſt auch ergangen/ da ſie noch
O o o 3gelebt/
[478]Die zwoͤlffte
gelebt/ man wil ſie nirgends leiden/ noch werben laſſen/ ſonderlich weil ſie/
wo ſie hinkommen/ das zwar heilige aber bittere unanmutige Creutz mit
ſich bringen: Zu dem ſo haben wir/ die wir im Lehr-Ampt begriffen/ mit
unſern Gemeinen/ die einem jeden auff ſein Gewiſſen befohlen/ ſo viel zu
ſchaffen/ dieſelbe zuerbauen/ und fuͤr den Woͤlffen zu ſchuͤtzen/ daß wir in
die Frembde hinauß nicht gedencken koͤnnen/ wir haben deß unnuͤtzen Ge-
ſinds ſo viel nicht unter uns/ wie im Pabſtum/ deren wir entberen und
hinauß ſchicken oder ſchlaudern moͤchten; Wiewol wir von Hertzen
Pſ. 2, 7. ſeq.
Pſ. 29. ſeq.wuͤnſchten/ es wolten doch unſere Gewaltige/ denen GOtt der HErꝛ ſein
Evangelium hat zuerkennen geben/ einmal auffwachen/ ihres Ampts ſich
erinnern/ und bedencken/ was der 24. und 29. Pſalm von ihnen erfordert:
von deſſen neglect und Hindanſetzung ſie dem allgemeinen Richter ſchwe-
re Rechenſchafft zu geben haben. Vielleicht/ moͤchte jemand ſagen/ wirds
noch geſchehen durch ein extraordinari Goͤttliches Werck und Beruff/
daß noch vorm Ende der Welt das Evangelium wird in aller Welt gepre-
diget werden/ laut der Verheiſſung/ Matth. 24/14. Es wird geprediget
werden das Evangelium vom Reich in der gantzen Welt/ zu
einem Zeugnuͤß uͤber alle Voͤlcker/ und denn wird das Ende
kommen. Darum auch die Papiſten noch auff ihren Antichriſt war-
ten/ der ſoll alsdann allererſt kommen und ſich einſtellen/ wann beſagtes
Evangelium in aller Welt wird geprediget ſeyn worden. Solcher maſ-
ſen wuͤrde der groſſe Prophet Chriſtus/ von ſolchen kuͤnfftigen Sachen/
geweiſſaget haben/ ſo allbereit laͤngſt ſchon vergangen und geſchehen zun
Zeiten der Apoſtel! Der Herr redet in angezogener Stelle nicht vom
Ende der Welt/ ſondern vom Ende deß jenigen Ungluͤcks und Jammers/
ſo uͤber die Stadt Jeruſalem ergehen/ und vor derſelben endlichen Ruin
ſolte hergehen.
Und diß iſt M. L. das Fundament und der Grund/ darauff wir bauen
unſere Grund-Lehre von der Gratia Univerſali,von der allgemeinen
Gnade GOttes deß allgemeinen Beruffs/ aller und jeder ſterbli-
cher und ſuͤndlicher Adams-Kinder/ daß einmal der Vater aller Barmher-
tzigkeit alle und jede zu ſeinem Reich beruffen und gezogen haben wolle/
auch wuͤrcklich durch ſeines Sohns Geſandten und Mund-Botten ſol-
chen Goͤttlichen Willen außzurichten befohlen/ an dero Effect niemand
zweiffeln kan/ wer da glaubt/ daß es heilige Maͤnner GOttes geweſt/ die
ſich ihrem Beruff nicht widerſetzt/ und demnach ein ſolchen Außtheiler un-
ter ſich ſelbſt gemacht/ daß einem jeden eine und andere Landſchafft gleich-
ſam durchs Loß zu gefallen (wie in folgendem Anhang deß Apoſtoliſchen
Itine
[479]Predigt.
Itinerarii ſoll erwieſen werden.) Die Schluß-Rede iſt bald formirt: Wel-
cher Herꝛ ſeinen Legaten/ heiligen/ gehorſamen und willfaͤhrigen zwoͤlff
Geſandten ernſtlich und warhafftig befihlt/ ſie ſollen außgehen in die gantze
(in den Qualitaͤten/ wie ſie anjetzo beſchrieben worden) boͤſe Welt/ unter
alle Nationes und Voͤlcker unter dem Himmel/ zu allen Menſchlichen
Creaturen/ denſelbigen das Evangelium zu predigen; der wil auch
ernſtlich ſich aller und jeder Menſchen erbarmen/ Er wil nicht daß je-
mand verlohren werde/ ſondern daß alle und jede Menſchen
zur Erkaͤntnuͤß der Warheit befoͤrdert werden/ ja Er hat auch
alle und jede zu ſich beruffen und gelocket.
Nun hat Chriſtus der Herr kurtz vor ſeinem Abſchiede auß der
Welt/ ſolcher maſſen ſeinen Befehl erſchallen laſſen. Ergò. Dieſe Schluß-
Rede ſtuͤrtzt kraͤfftiglich den gegen-geſetzten Grund-ſtuͤrtzenden Jrꝛthum deß
Calviniſchen Jrꝛgeiſts/ als der ſich Gottes deß Vaters allerbarmhertzig-
ſtes Hertz/ Chriſtl all-lockenden Mund/ des Heiligen Geiſtes all-wuͤrckende
Hand/ in die Enge zu ſpannen nicht entbloͤdet. Piſcator hat in ſeiner Her-
borniſchen Bibel Chriſti Wort mit dieſer Gloſſe verdraͤhet ad Matth. c. 28.
Lehr 3. p. 161. \& ad Marc. c. 16. p. 221. Allen Creaturen/ das iſt/ al-
len Voͤlckern/ Matth. 28/19. oder allerley Ordnung der Men-
ſchen/ wem ſie predigen ſollen? Nicht allein den Juden/ ſon-
dern auch den Heyden/ das iſt/ allerley Voͤlckern/ weßNation,
Geſchlecht/ Stands oder Zuſtands ſie ſeyen. Was ſie hinwide-
rum einſtreuen/ iſt ſafftloſes Stroh/ verlegen Heu und keinnuͤtze Stop-
peln. Sonderlich dringen ſie auff die Experientz und Erfahrenheit/ es ſey
ja an dem/ daß viel Nationes und Voͤlcker in der Welt/ im Heydenthum
in der Barbarey/ ohne Gott/ ohne Offenbahrung Goͤttlichen Willens ge-
laſſen worden/ und noch werden/ von GOtt und ſeinem Wort nichts wiſ-
ſen/ wie ſollen ſie aber glauben/ von dem ſie nichts gehoͤrt ha-
ben? wie ſollen ſie aber hoͤren ohne Prediger? Rom. 10/14.
Alſo ſagt auch der 147. Pſalm: Er zeiget Jacob ſein Wort/ JſraelPſ. 147, 19.
ſeq.
ſeine Sitten und Rechte/ ſo thut er keinen Heyden/ noch laͤſt
ſie wiſſen ſeine Rechte. Der Stadt Ninive hat Er den Propheten
Jonam geſendet/ wer hat aber andern unzaͤhlig viel Heydniſchen Staͤdten
und Voͤlckern geholffen? So ſagt der Herr Matth. 11/21. Wehe dir
Chorazin/ wehe dir Bethſaida/ waͤren ſolche Thaten zu Ty-
ro und Sidon geſchehen/ als bey euch geſchehen ſind/ ſie haͤt-
ten vor Zeiten im Sack und in der Aſchen Buſſe gethan. Und
wie kompts/ daß in dieſen letſten Zeiten wir Teutſchen eben mit der wieder
ruffen-
[480]Die zwoͤlffte
ruffenden Gnade beſeliget/ und mit dem Evangelio erleuchtet worden?
Hiſpanien/ Jtalien/ Tuͤrckey und andern Nationen iſt dergleichen Gna-
de nicht widerfahren. Auff dieſe und dergleichen Einwuͤrffe iſt die einige/
beſte und leichteſte Antwort dieſe: Daß GOtt der HErꝛ ſey Numen har-
monicum, ein ſolcher Gott/ in deme ſeine Goͤttliche Tugenden und Eigen-
ſchafften ſich gantz holdſelig miteinander temperiren/ mengen/ vergleichen/
und ſich gleichſam untereinander kuͤſſen Pſ. 85. Er iſt barmhertzig/ aber
auch gerecht; Gerecht/ aber auch weiß; Ein gutthaͤtiger/ aber auch ein frey-
thaͤtiger GOtt. GOtt iſt ein allbarmhertziger Vater/ iſt klar und außge-
macht: Der Sohn GOttes iſt in die Welt kommen/ alle Menſchen zuer-
leuchten: Der H. Geiſt iſt außgegoſſen uͤber alles Fleiſch. Welches ſo
helle Liecht durch die betruͤgliche Jrꝛwiſche und Geſpenſte der diſtinctio-
num inter genera ſingulorum \& ſingula generum, inter volunta-
tem decreti \& præcepti, ſich nicht laͤſt verdunckeln/ und ſteht Himmel-
feſt die ſubſtantia gratiæ univerſalis, daß GOtt wolle allen und jeden
Menſchen helffen/ und geholffen haben; Er hat ſich bey keinem Volck oder
Menſchlicher Creatur unter der Sonnen jemal unbezeugt gelaſſen/ die edle
Fama ſeines Namens erſtreckt ſich in alle Ort und Ende/ alle Lande ſind
Conf.
Hod. Calv.
Ph. IX.
p. 1944.
\& 1945.ſeiner Ehren voll. Darneben aber iſt er auch ein freythaͤtiger GOtt/ der
ihm Ordnung/ Zeit/ Maß/ Grad und Stunden reſervirt und vorbehal-
ten/ daher es kompt/ daß Er andern Voͤlckern SIC,Alſo/ in ſolchem hel-
len Wunder-Liecht nicht erſchienen/ wie Er Jacob und Jſrael gethan.
Folget es aber darum/ ſie haben kein ſolchen hohen Grad deß Goͤttlichen
Liechts gehabt/ Ergò, allerdings kein Liecht? Euer Liebe verſtehe es in ei-
nem Gleichnuͤß: Ein groſſer Herꝛ hatte einmal ob crimen læſæ Maje-
ſtatis etliche Rebellen auß ſeinem Koͤnigreich hinauß gejagt/ in eine weit-
gelegene/ rauhe/ barbariſche/ wilde Jnſul/ da ſie als Gefangene zuſammen
gepackt und eingeſchloſſen geſeſſen/ alle Stunde und Augenblick deß Hen-
ckers zu erwarten/ und daſſelbe erblich auff Kindeskind: Er hat ſich aber
auß grundloſer Liebe erbarmet/ und durch die Fuͤrbitte ſeines einigen
Sohns erweichen und bewegen laſſen/ Perdon und Evangelia dahin ab-
zufertigen/ aber auff ungleiche Weiſe; Als ein gutthaͤtiger/ aber auch frey-
thaͤtiger Gott/ allen miteinander hat er laſſen eine Famam zufliegen/
Send-Brieffe außſtreuen mit Vermeldung/ wo ſie ihme wuͤrden glauben
und Gnade annehmen/ ſo ſolte ihnen das Leben geſchenckt ſeyn: Zu einer
andern Familia hat er Botten geſandt/ die haben den ſchrifftlichen Wil-
len deß Koͤnigs mitgebracht/ unverfaͤlſcht eigentlich erklaͤrt und außge-
legt/ und mit wuͤrcklichen ſignaculis beſtaͤtiget: Zu einer Familia hat er
ſein eignen Sohn/ mit ſonderbarem Pomp/ Roß und Wagen/ Silber
und
[481]Predigt.
und Gold entgegen geſandt und laſſen abholen. Alſo auch und ebener
maſſen hat auch GOtt der Vater aller Barmhertzigkeit an uns armen
Menſchen gethan; Durch den Suͤndenfall ſind wir alle gerathen in den
Nothſtall/ auß dem Paradiß gejaget worden/ ins aͤuſſerſte Elend hinauß/
da wir Knechte deß Todes und der Suͤnden worden: GOtt der HErꝛ
hat ſich aber durch Rantzion und Interceſſion ſeines Sohns erweichen/
ſeine Stimme erſchallen laſſen/ aller Welt/ allen Voͤlckern/ allen Creatu-
ren/ Tuͤrcken/ Juden/ Heyden/ per famam \& Epiſtolam omnipotentis,
den Ruff und Brieff/ von ſeinem gnaͤdigen Willen in der gantzen Welt
von Chriſten und Juden laſſen herum tragen/ ſich nirgend unbezeugt ge-
laſſen/ damit niemand ſich entſchuldigen moͤge: Aber viel groͤſſere Gnade
hat Er uns Teutſchen erwieſen in dem/ daß Er das Predig-Ampt ordent-
lich geſtifftet/ das bringet die Oracula Divina an/ erlaͤutert dieſelbe ſampt
angehengten Sacramenten: Den hoͤchſten und beſten Beruff haben die
Juden empfangen/ aber auch decoquirt und verſchertzt/ Chriſtus iſt ſelbſt
erſchienen mit unerhoͤrten Miraculen, dergleichen wir nicht ſollen begeh-
ren/ ſondern uns contentiren und beruhen in den jenigen Mitteln/ die wir
reichlich haben. Er wird bald kommen in der Glori und Herꝛligkeit ſei-
nes Vaters/ deren wir ſtuͤndlich erwarten.
Gleichermaſſen/ fragſtu von Ninive/ warum GOtt der HErꝛ der-
ſelben fuͤr andern Staͤdten wol gewolt/ warum in Tyro und Sidon nicht
auch ſolche Wunder geſchehen/ wie in Chorazin und Bethſaida? Ant-
wort/ es war alſo Gottes freyer Wille/ nach welchem Er einer Stadt vor
der andern Beſſers gegoͤnnet/ keine aber abſolutè auß bloſſem Haß und
Widerwillen uͤbergangen. Es hat je Chriſtus auch ſelbſt mit ſeinem
Wort/ in der Gegend und Grentzen Tyri und Sidon eingekehrt/ von dan-
nen der liebliche Geruch ſeines Nahmens in bemeldte Staͤdte leichtlich
penetriren koͤnnen/ Matth. 15/21. Paulus hat daſelbſt geherberget/ und
ohne Zweiffel auch ſeine Stimme erſchallen laſſen/ Actor. 21, 3. Neben
dem iſt GOtt der HErꝛ auch ein gerechter GOtt/ wann ein Volck/ Land/
Stadt ihme die Repuls gibt/ die Herberge auffkuͤndiget/ und ſeine Apoſtel
als werthe Gaͤſte/ barbariſch und unſreundlich tractirt/ die theure Beyla-
ge deß Worts nicht feſt und wol bewahrt/ ſo kehrt Er auch demſelben Ort
den Ruͤcken/ und wandert anderswohin. Und diß iſt auch die Antwort
auff die Frage/ warum fuͤr hundert Jahren Teutſchland fuͤr Hiſpanien/
Jtalien und der Tuͤrckey erwehlet/ und Lutherus mit dem Wort Gottes
zu uns Teutſchen geſendet worden? Warum Straßburg fuͤr Conſtanti-
nopel/ Rom/ Pariß angeſehen und ſo hoch begnadiget worden/ daß ſie Got-
Achter Theil. P p ptes
[482]Die zwoͤlffte
tes Wort rein leſen und hoͤren/ und auß den lautern Bruͤnnlein Jſraelis
den Durſt loͤſchen kan; nemlich nicht um unſer gelben Haare/ Verdienſts
und Wolverhaltens willen/ dann wir ja ſo arg/ und noch aͤrger als jene;
Jenen geht nichts ab an den Facibus, ſo ſie von weitem ſehen koͤnnen/ wo-
fern ſie nicht die Augen zuſchlieſſen/ es mangelt ihnen nicht an der Fama,
an heilſamen Buͤchern/ die ſie als gifftige Unzieffer verbieten: Wiewol
ſie Gott der Herr keiner neuen Mund-Botten nicht wuͤrdiget.
Darum dann auch wir Straßburger/ um ſo viel mehr zu ſchul-
diger Danckbarkeit verbunden/ als groͤſſere Barmhertzigkeit uns wider-
fahren. Es heißt wol mit uns/ Abyſſus abyſſum invocavit, was die blin-
de/ wilde/ wuͤſte Welt ſey/ welch ein Greuel fuͤr Gott/ und Scheuſaal fuͤr
allen heiligen Engeln/ welch ein unerſchoͤpfflicher Abgrund aller ſchaͤnd-
lichſten Untugenden/ haben wir zuvor vernommen: Was ſuͤſſe Wunder-
that Gott an uns gethan/ wie tieff der Abgrund Goͤttlicher Wunder-
Guͤte ſich uͤber uns ergoſſen/ das kan kein Menſchlicher Gedancken errei-
chen/ wann alle unſere Glieder lauter Zungen waͤren/ koͤnten wir nimmer
gnugſam Danck ſagen/ bevorab wann wir (1.) zuruͤcke ſehen und geden-
cken an den unſeligen Stand unſerer alten Stadt/ da ſie nicht eine Stadt
GOttes/ ſondern ein Teuffels-Neſt geweßt/ voll Teuffeley und Abgoͤtte-
rey/ Heydniſch und Anti-Chriſtiſch/ da man dem Krutzmann gedient/ her-
nach ein ſchaͤndliches Lupanar oder geiſtliches Huren-Hauß darauß wor-
den: Von Clodovæo zwar wieder reformirt Anno 508. aber è calcariâ
in carbonariam gerathen. Straßburg war νεωϰόρος, eine Goͤtzen-
Pflegerin/ wie die Stadt Epheſus der Dianæ Act. 19, 35. voll geiſtlicher
und leiblicher Hurerey/ ſo viel Gaſſen/ ſo viel Goͤtzen und Goͤtzen-Haͤuſer
hatteſtu Straßburg! Die Monimenta ſind noch fuͤrhanden; Wie es in
Kloͤſtern hergangen/ davon zeugen die Hiſtorien: Daß wir nun nicht zu
ſolchen Zeiten gelebt/ und mit in ſolche Greuel eingeflochten worden/ das
vid. Guilm.
de Epiſcop.
Argent. p.
269. Conf.
Bzov. ann.
1215. n. 7.
ann. 1223.
n. 9.ſind wir ſchuldig mit danckbarem Hertzen zuerkennen. Ja es iſt dieſe
Stadt nicht nur voll Luͤgen/ ſondern auch voll Mord geweſen/ eine Pro-
pheten- und Maͤrtyrer-Moͤrderin/ unter Biſchoff Henrico Graffen zu
Veringen/ wurden auff einen Tag 80. Waldenſer/ und unſchuldige Zeu-
gen der Warheit verbrannt und ermordet.
Wann wir (2.) ſehen auff gegenwaͤrtigen Stat und Stand/ da un-
ſer Stadt gleichſam in Himmel hinauff erhoben/ hoch begabet und geſe-
gnet mit geiſtlichem und leiblichem Segen/ daß wir ſie auch anſprechen moͤ-
gen mit Davids Worten und ſagen: Herꝛliche Dinge werden in
dir geprediget/ O du Stadt GOttes! Pſal. 147. ( [...])
ſchwere
[483]Predigt.
ſchwere/ wichtige/ vor GOttes Augen koͤſtliche und werthe Dinge/ heilſa
me Ehre und glorwuͤrdige Lehren/ nicht ſeuch-gelehrte und abgeſchmackte/
kluge Fabeln und Maͤhren; Deß groſſen GOttes magnalia und fuͤrtreff-
liche Thaten werden in dir/ in deinen Kirchen einen Tag und alle Tage/
in deinen ſo hohen/ ſo niedrigen Schulen erklaͤret und fuͤrgetragen/ daß
kaum deines gleichen in gantz Europa; Rom/ Conſtantinopel/ Amſter-
dam ꝛc. muͤſſen dir weichen/ ſeynd ſo hoch nicht beſeliget. Die Welt
meynt/ die groſſe Herꝛligkeit einer Stadt beſtehe nur in viribus \& viris;
Aber David ſagt anders Pſal. 84. Wol denen die in deinem Hauſe
wohnen/ die loben dich immerdar/ wol denen die dich fuͤr ihre
Staͤrcke halten/ und dir/ HErꝛ Zebaoth/ von Hertzen nach-
wandlen.
Wann wir (3.) neben uns ſchauen ad latus, und bedencken die blin-
den armen Leute im Pabſtum/ die eben darum die Elendeſten/ dieweil ſie
ſolch ihr Elend nicht erkennen noch erkennen doͤrffen; Die Betraͤngten
unter denſelben/ die da heulen und klagen: Kein Prophet prediget
uns mehr/ man lehrt uns keine geſunde Lehre ꝛc. Jn Anſehung
ſolcher elenden Leute haben wir Urſach uͤber Urſach GOtt inniglich zu
dancken fuͤr ſeine groſſe Gnade/ die Er an uns gewendet hat: Sollen dar-
neben aber auch bitten/ der Herr wolle diß arme verfuͤhrte Volck bekehren/
die Gelegenheit zu ihrer Bekehrung beſchehren. Jſt ein groſſer Fehler un-
ter uns/ es gibt manche herꝛliche Gelegenheit denen die drauſſen ſind/ et-
was Gutes zu kramen/ aber wer achtets? Man machts wie Chriſtopho-
rus Columbus, der den Barbaren und wilden Leuten haͤtte ſollen den rei-
nen Gottesdienſt weiſen/ das Liecht Goͤttlichen Worts anzuͤnden/ das Ev-
angelium JEſu Chriſti verkuͤndigen/ hat er pro Chriſto Chryſum ge-
ſucht/ allein nach ihrem Gold und Silber getrachtet/ und alſo die Gedan-
cken bey den Barbaris erweckt/ Gold ſey der Spanier Gott. Anders ſol-
len wir uns erzeigen gegen den irꝛigen und verfuͤhrten Leuten. Homo
homini Angelus: Gleichwie jener Engel/ der in Geſtalt eines Macedo-
niſchen Mannes St. Paulo im Nachtgeſicht erſchienen/ ihn gebeten/ erAct. 16.
wolle hernieder kommen in Macedonien und ihnen helffen/ welcher Dol-
metſch/ Anwalt und Fuͤrſprecher geweßt/ der unwiſſenden Leute und Ein-
wohner deß Koͤnigreichs Macedonien (als die damal im ſanfften Schlaff
gelegen/ von Paulo und ſeiner Huͤlffe eben ſo viel gewußt/ als die zu Athen
vom unbekañten GOtt/ dermaſſen von dem GOtt der Finſternuͤß geblen-
det/ geſchaͤndet/ und in der fleiſchlichen Sicherheit verſencket/ daß ſie ihr
aͤuſſerſten Jammer und Seelen-Noth nicht verſtanden) ſie vertretten/ ih-
P p p 2nen
[484]APPENDIX.
nen das Wort gethan/ geklagt und geſagt/ geflehet und gebeten/ geſehnet
und verlangt/ was ſie die Macedonier haͤtten klagen und ſagen/ flehen und
beten/ ſehnen und verlangen ſollen/ kommet und helffet uns/ wir ſte-
cken der Hoͤllen im Rachen und in dem Schatten des Todes/ helffio!
und alſo wahr gemacht/ was der HErꝛ Eſai 65/1. geſagt: Jch werde
geſucht von denen/ die nicht nach mir fragten/ ich werde fun-
den von denen/ die mich nicht ſuchten. Alſo und auff ſolche Weiſe
ſollen wir auß Engliſchem Mitleiden reflexion haben auff die noch drauſ-
ſen ſind/ auſſer der Buͤrgerſchafft Jſraelis/ Tuͤrcken/ Juden und Heyden/
und bitten/ Gott wolle ihnen auch helffen/ ſie erretten von der Obrig-
keit der Finſternuͤß/ und ſie tuͤchtig machen zum Erbtheil der Heiligen im
Liecht/ auff daß wir ſaͤmptlich zu ſammen ſtimmen/ und ſingen wie im Rei-
hen/ eins ums ander Reihen-weiſe/ Heeres-weiſe/ wie die Reihen zu Ma-
hanaim: das helffe uns der hochgelobte GOtt in Ewigkeit/ Amen.
Hoͤchlich zu beklagen iſt es/ daß die werthe Chriſtenheit
ſo gar kein gewiſſen/ ſatten und bewaͤhrten Bericht auß den Hi-
ſtorien haben kan/ wie die heiligen Apoſtel ihre Reiſen ſortitò
gleichſam durchs Loß außgetheilt/ nachdem ein jeder vom H. Geiſt da und
Act. 8, 26.
c. 13, 4. c. 16,
7. conf.
Chriſteid.
Act. 1. pag.
100.dorthin geſandt/ getrieben und geworffen worden/ (zum Exempel Philip-
pus) und alſobald nach der Himmelfarth Chriſti ihre Bottſchafft ange-
tretten/ Marc. 16/20. Sie die Apoſtel giengen auß (nachdem der
HERR gen Himmel gefahren) und predigten an allen Orten.
Luc. 24/ 49. befihlt Er ihnen: Jhr ſolt in der Stadt Jeruſalem
bleiben/ biß ihr angethan werdet mit der Krafft auß der Hoͤhe.
Jn was Theil der Welt/ Koͤnigreiche/ Landſchafften/ unter was Voͤlcker
ein jeder gerathen/ da er die Aegerten und Wildnuͤſſen auffgebrochen/ und
die Novalia oder neue Kirchen-Aecker gebauet? Von St. Pauli Reiſen
finden wir genugſamen Unterricht/ theils in den Apoſtoliſchen Geſchich-
ten/ theils auch in ſeinen unterſchiedlichen Send-Brieffen: Etwas weni-
ges auch von den Reiſen und Zuͤgen St. Petri und St. Johannis/ zu
dem der Engel in ſeiner himmliſchen Offenbarung/ Cap. 10. 11. geſagt:
Du muſt abermal weiſſagen den Voͤlckern und Heyden/ und
Sprachen/ und vielen Koͤnigen/ aber von den uͤbrigen iſt alles
ſtille.
[485]APPENDIX.
ſtille. Genug haben wir an deroſelben Lehre und Glauben/ ſo ſie uns hin-
derlaſſen/ als die eben das und nichts anders geprediget als was St. Pau-
lus/ St. Petrus/ ſampt Matthaͤo und Johanne hinterlaſſen. An den
Hiſtorien ihrer Wallfahrten iſt uns ſo hoch und viel nicht gelegen: Wie-
wol mit Chryſoſtomo zu wuͤnſchen waͤre/ es haͤtte die Roͤmiſche Kirche/
die allein der Pfeiler der Warheit ſeyn und heiſſen wil/ beſſer Hut und
Wacht gehalten uͤber dieſen Hiſtori-Schatz/ und mehr geſorgt fuͤr die
S. Lipſana animorum, die Heiligthum der hinterlaſſenen Monimenten
und Anzeigungen der Apoſtoliſchen Seelen- und Gemuͤths-Gaben/ als fuͤrChryſ. in
Ep. ad Phil.
dero Leiber und Gliedmaſſen/ ſo dahin gehoͤren/ wo Moſis Leichnam hin be-
graben worden/ der Abgoͤtterey vorzukommen.
Euſebius erzehlt auß der Tradition oder hoͤren-ſagen/ es ſey demEuſeb. lib.
cap. 1.
Apoſtel Thomæ im Loß zugefallen Parthia, das Evangelium daſelbſt zu
predigen; Dem Andreæ Scythia; Johanni Aſia, allwo er auch ſich
auffgehalten und gelebt/ und endlich zu Epheſo geſtorben; Petrus aber
habe denen in Ponto, Galatia, Bithynia, Cappadocia und Aſia zer-
ſtreueten Juden das Wort geprediget/ welcher zu letſt um das Ende ſeines
Lebens zu Rom war/ und daſelbſt mit geneigtem Haupt aus Creutz geheff-
tet worden/ weil er ſolchen Maͤrter-Tod ſelbſt erwehlet. Was ſoll ich
von Paulo ſagen/ welcher von Jeruſalem an biß in Illyricum alles mit
dem Evangelio Chriſti er fuͤllet/ und endlich zu Rom unter Kayſer Nerone
ſein martyrium außgeſtanden. Sit, ſchreibt Gregorius Nazianz.
orat. 24. Petri Judæa, Pauli gentium univerſitas: Lucas ad Acha-
jam mittatur, Andreas ad Epirum, Johannes in Epheſum, Thomas
in Indiam, Marcus in Italiam \&c. Conf. Niceph. l. 2. c. 38. \& ſeq.
Wer der erſte Apoſtel in Teutſchland/ Creſcens der in Gallacia oder
Gallia, das iſt/ Franckreich/ Lucius, Cyrenæus, Marcus, oder Mater-
nus? davon iſt nichts gewiſſes auß den Hiſtorien zu ſchoͤpffen: Von Ma-
terno wird ſonderlich referirt, als ſey derſelbe von St. Petro auß Rom
in Galliam geſendet/ ſampt ſeinen Geferten Euchario und Valerio, der
erſte geweßt im Elſaß/ der daſelbſt Chriſti unſers Heylands Werck und
Gutthaten außgebreitet und gelehret/ die Chriſtliche Religion gepflantzet/
der Heydniſchen Goͤtzen nichtiges und betruͤgliches Weſen an Tag gelegt/
viel der Einwohner von dem eiteln Aberglauben befreyet/ und zur wahren
Erkaͤntnuͤß GOttes gebracht; Habe auch etliche Tempel und Gottes-
Haͤuſer auffgerichtet/ und mit groſſen herꝛlichen Wunder-Wercken ſeine
Wort und Thaten erwieſen und bekraͤfftiget. Jſt aber eins ſo gewiß/ als
das andere.
Gallia Chriſtiana à Samarthanis edita Tom. 2. p. 206. primum Inſtitutorem
fidei nominat Amandum Anno 346. nec altius aſcendit.
Dem allem ſey wie ihm wolle/ ſo iſt doch à poſteriori und im Wercke
ſelbſt erfuͤllet worden durch die Apoſtel/ was die Propheten geweiſſaget/
und geſchehen/ was Chriſtus befohlen/ Marc. 16, ult.Sie giengen auß
und predigten an allen Orten/ und der HErꝛ wuͤrckete mit ih-
nen und bekraͤfftiget das Wort durch mitfolgende Zeichen.
Und Paulus ſchreibt von ſeinen Roͤmern/ Rom. 1/8. Daß man ihren
Pſ. 19, 5.Glauben in aller Welt preiſe. Und cap. 10/18. ſagt er: Es iſt je
in alle Lande außgegangen ihr Schall/ und in alle Welt ihr
Wort. Coloſſ. 1/6. Das Wort der Warheit iſt kommen in
alle Welt. Das kleine Senffkoͤrnlein iſt erwachſen/ und das groͤſte
unter dem Koͤhl/ ja ein groſſer weit um ſich greiffender Baum worden/
unter deſſen Zweigen die Voͤgel deß Himmels gewohnet; Auff den erſten
vide Cent.
Magdeb.
Cent. 1. l. 2.
2. Cent. 2.
c. 2. Cent.
3, 2.Pfingſt-Tag iſt der Saamen außgeſtreuet worden/ haben in drey tauſend
Seelen florirt und gebluͤhet/ welche hernach in aller Welt fructificirt und
Frucht getragen. Tertullianus ſchreibet hievon in ſeiner Schutzſchrifft
cap. 37. alſo: Wann wir uns nicht nur als heimliche Raͤcher/ ſondern
auch als offentliche Feinde erzeigen wolten/ ſo ſolte uns wol keine Zahl
kraͤfftig und groß genug ſeyn; Dann es ſeynd mehr Mauri und Marck-
maͤnner/ oder auch wol Parther ſelbſt/ die doch nur eines Orts oder Lan-
des Voͤlcker ſind/ als ſonſt faſt in der gantzen Welt: Wir ſind Außlaͤnder/
und haben doch alles unter euch erfuͤllet. Dann in welchen haben anders
alle Voͤlcker geglaubt/ als an Chriſtum/ welcher ſchon gekommen? nem-
lich die Parther/ die Meder/ die Elamiter/ und die da wohnen in Meſo-
potamia/ Armenien/ Phrygia/ Cappadocia/ die ſich in Ponto/ Aſia/ Pam-
philia und in Egypten auffhalten/ biß in Africa bey Cyrenen/ die zu Jeru-
ſalem wohnende ſo wol Roͤmer als Juden/ und viel andere Voͤlcker/
Getulorum, Maurorum, unzehlig viel Ort und Ende in Spanien/ in
Franckreich und Britannien/ deren Ort die Roͤmer nicht gelangen koͤn-
nen/ die Sarmather/ Jacer/ Teutſchen/ Scythen/ und in andern unzeh-
lig viel und uns unbekanten Provintzen und Jnſulen/ welche Voͤlcker alle
die Chriſtliche Religion angenommen/ und an Chriſtum glauben. Deß-
(*) in cap.
24. Matth.gleichen ſchreibt Hieronymus (*): Er vermeyne nicht/ daß auch ein eintzi-
ges Volck ſolte verblieben ſeyn/ das nicht von dem Nahmen Chriſti wiſſen
ſolte: Und ob ſie ſchon die Prediger (oder Apoſtel) nicht in eigener Per-
ſon bey ihnen gehabt/ ſo haben ſie doch von den benachbarten Voͤlckern/ die
Lehre Chriſtlichen Glaubens empfangen. Wer wolte glauben/ ſagt er
anders-
[487]APPENDIX.
anderswo/ (*) daß die barbariſche Voͤlcker die Getæ ſich der Hebreiſchen(*) in Epiſt.
ad Suniam
\& Fretelã.
Sprache erkundigten/ als in welcher die Goͤttliche Warheit verfaßt; Und
daß die Teutſchen deß Heiligen Geiſtes Sprache erforſchten/ mehr als die
ſchlaͤffrigen Griechen? Eben auff ſolchen Schlag ſchreibt auch Juſtinus
in Dial. Es ſey nicht ein einiges Genus und Geſchlecht unter allen Men-
ſchen/ weder unter den Barbaren noch Griechen/ ſie moͤgen Nahmen ha-
ben/ wie ſie wollen/ und ſoltens auch die Voͤlcker/ Hamaxobii und No-
mades genannt ſeyn/ welche nicht in Haͤuſern ſondern in Huͤtten wohnen/
(deßwegen Scenitæ genennet) und beym Vieh das Leben zubringen/ daß
nicht unter und bey denſelbigen/ GOtt der Vater und Schoͤpffer aller
Dinge/ im Nahmen JEſu deß Gecreutzigten angeruffen und geprieſen
werde. Irenæus thut lib. 1, 3. Meldung unterſchiedener Kirchen/ als/ der
Teutſchen/ der Welſchen/ der Hiſpaniſchen/ der gegen Morgen/ der Egy-
ptiſchen/ in Lybien/ und derer gegen Mittag. Die Chriſtliche Lehre hat
bey allen Menſchen/ ſo wol Griechen als Barbaren den Ruhm erhalten/
Euſeb. lib. 8, 1. Daß das Evangelium in America oder der neuen Welt
zun Zeiten der Apoſtel erſchollen/ iſt erwieſen in der Chriſteide. (*)(*) Chriſt.
Act. 1. pag.
160. ſeqq.
Die Rudera der Apoſtoliſchen wiewol corrupten und verderbten
Kirchen/ wie dieſelbe noch in der gantzen Welt uͤbrig und zu finden/ haben
D. Philipp. Nicolai, und D. David Chytræus zuſammen getragen und
fuͤrgelegt; Jener in ſeinem beruͤhmten Buch von dem Reich Chriſti/ die-
ſer im Bericht/ vom Zuſtand der Chriſtlichen Kirchen in Griechenland/
Aſia/ Africa ꝛc. auß einer Lateiniſchen Oration Anno 1596. gehalten/ ins
Teutſche uͤberſetzt apud Dedeken. in Append. ad Volum. 1. part. 1. l. 1.
p. 13. ſeqq.
GEliebte in Chriſto. Daß St. Paulus der hocher-
leuchte Heyden-Lehrer/ ſeines Handwercks/ welches er gelernt
und getrieben/ ein Teppich- oder vielmehr Zeltenmacher
geweßt/ der die Kriegs- und Reiß-Zelten kuͤnſtlich zubereiten und außarbei-
ten
[470]Die dreyzehende
ten koͤnnen. Dann alſo berichtet St. Lucas klar/ Act. 18, 3. Paulus habe
Act. 20, 34
1. Cor. 4, 12.
1. Theſſ. 2, 9
2. Theſſ. 3, 8zu Corinthen eingekehrt bey einem JudenAquilaweil er glei-
ches Handwercks war/ ſie waren aber deß Handwercks Tep-
pichmacher/ welches er Paulus in der Jugend neben dem Studieren
gelernt/ und nachdem er ein Apoſtel worden/ getrieben/ wo es die Zeit und
Nothdurfft erfordert/ auff daß er ſich ſelber koͤnte nehren und niemand be-
ſchweren doͤrffte/ und daſſelbige auß vernuͤnfftiger Anſtalt der Juͤdiſchen
Rabbinen/ welche verordnet/ daß ihre Studenten oder Scholaren neben
vide Baron.
ann. 52. n.
17. H. Grot.
ad Actor.
p. 102.den Studiis und freyen Kuͤnſten/ die ſie geuͤbet/ auch ein ehrliches Hand-
werck haben lernen muͤſſen/ nicht allein durch ſolche Handarbeit den Leib
und deſſen Gliedmaſſen zu ſtaͤrcken/ und fuͤr allerhand Kranckheiten/ ſo
auß dem vitâ ſedentaria und Sitz-Leben entſtehen/ ſich zuverwahren;
Sondern auch im Fall der Noth/ wann Kunſt nach Brod gehen muß/
ſie andern Leuten nicht zuerbarmen kommen/ ſondern ſelbſt auch mit ihrer
Hand ein ſtuͤck Brod zuverdienen wuͤſten: Joſephus gedenckt etlicher Juͤ-
vide de A-
rinæo \&
Aſilao Jo-
ſeph. l. 15.
c. 14. l. 18.
c. 12.diſcher Prieſter in Babylonia/ die deß Schreiner- und Maurer-Hand-
wercks maͤchtig geweſen. Maſſen dann auch St. Paulo in ſeinem Apo-
ſtoliſchen Lauff ſein Handwerck wol bekommen/ welches er neben dem
Predigen zugleich getrieben/ damit er der Gemeine nicht oneros und be-
ſchwerlich ſey/ dem Evangelio kein Hindernuͤß machen/ ſondern Chriſto
ſeinem Herrn dadurch mehr Seelen gewinnen und zufuͤhren moͤchte.
Jch/ ſchreibt er 1. Cor. 9/18. predige das Evangelium frey umſonſt/ und
2. Cor. 11/9. Da ich bey euch war gegenwaͤrtig und Mangel hatte/ war ich
niemand beſchwerlich/ (welches gleichwol als ein ſonderlich Werck heuti-
ges Tags/ auſſer der aͤuſſerſten Nothdurfft/ nicht zum Exempel der Nachfolg
fuͤrgeſchrieben/ als deſſen Gaben wir nicht haben/ St. Paulus ſelbſt ſpricht
den
[489]Predigt.
den Dienern am Wort ein erkloͤckliches Salarium und Sold zu/ 1. Cor. 9/
13. ſeqq.Wiſſet ihr nicht/ ſagt er/ daß die da opffern/ eſſen vom
Opffer? Und die deß Altars pflegen/ genieſſen deß Altars?
Alſo hat auch der HErꝛ befohlen/ daß/ die das Evangelium
verkuͤndigen/ ſollen ſich vom Evangelio nehren.
Daß/ ſage ich/ St. Paulus ſeines Handwercks ein Zeltenmacher
geweßt/ iſt nicht plumbs-weiſe ohngefaͤhr und bloß zufaͤlliger Weiſe geſche-
hen/ ſondern es hat die Goͤttliche Providentz ein ſchoͤnes Hierogly phi-
cum, und lehrhaffte Allegori damit andeuten wollen/ und ihn den Zel-
tenmacher ſeines geiſtlichen Zeltenmacher-Ampts dabey erinnern wollen.
Gleichwie Chriſtus der Herr auß Simone Petro dem Galileiſchen Fi-
ſcher/ einen geiſtlichen Menſchen-Fiſcher gemacht/ und ſelbſt ihm auff ſol-
che Allegori gedeutet/ da er ein reichen Fiſchzug gethan/ ſagt der Herr/
von nun an wirſtu Menſchen fahen Luc. 5. Jſt wuͤrcklich geſchehen/ da er
auff das erſte Pfingſt-Feſt ſein geiſtlich Fiſcher-Garn außgeworffen/ und
drey tauſend Menſchen-Seelen auff einmal/ auß dem groſſen Welt-See/
in Chriſti Vivarium und Reich gezogen: Alſo hat er auch St. Paulum
den Zeltenmacher von Tharſo erwehlet/ daß er geiſtliche Kriegs- und
Reiſe-Zelten hinfort machen/ und ſolche Zelten hie und da in der Welt
auffſchlagen ſolte. Er ſolte kriegen und reiſen/ und wie er ſelbſt von ſich
ſchreibt/ 2. Timoth. 4. lauffen und kaͤmpffen: kanſtu/ hat der Herr ſagen
wollen/ ſo gute Zelten machen zu Dienſt der Welt/ ey harre/ du muſt auch
mir zu Dienſt Zelten machen/ und andere lehren/ hie in dieſer Welt keine
bleibende Stadt zu ſuchen/ ſondern zu trachten nach der ewigen und beſtaͤn-
digen Ruhe/ und Burgerrecht droben im Him̃el: Chriſtus der HErꝛ hat
ſich ſelbſt zu unſerer Zelten gemacht/ in welcher er ſelbſt gewohnet/ und
ſich mit ſeinem Wort in der wol herum tragen laſſen. Darum auch
St. Paulus gar gern Gleichnuͤſſen von ſolchem ſeinem Handwerck entleh-
net/ und an die Corinthier geſchrieben 2. Cor. 5/1. Wir wiſſen/ ſo un-
ſer irꝛdiſch Hauß dieſer Hůtten zubrochen wird/ daß wir ei-
nen Bau haben von GOtt erbaut ꝛc.
Welches dann auch das Ampt geweſt aller Apoſtel/ ſie ſolten nicht
ſtelle ſitzen und Menſchen-Tage pflegen/ ſondern den Pilgram-Stab in
die Hand nehmen/ kaͤmpffen und lauffen/ ſtreiten und wandern zugleich/
geiſtliche Zelten und Kirchen allenthalben in der gantzen Welt bauen.
Gehet hin/ ſpricht der HErꝛ/ in alle Welt ꝛc. Welcher Apoſtoli-
ſcher Bottengang nunmehr auch dasThema, davon euer Liebe
Achter Theil. Q q qfuͤr
[490]Die dreyzehende
fuͤr dißmal mit mehrerm zu unterrichten. Der HErꝛ verleihe darzu ſei-
nes H. Geiſtes Gnade und Segen/ Amen.
BElangend nun den Botengang/ Zug und Walfahrt der
zwoͤlff reiſigen Apoſteln deß HErꝛn/ ſo braucht der Evangeliſt denſel-
ben zubeſchreiben ein ſolches general und gemein Wort/ πορευϑέντες, wel-
ches alle ſpecies ϕοϱᾶς, alle Arten der Ort-aͤnderung in ſich begreifft. Ge-
het hin/ zihet fort/ reiſet ab/ zu Waſſer und zu Land/ zu Weg und Steg/
zu Roß und Fuß/ Wagen und Schiffen/ ite pedites, ite equites. Maſſen
das Wort πορέυεϑαι in ſolchem general-Verſtand zu leſen 1. Maccab. 1/
18. Antiochus zog in Egypten wolgeruͤſt/ mit Wagen/ Elephanten/ Rei-
ſigen und viel Schiffen. Und iſt bekant/ daß ſich Philippus auff deß
Kaͤmmerers auß Morenland Wagen geſetzet/ und ihm den Propheten
Eſaiam erklaͤrt/ deßgleichen St. Paulus iſt im Schiff auff dem Adriati-
ſchen Meer daher gefahren. Nicht allein alle Arten/ ſondern auch Gra-
dus deß Gangs/ lauffet fertig und ſchnell gleichſam auff der Poſt/ citò,
citò, citiſſimè, ohne Verzug/ ohne Betrug/ flugs und alſobald/ wie ihr
gehet und ſtehet/ ſo gar auch daß ihr euch nicht bekuͤmmert um eine Viati-
cum oder Zehrpfennig. Matth. 10/9. ſeq. befihlt ihnen der HErꝛ: Jhr
Conf.
Herme-
neut. Sacr.
p. 169. ſeq.
359. 363.ſolt nicht Gold/ noch Silber/ noch Ertz in euren Gůrtlen
haben/ auch keine Taſchen zur Wegfahrt/ auch nicht zween
Roͤcke/ keinen Schuch/ auch keinen Stecken/ denn ein Arbei-
ter iſt ſeiner Speiſe werth/ wo ihr aber in eine Stadt oder
Marckt gehet/ da erkuͤndiget euch/ ob jemand darinnen ſey/
der es werth iſt/ und bey demſelbigen bleibt/ biß ihr von dan-
nen ziehet. Der Herꝛ will ſagen: Wenn ihr ſchon weder mit Zehrgeld/
noch anderem Vorrath auff dieſe Reiſe verſehen/ ſolt ihr ſie deßwegen doch
nicht einſtellen/ auch ſollet ihr nicht groſſen Vorrath mitnehmen/ ihr ſolt
doch reichlich verſorget werden/ Luc. 22/35. Jſt alles Sprichworts-weiſe zu-
verſtehen/ dann ſonſt dem Buchſtaben nach St. Paulus um ſein penu-
lam oder Reiß- und Regen-Mantel geſorget und geſchrieben 2. Tim. 4/13.
Haben heiſt hie wie die Geitzigen den Mammon haben/ welche mit dem
Hertzen dran hangen/ uñ ſorgen/ wodurch das Predigampt gehindert wird;
Aber zur Noth hatte Chriſtus ſelbſt Gold/ Beutel und Brodkoͤrbe. Lauf-
fet in den Schrancken nach dem Kleinod/ daß ihrs ergreiffet/
und vollendet eueren Lauff/ alles ἀυτομάτως auß eigenem Trieb und
froͤlichem Gemuͤth/ ungetrungen und ungezwungen/ dergleichen Chry ſo-
ſtomus von Paulo geruͤhmet/ ϰαϑάπερ πτηνός τις ὑϖὸ τῆς ἀγάπης γεννόμενος,
οὐδαμοῦ μένων, οὐ [...]ϛάμενος, er ſey als ein Vogel auß Liebe getrieben ſo ge-
ſchwind
[491]Predigt.
ſchwind geflogen/ nirgends geblieben noch ſtill geſeſſen. Ja es bedeutet
dieſes Wort auch alle terminos itineris oder Reißzihler/ terminum à
quo, per quem, ad quem, deß reiſigen Apoſtoliſchen Heeres Außgang/
Fort- und Durchgang.
Demnach in ſpecie. I. Ε᾽ϰπόϱειαν, den Außgang. Sie ſolten nicht
immer ſitzen und bleiben zu Jeruſalem/ auch nicht muͤſſig auff dem Marck
ſtehen/ wie jene zum Weinberg gedingte Arbeiter/ Matth. 20/3. Viel we-
niger auff dem Faulbette und in den Pflaumfedern liegen/ ſchnarchen und
ſchlaffen/ ſondern wacker und fertig außgehen/ von wannen? Leiblicher
Weiſe zwar auß Jeruſalem/ einer Sentina und Grundſuppe aller La-
ſter und Greuel/ nicht mehr Gottes ſondern deß Teuffels Stadt/ der bar-
bariſchen Propheten und Apoſtel-Moͤrderin/ deren kehret den Ruͤcken/
und ſchůttelt den Staub von eueren Fuͤſſen/ Matth. 10/14. Gehet
aber auch auß dem geiſtlichen Zion/ als dem ſchoͤnen Sonnen-Berge/ der
neugepflantzten Kirchen Chriſti in die finſtere Nacht-Haͤuſer/ dieſelbe zu-
erleuchten und zuſagen: Mache dich auff/ werde Liecht/ denn
dein Liecht kom̃t/ und die Herꝛligkeit deß HErꝛn gehet auff
uͤber dir/ deñ ſihe Finſternuͤß bedecket das Erdreich/ und Dun-
ckel die Voͤlcker/ aber uͤber dir gehet auff der HErꝛ/ und ſeine
Herꝛligkeit erſch einet uͤber dir/ Eſa. 60/ 1. ſeq. Auß Jeruſalem als
ihrer Mutter-Kirch/ Gal. 4/26. ins Exilium und Elend hinauß: gehet als
Frembdlinge und Wallbruͤder/ die den rechten Weg zum Himmelreich bah-
nen/ zeigen/ und von allerhand Jrꝛgaͤngen unterſcheiden/ demſelben viel
Buͤrger und Reichsgenoſſen zugewinnen: Woher ſie auch bißweilen zu-
ruͤck kommen/ und ihre Siege/ ſo ſie allenthalben erhalten/ mit Freuden
angezeigt/ gleichſam mit Triumph eingezogen/ ſonderlich St. Paulus/ dervide de Ro-
mana Ec-
cleſia
Chriſteid.
Act. 1. pag.
164. ſeqq.
von und zugangen und erzehlet/ was GOtt gethan unter den Heyden
durch ſein Ampt/ Actor. 21/19. Es gehet zwar hie der Mutter-Kirche zu
Jeruſalem/ mit der Stadt Rom oder Roͤmiſchen Kirche/ faſt wie es jener
Q q q 2rechten
[492]Die dreyzehende
rechten Mutter/ die vor dem Koͤnige Salomon mit einem andern Weibe
um die wahre Mutterſchafft geſtritten: Dieſe wil einiger Noth Mater \&
Magiſtra fidei heiſſen/ und auff ſolchen Titul hohe Majeſtaͤten und Ge-
rechtigkeit gruͤnden; aber das Schwerd deß Geiſtes hats bald außge-
macht: Das Jeruſalem das droben iſt/ das iſt/ das geiſtliche Jeruſalem/
welches in der leiblichen Stadt Jeruſalem von Chriſto und ſeinen Apo-
ſteln erbauet worden/ das iſt unſer aller Mutter/ ſchreibt St. Paulus.
Maſſen auch die heiligen Vaͤter und verſam̃leten Biſchoͤffe zu Conſtan-
tinopel den Roͤmiſchen fein artig auff das Brod geſtrichen/ da ſie (ſind
(*) Tom.
7. Witt. p.
525.Lutheri Wort (*)) die Kirche zu Jeruſalem nennen/ die Mutter
aller Kirchen/ Urſach/ da iſt Chriſtus der HERR ſelber Bi-
ſchoff geweſt/ und zum Wahrzeichen ſich ſelbſt am Creutz ge-
opffert fuͤr aller Welt Suͤnde; Daſelbſt iſt der heilige Geiſt
am Pfingſttage vom Himmel gegeben/ hernach alle Apoſtel
ſaͤmptlich (nicht allein Petrus/ davon ſich der Biſchoff zu
Rom ruͤhmet) die Kirchen regiert haben. Solcher Dingen
iſt gar keines zu Rom geſchehen/ damit vermahnen ſie ſaͤu-
berlich den Biſchoff zu Rom/ daß er bedencken ſolle/ es fehle
noch weit/ daß er nicht Biſchoff ſey zu Jeruſalem in der Mut-
ter-Kirchen/ ſondern ſeine Kirche zu Rom ſey eine Tochter-
Kirche/ als die nicht habe Chriſtum gehabt/ noch die Apoſtel/
oder Jeruſalem zum Glauben bracht/ ſondern er ſey mit ſei-
ner Kirchen durch jene zum Glauben bracht: Wie St. Pau-
lus die Corinther auch eben damit demuͤtiget/ daß von ihnen
das Evangelium nicht kommen/ ſondern von andern zu ih-
nen kommen ſey. Bißher Luth. Flieget auß dem ὑϖ εϱώῳ oder Tauv-
hauß/ dem Soͤller/ auff welchem ſie verſamlet geweſt/ und von dem Heil.
Geiſt als einer Brut-Tauben außgebruͤtet worden/ ſie ſolten Tauben-Art
an ſich haben/ ſeyd ohne falſch wie die Tauben/ ſagt Chriſtus zu
ihnen Matth. 10/16. Thut euere tapffere Kriegs-Zuͤge auß dem Zeughau-
ſe. Jſt geſchehen/ da ſie mit der Krafft auß der Hoͤhe angezogen/ außgeruͤ-
ſtet/ außſtaffiret/ feſt geſtiefelt und wol gewaffnet ſich ins weite breite groſſe
Welt-Feld gelagert/ und in ſolcher poſitur und figur dem Propheten Da-
vid im Geiſt erſchienen/ Pſ. 68/12. ſeqq.Der HErꝛgibt das Wort
mit groſſen Schaaren der Evangeliſten/ die Koͤnige der Heer-
ſchaaren ſind untereinander Freunde/ und die Hauß-Ehre
theilet den Raub auß/ wenn ihr zu Felde ligt/ ſo glaͤntz ets als
der Tauben-Fluͤgel/ die wie Silber und Gold ſchimmern/
wenn
[493]Predigt.
wenn der Allmaͤchtige hin und wieder unter ihnen Koͤnige
ſetzt/ ſo wird es helle/ wo es dunckel iſt/ und wie es D. Cornel. Be-
cker in Reimen geſetzt:
Man ſiht vom Stamme BenjaminEin Fuͤrſten klein erhaben/Mit ihm die Fuͤrſten NaphtalimVnd Sebulon dich loben/Vom Stamm Juda ein HauffFuͤrſten folgen drauff/Vnd andere vielmehr/Durchs Apoſtoliſch HeerDer HErꝛ ſein Reich auffrichtet.
(Lutherus ad hæc verba Tom. 3. Witt. p. 15. ita ſcribit: Er ſpricht/ mit groſ-
ſen Heerſchaaren/ das nicht ein ſchlechter Hauff/ ſondern Heerſchaaren ſind zum
Streit geruͤſtet und verordnet/ da zeigt er an/ wie das Wort Gottes nicht Fried/
ſondern Vnfried mache auff Erden/ wie auch Chriſtus ſagt: Jch bin nicht kom-
men Friede zu bringen auff Erden/ ſondern das Schwert. Auch daß deß neuen
Teſtaments reiſiger Zeug und Streit nicht ſol weltlich/ ſondern geiſtlich ſeyn/
nicht mit Eiſen und Harniſch/ Roß und Mann/ ſondern allein mit dem Wort
Gottes ſtreiten/ wie St. Paulus 2. Cor. 10. ſagt. Die Koͤnige dieſer Heerſchaa-
ren ſind die Apoſtel/ fuͤr der Welt angeſehen fuͤr arme Knechte/ aber fuͤr GOtt
groſſe Koͤnige/ denn ſie ſind/ die alle Welt bekehret haben/ ein jeglicher an ſeinem
Ort ſein Heer zu Chriſto bracht. Dieſelbigen Koͤnige ſind einmuͤtig und freund-
lich geweſen/ haben ſich lieb gehabt/ einerley gepredigt/ nemlich den Glauben/ wie
das Evangelium gibt/ darum haben ſie viel Frucht geſchaffet. Et ibid. f. 2. Die
Fittige der Voͤgel bedeuten Prediger oder Predigt/ wie das außweiſen die Cheru-
bim an der Arca. Denn das Wort Gottes/ wie der 147. Pſalm ſagt/ laͤufft ſchnell/
ja fleucht und ſchwebt uͤber uns/ die Taube iſt auch die Kirche/ die fleugt wenn ſie
predigt/ die ſind denn uͤberſilbert/ wenn ſie die reine Schrifft und Wort Gottes
prediget/ welches wird Pſalm 12. und Eſai. 1. Silber genennet. Aber wenn Men-
ſchen-Lehre irre fliegen/ das ſind Fledermaͤuſe-Fluͤgel/ wie ſie Eſai. 2. nennet/ mit
Schlam und Stanck uͤberzogen/ oder ſind ſchwartze Raben-Fittige. Die Silber-
Fittige aber bedeuten die Lehre deß Glaubens: Aber die Ruͤckfluͤgel Goldfarbe/ ſind
die Lehre der Liebe. Denn das gantze Evangelium lehret nicht mehr/ denn glau-
ben an GOtt/ und lieben den Naͤchſten/ drum nennet er die Fittige/ die ſich von
dem Leibe außbreiten uͤberſilbert/ und die Fluͤgel die auff den Ruͤcken ſich enden
zum Leibe werts/ goldfaͤrbig/ denn die Liebe traͤgt alle Dinge/ und nahet ſich zum
Leibe/ das iſt/ zu unſerm Naͤchſten; Aber der Glaube ſtreckt uns von ſich zu Gott.
Hæc Luth.
Ja gehen auß Salomons Friedensburg/ als Frieden-Herolde/ die den
Frieden Gottes/ der hoͤher iſt als alle Vernunfft/ außblaſen/ und das Jubel-
Jahr verkuͤndigen. Ε᾽ξελθόντες ſchreibt der Evangeliſt Marcus/ ſie giengen
Q q q 3auß/
[494]Die dreyzehende
auß/ verſtehe/ der Stadt Jeruſalem/ da ſie bißher geſeſſen und gewartet
auff den Anzug der Krafft auß der Hoͤhe/ und ſichtbarlichen Sendung deß
heiligen Geiſtes/ nachdem ſie alſo mit Goͤttlicher Krafft bekleidet/ mit dem
geiſtlichen Reiß- und Wettermantel der Chariſmatum uñ Gaben deß hei-
ligen Geiſtes wol verſehen/ außſtaffirt und außgeruͤſtet/ feſt geſtieffelt und
gewaffnet.
Chryſoſtomus in cap. 16. Rom. eleganti ſimili rem declarat:
Sonderlich aber wird von dem HErꝛn geſehen auff den recht gewiſſen/
und gewiſſenhafften Gang und Tritt/ gehet/ aber nicht in der Jrre/ wie die
Jrꝛwiſche und Fladdergeiſter; Gehet nach der rechten Regul deß Glau-
bens und der Liebe/ gehet recht in der Ordnung/ hincket nicht auff beyden
Seiten/ wandelt richtig nach der Warheit deß Evangelii/ Ga-
lat. 2/14. Gehet wie der Seildantzer im Gewicht/ weichet nicht auß weder
zur rechten noch zur lincken.
Und iſt ſolcher Außgang geſchehen alsbald nach der Himmelfahrt
Chriſti/ ſie aber giengen auß ꝛc.Marc. 16. ult. Nachdem allbereit das
Feld ſchon reiff und weiß worden zu voͤlliger geiſtlicher Erndte Joh. 4/35.
ſo war es Zeit die Sichel anzuſchlagen. Daher als St. Paulus gen Je-
ruſalem hinauff gezogen/ Petrum zubeſchauen und zubegruͤſſen/ er da-
ſelbſt kein andern Apoſtel angetroffen/ als bemeldten Petrum und Jaco-
bum/ Urſach/ die andern waren allbereit ein jeder in ſeiner Erndte und
Confer
Chriſteid.
Act. 1. pag.
99. ſeqq.Acker-Feld bemuͤhet/ wohin ihn der Finger Gottes deß H. Geiſtes geleitet
und gefuͤhret. Daß Petrus etliche Jahr hernach Bedencken getragen/ mit
Cornelio dem unbeſchnittenen Roͤm. Hauptmann zu converſiren/ und
Gemeinſchafft zu haben/ das hindert nicht die Begierde den Chriſtlichen
Glauben unter den Heyden zu pflantzen: Dann ja auch die Phariſeer
eben ſo Katzenrein geweſt/ daß ſie nicht gern viel mit den Heyden zuthun
gehabt/ dennoch Waſſer und Land umzogen/ einen und andern Juden-
genoſſen zu machen. Sonſt wird auch St. Petro ſchlechte Ehre angethan/
wann man auß ihm dem Apoſtel und verordneten Laͤuffer/ einen Seden-
tarium und Stillſitzer macht in dem Pabſtum/ ſeine fuͤnff und zwantzig-
jaͤhrige Reſidentz zu Rom hoch preiſen/ und weiß nicht was darauß er-
weiſen wollen: Es wird ihm aber eben damit die groͤßte Unehre ange-
than/ und erzu einem untreuen/ ungehorſamen faulen Diener Chriſti ge-
macht/
[495]Predigt.
macht/ als welcher ihn nicht heiſſen reſidiren/ ſondern in die Welt hinauß
gehen/ lauffen und rennen. (*) Von St. Johanne iſt offenbar auß ſeiner(*) Luth.
Tom. 7.
Witt. p. 167
\& ſeqq.
Offenbarung/ daß er nicht allezeit an einem Ort/ zu Epheſo oder anders-
wo geſeſſen/ ſondern (Apoc. 10/11.) Er hat geweiſſaget/ den Voͤl-
ckern/ Heiden und Sprachen/ und vielen Koͤnigen.
Es deutet der Herꝛ auch II. offt auff Διαπόϱευσιν, den gefaͤhrlichen und
beſchwerlichen Durch- und Fortgang. Der Weg iſt hart/ rauch/ voll ſtache-
lichten Dornen und gewetzten ſpitzigen Meſſern belegt und beſteckt/ mit
Drachen und Schlangen behengt: Es iſt außgemacht/ mein Creutzweg
euer Creutzweg/ man muß durch viel Truͤbſal ins Him̃elreich gehen. Da
ſehet zu/ daß ihr feſt gehet/ durch duͤnne und dicke/ durch Strauch und He-
cken/ durch Dorn und Diſteln unerſchrocken trettet/ ihr habt die Verheiſ-
ſung Pſ. 91/13. Auff den Loͤwen und Ottern wirſtu gehen/ und
tretten auff die jungen Loͤwen und Drachen. Unbeſchworne
Schlangen ſind boͤſe Schlangen: Verleumbder/ Affterredende/ Laͤſter-Zun-
gen ſind ſolche Schlangen; Loͤwen ſind ſtarcke grimmige und blutduͤrſtige
Thiere/ ſolche ſind die Tyrañen; Otter und Ottergezuͤchte ſind die Bruͤder
der Phariſeer und Saduceer. Jn allen Dingen beweiſet euch als
die Diener Gottes/ in groſſer Gedult/ in Truͤbſalen/ in Noͤ-
then/ in Aengſten/ in Schlaͤgen/ in Gefaͤngnuͤſſen/ in Auff-
ruhren/ in Arbeit/ in Wachen/ in Faſten/ in Keuſchheit/ in Er-
kaͤntnuͤß/ in Langmuth/ in Freundligkeit/ in dem H. Geiſt/
in ungefaͤrbter Liebe/ in dem Wort der Warheit/ in der Krafft
Gottes/ durch Waffen der Gerechtigkeit/ zur Rechten und zur
Lincken/ durch Ehreu. Schande/ durch boͤſe Gerůchte u. gut
Geruͤchte/ als die Verfuͤhrer uñ doch warhafftig/ als die Unbe-
kandten/ und doch bekant/ als die Sterbenden/ und ſihe wir le-
ben/ als die Gezuͤchtigten/ uñ doch nicht ertoͤdtet/ als die Trau-
rigen/ aber allezeit froͤlich/ als die Armen/ aber die doch viel
reich machen/ als die nichts inne haben/ und doch alles haben/
2. Cor. 6/4. ſeqq.Deßgleichen iſt der Weg euers Beruffs ein
Unweg/ ein wuͤſter/ wilder/ ſumpffiger/ bodenloſer Weg/
allenthalben beſchloſſen/ und mit Stoͤcken und Bloͤcken ver-
ſchlagen/ faſt wie der Weg durchs rothe Meer. GleichwieEſt ſimile
D. Luth.
Tom. 6.
7. Jen. p. 63.
f. 2.
die Kiuder Jſrael am rothen Meer fuͤr der weiten wilden Fluth erſchra-
cken/ da ſie hoͤreten/ daß ſie ſonſt nirgend uͤber kunten/ und entweder dahin-
durch gehen muſten/ oder in der Feinde Haͤnde bleiben/ daß ſie auch moch-
ten ſagen: Sol das ein Weg heiſſen auß dem Tode und Gefaͤngnuͤß/ da
wir
[496]Die dreyzehende
wir allenthalben beſchloſſen ſind/ zu beyden Seiten mit groſſem Gebuͤrge/
und vor uns mit eitel Woge und Waſſer? Ja wann wir Voͤgel oder Fi-
ſche waͤren/ daß wir oben hinuͤber fliegen/ oder durchs Meer ſchwimmen
koͤnten. Noch muſte allda ein Weg werden/ um des Worts Gottes wil-
len/ und das Meer ſich von einander thun/ und ſie laſſen trocken hin-
durch gehen. Alſo auch allhie lauter Abwege/ Unwege/ Holtzwege und
Jrꝛwege; Noch muß man durch. Chriſtus der HErꝛ wil ſelbſt pflaͤ-
ſtern und bahnen/ Weg machen und Weg ſeyn/ Joh. 14. ſagt er: Jch
bin der Weg ꝛc. machet damit auß dem Unweg/ ja auß dem Verder-
ben einen Weg und Bruͤcke/ daß der Menſch friſch und ungezweiffelt auff
ihn tretten/ und durch ihn hindurch kommen ſoll.
Gleich als die Juden (ſic optimè Lutherus interpretatur Joh. 14. Tom. 7.
Jen. p. 64. f. 2.) da das Meer ſich auffgethan hatte/ und ihnen einen Weg machet/
daß ſie jetzt darin ſtuͤnden/ und das Waſſer zu beyden Seiten hoch uͤber ihren
Koͤpffen ſahen ſtehen/ haben ſie wol moͤgen dencken/ Ey was haben wir gethan?
Sind wir nicht die groͤſſeſten Narren/ daß wir uns laſſen in dieſe wilde Fluth?
Sehen wir doch/ daß hie das Waſſer uns auff dem Halſe ligt/ wie? wann es jetzt
uͤber uns zuſammen ſchluͤge/ und alle diß Augenblicks erſaͤuffte? Wie bald her-
nach dem Koͤnige Pharao mit alle ſeinem Heer geſchach. Vnd waͤre ihnen auch
alſo gangen/ wann ſie ſolchen Gedancken gefolget haͤtten/ und ſich den Zweiffel
und Vnglauben uͤberwinden laſſen/ daß ſie entweder waͤren irre worden/ und zu-
ruͤcke unter die Feinde gelauffen/ oder waͤre ihnen ſo Angſt worden/ daß ſie ſelbſt
uͤber einander gefallen/ und alſo doch im Waſſer verdorben waͤren/ wie hernach
ihrer vielen in der Wuͤſten wiederfuhr/ da ſie murreten und verzweiffelten hin-
durch zukommen/ und wieder zuruͤck in Egypten begehrten. Aber weil ſie dazu-
mal den Weg durch das Meer nach Gottes Wort annahmen/ und alſo darauff
fortfuhren/ und nicht zweiffelten/ da muſte das Waſſer ſtill ſtehen/ und nicht ein
Troͤpfflein fallen/ und ſie trocken hindurch gehen laſſen; Ob wol ſonſt kein Grund/
und aller Vernunfft nach ein faͤhrlicher/ unwegſamer Gang war. Alſo auch ihr
(wil Chriſtus ſagen) wenn ihr mich durch den Glauben ergriffen habt/ ſo ſeyd
ihr auff dem rechten Wege/ der euch gewiß iſt und nicht verfuͤhret. Aber ſehet
allein zu/ daß ihr darauff bleibet und fortfahret/ denn es wird euch gar mancher-
ley Anſtoß und Hindernuͤß begegnen/ beyde zur rechten und lincken Selten. Dar-
um muͤſt ihr geruͤſt ſeyn/ daß ihr feſt an mir haltet/ und euch nichts laſſet aufech-
ten/ und euch grauſams oder ſchroͤckliches fuͤr Augen kom̃t/ ſo euch von mir wil ab-
ſchrecken; oder mit ſchoͤnem Schein zur Seiten außreitzen uñ locken wil/ und wiſ-
ſen/ daß ſolches eitel Luͤgen und Betrug deß Teuffels iſt/ dadurch er euch ins
Verderben fuͤhret. Jch aber wil euch gewiß ſeyn/ und durch dieſes weite Meer/ auß
dem Tod in das ewige Leben/ auß der Welt und Teuffels-Reich zum Vater bringen.
Darum will ich nicht allein ſelbſt der Weg/ ſondern auch die Warheit und das
Leben ſein und heiſſen. Hæc Luth.
Der Herr meinet auch
III. Ε᾽μπόρευσιν, den erwuͤnſchten Eingang/ nach eroͤffneten
Porten und freundlichem Auffnehmen deren/ die Chriſtus der Herr
nennet
[497]Predigt.
neñet Kinder deß Friedens/ wovon ſeine deß HErꝛn Inſtruction alſo
lautet: Wo ihr in ein Hauß gehet/ ſo gruͤſſet daſſelbe/ Matth.
10/12. begreiffet hierin zween unterſchiedliche bedenckliche Terminos, der
eine heiſt Wo/ der ander So. Mit dem Woͤrtlein Wo deutet er auff
einen Ort/ Wohnung und Hauß/ und zwar fuͤrnemlich auff ein Juͤdi-
ſches Hauß/ ein Juͤdiſchen Schaaffſtall/ in dem die Verlohrne auß dem
Hauſe Jſrael ſich enthalten. Die Haͤuſer und Staͤdte der Heyden/ der
Samariter waren zwar nicht außgeſchloſſen; Sintemal die zwoͤlff heili-
ge Boten ja freylich nach der Himmelfahrt Chriſti in die Thurnhaͤuſer
deß Sathans/ in die Spittaͤhle und Lazarethen der Heyden hinauß wan-
dern muſten/ daſelbſt pflantzen und bauen/ das Reich ihres HErꝛn und
Koͤnigs Chriſti erweitern: Aber damal als der HErꝛ angezogenen Gruß
befohlen/ war es noch nicht Zeit/ es ſolte zuvor die zerfallene Huͤtten
Sems wiederum auffgerichtet/ es ſolten die bekehrten Juͤden ſelber Apo-
ſtel und Lockvoͤgel werden; Die Japhiten zu der Huͤtten Sems wiederum
zu bringen/ und auß Juden und Heyden ein Hauß Gottes zu bereiten und
zu erhauen; doch daß vorermeldtes Hauß ein Grußwerthes Gaſthauß ſey:
Wo ihr/ ſpricht der Herr ferner/ in eine Stadt oder Marckt ge-
het/ da erkundiget euch/ ob jemand darinnen ſey/ der es
werth iſt: Ob daſſelbe Hauß werth oder tuͤchtig ſey/ er ſaget nicht/
wo ihr in einen Schwein- oder Hundsſtall kommet/ da das Heiligthum
und die Perlen freventlich zertretten werden/ ſondern wo ihr in ein Hauß
kommet/ da man euch zu bewuͤrthen begehret/ wo geiſtlich Arme/ geiſtlich
hungerige und durſtige Seelen fuͤrhanden/ die ſich fuͤr unwerth halten/
und dem Hauptmann zu Capernaum nachſprechen/ HErꝛ ich bin nicht
werth/ daß du unter mein Dach geheſt; Die da eilen mit Zachæo Chri-
ſtum in ſeinem Wort mit Freuden auffzunehmen/ die Thuͤr und Thore
oͤffnen/ daß der Koͤnig der Ehren einziehe/ und mit der andaͤchtigen Lydia
der Purpurkraͤmerin die Friedens. Boten einladen/ und ſagen: Kom-
met in mein Hauß und bleibet allda. Wann ſie dann ein ſolches
Hauß antreffen wuͤrden/ was ſollen ſie da machen? Sollen ſie als Gro-
bianer und Sauertoͤpffe unhoͤfflich und unbeſcheiden mit der Thuͤr zur
Stuben hinein fallen? Nein! Sondern So weihet daſſelbe Hauß mit
euerem Segen-Gruß/ gruͤſſet daſſelbe zuforderſt innerlich im Hertzen/
gleichwie der HErꝛ/ da er ſeine Juͤnger mit dem edelſten und ſuͤſſeſten Kuß
Gottes/ dem Heil. Geiſt anhauchend gegruͤſſet/ denſelben auß dem tieff ſten
Abgrund ſeines liebreichen Hertzens außgeblaſen; Alſo muß auch der
Gruß auß liebflammenden Hertzen zu Hertzen gehen/ auß hertzlicher Affe-
Achter Theil. R r rction
[498]Die dreyzehende
ction, Hertzens Mitleiden und Wunſch. Bringet aber auch ein Real-
Segen mit/ gleich wie der Prophetiſche Segen der H. Patriarchen im Al-
ten Teſtament kein bloſer ohnmaͤchtiger Lufftſchall geweſen; Sondern
was ſie gewuͤnſcht/ das iſt auch wuͤrcklich gemacht und wahr worden:
Chriſtus haucht nicht bloß ſeine Juͤnger an/ braucht nicht bloſe Wort/
ſondern verehrt dieſelben zugleich mit der hoͤchſten Gabe uͤber alle Gaben/
dem H. Geiſt; Alſo ſolten auch ſeine Juͤnger nicht mit leeren Haͤnden an-
kommen/ ſondern mit einem fruchtbaren Gnadtrieffenden und Segen-
reichem Gaſt-Gruß obermeltes Hauß begaben. Werbet an ſolchem Ort/
als ἔμποϱοι und Kauffleuthe/ und laſt das Wort Gottes Frucht bringen:
Der HErꝛ verſiegelts mit einem Amen/ und ſagt: Warlich ich ſage
euch/ ſo ein Land oder Stadt dieſen edlen Gaſt den Frieden
nicht hoͤren noch annehmen wil/ ſo wirds dem Lande der So-
domer und Gomorrer ertraͤglicher ergehen am juͤngſten
Gericht/ dann ſolcher Stadt;Conſequenter im Gegentheil/ ſo
ein Stadt dieſen edlen Gaſt bewirthen und annehmen wird/ ſol es derſel-
ben wuͤrcklich und thaͤtig auch wolgehen/ es ſol ein Tempel und Hauß deß
Friedens werden/ in ſicherer Wohnung und ſtoltzer Ruhe/ Amen!
IV. Πϱοπόϱευσιν, den ſo wol exemplariſchen Vorgang/ ohne
Aergernuͤß in Lehr und Leben. Gehet vorher und weiſet den Weg zu dem
Jeruſalem das droben iſt/ da aller Chriſten πολίτευμα und Erbgut beyge-
legt. Eſai. 60/4. ſeq.Hebe deine Augen auff und ſihe um her/
dieſe alle verſamlet kommen zu dir/ deine Soͤhne werden von
ferne kommen/ und deine Toͤchter zur Seiten erzogen wer-
den/ denn wirſtu deine Luſt ſehen und außbrechen/ und dein
Hertz wird ſich wundern und außbreiten/ wenn ſich die Men-
ge am Meer zu dir bekehret/ und die Macht der Heyden zu
dir kom̃t: Denn die Menge der Camelen wird dich bede-
cken/ die Laͤuffer auß Midian und Epha/ ſie werden auß Sa-
ba alle kom̃en/ Gold und Weyrauch bringen und deß HErꝛn
Lob verkuͤndigen: Alle Heerde in Kedar ſollen zu dir verſam-
let werden/ und die Boͤcke Nebajoth ſollen dir dienen/ ſie ſol-
len auff meinem angenehmen Altar geopffert werden/ denn
ich will das Hauß meiner Herꝛligkeit zieren. Den froͤlichen
Vorſprung vor dem HErꝛn dem Meſſia/ wie Johannes der
Taͤuffer dazu erkohren/ daß er ſolte fuͤr dem HErꝛn hergehen/ und
ihme den Weg bereiten/ Luc. 1/76. Alſo ſolten alle Juͤnger in der
Welt
[499]Predigt.
Welt fuͤrher lauffen/ die Zukunfft deß Reichs Chriſti intimiren und an-
melden/ auff daß er Thuͤr und Thor offen finde.
Was ihnen nun der HERR auffgetragen/ das haben ſie ohne
Zweiffel auch werckſtellig gemacht/ die aufferlegte ſchwere Commiſſion
nicht gewegert oder gewidert/ ſondern mit Heroiſchen Muth/ freudigem
und froͤlichem Hertzen auff ſich genommen/ und wuͤrcklich vollzogen. Un-
angeſehen/ daß ihnen unverborgen geweſen/ wie uͤbel ſie uͤber dieſer Com-
miſſion von der Welt empfangen und tractirt ſolten werden/ und daß
ihnen Leib und Leben darauff gehen werde. Dann es bliebe bey ihnen un-
vergeſſen/ was Chriſtus Matth. 10. zu ihnen geſagt hatte: Jhr werdet
bey allen Menſchen verhaſſet ſeyn um meines Nahmens wil-
len. Jtem Joh. 16. Es kom̃t die Zeit/ daß ein jeder/ der euch
toͤdtet/ der wird meinen/ er thue GOtt einen Dienſt daran.
Jtem/ Der Knecht iſt nicht groͤſſer denn ſein HErꝛ/ haben ſie
mich verfolget/ ſo werden ſie euch auch verfolgen. Als dem
Propheten Jonas befohlen war/ nur in die einige Stadt Ninive zuziehen/Jon. 1.
und daſelbſten eine Buß-Predigt zuthun/ grauſet ihm dafuͤr/ macht ſich
auff und wird fluͤchtig. Moſes wird zum Wuͤterich Pharao geſchickt inExod. 3. \&
4.
Egyptenland/ wie ſpreitzet und ſperret er ſich doch wider dieſe Sendung?
Wie hefftig entſchuldiget er ſich? Der H. Prophet Jeremias wolte auchJerem. 1. c
lange nicht daran/ und an die Ort und Ende reiſen/ dahin ergeſchickt war/
wendet zu ſeiner Entſchuldigung fuͤr/ er waͤre ein Kind/ und koͤnte nicht re-
den. Allen dieſen dreyen ſchlotterte das Hertz/ und ſchauret die Haut uͤber
den anbefohlenen Reiſen. Unſere Apoſtel aber tragen ihres aufferlegten
Ampts gar kein Scheuen/ ungeacht/ daß ihnen nicht nur eine Stadt/ Land
oder Volck benennet wird/ dahin ſie gehen ſolten/ ſondern der gantze Um-
kreyß des Erdbodens/ und alle Voͤlcker und Menſchliche Creaturen: Ge-
het hin/ ſpricht Chriſtus/ in alle Welt/ und lehret alle Voͤlcker/Matth. 28.
Marc. 16.
und prediget das Evangelium allen Creaturen. Kein Ort iſt ſo
wild/ kein Volck ſo grob und barbariſch/ kein Tyrann ſo entſetzlich/ dahin
die Apoſtel nicht mit Freuden ziehen. Ehe ſie deß H. Geiſtes Staͤrcke am
Pfingſttage von oben herab empfingen/ waren ſie ja furchtſame Taͤub-
lein/ verſperreten und verriegelten ſich vor den Juden/ und furchten ſich
fuͤr einem jeden rauſchenden Blatt. Aber darnach und heute haben ſie lau-
ler Loͤwen-Hertzen/ fuͤrchten ſich vor niemand/ entſetzen ſich uͤber keiner Ge-
fahr/ erſchrecken uͤber keiner Pein und Marter. St. Bartholomæus laͤſ-
ſet ſich lebendig ſchinden/ St. Jacobus der groͤſſere enthaupten/ St. Jacob
der kleinere von der Hoͤhe herunter ſtuͤrtzen/ und mit einer Ferberſtangen
R r r 2ſein
[500]Die dreyzehende
ſein Hirn einſchlagen/ St. Matthæus laͤſt ſich am Altar erſtechen/ St.
Johannes in ein Keſſel voll heiſſes Oel ſetzen/ St. Petrus/ Andreas und
Philippus creutzigen/ und alſo ſort an. Sie gingen froͤlicher in Tod/ we-
der andere auff ein koͤſtliches Bancket/ Wolleben oder Hochzeit. Sie
Rom. 8.ſprachen mit St. Paulo: Wer wil uns ſcheiden von der Liebe
Gottes/ Truͤbſal oder Angſt? Hunger oder Bloͤſſe? Faͤhrlig-
Pſalm. 69.keit/ Verfolgung oder Schwerd? Wie geſchrieben ſtehet:
Um deinet willen werden wir getoͤdtet den gantzen Tag/ wir
werden geachtet wie Schlachtſchaaffe.
So ſeyd nun dieſer H. Boten Nachfolger/ trettet in ihre Fußſtapffen/
geſtalt St. Paulus vermahnet/ und ſich zum Exemplar vorſtellet 1. Cor. 4/
16. Jch ermahne euch/ ſeyd meine Nachfolger (wie Timotheus)
und Phil. 3/ 17. Folget mir lieben Bruͤder/ und ſehet auff die/
die alſo wandlen/ wie ihr uns habt zum Fuͤrbilde. Jhr zwar
zuforderſt/ die ihr euch der Succeſſion ruͤhmet/ und wollet der Apoſtel war-
hafftige Juͤnger ſeyn und heiſſen. Euch iſt zwar nicht (gleicher Weiſe wie
den heiligen Apoſteln) auffgetragen/ in die weite Welt euch hinauß zu wa-
gen/ und euren Sprengel/ Weichbild oder Heerd mit dem Ruͤcken anzu-
ſehen/ doch iſt euch das Ite befohlen/ Gehet! liegen/ ſchlaffen oder ſchlum-
mern/ deßgleichen ſitzen oder muͤſſig ſtehen/ laͤſt euch euer Beruff nicht zu/
wann ihr ihn recht bedencket.
Es iſt zwar annehmlicher und ruhiger/ daheim ſitzen in patriâ, im
Vaterland/ ein jeder Hahn iſt Meiſter auff ſeinem Miſt: wann aber ent-
weders Beruff oder Noch fuͤrhanden/ daß die Befoͤrderungen nicht
ſchleunig von ſtatten gehen/ wann der Schnitter mehr fuͤrhanden/ als die
Erndte bedarff/ und die Menge der Ex pectanten ſo groß/ daß man nicht
einem jeden helffen kan/ da heiſts/ ite, gehet hinauß! Lehret euch nicht das
die Natur an den Jmmen oder Bienen/ die zu gewiſſen Zeiten ihre Exa-
mina und Außmuſterungen halten? Bevorab weil das Sprichwort
noch heutiges Tages guͤltig und wahr/ daß kein Prophet an genehm
ſey in ſeinem Vaterlande. Drauſſen wird man beſſer im Creutz
geuͤbet/ gepantzerfegt und polirt/ daheim wird das Eiſen roſtig. Jonas wird
ein beſſerer Theologus im Wallfiſche/ als er in ſeiner Heimath worden
waͤre. Lauffet aber nicht vor dem Beruff/ um den Beruff/ zu dem Be-
ruff/ in den Beruff/ wie die Geſellen/ die da heiſſen/ currebant \& non mit-
tebam eos: Seinen Dienſt der Kirchen in genere, ohne gewiſſe Ziel/
Zeit und Ort anmelden/ und der Goͤttlichen Ordnung ſich laſſen und er-
geben/ iſt nicht unrecht; Aber um eine und andere gewiſſe vacirende
Stelle/
[501]Predigt.
Stelle/ offtmal per caſus obliquos, werben/ ſich ſelbſt obtrudiren oder
einbetteln/ und/ daß es nicht um die Schaaffe/ ſondern um die Wolle zuthun
ſey/ gnugſam zu erkennen geben/ das kan nimmermehr juſtificirt und ge-
lobet werden: wie auch die jenige Springer recht verdrießliche Leute ſeyn/
denen kein Sattel gerecht/ immer von einem Orth zum andern blitzen/ oder
blitzen wollen und nichts leiden. Dringt dich der Beruff nicht frembde
Kirchendienſt anzunehmen/ ſo iſt noch ein anderer Gang/ der allen Chri-
ſten (ſonderlich Dienern deß Worts) wol anſtehet/ (davon Lutherus ſchreibt
uͤber den 68. Pſalm (*)) Morenland wird mit ſeinen Haͤnden(*) Tom. 3.
Witt. p. 22.
f. 2.
Confer
Tiſchreden
p. 304. von
der rechten
Chriſtlichẽ
Wahlfart.
lauffen zu GOtt/ das iſt/ ſie werden nicht uͤber Feld lauffen/
deñ Chriſtus iſt an allen Oertern/ ſondern bleiben in ihrem
Lande/ und doch zu GOtt lauffen mit der That und Leben/
das ſind ihre Haͤnde: Gleichwie die Botſchafften auß Egypten nicht
uͤber Feld lauffeten/ ſondern auß Egypten erleſen/ und drinnen Gottes
Boten ſind. Denn wer da lehret/ hie oder da iſt Chriſtus/ der iſt ein Ver-
fuͤhrer/ Matth. 24. Daß alſo das Kommen und Lauffen geiſtlich ſey/ wie
Chriſtus Matth. 8. ſagt: Viel werden kommen vom Auffgang
und Niedergang/ zu ſitzen im Reich Gottes mit Abraham/
Jſaac und Jacob ꝛc. Denn zu GOtt kom̃t man mit dem Geiſt/ und
durch die Haͤnde/ das iſt/ nicht mit der Zungen und Worten/ ſondern mit
der That und Warheit.)
Koͤnt ihr nicht hinauß zu frembden Voͤlckern zu Fuß gehen/ und ihnen
das Reich Gottes entgegen tragen/ ſo laſt euch hinauß fuͤhren auff papier-Confer
Theol.
conſc.
part. 2.
dial. 1. p.
389.
nen Waͤgen/ das iſt/ Schrifften und Buͤcher/ welches Mittel der all-
weiſe GOtt dem letſten Welt-Abend vermitelſt der Truckerey gegoͤnnet/
den Apoſtoliſchen Fußlauff damit zu compenſiren und zu er ſetzen.
Wann ihr aber gehen wollet/ ſo gehet recht nach der Regul herein/
gehet und fladert nicht/ gehet und dringet durch alle Hindernuͤß hindurch/
der Satan wird euch allenthalben Stuͤhle und Baͤncke/ Stoͤcke und Stei-
ne in Weg werffen/ die Elymaſiten werden widerſtehen/ und die richtige
Wege deß Herꝛn abwenden: Tu contrà audentior ito! Nur deſto hertz-
haffter drauff getretten/ in der Krafft deſſen/ der euch zu ſolchem Werck und
Geſchaͤffte beruffen. Gehet oder kehret ein/ aber nicht wie die Schleicher
ohne Beruff/ nicht wie Moͤrder und Diebe/ die nicht zur rechten Thuͤre
eingehen/ ſondern oben im Dach einſteigen/ auff daß ihr auch als treue
Knechte zu euers HErꝛn Freude eingehet. Leuchtet auch euern Zuhoͤrern
nicht allein mit heilſamer Lehre/ als Liechter der Welt/ nicht als Finſterlin-
ge und Blindlinge/ die ſich ſelbſt und andere in die Grube ſtuͤrtzen/ ſondern
R r r 3auch
[502]Die dreyzehende
auch mit gutem Exempel vor/ bedenckt welch ein Muͤhlſtein-ſchwere Suͤn-
de ſey das Aergernuͤß. O wie lieblich ſind ſolche Fuͤſſe derer Bo-
ten/ die da Friede verkuͤndigen/ guts predigen/ Heil verkuͤn-
digen/ die da ſagen zu Zion/ dein GOtt iſt Koͤnig! Eſa. 52/ 7.
Die durch das Jammerthal gehen/ und machen daſelbſt
Brunnen/ und die Lehrer werden mit viel Segen geſchmuͤckt/
ſie erhalten einen Sieg nach dem andern/ daß man ſehen
muß/ der rechte GOtt ſey zu Zion/ Pſ. 84/ 7. ſeq.
Wie ſchoͤn lautet die ſequentz und obſequentz/ wann im Gegentheil
auch getreue Lehrer und Prediger von ihren Zuhoͤrern ruͤhmen/ ſagen und
ſchreiben koͤnnen/ wie Paulus von denen zu Theſſalonich 1. Theſſ. 1/ 6. ſeq.
Jhr ſeyd unſer Nachfolger worden/ und deß HErꝛn/ und
habt das Wort auffgenommen unter vielen Truͤbſalen/ mit
Freuden im heiligen Geiſt/ alſo daß ihr worden ſeyd ein Fůr-
bild allen Glaubigen. Und wiederum 1. Theſſ. 2/ 13. Da ihr em-
pfinget von uns das Wort Goͤttlicher Predigt/ nahmet ihrs
auff nicht als Menſchen Wort/ ſondern (wie es denn war-
hafftig iſt) als Gottes Wort/ welcher auch wuͤrcket in euch/
die ihr glaubet/ denn ihr ſeyd Nachfolger worden/ lieben Bruͤ-
(*) vid.
Luth.
Tom. 9.
Witt. p.
505.
Matth. 10.der der Gemeine Gottes in Chriſto JEſu. Wer euch auff-
nimmet/ ſagt Chriſtus/ der nimmet mich auff/ und wer mich
aufnimt/ der nimt den auff/ der mich geſand hat. Hilff Gott/
(*) wie ein groſſer ſeliger Herꝛ iſt der/ der Gottes Wort gern
hoͤret und lieſet/ daß er ſolche groſſe herꝛliche Gaͤſte ſtets bey
ſich hat/ als den Vater/ Sohn und H. Geiſt. O verfluchter
Unglaube/ O elende Welt/ daß du ſolche Gaͤſte verachteſt/
ja verfolgeſt/ und dafuͤr den Teuffel und Tod zu Gaſt bitteſt/
ja zu Herren haben wilt. Wie gar ein unaußſprechlicher
Schatz iſt der Glaube; Wie gar ein unbegreifflicher Schade
iſt der Unglaube? Und wiederum Luc. 10. ſagt der HErꝛ: Wer
euch hoͤret/ der hoͤret mich. Welche unaußſprechliche Gnade
(*) Tom. 9.
Witt. p.
508.iſts (ſchreibt Lutherus hieruͤber (*)) daß Gott durch ſein Wort mit
uns redet/ und ſo gnaͤdig mit uns redet/ daß er uns dadurch
ſeinen ſeligen Frieden und ewiges Reich verkuͤndiget und an-
beut. Ach HErꝛ GOtt warum ſind wir denn nicht ſtoltz und
hoffaͤrtig/ und ruͤhmen uns/ daß wir GOtt hoͤren mit uns
reden ſo hertzlich und freundlich von ewigem Friede/ Leben
und Seligkeit? O pfui dich/ du ſchaͤndlicher leidiger Un-
glaube
[503]Predigt.
glaube/ wie beraubſtu uns ſo groſſer Herꝛlichkeit? O wehe dir
verdampte Welt ewiglich/ die du mit hoͤrenden Ohren/ taub/
und mit ſehenden Augen blind biſt/ und muthwilliglich ſeyn
und bleiben wilt. Luc. 11. Selig ſind die Gottes Wort hoͤren
und bewahren (oder behalten.) Hoͤren iſt ſchlecht Ding (*) be-(*) Jſt a-
bermal
Luthert
Gloſſ
Tom. 9.
Witt. p.
608. f. 2.
halten iſt ja ſo ſchlecht Ding. Denn man hoͤret offt man-
che groſſe Luͤgen/ und behalt ſie laͤnger/ denn alle Gottes
Wort/ wie deß Pabſts und aller Welt von Anfang Luͤgen und
Abgoͤtterey behalten ſind. Wer aber glauben koͤnte/ daß es
Gottes Wort waͤre/ was er hoͤret von ſeinem Pfarꝛherꝛn oder
Prediger (ſo er ein Chriſt iſt) und daß ſich GOtt ſelbſt ſo
hoch demuͤtiget/ der Himmel und Erden auß nichts gemacht
hat/ daß er mit dir und mir ſo hertzlich und gnaͤdiglich redet
durch einen Menſchen/ der wuͤrde fuͤr Freuden vergehen die
Stunde. Aber dafuͤr iſt gut das vermaledeyte Fleiſch/ welches
dencket/ wann es hoͤret predigen/ O/ das hat der Pfaff gepre-
diget/ ich kans nu ſelber auch auß dem Buch leſen und predi-
gen/ ſo wol als er. Daher wird Gottes Wort fuͤr Menſchen
Wort geacht/ und wird ſein jederman muͤde und ſatt. Da
folgt dann/ daß mans weder hoͤren noch behalten wil. Wehe
aber ſolchen Kluͤglingen/ der leider jetzt nur ſehr viel ſind.
Selig ſind die/ die Gottes Wort hoͤren und behalten. Sihe
an alles Ungluͤck auff Erden/ es heiſſe Peſtilentz/ Krieg/ Hun-
ger/ oder was fuͤr Plage ſeyn mag/ ſo iſts nichts gegen dem
Ungluͤck und Zorn/ daß GOtt nicht mit uns redet/ noch ſein
Wort hoͤren laͤſt. Aber das iſt noch weiter und unaußſprech-
licher druͤber/ und das letſte ewige Ungluͤck/ wenn GOtt mit
uns redet/ und reichlich ſein Wort unter uns lauten laͤſt/ und
wir daſſelbe hoͤren/ darnach aber verachten und undanckbar
werden/ daß wirs uͤberdruͤſſig werden/ wie die Juden des
Himmel-Brods/ da iſts denn auß. Darum heiſts nicht al-
lein hoͤren/ ſondern auch behalten/ dabey bleiben/ und ſich we-
der Lieb noch Leyd davon zwingen oder reiſſen laſſen/ der heiſt
ſelig. Groſſe unaußſprechliche Gnade iſts/ wer hoͤren mag/
daß GOtt mit ihm redet. Aber das iſt nicht genug/ wo mans
nicht auch behaͤlt/ und bleibt biß an das Ende. Viel hoͤren
das Wort/ halten aber nicht/ daß Gott mit ihnen ſolches re-
de/ ſondern ſehen an den Menſchen/ durch welchen es gere-
det
[504]Die dreyzehende
det wird: Darum halten ſie es nicht theur/ auch nicht feſte/
ſondern laſſen es zu einem Ohr eingehen/ und zum andern
wieder auß. Die gehoͤren nicht unter die Zahl/ davon der
HErꝛ hie ſagt/ ſelig ſind die Gottes Wort hoͤren ꝛc. Lieber
GOtt/ du ſprichſt durch deinen lieben Sohn die ſelig/ ſo dein
Worthoͤren. Wie viel billicher waͤre es/ daß wir dich O ewi-
ger barmhertziger Vater/ ohne unterlaß mit froͤlichem Hertzen
ſelig preiſeten/ dir danckten und lobten/ daß du dich ſo freund-
lich/ ja Vaͤterlich gegen uns arme Wuͤrmlein/ erzeigeſt/ und
mit uns von der groͤſten und hoͤchſten Sache/ nemlich vom ewi-
gen Leben und Seligkeit redeſt. Gleichwol unterlaͤſt du es
nicht/ uns freundlich zu locken durch deinen Sohn/ dein Wort
zuhoͤren/ da er ſpricht/ ſelig ſind ꝛc. Als koͤnteſtu unſers Gehoͤrs
nicht entbaͤhren/ und wir/ die wir Erde und Aſchen ſind/ nicht
viel tauſendmal mehr deines ſeligen Worts beduͤrfften. O
wie unaußſprechlich groß und wunderſam iſt deine Guͤte und
Gedult. Wiederum Ach und Wehe uͤber die Undanckbarkeit
und Starrblindheit deren/ die dein Wort nicht allein nicht hoͤren
wollen/ ſondern es auch muthwilliglich verachten/ verfolgen und
laͤſtern. Bißher Lutherus.
Wehe und abermal wehe denen/ die dieſem Apoſtoliſchen Feldzuge
Deut. 2, 30.den Paß verlegen! Es wird Sihon der Amoriter Koͤnig/ der dem Volcke
Jſrael den Paß verlegt/ ertraͤglicher gehen an jenem Tage/ als die ſol-
chen theuren und werthen Gaͤſten den Paß verlegt/ und die Herberge ab-
geſchlagen. Unſer Heyland befiehlt ſeinen Juͤngern/ Luc. 10/ 10. ſeqq.
Wo ihr in eine Stadt komt/ da ſie euch nicht auffnehmen/ da
gehet herauß auff ihre Gaſſen/ und ſprecht: Auch den Staub
der ſich an uns gehengt hat von euer Stadt/ ſchlagen wir ab
auff euch/ doch ſolt ihr wiſſen/ daß euch das Reich Gottes nahe
geweſen iſt. Jch ſage euch/ es wird der Sodoma traͤglicher
ergehen an jenem Tage/ denn ſolcher Stadt. Nun das iſt der
Welt Botenlohn/ der heiſt Exilium, fleucht ins Elend hinauß. Wann
ſie euch aber in einer Stadt verfolgen/ ſo fliehet in ein andere/
ſagt der HErꝛ Matth. 10/ 23. St. Paulus muſte fliehen von Da-
maſco/
[505]Predigt.
maſco/ und ward in einem Korbe zum Fenſter auß durch die Mauer ni-
dergelaſſen/ und iſt alſo auß deß Koͤnigs Aretæ ſeines Landpflegers Haͤn-
den entronnen/ 2. Cor. 11/ 32. Johannes und Lutherus muͤſſen in ihrenAct. 9, 24.
Pathmum ſich verkriechen/ Athanaſio iſt dergleichen begegnet. Deſſen
muͤſſen ſich treue Lehrer verſehen/ und nicht beſſer haben wollen/ als ihr
Herꝛ und Meiſter Chriſtus. Die Griechen ſchreiben von einem
Buͤrger zu Athen/ der hieß Timon/ der hatte der Stadt ge-
dienet/ und geholffen mit Leib und Gut/ daß er daruͤber ver-
armet. Da er nu nichts mehr hatte/ hatten ſie ihn nicht mehr
angeſehen/ ſondern ſpotteten ſein/ und thaten ihm alle
Schalckheit. Da ward er auch ungedultig/ fieng an zu flu-
chen und toben: Nu diene den Leuten der leidige Teuffel/
wenn ich auch einen ſehe ins Feuer fallen/ und koͤnte ihn her-
auß reiſſen/ ſo wolte ich Werck/ ja Oel und Pech zuwerffen/
daß er nur mehr brennete. Und ward auß ſolcher Ungedult ſo
gar ein Unmenſch und unſinniger Kopff/ daß niemand konte
mit ihm umkommen. Alſo thut Fleiſch und Blut/ wenn es
fuͤr die Liebe und Wolthat/ ſoll Undanck und Feindſchafft zu
Lohn haben/ denn es thut zu wehe/ und kans nicht ertragen.
Es iſt keiner ſo gering/ wenn er ſeinen Knecht ein Handwerck
gelehret/ und dazu ihn ſelbſt geſpeiſet und gekleidet haͤtte/ und
er ihn zu Lohn verachtet und verſpottet/ der nicht wuͤrde ſa-
gen/ dem/ und nimmermehr keinem geholffen/ haͤtte ich mein
Geld dafuͤr in die Elbe geworffen/ oder in die Erden vergra-
ben. Solches richtet der Teuffel zu/ weñ jemand den Leuten
auffs hoͤchſte gedienet und geholffen hat/ ſo hetzet er ſie wider
ihn/ daß ſie ihm keine Freundſchafft wieder thun/ und er ihm
nur Feinde gekaufft (wie Jeſus Syrach am 29. Capit. ſagt)
und eine Schlange in ſeinem Boſen auffgezogen hat. Wie-
derum richtet er das auch an/ daß er die Leute muͤde und ver-
droſſen mache/ daß um ſolches Undancks und Boßheit wil-
len/ auch keiner kein guts thun und niemand helffen will/ und
eitel ſolcheTimoneswerden. Daher auch ſolch Sprichwort
kommen: Das Brod ſo man frembden Hunden und fremb-
den Kindern gibt/ das iſt verlohren. Das ſuchet er/ wo er ſi-
het/ daß du wilt dem Neheſten guts thun/ und dein Guth wol
anlegen/ ſo wil ich dirs/ ſpricht er/ wol verſaltzen/ und ſauer
gnug machen; So kan es denn die Natur nicht leiden. Alſo
Achter Theil. S ſ ſwird
[506]Die dreyzehende
wird die Liebe und Wolthat geſtopffet/ auch in den allerfeine-
ſten und hoͤheſten Leuten/ denn gar wenig ſind die es konnen
ertragen/ ſo ſie ſollen das beſte thun bey Land und Leuten/ und
nichts darfuͤr empfahen denn lauter ſchaͤndlichen Undanck/
Haß und Neid. Nu ſolch es geſchicht in weltlichen Sachen/
in Staͤdten und Haͤuſern/ unter Nachbarn und Freunden;
Aber vielmehr und ſchwerer in geiſtlichen Sachen/ da ein
Pfarꝛherꝛ oder Seelſorger meinet ſeine Pfarꝛkinder mit
allen Treuen/ muß fuͤr ſie wachen und ſorgen/ und ſo viel tra-
gen/ daß ihm Leib und Leben/ und Hertz wohe thut/ und ſol
nichts mehr damit gewinnen/ ohn daß man niemand ſo
feind iſt/ als ihm. Nu/ was ſol man denn thun? Sol mans
um der Welt Boßheit willen thun und laſſen/ ſo muͤſte man
nimmer kein guts thun? Alſo auch hie/ ſolte man der Ver-
nunfft folgen/ ſo muͤſte man ſagen: Wolan/ wolt ihr Gottes
Wort nicht haben/ ſo gebe euch GOtt den Pabſt mit allen
Plagen: Wolt ihr das Evangelium nicht hoͤren/ ſo hoͤret
vom Ablas und aller andern Teuſcherey; Wolt ihr der lieben
Tauffe nicht/ ſo lauffet ins Kloſter; Wiltu nicht dem Nehe-
ſten guts thun/ ſo fahre hin/ kauffe Meſſen/ und laß dich ums
Geld/ Leib und Seel betriegen/ und habe dir das hoͤlliſche
Feuer dazu. Nein nicht alſo/ denn das ſuchet der Teuffel da-
mit/ daß er uns vom guten reiſſe/ und der Welt Boßheit
gleich mache/ damit wir alle untereinander eitel Teuffel
wuͤrden. Darum lehret und vermahnet Chriſtus allhte/
daß wir bey Leib nicht ungedultig werden/ noch uns der Welt
Boßheit uͤberwinden laſſen/ ſondern immer fortfahren/ und
wiſſen/ daß wir ſolchen Haß muͤſſen tragen um ſeinen willen.
Als wolt er ſagen: Wenn ihr falſche Prediger weret/ ſo
wuͤrden ſie euch auff den Haͤnden tragen; Weil ihr aber von
mir prediget/ ſo iſt der Teuffel mir und meinem Nahmen ſo
feind/ daß er wird an euch ſetzen und hengen/ alles was er ver-
mag in der Welt/ und duͤrffet euch keiner Gnad noch Freund-
ſchafft verſehen.Sic Luth. Der HErꝛ aber als ein gerechter Richter
wird ihm nicht laſſen vergebens dienen/ ſein Poſt/ die er außgefertiget/ red-
lich belohnen/ begleiten und ſchuͤtzen laut ſeiner ſalva guardia Pſalm. 105/
15. Taſtet meine Geſalbten nicht an/ und thut meinen Pro-
pheten kein Leid. Maſſen dann auch wer an unſchuldigen Predigern
zu
[507]Predigt.
zu Ritter werden wil/ ungeſtrafft nicht bleibt. Von weyland Churfuͤrſten
Johann Georg in Sachſen mildeſten Andenckens/ erzehlet weyl.
H. D. Weller in der Churfuͤrſtlichen Leich-predigt/ dieſe denckwuͤrdige
Rede: Als einsmals einer auß dem Churfuͤrſtlichen Gemachgieng/ habe
beſagter ſeligſte Churfuͤrſt zu ihm ſeinem Oberhoffprediger/ der auch ohn-
gefaͤhr hinein gieng/ dieſe Wort gefuͤhrt: Dieſer Mann (der zuvor
hinauß gegangen) wil Ungluͤck haben/ er klagt uͤber einen Prie-
ſter/ wer ein Ungluͤck haben wil/ fahe es nur da an! Die Fr.
Mutter ſel. hat mich allezeit treulich dafuͤr gewarnet/ und ich
hab es auch an vielen erfahren/ daß darauff Ungluͤck folge.
Hie war Weiſſagen ins Koͤnigs Mund! Wann auch endlich der Lauff
und Kampff wird vollendet ſeyn/ ſo wird ſichs finden im Außgang auß der
Welt in die ewige Ruhe/ da der Taglohn einem jeden wird wiederfahren/
und die Ehren Cronen außgetheilet werden. Das helff uns ꝛc.
GEliebte in Chriſto. Wann Chriſtus der HErꝛ unter
andern/ ſeinen Juͤngern als kuͤnfftigen Legaten und
zwoͤlff heiligen Boten/ die er in die Welt hinauß abgefer-
tiget/ auch dieſe Inſtruction gegeben/ mitgetheilt und hin-
derlaſſen Matth. 10/ 16. geſagt: Seyt ohne falſch
wie die Tauben/ ſo ſtellt er ihnen zwar ein Exemplar/
Muſter und Lehrmeiſter fuͤr einer ſchoͤnen Reiß-tugend/ deren ſie ſich be-
fleiſſen ſollen/ der lieben Einfalt und Lauterkeit deß Hertzens: Seyt
einfaͤltig/ ſagt er/ wie die Tauben/ nicht biſſig/ nicht gifft-gaͤllig/ ſondern
ſchlecht und recht/ auffrichtig und ohne falſch und tuͤck; Doch auch
klug wie die Schlangen/ nicht brutal und thum̃/ ſondern auch behut-
ſam/ wie Koͤpff/ vielmehr ihre Seelen zu verwahren/ wol geſaͤuert und ge-
beiſſet. Dann/ ſagt er/ ich ſende euch wie die Schaafe und Laͤm-
mer mitten unter die Woͤlff/conſequenter auch als die Wehrloſe
Tauben wider die wilde Raubvoͤgel/ da iſt Schlangen-Klugheit und Ge-
S ſ ſ 2ſcheudigkeit
[508]Die vierzehende
ſcheudigkeit mehr dann Hochmuth vonnoͤthen: ich werde das meine thun/
als euer Patron euch ſchuͤtzen ohn euer Sorgen: euch ligt aber auch ob die
Prudentz und vernuͤnfftige Diſcretion. Zu der Apoſtel Zeit/ gab
er das Roͤmiſche Kaiſerthum/ wiewol es ein Gottloß Reich
war/ und ſich hart wider die Chriſten legte/ doch regirten ſie
durch die Vernunfft und wurden von jedermaͤnniglich ge-
fuͤrchtet/ hielten guten Frieden/ es war auch zu ihrer Zeit
allenthalben Friede/ die Welt ſtunde gar offen. Diß war ein
irꝛdiſch vernuͤnfftig Reich. Aber wie Welt-Geſcheute ſie
immer waren/ ſahen ſie dennoch nicht wozu GOtt ſie brauch-
te/ nemlich/ daß ſeine liebe Apoſteln moͤchten auff und nieder
in dieſem Kaiſerthum fahren/ und das Evangelium ſicher
predigen. Da lieff auch das Evangelium ſchnelle in einem
hui/ ungefehr in etlich wenig Jahren durch das gantze Roͤmi-
ſche Reich/ wie dann Gottes Wort ſchnell laufft/ es iſt ein ei-
lendes Wort/ in einem Nu reiſſet und rauſchet es durchauß.
Luth. Tom. 1. Isleb. 389.
Er laxiret aber Chriſtlichen meditationibus und Glaubensgemaͤſ-
ſen Gedancken fernere indaginem, Spur und Nachſinnen/ und zwar
nicht undunckel (I.) Auſpicium originis,ihren geiſtlichen Adel
und Urſprung/ woher ſie Tauben-Art und Adel empfahen/ daß ſie wey-
land von Natur ſchwartze Rabenſoͤhn/ ϰαϰοῦ ϰόϱαϰος ϰαϰὰ ὦα, deß alten
Raben/ nemlich Adams Eyer/ und ſuͤndliche ohnmaͤchtige fleiſchliche A-
dams-Kinder/ aber durch die ſelige ἐπέλευσιν und Uberkunfft deß Heil Gei-
ſtes/ und deſſen Krafft/ ſolche rohe Eyer/ welche der heilige Geiſt in ὑπερ-
ώῳ Solymitano, in dem Soͤller oder Taubhauß zu Jeruſalem außge-
(*) molles
ubi red-
dunt ova
columbæ.
Juven.bruͤtet (*)/ fluͤck und tuͤchtig gemacht/ mit der Krafft auß der Hoͤhe ange-
zogen/ außgeheckt und erweckt/ daß ſie tuͤchtig worden außzufliegen in die
gantze Welt.
(II.) Illicium columbarum,ihr Locktaube/ ſie werden ſeyn
die außerwehlte H. Lockvoͤgel und Locktauben/ ſo die andere wilde/ irrige/
verfuͤhrte und verlockte Tauben an ſich ziehen/ und in das Taubhauß deß
Heil. Geiſtes wiederum bringen werden. Wohin Noah in ſeinem Pro-
phetiſchen Wunſch/ Weiſſagung und Segen/ oder andaͤchtigen Gebet ge-
Gen. 9, 27.zihlt/ wann er ſeinem eltern Sohn Japhet gebeten/ GOtt wolle ihn
außbreiten; Nach der H. Sprach heiſts locken/ und in wohnen laſſen in
der Huͤtten Sem: Wann Noah außgelaſſene erſte Taube (Sem) nahe
bey ihrem Neſt und Kaſten geblieben/ die dritte (Cham) ſich gantz abgeſon-
dert
[509]Predigt.
dert und nimmer wieder kommen/ ſo wolle GOtt ſich erbarmen und ver-
leihen/ daß die mittlere Taube (Japhet/) ob ſie gleich ein Zeitlang außge-
blieben/ dennoch auff den Abend mit einem Oelblatt wieder in ihr Neſt
einkehre/ mit dem Evangelio deß Friedens begleitet zur Huͤtten Sems/ in
welcher der Meſſias geboren/ von dannen ſein Lockſchall deß Goͤttlichen
Worts außgebrochen/ hie einer fahrenden Huͤtten/ dort aber beſtaͤndig
unzerſtoͤrlich geſamlet werden. Jſt ein Segen unſers Großvaters Noæ,
deſſen wir noch reichlich genieſſen.
Sonderlich aber (III.) Officium nuncium, ϕωνοϕορικὸν, das
holdſelige Boten-Ampt. Was Salomon in genere von den Voͤ-
geln außgeſprochen Eccleſ. 10, 20. Fluche dem Koͤnig nicht/ dann
die Voͤgel deß Himmels fuͤhren die Stim̃/ und die Fittig ha-
ben/ ſagens nach (Maſſen die Kraniche die Moͤrder Ibyci, die Schwal-
be Beſſi Todtſchlag außgebracht.) Daſſelbe iſt freylich auch wahr worden
in ſpeciè an den holdſeligen abgerichteten und gewoͤhnten Tauben/ welche
als Nuntii aërii und Lufft-Poſtbotten mehrmal unter ihren Fittigen die
arcana civitatum obſeſſarum, die geheime Anſchlaͤge belaͤgerter Plaͤtze
ab- und zugetragen/ und denſelben Friſt/ Heyl und conſervation erhalten.
Durch Tauben-Poſt iſt die Mutina in Galliâ von Hircio errettet; Har-Conſer
noſtr. Th.
Conſe. p.
389.
lem und Leyden in Holland haben ſolcher Poſt heilſamlich genoſſen. Vi-
tam ſpiritumque debemus his arcanorum interpretibus, ſagt Düza
zu Lipſio. Solche literigeruli und Zeitung-Trager/ ſolche ϕωνοϕόϱοι
und Stimmen-Trager ſind auch die zwoͤlff außerwehlten Pfingſt-Tauben
geweſt/ dazu verordnet/ daß ſie die ſymphoniam Propheticarum \& Apo-
ſtolicarum vocum, den redenden wolbeſtim̃ten Sendbrieff deß Allmaͤch-
tigen Gottes an alle Ort der Welt/ als palatia Sathanica, die der ſtarcke
Gewaffnete belaͤgert/ beſeſſen und eingenom̃en/ tragen/ und froͤliche Evan-
gelia verkuͤndigen ſollen/ den Gefangenen eine Eroͤffnung/ den
Gebundenen eine Erledigung/ und das angenehme Jubel-
Jahr deß Neuen Teſtaments/ Eſai. 61/1. ſeqq. ja gar ſolche Ge-
fangene dem ſtarcken Gewaffneten auß ſeinen Klauen herauß reiſſen ſol-
ten. Kan man auch einem Rieſen ſeinen Raub nehmen? ſagt
und fragt Eſai. cap. 49/ 24. verſteht zuvorderſt propriè von einem Rie-
ſenmann/ einem ſtarcken Mann von ungeheurer Statur und Groͤſſe/ der-
gleichen die Enacks-Kinder geweſen/ vor dero Augen die Jſraelitiſche
Kundſchaffter wie Heuſchrecken/ Zwerchen und kleine Wuͤrmlein ge-
ſchienen/ Num. 13, 34. Darneben aber auch verbluͤmter Weiſe dem groſ-
ſen Hoͤlliſchen Rieſen/ dem Fuͤrſten dieſer Welt/ dem wuͤtenden Straſſen-
S ſ ſ 3raͤuber/
[510]Die vierzehende
raͤuber/ Freyheuter und Seelenmoͤrder/ ſolts muͤglich ſeyn/ daß man ihm
den Seelen-Raub/ den er erjagt/ gewonnen und feſt beygelegt/ in ſeinem
Raub-Schloß verwahret/ wiederum abjagen/ auß den Klauen und auß
dem Rachen herauß reiſſen koͤnne? Chriſtus unſer HErꝛ antwortet hier-
auff τὸ poſſe! Luc. 11, 22. Es werde zwar ſchwer hergehen/ deñ er der ſtar-
cke gewaffnete Hoͤllen-Rieſe/ der verwahrt ſeinen Pallaſt gar ſteiff/ auff daß
ihm das ſeine im Frieden und ſicherer poſſeſſion bleibe: Jedoch koͤnne es
geſchehen: Wann ein ſtaͤrckerer uͤber ihn kompt/ der ihn uͤber-
wind/ den Harniſch/ auff den er ſich verlaͤſt/ außzeucht/ und
Joſu. 11, 21.alſo den uͤbel-gewonnenen Raub zur Beute außtheilt/ ſo wol als Joſua die
Enacks-Kinder uͤberwaͤltiget und außgerottet/ David den Goliath/ Be-
naja einer von den Helden Davids/ 2. Sam. 23/21. Eſaias antwortet fer-
ner/ τὸ FUTURUM, es werde wuͤrcklich geſchehen/ ſeine Propheceyung
werde wahr und klar werden/ es werde die Zeit kommen/ daß ihm dem ſtar-
cken gewaffneten Rieſen die gefangenen Sclaven wiederum genommen/
und der Raub deß ſtarcken loß werden. Die Evangeliſten bezeugen τὸ fa-
ctum eſſe, es ſey der groſſe allmaͤchtige unuͤberwindliche Schlangentret-
ter/ Hoͤllenſtuͤrmer und Verſtoͤrer der Wercke deß Teuffels erſchienen/
nemlich Chriſtus der edle Held von zween Staͤmmen; Und ob ſchon der
Sathan ſich zur Gegenwehr geſtellt/ ſeinen Pallaſt auffs ſtaͤrckſte verwahrt
und verſchantzt/ Heers-weiſe wider ihn außgezogen/ ein und andern Auß-
fall gethan/ ein groſſe Menge der Beſeſſenen (dergleichen weder zuvor noch
hernach erhoͤrt und geſehen worden) ins Feld zum Außfall hinauß gefuͤhrt/
ja einen Mann ihm dargeſtellt/ in welchem eine gantze Legio, das iſt/ nach
der Roͤmiſchen Roͤtul zu rechen/ mehr als 6000. boͤſe Geiſter eingeniſtet
und gewohnet Luc. 8/30. ſo hab er doch den kuͤrtzern gezogen/ weichen uñ den
armen gefangenen Sclaven loß laſſen/ und das Loſament quittiren muͤſſen.
Und was der HErꝛ in den Tagen ſeines Fleiſches wuͤrcklich ſelbſt
unmittelbar gethan durch ſein Wort und kraͤfftige Donner-Stimme/
daſſelbe hat er ſeinen Juͤngern organicè und Dienſtweiſe zuthun befoh-
len: Hat ſie deßwegen durch die edle Taube den H. Geiſt mit Krafft auß
der Hoͤhe angezogen/ daß ſie vermittelſt ihrer Stimme und Wort die groſ-
ſe wilde Welt bekriegen/ in derſelben die geiſtlich Gefangene entbinden/
auß Juͤngern deß Teuffels Juͤnger Chriſti/ auß einem verfluchten/ ver-
bannten/ verdam̃ten Volck/ ein Volck Gottes/ auß Heyden und Juden/
Chriſten/ auß alten Adamiſchen Creaturen/ neue Creaturen machen ſol-
len. Alles laut ſeines Koͤniglichen Mandats und Befehls: Macht
mir zu Juͤngern alle Voͤlcker/ wovon dißmal noch ferner zuhand-
len.
[511]Predigt.
len. Der HErꝛ wolle dazu ſeines H. Geiſtes Gnade und Segenreich
Gedeyen mildiglich verleyhen/ Amen.
MAchet mir zu Juͤngern/ ſpricht der HErꝛ/ in der Griechi-
ſchen Grundſprache ſteht das Wort/ μαθητέυσατε, welches ei-
gentlich ſo viel heiſt/ als (μαθητὰς ποιεῖν (*)) Juͤnger machen.(*) Joh. 4, 1.
vid. Eraſm.
Schmid. ad
Matt. c. 27.
57. p. 372.
Jſt eben das Wort/ deſſen ſich St. Matthæus kurtz zuvor be-
dienet/ da er von Joſeph auß Arimathia handelt/ und ſchreibt (ἐμαθήτευσε)
er ſey nicht nur ein Juͤnger JEſu geweſt/ ſondern er habe auch dem
HErꝛn JEſu zu Ehrendienſt Juͤnger gemacht. Und ſolcher maſſen ha-
bens auch die Apoſtel verſtanden. Von St. Paulo und Barnabas zeugt
St. Lucas (Act. 14, 21. μαθητέυσαντες ἱκανοὺς) ſie haben in der Stadt
Derben ihrer viel unter wieſen/ das iſt/ zu Juͤngern gemacht. Wird
nicht allein verſtanden/ wie es im Teutſchen lautet von Jungen (dem Al-
ter nach) ſondern auch von Alten; Denn ja die Schrifft auch gedenckt ei-
nes alten Juͤngers/ Nahmens Mnaſon/ Act. 21, 16. nicht nur von dem
Maͤnnlichen ſondern auch Weiblichen Geſchlecht/ Act. 9, 36. ſintemal
auch die Gottſelige Thabea eine Juͤngerin gemacht worden. Was
aber Juͤnger machen ſeye und heiſſe/ verſteht jederman leichtlich/ nemlich/
wie es Lutherus gedolmetſcht/ unterweiſen/ σοϕίσαι, weiß machen/
(ϰατηϱτισμένον ποιεῖν Luc. 6, 40.) geſchickt/ vollkommen/ gelehrt machen/
Matth. 13/ 52. ſagt der HErꝛ: Ein jeglicher Schrifftgelehrter/
zum Himmelreich gelehrt/ iſt gleich einem Haußvater/ der
auß ſeinem Schatz neues und altes herfuͤr traͤgt. Sie ſollen
Gottesgelehrte Scholaren und Studenten machen/ conſequenter gute
heilſame Schulen auffrichten/ die liebe Jugend in der H. Schrifft/ in gu-
ten Sinnen/ Sitten und Tugenden uͤben. Maſſen dann auch von den
Hell. Apoſteln geſchehen/ und iſt daher beruͤhmt worden die erſte Chriſten-
Schul in der Stadt Epheſo einſen/ der mit Nahmen geheiſſen Tyrannus
Act. 19, 9. Von welcher hernach andere Colonien entſtanden/ und Mor-vide Chri-
ſteid. Act. 1.
phœn. 5. p.
205. \&
Lact. Cat.
part. 4. in
Ep. dedic.
genland mit Chriſten- nicht nur Mann- ſondern auch Weiber-Schulen
erfuͤllet worden. Auß ſolchen Mann-Schulen und Cloͤſtern ſind hernach/
die darinnen gezihlte ruͤſtige organa, Ruͤſtzeuge/ Lehrer/ Pfarꝛherren und
Seelenhirten außgangen/ dieſelbe ſind geſand worden von den Apoſteln
und deren Nachfolger/ wie ſie auch von Chriſto geſand geweſt/ und heiſt
derowegen auch Juͤnger machen ſo viel/ als das Predigampt beſtellen.
Von ſieben Weyhen und deroſelben Oehlung oder Salbungen und hier-
auß entſtandenen Oelgoͤtzen weiß die Schrifft nichts/ wie auch nichts
von einem unaußloͤſchlichen Character oder Seelenbild/ Krafft deſſen
das
[512]Die vierzehende
das Sacrament der Prieſterweyh nicht koͤnne wiederholet werden. Son-
ſten finden wir in der Schrifft ein andern Characteren/ nemlich das
Mahlzeichen deß Thiers.
Ob nun wol durch das Griechiſche Wort fuͤrnemlich das Lehren und
Unterweiſen verſtanden wird/ ſo wird doch unter dem general-Wort
auch das Tauffen eingeſchloſſen/ als wodurch ohne muͤndliche Lehr junge
Kinder zu Juͤngern Chriſti und Chriſten gemacht werden/ und faͤllt alſo
den Widertaͤuffern ihr vermeynt beſtes Argument, welches ſie dem Kin-
dertauff entgegen geſetzt: Chriſtus/ ſprechen ſie/ hat erſt geſagt/ lehret/
tauffet/ darum ſol niemand ohne vorhergehende Lehr und Unterweiſung
(deren junge neugeborne Kindlein nicht faͤhig ſind) getaufft werden.
(D. Ægid. Hunn. lib. de Sacr. cap. 12. pag. 212. ita de hoc argumento diſſerit:
Quod ſi omninò ſeriem verborum Chriſti præcisè urgeant Anabaptiſtæ, atque
hinc extorquere cupiant, inſtitutionem in doctrina oportere baptiſmum ante-
cedere: jam ſuo ſe manifeſtè jugulabunt gladio. Etenim cum Chriſtus ait: Eun-
tes docete omnes Gentes \& baptiſate eas \&c. legitur in Græco textu, μαθητέυσατε,
quod vulgò quidem redditur, docete, cum propriè ac verè ſignificet, diſcipulos
facite. Deſcendit enim μαθητέυειν à μαθητ [...], quod diſcipulum ſignificat, ut
ſit ſenſus: Euntes facite diſcipulos omnes gentes. Hoc autem μαϑητέυειν
ſeu diſcipulos facere poteſt ac ſolet fieri non tantùm per prædicationem verbi,
verum etiam per Baptiſmum, tanquam Sacramentum initiationis in Eccleſia N.
Teſtamenti. Sic parvuli noſtri μαθητέυονται, diſcipuli evadunt Chriſti \& Ec-
cleſiæ ipſius, quando baptizantur. Itaque μαϑητέυειν illud generale eſt, com-
plectens utramque ſpeciem, hoc eſt, converſionem per prædicationem verbi fa-
ctam, \& initiationem, quæ ſit per Sacramentum baptiſmi. Ita Hunnius.)
Wahr zwar/ es gehet das μαθητέυειν das Juͤnger-machen vorher/ das heiſt
aber ins gemein Juͤnger machen/ welches auch in der H. Tauffe geſchicht/
folget darauff das Tauffen/ uñ nach dem Tauffen das (διδάσϰοντες) lehren.
Weil aber Juͤnger Chriſti und Chriſten Synonyma, oder gleichbe-
deutende Nahmen ſind/ ſintemal nachdem Barnabas und Paulus zu
Antiochia viel Volcks gelehret/ ſind die Juͤnger daſelbſt zu erſt Chriſten
Quis vere Chriſtianus? vide Salvian. pag. 100. ſeqq. \& D. Quisdorp. ad
Act. pag. 217.
genennet worden/ Act. 11, 26. Alſo heiſt auch allhier Juͤnger machen/ ſo
vide Luth.
Tiſchr. von
Chriſten
und Chriſt-
lichen Lebẽ/
pag. 298. \&
ſeqq.viel als Chriſten machen. Was aber Chriſten eigentlich ſeyen und auff
Teutſch heiſſen/ das zeigt der Nahme ſelbſt an/ nemlich einen geſalbten/ ei-
nen mit dem geiſtlichen Chriſam/ dem heiligen Salboͤhl geweyhten Men-
ſchen/ der mit dem H. Salboͤhl und Balſam dem H. Geiſt balſamirt und
geſalbet zu einem geiſtlichen Prieſter/ Koͤnig und Propheten/ Apoc. 1, 6.
einem Prieſter/ daß er die geiſtliche Opffer deß Neuen Teſtaments ver-
richte/
[513]Predigt.
richte/ nemlich das Opffer eines zerknirſchten und zerſchlagenen Hertzens
Pſalm. 51. Daß er den alten viehiſchen feindſeligen Adam ſchlachte/ wuͤr-
ge/ creutzige/ das Rauchwerck deß Gebets gen Himmel empor ſende/ All-
moſen und Werck der Liebe erweiſe/ alles durch und in Krafft deß einigen
Verſoͤhnopffers JEſu Chriſti/ Gott dem HErꝛn zum ſuͤſſen Geruch und
Goͤttlichen Wolgefallen: Einem Koͤnig/ daß er als ein rechter Jſraelit
und Fuͤrſt Gottes wider alle geiſtliche und leibliche Feinde ritterlich ringe/
auch biß auffs Blut/ wanns vonnoͤthen ſeyn will; Ja mit Gott ſelbſt (wie
Jacob) kaͤmpffe/ deſſen ſtrenges Gericht/ Zorn und Eiffer durch das
Wort/ Gebet und Zaͤhren uͤberwinde/ und ihm das vaͤterliche Hertz abge-Oſ. 12, 4.
winne; daß er als ein Prophet weiſſage/ Geſichte ſehe/ Traͤume habe/ Joel.
2. einer den anderen lehre/ mich zu kennen Jer. 31/34. das iſt/ die Geheim-
nuſſen der Chriſtlichen Lehr gruͤnd- und eigentlich lerne verſtehen/ und
davon allenthalben predige/ und ſeinen Naͤchſten unterweiſe/ die Jrren-
den bekehre/ und ſampt ihm zum Himmelreich erbaue. Solche Salbung
anzudeuten iſt in der erſten Apoſtoliſchen Kirchen das Chriſma die heilige
Salbung uͤblich geweſt/ daß man den Taͤuffling alsbald auff die Tauffe
mit heiligem Oel geſalbet. Unctus es quaſi Athleta Chriſti, ſagt Am-
broſius l. 1. de Sacram. c. 2. iſt aber hernach durch des Pabſts Unord-
nung/ auß einem Mittelding zu einem Sacrament der Firmung erhoben/
und ein Mahlzeichen der Beſtien worden.
Weil aber auch um eines einzelen/ oder etlich wenig Menſchen wil-
len/ vom HErꝛn die Apoſtoliſche Geſandſchafft nicht angeſtellet und ver-
fuͤget worden/ ſondern wie dieſelbe auff alle Voͤlcker gezihlet/ ſo alle nach
Goͤttlicher Intention haben ſollen Chriſti Juͤnger und Schuͤler werden/
ſie heiſſen alle (κεκλημένοι participaliter) Beruffs-gewuͤrdigte Soll-
Maͤnner/ die ſolten Chriſti Juͤnger werden/ und aber in eventu es an-
ders außgeſchlagen. Die Einladung und Beruff an alle Voͤlcker iſt zwar
fuͤrgegangen/ aber der Gehorſam bey allen und jeden/ deren die unter ſol-
chen Voͤlckern begriffen geweſt/ nicht beſtaͤndig erfolgt/ es waren wenig
(κλητοὶ nominaliter) Beruffs-faͤhige/ die denſelben angenommen/ am
allerwenigſten (κλητοὶ κατὰ πϱόθεσιν) Beruffs-feſte/ die beruffen nach
dem Vorſatz/ in ſolchem Beruff unaußgeſetzt beharꝛlich biß ans Ende
deß Lebens beſtanden/ und den Goͤttlichen Vorſatz (der alſo lautet: Wer
beſtaͤndig im Glauben verharret biß ans Ende/ ſol ſelig werden) erfuͤllet.
Als iſt der Befehl dahin gegangen/ daß auß allen Voͤlckern ein Eccleſia,
eine Menge vieler Voͤlcker/ das iſt/ der Außſchuß/ Außbund und Kern deßJoh. 6, 2.
Act. 6, 1. 2. 7
Menſchlichen Geſchlechts/ ins Reich Chriſti moͤge gezogen und geſamlet
Achter Theil. T t twerden/
[514]Die vierzehende
werden/ die da heiſt eine Menge und Verſamlung vieler Juͤnger/ ein
Volck Gottes.
Eccleſia oder Kirche heiſt nichts anders (iſt Lutheri Beſchreibung Tom. 7. Witt.
p. 542. f. 2.) denn ein verſamlet Volck/ ob ſie wol Heiden und nicht Chriſten
waren/ gleichwie die Rath-Herren fordern ihre Gemeine auffs Rathhauß. Nu
ſind in der Welt mancherley Voͤlcker/ aber die Chriſten ſind ein beſonder beruf-
fen Volck/ und heiſſen nicht ſchlecht Eccleſia, Kirchen oder Volck; Sondern
Sancta, Catholica, Chriſtiana, das iſt/ ein Chriſtlich heilig Volck/ das da glaͤubet
an Chriſtum/ darum es ein Chriſtlich Volck heiſt/ und hat den H. Geiſt/ der ſie
taͤglich heiliget/ nicht allein durch die Vergebung der Suͤnden/ ſo Chriſtus ihnen
erworben hat (wie die Antinomer nerren) fondern auch durch abthun/ außfegen
und toͤdten der Suͤnden/ davon ſie heiſſen ein heilig Volck. Vnd iſt nu heilige
Chriſtliche Kirche ſo viel/ als ein Volck das Chriſten und heilig iſt/ oder wie man
auch zu reden pfleget/ die heilige Chriſtenheit. Jtem die gantze Chriſtenheit/
im Alten Teſtament heiſt es Gottes Volck.
Uber das gibt der HErꝛ in dieſen Befehlchs-Worten zuverſtehen
Finem gloriæ, wem zu Ehren und Dienſt dieſe Inſtruction angeſehen/
wem Juͤnger und Chriſten ſollen gemacht werden/ und ein ſolch Chriſten-
Volck ſoll gewoñen und zugefuͤhrt werden? Nemlich/ mir/ ſagt der Herꝛ/
mach et mir zu Juͤngern alle Voͤlcker ꝛc. Es ſtehet zwar das Mir
in Grund-Quell deß Textes mit ſo vielen außgetruckten Worten nicht/ iſt
aber vernuͤnfftig und wol in unſerm Chriſtlichen Catechiſmo hinzugeſetzt/
und auß dem parallelo deß Worts μαϑητέυσατε erholet worden. Gleich-
wie von Joſeph auß Arimathia außtruͤcklich gemeldet worden/ er habe
τῷ Ιησ [...]dem HErꝛn JEſu Juͤnger gemacht und gleichſam auß-
gebruͤtet/ alſo hat ebenmaͤſſiger Verſtand auch allhie Platz. Nicht euch/
ſondern Mir ſolt ihr Juͤnger machen/ nicht ſollen ſie euere Knecht oder
Sclaven/ ſondern meine Juͤnger ſeyn (die ich theur mit meinem Blut er-
kaufft/ ſie ſind auff meinen Nahmen getaufft/ fuͤr welche ich gecreutziget
worden/) nach meiner Weiſe und Wort/ an und aufferzogen/ unterwieſen
worden in meinem Wort/ Lehr und Weißheit/ die daher in meiner Lehr
verharren ſollen/ Joh. 8/ 31. ſagt er zu ihnen: So ihr bleiben wer-
det in meiner Rede/ ſo ſeyd ihr meine rechte Juͤnger. Mir/ als
deſſen Characterem und Merckzeichen ſie fuͤhren ſollen/ nemlich die Lie-
be/ wie abermal der HErꝛ zu ihnen geſagt Joh. 13/ 35. Dabey wird
jederman erkennen/ daß ihr meine Juͤnger ſeyd/ ſo ihr Liebe
untereinander habt. Mir/ zu meiner Nachfolge/ nehmet auff
euch mein Joch Matth. 11/ 29. und Luc. 14/ 27. Wer nicht ſein
Creutz traͤgt/ und mir nachfolgt/ der kan nicht mein Juͤnger
ſeyn. Zur Nachfolg ohne Abfall/ nicht wie Petrus/ der ſeinen Meiſter ver-
leugnet/ oder wie jene Joh. 6/ 66. die hinder ſich gangen/ und forthin nicht
mehr
[515]Predigt.
mehr mit ihm (dem HErꝛn Chriſto) gewandelt. Jch bin ja deßwegen
vom Himmel herab von meinem Himmliſchen Vater zu einem allge-
meinen Welt-Lehrer/ Rabbi und Meiſter dargeſtellet/ erklaͤret/ verſiegelt
und außgeruffen worden/ wie er abermal ſelber zuverſtehen gibt Matth. 23/
8. 10. Jhr ſolt euch nicht Rabbi nennen laſſen/ denn einer iſt
euer Meiſter/ Chriſtus/ ihr aber ſeyd alle Bruͤder. Verſtehet ſich
nicht eben excluſivè, ſondern exochicè, ich bin der principal-Meiſter/
ihr meine Apoſtel ſolt zwar auch lehren und alſo Lehrer ſeyn und heiſſen/ aber
als die Dependenten/ die einig und allein von meinem Mund hangen und
empfangen/ was ſie lehren und fuͤrtragen ſollen/ Paulus ſoll ſeinen Corin-
thern geben/ was er von Mir (dem HErꝛn) empfangen/ 1. Cor. 11/ 23.
Wann auch gleich wir/ oder ein Engel vom Him̃el/ euch wuͤr-
de Evangelium predigen/ anders denn das wir euch gepredi-
get haben/ der ſey verflucht/ Gal. 1/8. Wer alsdann euch hoͤret auß
meinem Munde reden/ der hoͤret auch mich/ und ſeyd ihr demnach allhier
nicht allerdings außgeſchloſſen/ als wenig ein leiblicher Vater den Nah-
men eines Vaters verlieret/ ob gleich nur ein einiger Vater iſt im Himmel/
wie Chriſtus in angezogener Stelle redet/ Matth. 23/9. Patres Eccleſiæ
moͤgen Patres ſeyn und heiſſen/ aber daß ſie meinem Himmliſchen Vater
nicht widerſprechen; Meine Mutter hat mich einsmals bey den Freunden
und Verwandten geſucht/ aber nicht gefunden/ biß ſie in meines Vaters
Hauß/ in Tempel und in mein Schul gegangen/ da hat ſie mich allererſt
angetroffen. Welches haͤtten in acht nehmen ſollen die aͤrgerliche Zaͤncker
in der Kirche zu Corintho/ wann ſie unterſchiedliche Obermeiſter auffge-
worffen/ dieſelbe gleichgehalten und gleichſam vergoͤttert/ und ob ſie wol
im Glauben und Religion einig geweſt/ dennoch einer von ſeinem Rabbi
Pauliſch/ der ander von ſeinem Meiſter Cephiſch/ der dritte Apolliſch/ der
vierte (grad als wann Chriſtus ihres gleichen were) Chriſtiſch ſich genen-
net/ denen aber Paulus tapffer auffgieſſet und ſchreibet 1. Cor. 1/ 13.
Wie? iſt Chriſtus nun zutrennet? iſt denn Paulus fuͤr euch
gecreutziget/ oder ſeyd ihr in Paulus Nahmen getaufft?
cap. 3/5. Wer iſt Paulus/ wer iſt Apollo? Diener ſind ſie/ durch
welche ihr ſeyd glaubig worden/ und daſſelbige wie der HErꝛ
einem jeglichen gegeben hat. Der Terminus aber ſolcher Juͤnger-
Schul iſt excluſivè außſchließlich zuverſtehen. Mir allein ſolt ihr Juͤn-
ger machen/ und keine andere Meiſter ſuchen auſſer und wider mich.
Es haben ſich je und allezeit von aubegin der Welt bißher drey
Schulen erzeigt. Die Vernunffts-Schul/ deß Sathans-
T t t 2Schul/
[516]Die vierzehende
Schul/ Gottes-Schul. Da Moſes in Egypten kommen/ trifft er
ſolche Schulen an/ ein Schule darinn man die weltliche Weißheit und
Kuͤnſte gelehrt; dann er ward gelehrt in aller Weißheit der Egypter/ ſagt
Lucas Act. 7/22. Deß Sathans Schule war die Zauberiſche Schule/ dar-
inne Jannes und Jambres ihre ſchwartze Kunſt ergriffen. Aber Jo-
ſephs Schule war Gottes Schule/ in deren er als Scholarcha von Pha-
rao geſetzt worden/ daß er ſeine Fuͤrſten unterweiſet nach ſeiner Weiſe/
und ſeine Elteſten Weißheit lehrete/ Pſalm. 105/ 22. Sanct Paulus hat
auch in dreyen unterſchiedlichen Schulen ſich geuͤbet/ in ſeiner Heimath
zu Tharſo/ da er den gantzen Circul der Philoſophia und guter Welt-
Kuͤnſten gefaſt/ und die Veſtigia deſſen mehrmalen in ſeinen Schrifften
hervor ſcheinen laͤſt; Zu Jeruſalem hat er geſeſſen zun Fuͤſſen Gamalie-
lis/ in der Judenſchulen iſt er ein Juͤnger der Phariſeer/ und alſo ein giff-
tiges Ottergezuͤchte worden. Aber endlich iſt er in Chriſti Schul gerathen/
darinn er ſeinen vorigen prurit gelernet verſpeyen/ davon er ſelber Phil. 3/
6. ſeqq. ſchreibt: Nach dem Geſetz war ich ein Phariſeer/ nach
dem Eyffer ein Verfolger der Gemeine/ nach der Gerechtig-
keit im Geſetz unſtraͤfflich; Aber was mir Gewinn war/ das
habe ich um Chriſtus willen fůr Schaden geachtet/ denn ich
achte alles fůr Schaden gegen der uͤberſchwencklichen Er-
kaͤntnuͤß Chriſti JEſu meines HErꝛn/ um welches willen
ich alles habe fuͤr Schaden gerechnet. Die erſte Schule mag Chri-
ſtus wol leiden/ ſo fern ſie recht beſchnitten/ beſchoren/ gewaſchen/ der him̃-
liſchen Weißheit in ihrem Frauenzimmer auffwartet und gute Dienſt
leiſtet/ nicht als Meiſterin/ ſondern als Dienerin: Die andere Schul hat
Chriſtus auch gelten laſſen/ ſo fern ſie auff dem Catheder Moſis geſeſſen/
und gelehrt was Moſes gelehrt/ ſo fern ſie aber ihren Sauerteig mit einge-
miſcht/ hat er befohlen ſich dafuͤr zu huͤten/ und das Ottergezuͤcht zu mei-
den. Die dritte Schule und Stul iſt ſein eigen/ als in welcher ihm Juͤn-
ger gezeuget und gelehrt wurden/ er ſelbſt auß ſeinem Mund/ zu ſeinem
Zweck der Seelen Seligkeit. Darum ſaget er: Machet Mir zu Juͤn-
gern/ fuͤhrt ſie in meine Schule/ als die ſicherſte und beſte.
Was nun der HErꝛ Chriſtus ſeinen Apoſteln ernſtlich befohlen/
das haben ſie auch treulich und redlich außgerichtet/ die Kirchen-Hiſtori
zeugt davon/ und iſt allbereit in obigem appendice mit mehrerm ſolches
beſchrieben worden. Nicht allein aber ſie die alten und erſten Apoſtel ha-
ben ſolche Treu erwieſen/ ſondern es haben auch in dieſen letſten Zeiten die-
ſelbe ſecundirt/ und ihren Beruff in gewiſſer maß wiederholet Lutherus
und
[517]Predigt.
und ſeine Paraſtaten. Nachdem Sathans Schul/ darinn man Lehre der
Teuffel deß verfuͤhriſchen Geiſts profitirt/ und die Macht der Finſternuͤß
allzuſtarck worden: Nachdem vom hoͤlliſchen Guckgauch (κακου̃ κόρακος
κακὰ ὠὰ,) irꝛglaubende Juͤnger außgeheckt worden: Nachdem viel falſch-
und wider-Chriſten in die Welt außgangen/ und ihres gleichen falſche
Chriſten gezeuget und erzihlet: Nachdem dem alten außerwehlten Chri-
ſten- Volck ein ander abtruͤnniges Volck ſuccedirt und gefolget: Nach-
dem auch die Papæ, als Patres \& Domini fidei, die Heerd ſampt dem
Glauben beherꝛſchet/ und abſolutè ihnen wollen geglaubt haben. (Es
haben ſich unterſchiedliche Patriarchen allerhand Orden herfuͤr gethan/
die Benedictiner, Franciſcaner, Dominicaner, \&c. und iſt endlich auff
ein einzele Perſon der Vaters Nahmen geſtiegen/ da allein der Biſchoff zu
Rom denſelben an ſich gezogen/ und alſo der Wider-Chriſt Abbt worden/
wovon Baronius in Martyrol. in Addit. ad diem 10. Januarii ſchreibet:
Epiſcopos nuncupatos eſſe Papas, uſque ad annum Domini 850.
Exinde verò nomen Papæ ſoli adhæſiſſe Pontifici Romano, quod
poſtmodum ſanctione ſuâ confirmavit Gregor. VII. Pontif. in Sy-
nodo Romana anno Domini 1073. qua ſtatuit contra Schiſmaticos,
ut Papæ nomen unicum eſſet in orbe Chriſtiano, nec liceret alicui
ſeipſum vel alium eo nomine appellare.)
Luth. Tom. 7. Witt. p. 586. ſchreibt hiedon: Diß iſt allererſt die aller-
aͤrgſte Grundſuppe aller Teuffel in der Hoͤlle/ daß er (der Pabſt) ſolche Ge-
walt dahin ſtrecket/ daß er Macht haben will/ Geſetze und Articul deß Glau-
bens zuſtellen/ die Schrifft (welche er nie gelernt/ nicht kan/ auch nicht wiſſen
will) nach ſeinem tollen Sinn zu deuten/ will alle Welt zwingen zu glauben
ſeiner Lehre/ und lehret doch nichts/ denn eitel Abgoͤtterey/ und zerſtoͤret alles/
was der Sohn Gottes unſer HErꝛ uns mit ſeinem Blut erworben hat/ nim-
met weg den Glauben/ Chriſtliche Freyheit und rechte gute Wercke.
So/ ſag ich/ hat ſich der groſſe Wunder-Koͤnig ſonderlich uͤber Teutſch-
land erbarmet/ gute heilſame und nutzliche Schulen auffgerichtet/ junge
Leute als edle Pflaͤntzlinge tapffer zur Reinigkeit der Lehr/ und recht-
tugendlichem Leben angezogen/ Chriſt-Kinder und neue Creaturen gezeu-
get/ ſo viel ſo reichlich als der Thau auß der Morgenroͤthe.
Es jactiren zwar und thun ſich groſſer Streich auß die neuen Jndia-
niſchen Apoſtel/ Ignatii Lojolæ Schuͤler und Patres der Societaͤt/
geben fuͤr/ ob gleich Lutherus und ſeine Juͤnger in Teutſchland und mit-
naͤchtiſchen Laͤndern/ dem Roͤmiſchen Pabſtthum groſſen Schaden und
Abbruch gethan/ ſo ſey doch derſelbe durch beſagte Lojoliten/ in der neu-
T t t 3erfun-
[518]Die vierzehende
erfundenen Welt/ an den barbariſchen und wilden Voͤlckern reichlich er-
Bellarm.
lib. de Eccl.
c. 12. §. poſt
illa.ſetzt worden: Und iſt deß pralens kein Ort und kein Ende. Bellarminus
ruͤhmet von einem Prediger-Moͤnche Vincentio, der allein 25000. Ju-
den und Saracener bekehrt haben ſoll/ aber durch was Mittel/ wird in
naͤchſter Predigt angezeigt werden. Ja wann Affen Menſchen ſeyn koͤn-
nen/ ſo koͤnnen auch beſagte Patres Apoſtel ſeyn und heiſſen.
Wie nun abermal getreuen Lehrern und Dienern Gottes ihre Le-
ction allhier fuͤrgeſchrieben/ ſie ſollen Juͤnger und gute Chriſten machen/
ihrem HErꝛn Chriſto ein heiliges Chriſten-Volck gewinnen und ſam̃len/
ihrem HErꝛn/ ſag ich/ und nicht ihnen ſelbſt Juͤnger und Sclaven/ an-
ders als jener Koͤnig Apſephas, der ſeine Voͤgel gewehnt und abgerichtet/
daß ſie haben im Außflug ſingen und ſagen muͤſſen/ Apſephas ſey Gott;
Wie man noch wol heutiges Tags ſolche ſtoltze und hochgeſtim̃te Geiſter
findet/ die ſich nicht begnuͤgen mit dem Titul der Luminum, wollen gar
fuͤr Numina angebetten werden/ ihren diſcipulis zumuthen/ ſie ſollen
gleichſam ſchwoͤren in verba Magiſtri. Nicht alſo! Sondern in Einfalt
deß Hertzens/ wie dort der weiſe Mann/ Sap. 7, 13. ἀδόλως ἔμαϑον, ἀφθό-
νως μεταδίδωμι, ein faͤltiglich/ ſagt er/ hab ichs gelernt/ mildiglich
theil ichs mit. Wobey auch Chriſtliche Regenten und Obrigkeiten ein
ſchoͤnen Rathherꝛn-Spiegel an Joſeph von Arimathia haben/ der ſich
nicht geſchaͤmet ſeinem HErꝛn JEſu zu Ehren Juͤnger zumachen/ und zu
Auffnehmen der Schul Chriſti alle muͤgliche Befoͤrderung zu leiſten. Wo-
hin D. Lutheri ernſthaffte Vermahnung gehet/ Tom. 6. Witteb. p. 347.
Jch hoffe ja (ſchreibt er) daß die Glaͤubigen und was Chriſten
heiſſen will/ faſt wol wiſſen/ daß der geiſtliche Stand ſeye von
GOtt eingeſetzet und geſtifftet/ nicht mit Gold noch Silber/
ſondern mit dem theuren Blut und bittern Tod ſeines eini-
gen Sohns unſers HErꝛn JEſu Chriſti. Denn auß ſeinen
Wunden flieſſen warlich (wie man vor Zeiten auff die Briefe
mahlete) die Sacrament/ und hats warlich theur erernt/
daß man in der gantzen Welt ſolch Ampt hat zu predigen/
taͤuffen/ loͤſen/ binden/ Sacrament reichen/ troͤſten/ warnen/
vermahnen mit Gottes Wort/ und was mehr zum Ampt
der Seelſorgen gehoͤrt. Denn auch ſolch Ampt nicht allein
hie das zeitliche Leben und alle weltliche Staͤnde foͤrdert und
halten hilfft/ ſondern das ewige Leben gibt/ und vom Tode
und Suͤnden erloͤſet/ welches denn ſein eigendlich fuͤrnem-
lich Werck iſt/ und zwar die Welt allzumal ſtehet und bleibt/
allein
[519]Predigt.
allein um dieſes Standes willen/ ſonſt waͤre ſie lang zu Bo-
den gangen. Jch meine aber nicht den jetzigen geiſtlichen
Stand in Kloͤſtern und Stifften/ mit ſeinem ehrloſen We-
ſen/ denn derſelbige iſt laͤngſt von ſeiner erſten loͤblichen Stif-
tung gefallen/ und nicht mehr dann ein Stand zum Geld
und Zinſen geſtifftet/ durch Menſchliche Weißheit/ hat auch
nichts geiſtliches an ſich/ ohne daß ſie nicht ehelich ſind/ daß
ſie auch nicht beduͤrffen/ haben wol ein anders dafuͤr/ ſonſt iſts
alles eitel aͤuſſerlich/ zeitlich/ vergaͤnglich Gepraͤnge/ denn
ſie achten deß Worts und Predigampts nicht/ wo aber das
Wort nicht gehet/ da muß ſchlechte Geiſtligkeit ſeyn: Son-
dern den Stand meine ich/ der das Predigampt und Dienſt
deß Worts und der Sacrament hat/ welches gibt den Geiſt
und alle Seligkeit/ die man mit keinem Geſaͤnge noch Ge-
praͤnge erlangen kan/ als da iſt das Pfarꝛampt/ Lehrer/ Pre-
diger/ Leſer/ Prieſter/ (die man Capplan nennet) Kuͤſter/
Schulmeiſter/ und was zu ſolchen Aemptern und Perſonen
mehr gehoͤrt/ welchen Stand die Schrifft warlich hoch ruͤh-
met und lobet/ St. Paulus nennet ſie Gottes Haußhalter uñ
Knechte/ Biſchoͤffe/Doctores,Propheten/ dazu auch Gottes
Boten zuverſuͤhnen die Welt mit GOtt/ 2. Cor. 6. Joel nen-
net ſie die Heylande/ David nennet ſie Koͤnige und Fuͤrſten/
Pſal. 67. Haggeus nennet ſie Engel/ und Malachias am 2.
ſpricht: Die Lippen deß Prieſters behalten das Geſetz/ denn
er iſt ein Engel deß HErꝛn Zebaoth/ wie ſie Chriſtus ſelbſt
nennet/ nicht allein Matth. 11. da er den Taͤuffer Johannem
einen Engel nennet/ ſondern auch durchs gantze Buch der
Offenbarung Johannis. Darum haben die Alten ſolchen
Stand ſehr gemieden und geſcheucht anzunehmen/ um ſei-
ner groſſen Wuͤrden und Hoͤhe willen/ daß man ſie hat muͤſ-
ſen dazu zwingen und treiben/ wiewol hernach und bißher
viel geweſen ſind/ die ſolchen Stand haben gepreiſet/ um
deß Meſſe-haltens willen/ mehr denn ums Predigens wil-
len/ welcher Preiß und Ruhm biß anher gewachſen iſt ſo
hoch/ daß ſie das Prieſterliche Ampt und Stand (Meſſe zu
opffern) uͤber Maria und Engel geſetzt haben/ weil die Engel
und Maria nicht ſollen Meſſe halten koͤnnen/ das doch ein
Prieſter koͤnne/ und iſt ein herꝛlich Ding geweſt um einen
neuen
[520]Die vierzehende
neuen Prieſter und erſte Meſſe/ und ſelig war die Frau/ die ei-
nen Prieſter getragen hatte/ ſo doch das Wort und Predig-
Ampt das allerhoͤheſte und fuͤrnehmſte iſt/ deß man nicht ſo
hoch geachtet hat. Vnd in Summa/ ein Prieſter hat geheiſ-
ſen/ der Meſſe halten koͤnne/ ob er gleich nicht ein Wort hat
wiſſen zu predigen/ und ein ungelehrter Eſel geweſt iſt. Das
iſt faſt der jetzige geiſtliche Stand noch heutiges Tags. Jſt
nu das gewiß und wahr/ daß GOtt den geiſtlichen Stand
ſelbſt hat eingeſetzt und geſtifft/ mit ſeinem eigen Blut und
Tod/ iſt gut zu rechnen/ daß er denſelbigen will hochgeehret
haben/ und nicht leiden/ daß er ſolle untergehen oder auffhoͤ-
ren/ ſondern erhalten haben biß an juͤngſten Tag. Denn es
muß ja das Evangelium und die Chriſtenheit bleiben biß an
juͤngſten Tag/ wie Chriſtus ſpricht Matthæi am letſten/ ſihe
ich bin bey euch biß an der Welt Ende. Durch wen ſoll er
aber erhalten werden? Ochſen und Pferd/ Hunde und Seu
werdens nicht thun/ Holtz uñ Steine auch nicht? Es werdens
wir Menſchen thun muͤſſen/ denn es iſt ja ſolch Ampt nicht
Ochſen oder Pferden befohlen/ ſondern uns Menſchen:
Wo ſoll man aber Menſchen dazu nehmen/ ohne bey denen
die Kinder haben? Wenn du nicht wilt dein Kind dazu zie-
hen/ jener auch nicht/ und ſo fort an/ kein Vater noch Mut-
ter ſein Kind unſerm GOtt hiezu geben/ wo will dann das
geiſtliche Ampt und Stand bleiben? Die Alten ſo jetzt drin-
nen ſind/ werden nicht ewig leben/ ſondern ſterben taͤglich da-
hin/ und ſind keine andere da an ihre Statt/ was wird GOtt
zu letſt dazu ſagen? Meineſtu er werde deß ein Gefallen ha-
ben/ daß wir ſein Goͤttlich geſtifft Ampt/ zu ſeinem Lob und
Ehren/ und zu unſerm Heyl ſo theur erworben/ ſo ſchendlich
verachten/ und mit ſolchem Vndanck laſſen fallen und un-
tergehen. Er hat die Kinder geben/ und Nahrung dazu/ nicht
darum/ daß du allein deine Luſt an ihnen ſolt haben/ oder
zur Welt-Pracht ziehen. Es iſt dir ernſtlich gebotten/ daß du
ſie ſolt ziehen zu Gottes-Dienſt/ oder ſolt mit Kind und allem
rein außgewurtzelt werden/ daß alles verdampt ſey/ was du
an ſie legeſt/ wie das erſte Gebott ſaget: Jch ſuche heim der
Vaͤter Miſſethat an den Kindern/ biß ins dritte und vierdte
Glied deren die mich haſſen. Wo wiltu ſie aber zu Gottes-
dienſt
[521]Predigt.
Dienſt ziehen/ wenn das Predigampt und geiſtlicher Stand
ligt und gefallen iſt? Und deine Schuld iſt/ der du wol haͤt-
teſt koͤnnen darzu thun und helffen erhalten/ wo du dein Kind
haͤtteſt laſſen lernen. Denn wo du es thun kanſt/ und dein
Kind dazu tuͤchtig iſt oder Luſt hat/ und du thuſt es nicht/ ſon-
dern hinderſt es/ hoͤreſtu es wol? ſo biſtu ſchuldig an dem
Schaden/ daß der geiſtliche Stand faͤllet/ und weder GOtt
noch Gottes Wort in der Welt bleibt/ denn ſo viel an dir
iſt/ laͤſſeſtu ihn fallen/ und weil du dein Kind nicht wilt dazu
geben/ ſo haͤtteſtu eben auch mit allen/ wenn du Welt voll
Kinder haͤtteſt/ daß deinethalben der Gottesdienſt ſchlecht zu
Grunde gehe. Und hilfft dich nicht/ daß du ſagen wolteſt/
mein Nachbar haͤlt ſeinen Sohn zur Schul/ ich darffs nicht.
Denn dein Nachbar kan auch ſo ſagen/ und ſo fort an alle
Nachbaren/ wo kriegt GOtt dieweil Leute zu ſeinem geiſtli-
chen Ampt? Du haſt die Perſon und kanſt ſie geben/ aber du
wilts nicht thun/ dein Nachbar auch nicht/ alſo gehts denn
zu Boden/ ſo viel an euch iſt. Weil du denn laͤſſeſt deinem
GOtt ſein Stifft und eingeſetzt Ampt/ ſo hoch und theuer
erarnt/ verwuͤſten und mit ſolcher greulichen Undanckbar-
keit untergehen/ ſo ſoltu auch wiederum verflucht ſeyn/ und
beyde deinen Kindern und an dir ſelbſt eitel Schande und
Jammer erleben/ oder doch ſonſt alſo geplagt werden/ daß
du nicht allein hie auff Erden/ ſondern auch dort ewiglich in
der Hoͤlle/ ſamt ihnen verdam̃t werdeſt/ das ſoll dir auch
nicht fehlen/ auff daß du lerneſt/ die Kinder ſeyen nicht ſo
gantz und gar dein/ daß du GOtt nichts muͤſſeſt davon thun/
er will auch recht daran haben/ und ſie ſind auch mehr ſein/
dann dein. Bißher Lutheri Erinnerung.
Als ligt uns alleſamt ob zuvorderſt (1.) die kluge διάκρισις πνευμάτων, die
Entſcheidung der Geiſter. Forſche du derowegen in der Schrifft/
und lerne dich huͤten fuͤr den falſchen Propheten/ pruͤffe die Geiſter als
Wind/ woher ſie waͤhen/ ob ſie auß GOtt ſind/ vom Him̃el oder der Hoͤlle
herkommen? Obs ein guter/ weiſer und Warheits-Geiſt/ oder ein boͤſer
ſchwartzer Jrꝛ-Flader- und Luͤgen-Geiſt? Alſo lehrt der Schoßjuͤnger deß
Herꝛn Jeſu/ das maͤchtige Dounerkind St. Johannes/ zu deſſen Zeiten
die Jrꝛgeiſter ſich ſchon haben anfangen zu regen/ derſelbe warnet ſonder-
lich uns Spaͤtlinge/ die wir in die letſten Welt-Zeiten gerathen/ man ſoll
Achter Theil. U u uauff
[522]Die vierzehende
auff die Probe gehen/ die Gefahr ſey unermeßlich groß: Er redet nicht nur
von privat-Geiſtern/ ſondern von den offentlichen lehrenden Geiſtern/
und nicht nur lernenden; Jene ſind ſonderlich zu probiren/ bevorab weil
auß den Hiſtorien uñ Erfahrenheit bekant/ daß gemeiniglich alle Ketzereyen
durch offentliche Lehrer/ Patriarchen und Biſchoͤffe außgeſaͤet worden;
Er nennet die Lehrer Geiſter wegen der ſubtilen Unmerckſamkeit/ auch
unſterblichen Beſtaͤndigkeit: Luther iſt lang tod/ aber ſein Geiſt lebet noch:
Pabſt Leo iſt laͤngſt geſtorben/ aber der Genius ſeines Staats iſt noch
nicht todt; Calvinus ligt begraben/ aber ſein Religions-Geiſt reget ſich
noch alle Tage. Darum pruͤffet/ pruͤffet! Der Pruͤff- und Probier-Stein
ſteht da/ nemlich die H. Schrifft; Der Befehl deß pruͤffens gehet maͤn-
niglich und einen jeden Chriſten inſonderheit an/ es betrifft kein Welt- und
Geld-Sache/ ſondern Gewiſſen/ Seel und Seligkeit/ es laͤſt ſich hier nicht
zweymal irren oder fehlen/ kein anderer wird fuͤr dich in Himmel/ auch kein
ander fuͤr dich in die Hoͤlle kommen/ ſondern wann ein Blinder ei-
Luc. 6, 39.nen Blinden fuͤhrt/ werden ſie beyde in die Grube fallen. Jch
ſchreibe/ ſchreibt St. Johannes 1. Ep. 2/ 13 ſeq.euch Vaͤtern/
denn ihr kennet den/ der von Anfang iſt; Jch ſchreibe euch
Juͤnglingen/ deñ ihr habt den Boͤßwicht uͤberwunden/ ich
ſchreibe euch Kindern/ denn ihr kennet den Vater.
Ach GOtt/ ſprichſtu/ ich bin hierzu viel zu ungelehrt und unge-
ſchickt/ ich bin ein Ley und Idiot, ſolch hohes Werck gehoͤrt fuͤr die Gelehr-
ten/ die Concilia die moͤgen das außdiſputiren/ außecken und außfindig
machen was zu glauben/ es iſt meines thuns nicht. Antwort: Jch be-
ſorge ehe viel zu faul/ traͤge und maßleidig/ als zu ungelehrt und unge-
ſchickt; Niemand iſt zu ungeſchickt gut Geld vom boͤſen/ gute Wahr von
boͤſer und untuͤchtiger zu unterſcheiden/ aber die himmliſche Wahrheit von
Sathaniſchen Luͤgen zu unterſcheiden/ will man muthwillig nicht wiſ-
vide Luther. Tom. 1. Isleb. p. 169. f. 2. citat. in Panegyr. Vran. in Pſal. 19.
pag. 321. ſeq.
ſen/ iſt eine verdam̃liche Unwiſſenheit/ die wird am juͤngſten Tage nicht be-
ſtehen. Noth lehrt beten/ Noth lehrt kriegen/ Noth ſoll auch lehren die
Geiſter pruͤffen. Concilia ſeind zwar von groſſer Authoritaͤt/ aber nicht
allezeit von groſſer unpartheylicher Redligkeit/ wie Gegentheil ſelbſt geſte-
hen muß. Was von den H. Vaͤtern zu halten/ hatLutherus
kurtz und rundexpedirt Tom. 7. Witteb. pag. 154. fac. 2.
Jch frage/ ſchreibt er/ wer hat ihnen geſagt/ daß die Vaͤter liechter denn die
Schrifft/ und nicht auch finſterer ſeyn? wie/ wenn ich ſpreche/ ſie verſtuͤnden die
Vaͤter ſo wenig als die Schrifft? Jch koͤnte die Ohren ſo wol ſtopffen gegen der
Vaͤter
[523]Predigt.
Vaͤter Spruͤch/ als ſie gegen der Schrifft? Damit kommen wir aber nicht zur
Wahrheit. Hat der Geiſt in den Vaͤtern geredt/ ſo hat er viel mehr in ſeiner ei-
gen Schrifft geredt. Vnd wer den Geiſt nicht verſtehet in ſeiner eigen Schrifft/
wer will glauben/ daß er ihn in eines andern Schrifft verſtehe? das heiſſet eben
das Schwert in der Scheiden fuͤhren/ wann man es nicht bloß in ihm ſelber/
ſondern in Menſchen Wort und Gloſſe faſſet/ da iſts alsbald ſtumpff und finſte-
rer denn vorhin. Darum iſt zu wiſſen/ daß die Schrifft ohn alle Gloſſe iſt die
Sonne und gantzes Liecht/ von welcher alle Lehrer ihr Liecht empfahen/ und nicht
wiederum. Das merckt man dabey/ wo die Vaͤter etwas lehren/ ſo trauen ſie
ihrer Lehre nicht/ ſorgen ſie ſey zu finſter und ungewiß/ und lauffen in die Schrifft/
nehmen ein klaren Spruch darauß/ damit ſie ihr Ding erleuchten/ gleichwie man
ein Liecht in eine Latern ſetzet/ wie Pſalm. 17. HErꝛ du erleuchteſt meine Latern.
Deſſelben gleichen/ wenn ſie einen Orth der Schrifft außlegen/ ſo thun ſie es
nicht mit ihrem eigen Sinn oder Wort (denn wo ſie das thun/ wie offt geſchicht/
da irren ſie gemeiniglich) ſondern bringen einen andern Orth herzu/ der klaͤrer
iſt/ und alſo Schrifft mit Schrifft erleuchten und außlegen.
Zwar deß Pabſts Geiſt der ſcheut das Liecht/ er will ungepruͤfft und
ungemeiſtert bleiben/ verbeut den Leyen das diſputiren/ das iſt/ das Pruͤ-
fen/ ſein Decret lautet alſo: Ein diſputirender Ley begeht ein Tod-Suͤnd;
Navarr. Enchirid. c. 11. Greg. de Valent. Tom. 3. diſp. 1. q. 10. punct. 4.
Becan. l. 5. man. c. 11. Bellarm. l. 1. de Cler. c. 7.
Ein Ley thue der Sachen uͤbrig gnug/ wann er nur acht gibt auff ſeiner
Pfarꝛherꝛ Predigten/ ob ſie uͤbereinſtimmen mit dem Wort der vorher-
gehenden Pfarꝛherꝛ/ oder anderer neben demſelben/ ſonderlich was dem
Roͤmiſchen Stuhl gemaͤß/ da darff er ſchon trauen. Ja wann St. Pau-
lus nicht warnete und ſagte Act. 20, 29. ſeq.Jch weiß daß nach mei-
nem Abſchiede werden unter euch kom̃en greuliche Woͤlffe/ die
der Heerde nicht verſchonen werden/ auch auß euch ſelbſt wer-
den aufſtehn Maͤnner/ die da verkehrete Lehren reden/ die Juͤn-
ger an ſich zuziehen/ darum ſeyd wacker. Ja wann wir deß ge-
ſichert waͤren/ daß niemal auff einen getreuen Seelenhirten ein Wolff fol-
gen thaͤte/ ſo moͤchte man hie die kleine Waldvoͤgelein laſſen ſorgen; Aber
die Schlange die ins Paradieß geſchlichen/ die kan auch den Roͤmiſchen
Stuhl beſteigen. Sehet euch fuͤr/ ſagt Chriſtus/ fuͤr den Woͤlffen/
ſo in Schaaffskleidern zu euch kommen/ Matth. 7. Welches
ohne rechtmaͤſſige ordentliche Pruͤffung nicht geſchehen kan.
Sprichſtu? Jch kan aber leichtlich irren/ deß rechten Schrifft-
ſinnes und Verſtands verfehlen/ es kan ein ſelbſt-Betrug zu meinem pruͤf-
fen und forſchen zuſchlagen/ wann ſo viel gelehrte Leute ſich haben ſtoſſen/
und in Jrꝛthum ſich verleiten laſſen/ die ſo bruͤnſtig um Goͤttliche Er-
leuchtung gebetet als ich/ die ſo ernſtlich und fleiſſig die Warheit ge-
U u u 2forſcht/
[524]Die vierzehende
forſcht/ als ich/ wie kan ich mich dann verſichern/ daß mir dergleichen auch
nicht werde begegnen/ wie ſolt ich mich erkuͤhnen ſo viel gelehrten Leuten
und Concilien zu widerſprechen? Zu dem iſt der Laſt den du mir auffbuͤr-
deſt/ viel zu ſchwer.
Antwort: Du plageſt dich mit vergebener Furcht/ GOtt fordert von
dir mehr nicht/ als den Talent-Groſchen/ den er dir eingethan damit zu
wuchern/ er begehrt nicht/ daß wir alle hocherleuchte Doctores ſeyn ſollen/
ſondern glaubige Chriſten/ die mit erleuchteten Augen deß Glaubens ſeine
Evangelia und froͤliche Bottſchafften verſtehen und annehmen/ ſo viel
zur Seligkeit und heiligem Leben und Wandel vonnoͤthen/ die Vollkom-
menheit deß Grads wird niemand in dieſer Unterſchul erlangen/ aber doch
einen und den andern Grad der Vollkommenheit. Einem guten Hauß-
vater iſt neben dem Vorrath der Speiſe und Getraͤnck auch Artzney von
noͤthen/ deren er ſich im Fall der Noth zu bedienen/ ihm iſt gnug/ wann er
mit Theriack und Hirſchhorn verſehen/ er bedarff eben keiner gantzen voͤlli-
gen Apotheck; Alſo auch ein Chriſt hat gnug/ wann er ſich im Nothfall
deß Giffts ungeſunder Lehr erwehren kan/ ein gantze vollkommene Bi-
bliotheck/ ein groſſer Apparat allerhand Kuͤnſten und Sprachen iſt ihm ſo
hoch nicht noth. Wirſtu Gottes Ordnung nachkommen in demuͤtiger
Furcht ſeines Nahmens/ mit andaͤchtigem Gebet (ohnangeſehen welt-
lichen Gluͤcks/ Stats/ Fried/ ſcheinbaren Glantzes/ ſo irgends bey einer
Religion mehr zuhoffen/ als bey der andern/ auß lauter Liebe zur rechten
Warheit) der himmliſchen Weißheit/ wie Syrach vermahnet/ nach-
ſchleichen/ nachdencken/ nachforſchen/ den Geiſt anderer Propheten Geiſt
nicht Knechtiſcher ſondern Schul-Kindlicher Weiſe unterwerffen/ ſo ſte-
het da die Goͤttliche Verheiſſung/ daß er dich durch ſeinen Geiſt in alle
Warheit leiten wolle/ er wolle dich nicht irren noch fehlen laſſen/ GOtt
wird an dir nicht zum Luͤgner werden/ gehet es gleich ſchwach mit dir her/
ligt nichts dran/ es geht auch ſchwach mit dem Gebet her/ ſolteſtu darum
das Beten unterlaſſen? Gottes Geiſt kompt unſer Schwachheit zu Huͤlffe/
gleichwie ein Rechenmeiſter ſich leichtlich ſtoſſen kan/ wann er die Regul
ſeiner Kunſt auß den Augen ſetzt/ nicht aber alsdann/ wann er ſeine Kunſt.
Ordnung in acht nimbt: Alſo auch ein Chriſt/ der die Geiſter auß Heil.
Schrifft auff die Prob fuͤhrt/ kan mit der Ordnung nicht irren. Daß viel
gelehrte Leute ſich verſtoſſen/ iſt nicht ſo hoch zuverwundern/ der HERR
Chriſtus danckt ſeinem him̃liſchen Vater nicht vergebens Matth. 11/ 25.
Jch preiſe dich Vater und HErꝛ Himmels und der Erden/
daß du ſolches den Weiſen und Klugen verborgen haſt/ und
haſt
[525]Predigt.
haſt es den Unmuͤndigen offenbaret. Urſach/ die Gelehrte ſeind
bißweilen verkehrt/ ſtoltz/ auffgeblaſen/ eigenſinnig/ mit præjudicien und
vor-gefaſten Meynungen behafftet/ Veraͤchter Goͤttlicher Ordnung/ be-
obachten in ihren Synodis offt mehr ihre Stats-Ration, als die liebe ein-
faͤltige lautere aber verhaßte Warheit/ drum laͤßt ſie GOtt ſtraucheln und
fallen/ wer fleiſſig achtung drauff gibt/ der wirds leichtlich finden.
Ja ſprichſtu abermalen? Schreibt doch St. Petrus 2. Epiſt. 1/ 20.
Keine Weiſſagung in der Schrifft geſchihet auß eigener
Außlegung/ (ἰδίᾳ ἐπιλύσει.) Jch bin ein privat-Menſch/ die Stimme
der Concilien iſt eine offentliche Stimme/ ihre Außlegung iſt die Stimme
deß H. Geiſtes/ der unfehlbar den Concilien beywohnet. Antwort: Ja
wann ſie im Nahmen Chriſti/ das iſt/ nach ſeinem Wort und Befehl/ zu
ſeiner Ehr allein verſamlet/ Chriſtlich/ frey/ unpaſſionirt die Warheit for-
ſchen nach der einigen Regul der H. Schrifft: Jm widrigen Fall kan
ein Rath der Gottloſen drauß werden/ und ein Stuhl der Spoͤtter. Jn-
maſſen von dem unchriſtlichen/ gefangenen/ Rachsſichtigen/ Schrifft-
ſcheuenden Tridentiſchen Concilio dergleichen leichtlich zuerweiſen. Sonſt
muß ἰδία ἐπίλυσις, die eigene Außlegung/ davon St. Petrus redet/ recht und
wol verſtanden werden: Nicht alles/ was von einer privat-Perſon kom̃t/
iſt eine Eigenſucht und Eigenſinnigkeit zu nennen/ es gibt ἰδίαν δύναμιν
eigen Vermoͤgen/ welches GOtt darreicht Matth. 25/ 15. Der Geiſt Got-
tes gibt jedem ſeine eigene Gaben/ 1. Cor. 12/ 12. ſo keines wegs zu
verdammen: Sondern eigene Außlegung heiſt/ die auß eigenem Hirn/
ohne Bewaͤhrung Goͤtt. Schrifft/ er ſonnen und geſponnen. Welcher Feh-
ler auch von denen in Concilien hauffenweiß verſamleten gelehrten Leu-
ten/ deren Hertzen und Mund mit der Erbſuͤnde vergifftet/ ehe zuvermu-
then/ als von dem Concent und Zuſammenſtimmung der Prophetiſchen
und Apoſtoliſchen Schrifften/ welchen der H. Geiſt ohnfehlbar beywoh-
net/ wer denſelben gemaͤß außleget/ der legt nicht auß eigenem Duͤncken
und Duͤnckel auß/ ſondern nach Goͤttlicher Regul und Ordnung.
Es muß aber dieſer Unterſcheid nicht nur gemacht werden in dem
Concept, den Gedancken/ Sinn und Glauben/ ſondern auch in der de-
nomination, dem Elencho nominali und unterſchiedlichen Benam-vide Ho-
dom Calv.
proœm. p.
18. ſeq.
ſung. Der Nahme Chriſtian/ wie auch der Nahm Catholic iſt allzu Ge-
neral/ conſequenter æquivoc, alle ſo wol recht-als falſch-glaubige bede-
cken ſich und ihre Jrꝛſaal unter dieſem allgemeinen Mantel; Der Arria-
ner/ der Calviniſt/ der Widertaͤuffer/ will Chriſt und zwar Evangeliſcher
Chriſt heiſſen/ wann mans beym Liecht beſihet/ iſts ein Un- oder Wider-
U u u 3Chriſt:
[526]Die vierzehende
Chriſt: Der Papiſt will Catholic ſeyn/ wann aber der Nahme folgen ſoll
deme/ woran man ſich am naͤchſten haltet/ ut denominatio fiat à potio-
ri, ſo iſt er mehr ein Marianer als Catholiſcher Chriſt. Darum wolge-
than/ daß man Unterſcheids halben ſo wol Perſonal-Nahmen/ oder Nah-
men von den Lehrern/ von Luthero Lutheriſch/ von Calvino Calviniſch
ſich nenne oder nennen laſſe: Hat doch Chriſtus ſelbſt den Nathanael ei-
nen rechtſchaffenen Jſraeliten genennet von Jſrael/ die Saduceer von
Sadoco.
Jch ſehe (ſind Lutheri bedenckliche Wort Tom. 7. Witt. p. 363. f. 2.) daß
eine gute Vermahnung noth iſt zu thun an die/ ſo jetzt der Sathanas anfaͤhet zu-
verfolgen/ unter welchen etliche ſind/ die meynen/ ſie wollen der Faͤhrligkeit da-
mit entlauffen/ wenn man ſie angreifft/ daß ſie ſagen/ ich halts nicht mit dem Lu-
ther/ noch mit jemand/ ſondern mit dem H. Evangelio/ und mit der heiligen Kir-
chen/ oder mit der Roͤmiſchen Kirchen/ ſo laͤſſet man ſie mit frieden/ und behalten
doch im Hertzen meine Lehr fuͤr Evangeliſch/ und bleiben dabey. Warlich ſolch
Bekaͤntnuͤß hilfft ſie nicht/ und iſt eben ſo viel als Chriſtum verleugnet. Darum
bitt ich/ dieſelben wolten ſich ja wol fuͤrſehen. Wahr iſts/ daß du ja bey Leib und
Seel nicht ſolt ſagen: Jch bin Lutheriſch oder Paͤbſtiſch/ denn derſelbe iſt keiner
fuͤr dich geſtorben/ noch dein Meiſter/ ſondern allein Chriſtus/ und ſolt dich Chri-
ſten bekennen: Aber wenn du es dafuͤr haͤlteſt/ daß deß Luthers Lehr Evangeliſch/
und deß Pabſts Vn Evangeliſch ſey/ ſo muſtu den Luther nicht ſo gar hinwerffen/
du wirffeſt ſonſt ſeine Lehr auch mit hin/ die du doch fuͤr Chriſtus Lehre erkenneſt;
ſondern alſo muſtu ſagen/ der Luther ſey ein Bube oder Heilig/ da ligt mir nichts
an/ ſeine Lehre aber iſt nicht ſein/ ſondern Chriſtus ſelbſt/ denn du ſiheſt/ daß die
Tyrannen nicht damit umgehen/ daß ſie nur den Luther umbringen/ ſondern die
Lehre wollen ſie vertilgen/ und von der Lehre wegen taſten ſie dich an/ und fra-
gen dich/ ob du Lutheriſch ſeyeſt. Hier muſtu warlich nicht mit Rohr-Worten
reden/ ſondern frey Chriſtum bekennen/ es habe ihn Luther/ Clauß oder Georg
geprediget/ die Perſon laſſe fahren/ aber die Lehre mnſtu bekennen. Alſo ſchreibt
auch St. Paulus zu Timotheo 2. Epiſt. 1. ſchaͤme dich nicht deß Zeugnuͤß unſers
HErꝛn/ noch meiner/ der ich um ſeinen willen gebunden bin. Wenn hie Timo-
theo gnug geweſen were/ daß er das Evangelium bekennte/ haͤtte ihm Paulus
nicht geboten/ daß er ſich ſein auch nicht ſchaͤmen ſolt/ nicht als der Perſon Pau-
li/ ſondern als der um deß Evangeliums willen gebunden war. Wo nu Timo-
theus haͤtte geſagt/ ich halts nicht mit Paulo noch mit Petro/ ſondern mit Chri-
ſto/ und wüſte doch/ daß Petrus und Paulus Chriſtum lehreten/ haͤtte er doch
Chriſtum ſelbſt damit verleugnet. Denn Chriſtus ſpricht Matth. 10. von denen
die ihn predigen: Wer euch auffnimbt/ der nimbt mich auff/ wer euch veracht/
der veracht mich. Warum das? Darum daß ſie ſeine Boten (die ſein Wort
bringen) alſo halten/ darum iſts gleich/ als ob er ſelbſt und ſein Wort alſo ge-
halten wuͤrde. Bevorab (ſchreibt er anderswo an die zu Miltenberg Tom. 3.
Witt. p. 63. f. 2.) Gottes Worts willen/ welches ſie mit ihrem freveln Laͤſter-
maul jetzt Lutheriſche Lehre heiſſen/ auff daß ſie einen Schein haben/ als thaͤten
ſie GOtt einen Dienſt daran/ weil ſie Menſchen-Lehre verfolgen.
Wann wir dann nun den rechten Geiſt gefunden/ und die Ortho-
doxian bey einem und andern Lehrer erkant/ ſo folgt darauff und ligt uns
ob (II.) die hertzliche Reception und edle Obedientz/ der jenigen Lehrer/
die uns Chriſtus beſchehret/ wuͤrdiglich zu tractiren/ dieſelben unter uns
laſſen wohnen in aller Weißheit/ werben und gewinnen/ (nicht Chriſtum
mit ſeinen Apoſteln auß der Schul herauß zuſtoſſen/ wie ſeine Landsleute
die Nazarener gethan) ſie hoͤren und lernen/ (μανϑάνειν) erfahren Exod.
2/ 4. Eph. 4/ 5. und Gehorſam deß Glaubens leiſten/ an ihrem Meiſter
Chriſto allein hangen/ ihn um mehrere Zunahm demuͤtig bitten/ wie dort
geſchehen Luc. 11/ 1. demſelben folgen in ſeine Fußſtapffen/ in Luce \&
Cruce, in Lieben und Leiden/ in Chriſtlichem Leben und Wandel/ Chri-
ſtianiſmus eſt mors criminum \& vita virtutum, ſchreibt Cypria-
nus (*)/ es ſey das Chriſtenthum der Laſter Tod und Abgang/ und der(*) L. 2. Ep.
2. ad Dona-
tum.
Tugend Leben und Auffkommen.
Und dann endlich (III.) die redliche erleuchtete/ und warhafftige Con-
feſſion oder Bekaͤntnuͤß/ wann Glaubens-Rechenſchafft begehret und ge-
fraget wird/ biſtu ein Chriſt? die Antwort muß die definitio eines wahren
Chriſten/ und eigenes Gewiſſen geben/ und daß ich getaufft bin ꝛc. Herꝛ
Nein/ ſagt der Heyde (der ohne Gott/ ohne Chriſto/ ohne Hoffnung/ ohne
Troſt in der Welt lebt/ frembd von der Buͤrgerſchafft Jſraelis/ frembd
von den Teſtamenten der Verheiſſungen Epheſ. 2.) der Tuͤrcke/ der Jude:
Zweiffelhafftig muß antworten und ſagen/ Herꝛ vielleicht/ der Papiſt und
Calviniſt/ ſo lang jener bey ſeinem Tridentiniſ. Concilio bleibt/ in welchem
die Nothwendigkeit der intention und Andacht deß Prieſters oder Taͤuf-
fers decernirt und beſchloſſen/ ohne dero Wiſſenſchafft kein Papiſt ſeiner
Tauffe koͤñe gewiß und verſichert ſeyn; Nun aber iſt niemand ein Hertzen-
kuͤndiger/ der unfehlbar wiſſen und verjaͤhen koͤnte/ es habe der Prieſter oder
Taͤuffer die gebuͤhrende Andacht gehabt/ wie kan er denn ohne Anſtoß und
Widerſpruch ſeines Gewiſſens ſagen/ er ſey ein getaufſter Chriſt? Jnmaſ-
ſen ſolche conſequentz und Folg Tannerus in Coll. zu Regenſp. Seſſ. 12.
geſtanden. So lang dieſer (der Calviniſt) bey ſeiner Lehre bleibt/ von der
zweyerleyzertrennlichen Tauffe/ einem aͤuſſerlichen/ dadurch der Leib alleinvid. Pfaͤltz.
Catech. Fr.
69.
vom Diener mit Waſſer/ und einem innerlichen/ dadurch die Seel allein
von Chriſto ſelbſt mit ſeinem Blut und Geiſt abgewaſchen wird/ und ſeyn
dieſe beyde Tauffen abſonderlich/ eine koͤnne ohne die andere geſchehen:
Wer bloß außerwehlt/ der ſey innerlich/ wer bloß verworffen/ der ſey nur
aͤuſſerlich getaufft/ wann der jenige/ der nicht bloß außerwehlt iſt/ gleich
tauſendmal aͤuſſerlich getaufft wuͤrde/ ſo wuͤrde er doch niemalen den Glau-
ben
[528]Die vierzehende
ben und Geiſt empfangen. Gleichwie nun kein Reformirter verſichert
ſeyn kan/ daß er außerwehlt/ ſo kan er auch nicht verſichert ſeyn/ daß er recht
innerlich getaufft und ein Real-Chriſt worden. Der Grieche und Moſco-
witer kan zwar auch ſagen/ er ſey ein Nahm-Stam̃-Bund- und Pflicht-
(*) Tom. 7.
Witt. pag.
242.Chriſt worden in der Tauffe/ wovon Lutherus (*) ſchreibt: Ob da das
Pabſtum zu Rom/ wie es in beruhiger Beſitzung der Ge-
walt iſt/ uͤber die gantze Chriſtenheit (wie ſie ſagen) herkom-
men ſey von Goͤttlicher oder Menſchlicher Ordnung/ und
wo dem ſo waͤre/ ob man Chriſtlich ſagen moͤge/ daß alle an-
dere Chriſten in der gantzen Welt Ketzer und Abtruͤnnige
ſeyn/ ob ſie gleich dieſelben Tauffe/ Sacrament/ Evange-
lium/ und alle Articul deß Glaubens mit uns eintraͤchtiglich
halten/ außgenommen/ daß ſie ihre Prieſter und Biſchoͤffe
nicht von Rom beſtaͤtigen laſſen/ oder wie jetzt/ mit Geld kauf-
fen/ und wie die Teutſchen ſich aͤffen und narren laſſen/ als
da ſind die Moſcowiten/ weiſſe Reuſſen/ die Griechen/ Boͤh-
men/ und viel andere groſſe Laͤnder in der Welt. Denn dieſe
alle glaͤuben wie wir/ taͤuffen wie wir/ predigen wie wir/
leben wie wir/ halten auch den Pabſt in ſeinen Ehren/ oh-
ne daß ſie nicht Geld geben fuͤr ihre Biſchoͤffe und Prie-
ſter zu beſtaͤtigen/ wollen ſie auch mit Ablaß/ Bullen/ Bley-
Pergamen/ und was der Roͤmiſchen Wahr mehr ſind/
nicht laſſen ſchinden und ſchenden/ wie die truncken/ tollen
Teutſchen thun/ ſind auch bereit das Evangelium zuhoͤren
von dem Pabſt/ oder Pabſtes Bottſchafften/ und mag ihnen
doch nicht widerfahren. Jſt nu die Frage/ ob dieſe alle billich
Ketzer werden geſcholten (denn von dieſen allein und keinen
andern rede und handle ich) von uns Chriſten/ oder ob wir
billicher Ketzer und Abtruͤnniger ſind/ daß wir ſolche Chri-
ſten allein um Gelds willen Ketzer und Abtruͤnnige ſchelten/
denn wo der Pabſt nicht das Evangelium oder Bottſchafft
deſſelben zu ihnen ſendet/ die ſie gerne wolten haben und auf-
nehmen/ iſts am Tage/ daß durch Biſchoͤffe und Prieſter-
Beſtaͤtigung nur eine unnuͤtze Gewalt und Geld geſucht
wird/ darinn ſie nicht verwilligen/ und alſo Ketzer und Ab-
truͤnnige geſcholten werden. Nu habe ich gehalten und halte
noch/ daß dieſelbe nicht Ketzer noch Abtruͤnnige ſind/ und
vielleicht beſſer Chriſten denn wir/ nicht alle/ gleichwie wir
und
[529]Predigt.
nicht alle gute Chriſten ſind. Bißher Luth. Der Epicurer/ Atheiſt
und Sau-Chriſt unter den Lutheranern/ der aͤrgerliche/ hartnaͤckige/ un-
bußfertige/ Bann-wuͤrdige Suͤnder/ der kan wol in præterito ſagen: Ja
HErꝛ/ ich bin einmal ein Chriſt worden in der Heil. Tauffe/ und alſo ein
Nahm-Stam̃-Wurtzel- und Pflicht-Chriſt/ aber ich habe die Gnade der
Wiedergeburt theils durch grundſtuͤrtzende Jrꝛthum in der Lehre/ theils
durch Ungoͤttlich/ Heydniſch/ Tuͤrckiſch/ Juͤdiſch/ aͤrgerlich Leben und We-
ſen verlohren/ und bin nun kein Flam̃-Stam̃-Hertz- und Grund-Chriſt/
ein Jſraelit nach dem Fleiſch/ aber nicht nach dem Geiſt/ gleich denen die
geſagt/ ſie ſeyen Juden und warens nicht/ Apoc. 2. Mit Hertz und Mund
warhafftig und ohne falſch kan dieſe Frage/ biſtu ein Chriſt? allein mit
Ja verjaͤhen derjenige/ der ſeinen Tauffbund beſtaͤndig erhalten/ in Lehr
und Leben ſich als einen Hertzens-Chriſten von reinem Hertzen bezeugt/
GOtt kennet denſelben als den Seinigen/ und der Geiſt deß Menſchen der
in ihm iſt. Am allergewiſſeſten und ſicherſten ſagt/ Herꝛ Ja/ ein junges
tartes unſchuldiges Catechiſmus-Kind/ ehe und dann daſſelbe durch fal-
ſche Lehr verfuͤhrt/ oder durch boͤſe Exempel der Welt in ſeinem Verſtand
verkehrt worden/ Sap. 4. Warlich ich ſage euch/ es ſey dann daß ihr um-
kehret/ und werdet auch in dieſem Fall wie Kinder/ ſo koͤnt ihr nicht ins
Reich Gottes kommen.
GEliebte in Chriſto. Es iſt ein alter/ guter und loͤblicher
Brauch/ daß wenn irgends zwiſchen hohen Potentaten in
der Welt ein erwuͤnſchter Frieden geſtifftet worden/ daß
man gewiſſe belobte Friedens-Puncten und Bunds-
Ordnung pflegt auffzuſetzen/ und in ein Inſtrumen-
tum pacis zuſammen zufaſſen/ darnach ſich maͤnniglich
Achter Theil. X x xzu
[530]Die funffzehende
zu richten/ und ſolcher Satzung und Ordnung nachzuleben verbunden.
Wir finden deſſen Exempel ſo wol in Bibliſchen als Profan-Hiſtorien/
ſamt der zuſtimmenden Experientz. Die Bunds-Regul/ welche die
Roͤmer mit den Juden/ und dieſe mit jenen eingegangen/ und auff meſſin-
ge Taffeln geſchrieben/ zum Gedaͤchtnuͤß deß auffgerichten Friedens/ lau-
tet 1. Maccab. 8. ꝟ. 23. ſeqq. alſo: GOtt gebe den Roͤmern und
den Juden Gluͤck und Frieden/ zu Land und zu Waſſer/ und
behuͤte ſie fuͤr Kriege und Feinden ewiglich. Wo aber die
Roͤmer Krieg haben wuͤrden zu Rom/ oder in ihren Landen
und Gebieten/ ſo ſollen die Juden den Roͤmern getreuliche
Huͤlffe thun/ darnach es die Noth fordert/ und ſollen der
Roͤmer Feinden nicht Speiſe/ Waffen/ Geld/ Schiffe und
andere Dinge zuſchicken. Dieſes fordern die Roͤmer von
den Juden/ und ſollen die Juden ſolche Stuͤck treulich hal-
ten/ ohne allen Betrug und Außzug. Dagegen auch/ ſo die
Juden Krieg haben wuͤrden/ ſollen ihnen die Roͤmer getreu-
lich helffen/ darnach es die Noth fordert/ und ſollen der Ju-
den Feinde nicht Speiſe/ Waffen/ Geld/ Schiffe/ oder ander
Ding zuſchicken/ das ſagen die Roͤmer zu/ und wollen ſolchen
Bund treulich und ohne Betrug halten. Alſo iſt der Bund
zwiſchen den Roͤmern und den Juden auffgericht.
Und zwar anderer alten Hiſtorien zugeſchweigen/ haben wir ja zwey
dergleichen Inſtrumenta pacis, in unſerm Vaterland Teutſcher Nation,
deß beſchriebenen verſiegelten und hochverpoenten Religionsfriedens/
ſo Anno 1555. zwiſchen Catholiſchen und Augſpurgiſchen Confeſſion zu-
gethanen Reichsſtaͤnden getroffen/ der Paſſauiſche Vertrag genen-
net/ und dann das neulich Anno 1648. zu Muͤnſter in Weſtphalen
auffgerichtete und publicirte Inſtrumentum pacis. Jſt das edle Kleinot/
dadurch den Staͤnden Augſpurgiſcher Confeſſion eine ewige Amneſtia,
eine wolbehaͤgliche ἀσυλία, Chriſtlichen Obrigkeiten die edle hyperepiſco-
pia, die Oberwacht uͤber die Seelenwacht/ maͤnniglich das beneficium
emigrationis und Außzugs Freyheit erhaͤrtet worden. Wann gleich alle
unſere Gliedmaſſen/ Adern/ alle Haar auff dem Haupt lauter Zungen
waͤren/ koͤnten wir fuͤr das ſchoͤne Wetter/ ſo nach ſolchem Blutregen uns
in Teutſchland wiederum erſchienen/ dem Allerhoͤchſten nimmer gnugſam
Lob und Danck darum ſagen.
Wann demnach auch der edelſte Frieden-Fuͤrſt JEſus Chri-
ſtus/ der groſſe Prophet und Hertzog deß Lebens ſelbſt den ſtarcken Rie-
ſen
[531]Predigt.
ſen uͤberwunden/ dem Tod ſeinen Stachel/ Macht und Recht genommen/
ſo hat er auch nicht allein den Pallaſt deß Feindes anzugreiffen/ auffzu-
fordern/ Leben oder Tod/ Seligkeit oder Verdamnuͤß anzukuͤndigen/ ſon-
dern auch zugleich das Inſtrumentum pacis, das Mittel dadurch der all-
bereit genommene Friede/ ſol und kan erhalten werden/ und die auffgeſetzte
Friedens-Puncten zu lehren befohlen/ und geſagt: Lehret ſie halten alles
was ich euch befohlen/ mit Vertroͤſtung/ daß wer dieſelbe werd annehmen
und halten/ der werd ſelig werden/ wer aber durch ſchnoͤden Unglauben
denſelben die Repuls geben/ der werde verdamt werden. Non minor eſt
virtus quàm quærere parta tueri, Reich werden und viel gewinnen iſt
eine Kunſt/ wird es nicht erhalten/ ſo iſts umſonſt. Darum ſol der theure
Schatz deß geiſtlichen Friedens unverruckt bleiben/ ſo muß die fuͤrgelegte
Friedens-Ordnung und der Goͤttl. Majeſtaͤt Diploma und Befehl ernſt-
lich uñ beharꝛlich beobachtet werden. Und damit ſich niemand mit der Un-
wiſſenheit entſchuldigen koͤnne/ iſt dieſelbe gleichſam wie der Roͤmer Bund
in ein offentlich Manifeſt gefaſt/ auff eine Taffel auffgeſchrieben/ fuͤr Au-
gen gelegt/ dero Titul iſt/ und heiſt: Alles was ich euch befohlen habe.
Welche Koͤnigliche Inſtruction und Ordinantz/ und dero Menſur/
ἐντάλματα, Befehl und Gebot auch die jenige Diplomata und Koͤnig-
liche Gebote ſind/ welche wir jetzo E. Chriſtl. Liebe fuͤrzutragen fuͤrgenom-
men/ dazu der groſſe Koͤnig ſeines H. Geiſtes Gnade und reichen Segen
mildiglich verleihen wolle/ Amen.
ORdentlich und unterſchiedlich nun ſolche Lehr- und
Friedens-Puncten nacheinander abzuhandlen/ ſo heiſſen ſie ins
gemein
I. ἐντάλματα, Befehl/ Gebot/ die Verbotte/ was der HErꝛ ver-
botten/ zugleich mit eingeſchloſſen. Was ich euch befohlen/ ordentlich/ be-
daͤchtlich/ genau und fleiſſig/ hell und klar/ offentlich und gleichſam auff den
Daͤchern außgeſprochen/ wie in ſolchem Verſtand das Wort Befehl ge-
leſen wird Gen. 9, 7. c. 18, 19. 2. Sam. 17. 23. Prov. 6, 23. Eſa. 28. 10. c. 38, 1.
Es werden zwar auch geheime inſtinctus, und heimliches Goͤttliches Ein-
geben ἐντάλματα genennet 1. Reg. 17, 4. (τοῖς κόρωξιν ἐντελου̃μαι) aber
hie werden die offentliche und gemeine Befehl verſtanden/ die jenige Ge-
heimnuͤß/ die ich euch zwar ins Ohr geſagt/ aber nunmehr dieſelbe wil pu-
blicirt/ und auff allen Welt-Daͤchern offentlich außgeruffen haben/ alles
was ich imperativè Gebotsweiſe außgeſprochen/ wie dan̄ die H. Schrifft
von keinen ſolchen Goͤttlichen Conſilien und Raͤthen weiß/ die nicht
zugleich ſolten Gebotte ſeyn. Was groſſe Herren rathen/ das gebieten ſie
X x x 2auch.
[532]Die funffzehende
auch. Jm Pabſtthum ſchleppt man ſich zwar/ ohne und wider den Mund
Gottes/ mit ſolchen Evangeliſchen particular und freygelaſſenen Raͤthen/
die ſchwerer/ aber auch edler und beſſer ſeyn ſollen/ als die Evangeliſche Ge-
bot/ wer ſie uͤbernommen zu halten/ der habe ein groͤſſeren Lohn im Him-
vid. Bellarm. lib. 2. de Monach. c. 7. Cornel. à Lap. ad Matth. p. 25. Diluta
ſunt, quæ contra afferuntur, in Hodom. Spir. Pap. Phant. 6. p. 1047. ſeq. Audia-
tur Lutherus Tom. 6. Witt. p. 188. fac. 2.
mel zuerwarten: Sonderlich ſeynd ſolche Raͤthe/ der Rath von williger
Armuth/ blindem Gehorſam/ und der gelobten immerwaͤhrenden Keuſch-
heit. Da doch/ was an ſolchen Raͤthen gut und wol verſtanden iſt/ in dem
einigen Gebot der Liebe gegen GOtt und dem Naͤchſten eingefaßt und be-
griffen/ Matth. 22. Daran hanget das gantze Geſetz und die Pro-
pheten. 1. Cor. 10/ 31. ſagt der Apoſtel/ Was ihr thut/ das thut alles
zu Gottes Ehre. Wer Gottes Ehre in allem zu ſuchen gebotten/ der hat
auch zugleich gebotten alles/ was zu Gottes Ehre gereichen und außſchla-
gen mag. Phil. 4/ 8. befihlet der H. Apoſtel: Was warhafftig iſt/
was erbar/ was gerecht/ was keuſch/ was lieblich/ was wol
lautet/ iſt etwa eine Tugend/ iſt etwa ein Lob/ dem dencket nach.
(*) Tom. 4.
Witteb. p.
27. f. 2.
in cap. 5.
Matth.Damit (ſchreibt Lutherus (*)) die Paͤbſtiſche vermeynte Phari-
ſeiſche Heiligkeit nicht geſtrafft wůrde/ noch Chriſtus Wort
ſie binde/ haben ſie ihm fein geholffen/ und wol zwoͤlff Raͤthe
darauß gezogen/ daß Chriſtus ſolches alles nicht gebotten ha-
be/ als noͤtig/ ſondern zu eines jeglichen Gefallen geſetzt/ als
einen guten Rath zu halten/ wer was ſonderlichs fuͤr andern
verdienen wil: Daß es ſey gantz eine uͤberflůſſige Lehre/ der
man wol moͤchte entberen. Fragſtu ſie aber auß was Urſach
ſie ſolche Raͤthe darauß machen/ oder womit ſie es beweiſen?
So ſprechen ſie: Ey wann man alſo ſolt lehren/ das hieſſe/
nimis onerativum legis Chriſtianæ,das iſt/ es were die Chriſten-
heit ſo hoch beſchweret/ wie die von Pariß offentlich und un-
verſchaͤmt wider mich geſchrien haben. Ja warlich eine
ſchoͤne Urſach und groſſe Beſchwerung/ daß ein Chriſt ſolt
ſeinem Naͤheſten freundlich ſeyn/ und nicht laſſen in Noͤthen/
wie ein jeglicher wolt/ daß ihm geſchehe. Und weil ſie es
zu ſchwer duͤncket/ muß es nicht gebotten heiſſen/ ſondern in
freyer Willkoͤr ſtehen/ wer es gern thun wil/ wer es aber nicht
thun wil oder kan/ ſol nicht damit beſchweret ſeyn. So ſol
man Chriſto ins Maul greiffen/ ſein Wort meiſtern/ und
darauß
[533]Predigt.
darauß machen was uns gefaͤlt. Bißher Lutherus. Und wann
uͤber das der HErꝛ die ἐντάλματα zu halten recommendirt/ die Befehl
oder Gebot/ ſo ſchleußt er damit auß die bloſe (und alſo genannte) nackende
gebotsloſe Exempel. Dann was (ita Luth. Tom. 4. Witt. p. 509. f. 2.)
was bracht Muͤnzer in den greulichen Jammer anders/
dann da er hatte geleſen in Buͤchern von den Koͤnigen/ wie
David die Gottloſen mit dem Schwert tod geſchlagen/ wie
Joſua die Cananiter und andere Gottloſe Voͤlcker im Lande
Canaan wohnend umgebracht hatte? ꝛc Das Wort fand
er/ und ſchloß darauß/ wir muͤſſen ihm auch alſo thun/ die
weltlichen Koͤnige und Fuͤrſten im Regiment untertrucken/
denn hie haben wir deß ein Exempel ꝛc. Was mangelt hie
Muͤnzer anders/ denn daß er das Wort nicht recht unter-
ſchiede/ nemlich alſo: David hat gekrieget/ aber bin ich auch
David? Das Wort welches den David hat heiſſen kriegen/
gehet mich nicht an; Jſt ihm gebotten zu kriegen/ die Koͤnige
zuerſchlagen/ mir iſt gebotten zu predigen: Auff der Cantzel
ſolt Muͤnzer das Evangelium rein geprediget haben/ nach
dem Befehl Chriſti/ Gehet hin in alle Welt/ und prediget
das Evangelium allen Creaturen. Denn zu David iſt ge-
ſagt/ du ſolt die Frommen ſchuͤtzen/ die Boͤſen mit dem
Schwert ſtraffen/ und Friede erhalten ꝛc. Wenn nu David
ſolches anſtehen lieſſe/ und ich wolt das Schwert fuͤhren/ und
alſo alles durch einander mengen/ was wůrde das fuͤr ein loͤb-
lich Regiment und groſſe Kunſt ſeyn/ die auch die Saͤu und
Kuͤhe wol koͤnten.
D. Jacob Andreæin ſeinen Predigten Anno 1565. zu Hage-
nau gehalten/ hat alſo davon geredet: Wir haben leichtlich
abzunehmen/ was diß fuͤr ein groſſer Unverſtand ſey/ da ein
Menſch die Gebot Gottes laͤßt anſtehen/ und wil unſerm
HErꝛ GOtt dienen mit ſolchen Dingen/ die er nicht gebot-
ten hat/ welches ihr/ ſpricht er/ durch Gleichnuͤß beſſer verſte-
hen werdet: Wann ein Herꝛ ehrliche Gaͤſte geladen haͤtte/
und ſeine Haußfrau gieng in die Kirche/ und befehle der
Magd/ ſie ſolte alle Dinge in der Kuchen fleiſſig verſehen/
wenn ſie auß der Kirchen kommen/ daß alles zubereitet ſeye.
Als nun die Frau heim kom̃t/ findet die Gaͤſte im Hauß/ ge-
het der Kuchen zu/ und vermeynet/ es ſol alles wol verſehen
X x x 3ſeyn/
[534]Die vierzehende
ſeyn/ ſo gehet ihr die Magd entgegen/ und ſpricht: Sehet
Frau/ wie ich ein ſchoͤnes Kraͤntzlein gemacht habe? haͤtte
aber kein Feuer auffgemacht/ und nichts gekochet/ wie un-
ſauber meynſtu/ daß dieſe Frau mit der Magd zur Kuchen
hinauß und die Stiege wuͤrde fegen? Vnd da ſich die Magd
entſchuldigen wolte/ und erſt viel ruͤhmen/ ſie haͤtte ſich diß
Kraͤntzlein etwas koſten laſſen/ ſie haͤtte Gold dazu gekaufft/
darum ſol ſie nicht ſo hart zuͤrnen/ ſo wuͤrde die Frau ſagen:
Auß mit dem Krantz/ ich habe dich heiſſen kochen/ und nicht
ein Kraͤntzlein machen/ und wuͤrde alſo mit ihrem Krantz un-
ſauber und uͤbel empfangen werden. Eben ein ſolche Geſtalt
hat es auch mit GOtt und uns Menſchen auff Erden/ wann
wir die Gebot Gottes laſſen anſtehen/ und wollen GOtt mit
andern Dingen dienen/ die uns fuͤr gut anſehen; Er ſpricht
durch den Propheten Moſen im 4. Buch am 12. Jhr ſolt nicht
thun ein jeder was ihn gut geduͤnckt/ alles was ich euch gebie-
te/ das ſolt ihr halten/ daß ihr darnach thut/ ihr ſolt nichts da-
zu thun/ und ſolt nichts davon thun. Chriſtus ſpricht zu ſei-
nen Jůngern Matth. 28. Lehret ſie halten/ was ich euch be-
fohlen habe. Vnd abermal ſagt er Matth. 15. Vergeblich
dienen ſie mir/ dieweil ſie lehren ſolche Lehr/ die nichts dann
Menſchen-Gebot ſind. Darum ſo ein Chriſten-Menſch mit
ſolchen Menſchen-Geboten angefochten wird/ ſo ſol er ſa-
gen/ er ſey auff die zehen Gebot Gottes beſchieden/ und er ha-
be noch nicht gehalten/ das GOtt in denſelben ihme geboten
hat/ was ſolt ihn der Noth angehen/ daß er ſich noch etwas
weiter unterſtehen wolte/ damit unſerm HErꝛn GOtt nicht
gedienet ſeye? Die allervollkommenſte gute Wercke ſeynd in
den zehen Geboten begriffen/ damit wiſſen wir daß GOtt
gedient iſt/ darmit wir die Tage unſers Lebens genug zu
ſchaffen haben/ unſer Danckbarkeit fuͤr das Leiden Chriſti/
und alle Gutthaten Gottes zuerzeigen/ die doch alle unvoll-
kommen ſeynd/ und nicht fuͤr ſich ſelbſten/ ſondern allein um
deß HErꝛn Chriſti willen gefallen/ darbey muß man ein
Chriſten bleiben laſſen/ und kan ihn weiter nicht treiben. Die
aber unſerm HErꝛn GOTT ein Kraͤntzlein/ und ihm mit
Menſchen Geboten dienen wollen/ die werden gewißlich am
juͤngſten Tage von Chriſto empfangen werden/ wie die
Magd
[535]Predigt.
Magd von ihrer Frauen/ die das Kochen unterlaſſen/ und
dieweil ein Kraͤntzlein geflochten hat. Bißdaher gedachter D. Ja-
cob. Andreæ. Es heißt zwar/ wie wir ſingen/ was ich gethan hab
und gelehrt/ das ſolt ihr thun und lehren: Er hat uns ja eine Fuͤr-
ſchrifft hinterlaſſen/ daß wir folgen ſollen ſeinen Fußſtapffen/ aber be-
dencklich wird das Thun und Lehren zuſammen geknuͤpfft: Chriſtus hat
viel Dinge gethan/ ſo uns zu thun/ zu ſecundiren und zufolgen weder be-
fohlen noch muͤglich. Er iſt auff dem Waſſer daher gegangen/ als auff dem
ebenen Lande/ er hat unerhoͤrte Miracul und Wunder gethan/ er hat mit
ſeinem eigenen Goͤttlichen Blut uns Menſchen theuer erkaufft und er-
worben/ wer iſt aber/ der ihm dergleichen nachzuthun vermag? Wir haben
gnug zu thun mit den zween Fußſtapffen/ die er in der Evangeliſchen Hi-
ſtorien tieff eingetruckt/ und uns zu betretten befohlen/ die heiſſen Lieben
und Leiden; bedoͤrffen keiner andern unbefohlenen/ dann da finden wir
die innigliche und inbruͤnſtige Liebe/ auß deren Trieb der Herr umher
gezogen/ und wol gethan/ und geſund gemacht alle/ die vom Teuffel uͤber-
waͤltiget waren/ Act. 10/ 38. das gedultige Leiden/ ſo er in ſeinem heiligen
Creutzgang außgeſtanden. Jn der Summa/ alle alte Gebraͤuche/ Ge-
wohnheiten/ Vaͤter- und Menſchen-Satzungen/ ſo fern dieſelbe in heiliger
Schrifft nicht gegruͤndet/ ſind hie außgeſchloſſen. Hoc tantùm ni fa-
cito Deut. 12, 32. juxta lat. Luth.
II. ἐντάλματα ſcripta,beſchriebene Befehl. Dann ob
zwar wol auch die Apoſtoliſche muͤndliche Satzungen/ damal und zur
ſelbigen Zeit der Heil. Apoſtel (ſonderlich da der gantze Bibliſche Canon
noch nicht vollendet/ und der muͤndlichen Traditionen die Thuͤr noch nicht
beſchloſſen/ der Riegel noch nicht fuͤrgeſchoben geweſt) haben ſollen gehal-
ten werden/ wie Paulus haben wil/ 2. Theſſ. 2/ 15. Haltet/ ſagt er/ an den
Satzungen/ die ihr gelehrt ſeyd/ es ſey durch unſer Wort oder
Epiſtel: So ſind ſie doch laͤngſt verſchwunden/ dem Schall nach: iſt
aber durch die Schreibfeder deroſelben freyer Flug auffgefaßt; Es ſind
eben dieſelbe Wort/ ſo von Mund zu Mund gegangen/ ſchrifftlich auffge-
zeichnet/ und der Chriſtlichen Kirchen in Schrifften deponirt und bey-
Lutherus wurde einsmals gefragt/ wie doch die Evangeliſten haͤtten koͤn-
nen von den Dingen ſchreiben/ dabey ſie nicht waͤren geweßt/ und nicht haͤtten
koͤnnen wiſſen noch mercken: Als da ſie ſchreiben/ Chriſtus habe die drey Juͤn-
ger/ ſo im Garten ſchlieffen/ auffgeweckt; Jtem/ daß der Engel Chriſto erſchie-
nen ſey/ habe mit ihm geredet/ und ihn getroͤſtet; Deßgleichen die Wort Chriſti/
da er betet/ die ſie doch nicht hatten gehoͤrt; Jtem/ was die Nacht uͤber in Cai-
phas und Herodes Hauſe geſchehen/ der keines ſie weder geſehen noch gehoͤret
haben/ denn ſie waren geflohen. Jn Tiſchred pag. 80. Die Antwort ſteht daſelbſt
in
[536]Die funffzehende
in der Vberſchrifft: Chriſtus hat den Apoſteln nach ſeiner Aufferſtehung alles
offenbaret/ was ihm die Zeit ſeines Leidens widerfahren war. Vnd eben das
iſt hernach auch fleiſſig auffgezeichnet und beſchrieben worden.
geleget worden. Wie es denn auch alſo hat ſein muͤſſen. Hat die folgende
und zwar die letſte Kirche/ darinnen wir begriffen/ ſollen der Goͤttlichen
Lehr unfehlbar gewiß ſeyn/ ſo hat dieſelbe weder im betrieglichen Hertzen
der Menſchen/ noch zur Luͤgen geneigten Mund/ auff den Federn deß Vo-
gels Fama (welcher betrieglich/ und ſo wol eine Luͤgen als Warheit auff
ſeinen Fittigen uͤber Land traͤgt. Es iſt/ belangend die alten Exempla/ wol
mehrmalen geſchehen/ daß man eine alte verjaͤhrte Hiſtoriam auff die
Bahn gebracht/ und viel Jahr geglaubet/ wann mans hernach beym
Liecht beſehen/ und auff den rechten Grund gegangen/ ſo hat man ſich be-
trogen befunden. Viel hundert Jahr iſt St. Jacobi deß groſſen Apoſto-
lat und Patronat deß Koͤnigreichs Spanien fuͤr wahr geglaubet worden/
und hat ſein Grab zu Compoſtell ein manche Wallfahrt/ manchen ſau-
ren Tritt und muͤden Fuß verurſachet: Aber Rodericus der Ertzbiſchoff zu
Tolet, und Baronius haben den Deckel vom Hafen gethan/ und den ver-
jaͤhrten Betrug entdecket. Viel Jahr iſt als wahr geglaubt worden/ der
Hiſpaniſchen Koͤnige Recht an das Koͤnigreich Sicilia; Baronius hat das
Paͤbſtiſche hieruͤber gefaßte Diploma ſpath hernach in Zweiffel gezogen/
und daruͤber Petri Stuhl-Erbſchafft verſchertzt. Wer wil Buͤrge ſeyn/
daß nicht dergleichen Art an ſich haben manche altvaͤtteliſche Relationen
einer und der anderen unbeſchriebenen Apoſtoliſchen Lehr?) koͤnnen/ ſon-
dern hat durch warhaffte/ ungezweiffelte/ bewaͤhrte/ Canoniſche Schriff-
Ad Conf.
lib. 5. Polit.
cap. 3. pag.
176.ten muͤſſen propagirt/ fortgepflantzt und hergebracht werden. Maſſen
dann Adamus Conzen, deß Pabſtthums eigner Prophet/ zur Waͤhrung
eines Geſetzes die Schreibfeder erfordert/ Eſt enim memoriæ præcipuũ
præſidium ſcriptio,Gott der Herr hat deßwegen ſein Geſetz ſelbſt mit
eigenem Goͤttlichem Finger geſchrieben. Ungeſchriebene Statuta, Geſetz
und Ordnungen koͤnnen leichtlich bey ungeſchickten Voͤlckern vergeſſen/
oder durch Krieg und andere Landſtuͤrtzungen corrumpirt und veraͤndert
werden/ wo ſie nur der hinflieſſenden Gedaͤchtnuͤß beygelegt ſind/ und nicht
in dauerhafften Merckmalen der Schrifften auffgefaßt. Darum auch
weltliche Potentaten ihre Patenten und Gebot ſchreiben laſſen/ und ſelbſt
unterſchreiben/ Dan. 6/ 8. Eſther 1/ 19. c. 2/ 8. c. 3/ 14. 15. c. 8/ 13. c. 9/ 14. Der
Apoſtoliſche Befehl gehet dahin/ ſie ſollen lehren alle Voͤlcker/ alle
Menſchliche Creaturen; Wir Spaͤthlinge ſind ja auch Voͤlcker
und Menſchliche Creaturen/ darum haben ſie uns auch lehren ſollen biß
ans
[537]Predigt.
ans Ende der Welt. Das konte aber von ihnen muͤndlich nicht geſche-
hen/ ihr H. Mund iſt durch den zeitlichen Tod laͤngſt beſchloſſen geweſen/
darum war Schrifft vonnoͤthen.
III. ἐντάλματα deſcripta, σύμφωνα ταῖς γραφαῖς, ſolche Schrifft-
liche Befehl/ die die H. Schrifft zum Grund haben und der-
ſelben beyſtimmen. Darum die edle Berꝛhoͤer/ da ſie Paulum ge-
hoͤrt predigen/ embſig in die Prophetiſche Schrifften geforſcht und nach
geſchlagen/ ob es alles/ was er gelehrt und fuͤrgetragen/ der H. Schrifft ge-
maͤß? haͤtten ſie es anders befunden/ ſie wuͤrden Paulo mit ſeiner neuen
frembden ungereimten Lehr bald den Korb gegeben haben. Lutherus (*)
nennet ſolche Articul/ die ohne Schrifft zu glauben der Kirche von der
Pariſiſchen Sorbonâ auffgetragen worden/ nackende Articul.
(*) Tom. 7. Witt. p. 191. f. 2. Schrifftſpruͤche (ſind Lutheri Wort) ſolt ihr
angezeigt haben/ und nicht nackete Articul herfuͤr bringen/ und das Vrtheil der
Kirchen laſſen. Nu kehret ihrs gar um/ alles was Goͤttlich und Menſchlich
Recht iſt/ verklagt ihn nicht/ uͤberwindet ihn nicht/ ſondern verdam̃t ihn nur/
nemlich darum/ daß ihr ſeyd unſere llebe Sorboniſche Magiſtri noſtri Aber ich
thue (pergit Luth.) ja ſehr naͤrriſch/ daß ich die Sorbona ſo unehrlich handel/ ſo
ſie doch zu dieſer Zeit neue Apoſtel gibt/ denn unſere liebe Magiſtri noſtri ſprechen/
ſie folgen der Apoſtel Exempel/ in dem daß ſie nackete Articul ohne Grund der
Schrifft fuͤrtragen/ und wolte GOtt daß ſie nicht in dem Stuͤck allein/ uns die
Apoſtel fuͤrgeben. Chriſtus ſelbſt zeucht an der Schrifft Grund/ und wil ihm
geglaͤubt haben um Gezeugnuͤß willen der Schrifft/ St. Paulus lautet ſchier
eitel frembde Wort/ das iſt/ Schrifft deß alten Teſtaments. Der Apoſteln Pre-
digt/ was ſind ſie anders/ denn Spruͤche von Chriſto auß dem Alten Teſtament
geholet? Nu aber allein der einigen Sorbonen ſollen wir glaͤuben ohn alle
Schrifft. Trettet herfuͤr auß der Sorboniſchen Gruben in diß Liecht/ ihr lieben
Magiſtri noſtri, daß wir ſehen/ ob ſolche naͤrriſche Leute auch Augen oder Stirn
haben. Wo habt ihr das gelernt/ es ſey ein Apoſtoliſch Exempel/ Lehre ohne Ge-
zeugnuͤß fuͤrtragen? So auch Chriſtus ſelbſt ihm nicht wolte ohne Schrifft glaͤu-
ben laſſen. Doch wollen wir die Apoſtoliſche und Sorboniſche That gegeneinan-
der ſehen. Act. 15. ſtehet geſchrieben/ daß da ward fuͤrgetragen eine Frage von dem
Geſetz Moſis. Als nu der H. Geiſt durch mancherley Spruͤche der Schrifft/ und
offentliche Beweiſungen und Wunderzeichen/ hatte bedeut/ daß die Heyden nicht
ſolten mit dem Geſetz Moſis beſchweret werden/ iſt der Beſchluß von derſelben
Freyheit geſchehen. Hoͤret doch einmal ihr tauben Schlangen/ was fuͤr einen
Geiſt fuͤhret ihr zum Zeugen eurer Lehre/ an die gantze Welt? Die Apoſteln fuͤhr-
ten ein den Geiſt Gottes/ nemlich daß ihnen durch die Schrifft kund war der
Wille deß heiligen Geiſtes; So war auch den Kirchen kund/ der Geiſt in den
Apoſteln was ſollen wir von euerem Geiſt halten? Wie? Wenn jemand allhie
zu euch ſpreche/ wie der in Act. Apoſt. thet: JEſum kenn ich/ Paulum weiß ich/
wer ſeyd aber ihr? wie? daß die Apoſtel/ wie wol ſie deß H. Geiſtes Gezeugnuͤß
fuͤhreten/ dennoch ſich lieſſen duͤncken/ es were nicht gnug/ in ſo groſſer Sachen/
Achter Theil. Y y yein
[538]Die funffzehende
ein bloſe Epiſtel/ ſondern thun Bottſchafft dazu/ die da die Kirchen beſtaͤtigten
mit vielen Predigten. Sic Luth.
IV. ἐντάλματα mea,meine Befehl/ alles was ich euch befohlen/ als
der ich der rechte warhafftige und einige Legislator und Geſetzgeber bin/
der jenige der das Sinaiſche Geſetz vom Himmel herab mit groſſem Feuer
und Majeſtaͤt gegeben und außgeſprochen/ daſſelbe habe ich Zeit meines
Predigampts auff Erden erklaͤrt/ das Evangelium ans helle Liecht ge-
bracht/ erlaͤutert und erleichtert. Jch ſage euch/ merckets wol/ und nicht/
was meine geiſtliche Braut die Kirche ohne mich einſetzt und befihlet.
Das laut viel anders/ als was hernach die Sophiſten auff die Bahn ge-
bracht/ indem ſie alſo gelehret: Chriſtus ſagt (Joh. 14.) daß der H.
Geiſt bey der Chriſtlichen Kirchen ſey/ und ſie alles lehre/
Confer Lutheri Tom. 7. Jen. p. 120. f. 2. ſeq. in cap. 14. Joh. ubi, quatenus \&
quousque Eccleſiæ ſit credendum, pulcherrimè deducit. Idem Luth. Tom. 7. Witt.
p. 516. ita ſcribit: Es ſind deß Pabſts Heuchler in ſo grobe Narꝛheit gefallen/
daß ſie nicht anders meynen/ die Concilia haben macht und recht/ neue Articul
deß Glaubens zu ſetzen/ und die alten zu aͤndern; Das iſt nicht wahr/ und ſolchen
Zeddel ſollen wir Chriſten auch zerreiſſen. Habens auch keine Concilia gethan/
noch koͤnnen thun; denn die Articul deß Glaubens muͤſſen nicht auff Erden durch
die Concilia, als auß neuer heimlicher Eingebung wachſen/ ſondern vom Him-
mel durch den H. Geiſt oͤffentlich gegeben und offenbaret ſeyn/ ſonſt ſinds nicht
Articul deß Glaubens/ wie wir hernach hoͤren werden. Als/ das Concilium zu
Nicea hat dieſen Articul nicht erfunden/ noch auffs neue geſtellet/ daß Chriſtus
GOtt ſey/ ſondern der H. Geiſt hats gethan/ der uͤber die Apoſtel am Pfingſt-
tage oͤffentlich vom Himmel kam/ und Chriſtum durch die Schrifft als einen
rechten GOtt erklaͤret/ wie er verheiſſen hatte den Apoſteln. Von den Apo-
ſteln iſts blieben und kommen auff diß Concilium, und ſo immer fort diß auff uns/
wird auch bleiben biß ans Ende der Welt/ wie er ſpricht/ Jch bin bey euch biß
an der Welt Ende.
das iſt recht und wahr. Darum folget/ was die Chriſtliche
Kirche ſchleußt/ das thut der H. Geiſt. Nu hat die Kirche be-
ſchloſſen/ daß die Leyen nur eine Geſtalt deß Sacraments
ſollen empfahen/ Jtem daß man auff beſtim̃te Tage und
Zeit nicht ſol Fleiſch eſſen. Jtem/ ſie hat beſtaͤtigt die Geiſt-
lichen Orden und Kloſtergelůbde/ Fegfeuer und Seelmeſ-
ſen/ Wallfahrt und Heiligen-Dienſt/ und alle denſelbigen
Schweiß/ darum ſol man bey der Seelen Seligkeit ſolches
halten/ und gehorſam ſeyn. Vnd wer nicht dem Pabſt und
Biſchoffen gehorſam iſt/ der iſt der Chriſtlichen Kirchen
nicht gehorſam/ wer aber der Kirchen nicht gehorchet/ der iſt
dem H. Geiſt ungehorſam: Alſo haben ſie mit ſolchem Ge-
ſchrey
[539]Predigt.
ſchrey die Einfaͤltigen betrogen/ und alle Welt eingetrieben
und in ihren Zwang bracht/ daß niemand hat doͤrffen dawi-
der mucken. Ja/ ſie ſind ſo weit gefahren/ daß ſie haben hier-
auß wollen mit aller Freudigkeit/ ja mit aller Vnſinnig-
keit/ ſchlieſſen/ die Kirche ſey mehr denn der Heil. Geiſt/ und
Chriſtus ſelbſt mit ſeinem Evangelio. Denn ob gleich der
H. Geiſt habe durch Chriſtum anders gelehret und geordnet/
als das H. Sacrament in beyderley Geſtalt allen Chriſten zu-
gebrauchen/ noch ſol es dabey bleiben/ wie es die Kirche
ſchleußt und ordnet; Laß Chriſtum/ Gottes Wort und Ev-
angelium ſeyn was es iſt/ was die Kirche ſagt/ das iſt geſagt/
dem ſol man folgen ohne alle Widerrede. Damit haben ſie
mit Gewalt Krafftloß und nichtig gemacht/ Tauffe/ Evan-
gelium/ Sacrament und alles/ daß es nicht mehr ſol und
muß gelten/ denn ſie wollen/ und dazu mit der That auffge-
haben durch ihre Muͤncherey und Werck lehre. Solche Leute
fuͤhren eben unter dem Nahmen Chriſti und deß H. Geiſtes/
die Leute von Chriſto und dem Heil. Geiſt ab. Chriſtus hat
nicht geſagt/ daß ich alles muͤſſe glaͤuben und annehmen/
was Pabſt/ Cardinaͤle und Biſchoffe beſchlieſſen/ ſondern
ich ſol die jenige Chriſtliche Kirche hoͤren/ welche hat den H.
Geiſt/ vom Vater geſand in Chriſti Nahmen/ der ſie nichts
anders lehret/ denn was er geſagt hat/ das ſol ſie ſeyn/ und
bey dem ſol ich ſie kennen. Hoͤreſtu nu ſolche Leute/ die vom
HErꝛn Chriſto predigen/ und ſein Wort/ Tauffe/ Leiden
und Aufferſtehen handlen und treiben/ ſo kanſtu ſprechen/
hie hoͤre ich die rechte Chriſtliche Kirche/ denn da iſt der Heil.
Geiſt/ der da lehret und erinnert was Chriſtus geſagt hat/
nicht ein Menſchentand von Eſſen/ Trincken/ Kleidern ꝛc.
Denn als Chriſten haben wir damit nichts zu thun/ und ge-
het deß Heil. Geiſtes Ampt nichts an: Sondern er gehet mit
andern Sachen um/ nemlich daß er uns von Suͤnden rei-
niget/ vom Tod erloͤſet/ vom Teuffel frey machet/ das Hoͤl-
liſche Feuer außloͤſchet/ heilige/ lebendige/ und ewige GOttes
Kinder machet/ das wird mit Kappen/ Fiſch oder Fleiſch eſ-
ſen nicht außgerichtet; Sondern das gehoͤret dazu/ daß man
das Wort und Predigt hoͤre von Chriſto/ der ſein Blut ver-
goſſen und fuͤr uns geſtorben iſt.
Conſequenterfolglich/ heilige und heilſame Gebot/ durch
welche auch aller Menſchliche Handel und Wandel conſecrirt und ge-
weyhet iſt: Nicht nur heilige/ ſondern auch warhafftige Befehl/ die
auß meinem heiligſten warhafftigſten Mund (in deme nie kein Betrug
erfunden worden) gefloſſen/ und nach demſelben riechen/ auß dem Schoß
meines himmliſchen Vaters geſchoͤpfft und erholet/ ich habs nicht wie
die Spinnen auß mir ſelbſt geſogen. Es ſind (ſind D. Lutheri
(*) Tom. 7.
Jen. p. 204.
f. 2.Wort (*)) zweyerley Lehrer/ etliche die da von ihnen ſelber re-
den/ das iſt/ die Predigt auß ihrem eignen Geiſt oder An-
dacht und Gutduͤncken fuͤhren. Solcher Prediger ſol der H.
Geiſt nicht ſeyn/ denn er wird nicht reden von ihm ſelber/ und
ſeine Predigt wird nicht ſeyn ein Menſchentraum und Ge-
dancke/ wie dere/ die da von ihnen ſelbſt etwas bringen/ von
ſolchen Dingen/ welche ſie weder geſehen noch erfahren ha-
ben/ und ſelbſt nicht wiſſen/ wovon ſie ſagen/ oder was ſie ſe-
tzen/ wie St. Paulus 1. Tim. 1. ſagt. Sondern ſolches wird er
predigen/ da etwas dahinder/ gewiß und lauter Warheit
iſt/ nemlich was er vom Vater und mir empfåhet/ und da-
bey ſol man ihn kennen/ daß er nicht von ihm ſelbſt redet (wie
der Luͤgengeiſt der Teuffel und ſeine Rotten/) ſondern von
dem das er hoͤren wird/ und alſo allein von mir predigen/
und mich verklaͤren wird/ daß die Leute an mich glaͤuben. Er
ſetzet dem Heil. Geiſt ſelbſt ein Ziel und Maß ſeiner Predigt/
daß er nichts neues noch anders ſol predigen/ denn was Chri-
ſtus und ſein Wort iſt/ auff daß wir ein gewiß Wahrzeichen
und Pruͤffeſtein haben/ die falſchen Geiſter zu urtheilen:
Daß gewißlich nicht der H. Geiſt iſt/ was jemand ſelbſt ein-
faͤllet oder gutduͤncket/ und auſſer oder neben dem Chriſto
anfaͤhet zu lehren in der Chriſtenheit/ ſondern deß leidigen
Luͤgengeiſts des Teuffels/ davon Chriſtus Joh. 8. ſagt: Weñ
er die Luͤgen redet/ ſo redet er von ſeinem eigenen/ das iſt/ was
er ſelbſt erdacht hat. Solch Teuffels-Luͤgen iſt das gantze
Geſchwaͤrm deß Pabſts Lehre/ von ſeinem Pabſtum/ Feg-
feuer/ Ablaß/ Wallfahrten/ Moͤncherey/ Meſſen ꝛc. Da kein
Wort noch Gedancken iſt von Chriſto/ und doch deſſelben
die Chriſtenheit ſo erfuͤllet hat/ daß wir auch haben muͤſſen
glaͤuben/ was einem jeglichen ungelehrten Moͤnch deß
Nachts getraͤumet/ welches doch grobe greiffliche Luͤgen ſind/
und
[541]Predigt.
und auch bey vernuͤnfftigen Menſchen nicht zu ſagen noch zu
leiden ſind. Bißher D. Luth. Nicht nur warhafftige/ ſondern auch
einige lautere und unterſchiedene Befehl/ von allen andern Sa-
tzungen und Lehren/ die nach dem Schandbock dem Sathan (als iſt das
Speiß- und Eheverbot/ 1. Tim. 4/ 1.) und nach der garſtigen Suͤnden-
pful und Erbſeuche ſtincken/ dergleichen alle Menſchliche Satzungen/ ſo
fern ſie Menſchlich und nicht mit GOttes Geſetz uͤberein ſtimmen. Der
HErꝛ ſpricht: Gehet hin in alle Welt/ und prediget das Evan-
gelium; Er ſpricht nicht/ gehet hin und prediget was ihr wollet/ oder
was euch recht duͤnckt/ ſondern legt ihn ſein eigen Wort in den Mund/
und heiſſet ſie das Evangelium predigen; und abormal/ lehr et ſie halten/
nicht was ihr erfindet/ ſondern was ich euch befohlen habe. Darum muß
und kans nicht anders ſeyn/ der Pabſt mit ſeinen Biſchoffen und Lehrern/
muß ein Wolff und deß Teuffels Apoſtel ſeyn/ weil er nicht Chriſti Be-
fehl/ ſondern ſeine eigene Wort lehret.
Es ſeynd aber deß Herrn Befehl zuvorderſt der gantze Decalogus
der H. zehen Gebot/ welche der HErꝛ nicht auffgehoben/ ſondern er-
fuͤllet/ dieſelbe vindicirt und von dem Phariſeiſchen Mißbrauch abgeſche-
let und gerettet/ alles aber in der Liebe zuſammen gefaßt. Auß dem Deca-
logo entſpringt der Befehl der Buß/ Thut Buſſe/ iſt das erſte κήρυγμα
und Befehl-Wort deß HErꝛn geweßt/ Marc. 1/ 15. Das Reich Got-
tes iſt herbey kommen/ thut Buſſe/ und glaubet an das Evan-
gelium. Luc. 24/ 47. Er mußt predigen laſſen in ſeinem Nah-
men Buſſe und Vergebung der Suͤnden/ unter allen Voͤl-
ckern/ Act. 17/ 30. Auff die Buſſe folget das Evangelium/ deme zu glau-
ben er der HErꝛ befohlen: An dem Glauben hafftet das Gebet und die
H. Sacramenta. Sind keine allerdings neue Befehl; Die Obligation
zu glauben iſt im erſten Gebot angezeigt/ obgleich res obligantes das
Werck/ ſo da zur Folge bindet/ erſt im N. Teſtament geoffenbaret worden.
Die Creutzgebot ſchlieſſen den Rheihen/ Matth. 16/ 24. Will mir
jemand nachfolgen/ der verlaͤugne ſich ſelbſt/ und nehme ſein
Creutz auff ſich/ und folge mir.
V. ἐντάλματα πάντα ὃσα, omnia quanta quanta,alles/ wie groß
und viel es auch ſeyn mag/ das ich euch befohlen/ ohne Exception
und Außnam/ nicht nur die jenige/ die der Buchſtabe ſelbſt mit bringet/
ſondern auch was in einem jeden Gebot und Verbot per conſequentiam
und folgsweiſe begriffen/ welche wann ſie mitgenommen und gerechnet
werden/ ſie manches Conſilium oder Evangeliſchen Rath werden in die
Y y y 3Ordnung
[542]Die funffzehende
Ordnung der Goͤttlichen Geſetz bringen. Jm Pabſtthum ſpielt man
den Phariſaiſmum, weil die Phariſeer den Decalogum der H. Zehen Ge-
bot nicht recht verſtanden/ ſondern nur am bloſen Buchſtaben gehan
gen/ nicht gedacht/ daß Moſes und die Propheten ein groſſen Commen-
tarium uͤber beſagten Buchſtaben geſchrieben/ den ſie zugleich leſen/ und
den Abgrund der Goͤttlichen Weißheit/ ſo in den Zehen Geboten verbor-
gen/ forſchen und ſchoͤpfen ſollen; darum ſind ſie bald mit der impletion,
Obſervantz und Erfuͤllung deß Sinaiſchen Geſetzes fertig geweſt: Damit
ſie aber vor andern glaͤntzen und heiliger angeſehen und gehalten wuͤrden/
haben ſie allerhand Zuſaͤtze erdacht/ und auß eigener Andacht vermehrt:
Eben ſo habens auch die Perfectioniſten im Pabſtthum gemacht/ die
grobe Ignorantz der Schrifft hat allerhand Raͤthe und uͤbereintzige gute
Werck gezeuget. Jſt wol gemacht/ was Gott der Herꝛ befohlen/ und mit
verſtanden haben wil/ das hat man nicht gewußt/ und auß eigener ſelbſt-
Andacht neue/ unbefohlene/ ungerathene Gottes-Dienſt erdicht. Man
haͤtte nach Art der Jmmen oder Bienen den Safft auß den Geſetzblu-
men ſaugen ſollen/ da hat man gleich der Spinnen/ auß ſich ſelbſt heilloſen
Baſt geſponnen. Es erfordern uͤber das auch die Wort/ πάντα ὅσα, die
Harmoni der H. Schrifft unzertrennet/ daß wo man Goͤttlich-Schrifft-
lichen Befehl allegiren will/ man denſelben harmonicè und gantz allegi-
re und mit anderen Schrifften vergleiche/ ſonſt gibts per accidens Jrꝛ-
ſalen und Ketzereyen/ die den Safft deß Roſenſtocks in Gifft verkehren.
Daher Lutherus in Außleg. deß Evang. am Sonntag Invoc. p. 84. f. 2.
ſchreibt: Moͤnche und Nonnen fahren auß eigener Andacht
zu/ nehmen ihnen ſonderlich Leben fuͤr/ ſagen darnach/ Chri-
ſtus hat es befohlen/ da er ſagt: Verlaſſe alles und folge mir
nach. Da iſt nicht allein Vernunfft/ ſondern auch Schrifft.
Aber hie ſiheſtu/ daß der Teuffel auch kan Schrifft fuͤhren/
und die Leute damit betriegen. Aber den Mangel hat es/ daß
er die Schrifft nicht gantz fuͤhret/ ſondern nim̃et nur ſo viel/
als ihm zu ſeiner Sache dienet/ das uͤbrige laͤſt er auß und
ſchweiget ſtill davon. Die Widertaͤuffer thun auch alſo/ fuͤh-
ren ſehr viel Schrifft/ wie man auff keine Creatur ſich verlaſ-
ſen/ noch darauff vertrauen ſoll. Darnach ſagen ſie/ die Tauffe
iſt auch eine Cratur/ dann da iſt je nichts dann Waſſer. Dar-
um ſol man auff die Tauffe kein Vertrauen ſetzen/ noch ſich
darauff verlaſſen. Die wollen GOttes Gnade nicht bey der
Tauffe glauben/ ſondern mit den Haͤnden tappen. An
Schrifft
[543]Predigt.
Schrifft fehlts ihnen nicht/ aber daran fehlets/ daß ſie die
Schrifft nicht recht fuͤhren. Bißh. Luth.
VI. ἐντάλματα vobis facta,Alles was ich EVCH befohlen
habe/ verſtehe was ich euch als meinen Juͤngern insgemein geſagt habe/
das ſoll eine Allemanns-Sage ſeyn/ das ſagt ihr auch denen/ die
durch euer Wort an mich glauben werden/ Joh. 17/ 20. Was ich euch
ſage/ das ſage ich allen/ Marc. 13/ 37. Trincket alle darauß/ hie
iſt niemand außgenommen. Was aber anlangt die perſonal-Befehl/ die
euch in eigener Perſon/ als die allgemeinen Welt-Apoſtel/ und heilige ſon-
derbar hierzu außgeordnete Boten/ angehen/ als/ in alle Welt außgehen/
allen Creaturen predigen/ das beruhet allein auff euch. Was waͤrs/ wann
alle Chriſten in die Welt hinauß gehen ſolten und predigen/ wer wuͤrde
unterdeß daheim haußhalten? wer wuͤrde regieren? So wenig einen je-
den Menſchen angehet/ was dem Heil. Patriarchen Abraham befohlen/
Gen. 22/ 2. Nim deinen einigen Sohn/ den du lieb haſt/ und
opffere ihn zum Brandopffer; So wenig iſt einem jeden Chriſten
gebotten: Gehe hin/ verkauffe was du haſt/ und gibs den Armen
Matth. 19. 21. eben ſo wenig iſt auch allen Chriſten der Außgang und Pre-
digt an alle Creaturen befohlen.
Sind nun/ wie Salomon lehret/ die Wort der Weiſen SpieſſeEccl. 12, 11.
und Naͤgel; Gleich den Spieſſen ( [...]ſtimuli in Hebr.) oder den
Stacheln an den langen Stecken oder Knuͤtteln/ damit man das faule
Vieh pflegt zu ſtechen und fortzutreiben/ ſo im Griechiſchen werden geneñt
τὰ βουκεντρὰ, weil die Menſchen dadurch eben wie faule/ widerſpenſtige
Ochſen oder Vieh/ zum Gehorſam/ Buß/ Bekehrung/ Gottesfurcht/ Ge-
rechtigkeit und Seligkeit angefriſchet und fortgetrieben werden: Gleich den
Naͤgeln/ weil dieſe ſeine Wort und Lehr ins Hertz durchtringen/ wie die
Naͤgel durchs Holtz/ und die Glaubigen mit GOtt in wahrem Glauben in
ihrem Hertzen alſo vereinbaren und zuſammen hafften/ als wann ſie mit
einem Nagel angehefftet waͤren/ daß ſie ſich auch ſchwerlich davon abſon-
dern laſſen/ wie/ was mit einem Nagel angehefftet/ ſich ſchwerlich wieder
davon abreiſſen laſſet: So werden vielmehr die Wort der hoͤchſten und
ſelbſtaͤndigen Weißheit ſolche durchtringende Krafft haben/ die uns ver-
moͤgen ſollen/ dieſelbe anzunehmen/ zu hoͤren/ zu halten/ zubehalten/ zuer-
halten/ an denſelben hafften und hangen unzertrennlich und unveraͤnder-
lich/ auff Art und Weiſe/ wie drunten mit mehrerm wird Erinnerung ge-
ſchehen. Sonderlich durch dieſelbe als einen bewaͤhrten Pruͤffſtein alle an-
dere Lehren/ Befehl und Gebot zu probiren; Nicht nur aber die Lehr/ ſon-
dern
[544]Die funffzehende
dern auch die auß der Lehr flieſſende gute Werck/ als edle Fruͤchten der
heilſamen und geſunden Lehren: Da im Gegentheil die Fruͤchten der
Menſchen ſatzungen den Schein fuͤhren/ aber ohne Krafft/ ſie ſeind nicht
abgemeſſen nach dem Seckel deß Heiligthums/ das iſt/ nach der Regul
deß Goͤttlichen Worts/ vielmehr demſelbigen entgegen/ indem ſie Chriſti
Gerechtigkeit verlachen und außmuſtern/ an dero Stell aber ihre uͤberein-
tzige gute Werck und Buſſe einflicken/ daß ihr Gerechtigkeit andern zuge-
rechnet und zu ſtatt kommen ſolle; Jhres Liechtes Zweck iſt nicht/ daß
GOtt der Vater im Himmel geprieſen werde/ ſondern vielmehr/ daß die
Mutter im Himmel/ ja ſie ſelbſten den groͤſten Ruhm davon tragen.
D. Lutherus Tom. 4. Witt. p. 93. f. 2. ſchreibt von ſolchem Paͤbſtiſchen Schein
und Larvenweſen alſo: Wenn er (ein einfaͤltiger Menſch) ſihet/ mit Weib und
Kind umgehen/ oder herꝛlich und koͤſtlich geſchmuͤcket ꝛc. und einen andern ſauer
ſehen/ viel faſten/ baarfuß und im grauen Rock/ der ſchleußt ſo bald: O das iſt
ein heiliger Mann/ die andern ſind nichts! und gehnet alſo dahin den Larven nach
ungehalten/ iſt nicht ſo klug/ daß er koͤnte ſagen/ kan auch unter dem grauen Rock
ein Schalck verborgen liegen? Wie ein Chriſt ſchlieſſen und ſagen kan: Lieber
Moͤnch/ traͤgſtu einen grauen Rock nicht auß Noth/ ſondern auß ſonderlichem
Sinn/ daß du wilt fuͤr andern etwas ſonderliches geacht werden/ ſo muſtu ein
verzweiffelter zwiefaͤchtiger Boͤſewicht ſeyn/ der den Leuten das Maul auffſper-
ret mit falſchen Schein/ ſonſt wuͤrdeſtu ja muͤſſen ſagen/ wenn ein Bauer/ ſo auff
ſeinem Acker pfluͤget oder tuͤnget/ eben ſo wol ein Chriſt iſt/ und gen Himmel
kom̃t/ als ich/ was thue ich denn mit meinem ſonderlichen Weſen? Aber wie ich
geſagt habe/ der groſſe gemeine Hauffe haͤnget an ſolchen Larven/ ſo ihnen die Au-
gen fuͤllen/ und was ſonderliches anzuſehen iſt/ daß nichts hilfft/ wenn man gleich
lang dawider predigt. So ſind wir ohne das von Natur geneigt zu ſolcher Leh-
re und Wercken/ denn es gefaͤllt der Vernunfft wol/ welche allezeit gern mit ei-
gen Wercken mit GOtt handlen wolte. So ſchlahet dann zu/ daß der Teuffel
durch dieſe Lehrer zublaſet und ſchuͤret/ biß er uns gar hinein getrieben hat. Wir
aber/ ſo gerne ſicher wollen fahren/ ſollen fuͤr allen Dingen zuſehen/ wie ich alle-
zeit vermahnet habe/ daß wir unſern Haupt-Articul von Chriſto recht haben/ ſo
koͤnnen wir von allen aͤuſſerlichen Larven und Weſen recht urtheilen/ und wird
uns der Geiſt fein lehren und fuͤhren/ ſo wird auch ein jeglicher in ſeinem Stand
rechte gute Wercke genug zu thun finden/ wo er wil fromb ſeyn/ daß er nichts ſon-
derliches darff ſuchen. Denn biſtu ein Fuͤrſt/ Richter/ Ehemann/ Knecht/ Magd ꝛc.
und ſolt den Glauben uͤben und beweiſen/ dein Ampt und Stand treulich fuͤhren
und recht thun/ ſo ſoltu wol ſo viel zuſchaffen und zuthun gewinnen/ daß kein
Carteuſer ein ſchwerern Orden fuͤhret/ deñ du. Denn was iſt das fuͤr groſſe Muͤ-
he und ſchwere Arbeit/ daß jener ein grauen Rock oder Kappen traͤgt oder auff
Holtzſchuhen gehet/ oder dem Leib ein wenig wehe thut/ wenn ers ſtrenge macht/
und doch daneben ohne Sorge und Angſt lebet/ zu freſſen uñ zu ſauffen genug hat?
Dieſer aber muß im Schweiß deß Angeſichts/ und mit ſaurer Arbeit ſein taͤglich
Brod eſſen/ und nicht allein den Leib/ ſondern viel mehr ſein Hertz muß zumartern
laſſen/ von der boͤſen Welt und ſeinen Nachbaren/ und alles Vngluͤck/ Vnfried und
Hertzeleid
[545]Predigt.
Hertzeleid warten und leiden. Alſo daß ein rechter Buͤrgerſtand Chriſtlich ge-
fuͤhret/ mehr denn ein zehenfaͤltiger Cartheuſer-Orden iſt/ ohne daß es nicht ſchei-
net/ wie der Moͤnch/ der eine Kappen traͤgt/ von Leuten geſondert ꝛc. Vnd doch
wenn man die Augen auffthaͤte/ und recht gegeneinander hielte/ muͤßte auch die
Vernunfft ſolches ſchlieſſen. Alſo auch ein Fuͤrſt/ ob er wol guͤldene Ketten und
Mardern Schauben antraͤgt/ iſt er aber fromb/ ſo iſt er unter der Mardern Schau-
ben ein ſolch gemarterter und elender Menſch/ daß ſeines gleichen in keinem Klo-
ſter iſt. Alſo gehe durch alle Aempter und Staͤnde/ findeſtu einen frommen
Mann oder Weib/ ſo darffſtu keinen Moͤnch oder Nonne ſuchen/ denn er iſt fuͤrhin
Moͤnchs gnug/ uñ fuͤhret einen ſchwereren Orden/ denn alle Kappen- und Blatten-
Traͤger: Ja es iſt eitel Narren-Werck fuͤr GOtt mit allen Muͤnchen und Wald-
bruͤdern/ gegen einem frommen Kinde/ Knecht oder Magd/ ſo gehorſam und treu-
lich thut/ was ihm befohlen iſt. Thue nur was ein frommer Mann oder Weib
thun ſol/ ſo haſtu eine Regul die beſſer iſt/ denn Franciſci und aller Moͤnche Re-
gul/ Kappen und Platen/ welche viel ehe einen Schalck/ denn einen frommen
Chriſten decket. Bißher Lutherus.
Dem Allerhoͤchſten ſey ewig Lob und Danck geſagt/ der die Befehl
deß HErꝛn unter ſo vielen Menſchenſatzungen noch erhalten/ errettet/ und
in den letſten Zeiten/ nachdem ſie lang verdunckelt geweſen/ wiederum of-
fentlich leuchten laſſen/ daß unſere/ der Augſpurgiſchen Confeſſion zugetha-
ne Kirche/ die Lehre fuͤhret/ welche durch Apoſtoliſchen Mund/ Feder und
Fuß in aller Welt erſchollen und fortgepflantzet/ mitten unter dem wach-
ſenden und hoͤchſtgeſtiegenem Pabſtthum (*) durch viel hundert Zeugen(*) Sicut è
noſtris D.
Gerh. in
Conf. Ca-
thol. de-
monſtra-
vit.
der Warheit behauptet/ und auff uns gebracht worden. O HErre Gott/
dein Goͤttlich Wort iſt lang verdunckelt blieben/ biß durch dein Gnad
uns iſt geſagt/ was Paulus hat geſchrieben/ und andere Apoſtel mehr auß
deinem Goͤttlichen Munde; Deß dancken wir dir mit Fleiß/ daß wir erle-
bet haben die Stunde. Er der Herꝛ wolle noch ferner dieſelbe veſt bey uns
und unſerer lieben Poſteritaͤt und Nachkommenden erhalten/ darum
GEliebte in Chriſto. Wann Chriſtus unſer HErꝛ bey
dem Heil. Evangeliſten Matthæo 6/ 21. dieſes bedenck-
liche Sprichwort ſeinen Juͤngern fuͤrhaͤlt/ zum fleiſſigen
Nachdencken hinterlaͤſt und ſagt: Wo euer Schatz
iſt/ da iſt auch euer Hertz/ ſo begreifft er zween unter-
ſchiedliche Terminos,Wo und Da: Wo/ ſagt er/
euer Schatz iſt. Schatz iſt ein ſolches Gut/ das ein Menſch theuer/
werth und hoch haͤlt/ ſorgfaͤltig beylegt/ liebet/ lobet/ und ſich inniglich
druͤber erfreuet/ auch deßwegen daſſelbe wol und fleiſſig verwahrt und
auffhebt/ das gleichſam ſein Abgott iſt/ ſein Mammon.
Der Geitzigen Schatz iſt Gelt und Gut; Deß Ehrſuͤchtigen/ groſſe
Welt-Herꝛligkeit; Deß Wolluͤſtigen/ ſchoͤne Weiber/ niedliche Bißlein
und guter Wein; Eines from̃en gottſeligen Menſchen Schatz iſt der rechte
bewaͤhrte ewige Schatz/ der Schatz uͤber alle Schaͤtze/ Chriſtus/ das einige
ewige und beſte Gut. Da iſt nun das Hertz/ da neiget ſich aller Sinn und
Gedancken hin/ aller Will und Luſt/ aller Affect, Liebe/ Freude/ Hoffnung
und Vertrauen/ alle Begierde duͤrſtet nach demſelbigen/ darum ringet/ lauft
und bemuͤhet man ſich auffs aͤuſſerſte/ derſelbe iſt ans Hertz gewachſen/ man
hebt ihn fleiſſig auff und bewahrt ihn auffs beſte/ kan Tag und Nacht nicht
dafuͤr ſchlaffen und ruhen/ beſorgt ſich immer deß Mammons Hoff-
(*) Tom. 4.
Witt. p. 62.
f. 2.geſinde/ Waͤchter und Trabanten (wie Lutherus (*) redet) Rot-
ten/ Motten und Diebe moͤchten ihn ſtehlen/ freſſen und ver-
zehren.Amor meus, pondus meum: animus eſt, non ubi animat, ſed
ubi amat, die Seel iſt nicht allezeit da/ wo ſie lebt/ ſondern da wo ſie liebt.
Deß Geld-duͤrſtigen Seel iſt bald drauſſen bey den Jndianiſchen Gold-
Job. 28. v. 1.
2. 3. \& 6.fluͤſſen/ bald κάτω unter der Erd. Job. 28. ſagt Job. Es hat das Sil-
ber
[547]Predigt.
ber ſeine Gaͤnge/ und das Gold ſeinen Ort/ da mans ſchmel-
tzet: Eiſen bringt man auß der Erden/ und auß den Steinen
ſchmeltzet man Ertz: Es wird deß finſtern etwa ein Ende/
und jemand findet je zuletzt den Schiffer tieff verborgen.
Man findet Saphir an etlichen Oertern/ und Erdenk loͤſſe
da Gold iſt. Deß Ehrſuͤchtigen Sinn und Gedancken erſchwingen
ſich an die fontes nobilitatis, wo ſie Ehr/ Wuͤrde/ Adel/ Comitiven/
Rathſtellen/ auch mit Hindanſetzung reiner Religion/ geſunden Gewiſ-
ſens und ehrlichen Nahmens/ erſchoͤpffen koͤnnen. Einem Sauffbru-
der oder garſtigen Hurenvogel darff man nicht lange pfeiffen/ er ſagt/ an
dem Ort wo ich gern bin/ ziehet man mich mit einem Haͤrlein hin. End-
lich geht alles κάτω Berg ab/ unterwerts der Hoͤllen zu. Himmliſcher
Schatz heißt ἄνω ſurſum, iſt droben im Himmel reich beygelegt/ erſtlich
zwar im Gnaden-Himmel hier auff Erden/ folgends im Glori-Himmel
der beſtaͤndigen Himmliſchen Wohnung. Der Erd- und Welt-Kinder
Hertz gehet abwaͤrs der Erden zu; Der Himmels-Kinder auffwaͤrts dem
Himmel zu: Jſt jener Schatz drunten unter der Erden/ ſo wird ihr Hertz
auch da ſeyn und bleiben; Und iſt dieſer Schatz im Himmel/ ſo iſt auch
ihr Hertz im Himmel/ und wird da ewiglich bleiben.
Gleich wie aber jene ihre irꝛdiſche Schaͤtze in Hafft nehmen/ feſt hal-
ten/ huͤten und bewahren in eiſernen Kiſten und ſteinernen Gewoͤlben;
Alſo thun und ſollen auch thun die Kinder deß Liechts mit den Befehlen
deß HErꝛn/ dieſelbe nicht nur anhoͤren und empfangen/ ſondern auch wol
auffheben/ ſonderlich ſeine Letz-Wort/ die er kurtz vor ſeiner Himmelfahrt
außgeſprochen hinderlaſſen/ als aller Chriſtlichen Hertzen (die mit David
Pſal. 119/ 56. ſingen und ſagen: Das iſt mein Schatz/ daß ich dei-
nen Befehl halte. Und ibid. ꝟ. 98. Dein Gebot iſt ewiglich
mein Schatz) edelſten und beſten Schatz/ den ſie zwar in irꝛdiſchen
Gefaͤſſen tragen/ aber eben darum deſto genauer und ſorgfaͤltiger ſich
huͤten/ daß ſie nicht anſtoſſen und brechen.
Und das iſts auch/ was Chriſtus ſeinen Juͤngern und reiſigen zwoͤlff
Boten ſo treulich eingebunden und geſagt: Lehret ſie halten alles
was ich euch befohlen habe: Meine Befehl/ euer Schatz! Wo der
Schatz/ da das Hertz. Kein Hertz verliehrt gern ſeinen Schatz/ ſondern es
haͤlt ihn ſo feſt/ als es immer kan und mag. Darum wir dann auch von
dieſer Hut oder halten ein mehrers zuberichten und zueroͤrtern fuͤrge-
nommen. Der Vater deß Liechts helffe uns hierzu durch deß H. Geiſtes
Huͤlffreiche Gnade/ damit wir recht lehren/ andaͤchtig hoͤren/ und in einem
Z z z 2feinen
[548]Die ſechszehende
feinen Hertzen bewahren/ zu ſeinem Goͤttlichen Lob und Ehren/ Amen.
Τηρει̃ν heißt das Griechiſche Wort im Grund-Text/ zu teutſch hal-
ten/ wie es Lutherus auch gedolmetſcht/ und greifft dieſes halten weit
um ſich/ bedeutet ſo viel als zuſammen und gegeneinander halten/ wol
erkennen und erwegen/ Luc. 2/ 19. \& 51. genehm/ theuer/ werth und hoch
halten/ Marc. 6/ 20. 1. Cor. 7/ 19. behalten und wohl auffheben/ Marc.
7/ 9. Luc. 5/ 38. Apoc. 2/ 26. auffhalten und nicht wandern laſſen/ Act.
25/ 4. handhalten/ huͤten/ ſchuͤtzen/ verwahren vor aller Jnjuri und Scha-
den/ Matth. 27/ 36. Joh. 17/ 15. beſtaͤndig außhalten/ nicht entfallen oder
verlaſſen/ Ep. Jud. ꝟ. 6. Summa auff alle die Art und Weiſe/ in alle
dem Fleiß und Sorgfalt/ als einer ſeinen Schatz haͤlt und ihm laͤßt ange-
legen ſeyn/ damit er ihn nicht verliere/ die Befehl deß HErꝛn tractiren
und ehrlich halten und zwar
I.Annehmen/ hoͤren/ (den ſolt ihr hoͤren/ ſo laut die Himmliſche
Stimme Matth. 3. GOtt hat den Sohn geſandt; und haͤnget
euch den an Halß/ und ſpricht/ hoͤret ihn/ wer ſich nicht an
ihn haͤnget/ und ihn hoͤret/ der ſol mich nicht finden.)
Wenn gleich (ita Luth. Tom. 2. Isleb. p. 275. f. 1.) GOtt ſelber mit mir re-
dete/ ja alle Engel mit mir redeten/ wie Muͤnzer ruͤhmte/ daß GOtt mit ihm rede/
ſo wolt ich doch in dieſer Sachen/ meine Seligkeit belangend/ nicht ein Wort hoͤ-
ren/ und wolte die Ohren mit Bley vergieſſen; Sonſt in andern weltlichen Sa-
chen wolt ich zwar gern glauben/ aber in der Sachen wolt ich nicht glaͤuben der
Stimme Gottes/ wenn ſie gleich mit Trummeln und Pfeiffen gienge und klinge/
denn ich habe beſchloſſen/ ich wills nicht glaͤuben/ auch nichts hoͤren/ denn alleine
Chriſtum/ das andere alles wil ich fuͤr Gottes Stimme nicht halten/ denn
GOtt hats beſchloſſen/ er wolle mit keinem Menſchen reden/ denn alleine durch
Chriſtum. Derhalben ſol mir der Lehre halben kein Engel aufftretten/ weder Ga-
briel noch Michael/ und predigen/ denn ſie ſind nicht Gott/ noch der Heil. Geiſt:
Sondern da habe ich Gottes Wort/ der hat mich geheiſſen an Chriſtum glaͤu-
ben/ und daß ich mich ſol taͤuffen laſſen/ denn Chriſti Blut iſt fuͤr mich vergoſſen/
die aͤuſſerlichen Dinge bringen mir nicht meine Seligkeit. Wenn ſie mir ſag-
ten/ ob ein Krieg kommen wuͤrde/ das wolt ich glaͤuben/ denn kaͤme er/ ſo moͤchte
er kommen/ wo nicht/ ſo bliebe er nach. Aber der Lehre halben ſol man an dem
Manne Chriſto bleiben/ denn GOtt wird keinen neuen Chriſtum uns machen/
er wil auch mit niemand reden/ er habe denn dieſes Mannes Chriſti Stimme
und Sprach/ durch Chriſtum wil er mit uns reden.
Recht erkennen/ immer fuͤr Augen haben/ Tag und Nacht mediti-
ren/ davon reden/ Safft und Krafft/ Heil und Leben darauß ſaugen/
Kindern und Kinds-Kindern davon ſagen/ in friſchem Gedaͤchtnuͤß er-
halten/ Deut. 6/ v. 7. 8. 9. befihlt GOtt der HErꝛ gantz eifferig und ernſt-
lich: Dieſe Wort die ich dir heut gebiete/ ſoltu zu Hertzen neh-
men/
[549]Predigt.
men/ und ſolt die deinen Kindern ſchaͤrffen/ und davon re-
den/ wann du in deinem Hauſe ſitzeſt/ oder auff dem Wege
geheſt/ wann du dich niederlegeſt oder auffſteheſt/ und ſolt ſie
binden zum Zeichen auff deine Hand/ und ſollen dir ein
Denckmal fuͤr deinen Augen ſeyn/ und ſolt ſie uͤber deines
Hauſes Pfoſten ſchreiben/ und an die Thore. Man ſol es
immer treiben und uͤben/ daß es nicht verroſtet noch verdun-
ckelt.
II.Sich beluſtigen/ nach Anleitung aller deren lieblichen Fi-
guren und Wortblumen/ in welchen David Pſalm. 19. item Pſalm. 29.
und 119. den Adel/ die Wuͤrde/ Krafft und Tugend der Goͤttlichen Be-
fehlen/ der herꝛlichen Stimme deß donnerenden Gottes/ und alſo ohne
gewaltſamen Zwang/ mit Luſt und Freude/ dieſelbe genehm halten/ und
zu leiſten je laͤnger je duͤrſtiger werden.
III.Hochhalten/ weit uͤber alle Kayſerliche/ Koͤnigliche/ Fuͤrſt-
liche Gedancken/ Decreten/ Geboten und Verboten; Weit uͤber der Kir-
chen Gebot. Gottes Gebot (ſind unſers theuren D. Luth. Wort (*))(*) Tom. 7.
Witt. p. 7.
f. 2. conf. ib.
p. 356. ſeq.
ſol man uͤber der Kirchen Gebot achten/ wie das Gold und
Edelgeſtein uͤber das Holtz und Strohe/ als der Apoſtel lau-
tet 1. Cor. 3. und ſol je keines verachten. Darum wenn du ſiheſt/
daß einer ſchwoͤret/ flucht/ affterredt/ oder ſeinem Naͤheſten
nicht hilfft/ ſo ſoltu gedencken und wiſſen/ daß derſelbe viel
aͤrger iſt/ als der Fleiſch am Freytag iſſet/ oder die gebotene
Faſten bricht. Dadurch habe ich ohne Zweiffel gute Wercke
nie widerrathen/ ſondern die rechten guten Wercke den ge-
ringen fuͤrgezogen. Alſo habe ich geſagt/ daß eine groſſe Ver-
kehrung jetzt in der Welt iſt/ daß man GOttes Gebot gantz
verachtet/ und dieweil ſich mit Menſchlichen Rechten und
Wercken decket/ und nu den Pabſt und ſeine Wort weit mehr
fuͤrchtet/ denn GOtt und Gottes Wort. Vnd wenn ich
das ſage/ ſo ſpricht man/ ich widerſtrebe dem Pabſt und
geiſtlichem Gerecht/ wollen aber nicht hoͤren/ daß ſie GOtt
ſelbſt und ſeinem Gericht unverſchamt widerſtreben. Sihet
man einen Ehebrecher/ Raͤuber/ Luͤgener/ ſo iſt es nichts
ſonderlichs/ ſo er ein koͤſtlichPater Noſtertragen kan/ ein ei-
genwillige Faſten halten/ oder etwañ ein beſondern Heiligen
ehret. So aber jemand Fleiſch eſſe am Freytag/ oder den hei-
ligen Tag nicht feyret/ oder ſonſt ein Kirchen-Gebot nicht
Z z z 3haͤlt/
[550]Die ſechszehende
haͤlt/ der muß aͤrger ſeyn denn ein Heide/ wenn er gleich Tod-
ten aufferwecken koͤnte. Alſo huͤbſch gleiſſen die Gebot und
Werck der Menſchen/ GOttes Gebot und Gottes Werck
ſihet man durch einen finſtern Nebel an. Darum ſag ich
noch/ man ſol beyderley Gebot halten/ doch mit groſſem
Fleiß unterſcheiden/ denn ob ſchon kein Gebot der Kirchen
waͤre/ koͤnte man doch wol fromb ſeyn durch Gebot: Wenn
aber GOttes Gebot nachbleibet/ ſo iſt der Kirchen Gebot
nichts anders denn ein ſchaͤdlicher Schanddeckel/ und macht
auſſen einen guten Schein/ da inwendig nichts guts iſt. Der-
halben iſt auch mein Rath/ daß man der Kirchen Gebot eins
theils ablege/ in einemConcilio,auff daß man GOttes Ge-
bot auch einmal ſcheinen und leuchten lieſſe/ denn mit den
Liechten vieler Gebot/ hat man den Tag Goͤttliches Ge-
bots gar nahe die Augen außgeleuchtet. Bißh. Luth.
IV. Daran halten und hafften. Die Weißheit/ ſagt Salomon
Prov. 3/ 18. iſt ein Baum deß Lebens allen die ſie ergreiffen/ und ſelig ſind/
die ſie halten [...]apprehendentes eam tenaciter ac valide, die
ſie feſt und ſteiff halten und ergreiffen/ die Conſcientz und das Gewiſſen
damit firmen und ſtaͤrcken. Experto crede Ruperto! Lutherus der wer-
the Mann hat in ſeinen Anfechtungen erfahren/ was dieſes feſt anhalten
(* Tom. 7.
Witt. pag.
282. f. 2.vermag. Jch empfinde (ſchreibt er (*)) taͤglich bey mir/ wie gar
ſchwer es iſt/ langwirige Gewiſſen/ und mit Menſchlichen
Satzungen gefangen/ abzulegen. O wie mit viel groͤſſer
Muͤhe und Arbeit/ auch durch gegruͤndete H. Schrifft/ habe
ich mein eigen Gewiſſen kaum koͤnnen rechtfertigen/ daß ich
einer allein wider den Pabſt habe duͤrffen aufftreten/ ihn fuͤr
den Anti-Chriſt halten/ die Biſchoͤffe fuͤr ſeine Apoſteln/ die
hohen Schulen fuͤr ſeine Hurenhaͤuſer. Wie offt hat mein
Hertz gezappelt/ mich geſtrafft und mir fůrgeworffen/ ihr ei-
nig ſtarckes Argument/ du biſt allein klug? Solten die andere
alle irren/ und ſo eine lange Zeit geirret haben? Wie wenn du
irreſt/ und ſo viel Leute in Jrꝛthum verfuͤhreſt/ welche alle
ewiglich verdammet wuͤrden? Biß ſo lange daß mich Chri-
ſtus mit ſeinem einigen gewiſſen Wort befeſtiget und beſtaͤ-
tiget hat/ daß mein Hertz nicht mehr zappelt/ ſondern ſich wi-
der dieſe Argument der Papiſten/ als ein ſteinern Ufer wider
die
[551]Predigt.
die Wellen auffthut/ und ihr Draͤuen und Stuͤrmen verla-
chet. So weit abermal Lutherus.
V.Rein und lauter erhalten als einen zarten Augapffel/
in Einfalt und Lauterkeit/ ohne praͤchtige unnuͤtze ſchaͤdliche Zuſaͤtze/ Ab-
ſaͤtze/ Außſaͤtze oder Auffſaͤtze/ nichts von noch zu thun/ nichts aͤndern noch
beſſern. Hie gilt Perſer und Meder Recht/ Dan. 6/ 15. Gottes Weiß-
heit iſt klug genug/ und hat alle kuͤnfftige Faͤlle zuvor geſehen und ver-
huͤtet/ darum laͤßt ſich dieſelbe von ihren Kindern nicht rechtfertigen. Du
ſolt auch nichts davon thun/ Deut. 4. Sihe da/ man ſol nichts
thun dazu noch davon/ was Moſes gebeut. Und der Pabſt wil
abe und dazu thun/ was Chriſtus der HErꝛ ſelbſt geordnet.
O raſend und unſinnig Volck! Moſes ſpricht/ auff daß du
bewahren moͤgeſt die Gebot deß HErꝛn ꝛc. Das heißt/ man
kan Gottes Gebot nicht halten/ wo man mit Menſchen-Leh-
re Gott dienen will/ iſt das nicht duͤrꝛ und klargenug geſagt?
Es ſind zum Exempel die Wort der Einſetzung deß heiligen
Abendmals kurtz/ rund und deutlich gefaßt/ die Goͤttliche
Handlungen darin benamt/ aber hilff Gott welche Menge
der abentheurlichen Zuſaͤtze ſind nach und nach dabey einge-
ſchlichen/ da einem jeden frey worden hinzu zuſetzen und zu-
verwandlen/ wie ihne geluͤſtet/ und iſt die Tyranney deß Gei-
tzes/ und die Pracht der Geiſtlichen auch mit zugeſchlagen.
Da fiengen an unſere Gottloſe Koͤnige/ das iſt/ unſere Bi-Conf. Lut.
Tom. 7.
Witt. pag.
392. f. 2.
ſchoͤffe und Hirten dem Abgott Baal/ und andern Abgoͤttern/
wie die Juden vor Zeiten/ Altar und Bildwerck zu ſetzen.
Hie iſt auch unſer gottloſe Koͤnig Achas kommen/ und hat
den ehrenen Altar Gottes auß dem Tempel geworffen/ und
ein andern zu Damaſco laſſen holen/ und an jenes Statt ſe-
tzen: Jch meine den zoͤttichten greulichen Canon der Still-
meſſe/ der auß vielen Grundſuppen zuſammen geſchuͤtt iſt.
Da fieng an die Meſſe ein Opffer zu werden/ denn hat man
hinzu geſetzt den Opffer-Geſang/ und die Geld-Gebete/ lan-
geSequentz und viel Geplaͤrꝛ in dasSanctusundGloria in excel-
ſis.Daher iſt die Meſſe nichts anders worden/ denn ein eigen
Handierung und Marck der Pfaffen/ der außgeſoffen hat der
gantzen Welt Guͤter/ und ſo viel reicher/ fauler/ gewaltiger
Bauch diener und unkeuſcher Keuſchen/ als die letzt und greu-
lichſte Verſtoͤrung/ in die gantze Welt geſchwemmet. Da
hat
[552]Die ſechszehende
hat man auch Meſſe geleſen fuͤr die Todten/ fuͤr die ſo uͤber
Feld ziehen um Mehrung der Guͤter/ und wer koͤnt doch nur
allein die Titul alle erzehlen/ fůr die uͤberall die Meſſe hat
muͤſſen ein Opffer ſeyn? Was wollen wir ſagen von den Zizanten
und Unkraut/ welche der Feind in den edlen Waitzen-Acker/ da die Leute
geſchlaffen/ eingeſaͤet und eingeſtreuet?
VI.Behalten mit groſſer Sorgfalt/ als irgends jener Eu-
clio ſeinen Schatz ihm laſſen angelegen ſeyn/ immer gefuͤrcht es ſeyen Die-
be fuͤrhanden/ die ihn ſtehlen und davon tragen moͤchten/ Tag und Nacht
nicht dafuͤr ſchlaffen koͤnnen. Behalten nicht nur in den Buchſtaben
Von den Meiſtern der Verſamlung hæc notavit D. Dieterich. in Eccleſ. 12.
pag. 1017. Die Meiſter der Verſamlung ſind geweſen die vornehme Lehrer
und Haͤupter der Juͤdiſchen Kirchen/ deßgleichen in denen Chriſtlichen Kirchen/
ſo zun Zeiten der Propheten und Apoſtel gelebt/ der Propheten und Apoſtel
Schrifften fuͤr richtig erkennt/ nachgehend ſelbige als richtige Buͤcher/ deren
Nachfolgern recommendirt und anbefohlen/ ſo deren Gewißheit biß auff uns
gebracht/ weil jedesmal die Kirche der Juden und Chriſten dieſelbige vorbeglaub-
te/ ohnfehlbare/ richtige/ Prophetiſche und Apoſtoliſche Buͤcher erkennt/ andenſel-
gen niemals gezweiffelt/ daß ſie von Propheten oder Apoſteln nicht ſolten be-
ſchrieben ſeyn/ deßwegen ſie Canonici genennet worden. Geſtalt dann Auguſti-
nus die Juden nennet/ Eccleſiæ theſaurarios oder Bibliothecarios, der Kirchen
Schatzverwalter oder Buchhalter/ iſt auch dieſes allen Juden à primâ genera-
tione inſitum, hæc divina dogmata nominare, \& in his utique permanere, \& pro-
ptereà, ſi oporteat, mori; von der erſten Geburt an eingepflantzet/ dieſe Goͤttliche
Lehre nennen/ und in derſelbigen gewißlich verbleiben/ auch daruͤber ſo es vonnoͤ-
then/ ſterben/ dergleichen auch vielen geſchehen/ wie Joſephus ſchreibet. Welche
Buͤcher nun der Heil. Schrifft/ die Meiſter der Verſamlung/ die uhraͤlteſte Leh-
rer/ und Vorſteher der Kirchen/ ſo Cyrillus Hieroſolymitanus, Veritatis du-
ces, der Warheit Vorleiter nennet/ jederzeit richtig erkennet/ und dieſelbige als
richtige/ Prophetiſche/ Apoſtoliſche Buͤcher tradirt und commendirt/ die ſol ein
jeder/ der da ſein wil filius Eccleſiæ, ein Sohn der Kirchen/ wie Cyrillus redet/
dafuͤr erkennen/ halten/ auff- und annehmen/ dieſelbige auch allein ein Canon
und Richtſchnur der Goͤttlichen Lehr/ Glaubens und Wandels halten/ was denen
gemaͤß/ fuͤr gewiß halten/ was denen zuwider/ als unrichtig/ unguͤltig und nich-
tig verwerffen und verdammen. Conſtat enim doctrinam, quæ cum Eccleſiis illis
Apoſtolicis, matricibus, \& originalibus fidei conſpirat, veritati deputandam:
Id ſine dubio tenentem, quod Eccleſiæ ab Apoſtolis, Apoſtoli à Chriſto, Chri-
ſtus à Deo ſuſcepit: reliquam verò omnem doctrinam de mendacio præjudican-
dam, quæ ſapiat contrà veritatem Eccleſiarum \& Apoſtolorum \& Chriſti \& Dei.
Es iſt offenbar/ wie Tertull. ſchreibt/ daß alle Lehr/ ſo mit denen erſten Apoſtoli-
ſchen Original-Kirchen in Glaubens-Sachen zuſtim̃et/ wahr ſeye/ und unfehlbar
diß haͤlt/ was die Kirchen von den Apoſteln/ die Apoſtel von Chriſto/ Chriſtus
von GOtt empfangen: Alle andere Lehr aber ſey vor Luͤgen zu halten/ welche da
wider die Warheit der Kirchen/ und der Apoſteln/ und Chriſti/ und Gottes iſt.
und Schrifften/ durch die Meiſter der Verſamlung/ die Criticos
und Maſorethen (de quibus Conc. 16. in Pſ. 19. p. 233.) fleiſſig huͤten/ da-
mit kein Jota von Gottes Wort verlohren werde; Sondern auch in friſcher
Gedaͤchtnuͤß und embſiger Ubung/ nach der jenigen Mnemonevtic und
Gedaͤchtnuͤß-Kunſt/ welche der HErꝛ durch Moſen den Kindern Jſrael
fuͤrgeſchrieben/ Deut. 6, 7. ſeqq.Dieſe Wort/ die ich dir heut ge-
biete/ ſoltu zu Hertzen nehmen/ du ſolt ſie deinen Kindern
ſchaͤrffen/ und davon reden/ wenn du in deinem Hauſe ſitzeſt/
und auff deinen Wegen geheſt/ wenn du dich niederlegeſt oder
auffſteheſt/ du ſolt ſie binden zum Zeichen auff deine Hand/
und ſollen dir ein Denckmal ſeyn fuͤr deinen Augen/ und ſolt
ſie uͤber deines Hauſes Pfoſten ſchreiben/ und an die Thor.
Fůnff Gedaͤchtnuͤß-Reguln ſchreibe der HErꝛ vor. 1. Incordiatio-
nem, die Hertznehmung/ du ſolt ſie nicht laſſen in den ſteinernẽ Taffeln
liegen/ als ein bloſen Schall fuͤr den Ohren fuͤruͤber ſtreichen/ ſondern als
ein theures depoſitum und Schatz zu Hertzen nehmen/ und daſelbſt auff-
halten/ denn was man nicht ins Hertz hinein gießt/ ſchreibt/ faſſet/ das ver-
ſchwindet. Es ſind verba πτερόεντα, Wort haben Fluͤgel/ und fluͤgen da-
von/ wann man ſie nicht als Voͤgel ins Hertzkaͤfig einſperret. 2. Was
mehr? Schaͤrffen/per ex politionem, nicht muͤſſig darin liegen/ fey-
ren oder ruhen laſſen. Jn der H. Sprach iſt ein Gleichnuͤß genom̃en von
einem Degen oder Meſſer/ ſol es ſchneiden/ hell und glatt werden/ ſo muß
mans offt ſchleiffen und wetzen/ nicht laſſen verroſten oder verdunckeln/ al-
ſo auch die Befehl Gottes ſchaͤrffen/ durch rechte gruͤndliche/ außfuͤhrliche
helle und neue Erklaͤrungen/ immer treiben und uͤben/ ſtets im Gedaͤchtnuͤß
als neu und hell bleiben laſſen. Je mehr man Gottes Wort handelt/ je
neuer und heller es wird/ und heißt billig/ je laͤnger/ je lieber/ immer neuer/
daß mans mit Luſt und Andacht hoͤret/ wo mans aber nicht treibt/ ſo wirds
bald vergeſſen und unkraͤfftig. Herꝛ Luth. marg. 3. Was mehr? davon
reden/ore, allezeit/ im Hauſe/ am Tiſche/ auff der Reiſe/ auff der Werck-
ſtatt/ auff dem Acker/ wann man ſchlaffen gehet/ oder auffſteht. Eſto ci-
cada noctium, wie Hieron. ad Euſtochium ſchreibt: Wann du ſchlaf-
fen geheſt/ ſo forſche und pruͤfe dich ſelbſt: aurora legis amica. 4. Was
mehr? ſchreiben an die Pfoſten/ an die Thor/ut reflexio radio-
rum fortius agit: ita ſcriptio lectionis, auch ſonderlich der Poſteritaͤt
zum beſten. Daher der Koͤnig in Jſrael das Geſetz mit ſeiner eignen Hand
muſte abſchreiben. Deut. 17. Es werde geſchrieben auff die Nachkom̃ende/
und das Volck/ das geſchaffen ſol werden/ wird den Herꝛn loben. Pſ. 102.
Achter Theil. A a a a5. Was
[554]Die ſechszehende
5. Was mehr? imaginibus repræſentare fuͤr Augen mahlen. Bil-
der und Denckzeichen ſind allezeit fuͤr die beſten Gedaͤchtnuͤß-Mittel
gehalten worden/ omnis noſtra cognitio eſt per ſpecies, hinc anni
memoriales, jubilæi, hinc pyramides, hinc annuli memoriales.
Was mehr? an die Haͤnde binden/ als wie ein Denckring/ oder an die
Stirn als wie das Stirnblatt/ darin Kodeſch Lajovah, die Heiligkeit
deß Herrn eingeſchrieben und eingegraben geweſen/ iſt eben das/ was
Salomon Prov. 7/ 1. ſeq. allen ſeinen Weißheit-Schuͤlern befohlen:
Mein Kind/ behalte meine Rede/ und verbirge meine Gebot
bey dir/ behalt meine Gebot/ ſo wirſtu leben/ und mein Ge-
ſetz wie deinen Augapffel/ binde ſie an deine Finger/ ſchreibe ſie auff
die Taffel deines Hertzens.
VII.Jnhalten (nicht auff die Weiſe/ wie der gefangene Petrus
im Kercker mit zwo Ketten gebunden gehalten worden/ Act. 12, 5. auff wel-
chen Schlag im Roͤmiſchen Babyloniſchen Kaͤrcker die edle Warheit ge-
fangen gehalten/ torquirt und gefoltert wird/ daß ſie nicht frey reden/ ſon-
dern das allein ſagen und lehren muß/ was der Pabſt in Mund legt/ und
die Menſchenſatzungen außweiſen/ ſondern) feſt halten/ unterhalten/
ſchuͤtzen und ſchirmen/ wider alle Sylagogos und Schatz-Raͤuber/ Wort-
verkehrer/ Schrifften verfaͤlſcher/ Rotten und Secten/ davor St. Paulus
warnet Coloſſ. 2/ 8. Sehet zu/ daß euch niemand beraube durch
die Philoſophia und loſe Verfuͤhrung nach der Menſchen
Lehre/ und nach der Welt Satzungen. Ein Liecht oder Feuer kan
auff zweyerley Weiſe verloͤſchet werden/ entweder per σβέσιν, durch ge-
waltſames Anhauchen eines Windes/ auch Abſchnitt deß Tochtes; oder
per μάρανσιν, wann mans von ſich ſelbſt laͤßt ſchwinden und außgehen/
kein Oehl nachgieſſet/ auß Mangel deſſen die fuͤnff thoͤrichte Jungfrauen
um ihr Liecht kommen. Alſo wird auch Gottes Wort verlohren/ entwe-
der durch gewaltſame Verfolgung deſſelben/ ſo von Ketzern und Tyran-
nen erwecket/ wann der verzweiffelte Boͤßwicht der Judi/ deß Propheten
Jeremiæ Weiſſagung zerſchneidet und ins Feuer wirfft/ Antiochus und
Diocletianus die Chriſtiſche Buͤcher/ ſo viel ſie deren bekommen koͤnnen/
auff den Scheiterhauffen werffen/ und mit feurigen Fluͤgeln in die Hoͤhe
fliegen laſſen: Oder durch die ſchnoͤde Traͤg- und Nachlaͤſſigkeit die Leh-
rer/ die ihnen den Wein mehr als das Oehl laſſen angelegen ſeyn/ und nicht
immer Oehl zugieſſen/ das iſt/ die H. Schrifft mit einander conferiren/ ver-
gleichen/ und ein Schrifft auß der andern erklaͤren. Gottes deß Herꝛn
Befehl von dem Opffer-Feuer im Alten Teſtament lautet alſo: Lev. 6/ 12.
ſeqq.
[555]Predigt.
ſeqq.Das Feuer auff dem Altar ſol brennen und nimmer
verleſchen/ der Prieſter ſol alle Morgen Holtz darauff anzuͤn-
den uñ oben drauff das Brandopffer zurichten; Ewig ſol das
Feuer auff dem Altar breñen/ und nim̃er verloͤſchen. Eben das
erfordert auch der Herꝛ von dem geiſtlichen Opffer-Feuer deß Neuen Te-
ſtaments: Es ſol nimmer verloͤſchen/ ſondern rein und ſauber auff die
Poſteritaͤt fortgepflantzet werden. Darum recommendirt St. Pau-
lus ſeinem Timotheo die ἀναζωπύρωσιν, die beſtaͤndige Erweckung und Er-
friſchung der Gaben deß Geiſtes.
VIII.Außhalten in allem Creutz und Widerwaͤrtigkeit/ mit-
ten im Chaldeiſchen Feuerofen/ wie Gold und Silber durchs Feuer be-
waͤhret und poliert je heller und reiner wird. Es ſind ihr auch wol/
ſchreibt Lutherus (*)/ die es mit uns halten/ und fuͤrgeben/ daß(*) Tom. 2.
Isleb. pag.
198. f. 2.
Chriſtus in ihnen ſey/ und ſie in Chriſto/ aber wenn es kom-
met zur Anfechtung/ daß ſie Schaden ſollen leiden am Leibe/
Ehre oder Gut/ und ſonderlich wenn man ſterben ſol/ oder
den Halß darſtrecken/ da iſt Chriſtus nicht einheimiſch noch
vorhanden/ da wollen es die Gedancken nicht thun/ die ſind
nichts anders denn dein Werck/ Krafft und natuͤrliche Ver-
nunfft/ und ein ſchwache Creatur. Solle aber das Schre-
cken deß Gewiſſens untergedruckt/ der Teuffel verjagt/ der
Tod uͤberwunden werden/ da wird eine Goͤttliche Gewalt
zugehoͤren/ und nicht ein Gedancken/ es muß ein anders
in dir ſeyn/ daß dieſe Feinde eine Krafft in dir finden/ die
ihnen zu ſtarck ſey/ dafuͤr ſie ſich ſcheuen/ fliehen/ und du
ihnen obſiegeſt/ der Sathan iſt ſonſt ein zorniger Feind/
er fraget nach Gedancken nicht viel/ da muß etwas in dir
funden werden/ das ihme zu ſtarck ſey. Solches ſihet
man an den lieben Maͤrtyrern/ wie kecke ſie geweſen ſind/
welch ein Muth und Hertz da geweſen/ wenn ſie fuͤr den
Richtern geſtanden ſind/ und gemercket/ daß ihnen gelte
Leib und Leben/ Ehre und Gut. Da gehoͤret ein Troſt
zu/ und nicht ein Gedancken/ es muß im Hertzen ſtecken/
daß einer alsdann froͤlich ſey/ wider den Tod und alle An-
fechtung/ und ſagen koͤnne/ fahre hin Ehre und Gut/ Leib
und Leben/ und alles was auff Erden iſt/ hie hie wil ich blei-
ben. Vnd findet ſich wol/ ob einer mit Gedancken ein
Chriſte ſey/ und beſtaͤndig bleibet oder nicht.
Gleichwie nun dieſem allem nach Chriſtliche Obrigkeiten/ als Cu-
ſtodes Decalogi, verpflichtet und verbunden/ fuͤrnemlich ob Gottes Ge-
boten veſt zuhalten/ ihre Geſetz deßwegen ordnen und fuͤrſchreiben/ auff
daß durch dieſe/ jene deſto fleiſſiger/ behutſamer und ernſtlicher gefeyret und
gehalten werden. Hie gilt der Rath/ den die Fuͤrſten und Raͤthe Darii
ihm dem Koͤnig ertheilt/ Dan. 6/ 8. Lieber Koͤnig du ſolt ſolch Gebot be-
ſtaͤtigen/ und dich unterſchreiben/ auff daß nicht wider geaͤndert werde/
nach dem Recht der Meder und Perſer/ welches niemand uͤbertreten darff.
Maſſen dann immer die falſche Religion gefliſſenere Patronen findet/ als
die Rechtglaubige und reine. Koͤnnen demnach vermoͤg ihres Ober-
Biſchofflichen Rechts und Ampts/ heilſame Kirchen-Ordnungen ſtifften
und anſtellen/ dadurch nicht allein Gottes Befehl mit Handhaben verſe-
hen/ ſondern auch in freyen Mitteldingen erbauliche Ceremonien geord-
net werden. Auff Art und Weiſe wie unſer Chriſtliche allhieſige Kirchen-
pag. 86.Ordnung (*) davon redet.
Alſo ligt ob den Biſchoffen/ Lehrern und Predigern/ die Lehr zu hal-
ten/ lehret ſie halten/ lehret ſie die rechte bewaͤrte edle Mnemonevticam
oder Denckkunſt/ das iſt/ bildet alles den Zuhoͤrern wol ein/ durch Bilder/
Zeichen und Exempla, lehret ſie ordentlich digeriren und in gewiſſe Ord-
nung bringen/ dieſelbe tieff ins Hertz hinein ſchreiben/ fleiſſig reperiren und
wiederholen/ immer uͤben durch leſen/ hoͤren und nachdencken. Aller Leh-
rer Exemplar und Muſter ſol ſeyn der weiſeſte Koͤnig Salomon/ eben den
Methodum nachzuahnen/ den er gebraucht und ihm belieben laſſen/
Prov. 22/ 20. Hab ich dir nicht den Grund der Warheit gezei-
get und fuͤrgeſchrieben/ mannigfaltig mit rathen und leh-
ren/ daß du recht antworten koͤnteſt denen die dich ſenden?
Jch/ ſagt er/ vermittelſt meiner von Gott beſchehrten Weißheit/ als einer
Coheleth oder Predigerin/ ja ich ſelbſt als Hoffprediger in meinem eige-
nen Koͤniglichen Hauß/ dir/ meinem Hoffgeſind/ ja dem gantzen Volck/
Eccleſ. 12, 9. Mein Kind/ mein gefliſſenes Lehrkind und Hoffgeſind/ ge-
zeiget und fuͤrgeſchrieben den [Gr]und der Warheit/ die Fundamenta und
Gruͤnde der Goͤttlichen Warheit/ den Catechiſmum der Hebreer/ als ein
Grundveſte/ darauff du deinen Glauben/ Himmel und Seligkeit erbauen
kanſt/ und daſſelbe mit rathin und lehren mancherley/ſchali-
ſchim, das iſt/ nicht nur die Meſchalim die Koͤnigliche Spruͤche und
Spruͤchwoͤrter/ in drey tauſend Spruͤchen hundert und fuͤnff Liedern
fuͤrgetragen/ 1. Reg. 4, 32. Sondern auch (tripliciter juxta Luth.) auff
dreyerley Art und Weiſe; Muͤndlich von Mund zu Ohren; Schrift-
lich/ der memori und poſteritaͤt zu lieb; Und dann auch bildlich/ in
Meſchalim in Fuͤrſtlichen Sinn- und Spruͤchwoͤrtern/ mit anmutigen
lehrhafften Figuren/ Raͤtzeln/ Gleichnuͤßbildern/ ſonderlich im hohen Lied/
oder geiſtlichen Vermaͤhlung deß Meſſiæ mit ſeiner Sulamith: Alles zu
dem Ende/ auff daß du recht gruͤndlich/ kluͤglich und beſcheidentlich im
Examine auff der Prob wol beſtehen/ Rede und Antwort geben koͤnneſt
dem/ der dich zu Rede ſtellen moͤchte.
Werden nun Chriſtliche Zuhoͤrer ſolcher Treu/ mit ſchuldigem und
niemand mehr als ihnen ſelbſt nuͤtzlichſtem Gehorſam/ begegnen/ hoch
und feſt/ mehr als auff das nichtige und fluͤchtige Weltweſen/ mehr alsJon. 2, 9.
auff Reputation und Statt halten/ in Erwegung/ quod amor rerum
terrenarum ſit viſcus pennarum ſpiritualium, daß Welt-Schatz ſey
gleich dem Vogelleim/ weſſen Hertz daran klebet/ dem werden die Schwing-
federn gehalten/ daß er ſich nicht kan in die Hoͤhe erſchwingen. Es iſt ei-
ne boͤſe Plage/ die ich ſahe unter der Sonnen/ Reich thum
A a a a 3behal-
[558]Die ſechszehende
behalten zum Schaden/ dem/ der ihn hat/ ſagt Salomo Eccleſ.
5, 12. Es ſeynd derſelben Ubel fuͤnff/ Α᾽κορία, Unerſaͤttlichkeit/ Α᾽χρηϛία,
Unnuͤtzlichkeit/ Α᾽γρυωνία, Nachts-Unruhe/ Πλουτοκακουργία, Guͤterplage/
Πτωχοϑανασία, bettel-arme Hinfahrt. Jn fernerer Erwegung/ daß man
dieſen Schatz widerum verlieren kan/ verliert man ihn einmal/ ſo bleibt
er immer verlohren. Hunger nach Brod thut wehe; Aber Hunger nach
dem Wort Gottes iſt nicht zuverſchmertzen. Boͤſe/ boͤſe/ ſpricht man/
wann mans hat/ wanns aber hinweg iſt/ ſo ruͤhmet mans
dann/ ſagt der weiſe Salomo/ Prov. 20/ 14. Zu gleicher Weiſe wie auff ei-
nem offenen Jahrmarck in einer gefreyten Meß Hakonèh, der Kaͤuffer/
(dann das iſt der Mann/ von dem Salomon eigentlich redet) der Kauff-
mann/ wann er in das Gaden und Kaufftram kom̃t/ die Wahren
beſicht/ dieſelbe feilſchet/ dieſelbe gemeiniglich verachtet/ weiß zehen
Maͤngel fuͤr einen zu allegiren/ bald iſt die Wahre zu unfein und ſchlecht/
bald untauerhafft/ bald zu theuer/ er ſchilt ſie fuͤr boͤſe Wahr; Wann er
aber darvon gangen/ und die edle occaſion ihm den hindern Kahlkopff
geboten/ wann der Vogel außgeflogen/ und in frembde Haͤnde kom̃en/ ſo
kompt der Reuer hernach/ er kratzt am Kopff/ lobt die entflogene Wahr und
ſagt: Ey/ Ey was hab ich gedacht/ warum habe ich die occaſion nicht
beym vordern Schopff und Haarlocken erwiſcht? Ey daß ich ſolchen koͤſt-
lichen Marck und Kauff verſaumt/ es waͤr ja ein heilſam/ nuͤtzlich und an-
nehmlicher Kram geweſen. Auguſtinus lib. 13. de Trinit. c. 3. erklaͤrt
dieſes Spruͤchwort mit einer Schertzrede eines Mimi/ eines Comoͤdianten
und Poſſirers/ der einsmals auff dem Theatro den Spectatoribus zuge-
ſprochen und gebeten/ ſie wolten ſich morgendes Tages haͤuffiger und in
groͤſſerer Maͤnge einſtellen/ er wolle ihnen eine ſonderbare Kunſt probiren/
dergleichen ſie nie geſehen/ wolle einem jeden ſagen/ was er im Sinn habe
und gedencke: Da nun folgenden Tag die Leute ſich aͤffen laſſen und haͤuf-
fig ſich eingeſtellt/ und er die Prob thun ſolte/ ſagte er: Omnes vili vultis
emere, \& caro vendere! Das iſt: Jhr begehret alle wolfeyl einzu-
kauffen/ und theuer wieder zuverkauffen; Jederman hat ſich be-
troffen gefunden. Wolfeyl und geringe haͤlt man die Wahr/ wann mans
kaufft/ wann man ſie aber wieder auß der Hand laſſen ſoll/ ſo lobt man ſie/
ſie iſt alsdann theuer und werth. Gleichfoͤrmiger Fortun und Cenſur iſt
auch unterworffen das liebe Wort Gottes/ allweil daſſelbe auff dem
Marck feyl ligt/ wird es gering geſchaͤtzt und ſchlecht tractirt/ wann man
es aber auß der Hand gelaſſen oder laſſen ſol/ ſo wird es theuer/ und erkeñt
man erſt hernach/ was man verlohren hat. Wovon zeugen die Lamenta,
das
[559]Predigt.
das Verlangen und Seufftzen der Nicodemiſten und heimlichen Juͤn-
ger/ ſo unter eingefuͤhrter falſcher Religion keuchen/ uns zum Beyſpiel.
Salomon ſagt/ man lobts wieder/ der Bruder Epimetheus, der Spath-
und Nachwitz mit ſeiner Gemahl von den Reuern/ die ſpathe Reu und
dero Nachwehe/ wird hernach kommen/ er werde die Kuhe loben/ wann
ſie auß dem Stall iſt. Boͤſe/ boͤſe/ ſpricht man/ wanns aber hinweg
iſt/ ſo wird mans loben.
Contra im Gegentheil die Apoſtatæ und abtruͤnnige Mamelucken/
die nicht halten/ wie ſie als peſtes Eccleſiæ der Chriſtlichen wahren Kir-
chen groſſen Schaden thun/ alſo werden ſie niemand mehr als ſich ſelbſt
an Leib und Seel zu ihrem ewigen Verderben beſchaͤdigen.
Vom Aergernuͤß deß Abfals ſchreibt Lutherus Tom. 2. Isleb. p. 214. f. 2.
Vnter den 72. Juͤngern/ das iſt/ unter den zwoͤlff mal ſechs Juͤngern/ ſind etliche
untereinander eins worden/ und zuruͤcke gangen/ und haben ſich die freundliche
Außlegung und Deutung Chriſti nicht halten laſſen. Wiewol er zum offternmal
geſagt haͤtte/ man ſolte ſeine Wort nicht fleiſchlich verſtehen/ er haͤtte ſie gerne be-
kehret/ und das Aergernuͤß ihnen auß den Hertzen geriſſen/ aber es halff nicht/ ſie
waren nicht zu halten/ ob er wol ſagete es muß der Geiſt dabey ſeyn/ aber ſie
giengen dahin. Da kan man dencken wie groß Aergernuͤß das dem HErꝛn ge-
macht hat/ daß ſeine eigene Juͤnger/ die taͤglich bey ihm geweſen/ nicht bleiben
wollen/ die werden mit ſich einen groſſen Hauffen Volcks gezogen haben. Sie
waren ſeine geliebte Juͤnger/ die er zu ſich gezogen/ die taͤglich mit ihme um-
gangen waren/ die er aufferzogen/ und ohne Zweiffel auch Miracul gethan hat-
ten. Wie denn im Evangelio Lucaͤ 10. geſchrieben ſtehet/ daß er die 72. Juͤnger
außſandte zu heilen die Krancken/ zu predigen/ Miracul zu thun/ und im Nah-
men Chriſti zu tauffen. Darum ſo ſinds gar treffliche Maͤnner geweſen/ und
warlich nicht geringe Leute/ welche die Predigt Chriſti getrieben/ getaufft und
Wunderzeichen gethan haben. Daß nu die/ welche mit Chriſto ſo wol zu Hauſe
geweſen/ zuruͤcke fallen/ und an ſeiner Lehr ſich ſtoſſen und aͤrgern/ das hat frey-
lich den andern Hauffen Volcks nicht wenig fuͤr den Kopff geſtoſſen. Alſo gieng
es St. Paulo auch in Aſia/ da hatte er viel Juͤnger/ unter denſelben war Demas
lange bey ihm geweſen/ und ſein beſter Juͤnger/ der viel gepredigt und gelitten
hat/ und einen groſſen getreuen Fleiß bey dem Wort Gottes bewieſen hat: Aber
zu letſt ſetzte er auch von St Paulo/ wie er denn druͤber klagt/ 2. Tim. 4. Demas
hat mich verlaſſen ꝛc. Er wolts nicht mit mir außſtehen/ das Wort war ihm zu
hart von dieſem Chriſto; Vnd nicht lang darnach ward faſt gantz Aſien von St.
Paulo und ſeiner Lehr abfaͤllig. Alſo iſts uns auch gegangen. Nu wenn ein ſol-
cher Boͤſewicht zuruͤcke gehet/ der bey uns gewohnet hat/ und unter uns auffer-
zogen iſt/ wenn der aufftrit/ und wider uns ſtehet/ der thut viel mehr und groͤſſern
Schaden/ reiſſet auch mehr Leute mit hinweg/ denn die offentlichen Feinde und
Widerſacher/ ſo uns taͤglich aufechten/ wie wir deñ erfahren und geſehen ha-
ben an denen/ die ſind unter die Rotten und Secten kommen/ Jtem an den Wi-
dertaͤuffern/ die ſchwaͤchen uns mehr/ denn unſere Widerſacher; Ja ſie ſtaͤrcken
damit noch unſere Feinde/ daß dieſelbe ſagen/ was ſolte unſere Lehre ſeyn? Sie
ſind
[560]Die ſechszehende
ſind doch ſelbſt untereinander nicht eins/ dieſer und jener hat mit thuen gepredi-
get/ auch es mit ihnen gehalten/ aber nu iſt er von ihnen abgewichen. Vid. ibid.
ſequentia. Et mox pag. 416. f. 1. Wilt du ein Chriſt ſeyn/ ſo muſtu ſolches gewar-
ten/ und dich daran nicht aͤrgern noch ſtoſſen/ denn das wurmſtichigſte Obſt/ ver-
faulete Aepffel und Bieren/ auch die verwelckten verdorreten Blaͤtter muͤſſen
von den Baͤumen durch einen Platzregen und Sturmwind abfallen. Vnd falſche
Lehrer und Rottengeiſter muͤſſen durch ihre Abtruͤnnigkeit auch erkennet werden.
Sic Lutherus.
Unterdeß wird der liebe GOtt auch ſeinen Gehorſamen halten/ was
er zugeſagt/ und belohnen mit ſeinem reichen Segen. Hat Gott der Herꝛ
der edlen Roͤmer Tugenden ſo ſtattlich belohnet/ mit Sieg im Kriege/
mit weltlicher Herꝛlichkeit und Macht/ weil ſie ſo ſteiff uͤber ihren heilſamen
Geſetzen gehalten.
Wie viel mehr wird er ſeine edle Kinder bedencken/ wann ſie ſeine
Rechte und Ordnung halten? Ja Himmel und Erden/ und alle Crea-
turen muͤſſen auch ihre Ordnung halten/ Friede/ ſchoͤn Wetter und alles
Gute geben/ wie der Herꝛ ſelber gnaͤdigſt verheiſſen/ Pſalm. 81/ 14. ſeqq.
GEliebte in Chriſto. Es iſt faſt nichts in der gantzen
Natur und Creatur/ ſo ſchoͤn/ heilſam/ lieblich/ und an-
nehmlich/ davon der H. Geiſt nicht haͤtte ein Gleichnuͤß
genommen und erhoben/ das verborgene und dunckele
Geheimnuͤß deß Evangelii damit zu erklaͤren/ Regen
und Thau/ Feuer und Wind/ Morgen- und Abendroͤthe/
Wein und Oel/ Milch und Honig/ Speiſe und Tranck/ Waſſer und
Weide/ Saamen und Blumen muß alles dienen/ bezeichnen und bedeu-
ten die edle Kraͤfften/ Guͤte und Troſt der Lehr deß H. Evangelii. Son-
derlich hat er ihm zu ſolchem Zweck erwehlet die Objecta ſenſuum, die
aͤuſſerliche/ fuͤhlbare/ natuͤrliche Dinge/ damit deß Menſchen Sinne um-
gehen/ und ſich an und mit denſelbigen erluſtigen: Es iſt das Evangelium
1. ein Liecht und Augenluſt/ davon unſere Glaubens-Augen erleuch-
tet/ Pſ. 19. denſelbigen præſentiret/ und zur ſeligen Glaubens-Schau
dargeſtellet werden/ Gottes deß Vaters froͤliches Angeſicht/ JEſu Chri-
ſti heilwerthes Creutz und Tod/ durch die erhoͤhete Schlange in der Wuͤ-
ſten abgebildet; deß Heil. Geiſtes Gnadenfeur/ anderer hochtroͤſtlichen
Phænomenen und Spectaculn zugeſchweigen/ deren die Heil. Schrifft
allenthalben voll iſt. 2. Eine ſuͤſſe Muſic in den Ohren/ deren Text von
dem ſuͤſſeſten Nahmen JEſus/ und deſſen ruͤhmlichſten Helden- und
Wunderthaten/ concipirt/ in alle Welt erſchollen. Ein holdſeliger
Liebes-Kuß. Cant. 1/ 1. Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines
Mundes/ cap. 8/ 10. Wolriechender Balſam/ Balſamoͤhl/ davon der
Geruch deß Lebens ſich außbreitet/ Cant. 1/ 3. als das edelſte und koͤſtlich-
ſte Oel/ Reſchith Shemanim Amos. 6, 6. war allein im Juͤdiſchen
Land gewachſen/ nach der See- und Handel-Stadt Tyro verfuͤhret. Ezech.
27/ 17. Oſe. 12/ 1. wurde von Cleopatra in Egypten verſetzt/ iſt hernach
gantz verſchwunden/ alſo daß derſelbe edle Balſam weder unter uns noch
in Judea irgend mehr zufinden/ und hat man groſſe Urſach zu zweifflen/
ob der jenige/ den man heutiges Tages fuͤr Balſam außgiebt/ und in den
Paͤbſtiſchen Sacramenten gebraucht/ der rechte/ alte/ edle Juͤdiſche Bal-
Achter Theil. B b b bſam
[562]Die ſiebenzehende
ſam ſey. Alſo iſt auch das Evangelium anfangs im Juͤdiſchen Lande ge-
offenbaret/ das Oehl iſt von dannen durch die edle Rauchfaͤſſer die Heil.
Apoſtel als Specerey-Kraͤmer in die gantze Welt hinauß getragen wor-
den/ endlich gar verſchwunden/ biß in dieſem letzten Welt-Abend der Ge-
ruch des Lebens zum Leben uns Teutſchen wiederumb angewehet und er-
freuet. Wir wollen dißmal ohne Figur und Bildung/ das Wort Evan-
gelium/ davon der HErꝛ ſpecial und ſonderbahr Befehl ertheilt/ daſ-
ſelbige zu predigen in aller Welt/ manifeſt, kund und offenbahr zu ma-
chen/ alles klar und deutlich erklaͤren/ und anzeigen/ welche groſſe Dinge in
demſelben verfaßt und begriffen. Der HErꝛ helffe! Amen.
PRediget das Evangelium/ ſagt der HErꝛ/ 1. Angelium,
eine Bottſchafft/ eine Aviſen/ oder Zeitung/ eine Famam,
Geſchrey oder Sage. Erwecket eine ſonderbare Famam, und
breitet ſie allenthalben auß/ und laßt ſie in aller Menſchlichen Creaturen
Ohren erſchallen. Ein Botte muß nicht ſtumm oder thum̃ ſeyn/ er muß
entweders ſich muͤndlich/ oder/ wie bey den Poſten gebraͤuchlich/ ſein Poſt-
Horn blaſen und hoͤren laſſen/ richtige Relation thun/ ohne gefaͤhrlichen
Zuſatz; oder durch verſiegelte/ bezeichnete Brieffe zuverſtehen geben/ was
er anzubringen befehlicht worden. Hinc literæ Laureatæ apud Ale-
xandr. ab Alexandr. l. 1. Genial. c. 27. Wann die edle Roͤmer/ oder auch
andere Voͤlcker eine froͤliche und gute Bottſchafft abzulegen gehabt/ haben
ſie dieſelbe mit Lorbeerblaͤttern bezeichnet. Bey den Hebreern war das Oel-
blatt ein Zeichen guter und annehmlicher Poſt: Wie auch contrà, wann
die Poſt traurig und erſchroͤcklich gefallen/ iſt ſolche durch Zerreiſſung der
Kleider angedeutet worden. Jener Botte/ der dem Hohen Prieſter Eli die
groſſe Niderlag ſeines Volcks und Soͤhne/ und im Gegentheil des Erb-
und Ertzfeindes der Philiſter Victori und Sieg anzumelden gehabt/
1. Sam. 4/ 12. hat ſein Kleid zerriſſen/ und Erde auff ſein Haupt geſtreuet:
Alſo wolte der HErꝛ/ daß auch ſeine zwoͤlff Botten muͤndlich und ſchrifft-
lich reden/ eine ſolche Bottſchafft bringen/ die auch in Schrifften der Pro-
pheten und Apoſtel verfaſſet/ und mit dem Siegel der Heil. Tauff bezeich-
net ſeyn. Die Summa deſſen hat Chriſtus kurtz vor ſeiner Himmelfahrt
kuͤrtzlich gefaßt und hinderlaſſen: Was iſt denn das Evangelium? Die
Wort ſinds (ſpricht Luther. tom. 1. Isleb. p. 155. f. 2.) die der HErꝛ ſagt:
Wer da glaͤubet und getaufft wird/ der wird ſelig werden;
Unſere Gelaͤhrten/ ib. und hohen Schulen habens wollen verbeſſern und
geſagt: Man muß es alſo verſtehen; Wer da glaͤubt (vernim̃/ und thut
gute Werck) der ſol ſelig werden. Wer hat das jhnen befohlen/ daß ſie den
Zuſatz
[563]Predigt.
Zuſatz machen? Meinſtu daß der H. Geiſt ſo alber iſt/ daß ers nicht auch
koͤnte dazu ſetzen?
Angelium unum.Eine einige/ aber doch nicht einfache oder ein-
zele/ ſondern laute/ klare/ helle/ ſchnelle/ widerholte/ und Echo-weiß wider-
ſchallende Sage/ die ſich immer vermehren ſolte/ ein Tag ſols dem an-
dern von Ohren zu Ohren ſagen/ und ein Nacht der andern kund thun/
und je laͤnger/ je mehr und weiter wachſen: Hie ſol es heiſſen: Fama bo-
num, quo non aliud velocius ullum: Mobilitate viget \&c.
Αγγέλιον παῤῥησιαϛικὸν, eine freye/ durchtringende/ ungeſcheute
Allſage/ ſo von Mund zu Mund in aller Welt/ biß ans Ende der Welt
erſchallen ſolte/ nicht heimlich/ in Winckeln herumb kriechen/ als (Fama
ἀδέσποτος) eine herrenloſe Maͤhr und Gaſſen-Zeitung/ ſo heimlich unter
die Leuthe außgeſtreuet wird/ davon man den erſten Anbringer und Ruͤger
nicht erforſchen kan; Sondern ſie ſollen ſich des Evangelii nicht ſchaͤmen/
ſolt es auch den Kopff gelten/ und alſo rechte Botten-Treu an ihrem
HErꝛn erweiſen/ auff daß niemand mit Moſe fragen duͤrffte: Wie/
und durch wen iſt das laut worden?
Αγγέλιον verum.. Eine warhafftige Sage: Prediget das
Evangelium/ welches ich auß dem Schoß meines Vatters herab gebracht/
und ſelbſt zu erkundigen ein Anfang gemacht/ ſo nicht auß holem Haafen/
ſondern auß wahrem Mund GOttes gefloſſen/ und nach demſelben ge-
rochen. Vogel Fama hat ſonſt ein ſchlechtes Lob. Vix vero favet. Er
traͤgt auff ſeinen Fittigen ſo bald ein eytel Geſchwaͤtz und feiſte Luͤgen-
Maͤhr/ als eine gute Wahr. Mercurius Gallo-Belgicus heißt wol Mer-
curius! Aber hie die lautere/ duͤrre/ feſte/ uñ unwidertreibliche Warheit/ und
kan auch hie wol gelten/ was die Koͤnigin auß Reich Arabia von Salo-
mons Hiſtorien vermeldet 1. Reg. 10/ 6. Es iſt wahr/ was ich in
meinem Lande gehoͤrt habe von deinem Weſen/ und von dei-
ner Weißheit. Sathan und ſeine Engel ſind auch Poſtbotten/ ſtreuen
auch Zeitungen auß/ aber Luͤgenhaffte/ die Menſchen zu verfaͤhren und
zu verfuͤhren. Jener Luͤgen-Geiſt entbiet ſich 1. Reg. 22. Er wolle ein
falſcher Geiſt ſeyn/ in aller (Achabs) Propheten Mund. Der
Luͤgen Gefert iſt gemeiniglich der Mord/ wo Sathan der Poſtmeiſter wor-
den iſt. Welchen Jammer ein einige Luͤgen-Poſt anrichten kan/ das ha-
B b b b 2ben
[564]Die ſiebenzehende
ben die Juͤden mit Ach und Weh vorzeiten erfahren/ nachdem ein erlogen
Geſchrey außkommen/ Antiochus ihr Koͤnig und Judenfeind waͤre todt/
damit ſich das Juͤdiſche Volck gekuͤtzelt/ 2. Maccab. 5. 11/ 12/ 13/ 14. Als die-
ſem Koͤnige ſolches fuͤrkam/ gedacht er/ gantz Judea wuͤrde von ihm ab-
fallen/ und zog in einem Grimm auß Egypten/ und nam Jeruſalem mit
Gewalt ein/ und hieß die Kriegsknechte erſchlagen ohne Barmhertzigkeit/
was ſie funden auff den Gaſſen/ und in den Haͤuſern. Da wuͤrgete man
durch einander/ Jung und Alt/ Mann und Weib/ Kinder und Jung-
frauen/ ja auch die Kinder in der Wiegen/ daß alſo in dreyen Tagen acht-
zig tauſend umkommen/ vierzig tauſend gefangen und bey achtzig tau-
ſend verkaufft wurden.
II.Evangelium eine gute Bottſchafft (keine Jacobs Zei-
tung vom Tode ſeines Sohns Joſeph/ keine Jobs Zeitung von Verluſt
aller ſeiner Haab und Nahrung/ kein Hiskias Zeitung von deß Rabſaks
Gotteslaͤſterlichen Draͤuungen) dann ſo heißt (apud LXX.) die Bott-
ſchafft/ welche dem Koͤnig David auß dem Feld-Laͤger Joabs zuheim ge-
flogen von einer herꝛlichen Victori und Sieg/ ſo wider ſeinen rebelliſchen
Sohn Abſalon erhalten worden/ 2. Sam. 18/ 22/ 25/ 27. ob ſie wol per acci-
dens den lieben David geſchmirtzt/ und groß Hertzenleid veranlaſſet: ſon-
dern eine gute und erfreuliche Bottſchafft/ dergleichen eine gute und er-
freuliche Bottſchafft geweſen die jenige/ welche auß Sauls Lager die
Botten den betraͤngten und belaͤgerten Buͤrgern zu Jabes in Gilead ver-
kuͤndiget/ die geſagt: Morgen ſol euch Huͤlff geſchehen/ wenn
die Sonn pfleget heiß zu ſcheinen. Deßgleichen traͤgt auch dieſen
Nahmen deß Evangelii die jenige Zeitung/ welche vier auſſaͤtzige Maͤnner
in die Stadt Samarien gebracht von der feindſeligen Syrer Flucht und
reichen Beuten/ welche ſie in ihrem Laͤger hinderlaſſen. Und iſt demnach
eine ſolche Bottſchafft die jenige/ welche Chriſtus der Herr befohlen
in der gantzen Welt unter allen Creaturen ruch und kundbar zu machen/
Es ſol das Evangelium frey außgeruffen werden fuͤr allen Creaturen/ daß
ſie es alle hoͤren moͤgen/ wann ſie Ohren haben. Das iſt/ man ſol es ſo offent-
lich predigen/ daß es nicht koͤnne oͤffentlicher geprediget werden/ daß kein Winckel
auff Erden ſey/ da es nicht hin erſchallen muͤſſe. Ita Luth. tom. 1. Isleb. p. 155. f. 2.
eine gute/ erwuͤndſchte/ annehmliche/ erfreuliche Bottſchafft/ welche von
dem Gott alles Troſts/ und weſentlichen Freude ſelbſt/ auß dem Himmel
und Schoß Gottes herab gebracht/ den Hirten zu Bethlehem von dem
H. Engel Gabriel intimirt/ Luc. 2/ 10/ 11. Sihe/ ich verkuͤndige euch
groſſe Freude/ die allem Volck widerfahren wird/ dann euch
iſt
[565]Predigt.
iſt heut der Heiland geboren/ welcher iſt Chriſtus der HErꝛ in
der Stadt David. Verkuͤndiget lauter gute/ anmuthige/ froͤliche
Sachen/ zu des armen gefallenen Menſchen Heil/ Leben uñ Seligkeit zuer-
erben zihlende. Was kan genehmer ſeyn/ und lieblicher lauten/ als eine
Bottſchafft von lauter Liecht/ Liebe/ Gnade/ Heil/ Friede/ Freude/ Segen/
Leben und Seligkeit/ von drey unterſchiedlichen/ unerſchaͤtzlichen/ reiche-
ſten Schaͤtzen/ dem Erbſchatz des Him̃liſchen Vatters/ Teſtaments-Wei-
ſe beſchieden/ allen denen die an ſeinen Sohn/ als die Cron ſeines Hertzens
glauben/ das ewige Leben unfehlbar zu ſchencken; Jtem des eingebornen
Sohns Chriſti JEſu theuren Rantzion-Schatz zu Erloͤſung des menſch-
lichen Geſchlechts erlegt; wie auch des H. Geiſtes Ablaß-ſchatz/ davon auß
einem Mund alle Propheten zeugen/ daß im Namen/ das iſt/ in Krafft/
Buͤrgſchaft und Credit Jeſu/ alle die es glauben/ Vergebung der SuͤndenVide ex-
plicatio-
nem ali-
quot di-
ctorũ Ev-
angelico-
rum tom.
9. Witt. p.
511. ſeqq.
empfangen ſollen/ eine erwuͤnſchte σεισάχϑειαν oder Schulden-ruh/ ἀμνη-
ϛείαν Vergeſſenheit aller Offenſen/ ἀσυλίαν Freyheit von Noth und Todt/
von Ketten und Banden/ von Real- und Straffpflicht? Jſt alles uͤberaus
holdſelig an dem Jordan bey der Tauffe Chriſti/ in der hochtroͤſtlichen
Theophaniâ und ſichtbarlichen Erſcheinung des dreyeinigen Gottes an-
gezeigt/ und alle Krafft/ Glori und Klarheit des Evangelii fuͤr Augen ge-
ſtellt worden. Welche Lutherus ſehr herꝛlich gedeutet Tom. 4. Witt. pag.
349. f. 2. Er wird hie vom Vatter ſelbſt (ſchreibt Lutherus) beruͤhmt
und außgeruffen und gekroͤnt zum Koͤnige/ nicht mit Purpur
und Golde/ noch auf einen guͤldenen Stuhl geſetzt/ auch nicht
mit Chryſam geſalbet/ wie man Menſchen thut/ ſondern mit
einer andern Krone und Balſam geſchmuͤckt/ nemlich/ der
Goͤttlichen Majeſtaͤt Predigt und Stimme/ die da heißt:
Diß iſt mein lieber Sohn/ ein Koͤnig in Himmel und Erden.
Koͤnig uͤber alle Koͤnige/ und HErꝛ uͤber alle Herꝛen. Natuͤr-
lich iſt er zwar zuvor GOtt und HErꝛ aller Creaturen/ daß
er nichts bedarff umb ſeinen willen/ ſolches reden und ruͤh-
men/ aber es wird hiemit uns offenbaret/ verklaͤret und fuͤr-
gemahlet/ daß wir auch wiſſen/ wofuͤr er zu halten ſey/ und
uns gepredigt/ daß wir jhn alſo anſehen/ daß in dieſer Perſon
(die hie in der Menſchheit gezeigt ward) ligt Himmel und
Erden/ Engel und Menſchen/ Gerechtigkeit/ Leben/ Suͤn-
de/ Todt/ und alles was man nennen mag/ das nicht GOtt
ſelbſt iſt. Darůber iſt dieſer Menſch geſetzt/ und dazu ge-
predigt/ daß wir glaͤuben ſollen/ daß wir ſolchen HErꝛn
B b b b 3an
[566]Die ſiebenzehende
an ihm haben/ und darauff getaufft ſeyn/ daß er wil unſer
HErꝛ ſeyn/ uns regieren/ ſchuͤtzen und helffen/ daß wir in ihm
alles haben/ und uns nichts ſchaden noch uͤberwaͤltigen ſol.
Aber das laͤſſet ſich mit keiner Sprach außreden/ mit keinem
Gold noch Edelſtein ſchmuͤcken und zieren/ denn es iſt zu uͤber
alle maſſe hoch/ Gottes natuͤrlichen Sohn und HErꝛn heiſ-
ſen uͤber alle Creaturen. Ein einzeler Engel iſt allein herꝛlicheꝛ
und maͤchtiger/ denn die gantze Welt mit alle ihrer Pracht uñ
Macht/ Er aber iſt unbegreiflich weit und hoch uͤber alle En-
gel/ und was nur in der Creaturen zu erdencken iſt/ und doch
allhie gar außgeſchuͤtt/ und uns gegeben/ in dem Wort/ diß
iſt mein lieber Sohn/ es muß aber alles (wie ich geſagt habe)
in Glauben gefaßt werden. Denn es iſt dem Anſehen zu
gar ungleich/ daß ſolches von dieſem Menſchen geſagt wird/
und wie groß und wunderbarlich die Herrligkeit iſt/ natuͤrli-
chen Gottes Sohn und Erben oder Herꝛn aller Dinge ſeyn/
ſo groß und viel groͤſſer und wunderlicher iſts/ daß ſolches al-
les auff dieſe Perſon geſtellet wird/ die da ligt in der Jung-
frauen Schoß/ und hie ſtehet im Jordan und ſich taͤuffen laͤßt.
Da iſt nichts zu ſehen/ denn ein armer nackender Menſch/
daß kein geringeres Anſehen ſeyn moͤchte/ ſo gar ohne einigen
Schein einiger Herꝛligkeit und Gewalt/ und ſol doch er al-
lein heiſſen und geglaͤubet werden/ ein HErꝛ aller Herꝛen/
Kaͤyſer aller Kaͤyſer/ ja aller Engel dazu/ der beyde Welt/
Teuffel/ Suͤnde/ Tod und alle Dinge gewaltiglich in ſeinen
Haͤnden hat/ wer koͤnte ſolches an dieſem armen Menſchen
erſehen? Oder wer duͤrffte es von ihm ſagen oder glaͤuben/
wanns nicht Gott ſelbſt vom Himmel offenbarte/ und ſagte/
das iſt er? Das iſt das erſte Stuͤck dieſer Goͤttlichen Himmli-
ſchen Predigt. Das ander iſt und heißt nu alſo: An dem ich
Wolgefallen habe. Hiemit weyhet er ihn auch zum Pfaf-
fen oder Prieſter/ gleichwie der 60. Pſalm ihn einen ewigen
Prieſter nennet/ als der ewig fuͤr GOtt ſtehe/ uns zu verſuͤh-
nen/ und zuvertretten. Denn wir wiſſen/ daß wir alle in Suͤn-
den geboren ſind/ zum Tod verurtheilt/ und ewiglich unter
Gottes Zorn/ vom erſten Menſchen biß zum letſten/ das hat
der Teuffel angerichtet/ und uͤber das gantze Menſchliche
Geſchlecht gefuͤhret. Wer kan nun GOtt widerum ver-
ſuͤhnen/
[567]Predigt.
ſůhnen/ und den Fluch von uns nehmen? Da iſt noch nie
kein Menſch/ kein Prophet/ kein Heiliger auffkommen/ der
da haͤtte duͤrffen fuͤr GOtt tretten/ und den Zorn koͤnnen ſtil-
len/ denn ſie haben alle ſelbſt deſſelben muͤſſen ſterben. Ja
auch kein Engel haͤtte vermocht/ ſolchen Zorn auff ſich zu-
nehmen/ und davor gnug thun: Und doch ſolte den Men-
ſchen geholffen/ und jemand ſelig werden/ die Suͤnde vertil-
get/ der Tod gewuͤrgt/ deß Teuffels Reich zerſtoͤret/ die Hoͤl-
le geleſcht und Gottes Gnade leuchten/ erkand und geprie-
ſen werden/ ſo muſte GOtt ſelbſt anfahen und ein Mittler
ſenden und fuͤrſtellen/ durch den wir vom Zorn zu Gnaden/
auß der Suͤnde und Tod/ zur Froͤmmigkeit und zum Leben
kaͤmen/ das hat niemand koͤnnen ſeyn/ noch vermocht zu-
thun/ dann ſein ſelbſt eigener Sohn/ alſo/ daß er ſelbſt zu uns
kaͤme/ unſer Natur/ Fleiſch und Blut anzoͤge/ doch wo er
uns von Suͤnden helffen/ daß er ſelbſt ohn Suͤnde geboren
wuͤrde/ und alſo als ein Mittler zwiſchen Gott und uns/ bey-
de warhafftiger Gott und Menſch waͤre. Auff daß er aber da-
fuͤr angenommen und geglaubt wuͤrde/ ſo hat der Vater uns
hiemit ſelbſt ſolches vom Himmel offenbaret/ und von ihm
gezeuget/ diß iſt mein lieber Sohn/ an dem ich Wolgefallen
habe. Als wolt erſagen: Wolt ihr deß Zorns und Verdam-
nuͤß loß werden/ und Gnade bey mir ſuchen und finden/ ſo
můßt ihr hieher kommen/ und an dieſen Mann euch haͤn-
gen/ das ſol der einige rechte Prieſter und Mittler ſeyn/ da
und ſonſt nirgend werdet ihr Verſoͤhnung und ein gnaͤdigen
Gott finden. Es ſind bißher unter dem Geſetz Moſi wol viel
Gottesdienſt/ Prieſter und Opffer geweſt/ und unter den Leu-
ten mancherley Werck und Weiſe/ alle darum gethan/ daß
Gott ſolt ſagen/ daran habe ich Gefallen/ aber es hats der kei-
nes koͤnnen dazu bringen/ denn ſie haben nicht ſolch heim-
lich Zeugnůß/ daß er jemals geſagt habe/ davon habe ich Ge-
fallen/ und wil drum gnaͤdig ſeyn/ und Sůnde vergeben ꝛc.
Sondern hie allein (in dieſem Mann ſpricht er) iſt Wolge-
fallen/ dadurch ich wil gnaͤdig ſeyn/ und mich verſuͤhnen laſ-
ſen/ auß dem muß flieſſen/ was mir gefallen und angenehme
ſeyn ſol. Alſo hiemit rein weggenom̃en und außgeſchloſſen
alles was wir thun und fuͤrnehmen moͤgen (es heiſt Gottes-
dienſt
[568]Die ſiebenzehende
dienſt/ Opffer und Werck/ auß Moſi geſetzt/ oder auß eige-
ner Andacht fuͤrgenommen/ der Meinung/ daß wir dadurch
Gnade ſolten bey GOtt erlangen und ſelig werden/ und alles
allein in den Sohn geſchloſſen/ was ihme gefallen ſol/ daß
nichts neben und auſſer ihm gelten ſol/ ihn zuverſůhnen.
Was dieſer iſt/ redet und thut/ oder in ihm iſt/ geredt und ge-
than wird/ das ſey ſicher und gewiß/ ſpricht er/ das mirs hertz-
lich wolgefalle. Keines andern mag noch wil ich/ daß ich
mein Gefallen und Luſt ſolte dran haben/ ſondern allein
hieher alle Augen/ Ohren und Hertz gewand/ da ſol es
alles ſeyn/ aller Zorn und Ungnad auffgehaben und abe ſeyn/
und eitel Gnade und Liebe dafuͤr ſeyn. Sihe/ alſo hat GOtt
ihn durch dieſe Stimm geſetzt in die hoͤchſte Ehre/ daß er bey-
de ſein rechter Koͤnig und Prieſter ſeyn/ ein Erbe und HErꝛ
uͤber alle Dinge in ihm ſelbſt maͤchtiglich regieret und herꝛ-
ſchet/ und dazu uns den Vater gnaͤdig macht/ und zeigt hie-
mit ſein Vaͤterlich Hertz gegen allen/ die an Chriſtum glaͤu-
ben/ daß ſie gewiß ſeyn ſollen/ daß GOtt nicht ihr Feind/ ſon-
dern ihr gnaͤdiger freundlicher Vater wil ſeyn/ der nicht
mehr wolle noch koͤnne (ſo fern wir in Chriſto bleiben/) mit
uns zuͤrnen/ noch von ſich ſtoſſen/ ob wir auch gleich ſtrau-
cheln und fallen/ aber doch wieder umkeren/ und uns an die-
ſen Sohn halten/ ſo ſol es alles ſchlecht vergeben und vergeſ-
ſen ſeyn und heiſſen/ das gefaͤllet mir wol/ um meines lieben
Sohns und Prieſters willen/ alſo moͤchte ich verſoͤhnet und
gnaͤdig werden/ da habt ihr mein Hertz gar. Faſſet alſo ſelbſt
mit ſo kurtzem aber trefflichen und grundloſen Wort nichts
denn eitel Gnade und Troſt/ und thut uns auff einen groſſen
Himmel voller Liechts und Feuers/ hertzlicher Barmhertzig-
keit und vaͤterlicher Liebe/ daß man ſich ja fuͤr ihm nicht ſol/
als fuͤr einem zornigen Richter foͤrchtẽ/ wie ihn der Teuffel den
bloͤden erſchrockenen Hertzen fuͤrbildet/ und das Geſetz den
harten Unbußfertigen dreuet/ ſondern wolt gern/ daß wir
uns nur aller Liebe und Guts zu ihm verſehen und mit froͤli-
chem Hertzen von ihm warteten/ und nicht mehr fuͤrchteten
fůr alle dem/ das uns ſchrecken oder betruͤben wil: Denn al-
lein darum hat er uns ſolche Offenbahrung ſelbſt gethan/
daß wir ſollen gewiß und ſicher ſeyn/ daß er uns wil in Chriſto
ſei-
[569]Predigt.
ſeinem lieben Sohn eitel Gnade und vaͤterliche Liebe erzei-
gen/ und dabey erhalten wider alles das ſo uns davon reiſſen
wil/ und hiemit auffgehaben allen Zorn und Schuld/ dazu
aller Herren/ Koͤnige und Fuͤrſten/ ja aller Engel Gewalt
und Macht/ aller Welt Weißheit/ Heiligkeit/ und Gottes-
dienſt/ und kuͤrtzlich/ alles was etwas anders von uns wil
fordern. Daß hinfort nichts anders ſol gelten/ denn allein
an dieſen HErꝛn und Prieſter gehalten/ der uns wider alle
Feindſchafft und Anfechtung/ Schrecken und Plagen helffen
will/ und ein ewiger Mittler iſt/ ja ein ewig Pfand von dem
Vater uns fuͤrgeſtellet/ daß er uns wolle ein gnaͤdiger und
freundlicher Vater ſeyn/ allein daß wirs nicht anderswo
ſuchen/ denn in dem Sohn/ da er uns hinweiſet/ wie die thun/
die durchs Geſetz/ oder ſelbſt erwehlete Werck ſich unterſte-
hen GOtt zuverſuͤhnen/ oder Vergebung der Sůnden erlan-
gen/ und daß wir ſolch gnaͤdig Hertz und Willen deß Vaters
deſto ſtaͤrcker faſſen ſollen/ hat ers nicht allein in dieſen Wor-
ten/ ſondern auch in dem aͤuſſerlichen Zeichen und Geberden
dieſer Erſcheinung gezeigt/ denn er offenbaret ſich hie nicht/
wie vor Zeiten/ da er das alte Teſtament ſtifftet/ und das Ge-
ſetz gab durch Moſen/ auff dem Berg Sinai/ da der gantze
Himmel ſchwartz und finſter war von dicken Wolcken/ und
nichts geſehen und gehoͤrt ward/ denn eitel Donnern und
Blitzen/ daß der Berg davon raucht/ und die Erde bebete/
und eitel Schrecken und Zittern ward. Sondern hie iſt eitel
Klarheit und Liecht und froͤlicher Anblick/ daß alles eitel
Himmel iſt/ und alle Creatur uns anlachen/ und die Goͤttli-
che Majeſtaͤt ſich zu uns herunter laͤßt/ daß kein Unterſcheid
mehr iſt zwiſchen Gott und uns/ und ſich ſichtiglich zeiget/ in
der aller freundlichſten und lieblichſten Geſtalt/ der Sohn in
ſeiner menſchlichen Natur am Waſſer ſtehend mit ſeinem
Diener Johanne/ wie ein ander unſchuldiger Menſch/ der
Vater in der lieblichen Stim̃ und Predigt/ die von eitel
Gnade und Liebe redet/ und der heilige Geiſt ſolches beſtaͤt-
tigt/ uͤber Chriſto ſchwebend in der allerholdſeligſten Geſtalt
eines unſchuldigen Taͤubleins/ welches ohne allen Gall und
Zorn iſt/ und gar ein freundliches Hertze hat. Summa da iſt
nichts/ denn troͤſtliche freundliche Liebe/ was man ſihet und
Achter Theil. C c c choͤret/
[570]Die ſiebenzehende
hoͤret/ als trieffe der Himmel mit Honig und Zucker/ und re-
gne und gieſſe eitel Gnade und Barmhertzigkeit/ daß wir ja
nichts anders von ihm dencken noch zu ihm verſtehen. Denn
welches Hertz oder Zunge wil diß erlangen/ was ſuͤſſes Troſts
ſey in dieſen Worten? wenn es glaͤubt und fuͤhlet/ daß ſolches
zu ihm von Gott geſagt werde/ das iſt mein lieber Sohn/ an
dem ich Wolgefallen habe.O bona nova!O wie lieblich ſind
die Fuͤſſe deren/ die den Frieden verkuͤndigen/ das gute predi-
gen. O eine Stunde und Tag von guter Bottſchafft! O ein froͤliches
Siegs-Lied von dem ſtarcken Helden/ der den ſtarcken gewaffneten Rieſen
ja Drachen uͤberwunden/ von David/ der den Goliath geſchlagen! So ent-
gegen zuſetzen nicht allein der Tridentiniſchen Sack-Pfeiffe deß Paͤbſti-
ſchen Jrꝛgeiſts/ derſelbe aͤfft den Spruch der Propheten nach/ aber verkehrt
ihn ſchaͤndlich/ ſagt auch von JEſu Chriſto zeugen alle Patres, ſonderlich
die Tridentiniſche/ daß in nomine Chriſti zwar die halbe Gnade/ halb
Verdienſt/ halb Rantzion geleiſtet/ daß in nomine Matris, in nomine
Sanctorum Romæ ein theurer Schatz verborgen liege/ davon Vergebung
der zeitlichen Straffe/ aber nicht der Suͤnden Reat zu genieſſen/ und in
nomen proprium der Buß geſchehen muͤſſen/ quod poſt remiſſam cul-
pam adhuc maneat debitum luendæ pœnæ temporalis, quæ poteſt
pecunia redimi per taxam pœnitentiariam, daß man keine Vergebung
der Suͤnden glauben ſol/ ſondern alle Patres Concilii Tridentini Can. 13.
haben gezeugt/ daß/ wer da ſagt/ daß dem Menſchen zur Erlangung der Ver-
gebung der Suͤnden vonnoͤthen ſey gewiß und ohnfehlbar zu glauben/ ihm
ſeyen die Suͤnde vergeben/ der ſolle verflucht ſeyn. O os blaſphemum!
O Laͤſter-Mund! auß dem Munde St. Pauli widerum verflucht Gal. 1.
Heißt das nicht mit uns Menſchen den Bajazeth ſpielen/ frey Perdon
zuſagen/ und doch ferner Rantzion fordern. Unter den gefangenen
Frantzoſen/ deren ſehr viel/ hatten die Tuͤrcken dreyhundert/ welche vor an-
dern mit ſchoͤner Ruͤſtung angethan/ leben laſſen/ in Hoffnung eine gute
Rantzion von ihnen/ als hohen Standes-Perſonẽ/ zuerheben; die andern
haben ſie alſobald mit ihren Saͤbeln zu Stuͤcken zerhauen. Da nun dieſe
300. dem Bajazeth fuͤrgefuͤhret wurden/ und er verſtunde/ daß der Grafe
von Nevers, der vom Gebluͤth der Koͤnigen in Franckreich/ darunter war/
hat er ſolchen fuͤr ſich fordern/ und ihme durch einen Dolmetſchen dieſe
Gnade anbieten laſſen: Ob es wol wider ſeine/ deß Bajazeths Natur
und Geſatz/ einigem Chriſten/ Gnade zuerzeigen/ wolte er ihm doch/ ange-
ſehen ſeines hohen Stands/ nicht allein das Leben ſchencken/ ſondern auch
erlau-
[571]Predigt.
erlauben/ daß er fuͤnffe auß der gantzen Zahl der Gefangenen erwehlen
moͤchte/ die mit ihm beym Leben blieben. Der von Nevers bedanckte ſich
dieſer Gnade demuͤtiglich/ und erwehlet darauff den von Guiſa, den la
Tremoulie, den d’Yvoys, den Graffen von Artoys, uñ an ſtatt deß Du-
ca de Guienne, der die Koͤnigliche Fahne gefuͤhret/ und blieben war/ einen
ſeiner Blutsverwandten. Zuletſt erlaubt ihm der Bajazeth auch auff
viel bitten und flehen/ den Monſieur Buciald, Marſchalck in Franckreich/
den er beym Leben erhielt. Die uͤbrigen alle deren noch 293. waren/ ſind
ohne Barmhertzigkeit zu Stuͤcken zerhauen worden/ und hat der Tyrann
dieſem Spectacul zugeſehen. Damit waren aber dieſe ſieben noch nicht
ledig/ ſondern man fuͤhret ſie uͤber Meer hinuͤber in Bithyniam/ zu der
Stadt Pruſia/ allda ſie ſo lange gefaͤnglich enthalten wurden/ biß die
Rantzion fuͤr ſie/ nemlich 200000. Ducaten bezahlt wurde. Hertzog Jo-
hannes von Burgund/ und Pfaltzgraff Ruprecht ſeind auch nach bezahl-
tem Loͤſegelde freygelaſſen/ und jener in Burgund/ dieſer in die Pfaltz wi-
der anheim kom̃en. Es iſt beſagte gute Botſchafft entgegen zuſetzen nicht
allein der Calviniſchen Traur-Lehr/ einem Baum/ davon keine andereHodom.
Spir. Pap.
p. 279. \&
769.
Fruͤchte wachſen/ als fleiſchliche Sicherheit oder Verzweiffelung/ wie an-
derswo erwieſen/ ſondern auch der boͤſen Zeitung in und wider uns/ deß
Fluchs Moſe/ deß Veriiſche unſers eigenen Gewiſſens/ der Anklag deß
Sathans/ und aller der boͤſen und beſchwerlichen Sage/ ſo wider uns fuͤr
den groſſen reichen Mann in Himmel gebracht wird. Luc. 16/ 2. Thue
Rechnung von deinem Haußhalten/ denn du kanſt hinfort
nicht mehr Haußhalter ſeyn.
III. Neangelium.Eine rechte neue Zeitung/ ein neues
Lied/ Pſ. 98/ 1. Eſa. 42/ 10. Apoc. 14/ 3. Von einem neuen Him̃el
und neuen Erde/ Eſ. 65/ 17. c. 66./ 22. von einer neuen Menſch-
werdung deß Sohns Gottes/ Jer. 31/ 22. Eins neugebornen
Koͤnigs der Juden/ Matth. 2/ 2. von einem neuen Bund deß
Teſtaments/ neuen Mittler/ Hebr. 9/ 15. neuen Himmelsweg/
neue Zungen/ Marc. 16/ 17. Hebr. 10/ 20. von einem neuen Geiſt
und neuen Hertzen/ Ezech. 18/ 31. c. 36/ 26. vom neuen Moſt/
Matth. 9/ 17. von einer neuen Lehr/ Marc. 1/ 27. von einer neuen
Geburt/ Johan. 3/ 3. neuen Leben/ neuen Weſen/ Rom. 6/ 4. 6.
neuen Creatur/ 2. Cor. 5/ 17. neuen Menſchen/ Eph. 4/ 24.
neuen Nahmen/ Apoc. 2/ 17. neuen Jeruſalem/ Apoc. 3/ 12.
So nimmer waͤre in der Welt erſchallen/ wann der Menſch nicht waͤre ge-
fallen. Dann da haͤtte es keiner Incarnation und Menſchwerdung be-
doͤrfft/ kein Ablaß der Suͤnden war von noͤthen. Zwar alt gnug der
C c c c 2Zeit
[572]Die ſiebenzehende
Zeit nach/ weil daſſelbe alſobald nach dem Fall in dem Paradiß von dem
ſiegreichen Schlangentretter offenbahret worden. Lutherus hat dieſes
aͤlteſte und erſte Evangelium gar ſchoͤn und deutlich erklaͤrt/ Tom. 5. Witt.
pag. 435. Auffs erſte iſt Chriſtus verheiſſen bald nach Adams Fall/ da GOTT
ſprach zur Schlangen: Jch wil Feindſchafft legen zwiſchen dir und dem Weibe/
zwiſchen deinem Saamen und ihrem Saamen/ derſelbe wird dir den Kopff zer-
tretten/ und du wirſt ihn in die Ferſen ſtechen. Hie laß ich anſtehen zu beweiſen/
daß die Schlang vom Teuffel beſeſſen geredet hat/ dann kein unvernuͤnfftig
Thier ſo klug iſt/ daß es moͤge Menſehen-Sprach hoͤren und vernehmen/ viel we-
niger von ſo hohen Dingen ſagen und fragen/ als das Gebot GOttes iſt/ wie
hie die Schlange thut/ darumb muß es gewißlich ein verſtaͤndiger/ hochvernuͤnff-
tiger und maͤchtiger Geiſt geweſen ſeyn/ der Menſchen-ſprach machen kan/ und
ſo meiſterlich von GOttes Gebot hantieren und Menſchen-Vernunfft fahen und
fuͤhren. Weil denn gewiß iſt/ daß ein Geiſt hoͤher iſt/ denn der Menſch iſt/ ſo iſt
auch daneben gewiß/ daß dieſes ein boͤſer Geiſt und Gottes-Feind ſey/ denn er
bricht GOttes Gebot/ und thut wider ſeinen Willen/ darumb iſts gewiß der Teuf-
fel. So muß nun das Wort Gottes/ das vom Kopff-zertreten ſagt/ auch auff des
Teuffels Kopff lauten/ doch nicht außgeſchloſſen/ der natuͤrlichen Schlangen
Kopff/ denn er redet mit einerley Wort auff Teuffel und Schlangen/ als auff ein
Ding/ darumb meinet er beyder Kopff/ der Kopff aber des Teuffels iſt ſeine Ge-
walt/ damit er regiert/ das iſt/ die Suͤnde und der Tod/ damit er Adam und alle
Adams-Kinder unter ſich bracht hat. Darumb muß dieſer Weibes-Saame
nicht ein gemeiner Menſche ſeyn/ dieweil er des Teuffels Gewalt/ Suͤnde und
Todt zutreten ſol/ ſintemal alle Menſchen dem Teuffel durch Suͤnde und Tod
unterworffen ſeind/ ſo muß er gewißlich ohne Suͤnde ſeyn/ und traͤgt die Menſch-
liche Natur ſolchen Saamen oder Frucht nicht/ wie geſagt iſt/ denn ſie alle unter
dem Teuffel mit der Suͤnden ſeind/ wie wills denn hie zugehen? der Saame muß
ein natuͤrlich Kind eines Weibes ſeyn. Widerumb traͤgt menſchliche Natur und
Geburt ſolchen Saamen nicht/ wie auch geſagt iſt. So muß endlich das Mittel
bleiben/ daß dieſer Saame ſey ein recht natuͤrlicher Sohn eines Weibes/ aber
nicht durch natuͤrliche Weiſe vom Weib kommen/ ſondern durch ein ſonderlich
Werck GOttes/ auff daß die Schrifft beſtehe/ daß er nur eines Weibes-Saame
ſey/ und nicht eines Mannes/ wie der Text klaͤrlich lautet/ daß er Weibes Saa-
me ſeyn wird. Alſo iſt diß der erſte Spruch/ darinn die Mutter dieſes Kinds eine
Jungfrau beſchrieben iſt/ und daß ſie ſeine rechte natuͤrliche Mutter ſey/ und doch
nur von GOtt uͤbernatuͤrlich/ ohne Mann ſchwanger werden/ und gebaͤren ſolt/
auff daß er ein ſonderlicher Menſch ſey/ ohne Suͤnde/ und doch gemein Fleiſch
und Blut habe/ gleich andern Menſchen/ welches gleich nicht muͤgen geſchehen/
wo er ſolt von einem Mann gezeugt werden/ wie andere Menſchen/ darumb daß
das Fleiſch mit boͤſer Luſt verbrandt und verderbt/ ſein natuͤrlich Werck und
Zuͤchtigung nicht mag ohne Suͤnde geſchehen/ und was ſich durchs Fleiſches Werck
beſamet und ſchwaͤngert/ das traͤgt auch eine fleiſchliche und ſuͤndliche Frucht.
Aber neu der Art nach/ weil es von anderer Art (in welchem Verſtand
der kuͤnfftige Himmel ein neuer/ das iſt/ ein anderer Himmel genennet/
ου᾽ τάυτης κτίσεως, Hebr. 9/ 11. Conf. Exod. 1/ 8.) als andere weltliche menſch-
liche
[573]Predigt.
liche Zeitung/ oder auch als das Geſetz ſelbſt/ welches uns Menſchen allen
ins Hertz geſchrieben/ und alſo von Natur bekand/ aber vom Evangelio
weiß das Liecht der Natur oder die Vernunfft nichts/ kombt ihr derowe-
gen ſeltzam und abentheuerlich fuͤr/ vid. Tom. 8. Witteberg. p. 483. f. 2.
Denn in welches Menſchen Hertz iſt es je kommen/ daß wir
fuͤr GOtt gerecht und ſelig ſeyn/ durch das theure Verdienſt
unſers HErꝛn JEſu Chriſti/ der fuͤr uns iſt geſtorben? Der
eingeborne Sohn/ der in deß Vaters Schoß iſt/ der hat uns
diß verkuͤndiget. Johan. 1. Von welchem der Vater einen
ernſtlichen Befehl vom Himmel herunter auß den Wolcken
thut/ das iſt mein lieber Sohn/ den ſolt ihr hoͤren. Ohne das/
daß das Geſetz von GOtt in die menſchliche Natur iſt einge-
pflantzet worden/ wie St. Paulus artig davon redet und diſ-
putirt/ daß in der Heyden Hertzen auch Gedancken ſind/ da-
durch entweder Suͤnde und Laſter werden verworffen/ und
verdammet/ oder Tugend/ Erbarkeit unter gute Werck ge-
lobet/ und verthaͤdiget. So iſt es auch durch Moſen vorhin
gegeben/ und den Juden angezeigt worden/ darum bringt
Chriſtus im neuen Teſtament eine neue Predigt/ Lehre/ dar-
innen wir von Vergebung der Suͤnden werden gelehret/
und mit dem H. Geiſte begnadet/ auff daß wir auff deß HErꝛn
Straſſen wandeln/ dieweil wir beyde den Goͤttlichen Ver-
heiſſungen von Chriſto glauben/ und durch Huͤlffe deß Heil.
Geiſtes der Suͤnde widerſtreben/ und zu einem willigen Ge-
horſam gegen GOtt in allen Dingen werden aufferweckt.
Conf. Tom. 1. Isleb. p. 199. Die Artickel deß Chriſtlichen Glaubens ſind
in unſerer Vernunfft lauter neue Goͤtter/ und neue Gaͤſte/ die ſie nicht lei-
den kan. Darum heiſſen ſie auch Myſteria, Geheimnuͤß deß Himmel-
reichs/ 1. Cor. 2/ 7. 8. 9. 10. Wir reden von der him̃liſchen verbor-
genen Weißheit Gottes/ welche Gott verordnet hat vor der
Welt/ zu unſer Herꝛligkeit/ welche keiner von den Fuͤrſten
dieſer Welt erkant hat/ denn wo ſie die erkant haͤtten/ haͤtten
ſie den HErꝛn der Herꝛligkeit nicht gecreutziget. Sondern
wie geſchrieben ſtehet/ daß kein Auge geſehen hat/ und kein
Ohre gehoͤret hat/ und in keines Menſchen Hertz kommen
iſt/ das GOtt bereitet hat/ denen die ihn lieben. Uns aber
hat es GOtt offenbaret durch ſeinen Geiſt/ denn der Geiſt er-
forſchet alle Dinge/ auch die Tieffe der Gottheit.Hinc Eſaias
C c c c 3cap.
[574]Die ſiebenzehende
c. 54. Eccleſiam vocat, (vid. Luth. Tom. 3. Lat. p. 413. f. 2. \& mox p.
414. f. 2.) Sterilem, collatione Synagogæ, quæ eſt populus fœcundus,
abundans diſcipulis, \& celebris propter doctrinam legis \& operum.
Eſt igitur quaſi florentiſſimum regnum. Contrà, Eccleſia contempta
eſt, ſterilis, ſine diſcipulis. Ratio autem hæc eſt, quia Evangeliũ eſt e-
jusmodi doctrina, quæ non, ſicut doctrina legis, à ratione intelligi-
tur, ſed planè diſſidet à ratione. Nam remiſſionem peccatorum pro-
pter alienum meritum, item juſtitiam alienam, ratio capere non pot-
eſt. Ac ne in ſanctis quidem hæc cognitio ſatis firma eſt. Quanquam
enim fiduciam operum \& ſuperſtitionem damnamus, tamen non
poſſumus eam penitus ejicere animo, ſed eſt quaſi innata Carni pe-
ſtis, quæ vehementius ſpiritum vexat, quàm ulla libido Carnem.
Huc accedunt conſuetudo \& inſtitutio, quod non ſolum nati, ſed fa-
cti \& inſtituti ad ſuperſtitionem ſub Papa ſumus. Huic quia adver-
ſatur Evangelium, \& damnat omnem fiduciam extrà Chriſtum Id-
eò pauciſſimos invenit diſcipulos, \& contradicitur ei à toto mun-
do. Hæc eſt cauſa ſterilitatis, de qua Propheta hoc loco dicit. Et mox
p. 414. Doctrina Chriſtianorum talis eſt, quàm ratio non ſolum non
poteſt invenire, ſed inventam \& traditam quoq; non poteſt intelli-
gere. Et quod majus eſt, neceſſario cogitur eam odiſſe \& damnare.
Idq; ideò, quia doctrina eſt de rebus non apparentibus, contrà ratio-
nis judicium \& ſenſum. Quare Chriſtiani tanquam aſini ridentur,
quam doceant de rebus quam nuſquam ſunt, \& avocent ab iis, quam
ſunt. Contrà Philoſophia juris, \& omnes aliæ artes, quæ verſantur
circà actiones, docẽt de rebus præſentibus \& apparentibus, ideò præ-
feruntur Evangelio. Quia igitur ratio offenditur Evangelio, im poſſi-
bile eſt, Chriſtianum humanitus edoctum eſſe, \& qui adhærent ver-
bo, faciunt id non propriis viribus, ſed dono Dei, \& quod ſunt divi-
nitus docti. Eph. 3. Welches nicht kund gethan iſt in den vori-
gen Zeiten den Menſchenkindern/ als es nun offenbaret iſt
ſeinen H. Apoſteln und Propheten durch den Geiſt/ Col. 1. 26.
Das Geheimnuͤß/ das verborgen iſt geweſen von der Welt
her/ und von den Zeiten her/ nun aber offenbaret iſt ſeinen
Heiligen.Conſequenter Paradoxa, ungereimte/ laͤcherliche/ und Fa-
belmaͤſſige Lehren/ deren die Vernunfft ſpottet/ als welche auch Religionen
erdichten und einfuͤhren kan/ und durch vielerley Wege einen Zweck finden:
Haͤtte nun Gott ſeinen Sohn droben im Himmel behalten/ der mit ſeiner
Lehre nichts anders als alarma, Auffruhr/ Blutvergieſſung erweckt/ ſpricht
wahr
[575]Predigt.
wahr mit Pilato/ was iſt Warheit?Gallion nicht achtet/ Feſtus ei-
nes raſenden Menſchen delirio vergleicht/ die Philoſophi zu Athen ſchrien
deßwegen Paulum fuͤr einen Lotterbuben auß/ Act. 17. Etliche aber
der Epicurer und Stoicker Philoſophi zanckten mit jhm/
und etliche ſprachen: Was wil dieſer Lotterbube ſagen? Et-
liche aber/ es ſiehet/ als wolte er neue Goͤtter verkuͤndigen/
das machte/ er hatte das Evangelium von JEſu und von der
Aufferſtehung ihnen verkuͤndiget. Die Mahometiſten haben deß-
wegen den Alcoran angenommen/ weil derſelbe leichter zuverſtehen/ Chri-
ſti Evangelium ſey gar zu ſchwer und dunckel/ handle von lauter himmli-
ſchen/ uͤbernatuͤrlichen unbegreifflichen Dingen/ oder paradoxa bona,
geiſtliche Gaben in himmliſchen Guͤtern/ damit dem natuͤrlichen Fleiſch
und viehiſchen Menſchen wenig gedienet/ der haͤtte gern einen guͤldenen
Meſſiam/ und wolt er kaͤme in einem guͤldenen Regen in ſeinen Schoß
herab/ machte ihn frey von weltlichen oneribus, Laſt und Beſchwernuͤſſen/
wie den Jnden von einem ſolchen Meſſia getraͤumet/ die auffruͤhriſche
Bauren denſelben geſucht/ die Papiſten ihrer Einbildung nach erhalten.
das iſt alles/ ſchreibt Luth. Tom. 2. Isleb. p. 295. eitel falſch Ding
was ſie thun/ gehen in einem falſchen trunckenen Wahn da-
her/ alles was ſie glaͤuben/ iſt erdichtet Ding/ denn ſie haben
Chriſtum nicht geſchmeckt/ ſie wiſſen nicht was Chriſtus ſey/
ſie haben auch um Chriſti willen nichts gelitten/ derhalben
ſind ſie nicht anders/ denn die Trunckenen/ die da nicht wiſſen/
wo ſie daheim ſeynd/ alles was ſie glaͤuben/ iſt falſch uñ nichts/
ſind nicht tuͤchtig irgend zu einem guten Werck/ und thun ſie
etwas guts/ ſo thun ſie es um ihrent willen/ auff daß ſie Chre/
Geld und Gut davon haben. Alſo thut ein Fuͤrſt/ Bauer/
Edelmann etwas guts/ ſo wil er ſeine Ehre/ und Nutz darun-
ter ſuchen/ wenn aber diß entgehet/ ſo wird er toll und thoͤricht/
und laͤſſets anſtehen/ thut nichts guts mehr/ darum iſt keine
Warheit da/ es iſt kein warhafftig Wort/ noch recht Werck
in ihrem Halſe und Faͤuſten befunden/ es iſt ihnen alles um
Gut und Ehre zuthun/ wie wir am Pabſt/ und ſeinen Bi-
ſchoffen noch auff den heutigen Tag ſehen. Aber hie iſt die
Warheit/ Chriſtus wird euch warhafftig frey machen/ nicht
auff fleiſchliche Weiſe/ ſondern von Suͤnden/ und wil hie
ſagen/ ich bin nicht ein Parteckenprediger/ der da von dem
Bettelſtabe/ als von zeitlichem Reichthum/ Ehre/ Gewalt
und
[576]Die ſiebenzehende
und Wolluſt prediget/ denn das iſt eitel Saum iſt und Koth/
ſo von Saͤuen in Stroh geworffen wird/ Reich thum ſind die
Greten und Beine/ ſo von der Herren Tiſche uͤberbleiben/
und herab fallen/ und den Hunden zutheil werden/ wie wir
ſonſt pflegen die Rinden vom Brot abzuſchneiden. Solche
Predigt/ die fůr den leiblichen Bauch gehoͤrt/ befehlen wir
den Juriſten/ aber Chriſtus redet hie von der rechten ewigen
und geiſtlichen Erloͤſung. Oder paradoxa promiſſa, abentheur-
liche Verheiſſungen/ dieweil ſie im weiten Felde/ abweſend und kuͤnfftig
ſeyn/ und gemeiniglich mit ſo ſtarcken unuͤberwindlichen Obſtaculn und
Riegeln verhindert/ daß die Vernunfft gedenckt: Eſt avis in dextrâ me-
lior, quam quatuor extrà, der Vogel Hab ich iſt beſſer als der Vogel
Haͤtt ich.Vid. Exempla apud Luth. Tom. 3. Lat. p. 360. Der Welt
Haß wider die ein Creutz-Bottſchafft/ neue Lehre deß Evangelii beſchreib/
und loͤſet auff gar herꝛlich die Jnſtantz; waͤre Luther mit ſeinem Evangelio
nachkommen/ ſo ſtuͤnde es beſſer im Roͤmiſchen Reich/ Luther. Tom. 2.
Isleb. p. 284. \& ſeq. Confer ib. p. 224.
IV. Staurangelium, Ein in der Welt verhaſſete/ durchaͤchtete und
verworffene Bottſchafft/ von deren das Sprichwort wahr/ was man nicht
verſtehet/ das haſſet man/ theils activè, weil ſie die ſelbſt-Creutzigung er-
fordert/ es iſt die heilſame Gnade Gottes erſchienen/ aber mit
der Ruthen/ ſie zůchtiget uns/ welche Chriſtum angehoͤren/ die
creutzigen ihr Fleiſch/ mit ſampt den Lůſten und Begierden/
theils paſſivè, per ἀποτυχίαν und zufaͤlliger Weiſe/ und hat man ſich da-
hero nicht zuverwundern/ wann der Bottenlohn nicht beſſer geraͤth/ als
die Zeitung ſelbſt. Jener Soldat (apud Suidam) da er bluͤhend auß der
Schlacht/ die im Maritoniſchen Felde zwiſchen den Perſianern und Grie-
chen von Athen gehalten worden/ nach Athen gelauffen/ die froͤliche Zei-
tung dem ſitzenden Rath daſelbſt gebracht/ die von Athen haͤtten obge-
ſiegt/ und die Perſianer ſeyen auffs Haupt geſchlagen/ mehr nicht als dieſe
zwey Wort mit heller Stim̃ außgeſprochen/ μένα χαἰρετε, νικῶμεν, freuet
euch/ wir haben den Sieg gewonnen! und alſobald darauff geſtorben/
und todt nidergefallen: der Tod war ſein Bottenbrod. War eben
auch der Bottenſold/ welchen Chriſti Juͤnger/ nachdem ſie ihre Evange-
lia gantz treulichſt in der Welt haben außgebracht/ von der Welt zu
Danck bekommen. Nicht allein die Botten haben ſolchen Undanck
zugewarten/ ſondern auch die es annehmen. Drum heißt daſſelbige und
bleibt/ wie Evangelium Lucis, alſo auch Crucis, drum iſts nicht will-
kommen/
[577]Predigt.
kommen/ hat ſchlechte Audientz bey den Welt-Leuten. Evangelii Evange-
lion heiſt Verfolgung/ Spott und Hohn. Und diß ſind alſo die Mathe-
mata Evangelica, die Evangeliſche Lehren/ welche die H. zwoͤlff Botten
predigen ſollen/ nicht zwar allein/ ſondern auch den uͤbrigen Goͤttlichen
Legal-Befehl nicht vergeſſen/ wie die jenige thun/ welche Luther. tom. 7.
Jen. p. 292. Feine Oſterprediger/ aber ſchaͤdliche Pfingſtpredi-
ger nennet: Wie es zarte Ohren gern wuͤnſchten/ daß man nicht ſa-
gen ſolle/ hoͤrſtu es/ du wilt ein Chriſt ſeyn/ und biſt gleichwol
ein Ehebrecher ꝛc. ſondern ſo ſagen/ hoͤrſtu? biſtu ein Ehe-
brech er ꝛc. glaubſtu nur/ ſo biſtu ſelig darffſt dich fuͤr dem Ge-
ſetz nicht fuͤrchten/ Chriſtus hat alles erfuͤllet.ibid. p. 168. Oder
andere/ die von nichts als von Menſchen Satzungen/ der Vaͤter Decreta,
Cerimonien/ Wallfarten/ Geißlen und andern muͤhſamen unbefohlenen
Wercken wiſſen zu reden/ die Gewiſſen zu verſtricken (vide Luth. tom. 3.
Witt. p. 55. f. 2. tom. 391.) auch nicht bloß und allein die Evangeliſche
oder andere Bibliſche Hiſtorien/ von welchen der Poͤbel lieber hoͤret als
von hohen Geheimnuͤſſen/ wenn ſie hoͤren erzehlen Hiſtorien und Exem-
pel/ ſo verwundern ſie ſich uͤber ſie/ wie jener Prediger in Luth. Tiſchreden
p. 180. der die Buͤcher Joſuæ und der Koͤnige predigte/ da ſpielet er mit
vielen Allegorien/ und geiſtlichen Deutungen/ das gefaͤllet dem Volck
und Hauffen wol. Aber wenn man vom Artickel der Rechtfertigung pre-
diget/ daß man allein durch den Glauben an Chriſtum fuͤr GOtt gerecht
und ſelig wird/ da haͤlt der gemeine Mann keinen fuͤr beredt/ ja ſie hoͤren
ihn nicht gerne/ und habts fuͤr ein gewiß Zeichen/ wann man vom Artickel
der Rechtfertigung prediget/ ſo ſchlaͤfft das Volck und huſtet/ wann man
aber anfaͤhet Hiſtorien und Exempel zuſagen/ da reckets beyde Ohren auff/
iſt ſtill/ und hoͤret fleiſſig zu. Auch nicht bloß und allein die Pericopas
und den Außſchuß/ ſo auß der Evangeliſchen Hiſtori zuſammen getra-
gen/ und am Sonntag erklaͤret werden. Von denen Lutheri Judicium
alſo lautet/ Luth. Tom. 3. Jen. p. 270. f. 2. Es iſt aber noch nicht Zeit/ daß
man da eine Neuerung anfahe/ weil man keine unchriſtliche Text lieſet/
doch weil die Stuͤcke auß den Epiſteln St. Pauli ſelten geleſen werden/
darin der Glaube gelehret wird/ ſondern am meiſten die/ ſo aͤuſſerlichen
Wandel und Ermahnunge fuͤrhalten/ daß man wol mercken kan/ daß
der/ ſo ſie dermaſſen geordnet hat/ ſehr ungelehrt geweſen ſey/ und allzu viel
von den guten Wercken gehalten hat/ haͤtte ſichs wol gebuͤhret/ daß man
die Stuͤcke fuͤrnemlich zuleſen verordnete/ darinnen der Glaube an Chri-
ſtum gelehret wird. Solches hat er auch zum oͤfftern mal mit den Evan-
Achter Theil. D d d dgelien
[578]Die ſiebenzehende
gelien gethan/ er ſey nun/ wie er wolle geweſen/ der ſolche Lection verord-
net hat \&c. Tom. 3. Witt. p. 393. Sondern auch ſchwere Evangeliſche
Text/ darin die uͤbernatuͤrliche himmliſchen Geheimnuͤſſen deß Glaubens
enthalten/ die ſtarcken Speiſen/ die zu dem Ende geoffenbaret/ daß ſie maͤn-
niglich kund gethan wuͤrden den Glauben zu ſtaͤrcken.
Dem Vater aller Barmhertzigkeit ſey ewiges Lob und Danck/ daß
dieſe gute Bottſchafft und froͤliche Zeitung/ auch uns Spaͤtlingen/ auff
die das Ende der Welt kommen/ zu theil worden/ und auß der Huͤtten
Sems zu uns Japhiten mitten durch den Himmel geflogen. Daß dieſes
Liecht noch leuchtet im Lande Goſen/ noch reucht als ein außgeſchuͤttete
Salbe/ noch mundet als das Manna/ noch kuͤſſet mit ſeinem Kuß/ noch
als ein lieblich Geſang und Lied erſchallet auff der Cantzel/ im Beichtſtuhl/
da man noch in der Kirche ſinget: Hie alle Suͤnde vergeben werden. Ev-
angelium ἀξιόπιϛον, πάσης ἀποδοχῆς ἄξιον, eine Bottſchafft die wuͤr-
dig iſt/ daß mans annehme und wol bewirthe/ wol halte und
nicht laſſe fuͤruͤber ſchnurren/ wie ein Geſchwaͤtz (ἀγγελία παρατρέχουσα
Sap. 5, 9.) ſich deſſen inniglich freue. Gute Zeitung erfordert auffmerck-
ſame Ohren/ auff ſolche Sagengerichtet/ und die nicht juckende/ ſondern
jauchzende Ohren und Hertzen macht/ wol dem Volck/ das jauchzen
1. Sam. 3, 11.
2. Reg. 21,
12.
Jer. 19, 3.kan!In dulci jubilo! ſolch Volck iſt/ welches das Evangelium gern hoͤ-
ret/ wehe dem Volck/ dem die Ohren gellen auß Furcht deß unertraͤglichen
Zorns Gottes/ und von keiner Huͤlffe weiß. Jſt ein Gleichnuͤß genom̃en
von einem unverhofften/ unbeſorgten und ſchroͤcklichen Getoͤß eines Don-
nerſchalls/ einer groſſen Sturmglocke/ einer abgeloͤßten Cartaunen/ eines
ploͤtzlichen niderfallenden Hauſes/ gleichwie auff ſolchen Schall/ Knall
und Fall die Ohren der Hoͤrenden/ dermaſſen werden occupirt und einge-
nommen/ daß ſie drob nicht allein erſtarren/ ſondern auch ein Widerſchall
und Nachknall von ſich ſpuͤren/ der ſich nicht wil hindern uñ vertreiben laſ-
ſen/ die Ohren thun wehe davon: Alſo ſagt der HErꝛ/ er wolle den jenigen
Ohren/ die ſein liebes werthes Wort nicht gern hoͤren/ caſus fortuitos zu-
ſchicken/ ſeltzame/ ungeheure/ urploͤtzliche Faͤlle/ davon man erſtarren muͤſſe/
davon einem die Ohren gellen und wehe thun/ er kans nicht auß den Ohren
bringen/ man kans nicht vergeſſen. Luth. Tom. 4. p. 311. f. 2. Solche
Krafft ſol diß einige Wort haben. Jch glaͤube an JEſum
Chriſtum/ welches doch ſo gering ſcheinet/ daß es mit des Men-
ſchen Odem auffhoͤret und vergehet/ und ſo gemein iſt/ daß je-
derman im Maul hat/ unter dem Pabſt ſo wol/ als unter uns/
aber von den wenigen nicht geglaubt und gar trefflich ver-
achtet
[579]Predigt.
achtet wird/ ſonderlich wann man ihm mit der Vernunfft
nachdenckt/ und unſer Weißheit darin kluͤgeln laͤſſet/ daß ſie
gar druͤber zur Naͤrrin wird/ und haͤlts fuͤr lauter Fabeln/ wel-
ches in Welſchen Landen nun gar gemein worden iſt/ daß ſie
von dieſem Artickel gar nichts glauben/ und zwar auch unter
unſern Leuten bereits ſolche Weißheit gelernet haben/ daß
ſie es fuͤr ein Gelaͤchter halten. Sonderlich weil wir ſagen/
daß es ſo leichtlich ſol zugehen/ ohne unſer thun/ uñ gar keine
Krafft/ Gewalt/ noch Mittel ſol dazu kom̃en/ denn daß der ei-
nige Menſch Chriſtus mit ſeinem Wort werde wider auß der
Erden bringen/ alles was von Adam herkommen/ und je auff
Erden geboren iſt. Darum iſt es eine Predigt/ allein fuͤr die
Chriſten/ die es mit Ernſt glauben/ und deß gewißlich hoffen/
durch Gottes Gnade/ daß es geſchehen und wahr werden ſol/
ſonſt wirds wol bleiben/ wie es bißher immer geweſt iſt/ daß
dieſe Predigt bey der Welt nichts ſey/ ob ſie es gleich hoͤren/ uñ
auch ſelbſt ſprechen/ doch muͤſſen wirs predigen umb unſer
ſelbſt willen/ wie wenig ihr auch ſeind/ die es glauben/ als
Gottes liebe Kinder. Und wie der Nahme JEſus in ſeinem rechten
Verſtand und Macht wuͤrcklich von den Kindern dieſer Welt wird hind-
angeſetzet/ alſo auch der liebliche Geruch von demſelben/ das Evangelium
deß Lebens. Groſſe Herren haben ſo viel mit weltlichen Vanitaͤten zuthun/
daß ſie keine Zeit nehmen/ oder Weile finden/ dieſer him̃liſchen Bottſchafft
gnugſame Audientz zuertheilen. Machens eben wie jener Juͤdiſche Kaͤyſer
Michael Theophilus, welcher/ als ohngefaͤhr ein Bote/ der durch hin
und wider auff den Bergen gelegte Feuer wahrgenommen/ daß die Sara-
cener in ſeine Reichsgraͤntzen ein Einfall gethan/ durch dieſe Poſt ein kurtz-
weiliges Spiel/ deme er beygewohnet/ um etwas zertrennet und verunru-
higet/ alſobald die Wachten auff eine Seit zu gehen befohlen/ auff daß er
deſto ungehinderter ſeine Luſt habẽ koͤnte. Gar anders als Theodoſius wel-
cher den Circenſiſchen Spielen beygewohnet/ als aber eine Poſt von einem
unverhofften herꝛlichen Sieg ankommen/ hat er der fromme Fuͤrſt/ zu dem
Volck/ welches in groſſer Menge da war/ geſagt/ ey/ warum verlaſſen wir
nicht unſer Spiel/ eilen zur Kirchen/ und ſagen dem Allerhoͤchſten GOtt
ſchuldigen Danck; welche Stimme mit aller Verwunderung und Fro-
locken auffgenommen/ das Schauſpiel verlaſſen/ und er mit feyerlichem
Auffzuge hin in die Kirche begleitet worden. Es wird dieſe alle einmal
hefftig frieren nach dieſer Sonnen; Einem ehrlichen Biedermann thut
D d d d 2die
[580]Die ſiebenzehende
die Repulſs, wann er gern gibt/ und dem er geben will/ es nicht annimpt/
ſchmertzlich wehe/ kan er/ ſo laͤſt ers nicht ungerochen. Wie kan der liebe
Gott ungeſtrafft laſſen die Suͤnde uͤber alle Suͤnde deß Unglaubens? durch
welchen der Gottloſe Menſch dieſen edlen Schatz/ dieſe koͤſtliche Perlin/
dieſes allerreicheſte Allmoſen von ſich ſtoſſet/ nichts gruͤndliches und voll-
kommenes davon hoͤren und wiſſen wollen/ das Urtheil iſt ſchon gefaßt/
Wer nicht glaubt/ der ſoll verdam̃t werden. Die Schaͤffer zu
Bethlehem achteten der neuen Poſt von einem neugebohrnen Koͤnig der
Juden nichts/ aber es muſte hernach deßwegen die Rachel daſelbſt die Haͤn-
de uͤber dem Kopff zuſammen ſchlagen/ da ſie ihre Kinder geſehen im Blut
baden! Noch heutiges Tages ſtrafft Gott die Repuls und Verachtung
ſeiner himmliſchen Bottſchafft mit Krieg und Kriegsgeſchrey/ mit boͤſem
Geruͤcht und Nahmen noch nach dem Tod/ mit Repuls und Abſchlag der
Erhoͤrung im Gebet. Darum auch dieſer Harffenſchall nicht fuͤr die Epi-
curiſche Saͤu gehoͤrt/ ſondern wie Chriſtus ſagt: Den Armen wird das
Evangelium gepredigt/ den armen angefochtenen betruͤbten Gewiſ-
ſen. (Publicano præ Phariſæo, meretrici præ Berenice, Latroni præ
Leone Herode,) denen die Fulgura in Ohren brum̃en/ die Sturm[win]de
der Anfechtung anfechten/ wann ein Menſch gedenckt/ ſihe du haſt Nini-
vitiſche Suͤnde auff der Haut/ oder Sodomitiſche Laſter auff dem Gewiſ-
ſen liegen/ vielleicht in der Jugend begangen/ daher ihm von nichts anders
ſchwant als von Gottes Zorn und Ungnade/ wann ihm die Exempla un-
ter Augen leuchten der viel tauſenden/ die in gleicher Suͤnden geſteckt/ und
nunmehr verdam̃t und in der Hoͤllen liegen/ wann der Wurm im Gewiſſen
zum Drachen wird/ die Suͤnde fuͤr Augen tritt/ Pſ. 50. daß er vor derſelben
Greuel nichts ſehen und ſpuͤren mag/ der Glaube zappelt/ die Hoffnung
wancket/ da iſt Troſt von noͤthen/ da wird das Evangelium ein gut Ge-
ruͤcht auß fernen Landen. Prov. 25/ 25. Daher der heilige und auſſer-
wehlte Oſter-Engel den drey H. Frauen/ die zum H. Grabe gewalfahrtet/
ſo ernſtlich befohlen/ ſie ſolten das Oſter-Evangelium den Juͤngern Chri-
ſti/ ſonderlich aber Petro ſagen und verkuͤndigen/ das war eine ſon-
derbare und bedenckliche Sage. Da dann wol in acht zunehmen
derHebraiſmus,welcher noch in Mangel derGraduumdieCo-
pula \&ein ſonderbaraugmentum graduum per ἐϖίτασιν bedeutet
Joſ. 2, 1. Et Jericho, ubi maximũ victoriæ monumentũ,da der Herꝛ
ſonderlich wolte Ehre einlegẽ.Pſ. 18. Et è manu Saul. 2. Sam. 2, 30.
Et Haſael.Alſo ſeinen Jůngern UND Petro. Warum das/ moͤch-
te jemand ſagen/ warum den Juͤngern? Seind ſie nicht alle Mammelu-
cken
[581]Predigt.
cken worden/ und ſchuͤchtere Haſen/ die ihren Meiſter in der groſſen Noth
verlaſſen/ unglaͤubige Thomæ, im Unglauben erſoffen/ im boͤſen Gewiſ-
ſen verwundet/ die die Aufferſtehung Chriſti fuͤr eine Fabel gehalten? und
warum eben Petro dem Ertz-Mammelucken? Er hat freylich ſolch Evan-
gelium um ſeinen Herꝛn nicht verdient/ ja freylich nicht verdient/ ſondern
das hoͤlliſche Feuer. Aber die leutſelige edle Geiſter haben ihres Herꝛn
Art an ſich Luc. 7, 13. und wollen ſo viel ſagen: Eben recht/ Artzeney gehoͤrt
fuͤr Krancken/ gute Bottſchafft fuͤr Betruͤbten/ Petrus bedarffs!
Jſt nun dieſe Lehre/ wie ſeltzam ſie uns auch fuͤrkompt/ annehmens
werth/ ſo muͤſſen wir dieſelbe als ein Wort deß Glaubens/ Rom. 10, 8. der
eine Zuverſicht deß iſt/ das man nicht ſihet und fuͤhlet/ annehmen/ die Ver-
nunfft unter den Gehorſam deß Glaubens gefangen nehmen/ und ehe
uns ſelber/ als Gott den Herꝛn fuͤr Narren halten. Luth. Tom. 1. Isleb.
p. 265. f. 2. Nicodemus weiß nicht wie er dran iſt/ und iſt gar zu
einem Narren worden/ darff Chriſtum nicht einen Narren
ſchelten (denn er hat ihn vor gelobet) noch ſagen/ daß es Luͤ-
gen und Thand ſeyn/ dencket aber ſo/ der Meiſter koͤmmet
von GOtt/ wie redet er denn jetzt ſo wie ein natuͤrlicher Narꝛ.
So ſtehet die Vernunfft/ daß ſie nicht weiß/ ob ſie ihn fuͤr ei-
nen Lehrer wil halten oder fuͤr einen Narren. Es gilt aber al-
les das/ das ich geſagt habe/ daß GOtt ſeine Lehre/ und den
Glauben ſo ſtellet/ daß wir muͤſſen zu Narren werden. Nu
wil die Vernunfft nicht ein Narr werden/ je groͤſſer ſie iſt/ je
weniger. So iſt Gott auch ſteiff in ſeinem Sinn/ und wil ſie
zu einem Narren haben/ und er klug bleiben. Darum ver-
birget er ſeine Klugheit mit ſo naͤrriſchen Worten und Stuͤ-
cken/ wie Paulus 1. Cor. 7. erklaͤret/ daß wenn es Vernunfft
hoͤret/ muß ihr lauter Narꝛheit ſeyn/ wer nun wil ſelig wer-
den/ muß kurtzum auch zu einem Narren werden/ das iſt nun
die ander Geburt/ daß man herab trette von der Klugheit/
darinnen wir gewachſen ſind/ und uns herunter laſſen/
nichts wiſſen noch koͤnnen/ und alles außſchlagen/ was nicht
Geiſt iſt. Solches kan die Welt nicht lernen/ darum ge-
hets in der Welt auch ſo zu/ daß jederman wil Chriſten ſeyn
und vom Evangelio lehren und predigen/ es fehlet aber dar-
an/ daß niemand wil ein Narꝛ ſeyn/ ſondern wollen alle klu-
ge/ vernuͤnfftige/ heilige Leute ſeyn/ daher kommen ſo viel
Secten/ als immer geweſen ſind/ ſtreiten eben wider das
D d d d 3Evan-
[582]Die ſiebenzehende
Evangelium/ ohne daß dieſer Nicodemus beſſer iſt/ laͤſt ſich
noch lencken/ ſo lehret nun das gantze Evangelium in der
Summa/ daß wir ſollen Narren werden/ und nicht wollen
klug ſeyn/ ſie aber wollen klug gehalten ſeyn. Auch alles was
im Evangelio geoffenbaret/ uns ſelbſt/ mir und dir appliciren und zuei-
gnen. Luth. Tom. 5. Witteb. pag. 214. f. 2. Dieſe Wort/ ich bin der
HErꝛ dein GOtt/ redet GOtt zu dem gantzen Volck nicht
anders/ denn als ſey nur EJN Menſch da/ ſpricht nicht: ich
bin der HErꝛ euer Gott/ ſondern dein GOtt/ das Woͤrtlein
dein ſihe wol an/ denn es ligt die groͤſte Macht an dem Woͤrt-
lein/ ſo ſagt er nun/ Jch bin der HErꝛ dein GOtt/ als wolt
er ſprechen/ Jch wil mich euer aller und eines jeden inſonder-
heit annehmen/ als waͤre nur einer allein/ und ſonſt keiner
auff Erden/ und das thue ich darum/ daß ihr mein Wort
deſto fleiſſiger ſolt faſſen/ warnehmen und behalten/ daß ja
keiner moͤge ſagen/ Gott hat wol das Geſetz gegeben/ hat ſich
hoch und viel erbotten/ er wolle dem Menſchen gnaͤdig und ihr
GOtt ſeyn/ bey ihm thun/ wie ein Vater bey ſeinem Kinde/
es gehet aber vielleicht mich nicht an/ wer weiß/ ob er mich
auch meynet/ es gehet allein den Hauffen an. Denn das iſt
die Art der Menſchen/ daß ſie das Wort Gottes in den Wind
ſchlagen/ nehmen ſich deß nicht an/ gaffen nur auff andere
Leute/ gedencken nicht/ daß ihnen ſolte gelten/ dem wil nun
hie GOtt fuͤrkommen/ und ihnen wehren/ daß ſie nicht das
Maul auffſperren/ und andern zuſehen/ was ſie thun/ ſon-
dern wil ſie gewiß machen/ daß er einen jeglichen inſonder-
heit meyne/ wann er ſpricht: Jch bin der HErꝛ dein GOtt/
dich dich meyne ich/ und keinen andern/ als er ſpreche/ ſihe
nicht/ was andere thun/ ſondern hoͤre du/ was ich dir ſage/ uñ
ſihe/ wie du es annehmeſt/ und glaͤubeſt/ ſihe nicht die andern
an/ ich wil mit dir handlen/ ich nehme mich dein an/ und wi-
derum nimb dich meiner an/ darum habe ich offt geſagt/ daß
einer/ der wil ſelig werden/ ſol alſo geſinnet ſeyn/ als ſey kein
Menſch auff Erden ſonſt/ dann er allein/ und daß aller Troſt
und Zuſage hin und wider in der heiligen Schrifft ihn al-
lein angehe/ ſey auch um ſeinet willen allein geſchrieben/
daß ihn ja der Teuffel nicht irre mache/ wenn er ſterben ſolle/
und ihm die Augen auffſperre/ und viel tauſend Menſchen
weiſe/
[583]Predigt.
weiſe/ die alle gelebt und gethan haben wie er/ und werden
dennoch verdammet/ und ſpreche zu ihm: was wiltu dich nun
vermeſſen ſelig zu werden/ weil du gewiß verlohren biſt? wilt
du beſſer ſeyn/ denn die andern/ die nicht anders gethan ha-
ben denn du/ und ſind gleichwol zum Teuffel gefahren/ mei-
neſtu du wolleſt ihm entlauffen? Alſo kan der Teuffel einen
in Verzweiffelung fuͤhren/ gleich/ als ob kein GOtt ſey/ der
ſich ſeiner werde annehmen/ ihm helffen/ und auß aller Noth
ihn werde erretten. So iſt wol zu mercken/ was GOtt hie
ſpricht: Jch bin der HErꝛ dein Gott/ dein Gott/ der ſich ei-
nes jeglichen inſonderheit annimpt/ mehr denn ein Vater
ſeines eigenen Kindes/ aber wenig faſſen/ wenig glaͤuben es/
GOtt iſt viel zu groß/ denckt der Unglaube/ daß er auff mich
ſolt ſehen/ ſolt ſich GOtt die hohe Majeſtaͤt alſo herunter laſ-
ſen/ daß er auff mich armen Madenſack ſolt Achtung haben/
ja er laͤſts wol/ er ſitzt droben im Himmel/ laͤſt ihm die Engel
dienen/ was bin ich gegen GOtt? der Glaube aber zweiffelt
nichts daran/ daß GOtt alle Ding geſchaffen hat/ Himmel
und Erden/ und alles was darinn iſt/ ſich unſer annehme/ deñ
da ſtehet das Wort: Jch bin der HErꝛ dein GOtt. Jn An-
fechtungen von dem Satan/ deſſen hoͤchſte Kunſt iſt auß dem Evangelio
ein Geſetz zu machen: Lutherus erklaͤrets mit einem Exempel in Tiſchreden
pag. 120. D. K. zu H. welcher ſagte: Ach Chriſtus ſtehet wider mich/ und ver-
klaget mich/ da war das Facere, denn dieſer Doctor war eines groſſen Biſchoffs
Diener Anno 1527. und erſtlich ein Freund deß Evangelii/ alſo daß er das Abend-
mal deß HErꝛn in beyder Geſtalt nach Einſetzung deß HErꝛn Chriſti empfan-
gen/ wider ſeines Herꝛn Mandat und Verbot. Aber da er in ſeines Herꝛn Vn-
guade fiel/ und ſahe/ daß andere Evangeliſche deß Orts verjagt/ und verfolget
wurden/ da fiel er wider ab/ und verlaͤugnete das Evangelium. Als er nun ſahe/
daß andere Chriſten ſich ins Elend verjagen lieſſen/ und mit groſſer Freudigkeit
deß Biſchoffs Tyranney verachteten/ da ruͤhret ihn ſeiu Gewiſſen/ daß er ſich
nicht hat laſſen mit ins Elende vertreiben/ und daß er widerruffen/ hatte/ fiel druͤ-
ber in eine Kranckheit und Traurigkeit/ daß keine Vermahnung noch Troſt der
Goͤttlichen Verheiſſungen bey ihm ſtatt haben wolten. Gerieth derohalben in Ver-
zweiffelung/ und ſprach: Chriſtus ſtehe fuͤr ſeinem himmliſchen Vater/ verkla-
get mich und ſpricht; Sey dem nicht gnaͤdig/ vergib ihm die Suͤnde der Gottes-
laͤſterung und Verlaͤugnung nicht/ dann er hat mich und mein Evangelium fuͤr
dem Biſchoff nicht bekennet. Mit dieſen præſtigiis hat ihn der Sathan gar gefan-
gen und geblendet/ daß er ihm den HErꝛn Chriſtum fuͤrgebildet/ als einen Richter/
Verſucher und Anklaͤger/ und nicht als einen Mittler/ Heyland/ Hohenprieſter/
Verſoͤhner und Gnadenthron. Wenn nun da ein frommer Chriſt geweſen waͤre/
der ihn getroͤſtet/ und zu ihm geſagt haͤtte: Haſtu es gethan/ ſo iſts gethan/ da
ſpricht
[584]Die ſiebenzehende
ſpricht denn der Teuffel: O du biſt mein/ da antworteſt du denn darauff: noch
lange nicht/ denn uͤber das Facere iſt auch noch das Credere. Sonſt bleibet einer
allein im facere, ſo iſt er dahin.
Das Evangelium recht rein und lauter ohne Miſchmaſch deß Ge-
ſetzes behalten/ daſſelbe guͤtige Wort Gottes und deſſen Suͤſſigkeit recht er-
ſchmecken/ immer in demſelbigen ſich uͤben/ nimmer deſſen maßleidig oder
muͤde werden/ denn das Evangelium ſchreibt Luth. Tom. 8. Witt. p. 483.
f. 2. iſt eine unerſchoͤpffliche Lehr. Conf. Tom. 2. Isleb. p. 243. Durch die-
ſe freundliche Suadam ſich bereden zu laſſen wahr ſeyn/ was in dem Evan-
gelio enthalten/ ſich daran zu halten/ uñ feſt zuſtehen wider alle widrige Sa-
gen/ der alten Schlangen; uͤber dieſer Lehre ſich inniglich freuen/ und im
Hertzen gruͤnen/ ja ſpringen fuͤr Freuden uͤber ein ſo freundlichen Gott/ der
ſich ſo tieff und genem zu uns herab gethan/ und ſeinen Sohn geſendet/ der
uns Gnade und Heil erworben/ welche Muͤhe und Koſt er wol haͤtte ſparen
koͤnnen/ wann wir ſelbſt verdienen und erwerben koͤnten/ der Welt ihre uͤp-
pige/ thumme/ viehiſche Sau-Freude laſſen/ die aber wann ſich das Blat
wird wenden/ mit einer ewigen Traurigkeit außgetauſcht werden ſol.
Auch endlich dem Evangelio nach wuͤrdiglich leben. Lutherus ſchreibt
Tom. 2. Isleb. p. 404. Das Evangelium iſt gar eine unerſchoͤpffliche Lehre/ welche
wir kein mal hoͤren/ ſie bringet uns allewege groſſe ſonderliche Furcht/ und es iſt
uns auch nuͤtz und gut/ daß wir mit ſtetem Fleiß dieſem unſrem Koͤnige zuhoͤren/
darum daß keine Zeit fuͤruͤber gehet/ darinnen wir nicht beduͤrffen/ daß man uns
entweder lehret/ troͤſtet/ ermahnet oder auch ſtaͤrcket/ nicht alleine um deß ſtaͤti-
gen Anlauffs willen unſers abgeſagten Feindes deß leidigen Teuffels/ ſondern
auch um der Schwachheit unſers Fleiſches/ und allerley Aergernuͤß/ damit wir
in der Welt werden geplaget. Hæc Luth. Auff daß wir endlich hoͤren mit Freuden
das Feldgeſchrey deß Ertzengels/ moͤgen die Zeitung Matth. 25/ 6. Sihe der Braͤu-
tigam kommt/ gehet auß ihm entgegen/ hoͤren nova nuncia, nova cantica, nova
ἀῤῥητα, davon wir immer werden ſagen und doch nimmer werden auſſagen/ und
ſehen nova ſecula, an dem Ort/ da kein Leid/ kein Geſchrey noch Schmertzen ſeyn
wird. Eya waͤren wir da! Amen.
GEliebte in Chriſto. Viel und gute Dinge zeiget Joſe-
phus der beruͤhmte Juͤdiſche Geſchichtſchreiber an/ wann
er lib. 9. Antiq. cap. 11. vom dem Propheten Jonas auß-
geſagt: Σταϑεὶς ἐπήκοον ἐκήρυ [...]εν, Stans in loco, unde
exaudiri poſſet, prædicavit, das iſt/ er ſtund an einem
hohen Ort und Altanen/ da man ihn recht hoͤren kunte/
und predigte. Jonas/ ſagt er/ die edle Taube (wie ſein Nahme auff
Teuiſch lautet) der Hebreiſche Taubmann und außerwehlte Mund-
bote deß HErꝛn/ (1.) Columbus ἀκαίρεος, ein einfaͤltiger/ kein Stoß- und
Raubvogel/ der mit Klauen und Schnabel gekratzet und gebiſſen/ ſon-
dern gemaͤhlich/ freundlich/ heilig/ rein/ keuſch/ ohne Aergernuͤß; ob er
gleich nicht allezeit Seiden geſponnen/ gemenſchelt und Schwachhei-
ten gehabt/ ſinds doch nur innerliche geheime Hertz- und Wort-Suͤnden
geweſt; zu Ninive allezeit hat er kein Aergernuͤß gegeben/ pietas fecit
venerabilem, ſonſt haͤtte er kein Audientz gewonnen. (2.) Columbus
explorator,ein Spaͤh- und Spuͤhrtaub: Gleichwie Noah ſeine
Taube dreymal auß der Arche außfliegen laſſen/ außzuſpaͤhen und zuer-
kundigen/ was fuͤr Wetter am Himmel/ ob das Gewaͤſſer gefallen und
die Suͤndfluth vergangen; erſtmal kam ſie wider zuruͤck/ ohne Zweiffel
durch den Geſtanck und Unluſt der Todten-Coͤrper und Todten-Aaß ge-
ſchrecket; Andersmal kam ſie wider zuruͤcke/ bracht aber ein gruͤn
Oehlblatt mit ſich; Drittens kam ſie nicht wider zuruͤck. Alſo wurde
auch Jonas vom dem himmliſchen Noah dem Troͤſter dem Heil. Geiſt
außgeſand gen Ninive/ auß der Hebreiſchen Arche der Kirche Gottes/
daſelbſt zuerkundigen/ aber er kommt wider zuruͤcke in ſein Neſt/ in ſein
Heimath/ erſchreckt von dem himmelſteigenden Suͤnden-Geſtanck/ be-
ſorgt es werde ihm ſeinen Kopff koſten; Da er aber zum andernmal be-
ruffen und außgeſand worden/ da kam er wider mit einem Oehlblatt/
das iſt/ cum Evangelio pacis, er bringt die Bottſchafft/ Ninive ſey mit
GOtt verſoͤhnt/ die angedreuete Suͤndfluth ſey verſchwunden/ alle Faͤhde
habe ein Ende; Der dritte Flug iſt geſchehen auß der Arche der ſtreitenden
Achter Theil. E e e eund
[586]Die achtzehende
und wallenden Kirchen/ in die triumphirende Kirche/ ins himmliſche Aſy-
lium und Freyhauß. (3.) Columbus γραμματοφόρος Chriſtophorus,
eine Chriſttragende Taube. Man hat die Exempel/ daß Tauben zu
Lufftbotten gebraucht worden/ den Belaͤgerten Brieff und darin gute Hoff-
nung und Troſt mit gebracht. Alter Exempel in der Roͤmiſchen Hiſtori
zugeſchweigen/ hat ſich dergleichen in Hollaͤndiſchen Kriegen begeben zu
Harlem und Leiden/ da geſchehen/ daß die dazu gewehnte und abgerich-
tete Tauben/ auß deß Printzen von Uranten Laͤger in die Stadt geflogen/
Lugdunenſes vitam ſpiritumque columbis debent, ſchreibt Lipſius.
Alſo hat auch die edle Gottes-Taube Jonas den Brieff deß Allmaͤchtigen
HErꝛn/ das werthe Evangelium gen Ninive eingebracht/ Moſen und die
Propheten/ in denen er wol geuͤbt geweſen/ bekand gemacht: Er iſt nicht
mit laͤrer Hand kommen/ ſondern den beſeſſenen vom Satan literas ſpei,
Hoffnungs-Brieff/ Troſt-Brieff/ Loͤſe-Brieff/ ja den edelſten Seelen-
Schatz/ den Meſſiam gekramt und heimgebracht. (4.) Columbus illex
gemitu,eine kirrende/ aͤchzende und ſchreiende Taube/ gleich
der Turteltaube/ quæ ſua deſideria egemiſcit toto gutture, non ſolo
ore, die da girret und aͤchzet auß vollem Halſe/ Eſai. 38/ 14. cap. 59/ 11. So
thut abermal Jonas im Bauche deß Wallfiſches/ wie kirret/ wie ſeufftzet der
gute Mann? Gibt damit zu verſtehen/ daß er ein andaͤchtiger ſeufftzender
Beter geweſt/ der ſeine Predigt mit Gebet gewuͤrtzet und geweihet/ nicht nur
mit Aechtzen und Seuffzen/ ſondern auch mit Schreyen und Ruffen/ mit
Worten und mit Stim̃ die wilde verlockte irrende Taube zu Ninive/ wi-
derum ad πατρῶον θεὸν zun Huͤtten Sems gelocket und geruffen.
Von dieſem Jonâ ſchreibt Joſephus, ϛαϑεὶς, er ſey auffrecht geſtan-
den/ ὑποϛὰς, er habe ſeinen Fuß geſetzt auff ein gewiſſen Ort/ ſeinen Frey-
muth und Mund zubezeugen/ wie der Prophet Habacuc gethan cap. 2/ 1.
Hie/ ſagt er/ ſtehe ich auff meiner Hut/ und trette auff meine
Feſte; Und zwar einen ſolchen Ort/ von dannen er konte weit und breit
in der Stadt Ninive gehoͤrt werden/ auff ein hohe Altanen/ auffgeſchlagen
Geruͤſt/ erhabene Buͤhne/ als Cantzel und Predigſtuhl/ und habe gepredi-
get/ ἐκήρυξεν, er habe als ein Herold ſeine Stimme erhoben/ ungeſcheut
und unerſchrocken außgeruffen/ was ihn der HErꝛ geheiſſen und in den
Mund gegeben.
Jſt eben die jenige Κήρυξις, die Predigt/ welche auff Goͤttlichen
Befehl die Heil. zwoͤlff Botten und himmliſchen Herolde haben ablegen
muͤſſen/ und mit dem Evangelio die gantze Welt erfuͤllen. Maſſen ſie
auch wuͤrcklich gethan/ und ſich gemeiniglich auff hohe Cantzlen geſtellt/ in
fuͤr-
[587]Predigt.
fuͤrnehmen beruͤhmten Haupt-See- und Marck-Staͤdten/ wohin ſich auß
allen Landen/ ſonderlich zu Meß- und Jahrmarck-Zeiten/ allerhand Voͤl-
cker verſamlet/ von dannen/ wo der Apoſtoliſche Fuß nicht hat hinkommen/
doch der Apoſtoliſche Schall/ anderswo in die Welt erſchollen und außge-
breitet worden. Dergleichen Stadt geweſt/ Rom/ Corinthus/ Epheſus/
Philippi ꝛc. und alſo was der HErꝛ ihnen ins Ohr geſagt/ auff den Daͤ-
chern geprediget/ Matth. 10/ 27. Alles nach der Inſtruction, damit ſie ihrvid. Conc.
in Pſ. 19. p.
90.
principal Chriſtus der HErꝛ auß- und abgefertiget/ ſagend: Κηρύξατε,
prediget! Die Krafft/ Sinn und Verſtand dieſes Worts recht und er-
baulich fuͤrzutragen und zu faſſen/ wolle der HErꝛ Gnade/ Liecht und Geiſt
verleihen/ Amen.
ES iſt das Griechiſche Wort κηρύττειν, wie auch das He-
breiſche Wort Keràh, mit welchem gemeiniglich beſagtes Grie-
chiſche Wort von den LXX. Griechen gedolmetſcht worden/ vox
πολύσημος, ein ſolches Wort/ das vielerley Bedeutungen hat/ wie die je-
nigen/ ſo der H. Sprach erfahren/ wiſſen. Es heiſt nicht nur clamare, vo-
care,ruffen/ benamſen/ ſondern auch occurrere, obviam evenire, ac-
cidere, einem begegnen/ im Weg auffſtoſſen/ ſich begeben und zutragen;
Hie aber an dieſem Ort pro ſubjectâ materia heiſt es ſchreyen/ auß-
ſchreyen/ zuſchreyen/ anſchreyen/ offentlich/ unverholen/ laut/ mit
heller und klarer Stimme ruffen und ſchreyen: Wird in ſolchem Ver-
ſtand geleſen/ 1. Reg. 18/ 27. Dan. 3/ 4. Von den Propheten außge-
ſprochen/ Eſa. 40/ 3. Es iſt eine Stimme eines Predigers in der
Wuͤſten/ φωνὴ βοῶντος, einer laut-ſchreyenden/ Matth. 3/ 3. und
Eſa. 58/ 1. [...] [...], clama in gutture,ruffe getroſt/ erhebe deine
Stimme wie eine Poſaune/ad ravim usque, auß der Kehl herauß.
Schreyen/ ſage ich/ aber nicht wie die Zahnbrecher und Marckſchreyer/
oder der Tuͤrcken Siegriſten die Talismanni genannt/ auff ihren hohen
Thuͤrnen die Tagzeiten (an ſtatt der Glocken und Schlag-Uhren) mit
heller ſcharffer Stimme außruffen (*)/ nicht ohne gnugſam Liecht und(*) teſte
Busbeq.
Ep. 1. p. 40.
Verſtand frech und wild/ als das thumme unvernuͤnfftige Vieh plaͤrren
und bruͤllen/ Pſal. 74/ 4. Sondern mit lebendiger wuͤrckender und kraͤff-
tiger Stimme (cum vivæ vocis ἐνεργείᾳ Hebr. 4.) mit deutlich verſtaͤnd-
lich erleuchteter Stimme/ dann ſo die Poſaun einen undeutlichen
Thon gibt/ wer wil ſich zum Streit ruͤſten? Alſo auch ihr/
wenn ihr mit Zungen redet/ ſo ihr nicht eine deutliche Rede
gebet/ wie kan man wiſſen/ was geredt iſt/ ſagt Paulus 1. Cor.
14/ 8. mit eifferig pathetiſcher Stim̃/ auß bruͤnſtigen Affecten/ argumen-
E e e e 2tis
[588]Die achtzehende
tis παϑητικοῖς, Ardeat orator, li vult accendere plebem; mit hertzhaffter
muthiger Stimme und freudiger parrheſi, ohne Scheu und Bloͤdigkeit fuͤr
maͤnniglich zu reden.
(2.) Darnach heiſt unſer gegenwaͤrtiges Wort auch ſo viel als pro-
clamare inſtar præconis \& caduceatoris,offentlich außblaſen uñ
außruffen/ als ein Ehrenhold/ Geſandter und Redner: Jhr ſolt Gottes
deß HErꝛn deß groſſen Koͤnigs aller Koͤnige/ Rath und Decret außruf-
fen/ außſchreyen und außkuͤndigen/ ihr ſolt als meine Herolde in die Hall-
Poſaunen ſtoſſen/ und das froͤliche Hall- und Jubel-Jahr deß neuen Te-
ſtaments anmelden/ nach der Weiſe deß Alten Teſtaments/ Levit. 25/ 10.
davon der Befehl alſo gelautet: Jhr ſolt das funfftzigſte Jahr hei-
ligen/ und ſolts ein Erlaßjahr heiſſen im Lande/ allen die
drinnen wohnen/ denn es iſt euer Halljahr/ da ſoll ein jeglicher
bey euch wider zu ſeiner Habe/ und zu ſeinem Geſchlechte kom-
men. Von ſolchem Hall- und Jubel-Jahr deß N. Teſtamentes hat der
HErꝛ auch lange zuvor geweiſſaget durch den Propheten Eſai. c. 61.
1. ſeqq. und er der Herꝛ daſſelbe auff ſich im N. T. gezogen. Der Herꝛ
hat mich geſand den Elenden zu predigen/ die zubrochenen
Hertzen zuverbinden/ zu predigen den Gefangenen eine Er-
ledigung/ den Gebundenen eine Oeffnung/ zu predigen ein
gnaͤdiges Jahr deß HErꝛn: Jhr ſolt auff den Bergen und hohen
Warten die neue Zeitung von dem allgemeinen Welt-Heyl und Heyland
außſchreyen/ nach der Weiſſagung Nahums c. 1/ 15. Sihe auff den
Bergen kommen Fuͤſſe eines guten Botten/ der da Frieden
predigt: Jhr ſolt fuͤr dem himmliſchen Joſeph her das Abràch außruf-
fen/ und ſagen/ der iſt deß Landes (ja aller Welt gnaͤdiger) Vater/
Gen. 41/ 43. Jhr ſolt ſagen/ ſo wird man thun dem Mann (Jeſu)
den der groſſe Himmels-Koͤnig gern ehren wil/ Eſther 6/ 9. Jhr
ſolt clarigiren/ klar und offenbar machen das Goͤttliche κήρυγμα, de-
cret und Rathſchluß/ Sententz und Urtheil/ gleichſam durch ein kriege-
riſch Auffbott/ Auffforderung und Alarm; Gleichwie ein Obſeſſor oder
Feind/ der eine Stadt und Ort belaͤgert/ durch einen Fecialem, Legaten/
Herold/ Trompeter oder Trommelſchlaͤger laͤſt aufffordern/ und derſelben
Krieg oder Sieg/ Tod oder Leben anbieten/ wie in ſolchem Verſtand die-
ſes Wort zu leſen/ Deut. 20/ 10. Wann du fuͤr eine Stadt zeuchſt
ſie zubeſtreiten/ ſo ſoltu ihr den Frieden anbieten ( [...]
[...]) antwortet ſie dir friedlich/ und thut dir auff/ ſo ſol alle
das Volck/ das drinnen funden wird/ dir zinßbar und unter-
than
[589]Predigt.
than ſeyn; wil ſie aber nicht friedlich mit dir handlen/ und
wil mit dir kriegen/ ſo belagere ſie/ und wenn ſie der HERR
dein GOtt dir in deine Hand gibt/ ſo ſoltu alles was maͤnn-
lich drinnen iſt/ mit deß Schwerts Schaͤrffe ſchlagen. Dieſem
nach ſol Joſua (als R. Maimonides è traditione Heb. bezeuget) wann
er fuͤr eine Stadt im Lande Canaan gerucket/ durch ſeine Feciales und
Herolde ihnen drey Dinge zur Wahl haben laſſen anbieten und ſagen:
Fugiat qui vult, dedat ſe qui vult, pugnet qui vult. Wer wil/ der flie-
he/ wer wil/ der ergebe ſich/ wer wil/ der fechte. Jn ebenmaͤſſigem Verſtand
wird auch dieſes Wort geleſen in der Hiſtori Sanherib/ Eſa. 36/ 13. da
Rabſake der Ertzſchencke deß Koͤnigs in Aſſyrien die Stadt Jeruſalem
angeſchrien und angeruffen ( [...] [...]) mit lauter Stimme/ ihnen
die magnalia ſeines Koͤnigs vorgehalten und damit gepralet/ Krieg und
Frieden ihnen angekuͤndet/ gedraͤuet/ wo ſie ſich nicht wuͤrden ergeben/ ſo
wolle er das Land verderben/ und ſie in ſolche Gedraͤng und Noth jagen/
daß ſie vor groſſem Hunger ihr eigen Miſt freſſen und Harn ſauffen ſol-
len; Werde ſichs aber ergeben/ ſo ſol ein jeder von ſeinem Weinſtock und
Feigenbaum eſſen/ biß er ſie holet in ein Land/ gleich dem Lande Canaan/ da
Korn und Brod/ Weinberg und Moſt die Fuͤlle. Solcher Art ſollen auch
die Juͤnger Chriſti ihre clarigation anſtim̃en/ Himmel und Hoͤlle/ Friede
und Krieg/ Segen und Fluch/ Salve und Vale fuͤrhalten/ Geſetz und
Evangelium/ darinn ſolt ihr predigen beſtehen/ alſo muſte Chriſtus
predigen laſſen in ſeinem Nahmen Buſſe und Vergebung
der Suͤnden unter allen Voͤlckern/ Luc. 24/ 47. Thut Buſſe
und glaubet an das Evangelium/ ſo lautet der Text in der erſten
Predigt Chriſti/ Marc. 1/ 15. Buſſe muß vorher gehen/ auff den Sturm-
wind folgt allererſt das ſanffte Windlein deß Evangelil. Von Elia dem
groſſen Wunder-Propheten leſen wir/ 1. Reg. 19. daß demſelben eins-
mals in ſeiner Flucht/ da er ſich in eine Hoͤle verborgen/ auff dem Berge
Gottes Horeb ſtarck Poſaunen und Strahlen von ſtarcken Wind/ Erd-
beben angeblaſen und erſchreckt/ aber bald drauff habe ſich der HErꝛ/ das
Wort Gottes/ der ewige Sohn Gottes/ der holdſelige Menſchen-Freund
gantz anmuthig ſpuͤren/ hoͤren und vernehmen laſſen/ in einem ſtillen/
ſanfften Sauſſen/ ohngefaͤhr wie dorten 2. Sam. 5. Worauff Elias wi-
derum erquickt/ auß der Hoͤlen/ dahin er ſich verſchlupfft/ widerum herauß
geſchlupfft/ uñ ferner gehoͤret: iſt ein ſchoͤnes Hieroglyphicum und auß-
polierter Spiegel methodi converſivæ, deß jenigen Mittels/ ſo GOtt der
HErꝛ braucht im Befehl der Menſchen/ wann Gott der HErꝛ bey groſ-
E e e e 3ſen
[590]Die achtzehende
ſen ſchweren Suͤndern/ die Hertzen gewinnen/ und auß dem Rachen deß
Todes in den Genuß und Poſſeſſion deß him̃liſchen Lebens/ auß der Finſter-
nuß ins Liecht/ auß der Hoͤllen in die Seligkeit verſetzen wil. So laͤſt er zwar
fuͤr ihm hergehen als Heerpaucken/ den ſtarcken/ rauchenden/ ſtuͤrmen-
den/ blitzenden und feuerflammenden Wind ſeines Geſetzes/ und blitzt und
erleuchtet die finſtere Hertzen/ und ſtellet den Suͤnden-Greuel fuͤr Augen/
er cauſirt ein Erdbeben im Hertzen/ da iſt Angſt und Furcht/ Zittern
und Zagen/ das Wort Gottes zubricht die Cedern auff Libanon/ daß
er ſich verkreucht in die Felßloͤcher der Wunden JEſu Chriſti. Aber
es folgt darauff das ſtille ſanffte Sauſen deß Evangelii; kein kuͤhler
Wind kan einem reiſenden/ abgematteten/ ohnmaͤchtigen Wandersmann
und Pilgrim/ der deß Tages Laſt und Hitze getragen/ und ſich zuraſten
und zuruhen unter einen Baum geſetzt/ von einem lieblichen Oſtwind
angewehet/ ſo wol thun/ als dann einem angefochtenen/ zerſchlagenen
und geaͤngſtigten Hertzen/ der himmliſche Oſtwind deß Evangelii/ Luc. 24/
47. wann er predigen hoͤrt Buſſe und Vergebung der Suͤnden im
Nahmen Chriſti.
(3.) Acclamare,zuſchreien/ locken/ einladen zu den Huͤtten
Sems die verlockte und verlaſſene Tauben/ wie das Hebreiſche Wort den
Verſtand hat Job. 1/ 4. 1. Sam. 16/ 3. Eſther. 5/ 12. Pſ. 50/ 1. Eſ. 45/ 22.
Wendet euch zu mir/ ſo werdet ihr ſelig aller Welt Ende/
denn ich bin GOtt und keiner mehr. Und cap. 49/ 13. Jauchtzet
ihr Himmel/ freue dich Erde/ lobet ihr Berge mit Jauchtzen/
denn der HErꝛ hat ſein Volck getroͤſtet/ und erbarmet ſich
ſeiner Elenden. Luc. 14/ 23. Der HErꝛ ſprach zu dem Knechte/
gehe auß ꝛc. und noͤthige ſie herein zukom̃en. σώθητε, laſt euch
helffen/ laſt euch verſoͤhnen mit GOtt:fronte capillata eſt, poſt
hæc occaſio calva, ergreiffet die gegenwaͤrtige Zeit und Gelegenheit bey
den vordern Haarlocken/ auff daß ſie euch nicht entwiſche.
(4.) Inclamare, occlamare, contra clamare,außſchreyen/
widerſchreyen/alarma machen/ und inſonderheit heißt es objurgare,
verweiſen/ der Welt ihre Thorheiten/ ihre Unſinnigkeit ſchelten und
draͤuen/ anders nicht als dort Jotham/ das noch junge edle Blut/ und
uͤberbliebene Sohn Gideon Jud. 9/ 7. nach dem Abimelech den unmenſch-
lichen Brudermordt begangen/ die Sichemiten denſelben zum Koͤnige
erhoben und angenommen/ mitten in der wuͤtenden Sicherheit/ ipſo die
(*) vid. Jo-
ſeph. lib. 5.
Antiq. c. 9.feſto, eben auff den hochfeyerlichen Tag/ da ſie huldigten (*) und das
vivat Rex, Gluͤck zu dem Koͤnige ſchryen/ dieſelbe angeſprochen/ und eine
offent-
[591]Predigt.
offentliche proteſtation dawider abgelegt/ auff der Hoͤhe deß Berges Gri-
ſun ſeine Widerpart angeredet/ und laut geſchryen: Hoͤret mich ihr
Maͤnner zu Sichem/ daß euch GOtt auch hoͤre/ die Baͤume
giengen hin ꝛc. Habt ihr nun recht und redlich gethan/ daß
ihr Abimelech zum Koͤnige gemacht habt/ ſo ſeyd froͤlich uͤber
ihm/ und er uͤber euch/ wo nicht/ ſo gehe Feuer auß von Abi-
melech/ und verzehre die Maͤnner zu Sichem. Alſo ſolten auch
ſie/ die Juͤnger Chriſti/ mit gebuͤhrender moderation die Welt ſtraffen/
durch Trieb deß Geiſtes/ den ihnen der Herꝛ ſenden werde/ nach ſeiner Ver-
heiſſung/ Joh. 16/ 8. ſeqq.Wenn derſelbige (Troͤſter der Heil. Geiſt)
kommet/ der wird die Welt ſtraffen um die Suͤnde/ und
um die Gerechtigkeit/ und um das Gerichte/ ἐλέγξει, mit kraͤff-
tigen Argumenten/ gleichſam als mit Arietibus oder Boͤcken/ alle
Veſtungen und Pallaͤſte deß Sathans ſtuͤrmen/ verſtoͤren die Anſchlaͤge
und alle hoͤhe/ die ſich erhebet wider das Erkaͤntnuͤß Gottes/ 2. Cor. 10/ 5.
deſſen allen St. Petrus/ der Heroiſche großmuͤtige Apoſtel/ in ſeiner
hertz-bewegenden Pfingſt-Predigt/ ein Exemplar und methodum hin-
terlaſſen.
(5.) Præclamare Evangelium,vorſchreyen/ denen die ſich der
Goͤttlichen Ordnung ergeben/ das Evangelium predigen/ ihnen die abſo-
lution ſprechen/ mit den heiligen Sacramenten taͤuffen und firmen laſſen/
und ihnen die unfehlbare Hoffnung machen/ daß/ wer da glaubt und ge-
taufft wird/ der ſol und werde ſelig werden/ errettet von allem Ubel/ erfreuet
mit allem guten/ mit geiſtlichem Segen in himmliſchen Guͤtern/ davon
drunten mit mehrerm. Ein Exemplar eines ſolchen Predigers war
Noah/ den der H. Geiſt dieſes Nahmens/ (Κήρυξ,) wuͤrdiget 2. Pet. 2/ 5.
und ihn einen Prediger der Gerechtigkeit genennet.
Nun dieſe Ordinantz deß HErꝛn beruhet nicht bloß und allein auff
Perſonen der Zwoͤlff Juͤnger Chriſti/ ſie erſtreckt ſich uͤber alle cuneos \&
choros prophetarum, uͤber die gantze Propheten-Schul aller deren/ die
GOtt der HErꝛ zum Lehr-Ampt erkohren/ außerwehlt und geweyhet/ oder
auch die noch Candidati ſind/ und in der Werbung dieſer Aempter ſtehen/
die ſehen und lernen hie
1. Officium,Was ihr Ampts-Pflicht ſey? Nemlich nicht
ſollen ſie ſeyn otianten, oſcitanten, dormitanten, ſtumme und thumme/
faule und ſchlaffende Hunde/ die der fetten præbenden genieſſen/ und nur
Menſchen-Tage ſuchen/ die Ampts-Arbeit hindan ſetzen und verſaumen;
Auch nicht dominanten, die uͤber die Heerde herꝛſchen/ πολυπραγμονεῖν,
Allfaͤn-
[592]Die achtzehende
Allfaͤntzerey und Faulwitz treiben; in weltliche Haͤndel ſich mengen/ halb
Hund/ halb Leitſch/ halb Pfaff/ halb Kriegsmann/ halb Biſchoff/ halb
Fuͤrſt; weniger ſollen ſie ſeyn Comœdianten/ die zwar auch ſchreyen/ aber
frembde Perſonen auff dem Theatro agiren/ ohne Eiffer und Ernſt/ wie
manchmal die junge unerfahrne Prediger thun; Am allerwenigſten Syco-
phanten und Calumnianten, die unter dem Schein der parrheſi ihre
eigene Rache verkauffen. Jſt irgendswo Prudentz/ Behutſamkeit und
Beſcheidenheit vonnoͤthen/ ſo iſts gewißlich auff der Cantzel/ da man genau
vorzuſehen/ daß man nicht hinein plumpe/ ohne gnugſam Fundament/ nicht
Ehrenruͤhrige Kappen außtheile/ und alſo mit allzuſcharffen Laͤſterworten
zu weit gehe. Gleichwie Nathan der kluge Hoffprediger und Prophet eine
ſchoͤne lobwuͤrdige exemplariſche παῤῥησίαν gebraucht/ das Hertz zuvor
durch einen Apologum uͤberwunden/ und darauff allererſt geſagt/ du
biſt der Mann deß Todes! Anders als Vigilius Biſchoff zu Rom
(*) apud
Cluver. in
Hiſtor. U-
niverſ. p.
401.(*) gethan/ welcher da er von dem Kaͤyſer Juſtiniano nach Conſtantino-
pel bezihlet und beruffen worden/ mit dieſen Worten den Kaͤyſer angefah-
ren und geſagt/ er ſehe wol/ er ſey nicht zu einem Chriſtlichen Kaͤyſer/ ſon-
dern zu einem Heidniſchen Diocletiano und Verfolger gekommen/ er druͤ-
ber mit Faͤuſten abgezwagt/ und mit der Hafft angeſehen worden/ und hie-
mit ſeinen Werth empfangen. Sondern Prædicanten ſollen ſie ſeyn (in-
viſum nomen!) Unſer Gegentheil die Papiſten meynen ſie thun uns ein
Tuͤckes mit dieſem Nahmen/ wann ſie uns fuͤr Prædicanten außſchreyen
und mit ſolchen Nahmen verhaßt machen wollen/ aber eben damit loben ſie
uns als mit einem annehmlichen Ehrentitul/ den die H. Patriarchen/
Propheten/ Apoſtel/ Engel/ ja Sanctus Sanctorum Chriſtus ſelbſt getra-
gen/ damit wir fuͤr dem Richterſtuhl JEſu Chriſti koͤſtlicher prangen
werden/ als alle Paͤbſte/ Cardinaͤle/ Weybiſchoffe/ Meßpriſter/ Seraphici
und Cherubici Doctores, nemlich ſolche Pflantzen/ die der him̃liſche Va-
ter nicht gepflantzt. Trotz ſey allen liederlichen/ fluͤchtigen/ ſtum̃en Winckel-
Pfaffen/ und ſchleichenden Rottengeiſtern/ die das Liecht ſcheuen/ und in
der Stille im Finſtern mauſen. Wider welche Lutherus declamirt.
Ein gemeiner Chriſt weiß nichts gewiſſes (Lutherus Tom. 6. Jen. pag. 92.)
ob ein Winckel-Prieſter conſecrirt/ oder wie mans nennet/ wandelt/ kans auch
nicht wiſſen/ denn man laͤſt ihn die Wort nicht hoͤren/ welche der Prieſter ſol uͤber
das Brot und Wein ſprechen/ ſo kan er dem Pfaffen ins Hertz nicht ſehen/ was
da fuͤr ein Glaube ſey/ und ob der Prieſter gleich bekennet oder ſaget: Er glaube
und habe die Wort der Wandlunge geſprochen/ ſo muß und darff ihm doch nie-
mand glauben. Denn GOtt hat gebotten auch in weltlichen Sachen/ die man
zwiſchen Menſchen handelt/ und auff eines Mannes Mund nicht ſol geurtheilt
werden/
[593]Predigt.
werden/ wie wir denn auch ſagen zu Teutſch/ ein Mann/ kein Mann/ wie viel
weniger kan oder darff ein Chriſt in ſolchen hohen Goͤttlichen Sachen/ die das
ewige Leben betreffen/ einer einzelen Perſon glauben? Sondern auch der Rotten-
geiſter und Widertaͤuffer heimliches Liechtſcheuendes Lehren/ dadurch der Geiſt
der Finſternuß (ita Luth. Tom. 2. Witt. pag. 319.) fuͤrwitzige Leute/ damit deſto
mehr reitzet/ und ſolche heimliche/ verborgene/ koͤſtliche Lehre auch zuerfahren de-
ſto begierlicher mache. Denn er kennet unſer Natur und Fleiſches Art ſehr wol/
wie dieſelbe allewege alſo geſinnet iſt/ daß ſie gern/ was man ihr verbeut/ thun/
und was man ihr gebeut/ laſſen wil. Et ib. Es iſt je von unſerm HErꝛ GOtt
gebotten/ daß ſein Wort und ſonderlich das H. Evangelium niemand ſol verbor-
gen gehalten/ ſondern in aller Welt einem jederman/ ja allen Creaturen gepredi-
get werden/ wie es denn Chriſtus ſelbſt Maͤtthaͤi und Marci am letſten/ deßglei-
chen auch anderswo vielmehr außzupredigen befohlen hat/ und nicht allein be-
fohlen/ ſondern auch auffs aller ernſtlichſte gebotten mit Draͤuungen/ wo mans
nach ſeinem Befehl jederman nicht predigen wird: Da wolle er der Seelen Blut
von der Prediger Haͤnden fordern/ wie Ezechiel am 3. und 33. geſchrieben ſtehet.
Solches bezeugt auch Chriſtus ſelbſt/ da er ſeine Juͤnger der Welt Liecht nennet/
und ſagt: Man pflegt das Liecht nicht unter den Scheffel znſtuͤrtzen/ ſondern auff
einen Leuchter ſetzt mans/ auff daß es allen ſo im Hauſe ſind/ leuchte und ſcheine.
Denn damit will er je nichts anders gemeynt/ noch verſtanden haben/ denn daß
ſie mit ihrer Lehre und Predigt nicht im Winckel und Finſtern/ ſondern frey oͤffent-
lich am Tag fuͤr aller Welt handeln ſollen/ wie er denn Matth. 10. ſagt/ was ihr
hoͤret in die Ohren/ das prediget auff den Daͤchern. Dazu ſiheſtu auch das Exem-
pel der Apoſteln/ wie die allenthalben mit ihren Lehren und Predigten ſo freudig
und offentlich handlen/ diſputiren uͤber ihrer Lehre/ nicht allein mit Freunden/ ſon-
dern auch mit den Feinden auß allerley Secten/ wie man in Act. Apoſtol. an vie-
len Oertern ſehen mag. Ja auch Chriſtus ſelbſt in ſeinem Leiden berufft ſich dar-
auff/ daß er nichts im Winckel/ noch heimlich/ ſondern allewege frey offentlich in
Schulen und Tempel/ da die meiſten/ Gelehrteſten/ Weiſeſten und Verſtaͤndig-
ſten verſamlet geweſen. Dazu ſo ordnets Paulus in allen Gemeinen alſo/ be-
fiehlts auch ſeinem Tito alſo zu ordnen/ daß in allen Staͤdten und Flecken/ Ge-
meinen verordnete Lehrer und Prediger ſeyn ſolten/ die ihr Ampt offentlich fuͤr je-
derman fuͤhreten und trieben: Auff daß/ wo etwas von ſolchen verordneten Pre-
digern der Warheit und reinen Lehre deß Glaubens entgegen gelehret/ und von
einem andern Zuhoͤrenden/ daß es unrecht waͤre/ vermerckt wuͤrde/ daß alſo dem/
was die Warheit und rechte Lehre waͤre/ durch denſelben angezeigt/ und die un-
rechte Lehre geſtillt moͤcht werden. Vnd daß nicht alſo von einem jeden ſeines
Gefallens/ in dieſem Winckel dieſes/ in einem andern aber ein anders gelehret
wuͤrde/ ſondern daß in der Gemeine alles fein friedſamlich/ und in offentlicher
Gemeinen Ordnung fein erbarlich zugehe.
Sie ſollen ferner ſeyn Clamanten, ruffende Stimmen/ die ihre Stim-
me erheben wie eine Poſaun/ ruffen und ſchreyen/ nicht Stentores,
Dominici (*)/ nicht Cantzelgauckler/ Zahnbrecher oder Marckſchreyer/(*) de quo
Eraſmus
in Eccleſ.
p. 256.
unter denen der beſte/ der die andern uͤberſchreyet/ nach dem Gewaͤſch und
Geſchrey ſoll man nicht urtheilen/ ου᾽ κατ᾽ ὄψιν, καὶ κατ᾽ ἀκοὴν, nicht nach dem
Augenfall und aͤuſſerlichen Ohrenſchall: die laͤren Faͤſſer haben das groͤſte
Achter Theil. F f f fGethoͤn/
[594]Die achtzehende
Getoͤhn/ da heißt es offtmals/ viel Geſchrey und wenig Wolle: Sondern
ſolche Clamanten, die auff den Daͤchern/ das iſt/ offentlich außruffen
und verkuͤndigen/ was ihnen ins Ohr geſagt worden/ die den Rath Got-
tes nicht heimlich halten und verſchweigen/ ſondern herꝛlich preiſen/
Tob. 12. Der Unterſcheid inter cathedram \& ſuggeſtum, unter dem
Schulſtuhl und Cantzel geht hie nicht an/ in Sachen die Seligkeit und
Gottesdienſt betreffende/ in denen Stuͤcken ſo zum Fundament deß Glau-
bens gehoͤrig und zur Seligkeit zuwiſſen vonnoͤthen/ da ſol man nicht den
hunderten Theil deß Goͤttlichen Raths verſchweigen/ gar nicht oder un-
deutlich und nur oben hin an den Mann bringen/ dann darum wird man
auff den hohen Schul-Berg gefuͤhrt/ auff daß man hernach von dannen
herab ſteige/ und in der Gemein verkuͤndige/ was man geſehen und ge-
hoͤrt/ Ezech. 40. Erleuchtete/ hertzhaffte Schreyer ſollen ſie ſeyn/ Pro-
clamanten, die vorſchreyen als Herolde/ Acclamanten, die zuſchreyen/ zu-
ruffen und einladen/ Inclamanten, die drein und zuwider ſchreyen/ deme/
was wider Goͤttliche Regul und Ordnung laufft/ und dann Præclaman-
ten, holdſelige Evangeliſche Vorſchreyer und Fuͤrſprecher/ allen bußferti-
gen Hertzen zu Troſt. Ein ſolch Geſchrey das treibet uͤber Meer/ uͤber hun-
dert Meilen wegs erſchallets/ dann es zihlet ſolches Schreyen nicht nur
auff die jenige Oerter/ Staͤdte und Doͤrffer/ darinn die Prediger wohnen/
und dieſelben anſchreyen/ ſondern auch in die Ferne hinauß/ an frembde
Oerter/ nach dem Exempel der Propheten/ die nicht nur wider dieſes
Volck/ ſondern wider Babylon/ Moab/ Edom/ ꝛc. geſchryen. Der geiſtrei-
che Prophet Habacuc bekom̃t einsmals einen Goͤttlichen Befehl c. 2. Er
ſol das Geſicht/ das er geſehen/ auff eine Taffel mahlen/ daß
es leſen koͤnne/ wer fuͤr uͤber laͤufft. Dem Propheten Jeremia gebeut
der HErꝛ c. 27. Er ſol drey gewiſſe Boten/ ſeine Weiſſagung und auch
eigenes Joch hinauß ſchicken/ zum Koͤnige in Edom/ zum Koͤnige in
Moab/ Tyro und Sidon. Solcher maſſen iſt jener Engel in der Offen-
barung St. Johannis 14/ 6. mitten durch den Himmel geflogen/ und das
Evangelium verkuͤndiget allen Heyden/ Geſchlechtern und Voͤlckern.
Lutherus hat auß Sachſenland ſo kraͤfftig geſchryen und geprediget/ daß
mans in Jtalien zu Rom gehoͤrt: gehet auß Babylon ꝛc. durch was Mit-
tel und Boten? Ehernen Boten und papiernen Poſaunen/ Gaͤnſe Federn
und Fittiche/ im Schreiben kan man auch ſchreyen/ oder auff Gaͤnſe-Federn
in der Welt herum fliegen. Jſt wider die Kluͤglinge zu behalten/ die da
meynen/ es darff kein Prediger auſſer dem Bezirck und Kirchſpiel ſeiner
Pfarꝛ gehen/ oder wider die drauſſen ſind predigen.
II. Officium periculoſum,die groſſe Gefahr und ſchwere
Laſt dieſes Ampts/ davor ſich auch die Engel entſetzen moͤchten. Dann
entweder ſind ſie/ die Lehrer/ ihrem Oberherꝛn und Ertz-Biſchoffe ungetreu/
ſo erſchallt alsdann in ihren Ohren als eine Donner-Stimm das ſcharffe
Draͤuwort deß HErꝛn Matth. 25. Werffet den faulen und unnuͤ-
tzen Knecht hinauß in die Finſternuͤß/ da ſeyn wird Heulen
und Zaͤhnklappen.Chryſoſtomus ſchreibt: Se mirari, multos Præ-
dicatores ſalvos fieri, conſiderando hinc minas, illinc ignaviam,
Er verwundere ſich/ wann viel Prediger ſelig werden ſolten/
dañ er bedencke eines Theils die ſchwere Draͤuungẽ/ und dañ
andern Theils die groſſe Fahrlaͤſſigkeit: Jſt er aber getreu und eif-
ferig in ſeinem Ampt/ ſo hat er fuͤr der Welt Undanck/ Haß und Verfolgung
nicht zu ſorgẽ. Er verſuͤndigt ſich am Teuffel/ der ſchencket ihm nichts. Wil
dort jener Prophet 1. Reg. 13. reden wider den Altar zu Bethel/ ſo heißts/1. Reg. 13, 4.
greiffet ihn: Wil Amos wider das Koͤnigliche Stifft reden/ ſo gibt ihm
bald Amazias Brieff in ein ander Kloſter/ Amos 7/ 13. Wil Stephanus
wider die heilige Stadt und Geſetz/ wider den ſanctum Mumſimum re-
den/ ſo muß er ſteinerne Bieren koſten. Aber wie dem allem/ Gottes
Conduct und Schutz iſt der Prædicanten Troſt und Trutz/ Pſal. 105/ 15.
Taſtet meine Geſalbten nicht an/ und thut meinen Prophe-
ten kein Leyd. Sie gehorchen oder laſſens/ ſo ſollen ſie den-
noch wiſſen/ daß ein Prophet unter ihnen geweſen iſt/ ſpricht
der HErꝛ zu Ezechiel c. 2/ 5.
Endlich III. Officium neceſſarium, daß/ ſo gefaͤhrlich diß Ambt iſt/
es auch eben ſo nutz/ nothwendig und heilſam ſey. Es koͤnte zwar GOtt der
HErꝛ die Menſchen unmittelbar ſideriren/ bewegen/ und zu ſeinem Reich
mit Gewalt zwingen/ aber ſeiner Weißheit hat gefallen wollen/ durchs ge-
predigte Wort/ per clamorem, durch die Rede und Erhebung der Stim̃e
kraͤfftig in den Hertzen der Menſchen zu wircken. Pauli ſoritem wird
niemand nicht außwiſchen/ wann er Rom. 10/ 13. ſagt: Wie ſollen ſie
anruffen/ an den ſie nicht glauben? Wie ſollen ſie aber glau-
ben/ von dem ſie nichts gehoͤrt haben? Wie ſollen ſie aber hoͤ-
ren ohne Prediger? Wie ſollen ſie aber predigen/ wo ſie nicht
geſand werden? Wie nothwendig die Waͤchter auff der Wart ſind/
die ruffen und ſchreyen/ die Stunden außruffen/ mordiò feuriò ſchreyen/
und vor der inſtehenden Gefahr warnen: So und noch viel nothwendiger
iſt auch das Predigampt/ als welches fuͤr der ewigen Verdamnuͤß war-
net. Dieſen Mangel empfinden ſchmertzlich/ die anderswo heulen und
F f f f 2ſchreyen
[596]Die achtzehende
ſchreyen muͤſſen auß dem 74. Pſ. Wir ſehen nicht mehr die Zeichen
groß/ Kirchen und Schulen ſtehen oͤde und bloß/ kein Pro-
phet predigt uns mehr/ man lehret nicht mehr geſunde Lehr.
Mangel nach Brodt iſt eine groſſe Noth/ den Erwuͤrgeten durchs
Schwerdt geſchicht baß/ weder denen/ ſo da Hungers ſter-
ben/ Thren. 4/ 9. Aber Mangel nach dem Wort ſchadet hie und dort:
Jſt wol maleſuada fames, ein uͤbel-rathender Hunger/ dann darauff fol-
get ἀπώλεια, das ewige Verderben. So ſol man derowegen dieſes herꝛ-
liche Manna wol auffheben und verwahren/ nicht uͤberdruͤſſig werden
und verachten/ darobecklen/ iſt wol mehrmalen geſchehen/ daß auff groſſe
Fuͤlle groſſer Mangel gefolget/ auff ſieben fette Jahre koͤnnen auch wol ſie-
ben magere kommen/ wir haben bereits die ſieben fetten Jahr genoſſen/
Tom. 3.
Jen. p. 417.aber leider mit groſſer Undanckbarkeit. D. Luther in einer treuen War-
nung an alle fromme Chriſten zu Erfort/ (gilt auch uns zu Straßburg)
gedenckt eines Predigers daſelbſt/ der einsmals geſagt/ da es ſo wolfeyl
zu Erfort worden/ GOtt plagt andere Leuthe mit Theurung/ uns ſtrafft
er mit der Fuͤlle. Sehet zu/ ſchreibt Lutherus ferner/ daß nicht jetzt
das von der geiſtlichen Fuͤlle wahr ſey: Zu unſern Zeiten hat-
ten wir die Plage/ daß uns das Wort theuer und verhalten
ward/ euere Plage wil jetzt ſeyn/ daß ihrs zuvoll und zuviel
habt/ darum es verachtet wird ſampt ſeinen Dienern. Bißh.
Lutherus. Gieng noch alles wol hin/ wann die ewige Straffe nur auſſen
bliebe/ aber der HErꝛ ſagt: Warlich ich ſage euch/ dem Lande der
Sodomer und Gomorrer wird es ertraͤglicher gehen am
juͤngſten Gericht/ dann ſolcher Stadt/ die Gottes Mund-
boten nicht hoͤren wil/ Matth. 10/ 15.
Was fromme Hertzen ſind/ finden ihre Pflicht gar bald per correla-
tionem. Welchem geſunde Vernunfft beywohnet/ der findet in ſeiner
Reflexion gar bald und leicht/ quid officii? Was dieſem allem nach ſeine
gebuͤhrende Pflicht erfordere/ wie ſolcher geiſtlichen Clarigation und Auff-
bott zubegegnen? Auß demſelben Liecht der Vernunfft ſagt Chriſtus
Luc. 14/ 31. Welcher Koͤnig iſt/ der ſich in Streit begeben wil
mit einem andern Koͤnige/ der nicht zuvor ſitzet und rath-
ſchlaget/ ob er ihm koͤnte begegnen mit 10000. gegen 20000.
wo nicht/ ſo ſchicket er Bottſchafft/ wann jener noch ferne
iſt/ und bittet um Friede. Nun ein jeder Menſch traͤgt einen Koͤ-
nig im Buſen/ ſpiritus regios, er wil ſich nicht meiſtern laſſen; Es iſt aber
ein ander Koͤnig droben im Himmel/ der iſt der Allermaͤchtigſte/ hat ſein
Arma-
[597]Predigt.
Armamentarium oder Zeughauß mit allerhand moͤrdlichen Waffen ge-
ſpickt/ er draͤuet/ er ſchicket ſeine Feciales auß/ die muͤſſen clarigiren/ auf-
fordern und auffbieten/ iſt der Menſch noch bey Vernunfft/ ſo bedenckt er/
wen er fuͤr ſich habe/ welche ſtarcke unuͤberwindliche Widerpart? wil er
kein Himmelſtuͤrmender Cyclops und Theomachus ſeyn/ ſo weicht er/
(wie dort der kluge Gamaliel wol ſententionirt und ſein Votum gefuͤhrt
Act. 5, 39.) ſendet ſeine Boten entgegen/ ſeine preces ſupplices und
demuͤthige Bitte und Gebet/ ſucht Perdon, Gnade und Frieden/ thut
Thuͤr und Thor oͤffnen/ GOtt dem Herrn keinen Trutzkaͤyſer fuͤr die
Naſen ſetzen/ williglich die Schluͤſſel entgegen tragen. Wir haben deſ-
ſen zwey widrige Exempel in H. Schrifft/ eines zur Scheu/ das ander
zur Nachfolge. Nachdem Joſua ſeinen ſiegreichen Fuß uͤber den Jordan
ins gelobte Land geſetzt/ ſo erſcheinen ihm zwey contrari Art Leut/ nem-
lich die zu Jericho/ dieſelbe gantze Stadt laͤßt er auffordern mit ſieben
Hall-Poſaunen/ ſieben Tage nacheinander/ ob ſie ſich wolten ergeben?
Aber nein! unangeſehen ihr Hertz durch das Exempel Pharao/ und der
Koͤnigen jenſeit feig worden/ dennoch verhaͤrten ſie ſich/ ſie laſſen ſich an-
blaſen/ und dencken/ es ſey ein thummer todter Lufftſchall/ der wird uns
nicht umblaſen/ lachen der Gauckeley/ wie geraths endlich? Ploͤtzlich in
einem Hui fallen die Mauren ein/ Joſua uͤberfaͤllt ſie mit ſeinem Hencker-
Schwert/ und verbannet alles. O Narren! die ins Brands Narren-
ſchiff gehoͤren: Solcher Art ſind alle unſere unartige rohe ſichere Leute/
die laſſen GOtt und ſeine Clamanten ſchallen und ſchreyen/ erſchrecken
zwar bißweilen wie Felix, aber habens fuͤr ein vergeben Schall/ damit
man die Leute ſchrecken und ergeiſtern wolle/ dencken/ es werde ſo boͤſe
nicht werden/ aber wanns Maaß wird voll ſeyn/ da wird ein ander Ge-
ſchrey gehen/ daß denen/ die es hoͤren/ die Ohren gellen/ da werden ſie/ aber
allzuſpath/ heulen und ſcheyen/ ò mordiò! O wir Narren/ wir haben deß
rechten Wegs gefehlet! Da wird das Lachen bey ihnen werden theuer.
Viel witziger waren damal im Lande Canaan die Gibeoniten/ die wer-
den an frembden Schaden witzig/ da ſie die Exempel deß Ruins fuͤr Au-
gen geſehen/ da gehen ſie in ſich ſelbſt/ brauchen zwar eine Liſt/ ſimuliren/
als kaͤmen ſie von frembden weitgelegenen Landen her/ aber ſie ſtellen ſich
klaͤglich und erbaͤrmlich ein/ in angezogenen alten Kleidern/ in alten geflick-
ten Schuhen/ alten Saͤcken/ zerriſſenẽ und geflickten Weinſchlaͤ [...]chen/ inſi-
nuiren ſich bey Joſua/ wir kom̃en/ ſprechen ſie zu ihm/ um deß Nah-
mens willen des HErꝛn deines Gottes/ wir haben ſein Ge-
richt gehoͤrt/ und alles was er in Egypten gethan/ an den
F f f f 3zwey
[598]Die achtzehende
zwey Koͤnigen Sihon und Og/ jenſeit deß Jordans/ wir
ſind deine Knechte/ mache einen Bund deß Friedens mit uns.
Solchem Exempel ſollen wir auch nachfolgen. GOtt ſchicket noch heuti-
ges Tages ſeine Clamanten, ſeine Caduceatores, Mundboten und He-
rolde zu uns; ligt nur daran/ daß wir ihnen ein hoͤrendes Ohr ſchencken/
ſie nicht verachten und verlachen/ ſondern gern hoͤren/ annehmen und Ge-
horſam leiſten/ mit den Ohren Lydiæ und nicht Herodis/ und wann ſie
auch gleich wider uns und unſere Untugend reden und ſchreyen/ dennoch
gedultig auffnehmen. Ein ſolches Ohr hat uns unſere Mutter nicht ge-
geben/ wir habens nicht von uns ſelber/ ſteht alles in unſern Kraͤfften nicht.
GOtt der H. Geiſt gebe uns allen ſolche Ohren/ niſi enim ſpiritus San-
ctus adſit cordi audientis, otioſus eſt ſermo docentis, wann der Heil.
Geiſt das Hertz deß Zuhoͤrers nicht regirt/ ſo iſt die Lehre deß Predigers
Greg. M.
hom. 301.
in Evang.umſonſt/ ſagt Greg. M.
Darum
O GOtt du hoͤchſter Gnaden-Hort ꝛc.
GEliebte in Chriſto. Warum und auß was Urſachen
die Lehrer der Kirchen/ namentlich Hieronymus, die
zwoͤlff Bruñen in Elim in der Wuͤſten/ deren in dem Iti-
nerario und Reißbuch der Jſraeliten Exod. 16, 1. gedacht
wird (da ſie ſich auch gelaͤgert/ ohne Zweiffel getruncken/
und ſich erquickt/ wo auch vermuthlich die lechzende Hir-
ſche ihren Durſt geloͤſcht/ und dieſem Ort den Nahmen gegeben Elim/
das iſt (Hirſchfeld) mit den zwoͤlff Apoſteln und derſelben Lehre/ wie auch/
die
[599]Predigt.
die daſelbſt ſtehende ſiebentzig Palmbaͤume den ſiebentzig Juͤngern Chriſti
verglichen; iſt im Nachſinnen leichtlich zu finden/ und in gewiſſe mem-
bra collationis und Vergleichnuͤß-Glieder zubringen/ 1. in Nomine,
im Nahmen; jene heiſſen in der Heil. Sprach [...]Brunnen
und nicht Bornen/ Brunnen/ das iſt/ offene/ von ſich ſelbſt auß der
Erde quillende/ wie die Thraͤnen auß den Augen rinnen/ nicht tieff-
liegende/ ergrabene/ erſchoͤpffte und beſchloſſene Brunnen: Alſo ſeynd
die Apoſtel ſolche fontes πολύκοινοι, ſolche allgemeine allemans Lehrbrun-
nen geweßt/ die ungebeten/ unerfordert/ unbeſchloſſen/ ihre Evangelia und
Bottſchafften in der Welt allenthalben außgebreitet; laut der Weiſſa-
gung Eſa. 35. Es werden Waſſer in der Wuͤſten hin und wider
flieſſen/ und Stroͤme in den Gefilden. Cap. 41. Jch wil Waſ-
ſerfluͤſſe auff den Hoͤhen oͤffnen/ und Brunnen mitten auff
den Feldern/ ich wil die Wůſten zu Waſſern machen/ und das
duͤrre Land zu Waſſerquellen/ ich wil in der Wuͤſten geben
Cedern/ Foͤhren/ Myrthen und Kyfern. c. 44. Jch wil Waſ-
ſer gieſſen auff die Durſtige/ und Stroͤhme auff die Duͤrre.
2. In origine,im Urſprung; daß jene Brunnen ihre Quellen gehabt/
darauß ſie entſprungen/ iſt gewiß. Wo ſie aber gelegen/ iſt unnoth zu-
forſchen: Die allgemeine Waſſer-Mutter iſt das Meer Eccleſ. 1, 7. Al-
le Waſſer lauffen ins Meer/ noch wird das Meer nicht voͤl-
ler/ an den Ort/ da ſie her flieſſen/ flieſſen ſie wider hin. Alſo
auch das Lehrwaſſer/ ſo durch die Apoſtel als Roͤhrer in alle Welt gefloͤſ-
ſet/ und außgebreitet worden/ hat ſeinen Urſprung auß Gottes Wort/
dem unerſchoͤpfflichen groſſen Meer aller heilſamen Weißheit/ daher
Pſ. 68. ſtehet. Lobet den HErꝛn in den Verſamlungen/ fuͤr
den Brunn Jſrael/ oder wie es eigentlich in ſeiner Sprach lautet/
auß dem Brunn Jſrael/ das iſt/ nehmet ſolch Lob nicht auß Menſch-
licher Witz/ ſondern auß der Bruñquell Goͤttliches Worts/ daß ihr von
dem Meſſia anders nicht lehret und prediget/ als wie es in Gottes Wort
geoffenbaret/ und fuͤrgeſchrieben. Jhr werdet mit Freuden Waſſer
ſchoͤpffen auß den Heilbrunnen/ das iſt/ ihr werdet auß dem Wort
deß Evangelii von Chriſto/ lieblichen Troſt ſchoͤpffen koͤnnen/ dadurch eu-
re Seele erquickt werde. Zacharias weiſſaget von der Predigt deß Ev-
angelii im Neuen Teſtament alſo cap. 14. Zu der Zeit werden fri-
ſche Waſſer auß Jeruſalem flieſſen/ die Helffte gegen das
Meer gegen Morgen/ und gegen das aͤuſſerſte Meer. Zwoͤlff
waren der Elims Brunnen/ aber nur eine Quelle/ alſo zwoͤlff der Apoſtel/
aber
[600]Die neunzehende
aber eine Hauptquell/ Chriſtus/ ein Geiſt. Joh. 7. Wer an mich
glaubet/ wie die Schrifft ſagt/ von deß Leibe werden Stroͤ-
me deß Lebendigen Waſſers flieſſen; die Erklaͤrung folget bald dar-
auff: Das ſaget er aber von dem Geiſt/ welchen empfangen
ſolten/ die an ihn glaubten. 3. In qualitate,in der Art und Ei-
genſchafft; Elims-Brunnen waren ſuͤſſe Brunnen/ entgegen geſetzt
dem bittern Mara-Waſſer/ Exod. 15/ 23. daruͤber das Volck gemurret
und geſagt: Was ſollen wir trincken? Alſo haben auch die Apoſtel
zwar auch das bittere Geſetz/ aber fuͤrnemlich das Honig- und Milchſuͤſſe
Evangelium predigen ſollen. Elims-Brunnen waren voll lebendiger/ ge-
ſunder/ ſpringender/ uͤberflieſſender/ klarer/ heller/ und reiner Waſſer/ nicht
Ciſternen/ ſtinckende/ faule/ ſtehende/ ungeſunde Pfuͤtzfuͤle/ Froſchleiche:
Alſo auch die Apoſtel haben das Wort deß Lebens geprediget/ ihre Wort
waren Geiſt und Leben/ Joh. 6. Es floß immer fort und fort/ es ließ
ſich nicht verſperren. Auguſtinus tract. 15. in Joh. Viva aqua dicitur
vulgò illa, quæ de fonte exit, illa enim, quæ colligitur de pluvia in
lacunas aut ciſternas, aqua viva non dicitur: \& ſi de fonte manave-
rit, \& in loco aliquo ſteterit collecta, nec ad ſe admiſerit illud, unde
manabat, ſed interrupto meatu tanquam à fontis tramite ſeparata
fuerit, non dicitur aqua viva, ſed illa aqua viva dicitur, quæ ma-
nans excipitur. Es haben zwar manche feindſelige Philiſter ſich unter-
ſtanden dieſe Brunnen zuverſtopffen/ der Rath zu Jeruſalem hat ſie den
Apoſteln verbotten/ daß ſie nicht mehr von JEſu predigen ſolten. Act. 4.
Aber der himmliſche Jſaac Chriſtus JEſus hat dieſe Brunnen wieder
eroͤffnet/ hat ihnen den H. Geiſt gegeben/ welcher ſie behertzt und muthig ge-
macht das Evangelium offentlich und ungeſcheut in der gantzen Welt zu
predigen/ da ſind dieſe lebendige Waſſer mit ſolcher Macht von dem Libano
gefloſſen/ daß ſie niemand hat koͤnnen auffhalten/ ſie ſind durchgedrungen/
und den Garten der Chriſtlichen Kirchen in der gantzen weiten Welt be-
feuchtet. 4. In virtute \& efficacia,in der Krafft und Tugend;
Elims-Brunnen hatten die Krafft und Tugend zubefeuchten in der duͤr-
ren Wuͤſten/ die naͤchſt-gelegenen Palmbaͤume fruchtbar zu machen.
Pſalm. 55. Du ſucheſt das Land heim/ und waͤſſerſt es/ und
macheſt es ſehr reich/ GOttes Brůnnlein hat Waſſers die
Fuͤlle/ du laͤſſeſt ihr Getraͤide wol gerathen/ denn alſo baueſt
du das Land/ du traͤnckeſt ſeine Furchen/ und feuchteſt ſein
Gepfluͤgtes/ mit Regen macheſt du es weich/ und ſegneſt ſein
Gewaͤchs/ zu traͤncken und zuloͤſchen/ zu erquicken/ zu waſchen/ zu ba-
den
[601]Predigt.
den/ zu vereinigen und zu verbinden/ (*) ja auch lebendig zu machen:
Alſo auch die zwoͤlff Apoſtel haben allenthalben Pflantzen deß Herrn
und Baͤume der Gerechtigkeit erweckt: Wer deß Waſſers trin-
cken wird/ das ich ihm gebe/ den wird ewiglich nicht duͤrſten.
Wer an mich glaubt/ ſpricht der Herr Joh. 7. wie die Schrifft
ſagt/ von deß Leibe werden Stroͤme deß lebendigen Waſſers
flieſſen.(*) Wie? ſprichſtu/ warum ſagt dann Syrach/ wer von
mir iſſet/ den hungert immer nach mir/ und wer von mir trincket/ den
duͤrſtet immer nach mir? Antwort: Chriſtus redet von dem heilſamen/
geſunden Glaubens-Durſt und Hirſch-Durſt/ nach friſchem Heylwaſ-
ſer/ nach GOtt und ſeiner Gerechtigkeit/ dem Waſſer deß Lebens: Sy-
rach von dem ungeſunden/ gleichſam Febriliſchen und Waſſerdurſtigen/
ſchaͤdlichen Durſt der ſuͤndlichen Luͤſten und Begierden: Jenen loͤſcht
der heilige Geiſt nicht auß/ ſondern erwecket ihn je laͤnger je mehr; Die-
ſen aber loͤſchet der heilige Geiſt durch ſein Wort/ hie anfangs-weiß/ dort
vollkommentlich: war der Wunſch der glaubigen Samariterin Joh. 4.
Herr gib mir daſſelbige Waſſer/ auff daß mich nicht duͤrſte. Uber das
haben die Apoſtel auch in der H. Tauffe den Suͤnden-Unflat abgewa-
Achter Theil. G g g gſchen
[602]Die neunzehende
ſchen/ und durch die Abſolution Schneeweiß gemacht 1. Cor. 12. Wir ſind
durch einen Geiſt alle zu einem Leibe getaufft/ und ſind alle zu einem Geiſt
getraͤncket. Es ſol/ ſtehet Ezech. 47. alles geſund werden und le-
ben/ wo dieſer Strom hinkommet. Wollen wir nun auch auff
den heutigen Tag ſolcher edlen zwoͤlff Brunnen in unſrer Wallfahrt und
geiſtlichen Reiß nach dem himmliſchen Jeruſalem genieſſen/ ſo muͤſſen
wir uns auff das nechſte an dieſelbige laͤgern/ dieſelbe und dero Lehr-Waſ-
ſer trincken/ uns damit ergetzen und erlaben/ und demnach deroſelben Lehr-
Ampt recht erkennen lernen. Worauff der HErꝛ mit einem aber weit
außſehenden Wort gedeutet und geſagt: LEHRET/ Lehret ſie/ al-
le Voͤlcker/ halten/ alles was ich euch befohlen habe. Wovon
anjetzo aufferbaulich zu reden/ wolle der allerhoͤchſte GOtt/ Liecht/ Gnad
und Krafft/ ſeines guten Geiſtes allergnaͤdigſt beſchehren/ Amen.
GEliebte. So heiſt demnach Διδάσκοντες in der Grundſprach
die Lehrende/ Machet mir zu Juͤngern/ und prediget
das Evangelium/ und lehret ſie/ ſeyd Doctores und Leh-
rer. Womit ihnen der HErꝛ gleichſam das Doctor-Baret auffgeſetzt und
zu groſſen Welt-Doctorn gemacht; Nicht ſagt Er/ herꝛſchet/ regieret/ wer-
det weltliche Richter/ fuͤhret ein weltlich Regiment/ greifft groſſen Herren
in ihr Ampt/ bringet ſie durch eure Tauff und Lehr unter euch/ treibet ſie
unter euren krummen Hirten-Stab/ machet ſie euch unterthan/ bereichert
euch auß der Schaaf-Woll/ laßt ſie unterdeß darben/ und von euch wie-
derum betteln/ was ihr ihnen abgeſchoren. Dann ſolchen Gewalt zu
uͤben hat ihnen der HErꝛ zuvor verbotten und nidergelegt Matth. 20/ 25.
26. 27. 28. Jhr wiſſet/ daß die weltliche Fuͤrſten herꝛſchen/ und
die Ober-Herren haben Gewalt/ ſo ſol es nicht ſeyn/ ſondern
ſo jemand unter euch wil gewaltig ſeyn/ der ſey euer Diener/
und wer da wil der Fuͤrnehmſte ſeyn/ der ſey euer Knecht.
Gleichwie deß Menſchen Sohn nicht iſt kommen/ daß er
ihm dienen laſſe/ ſondern daß er diene/ und gebe ſein Leben zu
einer Erloͤſung fuͤr viele. Jn welchen Worten nicht bloß und allein
ein tyranniſches/ ſondern ein ſolches Herꝛſchen rund abgeſprochen wird/
welches ſie/ die Juͤnger geſucht/ nemlich in dem Reich Meſſiæ ein gerech-
tes Regiment zu fuͤhren: Nein/ ſagt der Herr/dann mein Reich
iſt nicht von dieſer Welt/ Diener ſolt ihr ſeyn/ nicht Fuͤrſten und
Regierer. (*) Auch ſaget der Herr nicht/ opffert meinen Leib im Sacra-
Patet ex Pſalm. 19. (Ita Luth. Tom 2. Latin. p. 203. f. 2.) Epiſco-
pos \& Sacerdotes non eſſe, qui hodiè ſic vocantur, etiamſi una die o-
mnes preculas \& omnes Miſſas abſolverint. Non enim officium eo-
rum eſt legere horas Canonicas, Miſſas frequentare, in templis boa-
re, organis muſicis ſtrepere, \& ſurdis ac mutis vocibus omnia imple-
re, denique miracula facere, aut optimis operibus, ſtudiis, exercitiis
vitam exornare, exemploquè bono aliis lucere ſatis fuerit; Sed
enarrare, \& enunciare quodvis, ne ſc. gloriam hominum, aut opera
manuum ejus, h. e. non niſi Evangelium. Quid enim eſt Evangeli-
um, niſi annunciatio gloriæ Dei \& operum ejus? id eſt, Jeſus Chri-
ſtus, \& Filius ejus Dei. Quod videbimus, ſi, quid gloria Dei \& ope-
ra manuum ejus ſint, viderimus. Et mox p. 204. Chriſtum prædi-
cant, ſed ita, ut uſum, aut beneficium ejus nunquam intelligant aut
dicant. Ut facit vulgus illud Concionatorum, qui non niſi hiſtorias
Chriſti prædicant, dum optimè prædicant. At non eſt Chriſtiana
prædicatio, ſi hiſtoriam Chriſtum prædices, non hoc eſt gloriam Dei
prædicare; ſed ſi docueris hiſtoriam Chriſti eò pertinere, ut nobis
proſit credentibus ad juſtitiam \& ſalutem; ut non ſibi, ſed nobis o-
mnia fecerit, voluntate Dei Patris, \& omnia, quæ in Chriſto ſunt,
noſtra eſſe ſciamus. Hæc fides \& ſcientia Domini facit non amare,
gloriari \& glorificare. Et Tom. 1. Lat. p. 456. Primum ſanè \& maxi-
mũ opus in Eccleſia eſt verbi tractatio, quod Dominus Petro ter im-
poſuit, \& contentioſiſſimè ab omnibꝰ exegit, quo nunc nihil poſtre-
mius \& abjectius eſt. Tot ſunt officia juriſtarum, judicũ, officialium.
Tot cantus \& Ceremoniæ ſacerdotum \& religioſorum. At vox cla-
mantis in deſerto rara eſt: adeò, ut ferè nihil Eccleſiæ diſſimilius ſit,
quam ipſamet Eccleſia, ipſum verbum, quod utique Evangelium
G g g g 2Chriſti
[604]Die neunzehende
Chriſti ſignificat, ubi quæſo ſonat? aut ſi ſonat, contaminatum gloſ-
ſis hominum dicit, raucæ ſunt factæ fauces meæ, ut etiam lic ſonans
audiri non poſſit, ne ergò \& hi ſperent, ad ſe pertinere com̃unionem
omnium bonorum. Deinde nota, communicet (inquit) qui cate-
chiſatur verbo in omnibus bonis, nunc enim non contenti ſunt
communione, etiamſi verbum non doceat, ſed omnimodam ditio-
nem ac poſſeſſionem omnium rerum vendicant. Et jam inſtructus
ab inſtructore penè mendicat. Crevit enim Eccleſia, donec \& im-
peria transferre, \& principatus mundi conferre cœpit.
ment/ machet Meß/ haltet den Verſtorbenen Seel-Meſſen/ ſtellet Abgoͤt-
tiſche Wallfahrten an/ richtet Proceſſiones und feyerliche Umgaͤng an/
und andere Gauckeleyen/ Comœdien und Spiele/ die Meiſter Faulwitz
erdacht/ den armen Layen Augen und Mund auffzuſperren/ und damit
ohne Kopffbrechen/ Forſchen der Schrifft und Studiren die Pfrund zu
verdienen (*): viel weniger ſagt er/ braucht allerhand Liſt/ ſtrengen und
harten Gewalt/ die Ketzer zu bekehren/ womit die Ignatiani, die geiſtliche
Mordbrenner umgehen/ und ihrem Luͤgen- und Mord. Vater nachah-
nen. Gott der Herr wil ſonderlich im Neuen Teſtament die Her-
tzen mit Seilen der Liebe/ und nicht mit Keil und Schwert an ſich zie-
hen/ wovon Lutherus ſchoͤne Gedancken gefuͤhret uͤber das Evangelium
am Pfingſtdienſtage (*). Sondern διδάσκειν heiſt ins gemein/ ſo viel
und
[605]Predigt.
(*)
G g g g 3als
[606]Die neunzehende
als σοφίσαι, weiß machen/ durch accuraten/ geſchickten/ klugen/ be-
dachtſamen/ geſunden/ klaren/ deutlichen/ verſtaͤndlichen/ gut teutſchen/
vollkoͤm̃lichen/ gewiß und wolgegruͤndeten Fuͤrtrag der Lehr andere er-
leuchten/ reich und vollkommen machen in aller Weißheit/ 2. Tim. 3. dann
ſo wird das Lehren interpretirt und außgelegt/ von Chriſti Zuhoͤrern und
Schuͤlern/ da er in außerleſenen/ ſchoͤnen Parabolen uñ Gleichnuͤſſen das
Geheimnuͤß deß Him̃elreichs gelehret/ Matth. 13/ 45. Joh. 7/ 14. Mitten
im Feſt gieng JEſus hinauff in den Tempel/ und lehret/ Wie
auch Apollo, der Gottsgelehrte Jud wird geruͤhmet ab ἀκριβείᾳ, daß er
mit ſonderbarer accurationmit Fleiß vom HErꝛn gelehret/ Act. 18, 25.
Als wolten ſie ſagen; der unſtudirte/ unerfahrne junge Mann der JEſus
von Nazareth/ der ungelehrte Lehrer/ der unbeleuchtete Leuchter/ der wil
andere klug machen/ gehet es auch recht her/ du biſt (ſagten die Schrifft-
gelehrten zu dem blindgebornen Menſchen/ der ſehend worden Joh. 9/ 34.)
gantz in Suͤnden geboren und lehreſt uns? als wolten ſie ſagen:
du alberer Tropff/ wilt du uns klug machen? Das Ey wil witziger ſeyn
als die Henne. Jn gleichem Verſtand ſchreibt St. Paulus Rom. 2/ 21.
Du lehreſt andere/ und lehreſt dich ſelbſt nicht/ das iſt/ ꝟ. 19. \& 20.
Du vermiſſeſt dich zu ſeyn ein Leiter der Blinden/ ein Liecht
derer/ die im Finſternuͤß ſind/ ein Zůchtiger der Thoͤrichten/
ein Lehrer der Einfaͤltigen/ haſt die Forme/ was zu wiſſen
und recht iſt im Geſetz. Auff die Vollkommenheit der Lehre deutet
St. Paulus/ Col. 1/ 28. Wir verkuͤndigen und vermahnen alle
Menſchen/ und lehren alle Menſchen mit aller Weißheit/
auff daß wir darſtellen einen jeglichen Menſchen vollkom-
men in Chriſto JEſu/ und daſſelb ore \& digito,mit Mund und
Finger/ore parrheſiaſticῶς, ἐξουσιαϛικῶς, palàm, muͤndlich/ oͤffentlich/
mit freyem Mund und Gemuͤth/ Er der HErꝛ that ſeinen Mund
auff und lehret/ Matth. 5/ 2. Er lehret und prediget das Wort
frey offenbar/ Marc. 8/ 31. 32. Paulus (ἐπαῤῥησιάζετο) redet frey/ Act.
19/ 8. Bin ich doch taͤglich/ ſagt der HErꝛ Matth. 26/ 55. ge-
ſeſſen bey euch und hab gelehrt im Tempel. Joh. 18/ 20. Jch
hab frey oͤffentlich gelehret fuͤr der Welt/ Jch hab allezeit ge-
lehrt in der Schule und im Tempel/ da alle Juden zuſam̃en
kommen waren/ und habe nichts im Verborgenen geredet/
Jch hab meinen Mund auffgethan/ das iſt/ wie wir pflegen zu re-
den/ kein Blat fuͤrs Maul genommen. Videndus de hac phraſi Chemn.
Harm. c. 51. pag. 683. Einem Weibe geſtatte ich nicht/ daß ſie
lehre/
[607]Predigt.
lehre/ ſagt der Apoſtel 1. Tim. 2/12. verſtehe oͤffentlich/ in oͤffentlicher Ver-
ſamlung/ dann ſonſt in geheim zu Hauß iſt der Gottſeligen Mutter und
Großmutter Timothei/ der Euntke und Lois zu lehren unverbotten geweſt:
mit Fingern deuten/ das iſt die application der Lehr auff gegenwaͤrtige
Umſtaͤnde/ Perſonen/ Ort und Zeit zu machen/ doch ohn perſonal-benam-
ſen/ alſo thut Chriſtus/ nachdem er den Propheten Eſaiam geleſen in der
Schul zu Nazareth/ heut/ ſagt er/ iſt dieſe Schrifft erfuͤllt fuͤr euren
Ohren Luc. 4/21. Sonderlich heiſt Lehren/ das Gelehrte in ſchoͤnen
Exempeln herfuͤr leuchten laſſen/ lehren nicht mit Worten allein/ ſondern
in der That und Warheit/ darum St. Lucas ſeine Evangeliſche Hiſtori
mit dieſen Worten intonirt Act. 1/1. Die erſte Rede habe ich zwar
gethan/ lieber Theophile/ von alle dem/ das JEſus anfieng/
beyde zu thun und zu lehren/ ποιει̃ν καὶ διδάσκειν. Sonſten heiſt es/
medice cura te ipſum,Artzt hilff dir ſelber Luc. 4. oder wie der alte
Verß im Catone lautet: Turpe eſt doctori, cum culpa redarguit i-
pſum; das iſt: Einem Lehrer ſtehet es maͤchtig uͤbel an/ wann er ſich mit
ſeiner eigenen Lehr ſtraffen/ und in die Backen hauen muß.
In ſpecie begreifft dieſes διδάσκειν in ſich/ Catechizare, zuvorderſt
den Catechiſmum lehren Hebr. 5/12. Die ihr laͤngſt ſoltet Meiſter
ſeyn/ beduͤrfft ihr wiederum/ daß man euch die erſten Buch-
ſtaben der Goͤttlichen Wort lehre. Und damit man erkundige/ ob
wider den Catechiſmum gelehret oder gelernet worden/ ſollen Chriſtli-
che Kirchen. Viſitationes zu gewiſſen Zeiten angeſtellet werden/ welches
Viſitiren in H. Schrifft auch ſo viel heiſt als Lehren. 2. Chron. 17. wird von
der jenigen Viſitation/ welche der fromme Koͤnig Joſaphat angeſtellet
durch Fuͤrſten/ Prieſter und Leviten/ gemeldet/ ſie ſeynd in allen Staͤdten
Juda herum gezogen uñ das Volck gelehret/ conf. Act. 15, 36. Jtem lehren/
mit Pſalmen und geiſtlichen Liedern. Lehret und vermahnet euchCol. 3, 16.
ſelbſt mit Pſalmen uñ Lobgeſaͤngen/ und geiſtlichen lieblichen
Liedern. Das Vermahnen und Uberreden entweders zur Beſſerung
oder Ergernuͤß gehoͤrt auch hieher. Solches lehre und vermahne.1. Tim. 6. 2.
Apoc. 2, 14.
Jch hab ein kleines wider dich/ daß du daſelbſt haſt/ die an der
Lehre Balaams haltẽ/ welcher lehret durch den Balak ein Er-
gernuͤß auffrichten fuͤr den Kindern Jſrael/ zu eſſen der Goͤ-
tzen-Opffer/ und Hurerey treiben; warnen und draͤuen/ Und
etliche kamen herab von Judea/ und lehreten die Bruͤder/ wo
ihr euch nicht beſchneiden laſſet/ nach der Weiſe Moſe/ ſo koͤn-
net ihr nicht ſelig werden. Act. 15/1. ſchelten und ſtraffen. Marc. 11/17.
und
[608]Die neunzehende
und er lehret und ſprach zu ihnen: ſtehet nicht geſchrieben/
Mein Hauß ſol ein Bet-Hauß heiſſen allen Voͤlckern ꝛc.Di-
ſputiren und uͤberweiſen/ da Chriſtus die Schrifftgelehrten uͤberwieſen/
und in ihrem eigenen Gewiſſen beſtrickt (ὑπὸ τῆς συνειδήσεως ἐλεγχόμενοι.)
Joh. 8/9. da ſchreibt St. Johannes ꝟ. 20. διδάσκων, er hab ſolche Wort
geredet/ da er gelehret im Tempel; wann Lucas von St. Paulo ſchreibt
Act. 19/8. διαλεγόμενος καὶ πείϑων (dialecticè diſputavit \& rhetoricè
perſuaſit) ſo verteutſcht Lutherus/ er lehret und beredet ſie. Allerhand
Fragen auffloͤſen/ und das Gewiſſen in begebenden Faͤllen unterrichten.
Matth. 22/16. 17. Die Phariſeer ſandten zu ihm ihre Jůnger/
ſampt Herodis Dienern und ſprachen: Meiſter/ wir wiſſen/
daß du warhafftig biſt/ und lehreſt den Weg Gottes recht/
dann du frageſt nach niemand/ dann du achteſt nicht das An-
ſehen der Menſchen/ darum ſage uns/ was duͤncket dich/ iſts
recht/ daß man dem Kaͤyſer Zinß gebe oder nicht? vermah-
nen/ warnen/ erinnern: ſintemahl alle Schrifft von GOtt
eingegeben/ iſt nutz zur Lehr/ zur Straff/ zur Beſſerung/ zur
Zuͤchtigung/ in der Gerechtigkeit/ daß ein Menſch Gottes
vollkom̃en ſey/ zu allen guten Wercken geſchickt. 2. Tim. 3. ꝟ. ult.
Darum wann man in den Juͤdiſchen Synagogen Moſen und die Pro-
pheten geleſen/ den Gelehrten Platz gegoͤnnet worden/ ihre Vermahnung
beyzufuͤgen/ troͤſten/ erquicken und unterbauen: dann ſo redet die Stim-
me deß HErꝛn an die Apoſtel und Prediger im Neuen Teſtament Eſa.
40/1. 2. Troͤſtet/ troͤſtet mein Volck/ redet mit Jeruſalem
freundlich/ und prediget ihr/ daß ihre Ritterſchafft ein Ende
hat/ dann ihre Miſſet hat iſt vergeben/ dann ſie hat zwey faͤl-
tiges empfangen von der Hand deß HERRN um alle ihre
Suͤnde. Was zuvor geſchrieben iſt/ das iſt uns zur Lehr
geſchrieben/ auff daß wir endlich durch Gedult und Troſt
der Schrifft Hoffnung haben/ Rom. 15/4. Nach der Lection ſandten
die Obriſten der Schulen zu Paulo und Barnaba/ und lieſſen ihnen ſa-
gen: Lieben Bruͤder/ wolt ihr etwas reden und das Volck er-
mahnen/ ſo ſagt an. Summa/ auff allerhand Weiſe/ als die dun-
ckele Schrifften koͤnnen erlaͤutert/ die ſchweren Lehren erleichtert/ als der
Neben-Menſch kan weiß/ klug/ geſchickt/ gewiß/ auch fromb und tugend-
ſam gemacht/ die Hertzen bewegt/ ἤϑη καὶ πάϑη die Affecten erweckt/ ge-
wonnen/ erbauet/ im Glauben geſtaͤrckt/ im Leben gebeſſert/ vor dem kuͤnff-
tigen und ewigen Zorn gewarnet/ in allem Creutz und Ungemach getroͤ-
ſtet/
[609]Predigt.
ſtet/ zum Himmelreich befoͤrdert kan werden/ es geſchehe mit Predigen
oder mit Schreiben (*) mit Mund oder Feder/ maſſen dann auch die
Propheten frembden Voͤlckern ihre Laͤſte haben intimiren und ankuͤnden
muͤſſen welches nicht allezeit muͤndlich geſchehen koͤnnen/ ſondern ſie ha-
ben auff Ganß-Federn dahin fliehen muͤſſen/ Jerem. 27/3. Apoc. 10/11.
cap. 14/6. heutiges Tags kan man auch Bleyfuͤſſig fortkommen/ und mit
Papierner Schrifft hinauß ſeglen; es geſchehe durch argumenta Logica
oder Pathetica, oder Ethica; es (*) geſchehe παῤῥησία καὶ παϱοιμία, mit
eigentlich/ klaren und duͤrren oder verbluͤmten Worten/ durch anmuthige
Gleichnuͤſſe/ ſinnreiche Raͤtzeln und Apologen/ Hiſtorien und Exem-
peln. Freye Kuͤnſte und Sprachen/ welche uns GOtt beſchehret und in
Schulen gelehret/ gehoͤren ins Frauenzimmer der himmliſchen Weißheit/
die muͤſſen ihren demuͤthigen/ gefliſſenen und maͤſſigen Dienſt beytragen/
ſonſt waͤren die Schulen ſolcher groſſen Spende und Unkoſten nichtVide Ma-
theſ. ad Sy-
rac. 39. p.
143. ſeqq.
werth/ wann dero Studia und Lectiones auff der Cantzel nichts ſolten
nuͤtzen/ und ein Prediger denſelben gaͤntzlich abſagen/ und nirgends nuͤtz-
lich anbringen duͤrffte. Waͤre es an bloſſeꝛ recitation deꝛ bibliſchen Schꝛiff-
ten gelegen/ ſo duͤrffte es nicht viel Kopffbrechens/ ſo koͤnte der teutſche
Meiſter Michel und Bruder Ruoff der Widertaͤuffer auch predigen: Die
Moſcowitiſche Prieſter waͤren recht daran/ und nicht fuͤr Barbaren zu
halten/ daß ſie nur bloß ohn einige Gloß die Schrifft deß Neuen Teſta-
ments ſampt einen und andern Schrifften der Griechiſchen Kirchen-Leh-
rer daher leſen. (*) Paulus verbeut zwar das καπηλεύειν, die mixtur
und Vermiſchung deß Waſſers unter den Wein/ das iſt/ der Menſchen.
Satzungen unter Gottes Wort/ aber er verbeut deßwegen nicht die Ge-
ſchirre/ Zapffen/ Zeuge/ Kannen/ Becher und Glaͤſer/ damit man den
Achter Theil. H h h hedlen
[610]Die neunzehende
edlen Tranck empfangen und ſchoͤpffen kan. Das Wort Gottes iſt ein
Acker/ darein man ſaͤet/ derohalben iſt Pflantzen/ Begieſſen/ Erwecken/
biß daß es florirt und Frucht bringt/ nicht außgeſchloſſen/ welches dann
geſchicht/ wann Gott der HErr beſchehrt influentias uñ gute Einfaͤll durch
Gebet und fleiſſige Betrachtung/ Pſal. 1. wann er dem Hoͤrer der Goͤtt-
lichen Lehre die Ohren oͤffnet/ wie Bileam/ und in die Wuͤſten fuͤhret ad
ſoliloquia, zu ſuͤſſen ſelbſt-Geſpraͤchen. Das Wort Gottes iſt gleich-
ſam ein Himmel/ darinn die Sternen ſich untereinander beleuchten/ da
dann die Perſpectiven nicht verbotten werden; Das Wort Gottes iſt
ein Edelgeſtein/ darumb wird der Finger-Ring/ denſelben zu faſſen nicht
weggeworffen: Das Wort Gottes iſt eine Koͤnigin/ darumb muß ſie
auch ihr Frauenzimmer haben/ die ihr auffwarten/ und Dienſt leiſten/ de-
Vid. Lact.
Cat. part.
1. pag. 460.rowegen Syrach cap. 39. ſagt: Wer das Geſetz deß Hoͤchſten ler-
net/ der muß die Weißheit der Alten erforſchen/ und in den
Propheten ſtudiren/ er muß die Geſchicht der beruͤhmten
Leute mercken/ und denſelben nachdencken/ was ſie bedeuten
und lehren. Er muß die geiſtliche Spruͤche lernen/ und in
den tieffen Reden ſich uͤben/ wie D. Luther am Rand gloſſiret/
Ein Pfarrherr oder Prediger ſoll ſtudiren/ und in allerley
Buͤcher ſich uͤben/ ſo gibt ihm GOtt auch Verſtand/ aber
Bauch-Pfaffen laͤſt er ledig.Vid. Lutheri Paſtoral. pag. 37.
Ein Prediger muß ein Dialecticus und Rhetor ſeyn/ das iſt/ er muß koͤn-
nen lehren und ermahnen/ wann er nun von einem Ding oder Articul lehren wil/
ſoll ers erſtlich unterſcheiden/ was es eigentlich heiſſet/ zum andern/ definiren/ be-
ſchreiben und anzeigen/ was es iſt. Zum dritten/ ſoll er die Spruͤche aus der
Schrifft dazu fuͤhren/ und damit beweiſen und ſtaͤrcken. Zum vierdten/ mit
Exempeln außſtreichen und erklaͤren. Zum fuͤnfften/ mit Gleichnuͤſſen ſchmuͤ-
cken/ die Faulen vermahnen und munter machen/ die Vngehorſame/ falſche Leh-
re und ihre Stiffter mit Ernſt ſtraffen.
Wolte GOtt/ daß dieſes die Studioſi bedaͤchten/ ſo wuͤrden nicht ſo viel
Voͤgel ohne Federn auszufliegen begehren.
Der beſte Commentarius iſt die Praxis Apoſtolica, das Werck ſelbſt/
wie es von den Apoſteln geuͤbet und getrieben worden/ ſo viel aus den
Geſchichten der Apoſtel hievon zu vernehmen iſt/ bey welchen obermeldte
Stuͤck der rechten Didactic ſich alle reichlich und herrlich befinden. Es
hat St. Petrus ſo kraͤfftig/ ſo hell/ ſo weißlich (apophthegmaticè) gepre-
diget und gelehret/ und auff den Pfingſttag ſeinen Zuhoͤrern dermaſſen
ins Hertz geredet/ daß er in einem Wurff ſeines geiſtlichen Fiſcher-Netzes
3000. Fiſch gefangen/ und in den Fiſch-Kaſten gezogen/ viel tauſend/ ja
viel-
[611]Predigt.
vielmahl hundert tauſend Juden/ (μυριάδες) ſeynd durch der Apoſtel Lehr
glaͤubig worden/ Act. 21/20. Wie aber und auff was Weiſe? St. Pau-
lus als der Doctor Gentium hat nicht bloß Gottes Wort fuͤrgetragen/
ſondern auch mit zierlichen und gewaltigen Conſequentien und Schluß-
reden verfochten/ daſſelbe lauter undrein/ hell und klar außgelegt; auch
ſich nicht geſcheuet aus der Philoſophie und geſunden Vernunfft (gleich
wie auch Chriſtus ſelbſt aus der Natur ſeine Parabolas und apologos er-
holet) aus allegation und Anzug der Heydniſchen Poeten mit allerhand
Figuren und Wort-Blumen/ deren der ſchoͤne Paradißgaꝛten der Heil.
Schrifft voll iſt/ und wird nicht leichtlich einige Wort-Blum/ die von den
meiſten der Redner-Kunſt geruͤhmet werden/ koͤnnen genennet werden/ die
nicht auch haͤuffig in der Schrifft zu finden waͤre; das Wort Gottes ſobriè,
analogicè, ſerviliter zu illuſtriren und zu zieren/ und allenthalben ſeine
Encyclopædiam verſpuͤren laſſen/ was er in ſeiner Schul zu Tharſo in
ſeiner Jugend gelernet/ unterdeß aber das Fundament in Gottes un-
wandelbahren Wort geſetzt/1. Cor. 2/4. Meine Wort und meine
Predigt war nicht in klugen Reden menſchlicher Weißheit/
ſondern in Beweiſung deß Geiſtes und der Krafft. Endlich die
theſin auff die hypotheſin gezogen/ aus den Propheten die Characteres
Meſſianos, die eigentliche/ unfehlbare Kenn- und Merckzeichen deß
Meſſiaͤ zuſammen geſammlet/ die damahligen Zuhoͤrer auff den Augen-
ſchein gewieſen/ und/ nachdem er alle dieſelben Zeichen an der Perſon deß
JEſu von Nazareth befunden/ kraͤfftiglich geſchoſſen; Er und kein an-
derer muͤſſe der verſprochene Meſſias ſeyn und heiſſen/ und nachdem er den
Baum gepflantzt/ hernach die Troſt- und Tugend-Fruͤchte herauß gezo-
gen/ abgebrochen und abgeſchuͤttelt/ und das Chriſtliche Leben und Wan-
del erbauet. Sie giengen froͤlich von deß Raths Angeſicht/ Act. 5/42.
und hoͤreten nicht auff alle Tage im Tempel/ und hin und her
in Haͤuſern zu lehren/ und zu predigen das Evangelium von
Jeſu Chriſto/ daß es Seel und Geiſt/ Marck und Bein durchgedrungen/
geſafftet/ und gehafftet.
Nicht weniger findet man auch in den Apoſtoliſchen/ ſonderlich
Pauliniſchen Schrifften den methodum zu lehren; Weꝛ wol wil leh-
ren/ der muß zuvor wol lernen und ſtudiren/ meditiren/ nachſinnen/ er-
wegen/ wie ein Bein den beſten Safft erwaͤhlen und außſaugen. Bring
die Buͤcher mit dir/ ſchreibt Paulus an Timotheum/2. Tim. 4/13 halt
an mit Leſen/ 1. Tim. 4/13. Halt an dem Fuͤrbilde der heylſamen
Wort/ die du von mir gehoͤret haſt/ vom Glauben/ und von
H h h h 2der
[612]Die neunzehende
Vid. Die
Predigt
vom Pre-
digen/
Part. 1.
Lact. Cat.
p. 452. \&
ſeqq.der Liebe in Chriſto JEſu. Dieſen guten Beylag bewahre
durch den H. Geiſt/ der in dir wohnet. 1. Tim. 1/13. 14. Tit. 1/9. 10.
11. Halt ob dem Wort/ das gewiß iſt/ und lehren kan/ auff
daß er maͤchtig ſey zu ermahnen/ durch die heilſame Lehre/
und zuſtraffen die Widerſprecher/ dann es ſind viel freche/
unnuͤtze Schwaͤtzer und Verfuͤhrer/ ſonderlich die aus der
Beſchneidung/ welchen man muß das Maul ſtopffen/ die da
gantze Haͤuſer verkehren/ und lehren das nicht taug/ umb
ſchaͤndlichen Gewinns willen. 2. Timoth. 2/15. Befleiſſige dich/
GOtt zu erzeigen einen rechtſchaffenen und unſtraͤfflichen
Arbeiter/ der da recht theile das Wort der Warheit. 2. Tim. 3/
14. 15. 16. 17. du aber bleibe in dem/ das du gelernet haſt/ und
die vertrauet iſt/ ſintemahl du weiſſeſt/ von wem du gelernet
haſt/ weil du von Kind auff die H. Schrifft weiſſeſt/ kan dich
dieſelbe unterweiſen zur Seligkeit/ durch den Glauben an
Chriſto JEſu. Dann alle Schrifft von GOtt eingegeben/
iſt nuͤtz zur Lehre/ zur Straffe/ zur Beſſerung/ zur Zuͤchti-
gung in der Gerechtigkeit/ daß ein Menſch Gottes ſey voll-
kommen/ zu allen guten Wercken geſchickt. 2. Timoth. 4/2.
Predige das Wort/ halt an/ es ſey zu rechter Zeit/ oder zur
Unzeit/ ſtraffe/ draͤue/ vermahne mit aller Gedult. Tit. 2/1.
Du aber rede/ wie ſichs geziemet/ nach der heylſamen Lehre.
Sehet zu/ daß ihr als die treuen Knecht mit eurem Pfund wol wuchert/
und daſſelbige durch embſig Studiren/ je laͤnger je mehr vermehret/ im-
mer einerley predigen (ταο̃τα ταῦτως, welches St. Paulo aus Unver-
ſtand wil zugemeſſen werden/ der doch mehr nicht ſagt/ als es verdrieß ihn
nicht einerley zu predigen und zu ſchreiben/ das was er gepredigt/ auch aufs
Papier zu bringen) iſt ſo viel/ als wann ein Bettelmann mehr nicht als
zehen Heller vermochte/ und ohne Zuſatz dieſelbe zehleu thaͤte/ und wieder
zehlen/ das wird einen ſchlechten Wucher geben.
Nun es haben die Apoſtel das ihrige gethan/ ſie haben einen Sieg
nach dem andern erhalten/ ſie ſind durchs Jammerthal gezogen/ und da-
ſelbſt Brunnen gemacht/ das iſt/ Succeſſores und Nachfolger hiuterlaſ-
ſen/ aber gar ungleiche/ etliche ſeynd in ihre Fußſtapffen getreten/ die ech-
ten und rechten/ erſten und aͤlteſten Kirchenvaͤter/ den H. Apoſteln in Lehr
und Leben nachgeahnet/ die meiſten aber außgetreten/ und an ſtatt der le-
bendigen Quell-Brunnen Ciſternen und Miſtgruben auffgegraben:
multi Doctores, pauci docti, viel Lehrer/ wenig gelehrt: ô paſtores! ô
idola!
[613]Predigt.
idola! Quis cæcus niſi ſervus meus? Eſa. 42, 19. Luth. Tom. 3. Lat.
p. 382. fol. 2. Servos ſuos vocat Pontifices \& ſacerdotes, qui erant in
officio verbi, de his dicit, quod ſint cæci. Eſt horrendus locus, qui
tamen non ſolatur contrà Papiſtarum inſanos clamores, qui nullo
alio argumento perinde nos premi putant, atq; cum objiciunt mul-
titudinem Pontificum \& Epiſcoporum, quos impoſſibile eſt, omnes
erraſſe. Idem licuit Judæis, ſicut vides ex hoc loco, contrà Iſaiam di-
cere. Nam illi quoq; erant poſiti, ut eſſent duces populi, habebant
officium \& adminiſtrationem populi ſancti, \& certiora argumenta
habebant, quod eſſent Eccleſia \& populus Dei, quàm noſtri ad-
verſarii, \& tamen dicit textus, eos eſſe cæcos \& errare. Es ſeynd nicht
alle Koͤche/ die lange Meſſer tragen! was und wie ſeuch man im Pabſtthum
vor Zeiten geprediget/ zeigt Lutherus durch ein Gegenſatz an/ uͤber die Wort
Matth. 7. JEſus lehret gewaltiglich/ Tom. 4. Witteberg. pag. 104.
Damit zeigt er/ was die Schrifftgelehrten fuͤr Prediger und
Lehrer geweſt/ nemblich/ daß es eitel kalt/ loß/ faul Geſchwaͤtz
geweſen iſt/ mit keinem Ernſt/ noch Gewalt Gottes Gebot
getrieben/ und außgeſtrichen haben. Gleich wie unſer Lum-
pendreſcher bißher auff der Cantzel nichts anders/ dann vom
Fegfeuer/ Ablaß/ Kappen/ Roſenkrantz/ Kertzen-auffſtecken/
gegeiffert haben; Aber er hat anders drein griffen/ daß ſie
vor nicht gehoͤret hatten/ die rechte Lehr und Leben gezeigt/
und die Laſter geſtrafft/ alſo/ daß ſie fuͤhleten/ daß der Mann
die Lehre mit Gemalt hatte/ und alles lebte/ und lautet/ als
haͤtte es Haͤnd und Fuͤſſe/ und muͤſten ſagen/ daß es mit Ge-
walt geprediget hieſſe/ da der andern eitel loß/ ledig/ ja ein lau-
ter Gewaͤſch war.Et Tom. 7. Witt. p. 450. Dann man zu der Zeit
das Evangelium nicht andeꝛs wuſte zu pꝛedigen/ dañ daß man
darauß lernen ſolte Exempel und gute Werck/ und hat unſer
nie keiner ein Evangelium gehoͤrt/ das zum Troſt den Ge-
wiſſen/ zum Glauben und Trauen auff Chriſtum gezogen
waͤre/ wie es doch billich ſeyn ſolte/ und wie es jetzt Gott Lob/
wieder gepredigt wird/ und war alſo die Welt im Evangelio/
doch ohne Evangelium.Et pag. 451. Da predigten die Moͤn-
che taͤglich ihre neue Geſichte/ Traͤume und Gedancken/
neue Wunder und Exempel/ und das auch keine Maſſe. Es
war ſchier kein Moͤnch/ wann er zwey oder drey Jahr ein
Prediger geweſt war/ ſo macht er ihm ein neu Sermon-
Buch/
[614]Die achtzehende
Buch/ das muſte dann eine Zeitlang den Predigtſtuhl regie-
ren/ und war die Welt ſolcher Buͤcher voll/ und war doch
nichts darinnen von Chriſto und dem Glauben/ ſondern al-
les von unſern Wercken/ Verdienſt und Andacht/ mit viel
falſchen ſchaͤndlichen Exempeln/ wann ſie aber ihr beſtes dar-
in thaͤten/ ſo war es von den Heiligen anzuruffen/ und ihres
Ordens ja nicht vergeſſen/ biß daß ſie das heilige edle Menſch/
die Jungfrau Maria aller Welt fuͤrbildeten/ und eine Mitt-
lerin der armen Suͤnder/ auch gegen ihrem Sohn Chriſto
ſelbſt/ dann wir wiſſen alle miteinander/ und ich bin ſo wol
darinn geſteckt/ als alle andere/ daß wir Mariam ſchlecht an
Chriſtus Statt und Ampt zu halten gelehret waren/ hielten
Chriſtum fuͤr unſern zornigen Richter/ und Mariam fuͤr den
Gnaden-Stuhl/ dahin all unſer Troſt und Zuflucht ſtund/
ſo wir anders nicht verzweiffeln wolten/ war das nicht greu-
liche Neuigkeit/ wo waren die Biſchoͤffe/ die ſolche neue Laͤ-
ſterer und Verraͤther Chriſti ſtrafften? Allwo man den bloſen
Gottesdienſt in bloſe Ceremonien/ Comoͤdien und Augenſpiel verwan-
delt/ und den edlen Sinn deß Gehoͤrs/ der doch zum Lernen iederzeit der
Tuͤchtigſte iſt gehalten worden/ mit dem Geſicht vertauſcht und gewech-
ſelt. Wie die Biſchoͤffe das Lehren angeſehen/ und ihren Pracht fortge-
hen laſſen/ auff der Baͤrenhaut gelegen/ mit unſern Allmoſen gepraſſet/
haut ſtultè ſapientes, davon ſind Klagen uͤber Klagen bey redlichen Pa-
piſten ſelbſt zu finden; Jener Hertzog in Burgund/ David/ Philippi Bo-
ni Sohn/ deſſen Eraſmus in ſeinem Eccleſiaſte gedenckt/ als er zum Bi-
ſchoͤfflichen Ampt erhoben/ und gehoͤret/ daß die wenigſten unter den jeni-
gen/ die zu den geiſtlichen Wuͤrden befoͤrdert wurden/ etwas gruͤndliches
wuͤſten oder verſtuͤnden/ hat er fuͤr rathſam zu ſeyn gedacht/ die Sache
gruͤndlich zu erfahꝛen. Darauff in dem Saal ihm einen Catheder auff-
richten laſſen/ und einem jeglichen inſonderheit ſchwere oder leichte Fra-
gen/ nach Art und Beſchaffenheit deß Grads/ darnach ein jeder ſtrebte/
auffgegeben. Was geſchicht: Es waren ihrer dreyhundert/ denen er
allen/ außgenommen dreyen/ die Repuls gegeben/ die nun/ ſo dem Exa-
mine pflegten vorzuſtehen/ ſeynd daruͤber beſtuͤrtzt worden/ und bey dem
Biſchoff mit vielen Flehen und Bitten angehalten/ daß er doch dieſe ſeine
Meynung umb etwas aͤndern wolte/ in Erwegung/ daß dieſe Zeit nicht
lauter Paulos und Hieronymos an das Tagliecht gebaͤren koͤnne/ ſondern
vielmehr damit zu frieden ſeyn/ wie ſie gegenwaͤrtige Zeit uns an die Hand
gebe/
[615]Predigt.
gebe: uͤber das wuͤrde es der Kirchen zur groſſen Schande außſchlagen/
wann unter dreyhundert nur drey zugelaſſen und angenommen wuͤrden.
Des Biſchoff/ wie er dann eines hitzigen Gemuͤths war/ autwortet hier-
auff/ er begehre und fordere eben keine Paulos und Hieronymos, doch
wil er auch nicht haben/ daß man an ſtatt der Menſchen/ Eſel annehme/
dann wann es geſchehen wuͤrde/ wuͤrde es allererſt zum Spott der Kirch
gereichen: Als ſie nun hiemit nichts außgerichtet/ haben ſie die Sach auff
einen andern Weg angegriffen/ und geſagt: Wann er dieſe als Eſel nicht
werde annehmen/ ſo ſey von noͤthen/ daß er ihnen ihre Beſoldung verbeſſe-
re/ dann ſonſt ohne dieſe Eſel haben ſie nicht gnugſam davon ſie leben
moͤgen/ es werde viel Habern koſten/ wann er lauter Hengſte haben wol-
te. Auff dieſen Streich/ welcher doch auff vielerley Weiß und Weg haͤtte
koͤnnen abgeleinet und zuruͤck getrieben werden/ iſt deß Biſchoffs tapffer
Gemuͤth geſchlagen worden. Jn unſerm Straßburg (nachdem man lan-
Vide Caſſand. Conſult. art. 25. Claud. Eſpenc. in præfat. oper. digreſſ. 2.
in Epiſt. ad Timoth. \& digreſſ. 19. ad 2. Tim. 4. digreſſ. 2. in Epiſt. ad Titum.
Novi, inquit, Eſpenc. p. 129. Epiſcopos etiam Græcè peritos, qui ſe teneri præ-
fractè negent, ut ad iſtam docendi ſervitutem ſe demittant, \& ad iſtas ſordes de-
ſcendant; Generoſi ſc. \& excelſi Viri, quod cùm Epiſcopatus aſſecuti ſint, mos iis
non eſſet docendi populum.
ge Zeit in unſerm Muͤnſter hat laſſen den Eſel Meß machen) iſt die Cantzel/
Lehr und Predigt ſpat auffkommen/ und doch ein lauter ungeſaltzen/ unge-
ſchmaltzen Weſen darauß worden/ daß ſich einer druͤber vercreutzigen und
verwundern muß/ wie dergleichen in dem Kaͤyſersberger in oͤffentlichen
Druck/ von dem Haſen im Pfeffer/ von der geiſtlichen Spinnerin ꝛc, zu
finden ſeyn.
Biß daß die hertzliche Barmhertzigkeit Gottes der Auffgang aus
der Hoͤhe mit hellerm Glantz erſchienen/ und ſeinen theuren Werckzeug
Lutherum beſchehrt/ deſſen Schrifften/ Sermones und Predigten wol
rechte Exemplaria und Muſter ſeyn koͤnnen/ nicht allein recht rein und
weißlich/ ſondern auch recht klar und gut teutſch wol zu reden. Er hat aber
das Ungluͤck/ daß er auch ſelten in denen Bibliothecken/ deren/ die ſeine
Nachfolger ſeyn ſolten/ zu finden/ weniger mit eigenen und nicht frembden
Augen geleſen wird. Mancher bildet ihm ein/ er koͤnne mit Chriſto ſa-
gen Eſa. 50/4. Der HERR HERR hat mir eine gelehrte
Zung gegeben/ daß ich wiſſe mit dem Muͤden zu rechter Zeit
zu reden. (Da doch durch eine gelehrte Zung eine gelehrſame Zunge zu
veꝛſtehen: Lingua diſcipulata, quæ nihil loquitur, niſi quæ à Deo di-
dicit.
[616]Die neunzehende
dicit. Luth. ad h. l. Tom. 3. Lat.) Er ſeye der zum Him̃elreich Schriff-
gelehrte/ der aus ſeinem (wiewol nicht eigenen) Schatz koͤnne herfuͤr ge-
ben Neues und Altes/ das iſt/ aus dem Alten und Neuen Teſtament/ die er
außwendig gelernet/ daher recitiren/ und Schuͤleriſch auffſagen/ der ſich
beduͤncken laſſe/ wann er ohne Rhetoric und Zierlichkeit der Wort daher
rede/ ſo ſey er der ander Paulus/ der auch mit hohen Worten menſchlicher
Weißheit nichts wollẽ zu thun haben/ da er doch wegen ſeiner Wolredenheit
von den Heyden zu Lyſtra fuͤr Mercurium angeſehen und gehoͤrt worden.
Mancher meynt/ wann er den Kopff groͤſſer oder wol ſo groß mache als
den Leib/ er habe gar geſchickt geprediget/ aber im Maccab. 2. v. ult. fagt
der Autor/ Es ſoll die Vorrede nicht groͤſſer reden als die gantze
Hiſtorie.Mattheſ. in Syrac. 21. p. 142. gibt manchem einen Haarrupff/
wann er ſchreibt (*). Aus folgenden Predigten wird zu vernehmen ſeyn/
wie ſo gar viel zur rechten erbaulichen didactic und zum heylſamen Lehr-
Ampt erfordert werde/ welch inbruͤnſtig Gebet? welche Gelehrſamkeit?
daß der HErr erwecken wolle/ das Ohr alle Morgen zu hoͤren/ wie ein
Juͤnger/ Lobſaget ihm kluͤglich. Er wil/ daß man im Pre-
digen das Wort mit Fleiß handele/ und darauff bleibe/
nicht hinein ſchreye und plaudere/ wie die wilde wuͤſte
Schreyer und Speyer und freche Prediger/ die da reden was
D. Diete-
rich in Ec-
cleſ. part. 2.
p. 103.ſie duͤnckt. Da gehoͤrt nun allerſeits ein Kopff zu/ es gehoͤ-
ret ſonderbarer Verſtand und Diſcretion zu/ es gehoͤret ein
ſonderbarer Fleiß/ Muͤhe und Arbeit darzu/ daß es hie mit
dem Poſtilliren nicht außgericht/ daß einer entweder ein
Maul voll aus einer Poſtill faſſen/ damit auf die Cantzel tre-
ten/ und den Leuten die Ohren fuͤllen/ oder aber eine Predigt
gantz unſtudiret/ aus dem Ermel heraus ſchuͤtteln/ ein ledi-
ges Wort-dicentesmachen/ ohn einigediſpoſitionund Ord-
nung
[617]Predigt.
nung/ was einem ins Maul kompt/ herauß plaudern/ das
hunderſte ins tauſende werffen/ ein Miſchmaſch machen
wolte/ daß man nicht weiß/ obs gehauen oder geſtochen/ ſie
ſelbſten mehrmalen nicht wiſſen/ wo ſie daheim. Sondern
es wil hie Verſtand/ Muͤhe und Fleiß ſein. Es iſt mit dem
Ermelſchuͤtteln nichts/ der Kopff iſt die rechte Poſtill und Er-
mel/ darauß die Predigten mitmeditiren/diſponiren/memori-
ren/ auß ſonderbarem Verſtand/ Muͤhe/ Fleiß muͤſſen ge-
ſchuͤttelt werden.Gregorius Nazianzenusvergleicht gar artig
das Predigampt mit dem Artzeneyen/ wie nun einMedicus,
der deß Leibs Artzt/ wann er ein Patient vor ſich hat/ nicht
unbedachtſam hinein plumbt/ und was ihm in ſein Haupt/
in ſein Recept ſchreibt/quid pro quoſetzet/ ſondern mit ſonder-
barem Bedacht der PatientenAffect,Schwach- und Kranck-
heit und deroSymptomataund Zuſtaͤnde betrachtet/ wie ſelbi-
gen zu begegnen/ reifflich nachſinnet/ und nach deren Be-
ſchaffenheit ſein Receptmoderirt: Alſo muß ein Prediger/
der der Seelen Artzt/ im Predigen nicht/ was ihm ins Maul
kompt/ herauß plaudern/ ſondern mit ſonderbarem Bedacht
nach ſeiner Zuhoͤrer Beſchaffenheit alſomoderiren/ daß ſie
dadurch moͤgen erbauet werden. Mattheſius ſchreibet ein fein Di-
dactic fuͤr/ ſo allen/ die ſich ins Lehr-Ambt begeben wollen/ obligt in praxin
zu bringen/ in der ſechſten Predigt uͤber Syrach c. 39. p. 143. Wer mit
der Zeit einen guten Theologum geben wil/ der muß embſig
und fleiſſig ſeyn/ und muß nicht mit ungewaſchenen Fuͤſſen/
und ohne Huͤlff und Beyſprung der Sprachen und guten
Kuͤnſten in das Heiligthumb Gottes gehen/ wie denn St.
Paulus eben dieſes auch meinet/ in dem er ſagt: Ein Bi-
ſchoff ſoll lehrhafft und geſchickt ſeyn/ andere zu lehren/ geuͤ-
bet/ welcher das Wort Gottes recht theile/ darumb verbeut
er auch dem jungen Superintendenten Timotheo/ daß er
nicht bald und plumbsweiſe ungeſchickten Leuten wolle die
Haͤnde aufflegen/ das iſt/ daß er nicht Schuſter/ Schneider/
Schichtmeiſter und Buͤttel zu Pfarrherren mache. Aber da-
zu ſoll auch noch kommen taͤgliche Ubung/ welche auch
zweyerley iſt: Die erſte Ubung iſt/ daß ſie ſich zuvor in klei-
nere und geringere Dienſte auff Schulen/ oder im Diaco-
natexercirt und geuͤbt haben. Man laſſe ſie ſich zuvor verſu
Achter Theil. J i i ichen/
[618]Die neunzehende
chen/ ſpricht St. Paulus 1. Timoth. 3. Denn wir nehmen
mehr durch Verſuchung und Ubung/ denn durch Lernen
zu/ wer zuvor nicht denDonatundCatonemrichtig geler-
net/ der wird viel weniger den Catechiſmum fein richtig und
ordentlich lehren und unterrichten koͤnnen. Die andere
Ubung iſt/ daß er zuvor etwas verſucht und gelitten habe/
ſey angefochten/ und in die Creutz-Schule gefuͤhret worden/
wie Chriſtus in der Wuͤſten/ oder wie Syrach redet: Er muß
zuvor geſehen und verſucht haben/ was bey den Leuten taug
oder nicht taug. Er muß gutes und boͤſes außgeſtanden ha-
ben: Er muß in ſeiner Jugend Hunger und Kummer/ Froſt
und Hitze haben erlitten/ und ſich viel Ungluͤcks geniethet/
Armuth gelitten/ und ſich gedruckt haben. Denn welche
in allerley Wolluſt und guten Tagen gelebet und erzogen
worden ſeyn/ die geben gar ſelten/ oder nichtTheologosin
Chriſti Kirchen. Der nicht zuvor etwas erfahren/ viel geſe-
hen/ Ungluͤck verſucht/ und Puͤffe außgeſtanden/ ja/ der nicht
umb gute alte verſtaͤndige/ beſcheidene Leute geweſen/ wie
Joſua/ Samuel/ Eliſa/ Paulus/ welche zwiefach in der al-
ten Huͤtten ſind erzogen worden/ ja/ welcher nicht die Welt/
ſein Fleiſch und den Teuffel kennet/ und in Anfechtung ge-
ſtecket/ der wird dich wenig oder kalt troͤſten/ und die gefalle-
nen mit Sanfftmuth auffnehmen koͤnnen/ das iſt nun die
Verſuchung/ Plage und Anfechtung/ welche Verſtaͤndnuͤß
gibt/ und lehret auffs Wort mercken. Darnach ſoll auch dar-
zu kommen/ daß er gern frage und ſich berichten laſſe/ und
folge/ deute und erklaͤre uns die Gleich nuͤſſe/ ſagen die Jůn-
ger/ die lernen etwas/ und machen einenPræceptoremluſtig/
wer aber meinet/ er koͤnne alles/ der lernet nichts. Denn es
heiſſet:
Sæpe rogare, rogata tenere, retenta docere,Hæc tria diſcipulum faciunt ſuperare magiſtrum.
Darumb wer recht lehren wil/ der lehre nach dem Apoſtoliſchen Metho-
do, auff Art und Weiſe/ wie ſie als die erſten und aͤlteſten Kirchen vaͤtter
geleh-
[619]Predigt.
gelehret haben/ den Apoſtoliſ. Vermahnungen Pauli an Timotheum ſeinen
rechtſchaffenen Juͤnger Platz geben/ in allen obangeregten Stuͤcken das
Ampt eines Evangeliſchen Predigers zu verrichten gefliſſen ſeyn/ die The-
ſin erbaulich auff die Hypotheſin, auff gegenwaͤrtige Umbſtaͤnde der
Perſonen/ Orth und Zeiten ziehen. Hoc enim (ſcribit D. Joh. Pappus
in defenſ. 2. contrà Antipappos Sturmii p. 55.) opinor, mihi in diſputa-
tionibus \& declamationibus concedes, quod Jureconſultis noſtris præcipis \& ſua-
des. Libro ſecundo Claſſicarum Epiſtolarum, ὑποϑέσεις ſuppedit are jubes Docto-
rem Tuppium declamatoribus, noſtrorum temporum atꝙ́ judiciorum: \& fictis a-
ctionibus, ſive Poeticæ illæ ſint, ſive hiſtoricæ, quia à noſtræ ætatis memoria remo-
tæ ſunt, iſtas ὑποϑέσεις noſtrorum temporum atꝙ́ judiciorum præfers, quia ma-
gis movent, magisꝙ ſenſus feriunt. Habet forum urbis noſtræ, inquis, multas cau-
ſas: tales breviter proponere, \& argumenta utriusꝙ́ partis utriꝙ́ declamatori
ſuggerere, uttliſſimum fore puto. Si hoc declamando licet facere, cur non \&
diſputando? Er fordere nicht von ſeinem Garten die Fruͤchte/ ehe dann er
die Baͤume recht gepflantzt/ wie die heutige Moraliſten zu thun pflegen/
weil ſie mit den Glaubens-Geheimnuͤſſen nicht recht koͤnnen umbgehen/
ſondern druͤber hinſpringen/ wie der Hahn uͤber gluͤende Kohlen. Juxta
Luth. Tom. 2. Lat. p. 204. Chriſtum prædicant, ſed ita, ut uſum aut benefi-
cium ejus nunquam intelligant \& dicant, ut facit vulgus illud concionatorum,
qui non niſi hiſtoriam Chriſti prædicant, dum optimè prædicant. At non est
Chriſtiana prædicatio, ſi hiſtorice Chriſtum prædices, non hoc gloriam DEI
prædicare est, ſed ſi docueris hiſtoriam Chriſti eò pertinere, ut nobis proſit cre-
dentibus ad juſtitiam \& ſalutem, ut non ſibi, ſed nobis omnia fecerit, voluntate
Dei Patris, \& omnia, quæ in Chriſto ſunt, noſtra eſſe ſciamus. Hæc fides \& ſci-
entia Domini facit nos amare, gloriari \& glorificare. Et Tom. 4. pag. 269.
Scimus hunc totius Scripturæ eſſe finem, ut doceat, arguat, emendet, ac ad ju-
ſtitiam inſtituat, ut perfectus ſit homo Dei ad omne opus bonum, ſicut Paulus
dicit 2. Timoth. 3. hunc finem qui non reſpiciunt, etſi opinionem eruditionis di-
vinationibus ſuis apud imperitos comparant, tamen verum ſuccum Scripturæ
non norunt, nec diſſimilis ea eruditio est corporibus, quæ hydrope infecta ſunt.
Ea tumore immodico inflata, ſpeciem ſucci habent, ſed qui totus vitioſus \& cor-
ruptus est. Ja gar beſagte Glaubens-Geheimnuͤß verhaßt machen/ in die
him̃liſche Academi verweiſen/ (gerade als waͤre uns nicht in Gottes Wort
ſchon ſo viel geoffenbart/ daß auch Mathuſalah in 900. Jahren nicht koͤñen
außſtudiren) treiben unterdeß auf Tugenden uñ gute Werck (welches doch
Seneca der Heyde ſo wol oder beſſer gelehrt/ als ſie) bilden ihnen noch dazu
ein/ ſie haͤtten wol gezweckt/ wann ſie Scientiam inflantem, die Wiſſen-
J i i i 2ſchafft/
[620]Die neunzehende
ſchafft/ ſampt ihrem Unflath verworffen/ und die blinde Liebe/ ſo da bauet/
getrieben/ ja bauet! ſc. Cloſter/ Stifften/ Aberglauben/ wie vorzeiten im
Pabſtumb/ das heiſſet/ Charitas (cæca) ædificat: oder/ wann ſie gleich
den Baum gepflantzt/ doch nicht genugſam geruͤttelt und geſchuͤttelt/
und die geſunde Fruͤchte recht abgebrochen und außgeſchelet. Summa/
es ſehe ein jeglicher was und wie er bauet/ ein gantz guͤldenes/ oder
ſtrohenes Hauß/ ob er auf den Grund/ Silber und Edelgeſtein/ oder Holtz/
Heu/ Stoppeln baue. Wil einer wiſſen/ ob er wol und erbaulich/ oder
ſchlecht und unerbaulich geprediget/ ſo gebe er acht nicht auff ſeiner Zuhoͤ-
rer Lob-Wort (indem ſie ſich uͤber ein und andere Prediger und deſſen Ga-
ben verwundern/) ſondern auf Hertzens wende und Gehorſam im Werck/
Leben und Wandel. Die Menge und Zulauff/ die verſpuͤrte Efficacia und
Wuͤrckung macht es auch nicht alles auß/ Sathan/ als Gottes Aff kan
auch predigen mit Verwunderung/ hat mehr Zuhoͤrer in der Welt/ als
Chriſtus/ er kan die Affecten bewegen/ (Hieronymus ſchreibet an
Nepotianum alſo: Wann du in der Kirche lehreſt/ ſo ſihe zu/
daß du vielmehr Seufftzen als Jauchtzen erweck eſt: Die
Thraͤnen deiner Zuhoͤrer ſollen dein Lob ſeyn. Deſſen
Stimm (ſagt Bernh. Serm. 59. in Cant.) hoͤre ich gerne/ wel-
cher ihme ſelbſt nicht Lob/ ſondern bey mir Thraͤnen erwe-
cket/ Alsdann erzeigeſt du dich in Warheit/ als eine Turtel-
taube/ wann du andere mit ſeufftzen mach eſt/ und wann du
jemand etwan bereden wilt/ ſolſt du vielmehr mit Seufftzen/
als mit groſſem Geſchrey dich befleiſſen zu thun.) Aber ei-
nen Fuß und deſſen Klauen kan er nicht decken/ dann was iſt das fuͤr eine
Predigt/ welche ſolche ſtrenge Judas- ja moͤrderiſche ſelbſt-Martergeiß-
lung und Quaal wuͤrcket/ dergleichen GOtt von uns Menſchen nicht be-
gehrt/ es iſt ihm nie in Sinn kommen/ er hats verboten. Sonderlich aber
ſehe ein jeder/ daß er ſeiner Lehre gewiß ſey/ und traue mit derſelben fuͤr dem
ſtrengen juͤngſten Gericht JEſu Chriſti zu ſtehen und zu beſtehen.
Huc, huc ad fontes! Hie die rechte Brunnen! Wer nicht irr gehen wil/
der fuͤge ſich zu dieſen 12. Apoſt. Lehrbrunnen/ dulcius ex ipſo fonte bi-
buntur aquæ. Ob wol dieſe aͤlteſte und gewiſſeſte Lehrer nicht alle geſchrie-
ben/ oder ſind dero Schrifften nicht auffbehalten worden/ und an uns kom-
men; So iſt doch in dem beſchriebenen Wort Gottes/ Matthaͤi/ Johan-
nis/ St. Pauli/ Petri/ Judaͤ/ ſo viel uns uͤbrig geblieben/ daß wir kei-
nen Mangel noch Abgang ſpuͤren/ Gottes Bruͤnnlein hat Waſſers die
Fuͤlle. Allein muͤſſen ſie geſchoͤpfft werden/ man muß ſie leſen und auß-
legen/
[621]Predigt.
legen/ und alſo nicht nur hoͤren Moſen und die Propheten/ ſondern auch
Chriſtum in ihren S. Lipſanis, den ſchrifftlichen Heiligthumen/ die der
Chriſtlichen Kirche beygelegt ſind.
Lehren und Lernen ſind Correlata. Sollen die Apoſtel lehren/ ſo
muͤſſen auch die Zuhoͤrer und Leſer lernen/ und begierig ſeyn nach der
lautern Milch/ ihnen das Ohr laſſen oͤffnen und hoͤren/ wie ein Juͤnger
oder Schuͤler/ Eſa. 50/4. Wie der junge Samuel gethan/ da ihn GOtt
auß dem Schlaf erweckt/ und mit ihm geredet/ HErr rede/ ſagt er/ denn
dein Knecht hoͤret. Uber alle maſſen herrlich laut das Elogium und
Lobſpruch/ den der HErr ſelbſt den Zuhoͤrern Johannis außgeſagt/ Matt.
11/12. Von den Tagen Johannis deß Taͤuffers/ biß hieher/
leidet das Himmelreich Gewalt/ und die Gewalt thun/ reiſ-
ſen es zu ſich.Luth. in h. l. Violenti ſunt, qui audiunt verbum, \& ſic au-
diunt, ut nulla vi abſtrahi posſint, potius moriuntur, quàm negent. Hi ſunt,
qui per vim irrumpunt, ac velut januam fracturi urgent; volunt ſalvi fieri,
conſcientia urget eos, ut remiſſionem peccatorum anhelent. Et est eorum
multus numerus. Est ergò regnum cœlorum vim pati, aliud nihil, quam homi-
nes vehementer amare verbum, \& omnibus vitæ \& corporis bonis præferre. Eſt
autem ſimilitudo ſumta à militia (quia fides militia est) nam qui poſſesſionem
aut civitatem volunt obtinere, ſimpliciter vim faciunt, wagen Leib und Leben
dran und laſſen alles druͤber/ ſic etiam wagen Leib und Leben an GOttes
Wort/ h. e. vim inferre regno Dei, \& violenter rapere. Caſtrenſibus enim \&
milit aribus verbis loquitur Chriſtus, ſed in Spiritu. Worauß abzunehmen/
nicht allein mit was Nutzen und Krafft Johannes der Taͤuffer gelehret;
ſondern auch/ mit was Eyffer und Ernſt die Zuhoͤrer zum Evangelio ſich
getrungen/ anders nicht/ als wolten ſie die Stadt Gottes mit Gewalt einneh-
men. Hoͤren und Lernen iſt noch nicht genug/ ſondern es gehoͤret auch darzu
das diſcerniren/ unterſcheiden/ pruͤfen und erwehlen/ und/ wie die Tau-
ben/ die beſten Koͤrnlein herauß leſen. Ein groſſer Jrrthumb bey den
Lehrern iſts/ die ſich nicht wollen judiciren laſſen/ hoͤher geſinnet/ als Pau-
lus/ der ſich von den Berrhoenſern und andern Propheten richten laſſen/
1. Cor. 14. in der Antiquitaͤt haben wir ein Exempel an G. Nazianz. wel-
chen/ als Hieronymus gefraget vom Affter-Sabbath/ hat er ihn mit dieſer
Antwort abgefertiget und geſagt: Davon wil ich dir in der Kirche Be-
ſcheid ertheilen/ in welcher du mir (wann die gantze Gemein es bejachzet)
wirſt muͤſſen beypflichten/ wann ſchon wider deinen Willen/ woruͤber du
mich anjetzo befrageſt/ oder du wirſt/ wann du allein ſolteſt widerſprechen/
von allen und jeden fuͤr einen Thoren gehalten werden: Es ſey nemlich
J i i i 3nichts
[622]Die neunzehende
nichts ſo leicht/ als den ungelehrten und gemeinen Mann bereden/ weiß
ſey ſchwartz/ als welcher/ was er nicht verſtehet/ nur in Verwunderung
ziehet: Welcher doch/ wann man ihm ſchlimme Ducaten gibt/ dieſelbe
wigt/ und auf die Goldwage legt/ aber wann er von dem Wolff/ der unter
dem Schaffsbeltz einher gehet/ noch lobet und ſagt: Es hat mir wolgefal-
len/ ich kans nicht ſchelten! O der ſchaͤndlichen und ſchnoͤden/ aber auch
ſchaͤdlichſten Unwiſſenheit! Alſo vergaffet ſich mancher an den Jeſuiten/
und dero Suada und Wolredenheit/ die doch allein εν ἀνθϱωπίνῃ σοϕίᾳ in
menſchlicher Weißheit beſtehet/ das δοκιμάζετε Pruͤfen iſt uns Spaͤtlin-
gen nicht fuͤrgeſchrieben. Folgen und Thun gehoͤrt darzu/ ſelig
ſeyd ihr/ wann ihr das wiſſet/ ſo ihrs auch thut.
Das Didactron und Lehrgeld ſoll auch nicht auſſen bleiben/ nemlich
der ſchuldige Dauck und Erkaͤntnuͤß/ puteum corona, è quo ſitim ex tin-
xeris, ſagten vor Zeiten die Roͤmer/ den Brunnen croͤne/ darauß du dei-
nen Durſt geloͤſchet. Ein Stuͤck ſolches Dancks iſt auch die Gedult/ daß
man erkenne die ſchwere Arbeit/ deren die an ihnen arbeiten: Ob gleich
nicht mit der Hand/ denn ja wahr/ was Salomo ſagt: Viel Predigen macht
muͤde/ den Commentarium machen die beſchwerliche Zuſtaͤnde an Ca-
tharren/ Fluͤſſen/ Leibsbruͤchen. Timotheus Biſchoff zu Epheſo/ war noch
ein junger Mann/ da er ins Predigampt trat/ aber weil er fleiſſig ſtudirte/
und ihm ſein Ampt im Predigen ließ treulich angelegen ſeyn/ bekam er
davon ein ſchwachen Magen/ wurde offt kranck/ daß ihm auch Paulus
rathen muſte/ daß er umb ſeines ſchwachen Magens willen ein wenig
Wein gebrauchen ſolte/1. Tim. 5/23. Was wil dann denen begegnen/
die deß Tages Laſt und Hitze im Predigen getragen? Darumb man auch
ſoll mit den Lehrern Gedult tragen/ ihre Gebrechen mit dem Mantel der
Liebe zudecken/ in Erwegung/ daß ſie Menſchen. Quod dixit Paulus,
irreprehenſibilis, aut rarus, aut nullus. Quis eſt enim, qui non,
quaſi in pulchro corpore, aut nævum aut verrucam habeat? Das
Paulus geſagt/ unſtraͤfflich/ das iſt entweder keiner/ oder ſelten einer.
Dann welcher iſt/ der nicht/ gleich als an einem ſchoͤnen Leib/ entweder
en Anmahl oder Wartzen habe? ſchreibt Hieron. l. 1. adverſ. Pelag.
und bald hernach: Aut nullus, aut rarus, qui omnia haberet, quæ
habere debet Epiſcopus. Es iſt entweder keiner/ oder ſelten einer/
der alles haͤtte/ was ein Biſchoff haben ſol. Aber wie gehets? So lan-
ge ein Prediger auffrecht gehet/ und den Leuthen dienen kan/ iſt er lieb und
werth/ wenn er abgemattet und muͤde worden/ wird ſeiner wenig mehr
geachtet.
Hic mos eſt horum, Undanck in fine laborum.
Das muͤſſen Prediger gewohnen und ſich troͤſten/ was die undanckbare
Welt nicht erkenne und belohne/ das werde GOtt erkennen/ und ihr ſehr
groſſer Lohn ſeyn/1. Moſ. 15/1.
Philippus Melanchton pflegte zu ſagen; Es ſeyen die drey ſchwerſien Ar-
beiten in der Welt/ mit denen ſonſt keine Arbeit/ wie ſchwer ſie auch ſonſt ſeyn
moͤge/ zu vergleichen ſeye. Das erſte ſey Labor docentis, das iſt/ die Arbeit in
der Kirch offentlich zu lehren und zu predigen/ das ander ſey Labor regentis, das
iſt/ in weltlichem Regiment Land und Leut zu regieren. Vnd dann das dritte ſey
Labor parturientis, das iſt/ die Arbeit Kinder zu gebaͤhren/ ſo GOtt dem weibli-
chen Geſchlecht/ als eine Straff der Suͤnden auferlegt hat/ Geneſ. 9. damit
auch Lutherus zuſtimmet/ welcher von ſich ſelbſten pflegen zu ſagen: Ego quan-
tumvis ſenex, tamen prædicare timeo, das iſt/ ob er wol alt/ und darzu ein Do-
ctor der H. Schrifft ſey/ dennoch muͤſſe er bekennen/ daß ihm Angſt ſeye/ und er
ſich foͤrchten muͤſſe/ wann er predigen ſolle/ Et p. 999. Die Hand arbeitet/ und
muß den Menſchen gleichſam ernehren/ die Augen aber ſehen nur zu/ daß es recht
zugehe/ und man kan doch nicht ſagen/ daß die Augen muͤſſig gehen/ ſondern ſie
verrichten die Arbeit/ dazu ſie von GOtt ſind erſchaffen worden/ und wann die
Haͤnde ſtarck arbeiten/ ſo werden die Augen eben ſo wol muͤd davon/ daß dieſelbi-
ge am allererſten zugehen und verſchlaffen/ wann der Menſch ſich recolligiren und
erholen ſolle: Alſo iſt es auch mit corpore myſtico, und in dem geiſtlichen Leib der
Chriſtlichen Kirchen beſchaffen/ da gibt es in unterſchiedlichen Staͤnden unter-
ſchiedliche Arbeiter/ und kan man doch von keinem Stand ſagen/ daß er můſſig
gehe/ alſo auch von dem Predigampt/ von den Lehrern und Predigern nicht.
GEliebte in Chriſto. Was Salomon der weiſe Koͤ-
nig in ſeinem Prediger Cap. 6/ v. 7. von aller menſch-
lichen Arbeit außgeſagt: Einem jeglichen Men-Eccl. 6, 7.
ſchen iſt Arbeit auffgelegt nach ſeiner Maaß/
[...]ad os ejus heiſts im Hebraͤiſchen Grund-
Text/ nach ſeinem Mund/ das iſt/ wie
Lutherus wol gedolmetſchet/ nach ſeiner Maaß/ Weiſe/
Proportion, Faͤhigkeit/ Vermoͤgen/ Alter/ Bequemligkeit/ daſſelbe iſt
Ita 1. Moſ. 47, 12. Curans juxta os curabit eos, und er verſorget ſeinen Vat-
ter/ und ſeine Bruͤder/ und das gantze Hauß ſeines Vatters/ ein jeglichen/ nach-
dem er Kinder hatte/ und 2. Moſ. 12, 4. juxta os ſingulorum (menſuram comede-
tis phaſe, und demnach/ wann Salomon hie ſagt: Omnium labor est ſecundum
os, iſts eben ſo viel/ als wann er ſagt: ſecundum demenſum, nach eines jeden
Maaß/ oder beſcheidenen abgemeſſenen Theil.
freylich auch wahr von der Lehr- und Lern-Arbeit. Gleichwie der
der Mund und die Speiſe deß Menſchen in einer Relation ſtehen/ und
gegen einander muͤſſen proportioniret und abgemeſſen werden/ daß nicht
die Speiſe groͤſſer/ groͤber und ſchwerer ſey/ als der Mund faſſen kan; Ein
ſtarcker Mann kan wol einen groſſen Brocken Brod oder Fleiſch verſchlu-
cken/ das einem kleinen zarten Kindsmund nicht muͤglich/ und es ehe da-
von erſticken moͤchte. Wer kan einem alten Mann einen guten Trunck
koͤſtlichen Weins oder Malvaſiers verwehren? Aber einem Kinde waͤre
es ſchaͤdlich und gar toͤdtlich. Alſo ſtehen auch der Mund deß Lehrers/ und
das Ohr deß Lernenden in ſolcher Relation gegen einander/ daß ſie mit-
einander proportioniret/ abgewogen und abgecirckelt ſeyn muͤſſen. Jm
Luc. 12, 42.Heil. Evangelio nennet der HErr beſagte Maaß-Speiſe () σιτομέτϱιον
() cibarium militare juxt à Polyb. l. 6.
Luc. 12/42. Wie ein groß Ding iſt es umb einen treuen und
klugen Haußhalter/ welchen ſein Herr ſetzet uͤber ſein Geſin-
de/ daß er ihnen zu rechter Zeit ihr Gebůhr gebe/ das iſt/ ihr de-
menſum, ihr abgemeſſene proportion, nicht zwar/ wie die Mundkoͤche zu
Hofe ihrem Herrn kochen/ pfeffern/ wuͤrtzen/ und zurichten/ was und
wie ers nach ſeinem unmaͤſſigen/ ſchaͤdlichen Appetit gern iſſet/ wie es dem-
ſelben mundet/ es diene zur Diaͤt und Geſundheit oder nicht: Sondern
wie der Leib-Artzt nach ſeiner Kunſt und Experientz befindet nutz und gut
zu ſeyn. Auff beſagten Unterſcheid ziehlet auch St. Paulus/ wann er
2. Tim. 2, 15.von einem rechtſchaffenen geiſtlichen Arbeiter erfordert die ὀϱθοτομίαν,
daß er recht theile das Wort der Warheit/ 2. Tim. 2/15. Nemlich
wie ein Trenchirer der Speiſen/ die Speiſen zuvorderſt recht reſolvirt/
foͤrmlich und kuͤnſtlich verſchneidet/ hernach einem jeden Gaſt nach pro-
portion außtheilet und umbgibt: Daß ſolcher maſſen auch ein Lehrer
der Kirchen/ ſo wol ſeinen fuͤrgenommenen Text recht tractire/ in gewiſſe
membra foͤrmlich vertheile/ doch auch nicht gar zu klein verpitzle und ver-
ſchnitzle/
[625]Predigt.
ſchnitzle/ und hernach als ein Schuldner der Weiſen und Unweiſen/ Ge-
lehrten und Ungelehrten/ nicht allein jenen/ ſondern auch dieſen/ nicht al-
lein dieſen/ ſondern auch jenen ein Genuͤge leiſte/ und jeden ſeine propor-
tion außtheile. Worauff St. Paulus gedeutet in ſeinem Unterſcheid/
den er gemacht/ unter den ςοιχείοις erſten Buchſtaben und deroſelben
vollkommenen Complement/ vollkommener Erlaͤuterung der heilſamen
Grund-Lehren/ ſo dann auch unter der Milch und harten Speiſe/ Hebr.Hebr. 5, 12.
\& ſeq.
5. v. 12. 13. 14. Die ihr laͤngſt ſoltet Meiſter ſeyn/ beduͤrffet
hier wiederum/ daß man euch die erſte Buchſtaben der Goͤtt-
lichen Wort lehre/ und daß man euch Milch gebe/ und nicht
ſtarcke Speiſe/ denn wem man noch Milch geben muß/ der
iſt unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit/ denn er iſt ein
junges Kind/ den Vollkommenen aber gehoͤret ſtarcke Spei-
ſe/ die durch Gewonheit haben geuͤbte Sinne/ zum Un-
terſcheid deß guten und deß boͤſen. Als wolt er ſagen: Jhr He-
breer und gebohrne Juden nach dem Fleiſch/ habt bißher gute Synago-
gen und Schulen gehabt/ darinn euch Moſes und die Propheten/ die
Typi und Fuͤrbilder deß Meſſiaͤ/ ſonderlich auch die Lehr von dem Prie-
ſterthumb deß Meſſiaͤ/ nach der Weiſe Melchiſedech/ fuͤrgetragen/ und
gruͤndlich erklaͤret worden/ oder haͤtten erklaͤret werden ſollen/ auff daß
ihr waͤret/ wie ihr habt ſeyn wollen/ und deſſen ihr euch beruͤhmet/ nemlich:
Leiter der Blinden/ Liechter deren die im Finſternuß ſind/
Zuͤchtiger der Thoͤrichten/ Lehrer der Einfaͤltigen und Hei-
den/ Rom. 2. Aber der Tag redet ſelbſt/ daß ihr kaum Abc-Schuͤ-Rom. 2.
ler ſeyd/ die man aus der hoͤhern Claß in die untere weiſen ſolte/ daß ihr da
lernet/ was ihr laͤngeſt haͤtten ſollen koͤnnen. Pfui der Schande! Jhr
ſoltet ſchon die harten Speiſen koͤnnen verdauen/ ſo muß man euch wie
Milch-Kinder tractiren/ aͤtzen und ſpeiſen. Weil dann nun der Unter-
ſcheid der geiſtlichen Seelen-Speiſe und dero Fuͤrtrag klar und offenbar/
und dieſelbe nach eines jeden Mund ſoll und muß eingerichtet und fuͤrge-
tragen werden: Alſo wollen wir nach dem Exempel Lutheri/ der zween
Catechiſmos auffgeſetzt/ den kleinen und den groſſen/ auch die Catechiſ-
mus-Lehre in zweyerley Lehren abtheilen; und erſtlich das Lehr-Ampt/ ſo auf
die Kinder und Einfaͤltigen angeſehen/ darnach auch/ ſo fern daſſelbe auff
die Alten und Vollkommenen zielet/ abmahlen/ beſchreiben und fuͤrtragen.
Achter Theil. K k k kDiß-
[626]Die zwantzigſte
Dißmal wollen wir den kleinern Catechiſmum/ als die Milch-Speiſe fuͤr
uns nehmen/ und anzeigen/ WAS und DAS. Was heiſſe und ſeye
den kleinen Catechiſmus lehren/ und alſo die Milch/ Speiſe fuͤrtragen.
Zum andern/ daß der HERR ſolches Ampt auch warhafftig ſeinen
Juͤngern und dero Nachkommen auffgetragen. Der HERR helffe!
Amen.
BEy dem erſten Umbſtand kommen uns zu bedencken
fuͤr die Lehre und das Lehren. Was Catechiſmus-Lehre
ſey/ hat St. Paulus außbuͤndig ſchoͤn/ ſowol in verbluͤmten als
ungebluͤmten Worten angezeigt/ auch dieſelbe namhafft gemacht in
der Epiſtel an die Hebreer mit folgenden Worten/ von den Hohen-
prieſtern nach der Ordnung Melchiſedech iſt ſchwer zu reden/
Auguſt. l. 1. de Catech. rud. c. 3. Non tamen propterea debemus totum
Pentateuchum totosꝙ́ Judicum \& Regum \& Eſdræ libros, totumque Evangelium
\& Actus Apoſtolorum, vel, ſi ad verbum \& dicimus memoriter reddere, vel no-
ſtris verbis omnia, qua his voluminibus continentur volvere \& explicare: Quæ nec
tempus capit, nec ulla neceſſitas poſtulat, ſed cuncta ſummatim generatimque com-
plecti, ita ut eligantur quædam mir abiliora, quæ ſuavius audiuntur, atque in ipſis
articulis conſtituta ſunt. Luth. Tom. 7. rerit. pag. 400. Jſt auffs erſte im deut-
ſchen Gottesdienſt/ ein grober/ ſchlechter/ einfaͤltiger Catechiſmus von noͤthen.
Catechiſmus aber heißt ein Vnterricht/ damit man die Heyden/ ſo Chriſten wer-
den wollen/ lehret und weiſet/ was ſie glauben/ thun/ und laſſen ſollen im Chri-
ſtenthum/ daher man Catechumenos genennet hat die Lehrjungen/ die zu ſolcher
Vnterricht angenommen waren/ und den Glauben lerneten/ ehe man ſie taͤuffe-
te. Idem Luth. in Tiſchreden p. 111. Der Catechiſmus iſt die rechte Leyen-Bibel/
darinnen der gantze Jnnhalt der Chriſtlichen Lehre begriffen iſt/ ſo einem jeden
Chriſten zur Seligkeit zu wiſſen von noͤthen. Wie das Hohe Lied Salomonis
ein Geſang uͤber alle Geſaͤng/ Canticum Canticorum, alſo ſind die zehen Ge-
bott doctrina doctrinarum, ein Lehr uͤber alle Lehren/ daraus Gottes Wille erkant
wird/ was GOtt von uns haben wil/ und was uns mangelt. Zum andern/ ſo
iſt das Symbolum oder Bekaͤntnuͤß deß Glaubens an GOtt unſern HErrn JEſum
Chriſt/ Hiſtoria Hiſtoriarum, ein Hiſtoria uͤber alle Hiſtorien/ oder die aller-
hoͤchſte Hiſtoria/ darinnen uns die unermeßliche Wunderwerck der Goͤttlichen
Majeſtaͤt von Anfang biß in Ewigkeit fuͤrgetragen werden/ wie wir und alle
Creaturen geſchaffen ſeynd von GOtt/ wie wir durch den Sohn Gottes (ver-
mittelſt ſeiner Menſchwerdung/ Leidens/ Sterbens und Auferſtehung) erloͤſet;
wie wir auch durch den H. Geiſt verneuert/ geheiligt/ und eine neue Creatur/
und alleſampt zu einem Volck Gottes verſamlet/ Vergebung der Suͤnden erlan-
gen/ und ewig ſelig werden. Zum dritten/ ſo iſt oratio Dominica das Vater
unſer oratio orationum, ein Gebet uͤber alle Gebet/ das allerhoͤchſte Gebet/
welches der allerhoͤchſte Meiſter gelehret/ und darinnen alle geiſtliche und leibli-
che Noth begriffen hat/ und der kraͤfftigſte Troſt in allen Anfechtungen/ Truͤbſalen/
und
[627]Predigt.
und in der letzten Stunden. Zum vierdten/ ſind die hochwuͤrdige Sacramenta
Ceremoniæ ceremoniarum, die hoͤchſte Ceremonien/ welche GOtt ſelbſten geſtifftet
und eingeſetzet hat/ und uns darinnen ſeiner Gnaden verſichert.
Hebr. 5/12. 13. Denn wem man noch Milch geben muß/ derHebr. 5, 12.
13.
iſt unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit/ denn er iſt ein
junges Kind/ den Vollkommenen aber gehoͤret ſtarcke Spei-
ſe/ die durch Gewohnheit haben geuͤbte Sinne/ zum Unter-
ſcheid deß guten und boͤſen. Cap. 6/1. 2. Darumb ſollen wir
die Lehre vom Anfang Chriſtliches Lebens jetzt laſſen/ und
zur Vollkommenheit fahren/ nicht abermal Grund legen
von Buſſe der todten Wercke/ vom Glauben an GOTT/
von der Tauffe/ von der Lehre/ von Haͤndeaufflegen/ und
von der Todten Aufferſtehung/ und vom ewigen Gerichte.
Sind alſo 1. unſchwere oder leichte/ erlaͤuterte/ helle und klare Lehren/ die
den ſchweren Reden entgegen geſetzt: Juͤnger-Lehren/ Kinder-Lehren/ die
der Wiſſenſchafft der Meiſter entgegen gehalten werden: Erſte Buch-
ſtaben der Goͤttlichen Worte/ und alſo Wort/ die GOtt in ſeinem Wort
geoffenbahret/ der erſte Entwerff/ Abriß/ Vorſchrifft in der Bau-Mah-vid. Lact.
Cat. part. 1.
p. 13. \&
ſeqq.
ler- oder Schreibkunſt/ darauff man hernach bauen/ mahlen/ oder ſchrei-
ben ſoll: Das Fundament einer Kunſt/ welches der angehende Schuͤ-
ler und Lehrjunge zuvor recht legen/ faſſen und begreiffen muß/ ſoll er an-
ders ein Meiſter und nicht ein Stuͤmpler werden. Milch-Lehren/
der junge Milch-Glaube (Luth. Tom. 2. Isleb. p. 489. f. 2.) gleich der
ſafftigen/ lauteren und ſuͤſſen Milch. Gleichwie die Milch unſer erſte
und natuͤrliche Speiſe iſt/ damit der ſo ungebohrne Menſch in Mutterlei-
be/ alſo auch der allbereit gebohrne Menſch eine Zeitlang/ biß er zu mehrern
Kraͤfften gelangt/ pflegt ernehrt und erhalten zu werden. Es zehlet dan-
nenhero der Prophet Eſaias unter die συγκατα [...]ατικὰ und Erniedri-
gungs. Stuͤck/ damit der Sohn Gottes ſeine groſſe Leutſeligkeit bezeu-
gen werde/ und wie die Kindlein Fleiſch und Blut an ſich nehmen/ in al-
lem ſich als ein Menſchenkind geberden werde/ daß er gleich wie andere
Juden-Kindlein Butter und Honig werde eſſen: So iſt nun auch der
Catechiſmus der Quaſimodogenitorum, der Neulinge/ oder neugebohr-
nen Kinder Gottes ihr erſte/ geſundeſte/ und gleichſam angebohrne
Speiſe/ wie auch Petrus dahin deutet: Seyd gierig nach der ver-1. Petr. 2, 2.
Juſtinian.
ad 1. Petr.
p. 288. \&
ſeqq.
nuͤnfftigen lautern Milch/ als die jetztgebohrne Kindlein/ daß
ihr durch dieſelbe zunehmet: Wie nun allezeit die jenige Speiſe
dem Menſchen fuͤrtraͤglicher/ deren er gewohnet/ frembde koſtbare Spei-
K k k k 2ſen
[628]Die zwantzigſte
ſen ſind gemeiniglich ungeſund/ und vertragen ſich nicht wol mit unſerm
Magen: umb ſo viel geſunder und heilſamer iſt auch der Catechiſmus/ den
wir in der Jugend gefaßt/ als frembde Lehr/ deren man ſich in andern in-
ficirten/ und mit Rottengifft angeſteckten Orten erholen mag. Gleichwie
die Milch die uhraͤlteſte und conſequenter einfaͤltigſte/ und biß dato
uͤbliche Kinderſpeiſe geweſen/ deren die erſtgebohrne Menſchen Cain und
Abel ſich alſobald bedienet/ damit ſich auch die H. Patriarchen vor und
nach der Suͤndfluth ſonderlich erquickt/ ehe und dann man von Braten/
Sieden/ und allerhand Schleckbißlein etwas gewuſt: So iſt auch die Ca-
techiſmus-Lehre die aͤlteſte Lehre/ aͤlter als alle neuauffkommene Schwer-
mereyen und Ketzereyen/ wie wolgeſchmackt und lieblich dieſelbe auch
manchem fuͤrkommen moͤgen. Gleichwie die Milch ſoll ſie juſt/ dem Kinde
gut und geſund ſeyn/ ſo muß ſie lauter und unvermiſcht bleiben/ dem
Kinde gegeben werden/ wie ſie aus den Bruͤſten gefloſſen; So bald ſie
mit wenig Waſſer vermiſcht/ ſo verleuret ſie Krafft und Geſchmack: und
ſind die jenige Kinder ungluͤckſelig/ die allzuzeitlich und fruͤhe von der Mut-
ter Bruͤſten weggeriſſen/ aus Armuth auch der lautern Kuͤhe-Milch
entrathen/ und wol gar mit bloſem Waſſer/ oder mit vermiſchter Milch
ſich behelffen muͤſſen: Alſo ſoll der Catechiſmus lauter/ rein und unver-
faͤlſcht aus den Bruͤſten/ Alten und Neuen Teſtaments flieſſen/ ἄδολον
1. Petr. 2.γάλα, eine lautere Milch ſoll es ſeyn/ wie Petrus erfordert/1. Petr.
2/2. Gleichwie die Milch die allergeſundeſte/ wolgeſchmackſte/ anmu-
thigſte und lieblichſte Speiſe/ davon der Menſch ſchoͤn und ſtarck/ und roͤ-
ſelicht wird/ taͤglich zunimmt/ die Erfahrenheit bezeugt/ daß die jenige Na-
tionen/ dze viel Milchtranck und Milchſpeiſen brauchen/ gemeiuiglich
ſtaͤrcker/ groͤſſer und geſunder: So hat auch die Milch eine ſonderbare
heimliche Krafft/ bey dem Saͤuglingen/ deſſen Natur/ Arth und Tempe-
rament zu afficiren und zu bewegen; daher gemeiniglich der Saͤugling
ſeiner Saͤugammen nachſchlaͤgt. Romulus und Romus von einer
Woͤlffin geſaͤuget/ hatten auch wilde Wolffsarth an ſich genommen:
Scaliger.Jſts wahꝛ/ was jener Philoſophus ſchreibet von einem Wolff/ den er un-
ter Schaafen zahm ohne Beſchaͤdigung ſehen herumb lauffen/ ſo kan es
anders nicht hergangen ſeyn/ dann daß der Wolff Schaafsmilch getrun-
cken/ dadurch ſeine Natur etlicher maſſen gehaͤm̃t und eingehalten wor-
den. Eben ſolch edel Nutriment, ſolche erſprießliche und gedeyliche Spei-
ſe iſt auch der Catechiſmus/ davon wir erſtarcken/ biß wir ein vollkomme-
ner Mann werden/ der da ſey in der Maaß deß vollkommenen Alters
Chriſti: dadurch uns die wilde Adamiſche Wolffsarth abgewehnet/ und
dage-
[629]Predigt.
dagegen eine neue Goͤttliche und Chriſtliche Natur eingepflantzet. ὁ τῆς
ἀϱχῆς χριςου̃ λόγος, die Lehre vom Anfang der Perſon Chriſti/ ſeines
Ampts und Gutthaten/ die Grund-Lehre/ das Fundament ſo geleget wird/
darauff der Bau der Chriſtlichen Lehre beruhet. Anderswo nennet der
Apoſtel den Catechiſmum τύπον τῆς διδαχῆς, das Fuͤrbild der Lehre.
Rom. 6/16. 17. GOtt ſey gedancket/ daß ihr Knechte der Suͤn-
den geweſen ſeyd/ aber nun gehorſam worden von Hertzen/
dem Fuͤrdild der Lehre/ welchem ihr ergeben ſeyd. Jſt ein Gleich-
nuß genommen vom gegoſſenen Werck/ da das Metall/ Silber/ Gold/
Bley/ Zinn in eine Form und Muſter wird eingegoſſen/ und daher derſel-
ben Formbild und Geſtalt gewinnet: Alſo iſt auch der Catechiſmus das
Fuͤrbild/ deſſen Nachbild und Geſtalt der Catechiſmus-Schuͤler traͤgt/
und jenem ſich eigentlich vergleicht. Auch nennet der Apoſtel 2. Tim. 1/13.
offtbeſagten Catechiſmum die ὑποτύπωσιν ὑγιαινόντων λόγων, das Fuͤr-
bild der heilſamen Lehre/ die uns geſund und gut iſt/ dadurch wir
fuͤr dem Kaͤtzer-Guß und Gifft verwahret werden/ das einige noͤthige/
der beſte Theil/ Luc. 10. Was einen zum Chriſten macht.Luth.
Tom. 3. Jen. p. 104. Die Wurtzel der Unſterblichkeit/ darauff der
Baum deß Glaubens wurtzelt und waͤchſt. Luth. Tom. 5. Witt. p. 294.
Hiernach ſpecificirt der Apoſtel und benahmt die Lehren/ die er
mit vorhergehenden Prædicaten beſchrieben/ daß es ſeyen die Lehren
1. Von der Buſſe der todten Wercke aus dem Geſetz. Rom. 2/
18. 2. Vom Glauben an GOtt Vatter/ Sohn und H. Geiſt.
3. Von der Tauffe/ von der Lehre der hoͤchſten Tauffe/
(βαπτισμῶν hebraiſm.) der Tauffe uͤber alle Levitiſche Tauffen/ durch
welche die Lehre deß Evangelii verſiegelt worden/ nemlich der Sacrament-
lichen Tauffe. 4. Vom Haͤndeaufflegen deß Miniſterii/ da-
durch die Prediger ordinirt und geweihet werden/ damal auch mit
χαρίσμασι und extraordinari-Gaben durch Haͤndeaufflegen gleichſam
balſamirt und berathen worden. 5. Von der Todten Aufferſtehung
und ewigem Gericht/ das iſt/ der ewigen Verdamnuß: Jſt Exem-
pelsweiſe erzehlet/ hat nicht die Meynung/ als waͤren alle und jede Stuͤck/
ohne Außlaſſung einiger nothwendiger Lehre hie benamſet/ (denn ja die Leh-
re vom Gebet/ H. Abendmahl/ der Schluͤſſel Gewalt/ in dieſem Regiſter
außtruͤcklich nicht erſcheinet/) ſondern es werden auch die Parallela
die gleichfoͤrmige Lehren zugleich mitgemeinet/ τὰ ὅμοια τούτοις, Gal. 5/21.
was nemlich ad ϑεμέλιον, zum Grund der Chriſtlichen Lehre gehoͤrig/
ſie ſeyen im Catechiſmo mit klaren/ hellen/ duͤrren Worten dargelegt/ oder
virtualiter begriffen und mitzuverſtehen. Sind alſo in der Summa
K k k k 3Leh-
[630]Die zwantzigſte
Lehren deß kleinen Catechiſmi/ ſolche Fundamental und Grund-Lehren/
die entweder mit außgedruckten Worten in H. Schrifft auffgezeichnet/
oder doch aus derſelben foͤrmlich gefolget/ geſogen und gezogen/ Muſter-
und Buchſtabsweiſe/ und alſo kurtz gefaſt/ alſo lauter und leicht erſchei-
nen/ daß ſie auch von Einfaͤltigen/ noch ungeſchickten und Kindern (die
weder Außgang noch Eingang/ weder recht noch linck wiſ-
ſen/ 1. Reg. 3/7. Jon. 4. v. ult.) koͤnnen angenommen/ begriffen/ und
erlernet werden/ und gehoͤren ferner hieher insgemein die gantze Hodo-
ſophia, oder Wegweißheit/ die Anzeig deß Wegs zum himmliſchen
Vatterland unfehlbar zu gelangen. Dann das war die Lehre/ in deren
Apollo in ſeinem Catechiſmo unterwieſen worden. Act. 18/25. Er war
unterweiſet den Weg deß HERRN.
In ſpecie hat unter die Grundlehren gezogen Auguſtinus die Lehr['] von der
Erbſuͤnd l. 3. contra Julian. Pelag. c. 2. Lutherus den Artickel von dem freyen Wil-
len/ Tom. 3. Lat. p. 164. f. 2. idem den Artickel von den drey unterſchiedenen Per-
ſonen der H. Dreyfaltigkeit/ Tom. 7. Jen. in Joh. 14. pag. 46. ohn dieſes Arti-
culs Erkaͤntnuͤß und Bekaͤntnuͤß nehme ihm nur niemand fuͤr in Himmel zu kom-
men. Tom. 12. Witt. p. 343. f. 2.
Und alſo die Lehre von der Perſon/ Ampt und Gutthaten Chriſti/ als
1. Cor. 3, 11.
Eph. 2, 20.
Joh. 17, 3.dem Grund unſers Heyls. 1. Cor. 3/11. Eph. 2/20. Joh. 17/3. Das iſt
das ewige Leben/ daß ſie dich/ daß du allein wahrer GOTT
biſt/ und den du geſand haſt/ JEſum Chriſtum recht erken-
nen. Joh. 6/53. Warlich/ warlich ich ſage euch/ werdet ihr
nicht eſſen das Fleiſch deß Menſchen Sohns/ und trincken
ſein Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch. Der Kern deß gantzen
Catechiſmi/ der im Apoſtoliſchen Glauben dargereicht/ in der Tauffe als
der Lebensquelle empfangen/ im Abendmahl gemehret/ in den zehen Ge-
boten das Exemplar/ nach welchen wir deß Glaubens Fruͤchte gebaͤren
ſollen.
Die Lehre von der geiſtlichen Einigkeit Chriſti und ſeines
Leibs/ davon unſer Catechiſmus bekennet/ alle Glaubige ſeyen
Chriſto/ als Glieder zu einem Leibe in H. Tauffe eingelei-
bet/ die Lehre von der Rechtfertigung.
Luth. Tom. 7. Witt. p. 478. f. 2. dieſen Artickel/ ſag ich/ koͤnnen ſie ſchlecht
nicht leiden. So koͤnnen wir ſein nicht gerathen/ dann wo dieſer Artickel weg
iſt/ ſo iſt die Kirche weg/ und mag keinem Jrrthumb widerſtanden werden/ weil
auſſer dieſem Artickel der H. Geiſt nicht bey uns ſein wil/ noch kan/ denn er
ſoll uns Chriſtum verklaͤren/ uͤber dieſem Artickel iſt die Welt ſo offt zu ſcheitern
gangen/ durch Suͤndfluth/ Wetter/ Gewaͤſſer/ Krieg und alle Plagen. Vber die-
ſem Artickel iſt Abel erwuͤrget/ und alle Heiligen/ und muͤſſen auch Chriſten
druͤ-
[631]Predigt.
druͤber ſterben/ dennoch iſt er blieben/ und muß bleiben/ und die Welt immerdar
druͤber zu Grund gehen. Alſo ſoll ſie auch jetzt herhalten/ und uͤber dem Artickel
geſtuͤrtzet werden/ und ſolt ſie toll und thoͤricht werden/ ſo ſoll ſie den Artickel
laſſen ſtehen/ und ſie druͤber in der Hoͤllengrund fallen/ Amen.
Deßgleichen wird in der Verthaͤdigung deß Saͤchſiſchen Aug-Apffels
c. 47. unter die hochnothwendige Glaubens-Artickel gezehlet die Lehre von
der wahren Allgegenwaͤrtigkeit deß Fleiſches Chriſti. Jtem
von dem Pabſt Antichriſt ib. p. 671. ſo dann der Articul von Chriſti Hoͤl-
lenfahrt/ Tom. 4. Witt. p. 375. f. 2. Gleicher Meynung fuͤhren auch die
Darmſtadtiſchen Theologen von der wahren Gegenwart deß Leibs
und Bluts Chriſti im Heil. Abendmahl/ ſampt muͤndlicher
Nieſſung/ in ihrer gruͤndlichen Deduction c. 8. p. 857, 966, 981,
1015, \& ſeq.
Biß hieher die Lehre an ihr ſelbſt. Das Lehren begreifft in ſich
1. Exſuctionem,das rechte Saugen/ Kochen und Zurichten/
wie die Jmme aus den Blumen (nicht Gifft/ ſondern) das Mellificium,
Honigwerck oder Honigſeum den beſten Honig ſaugt/ eine Kuh oder Zie-
ge aus den geſundeſten edelſten Kraͤutern und Graß den beſten Safft
heraus ziehet/ denſelben concoquiret/ verdauet/ und in ſuͤſſe Milch ver-
wandelt/ auch die Muttermilch anders nichts iſt/ als ein Electuarium, ein
außerleſener Safft und Marck aller Speiſen und Getraͤnck/ ſo ligt auch
dem Catecheten oder Catechiſmus-Lehrer ob/ die quintam eſſentiam, und
den beſten heilſamſten Safft/ aus dem Paradiß-Garten der H. Schrifft/
aus den Bruͤſten Alten und Neuen Teſtaments (welche zwar in ſich kein
Gifft haben/ aber von einer gifftigen Spinne in Gifft verkehret wird) zu
eliquiren/ heraus zu ziehen und zu ſchoͤpffen. GOtt ſey Danck/ daß ſolche
Arbeit geſchehen in Lutheri Catechiſmo. 2. Præbitionem verborum, das
Darbieten/ der Fuͤrtrag/ und gleichſam Einguß der Worte/ und dero un-
verſtuͤmmelten/ ungebrochenen/ ungetrennten Außſprache/ da dann ſich
der Unterrichter huͤten ſoll/ nach Lutheri Erinnerung im kleinen Catechiſ.
mo p. 163. fuͤr mancherley oder anderley Text und Form der
zehen Gebot/ Glauben/ Vater unſer/ der Sacrament ꝛc.
Sondern nehme einerley Form fuͤr ſich/ darauff er bleibe/
und dieſelbe immer treibe/ ein Jahr wie das andere/ denn
das junge und albere Volck muß man mit einerley gewiſ-
ſen Text und Form lehren/ ſonſt werden ſie gar leicht irre/
wann man heute ſo/ und uͤber ein Jahr ſo lehret/ als wolt
man es beſſern/ und wird damit alle Muͤhe und Arbeit ver-
loh-
[632]Die zwantzigſte
lohren. 3. Apertionem ſenſus \& ſucci generalis \& ſimplicis quoad
quid nominis, παχυλῶς, die einfaͤltige/ gemeine populariſche
Eroͤffnung und Entwerffung deß ſafftigen Sinnes und
Verſtandes der Warheit/ auff daß dieſe Milch mit Warheit koͤnne
eine vernuͤnfftige Milch genennet werden. 1. Petr. 2/2. Was zum
Exempel die Worte Chriſti/ Evangelium/ Perſon/ ſtarcker Eifferer/ Flu-
chen/ Schwoͤren/ Affterreden/ Ablaß der Suͤnden/ Kirche/ in Verſuchung
fuͤhren/ Sacrament/ Siegel und Zeichen/ ꝛc. eigentlich bedeuten/ und auf
Teutſch heiſſen?
Luth. Tom. 7. Witt. p. 400. f. 2. Da ſie die Wort außwendig lernen nachreden/ wie
bißher geſchehen iſt/ ſondern von Stuͤck zu Stuͤck frage/ und ſie antworten laſſet/
was ein jegliches bedeute/ und wie ſie es verſtehen/ kan man es auff einmal nicht
alles fragen/ ſo nehme man ein Stuͤck fuͤr/ deß andern Tags ein anders. Nem-
lich alſo ſoll man ſie fragen/ was betteſt du? Antwort/ das Vatter unſer/ was
iſt dann/ daß du ſprichſt: Vatter unſer im Himmel? Antwort/ daß GOtt nicht
ein irrdiſcher/ ſondern ein himmliſcher Vatter iſt/ der uns im Himmel wil reich
und ſelig machen. Was heiſt denn/ dein Nam werde geheiliget? Antwort/ daß
wir ſeinen Namen ſollen ehren/ und ſchonen/ daß er nicht geſchendet werde.
Wie wird er denn geſchendet und entheiliget? Antwort/ wann wir ſeine Kinder
ſollen ſeyn/ uͤbel leben/ unrecht lehren und glauben/ und ſo fortan. Was Got-
tes Reich heiſſe/ wie es kompt? Was Gottes Will/ was taͤglich Brot ꝛc. heiſſe?
Alſo auch im Glauben. Was glaubſt du? Antwort/ ich glaube an Gott Vatter
durchaus/ darnach von Stuͤck zu Stuͤck/ wie es die Zeit gibt/ einer oder zwey auf
einmal. Alſo/ was heiſt/ an GOtt Vatter Allmaͤchtigen glauben? Antwort/
wann das Hertz ihm gantz vertrauet/ und ſich aller Gnaden/ Gunſt/ Huͤlff und
Troſt/ zu ihm gewißlich verſihet/ zeitlich und ewiglich. Was heiſt an JEſum
Chriſtum ſeinen Sohn glauben? Antwort/ wenn das Hertz glaubt/ daß wir
alle verlohren waͤren ewiglich/ wo Chriſtus nicht fuͤr uns geſtorben waͤre ꝛc. Al-
ſo auch in den zehen Gebotten muß man fragen/ was das erſt/ das ander/ das
dritte Gebott bedeute. Solche Fragen muß man nehmen/ aus dem unſern Bet-
buͤchlein/ da die drey Stuͤck kurtz ausgelegt ſind/ oder ſelbſt anders machen/ biß
man die gantze Summa deß Chriſtlichen Verſtands in zwey Stuͤck/ als in zwey
Saͤcklin faſſe/ im Hertzen/ welches ſind Glaube und Liebe. Et pag. 618. Du
ſolt den Sabbath oder Feyertag heiligen/ hie hoͤre auff die Wort/ was heiſt hei-
ligen? oder weihen? einen Tag/ Stund oder Wochen freylich nicht wie die Ju-
den/ und unſere tolle heilige Traͤumer gantz muͤſſig ſitzen und nichts thun/ ſon-
dern zum erſten etwas daran thun/ das da ein heilig Werck ſey/ das iſt/ daß
GOtt allein zuſtehet/ nemlich/ daß man vor allen Dingen Gottes Wort rein und
heilig predige/ nicht wie die Schrifftgelehrten und Phariſeer/ die Gottes Ge-
bott verfaͤlſchen und verkehren/ weil ſie auch ein Ochſen oder Viehe beſſer halten/
weder einen Menſchen. Dergleichen/ daß die andern Gottes Wort hoͤren und
lernen/ und dazu helffen/ daß es rein gepredigt und erhalten werde/ das iſt recht
Feyrtag gehalten/ und die Staͤdte oder Kirchen weihen/ oder heiligen/ wie wir
GOtt Lob/ dieſes Hauß einweihen. Ja das Predigampt iſt der Sprengel/ daran
wir
[633]Predigt.
wir alle zugleich ſollen greiffen/ uns und andere damit zu ſegnen/ und zu heili-
gen. Zum andern/ daß wir Gottes Wort/ ſo wir gehoͤret/ in unſere Hertzen
faſſen/ und uns alſo damit beſprengen/ daß es in uns Krafft und Frucht moͤge
bringen/ und wir uns oͤffentlich dazu bekennen/ und dabey lebendig und todt zu
bleiben gedencken. Zum dritten/ ſo wir Gottes Wort gehoͤret haben/ daß wir
auch ein gemein Weyhrauch oder Rauchwerck hinauff fuͤr Gott bringen/ nemlich/
daß wir miteinander ihn anruffen und beten/ welches wir wiſſen/ daß es ihme
angenehm und gefaͤllig iſt (ſonderlich in gemeiner Verſamlung) und daß wir
einmuͤthiglich auch darneben GOtt loben und dancken mit Freuden fuͤr alle ſeine
Wolthat/ zeitliche und ewige/ und alle Wunderwerck/ ſo er bey ſeiner Kirchen
thut/ und iſt alſo alles/ was da geſchiehet in ſolcher Samlung der gantzen Ge-
mein/ eitel heilig Goͤttlich Geſchaͤfft und Werck.
Luther. Catech. minor. p. 163. Wenn ſie den Text wol koͤnnen/ ſo
lehre ſie denn hernach auch den Verſtand/ daß ſie wiſſen/
was es geſagt ſey/ und nimm abermal fuͤr dich dieſe Tafeln-
weiſe/ oder ſonſt eine kurtze einige Weiſe/ welche du wilt/ und
bleibe dabey/ und verrucke ſie mit keiner Sylben nicht/
gleich wie vom Text geſagt iſt/ und nim̃ dir der Weile dazu.
Et pag. 176. Es ſoll aber an dem nicht genug ſeyn/ daß mans
allein den Worten nach faſſen und erzehlen koͤnne; ſondern
laſſe das junge Volck zur Predigt gehen/ ſonderlich auff die
Zeit/ ſo dem Catechiſmo geordnet/ daß ſie es hoͤren außlegen/
und verſtehen lernen/ was ein jeglich Stuͤck in ſich habe/ alſo
daß ſie es auch koͤnnen auffſagen/ wie ſie es gehoͤret haben/
und fein richtig antworten/ wenn man ſie fraget/ auff daß es
nicht ohne Nutz und Frucht geprediget werde. Denn dar-
umb thun wir den Fleiß/ den Catechiſmum offt fuͤrzupredi-
gen/ daß man ſolches in die Jugend blaͤue/ nicht hoch noch
ſcharff/ ſondern kurtz/ und auffs einfaͤltigſte/ daß es ihnen
wol eingehe/ und im Gedaͤchtnuͤß bleibe. 4. Illuſtrationem,das
Erklaͤren/ fuͤrmahlen/ erlaͤuteren und erleichteren/ genehm und
ſuͤß machen/ inſtilliren/ gleichwie die Kinder-Brey oder Butter mit Fin-
gern einſtreichen. Auf welche Art und Weiſe der Artickei von der perſoͤnli-
chen Vereinigung in Chriſto/ mit der Koͤnigl. Hochzeit verglichen wird/
Matt. 22. Der Artickel von der Rechtfertigung aus der Epiſt. an den Phi-
lemonem: das Geheimnuͤß deß Glaubens durch das Eſſen und Trincken/
Joh. 6. Schoͤne bibliſche Hiſtorien und derſelben Einbildung/ haben auch
ihren groſſen Nutzẽ/ verlaͤutern wol/ ich wil/ ſagt Aſſaph Pſ. 78/2. meinen
Mund auffthun/ zu Spruͤchen und alte Geſchicht außſpre-
chen. Wie Moſes das Geſetz außgelegt/ Deut. 1/5. daß es quille/ und
Achter Theil. L l l lklar
[634]Die zwantzigſte
klar werde/ klar und deutlich fuͤrgeſchrieben [...], hinc [...] puteus. Deut.
27/8. gleichſam mit groſſen Fractur-Buchſtaben/ daß man im Fuͤruͤber-
lauffen eigentlich leſen koͤnnen. Wie dergleichen Mahlerey dem Pro-
pheten Habacue befohlen geweßt/ Hab. 2/2. Luth. in h. l. Tom. 5. Witt.
p. 349. f. 2. Daß er eine Taffel nimbt/ und ſchreibt darauff
mit deutlichen groben Buchſtaben eben dieſelbigen Wort/
wie die Weiſſagung von Chriſto ſollen gewiß ſeyn/ und kom-
men ungehindert durch den Koͤnig von Babylon/ ob er gleich
Jeruſalem zu Aſchen mache/ und das Volck wegfuͤhre aus
dem Lande/ dieſelbe Taffel hat muͤſſen haͤngen an einem of-
fentlichen Ort/ als am Tempel/ oder auff dem Marckt/ daß
ſie jederman hat koͤnnen ſehen und leſen.
Sonderlich ziehlen zu ſolchem Ende die Bilder/ nemlich das Cru-
cifix/ welches den Galatern fuͤr Augen gemahlt worden/ das Bild deß
Hirten/ der das verlohrne Schaaf auf ſeinen Achſeln zur Herde getragen/
ſo an den Kelchen gepraͤget war/ wie Tertullianus bezeuget/ uñ hat dañen-
hero Greg. M. l. 9. ep. 9. nicht ungereimt geſchrieben/ quod legentibus
ſcriptura, hocIdiotis cernentibus præſtat pictura, was denen/ die leſen
koͤnnen/ die Schrifft nutzet/ das nutzet den Einfaͤltigen das Gemaͤhlde/ veꝛſte-
he alles von dem Hiſtoriſchen Glauben. Wol thaͤte allhie die Chriſtliche
Weimariſche Bilder-Schul/ wann ſie recht practicirt werden moͤchte.
Deßgleichen haben dieſen Zweck auch fuͤr ſich die Parabeln und Gleich-
nuͤſſe/ die Chriſto ſelbſt gar gemein geweſen. Salomon ſagt Prov. 22/20.
Hab ich dir nicht den Grund der Warheit gezeiget und fuͤrge-
ſchrieben mannigfaͤltig mit Rathen und Lehren/ auff daß du
recht antworten koͤnneſt denen/ die dich ſenden. Jch/ ſagt er/
vermittelſt meiner von GOtt beſchehrten Weißheit/ als eine Coheleth und
Predigerin/ ja ich ſelbſt als Hofprediger in meinem eigenen Koͤn. Hauß ha-
be meinem Hofgeſind/ ja dem gantzen Volck Eccl. 12, 9. gezeiget und
fuͤrgeſchrieben den Weg zur Warheit/ die Fundamenta und
Gruͤnde der Goͤttl. Warheit/ den Catechiſmum der Hebreer/ als eine
Grundfeſte/ darauf du deinen Glauben/ Him̃el und Seligkeit bauen kanſt/
und daſſelbe mit Rathen und Lehꝛen mañigfaltig/ſchaliſchim me-
ſchalim, in Koͤnigl. Spruͤchwoͤrtern/ in 300. Spruͤchen/ in 105. Liedern
fuͤrgetragen/1. Reg. 4/32. Sondern auch auf dreyerley Art und Weiſe/
muͤndlich/ von Mund zu Ohren/ ſchrifftlich der memori- und poſteritaͤt zu
bleiben/ und dann auch bildlich/ in meſchalim in Fuͤrſtlichen Sinnen und
Spruͤchwoͤrtern/ mit anmuthigen/ Lehrhafften Figuren/ Raͤtzel/ Gleich-
nuͤſſen
[635]Predigt.
nuͤſſen und Bildern. Jm Hohenlied die geiſtliche Vermaͤhlung Meſſiaͤ
mit ſeiner Sulamith/ kan wol ein Meiſterſtuͤck genennet werden. Alles
zu dem Ende/ auff daß du recht ſatt/ gruͤndlich/ kluͤglich und beſcheident-
lich im Examine auff der Prob wol beſtuͤndeſt/ Rede und Antwort
geben koͤnneſt/ dem der dich beſendet und zu Rede ſtellen moͤchte.
Dazu auch leichte und vernehmliche Conſequentzen dienen moͤchten/
wie e. g. Lutherus aus dem Wort Petri/ die Tauffe macht uns
ſelid/ ſchleußt ſeine Außlegung auff die Frage: Was wuͤrcket die
Tauffe? Sie wuͤrcket ꝛc. Dann diß alles (ſagt Luther. Tom. 4.
Witt. p. 352.) gibt die Folge dieſes Worts/ denn ſol der Menſch
ſelig werden/ ſo muß das zuvor gehen/ daß er von Suͤnden
rein und gerecht werde/ ſintemal niemand wird ſelig/ denn
wer zuvor gerecht und heilig iſt. Jtem/ ſoll er ſelig werden/ ſo
muß er auch vom Todt erloͤſt und das Leben haben. Dazu
fuͤr der Hoͤlle und Verdamnuͤß geſichert/ und endlich aller-
ley Jammer/ Ungluͤck und Betruͤbnuͤß/ Furcht und Schre-
cken weggenommen/ und zum ewigen Friede und Freude ge-
bracht werden.
Durch 5. Demonſtrationem,den Beweiß aus der H. Schrifft/ in
gewiſſe und außerleſene/ klare und kurtze Kern- und Machtſpruͤche zuſam-
men getragen/ denen auch außerleſene Pſalmen zugefuͤgt werden moͤgen;
Es ſol der Schulmeiſter (ita Luth. Tom. 7. Jen. pag. 22.) den Kna-
ben etliche leichte Pſalmen fuͤrgeben/ auſſen zu lernen/ in
welchen begriffen iſt eine Summa eines Chriſtlichen Lebens/
als der von Gottesfurcht/ vom Glauben/ und von guten
Wercken lehren/ als der 112. Pſalm. Wol dem der GOTT
fuͤrchtet. ꝛc.
6. Durch die Anzeig deß Unterſcheids unter der Schaf- und Wolffs-
Milch. Keine Religion iſt ſo ſchlimm/ ſie hat ihren Catechiſmum. Jm
Pabſtthumb iſt beruͤhmet Catechiſmus Rom. und opus Catechiſticum
Caniſii: bey den Reformirten der Heydelbergiſche Catechiſmus: Die
Photinianer haben Oſtorodi Unterrichtung: Jſt aber keine lautere
Milch/ ſondern Milch mit Gifft vermiſcht/ wie Irenæus die falſche LehreIren. l. 3.
19.
vergleicht/ iſt mit ungeſundem Waſſer/ Menſchen-Lehre und Menſchen-
Tand vermengt: Es iſt (wie man pflegt zu ſagen) Marckt-Milch/ es
ſeynd die καπηλέυοντες τὸν λόγον του̃ Θεου̃, die boͤſen Marckethaͤnder dahin-
der geweſen/ die das Wort Gottes verfaͤlſcht/ Summa/ der Todt iſt in den
Haͤfen/ da gehoͤret ein getreuer und erfahrner Scheidemann zu/ der recht
L l l l 2gruͤnd-
[636]Die zwantzigſte
gruͤndlich aus H. Schrifft/ Gifft und Milch unterſcheide/ auff daß ja
maͤnniglich/ nach der Apoſtoliſchen Vermahnung/ gierig ſey/ nicht nach
der ſuͤſſen Wolluſt-Milch/ wie Siſſera/ der das Leben druͤber eingebuͤſſet/
davon der boͤſe Gewiſſens-Wurm nicht ertoͤdtet/ ſondern geaͤtzet wird;
Sondern nach dieſer vernuͤnfftigen und lautern Milch/ der bewaͤrtheſten
und geſundeſten Speiſe/ unſerer armen Seelen/ wie Petrus vermahnet.
7. Κατήχησιν, Explorationem, Examen, das Verhoͤren/ auff- und
vorſagen/ wiederholen/ forſchen deß Grunds der Hoffnung/ deſſen/ was
außgeſogen/ dargebotten/ eroͤffnet/ erklaͤrt/ erlaͤutert/ erleichtert und un-
terſchieden worden.
Und daſſelbe durch muͤndliche Frage und Antwort/ von Mund zu Mund/
biſt du ein Chriſt? Ja HErr/ ich bin ein Chriſt/ ꝛc. Solcher maſ-
ſen hat Chriſtus ſelbſt unterſchiedliche mal dergleichen Fragen fuͤrgelegt/
Leſen richt nicht ſo viel aus/ als hoͤren/ vide Luther. tom. 8. Witt. p. 566.
und dero Beantwortung erfordert/ Matth. 22/41. 42. 43. Da die Pha-
riſeer bey einander waren/ fragt ſie JEſus und ſprach: Wie
duncket euch umb Chriſto? Weß Sohn iſt er? Sie ſprachen:
Davids. Er ſprach zu ihnen/ wie nennet ihn denn David
im Geiſt einen HErrn? Joh. 11/26. 27. Wer lebet und glaubet
an mich/ der wird nimmermehr ſterben. Glaubſt du das?
Martha ſpricht zu ihm: HErr/ ja ich glaube/ daß du biſt Chri-
ſtus der Sohn Gottes/ der in die Welt kommen iſt. Alſo auch
hie ſind unverbotten die ſonderbahre Lehrkuͤnſte/ und erlaubte/ lehrhaffte/
nuͤtzliche/ wolgemeinte Verfuͤhrungen/ die Wort zu verwechſeln/ die Fra-
gen vermehren/ der Antwort Jnſtantz entgegen ſetzen/ εναντιοϕανείας fin-
giren/ e. g. du ſolt keine andere Goͤtter neben mir haben: Sagt doch Pau-
lus 1. Cor. 8/5. Es ſeyen viel/ die Goͤtter genennet werden/ es
ſey im Himmel/ oder auff Erden/ (ſintemal es ſeynd viel
Goͤtter und viel Herren.) Wie wilt du diß zuſammen reimen?
Daß aber ſolches Catechetiſches Lehr-Ampt den Juͤngern Chriſti/
ſampt dero Succeſſorn in unſerm Text ernſtlich anbefohlen/ daſſelbe er-
hellet theils aus dem klaren Buchſtaben/ aus dem Exempel der Juͤnger
Chriſti/ aus der Nothwendigkeit deß Zwecks/ warum ſie außgeſendet wor-
den/ der Buchſtaben iſt hell und klar: Lehret alle Voͤlcker und Crea-
turen/
[637]Predigt.
turen/ unter welchen freylich auch die einfaͤltige und albere/ die Kinder
und zarte Jugend gehoͤren/ lehret ſie halten/ alles was ich euch be-
Vid. Comment. Luth. in hæc verba, Deut. 6. tom. 1. Isleb. p. 516. \& ſeqq.
fohlen habe/ unter ſolchen befohlenen Lehren iſt freylich auch der kleine
Catechiſmus nicht der geringſte. Deut. 6/6. 7. 8. 9. Dieſe Wort/ die ich
dir heute gebiete/ ſolt du zu Hertzen nehmen/ und ſolt ſie dei-
nen Kindern ſchaͤrffen/ und davon reden/ wenn du in deinem
Hauſe ſitz eſt/ oder auff dem Wege geheſt/ wenn du dich ni-
derlegeſt/ oder auffſteheſt/ und ſolt ſie binden zum Zeichen auf
deine Hand/ und ſollen dir ein Denckmahl fuͤr deinen Augen
ſeyn/ und ſolt ſie uͤber deines Hauſes Pfoſten ſchreiben/ und
an die Thore. Die Exempla ſchweben uns aus der Evangeliſchen
Hiſtori fur Augen/ der Juͤnger ſelbſt/ die es ſolcher Maſſen verſtanden/
und den Befehl gewuͤrcket. St. Lucas ſtimmt ſeine Evangeliſche Hiſtori
an mit Erinnerung deß Catechiſmi/ und ſchreibt/ er habe es fuͤr gut
angeſehen/ ſeine Hiſtori zu ſchreiben/ auff daß ſein L. Theo-
philus ein gewiſſen Grund erfahren moͤge deꝛ (Catechiſmus)
Lehre/ welche er unterrichtet worden/ περὶ ὧν κατηχήθης λόγων,
deßgleichen berichtet er auch von dem Gottsgelehrten und erbaren Ju-
den Apollo/ Act. 18/25/ er ſey anfangs im Catechiſmo unterwieſen wor-
den/ ἦ κατηχημένος. St. Paulus deutet hierauff Gal. 6/6. Der un-
terrichtet wird/ mit dem Wort/ der theile mit allerley guts/
dem der ihn unterrichtet/ da im Griechiſchen Text die Unterrichtung
im Catechiſmo verſtanden wird. Er ſelbſt St. Paulus ſagt 1. Cor. 3/2.
Milch habe ich euch zu trincken gegeben/ und nicht Speiſe/
dann ihr kontet noch nicht/ auch koͤnt ihr jetzt noch nicht/ die-
weil ihr noch fleiſchlich ſeyd. Die from̃men Chriſten unterhiel-
ten mit Zuſammenſchlieſſung gemeines Unkoſtens/ ihre Catechetas und
lehrhaffte Maͤnner/ die den Catechiſmum zu lehren maͤchtig geweſt. Nach
der Apoſtel Zeit/ uͤbernimmt Origenes in der Kirche zu Alexandria das
Ampt eines Catechiſmus-Lehrers. Allermaſſen wie auch vor ihm ſein
Præceptor Clemens Alexandrinus gethan/ als Hieron. bezeugt/ darum
er auch ſchreibt/ es ſeyen die jenige Lehrer/ die den Catechiſmum gelehrt/
Vaͤter der Chriſtlichen Kirchen genennet worden. Cyrilli Catecheſes
(ob wol unter den Gelehrten von deroſelben Auctore nicht geringer
Streit entſtanden/ der aber hieher nicht gehoͤrig) ſind bekannt/ in welchen
er/ wie ſeine eigene Wort lauten/ εν ὀλίγοις τοῖς ςίχοις in wenig Zeilen die
L l l l 3Summ
[638]Die zwantzigſte
Summ der Chriſtlichen Lehre zuſammen getragen ſind. Auguſtini En-
chiridion, und die vier Buͤcher/ die er von der Chriſtlichen Lehre laſſen
außgehen/ wie auch Damaſceni Orthodoxa fides, ſollen wir mit Still-
ſchweigen nicht uͤbergehen. Und hat alſo gewaͤhret in der Chriſtlichen
Kirchen/ biß ſich der Pabſt in den Tempel Gottes geſetzt/ und an ſtatt deß
Worts Gottes die Lombardica ſententiatia und Schul-Theologia zu
Kraͤfften kommen/ dadurch der liebe Catechiſmus verdunckelt/ veracht/
unterlaſſen; daruͤber Joh. Gerſon Cantzler am Koͤniglichen Hof zu
Paͤris nicht allein wehmuͤthig klagt; ſondern auch zu deſſen Auffrichtung
ſelbſt mit Hand anzulegen/ nicht nur unterlaſſen/ ſondern dem
neugebohrnen Kindlein/ den armen Layen die Bruͤſte der H. Schrifft ver-
ſchloſſen/ verkleidet/ und verſchmieret/ und unterdeß der Babyloniſchen
Damen Gifft-Milch zu ſaugen dargereicht worden.
Luth. Tom. 2. Isleb. pag. 430. Ob wol der Antichriſt zu Rom/ und der
Teuffel darzu/ alles was Goͤttlich iſt/ in der Kirchen ſchaͤndlich zerriſſen und ver-
kehrt/ ſo hat doch GOtt unter ſeinem verfluchten Regiment die H. Schrifft (wie-
wol verfinſtert und verblendet) wunderlich erhalten/ und biß auff unſere Zeit
gebracht. Alſo hat er auch den Text deß Evangelii erhalten/ daß er alle Sonn-
tag dem Volck von der Cantzel iſt fuͤrgeleſen/ aber ohne Verſtand. Alſo ſind
auch nach den Worten hin/ die zehen Gebot/ der Glaub/ das Vater unſer/
die Tauffe/ die eine Geſtalt deß Sacraments in der Kirchen blieben unter ſeinem
teufe-
[639]Predigt.
teufeliſchen Regiment/ und hat ihm GOtt dennoch gewehret/ daß er nicht alles
hat mit ſeinen Fuͤſſen zertretten und zerſtoͤret/ daß GOtt die ſeinen dadurch noch
erhalten hat/ wie ſolches alles gantz verdunckelt/ und der rechte Verſtand ver-
borgen. Dem Vater aller Barmhertzigkeit ſey Danck/ der uns die Bruͤſte hei-
liger Schrifft durch ſeinen außerwehlten Werckzeug Lutherum wiederumb ge-
ſaͤubert/ gereicht/ und die reine lautere Catechiſmus-Milch zur Erquickung un-
ſerer Seelen aus Gottes Wort traͤuffen und fuͤrtragen laſſen/ welchen Schatz
der liebe GOtt auff die arme poſteritaͤt unverſehrt und unverkehrt gnaͤdiglich
bewahren wolle.
Wann dann abermal die Apoſtel/ und dero angefangene junge Milch-
und Mutter-Kirche zu einem Exemplar fuͤrgeſtellet iſt/1. Cor. 4/16. Jch
ermahne euch/ ſeyd meine Nachfolger/ cap. 11/1. Seyd meine
Nachfolger/ gleich wie ich Chriſti. Haben ſolche hohe Lehrer und
groſſe Liechter ſich nicht geſchaͤmet/ ſo tieff ſich herab zu laſſen/ zu der Cate-
chetiſchen Unterweiſung der Einfaͤltigen/ warumb ſolten wir uns ver-
drieſſen laſſen/ dergleichen nachzuahnen/ den obaußgefuͤhrten Methodum
zu uͤben/ ſich nicht contentiren mit der bloſen Wort-Auſſag/
Luth. Tom. 2. Isleb. pag. 298. Gleichwie die Muͤnche und Nonnen den
Pſalter leſen und außwendig treffen/ aber in Todes-Noͤthen wenn man ſterben
ſoll/ dann konnen Muͤnche/ Nonnen und Pfaffen im Pſalter nicht einen Buch-
ſtaben/ damit ſie ſich troͤſten koͤnnen.
ſondern auch auff den Verſtand der Wort treiben und tringen/
Luth. Tom. 7. Witt. pag. 401. Es laſſe ſich niemand zu klug duͤncken/ und
verachten ſolche Kinderſpiel/ Chriſtus/ da er Menſchen ziehen wolte/ muſte er
Menſch werden/ ſollen wir Kinder ziehen/ ſo muͤſſen wir auch Kinder mit ihnen
werden/ wolt GOtt/ daß ſolch Kinderſpiel wol getrieben wuͤrde/ man ſolt in kur-
tzer Zeit groſſen Schatz von Chriſtlichen Leuten ſehen/ und daß reiche Seelen in
der Schrifft und Erkaͤnntnuͤß Gottes wuͤrden/ biß daß ſie ſelbſt dieſer Beutlin/
als Locos communes mehr machten/ und die gantze Schrifft darein faſſeten/ ſonſt
gehets taͤglich zur Predigt/ und gehet wieder darvon/ wie es hinzu gangen iſt.
Denn man meinet/ es gelte nichts mehr/ denn die Zeit zu hoͤren/ gedenckt nie-
mand etwas darvon zu lernen oder behalten. Alſo hoͤret manches Menſch drey/
vier Jahr predigen/ und lernet doch nicht/ daß es auf ein Stuͤck deß Glaubens koͤn-
te antworten/ wie ich taͤglich wol erfahre. Es ſtehet in Buͤchern gnug geſchrie-
ben/ ja es iſt aber noch nicht alles in die Hertzen getrieben.
weil ſolch Lehr-Ampt ein vaͤterliches Ampt iſt/ Gen. 18/19. Denn ichGen. 18, 19.
weiß/ er wird befehlen ſeinen Kindern/ und ſeinem Hauſe
nach ihm/ daß ſie deß HErrn Wege halten/ und thun was
recht und gut iſt. So gibts hie kein Excipe, wer in der Schrifft den Va-
ters-
[640]Die zwantzigſte
ters-Namen hat und traͤgt/ der iſt auch verpflicht allen ſeinen angehoͤri-
gen ſo gethane vaͤterliche Lehr-Treu zu beweiſen. Darumb/ ſpricht
D. Luther in der Vorrede uͤber den Catechiſmum pag. 172. auch ein
jeglicher Hauß-Vater ſchuldig iſt/ daß er zum wenigſten die
Wochen einmal ſeine Kinder und Geſinde umbfrage und
verhoͤre/ was ſie davon wiſſen/ oder lernen/ und wo ſie es
nicht koͤnnen/ mit Ernſt dazu hielte. Denn ich dencke wol
der Zeit/ ja es begibt ſich noch taͤglich/ daß man grobe/ alte/
betagte Leute findet/ die hievor gar nichts gewuſt haben/ oder
noch wiſſen/ gehen doch gleich wol zur Tauffe und Sacra-
ment/ und brauchen alles/ was die Chriſten haben: So
doch die zum Sacrament gehen/ billich mehr wiſſen/ und
voͤlligern Verſtand aller Chriſtlichen Lehre haben ſolten/
denn die Kinder und Neu-Schuͤler. Es haben ſich zu ſolchem
Gottſeligen Werck nicht nur Prieſter und Leviten/ ſondern auch Koͤnige
und Fuͤrſten brauchen laſſen/ wie aus der jenigen Kirchen. Viſitation und
Catechiſmus-Examine, welches Koͤnig Joſaphat angeſtellt/ zu erſehen/
2. Chron.
17, 8. 9.2. Chron. 17/7. 8. 9. Jm dritten Jahr ſeines Koͤnigreichs ſand-
te er ſeine Fuͤrſten/ Benhail/ Obadja/ Sacharja/ Netha-
neel/ und Michaja/ daß ſie lehren ſolten in den Staͤdten Ju-
da/ und mit ihnen die Leviten/ Semarja/ Nethanja/ Seba-
dja/ Aſael/ Semiramoth/ Jonathan/ Adonja/ Tobia/ und
Tob Adonia/ und mit ihnen die Prieſter/ Eliſama und Jo-
ram/ und ſie lehreten in Juda/ und hatten das Geſetz-Buch
deß HERRN mit ſich/ und zogen umbher in allen Staͤdten
Juda/ und lehreten das Volck. Dergleichen Viſitation im Anfang
der Reformation, durch Lutheri Anweiſung/ in Chur-Sachſen fuͤrge-
gangen/
Wovon Matheſius in vita Lutheri pag. 56. ſchreibt. Doctor Luther ließ
ſich auch ſelber neben viel andern groſſen Leuten vom Adel und Gelehrten zu ſol-
chem heilſamen und Biſchofflichen Werck gebrauchen/ und verhoͤrt die armen
Baͤurlin im Beten/ und befragt ſie im Catechiſmo fein ſauberlich/ und mit Ge-
dult/ und unterrichtet ſie/ deß ich von ihme eine liebliche Hiſtoriam gehoͤret/ denn
da ein armes Saͤchſiſch Baͤurlein auff ſeine Sprach den Kinder-Glauben ſolt
auffſagen/ und ſpricht: Jck gloue in Gat Allmaͤchteigen/ fraget Doetor/ was
Allmaͤchteigen heiſſet/ der gute Mann antwortet: Jck wet nich. Ja mein
Mann/ ſpricht Doctor/ Jch und alle Gelehrten wiſſens auch nicht/ was Got-
tes Krafft und Allmaͤchtigkeit iſt/ glaub aber du in Einfalt/ daß Gott dein lieber
und treuer Vater iſt/ der wil/ kan und weiß/ als der kluͤgeſte HERR dir/ dein
Weib/ und Kindern in allen Noͤthen zu helffen. Q. d. ſufficit tibi definitio nomi-
nalis,
[641]Predigt.
nalis, daß es heiſt/ ob du gleich nicht weiſt/ was Gottes Krafft und Allmacht
iſt und heiſſet.
Es ligt auch viel an guten Schulen und tuͤchtigen Schulmeiſtern/ daß
dieſelbe wol beſtellt/ ſalarirt und angeordnet werden/ und nicht ſolche/ die
die Gabe zu lehren nicht haben/ und ſo geſchickt dazu ſind/ als eine Kuh
zum Jagt-Hund.
Lutheri denckwuͤrdige Inſtruction, wie die Jugend in den Schulen zu un-
terweiſen/ und alle Ding leicht koͤnnen gemacht werden/ iſt zu befinden Tom. 6.
Witt. pag. 341. f. 2. Ja ſprichſt du/ ein jeglicher mag ſeine Soͤhne und Toͤchter wol
ſelber lehren und ziehen mit Zucht/ Antwort/ Ja man ſihet wol/ wie ſichs lehret
und zeucht/ und wenn die Zucht auffs hoͤchſt getrieben wird und wol geraͤth/ ſo
kompts nicht ferner/ denn daß wenig ein eingezwungen und ehrbar Geberde da
iſt/ ſonſt bleibens gleichwol eitel Holtz-Boͤcke/ die weder hiervon noch darvon
wiſſen zu ſagen/ niemand weder rathen noch helffen koͤnnen; Wo man ſie aber
lehrete und zoͤge in den Schulen oder ſonſt/ da gelehrte und zuͤchtige Meiſter und
Meiſterin waͤren/ die da die Sprachen und andere Kuͤnſten und Hiſtorien lehre-
ten/ da wuͤrden ſie hoͤren die Geſchichte und Spruͤche aller Welt/ wie es dieſer
Stadt/ dieſem Reich/ dieſem Fuͤrſten/ dieſem Mann/ dieſem Weibe gangen waͤ-
re/ und koͤnten alſo in kurtzer Zeit gleich der gantzen Welt von Anbegin Weſen/ Le-
ben/ Rath und Anſchlaͤge/ gelingen und ungelingen fuͤr ſich faſſen/ wie in einem
Spiegel/ daraus ſie dann ihren Sinn ſchicken/ und ſich in der Welt Lauff richten
koͤnten mit Gottesfurcht/ darzu witzig und klug werden aus denſelben Hiſtorien/
was zu ſuchen und zu meiden waͤre in dieſem aͤuſſerlichen Leben/ und andern auch
darnach rathen und regieren. Die Zucht aber/ die man daheim ohne ſolche Schu-
len fuͤrnimmt/ die wil uns weiſe machen durch eigene Erfahrung/ ehe das ge-
ſchicht/ ſo ſind wir hundertmal todt/ und haben unſer Lebenlang alles unbedaͤcht-
lich gehandelt/ denn zu eigener Erfahrung gehoͤrt viel Zeit/ weil denn das junge
Volck muß lecken und ſpringen/ oder je was zu ſchaffen haben/ da es Luſt innen
hat/ und ihm darin nicht zu wehren iſt/ auch nicht gut waͤre/ daß man alles weh-
ret. Warumb ſolt man ihm dann nicht ſolche Schulen zurichten/ und ſolche
Kunſt fuͤrlegen? Sintemal es jetzt von Gottes Gnaden alles alſo zugericht iſt/
daß die Kinder mit Luſt und Spielen lernen koͤnnen/ es ſeyen Sprachen oder an-
der Kuͤnſt und Hiſtorien. Vnd iſt jetzt mehr die Hoͤlle und das Feg-Feuer unſer
Schulen/ da wir eingemartert ſind/ uͤber den Caſualibus und temporalibus, da
wir doch nichts/ denn eitel nichts gelernet haben/ durch ſo viel Staͤupen/ Zittern/
Angſt und Jammer. Nimmt man ſo viel Zeit und Muͤhe/ daß man die Kinder
Spielen auff Karten/ Singen und Tantzen lehret/ warumb nimmt man nicht
auch ſo viel Zeit/ daß man ſie Leſen und ander Kuͤnſt lehret/ weil ſie jung und muͤſ-
ſig/ geſchickt und luſtig darzu ſind. Jch rede fuͤr mich/ wann ich Kinder haͤtte/
und vermoͤchts/ ſie muͤſten mir nicht allein die Sprachen und Hiſtorien hoͤren/
ſondern auch ſingen und die Muſica mit der gantzen Mathematica lernen. Deñ
was iſt diß alles/ denn eitel Kinder-Spiel? darinnen die Griechen vor dieſem
ihre Kinder erzogen/ dadurch doch wundergeſchlckte [...] aus worden/ zu al-
lerley hernach tuͤchtig. So ſprichſt du/ Ja wer kan ſeine Kinder ſo entbehren/ und
alle zu Junckern ziehen? Sie muͤſſen im Hauſe der Arbeit warten? ꝛc. Antwort:
Jſts doch auch nicht meine Meynung/ daß man ſolche Schulen anrichte/ wie ſie
Achter Theil. M m m mbiß-
[642]Die zwantzigſte
bißher geweſen ſind/ da ein Knab zwantzig/ dreyſſig Jahr hat uͤber dem Donat
und Alexander gelernt/ und dennoch nichts gelernt. Es iſt jetzt ein ander Welt/
und gehet anders zu/ meine Meynung iſt/ daß man die Knaben des Tags eine
Stund oder zwo laſſe zu ſolcher Schule gehen/ und nichts deſto weniger die ander
Zeit im Hauſe ſchaffen/ ein Handwerck lernen/ und wozu man ſie haben wil/
daß beydes miteinander gehe/ weil das Volck jung iſt/ und gewarten kan/ brin-
gen ſie doch ſonſt wol zehenmal ſo viel Zeit zu/ mit Keuchlichen ſchieſſen/ Ball-
ſpielen/ Lauffen und Ramlen. Alſo kan ein Maͤgdlein ja ſo viel Zeit haben/ daß
deß Tages ein Stund zur Schule gehe/ und dennoch ſeines Geſchaͤffts im Hauſe
wol warte/ verſchlaͤffts und vertantzts/ und verſpielts doch wol mehr Zeit/ es
fehlet allein daran/ daß man nicht Luſt noch Ernſt darzu hat/ das junge Volck
ziehen/ noch der Welt helffen und rathen mit feinen Leuten. Der Teuffel hat viel
lieber grobe Bloͤch und unnuͤtze Leut/ daß den Menſchen ja nicht zu wohl gehe auf
Erden. Welche aber der Außbund drunt er waͤre/ der man ſich verhofft/ daß ge-
ſchickte Leute ſollen werden zu Lehteren und Lehrerin/ zu Predigern und andern
geiſtlichen Aemptern/ die ſoll man deſto mehr und laͤnger dabey laſſen/ oder gantz
daſelbſt zu verordnen/ wie wir leſen von den H. Maͤrtern/ die St. Agnes und
Agatha/ Lucia und dergleichen auffzogen/ daher auch die Kloͤſter und Stiffte
kommen ſind/ aber nun gar in ein andern verdammten Brauch verkehrt.
Chriſtliche Obrigkeit tragen nicht vergebens den Namen der Saͤug-
Ammen/ die Koͤnige ſollen deiner (O Zion) pflegen/ und ihre
Fuͤrſten deine Saͤug-Ammen ſeyn. Eſa. 49/23. Gleichwie Ther-
muth/ die Koͤnigliche Tochter Pharao ſich deß armen Moſis-Kind er-
barmet/ und auff ihre Koſten denſelben ſaͤugen laſſen: Alſo ſollen auch die
Vid. part. 3.
Lact. Cat.
p. 162. con-
fer ibid.
p. 167.Regenten ſich der Einfalt und Jugend annehmen/ ihnen gute geſunde/
heilſame Milch verſchaffen/ und deßwegen unter Milch und gifftigen
Arſenico, unter Schaaf- und Wolffs-Milch/ ehrliche Mutter und Hu-
ren-Milch unterſcheiden. Zu wuͤnſchen waͤre es/ daß auch in den Schu-
len oder Kinder-Lehren/ wann der Catechiſmus außgelernt/ das ſehr lehr-
reiche Betbuͤchlein Lutheri/ befindlich in dem 6. Wittenb. Theil p. 108.
(ſo abſonderlich koͤnte gedruckt werden/ und der Muͤhe wol werth ſeyn/) der
Jugend zu lernen fuͤrgelegt wuͤrde/ daraus ſie den einfaͤltigen Verſtand
deß Catechiſmi genugſam fuͤr ihr Alter begreiffen koͤnten.
Darumb dann auch im Gegentheil alle Chriſten-Kinder und Schuͤ-
ler ſolcher vaͤterlichen Treu und Sorgfalt ſich gehorſamlich zu fuͤgen und
gefliſſen zu ſeyn/ hoͤchſt verbunden. Soll die Mutter ſaͤugen/ ſo muß das
Kind gierig ſeyn/ nach der lautern Milch/ als welche den Kindern ſo hertz-
lich wol und beſſer als den Erlebten die niedlichſte Speiſe ſchmecket/ zu
trincken/ zu ſich zu nehmen/ und dem Gedaͤchtnuͤß beyzulegen/ in Safft
und Blut zu verwandeln/ und alſo mit Maria der Schweſter Lazari den
beſten
[643]Predigt.
beſten Theil erwehlen. Es heiſt zwar der Catechi[ſ]mus eine Kinder-Lehre/
tehet aber auch den alten Knaben von hundert Jahren wol an/ deren viel
ihnen die Ignorantz und Unwiſſenheit in die grauen Haare wachſen laſ-
ſen/ gleich jenem Knaben/ der in die Schule geſchickt worden/ und der
Schulmeiſter ihn heiſt nachſprechen Abc/ das wolt er nicht thun: War-
umb nicht? ſagt der Schulmeiſter. Nolo dicere, ne cogar diſcere, ey wañ
ich nachſpreche/ ſo muͤßt ichs lernen und weiter fortfahren. Da ſolte das
Sprichwort gelten: Sapientem nutu \& ſtultum fuſte! Werden ſie ſich
nicht umbkehren wie die Kinder/ ſo werden ſie das Himmelreich nicht er-
langen/ Luth. T. 7. Witt. p. 161. Geſchichts nicht; ſo wird eine Brutalitaͤt
daraus/ und gantz wildes/ barbariſches/ beſtialiſches/ luderthummiſch Le-
ben/ und was Lutherus zu ſeiner Zeit geklagt/ iſt noch heutiges Tages zu
beklagen und zu beſeufftzen. Dieſen Catechiſmum (ſchreibt er in
ſeiner Vorrede uͤber den kleinen Catechiſmum pag. 163.) oder Chriſtli-
che Lehre/ in ſolche kleine/ ſchlechte/ einfaͤltige Form zu ſtel-
len/ hat mich gezwungen und gedrungen die klaͤgliche/ elen-
de Noth/ ſo ich neulich erfahren habe/ da ich auch einViſitator
war. Hilff lieber GOtt/ wie manchen Jammer habe ich ge-
ſehen/ daß der gemeine Mann doch ſo gar nichts weiß von
der Chriſtlichen Lehre/ ſonderlich auff den Doͤrffern/ und lei-
der viel Pfarrern faſt ungeſchickt/ und untuͤchtig ſind zu leh-
ren/ und ſollen doch alle Chriſten heiſſen/ getaufft ſeyn/ und
der H. Sacramenten genieſſen/ koͤnnen weder Vater un-
ſer/ noch Glauben/ noch zehen Gebot/ leben dahin wie das
liebe Vieh/ und unvernuͤnfftige Saͤue. Endlich ſoll auch der
Catechiſmus-Schuͤler das Didactron und Lehrgeld nicht vergeſſen/ ſon-
dern nachkommen der Vermahnung St. Pauli/ Gal. 6/6. Der da un-Gal. 6.
terrichtet wird/ der theile mit allerley Guts/ dem der ihn un-
terrichtet. Davon aber zu andern Zeiten Bericht geſchehen. Gnugv. Part. 3.
Lact. Cat.
conc. 5.
p. 109.
fuͤr dißmal: Der allerhoͤchſte GOTT gebe zu dieſem ſeine Gnade
und Segen/ Amen!
GEliebte in Chriſto. Jch bin wie ein Vollmond/
ſchreibt Syrach Cap. 40/1. ὡς διχομηνία, ſtehet im
Griechiſchen Text/ auff Teutſch/ wie der halbe und noch
wachſende Mond. Der Lateiniſch Dolmetſch hatte fuͤr
μηνία, μανἰα geleſen/ furore reple us ſum,ich bin
mit groſſer hitziger Begierde erfuͤllet zu reden/
Dietenberg.ich bin erfůllet mit ſtarckem Eiffer/Bibl. Mogunt.
Aus welchen ungleichen Dolmetſchungen zweyerley Verſtand dieſer
Wort entſtanden/ beyde der Glaubens-Regul gemaͤß. Dann entweder
redet Syrach aſſertivè, und gibt ſich/ ohne uͤppigen Ruhm zu melden/ fuͤr
ein Vollmond aus/ der mit vollem Liecht die Oerter in der Nacht beleuch-
tet/ ſo bekennt er doch in Demuth die Dependentz von einem hoͤhern Liecht/
gleichwie der Mond ſeinen Glantz und Schein von der Sonnen ſchoͤpfft;
alſo habe er auch ſeine Weißheit nicht von ſich ſelbſt/ ſondern von dem
Vater deß Liechts/ von dem alle gute und vollkommene Gaben kommen/
empfangen/ und ſagt eben das/ was er von Simon/ Onia Sohn/ dem
Vid. Mattheſ. ad hunc loc.
Das iſt volles Liechts/ oder wie in der Apoſtel-Geſchicht von Stephano
ſtehet/ voller empfangener Gnad und Geiſtes/ voller Gaben/ der ich mein Liecht
nehme und empfahe von der Sonne/ und bin ein Mond/ wie auch der 8. Pſalm
von den Lehrern ſagt/ oder ich bin ein Lux mundi, ein Liecht der Welt/ wie man
die Lehrer genennet hat/ und Saͤulen der Kirchen. Wie D. Hieronymus Schurff
den Herrn Melanchthonem illuſtrem, den Erleuchteten genennet hat. Dieſes iſt
nun gar eine herrliche Beſchreibung eines Chriſtlichen und Gottfoͤrchtigen Leh-
rers/ derſelbig iſt wie der Mond/ oder ein Planet und irrender Stern/ aber
noch gar dunckel und duͤſter/ wo er nicht Chriſtum anſiehet/ oder von ihm Strah-
len bekompt und erleuchtet wird/ das iſt/ wo er nicht in Chriſti Liecht wandelt/
und von ihm Weißheit und Gaben empfahet.
Hohenprieſter Cap. 50/6. geſagt: Wenn er aus dem Fuͤrhang her-
fuͤr gieng/ ſo leuchtet er/ als wie der Morgenſtern durch die
Wolcken/ wie der volle Mond. Eben was Elihu im Buch Job.
c. 32/18. 19. 20. Jch bin der Rede ſo voll/ daß mich der Odem in
meinem Bauch aͤngſtiget/ ſihe/ mein Odem iſt wie der Moſt/
der zerſtopfft iſt/ der die neue Faſſe zerreiſſet: Jch muß reden/
daß ich Odem hole/ ich muß meine Lippen auffthun und ant-
worten. Die Urſach ſolches innerlichen Triebs zeigt er an v. 8. Der
Geiſt iſt in Leuten/ und der Odem deß Allmaͤchtigen macht
ſie verſtaͤndig/ das iſt/ wie die Weimariſche Bibel gloſſirt/
verſ. 20. die Warheit/ die mir der Geiſt deß HErrn geoffenbahret hat/
wil ich keines Wegs verbergen laſſen/ ſondern muß heraus brechen. Oder
es ſeynd beſagten Wort Wunſchweiſe zu verſtehen/ wolte Gott/ ich
waͤre ſo voll Weißheit/ als der Mond voll Liechtes iſt/ er wuͤnſcht die per-
fection und Vollkommenheit deß Liechts der Weißheit/ daß nicht nur er/
ſondern alles Volck deß HErrn weiſſagete/Num. 11, 29. So
ziehlet doch alles auff die Vollkommenheit der Goͤttlichen Lehre/ und dero
Erkaͤntnuͤß. Wie der volle Mond/ gleich einem uͤberflieſſenden Strom/ ſein
Liecht/ Influentz und Wuͤrckung reichlich außgieſſet/ alſo ſehnet er ſich
auch nach ſolchem Außguß/ darumb ſagt er in kurtz unmittelbar vorher-
gehenden Worten/ ich habe noch etwas zu ſagen.
Jſt auch mein hertzlicher und inniglicher Wunſch/ ſo lange ich das
Predigampt trage/ je und alle Zeit geweſen/ und neulich auch wuͤrcklich
zu Papter gebracht worden (*) in den Predigten uͤber den Pſ. 19. p. 538.
Darum habe ich noch ein mehrers zu ſagen! Von der kleinen Catechiſmus-
Milch iſt in voriger Predigt gnug geſagt und gehandelt worden. Folget
die ſtarcke Speiſe der mehrern Vollkommenheit deß groͤſſern Catechiſmi/
welche (noch halt unſerer hieſigen Kirchen-Ordnung pag. 80.) nichts an-
ders iſt/ denn eine nuͤtzliche und gruͤndliche Erklaͤrung deß
kleinen Catechiſmi/ daraus beydes die Lehrer und Zuhoͤrer
Bericht empfangen moͤgen/ wie die Hauptſtuͤcke unſerer
wahren Religion außzulegen und zu verſtehen ſeyn/ in der
ſeligmachenden Erkaͤntnuͤß Gottes/ anzuzeigen/ wie die Chriſtli-
che Lehrer ferner die gewachſenen Chriſten mit ſtarcken Trachten abſpeiſen
ſollen: Was ſtarcke Speiſe heiſſe? wie dieſelbe zu tractiren und auffzutra-
gen? ob ſie auch noͤthig ſeyn? Alles nach Anleitung der Apoſtoliſchen
Worte/ Hebr. 5/12. Und die ihr ſoltet laͤngſt Meiſter ſeyn/ be-
doͤrfft ihr wiederumb/ daß man euch die erſten Buchſtaben der
Goͤttlichen Wort lehre/ und daß man euch noch Milch ge-
be/ und nicht ſtarcke Speiſe/ ꝛc. Der HErr helffe! Amen.
WAs verſtehet denn erſtlich der Apoſtel durch die
ſtarcke (der Milch entgegen geſetzte) Speiſe? Das zeiget
nicht nur Chriſtus der HERR ſelbſt an parabolicè und
Gleichnuͤßweiſe/ worin er das objectum und die Speiſe der geiſtlichen
Nieſſung/ das iſt/ deß Glaubens-Manna/ Brod und Fleiſch nennet/
Beym H. Evangeliſten Johanne Cap. 6/49. 50. 51. Euere Vaͤter
haben Manna geſſen in der Wuͤſten und ſind geſtorben/ diß
iſt das Brod/ das vom Himmel kompt/ auf daß/ wer davon
iſſet/ nicht ſterbe. Jch bin das lebendige Brod vom Himmel
kommen/ wer von dieſem Brod eſſen wird/ der wird leben in
Ewigkeit/ und das Brod/ das ich ihm geben werde/ iſt mein
Fleiſch/ welches ich geben werde fuͤr das Leben der Welt.
Das
[647]Predigt.
Das iſt eine harte Rede/ ſprechen hierauff ſeine Juͤnger/ wer kan ſie
hoͤren/ das iſt ein ſtarcker Biſſen/ wer kan ihn verſchlucken/ und hinun-
ter bringen? Mit gleichen Worten beſchreibet er auch die Trachten der
Koͤniglichen Hochzeit Matth. 22/4. und ſagt: Meine Ochſen und
Maſt-Vieh iſt geſchlachtet/ und alles bereit; ſondern auch St.
Paulus thut den Fuͤrhang und Blum hinweg/ redet klar und deutlich
davon/ und ſtellet uns ein Exempel fuͤr Augen/ bey welchem er alle andere
gleichfoͤrmige Lehren wil mit begriffen und bedacht haben/ nemlich die Leh-
re von dem Hohenprieſterlichen Ampt deß HErrn Chriſti/ deſſelben
Ampts-Beruff/ Hoheit/ Krafft und Tugend aus dem andern und hun-
dert und zehenden Pſalmen mit mehrerm außgefuͤhrt/ liquidirt/ befeſtiget/
die Glaubenslehꝛ-uñ Wortquellen entdeckt. Davon/ ſagt deꝛ Apoſtel/ haͤt-
ten wir wol viel zu reden/ aber es iſt ſchwer/ weil ihr ſo unver-
ſtaͤndig ſeyd/ λόγος δυσεϱμήνευτος, ein Rede/ die ſchwer außzulegen und
zu verſtehen/ nicht an und fuͤr ſich ſelbſt/ ſondern von der Traͤgheit her (νω-
θϱοὶ γεγόνατε ταῖς ἀκοαῖς) weil ihr faule uͤberdruͤſſige und langſame Oh-
ren habt/ die der Außlegung nicht moͤgen abwarten/ nicht ferner nachfra-
gen/ wie die dort zu Capernaum/ Joh. 6/60. unangeſehen der HERR
das Geheimnuͤß deß Glaubens/ unter einer hellen und heutern/ anmuthi-
gen und verſtaͤndlichen Gleichnuͤß deß leiblichen Eſſens und Trinckens
fuͤrgelegt/ ſie dennoch geſagt: Das iſt eine harte Rede/ wer kan ſie hoͤren?
Alſo wenn auch gleich St. Paulus/ Chriſti Hohesprieſterthumb/ aus der
Levitiſchen Liturgia, und alſo den Coͤrper aus dem Schatten erklaͤrt/ ge-
ſtalt er auch gethan in folgenden Capituln der Epiſtel an die Hebreer/
wuͤrden ſie doch ſchlechte Audientz ertheilt haben. Surdis fabula! Wolt ich
weitlaͤufftig von dieſer Materia handeln wollen/ ſo wuͤrde ich dem Tauben
ein Liedlein ſingen. Woraus auch zugleich zu vernehmen/ daß hie Milch
und ſtarcke Speiſe in der Subſtantz eines ſeyn/ ου᾽κ ἀλλα, ſed ἀλλοῖα, Cate-
chiſmus-Lehren ſind auch ſtarcke Lehren/ dann ja das Hoheprieſterliche
Ampt Chriſti im Catechiſmo begriffen/ ſonderlich in dem Wort deß Na-
mens Chriſti/ das iſt/ deß Geſalbten/ der/ gleichwie der Hoheprieſter im
Alten Teſtament/ mit dem allerheiligſten Oehl/ dem H. Geiſt und deſſen
unermeßlichen Gaben geſalbet und berathen worden. Chriſtus (ita Au-
guſt. tractat. 98. in Joh.) crucifixus \& lac ſugentibus, \& cibus
proficientibus, das iſt/ der gecreutzigte Chriſtus/ iſt eine Milch-
ſpeiſe den Saͤuglingen/ und auch zugleich eine harte Spei-
ſe den Erſtarckten.Adde was dazu kommt/ und dadurch die Milch in
eine ſtarcke Speiſe verwandelt wird. Gleichwie in der Natur/ vermittelſt
der
[648]Die ein und zwantzigſte
der Concoction in dem menſchlichen Leibe/ die zarte flieſſende Milch in
hartes/ dickes und ſattes Fleiſch verwandelt wird: Alſo ſoll es auch auff
gewiſſe Weiſe in der geiſtlichen Seelen-Nahrung geſchehen. Es wird durch
die ſtarcke Speiſe gemeinet/ die τελείοτης, die Vollkommenheit/ das
Complementum und Wachsthumb der Chriſtlichen Lehre. Huic
lacti (ita Auguſt. loc. cit.) abſit, ut ſit contrarius cibus rerum ſpi-
Requiritur augmentum fidei, non ſolum ejus QVÆ credit; ſed \& QVÆ
creditur. ſtyl. vind. p. 255.
ritualium firma intelligentia capiendus, qui Theſſalonicenſibus \&
Coloſſenſibus defuit \& ſupplendus fuit. Quando enim ſuppletur,
quod defuit, non imptobatur quod fuit, das iſt/ das ſey fern/ daß die
Milchſpeiſe ein gantz und gar entgegen und zuwiderlauffende Speiſe waͤre
der/ ſo durch voͤlligen Verſtand der geiſtlichen Sachen zu faſſen/ ſo den Co-
loſſern uñ Theſſalonichern gemangelt/ und zu erſetzen geweßt/ dann wann
das jenige wird erſetzt/ was zuvor gemangelt/ ſo wird darumb das jenige
nicht verworffen/ was zuvor da geweßt. Es heißt ſtarcke Speiſe die ἀκ [...]ί [...]εια
und ἀσϕάλεια, die ſcharffe und wolfundirte Gewißheit der Leh-
re/ Luc. 1/3. 4. Jch habs auch fůr gut angeſehen/ nachdem ich
alles von anbegin erkundet habe/ daß ichs zu dir/ mein guter
Theophile/ mit Fleiß/ ordentlichen ſchreibe. Auff daß du
gewiſſen Grund erfahreſt der Lehre/ welcher du unterrichtet
biſt. Wie auch der Gewinn und ſchrifftmaͤſſiger Zuſatz/ (zum Exem-
pel das Wort unſer im Apoſtoliſchen Symbolo, welches D. Luther. er-
fordert Tom. 6. Witt. p. 125.) und rechtflieſſende Schluͤſſe/ in ipſa (ita
Auguſt. Tract. 97. in Joh.) ergò mente h. e. in interiore homine, quo-
dammodo creſcitur, non ſolum ut ad cibum à lacte tranſeatur, ve-
rùm etiam ut amplius atque am pliùs cibus ipſe ſumatur. Non au-
tem creſcitur ſpacioſa mole, ſed intelligentia luminoſa, quia \& ipſe
cibus intelligibilis lux eſt; das iſt/ in dem Gemuͤth ſelbſten/ das iſt/ in
dem inwendigen Menſchen waͤchſt man etlicher Maſſen/ nicht allein/ daß
man von der Milch zur harten Speiſe kommt/ ſondern auch von der har-
ten Speiſe je mehr und mehr zu ſich nimbt. Nicht aber nimbt man zu
durch groſſe Menge derſelben/ ſondern durch erleuchtete Verſtaͤndnuͤß/
inmaſſen auch die Speiſe ſelbſt ein verſtaͤndliches Liecht iſt. Sonder-
lich heiſſet harte Speiſe
Es hat hie ein Bewandnuͤß/ wie mit der Pictur und Controfet. Erſtilch
wird das Bildnuͤß mit Bleyweiß deliniirt/ geriſſen und entworffen ohne Far-
ben/ hernach wird es mit Farben illuminirt/ beſehen und eigentlich zurecht ge-
macht/ daß es dem Ertzbild eben gleich ſiehet; deſſen eigentliche Character, Geiſt-
und lebendige Darſtellung einem ſinn- und kunſtreichen Mahler uͤberlaſſen: Ja
gleich
[649]Predigt.
gleichwie (Marc. 8, 24.) jener ſehend gemachte Blinde erſtlich dunckel und Men-
ſchen fuͤr Baͤum angeſehen/ hernach da noch einmal die gute Hand deß HErrn
JEſu auff ihn kam/ alles ſcharff ſehen koͤnte/ vide Lutheri Randgloß. Alſo hat
der obriſte Lehrmeiſter Chriſtus/ der den methodum und Weiß per gradus, Staffel-
weiß zu gehn/ von einer Klarheit zu der andern/ im kleinern Catechiſmo den Ver-
ſtand der Chriſtlichen Lehr insgemein/ und noch etwas dunckel/ hernach aber di-
ſtinctius, eigentlicher und ſchaͤrffer fuͤrgetragen. Welcher iſt der bezihlte/ begraͤntzte/
außgewuͤrckte/ erſtrittene/ errettete/ ſpecificirte/ außgewickelte Verſtand/ wie
derſelbe aus und nach der H. Schrifft/ theils von Alters her/ in alten controver-
ſien/ durch die Zeugnuͤſſen der alten reinen Lehrer/ theils (ſonderlich in ſolchen
Glaubens-Sachen/ deren Evidenz und Klarheit zun letztern Zeiten ſich je mehr
und mehr herfuͤrgethan) in neu-entſtandenen controverſiis, per clavem interpre-
tationis, collationem, aus andern hellen Sternen der H. Schrifft erleuchtet/ von
glaͤubigen Bekennern wahrgenommen/ und ad τὸ δέτι begraͤntzet; und daſſelbe
fuͤrnehmlich durch die jetzige/ noch wallende und ſtreitende rechtglaͤubige Kirche/
dero Lehr und Confeſſion, deroſelben Erklaͤrung in der Formula Concordiæ, und an-
dern anhangenden Symboliſchen Buͤchern enthalten/ und vermittelſt derſelben
ſtandhafften Bekennern und Lehrern/ ferner naͤher und eigentlicher erklaͤret/ ge-
folgert/ erſtritten/ außgewuͤrcket/ bezihlt/ begraͤntzt/ angenommen/ und alſo pro
tempore vollkoͤmmlich und gnugſam gedeutet uñ erlaͤutert worden und noch wird.
Auff welche diſtinction und Vnterſcheid beſagten zwifachen Verſtand der Chriſt-
lichen Lehr St. Paulus gedeutet in zweyen deutlichen Worten/ hermenia und pro-
phetia Außlegung und Weiſſagung (1. Cor. 14, 5. 12.) ἑϱμήνεια [...]verſ. 5. λόγος
ἔυσημος, verſ. 9. δύναμις τῆς ϕωνῆς, verſ. 11. νου̃ς κατηχήσεως, verſ. 19.
Begreiffet in ſich die deutliche Dolmetſchung der frembden Hebreiſchen oder Grie-
chiſchen Sprach/ darin die ſchrifftliche Lehr inſinuirt wird/ ſamt der Evangeliſchen
Außlegung/ nach dem general-Wortlaut und Buchſtaben/ daran es den armen
Leuten im Pabſtthum gemangelt) vide querelam Georgii Solius in Tom. 3. lat. Luth.
pag. 62. Conf. D. Geiler Keiſersb. in Dominic. Rogat. pag. 21. Gœbel conc. in Auguſt.
Conf. pag. 949.
Prophetia die Weiſſagung/ (π [...]ϱισσεύουσα v. 12. τοῖς πις [...]εύουσιν σημει̃ον. v. 22.)
geſchiehet den Glaͤubigen/ das iſt/ denen/ die ſchon in der Catechiſmus-Lehr ins
gemein unterwieſen/ (quibus jam conſtat de veritate \& congruentia doctrinæ cum
fundamentis ſcripturæ. Eraſm. Schmid. ad h. l. ut Chriſtiani jam credentes ſubin-
de magis in fide creſcant \& proficiant. Ægid Hunn. ad h. l.) Zum Zeichen/ darnach
man trachten/ derſelben man ſich befleiſſigen ſolle/ angeſehen zur Erbauung
der gantzen Gemein/ zur Beſſerung/ Vermahnung/ Troͤſtung/ verſ. 34. wel-
cher letztere Sinn unterſcheiden iſt von dem erſten/ als der groͤſſere und beſſe-
re/ auch von der andern/ ſonſt wuͤrde der Apoſtel ungereimt geredet haben/
ſagend/ verſ. 5. Der da weiſſaget iſt groͤſſer/ denn der da mit der Zungen re-
det/ es ſey dann/ daß ers außlege. Solte nun Außlegen ſo viel heiſſen als
Weiſſagen/ und beydes eines ſeyn; ſo haͤtte Paulus ſo viel ſagen wollen/
der da weiſſaget iſt groͤſſer ꝛc. es ſey denn/ daß er weiſſage. Daher 1. Cor. 14.
10. dieſe drey Gaben klaͤrlich unterſchieden werden. Es beſtaͤtiget ſolchen Vnter-
ſcheid deß Verſtands die immerwaͤhrende Praxis, Gebrauch und Vbung der Kir-
chen/ zuvorderſt Alt. Teſt. (da nicht allein ein jeder Haußvater/ nach dem hoch-
gelobten Exempel Abrahams Gen. 18. in ſeinem Hauß unter ſeinen Kindern und
Achter Theil. N n n nGe
[650]Die ein und zwantzigſte
Geſind der Catecheta geweſt; ſondern es haben auch die Propheten Catecheſin
Moſaicam deutlicher erklaͤren und außfuͤhren muͤſſen/ und iſt berůhmt der fuͤrtreff-
liche Schrifftgelehrte Eſra/ den der Koͤnig Artaxerxes [...] [...] ſcribam conſum-
matum genennet/ Eſdr. 7, 12. der nicht allein ein [...] und Außleger/ ſondern auch
[...] Prophet geweßt/ hat nicht bloß den Buchſtaben insgemein außgelegt/ ſon-
dern auch gruͤndlich außgefuͤhrt/ Nehem. 8, 8. 12. 13. Jm Neu. Teſt. iſt gnugſam
offenbahr der Vnterſcheid zwiſchen der Milch und harten Speiß/ jene gibt nicht
die vollkommene Genuͤge/ ſondern iſt eine Promulſis zu derſelben/ Jtem zwiſchen
den Catecheten und Propheten. Jene begriffen ihre Lehre/ tanquam ςοιχει̃α τῆς
ἀϱχῆς τῶν λόγων του̃ Θεου̃. Hebr. 5, 12. ſummatim generatimꝙ́, wie Auguſtin. redet
de Catechiſ. rud. Daher in der erſten Kirchen die Kirchſpiel-Kinder in zwey Claſ-
ſes abgetheilt worden/ in der erſten waren die Catechumeni, die Catechiſmus-
Schuͤler/ in der andern die Neophyti illuminati, die erleuchtete Neulinge/ wie aus
Cyrilli Hieroſ. Catech. illuminatorum erſcheint. Vnter dem graſſirenden Pabſtthum
zur Zeit der Finſternuͤß/ iſt zwar das conticinium Catecheſeos erfolgt/ nulla tunc
fuit κατήχησις puerorum, teſte Apolog. A. Conf. art. 16. da iſt erfůllet/ was GOtt
der HErr gedraͤuet 1. Cor. 14, 21. Jch wil mit andern Zungen und andern Lip-
pen reden zu dieſem Volck/ und ſie werden mich auch alſo nicht hoͤren/ ſpricht der
HERR. Aber es iſt auff den Abend ja wieder liecht worden/ die Catecheſis iſt
wieder erſchienen/ und die Propheten wieder herrlich herfuͤr kommen. Dem al-
ten Africaniſchen beruͤhmten Lehrer Auguſtin. iſt offtberuͤhrter Vnterſcheid auch
nicht unbekant geweſen Tract. 102. in Joh. Non enim ſonum literarum ac ſylla-
barum, ſed quod ſonus ipſe ſignificat, ac quod eo ſono rectè ac veraciter intelligitur,
Hoc accipiendum est Domine, cum dicit, in nomine meo \&c. in ſerm. 8. de verb.
Domini, ſecundum Matth. ſcribit: Maximè autem hoc dicendum fuit \& hinc
admonenda charitas veſtra, quia mox ut hoc verbum ſonuit, (Confiteor tibi Pater.
Matth. 1, 19.) lectoris etiam ſecutus est ſonus tunſionis pectoris veſtri, audito ſc.
quod Dominus ait: Confiteor tibi Pater, in hoc ipſo, quod ſonuit. Confiteor, Pe-
ctora veſtra tutudiſtis. Tundere autem pectus quid est, niſi arguere, quod latet in
pectore, \& evidenti pulſu occultum caſtigare peccatum? Quare hoc ſeciſtis, niſi quia
audiſtis: Confiteor tibi Pater. Confiteor audiſtis, qui bonfitetur non attendiſtis.
Nunc ergò advertite. Si confiteor Chriſtus dixit, à quo est longum omne peccatum,
non ſolius est peccatorum, ſed etiam laudatoris. Abermal ein doppelter Wort-laut
deß Worts Confiteor, confeſſione laudis \& peccati, und dann ein bezihlter Wort
laut/ ſo da gehet auff die Confeſſionem laudis. Wiederumb vom bloſſen Wort-
laut/ lib. de catech. rud. c. 9. Maximè autem iſta (literati) docendi ſunt, ſcri-
pturas audire divinas, ne ſordeat eis ſolidum eloquium; quia non est inflatum; ne-
que arbitrentur carnalibus integumentis involuta atꝙ́ operta dicta vel facta homi-
num, quæ in illis libris leguntur non evolvenda, neque aperienda ut intelligantur,
ſed ſic accipienda, ut literæ ſonant, ſine ſc. operto intimo ſenſu. Lutherus ſtimmet
mit zu Tom 4. Witt. in Matth. 5. p. 27. Hie nimmt er nun etliche von den zehen
Geboten fuͤr ſich recht zu erklaͤren/ und zeiget an/ wie ſie die Phariſeer und
Schrifftgelehrten nichts anders gelehret/ noch weiter getrieben und geduldet ha-
ben/ dann wie die bloſſe Wort da ligen und lauten von den aͤuſſerlichen groben
Wercken. Et mox ad verba: Jch aber ſage euch ꝛc. Sihe/ das iſt das rechte
Liecht/ ſo den Verſtand dieſes Gebots zeiget/ und Moſe unter Augen ſiehet/
da-
[651]Predigt.
dagegen ihre faule Gloſſa zu ſchanden wird/ als eine finſtere Latern gegen der
hellen Sonnen/ und leuchtet nun mit einer andern Geſtalt/ daß ſie ſich druͤber
entſetzen und ſagen/ das heiſſet gewaltig gelehret/ und nicht wie die Schrifftge-
lehrten/ und eben auf dieſen dritten und beziehlten Verſtand deutet Lutherus/ wañ
er Tom. 2. Witteberg wider die Schwaͤrmgeiſter geſchrieben fol. 117. Laſt ſie
fahren/ und laſſet uns bey den Worten bleiben wie ſie lauten/ daß im Brod der
Leib Chriſti/ und im Wein warhafftig ſein Blut ſey. Eſt etiam in Eccleſia (ait
Vrbanus Regius in tract. de F. c. loq.) alia Eruditio, quæ vocatur donum Prophetiæ.
Quo dono non donantur omnes Chriſtiani, ſed qui Eccleſiis docendis præficiuntur.
Der reichere und weitere (wie Lutherus redet in der Vorrede
deß groͤſſern Catechiſmi) der gruͤndliche/ genugſam außgewuͤrckte/
gerettete/ſolidirte und behauptete/ bißweilen auch neu und
eroͤffnete und erlaͤuterte Sinn und Verſtand deß Glaubens-
Articuls/ ſampt eliquirtem/ außgezogenem und außgeſogenem Nutz
und Frucht/ ſo als eine appropriirte Artzeney aus dem Text flieſſet/ und
die Gierigkeit zum Verſtand der Wort erwecket/ auff daß wir Kinder
zwar ſeyn/ was des Glaubens einfaͤltigen Aſſens und Beyfall anlangt/
aber nicht Kinder in der Notitia und Verſtand deſſelben/ Eph. 4/14. AuffEph. 4, 14.
daß wir nicht mehr Kinder ſeyn/ und uns waͤgen und wiegen
laſſen/ von allerhand Winde der Lehre/ durch Schalckheit
der Menſchen/ und Teuſcherey/ damit ſie uns erſchleichen
zu verfuͤhren. Was haben (fragt der Prophet Zacharias c. 9/
17.) Chriſti Reichs genoſſen gutes fuͤr andern/ oder was ha-
ben ſie ſchoͤnes fuͤr andern? Korn/ das Juͤnglinge/ und
Moſt/ der Jungfrauen zeuget/ das iſt/ nicht mehr Kinder/ ſondern
vollkommen erwachſene Juͤnglinge und mannbare Toͤchter/ welche auch
andere durchs Evangelium gleicher Weiſe zeugen. Und das meynet auch
Auguſtinus in tract. 98. in Joh. p. 595. Non enim æqualiter mente
percipitur, etiam quod in fide pariter ab utrisq; recipitur, ita fit, ut
prædicatus ab Apoſtolis Chriſtus crucifixus, \& Judæis eſſet ſcanda-
lum, \& gentibus ſtultitia, \& ipſis vocatis Judæis \& Græcis virtus
Dei \& ſapientia, ſed carnalibus parvulis tantum credendo tenen-
tibus, ſpititualibus autem capacioribus id etiam intelligendo cer-
nentibus; das iſt: Nicht wird das jenige/ was von beyden Theilen
zugleich durch den Glauben angenom̃en wird/ auch auf gleiche Weiſe
mit dem Verſtand gefaſt/ daher geſchichts/ daß der gecreutzigte und
von den Apoſteln gepredigte CHRJSTUS den Juden ein Aerger-
nuͤß/ den Griechen eine Thorheit/ den beruffenen Juden und Heyden
aber Goͤttliche Krafft und Goͤttliche Weißheit iſt. Welches zwar die klei-
ne ſchwache Kinder allein mit dem Glauben/ die Verſtaͤndige und Star-
N n n n 2cke
[652]Die ein und zwantzigſte
cke aber mit dem Gemuͤth faſſen. Et pag. 598. Hæc eſt lactis ub ertas, ſi-
ne quo nõ vivunt, qui jam quidem ratione utuntur, ut poſſint crede-
re: ſed bonum è malo nõ credendo tantũ, verum etiam intelligen-
do, quod pertinet ad ſolidum cibum, ſeparare nõ poſſunt. Bißweilen
auch/ ſag ich/ neugeoffenbarte/ dañ obwol keine revelationes uñ Offen-
bahrungen der Sachen nach/ in der Chriſtl-Lehr zu hoffen/ doch gibt es auch
aperturen/ deſſen in H. Schrifft von Anbegin geweſen/ aber durch neues
Nachſinnen wahrgenommen/ und alſo gefunden worden/ wie eine neue
Gold-Ader im alten Bergwerck. Firmi alendi ſunt cibo ſolido, h. e. ſolidio-
re \& ſublimiore cognitione myſteriorum Dei. D. Ægid. Hunn. ad Matth. p. 843.
Jch ſage erlaͤuterte/ leichte und liechte Verſtaͤndnuͤß/ dadurch die ſtarcke
Speiſe lacteſcirt und milchig gemacht/ und gleichſam Butter aufs Brod
geſtrichen wird/ daß es glatt hinab gehet. Dann ja auch die hoͤchſten Ge-
heimnuͤß in Parabeln aus der Natur/ Gleichnuͤſſen/ Exemplen/ Hiſtorien/
Fuͤrbildern deß alten Teſtaments/ aus dem Schatten der Coͤrper erklaͤret/
denen/ welchen der Schatten bekannter iſt als der Coͤrper. Die Hebreer
verſtunden viel beſſer das gantze Levitiſche Prieſter-Ampt und Opffer/ als
daß ſie das Opffer- und Prieſter-Ampt Chriſti nach der Weiſe Melchiſe-
dech verſtehen moͤchten. Was kan uns auch leichter fuͤrkommen/ das
Creutz-Opffer Chriſti zu faſſen/ als die Figur deß auffgehenckten und ge-
ſchlachteten Oſter-Lamms? Dahin ſihet Auguſtinus tract. in Joh. 98.
Sicut etiam fecit mater ipſa ſapientia, quæ cum ſit in excelſis an-
gelorum ſolidus cibus, dignata eſt quodammodo lacteſcere parvu-
los, cum verbum caro factum eſt \& habita vit in nobis.
Von dieſer Lehr-Kunſt ruͤhmet Lutherus den Propheten Habacuc Tom. 3. Jen.
p. 234. Da ſehen wir/ wie fein und eben die Propheten reden koͤnnen/ und wie ſie
kurtz und doch reichlich ein Ding außſtreichen/ denn daß ein ander haͤtte geſagt
mit einem Wort/ alſo/ die Babylonier werden kommen und Jeruſalem zerſtoͤren/
das redet Habacuc mit vielen Worten/ und ſtreicht es alles eigentlich aus/ und
ſchmuͤcket es mit Gleichnůſſen/ wie man denn auch thun muß/ wenn man dem
groben harten Poͤbel prediget/ dem muß man es fuͤrmahlen/ blaͤuen und kaͤuen/
und alle Weiſe verſuchen/ ob man ſie koͤnne erweichen.
Alle ſolche Speiſen nun heiſſen ſtaͤrckere Speiſen/ weil ſie vom ſtar-
chen Freſſer/ dem Loͤwen vom Stamm Juda/ der den Tod verſchlungen in
dem
[653]Predigt.
dem Sieg außgehen/ durch eines ſtaͤrckern Hand außgearbeitet worden/
als die Milch-Lehren/ nemblich durch Gottesgelehrte/ erleuchtete/ und wol-
außpolirte Ruͤſtzeuge/ mit ſtarcken Fundamenten und Macht-Spruͤchen
erhaͤrtet/ in einem ſtaͤrckeren Methodo fuͤrgetragen/ und zur Staͤrckung
und Erquickung der geiſtlichen Lebens-Geiſter/ deß Glaubens und deß
Chriſtenthumbs/ als fortalitia fidei und Veſtungen auffgerichtet/ und
weil ſie auch fuͤr ſtarcke Maͤgen gehoͤren zu verdauen/ Hebr. 5/14. Den
Vollkommenen aber gehoͤret ſtarcke Speiſe/ die durch Ge-
wonheit haben geuͤbte Sinne/ zum Unterſcheid deß guten
und deß boͤſen. 1. Joh. 2/14. Jch ſchreibe euch Kindern/ denn
ihr kennet den Vater. Jch habe euch Vaͤtern geſchrieben/
daß ihr den kennet/ der von Anfang iſt. Jch habe euch Juͤng-
lingen geſchrieben/ daß ihr ſtarck ſeyd/ und das Wort Got-
tes bey euch bleibet/ und den Boͤſewicht uͤberwunden habt.
Natuͤrlich Brod ſtaͤrcket deß Menſchen Hertz; in Krafft eines geroͤſteten
Brods gieng Elias biß an den Berg Gottes Horeb. 1. Reg. 19/8. war-
umb nicht vielmehr das Himmel-Brod/ ſo in der Lehre wird fuͤrgetragen?
Nun die Speiſe lehret kochen/ wer weiß/ wie die ſtarcke Speiſe
muß beſchaffen ſeyn/ der lernet auch/ wie er ſie bereiten und zurichten ſoll/
nemlich vollkom̃lich (ad gradum perfectionis, licet non ad perfectio-
nem gradus) ſo hoch und weit mans gewiſſenhafftiglich bringen kan/ auff
daß die Zuhoͤrer S. Pauli Vermahnung erreichen moͤgen/1. Cor. 14/20.
Lieben Bruͤder/ werdet nicht Kinder an dem Verſtaͤndnuͤß/
ſondern an der Boßheit/ an dem Verſtaͤndnuͤß aber ſeyd
vollkommen. Man muß in der geiſtlichen Speiß-Kammer deß Goͤtt-
lichen Worts forſchen: Ἐϱευνᾶτε τὰς γϱαϕὰς, Forſchet als in einer rei-
chen/ unerſchoͤpfflichen Goldgrube/ das Gold deß Glaubens/ immer von
einer Ader zu der andern/ mit ſolchem Eyfer/ als die Hiſpanier in der neuen
Welt/ damal noch neuen/ uñ zuvor unbekannten Goldſchaͤtzen nachgetrach-
tet. Ὁ ἀναγινώσκων νοείτω. E. \& διανοείτω, ἀγχινοείτω, ὑπονοείτω. Wer die-
ſes (e. g. die Weiſſagung Danielis) lißt/ der mercke drauf/ ſpricht Chri-
ſtus/ Matth. 24. das iſt/ er lerne es auch recht verſtehen/ mercke auff die
Hiſtori und Erfuͤllung derſelben/ und begnuͤge ſich nicht mit dem bloſen
general-Wortlaut: Gleichwie ein Liebhaber der Gemaͤhlden ſich nicht be-
gnuͤget mit der bloſen Augenweide/ ſondern ferner auff den Geiſt/ Kunſt
und Qualitaͤt deß Gemaͤhldes mercket. Er lerne das Πϱοσέχειν, 2. Pet. 1. 19.
Auffachten/ ſo genau und fleiſſig/ als ein Werber umb eine Jungfrau.
Gen. 34/3. LXX. ſo ſcharff/ als der Sathan auff Job geachtet/ Job. 1/8.
N n n n 3LXX.
[654]Die ein und zwantzigſte
LXX. kluͤglich ſich huͤten fuͤr der Verfuͤhrung der falſchen Propheten/
Matt. 7/15. Sihe zu/ ſagt Syrach c. 13/10. 11. daß dich deine Einfaͤl-
tigkeit nicht betriege und in Ungluͤck bringe. Laſſet das Wort
Gottes reichlich unter euch wohnen in aller Weißheit. Col. 3.
Soll ein Buͤrger in einem Ort wohnen/ ſo muß man ihm die Nahrung
nicht ſperren/ ſondern ſchalten und walten/ bauen und werben laſſen/ auff
daß er wie Jſaac zu Gerar hundertfaͤltigen Segen gewinne. Reich-
lich in aller Weißheit wohnen laſſen/ heißt nicht bettelmaͤnniſch/
und nach dem general-Wortlaut tractiren/ oder allein paraphraſticiren/
ſondern deß Geiſtes Gottes Geheimnuͤſſe erforſchen/ wie Abraham im
Hayn Mamre gethan/ da der edelſte Gaſt der Sohn Gottes mit zween
Engeln begleitet/ bey ihm eingekehrt/ und ſeine geheime Conſilia zu einem
groſſen Freundſtuͤck Joh. 15. 14. communicirt/ ferner in ihne geſetzt/
weiter Sprach und Nachfrage gehalten/ und alſo ſeines Gaſtes Weißheit
reichlich genoſſen. Es iſt auch hie wahr Chriſti Wort: Es ſey beſſer geben
und zuthun/ als nehmen und verkuͤrtzen. Man kan ja deß guten nicht zu
viel thun. Es muß der Lehrer ſelbſt zuvor die Speiſe eſſen/ verdauen/ und
ſeinen Gaͤſten vorkauen in bruͤnſtiger Andacht/ durch Gebet/ meditation
und Anfechtungen/ wol vorkochen. Jſt ſchoͤn abgebildet im Befehl/ der an
die Propheten Ezechiel/ c. 2/10. und Johannem Apoc. 10. abgangen/ er
ſoll den ihm vorgelegten Brieff verſchlingen/ eſſen/ und den Bauch damit
fuͤllen/ ſuͤß werde es ihm zwar Anfangs fuͤrkommen als Honig/ aber es werde
im Bauch grimmen/ es werde ohne Arbeit und Anfechtung nicht abgehen/
Schmertzen/ Ach und Weh verurſachen. D. Papp. ad Ezech. pag. 150.
Er muß das koͤſtliche Wildprett erjagen.
Wo die Sprachen ſind/ ſchreibt D. Luth. Tom. 6. Witt. pag. 340. da gehet
es friſch und ſtarck/ und wird die Schrifft durchtrieben/ und findet ſich der Glaub
immer neu/ durch andere und aller andere Wort und Werck. Ibid. Das Stu-
diren in der Schrifft wird Pſ. 128. verglichen einer Jagt/ da GOtt oͤffnet den
Hir-
[655]Predigt.
Hirſchen die dicke Waͤlde/ und Pſ. 1. einem Baum/ der immer gruͤnet/ und immer
friſch Waſſer hat.
Den Text gruͤndlich außwuͤrcken/ mit andern Orten der H. Schrifft
conferiren/ das finſtere Liecht mit dem hellern verklaͤren/ nachſinnen und
außſpaͤen/ wie ein Spruch aus dem andern gehet.
E. g. St. Paulus ſpricht zu den Corinthiern: Luth.
Tom. 1. Isleb. pag. 134. Jſt Chriſtus nicht erſtanden von den Todten/ ſo iſt
unſer Predigt umbſonſt/ und euer Glaub vergebens/ denn ihr ſeyd noch in euern
Suͤnden/ was iſt das fuͤr ein Conſequentia? Wie folget ſie/ und reimet ſich
darauff? Alſo: Denn iſt Chriſtus nicht von den Todten auferſtanden/ ſo haben
ihn die Suͤnd und Tod verſchlungen/ und erwuͤrget/ ſintemal wir uns ſelbſt
von unſerer Suͤnde nicht erlaſſen koͤnnen/ darumb nahm ſie JEſus Chriſtus auf
ſich/ auff daß er Suͤnd/ Tod und Hoͤll mit Fuͤſſen trete/ und ihr HERR wuͤrde.
Jſt er aber nicht aufferſtanden/ ſo hat er die Suͤnd nicht uͤberwunden/ ſondern
er iſt von der Suͤnd uͤberwunden; iſt er aber von der Suͤnd uͤberwunden/ ſo iſt
er nicht aufferſtanden/ ſo hat er nicht erloͤſt/ ſo ſeyd ihr noch in Suͤnden. Et f. 2.
Es iſt nicht gnug/ daß wir glauben die Aufferſtehung Chriſti/ denn das glauben
alle boͤſen. Ja auch der Teuffel glaubt/ daß GOtt gelitten hat/ und ſey auffer-
ſtanden: ſondern muͤſſet auch den Jnnhalt der Aufferſtehung glauben/ darneben
auch die Frucht und Nutz der Aufferſtehung/ was wir dadurch empfangen ha-
ben/ nemlich Vergebung und Erloͤſung aller Suͤnde/ daß Chriſtus durch den Tod
gangen iſt/ und hiedurch die Suͤnd und Tod/ ja alles was uns ſchaden kan/
uͤberwunden/ mit Fuͤſſen getreten/ und uͤber Suͤnd/ Teuffel/ Tod/ Hoͤll/ und
was uns Schaden thut/ je naͤher zur Rechten deß Vaters im Himmel geſetzet iſt.
Daß ſolches uns zu gut geſchehen iſt/ das glauben die boͤſen nicht.
accurat und fleiſſig tractiren/ die Emphaſes, die in einem Hebreiſchen o-
der Griechiſchen Wort verborgen liegen/ forſchen/ und mit Simſons Kalb
pfluͤgen/ und alſo die Frucht heraus bringen/ ſolte gleich viel Zeit drauff
gehen/ und ein und ander Text nicht koͤnnen in ein oder zwo Predigten
abſolvirt/ oder vielmehr uͤberloffen und uͤberſudelt werden. Beſſer iſt
ein Ding recht/ als obenhin verſtehen/ die Perlen ſind viel zu koͤſtlich/ als
daß ſie/ wie Cleopatræ Perlin/ in einem einigen Schluck ſolten verzehret
und verſchwendet werden: Die Propheten haben Gutthaten getraͤufft/
und nicht wie ein Wolcken-Bruch alles auff einmal heraus geſchuͤttet/
Matth. 13/31. 32. Das Himmelreich iſt gleich einem Senff-
korn/ das ein Menſch nahm/ und ſaͤets auff ſeinen Acker/
welches das kleineſte iſt unter allen Saamen/ wann es aber
erwaͤchſt/ ſo iſt es das groͤſte unter dem Koͤhl/ und wird ein
Baum/ daß die Voͤgel unter dem Himmel kommen/ und
wohnen unter ſeinen Zweigen. Jſt nicht nur zu verſtehen von der
am-
[656]Die ein und zwantzigſte
amplification deß Reichs Chriſti/ ſondern auch von dem Mittel zu ſol-
cher Vermehrung deß Glaubens-Geſchicht/ wann einigem Text/ Weiſſa-
gung/ Pſalmen Genuͤge geſchicht/ und derſelbe offt in viel Predigten auß-
gedehnet werden muß. Non ſunt longa, quibus nil eſt quod demere
poſſis, das iſt:
Denſelben mit gewiſſen Fundamenten befeſtigen/ wol ſetzen und ſchlieſſen/
wol außſaugen/ gleichſam die quintam eſſentiam heraus ziehen und viel-
mehr auff locos proprios als communes bedacht ſeyn/ die verborgene
Tieffe/ und gleichſam ſchlaffende Sinne auffwecken/ und aus bloſen Leß-
Worten Lebens-Wort machen/ vor- und einkaͤuen/ erleuchten/ erleichtern
und verſtaͤndig machen/ auff alle Weiß und Wege/ als etwas kan erlaͤutert/
deutlich und verſtaͤndlich gemacht werden. Gleichwie der Prophet Ha-
bacuc den Befehl bekommen/ er ſoll ſein Geſicht nicht mit kleinem Cicero
oder Current, ſondern mit grober leßlicher Fractur-Schrifft faſſen/ daß/
wer fuͤruͤber gehet/ im Lauff leſen und vernehmen koͤnne/ Habac. 2/2. Der
HERR antwortet mir und ſpricht: Schreibe das Geſicht/
und mahle es auff eine Taffel/ daß es leſen koͤnne/ wer fuͤruͤ-
ber laufft/ das iſt/ (wie Luth. gloſſirt Tom. 5. Witt. p. 350.) daß
ers deutlich/ klar und grob ſchreiben ſol/ und ſo grob und klar/
daß man nicht dafuͤr ſtehen und gucken/ und die Buchſtaben
zehlen uñ zuſam̃en leſen darff/ wie geſchicht in kleiner uñ kurtz
vertitelter Schrifft/ ſondern daß gantze groſſe Buchſtaben
ſeyen/ daß mans gewiß als in einem Augenblick ſehen und
leſen koͤnne/ und gleich im Lauff alles faſſe/ doch nicht ſehr
lauffen: ſondern daß er die Buchſtaben dennoch im Lauff
kennen moͤge/ denn es moͤchte einer ſo ſehr lauffen/ er koͤnte
es nicht leſen/ wenns gleich Buchſtaben waͤren/ wie die Pfei-
ler in der Kirchen. Allwo die H. Schrifft mit gar kleinen und zar-
ten Buchſtaben concipirt/ und daher dunckel ſcheinet/ mag man dieſel-
be auch mit groben hellſcheinenden Figuren/ Gleichnuͤſſen/ Exempeln und
dergleichen illuſtriren/ daß es auch der gemeine Mann greiffen koͤnne.
Wann du/ ſchreibet Lutherus in der Vorrede uͤber den kleinen Cate-
chiſmum pag. 164. nun den kleinen Catechiſmum gelehret haſt/
als denn nimb den groſſen Catechiſmum fůr dich/ und gib ih-
nen auch reichern und weitern Verſtand/ daſelbſt ſtreich
ein jeglich Gebot/ Bitte/ Stuͤcke aus/ mit ſeinen mancher-
ley
[657]Predigt.
ley Wercken/ Nutz/ Frommen/ Fahr und Schaden/ wie du
alles reichlich findeſt in ſo viel Buͤchlein davon gemacht/ und
inſonderheit treibe das Gebot und Stuͤcke am meiſten/ das
bey deinem Volck am meiſten Noth leidet.Et mox.DarumbLuth. tom.
7. Witt.
pag. 398.
Mattheſ.
ad Syr. 39.
p. 141.
darffſt du hie kein Geſetz ſtellen/ wie der Pabſt/ ſtreiche nur
wol aus den Nutz und Schaden/ Noth und Frommen/ Fahr
und Heyl/ ſo werden ſie ſelbſt wol kommen/ ohne dein Zwin-
gen. Kommen ſie aber nicht/ ſo laß ſie fahren/ und ſage ih-
nen/ daß ſie deß Teuffels ſind/ die ihre groſſe Noth/ und
Gottes gnaͤdige Hůlffe nicht achten noch fuͤhlen.
Daß nun bißher außgefuͤhrte Art zu lehren/ und ſtaͤrckere Speiſe
fuͤrzutragen/ kein Mittelding/ unſerer Chur und freyem Willen heimge-
ſtellt: Sondern noͤthig ſey/ ſo wol wegen deß Goͤttlichen Befehls/ als
auch wegen deß unumbgaͤnglichen Nutzens- und Schadenwaͤnde/ ſo
daraus folget/ davon und zwar erſtlich dem Goͤttlichen Befehl zeugen
alle die jenige Zeugnuͤſſe/ in welchen der Geſpons Chriſti/ der Chriſtli-
chen glaubigen Gemeine das Wachsthumb deß Glaubens geboten.
Eph. 4/13. 15. 2. Petr. 3/18. mit angefuͤhrten Verheiſſungen/ Matth. 12/13.
Wer da hat/ dem wird gegeben/ daß er die Fuͤlle habe/ wer
aber nicht hat/ von dem wird genommen/ das er hat/ das iſt/
wie D. Luther gloſſirt/ wo das Wort Gottes verſtanden wird/ da mehret
es ſich/ und beſſert den Menſchen: Was aber nicht verſtanden wird/ da
nimmet es ab/ und aͤrgert den Menſchen. Welches Wachſen geſchicht
vermittelſt (und in Krafft deß Manns Zemach/ unter dem
Wachſen ſoll nicht nur die Gemeine/ ſondern auch dero-
ſelben Glaube/Fides quæ creditur, \& quæ credit; Nicht nur
protenſivè, durch die beſtaͤndige Waͤhrung deſſelben/ nicht nur intenſivè,
in dem Grad der Erkaͤntnuß/ ſondern auch extenſivè, in den Lehren ſelbſt/
ſo nach und nach/ vermittelſt fleiſſigen Forſchens ſich herfuͤrthun. Wovon
St. Paulus/ Phil. 3/15. Wie viel unſer vollkommen ſind im
Glauben und Erkaͤntnuͤß/ Hebr. 5/14. die laſſet uns alſo ge-
ſinnet ſeyn: und ſolt ihr ſonſt etwas halten/ das laſſet euch
GOtt offenbahren/ nicht durch Enthuſiaſmos, ſondern durch das
fruchtbare Wort Gottes/ und deſſen ſtudioſitaͤt. Daraus erhellet/ daß auch
die Vollkommenen/ die den gantzen Apoſtoliſchen Glauben außſtudieret/
dennoch zu mehrer Erkaͤntnuͤß von einer Klarheit zu der andern verbun-
den ſeyn. Hat doch der ewige Sohn Gottes ſelbſt/ der Meiſter mit der ge-
lehrten Zungen/ der da lehret was nuͤtzlich iſt [...]ad proficiendum.
Achter Theil. O o o oEſa.
[658]Die ein und zwantzigſte
Eſa. 48/17. ſolchen Methodum ihm laſſen belieben/ als welcher ſeinen
Paradiß-Catechiſmum/ das erſte Evangelium immer je laͤnger je mehr
durch Moſen und Propheten dilatiren laſſen: Eva gieng auff den bloſen
general-Wortlaut/ von einem Weibesſaamen/ der der Schlangen wuͤr-
de den Kopff zutretten/ bildet ihr ein/ Cain werde derſelbe Mann ſeyn/
betreugt ſich aber ſchaͤndlich/ und muß erfahren/ daß ſie an ſtatt deß
Schlangentretters einen Brudertretter und Bruder-Moͤrder erzihlt.
Die folgende Goͤttliche Aperturen und Offenbahrungen haben dieſen
Weibes-Saamen mit mehrern additionen erlaͤutert/ und Eſa. 7. von
einem Jungfrauen-Sohn erklaͤrt; Deßgleichen hat er auch das Geſetz
uͤber den Wortlaut durch richtige Schluͤſſe extendirt/ à prohibitione ef-
fectus ad prohibitionem cauſæ geſchloſſen/ du ſolt nicht Ehebrechen/ Er-
gò iſt auch das unordentliche Anſchauen eines Eheweibs verboten: Ab in-
terdicto oppoſiti ad oppoſiti edictum. Du ſolt nicht toͤdten. Ergò dem
Naͤchſten ſein Leben helffen friſten und erhalten. Welcher Andeutung
nach in dem Verbot der Blutſchande/ Lev. 18. D. Chemnit. und Gerhard.
die verbotene gradus per conſequentias extendirt. Worin gehoͤren alle
die jenige Stellen/ darin auf die perfection und Vollkommenheit der
Chriſtl. Lehre und Erkaͤntnuͤß getrieben wird. 1. Cor. 14/1. \& 20. Befleiſ-
ſiget euch der geiſtlichen Gaben/ am meiſten aber/ daß ihr weiſ-
ſagen moͤget/ werdet nicht Kinder an dem Verſtaͤndnuͤß/ ſon-
dern an der Boßheit ſeyd Kinder/ an dem Verſtaͤndnuͤß aber
ſeyd vollkom̃en. Eph. 4/13. Biß daß wir alle hinan kommen zu
einerley Glauben und Erkaͤntnuͤß deß Sohns Gottes/ und
ein vollkommen Mann werden/ der da ſey in der Maß deß
vollkommenen Alters Chriſti. 2. Tim. 3/ v. ult.daß ein Menſch
Vid. D. Ægid. Hunn. ad Epheſ. 4. p. 286. conf. eundem ad Hebr. p. 117.
Gottes ſey vollkommen/ zu allen guten Wercken geſchickt.
2. Petr. 3/18. Wachſet in der Erkaͤntnuͤß und Gnade unſers
HErrn uñ Heylandes Jeſu Chriſti. Hebr. 5/12. Und die ihr ſol-
tet laͤngſt Meiſter ſeyn/ ꝛc. Welche letztere Wort zwar Verweiſſungs-
aber auch Gebots-Wort ſind. Wann ein Præceptor zu ſeinem Diſci-
pul ſagt: Du haͤtteſt ſchon laͤngſt die Rhetoricam antretten ſollen/ und
kanſt noch nicht Grammatic. Du haͤtteſt laͤngſt ſollen wol reden/ rechnen/
und kanſt noch weder reden noch rechnen/ ſolche Art zu reden/ bringt den
Befehl auf dem Rucken mit ſich/ darumb biſt du ſchuldig beydes zu lernen/
und dich mit der Grammatic allein nicht contentiren. Wiewoi den hoͤch-
ſten Gipffel der Vollkommenheit zu erreichen in dieſem Leben unmuͤglich/
ſo
[659]Predigt.
ſo muß man doch darnach ringen/ denſelben zu erjagen/ im̃er wachſen und
zunehmen/ und wird doch noch viel uͤberbleiben/ ſo wol in der Claritaͤt/
als auch Charitaͤt. Charitas, ait Auguſt. quæ non poſſit augeri, quam-Auguſt.
p. 29. ad
Hieron.
diu hic homo vivit, eſt in nemine. Quamdiu autem augeri poteſt,
profectò id quod minus eſt quam debet, ex vitio eſt. Das beſte wird in
die hoͤchſte him̃liſche Schul verſparet/ da wir das διότι er fahren werden/ uͤ-
ber das ὃτι, damit wir uns in der untern Schule begnuͤgen muͤſſen. Die
H. Apoſtel haben dieſen Befehl auff ſolche Weiſe verſtanden/ exemplifi-
cirt/ und dieſen Methodum werckſtellig gemacht. Col. 1/28. Wir ver-Col. 1, 28.
kuͤndigen und ermahnen alle Menſchen/ und lehren alle
Menſchen/ mit aller Weißheit/ auff daß wir darſtellen einen
jeglichen Menſchen vollkommen in Chriſto JEſu.Et ibid. v. 9.
Derohalben auch wir von dem Tage an/ da wirs gehoͤret ha-
ben/ hoͤren wir nicht auff fuͤr euch zu betten und bitten/ daß
ihr erfuͤllet werdet mit Erkaͤntnuͤß ſeines Willens/ in allerley
geiſtlicher Weißheit und Verſtand. Und zwar hat St. Paulus
allen Rath GOttes geoffenbahret in Sachen die Chriſtliche Lehre be-
treffend/ ſo wuͤrde er warhafftig nicht am bloſen rohen general-Buchſta-
ben ſeyn bekleben blieben/ ſondern (wie ſeine δυσνόητα, das Lehren/ ſo
ſchwer zu verſtehen/ außweiſet) weiter gegangen ſeyn. Von Apollo dem
Gottsgelehrten Apoſtoliſchen Mann und ſeinen Lehr-Meiſtern Aquila
und Priſcilla ruͤhmet St. Lucas Act. 18/24. 25. 26. Es kam aber genAct. 18, 24.
25. 26.
Epheſum ein Jude mit Namen Apollo/ der Geburt von
Alexandria/ ein beredter Mann/ und maͤchtig in der Schrifft.
Dieſer war unterwieſen den Weg deß HErrn/ und redet mit
bruͤnſtigem Geiſt/ und lehret mit Fleiß von dem HErrn/
und wuſte allein von der Tauffe Johannis. Dieſer fieng an
frey zu predigen in der Schule/ da ihn aber Aquila und Pri-
ſeilla hoͤreten/ nahmen ſie ihn zu ſich/ und legten ihm den
Weg Gottes noch fleiſſiger aus. Uberaus herrlich aber iſt mit
ſolchem Gekoͤch umbgangen der theure Lutherus in ſeinen Commen-
tariis uͤber Moſen/ Pſalmen/ und Propheten/ uͤber unterſchiedliche Capi-
tel deß Evangelii Johannis/ ſonderlich uͤber das erſte/ vierzehende undConf.
Luth. ult.
Confeſſ.
tom. 2.
Isleb. p. 8.
folgende/ wer hie recht kochen wil/ der lerne es Luthero ab/ und leſe ſolche
ſeine Exegetica fleiſſig/ es wird ihn nimmer reuen. Damit aber nie-
mand excipiren und einwenden moͤchte/ es waͤren ſolche ſtarcke Speiſen
zu verdauen/ allein den Lehrern und Gelehrten aubefohlen/ der gemeine
Mann habe genug an ſeinem einfaͤltigen Catechiſmo/ ſo wolle man (ne-
O o o o 2ben
[660]Die ein und zwantzigſte
ben dem Apoſtoliſchen Anſpruch/ der heiligen Bruͤder/ die mit ihm beruf-
fen ſind durch den heiligen Beruff/ die allererſt haben Meiſter werden ſol-
len) bedencken die cauſas finales, die noͤthige Endurſachen/ aus welchen
die Befehl entſprungen/ welche den gemeinen Mann in gewiſſer Maß
nach proportion deß eingethanen Pfunds ſo wol beruͤhren als die Leh-
rer und Meiſter. Dann ob zwar wol ſolche hohe perfection und Voll-
kommenheit der Lehre nicht jederman ohne Unterſcheid zum letzten ſeli-
gen Sprung/ Abtruck und Abſchied aus dieſer Welt/ ins ewige Leben bloß
von noͤthen/ ſo iſts doch von noͤthen/ allweil wir noch im Reich der Gna-
den leben und ſchweben/ die Hoffnung deß ewigen Lebens zu ſtaͤrcken/ das
rechtſchaffene Leben in Chriſto JEſu in Vigor zu erhalten/ vor gifftigen
vid. Styl.
vind. p. 255.
Lact. Ca-
tech. part.
4. p. 131.
part. 7.
dedic.Speiſen zu verwahren/ rechte und wahre Fruͤchte deß Glaubens zu gebaͤh-
ren/ uns zu nehren und zu wehren/ wenn Anfechtung geht daher/ daß ſie
uns nicht umbkehren. So noͤthig das liebe Brod iſt/ zur Erhaltung
deß natuͤrlichen Lebens/ ſo noͤthig iſt auch die ſtaͤrckere Lehre deß Glaubens/
wegen deß unumgaͤnglichen reichen Nutzen/ und der edlen Fruͤchten deß
Glaubens/ ſo aus beſagter Vollkommenheit und Erkaͤntnuͤß Gottes ent-
ſpringen/ ſo wol Troſtfruͤchten von Sion/ als von Sinai Fruͤchten deß
Chriſtlichen Lebens und Wandels. Je ſtaͤrcker der geglaubte Glaube waͤch-
ſet/ je ſafftiger und beſſer ſind auch die Fruͤchten/ je reicher Verſtand/ je
bruͤnſtiger/ je heilſamer und fruchtbarer Andacht in der meditation, Ge-
bet und Geſang. Wer ſtrenge auff die Andacht bey ſeinen Zuhoͤrern dringt/
und gibt ihnen doch nicht voͤlligen/ und in Gottes Wort geoffenbahrten
Sinn und Verſtand deß Glaubens/ iſt gleich einem Gaſtgaͤber/ der ſei-
nem Gaſt immer zuſpricht/ er ſoll ihm die niedliche und koͤſtliche Bißlein
wol ſchmaͤcken laſſen/ und ſtellet doch nichts auff/ als Brod und Kaͤſe/
zu geſchweigen der hochnothwendigen Vindicien oder Rettungen deß
wahren Glaubens/ und Unterſcheid der geſunden Seelenſpeiſe und See-
lengiffts/ ſo aus rechtſchaffener Bereitung der ſtarcken Speiſe erfolget/
davon in kuͤnfftigen Predigten mit mehrerm. Jm Gegentheil bringt die
ſaumſelige Omiſſion und Unterlaſſung ſo gethanes Wachsthumbs/ un-
ſaͤglichen/ unwiderbringlichen Seelenſchaden/ aus Gottes heiligem und
gerechtem Verhaͤngnuͤß/2. Theſſ. 2/10. kraͤfftige Jrrthumb/ eingeflochtenen
Koͤhler-Glaub/ opus operatum, ſu perſtitiones, ſu pererogationes, und
aus Flucht der ſchweren Lehren/ ſchwere Geſetz/ Buͤrden/ Geluͤbden/ Wall-
fahrten ꝛc. ſampt dem Antichriſt/ hat beſagte Faulheit gezeuget/ derſelbe kan
noch heutiges Tags den rohen general-Wortlaut wol leiden/ als damit
ihm und ſeinem Reich ſchlechter Abbruch geſchicht/ und wann Layen in ſol-
cher
[661]Predigt.
cher Genuͤge dem Wortlaut nach die Bibel leſen wolten/ ihnen dieſelbe
nicht verbeutet. Nunmehr zihlet ſo gethane Fahrlaͤſſigkeit auf die ſchnoͤde
ἀποςασίαν uñ Abfall vom rechten Glauben/ conſequ. die ἀπώλειαν das ewi-
ge Verderben/ davon Sap. 5, 6. 7. ein trauriges ejulate geſungen wird. Es
ſolte wol nicht ſchwer ſeyn im Nothfall zu erweiſen/ daß auch ein und ande-
re Perſon/ dieweil ſie in der Jugend hoͤher als uͤber den Catechetiſchen
Wortlaut nicht gebracht/ zum Abfall verleitet worden. Daher auch die
Chriſtliche Kirche bewogen worden/ den einfaͤltigen Catechiſmum immer
mit neuen Confeſſionibus, Symbolis, und zulaͤßlichen/ ſchrifftmaͤſſigen
Zuſaͤtzen zu vermehren. Das Niceniſche Symbolum, durch das Conſtanti-
nopolitaniſche/ Epheſiniſche/ Chalcedoniſche/ und zu unſerer Vaͤter Zei-
ten die Augſpurgiſche Confeſſion, durch die Formulam Concordiæ zu
erklaͤren/ und zu erweitern. Und was hat ſchon in langer Zeit der Syncre-
tiſche Geiſt/ der im truͤben gefiſcht/ unter dem rohen/ gemeinen und ſchlipf-
ferigen Wortlaut anders als die Confuſion, und aus derſelben die Aende.
rung und Abfall der Religion geſucht? Was hat Peucer in Chur-Sachſen
mit ſeinem neueingeſchobenen Catechiſmo intendirt? Wohin haben die
Caſſellani mit ihrer Rectification deß Catechiſmi Lutheri gezihlet? Was
die Zweybruͤckiſchen mit ihrer Declaration deß alten Catechiſmi außge-
wuͤrckt/ das hat hernach der leidige Außgang bezeugt? Nos faciant aliena
pericula cautos! Frembde Schaden unſer Warnung.
Vide Hutteri Coucord. Conc. p. 1277. Darmſtad. deduct. p. 1084.
Auch die geſunde Vernunfft lehret die Speiſe aͤndern/ nicht immer bey der
Milch hangen/ ſondern bey harter Arbeit haͤrtere Speiſen genieſſen. Gott
der HErr hat im Paradiß-Garten nicht allein den Baum deß Lebens ge-
ſetzt; ſondern auch denſelben mit allerhand Frucht-Baͤumen umbgeben
und gezieret. Wer iſts/ der/ wann ihn ein Ahaſverus zu Gaſt geladen/ von
allen Koͤniglichen und niedlichen Speiſen und Getraͤnck wolte abhorri-
ren/ und allein nach Kaͤß/ Brod und Waſſer fragen? Ebenmaͤſſig treibt
die geſunde Vernunfft zu ſolchem profect und Wachsthumb deß Glau-
bens/ und fragt: Ob wir Teutſchen/ die wir in ſolcher Elevatione Poli le-
ben/ da wir eines laͤngeren und hoͤhern Tages genieſſen koͤnnen/ als die
Naͤchſten dem Polo Arctico, in kuͤrtzern Tag und langen Nacht leben;
Ob/ ſage ich/ wir/ als Liechtſcheuende/ in den beſagten Nachtlaͤndern/ die
Wohnung auffſchlagen/ und uns mit dem kurtzen Liecht contentiren
ſollen/ da wir laͤngers haben koͤnten. Lehret euch nicht die Natur/
ſpricht St. Paulus/1. Cor. 11. Was hie weger und rathſam. Nun
O o o o 3iſts
[662]Die ein und zwantzigſte
iſts bey uns umb den Abend (laut der Weiſſagung Zachariaͤ c. 14/7.)
liecht worden/ und kan durch den Wachsthumb der Glaubens-Leh-
ren noch liechter werden/ und ſo hell/ als von der Apoſtel Zeit je war/
welches ohne ſchnoͤde Undanckbarkeit niemand wird leugnen koͤnnen.
2. Ob die Hirten Jſaac ſich mit den kleinen Schaafbruͤnnlein behelffen/
oder noch mehr Brunnen graben/ ſchoͤpffen/ erſtreiten/ erweiteren/ und den
Brunnen Rechoboth gewinnen ſollen? Wer wil ihnen hie unrecht geben?
3. Ob der Knecht/ der das eine Pfund vergraben/ oder der mit fuͤnff
Pfunden andere fuͤnff erwuchert/ beſſer gethan? Den Außſchlag gibt der
HERR ſelbſt/ wann er jenen einen faulen Schalcks-Knecht/ deſen einen
frommen treuen Knecht nennet. Und diß iſt alſo eine kurtze idea und
Muſter deß groſſen Catechiſmi/ ligt nur an den Catechetis, an den rech-
ten Catechiſmus-Lehrern/ an dem ſeltzamen und theuren Wildprett/ die da
heiſſen Didactici, lehrhaffte Maͤnner/ die die Gabe haben/ gruͤndlich und
doch hell und liecht/ die ſchweren Lehren einzugieſſen/ leicht und liecht zu
machen/ dann da haͤlts! Man contentirt ſich mit der bloſen recitation und
Erzehlung der Wert deß Catechiſmi/ wer dieſe kan daher ſagen/ und etli-
che (bißweilen der Glaubens-Regul nicht gemaͤſſe) fuͤrgelegte Fragen auß-
wendig gelernt/ den laͤßt man ex opere operato zum Tiſch deß HErrn
zu gehen/ ohne weitere/ ſattſamere und reichere Erkiaͤrung der Worte.
Was iſt das anders als Heliogabali Spiel/ der ſeinen Schmarotzern
eine Tafel bereitet/ voll hoͤltzerner/ ehrner/ ſilberner/ guͤldener Trachten
und Bild-Speiſen/ bloß zum Anſchauen ohne Genieß einiges Saffts oder
Kraffts? Sie (ſagt man) ſollens hernach im Predigen lernen: wie aber?
wann ſie den Catechiſmum zuvor nicht recht gruͤndlich verſtehen/ ohne
deſſen rechten Verſtand die Predigten nicht wol koͤñen verſtanden werden.
Derowegen ſo bringet her/ richtet zu/ traget auff ihr Diener deß
groſſen Koͤnigs/ ſtarcke/ ſafftige/ geſunde/ wolgewuͤrtzte/ nicht abgeſchmack-
te/ rohe und mit wuͤſten Bruͤhen beſudelte Speiſen/ oder wol gar (σκύβα-
λα) deß Tiſches Außwuͤrfflinge/ machet leicht/ was ſchwer zu verſtehen/ klar/
was dunckel iſt/ und laßt die ſtarcke Speiſe gleichſam in Milch zerflieſſen/
laſſet doch an euch nichts ermangeln. Jac. 3/1. Unterwinde ſich nicht
jederman Lehrer zu ſeyn/ und wiſſet/ daß wir deſto mehr Ur-
theil empfahen werden. Keiner ſage mit jenem Bauchpfaffen zu
Laodicea:Jch bin reich und habe gar ſatt/ der auch ſolcher
ſeiner Unvernunfft halben eine ſtarcke Cenſur außſtehen muͤſſen/ Apoc. 3/
15. Wolt ihr andere lehren/ ſo lernet zuvor das Lehren/ wie man deutlich/
verſtaͤndlich und ordentlich lehren ſoll/ wie man die Speiſen orthotomi-
ren/
[663]Predigt.
ren/ recht theilen/ und trenchiren/ nach jedes Mund bequemlich einrichten/
und wie Butter einſtreichen moͤge/ dann das heißt eigentlich ὄϱθοτομει̃ν,
recht theilen/ nicht den Text in uͤberfluͤſſige/ unnuͤtze/ verdrießliche/ Rami-
ſche terminos reſolviren/ ſondern kurtz/ lauter und leicht fuͤrtragen/ daß es
auch der gemeine Mann faſſen/ und einen anmuthigen Geſchmack von
der Suͤſſig- und Guͤtigkeit deß Wortes Gottes fuͤhlen mag/ Safft und
Krafft empfangen/ anders als im Pabſtthumb/ da man (wie Lutherus
redet Tom. 7. Jen. p. 96.) von Goͤttlichen Geheimnuͤſſen/ mehr nicht als
die Schalen behalten/ den Brauch und Nutzen hat niemand davon em-
pfangen/ daß man ſich haͤtte deſſen wiſſen zu troͤſten. Zum Exempel
Tom. 4. Witt. p. 526. Die Apoſtel und Glaͤubigen im Anfang
der Chriſtenheit haben mit groſſem Fleiß und Auffmercken
der H. Propheten Spruͤche von den Artickeln deß Glaubens
mit ſcharffen Augen angeſehen/ herfuͤrzogen/ und gar deut-
lich erklaͤrt/ als zu ſehen iſt Eph. 4. da St. Paulus dieſen
Spruch aus dem 68. Pſalmen/ du biſt in die Hoͤhe gefahren ꝛc.
anzeucht/ und aus dermaſſen troͤſtlich die Frucht und Krafft
der Himmelfahrt Chriſti beſchreibet. Dieſelbige Wort/ ſo
St. Paulus erklaͤret hat/ haben viel feiner Leut im Pabſt-
thumb vor dieſer Zeit geleſen/ aber nicht verſtanden/ gar we-
nig außgenommen/ und ob man gleich jaͤhrlich davon ge-
predigt hat/ Chriſtus ſey gen Himmel gefahren/ iſts doch oh-
ne Frucht abgangen/ dann niemand hat gewuſt/ viel weni-
ger geglaubt/ daß Chriſtus uns zu gut/ Troſt und Seligkeit
in die Hoͤhe gefahren ſey/ daß wir durch ſeine Himmel-
fahrt von unſerm Gefaͤngnuͤß frey/ loß und ledig waͤren.
An der Didactic ligt gar viel/ wann ſonderlich die Frucht und Nutzbarkeit
einer ſolchen/ wiewol ſchweren Lehre repræſentirt/ und alſo die ὅϱεξις diſ-
cernendi gewonnen wird/ ſo wird alsdann die Luſt und Liebe zu einem
Dinge/ machen alle Arbeit geringe. Thut was Paulus gethan/ Col. 1/
28. Wir verkuͤndigen und vermahnen alle Menſchen/ und
lehren alle Menſchen mit aller Weißheit/ auff daß wir dar-
ſtellen einen jeglichen Menſchen vollkommen in Chriſto JE-
ſu. Auff daß die Zuhoͤrer beſtehen vollkoͤmmlich und erfuͤllet mit allem
Willen Gottes. Col. 4/12. Hebr. 6/1. Alles mit gebuͤhrender Dexte-
ritaͤt/ Ernſt/ Eiffer und Prudentz/ εν καιϱῷ, Matth. 24/45. mit Unterſcheid
deß Orts/ der Dorff- oder Stadt-Cantzel/ nach dem man Zuhoͤrer vor
ſich hat/ Gelehrte oder Ungelehrte/ Bauren oder Buͤrger/ Studenten
oder
[664]Die ein und zwantzigſte
oder Handwercksburſche/ alt oder junge Perſonen? Wiewol wann der
Catechiſmus alſo getrieben wuͤrde/ wie in voriger Predigt erfordert wor-
den/ alle Zuhoͤrer (die Stupidos außgenommen) auch hoͤhere Sachen zu
lernen faͤhig ſeyn koͤnten/ und koͤnte alſo ein Prediger ſeine ſchuldige Pflicht
ablegen/ nicht nur bey dem Unweiſen/ ſondern auch den Weiſen. Rom. 1/
14. O wie wol thaͤte ein Examen nach gehaltener Predigt/ da/ was aller-
erſt auff der Cantzel fuͤrgetragen worden/ Catecheticè wiederholet/ in
Fragen und Antwort reſolvirt/ deutlicher erklaͤrt/ und daſſelbe alſobald/
da die Predjgt noch in friſchem Gedaͤchtnuͤß geblieben/ und jederman
aus Furcht/ es moͤchte der Reyen an ihn kommen/ mit wachſamen Oh-
ren auffmercken muͤßte? Der Nutz und die Frucht wuͤrde ſich augen-
ſcheinlich herfuͤr thun/ und das Gepflantzte und Begoſſene reichlich zu-
nehmen und aufgehen; waͤre nichts neues. Chryſoſtomus hat allbereit zu
ſeiner Zeit auf ſolche repetitiones und Wiederholungen viel gehalten und
dieſelbe aus der Art zu predigen St. Johannis deß Taͤuffers/ erholet.
Zu ſolcher Prudentz hat Lutherus eine ſchoͤne Erinnerung den Predigeru
in der Vorrede uͤber den Propheten Zachariam hinterlaſſen/ Tom. 5. Witt. p. 366.
Es hat uns GOtt der allmaͤchtige Vater zu Zeit viel trefflicher gelehrter Leute
gegeben/ die gar maͤchtiglich die H. Schrifft handeln/ beyde im neuen und alten
Teſtament. Er helffe uns auch/ und gebe Gnade/ daß wirs erkennen/ und danck-
ſagen/ Amen. Daneben finden ſich auch je mehr leichtfertige Geiſter/ die ihrer
Kunſt kein Ende wiſſen/ wiewol/ als St. Paulus ſagt/ ſie noch nicht wiſſen/ wie
ſie wiſſen ſollen/ dieſelbige fahren hochher/ obenaus/ und nirgend an/ gerad als
haͤtten ſie die gemeine Lehre vom Glauben/ Liebe und Creutz/ laͤngſt an den Schu-
hen zerriſſen/ fallen auff Figuren/ himmliſche Deutungen/ und Allegorien/ und
kuͤtzeln ſich ſelbſt mit feinen Gedancken/ daß ſie gleich lecken und ſpringen/ wie
vor Zeiten Origenes und Hieronymus auch thaͤten/ welche die Welt voll Allego-
rien gemacht/ und doch wenig der gemeinen nuͤtzlichen Lehre dargeben haben/ da-
mit dem Laͤſterer Porphyrio redliche Vrſachen gegeben wurden/ die Chriſten zu
ſpotten/ als waͤre ihre Lehre eitel ſolch Deutelwerck. Alſo wil auch ein jegli-
cher ein neuer Deutelmeiſter ſeyn/ dieſer nimbt Daniel/ jener Apocalypſin fuͤr/
und ſo fortan/ entweder was am ſchwerſten iſt/ oder was am allermeiſten Al-
legorien hat/ da wollen ſie ihre Kunſt beweiſen/ aber gantz und gar nichts ach-
ten/ wie nutzlich ſie dem armen gemeinen Mann/ ſondern wie kunſtreich und
herrlich ſie lehren koͤnnen/ und ſind nu/ Gott Lob/ alle hochgelehrte Doctores/ die
unſer nichts beduͤrffen/ und wenn ſie gleich lange und viel gedeuten/ ſo haben ſie
doch nichts gewiſſes/ darauff man bauen moͤchte. Nun waͤre ſolches ihr trefflich
Ding
[665]Predigt.
Ding wol zu leiden/ wann ſie daſſelbige bey ſich ſelbſt/ oder je bey den Gelehrten
trieben/ und daneben auch dem ungelehrten Poͤbel ſein Theil geben/ das iſt/ die
einfaͤltige Lehre vom Glauben Chriſti/ denn ich taͤglich befinde/ daß gar wenig
Prediger jetzt ſind/ die das Vater unſer/ Glauben/ Zehen Gebot recht wol ver-
ſtehen und lehren koͤnnen fuͤr das arme Volck/ dieweil ſie im Daniel/ Hoſea/
Apocalypſi/ und dergleichen ſchweren Buͤchern hoch her fliegen/ Jn deß gehet der
arme Poͤbel hin/ hoͤret zu und gaffet auff ſolche herꝛliche Gauckler mit groſſem
Wunder/ wenns Jahr umb iſt/ ſo koͤnnen ſie weder Vater unſer/ noch Glauben/
noch zehen Gebot/ welches doch die fuͤrnehmſten Stuͤcke ſind/ als der alte rechte
Chriſtliche Catechiſmus/ oder gemeiner Vnterricht fuͤr die Chriſten. Jch weiß
nicht/ wieviel ſolche Waͤſcher nuͤtzer fuͤr dem armen Volck ſind/ denn die vor Zei-
ten von Ariſtotel und dem geiſtlichen Recht predigten. Et fol. 2. Darum bitte und
ermahne ich bey aller Chriſtlichen Treue/ jederman/ beyde Lehrer und Schuͤler.
Erſtlich/ daß man die nicht verachte/ ſo die Schrifft außlegen/ und die ſchweren
Buͤcher wol handeln und geben koͤnnen. Denn Paulus ſpricht/ man ſolle die
Weiſſager nicht verachten/ noch die Geiſter daͤmpffen. Allein/ daß ſie es doch
thun an den Orten/ und fuͤr den Perſonen/ da es Nutz und Noth iſt/ wie Paulus
die Coloſſer lehret/ daß ihre Rede ſol nuͤtze ſeyn/ da es Noth iſt. Die beſten und
nuͤtzlichſten Lehrer aber und den Außbund halte man die/ ſo den Catechiſmum
wol treiben koͤnnen/ das iſt/ die das Vater unſer/ zehen Gebot und den Glauben
recht lehren/ das ſind ſeltzame Voͤgel/ denn es iſt kein groſſer Ruhm noch Schein
bey ſolchen/ aber doch groſſer Nutz/ und iſt auch die noͤthigſte Predigt/ weil drin-
nen kurtz begriffen iſt die gantze Schrifft/ und kein Evangelium iſt/ darinn man
ſolches nicht lehren koͤnte/ wenn mans nur thun wolte/ und ſich deß armen ge-
meinen Manns annehmen zu lehren. Man muß ja dem Poͤbel ſolch kurtz Ding
immer fuͤrblaͤuen/ als Vater unſer/ zehen Gebot und Glauben/ und darnach in
allen Evangelien und Predigten drauff dringen und treiben. Sie lernen den-
noch (leider) wenig davon. Vnd wie St. Paulus ſpricht/ kehren ſie ſich von
der Warheit zu den Maͤrlin.
Wie ſchwer wirds an jenem Tage zu verantworten kommen den Predi-
gern/ die nicht allein ſelbſt ſchlim̃ und ſchlaͤffrig mit dieſem Werck um-
gangen/ ſondern auch ihrer Zuhoͤrer fauler Ignorantz auffhelffen/ welche
wann ſie auff die Evangeliſche Geheimnuͤß kommen/ obenhin ſudeln/ undSalve Ref.
p. 635.
druͤber huͤpffen/ wie ein Hahn uͤber die gluͤende Kohlen; Viel ſagen von
der Erkantnuͤß Chriſti/ die ſie offt ſelbſt nicht genug ſtudiert/ hernach
da ſtehen auff der Cantzel/ gleich als auff Ignorantiæ aſylo: die gruͤnd-
liche Außfuͤhrung der jenigen Articul/ deren Erlaͤuterung in Gottes
Wort genugſam geſchehen/ welche in alle Wege zu vindiciren/ zu er-
retten/ ſo zur Seligkeit zu wiſſen vonnoͤthen/ fuͤr Schulſubtilitaͤten auß-
ſchreyen/ ja von ſtarcker Speiſe dergeſtalt abhorriren und eckeln/ als waͤre
ihnen verbotten dieſelb fuͤrzutragen. Wie ſollen aber ihre Zuhoͤrer
Vide Lutherum ad verba Eſaiæ, 42. Quis cæcus niſi ſervus meus? tom. 3.
lat. p. 382. f. 2.
glauben/ vom dem ſie nichts gehoͤret haben? wie ſollen ſie
Rom. 10, 14.aber hoͤren ohne Prediger? Wie wollen ſie anruffen/ an den ſie
nicht glauben? wie glauben/ den ſie nicht erkennen? wie der ſtarcken Spei-
ſe begehren/ wann niemand iſt/ der ſie recommendirt und aufftraͤgt? wie
denn hievon auff den Cantzeln altum ſilentium. Es doͤrffen wol ſolche
laue Prediger einwenden und ſagen/ es ſey ihnen mehr angelegen/ die Leu-
te from̃ als gelehrt zu machen/ man haͤtte ja ſo viel moralia, als Tugend-
ſporen zu tractiren/ daß man ſich ſo viel um die Wiſſenſchafft der Lehre
nicht zubemuͤhen habe. Chriſtus antwortet/ jenes ſol man thun/ und dieſes
nicht unterlaſſen. Es hat alles ſeine Zeit und Ordnung. Den Baum deß
waren Glaubens man muß zuvor pflantzen/ und auß demſelben die Chriſt-
liche Tugend-Fruͤchte abbrechen/ Chriſtum immer ſeyn laſſen unſer (zu
vorderſt) Sacrament/ und hernach auch Exemplar/ Muſter und Bey-
ſpiel/ ſonſt werden die Roſſe hinter den Wagen geſpannt. Aller ſolcher
defect und Mangel kompt auß dem neglect deß Durchſchauens in das
vollkom̃ene Geſetz der Freyheit/ davon St. Jacobus c. 1. ſchreibt/ daß/ der
da durchſchauet das vollkommene Geſetz der Freyheit/ und thut/ was er
gehoͤrt/ werde ſelig ſeyn im ſelben thun. Ο [...] παϱακύψας, der mit ſolchem
Ernſt/ Eiffer/ Schaͤrffe/ das Wort Gottes/ als einen zarten außpolierten
Spiegel/ nicht nur an/ ſondern in und durchſchauet/ wie es die heiligen
Engel geluͤſtet/ in die Geheimnuͤß der Chriſtlichen Lehre hinein zu
ſchauen biß auff den Abgrund/1. Petr. 1/12. Am Schauen iſt zwar kein
Mangel/ die zehen Gebot/ der Glaube und andere Catechiſmus-Lehren/
werden dem gemeinen Wortlaut nach/ von jederman angeſehen/ auß-
wendig gelernet und daher erzehlet: Aber die genaue Durchſchau der
dianœæ und deß eigentlichen Verſtands wil faſt jederman fehlen.
Hie mag mancher wol dencken/ malo convivis quam placuiſſe co-
cis, wann ich nur meinen Zuhoͤrern gefalle/ daß ich es ihnen recht mache/
und bey der generalitaͤt bleibe/ was frage ich nach anderwertiger Cenſur?
Aber es wird einmal ein Credentzer uͤber deine Trachten kom̃en/ und nach
dem er es befinden wird/ ernſtlich anden und richten. So ſchwer die
Straffe uñ der Fluch geſetzt iſt auff die Nachlaͤſſigkeit derer/ die das Werck
deß HErꝛn laͤſſig/ faul und untreulich thun/ ein Knecht/ der nicht immer
je mehr und mehr ſeinem Herꝛn Gewinn ſchaffet/ der iſt ein untreuer
Knecht/ wird zu ſeiner Zeit hoͤren muͤſſen das harte Wort Matth. 25/30.
Den unnuͤtzen Knecht werffet in die Finſternuͤß hinauß/ da
ſeyn wird heulen und zaͤhn klappern. So lieblich und erfreulich
iſt hingegen der Troſt und Segen/ Matth. 24/45/46. Welcher iſt aber
nun
[667]Predigt.
nun ein treuer und kluger Knecht/ den der HErꝛ geſetzt hat
uͤber ſein Geſinde/ daß er ihnen zu rechter Zeit Speiſe gebe.
Selig iſt der Knecht/ wenn ſein Herꝛ kom̃t/ und findet ihn al-
ſo thun.Et c. 25, 23. Sein Herꝛ wird zu ihm ſprechẽ: Ey du from-
mer und getreuer Knecht/ du biſt uͤber wenig getreu geweſen/
ich wil dich uͤber viel ſetzen/ gehe ein zu deines Herꝛn Freude.
Wann dann nun die Speißmeiſter und Lehrer ſolchen groſſen Fleiß
angewendet/ und ihre Zuhoͤrer ſo wol und kraͤfftig geſpeiſet/ ſo ſind die
Gaͤſte und Zuhoͤrer ſchuldig/ nicht nur die zugerichte Speiſe mit heiß-hun-
gerigem Mund deß Glaubens zu eſſen (bloß Anſchauen ſaͤttiget nicht)
in Safft und Blut verwandeln/ friſche Lebensgeiſter gebaͤhren/ und voͤllig
zu genieſſen; ſondern auch ſolche Treu wie in genere zuerkennen/ alſo auch
die ſchaͤdliche ἀυτάϱκειαν Genuͤgſamkeit zu beurlauben. Jſt eine ſolche Un-
tugend/ da ein Menſch ihm ſelber ein gewiſſe menſur und Maß der ſchul-
digen und erklaͤcklichen Wiffenſchafft erdichtet/ laͤßt ſich beduͤncken/ wann
er etwas weiters erforſchen und erlernen ſolte/ er moͤchte der Sachen zuviel
thun/ und zu weit gruͤblen; unterdeſſen aber in Begierde zeitlicher Guͤter
weder Maß noch Ziel findet. Da doch Welt- und Geld-durſt verbotten/
Liecht- und Lehr-durſt/ gleichwie auch Liebe und Tugendbegierde (quantũ
ſcimus, tantum diligimus,) in dieſer Welt kein Ende nehmen ſollen.
Das Wachſen und Zunehmen von einer Klarheit zur andern/ die nim̃er-
muͤſſige Tag und Nacht-waͤhrende Luſt am Geſetz deß HErꝛn/ iſt glaubi-
gen Chriſten gelobet und anbefohlen. Jm Zeitlichen laßt uns genugſam
ſeyn/ in Himmliſchen Sachen laßt uns truncken und voll werden deß H.
Geiſtes/ dort iſt die Sagina eine Untugend/ hier eine Tugend. O haͤtten
ſolche uͤberdruͤſſige Leute jemals die Suͤſſigkeit deß Goͤttlichen Worts recht
geſchmeckt/ ſo wuͤrden ſie je laͤnger je begieriger werden nicht nur nach der
Milch/ ſondern auch nach der ſtarcken Speiſe/ Eſa. 55/1. 2. Wolan/
alle die ihr durſtig ſeyd/ kompt her zum Waſſer/ und die ihr
nicht Geld habt/ kommet her/ kauffet und eſſet/ und kauffet
ohne Geld/ und umſonſt/ beydes Wein und Milch. War-
um zehlet ihr Geld dar/ da kein Brod iſt/ und euer Arbeit/
da ihr nicht ſatt von werden koͤnt?
Luth. Tom. 2. Isleb. p. 370. So ſpricht die Schrifft/ Johan. 6.
wer mich iſſet/ den wird mehr hungern/ und wer mich trin-
cket/ den wird mehr duͤrſten/ denn Gottes Wort/ wo es recht
ein Hertze einnim̃et/ machet es den Menſchen nicht ſatt noch
uͤberdruͤſſig/ ſondern je laͤnger je begieriger/ darumb wo
P p p p 2mans
[668]Die ein und zwantzigſte
mans uͤberdrůſſig wird/ da ſtehets nicht wol/ denn es iſt ja ei-
ne ſolche Predigt/ die man nimmermehr gnug kan hoͤren/
noch lernen. Darum preiſet auch der erſte Pſalm Gottes
Wort ſo hoch/ und ſagt/ daß es ſelige Leute ſind/ die ſtetig da-
mit umgehen/ und ihre Luſt daran haben. Auch hie Optimus
coquus fames eſt. Hunger iſt der beſte Koch. Wann die Mauß ſatt iſt/
iſt das Mehl bitter/ Anfechtung lehret auffs Wort mercken. Daß die Ju-
den im alten Teſtament/ da es doch noch gar dunckel geweßt/ ſich fleiſſig
in Gottes Wort und deſſen ſatten Verſtand geuͤbet/ hat Lutherus wol be-
wieſen.
Tom. 2. Isleb. p. 481. Hie ſihet man dennoch/ daß in dieſem Volck die Heil.
Schrifft wol wird ſeyn bekand geweſen/ und daß ſie mit Fleiß in den Synago-
gen und Schulen getrieben worden ſey; Sonderlich aber hat man den Pſalter
dem Volck fuͤrgeleget/ und bekand gemacht/ daß ſie haben die Pſalmen geleſen/
geprediget und gehandelt/ daß man wol ſihet/ daß in allen Staͤdten und Fle-
cken ſind Prieſter und Leviten geweſen/ die haben ihre Pfarren/ Kirchen und
Schulen (welche man Synagogen nennet) gehabt/ dahin ſich das Volck/ Got-
tes Wort zu hoͤren und zulernen/ verſamlet hat/ und ſie alſo ſind verſorget ge-
weſen/ daß die Schrifft der Propheten/ und die Pſalmen fleiſſig ſind außgeleget;
der Tempel zu Jeruſalem blieb gleichwol in ſeinen Wuͤrden/ und die oberſte oder
Haupt-Pfarꝛkirche/ dahin ſie des Jahres dreymal kamen zum Zeugnuͤß/ daß ſie
ſich an den Gott hielten/ der daſelbſt zu wohnen zugeſaget hatte/ und Rechen-
ſchafft ihres Glaubens und Lehre thaͤten. Alſo fein waren die Kirchen beſtellet
und geordnet in dieſem Volck/ und die Schrifft taͤglich gehandelt/ daß auch die
Einfaͤltigen davon einen ziemlichen Verſtand haͤtten/ was in den Pſalmen und
Propheten geſchrieben ſtuͤnde/ und koͤndtens behalten. Wie denn auch jetzund/
GOtt Lob und Danck/ unſere Kirchen alſo beſtellt ſind/ daß man dennoch zu-
ſammen koͤmbt/ Gott anzuruffen/ zu loben/ zu dancken/ das Wort Gottes reich-
lich darinnen getrieben wird/ daß auch ein einfaͤltiger grober Mann die Schrifft
etlicher maſſen verſtehen kan/ wie denn bey den Juden ſolches auch geweſen iſt.
Wir wiſſen je/ was des HErꝛn Chriſti Juͤnger fuͤr Leute geweſen ſind/ nicht
kluͤge Phariſeer/ Hoheprieſter und Schrifftgelehrte/ ſondern waren arme Bett-
ler und Fiſcher/ geringe Leute/ Petrus/ Andreas/ Bartholomaͤus/ dennoch ken-
nen ſie den Pſalter/ hoͤren ihn leſen/ ſingen und predigen/ haben alſo die Heil.
Schrifft gelernet/ haben ſchlecht von zuhoͤren lernen muͤſſen/ daß ſie es behal-
ten und daran gedacht haben. Tiſchred. pag. 438. D. Martin Luther ſagte ein-
mal: An der Menſchwerdung des Sohns Gottes da ſollen wir an ſtudieren/
und lernen immerdar/ gleichwie die Propheten in ihrem Moſe allezeit ſtudiert
haben/ wir ſtudieren aber nicht viel in unſern Evangeliſten/ das habe ich offt ge-
ſagt/ und bin mir ſelber gram druͤber/ und wir lernens doch nimmermehr auß/
ja diß wird das ewige Leben ſeyn/ und der Engel Leben ſeyn/ daß wir immerdar
mehr zuwiſſen begehren werden/ da wird man immer etwas neues ſehen/ das
man zuvor nicht geſehen hat.
Qui (ita Luther. Catech. major. præfat. p. 397.) Sacr amentorum uſum
ſibi vendicant, plue ſcire, neꝙ́ non ampliore Chriſtianarum rerum intelligentia
præditi atꝙ exculti eſſe debent, quàm pueri, aut novitii ſcholaſtici. Idem olim
monuit Pinytus Cretenſis Gnoſſ. Epiſc. in Epiſt. ad Dionyſ. Corinth. apud Hie-
ron. in Catal. p. 278. in qua docet, non ſemper lacte populos nutriendos, ne
quaſi parvuli ab ultimo occupentur die: ſed \& ſolido veſci debere cibo, ut in
ſpiritualem proficiant ſenectutem. Hæc ille. Helluo vinorum vituperatur, libro-
rum ſacrorum laudatur. Nefas habetur exoticas eſuriiſſe dapes; graviter
luit carnis Niloticæ famem \& gulam in coturniceam pluviam nimis inhians
gens Iſraelitica; Melitoni contrà fas fuit in Palæſtinam exſpaciari ac inde Ca-
nonis Biblici ἀσϕάλειαν apportare: malè audit in Philoſophia morali Apicius
gruinum collum exoptans, ut ſatis diu ſentire poſſet cupediarum dulcedinem:
at in Philoſophia cœleſti benè audit, qui verbi divini delicias cum morâ degu-
ſtat, non perfunctorie delibat, ut canis è Nilo bibens. ϖλησμονην̀ \& ſaginam
diſſuadet Medicina, βουλιμίαν damnat. Α῎σκησις γὰϱ (juxt à Hippocratem) ὑγι-
είης, ἀκορία τϱοϕῆς, ſanitatis ſtudium est, non ſatiari cibis: vanitatis iti-
dem est, oculo non ſatiari poſſe. Eccleſ. 1, 8. ac ore ſemper hiare: at ſophos
cœleſte famem alit inſatiabilem, Syr. 24, 29. Hic ſpiritualiter febricitanti
licet ſitire vinum è cella ſponſi cœleſtis.
Mit Verwunderung vernimt man von dem Fleiß und Eiffer/ den die
Widertaͤuffer in Religions-Sachen von ſich ſcheinen/ und nichts deſto
minder ihren Secularibus abgehen laſſen. Kinder deß Liechts ſollen billich
den Kindern der Finſternuͤß hierin nichts nachgeben. Wuͤrde die Sonn-
und Feyr-taͤgliche Zeit/ die man mit weltlichen Ubungen und Uppigkeit
manchmal zubringt/ zur Ubung und Wachsthum deß Glaubens ange-
wendet/ ſo wuͤrde vielleicht liecht und leicht werden/ was jetzt dunckel
und ſchwer fuͤrkoͤmpt. vid. ſalve Reform. pag. 205. Sprichſtu? was
bedarffs ſolcher Weitlaͤufftigkeit/ ſolcher ſchweren unertraͤglichen Laſt? Es
ſind die Sachen/ die in die Hohe-Schule gehoͤren. Jch bleibe bey mei-
nem einfaͤltigen Catechiſmo. Jch begehre in keinem andern Glauben
zu ſterben (ſagt jener Juncker) als der Einfaͤltigſte unter meinen Bauren.
Hat der Schaͤcher ohne ſolche groſſe Wiſſenſchafft koͤnnen ſelig ſterben/
warum nicht auch ich? Auff dieſe weiſe muͤßten alle Layen Doctores
werden? Antwort. Keine Kunſt iſt dem Menſchen zu ſchwer zu ler-
nen/ wann ſie Geld gibt/ aber die einige nothwendige Chriſten-Kunſt/ und
dero gruͤndliche Erkantnuͤß Gottes iſt dem mehrſten Theil zu hoch und un-
begreifflich. Die Weltweiſen beluſtigen ſich mit ihren Arcanis, alle ſecre-
ta politica, alle politiſche verborgene Ding außzuecken/ wie auch die Ge-
heimnuͤß der Natur/ die Geheimnuͤß allerhand Kuͤnſten außzudencken
und außzugruͤnden iſt ihnen angelegen; Aber wo bleibt das unum neceſ-
ſarium, das jenige noͤthige Geheimnuͤß/ daran die Seligkeit hafftet/ deß
geoffenbahrten Gottes im Fleiſch? da weiß Herodes nicht von/ dem ge-
meinen Mann gilts gleich/ er glaube/ was er wolle. Den Juͤngern/ ſo
nach Emaus wanderten/ kam der Unterſcheid deß Reichs Chriſti auch
ſchwer fuͤr/ dennoch ſchilt Chriſtus ihre Unwiſſenheit. Was in die
Schule gehoͤrt/ das gehoͤrt auch conſequenter auff die Cantzel/ als um
dero willen zu Dienſte die Schule gebauet und geſtifftet. Lieget nur an
der Dexteritaͤt im Fuͤrtrag/ daß man menſchlicher Weiſe davon rede/ und
die Speiſe lactificire. Sprichſtu/ unſer Wiſſen iſt doch nur Stuͤckwerck/
wir ſehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunckeln Wort/ derowegen
laß ichs billich beym naͤchſten bleiben/ ſpare die vollkommene Erkantnuͤß
in die hoͤhere und himmliſche Schule? Gerad als wann ein Diſcipul, der
von ſeinem Præceptore einsmals gehoͤrt/ die Grammatica iſt nur ein An-
fang der freyen Kuͤnſten/ iſt nichts zurechnen gegen den hoͤhern Facultaͤ-
ten/ er deßhalben nicht weiter fortfahren wolte: Wie wuͤrde es ſeinem
Præceptori gefallen? wird ein ſolcher Diſcipul der Ruthen entlauffen/ ſo
wird er doch einem guten Filtz nicht entgehen. Wahr iſts/ die hoͤchſte Voll-
kommenheit der Erkantnuͤß Gottes/ und das Anſchauen von Angeſicht zu
Angeſicht/ gehoͤret ins andere Leben: Aber darum muͤſſen wir in dieſer
untern Schule nicht traͤge ſeyn/ ſondern/ was uns in dem Spiegel deß
Goͤttlichen Worts ſtuͤckweiſe geoffenbahret/ mit Danck annehmen. Wer
in der Academi und Hohenſchule wol beſtehen wil/ der muß warhafftig
im Gymnaſio und untern Schule das Fundament wol gelegt haben.
Einfaͤltig Catechiſmus heißt der lautere/ wahre und klare/ und nicht/ der mit
Jrꝛthum̃ gemengt/ unter welchem Jrꝛthum̃ koͤnnen verborgen liegen.
Solche Einfalt meynt der teutſche Mann/ wann er ſagt: Jß/ was gar
iſt/ trincke/ was klar iſt/ rede/ was wahr iſt. Wer beym bloſſen
gemeinen rohen Wortlaut deß Catechiſmus bleibt/ ohne eigentlichen
rechten Verſtand/ der bleibt nicht beym lauteren und klaren Catechiſmo/
ſondern beym dunckeln Catechiſmo/ und iſt nicht viel ein beſſerer Chriſt/
als der Papagey. Scripturæ non in legendo conſiſtit, ſed in intelligende,
ſagte vor Zeiten Hieron. aliud est ſimplicitas fidei, aliud implicitas, Eſels-
Einfalt und Tauben-Einfalt ſind zwey Ding. Auguſt. l. 9. C. D. c. 6. Unum
quæ-
[671]Predigt.
quærimus, quo nihil ſimplicius. Ergò quær amus in ſimplicitate cordis, non in
ſimplicitate ignor antiæ \& tenebrarum, ſed lucis à tenebris ſegregatæ: v. Theol.
Conſc. part. 2. dial. 2. p. 434. Salve Reform. p. 632. Part. 5. Lact. Cat. præfat.
Einem einfaͤltigen unwiſſenden (κατ̕ ἀπόϕασιν ignoranti) Bauren kan
ſeine Unwiſſenheit nicht ſo ſehr ſchaden/ als ſeinem Junckern. Jener hats
nicht beſſer wiſſen koͤnnen/ hat kein Anlaß und Gelegenheit zu mehrer Er-
leuchtung gehabt/ hat die Mittel nicht verſaumet/ noch außgeſchlagen;
Aber der Juncker wills muthwillens nicht wiſſen/ iſt undanckbar gegen
dem Liecht/ das ihm gleichſam ins Bette ſcheinet/ ſchiebt Riegel und Laͤ-
den fuͤr/ und veracht den Rath Gottes wider ſich ſelbſt. Waͤre gut/
wann der Juncker/ wie er in geiſtlicher Gnugſamkeit ſeinem Bauren wil
gleich ſeyn/ daß er auch in dem leiblichen ſich mit ſchlechtem Tractament
gleich ſeinem Bauren begnuͤgen wolte. Waͤre deß bekehrten Schaͤchers
Glaube allen Chriſten gnug zur zeitlichen und ewigen Seligkeit/ ſo waͤre es
nicht werth/ daß man den Catechiſmum voͤllig zu lernen/ in den Schulen
das Studium Theologicum tractiren/ und ſich unnoͤthig bemuͤhen ſolte.
Solcher maſſen muͤſte auch die Bekandnuͤß der Unſchuld und deß Reichs
Chriſti/ welche der Schaͤcher von ſich vernehmen laſſen/ genug ſeyn; zum
heiligen Leben und Chriſtlichen Wandel wuͤrden keine andere gute
Werck mehr erfordert werden. Wie aber deß Schaͤchers Buß particu-
lar, und keine allgemeine Regul macht: Alſo auch nicht ſein kurtzgefaßter
Glaube. Es kan einen in Hitze liegenden krancken Patienten ein eintzi-
ges Perlein-Waſſer erquicken/ auffrichten und das Leben erhalten/ ſolten
darum alle andere Artzeneyen ungeacht bleiben/ und die Apotheck mit ein-
ander auffgehaben werden? Sonſt hat man die Beyſorge nicht zu haben/
es moͤchte auff ſolche angemuthete Geſchickligkeit jederman muͤſſen Do-
ctor werden. O Nein! der Unterſcheid iſt noch groß/ und wird noch in
einerley Waſſer der Knabe gehen/ der Elephant ſchwimmen muͤſſen/ der
HErꝛ wird auch zu frieden ſeyn mit dem/ der nur zwey Pfund empfan-
gen/ und dieſelbe wol angelegt. Wann ein gemeiner Mann ſeine Wiſ-
ſenſchafft ad ſoliditatem quaſi atboream gebracht/ daß er in ſeinem
Glauben feſt ſtehen kan wider alle Anfechtungen/ und Grund-ſtuͤrtzende
Jrꝛthum/ ſo hat er gnug/ was aber ferner einem Doctori oder Theolo-
go zu wiſſen und außzuarbeiten obliege/ iſt anderswo angezeigt worden/
Theol. conſcient. pag. 431. Schließlich ſollen alle Chriſtliche Lehrbe-
gierige Zuhoͤrer mit dem Vater deß monſichtigen Knabens wuͤndſchen
und betten/ ſtaͤrcke uns den Glauben/ mehre uns durch dein Freundligkeit
den wahren Chriſten Glauben. Das wird er thun/ vollbereiten/ ſtaͤr-
cken/
[672]Die ein und zwantzigſte
Luth. Bibl.
Vinar.cken/ kraͤfftigen/ gruͤnden/ und hoͤren/ Euch/ Matth. 13/11/12. die ihr be-
gehret die ſeligmachende Lehre zu lernen/ iſts gegeben/ durch GOttes
Gnade/ daß ihr das Geheimnuͤß deß Himmelreichs/ deß Reichs
Gottes/ vernehmet/ recht verſtehet/ wiſſet und gebrauchet/ dieſen
aber/ ſo drauſſen ſind/ ſo das Wort der Seligkeit nicht mehr begehren zu
lernen/ iſts nicht gegeben/ auß gerechtem Urtheil iſt es den nachlaͤſſigen/
unachtſamen Zuhoͤrern und Veraͤchtern deß Worts von GOtt nicht ge-
geben/ ſolche Geheimnuͤß zuverſtehen/ ſondern es widerfaͤhret ihnen alles
durch Gleichnuͤſſe. Denn wer da hat/ welcher der Gaben Gottes/ ſo
er allbereit empfangen/ recht gebrauchet/ dem wird gegeben/ in demſel-
ben wird GOtt der Herꝛ ſeine Gaben vermehren daß er die Fuͤlle ha-
be/ wer aber nicht hat/ wer in ſeiner Unachtſamkeit/ Nachlaͤſſigkeit/
Sicherheit/ und Verachtung dahin gehet/ als wann er nichts von GOtt
empfangen/ von dem wird auch genommen/ das er hat/ das er
meynt zu haben/ Luc. 8/ v. 18. Wo das Wort Gottes verſtanden wird/ da
mehret es ſich und beſſert den Menſchen/ wo es aber nicht verſtanden wird/
da nimmet es abe/ und aͤrgert den Menſchen.
Die thoͤrichten Jungfrauen koͤnnen einen Commentarium uͤber
dieſe Wort geben. Was war die Urſach/ daß die thoͤrichten Jungfrauen
von der Himmelspfort abgewieſen/ und außgeſchloſſen geblieben? Die
vermeynte Gnugſamkeit/ Oehl hatten ſie/ aber nicht genug/ dann weil
ſie uͤber das Außloͤſchen geklagt und geſagt/ gebet uns von euerem Oehl/
denn unſere Lampen verloͤſchen/ geben ſie damit zu verſtehen/ daß ſie und
zwar nicht ohne Oehl geleuchtet. Das Urtheil iſt ſchwer/ Luc. 14/24.
Jch ſage euch aber/ daß der Maͤnner keiner/ die geladen ſind/
mein Abendmahl ſchmecken wird. Wer da nicht hat/ von
dem wird auch genommen werden/ das er hat/ gleich wie dem/
der da hat/ wird gegeben werden/ daß er die Fuͤlle habe/ Matth.
13/11. Ach wolte GOtt/ daß alles Volck deß HErꝛn weiſſagete! Amen.
Vide hujus voti Exegeſin, part. 6. Lact. Catech. Epiſt. dedicat.
GEliebte in Chriſto. Wann St. Johannes der
Taͤuffer/ von ſich und ſeiner Perſon geſagt: Er ſey
nicht wuͤrdig und gut genug dem HErrn Chriſto
die Schuh-Riemen auffzuloͤſen/ wie ſeine Wort von den
Evangeliſten auffgezeichnet lauten Marc. 1/7. Es
kommt einer nach mir/ der iſt ſtaͤrcker denn ich/
dem ich nicht gnugſam bin/ daß ich mich fuͤr ihm buͤcke/ und
die Riemen ſeiner Schuh auffloͤſe. Luc. 3/16. Jch tauffe euch
mit Waſſer/ es kommt aber ein ſtaͤrckerer nach mir/ dem ich
nicht gnugſam bin/ daß ich die Riemen ſeiner Schuh auff-
loͤſe. Joh. 1/27. Der iſts/ der nach mir kommen wird/ wel-
cher vor mir geweſen iſt/ deß ich nicht werth bin/ daß ich ſeine
Schuh-Riemen auffloͤſe. So eroͤffnet er zwar ſeines Hertzens De-
muth/ und ſchuldige Dienſtgefliſſenheit/ gegen ſeinem HErrn Chriſto; die
Perſon ſey ſo edel und hoch/ daß wann er ſie tauffen/ waſchen und baden/
und daher zuvor die Schuh-Riemen auffloͤſen/ die Schuh butzen/ und auß-
ziehen ſolte/ er ſolche/ wiewol geringe Dienſte zu leiſten/ nicht gut genug!
Allen ſeinen Nachfolgern im Predigampt zu einem Exempel/ daß ſie ſich
ja nicht ſo gut oder beſſer duncken/ als Chriſtus ſelbſt/ uñ keiner unter ihnen
zu einem Haupt ſich aufwerffen ſolle/ deme nicht nur die Cleriſey/ ſondern
auch hohe und gewaltige Herren/ Kaͤyſer/ Koͤnige uñ Fuͤrſten/ ſchuldig ſeyn
die Fuͤſſe zu kuͤſſen/ fuͤr deſſen Thron ſich niederlegen/ und den Staub le-
cken/ ſondern ſich demuͤthigen/ unter die Gewalt deß HErrn aller Herren/
den ſein himmliſcher Vater ſo hoch erhoͤhet/ und ihm einen Namen ge-
geben uͤber alle Namen/ daß in ſeinem Namen ſich biegen ſollen die
Knie aller derer die im Himmel/ auff Erden/ und unter der Erden ſind.
Achter Theil. Q q q qHie-
[674]Die zwey und zwantzigſte
Hieronymus aber erhebt dieſe Wort hinauff zur Erklaͤrung der Oeffnung
oder Auffloͤſung der Weiſſagung alten Teſtaments/ als den Schuh-Rie-
men von ledern Fellen/ darinnen er der HErr der Meſſias ſelbſt gleich-
ſam mit ſeinen Fuͤſſen angebunden/ und zeucht es ſonderlich auff die In-
carnation und Menſchwerdung deß Sohns Gottes. Die Meynung iſt
dieſe; Obgleich Johannes der Taͤuffer/ ſich nicht wuͤrdig und geſchickt
genug geachtet die H. Schrifft altes Teſtaments auffzuloͤſen/ dennoch hat
ihn der HErr ſelbſt ſolches Dienſts gewuͤrdiget/ und ihn zu einem Pro-
pheten gemacht/ der mehr und hoͤher erleuchtet geweſen/ als alle andere
Propheten/ die zwar Chriſto die Schuh-Riemen angezogen/ aber nicht wie-
der außgezogen/ haben aus Goͤttlicher Erleuchtung/ die heilwerthe Ge-
heimnuͤſſe von dem kuͤnfftigen Meſſia und ſeinem Reich/ in dunckeln Raͤ-
tzelworten fuͤrgetragen/ denſelben aber habe Johannes der Taͤuffer gleich-
ſam nackend und bloß im Jordan dargeſtellet/ auff ihn/ als den Præſen-
tem, den gegenwaͤrtigen erſchienenen Meſſiam mit Fingern gedeutet/ und
angezeigt/ was unter ſolchen Prophetiſchen Schuh-Riemen fuͤr eine Per-
ſon verborgen und verdeckt geweßt/ und alſo war er kein Prophet/ſc.
der von kuͤnfftigen Sachen geweiſſaget/ Joh. 1/21. und doch ein Pro-
phet/ Luc. 1/76. ja ein groͤſſerer Prophet als je einer/ der von
Weibern gebohren/ Luc. 7/28. Alſo ſollen auch Lehrer und Diener deß
neuen Teſtaments zwar bey ihrem Ampt ihnen nichts einbilden/ aber doch
ſich erfreuen daß ſie Gott der Herr ſo hoch gewuͤrdiget dem HErrn Chriſto
die Schuh-Riemen aufzuloͤſen/ das iſt/ die H. Schrifft zu erklaͤren/ zu deu-
ten und außzulegen/ und in ſolchem Stuͤck die Propheten ſelbſt zu uͤber-
treffen. Denn es ja mehr iſt/ den Traum außlegen/ als traͤumen. Pha-
rao hat getraͤumet/ aber Joſeph hat den Traum außgelegt. Welches
Liecht iſt hoͤher und heller? darumb wir dann GOtt im Himmel nimmer
gnug dancken koͤnnen fuͤr das Donum Hermenevticum,die Gabe der
Außlegung/ mit welchem dieſe letzte Abend-Kirche vom Himmel herab
gezieret worden. Jſt auch ein Stuͤck von dem Lehren/ ſo in naͤchſter Pre-
digt der Kuͤrtze halben nicht hat koͤnnen außgefuͤhrt/ ſondern biß hieher
muͤſſen verſparet werden. Nemblich das Lehren und Erklaͤren deß
Goͤttlichen Worts/ welches in die ſtarcke Speiſe hinein fleußt/ und
dieſe von jener kommt. Davon fuͤr dißmal nuͤtzlich zu lehren und zu hoͤ-
ren/
[675]Predigt.
ren/ wolle GOtt ſeinen guten Geiſt beſchehren/ alles zu ſeinen Ehren/
Amen.
NJemand wird leichtlich zweiffeln/ ob durch das von Chriſto
ſeinen Juͤngern anbefohlenes Lehren/ auch das Erklaͤren und
Außlegen/ und alſo auch dieſes Stuͤck der ſtarcken Speiſe an-
gedeutet werde/ wann er bedenckt/ theils die Endurſach deß Lehrens/ war-
umb man lehren ſoll/ nemlich πϱὸς τὸ σοϕίσαι, weiß und klug zu werden/
die Goͤttliche Weißheit zu erlernen/ von dero St. Paulus ſchreibet 2. Tim.
3/15. 16. 17. Weil du von Kind auff die H. Schrifft weiſſeſt/
kan dich dieſelbe unterweiſen zur Seligkeit/ durch den Glau-
ben an Chriſto JEſu/ denn alle Schrifft von Gott eingegeben
iſt nutz zur Lehre/ zur Straffe/ zur Beſſerung/ zur Zuͤchti-
gung in der Gerechtigkeit/ daß ein Menſch Gottes ſey voll-
kommen/ zu allen guten Wercken geſchickt. Weil aber die Heil.
Schrifft ſelbſt an etlichen Orten dunckeler/ als an andern/ und menſch-
licher Verſtand in Goͤttlichen Sachen verfinſtert/ ſo iſt dannenhero die
ἐπίλυσις, διάνοιξις, πϱοϕήτευσις, 2. Petr. 1/21. 1. Cor. 12/10. c. 14/5. Auff-
loͤſung/ Eroͤffnung/ Erklaͤrung/ Außlegung Erlaͤuterung/ und Deutung
von noͤthen. Das Weiſſagen oder Außlegen/ iſt dem Lernen ſubordinirt.
1. Cor. 14/31. Jhr koͤntet wol alle weiſſagen/ einer nach dem
andern/ auff daß ſie alle lernen/ und alle ermahnet werden.
Theils die Exempel der jenigen/ die in der H. Schrifft Lehrer und Schrifft-
gelehrte genennet worden. Jenes heißt der Heil. Apoſtel Weiſſagen/
1. Cor. 14.
Prophetia heißt in H. Schrifft nicht nur ſo viel/ als zukuͤnfftige Sachen aus
Goͤttlicher unfehlbarer Offenbarung von Chriſto/ ſeinem Reich und deſſelben fa-
tis, verkuͤndigen/ wie Eſaias/ Daniel/ David/ ꝛc. Paulus und Johannes im
Neuen Teſtament gethan/ nicht nur Gottes Rath und Willen/ wie er in ſeinem
Wort geoffenbahret/ verſtehen; dann gleichwie Aaron/ Exod. 7. der Prophet Mo-
ſis genennet worden/ dieweil er ſein Mund und Auß leger wart Alſo die Schrifft
nach der Glaubens-Regul außlegen/ das heiſſet weiſſagen. Rom. 12. Ja die
gantze Heil Schrifft wird πϱοϕητικὸς λόγος genennet/ ein Prophetiſches Wort.
Sondern weiſſagen/ heiſſet auch ſo viel/ als den erkannten Goͤttlichen eigenen
Sinn/ recht deutlich/ beſſerlich (juxta Luth. Gloſſ. Bibl. Vinar. p. 234.) ſo weit
bringen/ daß der Vnglaubige offentlich bekennen muͤſſe/ er ſey bißher in groſſem
verdam̃lichen Jrrthum und Suͤnden erſoffen geweſen/ welche er nunmehr erkenne
vollkom̃lich/ und nicht bloß kindlich/1. Cor. 14/20. durchtringend/ kraͤfftiglich/
ſieghafftiglich/ v. 20. reichlich/ v. 12. fruchtbarlich/ v. 14. auffloͤſen/ erklaͤren/ und
Apophtegmaticè, Act. 2. mit außerleſenen Worten v. 14. oder muͤndlich fuͤrtragen/
ſingen und ſagen. Lutherus Tom. 2. Jen. p. 475. Darumb iſts gar ein ander Ding
umb einen ſchlechten Prediger deß Glaubens/ und umb einen Außleger der
Q q q q 2Schrifft/
[676]Die zwey und zwantzigſte
Schrifft/ oder wie es St. Paulus nennet/ einen Propheten. Ein ſchlechter Pre-
diger (iſt wahr) hat ſo viel heilige Spruͤche und Text durchs Dolmetſchen/ daß er
Chriſtum verſtehen/ lehren und helliglich leben/ und andern predigen kan/ aber
die Schrifft außzulegen und zu handeln/ fuͤr ſich hin und zu ſtreiten wider die ir-
rigen Einfuͤhrer der Schrifft/ iſt er zu gering/ das laͤſſet ſich ohne Sprachen nicht
thun. Nu muß man je in der Chriſtenheit ſolche Propheten haben/ die die Schrifft
treiben und außlegen/ und auch zum Streit taugen/ und iſt nicht genug am hei-
ligen Leben und recht Lehren.
Die Exempla ſind in H. Schrifft auffgezeichnet/ derer die ſolcher Maſſen
geweiſſaget. Moſes war ein groſſer Doctor und Lehrer im alten Te-
ſtament; von ihm ſtehet geſchrieben/ er habe angefangen das Geſetz
außzulegen/ Deut. 1/5. Zacharias deß Koͤnigs Uſia Lehr- und Gewiſ-
ſens-Rath hat den Namen 2. Chron. 26/5. eines Lehrers in den
Geſichten Gottes/ das iſt/ ein Außleger der Goͤttlichen Weiſſagun-
gen. Von Eſra/ dem fuͤrtrefflichen Schrifftgelehrten und ſeinen Col-
legen wird geruͤhmet Nehem. 8/8. daß ſie das Geſetz-Buch abgeleſen
[...]klaͤrlich und verſtaͤndlich/ ſie habens dem Volck ſo hell und
heiter erklaͤret/ daß mans verſtund/ was man geleſen: Der Meiſter mit
der gelehrten Zungen Chriſtus ſelber/ legt ſeinen Juͤngern die Parabel
und Gleichnuͤſſen/ die er ins Mittel gebracht/ inſonderheit aus/ Marc. 4/
34. den Juͤngern ſo nach Emauß geſpatzieret/ Luc. 24/27. Er fieng an
von Moſe/ und allen Propheten/ und leget ihnen alle
Schrifft aus/ die von ihm geſagt waren.Et ibid. v. 45. Da er-
oͤffnet er ihnen das Verſtaͤndnuͤß/ daß ſie die Schrifft ver-
ſtunden. Deme zur Nachfolge/ hat Petrus in ſeiner Pfingſt-Predigt
den Propheten Joel tractiret und erklaͤret/ Philippus dem Caͤmmerer
der Koͤnigin Candaces den Propheten Eſaiam/ Act. 8/35. Aquila
und Priſcilla legten dem Apollo den Weg Gottes fleiſſig aus/ Act. 18/26.
St. Paulus erfordert mit groſſem Ernſt von den Lehrern der Kirchen
zu Corintho/ daß ſie zur Beſſerung der Gemeine ſolten weiſſagen.
1. Cor. 14/10. Es iſt mancherley Arth der Stimme in der
Welt/ und derſelbigen iſt doch keine undeutlich. v. 13. darum
welcher mit Zungen redet/ der bete alſo/ daß ers auch außle-
ge. v. 27. So jemand mit der Zungen redet oder zween/ oder
auffs meiſte drey/ eins umbs ander/ ſo lege es einer aus.Et
v. 6. Lieben Bruͤder/ wenn ich zu euch kaͤme/ und redet mit
Zungen/ was waͤre ich euch nuͤtze/ ſo ich nicht mit euch redete/
entweder durch Offenbahrung/ oder durch Erkaͤntnuͤß/ oder
durch Weiſſagung/ oder durch Lehre? Uber welche Wort Lu-
the-
[677]Predigt.
therus folgender Maſſen gloſſirt Tom. 5. Jen. p. 159. Er ſpricht/ ja hie
mit Zungen reden/ welches iſt nichts anders/ denn die
Schrifft muͤndlich daher leſen/ und wil doch ſolche Zungen
oder einfaͤltige Schrifft vierfaͤltiglich handeln. Nicht daß
er mancherley Sinne wolle draus machen/ wie Origenes
und Hieronymus/ ſampt ihren gleichen mit ihrenAllegoriis
thun; ſondern wil in einem einfaͤltigen Sinn viel geben/
wie (ich hoffe) jetzt hie auch gethan habe. Denn Weiſſa-
gung heiſſet er an dem Ort die Schrifft der Propheten von
Chriſto außlegen. Lehren heiſſet er den Glauben predigen.
Tit. 2. Wie uns der aus Gnaden from̃ macht/ ohne Verdienſt.
Erkaͤntnuͤß heiſſet er Bericht und Unterſcheid/ in aͤuſſerli-
chen Geberden und Brauch/ 1. Cor. 8. welches ich hie Ver-
mahnung genennet habe. Offenbahrung iſt ja freylich et-
was mehr/ dennAllegoria,nemlich/ etwas beſonders treffen
in der Schrifft/ das nicht ein jeder anderer treffen kan/ der
doch gleichwol der vorigen drey Stuͤck/ etliche/ oder alle drey
hat. Was aber/ wer und wie ſoll erklaͤret werden/ und die Erklaͤrung ge-
ſchehen? Diß ſind die drey Fragen/ die zu eroͤrtern fuͤr fallen. Was ſoll
man erklaͤren? die H. Schrifft und deroſelben Sinn/ den Buchſtaben
und deſſen Verſtand. Jener iſt die Scheide/ dieſer iſt das Meſſer; Jener
die Schale/ dieſer der Kern; Jener das Bein/ dieſer das Marck; Jener
der Ring/ dieſer der Edelgeſtein; Jener der Leib/ dieſer die Seele; Jene
durch rechte und eigentliche Verſion und Dolmetſchung/ dieſer durch
Spiegel-klare und gleiche Deutung deſſelben. Belangend die Verſion
und Dolmetſchung der Wort/ waͤre zwar zu wuͤnſchen/ daß der Ochſen-
und Ackerkauff/ und Werbung der Weiber/ mehr Friſt und Platz zulieſ-
ſen/ die Heil. Schrifft in ihrer eigenen/ Hebreiſchen und Griechiſchen
Grundſprache zu verſtehen/ (mit Nach- oder Hindanſetzung der Welſchen
und Frantzoͤſiſchen Sprachen) die zu unſern Chriſten-Zweck mehr dienen/
weil aber mos morus uͤberhand genommen/ daß man nicht anders wil/ ſo
muß man ſich mit Dolmetſchungen behelffen. Ob nun wol ſolche Dol-
metſchungen/ viel und mancherley ſind/ und nicht allezeit in Abbildung
deß Ertzbilds recht eintreffen/ ſo hat doch die Goͤttliche Providentz nicht ge-
ſchehen laſſen/ daß einige Dolmetſchung ſo falſch/ ungereimt und unaͤhn-
lich verkehret waͤre/ daß man nicht daraus ſo viel ſchoͤpffen moͤchte/ als zum
wahren Glauben und Chriſtenthumb von noͤthen. Zu mehrer Si-
cherung aber brauche ein Laͤy unterſchiedeneVorſionen/ auch
Q q q q 3derer
[678]Die zwey und zwantzigſte
v. D Nicol.
Hunn.
pell. ovin.
pag. 451.
Lact. Cat.
Part. 1. p. 33.
Hermenev.
p. 151.derer/ die im Glauben nicht einig/ wird er doch befinden/ daß
ſie in denen Dingen einſtimmig ſind/ welche ihm zu wiſſen
noͤthig ſeyn; deſſen gebe ich dem Leſer dieſe Probe. Nim̃ fuͤr
dich D. Luthers teutſche Bibel/ dazu die Paͤbſtiſche Die-
tenbergs/ lege dazu/ ſo du die Sprache verſteheſt/ die alte La-
teiniſche. Suche alte teutſche Bibeln herfuͤr/ die vor D. Lu-
thers Zeiten gemacht worden/ kanſt du dazu auch andere ge-
brauchen/ ſo wirſt du darinnen dieſe Lehren/ die dir heilſam
und noͤthig ſeyn/ finden: Chriſtus iſt der einige Mittler zwi-
ſchen GOtt und den Menſchen; der rechte Fůrſprecher fuͤr
die Suͤnder/ der alle Suͤnden aller Menſchen auff ſich ge-
nommen und an ſeinem Leib getragen. Kein Bruder kan
den andern erloͤſen/ noch Gott jemand verſoͤhnen: Chriſtus
wohnet durch den Glauben in unſern Hertzen. An denen/ die
in Chriſto ſind/ iſt nichts verdam̃liches. Die Suͤnder werden
ohne deß Geſetzes Werck fuͤr Gott gerecht. Dem der nicht mit
Wercken umbgehet/ glaubet aber an den/ der die Gottloſen
gerecht macht/ dem wird ſein Glaube gerechnet zur Gerech-
tigkeit. Aus Gnaden ſeyd ihr ſelig worden/ durch den Glau-
ben/ und daſſelbe nicht aus euch/ Gottes Gabe iſt es/ nicht
aus den Wercken/ auff daß ſich nicht jemand ruͤhme. Dar-
aus haſt du zu lernen 1. die verſtorbenen Heiligen ſolt du nicht
halten fuͤr Mittler zwiſchen GOtt und dir: Sie ſeynd nicht
deine Fůrſprecher bey GOtt. 2. Keine Heilige koͤnnen dich
mit GOTT verſoͤhnen/ noch fuͤr deine Suͤnde gnug thun.
3. Wann du den Glauben haſt/ ſo haſt du Chriſtum in dir woh-
nen/ und ſeynd dir alle deine Suͤnde verziehen. 4. Der Glau-
be macht dich ohn einiges Zuthun guter Wercke vor GOtt
gerecht und ſelig. 5. Allein Gottes Gnade/ die du durch den
Glauben erlangeſt/ foͤrdert dich zur Seligkeit/ dabey kein gu-
tes Werck etwas thun kan: Dieweil du denn in dieſen/ ja al-
len noͤthigen Puncten derVerſionen Einhelligkeit ſiheſt/ ſo
ſchlieſſe daraus: Weil der Roͤmiſchen Kirche/ ungeachtet ſie
D. Luthers Bibel auffs grimmigſte haſſet/ laͤſtert und ver-
folget/ ihre teutſche Bibel eben das jenige ſetzet/ ſo ihrer Lehr
aufs hefftigſte zu wider iſt/ und ich gleich alſo in Luthers und
andern teutſchen Bibeln befinde/ ſo kans nicht fehlen/ D. Lu-
thers Bibel muß uns in allen Dingen richtig ſeyn: Und
bin
[679]Predigt.
bin unfehlbar gewiß/ die Propheten und Apoſtel lehren mich
in Original-Sprachen eben daſſelbige/ welches ich darumb
fuͤr Gottes Wort halten muß. So hat doch bißher Luthers Dol-
metſchung den Preiß erhalten/ daß ſie das Controfeth am beſten/ wo nicht
allezeit nach der Grammatic, doch dem rechten Sinn nach/ wovon er ſelbſt
zu hoͤren Tom. 3. Witt. p, 73. Tom. 12. p. 376. Tom. 2. Isleb. p. 205. ge-
troffen. Deſſen auch ſeine Widerſacher ſelbſt geſtaͤndig ſeyn muͤſſen/ deren
etliche das Raͤtzlin nicht getroffen/ wann ſie mit Simſons Kalb nicht haͤt-
ten gepfluͤget. Wie offte laͤßt der einige Simeon de Muis,der gelehrte
Frantzoß/Comm. in Pſalm. ſeine Lateiniſche Authenticam fahren/
lobt im Gegentheil (ſuppreſſo nomine,) Lutheri verſion; vid. ad
Pſalm. 29. ad Pſal. 103. p. 597. Der ſonſt eigenſinnige Fiſcher zu Her-
born Piſcator, bekennet in der Vorrede ſeiner teutſchen Herborniſchen
Bibel: Ob ſchon in D. Luthers Dolmetſchung hin und wi-
der Maͤngel fuͤrgelauffen/ daß ſie die Einfaͤltigen nichts deſto
weniger das rechte Wort Gottes in allen Stuͤcken/ ſo zur
ewigen Seligkeit und zum rechten Gottesdienſt zu wiſſen noͤ-
thig/ auch in derſelben gehabt und noch haben.
Ob er wol in etlichen Minutiis angeſtanden/ was Ciccajon eigent-
lich ſey in der Hiſtoria Jonaͤ? Zanthroth im Propheten Zacharia?
(Tom. 5. Witt. p. 394.) ſo hat es doch an dem rechten einigen und eigenen
Sinn und Verſtand/ an dem noͤthigen Nutzen nicht gefehlt/ derſelbe iſt per
ſe, an und fuͤr ſich ſelbſt hell und klar/ ſonderlich wann die Heil. Schrifft
συνόλως gantz in ihrem gantzen Begriff und Bezirck/ nachdem das gan-
tze Corpus Biblicum beſchloſſen/ und die ungeſchriebene Traditiones
außgeſchloſſen worden/ genommen wird. Und wird dannenhero die
Schrifft genennet Lucida Pſ. 19. lauter/ ſeren, pur, lucerna eine Lucern.
Mein Fuͤſſen iſt dein heiliges Wort ein brennende Lucerne/
lucerna und nicht laterna, ſeu lampas operta, lucerna per ſe lucens,
non ab extrinſeco, declarata. Ein nicht verdeckte Lampe/ die ihr Liecht
auſſer von einem frembden Glantz erholen muͤſte/2. Petr. 1/19. Das Pro-
phetiſche (wie vielmehr das Apoſtoliſche) Wort iſt ein Liecht/ das
da ſcheinet in einem dunckeln Ort. Sonſt koͤnte auch die Nacht/
die Egyptiſche Finſternuͤß/ ja die Hoͤlle ſelbſt/ eine Lucerna heiſſen/ nemlich
wann ſie von auſſen her/ mit einem Liecht oder Fackel beſchienen wird. Es
ſind die hohe Myſteria mit gewiſſer Diſcretion und Beſcheidung ænig-
mata, oder dunckele Sachen uͤber alle menſchliche Vernunfft erhoben;
Aber die Wort/ damit ſie der H. Geiſt an Tag gegeben/ die Parabeln und
Gleich-
[680]Die zwey und zwantzigſte
Gleichnuͤſſen/ darinnen ſie fuͤrgetragen werden/ ſind liecht/ hell/ und ohn-
ſchwer zu verſtehen. Es ſind freylich/ wie Petrus bekennet/ viel δυσνοητὰ,
und harte Knoten/ ſo ſchwer auffzuloͤſen/ in Pauli Schrifften; Aber doch
in andern Stellen mit klaren Worten außgefuͤhret. Welcher Maſſen et-
wan ein Nachtſtuͤck/ ein dicker/ finſterer Wald/ von den Mahlern/ mit Far-
ben dermaſſen dargeſtellet werden kan/ daß man wol ſihet/ was es iſt/ und
das Gemaͤhlde in ſich hat. Es finden ſieh auch andere obſcura in der
Schrifft/ dunckele/ ſchwere Oerter/ ſchwer zu verſtehen/ ſchwer außzule-
gen (δυσερμήνευτα) ſonderlich die Prophetiſche Weiſſagungen/ Ezechielis/
Danielts/ auch vor allen die himmliſche Offenbahrung Johannis: Aber
es ſind entweder ſolche Sachen/ die zur Seligkeit eben nicht allerdings der-
geſtalt noͤthig zu verſtehen/ daß/ wer ſolche Dinge nicht wiſſen oder verſte-
hen kan/ deßwegen an ſeinem Glauben Schiffbruch erfahren muͤſſe/ oder
es iſt ein obſcuritas vincibilis, eine uͤberwindliche dunckele/ in andern
Stellen hell außgelegt/ aus welchen die Dunckele ihr Liecht ſchoͤpffen (wie
ein finſterer Stern von dem andern hellern Liecht bekommt/) und verſtan-
den werden koͤnnen: Zum Exempel/ die Juͤnger/ welche Chriſtus unbe-
kant nach Emauß begleitet/ koͤnnen die finſtere Prophetiſche Weiſſagung
alten Teſtaments von dem Meſſia redende/ nicht verſtehen; Aber Chriſtus
ihr Gefaͤhrt hat es ihnen deutlich erklaͤret. Dergleichen iſt auch dem Kaͤm-
merer aus Morenland von Philippo widerfahren/ Act. 8. Solche deutli-
che Außleger und erleuchtende Liechter haben wir/ GOtt Lob/ noch in Heil.
Schrifft ſelbſten/ bedoͤrffen keines aͤuſſerlichen Kirchen-Scheins/ Chri-
ſtus lehret und erklaͤret noch die Schrifft durch ſeine H. Evangeliſten und
Apoſtel/ deren Heiligthumb und Schrifften wir noch genieſſen/ das neue
Teſtament iſt ein helles Liecht und klare Außlegung deß alten Teſtaments.
Wann euch jemand (ſagt D. Luther. Tom. 3. Witteb. pag. 10.) von ihnen
antaſtet und ſpricht: Man muß der Vaͤter Außlegen haben/ die Schrifft ſey
dunckel: Solt ihr antworten/ es ſey nicht wahr. Es iſt auff Erden kein klaͤrer
Buch geſchrieben/ denn die H. Schrifft/ die iſt gegen alle andere Buͤcher/ gleich-
wie die Sonne gegen alles Liecht. Sie reden ſolch Ding nur darumb/ daß ſie
uns aus der Schrifft fuͤhren/ und ſich ſelbſt zu Meiſtern uͤber uns erheben/ daß
wir ihre Traͤum-Predigten glaͤuben ſollen. Et mox:Das iſt wol wahr/ etliche
Spruͤche der Schrifft ſind dunckel/ aber in denſelben iſt nichts anders/ denn
eben/ was an andern Orten in klaren offnen Spruͤchen iſt. Vnd da kommen die
Kaͤtzer her/ daß ſie dunckele Spruͤche faſſen nach ihrem eigenen Verſtand/ und
fechten damit wider die klaren Spruͤche und Grund deß Glaubens/ da haben
dann die Vaͤter wider ſie geſtritten durch die klaren Spruͤche/ damit erleuchtet
die dunckeln Spruͤche/ und beweiſet/ daß eben das im Dunckeln geſagt ſey/ das
im liechten.
Sprichſtu/ iſt die H. Schrifft ſo hell und klar/ was darffs dann der Auß-
legung? waͤren auff dieſe Weiſe alle Commentarii, alle Predigten oder
Poſtillen abzuſchaffen. Antwort. Klar ſeyn/ und noch deutlicher erklaͤ-
ret werden/ iſt nicht wider einander. Dem Mond mangelt nicht aller
Schein/ es erzeigt derſelbe ſich in einer Mondfinſternuß/ da man noch ein
roͤthliches Liecht ſihet/ dennoch wird derſelbe heller gemacht durch den froͤ-
lichen Anblick und Einleuchtung der Sonnen. Sind nicht die zehen
Gebot hell und klar beſchrieben/ dennoch leiden ſie mehrere Erklaͤrung/
Davon Lutherus ſchreibt Tom. 3. Witt. p. 78. f. 2. Deß nim ein Exempel/
GOtt ſpricht/ du ſolt nicht toͤdten/ wenn du uͤberhin lauffen wilt/ ſo gehet dir diß
Wort/ du ſolt nicht toͤdten/ gantz kalt ein/ und hoͤreſt nichts anders in den ſchlech-
ten Worten/ denn daß allhie verbotten wird der aͤuſſerliche Todtſchlag/ der mit
der Hand und That geſchicht. Aber halt du ein wenig ſtille/ und trachte den Wor-
ten ein wenig ferner nach/ ſo wirſtu befinden/ daß GOTT nicht ſpricht: Deine
Hand ſoll nicht toͤdten/ ſondern du/ du/ du ſelbſt? Wer biſtu aber? Seele und Leib
mit allen Kraͤfften/ ſo du beyde je Seel und Leibe haſt/ nemlich Hand/ Zunge/ Au-
gen/ Hertz/ Luſt und Wille. Wenn dir nun verbotten wird/ du ſolt nicht toͤdten/
wirſtu gelehrt/ daß du weder mit Hand noch Zunge/ weder mit Willen noch Her-
tzen toͤdten ſolt/ denn welches aus den allen toͤdtet/ toͤdteſtu ſelbſt. So iſt nun
dieſes Gebot/ du ſolt nicht toͤdten/ rechter Verſtand und Meynung dieſe/ daß du
nicht zuͤrnen ſolt/ keinen boͤſen Willen tragen/ nicht fluchen/ nicht uͤbel nachreden/
das Angeſicht nicht abwenden/ nicht verachten/ nicht Schaden zufuͤgen/ nicht be-
gehren noch wuͤndſchen Schaden zu thun/ ſondern das Widerſpiel erzeigen/ nem-
lich/ den Naͤchſten lieben/ von ihm gutes reden/ und ihm wol thun. So iſts nun
nichts anders/ du ſolt nicht toͤdten/ denn/ du ſolt nicht bitter noch zornig ſeyn/ ſon-
dern ſuͤſſe und freundlich gegen deinem Naͤchſten/ wenn du nun allhie viel
Spruͤche zuſammen bringeſt aus der Schrifft/ die da alle ſagen und gebieten/
wir ſollen Liebe/ Gutwilligkeit/ Freundlichkeit/ Sanfftmuͤtigkeit gegen unſerm
Naͤchſten erzeigen/ und wie wir wolthaͤtig ſeyn ſollen/ und beweiſeſts auch mit
der That/ ſo haſtu Luſt zum Geſetz Gottes/ und redeſt recht Tag und Nacht von
dem Geſetz deß HErꝛn. Deßgleichen ſind die Wort im Pſalm 118. hell und klar
vid. Luth. Tom. 3. Witt. p. 283. Dancket dem HErꝛn/ dann er iſt freundlich/ und ſei-
ne Guͤte waͤret ewiglich. Du muſt dieſe Wort (freundlich/ und ſeine Guͤte)
nicht ſo kalt und rohe leſen/ noch uͤberhin lauffen/ wie die Nonnen den Pſalter le-
ſen/ oder wie die Chorherren und Chorſchuͤler ſolche feine Wort blecken und heu-
len in ihren Kirchen/ ſondern dencken/ daß es lebendige/ treffliche und reiche
Wort ſeyn/ die alles und alles faſſen und einbilden/ nemlich/ daß GOtt freund-
lich iſt/ nicht wie ein Menſch/ ſondern der von Grund ſeines Hertzeus geneigt und
guͤnſtig iſt/ immer zuhelffen und wol zuthun/ und nicht gerne zuͤrnet und ſtraf-
fet/ er muͤſſe es denn thun/ und werde uͤberheubt/ dazu gezwungen und gedrun-
gen/ durch unablaͤſſige/ unbußfertige/ verſtockte Boßheit der Menſchen/ daß wo
er zuͤrnen muß und ſtraffen/ da koͤnte ein Menſch nicht ſo lange harren/ ſondern
ſtraffete hundert tauſendmal ehe/ und haͤrter/ denn er thut/ und ſolche freundliche
und gnaͤdige Gunſt beweiſet er uͤber alle maſſen reichlich und gewaltiglich/ mit
Achter Theil. R r r rtaͤg-
[682]Die zwey und zwantzigſte
taͤglichen und ewigen Guͤte/ wie er hie ſpricht/ ſeine Guͤte waͤret ewiglich/ das
iſt/ ohne unterlaß thut er uns immer und immer das beſte/ ſchaffet uns Leib und
Seel/ behuͤtet uns Tag und Nacht/ erhaͤlt uns ohne unterlaß beym Leben/ laͤſſet
Sonn und Mond uns ſcheinen/ und den Himmel/ Feuer/ Lufft und Waſſer
uns dienen/ aus der Erden Wein/ Korn/ Futter/ Speiſe/ Kleider/ Holtz/
und alle Nothdurfft wachſen/ gibt Gold und Silber/ Hauß und Hoff/ Weib und
Kind/ Viehe/ Voͤgel/ Fiſche/ Sum̃a/ wer kan es alles zehlen? und deß alles die
Fuͤlle und uͤberſchwencklich/ alle Jahr/ alle Tage/ alle Stunde/ alle Augenblick.
Jſt dem alſo/ moͤchte jemand gedencken/ daß die Schrifft ſo klar/ woher
kommen dann ſo viel widerwertige ſtreitende Gloſſen und Außlegungen?
waͤre es alles ſo hell/ wuͤrde man nicht ſo viel gloſſirens beduͤrffen/ jeder-
man wuͤrde gleich Beyfall geben/ wie kom̃t es dann? Antwort. Wie
kom̃ts/ daß ſo viel Meynungen von den Cometſternen/ und deroſelben
Natur/ Urſprung/ Situation und Wuͤrckungen/ daruͤber ſich die Gelehr-
ten noch nicht verglichen? Wie kommets/ daß ein Blinder/ oder der da
muthwillig connivirt/ oder die Augen zuſchließt/ die an ſich ſelbſt ſo helle
Sonn nicht ſehen kan? wie kom̃ts/ daß einem Icterico, oder mit der
Gelbſucht behafften Augen alles gelb fuͤr kom̃t? daß dem/ der durch einen
gruͤnen Spiegel ſihet/ alles gruͤn ſcheinet? Warum geſchichts/ daß man-
che Teſtaments-Wort/ welche ſo klar ſind/ als ob ſie mit der Soñenſtrah-
len ſelbſten geſchrieben waͤren/ doch von den Zanck- und Silberſuͤchtigen
Rabulis verkehrt und faͤlſchlich verdrehet werden? Das iſts/ was St.
2. Cor. 4, 3.Paulus ſagt 2. Cor. 4/3. Jſt unſer Evangelium verdeckt/ ſo iſts
in denen/ die verlohren werden/ verdeckt/ bey welchen der
Gott dieſer Welt der Unglaubigen Sinn verblendet hat/
daß ſie nicht ſehen das helle Liecht deß Evangelii/ von der
Klarheit Chriſti/ welcher iſt das Ebenbild Gottes. Und St.
2. Petr. 3, 16.Petrus ſagt: Es ſeyen ἀμαϑει̃ς καὶ ἀ ςήρικτοι, die Ungelehrige und
Leichtfertige/ welche die H. Schrifft verwirren (ςϱε [...]λου̃σι,
gleichſam foltern) zu ihrem eigenen Verdamnuͤß.E. g. Die Wort
der Einſetzung deß H. Abendmahls/ wann man ſie lauter und frey laͤſſet/
wie ſie da ſtehen/ lauten/ und einen geſunden Verſtand in der erſten An-
hoͤrung derſelben fuͤrkommen/ annim̃t/ ſo geben ſie dieſen Sinn von ſich/
und keinen andern/ diß iſt mein Leib/ das iſt/ der Leib/ der mit/ unter/ und in
dieſem Brod gegeben und dargereicht wird/ iſt mein Leib. Allermaſſen/
gleichwie wann Pharao Tochter auff den jungen Moſen deutend ſagt:
Diß iſt der Hebreer Kinder eines/ das iſt/ in dieſem Kaͤſtlein liegt ein He-
breiſches Kind. Faͤngt man aber an zu kuͤnſteln/ und verſtehet die Wort
anders/ als/ diß iſt mein Leib/ das iſt/ dieſes verwandelte Brod iſt mein
Leib/
[683]Predigt.
Leib/ oder/ dieſes Brod bedeutet meinen abweſenden Leib/ ſo wird beſagten
Worten eine gewaltſame Tortur angelegt. Dann es ja an dem/ daß nie-
mand zum Fenſter hinein ſteigt/ wann die Thuͤr im Hauß offen ſtehet.
Niemand laͤßt ſich leichtlich von einem geraden/ gebahnten/ betretenen
Weg/ verleiten auff neben-Stege und neben-Wege/ es erſcheine dann
ſolches zuthun eine groſſe hochwichtige Urſach; Bey einem Teſtament
iſt der erſte/ erſtlich in Gedancken kommende (ehe und dann die Rechts-
gelehrten dahinder kommen/ in den Woͤrtlein klauben/ alles in diſpu-
tat ziehen) unverkuͤnſtelte/ buchſtaͤbige/ einfaͤltige/ ungezwungene
Verſtand/ den zu allererſt die Juͤnger deß HErꝛn JEſu gefaßt; Den
St. Johannes (der dem HErꝛn in dem Schoß gelegen) den St. Pau-
lus (der den Verſtand vom Himmel empfangen) hernach angedeutet/
an welchen ſich hernach die uhralte Kirche gehalten/ laͤngſt vor Lombar-
do, Berengario, Carolſtadio, Zvvinglio, Bellarmino, die durch aller-
hand neue ſubtilitaͤten eine Verwirrung und Katzenbalgen angefangen/
gemacht. Nun iſt der Verſtand (in/ mit/ und unter dieſem Brod iſt
mein Leib) ſo lauter und klar/ daß es einem jeden/ ſo bald die Wort
Chriſti (das iſt mein Leib) in unpaſſionirten Ohren erſchallen/ er
anders nicht dencken kan/ als/ ſihe/ der HErꝛ gibt dir unter/ mit und
in dieſem Brod ſeinen wahren Leib zu eſſen: Der andere widrige Ver-
ſtand iſt verkuͤnſtelt/ verbluͤmt/ weitgeſucht/ ohne ſonderbahre aͤuſſerliche
Anweiſung kom̃t derſelbe keinem leichtlich ins Hertz und Gedancken.
Wann ein ſtandhaffter/ kluger und reicher HErꝛ einem armen Bettler
ein kuͤpfferin Buͤchslein darreicht/ ſagend: Nim hin/ das iſt Gold/ wuͤr-
de er nicht bald darauff fallen und dencken: Sihe/ dieſer Herꝛ ſchencket
mir unter/ mit und in dieſem kuͤpffern Buͤchslein/ ein Stuͤck Gold: er iſt
ein kluger Herꝛ/ er weiß/ was er redet/ ein from̃er und warhaffter Herꝛ/ er
begehret mich nicht zuverfaͤhren/ er iſt ein reicher Herꝛ/ er kans thun. Nim-
mermehr wird ihm ſolcher Gedancken zu fallen: Sihe/ dieſer Mann
wird das kupfferne Buͤchslein in Gold verwandeln. GOtt iſt ein Gott
der Ordnung/ darum/ wann man mit ihm reden/ oder ſein Heil. Wort
faſſen und verſtehen wil/ ſo muß es geſchehen mit Andacht/ und vorher-
gehendem Gebet/ in einem guten methodo und Ordnung/ daß man das
leichtere vor dem ſchweren leſe. Summa/ es gehet hie der ſtoltzen Magd
von Babylon/ die ihr edle Frau/ die H. Schrifft durch die Nachrede der
obſcuritaͤt und Finſtere verkleinert/ eben wie der Magd der Haußfrauen
deß weiſen Heiden Senecæ Harpaſte genannt/ da ſie einsmals ploͤtz-
lich blind worden/ ihr eingebildet/ es ſey in ihrem Hauſe ploͤtzlich Nacht
R r r r 2worden/
[684]Die zwey und zwantzigſte
worden/ und deßwegen nach einem Liecht geruffen/ da doch der Mangel
nicht in der Lufft/ ſondern in ihren Augen geweſen. Alſo wil die Babylon
nicht blind ſeyn/ ſondern gar das Liecht ihrer blinden Frauen von Sion;
da doch ſie blind/ dieſer aber das Goͤttliche Liecht aus beyden Augen
herauß leuchtet: Sie wil der Oedipus ſeyn: Chriſtus und ſeine Apoſtel
ſollen die Sphynx ſeyn. Umgekehrt!
Fragt ſich von dem Propheten und Außleger/ wer der
ſeyn koͤnne/ und ſeye? Antwort. Niemand weniger/ als der da der
beſte ſeyn wil. Nos poma natamus! ſagt der Pabſt und ſeine Cleriſey/
uns gebuͤhret der Schluͤſſel der Erkantnuͤß und Erklaͤrung der Schrifft/
wir haben ihn lange und verjaͤhrte poſſeſſion. ſcilicet! Gerad eben wie
die Schrifftgelehrten/ uͤber welche Chriſtus das Weh! geſchrihen/ Luc.
Luc. 11, 52.11/52. Wehe euch Schrifftgelehrten/ denn ihr den Schluͤſſel
der Erkantnuͤß habt/ ihr kom̃t nicht hinein/ und wehret
Jer. 8, 8.denen/ die hinein wollen Jer. 8/8. Wie moͤget ihr doch ſa-
gen/ wir wiſſen was recht iſt/ und haben die H. Schrifft fuͤr
uns/ iſt doch eitel Luͤgen/ was die Schrifftgelehrten ſetzen.
Vielmehr iſt wahr/ daß der Pabſt die Schrifft nicht kan außlegen/ er wol-
le es nicht thun/ thue es auch im Werck ſelbſt nicht. Er kans nicht/ weil
ihm die Mittel/ die rechten Augen und Augenſpiegel/ ἱκανότης und Ge-
ſchickligkeit mangelt. Kan auch ein Blinder dem andern den Weg wei-
ſen? Auff theureſte verſteht er die Hebreiſche und Griechiſche Sprache
nicht/ in welcher Gottes Wort beſchrieben. Ein Grieche im Roͤmiſchen
Babylon iſt ein Meerwunder: Ein Hebreiſt/ ein weiſſer Rab. Er wil
nicht recht die Schrifft außlegen/ weil er nicht wil thun den Willen deß
Vaters/ der Chriſtum geſandt/ ſondern ſeinen eigenen Willen. Der Je-
ſuit Pererius ſchreibet uͤber die Epiſtel an die Roͤmer cap. 3 12. Catholicos
variis modis iſta Davidis verba interpretari, ut ea dirigerent ad ve-
rum \& catholicũ ſenſum. Das iſt/ die Catholiſche legen die Wort
Davids auff unterſchiedliche Weiſe auß/ daß ſie dieſelbe zum
warhafften und allgemeinen Paͤbſt. Sinn einrichten moͤgen.
Gottes Wille iſt/ daß man die Schrifft nicht nach eigenem Sinn/
menſchlicher gloſs und praxi oder Ubung/ und Gebrauch der Kirchen;
ſondern nach dem Sinn deß H. Geiſtes/ der die Schrifft eingegeben/
nach dem Geſetz und Zeugnuͤß/ nach dem Mund deß HErꝛn außlegen
ſoll/
[685]Predigt.
ſoll/ das widrige wil der Pabſt/ ἰδία ἐπίλυσις, und eigener Sinn/ auß
frembder nicht einheimiſcher Erleuchtung/ und wider den Catholicum
oder Catholiſchen einſtimmenden Sinn/ und erſten rechten und aͤchten
Vater der Chriſtlichen Kirche/ das iſt/ der Propheten und Apoſtel/ iſt
ſein ἴδιον κατ̕ ἀυτὸ. Was ſein eigener Privat-Geiſt einblaͤßt/ das muß
die Sackpfeiffe zu Trident pfeiffen. Nim̃t man ihm die praxin Eccleſiæ,
den alten eingewurtzelten Gebrauch und Ubung/ ſo nim̃t man ihm zu-
gleich ſein Abgott/ deſſen Diener der Bauch iſt. Der Mam̃on/ ſchreibt
Luth. Tom. 7. Witt. pag. 441. f. 2. iſt ein Allmaͤchtiger GOtt/
und gelehrter Theologus/ der weiß die Schrifft recht außzu-
legen/ der groͤſſeſte Muͤntzmeiſter auff Erden/ der die zwoͤlff
tauſend Drachmas glaͤntzen ſahe im Alten Teſtament/ und
machet auch ſeine Alchimey aller Welt Gut aus denſelbigen
im Neuen Teſtament. So ſind Exempla in der Menge fuͤrhanden/
darinn der Pabſt gar ſchlimme Proben gethan/ und den Schluͤſſel
ſchaͤndlich verdrehet und verdrechſelt/ die Schrifft verfaͤlſcht/ verſtuͤm-
pelt/ eingeflickt/ und in einen frembden Verſtand verkehrt.
Occupata conſuetudo est optima legum interpres. Nulla enim veriorBreſser.
l. 6. de
conſc. c. 12.
atꝙ certior eſſe potest canonum interpretatio, quàm quæ uſu rerum jugi obſer-
vatione probata cognoſcitur. Articulus fidei Catholicæ innoteſcit per praxin
univer ſalis Eccleſiæ, ajunt Walenburchii, in Exam. 3. pag. 113. ſecundum cur-
rentem praxin Eccleſiæ, [a]ti dicebat olim Cuſanus. Addit Corn. à Lap. commu-
nem ſenſum fidelium ad 2. Cor. 12, 7. pag. 406.
Luth. Tom. 7. Witt. p. 589. Ex c. ſolite, de majoritate,der heiligſte Vat-
ter Pabſt pflegt ſolcher weiſe nach die Schrifft zu deuten/
und das Pabſtum zuverthaͤdigen. Alſo ſchreibt er an den Kaͤy-
ſer zu Conſtantinopel: Haſtu nicht geleſen/ daß GOtt zwey
groſſe Liechter geſchaffen/ die Sonne/ das iſt/ den Pabſt/ und
den Mond/ das iſt/ den Kaͤyſer/ wie weit nun die Sonne
groͤſſer iſt/ denn der Mond/ ſo weit uͤbertrifft der Pabſt den
Kaͤyſer/ das iſt/ der Pabſt iſt/ wie die Gloſſe ſcharff außrech-
net/67. mal groͤſſer/ denn der Kaͤyſer/ das wil ein Paͤbſtlin
werden/ wenns nun außwaͤchſt.Antoninus Archiepiſcopus Floren-
tinus ſum. hiſt. part. 3. tit. 23. c. 1. ſect. 1. De Dominico (inquit) \& ordine ſuo
Zacharias cap. 11. dixit in perſona Dei: Aſſumpſi mihi duas virgas, unam ap-
pellavi decorem, aliam funiculum. Decor eſt ordo prædicatorum: Funiculus est
ordo minorum: Quia funiculo manifeſto cingitur. Hæc ille ridiculè. Subſumo
ſecundum ejus ridiculam applicationem. At uterꝙ baculus confractus fuit,
R r r r 3v. 10.
[686]Die zwey und zwantzigſte
v. 10. \& 14. Credimus idem futurum utriꝙ́ ordini prædicatorum \& minorum.
Molinæus in Hyperaſpiſt. p. 172. Audiamus Lorinum Jeſuitam in decimum ca-
put Actorum ſubpalpantem Clementi VIII. his verbis: Petrum in Clemente VIII.
agnoſcentes, imò \& Chriſtum ipſum, cujus vices gerit in terris, ad illius pedes
oſculandos proni advolvimur: ac meritò uſurpamus illud de ipſo, quod eſt in
Deuteronomio. In dextera ipſius Jehovæ ignea lex, dilexit populos: Omnes
ſancti in manibus illius ſunt, \& qui appropinquant pedibus ejus, accipient de do-
ctrina illius. Exempla Pſeudhermeniæ extant Tom. 7. Witt. pag. 437. Sie
haben einen Text/ der faſt ihr Eckſtein und beſter Grund iſt/
2. Maccab. 12. der lautet alſo: Judas aber der Ehrenveſte ſam-
let eine Steure. Dieſer Text iſt ihr Schneeberg/ Schrecken-
berg und alle Silber- und Goldberge geweßt.Et pag. 444. Jch
muß hie erzehlen etliche Pſalmen und Text/ die ſie brauchen
in ihren Vigilien und Seelampt/ dabey man doch greiffen
moͤge/ wie ſchaͤndlich ſie GOtt und die Welt geaͤffet und ge-
narret haben. Fuͤnffzehen edler feiner Pſalmen haben ſie zur
Vigilien erwehlet/ die magſtu ſelber im teutſchen Pſalter le-
ſen/ ich wil dir ſie anzeigen/ und findeſtu einen Buchſtaben
drinnen/ der ſich ins Fegfeuer/ oder auff die verſtorbene Seele
reime/ ſo wil ich keines Menſchen mehr werth ſeyn/ und wie
koͤnnen ſie auch? weil ſie alle im Alten Teſtament gemacht
ſeyn/ da nie kein Gedancke beym Fegfeuer geweſen iſt. Aber
ſie muͤſſen jetzt wol/ der Mammon kan ſie es wol lernen. Es
ſind aber dieſe. 1. der 5te. HErꝛ hoͤre mein Wort. 2. der 6ſte.
Ach HErꝛ ſtraff mich nicht. 3. der 7de. Auff dich HErꝛ traue
ich. 4. der 23ſte. Der HErꝛ iſt mein Hirt. 5. der 25ſte. Zu dir
HErꝛ erhebe ich. 6. der 27ſte. Der HErꝛ iſt mein Liecht. 7. der
40ſte. Jch harre deß HErꝛn. 8. Der 41ſte. Wol dem der ſich
annimpt. 9. Der 42ſte. Wie der Hirſch. Auff dieſe 9. Pſal-
men haben ſie neunLectionesaus dem Buch Hiob/ davon
ein ſonderlich Buch wider ſie zuſchreiben waͤre/ wie ſie die-
ſelbe ſo laͤſterlich ſchaͤndlich daher ziehen. Darnach folgen
die Landes-Pſalmen. 1. der 51ſte. GOtt ſey mir gnaͤdig. 2. der
62ſte. Meine Seele ſchweiget. 3. der 63ſte. GOtt du biſt
mein GOtt. 4. der 80ſte. Auß der Tieffe. 5. Jeſa. 38ſte. Nun
muß ich. 6. die letſten drey Pſalmen.
Sprichſtu/ ſchreibt doch St. Petrus/2. Petr. 1/20. Daß keine
ne Weiſſagung in der Schrifft geſchicht auß eigener Außle-
gung.
[687]Predigt.
legung. Jch bin ein Privat-Menſch/ die Stimme der Concilien iſt ei-
ne offentliche Stim̃/ ihre Außlegung iſt eine Stim̃ deß H. Geiſtes/ der un-
fehlbar den Concilien beywohnet. Antwort. Ja/ wann ſie im Nah-
men Chriſti/ das iſt/ auff ſein Wort und Befehl/ zu ſeiner Ehre allein
verſamlet/ Chriſtlich/ frey/ unpaſſionirt die Wahrheit forſchen/ nach der
einigen Regul der H. Schrifft: Jm widrigen Fall kan ein Rath der
Gottloſen drauß werden/ und ein Stuhl der Spoͤtter/ inmaſſen von
dem unchriſtlichen/ gefangenen/ ſtats-ſuͤchtigen/ Schrifft-ſcheuenden
Tridentiniſchen Concilio dergleichen leichtlich zuerweiſen. Sonſt muß
ἰδία ἐπίλυσις, die eigene Außlegung/ davon St. Petrus redet/ recht und
wol verſtanden werden. Nicht alles/ was von einer Privat-Perſon kom̃t/
iſt eine Eigenſucht oder Eigenſinnigkeit zunennen. Es gibt ἰδίαν δύνα-
μιν, eigen Vermoͤgen/ welches GOtt darreicht/ Matth. 25/15. Der
Geiſt Gottes gibt jedem ſeine eigene Gaben/1. Cor. 12/12. ſo keines
Wegs zuverdammen. Sondern eigene Außlegung heißt/ ſo auß eigenem
Hirn/ ohne Bewaͤhrung Goͤttlicher Schrifft erſunnen und geſponnen/
welcher Fehler auch von denen in Concilio verſamleten gelehrten Leuten/
deren Hertzen und Mund mit der Erbſuͤnde vergifftet/ ehe zuvermuthen/
als von dem Concent und Zuſammenſtimmung der Prophetiſchen und
Apoſtoliſchen Schrifften/ welchen der H. Geiſt ohnfehlbar beywohnet.
Wer denſelben gewiß außleget/ der leget nicht auß eigenem Duͤncken oder
dunckel auß/ ſondern nach Goͤttlicher Regul und Ordnung.
Sondern naͤchſt GOtt dem H Geiſt/ der den Sinn der Schrifft
eingegeben/ von dem der Prophet Daniel ſagt/ er koͤnne verborgene Din-
ge offenbahren/ Dan. 2/28. iſt der rechte Interpres und Dolmetſch
der Schrifft und dero Verſtand/ ein jeder Chriſt/ als ein geiſtlicherv. Herme-
neut. ſ.
p. 70.
Menſch von rechtswegen. Es iſt zwar an dem/ daß gleichwie von einem
kunſtreichen Gemaͤhlde ſchaͤrffer judiciren und urtheilen kan ein ſinn-
reicher Controfaͤyer und Mahler ſelber/ als ein anderer/ daß alſo auch ein
begabter und erleuchter Lehrer/ von geuͤbten Sinnen/ den Sinn und
Verſtand der H. Schrifft beſſer und heller forſchen und finden koͤnne/ als
der ſo hoch nicht begabet. Dennoch kan ein jeder ſo viel nachſinnen und
verſtehen/ als ihm zuglauben/ zuhoffen und zuwircken vonnoͤthen iſt/
doch daß er den recht von GOtt fuͤrgeſchriebenen methodum, Form/ Art
und Weiſe/ recht beobachtet/ und alſo den Willen Gottes thut. Die Ord-
nung erfordert Gottesfurcht/ lautern/ ungefaͤrbten Gemuͤth- und Her-
tzens-Affect, ohne Eigenſinnigkeit/ Wiſſenſchafft der Sprachen/ in
welcher ein und anderer Mann GOTTES geſchrieben/ Gebet
und
[688]Die zwey und zwantzigſte
und erleuchtete Augen/ Forſchen und Nachſinnen/ in der Schrifft ei-
ne Stelle mit der andern vergleichen. Welche Collation und Ver-
gleichung der Schluͤſſel iſt den verſchloſſenen Verſtand zueroͤffnen/
Wovon Lutherus zuhoͤren/ Tom. 7. Witt. p. 251. f. 2. Auß dieſen Worten/ Matth.
16. Du biſt Petrus/ haben ſie die Schluͤſſel allein St. Petro zugeeignet/ aber
derſelbe St Maͤtthaͤus am 18. hat dieſen irrigen Verſtand verlegt/ da Chriſtus
zu allen ins gemein ſagt/ fuͤrwahr ich ſage euch/ was ihr werdet binden auff Er-
den/ ſol gebunden ſeyn im Himmel/ und was ihr werdet loͤſen auff Erden/ ſol loß
ſeyn im Himmel. Hie iſts klar/ daß Chriſtus ſich ſelbſt außlegt/ und in dieſem
18. Capitel das vorige 16. Capitel erklaͤret/ daß St. Petro an ſtatt der gantzen
Gemeine/ und nicht fuͤr ſeine Perſon die Schlůſſel gegeben ſeyn. Alſo auch Jo-
han. ult. Er hat ihnen eingeblaſen und geſagt: Nehmet hin den H. Geiſt/ wel-
chen ihr werdet die Suͤnde erlaſſen/ denen ſeyn ſie erlaſſen/ welchen aber ihr ſie
behaltet/ denen ſeyn ſie behalten. Jn dieſen zweyen Spruͤchen gegen den einigen/
haben ſich viel bemuͤhet/ damit St. Peters einige Gewalt zuerhalten/ aber es iſt
das Evangelium zu klar am Tag/ habens bißher muͤſſen laſſen bleiben/ daß St.
Peter im erſten Spruch nichts beſonders fuͤr ſeine Perſon geben ſey/ und alſo ha-
bens viel der alten heiligen Vaͤter. Auch weiſen es aus Chriſti Wort/ ehe er
die Schluͤſſel St. Petro gab/ da fraget er nicht allein Petrum/ ſondern alleſam̃t/
und ſprach/ was haltet ihr von mir/ da antwortet Petrus fuͤr ſie alle und ſprach/
du biſt Chriſtus der Sohn deß lebendigen Gottes/ darum muß man die Wort
Chriſti Matth. 21. Capitel verſtehen/ nach den Worten Matth. 23. und Joh.
ult. und einen Spruch nicht gegen zween ſtecken/ ſondern einen durch zween
recht erklaͤren. Es iſt eine ſtaͤrckere Bewaͤhrung/ wo zween/ denn wo nur einer
iſt/ und einer billich zweyen/ und nicht zween einem folgen oder weichen. Et
mox. Wiewol das alles gruͤndlich wahr iſt/ wollen wir doch weiter auch ihre
unnuͤtze Fabeln zu nichte machen/ und ſage alſo: Wann ſchon das nicht gelte/
daß die zween Spruͤche Matthaͤi und Johannis/ welche die Schluͤſſel gemein
machen/ ſolten verklaͤren den einen Spruch Matthaͤi/ der da lautet/ als ob Petro
die Schluͤſſel allein gegeben ſeyen/ ſo wird die Sache doch nicht weiter kommen/
denn daß es Zweiffel iſt/ ob der eine Spruch den zweyen/ oder die zween dem ei-
nigen folgen ſolte/ und trotze ich mit zweyen Spruͤchen ſo ſtarck/ als ſie mit ei-
nem/ und in dem Zweiffel aber ſind wir ſicher/ und ſtehet an uns/ daß wir den
Pabſt moͤgen fuͤr ein Haupt haben oder nicht. Denn wo etwas im Zweiffel
hangt/ da iſt niemand kein Kaͤtzer/ er halte diß oder das/ wie ſie alle ſelbſt ſagen.
Vnd ſo liegt abermal ernieder ihr Grund/ und moͤgen nicht auffbringen/ denn ei-
nen ſolchen ungewiſſen Zweiffel/ darum muͤſſen ſie entweder dieſe Spruͤche alle
drey laſſen fahren/ als untuͤchtig ihre Sache zubeſtaͤtigen/ dieweil ſie im Zweif-
fel ſtehen/ oder muͤſſen andere Sprůche fuͤhren/ die uns offentlich weiſen/ daß die
zween dem einigen ſollen folgen/ das ſollen ſie mir wol laſſen/ und biete ihnen
Trotz dazu/ ich wil aber Spruͤche fuͤhren/ damit ich beweiſe/ daß der eine Spruch
ſol folgen den zweyen/ denn alſo ſpricht das Geſetz/ und Chriſtus ziehets an/
Matth. 18. eine jegliche Sache ſol beſtehen durch den Mund zweyer oder dreyer
Zeugen/ dieweil denn ich zween Zeugen habe wider einen/ ſo muß mein Sache
fuͤrgehen/ und der eine Spruch zweyen folgen/ da Petrus nicht als Petrus/ ſon-
dern an ſtatt der Gemeine die Schluͤſſel empfangen habe,
und eine aus der andern/ die Dunckele aus den Klaren erklaͤren/ darauff
mercken/ wer lieſet/ der mercke drauff/ was er lieſet/ ſpricht Chri-
ſtus/ die Glaubens-Regul/ ſampt dem Zweck deß Goͤttlichen Scribenten/
deſſelben ἤθος, Art und Weiſe zuſchreiben/ und Befragung anderer Lehrer
in der Kirche/ damit ihm niemand ſelbſt zuwol traue: auf daß der Geiſt der
Propheten/ den Propheten (nicht als Herrſchere uͤber den Glauben/ ſon-
dern als Lehrmeiſter und Lehrer) unterthan ſeye. Wann nun er zuvor-
derſt mit Anruffung umb Goͤttliche Erleuchtung/ emſig in der heiligen
Schrifft und Bibel lieſet/ auff den Zweck der Scribenten/ auf die vorher-
und nachgehende Wort/ auff die Collation und Vergleichung mit an-
dern Bibliſchen Schrifften/ fleiſſig und genaue Achtung gibt/ der kan auch
wol etwas ſtattliches proficiren/ und viel ſchwere Knoten auffloͤſen.
Wiewol der Dienſt deß Predigampts nicht zu verachten/ es gehoͤret ſol-
ches auch zur rechten Ordnung. So wird endlich an erwuͤnſchtem Ende
und Zweck/ Gewinn/ und die edle Frucht deß Leſens nicht fehlen/ nemlich die
Aſphalia und Gewißheit deß Verſtandes/ ſo viel Glauben und Gottes-
dienſt anlanget; dann ſonſt/ und auſſer dem/ kan es wol geſchehen/ daß
man nicht allezeit das Schwartze in der Scheiben treffe/ und den eigent-
lichen Sinn deß H. Geiſtes nicht erreiche. Auguſtinus ſchreibt Ep. 3.
Etiã annoſiſſimis, acutiſſimis, flagrantiſſimis cupiditate diſcendi, hoc
contingere, quod ſcriptum eſt, cũ conſum̃averit homo, tunc incipit.
Auch den alleraͤlteſten/ ſchaͤrffſt-verſtaͤndigſten/ inbruͤnſtigſtẽ von Begierde
zu lernen/ begegne das was geſchrieben ſtehet/ wañs der Menſch vollende/ ſo
fahe ers erſt an. Auf welche Gewißheit er auch wird koͤnnen bauen/ leben uñ
ſterben/ wird ſich hell herfuͤr thun/ und kan alsdann ein Leſer der H. Schrifft
mit groſſer παῤῥησία mit freyem und wahrem Munde ſagen: ſo weiß ich/ daß
dieſer mein Verſtand/ den ich in Leſung Goͤttl. Worts/ in Glaubens-Sa-
chen und Ubungen geſchoͤpfft/ juſt/ recht und gut/ dieweil mir GOtt in ſei-
nem Wort den rechten Verſtand zu geben verſprochen/ wo ich ſeiner Ord-
nung mich bequemen und nachgehen werde. Joh. 7/17. So jemand wilJoh. 7, 17.
deß Vaters Willen thun/ der wird iñen werden/ ob dieſe Lehre
von GOtt ſey/ oder ob ich von mir ſelbſt rede. Hebr. 8/10. DasHebr. 8,
10.
iſt das Teſtament/ das ich machen wil dem Hauſe Jſrael/
nach dieſen Tagen/ ſpricht der HERR: Jch wil geben mein
Geſetz in ihren Sinn/ und in ihr Hertz wil ich es ſchreiben/
und wil ihr GOtt ſeyn/ und ſie ſollen mein Volck ſeyn. 1. Joh.1. Joh. 5,
20.
5/20. Wir wiſſen aber/ daß der Sohn Gottes kommen iſt/
und hat uns einen Sinn gegeben/ daß wir erkennen den
Achter Theil. S s s sWar-
[690]Die zwey und zwantzigſte
Warhafftigen/ und ſind in dem Warhafftigen/ in ſeinem
Eſa. 54, 13.
Joh. 6. 45.Sohn JEſu Chriſto. Eſa. 54/13. Alle deine Kinder werden ge-
lehrt von dem HErrn. Joh. 6/45. Es ſtehet geſchrieben in den
Propheten/ ſie werden alle von GOtt gelehrt ſeyn. Es hat
hiemit eben eine Beſchaffenheit/ wie mit dem lieben Gebet. Es hat GOtt
der HErr zu erhoͤren nirgend bloß zugeſagt/ ſondern mit Bedingung/ ſo ihr
nach ſeinem Willen betet/ allererſt der Goͤttl. Erhoͤrung ſich zu verſichern.
Alſo kan ich auch die kraͤfftige Schluß-Rede in meinem Hertzen machen:
Welchen Verſtand ich nach Goͤttlicher Ordnung/ in dieſer und jener mir
zur Seligkeit nuͤtzlichen Stelle/ gefunden/ der iſt laut Goͤttlicher Verheiſ-
ſung der rechte/ gewiſſe und unfehlbare Verſtand. Nun habe ich (der ich
mich ſelbſt nicht betruͤge/ dann der Geiſt deß Menſchen weiß/ was in ihm
iſt) dieſen Verſtand nach Gottes Ordnung gefunden. Darum bin ich nun-
mehr deſſelben in meinem Hertzen verſichert/ ob ſchon der Menſch ſelbſt
gelaſſen luͤgen und betriegen kan/ nach den Worten Davids/ alle Men-
ſchen ſind Luͤgner/ doch hat er die Verheiſſung/ wann er Gottes Ordnung
nachgehet/ wolle ihn Gottes Geiſt in alle Warheit leiten/ und ſolchen
Seelen-gefaͤhrlichen Betrug nicht zulaſſen. Alles πϱὸς τὸ συμϕέϱον, daß
die Chriſtliche Kirche dadurch reichlich erbauet werde/ darumb dann fer-
ner auch die Illuſtration und Erlaͤuterung durch Figuren/ Parabeln/
Gleichnuͤſſen/ Exempla von noͤthen/ auff daß auch der gemeine Mann
den rechten Verſtand faſſen und begreiffen moͤge; es gehet den Außlegern
der Schrifft wie den Wanders-Leuten/ wann ſie ein Berg oder Thurn
von ferne ſehen/ ſo ſcheinet er klein und niedrig/ je weiter/ je kleiner/ je
naͤher/ je groͤſſer. Alſo iſt der Verſtand der Schrifft im erſten Anblick
manchmal gar ſubtil/ tieff und klein/ tringt man aber naͤher hinzu/ und
erklaͤret ihn mit Figuren und Bildern/ ſo wird er groͤſſer/ und in geſundem
Verſtand/ groͤber und deutlicher.
Wie wir nun abermal dem Vater deß Liechts/ und Geber aller gu-
ten und vollkommenen Gaben/ nicht genugſam dancken koͤnnen/ pro lu-
mine prophetico redaccenſo, fuͤr das edle Liecht der Weiſſagung und
Außlegung der H. Schrifft/ damit er dieſen letzten Welt-Abend begna-
det und beſeliget/ nachdem auch dieſes Liecht im Roͤmiſchen Babyloni-
ſchen Gefaͤngnuͤß lang und erbaͤrmlich verdunckelt geblieben. Anders als
mancher Welt-Kluͤgling und undanckbahrer Geſell tudirt/ und ſich be-
duͤncken laͤßt/ es ſolten die ſtarcken Speiſen (ſonderlich die Lehre von der
Salve. pag.
400.ewigen Gnadenwahl und Zornverſtoſſung) dem gemeinen Mann gar
nicht von der Cantzel herab fuͤrgetragen werden. Aber Antwort. Jſts
eine
[691]Predigt.
eine Klugheit/ wann man dergleichen Lehren/ ſonderlich den bloſſen Rath-
ſchluß nicht auff die Cantzel bringt/ unter dem Schein/ als waͤrens harte
und den einfaͤltigen Chriſten undaugliche Speiſen (gleich als wann die
Milch-Chriſten nicht auch nach und nach muͤßten zu harten Speiſen an-
gewehnet werden. Hebr. 5.) So ſind ſolche Lehrer kluͤger/ als/ nicht nur
Auguſtinus deſſen/ Meynung geweſen/ es ſey ein jeder Artickel deß Glau-Tract. 97.
in Joh.
bens zugleich die Milch und ſtarcke Speiſe/ eine Milch den Juͤngern/ die
es bloß glauben/ eine ſtarcke Speiſe den Alten und mehrfaͤhigen/ die es
auch verſtehen ſollen/ dieſer weiß von dem neuen Unterſcheid/ als waͤren
etliche Glaubens-Artickel Milch/ etliche ſtarcke Speiſen/ gar nichts. Nicht
nur als St. Paulus/ der die gantze Epiſtel an die Roͤmer/ alſo ſonderlich
auch das neunte Capitel/ ſo wol an die unweiſen/ ungelehrten Jdioten
und Laͤyen/ als an die Weiſen geſchrieben; ſondern auch weiſer/ als Gott
der himmliſche Vater ſelbſt/ dem ſein geliebter eingebohrner Sohn innig-
lich dancket/ daß er die Geheimnuͤß Goͤttlicher Weißheit den Weiſen und
Klugen verborgen/ und den Unmuͤndigen geoffenbahret. Jtem/ es ſey
eben nicht noͤthig/ daß man ſo tieff in den Verſtand der Schrifft hinein
grabe und gruͤbele/ man verſteige ſich/ beſſer/ man fahre droben hin/ und
predige allein Gottes Wort/ das iſt/ hencke ein gantzen farraginem Bi-
bliſcher Spruͤche kettenweiſe aneinander/ ohne tieffſinnige Außlegung/
daher anderswo in einer Auffſtellung etlicher Prediger (derer Citata et-
liche Zuhoͤrer fleiſſig auffgemerckt/ und/ ſo offt einer die Schrifft angezo-
gen/ ein Eſel-Ohr ins Pſalm-Buͤchlein gemacht) der jenige den Preiß er-
halten/ der die meiſten Eſel-Ohren gehabt. O Alberti Magni! Danckeſt
du alſo deinem Gott/ du toll und thoͤrichtes Volck! Heißt das nicht das Pre-
digampt ſampt den Gaben deß H. Geiſtes miteinander auffheben? Es
haͤtte auff ſolche Weiſe Chriſtus nicht Noth gehabt/ gen Himmel zu fah-
ren/ auff daß er Gaben empfieng fuͤr die Menſchen/ und etliche ſetzte zu
Lehrern ꝛc.
D. Pappus ad Eſa. LX. annot avit: et ſi diviſiones ſunt donorum, \& aliis
temporibus pro neceſſitate Eccleſiæ alia vigent dona: Tamen ea unoquoꝙ́ tem-
pore à benigniſſimo Domino tribuuntur, quæ ſunt maxime neceſſaria; Id quod
ex perpetua Eccleſiæ hiſtoria non difficile eſſet pluribus argumentis demonſtra-
re; ſed unum tamen ſufficere nunc potest. Legentibus enim Patrum ſive ſcripto-
rum Eccleſiaſticorum libros manifeſtum fit, nullam unquam fuiſſe exortam hæ-
reſin, quin Eccleſiæ ejusmodi interpretationis donum concederetur, ut, quod an-
teà in iisdem locis explicandis priores non vidiſſent, vel certè non notaſſent, po-
ſteriores cert aminibus illis impliciti ſic demonſtrarint, ut legentibus illa nihil
S s s s 2ma-
[692]Die zwey und zwantzigſte
magis mirum videri poſſit, quàm eadem illa à prioribus non fuiſſe annotata. Ad-
ſtipulati olim Theologi Wurtenbergici in reſponſione Jeremiæ Patriarchæ Con-
ſtantinop. Patrophilo data. Noſtrum ſeculum non videtur cedere antiquitati.
Fateri enim oportet, inter Scriptores Eccleſiaſticos, tùm græcos, tùm latinos, qui
hodiè ſunt in magna admir atione, quosdam Hebrææ, quosdam græcæ linguæ cog-
nitione fuiſſe deſtitutos. Qui post congregatas illas Synodos vixerunt, veram
\& cœleſtem pietatis doctrinam ex ſ. literis, auxilio Spiritus ſancti haurire poſ-
ſunt, absꝙ́ Synodorum illarum decretis. Confer Rettung pag. 90. \& ſeqq.
Koͤnte nicht auch ſolcher Maſſen Bruder Ruff der Widertaͤuffer/
v. Olear.
in hiſt.
Perſ. p. 177.Meiſter Michel der Weber predigen/ wann er ein gut Gedaͤchtnuͤß
haͤtte: Wann ein barbariſcher Moſcowiter (die keine Erklaͤrung der Text
leiden koͤnnen/ ſondern die Bibel nacheinander daher leſen/ ohne fernere
application oder explication) ſolcher maſſen hievon diſcurriret/ ſo moͤch-
te es ihm koͤnnen condonirt und vergeben werden. Aber ſoll unter uns/ als
den Weiſen/ ſolche opinion und Wahn aufkommen/ ſo waͤren wir werth/
daß uns die alte Paͤbſtiſche Finſternuͤß uͤberfalle. Alſo iſt [die] Erhaltung/
taͤgliche Erweckung ſolches ſo heilſamen Liechts/ ein Stuͤck unſerer Chri-
ſten-Pflicht/ maſſen in der erſten Kirchen ſolche Pflicht in acht genom-
men/ die Propheten und Außleger der Schrifft/ und deroſelben nachkom-
mene Lectores, und noch in den Schulen die Doctores und Profeſſores,
welche/ wann ſie ihr Pfund recht und redlich wollen anlegen/ nicht ſo viel
Zeit und Raum finden/ ſich zu inſinuiren/ umb Menſchen-Gunſt und
Geſchenck zu buhlen: Sondern ſich befleiſſigen/ daß ſie/ wie St. Johan-
nes/ der liebſte Juͤnger JEſu/ ſich demſelben inſinuirt/ in ſeinem Schoß
gelegen/ ſich auch an die Bruͤſte Chriſti/ nemlich das alte und neue Te-
ſtament legen/ und daraus gantze Fluͤſſe der Goͤttlichen Weißheit ſaugen/
und geiſtliche Seelen-Luſt ſchoͤpffen/ mehr und ſuͤſſer/ als man beſchreiben
mag/ O HErr/ dein Geiſt bezeuget frey/ daß ſolches deß ewigen Lebens
Vorſchmack ſey. Unter beſagten Propheten der erſten Kirchen haben ſich
auch gefunden/ die fromme Laͤyen oder gemeine Leute geweſen ſind; Na-
mentlich die Berrhoer/ der gelehrte Chriſtl. Jude Apollo/ Origenes noch
ein Student und Juͤngling von achtzehen Jahren/ und andere/ derer Hie-
ronymus im Catalogo gedencket; Nachdem der Geiſt Gottes gegeben/
die Thaten Gottes außzuſprechen. Lutherus ſchreibt hievon
Tom. 6. Witteb. p. 213. Der Brauch in der Kirchen/ in deren ein geringer
Schatten uͤberblieben aus der Einſetzung deß Apoſtels Pauli 1. Cor. 14. da er
lehret/ daß man drey Dinge thun ſoll/ wann die Kirche/ das iſt/ die Verſam̃lung
deß Volcks zuſammen kommt. Erſtlich mit der Zungen/ oder bloſem Text/ ein
Stuͤck aus Moſe/ Propheten/ oder Pſalmen nach dem Text herleſen. Zum andern/
daſ-
[693]Predigt.
daſſelbige verklaͤren/ außlegen/ und alſo lehren. Zum dritten/ in gemein beten.
Das iſt alſo zugangen. Fuͤr das erſte ward ein Ort aus der Schrifft oder Pſal-
men nach dem Text klar hergeleſen. Zum andern waren die Propheten/ der
Schrifft verſtaͤndige und geiſtliche Menſchen/ die daſſelbe außlegten/ und alſo
das Volck lehreten. Zum dritten ward geordnet/ daß der gantze Hauffe in ge-
mein zu GOtt beteten. Ja das war wol eine rechte/ feine/ Goͤttliche/ Chriſtliche
Ordnung/ aber ſie war gemacht zu lehren/ zu vermahnen/ das Gottes-Wort ſtets
zu treiben/ und in vollem Lauff zu behalten/ das iſt/ den Glauben ſtets zu bauen
und zu ſtaͤrcken. Das erſte wollen ſie bey unſern Zeiten noch gethan haben/ mit
der Lection der Metten/ mit den Evangeliis und Epiſteln/ und andern Geſaͤn-
gen/ die alſo einer allein ſinget. Das ander mit den Homilien: das dritte wollen
ſie noch gethan haben/ mit Reſponſorien/ Antiphen/ Gradualen/ und was alſo
in gemein der gantze Chor lieſet oder ſinget. Ja das thun ſie wol etlicher Maſ-
ſen nach wie die Affen/ aber ſie fehlen weit der Meynung deß Apoſtels/ denn ſie
thun das alles nicht umb Lehren und Vermahnens willen/ oder die Schrifft auß-
zulegen/ ſondern allein gute Werck zu thun.
Die General-Regul lautet hievon alſo/ und gehet uns alle an: ὁ ἀναγι-
νώσκων, νοείτω: Wer diß (nemlich die ſchwere Weiſſagungen deß Pro-
pheten Daniels und dergleichen) lißt/ der mercke drauf/ das iſt/ er ler-
ne es auch eigentlich verſtehen/ mercken auff die Hiſtori der Erfuͤllung der
geſchehenen Weiſſagungen: Gleichwie ein Liebhaber der Gemaͤhlde ſich
nicht begnuͤgen laͤßt mit der bloſen Augenweide/ ſondern auff den Geiſt/
Kunſt und Art der Gemaͤhlde/ deß Gemuͤths ſcharffe Gedancken wendet:
Alſo auch hie ὑπονοείτω, er mercke/ ſpuͤre aus/ was tieffes/ geheimes in einer
Weiſſagung verborgen ligt: διανοείτω, er folgere durch gute und bewaͤhrte
Conſequentzen/ was zu eines und andern Glaubens-Artickuls Beveſti-
gung/ oder auch zu Anfriſtung Chriſtlichen Lebens und Wandels dienen
kan/ maſſen dann keine Bibliſche Schrifft ſo duͤrr und krafftloß/ daß nicht
heilſame Lehren und Lebens-Fruͤchte heraus gezogen/ und gleichſam aus
den Bruͤſten gemelcket werden koͤnten/ wem da eckelt fuͤr dieſer loſen
Speiſe/ wie das koͤſtliche Manna und Himmel-Brod von den undanck-
baren Jſraeliten genennet/ oder vielmehr geſcholten wurde/ der wird auch
nicht werth gehalten werden/ zu ſchmaͤcken das himmliſche Abendmahl/
ſondern ein ewiges Faſten muͤſſen in jenem ewigen Hunger-Thal halten.
Soll aber dieſes Liecht beſtaͤndig bleiben/ ſo muͤſſen auch die Inſtru-
menta und Werckzeuge/ als da ſeynd freye Kuͤnſte und heilige Grund-
Sprachen/ in denen GOtt der HErr ſelbſten geredet/ fovirt und erhalten
werden. Hie kan ich nicht fuͤruͤber/ daß ich nicht Lutheri Meynung hievon
anbringen und wiederholen ſolte.
Tom. 6. Witt. p. 340. Nun ſind aller Vaͤter Außlegungen/ die ohne Spra-
chen die Schrifft haben gehandelt (ob ſie wol nichts unrechts lehren) doch der-
geſtalt/ daß ſie offt ungewiſſe/ unebene/ und unzeitige Sprache fuͤhren/ und tap-
pen wie ein Blinder an der Wand/ daß ſie gar offt deß rechten Texts fehlen/ und
machen ihm eine Naſen/ nach ihrer Andacht/ wie denn uns droben angezeigt.
Tecum principium \&c. daß auch St. Auguſtinus ſelbſt muß bekennen/ wie er
ſchreibt de doctrina Chriſtiana, daß einem Chriſtlichen Lehrer/ der die Schrifft
ſoll außlegen/ noth ſind uͤber die Lateiniſche auch die Griechiſche und Hebreiſche
Sprachen. Es iſt ſonſt unmuͤglich/ daß er nicht allenthalben auftoſſe/ ja noch
Noth und Arbeit da iſt/ ob einer die Sprachen ſchon wol kan. Darumb iſts
gar viel ein ander Ding umb einen ſchlechten Prediger deß Glaubens/ und umb
einen Außleger der Schrifft/ oder wie es St. Paulus nennet/ einen Propheten.
Ein ſchlechter Prediger (iſt wabr) hat ſo viel heller Spruͤche und Text durchs
Dolmetſchen/ daß er Chriſtum verſtehen/ lehren und heiliglich leben/ und andern
predigen kan. Aber die Schrifft außzulegen und zu handeln fuͤr ſich hin/ und
zu ſtreiten wider die irrige Einfuͤhrer der Schrifft iſt er zu geringe/ das laͤſſet
ſich ohne Sprachen nicht thun. Nu muß man je in der Chriſtenheit ſolche Pro-
pheten haben/ die die Schrifft treiben und außlegen/ und zum Streit taugen/ und
iſt nicht gnug am heiligen Leben und Lehren. Darumb ſind die Sprachen ſtracks
und allerdings von noͤthen in der Chriſtenheit/ gleichwie die Propheten oder Auß-
leger/ obs gleich nicht noth iſt/ noch ſeyn muß/ daß ein jeglicher Chriſt oder Pre-
diger ſey ein ſolcher Prophet/ wie St. Paulus ſagt 1. Corinth. 12. und Epheſ. 4.
Daher kommts/ daß ſeit der Apoſtel Zeit die Schrifft ſo finſter iſt blieben/ und
nirgend gewiſſe beſtaͤndige Außlegungen druͤber geſchrieben ſind/ denn auch die
Heil. Vaͤter/ (wie geſagt) offt gefehlet/ und weil ſie der Sprachen unwiſſend
geweſen/ ſind ſie gar ſelten eins/ der faͤhret ſonſt/ der faͤhret ſo. St. Bernhard
iſt ein Mann von groſſem Geiſt geweſen/ daß ich ihn ſchier duͤrffte uͤber alle Leh-
rer ſetzen die beruͤhmt ſind/ beyde alte und neue/ und ſihe/ wie er mit der Schrifft
ſo offt/ wiewol geiſtlich/ ſpielet/ und ſie fuͤhret auſſer dem rechten Sinn. Derhal-
ben haben auch die Sophiſten geſagt/ die Schrifft ſey finſter/ haben gemeinet/
Gottes Wort ſey von Art ſo finſter/ und rede ſeltzam. Aber ſie ſehen nicht/ daß
aller Mangel ligt an den Sprachen/ ſonſt waͤre nichts leichters je geredt/ denn
Gottes Wort/ wo wir die Sprachen verſtuͤnden. Ein Tuͤrcke muß mir wol
fluſter reden/ welchen doch ein tuͤrckiſch Kind von ſieben Jahren wol vernimmt/
dieweil ich die Sprache nicht kenne. Dieweil iſt diß auch ein toll Fuͤrnehmen
geweſen/ daß man die Schrifft hat wollen lernen/ durch der Vaͤter Außlegun-
gen/ und viel Buͤcher- und Gloſſen-leſen. Man ſolte ſich dafuͤr auff die Spra-
chen geben haben. Denn die lieben Vaͤter/ weil ſie ohne Sprache geweſen ſind/
haben ſie zuweilen mit vielen Worten an einem Spruch gearbeitet/ und dennoch
nur kaum hinnach geahnet/ und halb gerathen/ halb gefehlet. So lauffeſt du
demſelben nach mit viel Muͤhe/ und koͤnteſt dieweil durch die Sprachen demſel-
ben vielbaß ſolchem rathen/ denn der/ da du folgeſt. Denn wie die Sonne ge-
gen dem Schatten iſt/ ſo iſt die Sprache gegen aller Vaͤter Gloſſen. Weil denn
nun den Chriſten gebuͤhret die H. Schrifft zu uͤben/ als ihr eigen einigs Buch/
und eine Suͤnde und Schande iſt/ daß wir unſer eigen Buch nicht wiſſen/ noch
unſers Gottes Sprache und Wort nicht kennen/ ſo iſts noch vielmehr Suͤnde
und Schande/ daß wir nicht Sprachen lernen/ ſonderlich/ ſo uns jetzt Gott dar-
beut/
[695]Predigt.
beut/ und gibt Leute und Buͤcher und allerley/ was darzu dienet/ und uns gleich
dazu reitzt/ und ſein Buch gern wolt offen haben. O wie froh ſolten die lieben
Vaͤter geweſen ſeyn/ wenn ſie haͤtten koͤnnen zur H. Schrifft kommen/ und die
Sprachen lernen/ als wir koͤnnen. Wie haben ſie mit ſo groſſer Muͤhe und Fleiß
kaum die Brocken erlanget/ da wir mit halber/ ja ſchier ohne alle Arbeit/ das
gantze Brod gewinnen koͤnten. O wie ſchaͤndet ihr Fleiß unſer Fauſheit? ja
wie hart wird GOtt auch raͤchen ſolchen unſern Vnfleiß und Vndanckbarkeit?
Daher gehoͤret auch/ was St. Paulus 1. Cor. 14. wil/ daß in der Chriſtenheit
ſoll das Vrtheil ſeyn uͤber allerley Lehre/ dazu aller Dinge von noͤthen iſt die
Sprache zu wiſſen. Denn der Prediger oder Lehrer mag wol die Biblia durch
und durch leſen/ wie er wil/ er treffe oder fehle/ wenn niemand da iſt/ der da urthei-
le/ ob ers recht mache oder nicht. Soll man denn urtheilen/ ſo muß Kunſt der
Sprachen da ſeyn/ ſonſt iſts verlohren. Darumb ob wol der Glaube und das
Evangelium durch ſchlechte Prediger mag ohne Sprachen geprediget werden/ ſo
gehet es doch faul und ſchwach/ und man wirds zuletzt muͤde und uͤberdruͤſſig/
und faͤllet zu Boden/ aber wo die Sprachen ſind/ da gehet es friſch und ſtarck/
und wird die Schrifft durchtrieben/ und findet ſich der Glaube immer neu/ durch
andere und aber andere Wort und Werck; daß der 128. Pſalm ſolch Studiren
in der Schrifft vergleicht einer Jagt/ und ſpricht. GOtt oͤffnet den Hirſchen die
dicke Waͤlder/ und Pſalm. 1. einem Baum der immer gruͤnet/ und immer friſch
Waſſer hat. Es ſoll uns auch nicht irren/ daß etliche ſich deß Geiſtes ruͤhmen/ und
die Schrifft geringe achten. Ethche auch/ wie die Bruͤder Waldenſes/ die Spra-
chen nicht nuͤtzlich achten. Aber lieber Freund/ Geiſt hin/ Geiſt her/ ich bin auch
im Geiſt geweſen/ und habe auch Geiſt geſehen (wenns je gelten ſoll von eige-
nem Fleiſch ruͤhmen) vielleicht mehr/ denn eben dieſelbige noch im Jahr ſehen
werden/ wie faſt ſie auch ſich ruͤhmen. Auch hat mein Geiſt ſich etwas be-
weiſet/ ſo doch ihr Geiſt im Winckel gar ſtille iſt/ und nicht vielmehr thut/ denn
ſeinen Ruhm auffwirfft. Das weiß ich aber wol/ wie faſt der Geiſt alles allei-
ne thut/ waͤre ich doch aller Puͤſchen zu ferne geweſt/ wo mir nicht die Sprachen
geholffen/ und mich der Schrifft ſicher und gewiß gemacht haͤtten. Jch haͤtte
auch wol koͤnnen fromm ſeyn/ und in der Stille predigen. Aber den Pabſt und
die Sophiſten mit ſampt dem gantzen Antichriſtiſchen Regiment wuͤrde ich wol
haben laſſen ſeyn/ was ſie ſind. Der Teuffel achtet meinen Geiſt nicht ſo faſt/
als meine Sprache und Feder in der Schrifft. Denn mein Geiſt nimmt ihm
nichts/ denn mich allein. Aber die H. Schrifft und Sprachen machen ihm die
Welt zu enge/ und thut ihm Schaden in ſeinem Reiche.
Neben dem muͤſſen auch die Propheten ſelbſt/ die das Ampt der
Propheten in der Chriſtenheit tragen/ und aus ſchuldiger Pflicht die H.
Schrifft außlegen ſollen/ die jenige Huͤlffs-Mittel ergreiffen/ die GOTT
der HErr in H. Schrifft zu bemeltem Zweck conſecrirt und heiliget.
Nemlich die medicam, die andaͤchtige Arbeit/ nachſinnen/ nach forſchen:
GOtt der HErr hat einen ſchoͤnen groſſen Acker in der H. Schrifft uns
fuͤrgelegt/ aber er wil gebauet/ gepfluͤget und erforſchet ſeyn/ er reinet uns
nicht alles unmittelbar in die Naſe und Mund hinein. Ohne Arbeit und
Muͤhe
[696]Die zwey und zwantzigſte
Muͤhe ſollen wir nichts haben: Darumb pfluͤgen von noͤthen/ auch mit
Siwſons Kalb/ das iſt/ der Chriſtl. Kirchen/ und deroſelben ſo neuen/ als
alten Lehrern/ denn ja der H. Geiſt den Alten nicht alle Wiſſenſchafft ge-
geben/ ſondern auch der letzten Kirchen/ nach deroſelben gegenwaͤrtigen
Nothdurfft ein Segen hinterlaſſen/ alles mit GOtt ſehenden devotion
und Andacht/ deren ein Exempel Lutherus fuͤrgeſtellt/ in Erklaͤrung der
Wort St. Pauli
Tom. 4. Witt. p. 328. f. 2. Chriſtus hat ſich ſelbſt fuͤr unſere Suͤnde gegeben:
Lieber mercke aber gar eben/ und habe Achtung drauff/ wie deutlich und eigentlich
er alle Wort ſetzet. Er ſpricht nicht: Chriſtus hat ein Wolgefallen gehabt an unſerer
Gerechtigkeit und guten Wercken. Nein/ nein. Spricht auch nicht/ er hat von uns
angenommen die Opffer im Geſetze Moſi geboten. Viel weniger unſer erwehl-
te Gottesdienſte/ Meſſe/ Geluͤbde/ Wallfahrten/ ꝛc. Sondern ſpricht: Er ſelbſt
habe gegeben: Lieber/ was hat er dann gegeben? Kein Gold noch Silber/ keinen
Ochſen/ noch Oſter-Lamb/ kein Koͤnigreich/ Kaͤyſerthumb oder Welt/ ja auch kei-
nen Engel. Was denn? gar viel etwas hoͤhers und koͤſtlichers/ denn alles/ was
im Himmel und auff Erden geſchaffen iſt. Lieber/ was doch? ſich ſelbſt. Wofuͤr
denn? Freylich fuͤr keine Krone noch Koͤnigreich/ auch gewißlich nicht fuͤr unſere
Gerechtigkeit noch Heiligkeit/ ſondern fuͤr unſere Suͤnde. Sind aber dieſe Wort
alle nicht eitel gewaltige Donnerſchlaͤge vom Himmel herab wider aller Men-
ſchen/ allerley Gerechtigkeit/ hartes und heiliges Leben/ es habe einen Schein
und Namen/ ſo groß und herrlich es immer ſeyn kan? wie denn dergleichen ge-
waltige Donnerſchlaͤge wider aller Menſchen Heiligkeit und Weißheit auch in
allen Worten dieſes Spruchs Johan. 1. ſind: Sihe/ das iſt Gottes Lamb/ das
der Welt Suͤnde traͤgt. Darumb ſoll man alle Wort in dieſem und dergleichen
Spruͤchen/ ein jedes inſonderheit auffs allerfleiſſigſte betrachten/ und nicht ſo
unachtſam und ſchlecht hin uͤberfladdern/ denn es iſt uͤberaus/ was fuͤr ein rei-
chen Troſt die armen/ erſchrockenen/ und bloͤden Gewiſſen darinnen finden/
wenn ſie ſie mit dem Glauben faſſen. Biſt du nun bekuͤmmert umb deiner Suͤnde
willen/ wolleſt ihr gern loß ſeyn/ und einen gnaͤdigen GOtt im Himmel haben:
Nimb nicht diß oder anders fuͤr/ ſolchen Schatz dadurch zu erlangen: ſondern
hoͤre/ was dir St. Paulus von Gottes wegen ſaget/ der ſpricht alſo: Es ſey ein
Mann/ der heiſſe JEſus Chriſtus/ der habe ſich ſelbſt fuͤr unſer aller Suͤnde ge-
geben/ diß ſind doch je reiche/ wichtige/ herrliche und troͤſtliche Wort. Et Tom. 3.
Witt. pag. 83. Am Ende dieſes Pſalmens wil ich vermahnen/ welches auch viel
heiliger Vaͤter/ als Anaſtaſius und Auguſtinus gethan haben/ daß wir die
Pſalm nicht ſchlechts dahin ſingen oder leſen ſollen/ als glengen ſie uns nichts
an. Sondern wir ſollen ſie alſo leſen oder ſingen/ daß wir daraus gebeſſert/
der Glaube geſtaͤrckt/ und in allerley Noͤthen unſer Gewiſſen moͤge getroͤſtet
werden. Denn der Pſalter iſt nichts anders/ dann eine Schule und Vbung
unſers Hertzens und Gemuͤths/ wie daſſelbe geſinnet und geneigt iſt/ oder ja ſeyn
ſoll. Darumb lieſet der den Pſalter ohne Geiſt/ der ihn ohne Verſtand und
Glauben lieſet. Deß nim ein Exempel/ wann du in dieſem Pſalm lieſeſt: Wol
dem/ der nicht wandelt im Rath der Gottloſen; ſolt du wol auff die Wort Achtung
haben/ fuͤr der Gottloſen Rath dich entſetzen/ und mit groſſem Ernſt fuͤr dich und
die
[697]Predigt.
die gantze Chriſtenheit bitten/ daß du und ſie dadurch nicht verfuͤhret werdet. Al-
ſo auch wenn du auff die folgende Wort dieſes Vers kommeſt: Noch tritt auff
den Weg der Suͤnder. Jtem/ noch ſitzt/ da die Spoͤtter ſitzen/ ſolt du abermal fuͤr
dich und alle Chriſten mit Ernſt bitten/ daß du und ſie durch der Suͤnder Leben
und Wandel/ ſo aͤuſſerlich ſchoͤn gleiſſet/ und doch eitel Heucheley iſt/ nicht betro-
gen werdet/ ſondern euch an Gottes Wort haltet/ ſo da lehret/ wie wir glaͤuben
ſollen/ und was fuͤr Werck ein jeder in ſeinem Veruff thun ſollt/ nemlich die Gott
gebeut und befihlet. Auch daß ſich niemand laſſe bekuͤmmern/ daß die Gottlo-
ſen hoch ſitzen/ und ein groß Anſehen fuͤr den Leuten haben/ ſondern hoͤre/ was der
heilige Geiſt durch David von ihnen ſagt/ der heiſſet ſie gottloſe Suͤnder und
Spoͤtter/ die nach dem rechten GOtt nichts fragen/ ſondern ihrem GOtt dem
Bauch dienen/ wiederumb/ wenn du hoͤreſt/ daß ein ſeliger Menſch Luſt zum
Geſetz deß Herrn hat/ und davon redet Tag und Nacht/ ſolt du nicht ſicher
ſeyn/ noch fuͤr einen ſolchen dich außgeben/ der da Liebe und Luſt zum Geſetz deß
Herrn habe/ ſondern allezeit/ ſo lange du lebeſt/ ſolt du von Hertzen zu GOtt
ſchreyen und bitten/ daß er ſolche Luſt und Liebe zum Wort in dir anzuͤnde/ doch
in Furcht/ und dich dafuͤr erkennen/ dem es noch weit fehlet. Deßgleichen/ wenn
du hoͤreſt/ daß es den Frommen und Glaͤubigen/ alles was ſie machen/ wol ge-
raͤth/ ſo ſolt du wuͤnſchen und ſeufftzen/ fuͤr alle die in Angſt/ Noth/ Widerwaͤr-
tigkeit und Anfechtung ſtecken/ daß ſie ſolches Troſtes theilhafftig werden. Alſo
auch wenn du lieſeſt/ daß ihre Blaͤtter nicht verwelcken/ ſolt du wuͤnſchen und
bitten/ daß das reine lautere Gottes Wort/ mit Verachtung menſchlicher Fabeln
und Traͤumen/ in der Gemeine Chriſti bluͤhe und zunehme. Sih eſt du nun/ daß
es etlicher Maſſen alſo geſchicht/ ſo frolocke und freue dich/ und dancke Goͤttli-
cher Guͤte und Gnade/ von welcher ſolches alles herfleußt. Wie du nun in die-
ſem Pſalmen thuſt/ ſo thue auch durch den gantzen Pſalter/ darumb habe ich auch
ſolches im erſten Pſalmen vermahnen wollen/ auff daß es in andern Pſalmen
nicht Noth ſey zu erlernen.
So dann zum andern die Tentation und Anfechtung/ dann die lehret
auffs Wort mercken/ Davidica non intelligit, qui Davidica non eſt
expertus, niemand recht kennet Davids Sinn/ er habe denn Davids
Anfechtung erfahren. Als zum Exempel/ die Wort ſind zwar (wie aber-
mal Lutheri Gedancken lauten l. cit. p. 333.)
Chriſtus hat ſich ſelbſt fuͤr unſere Suͤnde gegeben/ ſind bald gefaſt und ge-
lernet/ daß wirs nachreden koͤnnen/ und eins Theils Menſchen auch ein rechter
Ernſt iſt/ daß ſie feſt dran halten wollen. Aber wenns zum Treffen kommt/ da
der Teuffel in der Anfechtung Chriſtum verbirgt/ und aus den Augen weg-
nimmt/ dazu das Wort der Gnaden uns aus dem Hertzen reißt/ da erfahren wir
erſt/ daß uns die Kunſt noch weit fehlet/ und noch nirgend recht gelernet haben/
ja noch gar nichts davon wiſſen. Wer aber alsdenn Chriſtum recht und eigent-
lich kennen/ recht groß machen/ und nicht fuͤr einen ſtrengen Richter/ ſondern als
unſern allerfreundlichſten und lieblichſten Heyland und Hohenprieſter anſehen
und halten koͤnte/ der haͤtte ſchon allerley Angſt/ Noth und Tod uͤberwunden/
Achter Theil. T t t tund
[698]Die zwey und zwantzigſte
und waͤre bereit im ewigen Leben/ Joh. 17. aber nichts ſchwerers iſt auff Er-
den/ denn daß man ſolches in der Anfechtung thun koͤnte. Et Tom. 3 Witteb.
pag. 36. f. 2. Man lehret die Kunſt die Schrifft recht zu verſtehen nicht balde aus/
ſo kan man ſie auch mit ſpeculiren und vergeblichen Gedancken nicht begreiffen;
ſondern es wil von noͤthen ſeyn/ daß man ſie mit taͤglicher Vbung und Brauch
lerne/ eben denn/ wenn wir mitten in der Anfechtung der Welt/ deß Teuffels und
unſers Fleiſches/ als in Verzweiffelung/ Buglauben/ und andern unzehlichen
Suͤnden ſtecken. Denn ohne ſolche Anfechtung und Vbung kan man dieſe Leh-
re nicht faſſen/ noch begreiffen/ derhalben betriegen ſich dieſe naͤrriſche Leute.
ſelbſt/ ſo da meinen/ wann ſie ein Blat oder zwey in der heiligen Schrifft durch-
leſen/ oder eine Predigt gehoͤrt/ daß ſie die himmliſche Kunſt bald wiſſen/ und
gantz außgelernet haben/ ſo ſie doch ſehen/ daß in andern geringern Kuͤnſten/
nur von Menſchen erdacht/ nicht muͤglich iſt/ daß wir balde drinnen Meiſter
werden/ wil ſchweigen/ daß es in dieſer groͤſten und ſchwereſten Lehre geſchehen
ſolte/ daß wir von gantzem Hertzen GOtt vertrauen/ alle Faͤhrligkeit der Welt/
deß Todes und des Teuffels verachten ſolten. Das laͤſt ſich fuͤrwahr in einem
Tag nicht außlernen/ ſondern es gehoͤret eine groſſe lange Vbung und eine ſon-
derliche Gabe Gottes dazu.
Tractant fab ilia fabri, ait Hieron. ad Paulin. Sola Scriptur arum ars
est, quam ſibi paſſim omnes vendicant. Hanc garrula anus, hanc delirus ſenex,
hanc ſophiſta verboſus, hanc univerſi præſumunt, lacerant, docent, antequam
diſcant \&c. Alii, cùm ad Scripturas ſacras post ſeculares liter as venerint, \&
ſermone compoſito au es populi mulſerint, quicquid dixerint, hoc legem Dei
putant: nec ſcire dignantur, quid Prophetæ, quid Apoſtoli ſenſerint, ſed ad
ſenſum ſuum incongrua aptant teſtimonia, quaſi grande ſit, \& non vitioſiſſi-
mum dicendi genus, depravare ſententias, \& ad voluntatem ſuam ſcripturam
trahere repugnantem.
Dieweil aber auch die Pflicht-Leiſtung in unſern Kraͤfften nicht ſtehet/
ſondern eine Gabe Gottes iſt/ ſo muß abermal das liebe Gebet das beſte
thun/ daß der Vater deß Liechts erleuchtete Augen beſchehren wolle/ in ſol-
chem Augen-Liecht zu ſehen das Goͤttliche Liecht in der Schrifft ſcheinend/
ohne Febler und Wandel. Lutheri Wunſch iſt mein Wunſch Tom. 6.
V Vitt. p. 243. Das iſt mein Fleiß/ daß ich die Gewiſſen gerne
ruͤſten und ſtaͤrcken wolte/ wider Sathanam in der Stunde
deß Todes/ wenn es ſterbens gilt/ und daß ich dieſelbe lerne
beſtehen/ wenn ſie ſollen ſtehen fuͤr dem Richter-Stuhl Chriſti
deß Menſchen Sohns. Laß die Menſchen raſen und toben/
wie ſie wollen/ am Tode werden ſie muͤſſen auffhoͤren/ und
entweder uͤber winden/ oder uͤberwunden ſeyn. Aber fuͤr dem
ernſtlichen Gericht Gottes/ und fuͤr dem Teuffel zu beſte-
hen/ das wird mehr/ denn Menſchen-Staͤrcke duͤrffen/ da
wird
[699]Predigt.
wird niemands beſtehen/ er ſeye denn mit klaren gewiſſen
Spruͤchen der Schrifft und oͤffentlichen Gottes Wort ge-
ruͤſt und geſchickt/ und ſiehe auff dem Felß/ warte auff ſeiner
Wache/ und warte/ welche Creatur das Gewiſſen erſchre-
cken/ umbſtoſſen oder ſtuͤrtzen moͤge/ das frey im Glauben/
ohne Scheu und Bloͤdigkeit/ getroſt auf das Goͤttliche Wort
trotzen darff/ und ſagen: Mein GOtt/ es iſt dein Wort/ du
haſts geſagt/ du kanſt nicht luͤgen/ derſelbe unſer Koͤnig/
Friede/ Liecht und Leben/ erleuchte/ erwecke und ſtaͤrcke unſer
Hertz in ſeiner eigenen Krafft/ und heiligem Wort zum ewi-
gen Leben: Dem ſey Lob/ Preiß und Ehre/ in Ewigkeit/
Amen.
GEliebte in Chriſto. Welchen Titul jene Egypti-
ſche Bibliothec, deren Diodorus Siculus im er-
ſten Buch ſeiner Hiſtorien mit Ruhm gedencket/
gefuͤhret/ und mit dieſer Uberſchrifft bezeichnet gehabt:
Ψυχῆς ἰατρει̃ον, die Seelen-Apotheck! Der ſelbe
reimet und fuͤget ſich viel billicher und beſſer auff die allerheiligſte
heylſamſte Libery und Buͤcher-Gemach der Heiligen Prophe-
tiſchen und Apoſtoliſchen Schrifften/ denen gebuͤhret dieſer Titul und
Namen von Rechts wegen: ὧδε ψυχῆς ἰατρει̃ον: Hie heylſame/ wolauß-
geruͤſtete Seelen-Apotheck! Hie die Officin und bewaͤrthe Werckſtatt/ da
allerhand antidota und Artzneyen/ wider allerley Seuchen/ Wehe und
Kranckheiten zubereitet werden/ dem menſchlichen Gemuͤth und Hertzen
T t t t 2zu
[700]Die drey und zwantzigſte
zu Huͤlffe/ Heyl und Troſt. Dann gleichwie der Sathan und Ertzfeind
deß menſchlichen Geſchlechts/ durch ſein ſchaͤdliches Anhauchen/ den gan-
tzen Erdboden angeſteckt/ in ein allgemein Noſodochium, Spitthal/ und
Jrrſahl verkehrt/ da allerhand und zwar unheilbare Kranckheiten graſſi-
ren/ ſonderlich ſein ſuͤſſes Gifft der falſchen Lehren und Jrrthumen/ ſo
dermaſſen uͤberzuckert/ gewuͤrtzt und gepuͤfft/ daß mans nicht gleich mer-
cken kan/ damit er dem Hertzen zutringt/ allenthalben außgeſtreuet/ Kloͤ-
ſter/ Stiffter/ Schulen/ Bibliothecken/ mit ſeinem ſtinckenden Teuffels-
Tꝛeck er fuͤllet: Alſo iſt im Gegentheil der allmaͤchtige Schoͤpffer aller Din-
ge/ der grundguͤtige Gott/ Jſraelis Artzt/ und gibt Artzney aus
der Erden/ das iſt/ aus Wurtzeln/ Fruͤchten/ Saamen/ Blumen/ Blaͤt-
tern/ aus den Metallen/ Edelgeſteinen/ Saͤfften/ Oehlen/ Thieren/ edler
ſigillirter Erde/ welche wir von ihrer koͤſtlichen und edlen Tugend Baals-
oder Gottes Erde/ oder Balſam nennen. Wer Salomons Au-
gen haͤtte/ ſchreibt Mattheſius in Syrac. 38. p. 115. f. 2. und ken-
nete alle Eigenſchafften/ Art und Krafft der Kraͤuter/ und
wuͤſte/ wie und wider welche Kranckheit ers gebrauchen und
rechtappliciren/ oder zueignen koͤnte/ das waͤre ein Mann Lo-
bens und Ehren werth. Vielmehr aber gibt er Artzney aus dem Him-
mel/ nemblich ſein Wort/ das alles heilet/ traͤgt uns in demſelben fuͤr
den edlen Baum deß Lebens Chriſtum/ ſein koͤſtliches Balſam-Blut/
ſampt allerhand ſtarcken Artzney-Speiſe/ entweders die Seelen der
Menſchen zu præſerviren/ fuͤr Gifft und Krebs und anderm Unheil zu-
vor zu ben ahren/ oder wann dieſelbe angeſteckt/ und Patienten worden
ſind/ wiederumb zu remediren/ zu purgiren/ zu confortiren/ ſtaͤrcken/
erquicken und auffrecht zu halten/ St. Paulus nennet dieſe Artzney. Spei-
ſen ὑγιαίνοντας λόγους, heylſame Wort/ 1. Tim. 6/ 3. Tit. 2/ 8. heyl-
ſame Lehren/ 1. Tim. 1/ 10.
Gleichwie aber auch die leibliche Aertzte und Apothecker zweyerley
ſind/ etliche heiſſen Cave; als ungelehrte/ unerfahrne/ unvorſichtige/ und
wol gar dem Sathan ergebene zauberiſche Aertzte/ Tyriacks-Maͤnner/
Speyviel/ Steinſchneider/ Zahnbrecher und Landſtreicher/ welche ein
Quæ oder Quarck fuͤr Petroleum, oder St. Catharinen-Oehl fuͤr Bal-
fam verkauffen/ und wollen mit einem Recept und Artzney alle Kranck-
heiten heilen und heiffen/ vor denen ſich huͤten ſoll Roß und Mann. An-
dere heiſſen Ave, liebe/ Gottſelige/ kluge/ gelehrte/ erfahrne/ bewaͤhrte/
theure Maͤnner/ die GOtt der HErr dem menſchlichen Leben zum beſten
erweckt/ mit Gaben gezieret/ und mit gluͤckhaffter Hand geſegnet/ wol dem/
der
[701]Predigt.
der der ſelben ſeine Koͤcher voll hat. Alſo ſind auch die geiſtliche Seelen-
Aertzte zweyerley/ etliche νοσου̃ντες, ſeuche/ oder ſichtige/ unſinnige/ vom
Sathan geiſtlicher Weiſe Beſeſſene/ 1. Tim. 6/ 4. die Rattengifft fuͤr Ho-
ng geben/ oder mengen das Gifft unter den Honig/ das ſind allerhand
grundſtuͤrtzende Jrrthumb/ falſche opiniones und Meynungen/ ſampt
verfuͤhriſchen Zeichen und Wundern. Andere aber heiſſen und ſeynd Mo-
ſchiim, Salvatores und Heylande/Obad. v. ult. vollkommene/ kluge/
und klugmachende Aertzte/ die ſich ſelbſt und ihre Zuhoͤrer ſelig
machen/ 1. Tim. 4/ 16. fuͤr Seelengifft und ewigem Todt erretten/ Heyl/
Leben und Seligkeit befoͤrdern. Jſt der Name/ den die H. Apoſtel getra-
gen/ und alle deroſelben getreue Succeſſores tragen und haben ſollen.
Wir haben bißher die Kuͤchen viſitirt und angezeigt/ wie dieſelbe ſo wol
mit ſtarcker und zarter Speiſe muͤſſe beſtellet ſeyn/ folget/ daß wir auch in die
geiſtliche Seelen-Apotheck ſpatziren/ und daſelbſt die ſtarcke Artzney-
Speiſen beſehen/ den Augenſchein einnehmen/ dieſelbe pruͤfen und un-
terſcheiden. GOtt helffe/ Amen.
DAß nun abermal durch das/ denen Heil. zwoͤlff Boten/ und
thren getreuen Nachkommen/ auffgetragenes Lehr-Ampt/ auch
das Wehr-Ampt angedeutet werde/ und ſie alſo ſampt ihren
Nachkommen/ nicht allein geſunde Lehr wol lehren/ ſondern auch den
Gifft- und Seelen-Kranckheiten gebuͤhrlich wehren/ nicht nur ſpeiſen/
Sunt quædam res ſimul \& alimenta, \& medicamenta, juxtæ Sennert.
lib. 4. Inſtit. medic. part. 1. c. 3. p. 714. alias medicamenta ἀλλοιωτικὰ τῆς φύ-
σεως, media ſunt inter duo extrema, alimenta ἀυξητικὰ τῆς ου᾽σίας, \& venena
φθαρτικὰ, ib. p. 802.
ſondern auch artzneyen und heilen ſollen/ deſſen erinnert ſie zuvorderſt
das Wort Lehren/ welches/ wie oben berichtet worden/ auch das diſpu-
tiren und convinciren/ Joh. 8. 9. 20. Act. 19, 8. in ſich begreifft. Es ſollen
die reine und rechtglaͤubige Lehrer auch die widrige falſche Apoſtel/ und de-
ro gifftige Wahren auff die Probe fuͤhren/ entdecken/ unterſcheiden/ uͤber-
Scriba doctus ad regnum cælorum depromit è ſuo theſauro varia, ſive
alimenta, ſive remedia. Hunn. ad Matth. 24. p. m. 845.
weiſen und ſtraffen/ denn darauf deutet auch der HErr/ wann er ſagt:
Lehret ſie halten/vindiciren/ retten. Jch habe euch zwar die geſun
den Lehren/ einen theuren Schatz hinterlaſſen/ aber es werden boͤſe
Aertzte einſchleichen/ die werden euch nach der Geſundheit trachten/ ſie
werden euch mit ihrem ſuͤſſen Gifft verzaubern (wie den Galatern wieder-
T t t t 3fah-
[702]Die zwey und zwantzigſte
fahren) ſie werden eure Hertzen von der Warheit wenden/ und zu den Fa-
beln kehren. Col. 2/ 8. Sehet zu/ daß euch niemand beraube durch
diePhiloſophiaund loſe Verfuͤhrung nach der Menſchen Leh-
re/ nach der Welt Satzungen/ und nicht nach Chriſto.
St. Paulus hat auch hieher das Abſehen gehabt/ wann er von denen/
die vollkommen ſeynd/ und ſeyn ſollen/ in der Chriſtlichen Lehre erfor-
dert/ geuͤbte Sinne/ zu unterſcheiden das Gute und Boͤſe/
oder das Wahre und Falſche. Dann was wahr iſt/ das iſt ja gut/ boͤſe/ was
falſch iſt. Die faͤhige ſubjecta und Perſonen/ die ſolche ſtarcke Speiſe ge-
nieſſen und verdauen moͤgen/ die nennet er γεγυμνασμένους, geuͤbte/ und
dero Sinne nennet er γεγυμνασμένα, die im Gebet/ der meditation, ſtu-
diren und leſen/ guter/ heylſamer/ und boͤſer ſchaͤndlicher Buͤcher und Leh-
ren/ wie auch im Koſten und Verſuchung deroſelben wol und lange geuͤ-
bet worden/ die ſeyen dieſelbe/ denen ſo gethane ſtarcke Speiſen ſollen fuͤr-
Von der Nothwendigkeit deß Diſputirens/ beſihe Evangeliſches Denck-
mahl in der 18. Predigt nach Trinit. p. 749. \& ſeq.
geleget werden. Sollen nun die Zuhoͤrer paſſivè fein geuͤbet werden/ ſo
muͤſſen ja auch ſeyn γυμνάζοντες, ſolche Lehrer und Meiſter/ die uͤben/ ſie
zum Gebet/ Nach forſchen und δοκιμασίας, und Pruͤfungen anweiſen/ den
methodum mit Lehr und Exempeln fuͤrſchreiben/ nach welchem die Gei-
ſter gepruͤfet werden ſollen. Ubende Lehrer und Meiſter/ ſage ich/ γυμνά-
ζοντες, nicht κατακυριέυοντες, Herrſcher/ die uͤber die Geiſter herr-
ſchen wollen/ dem Glauben gebieten/ und ihr Gifft zu trincken/ zwingen.
Wie jene 30. Tyrannen zu Athen dem gefangenen Socrati die Cicutam
oder Gifft-Tranck zugebracht. Vernuͤnfftige und auffrichtige Aertzte ſind
nicht Mundkoͤche/ die ihren Herren ſolche delicate Speiſen wuͤrtzen/ zu-
richten und auſſtellen/ die wol munden/ ungeachtet ſie ſchaͤdlich ſeyn koͤñen.
Es erinnert ſie auch ſolcher Ampts-Pflicht ihr Titul und Namen/ dann
Prediger ſind ja und ſollen ſeyn Moſchiim, Salvatores,Heylande und
Seelenaͤrtzte/ ſie ſind Hirten/ die da weiden und heylen/ ſie heiſſen nicht
vergebens das Saltz der Erden. Matth. 5/ 13. Jhr ſeyd das Saltz
der Erden/ wo nun das Saltz thumm wird/ womit ſoll man
ſaltzen? Uber welche Wort Hilarius ſehr wol commentirt: Apoſtoli
ſunt æternitatis quaſi ſalitores, meritò ſal terræ nuncu pati, quia per
virtutẽ doctrinæ quaſi ſalientis æternitati corpora fervant. Das iſt/
die Apoſtel ſind gleichſam Einſaltzer zur Ewigkeit/ und da-
her billich das Saltz der Erden genennet/ dieweil durch ihrer
Lehr gleichſam ſaltzende Krafft die Leiber zur Ewigkeit er-
hal-
[703]Predigt.
halten werden. Saltz iſt eine Artzney/ und hat Artzney-Krafft/ weh-
ret ſonderlich der Faͤule deß Fleiſches/ wuͤrtzt daſſelbe/ und macht wol ge-
ſchmackt/ und laͤßt den nagenden Gewiſſens-Wurm nicht erſtarcken.
Lutheri Commentarius hieruͤber lautet alſo/ Tom. 4. Witt. p. 19. f. 2. Es iſt ja
viel auffgelegt/ und zu hoch uͤberladen/ daß die arme Fiſcher/ oder ſonſt ein ver-
achter Menſch ſoll fuͤr GOtt heiſſen ein Saltz der Erden/ und ſich unterwinden
anzugreiffen/ und zu ſaltzen alles was Menſchen ſind auff Erden. Vernunfft
und Natur vermags nicht/ denn ſie wirds muͤde/ und kans nicht leiden/ daß ſie
nur Schande/ Schmach und Vnglůck ſolt davon haben/ und wůrde bald ſagen/
ſaltze der Teuffel die Welt an meiner ſtatt/ darumb haben bißher unſer heilige
Vaͤter/ Biſchoͤffe/ Muͤnche und Einſiedler weißlich gethan/ daß ſie deß Predigens
muͤſſig gangen/ und an ders Dings gewartet/ oder ſich von Leuten geſondert ha-
ben. Denn ſie haben geſehen/ daß es zu viel koſtet/ in eitel Fahr/ Leibs/ Guts und
Ehre ſitzen/ und gedacht/ wir wollen es andern Leuten befehlen/ uñ dieweil in Win-
ckel kriechen/ und GOtt dienen mit guten Tagen. Et mox: Das koͤnte die Welt
noch wol leiden/ daß man recht predigt von Chriſto/ und allen Artickeln deß
Glaubens/ aber wenn man ſie wil angreiffen/ und damit ſaltzen/ daß ihre Weiß-
heit und Heiligkeit nichts ſol gelten/ ja blind und verdampt iſt/ das kan und wil
ſie nicht leiden/ uñ gibt den Predigern Schuld/ ſie koͤnnen nichts/ denn ſchelten und
beiſſen/ und muß heiſſen die Welt erregt/ und Vnfried gemacht/ geiſtliche Staͤn-
de und gute Wercke geſchaͤndet. Aber wie koͤnnen wir ihm thun? ſoll man ſal-
tzen/ ſo muß es beiſſen/ und ob ſie uns gleich beiſſig ſchelten/ ſo wiſſen wir/ daß ſo
ſeyn ſoll/ und Chriſtus ſolches befohlen hat/ und wil/ daß das Saltz ſcharff ſey/
und getroſt beiſſe/ wie wir hoͤren werden. Wie St. Paulus auch allenthalben
thut/ ſtraffet die gantze Welt/ und ſchilt alles/ was ſie lebt und thut/ wo nicht der
Glaube an Chriſtum iſt; und Chriſtus Joh 16. ſagt: Wenn der Heil. Geiſt kom-
me/ ſoll er die Welt ſtraffen ꝛc. Das iſt: er ſoll alles angreiffen/ was er in der
Welt findet/ keinen Außzug noch Vnterſcheid machen/ noch etliche ſchelten/ und
etliche loben/ oder allein Diebe und Schaͤlcke ſtraffen/ ſondern alles alles auf ei-
nen Hauffen faſſen/ einen mit dem andern/ er ſey groß/ klein/ fromm/ weiſe/ heilig/
oder wie er wolle. Summa/ alles was nicht Chriſtus iſt. Denn der H. Geiſt
darff nicht darumb kommen/ noch Prediger in die Welt ſchicken/ daß er aͤuſſer-
liche grobe Suͤnde/ Ehebruch/ Mord/ ꝛc. zeige und ſiraffe/ ſo ſie ſelbſt wol weiß
und ſtraffen kan/ ſondern das ſie fuͤr das koͤſtlichſte haͤlt/ und da ſie am beſten iſt/
fromm und heilig ſeyn) und GOtt damit dienen wil. Darumb gilts nicht/ daß et-
liche jetzt kluͤgeln und fuͤrgeben/ es ſey gnug/ daß ein Prediger jederman ſage/
was recht iſt/ und koͤnne wol das Evangelium predigen/ daß man nicht duͤrffe
Papſt/ Biſchoͤffe/ Fůrſten und andere Staͤnde/ oder Perſon antaſten/ dadurch
viel Vnfried und Hadders entſtehet/ ſondern es heißt alſo/ wilt du das Evange-
lium predigen/ und den Leuten helffen/ ſo muſt du auch ſcharff ſeyn/ und Saltz in
die Wunden reiben/ das iſt/ das W[i]derſpiel anzeigen/ und ſtraffen/ wo es nicht
recht gehet/ wenn das Saltz thum̃ wird/ womit wird man dann etwas ſaltzen?
Thumm Saltz heißt/ das die Schaͤrffe und Zaͤhne verlohren hat/ und nicht mehr
wuͤrtzet noch be [...]ſſet/ das iſt/ wenn das Ampt in der Chriſtenheit untergehet/ daß
man die Leute auffhoͤret zu ſtraffen/ und zeiget ihnen nicht ihr Elend und Vnver-
moͤ-
[704]Die drey und zwantzigſte
moͤgen/ noch erhaͤlt bey der Buſſe und Er kaͤntnuͤß ſein ſelbſt/ laͤſt ſie dahin gehen/
als ſeyen ſie fromm und recht daran/ und alſo ihr Ding/ eigen Heiligkeit und ſel-
ber erwehlte Gottesdienſte laͤßt einreiſſen/ ſo lange biß die reine Lehre vom Glau-
ben wieder gar untergehet/ und Chriſtus verlohren wird/ und ſo gar verderbet/
daß nicht mehr zu helffen noch zu rathen iſt. Solches hat er hiemit geſehen und
geweiſſaget die zukuͤnfftige Gefahr/ ja den Schaden und Verderb der Chriſten-
heit/ daß man ſolch Saltz oder Straff-Ampt wuͤrde liegen laſſen/ und dafuͤr auff-
kommen ſo mancherley Gewuͤrm/ von Rotten und Secten/ da ein jeglicher ſein
eigen Tand auffwuͤrfft/ als eine rechte Lehre und Gottesdienſt/ und doch nichts
anders iſt/ denn weltlich fleiſchlich Ding/ aus unſerm Kopff und Vernunfft ge-
wachſen/ damit wir uns ſelbſt kuͤtzeln/ und alſo gar drinnen verfaulen/ als eitel
wild/ ſtinckend/ verdorben Fleiſch/ daran ſaltzen und ſtraffen verlohren iſt. Et p. 21.
Daß freylich kein groͤſſer Schaden und Verderb der Chriſtenheit iſt/ denn wo
das Saltz/ damit man alle andere Dinge ſaltzen und wuͤrtzen muß/ thum̃ wird/
und iſt doch ſo bald geſchehen/ denn es iſt eine ſolche Gifft/ die ſuͤſſe eingehet/ und
dem alten Adam ſanfft thut/ denn er darff nicht ſo in Gefahr ſtehen/ Leib und Le-
ben wagen/ noch Verfolgung/ Schmach und Laͤſterung leiden. Darumb ſiud
unſer Biſchoͤffe und Geiſtliche die kluͤgeſten Leute auff Erden in dieſem Fall/ denn
ſie predigen alſo/ daß ſie ohne Gefahr bleiben/ Geld und Gut/ dazu Ehre und
Gewalt genug haben. Welche ſich aber laſſen erſchrecken und ſchweigen/ umb
Gunſt/ Ehre und Guts willen/ die werden auch am juͤngſten Tage muͤſſen hoͤren
von mir ſagen/ der iſt unſer Prediger geweßt/ und hat uns nichts geſagt/ und
wird ſie nicht entſchuldigen/ ob ſie wollen ſagen/ HErr/ ſie habens nicht wollen
hoͤren/ denn Chriſtus wird dagegen ſagen/ weiſt du nicht/ daß ich dir befohlen ha-
be/ du ſolteſt ſaltzen/ und dazu ſo fleiſſig gewarnet/ ſolteſt du nicht mein Wort
mehr fuͤrchten/ denn ſie? Solches ſoll uns auch billich ſchrecken.
Wohin auch zu ziehen das Prieſterliche Pruͤffampt im alten Teſta-
ment/ da die Prieſter als gute Phyſici, Naturkuͤndiger und Aertzte ha-
ben laut deß Moſaiſchen Geſetzes muͤſſen vom Auſſatz urtheilen/ und die
verdaͤchtige Perſon entweders rein oder unrein außſprechen. Lev. 14, 4.
Matth. 8, 4. War ein Fuͤrbild deß Lehrampts deß neuen Teſtaments/ als
deſſen Pflicht auch in das Urtheil uͤber geiſtliche Geſundheit der Lehre/
die rechte zu loben/ die falſche zu offenbahren und zu ſtraffen/ gehet. Alles
faſſet St. Johannes zuſammen/ wann er ſchreibt: Pruͤffet die Gei-
ſter/ als Winde/ und mercket/ von wannen ſie herwehen/ von
oben oder unten her/ aus dem Himmel oder Hoͤlle?
Sonderlich aber fordert ſo gethane Artzney die unumgaͤngliche aͤuſſerſte
Noth/cauſirt uñ verurſacht von der alten Schlangen/ die ihre Tuͤcke nicht
laͤßt/ St. Paulus fuͤrchtet nicht umbſonſt 2. Cor. 11/ 3. Daß nicht wie
die Schlange Heva verfůhret mit ihrer Schalckheit/ alſo
auch euere Sinne verruͤcket werden/ von der Einfaͤltigkeit
in Chriſto. Rom iſt ein Tempel deß Abgotts/ der da heiſſet Apollyon,
der
[705]Predigt.
der Verderber/ da ligt das guͤldene Kaͤſtlein/ aus welchem die ſchaͤdliche
und Seelenmoͤrderiſche Peſt in die gantze Welt außgebrochen. Die Roͤ-
miſche Jeſabell præſentirt allenthalben den Kelch ihrer Zauberey/ mit
Philtris und raſenden Liebes-Traͤncklein/ (oder wie mans nennet/ gang
mir nach) angefuͤllet. Die Circe deckt ihre Taffel/ ruͤſtet ihre vergiffte
Speiſen zu/ verwandelt albere junge/ reiſende Leute/ macht aus Men-
ſchen/ ja Engeln/ ſchwartze/ oder doch in Engel deß Liechts/ Vernunffts-
Teuffel/ die ſich hernach nicht wollen wenden laſſen. Dann was iſt die Ur-
ſach der ſo viel aͤrgerlichen Apoſtaſien und Abfaͤlle/ von der reinen Reli-
gion/ welche innerhalb 40. Jahren vorgangen/ als die Unterlaſſung
offtbe ſagter Artzney- und Seelen-Apotheck? Junge/ unerfahrne/ unbe-
richtete Leute/ haben ſich in frembden Landen zu gefaͤhrlicher Converſa-
tion und Geſpraͤch eingelaſſen inermes, ohne præſervativ, Wehr und
Waffen/ was iſt leichter/ als ſolche junge unbewehrte Leute zu verfuͤhren/ uñ
von der Warheit abzuleiten? Wie wollens am jũngſten Tage die Seelſor-
ger verantworten/ die ſich mit dem bloſen kleinen Catechiſmo/ dem bloſen
Wortlaut nach/ vergnuͤget/ und kein præſervation verordnet? Wie wer-
den die jenige/ die auf den Jrrweg geleitet worden/ anſehen ihre Pfarrer/
Hofprediger/ Hofmeiſter und Profeſſores? was antworten/ wann ſie
von denen/ durch dero Fahrlaͤſſigkeit ſie verfuͤhret worden/ ins Angeſicht
klagen und ſagen werden: An dieſem Urtheil/ das uͤber uns ergehet/ ſeyd ihr
ſchuldig/ ihr haͤttet uns beſſer armiren und außruͤſten ſollen/ mit Waffen
Gottes/ zu entfliehen deß Teuffels Liſten/ das habt ihr nicht gethan/ theils
aus Unwiſſenheit/ theils aus Faulheit/ darumb Zetter uͤber euch! Es iſt
kommen/ was St. Paulus beſorget/ wofuͤr er ſo treulich gewarnet/ nem-
lich eine greuliche Gottes-Raͤuberey/ von Meiſter Faulwitz/ dem alten
Liecht-ſcheuenden Geiſt angerichtet/ durch die verfuͤhriſchePhiloſophy
(dann dieſe meynet der Apoſtel/ und nicht das dienſtbare Gynecæum, gu-
ter nuͤtzlicher Kuͤnſten und Sprachen/ die der Goͤttlichen Koͤniglichen So-
phia auffwarten) und dero vernuͤnfftige (der Vernunfft annehmliche
contentirende und glatte/ wie alle heutige Irenica ſyncretica) reden nach
der Menſchen-Lehre (neue Invention und ſophiſtic) und nicht nach
Chriſto/ ſeiner Lehre/ Regul und Ordnung/ die da das Liecht der gruͤnd-
lichen Warheit (wie alle Nachtmauſer/ denen das Liecht oder Fackel zu-
wider) pflegen außzuloͤſchen/ Jſaacs-Brunnen zu verſtopffen/ dem geiſt-
lichen Pfundwucher den Lauff und Gewinn zu ſperren/ und alſo den ſo
theuer erraͤnnten und erworbenen Meerſchatz deß vollkom̃enen Glaubens
der Chriſtlichen Haußlehre zu entziehen/ oder aufs wenigſte zu ſchmaͤlern.
Soll nun nicht jederman dem ewigen Tod und der Hoͤllen
in Rachen fahren/ ſo ſind geiſtliche præſervativa, amuleta, antidota,
und heilſame Artzney-Mittel hoͤchſt vonnoͤthen/ fuͤrnemlich in dieſen letz-
ten Zeiten/ da nicht Daͤmpffens ſondern Kaͤmpffens noth ſeyn wil/ ſoll
anders Ezechiels-Wagen nicht den Krebs-Gang gewinnen/ da deß Teuf-
fels Zorn und Wuth groß/ wiſſend daß er wenig Zeit habe/ da beſorglich der
Glaube eng zuſammen gehen/ rar werden/ und vor Chriſti Zukunfft/ zu
Mitternacht/ wanns am allerfinſterſten iſt (Luth. Tom. 6. Witteb.
f. 129.) ſchwerlich zu finden ſeyn wird. Eines einigen Articuls Verkehrung
kan geiſtlichen Schiffbruch verurſachen/ wie an dem Exempel Hymenæi
und ſeinem Anhang zu erſehen. Der hat in die Corinthiſche Kirche den
Jrrthumb von der bloß geiſtlichen Aufferſtehung des Fleiſches/ eingeſcho-
ben/ und alſo den Glauben der reinen Lehre und guten Gewiſſen von ſich
geſtoſſen/ aber damit hat er am Glauben Schiffbruch gelitten; Sie ha-
ben den Glauben/ und mit ihm die Seligkeit verlohren/ denn wo kein gut
Gewiſſen mehr iſt/ da iſt auch kein wahrer ſeligmachender Glaube/ ein
wenig Sauerteig verſaͤuert den gantzen Teig. Jhr habt Chri-
ſtum verlohren/ die ihr durchs Geſetz gerecht werden wollet/
und ſeyd von der Gnade gefallen/ ſchreibt St. Paulus. Es kan
geſchehen/ daß wann ein Bruder in der Lehre von der Chriſtlichen Frey-
heit ſich ſtoͤſſet/ verirret und verwirret wird/ er uͤber ſolchem Jrrthumb und
Stoß verderbe und verlohren werde. So nun ein eintziger Grund-Jrr-
thumb die Seele dem Todt in den Rachen lieffern kan/ wie wird der je-
nigen Seelen gewartet werden/ welche den gantzen Grund miteinander
umbreiſſet? Wahr iſt es/ es ſind die Haupt-Artickel der geſunden Lehre
nicht eben zu allen Zeiten gleich noͤthig. Es kan ſeyn/ daß ein und ander
Chriſt von dieſer oder jener Tentation unangefochten bleibt/ daß ihm al-
ſo die Wiſſenſchafft derſelben Lehre ſo nothwendig nicht iſt/ als einem an-
dern; Gleichwol aber muß er immer in der Gefahr ſtehen/ was jenem wi-
derfahren/ koͤnne ihm auch geſchehen: Jſt er alsdann nicht wol præſer-
viret und verwahret/ ſo kan er in eine geiſtliche und toͤdtliche Seelen-
Kranckheit gerathen/ und deß ewigen Heyls verluſtiget werden. Luther.
ſchreibt Tom. 6. Witteb. pag. 129. Der Glaube ſoll und muß gantz
und rein/ ob er wol ſchwach kan ſeyn/ und angefochten wer-
den/ dennoch ſoll und muß er gantz und nicht falſch ſeyn.
Schwach ſeyn/ thut keinen Schaden/ aber falſch ſeyn/ das
iſt der ewige Todt. Auch Glaube und Gewiſſen/ werden hie
keinen Schatz wiſſen. Geſetzt aber/ es waͤre ein und andere erſtritte-
ne
[707]Predigt.
ne geiſtliche Seelen-Artzney nicht noͤthig zum letzten Sprung/ aus der
Zeit/ in die ewige Seligkeit/ ſolte ſie darumb nicht noͤthig ſeyn/ die Ge-
ſundheit im vorigen Lauf deß Lebens zu erhalten und zu verwahren? Hirſch-
horn iſt dem jenigen/ der an der toͤdtlichen Peſtilentz kranck liget/ ſufficient
und gnugſam/ iſt darumb derſelbe genugſam alle vorhergehende untoͤdt-
liche Kranckheit zu vertreiben? Gleichwie aber der liebe Gott nichts boͤſes
laͤßt geſchehen/ es muß etwas nuͤtzliches und gutes heraus kommen/ Er
verhaͤngt allerhand Seuchen und Kranckheiten/ damit wir das groſſe
Buch der Natur forſchen/ die Qualitaͤten der Kraͤuter/ der mineralien,
und was ſonſt zur Artzney dienet/ ſo viel muͤglich/ lernen erkennen und recht
anbringen: Alſo verhaͤnget Gott Rotten und Secten/ ſeiner Kirchen zum
beſten/ auff daß die verborgene Warheit je laͤnger je mehr herfuͤr komme/
und die Troſtquellen je laͤnger und mehr bekannt wuͤrden. Multa (dicam
cum Hipponenſi Præſule è lib. 16. de Civit. Dei cap. 2.) ad fidem Ca-
tholicam pertinentia, dum hæreticorum callida inquietudine agi-
tantur, ut adverſus eos defendi poſſint, \& conſiderantur diligen-
tius, \& intelliguntur clarius, \& inſtantius prædicantur, \& ab ad-
verſario mota quæſtio diſcendi exiſtit occaſio.Gott verhaͤngt
(ait Luther. Tom. 3. Witteb. pag. 66.) daß Rotten durch den
Sathan erweckt werden/ daß alſo die Gemeine Gottes ge-
uͤbt und erweckt werde mit hoͤherm Fleiß Gottes Wort zu hoͤ-
ren/ leſen/ lernen und treiben/ und dem Teuffel durch den
Glauben zuwiderſtehen.
Ligt nur das meiſte an gutem methodo, Art/ Weiſe und Ordnung
ſelbſt/ die wir der Medicin und Artztkunſt ſelbſt ablehnen und ablernen
muͤſſen. Und beſtehet dieſelbige 1. in der Phyſiologia,Naturkuͤndig-
ung/ und Erkantnuß der geſunden/ reinen/ guten/ und ungeſunden
Seuchen und ſchaͤdlichen Artzeneyen/ ὥσπερ ἐν ἀνατομία, eben ſo eigentlich
als ein Medicus in der Anatomey einen todten Leichnam weiß zu verthei-
len/ auff zu ſchneiden/ und inwendig in alle viſcera oder Eingeweide tieff
hineinzuſchauen. Wozu dann gehoͤret ſcharffer Verſtand/ laͤuffige und
geuͤbte Sinne/ ſichere Experientz und Erfahrenheit/ Pruͤfung deß Giffts/
theils aus deſſen Urſprung/ Qualitaͤten und Eigenſchafften; denn ſetzt
ſich zum Exempel eine Biene auff das Wolffskraut/ und ſaugt denſelben
Safft heraus/ ſo iſt der Honig gifftig/ macht den/ der ihn genieſſet/ toll und
wahnſinnig/ wie Plinius ſchreibt l. 21. c. 13. kan es ohne Schaden geſchehen/
mag auch das Riechen/ Schmecken und Koſten dazu kommen/ theils
aus deſſen operation und Wuͤrckung (wer zum Exempel eine vergiffte
U u u u 2und
[708]Die drey und zwantzigſte
und verbuͤffte Suppen oder Brey dem Hunde darwirfft/ als ein σκύϐα-
λον, der kan bald wahrnehmen/ was und wie das Gifft wircket/ wie es den
Coͤrper auffblaͤſet/ quaͤlet/ martert/ und den Garauß macht: Alſo muͤſſen
auch die Tractamenta oder Trachten der Lehre mit tieffſinnigen Augen
außgeſpaͤet und gepruͤfet werden. Darumb der Apoſtel von einem geiſt-
lichen Orthotomiſten oder Credentzer άισϑητήρια γεγυμνασμένα, geuͤbte
Siñe durch Gewohnheit zum Unterſcheid deß guten uñ boͤſen
fordert.Heb. 5, v. ult. Solcher Lehrer die im Gymnaſio tentationis,
orationis, meditationis, in der Creutz- und Anfechtungs-Schule/ in der
Bet-Schule/ in der Andacht-Schule ihre gute Proben gethan. Muͤſſige
Contemplanten taugen hierzu nicht. Darumb zu aller forderſt die Lehre
ſelbſt/ wie ſie heutiges Tags hie oder dort lautet in offentlichen Symbolen,
Bekantnuͤſſen/ Catechiſmis/ und dero bewaͤhrten offentlichen Lehrern/
muͤndlich und ſchrifftlich/ mit klaren Worten/ oder in ſolchen Worten/
aus welchen durch eine juſte und richtige Folge dieſe oder jene Meynung
unverhinderlich fallen/ flieſſen und folgen muß/ wer mir das Ey gibt/ der
gibt mir auch das Kuͤchlein in dem Ey/ wer in der Rechnungs-Addition
zwo Zahlen ſetzt/ der ſetzt auch die dritte als die Summa/ vid. Reform.
Salv. p. 233. \& ſeqq. fuͤrgetragen wird/ genau und fleiſſig zu erkundigen/
und auff ein Contrapunct ja und nein ſetzen/ damit keiner Parthey un-
recht geſchehe/ und Calumnien verhuͤtet werden- Neſtorius wolte der
Mann nicht ſeyn/ der die wahre Gottheit deß JEſu von Nazareth laͤug-
nete/ dennoch aber/ weil er der menſchlichen Natur Goͤttliche Eigenſchaff-
ten abgeſprochen/ iſt er deſſen folglich uͤberwieſen worden. Luth. Tom. 7.
Witt. pag. 530. Solche grobe Leute koͤnnen nicht ſyllogiſiren/
oderconſequentiasmachen/ nemlich/ daß der ſolte dieSubſtantz
oder Natur verleugnet heiſſen/ welcher dieIdiomataoder Ei-
genſchafft der Natur verleugnet/ ſondern ſo ſolt das Urtheil
lauten. Wiewol Neſtorius bekennet/ daß Chriſtus wahrer
GOtt und Menſch eine Perſon ſey. Aber weil er dieIdiomata
menſchlicher Natur derſelben Goͤttlichen Perſon nicht gibt/
iſts unrecht und eben ſo viel/ als leugnete er die Natur ſelbſt.
Wann im widrigen Fall die Conſequentzen ſolten aufgeſchloſſen werden/
ſo wuͤrde man keinen ſubtilen Atheiſten deß Atheiſmi koͤnnen uͤberzeu-
gen/ denn derſelbe ſo grob nicht iſt/ daß er klar und deutlich dieſe Wort
herauß ſchmettern wuͤrde: Es iſt kein GOtt! weil er aber GOtt nicht
ehret als einen GOtt/ nicht fuͤrchtet/ nicht ihm gaͤntzlich vertrauet/ ſo wird
er billich ein Atheiſt genennet. Etenim Deus inglorius non eſt Deus.
Jch ſage/ dero bewaͤhrte offentliche Lehrer/ als Augen deß gantzen
Leibs/ als Waͤchter der gantzen Heerde/ als Syndicus der gantzen Stadt
Gottes/ deſſen Wort Ein- oder Mißhaͤlligung/ deſſen Zu- oder Abſpruch/
fuͤr das Wort und Spruch der gantzen Reſpubl. gehalten wird. Die Ge-
meine iſt deß Waͤchters Krone/ Ehre und Freude/ und hinwiederumb der
Waͤchter der Gemeine/ 2. Cor. 2/ 3. Daſſelbe habe ich euch geſchrie-
ben/ daß ich nicht/ wenn ich kaͤme/ traurig ſeyn muͤßte/ uͤber
welchen ich mich billig ſolte freuen/ ſintemal ich mich deß zu
euch verſehe/ daß meine Freude euer aller Freude ſey. Dar-
umb der HErr/ wann er den Biſchoffen in Aſia/ beydes Lob und Straffe
in der him̃liſchen Offenbahrung Johannis Cap. 2. \& 3. zuſchreiben laͤſſet
durch die Biſchoͤffe/ auch die Gemeinen wil beruͤhret und verſtanden ha-
ben. Jſt derowegen ein unbeſonnen Begehren unſerer Gegener/ man
ſoll der Widerpart Lehre/ allein aus den Symbolis und Bekaͤntnuͤſſen/
und nicht aus den Privat-Lehrern/ ob ſie gleich in offentlichem Lehr-Ampt
ſtehen/ herfuͤhren! Das iſt/ die Heerde mag ein andern Glauben/ als der
Hirt haben. Entweder iſt der Lehrer Wolff oder Hirt? Jſt er Wolff/ warum
fliehen ſie ihn nicht? Jſt er Hirt? warumb verwerffen ſie denn ſeine Lehre/
die er/ wo nicht im Munde/ doch in der Feder fuͤhret/ oder doch die Feder
im Dintenfaß der jenigen Schule/ daraus er außgeflogen/ eingeduncket.
Wer ſich zu ſolchen Lehren und Schrifften nicht wil verſtehen/ der iſt ent-
weder ein Dependent, der von einer gewiſſen Gemeine dependirt/ und ſich
zu derſelben haltet/ oder er iſt ein Independent, der da glaubet abſonderlich
was er wil/ und ihn gut duncket. Jſt er der letztern Haar/ ſo iſt er in der
hoͤchſten Seelen-Gefahr/ und gehoͤret unter die Independenten in Engel-
land: Jſt er in der erſten Claß/ ſo tritt er entweders unter unſere Symbo-
liſche Fahnen/ und ſpricht das Schiboleth recht aus; Der ſoll willkom-
men heiſſen: Oder/ er haͤlt und bekennet ſich noch dorthin/ ſo hat er ſich zu
bedencken/ wie treulich es ſeine Lehrer mit ihm meynen/ die ihnen den hoͤch-
ſten Schatz/ das Hertz und Palladium, worauff die Frantzoͤſiſche Kirche
in Synodo Aleziano conjurirt und zuſam̃en geſchworen/ ſeines Glau-
bens verſchwiegen/ auch zu erwiegen/ in welcher ſchoͤnen Einigkeit ſeine
Gemeine begriffen. Es iſt aber nicht gnug/ zweyer widerwaͤrtigen Leh-
rer Meynung mit Gedancken recht faſſen/ ſondern man muß auch fer-
ner die Guͤte und Boßheit einer und andern Meynung erſchoͤpffen/ und
maͤnniglich kund machen/ und daſſelbe ſo wol à priori als à poſteriori,
aus den Fruͤchten der Lehre. Luther. Tom 4. Witt. p. 95. Es ligt aber
alles darin/ daß man verſtehe/ was er gute oder boͤſe Baͤume
U u u u 3und
[710]Die drey und zwantzigſte
und Fruͤchte heiſſet/ denn es iſt bald geſagt/ das iſt eine Feige/
oder eine Diſtel/ ein guter Apffel/ oder ſaure Schlehen/ und
mit den Augen und Vernunfft leicht zuſehen und verſtehen/
aber da es Chriſtus hinzeucht/ iſt unmuͤglich/ ohne allein
durch den geiſtlichen Verſtand/ nach Gottes Wort zu oͤrte-
ren. Denn wir haben droben gehoͤret/ wie dieſelbige falſche
Lehrer bringen ſolchen Schein und glatte Wort/ daß die
Vernunfft nicht vermag zu richten/ noch ſich kan dafuͤr huͤ-
ten. Ja es iſt eben ſolche Lehre und Leben/ die aus der Ver-
nunfft gewachſen und ihr gemaͤß iſt/ und uns natuͤrlich wol
gefaͤllt/ weil ſie von unſerm eigen Thun und Wercken leh-
ret/ ſo wir verſtehen und vermoͤgen/ das heißt aber kuͤrtzlich
ein guter Baum der gute Fruͤchte bringet/ der da lebt/ und
ſein Weſen und Wandel fuͤhret nach Gottes Wort rein und
lauter. Als da iſt der gantze Anti-Decalogus, die umbgekehrete/ wider-
waͤrtige Zehen Gebot/ Luͤgen und Mord/ beyde deß Oberſten Jrrgeiſtes
Characteres, wie auch Sicherheit/ Verzweiffelung/ Aergernuß/ vid. Salv.
Reform. p. 442. 451. 500. 510. Hodomor. Spir. Pap. \& Calv. Fideifra-
gium \& Regicidium Papæo Spiritui objicit Spiritus Calvini; ſed \&
eadem ſpiritus Papæus ſpiritui Calv. Roſv veyd Lojolita diſſert. de
fid. Hæret. ſerv. c. 17. p. 190. \& ſeqq. deciſ. Sax. p. 198. Theils aus dem
Urſprung/ daraus ein und die andere Lehre geſogen worden/ aus der ver-
daͤchtigen Tradition vergiffteter Vernunfft/ traͤumender Phantaſey/ oder
den ungezweiffelten Schrifften der Propheten und Apoſteln/ theils aus der
deguſtation oder Verſuch derſelben/ doch als wie Chriſtus den Eſſig ver-
ſucht und wiederumb außgeſpiehen. Timete (ait Auguſtinus Tract. 6. in Joh.
p. 62.) inſidias, imò cavete \& excipite verba contradicentium reſpuenda, non
transglutienda \& viſceribus danda. Facite inde, quod fecit Dominus, quando
illi obtulerunt amarum potum. Guſtavit \& reſpuit: ſic \& abjicite.
Es beſtehet 2. der methodus medendi, die geiſtliche Artzney-Kunſt
ἐν διακρίσει, in der Unterſcheidung deß guten und boͤſen/ deſſen was
wahr und gut/ und was falſch und boͤſe. Welcher Senſus numinis ve-
rus, welcher der wahre ungezweiffelte Sinn von GOtt und Goͤttlichen
Sachen ſey/ und welcher nicht ſey? wie man an GOtt recht glauben/ recht
von ihm halten und reden ſoll/ und welches die Colores, Larven und Far-
ben ſeyn/ damit man die Goͤttliche Warheit verdunckelt/ verfaͤlſcht/ GOtt
und ſein Wort anders einbildet/ als es in der Warheit iſt/ und alſo der
Unterſcheid deß Liechts und Finſternuß/ deß Tags und der Nacht/ War-
heit
[711]Predigt.
heit und Luͤgen/ das verſchiedene ja und nein/ und in demſelben differen-
tiæ quantitas, momentum: Die Groͤſſe und Wichtigkeit deß Unter-v. Reform.
Salv. p.
298.
ſcheids beyder widrigen Religionen und Glaubens-Bekaͤntnuͤß/ welche
eine groſſe Klufft unter denſelben befeſtiget/ und in ſolchem Stand/ dieſe
und jene nicht koͤnnen zuſammen kommen/ und ſich paaren. Dann ſo
machts der Apothecker/ er laͤßt keine Confuſion oder Miſculenz auffkom-
men/ hat ſeine ſonderbare Geſchirr/ Glaͤſer und Buͤchſen. Hinweg mit
dem Syncretiſmo und verdeckten Eſſen/ einer ſolchen Paſtet/ in welcher
geſundes/ und vergifftes ſtinckendes Schlnt-Fleiſch zuſammen gebacken
liegen/ ein ſolcher Hafen/ darinn Kuͤh-Milch und Wolffs-Milch/ Bal-
ſam und Otterngifft zuſammen gebuttert/ oder doch neben einander ge-
duldet werden/ da dann per Contagium, das geſunde Fleiſch leichtlich
kan angeſtecket werden/ ein wenig Sauerteig verderbt den gantzen Teig.
O wehe! hie iſt der Todt in Haͤfen! Jhr koͤnnt nicht zugleich Ge-
meinſchafft haben an dem Tiſch deß HErrn/ und an dem Tiſch der
Teuffel.
3. In expurgatione,in der Außfuͤhrung oder Außfegung
deſſen/ was ſchaͤdlich iſt/ dann hat der Menſch Gifft zu ſich genommen/ ſo
findet er in der Apotheck approbirte antidota, theriacas, mithridaten/
ſampt Pilulen/ Cliſtiren und Schweiſſen/ dadurch die materia peccans,
die boͤſe materi außgetrieben wird. Eben das thut auch in unſerer ver-
bluͤmten Apotheck und Seelen Artzeney der heylſame Elenchus, die
Uberweiſung/ Widerlegung und Beſcheinung deß Jrrthumbs/ und dar-
auff folgender Anathematiſmus, welchen St. Paulus außgelaſſen
Gal. 1/ 8. 9. So auch wir/ oder ein Engel vom Himmel/ euch
wuͤrde Evangelium predigen anders/ denn das wir euch ge-
prediget haben/ der ſey verflucht. Wie wir jetzt geſagt haben/
ſo ſagen wir auch abermal; ſo jemand Evangelium pre-
diget/ anders/ denn das ihr empfangen habt/ der ſey ver-
flucht. Da dann die Fehler/ ſo begangen worden/ durch eine geſchickte
Analyſin Sonnenklar gezeigt/ die Sophiſtereyen entdeckt/ der ſchnoͤde
Mißbrauch/ das gewaltthaͤtige Foltern/ ſo der H. Schrifft wird angethan/
geoffenbahret werden muß. Es gehet bißweilen der H. Schrifft/ wie dem
edeln Paradiß-Baum deß Erkaͤntnuͤß gutes und boͤſes; der Baum war
fuͤr ſich ſelber ein unverwerffliche Creatur Gottes/ aber die alte Schlange
hat ihn verfaͤlſcht/ mißgedeutet/ und ihm eine ſonderbare Krafft angedich-
tet/ als koͤnte er klug/ ja den Menſchen Goͤttlich machen/ alſo wird auch
manchmal ein und andere Schrifft verdrehet/ anders gedeutet/ als deß
H. Gei-
[712]Die drey und zwantzigſte
H. Geiſtes Sinn iſt. 4. In Confortatione,Staͤrckung und Erqui-
ckung der Natur/ damit wiederumb erſetzet werde/ was zuvor durch
Kranckheit abgangen. Alſo hat ein Engel vom Him̃el/ gleich einem getreuen
Apothecker den HErrn Chriſtum/ nachdem er den Gifft-Kelch von den
Baͤchen Belial eingeſchencket/ mit Blut außgeſchwitzet/ mit Balſam/
Latwergen/ Perlinwaſſer und dergleichen wiederumb geſtaͤrcket. 5. Jn
Vortrag deſſen allen/ damit kein Ungeſchick begangen werde. Es
muß ja der Artzt oder ſein Diener der Apothecker zuvorderſt die
ſimplicia colligiren und ſammlen/ dieſelbe untereinander temperiren/
ein Syrup/ Latwerg darauß kochen/ die Spiritus außtrucknen/ folgends
nicht nur die Artzney ſelbſt bereiten/ ſondern auch den modum, wie das
Recept zu brauchen/ fuͤrſchreiben/ mit gewiſſen terminis, ſo in der Apo-
theck und Artzney gebraͤuchlich/ als Cliſtir/ Decoct/ Syrup und derglei-
chen benamſen/ damit nicht der Patient quid pro quo ergreiffe/ irgend
das fuͤrgeſchriebene Oehl trincke/ oder ſich mit dem Traͤncklein beſalbe: Al-
ſo iſts nicht gnug zu ſagen: Chriſti Leib iſt im Sacrament warhafftig zuge-
Reform.
Salv. pag.
802.gen/ und wird am Brod gegeſſen/ ſondern auch wie/ wie zu gegen? Al-
lein Sinnbilds- und Gedaͤchtnuß-Weiſe/ oder auch Gemeinſchafft- und
Vereinigungs-Weiſe? Am Brod allein/ oder auch im Brod?
Ob nun wol dieſe Art der ſtarcken Speiſe unſerm Fleiſch und Blut
unleidentlich/ wie alle Artzneyen/ ſo der Natur zuwider/ und dieſelbe be-
ſtreiten/ darumb die heutigen Friedens-Pfeiffer deß allgemeinen Reli-
Salv.
p. 649.
Rett.
p. 6. 82.gion-Friedens/ den Syncretiſmum vorgeſchlagen/ dadurch alle Religio-
nen koͤnten in holdſeligen bruͤderlichen Friede/ Einigkeit und gleichmaͤſ-
ſige Tolerantz/ in Gemeinſchafft der geiſtlichen Kirchen-Guͤter/ und dero
Gebrauch geſetzt werden. Man bleibe allerſeits bey dem General-Wort-
laut deß Apoſtoliſchen Glaubens/ die uͤbrige Streitigkeiten gebe man in
den Schulen zu verfechten. Ein Tempel/ viel Schulen. Von dem ſpecial-
Verſtand der Glaubens-Articul ſchneide man ab/ oder ziehe ſie zuruck auff
den erſten Anfang deß Streits/ ſetze dieſelbe/ als ſchwere Sachen/ die eben
nicht zu wiſſen vonnoͤthen/ beyſeit/ laß keine Extenſionen, und erklaͤrte Zu-
ſaͤtze/ keine Conſequentien und Folgereyen/ keine Zaͤnckerey in dem modo,
in Geheimnuͤſſen/ keine Schul-Terminos auffkommen/ weniger einen
laͤſtern/ verdammen und ſchelten/ deren die ſolche ungereimte Conſe-
quentien nicht annehmen und erkennen. Haͤtte derowegen St. Paulus
mit ſeinem Verweiß von den ſtarcken Speiſen wol koͤnnen daheim blei-
ben/ man ſolte ihm ſein muͤſſen aus der Epiſtel an die Corinthier auß-
kratzen/ 1. Cor. 11/ 19. Es muͤſſen Rotten unter euch ſeyn. So wuͤr-
de
[713]Predigt.
de der Kaͤtzer-Teufel gebannet/ ein aureum ſeculum wiederbracht werden.
Ja hinder ſich hinaus! Haͤtten Chriſtus und die Apoſtel/ Athana-
ſius, Auguſtinus, dieſen neuen Fund und Abſchnitt gewuſt/ wie viel un-
noͤthiges diſputirens haͤtten ſie koͤnnen entuͤbriget feyn? Wie ſchleunig
und fein mit den Phariſeern/ falſchen Apoſteln/ Arianern/ Pelagianern ꝛc.
uͤbereinkommen? Das iſt eben die συλαγωγία und Schatz-Raub/ da-
fuͤr St. Paulus ſo treulich gewarnet huͤtet euch ꝛc. Col. 2. Jſt geſche-
hen nicht nur durch die alte Sectiriſche/ Juͤdiſche/ ſonderlich Phar [...]ſaͤi-
ſche Philoſophia (wie dieſelbe Sect von Joſepho genennet worden) wel-
che damit ſie ihren unbeſchriebenen Auffſaͤtzen weitern Raum und Platz
machten/ die Goͤttliche Lehre gareng zuſammen gezogen/ das Geſetz (ut li-
tera ſonat) nach dem buchſtaͤblichen Wortlaut angenommen/ und daher
in die Einbildung gerathen/ als koͤnten ſie das Geſetz vollkoͤm̃lich erfuͤllen/
Chriſti conſequenter-flieſſende Erklaͤrungen und verborgenen Verſtand
der Wort/ die er in dem Geſetz angefuͤget! muſten als neue Zuſaͤtze ver-
worffen werden/ inmaſſen dieſe den Namen der neuen Extenſionund
Zuſatz haben und tragen/ ſo wol in Paͤbſtlichen/ als auch Sociniani-
ſchen Schulen. Damit ſie ſich aber der rechten/ uhralten/ Catechetiſchen
und Prophetiſchen Lehre (auſſer dero St. Paulus nichts geſagt Act. 26,
22. und doch/ da er die neuſcheinende Lehre geprediget/ fuͤr ein Neuling
angeſehen worden) verluſtig gemacht/ von deß Meſſiaͤ (welchen/ ohnan-
geſehen er in allen Meſſianiſchen Characteribus erſchienen/ ſie nicht ge-
kennet/ noch kennen wollen) geiſtlichen Reich/ der geiſtlichen Widerge-
burt und andern Glaubens-Articuln ſo viel verſtanden/ als eine Kuh; ih-
re Schrifftgelehrten giengen mit Alfaͤntzerey umb; Hiengen und beruhe-
ten e. g. am bloſſen Wortlaut der Prophezeyung Mich. 5. aber den Troſt/
Kern/ Safft und Krafft/ aus dem rechten uñ gnugſamen innern Verſtand
moͤchten ſie nicht eliquiren. Nicht allein/ ſag ich/ durch die falſche Philo-
ſophy der Paͤbſtiſchen Sophiſten/ die den Chriſtlichen Glauben fein ge-
ſchmeidig in einander gewickelt und eingeflochten/ die außgefaltene Ex-
tenſion deſſelben den Laͤyen verleitet/ damit ſie ihre Traditiones extendi-
ren/ außthaͤnen/ und hochfeyerlich anbringen moͤchten; Da unterdeß die
Leute/ ſonderlich die Seelenwaͤchter geſchlaffen/ connivirt/ die heilſame
Catechetiſche Ordnung und lebendige Stim̃e nicht mehr/ wie vor Alters/
eiferig getrieben/ der Polemiſchen und ſtreitenden (zur Außwuͤrckung
nicht der Scholaſtiſchen/ Vanitaͤtiſchen/ ſondern nuͤtzlichen Contro-
verſien angeſehenen) Theologia muͤde worden/ Menſchen-Tage geſucht/
eine gute faule Religion erdacht/ dabey man nicht viel Nachdenckens/
Achter Theil. X x x xKopff-
[714]Die drey und zwantzigſte
Kopffbrechens/ gelehrter Predigten von noͤthen/ alles auff die Schauung
der Bilder/ deß Meß-Opffers und anderer Comoͤdiſchen Gauckeleyen ge-
richtet/ die ἀλλοτριοεπισκοπίαν, Alfaͤntzerey und Faulwitz (iſt Lutheri
Wort) das unnuͤtze Hummel- und Moͤnchen-Leben laſſen auffkommen/
da hat der Feind ſein Unkraut meiſterlich außgeſaͤet/ den blinden Gehor-
ſatn geheget/ allerhand ſuperſtitiones auff die Bahn gebracht/ mehr zu
glauben/ als man glauben ſolte; und ſolche kraͤfftige Jrrthumb eingefuͤh-
ret/ Krafft welcher man den Anti-Chriſt (ohnangeſehen er in ſeinen
Characteribus erſchienen) nicht gekennet/ noch kennen wollen/ biß endlich
Gott der HErr aus Barmhertzigkeit einen eifferigen Warner und Waͤch-
ter erweckt/ den theuren Lutherum/ der die vorige Schatz-Rauberey ver-
rathen/ den edeln Schatz wiederumb errettet/ die rechte Lehre extendirt und
ans Liecht gebracht/ die traͤgen Muͤnche in die Buͤcher gejagt. Jch habe/
ſchreibt er ſelbſt Tom. 4. Jen. fol. 382. auff unſer Seiten/ von Got-
tes Gnaden ſo viel außgericht/ daß Gott Lob jetzt ein Knabe
oder Maͤgdlein von funffzehen Jahren mehr weiß in Chriſt-
licher Lehre/ denn zuvor alle hohe Schulen undDoctoresge-
wußt haben. Sondern es iſt beſagter Raub auch unter und an uns
kom̃en. Es iſt zwar Lutherus von eiferigen und Cordaten rechtglaubigen
Theologis ſecundirt worden: Aber nachdem der Sathan ein Reli-
gion-Krieg nach dem andern erreget/ iſt man von der Koͤniglichen Straſ-
ſe beyſeit gangen/ und bald auff das eine Extremum, auff den Uberwitz
im diſputiren/ bald auff das andere Extremum, den Faulwitz/ bey dem
man guter Menſchen-Tage pflegen/ und mit Poſtillen ſich behelffen mag/
hinaus geſchlagen/ wodurch allerhand aͤrgerliche Apoſtaſiæ veranlaſſet
worden. Wer die Conſequentias dem Catechiſmo entzeucht/ der ent-
zeucht der Chriſtlichen Kirchen viel heilſame Fœnora und Pfunds-
Wucher; wer unter einen allzuweit außgeſpannten Syncretiſtiſchen
Mantel/ der da heißt (ut litera ſonat) allerhand Religionen bedeckt/ der
breitet einen fliegenden Brieff aus/ nach dem alle (Glaubens) Diebe
werden from̃ geſprochen. Zach. 5/ 3. Lutherus (T. 7. Jen. p. 256.) ſtellet
uns fuͤr Augen das merckliche Exempel deß alten Ertzkaͤtzers Arii, welcher
auch lange unter dem Huͤtlein der Generalitaͤt geſpielet/ dadurch er unſaͤgli-
chen Schaden gethan/ biß ihm endlich die Nebelkappe abgezogen worden.
Wer nicht weiß/ was da heiſſe oſculum Judæ, Judas-Kuß/ der leſe mit mir
die Hiſtorien Arii unter Conſtantino/ ſo wird er muͤſſen ſagen/ daß Arius weit
uͤber Judas geweſt iſt/ dann er betreugt den guten Kaͤyſer Conſtantinum mit die-
ſen ſchoͤnen Worten/ wir glauben alle an einen GOtt/ Vater/ Allmaͤchtigen/ und
an den HErrn JEſum Chriſt/ ſeinen Sohn/ der aus ihm gebohren iſt vor der gan-
tzen
[715]Predigt.
tzen Welt/ ein GOtt/ ein Wort/ durch welchen alles geſchaffen iſt ꝛc. Lieber/ wel-
cher Chriſt koͤnte doch dieſe Wort fuͤr kaͤtzeriſch halten/ oder dencken/ daß Arius
dennoch hiemit Chriſtum fuͤr eine Creatur hielte? wie es ſich doch klaͤrlich findet/
wie es zur Verhoͤr kommt: Deßgleichen naͤrret auch hernach Auxentius der Bi-
ſchoff zu Meyland/ der naͤchſt vor St. Ambroſio/ die Leute mit ſolchen ſchoͤnen
Worten/ daß ich im erſten Anlauff ſchter zornig ward uͤber St. Hilarium/ da ich
den Titul laſe/ Blaſphemia Auxentii, vornher auff die Bekaͤntnuͤß Auxentii. Jch
haͤtte mein Leib und Seel auff Auxentii Wort gewaget/ daß er Chriſtum fuͤr ei-
nen rechten GOTT haͤtte gehalten/ hoffe auch/ daß unter ſolchen blinden ge-
ſchwinden Worten dennoch viel frommer einfaͤltiger Leute bey dem vorigen
Glauben geblieben ſind/ als die ſolche Wort nicht anders haben koͤnnen verſte-
hen/ dann wie der Glaube von Anfang geweſt iſt/ wie ſie denn kein Menſch an-
ders verſtehen kan/ wer nicht weiß von der Arianer heimlicher Deutung/ und
weil ſolch Exempel von noͤthen iſt zu wiſſen bey den Chriſten/ und der gemeine
Leſer die Hiſtoriam nicht ſo fleiſſig anſihet/ auch nicht denckt/ wie nutze ſie zur
Warnung ſey wider alle andere Rotten-Geiſter/ welche der Teuffel ihr GOtt ſo
ſchluͤpfferig macht/ daß man ſie nirgend ergreiffen/ noch faſſen kan/ wil ich dieſe
Sache kurtz in etliche Stuͤcke ordnen. Zum erſten hatte Arius gelehret/ daß Chri-
ſtus nicht GOTT/ ſondern eine Creatur waͤre/ die jagten ihm die fromme Bi-
ſchoffe abe/ daß er muͤſte bekennen/ Chriſtus waͤre GOtt/ aber das thaͤt er ſolcher
falſcher Meynung/ daß Chriſtus GOtt waͤre/ wie St. Petrus und Paulus/ wie
die Engel/ welche heiſſen Goͤtter und Gottes Kinder in der Schrifft. Zum an-
dern/ da das die Baͤter gewahr worden/ jagten ſie ihn weiter/ daß er mit den
ſeinen zuließ/ Chriſtus waͤre rechter warhafftiger GOtt/ tucket mit ſolchen
Worten umbs Glimpffs willen/ weil es biß daher alſo gelehret war in allen Kir-
chen/ aber unter ſich ſelbſt deuten ſie dieſe Wort alſo/ ſonderlich Euſebius/ Biſchoff
zu Nicomedia/ Arii hoͤchſter Patron/ omne factum Dei est verum, was GOTT
ſchaffet oder machet/ das iſt warhafftig und recht/ denn was falſch iſt/ das hat
GOtt nicht gemacht/ darumb wollen wir bekennen/ daß Chriſtus ein rechter war-
hafftiger GOtt ſey (bey uns aber ein gemachter GOtt/ wie Moſes und alle Hei-
ligen.) Hie lieſſen ſie zu alles was man noch jetzt ſinget in der Kirchen deß Sonn-
tags nach dem Concilio Niceno. Deum de Deo, Lumen de Lumine, Deum verum
de Deo vero. Zum dritten/ da ſolcher falſcher Tuͤck auch außbrach/ daß ſie den-
noch unter ſolchen Worten Chriſtum eine Creatur hieſſen/ war die Diſputation
ſchaͤrffer/ daß ſie muſten bekennen/ Chriſtus waͤre vor der gantzen Welt geweſt/
wer koͤnte hie anders glauben/ denn Arius mit ſeinen Biſchoͤffen waͤren rechte
Chriſten und unbillich vom Concilio Niceno verdammt. Denn ſolches trieben ſie
bald nach dem Concilio Niceno (welches mit ihnen den kurtzen geſpielet hatte/ und
den Glauben geſtellet/ wie er noch vorhanden.) Dann ſie wolten das Conci-
lium Nicenum zu nichte machen/ und fochten ein Stuͤck nach dem andern an. Zum
vierdten/ da ſolcher blinder Griff auch gemercket ward/ daß Chriſtus dennoch ſol-
te eine Creatur ſeyn und heiſſen/ mit ſolcher Deutung/ Chriſtus waͤre wol vor
der Welt geweſt/ das iſt/ er waͤre geſchaffen und gemacht/ ehe dann die Welt und
andere Creaturen/ wurden ſie zu bekennen gezwungen/ daß alle Welt/ auch alle
Dinge durch ihn gemacht waͤren/ wie Johan. 1. ſagt/ doch bey ihrem Volck den-
ten ſie es alſo/ Chriſtus waͤre zuvor gemacht/ darnach alle Dinge durch ihn ge-
macht. Zum fuͤnfften/ hatten ſie nun leicht zu bekennen/ genitum non factum,
X x x x 2von
[716]Die drey und zwantzigſte
von GOtt gebohren/ nicht geſchaffen/ gebohren/ wie alle Chriſten aus GOtt ge-
bohren/ Gottes Kinder ſind. Johan. 1. Nicht geſchaffen/ unter andern Creatu-
ren/ ſondern zuvor allen Creaturer. Zum ſechſten/ da es gieng an das Hertz/
daß Chriſtus Homouſius ſey mit dem Vater/ das iſt/ daß Chriſtus mit dem Vater
gleich und einerley Gottheit/ gleich und ein erley Gewalt habe/ da kunten ſie kein
Loch/ Ranck/ Tuͤck/ noch Schwanck mehr finden. Homouſius heiſt einerley We-
ſen/ oder Natur/ oder einerley und nicht zweyerley Weſen/ wie die Vaͤter in dem
Concilio hatten geſetzt/ und in Latein geſungen wird/ Conſubſtantialis, etliche co-
eſſentialis, coexiſtentialis, hernach nenneten.
Wolte GOtt/ wir wuͤrden durch frembden Schaden witzig/ damit man
nicht endlich die Hand uͤber dem Kopff zuſammen ſchlagen und klagen
muͤſſe/ orbem tàm citò Arianum (Calvinianum, Syncreticum) factũ,
daß die gantze Chriſtenheit ſo bald Calviniſch worden. Der fuͤrgeſchlage-
ne Abſchnitt iſt nichts anders denn eine Verſtopffung der Troſt-Quel-
len und guten Lebensfruͤchten/ ſo aus den Lehren/ welche Gegentheil wil ab-
geſchnitten haben/ folgen/ der Ruͤckzug iſt die obgedachte συλαγωγία. Wer
die rechte flieſſende und bindende Conſequentien nicht leiden kan/ der lei-
de auch nicht die hypotheſes, daraus ſie flieſſen/ ſo wird der Friede ge-
macht ſeyn. Sonſt duͤrffte widriges Beginnen gleich ſehen der Liſt ei-
nes ungerechten Haußhalters/ der/ wann er zur Rechnung gefordert
wird/ wolte einiger Noth bleiben bey der Generalitaͤt/ die Rechnung uͤber-
haupt/ und beylaͤufftig ſummirt haben/ keinen Logiſticum oder Rechen-
meiſter und deſſen Rechenpfennig zulaſſen. Haut ſtultè ſaperet. Ein
ſolcher Schaffner waͤre kein Narr. Er koͤnte ſolcher Maſſen zukommen/
und im Sack verkauffen. Auff die Schul-Catheder alle Streitigkeiten
allein zu ſpielen/ da man ſich zancken und rauffen moͤge/ ſo lange man
wolle/ die Kirche damit unperturbirt laſſen: iſt eben ſo viel geſagt: als/
gebe einer in Kriegs-Zeiten den Rath/ man ſoll den gantzen Handel den
Kunſt-Fechtern uͤbergeben/ den ernſten Krieg miteinander einſtellen.
Ja wann der Teuffel nicht hetzen/ die andere Parthey mit ſolchem Rath
zu frieden/ ja GOTT der HERR nicht ſolche Ruh richten und ſtraffen
wolte. Es waͤre zwar viel darumb zu geben/ daß wir dero nicht beduͤrfften.
Ach HErr Gott/ wuͤnſcht Lutherus Tom. 7. Witt. pag. 530. von ſol-
chem heiligen/ ſeligen/ troͤſtlichen Artickel der Menſch wer-
dung und perſoͤnlichen Vereinigung/ ſolte man ungezanckt/
ungezweiffelt in rechtem Glauben immer froͤlich ſeyn/ ſin-
gen/ loben und dancken GOtt dem Vater/ fuͤr ſolche unauß-
ſprechliche Barmhertzigkeit/ daß er uns ſeinen lieben Sohn
hat laſſen uns gleich Menſch und Bruder werden. So rich-
tet
[717]Predigt.
tet der leidige Sathan durch ſtoltze/ ehrſuͤchtige/ verzweiffel-
te Leute ſolche Unluſt an/ daß uns die liebe und ſelige Freude
muß verhindert und verderbet werden/ das ſey Gott geklagt.
Aber Noth lehret beten/ Noth bricht Eiſen/ Lehr-Wort thuns allein
nicht/ es muͤſſen auch die Wehr-Wort darzu kommen. Waͤren keine
Kranckheiten/ ſo waͤren auch keine Apothecken von noͤthen. Haͤtten kei-
ne neue Seuchen graſſirt/ ſo wuͤrde man auch nicht neue Mittel/ Spiritus
Chymicos, Bezoar und dergleichen erdacht und ſie erſucht haben.
Wann man fraget (ita D. Pappus,in der gruͤndlichen Wi-
derlegung deß falſchen Zweybruͤckiſchen Berichts/pag. 544.)
Wozu es von noͤthen/ daß man neueConfeſſionesmacht/
und nicht bey den alten bleibe? Jſt die Antwort drauff:
Man falle darumb nicht von den altenConfeſſionenab/ ſon-
dern man erklaͤre und beſtaͤtige vielmehr dieſelbe/ ſo offt es
von noͤthen thut/ und neue Jrrthumen und Secten einreiſ-
ſen. Dann zwar/ wann der leidige Sathan/ und die Rotten-
Geiſter die reine Bekaͤntnuͤß unangefochten lieſſen/ ſo haͤtte
es niemalen einer andernConfeſſion,dann die Bibel/ be-
doͤrfft/ weil aber der Sathan nimmer ruhet/ ſondern wann
ihme ſchon an einem Ort gewehret wird/ er gleich an einem
andern Ort eine andere Lucken auffbricht/ ſo muß man ſtaͤts
wehren/ und ſolchen Rotten-Geiſtern ſich widerſetzen/ damit
nicht allein die jenige/ ſo zu unſerer Zeit leben/ vor allerley
Verfuͤhrung und Jrrthumb gewarnet/ ſondern auch die
Nachkommende berichtet werden/ was ihrer Vorfahren ei-
gentliche Meynung und Bekaͤntnuͤß geweſen/ und mit was
Grund ſie den Rotten und Secten widerſtanden. Soll die
Artzeney nicht palliativ ſeyn/ ſo muß der Artzt zuvor das Drachen-Gifft
und Otter-Gall (wie Moſes redet) der Kranckheit entdecken/ der ſtatus
Controverſiæ muß klar unter Augen gelegt werden/ das verſchiedene Ja
und Nein/ theſis \& antitheſis, Satz und Gegenſatz/ ut contraria inter
X x x x 3ſe
[518]Die drey und zwantzigſte
ſe poſita magis eluceſcant: und in demſelben angedeutet werden/ diffe-
rentiæ quantitas, momentum, deſignatio, die Groͤſſe und Wichtigkeit
deß Unterſcheids deren im Streit ſchwebenden Religionen und Glau-
bens-Bekaͤntnuͤſſen/ daß eine groſſe Klufft unter denſelbigen befeſtiget/
und in ſolchem Stand dieſe und jene nicht zuſammen fahren/ und ſich
paaren koͤnnen: So wird alsdann bey redlichen Fried-Liebhabern die
Begierde/ ſolche differentz durch einen foͤrmlichen dialogiſmum abzu-
ſchaffen/ erwecket/ und die Syncretiſtiſche Confuſion diſſipirt/ und alſo
dann alles klar werden/ die Camarina recht geruͤhret/ aber auch hernach
heilſame Artzney an die Hand gegeben werden.
Darumb dann auch verpflicht und verbunden die Lehrer/ als geiſt-
liche Aertzte/ ihre anvertraute Seelen fuͤr Gifft und Peſt/ Krebs und
Brand zu warnen/ dem allbereit angeſteckten mit Rath helffen/ und die ge-
ſund worden/ confortiren uñ ſtaͤrcken. Jſt groſſer und gefaͤhrlicher Mangel
hierinnen: denn welche Controverſiæ und Religions-Streitigkeiten wer-
den auff der Cantzel recht deutſch und deutlich außgefuͤhret; welche neuere
Inſtantiæ und Einwuͤrffe gruͤndlich beantwortet? Welche Frage auff
den recht eigentlichen/ wol unterſchiedenen/ heutiges Tages ſtreitenden
Contra-punct geſetzt/ nach dialectiſcher Art widerlegt/ der Gegenſatz der
Warheit aus den (nicht viel zuſammen geraſpelten/ ungeſchickt allegir-
ten/ ſondern recht ſchlieſſenden) H. Schrifften befeſtiget? Nicht nur aber
ſtehen in ſolcher Pflicht die Lehrer/ ſondern auch die Lernende/ denen auch
die Probe der Geiſter/ und die Flucht deß Wolffs anbefohlen. Es iſt ja
einem klugen Hauß-Vater nicht gnug/ wann er ſein Hauß/ Weib und
Geſinde mit Kaͤß und Brod/ nicht aber auch mit nothwendiger Artzney/
Hirſchhorn/ Theriac/ gebranten Waſſern verſorgt/ und uͤber diß die fer-
Vide problema, an ovis de ſuo paſtore conſcienter judicare poſſit?
tractatum in Theol. conſc. Part. 2. dial. 3. q. 33. p. 1042. \& ſeq.
nere Extenſion der Artzeneyen in der Apotheck in Wind ſchlaͤgt: Einem
klugen Hauß-Vater iſt Wachsthumb in Erkaͤntnuͤß/ etlicher auch neu er-
fundenen Mitteln deß Bezoars/ Galapen-Pulver und dergleichen nicht
zuwider/ wie denn auch gebraͤuchliche/ deutliche/ verſtaͤndliche Terminos
und Wort/ damit irgend eine rechte Lehre von der falſchen unterſcheiden
werden muß/ ihme zu faſſen/ nicht unangenehm. Jſt das wolgethan in
einem irrdiſchen Hauß/ wie vielmehr in Gottes Hauß/ da groſſe Gefahr
von geiſtlicher Peſt der verdam̃enden Jrrthumen? Kein Bauer iſt leicht-
lich ſo plumb/ daß er ihm einen meſſingen oder kupffern Zahl- oder Re-
chen-
[719]Predigt.
chen-Pfennig fuͤr einen Goldguͤlden bezahlen ließ/ warumb ſolt er nicht
auch den Unterſcheid unter wahr und falſch/ ja und nein in Religions-
Sachen begreiffen koͤnnen? Haben die Bauren jenem Korn-Bauren
Luc. 12/ 18. die Kunſt ablernen und ſagen koͤnnen: Jch wil meine
Scheuren groͤſſer bauen/ und ſamlen alles/ was mir gewach-
ſen iſt. Warum ſolten ſie auch nicht die rechte Chriſtenkunſt lernen koͤñen/
und ihre Hertzens. Scheuren/ mit dem geiſtlichen Segen/ in himmliſchen
Guͤtern/ und Wachsthumb der geiſtlichen Fruͤchten/ zu fuͤllen/ ihnen laſ-
ſen angelegen ſeyn? St. Paulus nennet die Zuhoͤrer γεγυμνασμένους, ge-
uͤbte Leute/ Leute die ſich den geiſtlichen Ubungen und Examinibus ge-
horſamlich untergeben. Man treibt auff die Heiligung deß Sabbaths/
man ſoll den Sonn- und Feyertag mit heiligen Ubungen zubringen/ aber
wie zimmern ohne Holtz? Soll man ſich uͤben/ ſo muß ja eine materi
fuͤrhanden ſeyn/ darinn man ſich uͤbe/ in Forſchung der H. Schrifft/ in
Pruͤfung der Geiſter ꝛc. Vexatio dat intellectum. Anfechtung/ An-
dencken/ Antrieb/ Erinnerung/ Warnung/ lehret auffs Wort mercken/ die
Pruͤfung der Geiſter gehet nicht nur die Lehrer/ (die ihnen manchmal ein-
bilden/ weñ ſie moralia tractirt/ polemica dahindẽ gelaſſen/ ſo ſey es gnug;
da doch nach Luth. Meynung T. 4. W. p. 357. der Gebrechen im Le-
ben nicht ſo arg iſt/ als der Gebrechen in der Lehre/ dort iſt
noch Rath zu/ und kan das Leben gebeſſert werden/ aber wo
die Lehre falſch iſt/ da iſt dem Leben noch keine Hůlffe noch
Rath/ ſondern beydes verlohren und verdam̃t ꝛc. Ein ander
Ding iſt (Tom. 1. Isleb. p. 113.) die Lehre und das Leben/ darumb
ſolt ihrs gar unterſcheiden/ denn GOtt iſt nicht ſo viel gele-
gen am Leben/ als an der Lehre/ darumb laͤſt er die ſeinen offt
ſtraucheln im Leben/ wie wir leſen. Denn ein boͤſes Leben iſt
nirgend ſo ſchaͤdlich/ als eine boͤſe Lehre. Das boͤſe Leben iſt
niemand ſchaͤdlicher denn dem/ der es fuͤhret. Aber boͤſe Leh-
re verfuͤhret offt ein gantz Land. Daß der Pabſt ein boͤſes
Leben fuͤhret/ mit Huren ꝛc. das koͤnten wir ihm wol zu gut
halten/ und wol den Mantel und Kappen daruͤber werffen/
und helffen zudecken; Aber daß er boͤſe Lehre in alle Welt
ſchwemmet/ und jederman verfuͤhret/ das iſt der Tod/ und in
keinen Weg zu dulden.
Und wiederumb ſchreibet Lutherus T. 2. fol. 375. Ein Prediger
muß nicht allein weiden/ alſo daß er die Schaafeunterweiſe/
wie ſie rechte Chriſten ſollen ſeyn/ ſondern auch darneben
den
[720]Die drey und zwantzigſte
den Woͤlffen wehren/ daß ſie die Schaafe nicht angreiffen/
und mit falſcher Lehre verfuͤhren und Jrrthumb einfuͤhren/
wie denn der Teuffel nicht ruhet. Nun findet man jetzo viel
Leute/ die wol leiden moͤgen/ daß man das Evangelium pre-
dige/ wenn man nur nicht wider die Woͤlffe ſchreyet/ und wi-
der die Praͤlaten prediget. Aber wann ich ſchon recht pre-
dige/ und die Schaafe wol weide und lehre/ ſo iſts dennoch
nicht genug der Schafe gehuͤtet und ſie verwahret/ daß nicht
die Woͤlffe kommen/ und ſie wieder davon fuͤhren/ denn was
iſt das gebauet/ wenn ich Stein außwerffe/ und ſehe einem
andern zu/ der ſie wieder einwirfft? Der Wolff kan wol lei-
den/ daß die Schaafe gute Weide haben/ er hat ſie deſto lieber/
daß ſie feiſt ſind/ aber das kan er nicht leiden/ daß die Hunde
feindlich bellen. Darumb iſt es ein groß Ding/ wer es zu
Hertzen nim̃t/ daß er recht weide/ wie es GOtt befohlen hat.)
ſondern es gehet auch die Lernenden an/ die ihres Glaubens und der Hoff-
vid. pole-
moſoph.
p. 304.
D. Ægid.
Hunn. qq.
de Eccleſ.
p. m. 245.nung/ die in ihnen iſt/ Rechenſchafft geben muͤſſen/ und dennoch auch
uͤber dem einmal gegebenen Glauben kaͤmpffen.
Ὧδε τὸ ϛάδιον, ἐκει̃ δ᾽ οἱ ϛέϕανοι.
Diß und kein anders. GOTT helffe uns uͤberwinden! Amen.
GEliebte in Chriſto. Ubel/ uͤbel und mehr denn
uͤbel haben unterſchieden/ gewehlet und gefehlet unſere
erſte Eltern/ wann ſie unter den zwo/ an ſich ſelbſt
edeln/ und koͤſtlichen Trachten und ſtarcken Speiſen/
die ihnen GOtt der HErꝛ im Paradiß fuͤrgeſtellet/ den
Baum deß Lebens/ und den Baum der Erkantnuß gu-
ten und boͤſen zur Chur und Wahl/ jenen verlaſſen/ dieſen aber ange-
nommen. Jener der Baum deß Lebens/ war arbor apothecaria, ein
Artzneybaum/ hat den Nahmen mit der That gehabt; er war nicht nur fuͤr
ſich ſelbſt lebend/ ſondern auch ein lebendigmachender Baum/ dadurch
das humidum radicale, der Natur-Balſam/ ſo von der natuͤrlichen Hitze
verzehret/ in gleicher proportion, tem perament, und Guͤte compenſirt
und erſetzet worden. Es hat mit unſerm Leben ein Bewantnuß wie mit
dem Wein/ deſſen Hitze verzehret die Feuchtigkeit/ iſt derohalben immer-
dar Nachfuͤllen vonnoͤthen/ iſt der Wein koͤſtlich/ und ſoll in ſeiner Wuͤr-
de erhalten werden/ ſo muß man keinen ſchlechten/ ſauren/ weichen und
abgeſchmackten Wein/ viel weniger Waſſer zugieſſen/ ſondern eben ſo gu-
ten Wein: Jm widrigen wird er weich/ kranck und verdirbt: Alſo daß der
Menſch jetzt nach dem Fall ſterben muß/ kom̃t daher/ dieweil das humi-
dum radicale nicht kan durch die Elementariſche Speiſe/ von dem Erd-
boden/ den GOtt verflucht/ compenſirt werden: Aber dazumal hatte
der ſafftige Lebens-Baum die Krafft/ daß er den Abgang eadem gene-
roſitate compenſirt/ und das Leben immer erhalten. Dieſer aber
nemlich der Baum der Erkantnuͤß guten und boͤſen/ war arbor
anathematica,ein Bannbaum/ ein verbottener Baum/ den GOtt
Achter Theil. Y y y ydahin
[722]Die vier und zwantzigſte
dahin geſetzt/ zu einem anathemate, daß der Menſch bey demſelben ſich er-
innerte dominationis divinæ, der Goͤttlichen Herꝛſchafft/ demnach
ihn der Allguͤtige GOtt zu einem Vaſallo gemacht uͤber alle irꝛdiſche
Creaturen/ er gleichwol dieſen Baum allein excipirt, ſeine dependentz
von einem hoͤhern Herꝛn zu erkennen/ von dem er/ als Domino feudi Le-
hen-Herꝛn dependirt. Er hat ihm die Taffel gedeckt/ allerhand liebliche
Trachten auffgeſtellet. Excipe diß einzige Schaueſſen. 2. Arbor Scho-
laſtica \& Piraſtica,ein Schulbaum/ dabey ihn GOtt in die Schule
fuͤhren wolte/ und erfahren/ wo er hinauß wolte/ ob er ſeinem Schoͤpffer
treu ſeyn wolte oder nicht/ ob er boͤſe oder gut ſeyn wolte? Allermaſſen wie
er zuvor gethan in adductione beſtiarum, da er dem Menſchen alle Thie-
re vorgefuͤhret/ das Examen Theoreticum loͤblich außgeſtanden/ und ei-
ne herꝛliche Probe gethan ſeiner angeſchaffenen Weißheit. Jetzt gieng er
ad Examen practicum, er ſolte auch eine Probe thun in der Juſtitia, der
angebornen Gerechtigkeit/ auff daß Gott erfuhr und offenbar wuͤrde/ wie er
ſeinen freyen Willen gebrauchen wolle/ zum boͤſen oder zum guten? Hinc
arbor ſcientiæ boni \& mali, daher hat er den Nahmen bekom̃en/ daß er
der Baum des Erkaͤntnuͤß gutes und boͤſes geneñet worden. Sathan aber
hat es anders und falſch gedeutet/ wiewol æquivocè in verſchraubten
Worten/ entweders ſolten ſie GOtt gleich werden in Goͤttlicher Klugheit
und Allwiſſenheit/ oder ſie wuͤrden erfahren und empfinden/ was groſſes
Gut ſie verlohren/ in was Ach und Weh/ Schmertz/ Jammer und Noth
ſie gerathen. Arbor ex eventu honoraria,ein Ehrenbaum/ da GOtt
der HErꝛ den Menſchen/ als in einem brabeuterio, wuͤrde mit der Cron
der Firmung im guten (wie die Engel/ die ihre Probe außgeſtanden) con-
firmirt, und ihm alſo gleichſam lauream virtutis auffgeſetzt haben.
Auff daß hernach der Menſch an dieſem Ort/ in dieſem Luco, und Hayn/
als in einer Paradiß-Kirche/ den HErꝛn lobete/ und ſeinen Gottesdienſt
verrichtete/ wie Herꝛn Lutheri Gedancken dahin gehen. 4. Arbor ex
eventu contrario mortifera,ein Todtenbaum/ ein Baum des To-
des/ im Fall der Menſch die Probe nicht wuͤrde halten/ und wann der
Menſch ſich von der lieblichen Geſtalt und Geſchmack verfuͤhren/ und
zum boͤſen wuͤrde incliniren laſſen/ von der verbottenen Frucht eſſen/ fallen
und ſuͤndigen/ ſo ſoll er den Tod an dieſem Baum freſſen.
Ubel/ uͤbel/ ſage ich/ und mehr als uͤbel/ haben unter dieſen beyden
Speiſen unſere erſten Eltern gewehlet/ und den Tod fuͤr das Leben an-
genommen; jenen den Lebens-Baum unberuͤhrt gelaſſen/ nach dieſem dem
Baum der Uber- und Aberwitz/ und deſſen lieblichen Fruͤchten gegriffen/
ihn
[723]Predigt.
ihnen und uns den Tod auff den Halß gezogen. Wohl/ und mehr als
wohl haͤtte Eva/ wann ſie der Schlangen Pfeffer/ damit er dieſelbe Spei-
ſe gewuͤrtzet/ gleichſam abgeſchelt/ die falſche Gloß und Deutung verworf-
fen/ ſich auff ihr herꝛliches anerſchaffenes Liecht beruffen/ und geſagt haͤtte:
GOtt der HErꝛ mein Schoͤpffer hat mir ſchon in mein Hertz und Sinn
gegeben/ daß ich unterſcheiden und wiſſen kan/ was gut oder boͤſe iſt/ jenes
ſoll der liebe Gott an mir/ dieſes aber begehre ich nimmermehr zu erfahren.
Aber ſie haben in einen ſauren Apffel gebiſſen/ und unſere Zaͤhne ſind da-
von ſtumpff worden/ wir haben leider ſolche unſelige Wahlſucht von ih-
nen den erſten Eltern ererbt/ indem jederman von Natur alſo geneigt/ lie-
ber alles zu wiſſen/ als heilig fuͤr GOtt zu leben. Nos faciant aliena pe-
ricula cautos. Frembder Schaden unſer Witz! Fuͤr- und Uberwitz laſ-
ſen wir fahren/ verwahren uns durch den rechten Baum deß Lebens
Chriſtum JEſum und ſeinen Geiſt fuͤr der Fuͤhl- und Empfindung deß
ewigen Todes/ und bedienen uns der jenigen Wiſſenſchafft deß guten und
boͤſen/ ſo uns allen zwar ins Hertz geſchrieben/ aber anders nicht als in
raſa tabula, als in einer abgeſchabenen und uͤberſtrichenen Taffel/ da man
zwar noch etliche Stuͤck der Buchſtaben mercken mag/ vollkom̃lich aber
durch den Finger Gottes den H. Geiſt/ vermittelſt der Lehre deß Goͤttli-
chen Worts/ und leſelich ins Hertz geſchrieben/ je laͤnger je mehr illumi-
nirt von einer Clarheit in die andere. Jſt die jenige Lehre deß Goͤttlichen
Worts/ darauff St. Paulus gezihlet und geſehen Hebr. 5/ 14. Den
Vollkommenen aber gehoͤret ſtarcke Speiſe/ die durch Ge-
wohnheit haben geuͤbte Sinn/ zum Unterſcheid deß guten
und deß boͤſen. Dieſe Lection auch alſo vorzutragen/ daß GOtt ge-
ehret/ und wir recht gelehret/ dazu wolle er ſelbſt Gnade und reichen Se-
gen verleihen/ Amen.
DAß nun abermal den H. Apoſteln/ und dero Nach-
kommenen ſtarck eingebunden und befohlen worden/ auch zu
lehren den Unterſcheid deß guten und boͤſen/ der war-
hafften Tugenden und Untugenden/ und alſo der Conſcientz rathen/ die-
ſelbe in allen Faͤllen informiren und abrichten/ daß ſie allezeit wiſſe/ was
mit gutem Gewiſſen zu thun oder zu laſſen? Daſſelbe gibt abermal das
Wort Lehren/ und deſſen Gebrauch ſelbſt an die Hand/ nicht allein im
Alten Teſtament/ da von des Koͤnigs Joas Kirchen-Rath/ dem Prieſter
Jojada geſagt wuͤrde: Joas habe recht gethan/ und hat dem
HERRN wolgefallen/ ſo lange der Prieſter Jojada ihn
Y y y y 2LEH-
[724]Die vier und zwantzigſte
LEHRETE/ das iſt/ gute Conſcientz-Raͤthe ſuggerit, darnach er
regiret/ 2. Reg. 12/ 2. ſondern auch im Neuen Teſtament/ dann als die
Phariſeer dem HErꝛn Chriſto das Zeugnuß und Lob gegeben/ er lehre
den Weg Gottes recht/ legen ſie ihme alsbald darauff eine Gewiſſens-
Frage fuͤr/ er ſoll anzeigen/ was recht oder unrecht/ Matth. 22/ 17. Dar-
umb ſage uns/ was duͤncket dich/ iſts recht/ daß man dem
Kaͤyſer Zinß gebe/ oder nicht? An dieſes Raͤtzel ſoll er ſich machen/
daſſelbe auffloͤſen/ ſagen was gut oder boͤſe/ und alſo klaͤrlich beweiſen/
daß er ein ſolcher groſſer Rabbi/ Meiſter und Lehrer ſey/ der den Weg
Gottes recht lehre. Heißt demnach Lehren ſo viel als anzeigen/ was in
allen Faͤllen/ Haͤndeln und Wercken der Menſchen gut und boͤſe/ recht
und unrecht ſey. Es iſt/ ſchreibt St. Paulus 2. Tim. 3. ꝟ. ult.alle
Schrifft von GOtt eingegeben nutz/ unter andern auch
zur Lehre/ daß ein Menſch Gottes vollkom̃en ſey/ zu allen
guten Wercken geſchickt. Es zihlen nach dieſem Zweck alle die jenige
De prudẽ-
tia Chri-
ſtiana vid.
Theol.
conſc. part.
2. ſect. 1.
art. 1. p. 231.Spruͤche/ Anmahnungen und Erinnerungen/ darinnen uns die Chriſt-
liche Klugheit recommendirt und befohlen worden/ nicht allein in vero
de Deo ſenſu, in Erklaͤrung deß wahren Verſtands von Gott/ und Goͤtt-
lichen Sachen; ſondern auch in vero Dei cultu, in der Wiſſenſchafft/
wie man GOtt dem HErꝛn im Leben und Wandel recht gefaͤllig dienen
ſoll/ daß ein jeder in ſeiner Meynung gewiß ſey/ er thue recht
und wol/ was er thut und fuͤrnimt. Rom. 14/ 5. Politiſche Klug-
heit iſt hie zu ſtumpff. Es ſeind zwar die Kinder dieſer Welt kluͤ-
ger/ denn die Kinder des Liechts in ihrem Geſchlecht und Be-
zirck/ aber die Klugheit der Gerechten iſt von einer andern und hoͤhern
Art. Katzen-Augen ſehen ſcharff in ihrer Art/ Buchſtaben aber koͤnnen ſie
nicht kennen/ noch leſen. Solcher maſſen haben das Wort Lehren ver-
ſtanden die Rabbiner und Juden/ derer definition und Verſtand St.
Paulus nicht ſchilt/ ſondern allein die Vermeſſenheit/ Unterlaſſung der
Praxi, und das/ was ſie andere lehren/ ſelbſt nicht leiſten/ wann er ſchreibt
Rom. 2/ 18. 19. 20. 21. Du weiſſeſt Gottes Willen/ und weil du
auß dem Geſetz unterrichtet biſt/ pruͤfeſt du/ was das Beſte
zu thun ſey/ und vermiſſeſt dich zu ſeyn ein Leiter der Blin-
den/ ein Liecht derer/ die im Finſternuͤß ſind/ ein Zuͤchtiger der
Thoͤrichten/ ein Lehrer der Einfaͤltigen/ haſt die Forme/ was
zu wiſſen und recht iſt im Geſetz. Nu lehreſt du andere/ und
lehreſt dich ſelber nicht/ du predigeſt/ man ſoll nicht ſtehlen/
und biſt ſelbſt ein Dieb. Es treiben auff dieſen Verſtand alle die je-
nige
[725]Predigt.
nige Exempla, Reguln/ und Apoſtoliſche Lehren/ in welchen ſie wuͤrcklich
das Gute vom Boͤſen/ die Larve der Tugend und Froͤmmigkeit/ und dero
eigentlich natuͤrlich Bild/ und alſo die Scheinheiligkeit von der rechtenvid. part. 1.
Theol.
conſc. part.
2. dial. 3.
q. 22. pag.
1031.
wahren ungefaͤrbten Tugend unterſcheiden. 1. Tim. 1/ 5. Denn die
Hauptſumma des Gebots iſt/ Liebe von reinem Hertzen/ und
von gutem Gewiſſen/ und von ungefaͤrbtem Glauben. Son-
derlich die Regul/ die da ſagt/ wir ſollen nicht Kinder ſeyn/ die noch nicht
wiſſen/ was recht oder linck/ ſondern Maͤnner ſeyn; nicht mehr zarte
Zweiglein/ ſondern ſtarcke Baͤume der Gerechtigkeit. Gleichwie im Al-
ten Teſtament Aaron Moſis Mund und Rath geweſen/ Eliſa hat dem Koͤ-
nig Joram mit ſeinen Conſilien heylſamlich gedienet/ Jojada iſt dem
Koͤnig Joas wol angeſtanden/ alſo iſt St. Paulus im N. T. ein com̃une
oraculum der gantzen Chriſtlichen Kirchen geweſen/ er wurde taͤglich an-
gelauffen/ und muſte ſorgen fuͤr alle Gemeinen/ 2. Cor. 11/ 28. Conſtan-
tinus M. der Chriſtloͤbliche Kaͤyſer hat ſeine Oracula ἔμψυχα, als geiſt-
liche Raͤthe/ mit ſich im Kriegslaͤger gehalten und mit herum gefuͤhret/ wie
Euſebius bezeuget. Auguſtini conſilia, da ihm offt mancherley Ge-
wiſſens-Fragen fuͤrgelegt worden/ ſind noch fuͤrhanden/ und ſonderlich in
ſeinen Epiſteln enthalten.
Die Nothdurfft iſt unvermeidentlich groß. Wir leben im Jrꝛfahl/
mit ſo viel feurigen Jrꝛwiſchen und Fladergeiſtern umgeben/ der eine
treibt da/ der ander treibet dorthin/ der lehret GOtt den HErꝛn auff ſolche
Weiſe verehren/ der andere auff eine andere Weiſe/ wer ſagt nun/ welcher
der rechte/ und GOtt angenehme Gottesdienſt ſey/ oder nicht? Wir ha-
ben allerhand Lehrbaͤume vor uns/ an dero Fruͤchten wir dieſelbe pruͤfen
ſollen/ laut der treuhertzigen Vermahnung Chriſti/ wie aber erkennen oh-
ne Wiſſenſchafft deſſen/ was eigentlich gute oder boͤſe Fruͤchte ſeynd? Es
hat der Phariſaiſmus oder Phariſeiſche Heiligkeit einen groſſen/ weiten
und breiten Raum und Platz in der Chriſtenheit occupirt und einge
D. Joh. Keiler Keiſersberg gibt hievon einen feinen Rath in ſeiner Poſtill
uͤber den vierten Sontag Trinit p. 50. Dann ſoll ein Menſch geſchickt werden/
ſo muß er klar werden in der Vernunfft und darzu im Willen. Er muß haben
ein guten Willen/ und den Außtruck in den Wercken/ das iſt/ daß er gute Werck
wuͤrcke. Vnd muß haben darzu ein klar lauter Verſtaͤndnuͤß und eine ohnirren-
de Vernunfft/ daß er wiſſe/ was er wircken ſoll/ thun oder laſſen. Du findeſt
wol Menſchen/ die da gutes klares Verſtaͤndnuͤß haben/ ſie haben aber keinen gu-
ten Willen. Hinwiederum ſo findeſtu etliche/ die einen guten Willen haben/ ſie ha-
ben aber keine Vernunfft/ ſeind gantz [dunckel] und finſter. Wie ein Roß das gut-
willig iſt/ und wol gehen mag und nicht geſcheucht iſt/ da iſt es aller Sorgen loß/
Y y y y 3denn
[726]Die vier und zwantzigſte
denn es verfuͤhret ſich/ und den/ der darauff ſitzet. Darum ſo iſt noth/ einem
ſolchen Menſchen/ daß er habe Tugenden und Geſchickligkeiten in beydem Thun.
Nemlich/ daß er habe Verſtaͤndnuͤß/ daß er koͤnne mercken und erkennen/ was da
recht oder nicht recht ſey. Vnd koͤnnen ein recht Vrtheil und Duͤncken haben von
einem Dinge/ und nicht ein X fuͤr ein V anſehen. Vnd dazu/ daß er recht wůr-
cke/ und einen guten Willen habe.
nommen; Er fuͤhret einen ſolchen Schein/ und prangt in einem ſo ſchoͤnen
weiſſen Engelskleide daher/ ſonderlich wann er in Miraculn/ Zeichen
und Wundern ſich ſpiegelt/ daß auch die Außerwehlten koͤnten verfuͤhret
werden. Wer iſt froͤmmer als die Ordens-Leute im Pabſtum/ dem aͤuſſer-
lichen Anſehen nach/ welch ein ſtrenges und hartes Leben fuͤhren ſie? Wie
devot und andaͤchtig ſtellen ſie ſich fuͤr der Welt? Wie hell leuchtet das
weiſſe Engliſche Kleid deß Butzen in die Augen/ und verblendet dieſelbe?
Viel Menſchen/ ſagt Salomon Prov. 20/ 6. werden from̃ ge-
ruͤhmt/ aber wer will finden einen/ der rechtſchaffen fromm
ſey? Manchen (ſo lautet Lutheri Randgloß) haͤlt man fůr boͤſe/
manchen fuͤr gut/ da man beyden unrecht thut/ denn die Heu-
cheley iſt groß/ auch unter guten Wercken. Darum trau auff Menſchen
nicht. Wer zeucht denſelben die Larve oder Nebelkappe ab? Es ge-
hoͤret eine gewiſſe Lehre und Unterricht dazu/ wie auch ein ſcharffes Ar-
bitrium und Entſcheidung/ Chriſtus ſagt/ ου᾽ κατ᾽ ὄψιν, Richtet nicht
nach dem aͤuſſerlichen Anſehen/ waͤre es am aͤuſſerlichen Schein
gelegen/ doͤrfften wol der Tuͤrcken ihre Moͤnchen heller leuchten als die
Paͤbſtiſche. An ihren Fruͤchten ſollt ihr ſie erkennen.
Luth. Tom. 4. Witt. p. 95. Wenn die Vernunfft einen ſihet/ der da nichts/
dann einen grauen Rock traͤgt/ alle Wochen faſtet/ wie der Phariſeer im Evan-
gelio/ Ja der auch Wunder und Zeichen thut/ ſolte der/ ſagt ſie/ nicht ein guter
Baum ſeyn mit guten Fruͤchten/ denn ſie kan nichts hoͤhers/ noch beſſers erdencken
und verſtehen/ iſt ſchlecht damit gefangen/ daß ſie ſchleußt/ wer ein ander Leben
fuͤhret/ denn andere Leute/ der muͤſſe ein ſonderlicher heiliger Menſch ſeyn. Sihet
nicht die blinde Naͤrrin/ daß ſolche Werck noch alle weit weit von Gottes Wort
ſind. Wenn du ſie frageſt/ woher weiſtu/ daß dieſelbe Wercke ſo koͤſtlich ſind/
als du ſie macheſt/ ſo kan ſie nicht anders ſagen/ denn es deucht mich alſo. Ja
ins Rauchloch mit deinem Duͤnckel/ daß ich mein Heyl und Seligkeit ſolte dar-
auff ſetzen. Es heiſſet alſo/ du muſt wiſſen/ und nicht wehnen/ noch duͤncken/
und einen gewiſſen Grund und Zeugnuͤß haben aus Gottes Wort/ daß es ihm
gefalle/ daß du koͤnneſt ſagen/ das Werck iſt wol gethan/ oder der Stand iſt
GOtt gefaͤllig/ das weiß ich/ nicht nach meinen Fruͤchten. Der Fei-
genbaum aber iſt ſo ein einfaͤltiger Baum/ ruͤhmet und brůſtet ſich
nicht von ſeinen Fruͤchten/ noch Blaͤttern/ denn die Fruͤchte vorhanden ſind/
ſondern ehe mans ſihet/ bringet er Fruͤchte. So auch der Weinſtock/ der iſt ſo
gar
[727]Predigt.
gar ohne Schein und Herꝛligkeit/ als kein ander Baum/ ein lauter duͤrꝛ ſchwach
Holtz. Noch traͤget er die allerſůſſeſten Trauben/ uͤber alle andere Gewaͤchs/ da
ſich alle andere Baͤume ſperren und bruͤſten/ mit Blaͤttern und Bluͤhte/ daß man
ſolt meynen/ ſie wuͤrden eitel Zucker tragen/ und doch nichts uͤberall geben/ denn
ſolche ſaure Fruͤchte/ die kein nuͤtze ſind. Alſo auch hie/ haben dieſe den Schein/
und machen ein Geplaͤrꝛ mit ihrem ruͤhmen und ſonderlichen Wercken/ als wuͤr-
den ſie es allein thun/ und wenn es verbluͤhet/ ſo werden eitel Hagenbutten dar-
auß/ die gar voll Steine ſind/ niemand nehren noch ſpeiſen/ oder Diſtelkoͤpffe/
die nur ſtechen und kratzen/ wenn man ſie angreifft/ denn wenn man Gottes Ge-
bot dagegen haͤlt/ ob GOtt ſolche Werck befohlen und geboten hat/ und dem
Naͤchſten zu Dienſt und Nutz geſchehen/ ſo findet ſichs/ daß es nirgend zu tauge/
und nur die rechte gute Fruͤchte hindert. Wiederum was die andern Staͤnde
ſind/ das hat keinen Schein/ glaͤntzet und gleiſſet nicht/ und bringet doch die al-
lerfeinſten/ beſten Fruͤchte/ und ſchaffet den groͤſten Nutzen auff Erden. Aber
fuͤr GOtt/ und fuͤr denen/ die mit geiſtlichen Augen erleuchtet ſind/ daß ſie es
recht anſehen und urtheilen koͤnnen. Darum ſo ſpricht er nun/ kan man auch
Trauben leſen von den Dornen/ oder Feigen von den Diſteln? Als wolt er ſa-
gen/ es mag wol daher bluͤhen als koͤſtlich Ding. Aber harre eine Weile/ und ſi-
he/ wanns Zeit iſt/ daß man ſoll leſen/ und die Fruͤchte abnehmen/ was du denn
findeſt/ denn es wird nichts mehr drauß/ denn daß man die Leute damit betreugt/
ſo auff groſſe und koͤſtliche Fruͤchte gewartet/ und doch nichts finden/ deß ſie ſich
oder andere troͤſten und genieſſen moͤchten/ dazu den Schaden thut/ daß auch die
allerhoͤheſte Vernunfft/ durch ſolch Geſpenſt vom Teuffel angerichtet/ betrogen
und verfuͤhret wird/ ſo nicht Gottes Wort und rechten Verſtand hat/ ſondern
ſeinem eigenen Duͤnckel und Andacht folget/ und meynet/ wann es ihr gefaͤllet/
ſo muͤſſe es GOtt auch gefallen. So es doch ſolt umgekehret ſeyn/ daß wir ſol-
ten uns gefallen/ was ich hoͤre/ das ihm gefaͤllet. Et pag. 97. f. 2. Ein guter
Baum kan nicht boͤſe Fruͤchte bringen/ und ein fauler Baum kan nicht gute Fruͤch-
te bringen. Wie? kan nicht ein Knecht oder Magd ein Schalck ſeyn/ ein Mann
oder Frau die Ehe brechen/ ein Fuͤrſt ein Tyrann/ ein Prediger ein Verfuͤhrer
ſeyn? Wie du droben ſelbſt geſaget haſt/ wo wolte man ſonſt Buben und Schaͤl-
cke finden/ deñ in allerley Staͤnden und Haͤndeln? Antwort/ ja das iſt leider
wahr. Aber ſo iſt der keiner kein guter Baum mehr/ denn er tritt aus ſeinem
Stand/ und lebet wider Gottes Gebot. Wenn er aber in ſeinem Stand und
Ampt bleibt/ und thut/ was daſſelbe fordert/ ſo kan er kein boͤſer Baum ſeyn. Dar-
um ſpricht er/ ſihe nur zu/ und bleibe ein guter Baum/ ſo wil ich dir zuſagen/
was du thuſt/ daß es nicht kan boͤſe ſeyn. Denn die Wercke/ die GOtt befohlen
hat/ muͤſſen den Preiß haben/ daß ſie nicht koͤnnen boͤſe heiſſen. Was koͤnnen wir
nun ſeligers wuͤnſchen/ deñ daß wir ſteten Ruhm und Zeugnuͤß von Chriſto ſelbſt
haben/ wider alle Rottengeiſter und Sonderlinge/ daß wir wiſſen/ daß wir in
ſolchem Stande ſind/ darinnen wir nicht koͤnnen boͤſes thun/ ſo wir nach Got-
tes Wort leben und thun/ was uns befohlen iſt. Ja ob gleich etwas boͤſes mit un-
terlaͤufft/ ſo wir nicht aus Fuͤrſatz und Muthwillen/ ſondern unwiſſend/ oder aus
Schwachheit zu viel thun/ das muß auch gut und geſchenckt ſeyn. Summa/ du
kanſts nicht verderben/ weil du in dem Goͤttlichen Ampt und Wort geheſt/ bleibe
nur darinn/ ſo ſoll es nicht koͤnnen boͤſe ſeyn/ Oder/ ob gleich etwas ſuͤndliches mit
unterlaͤufft/ ſo ſoll es doch zugedeckt und vergeben ſeyn/ ſo reichlich ſoltu durch
Gottes
[728]Die vier und zwantzigſte
Gottes Wort geſegnet ſeyn. Gleich als ein Feigenbaum oder ander Baum/ ob
er zu weilen ein wurmſtichige Frucht traͤgt/ noch iſt es eine gute Frucht ihrer Art
nach/ ohne Stachel oder Dorn. Ja ehe er ſolt ohne Frucht ſeyn/ muß ehe wurm-
ſtichige Fruͤchte tragen/ doch ohne ſeine Schuld. Alſo ſind auch alle Werck eines
Chriſten von Art gut/ weil der Baum gut iſt/ und alſo lebt/ daß er gerne wolte
eitel gute Fruͤchte bringen/ ob gleich zuweilen auß Schwachheit des Fleiſches/
oder ander Hindernuß etwas boͤſes mit unterlaͤufft. Dagegen jene Dornſtraͤu-
che und Diſteln ſolten ſie ſich zureiſſen/ ſo koͤnnen ſie keine gute Fruͤchte bringen/
daß ein guter Apffel oder Feige heiſſe/ und kein Cartheuſer und Barfuͤſſer-
Muͤnche/ wenn er ſich zu Tode marterte und betet/ noch kan er nicht ein Vater
Vnſer ſprechen/ das fuͤr GOtt gut heiſſe/ noch einiges gut Werck thun/ ſondern
je mehr er thut/ und ſich aͤngſtiget gute Werck zu thun/ je aͤrger ers macht.
Der Zweck aller rechtſchaffenen Lehre iſt das Leben/ und zwar ein Goͤttli-
ches/ heiliges und in GOtt ruhiges Leben/ wir ſollen zuͤchtig/ gerecht
und Gottſelig leben in dieſer Welt/ Tit. 2/ 12. Rom. 8/ 12. 13. So
ſeind wir nun Schuldner/ nicht dem Fleiſch/ daß wir nach
dem Fleiſch leben/ denn wo ihr nach dem Fleiſch lebet/ ſo wer-
det ihr ſterben muͤſſen/ wo ihr aber durch den Geiſt deß Flei-
ſches Geſchaͤffte toͤdtet/ ſo werdet ihr leben. Darum dann auch
von noͤthen regula vivendi, eine Regul und Richtſchnur recht heilig und
nach dem Geiſt zu leben/ und edle Lebens-Fruͤchte zu bringen/ das ſuͤndliche
Leben/ deſſen Sold der Tod iſt/ zumeiden/ und beyde recht unterſcheiden/
ſo wol in ihren Qualitaͤten und Eigenſchafften/ als Quantitaͤten/ Graden
und Gewichten/ die ἀσϕὰλειαν im Gewiſſen zu erlangen/ daß man mit
freudigem Hertzen ohne Furcht deß Widrigen ſagen koͤnne/ was ich gethan/
thue oder thun werde/ iſt recht fuͤr dir O Gott. Die Sachen davon ein uñ
das andere Urtheil zu faͤllen/ ſind alle Wege deß Menſchen/ Prov. 16/ 2.
allerhand Menſchliche Sinne/ Gedancken/ Raͤthe/ Anſchlaͤge/ Andach-
ten/ Reden/ Handlungen/ Wandel/ wuͤrckliche Dienſt und Werck/ gegen-
waͤrtige/ oder vergangene und kuͤnfftige/ obs recht/ was man zuthun an-
greifft/ obs recht geweſen/ was gethan worden/ obs recht ſeyn werde/ was
man ins kuͤnfftige zu thun vornim̃et? Derſelben gute und boͤſe/ groſſe oder
kleine/ ſchwere oder leichte/ oder auch deroſelben ἀδιαϕορία und Mittel-
ſtand/ ob es Mitteldinge ſeyn/ die an und fuͤr ſich ſelbſt auſſer dem Miß-
brauch weder boͤſe noch gut? Der Judex, Sequeſter, Richter und Scheid-
mann heißt γεγυμνασμένος, ein wolgeuͤbter/ Gottesgelehrter/
und in Gottes Wort erleuchteter Chriſt: Dann ob zwar wol auch die
Heiden auß dem bloſſen Liecht der geſunden Vernunfft diſcrimen hone-
ſti \& turpis, den Unterſcheid deſſen/ was erbar und ehrlich/ und deſſen/
was
[729]Predigt.
was ſchaͤd- und ſchaͤndlich iſt/ etlicher maſſen verſtehen. Ariſtoteles in ſei-
nen Moralibus hat das Mittel unter zweyen Extremis erfunden. Cicero
in ſeinen officiis erhaͤrtet/ daß die Tugend und was ehrlich iſt/ dem was
zwar nuͤtzlich aber ohne Commeat der Tugend iſt/ fuͤrzuziehen: Seneca von
Tugenden und Laſtern; von Beneficiis, Gutthaten und Danckbarkeit/
ſubrile und unverwerffliche Gedancken gehabt/ und gefuͤhrt. Valer. Ma-
ximus, wie auch Juſtus Lipſius, haben gantze Catalogos und Regiſter
zuſammen getragen von Roͤmiſchen Tugenden und Tapfferkeit/ jedoch ſo
ſeynd es nur rudera Paradiſiaca, Fuͤncklein von dem groſſen Tugendliecht
deß Goͤttlichen Ebenbilds uͤberlaſſen: ohne Goͤttliches/ uͤbernatuͤrliches/
himmliſches Liecht/ koͤnnen wir der Sachen nicht gewiß ſeyn/ ob dieſer oder
jener Gottesdienſt/ dieſe oder jene gute Werck Gott gefaͤllig/ die Vernunfft
ſihet offters Gold fuͤr Meſſing/ und Meſſing fuͤr Gold an. Die Conſci-
entia erronea, das irrende und blinde Gewiſſen/ und der ſelbſt-Betrug
fuͤhret als Toͤchter nach ſich/ blinde Liebe/ blinden Gehorſam/ blinde De-
muth/ blinde Sanfftmuth ꝛc. heißt oͤffters eine Andacht/ die GOtt im
Himmel ein Greuel iſt/ einen Glauben/ ſo erſt vor wenig hundert Jah-
ren auffkommen/ und nach und nach eingeſchlichen/ heiſſe man den alten
Glauben; Chriſti und Pauli Reformation nach dem uhralten Wort
Gottes/ του̃ πατρώου Θεου̃, deß vaͤterlichen Gottes/ muß unnoͤthige/ unzu-
laͤßliche Neuerung heiſſen; Es wird gemacht aus dem Aberglauben ein
Glauben/ aus der blinden Liebe ein tugendliche Liebe. Alſo hat man vor
Zeiten im blinden Papſtthumb vielerley gute Werck erdacht. Auf gute In-
tentiones und Andachten/ unterſchiedliche Cloͤſter/ Stiffter/ und andere
vermeynte Heiligthumb gebauet/ und noch dazu in ſolch ſelbſterwehltem
Gottesdienſt gepranget/ da doch GOtt verboten/ den Augen nachzu-Deut. 12, 8.
huren/ zu thun/ was uns duͤncket. Alles was ich euch gebiete/
das ſolt ihr halten/ daß ihr darnach thut/ ihr ſolt nichts dar-
zu thun/ noch darvon thun: Mit Menſchen-Gebot (als ſon-
derbahrem Heiligthumb) wird Gott vergebens gedienet. Uber dasMatth. 15.
40, Cap. deß andern Buchs Moſis nimmt D. Luther wahr/ daß Moſes
in Beſchreibung der Auffrichtung deß Tabernaculs und Stifftshuͤtten
zum achtenmal wiederholet: Wie der HERR befohlen hat/ zweif
felsfrey allem eigen-erwehlten Dienſt vorzubeugen. Wars boͤſe gemeint
daß die zween Soͤhne Aarons/ Nadab und Abihu frembdes Feuer fuͤr
den HErrn gebracht? Noch gleichwol koſtet es ſie das Leben. Hatte nicht
Gideon gute Andacht/ da er aus der Midianiter Beute einen Leib-Rock
zum Heiligthumb gemacht? Noch gleichwol gerieth es ihm und ſeinem
Hauſe zum Aergernuͤß. War es nicht eine treffliche Intention, wann
Achter Theil. Z z z zSaul
[730]Die vier und zwantzigſte
Saul der beſten Schaafe und Widder geſchonet/ umb deß Opffers wil-
len deß HErrn? Noch gleichwol ſchlug es uͤbel aus. Geſchach es nicht
Gott zu Ehre/ wann Jerobeam auff dem Altar zu Bethel/ welches er aus
ſeinem Hertzen erdacht hatte/ geopffert? Aber alles Greuel fuͤr GOtt/ Ur-
ſach/ ob gleich die Andacht gut/ ſo hats doch GOtt nicht befohlen/ ſondern
manchmal das widrige. Hie laͤßt ſichs nicht bauen auff unſer eigen Hertz/
Gewiſſen/ Vernunfft und Gutduͤncken/ denn es iſt ja unſer Vernunfft
nach dem traurigen Suͤnden-Fall verblendet/ das Gewiſſen unrein/ das
eigene Gutduͤncken mißlich. Jſt wol mehrmal geſchehen/ daß einer fei-
nem vermeinten guten Gewiſſen gefolget/ aber uͤbel angelauffen. St.
Paulus meinete bey ſich ſelbſt (nach ſeinem irrenden Phariſaͤiſchen
Gewiſſen) er muͤße viel zuwider thun dem Namen JEſu von
Nazareth/ aber er war unrecht dran.
Darumb dann auch ferner die Norm und Richtſchnur/ nach wel-
cher die Qualitaͤt und menſchliche Geſchaͤfft und Werck muͤſſen abge-
meſſen werden/ nicht ſind die particular-Exempel eines und andern Heili-
gen/ er heiſſe Franciſcus oder Dominicus. Es mag wol geſchehen/ daß
man ihren Koth fuͤr Biſem annimmt/ ihre Schwachheiten fuͤr Heiligthum
verehre. Viel weniger die langhergebrachte Gewonheit/ die verjaͤhrte
Praxis, Ubung und Gebrauch/ davon es heißt/ wie Chriſtus ſagt/ von
Anfang war es nicht alſo. Weniger deß Papſts Decret (vid. Theol.
conſc. part. 2. ſect. 1. art. 1. p. 245.) der/ wie ſeine Schmarotzer von ihm
außgeben/ aus Suͤnden keine Suͤnden machen kan. Zum Exempel/ daß ei-
ner ſeines Bruders Weib nehme/ ſoll keine Suͤnde ſeyn/ wann ſie durch deß
Papſts diſpenſat. geweyhet wordẽ. Jm Freytag Fleiſch eſſen/ ſol eine groſſe
Todſuͤnde ſeyn/ weil es die Kirche und der Papſt alſo geſagt. Luth. neñet ſol-
che Suͤnden/ Narren-Suͤnden. Sondern einig uñ allein iſt die Regul/ das
geſchriebene unfehlbare Wort Gottes/ deſſen mit ſtattlichen Verheiſſungen
begleitete Befehl/ auff daß ja niemand preiſe recht und gut/ ohne was
Gott ſelber redt und thut/ Deut. 12/ 8. 32. Jhr folt der keines thun/
das wir heute allhie thun/ ein jeglicher was ihn recht duͤn-
cket. Alles was ich euch gebiete/ das ſolt ihr thun/ daß ihr
darnach thut/ ihr ſolt nichts dazu thun/ noch davon thun.
Das iſt die Form/ wie St. Paulus redet. Rom. 2/ 20. Deſſen was
zu wiſſen/ und recht iſt im Geſetz. Gottes Zeugnuͤß ſollen unſere
Raths-Leute ſeyn. Soll nicht ein Volck ſeinen GOTT
fragen? Ja nach dem Geſetz und Zeugnuͤß/ werden ſie das
nicht ſagen/ ſo werden ſie die Morgenroͤthe mcht haben. Jn
Got-
[731]Predigt.
Gottes Wort finden wir die Urim und Thumim, das Liecht und das
Recht/ das Oraculum und Wort/ ſagend/ diß iſt der Weg/ denſelben ge-
het/ ſonſt weder zur Rechten/ noch zur Lincken. Ligt nur an fleiſſigem For-
ſchen/ und eifferigem Gebet/ daß wir mit David ſprechen: HErr leite
mich in deiner Gerechtigkeit/ ſende dein Liecht und deine
Warheit/ daß ſie mich leiten/ lehre mich thun nach deinem
Wolgefallen/ dann du biſt mein Gott/ dein guter Geiſt fuͤh-
re mich auff ebener Bahn. Gute/ GOtt wolgefaͤllige Wercke ſind
eigentlich/ die aus GOtt gethan/ aus der motiv, Liecht und Quell deß wah-
ren Glaubens flieſſen/ ſonſt ſind es ſimulacra virtutum, Tugendbilder/Salv. pag.
468.
und nicht Tugenden ſelbſt/ Opffer von frembdem Feuer. Was iſt zum
Exempel heiliger vor der Welt/ als ein geiſtlicher Ordens-Mann in ſeinen
dreyen Geluͤbden/ deß (blinden) Gehorſams/ der (muthwilligen) Armuth/
der (Brunſtſuchen) Keuſchheit? was iſt unheiliger als der Luther/ der
(außgeſprungene) Moͤnch? Aber Gottes Wort ſagt zu jenem/ verge-
bens haſt du mir gedienet mit Menſchen-Wercken/ wer hat dergleichen
von dir gefordert? Zu dieſem/ der mit ſeinem Pfund wol gewuchert/
Matth. 25/ 21. Ey du frommer und getreuer Knecht/ du biſt
uͤber wenig getreu geweſen/ ich wil dich uͤber viel ſetzen/ gehe
ein zu deines HErrn Freude. Was iſt alles Cloſter-Geluͤbde/ alle
Roſaria, gegen dem einigen groſſen Werck der Reformation und Of-
fenbahrung deß Widerchriſts/ der Widerlegung ſo vieler Secten und
Schwermereyen/ der Dolmetſchung und gruͤndlicher Außlegung der H.
Schrifft/ der purificirten Catechiſmus-Lehr und Lehrreichen Geſaͤng/ der
Rettung der Hierarchien, und drey Staͤnde deß menſchlichen Lebens/ das
ſind Allmoſen uͤber alle leibliche Allmoſen/ alles aus dem Glauben/ durch
die Quell der Liebe/ ohne geſuchten Weltdanck/ den er Luther mit Schweigen
beſſer verdienen koͤñen/ ſampt gedultiger Ubertragung allerhand perſecu-
tionen/ Laͤſterungen/ und Vermaledeyungen? Belangend die Adiapho-
ra und Mittelding/ ſo lehret von denſelben Gottes Wort gleicher Geſtalt/
und heißt Mittelding alle die jenige Wercke/ die im Geſetze weder geboten
noch verboten/ ſo fern ſie in ſolchem Mittelſtand bleiben; wann aber ſuͤnd-
liche Zufaͤlle und Umbſtaͤnde mit unterlauffen/ ſo werde es dann Suͤnde
und Unrecht. Zum Exempel/ Fleiſch eſſen/ ſich enthalten der im Judenthum
verbotenen Speiſen/ Muſiciren/ Paternoſter in der Hand haden/ ſind
Adiaphora, Mitteldinge/ fuͤr ſich ſelbſt weder boͤſe noch gut/ weder geboten
noch verboten. Aber wiſſen Goͤtzen-Opffer-Fleiſch eſſen im Goͤtzen-Hauß/
das iſt unchriſtlich; alſo ſich enthalten der verbotenen Speiſen aus Heu-
Z z z z 2che-
[732]Die ein und zwantzigſte
cheley wider die Chriſtl. Liebe/ zum Anſtoß und Aergernuͤß der Schwach-
glaͤubigen/ wie Petrus gethan/ das iſt gefehlet. Alſo muſiciren zum ab-
goͤttiſchen Meß- und Goͤtzendienſt/ Paternoſter in der Hand tragen/ in
Paͤbſtiſchen Orten die wahre Religion zu verleugnen/ das iſt Suͤnde: Alſo
tantzen/ wann allgemeine Landplagen fuͤrhanden/ und Chriſtliche/ eiferige
Obrigkeit ſolches einzuſtellen geboten/ iſt unverantwortlich. Wann dem
alſo/ moͤchte jemand ſprechen/ ſo muͤßte Unrecht gethan haben Paulus/
wann er aus freywilligem Geluͤbde ſein Haupt beſchoren zu Cenchrea?
Wann er ohne Sold geprediget/ aus ebenmaͤſſiger ſelbſterwehlter Chur?
Sehr unrecht muͤßten dran geweſt ſeyn viel heilige Chriſten/ Vaͤter und
Martyrer/ die den Jungfrauen- und Muͤnchenſtand erwehlet. Solten
aller deren Stand von GOtt verworffen ſeyn? Antwort: Gute von Gott
befohlene Wercke ſind zweyerley; etliche ſind klar und unmittelbar allen
Menſchen befohlen: Etliche nur in gewiſſen Faͤllen/ Umbſtaͤnden/ Zei-
ten/ nicht allen/ ſondern die dazu die Gnade/ Gaben und Beruff haben.
Wie nun jene alle Menſchen angehen: Alſo was dieſe thun/ nach Erhei-
ſchung ſolcher ihrer Gaben und Beruff/ das thun ſie nicht aus eigener
Wahl/ ſondern aus Goͤttlichem Gebot. Gottes Gebot war es/ daß St.
Paulus mit aller Macht den Lauff deß Evangelit/ auch mit ſeinem groſſen
Ungemach/ befuͤrdern ſolte. Derowegen ſo muſte er alle Gelegenheit er-
greiffen/ die zu ſolchem Zweck dienlich/ alles aus dem Mittel raumen und
abhauen/ was hinderlich ſeyn moͤchte; Dannenhero ſo muſte er in man-
chen ſauren Apffel beiſſen/ und viel uͤbriges thun/ das Haupt beſcheren
laſſen/ ohne Sold predigen/ dazu heutiges Tages in gemein niemand
verbunden. Auch wer die Gabe der Keuſchheit vor Zeiten gehabt/ als wel-
che dazumal (wie andere Gaben der erſten Kirchen) gemeiner geweſt/
auch wegen der vielfaͤltigen Verfolgungen nothwendiger/ als heut zu Ta-
ge/ der hat ihm den Cœlibat und Muͤnchen-Stand moͤgen erwehlen.
So wenig nun die vermeinte Heiligen im Pabſtthumb St. Pauli Apo-
ſtoliſchen Beruff und Stand fuͤhren/ ſo duͤnn unter ihnen die Gabe der
Keuſchheit geſaͤet/ ſo wenig haben ſie ihre eigen-erwehlte Gottesdienſte
damit zu beſchoͤnen. Wie es nicht folget/ GOtt ſagt zu Abraham: Opf-
fere deinen Sohn. Jt. zu jenem Juͤngling/ verkauff alles/ was du haſt/
darum mag ein jeder Vater ſein Kind ſchlachten/ ein jeder ſein Haab und
Nahrung verkauffen/ alles aus guter Andacht: So wenig laͤßt ſich von
particular und ſonderbahren Gaben folgern und ſchlieſſen/ auff unbe-
fohlne/ ſelbſt erdichtete/ unnothwendige Gottesdienſte.
Wie nun das jenige allererſt ein gut Werck/ was GOTT
befohlen/ und nicht das Widrige/ wie gut auch die Meynung ſeyn
moͤch-
[733]Predigt.
moͤchte (dann ſolte die bloſe gute Meynung eine Sache gut machen/ ſo
muͤſte Loths Toͤchter Blutſchande recht geweſen ſeyn/ ſie hatten eine gute
Meynung/ ſie dachten/ nunmehr ſeye die gantze Welt in Feuer untergan-
gen/ ſie waͤren allein uͤberblieben. Soll nun der verſprochene Meſſias
gebohren werden/ ſo kan es anders nicht ſeyn/ als durch unſers Vaters
Beyſchlaff. Ja ein groß Heiligthumb/ und gleichſamb ein Kind in ein
Cloſter muͤſten gethan haben die Apoſtel-Moͤrder/ von denen Chriſtus
ſagt: Wer euch toͤdtet/ wird meinen/ er thue GOtt einen Dienſt daran.)
Alſo wenns gleich GOtt geboten/ wirds aber nicht in allen Umbſtaͤnden
und Mitteln recht vollzogen/ ſo iſts abermal kein gutes Werck. ZumNum. 20,
7.
Exempel/ Gott befihlt Moſi/ er ſoll nehmen einen Stab/ und mit
dem Felß reden fuͤr ihren Augen/ ſo wird er ſein Waſſer ge-
ben. Moſes mehrt und mindert/ bleibt nicht in allen Umbſtaͤnden bey
dem Befehl/ da er mit dem Felß reden ſolte/ redet er das Volck an/ und
zwar mit ungedultigen Worten. Es entfuhren ihm etliche Wort:
Schlug den Felß mit dem Stabe zweymal/ davon er ebenmaͤſſig kein ge-
meſſenen Befehl hatte. Wie hefftig es aber GOtt mißfallen/ bezeugen die
hefftige Traͤu-Wort/ darumb/ ſpricht der HErr zu Moſe und Aaron/
daß ihr an mich nicht geglaubet habt/ daß ihr mich heiligtet
fuͤr den Kindern Jſrael/ ſolt ihr dieſe Gemeine nicht ins
Land bringen/ das ich ihnen geben werde. Jn der Summa:
Bonum æſtimari debet ex integra cauſa, malum ex quovis defectu.
Soll ein Werck gut tugendlich ſeyn/ und geruͤhmet werden/ ſo muͤſſen bey
demſelben alle Urſachen der rechten Vollkommenheit deß guten zuſammen
flieſſen. Gottes Befehl und Wort/ und darinn gegruͤndete Glaube/ als ohne
welchen unmuͤglich iſt Gott zu gefallen/ der verſichert das Hertz/ daß GOtt
ein gnaͤdiges Gefallen habe an ſolchem Werck; beyneben ein ſteiff und fleiſ-
ſiges Abſehen auf die fuͤrgeſchriebene Regul in allen Stuͤcken und Umſtaͤn-
den/ und auch die rechte Intention und Zweckſucht. Wo es an einem man-
gelt/ ſo iſt es gantz gefehlet. Jacob. 2/ 10. Dann ſo jemand das gantze
Geſetz haͤlt/ und ſuͤndiget an einem/ der iſts gantz ſchuldig.
Wann es zum Exempel an der rechten loͤblichen Intention fehlet/ ſo iſt
freylich alles verderbt/ wie das Exempel der Phariſaͤer außweiſt/ die mit
ihrem Allmoſen offentlich gepralet/ πρὸς τὸ ϑεαθῆναι, damit ſie fuͤr den
Leuten/ als groſſe heilige Leute angeſehen und gefeyert wuͤrden. So dann
das Exempel der jenigen Bauchdiener/ die da meinen/ Gottſeligkeit ſey
ein Gewerb/ thun was guts/ ſehen aber mit ihren Schalcks-Augen auff
Vergeltung/ oder Vergoͤtterung. Die blinden Heyden haben zwar auch
Z z z z 3gethan/
[734]Die vier und zwantzigſte
gethan (τὼ του̃ νόμου non νόμον) deß Geſetzes Werck/ ſind maͤſſig/ freygebig/
barmhertzig geweſt/ die auch der Allmaͤchtige Gott mit zeitlichen Gaben und
Segen remunerirt und vergolten: Gleichwol aber/ dieweil ſie ſolche Wer-
cke nicht gethan aus dem Glauben/ in der Gnade Gottes/ als Wiederge-
bohrne/ haben das Anſehen nicht auff Gottes/ ſondern ihre ἀποθέωσιν, eige-
ne Ehre und unſterblichen Namen gerichtet/ ſo iſts denſelben Wercken
eben gangen/ als einem guten Wein/ in einem unſaubern/ ſtinckenden/ gar-
ſtigen Gefaͤß/ der ſeine Krafft und Geſchmack verlohren. Einmal/ was
nicht aus dem Glauben gehet/ das iſt Suͤnde.
Darauff in der Praxi die διάκρισις und Entſcheidung ſelbſt folget/
da das gute erwehlet/ deſſen Qualitaͤt und Quantitaͤt erkannt/ das boͤſe
ſampt deſſen Gradibus und Gewicht verworffen wird/ ein jeder ſich ſelbſt
abſolvirt oder condemnirt/ der gute Baum wird aus guten Fruͤchten
erkannt und gelobet/ der faule Baum geſcholten/ und zum Feuer ver-
dammt: Maſſen dann alle boͤſe Fruͤchte meritô, verdienſtlich die Hoͤlle
und ewigen Tod verwuͤrcken/ und der Unterſcheid unter Todt- und laͤß-
lichen Suͤnden durch den rigor und Strenge deß Goͤttl. Geſetzes auff-
gehabten worden. Dann ob zwar wol die boͤſe Werck und dero Straffen
nicht alle gleich/ ſondern eines aͤrger/ als das andere/ ſo meritiren ſie doch
alle den ewigen Tod/ als der Suͤnden Sold. Die Werck-Heiligen im
Papſtthumb haben abermal einen Weg gefunden/ dieſem Feuer-Spie-
gel zu entgehen/ und ſich zu erkuͤhlen/ indem ſie eine ſonderbare Art der ge-
ringern und ungeachteten Suͤnden erdacht. Als zum Exempel/ wann
einer mit ſeinem Bruder zuͤrnete/ ließ aber ſolchen Zorn in Schlaͤge und
Scheltwort noch nicht außbrechen/ wann einer ein unnuͤtz Wort redete/
wann einer mehr nicht/ als eines Hellers werth entwendete ꝛc. Ob nun
wol/ ſprechen ſie/ die groben Tod-Suͤnden den Menſchen vermoͤg deß Ge-
ſetzes verdammen/ ſo ſeyen doch erſtermelte geringere Suͤnden per ſe ve-
nial, und fuͤr ſich ſelbſt laͤſſig/ alſo geartet/ daß ſie Goͤttl. Freundſchafft nie-
mand unwuͤrdig machen. Fr. Coſterus braucht nach folgendes Gleichnuß/
wie eines Koͤnigs Sohn/ wann er fuͤr ſeinen Vater tritt/ mit unhoͤffli-
chen Geberden/ und unſaubern Schuhen/ ob er gleich einen Verweiß da-
mit verdient/ doch den Halß nicht verwuͤrckt: Alſo der Gerechte/ ob er
gleich eine ſchlechte Suͤnde begehet/ ſo verdienet er damit nicht alſobald
die Hoͤlle. Ob nun wol die Suͤnde freylich ungleich/ etliche werden den
Splittern/ etliche den Balcken verglichen/ etliche den Mucken/ etliche
den Cameelen; Ob wol in der Verdamnuß ſelbſt gewiſſe Gradus ſeyn
werden/ und conſequenter, der mit ſeinem Bruder zuͤrnet/ Racha ſagt/
ihn
[735]Predigt.
ihn einen Narren ſchilt/ alle deß Todes ſchuldig ſind/ aber einer eines
ſchaͤrffern/ als der andere. Ob auch wol der taͤglichen Suͤnden/ ſo von
den Wiedergebohrnen aus menſchlicher Schwachheit begangen/ die ſie al-
ſobald bereuen und umb Gnade bitten/ verziehen werden/ nicht als fuͤr ſich
ſelbſt ſo gering und laͤſſig/ daß ſie keine Straffe verwirckten; ſondern
umb Chriſti Verdienſt willen: So bleibt doch gewiß/ aus den Zeugnuͤſ-
ſen der Schrifft/ daß auch die geringſte Suͤnde/ wann ſie ins Liecht fuͤr
GOttes Angeſicht geſtellt/ den rigor deß Geſetzes nicht vertragen mag:
Jſt keine Suͤnde fuͤr ſich und an ſich ſelbſt laͤſſig/ ſondern ſie flucht und
vermaledeyet den Menſchen zum Verdamnuͤß. Dann es vergreifft ſich
an der unendlichen Barmhertzigkeit Gottes/ nicht nur der groſſe/ ſondern
auch der kleine Suͤnder/ verdient derowegen ſo wol unendliche Straffe/
und hoͤlliſches Feuer/ als jener. Was wollen wir ſagen/ wann ſich ſolche
laͤſſige Suͤnden vermehren? Minutæ ſunt guttæ, ſagt Auguſtinus
Tract. 13. in Johann. quæ flumina implent; minuta ſunt grana are-
næ: ſed ſi multa arena imponatur, premit atq; opprimit. Hoc facit
ſententia neglecta, quod facit fluctus irruens.Es ſind kleine
Troͤpfflein/ aber ſie machen einen groſſen Fluß/ ſind kleine
Sandkoͤrnlein/ aber ſie beſchwaͤren das Schiff: Alſo geringe
Suͤnden offt gethan/ verſencken den Menſchen ins ewige
Verderben. Der endliche Zweck iſt die oben angeregte Aſphalia und
Gewißheit eines Wercks/ daß es in Gott gethan. Dann wann ein Chriſt
das Gebot fuͤr ſich hat/ ſo mag ers getroſt darauf wagen/ und thut demnach
alsdenn ein gutes Werck/ ſo gar/ wann auch der Event nach Gottes Wil-
len ſolte anders ablauffen. Gleichwie Abraham recht gethan/ daß er dem
klaren Gebot Gottes nachgekommen/ ſeinen Sohn zu ſchlachten. Ob es
gleich Gottes Schluß und Wille nicht war/ daß er ihn wuͤrcklich ſchlachten
ſolte. GOtt begnuͤgte ſich mit ſeinem guten Willen. Gleichwie David
nach dem geoffenbahrten Willen Gottes recht daran geweſt/ daß er den
Gottesdienſt zu befoͤrdern/ dem HErrn ein Hauß zu bauen fuͤrgenommen/
ob gleich in Eventu nicht David/ ſondern Salomon nach Goͤttlichem
Willen den Tempel erbauet: Alſo magſt du freylich ordentliche Wege
und Mittel brauchen/ unterdeß GOtt walten laſſen; Biſt du kranck/ ſo
iſt Gottes geoffenbahrter Gebots-Wille/ du ſolt dich ſelbſt nicht toͤdten/ du
ſolt Artzney brauchen; Ob gleich Gottes Schluß und Willen nach du
die Schuld der Natur bezahlen und ſterben muͤſſeſt.
Huc ad hunc ignem, \& caleſces plus ſatis! Hieher ihr Heiligen im
Pabſt humb zu dieſem Probier Feuer/ das Silber durchs Feuer ſiebenmal
bewaͤh-
[736]Die zwey und zwantzigſte
bewaͤhret wird lauter befunden: Hie iſt das rechte Judicium und Urtheil
uͤber das begangene und verrichtete gute oder boͤſe Werck; Hie das be-
waͤhrte Judicium oder Anzeig deſſen Wercks/ ſo man unter die Hand ge-
nommen. Hie das Oraculum und Goͤttliche Antwort auff allerhand Ge-
wiſſens-Faͤlle/ daraus man zu berichten/ was man auff ein und andern
Weg mit gutem und lauterem Gewiſſen thun oder laſſen moͤge.
Handleitung ligt abermal dem Predigampt an/ da nicht genug die Mo-
ralia uñ Legalia, Tugend- und Laſterpredigten insgemein ablegen/ der Tu-
gend Sporen/ Untugend Zaum geben/ ſondern es muͤſſen auch dieſelbe
recht eigentlich/ gruͤndlich/ umbſtaͤndlich/ nicht allein in ihrer Subſtantz/
ſondern auch gradibus unterſchiedlich ins Liecht geſtellet werden; damit
ein jeder wiſſe/ was die Untugend anlangt/ und wie er getroffen/ und Ur-
ſach findet vielmehr in ſich ſelbſt/ als auff einen andern zu ſehen. Sonſt
kans geſchehen/ daß der aͤrgſte Geitzhalß/ Betrieger/ Verleumbder/ oder
auch Phariſaͤer ꝛc. auff andere ſihet/ und gedencket/ das gehe ihn nicht
an/ ſondern dieſen oder jenen/ deꝛ dort ſitzet. Deꝛ beſte Didacticus und Lehreꝛ
iſt/ der das/ was er andere lehret/ im Werck ſelbſt leiſtet/ und mit eigenem
Exempel weiſet/ was recht oder unrecht/ gut oder boͤſe/ ſonſt gilt ihm der
ſchroͤckliche Verweiß/ Pſalm. 50/ 16. 17. 18. 19. 20. 21. Was verkuͤn-
digeſt du meine Rechte/ und nimmeſt meinen Bund in dei-
nen Mund? So du doch Zucht haſſeſt/ und wirffeſt meine
Wort hinter dich/ wenn du einen Dieb ſiheſt/ ſo lauffeſt du
mit ihm/ und haſt Gemeinſchafft mit den Ehebrechern/ dein
Maul laͤſſeſt du boͤſes reden/ und deine Zunge treibet Falſch-
heit. Du ſitzeſt und redeſt wider deinen Bruder/ deiner Mut-
ter Sohn verleumbdeſt du. Das thuſt du/ und ich ſchweige/
da meineſt du/ ich werde ſeyn/ gleich wie du/ aber ich wil dich
ſtraffen/ und wil dirs unter Augen ſtellen. Rom. 2/ 21. 22. 23. 24.
Nu lehreſt du andere/ und lehreſt dich ſelber nicht/ du predi-
geſt/ man ſoll nicht ſtehlen/ und du biſt ſelbſt ein Dieb/ du
ſprichſt/ man ſoll nicht ehebrechen/ und du biſt ſelber ein Ehe-
brecher/ dir grauet fuͤr den Goͤtzen/ und du biſt ſelber ein Goͤ-
tzendieb/ du ruͤhmeſt dich deß Geſetzes/ und ſchaͤndeſt GOtt
durch Ubertrettung deß Geſetzes. Vorzeiten ſind die Collegia Cano-
nicatuũ, Thumſtiffter/ Zuſam̃enkunfften deßwegen aufgerichtet worden/
daß man in allerhand difficultaͤten/ und ſchweren und ſtreitigen ſo Reli-
gions-ſo Gewiſſens-Sachen daſelbſt ſich Beſcheids erhole/ nach dem
Exempel der Juͤdiſchen Verſamlungen und Schoͤffenſtuͤhle/ deren einer
zu
[737]Predigt.
zu Abela geweſen/ davon man pflegte zu ſagen/ wer fragen wil/ der
frage zuAbela,und ſo giengs wol auß. 2. Sam. 20. Was aber
auß ſolchen Stiffts-Kirchen endlich worden ſey/ iſt offenbar. Lutherus
hat auch in dieſem Stuck ſeinen Goͤttlichen Eiffer erwieſen/ aber es hat
an ſecunden gemangelt. Jſt ein Mangel und Fehler in unſern Refor-
mirten Kirchen/ ſo iſt dieſer einer/ und zwar ein groſſer Fehler/ daß man
nicht dergleichen Collegia anſtellt/ oder die alte Intention revocirt, da
manche Religions-Streitigkeit/ als auch Gewiſſens-Faͤlle koͤnte decidirt
und außgemacht werden. Juriſtiſche Schoͤff-Stuͤhle/ und particula-
ria Judicia Facultatum Theologicarum ſind zu wenig/ und langen nicht
weit. Unterdeß muß man ſo weit gehen als man kan. Bidenbach.Theol.
Conſc.
part. 2.
p. 248. \&
ſeq. 256.
ſchreibt ad 1. Sam. 14. p. 135. Die Jſraeliten haben dieſen Vortheil
gehabt/ daß ſie Gottes Beſcheid/ durchs Liecht wiſſen moͤgen/
das haben ſie nicht mißbrauchet/ ſondern allein in hohen wich-
tigen und zweiffeligen Sachen/ GOttes ſonderbaren Be-
ſcheids ſich erholet: ſonſten aber in andern gemeinen Faͤllen/
ſind ſie zum Geſetz und zum Zeugnuͤß beſcheiden worden/ wie
man lieſet Eſaiaͤ am 8. Cap. Das ſollen wir auch thun/ ja
wann wir rechte Chriſten ſeynd/ und Gottes Wort fragen/
ſo antwortet uns unſer eigen Gewiſſen/ (ſo fern es auß Got-
tes Wort erleuchtet) darwider ſollen wir nicht thun. Und
ſolleſt allezeit was du fuͤrnimmeſt/ dein eigen Hertz darum
fragen: dienet diß oder jenes zu GOttes Ehre? Mag es dem
Nechſten zu Nutzen kommen? iſt es der Erbarkeit und Bil-
ligkeit gemaͤß? iſt es dem natuͤrlichen Recht und geſchriebe-
nen Geſaͤtz nicht zuwider? moͤchteſtu leiden/ daß man in
gleichem Fall auch alſo gegen dir handelte? kanſtu es gegen
GOtt und der Welt verantworten? Wann wir das nicht
thun/ ſo wird uns das Geſaͤtz anklagen/ und unſer Gewiſſen
uns uͤberzeugen. Wie wir aber das alles/ wie obgemeldt/ mit
Fleiß bedencken werden/ und doch nicht alles/ nach unſerm
Begehren außſchlagen wird/ ſo behalten wir doch nichts de-
ſtoweniger ein gut unverletztes Gewiſſen/ und einen gnaͤdi-
gen GOtt. Und muß einmal denen/ die GOTT lieben/
alles zum beſten dienen/ Rom. 8. Wolte Gott es verſtuͤnde man-
cher Prediger/ was auch in dieſem Stuͤck ſeines Ampts ſey/ wie tieff er in
Gottes Wort zu forſchen verbunden: Wie hoch er verpflicht/ ſeiner Zuhoͤ-
rer Gewiſſen auß dem gruͤndlichen Verſtand der H. Zehen Gebott/ auff
Achter Theil. A a a a aalle
[738]Die vier und zwantzigſte
alle Faͤlle recht zu unterrichten/ auff daß er in ſeinem leiſten Ende/ mit
St. Paulo warhafftiglich ſagen moͤg/ ich bin rein von aller meiner
Zuhoͤrer Blut/ Act. 20/ 26. Wers bedenckt/ dem ſolte wol der Schweiß
außgehen. Wol ſtuͤnde es auch/ wann ein jeder Chriſt ſich und ſeine
Actiones fuͤr die Norm ſeines Gewiſſens ſtellete/ ſich ſelbſt entweder ab-
ſolvirte oder verdam̃te/ ſich entweders ſchuldig gebe zur Buſſe/ oder ſich
verſichere/ daß er recht und wol gehandelt/ handle/ und handeln werde/ zur
Gewiſſens-Ruh. Es mag gleich Frau Calumnia und der Welt Laͤſter-
maul davon urtheilen/ was und wie es wil. Ein gut Werck oder Tu-
gend iſt es/ wann es geſchehen auß gutem auffrichtigem/ durch den Glau-
ben geheiligtem Hertzen/ wann es von GOtt befohlen/ wann es durch
gute und rechtmaͤſſige Mittel und Umſtaͤnde/ eine gute und heilſame In-
tention mit ſich fuͤhret/ nemlich GOttes Ehre zuvorderſt/ da der Menſch
mit David ſagen kan mit Warheit: Jch habe den HERRN allezeit
fuͤr mir/ und dann auch deß Neben-Menſchen Nutz und Erbauung.
Wil einer auſſer ihm von ſeinem Naͤchſten urtheilen/ ſo ſehe er wol zu/ daß
er die rechte Brille auffſetze/ und nicht auß Splittern Balcken mache/ und
die ungleiche Wage brauche. So wird alsdann ein jeder in ſeinem Ge-
wiſſen verſichert/ daß ſein Thun GOtt gefalle/ das Hertz wird erfreuet.
Pſalm. 19/ 8. 9. Das Geſaͤtz deß HErꝛn iſt ohne Wandel/ und
erquicket die Seele/ die Gebott deß HErꝛn ſind richtig/ und
erfreuen das Hertz. So wird man alsdenn uns mit dem Elogio
koͤnnen anſprechen/ mit welchem Moſes das Volck Jſrael Deut. 4/ 6. 7. 8.
So behaltet nun und thuts/ dann das wird euer Weißheit
und Verſtand ſeyn bey allen Voͤlckern/ wann ſie hoͤren wer-
den alle dieſe Gebott/ daß ſie muͤſſen ſagen: Ey welche weiſe
und verſtaͤndige Leute ſind das/ und ein herꝛlich Volck/ denn
wo iſt ſo ein herꝛlich Volck/ zu dem die Goͤtter alſo nahe ſich
thun/ als der HERR unſer GOTT/ ſo offt wir Jhn anruf-
fen/ und wo iſt ſo ein herꝛlich Volck/ das ſo gerechte Sitten
und Gebott habe/ als alle dieſe Geſaͤtz/ das ich euch heutiges
Tages fuͤrlege? Das helffe uns allen der allein weiſe
GOTT/ hochgelobet und hertzlich geliebet
in Ewigkeit! Amen.
ES hat ein Concilium keine Macht neue gute Werck zugebieten/ kans auch
nicht thun/ denn da ſind bereit an/ alle gute Werck in der H. Schrifft gebotten
uͤberfluͤſſiglich. Was kan man mehr guter Wercke erdencken/ denn die der
H. Geiſt in der Schrifft hat gelehret? als Demut/ Gedult/ Sanfftmut/ Barm-
hertzigkeit/ Treue/ Glaube/ Guͤtigkeit/ Friede/ Gehorſam/ Zucht/ Keuſchheit/
geben/ dienen/ ꝛc. Vnd Summa/ die Liebe/ was kan doch vor ein gut Werck er-
dacht werden/ das nicht in der Liebe gebotten iſt? Jſts aber auſſer der Liebe/ was
iſts dann fuͤr ein gut Werck? Sintemal die Liebe iſt/ nach S. Paulus Lehre/ al-
ler Gebott Erfuͤllung/ wie auch Chriſtus ſelbſt ſagt/ Matth. 5. Vber das hat
ein Concilium Macht/ iſts auch ſchuldig zu thun/ daß es boͤſe Werck/ ſo der Liebe
widerſtreben/ verdamme/ nach der H. Schrifft und alter Weiſe der Kirchen/ und
die Perſonen ſtraffe/ wie deß Niceni Concilii Decret ſtraffet der Biſchoffe und
Diacon Chrſucht und andere Laſter. Hie waͤre aber wol zu reden von zweyer-
ley boͤſen Wercken/ etliche/ die offenbarlich boͤſe heiſſen und ſind/ als Geitz/
Mord/ Ehebruch/ Ehrſucht/ und dergleichen/ ſolche finden wir von den Conciliis
verdam̃t/ wie ſie auch ohne die Concilia in der Schrifft verdammet ſind/ dazu
auch im weltlichen Recht geſtraffet werden. Aber daneben ſind andere neue gu-
te Werck/ die heiſſen nicht boͤſe/ ſondern ſind ſchoͤn boͤſe/ feine Laſter/ heilige Ab-
goͤtterey/ von den ſonder Heiligen oder auch tollen Heiligen erdichtet/ und Sum-
ma/ der weiſſe Teuffel und liechter Satan. Solche boͤſe/ (ich ſolt ſagen) neue
gute Werck/ ſollen die Concilia auffs hoͤheſte und ſchaͤrffeſte verdammen/ denn
ſie ſind dem Chriſtlichen Glauben gefaͤhrlich/ und dem Chriſtlichen Leben aͤrger-
lich/ und machen den beyden eine Vngeſtalt oder Verachtung. Als wann ein
ſchwacher Chriſt hoͤret oder ſihet/ einen heiligen Einſidler oder Muͤnch/ der eine
ſonder ſtrenge Weiſe fuͤhret/ ůber den alten gemeinen Chriſtenſtand oder Weſen/
ſo ſtoͤſſet er ſich daran/ und denckt/ daß gegen dieſem neuen Heiligen/ aller alter
Chriſten Leben nichts oder gar weltlich und gefaͤhrlich ſey. Daher iſt denn einge-
riſſen der Greuel in aller Welt/ ſo ein Chriſtlicher Buͤrger oder Baur/ der einen
rechten reinen Glauben hat an Chriſto/ und ſich uͤbet in den rechten/ alten guten
Wercken/ von GOtt in der Schrifft gebotten/ als in Demut/ Gedult/ Sanfft-
mut/ Keuſchheit/ Liebe und Treue gegen ſeinem Nechſten/ Fleiß und Sorge in ſei-
nem Dienſt/ Ampt/ Beruff und Stand/ dieſer iſt ein rechter alter Heilige und
Chriſt/ Aber er muß ſtincken und nichts ſeyn gegen dem neuen Heiligen/ der un-
ter einem ſondern Kleide/ Speiſe/ Faſten/ Lager/ Geberden/ und dergleichen
neuen guten Wercken/ ein hochmuͤtiger/ ehrſuͤchtiger/ zorniger/ ungedultiger/
haͤſſiger/ fleiſchbruͤnſtiger/ vermeſſener/ falſcher Chriſt iſt. Solche nennet St.
Paulus ſelbſt/ hoffaͤrtige und eigenwillige Heiligen/ die ihnen ſelbſt erwehlen/
ein neues eigenes Weſen und Gottesdienſt (von GOtt nicht gebotten) uͤber das
alte/ rechte/ gemeine Weſen und Gottesdienſt der Chriſtlichen Kirchen/ von
GOtt geſtifftet und gebotten. Es moͤgen die Außerwehlten in ſolchen neuen
A a a a a 2aͤrger-
[740]die fuͤnff und zwantzigſte
aͤrgerlichen Wercken erhalten ſeyn/ aber ſie haben dieſe neue Haut muͤſſen wie-
der außziehen/ und in der alten Chriſtlichen Haut ſelig werden/ gleichwie St.
Anthonio geſchach/ da er lernen muſte/ daß ein Schuſter oder Gerber zu Alexan-
dria/ beſſer Chriſt waͤre/ denn er mit ſeiner Muͤncherey/ wie er auch bekante/ Er
waͤre nicht ſo weit kommen/ als derſelbe Schuſter. Alſo auch der groſſe hei-
lige Johannes/ Primus Eremita, der auch ein Prophet war dem Kayſer Theodo-
ſto von St. Auguſtino hoch geruͤhmet/ da die Leute ſich ſeiner Strenge verwun-
derten/ unter welchen St. Hieronymus einer war/ gab er dieſe Antwort/ was
ſuchet ihr ſonderliches bey uns? Habt ihrs doch beſſer in euren Pfarren/ da man
der Apoſtel und Propheten Schrifft und Exempel euch predigt? Das heißt ja die
Kappen außgezogen und ſich unter die H. Schrifft geworffen/ den gemeinen
Chriſtenſtand allein preiſen. Jtem Paphnutius muſte lernen/ er waͤre einem
Fideler gleich/ der ein Moͤrder geweſt war. Jtem zweyen Ehfrauen/ die bey
ihren Maͤnnern dieſelbige Nacht gelegen waren/ und muſte ſagen: Ey man ſoll
keinen Stand verachten. Alſo iſt St. Bernhardus/ Bonaventura/ und ohn
Zweiffel viel mehr frommer Menſchen auch geſchehen/ da ſie zuletſt gefuͤhlet/ daß
ihre neue Heiligkeit und Muͤncherey/ den Stich nicht hat koͤnnen halten/ wider
die Suͤnde und Tod/ ſind ſie zum Creutz gekrochen/ und an ſolche neue Heiligkeit/
im alten Chriſtlichen Glauben ſelig worden/ wie das St. Bernhardus Wort an
viel Orten zeugen.
GEliebte in Chriſto. Dein Wille geſchehe
auff Erden/ wie im Himmel! Jſt und ſoll ſeyn
unſer taͤgliches Votum, und ſehnlicher hertzlicher
Wunſch/ daß wir/ wie in andern Stuͤcken/ alſo auch
im Lobe GOttes/ ſo da geſchicht durch Stimmen und
Singen/ den Engeln im Him̃el moͤchten nachſingen/
oder vielmehr nachlallen/ und ein holdſeliges Echo und Widerſchall auff
Erden erſchallen laſſen/ daß gleichwie der Papagey dem Menſchen lernt
nachſchwaͤtzen/ wir auch den Engeln im Him̃el nachſingen moͤchten. Jſt
aber
[741]Predigt.
aber auch zugleich eine lehrreiche Idea und Muſter der Art und Weiſe/ wie
unſer Lobſingen beſchaffen/ wann es Gott im Himmel gefaͤllig ſeyn ſoll/part. 1. lact.
catech.
conc. 36.
p. 519.
nemlich wie zu andern Zeiten außgefuͤhret worden/ wie die Himmliſche
Seraphim dem HErꝛn Meſſia/ als Er auff einem erhabenen hohen
Stuhl/ in Goͤttlicher herꝛlicher Majeſtaͤt dem Propheten Eſaja erſchie-
nen/ ihr τρισάγιον ihr drey Heiliges geſungen: Heilig iſt GOtt der
HErꝛ Zebaoth ꝛc. und daſſelbe Heiliglich/ als die da geſungen von
dem Allerheiligſten; Liebbruͤnſtig/ als lieb-brennende Geiſter; demuͤ-
thig/ als die ihr Angeſicht und Fuͤſſe bedecket vor dieſer hohen Majeſtaͤt;
lieblich/ in holdſeligen Fugen/ und Stimm-Wechslungen; gravitaͤ-
tiſch/ davon die Uberſchwellen gebebet; kluͤglich/ verſtaͤndlich/ alſo daß
ihre Wort und dero Verſtand Eſaias nachſagen/ und nachſchreiben koͤn-
nen. Uber das/ begreifft beſagtes Wort auch in ſich ein Celeuſma, Trieb
und Anfriſtung zur Nachfolge und Leiſtung deſſen was wir wuͤnſchen/ daß
wir auff Erden ein Echo und Widerſchall lauten laſſen/ die Engel ſecun-
diren/ und alle Welt (nicht deß Fluchens/ wie leyder geſchicht/ ſondern)
Goͤttlicher Ehre vollmachen/ auff Engliſche Art und Weiſe/ nicht nur
Tempel und Kirchen/ Schulen und Cloͤſter; ſondern auch Officin und
Werckſtaͤtte/ ja alle Welt/ Feld und Waͤld erfuͤllen/ daß gleichwie Nilus
der Fluß Egypti/ das gantze Egyptenland jaͤhrlich uͤberſchwemmet/ und
gleichſam ſchwaͤngert und fruchtbar machet: Gleichwie der Jordan ſich
uͤber das umliegende Land Canaan/ zu heiſſer Erndzeit ergeuſſet/ und die
zarte und welckſichtige Ahren erquicket und erlabet: Alſo auch Gottes Ehre
alle Welt/ ſonderlich auch mit anmuthigen Pſalmen und Lob-Geſaͤngen
uͤbergieſſe/ erfreue/ und guͤldenen Gnaden-Segen/ in die Hertzen der Men-
ſchen einfloͤſſe. Maſſen zu Hieronymi Zeiten geſchehen/ davon er ruͤhmet
epiſt. 17. ad Marcell. es habe der Bauersmann/ wann er dem Pflug
nachgangen/ Alleluja geſungen/ der Schnitter/ der Weinleſer/ habe ſeine
Arbeit mit ſchoͤnen geiſtlichen Pſalmen Davids uͤberzuckert. Davon nun
auch vor dieſesmal nuͤtzlich und erbaulich zuhandeln/ wolle der Allerhoͤchſte
Gott mit dem Gnaden-Liecht ſeines guten Geiſtes mildiglich erſcheinen/
Amen.
DAß auch das Singen der geiſtlichen Pſalmen und
Lieder/ ein Stuͤck ſey der Lehre/ die der Herr ſeinen Juͤngern
ernſtlich anbefohlen/ daſſelbe zeigt der Apoſtel an mit klaren Wor-
ten/ Coloſſ. 3/ 16. LEHRET/ vermahnet euch ſelbſt mit Pſal-
men und Lob-Geſaͤngen/ und geiſtlichen lieblichen Liedern.
Epheſ. 5/ 18. 19. Redet untereinander von Pſalmen und Lob-Ge-
A a a a a 3ſaͤn-
[742]Die fuͤnff und zwantzigſte
ſaͤngen und geiſtlichen Liedern/ ſinget und ſpielet dem Herꝛn.
Sondern es hat auch David darauff gedeutet/ wie in allen denen Pſal-
men/ die den Titul fuͤhren der Unterweiſung/ alſo inſonderheit Pſalm. 63/ 6.
Das waͤre meines Hertzens Freude und Wonne/ wann ich
Dich mit froͤlichem Munde loben ſolte. Das waͤre meine Freu-
de/ wie es in der Grund-Sprache lautet/ [...]wie das Fett von der
Milch/ darum zur Milch-Speiſe gehoͤret auch das ſinnliche und ver-
nuͤnfftige Singen/ dadurch die Seele ſo wol geſaͤttiget wird/ ſo wol/ als
von einem koͤſtlichen und fetten Mahl. Ach daß ich/ wil er ſagen/ einmal
meines Exilii befreyet/ Pſalm. 63/ 1. (Dann er war in der Wuͤſten Ju-
da.) Ach daß ich auch mit meinem Pſalter und Harffenſpiel/ ſchoͤne
geiſt- und lehrreiche Lieder/ moͤchte zum Gottesdienſt beytragen/ mich und
andere dadurch zu lehren und unterweiſen. Der Zweck unſers Glau-
bens und Chriſtenthums/ iſt zuvordeſt Gloria Numinis magna, major,
maxima, die groſſe Goͤttliche Ehre/ die groͤſſere/ die allergroͤſte. So Da-
vid und andere heilige Gefaͤſſe der Ehre GOttes/ ihren kuͤnfftigen verſpro-
chenen Meſſiam/ ſo ſchoͤn und herꝛlich mit Muſtciren/ Pſalmen und geiſt-
lichen Liedern verehret/ wie vielmehr wil ſolches uns gebuͤhren/ den allbereit
im Fleiſch erſchienenen Meſſiam/ wie auff andere Weiſe und Wege/ alſo
auch mit Lob-Geſaͤngen zuempfangen/ und andere neben uns entzuͤnden
und belehren/ wie ſie gleicher maſſen denſelben loben ſollen. So offt Da-
vid ſein Halleluja intonirt/ ſo offt er vermahnet zum ſingen/ Pſalm. 47/ 2.
Frolocket mit Haͤnden alle Voͤlcker/ und jauchzet GOtt mit
froͤlichem Schall/ ſo offt hat der H. Geiſt durch ihn zu lehren durchs
Geſang befohlen. Neben der Ehre GOttes verſirt auch unſer Nutz und
Troſt hierinnen/ denn ob zwar wol das muͤndliche Singen zur Lehre/ und
Unterricht im Glauben und Chriſtenthum kein bloß noͤthiges Ding iſt/ ſo
kan man doch dem guten nicht zuviel thun. Es iſt die Muſic gleichſam der
Zucker der Chriſtlichen Lehre/ dadurch dieſe deſto lieber angenommen und
tieffer penetrirt oder durchtringet. Religioſius \& ardentius ſentio
moveri animos noſtros in flammam pietatis, cùm ita cantantur ſan-
cta dicta, quàm ſi non ita cantarentur, \& omnes affectus ſpiritus
noſtri pro ſuavi diverſitate habent proprios modos in voce atque
cantu, quorum neſcio, qua occulta familiaritate ex citentur, ſchreibt
Auguſtinus lib. 10. Confeſſ. c. 33. Jch fuͤhle und empfinde es/ daß unſe-
re Hertzen durch die Muſic gleichſam entzuͤndet/ und unſere Geiſter bruͤn-
ſtig werden/ und weiß nicht wie ermundert/ wann man bald dieſen Thon/
bald einen andern anſtimmet. Jn anſehen deſſen hat die erſte Apoſtoliſche
Mutter-
[743]Predigt.
Mutter-Kirche/ in ſolchem Gottesdienſt ſich fleiſſig geuͤbet/ und den Apo-
ſtoliſchen Befehl erfuͤllet/ die Him̃liſche Heerſcharen haben mit ihrem Lob-
geſang intonirt/ Simeon und Hanna den Reigen gefuͤhrt/ die Erſtlingevid.
Denckmal
p. 64. 71.
der bekehrten Pfingſt-Seelen mit Freuden und einfaͤltigem Hertzen nach-
geſungen/ Act. 2/ 47. αἰνου̃ντες, dem gefolget in der erſten Kirchen die Chri-
ſten in Antiochia/ da man die Pſalmen Davids Chorsweiſe geſungen.
Hieronymus ſchreibt in Comm. ad Eph. 5. Audiant hoc adoleſcen-
tuli, audiant ii, quibus pſallendi in Eccleſia eſt officium, DEO non
voce, ſed corde cantandum. Die Reliquias der alten Kirchenlieder
haben wir noch heutiges Tags/ Ambroſii, Lactantii, Auguſtini, Pru-
dentii, deſſen Geſaͤnge Lutherus gewuͤnſcht/ daß ſie (verteutſcht) in den
Schulen moͤchten geleſen und geſungen werden. (Tiſchreden pag. 375.)
Aber nachdem der Antichriſt in dem Tempel Gottes geſeſſen/ iſt es auff dem
Felde mauß ſtille worden/ in Privat-Haͤuſern ſind alle Pſalmen erſtum-
met/ und wie man dem armen Layen die Bibel genommen/ ſo hat man ihm
auch die Pſalmen entzogen/ und dieſelbe allein in Cloͤſter verwieſen/ da
das unvernuͤnfftige Bruͤllen uud Heulen angangen; biß der allmaͤchtige
Gott ſich wieder uͤber Teutſchland erbarmet/ und durch den theuren
Werckzeug Lutherum/ und andere ſeine Paraſtaten/ dieſe edele Kunſt
erſtattet/ und wiederum ans Liecht gebracht/ die allerhand ſchoͤne Lehr- und
Troſt-Pſalmen/ in anmuthige Reimen verſetzt/ und mit lieblichen Tonis
und Melodeyen gezieret. Seine Wort lauten hievon alſo in der erſten
Vorrede uͤber die geiſtlichen Lieder Tom. 8. Jen. pag. 492. Jch habe et-
liche geiſtliche Lieder zuſam̃en gebracht/ das H. Evangelium/
ſo jetzt von Gottes Gnaden wieder auffgangen iſt zutreiben/
und im ſchwang zubringen/ daß wir uns auch moͤchten růh-
men/ wie Moſes in ſeinem Geſang thut/ Exod. 15. Daß Chri-
ſtus unſer Lob und Geſang ſey/ und nichts wiſſen zu ſingen
noch zu ſagen/ denn JEſum Chriſtum unſern Heyland/ wie
St. Paulus 1. Cor. 2. ſaget: Sein Votum und Wunſch iſt wahr wor-
den/ und ſo fern ein Prophetiſcher Wunſch geweſen/ da er in der andern
Vorrede geſchrieben ibid. fol. 393. GOtt gebe/ daß damit dem
Roͤmiſchen Pabſt/ der nichts/ dann Heulen/ Trauren und
Weinen in aller Welt hat angerichtet/ durch ſeine verdam̃te/
untraͤgliche und leidige Geſaͤtz groſſer Abbruch und Schaden
geſchehe.Dictum atque factum. Wie begehrt/ ſo gewaͤhrt! dann
ja auch durch Lutheri Schwanen-Geſang neben andern Mitteln das Gna-
denreiche Reformations-Werck kraͤfftiglich befoͤrdert/ viel hundert See-
len
[744]Die fuͤnff und zwantzigſte
len auß dem Rachen deß Roͤmiſchen Thiers gezogen worden. Als welchen
Geſaͤngen nicht ſo leicht wie andern ſeinen Buͤchern und Schrifften/ der
Weg und Fluͤgel haben koͤnnen verhauen und beſchroten werden. Sie
ſind in frommer Chriſten Gedaͤchtnuß und Sinn geblieben/ damit ſie in
fremden Orten gleichſam gekramet/ und viel geiſt-hungerige Seelen er-
quickt. Jnmaſſen die Feinde der Warheit ſelbſt uͤber ſolch Goͤttlich Wun-
der-Gluͤck und Geſchick heulen und ſchreiben muͤſſen. Darum hat Adam
Conzen. lib. 2. Polit. c. 18. p. 99. ein beruͤhmter Jeſuit/ ſeinen Glaubens-
Genoſſen/ wann dieſelbe die Lutheraner wiederum zur Paͤbſtiſchen Kir-
chen bekehren wollen/ den Rath gegeben/ ſie ſollen die Muſic zu einem Mit-
tel gebrauchen/ und Kirchen-Geſaͤnge einfuͤhren. Hymni Lutherici (wie
ſeine Wort lauten) ſicut Bezani animas plures, quàm ſcripta occide-
runt. Quidni igitur hoc ad medicinam Princeps orthodoxus, quod
ad perniciem impoſtores excogitarunt? Luthers Geſaͤnge und Bezaͤ
Lieder haben mehr Leute getoͤdtet/ als ihre Predigten. Warum wolte dann
nicht auch ein Catholiſcher Fuͤrſt das Mittel ergreiffen zur Artzney/ durch
welches die Vorfahren verfuͤhret worden. Welchen Rath zuleiſten juͤngſt-
hin Anno 1661. das Maͤyntziſche Geſang-Buch/ auff eine neue Art auß-
gefertiget/ und zuvor Greg. David Cornerus, Prior auff Coͤttwig in
ſeinem groſſen Catholiſchen Geſang-Buch/ gedruckt zu Nuͤrnberg Anno
1631. bewogen worden/ auff Weiſe der Hyenæ, Luthers Geſaͤnge nachzu-
aͤffen/ und alſo zu melodiſiren/ daß man die Stimme deß Hirten/ vor der
Wolffs-Stimme nicht wol unterſcheiden koͤnnen.
Luthers Lieder ſind erſtlich geiſtreich/ wol/ ſchoͤn/ lieblich und gravitaͤ-
tiſch moduliret/ ent ſprungen auß bruͤnſtigem Geiſt/ ſind voll Geiſtes/ und
erwecken Hertzens-Freude und Troſt/ dem boͤſen Geiſt zu Trotz/ wo ſie nur
mit hertzlicher Andacht/ Sinn und Verſtand geſpielet werden. Wieviel
(ſchreibt D. CorneliusBecker/ in der Vorrede deß Pſalters Davids/
Geſangsweiſe formiret) tauſend Menſchen/ haben in ihrem Creutz und
Elend/ ſonderlich wann es in Todesnoͤthen zun letſten Zuͤgen gerathen
wollen/ auß ſolchen holdſeligen Gnadenreichen Liedern/ ſo kraͤfftigen Troſt
empfangen/ daß ſie dadurch geſtaͤrcket/ mit Fried und Freude auß dieſem
zeitlichen in das ewige Leben abgeſchieden ſind. Und wird ſonderlich auch
der Geiſt in ſuͤſſen Liebes-Thraͤnen geſpuͤret/ divini amoris rara hora, par-
va mora. Bernh. Serm. 23. in Cant. Sie ſeynd 2. Lehrreich/ und erklaͤ-
ren den Chriſtlichen Catechiſmum/ die Articul deß Glaubens/ ſonderlich
den von der Rechtfertigung deß armen Suͤnders vor GOtt/ welches ſonſt
bey vielen/ die weder ſchreiben noch leſen koͤnnen/ gemangelt. Sie ſeynd
3. Schutz-
[745]Predigt.
3. Schutzreich/ als in welchen mancher alter Jrrthumb widerleget/
und neuen vorgebeuget worden. Zum Exempel/ der Zwingliſchen Al-
lœoſi in den Weynacht-Liedern: Gottes Wort bluͤhet eine Frucht Wei-
bes-Fleiſch/ deß ſich wundert alle Welt/ die kein Mann ruͤhret noch er-
kennt/ von Gottes Wort man ſie ſchwanger fand/ der Schoͤpffer aller
Ding lag im Heu mit Armuth groß/ die Krippen hart ihn nicht ver-
droß. Es war ein kleine Milchſein Speiß/ der nie kein Voͤglein hungern
ließ. Gottes Sohn vom Himmelreich uͤber die Nature/ von einer
Jungfrau iſt gebohren/ Maria du biſt außerkohren/ daß du Mutter waͤ-
reſt/ deß ewigen Vatters einig Kind/ jetzt man in der Krippen find/
den aller Welt Kreiß nie beſchloß/ der ligt in Marien Schoß ꝛc. Dem
auch Zwingliſchen Abweſen deß Leibs Chriſti im H. Abendmahl/ in dem
Huſſiſchen von Luthero gebeſſertem Liede: JEſus Chriſtus unſer
Heyland ꝛc. durch die Wort/ verborgen im Brod ſo klein. Wel-
ches Serinus (der vor dieſem den Calviniſmum in der Stadt Colmar
eingefuͤhrt) wol gemerckt/ darumb er/ eigenthaͤtlicher Weiſe/ ſolches alte
Martyrer-Lied zu ſingen verboten. Worauff folgendes von Ambroſio
Socino daſelbſt der Lobwaſſer eingelaſſen worden. Jtem den Paͤpſti-
ſchen/ auch alten und neuen Majoriſten/ in den Liedern: So macht al-
lein der Glaub gerecht/ die Werck die ſind deß Naͤchſten
Knecht/ dabey wir den Glauben mercken. Meine gute Werck
die galten nichts/ es war mit ihn verlohren/ ꝛc. Was waͤre dar-
umb zu geben/ daß der theure Mann Lutherus eine ſolche Arbeit/ die er an et-
lichen Pſalmen verrichtet/ an das gantze Pſalter-Buch zuwenden/ Zeit
und Muſſe von andern obliegenden/ hochwichtigen Geſchaͤfften gehabt
haͤtte?
Wobey es die unzeitige Reformatores wol haͤtten ſollen bleiben laſ-
ſen/ weil ſie es nicht beſſer koͤnnen/ oder wollen. Ein anderer LOB-Waſ-
ſer/ dadurch die fuͤrnehmſte Prophetiſche Pſalmen verfaͤlſcht worden/ wir
loben den alten Wein/ und bleiben bey Luth. Pſalmen/ wiewol der ſchnoͤ-
de Fuͤrwitz/ und ſchaͤndliche Luſtſeuche/ an vielen Orten Luthero zeitlich
abgedanckt/ und ſeine Lieder verleidet/ denen die ſich verliebet in den erſtge-
nannten Lobwaſſer/ der Calviniſten Vortrab und Augapffel: deſſen
Urſprung und Beermutter Franckreich geweſen/ da ein Frantzoͤſiſcher
Poet Claudius goudimel (wie Maſſon. part. 1. annal. univerſ. cap. 1.
p. 74. aus Thuano und Meliſſo referirt/ oder Clemens Marotus, nach
Fam. Strad. Meynung dec. 1. Bell. Belg. lib. 3. pag. 109.) Davids Pſal-
ter in Vers und Reimen verſetzt. Theodorus Beza hat dieſelbe mit Uber-
Achter Theil. B b b b bſchriff-
[746]Die fuͤnff und zwantzigſte
ſchrifften und Summarien verſehen; Ambroſius Lobwaſſer ein Juriſt/
ſonſt Augſpurgiſcher Confeſſion zugethan/ deme aber die Gabe der Un-
terſcheidung der Geiſter gemangelt/ in unſer teutſche Mutter-Sprache
gebracht/ und als Dolmetſch es im Teutſchen nicht beſſer machen koͤnnen/
als ers im Frantzoͤſiſchen gefunden. Jn welchem die Meiſter von hohen
Sinnen gantz unverantwortlicher Weiſe/ durch die den Pſalmen vorge-
ſetzte Summarien den HErrn Chriſtum/ aus den vornehmſten Weiſſa-
gungen/ ſo viel an ihnen/ geraubet/ fuͤr den Kern die bloſſen Schalen hin-
terlaſſen/ dem Sinn deß Geiſtes zuwider/ die helle klaren Zeugnuͤſſen/
dadurch im Neuen Teſtament gedachte Weiſſagungen/ als in Chriſto
erfuͤllet/ allegirt und erklaͤret werden/ in frembden Verſtand verkehret/ wie
ſolches zum Theil aus dem achten/ ſechzehenden/ acht und ſechtzigſten/
neun und ſechtzigſten/ zwey und ſiebentzigſten Pſalmen/ darinnen deß
HErrn Chriſti gar vergeſſen worden; zum Theil aus dem andern/ zwey
und zwantzigſten/ und andern/ darinnen ſie David vorſetzen/ und Chri-
ſtum im Fuͤrbild kaum von ferne hernach fuͤhren/ genugſam offenbahr/
und am Tage iſt. Hat Bonaventura ein alter Schul-Lehrer eine Blaſphe-
miam und Gotteslaͤſterung begangen (wie Andreas Rivetus wol geur-
theilet/ in Apolog. pro S. virg. l. 2. c. 10. p. 306.) in dem er Davids Pſal-
men auff die Mutter Gottes dergeſtalt gerichtet/ daß alles/ was von GOtt
dem Vatter und Chriſto gemeinet und herrlich außgeſprochen/ auff ſie/
die werthe Jungfrau Mariam applicirt; wie ſoll man denn den ſo hoch-
geruͤhmten und beliebten Lobwaſſer nennen/ als in deme/ was von Chri-
ſto dem HErrn/ herrlich und loͤblich im Pſalter geruͤhmt worden/ deß
Meſſiaͤ Vatter David/ ohne Danck deſſen beygelegt wird? Vide Dedek.
conſil. Tom. 1. pag. 279. Hodom. Spirit. Calv. Phant. 6. pag. 1176.
Soll aber ſolche Cantorey wol von ſtatten gehen/ und in Gottes
Ohren annehmlich und lieblich erklingen/ ſo iſt auch noͤthig/ daß Chora-
gi und Meiſter der Muſic oder Singkunſt in der Chriſtlichen Kirchen
unterhalten werden. Dergleichen im Alten Teſtament einer geweßt
Chenanja 1. Chron. 16, 22. Chenan Ja aber der Leviten Ober-
ſter/ der Sangmeiſter/ daß er ſie unterweiſet zu ſingen/ dann
er war verſtaͤndig. So iſtauch zu und bey der ſelben nuͤtzlich die γυμνα-
σία, die Ubung/ das Nachſinnen/ und rechte Melodey und Methodey/
ſo wol auff Seiten der Lernenden als Lehrenden; dieſelbe ſchreibt S. Pau-
lus vor in vorangezogenen Spruͤchen/ in denen alle Wort Centner-ſchwer
und in Obacht zu nehmen. Laſſet/ ſagt er/ das Wort Chriſti/
ſonderlich das ſuͤſſe Evangelium/ reichlich/ nicht kaͤrglich/ reichlich/ nicht
nur extenſivè, ſondern auch intenſivè, nicht nur der Zahl nach/ ſondern
auch der Wuͤrde und Gewicht nach/ alſo daß man nicht nur viel ſchoͤne
Evangeliſche Text der Gemeine im Geſang fuͤrtrage/ ſondern auch/ daß
es kurtze/ nach denckliche/ Lehrreiche/ Hertzbewegende Wort ſeyen/ WOH-
NEN/ Wercken/ Handeln/ gemaͤh machen/ nicht entfrem̃den/ in aller
Weißheit/ hinweg mit thoͤrichten/ vanitaͤtiſchen/ uͤppigen Welt-Sauff-
und Bubenliedern/ Hunde kehren nicht in die Kirche/ procul hinc procul
ite profani, Lehret/ bringet ſolche Text und Materien vor/ darauß man et-
was gutes zur Erbauung deß Glaubens und Chriſtenthums lernen
kan. Lehret und vermahnet euch ſelbſt untereinander/ einer ſey
deß andern Præceptor und Lehrmeiſter/ je einer erwecke den andern/ daß
per Sympathiam, eine Hertzens. Seyt die andere beruͤhre/ wie es auch na-
tuͤrlicher Weiſe pfleget zugeſchehen/ daß/ wann ein Geſang erklinget/ und
der ander es hoͤret/ alſobald mitſinget/ oder mitſingen wolte; ſo wuͤrde als-
denn unter euch wahr werden die Weiſſagung Jeremiaͤ 31/ 34. Es
wird keiner den andern/ noch ein Bruder den andern lehren
und ſagen: Erkenne den HErrn/ ſondern ſie ſollen mich alle
kennen/ beyde klein und groß/ ſpricht der HErr. Mit Pſal-
men/ das iſt/ mit Seitenſpielen/ die man mit Fingern beruͤhret/ wie das
Griechiſche Wort ſolchen Verſtand mit ſich bringt/ dann ob zwar wol
Seiten und Pfeiffen per ſe und ihrer Natur nach keinen Verſtand mit
ſich fuͤhren/ dadurch ein Chriſt im Glauben und Chriſtenthumb moͤchte
erbauet werden; So erwecken ſie doch den Geiſt/ muntern auff zur An-
dacht/ divertiren das Gemuͤth und Affecten von weltlichen Sorgen/
machen das Hertz ruhig und faͤhig die Goͤttliche afflatus und Bewegung
durch Begleitung deß Worts zu empfangen/ daher Eliſa ein Spielmann
begehrt/ auff deſſen Spiel der Geiſt der Weiſſagung uͤber ihn gerathen.
Jſt ein Stuͤck der Ordnung und Zierde/ davon St. Paulus ſagt: ἐυσχη-
μόνως, καὶ κατὰ τάξιν. Jn der Kirche ſoll alles zierlich und ordentlich
hergehen. Mit Lobgeſaͤngen/ zu Danck eingerichtet fuͤr alle die
ſuͤſſe Wunder-Thaten/ ſonderlich der Schoͤpffung/ Erloͤſung und Heili-
gung/ die GOtt an uns gewendet hat/ und geiſtlichen lieblichen Lie-
B b b b b 2dern.
[748]Die fuͤnff und zwantzigſte
dern. Hinweg mit aller weltlichen Phantaſien/ Springen/ Taͤntzen/
auch alle zu delicar und getlen Melodeyen [...]Amos 6, 5. particulari-
zantes, minurientes, zwitzern/ wie die Voͤgel/ welche gemeiniglich Wel-
ſche und leichtfertige mores nach ſich ziehen/ (Wie vorlaͤngſt der kluge
v. Rainold.
in Cenſur.
II. Apocr.
p. 904.Roͤmiſche Buꝛgermeiſteꝛ Cicero wol obſerviꝛt lib. 3. de leg. mutata Mu-
ſica mutari mores: itaque curandum in Republica, ut Muſica quàm
graviſſima \& ſedatiſſima retineatur.) die ſolchem heiligen Ort nicht
wol anſtehen. Lieblichen Liedern/ worinnen David ein Meiſter gewe-
ſen/ und dieſes Elogium in ſeinem Titul gefuͤhret/ daß er geweſt lieblich/
mit Pſalmen Jſrael. Deſſen Lieblichkeit beſtunde 1. vocis modulatione, fi-
guratione, variatione, und wie es der Apoſtel, nennet διαϛολῇ, 1. Cor. 14/ 7.
Worauff David gedeutet/ ſo offt er das Wort gebraucht Mizmor, welches
eigentlich ein zierlicher Vogelgeſang/ das Zwitzern der Lerchen/ das Schla-
gen der Nachtigall/ die Aenderung deß Thons bedeutet/ in welchem ohne al-
len Zweiffel er ein Meiſter geweſen/ und das Decorum trefflich in acht ge-
nom̃en/ und nach dem Text den Thon variirt/ ſtunds wol umb ihn/ ſo ſange
er froͤlich/ Pſal. 92/ 5. er jauchzet und animirt andere zum geiſtlichen Mit-
jauchtzen/ Pſ. 101. giengs aber uͤbel/ ſo zog er andere Seyten auff in tono
triſtiori, wie die Rohrdommel in der Wuͤſten/ die Uhn. So war dazu-
mal ſchon in dtr Ubung die διαϛολὴ, der Unterſcheid deß Diſcants und
Baß/ 1. Chron. 16, 19. in Hebr. 15, 19. haſchminith, hell zu ſingen/
andere tieff zu ſingen/ al alamoth, mit reiner Jungfrauen Stimm/ andere
al haſchinneth, mit grober Stim̃/ ein octav drunter war der Baß. 2. Jn
der Harmony und Symphony, daß ſie dieſelbe kuͤnſtlich/ zierlich nach der
Mathematiſchen Proportion und nach den Conſonanten zuſammen
geſtimmet/ in einander holdſeelig und artig gegattet und gefuͤget/ daß es
ein holdſeliger Reſonanz von unerdencklicher gratia, davon wir zwar das
ὅτι wiſſen/ aber nicht das διότι. 3. In Symphonia \& conjunctura textus,
cordis, oris, manus, \& pedum, ein goͤttlicher Text/ ein nach dem Text
abgemeſſene Stimme/ ein gleichfoͤrmiger Handgriff/ und dann ſonder-
lich
[749]Predigt.
lich ein glaͤubig liebbrennendes Hertz. Der Text war goͤttlich/ von goͤttl.
Miraculn/ Myſterien/ Magnalien und Beneficien gefaſt. Jch wil ſingen
von einem Koͤnig/ von einem Gott-menſchlichen/ und Menſch-Goͤttlichen
Koͤnig/ der ſeines gleichen nie geſehen/ von GOttes Wundern und
Macht/ Pſal. 59/ 17. von Gnade und Recht/ Pſal. 101/ 1. Jch wil
ſingen von der allertroͤſtlichſten Gnade deß HErrn ewig-
lich/ und ſeine Warheit verkuͤndigen fuͤr und fůr/ und ſagen/
daß eine ewige Gnade wird auffgehen/ und du wirſt deine
Warheit treulich halten/ Pſal. 89/ 1. 2. und daſſelbe mit troͤſtlichen
Seyten/ jauchtzen und ſpringen/ 2. Sam. 6/ 14. Alles belibbi troͤſtlich/
alles von gantzem Hertzẽ/ Syr. 47/ 10. (Ex corde, ad cor, juxtà cor divi-
num, ex illuminatione fidei animæ vivificæ, fideli corde,) darauf Gott
einig ſiehet/ aus bruͤnſtiger/ ſeraphiſcher Liebe/ ohne welche einer/ wann er
gleich mit Engliſchen Zungen geſungen haͤtte/ ein thoͤnend Eꝛtz geweſen waͤꝛe
1. Cor. 13. dazu kom̃en ſum̃a devotio, das war eine Raritaͤt. Singee dem
HErrn. Salomon mag zu ſeiner Hertzens-Luſt ſchaffen. Saͤnger und
Saͤngerinnen/ als zur Wolluſt der Menſchen/ Eccleſ. 2, 8. Es mag die
Muſic ein Gaſtmahl zieren. Syr. 32/ 7. 8. Wie ein Rubin in
feinem Golde leuchtet/ alſo zieret ein Geſang das Mahl.
Wie ein Smaragd in ſchoͤnem Golde ſtehet/ alſo zieren die
Lieder beym guten Wein. Die Grandes und Stoltzen zu Zion moͤ
gen auff dem Pſalter ſpielen/ und Lieder tichten wie David/ Amos 6/ 5.
Aber die außerwehlte Kinder deß Liechts ſingen und zieren ihren HErrn/
der aller Freude Gebeꝛ und Urheber iſt. Singet in euerm Hertzen/ nicht
Ariſtoxenus Muſicus apud Vitruvium lib. 5. de architect. c. 4. docet gene-Rainold.
l. c. p. 804.
tamodulationum eſſe tria; primum, quod Græci appellant ἁρμονίαν; ſecun-
dum, quod χρῶμα; tertium, quod διατόνον: Harmoniam autem ait habere
maximè gravem ac egregiam autoritatem. Cæterum de ſe[i]undo genere Muſi-
ces, quod χρῶμα Græcè nuncupatur, quaſi dicas, color. χρῶμα, inquit, ſubtili
ſolertia ac crebritate modulorum ſuaviorem habet delectationem. Secundum
illud genus Muſices erat infame propter mollitiem, ut notat Macrobius in
ſomnio Scipionis.
nur im Geiſt/ und bloß mit aͤuſſerlichen Worten/ damit dem Neben-Chri-
ſten wenig gedienet; Sondern im Sinn/ wie St. Paulus lehret/ 1. Cor.
14/ 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Lieben Bruͤder/ wann ich zu
euch kaͤme/ und redet mit Zungen/ was waͤre ich euch nuͤtze/
ſo ich nicht mit euch redete/ entweder durch Offenbahrung/
B b b b b 3oder
[750]Die fůnff und zwantzigſte
oder durch Erkaͤntnuͤß/ oder durch Weiſſagung/ oder durch
Lehre? Haͤlt ſichs doch auch alſo in den Dingen/ die da lau-
ten und doch nicht leben/ es ſey eine Pfeiffe oder eine Harffe/
wann ſie nicht unterſchiedliche Stimmen von ſich geben/
wiekan man wiſſen/ was gepfiffen oder geharffet iſt? Und ſo
die Poſaune einen undeutlichen Thon gibt/ wer wil ſich
zum Streit ruͤſten? Alſo auch ihr/ wann ihr mit Zungen re-
det/ ſo ihr nicht eine deutliche Rede gebet/ wie kan man wiſ-
ſen/ was geredet iſt? Denn ihr werdet in den Wind reden.
Zwar/ es iſt mancherley Art der Stimmen in der Welt/ und
derſelbigen iſt doch keine undeutlich. So ich nun nicht weiß
der Stimme Deutung/ werde ich unteutſch ſeyn dem/ der da
redet/ und der daredet/ wird mir unteutſch ſeyn. Alſo auch
ihr/ ſintemal ihr euch befleiſſiget der geiſtlichen Gaben/
trachtet darn ach/ daß ihr die Gemeine beſſert/ auff daß ihr
alles reichlich habt. Darumb/ welcher mit Zungen redet/ der
bete alſo/ daß ers auch außlege. So ich aber mit der Zungen
bete/ ſo betet mein Geiſt/ aber mein Sinn bringet niemand
Frucht. Wie ſoll es aber denn ſeyn? nemlich alſo: Jch wil
beten mit dem Geiſt/ und wil beten auch im Sinn. Jch wil
Pſalmen ſingen im Geiſt/ und wil auch Pſalmen ſingen
mit dem Sinn. Hinweg derowegen mit allen ungeiſtlichen/ undeut-
lichen Hertz- Lehr- und Sinn-loſen Ohren-ſauſen und Ohren-grauen/
damit nichts anders geſucht wird/ als deß Componiſten und Choragi
Ehr- und Kunſt-Lob; und nichts gehoͤrt wird/ als ein lebloſer Thon ohne
Hertzengrund/ oder ein lebendiger/ doch ſtummer Mund/ da die Ge-
meine nicht kan Amen dazu ſagen/ deren deß Muſicanten Mund/
wie laut er auch ſchreyen mag/ nicht allein barbariſch/ ſondern auch ſtumm
fuͤrkommt.
Darumb/ O liebe Chriſten/ werdet nicht unverſtaͤndig/ ſon-
dern verſtaͤndig/ und ſauffet euch nicht voll Weins/ daraus
ein unordentlich Weſen folget/ ſondern werdet voll Geiſtes/
und redet untereinander von Pſalmen und Lobgeſaͤngen/
und geiſtlichen Liedern. Singet und ſpielet dem HERRN
in
[751]Predigt.
in eurem Hertzen/ Eph. 5/ 17. 18. 19. 20. Sauffet euch nicht voll
Weins/ wie die Heyden thun/ die ihr Gaſtmahl mit uͤppi-
gen/ ſchnoͤden/ und leichtfertigen Liedern begleiten/ Eſa. 5/ 11.
Wehe denen/ die deß Morgens fruͤhe auff ſind/ deß Sauffens
ſich zu fleiſſigen/ und ſitzen biß in die Nacht/ daß ſie der Wein
erhitzt/ und haben Harffen/ Pſalter/ Paucken/ Pfeiffen und
Wein in ihrem Wolleben. Jhr aber als Chriſten werdet truncken/
von dem edeln Pfingſt-Wein/ dem H. Geiſt/ auff daß ihr aus deſſen Trieb
und Jaſt/ mit euren Zungen und Stim̃en/ euerm HErrn Chriſto eine lieb-
liche Muſic verehrt. Werdet voll deß Geiſtes/ nicht nur paſſivè, als durch
deren Ohren und Lehr-Roͤhren/ der H. Geiſt gleichſam ins Hertz hinein ge-
het/ und daſſelbe erfuͤllet/ gleichwie im Gegenſatz die Welt-Lieder die Ohren
inebriiren/ oder truncken machen. Wolauff derowegen Pſalter/
wol auf Harffen. Bringet her dem HERRN ihr Gewalti-
gen. Bringet her dem HERRN Ehre und Staͤrcke. Brin-
get her dem HERRN Ehre ſeines Namens/ betet an den
HERRN im heiligen Schmuck/ Pſal. 29/ 1. 2. habhu, habhu,
habhu, wolauff! Conf. Gen. 11, 1. 3. 4. 7. Bringet dem HERRN
ſchoͤne Muſicken/ mit Stimmen und Sinnen/ mit Singen
und Klingen/ mit Pſalmen und Harffen/ mit Trometen
und hellen Cymbeln/ nicht nur ihr Leviten/ wie es David be-
ſtellt/ 1. Chron. 17. ſondern auch activè ihr Præcentores und Vorſinger/
das iſt/ Proceres und Regenten/ die auch in dieſem Stuͤck Gottes Ehre
befoͤrdern ſollen/ und denen als Choragis unterſchiedliche Pſalmen (die
Lamnazeachati) und als δῶρα βασιλικὰ, Koͤnigl. Præſenten von David
dedicirt und zugeſchrieben worden/ dieſelbe in Ubung und Schwang zu
bringen. Honos alit artes, Kunſt wil geehret ſeyn/ und nicht nach Brod
gehen: Wolt ihr gute Muſicken haben und hoͤren/ ſo muͤßt ihr zuvor die Tha-
ler klingen laſſen/ darauf ſpendiren/ und alſo die Cantoreyen wol beſtellen;
wie David gethan/ von dem wir mit Verwunderung leſen/ er habe 4000.
Lobſaͤnger/ und unter denſelben 288. Chorſaͤnger und Capellmei-
ſter gehalten/ 1. Chron. 24/ 5. c. 26/ 7. das wird ein ziemlichs gekoſtet haben;
deßgleichen/ daß er auch Singſchulen angerichtet. Sonderlich wird ge-
dacht deß fuͤrtrefflichen Propheten und Singmeiſters Heman, 1. Chr. 26/
5. 6. 7. 8. Dieſe waren alle Kinder Heman deß Schauers deß
Koͤnigs in Worten Gottes/ das Horn zu erheben/ dann
Gott hatte Heman vierzehen Soͤhne und drey Toͤchter gege-
ben. Dieſe waren alle unter ihren Vaͤttern/ Aſſaph/ Jedi-
thun
[752]Die fuͤnff und zwantzigſte
thun/ und Heman/ zu ſingen im Hauſe deß HErrn mit
Cymbeln/ Pſalter und Harffen/ nach dem Ampt/ im Hauſe
GOttes beym Koͤnige/ und es war ihre Zahl ſampt ihren
Bruͤdern/ die im Geſang deß HErrn gelehret waren/ alle-
ſampt Meiſter/ zwey hundert und acht und achtzig/ und ſie
wurffen Loß uͤber ihr Ampt zugleich/ dem kleineſten wie dem
groͤſſeſten/ dem Lehrer wie dem Schuͤler. David redet alle Chri-
ſten an/ Pſal. 86.
Lutherus Tom. 3. Witt. p. 12. Singet Gott/ lobſinget ſeinem
Namen/ machet Bahn/ dem der da ſanfft herfaͤhret/ er heiſſet
HErr/ und freuet euch fůr ihm/ das iſt/ lobet und preiſet
Chriſtum/ als einen wahren GOtt mit dem Vater/ denn
daſſelbe iſt allererſt geſchehen nach der Aufferſtehung/ wie
St. Johannes ſagt/ der heilige Geiſt war noch nicht gege-
ben/ da Chriſtus noch nicht war verklaͤret/ daß er GOttes
Sohn ſey/ Rom. 1. Solch zukuͤnfftig Singen der Verklaͤ-
rung Chriſti meinet hie der Prophet. Nun aber wir Chri-
ſtum nicht leiblich bey uns haben/ ſondern im Glauben wan-
deln/ koͤnnen wir ſeine Perſon nicht anſingen/ noch anzei-
gen. So ſingen wir ſeinen Namen/ den preiſen wir/ den
zeigen wir/ den predigen und bekennen wir/ das heiſſet hie
ſeinem Namen Pſalter ſpielen/ oder wie es nun verdeutſcht
iſt/ Lobſingen. Pſalter heißt ein Lobbuch/ Pſalm heiſt ein
Loblied/ oder ein Gedichte zum Lobe/ wie die Poeten Verß
machen/ die man vor Zeiten ins Seitenſpiel ſang/ da-
mit ſind eitel Predigten deß ſuͤſſen Evangelii angezeigt/ dar-
in Gottes Gnade/ Ehre und Lob geprediget wird. Das
Pſalliren/ die Finger zum Geſang deß Mundes thut/ das iſt/
Predigen neben der That und Wunderzeichen.
Die figuͤrliche Muſic und Seiten ſpiel iſt allhie nicht auß-ſondern einge-
ſchloſſen. Beyneben ſtehet allen denen/ die ſolchen lieblichen Lehr- und
ſinnreichen Muſicken beywohnen/ und hoͤren/ das Stillſchweigen und
De Sela
vide Luth.
tom. 3.
Witt. p. 24.devotion wol an. Syr. 32/ 6. Wann man Lieder ſingt/ ſo waſche
nicht drein/ und das meinet auch David ſelbſt/ in dem bekannten/ offt-
widerholten Wort Scla/à ſternendo, da er die Saͤnger ſeiner Pſalmen
vermahnet/ ſtillhalten/ pauſiren/ daß man hie tieff nachſinnen ſoll.
Die Muſicanten ſelbſt haben ſich fuͤr Mißbrauch zu huͤten. Da-
vids
[753]Predigt.
vids Muſic war kein geiles/ Sinn- und Text-loſes/ unteutſches Ohren-
kitzeln/ wie heutiges Tages unſere Jubaliſten der ſchnoͤden Welt zu ihrer
Uppigkeit hofieren/ ſondern begleitet mit Goͤttl. Text/ und alſo eine erleuch-
tete Muſic. Alſo ſollen unſere Studenten zuvor die Geheimnuͤß recht ſtudi-
ren und gruͤnden/ ehe ſie davon ſingen wollen/ auch nicht aus dem παρέργῳ
ein ἔργον machen/ aus dem Ornament ein Handwerck/ da ja ſie kein diſpu-
tation auf der Catheder pfeiffen/ odeꝛ auf der Viol eine Pꝛedigt geigen wer-
den. Wie es dann zu Behuͤlff deſſen beſſer waͤre/ daß die verſtaͤndliche geiſtl.
Muſic vocal vorher und allein erſchalle/ deren die Inſtrumental folgen/
nach dem alten methodo, die Saͤnger vorher. Pſ. 68/ 26. Davids Muſic
gieng von Hertzen zu Hertzen/ andeꝛs als unſere thoͤnende Schellen. 1. Cor. 3.
Ohne Glauben und Lehre/ conſequenter auch ohne durchdringende Kraft/
dadurch Gott der HErr nicht verſoͤhnet/ ſondern verhoͤnet/ und der H. Geiſt
betruͤbet und entruͤſtet wird. Er ſitzt droben im Himmel/ und hoͤret zu/
ſpricht zu ſeinen Engeln/ Eſa. 28. Diß Volck nahet ſich zu mir
mit ſeinem Munde/ und ehret mich mit ſeinen Lippen/ aber
ihr Hertz iſt ferne von mir. Thue weg von mir das Geplerr
deiner Lieder/ denn ich mag deines Pſalterſpiels nicht hoͤren/
non vox ſed votum, non muſica cordula ſed cor, non cantans ſed
amans, cantat in aure Dei. Uber alles aber ſoll uns die liebe Muſic
zu einer Chriſtlichen Harmoni und Eintraͤchtigkeit vermoͤgen und anfri-
ſten. Sihe/ wie fein und lieblich/ wann Kirchen- und Schul-Bruͤder/ ja
Hauß- und Zunfft-Bruͤder eintraͤchtig bey einander leben/ dann da wil
ſelbſt der liebe GOtt ſeinen Segen laſſen walten immer und ewiglich. Ein
Schande und ſchaͤndlich iſt im Gegentheil das Katzen-Geſchrey/ die
Roßquinten der Zaͤncker und Staͤncker/ der Salamander/ die immer im
Feuer leben/ peſtes ſocietatis humanæ, recht unertraͤglich- und unver-
traͤgliche Leute. Wie fein und lieblich iſt im Gegentheil dieſe Davidiſche
Muſic/ hie im Jam̃erthal/ da ſie operirt die πρόγευσιν und Vorſchmack
deß ewigen Lebens. Wann ich in Noͤthen bett und ſing/ ſo wird mein
Hertz recht guter Ding/ mein Geiſt bezeugt/ daß ſolches frey/ deß ewigen
Lebens Vorſchmack ſey. Hic rara hora, parva mora! Ja wie fein
im himmliſchen Lobe-Thal/ und lieblichen Weſen zur Rechten Gottes/
wann wir unter die Propheten all/ und die heiligen zwoͤlff Bothen-Zahl/
unter die vier und zwantzig Elteſten/ unter die Seraphin und Cherubin
eingemiſcht/ ein Halleluja in das andere/ ein τρισάγιον in das andere/
aus unſerm Mund erſchallen laſſen/ und mit den heiligen Seraphin
ruffen:
Jſt der HERR Zebaoth. Dazu helffe uns Chriſtus JEſus/ der
in ſeinem traurigen Paſſions-Gang/ uns zu Troſt den Lob-Geſang
geſungen und herrliche Freude erworben/
Amen.
GEliebte in Chriſto. Du ſolt unſer Auge ſeyn/
ſpricht Moſes zu ſeinem Schwager Jobab Num. 10/ 31.
Lieber/ ſagt er/ verlaß uns nicht/ denn du
weiſſeſt/ wo wir in der Wuͤſten uns lagern ſol-
len/ und ſolt unſer Auge ſeyn. Es hatte Mo-
ſes eine gefaͤhrliche und beſchwerliche Reiſe vor ſich/ in einer gran-
ſamen Nacht-Finſtere/ zur Zeit/ da der Zug angefangen vom Berge
Sinai an/ durch die Arabiſche Wuͤſten/ dem gelobten Land Canaan
zu. Er war in der duͤrren Einoͤde/ da es geheulet/ wie Deut. 32/ 10.
in einer wilden ungeheuren Einoͤde/ Duͤrre und Finſtere/ da niemand
wandelt/ noch wohnet. Jer. 2/ 6. Loco ἀνοικήτῳ καὶ ἀϐάτῳ, Sap. 11, 2. in
παραδόξῳ ὁδοπορίᾳ, Sap. 19, 5. in einem ungeheuren/ abentheurlichen La-
byrinth/ wunderlichen Reiſeweg: Jn lauter barbariſchen Wildnuͤſſen/
finſtern Waͤldern/ rauhen Klippen und Felſen ungebahnet/ unbewohnet/
abgeſtorben; da war keine Herberge/ da man bleiben/ keine gebahnte Straß/
Bahn/ oder Fuhrweg/ kein Steg/ noch Weg/ kein Bildſtoͤck/ kein Weg-
weiſer/ ſondern es heulet von wilden Thieren/ Woͤlffen/ Baͤren/ Loͤwen uñ
werdẽ dieſelbe Reiſige ohne Zweifel auch die ignes fatui uñ Nachtgeſpenſte
geſchreckt habẽ/ die fladderten daher. Sum̃a/ finſtere Nacht. Nun hatten ſie
zum
[755]Predigt.
zum Troſt ihrer Wallfahri ein herrliches Liecht/ das ihnen vorher gezuͤn-
det/ ſie begleitet/ ob ihnen geſchwebet/ nemlich bey Tage die Wolcken/ bey
Nacht die Feuer-Saͤule; Aber was ſoll das Liecht ohne Augen/ und dero-
ſelben Bezihlung und application? Die Wolcken-Saͤule hat zwar inde-
terminatè gezeigt die Landſchafft/ wo ſie ſich lagern ſolten/ ſie hat ihnen aber
die Bequemlichkeit und Jrrweg nicht gezeigt/ wo man nemlich leichter
durchkommen/ durch Straͤuche und Dorn-Hecken/ wo gute Weide fuͤr
Vieh? wo lebendige Waſſer-Quellen? wo es gut das Lager auffzuſchla-
gen/ und Huͤtten auffzubauen. Zwar/ es hat ihn an aͤuſſerlichen/ ſinnli-
chen Augen nicht ermangelt/ ſechs hundert tauſend waren der Maͤnner/
zugeſchweigen Weib und Kinder/ das macht wol mehr als 1200000.
Augen/ aber ein Auge hat beſſer gethan/ als ſo viel tauſend: auch an Ver-
nunffts-Augen war kein breſten/ es ſeynd weiſe Leute unter dem Hauffen
geweſen/ die Joſephus nennet γεωμετρίας ἐπιϛήμονας, lib. 5, 2. die der Erd-
meſſer-Kunſt erfahren geweſen/ aber ein Auge/ oder vielmehr/ wie wir
bald hoͤren werden/ ein doppeltes Auge hat gemangelt/ nemblich oculus
hodogeticus, ein ſcharffſichtiges/ kluges/ erfahrnes Auge eines getreuen
Wegweiſers/ der alle Schliche und Striche/ Weg und Steg gewuſt/ ſo
leiten und fuͤhren konte. Das alles hat ohne Zweiffel Moſes wol zu Ge-
muͤth gezogen/ und das ungeheure Corpus deß gantzen Volcks anders
nicht anſehen koͤnnen/ als einen ungeheuren/ Cyclopiſchen Coͤrper ohne Au-
gen/ monſtrũ horrendũ, informe ingens, cui lumen adem ptum. Dar-
um war ihm von noͤthen ein hodoſophus, τῆς σοϕίας ὁδηγὸς, Sap. 7, 15.
ein kluger Wegweiſer/ ein Auge/ das nicht biind/ ſondern ſcharff und
tuͤchtig zu ſolchem Zweck. Gerath deßwegen an ſeinen Schwager/ den
redlichen Bidermann Hob[\&]b, damahligen werthen Gaſt/ du ſolt un-
ſer Auge ſeyn! ſagt er: Du biſt das rechte geuͤbte/ erfahrne/ wachſame/
ſehende Auge/ du biſt von Jugend auff bey dieſer Wuͤſten erzogen/ du
weiſt alle Schliche/ Striche/ Berg und Thal/ Klippen und Gruͤnde/ Weide
uñ Waſſer/ Weg und Steg/ du kanſt uns ſagen/ wo wir uns laͤgern ſollen/
du wirſt auff die Wolckenſaͤule Achtung geben/ und dich nach derſelbigen
richten/ du kanſt voraus und weit hinaus ſehen/ daß wir nicht anſtoſſen/
du kanſt hinden nachſehen und corrigiren/ wo man ſich verirren und ver-
wirren moͤchte/ umb und neben dich. Jn der H. Sprache ſtehet Enajim
oculi, du ſolt unſere Augen ſeyn/ ein zwyfaches doppeltes Auge. Ein Auge
iſt zwar auch ein Auge/ man hat Exempla deren/ die mit einem Auge mehr
geſehen/ als andere mit zweyen/ die wol gantze Exercitus loͤblich gefuͤhrt
und regiert. Baſilius ein Griechiſcher Kaͤyſer (a pud Zonaram pag. 180.)
C c c c c 2da
[756]Die ſechs und zwantzigſte
da er einsmals ſeine Feinde auffs Haupt geſchlagen/ 15000. gefangen be-
kommen/ hat er ihnen laſſen die Augen außſtechen/ und einem jeden Regi-
ment nicht mehr/ als einen Monoculum, einen einaͤugigen Wegweiſer uͤ-
berlaſſen/ der die andere wider heimfuͤhren ſolte. So hat Ziſca der edle
Boͤhm und Obriſte deß Huſſiten-Kriegs das Coſtnitzer-Feuer mit Pfaf-
fen- und Muͤnchenblut außgeloͤſcht/ ob er wol einaͤugig geweſen/ den Krieg
doch ſo gluͤcklich gefuͤhrt/ und groſſe Victori erhalten. Aber diß ſind rara und
extraordinaria. Ordinariè hat GOtt dem Menſchen zwey Augen aner-
ſchaffen/ darumb ſagt Moſes/ Enajim, je ſchaͤrffer/ je beſſer.
Jſt M. L. der Ehrentitul/ welcher/ wie allen/ die andern fuͤrgeſetzet ſind/ al-
ſo inſonderheit Lehrern und Predigern gebuͤhrt. Sie ſind und ſollen ſeyn der
Chriſtl. Kirchen Augen/ und wie es der Apoſtel erklaͤrt/ Rom. 2/ 19. Leiter
der Blinden/ und Liechter deren/ die in Finſternuͤß ſind/ die uns
Finſterlinge und Blindlinge durch das tieffe Todes-Thal und Jrrſahl
hindurch fuͤhren/ und ins himmliſche Canaan transportiren ſollen.
Darumb dann auch vor Zeiten die Propheten Seher genennet wor-
Gerh. loc. de Miniſt. Eccleſ. pag. 34. Eſa. 34. v. 10. Qui dicunt [...]
ad videntes, ne videatis nobis. Targum [...] ad Doctores.
den/ die den rechten Weg zeigen ſollen/ als Wegweiſer/ 1. Sam. 9/ 9. unter
andern Chariſmaſi und Pfingſtgaben deß N. Teſtaments ſind auch die
Viſiones und Geſichte geweſen. Euere Juͤnglinge ſollen Geſichte
ſehen/ Joel. 2/ 28. Chriſti Apoſtel und Juͤnger ſind die Vorgaͤnger ge-
weſen/ ſie haben eine gantze Welt angetroffen/ mehr als mit Egyptiſcher
Finſternuͤß umpfangen/ ohne Gott/ ohne Geiſt/ ohne Liecht/ ohne Heyl/ oh-
ne Hoffnung/ ohne Gnade/ ohne Troſt/ von allerhand Winden und Jrr-
wiſchen/ in der wilden/ ungebauenen/ ungebahnten/ unfruchtbahren Wuͤ-
ſteneyen herumb getrieben. Solten nun ſo viel Million tauſend arme
verfuͤhrte und verfaͤhrte Menſchen wiederumb auff den rechten Weg ge-
bracht/ aus der Finſternuͤß zum Erbtheil der Heiligen im Liecht erhoben
werden/ ſo hat Chriſtus der HERR ſeine ſieben Augen in alle Welt auß-
geſendet/ wie allenthalben/ alſo auch in ſonderheit in den Schulen zu leh-
ren/ den Augenſchein einzunehmen/ und Theatra ſapientiæ, der himmli-
ſchen Weißheit Schauplaͤtz/ und Gymnaſia Euſebiæ, Ubungs-Haͤuſer/
darinn die Gottſeligkeit geuͤbet und gepflogen wird/ auffzurichten/ er-
bauen und ſtifften/ daß in denſelben die Hodoſophi und Wegweiſer auß-
geruͤſtet wuͤrden/ die nicht allein fuͤr ſich ſelbſt deu rechten Weg ins himm-
liſche Canaan treffen/ ſondern auch als kluge Augen andern richtig wei-
ſen/
[757]Predigt.
ſen/ darumb dann auch gegenwaͤrtige Predigt eine Schul-Predigt ſeyn
und heiſſen ſolle/ zu hoͤren/ wo und wie alle vorhergehende/ und nach ein-
ander fuͤrgetragene Stuͤck der Chriſtlichen Lehre/ am bequemſten und
beſten koͤnnen und ſollen fuͤrgetragen werdens. Davon aufferbaulich
zu lehren und zu lernen/ wolle uns aller ſeits der Vater deß Liechts er leuch-
tete Augen unſers Verſtands verleihen/ umb ſeines lieben Sohns JEſu
Chriſti willen/ Amen.
ES hat M. L. der Heil. Apoſtel in ſeiner Didactic und Lehr-Kunſt/
die er zwar mit kurtzen/ aber ſehr nachdencklichen Worten in dem
fuͤnfften Capitel der Epiſtel an die Hebreer abgefaßt/ nicht ohn-
gefaͤhr/ ſondern mit groſſem und weit-außſehendem Bedacht gebraucht
das Wort γυμνασμένα, der geuͤbten Sinnen/ und damit gedeutet
auff ein Gymnaſium, einen Ort/ da ſolche Gymnaſia und Ubungen
angeſtellet und getrieben werden/ daß ἀισϑητήρια γεγυμνασμένα, geuͤbte/
geſchaͤrffte/ polierte und wolaußgeruͤſtete Sinne daraus werden/ die mit
ihrem eigenen und anderer reichen Nutzen/ das Lehr- und Lern-Ampt fuͤh-
ren moͤgen. Worauff auch St. Paulus ſein Abſehen gehabt/ wann er an
Timotheum geſchrieben 1. Tim. 4/ 7. γύμναζε σεαυτὸν, uͤbe dich ſelbſt
in der Gottſeligkeit/ dann die leibliche Ubung iſt wenig
nutz/ aber die Gottſeligkeit iſt zu allen Dingen nutz/ und hat
die Verheiſſung dieſes und deß zukuͤnfftigen ewigen Lebens.
Soll man lehren/ ſo muß man auch Lehr-Schulen haben/ in welchen
fuͤrnehmlich alle die Stuͤck deß Lehr-Ampts/ die bißher in unterſchiedlichen
Predigten fuͤrgetragen worden/ am bequemſten und fuͤglichſten koͤnnen
tractirt und gehandelt werden. Jn der Kirchen am Sonntag handelt
man zwar die Kinder-Lehr/ und wird daſelbſt der Catechiſmus recitirt
und auffgeſagt: Aber die Zeit/ Raum und Platz iſt gar zu kurtz und be-
ſchnitten. Es ſoll zwar daheim zu Hauſe von Chriſtlichen Eltern und
Haußvaͤtern beſagter Unterricht ſecundirt/ fortgeſetzt/ emſig und ernſt-
lich getrieben werden; Aber die haͤußliche Unruhe laͤßt die Gnuͤge nicht
auffkommen. Darumb die Sophia und himmliſche Weißheit ihr ein
ſolches Schul-Hauß erbauet. Prov. 9/ 1. Die Weißheit bauet ihr
Hauß/ und hieb ſieben Saͤulen. 1. Chochmath, die hoͤchſte/ edelſte/
fuͤrtrefflichſte Weißheit/ die unerſchaffene allweiſe Werckmeiſterin al-
ler Creaturen/ die allherrſchende Regentin in der gantzen Welt/ die
Weißheit die in Salomon gewohnet/ als im Tempel und Heiligthumb/
die durch Salomon/ tanquam organum geredet/ gehandelt/ gewuͤrcket/
C c c c c 3und
[758]Die ſechs und zwantzigſte
und ihre Kunſt geuͤbet. Summa/ der ewige/ unerſchaffene/ eingebohrne
Sohn Gottes ſelbſt/ der ſolches Elogium auff ſich gedeutet und gezogen/
deuten und ziehen laſſen/ Matth. 11/ 19. Luc. 11/ 49. 1. Cor. 1/ 24. 2. Archi-
tecta, ſie bauet/ gruͤndet/ richtet auff/ zieret/ ſtifftet/ dotiret und begabet ein
Hauß. Was fuͤr ein Hauß? Wir laſſen andern ihre Gedancken/ Wort-
blumen/ ſenſus myſticos, luſus, auch wol gar Phantaſeyen/ Gauckeleyen/
Allfaͤntzereyen; nehmen die Wort an nach dem Buchſtaben/ wie derſelben
Verſtand in einem reinen/ unpaſſionirten Gemuͤthe gleich anfangs/ na-
tuͤrlich/ unverkuͤnſtelt/ ungezwungen eingeleuchtet/ und verſtehen es von
einem Coͤrperlichen/ Mathematiſchen Hauſe und Gebaͤu/ ſo heißt Betha
ihr Hauß/ welches ihr der Weißheit zu Ehren und Dienſt gebauet/ von
ihr den Nahmen hat/ domus ſapientiæ, das iſt/ Gymnaſium,ein
Schul-Hauß und Lehr-Hauß. Dann wie ſolte Salomon/ der alles
ſo wol bedacht/ ſo weißlich geordnet/ nachdem er das wunderſchoͤne Hauß
deß HErrn/ den Tempel zu Jeruſalem/ den Koͤniglichen Pallaſt und die
aulam Baſilicam (nach dem Sprichwort/ groſſe Voͤgel/ groſſe Neſter) das
Sommer- und Luſt-Hauß erbauet/ dieſes werthen Kleinods und Zieraths
einer Policey/ deß Schul-Hauſes vergeſſen haben? Womit auch uͤberein-
ſtimmet ein uhralter Lehrer/ der in quarto ſeculo florirt/ ehern und naͤ-
hern Nachricht haben koͤnnen/ und ſeine Tradition nicht aus dem Finger
geſogen/ Namens Optatus Milevitanus, Epiſcopus in Africa, der
ſchreibt lib. 3. contrà Parmenianum, es ſey oben auff dem Berge Zion
eine luſtige ſchoͤue Ebene geweſt/ darauff geſtanden ſieben Schulen/ die
man domos doctrinæ, das Lehr-Hauß genennet/ ſicher und abgeſon-
dert ab omni ſtrepitu forenſi. Es hat aber die Weißheit nicht bloß
allein das Hauß erbauet/ ſondern ferner auch Saͤulen darein geſetzt/
und außgehauen/ außpoliert/ außgeruͤſtet/ haamudim heiſſen in Heil.
Sprache nicht nur Columnæ, ſolche ſtarcke Pfeiler/ hoͤltzerne oder Mar-
morſteinerne/ darauff eine ſchwere Baulaſt beruhet/ wie dergleichen gewe-
ſen die Mittelſaͤulen in dem Tempel Dagon/ welche Simſon der unuͤber-
windliche Held ergriffen/ und umbgeriſſen; ſondern Saͤulen heiſſen auch
Cathedræ, Cantzeln und Lehr-Stellen/ wie in ſolchem Verſtand daſſelbe
Wort anzunehmen/ 2. Reg. 11/ 14. da Joas zum Koͤnig inveſtirt; deß-
gleichen der Gottſelige Koͤnig Joſias 2. Reg. 23/ 3. Die Form und Ge-
ſtalt mag die jenige geweſt ſeyn/ welche 2. Chron. 6/ 13. entworffen/ da
ſtehet/ es habe Salomon ein ehernen Keſſel gemacht. Der Urſprung
mag wol herkommen ſeyn von der Feuer- und Wolcken-Saͤule/ in welcher
und durch welche/ als ein Catheder der ewige Sohn Gottes gelehret/
gepre-
[759]Predigt.
geprediget/ geredet/ Oracula außgeſprochen mit und zu Moſe und Aaron.
Exod. 33/ 9. Pſ. 99/ 7. Es ſind aber dieſer Lehrſtuͤhle uñ Saͤulen ſieben ge-
weſt/ warum das? warum eben ſieben? Das ὁτι wiſſen wir/ daß die ſieben-
Zahl in H. Schrifft etwas ſonders bedeute/ eine Zahl von ſonderbaren Gra-
tien/ Authoritaͤt und Geheimnuͤß ſey: Das διότι aber iſt unbekant und
dunckel/ doch iſt die Conjectur und Nachſpuhr unverboten/ daß neben
andern Urſachen dieſe Saͤulen ſieben geweſen/ darumb/ auff daß dadurch
die Encyclopædia, der Creyß und Circul der ſieben freyen Kuͤnſten an-
gedeutet werde/ welche man in beſagtem Gymnaſio Sionæo profitirt/
gelehret und fuͤrgetragen. Das iſt allezeit gewiß/ daß ſchon dazumal/ und
ſonderlich zun Zeiten Salomonis/ bey den Hebreern dieſelbe in hoͤchſtem
Flor und Ubung geſtanden. Von der Grammatic der Leß- und Schreib-
Kunſt zeugen die Monumenta, deren der Bibliſche Codex voll iſt. Wer
an der Rhetoric zweiffelt/ der ſpatziere mit in den Paradiß-Garten deß
Heil. Pſalters/ und deß Salomoniſchen Epithalamii, ſo als ein Sacrum
Lipſanum von den tauſend und fuͤnff Liedern uͤberblieben/ er wird ſo viel
Sinn/ und geiſtreiche Gedicht und Wortblumen finden/ daß er den Cice-
ronem, Virgilium \&c. gern wird beurlauben/ und ſie fuͤr Plagiarios
außruffen. So wird von Salomon gemeldet/ in der Lateiniſchen Verſion,
daß er diſputirt habe/ von den Baͤumen/ von den Cedern auff
dem Libano/ biß auff den Jſop/ der aus der Wand waͤchſt/
von Viehe/ Voͤgeln/ Gewuͤrm und Fiſchen. Und was iſt die
liebliche Concertation der Koͤnigin aus reich Arabia mit Salomon/ in
allerhand Raͤtzeln/ die ſie ihm opponirt/ und er ihr wieder geantwortet/ als
eine vernuͤnfftige/ ſcharffſinnige/ artige dialexis, und logicaliſche Unter-
redung? Die Arithmetic und Geometri, welche Abraham in Egypten
verehrt und gekramt/ haben die Jſraeliten mit ſich wiederumb aus Egy-
pten zur Außbeuthe gebracht/ in Abtheilung deß Landes Canaan nuͤtzlich
gebrauchet. Joſephus zeugt/ Joſua habe in beſagter Abtheilung τοὺς γεω-
μετρίας ἐπιϛήμονας gebraucht. Salomons Tempelbau mit Maß/ Zahl/ und
Gewicht zugerichtet/ war deſſen ein fuͤrtrefflich ſpecimen, und weil Salo-
mon weiſer geweſt/ als die Egyptier und Orientaliſche Sophi, die ſich in die
Aſtronomi verliebt/ ſo hat die Wiſſenſchafft deß Himmels-Lauffs damals
nicht gemangelt. Was ſollen wir von der lieblichen Muſic ſagen? Hat die-
ſelbe nicht in ἀκμῇ und hoͤchſtem Gipffel geſchwebet/ als David lieblich mit
Pſalmen Jſrael darauff ſpendirt/ daß in ſeiner Koͤniglichen Capell 388.
Sing-Meiſter/ Muſicanten/ geiſtreiche Poeten/ und Dichter geweſen.
1. Chron. 26/ 7. Man wuſte dazumal ſchon von der figural Muſic, von
hohen
[760]Die ſechs und zwantzigſte
hohen und niedern Stimmen/ al alamoth, al haſchminith, diſcant, und
eine octav drunter. 1. Chron. 16/ 20. Dieſe Kuͤnſte waren mehr nicht/ als
das Gynecæum, das Frauen-Zimmer und Maͤgde der groſſeu Koͤnigin
der himmliſchen Weißheit/ Salomons einiger Liebſten/ wie dieſelbe in
dem Glantz der Chriſtlichen Lehre herfuͤr geleuchtet/ und im N. Teſtament
ſonderlich ſich erzeigt; da die ſelbſtaͤndige Weißheit der Sohn Gottes
Vide de
Chriſto
Doctore
Part. 5.
Lact. Ca-
tech. conc.
56.ſelbſt erſchienen/ und mit den Strahlen deß Goͤttlichen Liechts die Schu-
len erleuchtet/ geweyhet/ und in denſelben zu lehren und zu predigen/ ein
holdſeliges Belieben getragen/ da ſeine Eltern ihn den zwoͤlffjaͤhrigen
Knaben einsmals zu Jeruſalem verlohren/ finden ſie ihn wiederumb im
Tempel/ und in der Schule/ Luc. 2/ 46. 47. Es begab ſich nach dreyen
Tagen/ funden ſie ihn im Tempel ſitzen/ mitten unter den
Lehrern/ daß er ihnen zuhoͤrete/ und ſie fragte. Und alle die
ihm zuhoͤreten/ verwunderten ſich ſeines Verſtandes und ſei-
ner Antwort. Matth. 4/ 23. Und JEſus gieng umbher im
gantzen Galileiſchen Lande/ lehrete in ihren Schulen/ und
predigte das Evangelium von dem Reich. Luc. 4. 15. 16. 17. 18. 19.
20. 21. Und er lehrete in ihren Schulen/ und war vor jeder man
gepreiſet/ und er kam gen Nazareth/ da er erzogen war/ und
gieng in die Schule am Sabbathtage/ nach ſeiner Gewohn-
heit/ und ſtund auff und wolte leſen/ da ward ihm das Buch
deß Propheten Eſaiaͤ gereicht/ und da er das Buch rumb
warff/ fand er den Ort/ da geſchrieben ſtehet/ der Geiſt deß
HErrn iſt bey mir/ derhalben er mich geſalbet hat und geſand
zu verkuͤndigen das Evangelium den Armen/ zu heilen die
zerſtoſſen Hertzen/ zu predigen den Gefangenen/ daß ſie loß
ſeyn ſollen/ und den Blinden das Geſichte/ und den Zuſchla-
genen/ daß ſie frey und ledig ſeyn ſollen/ und zu predigen das
angenehme Jahr deß HERRN/ und als er das Buch zu-
thaͤt/ gab ers dem Diener/ und ſatzte ſich. Und aller Augen/
die in der Schule waren/ ſahen auff ihn/ und er fieng an zu
ſagen zu ihnen: Heute iſt dieſe Schrifft erfuͤllet fuͤr euern
Ohren/ und ſie gaben alle Zeugnuͤß von ihm/ und wunderten
ſich der holdſeligen Wort/ die aus ſeinem Munde giengen/
und ſprachen: Jſt das nicht Joſephs Sohn? Und ſo thut er
fuͤrder auch in andern Schulen der Galileiſchen Laͤnder/ Luc. 4/ 44. und
ruͤhmet ſich deß/ daß er offentlich in den Schulen gelehret habe/ Joh. 18/
20. Jch habe frey offentlich gelehret fuͤr der Welt. Jch habe
alle-
[761]Predigt.
allezeit gelehret in der Schule/ und in dem Tempel/ da alle
Juden zuſammen kommen/ und habe nichts im verborge-
nen geredet.
Jn deſſen loͤbliche und liebliche Fußſtapffen ſeine Juͤnger getretten
Act. 9/ 19. 20. Saulus aber war etliche Tage bey den Juͤngern
zu Damaſco/ und alſobald predigte er Chriſtum in den
Schulen. Act. 14/ 1. Es geſchach aber zu Jconien/ daß ſie zu-
ſam̃en kamen/ und predigten in der Juden-Schule/ alſo/ daß
eine groſſe Menge der Juden uñ der Griechen glaubig ward.
Cap. 17/ 17. und er redet zwar zu den Juden und Gottesfuͤrch-
tigen in der Schule/ und auff dem Marckt alle Tage/ zu de-
nen/ die ſich herzu funden. Cap. 18/ 4/ 19. 26. und er lehret in
der Schule auff alle Sabbather/ und beredet beyde Juden
und Griechen. Er aber gieng in die Schule/ und redet mit den
Juden. Dieſer fieng an frey zu predigen in der Schule. Sie
haben allenthalben Chriſten-Schulen gepflantzt uñ aufgerichtet/ zu Epheſo/
Act. 19/ 9. 10. Da aber etliche verſtockt waren/ uñ nicht glaubten/
und ůbel redeten von dem Wege fuͤr der Menge/ weich er von
ihnen/ uñ ſondert ab die Juͤnger/ uñ redet taͤglich in der Schul
eines/ der hieß Tyrannus. Und daſſelbige geſchach zwey
Jahr lang/ alſo/ daß alle/ die in Aſia wohneten/ das Wort
deß HErrn JEſu hoͤreten/ beyde Juden und Griechen. Zu
Alexandria iſt von St. Marco eine Schule erweckt worden/ in deren
fuͤrtreffliche Kirchen-Lehrer/ ſonderlich Pantænus und Origenes florirt.
Zu Rom/ Conſtantinopel/ Byruth/ und anderswo iſt dergleichen geſche-
hen. Und ſind bey ſolcher Anſtalt der Jungfrauen- und Toͤchter-Schulen
nicht vergeſſen worden/ deren im N. Teſtament gleichſam Heerfuͤhrerin
geweſt die Prophetin Hanna. Deßgleichen iſt eine ſolche Schul-Doctorin
geweſen die außerwehlte Frau/ an welche St. Johannes ſein an-
D. Chemnit. Harm. c. 11. p. 157. Porro non fuit novus, aut electitius cultusConf. Part.
4. Lact.
Catech.
dedic.
Hannæ, ſed vetus exercitium viduarum, \& uſitatus ritus in populo Iſrael planè
talis erat: ſicut extat Exod. 38. v. 8. Quem locum \& Chaldæus Paraphraſtes,
\& Rabini ita explicant, quod viduæ quædam domeſticis curis ſolutæ, abdicatis
omnibus vitæ hujus deliciis, (in cujus teſtimonium ſpecula, quibus anteà uſæ fue-
rant, obtulerunt ad uſum tabernaculi) dediderunt ſe cultui Dei, ita ut per ſin-
gulos dies certo tempore venirent ad tabernaculum, oraturæ in oſtio tabernacu-
li. Et harum etiam fit mentio 1. Reg. 2, 22. Tribuitur autem illis viduis verbum
[...] Saba, quod non tantum de Politica, verùm etiam de Eccleſiaſtica militia
Achter Theil. D d d d ddere
[762]Die ſechs und zwantzigſte
miniſterii in tabernaculo uſurpatur. Num. 4. v. 23. \& 8. v. 24. Non malè
igitur ſentiunt, viduas illas non tantùm orationis gratia ad oſtium taberna-
culi excubaſſe; Verùm etiam ad certam aliquam militiam, ſeu functionem mi-
niſterii Eccleſiaſtici, ſexui huic convenientem, deſtinatas fuiſſe; ut ſc. aquas
aſportarent, victimas mactatas lavarent, \&c. Præfectas etiam fuiſſe diſc pli-
næ, \& inſtitutioni puellarum, quid am non malè ſentiunt: Et inde Hannam
nomen Prophetiſſæ accepiſſe, ficut Prophetæ appellatio 1. Cor. 14. v. 32. ita uſur-
patur. Tit. 2, 3. ubi viduas vocat καλοδιδασκάλους, \&, quæ docere debeant, præ-
ſcribit. Simile ferme exemplum exercitii viduarum legitur, Judith 8, 5. Et
videntur illæ viduæ Exod. 38, 8. ex publicis Eleemoſynis ſuſtentationem habuiſſe.
Nam Deut, 24, 20. quædam pro viduis deponuntur. Et 2. Maccab. 3, 10. victua-
lia viduarum \& pupillorum in templo depoſita fuerunt. Certè Act. 6, 1. \& 1.
Tim. 5. v. 16. expreßè hoc ponitur. Hoc exemplum viduarum veteris Teſta-
menti, Paulus 1. Tim. 5, 9. accommodat ad Collegia viduarum ſui temporis:
Non ut doceat uxores relictis maritis, viduas relictis liberis \& nepotibus debere
hoc inſtitutum vitæ amplecti: ſed ponit certam viduarum diſtributionem.
Sicut Hanna, cum eſſet maritata, non ſectata est illum ritum viduarum: nec
ſtatim post mariti mortem, ſi vel liberos, vel nepotes habuit, illos neceſſaria
cura deſtituit 1. Tim. 5, 4. ſed cum in dies progreſſa vera eſſet vidua \& deſola-
ta, tradidit ſe in illud collegium viduarum.
dere Epiſtel laſſen abgehen. St. Paulus gedenckt ſolcher Tit. 2/ 3.
Den alten Weibern deſſelbigen gleichen/ daß ſie ſich ſtellen/
wie den Heiligen geziemet/ nicht Laͤſter in ſeyn/ nicht Saͤuf-
ferin/ ſondern gute Lehrerin. Darauff die Cloͤſter gefolgt/ ſo an-
fangs Schulen (wie Caſſander in Conſult. Eſpencæ in digreſſ. Jo-
doc. Cocus in Dagoberto nicht gekunt in Abrede ſeyn) und rechte
Gymnaſia Euſebiæ, Ubungs-Schulen geweſt/ darinn zuvorderſt die
Jugend in der reinen Religion und Gottesdienſt/ in guten Sitten und
Tugenden/ nuͤtzlichen/ und der Gottſeligkeit wol dienenden Kuͤnſten und
Sprachen/ auch heylſamer Zucht/ auff- und anerzogen worden. Wie
aber hernach dieſelbe degenerirt/ da der Wider-Chriſt jung und vom hoͤl-
liſchen Gugauch außgebruͤtet worden/ und vom rechten Zweck abgeſprun-
gen/ da Babyloniſche Thuͤrn und Gefaͤngnuͤſſe daraus worden/ in denen
die kein-nuͤtze Schul-Theologia graſſirt/ und viel Ungluͤck geſtifftet. (Von
der Schul-Theologiâ vide in Lutheri Tom. 7. Witt. p. 187. Tom. 1.
Isleb. p. 126. Tom. 2. lat. p. 410. f. 2.) Davon iſt zu andern Zeiten
Bericht geſchehen.
Es iſt aber in dieſer Schule der oberſte Scholarch der Lehrer
mit
[763]Predigt.
mit der gelehrten Zungen Chriſtus der HERR ſelbſt. Sollen dero-
wegen von Rechts wegen alle Lehrſchulen und Gymnaſia Chriſti/ ja Chriſt-
liche Schulen ſeyn und heiſſen/ und nicht Schulen deß Sathans/ wovon
Chriſtus an den Engel der Gemeine in Smyrnen/ ſchreiben laſſen: Jch
weiß die Laͤſterung von denen/ die da ſagen/ ſie ſind Juden/
und ſinds nicht/ ſondern ſind deß Sathans Schule. Apoc. 2/ 9.
Apoc. 3/ 9. Sihe/ ich werde geben aus Sathans Schule/ die
da ſagen/ ſie ſind Juden/ und ſinds nicht/ ſondern luͤgen.
Sihe/ ich wil ſie machen/ daß ſie kommen ſollen/ und anbe-
ten zu deinen Fuͤſſen/ und erkennen/ daß ich dich geliebet ha-
be. Dadurch verſtanden werden/ nicht nur die Schulen/ in welcher
der Sathan allzugrob herein wuͤtet/ und ex profeſſo offentlich die Zau-
berey (wie geſchehen ſeyn ſoll in der hohen Schul Salmantica) zu leh-
ren fuͤrgibt/ ſondern es gehoͤren dahin alle erdichtete/ luͤgenhaffte/ ſchaͤdli-
che Lehren/ Kuͤnſten und Ubungen. Dann gleichwie GOtt der HErrv. Voſſ. l. 1.
de Idol.
c. 8. [...]x
ſuis, quos
citat, au-
thoribus.
lehret [...] was nutzlich iſt/ ſo lehret der Teuffel [...], was
nichts nutz iſt. Wohin zu ziehen die Gymnaſia nequitiæ, die ſchnoͤde Bu-
benſchulen/ das leichtfertige Bubenſpiel und Ubung der Schandbuͤberey/
wovon Lactant. lib. 1. de falſ. Relig. c. 20. folgenden Bericht erſtattet.
Es ſeyen ſonderlich in dem alten heydniſchen Griechenland gewiſſe Bu-
ben-Haͤuſer/ Theatra und Plaͤtze gehaͤget/ und gehalten worden/ in wel-
chen die Ephebi, Knaben in ihrer zarten Jugend/ eâ ætate, in qua in la-
queos prius cadere, quàm cavere potuerunt, nackend und bloß/ ohne
Schen und ſcham[r]oth erſchienen/ nicht allein allerhand obſcœna, ſchand-
bare Wort und Narrentheydung auff die Bahn gebracht/ ſondern auch
mit aͤrgerlichen/ unverſchaͤmten Geſtibus, Sitten und Geberden/ die un-
zuͤchtige Augen der Zuſeher geweydet/ ihre Luſtſeuche erwecket/ die Hertzen
zum Hurenkitzel und unzuͤchtiger Brunſt entzuͤndet/ welche ſie in naͤchſt
gehaltenen fornicibus und Hurenhaͤuſern buͤſſen/ die Brunſt abkuͤhlen/
und ſolche Unflaͤterey und Buͤberey veruͤben moͤchten/ daß davon viel
beſſer zu ſchweigen/ als viel Wort zu machen. Officium linguæ ſuperat
ſceleris magnitudo, wie abermal Lactantio davon zu reden beliebt/ l. 6.
de vero cultu c. 23. Jſt wol zu erbarmen/ daß auch dergleichen Gymna-
ſia, unter und zur Zeit Antiochi von dem Ertz-Mammelucken und ab-
truͤnnigen Hohenprieſter Jaſon unter dem Volck Gottes zu Jeruſalem/
erbauet geſtifftet/ graſſiret/ und im Schwang gegangen κατὰ τὰ νόμιμα
τῶν ἐθνῶν. Davon 1. Maccab. 1/ 15. 2. Maccab. 4/ 12. 14. Da die
beſchnittenen Juden/ die Vorhaut durch ſonderbare Kuͤnſte wiederumb
D d d d d 2an-
[764]Die ſechs und zwantzigſte
angezogen/ ut nudi quoq; Græcis non eſſent diſſimiles, wie Joſephus
druͤber gloſſiret/ lib. 12. antiq. c. 6. τοὺς κρατίϛους ἐϕήϐων ὑπὸ πέτασον, hin-
ter die Schanddecke und Fuͤrhang gezogen/ waren ſolche Gymnaſia und
Bubenſchulen/ die/ ſo offt man ihrer gedenckt/ oder davon zu reden Anlaß
bekommt/ man verſpeyen/ und vermaledeyen/ und ſagen ſoll/ pfui Teuffel!
Nicht ſolcher Art Haͤnſer und Plaͤtze ſind die Schulen/ in welchen die
hoͤchſte Weißheit uͤber alle Weißheit der Erkaͤntnuͤß Chriſti gelehret/ geuͤ-
bet und getrieben wdrden/ dergeſtalt formirt/ geordnet/ und dargeſtellt/
daß Chriſtus darinn Α. \& Ω. der Anfang und das Ende ſey/ daß von ihm/
zu ihm/ und durch ihn/ das gantze Schulwerck gefuͤhret werde/ laſſet die
Kinder zu mir kommen/ ſagt der HErr ſelbſt und ſeine Apoſtel. Eph. 6/ 4.
Jhr Vaͤter reitzet euere Kinder nicht zum Zorn/ ſondern zie-
het ſie auff in der Zucht und Vermahnung im HERRN.
Uber das hat auch die Welt und dero Rathgeberin die Vernunfft/ hat auch
ihre Gymnaſia jederzeit gehalten/ darinn die Jugend in freyen Kuͤnſten
und politiſchen Tugenden aufferzogen worden. Cicero ſchreibt lib. 2.
de orat. n. 200. welcher Maſſen zu Rom die alte Schand-Gymnaſia
reformirt/ abgethan/ und Kunſt-Schulen daraus gemacht worden. Secu-
lis multis ante ſunt inventa Gymnaſia, quàm in his Philoſophi gar-
rirent: hoc tem pore, cum omnia Gymnaſia Philoſophi teneant, eo-
rum tamen auditores diſcum malunt audire, quàm Philoſophum.
Sonderlich ſind beruͤhmt die Gymnaſia militiæ, die Ritter- und Kriegs-
ſpiele/ darinn die Jugend geuͤbt und abgerichtet worden/ mit der Zeit/ wo es
von noͤthen/ aus Schimpff Ernſt zu machen/ und iſt ſonderlich bey den
Griechen und Roͤmern beruͤhmt geweſen das πένθατλον, das quinquerti-
um,das fuͤnffkuͤnſtige Spiel/ſaltus, curſus, diſcus, jaculum, lucta,
der Wettſprung/ Wettlauff/ Wettwurff/ Wettſchuß/ Wettkampff/ in An-
ſehen deſſen St. Paulus der edle Roͤmer manche ſchoͤne Wortblum ent-
lehnet/ und damit ſeinen Epiſtol. Garten gezieret. 1. Cor. 9. Eph. 6/ 12. Phil.
1/ 30. c. 4/ 3. Col. 1/ 29. 1. Tim. 6/ 12. 2. Tim. 2/ 5. c. 4/ 7. Hebr. 10/ 32. 33. Daß
dergleichen auch unter und bey dem Volck Gottes uͤblich geweſen/ davon
zeugen unterſchiedliche monumenta. Abraham hat nicht vergebens ſein
Chanichim, dedicatos, ſein Außſchuß und Flor alſo genennet/ mit denen
er als geuͤbten jungen Helden den Kedarlaomor angegriffen/ und denſel-
ben aufs Haupt geſchlagen/ Gen. 14. Jud. 3. wird angezeigt/ welcher Maſſen
die Kinder Jſrael im Lande Canaan Kriegs-Schulen gehabt/ und die Ju-
gend/ die von ihrer Vaͤter Helden-Thaten und Cananeiſchen Kriegen
nichts gewuſt/ lehren kriegen/ Jud. 20. werden geruͤhmet 700. Benja-
minit-
[765]Predigt.
miniten/ die ſo wol abgefuͤhrt und geuͤbt geweſen/ daß ſie mit der Schleu-
der ein Haar getroffen/ und nicht gefehlet/ in welcher Kunſt auch David
ein trefflich ſpecimen und Meiſterſtuͤck gethan/ und dem Goliath grad/ e-
ben und gewiß ſeine Stirn und Schlaff getroffen: hernach die Anordnung
verfuͤgt/ daß man die Kinder Juda hat muͤſſen den Bogen lehren/ ſie in
Buͤchſen/ Armbruſt und Pfeil wol abgericht/ nach welcher Inſtruction
Davids Sohn/ der ſonſt wilde und freche junge Printz Abſalon eine ſol-
che Saͤule und machinam auffgerichtet/ Jad Abſalon. 2. Sam. 18. Das
iſt/ locum exercitii Regii, wie es der Chaldeiſche Dolmetſch gedolmet-
ſchet/ da die junge Herren und Hof-Edle ſich in allerhand Ritterſpiel/
Schieß- und Armbruſt-Rein geuͤbet; Hieronymus ſchreibt uͤber Zach. 12.
daß in Palæſtina in allen Staͤdten und Flecken/ ſeyen allerhand Steine/
wie Muͤhlſtein und Scheiben aufgericht geweſen/ daran ſich die junge Ge-
ſellen gemacht/ ihr Leibsſtaͤrcke probirt/ ſie in die Wette aufgehoben/ und da-
mit als mit Ballen geſpielet/ und diß war eben der diſcus und Scheibeſpiel/
oder Ballenſpiel/ deſſen 2. Macc. 4/ 14. gedacht wird/ diß ſind zwar ſolche
Spiele/ die paſſirlich/ wol erlaubet/ wie auch die Exercitia ſtudioſorum,
davon vor dieſem ein ſonderlich Tractaͤtlein außgegangen/ ſo lange ſie in
viâ regiâ, in regione adia phororum mit Maß und Ziel bezirckt/ in der
Mittelſtraſſe bleiben/ andere Seria nicht hindern/ und kein Handwerck
daraus gemacht wird; ſie muͤſſen aber leiden/ und von ſich ſagen laſſen/
prædicatum Pauli 1. Tim. 4, 8. πρὸς ὀλίγα, ſie ſeyen wenig nutz. Und
wohnet Chriſtus nicht in ſolchen Welt-Gymnaſiis, als der oberſte Schol-
arch und Rector perpetuus, zihlen dieſelbe nicht zu Chriſti Ehr uñ Dienſt
demſelben zu Gefallen gute Ritterſchafft zu uͤben/ nach dem fuͤrgeſteckten
Kleinod zu lauffen und zu ringen/ und im Fall der Noth Chriſti Evange-
Quid alias (ita Auguſt. lib. 1. Confeſſ. c. 10.) prodest ingenium per illasSaubert.
mirac.
A. C. pag.
137.
doctrinas agile; \& nullo adminiculo humani magiſterii tot nodoſisſimi libri
enodati, cum deformiter \& ſacrilega turpitudine in doctrina pietatis errarem?
lium zu foͤrdern/ und Pferde zu ſatteln/ (wie jene Helden-Bekenner/ weyl.
Wolffgang Fůrſt zu Anhalt zu Augſpurg ſich vernehmen laſſen/
da er das Concept der Augſpurgiſchen Confeſſion vor die Hand genom-
men/ und unterſchreiben wollen; Jch habe manchen ſchoͤnen Ritt
andern zu Gefallen gethan/ warum ſoll ich dann nicht/ wann
es von noͤthen waͤre/ auch meinem HERRN und Erloͤſer
Chriſto JEſu zu Ehren und Gehorſam mein Pferd ſatteln/
und mit Darſetzung meines Leibs und Lebens zu dem Eh-
D d d d d 3ren-
[766]Die ſechs und zwantzigſte
renkraͤntzlein im himmliſchen Leben eilen?Hiſt. Aug. Confeſſ.
pag. 378.) So ſagt der weiſe Mann/ εἰς ου᾽δὲν ἐλογίσϑησαν, ſo werden ſie
fuͤr Gottes Augen fuͤr nichtig und untuͤchtig gehalten.
Chriſti Schule/ die beſte Schule! als welche GOtt der himmliſche
Vater ſelbſt vom Himmel herab zu hoͤren/ recommendirt/ und der gan-
tzen Welt fuͤrgeſtellt/ derſelbe lehret unum, verum, bonum, das einige noͤ-
thige/ die Chriſtoſophiam, die Erkaͤntnuͤß/ Perſon/ Ampt/ und Guttha-
ten Chriſti/ welches das einige ἔργον iſt/ darumb wir wiedergebohren/ oder
zum Himmelreich außerkohren/ alle andere Studia ſeynd ohne dieſes ver-
lohren/ ſind πάρεργα, ſind Nebens-Arbeiten. Es muß nicht ein jeder
Menſch ein Juriſt/ Artzt/ oder auch hochgelehrter Theologus ſeyn; Aber ein
Chriſt muß jederman ſeyn/ und in ſeinem Chriſtenthumb wachſen iſt je-
derman befohlen. Er lehret/ was unfehlbar wahr/ durch den Geiſt der
Warheit; Lehret was gut und nuͤtzlich iſt. Eſa. 48/ 17. utilia, non ſubrilia:
Die Subtilitaͤt iſt zweyerley/ eine iſt deß Seidenwurms/ die andere der
Spinnen ſubtiler Faden und Geweb. (Es iſt leicht zu erweiſen/
ſchreibt weyland H. Doct. Schmid ſeel. uͤber Eſa. 48. pag. 77.) daß ſie
in den meiſten Dingen nicht einander entgegen/ ſondern
mit einander verbunden ſeynd/ alſo/ was ſubtil/ daſſelbe
auch zugleich nutz ſey: Ja in heiliger Schrifft inſonderheit
werden vielſubtiliain ſeiner Maß gefunden/ als in den Buͤ-
chern Moſis/ ſonderlich im Job/ im Pſalter/ im Prediger
und Hohenlied Salomonis/ in den Propheten/ in der Of-
fenbahrung Johannis/ die doch alleſampt auch zugleichuti-
lia,nuͤtzlich ſeynd: Denn alle Schrifft iſt nutz/ auch die etwas
dunckel iſt/ und viel Nachſinnens bedarff. Wie in der andern
Epiſtel an Timotheum am 3. außtruͤcklich ſtehet.) Nicht jene/
ſondern dieſe iſt nutzlich. Es lehret aber auch Chriſtus fein methodicè,
ordentlich/ getreulich/ lieblich/ liecht/ leicht/ catechizando, durch Frage
und Beantwortung. Je naͤher einer dieſer Weiß zu lehren/ je beſſer lehret
er: Den Diſcipulis, den Juͤngern und Lernenden/ im Gegentheil hat
Syrach einen kurtzen methodum fuͤrgeſchrieben/ beſtehend in der ἰχιεύσει,
καταλύσει, μελέτῃ, διανοίᾳ, ἀκροάσει, im hoͤren/ forſchen/ nahbeywohnen/
betrachten/ nachſinnen/ ſonderlich der παρακύψει, im Durchſchauen deß
ſo wol Geſetzes-als Evangelii-Spiegel. Wird ſonſt geleſen von der En-
gliſchen Begierde/ die Myſteria und Geheimnuͤſſe deß Evangelii zu pene-
triren; die Engel geluͤſtet hinein zu ſchauen. Am H. Oſter-Engel iſt Chriſt-
lichen Studenten zu andern Zeiten ein ſchoͤn Exempel deſſen fuͤrgebildet
wor-
[767]Predigt.
worden/ in deſſelben ſituation und Stellung in dem Grabe/ im allerheilig-
ſtem Grabe/ in welchem gelegen Gazophylacium ſapientiæ; in der
Arche/ in welcher die gruͤnende Ruth Aaronis gelegen/ zween Engel/ einer
zun Haupten/ der ander zun Fuͤſſen ſaſſen wie die Cherubin auff der Arche.
Was hat abeꝛ deꝛ eine Engel im Gꝛabe gemacht? Joh. 20/ 12. Eꝛ ſaß da nicht
nur als ein Doctor, ſondern auch als Diſcipul uñ Student/ wie Paulus zu
den Fuͤſſen Gamalielis geſeſſen. Deut. 33/ 3. Act. 22/ 30. anders nicht/ als
ein emſiger/ ſinnreicher Student/ wann er in einem Buch ſonderbare
Arcana findet/ ſo ſitzet er meditabundus tieffſinnig/ dencket der Sachen
urinatoriè nach. Alſo ſitzet dieſer Juͤngling auch da. Jſt kein poetiſch Ge-
dicht/ in eigenem Hirn gewachſen; ſondern St. Petrus der ſagt von den
H. Engeln 1. Petr. 1/ 12. εἰς ἅ ἐπιθυμου̃σιν παρακύψαι Ἁ die Arcana die uner-
forſchlichen Weißheit Gottes/ die von der Welt her verſchwie-
gen/ jetzt aber kund worden/ Eph. 3/ 10. Unter welchen auch eines
war das kuͤndlich groſſe Geheimnuß/ ſo in Joſeph Grab vergeaben lag/ daß
der duͤrre Stab wie derumb gegruͤnet. Παρακύψαι heißt nicht bloß ſchauen/
ſondern genau mit niedergebucktem Angeſicht tieffſinnig durchſchauen/
wie man durch ein Gegitter und Fenſter ſchauet. Cant. 2. Gen. 26. Luc. 24,
12. ἐπιθυμου̃σιν, es geluſtet die Engel zu ſchauen: ſie koͤnnens nicht erſchoͤpf-
fen/ ſie wundern/ und koͤnnens nicht außwundern; ſie loben/ und koͤnnens
nicht außloben/ es geluͤſtet ſie im̃er je laͤnger je mehr/ inſatiabiliter, wie die
Cherubim auff der Bunds-Lade nicht gar hinein geſehen/ ſondern nur
auff den Deckel/ da hieſſe es: Das Auge ſihet ſich hie nimmer ſatt.
Alſo laſſen ſich Iſangeli ſtudioſi, Engel-gleiche uñ Engelfoͤrmige Studen-
ten und Scholaren gern in ihren Schulgraͤbern finden. Was da thun?
Nicht ſpringen/ reiten/ (welche ſonſt progymnaſmata adiaphora und
Mittelding) nicht tantzen/ ſpringen/ dann was iſt das nutze/ wird man
damit dem gemeinen Weſen dienen? Conſilia tantzen? Sondern ſitzen/
Sitzleder iſt von noͤthen/ ſitzen ad pedes Gamalielis, ſitzen und ſchwitzen/
ſitzen/ aber παρακυψαντες, als die Einſchauende. Eine jede Scienz hat ihre
Arcana, tiefſinnig/ im̃er Luſt/ nim̃er Veꝛdruß/ nachzudencken/ ſondeꝛlich das
unũ neceſſariũ, das jenige noͤtige zu eꝛfoꝛſchẽ/ die Arcana uñ Tꝛoſtflieſſende
myſteria fidei, die Geheimnuͤſſen deß Glaubens recht zu faſſẽ. Gallioniſche
Heydniſche Gemuͤther laſſen ſich beduͤncken/ das gehe ſie nicht an. O nein!
hoc ergon, alia ſtudia πάρεργα, Joel. 2. Juͤnglinge ſollen Geſichte
ſehen. Jch ſchreib euch Juͤnglinge/ 1. Joh. 2/ 13. Das Argument
ſchließt veſt. So die Engel geluͤſtet inſatiabiliter, unerſaͤttlich hinein zu
ſchauen/ denen doch Chriſtus nicht zu gut in die Welt kommen/ ſo die
edel-
[768]Die ſechs und zwantzigſte
edelſte Kinder Gottes ſich der Theologi nicht ſchaͤmen/ was bildet ihr
euch ihr Edlen/ ihr Reiche ein/ daß ihr Chriſto/ wann er euch durch gute
Gaben zu ſich berufft/ den Ruͤcken kehret/ eben wie jener Juͤngling?
Matth. 19. Der gieng betruͤbt von ihm/ dann er hatte viel Guͤ-
ter. Aber was folgt? Warlich/ ein Reicher wird ſchwerlich ins
Reich Gottes kommen.Ad dextram manè, der Oſter-Engel ſaß
zur Rechten fruͤhmorgen/ cum dexteritate, fein ruͤſtig/ luſtig/ alacriter
das Werck anzugreiffen mit Freuden/ unverdroſſen. Mane aurora, mu-
ſis amica, Morgenſtund/ Guldenmund!
Belangend den Zweck der Schulen Chriſti/ ſo ſoll von Rechts wegen
ein jedes Chriſtliches Gymnaſium oder Chriſtliche Schule ſeyn I. Doxa-
ſterium, Chriſti edles Glori-Hauß/ in welchem die vaſa gloriæ, die
Gefaͤß der Ehren/ die Ehrwuͤrdige/ Ehrenveſte/ Ehrenhaffte Perſonen/
Fuͤrſten/ Herren/ Redner und Raͤthe gleichſam geſchmiedet/ polieret und
bereitet werden/ 2. Tim. 2/ 20. Jn einem groſſen Hauſe aber ſind
nicht alleine guͤldene und ſilberne Gefaͤſſe/ ſondern auch hoͤl-
tzerne und irrdiſche/ und etliche zu Ehren/ etliche aber zu Un-
ehren/ ſpricht Paulus. Verſtehet zwar durch die guͤldene und ſilberne
Gefaͤſſe/ die rechtglaubige und außerwehlte Kinder Gottes/ durch die irr-
dene und hoͤltzerne/ die Apoſtaten und Abtruͤnnigen; ſchleußt aber damit
nicht aus den Verſtand von unterſchiedlichen Aemptern und Ordnungen
in dem groſſen Welt-Hauſe/ in welchem der himmliſche Vater allerhand
Perſonen und Arbeiter bedarff/ St. Paulus war ein recht guͤlden Gefaͤß
und erwehlter Ruͤſtzeug/ Act. 9/ 15. Der HERR ſprach zu Ana-
nia/ dieſer iſt mir ein außerwehlter Ruͤſtzeug.Contrà war Je-
chania ein unwerthes Gefaͤß/ ein unwerther/ elender/ verſtoſſener Mann/
Jer. 22/ 28. Sollen nun erleuchte/ begabte/ tapffere Perſonen/ GOtt dem
Allerhoͤchſten zu Ehren in Kirchen/ Schulen und Regiment/ dienen/ fuͤr an-
dern ihre Predigten/ heilſame Conſilia und Raͤthe ihre Gaben leuchten
laſſen/ ſo muͤſſen ſie zuvor in der Schule/ als der Werckſtatt wol außgeruͤ-
ſtet und bereitet werden ad gloriam Chriſti magnam, majorem, maxi-
mam. Daß deß Koͤnigs der Ehren JEſu Chriſti Namen/ Ruhm und
Ehr/ immer je heller und heller erkant/ je hoͤher und hoͤher getrieben/ je wei-
ter und weiter außgebreitet werden. Welches Gefaͤß nicht nach dieſem
Balſam riechet/ das ſtincket. Welche Gefaͤß nicht durch den Glauben an
Chriſtum inaurirt und beguldet worden/ die ſind unrein/ darumb Salo-
mon ſeinen Tempel mit guldenen Gefaͤſſen gantz herrlich gezieret.
II. Oecoterion,Chriſti Reichs Wohnhauß/ in welchem Chriſtus uñ
ſeine
[769]Predigt.
ſeine Juͤnger die himmliſche/ wahre und recht-ſeligmachende Weißheit
profitiren/ da hat er ſein Catheder und Lehr-Stuhl. Jch habe/ ſpricht
er ſelbſt Joh. 18/ 20. frey offentlich geredt fuͤr der Welt. Jch ha-
be allezeit gelehret in der Schule/ und in dem Tempel/ da al-
le Juden zuſammen kommen/ und habe nichts im verborge-
nen geredt. Auff dieſes Wohnhauß zihlet und ſihet die Apoſtoliſche
Vermahnung Col. 3/ 16. 17. Laſſet das Wort Chriſti unter euch
reichlich wohnen in aller Weißheit/ lehret und vermahnet
euch ſelbſt mit Pſalmen und Lob-Geſaͤngen/ und geiſtlichen
lieblichen Liedern/ und ſinget dem HErrn in euerm Hertzen/
und alles was ihr thut mit Worten und Wercken/ das thut
alles in dem Namen deß HErrn JEſu/ und dancket GOtt/
und dem Vater durch ihn.
Ein ſolches Chriſtliches Wohn-Hauß/ iſt die rechte Lehr- und Cate-
chiſmus-Schule. Hie ſtehet Chriſti Bild allenthalben zum Fuͤrbild auff-
gerichtet/ die Fuͤrſchrifft ſeiner Fußſtapffen: Hie die rechte Tugend und
Zucht-Schule/ da der Vater bißweilen die Ruthen brauchen muß/ da die
barbariſmi vitæ und ſolœciſmi morum muͤſſen corrigirt werden. Dav. Abrah.
Phar.
p. 168.
Corn. ad
Baruch
p. 92.
hat Abraham/ der fromme Hauß-Vater/ in ſeinem Hauß ſeine Chani-
chim, tapffere junge Schuͤler/ die/ wie das Hebreiſche Wort mit ſich
bringt/ geuͤbet/ gemuſtert/ geweyhet/ etliche zum Krieg/ andere zum Got-
tesdienſt: Jch weiß/ ſpricht der HErr ſelbſt Gen. 18/ 19. er wird
befehlen ſeinen Kindern und ſeinem Hauß nach ihm/ daß ſie
deß HErrn Wege halten/ und thun/ was recht und gut iſt.
Was war die Lehre und Kunſt/ die Abraham profitirte? Es
iſt ein Weg/ er wird befehlen die Wege. Was fuͤr ein Weg? Cains brei-
te Jrrwege und Mord-Straſſen/ der Jrrweg ſeines Unglaubens und
Verzweiffelung/ der Weltweg und Weltlauf/ politiſiren/ hypocritiſiren/
alo peciſiren/ ſophiſticiren/ inſinuiren/ ſich in der Welt groß zu machen
und bereichern? O nein! Dazu war Abraham viel zu fromm/ zu redlich/
und zu heilig. Was denn? Hat er irgend den Himmelweg/ Himmels-
lauff/ die Lehre von dem geſtirnten Himmelslauff/ die Philoſophy, und
dergleichen gelehrt? Ja freylich; er hat dergleichen gelehret in Egypten/ wie
vielmehr daheim in ſeiner Huͤtten. Joſephus kan nicht Wort gnug
finden ſeine Geſchickligkeit heraus zu ſtreichen/ gibt ihm ein herrlich
Lob/ lib. 1, 9. und ſagt/ daß da er zun Zeiten der Theurung in Egypten
kommen/ da habe er ſich erzeigt als ein δεινὸς καὶ συνετώτατος ἀνὴρ, er ſey
ἐπιϕανέϛατος καὶ ϑαυμαθεὶς geweſt/ er habe von ſich leuchten laſſen die
Achter Theil. E e e e eSo-
[770]Die ſechs und zwantzigſte
Sophiam, ſcharffſinnig/ δεινὸς ου᾽ νοῆσαι μόνον, ἀλλὰ καὶ πει̃σαι, wol beredt/ ein
gewaltiger Diſputator, der mit den gelehrteſten Egyptiern ſich in Geſpraͤch
eingelaſſen/ und ihre Streitigkeiten geſchlichtet/ ſonderlich habe er docirt die
Arithmetic, und die Aſtronomiam, und daſſelbe vergebens ohne Lohn/
(χαρίζεται) von ihm aus Ur Chaldæa, als einer Liechtſchule ſey die Phi-
loſophia aus Egypten/ und von dannen in Griechenland/ weiter aus
Griechenland in Welſchland/ aus Welſchland in Teutſchland fortgepflan-
tzet. Das alles wird Abraham ruͤhmlich nachgeredt/ aber der H. Geiſt ge-
denckts hie nicht/ ohne Zweiffel/ quia parergon, weil ers fuͤr eine Neben-
Lehre gehalten; Sondern er beruͤhrt vielmehr das ἔργον, das unum ne-
neſſarium, Derech Jehovah, viam Lacteam, den rechten Catechetiſchen
Himmels-Weg/ den Weg vom HErrn/ auff welchem der HErr zu uns
herab kommen/ der Weg durch den HErrn/ den der HErr Meſſias mit
ſeinem Blut gebahnet; den Weg zum HErrn/ da von Fried und Freude
im H. Geiſt. Mit einem Wort HODOSOPHIAM, die geiſtl. Reißkunſt/
das Wortliecht/ Gottes geoffenbartes/ unfehlbares Wort/ von allen ſpiri-
tibus fatuis und Jrrgeiſtern unterſchieden. Der Terminus ad quem,
der Reißzweck/ war das hoͤchſte Gut und deſſen Genuß. Der doppelte theils
Geſetzweg/ den wir außzufuͤhren nicht vermoͤgen/ theils der Evangel. Weg/
welcher iſt Chriſtus ſelbſt/ die Him̃els-Leiter/ der Weg/ die Warheit/ und das
Leben. Der Weg des HErrn zu uns vom Himmel herab/ in dem feurigen
Gnaden-Wagen deß Miniſterii, der Sacramenten/ und H. Abſolution;
der Weg zum HErrn hinauf zu kommen/ ſagend: thut Buſſe und glaubet
dem Evangelio/ ad beatam analyſin, zur ſeligen Hinfahrt/ in das himm-
liſche Canaan/ durch das Jrrdiſche bedeutet/ dadurch uns jenes als durch
ein perſpectiv gezeiget wird; dort das hoͤlliſche Sodoma/ Sodomæum bu-
ſtum, welches Abraham ſeinen Lehr-Kindern offt gezeiget/ wol eingebildet/
und deſſelben Aſpect ſie vom boͤſen abgeſchreckt. Das iſt eine kurtze hypo-
typoſis deß Wegs deß HErrn/ das war die Lection, das Penfum.
Wie aber? Quâ methodo? Denſelben verbirgt uns der Geiſt Gottes
auch nicht/ in einemeinzigen/ kraͤfftigen/ weit-außſehenden Hebraͤiſchen
Wort Jezave. Lutherus hats gegeben/ befohlen. Er wird ſeinen Kin-
dern befehlen. Jſt aber damit der Verſtand noch nicht erſchoͤpfft/ es
heißt ferner ſo viel als lehren und unterweiſen/ ordentlich nach einer ge-
wiſſen/ kurtzen/ heylſamen Regul/ accuratè, gnau und fleiſſig/ mit ſolchem
ſcharffſinnigem Bedacht/ als man irgend ein Teſtament und letzten Wil-
len auffſetzet; und dazu gantz illuminatè, hell und klar/ durch Figuren/
Parabeln/ Exempla, wie in ſolchem Verſtand das Wort zu leſen Gen. 7/
9. 2. Sam. 17/ 23. Eſa. 38/ 1. Eſa. 28/ 10. Prov. 6/ 23. und wird demnach
Abra-
[771]Predigt.
Abraham befehlen/ informiren/ illuminiren/ lehren/ mit dem außerleſenen
Inſtrument deß Reichs Chriſti/ linguâ, muͤndlich/ mit holdſeliger ver-
ſtaͤndlicher ſuada, ſceptro, exemplis præeuntis, in ſeinen Fußſtapffen/
virga caſtigationis; Er wird beſchneiden/ das wird wehe thun/ die Vor-
haut deß geilen Fleiſches. Er wird excommuniciren/ relegiren den Gott-
loſen Spoͤtter Jſmael; Ja was noch mehr/ nach dem Goͤttlichen Be-
fehl/ das Meſſer ſeinem Sohn Jſaac an die Gurgel ſetzen/ denſelben
zu ſchlachten und auffzuopffern/ lauter mortificantia! Endlich aber auch
ſtylo \& calamo, mit dem Griffel und Feder/ dann wie kunte es anders
ſein Hauß nach ihm lehren/ als vermittelſt der Feder? das ſey fern/ daß
zu Zeiten Abrahams Gottes Wort nicht auch ſolte ſeyn ſchrifftlich auff-
gezeichnet worden. Er hat ohne Zweiffel/ nach dem ſein Mund ſtumm wor-
den/ eine S. Lipſana, hypomnemata in Schrifften hinterlaſſen. Es hat
der uhralte Arabiſche Sophus Job freylich nach Wunſch ſeine Wort mit
dem Griffel ſelbſt aufgeſchrieben/ Job. 19. Abraham hat ſeine Diaria ge-
halten/ ſeine Ephemerides, die Geſchichte vor der Suͤndfluth/ aus wel-
chen hernach Moſes ſein corpus hiſtoricum mit unfehlbarer Erleuch-
tung deß H. Geiſtes ſelbſt zuſammen getragen/ nach Lutheri Meynung ad
Gen. 15. p. 253. Conf. ex Hiſpanis, Caſp. Sanctium. Quo fine? Zu was
Ende iſts angeſehen geweßt/ zu was Zweck hat er gezihlet? Das ſteht in
den Worten/ er wird befehlen/ad cuſtodiam \& prorogationem, befeh-
len/ daß dieſe Lehre wol aufgehoben/ als ein theurer Schatz behalten/ und
als ein heilſam anathema und depoſitum auf die poſteritaͤt fortgepflantzt
werde. Anders als Cham/ der von Noah aus der Rechten empfangen/ mit
der Lincken angenommen/ abgoͤttiſche Jrrthum und Greuel in die Welt ge-
bracht. Gleichwie Abraham das groſſe Heiligthum/ das ewlge himmliſche
Opfer-Feuer/ das er ererbt/ fleiſſig aufgehebt/ und erweckt: alſo wolt er auch
haben/ daß man das himmliſche Liecht/ ſeine Lehre foviren/ immer Oel zu-
gieſſen/ nimmer ſoll verloͤſchen laſſen. 2. Praxin Juſtitiæ, daß ſie THUN/
wuͤrcken/ præſtiren/ leiſten/ nicht mit loſen Worten von ihrer Froͤmmigkeit
viel Dicentes machen/ und ruͤhmen/ wie heilige fromme Leute ſie ſeyen;
Sondern mehr thun/ als ſagen/ was recht und gut iſt. Jn der H. Sprache
lauten die Wort ein wenig anders/ laaſoth zedakah umiſchpat,daß ſie
thun die Gerechtigkeit und das Gerichte. 2. Sam. 8/ 15. Daß ſie
die erleuchtete/ verſtaͤndige/ gewiſſenhaffte/ richtige/ eingerichte/ außgeuͤbte
und wolbedachte Gerechtigkeit uͤben. Summa/ Liecht und Recht
ſollen einander immer und unauffloͤßlich begleiten. Mancher hat das
Liecht/ weiß was recht/ thuts aber nicht; Mancher hat das Recht/ man-
E e e e e 2gelt
[772]Die ſechs und zwantzigſte
gelt ihm aber am Liecht. Diß iſt die Idea und Bild einer rechtſchaffenen
Hauß-Schule/ ligt nur an der Sequenz und Folge.
III. Chariſterium \& hagiaſterium,Chriſti wolriechendes
Salb-Hauß/ da er ſeine Chariſmata und Gaben deß Geiſtes diſpen-
ſirt/ und außtheilt/ die rohe natuͤrliche Gaben der Geſchicklichkeit heiliget/
wuͤrtzet/ weihet/ von dem anklebenden Unflath der Suͤnden reiniget/ zu
ſeinen Ehren erhebt/ zieret die Ampts-Gaben mit heiligmachenden Ga-
ben/ und mit froͤlichem Succeß in allem beſeliget/ macht/ daß die Schuͤler
Gnade finden/ nicht nur bey dem Menſchen/ ſondern auch bey GOTT.
Jn der Schulen geſchicht die rechte Firmung und Salbung/ davon
St. Johannes redet 1. Joh. 2/ 20. Jhr habt die Salbung von
dem der heilig iſt/ und wiſſet alles/ dieſelbige Salbung/ die
ihr empfangen habt/ bleibet bey euch/ und duͤrfft nicht/ daß
euch jemand lehret/ ſondern wie auch die Salbung allerley
lehret/ ſo iſts wahr. Da er dann freylich nicht verſtehet chriſma cor-
poreum, medicinale, mirificum, eine leibliche Artzeney und Wunder-
Salbe/ von welcher gehandelt wird Marc. 6. Jac. 5. am allerwenigſten
chriſma ſacramentale, eine Sacramentliche Geheimnuͤß- Salbe/ ſo im
blinden Papſtthum bey dem alſo genannten Sacrament der Firmung
uͤblich/ wie es Bellarminus faͤlſchlich deutet; Als welcher Chriſam viel-
mehr ein Character und Kennzeichen iſt der Antichriſtiſchen Beſtien;
Sondern er verſtehet GOtt den H. Geiſt ſelbſt/ den uns der allerhetligſte
Chriſtus ſelbſt erworben und geſchencket/ ſampt ſeinen Gaben: Nicht
nur Spiritum ſanctum medicum, den allerhoͤchſten Artztgeiſt welcher als
ein Artzt ſanat quod eſt ſaucium, heylet was verwundet iſt/ als das koͤſt-
liche Wundoͤhl: Nicht nur Spiritum ſanctum paracletum, den aller-
theureſten Troſt-Geiſt/ welcher als ein bewaͤhrter Balſam und gelindes
Oel erquicket/ er friſchet/ und in der Ohnmacht wiederumb Geiſt und Le-
ben gibet: Sondern vielmehr balſamum illuminationis,die Erleuch-
tungs-Salbe/ den Geiſt der Weißheit/ Verſtand/ Rath und
Erkaͤntnuß/ von welcher er der heilige Geiſt den Namen hat/ und
heißt illuminator, ein Erleuchter/ ein erleuchtender Geiſt und him̃liſcher
Lehrer. Wie das Oel/ wann es brennet/ ein gantz Gemach erleuchtet; Alſo
dieſes heilige Oehl/ wann es in der Ampel deß Hertzens anfaͤhet zu bren-
nen/ erleuchtet den gantzen Menſchen. Wie die Koͤnige/ Prieſter und
Propheten im alten Teſtament/ ſo bald ſie mit dem H. Oehl geſalbet wor-
den/ andere Maͤnner worden; Die Koͤnige ſind geſchickt worden zum
Regiment/ die Prieſter zu ihrer liturgia und Prieſterlicher Amptsver-
weſung/
[773]Predigt.
weſung/ die Propheten zum Lehr-Ampt ausgeruͤſtet: Alſo iſt ein ſolch
Chriſma oder unguentum Doctoreum und Lehr-Salbe/ mit welcher die
geiſtliche Prieſter und Koͤnige im Neuen Teſtament geſalbet und außge-
ruͤſtet werden; Welchen edlen Balſam der groſſe Hoheprieſter Chriſtus
erworben/ geſchencket/ in unſer Hertz außgegoſſen/ von dem haben wir die-
ſe hohe Gabe empfangen: Gleichwie der koͤſtliche Balſam vom Haupt
Aaron herab gefloſſen auff ſein gantzes Kleid/ Pſ. 133. Alſo iſt Chriſtus als
das Haupt mit unermeßlichen Gaben geſalbet: Aber die Troͤpfflein ſind
auff die membra und Gliedmaſſen gefallen. Dannenhero wir auch den
Namen fuͤhren/ und heiſſen Chriſtiani, Chriſten/ von Chriſto dem Ge-
ſalbten/ und Chriſmate Sp. S. dem H. Geiſt als der Salbung/ benamſet.
Es iſt derſelbe ein vollkom̃ener Lehrer/ der uns allerley lehret/ was wahr iſt/
durch welchen wir allen Rath Gottes/ in Sachen unſere Seligkeit betref-
fend/ wiſſen/ alſo gar/ daß uns niemand lehren darff. Wie? das ſcheinet
faſt Enthuſiaſtiſch geredet? Darff uns dann niemand lehren/ was be-
darffs dann deß koſtbaren Predig-Ampts? Antwort/ verſtehe etwas
neues/ das nicht zuvor durch die Propheten und Apoſtel ſchrifftlich auff-
gezeichnet worden waͤre/ von ſonderbaren erdichteten neuen Maͤhren/
Geheimnuͤſſen/ Einfaͤllen/ damit dazumal die Jrr- und Fladder-Geiſter ge-
pranget. Die materialia und ingredientia dieſer Salbung heiſſen kurtz
ϛόμα καὶ σοϕία, Mund und Weißheit. Soll das Gemuͤth und der Mund
wol riechen; Soll unſer Klugheit und Wolredenheit wol leuchten und
brennen/ wol wuͤrcken/ geſegnet und gebenedeyet ſeyn/ ſo muß zuvor in
der Schule deß H. Geiſtes (ſine cujus numine nihil eſt in homine, ni-
hil eſt innoxium, ohne welchen in uns Menſchen nichts gefaͤllig/ nichts
unſchaͤdlich ſeyn kan) die Salbung geſchehen. Ariſtotelis Philoſophia,
Ciceronis Suada waren fuͤr GOtt mehr nicht als Cadavera und Todten-
Aaß/ weil ſie das Leben aus GOtt nicht hatten/ weil ſie nicht aus dem
Geiſt Gottes herkamen/ und nach eigener Ehre geſtuncken. Sollen
Gnaden-Gaben conſecrirt und geweyhet werden/ ſo muß die Furcht
Gottes der Weißheit Anfang ſeyn.Timor Domini eſt princi-
pium ſa pientiæ, hoc eſt, præſtantiſſima ſapientia. Sicut Amos 6. qui
ungunt ſe [...] principio unguentorum, h. e. præſtantiſſimo unguento.
Num. 24. Principium gentium Amalek. 1. Sam. 15. Principium ( [...])
anathematis. i. e. Præcipuum. Syrach. 11, 3. ἀρχὴ γλυκυσμάτων καρ-
πὸς ἀυτῆς. Minima volatilium est apis, at principium dulcium condimen-
torum est fructus ejus, id est, principatum quendam tenet inter dulcia con-
dimenta.
Jn allen Lectionibus die erſte/ in allen Diſputationibus die Herrſche-
rin/ ſie iſt eine fruchtbare Gabe/ ſie hat ſtattliche Verheiſſung. Habenti
dabitur, wer da hat/ dem wird gegeben. Moſes war ein ſchoͤn und feines
Kind von Natur/ lernet Egyptiſche Kuͤnſte in der Schule fleiſſig/ der
Heil. Geiſt erhebt ſeine natuͤrliche Gaben und Schulfleiß in ein hoͤhers
Liecht/ und ſalbet ihn mit der Gabe deß Weiſſagens. Samuel ſitzt zun
Fuͤſſen Eli/ iſt ein Gottsfuͤrchtiger junger Student/ der H. Geiſt macht
einen Propheten und theuren Mann aus ihm/ gibt ihm die damal theure
Gabe deß Prophetiſchen Geiſtes/ vid. Bidenbach. ad Samuel. pag. 7.
Wann er weiſſagete/ waren es nicht laͤre und vergebene
Wort/ ſondern der Außgang bezeuget/ daß er wahr geredet;
Redete er dann von andern Sachen/ ſo fielen ſeine Reden
nicht in Brunnen/ ſondern hatten ein groß Anſehen/ und
waren lauter lehrhaffte/ hertzbrechende Wort.
Contrà ſchreibet Lutherus an die zu Augſpurg verſammlete geiſtliche Tom. 7.
Witt. pag. 446. f. 2. Daß weiſe Leute gemeiniglich den groͤſten Schaden auf Er-
den gethan/ ſonderlich wann ſie ſich auff ihre Weißheit verlaſſen/ und nicht auch
mit Gottesfurcht gehandelt/ und mit demuͤthigem Hertzen umb Goͤttliche Huͤlf-
fe und Gnade gebeten haben. Davon alle Hiſtorien voll Exempel ſind/ beyde in
der Schrifft/ und auſſer der Schrifft/ und wenn ſonſt kein ander Exempel, fuͤr-
handen waͤre/ moͤchte man es wol an eurem eigenen Exempel ſpuͤhren/ denn ihr
habt nun bey zehen Jahren in dieſer Sachen euer Weißheit wol verſucht/ mit
ſo viel Reichs-Taͤgen/ mit ſo viel Rathſchlaͤgen/ mit ſo viel Tuͤcken und Prackti-
cken/ mit ſo viel Vertroͤſtung und Hoffnung/ ja auch mit Gewalt und Zorn/ mit
Mord und Straffe/ daß ich mein Wunder und Jammer an euch geſehen/ noch
hats nirgend dahin gewolt/ da ihrs gern hin haͤttet/ das macht alles/ daß die
Weißheit ohne Gottesfurcht und demuͤthiges Gebet durch ſich ſelbſt hat wollen
ſolche hohe groſſe Sachen meiſtern/ und iſt druͤber zu Schanden worden in ihrer
Vermeſſenheit/ und werdet ihr euch noch nicht fuͤrchten/ noch demuͤthigen fuͤr
GOtt/ daß ihr das Draͤuen und die Rachgier nachlaſſet/ und GOtt mit Ernſt
umb Huͤlffe und Rath bittet/ ſolt ihr noch nichts außrichten/ und waͤret ihr gleich
allzumal ſo weiſe/ als Koͤnig Salomo/ denn da ſiehet die Schrifft 1. Petr. 5.
GOtt widerſtehet den Hoffaͤrtigen/ aber den Demůthigen gibt er ſeine Gnade.
Was GOtt der H. Geiſt den Apoſteln in ſeiner ſichtbaren und gna-
denreichen Außgieſſung unmittelbar beſchehret/ das muß anjetzo nach dem
Maß der Gabe Chriſti in Schulen mittelbarer Weiſe durchs Gebet und
Goͤttlichen Worts Erleuchtung geſchehen.
IV. Agoniſterium,Chriſti Streit-Zeug- und Schutzhauß/
als welcher in den Schulen Teuffel außgetrieben. Marc. 1/ 39. in der
Schulen mit ſeiner Gegenwart ſie beſchaͤmet/ eingetrieben/ uñ offentlich zu
Schan-
[753]Predigt.
Schanden gemacht. Luc. 13/ 17. Jſt zu unſer Vaͤter Zeiten geſchehen in
der Reformation, da man die Babyloniſche Kaͤrcker gereiniget/ die Jrr-
Geiſter außgemuſtert/ und Streit- und Zeughaͤuſer daraus gemacht; Da
man die Waffen Gottes/ das Schwert deß Geiſtes gemacht und außge-
fertiget/ die ſtudirende Jugend in Pruͤfung der Geiſter geuͤbet/ zu rechtem
Gebrauch der geiſtlichen Waffen angefuͤhret/ damit kein heylloſes und
ungeſchicktes Schulgezaͤnck daraus werde/ 1. Tim. 6/ 4. ſondern ſtarcke
fortalitia, dem hoͤlliſchen Heer zuwider und zu Trutz auffgebauet.
V. Ἰατρει̃ον, Chriſti Apotheck-Hauß/ da allerhand Artzneyen/
antidota, Cur-Mittel und Heylpflaſter wider allerley Seelengifft/ toͤdt-
liche Seuchen/ Schwach- und Kranckheiten auff alle Faͤlle gerichtet/ al-
lerhand Confortantia, Hertzſtaͤrckungen/ Spiritus, Saͤfft und Latwer-
gen præpariret werden/ das Chriſt- und geiſtliche Leben zu erhalten und
zu bekraͤfftigen. Hie das rechte Collyrium und Augen-Troſt/ dadurch die
Augen deß Verſtands geoͤffnet/ in allerhand Gewiſſens-Fragen erleuch-
tet koͤnnen werden; zu erkennen was wahr oder irrig/ was recht oder un-
recht/ wer fragen wil/ der frage zu Abela, bey der Mutter in Jſrael.
VI. Brabeuterium,Chriſti Lohn- und Wonnehauß/ darinn er
ſeine præmia außtheilet. Gute Arbeit/ guter Lohn. Die Weißheit/
ſpricht Syrach c. 15. v. 2. wird ihrem Liebhaber begegnen wie eine
Mutter/ und wird ihn empfangen/ wie eine junge Braut/ und
v. 3. 4. 5. 6. Sie wird ihn ſpeiſen mit Brod deß Verſtands/ und
wird ihn traͤncken mit Waſſer der Weißheit/ dadurch wird er
ſtarck werden/ daß er feſte ſtehen kan/ und wird ſich an ſie
halten/ daß er nicht zu Schanden wird. Sie wird ihn erhoͤhen
uͤber ſeine Naͤheſten/ und wird ihm ſeinen Mund auffthun
in der Gemeine. Sie wird ihn kroͤnen mit Freuden und
Wonne/ und ewigem Namen begaben. Sie/ ſagt der weiſe
Mann/ wird es thun/ ſie wird kroͤnen und throͤnen/ und nicht ein jeder ſich
ſelbſt durch Ehrgeitz/ der endlich Spott und Schande nach ſich ziehet.
Gloria hat Crocodil-Art an ſich/ fleuchſt du vor ihr/ ſo folget ſie und laufft
dir nach: Lauffeſt du ihr nach/ ſo fleucht ſie von dir. Hie in dieſer Welt
ſind/ wie alles anders/ alſo auch die Ehren-Titul und Schul-Dignitaͤten
umbs Geld feil/ ſind gemeiniglich tituli fine vitulis. Jn die Ehrenaͤm-
ter kaufft/ bettelt/ heyrathet man ſich ein. Chriſti præmium iſt real, deſſen
Vorſchmack aber ſehr verbittert/ hier im Reich der Gnaden allein em-
pfunden: Dort die Vollkommenheit: Dort lux, hie crux, je beſſer einer
in Chriſti Schule proficirt/ je mehr muß er leiden: Aber je herrlicher
wird
[776]Die ſechs und zwantzigſte
wird auch der Glantz ſeyn und die Cron/ ſo folgen wird in der hoͤchſten
Schule/ da Dan. 12/ 3. die Lehrer werden leuchten wie deß Him-
mels Glantz/ und die/ ſo viel zur Gerechtigkeit weiſen/ wie
die Sterne immer und ewiglich.
So ſolten beſchaffen/ ſo beſtellet ſeyn/ dahin ſolten abzwecken alle ho-
he und untere Schulen/ daß ſie mit Warheit Chriſtliche Schulen moͤch-
ten ſeyn und heiſſen: Aber es hat auch in dieſem Stuͤck alles Fleiſch ſein
Weg verderbt. Die Intention, der Anfang war bey der Reformation
gut: Es hat Lutherus/ der durch die gute Hand Gottes gefuͤhret worden/
einen guten Grund gelegt/ und mit aller Macht dahin gearbeitet/ daß
der bißher in den Cloͤſtern begrabene Chriſtus wiederumb in
den Schulen lebendig aufferſtehen/ und daß teutſche Schu-
len Chriſtliche Schulen ſeyn moͤchten.At ætas pejor avis. Es
iſt nach ihm nicht allezeit wol darauff gebauet worden. Einer Na-
mens Tyrannus iſt Scholarch worden. Jch meyne nicht den
redlichen Bidermann zu Epheſo/ der dem Chriſtlichen Glauben von Her-
tzen zugethan geweſen: in deſſen Schule St. Paulus taͤglich geredet;
Sondern von dem jenigen Tyrannen/ der die Macht der vorigen Finſter-
nuß geſtaͤrckt/ ſeine Luͤgen und Satzungen obtrudirt/ die falſch-genañten
Kuͤnſten und Sophiſtereyen außgebreitet/ fuͤrnemlich auff weltliche Eh-
re/ Reichthumb/ und gar auch Bauch und Brauch eingerichtet/
einen Weltnamen zu machen/ das einige Noͤthige hindan/ das Un-
noͤthige vorgeſetzet. Zugeſchweigen der Exercitien und Leibs-Ubungen im
Tantzen/ Spielen/ und dergleichen/ von denen St. Paulus ſchreibt/
ſie ſeyen wenig nutz/ zihlen allein auff einen und andern Weiber-Danck
und Augen-Luſt deß Frauen-Zimmers: Unterdeß lernt man ſich der fal-
ſchen Welt gleich ſtellen/ wider die Apoſtoliſchen Vermahnungen/ Rom.
12/ 2. und wil man alle Zeit in den parergis verlieren/ ſo zu einer Chriſtl.
Policey Beſten nuͤtzlicher koͤnte angewendet werden. So iſts an dem/
daß manchmal auch in den Schulen mit unnuͤtzen Sachen die Jugend
gequaͤlt wird/ die Lateiniſche Eloquenz,und uͤberpolirtes Lateinob-
trudirt/ denen die nicht recht zierlich Teutſch reden oder
ſchreiben koͤnnen; die Poeſi auffgedrungen/ denen/ die weder
Poetiſche Sinne noch Adern haben/ und mit gezwungenen Hunden ge-
jaget/ die meiſte Zeit mit Vernunffts-Kuͤnſten zugebracht/
die zehenmal beſſer zur Erbauung im Glauben und Chri-
ſtenthumb haͤtte ſollen angeleget werden/ beyneben den rechten
methodum zu lehren entweders noch nicht gefunden/ oder noch nicht geuͤ-
bet
[777]Predigt.
bet/ mangelt an dem Catechiſmo nicht/ aber an den lehrhafften Cateche-
ten gar ſehr. Catechiſmus ſufficit, ſed catecheſis deficit; bevorab
wann man Narren uͤber die Eyer ſetzt/ und die promotiones in caſu obli-
quo anſtellt. Unzehlbar viel methodi ſtudendi ſeynd erdacht/ und an
Tag gegeben worden/ es mangelt aber allenthalben am rechten. Wer den-
ſelben wolte einfuͤhren/ der wird neue Goͤtter predigen/ wie weit aber vom
rechten Zweck deꝛ Chriſtlichen Schulen abgeſprungen (damit wir aus dem
recto obliquum, aus dem Geraden das Krumme erkennen lernen) ausEngl.
Chriſten-
Schutz
conc. 8.
p. 149.
dem Bethel ein Bethaven/ aus Gottes-Haus ein Goͤtzen-
Spiel-Trutz-Spott- und Mord-Haus worden/ das iſt an-
derswo ausgefuͤhret worden. Eigene Ehre herꝛſchet in unſern Schulen
fuͤr Chriſti Ehre. Wie die Heyden nichts anders gelehret/ getrieben und
geſucht/ als eigene Ehre/ daß ſie in der Welt moͤchten groſſe Leute werden/
einen unſterblichen Namen nach dem Tode zu habẽ/ ſich beworben. Maſſen
Auguſtinus in ſeinem erſten Beicht-Buche c. 9. hieruͤber eine erbaͤrmliche
Klage fuͤhret. Mihi puero proponebatur obtem perare monentibus,
ut in hoc ſeculo florerem, \& excellerem linguoſis artibus ad hono-
rem hominum. Das iſt/ als ich noch ein Knabe war/ wurde mir vorge-
tragen/ daß ich denen/ ſo mich anreitzten/ gehorchen ſolte/ wie ich nemlich in
der Welt groß wuͤrde/ und in der Wolredenheit fuͤrtreffe/ zu keinem an-
dern Zweck/ als menſchlicher Ehre.
So ſind unſerer Studenten Hertzen mit der Vanitaͤt und eigenen
Ehrſucht dermaſſen inficirt und eingenommen/ daß Chriſto und ſeiner
Ehre nichts uͤberblieben. Chriſti gruͤndliche Erkaͤntnuß findet (wie dort
zu Bethlehem) kein Raum in der Gelehrten Herberge ſondern
er muß mit ſeinen Juͤngern und Apoſteln exuliren. Er wird aus der
Schule zu Nazareth hinaus geſtoſſen/ Moſes und die Propheten/ Pau-
lus und die Apoſtel/ werden gleichſam per oſtraciſmum abgewieſen/ die
gute diſciplin wird conculcirt und mit Fuͤſſen getretten und fuͤrchten ſich
die Schuͤler mehr fuͤr einem Solœciſmo in der Gram̃ atic, als in der Ethic.
Welches auch Auguſtinus gebeichtet lib. 1. confeſſ. c. 19. Horum ergo puer
morum in limine jacebam miſer, \& hujus arenæ palæſtra erat illa, ubi magis
timebam barbariſmum facere, quàm cavebam, ſi facerem, non facientibus invi-
derem. Pater meus non detegit, qualis creſcerem tibi, aut quàm caſtus eſſem
dummodò eſſem diſertus, vel deſertus potiùs à cultura tua, Deus. Quin imò, ubi
me ille pater in balneis vidit pubeſcentem, \& inquieta indutum adoleſcentia,
quaſi jam ex hoc in nepotes geſtiret, gaudens matri indicavit, gaudens vinolen-
tia. Welch ein corrupt Weſen in den hohen Schulen graſſirt/ darvon
Achter Theil. F f f f fſeynd
[778]Die ſechs und zwantzigſte
ſeynd gantze Klag-Schrifften fuͤrhanden. Jm Gegentheil zeucht ein ande-
rer Geiſt und Gaſt ein/ da profitirt Pharao ſeine Sophiſmata Politica
(wie dieſelbe von dem H. Geiſt ſelbſt genennet worden/ κατασοϕισάμενος
τὸ γένος ἡμῶν. Act. 7.) Jerobeam ſeine pias fraudes, Tacitus (menda-
ciorum loquaciſſimus, juxta Tertull. apolog. c. 16.) Tiberii artes do-
minationis, Herodis alopeciſmos, dieſe ſind liebe und werthe Gaͤſte:
Wird dem HErꝛn Chriſto in einer Wochen ein paar Stunden zur Ver-
hoͤr des Catechiſmi und Compendii, alle viertel-Jahr einmal ein Feſt-
Sermon/ ein Tag einmal ein Veni Sancte dedicirt/ ſo iſts viel. Die uͤ-
brige Zeit bleibt den Poeten/ Heydniſchen Philoſophis, Ulpiano und Ga-
Luth. Tom. 7. Witt. p. 74. f. 2. Es wil je jederman geſehen werden/ und
nicht der geringſte ſeyn/ wie gering er immer iſt/ ſo tieff iſt die Natur verboſet in
ihr eigen Gutduͤnckel. Nu achtet man dieſes grauſame Laſter in der Welt fuͤr die
hoͤchſte Tugend/ umb welches willen uͤberaus gefaͤhrlich iſt die Heydniſche Buͤ-
cher und Hiſtorien zu leſen und zu hoͤren/ denen die nicht vor wol ſind in den Ge-
botten Gottes und der H. Schrifft Hiſtorien verſtaͤndiget und erfahren. Denn
alle Heydniſche Buͤcher ſind mit dieſem Gifft des Lobs und Ehre ſuchens gantz
durchmachet/ darinnen man der blinden Vernunfft nach lernet/ als ſeyen das
nicht thaͤtige oder theure Menſchen noch werden moͤgen/ die ſich nicht laſſen Lob
und Ehre bewegen/ und die fuͤr die beſien geachtet werden/ die Leib und Leben/
Freund und Guth/ und alles hindan ſetzen/ daß ſie Lob und Ehre erjagen.
leno gantz uͤber/ was wollen wir ſagen von der Chriſtlichen Salbung?
Da dencket faſt niemand an/ man weiß nicht/ was es ſey? Jederman ſtudi-
ret ſeiner Natur und Ingenio nach/ Gottes Segen und Gedeyen
wird nicht gebetten/ ſie wollen ſich ſelber verſorgen. Der Hoͤlli-
ſche Julianus hat die Streitbuͤcher und geiſtliche Mund- und Feder-Krieg
verhaßt gemacht; Oder wann man gleich heuer und fern diſputirt/ ſo iſts
doch ein kalt Weſen/ man macht nichts aus/ dem Schwerd des Geiſtes
wird ein Riegel fuͤr geſchoben. Manchmal ſeynd die Schulen die jenige
Schrein und Kiſten/ daraus ein (wie dorten aus Apollinis Tempel zur
Zeit M. Antonin. und Galeni geſchehen) Peſtilentzialiſcher Rauch und
Geſtanck heraus bricht/ davon Stadt und Land angeſteckt wird. Ja es ſeynd
die Schulen des Sathans Marterhaͤuſer/ darinnen er die Bekenner und
Liebhaber der Warheit erbaͤrmlich mit Gans- und Zungen-Geiſſeln fla-
gellirt und geiſſelt. Matth. 10/ 17. Ein Muſter deſſen findet man in der
Sorbona zu Pariß/ darinnen Luthers Lehre linckwerts tractirt/ und er-
baͤrmlich verdammet wird. Tom. 1. Isleb. p. 76. Tom. 7. Witteb. p. 177.
Welch Chriſtlich Hertz kan dieſem allem nach hie laͤugnen/ daß nicht eine
ſtarcke
[779]Predigt.
ſtarcke Reformation in den Schulen von noͤthen ſey. Die Univerſi-
taͤten (ſchreibt Luth. Tom. 6. Witt. pag. 589.) duͤrfften auch wol
einer guten ſtarckenReformation,ich muß es ſagen/ es verdrieß/
wen es wolle/ iſt doch alles/ was das Papſtthumb hat eingeſetzet
undordinirt/ nur gericht auff Suͤnde und Jrꝛthumb zu meh-
ren. Was ſeynd die Univerſitaͤten/ wo ſie nicht anders/ denn
bißher verordnet? Denn wie das Buch Maccabeorum ſagt/
Gymnaſia Epheborum, \& Græcæ gloriæ,darinnen ein frey Leben
gefuͤhret/ wenig die H. Schrifft und Chriſtlicher Glaube
gelehret wird/ und allein der blinde Heyden-MeiſterAriſtote-
lesregieret/ auch weiter denn Chriſtus.Et mox pag. ſeq.Dar-
umb ichs achte/ daß kein Paͤpſtlichers noch Kaͤyſerlichers
Werck moͤchte geſchehen/ dann guteReformationder Univer-
ſitaͤten/ wiederum kein Teuffeliſcher aͤrger Weſen/ dann un-
reformirte Univerſitaͤten. Aber wer wils wagen? Allweil der Sa-
than nur den Wunſchdurſt und erſten Conat nicht wil laſſen auffkom-
men. Wer ſich dran machen wolte/ der wuͤrde ſich am Sathan ſo ſehr ver-
ſuͤndigen/ daß er/ wann man einige Beſſerung duͤrſtet/ mit Gallen und
Eſſig wuͤrde traͤncken. Der alte Brauch und fette Bauch muß ruhig
bleiben. Wer von Jugend auff auff dem Schul-Meer herumb gefah-
ren/ und immer am Lehr-Ruder geſtanden/ der koͤnte vielleicht wol aller-
hand Wege finden an den Port zu gelangen: Aber dawider erweckt der
hoͤlliſche Æolus alle Winde und Windsbrauten/ und wird einem ſolchen
getreuen Ruder-Knecht/ nichts mehres mangeln/ als ein kluger/ maͤch-
tiger/ und thaͤtiger Schiff-Patron.
Unterdeß wollen wir dancken fuͤr das Gute/ das wir noch uͤbrig ha-
ben/ die Mittel-Straſſe erwehlen/ in Ubung guter Sprachen und Kuͤn-
ſten/ Heydniſchen Buͤchern und Schrifften nicht zu viel oder zu wenig
thun/ dieſelbe der Chriſtlichen Religion nicht Meiſter/ ſondern wol-pur-
girte Diener ſeyn laſſen. Sonderlich aber die Griechiſche und Hebraͤiſche
Sprache wol excoliren/ als in welchen (und nicht in der Lateiniſchen)
Gottes Wort beſchrieben; Nicht zu Ohren kommen laſſen/ was jener
Welſche Julianus und Schul-Feind Thomas Campanella, zu Erlan-
gung einiger Spaniſcher Monarchien eingerathen/ lib. de Monarch.
Hiſp. c. 10. Man ſoll die Griechiſche und Hebraͤiſche Schulen zuſchlieſ-
ſen/ weil an denſelben die heutige Ketzereyen hafften/ und ſich dadurch
ſtaͤrcken. GOtt den HErꝛn bitten/ er wolle nicht umb unſers Undancks
willen/ wie er draͤuet/ Malach. 2/ 12. beyde Meiſter und Schuͤler ausrot
F f f f f 2ten/
[780]Die ſieben und zwantzigſte
ten/ Schul-Helden erwecken/ die nach dem Exempel der Majorum und
loͤblichen Vorfahren ſich bearbeiten/ wie das Krumme gerade werde/ und
das Gerade ungekruͤm̃t bleiben moͤge: Dazu helffen und foͤrdern/ daß die
Jugend in den Schulen wol informirt/ und koͤſtliche Bißlein dem Teuf-
fel aus dem Rachen geriſſen/ vielmehr Chriſt- als Weltkinder in denſel-
ben erzihlet werden. Wohin gehoͤret Lutheri treuhertzige Vermahnung
an die Rath-Herren aller Staͤdte teutſches Landes/ daß ſie Chriſtliche
Schulen aufrichten und halten ſollen. Tom. 6. Witt. p. 336. \& ſeq. \& ib.
in der Predigt/ daß man die Kinder zur Schulen halten ſoll/ pag. 345. \&
ſeq. 347. \& ſeqq. mit deſſen Beſchluß ich auch dieſe Predigt wil beſchloſ-
ſen haben/ pag. 358. f. 2. Wache hie wer wachen kan/ die Obrig-
keit/ wo ſie einen tuͤchtigen Knaben ſihet/ daß ſie den zur
Schulen halten laſſe. Jſt der Vater arm/ ſo helffe man mit
Kirchen-Guͤtern darzu. Hie ſolten die Reichen ihre Teſta-
ment zugeben/ wie denn die gethan haben/ die etlicheStipendia
geſtifftet haben/ das heißt recht zur Kirchen dein Geld beſchei-
den. Hie loͤſeſt du nicht der verſtorbenen Seelen aus dem Feg-
Feuer/ ſondern hilffeſt durch Erhaltung der Goͤttlichen Aem-
pter beyde den Lebendigen und den Zukuͤnfftigen/ die noch
nicht gebohren ſind/ daß ſie nicht hinein ins Feg-Feuer kom-
men/ ja daß ſie aus der Hoͤlle erloͤßt werden/ und gen Him-
mel fahren/ und die Lebendigen/ daß ſie Fried und Gemach
haben/ das moͤchte ein loͤblich Chriſtlich Teſtament ſeyn/ da
haͤtte GOtt Luſt und Gefallen dran/ und wuͤrde dich wieder-
umb ſegnen und ehren/ daß du auch Luſt und Freude an ihm
haben wuͤrdeſt. Wolan ihr lieben Teutſchen/ ich habs euch
gnug geſagt/ ihr habt euern Propheten gehoͤrt/ GOtt gebe
uns/ daß wir ſeinem Worte folgen/ zu Lob und Danck un-
ſerm lieben HErꝛn fůr ſein theures Blut fuͤr uns ſo mildig-
lich dargeſtreckt/ und behuͤte uns fuͤr dem greulichen La-
ſter der Undanckbarkeit und Vergeſſung ſeiner
Wolthat. Amen!
GEliebte in Chriſto. Ob wol verbum audibile,
das gepredigte und gehoͤrte/ ja auch geleſene Wort Got-
tes Exochicè, das allergelehrſamſte/ beſte und fuͤr-
nehmſte Lehr-Mittel je und allezeit gehalten worden/
dadurch das menſchliche Gemuͤthe ſatt und wol kan in-
formirt und unterwieſen werden. Sintemal Rom.
10/ 17. der Glaube kommt aus der Predigt/ das Predigen
aber aus dem Wort GOttes. Oder wie es eigentlich in ſeiner
Sprache lautet: ἡ πίϛις ἐξ ἀκοῆς, ἡ δὲ ἀκοὴ διὰ ῥήματος Θεου̃, der Glau-
be iſt aus dem Gehoͤr/ das Gehoͤr aus dem Wort Gottes/ verſtehe dem
ſo wol geleſenen als gepredigten Wort Gottes/ dann ja auch der H. Geiſt
durch das geleſene Wort mit uns redet/ wer Paulum lieſet/ der hoͤret den
Mund Chriſti/ der wuͤrcket auch den Glauben und deſſen Fruͤchte/ bey de-
nen die Ohren haben zu hoͤren/ und ſich Goͤttlicher Ordnung nicht wider-
ſetzen; ſo iſt doch ſolches nicht excluſivè und dahin zu verſtehen/ als ob dasAures ad
audien-
dum quæ?
vid. Denk-
mahl pag.
180.
ſichtbare Wort GOTTES/ die ſichtbare Zeichen/ allerdings von
dem Lehr-Mittel außgeſchloſſen waͤren/ wiewol ſolche ſichtbare Zei-
chen fleiſſig zu unterſcheiden. Jm Papſtthumb hat man allerhand aͤuſſer-
liche/ in die Augen leuchtende Ceremonien/ theils erdacht/ theils
aus dem blinden Heydenthumb und auffgehobenen Judenthumb/ in
die Kirche eingeſchleppet/ dieſelbe dem Predigen und Hoͤren deß Goͤtt-
lichen Worts weit vorgezogen/ ja die Predigten dadurch obſcurirt und
vergeringert. Die Praͤlaten/ Biſchoffe und Prieſter waren in dieſem
Stuͤck keine Narren/ dann viel Predigen macht den Leib muͤde/ recht und
erbaulich predigen koſtet ſauren Schweiß und ſchwere Arbeit. Aber die
Augen der Zuhoͤrer mit allerhand Gauckeleyen/ Pompen/ Comoͤdien/
F f f f f 3Auff-
[782]Die ſieben und zwantzigſte
Auffzuͤgen/ praͤchtigem Habit/ mit Meß-Opffer und anderm Affenſpiel/
fuͤllen/ iſt leicht gethan/ und bald gelernet. So gethane ſichtbare Cere-
monien/ und dero angedichtete Bedeutung/ haben nicht allein keinen
Grund in Goetes Wort/ und Verheiſſung einer ſonderbaren lehrhafften
Krafft/ ſondern ſie divertiren auch die armen Leute/ daß ſie druͤber den
beſten Schatz deß Goͤttlichen Worts vergeſſen/ und ſind dem Stande
deß Neuen Teſtaments nicht gemaͤß/ die rechten Anbeter ſollen
GOtt den HErrn anbeten im Geiſt und Warheit. Den
Ceremonien/ ſo fern ſie ſuperſtitios und luxurios, aberglaubig/ allzugeil
und praͤchtig/ iſt durch das τὸ fruſtrà abgedanckt/ vergebens dienet
man Gott damit. Vielmehr gehoͤren ſie unter die Geberden und Schmuck
der rothen Braut zu Babylon. Zier- und Gedaͤchtnuͤß-Bilder ſind auch
aͤuſſerliche Zeichen/ welche/ ſo fern ſie in der Region der Mittel-Dinge
bleiben/ auch ihren Nutzen haben/ lehren die Einfaͤltigen/ geben Anlei-
tung zum Hiſtoriſchen Glauben/ ſind deßwegen vor Alters der Laͤyen Bi-
bel genennet worden. Aber die jenige Hierogly phica und Goͤttliche Zei-
chen/ die Gott ſelbſt wuͤrcket und eingeſetzt/ als da ſind die Miracula oder
Wunderthaten und Sacramenta/ die ſind zu lehren/ zu zeugen/ und zu
zeigen von GOtt dem HErrn ſelbſt gethan und gegeben: Auff dieſelbe
ſollen wir auch neben dem Gehoͤr deß Worts ſchauen und lernen; Dar-
umb David Pſ. 45. das Hoͤren und Schauen gnau zuſammen fuͤget/
und ſagt: Hoͤre Tochter und ſchaue/ ſchaue drauff/ und nei-
ge deine Ohren.
Hoch waͤre vonnoͤthen (ita Luth. Tom. 3. Witt. p. 45. f. 2.) daß hie alle Trometen
und Poſaunen ſingen/ pfiffen/ und immerdar an allen Orten ſchalleten/ hoͤre/ hoͤ-
re/ hoͤre Tochter/ wache auff/ thue die fleiſchlichen Augen zu/ richte nicht nach der
fleiſchlichen Gerechtigkeit und Weißheit. Et pag. 46. f. 2. Das ziehe ich auff
die Werck/ denn nach meinem geringen Verſtand achte ich/ daß das alſo zu un-
terſcheiden ſey/ daß das Wort hoͤre auff das Wort Chriſti gehe/ das Wort aber
ſchaue auff ſeine Werck. Denn GOtt hat allezeit neben ſeinem Wort Zeichen
oder Wunderwerck geſetzt/ und iſt nie ein neu Wort ohne Zeichen geoffenbahret
worden. Als da Abrahe die Verheiſſung deß Lebens gegeben ward/ ſetzet GOtt
das Zeichen der Beſchneidung dazu. Alſo wurden dem Moſi Zeichen gegeben
neben und mit dem Gebot/ daß er das Volck aus Egypten in das Land Canaan
fuͤhren ſolte. Alſo hat Chriſtus die gantze Welt mit Wunder-Zeichen erfuͤltet/
da er und ſeine Apoſtel das Evangelium lehreten. Alſo haben wir auch unſere
Zeichen/ nemlich das Wort/ die Tauffe/ und das Sacrament deß Altars. Ja
es geſchehen auch noch heutiges Tages groſſe Wunderwerck in der Kirchen/ die
da bezeugen/ daß unſere Lehre recht ſey/ welche doch allein die Gottsfuͤrchtigen
ſehen/ die Gottloſen aber koͤnnens nicht ſehen. Denn daß uͤber alle unſere und
unſer Feinde Hoffnung der Friede ſo viel Jahr her erhalten iſt/ GOtt Lob/ und
noch
[783]Predigt.
noch heutiges Tages wunderbarlich erhalten wird/ ſo doch die Welt ſo hefftig
wider das Evangelium wuͤtet und tobet/ und von Hertzen demſelbigen feind iſt/
meineſt du nicht/ daß ſolch ein groß Wunderwerck ſey. Die Welt aber und das
Fleiſch koͤnnen ſolche Wunderwerck weder ſehen noch verſtehen/ die Gottsfuͤrch-
tigen aber/ ſo geiſtliche Augen haben/ und deß Teuffels Gewalt und der Men-
ſchen Boßheit kennen/ die ſehen dieſe Wunderwerck/ daß die Lehre deß Evan-
gelii ſo viel Jahr her/ weder durch Tyranney der Fuͤrſten/ noch durch deß Papſts
Haß/ noch Betrug/ weder durch der Ketzer Boßheit hat koͤnnen umbgeſtoſſen
werden. Darumb liegts alles dran/ daß du dieſen Koͤnig hoͤreſt/ und auff ſeine
Werck ſchaueſt/ wiewol er fuͤr dir kein Anſehen wird haben/ weil er kein irrdi-
ſcher oder leiblicher Koͤnig iſt/ dazu ſo arm/ daß er nichts eigenes hat/ ſondern
ſein Wort wirſt du hoͤren/ und ſeine Wunderwerck wirſt du ſehen/ daran ſolt du
dir genuͤgen laſſen/ denn wenn du ſein Wort gehoͤrt/ und ſeine Wunder-Zeichen
geſehen und betracht wirſt haben/ ſo wird er ſich auch inwendig im Geiſt dir offen-
bahr machen/ anders kanſt du ihn nicht hoͤren/ denn im Wort/ ihn auch nicht an-
ders ſehen/ denn in den Zeichen. Nach dieſer Offenbahrung deß Worts und der
Zeichen/ wird der Glaube und die Verſicherung folgen/ und viel andere Gaben/
welche der H. Geiſt mit ſich bringen wird/ welcher dich wider alle Jrrthumb und
Verzweiffelung troͤſten und ſtaͤrcken wird. Allein hoͤre/ meine liebe Tochter/ was
dir dein GOtt ſaget/ und ſchaue darauff/ was dein Koͤnig Chriſtus thut.
Von deme und ins kuͤnfftige wird zu reden und zu handeln ſeyn. Auff je-
ne/ nemlich die Miracul und Wunderwerck hat der HErr kurtz vor ſeiner
Himmelfahrt ſelbſt gedeutet/ und unſerm fuͤrhabendem Text folgende
Wort angefuͤgt (welche bey dieſer Gelegenheit nicht allerdings zu uͤberge-
hen) Marc. 16/ 17. 18. 20. Die Zeichen aber/ die da folgen werden/
denen die da glauben/ ſind die: Jn meinem Namen werden
ſie Teuffel außtreiben/ mit neuen Zungen reden/ Schlangen
vertreiben/ und ſo ſie etwas toͤdtliches trincken/ wirds ihnen
nicht ſchaden: Auff die Krancken werden ſie die Haͤnde le-
gen/ ſo wirds beſſer mit ihnen werden. Sie aber giengen
aus/ und predigten an allen Orten/ und der HERR wuͤrcke-
te mit ihnen/ und bekraͤfftigte das Wort durch mitfolgende
Zeichen. Dißmal bleiben wir bey den erſten Lehr-Mitteln und Wun-
derwercken/ zu vtrnehmen/ was/ daß/ und wann? Was eigent-
lichMiraculaſeyn und heiſſen? Daß die Apoſtel und Jůnger
Chriſti dieſelbe zu wuͤrcken verpflicht geweſen: Wann
und wie lange ſolche Pflicht gewaͤhret? Hievon nun zu reden
zu Gottes Ehre und unſerer Erbauung/ wolle uns der Allerhoͤchſte GOtt
ſeines guten Geiſtes Gnade und Krafft mildiglich verleihen. Amen!
GEliebte. Was nun anfangs Miracula und Wunderwer-
cke ſeyn und heiſſen/ das gibt theils der Name ſelbſt etlicher Maſ-
ſen zu erkennen/ daß es ein Ding ſey/ darob man ſich verwun-
dert/ doch iſt das nicht gnug; Sintemal albere Kinder/ un-
verſtaͤndige und unerfahrne Leute/ auch ſich manchmal uͤber etwas ver-
wundern/ zum Exempel/ uͤber den Magnet und deſſen Zug/ damit er
Eiſen an ſich ziehet; Es iſt darumb kein Wunderwerck/ die weil es natuͤr-
lich/ und aus natuͤrlichen Urſachen entſtehet. Vielmehr aber erhaͤllt die Art
eines Wunderwercks aus der Induction und Anzeig aller derer Mira-
culn/ ſo allerſeits fuͤr rechte Miracul ſeynd gehalten worden. Und iſt daſſel-
be ein ſolches Werck/ das da 1. iſt wahr und ſtandhafft/ und voll-
kommen/ keine bloſe Gauckeley/ Phantaſey/ Angengeſpenſt/ Verblen-
v. Aleth.
vind. p. 28.dung/ oder bloſe vermeynte Erſcheinung des vermeinten Leibs und Bluts
Chriſti/ vermeynte Aufferweckung eines Todten/ ſo bald wiederumb ver-
ſchwindet (v. L. T. 7. Jen. p. 77.) Es kan auch der Sathan wol ma-
chen/ daß ein Menſch/ der da verwundet/ geſchoſſen/ oder ſonſt
beſchaͤdiget iſt/ gar fuͤr todt ligt/ ihn eine Zeitlang alſo auff-
zuhalten/ daß er nichts fuͤhlet/ und jederman meynet/ er ſey
warhafftig todt/ doch darnach wider zu ſich ſelbſt kommt/
und wider lebendig wird/ daß man darnach ſage/ es ſey
durch dieſen oder jenen Heiligen geſchehen. Alſo habe ich
von einem Knaben gehoͤrt/ der zween Tage unter einem
Waſſer gelegen/ und da er durch ſeine Eltern zu St. Hanna
gelobt/ und dahin bracht/ ſey er wider lebendig worden.
Sind das nicht auch Miracul und Wunder? Nein/ denn
ſolche ſind gewißlich nicht recht todt geweſen/ ſondern der
Teuffel hat alſo der Leute Sinn betrogen/ daß man ſie fuͤr
todt gehalten hat/ biß er ſie wider zu ſich ſelbſt hat kommen
laſſen. Da im Gegentheil Chriſti und der Apoſtel Wunderwerck Farb
und Stand gehalten/ wer einmal von den Todten aufferweckt worden/
der iſt tauerhafft lange Zeit hernach lebendig geblieben. Jſt 2. ůber-
natuͤrlich und ſchwer/ über alle Natur und Creatur/ durch keine na-
tuͤrliche oder menſchliche Krafft und Macht/ ſondern von GOTT dem
HErꝛn ſelbſt und allein kan geſchafft werden. Daß die Schlange im
Paradieß geredet/ war kein Wunderwerck/ weil ſolches der Sathan alſo
leicht hat zurichten koͤnnen/ wie auch auff gluͤenden Kohlen daher gehen/
und ſich feſt machen/ fuͤr Hauen und Stechen ſicher ſeyn/ und derglei-
chen. Jſt 3. ein ſeltzam und ungewoͤhnliches/paradoxund
aben-
[785]Predigt.
abentheuerlich/ daß auß einem Gebluͤte/ oder Saamen der gantze groſ-
ſe Fluß deß menſchlichen Geſchlechts ſich uͤber den gantzen Erdboden er-
goſſen/ iſt ein groß und Goͤttlich Werck/ aber kein Wunderwerck/ weil es
nicht ſeltzam/ ſondern taͤglich geſchicht/ daß Menſchen ſolcher maſſen gebo-
ren werden: Miraculum (ita Auguſtinus de utilit. cred. c. 16.) voco,
quicquid arduum, aut inſolitum, ſupra ſpem, vel facultatem mi-
rantis apparet. Solten aber ploͤtzlich lebendige Menſchen auß Steinen/
Beinen/ oder Holtz geſchaffen werden/ das waͤre ein ungewoͤhnlich Wun-
derwerck. Jſt 4. ein Sonnenklares/ helles/ ſichtbares/ handgreifflichesMophet à
ſplendore.
Werck/ ſo hell und klar/ als hell und klar iſt/ daß das Feuer leuchtet und
brennet (ob gleich die geheime innere Urſach verborgen bleibt) auff daß es
recht/ ohne Betrug/ Gefaͤhrde und Furcht deß widrigen/ belehren/ zeugen
und zeigen moͤge. Zum Exempel/ die Paͤpſtiſche vermeinte Wandlung
im Sacrament kan kein Wunderwerck genennet werden/ weil ſie nicht
ſichtbarlich geſchehen ſoll/ und das Brod ohne Aenderung da ligt/ wie es
zuvor geweſen; Jm Gegentheil ſind Chriſti Wunderwercke jederman in
die Augen und Sinn gefallen/ von Freunden und Feinden fuͤr Goͤttliche
Miracul und Wunderwercke angeſehen und gehalten worden. Es haben
nicht nur die Juͤnger Chriſti geſehen ſeine Herꝛlichkeit (ſo in den Wundern
geglaͤntzet) als deß eingebohrnen Sohns vom Vater; ſondern auch die
Phariſeer/ in dero Nahmen Nicodemus gezeuget/ haben ſie auch appro-
birt. Joh. 3/ 2. Meiſter/ wir wiſſen/ daß du biſt ein Lehrer von
GOtt kommen/ denn niemand kan die Zeichen thun/ die du
thuſt/ es ſey dann GOtt mit ihm. Ja auch gar ſeine gifftgaͤllige
Widerſacher haben eben in dem Außtrieb der Teuffel die Goͤttliche Krafft
in Chriſto erkennet/ in welchem ſie denſelben dem Oberſten der Teuffel
zugemeſſen/ und alſo ſich mit eigenen Worten gefangen. Ἐκϐάλλει, ſagen
ſie/ er treibt mit Gewalt auß. So/ mit Gewalt? ſo iſt es nicht geſchehen
auß heimlicher Colluſion und Verſtand mit dem Teuffel. So haben ſie
den Finger Gottes/ das iſt/ die Goͤttliche Krafft des H. Geiſtes in beſagtem
Außtrieb verſpuͤhren muͤſſen/ ſonſt haͤtten ſie ſich nicht in den H. Geiſt ver-
ſuͤndiget. Sonſt hat Chriſtus ſeine Miracul bißweilen noch zur Zeit im
Stande ſeiner Erniedrigung wollen geheim gehalten haben/ und verbotten/
dieſelbe nicht lautbar zu machen/ biß auff das alleredelſte/ hoͤchſte und hel-
leſte Miracul τῆς ἀυταναϛάσεως, und ſelbſt-Erweckung von den Todten/
welches das Centrum geweßt/ dahin die andere Wunder alle gezielet/ in
welchem virtualiter alle andere Glaubens-Lehren begriffen. Waͤre er ein
falſcher Prophet und Verfuͤhrer geweßt/ GOtt wuͤrde ihn nicht haben laſ-
Achter Theil. G g g g gſen
[786]Die ſieben und zwantzigſte
ſen von den Todten aufferſtehen/ daß er aber warhafftig aufferſtanden/
davon hat gantz heiter und klar gezeuget der H. Geiſt ſelbſt/ in ſeiner ſicht-
baren Außgieſſung/ und deſſen operation und Wuͤrckung/ in dem er-
ſchroͤcklichen Judicio und Gerichte uͤber das Juͤdiſche Volck/ in den
Strahlen ſeines Majeſtaͤtiſchen Sitzens/ welche er von derſelben Zeit an
biß dato viel hundert Jahr herfuͤr leuchten laſſen/ wovon die gantze Kir-
chen-Hiſtori Zeugnuß gibt. Jſt 5. ein gewiſſes unfehlbares/ auß-
gedrucktes Sigel/ Wort und Mahlzeichen/ dadurch den Un-
glaubigen die Goͤttliche Warheit und Predigt von neuen zuvor nicht an-
genommenen Lehren bezeichnet und beſtaͤtiget wird. 1. Cor. 14/ 22. Dar-
um ſind die Zungen zum Zeichen/ nicht den Glaubigen/
ſondern den Unglaubigen. Hebr. 2/ 4. GOtt hat ihr Zeugnuͤß
gegeben mit Zeichen/ Wundern/ und mancherley Kraͤfften/
und mit Außtheilung deß H. Geiſtes nach ſeinem Willen.
Jch ſage/ gewiß unfehlbar. Nun iſt nichts gewiſſers/ als Got es Wort/ in
welchem dem Meſſia das Zeugnuß ertheilt/ und gewiſſe Characteres ge-
ſetzt und bezielt worden/ darauß abzunehmen geweſen/ welche Perſon
Meſſias Wunder (das iſt/ Heyl und Gnaden/ und alſo dem Reich der
Gnaden/ und dem heylwerthen Ampt Chriſti gemaͤß/ rechte ſuͤſſe Wun-
derthaten) thun werde. Eſa. 35/ 5. 6. Als denn werden der Blinden
Augen auffgethan werden/ und der Tauben Ohren werden
geoͤffnet werden. Alsdenn werden die Lahmen lecken wie ein
Hirſch/ und der Stummen Zunge wird lobſagen/ denn es
werden Waſſer in der Wuͤſten hin und wider flieſſen/ und
Stroͤhme in den Gefilden. Matth. 11/ 4. 5. JEſus antwortet
und ſprach zu ihnen: Gehet hin/ und ſaget Johanni wieder/
was ihr ſehet und hoͤret/ die Blinden ſehen/ die Lahmen ge-
hen/ die Auſſaͤtzigen werden rein/ und die Tauben hoͤren/
und die Todten ſtehen auff. Act. 3. 17. Und es ſoll geſchehen
in den letſten Tagen/ ſpricht GOtt/ ich will außgieſſen mei-
nen Geiſt uͤber alles Fleiſch/ euere Soͤhne und Toͤchter ſol-
len weiſſagen/ und euere Juͤnglinge ſollen Geſichte ſehen/
und euere Elteſten ſollen Traͤume haben. Kein Sigel kan ohne
Wort aͤugen und zeigen/ anders als ein Spiegel/ der ein Ding fuͤr ſich
ſelbſt præſentiret/ und Bildweiſe darſtellet/ ohne einigen woͤrtlichen An-
zeig. Gleichwie aber die Sacramenta/ ohne Bezielung deß Worts/ kein
Sigel-Krafft haben koͤnnen. Haͤtte GOtt der HErꝛ die Beſchneidung/
das Tauffwaſſer/ ohne ſein Wort/ Befehl und Anzeig deß Zwecks/ war-
um
[787]Predigt.
um dieſelbe zu uͤben eingeſetzt/ gelaſſen/ ſo wird niemand beſagte Mittel
fuͤr Sigel und Zeichen haben anſehen koͤnnen: Alſo wo kein Wort iſt/ da
iſt auch keine Goͤttliche Weyhe/ gewiſſe Entſcheidung deß wahren und fal-
ſchen Miraculs. Was Moſes Anfangs wunderwaͤrtiges gewuͤrckt/ das
hat der Sathan durch ſeine Zauberer nachgeaͤffet. Woher hat man aber
wiſſen koͤnnen/ daß jene Goͤttliche/ dieſe aber teuffeliſche Wunder ſeyen?
Neben dem hellen Strahl deß Goͤttlichen Fingers/ das Wort deß
HErꝛn/ der ſo gethane Wunder zuwuͤrcken angezeigt. Exod. 4/5. 6. Dar-
um werden ſie glauben/ daß dir erſchienen ſey der HERR/
der GOtt threr Vaͤter/ der GOtt Abraham/ der GOtt
Jſaac/ der GOtt Jacob/ und der HErꝛ ſprach weiter zu ihm:
Stecke deine Hand in deinen Buſen/ und er ſtecket ſie in ſei-
nen Buſen/ und zog ſie herauß/ ſihe/ da war ſie auſſaͤtzig wie
der Schnee. Cap. 7/3. Aber ich will Pharao Hertz verhaͤrten/
daß ich meiner Zeichen viel thue in Egyptenland.
Luth. Tom. 1. Isleb. pag. 320. Hie ſehen wir/ daß der Teuffel durch ſeine
Diener und Werckzeuge/ oder falſche Propheten/ auch koͤnne Mirackel thun.
Denn die Zauberer auch machen aus ihren Staͤben Schlangen. Jtem/ daß die
Waſſerſtroͤhme in Egypten Blut werden/ daß ſie Froͤſche aus dem Waſſer brin-
gen. Solches erinnert und warnet auch die H. Schrifft/ als Deut. 12. wird ge-
meldet/ daß auch falſche Propheten koͤnnen Wunder thun/ und der HErꝛ Chriſtus
Matth. 24. ſpricht: Es werden auff ſtehen viel falſche Propheten/ und groſſe Zei-
chen und Wunder thun. Jtem/ Paulus 2. Theſſ. 2. ſaget/ die Zukunfft deß An-
tichriſts geſchiehet nach der Wuͤrckung deß Sathaus/ mit allerhand lugenhaffti-
gen Kraͤfften/ Zeichen und Wundern/ und mit allerley Verfuͤhrung zur Vnge-
rechtigkeit. Dieſes ſind Teuffels-Wunder/ denn die Zauberer thun ſolche Mi-
rakel durch deß Teuffels Krafft und Wuͤrckung/ damit ſie Moſes Mirackel/ die
da Goͤttliche Mirackel waren/ hinderten/ und Pharao verblenden und verſto-
cken/ daß er die Goͤttliche Warheit nicht annehme/ ſondern im Jrꝛthum ſte-
cken bleibe/ und wider GOtt und ſein Volck ſich legete/ mit ſeinem Toben und
Wuͤten. Alſo thun auch Wunder die beyde Zauberer in den Geſchichten der Apo-
ſtel/ Elimas und Simon. Jtem/ das Maͤgdlein/ ſo den Warſager-Geiſt hatte/ aber
ſie thuns aus deß Teuffels Krafft/ durch Gottes Verhaͤngnuͤß. Alſo 1. Reg. 28.
bringet die Warſagerin aus dem Grabe ein Geſpenſt/ das dem Propheten
Samuel an Geſtalt und Kleidung aͤhnlich war/ durch deß Teuffels Blendung
und Betrug. Daher St. Paulus deß Teuffels Zeichen und Wunder auch luͤ-
genhaffte Kraͤfften und Verfuͤhrung nennet. Denn der Koͤnig Saul war durch
deß Teuffels Betrug recht geaͤffet/ daß er nicht anders wuſte/ es waͤre der ver-
ſtorbene Samuel/ da es doch nicht Samuel war/ der im HErꝛn ruhete/ ſondern
ein Geſpenſt deß Teuffels/ dem Saul zur Straffe von GOtt verhaͤnget/ dieweil
er ſonſt Samuels Lehre in ſeinem Leben veracht/ und in Wind geſchlagen hatte.
Et ibid. ad verba, und Aarons Stab verſchlang ihre Staͤbe. Der Teuffel wird
mit ſeinen Wundern von Gottes Mirakeln zu Schanden gemacht/ denn wenn
G g g g g 2Gottes
[788]Die ſieben und zwantzigſte
Gottes Finger oder Mirakel/ und des Teuffels Betriegerey zuſammen ſtoſſen/
ſo wird der Teuffel mit ſeinen Wundern von Gottes Wundern eingetrieben/
wie denn der HErꝛ Chriſtus im Evangelio den Teuffeln gebeut/ daß ſie ſchweigen
muͤſſen/ er macht ſie zu ſchanden/ treibet ſie auß/ uͤberwindet/ und bindet ſie/ ja
er zubricht die Wercke des Teuffels/ der Teuffel verkreucht ſich mit ſeinen Mira-
keln fuͤr Gottes Wort.
Sprichſtu/ auff ſolche Weiſe wird es ein Circul geben/ und das un-
gewiſſe durch eben ſo ungewiſſe bewieſen werden. Denn warum ſoll ich
glauben/ daß dieſe oder jene Lehre des Evangelii Gottes Wort warhafftig
ſey? Antwort: Weil die Miracula davon zeugen. Warum ſoll ich den
Miraculn glauben und trauen? Antwort: Weil Gottes Wort von ſol-
chen Miraculn zeuget/ das heißt das Dunckele mit dem Dunckeln beſchei-
nen und hell machen wollen. Aber es iſt immer ein Wort Gottes heller
als das andere/ auß welchem das Dunckele kan erleuchtet werden. Dem
Juden iſt das Wort des Neuen Teſtaments dunckel/ aber auß dem Alten
Teſtament/ welches er fuͤr gewiß und bekant annim̃t/ kan es beſcheinet
werden. Den Heiden iſt die gantze Bibel unbekant und ungewiß ge-
weſen/ wann aber die Apoſtel/ wie durch andere motiva, als auch durch
die groſſe Glock und Miracul ſie zur Audientz/ und alſo zur Kirchen ge-
bracht/ und auß den Strahlen deß Goͤttlichen Worts anfangs um etwas
bewogen worden zu glauben/ es ſey Gottes Wort. 1. Cor. 14. So haben
alsdann die folgende Miracul einen guten Nachtruck gegeben/ und gleich-
ſam als der Wecken der Holtz-Axt/ die harten Hertzen fortzutringen/ ſuc-
curriret und geholffen.
Daß (welches der andere fuͤrgenommene Punct iſt) die Apoſtel und
Juͤnger Chriſti Miracul und Wunder-Zeichen gethan/ und damit ihre
Lehre zuverſigeln verpflichtet und verbunden geweſen/ davon redet nicht al-
lein der Goͤttliche Credentz-Brieff und Befehl Chriſti Matth. 10/1.
Und er rieff ſeine Juͤnger zu ſich/ und gab ihnen Macht uͤber
die unſaubern Geiſter/ daß ſie dieſelbigen außtrieben/ und
heyleten allerley Seuche/ und allerley Kranckheit. Dieſe
zwoͤlff
[789]Predigt.
zwoͤlff ſandte JEſus/ gebot ihnen/ und ſprach: Matth. 10/8. Machet
die Krancken geſund/ reiniget die Auſſaͤtzigen/ wecket die
Todten auff/ treibet die Teuffel auß. Da dann wol zu unter-
ſcheiden die wunderthaͤtige Krafft Chriſti von der Macht der Apoſtel.
Jene war ein ſolcher Majeſtaͤtiſcher/ herꝛſchender/ gebietender/ in ſpruͤng-
licher/ einwohnender Gewalt/ Krafft welches der Herr auch ohne Bit-
te/ zu ſeiner eigenen Ehre/ Wunder gethan: Sie entſatzten ſich alle/
alſo/ daß ſie untereinander ſich befragten und ſprachen: Was
iſt das? Was iſt das fuͤr eine neue Lehre? Er gebeut mit Ge-
walt den unſaubern Geiſtern/ und ſie gehorchen Jhm.
Haͤtte Chriſtus keinen unvergleichlichen/ bloß-gebietenden/ herꝛſchenden
Gewalt gehabt/ ſo haͤtte das Volck ſich ſo hoͤchlich zuverwundern nicht Ur-
ſach gefunden/ dann/ nach Baronii Meynung/ ſie deß Sceviſchen und
Prieſterlichen Bann-Gewalts wol gewohnt geweſen. Dieſe aber war
mehr nicht/ als precaria \& chariſmatica, eine Bittsweiſe durch den he-
roiſchen wunderthaͤtigen Glauben/ auß Gnaden erlangte Macht. Dar-
um kunten die Juͤnger Chriſti den Teuffel nicht von dem Monſichtigen
Knaben außtreiben: Es mangelt ihnen ohne Zweiffel an Machtworten
nicht/ der Unglaube hinderts; Warum kunten wir ihn nicht auß-
treiben? fragten die Juͤnger ſelbſt. Chriſtus antwortet: um euers
Unglaubens willen. Sie hatten zwar den Befehl und die Verheiſ-
ſung die Teuffel außzutreiben/ haben auch deſſen Proben gethan/ der
wunderthaͤtige Glaube iſt ihnen gegoͤnnet geweſen; aber ſie haben damal
in demſelben gewancket/ es iſt ihnen eben gangen/ wie Petro/ der den Be-
ruff zwar von Chriſto gehabt auff dem Waſſer zu gehen/ aber weil der
Glaube nicht ſtarck genug geweſen/ ſo ſincket er unter. Es ſpricht der
HERR: Warlich/ ſo ihr Glauben habt/ als ein Senffkorn/
da moͤget ihr ſagen zu dieſem Berge/ hebe dich von hinnen
dorthin/ ſo wird er ſich heben/ und euch wird nichts un-
muͤglich ſeyn. Haͤtte nun einer von den Zuhoͤrern Chriſti/ der kein
ſpecial Befehl und Verheiſſung gehabt/ Wunder zu thun/ auch den
wunderthaͤtigen Glauben nicht gehabt/ ohne ſolchen Glauben und Ge-
bet ſich an einen Berg machen wollen/ und mit gebietenden Macht-
worten den Berg anreden: Berg/ ich gebiete dir/ daß du dich erhebeſt
von dannen dorthin; Was wuͤrd er außgericht haben? Nichts. Hohn
und Spott waͤre der Lohn geweſen. Contrà; Wo ein Goͤttlicher/
gebietender/ doch unerbetener Gewalt fuͤrhanden/ da muß es durch-
dringen/ da muß alles brechen ohne Widerſtand. Act. 3/13. Als Pe-
G g g g g 3trus
[790]Die ſieben und zwantzigſte
trus das ſahe/ antwortet er dem Volck: Jhr Maͤnner von
Jſrael/ was wundert ihr euch darůber/ oder was ſehet ihr
auff uns/ als haͤtten wir dieſen Wandel gemacht durch unſer
eigene Krafft oder Verdienſt? Der GOtt Abraham/ Jſaac
und Jacob/ der GOtt unſer Vaͤter hat ſein Kind JEſum
verklaͤret/ welchen ihr uͤberantwortet und verleugnet habt
fuͤr Pilato/ da derſelbige urtheilet ihn loß zulaſſen. Jac. 5/14. 17.
Sonſt heiſt es: Jſt jemand kranck/ der ruffe zu ſich die Elteſten
von der Gemeine/ und laſſe ſie uͤber ſich beten/ und ſalben mit
Oehl/ im Nahmen deß HErꝛn. Elias war ein Menſch gleich
wie wir/ und er betet ein Gebet/ daß es nicht regnen ſolte/ und
es regnet nicht auff Erden drey Jahr und ſechs Monden.
Nicht allein die Goͤttliche Verheiſſung/ Marc. 16/17. 18. Die Zeichen
aber/ die da folgen werden denen/ die daglauben/ ſind die: Jn
meinem Nahmen werden ſie Teuffel außtreiben/ mit neuen
Zungen reden/ Schlangen vertreiben/ und ſo ſie etwas toͤdt-
liches trincken/ wirds ihnen nicht ſchaden: Auff die Kran-
cken werden ſie die Haͤnde legen/ ſo wirds beſſer mit ihnen
werden. Nicht allein die Ubung ſelbſt/ der HErꝛ wuͤrckete durch ſie/ und
bekraͤfftiget das Wort durch mitfolgende Zeichen/ deren etliche jetzo
benamſet worden. Die Zeichen der neuen Zungen und Sprachen/
Act. 2. Act. 10/46. Die Außtreibung der Teuffel. Act. 5/16. cap. 8. 7.
c. 16/18. c. 19/12. Schlangen vertreiben. Act. 28/5. e. g. Eine Otter ſchlen-
ckerte ſich um St. Paulus Hand in der Jnſel Melite/ ein boͤſes und ver-
gifftes Thier/ und that ihm doch kein Schaden. Jtem/ die ſchadloſe Sicher-
heit vom toͤdtlichen Gifft/ welches Johannes getruncken/ und ohne
Schaden ſoll genoſſen haben. Die uͤbernatuͤrliche Artzeney-Gabe/ geſund
zu machen die Krancken/ durch Aufflegung der Haͤnde/ daß es beſſer mit
ihnen werde. Alſo/ daß durch der Apoſtoliſchen Haͤnde-Aufflegung/ ja
auch durch Schatten dieſelbe heyl worden: Jnmaſſen die Exempel in den
Apoſtoliſchen Geſchichten zuleſen/ obhanden. Act. 3/6. c. 5/12. c. 9/17. 34.
c. 14/10. c. 19/12. c. 28/8. Sondern es hat auch ſolche Wunderthaten
erfordert/ die damal fuͤrtringende Neceſſitaͤt und Nothdurfft. Sie ka-
men in die Welt hinauß/ als in einen groſſen Kercker der Blinden/ und
im Unglauben erſoffenen Menſchen/ die allererſt zuberuffen/ zuerledigen/
zuerleuchten: Sie kamen in die Welt/ als in eine ungeheure Wildnuß/
Brachfeld und Aeger/ da neue Aecker auffzubrechen/ und edle fruchtbare
Baͤume zu pflantzen geweſt: Da haben nun die Miracula wol gethan/ ſind
gleich-
[791]Predigt.
gleichſam die Pflugſchaaren geweßt/ dadurch die wilde Gemuͤther erweckt
und bereitet worden/ den edlen Saamen deß Worts zuempfangen.
Belangend die dritte Frage/ von der Waͤhrung dieſer Gnaden-
Gabe/ und Wunderliechtes/ wann und wie lange daſſelbe
gewaͤhret und waͤhren ſollen? So iſts zwar an dem/ daß GOtt
der Allmaͤchtige in dem Reich ſeiner Allmacht/ je und allezeit ſonder- und
wunderbare ϑεῖα, und Goͤttliche Wercke ſeiner Providentz gewuͤrcket/
und iſt hierin ſein Arm niemal verkuͤrtzt geweſen/ denn ja auch mancher
Daniel auß der Loͤwen-Gruben errettet. E. g. Fr. Urſula/ Hertzogin zu
Moͤnſterberg auß dem Cloſter. Apud Luth. Tom. 9. Witteb. p. 540.
Mancher Elias von den Raben/ das iſt/ Raͤuberiſchen Soldaten geſpei-
ſet worden/ manchem wuͤtenden Bluthund iſt das Hertz genommen wor-
den. Darum (Luth. Tom. 2. Isleb. p. 228. ſchreibt) iſt boͤſe kriegen
mit GOtt/ denn er nimmet einem das Hertz/ es iſt aber gut
hoffen auff ihn/ und das ſind boͤſe Feinde/ die einem das Hertz
nehmen/ wenn ich einem das Hertz kan nehmen/ ſo habe ich
ihn bald geſchlagen/ es wird nicht viel ſtreitens machen/ ſo
nimmet Gott ſeinen Feinden auch den Muth und das Hertz/
daß ſie muͤſſen verzweiffeln. Wiederum denen die auff ihn
hoffen/ und bloͤde oder verzagt ſind/ denen gibt er ein Muth/
daß ſie hindurch reiſſen koͤnnen/ das ſind ſchoͤne Exempel
und eitel Wunderwercke/ wiewol ſie nicht ſo groß ſcheinen/
als den Auſſatz reinigen/ die Blinden ſchend machen/ oder
Todten aufferwecken/ aber es iſt ja ſo groß/ daß er Kaͤyſer/
Koͤnig/ Papſt/ oder einem ſtoltzen Fuͤrſten kan ihre Gedan-
cken/ ihren Stoltz/ Trotz und Hertz nehmen/ und umkehren/
wiederum die Armen und Bloͤden alſo herfuͤr ziehen/ daß ſie
ſich fuͤr niemand fuͤrchten. Ja andere Leute muͤſſen ſie fuͤrch-
ten/ das heiſſen Goͤttliche Wunder. Wohin wir auch ziehen alle
ſeltzame Fata, ſo ſich Zeit der Reformation mit Luthero, mit ſeinem
Beruff/ Ampt und Begegnuͤſſen zugetragen. Denn ſolte das nicht wun-
derlich ſeyn/ daß ein einiger armer/ wehrloſer/ von aller Welt verlaſſener
Moͤnch/ ohne Wehr und Waffen/ ohne Schild und Schwerd/ allein
durch die Krafft deß Goͤttlichen Worts/ ſich hat duͤrffen an den aller-
maͤchtigſten und vermeynten Heiligſten zu Rom machen/ und ungeach-
tet er deßwegen mit Draͤuen geſchrecket/ verfolget/ und faſt nirgend mehr
geduldet werden wollen/ dennoch als eine Mauer geſtanden/ und die
Goͤttliche Warheit gegen Morgen/ Abend/ Mittag und Mitternacht/
un-
[792]Die ſieben und zwantzigſte
unter ſo viel hundert tauſend Menſchen/ und in ſo maͤchtigen Koͤnigrei-
chen außgebreitet/ wie es Bellarminus ſelbſten bekennen muß. Wundert
ſich doch nicht allein Auguſtinus zu ſeiner Zeit/ ſondern der Jeſuit Bellar-
minus ſelbſt am allermeiſten daruͤber/ mehr als uͤber alle Wunderwerck/
ſo durch die Apoſtel geſchehen/ daß ſo viel hundert tauſend groſſe/ maͤchtige/
kluge und verſtaͤndige Leute/ in der gantzen Welt/ durch die elenden/ unge-
lehrten/ verachten/ ungeſchickten Fiſcher bekehret worden/ wie ſolte es
dann nicht Wunder ſeyn/ daß durch einen elenden wehrloſen Moͤnch
dergleichen in dieſen letſten Zeiten geſchehen? Jn dem durch dieſen groſſen
und theuren Propheten teutſchen Landes/ und groſſen Wundermann/
uns der HErꝛ Chriſtus auß der Babyloniſchen Gefaͤngnuͤß errettet/ und
die ſelige Warheit deß H. Evangelii wieder geſchencket/ und den Artickel
von der wahren Buſſe/ Erkaͤntnuͤß der Suͤnden/ Glauben an Chriſtum/
von guten Wercken/ rechten Brauch der H. Sacrament/ Eheſtand und
Obrigkeit wieder auff die Cantzel und in die Haͤuſer gebracht. vid. Aleth.
vindic. p. 129. Aleth. victr. p. 169. Conf. Luth. in Tiſchreden p. 371.
Tom. 4. Witteb. pag. 85. Sauberti Mirac. Aug. D. Joh. Olear. von der
wunderlichen Guͤte Gottes c. 6. pag. 279.
Wir ſind auch nicht in Abrede/ daß die precaria poteſtas, in actu
primo, die erbetliche Krafft Wunder zu thun/ der Chriſtlichen Kirchen
niemalen allerdings entzogen/ und abgeſchlagen/ daß ſie nicht derſelben im
Fall der aͤuſſerſten Noth uͤben und brauchen koͤnnen/ doch allezeit Goͤttli-
cher Freythaͤtigkeit nichts benommen: So du wilt HERR/ kanſtu mir
wol helffen/ ſagt der Auſſaͤtzige! Wann ſonderlich blinde Heyden zu be-
kehren waͤren/ und neue Auffbruͤche geſchehen muͤßten. Es ſoll ſich
aber (ſind Lutheri Wort Tom. 1. Isleb. pag. 137.) niemands un-
terſtehen die zu uͤben/ wenn es nicht von noͤthen iſt/ oder nicht
erfordert/ denn die Juͤnger habens auch nicht alle wegen ge-
glaubet/ ſondern allein das Wort Gottes zu bezeugen/ und
durch die Wunderzeichen zu beſtaͤtigen/ wie denn in dem Text
allhie ſtehet/ſermonem confirmante ſequentibus ſignis.Sie
ſind hin gegangen/ und haben an allen Orten geprediget/
und ihre Wort beſtaͤtiget durch nachfolgende Zeichen. Sin-
temal aber das Evangelium nun außgebreitet/ und aller
Welt kund worden iſt/ iſt nicht vonnoͤthen Zeichen zu thun/
als zu der Apoſtel Zeiten. Wenn es aber die Noth foddern
wuͤrde/ und ſie das Evangelium aͤngſtigen und dringen wol-
ten/ ſo muͤſſen wir warlich dran/ und muͤſſen auch Zeichen
thun/ ehe wir das Evangelium uns lieſſen ſchmaͤhen und
un-
[793]Predigt.
unterdruͤcken. Aber ich hoffe/ es werde nicht von noͤthen
ſeyn/ und wird dahin nicht gereichen/ alſo/ daß ich allhie ſol-
te mit neuen Zungen reden. Jſt doch nicht von noͤthen/ ſin-
temal ihr mich alle wol vernehmen und verſtehen koͤnnet/
wenn mich aber Gott hinſchickte/ da ſie mich nicht verneh-
men/ da koͤnte er mir wol ihre Zunge oder Sprache verlei-
hen/ dadurch ich verſtanden werde. Darumb ſoll ſich nie-
mand unterſtehen/ ohne anliegende Noth/ Wunderzeichen
zu thun. So iſt auch klar und offenbar/ daß auch nach dem Apoſtoli-
ſchen Periodo, nach der Apoſtel Zeiten/ allenthalben noch Miracul gewuͤr-
cket worden/ und als ein Schein der Abendroͤthe uͤberlaſſen worden. Es
hat der Apoſtoliſche Wunder-Glantz/ in der erſten Kirchen/ noch einen
Glaſt/ und der Wunder-Schall gleichſam ein Echo durch die uͤberflieſſen-
de Goͤttliche Guͤtigkeit/ damal eine Zeitlang hinterlaſſen. Daß aber das
lumen miraculorum, die Gabe Wunder zu thun/ an der Chriſtlichen
nunmehr laͤngſt allenthalben gepflantzten und erbauten Kirch nothwen-
dig/ und immerdar haffte/ im Schwang gehe/ und in der Ubung ſeyn muͤſ-
ſe/ das geben wir nicht zu. Als welches 1. nicht erweißlich/ es mangelt
ſolcher vermeynten Nothdurfft die heilige Weyhe des Goͤttlichen Worts.
Luth. Tom. 1. Jen. pag. 324. ſchreibet alſo: Wunder und Plagen bewaͤhren
nichts/ ſonderlich in dieſer letzten aͤrgſten Zeit/ von welcher falſche Wunder ver-
kuͤndiget ſind in aller Schrifft/ darumb muͤſſen wir uns an die Wort GOttes
halten mit feſtem Glauben/ ſo wird der Teuffel ſeine Wunder wol laſſen. Vnd
im 6. Jen. Theil/ am 299. fol. Leibliche Miracul und Zeichen ſind nicht ewig/
und auch nicht gemein/ denn daran ligt ihm nichts. GOtt thut ſie allein umb
unſert willen/ daß die Chriſtenheit anfahe zu glauben. Nun aber Chriſtus mit
ſeiner Tauffe angenommen iſt/ und die Abgoͤtterey auffgehoͤret/ daß auch Koͤnige
und Fuͤrſten (die zuvor Heyden geweßt) den Namen Chriſti fuͤhren/ hoͤret er
auff mit Wunder-Zeichen/ ſo zu vor geſchehen waren/ die Abgoͤtterey außzurot-
ten/ und den Glauben zu pflantzen. Darumb darff man jetzt nicht fragen/ war-
umb nicht mehr ſolche Wunder-Zeichen geſchehen/ weil die Lehre nun gewiß und
beſtaͤtiget iſt? Vnd ſo man jetzt mehr wolte ſolche Zeichen fodern/ das waͤre ſo viel
geſagt/ ich zweiffelte/ ob die Tauffe Sacrament/ ja alle Lehre des Evangelii
recht ſey/ die doch nun laͤngſt angenommen/ und ſo gewaltiglich beſtaͤtiget iſt/
daß billich ſolche Wunder-Zeichen auffgehoͤret haben.
Dann wo Gebot? wo Verheiſſung? daß der Allmaͤchtige GOtt ſolchen
wunderthaͤtigen Gewalt und Glauben erblich perpetuiren/ und biß auff
unſere letzte Zeiten in der Kirchen ordentlich erhalten/ und fortſetzen/ und
alſo den menſchlichen Fuͤrwitz ſpeiſen/ und ſeine Weißheit menſchlicher
Wunderſucht famuliren und dienen laſſen wolle/ wor auf ein Evileſcentia
und Geringhaltung ſolcher offt-wiederholter Wunder folgen wuͤrde/ das
Achter Theil. H h h h hſte-
[794]Die ſieben und zwantzigſte
ſtehet zum Beweiß/ wo iſt Wort hievon? wo Gebot? wo Verheiſſung?
wer ohne Gottes Wort ſolcher Art Sachen glaubet/ der iſt vermeſſen/
und verſuchet Gott/ gleich zu halten dem/ der glaubt bey beharꝛlicher Un-
bußfertigkeit ſelig zu werden. Der Mund Gottes redet nichts hievon/ ja
widerſpricht vielmehr/ die Wort Chriſti ſind bekant/ die boͤſe und Ehe-
brecheriſche Art der Juden/ die ſich des Bundes/ welchen GOtt mit ihren
Vor-Eltern gemacht/ wie auch der geiſtlichen Vermaͤhlung rühmen/ aber
von GOtt durch geiſtlichen Ehebruch abgewichen ſind/ wie eine Ehebre-
cherin von ihrem Mann/ ſuchet (aus Fuͤrwitz) ein Zeichen/ und (warlich
ich ſage euch) es wird ihr kein Zeichen gegeben werden/ denn das Zeichen
des Propheten Jonas/ welches durch den Propheten Jonam iſt fuͤrge-
bildet worden/ nemlich meine Aufferſtehung am dritten Tage nach dem
Tode/ dadurch gnugſam wird bewieſen werden/ daß ich des lebendigen
Gottes Sohn/ und der verheiſſene Meſſias ſey. Das heiſt ja allen wun-
derſuͤchtigen/ fuͤrwitzigen Zeichenforderern/ die ſich an dem theuren lieben
Wort Gottes nicht begnuͤgen/ noch glauben wollen/ es ſey dann/ daß ſie
Zeichen und Wunder ſehen/ ihr Begehren rund abgeſchlagen/ und alle
Wunder mit dem allergroͤſten Wunder/ der ſelbſtthaͤtigen Aufferſtehung
Chriſti von den Todten verſigeln/ zu deſſen/ als vollzogenen/ unfehlbaren
Zeugnuß/ alle uͤbrige Wunder der zwoͤlff Boten angeſehen geweßt.
Dem zum Zeugnuß/ daß diß Final-Wunder warhafftig geſchehen ſey/
haben ſie/ die außerwehlte Zeugen der Aufferſtehung Chriſti/ die uͤbrige
Wunderwerck ablegen und verrichten muͤſſen/ biß daß die Fuͤlle der Hey-
den wuͤrden eingangen ſeyn/ und Chriſtus von der Welt geglaubet ſeyn
worden. 1. Timoth. 3/16. Da ſoll alsdann der groſſe Splendor der Wun-
der und Zeichen verloͤſchen. Luth. Tom. 1. Isleb. pag. 157. fol. 2. Man
ſoll nicht verſtehen/ daß diß allein Wunder ſind/ die die
Glaubigen thun werden/ die hie Chriſtus ruͤhrt/ auch nicht
dencken/ daß es alle Chriſten thun werden. Sondern alſo
meinets Chriſtus/ daß es alle Chriſten koͤnnen und moͤgen
thun/ denn wenn ich glaubig bin/ ſo kan ichs thun/ und ſte-
het in meiner Gewalt. Denn der Glaube gibt mir ſo viel/
daß mir nichts unmuͤglich iſt/ denn darumb/ wenn es noth
waͤre/ und dienet dazu/ daß das Evangelium außgebreitet
wuͤrde/ ſo koͤnnen wirs wol thun. Weil es aber nicht noth
iſt/ ſo thun wirs nicht/ denn Chriſtus hat nicht alſo geredt/
daß ſie immer alſo muͤſſen ergehen/ und ſolches thun/ ſon-
dern daß ſie es Macht haben/ und koͤnnens thun.
Hat alſo Georg Scherer der Loiolit in ſeiner Predigt auf den Auf-
farts. Tag nicht zu fragen und zu ſagen gehabt/ (Poſtill. part. 2. p. 215.)
Wo haben ſie (Luth.) Teuffel außgetrieben? Wo mit neuen
Zungen geredet? Wo die Schlangen vertrieben? Wo haben
ſie ohne Schaden Gifft getruncken? Wo haben ſie Krancken
geſund gemacht? Das Widerſpiel findet ſich/ wie ſonderlich
am erſten und letzten Miracul zu ſehen/ denn ſie haben mehr
die Teuffel ein- als außgetrieben.Contrà;Bey der Catholi-
ſchen Kirche iſtdonum miraculorum,die Gabe Wunderzeichen
zu thun fuͤr und fuͤr geweſen. Derhalben ſie allewege das wah-
re Evangelium gehabt/ und noch hat. Jnmaſſen die Catho-
liſchen Prediger und Prieſter auch zu unſern Zeiten bey den
Heyden und Unglaubigen in Jndia die Gehoͤrloſen hoͤ-
rend/ die Blinden ſehend/ die Stummen redend/ die Betruͤ-
ſigen geſund/ und die Todten lebendig machen/ durch Got-
tes Krafft/ und Anruffung ſeines heiligen Namens.
Jn die Fern iſt gut luͤgen! Wilt du wiſſen/ wo und wann unter uns
Teuffel außgetrieben worden? Wo und wann neue Sprachen geredet?
Schlangen verjagt? Gifft-Traͤncke ohne Schaden verdauet? Wo Kran-
cken geheilet? So hoͤre/ da werden Teuffel außgetrieben/ wo die armen
Suͤnder von Suͤnden loßgeſprochen werden; Da erzeigen ſich die Spra-
chen/ wo der Menſch in geiſtlichen Sachen ſtumm/ mit himmliſcher
Zungen die einige noͤthige Sprache außredet/ und ſpricht: Abba/ lieber
Vatter: Da werden Schlangen außgetrieben/ wo gifftige Schrifften re-
futirt und widerlegt werden: Da ſchaden gifftige Traͤncke nicht aus dem
Babyloniſchen Huren-Becher/ wo die Buͤcher des verfuͤhriſchen Papſt-
thumbs werden geleſen ohne Schaden; Da werden die Krancken heyl/
wo die Seelen-Apotheck aus Gottes Wort recht applicirt/ und Troſt-Artze-
neyen gegoſſen werden. Es iſt nicht allein nicht erweißlich ſolche Jm̃erwaͤh-
rung. Der Mund des HErꝛn ſelbſt ſetzt einen gewiſſen Termin/ wie lange
ſolches Chariſma waͤren ſoll/ die Wort Chriſti Matt. 12/39. ſind erſt ange-
zogen worden/ die boͤſe und ehebrecheriſche Art begehrt ein Zei-
chen/ uñ es wird ihr kein Zeichen gegeben werden/ deñ das Zei-
chen des Propheten Jonas. Urſach/ das Heiligthum gehoͤrt nicht fuͤr
Hunde und Schweine. Der HErꝛ kunte zu Nazareth keine Zeichen thun/
wegen ihres dicken/ finſtern und boßhafftigen/ wider ſetzlichen/ fuͤrwitzi-v. Theol.
conſc.
part. 2.
Dial 3.
p. 470.
gen Unglaubens. Da im Gegentheil bey den Heyden/ als den hungeri-
gen Huͤndlein/ τοῖς ἐυθέτοις, daſſelbe wol angelegt und gegoͤnnet geweſen.
H h h h h 2Da-
[796]Die ſieben und zwantzigſte
Darumb dann die Judentzende Chriſten per æquivalentiam, aus glei-
chen Urſachen ſolcher Gabe nicht gewuͤrdiget worden. Denn entwe-
ders glaubt die Chriſtliche Kirche dem Wort Gottes und ſeiner Leh-
re feſtiglich/ ſo bedarff ſie keiner Miracul und Wunder/ als die umb
den Glauben zu erwecken und zu ſtaͤrcken gegeben; Oder ſie glaubt boß-
hafftiglich nicht/ ſo gehoͤrt ſie mit den Juden in ein Categoriam und Re-
giſter.
Jſt ferner unnoͤthig/ nachdem die Heydniſche Abgoͤtterey zerſtoͤret/
nachdem durch die Conſummation und Vollendung der Bibliſchen Ca-
noniſchen Buͤcher die Pforten anderwaͤrtigen Goͤttlichen Offenbahrun-
gen von St. Johanne dem letzten lebenden Apoſtel beſchloſſen/ und ver-
ſiegelt/ nachdem die in beſagten Buͤchern enthaltene Lehre angenommen
worden/ ſo iſt der glaubigen Chriſtlichen Kirchen die wunderthaͤtige
Krafft nicht mehr noͤthig geweſt/ unſere Glaubens-Lehren ſind nunmehr
in H. Schrifft ſo feſt gegruͤndet/ daß ſie keines aͤuſſerlichen Scheins und
Behelffs beduͤrffen. Daß im Gegentheil Paͤpſtiſche Lehren/ e. g. von der
Anruffung der Heiligen/ Verwandlung des Brods/ Ablaß/ Kloſter-
Geluͤbde/ Seel-Meſſen/ Feg-Feuer ꝛc. Wunder und Zeichen erheiſchen/ iſt
ein Zeichen/ daß ſelbige nackende und unbewiefene Artickel auff ſchwa-
chen Fuͤſſen ſtehen/ und nicht genugſam in Gottes Wort gewurtzelt. Und
das iſt auch die Urſach/ warumb von Luthero keine Wunder anheiſchlich
ſeyn koͤnnen/ alldieweil er keine neue Lehre auff die Bahn gebracht; ſon-
dern die uhr alte Apoſtoliſche Lehre ernenert/ keine neue Aergert aufzubrechen
Noth gehabt/ ſondern nur das Unkraut/ das zwiſchen dem edlen Weitzen
auffgewachſen/ außreuten ſollen/ keine Glaubens-unfaͤhige Zuhoͤrer/ ſon-
dern ſolche Seelen/ die nach dem hellen Bruͤnnlein Jſraelis geduͤrſtet/
und die Evangeliſche Lehre/ als ein Zunder angenommen/ angetroffen
Luth. Tom. 7. Jen. p. 195. Weil wir nun ſolche Weiſſagung gewiß haben/
und bißher alſo ergehet (welches iſt ein gewiß Zeichen der rechten Lehre) ſo iſt
nun nicht mehr Noth Wunder-Werck zu thun/ ſolche Lehre zu beſtaͤtigen. Denn
dieſelbige ſind erſtlich darumb gegeben/ daß durch ſolche mitfolgende Zeichen
(wie St. Marcus am letzten ſagt) die neue Predigt der Apoſtel beſtaͤtiget wuͤr-
de/ wir aber haben dieſe Predigt nicht neu gemacht/ ſondern eben die alte beſtaͤ-
tigte Lehre der Apoſtel wider herfuͤr gebracht/ wie wir auch keine neue Tauffe/
Sacrament/ Vater unſer/ Glauben/ gemacht/ ja nichts neues in der Chriſten-
heit haben wollen/ ſondern allein ob dem alten (ſo Chriſtus und die Apoſtel hin-
ter ſich gelaſſen/ und uns gegeben) ſtreiten und halten. Aber das haben wir
gethan/ da wir ſolches alles gefunden/ durch den Papſt mit ſeiner Menſchen-Leh-
re verdunckelt/ ja mit dickem Staube und Spinn weben/ und allerley Vngezie-
fers-Geſchmeiß behaͤngt/ dazu in Koth geworffen und vertretten/ haben wir es
durch Gottes Gnade wider herfuͤr gezogen/ uñ von ſolchem Geſchmeiß gereiniget/
den
[797]Predigt.
den Staub abgewiſchet/ geheget/ und aus Liecht gebracht/ daß es wieder rein
glaͤntzte und jederman ſehen kan/ was das Evangelium/ Tauffe/ Sacrament/
Schluͤſſel/ Gebett/ und alles ſey/ was uns Chriſtus gegeben hat/ und wie man
das ſeliglich brauchen ſoll.
und wann er gleich Wunder zu wuͤrcken bey den unglaubigen Papiſten
haͤtte wollen wagen/ ſo wuͤrde er doch nichts/ als vorſetzlichen und verhaͤr-
ten Unglauben und Repuls haben erfahren muͤſſen. Etſi (ſchreibt For-Conf.
Theol.
conſc.
Part. 2.
dial. D.
p. 473. 487.
\& ſeqq.
nerus lib. 1. palm. triumph. c. 39.) vera edidiſſetis miracula, non ta-
men idcircò aut vos recipiendi eſſetis, aut religio, aut doctrina ve-
ſtra foret approbanda. Wann ihr Luther. ſchon warhafftige Wunder-
werck gethan haͤttet/ waͤret ihr doch darumb nicht auffzunehmen/ oder eure
Lehre und Gottesdienſt zu billigen. Daher Auguſt. lib. de utilit. cred. c. 16.
auf die Frage: Warumb geſchehen die Wunderwerck Chriſti nicht bey
uns? eine ſcharffſinnige Antwort gegeben: Dieweil ſie nichts wuͤr-
den außrichten/ wo ſie nicht ſeltzam und wunderſam waͤren/
aber ſo ſie gemein waͤren/ wuͤrde man ſich nicht daruͤber ver-
wundern/ dann die Aenderung/ ſo mit Tag und Nacht vor-
gehet/ die beſtaͤndig-immerwaͤhrende Ordnung der himmli-
ſchen Coͤrper (oder Ding) die vierfaͤltige Abwechslung im
Jahr/ die unbegreiffliche Krafft der ſo mancherley Saa-
men/ das ſchoͤne Liecht/ die mancherley Gattungen
Farben/ Gethoͤn/ Geſchmack und Geruch/ wer dieſes alles
das erſtemal ſihet und fuͤhlet/ der wird daruͤber beſtuͤrtzt/ und
mit Wundern uͤber haͤufft. Aber wir achten dieſes alles nicht/
daß wir es ſo leicht koͤnten ergruͤnden/ denn was iſt wol ver-
borgener/ geheimer/ als die Urſachen dieſer Dinge/ ſondern
dieweil wir es ſtaͤts fuͤr Augen haben/ ſehen und fuͤhlen. Sind
derowegen jene Wunder gar zu bequemer Zeit geſchehen/ da-
mit nicht folgend/ wann nunmehr die gantze glaubige Ge-
meine verſamlet und fortgepflantzt worden/ durch dieſelbe
dieAuthoritaͤt und das Anſehen zu einer Gewonheit wuͤrde.
Wie/ ſprichſt du/ wann aber die Noth fuͤrhanden waͤre/ daß ein vom
Teuffel beſeſſener Menſch uns fuͤrkaͤme/ ſolte man ihn ohne Rath und
Huͤlffe laſſen liegen/ und nicht vielmehr einen wunderthaͤtigen Teuffels-
Bann wagen? Unſer getreue Heyland/ der rechte/ und in ſolchen Wun-
der faͤllen der einige Wunder-Artzt/ hat ein gar kurtzes/ für der Vernunfft
ſimpel und alberes/ aber in der Warheit einig heilſames und bewaͤhr-
tes Recept fürgeſchrieben/ beym Evangeliſten Matthaͤo/ ſagend/ dieſe Art
faͤhret nicht aus/ denn durch Faſten und Beten/ das iſt/ durch ein faſten-
H h h h h 3des
[798]Die ſieben und zwantzigſte
des und nuͤchtern Gebet/ vid. Scheid- und Abfag-Brieff Part. 2. q. 12.
Dem gemaͤß vorlaͤngſt Origenes geantwortet in c. 17. Matth. Si quando
nos obſeſſis oportet opitulari, non loquamur cum ſpiritu, vel adjurando, vel
imperando, quaſi nos audiat: ſed tantum precibus \& jejuniis incumbendo per-
ſeveremus. Jſt periculos und gefaͤhrlich/ weil Chriſtus der HErꝛ uns
treulich gewarnet fuͤr den Wundern und Zeichen/ ſo in den letzten Zeiten
ſich ſpieglen werden. Daß der Wider-Chriſt ſich in folchen kraͤfftigen
Wundern und Zeichen werde herfuͤr thun/ daß/ wo es muͤglich waͤre/
auch die Außerwehlten ſolten verfuͤhret werden. Jn der erſten Apoſtoli-
ſchen Mutter-Kirche war die Gefahr bey weitem nicht ſo groß/ dieweil da-
mal die Evidenz der Zeichen durch den Finger Gottes auch den Feinden
der Warheit ſo hell in die Augen geſchienen/ daß ſie es nicht laͤugnen
kunten; ſo florirte damal noch die hohe Ampts-Gabe der Unterſchei-
dung der Geiſter/ deſſen allen wir heutiges Tags ermangeln/ der Sathan
iſt uns viel zu klug/ als daß wir den Abgrund ſeiner tauſendkuͤnſtigen Liſt
koͤnten erſpaͤen und unterſcheiden: Salomons Weißheit glecket hie nicht.
Wir haben ein feſtes/ beſtaͤndiges/ immerwaͤhrendes/ unbetruͤgliches/ ja
feſteres Prophetiſches Wort/ das uns gewiſſer iſt und ſeyn ſoll/ als alle
ſichtbare Offenbahrung/ Geſichte und Zeichen/ denen die feurige Jrꝛ-
wiſch und Fladder-Geiſter ſich leichtlich koͤnnen einmengen. Darum dann
auch das Wunder-Liecht unter die Zeichen der wahren Kirche Chriſti
nunmehr nicht kan gezehlet werden/ weil auch durch abgoͤttiſche Verfuͤh-
rer/ Kaͤtzer und Jrꝛ-Geiſter/ ja durch den groſſen (auff Nimmers-Tag)
kuͤnfftigen Wider-Chriſt ſolche Wunder geſchehen moͤgen: Solche
groſſe und ſcheinbare Wunder (wie Malvenda berichtet/ lib. 8. de
Antichriſto c. 16. \& 30.) thun/ daß der Allerkluͤgſte dadurch wer-
de angefuͤhret und geteuſchet werden/ und dieſelbe fuͤr recht
Goͤttliche Wercke anſehen/ halten und ruͤhmen/ ja er werde
ſich ſelbſt von den Todten wiederumb aufferwecken. Deut.
10/12. Wann ein Prophet oder Traͤumer unter euch wird
auffſtehen/ und gibt dir ein Zeichen oder Wunder/ und das
Zeichen oder Wunder kommet/ davon er dir geſagt hat/ und
ſpricht: Laß uns andern Goͤttern folgen/ die ihr nicht ken-
net/ und ihnen dienen. So ſolt du nicht gehorchen den Wor-
ten ſolches Propheten und Traͤumers/ denn der HErꝛ euer
GOtt verſucht euch/ daß er erfahre/ ob ihr ihn von gantzem
Hertzen/ und von gantzer Seelen lieb habt. Matth. 24/25. Es
werden falſche Chriſti und falſche Propheten auffſtehen/
und
[799]Predigt.
und groſſe Zeichen und Wunder thun/ daß verfuͤhret werden
in den Jrꝛthumb (wo es můglich waͤre) auch die Außerwehl-
ten. 2. Theſſ. 2/8. Und alsdenn wird der Boßhafftige offen-
bahret werden/ welchen der HErꝛ umbbringen wird mit dem
Geiſt ſeines Mundes/ und wird ſein ein Ende machen durch
die Erſcheinung ſeiner Zukunfft/ deß/ welches Zukunfft ge-
ſchicht nach der Wuͤrckung des Sathans/ mit allerley luͤ-
genhafftigen Kraͤfften/ Zeichen und Wundern. Und daſſelbe
zu Bekraͤfftigung ihrer falſchen Lehre/ indem das wahre Goͤttliche Wun-
der von ihnen anders kan detorquiret/ verdraͤhet und außgelegt werden/
als GOtt der HErꝛ in demſelben intendirt/ auff welche Weiſe Caiphæ
Weiſſagung ihm von dem Heil. Geiſt eingegeben worden/ aber von ihm̃
auff Chriſti thaͤtliche Ermordung und Ubergabe gefoltert worden. Vid.
Aleth. vind. c. 91. Aleth. victr. p. 37. Daher dieſer Satz wol wahr ſeyn
kan/ in welcher Kirchen wahre Goͤttliche Wunder geſchehen/ in deren
muͤſſen etliche Goͤttliche Lehren uͤbrig ſeyn. E. g. Die Lehre von dem
Schlangen-Tritt/ zu dero Beſcheinung Miracul nach Goͤttlicher Inten-
tion geſchehen. Aber die Conſequenz iſt nicht guͤltig. Ergò Jſt dieſel-
be Kirche/ oder dero Lehrer orthodoxi und Rechtglaubige. Wie in caſu
converſo die Papiſten dieſe Conſequenz nicht fuͤr buͤndlich halten wuͤr-
den/ in und unter der Lutheriſchen Kirche wird das Sacrament der Heil.
Tauffe guͤltig verrichtet. Ergò iſt die Lutheriſche Kirche die wahre Kirche
JEſu Chriſti. Es kan in einem Felde voll Unkraut ein wenig Weitzen
wachſen und fruchten/ der gantze Acker heiſt derowegen kein Weitzen-Acker.
Wie auch im Gegentheil nicht folgt: Jn welcher Kirche keine Wunder
geſchehen/ dieſelbige iſt nicht die rechte Kirche. Sintemal die Recht-
glaubige Kirche klagt Pſalm. 74/9. Unſere Zeichen ſehen wir nicht
mehr. Sprichſt du: Es hat ſich gleichwol Luther fuͤr einen Refor-
matorem und Erneuerer außgegeben. Er hat reformiren wollen/
und neue/ zuvor unbekante Lehren auffbringen. Ein ſolcher muß
ſeinen Beruff mit Miraculn beſtaͤtigen. Nun bekennen die Luthe-
raner ſelbſt: Es habe Lutherus kein Mirakel gewuͤrcket/ darumb muß er
ein falſcher Prophet und vermeſſener Freveler ſeyn geweſen. Antwort:
Es iſt noch lange nicht erwieſen/ daß ein jeder Reformator muͤſſe Mi-
rakel und Wunder-Zeichen thun. Dieſem Wahn widerſpricht wuͤrcklich
Johannes der Taͤuffer/ der war ohne Zweiffel ein Reformator, und die-
nender Anfaͤnger der Lehre im Neuen Teſtament. Noch gleichwol zeuget
von ihm St. Johannes/ er habe keine Zeichen gethan. Sprichſt du: Jch
laß es gelten/ kein activ von ihm gewuͤrcktes Zeichen/ unterdeſſen hat nichts
geman-
[800]Die ſieben und zwantzigſte
gemangelt in ſeiner Geburt an ſignis paſſivis, und ſolchen Wunderzei-
chen/ die umb ſeinet wegen geſchehen. Antwort: Welche? Hat er nicht
wunderbarlicher Weiſe gehuͤpfft in Mutter-Leibe? Antwort: Das war
ein gewuͤrckter/ und nicht bloß gelittener Sprung. Nun bekenneſt du ſelbſt:
Johannes habe kein Zeichen gewuͤrcket. Es war gemelter Sprung zwar ein
Goͤttlich extraordinari-Wunderwerck; Aber weil es ohne aͤuſſerlich An-
mercken/ und nicht in die Augen geleuchtet/ war es fuͤr kein Miracul zu
halten. Sprichſt du: Es iſt ja ſeine alte unfruchtbare und betagte Mut-
ter durch ein ſonderbar Miracul fruchtbar und ſchwanger worden; Der
Vatter iſt uͤber ihm verſtummet? Antwort: Das ſind freylich Wun-
derwercke/ aber nicht Johanni zuzulegen; Sondern denen Perſonen/
Vatter und Mutter/ an welchen ſie unmittelbar geſchehen. Er Johannes
iſt ja natuͤrlicher Weiſe gebohren worden/ nachdem ſeine Mutter uͤberna-
tuͤrlicher Weiſe die Geburts-Kraͤffte bekommen; Gleich wie der Blinde/
den Chriſtus der HErꝛ zwar uͤbernatuͤrlicher Weiſe ſehend gemacht/ her-
nach aber natuͤrlicher Weiſe geſehen. So darumb/ weil Johannis Vatter
verſtummet/ daſſelbe Miracul auff Johannem zu ziehen iſt/ ſo muͤſte man
auch ſagen/ daß Chriſtus an den Eltern des Blindgebohrnen Joh. 9. ein
Miracul gethan/ dieweil er deroſelben Sohn ſehend gemacht: Welches
ungereimt waͤre zu ſagen. Wie nun nicht wahr/ daß ein jeder Reforma-
tor ſeine Authoritaͤt muͤſſe durch Goͤttliche Miracul und Wunder erwei-
ſen; So iſt im Gegentheil wahr und Sonnenklar/ daß der Allerhoͤchſte
ſeinen Knecht und Werckzeug Lutherum, anderwerts durch ſolche Θεῖα,
und auſſerordentliche Gnaden-Strahlen umbleuchtet/ welche/ wann ſie
alle zuſammen gezogen werden/ ein groſſes Miracul machen/ ſo ſich gegen
den Wundern der paͤpſtiſchen Heiligen wol darff ſehen laſſen. Etliche
zielen auff Lutherum; Etliche haben ſich erzeiget in demſelben; Etliche
ſind fuͤr ihn und umb ſeiner Lehre willen geſchehen; Etliche ſind durch ihn
vollzogen worden. Auff Lutherum zielen die Goͤttliche Weiſſagungen
von Offenbahrung des Antichriſts/ aus welchen folgender Geſtalt mag
geſchloſſen werden. Der jenige Mann/ welcher den Antichriſt geoffen-
bahret/ mit dem Geiſt des Mundes Chriſti umbgebracht/ die Erde erleuch-
tet/ ein ewig Evangelium geprediget/ und ſtarck mit groſſer Stimme ge-
ruffen: Sie iſt gefallen/ die groſſe Babylon/ gehet aus Ba-
bylon! Denſelben hat GOtt ſonderlich zu ſolchem Goͤttlichen Werck/ zu
einem Ruſtzeug außerkohren. Nun hat ſolches alles Lutherus gethan/
auff ſolche Art/ Grad und Weiſe. Derowegen iſt er der von GOTT
zu ſolchem Goͤttlichen extraordinari-Werck/ als ein Ruͤſtzeug außerkoh-
ren.
[801]Predigt.
ren. Den Vorſatz kan niemand laͤugnen. Er iſt in der St. Pauli Epiſtel
an die Theſſalonicher und in der himmliſchen Offenbahrung St. Johan-
nis feſt gegruͤndet. Der Nachſatz iſt auß Lutheri Schrifften und Buͤchern
klar/ vor ihm konte und dorffte niemand den Antichriſt alſo heuter und
klar offenbahren/ als Lutherus gethan. Vorhin war es noch ein duncke-
les Geheimnuß. Der helle Tag der vollkommenen Erfahrenheit war
noch nicht voͤllig erſchienen. Keine Weiſſagung kan erfuͤllet werden/ ohne
durch deroſelben Event, und wuͤrcklich gemachte Darſtellung. Gleich-
wie auch vor der Fuͤlle der Zeit deß erſchienenen Meſſiaͤ/ vor præſentirung
der jenigen Kenn- und Merckzeichen/ davon die Propheten geweiſſaget/
eigentlich nicht hat koͤnnen die Perſon benamſet/ und mit Fingern gedeutet
werden/ die der Meſſias ſeyn ſolte. Deßwegen wir auch die lieben heiligen
Vaͤter und alte Lehrer der Kirchen wol fuͤr entſchuldiget halten/ die aller-
hand ſeltzame und irrige Meynungen vom kuͤnfftigen Antichriſt geführet;
Es war damal noch ein Geheimnuß/ ſie kuntens nicht beſſer wiſſen/ muſten
nur diviniren und rathen. Aber Luthero iſt ein Liecht auffgegangen/ und
ein großmuͤthig Loͤwen-Hertz gegeben worden/ daß er hat koͤnnen und doͤrf-
fen mit Fingern deuten auff die von St. Paulo bezeichnete Perſon des
Widerchriſts. Er iſt vermittelſt der Truckerey-Fluͤgel mitten durch den
Kirchen-Himmel geflogen/ und das ewige/ pure/ lautere/ unvermiſchte
Evangelium geprediget/ und den gefangenen auß dem Roͤmiſchen Baby-
lon außgeruffen. Wohin demnach gehoͤrt der dreyfache/ ſtarck impri-
mirte/ und mit dem Event uͤbereinſtimmende/ folgende Goͤttliche Traum/
der Churfuͤrſt Friderich ſeligſten Andenckens getraͤumet. Wie nemlich
ein Moͤnch mit vielen Heiligen begleitet/ vom Himmel zu ihme ſey gekom-
men/ und begehrt/ ob er ihm wolle erlauben/ daß er etliche Theſes an die
Schloß-Kirche moͤchte anſchlagen? Er habe aber mit ſolchen groben Fra-
ctur-Buchſtaben geſchrieben/ daß man auch die Schrifft zu Schweinitz
leſen koͤnnen/ der aͤuſſerſte Theil der Feder habe biß nach Rom gereicht/
und ſeye durch die beyde Ohren des Loͤwen/ ſo daſelbſt gelegen/ gegangen/
und von dannen die dreyfache Cron des Pabſts dermaſſen beruͤhrt/ daß ſie
faſt begunte zu fallen: Er habe aber gehoͤrt/ daß der Moͤnch dieſelbe Feder
bekommen auß einem Fluͤgel einer Boͤhmiſchen Gans. Johann Huſſen
letſte Weiſſagungs-Wort laſſen ſich auch hoͤren: Heut/ ſagt er/ werdet
ihr eine Ganß (dann das bedeut Huß in Boͤhmiſcher Sprache) braten/
uͤber hundert Jahr wird auß meiner Aſche ein Schwan entſtehen/ den wer-
det ihr muͤſſen ungebraten laſſen. Jn Luthero haben ſich herfuͤr gethan
damal gantz ungewoͤhnliche/ ſonderbare/ hohe/ heroiſche Gaben/ Mund
Achter Theil. J i i i iund
[802]Die ſieben und zwantzigſte
und Weißheit/ Muth/ und gluͤcklicher Fortgang. Die Griechiſche Spra-
che war damal rar/ die Hebreiſche gantz ſtumm/ Lutherus iſt beyder der-
maſſen maͤchtig geweßt/ daß er auch die Griechiſche/ Hebreiſche/ heilige
Buͤcher ins Teutſche ſo verſtaͤndlich und eigentlich/ heiter und hell verſetzet/
daß/ wer gemelter Sprachen kundig/ eine Collation anſtellt/ nicht genug-
ſam verwundern kan/ wie er in ſchweren Stellen alles ſo artig treffen/ und
ſo gut teutſch dolmetſchen koͤnnen. Damal hatte die Barbarey Euro-
pam zugedeckt gehalten/ in Schulen wuſte man von nichts/ als von eite-
len/ ſophiſtiſchen/ ſtachelichten/ unnuͤtzen Geſchwaͤtz/ den Außlegern der
H. Schrifft mangelts an nothwendigen Inſtrumenten, einer rechten guͤl-
tigen Außlegung. Zu Lutheri Zeiten hat ſich die ſchoͤne Abendtoͤthe freyer
Kuͤnſten und Sprachen/ als eine Gefaͤrtin der reinen Lehre/ herfuͤr gethan.
Lutherus hat durch dieſelbe fuͤrtrefflich geleuchtet: Auß der Schrifft zu
diſputiren hat ſich niemand an ihn wagen doͤrffen/ er iſt wider alle ſeine
Widerſprecher Mann- und Hertzhafft geſtanden/ hat keinen unwiderlegt
Mattheſ.
conc. de
vitâ Luth.
p. 19. f. 2.gelaſſen. Sein Muth und feſte Zuverſicht auff GOtt wider der gantzen
Hoͤllen Sturm leuchtet auß allen ſeinen Schrifften und geiſtreichen Lie-
dern. Die feſte Burg/ darauff er zu Worms gebauet/ hat ihm Stand
gehalten/ und weil ihm GOtt den Muth gegeben/ ſo muſte er auch fort-
gehen/ und kraͤfftig/ gluͤcklich durchdringen. Was viel Kayſer/ Koͤnige
und Fuͤrſten/ die Friderici, Henrici, Ludovici, mit Wehr und Waffen
nicht vermocht außzurichten/ das hat Lutherus mit der Zunge und Feder
gethan/ und iſt demſelben ſonderlich als eine geſchickte Hebamm zu Huͤlffe
kommen die edle/ kurtz zuvor erfundene/ und in Schwang gebrachte Trucke-
rey/ dadurch ſeine/ und andere nuͤtzliche Schrifften Fluͤgel bekommen/ die
nicht ſo leichtlich konten beſchroten werden/ oder gaͤntzlich eingeaͤſchert.
Fuͤr Lutherum und Lutheri Lehre ſtunden die großmuͤthige Helden und
ſtandhaffte Bekenner/ Chriſtliche Chur- und Fuͤrſten des Reichs/ welche
Lutherum nicht allein geſchuͤtzet/ ſondern auch ſo wol als vor Zeiten der
Koͤnig Cores oder Cyrus, durch die Goͤttliche Prophetiſche Stimme er-
wecket/ die bißher gefangene teutſche Jſraeliten auß der Roͤmiſch-Baby-
loniſchen Gefaͤngnuͤß außgefuͤhret/ und die bißher vom Belſazer ſchaͤnd-
lich mißbrauchte geiſtliche Gefaͤß und Guͤter der wahren Kirchen JEſu
Chriſti vindicirt und mitgegeben. Ja es hat mancher Caiphas im
Concilio zu Trident fuͤr Lutheri Lehre ſtehen/ und deroſelben das Wort
thun/ und verfechten muͤſſen/ wiewol die Warheit durch Roͤmiſche Ge-
waltſamkeit hernach getruckt worden. Wohin auch zu ziehen die extra-
ordinari groſſe Werck/ ſo GOtt der HErꝛ an der Augſpurgiſchen (das
iſt/
[803]Predigt.
iſt/ Lutheri) Confeſſion gethan/ die wunderbare καρδιαρχία und Her-
tzens-Wendung/ ſo auff gemeltem Reichstag zu Augſpurg/ als die Con-
feſſion Carolo V. Roͤmiſchen Kayſer uͤbergeben worden/ von der Kirchen
Gnaden-Koͤnige Chriſto JEſu/ (der mitten unter ſeinen Feinden/ und in
dero Hertzen zu herꝛſchen pfleget/) beſchehen/ davon weyland Herꝛ Johann
Saubertus ſeliger ein ſonderbaren Tractat (Miracula Auguſtanæ Con-
feſſionis genannt) laſſen außgehen. Und wer wolte ſich bereden laſſen/
als ob es ohngefaͤhr/ ohne ſonderbare Goͤttliche/ einleuchtende und Hertz-
bewegende Krafft geſchehen/ daß durch maͤchtigen Vorſchub groſſer Her-
ren und Potentaten der Paſſauiſche Vertrag zum Schutz und Schirm
der Augſpurgiſchen Confeſſion auff und zu Kraͤfften kommen/ daß durch
die neuliche Oſnabruͤggiſche und Muͤnſteriſche Friedens-Tractaten/ da
Jonathan und David (ohngeacht der Roͤmiſche Saul ſaur darzu geſe-
hen) mit einander ſich vereinbaret/ von neuem befeſtiget worden. Gama-
lielis Rath iſt auch nicht zuvergeſſen. Jſt diß (Reformations- und
Confeſſions-) Werck auß den Menſchen/ ſo wirds untergehen; Jſts
aber auß GOtt/ ſo koͤnt ihrs nicht daͤmpffen. Obwol der Roͤm. Stuhl/
durch weltlichen Arm und Gewalt/ bißher noch vielmehr gewanckt als ge-
ſtanden; Jm Gegentheil Luthers Lehre/ durch ebenmaͤſſige Gewalt/ an
manchem Ort verjagt und untertruckt worden; So iſt doch jener durch
das Schwerdt des Geiſtes der maſſen ruinirt, daß demſelben alle præſidia
argumentorum, aller Beweiß/ damit er ſich zuvor geſchuͤtzet/ genommen/
widerlegt/ und auffgeloͤſet worden/ dieſe aber auffrecht und unverruckt be-
ſtanden/ und unwiderlegt geblieben. Bellarmini Arbeit iſt laͤngſt als
Spinnen-Arbeit außgeblaſen: Derſelbe Actæon iſt guten theils von ſei-
n[e]n eigenen Hunden zerriſſen: Seiue groſſe Schiff-Armee/ die er außge-
fuͤhrt/ iſt durch kleine Naͤchlin und Schifflein/ denen der Him̃liſche Wind
wol gewolt/ diſſipirt und zerſtreuet worden. Endlich iſt auch von GOtt
durch Lutherum/ als einen außerwehlten Werckzeuge/ eine ſolche ſtarcke/
groſſe/ und weit-außgebreitete Reformation und Converſion in Europa
von gantzen Nationibus entſtanden/ deren noch heutiges Tages die Ro-
maniſten nicht zu lachen haben. Wunder uͤber Wunder! Denn wer
iſt der Reformator geweßt? Ein ſchlechter nachguͤltiger Moͤnch/ der
Saͤchſiſche Eſel hat den thummen und blinden Vileam ſtraffen muͤſſen.
Wer ſind die jenige/ die ſich ergeben und bewegen laſſen? Standhaffte
Teutſche/ uñ fuͤrnemlich Sachſen/ ſo vor Zeiten ſich langſam und ſchwer-
lich zum Chriſtenthum bekehren laſſen. Wodurch iſt dieſe Aenderung der
Hertzen geſchehen? Ohne aͤuſſerliche Noth-Gewalt/ durch Zungen und Fe-
J i i i i 2dern/
[804]Die ſieben und zwantzigſte
dern/ als des Herꝛn Chriſti Scepter/ darin er je und allezeit ſeinen Pracht
geſucht/ die groͤſte Wercke durch die allergeringſte und verachtete Mittel
durchzudringen und außzufuͤhren. Proſtravit calamo decimum, non
Enſe, Leonem.Sprichſtu: Was ſoll das ſo groß Wunder ſeyn/
daß ſo viel Nationen ſich verfuͤhren laſſen/ durch ein ſo ſanfft und ſuͤſſes
Evangelium/ dadurch dem Fleiſch wol geſchehen/ und die vorige ſtrenge
Diſciplin, Ordnungen/ Geluͤbde/ Faſten und Buſſen auffgehebet wor-
den: Hat nicht auch Mahomet durch ſeinen Alcoran viel Nationen ver-
fuͤhrt/ und ihm einen groſſen Anhang gemacht? Antwort: Was
Mahomet gethan/ das hat er durch weltlichen Arm/ Tyranney/ Furi und
Gewaltſamkeit gethan/ wird auch durch denſelben noch heutiges Tages
gewaltſamer Weiſe erhalten/ und fortgefuͤhret/ iſt mit Lutheri Sache nicht
zuvergleichen/ deſſen Lehre das Creutz mit ſich gebracht. Sprichſtu:
Es bedarff hie nicht viel beweiſens oder leugnens/ die Widerrede ſey um-
ſonſt/ wo der Tag ſelbſt redet/ und der Augenſchein da ligt. Es ſey ja die
alſo genannte Catholiſche Roͤmiſche Kirche mit dieſer Gnaden-Gabe der
Wunder beſtaͤndig von Seculis zu Seculis beſeliget geweſen/ und ſeyen die
Exempel in der Menge fuͤrhanden. Antwort: Eben darum/ weil ſie
in der Menge geſchehen/ und es im Pabſtum ſolche Zeichen ſchneiet und
regnet/ ſind ſie verdaͤchtig. Verdaͤchtig die Warheit der Hiſtoria von ſol-
chen Wundern; Zwar am Pralen mangelts nicht/ aber ob die Relato-
res allewege der Warheit gemaͤß/ oder darneben hin ſpatziret/ ob zum Ex-
empel die Perſonen allezeit warhafftig beſeſſen geweßt/ die man mit dem
Exorciſmo geplagt/ oder ob es nur eine Einbildung oder Schalckheit mit
untergelauffen? Daran hat man nicht gering Urſach zu zweifflen/ Au-
gen und Ohren wollen hie nicht gnugſam ſeyn zum Zeugnüß/ deren jene
manchmal mit aber glaubiſchem Wahn/ als mit einem ctero oder Gelb-
ſucht dermaſſen gefaͤrbt/ daß ſie ihnen einbilden/ ſie haben geſehen/ was ſie
nicht geſehen haben. Zum Exempel/ das wahre Blut Chriſti/ und
Chriſti Erſcheinung in der Hoſtia/ in der Geſtalt eines Knaͤbleins/ da es
doch ein fremd Blut und Bild geweſen (wie Tannerus berichtet) ja taͤg-
lich ſehen die Papiſten mit ſehenden Augen die Subſtantz des Brods/ der
Hoſtien/ begleitet mit der unabſonderlichen Groͤſſe/ Farbe/ Geruch/ Ge-
ſchmack einer Hoſtien: Noch gleichwol muͤſſen ſie glauben/ die Subſtantz
deß Brods ſey verwandelt in den Leib Chriſti. Dieſen/ nemlich den Oh-
ren/ iſt offt viel weniger zu trauen. Fama iſt ein Vogel/ der auff ſeinen Fit-
tigen ſo wol die Lugen als die Warheit uͤber Land traͤgt. Es iſt (belan-
gend die alten Exempla) mehrmal geſchehen/ daß man eine alte verjaͤhrte
Hiſto-
[805]Predigt.
Hiſtoriam auff die Bahn gebracht/ wann mans hernach beym Liecht beſe-
hen/ und auff den rechten Grund gegangen/ ſo hat man ſich betrogen be-
funden. Viel hundert Jahr iſt St. Jacobi deß groͤſſern Apoſtolat und
Patronat deß Koͤnigreichs Spanien fuͤr wahr geglaubet worden/ und
hat ſein Grab zu Compoſtell eine manche Wallfarth/ manchen ſauren
Tritt/ und muͤden Fuß verurſachet: Aber Rodericus der Ertz-Biſchoff zu
Tolet und Baronius der Cardinal haben den Deckel vom Hafen gethan/
und den verjaͤhrten Betrug entdecket. Vom Maͤuß-Thurn bey Bingen
am Rhein iſt lange Zeit und Jahr als gewiß geglaubt worden/ es habe ſich
Hatto der Ertz-Biſchoff vor den Maͤuſen dahin (wiewol vergeblich) ſal-
virt. Aber der Jeſuit Serarius macht eine lautere Land-Lugen darauß.
Viel Jahr iſt als wahr geglaubet worden der Hiſpaniſchen Koͤnige Recht
an das Koͤnigreich Sicilia; Baronius hat das Paͤbſtiſche hieruͤber gefaß-
te Diploma ſpath hernach in Zweiffel gezogen/ und dardurch Petri Stul-
Erbſchafft verſchertzt. Wer wil Buͤrge ſeyn/ daß nicht dergleichen Art an
ſich haben manche alt-vaͤtteliſche Relation einer und der andern unge-
ſchriebenen Apoſtoliſchen Lehre? Vide Exempla Falſimoniæ im Scheid-
und Abſag-Brieff dem Coͤlniſchen Prieſter gegeben p. 227. Aleth. victr.
p. 278. \& ſeq. Es iſt verdaͤchtig die Warheit der Divinitaͤt/ daß es rech-
te/ warhaffte/ Goͤttliche Miracula ſeyen. Zum Exempel/ Cornæus der
Jeſuit weiſet uns nach Marienthal bey Hagenau/ da ein junger lahmer Lo-
tharingiſcher Knabe und Kruͤppel juͤngſthin durch die Fuͤrbitte der Mut-
ter Gottes ſoll wiederum grade ſeyn worden/ und hat deſſen Sigel und
Brieff auffſetzen laſſen. Da man deßwegen den Augenſchein eingenom-
men/ iſts erlogen Werck geweſen/ und hat demſelben Zeichen die Lugen zu
beyden Augen herauß geguckt/ daruͤber er muͤſſen ſchamroth werden/ ver-
ſtummen/ und ſeithero kein Wort mehr antworten koͤnnen/ auch kan die
vermeynte Warheit anders nicht/ als Circuls-weiſe/ bewieſen werden.
Bellarminus ſchreibet: Ante approbationem Eccleſiæ non eſt evi-Theol.
Conſc.
part. 1.
p. 478.
dens, aut certum certitudine fidei, de ullo miraculo, quod ſit verum
miraculum: tamen eſt tale, ut evidenter faciat rem credibilem; das
iſt: Vor der Billigung und Gutheiſſung der Kirchen iſt es nicht heyter/
oder auch durch deß Glaubens Gewißheit gewiß/ von einem einigen Mira-
cul, daß es ein warhafftiges Mirakel ſey/ doch iſts alſo damit gethan/ daß
es eine Sache glaublich macht. Woher biſt du nun gewiß/ daß die Kirche/
die ſolche Wunder thut/ die wahre Kirche ſey? Sprichſtu: Auß den fuͤr-
trefflichen Wunderzeichen. Woher aber beweiſtu/ daß ſelbige Wunder-
zeichen warhafftig ſeyn? Sprichſtu: Weil die Kirche/ ſo das ſagt/ war-
J i i i i 3hafftig
[806]Die ſieben und zwantzigſte
hafftig iſt. So iſts eben der Circul/ davon allbereit Meldung geſchehen.
Verdaͤchtig/ weil ſie durch kein Goͤttlich Wort determinirt, daß es rechte
warhaffte Goͤttliche Miracula ſeyen/ und zu Sigillen der Warheit gewey-
het worden. Daß Chriſti ſeine Lehre mit gewiſſen Wundern und Zei-
chen beſtaͤtiget/ iſt von den Propheten angezeigt und geweiſſaget worden:
Melet. de
Mirac.
p. 111.Daß aber in den letſten Zeiten Wunderthaͤter aufftretten werden/ die wah-
re Goͤttliche Wunder wuͤrcken wuͤrden/ ihren intimirten und auffge-
brachten Glauben zubezeichnen/ davon finden wir in Gottes Wort keine
Fußſtapffen/ vielmehr aber treuhertzige Caution und Warnung/ contrà
iſtos mirabiliarios cautos nos fecit ſponſus, quia \& miraculis decipi
non debemus. Ita Auguſt. Tract. 13. in Joh. vid. Aleth. vind. pag. 190.
Confer differentiam mir aculorum primitivorum à poſterioribus oſtenſam à D.
Hopffnero, in Sax. Evang. cap. 6. pag. 60. \& pag. 229. Verdaͤchtig/ weil ſie
zu Bewaͤhrung falſcher (und durch das Apoſtoliſche Anathema verdam̃te)
Lehren/ als zur Anruffung der Heiligen/ der Wandlung/ und dergleichen
angewendet werden. Verdaͤchtig/ weil ſie nicht unter den unglaubigen
Kaͤtzern geſchehen/ die wir gern glauben wolten/ wann wir Gottes Finger
augenſcheinlich mercken ſolten/ und uͤberwieſen werden moͤchten/ daß ſie
warhafftig/ wie geſchehen/ alſo auch Goͤttliche Miracul ſeyen. Moſes hat
ſeine Wunderwerck gethan [...]in Angeſicht des Koͤnigs
Pharao: Die Apoſtel ſind den unglaubigen Voͤlckern nachgezogen/ und
augenſcheinliche Wunder unter ihnen gethan: Jn dero Fußſtapffen ſol-
ten billich die Seel-durſtige Apoſtoliſche Herren der Societaͤt tretten/ uns
nicht zu ſich locken/ ſondern zu uns kommen und Proben thun. Wuͤrden
ſie die Goͤttliche Warheit mitbringen/ ſo wird ſie/ wo nicht bey allen/ doch
bey etlichen kraͤfftig ſeyn/ und nicht leer wieder zuruck kommen; Ob nie-
mand/ oder jemand glauben werde/ daß koͤnnen ſie ja nicht wiſſen. Sie
thun ihr Ampt ad majorem DEI gloriam, und laſſen das uͤbrige GOtt
walten. Verdaͤchtig/ wegen der Harmoni deſſen/ was der H. Geiſt von
den letſten greulichen Zeiten geweiſſaget/ und deß Events deſſen/ was im
Pabſtum wuͤrcklich erfolget/ klar und wahr worden/ der HERR ſagt
Tom. 4. Witt. pag. 100. f. 2. Es werden falſche Propheten auffſtehen/ und
groſſe Zeichen und Wunder thun/ daß verfuͤhret werden in den Jrꝛthum (wo es
muͤglich waͤre/) auch die Außerwehlten/ und St. Paulus 2. Theſſ. 2. von dem
Wider-Chriſt/ welcher kommet mit allerley Verfuͤhrung zur Vngerechtigkeit ꝛc.
Dafuͤr/ daß ſie die Liebe zur Warheit nicht haben angenommen/ daß ſie ſelig
wuͤrden. Alſo daß gewißlich in der Chriſtenheit muͤſſen falſche Zeichen geſche-
hen/ und die falſchen Chriſten die muͤſſen fuͤr rechte warhaffte Zeichen halten.
Das iſt nun ſonderlich im Pabſtum mit Gewalt gangen/ wiewol auch in der
Tuͤrckey ſolche Pfaffen und ſonderliche Heiligen viel ſind/ davon leſe man ihre
Buͤcher
[807]Predigt.
Buͤcher und Legenden/ ſonderlich/ was die Muͤnche geſchrieben haben/ welch ein
Geſchwaͤrm iſt/ voll voll eitel Wunderzeichen/ das doch alles lauter Luͤgen und
Buͤberey iſt geweſen. Wie hat man bey unſern Zeiten die Leute geaͤffet/ mit ſo viel
Wallfartheu/ zum Grimmenthal/ zur Eichen/ zu Trier ꝛc. Vnd ich ſelbſt hab et-
liche Moͤnche geſehen/ ſchaͤndliche boͤſe Buben und wilde Menſchen/ die doch den
Teuffel außtrieben/ und mit ihm ſpieleten/ grade/ als mit einem Kinde. Wer
koͤnte aber die Buͤberey erzehlen/ was man fuͤr Teuffels-Geſpenſt getrieben hat/
unter dem heiligen Nahmen Chriſti/ Maria/ des H. Creutzes/ St. Cyrtax ꝛc.
Das alles die Moͤnche mit Gewalt getrieben haben/ und alle Welt darauff ge-
fallen iſt/ und memand hat doͤrffen dagegen muͤcken/ da war kein Pabſt noch
Biſchoff/ der dawider geprediget haͤtte; ſondern haben alle dazu geholffen/ und
ob gleich niemand ſich dawider ſetzet/ ſo ward er uͤberteubet/ und mit Gewalt
eingetrieben. Wie kurtz vor dieſen Zeiten Biſchoff Ernſt von Sachſen brach
einmal eine ſolche Teuffels Feld-Kirchen ein/ aber es bekam ihm uͤbel/ daß er druͤ-
ber in Kranckheit fiel/ und fro ward/ daß er ſie wieder bauet. Mit ſolehem
Geſpenſte iſt nun beſtaͤtigt und auff kommen das Fegfeuer/ Seelmeſſen/ aller
Heiligen Dienſte/ Wallfarth/ Kloͤſter/ Kirchen und Capellen/ ja es haben viel
auch geweiſſaget von zukuͤnfftigen Dingen/ als der Liechtenberger und andere.
Jſt aber alles geſchehen durch den Teuffel/ daß er ſeine Greuel und Luͤgen beſtaͤ-
tigte/ und die Leute bezauberte/ und im Jrꝛthum gefangen hielte/ daß ihm nie-
mand entlauffen moͤchte. Denn das iſt dem Teuffel ein geringes/ daß er ſich
laͤßt außtreiben) wann er will/ und auch wol durch einen boͤſen Buben/ und
doch wol unaußgetrieben bleibt; ſondern eben damit die Leute deſto ſtaͤrcker be-
ſitzet und beſtricket/ mit der ſchaͤndlichen Triegerey; ſo kan er auch wol zukuͤnff-
tige Dinge errathen/ als ein kluger erfahrner Geiſt/ wiewol er gemeiniglich mit
ſeinem Weiſſagen der Leute ſpottet/ und gauckelt/ daß mans mancherley dꝛuten
kan/ und wie es geraͤth/ ſo hat ers troffen/ wie er auch vor Zeiten durch ſeine
heidniſche Pfaffen gethan hat. So ſind denn die Leute toll und plumpen hinein:
O hie wohnet Gott/ da ſihet und greiffet man die Wunder und Zeiehen/ koͤnnen
nicht recht riechen/ daß es der Teuffel eben darum thut/ die Leute zu betriegen und
zuverfuͤhren/ dencken auch nicht die Narren/ daß Chriſtus alles klaͤrlich zuvor
geſagt/ und uns treulich dafuͤr gewarnet hat/ durch ſich ſelbſt/ und ſeine Apoſtel;
Aber es hat ſo muͤſſen gehen/ und iſt uns recht geſchehen/ weil wir Gottes Wort
verachtet/ und nicht angeſehen/ daß wir Chriſtum verlieren/ und deß Teuffels
Zeichen annehmen muͤſten/ und iſt dem Teuffel eben ein recht Spiel geweſen/ da-
durch er mit voller Gewalt in der Chriſtenheit regierte/ wie er geſuchet hatte.
Matth. 24. Darum ſeyd klug wie die Schlangen/ pruͤfet die Zeichen/
thut die Sinn-Vernunffts- und Glaubens Augen recht auff/ laßt ſie wa-
chen/ und ſcharff durchſchauen; Richtet nicht κατ᾽ ὄψιν, nach dem aͤuſſerli-
chen Anſehen und Augenſchein/ ſondern nach der unfehlbaren Regul deß
Goͤttlichen Worts/ kommen euch Wunder vor/ ſo præcipitirt und uͤber-
eilet euch nicht im Urtheil und Gedancken/ ſehets an/ wie man ſonſt irgend
ein monſtrum, ein Lufft-Zeichen/ Cometen/ und dergleichen Abentheur/
da man die eigentlichen Urſachen nicht anzeigen kan/ anſihet/ und haltet
zuruͤck
[808]Die ſieben und zwantzigſte
zuruͤck mit eurem allzuſtumpffen Verſtand. Geſchicht es aber/ daß man
durch ſolche Zeichen ſolche Lehren bewaͤhren will/ die wider Gottes Wort
lauffen/ ſo ſaget mit St. Paulo Gal. 1/8. Wenn auch ein Engel
vom Himmel ein ander Evangelium wuͤrde predigen/ an-
ders/ dann das uns die Apoſtel geprediget haben/ der ſeye ver-
flucht. Denn in ſolchem Fall ſind es lugenhafte Zeichen und Wunder/
wo nicht formaliter, doch finaliter, ſo gar/ daß wann es auch warhafte
Goͤttliche Wunder waͤren/ dennoch um der obliquation willen/ weil ſie
von dem Wunderthaͤter/ wider die Goͤttliche Intention, wider GOtt
und ſein Wort/ Jrꝛthum zubehaupten verdraͤhet/ nicht anzunehmen.
Es iſt zum Exempel deß Roͤmiſchen Pabſts prætendirter primat, vi-
cariat, und Stadthalters-Ampt/ uͤber Koͤnigliche Majeſtaͤt und Hoheit/
auß Gottes Wort nicht allein nicht erweißlich/ ſondern demſelben ſchnur-
ſtracks zuwider. Wann nun Pius V. mit einem Wunderwerck aufge-
zogen daher trollt/ ſpricht einen Beſeſſenen mit dieſen Worten an: Bin
ich Chriſti Stadthalter/ ſo fahre auß im Nahmen Gottes/ ꝛc. Der Geiſt
faͤhret auß. Soll ich darum bemeldten Pabſt fuͤr einen warhaften
Stadthalter Chriſti erkennen und annehmen? das ſey fern. Geſetzt/
v. Aleth.
victr. p. 73.es ſey ein Goͤttlich Miracul hie vorgangen; So bin ich doch nicht ge-
wiß/ daß GOtt der HErꝛ eben die Lehre zu bezeichnen intendirt, wel-
che der Pabſt gemeynet. GOtt der HErꝛ iſt kein blinder Ahaſverus/
der dem Haman ſein Sigel-Ring gegeben/ damit zuverſigeln/ was der
Haman gewolt. Glaublicher waͤre es/ GOtt haͤtte durch ſolche Zeichen be-
weiſen wollen die Zerſtoͤrung der Wercke deß Teuffels/ als welche mit dem
Fahrauß mehr Gleichheit hat/ als des Pabſts Vicariat. Darum huͤtet euch
fuͤr den falſchen Propheten/ Matth. 24/24. Denn es werden falſche
Chriſti und falſche Propheten auffſtehen/ und groſſe Zeichen
und Wunder thun/ das verfuͤhret werden in den Jrꝛthum (wo
es muͤglich waͤre) auch die Außerwehlten. Sihe/ ich habs euch
vor geſagt/ ſpricht der HErꝛ/ werdet ihr betrogen/ ſo habe ich
keine Schuld/ ich habe euch treulich gewarnet. Als ſolt er ſagen/
Tom. 4. Witt. p. 401. Sehet eben zu/ und haltet euch an meine Warnung/
wo nicht/ ſo werdet ihr gewißlich verfuͤhret/ denn ihr habt mein Wort/ daß ihr
wiſſet/ was der Wille meines Vaters iſt/ die zwey haltet gegeneinander/ hie
habt ihr meine Lehre/ die euch weiſer/ wie ihr leben und thun ſollet/ dort ſehet ihr
die Zeichen/ ſo wider dieſe Lehre gehen/ daß ihr alſo koͤnnet ſchlieſſen: weil ich dort
ſo treffliche Zeichen ſehe/ und dagegen hie die Lehre und Warnung habe; ſo
wil ich vor zuſehen/ wo die Zeichen hinauß wollen/ und faſſen an dem Ort/ da ſie
zufaſſen ſind/ ſob ſie auch dazu dienen/ daß ſie meinen Glauben ſtaͤrcken/ auff das
Wort
[809]Predigt.
Wort/ nemlich/ daß Chriſtus fuͤr mich geſtorben/ daß ich durch ihn fuͤr GOtt ge-
recht und ſelig werde. Darnach/ daß ich meinen Stand fuͤhren/ und deſſelbi-
gen treulich warten ſolle. So finde ich das Widerſpiel/ daß ſie ihren Tand da-
mit ſtaͤrcken und beſtaͤtigen wollen/ und ſo lehren: Lauff zu dieſem oder jenem
Heiligen/ kreuch in eine Kappen oder Wuͤſten/ da geſchehen taͤglich ſo viel Wun-
der und Zeichen/ da iſt ſo ein heiliger Orden ꝛc. Das heiſt gefuͤhrt von Chriſto/
aus meiner Kirchen/ Predigſtuhl/ Tauffe und Sacramenten/ dabey ich bleiben
ſoll/ dazu von meinem Stand und gebotenen Wercken. Darumb wil ichs
nicht hoͤren/ noch wiſſen/ wenn auch ein Engel vom Himmel kaͤme/ und Todten
aufferweckte. Denn Chriſtus hat mich ſo gelehret und gewarnet: Halt dich
zu meinem Predigſtuhl/ Wort und Sacrament/ wo das iſt/ da wirſt du mich fin-
den/ da bleib bey/ darffs nicht weiter lauffen/ noch ſuchen/ ich werde dir nicht naͤ-
her kommen/ denn wo mein Evangelium/ Tauffe/ Predigampt iſt/ dadurch ich in
dein Hertz komme/ und mit dir rede. Jtem/ daß er ſagt: Sey du Vatter/ oder
Mutter/ Fuͤrſt/ Herꝛ/ Vuterthan und Gehorſam ꝛc. und bleib in deinem Stand/
da hoͤreſt du ihn reden/ und ſelbſt gegenwaͤrtig/ was lauffſt du denn nach/ als ein
unſinniger Menſch zum Stock und Stein/ da kein Gottes Wort geprediget wird?
Vnd doch durch des Teuffels Zeichen die Augen auffſperren/ als waͤre Chriſtus
da/ da ſein Wort nicht iſt. Sihe/ ſo ſoll man die Papiſten zuruͤck ſchlagen/ die
mit ihrer Gewonheit/ Vaͤtern/ Concilien/ und ſo viel Zeichen und Mirakeln her-
ſcharren/ dadurch ſie ihr Ding wollen beſtaͤtiget haben/ und nur kurtz geantwor-
tet. Wolan/ laß uns beyderley gegeneinander halten/ da habe ich Chriſti
Wort/ daß ich gewiß bin/ und ſchon auffs allergewaltigſte beſtaͤtiget iſt durch
alle Welt. So zeigeſt du mir dagegen euer Lehre und Zeichen/ die mich auff Ro-
ſenkrantz/ Heiligen Dienſt/ Meſſen/ Muͤncherey/ und andere/ ſonderlich erwehlte
Werck fuͤhren/ da ich nichts von Chriſto/ noch vom Glauben/ Tauffe/ Sacra-
ment/ noch Gehorſam und guten Wercken/ ſo ich in meinem Stand gegen dem
Naͤchſten uͤben ſoll/ wie mich Chriſtus lehret/ ſondern eben das Widerſpiel/ dar-
umb koͤnnens nicht rechte Zeichen ſeyn/ ſondern iſt beyde Lehr und Zeichen des
Teuffels Betrug. Alſo koͤnnen wir fein alle falſche Zeichen kennen und urthei-
len/ und ſagen: Zeichen hin/ Zeichen her/ ſo kehre ich mich nicht dran/ ob du gleich
fuͤr meinen Augen Todten aufferweckteſt/ denn das kan alles triegen/ aber Got-
tes Wort treuget mir nicht/ denn der Teuffel wol kan die Leute alſo aͤffen und be-
zaubern/ daß er einen Menſchen eine Zeitlang fuͤr todt haͤlt/ und darnach laͤſt
wieder zu ſich ſelbſt kommen/ als waͤre er von den Todten erwecket. Oder kan
einem ein Auge oder ander Glied verderben/ und darnach wieder geſund machen/
daß man meine/ es ſey durch Wunderzeichen geſchehen. So verhaͤnget auch
GOtt/ daß auch wol rechte Wunderzeichen geſchehen/ zur Straffe dere/ die die
Warheit nicht achten/ wie St. Paulus ſagt/ und den andern zur Warnung.
Denn man uͤbermachts auch ſo gar mit ſeines Worts Verachtung und Vndanck/
daß kein Zorn gnug iſt ſolches zu ſtraffen/ wie es uns auch wieder gehen wird/
wenn die Welt lange ſtehen ſoll/ die ſich ſo hoch verſuͤndigt/ daß er viel aͤrger
muß werden/ mit allerhand Jrꝛthumb und Zeichen. Denn weil die Welt
ſchlecht wil das Wort verachten/ und nicht hoͤren/ nach anderm gaffet/ ſo wil
er auch gnug ſchicken/ daß ſie verfuͤhret werde in Abgrund alles Jrꝛthumbs/ wie
es bißher gangen iſt/ da man in allen Kirchen/ Kloͤſtern/ Schulen/ nichts anders
geprediget und gelehret/ alle Buͤcher voll gekleckt hat ſolcher luͤgenhafftigen
Achter Theil. K k k k kZei-
[810]Die ſieben und zwantzigſte
Zeichen/ und keine andere Vrſach gehabt/ denn daß ſolche Zeichen geſchehen ſind/
als waͤre es nicht gnug verkuͤndigt/ daß es ſo ſolte geſchehen/ und die Leute da-
durch verfuͤhret werden/ daß auch kaum die Außerwehlten vom Jrrthumb erloͤ-
ſet ſolten werden.
Unterdeſſen habt ihr Lehrer und Prediger gnug Wunder zu thun/
und ihr Zuhoͤrer dieſelbe danckvarlich anzunehmen: Nemlich die geiſtli-
che Seelen-Wunder/ umb dero Willen und dieſen zu Dienſt alle aͤuſſerliche
und leibliche Wunder eingerichtet ſeynd/ als da ſind die geiſtliche Er-
leuchtung der Blinden/ die geiſtliche Erweckung der in Suͤnden Todten/
der Außbann des Sathans aus den Hertzen deren/ die geiſtlicher Weiſe
beſeſſen ſind. Wovon Lutherus ſehr herꝛlich ſchreibt/ Tom. 6. Witt. p. 348.
Es iſt ja kein theurer Schatz/ noch edler Ding auff Erden/ und in dieſem Leben/
denn ein rechter treuer Pfarrer oder Prediger. Denn rechne du ſelbſt/ was nu-
tzet das liebe Predig-Ampt/ und die Seele Sorge ſchaffet/ dieſelbige ſchaffet ge-
wißlich auch dein Sohn/ der ſolch Ampt treulich fuͤhret/ als daß ſo viel Seelen
taͤglich durch ihn gelehret/ bekehret/ getaufft und zu Chriſto bracht/ und ſelig ge-
macht werden/ und von Suͤnden/ Tod/ Hoͤlle und Teuffel erloͤſet/ zur ewigen
Gerechtigkeit/ zum ewigen Leben und Himmel durch ihn kommen/ daß wol Da-
niel am 12. ſagt: Daß die/ ſo andere lehren/ ſollen leuchten wie der Himmel/
und die/ ſo viel zur Gerechtigkeit weiſen/ ſollen ſeyn/ wie die Sternen in Ewig-
keit/ denn weil Gottes Wort und Ampt/ wo es recht gehet/ muß ohne Vnterlaß
groſſe Dinge thun/ und eitel Wunderwerck treiben; ſo muß dein Sohn auch
ohne Vnterlaß groſſe und eitel Wunder thun fuͤr GOtt/ als Todten auffwecken/
Teuffel außtreiben/ Blinden ſehend/ Tauben hoͤrend/ Auſſaͤtzigen rein/ Stum-
men redend/ Lahmen gehend machen/ obs leiblich nicht geſchicht/ ſo geſchichts doch
geiſtlich in der Seelen/ da es viel groͤſſer iſt/ wie Chriſtus ſpricht Johann. 14.
Wer an mich glaubet/ der wird die Wercke thun/ die ich thue/ und noch groͤſſere
Wercke thun. Kan ſolches ein Glaubiger thun gegen eintzelen Perſonen/ wie
vielmehr wird ſolches thun ein offentlicher Prediger gegen und in einem gantzen
Hauffen. Nicht daß ers thue als ein Menſch/ ſondern ſein Ampt von GOtt
dazu geordnet/ das thuts/ und das Wort Gottes/ das er lehret/ denn er iſt ja
der Werckzeug daſelbſt zu. Thut er nun ſolche groſſe Werck und Wunder geiſt-
lich/ ſo folget daraus/ daß er ſie auch leiblich thut/ oder je ein Anfaͤnger und Vr-
ſach dazu iſt. Denn woher kommts/ daß die Chriſten am juͤngſten Tage von den
Todten aufferſtehen werden/ daß alle Tauben/ Blinden/ Lahmen/ und was fuͤr
Plagen am Leibe geweſt ſind/ muͤſſen ablaſſen/ und ihre Leichnam nicht allein
fein/ huͤpſch/ geſund/ ſondern auch ſo hell und ſchoͤn leuchten werden/ als die Son-
ne/ wie Chriſtus ſpricht. Kom̃ts nicht daher/ daß ſie durchs Wort Gottes hie auf
Erden ſind bekehret/ glaubig/ getaͤufft/ und Chriſto einverleibet/ wie Paulus
ſagt/ Rom. 8. Daß GOtt wird unſere ſterbliche Leichnam aufferwecken/ umb
ſeines Geiſtes willen/ der in uns wohnet/ wer hilfft nun den Menſchen zu ſol-
chem Glauben und Anfang der leiblichen Aufferſtehung/ ohne das Predig-
Ampt und Wort Gottes/ das dein Sohn fuͤhret. Jſt nun das nicht ein un-
maͤßlich groͤſſer und herꝛlicher Werck und Wunder/ denn ſo er leiblich oder zeit-
lich
[811]Predigt.
lich Todten aufferweckte wider zu dieſem Leben/ oder Blinden/ Tauben/ Stum-
men/ Auſſaͤtzigen huͤlffe in der Welt/ und in dem vergaͤnglichen Weſen?
Das ſchreibt D. Luther. in Poſtill. Domin. Oculi p. 89. Daß un-
ſer lieber HErꝛ JEſus Chriſtus Teuffel außtreibet/ iſt uns
zum ſonderlichen Troſt geſchrieben/ daß wir lernen und wiſ-
ſen ſollen/ daß er ein HErꝛ uͤber den Teuffel und ſein Reich
ſey/ und daß ſolches Werck/ ſo dazumal leiblich angefangen/
nicht auffhoͤren/ ſondern in der Chriſtenheit werde bleiben
biß am juͤngſten Tage/ denn zu ſolchem Werck hat Chriſtus
ſeinen Werckzeug/ die Heil. Tauffe/ das hochwuͤrdige Sa-
crament/ das Wort und Abſolution/ und anders was zum
Predig-Ampt gehoͤrt/ hinter ſich gelaſſen/ daß man dem
Teuffel ſein Reich damit zuſtoͤren/ ihm die Leute abfangen/
und ihn aus den Leuten treiben ſoll. Ein arm betruͤbt Gewiſ-
ſen/ das der Teuffel mit einem ſchweren Fall uͤbereilet/ oder
ſonſt durch Anfechtung verſehret hat/ das komme zu mir/
klage mir ſeine Noth/ und begehre Troſt und Unterricht;
Da habe ich Befehl/ uñ ein jeder Chriſt/ daß ich meinen Bru-
der troͤſten und ſtaͤrcken/ und ihm Gottes Gnade durch den
Verdienſt Chriſti zuſagen ſoll/ da muß der Teuffel auch wei-
chen/ nicht mir/ der ich ein armer Suͤnder und elender
Menſch bin/ ſondern dem Wort/ welches unſerlieber HErꝛ
Chriſtus uns auf Erden gelaſſen hat: Dieſer Bann thut dem
Teuffel recht wehe/ darum eben/ wie wir ihn durch das Pre-
dig-Ampt und die H. Sacramenta außtreiben/ alſo verſucht
er ſich wider an uns/ wenn er nicht wieder bey uns einſitzen
kan/ daß er doch uns durch Verfolgung zur Welt hinaus
treibe; Alſo iſts ergangen/ und wird gehen biß an der Welt
Ende/ wie dann Chriſto ſelbſt begegnet iſt/ denn er wolt den
Teuffel nicht leiden/ ſondern trieb ihn aus/ wo mans begehr-
te. Da wolt ihn der Teuffel auch nicht leiden/ brachte ihn
durch die Juden ans Creutz/ und ſtieß ihn zur Welt hinaus.
Es verdreuſt ihn uͤberaus ſehr/ daß wir arme Suͤnder ihn ei-
nen ſolchen hoffaͤrtigen/ maͤchtigen Geiſt allein durch das
Wort außtreiben ſollen/ und er wider ſeinen Danck und
Willen außfahren muß. Wir Menſchen ſind ja gegen dem
Teuffel wie ein Stroh-Halm/ daß wo er ſeine Gewalt wider
K k k k k 2uns
[812]Die ſieben und zwantzigſte
uns uͤben ſolte oder koͤnte/ ſolte er uns nicht ein Augenblick le-
ben laſſen/ was thut aber unſer HErꝛ GOtt? Er zuͤndet das
arme Strohhaͤlmlein durch ſein Wort/ das himmliſche Feuer
an/ und macht ſo ein Liecht und Glantz in der Welt/ daß der
Teuffel nicht weiß/ wo er bleiben ſoll/ und muß heute da/ mor-
gen an einen andern Orth fliehen und außziehen. Alſo gehet
das Werck noch im̃er dar unter den Chriſten/ das heiſt Teuffel
außtreiben/ die Stummen redend/ und die Tauben hoͤrend
machen/ obs wol nicht leiblich geſchicht/ denn es viel groͤſſer
und hoͤher/ daß man den Teuffel aus dem Hertzen treibe/
denn im Hertzen ſitzet er viel feſter. Chriſtus aber treibet ihn
auch leiblich aus/ auff daß wir ſeine Macht mit den Augen
ſehen/ und deſto eher glauben ſollen/ er werde ihn auch da
heraus treiben/ da er am feſten ſitzet/ und das durch ſo ein ge-
ringe Ding/ nemlich durchs Wort/ die Abſolution/ die Tauf-
fe/ das hochwůrdige Sacrament ꝛc.Tom. 1. Isleb. pag. 317.
Ein Chriſt iſt ein ſolcher gewaltiger Mann/ daß ihm alle
Creaturen muͤſſen gehorfam ſeyn/ wiewol ſolches nicht ſchei-
net/ ſo iſt es doch in der Warheit alſo. Was iſt auff Erden
kraͤfftiger denn der Tod/ erſchrecklicher denn die Suͤnde/
und bitterer denn das boͤſe Gewiſſen? Dennoch ſpricht ein
Chriſt/ daß er uͤber dieſe alle ein HErꝛ ſey. Aber wir ſchla-
gens in Wind/ gaffen und ſperren das Maul auff gegen den
Mirakeln der Apoſtel/ ſo doch der HErꝛ Chriſtus ſagt/ die
Zeichen/ die ich thue/ wird ein Chriſt/ der an mich glaubet/ auch
thun/ und noch groͤſſere Wercke/ denn ich thue. Als wolt er
ſagen: Es laͤſſet ſich fuͤr ein groß Werck anſchen/ daß ich die
Blinden ſehend mache/ die Tauben hoͤrend/ und die Stum-
men redend/ aber er wirds auch thun/ und vielmehr denn
dieſes thun. Sage mir/ iſt es nicht ein groß Ding/ daß ich
armer Madenſack dem Teuffel ein Klipplein ſchlagen/ und
dem Teuffel Trotz bieten/ und aller Fuͤrſten Tyranney in
Wind ſchlagen ſoll/ und uͤber die Gewiſſen/ und uͤber alles
herꝛſchen? Wann ich gleich einen gerad und geſund mache/
ſo iſt es wol ein Wunder-Zeichen/ aber er muß doch ſterben/
und dieſes alles wieder laſſen. Aber Gottes Wort zeiget und
ſpricht: Jch wil dir eine ſolche Gewalt geben/ die nicht ſonſt
zu finden/ darumb wann ein Menſch mit Gottes Wort ge-
faſſet
[813]Predigt.
faſſet iſt/ und hat Gottes Wort/ ſo kan er als ein Chriſt/ wol
die Blinden ſehend/ und die Lahmen gehend machen/ denn
Gottes Wort iſt in ihm/ und er iſt Gottes Sohn/ und wir
thun durch Gottes Gaben und Gnade/ was Gott durch ſich
thut/ das iſt ein anders. So iſt es nun ein groß Ding/ daß
ein Chriſt den Tod und Teuffel freſſen: Jtem/ wenn ihm
der Kopff abgeriſſen wird/ daß er ſoll gedencken/ der Tod ſey
ein Schlaff/ und er werde ſeinen Kopff bald wieder kriegen.
Unter welchen geiſtlichen Wundern das groͤſte iſt der liebthaͤtige
Glaube/ ſamt deſſen Erweckung und Beſtaͤndigkeit. Welches alles Luthe-
rus in den Exempeln der dreyen Hauptmaͤnner/ deſſen zu Capernaum/ zu
Caͤſarea/ und deſſen/ der unter dem Creutz geſtanden/ (Vid. Brentium ad
Joh. p. 760.) deren die Evangeliſche Hiſtori gedenckt/ gar herꝛlich heraus-
geſtrichen Tom. 4. Witt. p. 493. \& ſeqq. Jch ſage/ der liebthaͤtige Glau-
be/ ſintemal es bey dieſen letzten Zeiten dahin kommen/ daß Froͤmmigkeit
und Ubung rechter guter Werck ein Miracul, rar/ und ungewoͤhnliche
Dinge werden. Der liebe GOTT erhalte uns in ſeiner Warheit/
ſteure des Teuffels Luͤgen und Geſpenſt/ ſein Wort iſt und
bleibt die Warheit. Amen.
GEliebte in Chriſto. Woher war die Tauff
Johannis/ war ſie vom Himmel oder von
Menſchen? Jſt die jenige Raͤtzel-Frage/ welche
Chriſtus der HERR ſeinen abgeſagten Feinden/ den
Hohenprieſtern und Elteſten/ einsmals zu beantwor-
ten und auffzuloͤſen fuͤrgelegt/ Matth. 21/25. Wo-
her? ſagt er/ welches iſt die erſte Quelle/ aus welcher das geiſtliche Bad
der Tauffe Johannis/ damit er ſeine Lehre beſtaͤtiget/ gefloſſen und ge-
ſchoͤpfft worden/ iſt ſie oben oder unten her? Vom Himmel/ das iſt/
von GOtt/ aus him̃liſcher Stifftung/ Auctoritaͤt/ Gewalt und Adel/ in-
maſſen das Wort Himmel in ſolchem Verſtand gebraucht und geleſen
wird Dan. 4/23. Luc. 15/18. Oder von den Menſchen/ aus eige-
nem menſchlichem Sinnchur/ Andacht/ Gutduͤncken und Fund?
War 2. ἀντερώτησις, eine Gegenfrage oder Gegen-Raͤtzel. Dann
als jene ſeine Colloquenten ihne zuvor mit einem Raͤtzel heraus gefor-
dert und getrutzt/ ja einen rechten Zweiffel-Strick fuͤrgelegt/ ihn gefragt
und geſagt: Aus waſſer Macht thuſt du das? Wer hat dir die Macht gege-
ben/ daß du eingeritten auff einer Eſelin als der Koͤnig zu Zion? Warum
haſt du dir laſſen Gluͤck wuͤnſchen und das Hoſianna zuruffen/ als waͤreſt
du der verheiſſene Meſſias? Warumb haſt du die Kaͤuffer und Verkaͤuf-
fer aus dem Tempel hinaus getrieben und verjagt/ und die Wechſel-Tiſche
umbgeſtuͤrtzt/ als ein Reformator? Warum lehreſt du in dem Tempel ei-
ne gruͤn-neue Lehre/ als ein Prophet? Was bildeſt du dir ein/ wer hat die-
ſes geheiſſen? War ein liſtiger Zweiffel-Strick/ darauf zwar Chriſtus haͤtte
koͤnnen gerade zugehen/ und directè antworten/ es wuͤrde ihm an Beweiß
nicht gemangelt haben: Aber Frage umb Frage/ Prudenter interrogat,
ut
[815]Predigt.
ut vel ſuo ipſi ſilentio, vel ſententiâ condemnentur, ſchreibt Hieron.
Er braucht als ein ſcharff ſinniger Diſputator ſtratagema dialecticum,
ein dialectiſches erlaubtes Kunſt-Stuck/ er beantwortet Frage mit Fra-
ge/ Raͤtzel mit Raͤtzel/ Strick mit Strick/ und ſagt: Jch wil euch auch ein
Wort fragen/ werdet ihr mir darauff antworten/ ſo wil ich euch auch ant-
worten und ſagen/ aus waſſer Macht ich das thue.
Aber was geſchicht? Es war 3. Quæſtio ἄλυτος, eine unauffloͤßli-
che Frage/ auff Seiten ſeiner Widerpart/ ſie konten ohne Gefahr nicht
antworten/ beſtunden wie Butter an der Sonnen/ das Maul war ihnen
geſtopfft/ ſie bedachten ſich bey ſich ſelbſt (συνελογίσαντο, Luc. 20, 5.) machten
mental-Schluß-Reden/ welches Horn ſie werden angreiffen/ das wuͤrde
ſie ſtoſſen: Sagen wir/ Johannis Tauffe ſey von den Menſchen/ ſo muͤſ-
ſen wir das Volck fuͤrchten/ als welches Johannem fuͤr einen von GOtt
unmittelbar geſandten und erleuchteten Propheten gehalten; Sagen wir/
ſie ſeye vom Himmel/ ſo ſind wir gefangen/ ſo wird er ſagen/ warumb
glaubet ihr ihm nicht/ warumb laſt ihr ſein Zeugnuͤß/ das von mir enthal-
ten Joh. 1/19. c. 5/33. nicht gelten? Warumb verachtet ihr den Rath Got-
tes/ wolt ihr dann mit GOtt ſtreiten? Jſt der Rath und das Werck
von GOtt/ ſo koͤnnet ihrs nicht daͤmpffen/ auff daß ihr nicht
erfunden werdet/ als die wider Gott ſtreiten wollen/ ſpricht
der kluge Gamaliel Act. 5/39. Darumb ſalviren ſie ſich endlich mit der
Eſels-Stimme/ wir wiſſens nicht. Neſcio eſt aſinorum reſponſio.
Doch aber war es 4. Quæſtio ἔυλυτος, eine leicht beantwort-
liche Frage/ auf Seiten Chriſti. Sie die Sophiſten haͤlt er keiner fer-
nern Beantwortung wuͤrdig/ als ἀυτοκατακρίτους und in ihrem eigen Ge-
wiſſen uͤberzeugte/ ſo ſage ich euch auch nicht ꝛc. Laͤßts aber darumb
nicht allerdings unbeantwortet/ ſondern laͤßt ſeinen Geiſt predigen und
ſchreiben/ aus deſſen Eingeben der H. Mann Gottes St. Lucas geſchrieben
Cap. 3/2. ſeqq.Es geſchach der Befehl Gottes zu Johanne.
Und cap. 7/30. wird die Tauffe ein Rath Gottes genennet/ den dieconf. Joh.
1, 6. \& 33.
Phariſaͤer wider ſich ſelbſt verachtet. So nun (welches daraus folgt)
Johannis Tauffe vom Himmel kommen/ vielmehr Chriſti Tauffe. Ja
es hat der Geiſt Gottes ſchon laͤngſt zuvor durch ſeinen Groß-Vatter den
Koͤnig David geprediget und geſagt: Der HERR der Koͤnig in
Ewigkeit/ der habe ſich geſetzt eine Gnadenfluth/ ein geiſtliches
Seelen-Bad/ ein kraͤfftig heilſames Bad anzurichten und zu ordnen/
Pſal. 29/10. Hie ligt die lebendige Quelle/ aus welcher ſolches edle Bad
gefloſſen. Maſſen ſolches nunmehr zu demonſtriren/ wahr und klar zu
ma-
[816]Die acht und zwantzigſte
machen/ indem wir die Lehre von dem Sacrament der Heil. Tauffe/ diß-
mal antreten/ als eine aͤuſſerliche Zeichen-Lehr/ dadurch die Juͤnger Chri-
ſti auch haben ſollen zeugen/ zeigen und lehren. Darumb die erſte lection
beſaget und lehret von der Quelle und Urſprung der H. Tauffe/
daraus dieſes warme Bad quillet und entſpringet. Davon wir dißmal
ein mehrers vernehmen wollen; Der HErꝛ helffe durch gnadenreichen
Beyſtand ſeines H. Geiſtes/ Amen.
GLeichwie nun die alte Rach-Suͤndfluth/ nicht ohngefaͤhr/
oder von ſich ſelbſt aus bloſen natuͤrlichen Urſachen entſtan-
den/ ſondern vom Himmel herab/ wie Hebr. 11/7. berichtet
wird/ Noah habe Goͤttlichen Befehl empfangen von dem/ das man noch
nicht ſahe/ zu verdammen die Welt/ und ihnen Gottes gefaſte Urthell anzu-
zeigen/ Noë χρηματιοϑεὶς, nachdem Noah das Goͤttliche Oraculum den
Mund des HErꝛn gefraget/ geklagt und geſagt: Jch habe 120. Jahr ge-
prediget/ aber es wil nichts helffen/ ſie die Welt widerſetzt ſich/ wil ſich
nicht durchs Wort ſtraffen laſſen/ was nun zu thun? Er appellirt ad
thronum juſtitiæ, an den gerechten Richter-Sinhl Gottes/ der HErꝛ der
gerechte Richter ſetzt ſich auf ſeinen Richter-Stuhl/ beſchleußt im Rath der
Waͤchter/ die Welt mit der Suͤndfluth zu uͤberſchwemmen; ὁ λόγος, der
Joez/ als der Richter aller Welt/ ſpricht das Urtheil aus durch Noah den
gerechten Prediger/ der die Welt verdammen/ und ihr andeuten muͤſſen/
Er wolle ſeinen grimmigen Zorn außſchuͤtten/ Er wolle eine Suͤndfluth
mit Waſſer kommen laſſen auff Erden/ zu verderben alles Fleiſch/ dar-
in ein lebendiger Odem iſt unter dem Himmel/ Gen. 6/17. Er exe-
quirt das Urtheil/ nicht aber Er der HErꝛ allein/ ſondern wie im Sodo-
miſchen Hals-Gericht/ da der Herrvon demHerrn Schwe-
fel und Feuer ließ vom Himmel herab regnen/ Gen. 19/24. Alſo im Ge-
gentheil/ nachdem David fuͤr ſich und im Namen der gantzen Jſraeliti-
ſchen Kirche eine demuͤthige Supplication vor dem Gnaden-Thron Got-
tes eingelegt/ ſein inniglich Verlangen nach dem Meſſiâ darin zu erkennen
gegeben/ Pſ. 14. Ach daß die Huͤlffe aus Zion kaͤme! Ach daß ich
einmal trincken ſolte/ und meinen Durſt loͤſchen aus dem Quell-Brunn
zu Bethlehem/ 2. Sam. 23/15. Daß der verſchloſſene Heyl-Brunn einmal
moͤchte geoͤffnet werden/ und ſich in alle Welt außbreiten/ ach daß das
edle Seelen-Bad dermaleins erbauet und erfunden waͤre? Hierauf ſitzt der
HErꝛ auff ſeinem Gnaden-Stuhl/ deliberirt von einer Suͤndfluth/ be-
ſchleußt/ ja er wolle eine ſolche Suͤndfluth anrichten. Stat ſententia! Und
das
[817]Predigt.
das zeigt er dem lieben David im Geiſt/ antwortet ihm per χρηματισμὸν,
der HErꝛ ſitzet/ nemlich der Tempel-HErꝛ/ der Koͤnig in Ewigkeit/ der
immer-HErꝛ und immer-Koͤnig/ der Meſſias der geſalbet iſt vom Vater
mit dem Freuden-Oehl dem H. Geiſt/ Pſ. 45. Der HErꝛ der Vater/
der HErꝛ der Sohn/ der Herꝛ der H. Geiſt/ und ſind doch nicht
drey Herren/ ſondern ein HErꝛ/ und alſo die rechte drey Koͤnige mit ih-
rem Stern. (*) Hæc ſcaturigo.
Daß dem alſo und nicht anders/ koͤnnen wir erſtlich keine beſſere de-
monſtration hervor legen/ als (1.) Θεοϕάνειαν Jordanicam, das Goͤttli-
che hoch-feyerliche Gefeſt am Jordan bey der Tauffe Chriſti/ in welchem
ſolenniſſimè in Gegenwart einer groſſen Menge Volcks/ deren H. En-
geln/ ja der Teuffel ſelbſt/ die hohe Goͤttliche Majeſtaͤt gantz herꝛlich/ praͤch-
tig/ perſoͤnlich/ hochtroͤſtlich/ unvergleichlich geoffenbaret/ auff ſolche Wei-
ſe/ dergleichen/ ſo lange die Welt ſtehet und ſtehen wird/ niemalen geſche-
hen/ nicht in bloſem prophetiſchen Geſicht/ Traum und Entzuckung/ ſon-
dern eigentlich/ warhafftig/ ſichtiglich in Worten und Zeichen.
Welche war (2.) Θεοφάνεια Cœleſtis, der Himmel hat ſich auffge-
than/ und wie Marcus c. 1/10. bericht/ geſpalten/ abermal nicht tropicè
und verbluͤmter Weiſe/ nicht Geſicht- und Bildsweiſe/ wie irgend ſonſt
anderswo das Wort von der Eroͤffnung gebraucht wird/ Deut. 11/17.
Act. 10/10. ſondern warhafftig/ ἰδ [...], ſagt der Evangeliſt Matth. 3/16. Und
ſihe/ da thaͤt ſich der Himmel auff uͤber Jhm: Ob aber der Lufft-
oder Sternen-Himmel/ oder der dritte Himmel der Seligkeit zuverſtehen/
davon diſputiren die Gelehrten: Die lieben Alten haben dafuͤr gehalten/
es ſeye auß dem Himmel ein heller feuriger Strahl herauß directè auff
Chriſtum zugangen/ ſonderlich Juſtin. Martyr in Dialog. haben daſſel-
be colligirt und gemuthmaſſet/ auß den Worten Matth. 3/16. ἀνεῴχθησαν
ἀυτῷ, der Himmel that ſich auff uͤber Jhm. Welche determina-
tion ſonſt nicht haͤtte geſchehen/ und man nicht eigentlich wiſſen koͤnnen/
daß dieſes Werck auff Chriſtum angeſehen geweßt. Jſt hiemit angezeigt
worden/ cœleſtis origo, und daß die Quelle droben im Himmel liege/ daß
nunmehr der Himmel Fenſter und Thor geoͤffnet.
(3.) Θεοϕάνεια divina,eine rechte Goͤttliche Erſcheinung
und augenſcheinliche Offenbarung des Goͤttlichen Raths/
Luc. 7/29. Deß Raths/ der durch den himmliſchen Joez gefaßt wor-
den/ in Sachen unſer Seligkeit betreffend. Rath und Wider-Rath hat
ſich menſchlicher Weiſe erzeigt/ und haben die Goͤttlichen Tugenden ge-
geneinander receſſirt: Dann dieweil durch Adams-Fall gantz verderbt
Achter Theil. L l l l lmenſch-
[818]Die acht und zwantzigſte
menſchlich Natur und Weſen/ dieweil das menſchliche Hertz nur boͤſe von
Jugend auff/ Hakòl Sàr Pſal. 14. dermaſſen verderbt/ daß die gantze Art
nicht gut: Als hat die ſtrenge Gerechtigkeit auff das univerſal exitium,
allgemeinen Untergang und Außrottung des menſchlichen Geſchlechts
getrungen/ alles der Hoͤllen zu/ dem ewigen Todt im Rachen! Die Mut-
ter mit der Zucht. Dann dieweil der unendliche GOtt durch die Suͤnde
angetaſtet und beleidiget worden/ darum muſte auch die Straffe unend-
lich ſeyn/ und alles mit Stumpf und Stiel außgerottet werden/ maſſen der-
gleichen Exempla manchmal von erzuͤrnten Koͤnigen ſtatuirt und veruͤ-
bet worden. Die Kinder Ammon/ auß Rach der alten von David ver-
uͤbten crudelitaͤt/ da er ſie unter eiſerne Segen und Zacken gelegt/ und in
Ziegeloͤfen verbrand/ 2. Sam. 12/31. reiſſen zur Rache/ gantz barbariſcher
Weife/ den ſchwangern Weibern ihre Leiber auff/ Amos 1/13. Jener
Kayſer Juſtinianus Rhinotmet hat zur Rache ſeiner ihme abgeſchnitte-
nen Naſen/ ſo offt er den Ort der Naſen gebutzt/ einen von ſeines Feindes
des Leontii laſſen erwuͤrgen/ die Oberſten und Fuͤrſten braten/ und
73000. junge Knaben in Cherſoneſo erſaͤuffen laſſen. So theuer hat er
ſeine Kayſerliche Naſe gehalten. Aber die Barmhertzigkeit Gottes hat ſich
hervor gethan/ und geſprochen/ Oſe. 11/8. 9. Mein Hertz iſt anders
Sinnes/ es erbarmet ſich uͤber die Kinder/ welche vielmehr ἀτύχημα
ein zufallendes Ungluͤck/ als ἀ [...]κημα ihr eigenthaͤtlicher Muthwill und
Boßheit ins Verderben gebracht/ O meine Barmhertzigkeit iſt viel zu
bruͤnſtig. Dann ich bin GOtt und nicht Menſch/ waͤre ich
Menſch/ ſo moͤchte ich meinen Muth erkuͤhlen/ nach proportion des Ver-
brechens ſtraffen/ aber ſolcher maſſen ſtraffen iſt nicht GOttes Hertz/
ſondern ein Hertz GOttes iſt/ das ſich der Suͤnder Ungluͤck annim̃t/ und
heißt ein rechter GOttes-Sinn/ der Suͤnde vergibt/ Hoſ. 11.
Damit aber auch der Gerechtigkeit ein Genuͤgen geſchehe/ ſo iſt fer-
ner GOttes Rath geweßt/ daß ein einiger from̃er/ ja GOttes eingebohrner
allerliebſter Sohn ſelbſt ſich fuͤr die Suͤnde ſeiner Bruͤder/ aller Adams-
und Menſchenkinder/ taͤuffen lieſſe/ nicht nur im Blut-Bad der Paſſion/
ſondern auch in der H. Tauffe/ daß ſeine Tauffe des Menſchen/ und des
Menſchen Tauffe ſeine Tauffe ſey. Maſſen auch geſchehen/ und das Lam̃
Gottes/ das der Welt Suͤnde traͤgt/ in Jordan hinein geſtanden/ und ſich
daſelbſt als der groͤſte Suͤnder/ der alle Suͤnde imputativè auff ſich liegen
gehabt/ und ſich fuͤr das menſchliche Geſchlecht zur Suͤnde machen laſſen.
Johañes entſetzet ſich zwar/ und haͤlt ſich fuͤr unwuͤrdig den Herꝛn zu tauf-
fen: Aber JEſus ſpricht: Sey du zufrieden/ es muß alſo ſeyn/ ſo anders
alle
[819]Predigt.
alle Gerechtigkeit ſoll erfuͤllet werden/ das iſt/ ſo das ſoll außgerichtet wer-
den/ daß die armen Suͤnder moͤgen zur Gerechtigkeit kommen und ſelig
werden: So muſtu mich taͤuffen/ denn ich bin um aller Suͤnder willen
zum Suͤnder worden/ muß derohalben das thun/ das GOtt den Suͤn-
dern zu thun aufferlegt hat/ auff daß ſie durch mich gerecht werden.
Laß jetzt alſo ſeyn/ alſo gebuͤret es uns alle Gerechtigkeit
zuerfuͤllen. Als wolte Chriſtus ſagen: Jch/ ob ich wol fuͤr
mich kein Suͤnder bin/ ſo bringe ich doch mit mir die Suͤnde
der gantzen Welt/ alſo/ daß ich nun allein ein Suͤnder/ und
der groͤſte Suͤnder der gantzen Welt bin/ darum ſo bedarff ich
Vergebung der Suͤnden/ aber nicht meiner/ (denn ich ohne
Suͤnden bin) ſondern der Suͤnde der gantzen Welt (darein
gehoͤren wir auch/ denn wir auch von der Welt und der
Welt-Kinder Suͤnder ſeyn) die auff mir liegen/ die ich trage/
die ſchwer ſind und trucken mich: Darum ſo iſt mir noth/ daß
ich getaufft werde/ und Vergebung der Suͤnden bekomme/
daß alſo hernach meine Tauffe in der gantzen Welt werde
außgeſprengt und geprediget/ daß ich der Welt Suͤnde ge-
tragen/ und getaufft/ darvon abgewaſchen und Vergebung
der Sůnde erlanget habe/ daß wer nu an mich glaubet/ und
meinem Befehl nach getaufft werde/ derſelbige ſey auch von
ſeinen Suͤnden abgewaſchen und rein/ habe einen gnaͤdigen
GOtt ꝛc. Alſo iſt nu die Tauffe Chriſti unſer Tauffe/ und
unſere Tauffe ſeine Tauffe.Sic optimè explicat Luther.
Tom. 12. Witt. p. 344. f. 2.
Diß iſt der Rath GOttes/ welcher in dieſer hohen Goͤttlichen Er-
ſcheinung offenbar worden/ den hernach St. Paulus deutlicher erklaͤrt
Tit. 3/6. ſeqq.GOtt habe darin uͤber uns außgegoſſen den
H. Geiſt/ durch JEſum Chriſt unſern Heyland/ auff daß
wir ꝛc.
(4.) Θεοφάνεια, perſonalis \& philantropics,Eine perſoͤnliche
hold- und leutſelige Offenbarung. Der Vater aller Barmhertzig-
keit/ ein Vater uͤber alles das Kinder heiſt/ erſcheint gantz holdſelig wie ein
frommer Vater/ laͤßt ſich hoͤren in einer hellen/ klaren/ leidenlichen/ ver-
nemlichen Stimme/ nicht in Sinaiſcher unertraͤglicher Wetter-Sum-
me/ eine ſolche harte Stimme/ davon das Erdreich erzittert/ die Berge
geſchottert/ die Menſchen ſich des Todes beſorgten. Solche Summe
hat niemand mit Warhelt reden koͤnnen/ du biſt mein Sohn/ als
L l l l l 2der
[820]Die acht und zwantzigſte
der Vater Jeſu Chriſti/ der ihn auch alſo angeſprochen im andern Pſalm:
Der Sohn ſteht da im Jordan/ als ein holdſeligſtes Menſchen-Bild/
ein keuſcher Jungfrauen-Sohn/ in ſeiner zarteſten Menſchheit gantz na-
ckend/ voller Gnade und Warheit/ und laͤßt ſich tauffen um unſert willen/
non ut ſanctificetur, ſed ut ſanctificet, nicht daß Er dadurch geheiligt
werde/ ſondern daß Er uns heilige; Der H. Geiſt erſcheint in Geſtalt
einer Tauben/ σωματικῷ [...]δει, einer warhafftigen Tauben/ (non ϕάσμα
ὄρνιθος juxta Origenem) welches ſo eigentlich und warhaftig eine Taube
war/ ſo warhafftig es der H. Geiſt war.
Daß dem alſo/ und daß GOtt der HErꝛ ſelbſt die jenige lebendige
Tauff-Quelle ſey/ demonſtrirt ferner II. Digitus index Johanneus,
1. Joh. 5, 7. Der heilige Johannis-Finger/ als der zuruͤck ſchauend/
auf dieſe Θεοφάνειαν gleichſam mit Fingern gedeutet/ in ſeiner hochbedenck-
lichen Zeugen-Sage und Zeugen-Verhoͤr/ der drey himmliſchen Zeugen/
die zeugen nicht nur von den drey irꝛdiſchen Zeugen/ und namentlich auch
deß Waſſers Krafft und Tugend/ ſondern auch von derſelben Quelle und
Urſprung/ daß der Vater die Quelle ſey/ und daß es auctoritate Patris
geſchehe/ was da geſchehen/ iſt darauß offenbar/ dieweil er geſagt/ den ſolt
ihr hoͤren/ Matth. 17. Was Er euch ſagen wird/ dem ſolt ihr nachkom-
men/ was er ſtifften wird/ das iſt meine Stifftung/ er thuts nicht ἀυτόκλη-
τος, ſondern auß meinem Befehl/ was Er thut/ gefaͤllt mir alles wol/
weñ du O Menſch das annehmen und hoͤren wirſt/ ſo thuſtu mir auch ein
hertzlich Wolgefallen/ und biſt mir lieb: Dann ich habe ihn dergeſtalt av-
thentiſirt und verſigelt mit dem H. Geiſt/ und wie Lutherus redet/ Tom. 2.
Iſleb. p. 421. So iſt Chriſtus allhier als der groſſe Prophet
eingeweyhet/ als der Biſchoff und Ertz-Hirtordinirt,als der
groſſeDoctorund Koͤnig von Jſrael geſalbet und gekroͤnet
worden/ der himmliſche Vater hat Jhm das Pareth oder
Doctor-Huͤtlin und Cron auffgeſetzt/ nemlich den H. Geiſt/
und offentlichproclamirt,dieſer iſts ꝛc. Nun hat Er aber die Tauf-
fe geſtifft und eingeſetzt verbis \& geſtibus, mit Worten und Geberden/
indem Er nicht allein ſelbſt getaufft durch ſeine Juͤnger/ Joh. 3. ſelbſt ſich
tauffen laſſen/ und damit die Tauffe conſecrirt, ſondern indem Er auch
auß ſeiner eroͤffneten Seiten/ als einer Quell/ Waſſer und Blut in die
H. Sacramenta flieſſen laſſen/ damit anzudeuten ſein Ornat und Kleid/
darinnen Er erſcheinen wolle/ ſeye Waſſer und Blut/ Er habe dieſes Bad
geſtifftet/ er ſey der edle Felß/ auß welchem dieſes Heylwaſſer entſprungen:
Dieſer iſts/ ſagt Johannes 1. Ep. 5/6. der da kommet mit Waſſer
und
[821]Predigt.
und Blut/ JEſus Chriſtus/ nicht mit Waſſer allein/ ſon-
dern mit Waſſer und Blut/ und der Geiſt iſts/ der da zeuget/
daß Geiſt Warheit iſt. Der H. Geiſt gibt Zeugnůß von Chri-
ſto/ uͤber dem er geſchwebet/ geruhet und beſtaͤndig geblieben/ unſerm
Geiſt/ daß wir Gottes Kinder ſeyen/ daß unſere Kindſchafft/ die
wir in der H. Tauffe empfangen/ auß GOtt ſeye. Summa/ GOtt ſey
die lebendige Quelle/ wie aller andern himmliſchen Gutthaten/ alſo auch
dieſes edlen Seelen-Bades. Pſal. 36. Jerem. 2.
Es beweiſets auch III. Os Domini,der Mund und Grund
aller Warheit/ der jenige HErꝛ/ welcher uns zur Anhoͤr und Folge ſo
hoch vom Himmel herab commendirt worden/ derſelbe ſchreibt alle Au-
ctoritaͤt/ Krafft/ Liecht/ Glantz/ Adel und Urſprung niemand anders zu/
als der hochgelobten Drey-Einigkeit/ wann Er in ſeiner Legation und
Friedens-Oblation ſeine Juͤnger abgefertiget/ mit dieſer Inſtruction, ſie
ſollen hingehen/ und tauffen im Nahmen GOttes deß Vaters/
deß Sohns und deß H. Geiſtes: Jm Nahmen/ das iſt/ auf den
Befehl und Verheiſſung/ wie Matth. 18/20. es alſo zuverſtehen/ in den
Worten: Wo zween oder drey verſamlet ſind in meinem
Nahmen/ das iſt/ auf meinen Befehl/ nach meinem Willen und
Wort; alſo ſtehets auch Marc. 9/39. und Joh. 16/23. ſagt der HERR:
So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Nah-
men/ ſo wird ers euch geben/h. e. auf mein Wort/ Geheiß und
Verheiß/ geſchichts nach meinem Befehl/ und nicht wider denſelben/ ſo
wirds nicht fehlen. Jm Nahmen GOttes des Vaters ꝛc. heißt
auch zur Ehre/ Lob und Preiß deß Drey-Einigen GOttes/ auf daß GOtt
die Ehre davon habe/ als das α und ω, dahin man einig zielen ſoll/ maſſen
das Wort/ Nahmen GOttes/ manchmal ſo viel heißt/ als Gloria
DEI,GOttes Ehr und Herꝛligkeit/ als Pſal. 8/2. Wie herꝛlich
iſt dein Nahme in allen Landen/ und Pſal. 111/9. Heilig und
Hehr iſt ſein Nahme. Alſo ſagt Joab zu David/ belagere du die
Stadt Rabba/ und gewinne ſie/ auf daß ich ſie nicht gewinne/ und ich den
Nahmen/ (das iſt/ den Ruhm und die Ehre) davon habe/ 2. Sam. 12/28.
Jm Nahmen heißt auch ſo viel/ als juris axioma \& obligationis de-
bitum, das Recht/ das der HERR an den Menſchen hat/ die Pflicht/
damit der Taͤuffling verbunden bleibt. Bey den Hebreern heißts/
nach weſſen Nahmen einer genennet worden/ der hat dem benamſten zu-
gebteten/ dem iſt er obligirt zu ſeinem Dienſt/ Liebe/ Vertrauen/ Glau-
ben ꝛc. Wann Jacob Geneſ. 48/16. in ſeinem Segen bittet/ daß ſeine
L l l l l 3junge
[822]Die acht und zwantzigſte
junge Enckel/ Ephraim und Manaſſe/ moͤchten nach ſeinem und
ſeiner Vaͤter Abrahams und Jſaacs Nahmen genennet wer-
den/ ſo will er/ daß ſie rechte Abrahams Kinder/ und rechtſchaffene Jſrae-
liten werden ſollen. Alſo auch wer auff den Nahmen GOttes getaufft
wird/ der empfaͤngt die Macht GOttes Kind zu werden. Joh. 1.
Er nim̃t GOtt zu ſeinem Vater an/ und obligirt ſich zu allen Tugenden
deſſelben/ denn Gottes Nahme iſt alle Tugend/ ſagt Lutherus Tom. 6.
pag. 36. fol. 2. Wann Eſai. 4/1. ſtehet/ daß ein Weib wird nach ihres
Manns Nahmen genennet/ ſo wird ſie ihm verlobt auff ſeinen Na-
men/ und iſt dadurch obligirt dem Mann treu und hold zu bleiben/ ſeinen
Nahmen nicht zuverleugnen. Jn der H. Tauffe wird die glaubige See-
le Chriſto ihrem Braͤutigam verlobet/ als eine treue liebe Geſpons/ em-
pfaͤngt ſeinen Nahmen/ und verbindet ſich denſelben nimmer zuverlaͤug-
nen. Daher ſagt der Apoſtel Eph. 5/25. Jhr Maͤnner liebet eure
Weiber/ wie Chriſtus ſeine Gemeine. Wann der Tempel oder
Heiligthum heißt der Ort/ da GOttes Nahme wohnet/ und beſtaͤndig ſoll
geehret werden/ Deut. 14/23. Jehova ſchamà; So iſt der H. Geiſt der
Tempel-Herꝛ/ das edelſte Anathéma, der will in einem getaufften Her-
tzen als im Tempel wohnen/ daher ſagt und fragt Paulus abermal 1. Cor.
3/16. Wiſſet ihr nicht/ daß ihr GOttes Tempel ſeyd/ und der
Geiſt GOttes in euch wohnet? Jn ſolchem Hertzens-Tempel ſoll
man GOtt opffern/ raͤuchern/ und andere heilige Wercke verrichten/ die
Initiation und Einweyhung dieſes Tempels geſchicht in der H. Tauffe.
Sonderlich wird hiemit geſehen auff Chriſti Befehl/ Stifftung/ Vater-
ſchafft/ als des Jmmervaters/ Braͤutigams inwohnenden
Gnade/ auff ſeinen Nahmen/ das iſt/ auff ſeine ἐξουσίαν, Domi-
nium, Macht und Gewalt: Alſo ſagt Petrus zu dem von Mutterleibe
lahmen Menſchen/ Act. 3/6. Jm Nahmen JEſu Chriſti von Na-
zareth/ ſtehe auff und wandle: Und da ſich das Volck druͤber ver-
wunderte/ ſagt er ferner v. 12. Was ſehet ihr auff uns/ als haͤtten
wir dieſen wandlen gemacht durch unſere eigene Krafft und
Verdienſt? v. 16. Sondern durch den Glauben an ſeinen
(JEſu) Nahmen/ hat Er an dieſem beſtaͤtiget ſeinen Nah-
men/ das iſt/ ſeine Goͤttliche Gewalt und Herꝛſchafft. Auff ſein meri-
tum und Verdienſt 1. Cor. 1/13. als der für uns geereutziget worden/ uns
ſo theur erkaufft/ darum ſo iſt auch kein anderer Nahme uns Chriſten ge-
geben/ Act. 4/12. Es hat uns weder die Mutter Maria/ noch die Kir-
che/ weder Pater Franciſcus, Dominicus, noch (*)Bernhardus, alſo
an ſich erkaufft und erloͤßt/ daß wir deßwegen nach ſolchen Nahmen zu
nennen waͤren; Sondern allein nach Chriſti Nahmen ſollen wir uns nen-
nen/ als Chriſten und Geſalbte deß Herrn/ leben und ſterben/ als auff
welchen wir allein getaufft. Wiewol nicht bloß und roh dahin alle Be-
namſung von Menſchen mißzubilligen; ſonſt müſte Chriſtus der Herr
ſelbſt geirret haben/ der den Nathanael einen warhafften Jſraeliter genen-
net. Derowegen fleiſſig zu unterſcheiden unter der Knechtiſchen und
diſcipulariſchen Benamſung. Chriſtus iſt allein unſer HErꝛ/ der uns
theur durch ſein Creutz-Tod zu ſeinem Eigenthum/ und in der H. Tauffe
(ſo auff ſeinen Nahmen zu ſeiner Goͤttlichen Ehre geſchicht) und Dienſt-
pflicht theur erkaufft/ nach deme wir uns allein zu nennen/ und mit War-
heit antworten moͤgen auff die Frage: Biſtu ein Chriſt? Ja ich bins/
auf Chriſti Nahmen bin ich getaufft/ durch ſein theures Blut erkaufft/
demſelben mich zuergeben/ ihm dienen/ lieben und leiden/ als ein rechter
Geſalbter deß HErꝛn. Es kan aber derſelbe auch wol leiden die Danck-
barkeit gegen wolverdienten Præceptoribus, von denen die Benamſung
geſchehen
[824]Die acht und zwantzigſte
geſchehen/ in welchem Reſpect und Verſtand wir uns von unſern Præ-
ceptore Luthero Lutheriſch zu nennen keine Scheu tragen.
IV. Jugis Eccleſiæ praxis \& ſenſus.Erſtim̃t mit die be-
ſtaͤndige und einhellige Meynung der alten und folgenden
Kirchen. Dann was hat von Anbegin der Kirchen biß dato der Taͤuf-
fer gemeynet/ wann er ex priſcâ formulâ geſagt: Jch tauffe dich im
Nahmen GOttes deß Vaters/ deß Sohns/ und deß Heili-
gen Geiſtes? Was anders? Als/ ich erkenne und bekenne/ bejachze
und ſage hiemlt offentlich/ warhafftiglich vor GOttes Angeſicht und aller
H. Englen/ die in Chriſtlichen Verſamlungen zugegen ſind/ daß die Quel-
le dieſes Bades ſeye der Drey-Einige GOtt/ daß dieſes Kind hiemit ein
Gnaden-Kind deß Vaters im Himmel worden/ ſeine Seele eine Braut
JEſu Chriſti/ ſein Hertz ein Tempel deß H. Geiſtes.
Ja/ gedenckt mancher/ woher bin ich verſichert/ daß auch meine
Tauffe ein ſolch edles Bad geweſen? Wann ſich der Himmel auch uͤber
uns aufthaͤte/ wann deß Vaters Stimme auch in unſern Ohren er-
ſchallete/ der Sohn im ſichtbaren Fleiſch noch hentiges Tags erſcheinete/
der H. Geiſt in Geſtalt der Tauben uͤber uns ſchwebete/ ſo koͤnten oder
wolten wir glauben. Antwort: O Digito compeſce labellum, O
Menſch lege den Finger auff den Mund! Laß ſolche Wort und Gedancken
fahren; Auguſtinus nennet dieſe Einwuͤrffe/ ſuperbiſſimas \& periculo-
ſiſſimas cogitationes, die allerhoffaͤrtigſte und gefaͤhrlichſte Einfaͤlle:
Derowegen ſelig ſind/ die nicht ſehen/ und doch glauben/ der
Glaube iſt deſſen das man nicht ſihet. Es hat der Allmaͤchtige GOTT
dieſe alte Gewonheit/ daß Er ſeine Geheimnuſſen einmal evidentificirt,
und ſichtbarlich dargeſtellt/ damit verſicherend/ daß/ was er einmal alſo in
die ſinnliche Augen leuchten laſſen exemplariter, er ſolches hernach un-
ſichtbarer Weiſe continuiren wolle: Einmal hat Er mit erſchroͤcklicher
Solennitaͤt das Geſaͤtz auff dem Berge Sinai gegeben/ mit rauchen deß
Bergs/ Donner und Blitzen/ auff ſolche Weiſe ſonſt nicht mehr; Aber
gleichwol donnert/ blitzet/ ſtrahlet und brennet er noch taͤglich in den Her-
tzen mit ſeinem Geſetze/ ſonderlich bey den gefangenen Maleficanten/ da
ſihet man die Krafft deß Geſaͤtzes: Einmal hat Er die Engel ſichtbarlich
erſcheinen laſſen/ 2. Reg. 6. zum Zeugnuß perpetuæ liturgiæ, der immer-
Act. 2.gefliſſenen Dienſten und Auffwartungen derſelben: Einmal hat der Hei-
lige Geiſt ſich ſichtbarlich ergoſſen/ und wird doch noch taͤglich geſand in
die Hertzen der Glaubigen/ Gal. 4/6. Einmal hat ὁ λόγος das ſelbſt ſtaͤn-
dige Wort das Waſſer in Wein verwandelt/ aber hat damit bezeugt/ daß
er
[825]Predigt.
er der Creator und Schoͤpffer ſey/ durch welchen alles gemacht/ und der
es noch jaͤhrlich wol unmerckſam thue/ vermittelſt deß Rebſtocks das
Waſſer oder Safft auß der Erden in den koͤſtlichſten Wein verwandle:
Einmal iſt Chriſtus gecreutziget worden/ aber noch taͤglich wird uns der
gecreutzigte Chriſtus fuͤr Augen gemahlet. Gal. 3. Alſo und gleicher Ge-
ſtalt verhaͤlt ſichs auch mit Goͤttlicher Tauff-Erſcheinung am Jordan.
Chriſtus heißt Jmmervater/ der immutabel und unveraͤnderlich in
ſeiner hertzlichen Liebe gegen uns; Er kom̃t taͤglich mit Waſſer und Blut
biß an der Welt Ende/ biß Er wird wiederkommen; Der H. Geiſt zeuget
ewiglich.
D. Luther. Tom. 12. Witt. p. 346. erklaͤret dieſes Werck ſchoͤn und herꝛ-
lich: Welches (nemlich die Goͤttliche Erſcheinung und Offenbarung) ſchreibt er/
nicht allein hie bey der Tauffe Chriſti/ und bey der Perſon/ ſondern auch geſchie-
het bey aller Chriſten Tauffe/ ſollen auch nicht dencken/ daß bald nach dieſer
Tauffe der Himmel ſich wieder zugeſchloſſen habe: Nein er iſt nicht wieder zuge-
ſchloſſen) ſondern ſtehet noch taͤglich offen biß an den Juͤngſten Tag. Dazumal
aber iſt er ſichtiglich offen geſtanden/ daß wir glauben ſollen und gewiß ſeyn/ ſol-
ches geſchehe noch taͤglich/ wenn wir und andere getaufft werden/ ob wirs gleich
nicht ſehen mit unſern leiblichen Augen/ die viel zu ſtumpff und dunckel dazu
ſeyn/ ſo hoͤren wir dennoch die Wort: Jch tauffe dich in dem Nahmen deß Va-
ters/ deß Sohns und deß H. Geiſtes. Meynſtu/ das ſeyen geringe Wort? Ob
ſie wol einfaͤltig geredt ſeyn/ ſo bringen ſie dennoch ſo viel mit/ daß da alles ge-
ſchiehet was bey der Tauffe Chriſti geſchehen iſt/ da ſind alle drey Perſonen
Goͤttlicher Majeſtaͤt/ deß Vaters/ Sohns und deß H. Geiſtes/ da ſind auch die
Heerſcharen der lieben Engel/ hoͤren und ſehen/ was da geſchiehet; Denn wir
werden in kein ander Tauffe getaufft/ ſo tauffen wir auch nicht anders/ denn in
die Tauffe Chriſti: So es nun eine Tauffe iſt/ ſo ſind je dieſe Dinge alle darbey/
und dieweil ichs nicht ſehe/ ſo ſoll ichs aber glauben/ daß dem Vater hertzlich ge-
falle/ daß auch der H. Geiſt da ſey/ hoͤre zu/ und auch der Sohn GOttes/ und
die lieben Engel. So ſchoͤn und herꝛlich iſt nun unſere Tauffe auch gezieret/
geehret und geſchmuͤckt. Johannes hat das einmal geſehen und gehoͤret/ wir
aber hoͤrens taͤglich/ biß an den Juͤngſten Tag immerdar/ wie im Jordan/ ſo ſeye
ſtets der H. Geiſt dabey und mit/ der auch macht/ daß wir ſolches annehmen und
glauben/ ſo iſt es auch uns beſſer/ daß wirs mit geiſtlichen Augen ſehen und
glauben/ ſo wird uns alles das widerfahren. Sollen derowegen Fleiß fuͤr-
wenden/ daß wir den Text wol ſtudiren und behalten/ und unſern Glauben alſo
darinnen uͤben/ und nicht dencken/ es ſey einmal alſo geſchehen/ geſchehe nun
nicht mehr/ ſondern gewiß ſeyn/ es geſchehe alſo alle Tage/ biß an den Juͤngſten
Tag. Hæc Luther.
Auß welchem allem erſcheinet Baptiſmi precium, precii benefici
um, beneficii officium, officii ſolatium,Die Hoheit und Wuͤrde/
die Gut- und Wolthat/ die Pflicht und Troſt der H. Tauf-
fe. Vermercken alſo (1.) zur Lehre Precium baptiſmi,die hohe Wuͤr-
Achter Theil. M m m m mde/
[826]Die acht und zwantzigſte
de und Werth der H. Tauffe/ daß es kein ſchlecht Waſſer und Bad
ſey/ wie die Schwaͤrmer die Widertaͤuffer/ Photinianer/ himmliſche Pro-
pheten und ander Ottergezuͤchte fabuliren/ ſo ſoll eine Sau oder Hund ju-
diciren/ ſagt Lutherus in Poſtill. Dom. p. 47. f. 2. Daß es auch kein
Naturwerck/ wie die edle Heil-Baͤder/ als das Wild-Bad/ Marggrafen-
Bad/ Hub. Bad oder Sultz-Bad/ Saurbronnen-Bad und dergleichen/
welche zwar auch Goͤttliche Creaturen ſind/ aber nicht auff ſolche Weiſe/
Umſtand/ Solennitaͤt/ Schmuck und Zierath/ ſondern ein Goͤttlich him̃-
liſches Gnaden-Bad/ darin der Sohn Gottes ſelbſt gebadet/ daruͤber der
H. Geiſt geſchwebet/ wie uͤber den Waſſern/ Geneſ. 1. davon GOtt der
Vater ſelbſt geprediget.
Welcher Art und Natur nun die Quelle und der Urſprung/ ſolcher
Art iſt auch die Tauffe/ dann ein jeglich Bad riecht und ſchmeckt nach ſei-
nen mineralen, entſpringt daſſelbe von einer ſchwefeligen Materia, ſo
brennets/ ſiedet und iſt heiß; ſo von Kupffer/ iſt es ſaur; ſo von einer
Gold-Quellen/ ſo hats groſſe Hertz-ſtaͤrckende Krafft: Solche Beſchaf-
fenheit hat es nun auch in gewiſſer Maß mit der H. Tauffe/ die iſt ent-
ſprungen ab origine aureâ, auß einer guldenen Quell/ iſt kein Menſchen.
Werck/ dann obwol der Menſch tauffet/ ſo tauffet er doch nicht in ſeinem
Nahmen/ ſondern im Nahmen deß Vaters/ deß Sohns/ und
deß H. Geiſtes/ die ſind auch in ſolchem Werck/ ſonſt wuͤrde die Tauffe
das langſam außrichten/ das ſie ſoll außrichten.
Darum wir uns hie nicht zu bekuͤmmern haben um die Roͤhre (ſo zu
reden) dieſes Brunnens/ um die Inſtrumenta, dadurch ſelbiges diſpen-
ſirt wird/ uns nicht irren laſſen/ obſchon der Diener als Taͤuſſer (e. g.
Judas ein Dieb) ein boͤſer Bube/ ein maculirte Perſon/ ja wol gar ein
Kaͤtzer und Antichriſt/ der ohne rechte intention und gebuͤhrende Andacht
das Werck verrichtet. Jm Pabſtum zwar peiniget man die Gewiſſen
erbaͤrmlich/ mit der Prieſterlichen intention: Si quis dixerit (alſo lau-
tet der Tridentiniſche Doñerſtrahl) in miniſtris, dum Sacramenta con-
ficiunt \& conferunt, non requiri intentionem, ſaltem faciendi, quod
facit
[827]Predigt.
facit Eccleſia, anathema ſit:Wer nicht ſagt/ daß bey Verrich-
tung der Sacramenten dieintentionund Andacht deß Prie-
ſters erfordert werde/ der ſoll verflucht ſeyn. Jſt ein rechter la-
queus conſcientiæ und Gewiſſens-Strick/ dadurch kein Papiſt kan ſi-
cher ſeyn/ daß er recht getaufft/ daß er ein Chriſt/ daß er ein Kind Gottes/
und ihm der Himmel auffgeſchloſſen ſey. Und hat ſolches der Jeſult
Tannerus auff dem Colloquio zu Regenſpurg klar bekennet: NemoSeſſ. 12.
p. 375.
poteſt evidenter ſcire, ſe efficaciter baptiſatum eſſe, niſi certus ſit de
intentione baptiſantis, das iſt/ Es koͤnne niemand eigentlich und
gewiß wiſſen/ daß er recht und kraͤfftiglich getaufft ſeye/ wo
er nicht der gutenintentiondeß Taͤuffers verſichert iſt. Alſo
machen auch bißweilen ſchwache Gewiſſen ihnen ſcru pul, wann ſie etwan
in der Jugend von einem Falſchglaubigen getaufft/ oder die Tauffe ir-
gends von einem Meß-Prieſter empfangen/ zweifflen hernach/ ob ſie recht
getaufft? Es iſt aber ſolch ſcrupuliren umſonſt und unvonnoͤthen.
Dann es iſt weder der da pflantzt/ noch der da begeußt etwas/
1. Cor. 3/7. Ja ſolt deß Dieners Unglaube Gottes Glauben
auffheben? Daß ſey fern/ ſagen wir mit Paulo/ Rom. 3/3. Es iſt
und bleibt der Wein vom Weinſtock einen Weg ein rechter Wein/ ob er
ſchon von einem boͤſen laſterhafften Weingaͤrtner gepflantzt/ und gekaͤltert
worden; ob gleich etliche im Alten Teſtament von Abgoͤttiſchen Goͤtzen-
Knechten ſeynd beſchnitten worden/ wurden ſie dennoch Gottes Kinder
genennet. Ezech. 16/3.
Luth. Tom. 7. Witt. p. 545. Es ſoll dich auch nicht irren/ wer der Taͤuffer
ſey/ denn die Tauffe iſt nicht deß Taͤuffers/ noch ihm gegeben/ ſondern deß Taͤuff-
lings/ der getaufft wird/ dem ſie von GOtt geſtifftet und gegeben iſt. Gleichwie
das Wort Gottes iſt nicht deß Prediges (er wolle denn ſelbſt auch mit hoͤren und
glauben) ſondern deß juͤngern/ der es hoͤret und glaubet/ demſelben iſts gegeben.
16. f. 2. Jrre dich auch nicht/ wie heilig der Mann/ oder ob er zwey-weibig ſey
oder nicht/ der dirs reicht. Denn das Sacrament iſt nicht deß/ der es reichet/
ſondern deß/ dem es gereicht wird/ ohne daß ers ſelbſt auch mit nim̃t/ alsdenn iſt
er der einer/ die es empfahen/ und wird damit auch ihm gegeben.
Auguſtinus hats kurtz außgemacht/ wann er lib. 3. de bapt. contra Do-
natiſt. cap. 15. geſchrieben: Si Evangelicis verbis, in Nomine Patris
\& Filii \& Spiritus S. Marcion baptiſmum conſecrabat, integrum
erat Sacramentum, quamvis ejus fides ſub eiſdem verbis aliud opi-
nantis, quam Catholica veritas docet, non eſſet integra, ſed fabulo-
ſis falſitatibus inquinata.
Eben ſo wenig hat man Urſach ſich zu aͤrgern uͤber der Jaͤh- oder
M m m m m 2Noth-
[828]Die acht und zwantzigſte
Noth-Tauff/ ſo irgend im Fall der Noth/ bey Nacht oder ſonſt ungelege-
ner Zeit/ da man deß ordentlichen Kirchen-Dieners Hand nicht haben
kan/ und deß Taͤufflings Schwachheit keinen Verzug leiden will/ ein ge-
meiner Chriſtlicher Mann/ Hauß-Vater in ſeiner Hauß-Kirche (welches
auch beſſer und rathſamer) oder auch Gottſeliges Weib oder Hebamm
verrichten muß/ denn hie ſteht die Nothdurfft ſelbſt/ Joh. 3. Liebe und
Noth brechen alle Gebot; und Chriſti Verheiſſung/ wo zween oder drey
verſamlet ſind in meinem Nahmen/ bin ich mitten unter ih-
nen/ verſtehe/ mit meiner ſelig- und lebendigmachenden Krafft und Wuͤr-
ckung. 2. Die Chriſtliche Gemeinſchafft/ an den heiligen Guͤtern/
da unter Mann und Weib kein Unterſcheid/ Galat. 3. 3. DieAnalogia
und Gleichfoͤrmigkeit der Exempel im Alten Teſtament. Als
der HErꝛ Exod. 4. hefftig uͤber den Moſen erzuͤrnt worden/ und ihn toͤdten
wollen/ darum daß er ſeinem Weib ſo lange hofirt/ und um ihrent willen
die Beſchneidung ſeines Sohns unterlaſſen; Jn ſolchem Schrecken
nim̃t Zipora Moſis Weib eilend einen Stein/ und beſchneid ſelbſten
ihren Sohn/ dieweil es Moſes vor Schwachheit nicht verrichten koͤn-
nen: Welche Beſchneidung/ ob ſie wol von einem Weib geſchehen/ den-
noch GOtt der HErꝛ paſſiren/ und ihm wolgefallen laſſen/ wie dann als-
bald ſein Zorn von Moſe abgelaſſen/ daß er wiederum geſund worden iſt.
Dergleichen finden wir auch im 1. Buch der Maccab. am 1. Cap. Als
der gottloſe Wüterich und Tyrann Antiochus den Tempel zu Jeruſa-
lem profanirt und verunreiniget/ und den Juden ihre Kinder nach dem
Geſetz deß Herrn zubeſchneiden verwehret hatte/ daß etliche Gottſelige
Weiber ihre Kinder ſelber beſchnitten/ und deßwegen von den Tyranni-
ſchen Kriegsleuten umgebracht und getoͤdtet worden/ wie dann inſonder-
heit in dem 2. Buch der Maccab. am 6. Cap. ein grauſame Hiſtorie gele-
ſen wird/ von zweyen Gottſeligen Matronen/ welche auch ihre Kinder
ſelbſten beſchnitten hatten/ daß die gottloſe Bluthunde dieſe ehrliche Ma-
tronen genommen/ ihnen ihre Kinder an die Bruͤſte gehenckt/ durch die
gantze Stadt geſchleifft/ und zuletſt uͤber die Stadt-Mauren hinauß ge-
worffen. Was demnach recht geweſen bey Monſchein deß Alten Teſta-
ments/ iſt vielmehr auch wahr bey dem hellen Sonnenſchein deß Neuen
Teſtaments. 4. Praxis Eccleſiæund wolhergebrachte Ubung
der Chriſtlichen Kirchen/ in deren ſonderlich beruͤhmt iſt das jenige
Exempel/ welches auß Auguſtino ins Chriſtliche Recht eingetragen/
part. 3. Decret. de Conſecr. Diſt. 4. c. 36. und in unſern Schmalkaldi-
ſchen Articuln angezogen worden/ daß nemlich auf eine Zeit ihrer zween
auf
[829]Predigt.
auf einem Schiff miteinander gefahren/ der eine ein Catechumenus, der
in ſeinem Catechiſmo und Chriſtlichen Glauben informirt und unter-
richtet/ aber noch nicht getaufft geweſen: Der andere aber/ der gleichwol
getaufft/ aber nach der Tauff wieder in die Suͤnde gefallen/ und um gewiſ-
ſer Urſachen willen im Bann geweſen/ auſſer welchen beyden ſonſten kein
Chriſt/ ſondern lauter Unglaubige auf dem Schiff geweſen. Als nun
auf dem Meer ein Fortun und groſſes Ungewitter entſtanden/ da iſt die-
ſen beyden angſt und bange worden/ nicht allein um der aͤuſſerlichen leibli-
chen Gefahr willen/ ſondern fuͤrnemlich wegen der geiſtlichen Seelenge-
fahr: Denn der eine gerne zuvor getaufft/ der ander aber von ſeinen Suͤn-
den waͤre abſolvirt worden/ wann es ihnen ſo gut werden moͤgen. Weil
aber ſonſten kein Chriſten-Menſch bey ihnen auf dem Schiff geweſen/ ha-
ben ſie beyde ihr Gebet zu GOtt dem HErꝛn verrichtet/ und ſeynd mitei-
nander Raths worden/ daß der eine Chriſt den Catechumenum getaufft
hat: So bald aber derſelbige getaufft worden/ hat er den andern/ ſo in Bann
gethan geweſen/ abſolvirt, dadurch beyden geholffen geweſen: Welche
Hiſtori Auguſtinus nicht allein paſſiren laſſen/ ſondern auch dieſelbige
commendirt und geruͤhmet. Luth. deciſion iſt nicht zu uͤbergehen T. 8.
Jen. p. 45. Wann ein Kind im Hauß in Noͤthen mit Waſſer/
im Nahmen deß Vaters/ deß Sohns/ und deß H. Geiſtes ge-
taufft worden/ ſo ſeye dem Kinde nach Chriſti Befehl die
rechte Tauffe gegeben worden. Darum ſo erſcheinet genug-
ſam auß dieſen erzehlten Argumenten/ daß die Nothtauffe/ ſo
gemeiniglich von den Weibern verrichtet wird/ kein Weiber-
geſchaͤfft oder Kinderſpiel ſeye/ ſondern daß dieſelbige genug-
ſam in der H. Schrifft fundirt und gegruͤndet ſey. Deßwe-
gen dann eine ſolche Tauffe nicht fuͤr unrecht zu halten/ wie
auch die jenige Kinder/ ſo alſo nothgetaufft worden/ nicht
wieder zu tauffen ſind. Wann ein Kind im Hauſe in Noͤ-
then mit Waſſer/ im Nahmen deß Vaters/ deß Sohns und
deß H. Geiſtes getaufft iſt/ ſo ſollen ja die Prieſter daſſelbe
nicht noch einmal tauffen/ denn die rechte Tauffe iſt dem
Kinde gegeben nach Chriſti Befehl/ ſondern/ ſo das Kind le-
bendig bleibet/ ſoll es zur Kirchen getragen werden/ da ſoll
ein Prieſter verhoͤren und examiniren/ wie das Kind ge-
taufft ſeye/ iſts recht/ ſo ſoll er ſolche Tauffe beſtaͤtigen/ und
ſagen/ daß ſie recht ſey/ und den Gevattern befehlen/ daß ſie
deſſen Zeugen ſeyn. Was Calviniſten dargegen einwen-
M m m m m 3den/
[830]Die acht und zwantzigſte
den/ iſt ſtattlich widerlegt/ und bißher widerlegt geblieben in
der Darmſtaͤtiſchen gruͤndlichen Außfuͤhrung/cap. 7. p. 472.
\& ſeqq.
(II.) Precii beneficium,Der Wuͤrde Gutthat. Jn der
Welt bemuͤhet man ſich um den Stammbaum deß weltlichen Adels/ von
wie viel Ahnen man ſich zu ruͤhmen? Jſt zwar ein groſſes Gluͤck/ in einem
hohen Hauß gebohren werden; Aber vor GOtt/ bey dem kein Anſehen
der Perſon/ hat man damit wenig zu prangen/ und geſchicht gemeiniglich/
daß ſolche Welt-Hoheit Centauros, wilde Maͤnner und auffgeblaſene
Hertzen gebieret/ was prangt ein Kind mit ſeinem Großvater/ der ein
Perduell und Bandit geweßt/ wir haben uns ſaͤmptlich von Adams Jam-
merthal und Evaͤ Grabſtein her zu ſchreiben. Aber Chriſten-Adel iſt der
hoͤchſte Adel: Wieviel gluͤckſeliger iſt ein Bauren-Sohn zu ſchaͤtzen/ der
ein Chriſt geboren und geſtorben/ ein Jude der getaufft und als ein Chriſt
geſtorben/ als Graf oder Herꝛ/ der zwar ein Chriſt getaufft/ aber als ein
Cyclops und Heyde gelebt/ und in ſeinen Suͤnden im Duell geſtorben.
Jſts nicht ein groſſes Gluͤck geweſen/ daß Moſes ein armes verachtes Juͤ-
diſches Knaͤblein von der Koͤniglichen Tochter Pharao adoptirt wor-
den? O welch ein Glückſeligkeit war es/ da der Kayſer Nerva den Tra-
janum fuͤr einen Sohn und Erben angenommen/ mit dieſen Worten:
Quod felix fauſtumque ſit, Trajanum adopto. So ſagt auch in ge-
wiſſer Maß der Himmliſche Vater zu einem jeden Taͤuffling/ diß iſt mein
lieber Sohn/ meine liebe Tochter/ meines ewigen Himmelreichs Gnaden-
Erbe; Dann wie viel den HErꝛn auffnehmen (in der H. Tauffe) denen
gibt er Macht Gottes Kinder zu werden/ Joh. 1/12. Wars nicht eine
hohe Wuͤrde/ da Eſther ein armes Maͤgdlein dem groſſen Koͤnig Ahaſ-
vero vermaͤhlet/ Athenais eines Griechiſchen Philoſophi Tochter gar
Kayſerin worden? Deſſen hat ſich auch vielmehr zuerfreuen eine jede ge-
tauffte Seele/ weil ſie hiedurch mit dem Koͤnig aller Koͤnige Chriſto JE-
ſu als eine liebe Braut vermaͤhlet worden. Jſts nicht ein theurer Schatz/
ein Tempel voll koͤſtlicher Anathematen und Kleinodien? Nun O ge-
tauffte Seele du biſt ein Tempel deß H-Geiſtes/ ein Mitgenoß deß
Erbtheils der Heiligen im Liecht/ Coloſſ. 1/12. Damit kanſtu pran-
gen/ wer den Heiligen Geiſt zum Gaſt bekom̃t/ der hat das hoͤchſte Gut/
GOtt und alles genug/ DEum habenti nihil deeſt, Cyprian.
(III.) Beneficium propter officium,Keine Gutthat ver-
gebens. Hierauff ſoltu nun auch wiſſen/ was dein als eines getaufften
Chriſten Ampts-Pflicht und ſchuldige Gebuͤhr ſeye/ nemlich deinem
himm-
[831]Predigt.
himmliſchen Vater fuͤr ſolche hohe Wolthat zu dancken/ und daſſelbe kind-
lich/ Chriſtlich/ heiliglich/ hertzlich/ muͤndlich/ und vornemlich wuͤrcklich
in der Pflicht Leiſtung/ als ein Kind GOttes deß Vaters/ eine Braut
JEſu Chriſti/ und ein Tempel deß H. Geiſtes. Wir ſagen alle und ant-
worten auff die Frage: Biſtu ein Chriſt/ das iſt/ Tugendſam wie Chri-
ſtus? Herꝛ ja: Aber O wie viel luͤgen hieran/ indem ſie in ihrem ſchaͤndli-
chen unchriſtlichen Leben das Widrige erweiſen. Jn der Welt gibt es
viel Nahm- und Stamm-Edle/ aber wenig Sinn- und Sitten-Edle;
Jm Chriſtenthum gehts auch ſo/ da finden ſich viel Mund-Chriſten/ aber
nicht Kern-Chriſten/ die ihren Vater ſtinckend machen/ wie Abſalon/ die
ihren Ehebund brechen/ die die lebendige Quelle verlaſſen/ Jer. 2/13. Viel
Belials-Kinder mit Lugen und Mord/ die wegen ihres Heydniſchen/
Tuͤrckiſchen/ Juͤdiſchen Lebens/ nicht in præſenti mit Warheit ſagen
koͤnnen/ ich bin ein Chriſt. Nehmen wir aber unſere Chriſten-Pflicht
recht in acht/ ſo wird auch folgen
(IV.) Officii ſolatium,Der recht vergnuͤgende Chriſten-
Troſt/ der ſteht Pſal. 73/1. Jſrael hat dennoch GOtt zum Troſt/
wer nur reines Hertzens iſt/ von der ſchnoͤden Welt unbefleckt.
Chur-Kinder GOttes/ die koͤnnen mit Hertzens-Freuden ſprechen: Θε [...]
γένος ἐσμὲν, wir ſind GOttes Geſchlecht/ Act. 17/28. Wir troͤſten
uns der gegenwaͤrtigen Gnade/ Huld und Wolgefallen GOttes/ der uns
liebt in ſeinem geliebten Sohn: Wir erfreuen uns ſeiner willfaͤhrigen Er-
hoͤrung/ dann wo bittet ein Sohn den Vater ums Brod/ daß er ihm einLuc. 11, 13.
Stein dafuͤr biete? Oder um einen Fiſch/ daß er ihm eine Schlange dar-
biete? Vielmehr wird der Vater im Himmel uns alles gutes geben/ ſo wir
ihn bitten. Ja wir troͤſten uns ſeiner auch mitten im Creutz/ wiſſen/ daß
es nur Vaters Ruthen ſind/ die von lieber Hand kommen/ bey uns zur
Zucht und Beſſerung angeſehen.
Troſt ſchoͤpffen wir auß dieſer unſerer Kindſchafft GOttes/ auch
wider alles gegenwaͤrtiges und zukuͤnfftiges Ungluͤck/ Noth und Todt/ ja
wider die Furcht der Hoͤllen/ dieweil wir wiſſen/ daß weder Tod noch Leben/
weder gegenwaͤrtiges noch zukuͤnfftiges Ungluͤck/ uns ſcheiden mag von
der Liebe GOttes/ die da iſt in Chriſto JEſu: Jm Gegentheil/ wann wir
auß der Schalen deß alten Adams dermaleins durch den Tod außſchlief-
fen/ ſollen wir alsdann auſchauen GOttes deß Vaters Angeſicht Chriſti
Gnaden-Schoß genieſſen/ und deß H. Geiſtes unzerſtoͤrlicher Glori-
Tempel
[832]Die neun und zwantzigſte
Tempel verbleiben ewiglich. Alles von dem/ durch den/ und bey dem/ der
da heißt die lebendige Quelle/ von dero wir ſollen mit Wolluſt getraͤn-
cket werden/ nicht Tropffen-ſondern Stromsweiſe/
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Es iſt das weltliche/
alſo genañte Gluͤck/ wann einem Menſchen ungefaͤhr/
eine unverhoffte Ehre und Reichthum/ Kauff und
Verkauff/ Geſchenck und Erbfall/ Promotion und
Heurath zufaͤllt/ ein koͤſtliches Ding/ als welches von
Gottes Hand herruͤhret/ von dem Vater deß Liechts/
Jac. 1. Fortuna iſt keine blinde Goͤttin/ ſondern GOttes Providentz
und Fuͤrſehung ſelbſt. Jſt ein freyes Werck Gottes/ mancher taͤfts ihm
ſauer werden/ und richt nichts auß. Eccleſ. 9, 11. Jch wandte mich um/
und ſahe/ wie es unter der Sonnen zugehet/ daß zum Lauf-
fen nicht hilfft ſchnell ſeyn/ zum Streit ſtarck/ zum Reich-
thum klug/ daß einer angenehm ſey/ hilfft nicht/ daß er ein
Ding wol koͤnne/ ſondern es ligt alles an der Zeit und am
Gluͤck. Es gibt viel blinde Griffe/ und leere papierne Zedul in dieſem
Gluͤckhafen. Einem andern gedeyet ein annehmlicher Segen im Schlaff/
ohne muͤhſame Bewerbung. Jſt aber 1. von GOtt nicht ſo hoch geachtet/
geht eben/ als wenn man Gelt unter einem Hauſſen boͤſer Buben auß-
wirfft/ der aͤrgſte Schalck ſtoͤßt andere froͤm̃ere hinweg/ je groͤſſer Schalck/
je beſſer Gluͤck. Jſt 2. unbeſtaͤndig/ du ſetzeſt ſie auffs ſchlipfferig/
Pſ. 73. Mancher meynet/ wann ſich ihm ein Gluͤck fuͤget/ es ſey ihm gar
vermaͤhlet/ wird aber betrogen. Jener gefangene Koͤnig/ der ſampt an-
dern gefangenen Koͤnigen an Seſoſtris deß Koͤnigs in Egypten Wa-
gen
[735]Predigt.
gen als Roſſe ziehen muſten/ ſahe einsmal zuruͤck auf ein Rad am Wa-
gen/ als er von dem triumphirenden und fahrenden Koͤnig gefraget wor-
den von ſeiner Ruͤckſehung; antwortet er: Er troͤſte ſich des Gluͤcks/
deſſen Bild und Beyſpiel er an dem Rade wahrgenommen/ wie ein Rad
umblaufft/ daß das unterſte bald oben werde/ ſo kan ſichs auch mit mir
und einem jeglichen bald wenden/ und das oberſte unten kommen.
3. Bißweilen ſchaͤdlich und verdam̃lich. Job. 21. Wie wird das
Liecht der Gottloſen verleſcht/ und ihr Ungluͤck uͤber ſie
kommen? GOtt behaͤlt das Ungluͤck auff die Kinder der
Ruchloſen/ Gluͤck bringt ſie umb. Prov. 1/31. Das Gluͤck iſt
ein Meſſer in des Gottloſen Hand.
Viel ein koͤſtlicher Gluͤck iſt das Tauff-Gluͤck/ ſonderlich wann daſ-
ſelbe auſſerordentlicher Weiſe/ durch wunderbare Goͤttliche Providentz
einem und andern begegnet/ wie dem entlauffenen/ leibeigenen Knecht
Oneſimo, der zu Rom von St. Paulo bekehrt/ genommen und getaufft
worden/ qui periiſſet, niſi periiſſet. Waͤre er nicht durch ſein Außwei-
chen zeitlich verlohren/ ſo waͤre er doch ewig verlohren worden. Epiſt. ad
Philem. Ebenmaͤſſiges Gluͤck iſt auch Clodovæo Koͤnig in Franck-
reich begegnet. Es kam der Allemannier Koͤnig mit groſſer Macht aus
dem Oberland/ Schwaben und Elſaß den Rhein herab gezogen/ ruͤcket
auch blß in das Juͤlicher Land hinab/ da begegnet ihm Clodovæus mit
den Francken/ und ſtieſſen die beyde Heer nicht weit von Coͤln auffeinan-
der/ darauf erhub ſich ein blutig Schlagen/ uñ wurd zu beyden Seiten mañ-
lich gefochten. Den erſten Tag ließ es ſich anſehen/ als ob die Schwaben
die Oberhand behalten haͤtten/ dann die Francken zurück in ihr Laͤger wei-
chen muſten/ und weil die Nacht mit einfiel/ kunten ihnen die Allemannier
nicht weiter nachſetzen. Jn derſelben Nacht/ als Clodovæus in groſſer
Furcht war/ gewiß/ daß er des andern Tags wieder werde ſchlagen muͤſ-
ſen/ gab ihm ſein Gemahl Grothild den Rath/ er ſolte ein Geluͤbde thun/
wann ihm GOtt den Sieg verleihen wuͤrde/ ſo wolt er ein Chriſt werden.
Der Koͤnig that ihm alſo/ und nachdem er diß ſein Geluͤbde ordentlicher
Weiſe. gethan/ lieffert er den Allemanniern noch eine Schlacht/ ſpuͤrte da-
bey die unzweiffeliche Huͤlffe Gottes/ und erhielt einen herꝛlichen Sieg/
dann der Allemannier Koͤnig mit viel tauſend der ſeinigen erſchlagen ward.
Worauf Remigius der Biſchof zu Reims in der Schampani Clodovæũ
getauffet/ von dem er ſich auch nach Chriſtl. Gebrauch zu einem Koͤnig
ſalben laſſen. Jſt eben das unverdiente Gluͤck/ welches uns ſaͤmtlich bege-
gnet in der H. Tauffe/ St. Paulus nennets κλῆρον, das Erbtheil der
Achter Theil. N n n n nHei-
[834]Die neun und zwantzigſte
Heiligen im Liecht. Col. 1/12. Soll aber ein Menſch ſolches edeln
Gluͤcks theilhafftig werden/ ſo muß er ſich taͤuffen laſſen. Jſt demnach
die Frage/ (nachdem wir in voriger Predigt den Adel und Urſprung der
H. Tauffe vernommen/) de Candidato Baptiſmi,wer der ſolches
Gluͤcks faͤhige Taͤuffling ſey/ und wer da ſoll getauffet werden?
Hierauff richtig und recht zu antworten/ gebe der Geber aller guter Ga-
ben/ Liecht/ Krafft und Segen/ Amen.
SO iſt nun das Subjectum oder der Taͤuffling/ ſo getaufft
werden ſoll I. Κτίσις, eine Creatur/ Marc. 16/15. ver-
ſtehe/ eine menſchliche Creatur/ Marc. 10/6. 1. Petr. 2/13. alle
menſchliche/ lebendige uñ gebohrne Creatur. Jch ſage/ menſch-
lich/ dann ein unmenſchliches Monſtrum und Wunder-Geburt/ wann
es eigentlich kein Menſch iſt/ ſoll es auch nicht getauffet werden. Wie
denn Lutherus in ſeinen Tiſch-Reden ein ſolches Exempel erzehlet/ von ei-
nem Weib/ daß ſie ein Kind/ wie eine Rattenmauß zur Welt gebracht
hatte/ die alsbald umbher gelauffen/ und unter der Banck in ein Maͤuſe-
loch kriechen wollen. Als nun einer gefragt: Ob man auch ſolche Mon-
ſtra und ungeheure Wunder-Geburth ſoll tauffen? Hat Lutherus dar-
auff mit Nein geantwortet/ mit angehengter Urſach/ er halte ſolche
Monſtra nur fuͤr unvernuͤnfftige Thiere/ die nichts dann das Leben ha-
ben/ und ſich regen und bewegen koͤnnen. Wo aber dergleichen Mißge-
burthen einem vollkommenen Menſchen gleich ſehen/ und im uͤbrigen
menſchliche Form und Geſtalt an ihnen haben/ ſo ſind ſie in allwegen zu
tauffen/ wann ſie gleich ſonſt an einem Glied deformirt und unformlich
verſtellet ſeyn. Jch ſage/ Lebendige/ denn wo es nicht lebet/ iſts keine
menſchliche Creatur/ ſo aus Leib und Seel beſtehet. Jch ſage/ gebohrner/
dann wo die erſte Geburth bey einem Kinde nicht geſchicht/ da kan auch
die andere oder Wiedergeburth/ nicht ſtatt haben; davon Auguſtinus und
Iſidorus ſehr ſchoͤn geſchrieben: Qui adhuc in utero ſunt, cum matre
baptizari nequeunt, das iſt/ welche noch in Mutterleibe ſind/ die koͤnnen
zumal mit der Mutter nicht getaufft werden. Und wird die Urſach hinzu
geſetzt: Quia qui natus adhuc ſecundum Adam non eſt, ſecundum
Chriſtum non poteſt renaſci, neque regeneratio in eum dici poteſt,
quem generatio non præceſſit; das iſt/ welcher nach dem erſten Adam
noch nicht iſt zuꝛ Welt gebohren worden/ deꝛ kan auch nicht nach dem Herꝛn
Chriſto wiedergebohren werden: Und kan alſo die Wiedergeburth von dem
nicht geſagt werden/ bey welchem die erſte Geburth noch nicht vorher gan-
gen
[835]Predigt.
gen iſt. Welcher Meynung auch Lutherus geweſen Tom. 8. Jenenſ.
fol. 446.
Derowegen gleich anfangs ein ſchnoͤder Mißbrauch Goͤttlicher
Ordnung vorgeht/ nicht nur in Campano-Baptiſmo, an der Glocken-
Tauffe/ von Papſt Johanne XIV. erfunden/ des Teuffels Boßheit und
ſchaͤdlich Ungewitter zu vertreiben. Es wollen zwar die Papiſten auff
den heutigen Tag nicht geſtaͤndig ſeyn/ daß ſie die Glocken tauffen/ ſon-
dern ſie geben fuͤr/ ſie weihens und conſecrirens nur. Aber das heißt con-
ceßâ definitione definitum negiren/ indem ſie alle die Stuͤck zu einer
Glocken-Tauffe brauchen/ welche ſie gebrauchen zu einer Kinds-Tauffe/
was ſolts dañ verhindern/ daß es nicht auch eine Glocken-Tauffe koͤnne ge-
nennet werden? Wie es dann laͤnger als vor 800. Jahren eine Tauffe iſt
genennet-worden. Den Ritum ſolcher Glocken-Tauffe beſchreiben umb-
ſtaͤndlich und ordentlich ihre eigene Scribenten/ Balæus, wie auch das
Pontificale Romanum. Am erſten zwar halten ſie ihre Glockenweyhe ſo
hoch/ daß ſie von keinem gemeinen Prieſter kan verrichtet werden/ ſondern
muß geſchehen von einem Suffraganeo oder Weyhe-Biſchoff. Ein jeder
gemeiner Pfaff zwar iſt gut dazu/ daß er mag ein Kind tauffen/ aber eine
Glocke zu tauffen iſt er viel zu gering/ darumb ſo muß mit der Weiſe eine
Glocken-Tauffe hoͤher/ denn ein Kinds-Tauffe bey ihnen gehalten werden.
2. Darnach ſo pflegen ſie die Glocken mit Waſſer zu waſchen/ und beydes
innen und auſſen mit Waſſer zu begieſſen/ im Namen Gottes des Vat-
ters/ des Sohns/ und des Heil. Geiſtes. 3. Sie pflegen auch den Glo-
cken beſondere Namen zu geben/ ſo etwan gar in die Glocken gegoſſen
werden. 4. Sie brauchen auch zu ſolcher Tauffe beſondere Gevattern/ (ſo
gemeiniglich reiche oder fuͤrnehme Leute ſeyn muͤſſen/ die bey ſolcher Gevat-
ter ſchafft zu ſpendiren haben/ welche das Seil heben/ daran die Glocken
gebunden/ und auff das jenige/ was der Suffraganeus ſpricht/ das Amen
dazu ſagen. 5. Sie pflegen auch bey ſolcher Glocken-Tauffe zu ſingen/ und
einen beſondern Goitesdienſt anzuſtellen. 6. Sie legen den Glocken/
als wie den Kindern/ die ſie tauffen/ ein beſonderes Kleyd an/ damit ſie
der wiedergebohrnen Glocken Unſchuld zu erkennen geben. 7. Man haͤlt
daruͤber Gaſtungen/ als wie bey den Kindſchencken. 8. Und wann
dann die Glocken alſo conſecrirt/ eingeweyhet oder getaufft worden/ ſo
ſchreiben ſie den getaufften Glocken ſehr groſſe Krafft und Wuͤrckung zu;
Daß ſie nicht allein das Ungewitter temperiren/ Donner und Blitz ver-
treiben/ ſondern den Teuffel ſelbſt verjagen/ und hergegen/ wann ſie geleu-
tet werden/ bey den Chriſten ſondere Andacht erwecken/ und ſo gar auch
N n n n n 2den
[836]Die neun und zwantzigſte
den Abgeſtorbenen durch das Außleuten befoͤrderlich ſeyn koͤnnen. 9. Und
ſind die Glocken im Papſtthumb wegen empfangener Tauffe ſo heilig/ daß
man dieſelbe gar nicht leuten darff/ ſo lange eine gantze Kirche oder Volck
im Bann iſt/ wie ſolches Bonifacius Octavus und Gregorius Nonus
außttuͤcklich verordnet haben. Aber was GOtt ſelber nicht befohlen hat
zu tauffen/ was von GOtt keine Verheiſſung hat/ deſſen man in der gan-
tzen Hell. Schrifft kein Exempel hat/ das ſoll auch in keinem Weg getauf-
fet werden. Die Glocken haben keinen Befehl/ Verheiſſung noch Exem-
pel/ daß ſie ſollen getaufft werden. Darumb ſie in keinem Weg zu tauf-
fen ſeynd: Wie ſie dann unter allen Voͤlckern/ ſo unſer Heyland Chriſtus
Matth. 28. zu tauffen befohlen/ nicht begriffen ſind. Daher dann dieſe
Glocken-Tauffe/ als ein greulicher Mißbrauch und Verkehrung der rech-
ten Heil. Tauffe ſchon laͤnger als vor 800. Jahren/ mitten unter dem
Papſtthumb fuͤr unrecht iſt erkant worden. Wie dann unter den alten
Satzungen des groſſen Kaͤyſers Caroli auch dieſe gefunden wird/ Epi-
ſcopi Clocas non baptizent. das iſt: Die Biſchoͤffe ſollen die
Glocken nicht tauffen. Wie auch auff dem Reichs-Tag zu Nuͤrnberg
Anno 1522. die weltliche Fuͤrſten/ in den 51. Gravaminibus, Beſchwe-
rungs-Puncten/ auch die Glocken-Tauffe/ wie ſies damals titulirt haben/
abzuſchaffen gebeten/ weil es nicht allein aberglaubiſch/ ſondern auch der
Chriſtlichen Religion zuwider ſeye.
Gleicher Art oder vielmehr Unart iſt auch der Schiff- und Fahnen-
Tauffe/ davon nicht noth dißmal mehr zu handlen.
Wann aber die menſchliche Creatur allhier benamſet wird/ iſt ſol-
ches zu verſtehen von derſelben/ wie ſie nunmehr nach dem Fall da ligt/
und uns fuͤrkommt/ und wie ſie an dieſe Welt kommet/ nemlich die Crea-
tur/ ſamt ihrem anklebenden Unrath und Unflath/ in der Seuche und
Geſtalt/ worin ſie eines ſolchen heilſamen Seelen-Bads benoͤthiget/ das
ſuͤndliche Fleiſch. Joh. 3/6. Was vom Fleiſch gebohren wird/
das iſt Fleiſch. Der Menſch iſt von Natur Gottes Feind;
Darumb er durch dieſen Tauff-Bund wiederumb zu verſoͤhnen/ Col. 2/11.
Er iſt wuͤſt/ garſtig/ ſchnoͤde und ſchaͤndlich/ darumb muß er weiß und
ſauber gemacht werden. Er iſt geiſtlicher Weiſe in Suͤnden todt/ darumb
er hie muß wieder lebendig gemacht werden/ er iſt ein Kind des Zorns/ dar-
umb muß er in dieſem Bad zu einem Gnaden-Kind angenommen wer-
den/ und ob ſchon der allbereit bey Jahren iſt/ aus dem Saamen des
Goͤttlichen Worts wieder gebohren/ uñ glaubig-wordent Catechumenus,
und alſo feiner und beſſer geſtalt/ dannoch traͤgt er noch viel alten Adami-
ſchen
[837]Predigt.
ſchen Wuſt an ſich/ und hat deßwegen Mehrung der Gnade/ und derſel-
ben Verſigelung von noͤthen.
II. Κτίσις καθολικὴ, Allemans Creatur. Werden demnach
hie verſtanden 1. Genera ſingulorum,alle Voͤlcker/ und aller-
ley Menſchen-Kinder/ Juden und Heyden. Act. 2/39. Denn
euer und euer Kinder iſt dieſe Verheiſſung/ und aller die fer-
ne ſind/ welche GOtt herzu ruffen wird. 2. Alle Geſchlecht/
Maͤnnlich und Weiblich/ hie iſt weder Mann noch Weib.
Gal. 3/28. Hie iſt kein Jude noch Grieche/ hie iſt kein Knecht
noch Freyer/ hie iſt kein Mann noch Weib/ denn ihr ſeyd all-
zumal einer in Chriſto JEſu. Jm Alten Teſtament muſten allein
die achttaͤgige Knaͤblein beſchnitten werden/ hie muͤſſen auch die Weiblin
getaufft werden/ nachdem der Fuͤrhang zerriſſen/ und die Riegel-Wand
zwiſchen Juden und Heyden auffgehoben/ maſſen die Exempel fürhan-
den deren in der erſten Kirchen getaufften Weiber. Act. 8/12. c. 16/15.
3. Allerhand Stands-Perſonen/ edel und unedel/ eheliche und un-
eheliche Kinder. Jephta der theure Glaubens-Held/ unangeſehen er ein
Baſtart geweſen/ ward er doch des Sacraments der Beſchneidung ge-
wuͤrdiget. Jud. 11/1. Hebr. 11/32. Davids Kind/ welches er mit Bath-
ſeba in unordentlichem Beyſchlaff gezeuget/ war nicht von dem Himmel-
reich und der ewigen Seligkeit außgeſchloſſen/ (ſintemal David gehofft/
er werde zu ihm fahren in Him̃el hinauf/ 2. Sam. 12/23.) Warumb ſolt es
denn von dem Genaden-Reich und deſſen Sacramenten ſeyn außgeſchloſ-
ſen worden? Wohin auch gehoͤren die Findelkinder/ von dero Eltern/
ehelichen oder unehlichen/ man keinen unfehlbaren gewiſſen Bericht und
Zeugnuß haben kan/ wann gleich Zedel beygelegt werden/ die da von ſo
gethanes Kindes geſchehener Tauffe zeugen/ ſo iſts doch ſicherer/ man
tauffe ſie. Non enim poteſt in reiterationis crimen venire, quod
omninò neſcitur, ait Leo M. epiſt. 35.
4. Allerley Alters Perſonen/ ſo wol die zarte/ unmündige
Kinder/ als erlebte Menſchen. Gottes des himmliſchen Vaters Wil-
N n n n n 3len
[838]Die neun und zwantzigſte
len hievon hat Chriſtus geoffenbahret/ Matth. 18/14. Fuͤr euerm him̃-
liſchen Vater (ſagt Chriſtus) iſt nicht der Wille/ daß jemand
von dieſen kleinen verlohren werde. Chriſti Befehl lautet uni-
verſaliter,tauffet alle Voͤlcker/ alle Creaturen. Jſts nicht alſo/
wann ein Koͤnig einer Landſchafft allen auff ſeinem Grund und Boden/
da die Leute alle/ Jung und Alt/ ohne Unterſcheid mit dem erblichen Auſſatz
behafft waͤren/ er haͤtte aber ſolche geſchickte Aertzte erkundiget/ die allen
Auſſatz heilen koͤnten/ dingte dieſelbe/ und ſendete ſie aus/ mit dieſem Be-
fehl: Gehet aus in alle meine Laͤnder/ zu allen darinnen wohnenden
Voͤlckern und Haͤuſern/ heilet ſie/ und machet ſie rein von ihrer ſchaͤdlichen
Seuche. Wuͤrde auch wol hie einiger Artzt/ oder ſonſt vernuͤnfftiger
Menſch den Koͤniglichen Befehl exceptivè dahin verſtehen koͤnnen oder
wollen/ allein von den alten und erlebten Patienten/ und nicht eben ſo
wol/ oder vielmehr von den zarten angeſteckten unmuͤndigen Kindern?
Wie mag dann einiger Außleger der Wort Chriſti dieſelbe particuliren/
in die Enge ziehen/ und allein von den Alten und nicht eben ſo wol und viel-
mehr von jungen unmuͤndigen Kindern annehmen und verſtehen? Und
damit ja kein Zweiffel ſey/ daß dieſe Befehls-Wort auff die unmuͤndige
Kinder auch zu ziehen/ ladet der HErꝛ dieſelbe gantz holdſeliglich zu ſich/
laͤßt ſie ihm bringen/ als die nicht ſelbſt gehen koͤnnen/ und nimmt ſie in die
Haͤnde/ Marc. 10/16. und ſagt Matth. 19/3. Da wurden Kindlein zu
ihm bracht/ daß er die Haͤnde auff ſie leget/ und betet/ die
Juͤnger aber fuhren ſie an. Aber JEſus ſprach: Laſſet die
Kindlein/ und wehret ihnen nicht zu mir zu kommen/ denn
ſolcher iſt das Himmelreich. Da zwar das Wort παιδία ſtehet/
wird aber in dem Parallelo S. Lucæ 18, 16. durch das Wort βρέϕη erklaͤret.
Welches neugebohrne Kinder/ 1. Petr. 2/2. ſo noch in Wiegen liegen/
Act. 7/19. anders wo bedeutet. Τὸ ἄρτι γεγονὸς παιδίον τὸ τρεϕόμενον ὑπὸ
τηθῆς, ut Euſtathius Iliad. θ. p. 727. interpretatur. Welche nun Chri-
ſtus ſo freundlich zu ſich ladet/ die wil er auch zu ſich in ſein Gnaden-Reich
gebracht haben/ als deren das Himmelreich iſt/ und gleichwie dieſelbe
Juͤd. Knaͤblein/ die dazumal Chriſto in die Arme gelieffert wurden/ durch
die Gnaden-Thuͤr der Beſchneidung zu Chriſti Reich gelangen: Alſo wil
er/ daß fort und fort auch nach begrabener Synagog/ gleicher Geſtalt die
Kinder/ durch die Gnadenthuͤr des N. Teſtaments der Tauffe/ dem Herꝛn
Chriſto auf den Armen ſollen entgegen getragen/ und alſo die Weiſſagung
Eſ. 49/22. erfuͤllet werden. So ſpricht der HErꝛ HErꝛ/ ſihe/ ich
wil meine Hand zu den Heyden aufheben/ und zu den Voͤl-
ckern
[839]Predigt.
ckern mein Panier auffwerffen/ ſo werden ſie deine Soͤhne
in den Armen herzu bringen/ und deine Toͤchter auff den
Achſeln hertragen. GOtt der H. Geiſt/ der durch St. Petrum ge-
redet/ hat außtruͤcklich bezeuget/ daß die Verheiſſung der Gnade GOttes
durch die H. Tauffe auch den Kindern wiederfahren ſoll/ Act. 2/39. Dañ
euer und euer Kinder iſt dieſe Verheiſſung. Dazu kommt die
Apoſtoliſche Praxis, die zeigt an/ daß gantze Familien und Haͤuſer getaufft
worden/ Act. 16/15. \& 33. 1. Cor. 1/16. Wer kan laͤugnen/ daß in ſolchen
Familien nicht auch Kinder geweſen ſeyen/ die zugleich mitgetaufft wor-
den/ obs ſchon außtruͤcklich nicht geſchrieben ſtehet? Sintemal es auch
nicht mit ſo viel Buchſtaben und Syllaben geſchrieben ſtehet/ daß die H.
Apoſtel die Weiber zum Genuß des H. Abendmahls gelaſſen: Soll es
darumb nicht geſchehen ſeyn? Die Analogia und Gleich foͤrmigkeit der
Beſchneidung ſtimmet mit zu/ als deren die H. Tauffe ſuccedirt/ und eben
die Krafft hat/ als die Beſchneidung. Jn Anſehen welcher St. Paulus
nicht wil/ daß die getaufften Heyden nicht ſolten allererſt auch beſchnit-
ten werden. Gerad als haͤtten ſie nicht auch eben die Krafft und Wuͤr-
ckung des Sacraments in der Heil. Tauffe empfangen und geſchoͤpfft/
Col. 2/11. Veraciter, inquit Auguſt. lib. 4. de Bapt. contrà Donatiſt.
conjicere poſſumus, quid valeat in parvulis Baptiſmi Sacramentum,
ex circum ciſione carnis, quam prior populus accepit. Schließlich er-
zwingt die Kinder-Tauffe die unumgaͤngliche Nothwendigkeit und Duͤrff-
tigkeit der Kinder ſo wol als der Alten/ die peremptoriè iſt von Chriſto
außgeſprochen/ Joh. 3/5. 6. Warlich/ warlich ich ſage dir/ es ſey
dann/ daß jemand gebohren werde aus dem Waſſer und Geiſt/
ſo kan er nicht in das Reich Gottes kommen/ was vom Fleiſch
gebohren wird/ das iſt Fleiſch. Soll nun ein Kind das Reich Got-
tes ſehen/ ſo muß es aus Waſſer und Geiſt gebohren werden. Jrret nicht/
daß in der teutſchen Verſion Lutheri das Wort LEHRET vor dem Wort
Taͤuffet ſtehet/ daraus abzunehmen/ daß die Lehre muͤſſe fuͤr der Taͤuffe
fuͤrgehen/ und weil unmuͤndige Kinder der Lehre nicht faͤhig ſeynd/ ſeyen
ſie auch der Tauffe nicht faͤhig. Jrret/ ſage ich/ nichts/ ſintemal in dem
Griechiſchen Text ſtehet das Wort μαθητεύσατε, welches eigentlich heißt;
Machet zu Juͤngern/ welches eben ſo wol durch die Tauffe als durch die
Lehre geſchehen kan. Lutherus hat in ſeiner Verſion auff die Alten in
Eccleſiâ conſtituendâ geſehen. Jſt auch vergebens der Vorwand/ Kin-
der ſeyen deßwegen nicht Tauff-faͤhig/ weil ſie nicht Glauben-faͤhig. Peti-
tio principii! zwar von Natur/ aus ſich ſelbſt ſind ſie nicht Glauben-
faͤ-
[840]Die neun und zwantzigſte
faͤhig/ aber durch uͤbernatuͤrliche him̃liſche Krafft ſeynd ſie des Glaubens
ſo wol faͤhig/ als Johannes der Taͤuffer/ der ſeinen Glauben durch einen
Freuden-Sprung in Mutterleibe bezeuget. Gleichen Effect und Wuͤrckung
des Glaubens in Kindern beſtaͤtiget Koͤnig David Pſ. 8/3. Aus dem
Munde der jungen Kinder und Saͤuglingen haſt du dir ein
Lob zugerichtet: St. Johannes ſtimmet mit zu 1. Joh. 2/14. Jch
ſchreibe euch Kindern/ denn ihr kennet den Vater. Sprichſt
du: Man ſpuͤret an Kindern keine Glaubens-Bewegungen. Antwort:
Auch nicht Anzeigung der Vernunfft. Auch bey den ſchwachglaubigen Al-
ten/ die gleichſam in der geiſtlichen Ohnmacht liegen/ ſpuͤret man auch nicht
die unaußſprechliche Seufftzer des H. Geiſtes. Wo iſt nun dein Maul/
deine Feder/ dein Gedaͤchtnuͤß/ Bellarmine? Licet enim non expreßè
inveniamus mandatum, ut baptizemus infantes? Tamen \& id col-
ligitur ſatis apertè ex Scripturis, ut ſuprà oſtendimus. Item: Infan-
tes poſſe baptizari deducitur evidenter ex Scripturis. Et lib. 4. de V.
D. C. 4. Baptiſma infantum contrà Anaba ptiſtas ex Scripturis pro-
bare Lutherani non poſſunt: Catholici non ſolent. Jndem du an
einem Ort laͤugneſt/ daß der Kinder Tauffe aus der H. Schrifft koͤnne er-
wieſen werden/ an dem andern Ort daſſelbe geſteheſt und bejachzeſt.
Eraſmus Schmid ad Matth. 28, 19. hæc annotat. Τὰ ἔθνη, βα-
πτίζοντες ἀυτ [...]ς. Syntaxis ad intellectum referenda. Sed prætereà
etiam hoc innui videtur, totas gentes, totas civitates quidem ſimul
\& ſemel doceri poſſe, ſed perſonas ſingulas baptizandas eſſe.
Es ſeynd aber auch Tauff-faͤhig 5. Alle und jede Menſchen/ ſin-
gula generum, βαπτιοϑήτω ἕκαϛος, Actor. 2/38. Petrus ſpricht
zu ihnen: Thut Buſſe/ und laſſe ſich ein jeglicher tauffen
auff den Namen JESU CHRJSTJ/ zur Verge-
bung der Suͤnden/ ſo werdet ihr empfahen die Gaben des
Heil. Geiſtes. Alle und jede menſchliche Creatur/ niemand außge-
nommen/ gleichwie auch der Befehl von der Predigt des Evangelii auff
alle und jede Menſchen-Kinder ſich erſtreckt/ tauffet alle Voͤlcker/
Matth. 28/19. Gleichwie von Ahaſvero, dem Koͤnig uͤber 127. Laͤn-
der/ geruͤhmet wird/ er habe umb Eſther/ der Juͤdiſchen Jungfrauen wil-
len/ die er gefreyet/ und zur Koͤniglichen Wuͤrde erhoben/ alle Laͤnder ru-
hen laſſen/ dieſes Koͤniglichen Beneſicii und Gutthat/ alle und jede Ein-
wohner und Lands-Genoſſen/ ohne einiges Menſchen Außſchluß und
Ubergang/ ſich zu erfreuen gehabt: Alſo/ was allhie allen Voͤlckern be-
fohlen und verſprochen/ deſſen hat ſich eine jede Perſon unter ſolchen
Voͤl-
[841]Predigt.
Voͤlckern erfreulich anzunehmen: Etenim promiſſi favor ampliſſimè
accipiendus eſt juxta ICTOS. Summa/ ſo weit ſich menſchliche
Nothdurfft erſtreckt; So weit auch die Goͤttliche Gutthat: Die Noth-
durfft iſt allen und jeden Menſchen gemein/ ohne die Tauffe kan niemand
das Himmelreich erlangen. Die Wort ſind heuter und klar/ Joh. 3/5.
Es ſey dann/ daß jemand widergeboren werde auß Waſſer und
Geiſt/ ſo kan er das Reich Gottes nicht ſehen. Der Verſtand
iſt leicht zuerheben. Kein unwidergeborner Menſch/ der nicht auß Waſ-
ſer und Geiſt widergeboren worden/ kan in das Reich Gottes kommen.
Welches gleichwol nicht negativè und abſolutè dahin zuverſtehen/ als
waͤren ohn allen Unterſcheid alle und jede ungetauffte Menſchen außge-
ſchloſſen. Nein! Denn ja der Schaͤcher am Creutz ins Paradiß kom-
men ohne Tauffe; Die Kinder/ die in Mutterleibe begraben werden/
oder nach der Geburt ſo lange Lebensfriſt nicht haben koͤnnen/ biß ſie die
Tauffe erlangt/ oder auch die Maͤrtyrer Kinder/ die von den Tyrannen
vor der Tauffe ermordet worden. (Vid. Hodom. ſpir. Pap. phant. 10.
p. 519. \& ſeq.) Matt. 18/14. Es iſt/ ſpricht Chriſtus/ nicht der Wil-
le vor euerm Vater im Himmel/ daß jemand von dieſen klei-
nen verlohren werde. Darum hat der HErꝛ bedencklich in ſeinem
Valet-Spruch: Wer glaubt und getaufft wird/ der wird ſelig/
wer aber nicht glaubt/ der wird verdamt werden/ im letſtern
Glied das Wort von der Tauffe außgelaſſen/ und nicht geſagt/ wer aber
nicht getaufft wird/ der wird verdammet werden. Welches zubehalten
wider den allzuſtrengen Rigor im Pabſtum/ durch welche alle ungetauffte
Kinder vom Reich und ſeligen Anſchau GOTTES außgeſchloſſen
werden. Semper, ait Bellarm. l. 1. de Bapt. c. 4. Eccleſia credidit,
infantes perite, ſi abſque baptiſmo de hac vita recedant, das iſt:
Man hat allezeit in der Kirche geglaubt/ daß die Kinder/ ſo
ohne Tauffe auß dieſem Leben dahin gehen/ verlohren werden.
Ob nun wol nach Goͤttlicher Intention und gnaͤdigem Willen kei-
ne menſchliche Seele von dieſem hochwerthen edlen Seelen-Bad außge-
ſchloſſen/ als allein wer ſich ſelbſt außſchleußt/ ſo iſt in eventu wuͤrcklich
allein der rechtfaͤhige Tauff-Gaſt
III. Τεταγμένη κτίσις, eine verordnete Creatur/ die ſich der
Ordnung GOttes nicht widerſetzt/ ſondern pædagogicè in die Ord-
nung ſich begibt/ die GOtt als ein GOtt der Ordnung will gehalten ha-
ben. Act. 13/48. Da es aber die Heyden hoͤreten/ wurden ſie
froh/ und preiſeten das Wort deß HErꝛn/ und wurden glau-
Achter Theil. O o o o obig/
[842]Die neun und zwantzigſte
big/ wie viel ihrer zum ewigen Leben verordnet waren. Ver-
ſtehe/ die ſich nicht/ wie die halsſtarrige Juden/ widerſetzt/ widerſprochen/
gelaͤſtert/ das Wort von ſich geſtoſſen/ und ſich nicht werth geachtet deß
ewigen Lebens. Gleichwie auch die Badſtube allen und jeden Burgern
und Einwohnern in einer Stadt offen ſtehet/ ſolte aber einer ohne Zucht
und Beordnung/ als ein garſtiger Unflath/ entweder gantz nackend/ ohne
Niederkleid und Schamdeckung/ oder in ſeinen wüſten Kleidern/ ohne
Außzug derſelben ſich in den Bad-Zuber hinein ſetzen wollen/ wuͤrde man
nicht ſagen: Quid ſus in balneo? Was hat eine wuͤſte Sau in eines
Menſchen Bad zu thun. Unter andern herꝛlichen Ornaten und Zie-
rath/ damit im Alten Teſtament die Stiffts-Huͤtten geprangt/ und bera-
then geweßt/ waren auch die zarte/ wol-außpolierte/ geglaͤttete/ aͤhrene
Kunſt-Spiegel/ damit das aͤhrene Handfaß behaͤngt/ oder in daſſelbe ein-
gegoſſen und eingeſchmoltzen geweßt. Bemaroth heißts in der Grund-
Sprache/ [...]κ καθόϖτρων, LXX. in ſpeculis, lat. vulg. in Spiegeln/ wie
faſt alle Dolmetſchen es gegeben/ Philo Judæus lib. 3. de vita Moſis,
wie auch die Gloſſe in der Weimariſchen Bibel uͤbereinſtimen/ Exod. 38/8.
Waren donaria mulierum, ſolche Spiegel/ die von den andaͤchtigen
Weibern/ Wittwen und Matronen/ die fuͤr der Thuͤr der Huͤtten deß
Stiffts dieneten/ mit Faſten/ Beten und Flehen (dergleichen eine geweßt
die Gottſelige Hanna/ Samuels Mutter/ und die andere/ Phanuels Toch-
ter/ die Prophetin/ die Tag und Nacht/ fruͤh und ſpat/ ſo offt der Gottes-
dienſt verrichtet worden/ demſelben abgewartet/ Luc. 2/37.) zugetragen.
Welche/ nachdem ſie der weltlichen Vanitaͤten/ Pracht und Wolluſt beur-
laubet/ dem Herrn zur Heeb ihre Spiegel als Anathemata geſtifftet
und gebracht/ zu dem Ende/ auf daß die Prieſter/ wenn ſie ins Heiligthum
giengen/ daſelbſt raͤuchern/ und ihre Opffer verrichten wolten/ ſie zuvor ſich
in beſagten Spiegeln beſchaueten/ und in anſehen derſelben/ wann ſie Fle-
cken/ Mackeln/ Unflath in ihrem Angeſicht und leiblichen Gliedern geſpuͤ-
ret/ ſich zuvor ſaͤubern/ Haͤnde und Fuͤſſe waſchen/ und nicht mit ungewa-
ſchenen Haͤnden etwas anruͤhren moͤchten. Præcepta DEI (Ita Gre-
gor. hom. 17. in Evang.) ſpecula ſunt mulierum, in quibus ſe ſanctæ
animæ ſemper aſpiciunt, \&, ſi quæ in eis ſunt fœditatis maculæ, de-
prehendunt, cogitationum vitia corrigunt, \& quaſi revidentes vul-
tus, velut ex reddita imagine componunt: quia dum præceptis Do-
minicis ſolerter intendunt, in eis procul dubio, quid in ſe vel cœleſti
viro placeat, quid diſpliceat, agnoſcunt. Das H. Sinaiſche Geſatz
iſt ein ſolcher Spiegel zart/ der uns zeigt an die ſuͤndlich Art/ in unſerm
Fleiſch
[843]Predigt.
Fleiſch verborgen. Wir ſind alleſampt im Neuen Teſtament geiſtliche
Prieſter/ die GOtt anruffen ſollen im Geiſt und in der Warheit. Wol-
len/ wie wir dann ſollen/ unſere geiſtliche Opffer deß zerknirſchten Hertzens/
deß Gebets/ vernuͤnfftig und GOtt angenehm bringen. Rom. 12. Wol-
len wir ins Heiligthum hinein gehen/ den Mund deß HErꝛn fragen/ die
Geheimnuß deß ſeligmachenden Glaubens lernen/ und durch den Glauben
ins Allerheiligſte/ das droben iſt/ eingelaſſen werden/ ſo muͤſſen wir warhaff-
tig nicht als garſtige Unflaͤther mit ungewaſchenen Haͤnden erſcheinen/
ſondern im Geſaͤtz-Spiegel uns ſelbſt und unſer Unreinigkeit erkennen ler-
nen/ durch wahre Buße uns ſaͤubern und reinigen. Dann wer ſchoͤn
ſeyn wil/ und ohne ſuͤndliche Mackel und Flecken/ wie die Phariſeer/ die den
Rath GOttes in der Tauffe Johannis verachtet/ der bedarff deß Badens
nicht: Gewuͤrdigter Gaſt aber iſt der jenige/ der ſein ſchaͤdliches Suͤnden-
weſen/ ſeinen Wuſt und Unflath im Geſaͤtz geſehen/ bereuet/ und daher
nach einer heilſamen Bad Cur begierig iſt; Der iſt der τεταγμένος. Mit
Gewalt ſoll niemand zu dieſem Bad gezwungen/ und alſo das Heiligthum
den Schweinen oder Hunden fuͤrgeworffen werden. Auch kein Kind
den unglaubigen/ doch freyen und nicht leibeigenen Eltern/ Juden und
Tuͤrcken entzogen/ und wider derſelben Willen getaufft werden. Quia
Evangelium non abolet Politias, nec facienda mala, ut inde eve-
niat aliquod bonum. Darum der Taͤuffling/ der Alters halben der Leh-
re und Unterweiſung faͤhig/ zuvor ehe er getaufft wird/ in der Chriſtlichen
Religion ſoll und muß unterrichtet werden/ nach dem Exempel Johannis
deß Taͤuffers/ Matth. 3/1. Luc. 3/3. Der Juͤnger Chriſti/ Act. 2/38. Thut
Buße/ und laſſe ſich ein jeglicher tauffen/ auf den Nahmen
JEſu Chriſti zur Vergebung der Suͤnden/ ſo werdet ihr em-
pfahen die Gabe deß H. Geiſtes. Cap. 8/12. Da ſie aber Phi-
lippus Predigten glaubeten/ von dem Reich GOttes/ und
von dem Nahmen JEſu Chriſti/ lieſſen ſich tauffen/ beyde
Maͤnner und Weiber. Cap. 9/17. Und Ananias gieng hin/
und kam in das Hauß/ und leget die Haͤnde auf ihn/ und
ſprach: Lieber Bruder Saul/ der HErꝛ hat mich geſand/
der dir erſchienen iſt auf dem Wege da du herkameſt/ daß du
wieder ſehend/ und mit dem H. Geiſt erfůllet werdeſt/ und
alſobald fiel es von ſeinen Augen wie Schuppen/ und ward
wieder ſehend/ und ſtund auf und ließ ſich tauffen.
Es iſt aber auch ein Stuͤck der Goͤttlichen Ordnung/ die Unterſchei-
dung der Graden/ ſintemal nicht alle Menſchen in gleicher Conſideration
O o o o o 2ſtehen/
[844]Die neun und zwantzigſte
ſtehen/ etliche ſind naͤhere/ etliche ſind fernere. Nahe ſind der Chriſten
Kinder inner halb der Chriſtlichen Kirchen/ fern der Heyden Kinder die
vid. Gerh.
de Bapt.
pag. 825.drauſſen ſind/ Eph. 2/11. 12. Darum gedencket daran/ daß ihr wei-
land nach dem Fleiſch Heyden geweſen ſind/ und die Vor-
haut genennet wurden/ von denen/ die genennet ſind die Be-
ſchneidung nach dem Fleiſch/ die mit der Hand geſchicht:
Daß ihr zur ſelbigen Zeit waret ohne Chriſto/ fremd und auſ-
ſer der Burgerſchafft Jſrael/ und fremde von den Teſtamen-
ten der Verheiſſunge/ daher ihr keine Hoffnung hattet/ und
waret ohne Gott in der Welt. Jene ſind aͤuſſerlich und Kirchiſch
heilig/ und haben Jus ad rem; dieſe ſind und heiſſen unrein/ Rom. 11/16.
Jſt der Anbruch heilig/ ſo iſt auch der gantze Teig heilig/
und ſo die Wurtzel heilig iſt/ ſo ſind auch die Zweige heilig.
1. Cor. 7/14. Denn der unglaubige Menſch iſt geheiligt durchs
Weib/ und das unglaubige Weib wird geheiliget durch den
Mann/ ſonſt waͤren euere Kinder unrein/ nun aber ſind ſie
heilig.Illi ſunt ſanctitatis deſignati, hi reapſe ſancti, Tertull.
lib. 2. de anim. c. 39.
Nun der Weg iſt gemacht/ das Thor ſtehet offen/ die Bloͤcke und
Stoͤcke/ ſo unterwegs gelegen/ ſind abgeweltzt/ die Jrꝛthum/ welche Goͤtt-
licher Warheit zuwider/ ſind widerlegt. Dann ſo die Tauffe allein ver-
nuͤnfftige Menſchen angehet/ ſo iſt damit der Paͤbſtiſchen Glocken-Tauffe
außgelaͤutet: So alle Menſchen der warhafftigen und kraͤfftigen Tauffe
faͤhig ſind/ ſo iſt niemand davon bloß außgeſchloſſen/ und demnach falſch/
was die ſo genannte Reformirten fuͤrgeben/ als ob die bloß verworffene
Eſauiten nur allein die aͤuſſerliche Waſſer-Tauffe ohne die innerliche
Krafft der Widergeburt empfiengen. Jſt die Tauffe noͤthig dem der
ſie haben kan und ſoll: So fallen zween Jrꝛthum zu Boden. Zur Rech-
ten die Paͤbſtiſche allzuſtrenge Noth/ deren kurtz zuvor gedacht worden.
Zur Lincken die Calviniſche Unnoth. Sintemal der bloß-außerwehlt iſt
allbereit vor der Tauffe heilig/ und im Bund GOttes wuͤrcklich/ juxtà
Calvin. lib. 4. Inſtit. c. 16. n. 14. Was bedarff es eines Mittels/ da-
v. Myſter.
ſect. 3. art. 2
pag. 793.
804. 808.
910.durch er in den Gnaden-Bund gerathen moͤge? Der bloß-verworffene
hat keine Tauff-Krafft zu hoffen/ juxtà Maſſon. c. 9. p. 90. \& ſeqq. Er-
ſtreckt ſich die Tauff-Krafft auch auff die junge/ zarte/ unmuͤndige Kinder/
ſo iſts ein verdam̃ter Schwarm der Widertaͤuffer und anderer Fanati-
ſchen Sectirern/ wenn ſie es denſelben verſagen/ dann ſo lautet die Be-
kantnuß deß beruͤhmten Widertaͤuffers Rauff genannt/ im Colloq. zu
Fran-
[845]Predigt.
Franckenthal Act. 32. pag. 644. Denen das Evangelium gepre-
diget/ die demſelben glauben und Buſſe thun/ und von Her-
tzen annehmen/ die ſoll man tauffen ꝛc.
Jſt nun die Thuͤr und der Gnaden-Brunn offen/ ſo ligt uns allen
ob/ daß man die jenige/ die nicht ſelbſt kommen koͤnnen/ herzu trage/ und daſ-
ſelbe auffs foͤrderlichſte/ ohne gefaͤhrliche Auffſchuͤbe. Die Procraſtina-
tion und allzulange Verſparung der Tauffe/ wol gar biß ans Ende deß
Lebens/ iſt nichts nutz/ dergleichen Exempel man in den Kirchen-Hiſtorien
lißt/ vid. Chriſteid. act. 1. Theatr. 2. Phæn. 1. p. 448. Es ligt uns ob/
andere durch ſehnliche Wunſch-Gebet und allerhand muͤglich-geſuchte
Mittel her zulocken/ auf daß vollkommenlich wahr werde/ was der Prophet
Eſaias im Geiſt geſehen. Eſa. 60/4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Hebe deine Au-
gen auf/ und ſihe umher/ dieſe alle verſamlet kommen zu dir.
Deine Soͤhne werden von ferne kommen/ und deine Toͤchter
zur Seiten erzogen werden. Denn wirſt du deine Luſt ſehen/
und außbrechen/ und dein Hertz wird ſich wundern und auß-
breiten/ wann ſich die Menge am Meer zu dir bekehret/ und
die Macht der Heyden zu dir kompt. Denn die Menge der
Camelen wird dich bedecken/ die Laͤuffer auß Midian und
Epha. Sie werden auß Saba alle kommen/ Gold und Wey-
rauch bringen/ und deß HErꝛn Lob verkuͤndigen. Alle Her-
den in Kedar ſollen zu dir verſamlet werden/ und die Boͤcke
Nebajoth ſollen dir dienen/ ſie ſollen auf meinem angeneh-
men Altar geopffert werden/ denn ich wil das Hauß meiner
Herꝛligkeit zieren. Wer ſind die/ welche fliegen wie die Wol-
cken/ und wie die Tauben zu ihren Fenſtern? die Jnſulen
harren auff mich/ und die Schiff am Meer vorlaͤngſt her/
daß ſie deine Kinder von ferne herzu bringen/ ſampt ihrem
Silber und Gold/ dem Nahmen deß HErꝛn deines GOttes/
und dem Heiligen in Jſrael/ der dich herꝛlich gemacht hat.
Fremde werden deine Mauren bauen/ und ihre Koͤnige
werden dienen. Denn in meinem Zorn hab ich dich geſchla-
gen/ und in meiner Gnade erbarme ich mich uͤber dich. Und
deine Thor ſollen ſtets offen ſtehen/ weder Tag noch Nacht
zugeſchloſſen werden. Daß der Hey den Macht zu dir ge-
bracht/ und ihre Koͤnige herzu gefuͤhret werden. Wir leſen
Act. 16. von einem Engel in Geſtalt eines Macedoniſchen Mannes/ der
St. Paulo in der Nacht zugeruffen: Komm hernieder in Mace-
O o o o o 3donien
[846]Die neun und zwantzigſte
donien und hilff uns. Ein Engel/ ſage ich/ und zwar ein guter Engel/
ein außerwehlter und gefirmter Engel deß Liechts/ als der nicht/ wie die boͤ-
ſen Engel und Seelen-Moͤrder zu thun pflegen/ die ἀϖώλειαν begehrt/ ſon-
dern ſich auß Engliſcher und holdſeliger συμϖαθείᾳ ſehnet und verlanget
βοήθειαν καὶ σωτηρίαν. 2. Angelus προσωϖοποιηθεὶς, ein verlarvter
Engel/ der/ gleich wie in einer Comoͤdi/ eine fremde Geſtalt eines Mace-
doniſchen Mannes an ſich genommen/ in Macedoniſchem Habit erſchie-
nen/ ſich in Sitten und Geberden Macedoniſch erzeigt/ und nach Mace-
doniſcher Art Griechiſch geredet: Alſo daß Paulus anfangs nicht anders
gemeynet/ als er ſey ein ſterblicher Menſch auß Macedonia/ faßt ſich ſelbſt
in den Jammer der Macedonier/ und ſagt: Hilff uns! 3. Angelus in-
terpres totius populi, als ein Dolmetſcher/ Anwalt und Fuͤrſprecher deß
gantzen Volcks und Koͤnigreichs Macedonien. Sie zwar/ die Leute und
Jnwohner deß gantzen Lands und Koͤnigreichs/ wußten von Paulo ſo viel/
als die zu Athen vom unbekanten Gott. Sie waren ſo ſchroͤcklich von
dem Gott der Finſternuß geblendet/ ſo tieff in der Sicherheit verſenckt/
daß ſie den Abgrund ihres Jammers und Elends nicht verſtunden/ viel
weniger beklagten und um Huͤlffe ſchryen. Aber der Engel tritt an ihre
Stadt/ repræſentirt ihr aͤuſſerſte Noth und Seelen-Gefahr/ ſpricht im
Nahmen aller Macedonier Paulum an/ ach komm hernieder/ hilff uns!
wir verderben.
Was dieſer Engel zugeruffen und begehrt/ das iſt auch noch aller
unbekehrten Heyden/ Tuͤrcken/ Juden Wunſch und Anſpruch interpre-
tativè, deren Duͤrfftigkeit redet und zeuget fuͤr ſie/ daß wann ſie recht bey
Sinnen waͤren/ wann ſie durch ihr verwundet Gewiſſen ſich recht wolten
anſporen laſſen/ ſo wuͤrden ſie alle uns Chriſten zuruffen und ſagen: Ach
helffet uns! Ziehet uns zu euch! Wir verderben! Groſſe Herren und
maͤchtige Potentaten koͤnten hie viel thun/ wann ihnen die Vermehrung
deß Reichs Chriſti/ als ihres weltlichen Reichs/ mehr angelegen waͤre.
Wir aber/ die wir allbereit zum Erbtheil der Heiligen im Liecht durch
die H. Tauffe gelanget/ haben uns deßwegen inniglich und hertzlich zuer-
freuen/ zu dancken und zu ſingen mit David Pſ. 16/6. Mir iſt ein
ſchoͤn Erbtheil worden/ aber auch wol zu zuſehen/ daß wir das groͤſte
Gluͤck/ deſſen wir theilhafftig worden/ nicht wiederum davon fliegen laſ-
ſen/ ſondern die Gabe/ die wir einmal empfangen/ feſt halten/ wir ſind noch
nicht uͤber den Graben/ ob wir zwar durchs rothe Tauff-Meer durchgan-
gen/ haben wir doch unſere Fuͤſſe noch nicht geſetzt ins Him̃liſche Canaan/
wir wallen noch in der rauhen Wuͤſteney herum/ und ſind allerhand Ver-
ſuchung/
[847]Predigt.
ſuchung/ Anfechtung und Gefahr unterworffen. Es gehet leider unter
uns/ und wieder faͤhret manchem/ was jenem edlen getaufften Americaner
in der neuen Welt: Welcher/ als er ein Juͤngling war/ und in die Schule
gieng/ und daſelbſt leſen und ſchreiben lernte/ ſo hielt jederman dafuͤr/ es
wuͤrde ein trefflicher und gelehrter Mann auß ihm werden/ der den uͤbrigen
mit loͤblichem Exempel wuͤrde vorgehen. Aber als er das dreiſſigſte Jahr
ſeines Alters erreicht/ iſt er wider alles verhoffen umgeſchlagen/ und ein un-
keuſcher/ leichtfertiger Ertzboͤſewicht auß ihm worden. Als er deßwegen
gefragt worden/ hat er geantwortet: Seithero als ich ein Chriſt worden
bin/ habe ich bey Gottes Nahmen und dem heiligen Creutz lernen ſchwoͤ-
ren/ und verlaͤugne ihn nun/ und glaube nimmermehr an ihn: Uber das
habe ich lernen im Brett ſpielen/ und luͤgen/ dazu habe ich mir ein Degen/
allerhand Haͤndel anzufangen/ gekaufft. Endlich/ daß ich recht lebe wie
ein Chriſt/ mangelt mir nichts mehr als ein Weib/ welche ich bald hoffe
zu freyen. Geſchicht nicht auch unter uns dergleichen taͤglich? Dar-
um groſſe Sorgfalt vonnoͤthen/ damit wir die Crone/ die wir haben/
nicht wiederum durch unchriſtlich/ barbariſch und brutaliſch Leben/ ſin-
temal der Menſch ihme ſelbſt gelaſſen/ wann er die Gnade der Wi-
dergeburt verlohren/ aͤrger iſt/ als ein Beſtia/ ja als ein gantz wil-
des Thier/ wieder verlieren/ vielmehr aber in die Fußſtapffen unſers
Arnd in Pſ. 74. p. 424. Der Teuffel ſchaͤrffet in ſolchen thieriſchen Leu-
ten und Beſtien die mordgierigen Affecten/ welches er in wilden Thieren nicht
thut/ aber in den Menſchen/ die ſeine Werckzeuge ſeyn/ die er zu ſeinem Muth-
willen brauchen kan/ in dieſelben treibet er die boͤſen/ viehiſchen/ fleiſchlichen
Affecten auffs hoͤchſte/ daher ſolche unmenſchliche/ teuffeliſche Thaten kommen.
Wir erfahren/ daß die Vnglaubigen/ Juden/ Tuͤrcken und Heyden/ nicht ſo
grimmig ſeyn auffeinander unter ſich ſelbſt/ als die Chriſten/ das kompt aber/
weil Sathan nicht ſo groſſe Feindſchafft hat wider die Vnglaubigen/ als wider
die Chriſten/ deß HErꝛn Chriſti und ſeiner Glaubigen abgeſagter/ grimmiger
Feind iſt er/ und hat einen ewigen Haß und Feindſchafft wider ſie. Darum
hetzet er die fleiſchlichen thieriſchen Menſchen/ die dem Teuffel zu viel Raum ge-
ben in ihren hoffaͤrtigen/ thoͤrichten Affecten/ ſo hefftig und grimmig wider an-
dere Chriſten/ denen er feind iſt/ darum warnet St. Petrus die Glaubigen/ und
ſaget/ der Teuffel gehe um ſie her wie ein grimmiger Loͤwe/ und ſuche/ welche
er verſchlinge/ das hat er nicht von den Vnglaubigen geſagt/ ſondern von den
Glaubigen.
HErꝛn und Hertzogs deß Lebens Chriſti tretten/ welcher/ nachdem ſo
bald Er getaufft worden/ in die Wuͤſten getrieben worden/ da Er ein
ſtreng Examen und Prob außſtehen muͤſſen/ ehe und dann Er zur voll-
kommenen Herꝛligkeit erhaben worden. Wollen wir mit Jhm in dem
Lande
[848]Die dreiſſigſte
Lande der beſtaͤndig-Lebendigen immer jubiliren und triumphiren/ ſo
muͤſſen wir auch hie im Lande der Todten leiden und ſtretten.
Das helffe uns Er ſelbſt/ durch ſeinen Geiſt!
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Es iſt auſſer allem Zweif-
fel der Teich Bethesda/ deſſen Johannes Ev. c. 5/2.
gedenckt/ und denſelben nennet κολύμ [...]ηθραν, eine
Waſſer-Schwemme/ nahe bey dem Schaaf-
und Schlacht-Hauß der Tempel-Metzig gelegen/ ein
ſchoͤner und heller Typus, Figur, und Schatten ge-
weßt/ ſo auf das geiſtliche Seelen-Bad der heiligen Tauffe gedeutet/ und
nach Art deß Schattens/ ſo bald der Coͤrper und Gegen-Bild erſchienen/
L. adverſ.
Judæ. c. 13.wiederum verſchwunden/ wie Tertullianus der uhralte Africaniſche Lehrer
bezeugt: Hanc piſcinam, ſchreibend/ uſque ad adventum Chriſti in-
valetudines ab Iſraël curaſſe, deſiiſſe à beneficio, cum ex perſe ve-
rantia furoris nomen Domini per Judæos blaſphemaretur.Es
habe dieſes Waſſer die Krafft geſund zu machen nicht laͤnger
gehabt/ als biß auf die Zukunfft Chriſti/ dieweil die Juden
in ihrer unſinnigen Laͤſterung deß Nahmens GOttes beſtaͤn-
dig fortfuhren.
Gleichwie nun (1.) beſagtes Schwemme-Bad/ vallis miſeriæ, ein
rechtes Jammerthal/ ſo den Nahmen bekommen à domo miſericordiæ,
ein Gnaden-Waſſer/ ein Hoſpital-Waſſer/ welches am Hoſpital und
der Elenden Herberge gelegen/ da ſich πλῆθος πολὺ, eine groſſe Menge
Breſthaffter/ Siechen/ Krancken/ Lamen/ Blinden/ Duͤrren/ Gicht-
bruͤchtigen/ Kruͤppel ꝛc. ent- und auffgehalten/ auff Gottes Gnade und
Barm-
[849]Predigt.
Barmhertzigkeit gewartet/ und durch dieſelbe auch geheilet und geſund
worden: Alſo iſt freylich auch die H. Tauffe ein rechtes Spital-Waſſer und
geiſtliche Bad-Stub der Armen/ Bèth cheſed, domus miſericordiæ,
in der elenden Herberge gelegen/ die heißt vallis miſeriarum, das Jam-
merthal/ darein wir durch Adams-Fall gerathen all/ als die geiſtlich Arme
und Krancke/ auf Gnade und Huͤlffe vom Him̃el herab warten/ (abyſſus
abyſſum invocat) nicht um unſer Werck willen der Gerechtig-
keit/ die wir gethan hatten/ ſondern nach ſeiner Barmhertzig-
keit macht Er uns ſelig/ durch das Bad der Widergeburt
und Erneuerung deß H. Geiſtes/ ſchreibt St. Paulus Tit. 3/5.
Gleichwie (2.) jener Teich blut-roth oder mit Blut vermengt gewe-
ſen/ von dem geſchlachteten Opffer-Vieh/ deſſen Blut darin abgewaſchen
und alſo zum Opffer geſaͤubert worden/ wie Hieronymus in loc. hebr.
davon Zeugnuͤß gibt/ und ſchreibet: Betheſda piſcina in Hieruſalem,
quæ vocabatur pecualis: oſtendunturque gemini lacus, quorum
unus hybernis pluviis adimpleri ſolet; Alter mirum in modum
rubens, quaſi cruentis aquis, antiqui in ſe operis ſigna teſtatur.
Nam hoſtias in eo lavari à Sacerdotibus ſolitas ferunt, unde \& no-
men προϐατικὴ accepit. Alſo iſt auch wahr von der H-Tauffe/ was Au-
guſtinus ſchreibt Tract. 11. in Johann. Unde rubet baptiſmus, niſi
ſanguine Chriſti conſecratus?Woher iſt die heilige Tauffe ſo
rothfarb/ womit anders/ als mit Chriſti Blut gefaͤrbet und
geweyhet? Oder wie es Lutherus im bekandten Tauff-Geſang (wiewol
nicht nach der heutigen Poeſi) wol gereimet:
Vnter andern Baͤpſtiſchen Lugenden wird erzehlt von Conſtantino M. demLuth. T. 4.
Wit. p. 441.
erſten Chriſtlichen Kayſer/ ehe er ein Chriſt worden/ daß als er mit einem unge-
woͤhnlichen Auſſatz angegriffen worden/ genannt Elephantia, welcher mit kei-
ner Artzney zu helffen iſt/ ohn mit Menſchen-Blut/ da habe er ihm fuͤrgenom-
men/ auß allen Landen Kinder zu ſamlen und zu toͤdten/ damit ein Bad auß
Menſchen-Blut gemacht wuͤrde: Aber das Zetter- und Mordio-Geſchrey der
Achter Theil. P p p p pKinder
[850]Die dreiſſigſte
Kinder und Eltern/ ſey ihm dergeſtalt zu Ohren und Hertzen gangen/ daß er
ſolch henckermaͤſſige Artzney unterlaſſen: Es ſeye ihm aber im Traum in der
Nacht eine ſolche Offenbarung geſchehen/ daß er ſich von dem Roͤmiſchen Bi-
ſchoff Sylveſtro ſolle tauffen laſſen/ ſo werde er von ſeinem Auſſatz rein wer-
den. Welchem Rath er auch gefolget/ daß er ſich ſampt ſeiner Mutter Helena/
oder/ wie etliche wollen/ ſampt ſeinem Sohn Criſpo tauffen laſſen/ dadurch er
beydes von dem leiblichen und Geiſtlichen Auſſatz curirt und gereinigt worden
ſey.
Jſt ein Maͤhr/ die fuͤr eine Paͤbſtiſche Lugen wol beſteht. Hîc veritas!
Hie aber Warheit/ wir liegen alle in Conſtantini Spital kranck/ voller geiſt-
lichen Auſſatzes/ kein ander Mittel war zuerdencken/ als das Blut-Bad
Chriſti/ deß H. Kindes JEſu/ welches GOtt mildiglich laſſen vergieſſen/
und in die H. Sacramenta flieſſen (αἷμα πολλῶν ἀντάξιον ἄλλων) das rei-
niget uns von allen Suͤnden.
Gleichwie (3.) unter andern jenes leibliche Bad/ zwar ein rechtes
kraͤfftiges edles Heil-Bad/ nicht aber von Natur und innerlichen eigenen
Wuͤrckung/ wie bey uns das Wild-Bad/ das Wiß-Bad/ der Antegaſt ꝛc.
ſondern ein ſolches Wunder-Bad/ welches ehe nicht geheilet/ als wann
ein Engel vom Himmel herab kommen/ daſſelbe reg gemacht/ von unten
an biß oben auß turbirt und bewegt/ ſo iſts alsdann geſchehen/ daß/ wer
der erſt hinein geſtiegen/ geſund worden/ da hieß es/ der erſt gewinnet/ der
erſte der beſte.
Chryſoſtomus Homil. 35. in cap. 5. Joh. ſcribit: ῞Ωσϖερ [...]νταῦθα
[...]χ ἁϖλῶς ἰᾶτο τῶν ὑδάτων ἡ ϕύσις (ἢ γὰρ ἂν διὰ παντὸς τ [...]το ἐγένετο) ἀλλ᾽
[...]πὶ τῇ τ [...] ἀγγέλου [...]νεργείᾳ. [...]τω καὶ ἐϕ᾽ ἡμῶν [...]χ ἁϖλῶς τὸ ὕδωρ ἐργά-
ζεται, ἀλλ᾽ ὅταν τη [...] τ [...] Πν [...]έξηται χάριν, τότε ἅϖαντα λ [...]ει τὰ
ἁμαρτήματα. h.e. Quemadmodum hujus aquæ natura per ſe non ſa-
nabat; ſiquidem ſemper ſanaſſet; ſed duntaxat cum ab angelo
movebatur: Ita \& in nobis non ſimplex aqua operatur, ſed cum
ſpiritûs gratiam accipit, omnia peccata abluit.
Alſo iſt freylich auch die H. Tauffe ein ſchlecht Waſſer ſeiner Na-
tur und natuͤrlichen Eigenſchafft nach/ aber durch die Elevation und
Bewegung deß groſſen Bund- und Ertz-Engels JEſu Chriſti/ und deſ-
ſen Geiſt empfaͤngt es die groſſe Krafft: Non ſanat aqua, niſi ſpiritus
deſcenderit, \& aquam conſecraverit. ſagt Ambroſius lib. 1. de Sacr.
cap. 5. Da geſchichts alsdann/ daß der arme Taͤuffling/ von allen ſeinen
Seelen-Seuchen und Auſſatz heil wird/ dieſelbe nach und nach ſich ver-
lieren/ das Wehe und Wuſt vergehet/ das Schmertzen- und Schuld-
Pflicht/ Fermentation und Beherꝛſchung nicht mehr Platz haben/ alle
die
[851]Predigt.
die Scheußlichkeit und Ungeheur verſchwindet; Ob gleich die Wurtzel
noch bleibt/ an deren der Menſch immerdar zu artzten hat/ biß zur ſeligen
vollkommenen palingeneſiâ der Kinder GOttes/ alles auf Art und Wei-
ſe/ wie wir jetzt und ins kuͤnfftige mit mehrerm vernehmen werden.
Dann nachdem wir zum naͤhermalen den Taͤuffling E. Chriſtl.
Liebe fuͤr Augen gelegt/ ſo folgt nun in richtiger Ordnung die Materia,
der Zeug/ und das fuͤhlbare Coͤrperliche Element/ darauß die-
ſes Sacrament beſtehet/ nemlich das edle heilige und heilſame Sacra-
mentliche Tauff-Waſſer. Daß aber davon fruchtbarlich und erbau-
lich gelehret und gehoͤret werde/ wolle uns Er der groſſe Bad-Stiffter mit
dem himmliſchen Gnaden-Waſſer des H. Geiſtes von oben herab mildig-
lich begieſſen/ Amen.
ZU gleicher Weiſe/ wie die alte Zornflut nichts anders
als Waſſer geweßt/ ein ungeheurer Waſſer-Strom und Guß/ ſo
nicht allein den gantzen Erdboden uͤberlauffen/ und in demſelben
allen lebendigen Othem/ auſſer der Arche/ erſaͤufft und getoͤdtet/
ſondern auch die Gnaden-Taͤuffling/ das Volck GOttes in der Arche/
Noah und ſeine Kinder beruͤhret/ aſpergirt und beſprengt/ wiewol nicht
immediatè und unmittelbar/ doch haben ſie vermittelſt deß Schiffs im
ſelbigen Waſſer als in einer Schwaͤmme ſchwimmen/ auf- und abfahren
muͤſſen. Maſſen dergleichen auch den Kindern Jſrael in ihrem Durch-
zug durchs rothe Meer begegnet/ die zwar nicht wie Pharao ins Waſſer
eingedunckt und erſaͤufft/ doch unter Moſen mit der Wolcke und mit dem
Meer getaufft worden/ 1. Cor. 10/2. weil ſie durchs rothe Meer durchgan-
gen/ und die Wolcke/ die ſie bedeckt/ nach dem Pſalm 105/39. bißweilen von
oben her beſpritzt/ auf ſie getraͤufft und geregnet/ in der Brennhitze/ als ein
umbraculum erkuͤhlt und erquickt/ davon/ ob wol nicht immediatè ihre
Leiber/ doch ihre Kleider benetzt worden; Es gilt auch hie die Theologiſche
Regul: Plus ſæpè eſt in antitypo, quàm in typo. Es hat offt undConf. D.
Glaſſ. Phi-
lol. S. lib. 2.
p. m. 331.
begreifft das Gegenbild mehr in ſich/ als der Typus und das Fuͤrbild/ ſo
darauf gedeutet. Maſſen auch der alte Lehrer Irenæus lib. 2. cap. 40.
ſchreibt: Typus \& imago ſecundum materiam, \& ſecundum ſub-
ſtantiam aliquoties à veritate diverſus eſt: ſecundum autem habi-
tum \& lineamentum debet ſervare ſimilitudinem, \& ſimiliter
oſtendere per præſentia, illa, quæ non ſunt præſentia.
Alſo beſteht auch die Gnaden-Fluth/ das Gnaden-Bad der H. Tauffe/
auß Coͤrperlichen/ fühl- und ſichtbaren/ warhafftigen/ eigentlich natuͤrli-
P p p p p 2chen
[852]Die dreiſſigſte
chen und gemeinem Waſſer/ ein Waſſer das Waſſer iſt/ von GOtt und
Menſchen fuͤr Waſſer angeſehen und gehalten wird/ ohne Falſchheit und
Betrug/ ohngezweiffelt/ daß es recht hell und klar zeugen/ bezeichnen und
verſiglen koͤnne/ ohne einigen Scru pul und Zweiffel/ ne Sacramento ve-
ritatis ſubſit falſitas: Und zwar pur/ lauter und rein Waſſer/ das
nicht durch einige Vermiſchung die waͤſſerige Natur verlohren/ oder in ei-
nen andern heterogeniſchen Coͤrper durchs Feur vermittelſt der Diſtil-
lirung verwandelt worden/ daß die Bedeutung deß Abwaſchens behaͤlt.
Heb. 10/22. Sonſt gilt es gleich/ es ſey das Waſſer/ in was fuͤr Qualitaͤt
oder Quantitaͤt es ſeyn mag/ obs warm oder kalt/ Guß und Fluß oder
Tropffenweiſe/ obs Jordan oder Rhein/ Breuſch/ Brunn- oder See-
Waſſer: Nullo cum diſcrimine mari quis aut ſtagno, flumine aut
fonte, lacu an alveo diluatur, ſchreibt Tertullianus l. de ba pt. c. 1. \& 12.
Daß dem alſo/ und daß ſolch Waſſer erfordert werde/ das lehren
nicht nur die Typi und Fuͤrbilder/ fo beym Mondſchein deß Alten Teſta-
ments ſich eraͤuget/ das Sprengewaſſer/ davon Exod. 40, 30. ſeqq.
ſtehet: Das Handfaß ſetzet er (Moſes) zwiſchen der Huͤtten
deß Stiffts und dem Altar/ und thaͤt Waſſer drein zu wa-
ſchen/ und Moſe/ Aaron und ſeine Soͤhne wuſchen ihre
Haͤnde und Fuͤße darauß/ denn ſie muͤſſen ſich waſchen/
wenn ſie in die Huͤtten deß Stiffts gehen/ oder hinzu tretten
zum Altar/ wie ihm der HErꝛ gebotten hatte. Sonderlich das
Fuͤrbild der roͤthlichen Kuh/ deren Aſche verwahret wurde zum Spreng-
waſſer fuͤr die Kinder Jſrael/ wie Num. 19/9. zu leſen. Deßgleichen die
præſagia prophetica oder Prophetiſche Weiſſagungen/ darinnen ſie
vielfaͤltig von dem Tauffwaſſer geweiſſaget/ und gleichſam mit Fingern
darauff gedeutet/ Eſai. 12/3. Jhr werdet mit Freuden Waſſer
ſchoͤpffen auß dem Heyl-Brunnen. Und cap. 44/3. Jch will
Waſſer gieſſen auf die Durſtige/ und Stroͤme auf die Duͤr-
re/ Jch wil meinen Geiſt auf deinen Saamen gieſſen/ und
meinen Segen auf deine Nachkommen. Ezech. 16/9. ſagt der
Herr unter andern zu den Abtruͤnnigen: Jch badet dich mit Waſ-
ſer/ und wuſch dich von deinem Blut. Und wiederum cap. 36/37.
ſagt er: Jch wil rein Waſſer uͤber euch ſprengen/ daß ihr rein
werdet von aller euer Unreinigkeit. Und abermal cap. 47/1. zei-
get der HErꝛ dem Propheten ein Waſſer/ ſo unter der Schwelle deß Tem-
pels herauß gefloſſen. Joel c. 3/18. deutet darauff: Zur ſelbigen (deß
N. Teſt.) Zeit/ ſpricht er/ werden alle Baͤche in Juda voll
Waſ-
[853]Predigt.
Waſſers gehen/ und wird eine Quelle vom Hauß deß HErꝛnvid. D.
Luth. T. 8.
Witt. in
Joël. p.
406. f. 2.
herauß gehen/ der wird den Strom Sittim waͤſſern. Micha
7/29. ſagt auch davon/ wie nemlich GOtt ſich unſer wieder erbarmen/ un-
ſere Miſſethat daͤmpffen/ und alle unſere Suͤnde in die Tieffe deß
(Tauff-) Meers werffen werde. Sonderlich Zachar. 13/1. Zu der
Zeit (ſpricht er) wird das Hauß David und die Buͤrger zu Je-
ruſalem einen freyen offenen Born haben/ wider die Suͤnde
und Unreinigkeit.
Sondern auch der klare Finger Johannis/ der das Wort deß
HErꝛn Chriſti auff gezeichnet/ welches er zu Nicodemo geſprochen c. 3/5.
Warlich/ warlich ich ſage dir/ es ſey denn daß jemand gebo-
ren werde/ auß dem Waſſer und Geiſt/ ſo kan er nicht in das
Reich Gottes kommen. Und Ep. Joh. cap. 5/8. Drey ſind
die da zeugen auf Erden/ der Geiſt/ und das Waſſer/ und
das Blut. St. Pauli Eph 5/26. ſeq.Chriſtus hat ſeine Gemei-
ne gereiniget durch das Waſſer im Wort.Conf. Hebr. 10, 22.
So dann auch die Apoſtoliſche Praxis, das Werck und Exempel der Apo-
ſtel/ und Apoſtoliſchen Maͤnnern/ die nichts anders zu der Tauffe ge-
braucht/ als Waſſer; Von welchen es auch die erſte Kirch empfangen/
und in ſtaͤter Ubung getrieben/ von Anfang biß hieher/ davon lieſe Matth.
3/6. Joh. 1/33. cap. 3/23. ſonderlich Act. 8/36. da der Kaͤmmerer nach em-
pfangenem Unterricht zu Philippo geſagt: Sihe/ da iſt Waſſer/
was hinderts/ daß ich mich tauffen laſſe? Und cap. 10/47. ſagt
Petrus: Mag auch jemand das Waſſer wehren/ daß dieſe
nicht getaufft werden?
Jſt dem alſo/ und iſt ſo gethanes Waſſer geſtifftet und eingeſetzt/ ſo
gehoͤren hieher nicht allerley duͤrre Materien/ als Feur/ Sand ꝛc. damit
einsmals ein Jude ſoll ſeyn getaufft worden. Nicht eine jede flieſſendeap. Niceph.
l. 3, 37. Ba-
ron. ad an.
181. n. 1.
Materia, weder Wein noch Mett/ weder Eſſig noch Oehl/ wanns auch
gleich Balſamoͤhl waͤre/ weder Bier noch Milch/ weder Lauge noch Urin/
weder diſtillirt Roſen- noch Krafft- oder Perlin-Waſſer/ dann das iſt
nicht ein natuͤrliches/ ſondern Kunſt-Waſſer. Auch gehoͤrt nicht hieherconf. D.
Menz. in
Exeg. A.
Cõf. Art. 9.
th. 6. p. 408.
ba ptiſmus ſanguinis, der Blut-Tauffe der H. Maͤrtyrer/ oder bapti-
ſmus flaminis,die Feur-Tauffe Chriſti: Es ſchreibet zwar Matthaͤus
cap. 3. Chriſtus werde mit Feur tauffen: Wird aber dadurch nicht
ein immerwaͤhrendes/ Sacramentliches/ beſtaͤndiges Seelen-Bad/ ſon-
dern ba ptiſmus chariſmatum, ein zeitliches vergaͤngliches Pfingſt- und
Gnaden-Bad verſtanden/ da der H. Geiſt in einem feurigen Regen vomMatt. 3, 11.
conf. 1, 5.
P p p p p 3Him-
[854]Die dreiſſigſte
Himmel herab kommen/ die Juͤnger Chriſti mit Feur getaufft/ ange-
ſprengt/ entzuͤndet/ daß ihr Hertz gebrennet/ die Funcken und Feurlicht her-
auß gefahren/ ſie truncken worden von dem H. Geiſt/ die Magnalia in al-
lerhand Sprachen außgeredet/ Act. 2. Dergleichen auch zu Samaria
ſich begeben/ Act. 8/16. ſeq. und im Hauß Cornelii/ Act. 10/44. ſeqq. da
der H. Geiſt ſichtbarlich herab fiel/ auf alle/ die dem Wort zuhoͤreten.
War eine extraordinari Wunder-Tauffe/ ſo anfangs zum erſten Kir-
chenbau vonnoͤthen geweßt; Nun aber iſt das Waſſer das ordinari waͤh-
rende Mittel/ ſo von Chriſto ſelbſt dazu geordnet und eingeſetzt. Bleibt
alſo das von GOtt außerwehlte/ geſtifftete/ bewaͤhrte Tauff-Mittel und
Element/ das Waſſer.
Solches iſt nun II. Aqua conſecrata, ein rechtes außerwehltes und
von GOtt dem HErꝛn ſelbſt geſegnetes Weywaſſer/ ein geweyhetes
Waſſer durchs Wort deß Goͤttlichen Gebotts und Verheiſſung/ dadurch
alles geweyhet wird. Die Juden hielten viel auff ihr Weywaſſer oder
Spreng-Waſſer/ damit ſie die Gefaͤß deß Tempels/ und ſich ſelbſt mit vie-
lem baden und taͤuffen haben geweyhet und entſuͤndiget/ ſo hernach per
traditiones der Phariſeer unleidentlich vermehret worden/ wie Marc. 7/
3. 4. berichtet: Die Phariſeer und alle Juden eſſen nicht/ ſie
waſchen denn die Haͤnde manchmal/ halten alſo die Auffſaͤtze
der Elteſten/ und wenn ſie vom Marck kommen/ eſſen ſie
nicht/ ſie waſchen ſich denn: Und deß Dings iſt viel/ das ſie
zu halten haben angenommen/ von Trinck-Gefaͤſſen und
Kruͤgen/ und aͤhrnen Gefaͤſſen/ und Tiſch zu waſchen. Die
Heyden habens den Juden nachgeaͤffet/ und mit ſolchen von ihnen ge-
weyheten Waſſern/ die/ ſo in ihre Tempel und Goͤtzen-Haͤuſer gehen wol-
len/ beſprengt/ wie Juſtinus Martyr bezeuget.
Qui adeunt templa (gentiles) ſeipſos aſpergunt, poſtea offerunt Numini-
bus grates, nidores atque libamina: aut etiam totos ſe abluunt, antequam ſub-
eant delubra Deorum.
Dem hats der Paͤbſtiſche Jrꝛgeiſt abgelernt/ und auch dergleichen Wey-
waſſer geſtifftet/ eingefuͤhrt/ und demſelben eine Teuffels-bannende Krafft
und Ablaß/ der laͤßlichen geringen Suͤnden angedichtet. Es mangelt
aber den armen Blindlingen an der rechten Weyhe/ GOttes Wort!
Denn alle Creatur wird geheiliget durch das Wort GOttes
und Gebet/ ſagt Paulus 1. Tim. 4/3. Wo iſt nun Gebot/ wo Verheiſ-
ſung? Die alte Levitiſche Weywaſſer haben zwar Gebott gehabt/ aber
μέχρι καιρ [...] διορθώσεως, ſie ſolten als Schatten im Neuen Teſtament ver-
ſchwin-
[855]Predigt.
ſchwinden? Wo Verheiſſung der Vergebung der Suͤnden? Die erſte
Huͤtte (der Levitiſchen Ceremonien Alten Teſtaments) konte nicht
vollkommen machen nach dem Gewiſſen/ den/ der da Got-
tesdienſt thut/ allein mit Speiſe und Tranck/ und mancher-
ley Tauffe/ und aͤuſſerlicher Heiligkeit/ die biß auf die Zeit
der Beſſerung ſind aufgelegt/ ſteht Hebr. 9/10. Solches dienete
nur zur leiblichen Reinigkeit/ ibid. ꝟ. 14. Hie aber die rechte Weyhe
durch Gottes Wort und Gebott! Maſſen unſer Catechiſmus ſehr wol
antwortet auf die Frage: Was iſt die Tauffe? Antwort. Die Tauf-
fe iſt nicht allein ein ſchlecht Waſſer/ ſondern ſie iſt ein Waſ-
ſer/ in GOttes Gebott verfaßt/ und mit GOttes Wort
verbunden. Was heißt daſſelbe Wort GOttes? Antwort.
Matthaͤi am letſten ſpricht Chriſtus zu ſeinen Juͤngern: Ge-
het hin in alle Welt und tauffet ꝛc. Und wiederum: Welches
ſind dann ſolche Wort und Verheiſſung GOttes? Antwort.
Marc. ult. ſpricht Chriſtus: Wer da glaubt und getaufft wird/
der wird ſelig. Jtem: Wie kan Waſſer ſolche groſſe Dinge
thun?\&c. Tit. 3. Cyrillus Hieroſolymitanus Catech. 3. erklaͤrt es
ex oppoſitione ab idolothytis, mit dem Waſſer/ welches man zum
Goͤtzen-Opffer gebraucht: Μὴ ὡς ὕδατι λιτῷ πρόσελθε τῷ λουτρῷ, ἀλλὰ τῇ
μετὰ τ [...] ὕδατος διδομένῃ πνευματικῇ χάριτι. Ὥσϖερ γὰρ τὰ τοῖς βωμοἵς
προσφερόμενα τῇ ϕύσει ὄντα λιτὰ, μεμολυσμένα γίνεται τῇ [...]πικλήσει τῶν εἰ-
δώλων [...]τως ἀϖεναντίας τὸ λιτὸν ὕδωρ πν [...]ματος ἁγίου καὶ χριϛ [...] πρὸς
τὴν [...]πίκλησιν λαϐὸν [...]ύ [...]αμιν ἁγιότητος [...]πικᾶται, h. e. Non tanquam
aquæ ſimplici accede huic lavacro, ſed ut ſpirituali gratiæ, quæ
cum aquâ datur. Nam ut illa, quæ in atis offeruntur, cum naturâ
ſint pura, invocatione dæmonum impura efficiuntur: ſic contra
aqua ſimplex per S. Spiritus \& Chriſti (adde \& Patris) invocatio-
nem acceptâ virtute, ſanctitatem conſequitur. Lutherus erklaͤretsconf. T. 5.
W. p. 233.
f. 2.
viel heller und verſtaͤndlicher mit einer Monſtrantz/ ſo in Gold und Edel-
geſt ein praͤchtig eingefaßt/ davon glaͤntzend wuͤrde/ Anſehen und Preiß em-
pfaͤngt; Alſo ſey auch das Waſſer im Sacrament der H. Tauffe im fei-
nen Gold und Silber deß heiligen theuren Worts Gottes gleichſam einge-
faßt/ davon es Wuͤrde und Krafft hat. Gleichwie vor Zeiten der Pabſt
die Todtenbein gefaſſet hat/ in koͤſtliche Monſtrantzen/ in Gold/ Silber/
Seide/ Purpur und Edelgeſtein/ daß es mit ſolchem Pracht geſchmuͤckt
ein groß Anſehen hatte: Alſo iſt auch das Tauff-Waſſer eingefaßt in das
Wort
[856]Die dreiſſigſte
Wort Gottes/ welches koͤſtlicher iſt als das feine Gold. Pſal. 19. und
empfaͤngt daher Glantz/ Krafft und Wuͤrde.
III. Aqua Divina,ein heilig-ſelig-Goͤttlich- ja durch-
Goͤttert Waſſer/ nicht nur originaliter und Quells-Weiſe/ weil
es von GOtt geſtifftet/ vom Nahmen GOttes/ Adel/ Wuͤrde und uͤberna-
tuͤrliche Tugend empfangen/ ſondern auch materialiterZeugs-Weiſe
auß und von dem Drey-Einigen GOtt (ſicut ἐκ γυναικὸς 1. Joh. 3, 9. ex
fœmineo ſemine Gal. 4, 4.) auß Waſſer und Geiſt (als dem Goͤttli-
chen Saamen) werden die Kinder GOttes wiedergebohren/ Joh. 3/5.
Auß Waſſer/ als der cauſa materiali oder dem Schoß/ auß welchem der
Tauff und deſſen Krafft entſtanden/ im Nahmen GOttes deß Vaters/
deß Sohns und H. Geiſtes; Der Vater iſt gleichſam ſinus \& matrix,
die Baͤrmutter/ in welcher der Taͤuffling ligt/ wie der Herr ſelber redet
Eſai. 46/3. Der Sohn GOttes Chriſtus iſt das Kleid/ der Rock der
Gerechtigkeit mir ſeinem Blut beſpritzet Eſ. 63/2. Gal. 3/27. Πολὺ ϕρικω-
δέϛερον τίθησι, πρὸς, ἀυτὸν ἀφομοιωθε [...]ς [...] συγγένειαν καὶ μίαν ἰδέαν, ſagt
Chryſoſtomus. Daher auch das Blut Chriſti von der Tauffe nicht
außzuſchlieſſen/ dann wo Chriſtus gegenwaͤrtig/ da iſt er nicht ἀναίματος
ohne Blut/ Hebr. 2/14. als durch deſſen Beſprengung die Heiligung und
Reinigung von Suͤnden geſchicht 1. Joh. 1. und 1. Pet. 1. Es reiniget
unſer Gewiſſen von den todten Wercken/ zu dienen dem le-
bendigen GOtt/ wie abermal Paulus ſagt Hebr. 9/14. Gleichwie
Exod. 24/8. durchs Opffer-Blut der Bund GOttes mit ſeinem Volck/
die Gebot deß HErꝛn zu halten/ beſtaͤtiget ward/ indem Moſe den Altar
und das Volck damit beſpreuget/ auch damit die Huͤtten und alles Ge-
raͤthe deß Gottesdienſts geweyhet/ Hebr. 9/21. Alſo wird der H. Tauff-
Bund mit GOtt durch das Blut JEſu Chriſti/ als deß heiligſten Opffer-
Laͤm̃leins/ beſtaͤtiget/ der widergebohrne Menſch als ein neuer Tempel
GOttes geheiliget und geweyhet. Der Heilige Geiſt iſt deß Vaters und
Sohns pignus \& artha, der Gottespfennig und Hefft-Gabe/ 2. Cor. 1/22.
Eph. 1/13. In quoin welchem/ und durch welchen wir alle zu ei-
nem Leibe getaufft/ 1. Cor. 12/13. welcher auch zugleich mit der Auß-
gieſſung deß Waſſers uͤber uns außgegoſſen wird (πλουσίως) reichlich/ als
Luth. Tom. 6. Witt. p. 156. f. 2. ſchreibt: Es ſind drey Perſonen (der Gott-
heit) und ein GOtt/ der ſich uns allen ſelbſt gantz und gar geben hat/ mit allem
das er iſt und hat: Der Vater gibt ſich uns/ mit Himmel und Erden/ ſampt al-
len Creaturen/ daß ſie uns dienen und nutz ſeyn muͤſſen/ aber ſolche Gabe iſt
durch Adams Fall verfinſtert und unnuͤtze worden: Darum hat darnach der
Sohn
[857]Predigt.
Sohn ſich ſelbſt auch uns gegeben/ alle ſeine Werck/ Leiden/ Weißheit und Ge-
rechtigkeit geſchenckt/ und uns dem Vater verſuͤhnet/ damit wir wieder lebendig
und gerecht/ auch den Vater mit ſeinen Gaben erkennen und haben moͤchten:
Weil aber ſolche Gnad niemand nutz waͤre/ wo ſie ſo heimlich verborgen bliebe/
und zu uns nicht kommen koͤnte/ ſo kompt der H. Geiſt/ und gibt ſich auch gantz
gar; der lehret uns ſolche Wolthat Chriſti/ uns erzeigt/ erkennen/ hilfft ſie em-
pfahen und behalten/ nutzlich brauchen und außtheilen/ mehren und foͤrdern/
und thut daſſelbe beyde innerlich und aͤuſſerlich/ innerlich durch den Glauben und
andere geiſtliche Gaben; aͤuſſerlich aber durchs Evangelium/ durch die Tauffe
und Sacrament deß Altars/ durch welche als drey Mittel oder Weiſe Er zu uns
kompt/ und das Leiden Chriſti in uns uͤbet/ und zu Nutz bringet der Seligkeit.
Durch denſelben H. Geiſt (ita Id. pag. præced.) als eine lebendige/ ewige/ Goͤtt-
liche Gabe und Geſchencke/ werden alle Glaubige mit dem Glauben und an-
dern geiſtlichen Gaben gezieret/ vom Tod aufferweckt/ von Suͤnden gefreyet/
und froͤlich und getroſt/ frey und ſicher im Gewiſſen gemacht. Dann das iſt un-
ſer Trotz/ ſo wir ſolchen Geiſts Zeugnuß in unſerm Hertzen fuͤhlen/ daß GOtt wil
unſer Vater ſeyn/ Suͤnde vergeben und ewiges Leben geſchenckt haben. Ita Luth.
ein Strohm/ Tit. 3/6. Paulini Carmen von Ambroſio auffgezeichnet
hats ſehr ſchoͤn gefaſſt:
Sanctus in hunc cœlo deſcendit Spiritus amnem,Cœleſtique ſacras fonte maritat aquas:Concipit unda DEUM \&c.
Jſt derowegen und geſchicht in dem moment und Augenblick/ da der
Tauff-Actus verrichtet wird/ eine Sacramentliche unzertrennte Verein-
barung/ zwiſchen dem aͤuſſerlichen ſichtbaren Element deß Waſſers/ und
dem unſichtbaren Geiſt: welches Geheimnuͤß/ unſerer Schwachheit und
Blindheit auffzuhelffen/ die Chriſtliche Kirch und dero Lehrer verglichen
mit der Vereinigung deß Leibes und der Seelen im Menſchen/ unter de-
nen ſonderlich Gregorii Naz. Wort (γ) denckwuͤrdig: Διττῶν ὄντων(γ) Orat.
40. in S.
Bapt.
ἡμῶν, ἐκ ψυχῆς, λέγω, καὶ σώματος, καὶ τῆς μὲν ὁρατῆς, τ [...]ς δὲ ἀοράτου
ϕύσεως, Δίτ [...]η [...] ἡ κάϑαρσις, δ [...] ὕδατός τε ϕημὶ, καὶ πν [...]ματος, τ [...] μὲυ
Θεωρητῶς τε καὶ σωματικῶς λαμϐανομὲ [...]ου, τ [...] δὲ [...]σωμάτως, καὶ [...]ϑεωράτως
συντρέχοντος, καὶ τ [...] μὲν τυπικ [...] δὲ [...]ληϑιν [...], καὶ τὰ βάϑη καϑαίροντος.
Gleichwie der Menſch/ wil er ſagen/ auß eim ſichtbarn Leib und unſichtba-
ren Seel beſtehet; Alſo die Tauffe beſtehet auß dem ſichtbaren Waſſer/
und unſichtbaren H. Geiſt. Lutherus Tom. 6. Jen. p. 302. f. 2. erklaͤ-
rets mit einem gluͤenden Eiſen: Gleich wie/ ſchreibt er/ als wann du
ein Eiſen angreiffeſt/ das in der Eſſen ligt und glůet/ da greif-
feſtu nicht ſchlecht Eiſen/ ſondern Feuer an/ das da brennet/
und ob du nicht Feuer/ ſondern allein Eiſen ſiheſt (wie mans
bey Tag nicht ſihet ſo gluͤen/ als bey Nacht) ſo iſt es doch nicht
Achter Theil. Q q q q qallein
[858]Die dreiſſigſte
allein Eiſen/ ſondern beyde Eiſen und Feur; Ja das Feur ſo
gar durch und durch gangen/ daß man nichts fuͤhlet noch
ſpůret/ dann eitel Feuer. Alſo ſoll man die Tauffe auch an-
ſehen/ in GOttes Namen eingeleibt/ und gantz und gar mit
demſelbigen durchgangen/ daß es gar ein Weſen iſt/ und nun
viel ein ander Ding worden/ dann ander Waſſer. Jtem/
(*) pergit
idem Luth.
ibid. conf.
etiam Po-
ſtill. pag.
47. f. 2.Gleichwie (*) ein koͤſtlicher Tranck/ ſo man einem Krancken
zurichtet/ welcher ob er wol von Waſſer gemacht/ doch ſo gar
mit koͤſtlicher Wuͤrtz und Zucker durchbeiſſet iſt/ daß darin
kein Waſſer mehr zu ſchmecken iſt: Aber hie iſt viel ein koͤſt-
licher Waſſer/ das mit GOttes Namen durchzuckert iſt/ ja
gar und gantz Goͤttlich iſt/ ob man wol nichts dann Waſſer
fuͤr Augen ſihet. Summa/ man ſolle das Sacrament der Tauffe
anſehen/ als eitel Blut des Sohns GOttes/ und eitel Feuer deß H. Gei-
ſtes/ darin der Sohn durch ſein Blut heiliget/ der H. Geiſt durch ſein
Feur badet/ und der Vater durch ſein Liecht und Glantz lebendig machet.
Kan aber auch wol verglichen werden mit der Geheimnußreichen Verein-
barung/ ſo im H. Abendmal geſchicht zwiſchen Brod und Wein/ und dem
Leib und Blut Chriſti: Dann gleichwie St. Paulus hievon 1. Cor. 10/16.
ſagt: Das Brod das wir brechen/ iſt das nicht die Gemeinſchafft deß Lei-
bes Chriſti? Der geſegnete Kelch/ welchen wir ſegnen/ iſt der nicht die
Gemeinſchafft deß Bluts Chriſti? Alſo moͤgen wir auch recht und wol
ſagen: Jſt nicht das Waſſer/ das wir außgieſſen in der heiligen Tauff/
und den Taͤuffling damit beſprengen/ eine wahre aber Geheimnuͤßreiche
Gemeinſchafft des Heil. Geiſtes? Welcher Sacramentlicher Weiß mit
dem Waſſer vereinbaret/ wie das Feuer mit einem gluͤenden Eiſen.
IV. Aqua ſymbolico-organica \& ſigillaris. Ein nicht nur
bloß bedeutendes/ ſondern zugleich wuͤrcklich bezeichnendes und ver-
ſieglendes Krafft-Waſſer/ ein Schatzreiches Kernhafftes Mittel/
Zeichen und Jnſtrument/ in/ durch und mit welchem die Gab ſelbſt [...]ν
κοινωνίᾳ mitgetheilt und empfangen wird/ nach Art der Sacramenten ins
gemein/ die keine bloſe leere Huͤlſen und Kernloſe Schalen ſind/ ſondern
was ſie bedeuten und verſiegeln das bringen ſie auch mit ſich. Das
Tauff-Waſſer iſt ein ſolch Waſſer/ ſo da bedeutet eine analogiam oder
Gleichheit der Qualitaͤten und Wuͤrckungen/ aber auch zugleich dieſelbe
wuͤrcket und verſiegelt. Es bezeichnet (1.) Gott den Herrn ſelbſt/
Er wird aber auch zugleich in und mit dem Waſſer geſchencket/ als der/ der
ſich zum Vater gegeben hat; Chriſtus iſt die Gabe/ ſo uns geſchencket wird
( [...]ωρεὰ
[859]Predigt.
( [...]ωρεὰ Joh. 4/10.) Ein Sohn iſt uns gegeben Eſai 9/6. Deßglei-
chen wird der H. Geiſt eine Gabe genennet/ welche die jenige empfangen/
ſo da getaufft werden/ Act. 2/38. Thut Buſſe/ ſagt Petrus/ und laſſe
ſich ein jeglicher tauffen auff den Nahmen JEſu Chriſti/ zur
Vergebung der Suͤnden/ ſo werdet ihr empfahen die GAB
des H. Geiſtes. Es iſt keine von denen vernuͤnfftigen Creaturen/ die
ſo gar hell und klar Gottes Weſen/ Natur und Tugenden/ Majeſtaͤt und
Herꝛligkeit/ ſonderlich die Drey-Einigkeit exprimirt und abbildet/ als
eben das Waſſer/ wie zu ſehen Apoc. 22/1. da gedacht wird eines lautern
Stroms deß lebendigen Waſſers/ klar wie ein Cryſtall/ der
da außgehet von dem Stul GOttes/ und deß Lambs. Die
Quell ſolches Stroms iſt GOtt der Vater; Der Mund und gleichſam
der Roͤhr-Brunnen iſt der Sohn GOttes; das helle Cryſtalline Waſſer
aber/ ſo darauß herfleuſt und entſpringt/ iſt GOtt der H. Geiſt; Dieſer
Außfluß geſchicht ἀχρόνως, ἀῤῥ [...]ϛως, ἀπαθῶς, ἀκαταλήπτως, das iſt: Er iſt
ewig/ unaußſprechlich/ unbegreifflich/ wie Damaſcenus (δ) redet. Be-(δ) L. 1. O.
F. cap. 9.
deutet alſo das Tauff-Waſſer Symboliſcher Weiſe den H. Geiſt ſelbſten/
was nun daſſelbe bedeutet/ das beſchert es auch: Der Taͤuffling wird da-
her gebracht/ als eine ungoͤttliche Creatur/ ohne GOtt/ ohne Furcht Got-
tes/ wird aber hierdurch theilhafftig der Goͤttlichen Natur/ κοινωνὸς ϑεῖας
ϕύσεως: das Kind wird in Gottes Schoß auffgenommen/ Chriſto als
dem edlen Oelbaum und Weinſtock eingepfropffet/ iſt die allerholdſeligſte
geheimſte Vereinbarung und ehliche union, das iſts/ was wir glauben im
Catechiſmo/ Alle Glaubige ſind Chriſto dem HErꝛn/ als Glie-
der zu einem Leib in der H. Tauff EJNGELEJBET/
maſſen auch unſere allhieſige Kirchen-Agend bey dem Tauff-Act dieſes
wolbedenckliche Wort gebraucht. (ε)
Es wird ferner (2.) durch das Tauff-Waſſer bezeichnet und ange-
deutet die Lebendigmachung und Wider geburt deß Taͤufflings:
zugleicher Weiſe wie der Geiſt GOttes in der erſten Schoͤpffung uͤber den
Waſſern geſchwebt Gen. 1/2. das iſt/ (nach Baſilii Außlegung) wie er das
noch unaußgebruͤtete lebloſe Ey/ nemlich das ungeheur/ unordentliche/
ungeſtalte Chaos, Himmels und der Erden/ als dieſelbe noch unter den
Waſſern/ ohne Form/ ornat, Ordnung und Unterſcheid/ ohnmaͤchtig/
lebloß/ als ein oͤder und wuͤſter Klumpen da gelegen/ gleichſam außge-Eph. 2.
hecket/ lebend und webend gemacht; Alſo empfangt auch der von Natur
geiſtlich todte Menſch in der Tauff neue Lebens-Krafft/ drum heiſt es ein
Bad der Erneurung des H. Geiſtes Tit. 3/5. und wird alſo wider-
Q q q q q 2geboh-
[860]Die dreiſſigſte
gebohren und hervor gebracht als eine friſche lebendige Geburt und Ge-
ſchoͤpff GOttes.
Nicht weniger (3.) wird auch Symboliſcher Weiſe dadurch bezeich-
net ablutio die Abwaſchung und Reinigung/ ja auch zugleich con-
ferirt, außgerichtet und gewuͤrcket: Nicht aber allein das Abthun (oder
Abwaſchen) deß Unflats am Fleiſch 1. Pet. 3/21. ſondern vornemlich
die Reinigung der Seelen und deß Gewiſſens. Es heißt allhie/ procul
hinc, procul ite profani, ſchaͤndliche Schwein und Hunde gehoͤren nicht
in die Kirch/ Fleiſch kan Gottes Reich nicht ererben: Nun kom̃t der
Taͤuffling daher als ein Kind deß Zorns/ ein Außwuͤrffling/ voller Auſſatz/
ſoll er in Gottes Tempel eingelaſſen werden/ muß er zuvor gewaſchen/ po-
lirt/ geleckt und luſtirt werden. Jſt ſchoͤn abgebildet im Alten Teſta-
ment/ durch das eherne Handfaß/ welches der Herr dem Moſi zu
machen befohlen Exod. 30/19. ſqq. daß Aaron und ſeine Soͤhne ih-
re Haͤnde und Fuͤſſe darauß waſchen/ wann ſie in die Huͤtten
des Stiffts/ oder zum Altar gehen/ zu dienen dem HErꝛn.
Deßgleichen ſoll eine Braut/ die erſt vom Ruß/ von der Kuͤchen/ vom
Miſt wuͤſt und unflaͤtig/ daher kom̃t/ von ihrem Braͤutigam angenom-
men und geliebt werden/ ſo muß ſie ſich putzen/ waſchen/ baden; Alſo der
Taͤuffling/ der iſt garſtig/ ſchaͤbig/ ſcheutzlich und unflaͤtig/ in welchem die
Wurtzel aller Greuel und Suͤnde verborgen liegt/ ſo ſcheutzlich als fuͤr un-
ſern Augen iſt das Spectacul eines Kinds/ das noch in ſecundinis ligt/
occiſo magis quàm nato ſimilis, welchs niemand anruͤhren/ weniger
umfahen und kuͤſſen mag; Nun noch ſcheutzlicher iſt fuͤr Gottes/ aller hei-
ligen Engel/ und den Glaubens-Augen ein Kind/ das zur heiligen Tauff
gebracht wird; Soll es aber fuͤr Gottes Angeſicht kommen und beliebt
werden/ ſo muß es der Braͤutigam ſelbſt waſchen und reinigen Eph. 5/26.
Wo aber? Hîc! Hie ſeynd die heilſamen thermæ, darin der Erbgrind/
die Erb-Seuch auffs wenigſt ihren reat und Unflaͤtigkeit/ ungeheure
Scheutzlichkeit/ Wuſt und Wut der Suͤnden verliert/ Zacharias 13/1.
nennets einen frey offenen Brunn wider die Suͤnd und Unge-
rechtigkeit/ alſo predigte Johannes von der Tauffe der Buß zur Ver-
gebung der Suͤnden Marc. 1/4. Luc. 3/3. Darum St. Petrus den Juden
dieſen Rath fuͤrgeſchlagen: Thut Buſſe und laſſe ſich ein jegli-
cher tauffen auff den Nahmen JEſu Chriſti/ zur Vergebung
der Suͤnde/ Act. 2/38. Exempla haben wir an Paulo/ deſſen moͤrderiſche
Haͤnde voll Maͤrtyrer-Blut geweſen/ zu deme ſagt Ananias: Was ver-
zeuchſtu? Stehe auff und laſſe dich tauffen/ und abwaſchen
deine
[861]Predigt.
deine Suͤnde/ Act. 22/16. an den Corinthiern/ unter welchen er Pau-
lus einen gantzen Catalogum erzehlt der Henckermaͤſſigen Geſellen/ de-
nen er das Leben abgekuͤndet 1. Cor. 6/9. ſqq. Weder die Hurer/ noch
die Abgoͤttiſchen/ noch die Ehebrecher/ noch die Weichlin-
gen/ noch die Knabenſchaͤnder/ noch die Diebe/ noch die
Geitzigen/ noch die Trunckenbold/ noch die Laͤſterer/ noch
Raͤuber (eitel ſaubere Burſt!) werden das Reich Gottes ererben:
und ſolche/ ſagt er/ ſind euer etliche geweſen. Aber (ô ſtupenda
myſteria! in welche die Engel geluſtet zu ſchauen) ihr ſeyd abgewa-
ſchen/ ihr ſeyd geheiliget/ ihr ſeyd gerecht worden durch den
Nahmen des HErꝛn JEſu/ und durch den Geiſt unſers
GOttes.
Wie wahr M. L. hat David geſungen und geſagt? Groß ſind
die Werck deß HErꝛn/ was Er ordnet/ das iſt loͤblich und herꝛ-
lich/ Er hat ein Gedaͤchtnuß geſtifftet ſeiner Wunder/ der
gnaͤdige und barmhertzige HErꝛ/ Pſal. 111/2. ſqq. Welches er frey-
lich und ſonderlich von den heiligen Sacramenten/ und nahmentlich auch
der Gnadenfluth der H. Tauff verſtehet: Er ſagt aber/ dem ſeyen ſie loͤb-
lich/ lieblich/ luſtig und anmuthig/ der ihrer achtet/ wer ihr achtet/ der
hat eitel Luſt daran. Jn der H. Sprach ſteht das emphatiſche Wort/
[...], quæſita, ſo fern man ſie recht forſchet/ wer ein rechter Dorèſch
Forſcher iſt/ das iſt/ der mit ſolchem Eifer/ Fleiß/ Nachſinnen und Nach-
dencken/ mit welchem irgend in der Policey/ in einem und andern Fall zur
Erkundigung der Sach/ man durch alle Umſtaͤnd genaue/ ſcharffe/ gruͤnd-
liche inquiſition an ſtellt/ und articulatè außſpaͤhet Gen. 42/22. Eſdr. 10/
17. Daß der groͤſte Welthauff keine Luſt und Anmuth zur Erkantnuͤß ſol-
cher heilwerthen/ ja ſeligmachenden Geheimnuͤſſen traͤgt/ iſt ſich nicht zu
verwundern/ ſie achtens nicht/ die ſchnoͤde ignavia und Traͤgheit ligt im
Weg/ man mag dem lieben GOtt nicht ſo viel Ehr anthun/ daß man recht
forſche/ Muthwillens wollen ſie es nicht wiſſen/ Zeit und Weil iſt ihnen zu
lang. O der Faulen! Der Sau ſoll man nicht auff der Harpfen ſchla-
gen/ ſie iſts nicht werth/ ſie fragt nur nach den Welt-Eichlen; Man denckt
es ſind myſteria Geheimnuͤſſe. E. ignorabilia, darum muß man fie nicht
wiſſen noch lernen. Umgekehrt! der Fuͤrhang zum Allerheiligſten iſt lan-
ge zerriſſen/ und ſteht der Weg offen zum Gnadenſtul und andern Geheim-
nuͤſſen des Glaubens. Ja wann nicht noch die Phariſeiſche Verachtung
darzu kaͤme. Die Phariſeer fuͤhren den Reihen unter ſolchen empæctis,
die den Rath Gottes wider ſich ſelbſt verachteten Luc. 7/30. ihre
Q q q q q 3ſelbſt-
[862]Die dreiſſigſte
ſelbſt-erwaͤhlte Tauffen und Haͤndewaſchen ſind ihnen viel hoͤher und lie-
ber geweſt/ als Goͤttliche Stifftung. Denen gefolgt der Paͤbſtiſche Jrꝛ-
geiſt/ dem das Heiligthum der Tauffe nicht gut genug/ ſie muͤſſens mit ih-
ren ſelbſt-erwehlten Ceremonien/ Saltz und Geiffer verbeſſern/ und das
obberuͤhrte Weyhwaſſer der H. Tauff zufuͤgen. Und ſolten auch wol un-
ter uns ſeyn/ die ſich ohne Noth in Paͤbſtiſche Kirchen und Goͤtzen-Haͤuſer
dringen/ es gering achten/ wann ſie vom Weyhwaſſer beſprengt werden/
oder ſelbſt nehmen/ und alſo das Joch ziehen mit den Unglaubigen: Va-
Theodor.
hiſt. Eccl.
L. 3. c. 15.lentinianus ſolte wol in ihrem weltlichen Hirn fuͤr einen Sim pliciſten und
einfaͤltigen Tropffen gehalten werden/ der gar zu gewiſſenhafft ſeyn wol-
len und des heidniſchen Weyhwaſſers ſo gar nicht geacht/ daß er auch/ da
er einsmals von einem Meßner oder Gloͤckner damit beſprenget worden/
demſelben eine Maulſchellen gegeben/ weßwegen er vom Kayſer Juliano
Apoſt. auff ein Caſtel in der Wuͤſten relegirt worden. Wie hat ihm
aber Gott ſeinen Eifer belohnt? μιοϑὸν ὁμολογίας βασιλείαν ἐδέξα [...], er
hat dafuͤr die Kayſerliche Kron erlangt.
Es gehoͤren unter ſolche Veraͤchter alle fanatici Fladergeiſter und
Schwaͤrmer/ Schwenckfelder und Widertaͤuffer/ die in ihrer Geiſterey
dergeſtalt verduͤſtert/ daß ſie die Waſſertauff auff das ſchaͤndlichſte außhol-
hippen/ ein Saubad/ ein Hundsbad/ ein Ceremoni des Antichriſts nennen/
conf. Luth.
Tom. 4.
Jen. p. 420.die Taͤuffer falſche und Buͤbiſche Baderknecht heiſſen/ mit denen Lutherus
viel zu thun gehabt. Hoch ſich ſchuͤrtzen und weit hinauß lauffen muͤſſen
Zvvinglii, Calvini, Bezæ Diſcipuli und anhangende Schuͤler/ ſo lang
und viel ſie derſelben Lehre nicht abſagen/ und den Wolff im Schaf-Peltz
fliehen/ wann ſie die neceſſitaͤt/ Krafft und Tugend deß Tauffwaſſers ele-
viren/ vernichten/ und dieſelbe vom Wort und Geiſt trennen. Bezæ
conſilium das er gegeben/ es ſeye im Nothfall/ wann kein Waſſer vorhan-
den/ wol erlaubet/ daß man ein andere flieſſende Materi gebrauche/ es ſey
(*) Anat.
part. 4. cap.
12. p. 129.
conf. Ho-
dom. Calv.
pag. 3204.gleich was es wolle/ unterſteht Maſſonius (*) zu behaupten/ iſt aber wider
den hellen Buchſtaben Joh. 3/5. Es ſeye dann daß jemand geboh-
ren werde auß dem Waſſer und Geiſt/ ſo kan er nicht in das
Reich GOttes kom̃en/ ob ſie wol dieſen Spruch Chriſti per κυ [...]εῖαν
faͤlſchlich gloſſiren/ ſonderlich Piſcator ſagt/ es ſey vom geiſtlichen Waſſer
zu verſtehen/ es werde hie nicht vom Tauff-Waſſer geredet: So iſts doch
wider den ſcopum Zweck und intention deß HERRNCHRJSTJ/
(*) ἓν διὰ
δυοῖν. conf.
Myſterioſ.
p. 348.keine erdichtete Figur (*) und verbluͤmte Rede hat hie Platz. Beyneben
auch auff gut Schwaͤrmeriſch dem Tauff-Waſſer ne tantillum gar keine
Krafft und Wuͤrckung zuſchreiben/ ſondern rund abſagen: Jſt das aͤuſ-
ſerliche
[863]Predigt.
ſerliche Waſſerbad die Abwaſchung der Suͤnden? Fragt der
Pfaͤltziſche Catechiſmus in der 73. Frage/ und antwortet kurtz/ Nein.
(*) Dieſen allen und ihres gleichen danckt David ab mit einem heßlichen
Namen/ er nennet ſie Narren Pſalm 92/7. Ein Thoͤrichter/ ſagt er/
glaubets nicht/ und ein Narꝛ achtet ſolches nicht: Was wird
dann der ſeyn/ der es verachtet? Sie die Vernunffts-Weiſe wollen Gott
in ihrer Klugheit zum Narren machen/ ſo macht Er ſie wieder zu Narren/
ſagt Lutherus Tom. 6. Jen. p. 296. 301.
Aber contrà der ihr recht achtet/ der hat und ſoll eitel Luſt daran ha-
ben/ das iſt/ der diß Kleinod recht hoch und theur æſtimirt/ mit einem Aug
das precium den Kern/ der darunter verborgen/ recht in acht nim̃t/ und
nicht trennet von der Schal/ als ein Goͤttlich/ himmliſch und heiliges
Waſſer. (*) Mit dem andern Aug an ſich ſelbſt beſchauet den ſchaͤnd-
nchen Greuel und Unluſt der angebornen Erbſeuch/ die ſo tieff einge-
wurtzelt/ und alſo verſtehen lernet/ was es ſeye/ wann wir ſingen:
Durch Adams Fall iſt gantz verderbtMenſchlich Natur und Weſen ꝛc.
Darum iſts eine ſchreckliche greuliche Blindheit und teuff eliſche Vermeſſen-
heit/ wann ſich ein Menſch unterſtehet (wie alle Werckheiligen und Henchler
thun/ durch ſeine Werck ꝛc. Suͤnde buͤſſen/ Gottes Gnade erwerben. Es iſt eine
lauſige Hoffart/ wann ein Juriſt/ Weltweiſer Moͤnch oder Nonn ſich alſo ruͤhmen
wolten/ es gemahnet mich ſolches gleich als wann ein armer Bettler/ der voller
Laͤuſe/ voller Frantzoſen/ Auſſatz/ und voller Vnflats waͤre/ gar uͤbel ſtuͤncke/ und
waͤre voller Maden und Wuͤrme an ſeinem gantzen Leibe/ wolte aber gleichwol
ſtoltz und hoffaͤrtig ſeyn/ ruͤhmen und ſagen: Ey ich bin ein feiner Kerl. Was
biſtu dann? Ey ich hab einen Kopff/ fuͤnff Finger/ zween Fuͤſſe/ Jtem/ ſoll ich
nicht froͤlich und hoffaͤrtig ſeyn? Jch hab einen ſchoͤnen/ reinen/ geſunden Leib. Ja
du biſt ein feiner Vnflat/ voller Geſchwere/ voll Eyter/ und voller Frantzoſen/
daß fuͤr Geſtanck Wunder iſt/ daß dich irgend ein Menſch dulden kan/ und daß
noch Leute ſeyn die dein warten/ das thun ſie nicht um deiner Schoͤnheit willen/
ſondern daß ſie fromm ſind und mit dir Gedult und Mitleiden haben/ dir Barm-
hertzigkeit erzeigen/ daß du nicht in deinem Geſtanck und Vnflat verderbeſt/ und
dich nicht deine Laͤuſe/ Wuͤrm und Maden freſſen. Wolte er aber ſich ruͤhmen/ ſo
ſage er alſo: Jch elender/ auſſaͤtziger Menſch oder voller Frantzoſen/ ruͤhme mich
deß/ daß mir die Gnad und Wolthat widerfaͤhret/ daß man mich im Spittal lei-
det/ mir Lager/ Eſſen und Trincken giebet/ und meiner wartet/ deß dancke ich from-
men Leuten/ die mich in meinem Vnflat nicht verderben/ noch mich die Wuͤrme
freſſen laſſen; derer Allmoſen/ Wolthat und Huͤlffe mag ich mich wol ruͤhmen/
ſonſt meinethalben habe ich gantz nichts zu ruͤhmen/ dann daß mir unwuͤrdigen/
elenden Menſchen fromme Leute alles gutes thun. Alſo duͤrffen wir nicht viel
ruͤhmens noch pochens fuͤrgeben/ wann wir fuͤr GOtt tretten wolten/ wann wir
gleich in den hoͤchſten und beſten Staͤnden leben auff Erden/ und wollen uns gleich
viel ruͤhmen/ ſo ſeynd wir doch fuͤr GOtt anders nichts/ dann Maden-Saͤcke/
Treck-Saͤcke/ voller Laͤuſe/ Maden/ Geſtancks/ und Vuflats/ daher ſpricht St.
Paulus/ Sie ſind allzumal Suͤnder/ und alle Welt iſt fuͤr GOtt ſchuldig/ und
Eſaias cap. 64. Wir ſind alleſampt wie die Vnreinen/ und alle unſere Gerechtig-
keit iſt wie ein unflaͤtig Kleid/ daß uns unſer lieber GOtt (unangeſehen unſere
Gebrechen) noch Gnade erzeiget/ und bißher bey dem Leben erhalten/ der doch gut
Recht und Vrſach haͤtte/ alle Stunde in Abgrund der Hoͤllen zu ſtoſſen/ und uns
arme Maden-Saͤcke in der Welt und in dieſem Jammerthal duldet/ ſo unſer al-
ler Spittal und Siech-Hauß iſt/ die wir allzumal fuͤr GOtt Frantzoͤſiſch und auſ-
ſaͤtzig ſind/ das haben wir ſeiner Gnade und Barmhertzigkeit zu dancken/ nicht
unſern guten Wercken. Sind dieſelbe gut/ ſo ſind ſie allein gut daher/ daß der
liebe GOtt durch die Finger ſihet/ und Gedult mit uns traͤget/ dann ſo er wolte
Suͤnde zurechnen/ wer wolte fuͤr ihm beſtehen? Darum wiſſen wir uns nichts
zu ruͤhmen/ dann ſeiner Gnad und Barmhertzigkeit/ die uns Chriſtus auß ſeiner
Fuͤlle mittheilet/ die unaußſchoͤpfflich iſt. Derhalben iſt es wol zu wundern/ daß
wir ſtoltz ſind/ ruͤhmen/ pochen und trotzen auff unſere Schoͤne/ Reichthum/ Adel/
Gewalt/ Kunſt/ Weißheit/ erbaren Wandel/ gute Werck/ Orden/ Verdienſt/ ꝛc. dañ
es iſt fuͤr GOtt eitel Zorn und Vngnade/ Falſch/ Vnflat und Dreck/ da iſt keine
Gnad und Warheit/ Philipp. am andern Capitel/ und zwar wann wir nicht mit
ſehenden Augen blind waͤren/ ſolten wir ja ſehen/ daß uns GOtt gnug gedemuͤ-
thiget/
[865]Predigt.
thiget/ ſo mancherley Plage/ Kranckheiten/ und endlich den Tod zur Straffe der
Suͤnden aufgelegt/ alſo/ daß wir keines Augenblicks unſers Lebens ſicher ſind/
und wo wir Chriſtum zum HErꝛn und Heyland nicht haben/ ewig verlohren und
verdammt ſeyn muͤſten. Wollen wir uns aber ruͤhmen/ ſo moͤgen wir uns deß
ruͤhmen/ daß wir von des HErꝛn Chriſti Fuͤlle nehmen/ durch ihn erleuchtet
werden/ Vergebung der Suͤnden erlangen/ Gottes Kinder werden. Dann das
iſt die Summa davon/ wer da wil fuͤr des Teufels Gewalt erhalten werden/
der Suͤnde und Tod entrinnen/ der muß aus dieſem Brunn Chriſto ſchoͤpffen/
da ſoll alles Heyl und Seligkeit herflieſſen/ dieſer Brunn iſt unausſchoͤpfflich/ er
iſt voller Gnade und Warheit fuͤr GOtt/ er verleuret nichts davon/ wir ſchoͤpf-
fen ſo viel wir wollen/ ob wir ſchon allzumal ohn Vnterlaß aus dieſem Brunn
ſchoͤpffen/ ſo kan er doch nicht ausgeſchoͤpfft werden. Sondern bleibt ein unend-
liche Quelle aller Gnad und Warheit/ ein Brunn ohne Grund und ewiger
Quelle// je mehr man davon ſchoͤpfft/ je reichlicher er gibt/ ſolch Waſſer/ das
biß ins ewige Leben ſpringet.
Deßgleichen ſollen ihre Luſt an dieſem Geheimnuͤß haben/ die es im
Glauben ergreiffen; Das Sacrament iſt zwar ein Sacrament ohn un-
ſern Glauben; ſoll es aber kraͤfftig ſeyn in uns/ ſo gehoͤrt der Glaube dazu.
Beyneben haben ſich die jenige/ welche einmal gewaſchen/ vor dem rece-
divat ſich fleiſſig zu huͤten/ nicht wie die Sau nach der Schwemme ſich
wiederumb in Koth weltzen/ nicht vergeſſen der erſten Reinigung/ 2. Pet. 1.
9. Sondern die Fuͤſſe waſchen/ dann wer gewaſchen iſt/ der darff
nicht dann die Fuͤſſe waſchen/ ſondern iſt gantz rein/ ſagt Chri-
ſtus unſer HErꝛ Joh. 13/10. Hi deliciantur, die ſollen Luſt haben/ weit
uͤber alle warme Baͤder/ deren gedacht wird Joſ. 11/8. uͤber alle Thau-Baͤ-
der/ Baronius (*) gedenckt einer Hertzogin zu Venedig/ die ſo zart und de-(*) ad An.
998. n. 20.
licat geweſen/ daß ſie ſich oder ihre Haͤnde niemal in gemeinem Waſſer ge-
waſchen noch gebadet/ ſondern es muſten ihre Knechte den Thau des Him-
mels aufheben und ſammlen/ und darin pflegte ſie ſich zu baden. Weit de-
licater iſt das heilſame Waſſerbad der H. Tauff da flieſſen hervor fontes
deliciarum \& ſolatiorum, Luſt- und Troſt-Quellen/ Luſt uͤber alle Luſt/
uͤber alle Tuͤrcken-Baͤder/ vid. Salom. Schweiger l. 2. Tuͤrck. Reißbeſchr.
c. 2. eitel Luſt/ aber nicht eiteler Luſt. Luſt noch in dieſem Leben/ aus der Ver-
einbarung mit GOtt. Deß ſollt ihr billig froͤlich ſeyn/ daß GOtt mit euchLuth. tom.
2. Isleb.
p. 269. Jch
trage ein
heiligthum
bey mir/
das macht
mich auch
heilig umb
des Bades
willen.
iſt worden ein/ ſo genau vereinigt/ daß wo den Glaubigen etwas wieder-
faͤhrt/ der HErꝛ ihm ſelbſt zueignet/ ſagend: Saul/ was verfolgſt du
mich? Luſt/ in Anſchauung des ſchoͤnen bunten Rocks mit Chriſti Blut
beſprenget/ der in der Heil. Tauff angezogen worden/ dabey wir uns/ wie
Joſeph/ der vaͤterlichen Huld und Liebe Gottes zu erinnern; Troſt und Luſt
aus der edlen Kind- und Erbſchafft Gottes/ dann ſind wir Kinder/ ſo
Achter Theil. R r r r rſind
[866]Die ein und dreyſſigſte
ſind wir auch Erben; Luſt aus der Abwaſchung der Suͤn-
den. Eine Braut/ wann ſie aus dem Bade kommt mit glat-
tem Spiegel/ ſo prangt ſie wegen ihrer Schoͤnheit; Alſo hat
ſich freylich eine glaubige Seel zu freuen uͤber der Reinigkeit/ ſo ſie in
und durch dieſes geiſtliche Seelen-Bad empfangen: vielmehr aber/ ja am
meiſten/ Freud/ Troſt und Luſt ex delicio reciproco, aus der Gegen-Luſt
und Gegen-Freud/ ſo ihr himmliſcher Braͤutigam an ihr hat und zu ihr
traͤgt/ du ſolt/ meine Luſt an ihr/ und mein lieber Bule heiſſen/
ſagt er Eſa. 62/4. Er verſpricht und gibt ſeiner Braut/ die er ſo hoch gelie-
bet/ daß er ſie gereiniget/ expolirt/ geſchmuͤckt und geziert/ auff daß ſie ihme
gefallen moͤge nach dem Bad/ die er immer im Schoß hat/ immer kuͤſſet
und ihrer pfleget/ einen ſolchen Namen/ woraus man verſtehen mag/ wie
hoch er ſie ehret und liebet/ nennet ſie/ Chebh Zi-ba,meine Luſt an
ihr; Wie ſich ein Braͤutigam freuet uͤber ſeiner Braut/ ſo
wird ſich dein GOtt uͤber dir freuen/ GOtt gebe uͤber uns alle.
AMEN!
GEliebte in Chriſto. Nun gibſt du/ O GOtt/ ei-
nen gnaͤdigen Regen/ ſpricht der Koͤnigliche Pro-
phet David Pſalm 68/10. in dem jenigen froͤlichen
Triumph-Lied/ welches er ſeinem kuͤnfftigen Sohn
dem Meſſiaͤ auf deſſen ſiegreiche Himmelfahrt zu Eh-
ren gedichtet/ geſungen und geſpielet. Nun gibſt
du/ O GOTT/ einen gnaͤdigen Regen! Dann wie ge-
meiniglich/ nach der Natur Lauff/ wann es außgewittert/ außgewuͤtet
und außgedonnert/ die Strahlen vergangen/ und Blitzen verſchwunden;
ſo ergieſſen ſich die Wolcken in einen ſanfften/ heilſamen/ fruchtbaren Re-
gen/ davon die lechzende und duͤrre Erde getraͤncket/ Laub und Graß erqui
cket/
[867]Predigt.
cket/ die Saat zur reiffen Erndt befoͤrdert/ das welcke erfriſcht/ das todte
wiederumb wird lebendig gemacht: Alſo auch Nun/ nachdem das Sinai-
ſche Geſetz mit groſſer erſchroͤcklicher Majeſtaͤt/ Eifer und Ernſt gleichſam
außgedonnert/ davon die Erde gebebet/ die Himmel getroffen/ das Lachen
worden theuer/ die gantze Creatur gezittert/ ſo gibſt du/ O GOtt/ du
groſſer allmaͤchtiger Schluͤſſel-HErꝛ/ der den Schluͤſſel zum Regen hat/
als ein Vater des Regens/ du thuſt auf deinen guten Schatz
vom Himmel/ Deut. 28/12. gibſt du/Taniph, du orterſt denſelben/
hebeſt und webeſt denſelben in alle vier Orth der Welt/ wie es Lutherus er-
klaͤret T. 3. Witt. p. 14.(a)einen Regen/geſchem nedabhoth, plu-
viam beneficentiarum, einen recht guͤldenen/ mildreichen/ geſegneten
Regen/ davon dein Erb/ das duͤrꝛ iſt/ erquicket/ davon lechzende
Hertzen und duͤrre verſchmachtete Seelen erlabet/ und reichlich getroͤſtet
werden. Nicht einen grimmigen/ zornigen/ ſchneeweiſſen Hagel-
Regen/ mit welchem du deinen Zorn über Egypten ausgegoſſen; nicht
R r r r r 2einen
[868]Die ein und dreyſſigſte
einen gelben Schwefel- und Feuer-Regen/ dadurch Sodom und
Gomorrha eingeaͤſchert und umbgekehret worden; nicht einen rothen
Blut-Regen/ welchen die verfluchte Juden bey Chriſti Paſſion ihnen
und ihren Kindern über den Kopff und Hals angefluchet/ und mercklich
empfunden in dem Blut-Bad zu Jeruſalem in der letzten Belaͤgerung/ da
ſie in ihrem eigenen Blut bey viel tauſend erſoffen und erſtickt; Auch nicht
einen ſchwartzen Waſſer-Regen der alten Suͤndfluth/ welche den gan-
tzen Erdboden uͤberſchwemmet; Sondern einen gnaͤdigen Regen/
und zwar nicht allein den rothen Blut-Regen/ in welchem Chriſtus im
Garten am Oel-Berg ſich ſelbſt getaufft/ und hernach Waſſer und Blut
aus der eroͤffneten Seiten in die Sacramenta flieſſen laſſen; Nicht al-
lein den gelben Feuer-Regen der jenigen Feuer-Tauff/ damit in der er-
ſten Pfingſten des neuen Teſtaments die Juͤnger des HErꝛn beruͤhrt und
geziert/ und die concipirten Flammen laſſen in allerhand χαρίσματα auß-
ſchlagen; auch nicht allein den Silber-weiſſen Thau-Regen des H. Ev-
angelii/ aus welchem Chriſto Kinder gezeuget worden/ mehr als Thau-
Tropfen aus der Morgenroͤth; Sondern fuͤrnemlich der ſchwartze Tauff-
Regen. Jſt eben der holdſelige/ anmuthige Gnaden-Regen/ und gut
Wetter/ darauff auch David deutet im 29. Pſalmen/ nachdem er auch
die Majeſtaͤtiſche Donner-Stimm des Geſetzes intimirt und heraus ge-
ſtrichen/ des HErꝛn/ der da donnert im Himmel/ deſſen Stimm herꝛlich
und praͤchtig daher gehet/ die hohen Cedern gebrochen/ die Wuͤſten/ die Waͤl-
de in der Wuͤſten/ die Hirſch/ Hindin/ und anderes Wild in den Waͤlden
erreget und entbloͤſet/ die umb ſich hauet wie Feuer-Flammen; So kommt
er wieder auffs Evangelium/ bildet daſſelbe ab in der Figur eines ſanfften
und ſafftigen/ fruchtbaren Regens/ und verſtehet dadurch fuͤrnehmlich den
gnaͤdigen Tauff-Regen/ die Gnaden-Fluth und heilwerthe Seelen-Bad
der Wiedergeburt und Erneuerung/ deſſen Natur/ Tugend/ Krafft und
Eigenſchafft umſtaͤndlich und außfuͤhrlich zu erkennen uns Chriſten
billig ſo hoch und viel hoͤher ſoll angelegen ſeyn/ als irgend die thermæ oder
leiblichen Baͤder zur leiblichen Cur angeſehen. Thun wir denſelben ſo viel
Ehr an/ daß man gantze Buͤcher davon laͤßt in Druck außgehen/ welche
der/ der ihr bedürfftig/ ſich nicht laͤßt verdrieſſen zu leſen/ ſo wollen wir uns
auch nicht verdrieſſen laſſen/ etwas tieffer in beſagtes Seelenbad hin ein zu
ſchauen. Und weil wiꝛ neulich den Adel und Urſprung deſſelben/ die condi-
tion des Taͤufflings/ die materiã, aquam vitæ, das Waſſer/ daraus dieſes
Sacrament beſtehet/ betrachtet/ ſo folget anjetzo actus formalis, die Bapti-
ſatio die Taͤuffung/ die Tauff-Handlung/ die weſentliche Sacra-
ment-
[735]Predigt.
mentliche Ceremonia/ laut der Stifftung und Einſetzung/ welche zu ce-
lebriren und feyrlich zu halten befohlen. Hievon fruchtbarlich zu han-
deln/ wolle uns der allerhoͤchſte GOtt/ Liecht/ Gnad und Segen von oben
herab allergnaͤdigſt verleihen. Amen!
GLeichwie nun bey der alten Suͤndfluth/ da alle lebendige See-
len/ auſſer der Arch/ verſuncken und untergangen/ Noah aber
und die Seinigen in der Arch in einem Aſylo und geiſtlichen
Bad-Stub bewahret worden: auch typicè und Fuͤrbildweiſe vermittelſt
der Arch getaͤuffet worden; und daſſelb auf mancherley Weiſe/ von oben
herab ſeynd ſie von den Wolcken-Bruͤchen uͤbergoſſen und uͤberſchwem̃et/
von den Seiten her mit Fluthen beſprengt und beſpruͤtzt worden/ und off-
ters unter das Waſſer hinunter geſtoſſen/ getaucht/ geſuncken/ und wie-
derumb in die Hoͤhe elevirt worden/ Pſ. 107/26. bald abwerts in den Ab-
grund/ bald auffwerts in die Hoͤhe Himmelzu gefahren/ und alſo getaufft
worden: Alſo heiſſet auch allhie βάπτειν βαπτίζειν ſo viel/ als vom Waſ-
ſer beruͤhrt und benetzet werden/ ſo auf mancherley Weiſe geſchehen kan/
entweders durch Untertuncken/ oder durch Uberguß uͤber das Haupt/ o-
der durch Beſprengung und Beſpruͤtzung des Waſſers. Es heiſt zwar
principaliter βάπτειν ſo viel/ als untertuncken/ ins Waſſer ſencken/ und
wieder herauf heben. Dannenhero Lutherus in unterſchiedlichen Or-
then ſeiner Buͤcher gewuͤnſcht/ es waͤre dieſe Weiſe zu tauffen/ durch Un-
tertuncken/ in der Chriſtlichen Kirchen geblieben/ auf daß alſo das myſte-
rium und conformitaͤt/ davon St. Paulus prediget Rom. 6. deſto beſſer
koͤnte illuſtrirt und ſcheinbar gemachet werden. (b) Dieweil aber (1) das
Wort βάπτειν oder βαπτίζειν in Heil. Schrifft nicht nur tuncken und
trieffen heiſt; ſondern auch oben hin die Haͤnde begieſſen und wa-
ſchen. Marc. 7/4. Wann ſie (die Phariſaͤer) vom Marckt kom-
men/ eſſen ſie nicht/ ſie waſchen ſich dann. Luc. 11/38. Da daß der
R r r r r 3Pha-
[870]Die ein und dreyſſigſte
Phariſaͤer ſahe/ verwunderte er ſich/ daß er ſich nicht vor dem
Eſſen gewaſchen haͤtte. Beſprengen/ beſpruͤtzen/ 1. Cor. 10/2. und
ſind alle unter Moſen getaufft mit der Wolcken und mit dem
Meer. Hebr. 9/10. Allein mit Speiß und Tranck/ und man-
cherley Tauffe. Maſſen dann auch die Pfingſt-Tauffe eine Feuer-
Tauffe heiſt/ nicht als wann die Juͤnger Chriſti in das Pfingſt-Feuer waͤ-
ren hinein getunckt worden; ſondern weil ſie von dem Feuer beruͤhrt/ be-
ſprengt/ und auff ihren Haͤuptern mit feurigen Zungen gekroͤnt worden:
und weil (2) die Exempla der erſten Chriſtlichen und Apoſtoliſchen Kir-
chen bezeugen/ daß zwar bißweilen die Tauff durch Eintauchen geſchehen/
als zuforderſt die Tauf Chriſti von Johanne/ da beyde ins Waſſer hinab ge-
ſtiegen/ und wiederumb herauf gangen/ deßgleichen bey der Tauffe des
Kaͤm̃erers/ Act. 8/38. Und er hieß den Wagen halten/ und ſtiegen
hinab in das Waſſer/ beyde Philippus und der Kaͤmmerer/
und er taͤuffet ihn. Es iſt aber auch gar vermuthlich/ wann Johannes
ſo viel hundert Perſonen/ wie die Hiſtori bezeuget/ im Jordan getaufft/ er
nicht alle unter das Waſſer hinunter mit dem gantzen Leib getunckt/ ſon-
dern allein das Haupt begoſſen und angeſprengt/ dann wer kan glauben/
daß Act. 2/41. die dreytauſend Perſonen allererſt von dem Orth und
Soͤller zu einem flieſſenden Waſſer gezogen und eingetunckt worden?
Gnug war damal die aſpetſio die Beſprengung/ wie auch in dem Haus
Judaͤ zu Damaſco/ Act. 9/19. in Cornelii Haus/ im Kercker zu Philip-
pis/ da das Brunn-Waſſer das beſte thun muͤſſen. Weil 3. die erſte
Milch- und Mutter-Kirch ἀδιαϕόρως gehandelt: wir finden nicht nur bey
Tertulliano, das ter mergitamur, ſondern auch aſperginem bey Augu-
ſtino, l. de Eccl. dogm. c. 74. Baptizandus poſt confeſſionẽ vel aſper-
gitur aquâ vel intingitur \&c. Weil (4) die Geiſtliche und Sacrament-
liche Bedeutung bey einer Art zu tauffen ſo wol Platz hat/ als bey der an-
dern. Gleichwie durch die merſion Chriſti Tod/ Begraͤbnuͤß und Auffer-
ſtehen bedeutet/ der alte Menſch erſaͤufft/ cum morâ unter dem Waſſer
als begraben gehalten wird/ und wiederumb herauf ſtehet und her fuͤr
kommt ein neuer Menſch: Alſo wird durch das Begieſſen und Abwaſchen
die Abwaſchung des Wuſts und Unflaths der Suͤnden Act. 22. durch die
Beſprengung der ῥαντισμὸς ſanguinis Chriſti, die Beſprengung des
Bluts Chriſti angedeutet/ 1. Petr. 1/2. Weil (5) hie es nicht zu thun umb
die Abwaſchung der Abthun des Unflaths des Fleiſches/ umb ein leibli-
ches Bad/ 1. Petr. 3. darzu eine groͤſſere Quantitaͤt des Waſſers erfordert
wurde/ gleichwie auch bey dem Heil. Abendmahl gnug iſt die γεῦσις, der
Ge-
[871]Predigt.
Geſchmack des Brods und Weins/ tanquam cibus non ventris, ſed a-
nimæ. Weil (6) Sabbathum propter hominem, die Noth einige Aende-
rung in den Abend- und Morgenlaͤndiſchen Kirchen erfordert/ daß es
nicht thunlich/ die Menſchen/ Weiber und zarte Kinder nackend unter das
Waſſer ſencken und tauchen/ die clinici oder krancke Patienten nothwen-
dig im Bett muͤſſen getaufft werden: Alſo hat muͤſſen aus der Noth eine
Tugend gemacht werden/ nothwendig die Aenderung muͤſſen geſchehen/
als in einem adiaphoro und Mittelding/ und die merſio in ablutionem
das Eintauchen in die Beſprengung muͤſſen verwandelt werden/ da allein
das Haupt des Taͤufflings beruͤhrt/ benetzt und begoſſen wird. Und heiſt
demnach βαπτίζειν ſo viel/ als taͤuffen/ beruͤhren/ benetzen mit Waſſer/ es
geſchehe daſſelbe mergendo an aſpergendo, an abluendo? Jſt eins ſo
recht und ſchlecht/ ſo gut und guͤltig als das ander.
Sol aber dieſeꝛ actus formalis durchaus vollkom̃entlich/ ordentlich/ recht/
juſt/ guͤltig/ und Gottes Ordnung gemaͤß ſeyn: ſo wird darzu erfordert
(1) veritas Baptiſmi, daß es ein warhaffte/ eigentliche/ ernſthaffte/ der in-
tention Chriſti gemaͤſſe Handlung ſey/ ſo mit groſſer diſcretion und Ge-
warſamkeit zu verrichten. So man recht zu Hertzen fuͤhret/ von
wem der Tauff geſtifftet und eingeſetzt auch was groſſe Gut-
that uns aus Gottes Gnaden durch den Tauff angeboten
und uͤbergeben werden; So wird er ohn allen Zweiffel fuͤr
kein liederlich Kinderſpiel/ ſondern fuͤr der hoch wichtigſten/
trefflichſten Werckzeuge einen/ dardurch der H. Geiſt in uns
kraͤfftig und thaͤtig iſt/ gehalten werden. Darumb/ dem-
nach ſo viel an dem Chriſtlichen Tauff gelegen/ daß wir uns
ſein in den allergroͤſten und ſchwerſten Anfechtungen/ fůr-
nemlich von der Fuͤrſehung Gottes/ behelffen und getroͤſten
moͤgen und ſollen/ ſo iſt keine Muͤhe zu ſparen/ damit er
Chriſtlich gehalten/ außgetheilet und empfangen werde;ita
Straßburgiſche Kirchen-Ordnungpag. 141. 142. Es iſt vor die-
ſem den glaubigen Chriſten das Ungluͤck und der Spott begegnet/ daß
man ihren Chriſtlichen Tauff bey den Heydniſchen Narren- und Faſt-
nacht-Spielen der Gauckeleyen nachgeaͤffet/ und ſolche Auffzuͤg gebracht/
damit man der Chriſten-Tauf agirt/ einen und andern mimum Spoͤtter
eingefuͤhrt/ der iſt auff Chriſtliche Weiß im Namen Gottes des Vaters/
des Sohns/ und des H. Geiſtes getaufft worden/ und gieng endlich auf ein
Gelaͤchter hinaus/ was Chriſten fuͤr albere Narren ſeyn muͤſſen/ die ihnen
einbilden/ als koͤnne auf ſolche Weiß einiger Menſch geheiliget und wieder-
geboh-
[872]Die ein und dreyſſigſte
gebohren werden. Coſterus in ſeinem Enchiridio iſt der Meynung/ es ſey
ſo gethane Spiel- und Schertz-Tauff guͤltig/ und eben ein ſolch warhafftes
Tauff-Waſſer/ als warhafftig/ wann Kinder den Metzger ſpielen/ und eins
dem andern die Gurgel abſticht/ ob es ſchon kein Metzger ſey. Aber das
ſey fern! Es gehoͤret mehr zur Tauff/ als der bloſe actus, nemlich die inten-
tio Chriſti, daß Chriſti des HErꝛn Meynung recht beobachtet werde.
Sonſt koͤnte man auch die Reverentz und Anbettung in Pilati Richthaus
von den Henckers-Buben geſchehen fuͤr eine Goͤttliche Reverentz ſchaͤtzen
und halten. Darumb dann auch aus ebenmaͤſſiger Conſideration Atha-
naſii Tauff-Spiel fuͤr keine rechtſchaffene Tauff zu halten geweſt/ davon
Sozom. lib. 2. c. 16. ſchreibt/ vid. Luth. T. Witt. p. 496. f. 2.(c)Alexan-
der Epiſcopus Alexandr. hab dieſen Kinder-Tauff approbirt/ und fuͤr
juſt paſſiren laſſen. Wir aber ſagen Nein darzu. Tauff iſt kein Kinder-
ſpiel/ Rom. 12/1. Chriſtus erfordert λογικην λατρείαν, einen vernuͤnff-
tigen Gottesdienſt.
(2) Claritas \& Ἀσϕάλεια Baptiſmi, die helle Gewißheit der
Tauffe/ daß er auch offentlich/ feyerlich/ Sonnenklar/ und nicht im
Winckel auſſer dem aͤuſſerſten Nothfall/ ſoll verrichtet werden/ allen
kuͤnfftigen Scrupel/ Zweifel/ und des Teufels Anfechtung zu verhuͤten/
und abzuſchneiden. Jn der Coburgiſchen Kirchen-Ordn. Joh. Caſimir.
p. 195. lauten die Wort alſo: (d) Johannes der Taͤuffer tauffet ſub Dio,
unter dem freyen Himmel/ zu Bethabara/ an einer Anfuhrt/ oͤffentlichen
Fahr/ Gang und Straß/ da viel Leute fuͤruͤber gewandert/ die ihm haben
zugeſehen. Dann ob zwar wol die geheime Tauff oder Noth-Tauff der
Ordnung vorgeht/ und in der erſten Kirchen/ ohne Unterſcheid der Ort
ſub Dio, unter dem freyen Himmel/ Act. 2/40. auf der Straß/ Act. 8. im
Hauß/ Act. 9. im Kercker/ Act. 16. verrichtet worden/ ſo iſts doch offenbar/
in Gegenwart vieler Zeugen geſchehen/ je mehr man derſelben haben kan/
ſonderlich in oͤffentlichen Kirchen/ je beſſer/ je ſicherer. Darum dann
auch die Findel-Kinder ſollen getaufft werden/ ohnangeſehen ſie waͤren im
Winckel ſchon vorhin getauffet worden. Unſere Kirchen-Ordnung gibt
auch guten Unterricht von der Jaͤh- und Noth-Tauff/ pag. 154. Es ſol-
len ſolche Kindlein/ ſo von Weibern getaufft ſind/ nicht wie-
der getauffet werden. Aber doch nicht deſto weniger/ wann
ſie erſtarckt/ zur Kirchen gebracht/ und daſelbſt ihre Tauff
der Gemeine verkuͤndiget/ und fuͤr ſie/ daß der HErꝛ die neue
Geburt ihnen in dem Tauff mitgetheilet/ immer ſtaͤrcker und
kraͤfftiger machen wolle/ gebeten werden. Dann der Tauff
mit dem Wort/ und nach der Einſatzung Chriſti gegeben/
ein wahrer Tauff iſt/ von was Perſonen er auch gegeben
ſeye. Wann dann ein ſolches ſchwaches Kindlein im Hauſe
getauffet worden/ ſolle es hernacher dem Pfarrer fuͤrderlich
angezeiget werden/ der auch die Perſon/ welche das Kind in
der Noth getauffet/ fuͤr ſich fordern/ und ſie mit Fleiß befra-
gen ſolle. Ob ſieI.auch den Nahmen deß HErꝛn uͤber ſol-
ches Kindleins Tauff angeruffen?II.Womit ſie getaufft ha-
be? Nemlich/ mit Waſſer. Was fuͤr Wort ſie zu dem Tauff
gebrauchet? Nemlich/ ich tauffe dich im Nahmen GOtt es
deß Vaters/ deß Sohns/ und deß H. Geiſtes. So dann der
Pfarrer vernim̃t/ daß das Kindl ein recht getaufft ſeye/ ſo ſoll
er es zu bequemer Zeit in die Kirch bringen laſſen/ und ſollen
alsdann folgende Vermahnung und Gebet uͤber ſolches
Nothgetauffte Kindlein geſprochen werden/ ꝛc.Et pag. 158.
Wuͤrden aber die Leut/ ſo das Kindlein dem Kirchen-Diener
fuͤrbringen/ auf deſſelben Fragen ungewiſſe Antwort geben/
und ſagen: Sie wiſſen nicht/ was ſie in ſolcher Noth und
Achter Theil. S s s s sSchre-
[874]Die ein und dreiſſigſte
Schrecken gedacht/ viel weniger (wie dann offtmals zu ge-
ſchehen pflegt) was ſie geredt oder gethan haben/ ſo mache
man nur nicht viel diſputirens/ ſondern tauffe es/ ohne Mel-
dung einigerley Condition/ obgeſchriebener Ordnung ge-
maͤß/ wie alle andere ungetauffte Kinder getaufft werden.
III. Unitas indiviſa,die Einigkeit der Tauff. Ein GOtt/
eine Tauff/ Eph. 4/5. Jch glaub ein einige Tauff zur Ver-
gebung der Suͤnden/ ſo bekennen die glaubigen Bekenner im Niceni-
ſchen Symbolo. Wird damit außgeſchloſſen/ nicht die Trinaimmerſio,
das dreyfaltig Einduncken/ als ein alter Chriſtlicher Apoſtoliſcher Ge-
brauch/ da man den Taͤuffling dreymal mit Waſſer begeußt/ den Glauben
an die H. Dreyfaltigkeit zu bezeugen. Ter mergitamur, ſchreibt Tertul-
lianus lib. de Coron. milit. c. 3. Sondern Reiteratio, die nachmalige
Wiederholung der Tauff. Wer einmal richtig/ gewiß/ unfehlbar/ und oh-
ne Furcht deß widrigen getaufft worden/ ſoll nicht wieder getaufft werden/
und daſſelbe auß nachfolgenden Fundamenten/ (e) den Verſtand
Fuͤrnemlich aber wird außgeſchloſſen Diviſio Sacramenti, die abgeſon-
derte Doppelung der innerlichen und aͤuſſerlichen Tauff/ wann wil dafuͤr
gehalten werden/ als koͤnte die aͤuſſerliche Waſſer-Tauff von der inneren
Geiſt-Tauff dergeſtalt realiter und thaͤtlich abgeſondert ſeyn/ daß die eine
ohne die ander dem Taͤuffling gedeyen koͤnte/ der eine/ wann er bloß außer-
waͤhlt/ erlange die innere Seelen-Tauff/ und alſo derſelben Fruͤchte/ rege-
nerationem \&c. entweder vor/ in/ oder nach der Tauff; aber der verworf-
fene und im Stand eines Eſauiten begriffene/ der empfange allein die aͤuſ-
ſerliche Tauff. Aber das Pflaſter auf dieſe Wunde hat St. Paulus gelegt
Gal. 3. So viel euer getaufft ſind/ die haben Chriſtum JEſum
angezogen/ und keiner die Waſſer-Tauffe abſonderlich allein. Dann
ob zwar wol die aͤuſſerliche Waſſer- und innerliche Geiſt-Tauff unter-
ſchieden/ ſo ſind ſie doch nicht abgeſondert/ faſt auf die Art und Weiß/ wie
die beede Naturen in Chriſto unterſchieden/ nimmer aber abgeſondert:
Wie Brod und Leib Chriſti und dero Nieſſung unterſchieden/ ſo ſtehen ſie
doch in der κοινωνία und Gemeinſchafft/ daß wann der geiſtliche Gaſt mit
ſeinem durch Chriſti Blut geheiligten leiblichen Mund das Brod iſſet/ er
auch eben mit demſelben Mund den Leib Chriſti genieſſet: alſo/ in welchem
Augenblick der Leib deß Taͤufflings mit Waſſer beſprengt wird/ wird er
auch beſprengt mit dem Geiſt/ als dem himmliſchen Schatz/ ſo in dieſem
Sacrament gegeben und mitgetheilet wird.
IV. Sanctitas,die heilige Feyer/ und Zierd dieſes Sacra-
ments. GOtt der HErꝛ iſt ein ſchlechtes/ rein und einfaͤltiges Weſen/
alſo auch ſeine Werck ſind ſchlecht und recht/ ohn weltlichen Pracht und
Allfantzerey/ Accedat verbum ad Elementum, \& fit Sacramentum:
Wann das Wort kom̃t zum Waſſer/ wann die Handlung ſelbſt geſchicht/
S s s s s 2und
[876]Die ein und dreiſſigſte
und gleichſam gewuͤrtzt wird durch das Wort der Einſetzung und deß
Befehls/ Tauffet/ verſtehe/ biß an der Welt Ende; der Verheiſ-
ſung/ Wer glaubt und getaufft wird/ der wird ſelig/ ſampt dem Gebet/ ſo
iſt das Sacrament dem Weſen nach vollkommen. Chriſtus betet bey ſei-
ner Tauff/ Luc. 3/21. Ananias vermahnet Paulum bey ſeiner Tauff/ er ſoll
den Nahmen deß HErꝛn anruffen/ Act. 22/16. Lutheri Gebet/ beſiehe
Tom. 6. Witt. pag. 106. (f) Es mag aber auch beneben der liebe GOtt
wol leiden/ als ein GOtt der Ordnung/ nuͤtzliche und erbauliche Ceremo-
nien/ ſo jetzt und vor alters hero in der Kirch gebraͤuchlich geweſen/ ſo da die-
nen/ theils ad ἀσφάλειαν, zur Verſicherung der geſchehenen Tauff/ als da iſt
die ὀνομαθεσία, die Chriſtliche Benamſung/ \& compaternitas die Gevat-
terſchafft/ da es dann heißt/ in dem Mund zweyer oder dreyer Bezeugen
beſtehet alle Warheit. Jſt ſonderlich nutz im Fall deß Abgangs der Kirch
und deß Kirchen-Buchs; auch ſo offt einer ſeinen Nahmen hoͤrt nennen/
ſo offt hat er ſich ſeiner empfangenen Tauff zugetroͤſten; theils ad τάξιν und
Ordnung/ bey den Erwachſenen/ da die Catecheſis, die Frag und Ant-
wort von der Chriſtlichen Lehr/ die Bekantnuͤß deß Glaubens/ Jtem/ der
Abſag/ da ein Taͤuffling entſagt dem Teuffel und allen ſeinen Weſen und
Wercken. Theils ad [...]χημοσ [...]ην, zur Zierd/veſtis’ candida, ein
weiſſes Kleid. Candidus egreditur niveis exercitus undis. Ad
σημείωσιν anagogicam.
Sonderlich gehoͤrt hieher der alſo genannte Exorciſmus und Fahr-
auß der Sathaniſchen Gewalt und Tyranney entgegen geſetzt/ v. Luth.
Tom. 6. Witt. pag. 104. (g) Fahr auß du unreiner Geiſt/ und gib Raum
dem H. Geiſt/ ich beſchwoͤre dich/ ꝛc. welcher dann zwiſchen zweyen Extre-
mis und Klippen hindurch faͤhrt/ auf einer Seiten der Papiſten/ die geben
fuͤr/ es komme dieſe Kirchen-Sitt auß Apoſtoliſcher uhralten Satzung her/
Bellarm. lib. 1. de Bapt. c. 25. Concil. Trident. ſeſſ. 7. can. 3. er koͤnne
ohne Suͤnd nicht unterlaſſen werden; man ſchreibt demſelben effectivam
virtutem eine wuͤrckende Krafft zu. Jm Gegentheil ſind die von Calvini
Schul dem Exorciſmo ſo auffſetzig und abhold/ daß ſie davon weder wiſ-
ſen noch hoͤren wollen/ als einer gottlofen/ teuffeliſchen/ zauberiſchen Cere-
moni/ Urſach/ es nim̃t ihnen derſelb die opinion von der außerwaͤhlten
Kindern vor der Tauff Heiligkeit. Was ſie zu Zeiten deß Crypto-Cal-
viniſmi unterſtanden in Chur-Sachſen/ iſt noch nicht vergeſſen. Jndem
ſie bey einer Churfuͤrſtlichen Kinds-Tauff den Anfang gemacht/ und fuͤr-
geben/ weil allerley Potentaten und viel fremder Leut bey ſolcher anſehnli-
chen Kinds-Tauff zuſammen kommen/ welche dieſer Ceremoni nicht ge-
wohnt ſeyn/ ſo waͤre es rathſam und am allerbeſten/ daß dieſe Ceremoni/
weil es ohne das ein Adiaphoron und Mittelding ſey/ gar unterlaſſen
wuͤrde/ dann dardurch der H. Tauff nichts zu oder abgienge; nachdem es
aber ihnen das erſte mal ſolcher Gelegenheit gelungen/ haben ſie ſolches in
ein Exempel gezogen/ und fuͤrgeben/ habe der Exorciſmus bey einer ſol-
chen vornehmen Kinds-Tauff koͤnnen unterlaſſen werden/ ſo koͤnne es ohn
allen Nachtheil der heiligen Tauff bey ſchlechten und gemeinen Lenten
auch und noch vielmehr geſchehen. Darauff ſie noch weiter kommen/
und daß ſie dieſe Ceremoni nicht mehr ein Mittel-Ding haben wollen
paſſiren laſſen/ ſo man ohne Suͤnd in der Kirchen GOttes gebrauchen/
S s s s s 3oder
[878]Die ein und dreiſſigſte
oder unterlaſſen koͤnne/ ſondern ſie habens angefangen für ein gottloſe/ zau-
beriſche/ und gar fuͤr eine teuffeliſche Ceremoni außzuruffen/ ſo mit gutem
Gewiſſen in der Kirchen GOttes nicht koͤnne gelitten werden. Deßwegen
ſie auch angefangen mit Liſt und Gewalt zu reformiren/ und die jenige ge-
treue Lehrer/ ſo den Exorciſmum nicht haben wollen fallen laſſen/ von ih-
ren Kirchen verſtoſſen/ und in das bittere Exilium verfolget/ haben unter
ſolchem Schein die Calviniſterey in denſelbigen Landen mit aller Macht
einfuͤhren wollen; biß endlich Untreu ſeinen eignen Meiſter getroffen
und bezahlet. Die Lutheriſche Religion laͤßt es ein Adiaphorum und
Mittelding ſeyn/ ſo vor Zeiten bey den beſeſſenen erlebten Perſonen ge-
braͤuchlich/ auß Chriſtlicher Freyheit/ ohne Aberglaub und Nothzwang.
Da dann zu wiſſen/ daß der Exorciſmus oder Teuffels-Bann fuͤnfferley
ſey/ ein Wunder-Bann/ ein ordentlicher Schluͤſſel-Bann/ ein Tauff-
Bann/ ein erbottener Bann/ ein Zauber-Bann/ der erſte gehoͤret unter
die chariſmata und Wunder-Gaben/ damit die erſte und zarte Milch-
und Mutter-Kirch nach Goͤttlicher Frey-Chur gezieret geweßt/ iſt mit der
Gab der Sprachen und andern dergleichen laͤngſt verſchwunden. Die
ander iſt GOtt Lob in friſcher/ gruͤner und taͤglicher Ubung/ da geiſtlich
Beſeſſene/ in Krafft deß Loͤß-Schluͤſſels/ auß den Stricken deß boͤſen Gei-
ſtes erloͤſet werden. (h) Der dritte iſt ein Adiaphorum und Mittelding/
und bringet nicht mit ſich/ als hielte man die ungetaufften Kinder fuͤr leib-
hafftige vom Sathan beſeſſene/ ſondern geſchicht allein den Gewalt deß boͤ-
ſen Geiſtes damit anzudeuten/ und folget gar nicht/ daß wann der Taͤuf-
fer ſpricht/ Fahr auß du boͤſer Geiſt/ daß darum der Taͤuffling vom
Teuffel beſeſſen ſey/ ſintemal auch Chriſtus zu Petro ſagt/ hebe dich
Sathan/ niemand wird aber deßwegen Petrum fuͤr einen Beſeſſenen
außſchreyen. Es iſt zwar der Gebrauch deß Exorciſmi ſehr alt/ wie auß
den Kirchen-Hiſtorien zu ſehen/ und wo man ihn brauchet ohn Aberglau-
ben und Nothzwang/ laſſen wir ihn als ein Kirchen-Brauch gern paſſiren/
dabey feine Erinnerungen koͤnnen gemercket werden; Wir aber/ nach-
dem er hiebevor auß Chriſtlicher Wolmeynung unterlaſſen worden/ fuͤh-
ren ihn von neuem nicht ein/ erklaͤren aber doch deutlich und gruͤndlich auf
andere Weg auß GOttes Wort/ was fuͤr ein elende Gelegenheit und
Jammer es habe mit den Kindlein/ welche in Suͤnden empfangen und ge-
bohren/ und deßwegen der Gewalt deß Teuffels und Verdamnuͤß unter-
worffen ſind/ und koͤnnen es dennoch nicht gut heiſſen/ wann heimliche
Schwaͤrmer/ die da verlaͤugnen die Erbſuͤnd/ lehren/ daß der glaubigen
Eltern Kinder von Mutterleib an heilig und im Bunde Gottes ſeyn ſol-
len/ eben darum den Exorciſmum nicht dulden wollen/ damit ihre falſche
Lehr dadurch nicht geoffenbahret und niedergelegt werde/ denſelbigen heim-
lichen oder oͤffentlichen Schwaͤrmern ſoll man im geringſten nichts zuge-
fallen ſeyn/ und auf ihr Vorgeben den Exorciſmum nicht abſchaffen.
Sintemal ſie die Chriſtliche Freyheit dadurch zu ſchwaͤchen/ und ihren
Jrꝛthnm fortzupflantzen ſich unterſtehen. Wo aber die reine Lehr von der
Erbſuͤnde/ und was dero anhaͤngig/ vollkommen und ohne falſch getrieben
wird/
[880]Die ein und dreiſſigſte
wird/ da gilt es eben eins/ man brauche den Exorciſmum oder nicht/
dann ſolcher Geſtalt iſt es ein Mittelding/ und mag man ihn brauchen/
oder aber unterlaſſen. Und mehr nicht als ein σημει̃ον deß Sathans uſur-
pirten Gewalts/ wie wir auch ſingen/ dem Teuffel ich gefangen
lag ꝛc. und ſind keine Gebiets-ſondern Bitts-Wort/ wir bitten GOtt/
er wolle den Taͤuffling behuͤten fuͤr dem Teuffel/ und bewahren/ und ihn
nimmer einniſten laſſen/ nicht als wann er allbereit eingeniſtet haͤtte/ wie
Chriſtus zu Petro ſagt/ Heb dich weg Sathan. Jn der Coburgiſchen
Kirchen-Ordnung/ weyl. Hertzog Joh. Caſimiri ſeligſten Anden-
ckens/ iſt dieſe Erinnerung einverleibt (i) Wir bleiben auch in dieſem
Stuͤck bey der Deciſion Auguſtini ep. 119. Una in his ſaluberrima re-
gula tenenda eſt, quæ non contrà fidem \& bonos mores, \& habent
aliquid ad exhortationem vitæ melioris, ubicunque inſtitui vide-
mus \& inſtituta cognoſcimus, non ſolum non improbamus, ſed \&
conſectamur. Es waͤren dann ſolche Ceremonien all zu Juͤdiſch/ uͤber-
fluͤſſig und ſu perſtitios, altvetteliſch/ Luth. Tom. 6. Witt. p. 105. denen
wir ſchon laͤngſt abgedanckt.
So hoͤret und mercket wol/ was GOtt ſelbſt heiſſet tauf-
fen/ und was ein Chriſte glauben ſoll/ zu meiden Ketzer-Hauf-
fen/
[881]Predigt.
fen/ ſonderlich des oberſten Ketzermeiſters des Teuffels. Es iſt wol zu
verwundern und zu betauren/ daß die ſehr wenig Wort der Sacrament-
lichen Stifftung von dem Geiſt der Finſternuͤß/ dem Jrꝛgeiſt/ dem Sa-
than/ ſonderlich verdrehet worden/ per cavilla, per κυβείας, durch aller-
hand Laͤſterungen/ Betrug und Wuͤrffel-Spiel/ per tormenta \& συλα-
λωγίαν, Zwang/ Folterung und Schatz-Raub/ alle dahin zielende/ uns
armen Menſchen die Bruͤnnlein Jſraelis zu verſtopffen/ die Himmels-
Pfort zu verſperren. Hinc tot Sacramentarii, ſo viel irrige Meynungen/
Sinn und Gedancken der Photinianer/ der Calviniſten und Papiſten/
der Widertaͤuffer/ Schwenckfelder/ Weigelianer/ Independenten und
Schwaͤrmer/ daß wers lieſet/ und mit umbgehen muß/ darvor muß
grauen. Dazu ſchlaͤgt des Sathans Buhlſchafft/ die ſchnoͤde fleiſchli-
che Vernunfft/ die kan ihr ſelbſt gelaſſen/ anders nichts ais ſpotten und
hoͤnen/ ſie iſt nidus omnium hæreſium, das rechte Ketzer-Neſt/ allda
allerhand Jrꝛthum außgebruͤtet werden/ ſie ſagt auch mit Naaman: Jch2. Reg. 5,
10. 11. 12.
meynet/ der Prophet ſoll zu mir heraus kommen und her-
treten/ und den Namen des HErꝛn ſeines Gottes anruf-
fen/ und mit ſeiner Hand uͤber die Staͤdte fahren/ und den
Auſſatz/ alſo abthun. Sind nicht die Waſſer Amana und
Pharphar zu Damaſcon beſſer/ dann alle Waſſer in Jſrael/
daß ich mich drinnen wuͤſche und rein wuͤrde? und wandte
ſich und zog weg mit Zorn.v. Luth. Tom. 4. Witt. p. 447. f. 2.
Alſo verachteten die Phariſeer das Tauff-Waſſer/ und verachteten alſo
den Rath Gottes wider ſich ſelbſt. q. d. was fangt der Eremit und Son-
derling St. Johannes in der Wuͤſten an? wil er die gantze Welt zu Nar-
ren machen/ daß ſie glauben ſollen/ die Begieſſung und Beſprengung des
Waſſers ſey ein ſolch Geheimnuͤß und von ſolcher Krafft. Von den Hey-
den haben wir droben gemeldt/ wie dieſelbe ein Faſtnacht-Spiel daraus
gemacht. (k)
Ergò ſo hoͤret und mercket wol/ thut die Augen auff. Es iſt dieſe
Achter Theil. T t t t tLehr
[882]Die ein und dreyſſigſte
Lehr von der Tauff eine nothwendige Glaubens-Lehr/ ohn deren Unter-
ſchied kein Chriſt ſeyn kan. vid. Luth. Tom. 6. Witt. pag. 85. und ſie iſt
noͤthig 1. ob neceſſitatem intelligentiæ catechiſmi, den Catechiſmum
recht gruͤndlich zu verſtehen/ den rechten und reichen Verſtand der Wort/
wann gleich der Engel Gabriel predigte/ ſo wuͤrde er nichts außrichten/
wann man nicht zuvor einen rechten Verſtand der Chriſtlichen Lehr aus
dem Catechiſmo geſchoͤpffet haͤtte. 2. ob neceſſitatem agnoſcendi νοήματα
καὶ βάθη του̃ Σατανᾶ, zu erkennen die liſtige Anlaͤuffe und den Abgrund der
Sathaniſchen Boßheit und Verſuchung/ ſie kan nicht außſtudirt werden/
Luth. Tiſch-Reden pag. 11. fol. 2. Es waͤre wol gut/ wann man allein bey
der theſi bliebe/ nicht neue controverſien und Streitigkeit auff die Bahn
braͤchte/ und alles bey der alten Einfalt bleiben lieſſe; ja wann nicht der
Teuffel neue Nebel aufzoͤge/ neue laqueos und Zweifelſtrick gelegt: da
muß man wehren und vindiciren/ er iſt der feindſelige Philiſter/ der uns
die Troſt-Quellen wil ſtopffen/ per diviſionem Baptiſmi, wann er
zweyerley Tauff erdacht/ und damit die Gewiſſen aͤngſtiget. Der ver-
mummte Maſſon. part. 4. anatom. p. 100. ſchreibt/ illi, qui aqua tan-
tùm, non \& Sp. Sancto \& igne bsptizati ſunt, pro non baptizatis ha-
beri. Das iſt: daß die jenige nicht fuͤr Getauffte koͤnnen gehalten werden/
die allein mit Waſſer/ und nicht mit dem H. Geiſt und Feuer getaufft ſind
worden. Wer nun nicht getaufft/ der iſt kein Chriſt/ wer kein Chriſt/ der wird
verdammt werden. Nun ſind alle Getauffte (in der Gegner Meynung) un-
gewiß/ ob ſie mit Waſſer allein/ oder auch mit dem H. Geiſt getaufft ſeyen/
und muͤſſen deſſentwegen in ewigem Zweifel ſtehen ihres Chriſten-Rechts
der Seligkeit/ nach Bezæ Meynung/ part. 2. reſp. ad Act. Coll. Montisb.
p. 47. Johannes duos ba ptizatores ponit, ſeſe videlicet \& Chriſtum,
ſordiũ corporis ablutio per externũ aquæ ba ptiſmũ, peccatorũ re-
miſſio \& hominis innovatio per internũ. Homo habet ſignũ in ma-
nu, Chriſtus abluit \& regenerat. Calv. ad act. 11. p. 114. Solcher Maſ-
ſen iſt der Kirchendiener nicht mehr als ein Badknecht/ trifft er einen armẽ
veꝛwoꝛffenẽ Eſauiten an/ ſo begeuſte ihn allein aͤuſſerlich mit bloſem Waſ-
ſer/ anders nicht/ als in einer Buͤrgerlichen Badſtub geſchicht. Darwider
ſtreitet Petrus/ Baptiſmus non eſt ablutio ſordium carnis, ſagt er/ der
Tauf iſt nicht ein Abwaſchung des Unflaths am Fleiſch/ ſondern ꝛc. Chri-
ſtus Matth. 19. Was GOtt zuſammen gefuͤget hat/ das ſoll der
Menſch nicht ſcheiden/ nun hat er Waſſer und Geiſt zuſammen ge-
fuͤgt. Es ſey dann/ daß der Menſch aus Waſſer und Geiſt ꝛc. Paulus
fulminiret Gal. 1. wider die Gegen-Meynung/ wer anders lehret/ der ſey
ana-
[883]Predigt.
anathema. Nun lehret der Jrꝛ-Geiſt anders. Gal. 3. (ita Luth. Tom.
1. Isl. pag. 366.) (l)ob neceſſitacem eximendorum ſcrupulorum, die
Nothwendigkeit allerhand Zweiffel auszunehmen/ als: Ob ich warhaff-
tig getaufft bin? ich weiß das von niemand anders/ als von den Men-
ſchen/ die ſagens auf die Frag: Biſt du ein Chriſt? Herꝛ/ ja. Woher
weiſt du das? Daß ich getaufft bin im Namen Gottes ꝛc. Wann ich
aber weiter frage: Du haſts anders nicht/ als von hoͤr-ſagen? aus dei-
nem Namen und Tauff-Buch/ das alles kan betriegen/ iſt ein menſchlich
Zeugnuß/ und nicht Gottes Wort. Hierauff antwortet D. Luth. Tom.
2. Witt. pag. 281. \& 282. \& 382. (m) Sprichſt du: Ey ich bin doch
T t t t t 2der-
[884]Die ein und dreyſſigſte
(m)
Got-
[885]Predigt.
(m)
T t t t t 3der
[886]Die ein und dreyſſigſte
(m)
nicht eingetaucht worden/ habe den Exorciſmum nicht empfangen/ da-
durch ich dem Teuffel abgeſagt; Antwort: Aus geſchehenem Fuͤrtrag
iſt gut zu antworten. Wo die weſentliche Stuͤck materia \& forma fuͤr-
handen/ da iſt eine wahre Tauff/ es ſey gleich der Taͤuffling getunckt oder
begoſſen/ es ſey heimlich oder oͤffentlich/ er ſey exorciſirt oder nicht. Dann
wer ohne den Exorciſmum iſt getaufft worden/ der ſoll ihm kein Gewiſſen
machen/ als ob er nicht recht getaufft worden/ dieweil der Exorciſmus
nicht zu dem Weſen der Heil. Tauff gehoͤret/ ſondern ein adiaphorum
und Mittelding/ ſo man nach Gelegenheit einer jeden Kirchen gebrau-
chen oder unterlaſſen kan. Welche Gelegenheit es auch mit andern Ce-
remonien hat/ welche der Hauptſach nichts geben oder nehmen/ wann nur
die ſubſtantialia oder weſentliche Stuͤck nach der Ordnung Gottes fleiſſig
in acht genommen werden/ darumb ſoll man nicht mehr auf die Ceremo-
nien als auf die Hauptſach ſelber ſehen/ ſondern bey einem jeden Gottes-
dienſt ſich befleiſſigen/ daß dabey wol in acht genommen werde/ was GOtt
ſelbſten dabey zu thun befohlen hat. Ob neceſſitatem calcaris ad Chriſtia-
niſmi ædificium, wegen noͤthiger Anfuͤhrung zum wahren Chriſtenthum/
1. daß zuforderſt die Taufflinge ſelbſt bey ihrem Chriſten-Namen ſich
auch ihres Chriſten-Ampts erinnern/ wer Chriſtian heißt/ ſoll auch ein
rechter Chriſtianus ſeyn; wer Chriſtophorus/ auch Chriſtum trage mit
dem Creutz; wer Johannes/ ſich alſo halten/ daß er an Gnad bey GOtt
und den Menſchen zunehme; wer Catharina/ daß ſie rein ſey im Her-
tzen und Gemuͤth; Andere Heydniſche Namen Hector, Nimrod, Syl-
vius, zeugen von Heydniſchem Gemuͤthe. Daß ſie ihr Tauff Bad nicht
beſchmeiſſen/ wie ſolche Unflaͤther ſind alle/ die ihrem Tauff-Bad mit
ſtinckenden Laſtern ein Schand-Fleck anhencken. Daß 2. die Eltern
in ὀνομαθεσίᾳ und Aufflegung der Namen Chriſt-kluͤglich verfahren/ (n)
daß
[887]Predigt.
daß man nicht allerhand gottloſe Leut/ ja auch nicht Kinder zu Gevattern
erbette/ kein Jrꝛ- und Falſchglaͤubige/ (vid. Kirchen-Ordn. p. 152. Hunn.
pag. 289.) dann was kan fuͤr ein Gebet ſeyn ſolcher Gevattern/ die im
Grund des Glaubens irrig? wird ſolchen Tauf-Zeugen die Formul fuͤr-
gehalten/ ob ſie unſere Kirch und derſelben Lehr fur die rechte und wahre
Kirch halten/ ſo antworten ſie entweder mit Ja/ oder ſagen Nein dazu;
ſagen ſie ja/ ſo ſind ſie Heuchler/ und handeln wider ihr eigen Gewiſſen/ ſa-
gen ſie aber nein/ ſo wird in ſolchem Fall kein gewiſſenhaffter Außſpender
der Geheimnuͤſſen Gottes ſolche Widerſprecher zulaſſen koͤnnen; und was
wollen doch ſolche vermeynte Zeugen/ und wovon wollen ſie doch Zeug-
nüß geben/ von der innerlichen Wiedergeburt und Erleuchtung des armen
Taͤufflings? Dieſelbe iſt nach ihrer Meynung ungewiß/ wer nicht bloß
außerwaͤhlt/ der wird nicht innerlich getaufft/ ſondern bloß aͤuſſerlich.
Wollen ſie zeugen von ſeinem inwohnenden/ neugeſchenckten/ wuͤrcklichen
Glauben/ den ſis doch den zarten Kindern nicht geſtehen? Wollen ſie gelo-
ben den Taͤufling in der Furcht Gottes/ in wahrem ſeligmachenden Glau-
ben und Religion zu aufferziehen/ welchen Glauben aber meynen ſie da-
mit? den unſerigen/ oder den ihrigen? Mit was Gewiſſen wil nun ein
Calviniſcher Tauff-Zeug zuſagen/ ſeinen Taͤuffling auferziehen zu helffen/
entweder in der Religion/ zu welcher der Taͤufling wird angehalten werden/
oder in ſeiner reformirten Lehr? Zu dieſer kan er nicht aus Mangel der Po-
teſtaͤt. Es wird auch kein leiblicher Vater/ in deſſen Gewalt die Education
des Kindes ſtehet/ iſt er anders kein Atheiſt/ ſein theur geſchencktes Pfand
in ſolche Seelen-Gefahr zu ſetzen begehren: zu jener ſoll es nicht/ vermoͤg
ſeines/ wiewol irrenden/ Gewiſſens: Waͤre das nicht Gottes im Himmel/
ſeiner Sacramenten/ und der erbaren Warheit- liebenden Welt gefaͤhr-
lich geſpottet? vid. Auguſtin. ſerm. de tempore 215. pag. 630. (o)vid.
Luther. Tom. 6. pag. 105. Jch bitte aber aus Chriſtlicher Treu
alle/ die Kinder taͤuffen/ heben und dabey ſtehen/ wollen zu
Hertzen nehmen das treffliche Werck/ den groſſen Ernſt/ der
hierinnen iſt. Dann du hie hoͤreſt in den Worten dieſer Ge-
bet/ wie klaͤglich und ernſtlich die Chriſtliche Kirch das Kind-
lein hertraͤgt/ und mit ſo beſtaͤndigen/ ungezweifelten Worten
fuͤr
[888]Die ein und dreyſſigſte
fuͤr GOtt bekennet/ es ſey vom Teuffel beſeſſen/ (potentiâ
non actu) und ein Kind der Suͤnden und Ungnaden/ und ſo
fleiſſig bittet umb Huͤlff und Gnad durch die Tauffe/ daß es
ein Kind Gottes werden moͤge/ darumb wolteſt du bedencken/
wie gar es kein Schertz iſt wider den Teuffel handeln/ und
denſ elben nicht allein von dem Kindlein jagen/ ſondern auch
dein Kindlein ſolchem maͤchtigen Feind ſein Lebenlang
auff den Hals laden/ daß es wol noth iſt dem Kindlein aus
gantzem Hertzen und ſtarcken Glauben beyſtehen/ auffs an-
daͤchtigſt bitten/ daß ihm GOtt/ nach laut dieſer Gebet/
nicht allein von des Teuffels Gewalt helffe/ ſondern auch
ſtaͤrcke/ daß es moͤge wider ihn ritterlich im Leben und im
Sterben beſtehen. Derowegen da ſiehe auff/ daß du im
rechten Glauben da ſteheſt/ Gottes Wort hoͤreſt/ und ernſt-
lich mit beteſt/ dann wo der Prieſter ſpricht: Laßt uns beten/ da
vermahnet er dich je/ daß du mit ihm beten ſolt/ auch ſollen ſei-
nes Gebets Wort mit ihm zu Gott im Hertzen ſprechen alle
Paten/ und die umbher ſtehen/ darumb ſol der Prieſter die-
ſe Gebet fein langſam und deutlich ſprechen/ daß es die Pa-
ten hoͤren und vernehmen koͤnnen/ und die Paten auch ein-
muͤthiglich im Hertzen mit dem Prieſter beten/ des Kindleins
Noth aufs allerernſtlichſte fuͤr GOtt tragen/ ſich mit gan-
tzem Vermoͤgen fuͤr das Kind wider den Teuffel ſetzen/ und
ſich ſtellen/ daß ſie es ein Ernſt laſſen ſeyn/ daß dem Teuffel
kein Schimpff iſt. Endlich/ daß wir alle mit einander GOtt bitten
umb die Lauterkeit und Standhafftigkeit des Glaubens/ der Glaub iſt ein
zarter Aug-Apffel/ ein einiges Sand-Koͤrnlein kan das Aug verderben/
Glaub leidet kein Schertz/ bitten mit Chriſto/ daß uns der himmliſche
Vater heilige in ſeiner Warheit/ Joh. 17. Er wolle ſein Wort
und Sacrament rein behalten biß an unſer End/ mit Auguſtino ad Pſ.
142. fuͤr die Fortſetzung des Gnaden-Regens/ daß wir ſeyn moͤgen wie die
Baͤum an den Waſſern gepflantzet/ die ihre Fruͤchte bringen zu ſeiner Zeit/
edle Glaubens-Fruͤchten/ und dann erwuͤnſchte Schau-Fruͤchte in der ſe-
ligen Ewigkeit. Amen!
GEliebte in Chriſto. Eine dreyfache Tauff-
Gab meynet St. Petrus der heroiſche und großmuͤ-Act. 2, 36.
muͤthige Apoſtel/ wann er in der Hertz-brechenden
durchtringenden Pfingſt-Predigt Act. 2. ſeine Zuhoͤ-
rer und Pfingſt-Schuͤler unter andern mit dieſen
Worten anſpricht/ und ſagt: Ein jeglicher laſſe
ſich tauffen auf den Nahmen JEſu Chriſti/
zur Vergebung der Sůnd/ ſo werdet ihr empfahen die Gab
deß H. Geiſtes. Dann gleichwie von alters her allzeit uͤblich geweſen/
daß die Tauff-Zeugen/ Pfettern und Goͤtteln/ ihren Taͤuffling/ den ſie auß
der Tauff gehoben/ zum Denck-Zeichen mit allerhand Tauff-Geſchenck/
Gotts, Pfenning/ Schau-Pfenning/ Goͤttel-Rock oder Peltz verſehen
und berathen; Alſo verſpricht St. Petrus von den drey him̃liſchen Tauff-
Zeugen/ Vater/ Wort und Geiſt/ ſonderlich dem treuen war-
hafftigen Zeugen JEſu Chriſto/ er werde an ihm nichts ermangeln
laſſen/ er werde auch ſchencken ein GOttes-Gab/ einen hohen unerſchaͤtzli-
chen Schatz/ hoͤher und koͤſtlicher als alle Schaͤtze im Himmel und auf Er-
den/ die Quell aller chariſmatum und Gaben/ ja die hoͤchſte Gab: Dann
was iſt hoͤher/ heiliger und koͤſtlicher als der H. Geiſt/ der vom Vater
und Sohn von Ewigkeit außgegangen/ gleicher Herꝛligkeit und ewiger
Majeſtaͤt? der da iſt donum catholicum, eine reiche allgemeine
Welt-Gab/ die nicht kaͤrglich ſondern reichlich uͤber alle Welt/ bis ans
Ende der Welt außgegoſſen wird. Es hat zwar der HErꝛ Chriſtus da-
zumal ſeine Juͤnger damit regalirt/ neulich da ſie die Feuer-Tauff em-
pfangen/ nemlich mit Mund und Weißheit in mancherley Sprachen die
Achter Theil. U u u u uma-
[890]Die zwey und dreiſſigſte
magnalia außzuſprechen/ aber daſſelb war particular und donum perio-
dicum, hie aber verſpricht Er eine ſolche Tauff-Gab/ die eine allgemeine
und Allmanns-Gab ſeyn ſoll/ Kindern und Kinds-Kindern/ und allen die
noch fern ſind/ conſequenter auch den ferneſten und letſten/ auff wel-
che das Ende der Welt kommen iſt/ zum beſten: und wie geſagt/ eine
dreyfache Gab.
I.Eine Kriegs- und Siegs-Krafft/ den Geiſt der Krafft/
2. Tim. 1/ 7. oder die Krafft deß Geiſtes/ einen kraͤfftigen Geiſt/ eine Siegs-
Gabe/ die Krafft auß der Hoͤhe/ darauff Chriſtus gedeutet Luc. 24/ 49.
Gleichwie ein weltlicher Vaſall/ wann er einen Lehen-Knecht ſeinem Lehen-
Herꝛn zu Dienſt auf den Sattel helffen und außſenden wil/ wider den
Feind zu kriegen/ er denſelben zuvor muß mundiren/ außruͤſten und ſtaffi-
ren/ mit einem ſtarcken Harniſch/ Kuͤriß/ Schwerdt und Geſchoß wol ver-
ſehen/ auff daß er in der Muſterung beſtehen/ Zug und Wachten recht
verſehen moͤge: Alſo weil wir alle zum Kriegs-Dienſt in der Heil. Tauff
geordnet/ als Ritter deß heiligen Creutzes/ dieweil/ ſo bald der junge Joas
mit der Cron der Widergeburt gezieret/ die hoͤlliſche Athalia Allarma wi-
der ihn macht/ ſo iſt einem jeden Taͤuffling von noͤthen der Anzug der
Krafft auß der Hoͤhe/ der geiſtliche Harniſch GOttes/ Eph. 6. die maͤchtige
Waffen zu verſtoͤren/ zu wuͤrgen und zu toͤdten/ was ſich auſtehnt wider die
Erkantnuß Chriſti/ 2. Cor. 10/ 4. ſqq.
II. Sigillum patris fœderale,Eine Bund- und Bad-Gab/
Mahl-Schatz und Trau-Ring/ den Geiſt deß Friedens/
Rom. 14/ 17. deß jenigen ehelichen Band- und Bund-Friedens/ der hoͤher
Eph. 5, 26.
Hoſ. 2, 19.
ſeqq.als alle Vernunfft/ der in der heiligen Tauff/ als dem hohen Sacrament
der geiſtlichen Verloͤbnuß Chriſti mit ſeiner Gemein/ geſtifftet wird.
Gleichwie Eleazar der Knecht Abrahams/ nachdem der HErꝛ Gnad gege-
ben zu ſeiner Werbung um die Rebecca/ und er das Ja-Wort gewon-
nen/ ſie die Braut beſchenckt mit ſilbern und guͤldenen Kleinodien/ als ei-
nem Mahl-Schatz/ Trau-Ring oder Braut-Gab/ Geneſ. 24/ 53. Alſo iſt
der Geiſt deß Friedens/ oder der Fried deß Geiſtes/ der hoͤher iſt als alle
Vernunfft/ der koͤſtliche Mahl-Ring/ damit Chriſtus der geiſtliche Seelen-
Braͤutigam ſeine Braut begabet und verehret.
III. Arrha hæreditatis,die Pfandes-Gabe/ Vor- und
Angab/ oder Hafft-Pfenning/ damit der HErꝛ Chriſtus ſich ſei-
nen Taͤufflingen ſubarrhirt und verpfaͤndet/ daß er ſie warhafftig ſegnen
wolle an geiſtlichem Segen in himmliſchen Guͤtern/ hie Vorſchmacks.
Weiſe/ dort in vollem Genuß. Gleichwie Alexander M. da er in den
letſten
[891]Predigt.
letſten Zuͤgen gelegen/ einem ſeiner getreuſten Kriegs-Oberſten/ demcõf. Curt.
hiſt. lib. o.
p. m. 434.
Perdiccæ, den er zu einem Reichs-Erben erkohren/ ſeinen eigenen Pitt-
ſchafft-Ring uͤberreicht/ zur gewiſſen Anzeige/ daß er nach ihm zur Cron
und Regiment gelangen ſolt/ dann er ihm ſein Koͤnigliches Erb von Her-
tzen goͤnne; Alſo iſt der H. Geiſt arrhabo \& pignus totius ſummæ ali-
quando redigendæ, wie Tertullianus (*) redet/ die Hafft- und Pfand-(*) Lib. de
reſur. carn.
cap. 51.
Gab der gantzen Summ/ ſo dermaleins darauf folgen ſoll. Wer in welt-
lichem Contract den Gottes-Pfenning von ſich gibt/ ein ſtuck Geld auf die
Hand legt/ der muß die gantze Summam hernach liefern/ und ſein Wort
unbeweglich feſt halten: Nun der H. Geiſt/ den GOtt (πλουσίως) reich-
lich außgegoſſen/ der iſt ein ſolch arrha und Pfand deß jenigen vollkom̃e-
nen Erbs/ welches uns dermaleins der Herr ſchencken wird/ 2. Cor.
1/ 22. Eph. 1/ 14.
Jſt meine Liebſten eben die dreyfache Gab/ auf welche David Pſal. 29.
im Geiſt geſehen und gezielet/ darvon geſungen/ geſpielet und geſagt: Der
HErꝛ Meſſias wird ſeinem Volck/ den Taͤufflingen/ die in der
Gnaden-Fluth und Seelen-Bad ſein Volck werden/ denen wird er
Krafft geben und ſie ſegnen mit Frieden/ nemlich die Tauff-
Krafft/ den Tauff-Frieden und Tauff-Segen: Diß ſind die chariſmata
baptiſmalia, baptiſmi fructus \& precium, der Tauffe Cron und Gna-
den-Lohn/ die edle Frucht und Nutzbarkeit der H. Tauff/ davon/ zu vollkom-
mener tractation dieſes Articuls jetzt und ins kuͤnfftig zu handeln/ wir
uns fuͤrgenommen: Dißmal bleiben wir allein bey der erſten Krafft/ die da
heißt/ virtus privativa, mortifica veteris hominis,die toͤdtende ſtrei-
tende Kriegs- und Siegs-Krafft/ die jenige Krafft deß H. Geiſtes/
durch welche deß Fleiſches Geſchaͤfft muͤſſen getoͤdtet werden/ Roͤm. 8/ 13.
dadurch die gantze Suͤnden-Brut/ Wuth/ Ruth und Wuſt deß alten
Menſchen/ der in uns wohnet/ vermittelſt der kraͤfftigen Gnaden-Fluth/
gedaͤmpffet werden ſoll. Damit nun auch dieſer Fuͤrtrag/ O himmliſcher
Gaben-Vater/ moͤge gereichen zu unſerer Lehre und deinen Ehren/ wollſt
du uns auch anjetzo mit der kraͤfftigen Gab deines werthen Heil. Geiſtes
reichlich beſchencken und verehren. Amen.
GLeichwie nun abermal zur Zeit der erſten Zorn-
Suͤndfluth/ nicht nur die gantze Welt/ der gantze Adams-Adel
und alte Stamm/ Brut/ Wuth und Wuſt der Adams-Kin
der/ von Adams Stamme entſproſſen/ das gantze verfluchte alte ſtincken-
de Fleiſch/ er ſauffen und umkommen/ ſondern auch Noah ſelbſt und ſei-
ne Angehoͤrigen in der Arche zugleich mit leiden muͤſſen/ weil auch Noah
U u u u u 2und
[892]Die zwey und dreiſſigſte
und die Seinigen nicht Engelrein geweßt/ den alten Adam am Hals getra-
gen/ per contagium mundi ſich verunreiniget/ nach dem Sprichwort:
Wer Pech anruͤhrt/ beſudelt die Haͤnde. Quis dabit mundum, Wer
wil im Lazareth und Maltzen-Hauß einen reinen finden? Noah hat
eben nicht allzeit Seiden geſponnen/ er hat eine boͤſe Schlang im Buſen
getragen/ den boͤſen Buben den Cham; Hat er nun als ein gantz neuer
Menſch/ ein ander Welt-Vater in der neuen Welt/ nach der Suͤndfluth/
ſollen auß der Arch herauſſer kommen/ ein neuer Stammbaum werden/
und ein ander Welt pflantzen/ ſo hat er ſich auch ein Zeitlang in der Arch/
als in einem Todten-Hauß und Todten-Grab/ wie Jonas im Walfiſch
im heiſſen Schwitz-Bad/ in ſqualore im Wuſt und Geſtanck elendiglich
behelffen muͤſſen/ ſich da laſſen maceriren/ pantzerfegen/ mortificiren/
wuͤrgen und Fürbilds- oder verbluͤmter Weiſe toͤdten laſſen/ er ſchwebete in
mortibus, wie St. Paulus 2. Cor. 11/ 23. in ſtuͤndlicher Augenblicklicher
Todsgefahr/ das Waſſer war ſein Tod/ ſo offt ein Wolckenbruch herun-
ter geſchmettert/ eine Welle und Waſſer-Sturm das Schiff angefallen/
daſſelbe hinunter in den Abgrund geſenckt/ da haben ſie ſich deß Lebens bege-
ben/ jetzt/ ſagen ſie/ iſts auß/ diß iſt der letſte Hertzſtoß/ jetzt jetzt wird die Arche
zuſcheitern/ jetzt muͤſſen wir baden/ jetzt die Seel außſchwitzen/ kein Neſtel
haͤtte man ihnen ums Leben gegeben.
Alſo weil auch freylich ein jegliches Menſchen-Kind/ ein Adams-Kind
gebohren/ todt/ blind/ ohnmaͤchtig/ ein Suͤnden-Knecht und Kind deß
Zorns/ Fleiſch vom Fleiſch gebohren/ zum ewigen Tod verdam̃t/ ein unge-
heures abſcheuliches Monſtrum fuͤr GOtt/ dann was iſt ſo ſcheutzlich als
der Menſch/ wann er leiblicher Weiſe an dieſe Welt gebohren wird? oc-
ciſo quam nato ſimilior, ſagt Plutarchus, gleicher einem Todten als Le-
bendigen. Ein ſolcher Unflat iſt der Menſch fuͤr GOttes Augen/ wie die
hypotypoſis Ezech. 16. außweißt/ wann er noch in ſeinem Blut da ligt/
in ſecundinis verhuͤllet/ der Nabel noch nicht verſchnitten/ noch nicht mit
Waſſer gebadet und geſaͤubert/ noch nicht mit Saltz gerieben und in Win-
deln gewickelt/ Ezech. 16/ 4. 5. ſq. Was iſt ſcheutzlicher anzuſehen/ als ein
verwundeter Menſch/ der unter die Moͤrder gefallen/ toͤdtlich geſtochen/ ge-
hauen/ geſchlagen/ ꝛc. So iſt ein jegliches Adams-Kind von Natur zu-
gerichtet/ da iſt das gantze Haupt kranck/ das gantze Hertz matt/
von der Fußſolen biß auf die Scheitel iſt nichts geſundes an
ihm/ ſondern Wunden/ Striemen und Eiterbeulen/ die
nicht gehefftet noch verbunden/ noch mit Oel gelindert ſind/
Eſa. 1/ 5. ſq. Was iſt abgeſchmackter/ garſtiger und unleidentlicher/ als
ein
[893]Predigt.
ein offenes Grab? Demſelben gleicht abermal ein natuͤrlich Adams-Kind/
Rom. 3/ 13. Was iſt einem Menſchen mehr zu wider/ als ein oͤffentlicher
Tyrann/ Rebell/ furios und wũtender Bluthund/ der einem Koͤnig nach
Scepter und Cron trachtet? Was furchtſamer/ als ein heimlicher naͤcht-
licher Hauß-Dieb/ der bereit dem Hauß-Vater nach der Gurgel zu greif-
fen? Nicht beſſer iſt abermal der natuͤrliche Menſch/ der alte Adam/ deſſenRom. 7.
Gen. 6. \& 8.
Luͤſten ſtreiten wider die Seel/ alles Tichten und Trachten iſt nur boͤß/ ein
jeder traͤgt ſeinen Seelen-Moͤrder im Buſen/ der heißt παλαιὸς ἀνθρωϖος,
der alte Menſch/ der bey uns eingeniſtet/ wie die alte Schlang im Para-
diß/ mit dero Unflat der erſte Menſch angehaucht worden/ der deß alten
Adams Natur und Teuffels-Bild an ſich hat und traͤgt/ der gleich einem
alten Mann pertinax, zaͤh und unbeweglich in ſeinem Sinn/ wie ein al-
ter Wolff/ der die Haar nicht aͤndert/ bleibt bey der προτέρᾳ ἀναςροφῇ, laͤßt
ihm ſeine alte Weiß nicht nehmen noch außreden/ die boͤſe Art iſt durch Ge-
wonheit bey ihm eingewurtzelt und verjaͤhrt/ ein alter Fuchs/ tuͤckiſch und
liſtig/ Art laͤßt von Art nicht; Ein alter Fechter kan dem jungen Hachen
bald ein Bein unterſchlagen/ wie dort jener Dioxippus dem jungen Ma-
cedoniſchen Soldaten Chorago mit ſeinem knoͤpffigen hoͤltzernen Streit-
Kolben gelauſet. Ein ſupplantator ein Untertretter Jerem. 17. trotzig
und tuͤckiſch/ wer kans ergruͤnden? Wann offt der neue Menſch am
froͤmmſten ſeyn wil/ ſo verſieht ers. Ein alter Erb- und Ertz-Feind/
ἀντίθεος, ἀντίχριςος, ἀντίψυχος, ein Wider-Gott/ Wider-Chriſt/ der
durch Liſte in Jrꝛthum/ (mit ſeinem falſchen Wahn/ irrenden Sinn/
ungegruͤndeten Verſtand) ſich verderbt/ die ἀϖάτη der Selbſt-Betrug/
der in ihm wohnet/ verderbt ſich ſelbſt/ bringt ihn um Leib und Seel/ iſt ſein
eigner Wuͤrg-Engel. Und das iſt Univerſale \& hereditarium ma-
lum, Art laͤſſt von Art nicht/ auch in den Kindern ſteckt ſchon das Gifft:
Wer ſolte gemeynt haben/ daß Abſalon delicium patris, das ſchoͤne hold-
ſelige Knaͤblein/ in ſeinem Hertzen ſolche radices deß Hoffarts/ Rebellion/
Bruder-Mords/ Blutſchande ſolte verborgen haben? Ein kleines jun-
ges Woͤlfflein iſt gar lieblich/ und laͤßt mit ſich ſpielen/ wenn es aber auff-
waͤchſt/ ſo wird ein wildes Thier darauß. Auguſtinus ſchreibt/ er hab ge-
ſehen zween Zwilling an einer Mutter Bruͤſte liegen/ deren der eine auß
Eifer und Neid uͤber den andern erblaſſet. Summa/ Durch Adams
Fall iſt gantz verderbt/ Menſchlich Natur und Weſen/ ꝛc. Wer kan nun
den gerechten GOtt verdencken/ wann er ſolche gifftige Schlangen-Art
und Ottergezuͤcht/ ſolche unartige widerſpenſtige Rebellen von ſeinem
Himmelreich als Banditen außſchleußt/ ihnen alle Heils-Pforten verſper-
U u u u u 3ret
[894]Die zwey und dreiſſigſte
ret und zuriegelt? Wann Chriſtus ſagt: Was vom Fleiſch geboh-
ren wird/ das iſt Fleiſch/ es ſeye dann/ daß jemand widergeboh-
ren werde auß dem Waſſer und Geiſt/ ſo kan er nicht in das
Reich GOttes kom̃en/ Joh. 3/ 6. wann St. Paulus ſchreibt/ Fleiſch
und Blut kan das Reich GOttes nicht ererben. 1. Cor. 15/ 50.
Soll nun der Menſch nicht gar verderben/ ſondern vielmehr ein
Candidat und Erb deß Himmelreichs werden/ ſoll er gewuͤrdiget werden
deß himmliſchen Jeruſalems/ ſo muß eine gewaltige Metamorphoſis
oder Veraͤnderung fuͤrgehen/ er muß in eine andere Haut kriechen/ ein an-
derer und neuer Menſch werden/ es muß das Gefaͤß/ das dem groſſen
Toͤpffer und Schoͤpffer unter den Haͤnden vom Sathan verderbet wor-
den/ wiederum per refictionem in die Thon-Grube geworffen werden/ es
muß das alte roſtige Gefaͤß wieder außgefegt und umgegoſſen werden/ ei-
ne Widergeburt und Erneuerung geſchehen/ und daſſelbige durch das
geiſtliche Seelen-Bad der Widergeburt und Erneuerung deß H. Geiſtes/
Tit. 3. der alte Adam muß erwuͤrget/ gecreutziget/ getoͤdtet/ begraben und
erſaͤuffet werden/ und daſſelbe nicht bloß Deutungs- und Zeichen-Weiß/
wie vor Zeiten im Alten Teſtament in lotionibus Leviticis, im Leviti-
ſchen Waſchen und Baden geſchehen/ ſondern gantz thaͤtig und kraͤfftig-
lich durch eine uͤber-menſchliche Macht/ die dem alten wuͤtenden Feind/
dem Pharaoni und ſeiner Macht gewachſen/ die ſtarck gnug iſt/ durch ei-
nen gewaltigen Spiritum, per aquam ſpirituoſam, durch ein Geiſtrei-
ches Waſſer/ das da brennet von himmliſchem Feur/ davon St. Paulus
Rom. 8/ 13. ſchreibt: Wo ihr durch den Geiſt deß Fleiſches Ge-
ſchaͤfft toͤdtet/ ſo werdet ihr leben/ zu daͤmpffen. Und das iſt die
jenige Tauff-Krafft/ welche organicè durchs Waſſer wuͤrcket/ erſaͤuffet/
toͤdtet/ die Brut daͤmpffet/ den wilden Wuth zaͤhmet/ den Wuſt verſaͤncket/
die Ruth hinweg wirfft und expolirt/ daß ſolcher Taͤuffling im Reich
GOTTES rein und heilig erſcheinen kan.
Lutherus ſchreibt hievon alſo Tom. 4. Witt. p. 344. f. 1. Man muß nicht ſo
gering Ding ſeyn laſſen/ wo GOttes Nahmen iſt/ dann derſelbige iſt das einige/
das alle Ding rein und heilig machet/ dazu ſchaffet und thut alle Ding. Sum-
ma/ GOttes Nahme iſt nichts anders/ dann die Allmaͤchtige Goͤttliche Krafft/
ewige Reinigkeit/ Heiligkeit und Leben/ und wo er auß Goͤttlichem Befelch ge-
braucht wird/ da kan er nicht ohne Frucht und nutz ſeyn/ ſondern muß groſſe un-
außſprechliche Ding wuͤrcken/ und ſolche machen/ wie er ſelbſt iſt. Darum
muß er auch in der Tauff reine und heilige/ und eitel himmliſche Goͤttliche Men-
ſchen machen. Et ibid. f. 2. Wann man die Tauff alſo anſiehet/ und demſelben
nach ſolte außſtreichen/ ſo wuͤrde ſo groß herꝛlich Ding darauß/ das nimmer
gnugſam außzuſprechen noch zu begreiffen iſt/ ja herꝛlicher dann gantz Himmel
und
[895]Predigt.
und Erde. Dann die Goͤttliche Majeſtaͤt da gegenwaͤrtig iſt/ und daran ihr
hoͤchſtes Werck thut/ (nemlich daß Er ſich ſelbſt uns gibt/ und gantz neu-geboh-
ren und ſelig macht) geſchicht alles daher/ daß Er ſeinen Nahmen dahin ſetzet.
Darum (ita pergit cit. Tom. p. 347. f. 2.) muß man diß Waſſer oder Tauffen an-
ſehen/ nicht als ein ſchlecht Waſſer-Bad/ oder bloß Mahl-Zeichen/ dann wo
GOtt ſelbſt ſich hin verbindet/ daß Er wil gegenwaͤrtig ſeyn/ da muß Er auch
kraͤfftig ſeyn und groß Goͤttlich Ding außrichten/ wozu ſolt Er ſonſt ſich ſichtig-
lich erzeigen/ und ſolch Gepraͤng und ſonderlich Weſen machen? Nu aber ge-
ſchichts alles darum/ daß wir verſtehen ſollen an dieſem Bilde/ was GOtt hie-
mit im Sinn hat/ und ſein Wille und Meynung iſt bey der Tauff/ welches Er
auch hernach mit ſeiner Predigt zeigen und deuten wird/ nemlich daß er wil ſeine
Majeſtaͤt/ Liecht und Krafft/ und ſich mit allem was er hat und vermag/ uns dar-
in geben. Was vermag er aber? Tod und Suͤnde und all unſer Vngluͤck weg-
zunehmen/ und dagegen ewige Gerechtigkeit/ Leben und Freude zu geben. Wo-
durch thut er ſolchs? Durch ſeines Sohns Blut/ das iſt die Koſt/ die daran ge-
wand/ und dadurch uns ſolchs erworben iſt/ daß wir Gnade bey ihm erlangen/
wie Chriſtus ſagt: Alſo hat GOtt die Welt geliebet/ daß er ſeinen einigen Sohn
gab/ ꝛc. daß wir aber ſolches durch den Glauben empfinden und fuͤhlen/ da muß
der H. Geiſt mit ſeinem Feur uns erleuchten und anzuͤnden. Weil nun ſolches
alles geſchicht/ bey dieſem H. Sacrament der Tauffe/ ſoll mans billich nicht anſe-
hen/ wie es die Kuhe anſiehet/ daß es Waſſer und naß iſt/ ſondern als eitel Blut
deß Sohns GOttes/ und eitel Feur deß H. Geiſtes/ darin der Sohn durch ſein
Blut heiliget/ der H. Geiſt durch ſein Feur badet/ der Vater durch ſein Liecht und
Glantz lebendig machet/ alſo daß ſie alle drey Perſoͤnlich gegenwaͤrtig/ und zu-
gleich einerley Goͤttlich Werck außrichten/ und alle ihre Krafft in die Tauff auß-
ſchuͤtten. Bißher Lutherus.
In ſpecie aber ſo wird allhie durch die Tauff-Krafft gemeynet und
verſtanden I. Virtus peccati deletrix ſeu ſuffocatrix,die Suͤnden-
tilgende Krafft. Durch Waſſer ſonderlich wird außgewetzt und auß-
geloͤſcht/ auch was mit eiſernem Griffel in ein Buch und Pergament ge-
ſchrieben worden/ ein Schwamme mit Waſſer gefuͤllet wiſcht es ab. Was
man in ein tieff Waſſer verſenckt/ und mit einem Stein behengt/ das kan
nicht wieder regurgitiren und empor ſchwim̃en: zum Exempel Jerem. 51.
63. ſqq. da Jeremia dem Fuͤrſten Seraja befiehlt/ er ſoll die Drau-Wort
wider Babel ableſen/ und hernach wann er das Buch außgeleſen/ einen
Stein daran binden/ und in den Phrath werffen/ und ſprechen: Alſo
ſoll Babel verſenckt werden/ und nicht wieder auffkommen.
Alſo hat auch das Loͤſch-Waſſer der Tauff dieſe Krafft/ es werde nicht al-
lein alle debita oder Schuld-Poſten außgewiſcht und außgekratzt auß
GOttes Schuld-Buch/ auß unſerm Verjicht-Buch der Handſchrifft deß
Gewiſſens ſo wider uns zeuget/ Col. 2/ 4. caſſirt/ durchſtrichen und außge-
loͤſcht/ das Blut- und Todten-Buch/ darin der toͤdtende Buchſtab auff-
gezeichnet/ alſo lautend: Verflucht ſey/ der nicht haͤlt alles/ ꝛc.
der
[896]Die zwey und dreiſſigſte
ſampt der Suͤnden Sold/ Hoͤll und Todt/ weil ſolches alles außgeloͤſcht/
Mich. 7.ſonderlich die Suͤnde in die Tieffe deß Meers geworffen/ zur ewigen
ἀμνηςείᾳ, es ſey dann daß der Menſch muthwilliger Weiſe den gebundenen
Stein auffloͤſet/ und wiederum regurgitiren macht. Daher der Menſch
σεισαχθείαν Schulden-Ruhe/ Entſuͤndigung/ Schulden-Freyheit/ nicht
quinquenell ſondern æternell erlangt; daher hat der Menſch ἀσυλίαν
und Sicherheit von dem reat und Straff-Ruth oder Straff-Pflicht/ ſo
bereits Maleficanten uͤber das Haupt geſteckt worden/ daß ferner
nichts verdammlichs mehr an denen/ die da ſind in Chriſto
JEſu/ Rom. 8/ 1. daß deß Teuffels Gewalt nichts mehr vermag außzu-
richten/ dann wann die Juſtitz den Gefangenen loß ſpricht/ ſo vermag der
Sathan als Stockmeiſter nichts mehr/ ja diß iſt der Weg dem zukuͤnfftigen
Zorn zu entrinnen/ Matth. 3/ 7. und das iſts/ was Johannes von ſeiner
Tauff geruͤhmet/ als von der Tauff der Buß zur Vergebung der
Suͤnden/ Marc. 1/ 4. Diß iſts auch/ was wuͤrcklich genoſſen und em-
pfunden mancher groſſe ſchwere Suͤnden-Knecht/ die Gott-moͤrderiſche
Juden/ die den Herrn der Herꝛligkeit gecreutziget/ Act. 2/ 38. der Blut-
hund und Chriſten-Moͤrder Paulus/ Act. 22/ 16. die Schandvoͤgel zu Co-
rintho/ eine erbare Zunfft von boͤſen Buben/ nemlich/ Abgoͤttiſche/
Diebe/ Raͤuber/ Laͤſterer/ Hurer/ Ehebrecher/ Weichlinge/
Knaben-Schaͤnder/ von denen ſchreibt St. Paulus/ ſie ſeyen ab-
gewaſchen/ und geheiliget/ und gerecht worden durch den
Nahmen deß HErꝛn JEſu/ und durch den Geiſt unſers
conf. Chri-
ſteid. Act. 1.
p. 378.GOttes/ 1. Cor. 6/ 10. ſqq. Jſts wahr/ was Gregor. Nazianzenus
von Cypriano ſchreibt/ ſo iſt er δαιμόνων ϑεραϖευτὴς, ein Teuffels-Roß
und Zauberer geweßt/ iſt aber durch Leſung der Propheceyung Jonaͤ zum
Chriſtenthum bekehrt und getaufft worden zum Ablaß und Vergebung
ſeiner ſchweren Suͤnden. (teſte Hieron. in c. 3.) Das iſt auch die ba-
ſis und das Fundament unſerer Bekaͤntnuͤß im Catechiſmo/ wann ge-
fragt wird; Was wuͤrcket die Tauff? Sie wuͤrcket Vergebung
der Sůnden/ ꝛc. Gleichwie der jenige/ der in Waſſers-Noth/ in
Wuͤrbel und Strudel gerathen/ den nechſten beſten/ der ſich zu ihm nahet/
ergreifft/ feſt haltet/ und mit ſich hinunter ziehet; Alſo auch Chriſtus
zeucht alle Taͤuffling/ die in ſeinem Nahmen getaufft/ an ſich und ſeine
Blut-Tauff: dann das iſts/ was der Taͤuffer ſagt: Jch tauffe dich/
das iſt/ ich erſaͤuffe dich/ du ſuͤndiges Fleiſch/ und verurtheile dich zum Tod/
daß alle deine Suͤnden hie ſterben und untergehen/ in GOttes Nahmen/
in JEſu Nahmen. Jn Chriſti Blut-Tauff/ ſag ich/ da Er in den Bach
am Weg gefallen/ und ungeſchmackt Waſſer trincken und in ſich ſchlucken
muͤſſen/
[897]Predigt.
muͤſſen Pſal. 110. da ihn die Baͤche Belial erſchroͤcket/ Pſal. 18/ 5. daß er
darüber lamentirt und ſchreyet: ô mordio!GOtt hilff mir/ dann
das Waſſer gehet mir biß an die Seele/ ich verſincke im tief-
fen Schlam/ da kein Grund iſt/ ich bin im tieffen Waſſer/
und die Fluth wil mich erſaͤuffen/ Pſal. 69/ 2. ſqq. Da ſeynd wir
als Tauff-Bluts- und Tods-Genoſſen in ihm alle mit getaufft worden/ auf
Art und Weiſe/ wie wir bald hoͤren werden.
II. Virtus purgatrix,die rein- und ſaubermachende Krafft.
Gemein Waſſer nim̃t den Wuſt hinweg/ aber nicht allen/ ſuccum CocciLanarum
conchylia
quis ad
priſtinum
candorem
revocet?
Hieron.
ad Lætam.
2. Reg. 5.
vel purpuræ, allen Safft oder Schweiß deꝛ Meer-Schnecken/ das dunckel
Roſenfarbe Blutroth/ davon der Scharlack gefaͤrbet wird; hie aber im
Tauff-Waſſer wird auch die blutrothe Suͤnde Schneeweiß gemacht wie
Wolle/ Eſa. 1. Weniger heilet gemein Waſſer oder reiniget vom Auſſatz/
oder ſonſt einen Schaden der tieff eingewurtzelt. Naaman hat ohne
Zweiffel gute Heil-Waſſer daheim in Syrien und warme Baͤder gehabt/
aber die mochten ihm von ſeinem Auſſatz nicht helffen/ der Jordan (als
thermæ verbo Dei conſecratæ \& Digito Dei commotæ) muſte es
thun; Alſo waſchet die blutrothe Suͤnden/ den ſchaͤndlichen Auſſatz derſel-
ben/ kein rohes gemeines Waſſer nicht ab: Ein ander Waſſer/ ein ander
Geiſt gehoͤret darzu/ nemlich das Geiſtreiche Tauff-Waſſer/ davon/ wie die
Verheiſſung lautet Eſa. 1/ 18. die Blutrothe Suͤnden ſollen Schneeweiß
werden. Das Jordaniſche Waſſer/ wie geſagt/ hat per digitum Dei
mirificum die Krafft gehabt den leiblichen Auſſatz weg zu nehmen/ denſel-
ben ins todte Meer hinab zu floͤtzen/ da wurde er verſchlungen; dort geſcha-
he es Fuͤrbildsweiſe/ hier in dem Tauff-Jordan warhafftiglich. Diß iſt der
heilſame Fluß das λουτρὸν, und recht kraͤftige Fluth oder Bad/ darin Chriſtusλουτρὸν
Baptiſmi.
abluit
λούτρον
peccati.
ſeine liebe Geſpons von allem Unflath und Unrath der Suͤnden abgewa-
ſchen/ Eph. 5/ 26. Gleichwie aber in dieſer Welt das Bad ſo wol nicht ab-
geht/ es bleibt doch immer noch etwas uͤbrig zu waſchen/ es ſchweißt immer
wider Wuſt und Unflath aus den poris heraus; Naamans Auſſatz ver-
gehet nicht gleich im erſtenmal/ er muß ſich ſiebenmal baden und wa-
ſchen/ nimmer wird derſelb ſo gruͤndlich außgetilget/ daß nicht noch einige
boͤſe diſpoſition und Wurtzel uͤberbleiben ſolte/ die/ wo die Diet nicht recht
gehalten wird/ leichtlich in recidivat umbſchlaͤgt. Dann niemand iſt
gantz vollkommen rein und heilig in dieſer Sterbligkeit/ auch nach der gnaͤ-
digen Wiedergeburt nicht/ als in welcher zwar der reat und Straf-Pflicht
auffgehoben/ die Wurtzel aber der Suͤnden bleibt/ daß es heißt: Wer ge-
waſchen iſt/ der darff nicht dann die Fůſſe waſchen/ wie Chri-
Achter Theil. X x x x xſtus
[898]Die zwey und dreyſſigſte
ſtus ſagt Joh. 13/ 10. gleich dem jenigen der aus der Badſtub kommet/
wiewol er ſauber worden/ doch alſobald ſeine Fuͤſſe wieder beſudelt; alſo
geht es auch einem getaufften Chriſten in ſeinem taͤglichen Wandel/ der
alte Adam/ die Suͤnde iſt zwar außgetilget/ aber dieweil die Wurtzel
bleibt/ ſo muß der Menſch ein rechter Hemerobaptiſta werden und taͤglich
ſich wieder waſchen: Es muß Chriſtus immerfort an ſeiner Gemein wa-
ſchen/ biß ſie gar kein Flecken/ Mackul/ oder des etwas mehr an ihr haben
wird/ Eph. 5/ 26.
III. Virtus exſpoliatrix, exarmatrix, Dominatrix,die beherꝛ-
ſchende/ uͤber windende und im Zaum haltende Krafft/ welche
dem alten Adam ſein Regiment/ ſein Wuth und Muth nimmet und ſeine
Waffen außzeucht. Worauf der H. Apoſtel Paulus deutet Eph. 4/ 22.
Col. 3/ 9. da er der exuviarum, des Ablegens/ Ab- und Außziehens
des alten Menſchen gedencket/ So leget nun/ ſagt er/ von euch ab
den alten Menſchen/ der durch Luͤſte in Jrꝛthumb ſich ver-
derbet/ erneuert euch aber im Geiſt euers Gemuͤths/ und zie-
het den neuen Menſchen an/ der nach GOtt geſchaffen iſt;
Jtem: Ziehet den alten Menſchen mit ſeinen Wercken aus/
und ziehet den neuen an. Es ſind aber in dieſem Stuͤck der exuvia-
rum unterſchiedene Arten und Weiſen/ die ſo wol in der Natur/ als auch
der Gewonheit/ ſo jederweilen unter uns Menſchen [uͤ]blich geweſt/ ſich er-
zeigen. Und zwar (1) Exuviæ naturales. Wie die Schlang zu gewiſſer
Zeit in eine enge Hoͤle ſich pfrengt und dringt/ allda ihre Haut abſtreifft/
(*) L. 8.
hiſt. anim.
c. 17.und ſich alſo erneuert/ wie hievon Ariſtoteles (*) berichtet; Wie auch der
alte betagte Adler/ wann ihm der Schnabel krum̃ worden und zugewach-
(α) in c. 40.
Eſaiæ.ſen/ denſelben an einem Felſen ſchleiffet/ daß er ſich wiederumb aͤtzen kan/
und alſo neue Kraͤffte erlanget/ wie Hieronymus (α) und Auguſtinus (β)
(β) in Pſal.
103.die Prophetiſche Gleichnuͤß dahin deuten/ oder irgend nachdem er plut
(γ) Ambr.
ſerm. 54.worden/ die alten Federn außgefallen/ und neue an ſtatt wachſen (γ) wel-
ches ob es wahr oder erdicht/ laſſen wir jetzo uneroͤrtert. Alſo ſollen wir/
wil Paulus ſagen/ als kluge Schlangen die alte ſuͤndliche Haut/ als hoch-
fliegende Adler die alten Schnaͤbel und ga [...]ſtige Federn ablegen. (2) Exu-
viæ morales. Wie der Menſch wann er am Sambſtag zu Nacht ſeine
alte Wercktag. Kleider ablegt/ und morgens das Feyr- und Feſt- Kleid
anlegt/ ſonderlich wañ man zu einer ehrlichen Hochzeit zu gehen geſinnet/ da
waͤſcht man den Ruß vom Angeſicht und Haͤnden ab/ man legt das alte
Kleid beyſeits/ zieret ſich im Gegentheil aufs beſte/ ſonderlich das Weibs-
Volck/ alles nach dem Spiegel und aus der Laden heraus/ auf daß nie-
mand
[899]Predigt.
mand nichts zu tadeln habe: Alſo ſollen wir auch als getauffte geiſtliche
Feſt- und Sabbath-Kinder/ als zur him̃liſchen Hochzeit Geladene ablegen
und anlegen; Dieſer geiſtliche Außzug ſoll mit uns ſchlaffen gehen/ der
Anzug mit uns aufſtehen. (3) Exuviæ legales, wie ein Jſraelitiſcher
Soldat/ wann er nach erhaltenem Sieg ſich in ein gefangenes ſchoͤnes
Weib verliebt/ das er gern behalten und zum Weib nehmen wolte/ ihr
zuvor die Haar abſcheren/ die Naͤgel beſchneiden/ und die Kleider ihrer
Gefangenſchafft ablegen muſte/ wie Deut. 21. von ſolcher Kriegsordnung
zu leſen. Alſo ſoll auch der ſiegende Streiter JEſu Chriſti die alte Heyd-
niſche Locken voller Unzieffer/ die Diebs-Naͤgel/ die menſtruata der Suͤn-
den ablegen und beurlauben. (4) Exuviæ ſcholaſticæ, welche auch et-
licher Maſſen Gleichnuͤßweiſe hieher moͤgen gezogen werden/ ſo bey den
Schulen/ oder auch bey etlichen Handwerckern uͤblich/ iſt nichts neues/
ſondern allbereit zu Baſilii Zeiten zu Athen uͤblich geweſt/ da Baſilius durch
recom̃endation des Greg. Nazianzeni à ludibrio ſcholaſtico befreyet
worden: wie man den Bachanten die Hoͤrner abſchlaͤgt/ den Ruß ab-
waͤſcht/ das Narrenkleid außziehet/ darinn er zuvor erſchienen/ und ſich
ſeiner ſelbſt ſchaͤmen muͤſſen: Alſo ſolle der Menſch/ wann er durch die Tauf
in Chriſti Schul und Kirch befoͤrdert worden/ ſich befleiſſen alle kindiſche
ſundliche Welt-Thorheit abzulegen/ und da zu lernen/ damit er dermal-
eins an dem groſſen und rigoroſen Examine wol beſtehen und hoͤher be-
foͤrdert werden mag. Doch ſihet Paulus in angezogener Stell vornemlich
(5) auf die exuvias triumphatorias den Kriegs-Außzug: Zu gleicher
Weiſe/ wie die Philiſter/ da ſie Saul und ſein Heer aufs Haupt geſchlagen/
auf dem Gebirg Gilboa/ ſonderlich da ſie ihren Feind Saul auf der Wahl-
ſtatt angetroffen/ denſelben gepluͤndert/ ſeine Kleider außgezogen/ ſeine
Waffen genom̃en/ und allenthalben zur Schau getragen/ ſein Harniſch in
das Haus Aſtaroth gelegt/ ſein Haupt abgehauen/ und den Leichnam an die
Mauren zu Bethſan gehengt/ 1. Sam. 31/ 8. ſq. Alſo ſollen wiꝛ auch mit un-
ſerm innern Erb- und Ertzfeind dem alten Menſchen unbarmhertzig umge-
hen/ ihne ſtim̃len/ creutzigen/ hencken/ diſarmiren: Geſtalt dann unſer Ge-
neral und ſiegende triumphirende Himmels-Koͤnig uns mit troſtreichem
Exempel fuͤrgangen/ von deme St. Paulus ſchreibt: Er habe auß ge-Col. 2, 15.
zogen die Fuͤrſtenthumb/ ſie Schau getragen oͤffentlich/
und einen Triumph aus ihnen gemacht. Solche Krafft zu herꝛ-
ſchen uͤber unſern alten Feind empfangen wir in der H. Tauff. Gleichwie
ſonſt durch das Regen-Waſſer die Raupen/ Wuͤrme und Heuſchrecken ge-
toͤdtet werden/ und wie Cyprianus (δ) ſchreibt/ ſo muͤſſen auch die Schlan-
X x x x x 2gen
[900]Die zwey und dreyſſigſte
gen und Scorpionen/ wann ſie ins Waſſer geworffen werden/ ihr Gifft
von ſich geben. Alſo wird auch dem ſchaͤdlichen Wurm mit dem Schlan-
gen-Gifft angefuͤllten Ertzfeind durch das H. Tauff-Waſſer ſein Krafft
benommen/ er wird krafftloß gemacht/ ἳνα καταργηθῇ τὸ σῶμα τῆς ἁμαρτίας
auf daß der ſuͤndliche Leib aufhoͤre/ Rom. 6/ 6. wiewol ſich das ca-
daver beſagten Feindes noch immerzu reget und ſpuͤren laͤſt. Pharao wur-
de zwar im rothen Meer mit ſeinem gantzen Heer erſaͤufft/ erwuͤrget und
vertilget/ er war diſarmirt/ enervirt/ refrenirt/ ſein Wagen uñ Roß gelaͤh-
met/ ſeine Macht iſt zu Waſſer worden/ den Stachel hat er verlohren/ ſein
Wuth und Muth iſt gefallen/ dennoch iſt der Coͤrper (τὸ σῶμα) das ſcheutz-
liche Aaß noch uͤberblieben/ an das Land uñ Geſtad hinaus geſpyen worden/
hat zwar nichts mehr vermocht/ aber unleidentlich geſtuncken/ Ex. 14/ 30.
Ebener Maſſen wird auch der alte Adam erſaͤufft im rothen Tauf-Meer/
non ut non ſit, ſed ut non obſit, den Stachel hat er verlohren/ welcher
das Gewiſſen beißt/ und das Hertz naget/ anklaget/ beſchuldiget/ verdam̃et/
und dem Hertzen kein Fried laͤſſet/ den Zorn Gottes und die Hoͤlle fuͤrhalt.
Dieſe Krafft der Suͤnde/ die wird durch Gottes Barmhertzigkeit hinweg
genommen/ und bleibet doch gleichwol noch etwas in uns von dem Gifft
ſtecken; Die boͤſe Natur bleibt/ ſtincket und reget ſich noch in allen Tich-
ten und trachten/ in allerhand Reitzungen/ Luͤſten und Begierden/ daß da-
her entſteht der ſtetswaͤrende Streit des Fleiſches und des Geiſtes/ Gal. 5/
17. da iſt nun von noͤthen eine ſpirituoſa virtus oder Geiſt-Krafft den
Feind zu daͤmpffen/ über ihn zu dominiren und zu herꝛſchen. Wahr iſt
es/ es haͤtte GOtt der HErꝛ gleich alsbald die Suͤnd in der Wurtzel ver-
tilgen koͤnnen/ daß wir gleich durch die Tauff waͤren Engelrein worden;
Aber wo bliebe der Schlangen-Krieg den GOtt geſetzet? Gen. 3. Wo der
Helden-Sieg ſeiner Außerwaͤhlten? Wo die Cron und Gnaden-Lohn der
Streiter JEſu Chriſti/ die einen guten Kampf gekaͤmpffet? Darumb der
Tridentiniſche (*) Donnerklapff als Brut thum und unkraͤfftig wieder-
umb
[901]Predigt.
(*)
umb wird zuruͤck geſchickt/ als welches alles der Schrifft zuwider/ die von
den Suͤnden/ Fall- und Fehl-Tritten der Getaufften oder Wiedergebohr-
nen handelt/ iſt wider aller Heiligen Beicht und Wehklag/ ja wider diePſal. 32, 6.
helle Experientz. So wir ſagen/ wir haben keine Suͤnd/ ſo
verfuͤhren wir uns ſelbſt/ und die Warheit iſt nicht in uns/
ſchreibt Johannes 1. Ep. 1/ 8.
D. Lutherus Tom. 1. Isleb. p. 194. f. 2. Solche Vertilgung der Suͤnden/
darinnen Chriſtus/ als ein Koͤnig des Reichs Gottes regiret/ wircket er zweyer-
ley Weiſe. Erſtlich alſo/ daß er die Suͤnde vergiebet/ nachlaͤſſet/ und bedecket
dermaſſen/ daß ſie GOtt nicht anſehen/ achten/ oder rechnen wil/ ob ſie gleich im
Menſchen iſt. Hernachmals alſo/ daß er die Suͤnde purgire und reinige/ durch
mancherley Creutzigung und Leyden/ dann es ſind zweyerley Ding/ Suͤnde ver-
geben/ und Suͤnde wegnehmen oder außfegen. Wann ein Menſch glaubet und
getaufft wird/ ſo ſind ihm alle Suͤnde vergeben. Aber darnach muß durch viel-
faͤltig Creutz und Sterbung/ ſo lang er lebet/ die Suͤnde außgefegt werden. Die
Suͤnde bleibet in uns/ als lange der ſterbliche Leib waͤret/ aber ſie wird umb
Chriſtus willen nicht gerechnet im Zorne Gottes/ wird aber mit vaͤterlicher
Zuͤchtigung abgefeget.
Diß iſt alſo die erſte Tauff-Krafft/ die da heiſſet virtus mortifica,die
erſaͤuffende toͤdtende Krafft oder Creutzigung des alten A-
dams. O ein groſſes herꝛlich und troſtreiches Geheimnuͤß! Wolte
GOtt/ daß alles Volck auch recht verſtuͤnde/ und in praxin des Chriſten-
thumbs bringen moͤchte! Dann hie haben wir Sacramentum \& Exem-
plum, wie Lutherus (*) aus Auguſtino ſchreibt. St. Paulus als ein(*) in cap.
2. Gal. pag.
19.
rechte idea boni concionatoris, oder Muſter eines guten Predigers/ der
lehrt alle rechte Gottsgelehrte und gewiſſenhaffte Prediger/ wie ſie die my-
ſteria fidei, die Geheimnuͤſſe des Glaubens recht tractiren und abhandelne
ſollen/ nicht druͤber hinfahren wie der Hahn uͤber glüende Kohlen/ nicht
die ohne das faulen Zuhoͤrer bereden immer an der Milch zu hangen/ die
hohe Glaubens-Geheimnuͤſſen ſolle man nicht tieff forſchen/ auch ſo viel
Gott in ſeinem Wort geoffenbahret/ welchen doch niemand wird außſtudi-
ren/ wann er gleich ſo alt als Mathuſalem wuͤrde; Hernach wie man aus
dem Baum die Fruͤchte ziehen/ eliquiren und herfuͤhren ſolle/ daß alſo die
Erkaͤntnuͤß und Wiſſenſchafft die Chriſtliche Erbauung nach ſich ziehe.
Beydes lehrt S. Paulus uͤber alle Maſſen ſchoͤn/ Rom. 6. in zween pra-
ctiſchen ſyllogiſmis, deren der eine den Glauben ſtaͤrckt/ der andere das
Chriſtenthumb erbaut/ auff welche auch unſer Catechiſmus ſich gruͤndet
in der Frag: Was bedeut ſolch Waſſertauffen? ꝛc.
I. Der eine heiſt Sacramentum fidei, ſtehend in dieſen Worten: Wiſ-
ſet ihr nicht/ daß alle die in JEſum Chriſt getaufft ſind/ die
ſind in ſeinen Tod getaufft/ ſie ſind mit ihm begraben durch
die Tauff in den Tod/ und begreifft folgende Schluß-Red in ſich:
Chriſtus iſt getaufft worden im Jordan/ im Blut-Bad/ gecreutzigt/ und
hat ſein Blutbad in die Sacramenta flieſſen laſſen; er iſt in dem Creutz-
Tod/ und [B]egraͤbnuͤß untergedruckt worden in die Baͤche Belial/ und
durch ſolche ſeine Buß die ſtrenge Gerechtigkeit dermaſſen befriedigt/ daß
er abſolvirt/ juſtificirt/ von dem Tode liberirt/ und des Todes Stachel
der Suͤnde: Er ſtirbet hinfort nicht mehr/ der Tod wird hin-
fort uͤber ihn nicht herꝛſchen/ ſagt der Apoſtel daſelbſt v. 9. Dann
wer geſtorben iſt/ der iſt gerechtfertigt von der Suͤnde/ib. v. 7.
Nun ein jeder Taͤuffling iſt durch die H. Tauff Chriſto einverleibet/ in ihn
als den geiſtlichen Oelbaum eingepflantzt/ alles Safftes und Krafftes/
Fruͤchten und Nutzens theilhafftig worden/ und alſo gleichſam Chriſtus
ſelbſt worden/ ſein Kind/ ſein Tauff-Genoß/ Creutz-Genoß/ ſein Tods- und
Grab-Genoß/ unſer alter Adam iſt mit ihm gecreutziget/ das iſt/ wie Pe-
trus redt 1. Ep. 1/ 24. Unſere Suͤnde iſt aufgeopffert auff dem
Holtz/ er hat ihn als einen Maleficanten und Himmels-Banditen ans
Creutz angenagelt tanquam anathema, er hat ihn erſaͤufft in ſein Blut-
Bad/ und begraben/ wie Joſua die fuͤnff feindliche Koͤnige an Baͤume
auffhengt/ hernach in die Hoͤle werffen und Stein dafuͤr weltzen laſſen/
Joh. 10/ 26. Ergò (iſt der unfehlbare Schluß/) ſo ſeynd wir auch ſeiner
Abſolution faͤhig/ gerechtfertigt von der Suͤnde/ ja befreyet von dem ewi-
gen Tod/ koͤnnen nunmehr das freudige ἐπινίκιον und Triumph-Liedlein
anſtimmen/ wie die Jſraeliten uͤber Pharaonem: Wo iſt/ O Pharao/
Exod. 15, 7.dein Wuth und grimmiger Muth? ich meyne/ du haſt ihn erkuͤhlet im tief-
fen Meer! Wo dein Trutz wider der Hebreer Schutz? ich meyn/ er iſt un-
nutz! Alſo wir uͤber unſere Feinde/ Suͤnd/ Tod/ Teuffel und Hoͤll: Tod
wo iſt dein Stachel/ dein Herꝛſchafft? Hoͤll wo iſt dein
Sieg? 1. Cor. 15/ 55. (*) Diß iſt ein hoher unuͤberwindlicher Tauff-
Dar-
[903]Predigt.
(*)
gan
[904]Die zwey und dreyſſigſte
(*)
Troſt in allen Anfechtungen; Wem aber? den rohen ſichern Leuten/ de-
ren wie zu Pauli Zeiten ſchon/ alſo noch heutigs Tags viel gefunden wer-
den/ die ſprechen: Ey ſo hoͤr ich wol/ die Hoͤll iſt außgeloͤſcht/ der Tod iſt
todt/ nun hat es keine Noth/ ich lebe gleich wie ich wolle? O nein/ ſagt
Paulus! hoͤret auch das andere Stuͤck/ welches heiſt
II. Exemplum,das Exempel/ beſtehend in dieſen Worten/ wann
er Rom. 6/ 1. ſagt: Sollen wir dann in der Suͤnde beharren/
daß die Gnade deſto maͤchtiger ſeye? Das ſey ferne! Wie
ſolten wir in Suͤnden leben wollen/ der wir abgeſtorben?
Wiſſet ihr nicht ꝛc. Woraus dieſe Syllogiſtiſche Schluß-Kette zu
machen: Chriſtus iſt der Suͤnden geſtorben/ hat ſich deroſelben Bott-
maͤſſigkeit entzogen/ den vermeynten rechtlichen Anſpruch aufgehaben/ er
geſteht ihr kein Recht/ er wil mit der Suͤnde nichts mehr zu ſchaffen ha-
ben. Alſo iſt Simſon den Philiſtern gleichſam geſtorben und entgan-
gen/ da ſie gemeynt/ ſie haben ihn im Sack. Nun ein jeder getauffter
Chriſt iſt hiedurch mit ſeinem HErꝛn Chriſto der Suͤnde abgeſtorben/ de-
roſelben Bottmaͤſſigkeit und vermeynten rechtlichen Anſpruch entgan-
gen. Ergò ſoll er auch denſelben nicht mehr dienen/ der ſuͤndlichen Knecht-
ſchafft ſich nicht mehr untergeben/ nichts ferners mehr mit der Suͤnde zu
ſchicken und zu ſchaffen haben. Das waͤre ein ſchoͤner Handel geweſt/
wann die Kinder Jſrael/ nachdem ſie Pharaoni entſiohen/ und in gewiſ-
ſer Maß geſtorben waren/ denſelben wiederumb haͤtten wollen (wanns
moͤglich waͤre) auffrichten/ lebendig machen/ und in den Ziegel-Huͤtten
freywillig dienen? oder ihme parentiren/ elogiſiren/ hoch feyern? Wer
einmal aus dem Schuld-Thurn/ oder aus dem Zucht-Haus S. Raſpini
kommen/ den geluͤſtet nicht mehr hinein. Sondern verlaͤugnen muß
man ihn/ und dem uͤbrigen Reſt der Suͤnde widerſtehen. Und das iſts/
das unſer Chriſtliche Catechiſmns fordert in der Antwort auf die Frag:
Was bedeut dann ſolch Waſſertauffen? Es bedeut/ daß der
alte
[905]Predigt.
alte Adam JN VNS (derowegen iſt er noch fuͤrhanden/ und ſteckt
in unſerm Buſen) ſol (wir ſind ſchuldig es zu thun) erſaͤufft werden
(Das iſt/ wie Lutherus Tom. 6. Witt. p. 136. f. 2. ſchreibt) Alſo iſt der Menſch
gantz rein und unſchuldig Sacramentlich/ das iſt nichts anders geſagt/ dann er
hat das Zeichen Gottes die Tauffe/ damit angezeiget wird/ ſeine Suͤnde ſollen
alle todt ſeyn/ und er in Gnaden auch ſterben/ und am juͤngſten Tag aufferſtehen/
rein/ ohne Suͤnde/ unſchuldig/ ewiglich zu leben. Alſo iſts deß Sacraments
halben wahr/ daß er ohne Suͤnde unſchuldig ſey. Aber dieweil das nun nicht
vollbracht iſt/ und er noch lebet im ſuͤndlichen Fleiſch/ ſo iſt er nicht ohne Suͤnde
noch rein aller Dinge/ ſondern angefangen rein und unſchuldig zu werden. Dar-
umb wann der Menſch zu ſeinen Jahren kommt/ ſo regen ſich die natuͤrlichen
ſuͤndlichen Begierden/ Zorn/ Vnkeuſchheit/ Liebe/ Geitz/ Hoffart/ und derglei-
chen/ der keines nicht waͤre/ wann die Suͤnde im Sacrament alle erſaͤufft
und todt waͤren. Nun ſind ſie nur bedeutet zu erſaͤuffen/ durch den Tod und
Aufferſtehung am juͤngſten Tage. Alſo klagt St. Paulus Rom. 7. und alle Hei-
ligen mit ihm/ daß ſie Suͤnder ſeyn/ und Suͤnde in ihrer Natur haben/ ob ſie wol
getaufft/ und heilig waren. Darumb/ daß ſich die natuͤrlichen ſuͤndlichen Be-
gierden immer regen/ dieweil wir leben. Zum neundten/ ſo ſprichſtu/ was hilfft
mich dann die Tauffe/ wann ſie nicht tilget/ noch ableget die Suͤnde gantz und
gar? Hie kommt nun der rechte Verſtand und Erkaͤndtnuͤß deß Sacraments der
Tauffe/ das hilfft dir das hochwuͤrdige Sacrament der Tauffe/ daß ſich GOtt
daſelbſt mit dir verbindet/ und mit dir eins wird/ eines gnaͤdigen und troͤſtlichen
Bundes. Zum erſten/ daß du dich ergiebeſt in das Sacrament der Tauffe/ und
ſeiner Bedeutung/ das iſt/ daß du begehreſt mit den Suͤnden zu ſterben/ und am
juͤngſten Tag neu gemacht werden/ nach anzeig dieſes Sacraments/ wie geſagt
iſt. Das nimmt Gott auff von dir/ und laͤſſt dich taͤuffen/ und hebt von ſtund
an/ dich neu zu machen/ geuſt dir ein ſeine Gnad und Heil. Geiſt/ der anfaͤhet die
Natur und Suͤnde zu toͤdten/ und bereiten zum ſterben/ und zum aufferſtehen am
juͤngſten Tage. Zum andern/ verbindeſt du dich alſo zu bleiben/ und immer
mehr und mehr zu toͤdten deine Suͤnde/ dieweil du lebeſt biß in den Tode. So
nim̃t daſſelbe Gott auf/ und uͤbet dich dein Lebenlang/ mit vielen guten Wercken/
und mancherley Leyden/ damit er thut/ das du begehret haſt/ in der Tauffe/ das
iſt/ daß du wilt der Suͤnde loß werden/ ſterben und neu aufferſtehen am juͤngſten
Tage/ und alſo die Tauffe vollbringen/ darumb ſehen und leſen wir/ wie er ſeine
liebe Heiligen ſo hat laſſen martern und viel leyden/ daß ſie nur bald getoͤdtet/
dem Sacrament der Tauff bald gnug thaͤten/ ſtuͤrben und neu wuͤrden. Dann
wo das nicht geſchicht/ und wir nicht leyden noch Vbung haben/ ſo uͤberwindet
die boͤſe Natur den Menſchen/ daß er ihm die Tauffe unnuͤtz machet/ und faͤllet in
Suͤnde/ bleibet ein alter Menſch wie vorhin.
Wodurch? Durch taͤgliche Reu und Buß/ und in dero Zeugnuͤß
ſcil. den Petriniſchen Buß-Thraͤnen/
So geſchicht theils durch gruͤndliche Spur und Erkaͤndtnuͤß des al-
ten Menſchen/ der ſich finden und mercken laͤſſt in allen Staͤnden/ in cho-
ro, da menſchelts bißweilen und ſtinckt nach dieſem cadaver und Todten-
Aaß; in foro ebenmaͤſſig/ die Hauß-Taffel warnet nicht vergebens/ in
Achter Theil. Y y y y yder
[906]Die zwey und dreiſſigſte
der Frag: Wann handelt die Obrigkeit wider ihren Beruff?
Antwort: Wann ſie den alten Adam mit ſeinen Fruͤchtlein
laſſen herfuͤr gucken/ ꝛc. So viel Rechts-Haͤndel/ ſo viel Diebereyen
auf Seiten der ſchuldigen Partheyen; in thoro, im Haußſtand iſt er auch
daheim: Es ſtelle ein jeder eine luſtration an/ er wird gewiß den alten
Adam bey ſeiner Eva finden/ auch in ſeiner Kuchen unter dem Geſind/ an
ſeinen eignen Kindern/ bevorab wann man ſie verzaͤrtelt und verwilden
laͤſſt im Hoffart/ Neid/ Luͤgen/ Diebſtal/ ꝛc. ja in dir ſelbſt/ ein jeder greiff
in ſeinen Buſen/ proximus ipſe tibi, tuus alter ego, da wirſtu dieſes
ſcheutzliche Monſtrum/ dieſes widerſpenſtige Ungeheur antreffen.
Theils durch wahre Verlaͤugnung/ wie Petrus Chriſtum
verlaͤugnet/ alſo ſollen wir den einheimiſchen Antichriſt verlaͤugnen/ und
ſeiner uns ſchaͤmen/ das Unzieffer immer eroͤſen/ außziehen/ ablegen/ diſ-
armiren/ unbarmhertzig tractiren/ dann wer iſt/ der einen Hauß-Dieb ver-
mercket in ſeinem Hauß/ daß er nicht aufſtehe/ denſelben außſpaͤhe/ und
ihm mit ernſter Gegenwehr begegne? Wann Potiphars Weib/ oder ſonſt
ein ſchoͤner Augen-Spiegel dich reitzt zur Unzucht und Kuͤtzel/ ſoltu alsbald
mit Joſephs Antwort begegnen und ſagen: Wie ſolt ich ein ſolch
groß Ubel thun und wider GOtt ſuͤndigen? Gen. 39/ 9. Haſtu
Gelegenheit zur Fuͤllerey und Trunckenheit/ ſo gedenck an Salomons Er-
innerung Prov. 23/ 31. ſqq.Sihe den Wein nicht an daß er ſo roth
iſt/ und im Glaß ſo ſchoͤn ſteht/ er geht glatt ein/ aber dar-
nach beiſſet er wie ein Schlang/ und ſticht wie ein Otter.
Theils auch durch Chriſtliche Gedult im Creutz. Dann das
Creutz-Bad iſt ein heilſames Schweiß-Bad/ dadurch viel Unflath wird
außgeſchwitzt. Durchs Creutz wird außgetilgt/ was noch uͤbrig im Fleiſch
reſtirt/ je mehr Creutz/ je weniger Suͤnd/ je kraͤncker der Leib/ je geſunder
die Seel. Wer am Fleiſch leidet/ der hoͤret auf von Suͤnden/
ſagt Petrus 1. Epiſt. 4/ 2. der Kuͤtzel wird ihm vertrieben. Wohin auch
gehoͤrt ein ſcharffe Ruth/ wider der Suͤnden Wuth/ harte Diſciplin und
Zucht die Beſſerung ſucht: bißweilen muß das Henckerſchwerdt deß
Fleiſches Muthwillen vertreiben. Summa/
Darum ſchickt GOtt die Trůbſal her/Damit das Fleiſch gezuͤchtigt werZur ewigen Freud erhalten.
Endlich durch hertzlichen ſehnlichen Wunſch und Bitt um die
Krafft auß der Hoͤhe/ der gute Geiſt der das gute Werck der mortifica-
tion in uns angefangen/ der woll es auch vollenden/ daß unſer Hertz moͤch-
te be-
[907]Predigt.
te befreyet werden/ nicht nur von dem ſuͤndlich- und bindlichen reat, ſon-
dern auch von dem Reſt des ſcheutzlich inwohnenden Unflats/ mit Paulo
Rom. 7/ 24. O ich elender Menſch/ wer wird mich erloͤſen von
dem Leib dieſes Todes? Ach daß ich dieſes ſchentzlich ſtinckenden tod-
ten Aaßes der noch reſtirenden Suͤnden moͤchte loß werden. Mit David
auß dem 51. Pſalm: Ach HErꝛ ſchaff in mir ein rein Hertz/ wa-Pſal. 51, 2.
ſche mich wol von meiner Miſſethat/ und reinige mich von
meiner Suͤnde/ entſuͤndige mich mit Jſopen (beſprenge mich mit
Chriſti Opfer-Blut) daß ich ſchneeweiß werde. Waſche mich
durch taͤgliche Toͤdtung deß Fleiſches/ biß ich gantz heilig und voll-
kommen/ ohne eintzige Macul/ Runtzeln oder deſſen etwas/ fuͤr dir
in der trinmphirenden Kirchen erſcheine. Mit der Chriſtlichen Kirchen:
Ertoͤdt uns durch dein Guͤte/Erweck uns durch dein Gnad/Den alten Menſchen kraͤncke/Daß der neu leben mag.
Jtem:O HErꝛ durch dein Krafft uns bereit/Und ſtaͤrck deß Fleiſches Bloͤdigkeit/Daß wir hie ritterlich ringen/Durch Tod und Leben zu dir dringen/
AMEN.
GEliebte in Chriſto. VonConſtantino M.dem
Erſten recht Chriſtlichen Kayſer meldet die Kirchen-
Hiſtori (*)/ daß derſelbe von Zeit ſeiner Bekehrung an(*) apud
Euſeb. l. 4.
de Vit.
Cõſt. c 61.
\& Theo-
doret. L. 1.
je und allweg ein ſonderbaren Luſt und Verlangen
getragen/ im edlen und beruͤhmten Fluß Jordan/ in
welchem Chriſtus der HERR getaufft worden/
auch getaufft zu werden/ einige Gelegenheit zu ſolcher
Y y y y y 2Wal-
[908]Die drey und dreiſſigſte
Walfahrt erwartend/ biß ins 65. Jahr ſeines Alters die Tauff auffgeſcho-
c. 31. Evagr.
L. 3. cap.
41.ben/ in der Stadt Nicomedia todt-kranck worden/ darauff die Chriſtliche
Biſchoffe zu ſich erfordert/ und geſagt: Lieben Bruͤder/ ich habe zwar groſ-
ſe Luſt und Begierd gehabt eine Walfahrt nach dem Jordan fuͤr zu neh-
men/ daſelbſt getaufft zu werden/ und daher das Tauff-Feſt ſo lang auff-
geſchoben/ dieweil ich aber ſehe/ daß es GOtt anders beſchloſſen/ und ich
meines Wunſches nicht gewaͤhrt werde/ anch nunmehr der Tag des Heils
kommen/ ſo will ich hie das Sigillum, das unſterbliche Jnſigel mir laſſen
aufftrucken/ und durch einen unter euch ohne ferner Diſpucat und Auff-
enthalt mich tauffen laſſen.
Ob nun wol dieſe Andacht deß Kaͤyſers einer ſu perſtition und
Aberglauben aͤhnlich/ eine heßliche Wartze geweſt an einem ſolchen ſchoͤnen
Coͤrper/ als dem haͤtte ſollen beyfallen die unumbgaͤngliche Nothwendig-
keit der H. Tauff/ und die Ungewißheit der Stunde des Todes/ und deßwe-
gen die Tauff nicht ſo lang verſparen ſollen/ auch wiſſen adiaphorum
aquæ indeterminatæ, es ſeye hiezu ein Waſſer ſo gut als das ander/ wann
das Wort dazu kom̃t/ ſo ſey es eine Tauffe/ es heiſſe das Waſſer Jordan o-
der Nilus: Dennoch wann ſolcher anklebende Aberglaub abgeſcheelet
wird/ ſo iſt ſolch votum nicht allerdings zu verwerffen/ wann wir beden-
cken die Magneten/ die ein Chriſtliches Hertz bewegen koͤnnen/ den Jordan
zu eleviren, zu erheben und anagogicè himmliſche Geheimnuͤſſen bey
demſelben zu betrachten.
Jn reflexion und Anſehung deſſen die lieben Alten haben pflegen zu ſa-
gen: Abi ad Jordanem \& videbis, thue eine Walfahrt und gehe hin an
den Jordan/ wo nicht mit Fuͤſſen/ doch in Gedancken und andaͤchtiger Auff-
merckſamkeit/ ſo wirſt du ſehen unerhoͤrte himmliſche Geheimnuͤſſen und
ſuͤſſe Wunderthaten/ die ſich daſelbſt begeben. Nemlich:
(1) Myſterium Trinitatis in umbrâ,das herrliche Geheimnuͤß
der hochgebenedeyten Drey Einigkeit/ ſo da als in einem Schat-
ten zuſehen war/ als die Quell und der Urſprung deß H. Tauffbades.
Dann zugleicher Weiſe wie der edle Strohm und luſtige Fluß deß gelob-
ten Landes Canaan/ genañt Jordan/ unten am Berge Libano entſpringt
aus zwo Quellen/ derer die eine geheiſſen Jor/ die andere Dan/ und
bey Cæſaréa Philippi zuſammen gefloſſen/ und ſich alſo erzeigten drey
Ding/ zwo Quellen und ein Strohm/ ſo von beeden Quellen aus und zu-
ſammen gefloſſen/ ein ὁμοούσιόν τι ein einiges Waſſer von einerley Weſen/
Natur und Art: Alſo ſind auch in der heiligſten Gottheit zwo Quellen
Apoc. 22, 1.Gott Vatter und Gott Sohn/ aus welchen der Cryſtal-klare Strohm Gott
der
[909]Predigt.
der Heilige Geiſt entſpringet/ welche Drey Eins ſeynd. Auch drey
unterſchiedliche Tauff-Zeugen waren bey der Tauff und inauguration1. Joh. 5, 7.
Chriſti; der himmliſche Vatter redet; der Sohn GOttes ſtehet da als
der Taͤuffling im Waſſer/ der H. Geiſt/ der decket/ uͤberſchattet und verſie-
gelts.
(2) Baptiſmi finem ᾧ, den Zweck der Tauff/ nemlich das himm-
liſche Land Canaan/ das Land der Lebendigen. Wolten dort die E-
phraimiten/ die Fluͤchtigen vom Stamm Ephraim in ihre Heimat das
Land Canaan zuruck kommen/ ſo muſten ſie durch und uͤber den Jordan
ziehen/ zuvor aber die Loſung von ſich geben/ das Wort Schibboleth recht
außſprechen/ ſonſt wurde ihnen die Fuhrt und der Paß verſperrt/ Judic. 12/
5. Alſo wer durch den Tauff-Jordan gegangen/ und ſein Symbolum und
Glaubens-Bekaͤntnuͤß abgelegt/ der ſoll ſelig werden/ wer nicht glaubt/ ſoll
verdammt ſeyn. Ja ſolte dort 2. Reg. 6/ 5. ſqq. die eiſerne Axt/ die in
Jordan gefallen/ empor und in die Hoͤhe ſchwimmen/ ſo muſte es durch
ein extraordinar miracul vermittelſt deß Worts Eliſæ geſchehen: Alſo
ſollen unſere von Natur eiſenſchwere Hertzen εἰς τὰ ἄνω in die Hoͤhe/ zu dem
das droben iſt/ erhebt werden/ ſo muß uͤber den Tauff-Jordan das Goͤttli-
che Benedicite geſprochen werden. Sehen wirſtu daſelbſt
(3) Baptiſmi mirificam virtutem \& efficaciam in typo,als in ei-
nem Vorbild die edle Heil- und Wunder-Krafft der H. Tauf.
Dann gleichwie abermahl der Jordan gemeiniglich zu Sommer- und
Erndt-Zeit aufgeſchwollen/ ſich ergoſſen und außgefloſſen/ und die duͤrre
Erd und Erndt erquicket und wieder friſch oder lebendig gemacht/ Joſ. 3/ 15.
Syrach 24/ 37. Alſo werden durch den friſchen Tauff-Strohm die lech-
zende und heildurſtige Seelen erquickt/ friſch und lebendig gemacht. Naa-
man der auſſaͤtzige Syriſche Feldhauptmann muſte ſich auff das Wort
deß HErrn durch Eliſam ſiebenmahl baden im Jordan/ ſo wurde aller
Unflath/ abſcheulicher Kraͤtz und Etogrind deß Auſſatzes abgewaͤſchen/
durch den See Samachonit und das Galileiſche Meer in das rothe Meer
gefloͤſſet/ darin verſchlungen und begraben/ hingegen war ſein Leib gantz
geſund/ das Fleiſch ward wieder erſtattet/ ſo glatt und ſchoͤn wie das
Fleiſch eines jungen Knabens/ 2. Reg. 5/ 14. Alſo iſt der Tauff-Jordan
auch das außerwaͤhlte Mittel und geweyhete Artzney-Bad (thermæ ther-
marum) in welchem unſer alte Menſch/ der ſuͤndliche Unflath und reat er-
ſaͤufft und gedaͤmpfft/ contra wider ein neue Creatur/ Geburt und heili-
ger Menſch herfuͤr kompt/ gantz neu und friſch wie ein bluͤhender Juͤng-
ling/ verjuͤngert wie ein Adler.
Darum wir auch bey dieſem Tauff-Jordan ſtill ſtehen/ und dißmal
noch ferner (nachdem wir heut acht Tag E. L. fuͤrgetragen Virtutem
mortificam die toͤdtende Krafft) bedencken wollen Virtutem Baptiſmi
vivificam,die lebendigmachende Wuͤrckung deſſelben/ Krafft
welcher der in Suͤnden geiſtlich todte Menſch geiſtlich lebendig gemacht/
widergehohren und mit dem ſchoͤnen Tauff-Kleid angezogen wird/ als
ein neuer Menſch aufſtehet/ und in neu-verjuͤngtem Leben wandelt. Der
HErꝛ verleihe uns-dazu ſeines H. Geiſtes Lebens-Krafft/ Safft und Se-
gen. Amen.
GLeichwie nun abermal Zeit der erſten Zornfluth Noah ſampt den
ſeinen/ nachdem er uͤbers Jahr in ſeiner Arch als im Grab ge-
zappelt/ in mortibus, dem Tod im Rachen drinn geſteckt/ und
alle Augenblick ſich ſeines Lebens begeben muͤſſen/ erbaͤrmlich macerirt
und mortificirt worden/ aber nicht allein in waͤhrender Suͤndfluth empor
uͤber den Waſſern gefahren und geſchwebet/ Gen. 7/ 17. ſondern auch/ da
der HErꝛ an ihn wider gedacht/ und ihm befohlen auß der Arch herauß zu
gehen/ gantz friſch und geſund da geſtanden/ gleichſam als ein widergebor-
ner neuer Menſch worden/ von den Todten aufferſtanden und lebendig
worden/ und alles neu geſehen/ mit lauter Neurath regalirt worden/
(*) amabi-
le ſolis lu-
men. Lu-
ther. in Ge-
neſ. p. 135.uͤber ſich ein neuen Himmel/ eine Sonne (*)/ unter ſich eine neue
Erd/ um ſich neue Kinder/ die durch Gottes Segen durch ſeine Soͤhn ge-
zeuget worden/ neue Speiß und Tranck genoſſen/ ja ein gantzes neues
Jubel-Jahr angetretten. Alſo beſteht auch die Tauff-Krafft in vivifi-
catione, nachdem ſie den alten Menſchen getoͤdtet/ ſo macht ſie den in
Suͤnden todten Menſchen lebendig zu einer neuen Creatur/ unter einer
Pſalm. 110.neuen Gnaden-Sonn/ in novo jubilæo, da der Thau-Regen und Se-
gen von oben herab ihn zu allem guten fruchtbar gemacht. Ja wie in un-
ſerm natürlichen Leben der Menſch zu erſt in Mutterleib lebendig wird/
durch Gottes Segen in ihm ein neues Seelen/ Liecht angezuͤndet wird/
ehe er geboren: wie Moſes zwar ins Waſſer gelegt und Fuͤrbilds-Weiſe
erſaͤufft/ aber durchs Waſſer vivificirt, das iſt/ bey Leben erhalten worden/
wie eben in dem Verſtand auch von den Hebraͤiſchen Wehe-Müttern im
Text Exod. 1/ 17. geſagt wird [...]vivificabant,Sie machten die
Kinder lebendig/ das iſt/ wie es Lutherus wol gedolmetſcht/ Sie lieſ-
ſen die Kinder leben/ iſt deßwegen Moſes genennet worden Moyſes,
tanquam ex aqua ſervatus, als der auß dem Waſſer lebendig erhalten
worden. Alſo erzeigt ſich in der Heil. Tauff
I. Virtus vivifica,Die Krafft deß lebendig-machenden
Geiſtes/ Joh. 6/ 63. 2. Cor. 3/ 6. ſonderlich Coloſſ. 2/ 13. GOtt hat
auch euch mit ihm (Chriſto) lebendig gemacht/ da ihr todt wa-
ret in den Sůnden/ und in der Vorhaut eures Fleiſches. Da
die Tauffe eine Beſchneidung genennet wird/ ſo nicht mit Menſchen-Haͤn-
den geſchicht/ und vermeldet/ daß GOtt mit Chriſto auch uns durch die
Tauff lebendig gemacht/ da wir todt waren in Suͤnden. Zu gleichervid. Lact.
cat. part. 6.
pag. 73. ſq.
Weiſe/ wie in der erſten Schoͤpffung Himmels und Erden Ruach Elo-
him,der Geiſt Gottes ſchwebet uͤber den Waſſern/ [...]
heiſts in feiner Sprach/ das iſt/ Er hat ſich gleich einer Brut-Henne uͤber
das groſſe Welt-Ey/ oder das ungeheure/ ſcheutzliche und unformliche
oͤde und wuͤſte Chaos gelegt/ Gottziemender Weiſe daſſelbe außgebruͤ-
tet und außgewuͤrcket/ alles lebend und webend gemacht/ Fiſch und Voͤgel/
und alles was lebend und webend ſeyn ſolte; Alſo ſchwebet auch der H.
Geiſt in dem Tauff-Waſſer uͤber die (κακου̃ κόρακος κακὰ ὦα) die leere
lebloſe und todte Eyer der erſten Geburt/ bruͤtet ſie auß/ und macht ſie durch
ſolchen incubitum geiſtlich lebendig in Gott/ nos piſciculi in aquâ naſci-
mur, ſagt Gleichnuß-Weiſe Tertullianus (*)/ wir werden als Fiſchlein im(*) Lib. de
Bapt. c. 1.
Waſſer gebohren. Der terminus iſt ein huldreiches Gnaden Leben/ Joh.
3/ 63. cap. 5/ 24. und Gal. 2/ 20. ſagt St. Paulus: Jch lebe nun/ doch
nicht ich/ ſondern Chriſtus lebet in mir/ dann was ich jetzt lebe
im Fleiſch/ das lebe ich in dem Glauben deß Sohns GOttes.
Jſt ein rechtſchaffenes Weſen und Leben/ das natuͤrliche Leben iſtEph. 4, 23.
zwar auch ein Leben/ aber ein elendes muͤheſames Leben/ ein ſterbliches
vergaͤngliches Leben; ubi vita ſupplicio, mors eſt ſolatio, da das Leben
ein Straff iſt/ der Tod aber ein Troſt: Aber dieſes Gnaden-Leben iſt ein
warhafftes/ beſtaͤndiges/ unvergaͤngliches/ himmliſches/ ſeliges Leben;
Ein heiliges ordentlich dietiſches Leben ohne ἀσωτίᾳ und Unordnung.
Mancher Menſch fuͤhret ein unordentlich wuͤſtes und wildes Sau-Leben/
frißt und ſaufft was ihm ſchmeckt/ haͤlt keine Diet, braucht keine Artzney/
verkuͤrtzt ihm alſo ſelbſt das Leben. Ein ſolches Leben iſt und ſoll dieſes
nicht ſeyn/ ſondern ein regulirtes/ beſcheidenes/ feines/ dietiſches Leben/ ſo
erhalten wird durch die Speiſe deß Goͤttlichen Worts/ und durch die heil-
ſame Artzney deß heiligen Abendmalhs/ wider die λυϖοθυμίαν geiſtliche
Ohnmacht und Kranckheit unſer Seelen. Ja ein recht Goͤttliches Le-
ben iſt es/ wie dergleichen von dem Leben Henochs geruͤhmet wird Gen. 5/
22. da im Gegentheil die Welt lebet ein Heydniſches/ Epicuriſches/ Vie-
hiſches Leben/ ja gar ein recht teuffeliſches Leben. Ein ſolcher roher Gott-
und
[912]Die drey und dreiſſigſte
und Geiſtloſer Welt-Menſch iſt lebendig todt/ gleichwie von dem verlohr-
nen Sohn geſagt wird Luc. 15/ 13. Hingegen iſt das jetztgeruͤhmte geiſtliche
Gnaden-Leben ein Leben aus Gott/ mit Gott/ in Gott/ zu Gott/ ein Goͤtt-
liches Leben gegen GOtt wegen deß guten Gewiſſens/ ein gerechtes Leben
gegen dem Naͤchſten/ ein maͤſſiges Leben an ſich ſelbſt. Summa/ die
Heil. Tauff macht aus dem alten todten Menſchen ein neuen lebendigen
Tom. 4.
Witt. pag.
354.
Joh. 3, 5.heiligen; wie Lutherus davon redet und ſchreibet.
II. Virtus Regeneratrix,Die widergebaͤrende Krafft. Dar-
auff Chriſtus deutet/ Es ſey dañ daß jemand von neuem geboren
werde/ aus Waſſer und Geiſt/ kan er das Reich Gottes nicht
ſehen; Welche Krafft S. Paulus auch wil verſtanden haben Tit. 3/ 5. da
er das Bad der Widergeburt ruͤhmet. Gleichwie Moſes zwar ein na-
tuͤrlicher Menſch von Vatter und Mutter geboren/ aber als ein Außwuͤrff-
ling in einem Kaͤſtlein exponirt und außgeſetzt worden ins Waſſer/ im
Schilff Nili, aber durch wunderbare Goͤttliche Providentz aus dem
Waſſer gezogen/ und daher als ein Findling oder Findel-Kind/ von der
Tochter Pharao der Thermutis/ aus groſſer Erbaͤrmde und Mitleiden zu
einem Sohn und Stuhl-Erben willkuͤhrlich angewuͤnſcht worden/ und
gleichſam als ein Waſſer-Geburt/ ohne zuthun einiges Mannes/ politi-
ſcher Weiſe wiedergebohren/ und das Sohns und Erb-Recht erlangt/ wie
Joſephus lib. 2. Antiq. cap. 5. hiervon zeuget. Alſo iſt und wird auch
der Menſch von Mann und Weib geboren/ als ein Kind deß Zorns ins
1. Pet. 1, 3.groſſe Welt-Meer hinauß geworffen; Aber aus groſſer Barmhertzigkeit
Gottes (κατὰ τὸν ἁυτου̃ ἔλεον Tit. 3.) wird er von Gottes gnaͤdiger Provi-
(*) Davon
Lutherus
ſchreibt T.
6. Witt. p.
133. \& p. 136dentz durch die Kirch als Hebamme (*) wiederumb herauß gezogen/ und
aus dem fruchtbaren Saamen deß Waſſers widergebohren/ erlangt als
ein adoptivus und angewuͤnſchtes Kind das Goͤttliche Kinds-Recht/
wird ein Erb deß Himmelreichs und ewigen Lebens/ und daſſelbe ohne zu-
thun menſchlicher Krafft/ allein durch die Uberkunfft deß H. Geiſtes.
Gleichwie der ewige Sohn Gottes ein Menſch geboren worden/ nicht
von Manns-Blut noch vom Fleiſch/ ſondern durch Uberſchattung deß
H. Geiſtes/ der den keuſchen edlen Saamen Abrahams geheiliget/ mit dem
Sohn Gottes vereinbahret/ und alſo durch die H. Jungfrau Mariam als
puerperam \& obſtetricem, Kindbetterin und Hebamm gebohren wor-
den: Alſo hat auch der Taͤuffling Macht bekommen ein Kind
Gottes zu werden/ nicht von dem Gebluͤt/ noch von Will-
kuͤhr deß Fleiſches/ oder Willen eines Mannes/ ſondern ver-
mittelſt der Chriſtl. Kirche/ als Kindbetterin und Hebam̃/ durch die Heil.
Tauffe
[913]Predigt.
Tauffe/ aus Gott Vater/ welcher uns wiedergebohren durch das Wort
der Warheit/ auff daß wir waͤren Erſtlinge ſeiner Creatu-
ren/ Jac. 1/ 18. in den Stammbaum Chriſti eingepfropfft/ durch di[e]
kraͤfftige ἐπέλευσιν und Uberkunfft des Heil. Geiſtes/ der das Waſſer ge-
ſchwaͤngert und fruchtbar gemacht/ den Taͤuffling mit Chriſto vereiniget/
denſelbigen heiliget/ weyhet und lebendig macht. Der Terminus ad
quem iſt ein edles Kind Gottes/ nicht mehr Zorn-Kind/ nicht mehr Kind
des Todes/ weniger des Teuffels/ ſondern ein hoch-wolgebohren edel Koͤ-
nigliches Kind/ ein Himmel-Kind/ ein Liecht-Kind/ ein Gluͤck-Kind/ ein
außerwaͤhltes Schooß-Kind Gottes. O quanta gloria! O des groſſen
Gluͤcks und Herꝛligkeit! Lutherus Tom. 2. Isleb. p. 425.
Ey es iſt zu groß und uͤbermacht/ daß wer ihm recht nachdencket (Weltkin-
der thuns freylich nicht/ Chriſten aber thuns/ jedoch nicht alle) der muß ſich gleich
druͤber entjetzen/ daß ihm einfaͤllt/ Lieber iſts auch muͤglich und wahr? Darumb
muß der Heil. Geiſt hie Meiſter ſeyn/ dieſes Erkaͤntnuͤß und Glauben uns in das
Hertz ſchreiben/ und unſerm Geiſt Zeugnuͤß geben/ daß es gewiß und Amen iſt/
daß wir durch den Glauben Gottes Kinder worden ſind und ewiglich bleiben.
Dann St. Johannes hat ſein Evangelium nicht aus menſchlichem Willen her-
fuͤr gebracht/ ſondern er iſt von dem Heil. Geiſt getrieben/ der ein Geiſt der War-
heit iſt/ darumb wird er uns gewißlich nicht betriegen. Sonſt iſt es gar ein groß
Ding/ daß ein armer Menſch ſoll Gottes Sohn und ein Erb Chriſti ſeyn; Es ſagt
der HErꝛ Chriſtus recht/ die Kinder dieſer Welt ſind kluͤger dann die Kinder des
Liechts/ dann eines reichen Bauren Sohn laͤßt ſich duͤncken/ er ſey ein groſſer
Juncker. Eines anſehnlichen Buͤrgers Sohn verlaͤſſet ſich auff ſeines Vaters
Ehr und Gut. Alſo ein Gewaltiger vom Adel gedencket/ er ſey ein Fuͤrſt im
Lande/ haͤlt viel und groß von ſich Nun iſts ein groß Ding/ daß einer mit War-
heit ruͤhmen kan/ er ſey eines groſſen Herꝛn/ Fuͤrſten/ Koͤnigs oder Kaͤyſers
Sohn dann die hohen Staͤnde/ wie alles andere/ ſind Gottes gute Geſchoͤpff
und Crcaturen. Dazu hat GOtt geboten/ daß man geben ſoll was einem gebuͤh-
ret/ ſie fuͤrchten/ ehren und ihnen unterthan ſeyn. Darumb iſts eine groſſe Ehr und
Herꝛlichkeit/ da die Welt hoͤher von haͤlt/ dann von Gottes geiſtlichen Guͤtern/
eines Fuͤrſten/ Koͤnigs oder Grafen ꝛc. Sohn und Erbe ſeyn/ ſo ſie doch eitel Ma-
denſaͤcke ſeyn/ und alles ſtincket gegen dieſer Herꝛligkeit. Aber halte es gegen die-
ſer unausſprechlichen Wuͤrde und Hoheit/ davon der Evangeliſt ſagt/ wie viel
ihn auffnahmen/ das iſt/ an ſeinen Namen glaͤubeten/ denen gab er Gewalt
Gottes Kinder zu werden. Wann wirs von Hertzen gewiß und feſt glaͤubeten/
daß der ewige GOtt/ Schoͤpffer und Herꝛ der Welt unſer Vater waͤre/ bey dem
wir ewiglich bleiben ſolten/ als Kinder und Erben/ nicht der vergaͤnglichen ar-
gen Welt/ ſondern aller ſeiner ewigen/ himmliſchen/ unausſprechlichen Schaͤtze/
fuͤrwahr wir wuͤrden uns nicht viel bekuͤm̃ern uͤber dem/ das die Welt allein hoch
und groß achtet/ viel weniger darnach trachten/ ja wir wuͤrden aller Welt Reich-
thumb/ Schaͤtze/ Herꝛligkeit/ Pracht und Macht/ ꝛc. gegen unſerer Wuͤrde und
Ehre (als die nicht eines ſterblichen Kaͤyſers/ ſondern des ewigen/ allmaͤchtigen
Gottes Kinder und Erben waͤren) gering/ veraͤchtlich/ garſtig/ auſſaͤtzig/ ja fuͤr ei-
Achter Theil. Z z z z znen
[914]Die drey und dreyſſigſte
nen ſtinckenden Vnflath und Gifft halten. Dann ihre Herꝛligkeit/ ſo groß und
hoch ſie auch ſeyn kan/ freſſen endlich die Wuͤrm und Schlangen im Grabe/ und
wo die/ ſo in ſolcher Ehre und Herꝛligkeit geſeſſen ſind/ in Erkaͤntnuͤß und Glau-
ben Chriſti nicht von hinnen ſcheiden/ ſo fahren ſie zum Teuffel/ ihr Wurm ſtir-
bet nicht/ ihr Feuer verleſchet nicht.
III. Virtus Reſuſcitatrix \& Repræſentatrix,die Auferweckung
und Darſtellung des edlen Kindes/ die groſſe Schoͤpffkrafft/
durch welche Chriſtus von den Todten aufferweckt worden/
Col. 2/ 12. iſt die erſte Aufferſtehung/ Apoc. 20/ 6. Gleichwie ein na-
tuͤrlich Kind/ wann es nun gebohren/ und aus Mutterleib als einem Grab
herfuͤrgeſchloffen/ heraus gezogen/ gebadet und gewaſchen worden/ ſo wird
es der Mutter und Anweſenden lebendig dargeſtellet/ und in die Arm gege-
ben; Alſo geſchicht auch ſolche froͤliche ἀνάςασις in der H. Tauf/ heiſt die
Oſtern oder Aufferſtehung/ Apoc. 20. Jſt ſchoͤn abgebildet nicht nur im
Juxta Jo-
ſeph. lib. 2.
Ant. c. 5.
pag. 57.
κελέυσα-
σα τὴν
κοιτίδα
πρὸς ἀυτὴν
ἐκαυμή-
σαι.Moſaiſchen Schatten/ da Thermutis etliche gute Schwimmer außgeſand/
die das Moſes Kind mit dem Kaͤſtlein ſollen aus dem Waſſer heraus zie-
hen/ erheben und ihr in die Arme liefern/ daß alſo Moſes ein θαυμάσιον ἀνά-
ςημα, ein neu Wundergeſchoͤpff worden; Sondern auch in der immer-
ſion dem Eintauchen/ wann Chriſtus im Jordan von Johanne ein- und
untergedruckt worden/ ein klein Augenblick drunten im Waſſer geblieben/
aber wieder herauf kommen und aufrecht da geſtanden: Gleichfalls iſt er
auch in ſeiner Creutz-Tauf geſtorben und begraben worden/ er hat ſich aber
(und der Taͤuffling mit ihm Col. 2.) wieder lebendig dargeſtellt/ παρέςασεν
ἑαυτὸν ζῶντα, Act. 1/ 3. Alſo auch ein Taͤuffling wird nach der Tauff als ein
lebendiges Kind Gottes/ und edle Waſſer-Geburt/ GOtt im Himmel
durchs Gebet und Wort auffgeopffert und dargeſtellt/ mit dem voto oder
Geluͤbd eines neuen heiligen/ gerechten und Goͤttlichen Lebens.
Chryſoſtomus Homil. in Joh. 3. ἡμῶν καθάπερ ἔν τινι τάφῳ, τῷ ὕδατι
καταδύον τῶν ἡμῶν τὰς κεφαλὰς, ὁ παλαιὸς ἀνθρωπος ϑάπτεται, καὶ καταδὺς
κάτω κρύπτεται ὅλος καθάπαξ. Εἶτα ἀνανευόντων ἡ [...]ῶν, ὁ καινὸς ἄν εισιν
πάλιν. In aqua, tanquam in ſepulchro quopiam, caput mergentibus nobis
vetus
[915]Predigt.
vetus homo ſepelitur, ac demerſus totus inferius occultatur. Deinde nobis emer-
gentibus novus inde exſurgit.
IV. Virtus Renovatrix,die erneurende Krafft/ darauff aber-
mal Paulus deutet Tit. 3/ 5. wann er die Heil. Tauff nennet das Bad
der Erneuerung. Es iſt/ wie Lutherus (*) redet/ ein rechtes Juͤn-(*) Tom. 4.
Witt. pag.
345.
gel-Bad/ das die Alten jung machet/ und die jungen Kinder
zu Juͤnglingen/ die da wachſen an Alter/ Weißheit und
Gnad bey GOtt und den Menſchen. Gleichwie Moſes/ da er
fuͤr die Tochter Pharao/ ſeine Pflegmutter geſtellet worden/ erſchienen als
ein wunderſchoͤnes Kind/ Nemo erat tàm tetricus, ut visâ Moſis pul-
chritudine non obſtupeſceret, jederman habe ſich über Moſis Wunder-
Schoͤnheit muͤſſen verwundern/ wie Joſephus in obangezogenem Orth
ſchreibet. Moſes war (ἀςεῖος τῷ Θεῷ) ein fein Kind fuͤr GOtt/
ſagt St. Stephanus Act. 7/ 20. denſelben hat ſie nicht nur mit ſeiner eig-
nen muͤtterlichen Milch unwiſſend geſpeiſet/ ſondern auch zu Hof aufer-
zogen und informiren laſſen in aller Weißheit/ denſelben laſſen erſtarcken/
biß er ein tapfferer Kriegsmann/ ein groſſer Mann und Held worden/
friſch/ tapffer und froͤlich von Gemuͤth/ ſchoͤn/ bluͤhend und roͤſelicht von
Geſtalt/ ſtarck/ lebhafft und geſund am Leib/ ja immer je laͤnger je tapfferer
und friſcher: Eben alſo auch der Taͤuffling/ wann er aus dem Tauf-Waſ-
ſer herfuͤr kommt/ ſo wird er dargeſtellt gantz ſchoͤn/ ohne Flecken/ Macul/Eph. 5.
Runtzen/ oder deß etwas/ Er iſt alsdann ein geiſtlich junger Menſch/ der
im̃er wachſen und zunehmen muß in Weißheit/ Alter und Gnad/
biß zur Maß des Alters Chriſti/ Eph. 4/ 13. ein groſſer Held/ ein ſtar-
cker Krieger und Sieger wider den Sathan und ſeine Anfechtung/
Er muß wachſen de claritate in claritatẽ, \& de charitate in charitatẽ,
von einer Klarheit und Tugend zu der andern. Das iſts/ wovon David
ſingt Pſal. 103. verjuͤnget wie ein Adler/ was Eſaias Cap. 40/ 31.
ſaget: Die auf den HErꝛn harren/ kriegen neue Krafft/ daß
ſie aufffahren mit Flůgeln wie Adler/ daß ſie lauffen und
nicht matt werden/ daß ſie wandeln und nicht muͤde werden.
V. Virtus Indutrix,die anziehende kleidende Krafft Gottes.
Wovon St. Paulus Gal. 3/ 27. ſchreibet: Wie viel euer getaufft
ſind/ die haben Chriſtum angezogen. Ein Kind/ wann es erſt
gebohren/ gewaſchen und gebadet worden/ zeucht mans an/ oder legt es in
weiſſe Windeln/ Luc. 2. Ein Kaͤyſ. oder Koͤnigl. junger Printz iſt vor Zei-
ten durch die Anſtalt Conſtantini M. in einem dazu beſchiedenen Ort/ Por-
phyra genannt/ gebohren/ und mit Purpur alsbald umbgeben worden/
daher man dieſelbe junge Delphinen, die Porphyrogenitos, die mit koͤſt-
lichem Purpur bekleideten Fuͤrſten-Kinder/ genennet; Alſo ſagt Paulus/
ſo viel ihr getaufft ſind/ die haben Chriſtum angezogen/ es
wird der Taͤuffling gleichſam angezogen mit dem ſchneeweiſſen Feyerkleid
der heiligen Unſchuld JEſu Chriſti. Zur Anzeig und Bekaͤntnuͤß deſſen
ſind in der erſten Kirchen die Taͤuffling mit weiſſen Kleidern angezogen
worden/ davon der erſte Sonntag nach Oſtern genennet wurde/ Domini-
ca quaſi modo Genitorum, der Sonntag der Neugebohrnen/ oder Do-
minica in albis, der weiſſe Sonntag/ oder Sonntag in den weiſſen
Kleidern. War ein loͤb- und liebliche Ceremoni und Oſter-Gefeſt/ ſo umb
dieſe Jahr und Wochen-Zeit vorgangen und uͤblich geweſen. Dann der
Oſtertag war der Tauf-Tag/ das Tauf-Feyer/ auf welchen man die Neo-
phytos catechumenos oder Catechiſmus-Schuͤler/ jung und alt/ ſo viel
aus dem Juden- und Heydenthumb zum Chriſtlichen Glauben bekehrt und
gelehrt worden/ zuſammen geſpart/ und darauf dieſelbe mit groſſer Solen-
nitaͤt und Gefeſt auf den Tod Chriſti getaufft/ und per immerſionem
durch das Eintauchen begraben/ und wiederumb durch den Heraußzug
lebendig auferweckt/ damit ſie mit ihm zu einem neuen Leben aufferſtehen/
Rom. 6. Wann ſie dann alſo getaufft geweſen/ hat man ihnen ſchneeweiſ-
ſe Weſterhembder (wie mans nennet/ oder vielmehr Oſterhembder) an-
gezogen/ der gantzen Gemein fuͤrgeſtellt zu einem ſchoͤnen Augen-Luſt/ da-
von Lactantius ein ſchoͤn poëma com ponirt:
Candidus egreditur nitidis exercitus undis,Atque vetus vitium purgat in amne novo.
Das iſt:
Jn ſolchem Habit haben ſie nun die gantze Feſt-Feyer und Oſter-Wochen
aufziehen/ folgends den naͤchſten Sonntag drauf ſind ſie als Quaſimodo-
geniti neugebohrne Kinder zur lautern Milch gelaſſen/ und mit dem Leib
und Blut Chriſti im Sacrament geſpeiſet und getraͤncket worden/ auff
den Abend haben ſie alsdann das weiſſe Kleid wieder abgelegt. Wiewol
nun
[917]Predigt.
nun dieſes Gefeſt und Ceremoni als adiaphora uñ Mittelding unbuͤndig/
auch laͤngſt verſchwunden und aufgehoͤrt/ dieweil in ſolcher Anzahl alte er-
wachſene Juden und Heyden heutigs Tags nicht mehr ſich zum Chriſtl.
Glauben bequemen/ ſo iſt doch die Significatio hieroglyphica die geiſtli-
che Deutung geblieben. Paſchalis ſolennitas hodiè concluditur, ita
tamen, ut candor ſemper in corde teneatur, ſchreibet Auguſtinus (*).(*) Serm.
157. de
tempore.
Darum ja noch heut dieſe Ceremoni bedeutet (1) præteritum beneficiũ,
die vergangene Goͤttliche Gut- und Wolthat/ es wurde den Quaſimodo-
genitis durch dieſe Geheimnuͤß-reiche und Geiſt-erhebende Ceremoni re-
præſentirt und fuͤr Augen gelegt ein memorial und Denckmahl deſſen/
was vor acht Tagen mit ihnen gehandelt worden/ ut eſſet indiciũ, ſchreibt
Ambroſius (*) quod exueris lutum peccatorum, \& indueris innocen-(*) De iis,
qui initi-
antur my-
ſteriis c. 7.
tiæ caſta velamina. Daß/ ob ſchon ihre begangene Suͤnde Blutroth ge-
weſen/ ſie nunmehr Schneeweiß gewaſchen ſeyen/ Jeſai 1. (2) Præmium
futurum,der kuͤnfftige Gnaden-Lohn/ dabey ſich zu eriñern/ ſie ſeyen
neugeborne uñ außet korne candidati oder Werber des Him̃elreichs/ ſie ha-
ben ihnen/ als himmliſchen Ehren-Werbern/ Hoffnung zu machen/ eines
andern him̃liſchen ſchneeweiſſen Kleides/ him̃liſcher Krafft/ Klarheit und
Unſterblichkeit/ deſſen Exemplar und Muſter auf dem H. Berg erſchienen/
Marc. 9. (3) Præſens ornamentum,der gegenwaͤrtige Seelen-
Schmuck/ daß unter ihrem aͤuſſerlichen ſchein-uñ ſichtbaren ſchneeweiſ-
ſen Kleid/ ein ander unſcheinbares/ aber warhafftiges real und gegenwaͤr-
tiges Kleid/ oder reinliche Seelenſchmuck verborgen liege/ in welchem der
theure und werthe Tauff-Schatz/ Krafft/ Marck und Troſt gleichſam ein-
genehet und eingefaſſet iſt. Jſt das Kleid/ darauff St. Paulus in oban-
gezogenem Spruch Gal. 3/ 27. mit Fingern deutet. ὅσοι, ſagt er/Gal. 3, 27.
Wie viel/ jung und Alt/ nach Goͤttlicher intent on, niemand außge-
ſchloſſen/ doch non reſiſtentes, ſolche faͤhige Taͤuffling/ die ſich dieſem Mit-
tel nicht widerſetzen; Dann erwachſene Simons-Bruͤder und Heuch-
ler/ oder boßhafftige widerſpenſtige Tauf-Schaͤnder und Tauff-Staͤncker/
empfangen das Weſen zu ihrem Gericht/ aber nicht die Frucht derſelben;
Induunt quidem usq; ad ſacramenti perceptionẽ, non usq; ad vitæ
ſanctificationem, wie Auguſtinus redet (*)/ ſonderlich infantes die(*) Lib. 5.
de Baptiſ.
contra
Donat.
c. 24.
junge unmuͤndige Kinder/ bey denen keine Heucheley aufkommen/ kein
wuͤrckliche Boßhafftigkeit nicht zu vermuthen/ und alſo wir alle/ ſintemal
wir alle in der Kindheit getaufft worden/ wir ſind die ὅσοι, der Troſt iſt un-
ſer aller: Die haben angezogen/ (ἐνεδύσασϑε) nicht bloß Bedeutungs-
und Verſieglungsweiſe/ es iſt ihnen der Anzug nicht bloß bedeutet worden/
Z z z z z 3ſon-
[918]Die drey und dreyſſigſte
ſondern warhafftig durch den geiſtlichen Anziher/ den Glauben angezo-
gen/ paſſivè,(*) ihr ſeyd angezogen worden? Womit? Es muß was ho-
hes/ fuͤrtreffliches und beſonders ſeyn/ das der Apoſtel ſo hoch ruͤhmet und
ſo fleiſſig commendirt/ iſts vielleicht ein koͤſtliches Kleid und guͤldenes
Stuͤck/ damit Herodes auff dem theatro geprangt? diß waͤre etwas/
aber viel zu ſchlecht! oder iſts etwan das Eñgliſche weiſſe Silberſtuck/ da-
von die Engel im Grab Chriſti geſchimmert? das waͤre viel! Aber hie ein
Eſa. 61, 10.mehrers. Jſts dann das Kleid der Gerechtigkeit/ der Rock des Heils/
den der edle Seiden-Wurm Chriſtus JEſus è viſceribus ſuis in ſeiner
Paſſion geſponnen/ gewuͤrcket/ erworben und druͤber erſtorben/ ſeiner Kir-
chen hinterlaſſen? Jſt ſehr viel/ aber noch nicht alles. Moͤchte es etwan
ſeyn ſeine zarte Jungfraͤuliche keuſche Menſchheit/ weiß und roth/
weiß von Natur/ roth von Blut/ als der das Kleid ſeiner Gottheit/ nem-
lich ſeine menſchliche Natur in Traubenblut gewaſchen/ Gen. 49.
und davon mit Blut beſpritzet wie ein Kelter-Tretter? Jſt auch viel/ aber
nicht τὸ còl tobh, das gantz vollkommene Gut. Wir haben Chriſtum
angezogen Θεάνθρωπον, den Gott-Menſch/ GOtt von GOtt/ Liecht
von Liecht/ ſind alſo κοινωνοὶ τῆς Θείας φύσεως, theilhafftig worden der Goͤttl.
Natur. ὦ βάθος! ô myſterium, O welch eine Tieffe! Der alte Lehrer
Chryſoſtomus erſtarret gleichſam uͤber dieſen Worten St. Pauli/ ſagt
und fragt: Warumb der Apoſtel nicht geſagt/ Jhr ſeyd aus
Gott gebohren/ ſondern/ ihr habt Chriſtum angezogen?Hæc
vox plus habet Majeſtatis! Πολὺ φρικωδέςερον τίθησι, ſagt er: Er ſetzet
ein Wort/ daruͤber man erzittern muß. Dann wer hat jemal
gehoͤrt/ daß ein lebendige Perſon ein andere als ein Kleid angezogen?
Chriſtum den Sohn Gottes anziehen/ was iſt das geredt? Wie kan einer
zugleich der Anzieher/ uñ auch das angezogene Kleid ſeyn? Die Vernunfft
gedenckt/ Paule du raſeſt! O nein/ ſagt er/ ich rede vernuͤnfftige Wort.
So viel euer getaufft ſind/ die haben Chriſtum/ als den Gott-
Menſchen/ alle ſeine merita Verdienſt und Gerechtigkeit (h. e. activam \&
paſſivam obedientiam roth und weiß) nicht nnꝛ Bedeutungs-uñ Veꝛſieg-
lungsweiſe/ ſondern warhafftig/ wuͤrcklich/ thaͤtlich/ durch die Hafft des
Glaubens angezogen/ ſo genau/ als ein Kleid/ ſo nahe als einem das
Hembd am Leib liegt/ πρὸς ἀυτὸν ἀυομοιωθεὶς εἰς μίαν συγγένειαν, καὶ μίαν
ἰδέαν ἠχθὴς, gratiâ facti, quod ille eſt naturâ, zu einer Verwandnuͤß/
zu
[919]Predigt.
zu einer Geſtalt mit ihm gebracht/ wir ſind aus Gnaden worden/ was er
von Natur iſt/ ſchreibt abermal Chryſoſtomus. Hie muß alle Vernunffts-
Klugheit verſtummen! Hat ſich alſo Chriſtus uns geſchenckt/ nicht allein
Naſcens in ſocium, conveſcens in edulium,Moriens in precium, regnans in præmium.
Wie die alte Kirch geſungen:
Sondern er hat ſich ſelbſt uns auch geſchenckt in veſtimentum zu einem
Kleid.
Darumb wir ja abermal nach Anweiſung St. Pauli/ Auguſtini
und Lutheri dieſen Vortrag anzuſehen und zu bemercken haben: Als Sa-
cramentum \& Exemplum, und zwar
(1) Sacramentum, ein heiliges Geheimnuͤß/ das verdeckt/ verbor-
gen und über alle Vernunfft/ auch deßwegen verhaßt und verleidet/ nicht
nur den Juden ein Aergernuͤß/ den Heyden eine Thorheit/ die uns fuͤr Nar-
ren halten/ daß wir dem Waſſer ſolche Krafft antichten/ den Tuͤrcken/ de-
ro Mahomet und Prophet eben darumb Chriſti Evangelia verlaſſen und
beurlaubet/ als in welchen allzuhohe unbegreiffliche Geheimnuͤſſen verbor-
gen/ und ſchwer zu verſtehen/ der an ſtatt deſſen ein leichtern Alcoran er-
dacht/ wie dergleichen einen die heutige Syncretiſten auch kochen: Son-
dern auch denen/ die Chriſten ſeyn wollen/ abermal nicht nur Fanatiſche
Widertaͤuffer und Fladergeiſter/ nicht wie Bellarminus/ die die ſacra
officia in Lateiniſcher den Laͤyen unbekannter Sprach deßwegen defen-
diren/ quia myſteria ſilentium requirunt, da man doch nur der Fuͤr-
ſten und Herren Rath verſchweigen/ aber Gottes Werck herꝛ-
lich preiſen ſolte/ nicht allein die Reformirten/ die dem Tauff-WaſſerTob. 12, 8.
keine organicam efficaciam werckzeugliche Wirckung geſtehen/ ſondern
allein dem Heil. Geiſt und dem Blut Chriſti/ den Außerwehlten allein
das officium ſigillare concediren und geſtatten. Jm Pfaͤltziſchen Ca-
techiſmo (*) wird auf die Frag: Jſt dann das aͤuſſerlich Waſſer-(*) Quæſt.
72. \& 73.
conf. Ho-
dom. noſt.
Calv. pag.
3216.
bad die Abwaſchung der Suͤnden ſelbſt? geantwortet: Nein/
dann allein das Blut JEſu Chriſti/ und der H. Geiſt reiniget
uns von allen Sůnden. Und gleich darauf Frag 73. Warumb
nennet dann der H. Geiſt den Tauff das Bad der Wiederge-
burt/ und die Abwaſchung der Suͤnden? Antwort: GOtt
redet
[920]Die drey und dreyſſigſte
redet alſo/ nicht ohne groſſe Urſach/ nemlich/ nicht allein/
daß er uns damit wil lehren/ daß gleich wie die Unſauberkeit
des Leibs durchs Waſſer; alſo unſere Suͤnde durchs Blut
und Geiſt Chriſti hinweg genommen werden/ ſondern viel-
mehr/ daß der uns durch diß Goͤttliche Pfand und Wahrzei-
chen wil verſichern/ daß wir ſo warhafftig von unſern Suͤn-
den geiſtlich gewaſchen ſind/ als wir mit dem leiblichen Waſ-
ſer gewaſchen werden. Wer ſind aber die Uns?Electi, die bloß
Außerwaͤhlten. Dann alſo ſchreibt der Reformirten vornehmſte Pa-
(*) Part. 1.
Reſp. ad
Act. Coll.
Momp. in
in præf. p.
22. \& ſq.triarch Beza (*): At num in omnibus baptizatis iſtud (regeneratio)
evenit? Nequaquam, ſolis enim electis donum fidei, \& quæ illud
neceſſariò conſequuntur, Dominus, quo demum tempore ipſi vi-
ſum eſt, largitur. Jſt kein geringer Fehler/ kein palea oder Streit von
ungelegten Eyeru/ ſondern ein Grundſtuͤrtzender Jrꝛthumb (*). Dann
ſo wenig einiger Reformirte unfehlbar gewiß ſeyn kan/ daß er bloß außer-
waͤhlt/ ſo wenig auch ſeiner eignen Tauff/ daß er ein Chriſt; Und wie
(*) Tom. 3.
Miſcell.
p. 14.Zanchius (*) ſchreibt: So ſoll die Meynung des tauffenden Prieſters
dieſe ſeyn: Ego, ô Deus, hunc baptizo ſecundum tuam electionem
\& propoſitum divinæ voluntatis tuæ.Jch tauffe dieſen Taͤuff-
ling nach deiner Gnaden-Wahl/ das iſt/ auf gerath wol.
Sondern leyder auch bey uns/ die wir Kinder des Liechts ſeyn wol-
len und ſollen/ ſo bald man das Wort myſterium, Geheimnuͤß/ nennet/
da abhorrirt man/ da heiſts, Ergò ignorandum, iſt ein himmliſches Ge-
heimnuͤß/
[921]Predigt.
heimnuͤß/ ſo iſt es unnoͤthig/ daß man darnach viel frage/ und recht ver-
ſtehen lerne/ es iſt zu hoch/ und doͤrffen auch wol die Prediger ſelbſt dieſe
und dergleichen myſteria in die him̃liſche Academi verweiſen/ und damit
das Forſchen in der Schrifft verleyden. Jm alten Teſtament warens
myſteria, jetzo aber iſt der Vmbhang zerriſſen und hinweg gethan/ es war/
wie St. Paulus ſagt Eph. 3/ 5. nicht kund gethan in den vorigen
Zeiten den Menſchenkindern/ als es nun offenbaret iſt. Wahr
iſt es/ das διότι koͤnnen wir nicht begreiffen/ aber das ὅτι muͤſſen wir ler-
nen. Wahr/ wir ſollen nicht forſchen das/ was nicht geoffenbahret wor-
den/ es iſt aber deß geoffenbarten ſo viel/ daß Mathuſalah nicht koͤnte auß
lernen. Da muß nun der Schuͤler ſagen/ es iſt die Lection groß und
ſchwer/ aber ich muß forſchen/ ſo weit ich kan. Fuͤrwitz und Faulwitz ſind
zwey extrema, zwiſchen welchen man das Mittel treffen muß/ ſonſt wird
Bruder Epimetheus mit ſeiner Nachwitz allzu ſpat hernach kommen.
Uns aber ſind ſolche myſteria ἐυωδία, eine Krafft Gottes ſelig1. Cor. 1. 24.
zu machen/ voll lauter Glaubens-Freuden und Troſt-Quellen/ welchen
nach zu graben und zu forſchen lauter Luſt und Liebe ſeyn ſol/ (*) dann ſind
wir in Chriſto durch die Tauff lebendig gemacht/ ey ſo werden wir auch
mit ihme leben/ ein Gnadenreiches/ freudiges/ ewiges Leben. Jch lebe und
ihr ſolt auch leben/ ſpricht der HERR/ Joh. 14. Woruͤber Lutherus
(*) ſehr ſchoͤn geſchrieben:
Gleichwie dort Matth. 27. da Chriſtus von den Todten auffer-
ſtanden/ viel Leibe der Heiligen/ die da ſchlieffen/ aus ihren Graͤbern her-
vorgangen/ mit ihm und Krafft ſeiner allmaͤchtigen Aufferſtehung; Alſo
hat auch uns GOtt mit ihme (Chriſto) lebendig gemacht/ da wir todt wa-
ren in Suͤnden/ und in der Vorhaut deß Fleiſches/ Col. 2/ 12. Ferner/ ſind
wir widergeboren/ ſo ſind wir auch Kinder Gottes: Ach ſehet/ welch
eine Liebe uns der Vatter erzeiget hat/ daß wir Gottes Kin-
der heiſſen/ ſprechen wir mit Johanne 1. Ep. 3/ 1. Wo bittet nun ein
Sohn den Vatter umbs Brod/ der ihm einen Stein dafuͤr
biete/ oder umb einen Fiſch/ der ihm eine Schlang dafuͤr
biete? Wie vielmehr wird dann der Vatter im Himmel
uns (ſeinen Kindern) den Heil. Geiſt (ſam̃t allem geiſtlichen
Segen in himmliſchen Guͤtern) geben/ ſo wir ihn darumb-
bitten? Luc. 11/ 11. Creutz-Ruthen ſind Vatters-Ruthen/ ſie kommen
von lieber Hand/ und verwahren uns fuͤr Suͤnden-Schand/ und dem e-
wigen Hoͤllenbrand. Stehen wir auch mit Chriſto auff von den todten
Wercken der Suͤnde/ ey ſo werden wir auch mit ihm und durch ihn theil-
hafftig ſeyn der Aufferſtehung zum ewigen Leben/ wie der HErꝛ verheiſſen
vid. Luth.
Tiſchreden
p. 172. f. 2.Matth. 19/ 28. ſqq. Apoc. 20/ 6. Sind wir aber andere und neue Men-
ſchen/ nun ſo laſſt uns auch/ gleich dem Bluͤmlein Amaranth/ abbrechen
und berupffen/ das iſt/ gutwillig und gern im Creutze gedultig ſeyn.
Ha-
[923]Predigt.
Haben wir in unſerer Heil. Tauffe Chriſtum JEſum als einen koͤſtlichen
Schmuck angezogen/ ey ſo duͤrffen wir uns unſerer Bloͤſe halben nicht
mehr ſchaͤmen/ wie Adam/ ſondern fuͤr das heiligſte Angeſicht deß himmli-
ſchen Vatters tretten/ und ſprechen: Jſt dieſes nicht deines Sohns
Rock/ den ich in der H. Tauff angezogen? Gen. 37/ 32.
(II.) Exemplum. Das lehrt unſer Catechiſmus in der Frag:
Was bedeutet das Waſſer-tauffen? Antwort: Es bedeutet/
daß der alte (ſuͤndliche) Adam ꝛc. SOLL erſaͤufft werden;
Jtem/ Alſo SOLLEN wir auch in einem neuen Leben wan-
deln. Gleichwie der jenige/ ſo zum Doctore creirt wird/ zum mehrern
Wachsthum in ſeiner Kunſt und Lehre angefriſtet wird; Alſo ſoll auch
der durch die H. Tauff lebendig gemachte Menſch ſeinem GOtt leben/
nicht der Welt/ noch dem Fleiſch/ weniger dem Teuffel leben/ ſondern das
widerſpenſtige Fleiſch und Blut creutzigen/ das facit iſt von S. Paulo
kurtz gemacht: Wo ihr nach dem Fleiſch lebet/ ſo werdet ihr
ſterben/ wo ihr aber durch den Geiſt deß Fleiſches Geſchaͤfft
toͤdtet/ ſo werdet ihr leben/ Rom. 8/ 13. Dann leben wir/ ſo le-
ben wir dem HErrn/ib. c. 14, 8. Sollen fliehen ſtets der Welte Bahn/
uns thun zu Gottes Kinden. Biſt du zu einem lebendigen Kind GOttes
erneuert und widergebohren/ ſo ſolt du auch deinem himmliſchen Vatter
den kindlichen Gehorſam willig leiſten/ ihn nicht ſtinckend machen/ wie
den Jacob ſeine Soͤhne/ und Abſalon ſeinen Vatter ſtinckend genug ge-
macht. Biſt du durch das Tauff-Waſſer erneuert/ und mit Kraͤfften deß
Geiſtes begabet/ ſo ſolt du auch jemehr und mehr darin wachſen und zuneh-
men an dem inwendigen Menſchen. (*) Sind wir mit dem neuen gul-
A a a a a a 2Gna-
[924]Die drey und dreiſſigſte
(*)
denen Stuck der Gerechtigkeit angezogen und gezieret/ nun ſo laßt wol
huͤten und fuͤrſehen/ daß wir dieſes edle ſchoͤne Tanff-Kleid nicht muth-
willig beſudeln/ weniger die Tauffe ſelbſt mit Unflat beſchmeiſſen/ wie je-
ner Widhopff Conſtantinus Copronymus gethan (*). Zichet an den
neuen Menſchen/ der nach Gott geſchaffen iſt/ in rechtſchaf-
fener Gerechtigkeit/ nach Pauli Vermahnung Epheſ. 4/ 24. und
Coloſſ. 3/ 12. ſqq. Ziehet an/ als die außerwaͤhlte Gottes Heili-
gen und Geliebten/ hertzliches Erbarmen/ Freundlichkeit/
Demuth/ Sanfftmuth/ Gedult/ ꝛc.
So ſolte es ſeyn/ ſo ſolte man im neuen Leben wandeln/ aber wo
iſt der facit-Mann? Jn weltlichen Sachen liebt man ſonſt gern was
neues/ roſtige Degen begehrt man nicht zu tragen/ man laͤßt ſie außfegen/
die Aecker und Baͤum laͤßt man erneuern/ der alte Wein wird von Hefen
abgelaſſen; Aber wanns an den Glauben/ an Gottesdienſt kompt/ ad
majorem Dei gloriam, gute Diſciplin und Zucht anzuſtellen/ gute heil-
ſame Ordnungen zu erneuern/ da wils faſt nicht fort/ die alte Schlang
kruͤmmet ſich daruͤber und ſagt nein darzu/ faſt wie jener Edelmann/ von
dem
[925]Predigt.
dem Lutherus (*) ſchreibet. Da ſpricht man/ unſere Alten waren auch
keine Kinder/ ſondern Helden und Maͤnner. Haͤtten ſie der heutigen Po-
litic principia gefuͤhrt/ ſie wuͤrden nicht mit ſo groſſer Gefahr reformirt
haben in der Religion/ und muͤſten wir noch unter deß Pabſts Joch keu-
chen. Nun der Alte Dan. 7. wird bald kommen/ und unſern Glauben
und Chriſtenthum examiniren/ nicht nach der Politic, ſondern nach ſeinem
Wort. GOtt gebe/ daß wir/ die wir nach dem Fuͤrſatz beruffen/ unter-
deſſen thun was wir koͤnnen/ ob wol nicht allezeit doͤrffen und wollen/ was
wir gern wolten/ und uns unterdeß gefaßt halten/ verjuͤnget wie die Adler/
Eſai. 40/ 31. immer neue Kraͤffte kriegen/ lauffen und nicht muͤde werden/
wandeln und nicht matt werden/ endlich aufffahren mit Fluͤgeln wie die
Adler dem HERRN entgegen
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Vnter andern ſcheutzli-
chen und abſchenlichen Figuren oder Bildern/ in wel-
chen der Geiſt Gottes den Unfried/ Unruh/ Jammer/
Marter und Qual/ eines boͤſen/ verletzten/ verwundten
Gewiſſens wollen præſentiren und abmahlen/ iſt auch
eines und zwar in der H. Schrifft das erſte/ ein ſchlaf-
A a a a a a 3fender
[926]Die vier und dreiſſigſte
fender/ auffgeweckter/ erſchreckender/ bellender/ beiſſender und wuͤtender
Hund. Jſts nicht alſo/ ſagt GOtt der HErr zu Cain Geneſ. 4/ 7.
Biſtu from̃/ ſo biſtu angenehm/ biſtu aber nicht from̃/ ſo ru-
het die Sůnde fuͤr deiner Thuͤr/ gleichſam als eine wilde/ grimmi-
ge wuͤtende beſtia, wie es Lutherus erklaͤret/ oder ein Wachthund/ der da
ſchlaͤffet/ und vom Schlaff auffwachet/ wie es Bernhardus de inter. do-
mo c. 29. außleget. Einſolcher Hauß- und Wacht-Hund/ der ligt zwar
bißweilen in der Ruhe/ er ſchlaͤffet/ ruhet/ bellet/ und beiſſet nicht/ aber er
ruhet fuͤr der Thuͤr/ an einem gaͤngen/ unruhigen Ort/ da man immer an-
klopffet/ Thor und Thuͤr auf und zu ſchlieſſet/ da laͤßt ſichs nit ſanfft ſchlaf-
fen/ er wacht auf/ wird reg und munter: Alſo auch die Suͤnd im Gewiſſen/
oder das boͤſe/ mit Suͤnden behaffte Gewiſſen/ wann es in actu flagranti,
in der Wuth und Bruſt der Suͤnden iſt/ ſo ſchlaͤffts/ wird offt gar durch
das Cauterium und Brandmal im Hertzen entſchmertzet/ und fuͤhl-loß/
aber es mag leicht einander Klopff geſchehen/ ein Wort fallen/ Wo iſt
dein Bruder Abel? ſo faͤllet der Spengler aus den Augen/ das Ge-
wiſſen wacht/ das Antlitz wird ſchamroth/ die rei memoria das Gedaͤchtnuͤß
deß begangenen wird erweckt. 2. Canis terret, wann der Hund erwacht/
wann er ſich ſcheutzlich præſentirt/ ſo ſchreckt er das Gewiſſen/ macht dem
Hertzen angſt und bang. Als Creſcentius der Cardinal und Legat deß
Pabſts/ da er zu Trient auff demſelben Concilio viel Schreiben an den
Pabſt auszufertigen hatte/ und damit biß in die Nacht umgieng/ iſt ihm
unverſehens ein groſſer ſchwartzer Hund mit feurigen Augen/ und langen
Ohren/ ſo faſt biß auff die Erd herab gehangen/ erſchienen/ welcher ſtracks
auff ihn zugangen/ hernach aber unter den Tiſch gefallen. Woruͤber
der Cardinal haͤfftig erſchrocken/ ſeinen Dienern geruffen/ und den Hund
ſuchen laſſen/ aber ſie haben nichts gefunden/ dadurch er in groͤſſern Schre-
cken und Kranckheit gerathen; Als er jetzt hat ſterben wollen/ hat er immer
geruffen/ man ſolte dem Hunde wehren/ daß er ihm nicht auffs Bett ſtiege:
Alſo wird durch den grauſamen Anblick der Suͤnden das boͤſe Gewiſſen
ergeiſtert und erſchreckt/ nicht anders/ als von dem Anblick eines Geſpen-
ſtes. Sapient. 17/ 11. Ein erſchrocken Gewiſſen verſihet ſich
immer deß aͤrgſten. 3. Ein Hund winſelt/ heulet und billet/ und
klagt gleichſam an/ und verrathet den Ubelthaͤter/ wie jenes kleine Huͤnd-
(*) Gottfr.
pag. 117. 119lein gethan/ welches die Mordthat zu Leuctra geoffenbaret/ (*) Alſo iſt auch
hin/
[927]Predigt.
(*)
das Gewiſſen ſein eigener Verraͤhter/ mille teſtes, es klagt und nagt/ rufft
Rach gen Himmel/ Deines Bruders Blut ſchreyet zu mir von
der Erden/ gen Himmel umb Rach. 4. Ein ſolcher bellender/ wuͤten-
der Hund beiſſet umb ſich/ bevorab wann er wuͤtet und raſet/ eines wuͤten-
den Hundes Biſſe ſind gifftig und toͤdtlich/ wen er beiſſet/ der wird auch
wuͤtend davon: Wann man einen Juden an die Fuͤß auffhengt/ und
neben ihn zween groſſe/ grimmige/ hungerige Hund auffzeucht/ ſo fallen
ſie den armen Menſchen an/ beiſſen/ nagen und plagen ſo lang/ biß er dar-
uͤber mit Schmertzen/ Ach und Weh ſterben muß. Ein ſolches wildes
und wuͤtendes Thier iſt auch ein boͤſes Gewiſſen/ hoͤret nicht auff/ biß der
unſelige verzweiffelte Menſch an ſich ſelbſt exequirt/ Saul nach dem
Schwerdt greifft/ und darein fallet/ Judas den Strang ſucht/ und ſich
ſelbſt erhengt. O Jammer uͤber Jammer!
So verhaͤlt ſichs mit dem Unfried eines boͤſen Gewiſſens. Wo
nun Artzeney? Jſt auch eine Salb in Gilead ſolchem Wuth und Wehe
zu begegnen? ein ſolcher maß verwundtes Gewiſſen zu curiren und hei-
len? Jerem. 8. ꝟ. 22. Philoſtratus in vita Apollonii lib. 6. c. ult.
gedencket einer Kranckheit und Seuch[e]/ welche er ὑδροφο [...]είαν, die
Waſſer-Furcht oder Waſſer-Scheu nennet/ davon ein wuͤtender
Hund erſchrickt/ da es doch ſein Artzney ſey/ wann man einem wuͤtenden
Hunde kalt Waſſer einſchuͤttet/ oder in ein kalt Waſſer hinein werffe/ ſo
werde der raſende Wuth geſtillet und vertrieben (*); Dem ſey nu wie ihm
wolle/
[928]Die vier und dreiſſigſte
wolle/ es ſey wider ſolchen Wuth das Waſſer oder nicht; So iſts doch hie
wahr und gewiß/ und probatum eſt, daß wider ein boͤſes Gewiſſen/ und
deſſen Wuth/ das edle/ theure/ werthe/ Geiſtreiche Tauff-Waſſer eine be-
waͤhrte Artzney/ ja panacea radicalis ſey/ Hebr. 10/ 22. 1. Petr. 3/ 21. wann
das Hertz damit gewaſchen und beſprenget wird. Das Tauff-Waſſer iſt der
Bund eines guten/ geheilten/ außgeſoͤhnten/ friedſamen/ ruhigen Ge-
wiſſens mit Gott/ durch die Aufferſtehung JEſu Chriſti. Jſt
die ander Nutz- und Fruchtbarkeit der H. Tauff/ nemlich der Tauff-
Frieden/ der Bund deß Friedens in der H. Tauff geſtifftet. DAS
und WAS/ ſind dißmahl die beede Umbſtaͤnde/ in denen wir E. L. das
edle Kleinod deß Tauff-Friedens werden vorlegen/ und erſtlich erwei-
ſen DAS! Daß der Bund deß Friedens im Gewiſſen fuͤr GOtt ei-
gentlich und warhafftig die heilſame Frucht ſey der H. Tauff/ als die pa-
nacea wider das boͤſe Gewiſſen; und WAS der Bund deß Friedens
eigentlich ſey und heiſſe? Quæ, Qualis \& Quanta pax? Daß wir nun
auch dieſes thema alſo vortragen/ daß deß allerhoͤchſten GOttes Ehr/ und
unſer aller reicher Unterricht/ zu Troſt unſerer bloͤden Gewiſſen moͤge be-
foͤrdert werden/ dazu wolle uns der barmhertzige Gott/ Krafft und Gnade
von oben herab reichlich mittheilen. Amen.
DAß nun Anfangs bemeldter Bunds-Frieden die Frucht der
Heil. Tauff ſeye/ erhellet abermahl 1. Ex Antitypo Noachico
aus dem Fuͤrbild. Es hat GOtt der Allmaͤchtige nach der
Suͤndfluth zum zweyten mahl die ἀσυλίαν die Sicherheit und Frieden zu-
geſagt/ er der Herr ſey mit Noah zu frieden/ er ſol auch zu frieden ſeyn in
ſeinem angſthafften Hertzen und Gewiſſen/ er wolle deßwegen einen Bund
mit ihm machen/ und Bundsweiſe zuſagen/ ſein aſylum in der Arch mit ei-
ner ſalva guardia zu verwahren: auch nach der Suͤndflut/ nachdem der
HErr gerochen hat den Geruch vom Opffer Noah/ geſchehen im Glauben
an den Meſſiam/ hat GOtt der HErr verſprochen/ er wolle die Erde nicht
mehr uͤberfallen mit einer allgemeinen Suͤndfluth/ ſondern im Ge-
gentheil erhalten/ Saamen und Erndt/ Froſt und Hitz/
Sommer und Winter/ Tag und Nacht/ Gen. 8. v. ult. Hat
hieruͤber ein Inſtrumentum pacis, einen foͤrmlichen Frieden-Bund
auffgerichtet und bezeichnet/ Gen. 9/ 11. Denſelben mit dem aͤuſſerlichen/
ſichtbarlichen Sacramentlichen Zeichen deß Regenbogens verſigelt. Nun
iſt die Tauff der Antitypus, und Gegenbild/ wie Petrus gelehrt/ Gott der
HErr hat uns im Evangelio Frieden zugeſagt/ Chriſtus hat ihn von Tod-
ten
[929]Predigt.
ten in ſeiner Aufferſtehung mitgebracht und gewünſcht die ἀσυλίαν à ven-
turâ irâ, Sicher- und Freyheit vor dem zukuͤnfftigen Zorn/ von der kuͤnffti-
gen Feurflut/ dazu hat er ſich auch Bundsweiß verbunden/ durch die Gna-
denflut ſo feſt verſigelt/ als feſt der Zeug iſt in den Wolcken/ der HErꝛ hats
gelobet und geſchworen bey ſeiner Herꝛlichkeit/ Jch wil meinen Bund
nicht entheiligen und aͤndern/ was aus meinem Munde gan-
gen iſt/ Jch hab einſt geſchworen bey meiner Herꝛlichkeit/ ich
wil David nicht luͤgen/ ſein Saame ſol ewig ſeyn/ und ſein
Stuhl fuͤr mir/ wie die Sonne/ wie der Mond ſol er ewiglich
erhalten ſeyn/ und gleich wie der Zeug in Wolcken gewiß ſeyn.
Da verſpricht er den Meſſiam von Jacobs-Stamm/ den Baum mit den
Fruͤchten/ und alludirt eben auff die Hiſtori von Noah. Er ſagt
Eſa. 54/ 8. 9. Jch habe mein Angeſicht im Augenblick deß
Zorns ein wenig von dir verborgen/ aber mit ewiger Gnad
wil ich mich dein erbarmen/ ſpricht der HErꝛ dein Erloͤſer.
Dann ſolches ſol mir ſeyn/ wie das Waſſer Noah/ da ich
ſchwur/ daß die Waſſer Noah ſolten nicht mehr uͤber den
Erdboden gehen/ alſo hab ich geſchworen/ daß ich nicht uͤber
dich zuͤrnen/ noch dich ſchelten wil/ dann es ſollen wol Berge
weichen und Huͤgel hinfallen/ aber meine Gnade ſol nicht
von dir weichen/ und der Bund meines Friedens ſol nicht
hinfallen. Jer. 33/ 20. 21. 25. 26. Wann mein Bund auffhoͤren
wird mit Tag und Nacht/ daß nicht Tag und Nacht ſey zu
ſeiner Zeit/ ſo wird auch mein Bund auffhoͤren mit meinem
Knechte David/ daß er nicht einen Sohn hab zum Koͤnige
auff ſeinem Stuhl/ und mit den Leviten und Prieſtern/ mei-
nen Dienern. So ſpricht der HErꝛ/ halt ich meinen Bund
nicht mit Tag und Nacht/ noch die Ordnung deß Himmels
und der Erden/ ſo wil ich auch verwerffen den Saamen Ja-
cob/ und David meines Knechtes/ daß ich nicht mit ihrem
Saamen nehme/ die da herꝛſchen uͤber den Saamen Abra-
ham/ Jſaac und Jacob/ dann ich wil ihr Gefaͤngnuͤß wenden/
und mich uͤber ſie erbarmen. Darum freylich pax confœderationis
ein ſolcher Bund- und Tauff-Frieden zu verſtehen. Wie nun der effectus
diluvii die Frucht der alten Suͤndfluth auff Seiten deß Patriarchen
Noa bewand geweſen/ alſo iſt auch der Effect der Heil. Tauff. 2. Ex
Analogiâ Circumciſionis,Aus der Gleichheit dieſes Sacra-
ments/ mit dem Sacrament der Beſchneidung/ welches jenes
Achter Theil. B b b b b bSchatten
[930]Die vier und dreiſſigſte
Schatten geweßt/ und ein parallel Gleichnuͤß gehalten mit der Beſchnei-
dung ohn Menſchen-Hand/ nemlich der Heil. Tauff/ von derſelben lehret
nun Sanct Paulus Coloſſ. 2/ 11. Jhr ſeyd nun auch beſchnitten mit
der Beſchneidung ohne Hand/ duꝛch Ablegung deß ſuͤndlichen
Leibs im Fleiſch/ nemlich mit der Beſchneidung Chriſti/ in
dem/ daß ihr mit ihm begraben ſeyd durch die Tauffe. Sie ſollen
wiſſen/ daß die Tauffe nit weniger Krafft und Wuͤrckung hab/ als die Be-
ſchneidung. Die hartſinnige Juden beſtunden auff threr Beſchneidung/
wolten davon/ wie auch andern Juͤdiſchen Ceremonien nit laſſen/ Urſach/
es ſey die Beſchneidung ein Bund-Zeichen: Nicht weniger Krafft hat
auch die Tauff/ die alte Beſchneidung muß vergehen/ der HErr hat ge-
ſagt/ er wolle einen neuen Bund auffrichten/ Jer. 31/ 31. 32. 33. Sihe/
es kompt die Zeit/ ſpricht der HErr/ da wil ich mit dem Hauſe
Jſrael und mit dem Hauſe Juda einen neuen Bund machen/
nicht wie der Bund geweſen/ den ich mit ihren Vaͤttern mach-
te/ da ich ſie bey der Hand nahm/ daß ich ſie aus Egyptenland
fuͤhrete/ welchen Bund ſie nicht gehalten haben/ und ich ſie
zwingen muſte/ ſpricht der HErr/ ſondern das ſol der Bund
ſeyn/ den ich mit dem Hauſe Jſrael machen wil/ nach dieſer
Zeit/ ſpricht der HErꝛ/ ich wil mein Geſaͤtz in ihr Hertz geben/
und in ihren Sinn ſchreiben. Wir Chriſten ſind nunmehr
die Kinder deß Bundes/ das außerwaͤhlte Geſchlecht/ das Koͤnigliche
Prieſterthum/ jene die Juden ſind außgehauen/ wir aber ſind in den
fruchtbahren Oelbaum eingepflantzet/ uns gehoͤret der Bund und Teſta-
ment der Verheiſſung/ wir ſind in der H. Tauff in den Bund GOttes
erhaben worden. 3. Ex definitione fœderis pacifici,Auß der Be-
ſchreibung deß Frieden-Bundes.Cui convenit definitio, ei \& de-
finitum. Ein foͤrmlicher/ biedermaͤnniſcher Friedens-Bund/ ſo irgend nach
einem Bluttrieffenden Krieg/ oder ſonſt einiger Fehd und Feindſchafft ein-
gegangen und gemacht worden/ beſtehet auß zweyen Partheyen/ die mit
einander tranſigiren/ ein gewiſſes inſtrumentum pacis aufſetzen/ gewiſſe
Articul ordnen/ und ſich muͤndlich und ſchrifftlich mit auffgedrucktem
Sigel dazu verpflichten. Maſſen GOTT der HERR Abraham dem
weyland gottloſen Goͤtzen-Knecht/ den er auß UrChaldæa außgefuͤhrt/
Bundsweiß zugeſagt/ Er wolle ſein GOtt ſeyn/ κεφάλαιον ἀγα-
θῶν: Chryſoſt. hom. 29. in Gen. Er wolle ſein Gott ſeyn/ h. e. ihm alle
Suͤnden vergeben und per ἀμνηςείαν vergeſſen/ nit nur ſein/ ſondern auch
ſeines Saamens nach ihm. Lev. 26/ 44. Auch wann ſie ſchon in der
Feinde
[931]Predigt.
Feinde Lande ſind/ habe ich ſie/ ſagt er/ gleichwol nicht verworf-
fen/ und eckelt mich ihr nicht/ alſo/ daß mit ihnen aus ſeyn ſolt/
und mein Bund mit ihnen ſolt nicht mehr gelten/ dañ ich bin
der HErr ihr GOtt. Jer. 31/ 34. Und ſie ſollen mein Volck
ſeyn/ und ich wil ihr Gott ſeyn/ und wird keiner den andern/
noch ein Bruder den andern lehren/ und ſagen: Erkenne den
HErrn/ ſondern ſie ſollen mich alle erkennen/ beydeklein und
groß/ ſpricht der HErr/ dann ich will ihnen ihre Miſſethat
vergeben/ und ihrer Suͤnde nicht mehr gedencken. Er wolle
in ihnen wohnen/ als ſeinem Tempel und Hauß. Lev. 26/ 12. Und will
unter euch wandeln/ und euer GOTT ſeyn/ ſo ſolt ihr mein
Volck ſeyn. Woll denſelben Tempel ſchoͤn zieren/ bezeichnen/ und beſchrei-
ben mit der Schrifft ſeines Geſaͤtzes. Jer. 31/ 33. Sondern das ſol
der Bund ſeyn/ den ich mit dem Hauß Jſrael machen wil/
nach dieſer Zeit/ ſpricht der HErr: Jch wil mein Geſaͤtz in ihr
Hertz geben/ und in ihren Sinn ſchreiben. Er wolle ihn beſeli-
gen hie zeitlich und dort ewiglich/ Pſal. 144/ 15. Wol dem Volck/
dem es alſo gehet/ aber wol dem Volck/ deß der HERR ein
GOTT iſt. Jer. 32. 37. 38. Sihe/ ich wil ſie ſammlen aus allen
Landen/ dahin ich ſie verſtoſſe durch meinen groſſen Zorn/
Grimm und Unbarmhertzigkeit/ und wil ſie wiederumb an
dieſen Ort bringen/ daß ſie ſollen ſicher wohnen/ und ſie ſol-
len mein Volck ſeyn/ ſo wil ich ihr GOTT ſeyn. Eph. 2/ 12.
Darum gedencket daran/ daß ihr zur ſelbigen Zeit waret ohn
Chriſto/ frembd und auſſer der Burgerſchafft Jſrael/ und
frembd von den Teſtamenten der Verheiſſung/ daher ihr kei-
ne Hoffnung hattet/ und waret ohn GOtt in der Welt. Heb.
11/ 16. Nun aber begehren ſie eines beſſern/ nemlich eines him̃-
liſchen. Darumb ſchaͤmet ſich GOtt ihr nicht zu heiſſen ihr
GOtt/ dann er hat ihnen eine Stadt zubereitet. Er wolt ihn
von Todten auferwecken/ und iſt hierüber ein Teſtament aufgerichtet wor-Matt. 22, 23
Rom. 4.
den/ verſigelt mit dem Sigel der Gerechtigkeit/ das iſt/ der Beſchneidung.
Jm Gegentheil beuget ſich Abraham zur Erden/ ohn Zweiffel nicht mit
ſtummen Gebaͤrden; ſondern verſpricht ſeinen ſchuldigen Gehorſam/ ge-
lobet Glauben/ rechtſchaffene Liebe und Goͤttliches Leben/ er wolle wandeln
fuͤr GOtt/ mit reinem und gutem Gewiſſen. Jſt eben das alles/ was auch
in der H. Tauff vorgehet. GOtt und Menſch ſind zwo widrige Parten/
eine feindſelige verhaſſte Creatur/ und erzuͤrnter Schoͤpffer: fleiſchlich ge-
B b b b b b 2ſinnet
[932]Die vier und dreiſſigſte
ſinnet ſeyn/ iſt eine Feindſchafft wider GOtt/ hinc filii iræ, wir ſind von
Natur Kinder deß Zorns. Es wird der Taͤuffling getaufft im Namen
Gottes deß Vatters/ ꝛc. das iſt/ es legt der Vatter ſeinen Namen auf den
Taͤuffling und ſagt/ er wolle ſein Vatter/ und er ſol ſein Sohn ſeyn/ der
Sohn Gottes ſein Bruder und Jmmanuel/ der H. Geiſt ſein Gaſt im
Tempel deß Hertzens. Hinwiederum wird der Taͤuffling nach Gottes Na-
men genennet/ Gen. 48. Das iſt/ Er heiſt von dem Vatter ein Kind Got-
tes/ vom Braͤutigam eine Braut/ vom Heil. Geiſt geiſtlich. Er verſpricht
Glauben und Gehorſam/ er wolle ſeyn πιςὸς τῷ Θεῷ, Act. 16/ 15. in Lieb und
Leid außhalten/ biß auffs Blut ringen/ und treu bleiben biß in den Todt/
uͤber ſolches iſt ein ſchrifftlich Jnſtrument gefaſſt/ und mit dem Waſſer als
mit einem von den drey Zeugen 1. Joh. 5. beſtaͤttiget. (*)Sprichſt du/
das mag wol ſo ſeyn und zugehen bey alten/ geſtandenen/ erlebten Perſo-
nen/ die den Verſtand vollkommen haben/ aber wie in Pædobaptiſmo,
wie bey dem Kindertauff? da die Kinder keinen Bund treffen koͤnnen/
auch nach den weltlichen Rechten. Antwort/ Ja: Jn den weltlichen
Rechten gehoͤret ein vernuͤnfftiger/ muͤndlicher Conſens; aber hie iſt ein
ander Goͤttlich Recht/ da auch gar ein unvernuͤnfftig Viehe paciſciren
kan/ und in geſundem Verſtand ein Bundsgenoß werden/ Gen. 9. GOtt
der HERR kan aus dem Mund der Unmuͤndigen ein Lob zurichten/
Johannis Tantz erwecken/ und haben die Kinder einen wolberedten Ad-
vocaten/ der fuͤr ſie redt/ ja der H. Geiſt vertritt ſie mit unausſprechlichen
Seuffzen.
4. Ex Apoſtolicâ [...]πιλύσει, Aus der Apoſtoliſchen Außlegung/
S. Petrus erklaͤrts eben alſo/ Krafft eben deß Geiſtes/ durch welchen Da-
vid geſchrieben. Er loͤſet auch hie Chriſto die Prophetiſchen Schuh-Riemen
auff/ 1. Petr. 3/ 21. Welches Waſſer nun auch uns ſelig macht
in der Tauff/ die durch jenes bedeutet iſt/ nicht das Abthun
deß Unflats am Fleiſch/ ſondern der Bund eines guten Ge-
wiſſens mit GOtt/ durch die Aufferſtehung JEſu Chriſti.
Gen. 13, 8.
Ezech. 22, 2
Syr. 33, 3.
Geneſ. 34.
Act. 8, 37.Zwar in der Griechiſchen Grundſprach ſtehet das Wort ἐπερώτημα, heiſt
eigentlich ein Gebets-Frag und Antwort; deutet auff ein Examen/ auf ge-
wiſſe Fragen und Antwort/ welche bey ein und andern Bundsverfaſſun-
gen/ ſonderlich in der erſten Kirchen uͤblich geweſen/ Philippus ſprach
zum
[933]Predigt.
zum Kaͤmmerer: Glaubeſt du von gantzem Hertzen/ ſo mags
wol ſeyn/ daß du getaufft werdeſt; Er antwortet und ſprach: Jch
glaͤube/ daß JEſus Chriſtus GOttes Sohn iſt.Abrenuncias?
Sagſtu dem Teuffel und allem ſeinem Weſen ab? Abrenuncio, ja ich ſa-
ge ihm ab; Welches Glaubens biſt du? Jch bin ein Chriſt. Woher weiſt
du das? Daß ich getaufft bin im Namen GOttes deß Vatters/ ꝛc. deutet
auch 2. auf Examen ἔσω, auf das innerliche Hertzens-Examen/ in dem
ſoliloquio und geheimen Selbſt-Geſpraͤch mit Chriſto? Jnſonderheit
in dem Kampff der hohen geiſtlichen Anfechtungen/ da darff ich ſagen und
fragen/ Abba lieber Vatter? Sind mir meine Suͤnde vergeben? Bin
ich ſelig in der Hoffnung? Bin ich ein Erb und Mit-Erb Chriſti? Wo-
her weiß ich das? Chriſtus antwortet/ du biſt/ wie du ſagſt und glaͤubeſt.
Dann ſelig iſt der/ dem die Ubertrettung vergeben ſind/ dir/Rom. 4.
Pſal. 32.
wann du von Hertzen ohne falſch deine Suͤnde bereueſt/ und glaͤubeſt dem
Evangelio/ ſo ſind ſie vergeben/ Jch tilge deine Ubertrettung/ ſagt
der Meſſias ſelbſt/ Eſai. 43. Pſal. 103. Aber deſſen fordere ich ein Zei-
chen wie Gideon/ Jnd. 6/ 17. Lieber hab ich Gnade fuͤr dir funden/
ſo mache mir ein Zeichen/ daß du es ſeyeſt/ der mit mir redet.
Sihe/ hie haſt du beydes Brieff und Sigel/ Brieff im Evangelio/ und
Sigel in der Heil. Tauff/ das Sigel der Gerechtigkeit (per regreſſum
demonſtrativum, ex reſponſo \& interrogatione ad fundamen-vide Luth.
poſtill. in
Trin. XXI.
p. 145. \& ſq.
Denckmal
p. 803.
tum.) Sihe hier der Tauff-Bund/ das Sigel der Gerechtigkeit/ in Chri-
ſti Aufferſtehung gegruͤndet/ Krafft welcher die Suͤnd mit ihm begraben/
und du mit ihm in der Heil. Tauff aufferſtanden biſt zur Gerechtigkeit.
Rom. 5/ 1. Rom. 4/ 25.
Biß hieher das DAS/ folget das WAS. Wie iſt dieſer
Bunds-Friede qualificirt/ und mit was Tugenden geziert? Quæ? Qua-
lis? Quanta? Das wird uns mit dreyen Worten angedeutet. Una, ve-
ra, bona.Es iſt ein einiger/ ein warhafftiger/ ein guter und heil-
ſamer Fried/ und zwar 1. Una \& Unitiva,eine Tauff/ ein Gott
und Vatter/ ein HErr/ ein Geiſt/ ein Glaub/ eine Lieb/ eine
Hoffnung/ Epheſ. 4/ 4. 5. 6. Wie ihr beruffen ſeyd auff einerley
Hoffnung euers Beruffs; Alſo auch ein Fried. Unitiva, gleſchwie
das Waſſer vereinigt/ ohn Waſſer bleibt kein Meel beyſammen/ wil man
einen Teig knetten/ einen Kuchen/ ein Brod machen/ ſo muß Waſſer da-
bey ſeyn; Jſt Irenæi Gleichnuͤß (*). Alſo vereinbaret uns auch dieſer
B b b b b b 3eſt.
[934]Die vier und dreiſſigſte
Friede mit GOTT/ daß wir theilhafftig werden der Goͤttlichen Natur/ in
einem Geiſt getaufft/ zu einem Leib mit Chriſto getaufft.
1. Cor. 12/ 13. Wir ſind durch einen Geiſt alle zu einem Leibe
getaufft (wir ſeyen Juden oder Griechen/ Knechte oder Frey-
en/ und ſind alle zu einem Geiſt getraͤncket. Dem Baum deß
Lebens eingepflantzt. Rom. 6/ 5. So wir aber ſampt ihm einge-
pflantzet werden/ gleichwie er in ſeinem Tod/ ſo werden wir
auch der Aufferſtehung gleich ſeyn. Rom. 11/ 17. Ob aber nun
etliche von den Zweigen zubrochen ſind/ und du/ da du ein
wilder Oelbaum wareſt/ biſt unter ſie gepfropfft/ und theil-
hafftig worden der Wurtzel/ und deß Saffts im Oelbaum.
Wir ſind die Reben in ihm/ als dem Weinſtock/ eingeimpfft und einge-
pfropfft/ non ſolum unio confœderalis, ſed \& amica, es iſt eine
freundliche Vereinigung/ da man Lieb und Leid mit einander außſte-
het; Gleichwie dorten zwiſchen Ario dem Lacedæmonier Koͤnig/ und dem
Hohenprieſter Onia/ davon Joſeph. lib. 12. c. 5. Arius der Lacedæmo-
nier Koͤnig/ wuͤnſchet dem Hohenprieſter Oniæviel guts. Es
iſt eine alte Schrifft zu handen kommen/ in welcher wir befun-
den/ daß wir einander dem Stammen nach verwandt ſeyn/
und daß auch unſer Geſchlecht von den Nachkommen Abra-
hæſeinen Vrſprung genommen hab/ iſt derhalben billich/ ſin-
temahl ihr unſere Brůder ſeyd/ daß ihr von uns begehren ſol-
let/ alles worzu ihr Luſt/ deſſelbigen gleichen wollen wir uns
auch verhalten/ und uns eure Sachen ſo wol laſſen angele-
gen ſeyn/ als unſere eigene/ und wollens in gemein mit euch
halten.Amicorum omnia communia, Freunde Guͤter ſeynd gemein.
Jonathan ſchencke David ſeinen Rock. Eine Ehliche Vereinigung/
Epheſ. 5/ 26. Jhr Maͤnner liebet eure Weiber/ gleichwie Chri-
ſtus geliebet hat die Gemeine/ und hat ſich ſelbſt fuͤr ſie gege-
ben/ auff daß er ſie heiliget/ und hat ſie gereiniget durch das
Waſſerbad im Wort. Ein Blutsfreundliche Vereinigung
welche Ehr keinem Engel wiederfahren. Incorporata,ein einverleibte
Einigung/ Act. 9. Wann man einem in Augapffel greifft/ ſo empfindets
der Mann; Wann man einen auff den Fußtritt/ ſo fuͤhlets das Haupt/
vid. part. 5. Lact. cat. p. 1193. \& ſeqq. Summa/ die allerholdſeligſte/
freundlichſte/ anmuthigſte/ geheimſte Vereinigung. Und das iſts/ was
Paulus lehret Rom. 6. CHRJSTJ To[d] ſey mein Tod/ und ſein
Leben ſey mein Leben; ſeine Gerechtigkeit/ meine Gerechtigkeit/ ſeine Se-
ligkeit
[935]Predigt.
ligkeit/ meine Seligkeit/ Chriſtus iſt mein Leben/ Sterben iſt mein
Gewinn. Weil du vom Tod erſtanden biſt/ werd ich im
Grab nicht bleiben: Und das iſts/ was wir in unſerm Pſalmen ſin-
gen: Jch bin ein Glied an deinem Leib: Jch bin dein/ und
du biſt mein; Das iſts/ was wir in unſerer Kirchen-Ordnung der gan-
tzen Gemeind vorhalten; Dieweil ihr dieſes euer Kind hieher in
die Gemeine Gottes gebracht/ daß es durch die H. Tauff un-
ſerm HErꝛn JEſu Chriſto eingeleibet werde. Was in unſerm
Catechiſmo die Kinder betten: Dieweil alle Glaubige in Chriſto
unſerm HERRN eingeleibet/ Kinder und Erben GOttes
und Buͤrger im Himmel worden ſind/ auch am ewigen
Gut eine Gemeinſchafft haben/ ꝛc.ad ſymphatian, ſynche-
roſynen, Synagogiam,zur Mit-Leid/ Mit-Freud und Mit-
Streit.
II. Pax vera \& certa,ein Fried ohne Tuͤck. Ein Fried/ aber
nicht wie die Welt gibt/ Joh. 14/ 27. abgewogen nach dem Sekel
deß Heiligehums/ nicht ein falſcher/ ſyncerirter/ ungewiſſer Friede/
Welt-Friede iſt ein falſcher ſyncerirter Fried/ Sophiſtiſch/ regulirt nach
der blinden Liechtloſen/ krummen und betrieglichen/ menſchlichen Ver-
nunfft/ Jerem. 18. Es iſt zu Paſſau ein Politiſcher Reichs-Frieden auff
geſetzt/ verſigelt/ verpoͤnt/ auffs theurſt beſchworen/ dennoch haben die
Dillingiſchen juris tortores ein Pfriemen gefunden/ damit ſie ihn durch-
loͤchern wollen; Der Oſnabruͤgiſche Fried iſt gleicher Gefahr unterworf-
fen. Von Teutſchen/ redlichen/ weltlichen Potentaten ſollen wir an-
ders nichts/ dann das beſte hoffen: Aber wer will der Cleriſey trauen/ de-
ren principia bekannt/ Pabſt Innocentius X. hat denſelben in ſeiner Bull
annullirt und zu nicht gemacht/ (v. comp. pac. 5. q. 29. Hod. Pap. p.
1447.) Es mangelt den Gegnern zum Brauch/ nicht an dem guten Wil-
len/ ſondern an Macht und Goͤttlicher Verhaͤngnuͤß. Solcher Art iſt auch
der Mahometiſche Syncretiſtiſche Religions-Fried/ welcher heutiges
Tags faſt allenthalben gekocht/ und ſchon angerichtet worden/ ein Reli-
gion-Fried/ ohne den Mund GOttes/ ein Mahometiſcher Fried per gladii
ſpiritus interdictum, durch Diſputir-Verbott præpoſtera pax, ein
umgekehrter Fried/ da man das Vatter Unſer verkehrt/ und im Werck ſelbſt
alſo betten und ſagen ſol: Dein Nam iſt ſchon geheiliget/ dein
Reich iſt kommen/ dein Will iſt geſchehen/ das iſt/ wir ſind
heilig und vollkommen/ duͤrffen keiner Suͤnden Vergebung
noch Schutz fuͤr Anfechtungen mehr/ welches ſeltzam und wun-
derlich/
[936]Die vier und dreiſſigſte
derlich/ und faſt unglaͤublich zu hoͤren: ſcheinet uͤber alle maſſen abſurd;
und iſt doch nur allzu war/ durch den hellen Mittag der Experientz offen-
bar/ und von dem theuren Luthero ſel. ſchon zu ſeiner Zeit alſo wahrge-
nommen und befunden worden/ welcher nachdem er eine lange/ eyffrige
und haͤfftige Klag gefuͤhret uͤber etliche verdrießliche und ſchaͤndliche Leut/
die der H. Chriſtenheit gar hoͤniſch koͤnnen vorwerffen/ daß ſo viel Zwy-
tracht/ Secten/ Jrꝛthum/ Ketzerey und Aergernuͤß darin erfunden ſind/
als ſolte darum die Lehr deß Evangelii billich falſch und unrecht zu achten
ſeyn; Dieſe ſind (ſchreibt er) gar trefflich weiſe Leut/ die den
H. Geiſt lehren koͤnnen/ wie er ſolle die Chriſtliche Kirche re-
giren/ ja lieber/ wann der Teuffel Chriſtum nicht in die Ver-
ſen beiſſen wolte/ oder muͤſte es laſſen/ ſo waͤre leichtlich ein
ſolche ſtille/ friedliche Kirch zu haben. Aber nun er Chriſti
Feind iſt/ und in ſeiner Kirchen Krieg/ Secten/ Auffruhr ohn
Unterlaß anrichtet/ ſo thut man ja der lieben Kirchen groſſen
Gewalt/ daß man ihr Schuld gibt/ ſolches Unfrieds und wuͤſt
Weſen/ welches ſie nicht thut/ ſondern leyden muß. War-
umb gibt man nicht auch uns Chriſten Schuld/ daß zwiſchen
uns und dem Tůrcken ſolcher Unfriede und Blutvergieſſen
iſt/ der Welt? Es heiſt/ niemand kan laͤnger Friede haben/
als ſein Nachbar wil/ die liebe Kirche muß wol unfriedlich
ſeyn/ wann ſie den Feind ihres HErꝛn JEſu Chriſti nicht hoͤ-
ren wil/ wie ſol ſie ihm anders thun? Der Teuffel wil nicht
ruhen/ noch ſeinem Kopfftretter Frieden laſſen. So wil der
Kopfftretter unſer HErꝛ ſolchen Verſenbeiſſer nicht leyden.
Sey du nun klug und weiſe/ und menge dich in dieſen Had-
der/ was gilts/ du ſolt Schiedemanns-Lohn druͤber kriegen/
daß dich Chriſtus verdamme/ und der Teuffel zureiſſet. Dar-
umb laß es gehen wie es gehet/ menge dich nicht zwiſchen
Thuͤr und Angel/ du wirſt Chriſtum und Belial nicht vertra-
gen/ die Feindſchafft iſt zu hart an einander geſchworen/ einer
muß zuletzt untergehen/ und der ander bleiben/ da wird nichts
auß. Es iſt beſagter heutgeſuchter Religions-Fried eine freventliche
Außkratzung deß erſten Draͤu-Worts/ Jch wil Feindſchafft ſetzen ꝛc.
deß eingeflochtenen Glaubens/ und der blinden Lieb Einfuͤhrung. Apage!
Hinweg mit ſolchen falſchen und betrieglichen Frieden. Entweder rechter
warhaffter Fried/ oder kein Fried. Warheit und Fried ſind zwo Schwe-
ſtern/ Zach. 8. der wahre Fried iſt von Gott/ zu Gott/ in Gott/ mit GOtt/
ver-
[937]Predigt.
verſigelt mit einem unwiderſprechlichen Pitſchier/ dann ſo die Beſchnei-
dung ein Sigel heißt der Gerechtigkeit/ wie vielmehr die Tauff? ſoRom. 4, 11.
der Schatten/ vielmehr das Liecht; Tauff-Waſſer iſt ja eines unter den
dreyen allerkraͤfftigſten Zeugen/ juris collativos, 1. Joh. 5/ 8. dadurch der
Glaub in die Hand gegeben wird/ ſo viel aus Gott geboren/ ſo viel Chriſtum
auffgenommen/ denen hat Gott Macht gegeben Gottes Kinder zu wer-
den/ Joh. 1/ 12. 13. Jhr ſeyd alle Gottes Kinder/ durch den Glauben an
Chriſto JEſu/ dann ſo viel euer getaufft ſind/ die haben Chri-
ſtum angezogen/ wie der bunte Rock Joſephs ein Zeichen war deß al-
lerliebſten/ und angenehmſten Sohns/ (*) verſtehe der jenige Rock/ den(*) conf.
2. Sam. 15,
18.
hernach ſeine Bruͤder mit Bocksblut beſprenget; Alſo iſt Chriſti Ge-
rechtigkeit die jenige/ welche uns von dem himmliſchen Vatter in der Heil.
Tauff geſchencket wird/ mit allen durchs Verdienſt Chriſti theur erworbe-
nen Gaben gleichſam geſtickt/ mit welchem wir angethan/ kecklich doͤrffenvide Luth.
in Pſal. 45.
Tom. 3.
Witt. pag.
44. f. 2.
de[n] him̃liſchen Vatter unter Augen tretten/ und mit getroſtem/ freudigem/
glaubreichen/ nicht blutdurſtigen Hertzen/ ſprechen; Sihe/ das iſt deines
Sohnes Rock/ den wir entgegen ſetzen der Bloͤſe/ damit GOtt der HErr
Adams geſpottet/ und geſagt: Sihe/ Adam iſt worden als unſer
einer. Von der Spartaner Bunds-Brieff ſchreibet Joſeph. l. 12. c. 5.
daß er auff ein vierecket Papier geſchrieben/ und mit einem Sigel ver-
wahrt/ darinn ein Adler/ der einen Drachen in den Klauen getragen/
uͤberantwortet. Warumb nicht vielmehr der Friede Gottes/ der hoͤher
und feſter iſt/ als alle Vernunfft/ iſt durch den Sigel der H. Tauff ſo ſtarck
verwahret/ daß er nicht leichtlich kan durchloͤchert/ oder cuniculirt werden.
III. Bona de jure quidem, non item ſorte externa,ein guter heilſa-
mer Fried/ der da von rechtswegen in der Welt ſolt willkom̃ ſeyn/ und
Gluͤck haben/ weil derſelb als ein Gaſt ſo viel guts in der Welt geſchafft/ wie
Auguſtinus in libr. de Civ. Dei außfuͤhrlich erwieſen. Aber nein! der
Sathan kans nicht leiden/ ſobald Joas gekroͤnet wird/ ſo richtet Athalia a-
larma an/ Ponam inimicitiam,Jch wil Feindſchafft ſetzen/
Chriſtus bekennet ſelber Luc. 11. daß wo er nicht iſt/ da ſey der Teuffel ſtill/
und laſſe den Leuten guten Fried/ und ſpricht: Wann der ſtarcke Gewapnete ſein
Hauß bewahret/ ſo bleibet das ſeine mit Frieden/ wann aber ein ſtaͤrckerer uͤber
ihn kom̃t/ ꝛc. ohn Zweiffel da hoͤret der Friede auff/ und erhebt ſich ein Rumorn/ biß
er uͤberwunden/ ſeinen Harniſch zur Außbeut geben muß. Vor Chriſti Zukunfft
war die Welt ſo voll mancherley Abgoͤtterey/ als kein Hund voll Floͤhe iſt umb
St. Johannis Tag/ daß es krimmelt und wimmelt von Abgoͤttern allenthalben.
Noch treibet da kein Teuffel den andern auß. Trat kein Abgott den andern auff
den Kopff/ biſſe auch keiner den andern in die Verſen/ kunten ſich wol neben ein-
ander leiden und vertragen; Alſo daß auch die Roͤmer in aller Welt Abgoͤtter
Achter Theil. C c c c c cſammle-
[938]Die vier und dreiſſigſte
ſammleten und eine Kirch baueten/ die ſie nenneten Pantheon/ aller Goͤtter Kir-
chen/ dann die Weltweiſen Herren wolten alle Goͤtter in ihrer Stadt haben/ da
aber dieſer rechte GOtt JEſus Chriſtus kam/ den wolten ſie nicht leiden. Jſts
nicht wunderlich Ding/ alle Goͤtter annehmen/ und dieſen einigen allein auß-
geſchlagen und verfolgen? Die andern alle ſind ſtille/ und halten Friede unter
einander. Da aber dieſer kompt/ da hebt ſich das Spiel und der Vnfried an/
da wollen alle Goͤtter toll werden/ ſampt ihren Dienern/ den Roͤmern/ ſchlagen
todt Apoſtel/ Maͤrtyrer/ und alles was dieſen Chriſtum nennen that/ der andern
Goͤtter Diener thun ſie keinem Leyd/ ſondern alle Ehr und Tugend. Waͤre aber
Chriſtus auch ein Teuffel geweßt/ wie die andern Abgoͤtter/ O wie gern und herꝛ-
lich haͤtten ihn die Teuffel neben ſich laſſen annehmen/ und anbetten. Nun ſie
aber alle wider ihn toben und wuͤten/ bekennen ſie damit/ daß er muß der einige
rechte Gott ſeyn/ der ſie auff den Kopff tritt/ und ihren Hoff ſtuͤrmet/ ſie uͤber-
windet/ und ihren Haußrath außtheilet; Da ſchreyen ſie dann und beiſſen ihn
in die Verſen/ geben ihm Schuld/ er richte Vnfried an zu Rom/ und in aller Welt/
und meynen/ ſie thun groſſen Gottesdienſt dran/ daß ſie ihn ſo haͤfftig verfolgen/
und ſo viel Blut vergieſſen. Ja freylich wann wir thun/ was der Teuffel will/
und laſſen Chriſtum fahren/ ſo haben wir guten Frieden fuͤr ihm/ dann er kan uns
allerley Abgoͤtterey wol laſſen/ ohn dieſen ſeinen Kopfftretter/ den kan er nicht
leyden.
Jm Gegentheil hat die Welt alles nach Wunſch/ aber in fine videbitur
cujus toni. Darum muß dieſer edle Fried fuͤr lieb nehmen/ bonitate mo-
ris, mit der Tugend-Gůte/ Er iſt ein heilſamer Gewiſſens-Fried/
pax conſcientiæ medica, wovon S. Pauli Wort vorhanden Hebr. 10/
22. So laſſet uns nun hinzu gehen mit warhafftigem Hertzen/
in voͤlligem Glauben/ beſprengt in unſeren Hertzen/ und loß
von dem boͤſen Gewiſſen/ und gewaſchen am Leibe mit rei-
nem Waſſer. Da das Gewiſſen liberirt iſt von innerlichem Wuth deß
bellenden Hundes/ von dem geiſtlichen Nagen deß freſſenden Wurms/
was hilffts/ wann einer gleich mitten unter den Roſen/ unter Gold und
Kleinodien ſaͤſſe/ haͤtte alles vollauff zu freſſen und zu ſauffen/ waͤre aber
inwerts mit dem Podagra/ mit dem reiſſenden Stein/ oder einem nagen-
den Wurm/ und mit einem freſſenden Wolff behafftet? muͤſte allezeit wie
Democles in der Furcht ſtehen? Jm Gegentheil/ was wuͤrde der fuͤr
Schaden haben/ der zwar auſſen mit Feur und Schwefel umbgeben/ koͤn-
te aber im Chaldeiſchen Feuer-Ofen ſicher ſeyn/ daß ihn das Feuer nicht
verletzen/ oder ob es auch geſchehe/ nicht ſcheiden von der Liebe GOttes/
und mit Paulo ſagen koͤnte/ Rom. 5/ 1. ſqq. Nun wir ſind gerecht
worden durch den Glauben/ haben wir Friede mit GOTT/
durch unſern HErrn JEſum Chriſt/ durch welchen wir auch
einen Zugang haben im Glauben zu dieſer Gnade/ darinnen
wir ſtehen/ und ruͤhmen uns der Hoffnung der zukuͤnfftigen
Herr-
[939]Predigt.
Herrlichkeit/ die Gott geben ſoll. Nicht aber das/ ſondern
wir ruͤhmen uns auch der Trůbſalen/ dieweil wir wiſſen/ daß
Truͤbſal Gedult bringet/ Gedult aber bringet Erfahrung/
Erfahrung bringet Hoffnung/ Hoffnung aber laͤßt nicht zu
ſchanden werden. Dieſes alles aber erlangen wir durch den Tauff-
Frieden; Die Gibeoniten/ die vormahls Feinde waren/ durfften ſich
nicht mehr fuͤrchten fuͤr den Jſraeliten/ nachdem ſie einmal in Bund
auffgenommen worden. Wir/ GOtt Lob/ koͤnnen heut zu Tag ſicher
reiſen/ ohne Furcht und Schrecken/ da man vor dieſem die Bluthund
fuͤrchten muͤſſen; Wir koͤnnen unter den Papiſten handthieren/ die vor
dieſem Feinde geweſen/ [...]ſind nunmehr Bundsgenoſſen/ und das Krafft
deß inſtrumenti pacis, das vermag der zeitliche Fried. Alſo haben wir
nun auch ein gut Gewiſſen/ und Friede mit GOtt/ davon wir ſingen:
Allein GOtt in der Hoͤh ſey Ehr/Vnd Danck fuͤr ſeine Gnade/Darumb daß nun und nimmermehr/Vns ruͤhren kan kein Schade.Ein Wolgefallen GOtt an uns hat/Nun iſt groß Fried ohn Vnterlaß;Alle Fehd hat nun ein Ende.
Der Wurm iſt gedaͤmpfft/ der Hoͤllenhund geſtillet.
Pax Sabbathica,ein Ruh-Fried/ ſo beſtehet in einem freyen Wil-
len/ erleuchteten froͤlichen Gewiſſen/ ohne Drang und Zwang/ Beru-
higung der Affecten/ Reinigkeit deß Glaubens/ und inniglicher ſiegender
Hertzens-Freud und Freymuͤthigkeit. Hic murus aheneus eſto. Ein
jeglicher halte es mit Auguſtino/ ſola mein oculis Dei conſcientia non
accuſet, lib. contra Secundin. c. 1. Wann mich nur mein Gewiſſen fuͤr
den Augen deß allerhoͤchſten Gottes nicht anklaget. Bona perpetuitate,
ein unzerſtoͤrlicher ewiger Fried/ deſſen Bund ein unzertrennlicher/
nimmer verfaulender Saltz-Bund/ Num. 28/ 29. der ſeinen Bundsge-
noſſen Glauben haͤlt ewiglich/ ein ſolcher Bund/ deſſen Krafft nicht zu-
ruͤck/ ſondern fuͤr ſich wuͤrcket/ aus welchem ſich ein bußfertiger Suͤnder
troͤſten kan/ nicht nur wider die Suͤnd/ ſo vor der Tauff/ ſondern auch nach
der Tauff begangen worden. Die H. Tauff iſt gleich einem Schiff/ wann
gleich Noa oder einer ſeiner Soͤhne ins Waſſer hinauß gefallen waͤre/ ſo
waͤre darum nicht die Arch gebrochen; ſondern wann er wiederum der
Archen zugeſchwommen/ ſo waͤre er wieder hinein gelaſſen/ und haͤtte ſich
deß aſyli zu troͤſten gehabt: Hie alle Suͤnde vergeben werden.
C c c c c c 2Die
[940]Die vier und dreiſſigſte
Die Tauff iſt ein Sigel/ nun aber gilt auch ein Sigel ins kuͤnfftige hinauß/
zur amneſti und Vergeſſung der Schulden. Wann einer wolt die abgetra-
gene Schuld nach der Bezahlung fordern/ ſo koͤnte er alsbald mit Sigel und
Brief beſchlagen werden: Alſo hat der Sathan der Juͤnger Chriſti begehrt/
ἐξητήσατο, aber durch Krafft der Vorbitt Chriſti nichts erhalten. Die Heil.
Tauff iſt ein ewiger Bund/ da es nicht gleich heiſt fidem frangenti, \&c.
alle Hoffnung aus. Deß Menſchen Unglaub hebt Gottes Glau-
ben nicht auf/ Rom. 3/ 33. Gottes Gaben und Beruff moͤgen
ihn nicht gereuen/ Rom. 11/ 29. Die H. Tauff iſt gleichſam ein ehli-
cher Bund. Da Chriſtus der holdſelige Braͤutigam/ und geiſtliche Eh-
mann/ welcher ſein unvergaͤnglich liebreiches Hertz und Begierde entdecket
und herfuͤr gethan caſu \& chriâ, erſtlich mit einem caſu und Gewiſſens-
Jerem. 3.Frag/ die er formiret/ Wann ein Mann ſich ſcheidet von ſeinem
Weibe/ und ſie zeucht von ihm/ und nimmet einen andern
Mann/ darff er ſie auch wieder annehmen? Jſts nicht alſo/
daß das Land verunreiniget wuͤrde? Du aber haſt mit vielen
Buhlern gehurt; Aber doch komm wieder zu mir/ ſpricht der
HErr. Weiter zeiget er ſein liebreiches Hertz an mit einer Chria, mit ei-
nem lebendigen Exempel und Gleichnuͤß der Hure Gomer/ welche der
Prophet Hoſeas auff Befehl Gottes zum Weibe nahm; Dieſelbe Ehe-
brecheriſche Hur iſt eine jegliche Seele/ ſo da ſuͤndiget/ der Hoſeas iſt Jeſus/
Jehoſchua, der Heyland der Welt/ der nimmet die groſſen Suͤnder wieder
an/ wie Hoſeas die Gomer/ ſo fern ſie ſich zu ihm locken und reitzen laſſen.
Summa/ die H. Tauff iſt ein offener immerwaͤhrender Brunn
wider die Sůnd und Unreinigkeit/ Zach. 13/ 1. Daher Petrus/ ein
uͤberauß groſſer Suͤnder/ der Chriſtum verflucht/ und kein Theil an ihm
1. Pet. 3, 21.haben wollen/ dennoch ſich getroͤſtet mit ſeiner Tauff. Julianus war ein
greulicher Feind und Spoͤtter Chriſti/ der auch ſein Tauff-Waſſer mit
Opffer-Blut abgewaſchen. Nichs deſto weniger/ wann er hernach Buß
gewuͤrcket haͤtte/ haͤtte er ſich doch ſeiner wiewol weggewaſchenen Tauff wie-
derumb getroͤſten koͤnnen. Die Unholden und Hexen verpflichten ſich ih-
ren Buhlen hoch mit Blut/ aber wann ſie wiederkehren/ haben ſie ſich ih-
res Tauff-Bundes wieder zu erfreuen/ der erſte und aͤlteſte Bund gehet
vor den letzten und juͤngſten. O welch eine Tieffe/ Hoͤhe/ Brei-
te und Laͤnge der Liebe Gottes? Wo iſt ein ſolcher GOtt wie
du biſt? der die Suͤnde vergibt/ und erlaͤſſet die Miſſethat
den uͤbrigen ſeines Erbtheils/ der ſeinen Zorn nicht ewiglich
haͤlt/ dann er iſt barmhertzig. Gar wol hat weyland Gœbelius ſel.
dieſe
[941]Predigt.
dieſe Lehr außgeleget/ (*) Hie thut ſich abermahl herfuͤr Sacramentum
C c c c c c 3nen
[942]Die vier und dreiſſigſte
(*)
fidei \& Exemplum Chriſtianiſmi,das Geheimnuͤß deß Glau-
bens/ und das Exempel und Beyſpiel deß wahren Chriſten-
thums. Ein Geheimnuͤß deß Glaubens/ ſag ich/ ſo durch unwider-
treibliche Conſequentzen/ die durch kein Gewalt koͤnnen zuruͤck getrieben
werden/ ſich ereigt und erzeigt. Dann ſind wir in der H. Tauff Kinder deß
Bunds worden/ ſo koͤnnen wir aus derſelben parrheſiam \& plerophori-
Rom. 8.am Freymund und Freymuth ſchoͤpffen; Wie dann David wider Goliath
aus dem Bund der Beſchneidung einen ſolchen Heldenmuth/ und Jona-
than wider die Philiſter geſchoͤpfft hat/ ſampt dem ſtarcken Vertrauen und
Hoffnung auf die Goͤttliche Huͤlffe in allen Noͤthen. 1. Macc. 8/ 31. 32. Daß
der Koͤnig Demetrius an den Juden Gewalt uͤbet/ (ſo laut das
Roͤmiſch Friedens-Jnſtrument) davon haben wir ihm geſchrie-
ben/ alſo: Warumb plageſt du unſere Freund und Bundsge-
noſſen? Wo ſie aber weiter uͤber dich klagen wuͤrden/ ſo muͤſ-
ſen wir ſie ſchuͤtzen/ und wollen dich zu Land und Waſſer an-
greiffen. Jn allerhand Creutz und Widerwaͤrtigkeit wird GOtt ſeines
Exod. 2,
24. c. 6, 5.alten Bundes nicht vergeſſen/ Freudigkeit ſollen wir haben in dem Tod
ſelbſten/ nach dem Exempel Kaͤyſers Barbaroſſæ(*)/ veſtes Vertrauen
im
[943]Predigt.
im Gebet. Joſeph. lib. 12. Bittet von uns/ was ihr wollet/ laſſen
die Spartaner den Juden ihren Bundsgenoſſen entbieten. Jſt der
Tauff-Fried ein ſolcher Fried/ der GOtt und Menſchen mit einander ver-
einigt. Ergò ſo bin ich/ O HErꝛ Chriſte/ ein Glied an deinem Leib/ des
troͤſt ich mich von Hertzen/ von dir ich ungeſcheiden bleib/ in Todes-Noͤthen
und Schmertzen. (vide Luther. Tom. 4. Witteb. pag. 346.) Jſt der
Tauff-Fried ein warhaffter und kein erdichter Fried/ kein bloſes Sinnbild.
E. ade gute Nacht Welt-Freundſchafft/ Lauß-Freundſchafft/ Staats-
Freundſchafft/ Welſche Synceritaͤten; Was frag ich nach der Welt-
Freundſchafft. Jch weiß mir einen beſſern Freund droben im Himmel/
auf den ich mich auch im Tod verlaſſen kan. Mein Liecht und Heyl iſt
GOtt der HErꝛ/ Pſal. 27. Was Hunger? Schwerdt? Bloͤſe? der
Tod ſelbſt? Vielmehr eine Befoͤrderung in das ewige Leben/ zu der al-
lerſeligſten Vereinigung mit dem Haupt Chriſto. Rom. 8. Chriſtus vita
mihi, mors mihi ſuave lucrum,Chriſtus iſt mein Leben/ Sterben
iſt mein Gewinn/ und nicht mein Schad. Jſt der Tauff-Fried
ein Artzney-Fried. E. werden mich meine Suͤnd nicht kraͤncken/ noch
mein Gewiſſen nagen/ ſolten ihr auch ſo viel ſeyn wie Sand am Meer.
Wie dann niemand perfectè und vollkommlich geſund iſt von Natur;
wir bringen das boͤſe Gewiſſen mit auff die Welt/ die Wurmleich und
Schlangen-Samen iſt uns angebohren. Aber/ O HErꝛ/ dein Wort/
dein Tauff/ dein Nachtmahl/ dienet wider allen Unfall; Ein Artzt iſt uns
gegeben/ der ſelber iſt das Leben. Jſt der Tauff-Fried ein Sabbaths-ein
Ruh-Fried/ ſo iſt daher die Gedaͤchtnuͤß der H. Tauff juge convivium,
ein taͤgliches Wolleben. Jſt er ein immerwaͤhrender Fried/ derowegen
ſo quillet dieſer Troſt-Brunn allezeit hervor/ er hat Troſt-Waſſers die
Fuͤlle wider alle Sünd und Unreinigkeit/ Zach. 13.
Soll aber 2. dieſer Troſt ſafften und hafften/ ſo gehoͤret ἐπερώτημα, exa-
men rigoroſum, eine genaue Prüfung uñ Gewiſſens-Erforſchung dazu/
reflexio mentis, darin der Menſch dem Vieh uͤberlegen/ ſol derwegẽ in ſich
ſelbſt gehen und fragen: Biſt du ein Chriſt? das iſt/ ein Bundsgenoß/
ein rechter Jſraelit/ in dem kein Falſch iſt/ der reines Hertzens iſt/ ein geiſtli-
cher Koͤnig/ Prophet und Prieſter/ ein Him̃els-Erb/ und Mit-Erb Chri-
ſti? Herꝛ Ja. Woher weiſt du das? daß ich getaufft bin. Jſt
die gemeine Antwort/ ſo aber nicht allezeit und bey allen wahr. Es kan nicht
hierauff mit Ja antworten der Papiſt/ wann er nach ſeinen principiis
gehen wil/ ſondern er muß verzagen und verzweiffeln/ nicht allein aus
Unwiſſenheit der Intention des Taͤuffers/ ſondern auch aus Mangel des
Sie-
[944]Die vier und dreiſſigſte
vide Luth.
Tom. 7.
Witt. pag.
486.Sigels/ Bellarminus reiſſt den Sigel vom Brieff herab (*). Dazu kom̃t/
daß man im Pabſtthum die Tauff-Krafft nur auff die vergangene Suͤn-
de ziehen/ und nicht mehr guͤltig ſeyn laͤſſe/ die kuͤnfftige Suͤnde zu tilgen.
Si quis dixerit, peccata omnia, quæ poſt Baptiſmum fiunt, ſola recordatio-
ne \& fide ſuſcepti Baptiſmi vel dimitti, vel venialia fieri, anathema ſit. Ita Trid.
Can. 10. ideò ait Bellarm. l. 1. de Bapt. c. 18. §. At verò, Catholici docent, Bapti-
ſmi efficaciam non ſe extendere ad futurum, ſed ad ſolum præteritum. Catech.
Rom. hæc habet pag. 190. Wie im Schiffbruch ein einiger Behelff iſt/ das
Leben zu erretten/ wann etwa einem die Sach gerathet/ daß er eine Tafel oder
Brett vom Schiff ergreiffe/ alſo auch wer nach verlohrner Vnſchuld/ die er in
der Tauff bekommen/ zur Buß-Tafel nicht eilet/ an deſſelben Heyl muß man gewiß
verzagen. Welcher Buß-Tafel? Cloſter-Geluͤbd/ unerſchwingliche Gnugthu-
ungen/ ſo in Gottes Wort nirgend gebotten/ votum Monaſticum par Baptiſmo
daher kommen/ daß man die Cloſter-Geluͤbd dem Tauff-Geluͤbd gleich geachtet.
Nicht kan mit ja antworten der Calviniſt/ dieweil all der jenige/ der im
Zweiffel ſtehet der Erloͤſung/ der iſt zweiffelhafft an ſeiner Gnadenwahl/
wer zweiffelt an der Gnadenwahl/ der zweifelt an der Tauf/ wer an der Tauf
zweiffelt/ der muß zweiffeln an ſeinem Chriſtenthum/ und alſo nicht oh-
ne Furcht deß widrigen antworten: Herr Ja; Sondern vielmehr auff
gerathwol es wagen. Es kan nicht JA antworten der Atheiſt/ Epicurer/
Sau-
[945]Predigt.
und Sau-Chriſt/ Tuͤrckiſche/ Heydniſche Chriſt/ unter den Lutheranern/
der aͤrgerliche/ hartnaͤckige/ unbußfertige/ Bannwuͤrdige Suͤnder/ der
kan wol in præterito ſagen: Ja Herr/ ich bin einmahl ein Chriſt worden
in der heiligen Tauff/ und alſo ein Namen-Stammen-Wurtzel-
Bund-Mund- und Pflicht-Chriſt/ aber ich hab die Gnad der
Widergeburt/ theils durch Grundſtuͤrtzende Jrrthum in der Lehr/
theils durch ungoͤttlich/ heydniſch/ tuͤrckiſch/ juͤdiſch/ aͤrgerliches Leben und
Weſen verlohren/ und bin nun kein Flamm-Hertz-Kern- und
Grund-Chriſt. Ein Jſraelit nach dem Fleiſch/ aber nicht nach dem
Geiſt; Ein ſolcher hat mit der Hoͤllen einen Bund gemacht/ ſein Hertz
iſt entſchmertzt/ er fragt nicht einmahl/ was mach ich doch (*)/ gleich denen/
die geſagt/ ſie waͤren Juden/ und warens nicht. Apoc. 2. Luth. Tom. 4.
Witt. p. 74. f. 2. (*) Mit Hertz und Mund/ warhafftig und ohne
Achter Theil. D d d d d dFalſch
[946]Die vier und dreiſſigſte
Falſch kan dieſe Frage (biſt du ein Chriſt) allein mit Ja verjaͤhen der jeni-
ge/ der ſeinen Tauff-Bund beſtaͤndig erhalten/ in Lehr und Leben ſich als ein
Hertzens-Chriſten von reinem Hertzen bezeuget/ GOtt kennet denſelben
als den ſeinen/ und der Geiſt deß Menſchen der in ihm iſt; Am allergewiſ-
ſeſten und ſicherſten ſagt Herr Ja/ ein unſchuldiges/ zartes Catechiſmus-
Kind/ ehe und dann daſſelbe durch falſche Lehr verfuͤhret/ und durch boͤſe
Exempel in der Welt an ſeinem Verſtand verkehret worden. Sap. 4. Die
ſeinen Bund behalten/ herrſchen im Himmelreich/ die Bund mehr achten
als Opffer. O wehe mir/ ſprichſt du/ der ich den Tauff-Bund gebrochen/
meine Tauff Cron verlohren. Antwort: Σώθητι, Laß dir helffen!
Thue Buß/ ſchiebe deine Buß nicht auff/ heut/ wann du die Stimm deß
HErrn hoͤreſt/ huͤte dich fuͤr Sicherheit/ nicht wie ein boͤſer Bub/ der auff
die Ablaß der Suͤnden ſich verlaſſet/ Quamvis Deus promiſit veniam
pœnitenti, tamen voluntatem pœnitendi non promiſit delinquenti,
Gott hat zwar Erlaſſung verheiſſen den Bußfertigen Suͤndern/ aber die
Buſſe nicht einem jeglichen verheiſſen/ ſo offt er ſuͤndiget. (*) Nach dem
Exempel deß verlohrnen Sohns/ welchem ſein Hertz-frommer Vatter
ςολὴν πρώτην, h. e. priorem \& precioſiſſimam den vorigen/ abgelegten
Ehren-Rock/ den er vor der Reiſe abgelegt/ hinweg geworffen/ und mit
neuen Allamodo-Kleidern außgetauſcht gehabt/ und zwar unter den jenigen
Roͤcken/ die ihm der Vatter im Kaſten auffgehebt/ den beſten/ theurſten und
koͤſtlichſten wieder angezogen/ und von neuem inveſtiret/ nach dem Exemp[e]l
Abrahæ/ deß treuen Bundsgenoſſen/ was thut derſelb? Er demuͤthiget
ſich/ Gen. 17/ 3. als unwuͤrdig/ daß er als Erd und Aſch mit einem ſolchen
HErrn ſoll in Bund tretten/ alſo auch wir. Ach HERR/ was iſt der
Menſch/ daß du ſein gedenckeſt/ O Tieffe! O Guͤte! Anders als die
Phariſeer/ die auff ihren Bunds-Adel gepocht/ und damit ihr Bunds-
Recht verlohren/ exciſi ex olea, und aus dem Oelbaum außgehanen wor-
den. Luther. Tom. 4. Witt. p. 460. (*) 2. πιςὸς [...]ῷ Κυρίῳ fuͤr Gott
Abrahams
[947]Predigt.
(*)
gewandelt/ ſich vor dem Widerfall gehuͤtet/ allezeit ſeines Bunds ein-
gedenck geblieben/ mit ſeinen Kindern von nichts als vom Bund geredet.
Geneſ. 18. (*) 3. Concordiæ ſtudioſus, Geneſ. 13. allezeit der Ei-
D d d d d d 2nigkeit
[948]Die fuͤnff und dreiſſigſte
(*)
nigkeit ſich befliſſen. Alſo weil ein Tauff/ ein Leib/ ꝛc. Eph. 4/ 3. So
ſeyd auch fleiſſig zu halten die Einigkeit im Geiſt/ durch das
Band deß Friedes. Dieweil alle Glaͤubige in Chriſto un-
ſerm HErrn/ als Glieder zu einem Leib im H. Tauff einge-
leibet/ Kinder und Erben Gottes/ und Burger im Himmel
worden ſind/ ꝛc. ſollen ſie aus wahrer Lieb ſich fuͤr der Hoͤllen
und ewigen Verdammnuͤß durch Chriſtliche Zucht behuͤten/
zum Himmel bringen/ und zum ewigen Leben befoͤrdern.
Sonderlich Collegæ in allen Staͤnden/ unum cor, unum principium,
unus finis. Wann einer da/ der ander dort hinauß wil/ wann einer mit al-
ler Macht den Wagen fuͤr ſich ziehet/ der ander zuruͤck ziehet/ ſo wird es
wol von ſtatten gehen/ ja/ wie der Krebsgang. Nun der Friede Got-
tes/ der hoͤher iſt dann alle Vernunfft/ bewahre eure Hertzen
und Sinn/ in Chriſto JEſu unſerm HErrn. Amen.
GEliebte in Chriſto. Es iſt zwar in der Natur
ein edler/ fruchtbarer und Fruchtbringender/ geſegne-
ter und Segenreicher Strom/ Fluß und Teich in ei-
ner Landſchafft ein herrlicher Schatz/ theur und wer-
thes Kleinod/ und fuͤrtreffliche Gutthat deß Allerhoͤch-
ſten. Von dem einen Paradiß-Fluß Piſongenannt/ der
umbs Land Hevila oder Juda gefloſſen/ ſchreibt Moſes Gen. 2/ 11. Er
habe koͤſtlich Gold gefuͤhret/ ſampt dem Heilwerthen Gummi
Bdellion,
[949]Predigt.
Bdellion, und edlen Onix-Stein/ darumb auch Salomo vermuthlich
ſeine Schifffahrt dahin abgehen und ſeglen laſſen/ welche mit ſich ge-
bracht Gold/ Silber/ Helffenbein/ Affen und Pfauen/
1. Reg. 10/ 22. Der beruͤhmte Fluß Jordan iſt der jenige Segen-reiche
Strohm geweſen/ der ſich zu der duͤrren/ heiſſen Erndt Zeit/ da es ſonſt
nicht pflegt im Lande Canaan/ oder wunderſeltzam zu regnen/ 1. Sam.
12/ 17. jaͤhrlich ergoſſen/ und die duͤrre und lechzende Erd/ ſampt dem Ge-
traͤyd und andern Erd-Gewaͤchſen erlabet/ erquicket/ und alſo fruchtbar
gemachet/ den Acker-Segen befoͤrdert/ die Gewaͤchs gezeitiget/ Joſ. 3.
1. Chron. 13/ 15. Joſeph. lib. 6. Antiq. c. 6. dem der Fluß Nilus in Egy-
pten (deſſen Syrach gedenckt c. 24/ 37.) nichts nachgegeben/ ſondern
jaͤhrlich vom ſolſtitio æſtivo, biß auff das æquinoctium, von dem laͤng-
ſten Tag an/ biß auff den gegleichten Tag/ an ſtatt deß Regens das gantze
Land uͤberſchwemmet/ viel Leimen und Grund mit ſich gefuͤhret/ und die
Acker-Felder gemeſtet/ und Goldwerth nach ſich gezogen/ wie wir
von einem ſatten/ durchdringenden und fruchtbaren Land-Regen zuſagen
pflegen/ dieſer Regen iſt Goldes werth/ nutzet ſo viel tauſend Gulden.
Salomon Eccleſ. 2/ 6. nennet ſeinen Fiſch-Weiher/ den er gepflantzt/
und mit Fiſchen groß und klein beſetzet/ zu Jeruſalem Beracha,ein Se-
gen/ κατ᾽ ἐξοχὴν den Segen ſelbſt/ wegen der groſſen Anzahl groſſer
und kleiner Fiſch/ ſo darinn gewimmelt/ und ſich unzehlbar gemeh-
ret. Ein ſolcher edler Schatz iſt ein geſegnetes und Segen-reiches Waſ-
ſer und Fluth in der Natur. Aber wie viel herrlicher in regno gratiæ iſt
der Segen-reiche Tauff-Schatz/ das geſegnete Tauff-Waſſer/ der da uͤber-
flieſſt von Goͤttl. Gnaden-Segen/ er heißt Rom. 5. ὑπερεκπερισ [...]εύουσα χά-
ρις, ein uͤberſchwengliche Gnad/ die mit ſich fuͤhret den Schatz/ ſo
mit keinem Arabiſchen Gold zu bezahlen/ er erquicket die matten/ lechzen-
den Gewiſſen/ Hertzen und Seelen mit geiſtlicher Ergetzlichkeit/ da wir
(piſciculi in Baptiſmo naſcimur. Tertull.) als junge Fiſchlein in der H.
Tauff geboren werden/ ſo viel und reichlich/ als Thau in der Morgenroͤth.
Deß allerherrlichſten Schatzes warten wir noch/ iſt der/ den der Evangeli-
ſche Prophet und Prophetiſche Evangeliſt im Geiſt geſehen/ in regno
gloriæ, Apoc. 22/ 1. Ein lauterer Strom lebendiges Waſſers/
der vom Stuhl Gottes außgehet/ klar wie ein Cryſtall/ ſo im
D d d d d d 3Pa-
[950]Die fuͤnff und dreiſſigſte
Paradiß und Stadt Gottes das Holtz deß Lebens/ ſacrum lucum vitæ,
den H. Haͤyn und Luſt-Wald/ waͤſſert und erquicket/ daß ſie alle Monat
zwoͤlfferley Fruͤchte tragen/ und auch die Blaͤtter zur Geſundheit der Hey-
den gereichen; Was iſt das anders/ als der H. Geiſt/ der vom Vatter
und Sohn außgehet/ in dem deß ewigen Lebens Fried und Freud beſtehet/
ſampt den geſegneten Himmels-Fruͤchten/ und Stroms-weiß ergoſſe-
nen Wolluͤſten. Hic umbra! hic imago! illic veritas, umbra in lege
(naturâ) imago in Evangelio, veritas in cœleſtibus. Ambroſ. lib. 1.
offic. cap. 48. Hie Schatten! Hie das Contrafait! Dort die Warheit!
Der Schatten in der Natur/ das Bildnuͤß im Evangelio/ die Warheit im
Himmel ſelbſt. Wer die Warheit will haben deß himmliſchen/ unver-
gaͤnglichen und gantz vollkommenen Tauff-Segens/ und ſein genieſſen/
der muß zuvor in Regno gratiæ das Fuͤrbild anſchauen/ und in der
Gnaden-Tauff darauß klauben/ Lieb/ Hoffnung/ ſampt dem Vorſchmack
deß himmliſchen Segens ſchoͤpffen/ iſt die dritte Tauff-Gab/ ſo nach
der Tauff-Krafft und Tauff-Frieden in richtiger Ordnung folget/ und
von dem Koͤniglichen Propheten David im 29. Pſalm intimiret und an-
beſihe von
Jacobs ſe-
gen die 4.
Predigt
droben im
4. Theil der
Catechiſ.
Milch p.
34.gezeiget worden/ in den Worten: Der HERR/ der die geiſtliche
Suͤndfluth der Heil. Tauff geſtifftet/ wird ſein Volck ſegnen mit
Frieden. Davon nun reichlich und fruchtbarlich zu reden/ wolle uns
der geſegnete Weibes-Saamen Chriſtus JEſus deß H. Geiſtes milden
Segen von oben herab allergnaͤdig verleyhen. Amen.
WAnn nun der Koͤnig und Prophet David dem glau-
bigen Volck Gottes/ deme durch die Tauff geworbenen und er-
worbenen Volck Gottes eines reichen Segens vertroͤſtet/ und
geſagt: Der HERR wird ſein Volck ſegnen mit Frieden.
So verſtehet er ja freylich keinen bloſen menſchlichen Zung-Mund- und
Wunſch-Segen/ der eben nicht allezeit eintrifft. Wann dort Pſal. 129.
ꝟ. ult. die reiſigen Wandersleut den Schnittern und Garbenbindern in
der Erndt Gluͤck wuͤnſchen und ſagen/ manchmahl ohne Nachdruck/
Der Segen deß HERRN ſey uͤber euch/ wir ſegnen euch im
Namen deß HERRN; Nicht ein bloſen Lob- und Ruhm-Segen
gleichwie Exod. 39. ꝟ. ult.Moſe ſahe an alle diß Werck/ das ſie
gemacht hatten/ wie der HERR gebotten hatte/ und ſegnet
ſie. Nicht ein ominoſen Prophetiſchen Segen/ der vom künfftigen Gluͤck
geweiſſaget: Welcher Art die Patriarch-Segen Noah/ Abraham/ Jſaac
und Jacob geweſen/ deren Wunſch ins kuͤnfftig erfuͤllet worden. Son-
dern
[951]Predigt.
dern er verſtehet einen Goͤttlichen Segen/ einen HErrn-Segen/ der
HErr/ von dem David Pſal. 33/ 9. ſagt: So er ſpricht/ ſo geſchichts/
und ſo er gebeut/ ſo ſtehts da.Deus res loquitur, ejus dicere
eſt facere. Ein gewaliſger/ kraͤfftiger/ lebendiger Segen/ der da bringt und
außricht/ was er zuſaget. Der HERR/ ſagt Eleaſar/ hat meinen
Herrn reichlich geſegnet/ und groß gemacht/ und hat ihm
Schaaf und Ochſen/ Silber und Gold/ Knecht und Maͤgd/
Cameel und Eſel gegeben. Geneſ. 39/ 5. Der HERR hat Po-
tiphar geſegnet/ umb Joſephs willen/ und war eitel Segen
deß HERRN in allem/ das er hatte zu Hauſe und zu Felde.
2. Sam. 6/ 11. und da die Lade deß HERRN drey Monden
blieb im Hauſe Obed Edom deß Gathiters/ ſegnet der
HErr ihn/ und ſein gantzes Hauß. Der HERR hat dem Obed
Edom das Koſtgeld und den Haußzinß reichlich bezahlt. Salomon be-
greiffts kurtz/ und ſagt Proverb. 10/ 22. Der Segen deß HERRN
macht reich ohn Muͤhe/ Verdienſt und Wuͤrdigkeit/ daß es ein frey-
gebiger Segen ſey/ und kein Geitz/ 2. Cor. 9/ 5. den ſeinen gibt ers
im Schlaff. Zu gleicher Weiß nun wie der HERR Noah und ſeine
Soͤhne/ nachdem ſie auff gewiſſe Weiß ihre Tauff außgeſtanden/ und aus
der Arch herauß gelaſſen worden/ geſegnet/ Gen. 9/ 1. und geſagt: Seyd
fruchtbar und mehret euch/ und erfuͤllet die Erde/ ihn geſegnet
mit einem neuen Himmel/ und deſſen annehmlichen Jnfluentz/ und Ge-
witter/ einer neuen Erd/ dieſelbe fruchtbar gemacht/ und geſchwaͤngert/
mit Fleiſch-Frucht und Wein/ und andern zugehoͤrigen Nahrnngs-Mit-
teln/ allerhand irrdiſchen Schaͤtzen/ Edelgeſteinen beſeliget/ ſo in waͤhren-
der Suͤndfluth nicht haben koͤnnen corrumpirt/ und gar abgeſchwem-
met werden/ dazu mit ſolcher reichen πολυτεκνία, davon in ku[r]tzer Zeit die
gantze Welt er fuͤllet worden. Jſts wahr/ was Diodorus Siculus lib. 3.
berichtet/ ſol Ninus der Koͤnig zu Aſſyrien/ der zu Zeiten Abrahams ge-
lebt/ ſiebenzehenmahl hundert tauſend Mann ins Feld gelieffert wider ſei-
nen Feind Zoroaſtrem, in Krieg außgezogen/ deme dieſer mit 400000.
begegnet. Alſo iſt freylich der Tauffſegen kein bloſer Wort-Segen/ die
Wuͤnſch machens nicht aus/ die der Taͤuffer uͤber den Taͤuffling aus-
ſpricht/ die Gebenedeyung Gottes deß Vatters/ deß Sohns/
und deß heiligen Geiſtes ſey und bleibe bey uns jetzt und zu al-
len Zeiten. Der HErr gebe/ daß ſeine H. Engel/ die ſein Ange-vide Kir-
chen Ordn.
p. 146. 152.
ſicht ſehen im Himmel/ dieſes Kindlein vor allem argen be-
wahren/ und zu allem guten befoͤrdern. Amen.Et pag. 146.
Da-
[952]Die fůnff und dreiſſigſte
Dazu es auch in leiblicher Geſundheit bewahren/ mit aller
Nothdurfft verſehen/ und fuͤr allem Unrath vaͤtterlich be-
huͤten wolleſt/ durch denſelben deinen lieben Sohn/ unſern
HErrn JEſum Chriſtum. Sondern es iſt ein real und Regal
Segen/ ein koͤſtiicher Mehr-Schatz/ damit der dreyeinige Gott den Taͤuff-
ling/ ehrt/ verehrt und vermehrt/ den Toſephet Thobah, wies die He-
breer nennen/ den Segen/ ein Uberfluß und Uberguß deß Guten/ τὸ πλού-
σιον nennets Paulus/ Tit. 3. ὑπερἐκπερισ [...]εύουσα χάρις. Rom. 5. St.
Petrus nennets einen Erb-Segen eben an dem Ort/ da er von der
Tauff-Frucht und Tauff-Gaben handelt. 1. Petr. 3/ 9. Hæreditas ἀμά-
ραντος, 1. Petr. 1/ 4. ein unvergaͤngliches und unbeflecktes und
unverwelckliches Erbe/ welches behalten wird im Himmel.
Alles ohne Muͤhe/ vergebens und umbſonſt/ es kans niemand erwerben/
χάρισμα, Rom. 6. ꝟ. ult. noch ererben/ Tit. 3. ου᾽κ ἐξ ἔργων.
Wie aber/ was fuͤr ein Segen? iſts ein leiblicher Segen/ von irrdi-
ſchen Schaͤtzen und Guͤtern? Hat GOtt der HERR verſprochen durch
die H. Tauff Reichthum/ Silber/ Gold und Landſchafften/ Koͤnigreich/
Fuͤrſtenthum/ Pfrunden und Einkommen zu beſſern? Wie Carolus
IV. ſeinem Sohn Wenceslao uͤber die Tauff ein gantz gülden Bild/ ſo
vid. Cluv.
pag. 618.groß und ſchwer von feinem Gold/ als groß und ſchwer das Kind ge-
weſt/ ſo hernach der L. Frauen zu Aach dedicirt worden: oder hat der
HERR verſprochen/ dem Taͤuffer zur Remuneration Koͤnigreich/ Koͤ-
nigliche Cron/ Land und Leut/ koͤſtliche Præſenten/ wie von Con-
ſtantino gefabelt worden/ er habe/ nachdem er von Sylveſtro getaufft
worden/ ihn ad ſtuporem usque verehrt. vid. Spondan. ann. 424. n. 1.
Deßgleichen Clodovæus ſeinen Taͤuffer Remigium mit anſehnlichen Ein-
kuͤnfften und Pfrunden verehrt. Spondan. ann. 499. n. 5. Nein/ das ſind
Ey-
[953]Predigt.
Eycheln/ nach denen die Sau fragt/ Chriſtus iſt kein Sau-Koͤnig/ und
guldener Meſſias/ darauf die Juden und Chiliaſten warten/ und die Pa-
piſten an ihrem Antichriſt gefunden/ wiewol auch der HErꝛ ſeine glaubi-
ge Taͤuffling mit zeitlicher Nothdurfft und Segen/ ex fonte Benedictio-
nis Chriſto nach ſeiner freythaͤtigen diſpenſation berathet/ der nie kein
Voͤglein hungern ließ/ und keines ſeiner Kinder jemals Hungers ſterben
laſſen. David ſagt Pſal. 37/ 25. Er ſey jung geweſen und alt wor-
den/ und habe noch nie geſehen den Gerechten verlaſſen/ oder
ſeinen Samen nach Brod gehen.In Hebr.Brod ſuchen und
nicht finden. David hat ſelber bey Nabal Brod geſucht/ aber bey Abi-
gail gefunden. Es muſten ehe (ita Luth. Tom. 1. Isleb. pag. 351.) die
Egypter ihr Gold und Silber entgegen tragen. So iſt doch
dieſer Segen nicht das ἐξοχικόν, der principal-Segen/ darauf David
deutet. Sondern
II. Benedictio Meſſiana,Meſſias-Segen/ ein ſolcher Segen/
welchen er/ der Koͤnig David/ in Ewigkeit/ der geiſtl. Meſſias-Koͤnig/ deſſen
Reich nicht iſt von dieſer Welt/ vom Him̃el gebracht/ und kom̃en/ nicht wie
Jupiter im guͤldnen Regen/ irꝛdiſche Welt-Schaͤtz mit zu bringen/ als die
ad Regnum potentiæ gehoͤren/ in dem erſten Articul der Schoͤpffung/ deß-
wegen haͤtte er wol droben bleiben koͤnnen/ GOtt der HErꝛ hat ſchon in
der Schoͤpffung alles gegeben/ erfuͤllet/ und alle Elementa zu Gazophyla-
cien gemacht. Sondern ſolchen Tauff-Segen/ deſſen Frucht und Nutz-
barkeit allein die Glaͤubigen genieſſen/ nicht zwar excluſivè, als haͤtten
die unglaubigen Tuͤrcken/ Juden und Heyden nichts vom Meſſia zu er-
warten/ es iſt ja der gantze verfluchte Erdboden/ und was darauff iſt/ durch
den geſegneten Weibes-Samen geſegnet/ in welchem alle Voͤlcker auff
Erden ſollen geſegnet werden/ ja ſie werden offtmals reichlicher bedacht/
ex exundante Dei Bonitate \& μακροθυμία aus uͤberſchwenglicher Guͤte
und Langmuth/ als die Chur-Kinder Gottes. Pſal. 17/ 14. Sie ſind
Leute von dieſer Welt/ welche ihr Theil haben in ihrem Le-
ben/ welchen du den Bauch fuͤlleſt mit deinem Schatz/ die
da Kinder die Fuͤlle haben. Zu dem Ende/ daß ſie durch ſolche Lie-
bes-Seil ſollen zu Chriſto ſich ziehen laſſen/ ſich bekehren/ wo nicht? ihnen
Schaͤtze des Zorns ſammlen/ es ſoll ihnen bekommen/ wie den Jſraeliten
die Wachteln/ ja den ewigen Tod daran freſſen. Sondern Exochicè,
Meſſias-Gaben/ die er vom Himmel herab gebracht/ die ihm in der
Paſſion blut-ſauer worden/ da er am Creutz zum Fluch worden/ auf daß
er den Segen Abrahaͤ auff die Heyden braͤchte/ deſſen Frucht allein die
Achter Theil. E e e e e eGlau-
[954]Die fuͤnff und dreyſſigſte
Glaubige genieſſen. Diß iſt (des himmliſchen) Davids Raub!
1. Sam. 30. mit einem Wort/ der geiſtliche Segen in himmliſchen
Guͤtern/ Eph. 1. der offene Himmel/ der ſich bey der Tauff Chriſti am
Jordan erzeigt/ die Pforte des Himmels/ Geneſ. 28/ 17. der Himmels-
Schlüſſel/ das iſt/ Ablaß der Suͤnden/ die himmliſche Gnaden-Schaͤtz/
welche der neue Himmels-Koͤnig/ da er am Jordan inaugurirt worden/
in der Heil. Tauff deponirt/ der himmliſche Sitz/ Eph. 2/ 6. das him̃-
liſche πολίτευμα, nicht allein die χαρίσματα \& ϑαυματουργήματα, die der
Luc. 24, 50.HErꝛ/ da er von ſeinen Juͤngern geſchieden/ und den Valet-Segen ihnen
ertheilt/ und darauf uͤber alle Him̃el hinauf gefahren/ daß er die empfange-
ne Gaben gebe/ Eph. 4. Maſſen dann gefolget nicht nur frembde Spra-
chen und Wunderwerck/ Marc. 16. ſondern auch fuͤrnemlich die ſanctifi-
cantia und Segen des Evangelii/ Roͤm. 15/ 29. Glaub/ Lieb/ Hoffnung/
Gedult und andere Meſſianiſche Gaben und Tugenden. Ja endlich
der Himmel ſelbſt/ das Honigflieſſende Canaan/ Abrahams-Segen/ wel-
cher an dem irꝛdiſchen Canaan kein Fußbreit beſeſſen/ Act. 7/ 5. ſondern
die kuͤnfftige Stadt geſucht/ welcher Segen im N. T. auf alle getauffte
Chriſten/ als Kinder der Verheiſſung des glaubigen Vaters gezogen
worden/ Act. 3/ 25. 26. Jhr ſeyd der Propheten und des Bun-
des Kinder/ welchen Gott gemacht hat mit euern Vaͤtern/
da er ſprach zu Abraham/ durch deinen Samen ſollen geſe-
gnet werden alle Volcker auf Erden. Euch zufoͤrderſt hat
Gott auferweckt ſein Kind JEſum/ und hat ihn zu euch ge-
ſandt euch zu ſegnen/ daß ein jeglicher ſich bekehre von ſeiner
Gal. 3, 8. 9.Boßheit. Die Schrifft aber hat es zuvor erſehen/ daß GOtt
die Heyden durch den Glauben gerecht machet/ darumb ver-
kuͤndiget ſie dem Abraham: Jn dir ſollen alle Heyden geſe-
gnet werden. Alſo werden nun die des Glaubens ſind/ geſe-
gnet mit dem glaͤubigen Abraham/ Hebr. 6/ 13. 14. Benedictio hîc
inchoata, ſo allhie nur ihren Anfang gewinnet quoad jus ad rem nach
der Rechten Sach/ Eph. 1/ 11. durch welchen wir zum Erbtheil
kommen ſind/ die wir zuvor verordnet ſind/ nach dem Fuͤr-
ſatz ꝛc.quoad ſpem, nach der Hoffnung/ Rom. 8/ 24. Dann wir
ſind wol ſelig/ doch in der Hoffnung/quoad πρόγευσιν, Vor-
ſchmacksweiß/ gleichwie die Wunder-Traub vom Bach Eſcol ein Zei-
chen und Sigel geweſt/ ein arrha und Hafft-Gab/ die Angab vor der gan-
tzen Summa der Freude und Ergoͤtzligkeit/ die noch folgen ſolt/ dadurch
ihre Hoffnung verſigelt/ ihr Glaub geſtaͤrckt werden ſolte/ daß ein ſolches
Land
[955]Predigt.
Land ſey/ wie GOtt verſprochen/ ein Land/ da alles vollauff/ und
gut Trauben-Blut innen iſt. Deut. 32/ 14. ſie ſagen Num. 13/ 28.
Wir ſind ins Land kommen/ da Milch und Honig innen
fleuſt. Und diß iſt ihre Frucht/ Ze Piriah, diß iſt das Trauben-Blut/
diß ſind die Erſtlinge/ diß iſt die arrha. Alſo iſt auch das rothe Trau-
ben-Blut/ damit wir in der Heil. Tauff beſprengt worden/ die arrha, das
zeuget auff Erden/ die Exploratores die geiſtliche Kundſchaffter/ die in
der Heil. Schrifft das himmliſche Canaan durchreiſen/ und von demſel-
ben Bericht erſtatten/ ſo viel in Gottes Wort geoffenbahret/ 1. Cor. 3. die
legen den Schatz fuͤr Augen/ und ſagen/ diß iſt die Frucht des Landes/ das
iſt das Trauben-Blut/ die πρόγευσις, werdet ihr glauben und ritterlich
ringen/ ſo werdet ihr durch Tod und Leben dringen zur vollkommenen
Herbſt-Erndt/ und deroſelben Uberfluß und Genuß. Hic abſcondita,
allhier iſts noch verborgen unter dem Creutz/ Col. 3/ 3. 4. Dann ihr
ſeyd geſtorben/ und euer Leben iſt verborgen mit Chriſto in
GOTT/ wann aber Chriſtus euer Leben ſich offenbahren
wird/ dann werdet ihr auch offenbahr werden mit ihm in der
Herꝛligkeit. 1. Joh. 3/ 2. Meine Lieben/ wir ſind nun Gottes
Kinder/ und iſt noch nicht erſchienen/ was wir ſeyn werden/
wir wiſſen aber/ wann es geſchehen wird/ daß wir ihm gleich
ſeyn werden/ und wir werden ihn ſehen wie er iſt. Man ſihets
keinem Chriſten an der Stirn an/ daß er ein ſolch reich Erb zu gewarten
habe. Das Ey iſt zwar etwas/ aber noch kein Huͤnlein; Ein Koͤnigliches
Kind in Mutterleib iſt zwar ein Koͤnig/ aber er weiß noch nichts umb ſei-
ne hohe Wũrde/ es iſt noch nicht erſchienen/ was er iſt: Alſo auch ein ge-
taufftes Kind Gottes iſt noch verborgen unter dem Creutz/ dann es iſt die-
ſe Benedictio Cruciata, Gen. 48. ein Creutz-Segen. Nicht ungefehr/
ſondern mit Goͤttlichem Bedacht und Rath hat Jacob ſeine beyde Enckel
mit Creutzweiß auffgelegter Hand geſegnet/ durch den Glauben/ Hebr. 11.
Intelligere fecit manus ſuas, juxtà Hebr. ſeine Haͤnde haben ſich
muͤſſen geberden/ als haͤtten ſie Vernunfft und Verſtand/ er thaͤt wiſſende
alſo; anzudeuten/ daß dieſer Segen vom verfluchten Creutz-Tod ent-
ſpringe/ daß Chriſtus ein Fluch worden/ auff daß der Segen Abrahaͤ kaͤ-
me/ Gal. 3/ 13. 14. Chriſtus hat uns erloͤſet von dem Fluch des
Geſetzes/ da er war ein Fluch fuͤr uns/ dann es ſtehet ge-
ſchrieben: Verflucht ſey jederman/ der am Holtz hanget/
auff daß der Segen Abrahaͤ uͤber die Heyden kaͤme in Chriſto
JEſu/ und wir alſo den verheiſſenen Geiſt empfiengen durch
E e e e e e 2den
[956]Die fuͤnff und dreyſſigſte
den Glauben/ und dann auch/ daß wer den Segen wil genieſſen/ auch
ſein Creutz auff ſich nehmen/ und gleich wie Simon von Cyrene nachtra-
gen ſoll: Was dem Chriſtloͤblichſten/ Chriſteligſten Chur-Fuͤrſten Joh.
Friderich in Sachſen/ mit dem Zunamen dem Magnanimo genannt/ be-
gegnet/ daß er ein goldgelbes Creutz (*). Eben das iſt auch das Zeichen/
damit wir in unſerer Wiedergeburth alle bezeichnet worden/ nemlich/ das
heilige Creutz/ nicht das geſchnitzelt/ gedrehet/ gegoſſene/ ſelbſt gemachte/
ſondern wehethuendes Creutz/ es muß der Senff neben dem Fleiſch ſeyn/
und muß mit Creutz gewuͤrtzet werden.
III. Benedictio conſummata. Jebharech Baſchalom. Lutherus hat
diß Wort gemeiniglich mit dem Wort Frieden verteutſcht: Es ſchoͤpffet
aber dieſes teutſche Wort den Sinn der Hebraͤiſchen Zung nicht gantz
aus/ iſt ein Wort von gar weitem Begriff/ und heiſt ſo viel als das πλή-
ρωμα bonorum, die gantze vollkom̃ene Fuͤlle aller himmliſchen Guͤter und
Gaben/ ohne Mangel und Abgang/ nicht Stuͤcksweiß und Vorſchmacks-
weiß; ſondern plenum jus in re, res ſpei, volle Gnuͤge und himmliſche
Vollauff/ wie in ſolchem Verſtand das Wort Schalom zu leſen/ Ezech.
16/ 49. die conſummatio des gantzen Baues am him̃liſchen Jeruſalem
1. Reg. 7/ 5. und zwar 1. privativè die vollkommene Erloͤſung von Suͤnd
und Tod/ hie zwar in der Tauff à reatu, aber cum periculo recidivatus
mit Gefahr des Widerfalls/ dort von der Radice und Wurtzel alles U-
bels/ Matth. 1/ 21. von der Welt/ hie zwar durch die Tauffe als der
Außſchuß/ als die von der Welt erkauffte Himmels-Burger/ aber nicht
à contagio von der Seuch/ Aergernuͤß und Verfolgung. Dort aber von
aller Verſuchung/ ἐξω βελῶν! hie zwar von des Teuffels Macht/ Gewalt
und Herꝛſchafft/ aber nicht von ſeinen heimlichen Liſten und Nachſtellun-
gen/ er gehet herumb wie ein bruͤllender Loͤw: dort aber von allem Ubel voll-
kommentlich. Sonderlich von dem zukuͤnfftigen Zorn/ Luc. 3/ 7. 2. Po-
ſitivè, Κλῆρος hæreditatis cœleſtis,das Erbtheil der Heiligen im
Liecht/ Col. 1/ 12. Hebr. 1/ 14. Summa/ die Cron aller Goͤttlichen Guͤ-
ter/ der neue Himmel und neue Erd/ darinn ſo viel Sonnen als Außer-
waͤhlten; Ein neue Erd/ aber was nutzet eine bloſe Erd/ die oͤde iſt? de-
rowegen auff dieſer Erd/ das neue Jeruſalem/ Apoc. 21. Was nutzt aber
eine Stadt ohn Burger-Recht? Derowegen in der Stadt Gottes das
Bur-
[957]Predigt.
Burger-Recht das droben iſt. Was nutzt ein Burger-Recht ohn eig-
nen Sitz? Derowegen mit dem Burger-Recht eine himmliſche Woh-
nung/ Joh. 14. Was iſt ein Haus ohn Garten? Darumb in dem Haus
das Paradieß/ Luc. 23. Was ein Paradieß/ ohne Ruh? da man ruhig
ſitzen und raſten kan. Darum in dem Paradieß der Schoß Abrahaͤ. Was
ein Schooß ohne Gaſtmahl? darumb in dem Schooß/ auch ein erfreuli-
che Speiß und Tranck. Was ein Gaſtmahl ohne Mufic/ darumb bey der
Gaſterey auch eine liebliche Muſic. Syr. 32/ 7. 8. 9. Wie ein Rubin in
feinem Golde leuchtet/ alſo zieret ein Geſang das Mahl/ wie
ein Smaragd in ſchoͤnem Golde ſtehet; Alſo zieren die Lieder
beym guten Wein. Was eine Muſic ohne Augen-Weid und Augen-
Freud? darumb bey der Muſic die Anſchau Gottes/ aus welcher Schau/
ein ruhiges Leben/ ein heiliges Leben/ ein herꝛliches Leben/ ein froͤliches Le-
ben/ ein ewiges Leben fließt. Quid quæris, ut aſcendat in linguam,
quod in cor non aſcendit, Auguſt. in Pſal. 85. Was fragſt du lang/
wie man das mit Zungen außſpreche/ was noch in keines
Menſchen Hertz kommen.Bona vitæ æternæ tàm multa ſunt, ut
numerum, tàm magna, ut menſuram, tàm precioſa, ut æſtimatio-
nem excedant. Idem. Das iſt: Die Guͤter des ewigen Lebens
ſind ſo viel/ daß ſie nicht gezehlt/ ſo groß/ daß ſie nicht gemeſ-
ſen/ ſo koͤſtlich/ daß ſie nicht geſchaͤtzt werden koͤnnen.
O Felix Sacramentum aquæ noſtræ, quo in vitam æternam libe-
ramur, exclamirt/ intonirt und ſtimmt mit dieſen Worten an ſein Buch
von der Tauff oder Tauff-Buch Tertullianus. 1. Felix Sacramentum
fidei,ein ſeliges Geheimnuͤß des Glaubens; Diß iſt die Krafft
ſeines Segens/ Luc. 24/ 50. das Siegel ſeines Worts/ wer da glaͤubt und
getaufft wird/ der wird ſelig/ mit deſſen Zuſag der Himmels-Koͤnig ſeine
letzte Wort/ die er in den Tagen ſeines Fleiſches geredet/ verſigelt und be-
ſchloſſen; Wer glaͤubt und getaufft wird/ der ſoll das Schalom haben.
Das laß ich euch zu letzte! Das iſt das Schalom, welches in Davids Oh-
ren lang zuvor im Geiſt erſchollen. Das hat er gemeynet/ wann er ſei-
nen Pſalmen beſchloſſen/ der HErꝛ wird ſein Volck ſegnen mit
Frieden; Das iſt: wer ſeines Volcks iſt/ wers glaͤubt und ihn annimmt
der ſoll wieder verehret werden Schalom, Goͤttlichen Real-Segen/ Meſ-
ſias-Segen/ vollkommenen Segen/ das ſoll ſein Cron und Lohn ſeyn.
Schalom per omnia tempora. Der HErꝛ ſagt nicht nur in futuro, σωθή-
σεται, der wird ſelig werden/ nicht nur in præterito Tit. 3. Gott hat
uns ſelig gemacht durch das Bad der Widergeburt/ ſondern
E e e e e e 3auch
[958]Die fuͤnff und dreyſſigſte
auch in præſenti, 1. Petr. 3/ 21. νῦν σώζει, macht uns nun ſelig/ und
mit dieſen Worten den verſluchten Fluch Canonis Tridentini ehe ver-
dammt/ als er beſtimmt und beſchloſſen worden; Mit Vorgeben/ wer ſich
ſchwerlich nach der Tauff wider Gewiſſen verſuͤndiget/ der habe ſich ſeiner
Tauf nicht mehr zu getroͤſten/ wann er Schiffbruch am Glauben erlitten/
ſo ſey das Schiff gantz und gar zu truͤmmern und ſcheitern hingerichtet/ er
muß die Tabulam pœnitentiæ ihr vermeynte Judas-Buß ergreiffen.
Dem widerſpricht Petrus der erſte Pabſt/ hat jemand ſich ſchwerlich wider
Gewiſſen verſuͤndiget/ und Schiffbruch am Glauben erlitten/ ſo hats Pe-
trus gethan/ dannoch troͤſtet er ſich und andere ſeine Bruͤder/ und ſagt in
præſenti, σώζει, doch daß er auch glaube in præſenti, præterito und
futuro, und wie er in der H. Tauff dem HErꝛn einverleibt/ vom H. Geiſt
ein Glaubens-Liechtlein empfangen/ und wann es verloſchen/ wiederumb
laſſe anblaſen/ und beſtaͤndig verharre biß ans End. Matth. 10/ 22. Wer
aber biß ans End verharret/ der wird ſelig/ und dieweil Glauben nicht un-
ſer Werck iſt/ ſondern Gottes Gab/ die niemand er verſagen wil/ Act.
17/ 30. Wer den Baum ſchenckt/ der ſchenckt auch die daran wachſende
Fruͤchten.
Derowegen Σώθητε paſſivè,laßt euch helffen/ Act. 2. Wehret
nicht/ empfangets einfaͤltig wie ein Kind/ warlich ich ſage euch: Wer
das Reich Gottes nicht annimmt als ein Kindlein/ der wird
nicht hinein kommen/ Marc. 20. So wird alsdann das Liecht im
Finſtern/ der ſchoͤne Morgen-Stern im Verſtand aufgehen/ es wird das
Hertz ja dazu ſagen und glaͤuben unſichtbare Ding/ vid. Luth. Tom. 4.
Witt. pag. 370. f. 2. (*) Es wird die fiducia, parrheſia, plerophoria er-
folgen. HERR/ dein Wort wird Warheit ſeyn/ darauf laß ich mich/
dar-
[959]Predigt.
darauf leb und ſterb ich. O wer diß glauben koͤnte/ der waͤr ſchon ſelig.
Sihe/ jetzt iſt der Tag des Heils/ 2. Cor. 6/ 2.
II. Infelix ex ſacramentum, ſo lieblich dieſes Sacramentum des
Glaubens/ ſo erſchroͤcklich lautet Chriſti Valet-Fluch/ mit dem er auch
der Welt und dero Kindern den Lohn wird geben an jenem Tag; Wer
nicht glaͤubt/ der wird verdammt werden;in præterito, Joh. 3.
in præſenti, vid. Luth. Tom. 2. Isleb. pag. 271. (*) Hie laͤſt Chriſtus
aus das Wort/ und nicht getaufft wird/ er ſchweiget der Tauff ſtill/ vide
Tom. 1. Isl. p. 136. (*) damit vorzubauen dem Rhadamantæo rigori
des Roͤm. Pabſts/ der alle ungetauffte Kinder der Hoͤllen zuweiſt/ dann
alſo ſchreibt Bellarm. Concilii Tridentini interpres l. 1. de Bapt. c. 4.
Semper Eccleſia credidit infantes perire, ſi absque Baptiſmo de hac
vita recedant. Hujusmodi infantes (ait Hungerus in Colloq. Ratisb.
ſeſſ. 2. p. 52. qui ſine Baptiſmo decedunt, non ſalvantur, quod eſt fi-
des Catholica. Marchant. hort. paſt. p. 188. ex Apoc. 20, 12. probat,
infantes in limbo exiſtentes comparituros in judicio extremo, \&
cum
[960]Die fuͤnff und dreyſſigſte
cum non ſint de libro vitæ, mittendos in Stagnum ignis. Scherer.
Poſtill. part. 2. p. 215. (*) O deß Hertzenleids einer frommen Rahel/ wie
kan ſich dieſe troͤſten laſſen? Wann ihre Kinder entweder in Mutterleib
abgeſtanden/ oder in der Geburt geſtorben/ oder auff die ſchmertzliche Ge-
burt unverſehens dahin gangen. Wahr iſt es zwar/ daß Chriſtus ſagt/
Joh. 3. Es ſey dann/ daß jemand widergebohren werde durch
Waſſer und Geiſt/ ſo kan er nicht in das Reich Gottes kom-
men/ das iſt/ keiner der nicht getaufft wird/ der wird ſelig werden. Waͤ-
ren aber ſolche Wort in Rigore zu verſtehen/ ſo wuͤrde folgen/ daß weder
der Schaͤcher/ noch die junge zarte Bethlehemitiſche Maͤrterlein/ noch der
Chriſtliche Kaͤyſer Valentinianus waͤre ſelig worden/ da doch deß himm-
liſchen Vatters Will nicht iſt/ daß jemand von dieſen Kleinen
verlohren werde. Sondern ἀβάπτιςος privativè, der hat koͤnnen
und ſollen getaufft werden/ und doch nicht getaufft worden/ dergleichen
geweſen die Phariſeer/ Nicodemus und ſeines gleichen/ die ihren Nar-
renkopff auffgeſetzt/ und den Raht Gottes wider ſich ſelbſt verachtet; ſonſt
verdammet allein der Unglaub/ der Adamantiſche Kopff/ das ſteinern
Hertz/ da man das Goͤttliche Allmoſen von ſich ſtoſſt/ und die edle Perlin
conculcirt, und mit Fuͤſſen tritt. Wer ſind aber die Unglaͤubige? Nicht
nur die drauſſen ſind/ Tuͤrcken/ Juden und Heyden. Nicht allein die Pa-
piſten/ die ſolche principia fuͤhren/ in dero Concluſion der Zweiffel und
Verzweiffelung einfaͤllt/ die dem Wort Chriſti den Zuſatz geben der Werck/
der Glaub ſey nicht genugſam/ Corn. ad Marc. p. 610. vid. Luth. Tom.
1. Isleb. pag. 156. (*) dem doch der H. Apoſtel Paulus Sonnenklar
uns
[961]Predigt.
(*)
widerſpricht/ ου᾽κ ἐξ ἔργων, nicht aus den Wercken/ Nicht alleinTit. 3.
die Calviniſten/ bey denen glauben und bloß außerwaͤhlt ſeyn/ Synonyma
ſeynd/ da heiſts/ wer den Glauben der Außerwaͤhlten hat/ den Gott nicht al-
len geben wil/ noch auch/ daß alle ſelig werden/ aber wer weiß/ daß er außer-
waͤhlt? Keiner. Sondern man glaubts auff gerad wol. Sondern auch
alle unſere ſichere Welt-Kinder/ ἀμελήσαντες. Wie wollen wirHebt. 2, 3.
entfliehen/ ſo wir ſolche ſeine Seligkeit nicht achten/ die Ge-
legenheit verſaumen/ durch dos, bos, rus. Die dormitantes, vid. Luth.
Tom. 12. Witt. pag. 345. f. 2. (*) Muthwillige Ignoranten und Blind-
ling/ non aſſentientes, die auffs kuͤnfftig nicht trauen wollen. Eſt avis
in dextrâ melior, quàm quatuor extrà, der Vogel hab ich iſt beſſer als
der Vogel haͤtt ich/ darum die gantze Welt das ſichtbar guͤldene Kalb ſucht
und anbetet/ Sie wollen ſich ſelbſt verſorgen. Jtem/ die ihren
Glauben mit guten Wercken nicht bezeugen.
III. Exemplum Chriſtianiſmi, in Abrahamo, eine Auffmunterung
zum Chriſtenthum/ nach dem Exempel Abrahams/ den GOTT der
HERR zum Segen ſelbſt geſetzt/ der den zugeſagten Segen nicht
nur im Glauben angenommen/ ſondern auch mit Freuden/ vor Freuden/
gelacht/ fuͤr Gott gewandelt/ zuͤchtig/ gerecht und Gottſelig/ dann wo rechter
und wahrer Glaube iſt/ da ſind auch gute Werck. vide Luth. Tom. 1. Is-
(*) vid. Lu-
ther. Tom.
2. Isleb. p.
136.leb. pag. 156. f. 2. [o] Jn lebendiger Hoffnung. (*) Solches iſt
recht gelehrt/ aber nicht bald gelernet/ recht geprediget/ aber
nicht bald geglaubet/ fein vermahnet/ aber nicht leichtlich
gefolget/ wol geſagt/ aber uͤbel gethan. Jn demuͤthiger Gedult
unter dem Creutz/ unter den ſchweren tentationibus, ſonderlich da ihm
Gott das Hertz angegriffen/ und ihm das Hertz in tauſend Stuͤck zerſprin-
gen moͤchte. In Ἐυλογία reciproca, Segen gegen Segen/ da ihm Mel-
Gen. 14, 19.chiſedech den Segen geſprochen/ iſt er ihm zu ſchuldiger Danckbarkeit
begegnet mit den Decimis. Alſo iſt noch uͤbrig die ἐυλογία reciproca,
bring her dem HErrn Ehr. Nun der HErr gebe durch ſeinen Geiſt
Beſtaͤndigkeit/ Befeſtigung im Glauben/ deſſen/ der Himmel und Erden
gemacht hat/ Pſ. 115/ 15. daß wir hoͤren moͤgen die Stimme Matt. 25/ 34.
Kommet her/ ihr Geſegneten meines Vatters/ ererbetdas Reich/ das euch bereitet iſt von Anbegin derWelt her. Amen.
Auß dem 6. Cap. S. Johannis deß H. Evangeliſten und Apoſtels/ wie
durch und durch/ alſo inſonderheit aus ꝟ. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54.
Spricht Chriſtus unſer HERR:
JCh bin das Brod deß Lebens/ eure Vaͤtter
haben Manna geſſen in der Wuͤſten/ und ſind
geſtorben. Diß iſt das Brod/ das vom Him-
mel kommt/ auff daß/ wer davon iſſet/ nicht ſter-
be. Jch bin das lebendige Brod vom Himmel
kommen: Wer von dieſem Brod eſſen wird/ der
wird leben in Ewigkeit/ und das Brod/ das ich
geben werde/ iſt mein Fleiſch/ welches ich geben
werde fuͤr das Leben der Welt. Da zanckten die
Juden unter einander/ und ſprachen: Wie kan die-
ſer uns ſein Fleiſch zu eſſen geben? JEſus ſprach
zu ihnen: Warlich/ Warlich ich ſage euch/ werdet
F f f f f f 2ihr
[964]Die ſechs und dreiſſigſte
ihr nicht eſſen das Fleiſch deß Menſchen Sohns/
und trincken ſein Blut/ ſo habt ihr kein Leben in
euch. Wer mein Fleiſch iſſet/ und trincket mein
Blut/ der hat das ewige Leben.
GEliebte in Chriſto. Vnter andern ruͤhmli-
chen Regenten-Tugenden/ damit Nebucadnezar der
groſſe Welt-Monarch und Babyloniſche Kaͤyſer ge-
zieret geweſen/ iſt billich auch zu zehlen die kluge und
ſcharffſinnige luſtratio und Schul-Examen/ welches
er ſelbſt in eigener Koͤnigl. Perſon gehalten mit ſeinen
ſtipendiaten und jungen Studenten/ die er an ſei-
nem Koͤnigl. Hoff aufferzogen/ zu gewiſſer Zeit dieſelben auff die Probe
geſtellt/ und nach Befindung ſie entweders mit ſtattlichen Brabeis und
Ehren-Geſchencken regalirt und begabt/ oder unbegabt von ſich gelaſſen;
Wovon der Fuͤrſtliche Prophet/ einer von den Studenten ſelbſt/ fol-
Paraphra-
ſis D. Aeg.
Hunn.
conc. in
Daniel. p.
17.genden Bericht erſtattet und auffgezeichnet Dan. 1/ 18. 19. 20.
(*) der Gnaden-Lohn und Schul-præmium, war ſalus \& vita
Augen-
[965]Predigt.
(*)
Heyl und Leben/ die Befreyung der ſervitut und Gefangenſchafft/ in deren
ſie zuvor als gefangene Sclaven geſteckt/ wie auch Glory und Herrlichkeit/
anſehnliche Koͤnigl. Aempter und Dignitaͤten: Da im Gegentheil den
andern Chaldæiſchen Scholaren/ die nicht ſo wol beſtanden/ das Nach-
ſehen hinterlaſſen worden/ die er unbegabt laſſen hingehen. Jſt ein
Außbund ſchoͤner Regenten-Spiegel/ darin ſich Chriſtliche Oberkeit zu
beſchauen/ und mit gleichfoͤrmiger Prudentz ihre Jugend tractiren lernen/
und deñoch auch zu gewiſſen Zeiten Examina anſtellen/ zu verſuchen/ was
und wie weit ein jeder proficirt/ die frommen/ fleiſſigen und gelehrten/ die
zuforderſt in der Furcht Gottes als der Weißheit Anfang ſich wol geuͤbet/
hernach auch ihr talenta, ingenia und natuͤrliche Gaben loͤblich excolirt/
etwas rechtſchaffenes den Gemeinen zum beſten erſtudirt und ergriffen/
andern zum Exempel wol belohnen/ promoviren und befuͤrdern. Contra
die faule Schlingel/ grobe ungeſchickte Eſel/ die die edle Zeit im Muͤſſig-
gang/ mit Sauffen/ Freſſen/ Raßeln/ Loͤffeln/ und allerhand Uppigkeit zu-
gebracht/ ihr Pfund verſcharren und vergraben/ ſo endlich weder zu ſie-
den noch zu braten/ hindan ſetzen/ als unnuͤtze Erden-Laͤſte unbefoͤrdert
laſſen/ und ja keine Narꝛen uͤber die Eyer ſetzen.
Wann dann auch der Koͤnig aller Koͤnige/ der allein weiſe HERR
Himmels und der Erden/ Chriſtus JEſus/ ein allgemeine Lehr-Schul
durch ſeine Juͤnger und Apoſtel in der gantzen Welt auffgerichtet/ zu leh-
ren und zu lernen/ und alſo ſein Himmelreich zu erbauen/ befohlen/ ſo hat
er darneben auch ein allgemein und zwar rigoros und ſtrenges Examen
verordnet/ da er wird kommen in himmliſcher Glory und Herrlichkeit/ zu
forſchen was ein jeder in ſeiner Chriſt-Schul gelernet/ ob er glaubig oder
unglaubig geweſen/ folgends nach Befindung/ ſeine glaͤubige und außer-
waͤhlte Schuͤler mit ewiger Seligkeit und der Gab deß ewigen herrlichen
Freuden-Lebens verehren; Die andern Unglaͤubigen zum ewigen Tod ver-
urtheilen und verdammen/ maſſen er hievon eine gewiſſe unfehlbare Pro-
F f f f f f 3pheceyung
[966]Die ſechs und dreiſſigſte
pheceyung laſſen vorher gehen/ ſihe/ ſagend/ ich habs euch geſagt/ niemand
kan ſich mit der Unwiſſenheit behelffen. ſtat! Es iſt beſchloſſen und außge-
macht: Wer glaͤubt und getaufft wird/ der wird ſelig werden/
wer aber nicht glaͤubt/ der wird verdammt werden.
Und was hie der HErr/ als Richter ſelbſt/ literaliter mit runden und
deutlichen Worten außgeſprochen/ das hat er anderswo in hellen und ver-
ſtaͤndlichen Figuren und Gleichnuͤſſen illuſtrirt und außgeſtrichen/ ſon-
derlich in abgeleſenem Text/ und geſagt/ wer ſein Fleiſch (als das edle Man-
na und Himmel-Brod) werde eſſen/ das iſt/ mit Glauben annehmen/
der werde leben in Ewigkeit/ contra, wem fuͤr dieſer edlen Speiß eckeln
werde/ und nicht eſſen ſein Fleiſch/ noch trincken ſein Blut geiſtlicher Weiß
im Glauben/ der werde auch kein Leben in ſich haben/ conſequenter zum
ewigen Tod verdammt werden.
Weil dann in vorigen Predigten die Lehr deß Evangelii von der Fi-
gur und Beyſpiel der Milch und harten Speiß E. Chriſtl. Liebe fuͤr- und
eingebildet/ und darauff die Præparation und Vorbereitung gemacht
worden/ in was Form und Geſtalt die zur himmliſchen Mahlzeit eingela-
dene Gaͤſt erſcheinen ſollen/ nemlich wol gewaſchen/ gebadet/ geſaͤubert
und bekleidet durch die H. Tauff/ ſo wol als die Kinder Jſrael auch/ eh ſie
zum Himmel-Brod und dem koͤſtlichen Tiſch/ den ihnen Gott der HErr in
der Wuͤſten gedecket/ zugelaſſen worden/ zuvor durchs rothe Meer hin-
durch gehen und ſich unter der Wolcken taͤuffen laſſen; So wollen wir
auch in der anmuthigen Gleichnuͤß des Manna und Himmel-Brods
und deſſen Nieſſung/ ſo wol das Geheimnuͤß vom Glauben und Unglau-
ben/ als auch beyder Fruͤchten/ Seligkeit und Verdammnuͤß/ Leben und
Tod fuͤrtragen/ und dißmahl den Anfang machen von dem edlen Gaſt/
der vom Himmel herab gekommen/ das bewaͤhrte Mittel das ewige Leben
zu gewinnen/ nemlich ſich ſelbſt/ als das Himmel-Brod mit ſich gebracht.
O HERR hilff/ daß auch dieſer kuͤnfftige F[uͤ]rtrag mit groſſem Nutzen
geſchehen moͤge. Amen.
SO erſcheinet nun Chriſtus der edle Gaſt/ von wel-
chem der Heil. Evangeliſt Johannes im 6. Cap. eigentlich re-
det/ I. Hoſpes tàm activus quàm paſſivus Adventor,ein
kommender Gaſt/ ein kommender und recht willkommender Gaſt/ nach
deſſen Zukunfft die lieben Heiligen im alten Teſtament ſo inniglich/ ſo
ſehnlich verlanget/ derSchilowird kommen/ Geneſ. 49/ 10. Ach ich
warte auff dein Heyl/ ſagt der alte betagte Jſrael/ cap. 49/ 18. Ach
daß
[967]Predigt.
daß die Huͤlffe aus Zion uͤber Jſrael kaͤme/ Pſ. 14. ꝟ. ult. die glaͤu-
bige Braut von Sion ladet ihren edlen Seelen-Braͤutigam mit dieſen
ſehnlichen Worten ein: Mein Freund komme in ſeinen Garten/
Cant. 5/ 1. der iſt nun/ ſagt Chriſtus/ erſchienen/ er iſt kommen/ maſſen
das Wort Kommen unterſchiedliche mahl im ſechſten cap. Johannis
widerholet worden. Gleichwie aber bey einer jeden Ankunfft drey unter-
ſchiedliche Termini und Zieler in Obacht genommen werden/ Terminus
à quo, per quem, ad quem. So fragt ſich allhie erſtlich de termino à
quo,von wannen? Davon wolten zwar die albere Blindlinge/ die
unwiſſende Juden zu Zeiten Chriſti nichts wiſſen/ und ſagten Joh. 7/ 27.
Man werde nicht wiſſen/ von wannen er iſt. Lutherus ſchreibts
der pſeudhermeni und falſchen Deutung und Gloß zu deß Spruchs
Micheæ cap. 5. da das/ was heimlich und wunderlich geſchicht/ bloß nega-
tivè verſtanden worden/ vid. Luth. Tom. 2. Isleb. p. 236. (*) da doch in
beſagtem Ort beyde Termini, der ewige Außgang/ nach der Gottheit/ und
der zeitliche Außgang angezeigt worden/ à diebus æternitatis, ewige Tage
ſind nirgend als im Himmel/ darumb hie ſtehet/ das Brod ſey vom Him-
mel kommen/ gleichwie das Manna vom Himmel herab geregnet/ Chri-
ſtus ſprichts gar deutlich aus Johann. 3/ 13. Niemand faͤhret gen
Himmel/ dann der vom Himmel hernieder kommen iſt/ nem-
lich
[968]Die ſechs und dreiſſigſte
lich deß Menſchen Sohn/ der im Himmel iſt/ wie aber? loca-
literne, leiblich/ natuͤrlich/ raͤumlich/ umbſchriebener Weiß? Wie zwar
Oſtorodus der Photinianer ſchwermet/ welcher in ſeiner Unterrichtung
cap. 16. p. 94. alſo ſchreibt: Wir bekennen/ daß Chriſtus Gottes
Sohn im Himmel geweſen und von dannen kommen/ aber
nicht/ ehe er von der Jungfrauen gebohren ward. Dann ſo
leſen wir Joh. 3/ 13. Niemand iſt in den Himmel geſtiegen (ſo
ſtehen die Wort im Griechiſchen/ und nicht wie Lutherus
vertiret hat) nur der vom Himmel geſtiegen iſt/ deß Menſchen
Sohn der im Himmel war.Et mox:Wird derhalben hierauß
offenbahr/ daß Chriſtus der Menſch in den Himmel zuvor/
ehe er ſichtbarlich dahin genommen/ geſtiegen/ und alſo von
dannen wieder kommen ſey/ welches ſich dann gaͤntzlich alſo
gebůhrte/ dann Moſes/ welcher Chriſti Figur war/ auff den
Berg geſtiegen/ daſelbſt mit GOtt oder ſeinem Engel eine
Zeitlang converſirt und geredet/ ehe GOtt durch ihn ſeinem
Volck die ſteinerne Taffeln gegeben/ ꝛc. Wie vielmehr hat
Chriſtus/ durch welchen Gott der Welt das Geheimnuͤß deß
Evangelii hat offenbahret/ und ſeinen durchauß geiſtlichen
Gottesdienſt verſchreiben wollen/ in den Himmel ſteigen ſol-
len/ mit Gott allda eine Zeitlang converſiren/ und von ihm
ſelber gelehrt werden/ was er reden und thun ſolte/ ꝛc. Nein
keines wegs! Sondern ὀικονομικῶς, offenbarlich und dahin zu verſtehen/
daß er ſich vom Himmel herab auff Erden in einem gewiſſen ſichtbahren
Zeichen und Leib erzeiget und geoffenbahret. Jn ebenmaͤſſigem Ver-
ſtand/ in welchem auch zuvor im alten Teſtament von dem unwandelba-
ren GOtt wird geſagt/ Er ſey hernieder gefahren: Der HErr fuhr
hernieder/ daß er ſehe die Stadt und den Thurn zu Babel/
den die Menſchenkinder baueten/ Gen. 11/ 5. Wie aber? iſt Gott
raͤumlich herab gefahren? und ſeinen Himmel verlaſſen? das ſey fern:
Sondern er der himmliſche GOtt/ der im Himmel wohnet hat ſich in der
Tieffe/ in der Lufft/ oder auff Erden damahl in einem ſichtbahren Zeichen
ſehen laſſen/ und geoffenbahret: Alſo iſt auch Chriſtus geoffenbahret im
Fleiſch/ wie es Paulus erklaͤrt 1. Tim. 3. und hat er nach ſeiner Gottheit
den Himmel niemahln verlaſſen/ aber belangend ſtatum cœleſtem, den
himmliſchen Stand/ in welchem er durch die perſoͤnliche Vereinigung
erhaben/ und ihme nach der Menſchheit communicirt worden/ hat er ſich
deſſen entaͤuſſert/ und in ſolchem Verſtand ſingen wir:
O Menſch bewein dein Suͤnde groß/Darumb Chriſtus ſeins Vaters SchoßGeaͤuſſert und kommen auff Erden.
Belangend Terminum per quem, ſo deutet er ſelbſt darauff/ wann
er ſein Fleiſch nennet/ durch welches er der Welt werde und wolle das Leben
geben. St. Johannes erklaͤrets außdruͤcklich/ und ſagt 1. Joh. 4/ 2. er
ſey kommen/ nicht nur in carnem,ins Fleiſch/ daß er das Fleiſch durchs
Fleiſch erwuͤrb/ ſondern auch in carne,im Fleiſch/ gleichwie er kommen
mit Waſſer und Blut/ als durch Sacramenta und Werckzeug Goͤttli-
cher Gnad. Alſo iſt des Sohns Gottes eigen Fleiſch gleichſam der Gna-
den-Wagen/ durch welchen die himmliſche Lebens-Krafft auff uns herab
fleuſt/ und durch welchen wir zu GOtt hinauf ſteigen/ und GOtt nicht
unmittelbahr als ein verzehrend Feuer in ſich ſelbſt ſuchen/ wovon Luthe-
rus viel herꝛliche Vermahnungen hinterlaſſen:
Tom. 7. Jen. in Joh. 14. p. 6. Tom. 2. Isleb. p. 183. So laß nun die Gedan-
cken nicht fladdern/ klettere nicht zu GOtt durch einen andern Weg/ dann durch
JEſum Chriſtum/ dann Chriſtus iſt die Bruͤcke und der Weg/ und ſage: Jch wil
keinen Chriſten hoͤher und weiter lehren/ auſſer dem HErꝛn Chriſto von Maria
gebohren/ dann ich ſoll mir nicht einen eigenen Weg zu GOtt mit meinen Ge-
dancken machen/ dieſes oder jenes zu thun/ ſondern dabey ſoll es bleiben/ da es
GOtt hingeleget hat/ und alſo ſeyn/ wie Chriſtus geſagt hat/ wer an mich glaͤu-
bet/ ꝛc. wann du den Mann anſiheſt/ und hoͤreſt/ und dein Geſichte von der Per-
ſon nicht abwendeſt/ ſo aus Maria gebohren iſt/ ſo biſt du unſers HErꝛn Gottes
Schuͤler/ und fehleſt nicht. Wendeſt du aber deine Augen von der Perſon hin-
weg/ ſo die Jungfrau Maria zur Welt gebohren hat/ ſo ſolt du gar keinen Heil.
Geiſt haben/ ſolt mich auch nicht treffen/ ſondern haſt gefehlet/ dann die Bruͤ-
cke iſt abgeworffen/ und der Weg iſt verſtoͤhret.
Tom. 3. Lat. pag. 295. f. 2. \& pag. 439. f. 2. Hoc enim omninò ei, qui ten-
tatur, faciendum eſt, ut majeſtatem divinam \& terribilia illa Majeſtatis opera
non ſcrutetur. Neque enim Deus ita vult à nobis cognoſci, ideò etiam non vo-
luit cum nudis congredi. Sed ſe in carnem noſtram abdidit, quam apprehen-
dere \& capere poſſumus, majeſtatem divinam non poſſumus capere, niſi velimus
ignem conſumentem. Et Sathan nulla alia via facïlius præcipitare poteſt, quàm
ubi nos ad conſiderationem majeſtatis protraxerit. Cujus tanta eſt amplitudo,
ut animi deſperabundi ſtatim concidant. Quare abſtinendum eſt à talibus cogi-
tationibus. Si enim Deus voluiſſet ſe hâc ratione à nobis cognoſci, non veniſ-
ſet in carnem. Ideo autem objecit nobis carnem iſtam, in quâ poſſemus hære-
re, \& quam poſſemus aliquo modo capere \& intelligere. Sic Philippum curio-
ſius de Patre rogantem, non ſinit altius evagari, ſod reducit eum in ſe, Philippe,
qui me videt, inquit, videt Patrem meum. Non eſt, ut quæras extrà me Pa-
trem, aut putes, Patrem cognoſci poſſe ſine me, me vide, \& Patrem vidiſti.
Neque enim coram majeſtate quisquam conſiſtere poteſt, ſed in ſolum Chriſtum
eſt reſpiciendum. Quare ne audiamus cos, qui dicunt, caro nihil prodeſt.
Achter Theil. G g g g g gTu
[970]Die ſechs und dreyſſigſte
Tu potiùs inverte \& dic, Deus ſine carne, nihil prodeſt. In Chriſti enim car-
nem, in illum infantem, hærentem ab uberibus Virginis oculi defigendi ſunt, ut
ſimpliciter obfirmes animum \& dicas, Ego nullum neque in cœlo neque in terrâ
Deum habeo aut ſcio extrà hanc carnem, quæ fovetur in gremio Mariæ Virginis.
Hoc cùm dicis, non eſt periculum, ut aberres à Deo, aut ut animus terrore \& me
tu ad deſperationem adigatur. Deus enim omnibus aliis modis incomprehen-
ſibilis eſt. In ſolâ autem carne Chriſti eſt comprehenſibilis, in quo Chriſto ni-
hil vides, niſi ſummam ſuavitatem \& humanitatem, qui pro nobis mortem cru-
cis ſua ſponte adiit, ut nos liberati à peccatis, ſuam juſtitiam, per fidem in
ipſum, haberemus \& vitam æternam. Hoc objecto erigitur animus \& conci-
pitur vita. Reliqua omnia, ſunt ſpectra iræ \& mortis, inter quæ tamen nullum
eſt periculoſius, quam ſpectrum majeſtatis divinæ. Qui autem Chriſtum ita in
animo ita infixum \& cognitum habet, is deinde tutò ad patrem aſcendere \&
cum eo agere poteſt. Sicut dicit: Ego ſum via; viæ autem, quæ ſunt extrà Chri-
ſtum, ſi quis ad Patrem ſeu ad majeſtatem aſcendere velit, ſunt mera præcipitia,
in quibus nullus hominum conſiſtere poteſt, quin ruat. Et pag. 439. f. 2. Qua-
re hîc paucis philoſophandum eſt, ſicut ille monuit, \& flectendi ſunt oculi in
Chriſtum incarnatum. Non enim eſt tutior via, ſicut ſæpè dixi, ad omnes ſco-
pulos hæreticorum evitandos, quàm manere in Chriſto incarnato, \& in cunas
poſito. His lacteis cogitationibus oportet Chriſtum creſcere, majeſtatis autem
cogitationes præcipitant infirmos animos. Theologia autem nusquam diſcitur
niſi in puero JESU in cunis poſito, cum illo paulatim adoleſcendum eſt, do-
nec creſcamus in viros perfectos.
Terminus ad quem? iſt die Erde/ gleichwie das Manna auff die
Erde/ und zwar eine duͤrre/ magere/ wuͤſte/ wilde Erde/ in ein Land und
Wald/ da nichts als Holtzaͤpffel/ Dannzapffen und Schlehebutten ge-
wachſen/ ein recht Hungerland; Alſo iſt auch die Erd gleichſam der Tiſch
geweſen/ auff welchem das Himmel-Brod geſpeiſet worden. Es iſt der
eingefleiſchte GOtt auf Erden kommen arm/ daß er unſer ſich erbarm/
und in dem Himmel machet reich/ und zwar in terram ſigillatam, in
ein ſonderbare dazu geweihete und verſigelte Erd/ das Land Canaan/ und
in demſelben alle die Orth und Plaͤtz/ Staͤdt und Doͤrffer/ die der HErꝛ
mit ſeinen allerheiligſten Fuͤſſen betretten/ und folgends nach ſeiner Auffer-
ſtehung auf Ezechielis Himmels-Wagen in die gantze Welt hinaus ge-
fahren/ und das Himmel-Brod mit ſich gebracht biß an der Welt Ende/
Pſal. 19. Aber dabey iſts nicht geblieben; ſondern er hat ſich noch tieffer
hinunter gelaſſen/ εἰς τὰ κατώτερα τῆς γῆς, in die untere Oerther der
Erden/ theils die Hoͤll ſelbſt/ davon wir ſingen:
Sein Lauff kam vom Vater her/Und kehret wieder zum Vater/Fuhr hinunter zu der Hoͤll/ ꝛc.
Theils metaphoriſcher und verbluͤmter Weiß in den Garten am Oelberg/
da das Him̃el-Brod durch die Feuer-Hitz des Goͤttlichen Zorns gebacken
wor-
[971]Predigt.
worden/ das Blut geſpruͤtzt/ theils propriè, in dem Triumph der Hoͤllen-
fahrt/ da er den Schweinen und Hunden geprediget/ die das edle Brod
vor dieſem mit Fuͤſſen getretten/ und ihm Stein fuͤr Brod geben.
II. Erſcheinet Chriſtus Hoſpes obſignatus,als ein verſigelter
Gaſt/ den der Vater verſigelt/ ſtehet in vorhergehenden Worten/
Joh. 6/ 27. Er hat ihm als ſeinem Legaten Brieff und Sigel angehengt/
und mit Credentz-Schreiben nicht allein wol verwahrt; ſondern auch
dermaſſen characteriſiret und bezeichnet/ daß man ihn wol kennen und
fuͤr den Chriſtis larvatis den vermutheten Meſſias-Koͤnigen unterſchei-
den koͤnnen; Dann gleichwie ein groſſer Koͤnig ſeinen Sigel-Ring hat und
Pitſchter/ damit er die Credentz-Brief ſeiner Legaten und Geſandten pit-
ſchirt/ daß man gewiß ſey/ dieſer/ und kein anderer ſey/ den man fuͤr des
Koͤnigs Geſandten annehmen ſoll. vid. Luth. Tom. 2. Isleb. p. 149. f. 2.
Denſelben hat GOtt der Vater verſigelt/ das iſt auch ebentheurlich und
ſeltzam geredet/ daß GOtt hab den Sohn/ ſo Menſch iſt/ oder der dieſe Speiſe
und Kornmeiſter/ der Becker/ Kellner und Vorrath iſt/ JEſum Chriſtum/ zum
Sigel gemacht/ den meyne ich/ den wil ich/ da hat GOtt ſein Sigel auffgedruckt/
und ſeine Brieffe uͤber gegeben/ daß er der ſey. Es iſt aber ein Hebraica phraſis,
daß unſer HErꝛ GOtt auch ein Finger-Reiff/ Petſchier und Sigel am Daumen
habe/ damit er zuſigelt/ wann er Brieffe ſchreibt und außſchicket. Solches Sigel
ſoll Chriſtus ſeyn und kein anderer/ verwirfft und verdammt hiemit alle andere
Sigel: das iſt ein ſtarck Wort/ welches aus dermaſſen weit umb ſich greiffet/
daß wer da wil ewiglich leben/ der muͤſſe dieſe Speiſe haben/ welche der Sohn
gebe/ und in dem Sohn der da verſigelt iſt/ ſich finden laſſen/ ſonſt wo er den
nicht hat/ ſo wird er des ewigen Lebens fehlen. Dann allhie iſt das Sigel
und Zeugnuͤß darauff gedruckt.
Zugleicher Weiß/ wie Haman/ als er ſeine Vergicht-uñ Blut-Brief/
daß nemlich auff einen Tag in allen Laͤndern des Koͤnigs
Ahaſveros/ nemlich am dreyzehenden Tag des zwoͤlfften
Monden/ das iſt der Mond Adar/ alle Juden in allen Laͤn-
dern des Koͤnigs vertilgt/ erwuͤrgt und umbgebracht wuͤr-
den/ beyde Jung und Alt/ Kinder und Weiber/ mit des Koͤ-
nigs Ring verſigelt wurden/ Eſth. c. 3/ 12. 13. Dann die Schrifft/
die ins Koͤnigs Namen geſchrieben/ und mit des Koͤnigs
Ring verſigelt wurden/ durffte niemand widerruffen. cap. 8/ 8.
Alſo iſt auch dieſer Gaſt und Geſandter des himmliſchen Vaters/ den er
uns vom Himmel herab geſendet/ verſigelt und verbriefft I. Literis V.
Teſt. mit der Schrifft des A. Teſtaments/ da alle Umbſtaͤnde be-
zeichnet ohn allen Betrug und Gefaͤhrde. Dann fragſt du 1. Wann
der Meſſias kommen werde? So antwortet Jacob: derSchilo
G g g g g g 2werde
[972]Die ſechs und dreyſſigſte
werde kommen/ wann das Scepter von Juda werde entwen-
det werden/ wann das Juͤdiſche Volck kein Obrigkeitliche Gewalt mehr
haben wird. Fragſt du/ wie er werde kommen? So weiſſaget
Zacharias c. 9/ 9. daß er werde ſeyn ein Gerechter und ein Helf-
fer/ arm/ und reiten auff einem Eſel und auff einem jungen
Fuͤllen der Eſelin. Wohin? in ſeinen Tempel. Hag. 2/ 8. 9. 10.
Ja/ alle Heyden wil ich bewegen/ da ſoll dann kommen aller
Heyden Troſt/ und ich wil das Haus voll Herꝛligkeit ma-
chen/ ſpricht der HErꝛ Zebaoth/ dann mein iſt beyde Silber
und Gold/ ſpricht der HErꝛ Zebaoth; Es ſoll die Herꝛligkeit
dieſes letzten Hauſes groͤſſer werden/ dann des erſten geweſen.
Jn was Habit? Jn ſeinem eigenen Fleiſch/ nicht wie er bey den Men-
ſchen des alten Teſtaments erſchienen in angenommenen menſchlichen
Schatten- und Lufft-Leiben/ in der Geſtalt/ wie er zu Abraham kommen/
und im Haͤyn Mamre ſich zu gaſt geladen/ und Mahlzeit mit ihme gehal-
ten/ anderer Meſſianiſchen characterum zu geſchweigen. 2. Voce Patris
cœleſtis ad Jordanem,durch die Stim̃ des him̃liſchen Vaters
am Jordan geſchehen/ daß dergleichen/ ſo lang die Welt ſtehet/ nie ge-
ſchehen/ noch geſchehen wird/ welche Stimm hernach von den Juͤngern
Chriſti in alle Welt und Wildnuͤß außgetragen/ erſchollen/ und noch heu-
tiges Tags erſchallt. 3. In Digito Dei Spiritu S.in dem Finger Got-
tes/ dem H. Geiſt/ und theils durch deſſen ἐπέλευσιν und Uberkunfft
im Jordan in einer Tauben-Geſtalt/ Matth. 3. theils durch ſolche ἀμί-
μητα und unnachthunliche Wunderwerck/ die er durch den Finger Gottes
gewuͤrcket und das zu ſeiner eigenen Ehr/ aus eigner inwohnender Goͤttli-
cher Krafft/ dergleichen kein Menſch auf Erden niemaln gethan. Naſci
de virgine, von einer Jungfrau gebohren werden/ à mortuis reſurgere,
von den Todten aufferſtehen/ in cœlum aſcendere, gen Himmel fah-
Auguſtin.
Ep. 3.ren. Hoc Deo qui parum putat, quid plus ex pectet, ignoro? Jſt das
nicht gnug? Womit ſolte die Gottheit heller koͤnnen bewieſen werden?
Hinc συμπέρασμα, daher der Schluß: Jch bins/ Joh. 4/ 26. Wann
Johannes gefragt wird; Biſt du der da kommen ſoll/ oder ſollen wir eines
andern warten? ſo ſagt er Joh. 1/ 27. Er iſt mitten unter euch getre-
ten/ den ihr nicht kennet/ deß ich nicht werth bin/ daß ich ſeine
Schuhriemen aufloͤſe. Es komme nun ein anderer Pſeudo-Chriſtus
larvatus, ein falſcher Chriſtus (den Chriſtus ſelbſt zuvor erſehen und dar-
uͤber geklagt Joh. 5/ 43. So ein andereꝛ in ſeinem eigenen Namen
kom̃en wird/ den werdet ihr annehmen/) er heiſſe Theudas, Judas
Ga-
[973]Predigt.
Galilæus, Benchochab oder der Sternen Sohn/ er heiſſe Mahometh oder
Hildebrand/ Pabſt Gregorius/ der ihm ſelbſt faſt alle Meſſianiſche chara-
cteres, jura, axiomata regalia appropriirt und auf ſich gezogen; und
eben damit ſich ſelbſt verrathen/ daß er der rechte Antichriſt ſey/ wie dann
das Wort (Antichriſt) nicht nur den Widerchriſt/ ſondern auch Prochri-
ſtum, das iſt/ Chriſti Stadthaltern/ und einen ſolchen/ der ſich als den an-
dern Braͤutigam der Kirchen an Chriſti Statt außgiebt/ bedeutet. Jnmaſ-
ſen er ihm die ὑπερδουλείαν tribuirt und anmaſſet. Er iſt ein ſolcher Chri-
ſtus/ den ihnen die Juden gewuͤnſcht/ die Papiſten aber an ihrem Pabſt ge-
funden/ der da ſagt: Hie iſt Chriſtus zu Loret/ Einſidel/ Ottilienberg/ Com-
poſtell: Endlich fuͤhret er in Apoliam, derowegen bringt er Chriſti Cre-
dentz-Brieff nicht mit/ und heiſt nicht Ave, ſondern Cave.
III. Hoſpes Philanthropus, Sionius,ein liebreicher/ leutſeliger
Gaſt/ der nicht erſchienen im feurigen Buſch/ nicht mit Hagel/ Blitz
und Strahlen/ wie auff dem Berg Sinai/ auch nicht mit Poltern und
Schrecken als ein Nacht-Geſpenſt in der Poſitur eines Feindes/ vide
Luth. Tom. 2. Isleb. p. 464. f. 2. (*) wie er Jacob erſchienen/ und ihn
zum Kampff provocirt/ oder auch dem Joſuaͤ/ ſondern gantz holdſelig/
lieblich/ freundlich/ dann was iſt lieblicher als ein kleines Kindlein? Wie
haͤtte Gott ſich freundlicher erzeigen moͤgen? Wie koͤnnen wir ſein liebrei-
ches Hertz beſſer erkennen/ als in dem Habit des menſchlichen Fleiſches?
Wann ein groſſer Herꝛ ſich mit ſeiner Unterthanen einem ſo fern genehm
und gemein machete/ daß er ſich in gewiſſen Wercken und Geſchaͤfften
ihm gleich haltet/ daß er ſeine Majeſtaͤt und Hoheit unter ſolchen freundli-
chen Gebaͤrden/ Kleidung und Geſpraͤch verbirget/ ſo iſts ein Zeichen Koͤ-
niglicher Gunſt und Gnade: Vielmehr hat der groſſe Gott/ den aller Welt
Craͤyß nie beſchloſſen/ der HErꝛ Himmels und der Erden ſeine bruͤnſtige
Lieb gegen uns Menſchen fuͤr allen andern Creaturen zu bezeugen/ nicht
allein den Menſchen zu ſeinem Ebenbild erſchaffen/ hat ſich in der Heil.
Schrifft hin und wieder in menſchlichen Gliedmaſſen/ Augen/ Ohren/
G g g g g g 3Haupt/
[974]Die ſechs und dreyſſigſte
Haupt/ Haͤnde/ Fuͤſſen und andern menſchlichen Affecten und Gebaͤr-
den abmahlen laſſen/ nicht allein in menſchlicher Geſtalt den H. Patriar-
chen und Propheten erſchienen/ ſondern gar menſchliche Natur an ſich
genommen/ das iſt/ ein kleines Kindlein worden/ in menſchlichen Gebaͤr-
den uns gleich worden/ ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν, er hat unter uns gewoh-
net/ als ein Mit- und Spieß-Geſell unter einer Zelten/ freundlich mit uns
geſprachet/ und von lautern Evangeliis geprediget/ und holdſelige Wort
aus ſeinen Lippen flieſſen laſſen/ das heiſt ja Luſt haben an den Menſchen-
Kindern. Prov. 8. ἐυπρόσιτος, welcher keinen/ der zu ihm kommen und
ſeiner Huͤlff begehrt/ niemal von ſich geſtoſſen. Was ziehen ſich dann die
blinden Marianer im Pabſtthumb vielmehr als Chriſtianer/ daß ſie die
lebendige Quell verlaſſen/ und mehr Hertz haben ad matrem miſericor-
diarum, zu der Mutter aller Barmhertzigkeit/ als zu dem/ ohne welchen
niemand zum Vater kommt.
IV. Hoſpes activus Evergeta,ein liebthaͤtiger Gaſt/ voller
Gnad und Warheit/ der nicht mit laͤrer Hand kommen/ ſondern
Regen und Segen mit gebracht; Von Joſeph iſt bekannt/ daß er nicht
allein gantz Egyptenland/ ſondern auch alle andere Land/ Zeit der ſchwe
ren Theurung/ ſonderlich aber ſeine Bruͤder ernaͤhrt Gen. 43/ 25. 31. ſte-
het/ er ſey zu ſeinen hungerigen Bruͤdern heraus kom̃en/ und ihnen heiſſen
Speiß fuͤrtragen. Hie Chriſtus ſelbſt iſt nicht allein die Speiß/ ſondern
auch der Speißmeiſter. Gleichwie der Wunder-Prophet Elias/ der der
Wagen Jſrael auch darumb genennet worden/ daß er als ein Proviant-
Wagen und Proviant-Meiſter mit ſeinem inbruͤnſtigen Gebet bey GOtt
ſo viel außgerichtet/ daß der gaſtfreyen Wittwen zu Zarphat Meel im Cad
in waͤrender dreyjaͤhriger Theurung nicht verzehret worden/ 1. Reg. 17/
14. und alſo ihr mehr Nahrung zugebracht/ als ein Proviant-Wagen ihr
zufuͤhren koͤnnen/ deßgleichen in der groſſen Theurung bey Gott einen gnaͤ-
digen Regen durch ſein Gebet erhalten/ und alſo das gantze Land wieder
fruchtbar gemacht. 1. Reg. 28/ 2. Jac. 5/ 17. 18. Gleichwie Eliſa der groſ-
ſe Heyl-Mann/ als ein guldener Gluͤck-Proviant- und Commiß-Wa-
gen und mildreicher Gaſt/ nicht allein ſeine Schuͤler/ arme Studenten/
der Wittib ihren Oel-Krug geſegnet und berathen/ mit zwantzig Gerſten-
Brod hundert Menſchen geſpeiſt/ 2. Reg. 4/ 42. die gifftige Coichyn-
ten geſegnet und geſund gemacht/ das bittere Waſſer zu Jericho/ in ein
ſuͤſſes/ wol- und friſch-ſchmaͤckendes Waſſer verwandelt; ſondern auch
die Hunger-Stadt Samaria durch ſein Gebet mit ploͤtzlicher Wolfeyle
geſaͤttiget und erfreuet/ ja mehr als der Ritter zu Samaria geglaubet/ gantze
Waͤgen
[975]Predigt.
Waͤgen voll Proviant und Victualia mitgebracht/ 2. Reg. 7. Alſo iſt
auch der Meſſias der edle und werthe Gaſt nicht mit leerer Hand zu uns
kommen/ ſondern ſich ſelbſt und ſein eigen Fleiſch zur Speiß dargeſtellet/
und mit ſeinem Honig-ſuͤſſen Evangelio/ viel tauſend Geiſt- und Durſt-
hungerige Seelen/ geſpeiſet/ ernaͤhret/ geſaͤttiget/ erfreuet und zum ewigen
Leben erhalten. Und thuts auch noch taͤglich/ ſo offt er ſein Manna-
Regen/ ſein Wort laͤßt predigen und fuͤrtragen/ er iſt darumb gen Him̃el
gefahren/ auf daß er alles erfuͤlle/ er wil uns nicht Waiſen laſſen/ ſondern
zu uns kommen; Wer mich liebet/ ſpricht er ſelbſt Joh. 14. der wird
mein Wort halten/ und mein Vater wird ihn lieben/ und
wir werden zu ihm kommen/ und Wohnung bey ihm ma-
chen. Er ſtehet fuͤr der Thuͤr/ und klopffet an (mit dem
Hammer des Geſetzes/ ſo jemand ſeine Stimme horen wird/
und die Thuͤr auffthun/ zu dem wird er eingehen/ und das A-
bendmahl mit ihnen halten/ Apoc. 3/ 20. Gleichwie bey den Orien-
taliſchen Boͤlckern eine groſſe Unvernunfft und Incivilitaͤt geweſen/
wann ein Gaſt und grober Geſell ohne Gruß und Kuß erſchienen. Wel-
che Unhoͤffligkeit Chriſtus ſelbſt an Simon dem Phariſaͤer geandet und
geſcholten/ Luc. 7. Alſo hat auch Chriſtus ſeinen Gruß mit ſich gebracht/
und ſeiner Braut Wunſch/ damit ſie das hohe Lied Salomonis angeſtim-
met/ Cant. 1/ 1. 8. Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes/
nemlich dem H. Geiſt/ erfuͤllet. Jnſonderheit in der jenigen Erſcheinung
Joh. 20. da er ſeine Juͤnger angeblaſen/ und geſagt: Nehmet hin den
Heil Geiſt. Gar anders wird dieſer edle Gaſt im Pabſtthum abgemah-
let/ vid. Luth. Tom. 2. Isleb. pag. 166.
Jm Pabſtthumb hat man von ihme viel anders geprediget/ und uns/ die
wir getaufft waren/ zu dem Manne mit den Geſetzen/ und allerley guten Wer-
cken bringen wollen/ und Chriſtum uns fuͤrgemahlet/ gleich als waͤre er ein grim-
miger Tyrann/ ein wuͤtender und geſtrenger Richter/ der viel von uns forderte/
und gute Werck zur Bezahlung fuͤr unſer Suͤnde uns aufflegte. Wie dann diß
laͤſterliche Bilde oder Gemaͤhlde anzeiget von dem juͤngſten Tage/ da man gemah-
let hat/ wie der Sohn fuͤr dem Vatter niederknyet und niederfaͤllet/ und zeiget
ihm ſeine Wunden/ und St. Johannes und Maria bitten Chriſtum fuͤr uns am
juͤngſten Gerichte/ und die Mutter weiſet dem Sohn ihre Bruͤſte/ die er geſogen
hat: welches aus St. Bernhards Buͤchern genommen iſt/ und iſt nicht wol ge-
redt/ gemahlet oder gemacht geweſen von St. Bernhardo/ und man ſolte noch
ſolche Gemaͤhlde weg thun/ dann man hat damit die bloͤden Gewiſſen geſchreckt/
und den Leuten eingebildet/ daß ſie ſich fuͤr dem lieben Heylande fuͤrchten/ und
ihn fliehen ſolten/ gleich als wolte er uns von ihme weg treiben/ und ſolt unſere
Suͤnde ſtraffen/ das macht dann/ daß man nicht gerne zu ihm gehet/ dann wann
ſich mein Gewiſſen fuͤrchtet/ ſo iſts gnug hinweg geſtoſſen/ ich bedarff keines Jaͤ-
gers
[976]Die ſechs und dreyſſigſte
gers/ Leit-Hundes oder Jag-Hundes/ Mahlers oder Treibers/ daß ich von ihm
gejaget wurde/ ſondern mein Hertz und ſchwach Gewiſſen fleucht von deme ſelbſt
weg/ da ich mich fuͤr fuͤrchte/ die Furcht und Schrecken ſtoͤſſet und treibet mich
ab/ daß ich nicht bey ihm bleibe. Et pag. 167. Das Hertz iſt von Natur ſo bloͤ-
de/ daß es immer dahin arbeitet/ als ſey Chriſtus ein Hencker oder Richter/ und
werde mit uns handeln nach dem Geſetze mit der Schaͤrffe/ wir wollen immer-
dar einen Moſen oder Geſetz-Geber aus ihm machen. Dieſes Laſter kan ich
nicht uͤberwinden/ und ſo wenig von mir treiben/ als von dir. So kommet auch
der Teuffel und die Rotten-Geiſter oder falſchen Lehrer/ und plagen ein erſchro-
cken Gewiſſen noch mehr/ welche Rotten-Geiſter von dieſem Articul nichts
wiſſen/ die tragen Stroh und Holtz zum Feur/ daß es flugs brenne/ und ſtaͤrcken
das jenige/ dazu ich von Natur Luſt habe und geneigt bin/ dann ich liege in den
Gedancken/ wie GOtt zornig ſey/ ſo kommen ſie dann und lernen uns Gottes
Zorn mit Wercken buͤſſen/ wie dann die Papiſten auch ſagen/ daß wir fuͤr unſere
Suͤnde muͤſſen genug thun/ da gehets dann an/ daß man Chriſtum zum Richter
macht/ den man muͤſſe mit guten Wercken ſtillen und verſoͤhnen. Dieſe Lehre
findet einen guten Zunder in mir/ daß wir von Natur alſo gedencken/ daß [...]in
dennoch auch muͤſſen etwas gutes thun/ kommet dann der Schwefel und das
hoͤlliſche Feuer falſcher Lehrer dazu/ und ſchlaget drein/ ſo iſt es als Oel/ ſo das
Feuer anzuͤndet/ und Liechter-lohe brennend macht/ daß die Hertzen gar muͤſſen
verzweiffeln. Et ib. f. 2. Er ſpricht allhie: Was zu mir kommet/ das werde
ich nicht hinaus ſtoſſen/ ſondern ich wils annehmen/ lieb und werth haben/ dar-
umb ſo werde ich wol bey ihm bleiben. Dann es wird klar und deutlich allhie
geſaget/ daß er mich nicht allein unverſtoſſen und unvertrieben haben wil/ daß
ich unaußgeſtoſſen bleiben ſoll; ſondern an einem andern Ort wird auch geſaget:
Niemand ſoll ſie aus meiner Hand reiſſen. Chriſtus wil mich ſchuͤtzen und ver-
theidigen/ daß wann gleich alle Teuffel und Hoͤllen-Pforten wider mich waͤren/
ſo ſollen ſie mich doch ihme nicht nehmen. Dann das ſind gar troͤſtliche Wort/
und zu denen allein geſaget/ die da Chriſten ſeyn wollen/ auf daß man dieſen Ar-
ticul wol lerne und unterſcheide/ und abſondere den Glauben von guten Wer-
cken/ dann der Glaube iſt das Haupt/ und die Wercke ſollen hernach folgen/ aber
man muß ihnen die Tugend und Krafft/ die ſonſt dem Glauben gebuͤhret/ zuei-
gnen/ die Wercke verdienen die Gerechtigkeit nicht/ der Glaube ſoll uns das ge-
ben/ daß Chriſtus nicht ein Richter ſey/ wie er anderswo ſaget: Jch bin nicht
kommen/ daß ich die Welt richte/ ſondern daß die Welt durch mich ſelig wuͤrde.
Der Vater hat ihn nicht geſand/ daß er die Leut ſcheuche/ erſchrecke/ oder ihnen
Leid thue/ ſo zu ihm kom̃en/ ſondern daß er ſie bey ſich behalte. Aber gegen denen
die nicht glaͤuben/ derer Richter wird er ſeyn/ wie ſie ihn dann auch fuͤr einen
Richter halten/ und wird alſo die gantze Welt nicht verdammen/ ſondern zu den
Frommen und Gottſeligen wird er ſagen: Du biſt zu mir kommen/ du haſt an
mich geglaͤubet/ der Vater hat dich mir gegeben/ darumb tritt hieher/ ich wil dich
nicht wegſtoſſen. Zu den andern aber wird er ſprechen am juͤngſten Tage/ er
wolle ihr Richter ſeyn/ dann ſie wollen zu ihm nicht kommen. Als dann werden
zween Hauffen ſeyn/ und allda wird er die Gottloſen abſondern von den Chri-
ſten/ und ſcheiden die Boͤcke von den Schafen/ und ſagen zu den Gottloſen/ ihr
habt mich nicht haben wollen/ und an mich nicht geglaͤubet/ ſondern ihr habt
mich verfolget/ meine Chriſten getoͤdtet/ mein Wort gelaͤſtert/ und mich und die
mei-
[977]Predigt.
meinen außgeſtoſſen/ ſo gehet auch hin in das hoͤlliſche Feuer/ dann ſie halten
Chriſtum nicht fuͤr guͤtig/ ſo ſollen ſie ihn auch nicht fuͤr guͤtig und gnaͤdig haben/
ſondern ſollen in die Hoͤlle fahren. Derhalben ſo wollen wir Chriſtum haben
fuͤr einen gnaͤdigen HErrn/ die wir zu ihm kommen/ der Regenbogen/ da er auff
ſitzen wird/ erſchrecket mich nicht/ ſondern hilfft mir zum Heyl/ wir ſehen ihn
nicht als einen Richter/ er wird dich holen/ und nicht hinweg ſtoſſen/ und auch
ſchuͤtzen wider den Teuffel.
V. Hoſpes Illex,ein Lock-Gaſt/ er hat ſeine Illices, ſeine Gaſt
lader/ die Weißheit ihre Diener/ die da ſagen: Kommet ihr arme
Hungerleider/ zehret von meinem Brod/ und trincket deß
Weins/ den ich ſchencke/Deus nobis condeſcendit, ut ipſi coa-
ſcendamus, Gott iſt zu uns hernieder geſtiegen/ daß wir zu ihm hinauff
ſteigen moͤgen. Derowegen kommet her zu mir alle die ihr muͤhſelig und be-
laden ſeyd/ ich will euch erquicken.
Wie gehet es aber dem lieben werthen Gaſt? Wie begegnet demſel-
ben das ſchoͤne Fruͤchtlein/ die ſchnoͤde Welt? Eben wie Herodes/ der/ da die
Fama daher geflogen/ daß ein neuer Koͤnig der Juͤden vorhanden/ fuͤr die-
ſem Gaſt erſchrocken/ da man hat ſollen jauchzen und froͤlich ſeyn. Herodes
denckt/ novus Rex mea mors, novi Regis mors mea vita, deß neuen
Koͤnigs Leben mein Tod/ ſein Tod mein Leben; Worauf er alle junge Knaͤb-
lein von zwey Jahren und drunter jaͤmmerlich erwuͤrgen laſſen. Jſt eine
Tragœdi, die durch alle ſecula geſpielet worden/ ſonderlich von Philippo
II. Koͤnig in Hiſpanien/ an ſeinem leibeigenen Sohn/ welchen er/ als er ver-
mercket/ daß er Aumuth zur Evangeliſchen Warheit bekommen/ in das
Gefaͤngnuͤß geworffen/ und bald mit einem verbuͤfften und vergifften
Suͤpplein hingerichtet/ und alſo dem Herrn Chriſto Thuͤr und Thor be-
ſchloſſen/ daß er nicht einziehen konte. Wie verhalten ſich die Schrifft-
gelehrten? die zeigen zwar die Geburts-Stadt an/ aus dem 5. Cap. Mi-
cheæ/ thun aber nichts/ eliquiren, vindiciren nichts/ laſſens ſo beym naͤch-
ſten bleiben/ ja daß einer der Ehren waͤre geweſen/ der ſelbſt gen Bethle-
hem gezogen/ und daſelbſt den Augenſchein eingenommen haͤtte/ ihr
Wechſel/ Fuggereyen und Menſchen-Tand war ihnen mehr angelegen.
So gieng es auch her in der Schul zu Nazareth/ wie zu Bethlehem/ daß
er in ſeinem eigenen Land nichts gegolten/ ja gar aus der Schul und
Stadt hinauß geſtoſſen worden. Darumb ſich uͤber Herr omnis nichtLuc. 4, 29.
zu verwundern/ wann auch die zu Bethlehem dieſen Gaſt nicht geachtet/
den Sternen verlacht/ und den theuren Gaſt in den Stall und Krippen
verwieſen/ endlich hinweg mit ihm/ das Creutzige/ Creutzige/ uͤber ihn ge-
ſchryen: Alſo gehets noch auff den heutigen Tag/ Chriſtus muß auß den
Achter Theil. H h h h h hSchu-
[978]Die ſechs und dreiſſigſte
Schulen exuliren/ er findet keine Herberg/ Ulpianus, Galenus, Ariſto-
teles und andere Profani haben das dominium und den Vorzug/ damit
dann die zarte junge Gemuͤther dermaſſen occupirt und eingenommen
werden/ daß Chriſtus kein Raum mehr findet: Deßgleichen in dem
Haußſtand/ Bos, Dos, Rus, Ochs/ Weib/ Feld/ ſind drey Rigel/ die man
vorſchiebt/ aber was folgt? Ein erſchroͤckliche Sententz die Chriſtus den
Juden ertheilet/ Joh. 7/ 34. Jhr werdet mich ſuchen und nicht
finden/(*) Gott behuͤt uns alle vor dieſem Urtheil. Contra ſey Gott
gelium
[979]Predigt.
(*)
gelobet im hoͤchſten Thron/ daß wir ihn wieder gefunden/ nachdem wir
ihn in dem finſtern Pabſtthumb verlohren. Wie ſollen wir nun deſſen
(O HERR Chriſte) immer dancken dir. Darumb wir vielmehr an-
dere Exempel des Willkumms uns wol einbilden ſollen/ und dieſem edlen
Gaſt recht begegnen. Dem frembden Gaſt gebuͤhret Corona ein Krantz/
nach der alten Gaſt-Ordnung/ deren auch Syrach gedencket Cap. 32/ 3.
Es iſt glaublich/ daß das jenige Voͤlcklein/ ſo Chriſtum den HErꝛn in
ſeinem Advent in Jernſalem mit dem Hoſianna eingeholet/ ihre Zweige/
ſo ſie von den Baͤumen abgehauen/ in Kraͤntz zuſammen geflochten. Tito
als er mit ſeinen ſiegreichen Waffen von Jeruſalem wieder nach Rom
gezogen/ ſind ihm von allen Orten her Kraͤntz entgegen getragen worden.
Dergleichen auch Paulo und Barnaba/ dem vermeynten Jupiter und
Mercurio/ begegnet/ Act. 14/ 13. da die heydniſche Prieſter ihnen Ochſen
und Kraͤntz zum Opffer entgegen gebracht. Zwar im Pabſtthum hat
man den Roſenkrantz von Perlen/ Corallen und auch Hoͤltzlein/ erdacht/
da man der Mutter Gottes zu Ehren 150. Ave Maria nach der Zahl dervid. Mariæ
Stamm-
Buch
p. 513.
Pſalmen Davids ſamt Untermiſchung 15. Vater Unſer nach einan-
der betet/ dieſelbe damit zu gruͤſſen/ aber es ſtinckt von Blumen nicht aus
dem Paradieß/ ſondern nach den Pflantzen/ die der himmliſche Vater
nicht gepflantzt/ nach heydniſcher Battologiâ und Mund-Gewaͤſch/ dar-
an die allerſeligſte Jungfrau ſo gar kein Belieben traͤgt/ daß wann es
durch die Unmuͤglichkeit geſchehen moͤchte/ ſie mit Fuͤſſen drein ſpraͤnge/
und ſagen ſolte: Welch ein Gruß iſt das? Sondern Gloria in excelſis
Deo, Ehre ſey dem eingefleiſchten GOtt/ nach dem Exempel der himm-
liſchen Heerſchaaren/ die agminatim und gleichſam Krantz-weiß umb die
Krippen herumb geflogen/ und geſungen: Ehre ſey GOtt in der
Hoͤhe/ Friede auf Erden/ ꝛc. Die Weiſen aus Morgenland ſtehen
da zu einem Exemplar und Muſter/ allen Edlen/ Koͤnigen und Fuͤrſten/
Simeon und Zacharias den Gelehrten/ die Hirten- Knecht dem gemei-
nen Volck/ Johannes der Taͤuffer mit ſeinem Sprung den jungen Kin-
dern. Die drey Gottſelige Weiber/ die eine rechte Cron zuſammen ge-vid. Luth.
T. 6. Witt.
p.[1]4.
flochten/ Maria in ihrem Magnificat, darin ſie Chriſtum auch geiſtlicher
Weiß (wie zuvor im Glauben empfangen/ alſo hernach) gebohren/ Eliſa-
H h h h h h 2beth
[980]Die ſechs und dreiſſigſte
beth mit ihrer admiration und Verwunderung/ da Maria zu ihr auff das
Gebirge ſpatziret und beſuchet/ alſo angeredet: Wie kom̃t mir das/
daß die Mutter meines HErrn zu mir kom̃t? Luc. 1/ 43. Sie
ſagt nicht per allœoſin, wie kom̃t mir das/ daß die Mutter deß Knaben
von Nazareth zu mir kom̃t/ dann das haͤtte ihr der H. Geiſt nicht doͤrffen
offenbahren und eingeben/ dann das glaubt der Jud und T[uͤ]rck auch/
aber das iſt noch lang nicht ὁμολογουμένως μέγα μυϛήριον, das kuͤndliche
groſſe Geheimnüß deß geoffenbarten Gottes im Fleiſch. Jſt Maria nur ein
Mutter eines bloſen Menſchen/ ſo iſt euer Glaub eitel von vollkommener
Reinigung der Suͤnden/ und voͤlliger Erloͤſung/ dañ kein bloß menſch-
licher Bruder kan den andern vom Tod erretten/ es koſtet zu-
viel eine Seele zu erloͤſen/ daß ers muß laſſen anſtehen ewig-
lich/ Pſal. 49/ 8. Es iſt euer Troſt eitel von der Blutsfreundſchafft mit
GOtt und daß wir durch die Menſchwerdung deß Sohns GOttes Got-
tes Geſchlecht worden ſind. Alſo auch wir/ wie kom̃t mir das/ daß der
HErr ſelbſt in Marien Schooß/ das iſt/ in der Chriſtlichen Kirchen/ im
Wort/ Sacramenten/ Abendmahl und Beicht-Stuhl/ zu mir kom̃t?
Und dann die betagte Prophetin Hanna/ die mit Simeon ein reſponſo-
rium geſungen/ ἀνθωμολογεῖτο, Lutherus hats bloß gegeben mit einem ge-
neral Wort/ Preiſen/ ſie preiſete den HErrn/ eigentlich heiſt es ſo viel
als ein Nach- und Wechſel-Schall/ da in der Muſic einer vor/ die andern
nachſingen/ nach Art der Hebreiſchen Kirchen/ wie dann offtmahls vor
den Pſalmen Davids ſtehet: Ein Pſalm Davids vorzuſingen/ als
welche er ſeinem Capellmeiſter uͤbergeben/ der alsdann intonirt, und etli-
che Wort vorgeſprochen/ dem darauff der gantze Chor nachgeſungen/ wie
Mirjam ihrem Bruder Moſi/ und folgends die gantze Gemein. Es ſchei-
net/ es habe David dergleichen Vor- und Nach-Saͤnger im Tempel zu
Jeruſalem verordnet/ 1. Chron. 7/ 31. Alſo daß wann laut deß 136. Pſalms
der Choragus der Vorſaͤnger intonirt und geſagt: Dancket dem
HErrn/ dann er iſt freundlich/ ſo hat der Chor reſpondirt und ge-
ſagt: Dann ſeine Guͤte waͤret ewiglich/ und ſo fortan; Alſo
wird dieſem allem nach Hanna/ wann Simeon geſagt: Dieſer wird
geſetzt zu einem Fall und Aufferſtehen vieler in Jſrael/ mit ei-
nem Echo und Nach-Schall geſungen/ ſeine Wort wiederholet/ bejachzet/
beſtaͤttiget und geſagt haben: Ja freylich wird dieſes Kind geſetzt zu einem
Fall und Zeichen vieler in Jſrael/ ꝛc. Lauter Lehr-Quellen und Tugend-Ex-
empel. Die Cron/ damit Chriſtum das Volck/ ſo vor- und nachgangen um-
geben gehoͤrt auch hieher/ und ſonderlich die zarte Jugend/ die junge Kna-
ben/
[981]Predigt.
ben/ die aus Trieb deß Geiſtes das Hoſianna geſungen. Hoſianna/ Ach
HErr hilff/ Gelobet ſey/ der da koͤm̃t im Namen deß HErrn/
Hoſianna in der Hoͤhe. Wir ſtellen uns unter und in ſolchen Reyen/
und ſingen mit ihnen: Hilff Helfio! Hilff hie aus Noth und Todt/ hilff im
letzten End/ im finſtern Todes-Thal/ wann die Augen nimmer ſehen/ die
Ohren nimmer hoͤren/ und die Haͤnde nimmer greiffen/ und die Fuͤſſe nim-
mer gehen moͤgen. Hilff in der Tieffe/ in dem Abgrund unſers Elends!
Hoſianna in der Hoͤhe! Hilff aus der Tieffe in die Hoͤhe! O Auffgang
aus der Hoͤhe! Ehre ſey Gott in der Hoͤhe! Gelobet ſey der da kom̃t in dem
Namen deß HErrn/ Hoſianna in der Hoͤhe! Amen.
GEliebte in Chriſto.Man hu?Was iſt das?
Sagen und fragen die Jſraeliten in der Wuͤſten/
Exod. 16. da zum erſten mahl Manna vom Himmel
geregnet/ und ſolch Miracul ihnen in die Augen ge-
leuchtet/ ſehen ſie einander mit Verwunderung an/
und ſagt einer zum andern Frags-weiß/ Man hu? pro,v. Buxtorf-
de Mannâ
p. 337.
mahu?Was iſt das? Dann ſie wuſten nicht/
was es war. Maſſen auch dieſe Wort Frags-weiß verſtanden und
[g]edolmetſcht die LXX. Griechiſche Dolmetſchen. Aus den Juden Jo-
ſephus, lib. 3. c. 1. (*) aus den Chriſtlichen Lehrern Theodoretus q. 30.
in Exod. die Antwort ſteht in der Frag/ ἐγένετο ἐρώτησις ὄνομα. Theodor-
aus der Frag iſt der Namen entſprungen. Man hu,es iſt ein Gab und
Geſchenck/ ein Barſchafft (juxta Luth. Tom. 1. Isleb. p. 373.) ein
H h h h h h 3gemeſ-
[982]Die ſieben und dreyſſigſte
gemeſſene und verordnete Portion der Speiß/ wie es Moſes erklaͤret/
diß iſt das Brod/ das euch der HErꝛ zu eſſen gegeben hat/ ein un-
verdiente Gab/ lauter umbſonſt/ ohn euer Zuthun/ ihr habt nichts daran
gearbeitet/ nicht gepfluͤget/ nicht geſaͤet/ nicht geerndet/ ſondern ein pur
lauter Eleemoſyna, euern Hunger zu buͤſſen. Weiter gehet Moſes nicht/
und laͤßts dabey bleiben.
Aber der groſſe Prophet Chriſtus/ der vom Himmel herab kommen/ und
allen Rath Gottes aus dem Schooß des himmliſchen Vatters geoffenbah-
ret/ der hat tieffer hinein geſehen/ auff den Antity pum und Gegenbild/
auf das myſterium, ſo darinn verborgen lieget/ und angezeigt/ es ſey unter
dieſer Huͤlſen ein theurer Kern/ unter dieſer Schalen ein ſuͤſſer Dotter/
der Antitypus unter dem Typo, unter der Moſaiſchen Decke und Fuͤr-
hang eine Evangeliſche Klarheit verſteckt und verdeckt/ nemlich das ver-
borgene Manna/ Apoc. 2/ 17. Welches? Was dann? Chriſtus
antwortet hell und klar: Jch bin daſſelbe Brod des Lebens vom
Himmel kommen/ ich bin das Præſent, damit mein himmliſcher Va-
ter die Welt regalirt; Jch bin das Kind/ das gebohren/ der Sohn/ den
GOtt gegeben/ Eſa. 9. Jch bin die δωρεὰ, die Gabe/ der Bußfertigen
Samariterin verehrt/ Joh. 4/ 10. Alſo hat GOtt die Welt geliebet/ daß
er ſeinen eingebohrnen Sohn gab/ auf daß alle die an ihn glaͤuben/ nicht
verlohren werden/ ſondern das ewige Leben haben/ Joh. 3/ 16. Ego ſum
Eleemoſyna Eleemoſynarum, das reicheſte und theuerſte Allmuſen das
jemal in der Welt erſchienen und gegeben worden/ vid. Luth. Tom. 2.
Isleb. p. 193. f. 2. (*)Jch bin das Brod des Lebens/ wer zu mir
ſie
[983]Predigt.
(*)
kommt/ den wird nicht hungern/ und wer an mich glaͤubet/
den wird nimmermehr duͤrſten. Jch bin nicht nur der mildreicheJoh. 6, 35.
Geber/ ſondern auch die Gabe ſelbſt/ gleichwie ich bin nicht nur der Prie-
ſter/ ſondern auch das Opffer/ fuͤr euch dargegeben/ GOtt zu einem ſuͤſſen
Geruch. Eph. 5/ 2. Alſo bin ich auch nicht nur der edle Gaſt vom Him-
mel herab kommen/ als ein mildreicher Geber alles geiſtlichen Segens in
himmliſchen Guͤtern/ ſondern auch das Brod ſelbſt/ dadurch das menſch-
liche Hertz geſtaͤrcket/ erquicket und erfreuet wird. O ein ſeltzamer Aetzer/
der andere ſpeiſet mit der Speiß/ die er ſelber iſt. Luth. Tom. 2. Isleb. pag.
200. Ey ſo laſt uns allzeit froͤlich ſeyn/ und mit den Hirten gehen gen
Bethlehem hinein/ zu ſchauen was fuͤr ein Weyhnacht-Brod uns GOtt
beſchert/ und mit ſeinem lieben Sohn verehrt/ zu ſchauen das wunder-
ſchoͤne und heilwerthe Schau-Brod/ ein glaubige und heilſame Brod-
Schau fuͤrzunehmen/ das alte Manna/ ſo bey Mond-Schein des alten
Teſtaments vom Himmel herab kom̃en/ verglichen mit dem neuen Man-
na/ ſo beym hellen Sonnenſchein geleuchtet/ und alſo das Fuͤrbild mit
dem Gegenbid/ den Schatten mit dem Coͤrper vergleichen/ zu lehren Fi-
dem QUÆ creditur, den geglaubten Glauben/ was wir von dieſem
Manna dem HErꝛn Chriſto und deſſen Gutthaten wiſſen ſollen und muͤſ-
ſen. GOTT der himmliſche Vater/ von dem alle gute und vollkomme-
ne Gaben von oben herab zu uns kommen/ der wolle uns Liecht und Gna-
de ſeines Heil. Geiſtes verleihen/ daß wir dieſes Brod recht eigentlich an-
ſchauen/ verſuchen und heilſamlich genieſſen moͤgen. Amen.
MAn hu?Was iſt das? Was iſt die Gab geweſt/ damit die Kin-
der Jſrael in der Wuͤſten regalirt und berathen? Antwort: Brod;
und zwar 1. Panis Verus,ein recht warhafftiges Brod/ dann ſo
wirds nicht allein klar genennet/ ſondern es iſt auch dafuͤr gehalten wor-
den/ ſonderlich bey dem Geheimnuͤß des Oſter-Lamms/ welches anders
nicht als mit Zuthun der ſuͤſſen Brod muſte gegeſſen werden. Nun hat-
ten die Jſraeliten in der Wuͤſten im andern Jahr ihres Außzugs das O-
ſterlamm gehalten/ und aber kein ander Brod als Manna gehabt. Num. 9.
v. 1. 2. 3. Darumb muß es ja Brod ſeyn geweſt/ bevorab weil die defini-
tion des Brods mit zuſtimmet/ und alle Art und Eigenſchafften eines
warhafften Brods an demſelben ſich erzeigen. Es hat die Lebens-Krafft
geſtaͤrcket/ in Fleiſch und Blut verwandelt/ und alſo Nahrungs-Tu
gend
[984]Die ſieben und dreiſſigſte
de quâ
Buxtorff.
exerc. de
Mannâ p.
341.gend an ſich gehabt/ Erat panis alimentitius non medicinalis, es war
kein Artzney-Brod/ ſondern ein Nahrungs-Brod/ gar von anderer Art als
Manna/ ſo man in unſern Apothecken hat/ die Bilioſos humores die Gall
zu vertreiben/ (*) Wie? Warumb ſagt dann der HERR/ Moſes habe
den Vaͤttern kein warhafftes Brod gegeben/ ἄρτον ἀληθινὸν, ſondern mein
Vatter gibt euch das rechte Brod vom Himmel. Antwort:
Manna war warhafftig Brod/ aber nicht das Brod/ das Chriſtus ge-
heiſſen. Es war nicht das rechte Lebens-Brod/ das das ewige Leben ge-
ben haͤtte/ in welchem Verſtand auch Chriſtus genennet wird der rech-
te Weinſtock/ Joh. 15/ 1. nicht als wann der irrdiſche Weinſtock kein
rechter Weinſtock waͤre; deßgleichen wird ſein Leib die warhafftige Huͤtte
genennet/ Hebr. 8/ 2. nicht als wann die Stiffts-Huͤtte im alten Te-
ſtament ein erdichte Traum-Huͤtte waͤre geweſen/ ſondern weil ſie nicht
die Huͤtte geweſen/ worauff jene gezielet/ in deren die Fuͤlle der Gottheit
leibhafftig gewohnet. Summa/ es war eine geiſtliche Speiß/ 1. Cor. 10/
3. welches auff eine andere geiſtliche Speiß gedeutet/ es war der Schat-
ten deß Leibes. Gleichwie ein Mahler zuvor das Bild entwirfft/ mit Bley-
v. D. Aed.
Hunn. in
Joh. pag.
m. 316.weiß abreiſſt/ hernach mit Farben illuminirt/ und das entworffene auß-
wiſcht. Alſo iſt auch im alten Teſtament nur der Schatten geweßt/
und gleichſam die erſte lineament, und nicht das lebendige Bild
ſelbſt/ und ob nun wol das rechte Manna ein rechtes/ wah-
res/ kraͤfftiges/ wahrhafftes Brod geweßt/ ſo iſt es doch kein natuͤrliches/
irꝛdi
[985]Predigt.
irrdiſches/ gemeines/ im Back-Ofen gebackenes Becken- oder Hauß-
Brod geweßt/ gleich dem unſern/ ſondern uͤbernatuͤrlich/ rahr und wunder-
ſam/ Joh. 6/ 32. Θεῖον βρῶμα καὶ παράδοξον, juxta Joſeph. und darumb
ein Himmel-Brod/ Gott der HErꝛ hat die Thuͤr deß Him-
mels auffgethan/ Pſalm. 78/ 23. 24. Er gebot den Wolcken
droben/ und thaͤt auff die Thuͤr deß Himmels/ und ließ
das Manna auff ſie regnen zu eſſen/ und gab ihnen Himmel-
Brod; Verſtehe vom Lufft-Himmel/ der Lufft-Himmel war gleichſam
der Back-Ofen/ und nicht vom Himmel GOTTES/ von wannen das
Chriſt-Brod gekommen. Jn Anſehen deſſen ſagt der HERR/ ihrer
Vaͤtter Brod ſey kein Himmel-Brod geweſen; Weil es nicht wie Chri-
ſtus aus GOttes eigenem Himmel und Schooß deß himmliſchen Vatters
entſproſſen/ wie Chriſtus. Man hu? Was iſt aber das fuͤr ein Brod/
welches Chriſtus in unſerm abgeleſenen Text ſo hoch ruͤhmet/ das rechte
Himmel-Brod/ der Antity pus, das Gegenbild und Coͤrper? Es iſt Pa-
nis Dominus, der Brod-Herr ſelbſt/ es iſt mein Fleiſch/ das ich geben
werde fuͤr das Leben der Welt/ aber nicht allein. Es iſt Chriſti nicht nur
allein Leib und Blut/ wie im Sacrament deß Abendmahls (da der Com-
municant/ allein unter dem geſegneten Brod den wahren Leib/ und mit
dem geſegneten Kelch das wahre Blut Chriſti participiret und geneuſſt/
und alſo Krafft der Einſetzung nicht der gantze Chriſtus/ nicht die Gott-
heit/ nicht die Seele Chriſti per Concomitantiam, wie unſere Gegener
ſchwermen. vid. Luth. T. 2. Isleb. p. 188. (*) Fuͤrgebende/ es werde vermit-
telſt deß Brods der gantze Chriſtus mit Leib und Blut dem Communi-
canten dargereicht/ alldieweil kein lebendiger Leib ſey ohne Blut/ und alſo
auch deß HErrn Chriſti nicht.) Und wird demnach hie nicht gehandelt
von Sacramentlicher Nieſſung/ vom Sacramentlichen Brod und
Wein/ Leib und Blut Chriſti; Sondern Jch bin das Brod deß Lebens/
und Exegeticè mein Fleiſch und Blut. Sonderlich dringet Chriſtus in
unſerm Text auff ſein Fleiſch/ das Brod/ das ich geben werde/
iſt mein Fleiſch. Lutherus will/ daß man das Wort MEJN
Fleiſch wol in acht nehme/ und mit groſſen Buchſtaben in das Hertz
hinein ſchreibe/ Mein und nicht Kalb- oder Ochſen-Fleiſch/ nicht Mariæ
Achter Theil. J i i i i ioder
[986]Die ſieben und dreiſſigſte
oder Johannis deß Taͤuffers Fleiſch/ nicht die Heiligthum eines Heiligen/
ſondern Mein Fleiſch/vide Luther. Tom. 2. Isleb. pag. 191.(*) alles
was in mir iſt/ ich Gott-Menſch/ und Menſch-Gott/ meine
menſchliche Natur/ und die einwohnende Gottheit/ das πλήρωμα Θεότη-
τος, alle Schaͤtz die in dieſer Schatzkam̃er verborgen liegen/ alle Tugenden/
alle ſafftige Troſt-Quellen/ alle merita und ſatisfactiones, Verdienſt und
Buſſen/ meine Heiligkeit und Gerechtigkeit/ mein Empfaͤngnuͤß/ Geburt/
Leyden/ Creutzigung/ Tod/ Begraͤbnuͤß/ Hoͤllenfahrt/ Aufferſtehung/ und
ſitzen zur rechten Hand Gottes/ und alles was ich der Welt zu gute gethan
und gelitten/ diß alles/ der Baum deß Lebens/ ſampt ſeinen edelen Fruͤch-
ten/ das iſt das Brod/ das ich geben werde fuͤr das Leben der Welt.
Col tobh, ſummum bonum, das hoͤchſte Gut/ und zwar panis verus,
ein recht warhafftiges/ wiewol nicht natuͤrliches Brod/ das von jenem
bedeutete Brod/ das die Krafft hat lebendig und ſelig zu machen. So
eigentlich und warhafftig jenes Brod das natuͤrliche Leben geſtaͤrcket und
fortgeſetzet/ eben ſo gewiß dienet dieſes zur Speiß und Auffenthalt ins ewi-
ge Leben. Es iſt aber panis ſupernaturalis, ſpiritualis, inviſibilis,ein
geiſtlich unſichtbares/ uͤbernatuͤrliches Brod/ ſo nicht mit leib-
lichen Vernunfft-ſondern mit erhobenen Glaubens-Augen muß ange-
ſchauet werden. Ein himmliſches Brod/ ſo nicht auß dem Lufft-
Himmel/ ſondern aus Gottes eigenem Himmel herab kommen/ aus dem
Himmel/ aus welchem die Tauffe Johannis/ aus welchem GOtt herab
fihet auff aller Menſchen Kinder/ Pſal. 14. in welchem er das Gebet erhoͤ-
ret/ den wir im Vatter Unſer verſtehen/ wann wir ſprechen: Unſer
Vatter/ der du biſt im Himmel/ aus dem Schooß deß himmliſchen
Vatters/ dadurch die Glaubige in Himmel gezogen werden/ von himmli-
ſcher Goͤttlicher Art/ ein lebendigmachendes Brod/ ein unvergaͤngliches
und durchgoͤttertes Brod/ ein durchgoͤttertes Fleiſch/ dann ſo nennets
Luthe-
[987]Predigt.
Lutherus/ und erklaͤrets mit zwar groben/ aber doch hellen/ deutlichen und
verſtaͤndlichen Figuren und Gleichnuͤſſen/ eines Zucker-Waſſers und ei-
nes glüenden Eiſens. Tom. 2. Isleb. 189. 190. \& f. 2. Wir ſetzen hinzu
die Figur/ die in unſerer Hiſtori fundirt/ deß EdelgeſteinsBdellii, oder/
wie es die gelehrten Rabbinen außlegen/ deß Cryſtalls oder Perlin. Mo-
ſes berichtet/ es ſey das Manna weiß geweßt/ wie Bdellium, vielmehr wie
der Cryſtall oder Perlin. Gleichwie nun das Perlin den Urſprung
aus dem untern Element der Erd oder Waſſer genommen/ aber ein himm-
liſches Liecht und Glantz leuchtet in derſelben/ es iſt von dem inwohnenden
Liecht durchleuchtet/ und durchſichtig gemacht/ von groſſer Krafft und
Tugend/ und deßwegen precios und koͤſtlich iſt; Alſo iſt Chriſtus ein ſol-
ches koͤſtliches Perlin/ mit dem er ſich ſelbſt verglichen. Matth. 13/ 45. 46.
nach der menſchlichen Natur von der Erd/ aber von der Goͤttlichen Natur
durchgoͤttert und durchleuchtet/ dergeſtalt/ daß er zwar unter uns gewoh-
net/ wie ein ander Menſch/ (*)aber wir ſahen ſeine Herrlichkeit/
als deß eingebornen Sohns vom Vatter/ wir ſahens in den un-
erhoͤrten Miraculn/ wir ſahens auff dem heiligen Berg/ Matth. 17. Da
er von Gott dem Vatter empfieng Ehre und Preiß durch ei-
ne Stimme/ ſo zu ihm geſchach von der groſſen Herrlichkeit/
2. Petr. 1/ 16. 17. Hie mag ſich Cleopatra Koͤnigin in Egypten verkriechen
mit ihrer Union oder Perlin/ welche ſie mit Eſſig macerirt und zerflieſſen
laſſen/ damit ſie Antonium ihren Liebſten tractirt/ ſo auff hundert tauſend
Gold-Cronen geſchaͤtzet worden.
Wir fahren weiter fort und fragen noch einmahl Man hu?Was
iſt das? Antwort: Ein gutes Brod. Das Moſaiſche Manna/
J i i i i i 2weil
[988]Die ſieben und dreiſſigſte
weil es ein warhafftes Brod geweßt/ ſo iſt es auch Panis bonus, ein feines/
liebliches und ſchoͤnes gutes Brod/ Engel-Brod/ wie es Aſſaph nennet
Pſal. 78/ 25. Sap. 16/ 20. zwar klein nach der Quantitaͤt/ ſo klein wie
Reiff-Tropffen/ ſo auff dem Graß liegen; (*) Aber compenſirt und
erſetzt durch die Menge. Dann es taͤg ich in unſaͤglicher und unglaͤubi-
ger Menge nicht Tropffen-ſondern gleichſam Strohms-weiß uͤber die
Laͤger herunter geregnet/ und ſechs hundert tauſend Mann taͤglich geſpei-
ſet viertzig Jahr lang: Rund/ und nach der Figur wie Coriander/
in vollkommener Geſtalt/ liecht/ hell und klar/ wie Perlin und Cryſtall/
und wann es von den Sonnen-Strahlen zerſchmoltzen/ anzuruͤhren ſo
weich wie Butter/ wann mans aber bey zeiten fruͤh vor der Sonnen Auff-
gang auffgehaben/ und in die Schattichte Huͤtten gebracht/ ſo war es ſo
hart/ daß mans mit Muͤhlen zermahlen und im Moͤrſer zerſtoſ-
ſen mußte. Num. 11/ 8. faſt wie Wachs/ oder die Eyer-Schalen/ de-
ren jenes/ je weiter es vom Feuer iſt/ je haͤrter es wird/ dieſe allweil ſie in
dem Eyerſtock/ und in der Hennen Leib liegen/ gantz zart und weich/ her-
nachmals aber ſo hart werden/ daß man ſie zerſtoſſen oder zerbrechen muß.
Saporedem Geſchmack nach/ fett wie Oel-Kuchen/ und daher
ſuͤß wie Honig mit Semmel gemenget/ und durchzogen/ was
iſt aber ſuͤſſer als Honig? Jud. 14/ 18. Syrach 11/ 3. Es fuͤhret zwar
der weiſe Mann Sap. 16/ 20. eine ſonderbare Meynung/ und ſchreibt/
es habe beſagtes Himmel-Brod vermocht allerley Luſt zu ge-
ben/ und war einem jeden nach ſeinem Geſchmack eben/ der
Verſtand iſt dieſer/ wonach einen ein Luſt ankommen/ ſo kunte er ihn an
dem Manna buͤſſen. Hatte er Luſt nach Eyern/ ſo ſchmackte es wie Eyer/
bekam er Luft zu Fiſchen/ ſo hatte das Manna eben dieſen Geſchmack/
moͤchte er Wildprett/ Citronen/ Melonen/ Lauch/ Knoblauch/ Aepffel
Birn/ Trauben/ ꝛc. eſſen/ ſo hatte das Manna allen dieſen Geſchmack
von ſich gegeben. Weil aber Moſes von keinem andern/ als Einem Ge-
ſchmack/ nemlich wie Semmel mit Honig vermenget/ berichtet/ zumah-
len der geſunden Vernunfft zu wider/ und uͤber das auch die Jſraeliten ei-
nen Eckel ab dem Manna/ als einer loſen Speiß/ bekommen/ ſich beklag-
ten uͤber den Fleiſch-Mangel/ und ſich nach den Toͤpffen Egypti wieder ge-
ſehnet/
[989]Predigt.
ſehnet/ Num. 11/ 5. da ſie Fleiſch/ Zwibeln/ Knoblauch und dergleichen in
aller Fuͤlle gehabt/ alſo daß ihnen ihre Luſt zu buͤſſen der allerhoͤchſte GOtt
Wachteln zugeſchickt/ deſſen allen ſie keine Ration und Urſach gehabt haͤt-
ten/ wann deß weiſen Mannes ſeine Meynung Statt und Platz haͤtte/
daß das Manna allen Luſt haͤtte ſaͤttigen koͤnnen/ daß alſo der Apocry-
phus dem Canonico, der junge Sophus dem alten Propheten Moſi/ als
dem Oceano Prophetarum hierin weichen muß. Wiewol Lutherus ſich
in das Mittel geſchlagen/ und beyde mit einander conciliirt und vergli-
chen/ in der Rand-Gloß ad Sap. 16, 17. das iſt/ man kont es machen/ wo-
zu man wolt/ backen/ braten/ ſieden/ kochen/ duͤrren/ und uͤber alles aber
iſt das Manna auch ein fuͤrtrefflich gutes Brod geweſen/ weil es im ge-
ſunden Verſtand ein lebendiges/ ja lebendigmachendes Brod geweſen/
in welchem Verſtand auch ein lebendiges Waſſer heiſſet/ das nicht faul und
ſtill iſt/ ein wuͤſtes Froſch-Bad/ ſondern das immer friſch quillet und da-
her laͤufft: Solcher maſſen war das Mann ein lebendiges/ friſches/ ge-
ſundes/ kraͤfftiges/ nicht ſchimmliches/ abgeſchmacktes/ ſtinckendes und
Wurmſtichiges Brod/ ſo lang es recht und nicht wider GOttes Ord-
nung genoſſen worden/ dann ſonſt wann was uͤbergelaſſen worden/ ſo
wurde es ſtinckend/ und wuchſen Wuͤrme darin. Darneben hat dieſes
Brod nicht zwar ihnen den Jſraeliten Anfangs das Leben gegeben/
doch continuirt und erhalten/ die Kraͤfften/ Lebens-Geiſt/ und Lebens-
Balſam/ Lebens-Safft und Krafft/ ſo durch das viele Reiſen/ Wallen
und Bemuͤhung taͤglich abgenommen/ iſt durch den Lebens-Balſam/ den
GOtt der HErr dem Manna eingepflantzt/ wiederum compenſirt und er-
ſetzt worden.
Man hu? Wie gut/ lieblich und fein der Antitypus und das Ge-
genbild? die geiſtliche Seelen-Speiß/ das rechte Himmel-Brod/ JEſus
Chriſtus unſer Heyland? umb wie viel beſſer der Kern als die Spreu/
der Coͤrper als ſein Schatten/ das Ertzbild als ſein Contrafalt/ umb ſo
viel auch dieſes vor jenem irrdiſchen Manna/ und zwar auch gut uͤber
gut: der rechte Engel-Suͤß/ davon die Engel ihre Ergetzlichkeit gehabt/
kein Hungeriger iſt ſo begierig nach der Speiß/ als die Engel nach dieſem
Geheimnuͤß in daſſelbe zu ſchauen. Der kleineſt zwar im Himmel-
reich im Stand ſeiner Erniedrigung/ Matth. 11/ 11. Aber ſein guͤldener
Gnaden-Regen hat nicht allein das gantze Hauß/ Act. 2. ſondern auch
die gantze Welt erfuͤllet/ nachdem die Apoſtoliſche Wolcken ſich ergoſſen/
und er alles mit Gaben erfuͤllet. Rund und vollkommen/ das rech-
te und vollkommene Schalom, die Cron und Compliment aller himmli-
J i i i i i 3ſchen
[990]Die ſieben und dreiſſigſte
ſchen Guͤter/ Er iſt das allerſchoͤnſte/ durchſichtige Perlin. Er iſt in der
Paſſion unter der Angſt- und Schmertz-Muͤhlen gedruͤckt/ zuknirſchet
und zerſtoſſen/ und unter dem Moͤrſer ſeiner Creutzigung zerrieben/ und
am Creutzes Stamm in heiſſer Lieb gebacken worden/ ſo kan man ihn auch
auff mancherley Weiß fuͤrtragen und annehmen. Geluͤſtet jemand
nach ſuͤſſer Honig-Speiſe/ was iſt ſuͤſſer als der Name JEſus/ und was
darunter begriffen? ſein ſuͤſſes Evangelium/ das lauter Milch und Ho-
nig/ ſo durch die Suͤſſigkeit/ die von dem Freſſer gegangen/ abgebildet wor-
den. Hat jemand Luſt eine ſchoͤne Muſic zu hoͤren/ ſein Name iſt das al-
lerlieblichſte Melos. Hat jemand appetit nach einem koͤſtlichen wolrie-
chenden Balſam: Sein Nam iſt eine außgeſchuͤttete Salbe/ der rechte
Baum deß Lebens/ ſponſus animæ, der Seelen-Braͤutigam/ und Jung-
frauen-Blum/ als die edle Lilien/ von deren wir ſingen/ das rechte Su-
ſaninne ſchon. Man kan von ihm leſen/ hoͤren/ meditiren/ confitiren/
ſingen/ ruͤhmen/ betten/ und nachdem einem jeden anliegt/ Troſt bey ihm
ſuchen/ in ſeinen Evangeliſchen Troſt-Spruͤchen. Man kan allerhand
Exempel der Tugenden von ihm lernen. Summa/ er iſt τὸ πᾶν. Son-
derlich aber iſt das Brod Chriſti genannt/ das rechte lebendige und leben-
digmachende Brod; Er ſagt ſelbſt: Jch bin das Brod deß Le-
bens/ fuͤgt die Außlegung mit an: Jch bin das lebendige Brod/
wie der Vatter (ſind Chriſti Wort Joh. 5/ 26.) das Leben hat in
ihm ſelber/ alſo hat er dem Sohn gegeben das Leben zu haben
in ihm ſelber/ wie er Gottes eigenes Leben durch die ewige Geburt/ alſo
hat er auch die Perſoͤnliche Krafft hierin verborgen/ eben daſſelbe Leben
nach der menſchlichen Natur empfangen/ beſeſſen/ genoſſen/ und ſein Leib
im Grab keine Verweſung geſehen/ ſampt der lebendigmachenden Krafft/
durch welche er nicht nur andere/ auſſer ihm/ ſondern auch ſich ſelbſt hat le-
bendig gemacht/ ſein Fleiſch iſt die rechte Quelle/ Leben aller Leben/ deß
natuͤrlichen/ geiſtlichen/ Gnaden- und ewigen Lebens. Wie kommt dann
Piſcator dazu/ daß er in der vergiffteten Herborniſchen Bibel an die Wort
Chriſti/ das Fleiſch iſt kein nůtz/ dieſe Gloß anſchmieren und anklittern
doͤrffen/ das Fleiſch/ nemlich mein Fleiſch/ nutzet nichts/ verſtehe
lebendig zu machen durch leibliche Nieſſung? davon aber mit
naͤchſtem.
Aller guter Ding muͤſſen drey ſeyn. Wir fragen zum dritten mahl:
Man hu?Was iſt ferner an dem Moſaiſchen Manna zu obſerviren
und zu mercken geweßt? Antwort: Unitas neceſſaria,es iſt die einig
noͤthige Speiß geweßt/ daß wer nicht davon eſſen wollen/ nothwendi-
ger
[991]Predigt.
ger weiß muͤſſen ſterben; und zwar von allen andern Speiſen unterſchie-
den/ an deren ſie genug gehabt/ und ſo viel ein jeder bedurfft/ viel oder we-
nig fuͤr ſeine Haußhaltung/ ſo viel hat er geſammlet/ was ein geſunder
Magen vertragen mocht/ und hat/ der ſo viel geſammlet/ nichts uͤbrigs/
der wenig/ nichts zu wenig gehabt/ Exod. 16/ 18. alles proportione Geo-
metrica, wer eine Haußhaltung hat gehabt/ e. g. von 12. Perſonen/ der
hatte zu 12. Gomor/ wer fuͤr 6. Perſonen hatte eingebracht/ der hatte zu 6.
Gomor/ und alſo fortan. Es war panis ἔτοιμος, Sap. 16/ 20. bereit
vom Himmel/ ohne Arbeit/ περιοὺσιος, Gen. 28 20. (*) ἐφὴμερος, σιτο-
μέτριος, der beſcheidene Theil/ Luc. 12/ 12. Matth. 24/ 45. von an-
dern Speiſen unterſchieden/ vid. Buxtorf. loc. cit. pag. 359. (*) dadurch
ſie vor Kranckheit und Faͤule verwahret worden. Deut. 29/ 5. 6. Er hat
euch viertzig Jahr in der Wuͤſten laſſen wandeln/ euere Klei-
der ſind an euch nicht veraltet/ und dein Schuh iſt nicht ver-
altet
[992]Die ſieben und dreiſſigſte
altet an deinen Fuͤſſen. Jhr habt kein Brod geſſen/ und
keinen Wein getruncken/ noch ſtarck Getraͤnck/ auff daß du
wiſſeſt/ daß ich der HErr euer Gott bin. Wann ſie dieſes Brod
geſſen/ hat ſie weiter nicht gehungert/ dann ſie kunten ſich ſatt eſſen. Wiewol
de facto durch die Luſt-Seuche undanckbare grobe Leut ſich nicht ſaͤttigen
wolten/ ſondern zum Uberfluß nach Fleiſch ſchryen der HErr hat ihnen im
Zorn ſo fern willfahrt/ daß er ihnen Wachteln kommen ließ/ daran
ſie aber den Tod gefreſſen haben. So haben ſie auch auß Goͤttlicher Ver-
haͤngnuͤß Speiß gekaufft/ Deut. 2/ 6. Joſ. 1/ 11. Aber Manna war das
Muß eſſen/ ſie muſten es eſſen/ wolten ſie anders ihre vorhabende
Reiſe außmeſſen/ das Land Canaan friſch und geſund erreichen/ ihre ab-
gemattete Kraͤffte wieder erfriſchen/ und nicht erliegen und ſterben/ wo
nicht? wolt ihr euch außhungern/ ſo werdet ihr Moͤrder an euch ſelbſt.
Da es auch dahin kommen/ daß ihnen das Manna nicht mehr munden
wollen/ da ihre Seele geeckelt/ als ab einer loſen Speiſe/ ſo find die gifftige
Schlangen herfuͤr gewiſcht/ dieſelbe ſchmertzlich gepeiniget und erwuͤrget/
Num. 11. und 21.
Man hu?Was iſt aber derAntitypus,das Gegenbild? Chri-
ſtus antwortet ſelbſt/ das unum neceſſarium, das beſte Theil/ den Ma-
ria erwaͤhlet/ Luc. 10. ja freylich/ das unicè unicum, auſſer welchem kein
Heyl noch Leben/ unum diviſum ab aliis, von allen den Speiſen/ Mitteln
Alle Predigt und Lehren/ die uns nicht fuͤrbringen und fuͤrbilden JEſum
Chriſtum/ die ſind nicht das taͤgliche Brod und Nahrung unſerer Seelen/ ſie
muͤſſen auch nicht helffen in einiger Nothdurfft und Anfechtung. Luth. Tom. 6.
Witt. pag. 46.
und Artzneyen unterſcheiden/ welche von der blinden Vernunfft erdacht
worden/ dem ewigen Tod zu entfliehen/ und das ewige Leben zugewinnen.
Er allein will die Koſte ſeyn/ und die Seele allein ſpeiſen/ kein ander Fleiſch
thuts/ als mein eigen Fleiſch/ ſagt er/ nicht dein Fleiſch/ das gehoͤret
ἔξω hinauß/ auch nicht Mariæ Fleiſch und Blut. (*)Unicè ſuffi
wol
[993]Predigt.
(*)
ciens, ein vergnuͤgende Speiß/ ſo weder zu viel noch zu wenig iſt/ zu viel
glauben/ das nicht geoffenbahret iſt/ iſt Aberglaub; zu wenig/ iſt Unglaub/
und alles nach der Proportion des Mundes und Magens. Einem Kind
muß man die Speiß lactificiren/ einem andern ſtarcke Speiſe geben/ ei-
nem jeden aber ſatt und volle Gnuͤg/ ſo viel ein jeder bedarff/ nicht nur in
geſunden/ ſondern auch in krancken Tagen/ daß er nicht hungere/ dann
wer zu mir kommt/ den wird nicht hungern/ und wer glaubt/
den wird nicht duͤrſten/ er wird gnug haben/ daß er keines andern
Trancks wird beduͤrffen/ oder de jure begehren. Gleichwie einer heilſa-
men Apotheck wol anſtehe/ nicht allein koͤſtliche Bezoar und Perlin-
Waſſer/ fuͤr die in Hinzuͤgen liegen/ zu gebrauchen/ ſondern Artzney von
allerhand ſpeciebus, Arten und Gattungen/ auff allerhand Faͤll und Bre-
ſten. Alſo iſt nicht genug zu wiſſen/ was im letzten agone, Abdruck und
Noth-Knopff von noͤthen/ da man ſich etwa mit einem einigen/ ſafftigen uñ
kraͤfftigen Macht-Spruch behilfft/ ſondern was die gantze Zeit Lebens uͤber
in allerhand Anfechtungen/ deren viel tauſenderley Faͤllen/ dienen kan/ zu Er-
haltung des geiſtlichen Lebens/ zu Ruh/ Fried und Freud des Gewiſſens/
die Seele zu naͤhren/ und ſich zu wehren wider die Schatz-Raͤuber/ richtig
und troͤſtlich zu glauben/ kindlich und zuverſichtiglich zu beten/ Chriſt-ge-
wiſſenhafft zu leben/ tapffer und ritterlich zu kaͤmpffen/ und endlich ſelig zu
werden/ da iſt eine gantz vollkommene χριϛοσοϕία vonnoͤthen/ und laͤßtvid. Luth.
Tom 6.
Witt. pag.
129.
ſie hie nicht halbiren und ſtuͤmpeln/ etliche Articul außſetzen. Der geglaub-
te Glaub iſt torques aurea, eine guͤldene Kette/ da alle Gleich ordentlich an-
einander hangen/ loͤſet man ein Gleich/ ſo bricht nach und nach die gantze
Kette. Er iſt gleich einem Schiff/ wann man das Schiff in der Mitten
voneinander ſchneidet/ ſo iſt es kein Schiff mehr. Athanaſii Symbo-
lum lautet gar hart/ Wer da wil ſelig werden/ der muß vor allen
Achter Theil. K k k k k kDin-
[994]Die ſieben und dreyſſigſte
Dingen den rechten Chriſtlichen Glauben haben/ wer denſel-
ben nicht gantz und rein haͤlt/ der wird ohn Zweiffel ewig ver-
lohren ſeyn. Zwar fides quæ credit, der glaubende Glaub hat ſeine
gradus nach der Proportion der Gaben/ einer muß mehr wiſſen/ und fe-
ſter gruͤndlicher gewurtzelt ſeyn/ als der andere/ der Theologus muß mehr
wiſſen als ein gemeiner Chriſt/ der Edelmann mehr als ſein Baur/ uñ geht
hie nicht an/ ich begehr nicht mehr zu glauben/ als der geringſte meiner
Unterthanen/ warumb nicht auch ſo gering eſſen und trincken/ als der-
ſelben einer? 3. Neceſſarium neceſſitate non ſolum mandati, nicht nur
noͤthig wegen des Gebots/ da er befohlen: Wuͤrcket Speiſe/ nicht
die vergaͤnglich/ ſondern die da bleibet in das ewige Leben/
welche euch des Menſchen Sohn geben wird. Joh. 6/ 27. Das
iſt das Werck Gottes/ das er von euch fordert/ daß ihr glaubt
an den/ den er geſandt hat. v. 29. Sondern auch ratione medii, und
das affirmativè und negativè. Joh. 6/ 54. 55. Wer mein Fleiſch iſ-
ſet/ und trincket mein Blut/ der hat das ewige Leben/ und ich
werde ihn am juͤngſten Tag aufferwecken/ dann mein Fleiſch
iſt die rechte Speiß/ und mein Blut iſt der rechte Tranck/
\& v. 53. Warlich/ warlich ich ſage euch/ werdet ihr nicht eſſen
das Fleiſch des Menſchen Sohns/ und trincken ſein Blut/
ſo habt ihr kein Leben in euch. Werdet ihr nicht eſſen/ euch geiſtlicher
Weiß zu erquicken/ in Anfechtungen/ Schwermuth/ geiſtlicher Ohnmacht/
eure Spiritus zu erfriſchen/ die Lebens-Adern zu ſtaͤrcken/ das geiſtliche Le-
ben/ das rechtſchaffene Leben in Chriſto JEſu/ Gal. 2/ 20. (enim non eſt
vivere, ſed valere vitâ) das Wol-Leben/ vita Sabbat hica, des gantz ruhi-
gen Gewiſſens/ das heilig/ herꝛlich und liebliche/ das unſterbliche ewige Le-
ben/ dazu ihr erſchaffen/ erloͤſt und geheiliget/ wo nicht? Wollt ihr euch auß-
hungern/ ſo werdet ihr Moͤrder an euerer Seelen/ feurige Schlangen
werden euer Gewiſſen verwunden/ nagen und plagen hie/ dort aber in der
ewigen Pein/ hoͤlliſche/ ungeheure/ groſſe Feuer-Drachen. Woraus a-
bermal erhellet/ daß Chriſtus nicht redet von dem Sacramentlichen Eſ-
ſen und Trincken/ als welches nicht bloß noͤthig.
Man hu, das iſt das himmliſche Manna das wir eſſen/ das zu Bethle-
hem deponirt? Hæc fides, quæ creditur. Hæc Eleemoſyna divina,
das Goͤttl. Allmoſen/ wol wuͤrdig und werth/ daß man ihm dafuͤr dancke/
nicht bloß mit dem Mund/ dann es damit nicht außgericht/ wañ wir ſingen
und ſagen: Gelobet ſeyſt du Jeſu Chriſt/ daß du Menſch geboren
biſt; Deß freut ſich alle Chriſtenheit/ und danckt ihm deß in
Ewig-
[995]Predigt.
Ewigkeit. Fuͤr ſolche Gnadenreiche Zeit/ ſey GOtt gelobt
in Ewigkeit.In dulci jubilo,Nun ſinget und ſeyd froh/ ꝛc.
ſondern dancken nim̃t das gantze Hertz ein; gleichwie er ſich uns gantz ge-
geben/ alſo fordert er wiederumb den gantzen Menſchen und das gantze
Hertz (Gib mir mein Sohn dein Hertz/ Prov. 8. ſagt die himmli-
ſche Weißheit) mit allen ſeinen Affecten und Effecten/ ſchauen/ ſchaͤtzen/
waͤhlen/ lieben/ leyden/ und zwar 1. Theoriam, bey dem allerheiligſten
Schau-Brod iſt auch die Brod-Schau von noͤthen/ Engliſche Luſt und
Begierd in das Geheimnuß hinein zu ſchauen/ daß man Gottes Herꝛlig-
keit ſehe/ und ſchaue was Gott hat beſchehrt. Da muͤſſen nun die Augen auf-
gethan werden/ nicht zwar die Vernunffts-Augen/ als denen es alles gantz
paradox und ungereimt fuͤrkommt/ und vielmehr geblendet/ als erleuch-
tet werden/ es bleibt bey ihr ein verborgenes Manna; Sondern mit erho-
benen Glaubens-Augen/ die einig und allein an Gottes Wort behangen.
Der Glaub iſt eine gewiſſe Zuverſicht deß man hoffet/ und nicht zweiffelt
an dem/ das man nicht ſihet. Hebr. 11. Daher D. Luther ihm kein ander
Geſicht gewuͤnſcht. Alldieweil der Teuffel wol ſo geſchickt/ daß er einvid. Luth.
Tom. 3.
Lat. p. 434.
f. 2. Tom. 2.
Isleb. pag.
741. f. 2.
ſolch Geplerꝛ und Geſpenſt kan fuͤr die Augen machen/ dann kan er ſich in
einen Engel des Liechts verſtellen/ warumb nicht auch in die Geſtalt des
HErꝛn Chriſti? Wie er dann Matth. 4. in ſolcher Majeſtaͤtiſchen Geſtalt/
und nicht wie man ihn pflegt abzumahlen/ ſcheutzlich und mit langen
Hoͤrnern/ ſondern als ein gantz Goͤttlicher Teuffel/ der die ἀπόθεωσιν und
die Ehr der Anbetung von ihme geſucht. Eben das kan er noch auff den
heutigen Tag. Aber Trutz ſey ihm geboten/ daß er alſo mit dem Wort
koͤnne ſpielen und gaucklen. Das Wort fehlet nicht/ der Glaub treugt
nicht. Alſo wirſt du ſehen die Herꝛligkeit dieſes Manna.
2. In ſenſu Electio \& Sequeſtratio, iſt dieſes Brod/ wie wir gehoͤrt/
ein gutes/ geſundes/ heilſames/ außerwaͤhltes Brod; Hinweg derowe-
gen mit allen heilloſen/ ſchimmelichen/ faulen Speiſen/ ſo theils die Ver-
nunfft erdacht/ die ſuperſtition erhoben/ die Krafft der Luͤgen in die Hertzen
der Menſchen eingeſenckt. Hie iſt warhafftig einer guten Chur und
Chriſt-klugen Wahl von noͤthen/ daß wir nicht Stein fuͤr Brod/ Schlan-
gen fuͤr Fiſch/ und Scorpionen für Eyer annehmen/ und uns beybringen
laſſen. Jm Pabſtthumb iſt der falſchen Brod kein Ort und kein End/ ſo
viel ſuperſtitiones und ſuperfœtationes(*) und Heiligthumb/ ſo viel
K k k k k k 2merira,
[996]Die ſieben und dreyſſigſte
merita, Buſſen/ flagellationes. Sonderlich werden die arme Leut ver-
blendet mit der Hoſtia in der Monſtrantz/ dem Idolo panaceo, dem
Brod-Goͤtzen/ in dem Sacrament-Haͤußlein/ ſo ſelbigen armen blin-
den Leuten wird vorgetragen/ denſelben anzubeten/ mit Vorwand/ hie ſey
Chriſtus/ da ſey er reſervirt/ da es doch in Warheit nichts als ein laute-
res Brod iſt. Gleichwie das Manna nicht durffte reponirt und auff
den morgenden Tag reſervirt oder aufbehalten werden/ es war den andern
Tag kein gutes/ annehmliches Brod mehr/ ſondern es hat gefaulet und
geſtuncken/ Wuͤrme ſind darin gewachſen: Alſo auch das Sacrament-
liche Manna iſt auſſer dem Sacramentlichen Gebrauch kein nuͤtz/ es iſt
Brod/ wie ein ander gemein Brod/ und derowegen des Anbetens nicht
faͤhig. Noch dennoch iſt der Jrꝛthumb ſo kraͤfftig/ daß man den Augen
Gewalt anlegt/ und das wahre Brod fuͤr kein Brod halte/ ſondern glau-
bet/ es ſey der wahre GOtt allda in dem Monſtrantz-Haͤußlein anzutref-
fen. Welcher Maſſen auch der edle Held Rudolphus/ Graf von
Habſpurg der erſte Roͤmiſche Kaͤyſer dieſes Namens angefuͤhrt und
verfuͤhrt worden/ welches Lipſius in ſeinen Monitis Polit. erzehlt pag. 9.
ohngefaͤhr mit dieſen Worten: (*) Jſt aber fallacia à causâ ut causâ,
ein ſolcher Betrug/ da das jenige/ das doch die rechte Urſach nicht iſt/
fuͤr eine wuͤrckende Urſach angegeben und gehalten wird. Nicht an-
ders als vor Zeiten die abgoͤttiſche Juden gethan. Hoſe. 2/ 8. Wann der
GOtt Jſrael ihnen Moſt/ Korn/ Oele/ Silber/ Gold/ Flachs und anders
dergleichen gegeben/ ſo haben ſie gemeynet/ der Dienſt/ damit ſie die Me-
lechet des Himmels/ oder den Baal verehret/ werde ihnen durch den-
ſelben Goͤtzen belohnet. Jm Gegentheil/ wann ihnen Ungluͤck an
Korn/ Moſt/ Oele/ ꝛc. zugeſtanden/ allerhand Kriege ſich erreget/ hat das
muͤſſen
[997]Predigt.
müſſen die Schuld haben/ daß ſie dem Baal nicht wie zuvor in gleichem
Eyfer gedienet. Wann derowegen die Paͤbſtler mit den Vaͤtern auffge-
zogen kommen und fuͤrgeben: Unſere Vaͤter haben dieſe Speiſe geſſen/
fuͤr gut angeſehen/ Chriſtum in der Hoſtia/ auſſer dem Sacramentlichen
Gebrauch geſucht/ verehrt; Unſere Vaͤter haben die Himmels-Koͤnigin
als eine Brod-Mutter angebeten; ſo iſt es noch nicht ſo gut entſchuldi-
get/ als die Juden zu Capernaum gethan/ und geſagt: Unſere Vaͤter
haben Manna gegeſſen/ welches Manna GOtt der HErꝛ ſelbſt gebotten.
Aber von dem Paͤbſtiſchen Goͤtzen-Brod weiß Gottes Wort umb ſo viel
deſto weniger/ weil es gar neue und junge Vaͤter ſind/ die allegirt werden/
zu vergleichen mit den Gibeoniten Joſ. 9. die ſich dergleichen geſtellt/ als
kaͤmen ſie mit ihrem harten und ſchimmelichen Brod gar von fernen wei-
ten Landen her/ da ſie doch von den nechſtgelegenen Voͤlckern außgezogen;
Alſo prangen die Papiſten mit ihren Vaͤtern/ die doch nicht weit her/ und
uͤber zwey oder dreyhundert Jahr nicht alt. Die uͤbel reformirende Re-
formirten haͤngen den Brod-Korb gar zu hoch/ verwandeln den Advent
Chriſti zu uns hernieder auff Erden/ in einen Glaubensſchwang von der
Erden gen Himmel (*) machen aus Tag Nacht/ und lehren nicht an-
ders mit dem Fleiſch Chriſti umbgehen/ als Moſes und andere Glaubige
mit dem Manna/ es ſey daſſelbige im H. Abendmahl nicht im Brod/ ſon-
dern Fuͤrbildsweiß am Brod/ Epicuri de grege porci, denen der Bauch
ihr GOtt/ die ruffen/ fuͤr Himmel/ Mehl her! gute niedliche Bißlein/
koͤſtlicher Wein/ ihnen eckelt ab dieſer Speiß/ man hoͤrt nicht davon
reden/ da man doch bey Mahlzeiten mit dieſer Lehr alle Geſpraͤch wuͤr-
K k k k k k 3tzen
[998]Die ſieben und dreyſſigſte
tzen ſolte/ weil unſer πολίτευμα im Him̃el. Bey Beſuchung der Krancken
ſolte man offtmal die beſte Gelegenheit haben/ von ſolchen hochtroͤſtlichen
Geheimnuͤſſen zu reden: Gleichwie auch Chriſtus offtmal è re natâ
Gelegenheit und Anlaß genommen die Geheimnuͤß deß Reichs Gottes
zu offenbahren/ aber da redet man vielmehr von weltlichen Zeitungen/
und wann man gleich wolte von was anders reden/ ſo hoͤrt mans nicht
gern/ man meynet gleich/ man muͤſſe ſterben/ ſolche Welt-Chriſten ſind
wir. Man nimmt fuͤr lieb mit Kaͤß und Brod/ haͤlt dafuͤr/ es ſeyen ho-
he Sachen/ die eben nicht ſo noth ſind/ und gehet eben dem Him̃el-Brod/
wie dem gemeinen Haus-Brod; Jſts unwerth/ ſo tritt man es mit
Fuͤſſen/ denckt nicht/ was es ſey. Alſo gehets dem HErꝛn Chriſto auch ge-
meiniglich. Aber der Mangel ruͤhmet den Schatz. Wie viel tauſend
arme Seelen ins Pabſtthumb gezogen/ ſehen allererſt was ſie gehabt ha-
ben/ nachdem ſie es verlohren. (*) GOtt behuͤte/ daß nicht die Poſteri-
taͤt uͤber ſolchen Brod-Hunger klagen muͤſſe/ wie in manchem deformir-
ten Ort geſchicht/ und nicht Lutherus weiſſagen muͤſſe/ und die Weiſſag
ein Wahrſagung werde. (Tom. 2. Isleb. pag. 199. f. 2.) Derhalben gleich
wie wann einem Koͤnige die Tafel gedeckt wird/ da alles vollauff/ delicat
und koͤſtlich/ und aber der Medicus ſagte: Jhre Majeſtaͤt wolle bey dieſer
eintzigen Tracht bleiben/ die iſt ihr geſund/ varietas ciborum cauſa eſt
morborum: ſo folgt er. Alſo haͤtten auch die Kinder Jſrael nach ihrem
Knoblauch/ Fleiſch/ Fiſch/ ꝛc. nicht ſollen luͤſtrig werden/ mit dem Man-
na ſich begnuͤgen/ welches Jſraels Artzt/ der geſagt: Jch bin der HErꝛ
dein Artzt/recommendirt/ ſo waͤren ihr nicht bey ſo viel tauſend in der
Wuͤſten niedergeſchlagen worden: Alſo haͤtte unſere erſte Mutter nicht
eſſen ſollen von dem Baum der Erkaͤntnuß guten und boͤſen/ ſondern zu-
forderſt von dem Baum des Lebens. Weil ſie aber nicht recht gewaͤhlet/ ſo
hat ſie ihr und uns den ewigen Tod an den Hals gefreſſen. Viel beſſer
der
[999]Predigt.
der Fuͤrſtliche Prophet Daniel mit ſeinen Geſellen/ der ſich contentiren
laſſen mit Zugemuͤſſen/ bedancket ſich der Koͤniglichen Tractamenten. Al-
ſo ſollen wir auch vor allem Jrꝛdiſchen das einige noͤthige erwaͤhlen. De-
rowegen mit David ſprechen Pſ. 27/ 4. Eins bitte ich vom HErꝛn/
das haͤtte ich gern/ daß ich im Hauſe des HErꝛn bleiben moͤ-
ge mein Lebenlang/ zu ſchauen die ſchoͤne Gottesdienſt des
HErꝛn/ und ſeinen heiligen Tempel zu beſuchen. Pſal. 86/ 11.
Erhalte mein Hertz bey dem einigen/ daß ich deinen Namen
fuͤrchte/ das iſt/ erkenne und ehre. Aſſaph Pſal. 73/ 25. Wann ich nur
dich habe/ HErꝛ/ ſo frage ich nichts nach Himmel und Er-
den. Paulo 1. Cor. 2/ 2. nichts wiſſen/ ohn allein JEſum Chri-
ſtum den Geereutzigten/ das ander alles für σκύϐαλα, Dreck ach-
ten/ Philipp. 3/ 8.
III. In effectu, nicht nur dem Hungerigen das Brod brechen/ und
dem armen duͤrfftigen Neben-Menſchen gern Allmoſen mittheilen/ ſon-
dern auch die Auffopfferung ſein ſelbſt. Gleichwie der H. Jgnatius/ als
er jetzt zu Rom auffs Theatrum ſolte gefuͤhret/ und den wilden Thieren
zu zerreiſſen fuͤrgeworffen werden/ dieſe Wort geſchrieben: Σῖτος εἰμὶ του̃
Θεου̃: καὶ δἰ ὀδόντων θηρίων ἀλήθομαι, ῖνα καθαρὸς ἄρτος Θεου̃ ἑυρεθῷ. Jch
bin ein Weitzen-Korn Gottes/ das durch die Zaͤhn der wil-
den Thiere muß zermahlet werden/ auff daß ich ein reines
Brod fuͤr GOTT erfunden werde. Alſo wer ſeinem HErꝛn
Chriſto treu iſt/ der ſitzt in der Welt/ wie Daniel in der Loͤwen-Grub/
und muß den wilden Loͤwen und Baͤren unter die Zaͤhn/ und muß ſich
durch allerhand Calumnien zermalmen und zerreiben laſſen. Das heiſt
recht dancken/ und fuͤr ſolche gnadenreiche Chriſt- und Advents-
Zeit GOtt loben und lieben in Ewigkeit.
AMEN.
GEliebte in Chriſto.Salve Bethlehem, domus Pa-
nis, in qua natus eſt ille panis qui de cœlo deſcen-
dit,Sey gegruͤßt du liebes Bethlehem/ du Brod-
Haus/ in welchem das jenige Brod gebohren/
welches vom Himmel kommen iſt. Mit die-
Hieron, in
vita S. Pau-
læ.ſem Gruß-Wunſch hat vor Zeiten Anno 480. ohn-
gefaͤhr Paula die edle Roͤmerin/ ein Chriſtliche Matron und Gott-
ſelige Tugend-Cron/ als ſie in ihrer Wahlfahrt von Rom aus/
das Staͤdtlein Bethlehem erreicht/ gegruͤßt und angeſprochen. Salve
Bethlehem \&c. Sey gegruͤßt du liebes Bethlehem/ ꝛc. Bethlehem ſag ich/
Nicht 1. Judaica, nicht mehr das Juͤdiſche/ unglaubige/ undanckbare/
und im Unglauben erſoffene Bethlehem/ welches das groſſe Heiligthumb
und koͤſtliche Perlin/ den daſeibſt neugebohrnen Koͤnig der Juden/ anders
nicht als eine Sau conculcirt und verachtet. Auch nicht 2. Bethlehem
Ethnica, das Heydniſche profanirte und ſchaͤndliche Bethlehem/ in wel-
chem Adrianus der anbellende Hund den Namen JEſum verlaͤſtert/ und
dem JEſu von Nazareth zu Hohn und Spott eben an dem Ort/ da Chri-
ſtus gebohren/ Veneri, der Huren-Goͤttin/ und ihrem Proco und Buhler
Adonidi, ein Tempel auffgericht und dedicirt. Sondern 3. Bethlehem
Chriſtiana, das Chriſtglaͤubige reformirte Bethlehem/ in welchem
Stand es angetroffen Helena/ des erſten Chriſtlichen Kaͤyſers Conſtan-
tini M. Chriſtliche Frau Mutter/ die nach Abſchaffung des Heydniſchen/
einen wunderſchoͤnen Tempel von Gold/ Silber/ Edelgeſtein/ Albaſter
und Marmelſtein mit ſtattlicher Magnificentz dem Moſchel und Hertzog
des Lebens der da gebohren worden/ zu Ehren und Andencken/ erbauet.
Als ſag ich/ die edle Paula denſelben Ort erreichet/ und in erſtgemeldtem
Stand
[1001]Predigt.
Stand angetroffen/ ſo begruͤſſet ſie daſſelbe Staͤdtlein mit freudigen Lie bes-
Thraͤnen/ mit dieſen Worten: O du mildes Brod-Haus und Brod-
Speicher/ du fruchtbarer Korn-Boden/ du gluͤckſelige Brod-Mutter/
deſſen leibliche Fruchtbarkeit das gantze Land erfreuet: aber am allergluͤck-
ſeligſten vor allen Staͤdten in der gantzen Welt/ vor Rom/ und Jeruſa-
lem/ da das Brod des Lebens in dir gebohren worden/ von welchem Chri-
ſtus ſelbſt ſagt Joh. 6/ 50. 51. Er ſey das ſuͤſſe Himmel-Brod/ das gleich
dem Manna vom Himmel herab geregnet; Jch bin das Brod des
Lebens/ das lebendige Brod/ das vom Himmel kommen iſt/
auff daß wer davon iſſet/ nicht ſterbe; Sondern wer
von dieſem Brod eſſen wird/ wird leben in Ewigkeit/
und das Brod/ das ich geben werde iſt mein Fleiſch/ wel-
ches ich geben werde fuͤr das Leben der Welt.Salve,
Schalom, χαῖρε. Sey gegruͤſſet! Friede ſey mit dir! Gluͤck zu! Freue dich!
Jſt eben auch der jenige Wunſch und Anſpruch/ damit wir wie ſonſt je
und allezeit/ alſo auch dißmal die gantze Chriſtliche Kirch/ ja eine jede
glaubige außerwaͤhlte Seel anſprechen koͤnnen und moͤgen: Salve, ſey
gegruͤſt du geiſtl. Bethlehem und Brod-Haus/ du geiſtliche Brod- und
Baͤr-Mutter/ dann in dir wird Chriſtus der Hertzog des Lebens taͤglich
gebohren. Zu gleicher Weiß wie Maria die außerkohrne Mutter Gottes
das groſſe Heiligthumb den Meſſiam/ nicht allein leiblich unter dem Her-
tzen/ ſondern auch geiſtlicher Weiß im Hertzen empfangen durch den
Glauben/ nicht allein aͤuſſerlich ans weltliche Liecht gebohren/ ſondern auch
geiſtlich in ihrem Magnificat, ihren Heyland/ uͤber den ſie ſich erfreuet/
aͤuſſerlich dargeſtellt. Alſo auch eine jede glaͤubige Seel/ ſo den Willen
des Vatters im Himmel thut (daß wir glaͤuben an den Namen ſeines
Sohns) empfangt ſeinen Heyland geiſtlicher Weiß im unvergaͤnglichen
Samen des Goͤttlichen Worts des Evangelii im Glauben/ dann wer
den Willen thut meines Vaters im Himmel/ derſelbe iſt
meine Mutter/ Matth. 12/ 50. Laͤßt ſeines Hertzens Grund quillen in
den Mund/ da wird er alsdann geiſtlicher Weiß gebohren/ in der Predigt/
Abſolution/ in der Heil. Tauffe und Heil. Abendmahl/ da er taͤglich je laͤn-
ger je mehr wachſet und formiret wird/ biß er eine Geſtalt in uns gewin-
net/ Galat. 4. (*) darumb moͤgen wir auch wol ein jedes Chriſtliches(*) vide
Luth. T. 7.
Witt. pag.
335.
Hertz anſprechen und ſagen: Salve, Schalom Jech,Fried ſey mit dir/
Jechi, lebe im geiſtlichen Leben. Χεῖρε, Freue dich du Tochter Zion/
und du Tochter Jeruſalem jauchtze/ ſihe dein Koͤnig koͤmmt
zu dir. Zachar. 9/ 9. Wir haben neulich E. L. fuͤrgeſtellt den Hertzog
des Lebens/ den edlen Gaſt/ der vom Himmel herab kommen/ und uns in
Achter Theil. L l l l l lunſerm
[1002]Die acht und dreyſſigſte
unſerm Hunger- und Kummer-Land beſucht/ und Brod die Fuͤlle mitge-
bracht/ naͤchſtmals das Himmel-Brod ſelbſten/ unter der Schal/ Decke
vid. Part. 6.
Lact. Cat.
pag. 558.und Fuͤrbild des Manna zur Schau fuͤrgeleget. Folget/ daß wir erwe-
gen den Gaſt-Zweck/ den Kern im Brod verborgen/ den Gnaden-Lohn/
die Frucht/ des Glaubens End/ der Seelen Seligkeit/ χάρισμα vitæ æter-
næ,das ewige Leben/ als eine Gabe Gottes in Chriſto JEſu/ ange-
deutet mit denen Worten: Wer von dieſem Brod iſſet/ der wird
leben/ und zwar leben in Ewigkeit. Hievon abermal nutzlich
und fruchtbarlich zu reden/ wolle uns der Vater des Liechts mit dem Gna-
den-Liecht des heiligen Geiſtes mildiglich erſcheinen. Amen.
GLeichwie nun der Zweck und End-Urſach/ warumb GOTT
der HERR/ wie auch alles andere gemeine Brod/ alſo auch
das Manna laſſen vom Himmel herab regnen/ geweßt: Sal-
vatio vitæ, die Erhaltung und Fortſetzung des natuͤrlichen Lebens.
St. Paulus ermahnet ſeine Schiff-Gefehrten auff dem Meer/ Speiſe
zu nehmen und ſich zu laben/ Act. 27/ 34. im Griechiſchen Text heiſt
es alſo: του̃το γὰρ πρὸς τῆς ὑμετέρας σωτηρίας ὑπάρχει, dann das dienet
euch zu euerm Heyl und Beſeligung des Lebens: Welches auch die J-
ſraeliten geſucht/ darnach hungerte ſie/ ſie beſorgten ſich fuͤr dem Tod/ daß/
wo ſie noch laͤnger ohne Brod/ Speiß und Nahrung ſeyn/ ſie verſchmach-
ten muͤſten. Exod. 16/ 3. Wolte Gott/ wir waͤren in Egypten ge-
ſtorben durch des HErꝛn Hand/ da wir bey den Fleiſch-Toͤpf-
fen ſaſſen/ und hatten die Fuͤlle Brod zu eſſen/ dann ihr habt
uns darumb außgefuͤhrt in die Wuͤſten/ daß ihr dieſe gantze
Gemeine Hungers ſterben laſſet. Da ſprach der HERR/ der
groſſe φιλόψυχος, des menſchlichen Lebens Liebhaber/ v. 4. Sihe/ ich
wil euch Brod vom Himmel regnen laſſen/ und das Volck
ſoll hinaus gehen/ und ſam̃len taͤglich/ was es des Tages be-
darff. Alſo iſt freylich auch der Zweck des rechten Himmel-Brods/ und
deſſen glaubigen Genuſſes/ ſo durch das leibliche Eſſen abgebildet worden/
Salus vitæ, vita Salva,die Seligkeit des Lebens/ oder ein ſeliges
Leben; Jſt eben das/ was auch der HERR im vierdten Stuͤck un-
ſers Catechiſmi verſprochen: Wer da glaͤubt/ der werde ſelig wer-
den/ hie im Reich der Gnaden Anfangs-weiß/ dort im Reich der Herꝛ-
ligkeit vollkommentlich: Hie in der H. Abſolution werde er gerecht ſelig
geprieſen/ dort gaͤntzlich am Juͤngſten Tag fuͤr ſelig außgeruffen werden/
und der ſeligen Ewigkeit und ewigen Seligkeit reichlich genieſſen. Der
See-
[1003]Predigt.
Seelen Seligkeit iſt des Glaubens End/ 1. Petr. 1/ 9. Wer
an Chriſtum glaubt/ der iſt gerecht/ Act. 13 39. Rom. 8/ 24. Eph.
2/ 8. Tit. 3/ 5. unverdammlich/ Rom. 8/ 1. geſegnet/ Galat. 3/ 9.
genieſſet das Kinder-Recht/ das him̃liſche Erb/ Joh. 1/ 12. Es hat aber
das Griechiſche Wort bey dem Evangeliſten Marco 16. deſſen der HErꝛ
in ſeiner Weiſſagung von dem kuͤnfftigen Examine des juͤngſten Gerichts
ſich bedienet/ σωθήσεται (zu teutſch) der wird ſelig/ einen doppelten
Verſtand/ 1. heiſt es ſo viel/ als privativè, die Errettung von dem Ubel/
Noth und Tod/ Σῶζον τὴν σεαυτου̃ ψυχήν, Errette deine Seele/ ſagt
der Engel zu Loth/ Gen. 19/ 17. auff daß du nicht mit Sodoma im Feuer
verderben muͤſſeſt. Nachdem der Prophet Joel/ und St. Petrus der
Heil. Apoſtel die Tragica fata, das erſchroͤckliche Ungluͤck/ ſo uͤber Jeru-
ſalem in der letzten Verſtoͤrung werde ergehen/ geoffenbahret/ wie Blut/
Feuer/ Rauch und Dampff untereinander wuͤten/ wie alsdann (iſt Chri-
ſti Weiſſagung Matth. 24/ 21.) eine groſſe Truͤbſal ſeyn werde/
als nicht geweſen iſt von Anfang der Welt biß her/ und auch
nicht werden wird. So ſetzen ſie dieſe Wort hinzu Act. 2/ 21. Es
ſoll geſchehen/ wer den Namen des HErꝛn anruffen wird/
der ſoll ſelig werden. (σωθήσεται) das iſt: Er wird errettet wer-
den. Wer Chriſtum fuͤr ſeinen HErꝛn halten und anbeten werde/ der
werde nicht mit den halsſtarrigen unglaubigen Juden in der aͤuſſerſten
Noth umbkom̃en; Sondern GOtt der HErꝛ werde ihm ein aſylum und
ſichern Ort erſehen (nemlich das Staͤdtlein Pella) da er werde hinfliehen
koͤnnen/ und ſeine Seele zur Ausbeut davon bringen. Vielmehr aber
werde ſolche Rettung geſchehen im letzten End/ im juͤngſten Gericht/ in der
Ewigkeit/ da die ἀπόλυσις und Erloͤſung von allem Ubel wird geſchehen.
Es bedeutet aber beſagtes Wort (σωθήσεται) auch ſo viel/ als poſitivè mit
einem ſeligen Leben begabet werden/ nicht nur ſelig/ ſondern auch beſeliget
werden. Womit? Mit dem Schalom, dem Complement und Fuͤlle alles
guten/ durch die μετάϛασιν, oder Verſetzung in das Glory-Reich Chriſti in
vollkommenem Danck/ daß uns der Vater tuͤchtig gemacht zu
dem Erbtheil der Heiligen im Liecht/ und hat uns errettet
von der Obrigkeit der Finſternuͤß/ und uns verſetzt in das
Reich ſeines lieben Sohns/ an welchem wir haben die Erloͤ-
ſung durch ſein Blut/ nemlich die Vergebung der Suͤnden/
Col. 1/ 12. mit gutem und geſundem Leben: Zu dem Weib/ das zwoͤlf Jahr
an dem Blutgang gelegen/ ſagt der HErꝛ Matth. 9/ 22. Dein Glaub
hat dir geholffen/ (σέσωκέ σε) hat dich geſund gemacht/ hat dir ein ge-
L l l l l l 2ſundes
[1004]Die acht und dreyſſigſte
ſundes und gutes Leben zu wegen gebracht/ darumb dann auch der HErꝛ
ſeine letzte Wort: Wer glaͤubt wird ſelig werden/ wie anderswo offters
durch das ewige Leben/ alſo auch bey dem Evangeliſten Johanne Cap. 6.
erklaͤret. Wer von dieſem Brod eſſen wird/ der wird le-
ben in Ewigkeit/ das iſt: Joh. 6/ 47. Wer an mich glaͤubet/ der
hat das ewige Leben. Jſt dieſem allem nach der Kern in unſerm
Himmel-Brod/ der Zweck/ warumb es gegeben/ das End unſers Glau-
bens/ das χάρισμα vitæ æternæ, Rom. 6. v. ult.Das ewige Leben iſt
eine Gabe Gottes in Chriſto JEſu unſerm HErꝛn.In ſpecie,
2. Vita pacata, placata, liberata,Ein außgeſoͤhntes/ friedliches
und wieder geſchencktes Leben. Unter andern Opffern beym Mon-
ſchein des alten Teſtaments iſt auch geweſen Mincha, da ſie/ ſo offt ſie
Paſſah gehalten/ muͤſſen Semmel mit Honig gemenget/ zum Speiß-
Opffer/ und alſo das Mincha mit dem Zebach opffern/ laut des klaren
Befehls Num. 28/ 19. 20. 24. Du ſolt dem HErꝛn Brand-Opffer
thun/ zween junge Farren/ einen Widder/ ſieben jaͤhrige Laͤm-
mer ohne Wandel/ ſam̃t ihrem Speiß-Opfer/ dreyzehenden
Semmel Meels mit Oel gemenget/ zu einem Farren/ und
zwo Zehenden zum Widder. Nach dieſer Weiſe ſolt ihr
alle Tag/ die ſieben Tag lang/ das Brod opffern/ zum Opf-
fer des ſuͤſſen Geruchs dem HErꝛn/ uͤber das taͤgliche Brand-
Opffer/ dazu ſein Tranck-Opffer. Dabey ſie ſich ihres Malefitz-
Standes/ und daß ſie eben ſo wol werth geweſt vom Wuͤrg-Engel getoͤd-
tet zu werden/ aber fuͤr ihr Leben zur Rantzion das Opffer Zebach und
Mincha gegeben. Weil es ſich aber begeben/ daß ſie zwey Jahr nach ih-
rem Außzug das Oſter-Feſt celebriret in der Wuͤſten/ Num. 9. da ſie kein
anders als Manna-Brod gehabt; So haben ſie daſſelbige Gebaͤck/
welches wie ein Oel-Kuchen/ und ſuͤß/ wie Semmel-Meel geſchmaͤckt/
auffgeopffert/ GOtt zum ſuͤſſen Geruch. Jſt alſo das Manna als ein
Speiß-Opffer/ Opffers-weiß/ fuͤr das Leben der Kinder Jſrael hin-
gegeben/ und wiederumb geſchencket worden/ ſie ſind dadurch bey GOtt
außgeſoͤhnet/ und haben Frieden und einen gnaͤdigen GOtt erlangt: Alſo/
ſagt Chriſtus/ ſey ſein Himmel-Brod auch das jenige Opffer-Fleiſch/
welches er am Stamm des Creutzes geopffert/ und fuͤr das Leben der Welt
hingegeben/ daß ſie dadurch ſolt leben/ iſt nicht nur das rechte Oſter-
Lamm/ davon Gott hat geboten/ das da an des Creutzes Stam̃
in heiſſer Lieb gebraten worden/ ꝛc. Sondern hie iſt auch das rech-
te Speiß-Opffer fuͤr uns gegeben/ daß wir eſſen und leben wol in
rech-
[1005]Predigt.
rechten Oſter-Fladen/ der alte Sauerteig nicht ſoll ſeyn bey
dem Wort der Gnaden. Chriſtus wil die Koſte ſeyn/ und
ſpeiſen die Seel allein. Daher der Gewiſſens-Fried entſtehet/ ohne
klagen/ ohne zagen/ ohne nagen und plagen. Alle Fehd hat nun ein En-
de. Rom. 5/ 1. Nun wir dann ſind gerecht worden durch den
Glauben/ ſo haben wir Friede mit Gott durch unſern HErꝛn
JEſum Chriſt.Luth. Tom. 2. Isleb. p. 192. die Vergebung der
Suͤnden iſt ehe/ dann das ewige Leben/ ſoll das ewige Leben da
ſeyn/ ſo muß zuvor Vergebung der Suͤnden da ſeyn. Nicht
aber allein iſt hie zugeſagt ein friedſames/ ſondern auch ein
frey herꝛliches Leben/ frey von den hoͤlliſchen Loͤwen/ doch wie Daniel
in der Loͤwen-Grub/ darinnen er zwar unter den Loͤwen geſeſſen/ aber un-
beſchaͤdiget verwahret worden: Alſo leben wir zwar noch unter den boͤſen
Geiſtern und Herren der Welt; Der bruͤllende Loͤw gehet umb uns her-
umb/ aber er kan den Glaͤubigen nichtſchaden; Dort aber in jenem Le-
ben/ ſollen wir gantz Teuffels-frey ſeyn/ frey von der Welt/ der Roͤmiſchen
Welt-Beſtien/ und dero Tyrannen/ die/ ob ſie ſchon uns wuͤrget/ doch e-
ben damit deſto eh zum Himmelreich befoͤrdert/ frey von dem argen Fleiſch
und Blut/ und der reitzenden Luſt/ wider welche ein widergebohrner Chriſt
immer zu Feld liegen muß. Gleichwie in dem Leib der frommen Rebeccaͤ
unter ihrem Hertzen die zween Zwilling Jacob und Eſau ſich mit einander
collidiret und geſtoſſen: Alſo ſtreitet in dem menſchlichen Hertzen das
Fleiſch wider den Geiſt/ und der Geiſt wider das Fleiſch. Von ſolchem
Jammer und Ungemach aber wird derſelbe endlich quit/ wann er den
froͤlichen Sprung thut aus der gefaͤhrlichen Zeit in die ſichere Ewigkeit/
und das heiſt/ das Brod iſt mein Fleiſch/ welches ich geben
werde fuͤr das Leben der Welt. Hie iſt nicht zu uͤbergehen die Gloß
der alſo genañten Reformirten/ und namentlich Piſcatoris, welche er die-
ſem unſerm Text angeſchmieret und angeklittert/ in ſeiner vergifften/ teut-
ſchen Herborniſchen Bibel/ pag. 357. Der Welt. Das iſt: Nicht
allen außerwaͤhlten Juden/ ſondern ALLEJN den Auß-
erwaͤhlten in allen Voͤlckern der gantzen Welt. Jſt eine Gloß/
und eine garſtige Bruͤhe uͤber das Fleiſch/ ſo 1. dem Evangeliſchen Troſt-
Zweck zuwider/ Chriſtus wil hiemit alle Menſchen troͤſten/ und nicht
ſchrecken/ wie alle Evangelia dahin gehen: iſt aber ein einiger Menſch hie
excipirt/ ſo iſt kein Menſch ſicher uñ gewiß/ daß Chriſti Fleiſch auch fuͤr ſein
Leben zur Rantzion ſey hingegeben. 2. Zuwider der Glaubens-Regul/ laut
welcher in gantzer Heil. Schrifft das Wort Welt niemal die alleinige
L l l l l l 3Auß-
[1006]Die acht und dreiſſigſte
Außer waͤhlten bedeutet/ und haben die Gegner nie mit keiner Jnſtantz/ die
den Stich halten koͤnte/ auffkommen koͤnnen. Sondern allezeit heiſt es/
entweder die boͤſe Welt/ die in dem argen liegt/ oder insgemein die gantze
Welt/ ſo fern ſie Glaubige und Unglaubige einſchließt. Joh. 3/ 16. Alſo
hat Gott die Welt geliebet/ daß er ſeinen eingebohrnen Sohn
gab/ auff daß alle/ die an ihn glaͤuben/ nicht verlohren wer-
den/ ſondern das ewige Leben haben. Zuwider dem Typo. Gleich-
wie die Opffer im alten Teſtament/ ſonderlich die fuͤr das gantze Volck
geſchehen/ nicht nur fuͤr die Außerwaͤhlten/ Moſen/ Joſuam und Caleb;
ſondern auch die Reprobos, Core/ Dathan und Abiram geſchehen: Alſo
vielmehr das einige Verſoͤhn-Opffer Chriſti am Creutz geſchehen fuͤr alle
und jede Menſchen. Daß es aber nicht bey allen in Eventu den Zweck er-
reicht/ daß ſie nicht alle das geiſtliche Leben genieſſen/ das thut der ſchnoͤde
Unglaub. Poculum immortalitatis habet quidem in ſe, ut omnibus
proſit, ſed ſi non bibitur, non omnibus proficit. Auguſt. Darumb
dieſe Gloß einen Schwammen und Aetz-Waſſer bedarff/ abzuwaſchen
und außzukratzen.
III. Vita Chriſto unita. Ein Leben/ da ein Chriſt und glaubiger
Tiſch-Genoß ſeines Himmel-Brods/ in und mit Chriſto vereinbaret/ auf
das allerholdſeligſt/ inniglichſt und hertzlichſt gefreundet/ als man aus-
dencken/ geſchweig außſprechen mag. Gleichwie abermal das Man-
na dergeſtalt angenommen und gegeſſen worden/ daß es in des Eſſenden
Leib/ Safft und Krafft verwandelt/ durch unterſchiedliche Kuchen
durchgangen/ gekauet/ gedauet/ geſogen und zubereitet vom Mund in
den Magen/ vom Magen der Leber/ von der Leber allen andern Gliedmaſ-
ſen uͤberlieffert/ und mit denſelben ein Fleiſch und ein Leben/ und aus
Speiß und Leib ein Ding worden. Alſo iſt auch das Leben in Chriſto
ein mit Chriſto vereinbahrtes Leben. Der Chriſt wird mit Chriſto ein
Geiſt/ ein Leib/ Johann. 6/ 5. 6. 1. Corinth. 6/ 17. Epheſ. 5/ 30.
Alſo/ daß ein glaubiger Chriſt ſagen kan: Chriſtus iſt mein Leben/
ich leb in Chriſto/ und Chriſtus iſt in mir Gal. 2/ 20. Davon
predigt St. Paulus Eph. 4/ 15. 16. Laſſet uns derowegen recht-
ſchaffen ſeyn ꝛc. davon bekennen wir in unſerm Catechiſmo/ daß al-
le Glaͤubige ſind in Chriſto unſerm HErꝛn/ als Glieder zu ei-
nem Leib im Heil. Tauff eingeleibet/ Kinder und Erben
Gottes/ und Burger im Himmel worden/ und am ewigen
Gut eine Gemeinſchafft haben. Hundert und aber hundert Albere
und Einfaͤltige leſen uñ ſagen dieſe Wort/ aber verſtehen nicht/ was es gere-
det
[1007]Predigt.
det iſt. Wie auch in den Worten der Heil. Tauff: Dieweil ihr dieſes
euer Kind in die Gemeine Gottes gebracht/ daß es durch die
H. Tauff unſerm HErꝛn JEſu Chriſto eingeleibet werde. Aus
dieſer Quell folget die συμπάθεια. Da Chriſtus dem ſchnaubenden SaulAct. 9.
zugeruffen: Saul/ Saul/ was verfolgſt du mich: die κοινωνία oder
die Gemeinſchafft der Goͤttlichen Natur und des Geiſtes/ wie der Bal-
ſam vom Haupt Aaron herab gefloſſen in ſeinen Bart/ und in ſein Kleid/
Pſal. 133/ 2. die conſummatio wird folgen/ und werden wir fuͤhlen dieſe
ſuͤſſe Wunderthat/ wann Chriſti Gebet wird erhoͤret werden/ Joh. 17/ 20.
\& ſeqq.Gerechter Vater/ die Welt kennet dich nicht/ ich
aber kenne dich/ und dieſe erkennen/ daß du mich ge-
ſandt haſt/ und ich hab ihnen deinen Namen kund gethan/
auff daß die Liebe/ damit du mich liebeſt/ ſey in ihnen/ und ich
in ihnen. Engliſche Zungen ſind allhie zu wenig dieſe Wort außzu-
ſprechen und außzudencken: daß die Gnad der vaͤterlichen Liebe/ damit
Chriſtus das liebſte Kind/ geliebet wird/ in ſeinen Glaubigen auch bren-
ne. Und Cap. 17/ 24. Vater/ ich wil/ daß wo ich bin/ auch die
ſeyen/ die du mir gegeben haſt/ auff daß ſie meine Herꝛligkeit
ſehen/ die du mir gegeben haſt. Da werden wir ſehen/ wie alle glaͤu-
bige Glieder an ihrem guͤldenen Haupt angefuͤget/ wie der gantze Jmmen-
Schwarm an ihrem Koͤnig hanget; wie aus GOtt und Menſch ein
Kuchen worden/ und ſolch ſeliges Leben folgen wird/ das nicht außzuden-
cken.
IV. Vita ἄσυλος, mortis ſecura, præſervatrix. Ein verſichertes und
fuͤr dem Tod wolverwahrtes Leben: gleichwie das Maña antidotum mor-
borum, ein Artzney wider Schwach- und Kranckheit geweſen. Jn Krafft
dieſes Him̃el Brods ſind die Jſraeliten præſervirt geweſt/ vor allerhand
Seuchen und Kranckheiten/ Exod. 23/ 25. Dem HErꝛn eurem Gott
ſolt ihr dienen/ ſo wird er dein Brod und Waſſer ſegnen/
und ich wil alle Kranckheit von dir wenden. GOtt hats ihnen
verheiſſen Exod. 15/ 26. So lang ſie in den Schrancken der Goͤttlichen
Ordnung geblieben/ dann ſonſt ſeynd viel tauſend nieder geſchlagen/ und
per σϐέσιν des gewaltſamen Todes geſtorben. Sonderlich wann ih-
nen geeckelt fuͤr dem Manna/ da ſind ſie von den feurigen Schlangen zu
todt gebiſſen/ mit unheilſamen Kranckheiten/ Wunden und Schmertzen
hingerafft worden/ und iſt ihnen erſt recht geſchehen. Hie aber iſt mehr/
dann Manna/ das lebendige Brod/ ſo nicht nur præſervirt/ als ein ede-
les
[1008]Die acht und dreyſſigſte
les antidotum, und Gifft-Heil fuͤr geiſtlichen Seuchen/ und toͤdtlichen
Schlangen-Gifft und Suͤnden-Wunden/ ſondern auch fuͤr dem Tod
ſelbſt. Euere Vaͤter haben Manna geſſen/ und ſind geſtor-
ben: Jch aber geb euch ein Brod: Wer davon iſſet/ der wird
nicht ſterben. Hie nectar \& Ambroſia! Hie panis ἀθανασίας! Wie
ſo? Sprichſt du/ muͤſſen doch alle Chriſten und Kinder Gottes ſterben/
es iſt noch nie keiner uͤberblieben. Fabelt dann der HErꝛ allhie? Wie kan
das ſeyn? Dann gleichwie dorten nicht nur die Gottloſen/ die Rott Core/
Dathan und Abiram geſtorben: Sondern auch die Heilige und Außer-
waͤhlte/ Moſe/ Joſua und Caleb: Alſo auch hie nicht nur die Unglaubi-
ge/ ſondern auch die Glaubige. (*) Antwort: Chriſtus redet von dem
ewigen Tod/ dem andern Tod/ dem Gnaden-Tod/ dem Verluſt des hoͤch-
ſten Guts/ an dem ſoll kein glaubiges und außerwaͤhltes Kind Gottes ſter-
ben/ und ob er gleich zeitlich ſtirbt/ ſoll es doch in rei veritate kein Tod heiſ-
ſen/ ſondern ein Schlaff/ Lazarus unſer Freund ſchlaͤfft/ ſagt Chri-
ſtus der HErꝛ Joh. 11/ 11. Er ſoll in GOtt/ und GOtt in ihm leben/ wie
Abraham/ Jſaac und Jacob/ und ſoll zum ewigen Leben aufferſtehen/ wie
Moſes auff dem Heil. Berg/ wer hat ihm dazumal einigen Tod angeſe-
hen? und das nicht in Krafft des leiblichen Mannaͤ/ ſondern des Meſſtaͤ/
welchen er am Manna geiſtlicher Weiß gegeſſen/ kein Tod ſoll ihn nicht
mehr nagen und plagen/ Luc. 20/ 36. Dann ſie koͤnnen hinfort nicht
ſterben/ ſie ſind den Engeln Gottes gleich/ und Gottes Kin-
der/ dieweil ſie Kinder ſind der Aufferſtehung/ ſie ſollen den
Tod nicht ſehen. Joh. 8. Warlich/ warlich ich ſage euch/
ſo jemand mein Wort wird halten/ der wird den Tod nicht
ſehen ewiglich.
Luther. Tom. 9. Witt. pag. 515. f. 2. Warlich/ warlich ich ſage euch ꝛc.
Ach daß der Sohn Gottes ſo theuer ſchwoͤren muß/ umb unſers faulen Hertzen
willen zu glaͤuben/ daß wir ewig leben ſollen. So es wol billich und genug waͤ-
re/ wo er allein ein ſchlecht Wort redet/ Ja/ bitten ſolten wir/ daß er nur mit ei-
nem Finger wincken wolte. O Vnglaube/ O Erb-Suͤnde/ daß du ſo ſchwerlich/ auch
bey den Heiligen/ bey ſo viel Buͤchern/ auch ſo viel Wunderwercken/ ſo theurem
Eyde glaͤuben laͤſſeſt. Wo wollen dann die hin/ ſo ſolchen Eyd und Pfand Got-
tes verachten/ verfolgen/ laͤſtern und ſchaͤnden? O Pabſt! O Mahometh! O
Teuffel! Wie wils euch gehen? Wer mein Wort haͤlt/ ꝛc. Das mag heiſſen ein
guter
[1009]Predigt.
guter Apothecker/ der ſolche Artzney geben kan/ daß der Tod nicht allein uͤberwun-
den ſeyn ſoll/ ſondern auch nicht und nimmermehr geſehen ſoll werden/ und iſt ein
wunderlichs/ daß ein Menſch muß ſterben/ und doch den Tod nicht ſehen ſoll/ wo
er GOtt im Hertzen hat/ und daran glaͤubet; Solche ſtarcke Artzney iſt Got-
tes Wort im Glauben behalten/ daß es aus dem Tod ein ewiges Leben machet/
O wer das koͤnte glaͤuben/ wie ſelig waͤre er auch hie in dieſem Leben. Et
Tom. 2. Isleb. pag. 160. Diß Brod ſoll ein Præſervativ ſeyn wider den Tod/ wie
ſonſt ein Artzt oder Apothecker zum Krancken ſaget: Jch wil dir ein Aqua vitæ,
ein Tranck oder Purgation geben/ daß dich der Tod nicht ſoll erwuͤrgen/ und du
dich nicht fuͤr dem Tod fuͤrchteſt/ ſondern fuͤr ihm ſicher ſeyeſt/ aber es iſt ihnen un-
moͤglich geweſen/ daß ſie dieſe Wort haͤtten verſtehen ſollen/ daß er ihnen ein ſol-
che Speiſe und Tranck geben wolle/ daß wer ſie iſſet/ der ſoll fuͤr dem Tod ſicher
ſeyn/ und fuͤr ihm bleiben. Wer diß Brod gegeſſen habe/ der ſoll leben/ der Tod
komme wann er wolle/ ſo ſoll ich fuͤr ihm zu frieden bleiben/ du Tod ſolt mir nichts
thun/ dann ich habe dieſen Tranck getruncken und diß Brod gegeſſen. Dar-
umb wann alle Tode auff einander ſaͤſſen/ und noch ſo keck waͤren/ ſo ſollen ſie
doch dieſer Menſchen keinen freſſen/ noch verſchlingen. Dann Chriſtus wil ihn
am juͤngſten Tag aufferwecken/ und wann er gleich tauſend Elen tieff unter der
Erden begraben lege/ oder von den Woͤlffen zerriſſen/ und Fiſchen gefreſſen/ und
vom Feuer zu Pulver verbrannt waͤre/ ſo ſoll er doch wieder leben. Et ibid.
p. 186. f. 2. Euer Vaͤter haben Manna geſſen und ſind geſtorben/ als wolt er ſa-
gen: Wie gefaͤllt euch das? Es haben das Himmel-Brod die boͤſen Buben ſo
wol geſſen als die Frommen/ ſo es dann ſo koͤſtlich war daſſelbe Himmel-Brod/
wie iſts kommen/ daß euer Vaͤter alle gleich geſtorben ſind/ und nur zween/ als
Joſua und Caleb lebendig geblieben/ welche ins gelobte Land kamen? Darumb/
das Himmel-Brod hat ihnen das ewige Leben nicht gegeben/ es hat den Tod
nicht verjagt/ es hat auch das zeitliche Leben wenig gefriſtet/ werden ſie nun nicht
mehr dann das Himmel-Brod haben/ ſo werden ſie umb des Brods willen nicht
wieder von den Todten aufferſtehen. Et pag. 193. f. 2. Aber es heiſt/ richte dich
nicht nach dem aͤuſſerlichen ſehen/ ſondern nach dem Wort/ welches dir das ewi-
ge Leben verheiſſet und gibt/ dann haſt du warlich das ewige Leben/ ob es gleich
anders gehet/ nach dem Anſehen und Fuͤhlen/ das ſchadet nicht/ du haſt darumb
das Leben nicht verlohren/ dann die Kranckheit/ der Tod/ Gefaͤhrligkeit und
Suͤnde/ ſo dich anficht/ wird dich darumb nicht erwuͤrgen/ oder dich auffarbei-
ten/ es wird dich muͤſſen zu frieden laſſen/ ſie machen Chriſtum nicht kranck/ wuͤr-
gen ihn auch nicht/ wann ſie nun fuͤruͤber ſind/ und du im Glauben beſtaͤndig
bleibeſt/ ſo wirſt du wol ſehen/ was du haſt geglaubet. Ja ich muß aber gleich-
wol ſterben? O das hindert nichts/ ſtirb nur hin in GOTTES Namen/ laß
dich verbrennen/ oder ſonſt umbbringen/ du biſt verſichert des ewigen Lebens/ und
ſolt es gewiß haben. Stirbeſt du dann/ und laͤſſeſt dich begraben/ im Grabe
uͤber dich hingehen/ und die Wuͤrme dich freſſen/ da liegt nichts dran/ er wil dich
gewiß wieder aufferwecken/ dann du haſt hie meine Zuſag/ und glaͤubſt das Wort
reſuſcitabo, darumb wirſt du ſehen augenſcheinlich/ darauff du dich mit Glauben
verlaſſen haſt. Das Wort Aufferwecken iſt nicht ohne Vrſach hinzu geſetzt/
dann daran iſt viel gelegen/ es iſt ſonſt aͤrgerlich/ daß er ſagt: Wer an mich glaͤu-
bet/ ſoll haben ꝛc. und der Tod kommet gleich wol mit vielen Gefaͤhrligkeiten/ die
ſchlagen einem unter die Augen/ das beweget warlich unſer Vernunfft/ Gedan-
Achter Theil. M m m m m mcken
[1010]Die acht und dreyſſigſte
cken und Sinn/ daß ſie fuͤrchten/ wir moͤchten betrogen werden/ dieweil man das
Gegenſpiel fuͤr Augen ſihet/ darumb ſo ſetzet er das Wort hieher/ uns zum Troſt/
daß wir feſte halten/ ſtarck und getroſt ſeyn ſollen/ ob gleich der Tod uͤber dich
hinlaͤufft mit Fuͤſſen/ und dich erwuͤrget/ ſo wil ich dich wol erhalten/ dann ich
bin dein Leben/ und bin auch deine rechte Speiſe/ die dich erhaͤlt/ darumb wil ich
dich fuͤttern/ daß du in Ewigkeit leben ſolt/ derhalben ſo habe keine Sorge/ ich wil
dich wieder aufferwecken/ daß jederman zeugen und ſehen ſoll/ daß du lebeſt. Das
iſt weit ein ander Eſſen/ dann eure Vaͤter in der Wuͤſten geſſen haben/ deßhalben
ihr ſo viel von euren Vaͤtern ruͤhmet/ gleichwol heiſts mit ihnen/ ſie ſind geſtor-
ben/ dann ſie haben ſich verſuͤndiget an GOtt/ darumb hat er ſie auch geſchlagen
und geplaget/ daß ſie ſtuͤrben. Es moͤgen ihr etliche zur Reu und Buß kommen
ſeyn/ das hab ſeinen Weg/ aber der Hauffe iſt daruͤber hingeſtorben in ihren
Suͤnden/ und verdammet worden/ und bat Manna ſie nichts geholffen/ auch je-
ne/ ſo uͤber und neben dem Manna an GOtt/ der ſie aus Egypten-Land gefuͤhret/
geglaͤubet haben/ die ſind ſatt und ſelig worden/ die haben ihren Glauben daran
geuͤbet/ und ob ſie gleich geſtorben ſind/ ſo leben ſie doch noch.
V. Vita Beata, læta, vegeta,ein rechtes/ holdſeliges/ luſtiges
Freuden-Leben. Leben heiſſet in der Schrifft wol leben/ vollkommen/
gluͤckſelig leben. Vivat Rex,der Koͤnig lebe! So hat man dem neu-
geſalbten Koͤnig zugeruffen/ 1. Sam. 10. 1. Reg. 1. das iſt: Der Koͤnig
lebe wol/ er regiere gluͤckſelig/ es geluͤcke ihm in allem nach Wunſch. Non
eſt vita, niſi ubi feliciter vivitur, non eſt vivere, ſed valere vita (ait
Auguſtinus) das iſt kein Leben/ wo man nicht gluͤckſelig uñ wol lebet; nicht
leben/ ſondern geſund ſeyn und wol ſtehen/ heiſſet Leben. Gleich wie al-
les Brod/ alſo auch das Manna das menſchliche Hertz ſtaͤrcket und
erquicket/ Pſal. 104/ 15. Jud. 19/ 8. das Hebraͤiſche Wort heiſt auch ſo
viel als erlaben. 1. Reg. 13/ 7. Hat der Menſch gegeſſen/ und ſich geſaͤtti-
get/ ſo iſt er froͤlich/ geſund/ fertig/ muthig und luſtig zu aller Arbeit/
ſonderlich auff der Reiß/ wann man ſich ermattet und ermuͤdet. Dar-
umb der HERR Eliaͤ durch einen Engel ein geroͤſt Brod laſſen geben/
daß er in Krafft deſſen gangen biß an den Berg Gottes Horeb. 1. Reg. 19.
Sonderlich hat das Manna ſeine Genoſſen und Gaͤſte friſch/ lebhafft
und jung erhalten/ ſo gar/ daß auch ihre Schuh und Kleider nicht veral-
tet. Deut. 29/ 5. Urſach/ dieweil ſie kein ander Brod geſſen/ als Manna-
Brod/ wie in folgendem 6. Verß gleich hinzu geſetzet wird: Jhr habt
kein Brod geſſen/ und kein Wein getruncken/ noch ſtarck
Getraͤncke.(*) Zum Exempel/ Moſes war hundert Jahr
Korn
[1011]Predigt.
(*)
alt/ da er ſtarb/ ſeine Augen waren nicht dunckel worden/ und
ſeine Krafft war nicht verfallen. Deut. 34/ 7. Caleb tritt auf Joſ.
14/ 10. 11. und ſagt: Und nun ſihe/ der HErꝛ hat mich leben
laſſen/ wie er geredt hat/ es ſind nun fuͤnff und viertzig Jahr/
daß der HErꝛ ſolches zu Moſe ſagt/ die Jſrael in der Wuͤſten
gewandelt/ und nun ſihe/ ich bin heute fuͤnff und achtzig
Jahr alt/ bin noch heutiges Tages ſo ſtarck/ als ich war des
Tages/ da mich Moſe außſandte/ wie meine Krafft war da-
zumal/ alſo iſt ſie auch jetzt zu ſtreiten/ und außzugehen.
Serar. ad Joſ. pag. 348. erzehlet/ als er einmal in dem Senonenſiſchen Klo-
ſter war/ beruffte der Abt deſſelben Orths/ aus weiß nicht was fuͤr einem Dorff/
am Berg gelegen/ ſo etwas weits davon entlegen war/ einen Bauren der ziem-
lich alt war/ und ziemlich uͤber hundert Jahr erreichet. Dieſer kommt alſobald
zu Fuß/ und wird mit andern Gaͤſten zum Mittag-Mahl gelaſſen/ als er nun zu
Tiſch geſeſſen/ und den Tiſch mit allerhand niedlichen Bißlein und Speiſen uͤber-
ſtellt geſehen/ hat er mit was leiſer Stimm/ doch daß der Schall von allen gehoͤrt
wurde/ anfangen zu reden/ und gleichſam zu murmeln. Da fragt der Abt/ Va-
ter/ (dann alſo pflegt er ihn aus Ehrerbietung zu nennen) was redeſt du? Feh-
let diretwas/ rede etwas heller. Da antwortet der alte Greiß: Das ſage ich/
wann ich allezeit einen ſolchen Tiſch gehabt haͤtte/ haͤtte ich ſo lange nicht gelebet.
Wie vielmehr iſt das Leben/ ſo uns Chriſtus gibt/ ein ſeliges/ froͤliches
und geſundes Leben/ ein Freud- und Feyr-Leben? Hie mitten im Creutz
getroſt/ wie Sadrach/ Meſach und Abednego/ im Chaldeiſchen Feuer-
Ofen. Er erwecket Troſt/ Fried und Freud im Gewiſſen/ ſatten Troſt wi-
der das trautige/ furchtſame und mit der Verzweifflung ringende Gewiſ-
ſen/ Troſt m[i]tten im Feuer-Ofen der Truͤbſahl/ als die wir wiſſen/
daß wir Friede haben mit GOtt/ Rom. 5. daß Truͤbſal
bringet Gedult/ ſchmertzliche Ubung des Leibs machet ſtarck/ immer
Krieg macht Reſolution, nur die erſte Hatz/ ſagt der Kriegsmann/ thut
wehe/ darnach aber verharret man drinn/ Gedult bringet Erfahrung/
daß der Menſch dadurch gepruͤfet wird/ wie das Gold durchs Feuer/ Er-
fahrung bringet Hoffnung/ aus der Gleichfoͤrmigkeit Chriſti/ dann
ich bin gleichſoͤrmig im Creutz/ alſo auch in der Herꝛligkeit/ Rom. 8/ 29.
Hoffnung aber laͤßt nicht zu Schanden werden. Dort aber
Stroms-weiß. Mehr Freud/ als die Welt betruͤben kan; immer geſund/
M m m m m m 2immer
[1012]Die acht und dreyſſigſte
immer gruͤn/ immer friſch/ Freud ohn Leid/ wie daſſelbe in einer holdſeligen
hypoty poſi entworffen von dem Propheten Eſaia c. 25/ 6. der HErꝛ
Zebaoth (O ein reicher Wirth) wird allen Voͤlckern (die nemlich
den Namen des HErꝛn JEſu/ auſſer dem kein Heyl/ angeruffen haben)
machen (auff dem hohen Olympo, dem Himmels-Berge/ des Koͤnig-
lichen Himmels-Saals) ein Mahl von Fett und Marck (von den
niedlichſten Special-Bißlein) ein Mahl von reinem Wein/ dar-
in keine Hefen ſind; Weit uͤber Malvaſier/ nicht lacrymæ, ſondern
deliciæ Chriſti, da wird man koͤnnen trincken was klar/ und eſſen was
gar iſt/ aber auch reden was wahr iſt. Selig iſt nun/ der alſo das
Brod iſſet im Reich Gottes.
VI. Vita æterna,ein ewiges Leben. Manna hatte die Krafft das
Leben zu erlaͤngern/ bey denen/ die diætiſch ohne mixtur eines frembden
Brods/ Deut. 2/ 6. gegeſſen/ die ſind alt worden/ Moſes 120. Joſua
110. Jahr/ Joſ. 24/ 28. Aber ewig leben/ das war uͤber die Macht des
Mannaͤ/ ewig Leben kunte es nicht geben. Hie iſt mehr dañ Manna! Wer
davon iſſet/ der ſoll ewig leben; nemlich amaranthina vita, ein unverwelck-
liche Blum/ wie die Sammat-Blum/ unmuͤheſames/ unverdroſſenes/
kurtz- und nicht langweiliges Leben; wie Jacob ſeine Dienſt-Jahr nicht
anders als einzele Tage fuͤrkommen. Gen. 29/ 20. Durch die liebe Rahel
hat er andere Beſchwerde und Laͤſte der ſieben Jahr geſaͤnfftiget und uͤber-
wunden. GOtt genieſſen macht nimmer muͤde/ der Reichthumb ſeiner
Freude iſt unerſchoͤpfflich. Kan GOtt alle Augenblick eine neue Welt
ſchaffen/ und immer ein beſſere/ als die andere; So kan er auch immer
neue Freude von ſich laſſen/ und immer eine ſuͤſſer als die andere. Un-
endlich. Eſther 1. Leſen wir von einer koͤſtlichen/ praͤchtigen Mahlzeit/
welche Ahaſverus laſſen zu richten/ daß er ſehen ließ den herꝛlichen Reich-
thumb ſeines Koͤnigreichs/ und koͤſtlichen Pracht ſeiner Majeſtaͤt viel Ta-
ge lang/ nemlich hundert und achtzig Tag; Solte man aber irgend einen
von den Gaͤſten gefragt haben: Wie lange hat doch die Freude gewaͤhrei?
So wuͤrde er geantwortet haben/ nur ein halbes Jahr. Was fuͤr Spei-
ſen ſind auffgetragen worden? Die allerniedlichſten Koͤniglichen Spei-
ſen/ aber nur ein halbes Jahr. Was ſuͤr Trinck-Geſchirꝛ? Welche
Tiſche/ Baͤncke? koͤſtliche und uͤberkoͤſtliche/ aber wir ſind nur ein halbes
Jahr barauff geſeſſen. Was fuͤr eine Muſic iſt gehalten worden? Die
allerſuͤſſeſte/ welche auch der Syrenen Geſang uͤbertrifft. Sind die Gaͤ-
ſte auch froͤlich geweſen? Ey warumb nicht? Aber es hat nur alles ein
halb Jahr gewaͤhret. Wann wir aber im Himmelreich werden unſern
ſeli-
[1013]Predigt.
ſeligen Stand anſehen/ wie lange? Unſer Sicher- und Freyheit/ die Goͤtt-
liche Anſchanung/ unſere Cronen/ unſere himmliſche Hochzeit-Freude/
wie lang wird die waͤhren? Biß in Ewigkeit. Hundert Jahr iſt noch kein
Tag/ hundert tauſend keine Stunde/ Million tauſend kein Minute.
VII. Und was noch mehr iſt/ vita jam habita, das Leben/ das ein
glaͤubiges Kind Gottes jetzt ſchon hat. Das Manna und daher ent-
ſpringende natuͤrliche Leben hieß bey den Kindern Jſrael nicht haͤtt ich/
ſondern hab ich. Es war kein fluͤchtiger Vogel auff dem Dach/ ſondern
ſie hatten ihn in der Hand/ es ſcheinet ihnen gleichſam Segen und Leben
ins Maul hinein. Alſo ſagt Chriſtus Joh. 6/ 47. Warlich/ war-
lich ich ſage euch/ wer an mich glaͤubet/ der hat das ewige Le-
ben/\& v. 54. Wer mein Fleiſch iſſet/ und trincket mein Blut/
der hat das ewige Leben. Wir ſind ſelig in der Hoffnung/ aber nicht
allein in ſpe, ſondern auch in re, προγεύσει, im Vorſchmack. Hebr. 6/ 4. Es
iſt unmuͤglich/ daß die/ ſo einmal erleuchtet/ und geſchmaͤckt
haben die himmliſche Gaben/ und theilhafftig worden ſind
des Heil. Geiſtes/ und geſchmaͤckt haben das guͤtige Wort
Gottes/ und die Krafft der zukuͤnfftigen Welt. Ein glaubi-
ges Kind Gottes iſt ſchon lebendig im Himmel/ allein iſt ſolch Leben ob-
ſcurirt und verborgen unter dem Creutz. Col. 3/ 3. Dann ihr ſeyd ge-
ſtorben/ und euer Leben iſt verborgen mit Chriſto in GOtt.
1. Joh. 3/ 2. Meine Lieben/ wir ſind nun Gottes Kinder/ und
iſt noch nicht erſchienen/ was wir ſeyn werden. Ein Embryo
oder Kind in Mutter-Leib iſt und lebt ſchon/ reget ſich/ ſaͤuget ſeiner Mut-
ter Milch/ und empfindet muͤtterliche Lieb und Treu/ aber es iſt noch ver-
borgen/ biß es aus der Schalen heraus ruͤcket/ die Wuͤſten Secundinæ
und ſchaͤndliche Suͤnden-Haut muß zuvor abgeſtreifft und abgeſchaͤlet
werden: Alſo liegt ein Chriſt hie unter dem Creutz/ man ſpuͤret kein ſeli-
ges/ ſondern lauter unſelig und erbaͤrmlich Leben/ unterdeß aber lebet er
ſchon/ und ſauget aus dem Hertzen ſeines Heylandes die Milch-Tropffen
des Landes der Lebendigen/ des himmliſchen Canaan/ da Milch und Ho-
nig innen fleuſt Strohms-weiß. Lutherus ſchreibet:
Vid. Luth. Tom. 2. Isleb. pag. 184. Von dieſen Worten ſolte man hundert
tauſend Jahr predigen/ und es fuͤr und fuͤr ausſtreichen/ ja man kan nicht genug
davon reden/ dann Chriſtus ſagt ſtracks zu das ewige Leben/ dem der da glaͤu-
bet/ und ſpricht nicht: Wer an mich glaͤubet/ der wird das ewige Leben haben/
ſondern alsbald du an mich glaͤubeſt/ ſo haſt du es ſchon. Redet nicht von zukuͤnff-
tigen Gaben/ ſondern von gegenwaͤrtigen Geſchencken/ nemlich/ kanſt du an
mich glaͤuben/ ſo biſt du ſelig/ und iſt dir das ewige Leben ſchon geſchencket.
Alſo muß man des Todes Bitterkeit vertreiben; ſpricht
und richt der Heydniſche/ gefangene und verbannte Agag/ der Amalekiter
Koͤnig 1. Sam. 15/ 32. da er ſeinem Scharffrichter dem Heroiſchen Pro-
pheten und Richter Samuel unter die Augen und Schwerdt getretten.
Alſo/ ſagt er/ muß man des Todes ꝛc. er redet von einer Bitterkeit/
einer bittern Colocynth/ bittern Kraut/ und gifftigen Entzian/ nemlich
vom Tod/ und ſagt/ der Tod ſey bitter. Er hats errathen. Syrach
ſtimmt mit zu cap. 4/ 12. O Tod/ wie bitter biſt du/ dem/ der
noch gute Tage und genug hat/ der ohne Sorg lebt/ dem es
wol gehet in allen Dingen/ der noch wol eſſen mag; Ja frey-
lich bitter der Vortrab/ die Kranckheiten/ Schmertzen/ Seuchen/ Ach
und Wehtag: Noch bitterer der Abſchied ſelbſt/ wann die beſten Freund
Seel und Leib ſcheiden. Am allerbitterſten der Nachtrab und Hinder-
halt/ der dem Tod auff dem Fuß nachfolgt/ der Reuter auff dem fahlen
Pferd/ ſein Lackey/ Apoc. 6. nemlich die Hoͤll/ der ewige Tod/ er zeigt hier-
auf an ein antidotum, wie man den bittern Tod vertreiben/ nicht edul-
coriren/ temperiren/ mildern/ durchſuͤſſen und uͤberzuckern/ wie die Apo-
thecker die bittere Pillulen und Traͤncklein mit Zucker wuͤrtzen und ge-
nehm machen; Sondern gar vertreiben/ die Bitterkeit hinweg nehmen.
Alſo ſagt er: Thue/ wie ich thue. Ein guter/ getroſter/ unverzagter Helden-
Muth/ tapffere/ mannliche Reſolution, comite fama, ſamt dem Gefaͤhr-
ten der Reputation, und dem Titul/ er ſey als ein Cavallier geſtorben/ und
den Tod getrutzt; Gleichermaſſen wie auch unſere Duellanten/ Rauffer
und Balger als Cavallier davon fahren/ das helffe. Ja wann die Seel
wie ein Loder-Aſche zerfladderte/ wann der Menſch davon fuͤhre/ wie ein
thummes Vieh/ wann es nur umb den zeitlichen Tod/ umb ein boͤſes
Stuͤndlein zu thun waͤre/ wann nicht hinter der ſichtbaren Larven ein
ſchroͤcklich Ungeheur/ hinter dem Todes-Rachen ein feuriger hoͤlliſcher
Drach verborgen waͤre/ das koͤnne den Helden-Muth oder Cavallieriſche
Reputation geben. Aber es ſterben ſolche Leut ohne Troſt dahin/ 1. Theſſ.
4/ 13. und fahren abwerts Scheola der Hoͤllen zu/ quo Tullus \& Ancus.
Nun/ meine Liebſten/ wir muͤſſen ja alle ſterben/ hie wohnen wir in
keiner feſten Burg/ da wir bleiben koͤnten/ ſondern in Straßburg/ wir
muͤſſen einmal wandern unſere Straſſen/ das Ziel iſt geſteckt/ entwe-
der empor auffwarts Himmel zu/ oder abwerts zur Hoͤllen Glut. Quo
viatico? Was nehmen wir zur Reiß fuͤr Brod mit? Wo ſollen wir
dann fliehen hin/ da wir moͤgen bleiben? Zu dir HErꝛ Chriſt alleine. Du
biſt das rechte Himmel-Brod/ antidotum mortis. Vor Zeiten hat man
den
[1015]Predigt.
den Leuten im Pabſtthumb an ſtatt des Brods Todten-Bein abzunagen
gegeben/ nemlich die S. Lipſana, denſelben ein ſonderbare Lebens-Krafft
geſund zu machen/ zugemeſſen; Man hat die Leute beredet/ wann ſie tapffer
zutragen/ in die Kloͤſter und Stiffter legiren/ vermachen ſo und ſo viel
jaͤhrlich Zehenden/ Guͤlten/ es ſey geſtohlen oder geraubt/ ſo diene es ad re-
medium animarum, den armen Seelen im Feg-Feuer zur Labſal. Aber
O kraͤfftige Luͤgen! Wie weit iſt es gefehlet? Haͤtte jemand durch ſolche
Stifftungen ſollen alſobald von Mund auff frey und ſicher gen Himmel
fahren/ ſo haͤtte ſolches Dagoberto Koͤnig in Franckreich gedeyen ſollen/
der gantz Elſaß mit Stifften und Kloͤſtern uͤberſchuͤttet/ und groſſe Spen-
de in requiem animæ, daß ſeine Seele moͤchte zur Ruhe kommen/ in ſei-
nem Teſtament übermacht. Aber wie iſts ihm nach ſeinem Tod ergangen?
Jodocus Coccius der Papiſten eigener Prophet erzehlet in Dagoberto
c. 27. daß da er geſtorben/ ſey er in waͤhrendem Zweifel davon gefahren/
ſeine Seele ſey von den Teuffeln aufgefangen und jaͤmmerlich gepeiniget/
geſchlagen/ geſtoſſen/ als ein Ball uͤber ſich/ jetzt wieder unter ſich geworf-
fen/ alſo/ daß es nun an dem geweſen/ daß ſie von ihnen in den Abgrund
der Hoͤllen waͤre geſtuͤrtzet worden/ wo ſie nicht durch die drey Heiligen/
Dionyſium/ Mauritium/ Martinum/ auff inſtaͤndiges Anruffen waͤre
erloͤſet worden. Darumb hieher/ Hie iſt das Brod des Lebens.
Er allein und ſonſt kein anders. Er ſelbſt wil die Koſte ſeyn/ und
ſpeiſen die Seel allein. Chriſtus iſt mein Leben/ da find ich Artzney
wider die conſcientz der Seelen Peſtilentz. Muß man gleich leyden/
Angſt- und Kummer-Brod eſſen/ wie Micha/ das ſchadet nichts. Dann
dulcia non meruit, qui non guſtavit amara. So/ ſo muß man ihme
gut Leben ſchaffen. Dann wer iſts/ der nicht gern gute Tag
haͤtte/ fragt David Pſalm. 34/ 13. Votum commune,Allemanns-
Wunſch/ aber in der Wahl mangelts. Laſt uns wol leben/ ſagen
die Epicuriſche Saͤu 1. Cor. 15/ 31. Laſt uns eſſen und trincken/
dann morgen ſind wir todt. Laſt uns ein politiſch Welt-Leben fuͤh-
ren/ ein Juncker-Leben/ in otio, aus Zinß und Guͤlten/ in Pracht/ Geitz
und Wolluſt/ nach der Welt Lauff/ laſt uns fuͤr uns ſelbſt leben in guter
Ruh/ niemand dienen. Es ſind deren/ die ihnen wuͤnſchen immer zu le-
ben und zu bleiben/ wie kuͤmmerlich es ihnen auch gehen ſolte. Aber O
des todten Lebens/ ſo lebt man ſich zu todt! das menſchliche Leben iſt zeitlich
und vergaͤnglich/ praͤchtig/ falſch/ unauffrichtig/ ſchaͤndlich und ſchaͤdlich.
O todtes Leben! Pfuy dich des Schand-Lebens! Hie/ im Himmel-Brod/
welches iſt das Fleiſch Chriſti/ wohnet das Leben/ vita nobiliſſima, paca-
ta,
[1016]Die acht und dreyſſigſte
ta, tranquilla, immortalis, æterna, das edelſte/ ruhige/ außgeſoͤhnte/ un-
ſterbliche/ ewige Leben. Das rechte Lebens-Brod/ Balſamum vitæ æter-
næ, ſein Fleiſch iſt caro vivifica, ein lebendigmachendes Fleiſch. Anders
als Calvini diſcipuli lehren/ ſonderlich Piſcator, der gar grob herein ge-
tretten. Jndem er in ſeiner teutſchen vergiffteten Herborniſchen Bibel/
uͤber die Wort Chriſti/ das Fleiſch iſt kein nuͤtz/ dieſe Wort angeſchmie-
ret/ pag. 359. Mein Fleiſch nutzet nicht lebendig zu machen/ das
heiſt dem Mund und Grund der Warheit ins Angeſicht widerſpre-
chen.
Dagegen ſchreibt Lutherus Tom. 2. Isl. p. 188. f. 2. Die Sacramen-
tirer und Rottengeiſter fallen auff das Wort Fleiſch/ und ver-
ſtehens/ wie es in der Schaͤren verkaufft wird/ oder wie es die
Woͤlffe oder Hunde freſſen/ da verſtocken ſie in dem Wort
Fleiſch/ ſagen: Fleiſch/ Fleiſch. Das iſt nicht eine groſſe
Kunſt/ ich weiß und verſtehe es auch wol. Ein Wolff kan
einen alten Mann freſſen/ oder eine Sau ein Kind freſſen.
Jch kan auch gedencken gleich als eſſe ich Schweinen Braten.
Aber wann Chriſtus ſaget: Mein Fleiſch; Da habe Achtung
darauff/ wer der ſey/ der das ſaget/ zu wem gehoͤret das Woͤrt-
lein Mein? So wirds dann etwas mehr ſeyn/ und wird nicht
ſo ein Fleiſch ſeyn/ das die Krafft des Fleiſches und Bluts al-
lein habe/ es wird etwas mehr Krafft haben/ dann ſchlecht
Fleiſch und Blut/ durch das Wort Mein. Es iſt mein Fleiſch/
du muſt ſehen wer das ſaget/ dann da wird nichts fleiſchern
ſeyn/ da rothe Wuͤrſte daraus gemacht werden.pag. 206.
Es iſt beſchloſſen/ daß das Fleiſch kein Nuͤtze iſt/ ſondern der
Geiſt machet lebendig. Jhr muͤſt ja den Geiſt dazu haben/
oder geiſtlichen Verſtand bekommen/ dieweil es dem Fleiſch
zu hoch und unbegreifflich iſt. Er redet aber an dieſem Ort
nicht von einem Fleiſch/ wie es die Sacramentirer und
Rotten-Geiſter gedeutet haben/ dann wie kaͤme er darzu/ die-
weil er droben viel anders geſagt hat: Nemlich/ mein Fleiſch
iſt das Leben der Welt. Jtem/ Mein Fleiſch iſt die rechte
Speiſe. Sondern haͤlt hie gegen einander den Geiſt und
das Fleiſch/ und ſpricht: Der Geiſt muß es thun/ aber das
Fleiſch kein nuͤtze. Jn der H. Schrifft wird Geiſt genennet/
was
[1017]Predigt.
was vom Geiſt iſt/ und Fleiſch heiſſet/ was vom Fleiſch geboh-
ren iſt. Da fragen alle Menſchen/ ſonderlich die Weiber/
welche wiſſen/ wie ein Kind von einer Mutter gebohren wird
mit Leib und Seel; Das iſt nicht Fleiſch/ wie ſonſt in der
Fleiſch-Banck feil iſt/ ſondern ein lebendig Kind/ das die
Vernunfft mit ſich bringet von Mutter-Leibe/ und damit auff-
waͤchſt. Darumb ſo heiſſet Chriſtus alles Fleiſch/ was vom
Fleiſch gebohren iſt/ nemlich/ alle weiſe und kluge Leute in der
Welt. Die Koͤnige und Fuͤrſten auff Erden. Jtem/ Va-
ter und Mutter iſt auch Fleiſch/ und was aus ihnen beſamet/
geſchaffen und gebohren wird und waͤchſet/ gleichwie ein groſ-
ſer Baum aus einem Kern waͤchſet. Summa Summa-
rum/ ein Menſch/ der von einem Mann und Weib gebohren/
wird Fleiſch genennet/ dann er kommet vom Fleiſch her/ und
wird von Vater und Mutter gezeuget/ was er nun kan von
Pflantzen/ Bauen/ von Kuͤnſten und Handwercken/ oder was
er von Arbeit und Geſchicklichkeit in ſeinem Kopff traͤget/ und
aus der Vernunfft vermag/ das heiſt alles Fleiſch/ dann es iſt
des weiblichen Kindes Geſchaͤfft/ und kommet vom Fleiſch/
vom Vater und Mutter/ ſeine Vernunfft bringets mit/
gleichwie ein Baum ſeine Blaͤtter und Bluͤthe traͤget/ darumb
was aus der Vernunfft entſpringet/ das heiſt alles Fleiſch/ al-
ſo ſind Fleiſch die allerkluͤgeſten und gewaltigſten auff Erden/
ſammt allem ihrem Vermoͤgen. So wil nun der HErꝛ Chri-
ſtus anzeigen/ wer an mich glaͤuben wil/ und meine Predigt
faſſen/ der gedencke/ daß er das Fleiſch fallen laſſe/ und
mein Wort nicht urtheile oder faſſe mit ſeiner Vernunfft.
Solches Fleiſch/ ſagt Chriſtus ſtracks/ kan in Gottes Reich
nicht kommen/ noch GOtt ergreiffen; wil ſo viel reden: Jhr
hoͤret alle meine Predigt/ daß ich geſagt habe/ wer mein Fleiſch
iſſet ꝛc. Da gehen nun in eurem Fleiſch die Gedancken daher/
daß ihr ſo/ den Sinnen nach/ ſchlieſſet/ ich habe Zaͤhne im
Maul/ haſt du Fleiſch/ ſo wollen wir dich bald aufffreſſen/ und
Achter Theil. N n n n n nwer-
[1018]Die acht und dreiſſigſte
werden nicht viel Menſchen an dir genug haben/ ſie werden
dich bald verdauet und außgeworffen haben/ du wirſt nicht
lang Fleiſch behalten/ wie wolteſt du uns dann das Leben
geben? Alſo redet das Fleiſch/ und wird die Vernunfft
die Wort Chriſti meſſen nach ihrer Weiſe. Gleichwie als wann
eine Kuh Heu/ oder eine Sau Galrende friſſet. Dann hat
ſie es hinweg und auffgefreſſen/ und wann ein Menſch ſein
Brod iſſet/ ſo hat ers verſchlungen/ verzehret und verdauet.
Aber der HErꝛ ſpricht: Jhr habt keine Urſach euch zu aͤrgern/
euer Weißheit/ Verſtand und Vernunfft/ damit ihr dieſe
Wort richten wollet/ gehoͤret nicht hieher/ wilt du mein Wort
verſtehen/ ſo richte es nicht nach deinem Kopff und Vernunfft/
du wirſt ein Narꝛ druͤber/ du kanſts nicht erſehen mit deiner
Weißheit/ ſondern ſtich die Augen aus/ aͤrgern ſie dich/ du
muſt hoͤren/ was ich ſage/ die Wort/ die ich rede/ ſind Geiſt und
Leben. Meine Wort ſind geiſtlich/ das Fleiſch aber mit al-
ler Welt Weißheit/ damit du wilt meine Wort begreiffen/ iſt
eitel todt Ding/ ſo ſind meine Wort eitel Leben. Wilt du
nun das Leben bey dir auch haben/ ſo muſt du ein neuer und
geiſtlicher Menſch werden/ der nicht nach der Vernunfft ur-
theile als ein Menſch von der Mutter gebohren/ ſondern anfa-
he zu glaͤuben dieſen Worten/ ſonſt wirſt du nicht dazu kom-
men/ alſo wird es dein Leben ſeyn.Et pag. 208. f. 2. Bey den
alten Chriſten/ wann man das Abendmahl hat empfahen
wollen/ haben ſich die Chriſten allein im Chor verſchloſſen/
und das Sacrament daſelbſt geſſen/ auff daß nicht die Heyden
ihreMyſteriaanſahen/ und ſie verlachten. Daher hat ein boͤ-
ſer Bub einmal geſagt/ da er gefragt war/ was doch die
Chriſten thaͤten/ wann ſie allein im Chor verſchloſſen waͤren?
Was? ſprach er/ ſie freſſen einen. Von dem an hielt man ſie
fuͤr die Leute/ die ſich unter einander freſſen/ uͤber dem Freſſen
muſten ihrer viel ſterben/ das richtet der einige Boͤßwicht an/
der ſo gifftig und ſpitzig ſolches herauſſer geſagt hatte/ da er ge-
hoͤret/
[1019]Predigt.
hoͤret/ daß man Chriſtum im Sacrament eſſe/ wie es dann
auch noch jetzund ein aͤrgerliche Predigt iſt. Aber ſihe auch
zu/ daß du auch muſt ein Schuͤler werden/ und dahin kommeſt/
da der Geiſt iſt/ daß der Geiſt dich lehre und leite/ dich uͤber
und auſſer der Vernunfft hebe/ ſonſt wirſt du dieſe Wort nicht
verſtehen. Dahin muß es mit dir gebracht werden/ ſonſt iſts
ſchab ab/ du muſt die Vernunfft gar außziehen und hinwerf-
fen durch den Glauben/ daß dieſe Wort geben das ewige Le-
ben. Derhalben ſo iſts beſchloſſen/ daß wer Chriſtus Wort
hoͤren wil/ der laſſe den Eſel daheim/ handele und rechne nicht
nach ſeiner Vernunfft/ thut ers aber/ ſo wird er ſich aͤrgern/
darumb Augen und Maul zugethan/ und die Ohren auff.
Et pag. 209. Nichts deſto weniger iſt Fleiſch und Blut ſo heil-
loß/ daß es wuͤtet und ſtrebet wider dieſe Lehre/ und gleichwie
Fleiſch und Blut in einem jungen Geſellen wuͤtet vor Un-
zucht/ alſo tobet es auch in den groſſen/ klugen/ geiſtlichen und
frommen Menſchen wider den Artickel/ und wil immerdar
den Holtzweg. Darumb muͤſſen wir in eine andere Schul
des Heil. Geiſtes/ der macht aus dieſen Worten feurige Flam-
men und lebendige Flammen/ lehret uns verſtehen die Troſt-
Wort Joh. 14. Jch lebe/ und ihr ſollt auch leben.vid. Luth.
Tom. 7. Jen. pag. 104. f. 2. Er trotzet beyde wider den Tod/ Teuf-
fel und Welt/ laß ſie mich creutzigen/ toͤdten und dazu begra-
ben/ noch ſollen ſie mich nicht erwuͤrgen noch freſſen/ ſondern
ich wil dagegen den Tod in mir ſelbſt erſaͤuffen und in mei-
nem Leibe verſchlingen/ und den Teuffel durch meine Krafft
uͤberwinden. Weil ſie mich nicht im Tod behalten koͤnnen/
ob ſie gleich mit dem Tod an mich lauffen/ ſo wil ich euch auch
nicht im Tod laſſen. Toͤdten werden ſie mich wol leiblich/ aber
doch wil ich dennoch leben/ und ſo ich lebe/ ſo ſoll es euch auch
gelten/ daß ihr auch ſolt mit mir leben/ dann ich wil den Tod
wieder alſo zurichten und erwuͤrgen/ daß er nicht allein an mir
uͤberwunden ſeyn ſoll/ ſondern auch an euch/ ſo ihr an mich
N n n n n n 2glaͤu-
[1020]Die acht und dreiſſigſte
glaͤubet/ daß ihr ſo lang leben werdet/ als ich leben werde. Al-
ſo haben wir die troͤſtliche Verheiſſung/ den Chriſten gegeben/
ſo da geſchreckt werden durch den Tod und allerley Ungluͤck/
daß ſie koͤnnen trotzen wider den Teuffel und die Welt/ und
ſagen: Wann du mich toͤdteſt/ ſo toͤdteſt du mich nicht/ ſondern
hilffeſt mir zum Leben/ begraͤbſt du mich/ ſo reiſſeſt du mich aus
der Aſchen und Staub gen Himmel; Und Summa/ dein
Zorn und Toben iſt eitel Gnad und Huͤlffe/ dann du gibſt mir
nur Urſach und Anfang/ daß mich Chriſtus zum Leben brin-
get/ wie er hie ſpricht: Jch lebe/ und ihr ſolt auch leben. Ja/
ſpricht Fleiſch und Blut/ ich muß gleichwol den Kopff herhal-
ten. Ja/ das ſchadet dir nichts (ſpricht Chriſtus) ſie haben
mich auch gecreutziget/ erwuͤrget/ und ins Grab gelegt/ aber
wie ſie mich im Grab und Tod gehalten haben/ ſo ſollen ſie
euch auch darinnen halten; Dann es heiſt und ſoll heiſſen/
wie ich lebe/ ſo ſollt ihr auch leben. Das ſoll mir weder Teuf-
fel noch Tod wehren. Dieſe Wort muß ein Chriſt lernen/
faſſen/ und ſeinen Chriſtum alſo lernen kennen in ſeinen troͤſt-
lichen Verheiſſungen/ ob ihm der Tod den Stich beut mit
ſeinem Spieß/ und der Teuffel ſeinen Hoͤllen-Rachen gegen
ihm auffſperret/ daß er nicht dafuͤr erſchrecke/ ſondern koͤnne
dem Teuffel wieder Trotz bieten durch den Glauben auff dieſe
Wort: Weiſt du/ wie du den HErꝛn Chriſtum auch gefreſſen
haſt/ und doch haſt muͤſſen wieder geben/ ja er dich wieder ge-
freſſen hat? Alſo ſolt du mich auch ungefreſſen laſſen/ weil ich
in ihm bleibe/ und umb ſeinen Willen lebe und leide. Ob
man mich druͤber aus der Welt jaget/ und unter die Erde
ſcharret/ das laß ich geſchehen. Aber darumb wil ich nicht
im Tod bleiben/ ſondern mit meinem HErꝛn Chriſto leben/
wie ich glaͤube und weiß/ daß er lebt. Unſer Trutz- und Troſt-
Wort iſt: Jch weiß/ daß mein Erloͤſer lebt/ ſo werde ich auch leben/ und der
edlen Lebens-Fruͤchte genieſſen/ hie προγευϛικῶς, Hebr. 6/ 5. ſchmaͤcken das
guͤtige Wort Gottes/ und die Krafft der zukuͤnfftigen Welt/ die Broſam-
lein vom himmliſchen Tiſch; dort vollkommene/ nicht mehr verborgene/
ſon-
[1021]Predigt.
ſondern eroͤffnete Manna. Apoc. 2/ 7. Wer uͤberwindet alle tentatio-
nes und alle des Teuffels Tractament/ dem wil ich zu eſſen geben
von dem Holtz des Lebens/ das im Paradieß Gottes iſt/ das
vollkommene ſelige Leben. Hoſianna/ himmliſch Manna wird er geben/
mir dort oben/ Leben ohne Tod/ ohne Noth/ Leben ohne Ach und Wehe/
droben in der himmliſchen Hoͤhe. Amen.
GEliebte in Chriſto. Unter andern ſchweren Suͤn-
den/ Frevel-Thaten und Greueln/ damit das Juͤdiſche
Volck den grundguten GOTT entruͤſtet und belei-
diget/ gedencket auch der Prophet Eſaias in ſeinen
Verweiß-Worten/ Eſa. 65/ 11. Eines Tiſches/
klagt und ſagt: Sie richten dem Gad einen
Tiſch/ einen Tiſch/ ſagt er/ refertam variis epulis \& mulſo, wie
es Hieronymus erklaͤrt/ der angefuͤllet geweſen von allerhand koͤſtli-
chen Speiſen/ niedlichen Bißlein/ und Wein mit Honig gemiſcht/
mit ſuͤſſem und lieblichem Hypocras/ und daſſelb in guter Ordnung/
in unterſchiedlichen Trachten/ Gaͤngen und Auffzuͤgen/ wie das Hebraͤi-
ſche Wort orechim darauff deutet. Cui?Wem aber zu Dienſt und
Ehren? dem Gad/ das iſt/ der Fortun/ dem Gluͤcks-Gott/ der blin-
den Gluͤcks-Goͤttin/ die man im Heydenthumb für eine Goͤttin auffge-
worffen/ wie es der Lateiniſch Dolmetſch/ nicht allein hie/ ſondern auch
ſam̃t ihm die LXX. Griechiſche Dolmetſchen die Wort der Ertzmutter Lea
deuten/ Gen. 30/ 11. Bagad, ἐν τύχῃ feliciter, finaliter Dæmonio. Quan-
do?Wann haben ſie dieſe Sitt und Ceremoni laſſen fuͤrgehen und an-
geſtellt? Hieronymus in ſeinem Commentario berichtet/ es ſey geſchehen
extremo die anni, futuri anni fertilitatem auſpicantes, auf den letz-
N n n n n n 3ten
[1022]Die neun und dreyſſigſte
ten Jahrs-Tag/ damit das alte Jahr beſchloſſen/ dem blinden Gluͤck umb
die Fruchtbarkeit des vergangenen Jahrs (deſſen ſpecimen und Augen-
ſchein dargelegt) zu dancken/ zu wuͤnſchen und zu bitten/ daß die Fortun
gleicher Geſtalt in folgendem Jahr ihnen den allgemeinen Feld-Tiſch/ Acker
und Weinberg kroͤnen/ Brod/ Ergoͤtzlichkeit/ und alles vollauf beſchehren
wolle. Qui apparatores?Wer hat ſolche Anſtalt gemacht? Eſalas
ſagt: Das Volck Gottes habs gethan/ die haben den HErꝛn verlaſ-
ſen/ uñ ſeines Bergs vergeſſen/ der ihnen in der Wuͤſten den Tiſch gedeckt/
und der geweſen/ der ſie mit Korn/ Moſt und Oel geſegnet. Oſe. 2/ 8.
nicht wiſſen wollen/ daß es der HErꝛ ſey/ der ihr gibt Korn/
Moſt und Oel/ und ihr viel Silber und Gold gegeben/ das
ſie haben Baal zu Ehren gebraucht. Demſelben zu Verdruß ha-
ben ſie auff abgoͤttiſche und Heydniſche Weiß der blinden Gluͤcks-Goͤttin
ſolche Ehre zugelegt.
Waͤre gut/ es waͤren allein die heydenzende Juden ſolche greuliche
Leute geweſen; Aber es iſt leider auch dieſer Greuel aus dem abgoͤttiſchen
Heyden. apoſtatiſchen Judenthumb in die Chriſtenheit/ Zeit des graſſi-
renden Pabſtthums/ eingeſchlichen/ und ſolche Sitt veruͤbet worden/ deſſen
veſtigia noch fuͤrhanden. Dann was iſt das alſo genannte Feſt und
Wirthſchafft/ ſo zu Anfang des Jahrs/ ſonderlich den 6. Jenner auf den
H. drey Koͤnig-Tag/ in Stadt und Land/ zu Hof/ auf Univerſitaͤten und
Schulen pflegt ſolenniter gehalten werden/ da man ein Kuchen auf den
Tiſch legt/ und in denſelben eine Bohn ſteckt/ daruͤber werden die Stuͤck
durchs Loß getheilt/ wer die Bohn bekommt/ der muß der Koͤnig/ ja der
Bohnen-Koͤnig ſeyn/ der muß den Tiſch decken/ ein Gelach bezahlen/ auff-
tragen/ und das Koͤnigs-Feſt celebriren/ ſo endlich auf eine wuͤtende Freß-
und Saͤufferey ablaͤufft/ daß man endlich Salomon und Marcolphum/
Koͤnig uñ Narꝛ nicht mehr fuͤr einander keñen kan; da man von dem blin-
den Gluͤck abgoͤttiſcher Weiß/ daß es wol gelinge in allen Dingen/ hoffet
und erwartet/ dann die iſt die Braut/ umb welche man in ſolchem Gefeſt
pflegt zu tantzen. Interpretativè kom̃t es endlich τῷ δαιμονίῳ dem Teuffel
zu/
[1023]Predigt.
zu/ dem wird finaliter damit gedienet. Hinweg uͤber alle Meer hinweg mit
ſolchem Affen-Spiel/ mit dieſer ſchnoͤden Capell/ welche der Sathan neben
die Kirch Chriſti gebauet; dem Sauerteig/ der ausfegens und nicht haͤ-
gens werth.
GOtt dem Vater des Liechts/ dem Geber aller guten und vollkom-
menen Gaben ſey Lob/ Ehr und Preiß/ daß derſelbe/ gleichwie er vor Zei-
ten ſeinem Volck mit Tiſch-Decken vorkom̃en/ ihnen in der Wuͤſten ei-
nen Tiſch gedeckt/ laut Pſal. 78/ 23. 24. 25. Er geboth den Wol-
cken droben/ und thaͤt auff die Thuͤr des Himmels/ und ließ
das Manna auff ſie regnen/ zu eſſen/ und gab ihnen Him̃el-
Brod. Sie aſſen Engel-Brod/ er ſandte ihnen Speiſe die
Fuͤlle/ denſelben mit Engel- und Himmel-Brod gefuͤllet/ den Wolcken
geboten/ und heiſſen herab regnen. Pſal. 78. Alſo hat er auch Zeit des
anbrechenden Sonnenſcheins/ des neuen Teſtaments/ nachdem das rech-
te Hall- und Jubel-Jahr/ das angenehme Jahr/ der Tag des Heils er-
ſchienen/ allen Geiſt-hungerigen und durſtigen Seelen/ als ein getreuer
Hirt und mildreicher Wirth einen Tiſch bereit zu Bethlehem im Brod-
Hauß/ fuͤr unſern Feinden/ unſer Haupt geſalbet/ voll eingeſchenckt/ laut
des 23. Pſalms/ und darauff gelegt das rechte Himmel-Brod/ davon
Joh. 6. darneben aber auch verſprochen einen guten und annehmlichen
Nach-Tiſch/ und auff demſelben das zeitliche Brod/ und was man be-
darff zur Leibes-Noth/ trachtet am erſten nach dem Reich Gottes und
ſeiner Gerechtigkeit; das ander wird folgen/ als eine Mantiſſa und Zu-
gab/ und geſegnetes Gluͤck/ damit er berathen Joſeph den Keuſchen/ Sa-Gen. 39, 2.
lomon den Weiſen. 1. Chron. 23/ 13. und was er verſprochen/ das hat er
auch im vergangenen Jahr reichlich beſchehret und gegeben. Uns liegt
ob auch das alte Jahr Chriſtlich zu beſchlieſſen/ und das neue anzufan-
gen/ das Benedicire uͤber ſolchen Tiſch ſprechen/ koͤnnens nicht beſſer noch
einfaͤltiger thun/ als in den jenigen Tiſch-Gebeten/ welche die Kinder vor
und nach Tiſch pflegen zu ſprechen: Wir dancken dir HErꝛ GOtt
himmliſcher Vater/ durch JEſum Chriſtum deinen lieben
Sohn/ fuͤr dieſe und alle deine Gut- und Wolthaten/ ꝛc. bey
Beſchluß des alten Jahrs/ mit Mund/ Hertzen/ und im Werck und in der
That ſelbſt/ himmliſcher Vater/ ja immer-Vater/ der du lebeſt und regie-
reſt/ deſſen Guͤte und Treu alle Morgen neu uͤber uns auffgangen/ fuͤr al-
le die Gut- und Wolthaten/ die im verwichenen Jahr zu Leib und Seel/
geiſtlich und leiblich; fuͤr das gute Land/ das du gekroͤnet mit deinen Gut-
thaten/ aus der Quelle deines vaͤterlichen/ unerſchoͤpfflichen Hertzens zu
uns
[1024]Die neun und dreyſſigſte
uns und in uns gefloſſen/ und daſſelbe durch JEſum Chriſtum/ den Pfle-
ger aller himmliſchen und irꝛdiſchen Guͤter. Und wiederumb: Segne
uns im vorſtehenden Jahr die kuͤnfftige Guͤter/ das gute/ das wir von dei-
ner milden Hand haben zu genieſſen/ ſegne/ erhalte/ vermehre/ laß wol be-
kommen/ wol gelingen/ auch durch den geſegneten Weibes-Saamen/ der
die verfluchte Erd wiederumb geſegnet. Jch ſpreche aus dem 129. Pſalm:
Der Segen des HErꝛn ſey uͤber euch/ wir ſegnen euch imNamen des HErꝛn. Amen.
NAchdem wir in unſerm bißher tractirten Text aus Joh. 6.
auff den Augenſchein gangen/ den herꝛlichen reichen Gna-
den-Tiſch/ den uns der Vater des Liechts zu Bethlehem ge-
decket/ und denſelben mit Him̃el-Brod angefuͤllet/ gezieret und berathen/
beſchanet Hoſpitem propitium \& panem, den Gaſt/ der zugleich das
Brod/ und deſſen Adel/ Krafft und Tugend/ auch mehrmal den heilſa-
men Gaſt-Zweck eroͤrtert/ nemlich das edle Leben/ ſo daraus entſpringet:
So folget nunmehr in richtiger Ordnung die mildthaͤtige Δόσις, die Ge-
bung/ Verehrung und Beſchehrung/ Diſpenſation und Außſpendung/
und deroſelben Qualitaͤt und Art/ darauf der HErꝛ gedeutet in dem Wort
Δώσω, Jch werde es geben/ es ſoll das Brod nicht im Brod-Korb
und Meel-Kaſten liegen bleiben/ ſondern gegeben und außgetheilet
werden. Gleichwie nun das Manna/ der Mann-Regen/ der Gnaden-
Regen I. Donum gratuitum, eine Frey-Gab geweſen/ es heiſt ein Ge-
ſchenck/(*) ſie habens nicht durch ihre Muͤhe/ Arbeit/ ſauren Schweiß
aus der Erden heraus geackert/ gepfluͤget und geſaͤet/ nicht in der Son-
nen-Hitz geerndet/ nicht ausgewuͤrcket/ errennet und erlauffen/ weniger
verdienet. Hoͤlliſches Feuer haben ſie verdienet mit ihrem Murren/ ſon-
dern es war ein frey Geſchenck. Exod. 16/ 15. Sie haben GOtt dem HErꝛn
den Tiſch nicht gedecket/ ſondern der HErr iſt ihnen vorkommen/ und hat
ihnen herab laſſen regnen. Alſo iſt freylich auch die Uberreichung und
Diſpenſation des rechten Himmel-Brods eine pur lautere Gab und Ge-
ſchenck/ ein Eleemoſyna und Allmoſen/ es kans niemand erwerben noch
ererben durch Werck/ Gott hat uns ſeinen Sohn geſchenckt/ wie
ſolt er uns mit ihm nicht alles ſchencken? Rom. 8/ 32. Er hat
uns den Baum geſchenckt/ und dannenhero auch das Leben/ das ewige
Leben.
[1025]Predigt.
Leben. Er iſt ſelber das Leben/ kein bloſe Schal/ er iſt ſelber der Kern/
das Marck/ das Leben ſelber/ χάρισμα Θεου̃, Rom. 6. ꝟ ult. Eſa. 55/ 1.
Alle die ihr durſtig ſeyd/ kommet her zum Waſſer/ und die
ihr nicht Gelt habt/ kommet/ und kauffet ohne Gelt/ und
umbſonſt/ beyde Wein und Milch. Sind derohalben die jenige
nicht Narren/ die mit Wercken verdienen wollen/ was ſie zuvor durch
CHRJSTUM ſchon erlangt? (*) Jſt es nicht ein abſurdum, daß
wir geben wollen/ und Gott ſoll von uns nehmen/ wir wollen Geber ſeyn/
und Er Nehmer/ und alſo GOtt dem HErrn ſeine Seligkeit entziehen/
dann es ja beſſer und ſeliger iſt geben als nehmen. Nichts
ſchuldig ſeyn iſt beſſer als in Schuld leben/ (*) ja freylich ἐμωράν-
θησαν ſie ſeynd zu Narren worden/ Rom. 1. und zwar die kluͤgeſten/ die ge-
rechteſten in der Welt κατ᾽ ὄψιν, nach dem aͤuſſerlichen Anſehen/ nicht nur
die Alte/ ſondern auch die Chriſtliche Roͤmer/ die Werckheilige im Pabſt-
thum/ die das ewige Leben mit Wercken wollen gewinnen/ mit Verdien-vid. Luth.
Tom. 6.
Wit. p. 586.
ſten erwerben/ mit Geld-Tax erkauffen. Die Patres Tridentini haben
beſchloſſen Seſſ. 6. c. 16. juſtos verè promereri per fua opera vitam æter-
nam, daß/ die da gerecht fertiget worden/ durch ihre gute Werck warhafftig
das ewige Leben verdienen. Tezels Jahrmarck iſt noch nicht vergeſſen;
So bald der Pfenning im Kaſten klingt/ die Seel aus dem Fegfeuer gen
Achter Theil. O o o o o oHim-
[1026]Die neun und dreiſſigſte
Himmel ſpringt. Nicht allein vernarꝛen ſich hie die Calviniſten/ Beza,
Reinoldus, Vöetius, Urſinus, ſonderlich der Weltberuͤhmte Voſſius,
diſp. de bonis Operibus, q. 1. th. 3. pag. 53. (*) Sondern auch die neue
Majoriſten und Syncretiſten/ die mit jenen conſpiriren/ von denen Luthe-
rus propheceyet. (*) Jſts nicht abermal ein naͤrriſch Werck/ wann ein
Kind die Erbſchafft cum conditione will antretten/ da es ihm doch ſchon
vorhin abſolutè geſchencket. Es ließ ſich wol narren/ wann es nicht ſchaͤd-
lich waͤre/ ja nicht nur naͤrriſch/ ſondern ein grundſtuͤrtzendes Jrrthum/ wie-
wol man prima fronte im erſten Anblick meynet/ es habe nicht viel auff
ſich. Dann iſt dem alſo/ ſo iſt kein aſphalia ſalutis mehr fuͤrhanden/
die Verheiſſung iſt nicht feſt. Rom. 4/ 16. Derhalben muß die
Gerechtigkeit durch den Glauben kommen/ auff daß ſie ſey
auß Gnaden/ und die Verheiſſung feſt bleibe allem Saamen/
nicht dem alleine/ der unter dem Geſaͤtz iſt.Conſcientia non pot-
eſt eſſe tranquilla per ulla bona opera(*). Gehet alles auff gerathwol
erfahren/
[1027]Predigt.
(*)
hinauß. Zum Exempel/ Saul verſprach David ſeine Tochter zum Wei-
be/ wann er zur Morgengab hundert Vorhaͤute der Philiſter darlegte. Wie
aber? wann er die Zahl nicht erfuͤllet? Waͤre Saul ſchuldig geweſen/ ſei-
nem Verſprechen zuſtehen? Haͤtte David Hoffnung gehabt/ Sauls Ey-
dam zu werden? unterdeſſen bleibt doch die neceſſitas præſentiæ, non
efficientiæ, neceſſitas in ſalvando, non ad ſalutem; bona opera ſunt
via regni, non cauſa regnandi.
II. Doſis Mediata,ein vermittelt oder mittelbahre Gebung.
Es hat ſich das edele Manna nicht unmittelbahr erzeigt/ ſondern vermit-
telſt deß Morgen-Thaues/ wie Moſes bezeugt/ es iſt daſſelbe in dem Mor-
gen/ Thau gleichſam als ein koͤſtlich Kleynod eingefaſſt geweßt. Exod. 16/
13. 14. und am Morgen lag der Thau umb das Heer her/ und
als der Thau weg war/ ſihe/ da lag es in der Wuͤſten rund
und klein/ wie der Reiff auff dem Lande. Die Erde war der Tiſch/
der Thau war die Mappa, Tiſch-Lacken und Tiſch-Tuch/ darin es einge-
wickelt geweßt/ umb und umb/ auff daß es von dem Wuſt der Erden nicht
befleckt/ ſondern rein und ſauber bleiben koͤnte/ waren alſo guͤldene Aepffel
in ſilbernen Schalen. Alſo erſcheinet Chriſtus das rechte Himmel-
Brod nicht mehr in ſichtbahrer Geſtalt. Wir koͤnnen nicht ſagen mit
Johanne/ wir haben das Wort deß Lebens geſehen/ betaſtet/ ꝛc. Wir
haben auff dem Berg ſeine Klarheit und Herrlichkeit geſehen. Sondern
mediatè, in der Sacramentlichen Nieſſung erzeigt er ſich in dem geſegne-
ten Brod/ und vermittelſt deß geſegneten Weins/ hie aber in ſeinem
Wort und fruchtbaren Evangelio. Das Evangelium iſt der Himmels-
Thau von der Morgenroͤth/ aus welcher Kinder gebohren werden in un-
zehlbahrer Menge/ mehr als Thau-Troͤpfflein/ Pſal. 110. der Thau faͤllet
vom Berg herab in die Thaͤler und Gruͤnde/ henget ſich an das Graß und
Blumen/ kuͤhlet die Hitz/ Syr. 18/ 16. erquicket die welcke Pflantzen und
Erden-Gewaͤchs/ machet das Feld fruchtbar/ die Jmmen ſaugen ihren
Honig darauß: alſo und gleicher maſſen iſt das Evangelium ein ſolcher
Gnaden-Thau/ der vom Berg Zion auff die gedemuͤthigte/ geiſtdurſtige
Hertzen der Glaubigen faͤllet/ daran viel tauſend Heilige Gottes/ als zarte
Bienen/ geſogen/ ſich daran ergetzet/ auch in ihren Hertzen durch die Krafft
deß Heil. Geiſtes dergeſtalt verdauet/ gekocht und außgewuͤrcket/ daß ſie
O o o o o o 2auch
[1028]Die neun und dreiſſigſte
auch andere damit erquicken und ſtaͤrcken koͤnnen. Darum ſagt Pe-
trus: HERR/ du haſt Worte deß Lebens/ es iſt ein lebendiges
Wort/ reich von Safft und Krafft/ voller Geiſtes/ (vide Luth. Tom. 6.
Witt. p. 46. f. 2.) anders als cœna Heliogabalea, deren ſich vergleicht
das Paͤbſtliche Meß-Opffer/ die Monſtrantz/ Hoſtia/ darauff ſie deuten
und ſagen: Hîc Deum adora,Hie iſt Gott! Hie bette Gott an!
Derowegen πάσης ἀποδοχῆς ἀξιον, ein ſolches Wort/ ſo wol wuͤrdig und
werth/ daß man es auffhebe/ theur und werth halte/ in demſelben den Safft
und Krafft deß Lebens ſuche/ erforſche/ nach Joh. 5/ 39. Forſchet in
der Schrifft.
III. Doſis Organica,Ein Werckzeugliche Gebung. Gleich-
wie das Manna/ ehe es außgeſpendet worden/ zuvor muſte zuberei-
tet/ gebacken und zuſammen gekugelt werden/ ſo geſchehen durch den
Dienſt und Geſchaͤfft der Heil. Engel/ darumb heiſt es ein Engel-Brod/
nicht als wann die Engel leibliche Speiß beduͤrfften/ und dannenhero ſich
deß Manna bedienten/ wie etliche Rabbinen gefabelt/ auch nicht bloß ob
Excellentiam, wegen ſeiner Niedlichkeit und Fuͤrtrefflichkeit/ in welchem
Verſtand Engel-Zung heiſt die beſte Wolredenheit/ ſondern weil (wie es
1. Cor. 13.Theodoret. erklaͤret (*)) es durch den Dienſt der Engel zuſammen gefuͤ-
get/ geballet/ gebacken und vollkommen zugerichtet/ ſie ſind geiſtliche Becker
Luc. 4.
Luc. 22.und Apothecker/ haben ſolch Kunſt mehrmal probirt/ Chriſto zu Tiſch ge-
dienet/ Chriſtum nicht nur mit Worten/ ſondern auch realiter mit heilſa-
men confortantzen/ Latwergen/ Perlen-Waſſer/ und andern dergleichen
erquicket: Alſo auch hie den Jſraelitengedienet. Solche geiſtliche Becker
und Aertzte ſind auch Lehrer und Prediger/ als welche der Geiſt Gottes mit
dem Namen der Engel geadelt/ Apoc. 2. 3. Nicht ihrer Natur ſondern
Ampts halben/ die muͤſſen das edele Brod deß Lebens bereiten/ backen/
ſchencken/ zurichten/ durch andaͤchtige Gebet/ durch die Hitz der Anfech-
tung/ und dann eifferige/ fleiſſige meditation: die tragen Chriſtum daher
im Evangelio/ ἐυάγγελοι, wol werth/ daß ſie als Engel auffgenommen
werden/ wie die Galater den Apoſtel Paulum. Gal. 4/ 14. und eines ehr-
lichen Botten-Brods wuͤrdig/ dann ſo ſie das Geiſtliche ſaͤen/ iſts
ein
[1029]Predigt.
ein groß Ding/ daß ſie das Leibliche erndten? 1. Cor. 9/ 11. wuͤr-
dig/ ſag ich/ aber in der Welt ungewuͤrdiget/ unſelig/ verlaſſen/ je eyfferiger/
je getreuer/ je gewiſſenhaffter; je verhaſſter. Weil ſie ſich am Teuffel ver-
ſuͤndigen/ ſo traͤnckt ers ihnen auch ein/ Welt bleibt Sodoma/ ſie tractirt ſie/
wie die Engel zu Sodom; contra die Baals-Prieſter und Propheten eſſen
von der Koͤnigl. Taffel; Aber Micha (weil er die duͤrre bittere Warheit
geſagt) wird mit Brod deß Elends geſpeiſet. 1. Reg. 22/ 27. So ſpricht
der Koͤnig/ dieſen ſetzet ein in den Kercker/ und ſpeiſet ihn mit
Brod und Waſſer deß Truͤbſals. Das Predigampt lebt von
den Todten/ ſolte es von den Lebendigen leben/ wie ſchmal wuͤrde es herge-
hen? Dornene Cron/ von ſtachelichen Calumnien iſt/ der Welt Lohn
und Botten-Brod/ ſonderlich zu dieſen Zeiten. Wer nicht zu dem falſchen
Religions-Frieden/ als einem ſuͤſſen Gifft/ rathen und einſtimmen will/
der muß Suͤnder/ ja gar ein wuͤtender Hund ſeyn und heiſſen/ das
Loſament wird ihm bey den wilden Menſchenfreſſern den Canibalen und
Tovoupi naumbaultiis beſtellt.
IV. Doſis prudenter diſcreta,eine kluge Gebung und Auß-
ſpendung/ davon Manna den Namen bekommen à [...] numerare,
gleichwie die Haußvaͤtter das Manna mit ſonderbahrer Klugheit einge-
ſammlet/ nicht zu wenig oder zu viel/ nach der Proportion ihrer Kinder
und Geſindes/ damit der viel geſammlet/ nicht mehr haͤtte/ dann
der wenig geſammlet. Exod. 16/ 17. Das iſt es aber/ das der
HErr gebotten hatte/ ein jeglicher ſammle/ deß/ ſo viel er eſſen
mag/ und nehme ein Gomer auff ein jeglich Haupt/ nach
der Zahl der Seelen in ſeiner Huͤtten. Deßgleichen haben ſie
ſich auch muͤſſen richten nach dem tem perament, appetit und Mund deß
Alters/ und einem jeglichen kochen/ wie ers gern haͤtte/ geſotten/ gebraten/
gebacken/ ꝛc. dann einerley taugt nicht jederman/ eine erlebte Perſon kan
einen groſſen Brocken verſchlucken/ ein zartes Kind duͤrffte daran erſti-
cken. Alſo iſt auch bey der Oeconomia myſteriorum ein groſſe Prudentz
vonnoͤthen/ daß einem jeden ſein [...]ιτομέτριον und gemeſſenes TheilLuc. 12.
recht verlegt/ trenchirt werde/ dann das heiſt ὀρθοτομεῖν, recht theilen/
2. Tim. 2/ 15. St. Paulus deutet auff ſolche Prudentz in ſeiner beruͤhmten
Gleichnuͤß der Milch und ſtarcken Speiß Hebr. 5/ 12. 13. 14. und die
ihr ſoltet laͤngſt Meiſter ſeyn/ beduͤrffet ihr wiederumb/ daß
man euch die erſten Buchſtaben der Goͤttlichen Wort lehre/
und daß man euch Milch gebe und nicht ſtarcke Speiſe/ dann
wem man noch Milch geben muß/ der iſt unerfahren in dem
O o o o o o 3Wort
[1030]Die neun und dreiſſigſte
Wort der Gerechtigkeit/ dann er iſt ein junges Kind/ den
vollkommenen aber gehoͤret ſtarcke Speiſe/ die durch Gewon-
heit haben geuͤbte Sinne/ zum Unterſcheid deß guten und
deß boͤſen. 1. Cor. 3/ 2. Milch habe ich euch zu trincken geben/
und nicht ſtarcke Speiſe/ dann ihr kontet jetzt noch nicht/ die-
weil ihr noch fleiſchlich ſeyd. Er macht ein Unterſcheid unter dem
kleinen und groſſen Catechiſmo Lutheri/ unter den Saͤuglingen und erleb-
ten/ Lac ſugentibus, ſolidus cibus proficientibus.(*) Jm kleinen Ca-
techiſmo der Wort-Erklaͤrung/ zum Exempel/ was heiſt ein Chriſt? Was
Zaubern/ Fluchen/ Affterreden ſey? was Kirch/ Ablaß der Suͤnden/ Sa-
cramenta/ Ampt der Schluͤſſel/ und dergleichen? theilen heiſt das ſchwere
mit ſchrifftmaͤſſigen Gleichnuͤſſen illuſtriren/ erlaͤutern und erleichtern/ und
alſo lactificiren/ genehm und ſuͤß machen/ inſtilliren/ gleichwie die Kinder
Brey oder Butter mit Fingern einſtreichen. Auff welche weiß der Arti-
cul von der perſoͤnlichen Vereinigung in Chriſto mit der Koͤniglichen
Hochzeit verglichen wird/ Matth. 22. der Articul von der Rechtfertigung
auß der Epiſtel an den Philemonem/ das Geheimnuͤß deß Glaubens
durch das eſſen und trincken Joh. 6. erklaͤret werden. Folget die ſtarcke
Speiſe/ dergroſſe Catechiſmus Lutheri/ und in demſelben der ſpecial-
Verſtand (*)/ perfection, augmentation, die conſequentias wiſſen zu
eliquiren/ zum Exempel/ der Unterſcheid unter dem ſacerdotio Melchiſe-
dechs und Aarons/ Hebr. 7. und was es ſey/ wann wir aus dem 110.
Pſalm ſingen: Du biſt ein Prieſter ewiglich/ nach der Weiſe
Melchiſedechs/ daß gleichwie Melchiſedech Abrahams Soldaten
Brod und Wein herfuͤr gebracht/ dieſelbe nach der Schlacht und erlang-
tem Sieg zu erquicken: Alſo habe auch Chriſtus ſein Fleiſch und Blut
allen rechten Streitern Jeſu Chriſti/ ſo in geiſtlichem Kampff und Streit
gleichſam ermattet/ ſein Fleiſch und Blut zur Speiß und Auffenthalt ge-
geben.
V. Doſis ſequeſtra veri \& falſi, boni \& mali:Eine unterſcheide-
ne Gebung. Gleichwie das Manna hat wol muͤſſen verwahrt/ und von
den ſtinckenden/ abgeſchmackten/ verdorbenen/ und wurmſtichigen Maña-
Gifft muͤſſen unterſchieden werden/ welches wañ mans gebuͤrender maſſen
gebraucht/
[1031]Predigt.
gebraucht/ ein Geruch deß Lebens zum Leben von ſich gegeben. Wann
man aber ohne und wider GOttes Ordnung daſſelbe uͤber Nacht be-
halten/ ſo iſts ſtinckend worden/ und ſind W[uͤ]rm darinn gewachſen/ und
iſt ein Geruch deß Todes zum Tode darauß worden/ nicht per ſe, ex vi-
tio Mannæ, ſed utentium ἀταξία \& abuſu, nicht auß und fuͤr ſich ſelbs/
ſondern wegen der Gaͤſte Unordnung und Mißbrauch. (*) Alſo gehet es
auch dem Himmelbrod/ es wird auff mancherley weiß mißbrauchet/ daß der
edele Schatz verdirbet/ durch Zuſatz und Menſchen Geſatz. Jſts wahr/
was die Rabbinen vorgeben/ von dem Becken Pharao/ daß er calculum
und Gifft eingemiſchet/ ſo iſts henckens werth geweſen (*). Von Manuel
Comneno bericht die Kirchen-Hiſtori/ daß er den Chriſten zu vergeben
Kalck und Gyps gemenget/ und dadurch den Zug zum gelobten Land
verhindert/ Spondan. ann. 1147. 3. Welches Feuer/ welche gluͤende Zan-
gen ſind genug zu ſtraffen die barbariſche/ unmenſchliche Mordthat/
welche ein Moͤnch an Henrico VII. veruͤbt. ann. 1313. (*) wiewol
ſolches Spondanus in Zweiffel gezogen/ ex Teſtimonio negativo,
welche argumentation keiner tauben Nuſſen werth. anno 1313. 6. Gleich-
wie
[1032]Die neun und dreiſſigſte
wie nun in ſolchen Faͤllen Caution vonnoͤthen/ daß man das Brod von
dem Gifft unterſcheidet; alſo iſt auch allhie in dieſem Geheimnuß die
γυμνασία κακου̃ τε καὶ καλου̃ Heb. 5. noͤthig/ daß man geuͤbte Sinne habe
zum Unterſcheid deß Guten und Boͤſen. Sonderlich in dieſen gegenwaͤr-
tigen Laͤuffen und Zeiten/ da die alte Schlang mit einer Tracht und Speiß
umbgehet/ die klug ſoll machen/ und den albern Simpliciſten ein Paſtet
aufftraͤgt/ in welcher geſundes und vergifftes ſtinckendes Schlutfleiſch zu-
ſam̃en gebacken liegen/ ein ſolcher Hafen/ darin Kuͤh-Milch und Wolffs-
Milch/ Balſam und Ottern-Gifft zuſammen gebuttert werden. Dieſel-
be ſoll man nun neben einander dulden/ paſſiren und toleriren/ ſaͤuber-
lich mit dem Knaben Abſolon umbgehen; da iſt nun wachens und weh-
rens vonnoͤthen/ nicht daͤmpffens/ ſondern kaͤmpffens/ nicht Fuchs-
ſchwantz/ ſondern Saltzes.
Darum exclamirt Chriſtus Luc. 12/ 42. Wie ein groß ding
iſt es umb einen treuen und klugen Haußhalter/ welchen ſein
Herr ſetzt uͤber ſein Geſind/ daß er ihnen zu rechter Zeit ihr Ge-
buͤhr gebe. Selig iſt der Knecht/ welchen ſein Herr alſo
finden thut/ wann er kom̃t. Warlich ich ſage euch/ er wird
ihn uͤber alle ſeine Guͤter ſetzen. So aber derſelbe Knecht in
ſeinem Hertzen ſagen wird: Mein Herr verzeucht zu kom-
men/ und faͤhet an zu ſchlagen Knecht und Maͤgd/ faͤhet an
zu eſſen und zutrincken/ und ſich vollzuſauffen/ ſo wird deſ-
ſelben Knechts Herr kommen an dem Tag/ da er ſich nicht
verſihet/ und zur Stund/ die er nicht weiß/ und wird ihn zu-
ſcheitern/ und ſein Theil geben mit den Unglaubigen. Wer
iſt dieſer Knecht? Jſt Petri Frag Luc. 12/ 41. HERR/ ſageſt du
dieſe Gleichnuß zu uns/ oder auch zu allen? Die Antwort ſtehet
Marc. 13. Was ich euch ſage/ das ſage ich allen. Wachet.
Ein jeder Haußvatter/ der den Namen traͤgt/ (*) wie Abraham. Gen. 18.
Jch weiß/ er wird befehlen ſeinen Kindern/ und ſeinem Hauſe
nach ihm/ daß ſie deß HErren Wege halten/ und thun was
recht und gut iſt. So gibts hie kein Excipe. Wer in der Schrifft
den Namen eines Vatters hat und traͤgt/ der iſt auch verpflicht allen
ſeinen angehoͤrigen ſo gethane Vaͤtterliche Lehre zuweiſen/ mit leiblicher
Unter-
[1033]Predigt.
Unterhaltung deß Leibs iſt lang nicht außgericht/ damit aber niemand
excipiren und einwenden moͤchte/ es waͤren ſolche ſtarcke Speiſen zuver-
dauen allein den Lehreren und Gelehrten anbefohlen/ der gemeine Mann
habe genug an dem Catechiſmo/ ſo wolle man (neben dem Apoſtoliſchen
Anſpruch der H. Bruͤder/ die mit ihm beruffen ſind durch den H. Be-
ruff/ die allererſt haben Meiſter werden ſollen) bedencken den unwider-
bringlichen/ unſaͤglichen Seelen-Schaden auß GOttes heiligem und ge-
rechtem Verhaͤngnuß/ 2. Theſſ. 2/ 11. kraͤfftige Jrrthum/ eingeflochte-
ne Koͤhlers-Glaub/ opus operatum, ſuperſtitiones, ſupererogationes,
ſchwere Geſaͤtz/ Buͤrden/ Geluͤbden und Wallfahrten/ ꝛc. ſo aus Flucht der
ſchweren Lehren entſtanden/ ſampt dem Antichriſt/ hat beſagte Faulheit
gezeuget/ ἀποςασίαν vom rechten Glauben/ endlich ἀπωλείαν das ewige
Verderben. Davon Sap. 2. ein trauriges ejulate geſungen wird. Sonder-
lich aber Patres Eccleſiæ ſollen getreu ſeyn ihrem GOtt/ und anvertrau-
ten Seelen/ ſie eifferig fuͤr Seelen-Schaden zu warnen/ aber auch als kluge
Haußhalter das σιτομέτριον recht treffen/ ihre Treu erweiſen/ nicht bloß an
dem kleinen Catechiſmo haͤngen/ und lauter lactimulgos zielen/ ſondern
auch die ſtarcken Speiſen mit untermengen/ nicht lauter moralia tracti-
ren/ ſondern den Baum deß wahren Glaubens zuvor pflantzen/ und aus
demſelben die Tugend-fruͤchte abbrechen/ Chriſtum zuforderſt vorſtellen/
als ein Sacrament/ und hernach auch unſer Exemplar/ Muſter und
Beyſpiel. Sonſt werden die Roß hinder den Wagen geſpannet. Daß
nicht die Zuhoͤrer Urſach haben zu klagen und zuſagen Actor. 8, 31. Wie
kan ich/ ſo mich nicht Jemand leitet? Roͤm. 10/ 14. wie ſollen
wir glauben/ von dem wir nichts gehoͤret haben/ daß ſie nicht
dermalen eins uͤber ſie (als durch dero Fahrlaͤſſigkeit ſie verfuͤhret worden)
zetter ſchreyen muͤſſen/ und ſagen: An dieſem Urtheil/ das uͤber uns er-
gehet/ ſeyd ihr ſchuldig/ ihr haͤttet uns beſſer armiren und außruͤſten ſollen
mit Waffen GOttes/ deß Teuffels Liſten zuentfliehen/ das habt ihr nicht
gethan/ theils aus Unwiſſenheit/ theils auß Faulheit/ darumb Zetter
uͤber euch! Es ſollen es aber auch Zuhoͤrer nicht machen wie die Caper-
naiten/ die gehen davon/ und ſagen/ σκληρὸς λόγος, das iſt ein harte
Rede! darnach aber auch kluͤglich ſequeſtriren. Dann welch ein groß
Ding iſt es umb einen klugen Haußhalter/ ꝛc.(*) Aber auch wie
Achter Theil. P p p p p prahr
[1034]Die neun und dreiſſigſte
rahr und ſeltzam? Urſach/ es traͤgt nichts ein/ macht Arbeit/ und nichts da-
von/ als Haß und Verfolgung. Deß HErrn Warlich wird nicht feh-
len Luc. 12/ 44. Warlich ich ſage euch/ er wird ihn ůber alle Guͤ-
ter ſetzen. Jm Gegentheil/ wie ein boͤſes/ unſeliges Ding iſt es
umb einen untreuen/ unklugen Knecht/ der ſchlaͤgt umb ſich mit
unverdienten Scheltworten/ ungegruͤndtem Argwohn/ und der Richtſucht/
dadurch ſie/ als waͤrens Hertzenkuͤndiger/ ſchoͤne oder erbauende Ampts-
Gaben den Zuhoͤrern verdaͤchtig machen/ als würden ſie zu eigener Ehr
mißbraucht/ da muß ihnen darzu dienen die Epiſtel 1. Cor. 13. Wann ich
mit Menſchen oder Engel-Zungen redete/ ꝛc. Verkauffen unter ſolchem
Schein ihren Neid oder Mißgunſt/ calcant faſtum ſed alio faſtu: damit
ſie ihre Traͤgheit beſchoͤnen oder credit erhalten/ deuten ſie die Verweißwort
S. Paul. 1. Cor. 1/ 12. Einer ſpricht/ ich bin Pauliſch/ ꝛc. zu Auffhebung
deß Unterſcheids unter den Sternen/ 1. Cor. 15. Es ſey kein Unter-
ſcheid unter den Predigern/ und deren Gaben zu halten/ ſonderlich ißt
und trinckt ein ſolcher Knecht/ iſt ſicher; Zihlet unter dem Na-
men der Chriſtlichen Lieb auff gute faule Menſchen-ja Moͤnchen- und
Prælaten-Tag/ werden deßwegen in groſſem pretio oder Wuͤrde gehalten.
Viel anders als die Apoſtel und dero treue Succeſſores, die immer
im Kampff ſtehen/ und Verwirrer ſeyn muͤſſen/ wie Elias. Es ſind
zwar jene gar friedliche Leuth/ aber ſo bald man ihnen nicht Beyfall ge-
ben will/ da brennts/ da muͤſſens Calumnien heiſſen; die richtige Conſe-
quentzen/ auß welchen der widrigen Lehren abſurditates, die von
den ihrigen principiis gefloſſen/ wollen ſie nicht leiden/ ſich nicht dar-
zu verſtehen/ ſcilicet wie jener/ der in Vergicht bekennet/ er habe dieſes
oder jenes Laſter begangen/ da der Richter ein Conſequentz gemacht:
Ergo, Strang/ Schwerdt/ Rad/ haſt du verdienet/ dawider proteſtirt
und geſagt: Negatur conſequentia, Dazu verſtehe ich mich nicht. Es
waͤre wol ſo/ daß man ſaͤuberlich mit dem Knaben Abſolon umbgienge/
und deutet die Wolffs-Stimm fuͤr ein Hirten-Stimm/ aber es iſt umb die
arme Lutheriſche albere Herd zuthun. Gewinnet der Wolff Beyfall/ es
ſeyen die Zeloten/ wuͤtende Hunde/ ſo iſts umb die Schaafe geſchehen.
Nun wie wirds bey obgeſagtem Plagiario außſchlagen? wie bey einem
Verraͤther/ der HErr wird ihn zuſcheitteren. Jhr Lohn wird
ſein mit den Unglaubigen/ das iſt/ Verraͤthern/ die man zerreißt
und viertheilt. Das iſt das ſchwerſte ſupplicium in der Hoͤll/ und ewigen
Verdammnuß.
Brentius hæc habet ad h. l. p. 742. Venit Dominus ſervi illius in die, quo non
expectat, \& horâ, quâ ignorat, \& diſſecabit eum, partemque ejus ponet cum infi-
dis, ſeu,
[1035]Predigt.
dis, ſeu, ut Matthæus habet, cum hypocritis, h. e. cum ſubdolis proditoribus, \&
fidefragis. Solent enim proditores \& fidefragi, qui dicuntur hypocritæ, aliud
videlicet ſimulantes, aliud agentes, in quatuor partes diſſecari, \& particulatim
ad quatuor portarum civitatis introitus ſuſpendi. Cùm igitur ignavi, impii, \&
crudeles officiales habeantur in catalogo proditorum, afficiuntur etiam codem
cum proditoribus ſupplicio. Quod accidit in publicis dominorum hujus ſecu-
li miniſtris, hoc idem accidit in miniſtris Eccleſiæ. Quid ſi ſervus quiſpiam
non ex ignavia aut impietate, ſed ex ignorantia neglexit officium ſuum, nun quid
\& ille proditorum ſupplicio afficietur? Afficietur quidem ſupplicio, ſed tamen
tolerabiliori: Sequitur enim: Ille autem ſervus, qui cognovit voluntatem Do-
mini ſui, \& ſe non præparavit, \& non fecit ſecundum voluntatem ejus, vapula-
bit multis. Qui autem non cognovit, \& fecit digna plagis, vapulabit paucis.
Sed dicis: Si ita res ſe habet, quod ſi ignorantes peccant, levius punientur \& da-
mnentur, malo nullas audire ſacras conciones, nec diſcere, quid rectum, quid ſe-
cus ſit, ut ſi quidem damnationi obnoxius fuero, tolerabilius puniar, quàm cog-
nitione recti graviſſimo afficiar ſupplicio. Hic verò nobis obſervandum eſt,
multum eſſe diſcriminis inter eos, qui nolentes, \& qui volentes rectam pœniten-
tiæ rationem ignorant. Quare ut Magiſtratus ſeverius in hunc animadvertit,
qui data opera obturat aures ad promulgationem legis, \& poſteà ignorantiam
prætexit, quàm in illum, qui vel omninò legis ignorans deliquerit, vel ſciens,
aliqua tamen tolerabili causâ, legem violaverit. Ita Dominus Deus noſter mul-
tò graviùs eos puniret, qui ſtudio impietatis nolunt voluntatem Domini cogno-
ſcere, quàm illos, qui cognoſcunt \& delinquunt.
Dafuͤr behuͤt uns du ſuͤſſer JEſu Chriſt/ weil du Menſch gebohren biſt.
Wir ſchlieſſen und ſprechen das ſchoͤne Neu-Jahr-Gebet:
JEſu wollſt uns weiſen/Deine Werck zu preiſen/Ohne dich/ ohne dich/ moͤgen wirs nicht enden.Herrlich reichen SeegenHaſt du uns gegeben/Ach hilff/ ach hilff/ daß wirs erkennen!Naͤchſt dir du edler Hort/Der groͤſte Schatz dein WortNimmt weg all unſer Schmertzen/Macht froͤlich unſere Hertzen/Es ſchallt/ es ſchallt im Land jetzt mit Gewalt.Schoͤne Gaben gibt dein Geiſt/Deinen Dienern allermeiſt/Chriſtliche Leut zu lehren/Dein Himmelreich zu mehren.Allein/ allein dein ſoll die Ehre ſeyn.Jehi, fiat! das geſchehe HErr JEſu/ AMEN.
GEliebte in Chriſto. Wo ein Aaß iſt/ da ſamm-
len ſich die Adler. Jſt ein bekanntes/ geuͤbtes/
und uhraltes Sprichwort/ gebraucht/ ſchon von dem
Orientaliſchen Philoſopho, dem theuren Mann
GOttes Job cap. 39. wann er von ihm ſagt/ wo
ein Aaß iſt/ da iſt er. widerholet von dem Geiſtrei-
chen Propheten Habacuc cap. 1/ 8. wann er von
den Chaldeeren ſagt/ daß ſie daher kommen/ wie die Adler zum Aaß
eylen. Ja von dem groſſen Propheten Chriſto ſelbſt/ welcher ebenmaͤſ-
ſig dieſes Sprichwort auff der Zungen gefuͤhrt/ mit ſeinem allerheilig-
ſten Mund conſecrirt und geweyhet/ und eine traurige Weiſſagung von
dem Greuel der Verwuͤſtung damit geſchloſſen. Matth. 24. Jſt aber
auch veriverbium,ein wahres Wort/fundiret nicht allein in der
Natur und Experientz/ dann ja der Adler/ wann er mit ſeinen ſcharffen
zwitzerenden Augen von fern ein cadaver, ein Todten Aaß/ ein todtes Roß/
Kuh/ Wild/ und dergleichen ſihet/ riechet/ ſo ſtoßt er ſchnell wie ein Blitz auf
daſſelbe zu/ er ſetzt ſich darauff/ ſauget das Blut herauß/ aͤtzet und ſaͤttiget
ſich damit. Das Aaß iſt der Magnet/ der Adler das Eyſen/ der von dem
Magnet an ſich gezogen wird/ wo Zug/ da Flug/ wo Geruch/ da Geſuch/ wo
Aaß/ da Adler. Sondern es erzeigt ſich auch die Warheit dieſes Sprich-
worts in Myſterio fidei, in der Geiſtlichen Seelenſpeiß deß gecreutzigten
JEſu von Nazareth/ der ſich ſelbſt einem Todten-Aaß vergleicht/ nicht
zwar κατ᾽ ἀλήθειαν, alſo waͤre ſein Heiligſter Fronleichnam ein ſtinckendes
Todten-Aaß/ deſſen Fleiſch iſt ein lebendigmachende Speiß/ der Ge-
ruch derſelben iſt ein Geruch deß Lebens zum Leben/ der die Verweſung
nicht geſehen/ Pſalm. 16. Sondern κατὰ δόξαν, dem Schein nach.
Weil
[1037]Predigt.
Weil die unglaubige Juden und Heyden ab demſelben/ als an einem
ſtinckenden Aaß/ ein Greuel gehabt/ ſie ſchuͤttlen die Koͤpff/ er war den Ju-
den eine Aergernuß/ den Griechen eine Thorheit/ beeden ein
Geruch deß Todes zum Tod. Aber uns eine Krafft GOttes/
1. Corn. 1/ 18. ſeinen glaubigen außerwaͤhlten Juͤngern und angehoͤri-
gen eine ſuͤſſe Speiß/ in dem ſie wie Simſon im Loͤwen-Aaß lauter Ho-
nig gefunden/ dem ſie als die Geiſtlichen Adler nachgezogen/ laut ſeiner
Propheceyung Johan. 12/ 32. Wann ich werde erhoͤhet ſeyn/ ſcilicet am
Creutz/ ſo will ich ſie alle zu mir ziehen/ wie der Magnet das Eyſen/ das
Aas den Adler/ nicht nur Johannem/ und die Mutter JEſu/ Mariam
Magdalenam/ und andere Galileiſche Weiber/ den Schaͤcher am
Creutz/ den bußfertigen Hauptmann unter dem Creutz/ Joſeph und
Nicodemum/ ſondern auch alle Menſchen/ ſonderlich aber die Glaubigen
und Außerwaͤhlten/ ſo viel deren geweßt von Anbegin/ biß ans End der
Welt/ ja auch zuvor/ ehe Er gecreutziget worden/ die Weiſen auß Mor-
genland/ die ſind einen weiten fernen Weg als die edlen Adler dieſem
Aas nachgezogen/ das Brod deß Lebens im rechten Ort zu Bethlehem/
im Brodkorb geſucht und gefunden. Jene Griechen wuͤnſchen und ſagen:
Wir wolten JEſum gern ſehen. Johan. 12. Sonderlich aber
auch das jenige Volck/ welches Chriſto in der Wuͤſten nachgezogen/ von
demſelben mit irrdiſchem Wunder-Brod geſpeiſſet worden/ 5000. nur
allein Maͤnner/ ohn Weib und Kind/ mit fuͤnff Gerſten-Brod und zween
Fiſchen geaͤtzet und geſaͤttiget worden/ dem ſie als die Adler uͤber die See gen
Capernaum nachgezogen und geflogen/ der HErr empfangt ſie mit die-
ſen Worten und Lehrreichen inſtruction Johan. 6/ 26. 27. Warlich/
ich ſage euch/ ihr ſuchet mich nicht darumb/ daß ihr Zeichen
geſehen habt/ ſondern daß ihr von dem Brod geſſen habt/
und ſeyd ſatt worden. Wuͤrcket Speiſe/ nicht die vergaͤng-
lich/ ſondern die da bleibet in das ewige Leben/ welche euch
deß Menſchen Sohn geben wird. Wuͤrcket auff Art und Weiß/
wie wir jetzt und bey naͤchſtem vernehmen werden. Euer Lieb iſt vor
dieſem in dieſer ſchoͤnen außerwaͤhlten Hiſtori erklaͤret und vorgetragen
worden der angekommene himmliſche Gaſtgeber/ der vom Himmel herab
kommen in unſer Hunger- und Kummer-Land/ uns mit Himmel-
Brod zu ſpeiſen. 2. Haben unter der Figur deß Manna in der Wuͤ-
ſten die Natur/ Art und Eygenſchafft deß Geiſtlichen Himmel-Brods/
welches iſt Chriſtus ſelber/ der Wirth und Speiß/ zugleich durchſchauet.
Angehoͤrt 3. den Zweck/ Krafft und Frucht dieſes Brods/ das rechte
P p p p p p 3himm-
[1038]Die viertzigſte
himmliſche/ unzerſtoͤrliche/ ewige Leben: auch die εόσιν die Gebung oder die
Diſpenſatores, die Becker und Aufftraͤger/ die Haußhalter ſolcher Ge-
heimnuͤß beſehen. Folgen dißmal Hoſpites die Gaͤſte/ die Broddürffti-
ge/ brodfaͤhige/ brodhungerige/ brodſammlende/ und alſo brodwuͤrckende
Gaͤſte. Hievon nutzlich zu reden/ wolle uns der Vatter deß Liechts mit
dem Liecht ſeines Geiſtes mildiglich erſcheinen/ Amen.
SO ſind nun die eingeladene Gaͤſte 1. Hoſpites in-
digi,Brodduͤrfftige/ Brodarme/ Brodloſe/ arm-
ſeelige Lazari und Bettler/ die deß Brods duͤrfftig/
wiewol nicht wuͤrdig. Dann gleicherweiß wie die Jſraeliten/ nachdem
ſie auß Egypten außgezogen/ und nunmehr 15. Tag auf der Wallfahrt zu-
gebracht/ den Vorrath/ den ſie mitgenommen/ conſumirt, das Brod und
Teig auffgegeſſen/ den Meelſack gelaͤhrt/ in der Wuͤſten Sin/ da ſie ſich
gelagert/ weder zubeiſſen noch zubrechen gefunden/ nichts (*) angetrof-
ge Leuthe
[1039]Predigt.
(*)
fen/ als wilde Holtzaͤpffel/ ſaure Schlehen und Hagenbutzen/ und alſo
recht Brod-arm worden/ dannenhero in die raſende Ungedult gerathen/
gemurret/ geflucht/ Moſen und Aaron wollen ſteinigen/ wie Joſephus
bezeuget/ und in die boͤſe/ freventliche/ verzweiffelte (*) Wort außge-
brochen: Wolte Gott/ wir waͤren in Egypten geſtorben/ Exod.
16/ 3. und alſo Gott dem HErrn das Brod herauß trutzen wollen. De-
rowegen auch/ als Moſes fuͤr ſie umbs Brod gebeten/ von GOtt dieſe
Antwort erhalten: Ja er habe ihr Murren gehoͤrt/ hoͤlliſches Feuer gebuͤh-
re ihnen fuͤr Brod. Doch ex inundanti miſericordiâ, endlich auff Mo-
ſis Gebet/ den Tiſch in der Wuͤſten gedeckt/ und ſie dazu eingeladen/ Brod
die Fuͤlle gegeben/ ſeine Sonne laſſen auffgehen uͤber Boͤſe und Gute/ uͤber
Gerechte und Ungerechte. Alſo ſind auch zum geiſtlichen Himmel-Brod
geladen alle Brod- und Troſt-arme/ duͤrfftige Menſchen: Wer ſind ſie?
Alle und jede Evæ-Kinder/ nachdem Adam und Eva in dem Paradiß
an dem verbottenen Baum alle himmliſche Guͤter verzehrt und verfreſſen/
So ſind ſie und alle ihre Kinder in dieſes Hunger- und Kummer-Thal
hinauß gejagt und verſtoſſen worden/ auff die verfluchte Erd/ die nichts
anders als Dorn und Diſteln tragen ſolte/ da wir liegen als die arme
Hungerleyder von Rechts-wegen/ und dazu deß ewigen Hungers und
Kummers erwarten. Waͤre das edele Erſtling-Brod Chriſtus JEſus
nicht ins Mittel kommen/ haͤtte er nicht mit ſeinen primitiis die verfluchte
Erde wiederum geſegnet/ ſo waͤre nicht allein kein natuͤrlich Brod aus der
Erden gewachſen/ ſondern wir haͤtten auch deß Gnaden und Himmel-
Brods in Ewigkeit ermangeln/ und in ewiger Hungers-Noth verderben
muͤſſen und doch nicht erſterben koͤnnen. Jſt beneficium univerſale, dazu
alle und jede Adams-Kinder eingeladen/ auch die Unwuͤrdigſten. Wol-
an/ ſpricht der HErr Eſa. 55/ 1. alle die ihr durſtig (verſtehe auch hun-
gerig) ſeyd/ kommt her zum Waſſer/ und die ihr nicht Geld
habt/ kauffet und eſſet/ kommt her und kauffet ohne Geld und
umb-
[1040]Die viertzigſte
umbſonſt/ beyde Wein und Milch. Und Matth. 11. Kommet
her zu mir alle die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd/ ich wil euch
erquicken. Kommet het zu mir/ nicht nur der Außſchuß und Flor deß
menſchlichen Geſchlechts; Sondern alle die da muͤhſelig und beladen
ſind/ ob ſie ſchon ihre Muͤhſeligkeit nicht fuͤhlen/ noch erkennen/ wie man
dergleichen monſtroſa exempla gehabt. Alle die von Chriſto lernen ſol-
len/ die ſind auch beruffen/ und damit man ja nicht zweiffele/ ſo ſagt der
HErr: Wann ich erhoͤhet werde von der Erden/ will ich ſie alle zu mir zie-
hen/ nicht nur allein Johannem und die Mutter JEſu/ ſondern auch alle
vernuͤnfftige menſchliche Creaturen/ denen ich das Evangelium will pre-
digen laſſen/ niemand ſol abſolutè außgeſchloſſen ſeyn. Zwar Calvinus
und ſeine Juͤnger machen hie ein exception, ziehen deß himmliſchen Vat-
ters mildreiche Hand in die Enge zuſammen/ geben fuͤr/ es ſeye dieſe Gutthat
nicht allen und jeden gemeynet/ ſondern einig und allein denen bloß Außer-
waͤhlten. Wohin er dann dieſe Wort ziehet Joh. 6/ 37. Was mir mein
Vatter gegeben hat/ das kompt zu mir/ uͤber welche Wort er alſo commen-
tirt in Harm. Evang. p. 456. Ne quid doctrinæ ſuæ deroget eorum in-
credulitas, tantæ contumaciæ cauſam eſſe dicit, quod reprobi ſint,
\& à grege Dei alieni. Cùm dicit venire, quicquid datur, inde colli-
gimus, non omnes dari. Rurſus colligimus, tanta ſpiritus efficacia
operari Deum in electis ſuis, ut nemo eorum excidat. Nam donandi
verbum perinde valet, ac ſi dixiſſet Chriſtus, Quos elegit Pater, eos
regenerat, \& mihi in Evangelii obedientiam addicit, das iſt: Damit
durch ihren Unglauben ſeiner (Chriſti) Lehr kein Abbruch geſchehe/ ſo ſagt er/
daß ſolcher Hartnaͤckigkeit kein andere Urſach ſeye/ als daß ſie Verworffene
ſeyn/ und von der außerwaͤhlten Heerde Gottes abgeſondert. Wann er ſagt/
daß alles das jenige komme/ was ihm vom Vatter gegeben werde/ darauß
ſchlieſſen wir/ daß ſie nicht alle vom Vatter gegeben werden. Wiederumb/
daß Gott mit ſolcher Krafft deß Geiſtes in ſeinen Außerwaͤhlten wuͤrcke/
daß keiner derſelben entfalle. Dann das Wort Geben hat dieſen Ver-
ſtand/ als ſagte Chriſtus: welche der Vatter erwaͤhlet hat/ die widerge-
bieret er/ und gibt ſie mir zum Gehorſam deß Glaubens. Jtem/ nie-
mand kommt zu mir/ der Vatter ziehe ihn dann/ das iſt/ wie abermahl Cal-
vinus hie gloſſirt: Inde ſequitur, non omnes trahi, ſed Deum hac gra-
tia dignari, quos elegit. Das iſt; darauß dañ erhellet/ daß ſie nicht alle ge-
zogen werden/ ſondern daß Gott dieſer Gnad allein die jenige wuͤrdige/ die er
außerwaͤhlt. Et mox: Ita nunc pronuntiat efficacem eſſe ſpiritus gra-
tiam, quâ trahuntur, ut neceſſario credant. Das iſt; Chriſtus preiſet die
Gnade
[1041]Predigt.
Gnade des H. Geiſtes alſo und dergeſtalt/ daß ſie dermaſſen kraͤfftig ſey/
daß welche dadurch gezogen werden/ nothwendiger Weiß glauben. Und
abermal: Sie werden alle von GOtt gelehrt ſeyn. Quod dicit (ita
idem) Omnes, ad Electos reſtringi debet, qui ſoli ſunt genuini Ec-
cleſiæ filii. Daß er allhie ſagt alle/ das muß gezogen werden auf die Aus-
erwaͤhlten/ als die allein die rechte und wahre Glieder der Kirchen ſind.
Jſt alſo ſein Argument dieſes: Alle die Chriſto vom Vater gegeben ſind/
kommen zu ihm/ werden vom Vater gezogen/ ſind von Gott gelehrt. Nun
aber kommen nicht alle zu Chriſto ꝛc. Ergò ſind nicht alle Chriſto vom
Vater gegeben. Nach dieſer Geigen tantzt die Baſeliſche Bibel neulich mit
Toſſani Gloſſen außgegangen/ in welcher ad Joh. 6/ 37. dieſe Wort ſte-
hen: Hie zeigt er die Urſach an/ warumb die Juden nicht
glauben/ weil ſie nicht waren von der Zahl der Außerwaͤhl-
ten. Deßgleichen Piſcator in ſeiner vergifften teutſchen Herborniſchen
Bibel/ da er dieſe Gloß angeſchmiert: Alles was mir mein Vater
gibt/ ꝛc. Als ſpraͤche er/ ob ihr ſchon nicht zu mir kommet/
das iſt/ nicht an mich glaͤubet: ſo ſind doch etliche/ die zu mir
kommen/ das iſt/ an mich glaͤuben/ nemlich alle die Gott mein
Vater zum ewigen Leben erwaͤhlet/ und mir gegeben hat/ daß
ich ſie ſelig mache/ uñ daß ſie mein ſeyen. Zeiget alſo hiemit die
Urſach an/ warumb ſie nicht an ihn glaͤuben/ nemlich weil ſie
nicht von Gott erwaͤhlet ſeyn/ ſondern verworffen. Jſt nun dem
alſo/ ſo haben an jenem Tag eine treffliche Entſchuldigung/ nicht nur die
Capernaiten/ die Chriſti ſein Him̃elbrod nicht begehrt/ uñ davon gegangen/
ſondern auch alle unglaͤubige Juͤden uñ Heyden/ alſo/ daß/ wañ ſie verdam̃t
werden ihnen Gewalt und Unrecht geſchicht/ dann was koͤnnen ſie dafuͤr/
daß ſie nicht außerwaͤhlte Jacobiten/ ſondern verworffene Eſauiten wor-
den? Geſetzt aber/ es werde durch die datos und tractos allein die Außer-
waͤhlte verſtanden/ wie aber zu erweiſen/ daß die bloß Außerwaͤhlten/ ohne
Anſchau und Reflexion auff den der Wahl vorhergehenden Glauben?
Es heiſſet ja κατὰ πρόγνωσιν, nach dem Vorſehen. Zu geſchweigen der
ἀσυλλογιςία, deren ſich ſolche hohe Meiſter ſchaͤmen ſollen/ dann es ja nicht
folgt. Alle die vom Vater gegeben ſind/ die kommen. Ergò, alle die nicht
gegeben ſind/ kommen nicht/ gleichwie es nicht folgt: Ein jeder ſihet und
hoͤret/ darumb/ alles was kein Menſch iſt/ ſihet und hoͤret. Nicht daß es a-
ber (die Sach ſelbſt belangend) nicht von den Außerwaͤhlten allein zu ver-
ſtehen/ iſt daraus offenbahr/ weil unter ſolchen Gegebenen Judas J-
ſcharioth auch geweſt/ von welchem Chriſtus Joh. 17/ 12. die du mir
Achter Theil. Q q q q q qge-
[1042]Die viertzigſte
gegeben haſt/ habe ich bewahret/ und iſt keiner von ihnen ver-
lohren/ ohn das verlohrne Kind. Nun kan kein Außerwehlter
verlohren werden. Einer der gegeben iſt/ iſt verlohren. E. Einer der gege-
ben iſt/ iſt nicht außerwaͤhlt. Sondern dati, docti, tracti, heiſſen ſo viel
als credentes, Glaͤubige/ die ſich durch Goͤttliche Draͤuungen/ Verheiſſun-
gen/ als Goͤttliche Liebes-Seil laſſen ziehen/ ſo doch nicht alle außerwaͤhlet/
dieweil darunter viel Apoſtatæ, wie Judas: deßgleichen nicht alle Erwaͤhl-
te ſind immerdar glaͤubig/ als Paulus der Verfolger. Es ſind die Gezogene
die Gelehrte nominaliter, wie man in den Schulen redet/ die ſich nicht
nur lehren laſſen/ ſondern auch gelehrt werden. Sprichſt du: Wann
durch die Gegebene die Glaubigen/ durch das kommen der Glauben zu
verſtehen/ ſo folget durch eine tautologiam, daß die Gegebene kommen/
und welches eben ſo viel/ daß die Glaͤubige glaͤuben. Antwort: Es ſeye
keine tautologi, wegen unterſchiedlichen Reſpect deß gegebenen Glau-
bens/ und dem Glauben deſſen der kommet/ die Glaubigen derowegen/
das iſt/ welchen der Glaub von GOtt gegeben/ kommen/ das iſt/ glau-
ben. Jſt eben ſo viel/ als wann ich ſage/ die zum Allmoſen geladene Bett-
ler ſind eben die jenige Bettler/ die es auch empfangen. Es hat in der
Summa eine Beſchaffenheit allhie/ wie mit einem frommen Vater/ der
ſeine Soͤhne hinaus auf eine hohe Schul verſendet/ dieſelbe einem getreuen
Profeſſori wol recommendirt/ und in deſſen Lehr und Zucht ſie uͤbergie-
bet/ ziehet ſie mit vaͤterlichen Liebes-Seilen/ mit Worten und Verheiſſun-
gen zu demſelben/ und wil/ ſie ſollen gelehrte/ geſchickte/ nuͤtzliche Leute
werden. Was geſchicht? ein und anderer Sohn/ wann er/ wie ein Kalb
aus dem Stall frey gelaſſen/ bey der Schulen ankommet/ zerreiſt er die
angelegte Seil/ wil ſich nicht ziehen laſſen/ keiner Diſciplin, Zucht und
Ordnung untergeben/ laͤßt ihm zwar ſagen und lehren/ nim̃ts aber nicht
an/ was zu einem Ohr ein/ das gehet zum andern wieder aus/ ergibt ſich
im Gegentheil boͤſer Geſellſchafft/ das huriſch Weib Prov. 7. die ſchnoͤde
Welt ziehet ihn zu ſich/ lernet nichts als Muthwillen und Uppigkeit; Ver-
dirbt nun ein ſolcher Geſell/ und muß endlich mit dem verlohrnen Sohn
der Schweine Tiſch-Geſell werden/ und Trebern eſſen/ weſſen iſt hie die
Schuld? Die Application iſt bald gefunden und gemacht.
Sind demnach ferner die rechte wuͤrdige und gewuͤrdigte Gaͤſte/ die recht
willkom̃ene und angenom̃ene die Brodfaͤhige Gaͤſte/ die nicht nur gela-
den/ denen das Him̃el-Brod nicht nur angeboten/ ſondern auch deſſen ge-
nieſſen/ Safft und Krafft heraus ziehen/ ſich ſaͤttigen und ernaͤhren/ die
τεταγμένοι, tractiles, Θεοδίδακτοι. Zu gleicher Weiß/ wie der HErꝛ den
Tiſch
[1043]Predigt.
Tiſch in der Wuͤſten zwar allen und jeden Jſraeliten gedeckt/ aber doch
gleichwol als ein GOtt der Ordnung gewiſſe Tiſch-Zucht und Tiſch-Ord-
nung durch Moſen fuͤrgeſchrieben/ Maß/ Zahl/ Gewicht/ wann und wie
ſie ſammlen/ wie lang ſie es behalten ſollen; Die nun ſolcher maſſen ſich
ziehen laſſen/ in die Ordnung und Diſciplin ſich geſchickt/ die Tiſch-Ord-
nung in acht genommen/ die haben Lebens. Krafft und Safft davon ge-
ſchoͤpfft: die andern aber/ die die Ordnung verachtet/ nach ihrem Sinn
und Kopff gehandelt/ das Brod uͤber Nacht behalten/ denen ſind Wuͤrm
darin gewachſen/ und bekom̃en wie dem Hund das Graß/ ſind mit Schmertz
und Qual durch die feurige Schlangen-Biß hingerafft worden: Alſo
ſind auch die rechte willkommene Brod-Gaͤſte/ die recht faͤhige und ge-
wuͤrdigte/ die τεταγμένοι, die ſich in die Ordnung Gottes ſchicken/ derſel-
ben ſich nicht widerſetzen/ wie die Heyden zu Antiochia/ Act. 13. Die
V. Luth. Tom. 2. Isleb. p. 162. Alſo wil Chriſtus allhie auch ſagen/ wolt ihr
nicht glauben/ ſo fahret hin/ ich habe dennoch Schuͤler/ uñ predige nicht umbſonſt/
was mir der Vater gibt/ das kommt zu mir ꝛc. Jch kriege dennoch Schuͤler/ es
werden etliche gefunden/ die von Hertzen dieſe Predigt annehmen/ und ſich daruͤ-
ber verwundern/ dieweil mich der Vater zum Prediger außgeſand hat/ ſo wird
er mir auch Schuͤler geben/ die meine Lehre hoͤren. Seynd es nicht der Pabſt/
Kaͤyſer/ Fuͤrſten und Herren/ die das Wort wollen annehmen/ ſo laß ſie gehen/
wir wollen uns allhie ſcheiden/ wie der Sommer und Winter.
Θεοδίδακτοι, die ſich von GOtt lehren laſſen: Wann GOtt vom Himmel
herab prediget Matth. 3. Den ſolt ihr hoͤren/ den Doctorem und Pro-
feſſorem, mit unerhoͤrten/ glaubwuͤrdigen Miraculen verſigelt/ deſſelben
ſeine Lehre annehmen; Die tractiles die ſich ziehen laſſen/ ſich nicht ſper-
ren wie die Narren/ ſondern die Liebes-Seil annehmen/ dann durch die-
ſelbe und nicht gewaltſame Mittel und Fataliſche Noth-Ketten ziehet der
himmliſche Vater/ durch Gebot und Verbot/ durch Verheiſſungen und
Draͤuungen/ durch Exempel und dergleichen. Das ſind die liebſten
Gaͤſte.
3. Die Brodhungerige/ Brodbegierige: Gleichwie die
Jſraeliten/ allweil ſie in Egypten alles vollauff gehabt/ ſo haben ſie nach
keinem Himmel-Brod ſich geſehnet. Intus exiſtens prohibet alienum,
wann das Maͤußlein voll iſt/ ſo iſt das Mehl bitter; Nachdem ihnen a-
ber das Brod außgangen/ und ſie ſich in der ſchweren Reiß und Wall-
fahrt abgemattet und ermuͤdet/ und aber keine Erquickung vor Augen
geſehen/ da hat der Hunger (nach ſeiner Gewohnheit) anfangen zu na-
gen und zu plagen/ eine Kuͤchen hat die ander erſucht/ ein Glied
an dem andern gezopfft/ eins an dem andern geſogen/ welches unertraͤg-
Q q q q q q 2liche
[1044]Die viertzigſte
liche Schmertzen verurſacht/ da kommt die Begierde/ die in wilden Muth
außſchlaͤgt/ da geht das Murren an/ ſie greiffen nach den Steinen. Mo-
ſes und Aaron ſprechen ihnen zwar zu/ wie Joſephus bezeugt lib. 3. c. 1. aber
es hat geheiſſen/ nach des Bauchs Gewonheit/ Venter caret auribus, es
iſt ein maleſuada fames daraus worden. Haͤtten ſie ein Haupt gehabt/
und den Weg wieder zuruͤck kommen koͤnnen/ ſie wuͤrden mit hellem Hauf-
fen zuruͤck gezogen ſeyn. So verhaͤlt ſichs auch mit dem geiſtlichen Hun-
ger: Wer der Fortun im Schooß ſitzt/ wer alles vollauff hat/ in der Weid
gehet biß an den Bauch/ der laͤſt dem HErꝛn Chriſto ſein Himmel-Brod/
Job. 6, 5.das Wild ſchreyet nicht/ wanns Gras hat/ der Ochs blecket
nicht/ wann er Futter hat. Wann aber Creutz/ Widerwaͤrtigkeit
Jammer und Noth zuſammen ſchlaͤgt/ wann man ſich in der geiſtlichen
Wander- und Ritterſchafft abgemattet/ die geiſtlichen Anfechtungen da-
her kommen/ wann der boͤſe Gewiſſens-Wurm das Hertz naget und pla-
get/ wann die ariditas gratiæ, die geiſtliche Doͤrꝛſucht ſich erzeigt/ wann
kein geiſtlicher Lebens-Safft und Krafft/ kein Troſt-Balſam vorhanden/
wann die Troſt-Quellen verſiegen/ wann einer Seelen nach Troſt bang
worden/ wann der Hirſch von Hunden gejaget/ im Hatz ermuͤdet/ wann
ſonderlich in der letzten Todes-Noth/ im finſtern Todes-Thal/ die Furcht
des ewigen Todes/ des ewigen Hoͤllen-Hungers anficht/ mitten in der To-
des-Noth die Hoͤllen-Angſt uns treibet/ da erzeigt ſich der geiſtliche Hun-
ger/ Begierd und Verlangen nach himmliſchem Brod und Troſt/ Labſal
und Erquickung/ Truͤbſal ſuchet Labſal/ Noth und Tod ſehnet ſich nach
GOtt; Contrà, bey den Gottloſen wird eine wilde Begierde daraus/
ſie lauffen dem Strick zu/ wie Judas/ verzweiffeln und verzagen.
IV.Die Brodtſuchende/ Brodtbettlende. Es iſt Gottes al-
te Weiſe/ daß er Angſt/ Noth und Weh/ Mangel und Armuth verhenget/
daß er das Gebet bey den Menſchen heraus locke. Quis expedivit Pſit-
taco ſuum χαῖρε. Wer lernt den Papagey ſchwatzen? die Hunde
geylen? die jungen Raben umb Speiſe ſchreyen? Fames, die Hungers-
Noth/ der Menſch iſt von Natur ein barbarus ein Unmenſch/ der nach
GOtt nichts fraget/ darumb ſchicket Gott empfindlich Wehe und Wehe-
tage. Die treiben und reitzen zur Huͤlff-Sucht durchs Gebet. Es ſchaffet
und laͤſſet der HErꝛ den Menſchen nicht vergebens gantz nackend und bloß/
hungerig und durſtig/ arm und duͤrfftig an dieſe Welt gebohren werden/
ſondern zu dem End/ daß er in Anſehung ſeiner Armuth lerne beten und
bitten/ was ihm noͤthig und nuͤtz ſeyn mag. Noth lehret beten. Dieſer
Intention und Meynung nach hat GOtt der HErꝛ die Jſraeliten laſſen
hun
[1045]Predigt.
hungerig werden/ daß ſie ihn durchs Gebet umb Brod erſuchen. Aber
die meiſten haben es letz verſtanden. Wenig waren unter den Jſraeliten/
ſondern ſie woltens heraus trutzen und pochen. Aber von Moſe ſchreibt
Joſephus/ er ſey auff eine hohe Wart auff ein ſpeculam hinauff geſtie-
gen/ habe ſeine Haͤnde gen Himmel auffgehoben und gebeten/ GOtt wolle
ſich des armen Brodloſen Volcks erbarmen/ wolle ihnen die ſchwere Suͤn-
de und Ungedult vergeben/ und Brod beſchehren. Der HErꝛ antwortet:
Ja/ er wolle es thun/ er habe des Volcks Murren gehoͤret/ aber umb ſeines
Namens willen wolle er ihnen ſeine Herrligkeit ſehen laſſen/ und da Mo-
ſes noch die Haͤnde auffgehaben/ ſey der Thau vom Himmel herab gefal-
len/ das Volck habe zwar gemeynet/ es ſchneye/ aber Moſes hat ihnen aus
dem Traum geholffen/ und geſagt: Es ſey Himmel-Brod. Exod. 16/ 12.
Jch habe der Kinder Jſrael Murren gehoͤret. Sage ihnen/
zwiſchen Abend ſolt ihr Fleiſch zu eſſen haben/ und am Mor-
gen Brods ſatt werden/ und innen werden/ daß ich der HErr
euer GOtt bin. Es moͤchte einen wundern/ warumb Moſes dieſe Ur-
ſach beybringt/ er wird euch Fleiſch und Brod geben/ dann er hat euer
Murren gehoͤret? dann das Murren war Straff- und nicht Wolthat-
wuͤrdig. Antwort: Murren war nicht die Urſach/ ſondern der zufaͤl-
lige Event, dabey GOtt Gelegenheit genommen/ ſie zu ſpeiſen/ faſt auff
gleiche Art/ wie man ſagt/ daß der Fall des erſten Menſchen gut ſey/ die-
weil er eine ſolche theure Erloͤſung verdienet/ das iſt erfolgt. Alſo wil
GOtt der HErr auch gebeten ſeyn umb ſein Himmel-Brod/ dann darumb
verhengt er geiſtlichen Hunger- und Kummer/ allerhand Verfolgung und
Anfechtung/ die geiſtliche ariditaͤt und Doͤrrſucht/ daß er den Appetit,
und durch den Appetit das Gebet erwecke/ und daß man mit ihm handle/
wie mit einem GOtt/ dann er wil gebeten ſeyn. Ach/ ſagt der HErr zu der
Bußfertigen Samariterin Joh. 4/ 10. wann du erkennteſt die Gabe
Gottes/ und wer der iſt/ der zu dir ſaget/ gib mir trincken/ du baͤteſt ihn/
und er gebe dir lebendiges Waſſer/ und ſo ſagt er noch heutiges Tages zu
einem jeden unter uns/ wann du es wuͤßteſt/ was fuͤr Honigſuͤſſe Troſt-
Quellen aus dem Evangelio herflieſſen/ welche himmliſche Schaͤtz in dem
Leib Chriſti/ als dem lebendigen Brod/ verborgen liegen/ und welche Fülle
aller himmliſchen Guͤter/ was fuͤr unaußſprechliche delicias und Ergoͤtz-
lichkeit es erweckte/ wañ man die Kraͤfte der zukuͤnfftigen Welt erſchmaͤckt/
wie wuͤrde dir die Welt und alles Geld darin/ alle irrdiſche/ vanitaͤtiſche
Wolluſt erleyden/ du wuͤrdeſt bitten/ und nicht mehr nachlaſſen/ und ſa-
gen: HErr gib mir allezeit ſolch Brod. Nun Chriſtus kans uͤber ſein
Q q q q q q 3Hertz
[1046]Die viertzigſte
Hertz nicht bringen/ daß er ſolch Gebet nicht ſolte erhoͤren/ er ſagt dorten
Matth. 8. von dem Volck/ ſo ſeiner Predigt nachgezogen/ und Mangel an
dem leiblichen Brod gehabt/ σπλαγχνίζομαι, es gehet mir durchs Hertz/ als
ein ſchneidendes Meſſer/ ja durch Marck und Bein. Jſt eben das Wort/
das von bruͤderlichem und muͤtterlichem erbarmenden Effect zu leſen iſt
Geneſ. 43/ 30. 1. Reg. 3/ 26. Mich jammert des Volcks/ da wen-
den ſich gleichſam alle Adern und Eingeweyd umb/ und wie zuvor ihr
Hertz gebrennet gegen dem Wort Gottes/ ſo brennet Chriſti Hertz gegen
ihrer Nothdurfft. Jſt ſein eigener methodus, da er unter der Preß des
Goͤttlichen Zorns im Garten am Oelberg gelegen/ Brod- und Troſtloß/
da ſein Safft verdorret wie es im Sommer duͤrre wird/ ſo ſchreyet er
ἐκτενέςερον, je laͤnger/ je hefftiger/ biß er das Engel-Brod vom Himmel
erbeten/ und dadurch erquickt und erlabet worden/ uns zum Exempel
und Troſt/ daß wir ihm in Anfechtungen nachahnen/ mit dem Gebet an-
halten/ und der gnaͤdigen Huͤlff gewiß und ohnzweiffelich erwarten/ da-
her etliche von den Alten in die Opinion gerathen/ er habe panem ὑπερού-
σιον auch in das Vater unſer geſetzt/ welcher Meynung auch Lutherus
geweſt. (*) Aber es iſt nicht noth/ die ander Bitt iſt vollkommen gnug/
wer GOtt umb ſein Reich anſpricht/ der ſpricht ihn auch an umb ſein
Brod und andere Himmels-Schaͤtz.
V.Brodſammlende Gaͤſte. Wie das Manna den Jſraeli-
ten nicht in die Zelten und Huͤtten hinein/ nicht auff ihr Bett und Ma-
tzen/ nicht gar ins Maul hinein geſchnyen/ ſie haben muͤſſen heraus gehen
auffs Feld/ umb die Huͤtten herumb/ und fruͤhe beym erſten Tages-Liecht
ſuchen/ ſich buͤcken und neigen/ und die kleine zarte Manna-Koͤrnlein
wie die Tauben heraus leſen/ und in ihr Gomer oder Schurtz ſchuͤtten/
hernach wol bereiten/ zerknitſchen/ ſieden/ backen und braten. Alſo faͤllt
auch das edele Himmel-Brod keinem ins Maul hinein/ ſondern fruͤh
fruͤh/ nicht nur bey anbrechendem Tage/ ſondern fruͤh in der Jugend in den
erſten Jahren muß man auffs Feld der Heil. Schrifft lernen außgehen/
ſo viel Evangeliſche Spruͤche/ ſo viel Koͤrnlein/ in denen Chriſtus wohnet/
und ſich wil finden laſſen/ dann die iſts/ die von Chriſto zeuget: da findet
man ihn im Thau ſeines Evangelii/ da muß man die edle Manna-Koͤrn-
lein zuſammen klauben/ leſen/ hoͤren leſen/ und wieder leſen/ leſen und ver-
ſtehen lernen/ außerleſen von allem gifftigen Unkraut/ das geleſene in dem
Gomer des Hertzens wol beylegen/ andern mittheilen/ und hernach auch
eſſen/
[1047]Predigt.
eſſen/ auff Art und Weiß/ wie wir mit naͤchſtem vernehmen werden/ das
heiſt das Brod wuͤrcken/ die Brods- Noth erkennen/ in guter Ordnung
ſuchen/ annehmen und ſammlen. O ſelig und uͤber ſelige Leute/ die ſol-
cher Maſſen hungern/ als geladene Brod-arme/ doch Brod-faͤhige/
Brod-begierige/ Brod-bettlende/ Brod. ſammlende. Selig ſind/
die hungert und duͤrſtet nach der Gerechtigkeit/ dann ſie ſol-
len ſatt werden/ ſagt der Mund und Grund der Warheit Matth. 5/ 6.
Nein/ ſagt die Vernunfft: Sie bringt ein Jnſtantz von Lazaro dem
Bettler/ der fuͤr des reichen Mannes Thuͤr gelegen/ und vor Hunger die
Broſamen von ſeinem Tiſche begehret/ contrà, ſelig/ die alles vollauff ha-
ben/ deren Kammern voll ſeyn/ die einen Vorrath koͤnnen heraus geben
nach dem andern/ nach dem 144. Pſalm v. 13. Aber ja ja/ es bleibt da-
bey/ was der liebe HErꝛ geſagt: Selig ſind/ die da hungert nach der Ge-
rechtigkeit/ die vor GOtt gilt/ Phariſaͤiſche Gerechtigkeit/ wie ſtreng ſie auch
ſeyn mag/ heiſt σκύϐαλον, Außwuͤrffling/ was man vom Tiſch den Hun-
den fuͤrwirfft/ Paͤbſtiſche Gerechtigkeit/ auch die heiligſte/ mag hie nicht ſaͤt-
tigen/ loͤcherichte Brunnen geben kein Waſſer/ ſondern die Gerechtig-
keit des Glaubens/ frembde Gerechtigkeit/ die Gerechtigkeit Chriſti/ mit
allen ſeinen meriten/ Verdienſten/ Buſſen/ Leyden und Gutthaten. Wen
da nach hungert/ der ſoll ſatt werden. Der HErꝛ kans nicht uͤber ſein Hertz
bringen/ daß er ein ſolchs Troſthungeriges Hertz laͤr ſolt von ihm weggehen
laſſen/ σπλαγχνίζομαι, ſpricht er Marc. 8. Mich jam̃ert des Volcks.
Maria das zarte Jungfraͤulein zu Nazareth ſingt davon/ und ſtimmt mit
zu aus ihrer eigenen Experientz (als die auch auff den Troſt Jſrael gewar-
tet) in ihrem Magnificat, darin ſie nicht ein Noͤtlein gefehlet.
Vid. Luth. Tom. 6. Jen. pag. 360. Die tolle und blinde Welt weiß von die-
ſem Schatz und koͤſtlichem Perlin gar nichts/ gedencket allein wie eine Sau und
unvernuͤnfftig Thier/ wie ſie den Bauch fuͤlle/ oder wanns hoch kommt/ folget
ſie falſcher Lehr und Heucheley/ laͤſt Warheit und Glauben fahren. Darumb
ſinget ſie GOtt keinen Pſalm fuͤr ſein heiliges Wort/ ſondern vielmehr wann ers
ihr anbeut/ laͤſtert und verdammt ſie es fuͤr Ketzerey/ verfolget und erwuͤrget die/
ſo es lehren und bekennen/ fuͤr Verfuͤhrer/ und aͤrgſte Buben/ als ſie die Welt
traͤgt. Darumb wil es wol bey dem kleinen Haͤufflein bleiben/ daß ſie ſolche
Wolthat erkennen/ und ſam̃t dem Propheten GOtt ein Pſalm- oder Danck-Lied
dafuͤr ſingen. Er mox pag. ſeqq. Der falſchen Chriſten ſind allezeit mehr/ dann
der frommen/ derſelbig groſſe Hauff fraget nichts nach Gottes Wort/ erkennets
auch nicht fuͤr eine Wolthat/ daß er es ohn alles ohne Schaden und Gefahr hoͤren
kan/ ja wird ſein bald ſatt und uͤberdruͤſſig/ und rechnets gleich fuͤr eine Beſchwe-
rung/ daß er es hoͤren/ und das Heil. Sacrament empfahen ſoll. Wiederumb
die unter den Tyrannen ſich leyden muͤſſen/ ſchreyen mit groſſem Verlangen Tag
und Nacht darnach/ und kommt ihnen etwa nur ein kleines Broͤcklein von unſerm
Brod
[1048]Die viertzigſte
Brod zu/ das uns Chriſtus reichlich hat außgetheilet/ das nehmen ſie mit groſſer
Freud und Danckſagung an/ und machens ihnen ſehr nuͤtz/ da unſere Saͤu dage-
gen das liebe ſelige Brod ſelbſt reichlich/ und viel gantze Koͤrbe voll Brocken ha-
ben/ aber fuͤr Vberdruß dazu nicht riechen moͤgen/ ja ſtoſſens mit dem Ruͤſſel umb/
wuͤlen drinnen/ tretens mit Fuͤſſen/ und lauffen druͤber hin. Darumb gehets
nach dem Sprichwort/ wann etwas gemeine wird/ ſo gilts nimmer/ und wird
veracht/ wann es noch ſo koͤſtlich waͤre/ und ſolch Sprichwort wird leidet fuͤr-
nemlich warhafftig erfunden an dem lieben Wort/ wo mans hat/ da wil man
es nicht haben.
Was Demuth/ Gedult und Hunger hat/Die wil er gaͤntzlich ſpeiſen/Hoch ſetzen ſie und machen ſatt/Damit ſein Gewalt beweiſen.Die Reichen ſchon/ laͤßt laͤr hingohn/Thut ſie in Trauren ſetzen/Doch was arm iſt/ dem hie gebriſt/Wil er mit Freud ergetzen.
Ergetzen hie in dem Reich der Gnaden Vorſchmacks-weiß/ dort
in dem Reich der Herꝛligkeit vollkommlich/ da wird ſie nimmer hungern/
Joh. 6/ 35. die Bulimia, unerſaͤttliche Fraß-Sucht und Wolffs- Hun-
ger/ die Pica wird auffhoͤren/ die Welt-Luſt wird ihm verleiden/ wie
auch in dieſer Welt/ wer es in ſeinem Chriſtenthumb ſo hoch bringt/ daß
ihm in Warheit in der Welt mit aller ihrer Luſt nichts beliebet/ an nichts
ſich ergetzet/ als an der Gnade Gottes/ der hats hoch gebracht/ ſelig iſt/ der
das Brod iſſet im Reich Gottes/ freylich ſelig dort in der Aufferſtehung
der Todten/ wann er an Gottes Freuden-Taffel wird ſitzen/ mit Abra-
ham/ Jſaac und Jacob. Contrà, die Reichen ſchon/ laͤßt laͤr hingohn/
die Welt-Herren/ die von ſolchen deliciis nichts wiſſen noch halten/ die die-
ſe und dergleichen Predigten nicht moͤgen hoͤren/ die Reichen/ deren der
Bauch ihr GOtt iſt/ Bauch-Pfaffen/ Bauch-Herren/ Bauch-Burger/
Bauch-Bauren/ bey denen der Welt- und Geld-Hunger unerſaͤttlich/
die immer ruffen/ bring her/ bring her/ deren ἀυτάρκεια in zeitlichen kein
Maaß noch Ziel/ hingegen im geiſtlichen unverantwortlich/ da man ſich
mit Kaͤß und Brod laͤßt abſpeiſen/ denen es eckelt ab dieſem Manna als
einer loſen Speiſe/ die werden laͤr außgehen/ für Faßnacht eine ewige
Faſtnacht halten muͤſſen. Jch ſage euch/ daß der Maͤnner keiner mein
Abendmahl ſchmaͤcken wird/ Luc. 14/ 24. Erſchroͤckliche Drau-Wort ſind
es/ die GOtt der HErꝛ fuͤhret bey dem Propheten Ezech. 14/ 13. Wann
ein Land an mir ſuͤndiget/ durch Undanckbarkeit gegen mein Wort/
allerhand Suͤnd und Laſter/ und mich dazu verſchmaͤhet/ O er-
ſchroͤck-
[1049]Predigt.
ſchroͤckliche Boßheit/ ſo wil ich meine Hand uͤber daſſelbige auß-
ſtrecken/ und den Vorrath des Brods wegnehmen/ und wil
Theurung hinein ſchicken/ daß ich beyde Menſchen und Vie-
he drinn außrotte/ deren Krafft erfahren nicht nur Samaria 2. Reg.
6/ 25. da ein Eſels-Kopff acht Silberling/ und ein Viertheil Kab Tau-
ben-Miſt fuͤnff Silberling galt/ nicht nur Hieroſolyma in der letzten Belaͤ-
gerung/ da man genoͤthiget worden unnatuͤrliche Sachen zu eſſen und
anzugreiffen/ Leder an den Schuhen und Schilden/ Maͤuſe/ Ratten/
Hund und Katzen/ das waren deliciæ und Wildprett/ ja gar ein Weib
ihres eigenen Kindes vergeſſen/ und daſſelbe gebraten und gegeſſen/ ihrer
viel in der Hungers-Furi ſich von Felſen herab geſtuͤrtzt/ ins Waſſer ver-
ſenckt/ in der Feinde Spieß und Schwerd hinein gefallen. Sondern
auch Germania Anno 1638. und Alſatia die edle Schmaltz-Grub dazu-
mal eine elende Hunger-Grub worden/ da die armen Leute Gras und
Wurtzeln/ Rotſchnecken und Unziefer/ Rinde von den Baͤumen/ Kleyen
und Eycheln/ auff der Schlut die Todten-Aaß/ ja gar die menſchliche
Leichnam angefallen. Und das iſt noch nichts/ aͤrger und ſchroͤcklicher iſt
der Hunger nach dem Wort Gottes/ Amos. 8/ 11. 12. Sihe/ es kom̃t
die Zeit/ ſpricht der HErꝛ HErꝛ/ daß ich meinen Hunger ins
Land ſchicken werde/ nicht einen Hunger nach Brod/ oder
Durſt nach Waſſer/ ſondern nach dem Wort des HErꝛn zu
hoͤren/ daß ſie hin und her/ von einem Meer zum andern/ von
Mitternacht gegen Morgen umblauffen/ und des HErꝛn
Wort ſuchen/ ꝛc. doch nicht finden werden. Was das ſey/
lehren uns die Juden/ welche wie die hungerigen Hunde herumb lauffen
und heulen umb Himmel-Brod/ Pſal. 59/ 7. 15. Es iſt an ihnen wahr
worden/ was Chriſtus geweiſſaget Joh. 5. Jhr werdet mich ſuchen/
und nicht finden/ wann ein anderer kom̃t/ in ſeinem Namen/
den werdet ihr annehmen/ maſſen dañ/ wie die aviſen geben/ ſie einen
neu- auffgeworffenen Meſſiam in Orient ſuchen/ der ſie aber wird lohnen
mit blutigen Koͤpfen/ wie Barchochab, zur Zeit Adriani, da fuͤnff hundert
tauſend Juden umbs Leben kommen. Das Exempel haben wir nicht allein
an den Juden/ ſondern auch im Pabſtthumb/ weil ſie Gottes Wort ver-
laſſen/ ſo lauffen ſie in ihrer Wallfahrt nach Compoſtell/ Loret/ nach den
Todten-Beinen und ſceletis, nach den Ciſternen/ Brod und Troſt bey
denſelben zu holen. Wie ſehnlich wuͤnſchen ihnen die apoſtaten in Oeſter-
reich und Boͤhmen/ daß ſie in ihrem Tod-Bette einen Lutheriſchen Pre-
diger bey ihnen haben koͤnten/ der ihnen das Sacrament des Abendmahls
Achter Theil. R r r r r rreichte/
[1050]Die viertzigſte
reichte/ aber es kan nicht ſeyn. Das iſt zwar ſchroͤcklich/ aber der ſchroͤck-
lichſte iſt der ewige Hoͤllen-Hunger/ ein groß Stuͤck des ewigen Tods/ deſ-
ſen Jammer und Qual niemand außdencken kan/ dann gleichwie in kei-
nes Menſchen Hertz kommen iſt/ kein Aug geſehen/ kein Ohr gehoͤret/ was
GOtt zubereitet hat/ denen die ihn lieben: Alſo auch kein Menſch noch
mit Gedancken erreicht/ was GOtt beſchloſſen hat uͤber die Verdammten
in der ewigen Feur-Glut/ ſie damit zu ſtraffen. O du ſuͤſſer JEſu Chriſt/
daß du Menſch gebohren biſt/ behuͤt uns fuͤr der Hoͤlle/ und ewigem hoͤlli-
ſchen Hunger und Kummer/ gib Adlers Augen und Fluͤgel/ daß wir nach
dir/ der edlen Seelen-Speiß trachten/ aufffahren/ und zu dir empor kom-
men/ und deines Himmel-Brods theilhafftig werden/ und fuͤr ſolche Wol-
that dich immer und ewig preiſen. Amen. Amen.
Ein Gebetlein Lutheri Tom. 6. Witt. p. 48.
OHimmliſcher Vater/ dieweil niemand deinen Wil-len leiden mag/ und wir zu ſchwach ſeyn/ daß wir un-ſern Willen und alten Adam toͤdten/ dulden/ bittenwir/ du wolleſt uns ſpeiſen/ ſtaͤrcken und troͤſten mit dei-nem heiligen Wort/ und Gnade geben/ daß wir das himm-liſche Brod JEſum Chriſtum durch die gantze Welt hoͤrenpredigen/ und hertzlich erkennen moͤgen/ daß doch auffhoͤre-ten ſchaͤdliche/ ketzeriſche/ irꝛdiſche und alle menſchlicheLehre/ und alſo dein Wort/ das warlich unſerlebendiges Brod iſt/ außgetheiletwerde.
GEliebte in Chriſto. Der Gerechte lebet ſei-
nes Glaubens/ ſpricht Habacuc der Geiſtreiche
Prophet c. 2. v. 4. Jſt ein ſchoͤner/ denckwuͤrdi-
ger Kern-Macht- und Meiſter-Spruch/ wel-
chen der Heil. Geiſt ſo hoch geehret und geadelt/ daß er
nicht allein befohlen/ denſelben auff eine offentliche
auffgehengte Tafel/ mit gantz groben/ deutlichen/ kla-
ren/ leſerlichen Fractur-Buchſtaben zu ſchreiben/ und auszuſtreichen/
zu mahlen/ und zu intimiren/ als ein Manifeſt kund und zu wiſſen ma-
chen/ ſo klar und groß/ daß wer fuͤruͤber laufft/ dieſelbe alſobald erkennen/
und im Lauff faſſen und begreiffen moͤge; Sondern auch im neuen Te-
ſtament/ ſonderlich durch Paulum zu unterſchiedlichen malen allegiren
und anziehen laſſen. Act. 13/ 41. Rom. 1/ 17. Galat. 3/ 11. Hebr. 10/ 38.
2. Ein hochtroͤſtlicher Spruch. Habacuc war ein Troſt-Prophet/
wie ihn Lutherus nennet in der Vorred/ dem Namen nach ein Hertzer/ der
gleich einem Liebhaber die geliebte Perſon umbfanget/ hertzet und kuͤſſet
gleichwie eine Mutter. Er thut auch alſo mit ſeiner Weiſſagung/ daß er
ſein Volck hertzet/ und in die Arm nimmt/ das iſt/ er troͤſtet ſie/ und haͤlt
ſie auff/ wie man ein arm weinend Kind oder Menſch hertzet/ daß es
ſchweigen und zu frieden ſeyn ſolle/ weil es/ ob GOtt wil/ ſoll beſſer werden.
Es ſey zwar war/ daß Jeruſalem werde verſtoͤhret werden/ und weil die
Glaubige dazumal ſich beſorgten/ es wuͤrde deßwegen der Meſſias/ der in
ihrem Land ſolte gebohren werden/ auſſen bleiben/ ſpricht er ihnen zu/ und
ſagt: veniens veniet \& non tardabit, die Weiſſagung wird noch erfüllet
werden und nicht auſſen bleiben. Es ſey wol war/ daß umb ihrer Suͤn-
R r r r r r 2de
[1052]Die ein und viertzigſte
de willen das Land vom Koͤnig zu Babel werde muͤſſen verſtoͤhret werden:
Aber doch ſolle darumb Chriſtus und ſein Reich nicht auſſen bleiben/ ſon-
dern es ſolle auch der Verſtoͤhrer/ der Koͤnig zu Babel nicht viel Gluͤcks da-
von haben/ und auch untergehen/ dann es ſey Gottes Werck und Art al-
ſo/ daß er helffe/ wann es noth thut/ und komme mitten in der rechten
Zeit/ und wie ſein Lied ſinget/ Er gedencket der Barmhertzigkeit/ wann
Truͤbſal da iſt/ und wie man ſpricht: Wann der Strick am baͤrteſten haͤlt/
ſo bricht er/ ſind lauter Wort Lutheri. 3. Ein Lehrreicher Spruch/
mit welchem St. Paulus den Grund ſeiner allerſchoͤnſten Epiſtel an die
Roͤmer gelegt/ dieſen Evangel. Spruch dem alten Moſaiſchen entgegen
geſetzt Lev. 18/ 5. alſo lautend: Welcher Menſch meine Satzungen
und Rechte haͤlt und thut/ der wird dadurch leben. Ja wer
iſt der? Niemand. Darumb der Gerechte hie ein ander Principium
vitæ hat/ dadurch er leben moͤge/ nemlich den Glauben. Gleichwie der
Baum lebt von der Wurtzel und dem Safft/ den er von der Wurtzel an
ſich zeucht; Ein Kind lebet von ſeinem ſaugenden Mund/ damit es die
Mutter-Milch und Paͤpp an ſich ſauget. Alſo lebet auch der Gerechte ſeines
Glaubens/ von ſeinem geiſtl. eſſen und trincken/ ſein Glaub iſt die Urſach
ſeines geiſtlichen/ Chriſtlichen Gnaden- und Glory-Lebens/ des ewigen
unzerſtoͤrlichen Lebens/ der Glaub iſt die Wurtzel/ der Mund/ dadurch der
gerechte Safft und Krafft/ Leben und Seligkeit ſchoͤpffet. Jſt eben das/
was Chriſtus colorirt/ mit Wort-Blumen geziert/ und figuͤrlich außge-
ſprochen/ und geſagt: Jch bin das Brod des Lebens/ wer davon
iſſet/ wird nicht ſterben/ ſondern leben in Ewigkeit/ das iſt/ wer
an mich glaͤubt/ wird leben in Ewigkeit. Wir haben aus abgeleſenem
Text erkennen lernen den hoſpitem activum, das heylſame Schau-brod/
δόσιν, ſein Geſchenck und Gab per diſpenſatores außgetheilt. Heut
acht Tag die hoſpites paſſivos, welche die eingeladene/ und unter denſel-
ben die rechtgewuͤrdigte/ willkommene und angenehme Gaͤſte ſeyen. Fol-
get das wunderſeltzam Eſſen und Trincken/ deſſen in dem 6. Cap.
Johann. unterſchiedlichmal ſo Emphatiſch und mit groſſem Nachdruck
gedacht wird/ und dadurch den wahren/ gerecht-lebendig- und ſeligma-
chenden Glauben/ was der eigentlich ſey/ E. L. vorſtellen. Dazu uns
dann abermal GOtt der Heil. Vater mit dem Gnaden-Liecht ſeines guten
Geiſtes mildiglich erſcheinen wolle. Amen.
SO iſt nun das wunderſeltzame Eſſen und Trincken des
Leibs und Bluts Chriſti/ deſſen der Evangeliſt im abgeleſe-
nen Text ſo Emphatiſch (tàm vigilanti verbo) gedencket/ zu
aller-
[1053]Predigt.
allerforderſt per ἄρσιν, kein natuͤrlich/ leibliches/ fleiſchliches/cy-
clopiſches/brutaliſches Eſſen/ da man die vorgelegte Speiſe in leibli-
chen Mund nimmet/ leiblicher Weiß koſtet/ unter den Zaͤhnen zerreibt und
zerbeiſt/ kaͤuet und wiederkaͤuet/ in Magen hinab verſchlingt/ in den viſceri-
bus von einer Kuͤchen zur andern uͤberliefert/ verkocht/ verdauet/ in den
menſchlichen Leib verwandelt/ das unnuͤtze und unflaͤthige durch den Stuhl-
gang hinaus geworffen wird/ wie zwar die Capernaiten in der Schul zu
Capernaum es angenommen und verſtanden/ ſich gezanckt und geſagt:
Wie kan dieſer uns ſein Fleiſch zu eſſen geben?ad immanes fe-
rarum mores ſe vocari arbitrabantur, incitarique, ut vellent crudas
hominum carnes comedere, ſed nec hoc ſolum quærebant, ſed quo-
modo unius hominis caro toti mundo ſufficere poſſit; ſed \& quo-
modo carnem ſuam retinere \& aliis manducandam præbere poſſit?
Ita Cyrill. Jſt eben auch der Stein/ daran die heutige Capernaiten von
der Schul Calvini ſich ſtoſſen/ wann von der Sacramentlichen Nieſſung
gehandelt wird; Daher Beza ein gantzes Buch von der Κρεωϕαγία ge-
ſchrieben/ und uns darin eines ſolchen cyclopiſchen Fleiſch-Eſſens beſchul-
diget. Aber Chriſtus verlegt der Vernunfft den Paß/ und ſagt: Das
Fleiſch (verſtehe das ſuͤndl. Adams-Fleiſch/ wie es die Suͤnde verderbt)
iſt kein nuͤtz (zu ſolchen Geheimnuͤſſen) Meine Wort die ich rede/
ſind Geiſt und Leben. Muͤſſen derowegen geiſtlich und von geiſtl. wi-
dergebohrnen Menſchen verſtanden werden. II. Es wird aber auch all-
hie nicht verſtanden das Mund-Sacramentliche Eſſen im Heil. Abend-
mahl/ davon die Wort Matth. 26. lauten: Nehmet/ eſſet/ das iſt
mein Leib/ trincket/ das iſt mein Blut.
Der Unterſcheid dieſes Geiſtlichen und jenes Sacramentlichen Eſ-
ſens iſt wol in acht zu nehmen/ uñ fleiſſig zu beobachten. Dieſes das geiſtli-
che/ von dem Joh. 6. Cap. gehandelt wird/ iſt ein verbluͤhmtes Eſſen/
ſo da geſchicht ore fidei, mit dem Mund des Glaubens/ da Eſſen und
Trincken/ Hunger und Durſt und Geſchmack alles ein Ding iſt/ wo diß
Nicht-hungern heiſt Nicht-duͤrſten/ und wiederumb diß Nicht-
duͤrſten heiſſet Nicht-hungern. Jſt demnach dieſer geiſtliche
Hunger und Durſt ein Ding/ und alſo auch dieſe geiſtliche Speiß
iſt der geiſtliche Tranck/ und das Eſſen dieſer Speiſe iſt das
Trincken dieſes Trancks: Und wird dieſes alles durch den Glau-
ben an Chriſtum verrichtet. Jenes aber das Sacramentliche iſt
ein unverbluͤhmtes/ eigentlich alſo genanntes/ wiewol auch nicht natuͤrli-
ches/ cyclopiſches/ ſondern Sacramentliches/ nicht Bauchs-ſondern
R r r r r r 3Ge-
[1054]Die ein und viertzigſte
Geheimnuͤß-weiß genoſſenes Eſſen/ da Eſſen und Trincken unterſchieden/
dieſes iſt 2. ein Eſſen des gantzen Chriſti/ in ſeiner gantzen Perſon/
Fleiſch und Blut/ Leib und Seel/ alle Fuͤlle der Goͤttlichen Gnad/ alle
Buſſen/ meriten und Verdienſt/ ſein H. Empfaͤngnuͤß und Geburt/ Ley-
den/ Creutzigung/ Tod/ Begraͤbnuͤß/ Aufferſtehung/ Himmelfahrt/ und
Sitzen zur rechten Hand Gottes: Welches Chriſtus andeutet mit dem
Wort JCH/ MJCH und MJR Joh. 6/ 35. Jch bin das
Brod des Lebens/ wer zu mir kommt/ den wird nicht hun-
gern/ und wer an mich glaͤubet/ den wird nim̃ermehr durſten.
\& v. 57. Wer mich iſſet/ derſelbige wird auch leben umb mei-
net willen. Dort wird allein der Leib Chriſti geſſen/ und ſein Blut allein
getruncken/ das Brod iſt die Gemeinſchafft des Leibs Chriſti/ und der
Kelch die Gemeinſchafft des Bluts Chriſti. Dieſes iſt ἄσημος auch auſ-
ſer ſichtbaren Elementen/ Sigel und Zeichen/ auſſer dem H. Abendmahl/
jenes aber allein in den Sacramentl. Zeichen und Sigillen. Hie 4. ſind
die Gaͤſt allein die Glaubige/ ſo dieſe Speiſe nicht koͤnnen mißbrauchen.
Die Nieſſung iſt allezeitfructuosund heilſam/ wer da iſſet/ der
lebt und ſtirbt nicht/ dort aber gibt es auch unwuͤrdige/ die/ wiewol zufaͤlli-
ger Weiß/ den Tod und das Gericht ihnen eſſen. Hie iſt die Speiß per-
petua, immerwaͤrend/ dort periodica, und hat ihre gewiſſe intervalla und
Raum. Gleichwie der Menſch zweyerley Eſſen bedarff zu ſeinem Leben/
das gemeine/ taͤgliche/ ordentliche/ immerwaͤhrende/ dietiſche Nahrungs-
Eſſen/ ſo dann auch bißweilen ein ſonderbares/ auſſerordentliches Artz-
ney-Eſſen/ deſſen er allein beduͤrfftig im Fall der Seuch/ Schwach- und
Kranckheiten. Alſo hat auch der glaubige Chriſt zweyerley Eſſen von-
noͤthen/ das immerwaͤhrende/ taͤgliche/ ſtuͤndliche/ ja allangenblickliche/
und dieſes iſt das geiſtliche; jenes als ein Artzney-Eſſen/ wann es Nacht
wird/ daß der alte Adam Chriſtum verraͤth/ wann der Glaub gleichſam
in eine Ohnmacht dahin faͤllt/ wann er keine Empfindung der Gnade
Gottes mehr ſpuͤret/ wann der Gewiſſens-Wurm anfaͤngt zu nagen und
zu plagen/ die Gewiſſens-Wunden anfangen zu bluten/ und zu ſchmer-
tzen/ wann den Menſchen der Schlag des Moſaiſchen Geſetzes trifft/ in
die Gegichten/ Furcht/ Schrecken des Zorns Gottes geraͤth/ da iſt dieſe
Speiß eine Artzney der Krancken. Hie neceſſaria noͤthig allen im alten
Teſtament/ dem Schaͤcher an dem Creutz/ ja allen jungen unmuͤndigen
Kindern/ Joh. 6/ 53. Warlich/ warlich ich ſage euch/ werdet
ihr nicht eſſen das Fleiſch des Menſchen Sohns/ und trin-
cket
[1055]Predigt.
cket ſein Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch/ dort aber nicht
nothwendig. Da heiſts crede \& manducaſti.
Wann wir dann per ἄρσιν gehoͤret/ was durch dieſes Eſſen nicht ge-
meynet und verſtanden wird/ ſo muͤſſen wir dann auch lernen in ϑέσει,
Was dann? Das/ was die Capernaiten wol haͤtten verſtehen koͤn-
nen und ſollen. I. Ex συνηθείᾳ loquentis, als welcher mehrmal diverſio-
nes und anagogas gemacht è re natâ. Da Joh. 4. Cap. die glaubige
und bußfertige Samariterin ein Diſcurs angefangen von dem Jacobs-
Brunnen/ nimmt er daher Anlaß von dem geiſtlichen Waſſer dem Heil.
Geiſt/ Joh. 4/ 14. Wer des Waſſers trincken wird/ das ich ihm
gebe/ den wird ewiglich nicht duͤrſten/ ſondern das Waſſer/
das ich ihm geben werde/ das wird ihm ein Brunn des Waſ-
ſers werden/ das in das ewige Leben quillet.Ut acueret intel-
lectum, \& excitaret ad inquirendum. Alſo auch hie/ er hatte fuͤr ſich
grobe/ fleiſchlich geſinnte/ wuͤſte Leut/ die viel auf niedliche Speiß und koͤſtli-
chen Tranck gehalten/ er hat kurtz zuvor mit fuͤnff Gerſten-Brod fuͤnff
tauſend Mann geſpeiſet/ er mercket/ warumb ſie ihm nachgelauffen/ und
gewünſcht/ ſolcher Maſſen immer mit Brod verſehen zu werden/ ſie ruͤh-
men ihm das Manna/ das Moſes gegeben; da kommt nun Chriſtus mit
ſeiner Lehr-reichen anagoge, und ſagt ihnen von einer andern Speiß und
Eſſen/ wuͤrcket Speiß die nicht vergaͤnglich iſt/ ſondern die da
bleibet in das ewige Leben/ welche euch des Menſchen Sohn
geben wird. Da haͤtten die groben Leute wol dencken koͤnnen/ ey! er re-
det als ein Weiſer/ nuͤchterner/ vernuͤnfftiger Mann/ vernuͤnfftige Wort/
er redet nicht als ein Trunckenbold/ oder Nacht-Traͤumer von einem ge-
meinen Eſſen. Gleichwie wann im gemeinen Geſpraͤch einer ſagt: Das iſt
ein Stich/ der nicht blutet/ niemand ſo plumb iſt/ daß er es propriè ver-
ſtehen wuͤrde/ ſondern gedencken/ er rede von ſtachelichten Worten. Al-
ſo rede auch hie Chriſtus von einer verbluͤhmten Speiſe/ und geiſtlichem
Eſſen und Trincken. 2. Haͤtten ſie es wiſſen ſollen/ als hochgelehrte
Schul Lehrer ex ſtylo Scripturæ S. allegorico, daß mehrmalen in der
H. Schrifft das Eſſen fuͤr Lernen/ erkennen/ verſtehen gebraucht werde.
Ezech. 33. wird dem Propheten zugemuthet/ er ſoll ein Helluo librorum,
ein Buͤcher-Freſſer ſeyn/ h. e. fleiſſig ſtudiren/ uͤben/ erkennen lernen. Sy-
rach 15 c. 3. Sie wird ihn ſpeiſen mit Brod des Verſtandes/
und wird ihn traͤncken mit Waſſer der Weißheit. c. 24/ 28. 29.
Wer von mir iſſet/ den hungert immer nach mir/ und wer
von
[1056]Die ein und viertzigſte
von mir trincket/ den důrſtet immer nach mir.(*) Das ſol-
te ihnen in Sinn kommen ſeyn/ und ſo ſie noch anſtuͤnden/ den HErrn fra-
gen/ wie es zu verſtehen. Er hat damit ihr Gemuͤth acuiren/ und eine
Begierd zu lernen erwecken wollen. 3. Ja er hats ihnen deutlich ge-
ſagt/ wie es zu verſtehen/ mit duͤrren/ hellen/ verſtaͤndlichen Worten/
und wie man pflegt zu ſagen/ die Naſe gar darauff geſtoſſen. Joh. 6/ 29.
Wircket Speiſe/ die nicht vergaͤnglich iſt/ ſondern die da blei-
bet ins ewige Leben/ welche euch des Menſchen Sohn geben
wird/ dann denſelbigen GOtt der Vater verſigelt; Da
ſprachen ſie zu ihm: Was ſollen wir thun/ daß wir Gottes
Werck wuͤrcken? JEſus antwortet und ſprach zu ihnen/ das
iſt Gottes Werck/ daß ihr an den glaͤubet/ den er geſand hat.
Als wolt er ſagen/ das heiſt Speiß wuͤrcken/ glauben an den Sohn Got-
tes. Jtem/ v. 51. Wer von dieſem Brod eſſen wird/ der wird
leben in Ewigkeit/ und das Brod/ das ich geben werde/ iſt
mein Fleiſch/ welches ich geben werde fuͤr das Leben der Welt.
v. 54. Wer mein Fleiſch iſſet/ und trincket mein Blut/ der hat
das ewige Leben. Was das iſt/ erklaͤret er im 47. v. Warlich/
warlich ich ſage euch/ wer an mich glaͤubet/ der hat das ewige
Leben. Dann wie Chriſtus v. 27. geſagt hatte: Wircket Speiſe/
die nicht vergaͤnglich iſt/ ſondern die da bleibet in das ewige
Leben. Und aber die Capernaiten v. 28. ſprachen: Was ſollen
wir thun/ daß wir Gottes Werck wuͤrcken? Hat er auch aus
dieſer Veranlaſſung (gleichwie er aus der wunderbahren Speiſung des
Volcks Anlaß genommen hat/ vom Eſſen des Himmel-Brods zu predi-
gen.) v. 29. geantwortet: Das iſt Gottes Werck/ daß ihr an den
glaͤubet/ den er geſand hat. Damit er angezeiget hat/ daß dieſe
Speiſe nur mit dem Glauben erlanget/ empfangen und genoſſen werde.
Aus verſ. 35. da er ſagt: Jch bin das Brod des Lebens/ wer
zu mir kommt/ den wird nicht hungern/ und wer an mich
glaͤubet/ den wird nimmermehr důrſten. Uber welche Wort
Auguſtin. Tom. 9. Tractat. 25. p. 90. ſchreibet: Qui venit ad me, h. e.
quod ait, \& qui credit in me: \& quod dixit, non eſuriet, hoc intelli-
gendum eſt, non ſitiet unquam. Utroq; enim illa ſignificatur æter-
na ſatietas, ubi nulla eſt egeſtas. Das iſt: Wer zu mir kommt/ das iſt/
was er ſagt/ und wer an mich glaͤubet/ und wann er ſagt/ den wird nicht
hun-
[1057]Predigt.
hungern/ iſt dieſes dadurch zu verſtehen/ den wird nimmermehr
duͤrſten. Dann durch beydes wird dieſelbe ewige Fuͤlle und Ge-
nüge verſtanden/ da kein Mangel iſt. Da Chriſtus hochbetheurlich
ſagt: Warlich/ Warlich ich ſage euch/ wer an mich glaubet/
der hat das ewige Leben. Jch bin das Brod deß Lebens/ eue-
re Vaͤtter haben Manna geſſen in der Wuͤſten/ und ſind ge-
ſtorben. Diß iſt das Brod/ das vom Himmel kommt/ auff
daß/ wer davon iſſet/ nicht ſterbe. Allhie iſt zu mercken/ daß/
gleichwie Chriſtus dem/ der an ihn glaubet/ das ewige Leben zuſchreibet/ er
auch alſo dem/ der von dieſem Brod iſſet/ daſſelbe zulege (dann nicht
ſterben ꝟ. 50. heiſſet ewiglich ſelig werden) und damit lehre/ daß/ von die-
ſem Brod eſſen/ heiſſe an ihn glauben. Lutheri Gedancken ſind hievon dieſe:
Tom. 1. Isleb. p. 375. Eſſen iſt allhie glauben/ mit dem Glauben muß man
die Speiß empfangen/ daß Chriſti Fleiſch fuͤr uns getoͤdtet/ und ſein Blut fuͤr
uns vergoſſen iſt. Chriſtus will ſagen: Wer da glaubet/ daß ich vom Vatter
geſand ſey/ daß ich mein Fleiſch und Blut fuͤr euch/ die ihr ſelig werden ſollet/
gebe/ derſelbe hat das rechte Manna/ und wird nicht ſterben. Et fol. 2. Du ſolt es
auff den Glauben/ und auff das Goͤttliche Wort ziehen/ das Wort wird mit dem
Munde nicht empfangen und geſſen/ wie das Sacrament deß Altars/ ſondern
das Wort wird mit dem Hertzen ergriffen/ wann man glaͤubet/ und wann mans
hinein ins Hertz und Glauben zeucht/ ſo iſts recht. Will man nun ſagen:
Wie kanſt du das Brod ſeyn/ ſo man iſſet und trincket? Alſo geſchiehts/ wann
man mich außtheilet. Mit was Meſſer? Daß man mit dem Mund und Zunge
von Chriſto predige und vermelde/ daß er ſein Blut fuͤr uns vergoſſen habe/ und
geſtorben ſey/ da lege ich dir Chriſtum fuͤr/ nicht auff Tellern/ ſondern in das
Hertz lege ich dir ſein Fleiſch und Blut/ das fuͤr dich gegeben iſt/ das heißt ins
Hertz gelegt/ wann du es alſo empfaͤheſt/ iſſeſt und trinckeſt/ das iſt/ wann du es
alſo glaubeſt/ ſo biſt du ſelig. Alſo habt ihr das rechte Manna/ das Gott durch je-
nes bedeutet hat/ und kuͤrtzlich zu reden/ Maña iſt uns jetziger Zeit das Sacrament
und Evangelium/ nemlich/ diſe Predigt/ darin gehandelt wird/ daß der Lelb und das
Blut Chriſti fuͤr uns gegeben ſey zur Vergebung der Suͤnden/ darum wann du das
Evangelium hoͤreſt/ ſo regnets Manna/ und da ſam̃leſt du Manna/ das wird dir
dann vom Himmel gegeben/ wann du es nim̃eſt/ das iſt/ glaubeſt/ ſo iſſeſt du auch/
und bleibeſt ewig/ gleichwie das Wort Gottes auch ewig bleibet. Et Tom. 2.
Isleb. p. 160. f. 2. Er hat durch das gantze Capitel deß rohen Worts (Eſſen) ge-
brauchet/ daß es hart und ungeſchickt lautete/ aber haͤtte ers nicht gebrauchet/ ſo
wolte ich noch bitten/ daß ers brauchete. Es hat ein noͤthige Vrſach/ daß er alſo
redete/ dann er hat dieſe wuͤſte und wilde Leut fuͤr ſich geſehen/ die nur auffs leibl.
Freſſen und Sauffen gedachten/ denſelbigen haͤlt er dergleichen Wort fuͤr/ von
Eſſen und Trincken/ auff daß/ ob ſie es gleich jetzt nicht verſtehen koͤnten/ daß ſie
ihme doch nachdaͤchten/ was er damit meynet/ und darnach weiter fragten/ was
es doch waͤre? ſie ſollen nach forſchen/ was er doch mit dieſer wunderlichen Rede
Achter Theil. S s s s s swolle:
[1058]Die ein und viertzigſte
wolle: Was meynet er damit/ ſoll ein Menſch den andern freſſen? Das wird
warlich nicht ſeine Meynung ſeyn/ wann ſie nur den Kopff druͤber zubrochen/ in
ſich geſchlagen und gefragt haͤtten/ was er doch damit gemeynet? Derhalben
thut Chriſtus auch eine Gloſſa dazu/ weil ſie ſo gar grob ſind/ und wirfft ihnen
das mit verbrochenen Worten fuͤr/ ſonſt kan man die groben Saͤu und Baͤuche
aus dem Freſſen und Sauffen nicht bringen/ wann man ihnen nicht alſo grobe
und ungertimte Ding fuͤrhielte. Alſo mahlet er den groben Juͤden das fuͤr/
auff daß ſie ſagten/ der HErr will das ſagen/ das zu ihm kommen und eſſen das
Brod deß Lebens/ ſey an ihn glauben/ und wer glaubet/ der koͤmmt zu ihm und
eſſe ihn. Wird alſo beſchloſſen/ daß allhie in dieſem Capitel der HErr vom geiſt-
lichen Eſſen redet/ dann alſo leget ers ſelber auß vom Durſt und Hunger/ der die
Seele belanget/ dann die Seele wolte gern ewig leben/ daß ſie nicht verdammet
wuͤrde/ und einen gnaͤdigen GOtt haͤtte und fuͤr dem Zorn und Gericht Gottes
beſtehen koͤnte/ von der Suͤnde und Geſaͤtz nicht verklaget wuͤrde/ oder nicht in
die Hoͤlle fuͤhre/ das iſt der Seelen Verlangen/ das heiſſet ein geiſtlicher Durſt
und Hunger/ dawider auch eine geiſtliche Speiſe und Tranck vonnoͤthen iſt/ da
der Heil. Geiſt kompt und ſpricht/ wilt du nicht ſterben oder verdammt ſeyn/ ſo
komme zu Chriſto/ glaube an ihn/ halte dich an ihn/ iß dieſe geiſtliche Speiſe/ das
laß das erſte ſeyn. Et pag. 187. f. 2. Sie fragen: Wie kan man dein Fleiſch eſ-
ſen? Da iſt der Sachen alſo gerathen: Nemlich/ daß er redet vom geiſtlichen
Eſſen/ der Glaube iſts/ der ihn iſſet/ wie er ſich dann ſelber außleget/ da er ſpricht:
Wer da glaubet an mich/ der hat das ewige Leben/ derſelbige iſſet recht/ dann ich
bin das Brod deß Lebens/ der Glaub iſt der Eſſer/ der da iſſet und glaubet an
Chriſtum/ die Seele aber und der Glaub haben nicht ein Maul/ Zaͤhne/ Haͤlß und
Bauch/ wie der Leib hat/ ſondern haben ein ander Maul/ Bauch und Ohren/ iſſet
auch anders/ dann der Leib/ ſie hat auch ihren Sinn/ Willen/ Muth/ Verſtand/
Luſt oder Vernunfft/ daß einer ein Ding verſtehen kan/ und Neigung dazu hat/
alſo wann man dieſe Wort hoͤret/ daß Chriſtus eine Speiſe und Himmel-Brod
ſeye/ daß man ſich mit dem Glauben hinan haͤnget/ und faͤllet mit Verſtande und
Luſt darauff. Es ſind verdrehete und verbluͤhmte Reden/ und heiſſet hie Eſſen
eine geiſtliche Nieſſung und Eſſen. Dieſe Rede und Diſputation deß HErrn
Chriſti/ durch dieſes gantze Capitel/ hat ſich entſponnen und erhaben uͤber dem
Miracul/ daß er mit fuͤnff Gerſten-Brod eine ſolche Summa Volcks geſpeiſet
hatte. Da ſpricht er/ es iſt nicht allein umb das Eſſen und umb die Speiſe zu
thun/ daß man den Bauch fuͤlle/ wie die Saͤu/ lieber gedencket nach einem andern
Eſſen und Speiſe/ daß ihr nicht ſterbet/ dencket/ daß ihr ein ander Eſſen aufahet.
Aber die groben Juden ſtoſſen und aͤrgern ſich hieran/ daß ſie das Wort Eſſen
nicht koͤnnen verſtehen/ welches ein gering Aergernuß iſt/ und iſt eine gemeine fi-
gura metaphora, und Weiſe zu reden/ als wann wir Teutſchen ſagen/ das iſt ein
Stich/ der blutet nicht. Jtem/ iſt doch ein Wort kein Pfeil oder Schwerdt. Jtem/
der Pfeil koͤmmt nicht aus deinem Koͤcher/ da verſtehet man deß Menſchen Rede
und Wort fuͤr ein Pfeil/ alſo iſts hie auch mit dem Worteſſen/ das da einen an-
dern Verſtand hat.
Jſt die Frag/ ob wir in dieſem Paß der geiſtlichen Nieſſung mit den Re-
formirten einig/ wie zwar in der Friedbietung der Pfaͤltziſchen Theologen
pag. 13. verlauten wollen. Hierauff iſt geantwortet in Reform. ſalve pag.
432.
[1059]Predigt.
432. Einig/ wie Tag und Nacht/ wie Ja und Nein. Unſer geiſtliches
Eſſen und Trincken iſt ein hertzliches Vertrauen/ ſampt dem Gebet zu Chri-
ſto/ nicht nur als wahren Gott/ ſondern auch nach ſeiner mit unermeßli-
chen Gaben gezierten menſchlichen Natur/ gegenwaͤrtig im Wort Rom.
10. und Sacrament gereichet. Das reformirte Eſſen und Trincken
iſt ein abentheur-wunderbarlich gefluͤgeltes Himmelklettern/ nach dem
weit weit abgelegenen Leib Chriſti. Dieſer Meynung nach hat der Glaub
mehr Tugend und Krafft/ als die perſoͤnliche Vereinigung in Chriſto/ der
Leib Chriſti kan nicht zugleich im Himmel und auff Erden ſeyn; Aber das
glaubige Hertz auf Erden erſchwingt ſich und iſt zugleich im Himmel. Wañ
Chriſtus ſagt Apoc. 3. Sihe/ ich ſtehe fuͤr der Thuͤr und klopffe an/ ꝛc. So
ſagt ein Reformirter: HErr/ es iſt nicht noth/ daß du mit deinem Leib und
Blut zu mir kommeſt/ bleib nur drauſſen/ droben im Himmel/ ich will wol
zu dir hinauff kommen/ und dich daſelbſt finden/ mit meinem Himmel-
ſteigenden Glauben. vid. D. Philipp. Nicolaiin der treuhertzigen
Antwortpag. 97. \& ſqq.
Ob nun wol durch das Eſſen allhie kein leibliches/ natuͤrliches Eſ-
ſen verſtanden wird/ ſo iſt doch das natuͤrlich Eſſen die figura hierogly-
phica, Bild und Beyſpiel/ dadurch und dabey wir unſer Sinnen und
Gemuͤth erheben/ Art und Eigenſchafften deß ſelig-lebendig-gerechtma-
chenden Glaubens recht verſtehen lernen/ und beſtehet die analogia in fol-
genden Gleichnuͤß-Gliedern. I. In Λήψει, im Nehmen. Sol die
Speiß einem Menſchen nuͤtzen/ das Leben geben und erhalten/ ſo muß man
ſie zuvor annehmen und anbeiſſen. Alſo vermahnet Paulus ſeine
Schiff-Gefaͤhrten/ nachdem ſie in vierzehen Tagen nicht angebiſſen/ Act.
27/34. Jch ermahne euch Speiſe zu nehmen/ euch zu laben.
Alſo ſind die Jſraeliten auf das Manna gefallen/ daſſelbe in den Mund ge-
nommen und den Hunger gebuͤſſet; man muß deſſelben Art/ Natur/ Quali-
taͤten/ Wuͤrde und Werth erkennen/ dieſelbe an ſich ziehen/ magnetico tra-
ctu, wie der Magnet das Eyſen. Wann es pfleget zu geſchehen/ daß bey
weltl. Fuͤrſten das Brod außgeworffen wird/ ſo dringt man ſich herzu/
reißt mit Gewalt hindurch/ ſonderlich zu theurer Zeit fuͤr den Beckenladen:
alſo muß man Gewalt anlegen/ feſt halten/ ihm das Brod nicht nehmen
laſſen/ ihm ſein Part appropriiren/ das iſt mein Portz/ damit will ich mei-
nen Hunger buͤſſen: Contrà, die Kinder Jſrael eckelt ab dem Manna/ wol-
lens nicht annehmen/ begehren ſich nicht darum zu reiſſen. Darum wird
auch allhie durch das Eſſen verſtanden die λῆψις paſſiva, als durch wel-
che der Glaub beſchrieben wird. Joh. 1/5. 11. 12. Das Liecht ſcheinet
S s s s s s 2im
[1060]Die ein und viertzigſte
im Finſternuͤß/ und die Finſternuͤß habens nicht begriffen.
Er kam in ſein Eygenthum/ und die Seinen nahmen ihn
nicht auf/ wie viel ihn aber aufnahmen/ denen gab er Macht
Gottes Kinder zu werden/ die an ſeinen Namen glauben. cap.
7/39. c. 17/8. Rom. 5/17. c. 9/30. Gal. 3/2. \& 14. Eph. 3/18. Col. 2/6. Phil.
3/12. 1. Tim. 6/12. Daß man Chriſtum im Evangelio/ und alſo das
Brod mit Than annehme/ ergreiffe/ empfange/ mit allen Kraͤfften der
Seel. Die Seel/ ſchreibt Luther/ hat weder Maul noch Magen/
ſondern ihr Mund und Magen iſt ihr Sinn/ Verſtand/
Muth/ Luſt/ Begierd und Zuneigung/ Lieb und Vertrauen/
mit allen dieſen Kraͤfften muß die Seel zugreiffen/ Sinn und
alle Gedancken haben zu dir. Man muß dem Himmelreich/ als der
Luc. 16. 16.Goͤttl. Proviant-Kammer/ Gewalt anlegen. (*)Den edlen Schatz
wolpoſſidiren/ als das Gnaden-Brod/ wie Joſephs Brod ein ſolches
Gnaden Brod geweßt; als das geroͤſtete Gerſten-Brod/ das der Midia-
niter Huͤtten umbſtoſſt/ Jud. 7/13. als einen lieben werthen Gaſt wol be-
wirthen/ auff daß dem Hauſe deß Hertzens Heyl wiederfahre/ und ſagen
mit Jacob/ Jch laſſe dich nicht/ du ſegneſt mich dann/ du biſt
Mein/ und ich bin Dein. Jch weiß/ daß Mein Mein Erloͤſer lebt/
und er wird Mich aus der Erden aufferwecken. Chriſtus hat Mich
gelie-
[1061]Predigt.
geliebet/ und hat ſich ſelbſt für Mich in den Tod gegeben. Es muß eine
glaubige Seele thun/ als waͤre Chriſtus allein umb ihrent willen in die
Welt kommen/ gelitten/ geſtorben/ als der auch umb einer einigen verlohr-
nen Seele willen waͤre in die Welt kommen/ wie Chryſoſtomus in Epiſt.
ad Galat. ſchreibet: Es iſt billich/ daß ein jeglicher unter uns nicht
weniger Chriſto danckſage/ als ob er allein umb ſeinet willen
waͤre in die Welt kom̃en: Wie er dann ſich auch nicht wuͤrde
gewegert haben/ umb eines einigen Menſchen willen ſolch
Werck uͤber ſich zu nehmen. Derowegen liebet er einen jeden unter
uns mit gleichem Liebes-Affect/ womit er die gantze Welt liebet.
II. Auff die λῆψιν folget die γεῦσις, das Koſten/ Schmecken und
Pruͤfen. Moſes hat den Jſraeliten nicht vergebens den Geſchmack deß
Manna geruͤhmet/ es ſey wie Semmel mit Honig/ ſie damit gelocket/ daß ſie
es recht und wol beriechen und ſchmecken ſollen/ an welchem Stuͤck es dem
alten Barſillai gefehlet/ 2. Sam. 19/35. darum er ſich der Koͤniglichen
Taffel Davids bedancket. Alſo muß eine glaubige Seele auch ſchmecken
und ſehen/ wie freundlich der HErr ſey/ Pſal. 34. 1. Petr. 2/3. Hebr. 6/4. 5.
und bitten/ daß wir moͤgen ſchmecken mit Luſt und Ergoͤtzlichkeit/ ſeine
Suͤſſigkeit im Hertzen/ ſonderlich die Suͤſſe ſeines Worts/ die aus ſeinem
holdſeligen Munde gefloſſen/ mit geuͤbten Sinnen die wolgeſchmackte
Speiſe deß Evangelii von allen abgeſchmackten/ ſtinckenden traditionen
und Vernunffts-Trachten ſepariren und abſondern/ doch alſo ſchmecken/
daß mans nicht wieder außſpeye/ wie Chriſtus den Eſſig/ Matth. 27/34.
Sie gaben ihm Eſſig zu trincken mit Gallen vermiſcht/ und
da ersſchmeckt/ wolt ers nicht trincken. Worauß Auguſtinus ei-
ne ſchoͤne Vermahnung geſponnen Tract. 6. in Joh. p. 62. (*) Wie A-
grippa Act. 26/ 28. da ihm Paulus von dem Evangelio JEſu Chriſti ge-
prediget hatte/ geſprochen: Es fehlet nicht viel/ du uͤberredeſt mich/
daß ich ein Chriſt wuͤrde. Aber ſtund bald auff/ es wolte ihm nicht
munden. So ſollen bey uns unſere Seelen-Speiſen nicht ſeyn/ ſondern
die γεῦσις ſoll nur eine promulſis oder Leck-Bißlein ſeyn/ den Appetit zu er-
wecken.
III. Γεῦσις zeucht nach ſich Suctionem in ſatiabilem,das unerſaͤtt-
S s s s s s 3lich
[1062]Die ein und viertzigſte
liche Saugen. Gleichwie ein Kind/ wanns einmahl die ſuͤſſe Mut-
ter-Milch verſucht und erſchmeckt/ ſo laͤſſets nicht ab/ Tag und Nacht/ ſo
offt es hungert und duͤrſtet/ zu ſaugen/ und iſt endlich ſchwer zu entweh-
nen. Alſo ſolten auch die Jſraeliten nicht nur das Manna ſchmecken/
ſondern ſich auch ſatt eſſen/ davon ſaugen/ biß ſie in das Land Canaan
kommen/ und viertzig Jahr lang nimmer uͤberdruͤſſig werden. So will
Chriſtus auch von uns tractiret ſeyn/ er reichet uns ſeine Mutter-Bruͤſte
dar/ will/ daß wir/ wie Johannes/ an ſeiner Bruſt liegen und ſaugen fluen-
ta Sapientiæ, Guͤſſe und Fluͤſſe ſeiner himmliſchen Weißheit/ Er iſt die
Quell/ wir ſollen immer davon trincken/ er iſt der Baum deß Lebens/ wir
ſollen uns immer damit ſtaͤrcken. Er hat ſein Hertz durch ſeinen Mund
eroͤffnet/ darauß gefloſſen ſein theures Blut/ mein Erbgut. Kurtz/ wir
ſollen von ſeiner Fuͤlle nehmen Gnade umb Gnade. Er iſt das Penu und
Apotheck/ in welchem alle Fuͤlle wohnet/ alle Gnaden-Schaͤtze/ zuforderſt
der H. Geiſt ſelbſt/ deß Heil. Geiſtes χαρίσματα und Gnaden-Gaben/ das
Kind-Recht/ Joh. 1/12. der Ablaß der Suͤnden/ das Kleid der Gerech-
tigkeit/ der koͤſtliche Heyl- und Troſt-Balſam/ die arrha, das Pfand- und
An-Geld unſers Erbes/ da ſoll man immer wie ein Kind an der Mutter
Bruͤſten ſaugen/ unerſaͤttlich/ unablaͤßlich/ Tag und Nacht.
IV. Ruminatio, Maſticatio,die Kaͤuung. Die beſten und rein-
ſten Thiere ſind/ die da widerkaͤuen/ Lev. 11/5. das Zeichen eines reinen/
geſunden/ eßhafften Thiers iſt die ruminatio, die die Speiß nicht nur zu
ſich nehmen/ ſondern auch im Maul herumb werffen/ wol verbeiſſen und
verkaͤuen/ daß es deſto beſſer mit mehrer Ergoͤtzlichkeit hinab gehe. Der
Menſch iſt ein ſolch Thier/ und alſo erſchaffen/ daß er die Speiſen und
Brod nicht alſobald hinunter verſchlinge/ ſondern er verkaͤuet es wol/
laͤſts ihm wol ſchmecken und munden; Solcher maſſen muͤſſen auch
glaͤubige Seelen mit ihrem Hertzliebſten umbgehen/ denſelben durch Heil.
meditation wol betrachten/ immer mit Gedancken nachſetzen/ daß ſie das
Hertz erfuͤllen. Alſo gieng Jſaac auffs Feld Laſchuach, zu betten/ Gen.
24/63. eigentlich zu meditiren/ zu betrachten/ David redet vom Geſaͤtz deß
HErrn Tag und Nacht/ er dichtet/ er forſchet. Jm 63. Pſalm ſpricht er:
Wann ich mich zu Bette lege/ ſo dencke ich an dich/ wann ich
erwache/ ſo rede ich von dir. Jm 77. Jch dencke deß Nachts
an mein Seitenſpiel/ und rede mit meinem Hertzen/ mein
Geiſt muß forſchen; Jch gedencke an die Thaten deß HErꝛn/
ja ich gedencke an die vorige Wunder/ und rede von allen dei-
nen Wercken/ und ſage von deinem Thun. Das ſchoͤnſte Ex-
empel
[1063]Predigt.
empel iſt das Exempel Mariæ/ die Geiſthungerige Gaͤſtin/ da ſie ihren
Hunger gebuͤßt/ und nicht allein durch den Glauben Chriſtum im Her-
tzen empfangen/ ſondern auch geboren/ hat ſie alles/ was von dieſem ihrem
heiligen Kind vom Engel und von den Hirten erzehlet worden/ tieff zu
Hertzen genommen συμβάλλουσα, uͤberworffen/ uͤberlegt/ Luc. 2/19. und
alſo in ſuccum \& ſanguinem vertirt.
V. Unitio, der letzte Actus iſt/ wann die Speiß nun verkaͤuet/ hinun-
ter geſchluckt/ in unterſchiedl. Kuͤchen verkocht/ wol verdauet/ im Magen
ein chylus darauß worden/ in der Leber Blut verwandelt/ ſo wird von dan-
nen das edelſte/ beſte/ geſundeſte Gebluͤt von allen Gliedern angenommen/
und mit dem uͤbrigen Fleiſch verwandelt/ und ein Weſen darauß. Alſo
gehet es auch mit dieſem geiſtlichen Eſſen auff eine κοινωνίαν hinauß/ auff
eine Einverleibung; Es wird ein ſolcher Menſch Chriſti Glied/ und das
iſts/ wann wir ſingen:
Jch bin ein Glied an deinem Leib/Deß troͤſt ich mich von Hertzen/Von dir ich ungeſcheiden bleib/Jn Todes-Noth und Schmertzen/ ꝛc.
Was St. Paulus ſagt Roͤm. 8. Jch bin gewiß/ daß kein Creatur
mich ſcheiden kan von der Liebe GOttes/ die da iſt in Chriſto
JEſu meinem HErrn. Der Sohn GOttes appropriirt ihm alles
was das Fleiſch iſt/ und was demſelben widerfahrt/ contra begabet er das
Fleiſch mit allem/ was ſein iſt. Seine Gerechtigkeit/ Heiligkeit/ merita,
Buſſen/ Verdienſt und alles was Chriſtus mit ſeinem leydenden und wuͤr-
ckenden Gehorſam erworben/ iſt alles mein. (*) Welches der HErr ſelbſt
andeutet mit den Worten: Wer mein Fleiſch iſſet/ der bleibet in
mir/ und ich in ihm. Jch lebe jetzt nicht/ ſondern Chriſtus lebet in
mir/ Galat. 2/20. Chriſtus iſt mein Leben/ Sterben iſt mein Gewinn/ Es
iſt nur (Luth. Tom. 2. Isleb. p. 202. f. 2.) umb den alten Schand-
ſack zu thun/ daß der auffhoͤre/ hingerichtet werde/ verfaule
und
[1064]Die ein und viertzigſte
und verweſe/ wann der todt iſt/ ſo iſt das Leben gar da/ damit
er wieder herfuͤr komme/ durch den/ ſo in uns wohnet. Davon
wird nun der Geiſt gantz lebendig/ und folgt dannenhero
VI. Vita ſpiritualis,das rechtſchaffene/ Chriſtliche/ Goͤttli-
che Leben. Wann die Speiß durch alle bißher erzehlte Muͤhlen hin-
durch gelauffen/ und endlich zu ſeinem Zweck kommen/ ſo generirt das
Hertz von denſelben ſpiritus vitales \& animales, froͤliche/ geſunde Le-
bens-Geiſter/ Krafft welcher der Menſch hernach ſeine officia, Geſchaͤfft/
Dienſt/ Handwerck/ Kampff und Krieg/ Dienſt/ Wachten und Zug
verrichten kan. Eindeutliches klares Exempel finden wir 1. Sam. 30/12.
da ſtoſſt Davids Knechten ein Egyptiſcher Mann auff/ der in dreyen Ta-
gen und drey Naͤchten nichts gegeſſen/ und kein Waſſer getruncken/ und
dannenhero gantz in einer Ohnmacht gelegen: Nachdem ſie ihm aber
Brod zu eſſen und Waſſer zu trincken gegeben/ meldet die Hiſtori/ ſo ſey
ſein Geiſt wieder zu ihm kommen. Er wird lebendig/ friſch und geſund
und gutes Muths/ fuͤhret und begleitet David zu dem Heer. Alſo wo
Chriſtus wohnet/ da iſt ein rechtſchaffen Leben und Weſen/ da kan ein
Chriſt ſeine Dienſt/ Wallfahrt und Ritterſchafft/ froͤlich/ luſtig und ge-
dultig allezeit uͤben/ Glauben vollenden/ guten Kampff kaͤmpffen/ ſich weh-
ren und naͤhren/ leben mitten im Feuer der Truͤbſal/ leben mitten im Tod/
ſonderlich im Tod/ wanns auch gleich der Maͤrtyrer-Tod iſt/ da erfaͤhret
man/ was der Glaube kan/ wie dieſe Seelen-Speiſe operire, wie Chriſtus
eine ſolche glaͤubige Seele labet/ in den Schwachen ſtarck ſey. Davon
zeugen alle Maͤrtyrer-Buͤcher/ wie ſie mitten in den aͤuſſerſten Schmertzen
froͤlich geweßt/ Gott gelobt/ und vor Freuden geſungen/ deren die Kirchen-
Hiſtorien voll ſind. Nur eins zu gedencken; Joh. Huſſen/ da ihm der Hero-
des zu Coſtnitz/ ſein Bethlehem diſputirt und angefochten/ ſchrieb er aus
dem Kaͤrcker daſelbſt an die Boͤhmen: Jch bitte (Luth. T. 12. Witt. p.
280.) ſonderlich euch von Praga/ wollet die Kirche/ Beth-
lehem genannt/ (allwo er ein Prediger geweſt/) lieben und
Fleiß thun/ ſo lange es Gott gefaͤllet/ daß das Wort GOttes
darin geprediget werde. Dann umb deſſelben Orts willen iſt
der Sathan zornig worden/ und hat beyde Pfarrherren und
Thumherren erreget/ weil er gemercket/ daß aus demſelben
Ort ſein Reich moͤchte geſchwaͤcht werden. Jch hoffe zu Gott/
er werde dieſe heilige Kirch erhalten (ſo lang es ihm gefaͤllet)
und wird darin mehr Frucht ſeines Worts ſchaffen durch
andere/ dann durch mich geſchehen. Da man ihn (pag. 283.)
de-
[1065]Predigt.
degradirt, hat er unerſchrocken gelaͤchelt/ da er zum Feuer gefuͤh-
ret wurde/ hat er immer im Munde gehabt/ O JESU/ du Sohn Got-
tes erbarm dich mein/ da er aber den Baum geſehen/ daran er ſolte ver-
brannt werden/ iſt er auff ſeine Knie gefallen/ und geruffen: O JEſu du
Sohn Gottes/ der du fuͤr uns gelitten haſt/ erbarm dich mein. Hat auch
geſehen ein armes Baͤurlein Holtz zutragen/ und mit ſanfftem Laͤchlen ge-
ſprochen das Wort St. Hieronymi: Sancta Simplicitas,Ach du hei-
lige Einfalt! Und ein Prieſter hat ſich zu ihm gedrungen/ und ge-
fragt: Ob er beichten wolle? Ja/ ſprach Huß/ ich will gern beichten/ der
Prieſter aber ſprach/ ihr muͤſſet zuvor widerruffen. Nein/ ſprach Huß: So
weiß ich mich auch keiner Tod-Suͤnd ſchuldig. Da er aber nun gar ver-
brannt geweſen iſt/ iſt die Jnfel/ von Papier gemacht/ ſo ihm auffgeſetzet
war zur Schmach/ daran zu beyden Seiten Teuffel gemahlet/ mit dem
Namen Hæreſiarcha, Ertz-Ketzer/ noch blieben/ die hat der Hencker muͤſ-
ſen ſonders nehmen/ und ins Feuer ſtoſſen. Solches ſchreiben ſie ſelbſt/
und mags noch leſen/ wer da will/ das Buch iſt neulich wieder in Druck
außgangen. Zwar ſie deutens dahin/ daß Johannes Huß ſo ein giffti-
ger Ketzer geweſen/ daß der Teuffel habe die Jnfel im Feuer alſo erhalten/
wie die Juden Chriſtus Wunderzeichen auch dem Beelzebub zuſchreiben.
Endlich wird folgen vita beata, æterna. Diß Eſſen iſt der ſeligmachende
Glaub.
Fragſt du/ was der wahre/ rechte/ lebendigmachende/ ge-
recht- und ſeligmachende Glaub ſey?Fides ut Quo D, iſt dieſes
bißher erzehlte Eſſen in allen actibus, Handlungen und Stuͤcken/ aber
Fides ut Quo iſt concretivè \& relativè der Schatz ſelbſt/ den wir im
Glauben empfangen. Gleichwie der laͤre und bloſe Mund und deſſen Auf-
und Zuthun niemand ſpeiſet/ niemand lebt vom Lufft und Wind. Joh.
6/57. Er wird leben umb meinet willen/ δἰ ἐμὲ durch mich.
Sondern von dem Brod/ von der Speiß-Chriſtus iſt das Leben/ der macht
lebendig. Mein Fleiſch iſt das lebendigmachende Fleiſch/ doch ſo fern es an-
genommen/ ergriffen/ oder vielmehr eſſende ergriffen worden/ Phil. 3. Joh.
1/12. So viel Chriſtum auffgenommen/ denen hat er Macht gegeben Got-
tes Kinder zu werden. Es heiſt auch allhie Marc. 10/15. Warlich ich
ſage euch/ wer das Reich GOttes nicht empfaͤhet/ als ein
Kindlein/ der wird nicht hinein kom̃en. Wie ein Kind ſein Milch
annimmt/ ja auch mit der Mutter-Milch das Kind- und Erb-Recht/
ohne ſein Zuthun und Verdienſt/ ſondern haͤlt es ſich nur paſſivè.Alſo
(Luth. Tom. 2. Isleb. pag. 195. f. 2.) eſſe und trincke ich den Leib und
Achter Theil. T t t t t tdas
[1066]Die ein und viertzigſte
das Blut Chriſti/ und thue kein Werck darumb/ allein die
Seele nimmt an die Gabe/ nemlich den Leib und das Blut/
das heiſt nicht ein Werck gethan/ ſondern empfangen und
genommen wird. Darnach wann der Glaube da iſt/ ſo thut
er gute Werck/ wann du lebendig worden biſt durch das Le-
ben/ ſo iſts Zeit/ daß du deinen Naͤchſten auch liebeſt/ und in
Gottes Gebotten dich uͤbeſt/ aber nicht der Meynung/ daß du
das ewige Leben dadurch erlangeſt/ du haſt zuvor Vergebung
der Suͤnden. Oder daß du dem Teuffel wolteſt entlauffen/
Suͤnde ablegen/ dann Suͤnde und Teuffel muß vor hinweg/
und du von ihnen loß ſeyn. Darumb ſagt ein Chriſt: Jch
weiß keine Werck/ dadurch ich gerechtfertiget werde/ ſondern
mein Leben und Gerechtigkeit ſtehet in dem einigen Stuͤck/
daß Chriſtus Fleiſch und Blut hat/ welches meiner Seelen
Speiſe und Leben ſey.
Meyneſt du nun O Chriſten-Menſch/ daß wann Chriſtus kommen
wird zum Gericht/ daß er einen ſolchen ſelig- und lebendigmachenden
Glauben werde finden und antreffen? Jch beſorg/ ſo rahr und ſeltzam/ als
er geweſt bey der erſten Zukunfft/ da ſich Chriſtus verwundert uͤber den
Hauptmann zu Capernaum/ und geſagt: Solchen Glauben hab
ich in Jſrael nicht funden/ Matth. 8/10. Alſo iſt auch in dieſer letz-
ten Zeit zwar an Freſſen und Sauffen/ Schlemmen und Demmen/ ſon-
derlich bey wolfeyler Zeit kein Abgang/ man wil mit Gewalt er fuͤllen Chri-
Luc. 17.ſti Weiſſagung: Wie es war zur Zeit Noaͤ/ wirds auch geſche-
hen in den Tagen deß Menſchen Sohns. Sie aſſen/ ſie
truncken/ ſie freyeten und lieſſen ſich freyen/ biß auff den
Tag/ da Noah in die Arch gieng/ und brachte ſie alle umb.
Aber wo die heilige Begierd nach dem Himmel-Brod/ das rechte ſeligma-
chende Eſſen? Es iſt rahr/ unbekañt/ Ignoti nulla cu pido. Wo keine Be-
gierd/ da iſt viel weniger die praxis und Ubung. Wie achtet man doch die-
ſer Speiſe ſo gar nicht? Frembde Goͤtter/ was frembd iſt/ was koͤſtlich iſt/
das kaufft man/ das erwirbt man. Aber hie nicht. Fuͤr Bauren gehoͤret
Haber-Stroh. Es iſt der Glaub rahr/ weil wenig ſeynd/ die verſtehen/ was
der Glaub ſey/ was das Geheimnuͤß deß Glaubens/ das einige Mittel die
Seligkeit zu erlangen/ davon man heur und fern prediget/ aber mit Blut zu
beweinen/ daß mans nicht gruͤndlich verſtehet. Die meiſten halten da fuͤr/
das ſey der Glaub/ wann man ſich zum Lutheriſchen Glauben bekennet/ den
Decalogum oben hin nach dem Wortlaut/ die Symbola ohn innern ſpe-
cial-
[1027]Predigt.
cial-Sinn und Verſtand/ wie der Papagey daher kan recitiren/ (da doch
nach Luth. Gloß ad Matth. 12/13. Wo das Wort Gottes verſtanden wird/
da mehret es ſich und beſſert den Menſchen; Wo es aber nicht verſtanden
wird/ da nimmet es ab und aͤrgert den Menſchen) oder wanns hoch
kommt/ ſo iſt es ein bloſer Hiſtoriſcher Glaub/ ein kalter/ oͤder/ loſer/ lediger
Gedancke/ Phantaſi und Ens rationis, daß man an Chriſti Leyden und
Tod gedencket/ und daſſelbe fuͤr wahr halt/ was man bekennet/ aber das
glauben die Teuffel auch/ ohne appropriation, der Teuffel kan nicht ſa-
gen: Chriſtus iſt fuͤr mich geſtorben. Es iſt freylich das bloſe theori-
ſche Gedaͤchtnuͤß deß Leydens Chriſti nicht genug; Wann man der Fruͤch-
te deß Glaubens vergiſſet. Es heiſt auch/ haltet alles was ich euch be-
fohlen habe/ wird damit angezeigt die Frucht deß ſeligmachenden
Glaubens/ nicht die Urſach der Seligkeit ſelbſt. Daher kommt es/ daß
man meynet/ es ſey gar ein leichte Kunſt zu glauben/ und komme einen
gar nicht ſaur an bey der Lutheriſchen Religion ſelig zu werden/ dann wer
glaubt und getaufft wird/ der wird ſelig/ Jch bin getaufft/ glaub auch/ daß
alles wahr ſey/ was im Apoſtoliſchen Symbolo verfaſſet; Derowegen
nicht ich/ ſondern Tuͤrcken/ Juden und Heyden/ die ſind verdammt/ Chri-
ſtus leb in mir/ oder nicht/ hoff ich doch ſelig zu werden. Jſt dannenhe-
ro nicht allerdings eine Calumnia/ wann unſere Gegner/ und nament-
lich Corn. à Lap. von den Lutheranern ſchreibt; Es heiſt bey ihnen: Tan-
tùm crede, glaube nur/ ſo biſt du ſelig/ q. d. Glaube nur/ du habeſt Salo-
monis Reichthum/ ſo wirſt du ſie alſobald haben. Aber O Creutz her!
O Hunger her! Wie thaͤt Anfechtung ſo wol bey ſolchen Leuten/ dann
die Anfechtung lehret auffs Wort mercken. Dulce bellum inexpertis.
Wo der Wurm nicht naget/ das Gewiſſen nicht plaget/ wo kein Hirſch-
Durſt nach der Gnade GOTTES iſt/ da iſts leicht. Aber wann man
zum Leyden kommet/ daß (Luth. Tom. 2. Isleb. p. 198. f. 2.) ſie ſollen
Schaden leyden an Leib/ Ehre oder Gut/ und ſonderlich/ wann
man ſterben ſoll/ oder den Halß darſtrecken. Da iſt Chriſtus
nicht einheimiſch noch vorhanden/ da wollen es die Gedancken
nicht thun/ die ſind nichts anders/ dann dein Werck/ Krafft
und natuͤrliche Vernunfft/ und eine ſchwache Creatur.
Soll aber das Schrecken deß Gewiſſens untergedruckt/ der
Teuffel verjagt/ der Tod uͤberwunden werden/ da wird eine
Goͤttliche Gewalt zugehoͤren/ und nicht ein Gedancken.
T t t t t t 2Es
[1068]Die ein und viertzigſte
Es muß ein anders in dir ſeyn/ daß dieſe Feinde eine Krafft in
dir finden/ die ihnen zu ſtarck ſey/ dafuͤr ſie ſich ſcheuen/ flie-
hen/ und du ihnen obliegeſt. Der Sathan iſt ſonſt ein zor-
niger Feind/ er fraget nach Gedancken nicht viel/ da muß et-
was in dir gefunden werden/ das ihme zu ſtarck ſey. Solches
ſihet man an den lieben Maͤrtyrern/ wie keck ſie geweſen ſind/
welch ein Muth und Hertz da geweſen/ wann ſie fuͤr den Rich-
tern geſtanden ſind und gemercket/ daß ihnen gelte Leib und
Leben/ Ehr und Gut/ da gehoͤret ein Troſt zu/ und nicht ein
Gedancken/ es muß im Hertzen ſtecken/ daß einer alsdann froͤ-
lich ſey wider den Tod und alle Anfechtung/ und ſagen koͤnne:
Fahre hin Ehre/ Gut/ Leib und Leben/ und alles was auff Er-
den iſt/ hie hie will ich bleiben/ und findet ſich wol/ ob einer mit
Gedancken ein Chriſt ſey und beſtaͤndig bleibet oder nicht.Et
Tom. 3. Witt. pag. 304. f. 2. Ja dieſe Wort/ Chriſtus iſt unſer
Heyl/ Er iſt unſer Gerechtigkeit/ unſere Werck helffen uns nicht
von Suͤnden und Tod/ der einige verworffene Eckſtein muß
es thun/ ꝛc. die Wort ſind bald gelernet und geſagt/ und wie fein
und wol ich ſie auch kan/ zeugen und zeigen meine Buͤchlein.
Aber wanns an ein Treffen gehet/ daß ich mit dem Teuffel/
Suͤnden/ Tod/ Noth und Welt mich ſoll beiſſen/ daß ſonſt
keine Huͤlffe/ Rath und Troſt da iſt/ ohn der einige Eckſtein/
da finde ich wol/ was ich kan/ und was es fuͤr eine Kunſt iſt an
Chriſtum zu glauben/ dann ich ſehe wol/ was David mit die-
ſem Wort meynet. Es iſt ein Wunder fuͤr unſern Augen/ ja
freylich duͤncket es uns wunderlich/ und ſchier aͤrgerlich/ und
nichts uͤberall dazu. Aber meine Papiſten die ſingen alſo:
und es iſt ein geringes und leichtes fuͤr unſern Augen. Was
Glaube/ Glaube? ſprechen ſie/ meynſt du/ daß wir Heyden
oder Juden ſind? So bald kan dieſen Verß niemand ſpre-
chen/ ſie haben in einem Augenblick rein ausgeglaubt. Ja
leider all zu rein aus/ daß ſie weder uns noch niemand etwas
dran gelaſſen haben. Nun es bleibt dabey: Sublata cauſa, tollitur
effectus.
[1069]Predigt.
effectus.Warlich/ Warlich ich ſage euch/ werdet ihr nicht
eſſen das Fleiſch deß Menſchen Sohns/ und trincken ſein
Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch. Darumb operamini ci-
bum, wuͤrcket Speiß/ ſpannet alle eure Kraͤffte der Seelen und deß Ge-
muͤths an/ laßt es euch mit eurem Glauben ein Ernſt ſeyn. Jch ermah-
ne euch mit Paulo auß Act. 27/34. Jch ermahne euch Speiſe zu nehmen
Machets nicht/ wie die Schiff-Gefaͤhrten Pauli/ die vierzehen Tage unge
geſſen blieben/ und nichts zu ihnen genommen. Alſo ſind unter uns/ die
nicht nur vierzehen Tag/ ſondern Jahr und Tag an der ἀτϱοφίᾳ laboriren/
ſitzen im̃er in Roſen/ im Vollauff/ der Wurm im Gewiſſen naget ſie nicht/
der bellende Hund plaget ſie nit/ daher iſt auch kein Hunger noch Durſt da
Aber uͤber alle maſſen gefaͤhrlich ſtehets alsdann mit ſolchen Leuten. Wann
es mit einem Patienten dahin kommt/ daß er gantz entſchmertzet da liegt/
und kein Krafft-Waſſer mehr zu ſich nehmen kan/ ſo iſts deſperat, dero-
wegen wuͤrcket Speiß/ erwecket den Hunger in euerm Gewiſſen. E. πϱοσ
λάβετε, nehmet Speiſe an πϱὸς σωτηρίαν, die wird euch zum Heyl und
Seligkeit dienen. Lernet recht verſtehen was der Glaub ſey/ machet ein
recht concept von demſelben. (*) Jch ermahne euch/ daß ihr euch
pruͤfet/ ob ihr im Glauben ſeyd/ 2. Cor. 13/5. per reflexionem,zeige mir
deinen Glauben auß deinen Wercken/ ſagt Jacob cap. 2. Es
kan derſelbe leichtlich erkennet werden/ gleichwie das Schaaf an der Woll
und Milch/ da ſihet man/ wie es zugelegt/ alſo auch der Glaub/ auß dem
geiſtl. Hunger/ als welches der erſte Grad iſt aus den Lebens-Fruͤchten/
den Wercken deß neuen Gehorſams/ der Liebe/ Fried/ Freud/ Demuth/
Freundlichkeit/ Hoffnung/ Gedult/ ꝛc. Jch ermahne euch/ daß ihr euern
Glauben uͤbet/ eſſet und trincket/ auff Art und Weiſe/ wie jetzt gelehret
worden.
[1071]Predigt.
worden. Nehmet zum Exempel (ihr Maͤnner) die drey Glaubens-Helden/
Petrum/ Johannem und Paulum/ dann als/ und zwar erſtlich Chriſtus
mit Schmertzen erfahren muͤſſen/ daß von dieſer Predigt an/ nicht nur viel
von dem gemeinen Volck/ ſondern auch ſeiner Juͤnger viel hinter ſich ge-
gangen/ und forthin nicht mehr mit ihm gewandelt/ deßwegen ein Examen
mit ſeinen zwoͤlff Juͤngern angeſtellt/ und gefragt: Wolt ihr auch
weg gehen? Da antwortet Petrus: HERR/ wo ſollen wir
hingehen/ du haſt Wort deß ewigen Lebens: Und wir ha-
ben erkannt/ daß du biſt Chriſtus/ der Sohn deß lebendigen
Gottes. Johannem/ der nicht nur mit wehmuͤthigem Hertzen unter
dem Creutz geſtanden/ und der Auffopfferung deß rechten Oſter-Lamms
zugeſehen/ ſondern auch mit Glaubens-Mund das allerheiligſte Opffer-
Blut unter dem Creutz empfangen/ und damit getraͤncket worden. Pau-
lum/ welcher in der 1. Cor. 5/8. hieher alludirt, wann er ſchreibt: Wir
haben auch ein Oſter-Lamm/ das iſt Chriſtus fuͤr uns geopf-
fert. Darum blaßt uns Oſtern halten/ nicht im Sauerteig
der Boßheit und Schalckheit/ ſondern im Suͤßteig der Lau-
terkeit und der Warheit. Worauß Lutherus in dem hochtroͤſtlichen
Oſter-Lied dieſe Wort herauß geſogen:
Wir eſſen und leben wol/Jn rechten Oſter-Fladen/Der alte Sauer-Teig nicht ſolSeyn bey dem Wort der Gnaden.Chriſtus will die Koſte ſeyn/Und ſpeiſen die Seele allein/Der Glaub will keins andern leben.
Den Weibern ſtehen fuͤr Augen zu einem Exemplar und Muſter die drey
Glaubens-Heroinnen/ und drey edele Gaͤſtin deß JEſu von Nazareth/ die
drey Mariæ/ Maria von Nazareth/ welche/ wie droben allbereit Mel-
dung geſchehen/ die Wort/ die von dem Engel/ den Hirten/ den Weiſen
aus Morgenland/ den Bethlehemitiſchen Hirten von ihrem JEſus-Kind-
lein geſagt worden/ in ihrem Hertzen bewogen (συμβάλλουσα) gleichſam wi-
derkaͤuet/ und zu ihrem Troſt in Safft und Krafft verwandelt/ ja auch von
Eliſabetha fuͤr ſelig geprieſen worden/ dieweil ſie geglaubet hat. Maria
zu Bethanien/ die den beſten Theil erwaͤhlet: Jſt ein Gleichnuͤß ge-
nommen von einer leiblichen Mahlzeit/ da ein Gaſt einen Unterſcheid
macht unter den ſaͤfftigen/ kraͤfftigen/ geſunden und nahrhafften Speiſen/
und unter den abgeſchmackten Safft- und Krafftloſen Trachten/ die ſei-
nem
[1072]Die ein und viertzigſte
nem Mund nicht munden noch ſchmecken wollen. Alſo hat auch dieſe
Maria ein delect und Außſchuß gemacht unter den alten/ verlegenen ab-
geſchmackten Trachten/ den traditionen der Phariſeer/ den ſtinckenden
Sauerteig der Saduceer; und unter dem nahrhafften wolgeſchmackten
Engel-Brod deß Lebens/ ſo ihr JEſus von Nazareth vorgelegt/ die uͤbrigen
alle hindan geſetzt/ und ſich einig und allein damit ergoͤtzet. Maria von
Magdala/ die nicht allein aus der motiv deß Glaubens den HErrn
Chriſtum mit ihrer taͤglichen Handreichung und Unterhaltung bewirthet/
ſondern auch uͤber Waſſer und Berg nachgezogen/ ſeine Predigten zu hoͤ-
ren. So gewiß nun dieſen Perſonen die Frucht ihres Glaubens nicht ge-
fehlet/ ſondern nun allbereit die Seligkeit davon getragen/ mit Abraham/
Jſaac und Jacob im Himmelreich am Glory-Tiſch ſitzen/ ſo gewiß wird es
allen den jenigen/ die in ihre loͤbliche Fußſtapffen tretten/ und in ihrem
Reyen ſtehen/ auch nicht fehlen/ ſie werden erfahren/ was jener Tiſch-Ge-
noß ſagt Luc. 14. Selig iſt/ der das Brod iſſet im Reich GOttes.
Haman preiſet ſich ſelig/ daß er von der Koͤnigin Eſther an die Taffel gela-
den wurde/ Eſth. 5. v. 12. Aber O deß unſeligen Tropffen/ ſein Tiſch wird
ihm zum Strick. Wie viel ſeliger/ und uͤberſelig/ ja der allerſeligſte iſt/ der
das Brod iſſet im Reich Gottes/ an Gottes Taffel. Zu dero Gemeinſchafft
uns verhelffen wolle/ der ſie uns erworben/ Chriſtus JEſus/
dem ſey Ehre und Preiß in Ewigkeit.
AMEN.
GEliebte in Chriſto. HErꝛ/ meyneſt du/ daß
wenig ſelig werden? Sagt und fragt einsmals
ὁ δει̃να, ein ungenannter und unbekannter Zuhoͤ-
rer Chriſti Luc. 13/23. Meyneſt du/ ſagt er/ daß we-
nig ſelig werden? Jch hab/ wil er ſagen/ von dir
unerhoͤrte/ ſeltzame Predigten gehoͤret/ παϱάδοξα,
frembde/ abentheurliche Sachen/ harte Reden/
ſcharffe Wort und Lehren/ die den Weg zur ewigen Seligkeit ſchwer ma-
chen/ und hab bey mir gedacht: auff ſolche Weiß/ wann wahr/ was die-
ſer Mann prediget/ ſo werden wenig ins Himmelreich kommen/ es wer-
den wenig ſelig werden. Jſt dem alſo? Jſt dir ernſt? Jſt das deine ey-
gentliche Meynung/ Sinn und Verſtand? Ja/ antwortet Chriſtus
nicht dunckel/ freylich iſt dem alſo/ du haſts errathen/ es werden leyder we-
nig ſelig werden/ ſo hertzlich gern ich wolte/ daß allen Menſchen geholffen
wuͤrde/ daß Niemand verlohren würde/ ſo gewiß iſt die ἀποτυχία, der
Zweck-Fehler bey dem groſſen Hauffen. Es hat mein himmliſcher Va-
ter zwar ein groſſes Abendmahl zubereitet/ und ſeinen himmliſchen Tiſch
gedecket/ alle Menſchen dazu eingeladen. Abraham/ Jſaac und Ja-
cob ſammt allen Propheten/ die ſitzen ſchon/ und ergoͤtzen ſich/ warten auff
mehr Tiſch-Genoſſen; Aber mein Vater/ als ein GOtt der Ordnung wil/
daß man zuvor auff einem ſchmalen/ dornichten Weg im Creutzgang
durch die enge Pfort hinein tringen/ und darumb ringen ſoll: weil aber
faſt Jederman dem groſſen Hauffen zueylet/ viam Regiam liebt vor dem
dornichten und ſchmalen Weg/ daher kommts/ daß wenig ſelig werden.
Was nun der HERR in ſeiner Antwort paraboliſcher und ver-
bluͤmter Weiß angebracht/ das hat er vorzeiten in der Hiſtori-Reyß und
Einzug der Kinder Jſrael in das gelobte Land/ als in einem hellen Spie-
gel und ſcheinbaren Figur fuͤrgebildet. Es hat GOtt der HErr ſeinem
Volck ein herrlichen/ koͤſtlichen und reichen Tiſch gedecket/ im Land Ca-
naan aufftragen laſſen/ alles vollauff/ Milch und Honig Stromsweiß/
edeln Weitzen und Oel/ dazu gut Trauben-Blut. Deuter. 32/13. 14.
Er ließ ihn hoch herfahren/ und nehret ihn mit den Fruͤchten
des Feldes/ und ließ ihn Honig ſaugen aus dem Felſen/ und
Oel aus den Steinen/ Butter von den Kuͤhen/ und Milch
von den Schaafen/ ſammt dem Fetten von Laͤmmern/ und
feiſte Widder und Boͤcke/ mit fetten Nieren und Weitzen/
und traͤncket ihn mit gutem Trauben-Blut. Aber ſie nicht gefuͤhrt/
auf der gebahnten/ breiten und gangbaren Landſtraß/ ſondern durchenge
Paͤß/ in der wilden Wuͤſten/ durch das Thal Achor/ Angſt-Thor/ Oſtium
bonæ ſpei. Oſe. 2/15. Da wil ich ihr geben ihre Weinberge aus
demſelben Ort/ und das Thal Achor/ die Hoffnung auffzu-
thun. Damit ſie aber unterwegs in ihrer Wallfarth nicht verſchmach-
teten/ ihnen panem viaticum, das koͤſtliche/ anmuthige Himmel-Brod/
als ein Reiß-Brod beſchehret/ damit ſolten ſie ſich begnaͤgen/ unterdeſſen
durch alle remoras, Feind und alle Widerwaͤrtige ſich hindurch ſchlagen/
faule Haͤnd und ecklender Magen taugt hie nicht. Illic cœna, hic pran-
dium! Wer das Abendmahl wil einnehmen/ der muß zuvor das Mittag-
Mahl koſten? Quo eventu? Wie iſts außgeſchlagen? viel tauſend und
aber tauſend ſind nidergeſchlagen in der Wuͤſten/ nicht zum Zweck und
Ruhe kommen. Zwar einige außgenommen/ das ſind ja wenig/ Joſua
und Caleb. Die habens gewonnen. Quare, quæ cauſa? Was iſt
die Urſach? Anagonia \& aſitia,das nicht ringen und nicht eſſen/
hoc eſt, ἀπιςία, der Unglaub. Sie haben ſich gefoͤrchtet fuͤr den groſſen
Rieſen Enacks-Kindern/ ſich entſetzet fuͤr der Moͤrder-Grub/ darinnen des
Lands Einwohner gefreſſen worden. Sie haben das Viaticum veracht/
iſt ihnen nicht gut genug geweſen/ es hat ihnen geeckelt/ als ob einer loſen
Speiſe/ der HErr hat geſchworen/ ſie ſollen nicht in ſeine Ruhe kommen/
wegen des Unglaubens. Hebr. 3/19. Deuter. 1/26. Aber ihr wol-
tet nicht hinauff ziehen/ und wurdet ungehorſam dem Mun-
de des HErꝛn euers Gottes.
Hæc figura noſtri. 1. Cor. 10/6. 11. Das iſt aber uns zum
Fuͤrbilde geſchehen. Solches alles widerfuhr ihnen zum
Fuͤr-
[1075]Predigt.
Fuͤrbilde/ es iſt aber geſchrieben uns zur Warnung/ auff
welche das Ende der Welt kommen iſt. Daß wir lernen die
Urſach des Verderbens zu meyden/ ut ſimus pauci inter multos, auff
daß wir gerathen unter die Zahl der Luͤtzeln und wenigen. Unglaub iſt
eben auch die Urſach des Zweck-Fehlers und ewigen Todes/ warumb
der groſſe Welt-Hauff verdammt/ und ins ewige darneben ſich hinein
ſtuͤrtzet/ und in comparation der Verdammten wenig zum Himmels-
Tiſch eingelaſſen und ſelig werden. Die Urſach doͤrffen wir nicht droben
in der hohen Himmels-Pfaltz herholen/ und Rennechero dem weiland
Heidelbergiſchen Profeſſori glauben/ der in ſeiner Aureâ ſalutis Catenâ
dieſe Wort heraus geſchmettert: Die Suͤnde der Menſchen kan
in keinem Weg die Urſach ſeyn/ daß die Menſchen/ und
zwar der groͤſte Theil derſelben vom ewigen Leben verſtoſ-
ſen/ und zur Hoͤllen verordnet iſt: Sondern es kan keine
andere Urſach der Verwerffung ſo vieler Menſchen aus der
H. Schrifft angezeigt werden/ als der gerechte/ ohnwandel-
bare Wille Gottes/ und daß er ſie in ſeinem geheimen Rath
zum ewigen Verderben geordnet hat aus ſich ſelbſt/ und
umb ſich ſelbſt willen/ ehe ſie geſchaffen worden/ und etwas
boͤſes gethan haben. Sondern auff Erden im Menſchen ſelbſt.
Da finden wir die Quell alles Jammers im Menſchen ſelbſt/ nemlich
die ἀσιτίαν, ἀνορεξίαν, die Inediam, das Uneſſen/ den Unluſt/ den Eckel/
das unziemende/ verdammliche Faſten/ davon das abgefaßte Urtheil al-
ſo lautet/ Johan. 6/54. Wer mein Fleiſch iſſet und trincket
mein Blut/ der hat das ewige Leben: Und conſequenter, wer
nicht iſſet/ und nicht trincket/ der hat das ewige Leben nicht. Und v. 53.
Warlich/ warlich ich ſage euch/ werdet ihr nicht eſſen das
Fleiſch des Menſchen Sohns/ und trincken ſein Blut/ ſo
habt ihr kein Leben in euch. Was dann? den ewigen Tod an dem
Halß. Jſt dißmal das Thema, damit wir auch unſern Text enden/
ſchlieſſen und verſigeln wollen. Dann nachdem wir heut acht Tag
miteinander tractirt de cauſa vitæ, von der Urſach des ewigen Lebens/
ſo folget jetzt die Urſach/ Quell und Urſprung des ewigen Tods. Hievon
aufferbaulich und nutzlich zu reden/ wolle uns der Vater des Liechts mit ſei-
nem guten Geiſt noch ferner beywohnen. Amen.
WAnn demnach der HERR in unſerm Text austruck-
lich die Negativam außſpricht: Jch bin das Brod des
Lebens/ wer von dieſem Brod iſſet/ der wird nicht
U u u u u u 2ſterben.
[1076]Die zwey und viertzigſte
ſterben: So traͤgt ſie die Affirmativam das Ja-Wort auff dem Ru-
cken mit ſich. Wer von dieſem Brod nicht iſſet/ der wird ſterben des
ewigen Todes. Item, wann er affirmativè das Ja-Wort von ſich
gibt. Wer von dieſem Brod iſſet/ der wird leben in Ewig-
keit. So folget per ſe die Negativa, das Nein-Wort. Warlich/
warlich ich ſage euch: Werdet ihr nicht eſſen das Fleiſch des
Menſchen-Sohns/ und trincken ſein Blut/ ſo habt ihr kein
Leben in euch. Hat er das Leben nicht in ſich/ ſo hat er den Tod am
Hals/ ja in ſeinem Hertzen liegen/ kurtz/ wer an mich glaubet/ der hat das
ewige Leben/ oder wie Chriſti Valet-Wort lauten Marc. 16. Wer
glaubt und getaufft wird/ der wird ſelig werden: Wer aber
nicht glaubt/ der wird verdammt werden/ verſtehe/ zum ewigen
Tod. Der unſterbliche Wurm des boͤſen Gewiſſens wird ihn in Ewigkeit
nagen/ das unaußloͤſchliche Feuer wird ihn ewiglich plagen. Wann/ ſag
ich/ Chriſtus dieſen ſcharffen Vorbeſcheid und præjudicium laßt erge-
hen/ ſo zeigt er klar an cauſam perditionis, die Urſach des ewigen
Verderbens/Inediam, das nicht-eſſen/ ἀπιςίαν, das nicht-glauben/
den Unglauben. Und deutet 1. auff den erſten Grad/ der da heiſſet
Inedia defectuoſa, das mangelhaffte Faſten/ ſo aus dem Brod-
Mangel entſtehet; Wann kein Speiß oder Vorrath vom Brod vorhan-
den/ ſo muß man faſten. Es hatten die Kinder Jſrael in ihrer Schmaltz-
Grub dem edlen Laͤndlein Goſen alles vollauff/ davon wurden ſie geil/ ja
ſaͤuiſch/ traten gleichſam das edle Brod mit Fuͤſſen/ wie die Schwein/ leb-
ten nicht nur ἀσώτως, ſondern hielten auch wütende Freſſereyen und Saͤuf-
fereyen bey den Opffer-mahlen/ da ſie in den Syncretiſmum gerathen/ ſich
verunreiniget an Goͤtzen-Greueln in Ægypto, welches ihnen der HErꝛ
fuͤrgeworffen Ezech. 20/8. Sie aber waren mir ungehorſam/
und wolten mir nicht gehorchen/ und warff ihrer keiner weg
die Greuel fuͤr ſeinen Augen/ und verlieſſen die GoͤtzenÆgy-
ptinicht/ da dacht ich meinen Grimm uͤber ſie außzuſchuͤt-
ten/ und alle meinen Zorn uͤber ſie gehen zu laſſen/ noch in
Egyptenland. Und ob ſie ſchon hernach unter dem Joch Pharao
mit Frondienſt hefftig gedruckt wurden/ ſo ſind ſie doch bey den Fleiſch-
Toͤpffen geſeſſen/ Brods die Fuͤlle gehabt/ aber ohne Gottes-Danck/ dar-
umb der gerechte GOtt den verlohrnen Sohn mit ihnen agirt/ ſie in die
Wuͤſten als ein Hungerland gefuͤhrt/ da ſie Eychlen/ Buchen/ Schle-
hen/ Holtz-Aepffel gnug gefunden/ und alſo der Schwein-Tiſch genoſſen
worden: Aber kein Brod! ſie ſolten ex talione buͤſſen/ haben ſie die Ga-
ben
[1077]Predigt.
ben Gottes als Schwein zertreten/ ſo ſolten ſie auch mit den Schwei-
nen eſſen/ und gar hungers ſterben muͤſſen/ alles zu dem End/ daß ſie ihr
Undanckbarkeit in wahrer Reu erkennen/ ihren miltreichen GOtt und
Vater in dem Himmel wie der verlohrne Sohn ſuchen/ und umb Brod
anflehen ſolten. Jſt das erſte Bild und Grad des mangelhafften Un-
glaubens. Der Vater aller Barmhertzigkeit hat ſich ſelbſt niemals un-
bezeugt gelaſſen/ hat allenthalben ſeine Gnaden-Tafel gedeckt/ ſonder-
lich da er die Apoſtel in alle Welt außgeſendet/ den gantzen Erdboden mit
dem Evangelio und Himmel-Brod erfuͤllet; aber wie iſt ihme begegnet
worden? Davon zeuget die Kirchen-Hiſtori/ und redet der helle Mittag
der experientz. Die Schwein haben die edelen Perlin und Heiligthumb
zertreten/ allerhand Saͤu-Speiß/ Kleyen und Traͤbern/ den Juͤdiſchen
Thalmud, den Tuͤrckiſchen Alcoran, Paͤbſtliche Greuel/ den Syncreti-
ſmum angenommen/ darumb der gerechte GOtt einen Hunger geſand/
nicht nach Brod/ ſondern nach dem Wort Gottes/ das Wort Gottes
iſt theuer worden/ darnach man geheulet wie die hungerige Hunde.
Pſal. 59/7. 15. 16. Des Abends laß ſie wiederumb auch heulen
wie die Hunde/ und in der Stadt umher lauffen; daß ſie hin
und her lauffen umb Speiſe/ und murren/ wann ſie nicht
ſatt werden/ ſpricht David: Uber welchen Defect man lamenti-
ren und ſchreyen muͤſſen/ aus dem 74. Pſalm. Wir ſehen nicht mehr die
Zeichen groß/ Kirchen und Schulen ſtehen oͤd und bloß/ kein Prophet
uns prediget mehr/ man lehret nicht geſunde Lehr. Jn welchem Mangel ſie
auch ewig ſterben und verderben muͤſſen: Es heißt abſolutè: Wer
nicht iſſet ꝛc. und dadurch ſein Undanckbarkeit der edeln Speiß unwuͤr-
dig gemacht/ der ſoll ſterben: Wer nicht glaubt/ der ſoll verdammt wer-
den/ auch die Ignoranten. 2. Theſſ. 1/7. 8. da der Apoſtel ſagt: Daß
der HErꝛ JEſus wird Rach geben uͤber die/ ſo GOtt nicht
erkennen. Die Heyden heiſſen Unglaubige/ 1. Cor. 10/27. Epheſ.
2/12. weil ſie von GOtt und Chriſto nichts wiſſen/ ohne Chriſto/ ohne
Troſt/ ohne Hoffnung in der Welt ſchweben. Das/ ſprichſt du/ lautet
hart. Sollen Tuͤrcken/ Juden/ Heyden/ auch Papiſten/ und andere
Jrꝛglaubige umb ihrer Unwiſſenheit willen verdammt ſeyn? O Nein/
ſprechen die Reformirten. O Ja! ſagen wir/ Jhr Verdamnuß iſt
recht. Urſach es iſt die ἀπιςία privativa, ſie haͤttens koͤnnen und ſol-
len wiſſen. Aber muthwillens wollen ſie es nicht wiſſen: GOTT der
HErꝛ ſtrafft ſie mit dem Mangel/ auff daß ſie den HErꝛn ſuchen
U u u u u u 3ſollen.
[1078]Die zwey und viertzigſte
ſollen. Act. 17. Koͤnnen die Tuͤrcken nach unſerm Gold fragen/ war-
umb nicht auch nach unſerer Religion? koͤnnen Papiſten und andere Jrꝛ-
glaubige hoͤren/ daß wir wider ſie ſchreiben/ predigen/ lehren/ ſo koͤnnen
ſie auch nachforſchen/ was wir lehren/ unſere Schrifften nicht beſchro-
ten/ noch den Paß verſperren: Koͤnnen ſie von ihren Cantzeln herab hoͤ-
ten die monſtra errorum, ſo von uns außgegeben werden/ ſo ſolten ſie
nach der Regul Syrachs nachfragen/ ob dem alſo ſeye/ dann man
leugt gern auf die Leute. Cap. 19/15. 16. Sprich deinen Freund
drumb an/ dann man leugt gern auff die Leute. Darumb
glaube nicht alles/ was du hoͤreſt. Ja alle Menſchen ſind Suͤn-
der/ wo Suͤnd iſt/ da iſt das boͤſe Gewiſſen/ das klagt und beißt/ wo Gewiſ-
ſen/ da iſt ein nagender Wurm/ wo ein nagender Wurm/ da Begierd/
Hunger und Durſt nach Artzney/ wo ein ſolche Begierd/ da iſt kein Ruh/
biß man auff das Centrum kommt/ wie die Weiſen aus Morgenland den
Weg unter die Fuͤſſe genommen/ nicht nachgelaſſen/ biß ſie zu Bethlehem
im rechten Brod-Hauß das rechte Himmel-Brod angetroffen/ ihr Hun-
ger geſtillet/ und ſich mit dem ſuͤſſen Evangelio erquickt; Wer nun die-
ſe Goͤttliche Intention, Anleitung/ Occaſion und Ordnung verach-
tet und hindan ſetzet/ ja gar mit Fuͤſſen tritt/ und von ſich ſtoſſet/ deſſen
Verdamnuß iſt recht und billich: ſtirbet in ſeinen Suͤnden/ und gehet
ungeſſen ſchlaffen/ ſo iſt die Schuld ſein/ wer haͤtte Schuld gehabt/ wann
der verlohrne Sohn durch den Hunger ſich nicht haͤtte laſſen leiten in ſei-
nes Vaters Hauß/ da Brods die Fuͤlle geweſen/ wann er uͤber ſeinen
Traͤbern waͤre erkrancket/ und Todes geſtorben? Niemand als er ſelbſt/
ſuæ fortunæ faber.
Viel aͤrger iſt ἀσιτία faſtidioſa,der Eckel-Hunger/ davon
Moſes berichtet/ ſie haben geklagt und vorgeben/ ihre
Seele ſey matt/ weil ſie nichts ſehe/ als das Manna/
Num. 11/5. Es eckelt ihm fuͤr der loſen Speiß/ Num. 21/5. ſie
wolten ſie wieder heraus wuͤrgen und kotzen/ und iſt aus mancherley Ur-
ſach entſtanden/ Ex morbo naturæ,aus natuͤrlicher Unver-
moͤglichkeit/ bißweilen abhorrirt die Natur von Kaͤß/ von Wein/ ja
gar ab aller Speiß/ wie man die Exempla hat an denen monſtris, die
Jahr und Tag gefaſtet/ wie die (*) Murmelthier. oder es kan
geſche-
[1079]Predigt.
geſchehen aus Bauch-Sorg/ die laͤßt manchmal den Geitz-Halß nicht
eſſen/ oder aus der Speiß Uberfluß/ der macht Verdruß; oder aus
Zorn/ wann die Gall den Magen uͤberſchwemmet/ oder aber aus mon-
ſtroſer/ ungeheurer Begierde unnatuͤrlicher Sachen/ derer die
an der Pica laboriren/ denen die natuͤrlichen Speiſen verleydet/ und die
unnatuͤrliche belieben/ freſſen Kohlen/ Kreiden/ roh Fleiſch/ ungeloͤſchten
Kalck. Wer muß ſich nicht entſetzen/ wañ er hoͤret die ſchroͤckliche Geſchicht/
ſo ſich zu Prettenburg Anno 1533. begeben. (*) Alle dieſe faſtidia haben
ſich erzeigt bey den Jſraeliten/ frembd Brod ſchmaͤckt ſonſt wol/ aber
ihnen nicht/ ſie abhorriren darab. Haͤtte man ihnen Fiſch/ Fleiſch/
Knoblauch/ Zwiblen/ Cucumern vorgeſtellt/ ſie haͤtten dem lieben GOtt
ſein Manna gern gelaſſen/ die Bauch-Sorg hat ſie dermaſſen getrieben/
daß ſie nach dem noch fernen Schlaraffen-Land in Canaan ſich geſehnet/
und das gegenwaͤrtig gering geachtet/ Uberfluß erweckte den Verdruß/
immer einerley wolt ihnen nicht munden/ die bittere Zorn-Gall bricht in
das Murren aus/ Fleiſch her/ Wachteln her/ daran ſie den Tod gefreſſen/
darnach waͤſſert ihnen ihr leckerhafftes Maul. Jſt eben das ſchnoͤde
Wehe und der Eckel/ damit man je und allezeit dem rechten Himmel-
Brod/ dem Evangeliſchen Gnaden-Thau/ in welches Chriſtus einge-
ſchloſſen/ abgedancket. Der natuͤrliche Menſch ihm ſelbſt ge-
laſſen verſtehet nicht/ was des Geiſtes Gottes iſt/ es iſt ihm
eine Thorheit. 1. Cor. 2. er abhorrirt darob: die ſchnoͤde Bauch-Sorg/
(Dos, Bos, Rus,) die nehmen den appetit hinweg/ je mehr predigen/ je we-
niger appetit, wann man ein wenig uͤber die Zeit verziehen muß/ und der
Predigt zuhoͤren/ ſo murret man daruͤber. Sonderlich die pica thut groſſen
Schaden/ daß man ſich ſehnet nach frembder Lehr/ nach ſuͤſſem Seelen-
Gifft/
[1080]Die zwey und viertzigſte
Gifft/ als da ſind allerhand Grund-ſtuͤrtzende Jrꝛthumb/ ſo unter dem
Syncretiſmo und andren irrigen Lehren werden eingeſogen/ da man ſich
bald in die Jeſuitiche Suadam, wann ſie die moralia auff den Cantzeln
tractiren/ bald in einer andern wol beredten Paradiß-Schlangen ver-
liebt/ und lieber derſelben zugehoͤret/ als wann Glaubens-Artickel erklaͤret
werden/ lieber Drexelii σκύ [...]αλα, als Lutheri Kern-Schrifften liſet. Wie
es nun einem ehrlichen Bidermañ wehe thut/ wann er ſein Gaſtmahl auff
das beſte zugerichtet/ die Gaͤſte zwar erſcheinen/ aber mit Unwillen/ Verdruß
und Eckel: wañ das Geſind manchmal aus Gifftgaͤlligem Zorn ihre Herꝛ-
ſchafft aushuͤngern/ aus Zorn und Ungedult nicht freſſen will: Alſo kan
man freylich auch GOtt den HErꝛn nicht verdencken/ wañ er auch wider-
eckelt Lev. 26/30. und ſagt: Jch wil euere Hoͤhe vertilgen/ und
euere Bilder außrotten/ und wil euere Leichnam auff euere
Goͤtzen werffen/ und meine Seele wird an euch Eckel haben.
Der hoͤchſte und aͤrgſte Grad und Gipffel der menſchlichen Boß-
heit iſt III. Inedia furioſa,das wuͤtende Faſten/ derer/ die wie
die raſende Hunde das Heiligthumb anbellen/ und anbeiſſen/ dergleichen
ſich auch bey dem Manna erzeigt: ſie belleten daſſelbe an mit Scheltwor-
ten/ heiſſens eine loſe Speiſe/ in Hebræo, voce geminata Haklokel,
die loſeſte Speiſe/ ein leichte/ leichtfertige/ ſchnoͤde/ verfluchte Speiß/
murreten darauff und redeten wider GOtt und Moſen. Num.
21. haben ſie zuvor Stein auffgehaben zur Zeit des Mangels/ ſo brauchen
ſie ietzt zur Zeit des Vollauffs lapidea verba, werffen mit boͤſen/ gifftigen
Worten umb ſich/ die einem das Hertz im Leib zerbrechen moͤchten/ ſie ge-
dachten an die Fiſch/ ꝛc. verſtehe nach Art der Hebraͤiſchen Sprach; ge-
dachten cum voto, affectu, \& effectu, mit ſehnlicher Begierde/ Wunſch
und Verlangen und haͤtten ſie gekoͤnt wieder zuruck/ ſie haͤtten wieder um-
geſattelt/ die Begierd und das Gemuͤth war da/ wiederumb in Egypten/
ins Dienſt- und Fronhauß zu ziehen. Num. 21/5. Und das Volck
war verdroſſen auff dem Weg/ und redet wider GOtt und
Moſen: warumb haſt du uns aus Egypten gefuͤhret/ daß wir
ſterben in der Wůſten/ dann es iſt kein Brod noch Waſſer
da/ und unſere Seele eckelt uͤber dieſer loſen Speiſe. Ein ſolches
ſchoͤnes Fruͤchtlein iſt auch der Unglaub/ dahin bringts der groſſe Welt-
GOtt/ die Bauch-Sorg/ da werden die Perlin und Heiligthumb den
Hunden fuͤrgeworffen/ die bellen es an/ und werffen Stein zu/ von unge-
ſchwungenen Luͤgen/ plauſtris calumniarum, laͤſtern und verfolgen die
Evangeliſche Warheit auffs aͤuſſerſt/ und das thun nicht nur die drauſ-
ſen
[1081]Predigt.
ſen ſind/ Juden/ Heyden/ Tuͤrcken/ und andere unglaubige Voͤlcker/ ſon-
dern auch innerhalb der Kirchen/ die von uns außgehen/ die Apoſtatæ,
die 72. Juͤnger/ die Chriſtum verlaſſen/ hinderſich gegangen. Joh. 6/60.
66. Viel nun ſeiner Juͤnger/ die das hoͤreten/ ſprachen:
Das iſt ein harte Rede/ wer kan ſie hoͤren? Von dem an
giengen ſeiner Jůnger viel hinderſich/ und wandelten
fort nicht mehr mit ihm.(*) Die erfuͤllen die Definition der
Suͤnde wider den heiligen Geiſt/ davon der Apoſtel Hebr. 6/6. cap. 10/29.
handelt. Dann unangeſehen ſie geſchmaͤckt haben das
guͤtige Wort Gottes/ und die Kraͤfften der zukuͤnfftigen
Welt/ doch fallen ſie ab/ und halten ihn den Sohn Gottes
fuͤr einen Spott/ nicht nur ſpotten ſie ihn/ ſondern creutzi-
gen ihn auch; Gehen mit ihm umb/ wie Pilati Henckers-Buben/ be-
ſudeln ſich mit ſeinem Blut. Geſchicht zwar nicht formaliter, in eige-
ner Perſon/ als der ſolchen Laͤſter-Maͤulern und Gottes-Moͤrdern viel
zu hoch geſeſſen/ ſondern im putativè, appropriativè, in ſeinem Wort uñ
Sacramenten/ wie auch in ſeinen Gliedmaſſen/ wann man dieſelbe mit
boͤſen und Lugenworten anficht und anfaͤhrt. Gehet es ein wenig krumb
mit ihnen herumb/ daß ein oder ander Ungluͤck ſie triffet/ da muß GOtt
und Moſes die Katze halten/ man murret und zuͤrnet mit GOtt/ murret
wider ſeine Diener/ Lehrer und Prediger/ murret und zuͤrnet wider die
Achter Theil. X x x x x xHeer-
[1082]Die zwey und viertzigſte
Heerfuͤhrer/ die Obrigkeit/ die muͤſſen dieſes und jenes verſchuldet und
verurſachet haben/ da ſie doch mit ihren Suͤnden diß alles verdienen.
Duͤrfft mancher ſagen: Wer ſie es geheiſſen? wer ſie darumb gebeten?
der Teuffel ſoll es ihnen dancken/ der ſie aus Egypten gefuͤhrt/ was der
Schandreden mehr ſind. Aber es heißt: Wer euch verachtet/ der
verachtet mich. Und haben ſolche perſequenten den Namen da-
von/ daß ſie Tyrannen ſind. Vid. Luth. Tom. 3. Witt. p. 141.
Was kan dann auff ſolche uͤberteuffelte Boßheit anders erfolgen/
als IV. Inedia Exitioſa, das ſchaͤdliche/ ewige Faſten/ und Mangel aller
himmliſchen Guͤter/ ἀποτυχία, der Tod/ die ewige nicht Faß-ſondern
Faſt-Nacht/ pro obſonio neglecto obſonium mortis, Verluſt alles
Guten/ der ewige Hunger und Durſt. Dann zu gleicher Weiß/ wie
der gerechte eyfferige GOtt ſeinem Volck ihren Undanck und Boßheit
nicht geſchenckt/ nicht allein das edele Canaans-Leben nicht gedeyen laſ-
ſen/ ſondern ſie mit feurigen Schlangen aus Arabien verfolget/ die
Heersweiß herzu geflogen/ die Kinder Jſrael angefallen/ auff ſie zugeſtuͤr-
met/ als biſſige/ gifftige Thier auff das ſchmertzlichſte gebiſſen; als feurige
ſie entzuͤndet und peinlich gebrennet/ daß ſie ſterben/ ja die mehrſten ohne
Zweiffel des ewigen Todes ſterben muͤſſen. Alſo iſt uͤber ihre Bruͤder alle
Ignoranten/ Nauſeanten und Furenten die unbewegliche und perem-
ptoria beſchloſſen/ und heißt alſo: Warlich/ warlich ich ſage euch/
Werdet ihr nicht eſſen das Fleiſch des Menſchen-Sohns/
und trincken ſein Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch. Jhr
ſeyd verdam̃t zum ewigen Tod. Der dieſe Sententz außgeſprochen/ iſt die
Warheit ſelbſt/ der allgemeine Richter/ Actor. 17. der nach dieſem Ur-
theil und Vorbeſcheid richten wird/ und hat Macht zu verdammen. Ob
zwar ich und du nicht Macht haben ex nobis, aus unſern Sinnen und
Affecten ihm in ſein hoch-adelich Richter-Ampt einzugreiffen/ und einen
andern/ viel weniger gantze Kirchen zu verdammen/ auch der Engel nicht
aus und vor ſich ſelbſt das Urtheil der Laͤſterung uͤber den Teuffel ſprechen
wollen/ Epiſt. Jud. ſondern mit Petro von Juda nur ſagen/ Er iſt an
ſeinen Ort gegangen/ Actor. 1. v. 25. So hat doch Er der HErꝛ
des Macht/ und wirds ihm niemand wehren/ der ſpricht das Urtheil aus/
wie dort am juͤngſten Tag immediatè, alſo hie mediatè in foro con-
ſcientiæ, im Gewiſſens-Gericht/ durch die offentliche Stimm der Kirch
und dero Diener/ durch den Bann und Bindſchluͤſſel/ welche gleich dem
Vergicht-Schreiber das Urtheil (zwar ſelbſt nicht faſſen/ doch) ableſen
und verkuͤndigen/ dann wann des Hertzens-Grund quillet in dem
Mund/
[1083]Predigt.
Mund/ der Eckel und beharrliche Widerwaͤrtigkeit hell und klar erſcheinet/
wo die gruͤndliche Warheit nicht erkant/ im Gegentheil Grund-ſtuͤrtzende
Jrrthumb behauptet und verthaͤdiget werden/ da heißt es/ aus deinem
Munde richte ich dich/ Luc. 19/22. und da iſt Anathematiſmus, als
ein Geſaͤtz- und Straff-Predigt/ in deren der Zorn Gottes und Gericht ge-
offenbahret und angezeigt wird/ nicht nur der falſchen Lehr/ ſondern auch
der uͤberwieſenen hartnaͤckigen falſcher Lehrer und Laͤſterer/ erlaubt/ ja je
und allezeit in der Chriſtlichen Kirchen uͤblich geweßt/ und eben ſo feſt in
der heiligen Schrifft fundirt/ als der Bann- und Bindſchluͤſſel/ und iſt
ſolche Verdamnuß aus dem Mund der ewigen Warheit ſelbſt gefloſſen/
Marc. 16. Wer nicht glaubt/ der iſt ſchon gerichtet/ wer nicht
recht glaubet/ der glaubet nicht. Ergò.Es ſind gerichtet/ (ſpricht
St. Paulus 2. Theſſ. 2.) alle die der Warheit nicht glauben/
ſondern haben Luſt an der Ungerechtigkeit. Es ſind aber falſche
Lehrer die jenige ſchaͤdliche Lehr-Baͤume/ welche per ſe und aus ihrer
vergifften Natur ſolche Fruͤchten gebaͤhren und tragen/ die da heiſſen/
Zweiffel/ Verzweiffelung/ Laͤſterung und Aergernuß/ ꝛc. Dieſelbe iſt
eine verdammende Lehr. In quos? und trifft dieſes Urtheil alle ἀσίτους,
Die Unglaubige/ ἀπίςους, allweil allein der Unglaub verdammet
actu, dann ob zwar ein jegliche Suͤnd/ Untugend oder Mißhandlung
wider die Zehen Gebot meritoriè die Verdamnuß wuͤrcket/ doch proxi-
mè, immediatè \& actu allein der ſchnoͤde Unglaub: zu gleicher Weiß/ wie
ein jegliche Kranckheit den Tod nach ſich zeucht/ aber actu die Verach-
tung der Artzney; uñ ſind ſolche unglaubige nicht nur Tuͤrcken/ Juden/ Hey-
den/ wiewol ſie ertraͤglicher werden geſtrafft werden/ als die Unglaubige
Chriſten; nicht nur Papiſten/ die das Brod wollen eſſen ohne den
Mund des Glaubens/ indem ſie aus der Ignorantz ein Heiligthumb ma-
chen/ die appropriation uñ Zueignung/ wie auch die ἀσϕάλειαν uñ Gewiß-
heit der Gnade Gottes mit Baumſtrahlen auf dem Tridentiſchen Concilio
zur Kirchen hinaus gejagt/ den Ein- uñ Außgang in die wahre Kirch/ uñ aus
derſelben in die triumphirende Kirch zweiffelhafftig machen. Nicht nur
Calviniſten/ die wollen eſſen ohne Brod: ihr Antwort auff die erſte
X x x x x x 2Frag
[1084]Die zwey und viertzigſte
Frag im Pfaͤltziſchen Catechiſmo: Was iſt dein einiger Troſt im
Leben und im Sterben? iſt dieſe: daß ich mit Leib und Seel
beydes im Leben und im Sterben/ nicht mein/ ſondern mei-
nes getreuen Heylands JEſu Chriſti eygen bin/ der mit ſei-
nem theuren Blut fuͤr alle meine Suͤnde vollkommlich be-
zahlet/ und mich aus allem Gewalt des Teuffels erloͤſet hat/
und alſo bewahret/ daß ohne den Willen meines Vaters im
Himmel kein Haar von meinem Haupt kan fallen/ ja auch
mir alles zu meiner Seligkeit dienen muß/ darumb er auch
durch ſeinen heiligen Geiſt mich des ewigen Lebens verſichert/
und ihm forthin zu leben von Hertzen willig und bereit macht.
Frag ich aber weiter: Woher weiſt du/ daß du außerwaͤhlt/ daß dich Chri-
ſtus mit ſeinem bloß Menſchlichen/ und alſo nicht gleich giltigen Ran-
tzion-Blut erloͤſet hat? Wo ſtehet das geſchrieben/ daß du zum Himmel-
reich erkohren/ daß dich GOtt kraͤfftig wolle ſelig machen/ daß Chriſtus
kraͤfftig fuͤr dich ſein Blut vergoſſen/ daß dich der heilig Geiſt kraͤfftig be-
ruffen/ daß er dir den ſeligmachenden Glauben geben wolle? ꝛc. Dann
glauben ohne Wort iſt der Seelen Mord/ da gehets auff ein Gerathwol
und blindes Gluͤck hinaus/ wie anderswo erwieſen worden. (*) Son-
dern auch und zwar vielmehr unſere Nauſeantes und eckelnde Ignoran-
ten, die mit dem rohen Catechetiſchen Wortlaut/ und allein dem Pa-
pagey-Glauben ſich immerdar ſaͤrtigen und vergnuͤgen laſſen. Solcher
Verdamnuß iſt auch recht. Dann ſo die Heyden drauſſen umb ihres
Unglaubens willen/ die doch das Wort nicht haben/ verdammet werden/
wie wird dann denen gewartet werden/ die innerhalb der Kirchen ſind/
und das Wort Gottes reichlich haben/ dannoch durch den Glauben in ih-
nen nicht erwecken laſſen.
III. Sententia occidens,der toͤdtende Außſpruch/ heißt nicht
leben/ ſondern ewig todt ſeyn/ welcher Tod nach ſich zeucht den Ver-
luſt alles Guten und Verſtoſſung von Gottes Angeſicht/ was aber diß fuͤr
ein Qual und Pein ſey/ ewig von GOtt verſtoſſen ſeyn/ das kan kein
Creatur außdencken und außdichten/ kein Zung außreden und außſpre-
chen/ der zeitliche Tod wird manchem durchſuͤſſet/ und die Bitterkeit ver-
trieben/ wo nicht durch Gottes Wort/ als die beſte Medicin, doch durch
Hoffnung der Reputation, wie Saul in ſeiner Cron als ein Koͤnig ſter-
ben wollen. Der Malefitz-Tod iſt ſchmertzlich und ſchmaͤhlich/ aber er wird
durchſuͤſſet durch Chriſti Creutzgang/ und des Schaͤchers Troſt/ den man
Maleficanten ſonderlich wol einbildet; aber Gnaden-Tod/ Glory-Tod/
ewiger
[1085]Predigt.
ewiger Tod kan durch nichts edulcorirt werden/ und iſt unaußſprechlich.
IV. Sententia peremptoria,der letzt uſi unaͤnderlich Beſcheid/
verſigelt mit einem doppelten Amen/ warlich/ warlich. Jſts kein
Eydſchwur/ ſo iſts doch ein ſchwurmaͤſſige Betheurung/ und ein theures/
wahres Wort. (*) Es ſuchen zwar unſere Apoſtatæ allerhand Auß-
fluchten und Loͤcher/ da ſie vermeynen vor dem Zorn des Lamms gefreyet zu
ſeyn. Als: wann dann ſo viel Leut vor Lutheri Zeiten im Pabſtthumb
ſelig worden/ ſo wil ichs im Namen Gottes auch wagen/ darinnen ver-
bleiben/ ſo lang ich lebe/ im Nothfall und zur Sterbens-Zeit wird ſichs
wol ſchicken. Antwort. Aber wiſſe/ daß es viel ein andere Gelegenheit mit
dir habe/ als weyland mit unſern Vorfahren im Pabſtthum gehabt. O wie
bald wuͤrden ſie ihr voriges Weſen verlaͤugnet/ im Sack und in der Aſchen
Buſſe gethan/ und ſich bekehret haben/ haͤtten ſie Liecht gehabt. Dir aber iſt
das Liecht des Evangelii angezuͤndet/ in die Augen geſchienen/ und biſt in
deinem Gewiſſen uͤberzeugt/ daß es die lautere Warheit ſey/ und wolteſt
jetzt vorſaͤtzlicher Weiſe dich ins Finſternuß ſtecken/ umbkehren zu den
Fleiſch-Toͤpffen Egypti? O wehe dir/ wehe dir! wanns zum letzten
End/ und an den Hauptſtreich gehet. Sprichſt du/ alsdann wil ich alle
mir bißher eingebildete Lehren fahren laſſen/ und allein auff Chriſti mei-
nes Erloͤſers Verdienſt und Blut abtrucken. Jſt eben/ als wann du
bey beſorglichem ſtrahlenden Ungewitter im Pulverthurn begriffen/ ſa-
gen wolteſt/ da wil ich des Streichs erwarten/ ſchlaͤgt es ein/ ſo wil ich
bald davon ſpringen! Jſt mißlich zu wagen/ das heißt auff Gnade ſuͤndi-
gen; wo haſt du Siegel und Brieff/ daß dir alsdann ſo viel Raum und
Friſt werde gegoͤnnet ſeyn/ dich eines andern zu bedencken/ daß dich das
letzte Nun nicht urploͤtzlich werde uͤberfallen? Bloß ſagen/ man wolle auf
Chriſti Verdienſt abdrucken/ gilt nichts.
Auguſtinus erzehlt lib. 21. C. D. cap. 18. pag. 642. daß zu ſeiner
Zeit Leute geweſen/ die dafuͤr gehalten haben/ daß durch der Heiligen
Vorbitt am Juͤngſten Tag Niemand von den getaufften Chriſten werde
verdammet werden. Dann wie ſolten alsdann die Heiligen es uͤbers
Hertz bringen koͤnnen/ daß ſie nicht ſolten fuͤr ihre Verwandte oder Be-
kante Fuͤrbitt einlegen? Wie ſolt ſolche Fuͤrbitt der HERR nicht anſe-
hen und erhoͤren? Dicunt enim de malis \& infidelibus hominibus
divinitus quidem verum prædictum eſſe, quod digni ſint pœnâ. Sed
cùm ad judicium ventum fuerit, miſericordiam eſſe ſuperaturam.
X x x x x x 3Dona-
[1086]Die zwey und viertzigſte
Donabit enim eos, inquiunt, miſericors Deus precibus \& interceſ-
ſionibus Sanctorum ſuorum, ſi enim orabunt pro illis, quando eos
patiebantur inimicos, quantò magis, quando videbunt humiles
ſupplicesq; proſtratos? Neq; enim credendum eſt, ajunt, tunc amiſ-
ſuros Sanctos viſcera miſericordiæ, cùm fuerint pleniſſimæ \& per-
fectiſſimæ ſanctitatis, ut qui tunc orabant pro inimicis ſuis, quando
\& ipſi ſine peccato non erant, tunc non orent pro ſupplicibus ſuis,
quando nullum ceperint habere peccatum? \& pag. 644. Sunt alii ab
æterno ſupplicio liberationẽ, nec ipſis ſaltem omnibus promitten-
tes, ſed tantum̃odò Chriſti baptiſmo ablutis, qui participes fuerunt
corporis ejus, quomodolibet vixerint, in quacunq; hæreſi vel im-
pietate fuerint, propter illud, quod ait Jeſus: Hic eſt panis, qui de
cœlo deſcendit, ut ſi quis ex ipſo manducaverit, non moriatur. Ego
ſum panis vivus, qui de cœlo deſcendi. Ab æternâ ergò morte, in-
quiunt, neceſſe eſt iſtos erui, \& ad vitam æternam quandoq; perdu-
ci. Aber umbſonſt! es bleibet bey der peremptoria. Die Gnaden-Thuͤr iſt
laͤngſt zu und verſchloſſen worden. Wer ohn wahren Glauben an Chriſtum
von dieſer Welt abſcheidet/ der iſt verlohren/ oder wie Athanaſii Symbo-
lum lautet/ wer den rechten Chriſtlichen Glauben nicht gantz
und rein haͤlt/ der wird ohn Zweiffel ewig verlohren ſeyn. Lu-
therus in ſeinem Sendbrieff an Juncker Hanſen von Rechenberg
Tom. 6. Witt. p. 424. f. 2. ſchreibt: Es ſeye viel ehe zu zulaſſen/ daß
alle Menſchen/ Engel und Teuffel verlohren werden/ dann
daß GOtt nicht ſolte warhafftig ſeyn in ſeinen Worten. Chri-
ſtus ſagt Luc. 13 24. 25. 26. 27. 28. Ringet darnach/ daß ihr durch
die enge Pfort eingehet/ dann viel werden (das ſage ich euch)
darnach trachten/ wie ſie hinein kommen/ und werdens
nicht thun koͤnnen/ von dem an/ wann der Haußwirth auff-
geſtanden iſt/ und die Thuͤr verſchloſſen hat/ da werdet ihr
dann anfahen drauſſen zu ſtehen/ und an die Thuͤr klopffen/
und ſagen: HErꝛ/ HErꝛ/ thue uns auff/ und er wird ant-
worten/ und zu euch ſagen: Jch kenne euer nicht/ wo ihr her
ſeyd. So werdet ihr dann anfahen zu ſagen: Wir haben
fuͤr dir geſſen und getruncken/ und auf den Gaſſen haſt du uns
gelehret/ und er wird ſagen: Jch kenne euer nicht/ wo ihr her
ſeyd/ weichet alle von mir ihr Ubelthaͤter/ da wird ſeyn Heulẽ
und Zaͤhnklappen/ wañ ihr ſehen werdet Abraham und Jſaac/
uñ Jacob/ und alle Propheten im Reich Gottes/ euch aber hin-
aus
[1087]Predigt.
auß geſtoſſen. Zu gleicher Weiß/ wann einer vor dieſer Stadt-Thor
etliche Stunden/ biß zur Thor-Glocken im Trunck ſich auffhaltend/ nicht
fort wolt/ fragte auch nach dem letzten Geſchrey nicht/ wann ihme die
Soldaten oder Thorſchlieſſer zuruffen/ lauff/ lauff! ſondern bliebe vor-
ſaͤtzlich und muthwillig drauſſen; Kaͤme aber bey Mitternacht/ klopffet/
poldert und ſchrye/ man ſolle ihm auffmachen/ wuͤrde auch jemand
Mitleyden mit ihm haben/ fuͤr ihn bitten und ſagen: Ach daß der elende
Menſch im Froſt/ Kaͤlte/ Regen und Wind ſtehen muß? Nein/ freylich
nicht: Sondern es wuͤrde alſo lauten/ der volle Zapff/ der faule Schlin-
gel hats ihm ſelbſt zu dancken/ man hat ihm das Thor lang gnug offen ge-
halten/ er hat die Thor-Glocken wol hoͤren laͤuten/ aber er hat nicht eylen
wollen/ darumb geſchicht ihm recht. Eben auff ſolche Weiſe muß man
reden von denen/ die nicht im Reich der Gnaden die Stadt Gottes das
himmliſche Jeruſalem ſuchen/ nicht darnach ringen und lauffen/ ſondern
allererſt/ wann die Gnaden-Thuͤr zugangen/ hinein wollen/ dann werden
ſie heulen und ruffen: O ihr Berge fallet uͤber uns/ und O ihr
Huͤgel bedecket uns vor dem Angeſicht deſſen der auff dem
Thron ſitzet/ und vor dem Zorn des Lam̃s/ dann es iſt kom-
men der groſſe Tag ſeines Zorns. Wer kan beſtehen? Jſt
ein Gleichnuß genommen von den Loͤchern/ Kluͤfften und Hoͤlen in dem
gelobten Land/ deren man ſich zur Zeit der Verfolgung und Kriege bedie-
nen koͤnnen/ dergleichen Præſidia dem lieben David offt zu Troſt und
Statt kommen/ Zeit der Flucht vor dem Koͤnig Saul. Aber hie nichts
dergleichen/ ſie muͤſſen herfuͤr aus ihren Loͤchern/ wie die fuͤnff Koͤnige der
Canaaniter. Wer kan alsdann beſtehen? Antwort/ der hie wol be-
ſtehet/ auff der Grundfeſte ſeines Glaubens und der Goͤttlichen Ver-
heiſſungen/ wer der Ordnung GOttes ſich ergibt/ wer wol gehet und
ringet. Darumb ringe darnach/ daß du eingeheſt durch die enge
Pfort.
Wer aber auch contra gar zu forchtſam iſt/ und vor der Hoͤllen
ſich gar zu uͤbel foͤrchtet/ der fahret hinein. Vid. Luth. Tom. 6. Witt.
p. 442. Dann wie ſich ein Feind durch die Flucht und Forchtſamkeit
ſeines Gegenparts nicht ſchlagen noch jagen laͤßt/ ſondern durch ritterlich
Fechten/ Kaͤmpffen/ und unbewegliche/ heldenmaͤſſige Standhafftigkeit.
Alſo laͤßt ſich der Sathan in Anfechtungen nicht durch Forcht/ ſondern
durch Krieg und Kampff abtreiben/ durch ungezweiffelte Hoffnung der
gnaͤdigen Vergebung ſich feſt machen. Es iſt kein groͤſſere Suͤnd/
ſchreibt Luther. Tom. 4. Witt. pag. 4. f. 2. dann daß man nicht
glau-
[1088]Die zwey und viertzigſte
glaubet den Artickul von Vergebung der Suͤnden/ wie wir
beten im taͤglichen Glauben.ibid.Du ſolt nicht allererſt
diſputiren/ ob deine Reu gnugſam ſey oder nicht/ ſondern des
gewiß ſeyn/ daß nach allem deinem Fleiß dein Reu ungenug-
ſam ſey/ und darumb zu GOttes Gnade fliehen/ ſein ge-
nugſam gewiſſes Wort im Sacrament hoͤren/ mit froͤ-
lichem Glauben auffnehmen ꝛc. Laß nur diß bloß glauben
der verdienten Vergebung in Worten Chriſti zugeſagt/
vorgehen/ und Hauptmann im Felde bleiben. Summa
Summarum zwey extrema/ Mißtrauen und Vermeſſenheit/ meiden.
Darumb/ O Chriſten-Menſch/ es gilt Ernſt/ und iſt kein Schertzwerck.
Dann ſo der Gerechte kaum erhalten wird/ wie wil der Gott-
loſe und Sůnder bleiben? Da doch gleichwol zu mercken/ daß in
dem Griechiſchen das Wort Μόλις ſtehet/ welches auff viel Creutz/ Be-
truͤbnuß/ Anfechtung und Beſchwerung deutet/ daß der Weg Truͤbſal
voll/ den der Gerechte zum Himmel wandern ſoll. Diſce prandere in
regno gratiæ, lerne hie im Reich der Gnaden/ an der Gnaden-Tafel
recht ſitzen/ wilt du dort auch zu der Glory-Tafel erhoben werden. Wie
Maria/ die den beſten Theil erwehlet/ das edle Manna; den Saducei-
ſchen Schweinen ihre Traͤbern/ den Phariſaͤiſchen Heuchlern ihre So-
domiſche Aepffel gelaſſen/ und ſey ſtarck in dem HErꝛn Meſſia/ durch
ſein erquickendes Seelen-Brod/ lerne ein Warlich dem andern entge-
gen ſetzen. Joh. 6/47. Warlich/ warlich ich ſage euch/ wer
an mich glaubet/ der hat das ewige Leben. Dem andern
Warlich/ verſ. 53. Warlich/ warlich/ ich ſage euch/ werdet
ihr nicht eſſen das Fleiſch des Menſchen-Sohns/ und
trincken ſein Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch. Wie aber
ich? ſagt ein zaghafftes Hertz/ ich habe dieſes und jenes auff der Hauben/
der Wurm des Gewiſſens naget und plaget mich/ das hoͤlliſche Feuer
ſchlaͤgt uͤber mir zuſammen. O wehe mir! O wol dir! daß du ſol-
ches erkenneſt/ und wolte GOTT/ daß allen andern/ die in gleichem
Spitthal kranck ligen/ alſo zu muth waͤre! Es iſt noch Artzney fuͤrhan-
den/ nemlich das erhoͤhete ehrne Schlaͤnglein/ das ſihe mit erhoͤheten
Glaubens-Augen an/ dadurch ſolt du geneſen und heyl werden. Deß-
gleichen das theure Rantzion-Blut im heiligen Abendmahl iſt ein bewaͤhr-
tes antidotum fuͤr alle Seelen- und Gewiſſens-Wunden. Jm Buch
der Weißheit Cap. 16. wird die ehrne Schlang σύμ [...]ολον σωτηϱίας ein
heilſames Zeichen oder Zeichen des Heyls genennet/ nicht als wann
das
[1089]Predigt.
das Heyl von dem Kupffer geſchoͤpfft und erholet worden waͤre; ſondern
von dem Befehl des HErꝛn: Die Krafft iſt nicht in dem Kupffer we-
der natuͤrlicher noch uͤbernatuͤrlicher Weiſe geſtecket/ ſo ſie angeſehen/ ſon-
dern in dem HErꝛn/ der diß geordnet/ und der dadurch iſt bedeutet wor-
den. Dann welche ſich zu dem Zeichen kehreten/ die wur-
den geſund/ nicht durch das/ ſo ſie anſchaueten/ ſondern
durch dich/ aller Heyland/ weil ſie nemlich auff die ungifftige erhoͤhe-
te Creutz-Schlang/ Chriſtum/ gedeutet/ der den Schlangen-Biß/ im Pa-
radieß geſchehen/ geheilet. Suſpenſus eſt Serpens æneus in conto, quia
Chriſtus ſuſpendendus erat in ligno, die ehrne Schlang iſt auf eine
Stang oder Pfal erhoͤhet/ ſagt Auguſtinus ſerm. 101. de Temp. weil
Chriſtus ſolte ans Creutz-Holtz erhoͤhet werden/ auf daß/ wer dieſe Heil-
Schlang in wahrem Glauben anſchauet/ heil wuͤrde/ von allen Wunden
des verletzten Gewiſſens. Wie aber mir/ ſagt ein anderer angefochtener
Chriſt/ ich bin ſchwach im Glauben/ ich fuͤhle keinen Glauben; Antwort:
Schwacher Glaub verdam̃t nicht/ ſondern falſcher Glaub moͤrdet die Seel.
Troͤſte dich mit der Martha/ es hatte dieſelbe wol groſſe Breſten und
Schwachheiten an ihr ſpuͤren laſſen/ den Fuͤrwitz/ unzeitige fladernde
Bauch-Sorg/ und ſchaͤdliche Genugſamkeit/ da ſie nach dem Wachs-
thumb und der aſphalia nicht getrachtet/ aber darumb verdam̃t und ver-
ſtoßt der HErꝛ das glimmende Toͤchtlein in ihr nicht/ das noch in ihrem
Hertzen geſchimmert/ und ſich hervor gethan/ εν διακονίᾳ πολλῇ, indem
ſie ihr viel Muͤhe mit ihrem Dienſt und Auffwarten/ ſo ſie dem HErꝛn
Chriſto erwieſen/ gemacht/ und zwar tempore periculoſo, zu der Zeit/ da
allbereit der Schluß auff dem Synedrio zu Jeruſalem ergangen/ daß wer
den Namen des JEſu von Nazareth bekennen wird/ der ſoll in Bann ge-
than werden/ ſondern an dem Wachsthumb hat es ihr gemangelt. Nun
was thut der HErꝛ/ er erwecket einen Eyfer-Geiſt in ihrem Hertzen/ an
ſtatt des ſuͤndlichen Neyd-Eyfers wider ihre Schweſter/ einen heiligen
Goͤttlichen Eyfer der Nachfolg. Er lobt die Mariam ſo hoch und wol/
daß Martha anfangt zu gedencken/ ſo wil ich dann meiner Schweſter
nichts nachgeben/ kan ſie zu den Fuͤſſen JEſu ſitzen/ ich kans auch thun.
Haͤtte ſie ſich geſteiffet/ Chriſti Wort uͤbel auffgenommen/ und nicht ley-
den wollen/ daß ihr der HErꝛ einrede/ und den Eyſen geruͤhret/ wie Jeſabel/
Herodias/ ſo haͤtte ſie moͤgen ſagen/ wil der Prophet von Nazareth meine
Gutthat nicht annehmen/ ſo mag er ſeinen Stab weiter ſetzen/ was gehen
mich ſeine ſubtilitaͤten und novitaͤten an/ meynet er dann/ daß er mich
werde zu einer Doctorin und Rabbinin machen/ auff dieſe Weiß ergeiſtert
Achter Theil. Y y y y y yer
[1090]Die zwey und viertzigſte Predigt.
er mich/ und fordert zu viel von mir/ und macht mich kleinmuͤthig. Haͤtte
ſie ſolcher Maſſen dem HErꝛn begegnet/ ſo waͤre ſie warhafftig mit den thoͤ-
richten Jungfrauen/ die zwar Oel in den Lampen gehabt/ aber nicht gnug/
ins ewige darneben gerathen. Nein/ das thut ſie nicht/ ſondern ſo ſaum-
ſelig ſie zuvor auch geweſt/ ſo eyfferig und fleiſſig iſt ſie hernach worden/
welches ihres Glaubens ſie hernach/ da der liebe HErꝛ mit dem Hauß-
Creutz ſie heimgeſucht/ da nemlich ihr Bruder Lazarus geſtorben/ in dem
Examine Catechetico ein trefflich ſpecimen gethan/ dann als ſie ihm die
traurige Poſt angekuͤndet/ und Chriſtus von ihres verſtorbenen Bru-
ders Wiederaufferweckung geprediget/ und das aus dieſem Fundament/
dieweil er die Aufferſtehung und das Leben/ und ſie hierauff gefragt Joh.
11/26. Glaubſt du das? in dieſe Glaubensreiche Wort außgebro-
chen/ v. 27. HErꝛ/ ja ich glaͤube/ daß du biſt Chriſtus/ der Sohn
Gottes/ der in die Welt kom̃en iſt. Auch endlich des Glaubens End
der Seelen Seligkeit davon getragen. Mit welchem Glaubens-End wir
auch dieſe Predigt enden/ und bitten den lieben Gott/ er wolle wenden und
ſenden/ wenden von uns/ was uns wendet von ihm: uñ unſere Hertzen
zu ihm wenden/ und kehren ab unſere Sinne/ daß ſie nicht irren von ihm.
Ruͤhr/ O HErꝛ/ mein hartes Hertze/Weiche auff den harten Stein/Daß ich ja nicht halt fuͤr Schertze/Was mich lehrt der Wille dein.Nimm mich mir/ und gib mich dir/Was von dir wendt/ wend von mir/Dann ich begehre mich zu laſſen/Daß ich dich allein moͤg faſſen/HErꝛ/ ich komm zu dir gantz bloß/Nimm mich auff in deinen Schoß/Alles wil ich nach mir laſſen/Und gehn auff der Himmels-Straſſen.
Senden ſeinen H. Geiſt/ der in uns einen rechten geiſtl. Hunger und
Durſt erwecke/ daß wir moͤgen ſchmaͤcken ſeine Suͤſſigkeit im Hertzen/
den Geſchmack ſtaͤrcken/ und lehren die Mittag-Mahlzeit alſo zu begehen/
damit wir gewuͤrdiget werden das Brod zu eſſen im Reich Gottes/ mit
Abraham/ Jſaac und Jacob zu Tiſche ſitzen. O HErꝛ/ erfuͤlle dieſen
Wunſch in Gnaden. Amen.