Gegenwaͤrtige gelehrte Abhandlung iſt,
nachdem ſolche der Hamburgiſchen Ge-
ſellſchaft, d. 17. Febr. 1768. oͤffentlich vorgele-
ſen worden, einem groͤſſern Werke zum Ein-
ruͤcken gewidmet worden, da aber viele Freunde
ſolche a parte zu beſitzen, gewuͤnſchet, und
mich deshalben oͤfters erſuchet, ſelbige ge-
meinnuͤtziger zu machen, und von neuen auf-
legen zu laſſen, als habe ich Ihrem Anſu-
chen zu befolgen, keinen Anſtoß nehmen
wollen. Langenſalza, den 8ten April. 1769.
der Verleger.
Schon lange habe ich mich gewun-
dert, daß man in Europa die Ent-
deckung, ſeine Gebaͤude vor dem
Blitze zu ſchuͤtzen, bisher ſo we-
nig geachtet hat. Ich wuͤnſchte deßwegen, aus
Erfahrungen von Wetterſchlaͤgen die Richtig-
keit derſelben deutlich vorſtellen und zu weiterer
Bekanntmachung eines ſo gemeinnuͤtzigen Vor-
ſchlages etwas beytragen zu koͤnnen.
Hierzu ſchien ſich eine Gelegenheit anzubie-
ten, als am verwichenen 6ten Aug. 1767. unſer
Nicolai Thurm vom Blitze getroffen ward. Ich
habe demnach, nebſt Herrn Prof. Buͤſch, einige
Beobachtungen von dem Zuge des Blitzes da-
bey gemacht, davon auch in unſerer Verſamm-
lung
[5] lung Bericht erſtattet worden. Um aber die
Sache weiter zu eroͤrtern, habe ich verſchiedene
andere Bemerkungen von den Spuren des
Blitzes in Vergleichung gezogen, und ſie mit
einigen Anmerkungen begleitet. Ich hoffe da-
durch im Stande zu ſeyn, die Haupturſache
der Gefahr unſerer Gebaͤude bey Wetter-
ſchlaͤgen, und die gleichſam von der Natur
ſelbſt angezeigten Mittel, ſie abzuwenden,
deutlich vor Augen zu legen, und wuͤnſche, daß
meine geringe Bemuͤhung zu wuͤrklichem Nu-
tzen gereichen moͤge. Ich werde mich in allen
Stuͤcken auf ſichere Erfahrungen berufen, und
ſie ſo vorzutragen ſuchen, daß eine durch die an-
dere erlaͤutert, und der Leſer durch die Zuſam-
haltung derſelben alles deſto voͤlliger einſehen
moͤge.
Die vorzuͤglichſten zu meinem Zwecke habe
ich in den Abhandlungen der Koͤnigl. Engliſchen
Geſellſchaft der Wiſſenſchaften gefunden. Da-
ſelbſt berichtet z. E. Herr Doct. Heberden*)
die Wuͤrkung eines Wetterſtrahles, welcher
1764. den 18. Jun. die Kirche zu South-Weald
in Eſſex, 18. Engliſche Meilen oſtnordoſtlich von
London getroffen hat. Der Thurm iſt an der
Weſtſeite, und hat an einer Ecke ein kleines
angebauetes 8 Fuß hohes Thuͤrmchen, darinn
die Treppe hinauf gehet, und auf deſſen mit
Bley gedeckter Mauer oben einige eiſerne Stan-
gen ſo befeſtiget ſind, daß ſie in der Mitte zu-
A 3ſam-
[6] ſammenſtoſſen, und einen Wetterhahn tragen.
Auf diefes Thuͤrmchen fiel der Blitz. Der Wet-
terhahn und die Stangen ſelbſt ſchienen unbe-
ſchaͤdigt: allein die einen Fuß dicke Mauer des
Thuͤrmchens, darauf ſie befeſtiget waren; ward
gegen Norden, bis an das Bley des Haupt-
thurmes, in einer Breite von 4 Fuß, welche
beynahe den dritten Theil des Umfanges aus-
machet, ganz zerſchmettert. Der Strahl ging
auch noch bey der Kirche herunter; und man
fand, daß ſowohl an der weſtlichen, als an der
Oſtſeite, eben da, wo die bleyernen Rinnen,
welche vom Kirchdache herunterkommen, ſich
bey einem Fenſter, darinn aufrecht eiſerne Stan-
gen ſind, endigten, die Kirchenmauer beſchaͤdi-
get, und unterwaͤrts bey den Stangen geſpal-
ten worden. An der oͤſtlichen Seite war in-
wendig an der Mauer bey dieſer Stelle eine
eiſerne Klammer eingeſchlagen, darauf ein groſ-
ſer Gemaͤhlderahmen ruhete. Um dieſes Eiſen
zeigte ſich auch die Wuͤrkung des Blitzes, in-
dem ſowohl die Vergipſung daſelbſt von der
Mauer heruntergeworfen, als auch beſagter
Rahmen da, wo er auf der Klammer ruhete,
zerſchmettert war.
Wir koͤnnen hierbey vorlaͤufig anmerken:
1) daß der Blitz nach dem Metalle gefahren
ſey: 2) ſo weit er eine Strecke von Metall ge-
funden, keinen Schaden ausgeuͤbet: 3) da
aber, wo das Metall aufhoͤrte, oder wo einzelne
Stuͤcke Metall in andern Koͤrpern geſtecket,
theils
[7] theils einen Sprung nach weiterem nahe gele-
genen Metalle gethan, theils die andern Koͤr-
per, als Steine oder Holz, welche an dem Me-
talle angelegen, zerſchmettert habe. Dieſes
ſind Wuͤrkungen, welche unſere Aufmerkſam-
keit erfodern: man hat ſie ſchon vielfaͤltig bey
dem Blitze wahrgenommen, und ſie werden
noch ferner durch folgende Beobachtungen er-
laͤutert und beſtaͤtiget.
An demſelbigen Tage, da der ebenbemeldete
Schlag geſchehen, beynahe 3 Stunden ſpaͤter,
kam ein Gewitter in London, welches verſchie-
denen Schaden verurſachte. Ein Blitz traf den
ſchoͤnen Brigitten Thurm, (St. Bride’s Steeple)
welcher ganz von gehauenen Steinen gebauet iſt,
aus verſchiedenen mit Saͤulen gezierten und mit
Schwibboͤgen durchbrochenen Abſaͤtzen beſtehet,
und zur Spitze eine gleichfalls aus Quaderſtei-
nen zuſammengeſetzte Pyramide hat. Die Um-
ſtaͤnde ſind von Herrn D. Watſon und Herrn
Delaval genau beſchrieben, auch, da 85 Fuß
vom Thurme haben abgenommen werden muͤſ-
ſen, nach Unterſuchung aller beſchaͤdigten Theile,
mit Abzeichnungen erlaͤutert *). Oben auf der
Spitze ſtand ein Kreutz; welches nebſt der Wet-
terfahne und dem Knopfe, von vergoldetem Ku-
pfer und an einer eiſernen Stange befeſtiget
war. An dem oͤbern Theile des Kreutzes zeigte
die entfaͤrbte und abgeriſſene Vergoldung, wie
auch einige Stellen, daran etwas geſchmolzen
A 4war,
[8] war, daß es vom Blitze getroffen ſey: ſonſt
war das Kreutz, die Fahne und der Knopf und
die Stange nicht beſchaͤdiget. Es war dieſe
Stange 2 Zoll dick, auf 10. Fuß tief in den
Steinen der Thurmſpitze eingefaſſet und mit
Bley umgoſſen. Die oͤbern Steine, darinn die
Stange ſteckte, hatte auch noch nicht gelitten:
da aber, wo die Stange aufgehoͤret, hatte der
Blitz angefangen, ſeine ſchmetternde Kraft zu
zeigen, den Stein, darauf die Stange ruhete,
durchgeſchlagen, und nebſt den umliegenden, in
verſchiedene Stuͤcke zerſprenget, auch einige groſſe
Stuͤcke vom Thurme weggeworfen. Darauf
hatte er, etwas weiter unten, einige eiſerne
Klammern an den Quaderſteinen der Thurm-
ſpitze, und noch tiefer eiſerne rund um in den
Steinen verſteckte Verbindungsanker angetrof-
fen. Es war ferner von einer Weite zur andern
eine Menge Eiſenwerk in dieſem Thurme ange-
bracht, um die noͤthige Feſtigkeit zu erhalten.
So wurden nicht allein die Schwibboͤgen und
[Fenſtergeſimſe] mit eiſernen Querſtangen gehal-
ten, ſondern es lagen auch ein Paar Roſte von
eiſernen Stangen, der eine unter der Pyramide,
der andere unter dem naͤchſten Abſatze, quer
durch den Thurm, und ſolche waren gleichfals
rund umher mit eiſernen Ankern, welche man
in den gehauenen Steinen befeſtiget hatte, ver-
bunden. Nun zeigte es ſich klaͤrlich, wie der
Blitz von einem Eiſen zum andern geſprungen
ſey, um die Enden derſelben ſich ausgedehnet,
und bey ſolchen Stellen, wo er an ſeinem Fort-
gange
[9] gange gehindert worden, die Steine theils ge-
waltig zerſchmettert, theils ganz abgeſchlagen
habe. Ueberhaupt aber war die Gewalt des
Strahls, von oben an, bey jedem Abſatze des
Thurms, deren man fuͤnfe beſchaͤdiget fand,
nach gerade geringer worden *), und die letz-
ten Wuͤrkungen zeigten ſich in der Gegend der
Glocken.
Herr Watſon und Herr Delaval ma-
chen hiebey die richtigen Anmerkungen: 1)
Daß eine ſolche Helmſtange oder Kreutz, als
ein Metall, welches hoch in der Luft erhaben iſt,
die vorbeyfahrende Materie eines Blitzes leicht
auffangen und ſammlen koͤnne: 2) Daß, wenn
keine metallene Leitung davon bis zur Erde her-
unter gehet, ſolche Stangen einen Thurm oder
anderes Gebaͤude wuͤrklich in groſſe Gefahr ſe-
tzen, da wir ſehen, daß die Materie des Blitzes
durch Steine und Holz ſchwerlich und nicht
leicht ohne Schaden hingehet: 3) Daß auch
die abgeſonderten Anker, Stangen oder andere
Stuͤcken Metall, welche hie und da in einem
Gebaͤude liegen, bey ſolchen Umſtaͤnden ſehr ge-
faͤhrlich ſeyn koͤnnen, weil der Blitz von einem
Stuͤcke Metall zum andern ſpringet, und die
anliegenden Koͤrper zerſchmettert, oder gar ent-
zuͤndet: 4) Daß man alſo nicht genug er-
mahnen koͤnne, von dem Gipfel der Gebaͤude
ja ein aneinanderhangendes Metall ganz
bis in die Erde, oder vielmehr bis in ein
A 5Waſſer,
[10]Waſſer, herunter gehen zu laſſen, wie ſolches
Herr D. Franklin gerathen hatte, weil der
Blitz alsdann an dem Metalle ohne Schaden frey
herunter faͤhret, und das Gebaͤude verſchonet.
Dieſes iſt es, was man eine Ableitung
des Blitzes nennet. Daß uns die Natur derglei-
chen Schutz wuͤrklich anzeige, und eben die Ei-
genſchaft der Metalle, den Blitz zu ſammlen oder
anzulocken, welche ſo oft, wie in oberwehnten
Beyſpielen, wo das Metall zerſtreuet gelegen,
Schaden verurſachet hat, auf ſolche Weiſe zur
Bedeckung und Sicherheit unſerer Gebaͤude
dienen koͤnne, werden folgende Beobachtungen
von Wetterſchlaͤgen, dabey ſchon ein merklicher
Theil der Gebaͤude durch ein zuſammenhaͤn-
gendes Metall beſchuͤtzet worden, klaͤrlich er-
weiſen.
Wir wollen demnach itzt die Spuren des
Wetterſtrahles, welcher auf hieſige Nicolai
Kirche gefallen iſt, in Erwaͤgung nehmen, da
die Beſchaffenheit, ſowohl der Beſchaͤdigung
als der Verſchonung, aus dem, was bisher
angefuͤhret worden, nunmehr leicht zu verſtehen
ſeyn wird. Der Thurm iſt bey 420 Fuß hoch:
die 216 Fuß hohe Spitze deſſelben, welche auf
ihrer Helmſtange einen Knopf und Fahne mit
einem Kreutze traͤget, iſt bekanntlich, wie bey
unſern andern Thuͤrmen mit Kupfer gedecket.
Dieſe Kupferdecke gehet von dem Knopfe an, bis
an
[11] an das Geſimſe ununterbrochen fort *). Die
Knoͤpfe ſind von ſtarkem Kupfer. Beyde Zwi-
ſchenboͤden, die Stender der Laterne und ihre
Zwiſchenboͤden, ſind alle ſehr wohl mit Kupfer
beſchlagen. Unter dem Geſimſe iſt eine acht-
eckige 16 Fuß hohe Mauer, deren Ecken mit
Quader-Steinen ausgeſetzet ſind: die uͤbrige
Mauer des Thurms bis an die Erde iſt viereckt,
und oben mit einer Gallerie verſehen, deren Fuß-
boden ganz mit Kupfer beleget iſt. — Ich ver-
muthete, oben bey dem Knopfe die Zeichen des
Blitzes wahrnehmen zu koͤnnen, weil die Ver-
goldung daran erſt vor 6 Jahren neu gemacht,
und noch von gutem Glanze iſt. Nachdem ich
nun ein Fernglas genommen, zeigte ſich ſogleich,
auf der oͤbern ſuͤdoſtlichen Seite des Knopfes,
ein groſſer Fleck, daran die Vergoldung erlo-
ſchen und ſchwarz geworden, und deſſen Unter-
ſchied von den uͤbrigen ſo kenntlich iſt, daß man
ihn auch mit bloſſen Augen ſehen kann. Indem
alſo der Wetterſtrahl auf die Helmſtange gefah-
ren, und dieſe mit dem Kupfer des Daches ver-
bunden iſt, ſo konnte die Materie des Blitzes
ungehindert laͤngſt der kupfernen Bedeckung her-
unter laufen: allein, da, wo die Kupferdecke
bey
[12] bey der achteckigen Mauer, aufhoͤret, mußte ſie
einen Sprung thun. Hier fand ſich aber gleich
anderes Metall in der Naͤhe, welches ſie ergrei-
fen konnte. Unſere Gothiſchen Thuͤrme ſind alle
ſehr ſtark mit eiſernen Ankern verwahret, und
hier iſt nicht allein das Achteck, welches uͤber
der viereckten Mauer auf Boͤgen ruhet, ſondern
auch der Obertheil der viereckten Mauer, wel-
cher halb alt, halb neu iſt, ſehr vielfaͤltig im
Mauerwerke verankert *). Hiezu koͤmmt. daß
nicht allein alle Balken und Schwellen des Holz-
werkes
[13] werkes, womit ſowohl das Achteck, als auch das
Viereck, ſehr reichlich ausgebunden iſt, mit vie-
lem Eiſen in die Mauer verankert, ſondern auch
die Stender ſowohl unter ſich, als auch mit der
obern Spitze durch Eiſen verbunden ſind. An
der nordoſtlichen Ecke des Achtecks fanden ſich
Spuren, daß die Materie des Blitzes an einem
ſolchen zu Ende des Kupferdaches nahe am Ge-
ſimſe liegenden Anker herunter gefahren, den
Anker an dem unmittelbar darunter ſtehenden
Stender wieder ergriffen, und von demſelben
ſowohl, als von der daran ſtoſſenden Bretter-
verkleidung, Stuͤcke abgeſplittert hatte. Daſelbſt
war auch durch die achteckige Mauer, am Fuſſe
derſelben, wo auſſen der mit Kupfer bedeckte
Fußboden der Gallerie anſtoͤſſet, bey den Qua-
derſteinen ein Loch durchgeſchlagen. An der
nordlichen Ecke haben wir nichts bemerken koͤn-
nen. Es muß aber der Strahl unter dem be-
meldeten kupfernen Fußboden der Gallerie in die
verborgene Anker der viereckigten Mauer gefah-
ren ſeyn. Daher konnte man ſeinen Gang
nicht eher wieder nachſpuͤren, bis an einem in-
wendigen nordweſtlichen Bogen der Mauer,
gegen uͤber, davon ein groſſes Stuͤck abgeſpren-
get war. Bey dieſer Ecke war er, noch etwas
tiefer in der Mauer, nach der Nordſeite herun-
ter gegangen. Bey ſeinem Ausgange daſelbſt
zeigte es ſich deutlich, daß er die Anker ergriffen
hatte: denn hier war auswaͤrts ein ſenkrechtes
in der Mauer verſtecktes Ankereiſen ein Paar
Fuß lang entbloͤſſet zu ſehen, indem die Mauer-
ſteine,
[14] ſteine, damit es bedecket geweſen, durch den
Blitz abgeſprenget worden Unterwaͤrts war
auch eine Ritze in der Mauer, welche von be-
meldetem Ankereiſen an, faſt 25 Fuß lang her-
unter reichete. Hier fand nun der Blitz wieder
Metall in der Naͤhe. Es liegt naͤmlich zwiſchen
dem Thurme und dem nordlichen Kirchendache
eine mit Bley ausgeſchlagene Rinne. Das
Dach aber und beyde daneben ſtehende Daͤcher
ſind nicht mit Kupfer, ſondern mit Ziegeln ge-
decket. Von dieſer Rinne gehet ein kupferner
Ausguß in ein Waſſerbehaͤltniß von gleichem
Metalle, welches auf dem Kirchenboden ſtehet:
und von da iſt wieder, um das uͤberfluͤßige Waſ-
ſer abzuleiten, eine gleichfals mit Bley ausge-
fuͤtterte Rinne quer uͤber den Kirchenboden ge-
fuͤhret. Aus dieſer wird das Waſſer in eine
bleyerne Roͤhre geleitet, die an der Mauer her-
unter uͤber das Dach eines Angebaͤudes fortge-
het, und in einer hoͤlzernen viereckten Roͤhre ſich
endiget, welche mit einer eiſernen Klammer an
dem Eckſtender des Hauſes befeſtiget war.
So weit nun dieſer Zuſammenhang von bley-
ernen Rinnen und Roͤhren gehet, war weder
unterwaͤrts der Thurm, noch das Kirchenge-
baͤude, noch das Angebaͤude beſchaͤdiget, auſſer,
daß von einem Sparren ein Stuͤck abgeſplit-
tert, und einige Dachziegel abgeworfen worden.
Unten aber in dem angebauten Hauſe hatte ſich
der Schlag wieder merklich geaͤuſſert, und ver-
ſchiedenes auf eine ſonderbare Weiſe zerſchmet-
tert, welches zu beſchreiben nicht zur Haupt-
ſache
[15] ſache dienet, da unſer Zweck hier nur iſt, den
eigentlichen Zug des Blitzes auszuſpuͤren. Nun
zeigte es ſich klaͤrlich, daß die Wuͤrkung deſſel-
ben eben dabey dem Eckſtender angegangen, wo
durch obbemeldete Klammer die hoͤlzerne Roͤhre
daran [befeſtiget] war. Denn erſt von da an
unterwaͤrts war der Stender geſpalten, und
nebſt andern Spuren fand man auch, daß ein
Stuͤck Bley, welches etwas tiefer im Wege
dieſer Spaltung auf einer Fuge genagelt war,
angeſchmolzen, und ein Nagel aus ſelbigem
heraus geriſſen worden *). Ich wuͤnſchte dem-
nach das Ende der bleyernen Roͤhre zu unterſu-
chen. Als man ſie nun aus der hoͤlzernen heraus
nahm, fand ſich, daß ſie an der Seite, wo die
Klammer auſſen befeſtiget geweſen, etwas an-
geſchmolzen war, und an der andern Seite
hatte ſie alte eingeſchmolzene Loͤcher, welche viel-
leicht von einem vorigen Blitze herruͤhren. Denn
es iſt merkwuͤrdig, daß im Jahre 1748. ein
Wetterſtrahl in eben dieſes Haus, und ein an-
derer 1764. in ein an beſagten Eckſtender an-
ſtoſſendes, gleichfals an der Kirchenmauer an-
gelehntes Gebaͤude gefahren war; ſo, daß alſo
der Blitz ſchon zu mehrern malen bey dieſer
Kirche denſelben Zug genommen hat **). Aus
oben
[16] oben gegebener Nachricht erhellet nun auch bey
dieſem Wetterſtrahle, daß er dem Metalle ge-
folget ſey. Die Verſchonung des ganzen Zwi-
ſchenraums, wo ſich aneinander haͤngendes
Metall gefunden, als naͤmlich, vom Knopfe des
Thurms an, ſo weit die kupferne Bedeckung
gehet, imgleichen von der Thurmmauer an, ſo
weit die bleyernen Rinnen gereichet, und die,
am Ende derſelben, ſich wieder aͤuſſernde Ge-
walt des Schlages, muß jedem, der nachden-
ken will, merkwuͤrdig ſcheinen.
Ich will indeſſen, zum Beweiſe der Leitung
des Blitzes an bleyernen Rinnen, noch einen
andern Fall aus obgedachten Engliſchen Ab-
handlungen anfuͤhren *). Es betrifft die Wuͤr-
kung eines Wetterſtrahls, der an eben dem
Tage, da der Brigitten-Thurm getroffen wor-
den, zu London, in der Eſſex-Straſſe, welche
nach der Themſe hingehet, eingeſchlagen hat.
Hier wurden von den beyden Eckhaͤuſern an,
deren Schorſteine zerſchmettert worden, ver-
ſchiedene Haͤuſer an beyden Seiten der Gaſſe
beruͤhret. Es hatten naͤmlich dieſe Haͤuſer ne-
ben einander, vorne an dem Dache eine bleyerne
Rinne vor der Trauffe liegen, laͤngſt welcher
man
**)
[17] man merken konte, daß der Blitz an der Weſt-
ſeite auf 30 Yards, d. i. 96. Hamburger Fuß,
lang hingelaufen war, indem er daſelbſt an einer
bleyernen Roͤhre, die das Waſſer von dem
Dache herableitete, herunter gefahren. Am
Ende dieſer Roͤhre zerriß er den hoͤlzernen Ka-
ſten, darin ſie eingeleitet war, zerſchmetterte auch
etwas von der Mauer bey dieſer Stelle, machte
ſie ſchwarz, und zerbrach verſchiedene Fenſter-
ſcheiben in dem daran ſtoſſenden Kuͤchenfenſter.
An der Oſtſeite lief der Strahl gleichfals erſt
von dem beſchaͤdigten Eckhauſe bey einer bleyer-
nen Rinne nach hinten gegen Oſten herunter.
Da aber dieſe nicht bis auf die Erde ging, und
beynahe 3 Fuß davon ein eiſernes Gelender, an
einer ſteinernen Treppe zum Garten, gelegen
war, ſo ward ſolches vom Blitze ergriffen, und
unten bey den beyden eiſernen Stangen, die
das Gelender tragen, ein Stuͤck Stein von der
Trippe abgeſchlagen. Vorne nach der Gaſſe
zu hatten dieſe oͤſtlichen Haͤuſer, eben ſo wie von
den gegenuͤberſtehenden gemeldet worden, eine
bleyerne Rinne neben einander vor der Trauffe
liegen. Laͤngſt dieſer war der Blitz die Gaſſe
hinauf 70. Yards, d. i. 220 Fuß, weit gelau-
fen, bis er hier abermals, bey einem eiſernen
Gelender einen Stein zerſchlagen. In dem
Zwiſchenraume, ſo weit naͤmlich die Materie
des Blitzes durch die bleyernen Rinnen gelei-
tet war, iſt keine Beſchaͤdigung bemerket
worden.
Aus dieſen Beobachtungen koͤnnen wir ge-
nugſame Folgen ziehen: ich werde aber noch
jeden Punkt durch fernere Erfahrungen beſtaͤti-
gen *). Es war zwar ſchon von alten Zeiten
her angemerket worden, daß der Blitz oft mit
Vorbeygehung anderer Koͤrper, auf Metalle ge-
fallen ſey: allein, man hatte keinen Nutzen
daraus zu ziehen gewußt. Dem vortreflichen
Naturforſcher, Dr. Franklin in Philadelphia,
haben wir endlich die wichtige Entdeckung zu
danken, wie man aus der beobachteten Eigen-
ſchaft des Blitzes, daß er vor allen feſten Koͤr-
pern dem Metalle nachfolget, und auch ungehin-
dert dadurch faͤhret, ſeine Gebaͤude zu beſchuͤ-
tzen lernen koͤnnte **). Seine Landesleute ſind
gleich bereit geweſen, guten Rath anzunehmen,
und ſie haben ſich ſehr wohl dabey befunden.
Er war aber auch auf dieſe Gedanken zuerſt
durch
[19] durch die beobachtete Aehnlichkeit des Blitzes
mit den elektriſchen Erfahrungen, dabey er vor-
zuͤgliche Scharfſinnigkeit bezeiget hat, gefuͤhret
worden, und ſie wurden hernach auch durch Be-
merkungen bey wuͤrklichen Wetterſchlaͤgen viel-
faͤltig beſtaͤtiget. So erzehlet er z. E. *) eine
Beobachtung von einem Thurme zu Newbury
in Neuengland, welcher von Holz gebauet, und
mit der Spitze 140. Fuß hoch war. In deſ-
ſen Mitte hing die Stundenglocke. Als nun
1754. ein ſtarker Wetterſtrahl auf dieſen Thurm
fuhr, ward die hoͤlzerne Spitze, welche 70 Fuß
uͤber die Glocke erhaben war, und oben eine
Wetterfahne trug, gaͤnzlich in Stuͤcken, und
aus einander geſchlagen. Von dem Hammer
der Glocke aber ging ein duͤnner eiſerner Drath
durch zween Boͤden zur Uhr, welche 20 Fuß
niedriger im Thurm war. Dieſer ward bis auf
die beyden Enden gaͤnzlich vom Blitze zerſtaͤubet.
Hernach war der Strahl noch laͤngſt der Pen-
dulſtange von der Uhr, welche als eine Schreib-
feder dick war, herunter gegangen. So weit
nun theils der duͤnne obgleich vom Blitze zer-
ſchmolzene Drath, theils die Pendulſtange,
welche unverſehrt geblieben, heruntergereichet,
war das Gebaͤude nicht beſchaͤdiget, und nur
einige Zeichen von dem Zuge des Blitzes daran
zu ſehen, unterwaͤrts aber war es bis auf die
Grundmauer wieder ſehr zerſchmettert. Es ſind
auch an andern Orten verſchiedene aͤhnliche Be-
B 2mer-
[20] merkungen von der Leitung eines Wetterſtrahls
durch metallene Draͤthe, und dergl. gemacht
worden *).
Wenn man nun ſolche Erfahrungen nuͤtzlich
anwenden, und unſere Gebaͤude, insbeſondere
die Kirchthuͤrme, welche ſo ſehr der Gefahr,
von einem Wetterſtrahle getroffen zu werden,
ausgeſetzet ſind, davor in Sicherheit ſtellen
wollte, ſo ſcheinet es ohne Schwierigkeit ge-
ſchehen zu koͤnnen. Wir ſehen, daß ſchon hie
und da einige Theile eines Gebaͤudes bey einem
einfallenden Wetterſchlage durch eine Strecke
von Metall ſind beſchuͤtzet worden: wuͤrde dem-
nach der Blitz auſſen am Gebaͤude bis in die Erde
herunter aneinanderhaͤngendes Metall vorfin-
den, ſo verſchonte er das ganze Gebaͤude. Die
kupferne Bedeckung unſerer Thuͤrme, daran
der Blitz aͤuſſerlich herunter fahren kann, dienet
ſchon, ſo weit ſie reichet, der Spitze zur voͤlli-
gen Beſchuͤtzung. So zeiget die Spur am
Knopfe des Nicolai-Thurmes, daß der Blitz
ihn oben getroffen habe: die Arbeitsleute,
welche zur Zeit des Gewitters auf dem Thurme
unter der Uhr ſich aufhielten, verſichern auch,
daß ſie bey dem Schlage einen Dampf, als
eine Wolke, inwendig herunter kommen geſe-
hen, und dabey ganz betaͤubet geworden. In-
deſſen iſt an der Spitze keine Beſchaͤdigung zu
ſpuͤren, bis da, wo das Kupferdach aufhoͤret,
ohngeachtet ſo viel trockenes Holzwerk uͤber und
uͤber am Thurme mit dem Kupfer bedecket iſt.
Man wundere ſich nicht, daß hier keine andere
Spur, als an der Vergoldung des Knopfes, zu
finden geweſen: denn der Blitz konnte ſich ſo-
B 3gleich
[22] gleich an dem ganzen kupfernen Dache aus-
breiten. Wir haben geſehen, daß ſogar an dem
Londoner Brigitten Thurme, wo er doch nur
die Helmſtange vorfand, darinn er ſich ſamm-
len konnte, und von da er hernach einen Sprung
zu weiterem Metalle thun mußte, das Kreutz
oben nur ein wenig beſchaͤdiget worden *). Ueber-
haupt muß ich die Anmerkung machen, daß man
die Beſchuͤtzung der Gebaͤude durch Metalle des-
wegen bisher ſo wenig beobachtet hat, weil man
den Weg des Blitzes, und die Stelle, wo er
das Gebaͤude getroffen, nur da aufgeſuchet, wo
er Schaden gethan hatte. Daher wurde der
Dienſt, welcher den uͤbrigen Theilen durch das
Metall geleiſtet war, aus der Acht gelaſſen. Al-
lein, wenn eine Strecke Metall, dadurch ein Wet-
terſtrahl faͤhret, nicht gar zu duͤnne iſt, ſo muß
man die Beſchaͤdigung nicht in dem Raume des
Metalles, ſondern nur an den Enden vermuthen,
wie oben von den bleyernen Rinnen und von der
Pendulſtange erwaͤhnet worden. Durch wei-
tere Beobachtungen wird man alſo jederzeit fin-
den, daß, wenn ein mit Kupfer oder anderem
Metalle gedeckter Thurm vom Blitze entzuͤndet
oder ſonſt beſchaͤdiget worden, ſolches tiefer her-
unter, als das metallene Dach reichet, geſche-
hen ſey. Ich habe dieſes ſchon bey verſchiede-
nen ehemaligen Wetterſchlaͤgen, dadurch hie-
ſige Thuͤrme getroffen ſind, nachgeſpuͤhret und
mich
[23] mich davon uͤberzeuget *). Es iſt auch noch
zu bemerken, daß ſich der Blitz bey unſern Thuͤr-
men in dem weiten Umfange des Kupferdaches
ſchon ſo zerſtreuet, daß der Schaden, welchen
er an dem uͤbrigen Gebaͤude verurſachet, nur
von geringer Bedeutung iſt, wenn er nicht zuͤn-
det, welches aber vielleicht auf einem kleinen
Flecke geſchehen kann **). Daß ich dieſe Ver-
ſchonung unſerer Thurmſpitzen nicht ohne Grund
dem metallenen Dache zuſchreibe, wird noch mehr
erhellen, wenn wir die Wuͤrkung der Wetter-
ſchlaͤge an andern Thuͤrmen, die nicht mit Me-
tall bedecket ſind, in Vergleichung ziehen: denn
B 4dieſe
[24] dieſe werden vom Blitze erſchroͤcklich zerſchmet-
tert. Solches ſehen wir an den von Steinen
gebauten Thuͤrmen, wie oben vom Br[ig]itten-
Thurme zu London, und vom Thurme zu
Southweald gemeldet worden. So geſcha-
he es auch an zween ſtark gebauten Thuͤr-
men in Cornwall, welche angebauete Thuͤrm-
chen hatten, darauf metallene Kreuze ſtun-
den, der eine zu Ludgvan, der andere zu
Breag*). Eben ſo gehet es, wenn Thuͤrme
mit hoͤlzernen Schindeln oder Schieferſteinen
gedeckt ſind, wie vom Thurme zu Newbury
erwehnet worden, imgleichen 1748. am Thurme
zu Witzendorf**), vor ein Paar Jahren in
dem Dorfe Steinbeck, auf unſerer, Nachbar-
ſchaft,
[25] ſchaft, und 1739. zu Haarburg*) wo die
hoͤlzernen Daͤcher der Thuͤrme ſehr zerriſſen, und
1747. zu Parts am groſſen Auguſtinerthurme,
wo alle Schieferſteine, damit das Dach deſſel-
ben gedecket war, herunter geworfen wurden **).
Eine Ausnahme moͤchte vielleicht vorfallen, da
auch eine mit Metall gedeckte Thurmſpitze be-
ſchaͤdiget werden koͤnnte: wenn naͤmlich etwas
Eiſen in dem Sparrwerke nahe an die Helm-
ſtange anſtieſſe, und dieſe hingegen mit dem
Kupferdache nicht zuſammenhinge. Alsdann
koͤnte man befuͤrchten, daß der Blitz in den
Thurm hineingeleitet werden moͤchte. Zur Vor-
ſicht waͤre demnach zu rathen, daß, wenn das
Metall des Daches nicht wuͤrklich an die Helm-
ſtange anſtieſſe, wie es doch gemeiniglich thut,
man eine metallene Verbindung dieſer Theile
mache, und wenn inwendig im Thurme irgend
ein anderes Metall nahe an der Helmſtange
laͤge, das unterſte Ende deſſelben mit dem aͤuſſe-
ren Metalle am Dache verbunden wuͤrde. Wenn
aber ein Thurm neu gebauet wird, ſo ſolte man
verhuͤten, daß inwendig kein [Eiſenwerk] in der
Naͤhe der Helmſtange angebracht wuͤrde. So
B 5waͤre
[26] waͤre alſo die Spitze geſichert. Nun muͤſſen
wir nur dem Blitze auch von dem unterſten
Ende des metallenen Daches einen leichten Aus-
gang verſchaffen, daß er keinen Sprung in das
Gebaͤude thue, ſondern durch ferneres Metall
auſſen herabgefuͤhret werde. Hiezu waͤre nur
noͤthig, von dem Kupferdache an, wenn deſſen
Theile naͤmlich ſich auch bey allen Abſaͤtzen des
Thurmes beruͤhren, etwa an den vier Ecken ei-
nen dicken kupfernen Drath, oder ſonſt ein
Stuͤck Metall, herabgehen zu laſſen, bis es die
bleyernen Rinnen, welche vom Thurme oder
von der Kirche heruntergehen, erreichete. Wenn
das Kirchdach mit Metall gedecket waͤre, davon
hernach die bleyernen Rinnen heruntergingen,
ſo brauchte nur ein Verbindungs- oder Ablei-
tungsmetall vor dem Thurmdache bis zum Kir-
chendache angebracht zu werden. Man verſte-
het leicht, daß dieſe Rinnen oder Roͤhren auch
in eins herunter fortgehen muͤſſen, oder, wenn
ſie ſich nicht beruͤhrten, ſo ſolte man gleichfalls
mit einem Stuͤcke Metall die Verbindung ma-
chen, um allen Sprung der Gewittermaterie
zu verhuͤten. Daß der Blitz, ſo weit er laͤngſt
bleyernen Rinnen laufen koͤnnen, keinen Scha-
den gethan habe, iſt oben ſchon aus verſchiede-
nen Erfahrungen bewieſen. Man muͤßte alſo
endlich nur von dem unterſten Ende der Rin-
nen auch einen metallenen Drath oder Strie-
men Bley herabgehen laſſen, und bis in einen
Canal oder feuchte Erde leiten, damit das
ganze Gebaͤude verſchonet bliebe.
Dieſe Anſtalten ſind ſehr einfach und auf
ſichere Erfahrung gegruͤndet *). Wenn nun
an einer ſchon mit Metall gedeckten Spitze nichts
hinzugethan, oder wo kein metallenes Dach
waͤre, nur von dem ſchon am Gipfel befindlichen
Helmſtangen, Kreutzen oder Wetterfahnen ein
Ableitungsmetall heruntergefuͤhret wuͤrde; ſo
koͤnnte wahrlich doch keine Sorge entſtehen, daß,
wie man von den Franklinſchen ſpitzen Stan-
gen ſich vorgeſtellet hat, vielmehr der Blitz auf
das Gebaͤude geleitet werden moͤchte, davon ich
doch das Mißverſtaͤndniß heben, und vielmehr
zeigen
[28] zeigen werde, daß die Spitzen oben auf den
Gebaͤuden zur Ableitung der Gewittermaterie
vor einem ſtumpfen Metalle noch einen beſon-
dern anſehnlichen Vorzug haben. Herr Doct.
Franklin hatte naͤmlich an zugeſpitzten Metallen
bemerket, daß ſie die electriſche Materie leichter,
und in viel groͤſſerer Entfernung auffangen, als
ein ſtumpfes Metall, und daß dabey, durch die-
ſes gemaͤhlige Zuflieſſen auf eine Spitze, der
ploͤtzliche Schlag, welcher ſonſt entſtehet, und
die Annaͤherung des Koͤrpers, daraus der Schlag
entſpringet, wenn ſolcher beweglich iſt, verhin-
dert wird. Dieſe Beobachtung gab ihm die
erſte Gelegenheit, auf die Beſchuͤtzung der Ge-
baͤude eine Anwendung davon zu machen *).
Er rieth alſo, eine metallene oben zugeſpitzte
Stange, welche einige Fuß hoch uͤber den hoͤch-
ſten Theil des Hauſes, Schorſteins u. ſ. f. er-
haben ſeyn muͤßte, oben daran zu befeſtigen, und
davon einen metallenen Drath herabgehen zu
laſſen. Der dadurch geſuchte Nutzen iſt nicht
allein, daß ein vorbeyfahrender Blitz eher die
metal-
[29] metallene Stange, als einen andern Theil des
Gebaͤudes, treffen moͤge, deßwegen doch dieſe
Anſtalt beſonders bey Gebaͤuden, die nicht mit
Metall gedeckt ſind, zu empfehlen waͤre *);
ſondern auch, daß die Gewittermaterie ſchon
groſſen-
[30] groſſentheils in der Ferne gemaͤhlig ohne Schlag
abflieſſen koͤnne. Wenn aber ja durch ploͤtzli-
ches Heranfahren einer Wolke ein Schlag ent-
ſtehen ſollte, ſo verließ ſich Herr Franklin dar-
auf, daß der Blitz durch die metallene Ableitung
ohne Schaden am Gebaͤude in die Erde herab-
ſtreichen muͤßte. Es wurden an einigen Haͤu-
ſern in Philadelphia dergleichen Zuruͤſtungen
gemacht, und die Erfahrung zeigte, daß Herr
Franklin recht gerathen hatte. Die gemaͤhlige
Ableitung der Gewittermaterie faͤllt zwar nicht
leicht in die Sinne: da aber einſt ein ſtarker
Wetterſtrahl auf ein ſolches Haus zuſchob, ſo
konnte
*)
[31] konnte man augenſcheinlich ſpuͤren, daß die Zer-
ſtoͤhrung deſſelben durch bemeldete Anſtalt abge-
wendet worden ſey. Oben auf der Stange,
welche man an den Schorſteinen dieſes Hau-
ſes einige Fuß hoͤher angebracht hatte, war ein
meßingener 10. Zoll langer, 2 Linien dicker, am
Ende ſcharf zugeſpitzter Drath befeſtiget.
Nachdem nun der Blitz darauf gefallen, wa-
ren nur etwa 2½ Zoll von der duͤnnen Spitze
abgeſchmolzen: das uͤbrige des Drathes, der
Stange beym Schorſteine, welche ½ Zoll dick
war, und der Ableitung, die aus eiſernen vier-
eckten nicht viel uͤber ¼ Zoll dicken Stangen mit
Gliedern zuſammengefuͤget, und auſſen an der
Mauer befeſtiget war, hatte, ſo wie das Haus
ſelbſt, keinen Schaden gelitten. Ein Mann,
der ſich eben in einem Zimmer bey einem Fen-
ſter, welches etwa 2 Fuß von der Ableitung ent-
fernet war, an die Mauer gelehnet hatte, em-
pfand bey dem Schlage eine ſtarke Erſchuͤtte-
rung. Dieſes geſchahe im Jahr 1760. und
ward 1761. aus Philadelphia von Hrn. Rin-
nersley bekannt gemacht *). Nach ſolcher
Probe von der Richtigkeit der 10 Jahr zuvor
geaͤuſſerten Franklinſchen Vermuthung ward die
Erfindung mit groſſem Zutrauen weiter in Nord-
america ausgebreitet, und man bezeuget, daß
ſeit der Zeit kein Gebaͤude daſelbſt, welches mit
einer
[32] einer ſolchen Ableitung wohl verſehen geweſen,
vom Blitze beſchaͤdiget worden, da ſonſt die Ge-
witter oftmahls Schaden verurſachet hatten *).
In einem Berichte vom Jahr 1763 wird ge-
meldet, daß man nur die Veraͤnderung gema-
chet, da die duͤnnen metallenen Spitzen zu Nor-
folk in Virginien ſchon bey verſchiedenen Haͤu-
ſern von Wetterſtrahlen geſchmolzen worden,
Stangen wenigſtens von einem halben Zoll dick
zur Spitze zu gebrauchen **).
Es ſind noch einige Nebenanmerkungen zu
erwaͤgen. Die Zeigerſcheiben auſſen an den
Thuͤrmen, welche aus groſſen kupfernen Plat-
ten zu beſtehen pflegen, erfodern eine beſondere
Aufmerkſamkeit. Denn, wenn ſie nahe un-
ter dem kupfernen Dache gelegen ſind, und der
Blitz auſſen keine Ableitung hat, ſo ſpringet er
auf dieſelben und wird durch die Axe des Zei-
gers inwendig in den Thurm nach der Uhr,
von da durch die metallenen Draͤthe nach den
Glocken u. ſ. w. gefuͤhret. Eben ſo koͤnnen auch
die Glocken, welche an offenen Orten des
Thurms haͤngen, durch die an ihren Haͤmmern
befindlichen Ketten oder Draͤthe, die Gewitter-
materie herein leiten. Dieſes iſt oft der Weg
eines Blitzes in einem Thurme geweſen, davon
man nicht begreifen koͤnnen, woher mitten im
Gebaͤude
[33] Gebaͤude eine und andere Beſchaͤdigung gekom-
men, weil auſſen das metallene Dach u. ſ. f. un-
verſehret war *). Bey unſerm Nicolai Thurme
aber, wo die Zeigerſcheiben nebſt der daſelbſt
Cbefind-
[34] befindlichen Uhr mit dem Kupfer des Daches
umgeben ſind, ſo daß dieſes noch einen Abſatz
tiefer herunter gehet, und die Stunden Glocken
oben bey dem Glockenſpiele in der Laterne haͤn-
gen,
*)
[35] gen, demnach zuſammen in dem Bezirk des
Daches eingeſchloſſen ſind, (da hingegen die
Glocken, welche zum Laͤuten gebraucht werden,
davon abgeſondert im Thurme ſich befinden,)
C 2hat
*)
[36] hat man inwendig bey der Uhr und dem, was
damit zuſammenhaͤnget, keine Beſchaͤdigung
geſpuͤret. Es war naͤmlich der Blitz auſſen am
Dache tiefer herunter geleitet worden, und hatte
davon
*)
[37] davon zu anderm nahen Metalle ſeinen Ausgang
gefunden. Noch zuverlaͤßiger wuͤrden demnach
die von dem Ende des Daches mit Fleiß ange-
brachten und bis in die Erde gefuͤhrten metalle-
C 3nen
*)
[38] nen Ableitungen den Weg des Blitzes nach in-
nen verhuͤten. Solche muͤßten beſonders bey
den Thuͤrmen, wo das Dach mit Frontons
aufhoͤret, darin die Zeigerſcheiben ſind, mit den
vier unterſten Ecken des Kupferdaches, welche
neben den Frontons herunter gehen, verbunden
werden.
Wir finden ferner bey den Wuͤrkungen der
Wetterſchlaͤge eine gewiſſe Richtung. So be-
merket Herr Delaval, daß der Blitz am Bri-
gittenthurme in London bey den Stangen an der
Oſt- und Nordoſtſeite ſeine Wuͤrkung gezeiget,
da
*)
[39] da er die Stangen an der gegenuͤberſtehenden
Seite unbeſchaͤdiget gelaſſen, ſo wie er auch aus
den querliegenden Roſten im Thurme, nach
Oſten oder Nordoſten, und nicht nach Nordwe-
ſten herausgefahren ſey und die Steine wegge-
ſprenget habe. — Iſt dieſe Richtung des Bli-
tzes beſtaͤndig nach einer Weltgegend, oder iſt
ſie aus verſchiedenen Urſachen veraͤnderlich?
Die Naturforſcher werden dieſe Frage einer
Unterſuchung nicht unwerth finden *). Herr
C 4Delaval
[40]Delaval machet nur bey dem angezeigten Falle
die Folgerung, daß ein Wetterſtrahl das Ei-
ſenwerk,
*)
[41] ſenwerk, oder anderes Metall an der einen Seite
des Gebaͤudes noch beſchaͤdigen koͤnnte, wenn
C 5gleich
*)
[42] gleich die andere Seite durch eine Ablei-
tung geſchuͤtzet waͤre, welche das meiſte des
Strahls, was auf die Spitze fiele, herunter
zoͤge. Er will daher, daß die metallene Ablei-
tung, welche von oben herunter gehet, auch
mit andern Stuͤcken Metall, die hie und da im
Gebaͤude liegen moͤchten, eine Verbindung ha-
ben ſollte *). Ich rathe freylich zur Vorſicht
an allen vier Ecken des kupfernen Thurmda-
ches, darinn ſich gewiß ohne Schaden genug
vom
*)
[43] vom Blitze vertheilen kann, Ableitungen her-
unter gehen zu laſſen. Alsdann aber glaube
ich, hat man nicht zu befuͤrchten, daß ein Blitz
mitten am Thurme auf ein Stuͤck Metall fal-
len werde *). Man moͤchte vielmehr meiner
Meynung nach, lieber die Anker **), oder was
ſonſt von Metall am Gebaͤude lieget, wie auch
die Zieferſcheiben †), mit der von oben herun-
ter-
[44] tergehenden Ableitung ganz vorbey gehen,
und dieſe vielmehr, wo moͤglich, davon
entfernen, damit der Blitz gar nicht darauf
reflectire und etwas dadurch ins Gebaͤude
gefuͤhret wuͤrde, welches die anliegenden Thei-
le, oder wenigſtens Menſchen, die ſich da-
ſelbſt aufhalten, beſchaͤdigen koͤnnte *). Denn,
obgleich der Blitz, wenn er auſſen einen freyen
Abzug zur Erde haͤtte, nicht davon abſprin-
gen und Gewalt aͤuſſern wuͤrde, ſo muͤßte
doch alles dieſes Metall in dem Augenblicke, da
das aͤuſſere getroffen wird, mit von der Materie
angefuͤllet werden.
An dem andern Ende unſerer Kirchendaͤcher,
dem Thurme gegenuͤber, pflegt gemeiniglich auch
eine Wetterfahne aufgerichtet zu ſtehen. Dieſe
wuͤrde zu weit von den Ableitungen des Thurms
entfernt ſeyn, und ſie kann, ſo wie anderes Me-
tall zumal am erhabenen Orte, die Gewitter-
materie auffangen. Nachdem naͤmlich die
Wolke hie oder da vorbeyziehet, kann die eine
oder die andere Seite eines Gebaͤudes getroffen
werden, weil der Strahl nach dem naͤchſten
Koͤrper faͤhret, der ihn annimmt *). Wenn
nun das Dach nicht mit Kupfer, ſondern mit
Ziegeln oder Schiefern beleget waͤre, ſo muͤßte
ich rathen, auch von dieſer Stange eine Ablei-
tung herunter zu machen, weil ſonſt die alsdann
darinn angehaͤufte Gewittermaterie, wenn ſie nicht
frey herablaufen kan, dem anſtoſſenden Dache
gefaͤhrlich werden moͤchte. Iſt aber das Dach
mit
[46] mit Kupfer oder anderem Metalle gedecket, ſo
brauchet man nur von dem Ende des Daches
an die Ableitung zu machen. Ueberhaupt koͤnn-
ten allenthalben, wo bleierne Kinnen an be-
quemen Orten herab gehen, ſelbige, ſo wie
oben erwaͤhnet, zu dieſem Nutzen angewendet
werden *).
Wenn ein metallener Drath zur Ableitung
gebrauchet wird, ſo erinnert Hr. Watſon, daß
es rathſam ſey, ihn von Kupfer zu nehmen, in-
dem ein eiſerner, wenn er durch und durch ro-
ſtet, ungeſchickt zum Zwecke wuͤrde, und ein meſ-
ſingner Drath, wenn er lange der freyen Luft
ausgeſetzt iſt, ſproͤde wird und leicht abbricht **).
Die Dicke eines ſolches Drathes muͤßte we-
nigſtens als eine ſtarke Schreibfeder ſeyn, da
er ſich dann noch leicht nach Erfodern biegen
laͤßt. Dieſe Dicke nimmt Hr Watſon nach
der oben erwaͤhnten Erfahrung von der Pen-
dulſtange an, indem ſolche unbeſchaͤdigt einen
hefti-
[47] heftigen Wetterſtrahl abgeleitet hat *). An-
dere fuͤrchten, daß es nicht zureichend ſey, wenn
die Materie des Blitzes anſehnlich waͤre, ſie zu
faſſen, deren Einwuͤrfe ich doch unten zu beant-
worten gedenke. Indeſſen koͤnnte man zur Si-
cherheit bey Thuͤrmen, oder hohen Gebaͤuden,
wohl einige ſolcher Draͤthe zuſammengeſchlun-
gen nehmen. Man kann auch, wo es ſich
ſchicket, eine andere Form von Metalle waͤhlen,
als naͤmlich Striemen von Kupfer oder Bley,
und damit etwa die Verbindung von einer
Rinne bis zur andern, u. ſ. w. machen.
Es iſt aber allerdings zu rathen, daß die me-
tallene Ableitung auſſen am Gebaͤude herunter
gehe, und nicht eingeſchloſſen ſey. Meine Ur-
ſache iſt nicht allein, weil der Drath, wenn er
fuͤr die Menge der durchfahrenden Gewitter-
materie zu duͤnne waͤre, gluͤend, ja in kleine
Theile zerſtaͤubet werden und benachbarte brenn-
bare Dinge anzuͤnden koͤnnte **), (denn dieſes
iſt bey Draͤthen von der beſchriebenen Dicke,
wenn
[48] wenn die Materie frey zur Erde abflieſſen kann,
kaum zu befuͤrchten:) ſondern, weil die Gewit-
termaterie ſehr elaſtiſch befunden wird, und,
wenn ſie in Menge vorhanden iſt, nicht bloß
durch das Innere des Metalles zu gehen, ſon-
dern daſſelbe auch als mit einem wuͤrkſamen
Dunſtkreiſe zu umgeben ſcheinet. Daher, wenn
der Drath zwiſchen Koͤrpern eingeſchloſſen iſt,
welche die Gewittermaterie nicht frey durchlaſ-
ſen, ſo koͤnnten ſelbige zerſchmettert werden *),
oder
**)
[49] oder es koͤnnten wenigſtens Perſonen, die ſich
im Hauſe eben dabey befaͤnden, Schaden neh-
men *). Wenn er aber in freyer Luft iſt, ſo
rauſchet der Blitz ohne Schaden daran herun-
ter ſogar, wenn auch der Drath zu duͤnne
waͤre und geſchmolzen wuͤrde, wie man in der
Kirche zu Newbury und verſchiedenen andern
Beyſpielen erfahren hat **). Man muͤßte nur
Dzur
*)
[50] zur Sicherheit, einen ſolchen bequemen
Ort waͤhlen, die Ableitung am Gebaͤude
herunter zu fuͤhren, wo nicht leicht Menſchen
in der Naͤhe ſich aufhalten, oder aus einer
Thuͤr heraus kommen koͤnnten. Einige ha-
ben ſich indeſſen bey den Ableitungen des Bli-
tzes noch mehrere ungegruͤndete Schwierigkeit
vorgeſtellet. Sie haben naͤmlich gemeinet, daß
das Metall unterwegs keine andere Koͤrper be-
ruͤhren muͤßte, welche irgend die Electricitaͤt an-
nehmen, ſo wie man etwa das Abflieſſen der-
ſelben bey den kleinen electriſchen Verſuchen
durch Glas, Seide und ſ. f. verwehren muß.
Solches iſt bey dem Durchfahren eines Schla-
ges gar nicht noͤthig, denn die Metalle haben
genugſamen Vorzug vor Holz und Steinen,
wenn dieſe auch gleich naß waͤren, um die Ge-
wittermaterie von ihnen abzulocken, wie die
oben angefuͤhrten Erfahrungen von den bleyer-
nen Rinnen beweiſen, dabey, ſo weit das Me-
tall gereichet die anliegenden Theile nicht verle-
tzet worden *). Endlich ſollte aber das Metall,
wie
[51] wie Herr Watſon nicht ohne Grund, wenigſtens
bey beſonderer Gefahr, verlanget, bis in einen
Canal, Brunnen oder Siel, darinn Waſſer
iſt, oder doch in recht feuchte Erde hineingelei-
tet werden. Wir ſehen zwar, daß der Blitz,
wenn er die Erde erreichet, keinen merklichen
Schaden mehr thut, und moͤchten glauben, es
wuͤrde genug ſeyn, wenn der Drath nur die Erde
beruͤhrte. Er berufet ſich aber darauf, daß, da
der Ableitungsdrath von dem obenerwaͤhnten
Hauſe in Philadelphia ſich an einer eiſernen
Stange geendiget, welche 4 oder 5 Fuß tief in
die Erde geſchlagen geweſen, der darauf gefal-
lene Blitz noch 6 bis 8 Fuß weit ſeinen Schein
bey der Stange, uͤber das vom Regen benetzte
Pflaſter der Straſſe, verbreitet hat, und alſo
die Materie nicht ſo geſchwinde von der Erde
ſcheinet angenommen worden zu ſeyn, als ſie
herabgeſtuͤrzet iſt *). Es waͤre demnach zu be-
ſorgen, daß, wenn viel Gewittermaterie auf ein-
mal darauf ſchoͤſſe, ſolche an dem Ableitungs-
metalle ſich noch etwas anhaͤuffen und ihre aus-
dehnende Kraft aͤuſſern moͤchte. Man koͤnnte
ja auch leicht ein Siel oder Goſſe in der Naͤhe
finden, dahin ſich das Ende eines ſolchen Dra-
thes, Bleiſtriemen, oder d. gl. hineinleiten lieſ-
ſe, oder ſelbiges ſo tief in die Erde ſtecken, da
man Waſſer faͤnde, indem der Zweck iſt, daß
die Materie des Blitzes ſich aufs geſchwindeſte
D 2ver-
[52] vertheilen moͤge, dazu, nebſt den Metallen, das
Waſſer am geſchickteſten befunden worden.
Da gegenwaͤrtige Abhandlung dazu beſtim-
met iſt, die Ueberzeugung der Leſer ſo lebhaft
zu machen, daß ein thaͤtiger Nutzen daraus ent-
ſtehe; ſo trage ich kein Bedenken, ein und an-
deres, wenn es gleich den Naturforſchern nicht
neu iſt, weitlaͤuftiger auszufuͤhren, oder auch zu
wiederholen. Ich will demnach, um derer wil-
len, denen die Materie von der Electricitaͤt noch
nicht bekannt genug iſt, eine kurze Erlaͤuterung
hinzufuͤgen. Es ſcheinet mir dieſes um ſo we-
niger uͤberfluͤßig, da ich ſehe, daß auch manche
Gelehrte ſich noch nicht voͤllig richtige Begriffe
von dem oben angeprieſenen Vortheile der Me-
talle machen *), und da man bekanntlich bisher
in Europa ſich dieſe wichtige Entdeckung noch
ſo wenig zu Nutze gemachet hat, auch ſelbſt in
England
[53] England erſt mit Mißtrauen einen Anfang da-
mit machet, welches doch entweder von einem
Mißverſtaͤndniſſe, oder von dem Mangel einer
klaren Ueberzeugung herruͤhren muß.
Die ganze Natur der electriſchen oder Ge-
wittermaterie ſehen wir zwar bey weitem noch
nicht ein: es hat uns aber der Himmel einige
Eigenſchaften davon zu bemerken vergoͤnnet,
welche vielleicht zu unſerm gegenwaͤrtigen Zwecke
zureichen koͤnnen *). Wir ſehen, daß es eine
D 3ſub-
[54] ſubtile kraͤftige Materie ſey, welche unter gewiſ-
ſen Umſtaͤnden eine erſtaunende ausdehnende
Kraft
*)
[55] Kraft aͤuſſert, und durch die Koͤrper, dadurch
ſie hinfahren kann, ſich mit groͤſter Schnellig-
D 4keit
*)
[56] keit und Heftigkeit verbreitet, ſo, daß ſie z. E.
durch eine weite Strecke Waſſers, oder metal-
lenen
*)
[57] lenen Drathes, in einem Augenblicke von einem
Ende bis zum andern hinfaͤhret *)
D 5Sie
*)
[58] Sie ſuchet alſo, wenn ſie in einem Koͤrper, oder
in einem Theile deſſelben, in groͤſſerer Maſſe
vor-
*)
[59] vorhanden, oder auf andere Weiſe wuͤrkſam
iſt, als im andern, mit Heftigkeit das Gleich-
gewicht zu erhalten. *) Die Erfahrung aber, dar-
auf uns Herr D. Franklin durch die bemerkte
Aehnlichkeit der electriſchen Verſuche †) zu ach-
ten,
*)
[60] ten, gelehret hat, und welche ſich mehr und
mehr beſtaͤtiget, zeiget, daß dieſe Materie nicht
durch alle Koͤrper ungehindert und gleich leicht
durchgehet. Von allen Dingen, die wir
kennen, nehmen die Metalle *), das Waſ-
ſer **), einige erhitzte Koͤrper ***), die
Flam-
†)
[61] Flamme *) und die ſubtile Materie, welche ſich
in einem luftleeren Raume befindet **), ſie am
leichteſten an, und laſſen ſie ungehindert durch-
fahren ***). Flamme und Hitze aber machen
zugleich
***)
[62] zugleich um ſich her eine verduͤnnte Luft, oder
beynahe einen luftleeren Raum, Wir ſehen
demnach, daß eine Flamme die electriſche Ma-
terie in groſſer Entfernung annimmt, und ſie
auch weit in die Ferne ausbreitet. Es zeiget
auch die Erfahrung, daß Wetterſtrahle ſehr oft
laͤngſt den Schorſteinen herunterfahren, zu-
mal wenn ſich unten am Heerde Metall befin-
det. Die Urſache ſcheinet mir nicht allein dar-
inn zu ſtecken, weil ein Schorſtein der erha-
benſte Theil des Hauſes iſt, ſondern auch, weil
darinn die Luft verduͤnnet, und auf dem Heerde
eine Flamme vorhanden zu ſeyn pfleget. Nun
koͤnnte man zwar eines Theils, aus dem freyen
Durchfahren und dem Zerſtreuen der electriſchen
Materie durch dieſen Raum, die Meynung des
Landmannes rechtfertigen, da er bey Gewittern
ſeine Zuflucht zum Feuerheerde nimmt *):
wenn man aber die Sache von der andern
Seite betrachtet, ſo ſcheinet der Zug der Ge-
wittermaterie nach dieſer verduͤnnten Luft, und
ihre Fortpflanzung durch die Flamme, viel-
mehr den Auffenthalt daſelbſt unſicher zu ma-
chen,
***)
[63] chen, zumal wenn die Perſonen, welche ſich
beym Feuer aufhalten, Metall bey ſich ha-
ben *). Durch trockene Luft, wenn ſie nicht
ſehr erhitzet iſt, kann die electriſche Materie
nicht leicht durchdringen **). Daher kann ſie
ſich
[64] ſich in den Wolken haͤufig aufhalten, bis ſich
ſolche der Erde und denen darauf hervorragenden
Koͤrpern naͤhern *). Wie ſie in die Wolken
komme
**)
[65] komme und darinn angehaͤuffet werde, unter-
nehme ich nicht zu erklaͤren; genug, daß die
Erfahrung uns die Wuͤrkung der electriſchen
Materie bey den Gewitterwolken deutlich an-
zeiget *). Durch trockenes Holz und Stein,
Ebeſon-
*)
[66] beſonders, wenn ſolche warm ſind, wird ſie auch
nicht leicht durchgelaſſen: vornehmlich aber iſt
bekannt,
*)
[67] bekannt, daß Glas, Schwefel, Pech, Harz,
Seide, Federn u. d. gl. das Durchfahren der
E 2electri-
*)
[68] electriſchen Materie verhindern *). Wenn ſie
nun von einem Koͤrper, darinn ſie aufgehalten wor-
den,
*)
[69] den, auf einen andern, der ſich in einiger Ent-
fernung davon befindet, durch einen hindernden
E 3Zwi-
*)
[70] Zwiſchenraum ſpringet, ſo geſchiehet dieſes mit
einer Flamme, Schlag oder Geraͤuſche, welche
nach der Maaſſe der Materie und Unterſchiedes
vom Gleichgewichte mehr oder wenigeꝛ heftig ſind.
Sie ſcheinet aber durch dergleichen Koͤrper,
welche ſie gern annehmen, auch ſchon in einiger
Entfernung gleichſam angelocket zu werden, und
alsdann den Widerſtand anderer dazwiſchen
liegender nicht zu achten, zumal wenn ſie ſchon
in Bewegung und fortrauſchend war *). Bey
ſolchen
*)
[71] ſolchen Koͤrpern nun, dadurch ſie nicht frey hin-
fahren kann, aͤuſſert ſie alsdenn eine zerſchmet-
ternde Gewalt: dabey werden auch brennbare
Theile oft ſo erhitzt, daß ſie entzuͤndet werden.
Wenn die Metalle, dadurch ſie faͤhret, ſo klein
oder duͤnne ſind, daß ſie ſich gleichſam durch-
draͤngen muß, ſo werden ſelbige auch erhitzt,
ausgedehnet, geſchmolzen, ja gar in unſichtbare
Theile zerſtaͤubet *). Es kann aber eine un-
E 4glaub-
*)
[72] glaubliche Menge electriſcher Materie darinn an-
gehaͤufet werden und durchfahren, ohne ſie zu
beſchaͤdigen.
Um ſich nun zu uͤberzeugen, daß die Gewit-
termaterie, wie man vermuthet hatte, wuͤrkliche
Electricitaͤt ſey, ſchlug Herr Franklin vor, die
Probe mit Ausſteckung metallener Stangen zu
machen. Hiedurch muͤßte ſelbige aus den Ge-
witterwolken, wie von einem electriſirten Koͤr-
per, aufgefangen, und wenn ſie durch andere
Koͤrper verhindert wuͤrde, von der Stange ab-
zuflieſſen, ſo daran angehaͤufet werden, daß
man Funken daraus locken koͤnnte u. ſ. f. Wenn
dieſes eintraͤfe, ſo ſaͤhe er ein, daß man ſich aus
eben dem Grunde des Metalles, wenn es auſſen
an einem Gebaͤude von oben herunter bis auf
die Erde, oder bis ins Waſſer ginge, zur Ab-
leitung der Gewittermaterie bedienen koͤnnte,
damit ſie nicht durch andere Theile des Ge-
baͤudes druͤnge. Da dieſe Gedanken 1751, in
Europa bekannt gemachet wurden, ſo machten
im folgenden 1752ſten Jahre Herr Dalibard
und Herr Delor in Frankreich zuerſt den wuͤrk-
lichen Verſuch, aus einer bloß durch die Ge-
witterluft electriſirten Stange Funken zu ziehen,
und
*)
[73] und bald darauf waren in verſchiedenen Laͤn-
dern die Naturforſcher um die Wette bemuͤhet,
dieſe ſonderbare Entdeckung zu beſtaͤttigen *).
Allein ungluͤcklicher Weiſe blieb man meiſtens
in Europa dabey ſtehen, ſich an dem Auffan-
gen und Anhaͤuffen der electriſchen Materie aus
der Luft zu vergnuͤgen, die Funken zu bewun-
dern, auch ſich davon erſchlagen zu laſſen: die
Hauptſache aber, der von Herrn Franklin vor-
geſchlagene Nutzen der Ableitung **) ward aus
der Acht gelaſſen, unrecht verſtanden †), in Zwei-
E 5fel
[74] fel gezogen *). Weil nun Herr Franklin be-
merkt hatte, daß die electriſche Materie leichter,
gemaͤhliger und in viel groͤſſerer Entfernung auf
eine Spitze, Ecke oder Winkel eines Metalles
zufaͤhret, als auf eine Flaͤche oder ein ſtumpfes
und rundes Ende deſſelben, und daß dadurch
dem gegenuͤberſtehenden Koͤrper ſeine Electrici-
taͤt mit Geſchwindigkeit und doch ohne ploͤtzli-
chen Schlag geraubet wird; ſo wagte er die
Vermuthung, daß durch aufgeſteckte metallene
Spitzen oben an den Gebaͤuden und davon her-
untergehende Ableitung das ploͤtzliche Ausbre-
chen eines Wetterſchlages verhuͤtet, und die
Gewittermaterie behende in der Ferne abgezo-
gen werden koͤnnte **). Ja, er ſchlieſſet aus
ſinn-
†)
[75] ſinnreichen electriſchen Verſuchen, daß die un-
terſten Schweiffe einer Gewitterwolke, wenn
ihnen eine Spitze entgegengekehret iſt, welche
die Electricitaͤt auffaͤnget, ſich nicht ſo, wie ſie
gegen einen flachen oder ſtumpfen Koͤrper thun
muͤßten, darauf ſie den Blitz in geringerer Ent-
fernung auf einmal fahren laſſen, heran ziehen
wuͤrden, ſondern ihrer Electricitaͤt ſchon in der
Ferne ſchleichend, und ehe ein Schlag erfolgte
beraubet, und zu dem uͤbrigen Theile der Wolke
hinauf getrieben werden koͤnnten *). Denn,
da ſonſt, wenn von zween Koͤrpern einer electri-
ſiret, und einer von beyden beweglich iſt, ſelbige
aneinander gezogen werden, bis der Funken
oder Schlag erfolget; ſo findet man, daß,
wenn die Electricitaͤt durch eine Spitze aufge-
fangen wird und davon wieder abflieſſen kann,
der ſchwebende Koͤrper, darinn ſie enthalten iſt,
nicht, wie ſich viele irrig vorſtellen, ſtaͤrker an-
gezogen, ſondern vielmehr weiter, als von einem
ſtumpfen Koͤrper, abgehalten werde, welches
ſich auf die Gewitterwolken, und die Gebaͤude,
denen ſie drohen, anwenden laͤſſet **). Es zei-
get
**)
[76] get ſich aber in der That die Gewittermaterie
an metallenen Spitzen mit denſelben Erſcheinun-
gen,
**)
[77] gen, als bey den electriſchen Verſuchen: denn,
bey ſolcher gemaͤhligen Wuͤrkung der Electrici-
taͤt aͤuſſert ſie ſtatt der Flamme nur einen Glanz
in ausgeſtreuten Strahlen, und ſtatt des Knal-
les nur ein ſchwirrendes Geraͤuſche. Wenn
man demnach bey einer Gewitterluft dergleichen
electriſches Licht erſcheinen laſſen will, ſo kann
man
**)
[78] man nur an einem freyen Platze eine oben zu-
geſpitzte metallene Stange, daran eine Ablei-
tung herunter gehet, aufſtecken, ſo wird ſich,
wenn es dunkel iſt, die Gewittermaterie auf
bemeldete Weiſe zeigen: und wenn ein ſolches
Metall in einem Stuͤcke bis auf feuchte Erde
reichet, ſo flieſſet die Materie dadurch unmerk-
lich hin, daher laͤſſet ſie den Schein nur oben
an der Spitze, und wenn ſie in Menge darauf
ſchieſſet, auch etwa unten bey der Erde ſehen,
nicht aber mitten am Metalle. Will man ihre
Gegenwart auch daſelbſt wahrnehmen, ſo muß
eine kleine Unterbrechung des Metalles gemacht,
oder eine Kette zur Ableitung gebrauchet wer-
den, an deren Gliedern ſodann die Feuerfun-
ken herunterrauſchen *). Eben dieſen Schein
an metallenen Spitzen hatte man, ohne zu wiſ-
ſen
[79] ſen was es waͤre, ſchon von alten Zeiten her in
der Natur bemerket; denn es iſt bekannt, daß
eiſerne Stangen, oder anderes Metall, welches
Spitzen oder Ecken hat, oben an den Schiffen
und anderer Orten oft bey einer Gewitterluft,
oder auch bey einem Sturme, der Gewitterma-
terie herfuͤhret *), ohne daß es allemal dabey
blitzet, einen Glanz zeigen, den man St. El-
mesfeuer genannt hat, und welcher nichts an-
ders iſt als die electriſche Materie, welche ge-
maͤh-
*)
[80] maͤhlig und ohne Schlag, jedoch zuweilen mit
einem merklichen Sauſen oder Schwirren dar-
auf aus der Luft herabflieſſet *). Insbeſondere
aber muß ich bemerken, daß wir ſchon einige
Nachrichten von dem wuͤrklichen durch Herrn
Franklin vermutheten Nutzen metallener Spi-
tzen, die ſich oben an Gebaͤuden befunden, auf-
weiſen koͤnnen, wo ſelbiger doch nicht mit Fleiß
geſuchet war. Durch ſolche Erfahrungen koͤn-
nen
*)
[81] nen alle unſere Gruͤnde unterſtuͤtzet werden. So
wird durch das Zeugniß der Einwohner von
Plauzat in Auvergne, und durch den Bericht
des Pfarrers daſelbſt, Hrn. Binon, bekraͤfti-
get, daß, ſobald ſich auf dem eiſernen Kreutze,
welches dort oben auf einem Thurme ſtehet und
nicht angemahlt oder gefirniſſet iſt, an deſſen
dreyen in Form einer franzoͤſiſchen Lilie zuge-
ſpitzten Enden, bey einem Gewitter dergleichen
Lichter ſehen laſſen, man ſich aus alter Erfah-
rung ſicher haͤlt, daß kein Schaden vom Wet-
ter zu befuͤrchten ſey *). Eben dergleichen hat
man ſeit langer Zeit bey einem Thurme eines
Schloſſes des Ritterguts Kreibitzſch, welches
auf einem hohen Berge zwo Stunden von
Naumburg gelegen iſt, angemerket. Die aͤlte-
ſten Einwohner haben ſich nicht zu erinnern ge-
wußt, daß ein Wetterſtrahl an dieſem Orte
eingeſchlagen haͤtte, wenn ſich bey Annaͤherung
eines Gewitters eine Flamme oder Licht an der
Spitze dieſes Thurmknopfes habe ſehen laſſen.
Vor einigen Jahren aber iſt der Knopf, weil
er mit einer Kugel durchſchoſſen geweſen, abge-
nommen, nach geſchehener Ausbeſſerung wie-
der aufgeſetzet, und der Thurm dabey um
6 Schuhe erhoͤhet worden. Gleich darauf
Fſchlug
[82] ſchlug bey einem entſtandenen Gewitter, dabey
ſich die Flamme uͤber dem Knopfe nicht ſehen
lieſſe, ein Blitz in den Thurm, und zerſchmet-
terte das Mauerwerk. Seit nachmahliger Aus-
beſſerung hat ſich zwar das Licht uͤber dem Knopfe
wieder ſehen laſſen, aber der Blitz hat doch ſchon
fuͤnfmal auf dieſem Gute eingeſchlagen, und wenn
ſich nun ein Gewitter auf eine gewiſſe Weite
dem Thurme naͤhert, ſo entſtehet gemeiniglich ein
heftiger Knall und Schlag, doch ohne Zuͤndung *).
Wir koͤnnen gewiß vermuthen, daß durch die
Ausbeſſerung dieſes Thurms etwas, entweder an
der Spitze veraͤndert worden, dadurch die Ge-
wittermaterie nicht ſo leicht, wie zuvor, kann
gemaͤhlig aufgefangen werden, oder, daß ſie vor-
dem eine beſſere Ableitung gehabt, und itzt durch
Verderbung derſelben nicht genugſam abflieſ-
ſen kann, ſondern, wenn ſie zu ſtark darauf zu-
faͤhret, angehaͤufet werden muß. Es waͤre alſo
leicht Huͤlfe zu ſchaffen, und den Einwohnern
die Sicherheit, deren ſie zuvor genoſſen, wenn
eine Gewitterwolke den Strich hergekommen,
daß ihre Materie von der Thurmſpitze koͤnte auf-
gefangen werden, wieder zu geben. Man muß
ſich aber wahrlich wundern, daß dergleichen zu-
faͤllig errichtete Spitzen ſo viel haben ausrichten
koͤnnen, da doch leicht zu erachten iſt, daß ſich
nir-
[83] nirgends eine vollkommene Ableitung, ſo, wie
man ſie mit Fleiß anbringen koͤnnte, daran be-
finden wird. Es muß nur durch die gemaͤh-
lige Zuſtroͤmung der Gewittermaterie erhalten
worden ſeyn, daß ſolche einigermaſſen durch
das Gebaͤude, oder etwa auſſen an demſelbi-
gen, wenn es naß geregnet geweſen, genugſamen
Durchgang gefunden, und ſich ohne Schlag
hat verlieren koͤnnen. Denn, ſo lange ſich auf
der Spitze noch der brauſende Schein ſehen laͤſ-
ſet, iſt es ein Zeichen daß die electriſche Mate-
rie beſtaͤndig durchflieſſen kann*): wenn ſelbige
F 2aber
[84] aber nicht nach ihrer Maſſe nicht gemaͤhlig ge-
nug aufgefangen werden, oder nicht frey genug
ſich vertheilen kann, ſo entſtehet ein Schlag.
Weil es nun auch bey den Maſtbaͤumen der
Schiffe, die von harzigem Holze und noch dazu
mit Oehl beſtrichen, oder getheeret ſind, an der
noͤthigen Ableitung von dem oberen Eiſen feh-
let, da, was abgeleitet wird, nur laͤngſt dem
naſſen Tauwerke der getheerten Waͤnde des Ma-
ſtes, und von da uͤber Bord zu gehen ſcheinet,
ferner auch das Eiſen der Flaggenſtange nicht
ſpitz genug zur gemaͤhligen Auffangung der
Gewittermaterie iſt; ſo kann, wenn ſolche auf
einmal zu haͤufig heran koͤmmt, auf ein St.
Elmesfeuer auch wohl ein wuͤrklicher Blitz und
Schlag erfolgen *). Da aber die Materie ſich
noch
*)
[85] noch weniger vertheilen kann, wenn ſie nur von
einer Spitze aufgefangen wird, als wenn ſie
auf mehrere zugleich herabſtroͤmet: ſo mag
wohl zum Theil daher die Bemerkung der Al-
ten einigen Grund haben, daß eine einzelne der-
gleichen Flamme auf einem Schiffe von gefaͤhr-
licher Vorbedeutung, wenn ihrer aber ein Paar
ſich ſehen lieſſen, ſolches ein gluͤckliches Zeichen
bey einem Ungewitter ſey *). Es kann aber
F 3auch
*)
[86] auch bey einem Gewitterregen eine ſichtbar
phosphoriſche oder ſchwefelichte Materie aus
den Wolken herabgefuͤhret werden, welche zu-
weilen im Dunkeln, nicht allein an metallenen
Spitzen, ſondern auch hie und da auf an-
dern Koͤrpern leuchtet *). Dieſes will ich nicht
mit
*)
[87] mit dem electriſchen Scheine, davon oben ge-
redet iſt, verwechſeln, ob zwar ſolche Materie in
der Luſt vielleicht die Erzeugung der Electrici-
taͤt befoͤrdern, und ſelbige demnach mit dem
phosphoriſchen Regen zugleich herabgeleitet
werden kann, welches noch weiter zu betrachten
waͤre *).
Es fangen indeſſen auch Metalle, die nicht
zugeſpitzet ſind, ja auch andere Koͤrper die Ge-
wittermaterie aus der Luft auf, welches man
nur nicht anders bemerken kann, als wenn man
das Abflieſſen derſelben nach der Erde hin ver-
wehret **). Wie viel aber aus der Hoͤhe bloß
F 4durch
*)
[88] durch einen duͤnnen metallenen Drath bey einer
Gewitterluft aufgefangen, und daran, wenn der
Abzug verhindert wird, angehaͤufet werde, kann
man aus einem faſt fuͤrchterlichen Verſuche des
Herrn de Romas zu Nerac in Frankreich ur-
theilen. Er ließ einen groſſen ſogenannten Dra-
chen von Papier, welches mit Oehl beſtrichen
war, an einer mit einem duͤnnen meßingnen
Drathe umwundenen Schnur uͤber 600. Fuß
hoch, bey ziemlich ſtarkem Winde, in die Luft
fliegen, als Gewitterwolken daher zogen, obwohl
kein Blitz, wie auch nur einiger Donner aus
der Ferne, und wenig Regen an dem Orte ver-
ſpuͤret
**)
[89] ſpuͤret wurden. Damit nun die Gewitterma-
terie von der Drachenſchnur, oder dem daran
befindlichen metallenen Drathe, nicht abgezogen
werden, und ſich in die Erde verlieren moͤchte,
ſo hatte er das Ende derſelben an einer 3½ Fuß
langen ſeidenen Schnur angebunden, und ſolche
unter einem Vordache, damit ſie nicht naß reg-
nete, befeſtiget. Die Gewittermaterie haͤufete
ſich demnach ſo an, daß rund um die Drachen-
ſchnur ein ſteter Lichtcylinder geſehen wurde,
welcher bey hellem Tage 3 oder 4 Zoll im Durch-
ſchnitte hatte *). Ein Strohhalm, der ſich
unter der Schnur auf der Erde befand, und
einen Fuß lang war, ward davon angezogen,
und folgte ihr viele Ellen hoch in die Luft **).
F 5Wenn
[90] Wenn nun dieſer oder ein anderer Koͤrper ſich
dem metallenen Drathe naͤherte, ſo brachen in
der Entfernung von einigen Schuhen ziemliche
Flammen mit einem Knalle, als ein Piſtolen-
ſchuß, hervor. Es ward auch von den Anwe-
ſenden ein ſchwefelichter Geruch verſpuͤret *).
Wenn alſo eine zu Auffangung der Gewit-
termaterie ausgeſteckte Stange, und was da-
mit von Metall verbunden iſt, durch ſolche Koͤr-
per
*)
[92] per umgeben wird, welche die Electricitaͤt nicht
frey durchlaſſen, ſo laͤßt ſich dieſe aus den Wol-
ken in ſo betraͤchtlicher Maſſe daran ſammlen
und anhaͤufen, daß man bey Annaͤherung eines
andern Koͤrpers an dieſes Metall, wenn auch
gleich kein Blitz auf einmal aus der Luft dar-
auf zuſchoͤſſe, nicht allein kleine Funken mit Ge-
raͤuſche, wie bey den kuͤnſtlichen electriſchen
Verſuchen, daraus locken kann; ſondern der
Funken oder die Flamme kann ſo ſtark werden,
daß es einen gefaͤhrlichen Schlag giebet, noch
mehr aber muß ſolches geſchehen, wenn wuͤrk-
lich ein Blitz aus einer Gewitterwolke die Stange
trifft. Dieſes iſt dem geſchickten Naturforſcher,
Hrn. Prof Richmann, in Petersburg wieder-
fahren, und hat zu vielem Mißverſtaͤndniſſe von
gefaͤhrlicher Anziehung des Blitzes durch die
Stangen, Anlaß gegeben. Allein, was that
Hr. Richmann? Hatte er fuͤr eine Ableitung
der Gewittermaterie auſſen am Hauſe geſorget?
Keinesweges: er hatte vielmehr gerade das
Gegentheil von dem, was wir oben angera-
then haben, gethan, und auch thun wollen.
Hr. Richmann wollte naͤmlich mit Fleiß die
Gewittermaterie an ſeinem Metalle anhaͤufen,
um die Wuͤrkung davon zu ſehen, weil die Be-
merkung damals noch neu war *). Er hatte
alſo
[93] alſo von der oͤbern Stange einen metallenen
Drath in ſein Haus hereingeleitet, und allen
Abfluß verhindert. Nun kam unvermuthet,
als kurz vorher das Gewitter noch weit entfernet
ſchiene, ein ſtarker Zuſchuß der Materie auf eine
Zuruͤſtung, und als er einen Fuß weit davon,
Achtung darauf gab, ſchoß ein Fauſt dicker Fun-
ken gerade auf ſeinen Kopf zu, und der Schlag
fuhr durch ſeinen Koͤrper, ſo, daß es ihm das
Leben
*)
[94] Leben koſtete. Dieſe Geſchichte zeiget alſo in
der That nichts anders, als was wir eben er-
weiſen wollen, naͤmlich, daß das Metall die
Gewittermaterie angelocket habe, und demnach,
wenn es auſſen am Hauſe bis in die Erde herun-
ter geleitet geweſen, der Blitz nicht in das Haus
gefahren waͤre *).
Um alſo die Sache noch einmal kurz vorzu-
ſtellen und verſchiedenen Einwuͤrfen zu begegnen,
muß ich nur erinnern, daß das anlocken, auf-
fan-
*)
[96]fangen, zuſpringen, anhaͤufen und ableiten
der Gewittermaterie wohl zu unterſcheiden ſey,
Die Metalle locken allerdings die Gewitterma-
terie an ſich: dies iſt aber eben die Eigen-
ſchaft, welche wir zu Nutzen anwenden koͤn-
nen. Denn, wenn wir Metall auſſen am Ge-
baͤude herunter gehen laſſen, ſo locken wir den
Blitz nicht auf uns zu, ſondern vom Gebaͤude
ab in die Erde. Daß nun die Spitzen dieſe
Materie in groͤſſerer Entfernung auffangen als
Metalle von anderer Geſtalt, ſolches iſt ein
wahrer Vortheil, indem es, wie geſagt, nicht
allein den Nutzen ſchaft, daß der Blitz nicht
eine andere Ecke des Gebaͤudes treffe, wo er
Gewalt ausuͤben wuͤrde, ſondern auch eben da-
durch das gefaͤhrliche ploͤtzliche Zuſpringen des
Blitzes, und die Annaͤherung der Wolke, dar-
aus der Schlag ſonſt entſtehen wuͤrde, verhuͤ-
tet
*)
[97] tet wird *). Nur dann iſt das Auffangen ge-
faͤhrlich, wenn die Gewittermaterie in dem Me-
talle ſich anhaͤufen kann. Dies iſt aber eben
Gder
[98] der itzige Zuſtand unſerer Thuͤrme und anderer
Gebaͤude, davon wir die Gefahr abzuwenden
wuͤnſchen, indem ſie Stangen, Knoͤpfe, Wet-
terfahnen und anderes Metall haben, dadurch
die Gewittermaterie angelocket wird, und an
welchem ſie ſich ſammlen muß, weil das Metall
zerſtreuet oder mit andern Koͤrpern umgeben iſt,
durch welche ſie nicht frey durchfaͤhret. Ganz
ein anderes geſchiehet, wenn von der obern
Stange an, das Metall bis ins Waſſer oder
in feuchte Erde, welche die electriſche Materie
annehmen, heruntergefuͤhret, und dieſe alſo da-
durch abgeleitet wird. Alsdann vertheilet ſie
ſich augenblicklich, und wird nie angehaͤufet,
wenn ſie gemaͤhlig aus der Gewitterluft durch
die Stange aufgefangen wird. Es laſſen ſich
deshalben aus ſolchem Metalle mittelſt Annaͤ-
herung eines andern Koͤrpers keine Funken zie-
hen *), und die Electricitaͤt zeiget nur etwa beym
Eingange und Ausgange einen Schein, oder
wo
*)
[99] wo das Metall unterbrochen iſt, ihre Funken.
Nun kann zwar auf einmal eine Wolke mit ſo
ſtarker Electricitaͤt herankommen, daß die Spitze
ſie nicht in der Ferne gemaͤhlig aufzufangen
vermag, ſondern wie gewoͤhnlich, Blitz und
Schlag entſtehen. Allein, ſogleich faͤhret doch
die Materie durch das Metall ohne Schaden
hin, und wird von dem Schaden, den ſie ſonſt
andern Koͤrpern zufuͤgen wuͤrde, abgeleitet *).
Ja, wenn auch das Metall, welches alſo ge-
troffen worden, gar zu duͤnne geweſen, und
durch die ſchnelle Bewegung der durchdringen-
den Feuermaterie erhitzet, geſchmolzen oder zer-
ſtaͤubet iſt, ſo hat es doch noch, wie oben er-
wehnet worden, die Dienſte der Ableitung von
G 2andern
[100] andern Koͤrpern verrichtet. Wenn aber nur
die Materie ungehindert ſich weiter ausbreiten
und verlieren kann, ſo iſt eine maͤßige Dicke
des Metalles, wie etwa ein Gaͤnſekiel, ſchon
gemeiniglich zureichend geweſen, dem Schmel-
zen von einem Blitze zu widerſtehen. Hinge-
gen koͤnnen allerdings andere, naͤmlich heftigere
Wuͤrkungen vom Blitze bey abgeſonderten, und
mit verſchiedener Art Koͤrpern umgebenen Stuͤ-
cken Metall entſpringen, von welchen die Ele-
ctricitaͤt nicht abgeleitet, ſondern darin ange-
haͤufet wird. So wundert es mich gar nicht,
daß im Brigittenthurme zu London, eine eiſerne
Stange, welche 1½ Zoll dick, und 2½ breit
war, von dem Wetterſtrahle mitten von einan-
der gebrochen worden. Sie lag in der Quere,
war an beyden Seiten in ſtarke Steinwaͤnde
eingeſchloſſen, zwiſchen welchen ſie 21. Zoll [l]ang
Raum, uͤber ſich aber gleichfals gehauene Steine
liegen hatte. Daher blieb die electriſche Ma-
terie darinn angehaͤuft, dehnte ſie aus, ſtieß ſie
von den obern Steinen ab, bog ſie nach unten
zu, und zerbrach ſie. Eben ſo verhielte es ſich
mit andern Stangen, deren Herr Wilſon ge-
denket, und welche zerbrochen oder geſchmolzen
worden *). So werden auch Kreutze oder
Helm-
*)
[101] Helmſtangen, welche nicht mit einem metalle-
nen Dache verbunden ſind, ſondern auf einem
Steine ruhen, oder mit Holz und Schiefern
umgeben ſind, oft vom Blitze zerbrochen *).
Auch die Wuͤrkungen bey andern Stuͤcken Me-
tall, als einen Degen in der Scheide, Geld in
der Taſchen, Schnallen in den Schuhen,
u. ſ. w. welche zuweilen vom Blitze geſchmol-
zen worden, gehoͤren zu dergleichen Anhaͤufung,
und muͤſſen vielmehr zu unſerm Zwecke anra-
then, als daß ſie uns bey einer Ableitung durch
Metall welches bis auf die Erde reichet, irre
machen koͤnnten **).
Ich muß aber doch eines Vorſchlages ge-
denken, darauf einige, in der Abſicht, die Ge-
fahr des Blitzes abzuwenden, gefallen ſind, und
der gerade unſerm oben gegebenen Rathe ent-
gegengeſetzet iſt, da er doch aus einerley Erfah-
rungen zu entſpringen, und alſo nicht unge-
gruͤndet ſcheinet. Man glaubte naͤmlich, es
muͤßte am dienlichſten ſeyn, ſich ſolcher Koͤr-
per zur Bedeckung fuͤr den Blitz zu bedienen,
welche die electriſche Materie nicht durchlieſſen,
und hingegen die Metalle, welche ſie gern an-
nehmen, zu entfernen. So raͤth z. E der
galante Abbé Poncelet, ſich eine Art von Ge-
zelte von harzigem Holze, ohne einigen Nagel
oder anderes Eiſen, errichten zu laſſen, ihm kein
ſpitzes, ſondern ein rund gewoͤlbtes Dach zu
geben, ſodann es mit einem dreyfachen Wachs-
tuche uͤberziehen und inwendig mit Seidenzeug
ausſchlagen zu laſſen *). Auf gleiche Weiſe
koͤnnte man etwa, ohne ſo viel ſonderbare Um-
ſtaͤnde
[103] ſtaͤnde, ſein Haus mit glaſurten Dachziegeln
oder d. gl. zu bedecken anrathen. Allein, ich
werde zeigen, wie unſicher ein ſolcher vermeinter
Schutz ſey, wenn man den Blitz nicht durch
Metalle auſſen vom Gebaͤude ablocken will *).
Denn, daß derſelbe auch auf andere Koͤrper
zufahre, wenn er kein Metall vorfindet, iſt be-
kannt, und es beweiſen ſolches die Wetter-
ſchlaͤge an Baͤumen in Waͤldern u. ſ. f. **).
Es wuͤrde auch bey einem Gewitter die aͤuſſere
Flaͤche von dergleichen Gebaͤuden, wenn man
nicht noch wieder ein beſonderes Schutzdach
daruͤber machen wollte, doch vom Regen naß
werden, und alsdann haftet, wie man weiß,
die electriſche Materie darauf. Daß ein ſtum-
pfer Koͤrper aber, da er dieſe Materie nicht ge-
maͤhlig auffaͤngt, eben verurſachet, daß die
Wolke ſich heranziehen und Blitz und Schlag
ploͤtzlich herausfahren muß, habe ich ſchon er-
innert. Der Blitz wuͤrde ferner auch eine un-
bedeckte Ecke eines ſolchen Gebaͤudes, oder eine
Ritze der Bedeckung treffen, dadurch er erfah-
G 4ren
[104] ren koͤnnte *): und alsdenn wuͤrde die Zerſtoͤ-
rung deſto groͤſſer ſeyn, weil er allenthalben ſol-
chen Widerſtand antraͤte, den er zerſprengen
muͤßte. Ja, ich fuͤrchte, die Gefahr wuͤrde
durch dieſe Anſtalt auf aͤhnliche Weiſe vermeh-
ret werden, als in dem bekannten Leydenſchen
Verſuche, da man an der einen Seite einer
mit Waſſer gefuͤllten Flaſche, oder einer Glas-
platte **), die electriſche Materie anhaͤufet,
welche hernach, wenn ſie zu der entgegengeſetz-
ten Seite dieſer Koͤrper, dadurch ſie nicht drin-
gen konnte, einen Uebergang gewinnet, deſto
groͤſſeren Schlag und Gewalt aͤuſſert. Die
Erfahrung bezeuget aber auch, daß die electriſche
Materie, ſowohl beym Blitze, als wenn ſie bey
Verſuchen in Bewegung geſetzt iſt, oft durch
Wachstuch, bemahltes Leinewand, Glas, und
ſ. f.
[105] ſ. f. Loͤcher ſchlaͤget *). So koͤnnen uns Muth-
maſſungen betriegen! Ich habe mich demnach
zu Beſtaͤtigung des oben erwehnten Franklin-
ſchen Rathes bloß auf die Erfahrung berufen,
und nicht allein die electriſchen Verſuche, ſon-
dern ſelbſt die Wuͤrkungen des Blitzes angefuͤh-
ret, davon wiederholte Beobachtungen, die Si-
cherheit der Ableitung durch Metalle genugſam
beweiſen; ſo, daß wir keinen beſſern Weg,
als den uns die Natur zeiget, zu ſuchen
haben.
Wenn aber der Gebrauch der Ableitungen
mit ſpitzen Stangen einmal eingefuͤhret waͤre,
G 5und
**)
[106] und man viele derſelben in einer Stadt, oder
um die Stadt herum an erhabenen Orten auf-
richten wollte, ſo koͤnnte man ſogar hoffen, daß
ſie das meiſte der Gewittermaterie in der Stille
ohne Schlag auf die Erde herabfuͤhren wuͤr-
den. Daß vieles davon, auch wenn keine
Wetterſchlaͤge entſtehen, aus der obern Luft
an dem Metalle herabgeleitet werden koͤnne, zei-
get die Erfahrung, wie oben beſchrieben, wenn
man die Materie verhindert, ſich in die Erde
zu verlieren, wiewohl dieſes nur geſchiehet, um
ſie in die Augen fallen zu machen. Wenn aber
das Metall bis in die Erde reichet, ſo kann ſie in
unglaublicher Menge beſtaͤndig durchſtroͤmen,
weil der Abzug nach Maſſe des Koͤrpers iſt,
darinn ſie ſich vertheilen kann. Es iſt alſo der
Einwurf, den einige machen, daß der Umſang
des Metalles zu dem Umfange der Gewitter-
wolken von geringer Bedeutung ſey, nicht ge-
nug uͤberlegt, weil es hier nicht darauf an-
koͤmmt, wie viel das Metall ſelbſt faſſen, ſon-
dern wie viel bey dem ſchnellen Durchſtroͤmen
dadurch in die Erde vertheilet, oder, wie die
uns unbekannte electriſche Bewegung durch die-
ſen Zuſammenhang ins Gleichgewicht geſetzet
werden kann *). Daß, das Herabſtroͤmen
auf
[107] auf die Spitzen zu Plauzat und Kreibitzſch
dergleichen Wuͤrkung gehabt, hat die Erfah-
rung der Einwohner bekraͤftiget. Wir wuͤrden
alſo mit dergleichen Anſtalt, der Natur nach-
ahmen, da uns der Schoͤpfer eine gleiche Wohl-
that durch den Regen erweiſet. Daß der Re-
gen das Gewitter mildere, weiß ſchon der ge-
meine Mann: und gewiß die Schlaͤge bey
trockener Luft ſind die gefaͤhrlichſten, weil die
electriſche Materie alsdann am meiſten ſich an-
haͤufet. Das Waſſer, wie geſagt, nimmt ſie
an, vertheilet ſie, und fuͤhret eine Menge mit
den Regentropfen gemaͤhlig herunter *). Wenn
aber
[108] aber gleich nicht alle Gewittermaterie durch ſol-
che Spitzen in der Stille abgeleitet werden
kann,
*)
[109] kann, ſondern zuweilen, wegen ſchnell heran-
kommender Wolken, mit ſtarker Electricitaͤt,
noch
*)
[110] noch Schlaͤge nach der Erde oder den Gebaͤu-
den hin entſtehen muͤſſen; ſo iſt doch der Nu-
tzen groß genug, daß ſolche durch die Stangen
aufgefangen, und wie in dem obenangefuͤhrten
Beyſpiele des Hauſes in Philadelphia, abge-
halten werden, andere Koͤrper in der Naͤhe zu
treffen, wo ſie Schaden thun wuͤrden *).
Unſere Nachkommen werden laͤcheln, daß
man itzt noch groſſe Ermahnungen noͤthig gehabt,
auf ſeine Sicherheit bedacht zu ſeyn, und un-
ſere Vernunft, nach goͤttlicher Abſicht, dazu
anzuwenden, uns die Kraͤfte der Natur ſo viel
moͤglich unterthan zu machen. Sie muͤſſen uns
aber entſchuldigen, daß wir, ſo lange eine Sa-
che noch nicht bis zur klaren Ueberzeugung aus-
gemacht war, unſern Beyfall zuruͤck gehalten
haben. Nur dann iſt die Nachlaͤßigkeit zu ta-
deln, wenn man die Unterſuchung wichtiger
Wahrheiten und die Nutzung beſtaͤtigter Be-
obachtungen verſaͤumet.
Man erlaube mir ſchließlich noch einige all-
gemeine Anmerkungen beyzufuͤgen, welche dem
Zwecke unſerer Geſellſchaft, der Befoͤrderung
gemeinnuͤtziger Unterſuchungen, gemaͤß ſcheinen.
Wir ſehen, daß die Eigenſchaft der Metalle
den Blitz anzulocken und durchzulaſſen aus kla-
ren Erfahrungen ſich zeiget. Wenn man aber
weiß, wodurch der Blitz angelocket wird, ſo
weiß man auch, wodurch man ihn von andern
Theilen ſeines Gebaͤudes ableiten und Schaden
verhuͤten kann. Dennoch ſind einige tauſend
Jahre verfloſſen, ehe dieſe wichtige Entdeckung
gemacht worden. Wir ſind ſie auch nicht dem
bloſſen Zufalle ſchuldig; ſondern Herr Frank-
lin hat ſie durch Nachdenken bey electriſchen
Verſuchen erfunden *). Sollten wir dann
nicht auch hieraus die Lehre ziehen, daß keine
Bemerkung von Wahrheiten, und von natuͤr-
lichen Eraͤugnungen oder Kraͤften geringe zu
ſchaͤtzen ſey, wenn ſich gleich nicht alsbald ein
ſinnlicher Nutzen davon ſpuͤren laͤſſet **).
Die Begebenheiten in der Natur und in
der zufaͤlligen Verknuͤpfung der Dinge ſind
fuͤr das Reich der Wiſſenſchaften dasjenige,
was einem Kaufmanne die ſogenannten Con-
juncturen ſind. Ein witziger Kopf bemerket ſie,
denkt nach, und wendet ſie gluͤcklich zu ſeinem
Vortheile an, da indeſſen andre die koſtbare
Gelegenheit unbeobachtet und ungenutzt vor-
beyſtreichen laſſen und verarmen.
Die Geſchichte hat uns laͤngſt belehret,
daß die meiſten und wichtigſten Entdeckungen
der Menſchen ihren erſten aͤuſſerlichen Grund
in gewiſſen unvermutheten Begebenheiten oder
ſogenannten Zufaͤllen haben. Dieſes, was ein
Ohngefehr genannt wird, iſt vielmehr der goͤtt-
lichen Vorſehung zuzuſchreiben, welche uns
dabey eine reiche Quelle zur Erweiterung un-
ſers Erkenntniſſes und allgemeinen Nutzens an-
bietet. Allein, es hat auch bey den Menſchen
ſelbſt eine ſcharfſichtige Beobachtung aller Um-
ſtaͤnde, zuweilen auch mancher mit Fleiß ange-
ſtelleter Verſuch, ferner, eine nachforſchende
Vergleichung mit andern aͤhnlichen Faͤllen,
eine geſchickte Folgerung und Anwendung aus
anderweitiger Erfahrung und Wiſſenſchaft
hinzu kommen, und alles durch die loͤbliche
HEmſig-
**)
[114] Emſigkeit, zum Nutzen des menſchlichen Ge-
ſchlechts zu arbeiten, belebet werden muͤſſen:
ſonſt waͤre der Vortheil dieſer angebotenen
Gelegenheit, wer weiß auf wie viele Jahrhun-
derte, fuͤr uns verlohren geweſen.
Manche ziemlich bekannte und gemeinnuͤ-
tzige Erfindungen ſind auf dieſe Art aus einem
ſcharfſinnig beobachteten Zufalle entſprun-
gen *). Es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, ſie
alle umſtaͤndlich zu beſchreiben. Vielleicht haͤt-
ten noch unzaͤhlig viele andere zufaͤllige Bege-
benheiten eben ſo fruchtbar wie jene werden
koͤnnen, deren Eraͤugnung nun durch die Schlaͤf-
rigkeit der Menſchen nicht einmal beobachtet,
geſchweige dann zu nuͤtzlichen Erfindungen an-
gewandt iſt.
Ein Beyſpiel will ich doch zur Erlaͤute-
rung etwas ausfuͤhrlich erzehlen. Wuͤrden
wir itzt wohl das vortrefliche Werkzeug der
Penduluhren haben, welche zu aſtronomiſchen
Beobachtungen und andern phyſiſchen, politi-
ſchen und haͤuslichen Gebrauche ſo groſſe Dien-
ſte thun, wenn nicht ein Galilaͤi im vorigen
Jahr-
[115] Jahrhunderte auf einen geringſcheinenden Zu-
fall geachtet, und ein Huygens ſeine daraus
gezogene Entdeckung weiter genutzet haͤtte? Es
ward naͤmlich Meſſe gehalten, als eben ein hef-
tiger Wind durch die Kirche ſtrich, und die haͤn-
genden Kronleuchter in Bewegung ſetzte. Man
kann gerne glauben, daß dieſer Wind fuͤr aller
uͤbrigen heiligen Einfalt wuͤrde umſonſt gewehet
haben, wenn nicht zum Gluͤcke Galilaͤi der
Meſſe beygewohnet haͤtte, welcher ſeine Auf-
merkſamkeit auf dieſe Eraͤugnung fallen ließ,
als er meinte wahrzunehmen, daß die Krohn-
leuchter ihre Schwingungen in verſchiedener
Geſchwindigkeit vollendeten, nachdem ſie an
laͤngern oder kuͤrzern Ketten hingen. So bald
er zu Hauſe kam, verſuchte er einige Kugeln an
Faͤden von ungleicher Laͤnge in ſeinem Zimmer
aufzuhaͤngen, und dieſelben in Bewegung zu ſe-
tzen, um die verſchiedene Zeit der Schwingun-
gen zu beobachten, und ein gewiſſes Verhaͤlt-
niß und Regel davon auszufinden. Sollte
mancher Unverſtaͤndige, der ihn in ſolcher Be-
ſchaͤftigung angetroffen haͤtte, nicht gedacht ha-
ben: Wie? taͤndelt der Mann? Will er ſich
mit einem kindiſchen Spielwerke die muͤßige Zeit
vertreiben? Nein: ſein aufgeklaͤrter Geiſt
ſahe, daß in dieſer zufaͤlligen Erſcheinung eine
groſſe Wahrheit verborgen laͤge: er ſpuͤrete
ihr nach, und entdeckte durch ſeine Verſuche die
[Grundregeln] der ſchwingenden Bewegung.
Dieſe ſind es, welche hernach dem vortreflichen
Huygens vor 112 Jahren den Weg gewieſen,
H 2auf
[116] auf die Erfindung der Penduluhren zu kom-
men *), die nachmals durch weitere Entdeckun-
gen noch zu groͤſſerer Vollkommenheit gebracht
worden.
Zuweilen, wenn ſchon etwas erſprießliches
entdecket geweſen, hat noch die Erfindung aller-
ley Hinderniſſe angetroffen, ſo, daß ſie entwe-
der ſpaͤte allgemein genuͤtzet worden, oder gar
wieder verloren gegangen iſt, bis man ſie etwa
nach langer Zeit aufs neue erfunden, und einer
guͤnſtigern Aufnahme gewuͤrdiget hat. Von
dem aͤuſſeren Widerſtande, welcher die Ausbrei-
tung der Erfindung unterdruͤcket, als Aberglau-
ben, Vorurtheile, Leidenſchaften **) u. d. gl.,
will
[117] will ich hier nicht einmal reden. Meine Ab-
ſicht iſt itzt nur, die unmittelbaren Hinderniſſe
beym Erfinden ſelbſt, als hauptſaͤchlich die ge-
woͤhnliche Schlaͤfrigkeit oder Unachtſamkeit, den
Mangel an practiſchen Nachdenken und gemein-
nuͤtzigem Zwecke, dadurch ſo viel fruchtbarer
Same zuruͤckgehalten oder gar erſticket wird,
vor Augen zu legen.
Eben deswegen, weil ſo wenig Menſchen
mit den erfoderten Eigenſchaften begabet waren,
haben die meiſten Erfindungen alter Zeiten,
wenn nicht die bloſſen Nothwendigkeiten des Le-
bens dazu angeſpornet, auf einen gluͤcklichen
Zufall warten muͤſſen. Und wie leicht gingen
Tauſende von Jahren hin, ehe ſich der Zufall
und der rechte Beobachter zuſammen trafen.
Kaum ſeit ein Paar hundert Jahren, und be-
ſonders ſeit der ruͤhmlichen Stiftung eigentli-
cher dazu beſtimmten gelehrten Geſellſchaften,
hat man erſt angefangen, mit Fleiß und Vor-
ſatze nicht allein alle von ſelbſt vorfallende Er-
fahrungen in der Natur zu beobachten, ſon-
dern auch eigene Verſuche daruͤber zu machen.
Manche derſelben werden Unverſtaͤndigen Klei-
nigkeiten und veraͤchtlich ſcheinen. Sie wollen
entweder ſogleich baaren Vortheil, oder etwas
in die Augen fallendes Wunderbare ſehen.
”Haͤtte Guericke, der Erfinder der Luftpumpe,
H 3“(ſagt
**)
[118] “(ſagt Herr Gralath*) ſeine Verſuche nicht
“in ſolcher Geſtalt aufgefuͤhret, und ſeine luft-
“leeren Halbkugeln nicht mit 30. Pferden von
“einander reiſſen laſſen; ſo wuͤrden ſie auf
“dem Reichstage zu Regensburg nicht ſo groſ-
“ſes Aufſehen gemacht haben, und von Hohen
“und Niedrigen bewundert worden ſeyn.” Al-
lein, man fahre nur fort zu beobachten, wenn
gleich die Bemerkung anfangs unanſehnlich
ſcheinet, ſo wird ſich von allen Wahrheiten
und ihrem Zuſammenhange ſchon der Nutzen
zeigen.
Mußte es nicht ehemals ein bloſſes Spiel-
werk ſcheinen, wenn man an einem ſchlechten
Steine bemerkte, daß er Eiſen anzoͤge? Es
iſt auch dieſe Beobachtung, und daß das Eiſen
ſelbſt durch den Magneten eine gleiche Kraft er-
hielte, ſchon ſehr alt, aber lange Zeit ganz un-
genutzt geblieben. Erſt im zwoͤlften Jahrhunderte
erfuhr man, daß der Magnet und das damit
bereitete Eiſen nicht allein ſelbſt ſeine Richtungs-
puncte haͤtte **), ſondern ſich auch nach einer ge-
wiſſen
[119] wiſſen Weltgegend zu kehren ſuchte, in dem man
etwa den Stein, oder eine daran geſtrichene
Nadel an einen Faden gehaͤnget, oder vermit-
telſt eines Stuͤckchen Gorks auf dem Waſſer
ſchwimmen laſſen. Vielleicht diente auch die-
ſes noch eine Zeitlang nur zu Kunſtſpielen. End-
lich hat es zu Anfange des 14ten Jahrhunderts
ein guter Kopf anzuwenden gewußt, und es iſt
daraus die ſo nuͤtzliche Erfindung der Seecom-
paſſe entſprungen *), dadurch der Schiffer in
den Stand geſetzet, ſich von den Kuͤſten in die
freie See zu wagen, der Weg nach beyden In-
dien ausgeſpuͤret, und die Handlung von ganz
Europa anſehnlich ausgebreitet iſt. Durch den
Fleiß neuerer Zeiten iſt dieſes Werkzeug nach-
gerade vollkommener geworden. Beſonders
aber hat die nach vielen Verſuchen gemachte
Entdeckung des Hrn. Canton in England,
welcher im Jahr 1750. dem Stahle ohne Zu-
thun eines Magneten, die voͤllige magnetiſche
Kraft zu geben gelehret hat **), die Wiſſen-
ſchaft und den Nutzen dieſer Kraft ſehr erweitert.
So iſt es auch mit der Beobachtung der
Electricitaͤt gegangen. In ſehr alten Zeiten
hatte man ſchon bemerket, daß der Bernſtein
und einige andere Koͤrper, wenn ſie etwas ge-
rieben worden, Spreu und andere leichte Sa-
chen anzoͤgen und von ſich ſtieſſen *). Es
ward aber der Sache nicht ſonderlich nachge-
forſchet. Gegen das Ende des 16ten Jahr-
hunderts fing D. Wilh. Gilbert in England,
und zwar bey Gelegenheit ſeiner Unterſuchun-
gen vom Magneten an, mit verſchiedenen Koͤr-
pern eigentliche Verſuche deswegen zu machen.
Es ſchien wahrlich ein fruchtloſer Zeitvertreib
zu ſeyn, und reizete auch nur wenige, ſich damit
zu beſchaͤftigen. Otto de Guericke, der be-
ruͤhmte Buͤrgermeiſter in Magdeburg, erweiterte
in
[121] in der Mitte des vorigen Jahrhunderts dieſe
Verſuche, und bemerkte ſchon, daß auch Fun-
ken und Schall durch das Reiben ſolcher Koͤr-
per erreget wurden *). Noch einige Zeitlang
wurde nicht viel darauf geachtet, bis der ge-
ſchickte Hauksbee zu Anfange dieſes Jahrhun-
derts die electriſchen Wahrnehmungen recht in
Gang gebracht, da ſie dann hernach von vielen
Gelehrten mit Eifer getrieben ſind **). Nun
H 5beob-
[122] beobachtete man die Fortpflanzung der Electri-
citaͤt durch verſchiedene Koͤrper, die erregten
Funken und andere Eigenſchaften mit mehrerer
Aufmerkſamkeit, und Hr. Gray, der nebſt Hrn. du
Fay die Kentniß der Electricitaͤt ſehr befoͤrdert hat,
aͤuſſerte ſchon im Jahre 1735. die Vermuthung,
daß das electriſche Feuer mit der Materie des
Blitzes uͤbereinzukommen ſchiene *). So
blieb auch der beruͤhmte D. Franklin nicht
bloß bey der Erde, ſondern er erhob ſeine Ge-
danken, fuͤhrte uns auf die groſſe Electricitaͤt in
der Luft, erfand den Weg ſich ihrer zu verſi-
chern, machte die ſinnreichſten Verſuche und
Beobachtungen, verglich die erfundenen Wahr-
heiten, zeigte ihren Zuſammenhang, und zog
daraus die wichtigſten Folgerungen. Nun
blieb es alſo nicht bey dem bloſſen Vergnuͤgen
des Gelehrten, die von dem Schoͤpfer der Na-
tur eingepraͤgten Kraͤfte zu kennen: es ent-
ſprang auch ein betraͤchtlicher Einfluß in das
menſchliche Leben **). Nie wuͤrden wir deſſen
haben genieſſen koͤnnen, wenn nicht unermuͤdete
Naturforſcher bey ihrer Wißbegierde auch auf
die kleinſten Umſtaͤnde geachtet und ihnen eifrig
nachgeforſchet haͤtten.
Noch eine Hinderniß der Entdeckungen muͤſ-
ſen wir nicht vorbey gehen, welches hauptſaͤch-
lich bey Gelehrten Statt findet. Dies iſt die
Einbildung, daß man ſchon genug wiſſe, und
ohne weiter nachzuforſchen, alles zureichend ein-
ſehen und erklaͤren koͤnne. Dieſe Meynung hat
gewiß in den vorigen Jahrhunderten ſehr ſchaͤd-
liche Wuͤrkungen gehabt, und das Wachsthum
aller Wiſſenſchaften gehindert. Man ſtand in
den Gedanken, daß man bereits faſt alle Wuͤr-
kungen und Eraͤugnungen in der Natur verſtehe:
indeſſen begnuͤgte man ſich mit leeren Hirnge-
ſpinnſten, welche man Lehrgebaͤude nannte, und
als ausgemachte Wahrheiten anſahe. Der
Schuͤler ſprach ſie dem Lehrmeiſter nach, und war
eben ſo ſtolz auf ſeine groſſe Einſicht als jener, und
eben ſo unbemuͤhet, der Wahrheit weiter nachzu-
ſpuͤren. Zum rechten Gluͤcke fuͤr die Erweiterung
wahrer Kenntniſſe, kam der groſſe Franz Bacon,
und lehrete zu Anfange des vorigen Jahrhunderts
die ſichere Spur, daß man die Einbildungen ver-
laͤugnen, und die Wahrheit erſt durch wirkliche
Erfahrungen entdecken muͤſſe *). Seit der Zeit,
da dieſer Weg eingeſchlagen worden, haben wir
in Europa mit zuverlaͤßigen Schritten viel groͤſ-
ſern
[124] ſern Fortgang gemacht, als je in vorigen Zeiten
und in andern Laͤndern geſchehen iſt. Und da
man in England insbeſondere an dieſem Vorſatze,
alles durch Erfahrungen zu unterſuchen, Ge-
ſchmack gefunden hat, ſo ſind auch dortige geſchick-
te Koͤpfe ſeit dem vorigen Jahrhundert an nuͤtz-
lichen Entdeckungen beſonders fruchtbar geweſen.
Ich will abermals nur das Beyſpiel der electri-
ſchen Verſuche anfuͤhren. Herr Gralath*)
und der Herr Baron von Wolf ſelber **), geſte-
hen, daß die Deutſchen wohl vornemlich aus
der Urſache die electriſchen Verſuche, darinn ſie
doch ihrem Landsmanne Guericke am erſten
haͤtten folgen ſollen, verſaͤumet haͤtten, weil ſie
gemeinet, daß das Anziehen der geriebenen ele-
ctriſchen Koͤrper genugſam durch die erregte
Waͤrme und verduͤnnete Luft erklaͤret, uud alſo
hiebey nichts weiter nachzuforſchen waͤre †).
Die
[125] Die Englaͤnder hingegen waren eifrig bemuͤ-
het, der durch Newton auf die Bahn gebrach-
ten allgemeinen Anziehung nachzuſpuͤren, und
machten desfals viele neue Verſuche und Be-
merkungen. Irreten ſie nun gleich in der Art
ſich auszudruͤcken, und vielleicht auch in ihrer
Vorſtellung, da ſie glaubten, ein Koͤrper koͤnne
ohne Zwiſchenmittel auf einen entfernten wuͤrken;
ſo forſchten ſie doch einer verborgenen wahren
Kraft nach, die Urſache mochte nun ſtecken wo ſie
wollte, und es war beſſer ohne Vorurtheil Wahr-
heiten aufzuſpuͤren, als ſie, weil man ſich ſchon
mehr zu wiſſen einbildete, zu uͤberſehen *). Ver-
nuͤnf-
†)
[126] nuͤnftiges Nachdenken, und die Erforſchung der
Urſachen bleiben indeſſen allemal in ihrem
Wehrte: auch Hypotheſen, oder muthmaß-
lich angenommene Erklaͤrungen, haben groſſen
Nutzen. Sie koͤnnen uns theils zu Beobach-
tungen leiten, theils zu Vergleichung der Wahr-
nehmungen, theils zu neuen Verſuchen Anlaß
geben. Aber ſie muͤſſen nicht mehr gelten als
Muthmaſſungen, welche man unterſuchen und
auf die Probe ſtellen ſollte, ſo, wie ſie verſchie-
denen geſchickten Maͤnnern auch bey den electri-
ſchen Verſuchen gedienet haben. Alsdann
aber ſind Hypotheſen oder eingebildete Lehrge-
baͤude ſchaͤdlich geweſen, wenn ſie, wie oft ge-
ſchehen, vielmehr gehindert haben, das zu ſe-
hen
*)
[127] hen oder ſehen zu wollen, was man ſonſt haͤtte
wahrnehmen koͤnnen. Unſere Schluͤſſe ſind
ſehr mangelhaft, wenn ſie nicht durch Erfah-
rungen unterſtuͤtzet werden, und auſſer dieſer
betraͤgt alle menſchliche Wiſſenſchaft uͤberaus
wenig. Nie ſollten wir die Empfindung un-
ſerer Unwiſſenheit aus dem Sinne laſſen, wo-
ferne wir noch wuͤrklich in Wiſſenſchaften zu-
nehmen wollen. Wer weiß, wie viele verbor-
gene und nuͤtzliche Eigenſchaften und Kraͤfte in
der Natur und allerley Koͤrpern, noch kuͤnftig
durch Beobachtungen und Verſuche entdecket
werden, welche itzt vielleicht, da man ſie ſchon
haͤtte bemerken koͤnnen, unter dem verlachten
Namen der Sympathie und Antipathie ver-
worfen werden? Wuͤrden uns aber die ma-
gnetiſchen und electriſchen, wie auch verſchie-
dene chymiſche Wuͤrkungen nicht eben ſo un-
glaublich vorkommen, wenn wir nun zuerſt von
Unverſtaͤndigen die Nachricht davon erhielten?
Es iſt ein Irrthum, wenn man mit jenen Wor-
ten eine Wuͤrkung ohne Urſache andeuten, oder
auch das Anſehen haben will, mit einem un-
verſtaͤndlichen Namen die Urſache genug zu er-
klaͤren: allein, es iſt auch ein ſchaͤdlicher Irr-
thum, die Sache zu verwerfen, weil wir die
Urſache nicht begreifen koͤnnen. Erſt ſpaͤte wird
der menſchliche Verſtand ſo weit kommen, die
Verwandſchaft der Kraͤfte auszufinden, welche
wir fuͤrs erſte nach ihren verſchiedenen Wuͤr-
kungen als verſchieden aufſuchen muͤſſen.
Ich habe in gegenwaͤrtigem Aufſatze, die in den
Engliſchen und andern Abhandlungen mitgetheilten
Bemerkungen zu verſchiedenen Folgerungen und zu
Erlaͤuterung des Zuſammenhanges der Wahrhei-
ten anwenden koͤnnen. Was ich angefuͤhret, habe
ich mit Fleiß nachgeſehen: meine Geſchaͤfte aber
erlauben mir itzt nicht ein mehreres aufzuſuchen,
und man wird mir bey meiner oft unterbrochenen
Arbeit verzeihen, wenn ich ein und anderes anzu-
fuͤhren verſaͤumet habe, wie auch, daß mein Vor-
trag nicht ſo gut gerathen koͤnnen, als er ſollte. —
Ich muß aber andere gute Beobachter erſuchen, ihre
Wahrnehmungen unſerer Geſellſchaft zuzuſchicken,
um ſie gemeinnuͤtzig zu machen. Man wird die ein-
geſandten Aufſaͤtze mit vielem Danke annehmen, ſie
in einer beſonderen Verſammlung einiger Mitglie-
der erwaͤgen, und nach Befinden zur Ehre der Her-
ren Verfaſſer bekannt machen.